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Blätter für literarische Unterhaltung.
Vahrgaung 1943,
Zweiter Band.
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— Blätter
für
literarische Unterhaltung.
Vahrganug 18413.
Zweiter Sim.
Juli 58 Deääben
(Enthaltend: Nr. 182— 365, Beilage Nr. 2, Literarifche Anzeiger Re. XV — KXXIV .)
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| Blätter
für
literariſche Unterhaltung.
Sonnabend,
— Kr. 182. —
1. Zuli 1843.
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Bon biefer Zeitfchrift erfcheint außer den Beilagen täglich eine Nummer und iſt dee Preis für den Jahrgang
13 Thlr. Ale Buchhandlungen in und außer Deutfchland neh
men Beftellung darauf an; ebenfo alle Poftämter,
die fich en die Tönigl. faͤchſiſche Zeitungserpebition in Leipzig ober bas koͤnigl. Peubiiae Srenzpoftamt in’
Halle wen
Die Verfendung findet in Wochenlieferungen und in Monatsheften
Bittoria Kolonne.
Le Rime di Vittoria Colonna, coorrette zu i testi a penna 6
pubblicate oon la vita della medesima dal cavaliere Pietro
Ereole Visconti. Bi aggiungono le poesie ommesse nollo
enti edizioni e le inedite, Rom, 1840. (Erſt Ende
842 publicirt.) .
Kraͤnze und Kronen verfchiebener Art find dem Haufe
Golonna zu Theil geworden und Gluͤck und Unglüd in
rihem Maße. Seite im Kampfe des Papfichums mit
dem Rothbart von Hohenflaufen das römifche Volk dem
Oddo Colonna die Wohnungen niederriß und feine fefte
Burg Patefirina vergeblich angriff; feit, im J. 1167,
Alexander II. den Bann der Kirche über das Geſchlecht
ausfprah, find, das ganze Mittelalter hindurch und bie
jur Zeit, wo bie großen Seudalfamilien ihre politifche
Bedeutung verloren, die Colonnefen von Kampf zu Kampf
gegangen, von Niederlage zu Sieg, von Vernichtung zu
Größe. Eine an wichtigen Creignifien, an Schickſals⸗
mechfeln, an Bewegung fo reihe Samiliengefchichte wie
die ihre gibt es wol nicht. Wenn ganz Rom guelfiſch war,
fafen fie, hartnaͤckige Ghibellinen, auf ihrer quicinalifchen
Burg, dem Volke trogend wie dem feindfeligen Adel, und
fdauten von der Warte von Pränefle, wo fie das ſchon
duch feine Lage fa unangreifbare Gaftell ©. s Pietro
durch ſtarke Befeſtigungen noch mehr gefichert, hinab auf
die roͤmiſche Ebene, bie fie durch ihre Reiſigen ebenfo
leicht beunruhigten, wie fie die am Monte Gaffino vor:
über nach Neapel führende Straße, durch die Lage ihrer
Burgen begünſtigt, duch bie Scharen ihrer Vaſallen
ſperren tonnten. Dem vielfachen Kriegeruhm, dem Ruhme,
der Kirche zahlreiche Cardinaͤle und, nad) vieljährigem
Schisma, den erſten von der gefammten Ehriſtenheit wies
ber anerlannten Papfi gegeben zu haben, ward auch der
Rum der Wiſſenſchaft und Dichtung zugefellt. Nach⸗
dem der Auguſtinermoͤnch Egidio Colonna, welcher 1316
in Avignon ſtarb, durch fein Buch „De Begüunine prin-
eipum“ und feine Steeitfhriften über die Colliſionen
zwiſchen ber geiftlichen Mache feinem Namen große Vers
ehrung, fich felber vielen Haß und viele Liebe erworben;
nachdem, durch Petrarca’s Dichtungen und Briefe, und
die Freundſchaft, die den großen Dann an mehre Glie⸗
ber des Haufes Colonna nüpfte, dieſes letztern Name
mit dem der ſchaͤnen Sen von Avignon gleichſam vers
ſchwiſert. morden! wotteifirte im 16. Jahrhundert eine
Colguneſin mit dem’ Sänger Laura's. Won ihr fagte
eddonica Aslafto: -.
Vitoria #1 Home ; & ben conviensi a nata
Fre le-vittorie od a chi o vada o stanzi
, Di wolei ı re o di trionfi ornata,
“.ba-tittoria abbia seco o dietro o innanzi.
Vittoria Colonna wurde zu Marino am Albanerges
biege, einem Leben ihrer Familie, 1490 geboren. She
Vater war Fabrizio Colonna, ihre Mutter Agnefe von
Montefeltro, bie Tochter des ruhmwuͤrdigen Herzogs
Sriedrih von Urbino. Die Zeit, in der fie das Licht
dee Welt erblickte, war die lepte Zeit der Ruhe für Ita⸗
lien: nicht lange barauf brach der Krieg aus, welcher
Fremden die Hälfte bes Landes geben folte und bie nas
tionale Unabhängigkeit vernichtet. Die meiften italifchen
Grafen wurden in den Strudel der gewaltigen Ereigniſſe
bineingegogen: Peiner mehr denn Vittoria's Water, der,
eine kurze Zeit auf der Seite Frankreichs, den Reſt ſei⸗
nes Lebens hindurch für Spanien kämpfte, bei Ravenna
Gaſton de Zoig gegenüber fand, Julius IT. srogte,
indem er dem bedrohten Herzog von Ferrara aus Rom
fliehen half, und nad vielen Wechfelfällen und kriegeri⸗
ſchen Thaten, bie er, urfprünglic zum geiftlichen Stande
beftimmt, gegen den Willen feiner Familie mit ber Theil⸗
nahme an ber Vertreibung der Türken aus Otranto ers
öffnete, als Sroßconnetable von Neapel (eine Würde, bie
in feinem Haufe erblich ward) 1520 zu Averfa flarb,
mit ſolchem Ruhme der Kriegtkunde, daß Macchiavell iq
feiner „Arte della guerra” ihm die Hoffe des unterwei⸗
fenden Rebners bei den Zuſammenkuͤnften in den Rucel⸗
lai'ſchen Gärten in Florenz zutheilte. Im Kindesalter
wurde Bittoria mit Ferrante d'Avalos, dem Sohn des
Marquis von Pesiara, verlobt; politiſche Verhaͤltniſſe
waren Hauptveranlaſſung zu dem Buͤndniſſe, welches erſt
dann feſter geſchloſſen ward, als der Zweig des aragoni⸗
ſchen Koͤnigshauſes, der damals den Thron Neapels beſaß
und das Geſchlecht der Colonneſen immer mehr an ſein
Intereſſe zu Inlpfen ſuchte, laͤngſt zu regieren aufgehört
hatte und das Land eine ſpaniſche Provinz geworben
war. Am 27. Dec. 1509 fand die Vermaͤhlung ſtatt,
auf ber Inſel Sohle, bie ben d'Avalos gehörte, und
wohin Vittoria von Marino gekommen war. Zwei Ins
tereffante Documente aus dem Archiv des Hauſes Co:
lönna, welche in dem obenangezeigten Buche mitgetheilt
find, geben von der Ausflattung Vittoria's Kunde. Wir
finden darunter ein Bert „nach franzöfifcher Mode’ mit
Vorhaͤngen und fonftigem Zubehör von Carmoifinfeide mit
blauem Taffet gefüttert, mit breiten Streifen von geweb⸗
tem Bold und goldenen Franzen, dazu drei Matragen,
Dede von Carmolfinfelde von gleicher Arbeit, und vier
Kopfliffen derſelben Art mit Franzen und Knöpfen von |
Gold. Drei Obergewänder (camorre) von violettem Sammet |
und carmolfincothem und ſchwarzem Brocat. Eine Dede
und
tbier. Die Mitgift betrug 14,000 Dukaten.
ben Klelnodien, die der Bräutigm ſchenkte, ‚befanden fich
ein Kreuz von Diamanten am'Anet gasbanen Kerze, "2000
Dukaten im Werth, gefaßte Diamanten, Ribiue? And |
Smaragde, zwölf goldene Armbänder; Jibetbled: ehe Menge |
Tollettegegenflände von Sammet,,. Brote: uad':Geibe.
Bittoria brachte gluͤckliche Tage An ˖ N
beſaß die Familie ihres Gatten die ſchoͤne Villa Pietralba,
von der man auf Stadt und Golf und Juſeln ſah; am
beitebteflen war aber bee Aufenthalt auf Jsochia, wo Fer:
vante’s Tante, Coflanza d'Avalos Marquife von Franca⸗
via, welche die obere Leitung ber Angelegenheiten der
Familie hatte, Haus hielt und wo ein glänzender Kreis
von Kriegen und Staatsmännern, von Dichten und
Frauen ſich zu vereinigen pflegte. Dies bezeichnet Ber:
nordo Tafſo, Torquato's Vater, in einem anmutbigen |
Sonett an die Infel:
DL lame & in te dell’ armi: in te s’asconde
Casta beltà, valore o cortesia,
Quanuta mai vide il tempo, o diede il cielo.
Aber fo gluͤckliche Zeiten follten nicht lange währen.
Die unrubige Regierung Sulius’ IL ließ Italien nicht
genießen: der große Papft wollte das Land von
der Fremdherrſchaft befreien, aber er vermochte es nicht
etoß der gewaltigen Hälfsmittel feines Niefengeiftes, und
mehrte nur Noth wie Unordnung. Im obern Italien
wurden die entfcheldenden Schlachten gefochten: bei Ra⸗
niſche Macht mit Ihren Bundedgenofien, und Fabrizio
Colonna und Ferrante d'Avalos, weiche dem Vicekoͤnige
Zaͤumung u. ſ. w. von gewebtem Gold für ein Maul: |
Unter }.
: fpel’Ju:::An dem |:
Dügel, den jetzt das Caſtell von’ S. @ikw. :dnrdimmt, |
Neapel, Ramon be Carbona, ber großentheils bie Nies
derlage verſchuldet, wach den fumpfigen Niederungen des
Po gefolgt waren, geriethen in feanzöfifche Gefangenſchaft.
Vittoria war auf Ischia zurhdgeblieben: einen Theil ih⸗
ver Zeit Verwandte fie auf die Erglehung bes jungen Vet⸗
ters ihres · Gemahls, Alfonſo dAvalos, Marguis dei Vaſto,
ber nachmals eine fo bedeutende Rolle ſpielte und deſſen
Name leider mit ber GBefchichte der Unterdruͤckung Ita⸗
liens durch die Spanier eng verbunden if. Niemand
batte auf den talentuollen aber heftigen, trogigen, rach⸗
füchtigen Juͤngling fo vielen Einfluß wie Wittorla: fie
konnte ihn zur Milde umflimmen, ja den Geſchmack an
Porfie und Kunft flößte fie ihm ein, und wenn in fpd-
tern Zeiten von ihrer Kinderloſigkeit die Rede war, pflegte
fie zu fagen: „Unfruchtbar kann ich nicht genannt werben,
denn aus meinem Geiſte babe ich biefen geboren.” Aber
während der Abweſenheit des Gatten und Waters flofien
ihre Tage in Unruhe und Zrauer bin. Sie ſchildert ih⸗
ven Buftand in bem ſchoͤnen Briefe, den fie an Pescara
. während feiner Sefangenfchaft fchrieb:
"Sempre dubbiosa fü la mente mia;
Chi me vedera mesta, giudioava
Che m’ offendesse assenza o gelosia.
Ma io, misera me! sempre pensava
L’ ardito tuo valor, l’animo audace,
Con che s’accorda mal fortuna prava.
Altri chiedeva guerra; io sempre pace
icendo : assai mi fia se il mio marchese
Meco quieto nel suo stato giace.
Non nuoce a voi tentar le dubbie imprese;
Ma a nei, dogliose, afflitte, che aspettando
Semo da dubbio oe da timore oflese!
Vol, epiati dal furor, nen ripensando
Ad alıro che ad onor, contre al periglio
Solete con gran furia andar gridando;
Noi, timide nel cor, meste nel ciglio,
Semo per voi; e Ja sorella il fratre,
La sposa il sposa vuol, ia madre il figlio,
Die Pflicht der Gattin, dem Gatten ſtets zu folgen,
Gluͤck und Ungluͤck uͤberal mit ihm zu theilen, druͤckt
fie dann in unäbertrefflihen Verſen aus:
uir si dere il sposo e dentro co fora,
‚s’egli pate affanno, ella patisca:
Se lieto, lieta; e se ni more, mora,
A quel che arrisca l'un, l’altro s’arrison ;
gwali in vita, eguali siano in morte;
Ei ciö che avrviene a lui, a lei sortisca.
Aber die Gefangenſchaft des Colonna wie Pebcara’s
| war nicht langwierig noch hart: dem Einen half naments
lich die Freundſchaft des Herzogs von Ferrara, dem er
bald darauf feinen Dienſt vergelten konnte; bes Anbern
: die Theilnahme feines Verwandten, des großen Marſchalls
Trivulzio. Go wurden Beide bald befreit. Pescara war
verwundet in die Hände ber Feinde gefallen: während er
; im malländer Caſtell feine Deilung abwartete, ſcheieb er
ein Geſpraͤch Über die Liebe, das er feiner Sattin ſandte.
venna unterlag, wenn auch ſehr kurze Zeit nur, bie [pas
Endlich ward biefer das Gluͤck, ihn wiederzuſehen: in einem
Sonett, das fie lange darauf in ſchmertlicher Erinnerung
an beſſere Tage ſchrieb, gedeukt fie feine „‚beile ferite”“,
unb Iſabela Vragona, bie vom Cıhielfal hast gepehfte
verwitwete Herzogin von Mailand, fagte zu Pescara: „Ich
möchte ein Mann fein, Ders Marcheſe, wäre es auch nur,
um Wunden im Geſicht zu erhalten wie Ihr, und um
zu ſehen, ob fie mich fo gut kleiden wuͤrden wie Euch.”
Bange währte die Ruhe nice: mit feinem Schwirgervater
und mit Prosper Golonna, dem erflen Taktiker feiner
Beit, nahm Pescara von neuem Antbeil an den itall⸗
ſchen Feldzugen, sing 1517 als Abgefanbter des neapoli⸗
aragentfchen Adels nach Flandern zum Könige Kal,
war mit Wittorie in Rom, wo Leo X. regierte, zog mit
Drosper in jenen großen Krieg, wo Karl V. und Kranz.
zum erfien Mal die Macht ihrer Reiche miteinander
— und das unglüͤckliche Herzogthum Mailand wies
derum ber Kampfplatz ward. Auf des Kaiſers Seite
landen der Papſt und die Eidgenofien. Der Marſchall
von Lautrec, muthiger denn gluͤcklich, commandirte das
frangdfifche Here in der Lomibardel und verlor Mailand
im Nov. 1521. Nicht lange barauf flach Leo X., aber
der Krieg währte fort unter feinem Nachfolger Hadrian VI.:
Prosper Colonna und Georg von Frundsberg ſchlugen
Lautrec bei Labicocca in Mailande Nähe (27. April
1522), Pescara nahm und plünderte Genua. Der lebte
Sforza, Franz II., erhielt fein väterliches Erbe wieder;
nur das Gaftell von Gremona war 1523 im Beſitze ber
Srangofen geblieben, die kurz vorher bie ganze Lombardei
inme gehabt. Aber fie fliegen wieder mit großer Heeres⸗
macht herab in die lombarbifche Ebene; ihr oberfier Fuͤh⸗
ver, ber Admiral de Bonnivet, belagerte Malland, wo
Drosper Colonna am 30. Der. flarb; Pescara, der Con:
netable von Bourbon, welcher feinem Vaterland als Feind
gegenüberftand,, des Niederländer Charles be Lannoi be:
fehligten bie Lalferlihen Truppen. Das GSluͤck war ih:
nen hold, Bonnivet zog ſich zurkd, beim Übergange über
die Seſia ereilte ſchlug ihn Pescara. Es war der
Tag, an wei Bayard fiel (30. April 1524). Das
Baiferliche Heer folgte den Geſchlagenen: Bourbon und
Detcara fielen in bie Provence ein und lagerten vor
Marfeille, weiches durch zwei Staltener, Renzo ba Geri
aus dem Daufe Orſini und Federigo da Bozzolo aus
dem Hauſe Genzaga, vertheidigt ward. Die Belagerung
zog fich in die Länge: Krankheiten und Verluſte nöthig:
ten bie kalſerllchen Feldherren zum Ruͤckzuge. König
Stanz rüflete von neuem, während zwilchen dem Papfl
(Clemens VIL) und Karl V. Uneinigkelt ausbeady und
Erſterer fi dem frangöftichen Intereſſe zuwandte. Gin
Inteiguenſpiel, wie kaum irgendwo ein ähnliches gefchen
worben, begann: Clemens VII, ſtets wankelmuͤthig in
feinen Entſchluͤſſen außer da, wo fie idn dem Verderben
juführten, war ganz in feinem Element: fein Datar,
Siovan Matteo Giberti, hielt bie Faͤden In ber Hand.
Dee Herzog von Mailand, wegen der zurüdgehaltenen
tue dem Kaiſer ſchon grollend, lleß fich durch
die paͤpſtlich⸗franzoͤſiſche Partei betbören: fein vornehm⸗
Rer Rathgeber Girolamo Morone wandte alle feine Klug:
beit umd —— auf, die kaiſerliche Faction zu
ſchwaͤchen. Bor Allen fuchte men ara zu gewin
bie Krone Neapels felite der Bahn feines Abſalls ſein.
Der traurige Zuſtand, im welchem ſeit dem Rüdkzuge aus
bee Provence das kaiſerliche Heer, ungeachtet der Ans
ſtrengungen feiner Kührer, fi befand, wurde von den
Unterhändlern vorgefhoben. Inwieweit Pescara fich auf
die Vorſchlaͤge einließ, die Ihm von mailaͤndiſcher Geite
gemacht, von paͤpſtlicher unterftügt wurden, iſt nicht ganz
gewiß; fel es, daß Ehrgefühl ihn abhielt, vom Kaifer ab:
zufallen; ſei es, daß die Sache ihn zu gewagt vorfam:
er weigerte fi * den Lockungen Gehoͤr zu geben. Koͤnnen
wir Dem, was Paolo Giovio ſchreibt, Glauben beimeſſen,
ſo wußte Vittorla um den Antrag und war dagegen.
Denn bei jenem Hiſtoriker meldet fie ihrem Gemahl: er möge
feines angeflammten Hochſinns eingedenk fein, durch ben
er an Ruhm und Ehre vieler Könige Gluͤck und Ruhm
übertreffe. Nice durch die Größe der Reiche und durch
pruntende Titel, fondern durch Tugend erlange man die
wahre Ehre, welche mit ſtetem Lobe auf die Nachkom⸗
men übergebe. Sie verlange nicht, Gemahlin eines Koͤ⸗
nigs zu fein, wol aber die Gemahlin bes großen Felb⸗
beren, welcher im Kriege durch Tapferkeit, im Frieden
durch edle Geſinnung die größten Könige zu beflegen ge:
wußt habe. Vielleicht war es in jeder Hinſicht in Ges
winn für Pebcara, daß er jene Vorfchläge abgelehnt. Das
Gluͤck wandte Frankteich den Rüden: bei Pavia fiel der
glänzendfle Theil des franzöfifhen Adels und, ein Ge
fangener Lannol’6, wurde König Franz nad Pizsiobettne
und dann nad Spanien gebradht.*) Einige Jahre ſpaͤ⸗
tee beendigten die Erftürmung Roms und die Crobes
rung von Floren; (1527 und 1530) das verhaͤngnißreiche
Drama.
(Die Bortfegung folgt.)
Die ſaͤchſiſche Ständeverfammlung , beurtheilt von
einem Engländer.
Das „Athenaeum’ enthält feit einiger Seit auch Correſpon⸗
denzen aus Karisbad, weiche ſich mehr, als fonft bei Auttaͤndern
Braudy * mit ben politiſchen Zuſtaͤnden Deutſchlande beſchaͤf⸗
tigen. mentlich verbreitet ſich eine ber jängften Correſpon⸗
benzen Frei die ſaͤchſiſche Kammer. Der Berichterflatter ieitet
feine Correſpondenz damit ein, daß er meint, es fei Vrauch,
die beutfche Beſcheidenheit und — —— su ſehr zu
ruͤhmen; er Babe von diefer Veſcheidenheit und Gelbfiverkäugnung
nicht eben viel gefunden ; aber dies fei * daß die —**
von ihren "Ständeverfammlungen gering dädıten, daß fie
4: B. fi ganz uͤderraſcht geftcät Hättes en, wenn er, der Weridite
erfkatter, den | trefftihen mb Achtung gebietenben Charakter dee
ſaͤchſiſchen He: beiobt Habe. Und doch habe eu
ſich wirt in ber Tächfiihen Deputirtenfammer fo heimlich
(homelike) gefühlt, wie feit langem nicht, unb mit
Intereſſe —8 und zugeſchaut. Der Correſpondent gibt nun
ein Biid von ber Raͤumlichkeit ber Kammer, von ihrer innerw
Drganifation und ihren Beftandtheilen. Daß bie Mitgliedes
jbesmal, wenn ein Winifter einträte, fidh in Waffe erhösen,
nennt ex ein ſehr unſchuldiges berbleibſel wus der guten alte
*) PYescara’s Sntfhioffenheit, womit er den Durchzug buch
ben Park von Mirabello mit dem fpanifdden Fußvolk beverks
—— um eine ine ara eien Die —** Aura * He
feindlichen en
Fr ven Fr von Pose j
als die Miniier noch Stegen und Geuneufühein
—* . Die Galerie, ſagt er, ſei mit einem aufmerktſamen,
meih aus jungen Maͤnnern beflchenden Yublicum gefällt geweſen;
von Frauen hätten ſich auf der Galerie linke oben ein Halb:
dugend befunben. ierbei ſei die in England geltende Regel
rauen wol zur Zweiten, aber nicht zur Erſten
Kammer zugelaffen würden, obgleich er für feine Perfon ben
VBeſchiuß, daß Frauen in das Haus ber Gemeinen —
werben bürften, niemals habe bewundern koͤnnen, fo gleichgültig
aud) das Factum fei. Ginige Mitglieder, fährt er fort, hätten
oratorifche® Talent gezeigt, eine Geitenheit in Deutſchlaud, we
danach feine große Nachfrage ſei. Gine Grenze bafkr, wie
viel mal ein Mitglied reden dürfe, fcheine nicht beftimmt zu fein,
denn einige Deputirte hätten ſehr oft geſprochen. Herr von
Lefchau (Zeſchau), Minifter des Auswärtigen, habe an bie Kams
mer das Anfinnen geftellt,, daß fie bie Regierung nicht mit den
auswärtigen Mächten in Gollifion bringen möge. Dierbei läßt
fi) der Brite auf ganz vernünftige Betrachtungen ein, weiche
übrigens jeder denkende und wohldenkende Deutfcye machen kann.
Er fagt unter Anderm: „Ss ift ebenfo rührend als entmutbigend,
denken zu müffen, daß bie beften Abfichten des beften der Könige
gegen feine eigenen Unterthanen fo durch fremde Einmiſchung
controlirt und bebrobt werden dürfen” u. f. w. „Der Charak⸗
ter des Königs”, fährt er weiter fort, „iſt der Art, daß er
auch den wildeften Jakobiner entwaffnen müßte; die Einfachheit
des Hofes ftebt in Harmonie mit ben frugalen Gewohnheiten
des Bolks; es ger feine drädende Ariftokratie im Lande.” Daß
eine fo ſtarke Majorität, wie die bei der Frage über OÖffentlich⸗
keit und Muͤndlichkeit, von 72 gegen 4 Stimmen, keinerlei
Reſultat gehabt, darüber wundert ſich ber Brite freilich, der
in folchen Faͤllen an ganz andere Dinge gewöhnt ift. 13.
Literarifche Notizen aus Frankreich.
Zur Geſchichte ber franzöfifhen Bühn«.
In Frankreich gibt es einige von den fparfamen Überreften
aus dem vorigen Jahrhundert, für bie das Theater noch eine
wichtige Angelegenheit ift und die von den Triumphen einer
Etairon, einer Rocourt, eines Talma mit ebenfo großer Begei⸗
flerung fprechen, wie ein alter Invalibe der kaiſerlichen Garde
‘von den fihönften Siegen Napoleons. Das Theätre francais
namentlich zaͤhlt noch einige diefee wahren Verehrer ber bramas
tifchen Kunft unb wir haben vor kurzem erft die Denkwuͤrdig⸗
teiten eines berfeiben unter dem Titel ,„Soixante ans du
thöätre frangais“ erhalten. An biefes geiftreiche Schriftchen,
das aus ber Feder eines ber erften Advocaten von Paris ber
rühren foll, ſchließt fich ein anderes Kleines Werk an, das fochen
die Preffe verläßt. Daflelbe führt den Zitel: „Etudes retro-
Spectives sur l'éêtat de la scäne tragique depuis 1815 — 36°,
von Germain Sarrut (Paris 1843). Wir finden in diefer klei⸗
nen Brofchäre nicht nur einige ſehr gelungene Charakteriſtiken
ber erſten tragiichen Schaufpieler und Schaufpielerinnen, fonbern
auch zum Theil fehr treffende Bemerkungen über die wichtigften
Zragödien, bie während des Zeitraums, dem bie Edhrift ger
wibmet ift, zur Aufführung gefommen find. Germain Sarrut
hat ſich ſchon durch andere Literarifche Arbeiten, namentlich durch
mehre Schriften hiſtoriſchen Inhalte, belannt gemacht, von
beuen wir nur. an die umfangreiche ‚, Biograpbie des hommes
du jour’, die er mit feinem Freunde Saint s Eome herausges
geben bat, erinnern. Gehr Intereffant dürfte auch das foeben
erſchienene Werichen „„Epoques de l’histoire de France en
zapport avec le théatre frangais‘ fein.
Die Sefhiäte ber franzöfifhen Revolution vom |
tegitimiftifhen Stanbpunkte.
Das bidleibige Wert von Thiers über die Geſchichte der
feanzöfifgen Srevoiution fol von einem hochgeſtellten britifchen
Staatemanne ein fein, Vahbeſchein⸗
lich bat man dadurch fagen wollen, dieſes berähmte Merk fei
in ber Leidenſchaftlichkeit des Parteigeiftes gefchrieben. In dieſem
Sinne aber könnte man ben größten Theil der Werke, we
von den franzöflichen Hiſtorikern der Geſchichte der Revolution
gewidmet find, in bie. Ka der Jugſchriften werfen. Go
fteht auch Welle de Gonun, der ganz Füryiidy feine „„Histeire de
la revolution de France’ mit dem achten Bande gu Ende ges
bradyt hat, „auf ber Binne der Parteien”. Er iſt Legitimiſt
und zwar eine von den altgläubigen Seelen, denen alle vevos
Iutionairen Ideen ein Gräuel find und welche bie KReactions⸗
verfuche, burch bie ſich bie Reftauration zu Grunde gerichtet hat,
in Schug nehmen. Ya, Sonny war fogar ale Rebacteur bes
„Conservateur” einer von Denen, die am thätiaflen waren
— wie eine gemeine Rebensart fehr bezeichnend fagt —, ben
Karren wieber in ben Dred zu fahren. Man kann ſich daher
bei diefem Werte, das übrigens fehr gut gefchrieben tft, auf eine
einfeitige Auffaffung ber Revolution gefaßt machen. In der That
ift der Blick des Verf. bei jeder Gelegenheit durch feine politiſchen
Anfichten getruͤbt. Aber eben beshalb bildet fein Werl gerade
ein Gegengewicht zu denjenigen Schriften über die Revolution,
in denen ſich ber entgegengefeäte Geiſt gar zu fehr geltend macht.
Dan belommt ein ganz amberes Bild von biefem großartigen Er⸗
eigniffe, deſſen Zolgen bis in bie Gegenwart hineinreichen, wenn
man zwei fo ſchroff ſich gegenüberftehenbe Dorftellungen, wie
die von Sonny und von Ahlers, zufammenhält, ald wenn man
fih einzig von einem Werke, und wäre es das unpartelifchfte
deutfche Werk über biefen Gegenſtand, leiten laͤßt. 2
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E ig, im Juni 1843.
aipris, in Sun .%. Brochaus.
Beraatwortlicher Herausgeber: Heinrich Brockhaus. — Drud und Verlag von F. A. Brodhaus in Leipzig.
Blätter
für
literarifche
Unterhaltung.
Sonntag,
Vittoria Colonna.
(doetſequng aus Rx. 188.)
Serrante d'Avalos, im deſſen Hände, dem Anfcheine
nach, in dem oberwähnten Moment das Schickſal, das
Wohl und Wehe Italiens gegeben waren, follte dieſe letz⸗
tern Ereigniſſe nicht mehr erieben. Gele 1521 fah Vit⸗
totia ihn felten: nur 1522, wo fie ihre Mutter, bie eine
Pitgerſchaft nach Loretto unternommen, auf dem Heim⸗
wege von derfelben durch ben Tod verlor, war er auf
kurze Zeit in Neapel. Bei Pavia war er ſchwer vers
wundet worden und die Heilung war unvolllommen. Im
Sommer 15235 nahmen feine Kräfte rafh ab: man
ſprach, gewiß ohne Grund, von Gift, das ihm beis
gebracht worden ſei. Sein Verhalten bei jenen Intri⸗
guen hatte zu mancherlei Verdacht Anlaß gegeben, wenn
auch für ihn feine Bortiebe für Spanien fprach, bie ſich
namentlich in feinen legten Jahren Außerte, wo er [pas
niſche Tracht anlegte, fpanifch ſprach, und wol fagte, er
moͤchte lieber Spanier ſein denn Italiener. Als Vittoria
von der lebensgefaͤhrlichen Krankheit des Gatten vernahm,
eilte fie nach der Lombardei, aber In Viterbo erhielt fie
die Rachricht feines Todes. Pescara verfchieb zu Mai:
land am 25. Nov. 1525, In jugendlichen Jahren (er
war nicht Alter als Vittoria), aber mit dem Ruhme, ei⸗
ner der erfien Felbberren und Taktiker feiner an großen
Kriegemännern reichen Zeit geweſen zu fein.
Der Schmerz ſchien Vittoria anfangs zu uͤberwaͤlti⸗
gm. Sie wünfchte fi In, das Clariffenkloſter S.: Sit:
veftro in capite in Rom zurückziehen zu können; der Papft
ertheilte ihr dazu feine Erlaubniß mittel eines an bie Ab⸗
tiffin und Nonnen gerichteten Breve vom 7. Dec., welches
von dem berühmten Sadolet abgefaßt warb.
Da wir erfahren haben — heißt es darin —, daß unfere
geliebte Tochter Bittoria Colonna Drardyefa von Pescara, vor
turgem ihres zupnimärbigen Gemahls beraubt, von Tage zu
nie m
ber infamteit irgenb eines Gott geweihten Ortes ſich
fehbnt, dort dem Herrn ungeftörter dienen unb dem Gebete für
bie Seele ihres Gatten ſich bingeben zu innen, fo haben wir
in jener liebevollen Berüdfichtigung, die wir Allen Ichuldig find,
und in Gemaͤßheit des befondern und väterlichen Wohlwollens
gegen bie Genannte und ihren Bruder ben ebeln Herrn Ascanio
Tolonna, Euer Klofter ihr zum Aufenthalt angewiefen, welchem,
wie wir vernommen, bie gefammte Solonnefifche Familie eine
beſendere Berehrung zollt.
Schmerz und den Thraͤnen ſich hingibt und
Nachdem nun ben Kloſterfrauen anbefohlen worden,
Bittoria mit ihrem Gefolge ehrenvoll aufzunehmen, ſchließt
das Breve folgendermaßen:
Damit nicht, ihrem Schmerz eher Gehör gebend als reifli⸗
der Überlegung, die Gedachte ihr Witwengewand mit Nonnen⸗
tracht vertaufche, verbieten wir Euch, bei Strafe der Crcommu⸗
nication im firengen Sinne, ſolches ohne unfere befonbere Ge⸗
nehmigung zu geftatten.
In der Ruhe und Abgefchiebenheit des Kloſters ſcheint
Vittoria vorzugsweife jener ernften und frommen Poeſie
ſich zugewande zu haben, die ihe Troſt in ihrem Schmerz
und unvergänglichen Ruhm verfchaffte. Aber nicht lange
folte die Ruhe währen. Elemens VII., den Franzoſen
geneigt, konnte mit der kaiſerlichen Partei nicht in Eins
tracht bleiben. Was die alten Päpfte an Widerſetzlich⸗
keit und Trotz in ihrer eigenen Hauptflabt erfahren, warb
ihm in reihen Maße zu Theil. Eine Zeit lang fanden
bie Gegner, heimlich grollend, aber noch duferlich ruhig,
einander gegenüber: doch hielt Ascan Colonna es für ges
rathen, feine Schweſter nach Marino zu bringen. Am
20. Sept. 1526 plünbderten die Golonnefen mit ben von
ihren vielen Lehen im Kicchhenflaat und im Neapo⸗
litaniſchen herbeigezogenen Vaſallen unb mit Laiferlicher
Mannfhaft den Vatican und nöthigten ben Papft, nach
der Engelöburg zu fliehen, wo am folgenden Rage ein
foͤrmlicher Vertrag abgefchloffen ward, bei dem indeß der .
Kaifer beſſer bedacht warb als feine römiihen Bundes⸗
genofjen, denen eine ziemlich Large Ammeflie zu Theil
wurde. Diefes Ereigniß war nichts als der Vorlaͤufer
dee Pluͤnderung Roms durch das wilde Here des Con⸗
netable von Bourbon. Bor diefem beflagenswerthen Vor⸗
fa Hatte Vittoria den Kirchenſtaat verlaffen und fi
nach Jochia begeben, nachdem fie es durch ihre Bitten
und Vorſtellungen nicht zu hindern vermocht hatte, daß
Dompeo Colouna des Cardinalshuts verluftig , ihr Bru⸗
dee Ascan und alle Angehörigen in die Acht erklaͤrt,
fämmtliche Vaſallen des Hauſes ihres Lehnseides entbun⸗
den worden waren. Als nun das große Ungluͤck geſche⸗
hen war, als Rom von zuchtloſen Horden gepluͤn⸗
dert, der Glanz und Reichthum der Stadt und ber Fa⸗
millen auf Jahre vernichtet, dee Papſt in der Engels:
burg gefangen gehalten, viele Cardinaͤle und Praͤlaten
in Seindes Hand Mishandlungen umb den größten (des
fahren preißgegeben, alle Huͤlfomittel erfchöpft waren: bes
wu
nuste Wittoria den Einfluß, den fie bei ben Ihrigen umb
bei ihrer Partei hatte, dies harte Geſchick zu mildern,
ſchrieb an den Garbinal Golonna, der bald das Elend
beweinte, welches über feine Heimat herbeizuführen er fels
bee mitgewirkt, an Dei Vaſto, an Audere, gab waß fie
beſaß willig her, Gefangene zu loͤſen, bie Habſucht der
Spanier, die Bier der Deutfchen zu befriedigen. Daß
ihe Wirken nicht fruchtloß war, zeige unter Anderm ein
Schreiben des ſchon genannten Biſchofs Biberto, der bes
ſtimmt war, zu der Zahl dee vom Papſt gefteliten Gei⸗
feln zu gehören.
Ich möchte wuͤnſchen — fchreibt diefer am 20. November
4537 —, daß ich nicht früher ſchon ber Zuneigung unb bes
WBohlwollens, welches Ew. Excellenz mir geſchenkt, fo gewiß
geweſen wie es bei mir ber Ball war. Denn wenn die Beweile
bavon, die ich erhalten und die mit jedem Tage ſich mehren,
mir neu unb unerwartet wären, fo würben fie mich mit folcher
Zreude erfüllen, daß alle überflandenen Leiden mir wie Süd
erſcheinen müßten. Ader auch jett find fie mir ein großer
Zeoft, und mid bünkt, die Ketten, bie ich getragen, erwerben
mie Die Hochſchaͤgung Aller, welche fehen, wie lieb Euch meine
reiung if. Ich babe gefehen, was Ihr dem Garbinal Gos
lonna gefchrieben, der bisher fo gegen uns alle ſich betragen,
daß wir ihm verpflichtet find, und ber uns hoffen läßt, unfere
Angelegenheit zu gutem Ende geführt zu fehen. — — IH wuͤrde
Ev. Gxelen für das Anerbieten ber eigehen Beſitzungen als
Pfand für mich danken: wie foR ic; aber banken, ober was foll
iqh noch verfprechen, da ich mich Guc Ton ganz zu eigen ge»
geben und Euch jept mehr denn je verpflichtet bin?
Sm Sabre fand Vittoria von neuem Ges
legenheit, einflußreiche Verwendung eintreten zu laſſen,
als ihre Bruder Ascan und der Marquis dei Vaſto in
jener blutigen Seeſchlacht, welche am 28. Mai 1528
Sitippino Doria, Neapel von der Seeſeite angreifend wie
der Marſchall von Lautrec auf ber Landfelte, dem Vice⸗
Einige Ugo de Moncada lieferte, in des Feindes Hände
fielen, waͤhrend Moncada felbft im Kampfe den Tod fand.
Während diefer langwierigen Belagerung, bie, unter gläns
zenden Ausſichten begonnen, mit bem Untergange be6
Manzöftichen Heeres und dem Tode feiner Fuͤhrer embete,
lebte Vittoria meift auf Jechia, von wo fie, als bie
Seuche, die in Folge der Einfchliefung und des Mangels
bie Stadt verbeeste, auch nach der Inſel brang, nach ih:
com Lehen Arpino ſich begab und von bort nad Rom,
wo fie längere Zeit verweilte, 5i6 fie den reizenden Golf
Meapeis wieberfah. Damals ſchon war fie nicht mins
der dur ben Glanz ihres Geſchlechts und durch bie
Stellung bie fie einnahm, als durch das treue Andenken,
weiches fie ihrem verſtorbenen Gatten bewahrte, und ihr
feltenes Dichtestalent berühmt. Verſchiedene Anträge, eine
zweite Ehe zw fchließen, wurden ihe gemacht: fie lehnte
fie ab, trug immer Witwenkleider, feierte in fchönen Vers
fen den Ruhm und die Thaten Pescara’6 und blieb unges
troͤſtet Aber feinen Verluſt. Im fiebenten Jahre nad
feinem Tode beweinte fie ihn wie im erfien. Dann aber
ward fie buch jene Hand, die den Himmel gebildet
(‚‚quella mano che formö il cielo”) über den irdiſchen
Schmerz emporgeboben, und ihr Geiſt und ihre Poeſie
wandten fi immer mehr ben uͤberirdiſchen Dingen zu.
Ihren geiftlichen Gedichten verdankt fie den größten Ruf.
Allee, was Italien damals an ausgezeichneten Maͤnnern
sählte, ſcharte fih um fie: Bernardo Zaffo, Luigi Ala⸗
mann, Teiffino, Giberti, Annibal Gare, Giovio, Bio. Gui⸗
biccioni, Franc. Maria Molza u. A., und unter ben Gar
dinäten ‚Pietro Bembo, Gaspare Gentauiai, Reginald
Poole, Zac. Sadoleto, Federigo Fregeſo, zu besen Erhe⸗
bung fie zum Theil mitwirkte. Diefe allgemeine Be:
wunderung fpricht ein ſchoͤnes Sonett Bembo's aus, weis
ches beginne:
Alta colonna e ferma alle tew
Del ciel terbato, a cui chiaro onor fanno
Leggiadre membra avvolte ia nem ‚paano,
E pensier santi e ragionar celeste;
E rime si soavi e si conteste
Ch’ alla futurg etA solinghe andranno,
E schermiransi dal millesim’ anno;
Già doloi e liete, ora pietess © meste,
Im 3. 1536 war fie wieder in Rom, wo Paul IH. fie
aufs ehrenvollſte empfing und Kaifer Karl V., der bie
Weltſtadt befuchte, fih zu ihr und ihrer Schwägerin
Slovanna d’Aragona verfügte. Eine Zeit lang lebte fie
in Ferrara und dachte ernſtlich an eine Pilgerfahet nach
denn heiligen Grabe, aber die Morflellungen der Kremmbe
und ſchwache Geſundheit hielten fie davon ab und fie
kehrte von neuem nah Rom zurüd. Dies begann ihre
Bekannefchaft mit Michel Angelo Buonarroti — zwei
Hohe Geiſter erkannten fi, und der große Kuͤnſtler, deſ⸗
fen edler Stolz vor icbifhem Glanz fich zu beugen ver
ſchmaͤhte, hat in feinen leben⸗ und charaktervollen Dichtuns
gen ausgefprochen, was er Vittoria verbanfte. Wie uster
ber Hand bes Bildhauer aus der ‚‚umil’ materia’ bas
Model entfiche, welches ſodann ber Meiſel aus cbeim
Stein von neuem besvorrufe, fo fei es ihm ergangen:
Simil, di me model, naoq' io da prima;
Di me model, per op’ra piä
Da voi rinascer poi, donna o degma,
Be il men riempie, o'l mio soperchio lima
Vestra pietä, qual peniteaza aspetia
Mio cieco e van pensier se la disdegna ?
Noch aber warteten neue Stürme bes fon mehr:
fach Geprüften und von neuem fah fie „batter la sum
colonna entro ed intorno”. Denn wegen ber erhöhten
Satzftener, die Paul III. 1540 ausfchrieb, die fo großes
Misvergnügen im Kirchenſtaat erregte und Perugia zu offes
ner Rebellion trieb, entfland arge Mishelligkeit zwifchen
dem Papfte und ben Colonnefen: Ascan wiberfegte ſich
dem Befehle des Papſtes, das Salz für feine Lehen in
Rom zu kaufen, aber feiner Burgen eine nach ber andern
wurde duch Pier Luigi Farneſe genommen, über ihn bie
Acht ausgefprochen. Im Königreich Neapel fand er Auf⸗
nahme, Vittoria aber ging nach Drvieto in das Kloſter
S.⸗Paolo, wo fie indeß nicht lange blieb, fondern noch
im Laufe des Jahres nad Rom zurückkehrte. Es war
uns biefe Zeit, wo bie Lehren ber beutichen und ſchweize⸗
rifhen Reformatoren in Italien einzubringen anfingem,
und manche talent: und geiſtvolle aber unruhige unb ers
regte Männer, in ihrem Misvergnügen über die Mie-
Bräuche, die fich in die Kicche, namentlich in bie Disciplin
ciageſchuchen, zu Meinungen 14 Yinzumeigen begannen,
welche endlich Ihren völligen Abfall von der katholiſchen
Kiche zur Folge hatten. Daß biefe reformatorifchen
Principien in Serrera bei dee Herzogin Menke von Da:
leis Schutz uud Beguͤnſtigung fanden, iſt bekannt; in
Flerenz zeigten fie ſich; tn Rom machte eine Zeit lang der
Kapuzinermoͤnch Fra Bernardino von Siena (Ochino)
durch feine Bußpredigten Aufſehen, bis er, feiner dem
Papftthum immer fchärfer entgegentretenden Grundſaͤtze
wegen verdaͤchtig, entfloh und ſich zum Prtoteſtantisnus
bekannte. Mit ihm, mit Pier Martire Vermigli, der
aus einem Auguſtiner⸗Chorherrn zu Fieſole einer der einfluß⸗
reichſten proteſtantiſchen Theologen und Profeſſor zu Or:
ford ward, mit jenem talentvollen Florentiner Carauſecchi,
der endlich durch Cosmus 1. der Inquiſition ausgeliefert warb
und Andern, die benfelben Meinungen hold waren, fand
Bittoria wenigſtens eine Zeit lang in Verbindung: gegen
die Anfhuldigung, daß fie ſelbſt ſolche Meinungen getheilt,
if fie vielfach, und wie es ſcheint mit Recht, vertheibigt
worden. Ihre eigenen Äußerungen berechtigen wenigſtens
nicht zu einer folhen Annahme. Wie dem auch fel,
nach jener Zeit fcheint fie namentlich ber Leitung des
Sarbinal Poole in chen ſich amvertraut zu ha⸗
ben. Im Det. 1541 war fie im ©. = Katharinenklofler
zu Viterbo, wo Poole und andere ihrer Freunde fidh be:
fanden. Buonarroti ſchrieb ihr wiederholt und überfandte
ihr Poefien; fie erfuchte ihn einmal, es weniger häufig zu
hun, fonft werde fie verabfäumen, die Abendandacht in
der Kapelie zu halten, er, die Morgenſtunden in der Pe:
terskirche zugubringen. Uber fie bewahrte Ihm eine ſolche
Zuneigung, daß fie nie in die Nähe Roms kam, ohne
nach der Stade zu gehen ihn zu befuchen, wie Michel
Angele’s Schhier, Condivi, in feiner Lebensbefchreibung er:
zählt. Ste wurbde gefährlich krank; der berühmte Fra⸗
caftoro, den man um Rath feug, gab von Verona aus
Heilmittel an, fügte aber hinzu: es thue noth, ihr einen
zu finden, ſonſt werde das fchönfte Licht dieſer
et eriöfchen. She Leben währte noch einige Zeit, aber
ihre Gefundhät flelite fich nicht wieder ber. In Biterbo
verwellte fie bi6 zum 3. 1543, dann begab fie fich nach
Kom in das damalige Benebictinerklofter S.⸗ Anna de’
Sunarti, weldyes jept in ein Waiſenhaus umgewandelt ifl.
Sier ſchrieb fie ihre letzten Dichtungen und Lateiniiche
Gebete, hier hatte fie den Schmerz, den Tod Dei Vaſto's
gu vernehmen, bee 1546 flach, mitten in ben glänzend:
ſten en und Ausſichten, als Feldherr hochge⸗
ruhmt und eine ber Stuͤtzen feiner mächtigen Partei, der
aber feinen Namen durch Härte und Habſucht befleckte
und eins der geſchickteſten "Werkzeuge in des Spaniers
Hand zur Knechtung Stalins war. Als fie das Ende
eines Lebens, das „Fra poche dolci e assai lagrime
amare” verfirichen, herannahen fühlte, ließ fie ſich in
die Wohnung Biuliano Ceſarini's bringen, der eine ihrer
Berwandten gebeirathet hatte, und machte dort am 15.
Febr. 1547 ihr Teflament, in weichen fie unter Anderm
jedem der vier Kloͤſter, in denen fie gelebt, ein Vermaͤcht⸗
nig binterfieß und die Cardinaͤle Poole, Sadolet und Mo:
vom zu’ Gtulieschänusen enamete. Mas Teſtameunt
bie eigenhändige Unterfähtift: Ita testavi ego Vietorn
Columna. Wenige Tage darauf flarb fie, im 57,
Jahre ihres Alters. Buonarroti ſah fie noch als.
Leiche. Ihrer eigenen Verfügung zufolge wurde fie dm
der Gruft beigefent, im welcher die Nonnen von S.⸗
Anna begraben liegen. Kein Stein bezeichnet den Ort,
wo ihre irdiſche Reſte ruhen. Aber fon zu ihren Lebs
geiten wurden ihr Name und ihr Bildnis duch Denk⸗
mönzen ber Macwelt überliefert: zwei derfelben zeigen fie
in der Jugend, als glüͤckliche Gemahlin eines gefeierten
Helden, eine als trauernde Witwe nach Pescara's Tode,
noch eine andere endlich in vorgerüdterm Alter, auf dem
KRevers ein Phoͤnir, der in den Flammen wieder auflebend
mit ausgebreiteten Slägeln zue Sonne emporfhaut. Dies
fen Revers und eine Nachbildung bes Portraits in fers
genblichen Zahren gibt eine neuerdings von P. Birometti
in Rom gearbeitete Medaille. Ihre Buͤſte, nad den
vorhandenen Bildniſſen mobellist, wird gemäß kürzlich ge⸗
faßtem Beſchluſſe der Akademie dee Arcadi die fogenammee
Protomoteca, Roms neues Pantheon auf dem Gapitof,
bereichern.
(Der Beſchluß folgt. )
Die Niederlaffung am Mosquito⸗Ufer.
Bor ungefähr fünf Jahren bitbete ſich In London eine Ger
feafgaft unter dem Namen British Central American
Company, die eine NRicderlaffung am Mosquitor Ufer beabſich⸗
tigte, einem Landftriche ſuͤdlich vom Mericaniichen Meerbuſen,
nahe der Gegend, wo vor 24 Jahren Poyais den verungiädten
Berſuch einer Golonifation machte. Die Directoren ernannten
einen gewiffen Thomas Young zum Biceauffeher und beauftrag⸗
ten ihn, „in Begleitung einiger Anbern fi nad) dem Wob-
quitos Ufer zu begeben, um am Schwarzen Fluffe, etwa 80 Mei⸗
len vom mittelamerifantfdhen Hafen Zrurillo im Staate Bons
duras, Voranſtalten zu einer Niederiaſſung zu treffen und mit
ben umwohnenden Bötferfchaften in freundlidden Verkehr zu tres
ten, damit fpäter ein Tauſchhandel gegen enalifhe Waurın
flattfinden Fönne. Das Reſultat diefer Miffion bat Thomas
Young in einem Werkchen veröffentiiht („Narrative of a re-
sidence on the Mosquito Shore, during the years 1838,
1840 and 1841, London 1842), deſſen vielfaches Intereſſe Tele
der durch mangelhafte Darftellung, namentlich durch eine, de
Geduld des Lefers bisweilen ſchwer prüfenbe Confuſton beeins
—X wird. Doch verdient es deshalb nichtsdeſtoweniger
eachtung.
Mit jener etwas weitſchichtigen Inſtruction ſchiffte ſich ber
Verf. im Juti 1839 zu Graveſsend am Bord der Roſe ein und
erblickte nach einer Häßlich- ftärmifchen Fahrt über ben Atlane
tiſchen Dcean das ſuͤdamerikaniſche Borgebirge Cape Gracias
& Dios, in deſſen Nähe die Golonie gegründet werden ſollte.
Ge näher das Schiff feiner Beſtimmung kam, befto heißer
wurbe das Wetter, und das Land erfchien fo miebrig und mit
ſchwarzgruͤner Wegetation bergeftalt bedeckt, daß es allerbings
ein vortreffiicher Aufenthalt das perfide Infekt fein mußte
nach welchem es genannt worden. Bei feiner Landung fah fh
der Verf. von einem Haufen halbnadter Eingeborenen umringt,
die eine Art Engliſch radebrechten, das fie bei ihrem Verkehr
mit Balize aufgelefen, und die uͤber bie antunfe bes Berf. und
feiner Leute mehr Freude bezeugten, als biefe über bie Beſchaf⸗
fenheit des Landes empfanden. Dagegen freute fie der herzliche
Willlommen eines Sngländers, ber fi in ber Gegend
angeſiedelt. Englaͤnder überall, fo weit die Erbe rund und der
Quamci blau if. Wach oma mhhfeigen Mackie dech Dickies,
wit ſtark riechenden Yflanzen verwechſenes Unterholz gelangt
der Verf. zu dem für ihn eingerichteten Wigwam und bafist
von hier feine Beſchreibung bes Landes ımb der Einwohner.
Das fogenannte Mosquito⸗Ufer ift derjenige Theil der Käfte
Anerikas, ber in ib des 10. und 15. Grads noͤrblicher
Sreite liegt, genau ſuͤdlich von ber Halbinſel Jucatan und eine
Seite der Carribeiſchen See zugekehrt. Ob es zum Areal einer
der neuen amerikaniſchen Republiken gehört, dürfte ungewiß
fein. De facto ift es ein unabhängiger Gtaat unter rinem
eingeborenen Könige, halb Barbar, halb Angtos Kreoie, ber
id Nobert Eharles Preberic nennt, in Jamaica erzogen wor⸗
den iſt, eine engliſche Warine Offizier Uniform trägt und ben
Englaͤndern freundlich gewogen Icheint. Der Verf. behauptet, er
ſehe in ſich einen großbritannifchen Unterthan. Ich geſtehe, daß
ih das aus den beigebrachten Beweiſen nicht habe herausfinden
Eönnen. Bleimehr halte ih dafür, daß Seine Mafeftät ſich
hochſtens als Schaͤtling der englifchen Regierung betrachtet und
dies am liebften, fo oft bie benachbarten Spanier ein Gelüfte
nach feinem Lande blicken laffen. Es iſt wunderbar, wie diplo⸗
matifch klug Noth und Gigennug ſelbſt einen Wilden machen.
Außerdem mögen auch bie englifdgen Nieberlaffungen zu Balize
und an einem ober zwei andern Punkten ber Küfte von Hon⸗
duras das Ihrige beitragen, dem Beherrſcher der Mosquitos
das Bortheilhafte eines guten Vernehmens mit ber Krone Eng:
land vor Augen zu ftellen. Sei dem indeffen wie ihm wolle,
wenige Zage nach der Ankunft des Verf. und feiner Gefährten
Rattete ter König, von einer Zahl Soldaten gefolgt, feinen
Beſuch ab. „Nachdem wir ihm vorgeflellt worden und unfere
Bestaubigungsfchreiben fammt Geſchenken überreicht, ſchien er
ſehr gluͤcktich, nahm jeben von uns der Weihe mach bei ber
Sand und fagte langfam und beutlih: ‚You are my very
ood Griend. Gr machte im Ganzen einen boͤchſt
indeud.
Ein paar Tage fpäter wurde Bericht gehalten über einen
Gingeborenen, Namens Deverin, ber eine Zante bes Königs,
Namens Lyndia, ermorbet. „Fruͤh am Morgen begann bas
Berhoͤr vor drei Richtern und dem Könige. Die ganze weiße
Bevölkerung des Cape unb mehre Eingeborene waren zugegen.
Der König trug Eivilkleider, hatte jedoch fein Marinefchwert
und feinen But bei fih. Er hörte aufmerkſam zu und brüdte
wieberholt fein Wohlgefallen aus, daß der Gefangene auf eng⸗
liſche Manier gerichtet werde. Eine Jury war ——
Jemand, der die Sprache vollkommen kannte, zum Dolmetſcher
beſtellt worden, und mehre Zeugen bewieſen vouſtaͤndig, daß der
Gefangene die Tante des Königs, Lyndia, meuchlings erſchoſ⸗
ſen habe. Er ſagte kein Wort zu ſeiner Bertheidigung. Alſo
wurde er nach ruhiger Unterſuchung in der freien Luft im
Schatten einiger Kokusnußbaͤume von der Jury einſtimmig für
ſchuldig befunden und zum Strange verurtheilt. Kein Zeichen
von Misbilligung oder Unzufriedenheit gab fidy unter den Gin:
geborenen zu erkennen. Auch der Gefangene blieb rubig unb
bat bios, baf das Sookeah Weib (eingeborener Arzt), bas ihm
gu ber That geraten, berbeigeholt werde. Boten wurben uns
verzüglich abgeſchickt und kehrten bald mit dem elenden Weibe
surüd, das durch feinen Rath den Gefangenen zu einem vor-
zeitigen Tode bradyte. Nachl langem Geſpraͤch fprang ber Koͤ⸗
nig auf und rief zornig: ‚Laßt bas Weib geben! Schafft den
Mann fort — morgen flirbt er.‘ Demgemäß fanb am folgen:
den Tage bie Hinrichtung flatt. Zugleich ließ der König aus⸗
zufen, baß männiglich in feinem Volke, ber Unrecht thue, ge:
henkt werben, und maͤnniglich ſich hüten folle, dem fchlechten
Kathe der Sookeahs zu trauen, oder ihn zu befolgen.” Jeden⸗
falle ein Beweis, daß der König Sinn für Gerechtigkeit hat,
und was die Jury und das öffentliche Gerichtsverfahren anlangt,
fo ift e8 beinahe ärgerlich, kann fein auch kraͤnkend, baß bie
Wilden am Mosquitosufer vor civilifirten Voͤlkern etwas, und
ſtigen
bie Modquitos als einen muthigen, für Cultur ——ã—
indianiſchen Stamm, ber jedoch in Folge zunehmender Zrunk:
fucht moralif und phyſifch ausarte. Dagegen lobt er die Ka
riten, einen fremben eingewanderten Stamm, wegen ihrer
Sriebfertigkeit,, ihres Weißes unb ihrer Kingheit; fie haben
tpeils Zucer⸗ und Kabadplantagen, theils treiben fie näg
liche —— — R “
einer Inſtruction gemäß nahm der Verf. den Weg na
bem Schwarzen Flufſe längs der Hüfte, bie mit Keinen. *
Theil ſehr fruchtbaren und bewohnten Inſeln beſaͤet iſt. Er bes
ruͤhrte dabei Poyais, jeht Provinz Victoria, ein Landſtrich,
welchen bie Geſellſchaft vom König Robert durch Kauf erwor
ben, und machte einen Abſtecher nach der ungefähr 40 englifchen
Meilen langen Infel Roatan ober Rathan, wo er ebenfo übers
raſcht als erfreut war, einen Schotten zu treffen, ber mit ſei⸗
ner zablreichen Bamilie ſich hier niebergelaflen und fcheinber
— comfortable lebte. Balb nach ber Ankunft am Schwarzen
Fluſſe fand der Verf. es im Jntereſſe feiner Aufgabe, ſowol
biefen Fluß als ben Polyer Fluß hinaufzugehen, um die Polyer
Indianer kennen zu lernen. Der Beſchreibung zufolge ift das
eine ſehr romantifche Zour geweien. Am neugierigften war ber
Berf., die indianifhe Stadt zu fehen, von weicher er viel gehört.
„Du meinem nicht geringen Grflaunen beftand die ganze Gtabt
in einem einzigen ovalen Haufe, vielleicht 85 Fuß fang und 35
tief, wo ſaͤmmtliche Eingeborene wahrhaft patriardhatifcy beis
fammen wohnten.‘
Eocalverhältuiffe und unberechenbare lnglädsfälle vereitel⸗
ten den Zwed ber GSrpebition. Daſſelbe if, auf weichem
ber Verf. die Überfahrt gemacht, landete zwar im 3. 1841
37 neue Goloniften und eine Menge fehntichft erwarteter Beduͤrf⸗
nifie. Aber ein böfer Typhus raffte einen nach dem andern weg,
bis die wenigen Übriggebliebenen ſich nach Truxillo wenbeten
und von da nad) England gelangten. Unter ihnen ber Verf.
Das Fehlſchlagen des Unternehmens ſchmaͤlert das Jutereſſe ſei⸗
ned Buchs keineswegs. 14,
Literarifhe Notizen aus England.
Neuerdings find folgende Merle an digt worden:
„The Rhone, the Darro, and the Guad ivir a summer
ramble in 1342”, von Mrs. Romer, Verf. bes „Sturmer“
(2 Bbe.); „Egypt and the Holy Land in 1842; with sketches
of Greece and the Levant”, von W. Drew Stent (2 Bde.);
„History of the revolutions,, insurrections and censpiracles
of Europe‘, von WB. ©. Zaplor, Werf. der „Romantic bio-
graphy of the age of Elizabeth’ (2 Bde); „Travels in the
great western prairies, the Anahuac and Rocky mountains
and in the Origon territory”, von Th. 3. Farnham (2 Bde);
„The false heir”, ein Roman von G. P. R. James; „The
Wrench govemess, er the embroidered kandkerchief”, ein
Roman von 3. Benimore Cooper; „Ihe last of the O’Mahonys,
and other tales of the English settlers in Munster ”,
Miß Ellen Yidernia, Verf. von „Nan Darreli‘”, ‚The
frigbt” u. f. w., gab in drei Bänben heraus: „Friend or foe?”;
und die Verf. von „A summer amonget the boccages and the
vines”‘, Miß Goftello: „Gabrielle, or the pictures of a reign”,
ebenfalls drei Bände. Berner erfdhien: „Ben Bradshawe, the
man without a head” (3 Bde.), mit SHuftrationen; „Memoirs
of a Brahmin” (3 Bde); „The amnesty; or the duke of
Alba in Klanders”, ein zweibändiger gefchichtlicher Roman von
3. 8. Slerman; ferner aus bem Dänifchen des Ingemann
von 3. F. Chapman überfegt: „King Eric and the outlaws;
or the throne, the church and the people, in the 13th
century” (3 Bde.), und „The smagglers, a chronicle of th
coast Guard”, von %. Higginſon. 18.
Berantwortlicher Deransgeber: KHeinrich Brodhaus. — Drud und Verlag von 9. X. Brodhaus in Leipzig.
Blätter
für
literarifhe Unterhaltung.
3. Juli 1848.
Vittoria Colonna.
(Beiiub aus Nr. 188.7
Bittoria's Poeſien find, mit fehr geringen Ausnah⸗
men, aus der Zeit, welche dem Tode Pescara's folgte,
und wie fie fürber ſtets die Witwenkleidung trug, fo
herrſcht auch im ihren Dichtungen eine trübe Stimmung
vor: Schmerz über den unerfeglihen Verluſt, Trauer
über die Veroͤdung, wehmüthige Erinnerung an vergan⸗
genes Gluͤck, dabei aber gewiſſermaßen ein Schwelgen im
Sedanten der glänzenden Cigenfchaften und glorreichen
Thaten des Garten, und ein Sichkräftigen am wärmen:
den Strahl diefer ihrer Sonne, wie fie d'Avalos nennt,
deren Licht nicht Zeit nicht Tod verbunkelt und bie in
voller Glorie zu fehen Leine irdiſche Hülle mehr fie bin:
dert. Was von frühern Porfien Vittoria's vorhanden
war, zum Theil an ihren Gatten gerichtet, ſcheint mit
Ausnahme bed Briefes nach ber Ravenna » Schlacht, den
man eine echte Deroide nennen darf, verloren. Petrarca
ift angenſcheinlich Vorbild bei jenen Sonetten gewefen:
aber es ift keine weichliche Nachahmung; es iſt nicht alle
Harmonie und Zartheit und Abwechslung bed Trecenti⸗
fien, wol aber ein Eräftigerer Geiſt, wenn auch der eines
Beides. So ift der erſte Theil dee Dichtungen; ber
zweite, meiſt religiöfen Inhalte, dürfte Vittoria's Ruhm
am ficherfien begründen. Denn hier fpricht ſich in wohl:
tautenden Berfen eine tiefe Froͤmmigkeit aus, ein feites
GSottvertrauen, eine nicht wankende Zuverficht, eine frohe
Hoffnung, ein inniges Duchdrungenfein von den Wahr:
beiten des chriſtlichen Glaubens. So ſchoͤn auch in den
fruͤhern Gebichten die Sprache iſt, in den ſpaͤtern ſcheint
fie mit dem Segenftande zu größerm Reichthum, größerer
Mannichfaltigkeit der Form, größerer Praͤciſion und Würde
fih zu erheben. In Vittoria's Dichtungen leben wir ihr
Leben mit: in ihnen legt der Kreislauf ihrer Empfindun:
gen vollendet und abgefchloffen da. Ste fagt uns, wes⸗
batb fie dichte: „Serivo per sfogar l’interna doglia“
(Theil 1, Sonett 1); als Rechtfertigung müfjen ihr dies
nen „La pura fe, l’ardor, Pintensa pena; ihre Gedichte
feien „Amaro lagrimar, non dolce canto — Foschi so-
spiri, e non voce serena”, ie gedenkt des Gluͤcks der
vergangenen Xage: „Oh che tranguillo mar, oh che
chiare onde — Solcava gia la mia spalmata barca”
(Son. 6); fie gedenkt der Heimkehr bes ruhmgekroͤnten
Gatten nad Jechia und ber wehmäthigen Erinnerung,
die ber Ort ihr erweckt: „Quanta pena or mi dä, gioia
mi dava!” (Son. 75.) Nachdem fieben Jahre ſeit Pes⸗
cara’8 Tode verfloffen, war ihre Schmerz noch lebendig:
„Sperai che P tempo i caldi alti desin — Temprasse
alquanto” (Son. 115); denn Alles auf der Welt war
ihr verloren: „Quant' io di vivo avea ne’ sensi, acerba
— Morte in un giorno col mio sol mi tolse’ (Rime
ined, Son. 1). Aber fie findet endlich Troͤſtung im
Hinblick auf das Jenſeits und macht fich immer mehr
(08 von den icbifchen Banden und Wünfchen: „Il cieco
amor del mondo un tempo tenne — L’alma di fama
vage’ (Th. 2, Son. 1); andere Gegenftände wählt ihre
Mufe: „Altra cetra, altre muse, ed altro monte —
Scopre la viva fede all intelletto” (Son. 3). In biefen
Empfindungen und Gefinnungen findet fie Troſt und
Beruhigung: „Beata Palma che le voglie ha schive —
Del mondo e del suo vil breve soggiorno !” (Eon. 13);
aus dem traurigen, Oben Winter gebt fie in den blühen
den Frühling ein: „Di gioia in gioia, d’una in altra
schiera — Di dolci e bei pensier, l’amor supeno —
Mi guida fuor del freddo arido verno — Alla sua
verde e calda primavera” (Son. 17), Das Dunkel,
das ihre Seele umfing, hat der Himmelsſtrahl durchdrun⸗
gen: „— sgombrö quante al mio core — Erano folte
nebbie avvolte intorno” (Son. 131). Voll geiftiger
Befriedigung ruft fie endlich dus:
„Beata lei, che’l frutto e la radice
Sprezzö del mondo, e del suo Bignor ora
Altra dolcezza e sempiterna elice!’’
(Trionfo di Cristo.)
So war im Leben und in ber Dichtung bie Colons
nefin, ein reiner großartiger Charakter, ein Gemüth,
das weibliche Zartheit und Dingebung mit Manneskraft
vereint, ein reiches und in feiner keuſchen Strenge den⸗
noch anmuthiges Dichtertalent.
Zu ihren Lebzeiten noch wurden ihre Poefien mehr:
mals gedrudt, mehrmals nach ihrem Tode, zueft in
Parma 1538, zulege in Bergamo 1760. Keine diefer
Ausgaben iſt genau und vollfiändig zu nennen. Bet der
neuen, welche der jungen Fuͤrſtin Donna Tereſa Zorlos
nia, geborenen Colonna von Pallano gewidmet iſt, hat
bee Herausgeber namentlich zwei Danbfchriften verglichen,
eine in ber Corſiniſchen Bibliothek, eine andere in ber
Gofanatenfifhen (im Dominikanerkloſter Sta Maria fopra
Minerva). Legtere mit, wie es ſcheint, eigenhänbdigen
Verbefjerungen Vittoria's, gibt eine Menge neuer Ledar⸗
ten, ja ganze ÄÜlberarbeitungen ſchon bekannter Gedichte,
“und enthält Manches, was In ben Ausgaben fehlt. Mit
Huͤlfe dieſer Handſchriften, durch forgfältige Vergleichung
der aͤltern Drucke und mittels gewiſſenhafter Kritik hat
Hr. Visconti jetzt einen Terxt geliefert, ber die fruͤhern
an Correctheit weit uͤbertrifft, außerdem daß feine Aus⸗
gabe den Vortheil hat, ungleich vollſtaͤndiger zu ſein.
Einzelnes, was Vittoria mit Unrecht beigelegt war, iſt
ausgeſchieden; eine Reihe an ſie gerichteter Dichtungen
findet fich beigefügt. Die Lebensbeſchreibung ber berühms
ten Stau, in gefhmadvoller Darftelung, geht dem Werte
voraus, welhem ein Bildniß Vittoria's, nach einem dem
Muziano zugefchriebenen Gemälde, welches einft in ber
Colonnefifhen Burg zu Gennazzano, gegenwärtig im Fa⸗
milienpalaft zu Rom aufbewahrt wird, und Abbildungen
der zu ihren Ehren geprägten Denkmuͤnzen beigegeben
find. Aus der Vergleichung dieſes echten Bildnifjes er:
gibt fih, daß die Meinung Derer, welche in der foge:
nannten Sornarina der Zribune zu Slorenz die Colonna
erkennen wollten, gänzlich unbegründet tft, wie auch, daß
das hübfche Beine Bild des Marcello Venuſti in der Ga:
mucelni’fchen Sammlung eine andere vorftellen muß. In
jeder Hinfiht alfo bat der Herausgeber der Literatur wie
der Gefchichte einen wefentlichen Dienft geleiftet und auch
durch eine akademifche Vorleſung über die von der Dich:
terin angenommenen Devifen (,‚Lezione intorno ad un
sonetto di Vittoria Colonna sopra una sua impresa‘’ etc.
„Giornale arcadico”, T. 93) fih Dank erworben. Die
prachtvolle Äußere Ausftattung des Buches aber hat man
Don Aleffandro Torlonia zu verdanken, ber es in einer
kleinen Zahl Exemplare, die nicht in den Handel gekom⸗
men, bruden ließ, bei Gelegenheit feiner Bermählung mit
einer Tochter des Haufes, zu deſſen glänzendften Zierden
Vittoria gehört. Alfred Reumont.
Zwei Reden über die Erhebung der niebern Volksclaſſen.
Sei nach den Vorträgen des Herrn Channing, ge
halten im Sabre 1840 in ber Halle des Belehrungs⸗
vereind zu Bofton in Nordamerika. Zürich und Win:
terthur, Literarifches Comptoir. 1843. Gr. 5. 9 Ngr.
Im Kampfe zwifchen der ariftokratifchen und ber demokra⸗
tifchen Partei bat die letztere zur Erreichung ihrer Zwecke kein
ebleres und zugleich wirkfameres und ungefährlicheres Mittel,
als die in England und Amerika bereits beftebenden Vereine
zur Belehrung der unteren Volkeclaſſen. In dieſen Glaflen eine
Macht bes Geiſtes zu gründen, welche ber ariſtokratiſchen und
hierarchiſchen übermacht die Wage zu halten vermag, ift das
Ziel jener Vereine. „Lehret bas Volk denken, ihr Weifen, und
ihr habt die Artftofratie mit ihrem Gelde und ihren Ziteln, bie
Prieſterſchaft mit ihren Höllenftvafen und Anweifung auf ewige
Seligkeit aus dem Felde geſchlagen. Lehret bas Volk denken,
ihr Vernünftigen, dann werden zugleich die WBernünftigften bie
Maͤchtigſten fein.’
Channing's erfte Rebe handelt über bie möglichkeit ‚ bie
Art und die Mittel einee Erhebung der niebern Volkeclaſſen.
.
Diefe Moͤglichkeit ift in England und Amerika factiſch bargethan,
dadurch, daß Tauſende von Arbeitern, flatt nad) bes Tages
Laft der Ruhe zu pflegen, oder auch ber WVöllerei zu fröhnen,
fih verfammeln, um Borteäge über allerlei Wiſſenſchaften oder
über die wichtigften Angelegenheiten des öffentlichen Lebens gu
vernehmen. Has iſt ein Bewels von einer Umwaͤlzung in ven
menſchlichen Verhaͤltniſſen, deren unabfehbare Folgen zu ben
fühnften Doffnungen bes Menſchenfreundes berechtigen. „Ich
fehe darin’, ruft Ehanning, „ben Widerruf eines Urtheils, mit
welchem bie Geſchichte Jahrtauſende hindurch die große Maffe
bes Menſchengeſchlechts zur Grniebrigung verbammt bat; id
fehe darin bie Worgenröthe einer neuen Zeit, in deren Harem
Lichte es als erſter Zweck der menſchlichen Geſellſchaft erkannt
werden wird, daß allen Mitgliedern dieſer Geſellſchaft die Mit:
tel zu ihrer Ausbitbung gewährt werden mäflen; ich ſehe darin
bas Anzeichen des herannahenden Siege der geiftigen Büter bes
Menfchen über die Leiblihen. An dem Dunger und Durſt nad
Erkenntniß und geifligen Genuͤſſen, weiche durch dieſe Reihe
von Vorträgen auch in Denen bervortreten, die meift nur mit
törperlicher Arbeit befchäftigt find, fehe ich, daß der menſchliche
Geiſt nicht immer durch die Sorge und Mühe für bie Bebuͤrf⸗
niffe des thierifchen Lebens und das Werlangen nady thierifhen
Genuͤſſen ſich niederbräden läßt. Ich halte diefe Verſammlung
für außerorbentiich wichtig, nicht ſowol um ihrer felbft und
igrer unmittelbaren guten. Folgen willen, als vielmehr , weil fie
‚ein ſicheres Zeichen eines neuen und mächtigen Anftoßes it,
weldyes der menfchlichen Gefellfhaft durch alle ihre Glieder ges
geben wird.” Um ſogleich Misverftändniffe abzuſchneiden, gibt
ber Redner zuerſt an, worin nad feiner Meinung die Hebung
der untern Volkaclaſſen nicht beftehen Tann. Die Arbeiter fol:
len nit in eine Lage verfegt werden, bie fie der Arbeit über:
bebt: es ift keineswegs wünfchenswerth, daß fie ihre Werkitatt,
ihr Bauergut verlaflen, ihre Werkzeuge aus der Hand legen
und aus dem Leben einen langen Beiertag machen. Die menſch⸗
liche Natur iſt auf eine Welt eingerichtet, in welcher die Arbeit
zur Grhaltung des Lebens nothwenbig ifl. Die Mafle der Ar
beiter fol durch ihre Weiterbildung nicht von der Arbeit befreit
werden. „Ihre Erhebung foll nicht darin beftehen, daß fie mit
ben fogenannten höhern Ständen auf eine Stufe geftellt wer⸗
den. Sie ſollen nicht in Herren und Damen verwandelt, nicht
mit künftlichem Rang und neuen Ziteln angethan werben. Ihre
Beränderung foll eine innere, ihre Debung eine foldhe fein ‚bie
wahrhafte Achtung gebietet. Haben fie durch die Kraft ihres
Willens, durch ausdauernde Anftrengung eine höhere innere
Würbe erreicht, fo werben fi alle dußern Abftände leicht aus:
gleichen. Aber nichts würden fie gewinnen, nur tiefer ſinken,
wenn parifer Schneider an ihrer Srhebung arbeiten, wenn bie
Sitten der Tanzmeiſter ihre Weiterbildung befördern follten.
Allerdings follen ihnen gefellige Erholungen, gemeinfame Feſtlich⸗
keiten einen gemeinfamen Lebensgenuß gewähren, aber nicht in«
ben ihnen Zutritt zu üppigen Gelagen gegeben, nicht, indem
ihr Geſchmack an Eoftbarem Hausgeräth, an prachtvoller Ein
richtung für das wahrhaft Schöne und Edle des Lebens verdor⸗
ben wird. Das Geſchick, welches bie große Menge dazu vers
urtheilt, einfach zu effen, zu trinken, zu kleiden, zu wohnen,
ift nicht graufam, befonders wo fein Sprud fo mild ausgeführt
wird wie jegt in manchen Ländern.” Auch ift es nicht Ghans
ning's Meinung, daß bie arbeitenden Claffen durch ihre Erhe⸗
bung zur politiſchen Obermacht gelangen follen, fobaß fie durch
Stimmenmehrheit die Regierung zu Maßregeln nöthigen können,
welche ihre befondern Vortheile begünftigen, die der übrigen
Gtaffen verlegen. Keine Claſſe, kein Stand foR regieren; alle
Theile der Geſellſchaft follen in ber Regierung gleichen Schut
finden; ihre Gefammtzwede follen auf gleiche Weiſe vertreten
fein. Keineswegs aber fol die große Menge die Politik uns
beachtet Laflen. Sie fol viel und namentiih in ben Ber
lehrungsvereinen mit politifhen Fragen befchäftigen, um zur
Einfiht in die oͤffentlichen Rerbättniffe, in die gemeinfamen
Zwecke, für welche ber Staat zu forgen bat, zu gelangen, aber
7
nicht um biste Berhaͤltniſſe leiten zu wollen, fonbern vielmehr
um fid 8 gen, welche e, welche Arbeit, welche
ok Geſchicklichteit, weiche umfaffenden Kenntniffe und tiefe
inſicht es erfobert, die Öffentlichen Angelegenheiten zum Wohle
Aller zu verwalten. Die Menge foll mit Eraft und Gifer das
Gemeinwogl kennen lernen, übır die Grundfäge der Verfaflung,
über den Zweck und die Wirkſamkcit Öffentlicher Maßregein
nachdenken; daraus erwaͤchſt keinem Staate Gefahr, fondern
Kraft und Sicherheit. Der Grund zu Befürchtungen ift darin
zu ſuchen, daß das Volk ohne Einſicht in die Öffentlichen Ans
gelegenheiten, obne bie Fähigkeit, über das wahre Gemeinwohl
nachzudenken, dennoch nach Mitteln greift, ſich zu helfen, wenn
ihm feine Lage unerträglih wird. Zu einem Bewußtſein, daß
feine Müpfeligkeiten und Entbehrungen nicht länger zu ertragen
find, kann es aber ebenfo leicht gebracht werden, als es ihm
ſchwer fallen muß, die rechten Hülfsmittel dagegen zu wählen
und nicht ſolche, bie feine Lage noch verſchlimmern, dabei aber
das Bemeinwohl gefährden. Wenn das Volk feine politifche
Blindheit abgelegt bat, werden feine politifchen Handlungen
nicht mehr zu fürdhten fein.
Nachdem Shanning gezeigt hat, worin bie Erhebung ber
arbeitenden Glaffen nit beſtehen kann, fährt ex fort: „Ich
tenne nur Gine Erhebung, Eine Veredelung bes menfchlichen
Welens, das ift die Erhebung des Geiftes: die Befreiung def
felben aus den Banden der Unwiffenheit und Unmuͤndigkeit, aus
der Knechtſchaft des Glaubens an fremde Autorität durch Geis
ſtesbiidung.
Die eindringliche, kraͤftige, nicht ſelten erhabene und im⸗
mer populaire Sprache, in welcher Channing dieſen Satz wei⸗
ter ausführt, nöthigt uns zur aufrichtigſten Hochachtung für
fein ebled Streben und fein ausgezeichnetes Talent als Nolte:
redner. Wir bebauern, daß der Raum es nicht geftattet, Stellen
aus biefem Theile feiner Rede anguführen.
In der zweiten Rede Ipricht Channing über. bie wichtigften
Gimvürfe gegen die Erhebung der niebern Claſſen durch geiftige
Bildung. „Grfilih wird man mir einwenben, bie Mafle der
Arbeiter könne ſich nicht die verfchiebenen Bücher verfchaffen und
hinreichende Zeit auf Lefen und Lernen verwenden, um jene
Kraft des Denkens zu erlangen, um jene großen Gedanken zu
erfaffen, von weldyen ich in meinem Vortrage geſprochen habe.
Dieſer Einwand geht aus der fehr gewöhnlichen Anſicht hervor,
nach weicher zwifchen Kenntniß und Ginficht kein Unterſchied
gemacht wird. Ich habe biefen Irrthum ſchon durch frühere
Bemurlungen widerlegt, doch ift es gut, ihn noch genauer zu
unterfudgen. Kenntniß beftcht in dem Wiſſen von Thatſachen,
mad wenn biefe vorzäglich in Büchern zu fuchen find, beißt fie
Gelchrfamteit. Dazu gehört eine Kenntniß der Sprachen, ber
Literatur, der Geſchichte und Geographie, zu deren Erlernung
allerdings viel Zeit auf Bücherlefen verwendet werden muß, und
ig bin weit bavon entfernt, bie große Wichtigkeit einer folchen
Beſchaͤftigung berabzufegen. Allein die Ergebniffe, bie Früchte
der unfaglidyen Mühe, welche gelehrte Männer ſich gegeben har
ben, um aus der unerfhöpflien Fülle von Thatſachen bie
wahre Ginfiht in das Wefen der Menfchbeit zu ziehen, wer:
den in Schriften von immer kleinerm Umfange niebergelegt.
Solche Schriften werben nie fehr zahlreich fein, und je vorzuͤg⸗
licher fie find, deſto verſtaͤndlicher werben fie für Alle, bie fich
die Mühe geben, ernfttich nachzubdenken. Der große Swed ber
Buͤcher if, uns zum Nachdenken zu veranlaffen, uns auf Fra:
zu führen, an deren Beantwortung große Männer feit ben
—2 Zeiten gearbeitet haben; uns mit denjenigen wichtigen
Thatſachẽn bekannt zu machen, die unſer Urtheil ſchaͤrfen, un:
fere Ginbifbung erheben, unfere Gefuͤhle ergreifen, unſere Geſin⸗
nung verebein, die in uns den Geiſt und das Leben von Menfchen
baudyen , die größer find als wir; und einen foldhen Rugen aus
Büchern koͤnnen auch Diejenigen ſich verfchaffen, welche nicht
viel Zeit zu umgeftörtem Lefen haben. Mit folchen Büchern
aber follen die Bereine ihre Mitglieder verforgen und in biefem
Sinne für ihre wiſſenſchaftlichen Bebärfniffe forgen. Darin und
n der perſoͤnlichen Belehrung beſteht bie Hauptaufgabe ber
eine. "
Gin zweiter Einwand gegen bie Erhebung ber untern Claſ⸗
fen durch geiftige Bildung begründet fi in dem Vorurtheii,
daß bie Menge nicht berufen fei, felbft zu denken und ihren
Geiſt auszubüden, weil nur wenige vom Schickſal Begünfiigte
auserwäpit feien, für fie zu denken. Gegen biefes Vorurtheil
proteflirt Channing. Mögen Dichter, mögen Künflier, mögen
Menſchen von großem Charakter, Helden, wie Wafhington,
vor den übrigen Menfchen begabt fein, die Fähigkeit zu denken
kommt allen Menſchen zu. Channing verlangt durchaus nicht,
baß bie Arbeiter bie Entdecker großer Wahrheiten werben fols
ten (obgleich bie tieffinnigflen Wahrheiten bem Kopfe manches
Arbeiters entfprungen find); aber Das verlangt er, daß die ars
beitenden Claſſen nicht ferner in einem Bildungszuftande vers
harten, in weldem fie ohne alle Prüfung annehmen mäffen,
was man für Wahrheit ausgibt; fie follen bie jedem Menſchen
angeborene Faͤhigkeit zu benfen gebrauchen lernen, um über
bie Wahrheit ein eigenes Urtheil zu haben.
„Zuweilen hört man fagen, daß bie große Menge zwar
über bie gewöhnlichen Angelegenheiten des Lebens denken möge,
fo viel fie wolle, aber nicht über höhere Gegenftände, wie Wos
zal unb Politik, befonders nicht über Religion. Diefe müffe
mit unbebingtem Glauben empfangen werben, ba die Menf
überhaupt Fein eigenes Urtheil über biefelbe fi) bilden Eönnen.
Aber die Religion iſt gerade berjenige Gegenftand, über welchen
Jeder am wenigften fein eigenes Urtheil aufgeben und fich ber
Sorgefchriebenen Dieinung eines Andern überlaffen follte. Nichts
ift dem Menfchen von größerer Wichtigkeit, als bie in ben res
ligiöfen Formen und Bildern offenbarte Wahrheit. In nichts
folte fein @emütb tiefer betheiligt fein, an nichts follte fein
Geiſt einen lebhaftern Antheil nehmen, in nichts liegen ihm
bie Mittel näher, um zur wahren Grfenntniß zu gelangen; fie
liegen in ihm, er ſuche nur über fein eigenes Wefen fi immer
Elar und bewußt zu werben unb er wird fie finden. In nichts,
wie die Geſchichte zeigt, kann ber Menſch leichter irre geleitet
werben, und zwar von Denjenigen, weldyen er das Geſchaͤft
überlaffen hat, für ihn zu denken.” Das flimmt nun freilich
mit unfern gewöhnlichen Seligkeitslehren nicht überein unb
wärbe von der unermeßlichen Mehrzahl ber Beifklichen als ein
verbammungswürbiger Gas bezeichnet werben; Channing, felbft
ein Geiſtlicher, geht jedoch hierin fo weit, zu behaupten, es fei
eine laͤcherliche Ungereimtheit, bie Religion als etwas hinzuſtel⸗
len, worüber bie große Menge nicht nachdenken dürfe,
Gegen eine weitere Einwendung, nämlich, „daß ein Untere
fchied der Stänbe für bie geſellſchaftliche Ordnung weſentlich fet,
baß dieſer aber verwilcht werbe, fobalb der Gedanke in Allen
gewedt und in Allen gepflegt wird‘, hätte Shanning in Europa -
allerdings einen harten Stand; in Amerika jedoch, wo biefer
unterſchied faſt eriofchen iſt, bedurfte es einer weitiäufigen Ars
gumentation zur Widerlegung. Ghanning erflärt es für eine
Verfündigung am Menfchengeifte, wenn angenommen wird, dies
fer felbe Geiſt müffe in einem Theile bes Menfchengefchiechts
unterbrüdt werben, bamit er ſich fin dem andern, kleinern
Theile deſto volfländiger entwideln koͤnne. Wollte man noch
einwenden, baß der Mangel an Bartfinn und feinen Sitten bie
niebern Gtaffen nothwendig im gefelligen Leben von ben höbern
abgefondert erhalten müfle, wenn auch alle politiſche Ungleich⸗
beit befeitigt wäre, fo gibt ber Redner diefen Mangel an feiner
Sitte in der größern Menge zu und gefteht ein, daB er ein
Dinderniß für den Umgang mit den Gebildeten ift, obgleich ein
oft übertriebenes. „Aber biefe Schranke muß fallen vor ben
fich ſtets vervielfältigenden Bildungsmitteln. Roheit ber Sitte
ift kein Ubel, das nothwendig mit ben Lebensverhältniffen irgend
eines Standes verknüpft wäre. Wir brauchen nicht Jahrhun⸗
berte zuruͤckzugehen, um einen gefelligen Umgang unter ben
hoͤchſten Ständen in Europa zu finden, der fih durch Scham⸗
lofigleit und ungebundenes wuͤſtes Weſen auszeichnete; aber die
Beit bat jene verunzierenden Flecken wenigftens aͤußerlich abge
240
dieſe
muthigen. „Ein ‚du
* der allgemeinen Achtung ſteigt, wie ein traͤges,
Genuß gewidmetes Leben immer mehr als bes Menſchen unwuͤr⸗
dig und als veraͤchtlich betrachtet wird. Die altabeligen Vor⸗
urtheile, daß der Haͤnde Arbeit den Menſchen erniedrige, außer
wenn ihr Zweck iſt, Menſchenblut zu vergießen und ſtatt Nutzen
Zerſtoͤrung zu bewirken, ſpuken nur noch in wenigen verruͤckten
Köpfen. Der Grund dieſer heilbringenden Meinungsveränberung
iſt in der fortfchreitenben Aufklärung ber Begriffe und dem aus
langt, weldge bie größten — ertragen und doch zu⸗
gleich der Geſellſchaft die nüßl
der arbeitenden Glaffen! f
daß die niebern Claſſen bes Volks fich geiftig erheben werben,
und vielleicht der entſcheidendſte, iſt bie are Entwickelung ber
Grundfäge des Chriſtenthums. In den legten Jahrhunderten
bis au diefer Zeit iſt die chriſtliche Religion hauptſaͤchlich als po⸗
utiſches Mittel benugt und zu dem Zwecke verdreht und verftüms
meit worben, den @eift ber Völker zu unterbrüden. Aber bad
wahre Wefen bes Ghriftentbums, geiftige Freiheit, Gleichheit
der Menſchen vor dem Geſetze und allgemeine Menſchenliebe,
wird jegt durch die Macht des freien Gedankens von feinen Feſ⸗
fein und aus dem Schutte verfallener Zeiten ſiegreich befreit.
Die Frucht des Chriſtenthums, der Geiſt der Wahrheit, iſt die
einzige Lebensbebingung der neuen Bildung; wenn er nicht ſiegt,
werben die materiellen @üter die oberften Gefege geben, nad
weichen Zeber nur danach tradhtet, durch Beſitz äußerer Güter
ſich über Andere zu erheben. Die norhivendigen Bolgen einer
folgen Anordnung ber menfchlichen Geſellſchaft nach der Groͤße
DB Reichthums find: Verachtung der Menſchenrechte, Unters
brädung der arbeitenden Glaffen, Betrug und Schwindelei im
Bandel, woburd der Erwerb ein Gluͤcksſpiel wird, gemagte
Speculationen, und zulegt ein allgemeiner Vermoͤgenskrieg, ein
Buftand commerciellen Fauſtrechts, der nur in algemeinerm Ber:
fall enden Tann. Hülfe muß kommen und kann nur kommen
von einer neuen Macht, der Macht des Gedankens, melde bie
geiftige Würde des Menfchen ats oberftes Gefeg hinſtellt, und,
die gefelligen Einrichtungen nady allgemeiner Menſchenliebe und
den von ihr anerfannten Menfchenrechten ordnet. Der Anftoß
zur Werbefferung ber Geſellſchaft wird ſchwerlich von ben obern
Stiedern, fondern aus dem dunklern Schoofe der Menge kom⸗
men. Unter biefer fiebt der Menfchenfreund mit Freude neue
geiftige Bedürfniffe, geiftige WBeftrebungen und Grundfäge ſich
entfalten. Was ſchon gewonnen ift, fol uns Muth geben.
Endlich, vertrauen wir Gott, vertrauen wir dem Wenſchengeiſte
{n uns, und bem guten Shiefal, das feiner Eutwickelung und
Verherrlichung auf biefer Erde noch bevorfteht. Und follten uns
fere Bemühungen tn der naͤchſten Zukunft vereitelt werben, was
ich mir nie ernſtlich in den Stan kommen laffe, fo troͤſten wir
ung mit bem Gebanfen, daß wir bem Wohle künftiger Ge⸗
ſchlechter vorgearbeitet und unfere hoͤchſte Pflicht gegen unfern
Schöpfer gethan haben.” B.
Literariſche Notizen.
Shakſpeare in Frankreich.
E. Roger gab heraus „Beautss morales de Shakapeare“
in verfificirter Überfegung, mit gegenüberftebendem Driginaltert.
Roger hielt — im vorigen Jahre vielbeſuchte Vorleſungen
über engliſche Sprache und Literatur, in denen er viel Geſchmack,
Geiſt und Kenntniß befundete; auch ſchrieb er vor mehren Jahren
einen Roman „Oléar““, ber allerdings bizarr, feltfam und uns
vollkommen war, ber aber zugleich ein gewiſſes vulkaniſches
Feuer, eine originelle Auffaffung, kurz eine Menge Spuren von
entfchiebenem Talente befundete. eine Überfegung Shaffpeare's
ſcher Schönheiten und Kraftflellen zeugt für das Talent bes
Verf, aber ebenfo fehr auch für die Unfähigkeit ber franzöfl:
fyen Sprache, Shalfpeare in gelungenem Abbrude wiederzu⸗
geben. Shakſpeare erfcheint mir bei biefen Franzoſen immer
wie ein Wachsbild, welches nach einer Marmorftatue gearbeitet
ift: giängend, glatt, regelmaͤßig gegliedert, aber leblos, kalt,
mit hohlen, unheimlich flarren Augen, dabei hofmäßig coflumirt,
in Schnallenfhuhen, Racine's wohlfrifirte Perruͤcke auf dem
Haupte, den Galanteriebegen an ber Geite. Und biefer ſteife,
hoͤckerige, weitfchweifige Alerandreiner, der durch feine Länge zu
einer überreichlidyen Anzahl von verunftaltenden und ungehörigen
Sinfchiebfeln verführt oder zwingt! Man höre folgende Berfe
Roger's aus der berühmten Anrede Lear's an bie Elemente:
Foudre gut fonda sur moi, tu n’es pas Gonerlile;
Blömente,, oe n’est point lä haut qu’est ma familie;
Vous ne me deves rien. Je me vous oonnais pas,
Je ne vous al jamais partagd mes dtats;
Vous plaire ne fut pas mm seule et douse dtade;
Je ne vous taxe polat non plus d’ingratitude,.
Die Worte Romeo’s: „Hang up philosophy! Unless philosophy
can make a Juliet’’ erfäuft Roger in folgender Umfchreibung:
Au dieble la ralson! A moins qu’elle ne pulsse
Renverser cet arröt, ma rage et mon supplice,
Ou deplacer Verone et ne rendre & 1a fois
Juliette et le bonheur, je m’entends pas sa voix.
Roger hat biefe moraliſchen Schönheiten allein aus ben Tra⸗
gödien Shakſpeare's gezogen, „denn“, wie ein frangöflfcher Kris
titer bei diefer Gelegenheit fagt, „die Zrauerfpiele find die eins
zigen Stüde Shakſpeare's, welche einen moraliſchen Zwech,
einen moralifchen Sinn haben; feine Euftfpiele haben, wie man
weiß, davon nichts”.
tikers, &. Alloury, tft ebenfo kurz und entfchleden als albern.
Neuere Erfcheinungen auf dem Gebiete ber Poefie in
England find: „Orion‘‘, ein epifches Gedicht in drei Büchern,
von R. H. Dorne, Verf. des „Cosmo de Medici”, „Gregory”
u. f. w.; „The foil”, ein biftorifches Gedicht in drei Gefängen,
von Robert Hughmanz „Poems“, von Zhomas Whytehead;
„Ihe Styrian lake and other poems“, von F. W. Faber;
„The Cherwell waterlily and other ppems“, von Demfelben;
„The baptistery‘, vom Verf. der „Tihoughts in past years”
und „The catbedral”; „Eingland’s trust and other poems”,
von Korb John DWanners; „Poems”, von 3. &. Hope; „Nature
a parable’‘, von 3. 6. Morris; ‚„„Ecclesia”, von 8. ©. Hawker;
„Sacred gem von J. Gorle; „Sacred puems. from subjects
in tbe Old testament”, von Edmund Reader, Verf. von
„Italy. Man flieht, daß in England befonders bie religiöfe
Poeſie angebaut wird. 18,
Verantwortliher Herausgeber: Heinrich Brodhaud — Drud und Verlag von F. A. Brockhaus in Leipzig.
C — — — — ————— —— — —— ——— ——
Dieſe Bemerkung des franzoͤſiſchen Kris
Blatter.
de
literarifche Unterhaltung.
Dienfag,
Streitſchriften über die Hegel'ſche Philofophie.
1. Die Hegel'ſche Philoſophie. Beiträge zu ihrer richtigern Bes
urtheilung und Würbigung. Bon Ghr. Anbe. @abter.
u . Dunder. 1843, &r. 8, 1 Xple.
3
2. Die age in Hegel's Syflem. Zwei Streitfchriften.
Bon lie Bra en dege ee ? en 1843.
3 Die Pipdelnde ber Hegel'fchen Schule beustheitt on ®
Grauer. Beipäig, 8. Fieiſcher. 1842. Gr. 8.
Obgleich nur bie zweite ber genannten e— ſich
ausdrudtih als „Streitſchrift“ ankuͤndigt, fo paßt doch
dieſe Bezeichnung auf ale drei gleichmaͤßig. Gleichwol
find fie ſaͤnnutlich ein allgemeineres Intereffe in Anſpruch
zu nehmen berechtigt, ſchon deshalb, weil ſie ſich auf die
wiſſenſchaftliche Haltbarkeit der Hegel'ſchen Philoſophie be⸗
ziehen, welcher Niemand einen großen, immer noch in ſehr
verſchiedener Richtung und Geſtalt auf die Meinungen
des Zeitalters fortwirkenden Einfluß abſprechen kann; und
es iſt jedenfalls nicht gleichguͤltig zu ſehen, wie ſich der
Kampf gegen ſie wendet, und welche Punkte hier der
Gegenſtand des Angriffs oder der Vertheidigung find.
Eine Kritik dieſer Schriften, ja- ſelbſt eine bloße Relation
über fie findet fich aber in dem Kalle, daf fie unmoͤglich
auf Zuflimmung von beiden Seiten vechnen fann; wo
das Urtheil Über die Hegel’fche Phitofophie für oder wi:
der ſchon feftiicht, werden diefe Schriften ohnedies nur
ale Symptome eines, in jenem alle als gaͤnzlich unbes
rechtigt, in dieſem als überfläflig erfcheinenden Kampfes
betrachtet werden. Nur auf diefe Weife laͤßt fich erklaͤ⸗
een, daß die Schrift von Exner, fo viel dem Ref. be:
kannt iſt, bis jegt noch von keinem Anhänger Degel’6 ber
Erwähnung, geſchweige eines Verſuchs der MWiderlegung
für werth geachtet worden iſt; und doch iſt ihr Inhalt von
der Art, daß fie widerlegt werden mußte, wenn nicht nur
die Hegel ſche Pi, fondern das ganze Syſtem vor
dem Richterſtuhle einer ernſten und uͤber bloße Partei⸗
2* erhabenen Unterſuchung auch nur einen Schein von
Haltbarkeit fell behaupten können. Unglücklicher — ober
fellen wie fagen gluͤcklicher? — iſt Trendelenburg geweſen.
Durch bie kritiſche Analyſe, ber er in feinen „Losifchen Une
terfachungen” das Hegel'ſche Syſtem ruͤckſichtlich der Vor⸗
ausfegung feiner Vorausſetzungsloſigkeit, feiner Methobe
und deren Aumendung, des dialcktiſchen Auſammenhangẽ
feiner Daupttheile und ber darauf ſich gründenden Halt⸗
barkeit feiner Behauptungen unterworfen hatte, bat fi
bekanntlich einer der älteften Schüler Hegel's veranlaßt
gefunden, dieſem Angriffe mit großer Ausführlichkeit im
den „Berliner Jahrbuͤchern“ zu entgegnen. Ob bie bebett-
tenden Ehrenbezeugungen gegen das Hegel'ſche Syſtem,
mit welchen Trendeienburg feinen Angriff eröffnete und
begleitete, nicht zum Xheil dadurch veranlaßt worden find,
daß er zu der Zeit, wo fein Buch gefchsieben wurde, es
in Berlin für nöthig erachtete, fich über die runde zu
techtfertigen, aus welchen es ihm unmöglich fei, die Wohb⸗
thaten diefer Philoſophie fidy anzueignen, ob ebeiio die
Entgegnung nicht unterblieben fein würde, wenn der Ans
geiff nicht gerade von Berlin ausgegangen wäre, ob affe
nicht, wie ſchon H. Ritter gefagt bat, bie ganze Frage
eine blos Locale fei, mit der ſich die Wiſſenſchaft gar
nicht fo Lange aufzuhalten Habe, kann man auf ſich beras
ben laſſen; wie geringen Eindrud der erfte Artikel der
Entgegnung auf den Gegner gemacht habe, ſprach dieſer
kurz darauf in einem Artikel unter bee Überſchrift
logiſche Frage in Hegel's Syſtem“ in ber „Neuen Yertald
[hen Aligemeinen Literatur: Zeitung” aus. Gabler ließ
darauf noch zwei Artikel in ben „Berliner Jahrbuͤchern“
folgen, denen Trendelenburg abermals «ine, wie es ſchäut,
definitive Erwiderung entgegenſtellte. Aus dieſen Fünf
Artikeln find mit einigen Ermelterungen von Selten: Gab»
let's die obigen beiden Schriften entſtanden.
Überblickt man die ganze Reihe der Verhandlungen,
zu denen aber freilich ber betreffende Abfchnitt in Treude⸗
lenburg's „Logiſchen Unterſuchungen“ fehr weſentlich weils
gehoͤrt, fo verhehlt es ſich zuvoͤrderſt Gabler ſelbſtniche,
daB die Hegel ſche Miloſophie aus der Difenfive in die
Defenfive gedrängt iſt; aber er thut dies in eimer Melle,
die faſt Verwunderung erregt, wenn wan fi an bei
hochfahrenden Ton erinnert, mit welchem fonft die Hegel⸗
ſche Schule Diejenigen abzufertigen pflegte, die daB ganze
Soſtem für einen Irrthum zu erklaͤren ſich erklhnten.
Nicht, als ob es in ſeiner Schrift an ſarkaſtiſchen Wen⸗
dungen fehlte; außer ſolchen Interjeetlonen, wie Aha! Ei?
u. f. m. erinnern wie nur an bie :mit vieler Liebe audge⸗
fuͤhrte Vergleichung des Gegners niit jenem in des Bit
.ter6 von Rang „Demmelburgee Reifen” erwähnten Ta⸗
ſchenſpieler, der dem gaffenden Publicuim verfprädy, den
0. a
Rheinfall in eine Schu fe zu zaubern; gleichwol
kommt ber Verf. auf die bermalige Stellung der Hegel’
ſchen Philoſophie mehr als einmal in einem Zone zurüd,
der beinahe Mitleiden erregen koͤnnte. Er nennt fie eine
„vesurtheilte, gebrandmarkte, geaͤchtete, werrufene, verleum⸗
dere”, er pricht von Auklagen und Verdaͤchtigungen, bie
man gegen fie ſchmiede, von rohem und abſichtlichem
Misverſtehen, welches ſich Alles für erlaubt halte, wenn
e6 nur zu SParteizweden fromme, von dem ſchweren und
mislichen Kampfe ihrer Vertheidiger u. ſ. w. im ſehr verfchies
denen Wendungen, bie zum hell einen Pläglichen Eins
druck machen. Ja er iſt fogleich in der Vorrede (S. v)
fa beſcheiden, zu fagen,
daß er gegenwärtig nur darum kaͤmpfe, die Hegel’fche Phi⸗
ie als eine 8 inzuſtellen, welche in ihrem guten
ewußtfein, daß fie für Religion und Gtaat mindes
flen nichts SGefaͤhrlicheres oder Bedenklicheres enthalte als jede
andere geltende philoſophiſche Lehre, auch vollkommen das Recht
jedenfalls: neben ben andern und in
Piat und Standpunkt in Aue
Das „wo nicht mehr“ kann nun freilich ſehr ver
{dieveme Anipeüche einfließen; aber wer wird denn fo
Hoͤricht fein, des Hegel'ſchen Philoſophie ihren Platz im
der geſchochtlichen Reiha der übrigen Syſteme nehmen zu
meſlen? bat etwa Trendelenburg ihre hiſtoriſche Exiſtenz
geteugnet? oder hat er ihre wiſſenſchaftliche Haltbarkeit
angegriffen? oder iſt endlich, nach dem Sage: was wit |
Uch iS, IR vornanftig, Beides einerleis Niemand glaubt
hautaitage am bie Haltbarkeit des Ptolemaͤiſchen Weltfpe
fema; wird man ihm: deshalb auch feinen hiſtoriſchen
Platz in den Reihe der aſtronomiſchen Hyopothefen beſtrei⸗
us walten?
Was den Inhalt ſowol des Angriffe ale der Bass
theidigung anlangt, fo kaun ef. nicht umhin, fich bem
fen vom den verſchiedenſten Seiten ber ausgeſprochenen
Werheile amzufchließen, bei bie Vertheidigung durchaus
nicht zu einer Misberlage des Gegners geführt hat. Er
femme in dieſer Hinſicht beinahe ohne Ausnahme alle
Dem kei, was Trendelenburg ſeibſt in feinem zweiten Ar⸗
tibeh in einen foſten, ruhigen, dev Willenichafs würdigen
Zone ausfprihe Wis Gabier's erſter Artikel erfchien, |
mmäte es ſogleich auffallen, daß bie Entgegnung auf den
aiganilichen Punkt des Angriffs ganz. und gar nicht eine
sing Dieſer Punkt: was. die Dieiaktiihe Methode am fich
wur in ihrem Verhaͤutniß zu dem, lediglich durch fie zu
aeugenden abfeolusen Willen, welches, als ibentifch mit |: gefagt und
den Sacht in dem angeblich. nothwendigen Rhythuus der
Gadankenbeſtimmungan den immanenten Proceß der Sache
darſtelle. Stats deſſen ſuchte Gabler auf gueßen. Umwe⸗
gen. dem Gegner zu Gemuͤth⸗o zu führen, daß diefer eben
ein Wiſſen von dem Abſoluten, von Gott und dem
gaͤttlichan Geiſte hate. Der zweite Artikel (5. 83)
nme dies ſelbſt ein „Beitiiches Manorumes”, welches bem
Krieg in das feindliche Band zur [pielen ſucht. Gin ſol⸗
eb: Manoeuvre mußte. aber, feine Zuläffigfeit verausge
ſant, jedenſalla ummirkfans ſeia; das Gewicht und des
Merdianſt bes. Trendelenbarg ſchon Angriffs beſtand gerabe
‚nad Seins. Die weitere Xu
darin, daß er Die Hegel ſche Philoſophie nicht in ihren
Reſultaten über Gott, Religion, Staat u. ſ. w., fon
Bern, ganz unbefümmert um die teligiöfe und politiſche
ärbung, welche biefe Reſultate haben ober nicht haben,
n ihren Gründen traf Uber auch. Die Geiden ſpatern
Artikel enthalten durchaus nicht eine ſelche Wißerlegung
dee Einwürfe bes Gegners, daß dadurch eine puͤnktliche
Unterfuchung fich befriedigt finden könnte. Während ber
Gegner den Stiederbau des Syſtems im Einzelnen ana:
tofiet, während er ihm in feinem Wendepunk⸗
tea Spruͤnge und Erſchleichungen zur Laſt lege, laͤßt ſich
ber Vertheidiger auf die Haltbarkeit diefer einzelnen dia⸗
lekt
Bewegungen gar nicht eis, ſondern begmiszt ſich,
über Das, was er die Grundfrage der Philofophie nennt,
und über die Art ihrer Loͤſung fi gang im
zu verbreiten. Daß mit biefen Eroͤrterungen Trendelen⸗
' burg: widerlegt fei, hat Ref. nicht finden koͤnnen; vielmehr
WM die Art, wie hier bie Aufgabe, ebanfo wie das Reſul⸗
- tat bee Philofopbie beftimme wird, ſehr charakteriſtiſch für
: den Grad von Schärfe, den die Hegel'ſche Philoſophie
von fich felbft fodert. Nachdem (S. 119) der Phitoſophie
die befunmte Veſtimmung vindicirt werden ifl: daß fie die
Wiſſenſchaft deu Principien, und daß, fig mit dem Em⸗
pirifchen ohne weiteren, wie es iſt, abgeben, Umphilefophie
N rincioien aber felbR Goanken ober Gebundenverhäite
i oder
niſſe, 8* bie eigentliche r feib und bes Be
fentiiche bes verhältniffes, wo es immer in ber Erſcheinung
fi darbiete, auf eine burkbgreifende und allgemeine Weile auds
drucken, ftellen ſich damit bar als bie en alles Denkens
sen Loͤſimg auch dad B
nach
iſt, was alle Welt Bott nennt.... und bie
Abfolute. Daß ein foldes Eins fet, i
befonders beweilen zu wollen; denn jedes Denten bat es fon
und vermag es nicht von fi abzumweifen .... Alles kommt
aber baranf an, wie das: Eine als das Erfte und Urſpruͤngliche
als was es nach folder Faffung beitinmit werte,
wuruits
d. h. der abfefute Inhalt, den dee Geiſt ſchon in
‚teibaree Gewißheit babe, mäfle für das Deuken und durch
das Denken vermittelt werben. Echen bier draͤngen ſich
: cine Menge Fragen auf, über weiche dis Erpoſttion des
Berf. mit merkwuͤrdiger Leichtigkelt binmwegfehtüpft. Worin
liegt denn fo ohne weiteres die Bargſchaft, daß bie Pens
cipien, die ſecbſt „Gedanken uud Gedanben verh älts
nifſſe“ ſind, zugieich die eigentliche Sache und das We⸗
ſenckiche des Sachvechaͤltniſſes auf eine durchgreiſende und
denn
allgemutue Weiſe autrrickut Moher Die Verſchie⸗
denheit und der Stwit die Meinumen, Auſichten, Dppes
, Emenr Worin ir Anderen daf
dh w ſich für glattweg als Hrincipien des Den:
end und des Seins darſtellen? Wenn dee Verf, ©. 111
dem Empisismus die „Meinung uud Worausfegung‘‘ vor
wirft, „al® ob die Peindpim des Denbens und Gent
nie ſchen wefprünglich im Denken felbft gegeben waͤ⸗
ren” (eine Borausfenung, die Übrigens der Empiriss
mus, des die Erſcheinungen gedankenlos fo, wie fie fich
ihm darflellen, für wahr nimmt, gar nicht macht) — ifl
dann die entgegengefegte Behauptung fo, wie fie auftritt,
nicht sbenfalls eine bloße Vorausfegung? Indeſſen gefent,
ed verkände ſich ſo einfach von ſelbſt, daß die SPrincipien
des Denkens aud) die ded Seins find, worin liegt ferner
die Berechtigung des Triebes nah Einheit für
das Denken? Darf diefer angebliche Trieb nach Einheit
fo einfach befeblen, „es nicht bei der Vielheit der Princi⸗
pien bewenden zu lafjen?” und wie verwandelt fi benn
ploͤtlich Die Vielheit der Principien in Eins, aus
weiches Alles feinen Urfprung und feine Erklärung hat?
Etwa durch ein bloßes Gebot? oder durch einen Zauber
flag, der die, wenigſtens moͤglicherweiſe Ser Vereini
widerſtrebende Natur der Principien verwandelt? aͤre
es denmach wirklich fo uͤberfluͤſſig, zu beweiſen, daß Eins
und nur Eins ſei? Mit weichen Rechte wird ferner
biefes Eine fegleich mit Gott ibentiicht? Wenn „bie Dias
lekue bis zu den hoͤchſten und lehten Gegenfaͤtzen auffleigt,
und dann deren Einheit fodert, in welcher das Unter:
ſchiedene auch ein Nichtunterſchiedenes fein fol” (S. 127), |
ik diefe aus der Altern Schelling'ſchen Schule alibefannte
Identitaͤt des Nichtidentiſchen Überhaupt ein begreifltcher
Sedanke, und wird er etwa dadurch begreiflicher, daß zu
diefer „‚erfien Vorausfegung oder Hypotheſe eines ſolchen
Einen” (&. 128) die zweite „Foderung“ hinzugefügt
wird (S. 129, 130), das Eine ale ba6 Setzende feiner
Gurk und des Verſchiedenen, als das in feiner Selbſt⸗
unterfcheidung feine Ibentitaͤt mit ſich ſelbſt nicht Verlie⸗
rmde, ſondern aus der Nichtidentitaͤt in die Identitaͤt ſich
Zurücknehmende gebadht werben foll? Verſchwindet etwa ber
Widerfinn im Begriffe der causa sui, ben ſchon Kant
einfach darzelegt bat, dadurch, daß man ihn hinter die
Analogie mit dem Selibſtbewußtſein verftedt? Iſt diefer
Selbſtvermittelungsact etwas fo Heiliges und Ehrwuͤrdi⸗
ges, daß man in ihm ben adäquaten Ausbrud für das
Weſen Gottes gefunden zu Gaben glauben darf? Mas
foü namentlidy hier die Erinnerung am den Sag: Bott
ift die Liebe (S. 16), da, wenn das Eine ind Unenbiiche
bin fi nur mit fich ſelbſt vermittelt, bier, wie bei
Spinoza, nur von einem unembliden Golipfiemus bie
Here ſein Bunte? Die Wahrbeit if, daß diefe ganze Reihe
WR und Foderungen“ fehr deuttich ihre
Aftaunınmg von Spinoga, Fichte und Schelling verräch,
weiche letztern beiden den zum mindeften fehr ſchwierigen
und einer genauen Unterfuchung überaus beblisftigen Be⸗
geiff deu abfeluten Geibiithätigkeit nad bed angeblich im
abfeluser Prowwetivithr [ich ſeid ſt fehenden Ich auf das
„geſederte“ Eine übertrugen und das umverſtandene Phaͤ⸗
menſchlichen Selbſtbewußtſeins
nomen des zum
— —
Berl dagegen
dearch eine Aut⸗
wort, zucacwociſen, Die ee ſrubſo denn, Moſtiſcheu⸗ rd
beeichit (©. 35). Die Identiraͤt der RNata⸗
des Denkens wit dee eigenen Ratur der Wahrheit wisd
nämlich ſchlechthin vorausgeſetzt;
wir haben die zu erkennende urſpruͤngliche Wahrheit ſchon in
uns; es gibt urſpruͤnglich der Vernunft angeboͤrige Inhaltsbe⸗
ſtimmungen; die Idee Gottes iſt ſchon in uns, wir koͤnnen ſie
hoͤchſtens nur auch für uns hervorbringen; vielmehr aber iſt
fie- das ſelbſtthaͤtig, wie überall, fe audy in uns ſich Hervor⸗
bringende, eo fi in dee Weiſe bes Glaubens ober dao Deniens,
fie felbft ſchon die darin wirkfame und leitende abſotute Thaͤtig⸗
feit, der wir nur unfer Organ nicht verfchließen müffen ... .
und ift hier noch ein Rätbfel, fo hat es ber In dem Grunde
feiner eigenen Wahrheit fidy erkennende Geiſt, der biermit fels
eigenen WBwawiff findet, eben in feinem innerflen Zuſammen⸗
gehen mit ſich ſeibſt auch ſchon geloͤſt. (S. 15, 28, 63, 66.) '
Solchen Verfiherumgen gegenüber genügt es, ein paar
Worte aus Trendelenburg's Erwiderung anzuführen, die
fo lauten:
Mer bie lange Unterfuchung des menſchlichen Denkens nicht
gehen mag, thut den kurzen Sprung ins göttliche hinein, und
UNG |: yoeiß darin nun beffee Welheid als in bem eigenen 34.
er dann Prophet ober Philofoph, Aheofopb ober
If
Logiler? Mies‘
leicht in „biefen Partien keins von beiden; denn zum erften
- hört Begeiſterung, zum zweiten Strenge. Aber man gibt fi.
1
den Schein metaphyſiſcher Tiefe, wenn man mit dem g Kiden
Denken leicgter verkehrt als mit der naͤchſten finntichen ⸗
ſcheinung, zu deren Verſtandniß man erſt die ganze Phyftk Kubts:
ren müßte (S 43.)
. Im Zuſammenhange mit jeuer myſtiſchen Voraus⸗
ſetzung, daß eigentlich nicht. der Menſch, ſondern bie Ides
das im Menſchen ſich ſelbſt Denkende oder Glaubende
ſei, ſtehen nun manche unerwartete Conceſſionen an bie
Gegner der Hegel'ſchen Dialektik, die an andern Scellen
deutlich hervortreten.
Die Dialektit des reinen Denkens — ſagt Gabler S. 107 fg, —
wolle den Inhalt nicht Hafen und geftalten (alfo nicht einmal.
geftaiten?), fondern dee Inhalt, mit welchem ſich das Den:
ten zu ſchaffen mache, fei ſchon von Ewigkeit gefchaffens unfer
Denten füge ihn nur, wie billig, auch für uns zu reprobuciren,
was es freilich nicht anders als buch Wiederdenken thus
koͤnne; bie Gelbfibewegung des Gedankens fei nicht die Selbfks
erzeugung des Seins, bie Stadien des Begriffs feien nicht
ebenfo viel Stufen des Seins, fondern Stufen des Gedankens,
wobei das Bein fetb zu etwas Untergeordnetem, nur Geſetztem
und Srfchaffenem, einem bloßen Momente herabgefegt werbe u. f. w.,
ja es It (&. vu) fogar von dem „Popanz des reinem
Denkens’ die. Rede, womit man „andere ins Bockchorn
jage”. Sole Beſtimmungen konnten den Verf. wor
veranlaſſen, ausbrüdiich zw erklaͤren, daß er nme feine
Auffaffung des Hegel'ſchen Lehre vertrete. Daß jedoch
dieſe Faſſung durchaus nicht in dem urſpruͤnglichen Bine
der Hegel'ſchen Dialektik liege, ja daß bei Gabler feihft
fehe beftimmte Außerungen vorkommen, die mit ihr nicht
zuſammenſtimmen, darüber hat ſich Trendeleaburg S. 40-fg.
ſehr genügend erklaͤrt; namentlich muß in dieſer Hinſicht
die ganze Erpoſition der dem abſoluten Einen immanenten
Negativitaͤt (Gabler, S. 159) hervorgehoben werden, mo bie
urſpruͤngliche Thaͤtigkeit der Selbitunterfcheidung, Seibſt⸗
ſetzung des Geins für ſich, der Gelbſtvermittelung im Uns
teufchiedenen mit ſich u. ſ. w., mit einem Worte bie von
gerabe fe, wie von dem Ma. au biefee |.
Stelle ausgelegte Negatinität das Grundgefeg alles Den
Bene und alles Seins, die allgemeine Form aller geifligen
und natürlichen Eriftenz u. f. w. genamnt wird.
So (nämlih weil die Erkenntniß in keiner andern
als berjenigen ber Sache ihr Ziel erreigen Tann) wird die Form
jener Thaͤtigkeit auch das Princip bes reinen fpeculativen Er:
kennens, und das Bormprincip, aus welchem ſich die mit der
Sache ſelbſt identiſche Methode ergibt.
Befondern Unmuth erregt es dem Vertheidiger ber
Hegel’ichen Lehre, daß Trendelenburg an vielen Beifpielen
nachgewiefen hatte, baß die angeblich dialektiſche Erzeu⸗
gung der Begriffe bloßer Schein fei und daß die Logifchen
reinen Beftimmungen des Seins, welche das reine, ans
geblich voraudfegungslofe Denken aus fi felbft zu haben
und berovorzubeingen behaupte, alle aus dem Boden der
Anfhauung und finnlichen Vorſtellung flammen, und von
da aus heimlich eingefhwärzt werden.
Wie doch — ruft Gabler aus — ein praktiſch in biefen
Dingen geübtes Auge es ſogleich durchſchaut, wo Barthel Moft
holt. Warum ift biefe klare Entdedung nicht ſchon von Ans
bern gemacht worben? (S. 192.)
Diele Entdedung nun, daß die Hegel’fche Philoſophie,
fortgerifien von dem gegebenen Schaufpiel der Veränderung,
dieſes Anderswerden nur auf bie allgemeine Kormel ſei⸗
nes begriffsmaͤßigen Ausdrucks gebracht und dieſem rein
empirifhen Begriffe die Frage nah der Denkbarkeit
ber Veränderung aufgeopfert habe, daß alfo die dialektiſche
Methode nur die Formel für bie Verzichtieiftung auf die
Unterfuchung des Problems der Beränderung tft, indem
fie fi besnägt, die Veränderung als abfolutes Werben
einfach in das vorausgefegte Eine hineinzuverlegen, daß fie
alſo in diefer Beziehung Empirismus, „natürlich nicht
- gemeiner, unbefangener, wie bei Sammlern, Beobachtern
und Srperimentatoren, fondern ſchuldbewußter, feine
inneren Widerfprüäce laut und freimürhig be:
fennender Empirismus” fei, diefe Entdeckung, wenn
es anders eine ift, bat vor Länger als einem Jahrzehend
unter Andern Herbart 3. B. in einer Recenfion der He:
gel'ſchen „Enenklopädie” deutlich ausgefprohen. Aus diefer
Ohnmacht des Denkens, welches den unvermeidlichen Kampf
zwiſchen den Foderungen des Begriffs und den Kormen
der Erſcheinungswelt burdyzuführen verzagt, und aus der
in ihre wurzelnden WBorliebe für das abfolute Werden er:
klaͤrt fih auch fehr leicht, warum die Hegel’fche Schule
eine wahre Angſt vor dem Sein, ober beflimmter zu ſpre⸗
den, vor dem Selenden bat, bie ſich auch bier bei Gab:
le (S. 130 fg.) verräth. Statt des Seins foll die That
an bie Spitze geftellt werden; ale 06 That ohne ein
Thaͤtiges, und ein Thaͤtiges, welches nicht fchon ale feiend
gebacht würde, etwas mehr wäre als ein leerer Begriff!
Eben deshalb ift hier vielleicht dee einzige Punkt, in wel:
chem Gabler mit Erfolg feinem Gegner das Recht einer
Polemik gegen Hegel von deifen eigenem Standpunkte
aus hätte in Imeifel ziehen koͤnnen. Auch findet er wirk⸗
lich in dem von Xrendelendurg an die Spige geftellten
Begriffe der Bewegung nicht ohne rund eine Verwandt:
ſchaft wit dem Principe der immanenten Negativität.
Be all und Thaugtet Werhent mb alles
Werben, muß auch bieles für das Denken und das Gein ge
meinfhaftlich angenommene Princip in bem, von der Bewegung
unzertrennlichen, fortgehenben Anderswerden, worein auch biefeß
falle, das negative Moment enthalten, wornadh in jebem
Punkte das Segen eines Neuem ſchlechthin zugleich bas Aufbe
ben des Bisherigen ift und umgelehrt, ober Megisen unb Ponis
ren unzertrennlid in cinen Act und zwar in benfelben Punkt
der Bewegung fallen. (&. 172.)
Ob Das, was Trendelenburg hierauf (S. AT) erwi⸗
dert, genügt, kann bier nicht unterfucht werden; gewiß ift
die Bewegung nicht minder al6 die Negativität ein weiter
Mantel, um das Werfchiedenfte darin zu verfteden; auf
feinen Fall liegt die Sache fo, daß man, wie Gabler
(S. 87) andeutet, zu dem Dilemma gendthigt würde:
entweder Hegel ober Trendelenburg; im Gegentheil ift ne:
ben Beiden noch überaus viel Platz zu philoſophiſchen Un:
terfuchungen übrig.
(Der Beſchluß folgt.)
Literarifhe Notizen aus Frankreich.
Ein armenifhes Journal in Smoyrna.
Seit etwa brei Jahren hat fi zu Smyrna eine Geſellſchaft
von Armeniern gebildet, die den Namen ber Sunig führt. Der
Zweck biefer Geſellſchaft iſt bie Verbreitung europäifcher Wiffen:
[haft und Giviliſation. Wei der bekannten Thaͤtigkeit und
Geblegenheit bee Armenier wird dieſes vereinte Wirken mehrer
eifriger Verehrer abendlaͤndiſcher Bildung gewiß nicht verfeblm,
gute Früchte zu tragen. Die Gefellfchaft der Gunis bat nun
vor kurzem eine Art von Collegium gefliftet, in dem jüngere
Leute, welche berfelben religioſen Sekte angehören, gebildet
werben follen. Wie es Heißt, iſt dieſe Anftait, die erft kurze
Zeit befteht, bereits im ſchoͤnſten Flore. Aber bie Gründer
haben auch fein Opfer gefcheut, um ihrem Werke ein längeres
Beftehen und eine immer größere Ausbehnung zu ſichern. Wie
ed heißt, fol ſich inbeffen die türkifhe Regierung felbft für
dieſes mwohlthätige Inftitut, das für bie Xuffiärum der Tuͤrkei
und Kleinaflens von großer Wirkung fein Tann, iebhaft inter:
eſſiren. So if es benn ber genannten Geſellſchaft von Armes
niern leicht geworden, bie nöthige Autorifation zur Gründung
eines Journals in armenifcher Sprache zu erhalten, das bei
ber weitern Verbreitung dieſer Mundart in Kleinaſien eine
große Bedeutung erhalten duͤrfte. Die BRebaction diefes neuen
Blattes, von dem bereits einige Rummern erfchienen find, iſt
einem gewiflen Lukas Kaspar Balthazarian anvertraut. iefer
junge Gelehrte, der feine Studien in Europa ſelbſt und na:
mentlich in Paris gemacht bat und mehrer moderner Spra⸗
hen vollkommen mächtig ift, bat feine Wefähigung bereits
durch einige Bleinere literarifähe Arbeiten an den Tag gelegt.
Das Journal, an befien Spitze er ftebt, führt ben Zitel
„Morgenröthe vom Ararat”.
Werke zur Charakteriſtik des frangdfifhen Volks.
Unter den Eharakteriſtiken der verfchiedenen Bewohner und
einzelnen Staͤnde von Frankreich, von denen wir in neuefter Zeit
eine ganze Menge erhalten haben, iſt das prachtvolle Werk von
Gurmer „Les Frangeis peints par onx-mömen’ jedenfalls bie
ausgezeichnetſte. An baffelbe fchließen fich mehre andere als Ex:
gänzungen an; wir erwähnen von denfelben namentlich „Les
Frangais sous ia revolution” von Auguflin Challamel und
Wilhelm Tennint. Diefes Wert fol für die Geſchichte der Ne:
bolution etwa Das geben, was bie „Francais peints par eux-
memes‘ für bie Geſchichte der Gegenwart find. Es iſt dies
das unterhaltendfte, das beiehrendfte Bilderbuch gu jeder Revo:
luttonsgefchichte. 2.
Verantwortlicher Gerausgeber: Heinrih Brokhaus. — Driud und Verlag von $. X. Brockhaus in Leipzig.
Blatter
für
literarifhe Unterhaltung.
über Die Hegel'ſche Philofoppie.
(Befhluß aus Nr. 186.)
Zu bemfelben verwerfenden Refultate, welches Trende⸗
(emburg ansgefprochen hatte, gelangt nun auch die Exner’s
ſche Kritik der Hegel'ſchen Pfpchologie, wie fie ſich in den
Pſychologien von Rofenkranz, Michelet und Erdmann ale
Ausführung der Lehre vom fubjectiven Geiſte darſtellt.
Die Schrift von Erner hat den Vorzug, daß fie ein be:
ſtimmtes Gebiet ausführlih durchmuſtert, und zwar ein
ſolches, wo es fi um Thatſachen handelt, die jedem in
feinem eigenen Innern zugänglich find, wo es alfo mög:
sich ift, die Speculation vor dem Forum der Erfahrung
zur Rechenſchaft zu ziehen.
Die Wirktiichleit — fagt ber Verf. fogleidh im Eingange —
laͤßt fidy nichts andisputiren, beugt ſich keinem Lieblingsſyſteme
und keiner Leibenſchaft des Beſchauers. Die falſche Theorie
Zommt nicht bis zu ihr; fie bleibt in luftiger Höhe ſchweben,
wo fie es liebt, mit dunkeln Worten Iuftige Geflalten zu ums
Bleiben.
Der Gang des Verf. ift ganz einfach ber, daß er
fragt, inwiefern es der Pfpchologie der Hegel'ſchen Schule
gelinge, erſtlich die pſychiſchen Thatſachen richtig aufzufafs
fen, und ſodann fie theoretifch begreiflich zu machen. Seine
Kritik theilt ſich demnach im zwei auch dußerlich gleich
ausführliche Abfchnitte. Die Prüfung der erften Frage
führt ſchon (S. 39) zu dem Urtheile:
daß die abfotute Wiſſenſchaft, weiche ſich To Hoch erhaben über ihre
Borgängerinnen duͤnkt, uns nichts Beſſeres als Kantifdhe oder
vielmehr Worffifche Pſychologie zu geben hat. Denn dieſe cha⸗
zofterifirt ſich dadurch, daß fie Gruppen von Beelenzuftänden
zufammenftelt und ihnen einen Namen ober eine Namenerklaͤ⸗
zung gibt, ohne genauer zu unterfuchen, was in ber Seele vor⸗
geht, und aus welchen Beranlaffungen. So bringen die Verf.
Scharen bekannter Namen und NRamenertlärungen, bie Erinne⸗
rung, bie Ginbilbungsfraft, ein Borftellunges und Bezeichnungs:
vermögen, den Berſtand, die Urtheilsfraft, bie Bernunft und
ähnliche Worte, die wie alte Scheidemuͤnze gangbar find, ohne
Sa man ſich um Gepräge und Behalt viel künmert. Zweitens
Sen fere Yrodolsgie, ndmiid, ein gebankentofes RBortgemenge
Bol ologie, nam 29 n gemeng«
ft, a Eur Kaliäee Verftand nie ſich bat zu Schulden
kommen lafſen.
Bon ©. 55 an wendet ſich dann bie Kritik zu dem
angeblich unantaftbaren Heiligthume der dialektiſchen Me:
thode, um fie nad) ihrem Wefen und ihrer Anwendung in
der Pſychologie zu prüfen. Hier bringt der Verf. gleich ans
fange eine Frage in Anırgung, die Trendelenburg nicht be>
5. Zuli 1843,
niß der dialektiſchen zur genetifchen Methode. Der ur:
fprünglichen Intention Hegel's nach follte gewiß bie bias
lektiſche Methode die wahre genetifche, ja bie Genefis, ber
immanente Entroidelungsprocch der Sache felbft fein.
Demgemäß müßte die Reihenfolge der dialektiſchen Mo:
mente Überall der empirifch gegebenen Reihenfolge der Vers
änderungen in ben verfchiedenen Gebieten des Geſchehens
entſprechen, fodaß wenn 3. B. unter den Entwidelungss
momenten bes fubjectiven Geiſtes der Somnambulismus
und die Seelenkrankheit vorkommt, dann jedes Individuum
nothwendig tenigftens einmal Clairvoyant u. f. w. fein
müßte, überhaupt keine höhere Entwidelungsftufe bes geiftis
gen Lebens erreichen koͤnnte, ohne die niedern ſaͤmmtlich
und zwar in einer beftlimmten Reihenfolge durchs
laufen zu haben. Da eine foldhe Behauptung der Er
fahrung gegenüber fich nicht durchführen läßt, fo erklärt
5 B. Erdmann bie dialektiſche Methode von der genetis
fhen für weſentlich verſchieden. Daß nun hierbei wenig⸗
ſtens jede praktifche Brauchbarkeit der Methode verloren
geht, bemerkt der Verf. ſehr richtig, läßt aber uͤbrigens
die Wahl frei, in welchem Sinne man die Methode neh:
men wolle, ſich begnügend, auf eine das Weſen und bie
Bedeutung berfelben unmittelbar betreffende Disharmonie
der Schule bingemwiefen zu haben.
Ihn weiter ins Einzelne zu begleiten, muß ſich Ref.
verfagen; außerdem gäbe die Meine, aber inhaltfchwere
Scheift reihen Stoff zu ſehr unterhaltenden Auszügen.
Es iſt Pflicht gegen die Wiſſenſchaft, zu fagen, daß der
Verf. in den beurtheilten Schriften Dinge nachgemiefen
bat, wie man fie von ben Bertretern einer Schule, die
fo anfpruchsvoll bafteht und mit fo großer Verachtung
auf ihre Gegner herabficht, nicht erwarten follte; mandyes
erinnert "an den „Schallftoff”, den einer aus ihrer
Mitte vor ein paar Fahren entdedt hat. Der Verf. geht,
ohne wie Zrendelenburg vor Eröffnung des Kampfes vor
dem Gegner ſich ehrfurchtsvoll zu verneigen, kalt und ru⸗
big unmittelbar an die Sache und gibt, nachdem er fie
geprüft, mit fhonungslofem Ernfte der Entrüftung Worte,
welche ein folches Verfahren mit voiffenfchaftlichen Aufga⸗
ben in ihm hervorgerufen hat. Das Gefammturtbeit,
welches er (S. 106-109) uͤber den Werth ber dialekti⸗
ſchen Methode und ihre Anmwendungen fällt, iſt zu lang,
um es bier 'mitzuthellen; das Aufnehmen der Begriffe
von aufen, während man fie für felbftergeugte ausgibt,
die ‚„‚Unfchuld‘ vieler angeblich dialektifhen Trichotomien,
die Leichtfertigkeit in dem Zufammenraffen der Momente,
die Willie in der Handhabung der Methode, die Verun⸗
Raltung der Erfahrungsbegriffe bis zur Unkenntlichkeit,
ein loſes Spiel mit Begriffen, welches felbft zur Faſelei
wird, — diefe Merkmale nennt der Verf. ale die diefe
Werke weſentlich bezeichnenden.
Diver ift es nicht Faſelei — fragt er — wenn man bes
hauptet, Waffer und Feuer außer uns werbe dur Waſſer und.
Feuer in uns wahrgenommen, ober ber Ton fei bie erfällte
Seit? wenn man e8 eine finnreiche Erklaͤrung nennt, daß bie
durdp bie Anziehung des Mondes auf den DA
feftgebalten werben * wenn man es als ein Zeichen ſtiller Kraft
anerkennt, daß deutfche Bauern ihren blauen ober grünen Rod
zoth gefüttert tragen? u. ſ.w. — Wer bie Erfahrung verachtet,
hält es nicht der Mühe werth, fie zu Tennen. So iſt es zu
erfiären, wenn wir bier lefen, Sommer und Winter feien ons
nennähe und Sonnenferne, ſolide Körper leiten den Schal nicht
fo gut als die Luft, der Speichel fei aus der Zunge ergeugtes
fpectfiiches Waſſer, was man bei Jedem, ber nicht abfoluter
Philoſoph ift, nicht anftehen würde, grobe Agnoranz zu nennen.
Und fchon vorher hatte er bei Gelegenheit der Art,
wie die Hegel'ſche Pfychologie die Frage nach der Freiheit
bes Willens behandelt, gefagt:
Gewiß, wer in irgend einer andern Wiffenfchaft Solches
wagte, ber wärbe für immer mit dem Male geiftiger Unfaͤ⸗
higkeit und ſchamloſer Anmaßung gebrandmarkt fein; nur in
ber Philoſophie, der armen, gebrandmarkten Philoſophie, gilt es
für erlaubt und ehrenvoll.
In der ganzen Haltung feiner Kritik erfcheint der Verf.
nicht als ein Dann, der von leidenſchaftlichem Eifer fort:
gerifien mehr fagt, als er fih zu verantworten getraut;
was er ausfpricht, meint er wol auch in vollem Ernſte.
Wer daher diefe Ausdrüde zu ſtark findet, den muß Ref.
ausdruͤcklich bitten, die Schrift felbft zu leſen, und den
Verf. mit derſelben Genauigkeit Schritt für Schritt zu
begleiten, die er fich felbft zur Pflicht gemacht hat. Auch
eine flaunende Bewunderung, falls fie nur den Sinn für
echte Forſchung noch nicht ganz Übertäubt bat, wird fich
bier zu einem prüfenden Nachdenken angeregt finden; na:
naentlich dürfte diefe Schrift folchen Lefeen zu empfehlen
fein, die, gebiendet von den Anfprüchen und Verheißungen
dee Hegel'ſchen Philofophie, fih ihr Halb unbewußt in bie
Arme werfen, um nicht ber Ehre, mit auf der Höhe ber
modernen Speculation zu flehen, verluftig zu gehen. Die
Infallibilitaͤt der Hegel'ſchen Dialektik, fo axiomatiſch fie
auch auftritt, iſt nichts weniger als ein Axiom; hat man ſie
doch auch ſchon die Kunſt, „den Unſinn auf die kuͤrzeſte
Formel zu bringen”, genannt. Dennoch iſt das Hegel'⸗
ſche Syſtem ohne dieſe Methode als Syſtem betrachtet
gar nichts. Der Verf. hat an einem ſehr wichtigen Ge⸗
biete dee philoſophiſchen Unterfuchung gezeigt, daß das Sy⸗
ſtem auch mit ihr nicht den geringſten Anſpruch auf wiſ⸗
ſenſchaftliche Haltbarkeit hat, und Deutſchland iſt groß
genug und hat noch zu viel wahren wiſſenſchaftlichen Sinn,
um zu fürchten, Das, was die Hegel'ſche Schule zu igno⸗
tiven oder zu verbammen für gut findet, werde fpurlos
und wirfungsios voruͤbergehen. 12.
Über die legte parifer Kunſtausſtellung.
Wenn die Hifkorienmalerei in bee neueften Zeit immer mehr
Boben verliert, fo gewinnt dagegen die fogenannte Senremalerrl
eine Breite im Leben, die Alles in ſich aufnehmen zu wollm
Kheint, was nur irgenb in bie menſchliche Sphäre Kereingeze
gen werden kann. Schon fängt man an, bie in — Faq
gehörigen Gegenflände ihrer großen Magnnichfaltigkeit wegen
nach ihrem verſchiedenen Inhalte in Claſſen zu orbnen. Die
Kunft gewinnt, wie der Menſch, bei biefer Art Malerei; fie
bilbet eine Art Übergangsflufe zu der böhern hiftorifchen Dar:
flelung, wo bas Ideale als das Höhere unb Hoͤchſte erkannt
wird. Sie ift dem Roman zu vergleichen und fucht daher aud
feine Mannichfaltigleit und Breite zu gewinnen. Einmal ik fie
für die Kunft überhaupt wichtig. Die Objecte drängen fi zu
Zaufenden Herzu, wie bie Welle des vei Lebens eine
nach der andern und mit der andern babinftrömt. Mon dem
Unbebeutfamen wählt ber Kuͤnſtler endlich das WBebeutfamere;
gleichſam nur Das, wo bie Idee, bie Poefle hervorſcheint, gilt
ihm für einen ber Darftellung und ber ganzen übrigen Eünfkteris
fen Behandlung werthen Moment. Bald ift es nicht nur das
Sichtbare als ſolches, was ihn an fich zieht, es if visimehe
bas bes menſchlichen Augenmerks Werthe, was er fich als
Kunftfioff unterwirft. Hier wird zugleich der Stoff ein geifti:
ger Stoff, der nicht mehr fpröde allem Beginnen und alle
Mühe widerſtrebt. Die Eiche für Ihn weckt und hebt alle feine
Kräfte und regt fie zu lebensvollem Spiele. Der Begenftand
fcheint ſich unter der des Kuͤnſtiers von ſelbſt zu geſtal⸗
ten, fi) von allen feinen Fehlern zu reinigen und fich zu einem
volllommenen unb vollendeten Kunftgebilde barzubieten. Dabei
dringt ber Künftier in alle Tiefen ber Natur ein und lernt alle
ihre Eigenheiten im Detafl Tennen. Kein Geberbenfpiel, feine
Gontrafte, keine Farbe, fein Lichtgauber bleibt ihm unbekannt
und verſchloſſen. Künflter tritt in feinem Schaffen an
bie Stelle der Natur, jedoch ohne feine eigene höhere Beſtim⸗
mung zu verfennen, bie Ratur nur im Gebiete ber Kunft wies
berzufinden. Wahr iſt es freilich auch, daß bei allen ben vielem
Außerlichleiten der Ausführung und ſelbſt der mancherlei Ge
ftattungen der mancherlei Figuren fich nicht felten die innere
Dürftigleit und Geiſtesarmuth verräth. Gibt es doch Schlach⸗
tenmaler, bie in bloßen wilden Derumwerfungen von Gliedern
bei Pferden und Menfchen einen Reichtbum ber Phantafte und
eine Birtuofität des Vortrags zeigen wollen, und bie vielleicht
keinen Dolzbauer, wie er mit der Art aus dem Walde kommt,
naturwahr darftellen Gönnen. Zum Zweiten iſt bie Geuremalerei
für den Menfchen als Beichauer wichtig. @ie gibt allen &ce
nen des menfchlichen Dafeins und Wirkens in aller ibrer Vers
Anglichkelt etwas Bleibendes, woran bie Keflexion haften koͤnne,
de firirt das fonft leicht Verſchwindende in einem Momente
günftiger Beleuchtung wie bes fchönen Farbenwechſels, und
macht es fo bebeutfam für die Anſchauungz auch ber Beſchauer
lernt das Wichtigere aus dem Leben hervorheben, unb es ift ber
Ernſt wie ber erz, in faßlidhen Scenen ihm vor die Seele
geſtellt, bis ſich auch hieraus das Ideale entwidelt, und an fein
Herz die Mahnung geſchieht, nur das wahrhaft Schöne zu ſu⸗ |
chen und es mit Liebe zu umfaflen.
Der geiftige Bebalt in ben beiten Genremalereien der Krans
zofen ift meift von fentimentaler ober wisiger Art. Mit Laune
und Eharakter aufgeſucht, wirb das franzöliiche Genre zuweilen
Caricatur. Intereffe der gewählten Gegenftände aber laͤßt ſich
dem Gefchmacd der Franzoſen fat nie abfprechen; auch von jes
nen eigentlichen Genrebilbern ber Niederländer, bie durch bie
vollenbetfte Ausführung ober einen berb= naiven Humor Jater⸗
efle gewinnen, kommen gelungene Proben vor. Als Feinmaler
in Art und Weile der Nieberländer iſt befonderd DReiffonicr
ausgezeichnet, der fi) mit einem Male vor fünf oder ſechs Jat⸗
zen durch feine Eöfttichen Juuftrationen gu Bernarbin de Saints
Yierre’d ‚‚Chaumiere indienne‘ bekannt gemacht und gleich in feis
nen erſten
|
Dibitbern eine große, hoͤchſt achtbare Vollendung dis |
Kunft gezeigt hat. Mit ber gruͤnblichſten Kamtniß bes Eslorits
und ber dmferften Delicatefie der Ausführung vereinigt biefer
jange Kuͤnſtier in feinen Beinen, niedlichen Leiſtungen eine treffs
liche Zeichnung und eine bei feinen Landsteuten feltene Reinheit
—— Tin Wander und fein Bahgtiger har 14
i ‚sein in i alten
neben ben beften niederländifchen Kunffäöpfungen biefr Art.
Der Maler in feinem Atelier, den wir diesmal in ber Kuss
fielung feben, ift ein auserlefenes GSabinetöftüd, bas neben eis
nem Gerard Dow, Deu und Mieris mit Ghren beflchen
würde. Man kann fich nichts Originelleres benfen als dieſe
kleine Gompofition. Die verbeoffene Emſigkeit bes armen vor
feiner Gtaffelei von zwei Goͤnnern gehinderten Känftters iſt
hoͤchſt geiſtreich vorgeführt. Die Gtellungen ber beiden Bilder
liebhaber, von benen ber eine mit verfchränfkten Beinen bafigend
ein dummes Wohlgefallen an dem Bilde gu erkennen gibt, waͤb⸗
rend ber andere, auf die Rüdtebne feines Stuhls ıgeflügt, vors
nehm dareinſchaut und mit mistrauifcher, wichtiger Kennermiene
die Arbeit des Malers einem gebiegenen Examen unterwirft
bilden einen Contraſt von fehr pilanter Wirkung. Die Abtoͤ⸗
nung ift von autgeſuchter Beinbeit, die Ausführung bis ins
Kleinſte von unſaglichem Fleiße und dabei die Haltung trefflich.
Im lannigen Genre zeichnet ſich diesmal Guillemin vorzuͤg⸗
lich aus. Sein Zahnarzt, ein kleines Maͤnnchen von ſehr ge⸗
rechlichem Ausſchen, eben im Begriff, den Schäffer anzufegen,
um einem baumftarten, vor Angft laut brüffenden und ſich firäus
benden Roßlamm einen hohlen Zahn auszureißen; fein Mufits
Ihrer, der feinen Zoͤgling auf der Glarinette mit der Bioline
begleitet; fein Troupier, der einer Bargotitre am Kochberde
eine heiße Liebeserfiärung macht, die ein Schenkgaſt im ‚Dinter:
grande ige ins Ohr Mläftert und bie Angebetete ohne von ber
beit wegzuſehen mit großer Seelenruhe anhoͤrt; fein Don
Dunizote, der, als ein hageres Geſpenſt im Bette aufgerichtet,
dem wunbgefchlagenen , wimmernden Sancho Panſa bie wunder:
fame, amgenblidliche Deistsaft feines Balſams auseinamderfegt,
— find hoͤchſt gelungene Büber voll ergbglichen Pathos, heite⸗
zer Laune und echter Komik, bie jedem für Humor und Wit
empfänglichen Beſchauer großes Behagen und innigen Genuß
gewähren. Der Geiſt, ber bier zu Grunde liegt, if nicht nur
urtheilend, ſchilbernd und ab, fondern mit
wegt und mit Luft und Schalikheit in das Geſchilderte vertieft.
Bei ihrem geifligen Gehalt haben biefe Biber noch das Ver⸗
bienft einer maleriſchen Feinheit, einer freien, geiftreichen Touche
und eines trefflichen Impaſto. Zwei mehr fentimental gehaltene
Genreftäde deffelben Künfttere, eine Mutter, bie nach geendig⸗
tee Meffe beim Derausgeben aus ber Kirchenthuͤr fi) und ihr
Kind, indem fie das Zeichen bes Kreuzes ſchlaͤgt, mit Weib:
waffer benekt, und ein alter Zifcher, der mit feinem Sohne
auf den Fiſchfang aussieht und faft angſtlich nach dem ſtuͤrmi⸗
fen Himmel flieht, fi ebenfalls glädtich erfunden und in eis
ner anziehenden Gemuͤths⸗ und Barbenftimmung geiſtreich durchs
. Gin Militairſtuͤck von Charlet, ein Zug von Truppen,
Rriegsgepäd und Verwundeten, ber einen Hohlweg paſſirt, ein
figuren: und gruppenzeiches Bild, an dem die Ausführung nichts
weniger als beiicat, fondern die Haupttheile mit wenigen und
im Berpältnit zur mäßigen Größe ber Ziguren faft zw breiten
Zagen bingefchrieben find, muß man in einer gewiffen Entfer⸗
zung mit Aufmerkſamkeit betrachten, um bebachte Motive und
einzeine Geftatten von typiſcher Vortrefflichkeit gehörig zu
Aboiphe Leleux, welcher bisher ausſchließlich Gegen ſtaͤnde
aus ber bretagniſchen Bauernweit in hoͤchſt charakteriftiicher
Deiſe behandelte, gab dies Jahr eine Scene des ſpaniſchen
Betlsichens als flagenten Beleg, daß er fein Talent und feine
eigentbämtiche Darftelungsweife auch in andern Sujets mit gleis
dem Grfolge geltend zu machen verftehe. „Die vor ber Thuͤr
einer Pofade fingenden mb Fi zu ihrem Gefange auf ber
Mandoline und andern Inftrumenten begleitenden navarreſiſchen
Lamdiente⸗ ind ein ſehr inteseffantes Bid, reich an hoͤchſt mas
fuͤhlend bes’
leriſchen, ledendigen und Siguven, und bie Art, wie
jeber Ginzelne fo gang ungetpeilt dem Spiele und Gefänge od»
tiegt, ift in den Köpfen fehr fprechend ausgedrüdt. Die Jarbe
it wahr und fchön, bie fonnige meiſterlich gegeben,
der Bortrag in einem warmen, ldten Zone ſehr gediegen.
Roehn's Wahrlager, Liebeserkiärung find recht gefällige fen
timentale Genreſtuͤcke, klar und fauber in ber Farbe, etwas
geleckt im Bortrage, doch von fleißiger Ausführung und gläds
lichem Ausbrud. Die Wilder von Lepoittevin empfehlen ſich
buch theils launige, theils gemuͤttliche, ſtets Lebendige Auf⸗
faſſung und geiſtreiche, paſtoͤſe Behandiung. Der Todten
ber und feine Euler iſt mit tiefem Gefahi, dr Schenkwirth
und der Maler mit jovialer Laune erfaßt, und jedes in einem
Eräftigen, warmen, Blaren Zon von großer Raturwabrheit und
fehr fleißig durchgefuͤhrt. Deſſelben Künftters Paul Potter,
ber in der Umgegend vom Haag Biehſtudien nad ber Ratur
macht, ift eine intereflante Bersinigung von Benre und Laud⸗
ſchaft. In dem Bübe herrſcht eine kraͤſtige Farbe, eine ſorg⸗
fältige Ausführung, fo der Landſchaft als der Figuren, eine
trefflich gehaltene Waffe und Lichtvertheilung. Das vielfeitige
Zalent diefes Künftters zeigt ihn außerdem als Geemaler in
bem Wilhelm van ber Weide, ber eine Geeſchlacht nach ber
Birklichkeit zeichnet. Gntfdiedene Beleuchtung, fleifige und
folide Behandiung, wahrer und lebendiger Ausdruck in ben Kö⸗
pfen ber Figuren und in ber Bewegung des Waſſers machen
diefes Bild fehe geltend; nur find bie Wellen ftellenweife gu
ſchwer und undurdhfichtig.
Gudin's Abweſenheit von Frankreich laͤßt in ber Ausftel:
lung deſſen poetifche Seebilder vermiffens jeboch lieferten, *
dem ebengenannten Lepoittevin, noch Iſabey, Morel⸗Fatio,
Aug. Meyer u. A. gute Gemaͤlde der Art. Dieſe Kuͤnſtler
find lauter tapfere, ausgezeichnete Offiziere in dem Seemaler⸗
Geſchwader, welches ber Admiral Gudin befehligt, dem jedoch
feiner cn Bravour gleichkommt. Gudin ift ein Talent von
einer, allen neuern franzöftfchen Malern, mit Ausnahme von
Dorace Vernet, überlegenen, ungemein ruͤſtigen Werkthaͤtigkeit
und Bravo im Bortrage, die alle Schwierigkeiten fpielend
befeitigt ; Probuciren tft für ihn gleichſam eine Erholung; ex
Laßt feine Kunftwerke an den Tag, wie die Ratur ihre Thiere
und Pflanzen von ſich gelaffen, ohne peinliche Anftvengung s er
fpielt mit dem Pinfel, wie die Kate mit dem Schwanze, ohne
daß es ihm die geringfte Mühe koftel. Den erften Rang nach
Gudin behauptet Eugene Iſabey, der, wenn er fo gefchict wie
in ber legten Zeit fortmanoenvrirt, allen Anſpruch auf bie Abs
miralswuͤrde hat. ine Anficht bes Seehafens von Boulogne,
vom Meere aus aufgenommen, macht ſich durch feltene Vor⸗
zuͤge bemerklich und reizt fogleich durch eine Iebhafte Harmonie
das Auge. Die Stimmung ift auf Effect angelegt; aber die
Tageshelligkeit ift groß und Alles materiell und feinem Naturs
ton gemäß dargeſtellt; unb dabei entwickelt fih unter einer
energiichen Beleuchtung eine Fülle fpielender, giühender Toͤne.
Der Borgrund ift in einem warmen Goldton mit einem treff
lien Impafto meifterlich modellirt; die Farben find fett, koͤr⸗
perlich aufgefegt, zum heil wie Meine, unvegelmäßige Kryſtalle
berausgearbeitets burcheinanbergetriebenes Pigment, Überftrichene
Lafur und Zirniß, Alles hilft zufammen. Aber dabei hat man
nicht den Eindruck des Übertriebenen, fondern des ſtark Berges
genwärtigten, und das Ganze erfcheint ausführlicher als es tft,
weil Das, was ind Auge tritt, durch lebhaft wahre Töne und
feifche Reize illudirt; und das Reizende bleibt angenehm, well
es zufammenftimmenb ein ppantafiemdfipee Bild gibt. Diefes
Sechafenftüd macht, außer dem überwältigenden Gindrud ber
Raruräpnlichkeit, noch den einer wahrhaften Poeſie. Mag fein,
daß ein firenger Zeichner Einzelnes daran zu beffern finde, daß
auch die Gonfequenz der Ausführung nicht ſtreng richtig fet;
bas fümmert — mid wenigftene — nicht im geringften mehr,
fobaıd ein Bild fo ſehr, wie dieſes, Macht hat, mich zu übers
zeugen und den Träftigen Schein der Wirklichkeit als eine Mufit
natuͤrlicher Töne in meine Phantaſie einurechen zu laſſen. Diefe
Marine von Habey mit ihrer gawa VBeaveur alle
andern —2* der Ausfellung tobt; — fie daher in
Srieben ruhen. 77.
Bibliographie.
Yifon, A., Geſchichte Europas feit ber erſten franzoͤſi⸗
füen 9 Revolution. Deutfh von L. Meyer. Ater Band. keip⸗
sig, D. Wigand. a. 8 1Thlr. 15 Nor.
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ariftofratifcher Prineipien zu Anfang bes 16. Jahrhunderte.
Dargeftellt in drei Monographien. Zus dem Franzoͤſiſchen. Mit
Fe a pre 6. 8. von Rumohr. Luͤbeck, Rohben.
Gr 2 r
Zeitgemaͤße, von jebem Deutſchen zu beherzigende Anſichten
und Wuͤnſche, aus dem politiſch⸗militairiſchen Standpunkte be⸗
trachtetz oder: Was muͤſſen bie Deutfchen thun, um gegen jeg⸗
lichen Außern Beind, namentlich gegen Frankreich ftets geräftet
—— Mitgetheilt von R***1. Ste umgearbeite Ausgabe.
Deut ſchland im October 1842. Sr. 8. 5 Nor.
Beiträge zur Verhütung der Thierquaͤlerei. Insbeſondere
zum Gebraudy in | otteichulen. Berlin, Simion. 8. 5 Rgr.
Biſchof, „Populaire Vorleſungen über naturwiſſen⸗
ſchaftliche —** aut ben Gebieten ber Geologie, Phyſik
und Shemie, im 3. 1 3 gehalten vor ben gebilbeten Bewoh⸗
nern a Mit zwei Kupfertafein. Bonn, Marcus.
Gr. 8. r.
Bittcher, C. F. H., Pfoͤrtner⸗Abum. Verzeichniß ſaͤmmt⸗
licher Lehrer und Schuͤler der Koͤnigl. Preuß. Landesſchule Pforta
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Bleffington, Gräfin, Die Lebenslotterie.. Aus dem
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Boyle, Marie gouife, Der Foͤrſter. Ein Zeit: unb
Sittengemälde aus dem 3. 1688. Nach dem Engliſchen bear:
beitet von V. F. 8. Petri. Drei Theile. Braunſchweig,
Leibrock. 8. 4 Thlr. 18%, Nor.
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Münden, Binfterlin. Gr. 8. 2%, Nor.
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Aus dem Kranzöfifchen. Landau. Gr. 12. 7Y, Nor.
Gederftolpe, T. v., Sagen von (eembung, poetifch
bearbeitet. Luxemburg, Midaelie. 12.
Celeſtina. ine bramatifche Novelle. Aus dem Spanifken
überfest von ©. v. Bülow. Leipzig, Brodhaus. Gr. 12.
1 Zhir. 6 Nor.
China und bie Chineſen von Zrabescant Lay. Aus
dem Engliſchen überfest von H. edirget. Zwei Theile.
Hamburg, Hoffmann und Campe. 8. 4 Thlr
Daniel, 2. d 4 Theologiſche Gontroverfen. Halle, Lip⸗
Aus dem
. Gr. 8. gr.
Dante lobt, Die göttliche Komoͤdie.
Zeaaifäen überfegt und erklärt von K. 2. Kanneg ießer.
Drei Theile. Ate fehr veränderte Auflage. Mit Dante’s Bild⸗
niß, geometrifchen Planen der Hölle, des Fegefeuers und bes
Paradieſes und einer Karte von Ober: und Mittel: Italien.
Leipaiß, Brodhaut. Gr. 12. 2 hir. 15 Nor.
Göttliche Komödie, ins Deutfche übertragen und
— — aͤſthetiſch und vornehmlich theologiſch erlaͤutert von
K. Fraut Ifter Theil: Die Hoͤlle. Leipzig, Doͤrffling.
Gr. 8. 2 Thlr.
Delbrüd, F., Ergebniſſe ademiſqer Forſchungen.
ifte
Gammlung. Bonn, Marcus. Gr, 8.
1 hir. 15 Ngr.
Ei , Geblchte. Ae vom
unb veninserne Kuflace. Berka, Glen, 8. 2 200 I
PER Sohdchel ꝓ —2 Beißenfels, Wteufel.
Kor.
Das entbedite Geheimniß zur Wertreibung ber Langeweile.
Eine Sammlung 100 der 3 und —* *
Koͤln, Lengfeld. A. 12.
in Dreizeilern. Leipzig,
gr
Graul 8. ndermerſchlage
Doͤrffling. 8.
Daim, F., > nur Adept. Zrone ſpie in fuͤnf Aufzuͤgen.
3te Auflage. Kin ‚, Gerold. 8.
Camoens. 2— Beige in einem Aufzuge.
2e Kuflage. Bien, Gerold. 8. 10 Rgr.
Jacobi, B., Die —ãâS — zunaͤchſt der deut⸗
ſchen Landwirthe: Thaer's Denkmal. Warum ſoll in Leip⸗
zig es errichtet werden? Weshalb beſtimmte man ihm bie
plaftifhe Form? Leipzig, Schreck. @r. 8. 10 Ror.
Koch, ©. F., Preußens Rechtsverfaſſung und wie fie u
reformiren fein möchte. Breslau, Aberhol Gr. 8. 1 Zhlr.
10 Nor.
Kretfchmer, Springerzüge uf dem Schachbrete unferer
Tage. Königsberg. Br. 8. — Nor.
Luce de Lancival, 3. Eh. J., Trauerſpiel in fünf Auf⸗
zügen nach Nepoleon’s Plane. Überfept von 3. G. Seidl.
Wien, Pfautſch und Eomp. Br. 16. 15 Rgr
Motherby, W., Die Semperamente. ein anthropolos
giſcher Verſuch. one, D. Wigand. Gr. 8 Ren.
Mundt, T., Die Kunſt der deutſchen —* ſthetiſch,
—— — geſellſchaftlich. 2te umgearbeitete Auflage.
Berlin, Sim 8 1 Thlr. 20 Ror.
Pinder, M., Die Beckerschen falschen Münzen, be-
schrieben. Mit zwei Tafeln. Berlin, Nicolai. Gr. 8. 25 Ngr.
Rau, H., Thaddaͤus Kosciuszko. Hiſtoriſcher Roman.
Drei Theile. Stuttgart, Brandy. 8. 6 Thir.
Schmieder, 9. E., Grinnerungs Blätter. Zur dritten
Zubelfeier der Königl. Lanbesichule ete. ‚
en i u e De Preuß. ſchule Pfo Leipzig
Seeger, 2., Der Sohn ber Zeit. Freie Dichtung. Zuͤ⸗
rich, Literariſches Gomptoir. kex.⸗B8. Thlr. rung.
Smith, 3. 9., Über Genfur. Königsberg, Voigt. 8.
et.
Steinmann, 8, Defiftofeles. Revue der beutichen Ges
genwart in Skizzen und Umtiffen. —* Theil. Muͤnſter, Ex⸗
pedition bed Meſiftofeles. KL 8. Thlr.
Stimmen aus Ungarn, angerent durch ben bevorſtehenden
Landtag. Mit beſonderer KRuͤckſicht auf die juͤngſt erſchienene
Dad: „Hſtreich und deſſen Zufunft.” Erlangen, Palm. 8.
ve Baplor, M., ae Saib, — Fa Aus
m Engli von eger. ei Sheile. Braun ,
Seibrod. 8. 3 Ahle. 22%, Mar. weis
Über oͤffentliches Rechtsverfahren. Gin Beitrag zur Wuͤr⸗
bigung biefer Frage. Berlin, Nicola. Gr. 8. 10 Nor.
Über die Verwaltung bes Borftanbes bei A fhen Kunft:
vereins. Leipzig, O. Wigand. Gr. 8. Ner.
Volkslieder und Romanzen ber Ehanier, im Veremaße des
Driginale perbeutfäht buch ©. Geibel. Berlin, X. Bunder.
@r. 12. 1 She. 1
Wolff, ©. iR Shronif bes Kloſters Pforta nach urs
tunblichen Nachrichten. Iſter Theil: von get Gruͤndung bis
1223. Leipzig, Vogel. Gr. 8. 1 Thir. 10 Rgr.
Beitblüthen. Gebichte von Alexis dem —* A. Bube,
K. Buchner, G. Gegenbaur, E. Geibel, A. Grün, 9. ‚Deine,
Herwegh, Hoffmann von Kallersieben, Wolfg. Müller, Prus,
a. Schults, W. Wagner u. A. Gefammelt von 3. Günther.
Zlmenau. 8. 7% Ner.
Die Zeitfragen. Gin Beitrag zur Würbigung berfelben.
Neiße, Hennings. 8. 5 Rgr.
Werantwortliger Herausgeber: Deinrih Brodbaud. — Drud und Verlag von F. X. Brocdaus in Eeipzig.
Bläfter
für
literariſche Unterhaltung.
Kohl uͤber den Verkehr und die Anſiedelungen
der Menſchen.
Der Berkehr und die Anſiedelungen der Menſchen in ihrer Abs
bängigleit von der Geftaltung der Erdoberflaͤche, von 3. ©.
738 Mit 24 Steintafein. Dresben, Arnold. 1841. Gr. 8.
Der ſchon durch mehre intereſſante, die Laͤnderkunde er⸗
weiternde Schriften vortheilhaft bekannte Verf. hat ſich durch
das obige Werk ein wahres Verdienſt um die Erdbeſchreibung
erworben. Denn wenngleich auch ſchon ſeit alten Zeiten in
allen, Laͤnder und Staͤdte ſchildernden Werken von der geo⸗
graphiſchen Poſition, don der Gunſt oder Ungunſt der Lage
dieſes ober jenes Ortes für Anſammlung und Mehrung
ſeiner Bevoͤlkerung, von den natuͤrlichen Hinderniſſen oder
Foͤrderungsmitteln des Verkehrs und von den phyſikaliſchen
Grenzen der Voͤlker und ihren Anſiedelungen geſprochen
worden ift, fo hat man, wie der Verf. richtig bemerkt,
doch diefe Dinge bieher noch nicht zum Ziel und Thema
fpecieller Unterfuhungen und fpflematiicher Abhandlungen
gemacht. Dice wird dagegen, wenn auch als erſter Ver:
fudy dieſer Art, eine genauere und umſtaͤndlichere Se:
leuchtung jenes Segenflandes, ber die Bafis alter politi=
fen Geographie bildet, den Freunden der hiſtoriſchen und
geographiſchen Wiflenfchaften dargeboten.
Der Verf. zeigt, wie der Verkehr und die Anfiebes
(ungen ber Menſchen von der Geflaltung der Erdober⸗
fläche mehr oder weniger abhängig find. Die Central:
Iinien der Thaͤtigkeit gebilbeter Voͤlker find die großen
ſchiffbaren Fluͤſſe, beſonders diejenigen, welche eine Menge
ſelbſt auch ſchiffbare Nebenfluͤſſe aufnehmen. Gewoͤhnlich
laufen ſolche Flüſſe zwiſchen zwei Hauptgebirgen fort,
welche ihre Auslaͤufe gegen ben Fluß herab und zwiſchen
diefen die Rebenflüfle ihm zufenben. Bft find biefe Aus:
laͤufe ſelbſt beträchtliche Gebirge, welche anfangs gleihfam
mit Widerwillen unter Felſenſpizen und Abgründen ber:
abſteigen, ſich oft plöglich wieder erheben und endlich in
Sadyenden Huͤgeln fich in der Ebene verlieren. Inmitten
diefes Labyrinths fpringen hiee und da die Waͤſſer ber:
vor, folgen getreu feinen Arkmmungen und ahmen feinen
abmwechfeinden Charaktere nad, indem fie bald in ſchaͤu⸗
mendem Kalle dahinflürmen, batd in ernflem ‚und in
fi felbſt comcentrirtem Laufe fon den Pflanzenwuchs
verkünden umd endlich Fruchtbarkeit über den geſegneten
Boden verbreiten. Endlich, nachdem die Waͤſſer von beis
ben Seiten in dem niedrigften Theil der Ebene ange
tommen, ftoßen fie in bem gemeinfchaftlichen Bette zu:
fammen, und ſuchen nun länge den Bergen, aus denen
fie berausgelommen, einen Ausweg ins Meer oder in
einen inländifchen Ger.
Aus diefem Wechſelverhaͤltniß der Gebirge und ber
Waſſerlaͤufe entfpringen gemöhnlih zwei Hauptrefultate:
I) daB das Bett des Hauptſtroms bucch ben ebenflen
und fruchtbarfien Boden läuft; 2) dag «6 zwiſchen ben
Endpuntten, wo die Nebenflüffe entfpringen, faft immer
die Mitte Hält. Diejenigen, welche an dem Ufer wobs
nen, haben alfo den doppelten Vortheil einer höhere Pro⸗
duction ihres Bodens, im Vergleich mit der Production
dee weiter gegen ben Rüden der Gebirge zu gelegenen
Landſtuͤcke, und einer Vielfältigkeit von Communications»
Iinien, die von dem Mittelpunkt an.den Umkreis laufen,
"und ihnen den Genuß der Probucte aus ben übrigens
Provinzen auf das kuͤrzeſte und wohlfeilſte verfchaffen.
Aber noch mehr: die großen Fluͤſſe haben faft alle ihren
Ausgang ind Meer. Aber das Meer iſt der große Heer⸗
weg, auf welchem alle Voͤlker fi finden; bie große
Vermittelungsbahn einer allgemeinen MWechfelwirkung uns
tee den Voͤlkern des Erdbodens. Die Nationalinduftrie
in Maffe drängt fid) gegen den Ausgang des Dauptfiroms,
und fein Lauf ift die Linie, mittel® weicher alle Theile
feines Beckens an die allgemeine Bewegung fich anfchließen.
Alfo Diejenigen fowol, welche an ben Ufern bes
Hauptſtromes wohnen, als Diejenigen, welche ſich an
feinen Nebenflüffen niedergelaffen, finden in dem Laufe,
des erſtern das vortheilhaftefle Mittel, miteinander und
mit dem Meer in Verbindung zu treten. Sie fehen
alfo natlrlicherweife ben ganzen Lauf des Fluſſes von
dem Punkte, wo er fhiffbar wird, bis zu feiner Müns
dung, als ein gemeinfchaftliches untheilbares But an,
deſſen Befig ihnen weder phyſiſch noch moraliſch (db. h.
politiſch) verfümmert werben kann, ohne ihren Wortheil
zu verlegen, und zuweilen ihrer Xhätigkeis einen toͤdtlichen
Stoß zu verfegen. Der freie Verkehr der Voͤlker ift für
fie die wefentlihe Bedingung ihrer Entwidelung und ih⸗
res Gluͤckes. Der Ausdrud Flußbecken bezieht fich auf
das ganze, von einem Hauptſtrom und feinen Neben⸗
flüffen bewäflerte Gebiet, bie zu dem Gebitgekamm, wel⸗
cher dieſes Wafferneg von ben benachbarten ſcheidet. Das
Becken eines Fluſſes macht alfo ein untheilbares Ganze
aus, ſobald diefer Fluß als Gentrallinie von Thaͤtigkeit
und wechfelfeitigen Verbindungen erfcheint. Aber daraus
folge wicht, weber daß alle große Blüffe wirklich in bie:
fen Falle find, noch daß die Ausdehnung eines Fluß⸗
beckens der einzige Umftand ſei, welcher die Ausdehnung
der Nationalgebiete oder bie Bildung ber Reiche beflimmt.
Der große Vermittelungsweg des allgemeinen Ber:
kehrs unter den Völkern ift daB Meer, und ale Wörter
fuͤhlen das Beduürfniß, bis an daſſelbe zu gelangen.
Penn man die Mittelpunkte der Bewegungen aufſucht,
in der ‚ in der Ginisifasien,
in ber Nationalthaͤtigkeit, in dem Verkehr flattfinden, fo
wird man fie immer ba antreffen, wo fich folgende zwei
Vortheile vereinigen: 1) der Leichtefte Verkehr mit ben
meiften und wichtigften Theilen eines Nationalgebiets ;
2) der leichtefte Verkehr mit dem Meer oder den Meeren,
welche dem Nationalgebiet am nächften find. Solche Mittel:
punfte, wenn fie bi6 zu einem gewiffen Grad von Größe
und Glanz anwachfen, werben fehr mächtige Triebfedern,
um die Induſtrie und Aberhaupt deu Geiſt eines Welke |
aufzureigen; fie ſchließen eine große Intereſſenmaſſe in
ihrem Umfange ein, und fenden, gleich einem Brennpunkt,
die Strahlen ihres Einfluffes in allem Richtungen und
. anf große Entfernungen auf eine ſehr nachdruͤckliche und
erkennbare Weiſe aus. Darin liegt die Grundideer von
Dem, was man heutzutage Abrundung nennt.
Wenn man ben Einfluß der geographifc = politiichen
Mittelpunkte und das Beduͤrfniß dee Wölker zum See⸗
verkehr überlegt, fo wird man leicht begreifen: 1) warm
die Nationen, die fi in einem großen Flußbecken nie
bergelaffen haben, auch gewöhnlich die ſchmalen Küften:
fleiche beberefchen, welche mit bem Flußbecken parallel
foufen und es von dem Meer abfchneiden, 2) warum
mehre Meine Flußbecken, beren Totalumfang bi6 zum Meer
ober bis zu ben hohen Gebirgsketten reicht, unter dem
Einfluß eines gemeinfhaftlichen Mittelpunkts fallen und
wur Ein politifches Gebiet ausmachen; 3) warum fogar
mehre große Flußbecken, welche aber in ihrer Geſammt⸗
beit zwiſchen mehren Meeren liegen und unter fich nicht
durch ſtarke Naturhinderniſſe gefondert, fondern vielmehr
feicht zu verbinden find, einem gemeinfchaftlihen Einfluß
gehorchen; 4) marum große Stüffe, obgleich beträchtlich,
doch mehr zu Grenzlinlen als zu Gentrallinien geeignet find,
ſei es, daß fie wenige fchiffbare Nebenfluͤſſe haben, fei es,
daß die ungleiche Vercheilung der Gewaͤſſer ein zu une:
gelmaͤßig geſtaltetes Flußbecken bildet, als daß es in dem⸗
felben einen Mittelpunkt geben koͤnnte, welcher im Stande
wäre, alle Theile bes Beckens mit Nachdruck zu beherr⸗
ſchen und der Wirkung benachbarter, beſſer gelegener
Mittelpunkte das Gleichgewicht zu halten; 5) warum
Die langen und alſo flußaͤhnlichen Meerengen eben biefen
Seſetzen folgen und daher bald Gentral:, bald Grenzlinie
fen koͤnnen, je nachdem man von ihmen aus entweder
große und feftfichende Intereſſekreiſe beherrſcht, ober blos
einen Durchweg zwiſchen zwei ober mehren folcher Ge⸗
biete findet; 6) warum fogar bier und da ein und ber:
felbe Fluß in einem Theile feines Laufe zur Grenzlinie,
in dem andern zur Gentrallinie, wenigfiens im den unter:
geordneten Verhaͤltniſſen, dient.
Die großen Fluͤſſe kͤnnen nur infeferr als Central⸗
linien der Thaͤtigkeit umd des Verkehrs angeſchen werden,
inwiefern ſie ſchiffbar ſind und ein culturfaͤhiges Land
durchſtroͤmen. Aber eine andere Bewandtniß hat es mit
den hohen Berggipfeln, von wo die großen Fluͤſſe nach
alten Richtungen des Horlzonts Auslaufen. Dieſe Fluͤſſe
inmitten jener Selsgewirre find nicht für ben Verkehr;
die Gewohnheiten des Alpenlebens und der befondere
ber fllften unter bisfen ein weit
engered Band als die Intereſſen, welche an ben Lauf
eines noch unbedeutenden Fiuffes gebunden fein können.
Diefe legtern werden erſt von Bedeutung, wenn die Flüfle
fhiffbar werben, was gewöhnlich erſt bei ihrem Austritt
| aus den Secumdärgebirgen, welche den hoͤchſten Gebirge:
kamm umgeben, geſchieht. Der mittelſte und hoͤchſte
Theil der Centralgebirge eines Welttheils oder der Alpen
bildet alfo ein eigenes Geblet, weiches durch ſeine Lage
wiſchen den großen Flußgebieten und als nothwendiger
bergang von dem einen zu dem andern einen ganz be⸗
fondern politiſchen Charakter erhaͤlt, welcher darin liege,
durch Freiheit und menſchliche Nachhuͤlfe die dieſen Ge:
bieten eigenen Naturſchwierigkeiten zu beſiegen.
Nach Vorausſchickung dieſer allgemeinen Betrach⸗
tungen uͤber die politiſche Erdbeſchreibung wollen wir den
Inhalt des Werks andeuten. Es zerfaͤllt in AB Gas
pitel wit den folgenden Überſchriften: „Einleitung und
Pan des Werts”, „Dee Verkehr”, „Die Erdober⸗
flaͤche“, „Beziehung der Erdoberflaͤchenzuſtaͤnde zum Ber:
Lehr”, „Kunſtbahnen“, „Die Figuren der Erboberflädens
: phafen und ihre Einwirkung auf Verkehr und Anfiebelung”,
„Die Anfiedelung‘‘, „Das Bodenrelief ober die Unebenheiten
der Erdoberfläche”, „Won den Infeln und Goutinenten“,
„Bon den Binnenmeeren und Dosanen‘, „Bon ben Dalbin:
fein und Meerbufen”, „Bon den Meerengen und Iſthmen“,
„Die Zlüffe”, „Anderweitige Gegenfäge”, „Einflüffe po:
litiſcher und moraliſcher Verhaͤltniſſe auf Verkehr und
Anſiedelung“, „Einfluß bee Bodenproducte auf Concen⸗
trirung des Verkehrs und der Bevoͤlkerung“, „Veraͤnde⸗
rungen der Erdoberflaͤche während der hiſtoriſchen Zeit“,
„Schlußbemerkungen“.
Die Urſachen, warum die Bevoͤlkerung auf der Erdober⸗
flaͤche ſo ungleich vertheilt iſt, ſind theils moraliſche oder poli⸗
ciſche, teils phyſikalifche. Die moraliſchen oder politifchen Urs
ſachen der verſchledenen Dichtheit der Bevoͤlkerung ſind in dem
Culturzuſtande und beſonders in der politiſchen Verfaſſung der
Bewohner der verſchiedenen Erdſtriche begründet. Jaͤgervoͤl⸗
fer brauchen größere Räume als Nomaden, dieſe größere als
Aderbauer, und bisfe wiederum größere als manufacturi⸗
vende Mationen. In einer wohlgeordneten Staates und
‚ Stabtcommmune befindet ſich die Bevölkerung wohler und
vermehrt fich daher bedeutender als in einer anarchiſchen.
Auch find viele verſchiebene Sitten der Boͤller als eins
flußreiche Usxfachen der mehr ober minder großen Dicht⸗
heit ber g su betrachten. Die phrfibealiſchen
Urſachen der Concentrirung der Bevoͤlkerung an gewiſſen
Erdflaͤchen find thells ſolche, die von dem mehr oder
minder großen Productenreichthum des Bodens, theils
ſoiche, bie von der Geſtaltung der Erdoberfläche abhaͤn⸗
gen. Die Art ber Ums und Abgrenzung des Sefllanbes
mit dem Plüffigen, der Gebirge mit den Ebenen und als
ler der andern Terrainverſchiedenheiten untereinander
bewirkt infofern eine Gondenfisung ber Bevölkerung an
geroiffen Punkten, als fie dem menſchlichen Verkehre hier
md da entweder Vorſchub leiftet oder ihm bindernd in
den Weg tritt. Da wir bis jene kein Werk befitzen,
weiches die Einwirkungen ber Bodengeftaltung volljtändig
zu entiwideln und zu beurtheilen fich zum Zweck genom⸗
men hätte, fo bleibt Hrn. Kohl das Verdienſt, dies zu:
erſt verfucht zu haben.
Um eine deutliche Vorflelung von der Einwirkung
der verfchledenen Zuftände ber Erxboberflähe auf dem
menſchlichen Verkehr und von den durch ibm herbeige⸗
führten Anfiebelungen und Bevoͤlkerungsverdichtungen zu
gewinnen, erklaͤrt der Verf, was er unter menſchli⸗
dem Verkehre verficht, betrachtet dann bie Erdoberfläche
und ihre verfchiedenen Zuſtaͤnde, und beſtimmt hierauf,
welchen verſchiedenen Werth jeme verfchiedenen Zuſtaͤnde
für den Verkehr haben. Seime vorläufigen Eroͤrte⸗
rungen über Verkehr, Geſtaltung ber Erboberfläche und
über Anfiedelungen machen ben allgemeinen Theil fel:
mes Werkes aus. In dem barauf folgenden befondern
Theile befjelben benriht ſich der Verf., die gewonnenen
allgemeinen Säge in ihrer Anwendung auf alle die bes
fondern, in ber Natur vortommenden Gliederungen ber
Erdoberflaͤche nachzuweiſen. Well kein Gegenfas auf ber
Erdoberflaͤche fo fehr alle übrigen bedingt wie der zwi⸗
ſchen Bebirge und Ebene, zwifchen dem geringer und hd:
her „ weil davon nicht nur entfchieden die Abs
grenzungdtoeife des Waſſers und Sefllandes, fondern auch
unmittelbar in vieler Ruͤckſicht alle andern Gliederungen
bedingt werden, fo hat er die Betrachtung der Gebirge,
Ebenen und Thaͤler an die. Spige des Ganzen geftellt.
Aber da kein Contraſt unmittelbar bedeutender auf Ver⸗
kehr und Anſiedelung hinwirkt als ber zwiſchen Fluͤſſi⸗
gem und Rigidem, zwiſchen Feſtland und Waſſer, fo hat er
diefem Theile feiner Abhandlung eine befondere Aufmerk:
famteit gewidmet. Anhangsweiſe handelt der Verf. von
den Einfluß moralifcher und politifher Verhaͤltniſſe auf
Berkehr und Anflodelung; von dem Einfluß der Bodens
probucte auf Verkehr und Anfiedelung, und von ben Ber:
änderungen der Erdoberfläche während der hiftorifchen Belt.
Da es der Raum nicht geflattet, dem Verf. ins
Detait zu folgen, fo wollen wie, nachdem wir den Inhalt
deſſelben ganz im Allgemeinen amgegeben, ums barauf be: |
ſchraͤnken, aus den legten Gapiteln Einzelnes hervorheben.
Sm Laufe feines Buchs hat ber Verf. gezeigt, daß
und inwiefern der Menſch von ber Natur und wie er
insbefondere in feinem Verkehr auf diefer Erde von ber
Geſtaltung der Oberfläche derſelben abhängt; ferner tie
und wo die dem Verkehre wuͤnſchenswerthen und durch
Hm veranlaßten Aufiebshmgen bei biefer unb immer Den
flaͤchengeſtaliung hervorgerufen werden. Der Menfch If
Indeß nie ganz Sklave der Natur, vielmehr, fo fehe
er auch von ihre abhängt, doch auch in vieler Dinfiche
fein und ihe Herr. Natur und Menſchen, Nothwen⸗
digkeit umd freier Wille, klimatiſche und moralifche Wer
haͤltnifſe find es, die vereint alle Erſcheinungen in bei
Menſchenwelt hervorgebracht haben, Der Verf. fagt:
Zufall, Wiltkür, Laune, glädıihe Ideen, Wind
und Wetter, Schidfal und natürlider Drang ge:
falten in vielfahem Durdpeinandergreifen die
menfhlihen Berhältniffe und fo insbefondere aud
den menfhliden Verkehr und Städtebau.
.Es laͤßt fi zuvdrderſt über diefe unmittelbar ober
mittelbar vom Menfhen ausgehenden Cinwirs
tungen auf Städtebau und Verkehr im XAllgemeis
nen bemerten, baß fie beimeitem nicht fo bauernd find wie
die natürlichen, weil der Menfch, der in dem einen Jahrhun⸗
berte gebildet, inbuftriös und regfam erfcheint, in dem andern
roh, barbarifch und unbändig ſich zeigt, der bald biefe Sitte,
bald jene annimmt und beftändig über bie alten Grenzen hin⸗
ausflutet, viel veränderlicher ift als bie Natur, die noch jetzt
feit Jahrtauſenden in denfelben Betten ihr Waſſer ftrömt, noch
immer mit benfelben Meeresarmen diefelben Länderformen ums
faßt, ſtets dieſelben Bergmaffen zum Dimmel emportbürmt unb
divar 1elle, langfam, aber fiyer, gleichmäßig, befländig und fies
ig wirft. -
Es greifen die Groberer mit_gierigen Händen unbelümmert
um natürlihe Grenzen und um al das feine Gewebe und Ge⸗
täfel der Schaubühne ber Greigniffe, beifen Faͤden wir nach⸗
forfchten, in die Länbermaffen hinein, ballen zuſammen unb haͤu⸗
fen aufeinander, was ihnen gelüftet. Alte Städte werben ausge⸗
rottet und neue gegründet, wo die Launen ber Gewaltigen es
gebieten. Man legt neue Wege auf den Befehl der Mächtigen
an, und alte werben verlaffen, wie es eben ber Zufall will.
Privilegien werben aufgemauert, bie eine Zeit lang ſtaͤrker wir⸗
ten als ein Strom, und Grenzmauthen errichtet, die oft ebenfo
ſehr hem wie ein hohes Gebirge. Die Meere ſcheinen kein
Hinderniß zu fein, Eisregionen, wie bie heißen Sandgegenden,
werben burchfegt, die Zlußgdtter in Feſſeln gefchlagen und bie
Nymphen aus dem Reiche ihrer Wälder verjagt. Wie braufende
Ströme exgießen fi) die von politifhen Ginflüffen bewegten
Maflen aus ihren Betten über bie Gefllde, ſtuͤrzen alle natürlis
hen Grenzmarken nieder, vermifhen Bad, Teich und Meer,
und es möchte bei ber Betrachtung ihrer heftigen Wirkfamteit
faft alle die Mühe, die wir uns gegeben haben, ben Einwirkun⸗
gen ber natuͤrlichen Grenzen nadyufpüren, verloren feinen,
wenn nicht biefe politifchen Ereigniffe, die wie Ströme berein-
brechen, fih auch wieber wie ein hohes Wafler in den natürli-
hen Kanaͤlen verliefen, ohne bie Umftände im Wefenttichen und
auf bie Dauer zu verändern. ‚Diefelben Bergfpigen tauchen aus
der Flut wieder hervor, das Waſſer fammelt fich in denfelsen
Zeihen und Seen, bie Bäche und Quellen beruhigen ſich und
bteiben in ben alten Ufern, und Alles zerfällt wieder in bie vo⸗
tigen Reviere und Quartiere.
(Die Fortſegung tigt.)
Lecebensbilder.
1. Königsberger Skizzen von Karl Roſenkranz. Zwei
Abtheilungen. Danzig, Gerhard. 1842. 8. 3 Thir. 15 Nor.
2. Gittengemätde aus dem elfäffiihen Wolfsleben. Novellen
von X. Weill. Stuttgart, Brandt. 1843. 8 2 S6.
3. Wanderbuch von Franz Dingelftedbt. Leipzig, Eins
born. 1843. 8. 2 Thlr.
Jedes diefer drei Bücher gibt ein Bild des modernen Les
bens in verſchiedenen Gegenden Deutfchlande, Frankreichs und
Hollands. Alle brei rühren von Männern ber, beren Namen
368
in DE diteratur Anklang gefenben hat, freilich in verſchiedenen
Kreiſen und in verſchiedenem Grade. Roſenkranz iſt mehr der
Mann der ſtrengen Wiſſenſchaft, der Syſtematiker; Weill iſt
Journaliſt im guten Sinne des Worts, Publiciſt, wenn man
es fo nennen will, nicht ohne einige Khnlichkeit mit Voͤrne in
dee Weile der Auffaffung ; Dingelftedt repräfentirt das moderne
Literatenthum, etwas blafist, etwas mübe, bisweilen im Zus
ande des Nihilismus, leicht faſſend, bisweilen probuctiv, über
dad BVerfchiebenartigfte gut ſprechend. Ich glaube, jedes ber
drei Bücher wird feine recht dankbaren Lefer finden. Roſenkranz
mehr bie realiftifhen Leſer; er geht auch nicht eine Linie über
das Gegebene hinaus. Weill fest feine Lebensbilber ſelbſt in die
Reihe der Novellen; er erzählt gut, charakterifirt ſcharf, es
wird Sinem ganz elfäffifch bei bem Buch. Dingelftedt gibt mehr
ſich ſelbſt; er deutet Bieles nur an, laͤßt Mandıes erratben, ers
ſcheint aber durchweg als ein liebenswürbiger Menſch. Roſen⸗
franz verwahrt fih in feinem Vorwort gegen moͤgliche Misbeus
tungen feiner Abftcht und feiner Tendenzen, namentlich feiner
politifhen, und ftellt fein eigenes Verhaͤltniß zum Leben des
Bolks dar; er ftehe, fagt er, in unmittelbarer Sympathie mit
dem Volksleben, und habe ein Beduͤrfniß, bie Poefle der Gr:
ſcheinung zu genießen. Daß dem fo fei, davon liefert das Bud
ben Beweis. Im gegenwärtigen Augenblid, wo bie Stadt
Königsberg an Bedeutung für Preußens Staatsleben und bie
Gegenwart überhaupt gewinnt, ift diefe Schrift von um fo grös
Serm Intereffe, da, wie Roſenkranz felbft fagt, die Meiften
von Königsberg nichts willen, als daß es eine große Handels⸗
Habt mit einer Untverfität fei, worin Damann, Hippel unb
Kant gelebt haben. Alle Darftellungen bes Verf. ruhen auf deſ⸗
fen eigener klarer Anſchauung; ein gebiegenes Urtheil über alle
Intereſſen bes Lebens macht die Echrift zu einer werthvollen.
Einzelne Mittheilungen über Hippel und Kant waren für uns
vom größten Intereffes kein Lefer wird das Buch unbefricbigt
Seite legen. Die Sittengemätde von Weill find für ung
Deutfehe fon deshalb von Intereffe, weil fie das Elſaß ſchil⸗
dern, unb wir wiffen es recht gut, daß man im Eifaß auf
deutfch flucht und auf beutfch Tiebt. Die Erzählungen find eins
fa, naturwahrs unferee Subjectivität fagt es freilich weniger
zu, daß die Anfprüche des ‚Herzens in allen dieſen Novellen fo
wenig befriedigt werten. Das Buch von Dingelftebt enthält
Rhonefahrten, Briefe aus Paris, Tagebuch aus Oftende und
holländifche Schildereien. Die Eigenthuͤmlichkeiten ber Länder
und Voͤlker faßt Dingelftedt Leicht und ſcharf auf; Zopographie
gibt er nicht, die Läßt fich in zehn Handbuͤchern nachfehen; er
iſt ſelbſt flets der Mittelpunkt, und es ift uns in feiner Gefell:
ſchaft ganz behaglid geworben, wenngleich wir feine Natur:
fchitberungen in ben Rhonefahrten nicht plaftifch genug finden.
An allen drei Büchern hat die perichifche Literatur ein
guten Zuwachs erhalten. 22.
Literarifhe Notizen aus England.
Die engliſche Devotion ift ein auffallender Zug im Nas
tionalcharakter dieſes ebenfo großartigen als kleinlichen Volkes.
Dem deutſchen Proteſtanten, der in England reiſt, oder auf
Reiſen mit Englaͤndern in genauere Berührung kommt, wird
fie oft Idftig genug. Aber nicht nur im Leben bes Nolte,
auch in feiner Literatur begegnet fie una überall. Dem gelesrten
Sournalismus, ber literarifhen Kritik, gibt die immerfort
durchblickende und oft bis zum Ekel zur Schau getragene fromme
Pruderie ein wunberliches Anfehen. Ein Dr. Hampfon fchreibt
3. B ein Compendium über mittelalterliche Chronologie (‚‚Medii
aevi Calendarium ete.“, London 1841), ein Buch, das fchöne
Serfungen enthält und mancherlei VBerbienfte hat, wenn auch
rthümer und Übereitungen mit unterlaufen. Der Recenfent des:
felben im „Quarterly review’ rügt die Fehler. Gut! das ift
fein Recht Aber er geht weiter. Er unterfagt der ftubirenden
Jugend, ben historical students, den Gebrauch des Buchs und
empfiehlt ihnen dringend ein Alteres von Harris Nicolas (obgleich
es weniger ausführlich it — though loss diseussive), Ba⸗
sum? Weil Hampfen’s Bud in einem „leichtfertigen unb uns
ehrerbietigen @eifte” („a flipping and irreverent spirit”) geſchrie⸗
ben fei, wie er fi denn „über die Heilighaltung bes Tages
des Herrn, ferner in feinen Artikeln über den Sonntag und
über den Sabbath hoͤchſt tadelnowerth aͤußere. But! Auch das
dem Recenfenten als sur Sache gebärig bin, daß er bie
ugend vor bem flipping and irreverent spirit warnen will
Aber er begnüägt fidy nicht mit Dem, was ihm als Recenfenten
bes betreffenden Buches zulommt. &r nimmt zulegt Gelegenheit
zu einer emphatiſchen Lobrede auf bie GBabbathheiligung, zu
einer feierlichen Prebigt gegen die Veraͤchter bes dritten Gebots.
„Was? laͤßt er den Muͤhlenbeſiger zulezt auszufen, „die
Werte vierzig Tage des Jahres ruben laſſen?“ unb antwortet:
„Allerdings! verlierft du nicht zehnmat mehr Zeit buch Belu⸗
fligungen und Ghartiftens Meetings, als durch allen Aberglauben
der guten alten Beit? Aber nicht wirb der Tag bes Derra
ſtrenge und pflichtmäßig und zugleich Lieblich und fröhlich gefeiert
werden Eönnen, als bis ber Eirchliche Dienft in feinem ganzen
Umfange wieberhergeftellt fein wird. Die, welche die Maflen
durch Eröffnung von Mufeen, Bildergalerien und Bibliothefen
Sonntage zn erquiden fuchen, geben zwar nichts von dem
Shrigen, nehmen aber Das, was des Herrn if, hinwegz Die,
weiche das Gebot pflihtmäßig erfüllen, geben auch nichts von
dem Ihrigen, aber fie geben bem Deren, was bes Herrn ifl,
und ohne daß es ihnen etwas koſtet.“ Wie ökonomifch zugleich!
Das heißt praktiſch fromm fein und praktiſch vermahnen! &s
geht in diefem Zone noch eine Weile fort und fchließt mit einer
langen Stelle aus einer wirklich gehaltenen Prebigt.
In der Anzeige eines Buches ‚Life of Jean Paul Frederick
Richter”, welches in Boſton erſchienen und aus Sean Paul's
Selbftbiegraphie und Spazier's „Wahrheit aus Jean Paul's
Leben” compitirt ift, enträftet fich der englifche KRecenſent außer⸗
ordentlich darüber, daß Jean Paul feinem Sohne anftatt ber
Gatisfactionstheorie und bes Dogmatismus überhaupt „das
Chriſtenthum eines Herder, Jacobi, Kant” anempfichlt. Soicher
gottlofen Ermahnungen natürliche Kolge wäre e8 geweſen, daß
der junge Mann in Myſticismus verfiel und in Verzweiflung
unterging.
Der neuefte engliſche Kritiker Schiller’& (im „Foreign and
colonial quarterly review) fagt über die Kindesmoͤrderin“ „Die
fe Gedicht iſt auf die beften und heiligſten Gefähle unferex Ratur
gegründet, diejenigen, weiche mit den Lehren der Buße und Ges
nugthuung in Zufammenbang flehen, denn wenn je ein
Menſch, To war Schiller ein wahrer Chriſt in Herz
und Geift, wiewol dann und mann ‚von Leibenfchaft hinge:
riffen“ ober feinee ganzen Bildung nach den dußern Formen
des Glaubens entfremdbet durch ‚das Weteorlicht einer eitein
Philofoppie‘. Der Sünder, der ſich felbft verdammt, tft nicht
mebr ein Gegenfland ber Verachtung und Verwerfung für den
wahrhaft empfindenden und vernünftig denkenden Menfchen.
ketzterer wuͤrde fonft felöft eine gräuliche Sünde begehen, die
ber Lieblofigkeit. Dies hat Schiller in den Thränen
bes Henters veranfhaulihen wollen.” Echt engliſch!
48.
Literarifche Anzeige.
Durdy alle Buchhandtungen ift von mir za beziehen:
Sedidhte
von
Carlopage.
Gr. 12. Geh. 25 Nor.
Seipzig, im Zuli 1843.
3%. Brockhaus.
Berantwortlider Herausgeber: Heinrih Brodhaud — Drud and Verlag von $. 4. Brodbaus in Leipzig.
Blätter
für
literarifbe Unterhaltung.
Breitag,
7. Zuli 1843.
der Menfchen.
(Bortfetung aus Nr. 161.)
Die politifchen ober moralifhen Einflüffe auf den
Verkehr theilt der Werf. in folche ein, bie von ber Na:
tur des Landes abhängen und durch fie vermittelt wer
den, und in folche, die nicht bavon abhängen, die alfo
entweder von dem angeborenen Naturell des Volks, ober
von der Erziehung, bie es fih durch feine großen Män-
ner gab umd durch feine Nachbarn, Eroberer u. f. w. em⸗
pfing, .
Die von der Natur des bewohnten Landes abhängen:
den politifhen Einflüffe erfcheinen als mittelbare Ein:
flüffe derfelben, treten mit der Natur zugleih auf und
unterftügen fie, ſich mit ihr vereinigend, in der Regel der
Art, daß fie der Natur helfen und in derſelben Weiſe,
wie fie ſelbſt ſchon phyſikaliſch wirkt, moralifch welter
wirfen, ſodaß Das, was in der Natur ein phyſikaliſches
Hinderniß des Verkehrs wird, auch noch im Geiſte der
Boͤlker ſich als ein neu hinzukommendes moraliſches Din-
derniß aufthürmt, und daß Das, was ſchon ohnedies
durch die Naturkraͤfte und die Befchaffenheit der Boden⸗
oberfläche dem Verkehre guͤnſtig war, auch noch außerdem
den Geift der Völker gleichſam applanict, ebnet und zum
Verkehre gefchidter made. Der Menſch lebt in ber Luft,
fußt auf dem Boden und kann auf dem Waſſer verkeh⸗
ven. Alle nathrlichen Einflüffe, die auf feinen morali⸗
fhen Zuſtand wirken follen, können daher einzig und
allein entweder von ber Belchaffenbeit der Luft, oder von
den Befonderheiten des Bobens, auf dem er fußt, ober
von den Eigenthümlichleiten des Waſſers, auf dem er
verkehrt, herruͤhren. Bon allen phyſikaliſchen Einflüffen
auf Charakter und Eigenthümlichkeit der Nationen find
Diejenigen, welche burch die Luft vermittelt werden, ohne
Zweifel die michtigften, und felbft ein großer Theil der
Bodeneinflüffe macht ſich nur durch die Luft fühlbar,
und ift daher unmittelbar als Luftwirkung und nur mit:
telbar als Bodenwirkung zu betrachten. Außer dem Bo:
den und Waſſer mit Allem, was darauf thätig ift, außer
der vom Boden ausftrömenden Efektricität, außer dem
Magnetismus, außer den Ausbünflungen des Waſſers
und der Wälder, außer ber Erhebung bes Bodens. in die
veinern Lüfte, außer den aus ihm aufftelgenden Wollen
u. f. mw. wirken nun auch noch durch die Luft bas Licht
der Sonne und der Geſtirne und mit ihm wahrfcheintich
viele andere kosmiſche Einflüffe neben jenen telluriſchen
auf ben Menfchen. Man unterfcheider jedoch gewöhnlich
nicht die verfchiedenen Urfachen der Lufteinflüffe und ums
faßt diefe ganze Betrachtung meiſtens nur unter dem all⸗
gemeinen Namen Klima, indem man darunter bie Eins
wirkungen aller ber verſchiedenen Luftzuflände, die une
umgeben, verfteht.
Die Einflüffe unferer Sonne find unendlich mannid-
fach, doch innen wir die Hauptfache bier auf Wärme:
entwidelung und Lichtfuͤlle reduciren. Das Licht unb
die Wärme find die wichtigften und gewaltigſten Kräfte,
die von diefem Geſtirn auf die Menfchheit ausgeben und
am meiften auf Seele und Leib einwirken; ihre verfchies
bene Vertheilung iſt daher von der größten Wichtigkeit.
Sie werden durch die Stellung der Erde zur Sonne, ferner
durch die Art der Krümmung der Oberfläche ber Erbe
und alsdann durch bie Lage eines Orts in Bezug zu
bietet Krümmung, oder durch feine geographifche Pofition
ebingt.
Licht und Wärme nehmen hlernach im Allgemei⸗
nen von den Polen nad) dem Äquator bin zu, ſodaß
fi viele Ringe oder Zonen danach rund um die Erde
bin herumlegen, welche eine gleiche Lichtvertheilung und
Märmeentwidelung genießen. Hieraus läßt ſich auf ein
Ablagern aller geiftigen Mächte diefer Art in große Zo⸗
nen oder Ringe rund um die Pole herum und bem
Aquator paraliel ſchließen. Es muß auf der Meife vom
Aquator zum Pol eine beftändige Verfchiedenheit der Cha:
raktere bemerkt werden. Dagegen muß in gleicher Ent:
fernung vom Pole und vom Xquator auf der Reife um
bie Erde eine gewiſſe Steichartigkeit der Sitten und Cha⸗
raßtere wahrgenommen werben, infofern fie von ber Licht-
und MWärmemenge herrühren. Daraus geht hervor, daß
das Kortfchreiten des Verkehrs von Norden nad) Süden
wegen der Verſchiedenheit der Volkscharaktere und Sitten
und ber nationalen Elemente, durch welche er fih Bahn
brechen muß, mehr Hemmungen ald von Dften nad
Weſten erduldet, wo in berfelben Bone immer wieder
Homogenes nebeneinander zu finden iſt. Wie auf geeb⸗
neter Bahn muß hier Alles fortgteiten und wie im ges
254
wohnten Elemente unter verwandten und befannten Gei⸗
fern fich leicht bewegen.
Die Bodeneinfläffe wirken auf ben Menſchen entwe:
der ummittelbae oder mittelbar dur die Luft. Durch
feinen Zuſtand, nämlich theils durch feine Fruchtbarkeit,
theils durch ſeine Oberflaͤchenform, wirkt der Boden un⸗
mittelbar auf den menſchlichen Geiſt ein. In den Wuͤſten
zeigen ſich nur Raͤuber und Nomaden. Mittelbare Bo⸗
deneinflüffe wirken nur duch die Luft. Der Boden
hängt zum Theil felbft von der Luft ab, er wird durch
die aus ihr ſich herablaffenden befruchtenden Stoffe mehr
oder weniger befruchtet, von den Feuchtigkeiten befeuchtet,
von der Trockenheit ausgedoͤrrt und von andern Eigen:
thuͤmlichkeiten der Luft bedingt. Auf der andern Seite
aber wird die Luft auch wieder vom Boden bedingt.
Diefer gibt ihr feine Feuchtigkeit, wenn er fumpfig iſt,
feine Katdausbänftungen und feine Trockenheit zuruͤck,
und beide, Boden und Luft, bedingen fo in vereinter
Wirkung und Gegenwirkung vielfah das Klima. In
Bezug auf die Veränderungen ber Luft durch chemifche
Eigenfchaften de6 Bodens läßt fih nur im Allgemeinen
fogen, daß wahrſcheinlich jede Verfchiedenheit der Boden:
oberfläche auch eine DVerfchiedenheit der Luft bedingt, und
fomit auf den Menſchen verfchieden einwirkt, ohne daß
man dach im Einzelnen nachweiſen Lönnte, wie 3. B. der
Thonboden durch eigenthuͤmliche Ausdünftungen auf Luft
und Menfchen einwirke, welche Geifteseigenfchaften ber
Sandboden befördere, welchen Einfluß die Ausduͤnſtungen
bes Sumpfes haben.
In der Regel wirken bie Dünfte ber Suͤmpfe nad»
theilig auf Conftitution und Charakter der Menſchen; fie
machen fie kraͤnklich und untüchtig und erzeugen ein
ſchwaͤchliches Geſchlecht: fo die volhpnifhen Sümpfe, fo
die pontinifchen. Es vereint fich daher in den Sumpfge⸗
genden mit der ſchlechten Luft auch noch das gefchmwächte
Menfchengefchlecht, um ben Meifenden die Eriftenz in ben:
fefben zu erfchweren und den Verkehr in dieſen Gegenden
kraͤnkeln zu machen. Daher haͤlt fich in der Regel viel
Barbarei In ben Suͤmpfen. Daſſelbe iſt mit den großen
Wäldern der Fall. Die Arbeiten darin find gewöhnlich
nur grobe, rohe und wenig Kunſt und Wiffenfchaft er:
fodernde. Dagegen iſt die Luft in ihnen rauher und das
Klima wilder, fowie ber Aderbau fchwerer. Die Son:
nenſtrahlen bringen ſchwer durch, und wie ſich daher das
Eis und die Kälte des Winters länger in ihnen halten,
fo weichen auch die Kälte und das Eis der geiftigen Ro:
heit ſchwer von ihnen. Es gefellt ſich fo zu allen phyſi⸗
kaliſchen Einflüffen der Wälder auch noch biefe geiftige
Roheit, um dem Verkehre Dinderniffe zu bereiten.
Großer Mangel an Bäumen bewirkt wieberum Uncultur
anderer Art. Einiger Bäume bedarf die Cultur, fowie
einigen Schattens der Boden. Daher find die Länder,
wo nur wilder Strauch⸗ und Graswuchs den Boden be:
dedit, ebenfalls der Cultur nicht günftig und geflatten
nur den Nomaden ben Aufenthalt, wie 5. B. die Steps
pen Aftens und die Pampas Südamerikas. Die Berge
find ſchon als Erhebungen durch bie Art ihrer Beſchrei⸗
tungsweiſe der Freiheit und eigenthuͤmlichen Entwidelung
günflig. Noch mehr aber durch bie reinere Luft, im welch⸗
fie ſich erheben und deren Anhauche fie Ihre Bewohner
ausfegen. Die frifche, freie Luft der Berge macht den
Geiſt geweckter und unabhängiger. Die außerordentlichen
Eigenthuͤmlichkeiten ber Berge geben den Bewohnern der:
felben große Liebe zu ihrem Vaterlande und zu ihrem
Brüdern; daher der Patriotismus, baher bie Freibeite:
liebe der Bergbewohner. Dabei if aber auch das Mas
lerifche und Poetiſche nicht gering anzuſchlagen. Die
wunderbaren Ausfichten, bie herrlichen Thaͤler, die him⸗
melanfteigenden Höhen, die der Bergbemohner irgend als
in feinen Gebirgen findet, laſſen ihm fein Land als ein
fo eigenthämtiches Geblet erfcheinen, daß er nirgend fi
beimifch findet als hier.
Unter politiſchen und moralifhen Einflüffen, die nicht
von ber Natur bedingt werden, verftehen wie folche Kräfte,
foihe Volkstalente und Eigenehkmiichleiten des Charak:
ter6, die nicht ber Boden, die Luft und das Klima dem
Volke geben. So groß naͤmlich aucd die Gewalt dei
Bodens, des Klimas und der Luft ift, fo ſehr die Ze⸗
nen, bie Gebirge, bie Suͤmpfe, die Wälder, bie Wüflen
u. f. w. alle Bevoͤlkerung, die im ihre Gebiete fällt, auf
einerlei Weife zu bilden und zu mobeln ſtreben, fe ſehr
behaupten doch immer noch nebenher der urſpruͤngliche
Charakter des Stammes und die Erziehung, welche das
Volk fich gibt, ihre eigenen Rechte. Es exiſtiren beide
Einflüffe nebeneinander, befchränten ſich gegenfeitig, aber
fie heben fi nicht auf. Das, was nicht vom Baden
abhängt, und was ein Volt auf jeden Boden, ben «6
bezieht, mit hinbringt, iſt entweber etwas Angeborenes
oder etwas Angenommenes.
(Der Beſchluß folgt.)
Hanſa⸗Album. Von A. Harniſch. Halberſtadt, Linde
quiſt und Schoͤnrock. 1842, Gr. 8. 1Thlr. 15 Nge.
Kein Brand hat wol ſo eigenthuͤmlich ungluͤckliche Folgen
gehabt als der von Hamburg, aus deſſen Flammen — um ein
in vorliegendem Album oft gebraudgtes Bild anzuwenden — ſich
wol an die taufend Phoͤnixe von Gebichten erhoben haben, um
wieber ermattet in die Flammen zuruͤckzuſinken umb ſich bie Ki
gel zu verbrennen. Wo wäre ein Blatt ober Blaͤttchen im
Deutfchland, welches nicht die Sprige der beutfchen Lyrik in Be
wegung geſetzt hätte, um auch feinerfeits einen poetifchen Waſ⸗
ſerſtrom auf den gtühenden Schutt Hamburgs zu leiten unb zum
Lbfchen beizutragen? In Konftantinopel haben oft gleich ver
sende Brände gewuͤthet, ober wir haben nidyt daß die
türkifchen Dichter ein StambulsAlbum veranflaltet hätten, um
zum Wieberaufbau bed verheerten Stabttheild beizutragen unb
von den tuͤrkiſchen Krititern für diefen guten Willen herunter:
geriffen zu werden. Allerbings ift Zerflören, Rieber= und Her⸗
unterreißen eine leichtere Arbeit als Auſbauen; aber was fol
man thun, wenn etwas überhaupt nicht erbaulich iſt? Und
nl wir finden ein ſolches Album nicht ſehr erbaulich!
r gen wir die erfle befte Seite aufl Wir floßen auf
. N
Nur Muth, nur Muth und Wagen kuͤhn
Bei Eräftigem Vereinen,
Dann wirb der Handel fröhlich blühn,
Ded Wodiftands Sonn’ Euch feinen,
Bahr i Jann die Poeſe denken ,
ausbrüden, ver Dichter bieles Be heißt K. *
Straß, genannt Otto von Deppen. XUs das
waltige Rom brannte, da fang body nur Giner, das war ber
Kaifer Nero felbft, welcher dazu felig vergnägt Verſe Aber den
Brand von Illum recitirte. Hier aber befingen über 60 deut⸗
fhe Didhter den Brand von Hamburg! Wie Wiele oder We⸗
nige berfelben mögen wol babei des Brandes ſelbſt gedacht Haben
und von ber Größe des Ungluͤcks zu feierlicher Begeiſterung ans
geregt geweien fein! Wie Mander mag bei feinen Werfen
Blut und Waſſer geſchwigt und ben Brand wie fein Verſpre⸗
chen, einen Beitzag i liefern, verwünfgt haben! Aber mie?
fein Name foll fehlen? wei ein Unglüd für den Dichter, für
Deutſchland, für bie gefammte eivilifiete Weit! Unfehlbar ents
ftände eine Läde in ber Weltgefchichte, die fo bald nicht wieder
auszufüllen wäre! Alſo Stein auf Stein, Vers auf Bere!
Die Ideen liegen ja fo nahe, wie bei dem Dombaue von Köln.
Im letztern Falle Heißt es: Möge man den Dom ber deutfchen
Zreipeit eher ausbauen als dieſes alte Geruͤmpel! ohne zu bes
denken, daß die deutfche Freiheit, wenn man fo wie jeßt fort:
fährt fie zu bereimen, bald auch nur wie ein Läftiged Gerümpel
erfcheinen wird, indem man bie heilige uns Allen wertbe Sache
in banalm Phrafen erftidt. And wie nahe Hegen nicht bie
Beitibeen dem Brande von Hamburg, wie nahe liegt nicht bie
Idee vom Phoͤnir ber —*2 — welcher ſich aus den Flammen
glänzender und inigter erhebt!
—— deuerſchein
Morgenroth der Freiheit fein!
So ſingt der gewaltige Prutz, einer ber Hauptmitarbeiter am
Dom unferer politifchen Lyrik. Doc zum Henker! was hat ber
Brand von Hamburg mit ber beutfchen Breiheit zu thun? Man
wis — benn Gelb bat man genug dazu — bie in Aſche ges
legten Straßen und Plaͤte ſchoͤner und geregeiter wieber au
beuen, man wizb in Hamburg fortfahren zu handeln, zu mäs
dein, zu verbienen, man wird auf die Börfe gehen wie früher,
men wird die Thore fpersen wie früher unb im übrigen Deutſch⸗
land wirb men, troß allen Gefchreis um Freiheit und freie
Preffe, fortfahren, Bücher und Journale gu unterdruͤcken, weiche
men für unbequem ober gefährlich haͤltz man wird ſich barüber
susraifonnicen und binnen fechs Wochen ift Alles vergeffen,
kenn bas Boll hat ja noch fein Tages, Wochen und Intelligen
bikttchen, bie Annoncen von Kuchen allexiei Art, von Tanzvergnuͤ⸗
gen unb Sagerbier, von rührenden Todes⸗ und Gatbinbungsfällen |
Suchen wiz einige erhabene und neue Ideen bei bem
großen Herwegh, ber bereits fein Gapua gefunden bat und
st am ſchoͤnen Golf von Neapel fpazieren geht, um dort
nagelneue neapolitanifche Bilder und Gleichniſſe für die deutfdye
Freiheit aufzubringen , der vielleicht mit bem Gedanken umgeht,
nach KÄAgypten überzufegen und dort von den Entwicklungen ber
ägnptifchen Freiheit unter Mohammed⸗Ali Kenntniß zu nehmen.
Derwegh’s icht auf ben Brand von Hamburg beginnt:
Ein freies Wert in Hamburgd Flammen !
Denn in ben Flammen fiebt man's gern,
Das IM eine heftige, Iururtöfe Phantafle: Ein freies Wort, das
man in Ylammen gern flieht, in den Klammen Hamburgs!
Ein ſchoͤnes, anſchauliches Bid! Gr fährt weiter fort:
Es wird mid Luͤrſt und Volk verdammen.
Auch das BI? Zu wen hält denn Georg ‚Derwegb? Aber
fein Feuer ermattet ſchon; er ruft aus:
Und doch — ich find’ kein Lieb, ihre Deren!
Hierbei bat fi der Dichter gewiß gar nichts gedacht; er bat
ſich nur in Verlegenheit gefegt, denn da ex gefegt hat, ex finde
fein Lied, und das Lieb doch fertig werden muß, ift er in bie
Rothwendigkeit verfeut, obige Berlegenheitsphrafe zu motiviren;
er fährt oiſo fort:
Kaum wil ein Laut ſich in mir regen,
Gin Laut für den Philiſterſegen,
Dre aus der beißen Aſche bricht.
Cudge ſich Jeder dieſe Vhroſe Bas zu madgen! Ich, ver Mes
richterſtatter, gehöre wol wicht gesabe zu ben Diimmflen, wenn
ih aud fein Weiſer Griechenlands bin, noch an Dichterruhm
mit Herwegh mic) meffen kann; aber offenberzig geftanden, ich
weiß nicht, was das für ein Philiſt rſegen ift, der aus ber
Aſche bricht, und für ben unfer Dichter Eeinen Laut finden
kann. Zuletzt aber findet er ihn doch; er ruft aus;
Laßt mi ein Spruͤchlein niederlegen:
Bewahrt das Feuer und bas Licht!
Und biefes zahme Wort foll nun das frrie Wort fein, für wels
dies nicht blos bie Kürften, fondern au das Bolt Zerwegh
verdbammen werben. Und biefe Phrafe ift, wie man richtig
nachgewieſen hat, nicht einmal neu. Schon Fouque läßt im
3. 1813 einen Rachtwaͤchter fingen:
Bewahrt bad Jeuer in Eurer Bruft u. f. w.
Sollen wir Herwegh noch weiter folgen? Nur no um ein
paar Schritte. Er reimt weiter:
Ihr wißt, ich bin ein ſchlechter Reimer.
Überflüffige WBefeheibenpeit! Gerade im Heimen ſucht Herwegh
Seinesgleichen, denn „Wafleseimer” ift ein fehe guter Reim
auf „Reimer:
Doch iſt mein Vers kein Waſſereimer,
Don man zum Loͤſchen fällen mag.
Wen ift es denn auch je eingefallen, einen Vers wie einen
Waffereimer zum Loͤſchen zu füllen? Gin verfehites Bild auf
das anbere, eine ſchillernde Phraſe auf die andere! Go heißt
es in ber britten Strophe:
Und giähend Hat dad Eis geleuchtet,
Das ſtarre deutſche Gletſchereis.
Iſt das Sletſchereis aber darum weniger kalt, weil es leuchtet?
„Das ſtarre deutſche Gletſchereis iſt geſchmolzen“, wäre hier
das richtigere Bild. Und weiter heißt es:
Das Beuer hat und neu geboren, .
Des Rheines Waſſer that es nicht.
Abgeſehen von der proſaiſchen Wendung „that es nicht”, fo
möchten wir doch wiffen, ob in ben Verhaͤitniſſen Deutfchlande
fich feit dem Brande von Hamburg irgend etwas zum. Beflern
gewendet bat, ob das Feuer, weldes Hamburg verheerte, auch
bie Gemüther der Deutfchen in Brand feste. Nie bat fich wei
bee Indifferentismus in ſchreckhafterer Geflalt gezeigt als ger
rade jetzt.
Nur Zeuer tilgt dad Mal der Ketten,
Daß Feuer balte fein Gericht!
Auf Beuer will die Kreiheit beiten —
Bielleicht wie Montezuma, der auf Koblen gebettet war, umb
feinen wimmernden Vinifter mit den ſchoͤnen Worten ermuthigtet
„Liege ich denn etwa auf Rofen?” Allerdings liegen wir cher
auf Kohlen als auf Rofen; aber Herwegh's revolutionair kün⸗
gende Phrafe wird jene nicht Löfchen, noch birfe aus dem ſtar⸗
ren gleihgüttigen Boden ber Gegenwart bervorloden. Gin ans
ber Gedicht: „J—emanb”, von demſelben beruͤhmten Oerwegh,
eginnt:
Und wieder ob ben Landen
Lag jüngft ein ſchwerer Bann,
Da if ein Diesen erfianden,
Ein ganzer beutfcher Mann,
Ein Deutfber und ein Freier —
Mer hätte dad gedacht ?
Daß ſelbſt die deutfche Leier
Aus Ihrem Schlaf erwacht.
Ein Deutſcher und ela Freier,
Was ihr wol felten ſchaut u.f.w.
Ob ber Dichter hier wol fich felbft gemeint hat? Es fcheint
faft fo. @itel genug ift er dazu; fein Ich fpielt in feinen Ges
dichten eine beinahe glaͤnzendere Rolle als die Freiheit.
Der ale Menſch und Schriftfteller höchft ehrenwerthe, aber
«is Dihter ungweiftigeft überfhitte Guſt a Schwab ſchrieb
folgenden Gtammbwdwers in bied Album:
Mit LVexerſchrift ſchreibt Gottes Hand
Die Selbſtanklag' in Menſchenweh,
Und will, dab Menſchenmitleid fie
Berwanbel in Theobdicee.
Der anziehendfte Beitrag find vielleicht die mit feiner Iro⸗
nie gewärzten Zenien von Auguft Heffe, 5. 8.
Der Gtaatömann.
Lieber ſehn wir den Brand von ſaͤmmtlichen freien Stäbten,
Denn daß dad einzige Haus Rothſchild in Aſche verfinkt.
Sine Bähnenſqchriftſtellerin.
Wären Mimen nur bier, bei Gott! ich ließe im Freien
Gleich mein neuſtes Product über die Breter bier gehn;
Viel der Schönheiten find und effectreihe Scenen im Gtäde,
Leider nicht fol ein Brand. Herrliche Decoration!
Die GSentimentale.
Sqchiller8 Gebicht von der Glocke! o, Lied es mir vor, mein Ges
licht — —
AG, die entſetzliche Mär bricht mir fon blatend das Herz.
Der Politiker.
Mahriich, es iR bo ſchoͤn, was die deutſchen Zeitungen ſchreiben!
Bletet der Krieg keinen Stoff, nicht auch bie Diplomatie,
Hoͤrt man aus Schleſien nichts mehr von den Reifen des Könige
von Preußen,
Hört man aus Olterreih nichts vom Gedeihn der Caltur,
Lie man vom Mhein nit mehr, fo kann man boch wieder
jegt leſen,
Bon dem erſchrecklichen Brand, ber fi in Damburg begab.
Asmus.
Frei aus der brennenden Stadt, fo zieh’ ich, ein Liedchen mir pfeifend,
Siche,, von meiner Hab' fehlt mir kein einziges Städ.
Die zweite Abtbeilung enthält Vermiſchtes, hierunter einige
matte Reimfpielereien von Rüdert, aber auch manches Gute,
. 8. DHoffmann’s von Kallersieben ſchoͤnes Lied „Mein
ben’; die beziehungsreiche Ballade von Kutſcheit „Karol
Magnus’ Kirchenbau“, und das tief empfundene Lied, eine echt
torifche Bluͤte ‚„‚Bemeinfames 8008” von Emma von Nins
dorf. Den Schluß bilden Unterhaltungen Goethe's mit
Edermann, der vielleicht werthuollfte Beitrag biefes Albums.
Goethes Mare, ruhige, wohlwollende Weisheit hat allerbings
mit der pilanten aufgereizten Unruhe nichts gemein, welche bie
Überklugheit der Gegenwart charakterijirt. Hoͤchſt intereffant
find feine Anſichten über Napoleon. „Da war Rapoleon ein
Kerl!“ fagte er zu Eckermann; „immer erleuchtet, immer Klar
und entfchieben was zu thun fet, und zu jeber Stunde mit ber
hinreichenden Energie begabt, um Das, was er als vortheilhaft
und notbwendig erkannt hatte, ſogleich ind Werk zu fegen.
Sein Leben war das Schreiten eines Halbgottes von Schlacht
zu Schlacht und von Gieg zu Sieg. Bon ihm könnte man
fehr wohl fagen, baß er fich in dem Zuftanb einer fortwähren:
ben Grieuchtung befunden babe” u. f. w. Ebenſo intereffant
find feine Bemerkungen über die Probuctivität der Thaten, bie
er eben bei Napoleon in fo hohem Grade ausgebildet fand.
„Wäre ich ein Kürft”, fagte er im Berlauf der Unterhaltung,
„fo würde ich zu meinen erften Stellen nie Beute nehmen, bie
blos durch Geburt und Anciennetät nach und nad) heraufgekom⸗
men find und nun in ihrem Alter im gewohnten Gleiſe langſam
gemaͤchlich fortgehen, wobei denn freitich nicht viel Gefcheites
zu Zage kommt. — Junge Männer wollt’ id haben! — aber
e8 müßten Sapacitäten fein, mit Klarheit und Energie ausge⸗
rüftet und babei vom ebeiften Charakter und beiten Wollen. —
Da wäre es eine Luft zu bereichen und fein Volk vorwärts zu
bringen! — Aber wo ift ein Kürfl, dem es fo wohl würde und
der fo gut bedient wäre!” Berner: „„Ieber außerordentliche
Menſch hat eine gewiſſe Sendung, bie er zu vollführen berufen
iſt. Hat er fie vollbracht, fo ift er auf Erben in biefer Ge:
ſtalt nidgt weiter vonndthen, und die Worfehung verwendet ihn
Da aber bienieden Alles auf natürlichem
geſchieht, fo fielen ihm die Dämonen ein Wein nad; dem
zulegt unterliegt. So ging es Hapoleon und
- Mozart farb in feinem 36. Jahre. Rafael
in faſt gleihem Alter. — Byron nur um Weniges älter. Alle
aber batten ihre WRiffionen auf das vollkommenſte erfüllt un
es war wohl Beit, daß fie gingen, bamit auch andern Leunten
— auf eine ‚lange Dauer berechneten Welt noch etwas zu
Bandes häbfche Gebicht, manchen guten Beitrag koͤnnten
wir aus biefem Album noch anführen; bennoch muͤſſen wir zum
Schluſſe unfer Gebet an den Himmel richten: daß er uns gnd«
digft vor ähnlichen Unglüdsfälen wie der Brand von Hamburg
bewahren wolle, damit wir auch vor einer ganzen Portion von
Gedichten bewahrt werben mögen, welche unfere warme Theil⸗
nabme an dem Wiederaufblähen einer fo ſchwer heimgefuchten
Stadt eher zu ſchwaͤchen als zu erhöhen im Stande find. 66.
Literarifhe Notizen aus England.
As Neuigkeiten werben angelündigt: „The life and
adventures of Admiral Sir Francis Drake, compiled from
various chronicles and original MS. sources in the State
paper office, British museum and the archives of Ma-
‚ never before published’, von John WBarrow; „Closing
events of the campaign in China‘, vom Gapitain Grenville Loch;
‚Australia and the ; being a narrative of a voyage to
New South Wales in an emigrant ship, with a residence
of some meuths ia Sydney and the Bush, and the route
home by way of India and Egypt“, von John Goob ; „Memolr
of the late Lord Sydenham, with a narrative of his admi-
nistration of aflairs in Canada‘‘, von feinen Bruber, G. Ponlett
Scrope und Thomas G. Murdoch. Werner find erſchienen:
„Memoirs of the life and correspondence of John Lord
Teigamouth”, von beffen Sohne Lord Teignmouth3; „History
of the Sandwich Islands; embracing their antiquities, my-
thology, legends, discovery by Europeaas in the 16th oea-
tury, rediscovery by Cook, with their civil, religious and
political histöry, from the earliest traditionary period to the
present time’, von James Jackſon Iarves; „Ihreo month's
estrian wanderings amidst the wildest scenes of the
ronch and 8 mountaias, in the summer of 1842‘,
von 3. Giifton Paris; „Political philosophy”, von Lorh
Brougham, zweiter Theil: „Aristocracy, with an examination
of the aristocratic governments in ancient and modern times”,
Ihrer Mai. dee Königin dedicirt.
Schriften äber bie Sklavenfrage.
Über die Sklavenfrage erfchienen kurz nacheinander fol:
gende Schriften: „History of slavery”, von 3. Bandinel;
„Letters on the slave trade”, von 3. ©. Alerander; „American
slavery‘, von James Graham; „Results of Negro emand-
pation‘‘, von Sohn Jay. Auch ein Gingeborener von Haiti,
Hr. L'Inſtant, ift mit einer franzöfifch gefchriebenen Schrift
gegen bie Vorurtheile ber Weißen wider bie Schwarzen aufge:
treten, weiche von ber franzoͤſiſchen Antifflaverei = Gefellfchaft
den Preis erhielt. Seine Schrift iſt eine gelehrte und philo⸗
fophifhe Prüfung ber Urſachen, welche die Vorurtheile gegen
die ſchwarze Race herbeigeführt haben; er weift nach, daß biefe
Urſachen diefelben find, aus welchen die Spartaner, Athenienfer
und Römer ihre Sklaven, die Türken die Griechen, die Nors
mannen bie Sachſen, die Franken die Ballier haßten und ver:
achteten; zugleich verfucht er das Vorurtheil zu widerlegen,
baß bie Regerrace hinter ber kaukaſiſchen an intellectuellen Faͤ⸗
bigfeiten zurüdfiehe. Den flaatswirthichaftliden Geſichtspunkt
bat de jedoch bei biefer wichtigen Frage zu fehr außer at
gelaflen. .
Verantwortliher Herausgeber: Heinrich Brokhaus. — Drud und Berlag von F. A. Brockhaus in Leipzig.
Blätter
für
literarijhe Unterhaltung.
Sonnabend,
8. Juli 1843,
der Menfchen.
(Beſchluß aus Nr. ME.)
Es gibt, wie die Geſchichte Iehrt, gewiſſe, jedem Volk
angeborene moralifche Eigenheiten. Denn wir fehen zu:
weilen bei einem und bemfelben Volke gewiſſe Eigenthuͤm⸗
lichkeiten dem Nationalcharakter feft ankleben und mit
folher Dauer und Unzerſtoͤrbarkeit unter allen Umfländen
fih auf gleiche Weiſe zeigen, daß bie dee nicht völlig
abgerwiefen werben Eann, daß biefen verfhiebenen Charaks
terbildungen verfchledenartige Urmifchungen oder Urtypen
zum Grunde liegen. Es iſt im Ganzen fehr fehwer, das
Anerzogene im Charakter von bem Angeborenen bei einem
Volke ebenfo wie beim einzelnen Menfchen zu unterfchels
den, ja das Eine geht fogar oft ins Andere über, ſodaß
Das, was fhon von Natur in dem Charakter eines
Volks Liege, dur Erziehung noch mehr eingeprägt und
in ihm entwidelt und ausgebildet wird, und umgekehrt,
daß Das, was ihm anerzogen wird, endlich fogar in fein
Weſen bleibend übergeht, fi) nun in Kindern und Kins
destinbern wieder erzeugt und, fich forterbend, Angebore:
nes wird. Die Charaktergepräge der Nationen find Ge:
bide, welche unter der Einwirkung unerforfchlicher viel:
facher Einflüffe entſtanden find.
Der Berf. theilt Alles, was von ber Willkür einer
Nation ausgeht oder auszugeben ſcheint, in vom Staate
Ausgebendes und in anderweitige moralifche Impulfe ein.
Keine moralifche Kraft ift fRärker und bindender und feine
befördert und hemmt mehr den Verkehr und regelt mehr
bie geſellſchaftliche Bewegung als die mächtige, nur zu
oft willkürlich gebletende Staatsgewalt. Die Staatsge⸗
walten beflimmen und veranlaffen oft ganz andere Ans
fiebelungen und Verkehrsbahnen, als fie in den natuͤrli⸗
chen Dberflähenverhältnifien begründet find, indem fie
als Blinde und Unmiffende auf biefe keine Nüds
ficht nehmen, theils abfichtlich anderer Zwecke wegen Dies
felben ckſichtigt laſſen. Es laͤßt ſich diefe, Verkehr
hindernde oder foͤrdernde oder doch aͤndernde Einwirkung
der Staatsverbindung, wie alle Thaͤtigkeiten derſelben, als
eine doppelte, eine aͤußere und eine innere, betrachten.
WMancher Staat if fo unvortheilhaft eingerichtet, hat
fo ſchlechte Geſetze, fo ungerechte Berichte, unterhält fo
unbrauchbare Landſtraßen, gewährt fo wenig Sicherheit ges
gen Räuber und Beträger, daß fein ganzes Gebiet ganz dem
Einfluß auf den Verkehr ausäbt wie ein Sumpf oder eine
Müfte, oder überhaupt irgend eine unvortheilhafte, ſchwer
zu paffirende Bodenoberflähe. Dagegen hat ein anberer
Staat ſo weiſe Gefege, unterhält alle feine öffentlichen Anſtal⸗
ten in fo volllommenem Zuftande, bat fo gerechte Rich⸗
ter, fo huͤlfreiche Bürger, fo trefflihe Landſtraßen, fo zweck⸗
mäßige Poftanflalten, daB die Oberfläche, welche diefer
Staat einnimmt, wie ein leichte zu befahrender See ben
Verkehr anzieht und fördert. Es werden fi, wenn zwei
fo verfchledene Staaten aneinanberftoßen , ähnliche Kolgen
nachweifen laſſen wie bei bem Aneinanberflogen bes Feſt⸗
Landes und des Meeres, bes wüften und des Frucht⸗
landes u. f. w. Aber fchen die bloße Abmwechfelung eines
Staats mit einem andern ift von Einfluß. Wenn auch
der eine Staat gut eingerichtet und fein Nachbar nicht
minder gut organifirt iſt, fo iſt bee Verkehr, wenn er
aus einem Staat in den andern übergehen will, body
fhon dadurch, daß der Staat, in den er übertreten will,
ein anderer iſt, andere Gefege, Sitten und Gewohnhei⸗
ten bat als der, ben er verläßt, eigenthuͤmlichen Einfluͤſ⸗
fen unterworfen. Bei dem liberteeten in einen andern
Staat muß der Verkehr Manches wechſeln, fi andern
Sefepen und Gewohnheiten fügen. Überdies umgeben
fih die Staaten mit Mauthen und Grenzwachen und
laſſen manchen Verkehr gar nicht in ihr Gebiet hinein,
mandyen aber nur unter befondern Beſchraͤnkungen und
Bedingungen.
Aber nicht nur ber Verkehr der Staaten untereinans
ber, fondern aud der Verkehr der Theile eines und deſ⸗
felben Staats unter ſich ift fo vielen vom Staate aus⸗
gehenden leitenden moralifhen Einfläffen unterworfen.
Die Befiedelung eines Staats war noch nie und nirs
gend in dem Buflande, in welchem fie naturgemäß fein
müßte.
Außer den von ber Staatögewalt ausgehenden Eins
toirfungen find in jedem Gtaate und bei jedem Wolke
auch viele andere Einflüffe bemerkbar, die den Bewoh⸗
nern durch eine nicht im Staate begründete Gewalt ger
geben werden. Solche Einwirkungen find aber immer
weit weniger leichte zu verfolgen als die von der Staates
gewalt ausgehenden. Dahin gehören Sitten und Gewahn:
758
heiten, Erfindungen, gewiſſe Talente und Geſchicklichkei⸗
ten, Neigungen und Abneigungen u. f. w. Aus Allem
gebt hervor, daß die natürlichen Einflüffe der Bodenge⸗
ftaltung durch die politifhen und moralifhen Einflüffe
in ihrer Wirkſamkeit fehr beſchraͤnkt und vielfach bedingt
werben, daß fie aber doch zu flark find, als daß bie letz⸗
tern fie ganz überwinden und bleibend verändern koͤnn⸗
ten, daß daher gewöhnlich die Befiedelung und die Wer:
kehrsbewegung eines Landes als aus der Natur feiner
Bodengeftaltung hervorgegangen fich darſtellt, an ber voll:
tommenen Ausbildung aber immer etwas fehlen wird,
was durch die unſichtbaren moralifhen Einflüffe be
flimmt wird. ,
Bon dem Einfluß ber Probucte der drei Meiche ber
Natur, nämlich des Mineral⸗, Pflanzen: und Thierreichs,
wird verhättnigmäßig nur kurz gehandelt. Die unorga⸗
nifchen Beltandtheile der Erdoberfläche find dem Men:
fhen von ſehr verfchiedbenem Werth und dabei von ber
Natur in mehr oder minder großen Quantitdäten und in
verfchiedenen Gruppen überall vertheilt. Die Gewinnung
dieſer Producte und die Derausfhaffung derſelben aus
den Eingeweiden der Erde iſt mehr oder minder umftänd>
lich und Eoftfplelig und erfodert daher mehr oder weniger
bedeutende Anftalten. Man kann die allgemeine Regel
darüber aufftellen, daß, je Eoflbarer der zu gewinnende
Stoff iſt, je umfländlicher die Art feiner Gewinnung fich
darftellt, und je häufiger er an beſtimmten Erdflaͤchen
concenteirt und gehäuft vorkommt, er deſto bebeutendere -
Anfiedelungen veranlaffen wird.
Des Jaͤgers flüchtiges Wild iſt weit zerſtreut und
wandelbar, bald bier, bald da, bes Waidmanns Hand⸗
werk daher auch veränderlih und unſtet. Die Pflege,
Gewinnung und Benusung der an ben Boben gefeffel-
ten Pflanzen, fei es zum Zwecke ber Thierfütterung oder
zum Zwecke der Nahrung des Menſchen, bringt den Men:
ſchen zum Stehen, zur Bergefelfhaftung und Anfiede:
fung. Sehe viel Geſchicklichkeit, mancherlei Künfte und
Erfindungen gehören dazu, um aus dem Mineralreiche
Trügliches zu gewinnen. In dem Pflanzenreiche bat die
Natur ihre Gaben ſchon vollommen für die Zwecke des
Menfchen vortheifhaft zubereitet geboten. Die Hölzer
laſſen fih ohne weiteres zu ben Bauten, die Blätter,
manche Halmen und Faſern ohne viele Mühe zur Kiel:
dung und viele Fruͤchte zur Nahrung anwenden. Am
Leichteften aber wird es, aus dem Thierreiche den erfireb:
ten Nugen zu ziehen. Die Thiere gedeihen zur größten
Vollkommenheit in der Wildniß ohne alle menſchliche Er:
ziehung, bie meilten und wichtigften Pflanzen aber ge:
währen nur bei forgfältiger Cultur ihre fchönften Gaben.
Ebenſo find die Stoffe des Thierreichs mit ber gering:
fien Zubereitung nugbar zu machen. Wie der Menſch, fo
folgen auch die Thiere ben Nahrung gebenden Pflanzen
sınd Quellen. Die fruchtbaren Lanbftriche, die Flußthaͤ⸗
ler, die Bäche und Quellen werben baher auch ebenfo
bie Sammelpläge ber Thiere wie ber Menſchen fein und
auch in biefer Hinſicht daher beide unter benfelben Be⸗
dingungen und Einflüffen ſtehen.
Der Menſch iſt aber. das veränderlichfie Weſen auf
ber Erde. Die politiſchen Gebäude, welche auf dieſem
veränderlihen Sinn der Menfchen, als ihren Grunde,
‚ruhen, find daher auch ben größten Revolutionen und
Umgeflaltungen unterworfen. Es thuͤrmt ſich eine ge
waltige Macht wie ein drohendes Gewitter auf, geflaltet
ſich und loͤſt ſich mit einer fo reißenden Schnelligkeit auf,
daß die Denker kaum Zeit haben, Über ihre Entftehungs:
weife und ihr Weſen einig zu werben, während fie ſchon
geboren, herangewachſen und auch wieder in Nacht ver
ſchwunden if. Es werden Städte gebaut und wieder
zerſtoͤrt, Staatsverfaffungen gefchaffen und von andem
verfchlungen, die, mit Fremdem imprägnirt, wieder neue
Geburten ans Tageslicht fördern, und fo wogt und wallt
ber menfchliche Geift, ſtets unerfchöpflih und reich an
neuen Gedanken, an unerhörten Geburten und Seflaltungen.
Die Natur dagegen, die früher auf Erben in ähnii:
hen Revolutionen und Umwandlungen gewirkt zu haben
fcheint, wie noch jegt ber Menſch, die ehemals auch bie
ganze Erdoberfläche in wilden Bewegungen und gemwaltl:
gen Strömungen durchfurchte, in ungeheuern Wehen
ein wildes Zitanengefchleht gebar und von Pol zu
Pot die Monumente ihres mächtigen Wirkens hinter:
ließ, iſt, feitdem der Menſch in ihr erfchlen und ba:
mit er in ihr erfcheinen und bleiben Eonnte, zu einer ge:
regeltern und gleichmäßigen Thaͤtigkeit übergegangen. Die
Selten flehen jest gegründet und wurzeln bleibend in ber
Tiefe, die Gewaͤſſer haben fi in großen und einen
Beden gefammelt und Lennen ihre Grenzen. Die has
tifhe Vermiſchung des Rigiden und Fluͤſſigen kommt
nur noch auf unbedeutenden Strecken vor. Die Berge,
bie fih gehoben haben, find abgetrodnet und abgekuͤhlt
und ſtehen nun aus ſchwankenden Maſſen in feſte Pyra⸗
miden und Säulen verwandelt da. Thaͤler ſind überall
eingegraben und fchreiben den beweglichen Flußgoͤttern die
Wege vor, welche fie nun beftändig und unveraͤnderlich
wandeln. Die Winde haben Ihre ihnen fait ebenfo be:
flimmt vorgezeichneten Kandle, in benen fie, wenn auch
nicht mit fo enger Beſchraͤnkung, doch faft mit derfelben
Regelmäßigkeit wie die Gewaͤſſer fließen.
Dennoch find biefe alten und feſten Formen dr
Erdoberfläche, im welchen der menfchlihe Verkehr und
der Strom ber politifchen Ereigniffe mit unbändiger
Gewalt bineindrauft, als achte er ihrer nihe umd ab
wolle er fie zertrömmern, nicht fo flare und unnad:
giebig, daß fie nicht doch hier und da dem Verkehre wei:
hen und fih ihm fügen follten. Ebenfalls find aud
diefe in ihren Grundzuͤgen unveränderlihen Naturformen
nicht fo voͤllig beftändig ſich gleih, daß nicht einiger
Mandel dann und wann bei ihnen eintreten folle.
Ganze Gebirge fleigen zwar jetzt aus dem Schoofe der
Erde nicht mehr hervor. Große Riffe und Spaltungen
oder Einfentungen der Erdrinde finden auch nirgend mehr
flatt, neue Fluͤſſe und ganze Flußſyſteme fpinnen ſich nir:
gend mehr an, Meere verfchlingen nirgend mehr ganze
Länder, große Infeln und Theile von Welttheilen. Ja
kaum werden irgendivo noch bedeutende Iſthmen buch:
brochen und neue Meereskanaͤle eröffnet. Im Kleinen
aber finden allerdings alle diefe Veränderungen und Um⸗
bildungen flatt, haben in der hiftorifchen Zeit häufig ſtatt⸗
gefunden und find daher nicht ohne einigen Einfluß auf
den menfchlichen Verkehr geblieben. 16.
Unterbaltungsliteratur.
1. Briefe und Tagebuchblaͤtter aus Frankreich, Iceland und Itas
lien, mit einem Meinen Anhang von Gompofitionen und Ge⸗
dichten von Magtalene v. Dobened, Nürnberg, Raw.
1843. &. 12. 1Thlr.
Wer Anfang, Mitte und Ende dieſes Werks auffchlägt,
möchte meinen, es fei von drei verfchiebenen Autoren gefchrieben,
fo verſchieden find Zon, Stimmung, Wenden. Im Anfang
(1831) fieht man .ein anmuthiges weibliches Wefen mit einem
Herzen voll Liebe für Water und Freunde, mit Intereffe für
alles Schöne und Gute ben Poſtwagen beftigen, bie verfchiebe:
nen Ginbrüde der Reife aufnehmen und auf heitere, geiflige
Beiſe beiprechen, bann in Paris anlommen und ale Erzieherin
in das Haus einer englifchen Familie treten. Gie übernimmt
den neuen Beruf mit Liebe und Freude, und fcheint babei der
Gefelligkeit und verfchiebenen andern Intereffen nicht abgeſtor⸗
ben. Die Muſik liebt und treibt fie vor Allem. „Des Menfchen
Talent ift fein Beruf”, fagt fie, und hat zur Ausbilbung ih⸗
zer Stimme ben berühmten Melchior Gomis, einen Spanier,
als Lehrer angenommen. „Die Geſangſchule von Gomis, bie
in Paris erſchien, ift von großem Werth. Rady dem Ausſpruch
der erfien hier lebenden Meifter könnte man aus ihe noch ſechs
andere berauscomponiren, fo reich an Darmonien find biefe koͤſt⸗
lichen Golfeggien. Preili find Gomis' Werke, fo voll tiefer
Wahrheit und echten Humors, nicht für bie große Menge, und
aur ein ſchoͤpferiſcher Künftter mag feine Raͤthſel Idfen.” Dies
fem Urtheil folgt die Schilderung von Gomis' Perfönlichkeit.
„Den® dir ein bewegliches Maͤnnchen mit großen ſchwarzen
und fprühenden Augen, mit bichterifcher Stien. Über den Schlaͤ⸗
fen find zwei erhöhte Stellen fidhtbar, wo nad Ball die Mufit
ihren Thron und Sit bat. Der Mund hat einen eigenthüm-
fichen Zug von Gntfchloffenheit und öffnet ſich zu wunderlichen,
aber geiftreichen Reden. Noch denke ich jenes Abende, wo er
nad beendigter Singftunde mir Mehres aus der Oper ‚Le re-
venaat‘, damals noch Manufeript, vorfpielte und fang. Ploͤt⸗
ich wird ibm das Zimmer zur Bühne, und ganz hingeriffen
von feiner Gedankenwelt fängt er an, ein Geiſterchor in eigener
Perſon aufzuführen. Als Gnome büpft er auf und nieder wie
ein Irrlicht. Die großen Augen funkeln, bas braune Spanier:
eficht mit kraufen Haaren, die Wahrheit der Mimik, bie leife,
irbifche Stimme, kurz Alles fügt ſich zu einem ergreifenden
Gemälde. Auch im aͤukern Leben ift Gomis ein wahres Ori⸗
ginal. Er will nie anders als in einem engen, niebrigen Stuͤb⸗
dyen wohnen, wo er vom Bett aus Clavier, Schreibtiſch und
alle Gegenftände berühren kann. Das Zimmer, einer Kajüte
aͤhnlich, muß von ber Straße entiegen fein, zur Ausficht einen
Garten ober eine hohe Mauer haben. Seine frühefte Kindheit
verlebte er in einem Gollegium zu Madrid. Da war es fein
größtes Vergnügen, wenn feine Kameraden ſchliefen, das weiche
Bett zu verlafien und ſich unter bie Betrftelle zu legen. So
war e8 ihm rechts bart und fo niedrig, daß nur ein Zoll bie
Naſe von der Dede trennte.” Mit dem mufllalifchen Talent
unb den beutfchen Zirolerliedern fcheint bie Verf. in Irland
febr viel Beifall einzuernten. Hier die Schilderung eines muſi⸗
kaliſchen Abends. Maleriſch figt eine Lady am Fluͤgel und
fingt eine himmelfchreiende Arte. Diefe war aus ber legten
Saifon von einem ber erſten Mobecomponiften im Sechsachtel⸗
Takt. Gin paar Noten
Baß hinkt binterdrein, plöglicy eine finmige Paufe, das Licht er
ht — Nacht, finftere Racht, dann ein wüthender Accord,
und Alles iſt in einen wimmernden Triller aufgelöft, wie in
üpfen binauf, ein paar binab, ber:
Thraͤnen zerfioffen. Die Englänber bleiben, trotz ber kiebe
Mufil, doc ihre Stiefkinder. Singt ein Gentleman ober hi
Miß, fo iſt es meift foldy ein Lieb, das Steine erweichen und
Menſchen rafend machen fann. Nicht in ben Salons, wol aber
in ben iriſchen, ſchottiſchen und englifchen Hätten muß man
Mufit, d. h. Melodien fuchen. Die hüpfende, tanzende Wollte
melobie bes Irlänbers, rebucirt auf eine ernfte, ruhige Beglei⸗
tung, iſt bennody wehmüthigen Ausdruds.” Die geiſtreiche Er⸗
zieherin hat Intereffe für Alles und ſchildert anmuthig, fodaß
fie mit ihren unſchuldigen Mäbchenabenteuern in Irland, Enge
land und Paris die Aufmerkſamkeit des Lefers angenehm bes
ſchaͤftigt. Zür eine Gouvernante kam fie indeß Wef. zu lebens-
und abenteuerluftig vor — body gewiß liebenswärbig als Haus⸗
genofiin und Gef 4 ef
o ber Gindrud der en Abtheilung. In ber zweis
ten wird fie ernfter, der Schiffbruch in Salais ift ein bäfte
veö Bild, weiches fie mit wenig WBeberzügen, doch fehr er⸗
greifend auf das Papier zaubert. Auch bie cinzelnen Lebens
bilder aus Paris, bie fie gibt, find allerliebft und vol Leben,
fehr amufante Anekdoten werden angeführt unb auf geiſtreiche
Art commentirt. Die Verf. ift eine von ben Frauen, welche
alle Erſcheinungen ber Außenwelt nur fombolifh nehmen und
baraus weiter fchließen; es ift ihr Alles Hieroglyphe, bie fie fidh
zu erflären bemüht. Dieſer Bang ift in der erften ‚Hälfte bes
Buchs ſchon ſichtbar, doch Hält er fi in jenen Schranken, wo
er noch für geiftreich gilt, anzieht und erfreut. Die Belannts
[haft mit dem griechiſchen Erzbiſchof I— geht Thon beinahe
weiter. Die Berf. wechfelt nun bie Familie und tritt bei einer
andern in Senf ein. Gin &eifegefährte auf der Diligence
räth ihr den Thomas a Kempis an, und von nun an ſchlaͤgt
fie eine ganz veligiöfe Richtung ein, und ihre Betrachtungen,
Reifebemerkungen, Beflerionen werben viel ernfter. Mandy fchös
nes, troftreiches Wort fließt aus ihrer Weber, aber das Sehnen
und. Streben ihres Geiſtes huͤllt fi immer mehr in einen
frommen Nebel, in ben Zrauerfchleier bes Chriſtenthums. Ihr
Beruf ſcheint ihr ſchwerer zu werben. „Ich glaube, daß wir
für die fi ewig wieberholenden Mübfeligkeiten bes Lebens eben
fo viel Muth bedürfen, als für die Schmerzen bes Todes“, fagt
fie einft. In Laufanne berichtet fie von einem Wunder. „Die
Keine Garry, ihre Echülerin, wollte nicht buchftabiren lernen,
und bie Erzieherin verläßt das Eehrzimmer in der Abficht, Bott
um Kraft und Geduld anzufleben. Sie lieft in ber Biber
„Wer ein feiches Kind aufnimmt in meinem Namen, der nimmt
mich auf.” Da gelobt fie fi, das Kind gu lieben, felbft wenn
es unliebenswärdig fei — und fiehe da! am andern Morgen
kommt es ihr fhon freundlich entgegen und ift umgewandelt.
Dad wird angeläpet als ein Beweis ber Macht bed Gebete,
Rachdem fie fünf Jahre als Erzieherin gewirkt, ehrt fie nach
Daufe zuruͤck — ihre Geſundheit ſcheint gelitten zu haben —,
phyſiſche Leiden fteigern die veligidfe Schwärmerei, und nady eis
ner vierjährigen Paufe erfahren wir, daß bie Ungluͤckliche bem
Wahnſinn verfallen war. „Mein Leben”, fchreibt fie, „hörte
auf, ein Leben zu fein. Denn allmälig hatte ich den Eindlichen
Glauben an das allein gültige Verdienſt Chriſti verlaffen, und
eigene Heiligung mitteld martervollen Gottesbienftes zu erringen
efucht. Faſten, Entbehrungen aller Art, follten Flammen irdi⸗
der Begierden in mir verlöfgen. Da folgte Berblendung auf
Berblendung, bis ber Berg gleißneriſcher Werke zufammenftürzte,
bie ſtolze Seele zu begraben.” Cie wird im 3. 1830 in bie
Heilanſtalt Winnenthal gebracht, nachdem fie neun Monate vdl⸗
lig geiſteskrank war, und nun ſchildert fie ihre langſame Gene⸗
ſung unter freundlicher, geeigneter Behandlung. Die vermiſch⸗
ten Gedanken zeugen von geſundem, in ſich und in Gott Erdfs
tigem Geifte, die Poefien find in ihrer frommen Faͤrbung wohls
lautenb, ganz geeignet, einen Kleinen Kreis ber Freunde unb
Verwandten der Dichterin zu erfreuen, und ihr felbft angenehme
Stunden zu bereiten; bie Sompofitionen find anfpruchslos und
voll Harmonie; die erſte Abtheilung des Buchs erbeitert auf
angenehme Weiſe, und ift zu biefem Behuf allen romanmuͤden
3. Eine meue Welt, von Robert Helier. Altenburg, Pierer.
2 Thir. BO Nor.
Biblisgraphie.
Abaͤlarbd und Heloiſens Briefe. Nach dem Franzoͤſiſchen
Herausgegeben von F. Weiß. Mit den -
Poetiſch bearbeitet.
Birpniffen Abaͤlard und Heloiſens. Pforzheim, Dennig, Finck
und Somp. Gr. 8. 2 Thlr.
Ahles, ©. H., Prebigt am Syl abend de3 verhaͤng⸗
—8* und —XãXſ Go Be Dennkein. ee
Wr. 8, 3%, Nor.
Medienburgifches Album. Roſtock, Leopoid. 1843. Br. 16.
1 Thblr. 5 Nor.
Bed, 3. T., Umriß ber biblifchen Seelenlehre. Ein Ber:
Indy. Stuttgart, Belfer. Gr. 8. 18%, Rer.
. Ihe Biefrung. Beeberg, Gngeifarde, Gr. 8. 1% Kat
Saued. Ifte Lieferung. erg, t. .8 75, Nor.
Bi ke, Pr Catkarinesm zu Lübeck vor 1Slo,
Eioe Jubelschrift im Namen jener Anstalt verfasst, Lübeck,
Bohden. 4. 10 Ngr.
Erdmann, J. E., Grundriss der Logik und Meta-
porsik. Für Vorlesungen. 3te verbesserte Auflage. Halle,
ippert. Gr. 8, 1 Thlr.
FJlygare⸗Carlén, Emilie, Waldemar Sieln. Pos
velle. Aus dem Schwediſchen von G. Eichel. Leipzig, Koll:
mann. 8. 1 Zhir. 15 Near.
Froͤlich, F., Theologiſche Sonette. Neubrandenburg,
netow. Gr. 16. 10 Rgr.
Gerhardt’s, P., geiftliche Lieber, getreu nach ber bei
feinen Lebzeiten erfchienenen Ausgabe wieber abgebrudt. Stutt⸗
gart, Lieſching. Br. 8. 15 Nor.
Geſchichte der Kriege in Europa felt dem Jahre 1792, als
" Bolgen der Staatsveraͤnderung in Frankreich unter König Eub:
wig XVI. 1itee Theil. Iſter Band. Berlin, Mittler. Gr. 9.
3 Thir.
Heller, 8, NRilolaus Hunnius. Sein Leben und Wir
in. Gin Beitrag zur Kirchengeſchichte des 17. Zahrhunderts,
größtentheild nach handſchriftlichen Quellen. übel, Rohden.
®r. S. 1 Thir. 15 Nor.
Kahiert, A., Die Kunſtausſtellungen Breslaus feit fünf:
4 ten der grössten Feldherren.
| MRarianifde Binmenlefe für Kirde, und ‚Haus,
drucdten und ungebrudten Quellen, und mit Beiträgen von
Roman. Grimma, Gebhardt. 8.
| fegter, theils eigener Gebidhte, von I
1 dem Nachlaſſe d
hell: MAeinere Schriften.
J über Moͤſter und Stifter.
Losseu, v., Napolsen, verglichen wit dem von ihm
als Ideale der Kriegführang beseichneten F'eldherren. — A,
ud. T.: Idealo der Kriegführung in einer Analyse der Tha-
"ter Band. Berlin, Schle-
e. Gr. 8. 35 Ner.
Mabonna, in Liedern, Gegenden unb Sagen gefeiert. Meue
aus ges
mehr denn hundert Dichtern der Vorzeit unb Gegenwart. Derause
gegeben buch 3 B. Houffeac Mit einem Stahlſtiche.
in, Simien Thlr
87
Mahner, Albert von Hochfelden ober Militair und Kirche.
8. 1 Thir. 10 Rgr.
r.
Moores, T., Lalla Eine orientali ,
aus dem Engliſchen —e— def einem a Proc
Schuͤnem Gr. 8. 1 Ahir 1 ee ow
, ann. .d, ‚41° .
men Moͤſer's, J., ſaͤmmtliche Werke.
effelben ge
ifchtes: Aus Drdfer’s fruͤheſter
Periode, in Zeitfcheiften Erſchienenes. Fragmente. Hiſtoriſchet
Berlin, Nicolai. Gr. 12. HR
piſchon, 8. A., Leitfaden zur Geſchichte ber beutfcen
Siteratun. ge bermehete Auflage. Berlin, Dunder und Hum
ot. «8, .
Räbiger, J., Lehrfreibeit und Wiberlegung ber fritis
fen Principien Bruno Bauer's. Zugleich eine Auseinander:
fegung mit Dr. Gruppe. Breslau, Goſohorsky. Br. 8. 3 Rgr,
Kante, 2, Deutiche Geſchichte im Zeitaiter ber Refor⸗
mation. Ater und Ster Band. Berlin, Dunder und Humblot.
Gr. 8. 5 The. 20 Ror.
Ausgewählte Reden der Wollövertreter in der ſaͤchſtſchen
yoeiten Kammer 1843, in Hinſicht ber beiden Fragen Gerichts⸗
Öffentiichleit und Preßfreiheit. Herausgegeben von Heid. Leip⸗
sig, Ph. Reclam jun. Gr. 8. 10 Rgr.
Reden, Freib. 8. W. v., Die Eifenbahnen von Guropa
und Amerika. Statiſtiſch⸗geſchichtliche Darftellung ihrer Ent
ftehung, ihres Werhältniffes zur Staategewalt, ſowie ihrer
Verwaltungs » und Betriebs s Einrichtungen. Iſte Abtheilung:
Die Sifenbapnen Deutſchlands. Berlin, Mittier. Ler.:d. 2 Thir.
Rodbertus⸗Jagetzow, Zur Erkenntniß unferer fladt«
wirthſchaftlichen Zuſtaͤnde. Aftes ‚Heft: Künf Theoreme. News
brandenburg, Barnewig. 1842 Gr. 8. 1 Thir.
Saint⸗Hilagire, E. M. v., Populaire Geſchichte Ra
poleon's und der großen Armee. Nach dem Franzoͤſiſchen vor
8 Weiß. In vier Heften mit vier Stahlſtichen. Iftes
tes Deft. Pforzheim, Dennig, Find! und Comp. 8. 1Thlr.
ber den Berein ber proteftantifchen Freunde nach Weſen
und Snbalt. A Ein theologifcges Votum. Darmſtadt, Leit.
. 12. gr.
Das ſtaatsrechtliche Verhaͤltniß der Standes: und Grund:
herren und die Lehnsverfaffung im Großherzogthum Baben,
dargeftellt in einer Sammlung ber hierüber erjchienenen (Befepe
und BBerorbnungen in chronologiſcher Folge. Bon Bogel.
Karlsruhe, Macklot. Ler.:B. 1 hir.
Wagner, 8. 8 W., Der Romanismus oder bas Weſen
und Treiben ber NRömlinge ober Ultramontanen. Darmſtadt,
Leite. Sr. 8. 0 Nor.
Wolf, S., Die Zeitrechnung in ihrer gefchichtlichen Gnts
re Sin Verſuch. Gotha, Verlags: Comptoir. Gr. 8.
3 Agr.
undzwanzig Jahren. Ein Kuͤckblick am Dürerfefte 1843. Bres-
lau, Ireund. 8. 5 Kor.
Bingerle, P., Gedichte. Innsbrud, Rau. Br. 13.
. L ir.
Berantwortliher Herausgeber: Heinrich Brockhaus. — Drud und Berlag von 3. 4. Brochaus in Leipzig.
Blatter
lit erarifche
Sonntag,
m Nr. 190, —
für .
Unterhaltung.
P. Zuli 1843.
Nationalfagen.
1. Bollsfagen un» Vatlsiteder aus Gchwedens Älterer und neues
* ne Wert Bon * Aug. Afzelius. Aus dem Schwedi⸗
— von F. H. Ungewitter. Mit — von
—— led. erter und Kneiter Theil. Leipzig, Kollmann.
r drei Theile 3 Thlr. 15 Nor.
2. Dusbert und = — Oder Geſchichten und Sagen des
ae lan Bon ng manı 6a Schiff. Erſtes Bud.
De — 22), Ror.
3. Das von en und Legenden jübifcher Vorzeit. Nach
den Quellen bearbeitet nebft Anmerkungen und Griäuterungen
von Abraham M. Zenblau. Gtuttgart, Caſt. 1842.
8. X Ze 10 Nor.
4. Groß s Polens Nationalfagen, Märchen und Legenden und
gen bes Großherzogthums Pofen. Herausgegeben von
Localfe
© art. Grftes Heft. Bromberg, Eevit. 1842,
10 N
5. — Botksfagen, Geſchichten und Märchen. Geſam⸗
mıelt unb neuerzaͤhtt von Fe Binder Stuttgart, Caſt.
1842. 8. 1 Ihr. 3%,
6. Maͤrkiſche Sagen un 2 edhen nebft einem Anhange von
und Xberglauben, gefammelt und beraußgegeben von
—— Kuhn. Berlin, Reimer. 1843. Gr. 8. 1Thir.
Yz Ror
Die Sage iſt in Deutihland — und mo nit, wo
die Literatur ſich mit der Zeitſtroͤmmg fortbewegt — in
ihr volles Necht, was ihr eine frühere Zeit verkuͤnnmerte,
eingeruͤckt. Mit einen heiligen Reſpecte faßt man fie an,
um aldıts vom Bluͤtenſtaub ibrer Klügel eingubüßen, und
dirch zu ſtarkes Zugreifen ihren weichen Kormen nicht eine
andere Beftalt zu geben. Die hiftorifige Kritik iſt über
bie Sage gekemmen, wohl verſtanden, nicht eine, weiche
fie auf ihre geſchichtlichen Elemente zuruckfuͤhrt, ſondern eine,
weiche die Gage, wie fie geſchichtlich ſich ausgebildet hat,
feſtſte llen und von aller willkuͤrlichen Beimiſchung, von
ber Behandlung losmachen und reinigen will, welche nicht
in Botksammde ihren Grund hat, fondern in irgend einem
andern fermben Element. Bei aller Achtung vor dieſer
Achtung für die Meinheit der Sage darf uns biefe kriti⸗
ſche Bebandiungsart doch von einem gewiſſen Standpunft
aus bebessltic, ja als eine moͤrderiſche erſcheinen. Praͤpa⸗
riet man nicht, indem man die Sage hiſtoriſch reperiet,
ſchoͤne Leihen? Es fragt fih: war denn die Sage ſchon
fo aragelebt, daß man zu biefer Einbalfamirung ein Recht
hatte? Wir find weit entfernt, das Verdienft der Gebruͤ⸗
der Grimm gu beſtreiten, die mit unendlichet Mühe und
Liebe die deutſchen Sagen gefammelt und fo viele herfel-
ben vor bem Verlorengeben gerettet haben. Die Nachwelt
wird es ihnen nody mehr banken als wir in der Gegen:
wart. Aber diefe Sagen, die in ihre Gefchichtsbücher auf:
genommen wurben, find nun tobt; fie Eönnen fich nicht wei⸗
tee im Munde des Volks ausbilden. Gefchähe es doch,
vieleicht in Gegenden, wohin die Grimm'ſchen Bücher
nicht dringen, und es würden fchöne, finnreiche oder finns
loſe Maͤrchen daraus, ſo koͤnnten Kritiker nach hundert Jah⸗
ven, die ſie in der Ammenſtube, am Spinnrocken erzählen
hörten, dazu laͤchelnd den Kopf ſchuͤtteln und ſagen: Das
iſt nicht recht, ſo ſteht es nicht im Grimm. Was iſt
denn echt in der Sache? Wann iſt der Zeitpunkt ihrer
Bluͤte, wo man ſie abſchneiden und ins Herbarium legen
muß, weil ſie fertig iſt, und ihre weitern Schoͤßlinge un⸗
reifer Nachwuchs? Freilich die meiſten Sagen gehoͤren
einer Vorzeit an, bie todt iſt, aber doch nicht alle. Lebt
denn nicht die Sage vom Fauſt noch heute fort, ſetzt fie
nicht Jahr aus Jahr ein neue Triebe an, von denen weber
im Volksbuch noch in der Puppenkomddie etwas ſteht,
und fie find doch echt ?
Table man immer ben Wis und die Philofophie, wie
fie willkuͤrlich die Sage zugeflugt und das heitere Kind.
einer fchönen Sinnlichkeit einfeitig zu ihren Zwecken ver:
arbeitet haben, tadle man Mufdus, und auch die Ro⸗
mantifer, wie fie in ihren Sinne die einfache Sage
fo kunſtvoll und mit fo duftigen, ſchweren Farben aus⸗
putzten, daß fie nicht mehr den Rüdweg ins Volk zurüd:
fand! Freilich, fie hatten den Reſpect nicht, den wir jegt
haben, aber unmiufürlich thaten fie mehe für ihre Vers
breitung und Erhaltung als wir, die wir fie mit lack
handſchuhen anfaflen, und allenfalls mit einer Glasmaske
vorm Geſicht, damit unfer eigener Hauch die ſchoͤnen Bluͤ⸗
ten nicht berühre, Wie auch Mufäus für den Geſchmack
des 19. Jahrhunderts die alte einfache Sage ausbildete,
ein Geſchmack, der nicht mehr der unfere it, dennoch,
fchaffte er Leben; die alte einfache Sage ging darum nicht
unter, weil fie ein neues, modernes Kleid angezogen hatte,
weiches auf ihren Leib. nicht paßte. Das erregte aber um fo
mebr die Aufmerkſamkeit; man fah die [chönen urſpruͤnglichen
Formen heraus, und gerade die ungefchidte oder unpaſſende
Behandlung der Sage war es, welche die biftorifche, reſpect⸗
volle Betrachtung hervorrief. Die Sage gehoͤrt der ſchaf⸗
‚fenden Poeſie an, ebenſo der in den Spinnftuben als der
wir. „Die Bleu uns bie Bllavin”, in dem neuen
Gewande erſcheinen. Andere, wie z. B. „Der Rampen”,
ein Beißerneicchen, das une in feinen dunkein Tinten
weit cher nach dem Norden als nad dem Orlent zu ges
hoͤren ſcheint, vertdert durch die Breite, zu welcher bus
Remarnzenmaß Aulaß gab. Als Maͤrchen erzähle, koͤnnte
«a von beiweitem groͤßern Eindruck fen. Wie zart und
kedsutungövoll iſt die in Profa erzählte Sage vom abs
tuhunigen Acher und feinem Schüler Rabbi Weir, wie
denn überhaupt bie Sammlung reih an intereflan:
ten deutungsvollen Sagen if, und weitere Verbreitung
verdient.
(Der Beſchluß folgt.)
Zu der Benrtbeilung über Bülow = Eummerom’s
„Preußen, feine Verfaſſung ıc.”, in Nr. 152 — 156
diefer Blätter.
An Ne. 154 d. St. Heißt es: „Noch an einem andern Bei
fpiele wollen wir zeigen, wie ganz unvermerft, ja zuweilen abs
ſichte widrig, bie
g unterzuſchieben und dieſelbe dazu zu bereben, ihr damit
aber die Madı aus der Hand zu winden und ihrer entſchieden⸗
ften Abficht entgegenzumirken weiß. Es beweift dies ber neue
Entwurf des Strafgefegbuches, den man ſich dadurch ungemein
leicht gemacht hat, daß es einmal vermieben worden ifl, auf
irgend eine Begriffebefiimmung der Verbrechen einzugeben, und
zweitens, daß dem richterlihen Ermeſſen ein ungeheurer Spiel:
raum in der Wahl der unbeflimmten Strafen eingeräumt wors
den iſt. Beides kann nur den Erfolg haben, bie richterliche
Gubjectiottät auf den Richterflüblen auszubehnen und bie Ob:
jeetioität davon zu verdrängen, ober, mit andern Worten, ben
Verruf der ftändigen Berichte zu vermehren und bie Sehnſucht
nach Geſchworenengerichten zu befördern, ganz fiher gegen bie
Abſicht der Regierung. Wir laffen die Zriftigkeit dieſes
Satzes unerdrtert; wenn aber in berfelben Beurtheilmg weiter
bin gefagt wird, e8 habe Leine einzige der ſaͤmmtlichten
PHrovinzialffänbeverfammiungen diefen Mangel
des Strafgefegentwurfes aufgefaßt und gerügt, fo
fei und dagegen die Berichtigung erlaubt, baß dieſer Mangel
. von den brandenburgifchen Ständen erfannt worden ift und daf
dieſelben vorzüglich deshalb gegen bie ſefortige Einführung des
neuen Gtrafgefepes proteftirt haben. *) Der Entwurf it, auf
den Wunſch mehrer Landtagsverſammlungen, der Äffentlichkeit
übergeben worden; einen weſentlichen Nugen hätte es gehabt,
wenn bie hierüber abgegebenen fändifchen Gutachten in geords
neter 3ufammenftellung mit dem Entwurf abgedruckt worden
waͤren *); durch cine Menge Zeitungeblätter zeritreut, bie man
baute lieft und morgen vergißt, gehen bem größern Publicum
bie großentheils gehaltvolen Xußerungen ber Landtage über das
Strafgeſezbuch verioren. Zum Beweiſe, wie leicht dergteichen
Zeitungsartifel felbft von aufmerkfamen Beobachtern überfehen
werden, dient ber Fall, weicher uns F ben‘ gegenwärtigen Zei⸗
len verantaßt. Da in ber ebenerwähnten ablehnenden Erklaͤ⸗
ung ber brandenburgiſchen Provinzialftände ein für die Beur⸗
theilung des neuen Strafgefegbuches fehr wichtiger Geſichtspunkt
aufgeftellt ift, fo mag es nicht überflüffig erfcheinen, den Haupt⸗
inhalt der betreffenden Verhandlung bier wieder zu geben.
Die brandenburgifche Ständeverfammlung erkannte das Ber
2) Auch ber preußiſche und fhlefifhe Landtag haben Bedenken ges
tragen, für bie Einführung bed neuen Griminalgefegbuched zu flims
men, fo lang nicht eine neue Eriminalordnung zur Berathung
vorgelegt worden ift.
”) Wis dies auch von dem preußifchen Lenbtage erbeten wor⸗
den war.
ureaukratie ihre Anfichten unb Plane der Re.
thrhelß cinse unifaffenber Umgdfhaitung hei Muigebtaläuedkts an ;
‚es wurde aber hieran bie Erage geknuͤpft, ob ber gegenwärtige
Zeitpunft der geeignete zur Yublication des Geſetzes ſei, ob na:
mentlih diejenigen anderweit geltenden Gefegc, weiche die Hand⸗
babung des neuen Gtrafrechte beftimmen ‚müßten, ſich in ber
Lage befänben, daß das neue Geſetz auf zweckmaͤßige und orgas
niſche Weiſe nun auch ohne weiteres ins Reben treten könne
Dies warb von mehren Seiten entfchieben verneint. Es ward
darauf hingewieſen, wie man ſich bei Begutachtung bes ganzen
Entwurfs überzeugt habe, daß barin ein weſentlich anderes
Princip als in dem bieher gültigen Landrecht vorwalte; während
letzteres dahin fisebe, ft genau zu deſtniren, Verbrechen
und Strafen zu fpecialifiven unb dem Richter fowie bem Ver
brecher genau bie Strafe zu bezeichnen, welche eine beftimmte
unerlaubte Handlung zur Kolge haben muͤſſe, verfolge der Ent:
wurf eine eutgegengefehte Richtung, vermeibe geftiffent:
ih Definitionen, gehe auf Specialfaͤlle überhaupt nicht
ein, fonbern ſuche fo viel als moͤglich durch allgemeine Normen
den Richter bei Zumeffung der Gtrafe zu leiten, wovon benn
bie nothwenbige Folge fei, daß bem richterlichen Ermef:
fen überall ein fehr weiter Spielraum babe ge:
währt werden mäffen; es möge zugegeben werben, baf
das landrechtliche Syſtem die Gründe feiner Unzulaͤnglichkeit in
fi trage, daß es zu einer body nicht überall ausreichenden Ga:
fuiftit führe, daß das Princip des Entwurfes dem Kortfchritte
ber Strafrechtswiſſenſchaft entſpreche; allein andererfeits koͤnne
doch nicht in Abrede geftellt werden, daß in denjenigen fpeciellen
Fällen, für weiche das Landrecht beftimmte Worfchriften enthalte,
Garantien für die richtige Anwendung bed Geſetzes enthalten
fein, beren man bei weniger biftincten Gtrafoorfchriften ent:
behre. Bevor man aber fo wichtige Barantien aufgebe, müffe
man ſich fragen, wo man bafür Erfag finde, und einen
ſolchen fönne man in bem Ermeffen des Richters,
welches an bie Stelle jener beffimmten Gefegvors
ſchriften treten folle, nicht erlennen. Es folle da
mit dem mit Hecht hochgeachteten und durch wiſſenſchaftliche
Bildung fowie durch gereiftes Urtheil und Integrität audgezei
neten preußifchen Ridgterftande durchaus Fein Vorwurf gemacht
werden; allein es fei zu bezweifeln, daß biefem Stande, felbft
in feiner gegenwärtigen Organifation, mit einer fo weit aus:
gedehnten Befugniß werbe gedient fein, wobei beifpielsweife bes
einzeln ſtehenden Richters, der in vielen Fällen Inquirent und
Urtelsfaffer in einer Perfon iſt, gedacht wurde Es fei je:
bob aud der Fall denkbar, daß bie gegenwärtigen
VBerhättntffe fih Anderten und Umftände eintri-
ten, welche e8 wirklich bedenklich madhten, einer
einzelnen Slaffe von Beamten eine fo fehr in ihre
Butbünfen geftellte Strafgewalt anzuvertrauen,
und bevor man nicht Siherungsmittel, foren
Möglichkeiten zu begegnen, volllommen vorbe:
reitet und geprüft babe, lönne man eine fo völ:
lige Umgefialtung bes bermaligen Rechtszuſtan⸗—
des überhaupt nit für raͤthlich halten.” 28.
Literarifche Anzeige.
Durch alle Buchhandlungen ift von mir zu beziehen:
Philoſophie des Staats
oder
Allgemeine Socialtheorie.
Bon
Dr. Sugo Eiſenhart.
Gr. 8 Geh. 1 The. 6 Nor.
Eeipzig, im Zuli 1843,
SF. A. Brochhans.
Berantwortlicher Herausgeber: HAeinrich Brockhaus. — Drud und Berlag von BE. X. Brodbaus in Seipzig
Blätter
für
literarifde Unterhaltung.
NRationalfagen.
(Beſchluß aus Nr. 198.)
Me. 4. Der Name des bewährten Derausgebers bie:
fer „Sroßpolniſchen Notionalfagen” ſpricht für den Werth
des Gegebenen. Wirklich thut der Name noth, um nicht
vom aufern Kleide abgefchredt zu werden. Schrift und
Druderfchrwärzge kündigen zwar ein Volksbuch an, aber
eins für den Markt, nicht für die Hände ber Gebilde⸗
ten und ber feinen Welt. Möchte fih aber Niemand
von dieſem Kleide zurückſchrecken laſſen, denn Inhalt und
Form find eine gleich-treffliche Babe. Welche Phantafie,
weidye reiche Geſtaltungékraft herrſcht in den polnifchs
böhmifch = ſerbiſchen Sagen, und wie großartig epifch ent
wideln fich die der beiden erflern flawifchen Stämme!
Die deutfhe — hiſtoriſche — Sagenwelt kann faſt mit
Neid auf biefe eigenthuͤmliche Ausbildung der polnifchen
und böhmifchen gefchichtlichen Mythen blicken. Liegt nicht
in der Reihenfolge diefer mpthifchen Dynaftien, in biefem
Wechſel zwifchen Koͤnigthum und Republik, in diefer
Frauenherrſchaft, die dann und wann fo furchtbar ge:
waltig amd glänzend aus dem barbarifchen Leben heraus:
tritt, in der wuͤthenden DVerfolgungsfucht gegen Einzelne
und Gefchlechter, bie dann und wann bas Voll ergreift,
eim prophetifcher Spiegel ber folgenden polnifhen Ge:
ſchichte? Wem diefe Sagen auch ihre Entfiehung vers
danken, dem Volksmunde, ober dichterifhen Maͤrchen, fie
find großartige, portifche Gebilde, wahrhaft charakteriftifch
für die Nationalität und bie Zeit, in der fie entflanden.
Dolens Ruhm und Gtüd Liegt in ber Vorzeit, dort auch
feine Poeſie und Wiſſenſchaft. Dort war bei. allen wild
gährenden Leibenfchaften auch eine große Geſtaltungskraft,
Die mehr und mehr in bem fortgefegten Gaͤhrungskampfe
fo vieler Berechtigten, von benen feiner etwas von feis
nem Rechte aufgeben wollte, verſchwand. Go zerfplitterte
ein glänzender Anfangs. Wo hat ein neuered Volk eine
fo glänzende Sage, als fie von ihrer koͤniglichen Herrſche⸗
ein Wanda bie Polen befigen? Was bedeutet unfer
Provinzial = Maͤuſethurm am Mhein gegen den Mäufe-
thurm König Prziel's am Boplofee und ben tragifchen Uns
tergang feines ganzen Geſchlechts! Alle unfere Sagenges
[dichten find partielle, auch die Nibelungenfagen, auch die
von dem Kampf ber fruchtbaren rauen; felbit die Sei:
fel Gottes, Attila, wird in unferer Sage zu einem Partialkoͤ⸗
nige, wie andere Könige, und die Burgunder ziehen zu ihm
zum Befuche, um ihren Untergang zu finden, während der
hiſtoriſche Attila die Welt überzog, den Untergang überall
bintragend. Die polnifche hiſtoriſche Sage iſt ein voll-
geſchwellter Strom, zu dem die Bäche aus allen ſlawi⸗
[hen Stämmen ihr Waffer trugen, er raufcht herrlich da⸗
ber; aber er fand nicht den Weg zum Meere und ver:
fiterte in Sümpfen und Bruͤchen. Hier machte fi für
den Herausgeber die Aufgabe von felbft, die Mythe in
biftorifcher Reihenfolge zu geben; aber er vermied bie
wiſſenſchaftlich belehrende Faͤrbung. Man kann bie Gas
gen einzeln berausgreifen und fie werden ihre Wirkung
nicht verlieren. Seine Anmerkungen zum Schluß find
ebenfo belehrend als kurz und eindringend. Als charak⸗
teriftifch bemerkt er, daß, je Alter die Zeugen für eine
Sage find, welche fie uns am volftändigften überliefert
haben, deflo weniger weit fie bie Sage in die Vorzeit zu:
ruͤckfuͤhren. Es find Beugen von fehr hohem Alter, von
1112 und 1200, und die von etwa 1250 gehören ſchon
zu den jüngern. Sie aber führen Sagen, von denen
jene berichten, daß fie ihnen noch aus dem Munde alter
Leute erzählt worden, bis auf den früheften Anfang der
Geſchichte, ja bis zur Suͤndflut zurüd! Das erfte Heft
ſchließt mit der Einführung des Chriſtenthums und Bo:
leslav Chrobri. Den herrlichen lateinifchen Klagefang bes
Martinus Galus auf den Tod diefes Königs theilt uns
der Verf. zum Schluffe mit:
Omnis aetas, omnis sexus, omnis ordo currite!
Bolezlavi regis funus condolentes cernite,
Atque mortem tanti viri simul mecam plangite!
Ebeu, Ehen Bolezlave! ubi taa gloria!
Ubi virtus? ubi decus? ubi rerum copia ?
Satis restat ad plorandum; Vae mihi Polonia! etc.
Ne. 5. Auf diefe „Alemanniſchen Volksſagen“ trifft
das nicht, was wir im Aligemeinen über bie kritiſch⸗
biftorifchen Auffaffungen ber Sage duferten. Es find
Geſchichten, mehr ober-minder intereflante, welche, wie
fie da find, der Erzaͤhlungsluſt oder Babe des Heraus:
gebers ihr Daſein verbanten. Dem Vorwort nach konnte
man Anderes erwarten, denn ber Verf. laͤßt fi darin
weitiäufig über die Bedeutung der Sage aus, unb poles
miſtet nicht mit Unrecht gegen Auffaflungen, bie allen
⸗
6
Duft und alle Urfpränglichleit des gegebenen Stoffes
verwifhen. Wenn er aber Muſaͤus und Benediete
Naubert als diejenigen Gchriftfteller hervorhebt, welche
die Behandlung der Sage am beften verfianden, fo bat
das of nur Guͤltigkeit im Vergleich zu den mit Hecht
gerugten Behandlungen des, feiner Zeit auch berühmten,
Veit Weber. Er bat gewiß recht, daß man die Sage
nicht zur moralifchen Abhandlung machen fol, und baß
man am beften thue, die deutſche Sage getroft fo wieber
zu geben, wie die Chronik fie uns überliefert, ober wie
fie im Munde des Volks lebt, ohne viele Zuthat, weldye
ihren Werth nie erhöhen, nur herabfegen kann; wohlver:
flanden wenn man in ſich felbft niche den Geiſt fühlt,
unns pro maltis, als Organ des Volks, die Sage durch
neue Auffaffung um: und fortzubilden. Dit bloßen Bus
fügen iſt es nicht gethan. Die hier mitgetheilten „Ale⸗
mannifchen Volksſagen“ gehören aber zu ber Claſſe von
Sagen, von benen er ſelbſt fagt, daß, weit fich nicht ſchon
eine abgerundete Erzählung vorfinde, fondern fih nur
ein Grundgedanke in der Überlieferung erhalten habe,
dem Bearbeiter freier Spielraum gelaffen ſei. Diefer
Spielraum iſt nun hier ein fehr weiter, denn der Grund⸗
gedanke ift meift eine dünne Notiz, die in vielen Faͤllen
kaum die Beflalt der Sage angenommen hat, ober zu
den Sagen gehört, welche ſich in allen Ländern wieder:
finden und nichts zum Stempel des alemanniichen Land:
ſtrichs beitragen. Daß auch unter den Frauen der Kreuz:
fahrer Penelopen waren, daß die heimkehrenden Bitter
durch mancherlei Spuk genedt wurden wie Odyſſeus,
daß Wichtel, Beine Leute, Nebelmänner fi ihnen in den
Weg ftellten, daß ein Kaifer, auch ein Marimillan, mit
einer huͤbſchen Schweizerin eine Liebſchaft und fie ein
Kind von ihm hatte, daß ein Mörder, ald er nach lan⸗
gen Jahren, mit der Senfe ins Gras mähend, auf den
Schädel des von ihm Ermordeten trifft, vom Gewiſſen
eruͤhrt wird und fich freiwillig angibt: alles Das find
Rüge bie überall wieberkehren, und ohne neue Zus und
Durcherfindung eben nichts find als Studien. Inwie⸗
fern es dem Berf. gelungen, aus biefen Studien ganze
Bilder zu entwerfen, welche das Auge feileln, uͤberlaſſen
wir ber Entfcheidung ber Lefer, da die Beurtheilung bes
novelliftifhen Theils nicht in dieſe unfere Anzeige über
Volksmaͤrchen gehört. Er malt, beiläufig gefagt, feine
alemannifchen Gegenden, befonders die Ufer bes Boden:
fees, mit befondeser Vorliebe und Anſchaulichkelt. Die
Studienbilder aus der Zeit Marimilian’s in der erſten
Gage vergegenwärtigen uns biefelbe recht lebhaft.
Mr. 6. Die „Maͤrkiſchen Sagen und Märchen’ von
AMelbert Kuhn gehören In bie oben erwähnte Rubrik.
Es find mit Fleiß gefammelte und mit gewiffenbafter
Areus bem Volkomunde und ber Ehonik nacherzaͤhlte Ge⸗
ſchichten, wenn man das Geſchichten nennen kann,
wo oft nicht mehr Subſtanz da iſt als irgend eine Er⸗
innerung, ein Dictum, das von Mund zu Mund geht:
an dieſem Orte wurde Einer erſchlagen; das Zeichen er⸗
innert an bie und jene That; die Erbe hier iſt roth,
weiß ehebem in einer Schlacht fo viel Blut gefloſſen if
u. f. w. Aber das lateiniſche Dietum heißt ja zu Deutſch
aur Geſagtes — was iſt die Gage anders! Mir find
zweifelhaft, ob ein Sammler von Sagen, welcher ein be:
flimmtes Land, ein beflimmtes Volt fi zur Aufgabe
ftellte, acht handelt, wenn er ſich nid darauf beſcheankt
Das wieder zu erzählen, was die Leute noch wöflen und
ſich wieder erzählen, fondern auch aus alten Geſchichtsbuͤchern,
Chroniken u. f. w. Sagen aufnimmt, bie einft an dem Orte
gelebt haben. Die Sage ift etwas Lebendiges; was alfo
fhon im Volksmunde gänzlich ausgeſtorben ift und nun
noch in Büchern ſich findet, gehört vielleicht nicht hierher.
Doc fei das nicht als unbedingt gültiger Say aufgeftellt.
Wo ift die Grenze? Wo flirbt die Sage? Mo lebt fie
noch? Auch fie hat ihre Befchichte und die Todten leben
in ihr. Aber aus ben Chroniken und Beifebefchreibun:
gen der Vorzeit Alles und Jedes aufzunehmen, was bort
gelegentlih von einem Orte erwähnt iſt, wie: in dem
Thurme geht ein Kobold um, unter dem Haufe fol ein
Schag wergraben legen, auf der Treppe ſchlug ein Vater
feinen Sohn todt — Züge und Erinnerungen, welche fo
häufig im den diterm Buͤchern vorkommen, ba bie Bes
ſchwaͤtzigkeit unferee Verfahren darin eben ſolche leichtglaͤu⸗
bige Zuhörer fand —; wir ſagen, ein Sammler von
Sagen eines beflimmten Volks follte beim Eprerpiren fol:
her Notizen, die keinen andern Beleg für fi) baben als
ben todten Buchſtaben aus einer unkeitiſchen Zeit, mit
einiger Vorſicht zu Werke gehen, inſoſern es ihm nicht
alein darum zu thun ift, Gurlofitäten zu fammeln,
fondern Züge, welche die Eigenthuͤmlichkeit eines Volke
und feines Glaubens charakteriſiren. Reiſende jener Zeit
nahmen aus einem Orte in ben anbern hinüber, was fie
im Gefchwäg ber Herbergen gehört, und wandten feine
Kritik an, um zu prüfen, ob das am Ort Erzaͤhlte auch
da geboren war, ober überhaupt nur dahin gehörte. Frei⸗
lich werden viele, wo nicht die meilten, Sagen auf biefe
Art, Saat vom Winde geweht, aus Himmeloſtrich im
Himmelsſtrich verpflanzt fein und ihre fremde Abkauft
iſt nicht zu verleugnen; es kommt aber barauf an, ob
ber Samen in dem Boden, wohin er gewebt ift, Wur⸗
zel ſchlug, ob die fremde Staude im fremden Boben anz
gewachſen ifl.
Wir bekennen, beim erften flüchtigen Blättern in die⸗
fen „Märkifhen Sagen‘ ebenfo durch die Quantität er;
flaunt als von ber anſcheinenden Qualität wicht zum
genauen Durchleſen angezogen zu fein. Vor ber Zeit
der Chauſſeen und Eifenbahuen lagen in den Marten
zerfplitterte Felsbloͤcke und Steine in weicher Anzahl weit
umher zerfireut, und an jebew biefer Steine, wenn ee
von einigermaßen beträchtticher Größe war, wirb die Spe⸗
clalfage irgendwo den Namen des Teufels oder bes Mies
fen geknüpft haben. Ein Rieſe fchleuderte ibn, ein
Teufel ließ Ihn fallen, einem Huͤnenmaͤdchen riß bie
Schürze und ein Klumpen Erde oder Steine fit heraus,
und davon der Huͤgel, ber Berg, der Stein! Solche Sa⸗
gen find über die ganze beutfche, europdifche Erbe, viel
leicht über die ganze Welt verbeeitet. Der Teufel bat
überall Mauern gebaut, und in Deutfehland iſt er immer
ein bummmes Teufel geweſen, ber ſich prellen Ef. Diefe
grotesken Sagen ſcheiden eigentlich aus dem Gebiete der
feinern finnigen und finnlihen Suge aus, weiche von
der eigenthuͤmlichen Geiſteskraft eines Volks Zeugniß ab»
legen ſollte. Nicht minder die, auch über die europaͤiſche
Welt verbreiteten, weiche nur dem unſchmackhaften Wort⸗
wis gelehrter Möndye ihre Entfichung verdanken. Der
Thurmwart in Liegnig rief dem Derolde zu, als die
fer Borfchaft von dem Tode de6 Herzogs auf der Wahl⸗
ſtadt überbrachte: „Luͤg nit, unſer Here lebt noch”, das
von heiße die Stadt Liegnitz. Solche willkuͤrliche, mit
nichts im Volke zufammenbängende Erklärungen ber Orts⸗
und Geſchlechtsnamen haben mit der uralten und ber
enden Sage wenig gemein; aber wie wir aus ber
Kuhn'ſchen Sammlung erfehen, find fie auch in den
Marken vieifah im Gange geweſen.
Aber je weiter wir in das Buch hineinlafen, um
fo mehr gewannen wir eine andere Anfchauung. Der
Berf. hat es vielleicht nur darin verfehen, daß er in zu
großer Pflichttreue Alles aufnahm, was ald Sage, gebun:
den an eine Drtlichleit, erfcheint, und darin, wenn man
den focalm Maßſtab anlegt, etwas Vollkommenes ges
keiftet; während, bei Anlegung des Afthetifchen Mapflabes,
Bieles als umbedeutend und noch Mehres als Wiederho:
lung hätte fortbleiben können. Aber biefe Fülle hindert
nicht, daß wir dad Bedeutende und Neue doch würdigen;
ja wir find erflaunt, welcher Reichthum von Sagen
auf dem dürren Sandboden der Mark zu Haufe iſt. Sie
haben fich felten poetifch gefaltet; ihre koͤrnige Kraft vers
raͤth aber, daß fie recht eigen im Wolle zu Haufe find.
Nicht alle eigen Gewaͤchs, aber märkifch verarbeitet wer⸗
den fie wieder zum eigenen. Da ſpukt ber wilde Jäger,
der aus dem Harz herüberflommt, auch in einer andern
Sncarnation ale Helljäger, bie weiße Frau zeigt fih an
vielen Orten, die erfchlagenen Wendenkönige gehen um,
und felbſt Doetor Kauft zeigt fich in eigenthümlicher Ges
flafe, er ſpielt in Ruppin Deutſch⸗Solo, und beträgt na⸗
türlich die Bauern, wie er die leipziger Studenten betrog.
Das lieblicye zarte Märchen von der Jungfer Lorenz, was
jest durch die Kunſt zu böherm Leben gediehen ift, lebt
noch in Tangermünde. Verſunkene Städte in Fuͤlle; aus
den unergrändlichen Seen, barin fie liegen, tönen noch
bie Glocken der Kirchthuͤrme herauf. Menfchen in Steine
verwandelt, Fußtapfen darin, durch Angft und Meineid
bewirkt, verwünfchte Prinzeffinnen; die Provinzialphans
tafte bevölkert auch ben Mond mit folchen Perfonen,
weiche fie gern dahin verfegt haben will. Und wer follte
es denken, in bee Mark Liege ein Dorf, welches ber
Mittelpunkt der Welt ift! Noch findet ſich da ein Stüd
der Kette, mit welcher es ausgemefien wurde! Der Same
Des Farrnkrauts, in ber Johannisnacht gefammelt, macht
bekanntlich unſichtbar; daß man aber ohne Wiſſen und
Bitten unfichtbar werben kann, lehrt uns hier, fo viel
uns befammt zum erfien Mat, eine fehr komiſche Sage.
Ein Landmann warb plöglich auf dem Wege mitten un:
ter Denen, bie mit ihm gingen, unfichtbar. Sie hörten
ihn, aber fie fahen ihm niche mehr. Ale und ber Mann
pi waren in Verzweifltang, bean der Zuflanb daueue
fort, bis fie In bie Gehenbe kamen. Nier merkte ein
pfiffiger Wirth die Sacht. Er hieß dem Bauer bie
Stube ausziehen, und der ward fofset ſichtbar. Run
sog ber Wirth die Schuhe an, und fofort verſchwand er.
Nämlich der Bauer hatte am Wege biühendes Farrn⸗
kraut zertreten und der Samen war an den Schuhſoh⸗
len hängen geblieben. Dee Wirth vertaufchte kluͤglich bie
Schuhe, und madte fi von nun an unfichtbar, fo oft
er wollte.
Auch der Glaube an Vamppyte findet ſich in der Alt
mark. Sie heißen Nachzehrer. Einem Todesfall in
der Famille folgen bald mehre. Das kommt daher, weil
man dem erſten Todten keinen Zehrpfennig in den Mund
gegeben, oder aus dem Hemde nicht ſeinen Namen ge⸗
ſchnitten hat. Als in einer Famllie viele Leute nachein⸗
ander ſtarben, entſchloß man ſich, den, welcher zuerſt ge⸗
ſtorben, und offenbar der Nachzehter war, auszugraben.
Da fand man, daß er bereits alle ſeine Kleider aufgezehrt
hatte. Es gibt aber kein anderes Mittel gegen die Nach⸗
zehrer, als ihnen das Genick abzuſchneiden. (In Serbien
ſtoͤßt man den Cadavern einen Pfahl durch die Bruſt.)
Als man die Operation mit einem Spaten vornahm,
quiekte der Nachzehrer noch ordentlich wie ein kleines Ferkel.
Muthige Leute find bie Maͤrker, zumal dem Teufet
gegenüber. Der Schulze zu Dennefeld im Drämmling,
in bee Altmark, ward vom Zeufel geplagt. Statt aber
die Geiftlichen und Eporciften zu Hülfe zu rufen, prüs
gelte ex den Teufel fo tüchtig durch, daß dieſer aus dem
Daufe lief, und ſich verſchwor, fi) niemals wieder darin
feben zu laſſen. Ja er blieb fogar aus dem ganzen
Dorfe fort. Geprellt wird der Zeufel gleichfalls, dag es
eine Luft ift, feine Gutmuͤthigkeit und fein Ungeſchick mit
anzufehen. Eine abelige Kamille im Havellande, die Bre⸗
dows, Hatten das befondere Schickſal, vielfach mit ihm in
Colliſion zu kommen; fie zogen ſich aber noch immer
ziemlich mit Gluͤck aus ben verdrießlichften Verlegenheiten,
Sagen, bie auch in ber Gegend felbft noch mit Wergntes
gen erzählt werden; fie find auch an beflimmte Ortlich⸗
feiten geknuͤpft, etwas, das in ber Mark felten if. Auch
der Marſchall Luremburg aus dem alten Volksbuche ers
ſcheint als Genetal Luremburg im Brandenburgifchen.
Audy er, der zornige Mann, prügelt und knechtet feinen
Zeufel, dem er feine Seele verfchtieben, dermaßen, daß
dem armen Teufel angft und bange wird, und er gern
den Kauf rüdgängig machte. Aber der General will
nichts davon wiſſen; er zwingt ihn, feine Seele zu behal⸗
ten und ihm weiter zu bienen, bi6 ber Contract um iſt.
Die mit den Sagen unter dem Titel „Maͤrchen“ ge:
gebenen Geſchichten gehören wol nicht allein der maͤrki⸗
fhen Phantafie. Weit intereffanter und gewichtiger find
die angehängten Gebraͤuche und Aberslauben, welche ums
ſittliche Zuftände kennen lehren, bie, dem hoͤchſten Alter
thum entfpringend, fo alltäglich unter unfern Augen vor⸗
gehen, daß wir fie erſt beachten, wenn ein Mann ber
Wiffenfhaft uns darauf vermeill. In dee Vorrede
ſucht der Verf. für mehre diefee Gebräuche ihre Abſtam⸗
mung amd dem wenbiſchen Heidenthum darzuthun. Das
Werk iſt ebenſo nem als verdienſtiͤch. Moͤchte es zur
rechten Zeit erſchienenſei n und bie allgemeine Aufmerk⸗
ſamkeit rege finden W. Alexis.
Beitraͤge zur Beurtheilung der neueſten Literatur. Von
A. Boden. Mainz, Faber. 1843. 8. 22% Ngr.
So wenig ſonſt Dedicationen eine naͤhere Andeutung uͤber den
Standpunkt einer Schrift zu enthalten pflegen, ſo fiel doch dem
Ref. eine Stelle in der Widmung ber vorliegenden Schrift auf,
Sie er aus dem angegebenen Grunde bier wörttich mitteilt:
„Haben biefe (Beiträge) ein Verdienſt, fo befteht es eigent⸗
lich darin, daß mein Talent Klein genug ift, um mid im Mits
telmäßigen und Gchlechten, welches jest fo viel gilt, vielleicht
auszeichnen zu koͤnnen, und daß ich nichtäbeftoweniger Auf⸗
opferungen nicht gefcheut habe, um, von feiner Geite ermuns
tert, in einen Zweig ber Literatur, welcher in Roheit aus⸗
geartet und zum niedrigften Gewerbe berabgefunten iſt, Ehre
und Wahrheit bringen zu helfen. Zwar ift Das, was ich in
diefer Hinſicht hiermit thue, von geringem Belange, aber‘ würbe
Derienige, welcher eine befiere Kritik in ber Literatur geübt
wiſſen und nicht mit all bem Schlechten ein Buͤndniß machen
will, wodurch auch hier das Beſſere ſchwer und faft unmöglich
gemacht wird, würbe, fage id, ein ſolcher nicht burch das vers
einigte Treiben von Verlegen und Schriftſtellern wie ein Ber:
worfener faft gewaltfam von ber Literatur ausgefchloffen, fo
wärbe ich feit 1837 (wo fi, nach Muͤhe und Irrtbum, meine
jehigen Anfihten und Überzeugungen zu grünblicher Entſchieden⸗
beit und Klarheit in mir gebildef hatten und ich fie anzumenben
wünfchte) allein in Bezug auf Kritit wol das Bier: bis Fünf:
fache des bier Vorliegenden geleiftet haben.”
Die Vorrede enthält noch mehr derartige Andeutungen; wir
wollen aber gleich auf ben Kern bes Buches eingehen, fo viel
Stoff für Reflerionen in ihnen immer liegen mag. Dieſer
Keen beſteht in ritifchen Betrachtungen über Laube, Gutzkow
und Mundt, zu denen als Parallele die G. Sand gezogen wird.
Zuerft Laube's „‚Reifenovellen‘‘, und zwar blos der erfte Band;
bann, „Das Giuͤck“, „Die Schaufpielerin” und „Die Maske”
(in den „Dioskuren”). Nun kommen verfdhiebene Romane ber
G. Sand, dann Gutzkow's „Wally”, Mundt's „Kunft ber deut.
fen Profa”, Gutzkow's „Seraphine”. Das Urtheil über biefe
alle ift ein ungünftiges, mit alleiniger Ausnahme bes letten
Htomans, und gerade binfichtlidh dieſes Urtheils hat der Verf.
Sorge: er fürchtet, man könne Anftoß daran nehmen, daß er
nicht nur die Schrift von ihrer günftigflen Seite aufgefaßt und
vorgelegt, fondern auch ihrem Verf. das Wort gerebet habe,
und gibt zu bedenken, daß biefer Artikel ſogleich ober bald nach
Erſcheinen ber „Seraphine“ gefchrieben wurbe und damals ges
beudt werben follte. Geben wir von biefem abweidgenden Ar-
titel ab, fo tft, wie gefagt, Hrn. Boden's Kritik durchaus eine
negirende. Gr hat gewiſſe aͤſthetiſche Grundſaͤtze bei ſich feſt⸗
geſtellt und von dieſer Baſis aus bekaͤmpft er, was ihnen ent⸗
egenſteht, ohne genuͤgend zu wuͤrdigen, was gar nicht in den
ereich ſeines Angriffs fallen kann: mit einem Worte, er iſt
einſeitig, ohne jedoch dabei ungruͤndlich zu ſein. Zu was ſollen
Expoſitionen jegt führen, wie die, welche S. 33 mit den Worten
beginnt: „Der Richtung, welcher wir in Dem, was wir das Junge
Deutfchland nennen, begegnen, fehlt alle Poeſie und bei aller Eis
telkeit jedes flolge und edlere Selbftgefüht u. ſ. w.“ In biefer
Hinſicht fieht die Kritik Hrn. Boden's völlig außer ber Gegen:
wart ; bie literarifche Geltung ber Periode, von welcher fie hans
beit, iſt laͤngſt umfidhtiger und nach ihren verſchiedenen Bes
ziehungen genügender gewürdigt. Wir müffen feine Kritik als
eine verlorene Waife bezeichnen, bie in ben Eritifchen Wäldern
der Gegenwart noch einfam umberwanbelt. Diefem Hauptwerke
dos Baͤchleins gehen zwei hoͤchſt unbebeutende Recenfionen von
5 „Beiefeedgfet wit einem Mine” unb lermann's
"auf 13 @eiten voraus und folgen, nöd einer Kar
kritik gegen eine Kritik einer Schrift bed Berf. in
„Repertoritum”, einige Becenflonen über Iubenemancipationss
ſchriften nad, aus denen auch Btef. nichts Gigenthümtides
tonnte. Des Belle an bem Buche ift,
recht milb urtheilen wollen, noch die vom Berf. felbfk geweckte
Boten » daß er „Beweiſe umfaffenderer Gtubien‘‘ folgen 1af:
en werde. Ohne biefe Hoffnung, und lediglich auf den Grund
des WBorliegenden, mußten wir abfälliger über Hrn. Boden
literariſch⸗ Beruf urtheilen. 56
Literariſche Notizen aus Frankreich.
Leit lerne ee
r Beſegung ber Marquefasinfeln durch bie Franzoſen
at ſich die öffentliche Xufmerfamteit ber — m
ſthmus von Panama, durch bie jene neuen Golonien (ehr an
Bedeutung gewinnen würden, aufs neue zugewandt. Ron allen
Unterfuchungen, bie bis jetzt in dieſer Beziehung gemacht find,
bürften die von bem befannten Norbameritaner Warden diejenigen
fein, welche den größten praftifchen Gehalt haben. Die inter⸗
effante Abhandlung, bie er bei ber Parifer Akademie eingereicht
bat, wird hoffentlich bald im Druck erfcheinen und fo zum erften
Male das Unternehmen in feinem ganzen Umfange —2
—3
enden Step verdienen Beachtung. aber
die Berichte ber ditern Geographen und Landmeſſer, —*
Kanaliſation dieſer Landenge im Auge gehabt haben, nicht übers
feben werben. Gin Theil derfelben Tiegt immer noch im Staube
der Bibliotheken vergraben. Indeſſen fangen diefe Schäse doch
admälig an, geboben zu werben. In ben veicdyen Bibliotheken
Madrid bleibt in diefer Beziehung, fowie überhaupt für bie
ganze Kenntniß ber ehemals fpanifchen Provinzen in Südamerika
noch viel zu thun übrig. Seit einiger Zeit fangen indeffen die
ſpaniſchen Gelehrten an, in biefer Beziehung eine größere hd:
tigkeit als bisher zu entfalten. Schon früher erfchienen ift ein
interefiantes Werk, das einen hoͤchſt wichtigen Beitrag zur to⸗
pographiſchen Kenntniß ber Meere von Suͤdamerika Liefert und
bad gegenwärtig unter dem Titel „Routier des tles Antilles
des cötes de terre ferme et de celles du golfe de Mexique,
redigs au depöt hydrographique de Madrid” in einer fran:
söfiichen Überfegung herausgegeben wird. Der überſeger C. $.
Chaucheprat hat fein Werk mit intereffanten Anmerkungen
verfehen, die deſſen Werth nicht wenig erhöhen. Cine welents
liche Bereicherung find die zahlreichen Auszüge ſolcher Stellen
aus den neueften engliſchen geographifcken Werken, bie auf bie
WBaflerwege Sübarıerikas befonbereö Licht werfen koͤnnen. Diefet:
ben find größtentheils von Gh. Rigauit de Genouilly bearbeitet.
Goethes naturwiffenfhaftiihe Werke in Frankreich.
Die „Bevue indöpendante” brachte vor kurzem einen
Auffag von Ch. Martins, in dem bie Goethe’fche Pflanzen: Me
tamorphofe und das Symmetrie⸗Geſetz von Decanbolle ausführlich
gewürdigt wurden. Goethe's Schriften, welche auf einzelne
Theile ber Raturmiffenfchaften Bezug haben, find in Frankreich
faft mehr ale bei und beachtet. Der Werf. des intereffanten
Auflages, ben wir vor Augen haben, ftellte die großen Werbienfte
Goethe's um bie philoſophiſche Seite ber Naturbetrachtung nun
aufs neue in das rechte Licht. Wenn wir nicht irren, hat
Hr. &h. Martins bereits fammtliche naturwiffenfchaftliche Werke
unfers großen Dichters in einer Gefammtausgabe ins Kran:
Bitte überfeht. Aber außerbem beweiit er bier bie größte
elefenheit in ben unvergänglidhen Werken bes Meiſters.
Intereſſant find die Stellen, bie der Verf. aus Goethes
fammtlichen Werten und den „Geſpraͤchen“ Eckermann's ſowie
den zahlreichen Brieffammiungen zufammengetragen bat unb
aus denen wir fehen, wie Goethe zur Naturwiſſenſchaft Fam und
weichen hoben Werth er auf diefes Stubium legte. 2.
Berantwortliher Derausgeber: Heinrih Brodbaus. — Brud und Verlag von 8. A. Broddaus in Leipzig.
Blätter
für
literariſche Unterhaltung.
Dienſtag,
Die dramatiſche Literatur der Deutſchen im
Jahr 1842.
Erſter Artikel.
Wenn es erlaubt iſt, geringfügigere Dinge mit bedeu⸗
tendern Angelegenheiten zu vergleichen, fo möchte ich be:
baupten, daß die polnifche Nation und das deutſche Drama
fowol im ihren Beflrebungen wie in ihren Schidfalen eins
ander fehr ähmelten. Die Polen fingen bis auf den heu:
tigen Tag: „Noch ift Polen nicht verloren”, obwol fie
feinerlei triftige Veranlaffung bazu haben, und die Deut:
ſchen, d. 5. eine Hand voll Menſchen, denen es Ernft if
um national = literarifches Leben, behaupten, noch fei das
deutidye Drama wieder zu belieben. Ich meines SCheile
glaube ebenfo wenig an ein gedeihliches Aufblühen bes
deutfchen Dramas wie an Polens Befreiung. Alles ge
waltfame Revolutionicen, alles heimlich: ftille Intriguiren
und Machiniren hilft nichts. Verlorene Poften follte man
aufgeben, wenigftens auf unbeftimmme Zeit. Unter gl
Sichern Zeitverhältniffen find fie von tapferer Fauſt immer
wieder zu erobern.
Hinſichtlich des deutſchen Dramas, von dem hier fort:
on allein die Rebe fein fell, iſt mir die fortdausrnde Be⸗
fürchtung, es möchten die neuern Beſtrebungen rüfliger
Kräfte zu deſſen frifcher Wiederbelebung von feinem Be:
lang, von feinem Nugen fein, bei Überblidung der heuri⸗
gen Frucht zu widerhaltiger Gewißheit geworden. Dürf:
tiger und im Allgemeinen unerquicticher iſt die bramatis
(de Emte feit Jahren nicht ausgefallen. Scheint es
doch, als fei jeglicher Quell friſch fprudelnden Geiftes im
Somnenbramd des vergangenen Jahres vertrocknet! Tragoͤ⸗
die und Gchaufpiel, Komödie und Singſpiel — alle fehen
fo hungrig aus, als Hätte man fie ein halbes Jahr nad)
dem Erzgebirge in Koft und Pflege gegeben, und was
etwa ausnahmeweile noch einige Spuren Eräftigen Lebens
zeigt, das iſt Product aus früherer Zeit, aus jenen fonnig
beitern Tagen, wo die dürftige Schar deutfcher Dramas
tier einige fieghafte Schlachten ſchlagen zu wollen ſchien.
Kaum zwei oder drei Namen von literarifcher Bedeutung
erſcheinen diesmal auf dem dramatifchen Kampfplage; die
Meiſten, Die fi zu dieſem gefaͤhrlichſten aller Zurniere
meiden, find Fremdlinge, dern Wappen und Derkunft
‚Niemand Eennt, wennſchon Diefer und Jener einen wohls
klingenden altadeligen Namen führt.
Unter ſolchen Umſtaͤuden befindet fich die Kritik im
fchlimmer Lage, um fo mebe, als es einigen Dramatikern
in den Sinn kommen bürfte, deshalb das Begentheil zu
behaupten, weil fie felbft das ephemere Gluͤck oder Uns
glul gehabt haben, auf ein halb Dugend Bühnen wit
zweifelhaften Erfolg einige dbramatifche Verſuche zur Dar⸗
ſtellung gebracht zu ſehen. Hier gilt, ſelbſt in dem Falle,
daß man dergleichen trivial finden ſollte, das alte immer
wahre Spruͤchwort von der einen Schwalbe, die keinen
Sommer macht. Ein, zwei, auch nicht drei dramatiſche
Autoren koͤnnen eine dramatiſche Literatur zu Stande
bringen, wenn der Sinn dafuͤr im Herzen des Volks er⸗
ſtorben iſt. Leider muß dies zugeſtanden werden, denn bie
Maſſe des Geſammtvolks — und nur dieſe kann hier den
Ausſchlag geben — will zwar Neues, Überrafchendes, Er⸗
ſchuͤtterndes oder Erhebendes ſehen, aber nichts mit dem
Tiefſinn poetiſcher Schoͤpfungen zu thun haben Wenn
irgendwo der Mangel poetiſchen Sinnes in der heutigen
Welt erſichtlich wird, ſo iſt es im Drama. Hier findet
nur noch das Platte oder das raffinirt Pikante, wäfferigfte
Sentimentalität oder brutalfte Unnatur, alberne melodras
matifche Gompofitionen oder feivole, ſinnenkitzelnde Zwei⸗
beutigkeiten Anklang! Man gebe in die Theater und man
wird das hier Behauptete überall betätigt finden. Dieſem
Ungeſchmacke wäre vielleicht abzuhelfen, wenn unfere Zus
fände es erlaubten, daß politifche Zeitfragen unverkuͤmmert
und uncenfict auf den Gretern befprochen werden dürften.
Ein politifches Luftfpiel, wenn auch nur in dürftigen An⸗
fangen, ſcheint mir bie einzig möglidhe Frucht gu fein, die
auf deutfchem dramatifchen Boden Wurzel fchlagen und
bei behutfamer Pflege gedeihen könnte. Warum e6 dazu
nit kommt, obſchon das Volk gerade bafür Sinn umd
Theilnahme zeigt, weiß Jedermann. Das eigentliche poeti⸗
[he Drama hat nirgend mehr Boden, bie praktifche Seite
bes Lebens, die unfere Zeit für die einzig nugbare und er⸗
fprießliche anſteht, mag nichts davon willen. Die Welt
ber Gegenwart will nicht im Sinne der Alten erſchuͤttert
und erhoben werden bucch dramatifche Vorſtellungen, dieſe
Melt ſucht nur Zerſtreuung Im Theater oder Anſpielung auf
misliebige Zuſtaͤnde im Staats: und Geſellſchaftsleben.
.
Seltſamerweiſe opponirt der deutſche Port, wenn
er nicht gerade ein politifcher iſt, was leider heutzutage
faft immer gefodert wird, dieſer in ber That nicht erquid:
lichen Lebensanficht, und was etwa noch Dramen fchreibt,
ſchreibt nur für theilnehmende Freunde. Das Volk ers
fährt nichts davon, hoͤchſtens der Kritiker, wenn bie uns
gluͤcklichen dramatifhen Autoren den noch unglüdlichern
Einfall haben — und den haben fie in der Regel —, die
Droducte ihrer Muße duch die Preffe der Welt, d. h.
den Niederlagen ihrer refpectiven Verleger zu übergeben.
Werke diefer Art bilden gegenwärtig zum größern Xheile
die dramatiſche Literatur der Deutfchen, und mag immer;
Hin mancher poetifhe Funke verftedt in ihnen glimmen
amd leuchten, fo kann er Loch nie ein Feuer anzlınden,
an deſſen mohlthuender Glut das Bolt ſich erwärmen
Cönnte. Herrfcht auf der Welt ber Breter durchgehende
Flachheit und Poefielofigkeit, fo dämmert in diefer Welt
Des Papiers ein ſolcher Nebeldunft halbwahrer Gedanken
and erhaben fein follender Anfchauungen, daß aus ihnen
aun und nimmer eine Mare poetiſche Geſtalt ſich ent
wideln kann. Die Reihe neuer Originaldramen, bie nad):
flehend dem Publicum vorgeführt wird, mag den fchlagends
ſten Beweis für meine Behauptung führen, die ich bereit
willig widerrufen will, fobald eine Zeit eintritt, die fie durch
fich ſelbſt zu einer erfreutichen Unmwahrbeit macht.
1, Zheater von Zulius Mofen. Gtuttgart, Cotta. 1842,
Gr. 8. 2 Thir.
Einem alten Rechte oder Privilegium, vielleicht auch bios
einer alten Gewohnheit zufolge ſprechen Könige,
GSelbſtherrſcher aller Art, unter die fi auch die Recenſenten
zählen, Wir. Diefe Bewohnpeit bat ihr Gutes, indem jeber
Ausſpruch durch fie etwas Dictatorifches, vom Himmel oder von
Gottes Gnaden Zugeſchicktes erhält. Als ein fo allgemein üb⸗
Liches pflegte ſich Ref. dies dictatoriſche Wir in ber Regel
ebenfalld anzumaßen. Neuerdings warb es ihm aber unbequem,
uud da er in ben einleitenden Worten zu biefem Artikel unges
ſucht zu dem ſchlichten bürgerlichen Ich zurüdgelehrt, er auch
überhaupt kein Freund herkömmlicher Redensarten und ganz bes
ſonders bes trodenen allerwärts gebräuchlichen Recenfententons
fatt ift, fo hat er befchloffen, für diesmal diefes Ich durchweg
Deisubehalten. Dabei fällt es ihm ſeibſt freilich fchwer aufs
Ges; und manchem Lefer wird es vielleicht Lomifch vorkommen,
daß eine bloße leere Zahl piöglih eine Perfon werben kann.
Wie dem nun auch fein mag, ich halte dafür, daß unter allen
dramatifchen Jahreserfcheinungen Mofen’s „Theater“ ben erften
Rang einnimmt, ja, baß bie vier in ihm enthaltenen Dramen
fo ziemtich die einzigen find, bie man als dbramatifche Gedichte
und zugleih als darſtellbare Buͤhnenſtuͤcke anfprechen fann.
Awei davon, „Kaifer Dtto III.” und „Die Bräute von Florenz”,
find mehrmals, doch, fo viel mir bewußt ift, nur in Dresden
und Leipzig zur Aufführung gefommen. „Cola Rienzi, der
legte Volkstribun ber Römer”, ein fchon vor längern Jahren
gefchriebenes Drama, ift bebauerlicherweife nie über die Breter
gegangen, obwol in ihm Moſen's edle Gefinnung und tief poes
tifches Gemuͤth am unverhüflteften zur Erfcheinung kommt. Cs
fand bei früherm Abbrud in Willkomm's, Jahrbuͤchern für
Drama, Dramaturgie und Theater” allgemeine Anerlennung,
und machte zuerft entichieben auf Mofen’s körnige bramatifche
GSprache, auf feine ſcharfe Charakterifirung bedeutender Perſoͤn⸗
lichkeiten, überhaupt auf fein vielverfprechendes Talent als bras
matifcher Dichter aufmerkſam. Wenn frither die von ihm ges
begten Erwartungen nur zum Theil in Grfüllung gegangen
find, fo Liegt dies weniger an Mofen als an unferer fchlaffen
Fuͤrſten und.
Seit. Mofen mag und wii ſich nidht dem falſchen, verborbenen
Seſchmacke accommobiren, dem man allgemein auf beutfchen
Theatern huldigt. Er verlangt, daß man ihn fpiele in dem
Seifte, wie er fein Werk gefchrieben hat, daß man feinen krifı
tigen Menſchen in ber Weiſe, -wie er es verlangt, Dbem und
Seele tinhauche. Dergleichen paßt nicht für unſere huͤſteind⸗
und pinfelnde Zeit, die mol malitids und pridelnd, nicht aber
gefund grob fein kann. Ohne eine gute Dofts foicher gefunden
Grobheit kann ich mir aber, offen geflanden, einen tüchtigen
bramatifchen Dichter nicht denken. Moſen nun klebt bei aller
Zartheit, die ihm inwohnt, doch fort und fort jene range
Schale an, bie jede wahrhaft poetiſche Natur — und eine
ſolche ift Moſen — wie ein Panzer umhuͤllt. überall, wo Gha:
rakter ift, macht diefe Derbheit fi) geltend, und deshalb kann
Mofen keine Feder anfegen, obne durch fein koͤrniges Wort die
Zartheit unfers limonabefüßen Zeitalters zu verwunden. Ich
wuͤnſche aufrichtig, daß es Mofen noch gelingen möge, mit fer
nen Productionen auf den Bühnen durchzudringen, ohne daß ich
deshalb an ein wirklich entſtehendes beutfches dramatiſches Lehen
glaube, und ich wuͤnſche dies darum, weil Moſen unter allen
dramatifchen Dichteen ber Gegenwart ber einzige ift, ber in ſei⸗
nen Diogtungen auf die große Vorzeit ber Deutfchen hingebeutet
und mit flammenden Worten unferm Wolfe zugerufen, was es
war, was es iſt und was es fein follte. Dieſe durchaus edle,
reine und große Geſinnung macht Mofen zu einem rationalen
Dichter. Eben aber weil er es ift, mag man wenig von ihm
wiffen. Der bramatifche Dichter von Heute foll ſchmeichein, fol
mit allen Höfen und Gabineten katzenpfoͤteln und nad ber
Ranghofordnung Geſichter fchneiden und Verſe bauen. Bon dem
Allen hat Mofen keinen 8ig und fo duͤrfen wir uns freilich
nicht wundern, wenn feine Erfolge ſehr unvollkommene und wes
nig ermunternde gewefen find. Ich will zugeben, daß unfer
Autor in ber tedhnifchen Anlage feiner Dramen nicht immer
lacklich iſt, daß es ihm hier noch zu fehr an WBähnenpraris,
erhaupt an Kenntniß jener Kleinigkeiten fehlt, die fo viel ur
Emporhebung eines Theaterſtuͤks beitragen 5; ich leugne auch
nicht, daß er hin und wieder Charaktere, die Bedeutendes dars
ftellen, die Repräfentanten hoͤchſter nationater Gefinnung fein
follen, zu pausbadig auftreten und fie fpäterhin nicht diefem er⸗
flen Auftreten entfprechenb handeln läßt, wie 3. B. Dtto III.
ber zu großfprecherifch von fich felbft fagt:
Ningd um mid, der die Völker ber Erde
Trag ich ald Atlas dad neue Jahrtauſend
Aus der Mitternacht roher Gewalten
An das himmliſche Licht empor.
und doch unfchläfflg, ewig ſchwankend, Halb Wille, halb That
den Küffen eines Weibes erliegt und durch fie einem bebauerns
werthen Berhängniß anheimfällt. Solche Maͤngel koͤnnen mid
aber nicht ungerecht machen gegen den herrlichen Kern Moſen'⸗
fher Dicytungsweife, können mir weder feinen Werth noch fein
fhönes Talent verleiten, das Andere um ein Bebeutendes über:
ragt. So wenig ich wünfche, daß biefer echt deutſche Mann
feinen Sinn aͤndern möge, fo ſehr möchte ich ihm zu erfaubter,
ja gebotener Nachgiebigkeit in Kleinigkeiten ratben. Wer den
Zweck will, muß aud die Mittel wollen; Mofen’s Zweck ift ein
großer, anerfennungewerther, und ſchon beshatb ſollte er ſich fo
weit, als es undeſchadet bem Kerne feines Weſens geſchehen
fann, den unweſentlichen, aber einmal angenommenen Spiele
reien einer formell peinlichen und kleinlichen Zeit bequemen. Er
würde dann ſchneller und leichter ins Publicum dringen unb
ben ÄAgenden Stoff ausfcheiden, der als ein fremdartiger, ver:
bitternder Beftandtbeit fidh in feiner urſpruͤnglich Haren und ru⸗
higen Natur feftgefegt bat und ihn felbft gegen Zeit und Boll,
gegen Kunft und Poefie verfiimmt, ja wol gar ungerecht madıt.
Bei dem Intereffe, das alle Bebilbeten an literarifchen Pros
ducten von Bedeutung haben, und bei ber Bekanntſchaft von Mo⸗
fen’6 Namen darf mol angenommen werben, daß fo vielfach bes
fprochene Dichtungen wie „Cola BRienzi” und „Kaifer Otto I?
ihrem wejentiihen Inhalte nach auch ben Lefern d. BI. hinrei⸗
m
qchend gegenwuͤrtig fein werben. Ich glaube baber, eine Zerghiede⸗
zung berfeiben umgehen zu können und thue dies um fo lieber,
als ich beide genannte Dramen ihrem poetiſchen Werthe mach für
fehr bebeutend halte. Auch Das, was ſich in beiden als ta⸗
deinewertb erweiſt, in Gola Rienzi die allzu fchroffe Auhe des
antiten Römers, wie Mofen, allerdings unhiſtoriſch, feinen Hel⸗
den auffoßt, und die flörende Ginfeltigleit, welche Rienzi allein
alle That, fogar jegliches Intereſſe aufbürbet, — in Otto der
von Act zu Act ſchwaͤcher und binfälliger werdende Charakter
des Kaifers, fowie einige nicht abzuleugnende Gffecthafcherei,
ebenfo die nichts weniger als gelungene Rachahmung Shak⸗
fpeare’s in ber Scene bei Erescentiud’ Leiche, wo fein intriguans
ter Bruder Zaraglia die Römer nach Art bed Antonius zur
anfeuern will — auch dies, behaupte ich, raubt biefen
Dramen nichts Wefentlicyes von ihrem tiefen, poetifchen Werthe,
Weniger befannt möchten die beiden anbern Zragddien „Die
Bräute von Florenz” und „Wendelin und Helene” fein. Ienes
warb bie jegt nur auf dem koͤniglichen Hoftheater zu Dresben
dargeftellt, konnte fich aber feines burchgreifenden Beifalls ers
freuen. Es darf dies nicht überrafchen, wenn man bem Gange
der Fabel genauer folgt. Mofen bat fi hier im (Entwurfe
fyon mit dem Stuͤck fozufagen überworfen. Es iſt weber
eine großartige Intrigue noch eine fo gewaltige Leidenfchaft
vorhanden, daß fich ein tragifches Geſchick daraus ergeben
Eönnte. Wie Mofen die Zabel zur Entſcheidung hinwendet, hat
eher etwas Komiſches. Schon daß auch hier wieder, wie falt
bei allen ber itatienifchen @elchichte entnommenen Stoffen, der
Schatten Romeo’s und Julia's vor uns auffteigt, beeinträchtigt
vie Wirkung. Zwei Häufer, die Uberti und Buondelmonte, fte-
ben einander feindiich gegenüber. Buonbelmonte, Neffe des Por
defta, ift mit Goftanza verlobt und foll fi), eben aus Deutichs
and zurüdfehrend, mit ihr vermaͤhlen. Gin Ball — denn ohne
Ball und Maskerade geht es jeht felten ab in Schau⸗ und
Zrauerfpieien — führt ihn mit Bianca Uberti zufammen, deren
Liebenswürbigleit ihn fo fehr bezaubert, daß er tief in der Nacht
ide nacheilt, Gintritt in ben Palaſt bes Waters erzwingt und
Die ſchoͤne Bianca nachtwandelnd in ihrem Gemache über
safcht. Die träumende Wache verräth ihm ebenfalls ihre Reis
gung, beide werben vom Vater und bem Bianca beftimmten
Bräutigam Wosca überrafcht, und weil denn doch kein anderer
Kusweg äbrig bleibt, fo ſtellt ſich Buondelmonte raſch entfchlofs
fen als Bianca’d Bräutigam vor. Der Bater gibt fich zufrie
den und ba inzwilchen ber bethörte Mosca mit Goflanza vers
Lobt werden fol, fdheint die Wisftimmung beider Haͤuſer erfreu⸗
ticher Aufısfung nahe zu fein. Zufall, Neugier und Unbefries
digtheit führen Buondelmonte in ben Garten Donata’s, einer
Witwe, bei welcher Coſtanza lebt. Gr ficht fie, wird von ihrer
Anmuth fo betroffen, daß er feine Schuld zu ihren Juͤßen ges
ſteht, um Vergebung bittet und nicht nur diefe, fondern noch
einen Ruß von dem ſchoͤnen Maͤdchen obendrein erhält. Diefe
flüchtige Begegnung ficht Mosca, ber nun fogleidh zu Uberti
eitt und WBuondelmonte's ſcheinbaren Treubruch als wirklichen
darſtellt. Won neuem entbrennt nun der Haß ber Uberti gegen
die Buonbelmonti. Bianca erkrankt, Buondelmonte beirathet
Seftanza. Zuvor weiß Mosca, um Rache an dem Berhaßten
zu nebmen, eine lodere Diene, bie ihm gewogen ift, bei Goftanza
als Dienerin untergubringen. Durch fie wird ber Braut am
Hodyzeitabenb der Biftbecher gereicht. Goftanza ftirbt. In der⸗
ſelben Nacht ſtuͤrzt die auf dem Haufe nachtwanbelnd umgebende
Bianca auf bie Straße und ſtirbt ebenfalld. Es bleibt nun
nichts weiter übrig, als zwei Leichen zu beftatten. Dies ges
fchieht mit großem Pomp. Die Anhänger des Buondelmonte
begleiten Cofianza's Leiche bewaffnet und feit entichloffen, im
Begegnungsfalle die Uberti anzugreifen, bie zu gleicher Feierlich⸗
keit die Straße betreten. Beide Leichenzüge begegnen einanber,
Buondelmonte und Mosca reifen die Degen aus ber Scheibe
und beide fallen. Nach biefer blutigen That erwachen die lang
und ſchwer verhaltenen Leidenfcheften beider Parteien, die wer
nigftens durch ihre politifhen Beziehungen — indem nämlich die ;
Buondelmenti zu den Gusifen, die Uberti zu den Bhibellinen fies
hen — etwas an Bedeutſamkeit gewinnen. Bevor man jebodh &
Kampf beginnt, will man erſt bie Leichen beflatten. Dies geſchieht
und mit biefer epigrammatifchen Pointe ſchließt aud das Gtäd.
Die ungenägende Motivirung ber Greigniffe, ber gewalt⸗
fom und etwas fpectafelhaft herbeigeführte Schluß, der doch
im Grunde nichts weiter als ein plumpes gegenfeitige® Mor⸗
den iſt, noch mehr das unter alled Umftänden ans Komiſche
ftreifende Herabſtuͤrzen Bianca’s vom Dache, bem man es ans
merkt, baß der Dichter e6 nur beshalb gefchehen laͤßt, um zwei
Leihen auf einmal und mit ihnen bie beiden fich begegnenden
Leichenzüge zu befommen, find Fehler, die bei Moſen's gewohnter
Befonnenheit uͤberraſchen, es aber auch erftärlich machen, daß
der Erfolg ber Dramas bei der Aufführung unbefriedigend
weien ift. Eigenthuͤmliche Charaktere bei Gefchichten zu
den, die wie biefe italieniſchen Parteizaͤnke einander gleichen
wie ein Ei dem andern, erfobert auch fo große Kunft, baß man
den Dichter entfchuldigen muß, wenn ihm bier das Erſtrebte
nur halbwegs gelungen iſt. Mosca ale Intriguant bes Stuͤcke
möchte vor Andern ben Vorzug verdienen. Doc weiß ſich Mor
fen einigermaßen zu beifen, indem er unzureichende Charakters
kraft durdy pikante Redeweife zu vervolftändigen ſucht. Diefer
Runftgriff gelingt ihm namentiih dann fehr gut, wo ihm bie
Situation erlaubt, Ginzeine in leidenfchaftlicher Rede gegeneins
ander zu hetzen. In foldhen Stellen zeigt fidh die oben ers
waͤhnte koͤrnige Ratur des Dichters, fein ſcharfer, oft etwas
baroder Humor, der überhaupt feltfame, naiv⸗ poffirliche Wen⸗
dungen nicht verſchmaͤht, wenn fie ihm paffend erfcheinen. Ich
führe ein kurzes originelle Geſpraͤch zweier Anhänger der Uberti
und Buonbelmonti bier an:
> Gelano.
Gemach ihr Herren!
Von roͤmiſchen Geſchlechtern ſtammen wir,
Dee Weltkreis zitterte vor unfern Ahnen.
Mosca.
Epannt uͤber Trommeln eure Pergamente
Und paukt darauf mit Haͤnden und mit Fuͤßen,
Zeigt mir die Ratte, die davor ſich fuͤrchtet!
Celeno.
Ich bin kein Kater, friß bein eignes Gleichniß!
Mosea.
Weil wir und unfre Sippſchaft nicht wie fie
Herſtammen von landfluͤcht'gem Römervolt,
Weil deutſches Blut, das wilde ſaͤchfiſche
In unfern Adern rollt, Öttonenblut,
Weil unfre Ahnen als Eroberer
In diefee Stadt fih einen Dorit gebaut,
So thät’ es Noth, wir büdten und vor jedem
Schiefbein’gen Krämer, weil ed möglich if,
Daß feinen Urahn in der alten Seit
Pompejus oder Gäfer angenieft.
Gelano.
Was doch ein Strohwiſch für ein Feuer mat!
Mosca.
Da, fo ein weggefprister Tintenfleck,
Daß di die Peſt! So eine Aſchermittwoch
Und vierzigtägig Faſten ohne Dftern !
Das if ein Biſſen über Macht!
Weniger derb, doch nicht minder originell laͤßt Moſen Frauen
dienenden Standes ſprechen. Barock⸗witzig wenigftens klingt
es, wenn eine Frau einem jungen Mädchen räth, um Gluͤck bei
Männern zu machen:
Du mußt die Blide feurig um dich werfen,
Dir abgemöhnen folhe Leine Schrittchen,
Als wollte du Demdfäume damit nähen!
Im Ganzen zeichnet fih Moſen's bramatifche Sprache in ge,
bundener Rede buch feft gefugte Soliditaͤt aus, bie gan,
beim entfpricht, dee fie befeeit. Und
Ya6 IK freilich eine Koſt weder für bie Mehrzahl unferer beutis
gen Schauſpieler, noch für die Ohren ber Zuhörer.
Den Schluß dieſes Bandes macht eine Jugendarbeit bes Werf.,
das Zrauerfpiet „Wendelin und Helene”. Der Stoff iſt den Baus
. eenunruben in Gübbeutichtand entichnt zu Anfange bed 16. Jahr⸗
hunderte. Moſen bat es für nöthig gehalten, dinſichtlich dieſes
Products die Kritit um Nachſicht anfprechen zu muͤſſen; iche
—* aber eine ſolche Friſche und Keckheit darin gefunden, wie
mancher Arbeit reiferer Jahre nicht zu entdecken iſt. Std⸗
rend möchte beim erſten Anblick nur eine gewiſſe Ähnlichkeit in
den Situationen mitEgmont“ erſcheinen, dem das Stuͤck auch
in ſprachlicher Hinſicht ſich vielfach verwandt zeigt, ohne daß
ich den Autor dieſer Wahlverwandtſchaft wegen der Nachahm
beſchuldigen moͤchte. Helene, ein Buͤrgermaͤdchen, liebt naͤmli
den jungen Reichsgrafen Wendelin, der, ein ungetreuer Brauſe⸗
kopf, mit dem edeln Egmont freilich nicht viel Ahnlichkeit hat.
Ganz fo wie dort Brackenburg von Klaͤrchen, ſteht bier Seibold
von Helene verſchmaͤht da. Von anderer Liebe angezogen ver⸗
laͤßt Wendelin Helene, die erſt an den Treubruch des Geliebten
laubt, als ſie ihre Nebenbuhlerin in ſeinen Armen erblickt.
lene wird wahnſinnig, Wendelin alsbald von der Treuloſig⸗
Bett feiner neuen Geliebten uͤberzeugt. Inzwiſchen brechen bie
Bauernunrußen aus, Wendelin ziebt gegen bie Aufrührer,
fehtägt fie, gibt fie aber nach errungenem Siege frei unb gebt,
da unterdeß Helene geftorben ift, in die Wobtenkapelle, wo er
fpäter über ihrer Leiche von dem ihn verfolgenden Seibold tobt
gefunden wird. Kürze und Rafchheit der Handlung dürften ei:
wer fo friſchen von reinftem poetifchen Hauch umwehten Dich⸗
tung bei allen leicht in bie Augen fpringenden Mängeln in ſce⸗
niſcher Anordnung bei guter Rollenvertbeilung doch wol Aners
kennung und Beifall vor einem gebitbeten Publicum verfchaffen.
Das Stüd iſt, wenige Stellen ausgenommen, in Profa gefchrier
ben, aber in einer Profa, wie fie nicht alltäglih vorkommt.
Rhythmus, Wohllaut, Zartheit und Anmuth vereinigen ſich in
ihr auf das lieblichſte. Es fällt ſchwer, bei einem Übermaß
trefflich gelungener Stellen eine vorzugsweife anfprechende aus⸗
zubeben, ich wähle deshalb auf gut Gluͤck ein paar kurze Mos
Nnologe, die Helene in beftiger Aufregung fpricht. Zuerft ein
Liebchen :
„Der Brunnen If tief,
'ne Dirne fledt dran;
Wer drunten fhlief’,
Kein Leid Lim’ ihn an.
Das Herz if ihr ſchwer,
Im Kopf ift ide wire,
Die Geele fo leer,
Die Sinne fo ter.
Könnte ih nur noch einmal mit ihm reben, cr Könnte und
bürfte nicht fo fchlimm fein. Er muß doch ein Herz haben;
id) weiß es auch, ich fühlte es ſchlagen.
Da fingt es fo fein:
Mein Kind, bi du mt‘,
So komme herein,
Du verlaffned Gemäth.
Läge ich doch unten tief im Waffer und ertraͤnkt, es wäre beis
fer mit mir! Wendelin! Kaͤm' er nur noch einmal, ich würde
fo fröptich fein, als er nur wollte, da er das Traurige nicht
gern bat.”
Und an einem andern Drte fagt biefelbe: „Hab' ich ihn
nicht geliebt wie meine eigene Seele? Mehr als Water und
Mutter? Gr war mein Gott, mein Beiland! War ich nicht
fein mit jebem Pulsſchlage, mit jeder Faſer, mit jedem Bluts⸗
tropfen, der in mir iſt? Und nun ganz verftoßen! Ganz elenb!
Bertreten, wie ein Wurm! Wehe über mid! — — Wenn id
schlief, wenn id) wachte, auf den Markt ging ober in bie Kirche,
oe mid bin ober in den Himmel blickte, ober auf bie Erde,
ur ihn, ihn allein fah ich, und alle meine Gedanken Eietterten
chte
zahlloſe Menge
vermehren zu
muͤſſen. Bielleicht, daß alsdann unſere Literatur nicht mehr fo
häufig wie jegt von ben formloſeſten Producten überflutet
würde, bie alle für Dramen, ja wol gar für ausgezeichnete
Kunſtwerke gelten wollen und barauf Anfpruch madhen.
(Die Fortſetzung folgt. )
Literarifche Notizen aus England.
Es dürfte wol von Interefle fein, ſaͤmmtliche von ber Shak⸗
fpeares@efelifhaft in England herausgegebene Schriften
bier ber Reihe nach aufzuführen. Es find folgende: „Gosson’s
school of abuse, containing a pleasant invective agai
pipers, players, jesters, etc.”; „Patient Grissel”, ein Luſt⸗
fpiel von I. Dekker, H. Ghetle und W. Haughton; „Pierce
Penniless’s supplication to the Devil”, von Thomas Rafb,
mit Anmerkungen von I. Payne Collier; „The first sketch
of Shakspeare’s Merry wives of Windsor”, herausgegeben
von 3. D. Halliwell; „Fools and jesters, with a repriat of
R. Armin’s nest of ninnies”; „Ludus Coventriae; a collection
of mysteries formerly represented at Coventry, on the feast
of corpus Christi’, herausgegeben von I. D. Halliwell; „First
and second parts of King Edward IV.”, Erzaͤhlungen von
Thomas Heywood, mit Anmerkungen von B. Rielb; „Timen
a play”, zum erften Male gedruckt, herau von &. Dyce;
„Memoirs of Edward Alleyn: founder of Dulwich college,
indduding some new particulars respeoting Shakspeare, Ben
Jonson, Marston, Massinger, Dekker eto.”, von 3. Panne
Collier; „The debate between pride and lowliness‘,- von
Francis Thynn, mit Anmerkungen von Golliers und bie bes
tannten, auch in biefen Blättern bereits genannten „Notes
of Ben Jonson’s coonversatioas with William Drummend of
Hawthornden” und „Kxtracts from the acoeunts of therevels
at court inthe reigns of queen Elizabeth and King James I.,
from the original offioe bouks of the masters and Yeomen“,
mit Anmerkungen von P. Gunningham.
a ale her SambensGefellfhaft ers
auf bie usgabe folgender Scheiften : „An apolo
for Lollard doctrines attributed to Wicifie”, mit Einleitung
und Anmerkungen von I. H. Todd; „Rutiand papers, original
documents illustrative of the courts and times of Henry VIL
and VIII”, von 3. Serdans und „The diary ef Dr. Thomas
Cartwright, bishop of Chester, commeacing at the time of
his elevation to that see, and terminating with the visita-
tion of M. Mary Magdalene college, Oxford.”
Der Berf. von „A history of the convocation of the
church of England”, ‚The Spanish Armada” und „Guy
Favıkes”, Thomas Lathbury, gab heraus: „„Memerials of Ernest
the Pious, first duke of Saxe- Gotha, the liaeal ancestor
of prince Albert”, dem Prinzen Albert gewibmet. 18.
Berantwortlicher Herauögebers Heinrih Brodhaus. — Drud und Berlag von J. A. Brockhaus in Leipzig.
Blätter
für
⸗
N
literarifhe Unterhaltung.
Mittwoch
Jahr 1842.
Erſter Artikel.
(Vertſetung aus Nr, 182.)
2. Imelba Lambertazzi. Trauerſpiel in fünf Xufzügen von
Friedrich Halm. Wien, Gerold. 1842. 8, Thlr.
Richt felten geſchieht es mir, daß ich vom aͤſthetiſch⸗kriti⸗
ſchen Standpunkte aus über ein poetifches Probuct entfchieden
anderer Meinung bin ald dus Publicum. Halm gehört durch
feine ‚‚Brifeidis‘ und neuerbinge durdy den „Sohn ber Wilds
ni” zu den modernen Lieblingsdichtern vorzugsmweife ber Das
menwelt. Wie das kommt, ift leicht zu begreifen. Palm ift
von Fuß zu Kopf fentimental und noch dazu in jener larmoyans
ten graufamen Weiſe, die ſchon feit geraumer Zeit die Herzen
der Schönen, in denen graufame Geläfte fo traulich neben Zärts
lichkeit wohnen, überbiemaßen rührt: Kann ich ſchon in ber
kyrik eine zu flarte Dofis fentimentalen Weſens nicht leiben,
fo wird e8 mir im Drama gründlich zuwider, weil es biefe
Didytungsart mit Darftellung von Bandlungen, mit Thaten,
nicht mit Eingenden Worten, mit Dänberingen und Augenvers
dreben zu than Hat. Daß Halm fo günftige Aufnahme beim
Zheoterpublicum gefunden, kann nur erfreuen, wenn man an⸗
nimmt, es fei bie Macht bed Talents geweſen, die fich bier
Bahn gebrochen; daß man aber gerade diefer falfchen, unerquid:
lichen und in jeber Beziehung verbilbenben dbramatifchen Manier
den Sieg fo leiht gemacht bat, beklage ich ebenfo der dramati⸗
fdyen Autoren als des Publicums wegen. Denn ich bin und
bleibe nun einmal der Meinung, daß Fein Heil für deutfches
Drama zu erwarten ift, fo lange diefe Sorte fentimentalen
Wortgewaͤſches Gefallen findet und bominirt. Ob Halm nicht
anders fann, 0b ex den Quell fübbeutfcher Lyrik, der in mans
chem Anbern feiner begabten Landeteute fo ergiebig fprubelt, aus
Drang nad Fräftigerer Seftaltung unglüdtickeriveife nur ins
Drama abieitet? ich weiß es nicht! Doch follte ich meinen, es
müßte einem Manne von folcher Begabung nicht ſchwer werden,
den Schäfermantel nach und nad) abzuwerſen und ftatt deflen den
‚Dermelin des Fuͤrſten oder den Waffenrock bes ‚Helden anzulegen.
So weit ih Halm's Probuctionen Kenne, muß ich ber
bier veröffenttichten „„Imelda Cambertazzi” die niebrigfte Stufe
unter allen anweifen. Es iſt abermals eine italienifche Ges
ſchichte, in der, wie vorauszsufeben, feindliche Familien mitein⸗
ander badern, wo bie Tochter des Peindes X den Sohn bes
Feindes Y trog aller Muth der Ältern und ihrer Luft, einander
aegenfeitig je eher je lieber die Haͤtſe gu brechen, unausfprechlicdh
liebt; wo bdiefe Eiche Feiner Mahnung, keinem Drohwbrt, keiner
Bewalttbat weicht; wo zur Unkerdruͤckung derſelben ein Mord
den andern jagt und in Kolge foldyer Blutthaten entfeglicy viel
geweint wird; wo endlich Liebhaber und Nebenbuhler aufeinan:
dertreffen, fi) bon 'gr& mal gr& maflarriren, bie Liebſte, alſo
bier Imelba, ebenfalls das Zeitliche ſegnet und die ob fo ents
fegiihen Jammers ganz beftärgten Kiteen erſt jept vernünftig
werben und ſich über den vielen Zobten verfähnend bie Haͤnde
reihen. Nun bitte ich, ob das was Anderes ift, als ein vers
wiſchter Abklatſch von „Romeo und Zulie”? Ob mit fo birfe
tiger Erfindung, mag fie auch doppelt und dreifach in romantis
ſchen blauen und grauen Dunft gebällt fein, etwas poetiſch Be⸗
beutfames, und nun gar ein tüchtiges Trauerſpiel zu Stande
kommen Tann ? Die Anficht, daß zu einem Srauerfpiele nur das
Todtmachen von fo und fo viel Perfonen erfoberlich fei, fcheint
wirklich bei unfern Dramatilern immer mehr berpand zu nebs
men. Wenn felbft beffere Köpfe fo troftlofer Verirrung huldt⸗
gen, was follen dann bie armen Schächer thun, bie an ben
großen Ihränenftiefein diefer Ritter mit goldenen Sporen wie
die Zwerge emporklettern. Ich babe in biefer Imelda nichts
finden koͤnnen, das mir das Befühl des Tragiſchen erweckt hätte.
Immer nur Lärm, Fluch, Drohung auf Geite ber Männer,
Thränen, Lamentiren, Seufzen und Sehnen auf Seite der Wels
ber — das gibt Feine Tragoͤdie, fondern ein Rührei von prahls
banfigen Redensarten mit einigen Schwertfplittern gepfeffert.
Und Halm hat in ber That nicht unterlaffen, in Redensarten
Großes zu leiften, die zum allergrößten Ungluͤck durch Stätte und
Rundung die Maffe beftehen. Denn unfer leicht zu täufchendes
Publicum ift gar zu gern geneigt, ein Bischen abgebraudhte®
Abendroth für echtes Gold hinzunehmen. Bedient fi der Au⸗
tor dann noch mit einigem Geſchick bes Schiller’fchen Falzbeins,
um Reim und Klang feiner Verſe damit Hübfch glatt zu ſtrei⸗
den, dann kann es ihm nicht fehlen — alle Weibtein find dus
Berft gerührt und das Parterre ſchlaͤgt begeiftert die Wine.
Wer könnte auch bei fo ſchoͤnen Ziraden, wie folgende, uner⸗
griffen bleiben !
O bört nur, hört! Ihn grüßt ber Dörner Schmettern,
Ihn Paulenwirbel, ihn des Volkes Ruf!
Ihm wirb den Siegeskranz Imelda reichen! 5
Die Sonne ftrahlt und Azzo's Sterne bleichen!
Wenn bas mehr ift als bloßes leeres Wortgedreſche ohne ges
ringſten Gedankengehalt, fo tft Shaffpeare ein Dummkopf ge⸗
weien. Oder noch beſſer im Eriegerifch : beichreibenden Seit.
— — Banditen! Ihr ſtehlet
Bolognas Ruh’ und morbet feinen Frieben!
Blutgier’ge Schlaͤchter; grimmer ald der Dat,
Der Meere Schreden, ald bed Urwalds Wolf,
Die Hunger reizt, nit Daß! — —
Aufathmend kaum von langen Krieges Muͤhſal
Erhub Bologna dad gefenkte Haupt,
Und ſchlimm're Fehde ſchlug in feinem Schoos
Aus eurem Daß empor, und wieber beulte
Bon feinen Thuͤrmen Sturm, und wieber braufte
Dur feine Straßen Kampf, und wieber zöthete
Blut feine Mauern, feine Siebeln Brand! u. f. w.
Dder im Stil fentimentalee Schwaͤrmerti:
Baldeinfamteit, wie weht mit weichen Bügel
Bewegter Wipfel Wohllaut um wich ber;
ie wogt Hinwallenk über Berg und Hügel
Um meins Wangen wärz'ger Däfte Meer!
Wie ſtill in's hier! Es Richt des Lebens Biegen
In diefer Schatten ſauͤßem Dämmerlicht,
Und ich verflehe, was in leiſen Schaͤgen
Meln zagend Herz vol führer Setzuſucht ſprht
© Bow Heillgthume ſpricht's am Meereöftiand,
Bom Nitter, der aus wogendem Bebränge,
ih ſchuͤgend barg am Fühlen Brunnentand ;
Es wiberballt mir feiner Worte Klänge,
Es widerfirahlt mir feiner Blicke Glut u. f. w.
Kun gehe ich jede Wette ein, daß diefe glatten Verſe, declamatoriſch
vor gen, in ben Herzen aller fehnfüchtigen Mäbchen eine
Rahrung bervotbringen, wie fie bie großartigfte tragiſche Lei⸗
Benfihaft Shakſpeare ſcher Helden nicht erweckt; felbft für thraͤ⸗
nende Augen mancher Ehemaͤnner will ich nicht gutfagen. Und
dennoch ifl’s nur hohle, fentimentale Phrafe, die meinetwegen
überall anders als Handgeld verfchentt werden foll, nur nicht
im ernften Drama. Hier kommt fie mir vor wie eine Kupp⸗
ferin, die fchöne, füße Worte alt, um Unheil gu fliften. Alfo
Halm, gehe in dich und beflere dich!
3. Kaiſer Barbaroffa. Dichtergabe zum koiner Dombau, von
Ludwig Bauer. Stuttgart, Eotta. 1842. Gr. 8. 224 Wer.
Dicjtergabe, nicht Drama nennt ber Verf. fein Wert und
gibt damit zu erfennen, daß er unter Drama ein andered zu⸗
ammengefügtes Ganzes verfteht. Ein Drama iſt biefes Pro⸗
duct auch wirflich nicht, obwol in dramatifche Form gegoſſen;
wol aber dürfen wir e8 als eine Dichtung, von edelm, finnigem
Geift geboren, willlommen heißen. Der alte gewaltige Karfer
Barbaroffa fteigt hier aus feinem Grabe, mit ihm die trogigen,
mwillensträftigen Fürften Deutfchlande. Die Lage des Reiche,
die Gegenwart und Zukunft beutfyer Nation if das Thema,
das von mannichfach betrachtendem Gefichtöpunfte aus zur
Sprache kommt. Der Sänger Heinrid von Dfterdingen, dieſer
halt mötbifche Held romantifcher Poefte, tritt zugleich mit bem
aukünftler Gerhard aus Koͤln auf unb das große Wort, um
das es fich handelt, ift eine Prophezeiung, die von ben Eippen
der alten Xotiffin Hildegard zu Bingen Fricdrich entgegenktingt.
Sie heißt:
Doch wenn fie wieder baun am koͤlner Dom,
Wird groß das deutſche Volk und maͤchtig werben.
SBarharefia faßt dies Prophetenwort in gutem Siune auf und
Gefihlieht ben Bau des Doms durch Meifter Gerhard. Steht
nun auch zu bezweifeln, baß der jest wieder aufgenommene
Bau bes idiner Doms Deutfchland mädtig, einig und groß
machen werde, To ift der Gedanke, welden der Dichter in ſei⸗
nem Gedicht durchgeführt hat, doch beachtenswerth; ja ginge in
Grfällung, was er als Wunſch ausfpricht, was er andeutunges
weife erfennen laͤßt, fo dürfte es Leicht beſſer um Deutſchland
Raben, als ee jett den Anfchein bat. Man hört fo felten ein
mahig· ſchoͤnes Wort, baß es ber Mühe werth ifl, bie Goldkoͤrner
aus den furchtbaren Spreumaſſen, die man über Deutſchland
fort und fort unermuͤdlich auswirft, herausgulefen. Zwei Per:
fonen find es vorgäglich, die Bauer zu Trägern feiner Gedanken
auserkoren bat, ber flolge Barbaroſſa und ber tieffinnige Ofter⸗
dingen. Auch erhalten wir nicht blos Phrafen, fondern Sinn
und Gebanten, zumeilen in fchöner, zarter poetifcher Hülle. So
fagt Dfterbingen von dem Mädchen feines Herzens auf bie Frage
GBerharb’s, ob er es als Braut heimführen werde?
— — 80’ dem Deren zwei Herzen
Bum Pſalme werben duͤrfen, pruͤft er erſt
Durch unverhoffte Drangſal und Gefaͤhrbe
Die Saiten, ob fie Stimmung dalten.
Derfelbe preift bie Gegenden, bie von mächtigen Ktäffen durch⸗
firömt werben, indem es mit Hindeutung auf den hein ſpricht:
Mir gebt dad Herz auf, ſeh' id einen Biuf.
Es ſchwebt ein Geiſt des Lebent auf den Waſſern:
kei
Hier dampft ber Born für Morgenthau und Regen,
Diez wird der Baum bed
Dies ſchwimmt der Flein eigenen dem Werädinis
Und mit den Mauren wanbert bes Wehamte.
Und wer von deutſchem Stamme flimmte nicht in Barbarofia's
Worte von Herzen mit ein, wenn er, ben Vorwürfen Dilbe
gard's begegnend, über bie Stellung und Genbung eines echten
Fürften, über fein Verhalten zu Bölfern wiberfpredhenben Cha⸗
rafters und Sinnes fagt:
Stellt, wenn ihr Fuͤrſten heiſchet, die nie ſchwindein,
Nicht Menſchen, ſtellet Engel auf die Binne
Des wiesen, unabiehbar weiten Reihe!
Stal’fher Leichtfian, dän’fhe Yieberwuth,
Der Böhmen Zäbigkeit, der Menden Tuͤcke
Sind fhwer zu gängeln mit dem einen Baum.
Und er die Deutfchen, fie, ein Wolk von Kriegern,
Das jogend und turnierend fi erhalt,
Zum Streite lin, verbroffen zum Geherſam,
Im Bader enblod, weil ſie's gründlich treiben.
Urtröftig wie Granit ber Einzelne,
Dad Banze Haffend, bruͤchig und vermittert.
De kann's nicht abgehn ohne Sturz und Krachen,
Wenn bie und da mit junger Baufl ein Kaifer
Friſch aufräumt an des Neiched Wetterfeite.
Zweifel bärften fi aber wol in Jedes Bruſt erheben bei Frie⸗
drich's Ausruf:
— — Gottes Geiſt kommt über wi!
Ein Blatt in feinem Schickſalsbuche ſeh
Ich aufgeſchlagen! Enkel werben einft,
Beſchwingten Laufs ben Rhein hernieberſürmend,
Den Hallenbau aus blauer Werne grüßen,
Und feine Thuͤrme heißen ihnen zwei
Sum Schwur ber Eintracht aufgehobne Finger!
Sollte auch dies nicht ganz in Erfüllung geben, fo wollen wir
Deutfchen uns doch tröften, wenn nur ein Schelmenlied Ofter⸗
dingen's recht bald volle Wahrheit wärbe. Dies Lieb, das ber
Gänger dem Rhein ſelbſt in den Mund legt, Mingt, wie folgt:
Mein Vater iſt der Griöpatt,
Die Mutter heißt Gorner
Ich rang im Felſenzwieſpalt,
Durchtobte Schwabend Meer.
Kaum mad’ ih nun bei Laufen
Den legten Purzelbaum—
WI endlich mich verſchnaufen
In breiter Ufer Saum:
Da legen Zoͤllnerskinder
Abwärts auf mich Beſchlag⸗
Bulegt ber Befenbinder,
Der arge Schelm, vom Haag:
Stredt mir vom Maſt entgegen
Sein Neid an langem Gtiel,
As koͤnnt' er blank mid) fegen
So, wie es ihm gefiel.
Daß ich ber Aar gewunken,
Den Neckar eingethan,
Den trüben Main getrunken,
Gewartet auf die Lahn,
Der Mofel mi thaͤt gatien,
Das, meint du etwa gar,
Set für die Waſſerratten
Am Biesboſch bin und bar?
Laß mie daS barſche Weſen!
Den Miſch dort wegtzeſchafft
Sonft hol' I meinen IBefen,
0
Des Let Seruiurnlsaft,
Usb fegt oben’ ale Buabe,
Spreitt ihr eu no fo ſehr,
Sammt Hand, Dof und Geſtade
Dinunter euch ind leer.
Weg mit dem Befenkielt Sthiagbäune weg!
Gicht ani Der große, deutfipe, freie Rhein!
4. Die guade Foelke. Biftorifches Trauerſpiel in fünf Acten
aus der Geſchichte Ditfeiedtanhs, gon ©. A. Beinhdfer.
Leer, Prätorius und Seyde. Gr. 8. 221), Nor.
Sch erinnere mid, von dem naͤmlichen Verf. früher ein his
ſtoriſches Drama gelesen zu haben, weldyes bie ruͤhmlichen Tha⸗
ten eines kraͤftigen oftfeiehfchen Grafen, befien Ramen mir ent-
fallen if, behandelte. Was von jener Arbeit Eobenbes zu fagen
wor, gilt auch von biefer, und was als Fehler dort gerügt
werben mußte, fällt hier ebenfalls wieber als folder Leicht in
die Augen. Der Berf. hat den beften Willen, Gutes zu leiſten;
Talent zu bramatifcher Geflaltung wohnt ihm bei, aber Takt
und Dräßigung oder vielmehr bad Vermögen, immerbar Maß
zu halten, gehen ihm ab. Gr will immer recht gruͤndlich fein,
die ichte möglichft treu wiebergeben, Weſentliches nicht auss
Laffen, und bei ſolchem Streben verwirrt ex fi in Nebendinge,
die er in kurzen Zwiſchenſcenen abzumadgen fucht, bamit aber
die fortfdgeeitende Ginheit der Handlung nur flört. Wie Viele
nor ihm, gibt er fonach bei aller Sorgfalt dramatifcher Ausar⸗
beitung nur bramatificte Geſchichte. Die Unthaten ber böfen
Foelke und ihrer Helfershelfer, die uns bier erzählt werben,
töanen in folder Faſſung niemals ein Zrauerfpiel bilden, denn
bioßes Morden und Umbringen bat noch nichts an fi Tragi⸗
(yes. Hr. Beinhoͤfer erzählt uns oftfriefifche Geſchichte in Ver⸗
fen, theilt diefe Sefchichte in Scenen und fest da, wo feine Er⸗
aählung nothwendig aufhören muß, ein Punctum, indem er beis
fügt: „Dee Vorhang fällt.” Das heißt dann ein Trauerſpiel,
wenn bie Hauptperfonen, wie hier, zu Tode kommen. Weniger
Ausführlicgleit, Zufammendrängung ber Begebenheiten, Entfer⸗
sung betaillirt erzählter Nebenbegebenheiten, die mit zwei Wor⸗
een zur tniß zu bringen wären, enblid weniger Worte:
und biefer ergiebige Stoff mit feinen eigenthuͤmlichen, wennfchon
wenig Yarten Charakteren, müßte ein vorzuͤgliches kuͤnſtleriſch
abgerundetes Drama geben. Freilich ift es für Darſtellung fo
abfögredtender Handlungen, wie fie bier bie Foelle, alſo ein
Deib begeht, auf der Bühne immer mislich. Tyranniſche, graus
famıe Weiber, die Boͤſes thun aus Luft am Boͤſen, widern uns
en als abnorme Geſchoͤpfe Befunde Bildung will das Weib
als ben Repräfentanten der Anmuth, Bitte und Liebenswürbig:
teit, niemals in Geflalt eines entarteten Ungeheuers auftreten
fehen. Was die Sprache anlangt, fo ift fie einfach, nicht ohne
Wärme, aber doch ohne beiebende poetiſche Blut. Gelegentlich
käßt ſich ber Werf. auch gehen und gebraucht Mebensarten all:
bekannter Art, z. B.:
Es gibt im Menſchenleben Augenbike, -
io wir der Hölle näher find als fonf.
Gegen die Wahrheit ſolcher Worte wird ſchwerlich Jemand ets
was n, es macht aber doch immer einen unangenehmen
Einbruck, wenn fi ein Autor fo auffallend frember Redens⸗
arten bedient und nichts darin dnbert als ein paar Worte. So
gebrauchte Ausfprüce werben dann umwillkuͤrlich blos Phrafe
and nehmen den Gharakter ber Parodie an.
(Die Bortfegung folgt. )
Zur polltiſchen Seſchichte Deutſchlands. Von Karl Ha:
zen. Stuttgart, Franckh. 1842. Gr. 8. 1 The,
36% Nor.
Der töbliche und große Eifer, mit dem ſich jest edle Kräfte
der i Geſchichte zuwenden, Hatte bie Ausarbeitung
dreier Abhandlungen des Hrn. Hagen über Deutſchland unter
Heinxich III. und Heime IV., über Geager Hein
und über Ulrich von Hutten in ben Jahren 138 und |
veranlaßt. Man hatte damals geurtheilt, daß fie nicht verbien,
ten, namenlos und unbekannt in der Zeitſchrift „Wraga” zu bleis
ben, und fo entſchloß ſich ber Verf, fie jegt in einen Band zu
vereinigen, aber faft unveraͤndert; nur bie Sprache follte hier
und da verbeflert und in den Anmerkungen einige nähere Rache
weifungen hinzugefügt werben. Wir billigen biefe neue Ausgabe
jebenfalls und freuen uns, namentlich für die Geſchichte der Mes
formation in Hrn. Hagen diefeiben tüchtigen Kenntniſſe, benfels
ben unbefangenen Blid und bie gefunde Richtung und Beur⸗
theilung aller politifhen Dinge wahrzunehmen, bie uns aud in
bem fpätern Werke beffelben Berf. „Deutſchlands literarifche
und religioſe Berhältniffe im Reformationszeitalter”’ fo e⸗
nehm angeſprochen hat. Er verſpricht ſomit einen Erſat
ſchoͤne Hoffnungen, die durch Ernſt Muͤnch's fruͤhzeitigen Tob
zerſtoͤrt zu ſein ſchienen.
‚Die erſte Abhandlung: „Der Wendepunkt ber deutſchen
Reichsverfaſſung unter den Kaiſern Heinrich III. und Hein⸗
rich IV.“, enthält zuoörderft eine Entwickelung bes deutſchen
Koͤnigthums vom Abgange ber Karolinger, ſchüdert dann bem
Höhepunkt ber Königlichen Macht unter Heinrich II. und ſtellt
zulegt bie Verhaͤltniſſe bar, weiche unter Heinrich IV. eine
Wendung in der Sntwidelung bes koͤniglichen Anſehens herbei⸗
führten und den beutfchen Kürften bie Eroͤlichkeit ihrer Ämter
und Würden und biermit bas Übergewicht über ben Kaiſer vers
ſchafften. Wir können bier nicht in alles Einzelne eingehen,
aber wir bemerken, daß die Abhandlung durch einen zuhigen
Gang, durch gute Benugung ber Quellen und durch einen aus
benfelben erworbenen richtigen Takt in Beurtheilung ber hers
vorragendfien Charaktere diefer Zeit ein befonderes Intereſſe ges
währt. Cine Elare und von den befchriebenen Thatſachen ers
wärmte Dasftellung fleigert bafjelbe noch und muß ber Abhande
lung, bie ſich überbies don aller Überladung mit Gitaten frei
gehalten hat (aber bie nothwendigſten fehlen nicht) auch bei ben
weniger gelehrten Geſchichtsfreunden zur Empfehlung gereichen.
Bon ber patriotiichen Geſinnung bes Verf. “unter andern
folgende Stelle am Schluſſe feiner Abhandlung ein Beweis fein:
„Merkwürbiges Schickſal unfers Volkes) Ausgeräftet mit
allen Kräften und Anlagen, um ein tüchtiges Gtaatsieben zu
erſchaffen, bildet es ſich eine Zeit lang ſchoͤn und herrlich in feis
nem Innern aus; auf bie innere Kraft geflügt, erregt es auch
en außen eine impofante politifche Bedeutung. Da, gleich⸗
am die politiſche Geltung verſchmaͤhend, wirft es ſich auf ein
geiftiges Element, in beflen Ausbildung es nicht minder groß,
nicht minder bedeutend erfcheint. Aber indem es bies geift
Element mit Haft und Begierde verfolgt, vergißt es fi ke
während es durch die Entwickelung beflelben etwas für bie ganze
Welt zu fein ſtrebt, vergißt es bie heimifchen Güter: es ,
möchte ich fagen, für die Menſchheit die Innere, politifche Größe,
bie Nationalgröße, zum Opfer.‘
Die zweite Mbhanblung: „Gregor von Heimburg““,
durch bie neuern Schriften Ranke's und Ullmann's manche &
weiterungen in kirchlicher und retigidfee Hinficht erhalten. Aber
es bleibt Hrn. Hagen's alleiniges Werbienft, ven merfwürbigen
Wann aud in feiner politifhen Thaͤtigkeit und in feinem großen
Zinfufie auf alle Öffentliche NBerhättniffe, ale Syndicus bee
8
ww
mit großem Igt.
Was ben britten Auffeg über Uri von Hutten, beffen
pfer (ion Wiees und Paffenbes gefchrieben worben. Aber auch
hiernach behaͤlt Hrn. Hagen's Auffag einen eigenthaͤmlichen Verth
=
und feine Xuseinanderfehung der Pen Berhättniffe
Yands im Zeitalter der Reformation iſt fo Mar und bündig,
man ben Abdrud des vorliegenden im I. 1838 gefchrichenen
Auffages in keiner Weife misbilligen Tann. |
An dem vierten Auffage find eine Anzahl Flugſchriſten aus
der windsheimer Gtadtbibliothel mitgetheilt. Der Verf. feht
in der Borrede die Wichtigkeit ſolcher Documente in bas rechte
Licht und zeigt namentlich ihre Bedeutung für bie Kenntniß ber
öffentlichen Meinung , zu welchem Zwecke man biefeiben bis jetzt
noch zu wenig benugt habe Freilich müflen Schlüffe daraus
immer mit einer gewiflen Borficht gezogen werben, ba nicht
alle Berfaffer von Flugſchriften den Beift und bie Kraft eines
Sunius, Horne Tooke, Sieyes, Geng und Arndt haben und
man 3. B. unfere Zeit falſch beurtheilen würde, wenn man
manchen vielgelefenen Brofchüren einen zu hohen, ja ausſchließ⸗
Yichen Werth beilegen wollte. Trotzdem verdient Hr. Hagen Dank
x die tbeild ganz, theils ins Auszuge gegebenen Flugſchriften.
Sie zerfallen in drei Abteilungen, deren erfte ſolche fliegende Blaͤt⸗
ter aus dem Reformationskriege vom 3. 1546 umfaßt. In
ihnen erfennen wir zwei Richtungen, einmal bie der Anhänger
der neuen Lehre, die aber auf den Wunſch hinausläuft, es möge
der Kaiſer fi) an die Spige der neuen Ideen ftellen, den Papft
und die Italiener aufgeben und nur auf bie deutfche Nation
vertrauen (Rr. 1, 2), und zweitens bie der entjchiedenen und
antikaiſerlichen Proteftanten (Nr. 2 und 3). Die Flugſchrift
Mr. 4 ſchildert überhaupt den unglüdtichen Zuftand Deutfch
lande. Cine zweite Abtheilung enthält Flugfchriften aus der
zweiten Hälfte des 16 Jahrhunderts, namentlich mit Beruͤck⸗
fichtigung der damaligen Verbindungen Deutſchlands mit Frank⸗
reich und mit den Niederlanden. Denn bie Deutfchen unterflügs
ten die franzöfifchen und niederlaͤndiſchen Calviniſten und nah⸗
men dabei ihre politifche Richtung an, bie weit freier war ale
die des Lutherthums (Mr. 7 und 9), oder bie deutichen Fuͤrſten,
Yutherifche wie tatholifche, traten mit bem Könige von Frank⸗
reich in Verbindung und mishilligten alle revolutionnairen Ten⸗
denzen (Nr. 5, 6). In der dritten Abtheilung lefen wir eine
Anzahl Flugſchriften aus dem Dreißigjährigen Kriege, denen
Br. Hagen eine befondere Wichtigkeit beilegt, weil ſie zur Abs
wehr bes Vorwurfes dienen können, den Bartholb neuerdings
den deutſchen Proteftanten gemacht hat, daß fie nämlich in je:
nem Kriege feinen Sinn für das gemeinfame Vaterland gehabt
haͤtten. Die Reihe dieſer Flugſchriften eröffnet der „„Discordista’‘,
„ein aufruͤhreriſch Grinnerungs Sermon an alle Könige und
Färften, wie fie ihre önigt Würden und fürfttiche Hohheiten
erhaiten können”, vol fcharfer Vorwürfe an die Yürften wegen
fhrer „Unwiffenheit, Unbefonnenpeit und Zrägbeit im Regimente‘,
und voll warmer Ermahnung, durch beffere® Regieren einem „po⸗
pularifchen (d. h. demokratifchen) Regimente” vorzubeugen, das
fo fehr um fi zu greifen anfinge. Die kleine Schrift iſt fehr
lebhaft und mit guter Kenntniß der bamaligen Zuftände geſchrie⸗
ben. Die folgenden Klugfchriften tragen, wie Hr. Hagen richtig
hervorgehoben hat, durchaus ein patriotiſches Gepraͤge, indem
fie 1) entſchieden auf @eiten der Proteftanten find und ben
Kaiſer angreifen, well ex die Gpanier in das Land führt und
die Gewiffensfreigeit unterdrücdt, wie Nr. 11, 32, 135 2) die
Religion ganz bei Seite laſſen und obſchon gut proteftantifch
nur bas gemeine Baterland vor Augen haben, wie Nr. 14, 15;
8) bie proteftantifchen Kürften wegen der Verbindung mit aus⸗
Iämbifchen Fuͤrſten tabeln und fie Rebellen gegen ihre Kaifer
nennen; fo im erften Kalle wegen ber Berhältniffe der Union
zu Ehriſtian IV. von Dänemark, und im legten wegen der Er⸗
hebung Kurfürft Friedrich's von der Pfalz zum boͤhmiſchen Koͤ⸗
38 wie Rr. 165 4) endlich einen offenbaren Anſchluß an ben
König
von Schweden als das befte Mittel zur Rettung des
Baterlandes empfehlen, wie Rr. 17. Die lestgenannte Flug:
ſchrift fcheint uns befonbers wichtig ald die Stimme eines ein-
fadyen, verfländigen Mannes und eine geeignete Abwehr gegen
Seo, der ben ig Guſtav Adolf einer „Icheußlichen, empoͤ⸗
senden Einmiſchung in die deutfchen Angelegenheiten‘ beſchuldigt
—8 ber univerſalgeſhichee⸗
genannt hat („Geſchi
Man hätte wuͤnſchen koͤnnen, daß Hrn. Rommel, der gegen ben
legten mit fo männlicher Gefinnung bite deutſche Sache vertreten
hat („Göttinger gelehrten Anzeigen”, 1642, Ar. 20), hierbei bie
Kenntniß biefes ſchwediſchen Fernglaſes“, wie der Zitel ber
Flugſchrift Tautet, nicht entgangen wäre. 9,
kiterarifde Notiz.
Louis Reybaud, Bruber des Mebartsurs vom „Con-
stitutionnel”, ift nicht nur einer ber geiſtrei jungen Schrift
fieler Frankreichs, fondern auch namentlich einer von denen,
deren flets bereite Feder vor keinem Gegenftanbe zuruͤckſchrect
So erhalten wir faſt zu gleicher Zeit von ihm eine Schrift
über die Marqueſasinſeln, den zweiten Theil feiner werthvollen
„Btudes sur les reformateurs contemporains‘, unb bie Fort⸗
fegung feines komiſchen Romans ,‚„‚Jeröme Paturot & la
recherche d’une question sociale’, Diefer Roman, ber zuerft
vom „National’’ mitgetheilt warb, und auf ben wir gleich
anfangs in d. Bl. aufmerffam gemacht haben, erregte fo großes
Auffehen und fand einen fo ungetheilten Beifall, dab ber Verf.
die kleine Skizze immer mehr erweiterte und feinem Romane
ein Gapiteldhen nach dem andern hinzufügte. Auf biefe Art
find aus den wenigen Bogen, auf die er anfangs gerednet
batte, drei mäßige Bände geworden. Indeſſen hat das Ja:
tereffe darunter nicht gelitten, denn der Verf. hat das Werk
ganz auf biefelbe witzige und geiſtreiche Art durchzuführen
gewußt, bie gleich anfangs bemfelben eine fo große Anfmerkfam-
teit zulenkte, wie fie ein Feuilleton-Roman, mit dem man fi
eine Biertelflunde amufirt unb der dann vergeffen wirb, nur
fetten findet. Reybaud entfaltet in feinem komiſchen Romane
namentlich auf dem Gebiete der Raturwiſſenſchaften einen uner-
fhöpflihen Schag einzelner Kenntniffe und erinnert in, diefer
Besiebung an Sean Paul, mit dem er inbeflen im Übrigen
nicht die entferntefte Verwandtſchaft hat. Dies tritt befonbers
in einer Scene hervor, wo er uns einer Sigung ber Académie
des sciences beimohnen läßt, und wo er einige verkehrte Rich
tungen ber gegenwärtigen Wiffenfchaft mit dem fchonungstofeften
Spotte geißelt. Noch deutlicher Tpricht für den umfang feiner
Kenntniffe und für bie Schärfe feiner Keitil das andere Wert,
deflen wir oben gebadyt Haben. Wir meinen feine „Etudes sur
les reformateurs contemporains”, von dem einzelne Stuͤcke in
der „Revue des deux mondes” erfchienen waren und bas von
ber Alabemte als eine ber widtigften Schriften der neuern Zeit
gekrönt iſt. Drei Auflagen, die in ſchneller Folge vom erften
Bande vergriffen find, haben dies Urtheil befldtigt. Der zweite
Theil, ber eben bie Prefle verläßt, bürfte an Interefſſe dem
Anfange bes Werkes nicht nachſtehen. Reybaud untenwirft in
biefem Bande bie Sommuniften, bie Shartiften unb Utilitarier
einer firengen, aber gerechten Keitil. Bon befonderm Werthe
ift die Ginleitung, mit ber er bie Zortfegung feines Werkes
eröffnet, und bie wenigftens ihrem wefentlidhen Inhalte nach
bereit# in ber „Revue des deux mondes“, zu beren fleiigften
Mitarbeitern Reybaub gehört, abgebrudt war. Gr ſpricht in
berfelben von ber Gefellfichaft im Allgemeinen und insbefondere
vom Socialismus. Überall thut fi) eine Ruhe und Mäßigung
fund, wie man fie von einem Sournaliften des „„National’’, für
ben er fortwährend fchreibt, nicht erwarten ſollte. Freilich bat
man ihn auch ſchon von gewiffen Geiten der Ütantelträgerei
gezieben. Bon feinen leichtern Arbeiten auf bem Gebiete bes
Feuilletons, die wir in leßterer Zeit gelefen haben, erwähnen wir
eine kleine Novelle „Marie’’, bie vor kurzem der „Constitu-
tionnel’’ gebracht bat. Sie fpielte in den: Stürmen ber fran⸗
sofifchen Revolution und enthielt ganz glänzende Partien. Ras
mentiih maren Babeuf und feine Todesgenoſſen meifterhaft
gezeichnet. 2.
Verantwortlicher Herausgeber: Heinrich Brockhaus. — Drud und Verlag von F. A. Brochaus in Leipzig.
Stimtter
für
Literarifhe Unterhaltung.
Donnerstag,
Erſter Artikel.
(Bortfetung aus Mr. 182.)
9. Königin Brunhild. Hiſtoriſches Trauesfpiel in fünf Acten,
von Rudolf Dtto Sonfentius. Karisruhe, Madlot.
1842. ®&. 8. 1 hir.
Dichter und Propheten follen einander dergeftalt gleichen,
daB Dichterworte von Bielen ale Propbetenausfprüce verehrt
werben. Ic gehöre von Baus aus unter bie Gerngläubigen,
jekt aber glaube ich weber gern, noch etwas mehr. Auch die
Dichter find gang orbinaire Lügner, und Schiller, der Allver⸗
ehrte, jährtich mit Toaſten und Zweckeſſen Geieierte, ſteht unter
ihnen oben an! Hat er nicht gefungen: „Nur der Irrthum if
das Leben, und das Willen ift ber Lob’? Glaube dieſen Wor:
ten, wer es Tann, ich bin nicht im Stande, nachdem ich ‚„„Rös
nigin Brunhild⸗ und des Hrn. Verf. Widmung an Lubwig
Tieck gelefen babe.
fh Hr Conſentius flarf im Irrthume und als dürfte biefer
fatale Irrthum bie einfache Urſache zu feinem früher ober ſpaͤ⸗
tee erfoigenden Tode ald bramatifcher Dichter fein. Gr ift
nämlidy der Meinung, daß er in diefer fogenannten Tragöbie
etwas ganz abſonderlich Gutes gelelftet habe, und legt zum Bes
weiſe —* hohen BVerſtaͤndniſſes in dramatiſchen Dingen ein
Glaubensbekenntniß ab, das gegen alle uͤbrigen Dramendichter,
gegen Theater und Publicum nichts weniger als hoͤflich lautet.
Da heißt es: „Die Zeit hat ſich den Zopf wieder angelegt, ſtatt
des Schönen verlangt fie das Pikante und Kokette, ſtatt des
naturfräftig Großen das niedlih Kante, und ftatt ber erhebens
den und göttlichen Wahrheit ber Poefle die platte, nervenanres
gende, fpießbürgertiche, bettelarme Wirklichkeit, flatt der befcheis
denen Ziefe — 28* Charakteriſtik vage Gentenzen, ſtatt ber
einfachen, uͤberwaͤltigenden Sprache bie fugenannte ſchoͤne, doch
in ber That charakterloſe Sprache. Ach, würbiger Derr, wenn
ih manchmal im Theater fide, und es werben Stuͤcke aufges
führt, die weniger Talentloſigkeit des Dice als vielmehr die
fündhafte Richtung beffelben zeigen, und ich vor Arger auflachen
möchte, bann wende ich mich von ber Bühne ab, und, indem
mein Ohr nicht taub für die wunderlichen Klänge unb Ideen
von ber Bühne her ift, betrachte id mir das Yublicum. Es
ift ein herzzerreißender Aunblick, wenn man bie füßtiche Freude
des Publicums flieht, biefe hinſchmelzende Freude darüber, daß
ihr Geſchmack im buftenden Kursen immer tiefer in den Moraft
gefahren wird.” Derb und kraͤftigl Ich habe nichts gegen
biefe Behauptungen, ich flimme ihnen vielmehr bei, allein i
verlange von Einem, ‚ber fo entfchieben ‚gegen Falſches und Ber
—* eifert, daß er als Selbſtſchaffender etwas Beſſeres
und Gediegenexes gebe. Run muß ich aber bekennen, daß ich
mir noch immier lieber das jeht auf ber Bühne Dominirende
anfehen,, auch leſen will, als den bombaftifhen Schwulft, ben
dr. Gonfentius ats hiſteriſche Maſertve angeſehen wiffen
Es kommt mir nämli vor, als befände |’
möchte. Diefe Meuflertvagsbienveitesei wird ſchwerlich Bewuns
berer finden. Es ſteht Darin Alles auf Schrauben, geht auf
es fo hergeht, denn bie Geſchichte Brunhildens ift eine fo bobens
los abfcheuliche, von wibderlichften, unmatürtichften Schanbthaten
befleckte, daß nicht viel Zartheit hineingebracht merben Tann.
Wozu aber ein folcdhes Sujet wählen? GTcht dichterifcher Sinn
fcheut vor ſolchem Blutpfuhl zuruͤck oder wirft, zieht ihn wirk⸗
li ein bedeutender Charakter an, all das Haͤßliche über Bord,
um Gchönes zu fchaffen. Davon hat ungeachtet langen Redens
in bee erwähnten Vorrede über Kunſt, Kunftform, Schönheit,
biftorifche Tragoͤdie u. f. w. der Autor keinen Begriff. Ihm
jcheint,, wie hundert Andern, Abfchreibung ober Umfchreibung
ber Gefchichte im Drama hHiftorifch zu fein. Bei folder Unklar⸗
beit find dann beffere Producte nicht zu erwarten, um fo wes
niger, als ber Verf. dem Vorworte nad) über fein Thun und
Wollen Ear zu fein behauptet. Werfehtt, gezwungen unb in
endlofe Perioden verzerrt {ft auch großentheils feine Sprache,
wieder eine Folge von falfcher Auffaflung Shakſpeare's! Man
re gti den erflen Sag, König Ehilperich’s Anrede an feine
afalten :
Ihr Kranken und Vaſallen, feld gegräßt!
Gh Bühne Klugheit und zum Sinnen nöthigt,
Denn Kübnheit fobert meine hohe Abkunft
As Ehrenantheil, Klugheit meine Schwaͤche,
Die ſchweigend zufah, aid die Brüber Frankreich
Bertheilten und bad kleinſte Loos mir gaben,
- Doc die, der Luft gleich, welche windſtill bruͤtet,
Wenn die Natur der Dinge es erlanbt,
In Sturm fih wanbelt, bruͤll'ade Wogen geifelt
Un) Gihen von den Muttermurzein ahreißt,
Da Zwang und Klugheit angeborne Kraft
20.2
. .
Kur feffelten: eh’, was ich fagte, Har wird
Und ungebindert unfern Gel durchſchreitet,
SBernehmt den Grund, weshalb ich Giubovens,
Mein Weib bis jett, verkoße, uud die Tochter
Dei «6 Athanagilb,
—2Bx Shhweſter, Galaſwintha Bier,
Sum Weibe nehme.
In dieſer Weiſe, deren Leichte Faßlichkeit Jedermann gebuͤhrend
bewundern wird, laſſen ſich Helden und Heldinnen dieſes Mord⸗
gemaͤldes haͤufig vernehmen. Gluͤcklicherweiſe verzichtet der Verf.
auf die Ehre der Darfellung, fobaß er in dieſer Hinficht nicht
bitterlich getäufcht werden Tann. Sollte er bie Hoffnung ge:
nähert haben, feine Arbeit von Vielen gelefen zu feben, fo ſteht
freitih zu fürchten, daß manchen andern Taͤuſchungen auch diefe
fich noch zugefellen bürfte.
6. Sapphire. Zrauerfpiel in fünf Abtheilungen, nebft einigen
tleinern Gebichten, von 6. 2. teren Gans, Edier
Herr zu Putlig. Berlin, Nicolai. 1842. Gr. 8. 2512gr.
Abermals ein Vorwort mit allerhand Bemerkungen über
antike ımb moderne Tragbbie, über Chor und Kothurn, über
Einheit der Handlung u. f. f. Neues erfährt barin Niemand,
es müßte benn das allerdings beachtenswerthe Faetum fein, daß
der Hr. Berf. uns verräth, mie lange Zeit zwiſchen Ausarbeis
- rung feiner Tragödie und deren Beroͤffentlichung verfioflen ift
naͤmlich 3 Jahre. Das tft eine häbfche Beit, in ber fi au
ein Gedicht ablagern kann, wenn's nämlich eins iſt. Ohne nur
dem ebein Deren gu Yutlig gu nahe treten zu wollen, muß ich
feinee Arbeit doch allen poetiſchen Werth abfpredgen. „Sap⸗
phira” iſt eine einfache, reiht verftändige, aber trockene Arbeit,
die man mit Intereffe lieſt und die wol auch auf dem Theater
ſich einigen Beifall erwerben koͤnnte, wenn das Yublicum nicht
etwa in einem einzigen Punkte leicht ſchwierig zu werben pflegte.
Sapphira naͤmlich, bie ſchoͤne Gattin eines Kaufmanns zu
Nymwegen, ergibt ih, um ben unrechtmäßig verhafteten Ge⸗
mahl vom Tode zu retten, feinem lüflernen Richter. Nach dem
fürchterligen Opfer erfährt fie erſt, daß fie betrogen und ihr
Gatte fchon längft im er ermordet worden if. Die Ger
täufchte fieht um Gerechtigkeit bei Kari dem Kühnen, erhält fie
auch, töbtet ſich aber aus Lebensüberbruß und Scham durch
Gift. Diefe Begebenheit ift ohne Anftößigkeit dramatiſch vor:
getragen, dennoch aber bleibt ein ihr unangenehmer Beigeſchmack,
der wehefäeintid auch bei der Darftelung nicht ganz wuͤrde
ausgetilgt werben können. Die Charaktere find confequent und
entfchieden gehalten, die Sprache tft einfach, ar und correct,
ohne allen poetifchen Schmud. Die beigegebenen Dichtungen,
theils Original, theits Übertragungen, gehören nicht hierher, wes⸗
halb fie nur erwähnt werben mögen, ohne daß ein Urtheil über
Werth ober Unwerth berfelben gefällt werben foll.
7. Gin weiblidhes Herz. Dramatifches Gedicht in fünf Aufl
gm, von Theodor Stamm. Stuttgart, Gotta. 1842.
. 1 pie. 15 Nor.
Auf dem Zitelblatt wirb bemerkt, daß biefes Gedicht auf
bem 8. €. Hofburgtheater zu Wien aufgeführt worden fei. In
vorliegender Geftalt Tann dies unmöglich gefchehen fein, da es
ein gewöhnliches bühnengerechtes Drama feiner Ausbehnung nad)
wol zweimal umfaßt. Es wäre wuͤnſchenswerth gewefen, ber
Berf. Hätte ben Bühnenauszug brudeen laffen, wir hätten dann
den reinen ſchoͤnen Kern, nicht zugleich fo viel Schale mit er
alten, bie, wenn fie auch an a nicht zu tabeln iſt, doch bas
erftänbniß gar zu fehr erfchwert. Die hingebende aufopfernde
Liebe eines weiblichen Herzens ift ber Grundton, ben der Dich⸗
tee in ge Theil gelungenen Bartationen preift und ſchildert.
Diefe Bariationen beftehen hier in einem Wirrfal von wunder⸗
baren Schickſalen, die oft wenig Wahrſcheinlichkeit für ſich ha⸗
ben. Doch find fie mit einem fo reichen Aufwand poetifcher
Mittel ausgeftattet, daß man allenfalls baräber binwegfehen
Tann. Schwer dagegen möchte es fein, uͤberſichtliche Klarheit
in das Dunkel der Geſchicke zu beingen, die ſich bier wie
wer
+
ggewaͤchſe burdkeinanber
auf Dariegung ber Gefchichte
Peund lehnt und zu Xnfang bes 15.
dem Boden i
Mauren in
charun
find immer poetiſch und einen Beweis für feine Befaͤhigung Tier
fert die ſprachliche Kaffung, die er Gedanken und E gen
zu geben weiß. Bier floßen wir auf Perien reinften Waſſers,
auf Bilder und Gedanken von burchfichtiger Zartheit, ſodaß e#
fih wol der Mühe lohnt, die Leſer d. Bi. Auszüge
auf die Schönheiten eined Gebichts, das wahrfcheinfich für die
Zukunft ber ‚Dasfellung entrüdt bieiben wird, aufmerkfam zu
machen. Der Verf. iſt vorzugsmeife otächtich in Schilderung
harter Gefühle, und in Liebern, orientaliſcher Yhantafie ent:
prungen. Das Bruchſtuͤck eines ſolchen lieblichen Gefanges mag
bier folgen :
Hariri, blonder Schenke,
Du zechteſt mi ſchon krank;
Willſ du, daß ich geſunde,
So rei’ von deinem Munbe
Den friſchen Lebenstrank.
Hariri, Schelm ber Schelme
Dein ſchwarzer, feuchter Stern,
Was fol dein luͤſtern Winken?
3% Tann ihn doch nit trinken,
Und traͤnk' ihn doch fo gern.
Komm ber und fe’ dich nicber,
Necht Enapp Bier auf mein Knte;
Der Drud der weidhen Glieber,
Der Gruß ber Augenlider
SR fhön’te Harmonie,
as Hafie’ Melodie.
Du holbe Rofenknospe,
Dir wird das Der, fon bang!
Was thuſt du auch fo fpröde?
I freite dich ſchon lang.
Shen Lange fire’ ich fehnend
Die Singer nach dir aus,
Umſchwaͤrm', wir Bienen, tönenb
Dein duftig rothes 6
Laß mich den Honig
Auf deinem muf’fhen &
Die Lippen, bie erboften,
Sind boppelt füß und rund.
Was wollen fie au ſchmolle
Dos Schmollen matt fie bleich y
Da fie doch täffen follen, 1
So thu' es lieber gleich.
Eins der zarteſten Geſpraͤche zwiſchen eiebenben‘ * von Dich⸗
tern erſonnen worden ſind, moͤchte folgendes ſein
Ceſar.
Wie Eonnt' ich Hoffen auf die hoͤchſte Hulb, i
In bie für bih zu leben? h
Baibde.
Wink du da#?
Du wählte ein gefaͤhrlich Haus.
Gefer.
Gewiß!
Die Lilie baut ihr Tufı'ges Silberzelt
Fr Elfen nur — drum Ente ich auf die Schetle
Demäthig Hin und fieh’ ein Troͤpfchen Thau.
Baide.
Bat (Sept ihm ben Binger auf bie Eisen) 5
009
Se fun. ' 2 immer am weiteften
SIE bu fo Sarg? Autor und Ik sn dermuthen — ——
Beide ernft fein möge, als er ſtelt. Wie trivial bei allem
unb du fo alnmerfatt?
. Gefer.
Kuna In mi ſchnachten ſehn? Mic buͤrſtet ſehr.
3aide.
Da weis ich keinen Rath!
Gefar.
Ich wi dich ehren,
Was mid bie Biene lehrte.
Zaide.
Kun?
Gefer.
Sie trintt
Den Tüblen Tropfen von der Blum‘. (Kkpt fie.)
Baide,
Unb bann?
Ceſar.
Berrittt fie Honig aus dem Raub. (Umſchlingt fie.)]
Balibe.
Du bil
Gar ſchnell aus einem Schüler Lehrer worden !
Nun höre, was die Huge Blume thut,
Denn fie der Schmetterling umfhwärmt,
Sefar,
Nun?
Batde.
Sie ſchaͤttelt ihren Kelch und gießt den Thau
Auf ihres Freiers gleißend bunte Flügel.
(Macht ſich los und entflieht.)
An einem andern Orte fagt baffelbe Mädchen, indem fie ihren hei« |
denmüthigen Bruder bekränzt, mit geſchwiſterlicher Zärtlichkeit:
So! biefen Kranz für deine Heldenſtirn!
So kraͤnz' id; di zu meinem treuen Ritter,
Und biefe Kette ſchling' ich ſchmeichelnd bir
Um deinen flolgen Nacken — (umſchlingt ihn mit ben Armen)
Wirk du fie
Auch gerne tragen? Und das Roſenblatt
Leg’ ich auf beine ernfien braunen Wangen, (kuͤßt ihn)
Wenn du verſprichſt zu laͤcheln.
In ſolchen Bildern liebender Zaͤrtlichkeit und Anmuth iſt der
Berf. ungewöhnlich reich und gluͤcklich. Um fo ſtoͤrender find
dagegen einzelne Eigenthuͤmlichkeiten im Sprachgebrauch, bie
über bie Befugniß poetifcher Licenz hinausgehen unb deren ex
ſich fpäterhin enthalten möge. &o fagt er immer, auch wo
eine leichte Anderung des Verſes es vermeiben Eönnte:
BWas Iaunte Euch, die wilde Naht zu haufen u. f. w.
für: was kam Sud in den Ginn, oder welche Laune trieb Cuch
hinaus. Und anderswo :
Der Eine pfauet in des Königs Purpur,
was wie ein Pfau einherfchreiten bebeuten fol. So Leicht
ber en fo willkuͤrlicher Ausdruͤcke zu errathen ift, fo entſchie⸗
den mäffen wir uns body dagegen erklären, ald gegen gar zu
grobe Weleidigungen grammatikalifcher Regeln.
8. ulrich von Hutten. Gin Drama in fünf Aufzägen, von ®.
Bottfhall Königsberg, Theile. 1843. 8. 1 Zhtr.
urich von Hutten's Schickſale find ein bantenswerther Bor:
wurf für ein Drama, in jegiger Zeit doppelt dankenswerth,
weit fie gleich jenem ebeln Freimuͤthigen der Vorzeit oft ver:
fotgt und von Gcergen matt gehest wird. Hr. Gottſchall hat
den beften Willen, er wuͤrde aber Beſſeres geleiftet haben bei
Sinwegiaffung bes vielen Bombaſtes und der Schlagreime, bie
freitich mittelmäßige Scaufpieler für bie fogenannten Abgänge
fehe lieb haben. Das Drama kommt bei er Ginfachheit
Schwulſt Eingt es, wenn der Xutor fagt:
D Eniet nicht betenb am ben alten Lebchen,
Die ber VBerwefung Geier fon umkreiſt;
Geſpenſter müflen vor dem Licht entweichen,
Und ewig fliegt und ewig herrſcht der Weiß.
Quuptmomente des Dramas fint Hutten's Biebe zu Konftantia
Peuttinger, feine Bucht, Biſchof Lambert's len des
Kitters unb Entführung Konftantia’s, Pewstinger’s Belehrung
von feinem Pfr Unglauben an ber Reblichleit Hutten’s und
deſſen endlicher Tod. Einzelne Scenen find dramatifch gebadht,
in der Ausführung aber meiftentheils miöglüdt, was aud von
bem Ganzen gilt. Erhebend find Hutten's legte Worte. Schlimm
genug, daß wir fie auch heute noch wahr nennen muͤſſen!
— — Ich fuͤhl's, es naht die legte Stunde,
Ich bin ohnmädtig, und es ſtirbt ber Geiſt
Dem Körper nach! —
Du Alpenglähn der Freihelt!
Bann ſchlingſt du deiner Rofen Kranz
In unverweitiih ew'ger Glorie
Dem Genius bed deutfhen Bolks ums Haupt?
Wie lange Iohat die ed’ien Kämpfer noch
Einfamer Job und Bann und Schmach und Ketten?
Zus noch nicht Beit, o Schidfait Hat das Grunhern
Su früh von feinen hohen, lichten Triften.
Ind bumpfe Thal ben neuen Tag verkündet?
BaR ſcheint es fo; doch wir, die wird geahnt,
Und vorgsfühlt im beißen Drang ber Bruft,
Was einfiend kommen mirb und kommen muß,
Wir athemloſe Voten einer ſchoͤnern Kukunſt,
Bir finken nicht vergebens in das Grab. — —
Des Wortes Flocke, bie wir aufgeläbert,
Wird zur Lawine, und fie flurst wit Donnern
Dinab auf bie BiwingsUris der Tyrannen.
9. Fauſt. Ein dramatifches Gedicht von C. St. Ezilsky.
Dalle, Heynemann. 1843. 8. “en Nor. i ’
Schade, daß Goethe biefen „Fauſt“ nicht noch erlebt Hat!
Er würde zweifelsohne mancherlei ihm Heil⸗ und Foͤrderſames
daraus gelernt haben, als ba fein bürfte: weiſe Benugung der
Pläne Afıberer, was freilich Spötter auch lächerliches Carikiren
fremder Gedanken nennen koͤnnen; ferner die Kunft neuer, kuͤh⸗
ner, nie dagewefener Reime, obwol in dieſem Fa on das
Menfchenmögliche geleiftet worben ift u. ſ. f. Pig A mir,
Hrn. Cailkp's „Fauſt“ anatomiſch zu zerlegen, man wuͤrde ſich
nur dabei langweilen, und Kunft, Poeſie und Äftpetit Eönnten
wirklich nichtE gewinnen. Die Kühnbeit Czilsky ſcher Reime
und Wortfhwingungen verbient aber alle Anerkennung, und um
ihm diefe vor Aller Augen In vollftem Maße zu Theil werben
zu laffen, lege ich folgende Prachtftellen, die ſich Leicht verhun⸗
bertfältigen ließen, einem Eunfllichenben, poetifch gefinnten Pu⸗
blicum vor. Alſo Nr. 1:
Denn in meiner Seel’, der wilden,
Regt fih menfhlih noch ein Binn.
Ma; ber kalte Weltenlenker
Seiner Debpotie fi freun,
Mag der ſchwarze Wefenhenter
Seiner Marterluſt fih weihn.
Nr. 83: Ich ließ die Wilde in bie Berne gleiten,
Weit ſchweiften fie bis an ben bödften Äther;
Ich ſah die Wollen mit ſich krampfhaft ftrelten,
Und lauſchte ber Natur geheimem Seter.
Mr. 3: AG der Glutſtrom aller Sonnenfphären
Zuckt aus Ihrer Lippen lichtem Roſenſchaum, —
Majeſtaͤtiſch ſpruͤhn der Gel’gen Wonnen
Bon der KRönigäfien der Holden himmelauf!
@aähn wie Wiraicanb ner im Gtrmeninf. i
D wolle mich erdräden
Sn deinem Arm
Ne. 42
So liebewarm!
D koͤnnt' mieln Aug' vernicken
An deinen Bilden !
BSicher water feinem Wiägel,
Bie die Welt in Naht gericht
Und zerſchmitzt im Gotteätlegel.
D nein, kein Traum? Go Meß ih ihr ben Speer
Durch ihrer Bruͤſte reichen Silberberge
Bis in dad Ders fie feufzte tief und ſchwer,
Und ſank zuräd, wie jest.
An ihres Buſens hochgewoͤlbtem Nachen,
Der wie ein Deean auf und nieder ſchwellt,
Will ich des Weltgerichtes Dräun verlachen.
Gott erhalte dem armen Fauſt frine fünf Sinne an dieſem Bus
fenocean, Hrn. Gzilsky aber verleihe er gnäbig etwas Ges
ſchmack, bevor diefer kuͤhne Kaufl:Dichter, der und feine Poefien
mit beiden Zäuften ins Geſicht Ichlägt, dem Yublicum noch eins
mal mit feiner unflätigen Muſe einen Beſuch abflattet.
(Der Beschluß folgt.)
Ne. 7:
Bibliographie. |
Aſchenbrenner, M., Über die nothwendige Loͤfung des
Widerſtreites des particulariſtiſchen Kirchenglaubens mit ber vom
Staate zugeficherten GBlaubensfreipeit und mit der im deutfchen
Bunde garantierten Gleichheit der Rechte ber chriſtlichen Gonfefr
fionen. Mit kritiſchen Reflerionen über ben angeblichen Wider:
ftreit des Chriſtenthums age die moderne Philofophle. Darm⸗
ſtadt, Lese. Er. 8. Nor.
Bibliothek der neuern Geſchichte. Sammlung der vorzüg«
Uchften -Befchichtöfchreiber vom Anfange des 16. Jahrhunderts
bis auf bie Gegenwart. In Verbindung mit mehren Geſchichts⸗
‚foeihen und Gefchichtöfreunden herausgegeben von P. H. Kuͤlb.
fter Theil: Francesco Guicciardini's Geſchichte Italiens. Aus
den Italieniſchen von E. Sander. Ifter Band. Iftes
und Res Heft. Darmftadt, Reste. Gr. 8. A Heft 15 Nur. .
Das lebende Bildnis. Luftfpiel in drei Aufzügen. Nach
dem Branzdfifchen bearbeitet duch 2. V. G. Karlsruge, Mack⸗
tot. Gr. 8. Nor. '
Britannia. Eine Auswahl englifcher Dichtungen alter un
neuer Zeit. Ins Deutfche überfegt von Louife v. Ploens
nies. Mit beigebrucktem Originaltert. Frankfurt a. M., Schmeri
ber. Gr. 12. 2 hie. 5 Near.
Doctor Robin. Luſtſpiel in einem Aufzuge. Nach dem
Beanpfigen bearbeitet dburh 2. V. G. Karisruhe, Madtot;
r. 8.
gr.
Eyth E., Gedichte. Stuttgart, Belfer. 8. 1Thir.
Baber, G., Politifche Predigten gehalten im Jahre 1843
auf verfdhiebenen Dee der Hauptſtadt *** eipzig, Engels
bir.
mann. Gr. 8.
öte verbeſſerte und
*
Gebauer, A., Chriſtliche Gedichte.
vermehrte Auflage. Mannheim, Loͤffler. 8. 22%, Nor.
Die Gerichtsordnung für das Oberappellationsgericht ber
vier freien Städte Deutſchlande, nebft den darauf bezüglichen
Beleten der eingelnen Städte und ben allgemeinen Verfügungen |.
es
. Desaußgegeben unb erläutert von F. Blume.
Damburg, 8. Perthes. Gr. 8. |
Gelee über. bie Berfoffung und Verwaltung der Gemein;
den, unb Gefeg ‚Aber bie Rechte ‚ber Gemeinbebürger und bie
Erwerbung bes VBuͤrgerrechts. Amtliche Ausgabe. Karlsruhe,
Macklot. Er. 8, 7N4 Ror.
Bournerie, 8. de la, Das chriſtliche Rom, ober hiftos
Und es lebe, was ba if, ‘
ri Gemätde chriſkuichen — und Denkmaͤler Roms.
—* von 3 Mälter. Iſter d. Feanſurt a. M.
Andreaͤ. Gr. 1 hlr.
Grofmann, 6. ©. L., be zur Weihe ber Schweden⸗
fahne, die 3 ein Koͤnigliches k der Bäder
fanung zu Beipgig Buftan II. Aboif 3631 Huibreich verchrt und
Kart XIV. Johann 1842 gnäbig erneuert. Nebſt einer Abbil
bang bee Schwedenfahne in 4. einzig, Schreck. Ge. 8.
Hagemeifter, 3. v., Des Rohrzuckers Erzeugung, Ber
brauch und Verhältnis zum Htäbenzuder. Gin flaatswirtbfchafts
licher Verſuch. Berlin, Dunder und Humblot. Lex.. 22%, Nor,
Hammer-Purgstall, Geschichte der Ilchane, das
ist der Mongolen in Persien. Mit neun Beilagen und
1 ammtafeln. ter Band. Darmstadt, Leske. Gr. 8,
r.
Heſekiel, G., Süpouetten von Berlin und ber Umgegend.
Berlin, Athendum. 8 .
iche Gebicht gr Auflage. Zwei
Knapp, %., Ghriftt e.
Bände. Baſel, Neukirch. 8. 1 hir. 10 |
Kruse, F., Necrolivonica, oder Altertkümer Liv-,
Esth- und Curlands bis zur Einführung der christlichen
Religion in den Kaiserlich Russischen Ostsee-Gouvernements,
zusammengestellt und historisch erläutert in einem unter-
thänigsten Generalberichte über seine auf Allerböchsten Be-
fehl im J. 1839 ausgeführte archäologische Untersuchungs-
reise nebst mehren wissenschaftlichen Excursen uud vielen
Lithographie und Alterthümern, Plänen und Karten. Dor-
pat 1842. Fol. 10 Thir.
Lambrusckhint, A., Polemifdhe Differtation über die uns
befleckte Empfaͤngniß Mariaͤ. Aus dem Italleniſchen überfegt
von M. Zuͤrcher. Schaffhauſen, Hurter. Gr. 12. 7%, Ror.
Sicht und Schatten aus einem Dichterieben. Berlin, Athes
ndum. 8.36%, Nur.
Lindenburg, A. @ v., Leyerklaͤnge aus Tirol. Stutt⸗
gart, Ebner und Eeubert. 8. 1 Ale.
Löwe, B., Bebihte. Stuttgart, Franckh. 8. 1Xhtr. 6 Nar.
"Maria Schweidler, Die Bernfteinhere. Der interef-
fantefte aller bisher bekannten Oexenproceſſe, nach einer defec⸗
ten Handſchrift ihres Waters, des Pfarrers Abraham Schweid⸗
ter in Coſerow auf Ufebom herausgegeben von W. Meinhold.
Berlin, Dunder und Humblot. 8. 1 Thlr. 15 Ngr.
Martialis, Marcus Valerius, als Menfh und Dichter.
Nebft Andeutungen zur Kenntniß einiger von den Spigrammen
deffelben vorhandenen Überfegungen in beutfcher und franzoͤſiſcher
Sprache. Berlin, Ende. 8. Nor.
Meifterwerke dramatiſcher Poeſie. Herausgegeben und mit
äfthetifchen Abhandlungen ausgeftattet von DO. Marbach. Iftes
Bändchen: König Didipus von Sophokles. Bearbeitet und er:
läutert von D. Marbach. Reipzig, Kranke. Kt. 8. 15 Ngr.
Die Memoiren des Gatand. Lnftfpiel in drei Xufzügen.
Nach dem Boangöftfihen bearbeitet vom 2. B. G. - Karlörube,
Madiot. 1842. Gr. 8. 124, Nor.
Menzel's, W., Sefchichte der Deutichen bis auf bie
neueften Tage. Ate sumgearbeitete Ausgabe in einem Manbe.
In zwei Abtheilungen. Stuttgart, Gotta. Lex⸗Form. 9 Thir.
Schmidt, X., Beleuchtung ber neuen Schelling'ſchen Lehre
von Seiten ber Philofophie und Theologie. Nebft Darftelung
und Kritik der früheren Schelling’fdgen Philoſophie, und einer
Apologie der Metaphyſik, insbefondere der Hegel'ſchen gegen
Sarling und Zrenbeienburg. Berlin, Athenaͤum. Gr. 8. 1 il.
3 re.
Struͤmpell, Die Paͤdagogik der Phklofophen Kant, Fichte,
Herbart. Gin Überbiid. - Braunſchweig, Lelbrock. Gr. 8.
1 Thir. 7% Nor.
Wachsmuth. W., Hellenische Alterthumskunde. Ste
‚Auflage. Itses Heft. Halle, Schwetschke und Sohn. Gr. 8,
15 Neger. .
Verantwortlicher Herausgeber: Heinrih Brokhaus. — Drud und Verlag von J. U. Broddaus in Beipzis.
Blätter
- | fir
literarifde Unterhaltung.
Sreitag,
Die deamatifche Literatur der Deutfchen im
Jahr 1842.
Erſter Artktitkel.
( Beſchluß aus Rr. 194.)
10. Atellanen. Dramatiſche Arbeiten von Rapp: Fodias
lis. Smeite Sammlung. Stuttgart, Gotta. 1842. 16,
1 Thle. 15 Nor.
Den Anfang diefer Sammlung macht eine fünfactige Tra⸗
göbie „Buflan Abolf‘‘, die viel Gelungenes enthält; vornehm⸗
“ iſt lobend zu erwaͤhnen, daß der Verf. ein nicht uͤbles Bild
dem wuſten Leben und Treiben ber entarteten Soldateska
jener — Zeit entworfen bat. Überhaupt find die Volks—⸗
fcenen bie beuveitem beften Partien bed Dramas, wo aber ber
Bere und mit ihm bie gäng und gebe noble Redeweiſe eintritt,
er gewoͤhnlich, ſelbſt Charakteriſtik ber Perſonen bilft hier
nicht Immer auf. Wie viele vor ihm, fellt er ben Herzog von
Sauenburg als muthmaßlichen Mörber Guſtav Adolf's auf. lim
de liebe Zeit kuͤmmert Hr. Rapp» Zovialis wenig. Chris
Kine, Abolfs Tochter, tritt ſchon vor ber Schlacht bei Küken
als erwachfene Sungfrau und hoͤchſt Eühne Neiterin auf. Anas
anberer Art kommen fpäter noch häufig vor, eine
Freiheit, Die ex ſich zugleich mit der wunderlichen Orthographie,
beren ex ſich befleißigt, herausnimmt. Etwas gar zu überflüffig
finde ich Vie legzte Dlung des Priefters, die an bem flerbenden
Yappenheim vollzogen wird. Der Verf. hat einige Goldaten«
lieber eingeflodgten,, bie ben Kriegswirrwar recht gut vergegens
Gins bavon heißt :
Herr Weimar ift ein ſtarker Held,
Er liegt im Wett und wir im Welb,
Wir theilen uns, wie's Gott gefällt,
Er ſtiehlt und die Ehre, wie ibm’d Selb.
Lig’ er im Heu und ih Im Belt,
&o wären die Sachen baß beſtellt.
Das ift die Lumperei der Welt,
Ein Wunder, wies no sufammenpält.
Das Lufifpiel „Des Kaifers Zorn‘ ift unbebeutend. Der alts
deutſche Humor, ber fih berin breit maden will, bat weber
Saft noch Kraft. Der zünmende Kaifer it Karl V., ben cin
R — lutheriſch Geſinnte ihm Argeriich⸗
Dinge ſagen, aufbringt. Die Verſoͤhnung laͤßt jedoch nicht
lange auf fi) warten. Ganz unbegreiflich bleibt es mir, wie
ed einem geſcheiten Mann einfallen Tann, Goethes „Sgmont‘
ne Goethe —— bearbeiten. Soll die hier gebotene
Bearbeitung eine Berbeſſerung fein ober eine bloße Cinri
iz die Bhaen? Ich weiß es nit! Nur fo wie kbe jr ein,
baf die angebradgten Binfchieblet hoͤchſt uͤberfluͤſſig d ie fallen,
weife —— GBoethe’fcher Proſa kein Meiſt
en verlorene Wäpe ift.
4:
He
f
11. g )n ſeu⸗ und Rauſikaa. Trauerſpiel in fünf Aufzuͤgen vom
Goethe. Sin Groänzun soecfuh von ‚Deinzit —X
Duͤſſeldorf, Boͤtticher. 117
Bon Ausführung der Din N En Hin ig kein
Freund, am wenigften dann, wenn der binterlaffene Plan einem
Geiſte erſter Groͤße den Urfprung verbanlte. Wan bennt bis
Ausführung von Dramen nach Schilier’fchem Entwurfe, die, ob⸗
fon mit vielem Weiße bearbeitet und fogar unter bie Supple⸗
mentbände von —— Werten aufgenommen , doch —
weiter nichts beweiſen als das Muͤhen einer ſchwaͤchern Kr
es bem unerreichbar Großen in nachahmender, — *
Gebanken⸗ und Formbildung gleich zu thun. While gewagt muß
nun ein foldyes Unternehmen erſt bei Goette erſcheinen, deſſen
antite Ruhe und Durdbringung jeglichen &toffe weit fgwerer,
wenn überhaupt je, nachzubiiden iſt, als bie an Klang und
Schall fih nur zu fehr bindende und mit ihnen tiebäugelnbe
Diction Schiller’s! Indeß ift fchon ein ſoichet Wagniß aller
Beachtung werth, und ſo ging ich denn mit vielem —
obwol mit mancherlei Befuͤrchtungen an bie Lecture dieſes Er
gangungeverfuche, das rüdgelaffene Fragment bes ——*X
ntwurfs vor mir. Ich freue mich, geſtehen zu koͤnnen, daß
ich mich getäufcht habe, daß ich von ber bier gegebenen Auss
führung überrafcht worden bin. Wem Goethe's urfprüngliches
Fragment nicht geläufig if, wer überhaupt nicht eines bis
in die — Falten Goethe'fchen Denbens eingedrungenen
Vertrautheit mit biefem Heros deutſcher Poeſie ſich ruͤhmen
kann, der moͤchte, wuͤrde ihm die hier vorliegende Ergaͤnzung
als hinierlaffene⸗ Werk des großen Dichters geboten, Ir Leicht
getäufcht werben koͤnnen. Angeſtrengtes Aufmerken läßt aller
dings die frembe Bildungskraft erfennen, aber fie if eo leife
verwifcht, fo überaus kuͤnſtlich verſteckt, daß es an vielen Stel⸗
ten ſehr ſchwer fällt, fie nicht Goethe zuſchreiben zu follen.
Dies zeugt von einem feltenen Nachahmungstalente, das unters
ſtuͤzt und in vorliegendem alle gefleigert wird durch gründliche
Bildung und Bertrautheit des Nachahmenden mit griechiſchem
Geiſt, griechiſcher Sitte, griechiſcher Dichtungeweiſe. Und fo
macht die Tragoͤdie einen durchaus angenehmen Eindruck, wie
alles wahrhaft Schoͤne und Erhabene. Nach den widerwaͤrtigen
Aufregungen, bie immer Folge ber Anſchauung ſelbſt beſſerer
Dramen der Neuzeit find, iſt es wohlthuend und erquidenb, ſich
genießenb auszuruben unter bem Schirmdach antiker Einfachheit.
Es ift etwas Großes um bie Klare, vollendete Plaſtik der Alten
und mag bie moderne Geſittung, ber ſich wanbelnbe Gelmad
von heute noch fo Biel En bee Einfachheit und Ruhe eifern,
ihre überwältigende Dad auf ben Gebildeten wird fie nun und
nimmer brechen können. Vichoff bat ben von Goethe angebeus
teten Entwurf giemlih * als Bafis feines Ausbauẽ bei⸗
behalten. Rach biefem kommt Obyſſeus, vom Sturm verfchlas
en, zum Könige ber Phaͤaken, in geriumpter Kleidung. Nau⸗
a, des e Rönige Tochter, erblicht bem Brrmbling seh am
blichender Mann
ir hand, wie ein fo
in fo —— ice einherſchreiten Eaun. Dbnfliens ſoricht
fe an, Nauſikaa fendet iym neue Gewaͤnder, mit denen anges
than der Held, jet von Athene verflärt und verjängt, wieder
vor Raufilaa tritt, die, von fo viel Majeftät überwältigt, durch
Wort und Bid Odyſſeus verräth, daß fie ihn liebt. Odyſſeus
kommt nun in den Palaſt, erzähit Alkinoos feine Abenteuer, wirb
aber von ben Pärften, die um Nauſtkaa freien, für einem Luͤg⸗
ner gehalten. Ihr Höhnifches Wetragen bricht offen los bei aus
gefagtem Kampfipiel. Odyſſeus, dadurch gekraͤnkt, fodert alle
Färften zum Wettlampf heraus und wirft bie fchwerfte Scheibe
weit über das geftedite Ziel. Die Höhnenven verflummen, Raus
ſikaa's Geſchick aber ift damit entfchieden. Alkinoos bringt in
den Frembling und begehrt, feinen Namen zu erfahren. Odyſ⸗
feus nennt fih. Da es nun befannt wirb, daß er vermaͤhlt ift
und Raufllaa keinem der Freier ihre Hand reichen will, befchließt
fie, zu flerben und ftürzt fih vom Felſen herab ins Meer. Ge:
ſchagt von Alkinoos und Pallas Athene verläßt Obyffeus unans
getaftet, aber in tiefe Trauer verfenkt, die Infel der Phaͤaken.
Ein günftiged Urtheil verlangt ebenfo wohl wie ein hartes
Belege, und fo gebe ich nachſtehend einige Proben, bie gewiß
dazu beitragen werben, für das ne empfängliche Gemuͤther
ur diefen heitern Dichtungsverſuch aufmerkſam zu machen.
Dpyffeus begehrt von Nauſikaa zu erfahren, woran er ben Pa⸗
laſt ihres Vaters erkennen könne? Darauf Nauſikaa:
— Gr if durch Glanz und Groͤße leicht
Grlennbar. Silbern ſtrahlt dad Doppelthor,
Bon Erz erglänzt die Mauer, um und um
Mit blauem Stahl gefimf; am Eingang ſtehn
Wachſame goldne Rüden, von der Hand
Des Feuergottes anmuthvoll gebllbet.
Doch haſt du nun den vielgeſchmuͤckten Saal
Erreiät, wo mit den Zürften der Phaͤaken .
Alttnoos, glei einem Gott, fih freut,
Dann wende dich zunähf an meine Mutter,
Arete, die beim Glanz bed Fenerheerded,
An hoher Säule angelehnt, ben feinen
Meerpurpurfarb’gen Baden kunſtvoll fpinnt.
Ganz in würbiger Haltung der Alten brauft Odyſſeus im Zorne
auf bei dem Zweifel der Kürften an feiner edein ‚Herkunft:
— — Beim Beust! IH will
Die zeigen, daß ich nicht, wie bu geſchwatzt,
Ein Krämer bin! Kommt an! In jeder Art
Des Kampfes ſteh' ich euch, ſei's in dem Ringen,
Sei's in dem Fauflkampf, in dem Wurffpießfchleubern,
Sei's in ber Kunſt, des Bogens Kraft zu ſparen,
Und ſcharf zu richten nach entferntem Siel.
Ya, ſelbſt in Sprung und Wettlauf wag' ich's aoch
Mit euch, ob Hunger auch und grimm'ge Meerflut
Graunvoll verwuͤſtet meiner Glieder Staͤrke.
Richt minder einfach ruͤhrend iſt bie Erzaͤhuung Curymeduſa's
von Rauſikaa's Tode;
Jabeß ich, ſchreckergriffen, mit dem Ruf:
Unſel'ge, was beginnſt du ? mich erhebe,
Sreögt fie — entſetlich anzuſchaun — ein Sprung
Den Rand hinüber weg aus meinen Blicken.
Mit Jugendſchnelle ſtuͤrmt mein ſchwacher Buß
Hinauf zum Abbang, da erbildt’ ih fie —
D nimmer wird vor meinem Aug’ bied Bilb
Berloͤſchen? unten tief erblid® ich fie,
Im Wellengrab, noch von ber Flut getragen,
Auf duͤſtrer Woge lag der fihnee'ge Arm,
Das bleiche, ſchoͤne Haupt, fanft wie im Schlummer.
Sie flug no einmal ihr gefhloffen Auge
Empor, und blidte, wie erflaunt, baß fie
Noch lebe, Yımmelmärtd, gewahrte mid
Und wintte mir ein Lebewohl — ein letztes;
Denn braufend wälste fi ein Waſſerhuͤgel
Heran und überbedite fie.
Auch ein Lieb ballfpielender Jungfrauen iſt nach Form und Ins
Hatt im Sinne der Alten und barf ats wohlgelungen bezeichnet
erden. Rur die erfie Strophe möge zum Gchluffe noch hler
Auf, ihr biäbenden Jungfraun!
Sählingt den froͤhlichen Heigentenz !
Fliege ber zierli geſchwungene Ball
Klug gezielt und burtig erfaßt !
Und zu der Tritte geregeltem Schall \
Toͤne der Bither melodiſcher Klang,
Zöne das herzerquickende Lieb !
Eine heitere Stunde pflegt man durch teübe Eindrüde
nicht gern zu unterbrechen. Deshalb fei mit diefer Gabe
eines Haren, durchgebildeten Geiftes der erfte Artikel über
diesjährige dramatifche Probucte geſchloſſen.“) 09,
Der zroeite Puniſche Krieg und der Kriegsplan der Karthager.
Eine Hiftorifch: politifche Vorarbeit zu einer Geſchichte
des zweiten Punifchen Kriegs von Ludwig Freiherrn v.
Binde Berlin, Beffer. 1841. Gr. 8. 1 Chir. 15 Nor.
Leider ſchlimm genug. aber wahr iſt es, ba man in un-
fern Zagen ſich freuen muß, wenn ein Gelehrter bie noch vor
wenigen Jahrzehnden unbeftrittene Größe eines alten "Schrift:
flellere anerkennt. Der Freih. vo. Binde hat Ref. biefe Freude
gemacht. Durchaus belegt das Buch bes Verf. einſichtevollen
Nefpect für Polybius, ben ein anderer Schriftſteller — wer
den Namen zu erfahren für der Mühe werth daͤlt, kann ihn
ſchwarz auf weiß ©. 56 n. 2 abgebrudt Iefen — einen echte
Selhicte zu ſchreiben unfähigen Sophiften nennt, deſſen Prag
matik er wuͤnſcht in Schulen der Polptechnit und Inbuftie wer
wiefen zu feben. Nicht minder erfreulich war es Mef., daß
Hr. von Binde glei in ben erften Beilen bes Buchs mit ge
bührendem Anertenntniffe den Ramen Heeren's ausfpricht, über
den herzuziehen hin und wieder ber neueften Zeit als das erftt
Probeſtuͤck hiſtoriſcher Tuͤchtigkeit zu gelten fcheint. Hiermit
waͤre im Allgemeinen ausgeſprochen und zugleich belegt, daß ein
Lefer, welcher Ref. altvaͤteriſch zu werden drohende Anfichten
thellt, die vorliegende Schrift nicht anders ala mit Achtung und
Woblwollen für den Hrn. Verf. wird leſen koͤnnen. Der ange
nehmen Obliegenheit, diefelbe Öffentlich zu befprechen, glaubt Ref.
nicht beſſer genägen zu Tönnen, als indem er vor allen Dingen
den fubjectiven Standpunkt bezeichnet, von bem aus fi und
Andern er im Stande iſt, von bem Gindrude Rechenſchaft zu
geben, den die Eecture der Schrift auf ihn gemacht hat. Ref.
iſt nit Militaie und mit keinem dem Militaie als ſolchem noͤ⸗
thigen Wiffen ausgeſtattet. Eben um beswillen aber glaubt er
an feinen Beruf, ale Repräfentant desjenigen Yublicums zu
ſprechen, das bee Hr. Berf. im Xuge hatte, welcher, indem er
TI, n. 2, die Begriffe Strategie und Taktik, Operations
object und Dperationsfubiect ‚ Sommunicationslinie und Operas
tionsbafis erläutert, deutlich zu erfennen gibt, daß fein Merk
für das größere und nicht blos für das militairifche Publicum
ſoll gefchrieben fein. Die Sache felbft anlangend, ſcheint es
zweckdienlich, die Anfichten darzulegen, welche Ref. zu der Lec⸗
ture bereits mitbrachte, und fobann über die Berichtigung unb
Vervollftändigung zu fpredden, die in jenen Anſichten burdy
vorliegende Schrift möchte entflanden fein.
Wer ein befonderes Intereffe dem zweiten PYunifchen Kriege
um deswillen beilegt, weil bie durch und durch von roͤmiſchen
Elementen durchdrungene Bilbung ber mobernen Zeit eine durch⸗
aus andere wäre, wenn Karthago geflegt und Rome welthiſto⸗
riſchen Einfluß im Keim zerftört Hätte und weil, worauf wir
weiter unten zurüdtommen werben, «ben in biefem Kriege Rom
durch eine Art von Wunder dem Untergange entzogen blieb, muß
ber Kichtigkeit beider Bemerkungen ungeadgtet body auch zuge:
°) Der zweite Artikel folgt im Monat September. D. Reb.
ven, dab man dab Mänstiche von gar wieken Momenten ber roͤ⸗
i te ſagen kamm. BVielmehr beruht, was unſere
Aufwmertiamtrit fo maͤchtig feffeit, zunaͤchſt auf der Bröße des
Schauplatzes immenſer Kraftentwickeiungen, von denen wir als
einziges Beiſpiel hier nur ben Umſtand anführen, daß keint
engliſche Imbartation je ſolche ungeheure Truppenmaſſen auf
einmal über das Meer geſeht hat und auch uͤberzuſeten ſchwer⸗
lich vermocht haͤtte, als Rom und Karthago in jenem denkwuͤr⸗
digſten Kriege, mehe aber noch auf der hohen moraliſchen Kraft
und der gigantesten Charaktergroͤße, bie in eben biefem Kriege
ia immer wedhfelnder Entſcheidung das gegenfeitige Können und
Bermögen erprobten. Was begreifen wir, was iſt uns Kar,
nachdem wir bie altberübmten, jene Greigniffe und Perfonen
ſchiidernden Geſchichtswerke gelefen haben? Folgendes:
Kom mußte in Italien beſiegt werben. Denn kein auch
noch fo vollſtaͤndiger Sieg in Spanien oder Sicilien brach bie
der roͤmiſchen Herrſchaft inwohnende einheimifche Energie. Das
gegen minderte jeder in Italien erfochtene Sieg nidyt nur Rome
Hütfsmittel,, fondern verftärkte die Macht Karthagos, dem alds
dann mit Roms Suprematie miszufriebene italtenifche Staͤdte
und WBötkerfchaften fi zuwenden mußten. Ob, wenn Rome
Herrſchaft über Italien vernichtet war, alsdann die Stadt
ſeibſt fit, das war politifch genommen eine unwefentlidye Frage,
Die des Siegers Maͤßigung oder Rachedurſt beliebig entſcheiden
mochte. Jedoch iſt aber auch andererfeits gewiß, Roms italies
niſche Außenmacht zu bewältigen war entbehrlich, ja verkehrt,
fobald men bie &tadt felbft vernichten Eonnte. Mußte nun
alfo Karthago ein zu bem Kriege mit Rom angemeflen großes
Heer nady Italien verfegen, fo waren dazu nur zwei Wege gegeben.
Der zur Gere war der Pürzefte und an fich fehr wohl prafticas
bei; denn hinreichende Transportmittel flanden ben Karthagern
zu Gebote. Jedoch mit einer römifchen Flotte auf dem Mittels
meere zufammenftoßend konnte die Expedition zu nichte gemacht
werben, denn bereits ber erſte Punifche Krieg hatte bie Römer
gelehrt, mindeftens gleiche Macht und Tüchtigkeit ber kartha⸗
giſchen auch zur See entgegenzuftellen, und war biefe Er:
pebition verloren, dann war eẽ hoͤchſt wahrſcheinlich auch alle
und jede Ausficht auf eine legte günftige Entfcheidung des Kriegs.
Sodann führte der Seeweg zwar am kuͤrzeſten und fchnellften
nach Italien, nicht aber auch zunaͤchſt in Mitten jener Voͤlker⸗
flämme, deren Übertritt auf ber Karthager Geite am ſicher⸗
ſten voxauäzufegen war und, wenn er erfolgte, ihnen bie gegen
Bkom erbittextfien und tapferfien Bundesgenoffen zuführte. Der
oon Spanien aus über die Alpen gegebene Längfte Weg war
ungleich ſicherer. Daß das Unternehmen auf diefem Wege ger
lingen mußte, weil die Römer nicht an deſſen Möglichkeit dach⸗
ten, bat ber Erfolg bewiefen, und die Alpen überftiegen bes
fand man fi in dem cisalpinifchen, erwünjchte Bundesgenoſſen⸗
fcyaft verfprecdenden Gallien. Diefe Anfichten hat der keines
militairifhen Scharfblickes, ja nicht mit den geringflen militais
riſchen Kenntuiffen begabte ef. fich gebildet, als er zum erſten
Male den Lioius und Polyblus las. Daher iſt er der Mei
nung, das Alles Liege fo ziemlich auf flacher Dand, und mehr
als er brauche von Workenntniffen Niemand zu jenen Schrift
ſtellern mitzubringen, um ſich eine im Weſentlichen ber bes
Ref beiftimmende Überzeugung zu bilden. Demnach ficlt ex
dem lrtheile bes Lefers anheim, ob eine fonderliche neue An:
ſicht vor und aufgethan wird, wenn ber Dr. Verf. den Inder
griff des karthagifchen Kriegäplanes S. 117-1379 in folgen
ven Worten zufammenfaßt: „Der neue Kampf wider Rom
follte Diesmal von der Landmacht begonnen, und burdy fie auch
der Hauptſache nach geführt und entichieden werben. Gin kar⸗
thagiſch⸗ſpaniſches Heer follte von Spanien aus zu Lande durch
Gallien und über die Alpen in das cisalpinifche Gallien einfats
ven; von bier aus durch wiederholte, ben Römern beizubrin«
gende Niederlagen nicht allein ben Weg nach Unteritatien fi
bahnen , fonbern auch dadurch, fowie durch die gegen bie roͤmi⸗
ſchen Bundesgenoffen zu verfolgende Politik, diefe legtern theils
zum offenen Abfalle von Atom, theild wenigſtens zu feindfeligen
Geftunungen wider daſſeibe verleiten, und fo In unteritalien
ſich mititaiciſch feftfegen. Bugleich ſollten durch Die Siege bier
ſes Heeres ſowol die, auf Rum laͤngſt eifexfächtigen und deurch
feine wachſende Macht erſchreckten, benachbarten Staaten, wie
Macebonien und Syrakus, zum Kriege wider Kom, als auch
die, früher Karthago unterworfenen und ihm theilweife nodp
ergebenen Infels Gicitien und Sardinien sum Abfalle von Rom
bewogen werben. Wäre auf biefe Weile Rom ringsum von
Beinden umgeben unb materiell und moraliſch auf das tieffte ex»
fehkttert, dann follte ein zweites karthagiſch⸗ fpanifches Beer
aus demſelben Sande und auf bemfeiben Wege in Rorbitalien
einfallen und in Wereinigung mit dem bereits in Gäbitalien
ſtehenden Roms Madıt gänzlich vernichten. Die karthagiſche
Seemacht ſollte ſich lediglich auf Unterflügung dee Operationen
der Landmacht befchränten. Cie follte zur Behauptung ber
Herrſchaft über bie Baleariſchen Inſeln und das Meer an der
Suͤd⸗ und Oſtkuͤſte Spaniens, im Übrigen aber, mit Vermei⸗
dung aller größern Seetreffen, nur zum Beinen Seekriege und
dagu benupt werden, bie nothwendigen Gommunicationen mit
dev Landmacht zu unterhalten, ſowie nach Sichien, Garbinien
und Statien ſelbſt diejenigen Verſtaͤrkungen an Truppen, Bors
räthen und Geld hinüberzuführen,, deren man dort für militaie
riſche Zwecke etwa bedürfen würbe, deren möglicher Veriuſt auf
dem Meere aber für den Ausgang bes Kriegs felbft und im
Ganzen von keiner entfcheibenden Wichtigkeit fein konnte.”
Was wir hier leſen, das ift nach den vorausgefchickten Bes
merkungen weder in bes Witttaire noch in des Laien Augen
ein frappant neues Reſultat. Somit können wir aber auch
keinen ſehr ausgezeichneten Werth auf die Forſchungen, durch
bie dies Refultat iſt gewonnen worden, und auf bie Methode in
Darftellung beffelben legen.
‚Seht zu Dem, was Ref. unbegreiftich in ber Geſchichte des
weiten Punifchen Kriege iſt. Wie war es möglich, daß bie in
tatten fetbft fo hart von Hannibal bebrängten Römer fi ents
Schließen konnten und immerfort bie Mittel dazu hatten, auf
mehrfachen Punkten außerhatb Italien den Krieg mit großen
Streitkräften zu führen? Daß Ref. das vorliegende Werk hier
über keinen Auffchiuß gibt, dies bärfte ber Hr Verf. wol nur
unausreichend damit entfchuldigen Fönnen, daß er den Feldzug, "
fogufagen von dem Farthagiihen Standpunkte aus betradye
tet hat. unbegreiflich iſt ferner auch Ref., was bisher den
Hiftorilern und Militairs entweder ſchlechthin unbegreiftich ges
weien, ober, wenn fie es begreifiih machen wollten, von
ihnen überaus ſchlecht erklärt werben ift, warum naͤmlich Dans
nibal auf dem Gchlachtfeide von Cannaͤ des Maharbal Rath
verwarf, unmittelbar auf Rom zu marſchiren? Denn ben obens
bemerften Kriegsplan dann noch zu verfolgen, als es möglich
war, Rom ſelbſt unmittelbar zu vernidhten, erſcheint als
bethoͤrt hartnädiges Feſthalten an vorgefaßten Entwürfen.
Welcher Verftändige möchte ben weitern Weg alsdann noch
verfolgen, wenn in Berfolgung bdeffelben ihm die @ewißheit ents
gegentritt, das nämliche Ziel auf kuͤrzerm und barum noch ſiche⸗
rerm Wege erlangen zu können? Daß der unmittelbare Marich
auf Rom biefer kuͤrzeſte und ficherfte Weg war, bas wirb dem
Ref., der ſich Hierbei auf bie auch von dem Hrn. Verf. S. 353
angeführten Worte Napoleon’s beruft: „BS'il eut marché, six
jours apres il était dans Rome, et Carthage &tait maitresse
du monde ”, fowol der Eriegsfundige als kriegsunkundige Leſer
zugeben, und entbehrlich fcheint es, über diefen Fehler Hannibal’,
der an Wichtigkeit des dadurch verabfäumten Erfolgs vielleicht
alle Fehler übertrifft, bie je von Feldherren find gemacht wor:
den, die Deduction zu wieberholen, durch welche S. 351—357
der Hr. Verf. beoeii, daß jene Berabfdumung, mittich ein Feh⸗
ler war. Merkwuͤrdig iſt e8 aber, wie S. 357—359 der Fehr
fer auch wieder zu keinem Fehler gemacht, vielmehr auf eine
Art pſychologiſcher Nothwendigkeit fol zurädgeführt werben:
„Richt darüber hätte man flreiten und grübeln follen: ob Dans
nibal, als er nach der Schlacht bei Sannd nicht auf Rom rückte,
dadurch einen Fehler beging, ober nicht? Denn die Beantıwors
nad) allgemeinen foot als auch beſen⸗
jagen» ausfallen.
VWol aber Hätte man, und das wollen wir jest, verſuchen fols
len, dis Urfachen, weiche biefen Fehler herbeiführten, zu ermits
tsin, und fo ben letztern zu erklären. Es würde, bünkt mie,
eine Beleibigung gegen bas Andenken bes großen Feldherrn fein,
wollte man jene vorhin erwähnten, in militeirifcher Hinſicht
fo wenig haltbaren, unb ähnliche Gründe als motirende Ge⸗
danken ihm unterlegen. Wo ein Hannibal fehlte, muß ein ties
lexer Grund vorhanden geweien fein. Diefer Grund, ich nehme
keinen Anftand, es offen auszufprechen, war fein anderer, als
fein eigener, an fich fo weile berechneter Kriegsplan.“
„Als fi Hannibal bei Gannd In Schlachterbnung flellte,
tonnte er nad) feinem Kriegsplane nichts weiter bezwecken, al
eimmal: durch einen Gieg in Italien ſich zu behaupten, und fox
dann durch den Abfall von Unteritalien feine mititairifche Feſt⸗
fegung in biefem legtern Lande endlich zu Stande zu bringen.
Eine Beendigung bed ganzen Kriegs bagegen durch die zu lie
feende Schlacht und die Groberung von Rom mußten damals
Kangtich außerhalb feines Geſichtskreiſes Liegen, da beide erſt
durch die Ankunft feines Bruders mit dem fpanifchen Heere
( führt werben folten. Dur das, auch bie kuͤhnſten
Hoffnungen weit übertreffende Refultat diefer Schlacht ward
Hannibal nun auf einmal unb wiber alle feine frübern Berech⸗
nungen in die Lage verfeht, daß er, was er erft im Bereine
mit feinem Bruder auszuführen gedacht hatte, jest allein, wenn
er es nur wollte und ben günfligen Augenblick raſch benugte,
ausführen fonnte und mußte.”
„Aber Ideen und Plane, weldye man Jahre hindurch ges
egt, verfolgt und bis zu unumftößlichen Grunbfägen ausgebil-
et bat, gibt gerade ber ungewöhnliche Menfch ſchwer, auf ber
Stelle faſt nie auf. Zudem Isbt in Demjenigen, welcher, im
Bewußtfein feiner Größe, es fühlt, daß fein Geiſt den Ereig⸗
niffen die Bahn vorfchreibt und ihren Lauf mit zwingender
‚Gewalt im voraus beitimmt, eine mächtige innere Stimme,
weiche dawider fich firäubt, aud das Guͤnſtigſte mehr oder wes
niger dem Glüde und nicht vielmehr ber weifen Berechnung
verdanken zu müflen; unb weiche zugleich, voll bes Gefuͤhis der
eigenen Überlegenheit, ſich bawiber auflehnt, felbft die heilſam⸗
ften Ideen nicht felbft zu erzeugen, fondern fie von andern,
geiftig niedriger Stehenden zu empfangen.”
„Baht man biefe tiefbegründete pfychologifche Wahrheit ins
Auge, dann wird man es ger wohl begreifen können, wie Dan:
nibat durch den Rath des Maharbal zugleich Üüberrafcht und uns
angenehm berührt werden mußte, und aus beiden Gründen fi
außer Stande befand, die ihm vorgeltragene Idee fogleich zu
foffen und auszuführen. Ihm war, wie Livius, zwar in ben
tiefeen Motiven irrend, fonft aber ganz richtig ſich ausdrüdt,
die Sache zu froh und zu groß, als daß er fie fogleich zu fafs
fen vermodt hätte. Sicherlich würde er (denn was war für
diefen Geift zu fchwer und zu Eühn?) diefe Idee nicht allein
als der Erfte von Allen gefaßt, fonbern fie auch mit Kraft und
Raſchheit ausgeführt haben, wenn er mit bem Plane, allein
und nur duch fein Heer Rom zu vernichten, über die Alpen
geftiegen wäre; und gerabe fein Benehmen auf dem Schlacht:
felde von Cannaͤ ift vielleicht ber flärkfte Beweis für die Nic:
tigkeit der bier entwickelten Anſicht von feinem Kriegsplane.“
Man lefe die Worte fo oft man will, das endliche Reſul⸗
tat bleibt fein anderes, als Bannibal wollte nit auf Für:
zeftem und fücherftem Wege fein Biel erreichen, weil er es als⸗
dann auf einem andern ald dem Wege erreicht hätte, ben er
fih anfänglich vorgefegt hatte; mit andern Worten: Hannibal
war nun einmal eigenfinnia. Des großen Mannes Ehre befler
rettend, als es durch bes Hrn. v. Binde Expoſition gefchieht
und pſychologiſch wahrer und begreiflicdher find die von dieſem
getabelten Worte bes Livius: „NHannibali nimis laeta res est
visa, majorque quam ut cam statim animo capere posset’',
Worte, bie uns mit bem Gefühle durchdringen, daß Roms
Weltherrſchaft über den Sternen von jener Macht befchloffen
Ginne alfo verwirrte unb bienbete, P Kriegäplen
verfolgend, weitern Greigniflen a ec a weiche de
Piterarifche Notizen aus Frankreich.
dr. Gh. Liaditres ift eine der größten Rullitäten, weilche
bie neuere frangöflidhe Literatur aufzuweiſen hat. Dies Yiabert
ipn nicht, bei Hofe eine bedeutende Rolle zu fpielen, in ber
Kammer, wo er gewoͤhnlich nur die Rede nimmt, wenn von
ben Subventionen der Theater gefprochen wird, auf den Bänten
bes Gentrums zu figen und mit Ehren und Schmeicheleien aller
Art überfchüttet zu werden. Leider refpectirt das große Yus
blicum ben Ruhm, ben er ald Dichter bei der hoben Arifkokratie
genießt, nur in einem geringen Maße, und feine langweiligen
Tragoͤdien würden ſchwerlich dem traurigen Schicifate, ausge:
pfiffen zu werben, entgangen fein, wenn nicht bie Societe
d’encouragement, die ehrenwerthe Claque, oder L’armde des
Romains, bem eiteln Dichter für ſchweres Geld wenigftens einen
ephemeren Triumph geſichert hätte. Jetzt kommt er nun mit
einer mächtigen Gefammtausgabe feiner Werke angerüdt, bie
jeden Zweifel an feinem @enie nieberfchlagen fol. Der
heil, mit bem bie Galerie feiner Theaterſtuͤcke eröffnet wich,
enthält die beiden Tragödien „Conradin” und „‚Walstein”,
fprechende Zeugen feines Mangel an Poefie, und feine epiſche
Didtung „Diocletian”, bie an Langweiligkeit feinen übrigen
Schoͤpfungen nicht nachſteht. Wahrſcheinlich wird Hr. Liabitres
fih um einen Sig in der Academie francaise bewerben.
Wir hab ——— Werke.
ir haben einige ungen von dem herrlichen er⸗
werke „L'Irlande au LNième — von 3. An? “
Geſicht befommen, welche die Hoffnungen, die wir bei der erften
Ankuͤndigung biefes Werkes ausfprachen, glänzend erfüllen. Alte
Unternehmungen von Gurmer, dem befannten Berleger ber
„Erangais peints par eux- memes‘, bes „Jardin des plantes“
u. f. w. find aufs prächtigfte ausgeftattet, und ihr Text ver:
dient — was bei folchen Werken fchon feltener ber Fall ik —
eine fo glänzende Ausftattung. Etwa als ein Geitenftüd zu
biefer illuſtrirten Beſchreibung Irlands iſt ein in Heften er
ſcheinendes Wert zu betrachten, das bei Bourdin erfcheinen
wird und in dem wir in bie fchöne Provence eingeführt werben
folen. Der Zitel deſſelben lautet: „La Provence ilustree,
‚ou precis de l’histoire de la Provence depuis l’occupation
romaine jusqu’ä nos jours.“ Sein Umfang tft auf 20 kLiefe⸗
rungen berechnet. Als Verf. des Textes iſt I. Janin, ber
allzeit Fertige, genannt. 2.
Literarifhe Anzeige.
Bei F. A. Brockhaus in Le
unb in an Buchhandlungen zu a 308 iſt nes erſchienen
Die altenburgiſche Landwirthſchaft
in hHrem gegenwärtigen Zuſtande.
Mit beſonderer Beruͤckſichtigung ihrer Nebenzweige und
der agratiſchen Geſetzgebung, dargeſtellt von
iam Esbe.
Gr. 8. Geh. 1 The. 15 Nor.
Diefe auf viel ielle Mittheilu i
gang beſonderes Suter Air —2 Pag —* Bere
fammlung der deutſchen Land⸗ unb Borftwirtpe,
bie dies Jahr in Altenburg flattfinbet, zu befuchen gebenken.
Berantwortlicher Deraubgeber: Deinrig Broddaus. — Drud und Berlag von F. U. Brodhand in Eeipsig.
. TEL
Ip
BIä’tter
für
Sonnabend,
literariſche Unterhaltung.
Die Strauß'ſchen Zerwürfniffe in Zuͤrich von 1839.
Zur Gefchichte des Proteflantismus. Bon Hein:
ri Gelzer. Hamburg, 5. Perthes. 1843. Gr. 8.
1 Ahle. 20 Near.
Erfer Artikel.
Zur Gefchichte des Proteflantiemus”, fagt der Verf.
auf dem Kite. Die Überfcheift des zweiten Buchs (denn
ferne Schrift iſt in drei Bücher getheilt) heißt auch „Die
Proteftation”. In der Gefchichte des Proteſtantismus ift
befanntlich die erſte Proteftation jene zu Speier 1529.
Hier legt uns nun der Derf. die legte vor, die zu Zürich
1839. Zwifchen den beiden Proteflationen iſt indefien ein
ganz kleiner Unterfchied. Die Proteftanten von Speier
verlangten im Namen Gottes „Glaubensfreiheit“, die Pro⸗
teftanten von Züri verlangten in Namen Gottes „keine
Staubensfreiheit”. Die Proteftanten von Speier teatm
für eine Reformation der Kirche auf, die Proteflanten von
Züri gegen eine Reformation der Kirche. Die Prote⸗
fianten von Speier proteflirten gegen die Zumuthung, daß
die Prediger das heilige Evangelium follten und muͤßten
„nach Auslegung der Schriften von der heiligen chrifklichen
Kirche approbirt und angenommen’ predigen und lehren,
aus dene Grunde, weil man eben „nicht einig, was bie
rechte heilige chriſtliche Kirche fei; die Proteftanten von
Zürich proteflieten gegen die Zumuthung, daß man den
Predigern freilaffen folle, das Evangelium auszulegen,
ohne ſich an die von der heiligen cheifllichen Kirche appro⸗
birten und angenommenen Schriften zu binden, und zwar
aus dem Grunde, weil ed verfaffungsmäßig fei, den Lehr:
begriff der evangeliich=reformirten Kirche feflzukalten. Die
Proteſtanten von Speier fochten für einen Lehrbegriff, den
fie neu aufſtellten und wirklich durchfegen wollten; die Pro:
teftanten von Zürich für denfelben nunmehr alten Lehrbe⸗
griff, den aber ihre Führer ſelbſt bekannten, heutzutage
nidye mehr unbedingt fefihalten und durchſetzen zu koͤnnen.
Und fo fort ins Unendliche. Es ift der Lauf der Dinge
diefer Welt: es geht fo lange bergauf, bis es wieder bergab
geht, und bergab geht ed allerdings ſchneller und leichter.
Alſo die zuͤricher Knuͤttelrevolution von 1839 ein Beis
trag zur Geſchichte des Proteflantismus. Und zwar ein
Beitrag von unermeßliher Wichtigkeit, wenn man deh
Berf. hört. Und nicht ihn allein; er läßt auch Andere,
z. B. Lüde, für fi reden. „Im Dintergrunde..de6
Schlachtfeldes“, fagt der, „fiehbt man beutfich genug dem
Anfang jenes univerfelleen Kampfes, in welchem fih Kies
he und MWiflenfhaft gegenfeitig meſſen und beide mit
der legten Frage aufeinander losgehen“ u. f. w. In der
That ein fchöner Anfang des univerfelln Kampfes zwi⸗
fchen Wiftenfchaft und. Kirche, ein ſchoͤner Anfang, me
die Wiſſenſchaft mit regierungsräthlichen Erlaſſen und bie
Kiche mit Stugen und Morgenfernen aufeinanbee
losgehen! Gewiß, ein glüdtich gewählter Ausdruck! Es
iſt nur zu verwundern, daß die gelehrten Herren ſich nicht
wenigſtens ſchaͤmen, dergleichen Phraſen in die Welt zu
ſchicken. Denn hiervon ſollten ſie billig die Unſchicklichkeit
fuͤhlen, auch wenn ſie keine Ahnung von dem Kampfe
haben, welcher wirklich die Welt bewegt. Und noch mehr
ſollten fie, auch ohne ſolche Ahnung, fühlen, wie unpafs
fend es if, ven der zuͤricher Revolution viel Ruͤhmens zu
machen. Deckt Lieber Schleier auf Schleier über dieſe
traurige Gefchichte, die, wenn auch ohme allgemeiner ges
fchichtliche Bedeutung, doc) ein Fleck in der Geſchichte des
Schweizervolks bleibt, nicht etwa weil die ſchlechtere Sache
geflegt hätte, oder weil die Bardareien früherer Jahrhun⸗
derte ernemert werben wären, fondern weil um gar keine
Sache Streit war, weder um eine gute noch um eine
f&hlechte und meil diefe ganze Belchichte nichts als ein
Gewebe von Schwäche und Verkehrtheit geweſen iſt. Ich
werde meine Behauptung beweifen, und zwar aus ber ei⸗
genen Darfiellung des Verf., der uns biefelbe Sache als
den erhabenften Triumph des beften Geiltes zu ſchildern
meint. Sch werbe beweifen, daß uns biefer Handel ats
Dramatis personas vor Augen führt: 1) eine Republik,
die ſich felbft nicht Eennmt, in der weder Regierung noch
Volt einen Begriff von ber eigenen Staatsverfafjung hat;
2) eine Regierung, die tolltühne Maßregeln ergreift und
nicht den Muth und Die Kraft hat, — etwa diefe Maß⸗
regein? nein! auch nur ihre verfaffungsmäßigen Rechte zu
behaupten; 3) Theologen, die Demagogen find, und Des
magogen, die fih nicht für das Volk, fondern für die
Theologie fchlagen, Leute, die fich Chriften nennen unb
das Gebot vergefien haben: feid unterthan der Obrigkeit;
4) ein Bolt, das Blindekuh mit ſich ſpielen läßt und
eine ebenfo fchänbliche als unnoͤthige Revolution macht;
40,000 Republilaner, bie im Beſitz der Souverninetät,
im VBefig der Macht, ihre Regierung felbft zu wählen,
das Worte: „Mein Weich IR nicht von dickee Welt” und
jenem: „GStecke dein Schwert in die Scheide” u. f. w.
(Der Beſchiuß folgt.)
Reifen auf den griechiſchen Inſeln des Ägäiſchen Meerrs.
Don Ludwig Roß. Zweiter Band. Gtuttgart,
Gotta. 1843. Gr. — Thir. 15 Nor. ; ven
Mit Bergnuͤgen und nicht ohne feine Kenntniß von
Aufein des Ägdifchen Meeres vermehrt und erweitert zu baben,
bat Rec. nun auch den zweiten Band ber im I. 3841 von
Roß begonnenen „Reifen auf den griechiſchen Infeln des Agäifchen
Meeres” *) gelefen, und er glaubt, ihn nun auch Anbern
als einen intereffanten und nicht unwichtigen Beitrag zu jener
Kenntniß der biftorifch » antiquarifh und —— Ratikifc
intereffanten und wichtigen Inſeln bes Agdifhen Meeres em⸗
pfehlen zu müffen. Fehlen auch noch in der Darftellung, bie
Roß von biefen SInfein in den beiden Bänden feiner ‚Reifen‘
egeben bat, einige biefee Infeln, worüber er ſich bier in dem
Borworte (8. ıı) ausfpridt, und find felbft darunter einige
Inſeln, weiche zum Königreiche Hellas gebören, fo hat doch ber
Berf. nah ©. ıv nicht ganz die Hoffnung aufgegeben, dic
Beſchreibung jener noch fehlenden Inſeln fpäter folgen zu laſſen.
Übeigens gewährt ex in dem vorliegenden zweiten Bande inſofern
einige Gatfchädigung dafür, als er in diefe Darftellung bie
Befchreibung eines Theile der unter tuͤrkiſcher Herrſchaft ſtehenden
Snfeln des Agaͤiſchen Meeres mit aufgenommen hat, was „bei
der nahen Werwandtfchaft und dem engen gefchichttichen Zuſam⸗
menbange ber althellenifchen Eilande untereinander” (©. 111)
um fo weniger Zabel verbienen bürfte. Die Infeln bes Agaͤiſchen
Meeres, die den Gegenſtand des zweiten Bandes ausmachen,
find: Andros, Gyros, Mykonos, Amorgos, Aftypalda, Niſpros,
Rod, Kalymnos, Telendos, Ceros, Patmos, Samos, Itaros
(diefe letztern neun find türfifch), Delos, Rhenda, Gyaros und
Bellina. Was die Behandlung des Stoffs ſelbſt im Einzelnen
anlangt, fo ſchließt fich der zweite Band an den erften in biefer
Sinfiht in der Hauptſache genau an, nur daß eben biefer zweite
Band ‚in einem Guffe entflanden, und baß fein Inhalt nicht
durch vorgängige theilmeife Mittheilung in Zeitfchriften und
Monographien abgenust oder verfptittert worden ifl” (S. ıv).
Was der Verf. an Inſchriften auf den Inſeln aufgefunden,
bat er Bier ausgefchieden und in das nunmehr bereits er:
ſchtenene zweite Heft feiner „Inscriptiones Graecae ineditae”
aufgenommen. Im übrigen bat er auch Hier bie hiſtoriſchen
Berbättniffe der Infeln, die auf ihnen noch vorhandenen Alter:
ümer, namentlich aber deren heutige Zuftände nady drei ver:
f&iedenen Seiten hin befonders ins Auge gefaßt, und es ift
über fie vornehmlich in geographifcher und ſtatiſtiſcher Beziehung
Bieles aus der vorliegenden Darftellung zu lernen. Erfreulich
ift es, daß darin hin und wieder, wennfchon immer nicht genug,
auch dauf die neugriedhifche Sprache Rüdfiht genommen worden
it, für weiche, vorzüglich was die Kenntniß ber verfchiedenen
Lokaldialekte der Heutigen Mundart betrifft, aus den bier geles
genttich mitgetheilten Wahrnehmungen mandye Ausbeute ges
wonnen werden fann. Dabei mag ſogleich hier der kleinen
Sammlung neugriechiſcher Spruͤchwoͤrter gedacht werben, bie
©. 174 fg. im Originale und mit deutſcher Wberfegung mit:
getheilt werben. Ginige Beilagen (S. 179°fg.) beziehen fich
auf Dasjenige, was in den „Reiſen“ über bie Infel Patınos,
und zwar über bie bortige Kloſterbibliothek (S. 125 fg.) bemerkt
worden ifl. Wie von andern Reiſenden bie frühern Hoffnungen
unferer Gelehrten von Hanbfchriften und fonftigen Buͤcherſchaͤtzen
in Griechenland, z. B. in ben Kiöftern bes Athos, faft ganz
za nichte gemacht worben find, fo ift e8 zum Theil aud) der
Kuofterbibtiothel der Infel Patmos durch unfern Verf. geſchehen.
Derfeibe hatte nebft feinem NReifegefährten, bem Prof. Herzog
*, ©. über den erfien Band derfelben die Anzeige in Mr. 21
& 8. f. au. D. Reb.
von Athen, die Getauunil dewa. 308 HGand⸗
ſchriften des Bibliothek Lingen ‚- wobeh ſich jebech
Beide bald ten, daß bort von claſſiſchen ober fonfl
pöflotogife werthvollen Handſchriften fo gut wie nichts vorhan⸗
den fei (&. 192). Statt deffen entbedten fie daſelbſt zwiſchen
40 und SO Talferlidhe Bullen aus ber Belt vom Ende des
11. Jahrhunderts His zur Mitte bes 15., im Originale, bie fie als
wichtig für bie Kenntniß ber innern Berweitung des byzantini⸗
fen Reichs bezeichnen (&. 135). Bon diefen Bullen, fowie über
einige und aus einigen Bandfchriften jener Bibliothek, wirb eben
in den gebacdhten Beilagen Manches mitgetheilt. Im Allgemeinen
finden bier die phyſiſchen und fonfligen Eigenthuͤmlichkeiten ber
von Roß befuckten SInfeln bes Agdifchen Meeres ihre rechte
Würbizung und Darfiellung; ber Verf. if ein guter Beobachter,
ber mit den erfoberlichen Kenntniſſen autgere ift, und ein
angenehmer WReifegefellfhafter, der nicht über die Gebühr bei
den einzeinen Gegenftänden verweilt, aber in angenehmer Weiſe
die Grgebniffe feiner Forſchungen ober andere glaubhafte Aufs
ſchluͤſſe mittheilt und dem lebendigen Intereſſe der Lefer immer
frifche Nahrung zuführt. Sein langer Aufenthalt in Griechen⸗
land, feine häufigen Reifen in bem Lande, feine Kenntniß ber
Sprade u. f. w. kommen ihm dabei wunderbar zu flatten.
um biefer ihm eigenthuͤmlichen Vorzuͤge willen, und bei ben
Vortheilen, weiche er ſchon tHeild unmittelbar feinem neuen
Vaterlande gewährt, theils ihm mittelbar durch Vermehrung
und Berichtigung der Kenntniffe bes Auslandes von Griechenland,
von dem neuen und von dem alten im neuen, verfchafft Hat,
boffen wie nicht blos, dem Verf. biefer „Reiſen“ in aͤhnlicher
Weiſe bald wieder in Griechentand zu begegnen, fondern freuen
uns auch, allen Denen, bie an ihm Antbeil nehmen, bier
mittheilen zu können, daß Roß vorläufig noch länger in Grie⸗
chenland in feiner bisherigen Stellung bleiben wird, wennſchon
er, wie kuͤrzlich verlauter, feine Entlaffung aus griechifchen
Dienften zu nehmen beabfichtigt hat. Der angebliche Fremden⸗
haß ber Griechen, der jedoch im Allgemeinen nicht gegen bie
dort in wiffenfchaftlicher Stellung lebenden Fremden, beren die
@riechen bebürfen, gerichtet iſt, fondern nur fremden Militaire
und Hofleuten, aber auch bier mit Ausnahme, gilt, dic Ihnen
weniger noth thun, bat an dem Entſchluſſe des Prof. Roß
feinen Antheil gehabt. 31.
Literariſche Notizen aus England.
In juͤngſter Seit hat man in England mancherlei Berſuche
angeftellt, um bem Drama einen neuen Impuls zu geben. So
bat neulich bee Pachter dee Danmarlets Theaters 500 Pf. als
Preis für das befte Luſtſpiel ausgefest, welches in Entwickelung
und Charakteriſtik die Schilderung britifcher Sitten und Ge⸗
wohnheiten zum Gegenſtande haben fol. Uber das Preisftäd
wird ein Comité von dramatifchen Dichtern, bie aber nicht
zugleich Mitberverber fein dürfen, dramatiſchen Kritikern unb
Schaufpielern und Schaufpielerinnen entf&elden, welche Hr.
Webfter, ber ſich natürlich die Ausſchlag gebende Stimme vor:
behdit, cenennen wird. Am 1. Zanuar 1844 foll das Urtheil
gefällt und verfündigt werden. Außer dem Preife bewilligt
Hr. Webfter noch den britten Theil von den Einnahmen der
zwanzigften, vierzigften und ſechszigſten Vorſtellung.
Grfchienen ift: „The maid of Hallig, or the unfor-
tunate islanders; a narrative founded on fact, by the Rev.
J. C. Biernatzky; from the German, by Samuel Jackson.’
Der Überfeger ift derſelbe, welcher auch Jung Stilling's „We
moiren’ in bas Gnglifche übertragen hat. Was die Tendenz
betrifft, fo findet ein Recenfent im „Athenacum” Giniges
daran auszuſetzen; bagegen, fagt er, fei bas Buch als fcenifches
Gemälde und als Sit tenſchilderung von nicht geringem Werth ;
die Erzählung befige den Reiz ber Individualificung in einem
ſolchen Grade, daß er fie, nur unter bem bereits ausgeſprochenen
Borbehalt mangelhafter Tendenz, zu empfehlen wage- 18.
Berantwortlicher Herausgeber: Heinrich Brockhaus. — Drud und Berlag von F. 4. Brodhaus in Leipzig.
Blätter
für
literariſche Unterhaltung.
Sonntag,
(Belluß aus Mr. 196.)
Wenn nun diefes Drehen und Menden, um das
Schwarze weiß zu machen, nicht Jeſuitismus iſt, fo gibt
es keinen. Aber die Regierungen mögen es fich merken,
was fie von den Gegnern des fogenannten Radicalismus,
von den gottesfürdhtigen Pofitiviften und Autoritätgmän:
nem zu hoffen haben. „Mit Gottes Huͤlfe“ finder fich
ein xechtfertigender „innerſter Beweggrund“ für Alles und
Recht wird Unrecht, Unrecht Recht, Unordnung thatſaͤch⸗
tihe Ordnung, und Ordnung gottesläfterliche Unordnung,
Alles in majorem dei gloriam. Ich will dies noch deut:
licher an Urtheilen de6 Verf. über die Volksbewegung zei:
gem. Ganz übereinftinmend mit dem aufiwiegeinden Go:
mite und mit den geiftiihen Rednern im großen Rath
verfihert er fortwährend, die Bewegung im Volke wäre
urſpruͤnglich rein religiös geweſen.
Nur Berbiendung, nur irreligiöfer Stumpfinn koͤnnte das
uriprünglich Reine und Innerliche der Volksbewegung in Abs
xede flellen. ... . Die ernftelten Gemüther (und von ihnen ging
überall der erſte Antrieb aus) glaubten fi hier in die Mitte
geftellt, zur Wahl und Entfcheibung zwiſchen Chriſtenthum und
einem gtaubensichren Verftandeshochmuth, zwiſchen ber fittlichen
Zucht und frechem Epikureismus u. ſ. w. (©. 179).
Und wie kam es, daß fie fih fo geflellt glaubten?
Dod wol, weil man «6 jie glauben gemacht hatte. Iſt
ſolch Glaubenmachen auch ein reiner Urfprung? Sobald
das Glaubenmachen im Volke anfing, wurde natürlich bie
Regierung beforgt; der Ausgang hat ihre Beſorgniß ge:
rechtfertigt. Der Verf. unterläßt aber nicht, bei Mitthei⸗
lung dieſer Thatſache die Regierung zu verfpotten, und
ohne ſich durch den Ausgang, der ihm doch ſtets vorfchwe:
den müßte, irre machen zu laffen, fügt er hinzu:
Den Geängfligten entging Eins: die Macht der relis
gibfen Überzeugungen eber die Leidenfhaften ei⸗
nes Volks. Eben an biefe Überzeugung, an biefe Ehrfurcht
des Volks für die Böttlichkeit der Religion der Liebe und ber
Sanftmuth, kurz an den hriftiihen Ernft, der die beffere
Mehrzahl bes Volks belebte — wenbeten fich bie Freunde bes
Geſetzes, namentlih bie Beiftlichen (wir werben weiter un:
tem ſchauderhafte Beiſpiele davon in Augenfchein nehmen) um
eine Verlegung ber dffentiichen Orbnung, eine Schänbung ber
heiligen Sache zu verhüten.
Wie Hoch denkt ber Verf. vom Volke. Aber bilde
Die Ar Berwürfniffe in Zürich von 1839. | die nur nicht ein, Volk! daß er dich um deinetwillen ebet.
Er weiß recht gut, daß du leicht zu allem Böfen zu vers
führen biſt. Er wirft gerade feinen Gegnern eine „en⸗
thuſiaſtiſche Wolksidolatrie, einen idealiſirenden Cultus
ber Maſſen“ vor, und nennt dies eine arge Taͤuſchung
(&; 29). Er fuͤrchtet für di, wenn feine, Gegner Ihre
Sache durchſetzten, -
eine Zufunft, wie bas gegenwärtige Nordamerika fie uns wars
nend barftellt, jene Zerriſſenheit, jene atomiftifche Auflöfung des
religiöfen und geiftigen Lebens, wo die Volksſouverainetaͤt zu
einem Rechenexempel wird, vermöge beffen bie brutale Th⸗
rannei einer aritbmetifhen Köpfemajorität fi
u Ag die hbeiligften Intereffen zum Geſetzgeber aufwirft
Und im Kanton Zuͤrich war ed keine brutale Tyran⸗
nei einer arithmetifchen (1) Köpfemajorität (1), die fich über
bie heiligften Interefien zum Geſetzgeber aufmarf? Diele
Köpfemajorität muß doch einen Werth für den Verf. ha:
ben, denn er hält uns wer weiß wie oft die Stärke der
Verfammiungen, die 10,000, 20,000 und 40,000 u. f. w.
vor die Mafe. Aber diefe Zehn⸗, Zwanzig: und Vierzig⸗
taufend,- die gegen ihre (radicale) Negierung ſich erheben,
find plöglich befreit von dem Makel einer „brutalen Ty⸗
tannel”. Mie geht dies Wunder zu? Nun, offenbar
durch den Glauben, der Berge verfegt, durch „die Macht
der religiöfen Überzeugungen Über die Leidenfchaften‘‘. Alfo
im religioͤſen Drange, von religiöfen Überzeugungen, oder
— ich will auch dies nicht überfehen — von den Übers
jeugungen einer Religion der Liebe und Sanftmuth geleis
tet, bört das fonit brutalstyrannifche vielköpfige Ungeheuer
Volk plöglich auf, wilde, zügellofe Leidenſchaften zu haben ?
Hat ber Verf. die Gefchichte vergeſſen? Vergeſſen die
Scheiterhaufen, die Megeleien, den Bilderſturm, den Huſ⸗
ſitenktieg — alle jene Unmenfchlichleiten, die aus frommer
Überzeugung von der Goͤttlichkeit der Religion der Liebe
verübt wurden? D nein! er weiß das Alles und hat «6
nicht vergeffen. Er fürchtet auch die Einmiſchung der
Volfsüberzeugungen in die Sache der Kirche ſelbſt. 3. B.
er will eine Generalfpnode, aber nicht wie die zuͤricher
Volfsführer fie wollten, nein! es erfcheint ihm als ein
Misgriff, die Synode als gefegliche Repräfentation der
Landeskirche ausfchließlih aus einer bemofratifchen, nach
dem Maßſtab der Kopfzahl georbueten Volkswahl hervor:
geben zu laſſen.
Ber die Wechſelfaͤlle, die Zufaͤlligkeiten kennt, denen das
zobe, materiatififche Prineip der Kopfzahlrepraͤſentation
in den Bollswahlen ausgelegt ifl, der wird es in hohem Grade
felhaft finden, ob auf einer folgen Grundlage für die
irche irgend eine fichere Gewaͤhr vorhanden fei.
Eine Synohe, weichen der theolsgifchen Bikeng,
alfo dem geiklihen Stanbe als ſolchem, nicht ein be:
ſtimmter, bedeutender Einfluß geſetzlich zugeſichert wäre... .,
würde jeden Anſpruch einbüßen, ale Ausdrud einer — chriſt⸗
iihen Gemeinſchaft, als Vertretung einer Kirche zu gels
ten... . Dder wie ließe ſich die reine Überlieferung des urſpruͤng⸗
Kchen Ehriſtenthums und ber damit bebingte gefchtchtticge und
innere Bufammenbang mit der allgemeinen Kirche anders bes
wahren und fortpflanzen als durch bie Wilfenfchaft und Froͤm⸗
migfeit, d. 5. durch chriftliche Theologie und chriſtliche Geſin⸗
mıng? (©. 318.)
Das Heißt: durch die unbedingte Herrſchaft der Herren
Dr. Gelzer und Conforten und dur) die unbedingte Un:
terwerfung und Folgſamkeit ber dhriftlichen Gemeinde.
Alfo: das Volt iſt eigentlich eine brutate Menge, und
muß in Ordnung, muß kurz gehalten werden, bedarf einer
flarten Regierung (‚eine flarfe Regierung und durch fie
Drdnung iſt die größte politifche Wohlthat, deren ein freies
Bolt am eheiten bedarf”, ©. 22); aber gegen die weltliche
Regierung hat daB Boll dennoch Recht, werm «6 in eine
„innere Bewegung“ u. f. w. geräth; «8 fann demnach nur
in Ordnung gehalten werben durd die „heiligen Überzeu⸗
gungen”, bie ed aber auch nicht aus eigener Machtvoll⸗
kommenheit „durch Ropfjahlvertretung” ermitteln darf, fon:
dern nur unter dem „bedeutenden Einfluß” der reinen
Übertieferung u. f. w., d. 5. der „Geiſtlichen“. Mit andern
Worten: Niemand foll regieren als die Geiſtlichen. Wenn
diefer Hr. Dr. Gelzer Bein Hierarch iſt, fo hat es nie ei:
nen gegeben.
Sp iſt e8 nicht zu vermunbern, daß der Verf. das
Mögtiche aufbietet, um den Schein hervorzubringen , ber
Volksaufſtand fei nicht durch einen Purfch der Geiſtlichkeit
entftanden, obgleih die Documente, die er mittheilt, ob-
gleich die Thatfachen, die er erzählt, ihm hartnaͤckig wider:
ſprechen. So bumm find die frommen Hirten nicht, daß
fie geradezu putfchen follten, wiewol auch das binlänglich
aefchehen (dev Verf. felbft gibt die Welege dazu); aber iſt das
nicht geputfcht, wenn man dem Volke ſagt: fofern ihr
die Regierung thun laßt, was fie thut, gebt ihr zu, daß
diefe Regierung euch und eure Rinder und Kindeskinder
phyſiſch und moraliſch zu Grunde richtet? Der Einwand
der Wahrheit, faft das einzige Vertheidigungsmittel ber
Putſcher ſelbſt wie unfers Verf., hilft Hier nicht: ein
Putſch bleibe es doch. Das Volk glaubt allerdings feine
beften Guͤter zu vertheidigen; infofern iſt feine Gefinnung
rein: defto mehr haben feine Berführer auf Ihrem Gewiffen.
Und mögen auch diefe zehnmal von der Gerechtigkeit ihrer
Sache überzeugt fein, die gute Sache heilige doch nicht
die fchlechten Mittel, den Volksputſch. Und ob die Sache
gut ift, das bedarf doch erft noc des Beweiſes. Dr. Kel⸗
fer fragte in einer der Ratbefigungen: „Wie foll irgend
etwas Großes entftchen, wenn Sie nicht Jeden fein Licht
wollen leuchten laffen, wenn Ste e8 nicht wagen wollen,
ihn auftreten zu laſſen?“ und erinnerte: „Was haben
aud die Juden zur Zeit Chriſti und die Gegner der Re⸗
formation gefagt?” Diefe Parallele verdient in der That
eine anfchaulichere Ausmalung. Ein Dr. Gelzer aus dem
Jahre 33 n. Chr, Geb. ſchreibt:
Es wird auch berichtet, wie folgt: Der Hehepriefter aber
gerriß feine Kleider und ſprach: Er Hat Gott geiäften, und bes
dürfen wir welter Beugniß? Siehe, jegt habt iye feine Gottes:
läfterung gehört. Was duͤnket zuh? Wie antworten: Er FR
bed Todes ſchuldig! und fpieen in fein Geficht und fchlugen ihn
mit Faͤuſten. Pilatus ſprach zu ihnen: Was fol ich machen
mit Jeſu? Sie ſprachen alte: Laß ihn kreuzigen! Und ba
Pilatus fah, daß ein immer größer Getümmel warb, wuſch er
die Hände und ſprach: Ich bin unſchuldig an dem Blute biefes
Gerechten; ſehet ihr zu! Da fchrie das ganze Welt: Sein
Blut komme über uns und unfere Kinder.
Der Dr. Gelzer aus dem Jahre 33 fährt fort:
Nur Verblendung und irreligioſer Stumpffinn koͤnnte das
urſpruͤnglich Heine dieſer Volkobewegung in Abrebe Heilen. Die
exnfbeflen Gemuͤther glaubten ſich Hier in bie Mitte gefteilt zur
Wahl und Entſcheidung zwiſchen Bottesfurdgt und Bostestäfte:
sung, zwiſchen der Ehrfurcht vor dem Deren ber Derren und
der fredyen Getbfivergötterung des Menfchen, benn er fagte:
„Bon nun an wirb es geſchehen, daB ihr fehen werbet bes
Menſchen Sohn figen zur Rechten der Kraft.” Ihr Habt feine
Gotteslaͤſterung gehört !
Man misverſtehe dieſe Parallele nicht. Das Tertiem
comparationis iſt lediglich der fromme, kleiderzerreißende,
uͤbrigens nicht weiter putſchende Eifer des Antiſtes der
Kirche von Jeruſalem und die „reine und innerliche Be⸗
wegung des Wolke”.
Es iſt natuͤrlich, daß das Voll, wenn es zu Ber:
ſtande kommt, ſich der Bevormundung feiner religlöͤſen
Überzeugungen” durch die „theologiſche Bildung und den
geifllihen Stand ats foldyen” nicht mehr fo willig unter:
wirft, um denen, bie fi ſelbſt Männer nennen, weiche
„ihr Leben lang den Glauben und die Eitte des Volks
ehrten“ und welche Diejenigen, die das Well zu Verſtande
bringen wollen, „Advocaten und Intriguanten“ nennen,
auf ihr ehrliches Geſicht umd aufs Wort zu glauben und
fi) von ihnen zu einem „chriſtlichen Ernfl” anputfchen zu
laffen, der mit dem NRnüttel in der Hand Regierungen
„Rehentli bittet‘, bei Leibe nicht zu wegieren. Der Kal
iſt nicht neu, daß fi der Glaube vor dem Volksver⸗
ftande fürchtet.
So fehe — fchreibt Luther (merkt's: Luther!) A. D. 1519
an feinen Kurfärften — furcht fig die Eckſche und leipzigſche
Wahrheit, daß fie allein in der Theologen Winkel Ereucht, will
allein die Theologen zu Richter haben, weigert bie Legiften,
Krzt, Artiften (da habt ihr die „Advocaten und Intriguanten).
Dr. Reuchlin's Sach hat mich gewisigt, wie geledet die
Theologen find, und wie fie richten. Pätten nicht bie
Legiſten, Arzt, Artiſten und Eaienfürften dazu gethan, bie
Wahrheit wäre den Theologen zu Theil werben wie ein Schef
dem Wolfe. (Licht bei de Wette, Bd. I, &. 320.)
Daß alfo das Volt in Maffe lerne, wie gelehtt Die
Theologen feim und tie fie richten, und badurdh feine
Geiſtlichen zwinge, ihm in Wahrheit die Freiheit zu laſſen,
daß es alle Geiſter erprobe — dies ift die Furcht der Dier-
archen, und aus biefer Zucht ſtammt ihr Haß gegen
verfländige Volkserziehung. Hr. Dr. Geljer fagt:
Dur eine faft ausſchließliche Richtung auf intellectuctle
Entwidelung — alfo doch nicht blos Abminiftration, Mafchinen,
Beitungsaufltärung! — geräth der Unterricht in eine einfeitige
bie Bulunft Gefehe dechende Mahn, indem ex Die hör
ae er Geele, —*
im mie yemupe. wernodhiäfligt und zutegt verfüm:
mern .
"Damm wirft eu der imtelectuellen Erziehungoweiſe ſol⸗
he Ehrentitel an den Hals wie „Anhäufung ſchlecht ver:
dauter Kenntniffe”, „bürftiges Wiſſen“, „ungeifligen De:
hanismus” und ficht gegen die Windmühlen der „ober
flaͤchlichen Aufklaͤrung“, des „duͤrren Ratienalitmus’, der
„ufgeblafemen Halbbiidung“. Mit diefen Gemeinplaͤhen
wäre es nachgerade Zeit, ein Ende zu machen. Die
Stelle des Verf. aber, die befonders hierher gehört, iſt im
böchften Grade komiſch. Denn er fühlt wol, daß er der
falſchen Erziehuungsrweife auch die feiner Auſicht nach rechte
Methode migegenftellen müfle und fagt nun:
Eine wahre Erziehung, eine echte, die jugendlichen Geifter
nährende Bildung Tann nur von Lehrern ausgehen, in deren
Innerm Glauben und Wiffen fich nicht feindfelig getrennt, von
Lehrern, vie bei der Maren Begründung und freudigen Ermweite:
rung ihrer Kenntniffe einen lautern Sinn für das Göttliche,
das Heilige bewahrten. Iſt in ihnen bie höhere Einheit des
Erkennens und des. gelduterten Willens, der Wiſſenſchaft und
der Religion gerettet, To tft die ficherfte, die alleinige Garantie
gefanden, daß die Jugend u. f. wm. (&. 322).
Bei diefem Phrafenqualm, der eben gar nichts fagt,
weil nicht herauskommt, welchen Umfang jeder diefer zu:
fammengeftapelten Begriffe haben folle, und weil es bei
Wiſſenſchaft, bei Religion, beim Heiligen, beim Willen
doch erft noch auf den Anhalt ankommt, fällt ihm nun
ein, daß feine Gegner denfelben Anſpruch machen, es aud)
auf eine Vereinigung der Religion und Wiſſenſchaft abge:
ſehen haben, und da verwahrt er ſich gefchwind in einer
Note und fast: „Er meine damit etwas Anderes und
Höheres als Bürgermeifter Hirzel.” Etwas Anderes und
Höhere. Ja aber was? Nun — „haltet euh an
Werte! Dann geht ihr durch die fichere Pforte zum Tem⸗
pel der Gewißheit ein.” Buͤcgermeiſter Hirzel's Phrafen
nennt er farblos: ei, wenn die ſeinigen eine Farbe haben,
ſo iſt es die, welche unſere Damen „die unbeſtimmte
Farbe“ nennen, oder auch mas bei den Malern Neutral⸗
tinte beißt, ein Farbenton, der zu Allem taugt, befonders
aber zu einer leeren und dunſtigen Luft. Nach allem
Diefen iſt die unpartelifche Geſchichtſchreibung des Verf.
zu würdigen. ”) . Julius.
Frederike Bremer im Engliſchen.
„Die Nachbarn“ von Frederike Bremer haben in Marie
Howitt eine gewandte Überfegrein gefunden (‚The neighbours;
a story of every-day life”, 2 Bde. London 1842), und wirb dad
Bud) günfig aufgenommen, will Mrs. Howitt die andern Erzaͤh⸗
lungen folgen laſſen. „Wir fürchten‘, fagt da® „Edinburgh jour-
nal”, „daß ihre in diefer Hinficyt Halb und halb gehegten Ermars
tungen fich nicht beftätigen werben. Wir haben bas Buch aufmerk⸗
jam getefen und koͤnnen uns nicht von der Überzeugung trennen,
daß es in England kein Gluͤck machen wird. Es befteht aus eis
nerfteibe von Briefen, die eine kuͤrzlich verbeirathete Dame an
eine Zreundin ſchreibt und worin fie Perfonen und Familien
ſchildert, eber für den Geſchmack unferer meiften Novellentefer
nicht genug Geſchichte erzählt.
*, Gin zweiter Artikel folgt in der naͤchſten Lieferung. D. Med.
den heitigflen Onn im Rinde,
Auch die Gedanken, Gitten -
uns Beashittelffe ſiad wem eines Aus, gu verkdher die genshhmiiche
engtiſche Gumpatbie nicht binkberzeidhe. „Copa: bie Roman
ker Werfonen haben etwas Abſtoßendes. Die fchöne Briefſtellerin
— fie darf die Heldia de Gtüdes heißen — redet ihren Gauien
nie anders an, als mit ‚Bir‘, ein Schmeichelwort, das nad
wilden, weit im Norden liegenden Gegenden binzuweifen fcheist.
‚Ad, Bär‘, bemerkt fie eines Tages, „was ein Weib gluͤcklich
macht , ihr bie Haͤuslichkeit verſchoͤnt, iſt nicht der Reichthene
bes Gatten, nicht feine glängenden Talente, nicht feine Feuer:
feete — alled Das kann dem Hausfrieden untergraben. Nein,
das Gluͤck des Weibes liegt in der Unbeſcholtenheit des Manne
liegt darin, daß er gut, vernuͤnftig, Beni und orbenttidg,
daß er fo fei, wie bu, Bär.“ Bier und in aͤhnlichen Gtellen
ift der Gedanke einfach und ruͤhrend. Welt jedoch bie Liebends
würbige Werfafferin ihn mit ber für uns zu grotsöfen Idee
eines Bären vergefellfchaftet, miſcht ſich der angeregten Adel
nahme etwas Ungehöriges bei. Wit einem Worte, ber Wig,
Humor, Pathos, der ganze Gefuͤhlszuſtand des Buches findes
zum größern Theile bei englifchen Eefern keinen Anklang. Nach
unfern Begriffen ift ber Wis kein Wis. Und was daher den
meiften überfegungen aus ber Rosellenliteratur des Auslandes
zu gefchehen pflegt, das wirb auch dieſem Buche, troß aller feiner
Berdienfte begegnen, — man wirb es trocken und geiſtlos nennen
und es wirb eine Nummer mebr auf der Lifte der ungelungenen
Verſuche fein, Novellen diefer Art bei uns einzubürgern.” 14.
Biblisgraphie.
Adermann, ©. A., Der Inſtanzenzug und bie Nedhte:
mittel, nach koͤnigl. ſaͤchſ. Proceßrechte, mit Berädfidhtigung ber
bundesgefegtichen Beflimmungen und Einrichtungen, uͤberſichtlich
zufammengeftellt. Altenburg, Heibig. Gr. 8. 22%, Ror.
Anger, R., Beiträge zur historisch-kritischen Binld-
tang in das alte und neue Testament. Istes Bündchen: über
den Laodicenerbrief, Leipzig, Gebhardt & Reisland. Gr. 8.
26%, Ngr
Andeutungen zu einer Reorgantfation der preuß. Militair⸗
jufliz. Aus ben nachgelaffenen Papieren eines alten Mitis
tale herausgegeben von Doromw. Leipzig, Hinrihe. Gr. 9.
gr.
Baumgarten-Crusius, L. F. O., Theologische
Auslegung der Johanneischen Schriften. 1. Bd. (die Evan-
elien) 1. Abth.: Die Einleitung und Auslegung von Cap.
1-8. Jena, Luden. Gr. 8, 2 Thir. 15 Ngr.
Richard Barter. ein Leben und Wirken nebſt eini⸗
gen ausgewählten Stellen feiner Echriften. Rach dem Engli⸗
fhen bearbeitet und herausgegeben von K. Ch. &. Schmibt.
Leipzig, Dinrihe. 8. 7% Dar.
Berndard, G., Fata Morgana. Dichtungen. Leipzig,
Sort. 8. . Nor.
Blanc, &., Geſchichte der zehn Jahre 1830-40. Deutfqh
herausgegeben von Ih. Cramer. Ifter Band. (Sefdichte ver
Julirevolution.) Ifte Lieferung. Nürnberg. Gr. 8. 10 Nor.
Fliegende Blätter für Fragen bes Tages. V. Dat Ber
trauen. — Gorrefpondenz. — Sin Geſpraͤch. — Aufruf an ben
Journatismus. Berlin, Beſſer. Br. 8. 5 Nor.
Burmeifter, H., Geſchichte der Schöpfung. Cine Dar:
ftellung bes Satwidlungsganges der Erde und ihrer Bewohner.
Leipzig, DO. Wigand, Gr. 8. 1 Ihr. 24 Nor.
Büttner, F., Bemerkungen über die Quantität der
deutschen Sprachlaute, wie den Hexameter im Allgemeinen,
und des Grafen Aug. Platen, Schlegel’s, Wolf’s und Voss’
Hexameter im Besondern ; nebst Verdeutschung der ersten
Satire des Horas und der ersten Blegie des Tibull in quan-
titativ correcteren Hexzametern, neben Kirchner’s, Wolf’s
und Voss’ Verdeutschungen gestellt. Havelberg. Gr.8. Neger.
Chriftianfen, J., Inftitutionen des römifcdhen Rechts
ober erfte Sinleitung in 'bas Studium des roͤmiſchen Privat⸗
rechte. Altona, Hammerich. Gr. 8. 3 hir. 15 Nor.
N
208 j
ſtoriſch, antiſch, maleriſch. Wach Bexri
ER rd von ee ber legten engtifdgen *
‚aus dem —* mit dran 36 Stahlſtichen —5* Th.
Kunſtverlag. * 8. 10 Rgr.
dam.
5 Nor
* der V ntathollſchen Lehre.
mit einigen beweifenben BR, der Heiligen Schrift. 2te Aufs
&. Gpbemamn, © gefammelt von J. Marius. Berlin, Befler.
Fibicin, &., Berlin, hiſtoriſch und topographiſch barges
ſtellt. Mit einer Doppel: Karte: Berlin im 3. 1640 und im
3. 1842. Berlin, Ionas. Gr. 8. 1 Thlr. IV Nor.
Francke, H., Der böotische Bund. Wismar, Schmidt u.
v. Cossel. 8, ° N .
Srauftabt, %., Die Ginführung der Neformation im
Hochſtifte Merfeburg, arößtentheils nach bandichrifttichen Quellen
bare Leipzig, Friedlein u. Hirſch. Er. 8. 1Thir. LO Nr.
Krid, Ida, Sybrecht Willms. Ein biftorifiher Roman
in ſechs Abfchnitten. Zwei Theile. Dresden, Arnold. 8. 23 Zhir.
Nor.
Slaf er, 3. &,, Die Boiztopen und die Wirklichkeit.
Berlin, Rüder u. Puͤchler. Gr. 8. 10 Rgr.
Gozlan, 2, Gaftmira von Ganilly, nach „le dragon
zouge”. Ins Deutfche übertragen von Smilie Wille. Zwei
Theile. Leipzig, Kollmann. 8. 2 Thlr. 22%, Nor.
Hebenſtreit, W., Das Scaufpielwefen. Dargeftellt
auf dem Standpunkte der Kunft, der Befengedung und bes
Bürgerthums. Wien, Bed. Gr. 8. I Zhlr. 22%, Nor.
Helbig, K. G., Grundriß ber Geſchichte ber poetifchen
Riteratur der Deutfchen. Dresden, Arnold. 8. Nor.
Herrmann, ©., Beiträge zur eis des xuffifchen
Reichs. Leipzig, Yinrice. Gr. 8. 18% 5 Nr.
ugues, Unionsgedanken. Gin —— an beide
evangelifche Kirchen. Celle, Schulze. 5 Nar,
Jaͤck, H. J., Zweites Pantheon ber Literaten und Kuͤnſt⸗
lee Bambergs. Bom Ulten Jabrh bis 1843. Bamberg, Zuͤ⸗
berlein. &r. 8. 1 Thlr.
Zeppe, © F. ®., Berichterſtattung uͤber die ſechste
Verſanmiung deutſcher Land⸗ und Forſtwirthe zu Stuttgart an
den Vgeenburgiſchen Da ifien Verein. Gin Refume. Ros
ſtock, berg.
Kater Murr's Sogenbitreiche. Plahn. Gr. 8.
Die Katholilen des Aargaus und der Rabicalismus. (Ver⸗
mehrter Auszug aus der Schrift: „Befeindung ber Eatholifchen
Kirche in dir Schweiz, von Br. Hurter“) Schaffhaufen,
Hurter. Gr. 8. 1 Thlr.
Berlin,
- 10 Ror.
Kleinpaul, E., Die Lehre von den Formen und Gat⸗
en ner veutfehen Dichtkunft. Barmen, Langewieſche. Ki.8.
gr
Kuhn, D., Das Polizeiftrafrecht -in feinen Grundzügen,
mit befonderer Rüdfiht auf das Particularrecht bes Königreichs
Sadfen. Cine publiciſtiſche und Iruafootitife Abhandlung.
Dresden, Arnold. Br. 8. 1 Thlr. 1
Kutscheit, J. V., —8 den alten Geschichte
und Geographie für den Schul- und Privat ebrauch; in 10
iluminirten Karten. Berlin, Schröder. 2 Thlr.
Kux, I. P., Handbuch für Geschäfts-, Lust- und Ba-
dereisende auf Eisenbahnen und Dampfschiffen des nordöst-
lichen und nordwestlichen Deutschlands. In 5 Theilen.
Nach zuverlässigen Quellen und eigener Anschauung bear-
beitet. Berlin, Hermes. Gr. 12. Thlr.
Laiser, H. W, Die Persönlichkeit des Eigenthums
in Bezug auf den Seviallsmus und Cxnsunisaus i
gen Frankreich. Bremen, Kaiser. Gr. 8. 15 Ner.
Leibrod, A., Graf Berharb von Schwarzburg.
riſch⸗ romantiſches Gemälde aus ber Zeit ber Belagerung Braun:
ae ms 1493. Zwei Theile. Reipgig, Kollmann. 8.
Ir gr.
Leonhardi's, H. K. v., Vorbericht zuK. Ch. Fr. Krause's
Vorlesungen über die reine d. i. allgemeine Philosophie der
Geschichte. (Nebst der Inhaltsübersicht dieser Vorlesungen
aus Krause’s handschriftlichen Nachlass IV. Abtheilung, Ister
Bel, besonders abgedruckt.) Göttingen, Dieterich. Gr. 8.
Ngr.
Loewenberg, Beiträge zur Kenntniß der Motive ber
preußifchen Geſetzgebung. Aus amtlichen Quellen bearbeitet
und mit höherer Genehmigung — egeben. Ifter Banbd.
Berlin, Beit u. Comp. Gr. 8. Notre
— — ter. Band. A. u IN a Meterialien bes Anban:
ges zum Allgemeinen Eandreäht und zur Allgemeinen Gerichts:
ordnung. Berlin, Veit u. Somp. Gr. 8. 3 Thlr. 25 Rar.
Mager, Politiſche iühttinge, Demagogen und Gple
pbanten in ber heutigen Schweiz. Erſter Schub. Das Kier:
blatt der HH. Rochholg, Dr. Balley und Dr. Kurz. Profefloren
in Aarau, und ihre Praltiten. Aarau, Chriſten. Gr. 8. SH Rar.
Manzoni, A., Geſchichte der im Iahre 1630 in Mai-
land errichteten Schandfäule. Und: Bemerkungen über die
Zortur, insbefondere deren Wirkungen während der zu Mais
land, im Sabre 1630, geführten Unterfuchung einer angeblichen
Peſtverſchworung/ niedergeſchrieben im Jahre 1777 von dem
Grafen Pietro derri. Aus „em Italieniſchen überfegt. Leip⸗
zig, Kollmann. 8. 1 Ip r. 11Y, Rgr.
Die deutsche Medicin im IPten Jahrhundert, Eine Fest-
gabe dargebracht Hrn. Ph. Fr. von Walther zu dessen
40jährigem Dienstes-Jubiläum vom ärztlichen Verein zu Mün-
chen am 23. Mai 1843. München, Literar.-artist. Anstalt.
a heuti-
Gr. 4, 15 Ngr.
Möplers Grab unb ber Dombau zu Köln. (Zum Be
ften des Dombaus.) Schaffhauſen, Hurter. 8. 3%, Rare.
Novellen, Berliner. Bon A. Weill und ©. Bauer.
Berlin, Berliner Deriang Buchhandlung. 8. 2 Thlir.
Paris wie es wirklich if. Ztes Heft: Zuverläffige In⸗
ſtruction für Deutſche, welche zum erflen Date Paris befaden
unb Prellereien und Pladereien überboben fein wollen. —
Parifer Bureaus de Placement. — Grotesk⸗burleske Sal
fcene. — Komifhe Scene im Künftler: Foyer der großen Oper.
— Zeufeleien. Mit einer colorirten Kupfertafel. Leipzig, Zador
wie. K. 8. 10 Nor.
Perthaler, 3., Recht und Geſchichte. Zur encyhklopaͤdi⸗
fen Cinteitung in das Stubium der juridifch s politifchen
Bifenfgoften. Wien, Bed. Gr. 8. 12%, Rgr.
Reichenbach, H. ©. 8%, Blicke in das Leben der Thier⸗
weit, gergtichen mit van Leben bes Menſchen. Dresden, Arnold.
. gr.
Schroeter, L. W., Die Wiffenfhaft des Lebens. Stes
Heft: Die Hanbelspotitit im Allgemeinen unb bie Danbelöfreis
beit insbefondere, ober gefchichtliche, Fritifche und bogmatifche
Widerlegung der Hantelsfreiheit und alles beffen, was mit ihr
zufammenhängt. Leipzig, Goez. Gr. 8. 1 Th.
Stöber, K, Erzählungen. Gefammtausgabe mit Zeich⸗
nungen nad) prof: Ki ter d. j. Iter Band. Dresden, Raus
mann. Br. 8 1 Zhle.
Treunert, W., Harfenklaͤnge aus vergangenen Tagen.
Den Manen und ben "Zeitgenoffen Sriebrich Wilhelm’s IEI. ge:
weiht. Iena, Brommann. Gr. 8. 7%, Nor.
Unger, F., Die Pflanze im Moınente der Thierwer-
dung. Wien, Beck. Gr. 8. 1 Thlir.
Der Weise und der Thor. ‘Aus dem Tibetischen über-
setzt und mit dem Originaltexte herausgegeben von J. J.
Schmidt. Zwei Theile. Petersburg. Gr. 4. 5 Ttlr.
Berantwortlider Herausgeber: Heinrich Brodhaus. — Drud und Verlag von F. A. Brockhaus in Leipzig
Blätter
für | °
literarifhe Unterhaltung.
Montag,
O'Connell's gefchichtlice Denkfchrift über Irland
und die Srländer.-
Diefe Denkſchrift fünt mit ben dazu gehörigen Beweiſen
aus Urkunden, Staatsichriften, Verträgen, Parlamentsverhand:
Lungen, Briefen u. f. w. zwei Bände. Obgleich Mancher, wel:
der die nur zu genügenden Beweife nicht lieſt, an der
Bahrheit ber Anlagen zweifeln wirb, eignen fie ſich für Deutſch⸗
land doch nicht zu einer vollfländigen Überfegung. Defto mehr
dürfte bie Mittheilung des Zertes der eigentlichen Denkfchrift an
der Zeit fein. Viele Beftätigungen finden fich in Raumer’s „Ge⸗
ſchichte Europas”, Bd. 5, und in beffen Werke über England.
Borrede.
Ich widme die nachfolgende Denkſchrift in tieffter
Unterthänigkeit Ihrer Majeftät ber Königin; nicht in der
Form einer Zueignung oder in der anmaßlichen Hoffnung,
ein Berk zu Stande bringen zu können, das anziehend
genug wäre, den koͤniglichen Geiſt zu befchäftigen. Nichte
ift jedoch wuͤnſchenswerther, als daß die Serrfcherin biefer
Reiche die irlaͤndiſche Geſchichte in ihrer wahren Geftalt
fennen lerne; daß fie erfahre, wie viel die Irlaͤnder durch
Mishandiung von Seiten der Engländer gelitten haben;
daß fie die geheimen Quellen des irlaͤndiſchen Mismuths
tennen lernez daß fie mit den hervorflechenden Tugenden
vertraut gemacht werbe, welche das irländifche Volk bei
jeder Bortommniß feines eigenthuͤmlichen Schickſals an
den Tag gelegt, und vor Allem, daß fie genaue Kenntniß
erhalte von ber Gütereinziehung, der Plünderung, der
Räuberei, dem häuslichen Verrath, der Verlekung von
Treue und Glauben und der Heiligkeit der Verträge, dem
maffenhaften Abfchlachten, den planmäßigen Mordthaten,
dem verabredeten Gemegel, womit die englifchen Regie
rungen das Irländifche Volk heimgeſucht haben.
Das emglifhe Volt im Allgemeinen hat alle That:
ſachen der irlaͤndiſchen Geſchichte zu vergeifen beliebt.
Auch hat daffelbe die Gnade gehabt, fid alle jene Ber:
brechen zu vergeben. Und das irländifche Volk wuͤrde fie
ebenfall6 verzeihen, wenn nicht jest noch Vieles von dem
böfeften Geiſte der boͤſeſten Zeiten vorhanden wire. Das
Berfahren binfichtlid der Befeitigung der Pächter heut:
zutage gehört jenem Haſſe gegen das irlaͤndiſche Volk an,
wilcher die Rathſchlaͤge Spencer’s und das Thun Crom⸗
well's beſeelte, und ift ein Beweis davon.
Wahr iſt es allerdings, daß heutigen Tages Michter
— Nr. 198. —
17. Juli 1843.
nicht mit „vier Schilling vom Pfunde” zahlbar aus dem
Betrage des fireitigen Eigenthums beftochen werden; aber
erzeugen nicht Vorurtheil und Glaubenseifer ebenfo gut
ungerechte Urtheilsfprüche wie Geldbeſtechung? Und find
Diejenigen frei von Vorwurf oder Schuld, welche ihre
Wahl für den Gerichtshof auf Männer fallen laſſen,
beren Charakter ſich durch nichts Anderes auszeichnet als
buch feindfelige Sefinnungen, die fie gegen die Religion
und das Volt Irlands zur Schau tragen?
Hat Stanley nichts von der Sinnesart Ireton's in
feiner Zwangsbill offenbart? Iſt nichts von dem Geiſte
Coote's oder Parfon’s (in einer gemilderten Korm) in
Denen zu finden, welche dem Latholifchen Wolle Irlands
feinen gerechten Antheil an Wahl: und Gemeindefreiheis
ten verweigern, und welche darauf beharren, baß die Ir⸗
länder eine untergeordnete und erniedrigte Menſchenclaſſe
bleiben, jener volllommenern Gleichheit beraubt in bürgers
licher und veligiöfer Freiheit, in Gerechtfamen und Bes
fugniffen — einer Gleichheit, die allein eine Verbindung
fliften und eine Verbindung erträglich machen könnte?
Ich wuͤnſche die Aufmerkfamkeit der Herefcherin und
bes redlich gefinnten Theiles des englifchen Volks auf bie
Unbilden zu leiten, welde Irland erduldet hat und
noch jest durch britifche Regierungsungerechtigkeit erdul⸗
det. Das irländifhe Vote iſt entfchlofien, feine Treue
gegen den Thron ungefchwächt und unvermindert zu bes
wahren; aber es iſt auch ebenfo entfchloffen, Gerechtigs
keit für fich zu erlangen; auf der Wiederherftellung feines
urfprünglichen Parlaments zu beftehen, und bei dieſer
Foderung zu beharren, ohne das Gefeg zu verlegen, aber
auch ohne feine desfallfigen Bemühungen aufzugeben, oder
darin nachzulaſſen, bis der Gegenſtand berfelben volftän:
dig und mit Erfolg erreiche iſt.
Was die Herrfcherin und die Staatsmänner Englands
wiffen follten, iſt: daß das Irländifche Volk fühle und weiß,
daß Irland Bein ſchwereres Ungluͤck treffen kann ale das Gedei⸗
hen und die Macht Großbritanniens. Wenn Großbritannien
mächtig ift, dann wird die daſige Begenpartei Irlands ermu>
thigt, genährt und befördert; dann verlacht man Irlands
Rechte; dann fpottet man feiner Belchwerden; man zwingt
und zur Wahl zwiſchen befchränkten Gerechtfamen und. gar
feinen! engbegrenzten Vorrechten und gar keinen! zur Uns»
terwerfung unter eine flantliche Unterorbnung, welche im
1
re
Gegenſatze gegen bie Vorzuͤge, beren das Volk Englands
und Schottlands ſich erfreut, boppels ſchmerzlich wird.
Die Claſſe der toriflifchen Gutsbefiger — Ausrotter und
was fonft noch, Hauptguͤnſtlingel auf dem Schloffe —
betuachtet und, unteflügt als ber Korn jene Island
feindlichen Partei, welche die Katholiken Itlands mod
einmal nach den entfernteften Gegenden verpflanzen wür:
den, wenn es nur in ihrer Macht flände, und welche
wirklich jene Katholiken dahin bringen, fih in Maffen
nach allen Ländern außerhalb Irland zu begeben.
Die fchlimmfte Frucht von Britanniens Wohlſtand
ift der Schutz, den er den hartherzigen und glaubense
aifrigen irlaͤndiſchen Grundbeſitzern gewährt.
Es iſt auch von der aͤußerſten Wichtigkeit, daß die
Hertſcherin und die Staatsmaͤnner Englands daruͤber be⸗
lehtt werden, wie das irlaͤndiſche Volk es weiß und fuͤhlt,
daß für daſſelbe die Schwaͤche Englands und deſſen Mis⸗
geſchick eine Lebensfrage iſt. Nice für ihren alleinigen
Vortheil errangen die Amerikaner den Steg Aber Bur⸗
geyne zu Saratoga. Ste erlämpften die Freiheit fowol
fax die Seländer wie für fi ſelbſt. Ebenfo flug Du:
mouriez das oͤſtreichiſche Heer bei Jemappes nidyt zum
Nutzen Frankreichs allein. Die Katholiten Irlands hat⸗
ten Antheil an den Zrüchten jenes Sieges. Vergebens
wöürbe man heutzutage die Freude ber Irlaͤnder Über die
Geldverlegenheiten Englands zw verbergen ſuchen. Sie
fübten herzliches umd tiefes Bedauern über bie Leiden
und Entbehrungen der englifhen und fchottifhen Hand⸗
werker und Sabrilarbeiter. Aber fie bedauern nicht die
Schwaͤche der englifchen Regierung, welche aus dem da⸗
biniveltenden Handel und den fliliefichenden Fabriken ent
fpeingt. Für das Leiden jedes einzelnen Menfchen em:
pfinden fie das waͤrmſte Mitleid und das lebendigſte
Mitgefühl. Die anhaltende Schwäche der Regierungs⸗
partei erzeugt bei ihnen keine andeın Gefühle als bie
bee Genugthuung und der Hoffnung.
Hat es je eine größere Unklugheit, eine größere Als
bernheit gegeben, als die iſt, weiche in ben Regierungs⸗
geunbfägen bei einen Lande ‚wis Ireland in ber Art zu
Tage liegt, daß durch diefelben Befühle und Anfichten er⸗
weckt und unterhalten werben, wie ich fie ausgefprochen,
und nur ſchwach bemüht war zu befchreiben?
Ihrer Majeſtaͤt treueſter, ergebenfler und gehorſamſter
Unter
than
Im Februar 1843. Dante! OConnell.
Erſtes Hauptflüd. Die Jahre 1172—1612.
& 1. Die Herrſchaft Englands in Irland begann
im 3. 1172. Einige Jahthunderte hindurch erſtreckte
fie fi nur über einen umbeträchtlihen Theil der Inſel.
Aus verſchiedenen Urſachen nahm das englifche Landges
bist zuweilen an Umfang zu, zuweilen ab. Es dehnte
ſich wicht eher allgemein über Irland ans ale waͤhrend
dee betzten Regierungsjahre ber Königin Sliſabeth, und
gunzlich erſt kurz nach ber Thronbeſteigung König Ja⸗
Us J. Der Erfelg, zu welchem bie Kriegsmacht ber
Königin Elifaberh gelangte, wurbe durch bie abfcheulichften °
Mittel erreicht: buch Verrath, Mord, mafienbafte Ges
metzel und abfichtlich berbeigeführte Hungersnoth. In
letzterer Hinficht z. B. wurden bie heranwachſenden Ern⸗
ten ein Jahr üach dem andern preſtoͤrt, bis dee ſchoͤnſte
Theil Irlands, und beſonders die Landſchaft Munſter,
buchftäblih entvoͤlkert war. Ich führe bier die Stelle
bes englifch-proteftantifchen Geſchichtſchreibers Morrifon an:
„Kein Schauſpiel wiederholte fidy öfter, als in den Stabts
graͤben und beſonders in oͤden Gegenden, Haufen Todte
diefes unglüdtichen Volks, der Irlaͤnder, zu fehen, deren
Mund ganz gruͤn gefärbt war vom Eſſen der Brenn:
nefieln, des Ampfers und alles Deſſen, was fie vom Erbbo:
ben pflüden konnten.” Merke auf, erlauchte Frau, o
merke es dir! Das häufigfte Schaufpiel waren Haufen
von Todten, von irlaͤndiſchen Todten, vor Hunger geſtor⸗
ben! nachdem fie fih das Keben dadurch zu friften ges
fuht, daß fie nach Art der wilden Thiere des Feldes
wild wachſendel Kraͤuter verfchlungen. Haufenweiſe wa:
ven fie geflorben, und Keiner fand fich, fie zu begraben!
So vollendete fi die Unterjohung ber Irlaͤnder nad
einem vierhundertjährigen Kampfe. Niemals warb ein
Bolt auf Erden fo graufam behandelt als die Irlaͤnder.
$. 2. Das Irländifhe Volk wurde nicht zur Hul⸗
digung oder zur Wohlthat, als Unterthanen anerlannt zu
werben, zugelaflen, bi 1612, alſe erft vor 228 Jahren,
wo die Verordnung 11 Jatob's J., Hauptftäd 5, erfolgte.
Diefe Verordnung ſchaffte alle Stammunterfchiebe zwiſchen
Englaͤndern und Irlaͤndern ab, „in ber Abficht‘‘, wie bie
Verordnung es ausdruͤckt, „Daß fie in ein Volk zuſam⸗
menmwachlen, wobei aller frühere Daber und ale ZIwie
teache zwifchen ihnen gänzlich) vergeffen und vertilgt
werden folle. “
6. 3. Während der 440 fahre, welche zwifchen
bein Anfange der englifchen Herrſchaft 1172 und deren
Bollemdung 1612 lagen, kannte man die Irlaͤnder nur
als „die irländifhen Feinde“. So wurden fie in
allen koͤniglichen Erlaſſen, Kreibriefen und Parlaments:
urtunden während jenes Zeitraums genannt. Es war
ber gefegliche Kunſtausdruck für diefelben.
$. 4. Während diefes Zeitraums war es ben Eng:
Ländern verboten, Heirathen mit Irlaͤndern zu ſchließen,
ihre Kinder von den Frauen irländifcher „ Dauptieute,
Anführer und Gutsherren“ ſaͤugen zu laflen; und was
noch fonderbarer iſt, e6 war ben Englaͤndern auch verbes
ten, den Irlaͤndern Waaren oder Kaufmannsyäter zum
Verkauf zu fenden, oder fie ihnen weber bergmeife noch
gegen baares Gelb zu verkaufen.
. 5. Während jener Zeit durfte Jedermann vom
englifcher Abkunft einen Irlaͤnder oder Irlaͤnderin als
folge völlig ungeflvaft ermorden. Einen berartigen Mord
betrachtete das Geſetz ebenfo wenig für ein Verbrechen,
als den Tobſchlag eines sollen oder eines wilden Thieres.
$. 6. Es fanb hierbei jedoch allerdings ber Unter:
ſchied ftatt, ba, wenn ein geborener Irlaͤnder ſich geſeg⸗
terthanenpflicht
(ih unterworfen hatte und in emplifche Us
gewemmmen worben war, er nicht mehr ungefiraft erwsor-
[m
bet werben Toumte, denn ſein Mard wurde mit einer
Heinen Geidſtrafe belegt; einer Strafe, die nicht für das
moralifhe Berbrechen eines Menfchenmordes, ſondern fuͤr
das politifche Vergehen auferlegt warb, den Staat eines
Dieners beraubt zu haben. Gerade ebenfo wie vor nicht
gar langer Zelt im verfchledenen unferer weflindifchen
Pianzftaaten ein Weißer verbunden war, für die Toͤdtung
eines Schwarzen eine Geldſtrafe zu erlegen, nur weil
ein Eigenthuͤmer dadurch eines Sklaven beraubt wurde.
Zweites Hauptfiüd. Die Jahre 1612—25.
Reſt der Regierung König Jakobs J.
6. 1. Ich babe ben erften Zeittaum ber englifch:
irländifchen Gefchichte durch wenige bezeichnende Merks
male derſelben geſchildert. Er umfaßte eine Zeit von
440 Jahren innern Krieges, Raubes und Mordes.
Der zweite Abſchnitt defteht nur aus 13 Jahren, bietet
aber ein Jutereſſe anderer, geifliger Art dar.
$. 2. Unglüdlicherweife war während des erflen Zeitz
raums eine andere und eine leider tiefere Quelle von
„Hader und Streit” unter den WBölkern emporgefchoflen;
ich meine die proteflantifche Kirchenverbeſſerung. Es liegt
mir jest nicht ob, irgend eine Meinung über die religid:
fen Gründe zu jener hochwichtigen Maßregel abzugeben.
Ich befpreche fie nicht wie ein Bottesgelehrter, fondern
nur geſchichtlich, als eine Thatſache, deren Erfolge hoͤchſt
einflußreiher Natur find.
$. 3. Die eingeborenen Irlaͤnder durchgehends, und
die von englifcher Abkunft im Allgemeinen, verwarfen bie
Kirchenverbefferung. Nur verhättnigmäßig Wenige traten
ihr bei und fo wurden bie Quellen des „Haders und
Streites“ fortgeleitet. Die Stammunterfchiede hörten
auf. Seländer und Engländer wurden in ber Abficht
miteinamder verfhmolzen, um fie Raub und Unter:
druckung unter dem Namen Katholiken erleiden zu
laſſen. Die Partei, welche die englifhe Regierung un:
terſtuͤtte, befiand aus Männern, die erſt vor kurzem nad)
Iriand gekommen waren und watlrlih ben Namen
Droteflanten annahmen.
4. So war die Abfiht der Verordnung von
1612 vereitelt; der „Streit“ zwifchen ben proteftantifchen
und katholiſchen Parteien verhinderte die Irlaͤnder, „in
ein Volk zu vermachfen” und verhindert fie noch immer
daran, ein Volk zu fein. Der Fehler hat jedoch an der
Degierung gelegen, und liegt noch au ihre. IR es nicht
Zeit, daß er gänzlich verbeffert werde ?
6. 5 Die Nagierung Jakob's 1. zeichnete fi aus
durch Verbrechen, welche man an dem irlaͤndiſchen Wolke
unter dem Vorwande bes Proteflantismus verübte. Die
ganze Landſchaft Ulſter ward ungerechterweiſe in Be⸗
fdlag genommen; die Eingeborenen wurden auf dem
Bintgerhfle hingerichtet ober mit dem Schwerte erſchla⸗
gen, ein eiender Me warb in bie Verließe entlegener
Gebirge .cber in die Wilawifle faft umgugänglicer Moore
gingt. Ihee Stellen wurden mit ſchottiſchen Abenten⸗
um ausgefuͤllt, mit „Seemdlingen buch Blut und Reli⸗
gie”. Eine Berwäftung gleich der von König Jakeb
in Ulſter voliführten hatte man vorher in ber Chriſten⸗
heit nie gefehen, außer in Irland. Miemalk iſt In ber
chriſtlichen Welt ein Volk fo grauſam behandelt worden
wie das irlaͤndiſche.
$. 6. Da nun bie Gerichtsbarkeit des Parlamente
über ganz Irland fich erſtreckte, ernannte Jakob I. in
einem Tage 40 gefchloffene Burgfleden mit dem Rechte,
in jedem derfelben duch 13 Proteftanten zwei Parlas
mentsmitglieder zu wählen, und zwar um feine katholi⸗
[hen Unterthanen ihres natürlichen und gerechten Ans
theils an ber Volksvertretung zu berauben.
Drittes Hauptſtuͤck. Die Jahre 1625-00.
$. 1. Die Regierung Karl's I. begann unter andern
Ausfichten. Die Form der Unterdrudung und Räuberei
wechfelte — die Sache felbft war noch die naͤmliche. Un:
billige Gefege traten an die Stelle des biutigen Schwer:
tes, der Richter an bie bes Soldaten, und bie Namen
Beute und Plünderung wurden durch die von Ver:
wirkung und Beſchlagnahme erſetzt. Das Werk:
zeug, beffen ſich die Regierung bediente, war „der Aus:
ſchuß zur Unterfuhung mangelhafter Aus
ſprüche“. Der König nahm die Güter des irlaͤndi⸗
[hen Volks in drei Landfchaften in Anſpruch. Jener
Ausfhuß wurde geftiftet, um biefen Anſpruch durchzu⸗
fegen. Es war ein greulider Gerichtshof: man verfuchte
Geſchworene zu beftechen, damit fie ben Anfpruch ber
Krone für begründet erklärten, — dieſer Verſuch ſchlug
fehl. Dierauf wurden die Gefchworenen, die Anftand nah:
men, einen Ausfpruc gegen das Volk zu thun, in Geld:
ftrafen genommen, ins Gefängniß gefest, zu Grunde ge:
richtet. Die Richter waren nicht fo behutfam — fie waren
beſtochen — ja, beftochen mit vier Schilling vom Pfunde bes
Werths aller Ländereien, die vor folchen Richtern von den
Unterthanen für die Krone zuchderworben wurden. Und
ber frevelhafte Ausüber diefer Beſtechung, Strafferd, hatte
fo fehr allen Sinn für Gerechtigkeit und Scham verloren,
daß er fogar fih damit brüflete, daß er auf diefe Weiſe
ben Lord Oberrichter und andere Richter dahin gebracht
babe, „bie Sache fo zu betreiben als wäre fie ihr eigenes
perfönliches Geſchaͤft“.
$. 2. Durch diefe ungerechten und vertvorfenen Dit:
tel enteiffen zu Gunſten ber Krone die Minifter Karl's J.
ber irlaͤndiſch⸗ katholiſchen Bevölkerung über eine Million
Morgen urbaren Bandes, außer einer beträchtlich größern
Strede Landes, welche ihren rechtmäßigen Befigern ges
nommen und ben babgierigen Leuten zugetheilt ward,
mittel$ welcher man ben Raub ausführte.
$. 3. Dierauf erfolgte der Bürgerkrieg. Die irlaͤn⸗
difchen Katholiken vergaßen alle an ihnen veräbte Ber:
brechen und hingen mit verzwelfelter Beharrlichkeit ber
Partei des Könige an. Die irlaͤndiſchen Proteflanten -
gefellten fih, bie einem früher, bie andern fpäter, den
Streitkräften ber Gewaltherrſchaft zu.
$. 4. Während jenes Bürgerkriegd waren die von
St.:2eger, Monroe, Tichbourne, Hamilton, Grenville,
Freton und Grommell an ben Irlaͤndern veruͤbten Metze⸗
7196
teien ebenfo wild und roh wie die Greuelthaten Attila's
und Dſchingis⸗Khan's.
8. 5. Insbeſondere bietet bie Weltgefchichte nichts
Schrecklicheres und Abfcheulicheres dar als die Metzeleien,
welche Obrien, Lord Inchiquin In der Stiftskirche von
Caſhel, Zacton In Limerid, Cromwell in Drogheda und
Wexrford verhbten. .
$. 6. Nach beenbigtem Kriege fammelte Cromwell,
ale die Erſtlinge des Friedens, 80,000 Irlaͤnder in den
füdlichen Theilen Irlands, um fie nach ben weftindifchen
Inſeln zu verpflanzen. So viele als das Verfahren des
Zufammentreibens überlebten, wurden in einzelnen Gen:
dungen nach diefen Inſeln eingefhifft. Won den 80,000
bettefen ſich in ſechs Jahren die Überlebenden auf nicht
30 Perfonen!! 80,000 Irlaͤnder mit einem Streiche,
durch langſame, aber beharrlihe Grauſamkeit, hingeopfert
dem Moloch engliſcher Herrſchaft!! 80,000 — o Bott
der Gnade!
G. 7. Und doch erfcheinen alle diefe Grauſamkeiten un-
bedeutend und nidhtsfagend gegen die Allem die Krone
auffegende Grauſamkeit der Feinde Irlands. Es wurde
den Irlaͤndern bürgerliche Gerechtigkeit verweigert. Aber
noch weit abfcheulicher iſt es, daß man ihnen gefchichtliche
Gerechtigkeit verweigerte, und fie befchuldigte, Urheber und
Ausüber der Todefchläge und Megeleien zu fein, deren Opfer
fle nur waren.
88. Ken Volk auf Erden ift jemals mit folcher
Sraufamteit bebandelt worden wie die Irlaͤnder.
(Die Fortfegung folgt.)
Literarifhe Notizen aus Frankreich.
Gefhichte des Theaters.
Bir haben vor kurzem in d. Bl. eine Reihe von Werken
aufgezählt, welche alle die Gefchichte der franzoͤſiſchen Bühne
zum Gegenftande haben, ober wenigftens Beiträge zur Kenntniß
einzelner Perioden berfelben geben. Wir können heute dieſe
gifte noch um eine „Histoire philosophique et litteraire du
theätre frangais depuis son origine jusqu’a nos jours“ vers
mehren, bie foeben bie Preſſe veriäßt. Diefes Werk rührt aus
ber Feder eines Peuilletoniften bes „‚Siecle”, Hippolyte Lucas,
ber, der fich felbft durch einige leichtere Theaterſtuͤcke, Vaudevilles
und Opernterte befannt gemacht hat. Seine befonnenen Theater:
kritiken im erwähnten Sournale beftechen bei feinen Werfen
von vornherein und laffen eine unparteiifche Würdigung fremden
Berbienftes erwarten. Diefe Erwartungen mwerben denn auch
nicht getäufcht. Wir machen befonders auf den ſchwierigen Abs
ſchnitt, welcher den Buftand des franzöfifhen Theaters während
der Revolutionsperiode behandelt, aufmerkſam. Derfelbe ift
wirklich Höchft intereffant. Der Verf. uͤberblickt dabei die ganze
Lage ber Dinge zu jener Beit und gibt zugleich noch eine uner⸗
ſchoͤpfliche Fuͤlle einzelner intereffanter Züge und pilanter,
charakteriſtiſcher Anekdoten, aus denen man jene Periode oft
beffee Eennen lernt als aus langen Afthetifchen Raifonnemente.
SIntereffant ift, was Lucas von ben erften Aufführungen von
Ehenier’s „Charles IX’ erzählt. Talma, der bis bahin noch
feine Gelegenheit gefunden hatte, fein herrliches Talent vols
ſtaͤndig bervortreten zu laflen, warb in biefen Stüd, in. bem
fein chef d’emploi nicht auftseten wollte, zum erften Male
an eine größere Rolle gelafien. Die übrigen Schaufpieler
weigerten fih mit Talma aufzutreten, nit aus Misgunft über
fein Genie, beffen Umfang fie noch gar nidyt abnten, fondern
weil fie bie republikaniſchen Gefinnungen nicht
denen biefes neue Stud durchdrungen war.
Hofes gerietgen in Duth, ats bie erſten Vorſtellung
ihrer Sabalen, body ihren Kortgang hatten, und ber Dichter
fowie der &chaufpieler, der die erfte Rolle hatte, wurden in
allen Btättern, die den Royaliſten zu Gebote ftanden, bis in
den Staub gezogen. Ja, die Srhitterung sing fo weit, baf
Ehenier und Zalma ſich genätbigt faben, dffentiich befannt zu
machen, fie würden ſtets Waffen bei fih tragen, um ſich, wenn
fie auf der Straße angegriffen würden, vertheidigen zu Können.
Mirabeau nahm für die Werfolgten Partei, und erfannte
namentlich in Zalma ben unſterblichen Kuͤnſtler. Wenig befannt
dürfte auch fein, baß Laya, unbedingt der einzige Dichter, der
feinen NRevolutionsflüden wenigftene eine gewifle literariſche
Borm zu geben verfland, im 3. 1793 den Muth hatte, bie
Ultraradicalen in der Konvention offen anzugreifen. Das Stüd,
in dem er dies that, führte ben Zitel „Ami des lois“. Man
wollte in demfelben fogar bie Portraits von Robespierre und
Marat ertennen. Die Berfolgungen, bie fi ber Verf. durch
fein Stüd zugezogen hatte, wurden von ber Convention, bie
einen Act der Großmuͤthigkeit thun wollte, niebergefchlagen.
Bon allen Stüden, die Lucas in feiner Schrift befpricht,
{ft das tollfte und ungeftaltetfte das ‚„‚Jugement des rois“, das
mitten im aͤrgſten Gewirr der Revolution zur Aufführung kam.
Der Verf., Sylvain Markechal, hatte fein Städ, in dem ben
armen Königen und fogar bem Bar unb dem Papfte, bie
fid) beide ins Haar fallen, arg mitgefpielt wird, eine „Propheötie”
genannt,
Lothringiſche Alterthämer.
Wir haben vor kurzem ben zweiten und legten Band ber
„Archeologie de la Lorraine’ von 3. 8. Beaulieu erhalten,
der an wichtigen mnb intereflanten Gingelbeiten nicht weni⸗
ger reich iſt als der erſte. Diefes Werk verdient namentlich
auch von beutfchen Gelehrten beachtet zu werben. Der Verf.
geb. zu Nancy am 28. Aug. 1788, gegenwärtig Präfident
der Sotciéé royale des antiquaires de France, hat fein ganzes
Leben archaͤologiſchen Unterſuchungen gewidmet, und diefe Siu⸗
dien verdanten ihm manche wichtige Bereicherung. Einen
Theil feiner Beobachtungen bat er in verſchiedenen gelehr⸗
ten Beitfchriften niedergelegt, indeffen find auch mehre ſeib⸗
ftändige Werke aus feiner Feder erfchienen. Erſt neuerdings
bat er in einem Briefe an Jomard, Mitglied ber Akademie,
die aͤgyptiſchen Alterthümer befchrieben, bie vor einigen Jahren
bei Salzburg aufgefunden find. Leider ift es ihm gleidy bei
der Abfaſſung bes Titels zu biefem Buche begegnet, einen Bleinen
geographifchen Schniger zu machen. Bon Beaulieu’s übrigen
archäologifchen Schriften heben wir die ‚„‚Recherches arch&o-
logiques et historiques sur le comt& de Dachsbourg, aujour-
d’hui Dabo” und bie „‚Antiquites de Vichy les Bains” hervor.
2.
Literarifhe Anzeige.
Bei F. A. Srockhaus in Leipzig iſt neu erſchienen
und durch alle Buchhandlungen zu beziehen:
Traditiones corbeienses.
Herausgegeben
von
Dr. Paul Wigand.
Sr. 8. Geh. 24 Nor.
rüber erfchien von bem Herausgeber ebenbafelbfi:
Nachtrag zur kritiſchen Pruͤfung des Chronicon cor-
beiense. 1841, Gr 8. Geh. 1 Xhke.
Verantwortliher Herausgeber: Heinrih Brodhaus — Drud und Verlag von J. A. Brockhaus in Leipzig.
—*
Blaͤtter
für
literarifhe Unterhaltung.
Dienflag,
und die Irlaͤnder.
(Bortfetung aus Mr. 198.)
Biertes Hauptflüd. Die Jahre 1660-92.
Wir find jest zur Reſtauration gelangt, einem Er:
eigniffe von aͤußerſtem Vortheil für die Anhänger ber
Krone, die gerechterweife wieder in ihr Eigenthum einge:
fegt wurden; einem Ereigniffe, das den britifhen Pluͤnde⸗
rern und befonders den Soldaten Ireton's und rom:
wei’s das Eigenthum ber irländifhen Katholiken, beren
Väter gegen die Gewaltherrfchaft bie zu ihrem legten
Blutstropfen und Athemzuge gelämpft hatten, unwider⸗
euflih und für immer zuwies.
$. 2. Der Herzog von Dort, nachmals Jakob II,
nahm, für feinen eigenen Antheil an dem Raube, über
80,000 Morgen Landes, den irländifchen Katholiten zu:
gehörig, bie diefe durch nichts Anderes verwirkt hatten,
als daß fie die Freunde und Beſchuͤtzer feines ermorbeten
Vaters und die Feinde feiner Feinde geweſen waren.
3. Und dennod war die dem irländifchen Wolke
inwohnende Liebe für einen einmal gefaßten Grundſatz —
einen Grundſatz ehrenhafter, aber in diefem Falle hoͤchſt
misverflandener Untertbanentreue — fo groß, daß, ale
dieſer Bönigliche Räuber nachher ducch feine britifchen Un⸗
terthanen vom Throne geflürzt wurde und feine Zuflucht
zu Irland nahm, der irländifhe katholiſche Adel, ber
Mittelftand und das Volk im Allgemeinen fi um ihn
reihten, und ihre Blut mit einem Muthe und einer Be:
hartlichkeit für ihn vergoffen, welche einer beſſern Sache
würdig waren.
8. 4. Diefer Abſchnitt follte für den Vertrag von
Limerid beflimmt fein. Die Irlaͤnder, erhabene Stau,
wurden im Kriege nicht befiegt. Sie hatten in bem
Sabre vor dem Vertrage Wilhelm IT. mit Niederlage
und Schande aus Limerid vertrieben. An biefem irlaͤn⸗
difhen Siege nahmen die Frauen Theil. Es ift keine
Erdichtung. Bei den großen Niederlagen Wilhelm’s TU.
fochten, biuteten und fiegten die Frauen von Limerid.
Am 3. Dct. 1691 ward der Vertrag von Limerid un:
tergeichnet. Das irlaͤndiſche Heer, 30,000 Mann ſtark,
der Adel, ber Mittelftand und das Volk Irlands unter:
Das irländifche Volk leiſtete biefer Krone von neuem
Huldigung. Nie hat England einen vortheilfaftern Ders
trag gefchlofien als diefen, unter den vorhandenen Um⸗
fländen. Es war ein wohlüberlegter und feierlicher Ver⸗
trag, wohlbedachterweife durch offene Freibriefe von der
Krone beftätigt. Er machte einem biutigen Bürgerfriege
ein Ende. Er brachte das irländifche Volt wieder unter
bie Herrfchaft Englands, und fichexte dieſe Herrſchaft auf ewig
über einen der ſchoͤnſten Theile bes Erdballs. So groß war
ber Werth von Dem, was das irlaͤndiſche Volk gegeben.
$. 5. Durch diefen Vertrag bebangen ſich anderers
ſeits bie irländifchen Kafholiten von ber englifchen Krone,
was ihnen auf „Treu und Glauben” von berfelben ver⸗
bürgt warb, ben gleihen Schug des Geſetzes mit allen
andern Unterthanen, für ihr Eigenthum und ihre Freis
beiten — und befonders für die freie und unbe:
ſchraͤnkte Ausübung ihrer Religion.
Fuͤnftes Hauptſtuͤck. Die Jahre 1692—1778.
F. 1. Die Irlaͤnder erfüllten ihrerſeits in jeder Rüd:
ſicht mit gewifienhafter Genauigkeit die Bedingungen des
Vertrags von Limerid.
$. 2. Diefer Vertrag wurde von ber britifchen Mes
gierung gänzlich verlegt, im Augenblid‘, wo fie vollkom⸗
men ficher war, es thun zu können.
$. 3. Diefe Verlegung geſchah durch die Verfügung
eines Geſetzbuchs von der Liftigften, abfcheulichften Unge:
vechtigkeit, welche jemals die Jahrbücher der Geſetzgebung
befledt bat.
$. 4. Hier führe ich einige Beifpiele von der Grau:
famteit an, womit der DBertrag von Limerid verlegt
ward, und zwar unter folgenden Hauptpunkten: „1) Ei:
genthbum. Jedem Katholiten war durch einen Par:
lamentsbefchluß die Befugniß genommen, einer Tatholi:
fhen Ehefrau ein Witthum auszufegen, ober feine Laͤn⸗
dereien mit irgend einer Anwartfchaft zu Gunſten feiner
Töchter zu belaften, oder letztwillig über fein Grunbeigens
thum zu verfügen. Bel feinem Tode theilte das Geſetz
feine Ländereien zu gleichen Xheilen unter alle feine
Söhne. Go murden alle Familienverhältniffe ver-
legt. — Bing eine Larholifche Ehefrau zum Proteflans
tismus über, fo berechtigte fie das Gefeg nicht nur, ihren
bandelten mit dem Deere und ber Krone Großbritanniens. | Ehemann zu zwingen, ihr ein befonderes Einkommen zu
eben , fonbern auch bie Auffiht und Vormundſchaft
—* alle ihre Kinder auf fie zu uͤbertragen. Auf biefe
Weiſe wurde bie Ehefrau ermuthigt und ermächtigt, mit
Erfolg gegen ihren Ehemann fi aufzulehnen. — Wenn
bee aͤlteſte Sohn eines katholiſchen Vaters ſich in fegend
dem, wenn aud noch fo jugendlichem Alter, zum Pro:
teſtantismus bekannte, fo machte er dadurch feinen Vater
zum Pachter auf Lebenszeit, raubte ihm jede Befugniß
zum Verkauf eines Guts oder zur Verfügung darüber,
und ein folcher Proteitant erhielt ben Anſpruch auf un:
beſchraͤnkte Herrſchaft und Kigenthumsrechte des Gute.
Auf diefe Weife wurde des aͤlteſte Sohn ermuthigt und
fogar durch das Beleg beſtochen, ſich gegen feinen Vater
aufjulehnen. — Wenn irgend ein anderes Kind, außer
dem ätteften Sohne, fi in irgend einem Alter al6 Pro:
teftant erklärte, entging ein folches Kind fofort der Auf-
ſicht feines Vaters, und hatte Anſpruch auf Unterhalt |
aus bem väterlihen Vermögen. Auf dieſe Welle er:
mutbigte das Geſetz jedes Kind, ſich gegen feinen Vater
aufjuiehnen. — Wenn ein Katholik ein Land:
gut für Geld erkaufte, war jeder Proteftant |
gefeglich berechtigt, bvem Katholiken jenes Gut
u nehmen, und daffelbe zunugen, ohne einen
chilling Kaufgeld zu zahlen. Dies war Ge
ſetz. Der Kathotit zahlte das Geld, worauf ber Pro:
teftant das But nahm. Der Katholik verlor ſowol Gelb
wie Gut. — Wenn ein Katholik ein Landgut durch
Heirath, durch Schenkung oder durch Vermaͤchtniß eines |
Verwandten oder Freundes überlam, konnte dem Geſetze
nach jeder Proteftant das Gut dem Katholik fortnehmen,
und es felbft nugen. — Wenn ein Katholik einen Pacht:
vertrag eines Landguts als Pächter auf eine ober mehre
Lebenszeiten oder auf länger als 31 Jahre ſchloß, konnte
jeder Proteftant geſetzlich dem Katholiken die Pachtung ab:
nehmen, und den Vorttheil des Padhtvertrags genießen. —
Wenn ein Katholik einen Pachtvertrag auf eine, 31
Jahre nicht überfchreitende Friſt ſchloß, was er dem Bes
fege nach thun konnte, und durch Arbeit und Ziel den .
Werth des Guts fo erhöhte, daß es einen Mugen ge:
währte, der einem Drittheil bes Pachtvertrags gleichkam,
fo durfte in diefem alle jeber Proteftant gefeglich den
Katholiken entwähren und für ben Meft ber Pachtzeit
die Frucht der Arbeit und des Fleißes des Katholiken ge:
nießen. — Wenn ein Katholit ein Pferd befaß, Das
über 5 Pf. Sterling werth war, und ein Proteflant
dem katholiſchen Eigenthlimer 5 Pf. Steel. dafür dot,
war er gefeglich berechtigt, das Pferd zu nehmen, wenn
&6 auch 50 oder 100 Pf. Sterl. oder mehr werth war,
und es als fen Eigenthum zu betrachten. — Wenn
ein Katholik ein Pferd beſaß, das Aber 5 Pf. Sterl.
werth war, und dies Pferd vor einem Proteflanten ver:
barg, war ber Katholik für das Verbrechen, fein eigenes
feed verborgen zu haben, einer Gefaͤngnißſtrafe von brei
onäten und einer Beldbuße von dreifachen Werthe des
Pferdes, wie hoch derfelbe auch fein mochte, unterwor-
fen. — So viel in Hinficht der Geſetze, welche durch
Darlamentsbeichtäffe das Eigenthum bes Katholiken ord⸗
neten ober vielmehr im gehörigen Laufes Geſetze bes
plünderten. 23) Erziehung. Wenn ein Katholit eine
Schule Hielt, ober Jemandem, einem Proteflanten ober
einem Katholiten Unterricht in irgend einer Art von Buͤ⸗
cherkenntaiß ober Wiſſenſchaft ereheilte, fo beſtrafte das
Geſetz einen folchen Lehrer für das Verbrechen mit Ver:
bannung, und fehrte er aus der Verbannung zurüd,
mußte er gewärtig fein, wie ein Miffechäter gehenkt zu
werden. — Wenn ein Katholit, fei es ein Kinb oder
ein Erwachſener, in Irland eine Schule befuchte, die ein
Katholik Hielt, oder zu Daufe von einem Katholiten un⸗
terrichtet wurde, fo verwirkte ein folcher Katholik dadurch,
wenn er auch noch ein junges Kind war, bie
feines ganzen jegigen und tünftigen Eigenthums. —
Wenn ein auch noch fo junges Kind in das Ausland
zur Erziehung geſandt ward, ſetzte ſich ein foldyes Kind
einer ähnlichen Strafe aus, nämlich der Einbuße ſei⸗
nes Rechts auf gegenwaͤrtiges ober zu boffendes Eigen-
thbum. — Wenn irgend Zemand in Itland Geld oder
Waaren zum Unterhalt eines irlaͤndiſchen im Auslande
erzogenen Kindes beförberte, fo feste er fi der naͤmlichen
Buße aus. 3) Perföntihe Unfähigkeiten. Das
Geſetz machte jeden Katholiken unfähig, eine Anftellung
Im Deere oder in der Kriegsflotte zu bekleiden, ja ſelbſt
nur Soldat zu fein, wenn er nicht feine Religion feier:
| Tich abſchwor. — Das Beleg erklärte jeden Katholiken
für unfähig, irgend ein Ehren: oder, Soldamt im Staate
zu bekleiden. Von folchen waren fie gänzlich ausgefchlof:
fen. — Ein Katholik entbehrte jedes geſetzlichen Schutzes
für Leben und Freiheit. Er Lonnte nicht fein: Richter,
Obergeſchworener, Sheriff, Unterfheriff, Referent im Kanz:
keigericht, Anwalt, Geſchaͤftsverwaiter, Bevollmaͤchtig⸗
ter, Schaffner oder Verwalter einer Gutsherrſchaft oder
ſelbſt Wildhuͤter eines einzelnen Edelmanns. — Em
Katholik konnte nicht Mitglied einer Koͤrperſchaft fein,
und das Geſetz ſchloß Katholiten vom Wohnfige in man:
Men Gemeindeſtaͤdten aus. — Die Katholilen waren
jedes Rechts beraubt, für Mitgiteber des Haufes der Ge:
meinen im Parlamente zu ſtimmen. — Katholifche
Dates Hatten kein Recht zu Sig und Stimme im Ober:
hauſe. — Faſt alle dieſe perfönlichen Unfähigkeiten fegte
das Geſetz gegen feben Proteflanten buch, der eine fa:
tholifhe Frau beicathete, oder deſſen Kind unter 14
Jahren, ſelbſt ohne feine Bewilligung, Eatholifch erzogen |
war. 4) Religion. Die katholiſche Meligton zu Ich:
ven war eine Miſſethat, worauf Landesvermeilung fand;
einen Proteflanten zum katholiſchen Glauben zu bekehren
war ein Dauptverbrechen, mie
Hochverrath ſtrafbar. —
Ein katholiſcher Ordensgeiſtlicher, d. h. ein Mönch oder
Kloſterbruder zu fein, wurde mit Verbannung beſtraft, und
aus der Verbannung zuruͤckkehten, war eine
Handlung des
Hochverraths. — Ein katholiſcher Erzbiſchof ober Biſchof
zu fein oder irgend eine gelfltiche Gerichtsbarkeit in ber
kathotiſchen Kirche Irlands auszukben, war firafbar durch
Verbannung — ans folder Verbannung zurkdgulchren,
war Hochverrath, worauf die Strafen * —— des
lebendig Ausweidens und nachher des Vierthellens ſtanden.“
6. 5. Mäge es nach dieſer Aufzaͤhlumg Euch, erlauchte
Frau, gefallen, ſich zu erinnern, daß jede einzelne dieſer Wer:
ordnungen, jebdes einzelne diefer Geſetze geradezu eine hand:
greifliche Verlegung eines feierlichen Vertrags war, für den
Treue und Ehre der beitifchen Krone verpfändet und die Ge:
rechtigkeit des englifchen Volks unzweideuntig verpflichtet war.
$. 6. Niemals war noch eine fo abſcheuliche Samm⸗
lung von Verfolgungsgeſetzen erdacht worden, fo grau⸗
ſam, fo kaltbluͤtig, fo berechnet, fo umfaſſend wie dieſe
Gefetzgebung, weiche bie irlaͤndiſche Orangepartei, die
Shaw, die Lefroy, bie Verner damaliger Zeit erſan⸗
nen und ausfuͤhrten. in Geſetzbuch, dadurch zur aͤußer⸗
ſten Hoͤhe von Schande geſteigert, daß es mit der ſchaͤnd⸗
lichſten Verletzung einer feierlichen Verpflichtung und eines
woblüberlegten Vertrags beſchloſſen warb.
8. 7. Es iſt mir nicht möglich, dies Geſetzbuch in
einer angemeffenen Sprache zu befchreiben. Dies Über:
fteigt faſt die Beredtſamkeit Burke's. „Es hatte‘, fo be:
fchreibt «6 Burke, „eine lafterhafte Vollkommenheit —
«6 war ein volfländiges Lehrgebäude — voller Bufam:
menbang und Haltbarkeit; in allen feinen Theilen wohl⸗
überlegt und wohlberechnet. Es war ein Triebwerk von
Euger und uͤberdachter Erfindung, und fo wohl geeignet
zur Unterbrüdung, Verarmung und Erniedrigung eines
Volks und ſelbſt zur Herabwuͤrdigung der menfchlichen
Katar m bdemfelben, als jemals aus bem verberbten
Scharfſtan des Menſchen hervorgegangen iſt.“
$. 8. Dies Geſetzbuch verhuͤtete die Anhaͤufung von
Eigenthum, und beftrafte den Fleiß als Verbrechen. Gab
es je in einem andern Lande, in einem chriftlichen oder heidni⸗
ſchen, folche Gefeggebung? Doch das iſt nicht Alles; denn
die Partei, welche dies abfcheuliche Sefegbuch zufammen:
ſtellte, machte dem irländifchen Volke wirklich den Vor:
wurf abſichtlicher und ſchmutziger Armuth.
F. 8. Dies Geſetzbuch zwang duch Fug und Recht
zur Ummiffenheit, und beſtrafte die Erlangung von Kennt:
aiffen als Verbrechen. Iſt dies glaublih? — und ben:
moch iſt es wahr. Doch das ift nicht Alles; denn biefelbe
Partei, weiche bie Bildung des Geiſtes fo verfolgte, warf
den Seländern Unwiffenheit vor, und thut es noch.
$. 10. Ya, niemals warb ein Volt auf Erden fo
grauſam, fo niedrig behandelt wie das irlaͤndiſche. Nie:
mats gab es eime fo biutbefledkte, fo verbrecherifche Par:
tel als die Drangepartei, bie, unter bem Namen von
Proteſtanten, den Reſt ihrer gemisbrauchten Macht zu
erhalten firebt, indem fie den Geiſt aufrecht erhält, der
die ſchaͤndliche Racheverfolgung ſchuf und fortfegte, von
weicher ich die Umeiffe nur ſchwach gezeichnet habe. Es
wäre mehr als aufruͤhreriſch, ja wirklich verrätherifch,
wenn man voraußfegte, daß eine folche Partei jemals bei
Euch, giorwärdige Frau, Schutz finden könnte, die Ihr
bazu befkinmt feld (denn dies Vertrauen hege ih), end:
ich Gerechtigkeit walten zu laſſen, dadurch, daß Ihr die
echte Eures getreuen, braven, lange unterdrüdten, aber
dechherzigen irlaͤndiſchen Volks benen Eurer übrigen Un:
terthanen gleichſt ellt.
8 a ¶ Die Yortfepung folgt.)
IR er him.
em Intereſſe, welches der Ausg des chineſtſchen
Kriegs für biefes Land wieder erweckt bat, rg bem „B'oreigu
and colonial quarteriy reriew‘’ nicht zu verbenfen, daß &
bemfelben in bem erſten Hefte des gegenwärtigen Jahrgangs
fogar zwei Artikel widmet. Giniges daraus wird au dem
deutſchen Eefer willtommen fein. In dem einen biefer Artikel
ift eine Überfict des Ganges geliefert, weichen bie Weindfelig«
teiten Englands mit Shina von Anfang an genommen haben.
Als Quellen find angeführt die Londoner Zeitungen von 1842,
das dem Parlamente vorgelegte „Blue Book’, weiches die
ciellen Documente enthält, und folgenbe zwei Schriften: ie
Chinese‘, von 3. $. Davis (London 1840), und „A narı-
tive of the expedition to China”, von Gom. Elliot. Bon
demfelben Davis ift fpäter ein Werk in zwei Bänden erfchisnen:
„Sketches of China” (Eondon 1841). Der genannte Aufſatz
des „Review enthält eine unerquictiche Polemik gegen bie Bes
hauptung ber Whige, daß ber. Erfolg des Kriegs noch auf
Rechnung des Whigminiftertums zu flellen fei. Als ein Fehler,
ohne weichen es vieleicht gar nicht zum Kriege gekommen waͤre,
wird bie Übertragung ber Handelsverwaltung in China, nad
Auflöfung der Oſtindiſchen Sompagnie (deren Auflöfung eben:
falls verurtheilt wird), an Lorb Rapier gerägt, während bies
felbe in Hrn. Davis’ Haͤnden beffer aufgehoben geweſen wäre.
Dee Gang ber Ereigniffe während bes Kriegs ift aus ben Zei⸗
tungen befannt, aber intereffant iſt eine Tafel der Groberungen,
welche geigt, wie die Erfolge feit Muguft 1841 einander jags
ten. Gingenommen wurbe nämlih Amoi 36. Aug., Tſchu⸗
fan 3. Dct., Ningps und Tſching-haͤ 10. März; 1849,
Siguhn und Zfisti 15. und 16. März, Tſchaͤ⸗gu IB. Mat,
Busfung 16. Juni, Sibäng-bä 18, Juni, Aſchin⸗
Hängsfu 21. Juli; und am 20, Auguft wurde der Friebe
von Nans⸗king geſchloſſen.
Sobald die britiſche Expedition in ben Yangstfistiang
eingebrungen war, änderten die chineflfchen Beamten: plöglich
ihren Ton. Wie fie früher den Kaifer gegen die Briten einzus
nehmen gefucht hatten, ift oft Lomifch genug. In einem Mes
morial, das der weitfehende Ki⸗ſchen, Vicekoͤnig von Petfchesti,
an den Kaifer gerichtet hatte, hieß es: „Anlangend das Gelb,
das die gebachten Barbaren einführen, fo ift es allefanımt mit
Quedfilber legirt. Wenn man es einwidelt und etliche Jahre
weglegt, ohne daran zu rühren, fo wirb es voller Motten unb
freſſender Inſekten, und ihre filbernen Becher verwandeln ſich
ganz in Kedern und Flügel.” Iſt das nicht noch toller ausge⸗
dacht, ale es der Sklave Stafimus bei Plautus zu madıen
weiß, um dem alten Philto das Landgut, das biefer Taufen will,
zu verleiben? „Ihr Geld, beißt es noch weiter, iſt alles von
biefer Art, und wollte man es ein 400 oder 500 Jahre liegen
laſſen, fo kann kein Menfch willen, in was es fich noch vers
wanbeln würde.‘ Aber bie Niederlagen von Amoi u. ſ. w., be:
ſonders die bei Ifchäsrgu und bei Zichin- Flängsfu, hatten bie
Mandarinen und mittelbar den Kaiſer mürbe gemadt. ans
ting war bedroht und außerbem, wie es fcheint, das Land uns
ruhig; die Soldaten aus dem Innern wollten nid;t mehr an
bie Küfte, befertieten und ftrefften in Banden pländernd umber;
die Schrecken, welche den Fall von Ifchin » Hängsfu begleiteten,
hatten allgemeine Sehnſucht nad) Beendigung ber Feindſeligkei⸗
ten erwedt; ſcharenweiſe hatten fidy bie Bewohner ber Gtabt,
Männer und Weiber, erhenkt .oder den Hals abgefchnittens Wär
ter, Gatten liefen nach Haufe, als fie Alles verloren fahen,
und erwürgten ihre Sinber, ihre Weiber unb brachten zulegt
fi ſeibſt um. Dies gefchah nicht nur unter den niederen Bolke⸗
claffen, die Sieger drangen in die ftattlichften Haͤuſer und fans
ben Frauen in Weide und Atlas aufgefnäpfts bie tapfeen Tas
taren ließen ſich nieberhauen oder vertsannten ſich in ideen
Haͤuſern; die Euft war ſcheußlich erfünt von dem M
ber verwefenben Leichen in ber Stadt unb ben Vorſtaͤdten; bie
‚Stadt war unbewohnbar geworben, weil alle Haͤuſer
waren; bie Cholera brach aus. Biele Familien waren auch
Aihchtig geworben. Mäuberife Banben burchzoner und ver»
das Land.
Kun wuͤnſchte man Frieden, .. „erhändler beffels
ben chinefifcherfeite flimmten einen gang anbern Son an, als
ihn die Weiten früher vernommen hatten. Die beleidigenben
Ausdrüde, wie „WBarbarenauge” und bergi., unterblieben.
Abſchiuß und die Bedingungen find bekannt. „&o”, fagt unfer
engliſcher Berichterſtatter, „endete ein Krieg, ber hoͤchſt verderb⸗
* und unglädtich für eine der Parteien, hoͤchſt koſtſpielig und
unrühmlic, für die andere war.” Gr zählt ſodann bie Bortheile
auf, welche fih aus ben Punkten bes Vertrags für England in
Ausficht ftellen laſſen; die Mögtichkeit jedes wirklichen und nach⸗
haltigen Erfolgs, ſagt er mit Recht, wird von dem richtigen
Benehmen der engliſchen Kaufleute und Beamten in China ab⸗
hängen. Man wird ſich müffen verftändigen lernen und zu bier
fem Zwecke befonders für gute Dolmetfcher forgen. Den Con⸗
fularagenten müßte ſtreng unterfagt fein, ihre Grauen, Töchter
und überhaupt Krauenzimmer mit ins Land zu nehmen; bie
Sbineſen haben einen eingewurgelten Wiberwillen gegen frembe
Frauen, und es wurde nie eine in bie Factorei zu Kanton ges
‚laffen. Als Grund für bie Ausſchließung der fremden Brauen
führten die Mandarinen, die man beshalb befragte, bie Ge:
wohnheit der Engländerinnen an, auf den Straßen und in ben
Läden berumlaufen, was in China ungebräudtich wäre und fie
den Beleidigungen des Poͤbels ausfegte. Mit guten Arzten
müffe man bie Stationen verfehen, da bie Chineſen ben eng»
Lfchen raten immer viel Zutrauen und nad) der Cur viel
Dankbarkeit bewiefen hätten. Sie zu Ghriften zu madıen,
fheint ebenfo wenig Ausſicht als früher. über dieſen Gegens
ftand findet fich folgende bemerkenswerthe Stelle: „Segenmwärs
tig, darf man behaupten, find die Chineſen ein Volt ohne alle
Meilgion. Ste haben nicht einmal einen Namen für ben Schöpfer
der Weit, Leinen perfönlichen Bott, Feine individuelle obere
Macht; fie beten zu feiner einzigen, fie beten in der That gar
nicht und fie haben auch Feine gottesdienftlichen Zuſammenkuͤnfte
irgend einer Art.” Alſo ein wirklich exiſtirendes Atheiſtenvolk,
200 Mill. Atbeiften, weich ein raus! Und: feltfam, biefe
ſchrecklichen Atheiften fehen es als hoͤchſtes Ziel der Menſchheit
an, „eine friediiche Heimat auf Erden zu gruͤnden, die Natur
zu bejahmen und den Boden durch Ackerbau zu bewaͤltigen, uns
fhuldig und friebfelig, tugendhaft und in rechtem Maße zu
Yeben, um bad Gleichgewicht der Welt durch ordnende fittliche
Thaͤtigkeit, an welcher jeber Menſch opne Ausnahme Antheil
nimmt, zu erhalten.” Dies bie Lehre des Konfuciuß. „Die
Mandarinen und Stubenten, bie ſich für den Staatsdienſt vors
bereiten, verfammein ſich zu feftgefegten Zeiten, um ben Con⸗
fucius zu verehren in Zempeln oder Hallen, beren jebe Stadt
eine befigts bie Bee Tempel und Pagoben mit midgeftal:
ten Gögenbilbern, welche von ben weltlichen und oͤſtlichen Ta⸗
taren berrühren, find dagegen allgemein verachtet und werben
von den Zataren felbft nicht ſehr ehrerbietig behandelt.” Be:
kannt genug iſt der Grundzug ber chineſiſchen Anſchauungsweiſe,
Gitteniehre und Staatsverfaffung: das Verhaͤltniß ber Pier
tät, der kindlichen Liebe. Aus biefem Zuge entfpringt unter
Anderm bie Verehrung ber Verftorbenen und der Gräber. Wir
erfahren, daß die Engländer es nicht immer vorſichtig genug
vermieden haben, bie Pietaͤt der Shinefen in dieſer Hinſicht zu
verlegen; fo brachen nach der Einnahme eines Ortes nahe bei
Ganton Soldaten zu großem Anftoß und Kummer der Chine⸗
fen aus bloßer Neugier in die Grabftätten; nach der Einnahme
son Zfehinskiäng: fu fehnitt ein englifcher Wundarzt vielen
Leichnamen erhenkter Grauen die Füße ab, um fie zu feciren,
zu großem Abfcheu der Ghinefen.
Aus dem kindlichen Verhältniß entfpringt nothmwenbig die
durchgängige Begründung der Gittlichleit auf Furcht. Hierin
begegnet ber chinefiiche Atheismus unferm Theismus, flatt der
Gottesfurcht haben fie die Geſetzesfurcht, welche in bie Peitfchen-
furcht umfchlägt, und das ift nun wieber tout comme chez nous.
Die Strafgeſede, die in ihrer bar Strenge Beineswegs
immer ausgeführt werben, mehr nur bes
wegen ba zu fein. Nicht nur bie Deferteure ber bimmtifchen
Armee, fondern wer in Reih unb Glied zittert oder mit feinem
Nachbar flüftert, foll dem Geſetze nach geköpft werben; es wäre
im testen Kriege viel zu Edpfen gewefen, wenn man auf ben
Buchftaben bes Geſetzes gehalten hätte. Rach Säslaff's An⸗
gabe beiteht die ftebende Armes aus 700,000 Wann, und bas
gefammte Kriegsbeer, Mongoten und Mantſchu⸗Reiter einbes
griffen, aus 1,200,000 Dann ; von biefen find aber die Meiften
nichts als gewöhnliche Bauern, und feit Jahrhunderten nicht
„im Belde” geweien, außer um zu fden und zu ernten. Die
chineſiſchen Truppen fuchten auch ben Englänbern auf alleriei
Art, oft fehr komiſch, wie Som. Elliot umſtaͤndlicher erzählt,
Furcht zu machen; fie hingen über ihren Kanonen Gemaͤlde von
ſchrecklichen Zigerföpfen aufs fie errichteten Gcheinlager von
zahliofen Zelten, bie nichts als weiß übertündte Erdhaufen
waren; fie flellten bem Yeinde gemalte Beftungswerke entgegen,
in der Meinung, es werbe ihm bavor ſchon von weitem bange
werben; fie maslirten die Münbungen ihrer Böller mit Holy
Scheiben, bie wie Mündungen ſchwerer Geſchuͤtze angefärbt
waren.
Die Erſchuͤtterung, welche ber Sieg ber Engländer in China
hervorgebracht hat, fcheint Dem zufolge, was ſich aus ben ver:
ſchiedenen Berichten entnehmen läßt, nicht fo groß gewefen zu
fein, daß man eine Erhebung bed Volksgeiſtes aus feiner jahr⸗
bundertjährigen Lethargie hoffen dürfte. Wenn es gelingen
follte, die Handelsverhaͤltniſſe für die Dauer auf einen leid:
lichen Buß zu bringen, fo Eönnte vielleicht ber Verkehr mit ben
europäifchen Nationen, wenn bie Shinefen erft feibft Geſchmack
daran fänden, allmdlig auf eine Wiederbelebung ber innern
Energie bed Volks Einfluß üben. Es wäre eine Frage von
mehr ald blos müßiger Neugier, ob ſich auf biefer Wurzel eines
abgeftorbenen Culturlebens noch ein Iebensfähiges Reis wird
pfropfen laſſen. 48.
Notiz.
English aristocratic education.
Unter biefer Überfchrift enthält das „Dublin university
magazine’ folgenden Paragraphen: „Wir find eine große Nation
und in nichts zeigt fich unfere Größe deutlicher als in ter
Erziehung unferer Zugend. Der junge Franzoſe feheint fein
Schickſal erfüllt zu haben, wenn er mit einem Paar Glack
handſchuhen der Inappften Art und von Mabame Raffarge’s Lieb:
Iingefarbe auf dem Boulevard de Gand umherſchlendert ober in
ber Goutiffe der Oper faullenzt. Anders ber Deutfche. Der
junge Deutfche verachtet nicht bios Bandfchuhleder, fondern auch
reine Hände und begibt ſich fo früh ale möglich auf ben Weg,
bon welchem er — die Gerechtigkeit muß man ihm laflen — nie
wieder abzumweichen wünfht. Cine brei Zuß lange Pfeife mit
Meerſchaumkopf und ein Zabadsbeutel von der Räumlichkeit eis
nes GSchultornifters befriedigen die Beduͤrfniſſe feines Lebens.
Traͤumeriſche Biftonen von Schmerzen, bie nicht erifliren, und
von ber Größe feines Vaterlandes, bie vollends gar nicht eriftirt,
find das Futter feiner Gedanken, und ein halbes Dugend Lebens⸗
jahre hindurch kennt er Seinen andern Ehrgeiz, als offen zu
erklären ‚ daß Könige und reines Wafchwafler ihm hoͤchſt gleich-
gültig find. Anders und etwas beffer ift bas bei und. Bon
dem Augenblide, wo unfere jungen Männer ihre Laufbahn bes
treten, find fie ausgezeichnete Jockeis. Sollte daher eine Katar
tität gleich der fuͤrchterlichen franzöfifhen Revolution unfern Abel
zur Auswanderung zwingen, fo werben wir bie Freude erleben,
daß der englifche Adel, flatt Mathematil: und Muſik⸗, Fecht⸗
Won Sanzunterriät zu geben, ganz @uropa mit Stalljungen
verforgt. 3.
Berantwortlier Herausgeber: Heinrih Brockhaus. — Drud und Verlag von F. X. Brockhaus in Leipzig.
Blätter
ftr
! LT we Br
ame
4. «
literarifhe Unterhaltung.
uud die Irlaͤnder.
(Bortfegung aus Nr. 100)
Sechsſstes Hauptfiid. Die Jahre 17781800.
& 1. Die Verfolgung, die ich befchrichen — wel⸗
her Berlegung von Volkstreue und Bellschre zu Grunde
fiegt —, währte 86 fange Jahre ber Finſterniß, der
Schande und der Trübfel. Man beubfichtigte, das fa:
thetifche Bolt Irlands in den Zuſtand ſcheußlichſter Ars
muth zu verfegen, und durch diefelben Mittel die katho⸗
liſche Religion ausjuroften. Hier fleigt eine Frage von
einiger Wichtigkeit anf: Worin befand der Erfolg des
Berfuhes? Vor der Beantwortung biefee Frage mäflen
wir und daran erinnern, daß für ben Erfolg des Ber:
ſuche günftig geflinnmt waren: die Krone, das Parlament,
die Biſchoͤfe und Geiſtlichkeit der herrſchenden Kirche, bie
Richcke, das Heer, die Flotte, die Koͤrperſchaften, bie
Bärgertueifter, die Rathöherren, die Sheriffe und Frei⸗
bürger, die Obrigkeisen, die Obergefchworenen — kurz fall
die ganze Maſſe des Bermögens und Wohlſtandes des
irlaͤndiſchen Voiks. Er fand Überdies Schutz, Stüge und
Beförderung von England und Schottland; kein Mund
durfte fi dagegen Öffnen, und aͤußerte Jemand ein Wort
dagegen, fo warb ihm ewiges Stillſchweigen geboten ;
nicht eine Feder konnte ein Wort dagegen ſchreiben. Und
dennoch, was war bei allen biefen furchtbaten Vortheilen
ber Erfolg des Berſuchs? Er ſcheiterte, glorreiche Bram,
er ſcheiterte gaͤnzlich. Nach einer richtigen Schägung gab
es über zwei Millionen Katholiken beim Beginn ber Ver⸗
folgung; der proteflantifchen Verfolger — denn damals
waren fie alle Verfolger — gab «6 eine Milton. Die
Katheliken haben ſich auf faſt fieben Millionen wermebtt,
bie Procteſtanten überfleigen kaum bie urfprunglide Mil:
lem. Die verhättuigmäßige Zunahme der Verfolgten
it ungeheuer, waͤhrend bie verhaͤltnißmaͤßlge Abnahme
der Berfolger Erfiaunen erregt; im erſtern Fale waren
die Katheliten aufs hoͤchſte nur zwei gegen eins, im
zweiten find fie beinahe ſieben gegen eins: „So mehrie |
Ad, in Banden Jerael.“ Gelobt fei Gott! So möge es
der Verfolgung in jedem Lande fehlihlagen, bis man
kberelt bie Überzeugung gewinnt, daß fie ebenſo nutzlos
zur Bebehrung fi erweiſt, wie fie Denen zur Schmach
und Erwisdrigung gereicht, die ſich derſelben bedienen.
19. Juli 1823.
Geſetzbuch der Verfolgung bezeichnete — war endlich ges
kommen. Im J. 1775 wurde die hartnaͤckige Weige⸗
sung ber britifchen Regierung, Amerika Gerechtigkeit wie:
derfahren zu laffen, duch Blut im Zaum gehalten;
1777 ergab ſich ein britiſches auf feinen Stand ftolzes
Herr zu Saratoga ben einfl verachteten, beſchimpften und
gefhmähten Kingeborenen (Provincials); 1778 war «6
su fpät, Amerika wieder für fi) zu gewinnen. Es er⸗
klaͤrte fi für unabhängig und fo ging Amerika auf ewig
für die britifche Krone verloren.
$. 3. Die alten Geinde Englands in Europa waff⸗
neten ſich und griffen es an. Die englifehe Regierung
empfing in ihrem Misgeſchicke eine Lehre durch traurige
Erfahrung ; zum erften Male verfuchte fie, fi) Irland zu
verföhnen. Das Strafgefegbuh wurde 1778 gemildert.
Die Verföhnung mit dem irlaͤndiſchen Wolle gelang mie
fie immer mit demfelben gelingen wird. Amerika ging
allerdings verloren, weil es die Verſoͤhnung ausſchlug —
doch Irland wurde ber britifchen Krone duch Verſoͤh⸗
nung echalten.
$. 4. Die Miderung des Strafgeſetzbuche 1778
war, ihrer Natur nach, eine große Abfchlagszahlung auf
die Schuld der „Gerechtigkeit gegen das Barholifche Volk
Itlands“'. Sie gab den Katholilen die naͤmliche Macht
und Herrſchaft Über ihe damaliges Eigenthum zurück, wie
ſich die Proteflanten deren flets erfreuten; und bie Ka⸗
tholiten erhielten danach die Befugniß, als Pächter oder
Käufer Landeigentbum auf fo lange Jahre fie wollten,
und wäre es auf taufend, zu erwerben. Dad; noch konnten
fie weder dur Kauf noch als Pächter irgend ein zins⸗
freies unabhängiges Eigenthum erwerben. Die Katheli:
Een nahmen Mugerweife bie Abfdhlagezahlung an, umd
machten fich mit vermehrter Sicherheit und Macht bar:
an, fib um ben Reſt ber Gerechtigkeitsſchuld zu bes
muͤhen.
6. 5. Im J. 17882 ſtand England allein Im Kampf
mit dee größten Macht der Welt; bie vereinigten Flot⸗
ten feiner Feinde, eins ber feltenen Beiſpiele in ben Jahe⸗
bücher feiner Seemacht, liefen fiegreich und ohne Wider⸗
land in den Britiſchen Kant ein. Demzufelge wurbe
a6 „ Gtrafgefegtug” wech einmal gemildeetz dab ver⸗
N ⸗
8
ſühnte Irland lieferte 20,000 Seeleute und rüflige Lands
zur britifchen Flotte, fegte Rodney in den Etamd,
die franzoͤſiſche Flotte nach Weſtindien zu verfolgen, wo
in feinem Zufammentreffen mit De Graſſe, irlaͤndiſcher
Muth wit beitifichee Tapferkeit wetteiſernd, ja wo mög:
Hd) diefe uͤberbietend, der „Bauberflagge Englands“ noch
einmal den Sieg verfhaffte, die Seemacht bes Sein:
des vernichtete, nicht allein die weſtindiſchen Pflanzſtaa⸗
ten, fondern auch die Ehre ber britiſchen Krone rettete,
und Lorbern freute auf. einen Frieden, der fonft ebenfo
ſchimpflich wie unheilvoll geweſen fein würde.
$. 6. Die Milderung vom Jahre 1782 war eine
zweite Abfchlagszahlung der Schuld der ‚Gerechtigkeit
für Irland”. Sie war eine edle Abzahlung. Ste gab
den Katholiten die Befugniß, unabhängiges, zinsfreice
Eigenthum auf Lebenszeit zu erwerben, oder es durch
Erbſchaft an ſich zu dringen. Aber fie that noch mehr, —
denn zum erſten Male nad neunzigjähriger Verfolgung
aller Geiſtesbildung geftattete fie den Katholiken, Schulen
zu Öffnen und ihre Jugend in Literatur und Religion
zu unterrichten. Die Katholiken nahmen verftändigerweife
Diefe Abſchlagszahlung an, welche ihr Eigenthumsrecht
vollſtaͤndig wiederherſtellte und ihnen das unfcägbare
Recht der Erziehung ertheilte. Sie nahmen die Ab:
ſchlagszahlung dankbar an, und begannen um den Meft,
mit Klugheit und vermebrter Kraft, einen neuen Kampf.
F. 7. Die Zulaffung ber Katholiken zu den Land:
pachtungen 1778 vermehrte die Einnahmen der prote⸗
ſtantiſchen Gutsbeſitzer in Irland betraͤchtlich. Die den
Katholiken 1782 gewordene Erlaubniß, Güter zu kaufen,
ſteigerte den Werth des Eigenthums aller Proteſtanten
in Irland ungeheuer. Verſoͤhnung und Wohlfahrt gin⸗
gen Hand in Hand. Dasjenige, was Wohlwollen allein
gewährt haben würde, erwies fich in ber Erfahrung als
das befte Mittel zur Steigerung des Werthé ihres Ei:
genthums, welches die ſtrengſte und febfifüchtigfte Klug⸗
heit den proteſtantiſchen Grundbeſitzern in Irland haͤtte
an die Hand geben koͤnnen.
8. Im J. 1782 erlebte man noch andere Ereig⸗
niffe, die mehr als den vorübergehenden Blick verdienen,
den ich jetzt darauf werfen kann, Ereigniſſe der innigften
und freudigften Theilnahme werth. Für jetzt mag «6
genügen, zu bemerken, daß das irländifhe Parlament,
welches Irland die gefehliche Unabhängigkeit ficherte, nicht
nur hoͤchſt vortheilhaft war für die Vollmachtgeber, fon:
dern hoͤchſt treugefinnt gegen die britifche Krone, und
hoͤchſt nuͤtzlich für die britiſche Macht. Es war jenes
Parlament, weldyes den Beichluß zur Abfendung und
Beſoldung der 20,000 irlaͤndiſchen Katholiken faßte, die
zue Bemannung ber britifhen Flotten eilten und zum
Siege Rodney's beitrugen. Niemals hatte Irland ein
Parlament, das der Verbindung mit Großbritannien mehr
zugethban war als jenes, welches die gefegliche Unabhaͤn⸗
gigleit Irlands ficherte.
6 9. Es folgten zehn Fahre großer und wachſender
Wohlfahrt in Irland; aber es waren zugleich Sabre
des Friedens umd der Macht Englands, und man hatte
—
keine Veranlaſſung, die Katheliken Irlands zu verſoͤhnen
oder ihnen zu fihmeicheln. Daher wurde auch kein fers
nerer Schritt zu ihrer Gleichberechtigung gethan. Die
Karholiten nahmen indeß am dem allgemeinen Gebeiben
Irlands Theil.
F. 10. Das Jahr 1792 fand die Saden in biefer
Lage. Die Wohlfahrt, deren die Katholiken in Gemeins
Saft mit ihren übrigen Lanbsleuten genoffen, das Ei:
genthbum, das fie täglich erwarben, machte fie nach po⸗
licifchen Rechten begierig. Sie legten daher dem irlaͤndi⸗
[hen Haufe der Gemeinen das Geſuch 'vor, daß ihnen
die Ausübung richterlicher Thaͤtigkeit und Wahlfreiheit
gewährt werden möge. Nur mit Mühe konnte man fi
ein Mitglied verfchaffen, um die Niederlegung de6 Ge:
ſuchs auf die Tafel vorzufchlagen, und ein anderes, «6
zu unterflügen. Der Vorſchlag fand Widerſpruch bei
dem Mitgliede von Kildare, Dr. Latouche; er fchlug vor,
das Geſuch zu verwerfen, es ſei eine Gefahr vom
Verwerfen zu befuͤrchten. Es ward daher verworfen,
da alle Mitglieder der Regierung für das Verwerfen
ſtimmten.
F. 11. Aber vor dem Schluſſe des J. 1792 bet
fi ein neuer Auftritt dar. Die franzöfifhen Heere
fhlugen ihre Zeinde auf allen Punkten. Die Nieder⸗
lande wurden erobert, und ein Strom von Sreibürgerfinn,
von foldatifcher Macht getragen, bedrohte alle europäifchen
Staaten. Die Kanonen von ber Schlacht bei Jemappes
wurden im Palaft von Gt.: James vernommen, bie
Weisheit, die im Verföhnen der Katholiken lag, wurde
gefühlt und verfianden, und noch am Schluffe des näms
lihen Jahres 1792, in deſſen früherer Hälfte die Regie
rung das Geſuch der Katholiken mit Geringſchaͤtzung vers
worfen batte, brachte diefelbe Regierung eine Bil zu
einer noch größeren Milderung des „Strafgeſetzbuche“ ein;
und zeitig im nächften Jahre eine andere, wodurch den
Katholiten noch größere Vorrechte zugefichert, ober ich
follte lieber fagen, zurückgegeben wurden.
12. Vermoͤge diefer beiden Bills wurben dem
Katholiten die Schranken der Serichtöpflege geöffue, —
fie konnten Anwalte, doch nicht koͤnigliche Raͤthe werden,
— fie konnten Gadhmalter und Rechtsbevollmaͤchtigte,
Freibuͤrger weltlichee Körperfchaften fein, — «6 wurden
ihnen die Würden von Obergefchwormen und Magiftrate-
perfonen zugänglich gemacht, — fie konnten zum Range
eines Oberſten im Deere gelangen — und was über Als
les ging, es wurde ihnen die Wahlfreiheit und eine
Stimme für Mitglieder des Parlanıents gewährt. Dies
war die dritte große Abzahlung öffentlicher Gerechtigkeit,
welche die Katholiken Irlands empfingen.
$. 13. Mun darf aber nicht vergeffen, daß diefe Zus
geftändniffe mehr aus Furcht als aus Freundſchaft erfolg
ten. Der Empörungstrieg war dem Ausbruch nahe, die
Funken des Freibürgerfinne fprühten nah und fern.
Die Proteflanten und befonders bie presbpterianifche Be:
völferung des nördlichen Irlands fingen fie begierig auf.
In Belfaft fanden fie ihren heißeften Brennpunkt; ber
Vortheil der britifhen Regierung foderte dringend, bie
reihen und einfideigtn Katheülen Iflande von der
Sreibürgerpartei zu trennen. Man flug Diefen Weg
ein. Die Katholiken wurden daflr gewonnen. Der ka:
tholiſche Adel, der Mittelitand, dee Handelſtand und an:
dere gebildete Volksclaſſen trennten fi faft wie ein
Mann von der Freibürgerpartei. Was fonft eine Staats:
umwaͤlzung getvefen wäre, wurde nur ein erfolglofer Auf⸗
fland. Die einfichtigen und tonangebenden Katholiken
wurden gewonnen und fo ward Irland durch die weife
und verföhmende Staatsklugheit des Zugeſtaͤndniſſes der
britifhen Krone abermals gerettet.
14. Erlauchte Frau — der Auffland von 1798
ſelbſt war offentundig, und, über allen Zweifel erweislich,
angeregt, um bie britifhe Krone zur Wernichtung der
irlaͤndiſchen gefeggebenden Unabhängigkeit zu vermögen,
und die „Bereinigung” zu Stande zu bringen. Aber
das Werkzeug war faft zu mächtig für die ungeſchickten
Hände, die ſich defjelben bedienten; und hätten fich ber
Reichthum, die Bildung und der Verſtand Eatholifchers
ſeits dem Aufſtande angefchloffen, würde er wahrſchein⸗
lich erfolgreich geweſen fein.
15. Sept ein Wort von ber geſetzgebenden Un:
abhängigkeit Irlands, die jegt „Widerruf der Verel⸗
nigung‘ genannt wird. Man fagt, fie fei eine Abfondes
rung vom Weiche, eine Trennung der beiden Länder.
Erlauchte Frau, diefe Behauptungen geben von Menfchen
aus, welche wiſſen, daß fie ungegründet find. Eine irlän:
diſche gefengebende Unabhängigkeit würde, im Gegentheil,
das feſteſte und dauerhaftefle Band zwiſchen Ew. Majeftät
irlaͤndiſchen und bsitifchen Landen fein. Sie würde durch
die Verſoͤhnung Ihrer irlaͤndiſchen Unterthanen und durch
die Befriedigung ihrer Bedürfniſſe und Wuͤnſche bie
Trennung Irlands von dem geſetzmaͤßigen Gebiete Ihrer
Krone durchaus unmoͤglich machen.
8 16. In keinem Lande fliegen der Handel, bie
Fabriken, der Geſchaͤftsverkehr, der Reichthum bes Ader:
baues und der allgemeine Wohlſtand ſo raſch wie in Ir⸗
land vom J. 1782—-98, wo der „herbeigefuͤhrte (fomen-
ted) Aufftand’ ausbrach und eine Zeit lang, Doch vor:
übergehend,, die ſchoͤnen Ausfichten Irlands trübte,
(Die Fortfetung folgt.)
Dee Bogelbändler von Imſt. Tirol vor hundert Jahren.
Volksroman in vier Bänden von GC. Spindler.
Stuttgart, Hallberger. 1842. 8. 7 The.
Gine einmal vorübergeraufchre Welle in ber Volksbildung,
in der Literatur, in der Kunft Eehrt niemals wieber, menigftene
niemals fo, wie fie ſchon da war und nicht in berfelben Gene⸗
rarion. Go iſt auch Spindler und der Geiſt feiner Romane
vorübergeraufcht und duͤnkt uns nur noch eine Reminiscenz aus
vergangener Zeit. Die unfere iſt fo begierig nach Wechfel und
fo fchnell im erändern , fo egoiſtiſch und fo leicht im Urtheil,
das fie in ber Kunft nit das an fich Befriedigende, fondern
das fie Wefriebigende fucht, und daß es ihr unmöglidy ift, zehn
Jahre lang an demfelben Object ihre Befriedigung zu finden.
WB fie als Juͤngling liebte und bewunderte, das nennt fie als
Erwadhſener kindiſch, und was ihr in jenem Altersſtadium zu:
fagte, was fie mit Neigung umfaßte, das bezeichnet fie nun,
sum Indteen Wiaunedalter gelangt, als Juͤnglingetraum uns
werthloſe Durchgangeſtufe. Dies ik Schickfal, und Dielen
echt deutſchen Gchidfel erliegen unter uns ale diejenigen
Griſtir, denen es nicht, wie wenigen nur, moͤglich it, von
drei zu drei Jabren ein neues Gewand umzuthun, ober ihren
nun gealterten Überzeugungen, Formen, Vorbildern, Ideen uns
treu zu werden. Es gibt Geelenftimmungen, in benen ung nichts
willkommener ift, als Vorwuͤrfe zu empfangen. In einer
ſolchen befindet ſich eben jegt das Wolf der Deutfcyen. Bir bös
ven es gar zu gern, wenn man uns unfern unpraftifchen Sinn,
unfere Immaterialität, unfere phantaſtiſche Geiftesrichtung, uns
fere Abgezogenpeit vom wirklichen Leben zum Vorwurf madıt3
wir jauchzen zu den Gchmähungen bes Auslandes über das
deutſche Ideologenthum, und glauben uns fchon halb gebeſſert,
wenn wir dazu Amen! fagen. Als wenn alles Dies nicht in
unferer Ratur läge und zu den unabänderlichen Dingen gehörtes
ald wenn es an dem Borſatz genug wäre, uns zu befleen, und
ald wenn wir, von dem wiſſenſchaftüchen Gebiete auf das Gtaatts
und politiſche Gebiet geworfen, barin nicht gerade ebenfo uns
praftifh und theorienfühtig zu Werke geben würden, ais bies
auf dem erſtern ber Fall gewefen ift! Diefen Vorwürfen zus
folge bat ſich Deutſchiand jegt vorgenommen, praktifc zu
fein, und gemäß dieſem Vorhaben verachten wir bermalen, was
uns vor zehn Jahren genial, groß, ja faſt claſſiſch erſchien.
Gerade fo lange ift es her, daß Spindier's Romane beinate in
tem Anfeben ber Giafjicität flanden. Welche ganz andere Urs
theile muß der arme Autor, ber doch nicht um ein Daar breit
Schlechter geworden ift, jegt vernehmen, — er wäre zu bedauern,
wenn ex fie läfel Da er dies aber wahrſcheinlich nicht thut, und
baber auch fee Unten für ihn ein „Bebeimniß ’ bleibt, fo
nnen wir um jo unbefangener und freier unfere ensmei⸗
nung uͤber ihn ausſprechen. f ſere den
Spindler iſt noch heutiges Tages, was er von jeher war⸗
ein Talent, in dem der Geiſt der Schoͤnheit lebendig if. Was
ihm wefentiid) mangelt, tft der Bormmechfel, die Mannichfaltig⸗
keit nicht ſowol der Anuſchauungen, als der Darftelung Es ift
eine troftiofe Monotonie bes Stils, bie ihn charakteriſirt und
die er mit Tromliz, mit Blumenbagen und andern Sternen
feiner Epoche theilte. Verglichen mit W. Alexis, mit Sternberg,
mit Immermann, weldes flarre Beharren an dem einmal crs
faßten Ideenfreife, welche eigenfinnige Wiederkehr derſeiben Gons
ceptionen, beffelben Gewebes der Kabel, derſelben Mittel zur
Wirkfamleit und endlich beffeiben Stils ber Darfielung: Wie
leicht die Arbeit, wie gewohnt die Vorbereitung, wie verbraucht
durch eigene Verſchwendung Gang und Entwidelung der Bege⸗
benheit! Spindier hat zu viel, zu raſch nacheinander geſchrie⸗
ben, er hat ſich in feine Formen feſtgeſchrieben. Zum Theil
jedoch, wir muͤſſen es geftehen, find diefe Formen nicht übel, es
ift Natur und Kürze in ihnen, wie fie der Reichthum geiftiger
Anfhauungen liebt. Spindler hätt ben Leſer nicht Lange bin
bei Dingen, bie diefer ſchon ahnt; er endet jede Situation gewöhne
lich kurz und gut, weil ihm im Gchreiben fchon eine neue zus
fließt, und weil er außer der Erzählung felbft keine andere Abs
fiht verfolgt. Dinge, die gefagt werben müffen, fagt er ges
woͤhnlich kurz und bündig, und Gituationen, in welchen für
Andere Berlodung zu langer Ausführung liegen möchte, thut
er meiftens kurz ab. Da feine Romane immer baͤndereich find,
fo fegt biefe Gigenfchaft viel Erfindung voraus und gewährt
Spannung und Unterhaltung. Im Grfinden ift er dader faft
allen fpätern Romandichtern überlegen, wenngleich wir zuge⸗
ben muͤſſen, daß gute und üble Erfindungen bei ibm wechfein.
Die Reflexion, die flationaire Gelbftbetrachtung iſt nicht fein
Fach, er verwirft fie aus der Erzählung und bannı fie, viels
leicht mit Recht, in den Anfang oder ans Ende feiner Abſchnitte,
wie auch Fielding that. Ebenſo wenig verfolgt er ſentimentale
Erguͤſſe, zu welchen er, ſtets auf einen Kern von Erzaͤhlung und
Greigniß bedacht, wenig Zeit bat. Dies unterfcheidet ihn von
feinen obengenannten ZBeitgenoffen.
Aus diefen Bemerkungen ſtellt fi) ein Bild ber Spindler'⸗
we
fühnte Irland lleferte 20,000 Gesieute und rüflige Lands
truppen zur britifden Flotte, fegte Rodney in deu Etand,
Die franzöfifche Flotte nah Weſtindien zu verfolgen, wo
in feinem Bufammentreffen mit De Graſſe, irlaͤndiſcher
Muth mit britiſcher Tapferkeit wetttifernd, ja wo mög:
Uch diefe Überbietend, der „Bauberflagge Englands‘ noch
einmal den Gieg verfahaffte, die Seemacht des Fein:
des vernichtete, nicht allein die weſtindiſchen Pflanzſtaa⸗
ten, fondern aud die Ehre der britifhen Krone rettete,
und Lorbern freute auf einen Frieden, ber fonft ebenfo
ſchimpflich wie unheilvoll gewefen fein wuͤrde.
6. Die Milderung vom Jahre 1782 war eine
zweite Abſchlagszahlung ber Schuld der ,, Gerechtigkeit
für Stand”. Sie war eine edle Abzahlung. Sie gab
den Katholiten die Befugniß, unabhängiges, zinsfreies
Eigenthum auf Lebenszeit zu erwerben, oder es durch
Erbſchaft an fi zu bringen. Aber fie that noch mehr; —
denn zum erften Male nach neunzigjähriger Verfolgung
alter Geiſtesbildung geflattete fie den Katholiken, Schulen
zu öffnen und ihre Jugend in Literatur und Religion
zu unterrichten. Die Katholiken nahmen verfländigermeife
diefe Adfchlagszahlung an, welche ihr Eigenthumsrecht
vollftändig twiederherflellte und ihnen das unſchaͤtzbare
Recht der Erziehung ertheilte. Sie nahmen die Ab:
ſchlagszahlung dankbar an, und begannen um den Meft,
mit Klugheit und vermehrter Kraft, einen neuen Kampf.
F. 7. Die BZulaffung der Katholiten zu den Land:
pachtungen 1778 vermehrte die Einnahmen der prote:
ſtantiſchen Gutsbefiger in Irland beträchtlih. Die ben
Katholiten 1782 gewordene Erlaubnig, Güter zu Eaufen,
fleigerte den Werth des Eigenthums aller Proteflanten
in Irland ungeheuer. Verſoͤhnung und Wohlfahrt gin-
gen Hand in Hand. Dasjenige, was Wohlmollen allein
gewährt haben würde, erwies ſich in der Erfahrung ale
das befte Mittel zur Steigerung des Werths ihres Ei:
genthums, welches die flrengfie und felbftfüchtigfte Klug:
heit den proteftantifhen Grundbeſitzern in Irland hätte
an bie Hand geben können.
$. 8. Im 3. 1782 erlebte man noch andere Ereig⸗
niffe, die mehr als den vorübergehenden Blick verdienen,
den ich jegt darauf werfen kann, Ereigniffe der innigften
und freudigften Theilnahme werth. Für jest mag «6
genügen, zu bemerken, daß das irlaͤndiſche Parlament,
welches Irland die geſetzliche Unabhängigkeit ficherte, nicht
nur hoͤchſt vortheithaft war für die Vollmachtgeber, fons
dern hoͤchſt treugefinnt gegen bie britifche Krone, und
hoͤchſt nuͤtzlich Für die britiſche Macht. Es war jenes
Parlament, welches den Beſchluß zur Abſendung und
Befoldung der 20,000 irländifchen Katholiken faßte, bie
zue Bemannung ber beitifhen Flotten eilten unb zum
Siege Rodney's beiteugen. Niemals hatte Irland ein
Parlament, das der Verbindung 'mit Großbritannien mehr
zugethban war als jenes, welches die geſetzliche Unabhaͤn⸗
gigkeit Irlands ficherte.
6 9. Es folgten zehn Jahre großer und wachſenber
Wohlfahrt in Irland; aber es waren zugleih Sabre
De6 Friedens umd der Macht Englands, und man hatte
\ ..
De
keine Deranlaffung, die Katholiken Irtands zu verſoͤhnen
ober ihnen zu ſchmeicheln. Daher wurbe auch ein fees
neree Schritt zu ihrer Gleichberechtigung gethan. Die
Katholiten nahmen indeß an dem allgemeinen Gedeihen
Irlands Theil. |
6. 10. Das Jahr 1792 fand die Saden in biefer
Lage. Die Wohlfahrt, deren die Katholiken in Gemein
fchaft mit ihren übrigen Landéleuten genoffen, das Ei:
genthum, das fie täglich erwarben, madhte fie nach po⸗
litiſchen echten begierig. Sie legten baher dem irlaͤndi⸗
fhen Haufe der Gemeinen das Geſuch vor, daß ihnen
die Ausuͤbung richterliher Thaͤtigkeit und MWahlfreigelt
gewährt werden möge. Nur mit Mühe konnte man fi
ein Deitglied verfchaffen, um die Niederlegung des Ge:
ſuchs auf bie Tafel vorzufchlagen, und ein anderes, «6
zu unterflügen. Dec Vorſchlag fand Widerſpruch bei
dem Mitgliede von Kildare, Dr. Latouche; er fchlug ver,
das Geſuch zu verwesfen, «6 ſei keine Gefahr vom
Verwerfen zu befücchhten. Es ward baher verworfen,
ba alle Mitglieder der Regierung für das Werwerfen
flimmiten.
6. 11. Aber vor dem Schluſſe des J. 17923 bet
fih ein neuer Aufteitt dar. Die franzoͤfiſchen Deere
fhlugen ihre Feinde auf allen Punkten. Die Nieder:
(ande wurden erobert, und ein Strom von Sreibürgerfinn,
von foldatifcher Macht getragen, bedrohte alle europäifchen
Staaten. Die Kanonen von der Schlacht bei Jemappes
wurden im Palafl von St.⸗ James vernommen, bie
Weisheit, die im Verſoͤhnen der Katholiten lag, wurde
gefühlt und verfianden, und noch am Schluſſe des naͤm⸗
lichen Jahres 1792, in defjen früherer Hälfte die Regie
rung das Geſuch der Katholiken mit Geringſchaͤzung vers
worfen hatte, brachte dieſelbe Regierung eine Bill zu
einer noch größern Milderung des „Strafgeſetzbuchs“ ein;
und zeitig im naͤchſten Jahre eine andere, wodurd ben
Katholiten noch größere Vorrechte zugefichert, oder ich
follte lieber fagen, zuruͤckgegeben wurden.
13. Vermoͤge bdiefer beiden Bills wurben ben
Katholiten die Schranken der Gerichtspflege geöffuer, —
fie konnten Anwalte, doch nicht koͤnigliche Raͤthe werden,
— fie konnten Sachwalter und Rechtsbevollmaͤchtigte,
Freibuͤrger weltlichee Körperfchaften fein, — es wurden
ihnen die Würden von Obergefhworenen und Magiſtrats⸗
perfonen zugänglich gemacht, — file konnten zum ange
eines Dberiten im Deere gelangen — und was über Als
les ging, es vourde ihnen die Wahlfteiheit und eine
Stimme für Mitglieder des Parlaments gewährt. Dies
war die deitte große Abzahlung Öffentlicher Gerechtigkeit,
welche die Katholiten Irlands empfingen.
$. 13. Man darf aber nicht vergeffen, daß diefe Zus
geſtaͤndniſſe mehr aus Furcht al6 aus Freundſchaft erfolg:
ten. Der Smpörungskrieg war dem Ausbruch nahe, die
Funken des Freibürgerfinns fprühten nah und fern.
Die Proteflanten und befonders die presbpterianifche Be⸗
völkerung des nördlichen Itlands fingen fie begierig auf.
In Belfaſt fanden fie ihren heißeflen Brennpunkt; der
Vortheil der britifchen Regierung foderte dringend, Die
GC“
reihen und einfichtisen Kathellken Fttande von ber
Steibürgerpartel trennen. Dan flug dieſen Weg
ein. Die Katholiten wurden dafür gewonnen. Der ka:
tholifche Adel, der Mittelitand, der Dandelftand und an⸗
dere gebildete Volkeclaſſen trennten fi faſt wie ein
Manmnm von der Freibürgerpartei. Was fonft eine Staates
ummälzung gewefen wäre, wurde nur ein erfolglofer Auf⸗
fland. Die einfichtigen und tonangebenden Katholiken
wurden gewonnen und fo ward Irland durch die weiſe
und verföhnemde Staatsklugheit des Zugeftändnifies der
britifchen Krone abermals gerettet.
$. 14. Erlauchte Frau — der Aufſtand von 1798
fetb war offenkundig, und, über allen Zweifel erweislich,
angeregt, um bie britifhe Krone zur Vernichtung der
irlaͤndiſchen gefehgebenden Unabhängigkeit zu vermögen,
und die „Bereinigung” zu Stande zu bringen. Aber
das Werkzeug war faſt zu mächtig für die ungefchidten
Hände, die ſich deffelben bedienten; und hätten fich der
Reichthum, die Bildung und der Verſtand katholiſcher⸗
ſeits dem Aufftande angefchloffen, würde er wahrfchein:
tich erfolgreich geweſen fein.
15. Sept ein Wort von der gefeggebenden Un:
abhängigkeit Irlands, die jept „Widerruf der Verei⸗
nigung” genannt wird. Dan fagt, fie fei eine Abfonde:
rung vom Weiche, eine Zrennung der beiden Länder.
Erlauchte Frau, diefe Behauptungen gehen von Menfchen
aus, weiche veiffen, daß fie ungegründet find. Eine irlaͤn⸗
Difche geſetgebende Unabhängigkeit wiirde, im Gegentheil,
das feſteſte und dauerhaftefte Band zwifchen Ew. Majeftät
irländifchen und britifchen Landen fein. Sie würde durch
die Verſoͤhnung Ihrer icländifchen Unterthanen und durch
die Befriedigung ihrer Beduͤrfniſſe und Wuͤnſche bie
Zrennung Irlands von dem gefegmäßigen Gebiete Ihrer
Krone durchaus unmöglich machen.
8. 16. In einem Lande fliegen der Handel, bie
Sabrifen, der Gefchäftsverkehr, der Reichthum des Ader:
bauss und der allgemeine Wohlftand fo raſch wie in Jr:
fand vom J. 1782—98, wo ber „‚herbeigeführte (fomen-
ted) Aufſtand“ ausbrach und eine Zeit lang, doch vor:
übergehend, die ſchoͤnen Ausfihten Irlands trübte.
(Die Sertfegung folgt.)
Der Bogelhändier von Imſt. Tirol vor hundert Jahren.
Bollsreman in vier Bänden von C. Spindler.
Stuttgart, Hallberger. 1842. 8. 7 The.
Cine einmal vorübergeraufchre Welle in der Bollsbilbung,
in der Literatur, in der Kunft kehrt niemals wieder, wenigftens
niemals fo, wie fie fon ba war und nicht in derfelben Gene:
ration. So iſt auch Gpindler und ber Geift feiner Romane
auſcht und duͤnkt uns nur noch eine Reminiscenz aus
vergangener Zeit. Die unfere ift fo begierig nach Wechſel und
fo ſchnell im Berändern , fo egoiſtiſch und fo leicht im Urtheil,
daß fie in der Kunſt nicht das an fich Befriedigende, fondern
das fie Befriedigend: fucht, und daß es ihr unmoͤglich ifl, zehn
Jedre lang an demfelben Object ihre Befriedigung zu finden.
Wet fie ais Juͤngling liebte und bewunderte, das nennt fie ale
Erwaifener kindiſch, und was ibr in jenem Altersftadium zu:
fagte, was fie mit Neigung umfaßte, das bezeichnet fie nun,
*
sum ſpaͤtern Wannesalter gelangt, als Juͤnglingtiraum und
werthloſe Durdggengöftufe. Dies iſt Schickſal, und biefem
ht deutſchen Schidſal erllegen unter uns alle diejenigen
Geiler, denen es nit, wie wenigen nur, möglich iſt, Yon
drei zu drei Jahren ein neues Gewand umzuthun, ober ihren
nun gealtexten Überzeugungen, Formen, Vorbildern, Ideen uns
treu zu werden. Es gibt Seelenſtimmungen, in denen ung nichts
willlommener ift, ald Vorwürfe zu empfangen. In einer
ſolchen befindet fidy eben jegt das Volk der Deutfchen. Wir bis
ven es gar zu gern, wenn man uns unfern unpraftifchen Sinn,
unfere Immaterialität, unfere phantaftifdye Geiftesrichtung, uns
fere Abgezogenpeit vom wirklichen Leben zum Vorwurf macht;
wir jauchgen zu ben Gchmähungen bes Auslandes über das
beutfhe Zdeologenthum, und glauben uns fchon halb gebeflert,
wenn wir dazu Amen! fagen. Als wenn alles Dies nicht in
unferer Ratur läge und zu den unabänderlichen Dingen gehoͤrte;
ale wenn es an dem Vorſatz genug wäre, uns zu befleen, und
ale wenn wir, von dem wiſſenſchaftlichen Gebiete auf das Staates
und politifche Gebiet geworfen, darin nicht gerabe ebenfo ums
praktiſch und theorienfüctig zu Werke geben würden, als dies
auf dem erſtern der Ball geweſen ift! Diefen Vorwürfen zus
folge hat ſich Deutſchiand jegt vorgenommen, praktiſch zu
fein, und gemäß biefem Vorhaben verachten wir dermalen, was
uns vor zehn Jahren genial, groß, ja faſt claſſiſch erfchien.
Gerade fo lange ift es ber, daß Spindler's Romane beinate in
tem Anfeben ber Gtafficität flanden. Welche ganz andere Ure
tbeile muß der arme Aulor, der doch nicht um ein Daar breit
Schlechter geworben ift, jest vernehmen, — er wäre zu bedauern,
wenn er fie läfe! Da er dies aber wahrſcheinlich nicht thut, und
baber auch — we für ihn ein „epeimniß ’ bleibt, fo
nnen wir um ſo unbefangener und freier unfere Herzens
nung über ihn ausſprechen. mel»
Spindler ift noch heutiged Tages, was er von jeher war
ein Zatent, in dem der Geift der Schönhrit lebendig iſt. Was
ihm wefenttid mangelt, tft der Formwechſel, die Mannichfaltig⸗
Seit nicht ſowol der Anſchauungen, als der Darſtellung Es ift
eine troftiofe Monotonie bes Stils, die ihn charakterifirt und
die er mit Zromlig, mit Blumenhagen und andern Sternen
feiner Epoche theilte. Verglichen mit W. Alexis, mit Sternberg,
mit Immermann, welches flarre Beharrın an dem einmal ers
faßten Ideenkreiſe, welche eigenfinnige Wiederkehr derfeiben Con⸗
ceptionen, beffelben Gewebes ber Fabel, derſelben Mittel zur
Wirkfamkeit und endlich beffelben Stils ber Darſtellung! Wie
leicht die Arbeit, wie gewohnt die Vorbereitung, wie verbraucht
durch eigene Verſchwendung Gang und Entwickelung der Bege⸗
benpeit! Spindlier hat zu viel, zu raſch nacheinander gefchrier
ben, er bat fi in feine Formen feftgefchrieben. Zum Theil
jedoch, wir muͤſſen es gefteben, find diefe Formen nicht übel, es
ift Natur und Kürze in ihnen, wie fie bee Reichthum geiſtiger
Anfchauungen liebt. Spindler hält ben Leſer nicht lange hin
bei Dingen, die biefer ſchon ahnt; er endet jede Situation gewoͤhn⸗
ich kurz und gut, weit ihm im &chreiben fchon eine neue zus
fließt, und weil er außer ber Erzählung felbft keine andere Äb⸗
fiht verfolge. Dinge, die gefagt werden müffen, fagt er ges
wöhntidh Eur; und bündig, und Situationen, in welchen für
Andere Verlockung zu langer Ausführung liegen möchte, thut
er meiftens Kurs ab. Da feine Romane immer baͤndereich find,
fo fegt dieſe Eigenſchaft viel Erfindung voraus und gewährt
&pannung und Unterhaltung. Im Grfinden ift ec baber faft
alten fpätern Romandichtern überlegen, wenngleid wir zuge⸗
ben müffen, daß gute und uͤble Grfindungen bei ibm wechfein.
Die Heflerion, die flationatre Gelbflbetradhtung ift nicht fein
Sach, er verwirft fie aus der Erzählung und bannt fie, viels
leicht mit Recht, in den Anfang oder ans Ende feiner Abfchnitte,
wie auch Fielding that. Ebenſo wenig verfolgt er fentimentale
Erguͤſſe, zu weichen er, fletö auf einen Kern von Erzählung und
Greigniß bebadyt, wenig Zeit bat. "Dies unterfcheidet ihn von
feinen obengenannten Beitgenoffen.
Aus diefen Bemerkungen ftellt fi ein Bild ber Epindler’s
Mn Necane mmen, bad dem Berf. Bere macht.
Er iſt, wiewol ausfuͤhrlich und redſelig, doch ein Er⸗
gäbter, fluͤchtiger, aber reicher Beobachter der Natur, guter,
en en en wenn nicht immer geſchmackvoller,
€ .
Gpindier dat eine Vorliebe für Ersäflungen aus dem
Wells: und Bärgeriebens nur felten erhebt er ſich über dieſe
Stegion zu den Gipfeln der menſchlichen Geſellſchaft, und nie
verweilt er Lange in diefer Froftigen und monotonen Höhe. Seine
Welt ift das fehhafte oder wandernde Buͤrgerthum, nicht ber
Sof, nicht das Lager, bie See ober ber Es if gut,
wenn ein Autor fi feinen Kreis zu ziehen weiß, in dem er
ich einheimifch macht, den er ganz und völlig kennt; inzwiſchen
fodert ber Leſer Abwechfelung und auch dies Begehren will bes
chafitigt fein. SSpindier’s Lieblingsgeftalten find alle von
bemfeiben Schiage, wie bie Gooper’s, mit dem er überhaupt
viel innere Verwandtſchaft dariegt; Wirtbe, Haufirer, indalide
Soldaten, denen er, in oft befangener Raturanſchauung, meiftens
eine Jean Paul'ſche Gefuͤhlſamkeit anbübet, die mitunter hart
an das Komiſche fireift.
Doch betrachten wir endlich den vorliegenden Roman in feis
wer Beſonderheit; er gibt uns Gelegenheit genug, die obigen
allgemeinen Bemerlungen zu bewaprheiten. Es ift ein Volts⸗
soman, wie ber Verf. ſeibſt fagt, aber ein Wollsroman fo
eigenthuͤmlicher Art, daß, um ihn verftändlicd zu machen, ber
Autor gendthigt gewefen ift, ein boppeites Wörterbuch, ein
deutfchstiroterifches und ein romaniſch⸗ deutſches, jedem feiner
vier Wände anzuhängen. @s if eigentiich damit noch nicht ger
wug, er bitte, um vollländig zu fein, fireng genommen, auch
noch eine Bergkarte, eine ftatiftifche Abhandlung über Suͤdtirol
und eine Geographie des Wintfchgaus beifügen follen! Der
Misbrauch der Specialität und des Gingetwiffens liegt hier auf
der Hand; es ift derfelbe, den Belani uns oft bat fühlen laſ⸗
fen, bee balb kannibaliſch, batd hottentottiſch mit uns zu fpxes
den unternahm. Wir halten es für moͤglich, fremde Gigens
thuͤmlichkeiten treu zu malen in unferer Mutterſprache. Cooper
ſeibſt, deflen wir vorhin gebacdhten, iſt barin ein ganz gutes
Vorbild; er greift niemals zu gänzlich unverftänblichen und durch
ein Wörterbuch zu entziffernden Mebeformen; er verfällt niemals
in einen Miſchmaſch unergrändlider Worte, wie der Verf. ihn
fi) beifpielsweife am Schiuffe des erften Bandes geftattet. „Die
Wahrheit, Egidi! O Chei miserial Du thuft lügen. Tia
Bucca plaida la vardad. Gewißlich lüge ich nicht. Laß uns
umkehren. Ca nun, ca nun, Charett. Ich thu nichts bat.
Biuft du annehmen das ehrliche Uffizi, das ich bir hab’ aus⸗
gemacht? Nein, Egidi; fag mir lieber, was ... der Engabbiner
tieß ihn nicht ausreden ... Ca nun, ich bab’ Dich lieb, Lieber
ats der Traficant, der immer iſt die Trumpeta feiner artihicious
liberalidad! Ich habe mich’ bemüht, ich habe Sagirtad gegeben
für dich. Ige Meifter thut dich erwarten. Laß mich aus, bu
tbuft mir fo viel wehe. Cludeit la bocca, Jaa sunt par ir,
und du mußt mitgeben. Gerapbin wollte ſich mit Gewalt los⸗
reifen. Was ba, rief der Engaddiner unb hielt ihm ben Mund
zu: Un giavel catsch 'Ig auter, ein Teufel treibt ben andern.
Or oun tei, marſch, Soloman. .. A ia groda, Marſch! Ige
temps passe! A I’alva di gi müflen wir weit fein, Köibe,
weit, wie flüdhtige Schuldada. Chiou, chiou, cor guiven!
Jau nous gavisch un vantireivel viadi! Und fort etfchaufs
wärts flog wie cin Vogel ber Schlitten auf glattem Pfad in
die ſterndurchfunkelte Nacht hinein.”
Wir fragen: kann es einem beutichen Romanbichter erlaubt
fein, fo zu ſprechen? Ia, wir fragen mehr: Iſt es naturs
getreu, ift es möglich und wahr, dab ein Menſch fo ſpreche,
wie der Engaddiner Spindler's? Gewiß nit, Niemand wirft
einen ſolchen Miſchmaſch zufammen als ein Schriſtſteller, ber
gerade feine Kenntniß des romaniſchen Dialekts zeigen will.
Die Abſicht iſt klar.
VWenn der Verf. ferner feinen Roman einen Volkſroman
nennt, weil eu (uk zur Hl ans Stubenöarten,
und Bebeflguren des Bolks beftcht, fe hat ex inſoweit Redt; «
ift nur gu bebauern, daß er auch dieſes Meer erſchoͤpft und daj
ein Bud, welches durch vier Bände kaum eine Abwechſelung
in biefer Stitiadividualitaͤt barbietet, doch zuleht für monoton
unb langweilig gelten wird. In ben Geſpraͤchen der Gevatn⸗
rinnen und in verwandten Dingen findet Spindler jett kein Gube
mehr, unb das beliebte „Sichgehenlaſſen“ gebeibt bei ihm bis
zum Überdruß. „Das Madl haliet's mit ber Melt wie fie if,
und mad fi keine Fabein vor, fagte die Großmutter. Mors
auf die Kante ſchmerzlich verlegt: Kann denn bie Frau Mutter
nicht einmal heut ein'n Fried’ geben? Eine ziemliche Stille ed
folgte, die erſt Tammerl unterbradg: Wie's heut geläuter hat,
bat die Uhr zugieich die Stunde gefchlagen, und das bebentet
nichts Gute. Bm, machte die Hausfrau, muß es gerade
und übles bebeuten? Es find mehr Leute auf der Welt.
Martine hat in der Taufe gefhrien und dergleichen Kinder wen
ben nicht alt. Gi was, rau Marta drein, ich fol and
gelhcien baben, und fiehe, ich hab’ doch meine Jahrin aufm
udel. Der eigenfinnige Tammerl wadelte mit dem Kopfe
und rebigte immer fort: Ic fage, die Wögel, die am Mor:
gen ſo früh fingen, verredın (7) gern am Abend. Die Haupt
ſach, begann wieder die Rahnl, ift, daß das Madi baid einen
braven Wann . Das wird fie, nidte Zammeri, fie bet
immer die Kat fo viel gern gehabt, und felbige Madin ...
Das wiffen wir, unterbrach ihn Genovefa... Dem Mad, be
merkte nun Zammeri, iſt das Schuhbandt fo viel oft aufge
ganzen und das bedeutet immer’... und im dieſer Weiſe obm
Tabe fort.
Wir meinen, es koͤnne auch bes an fi Guten zu viel ger
geben werden, und ratben dem Verf., auf diejenige Abweche
ed au denken, in der die altenglifhen Romandichter Borbik:
nd.
‚„ ‚Wie wollen den Eefern nicht verraiten, wie es gelommen
ift, daß Serapbin Plaſchur am Ende des Buchs body noch frize
Martina Zammerl, des Vogelhaͤndlers Tochter, zum GEhegefpond
erhält, nachdem fie einen reichen Haustyrannen überlebt und
beerbt, noch weiche erbauliche Redensarten bei dem Brautfchmaus
gefloffen finds iazwiſchen ift für uns fo viel gewiß, daß ter
Mangel an Ernft und die Beriodung leichter und Flüdgtiger Pr
buction, welche Gelhmad und Maß gering achtet, unſerm Berf.
viel von feinem urſpruͤnglichen Werdienft geraubt haben, un
daß er, wenn er nicht ernftiid an eine Umkehr in den rechten
Weg denkt, wenn ec niht auf Inhalt flatt der Worte, auf
Gedanken flatt der Redensarten, auf Stoff ſtatt eimd
hohlen Nichte, zu finnen ſich vornimmt, von ihm im ber fh
nen Eiteratur bald Feine Rede mehr fein wird. Es wird alk
dann zu unferm Bedauern von dem Verf. bes Juben“, dei
„Jeſuiten“, des „Invaliden“ und fo mancher andern, zu ihrer
Zeit bedeutenden und gefdhägten Hervorbringung nichts übrig
bleiben als ein klangloſer Name, ber den Nachiebenden nichts
davon meldet, eine wie glübende Phantafie und wie glänzende
Srfindungsgabe hier in Xrivialität und Gedankenlouͤgkeit m
8.
Grunde gegangen ft.
Notiz.
Gin intereffanter Fund.
Dean hat vor Eurem zu Paris unter einem Pad unbeachtet
gebliebener Handfchriften einen intereflanten Bund getban. Gi
ift dies der Driginaltert von der E ber G. iſtiichkeit von
Frankreich, die in der Seneraiverfammiung des Jahres 1682
entworfen wurbe und die als bie Sharte ber gallicanifchen Kirdx
zu betrachten ift. Diele Erktärung iſt von Boſſuet vedigirt und
trägt die Signaturen aller Biſchoͤfe von Frankreich. Das Erempiar,
mas zu Rom auf Befehl des ten Papfles in das Feuet
geworfen warb, war nur eine lautenbe Copie. 2,
WBerantwortliger Deraußgeber: Hetinzrig Brodhaub. — Drud und Bertag von J. U. Broddans in Keipsig.
BTarter
TR
literariſche Unterhaltung.
20. Juli 1848,
O Eonnell s geſchcchtliche Denkſchrift uͤber Jeland
und die Irlaͤnder.
(Bortfegung aus Nx. 2.)
Sie bentes Hauptſtück. Das Jahr 18000
F. 4. Dies Jahr würde allein einen Band füllen.
Es war dad Jahr, das die Verbrechen vollzaͤhlig machte,
weiche fieben Jahrhunderte hindurch die englifähe Regie⸗
rung am Irland verübt hatte. Es war das Jahr der
Zerfisrung der irlaͤndiſchen Geſetzgebung. Es war bas
— ewig verwuͤnſchte Jahr, worin bie Vereini⸗
gung durchgeſetzt ward.
K.eRDie Bereinigung wurde Irland auferlegt
7 Das — Belag 8 Schrecken, Qual, Ge⸗
—* Bi A z E Vereinigung blieben ſchlag⸗
fertig und fachten bie Glut eines zoͤgernden Aufftandes
an. Sie reizteon die. Katholiken gegen die Proteſtanten
und Die Peoteſtanten gegen bie Katholiken auf. Sie
naͤhrten abfichtiich- heimiſche Zwiſtigkelten, Die bei der Un⸗
teriochung ihren Zweden dienen ſollten.
& 4, Während die Wereinigung im Korefchreiten
begriffen war, wurde bie Habeas Gorpusacte aufgeho⸗
ben, — ale veefoffungsmäßige Freiheit in Irland ver:
nihtet, — das Kriegsgefetz verleſen, — bie Wolter: häufig
in Anwendung gebracht, — Freiheit, Leben und Eigen
* fanden keinen Schutz. Die entliche Meinung
m Verhoͤre vor dem Kriegsgericht waren
ander, — "gefetich durch Sheriffs und Obrigkeit beru⸗
fene VDerſanmlungen wurden durch ſoldakiſche Gewalt
auseinander getrieben, — Itlande Stimme war unter⸗
Ichdie, — das irlaͤndiſche Voll fand keinen Schutz. Ich
wieberheie es nochmats: das Ariegägefek ward. ver⸗
leſen — ſe an bie ie Aaseinigung dam irtaͤndiſchen Weil
mu Eos zu, St
& 5 Dub Yes ar noch. nicht. Alles; man nahen
Sins: ungehesierfien. und wiedrigſten Beſte⸗
dung. Ben fast, Lorb John Ruſſell habe, vor. eimi
ger Zeit bei einem aͤffentlichen. Mittagemahle, behaup:
ws, daf, bie Mersinigung, eine, Außgabe von 300,000
HM, Seert, wezurjace, habe. Er mar fahr im Irthum,
als ex, dich, fe Bios auf ungrweiffe. Grinnesuing- hin, fast
Die Patiawenztuckunden werden ihm bayiban,. daß ME
F
ber: eine Anſatz für Kaufgelder vom ausgeftorbenen
——— — 48 weniger ale 1 58
—e Der Befehl Inn Linienfhiffe uab
Regimentes, bie Amtes von Oher⸗ und Untarcichteve,
die Stellen von Ecztiſchoͤfen und Bifkäfen, won Gran
rentsgeiftern, und ale Arten von Einnehmerſtelen — kuz
ale Dienſtſtuſen, das Heiligthum des Geſetzeg und
die Tempel der Religion, wurden zu Be *
banbeit, unh fir Parlamentsſtiamen zu Gunften der
Bereinigung. bingegebem,
8. 7. Dogg dies war mach nicht Alles, Ungeachtet aher
Anwendung von Einſchuͤchterung und Schreien, von
Kriegsgericht und. foldasifcher Folter, von dem **
ſten jemals erlebten Beſtechungsmeſen, konnte die Vera
nigung doch nicht eher zu Stande gebracht werdan, als
bis verfchiebene wahlfaͤhigg Burgflecken erkauft waren, ums
eine Anzahl Schotten und Englaͤnder ins Parlament zu
feaben,, welche insgeſammt Stellen im een, oden bei, der
Flotte, oder amdere Regierumatämtar betleideten, vom her
nen fie nach Gefallen entfernt werden bonnten. Die
Zahl folder Fremdan“ war, foßt chemie arok wie bie
Stimmenmeheheit, womit. die Vereinigung durchs«ſtt
wurde.
& 8. Die Vereinigung, gfermirbige Frau, war kein
Vertrag oder, eige Übereinkunft; fie war kein: arfchlefiener
Handel ober —— fie hatte ihren Urfprung. und
Fortgang, in Gawalt, Betrus, Schrecen, Falten und Der
flechung ; fe ie bat “ auf diefe Standar keine anders, big
denda Kraft als bie der Gemalt; fie iſt noch jetp «in
bloßer Name. ar —58 find nicht vereinigt, bie Far
laͤnder werdan fortwährend, als „rede der Ahfieannng
und la nech behandelt
&, 9. &e. wurde, Die gefekachende Umahhimsigkeit
lands vernichter Ge. warb bad, graͤſfce, jewals mm
* —8 — gegen Icland bagangens New
& 10. Der abhſchenlichen Ant, af welche bie. Verel⸗
nigung herbeigeführt wugän,. Pamugk.nus: dia. Ungereibtige
nr de
ı.-
keit ber Bedingungen gleich, denen Irland unterwor⸗ Achtes Hauptflüd. Die Jahre 1800 — 29.
fen warb. |
$ 11. Ih mag nicht lange bei biefem verab⸗
fheuungswerthen Gegenflande verweilen. Nur zwei Züge
von dei Irlaud Ingefigten Ungerechtiglelt will ich ans
führen. Der eine bezieht fih auf Geld, der andere auf
Bolksvertretung.
$. 12. Der kurze Umriß des gegen bie Irlaͤnder
verhbten Geldbetrugs iſt folgender: Zur Zeit ber Verei⸗
nigung hatte Irland eine eingetragene Schuld von 20
Millionen. Englands Schuld betrug 446 Milllonen.
Wäre die Bereinigung ein offener rechtlicher Vertrag, fo
Seiten die : Schulden beider Länder fich fortwährend in
demfelben Verhaͤltniß erhalten. Vielleicht wäre, alle Um:
Rönde beruͤckſichtigend, fogar eine folche Eintheilung hart
gegen Irland. Doch was erfolgt für Irland aus ber
ereinigung? Daß alle® Land, alle Häufer und anderes
ſowol Grund⸗ als perfönliches Eigenthum Irlands jest
gleich mit England für die MWiederbezahlung von 840
Millionen Pf. Sterl. haftet!! Höchftens dürfte Irland
eine nicht 40 Millionen überfleigende Summe ſchulden.
Dark; die Vereinigung bürdet man uns eine Schuld
son 840 Mifionen auf, Ohne die Bereinigung wäre
Me ganze irlaͤndiſche Schuld ſchon fange abgesahle, und
Irland hätte, gleich Norwegen, Leine Landesfchulden.
Niemals ift ein Volk fo ungerecht behandelte worden wie
das trländifche!
6. 13. Die Irland zugeflgte grobe Ungerechtigkeit
in Abdficht der Volkstretung in den vereinten Parlamen:
ten war folgende: Die Eigenfchaften, melche jedes Land
zue Volksvertretung befähigen, fagten bie Verfertiger der
Bereinigung, feien Bevölkerung und Eigentbum. Die ein:
sigen Beweiſe won Eigenthum, bie Lord Caſtlereagh zu:
geſtehen wellte, waren Ausfuhr, Einfuhr und Einkünfte.
Dinsertraͤge ließ er ganz aus, unb dennoch war Irland,
nach feinem eigenen Zugeftändniß, zu 108 Volksvertre⸗
ten auf 658 im Ganzen berechtigt. Bon diefer Zahl
nahm er nad) eigenem Gutduͤnken noch acht hinweg und
ließ Icland nur 100 Mitglieder. Er hätte aber reiht:
lich den verhälmißmäßigen Ertrag beider Länder in feine
Berechnung aufnehmen müffen, und dann würde für Sr:
land bie richtige Zahl von 169 herausfommen. Noch
mehr, wäre der Maßſtab zu einer verhältnißmäßigen
Volksovertretung angelegt worden, tie er hätte angelegt
merden müflen, nur auf Bevölkerung und Einkünfte be:
gründet, fo wärbe für Irland das Recht auf 176 Mies
lieber fich ergeben haben.
814 Wäre die Vereinigung em ehrlicher Vertrag
gewefen, fo wuͤrde keine Rechtsverdreherei Irland bis auf
350 Mitglieder haben berauben können. Dennoch wurbe,
nad dem eigenmächtigen Willen und Belieben der engl:
fhen Regierung, ein Drittheit abgeſchnitten. Dies iſt
eine ſchreiende Ungerechtigkeit und diefelbe iſt großentheils
Schuld an der Unficherheit, worauf bie -- Bereinigung
beruht. Weſentliche Gerechtigkeit in biefer Beziehung iſt
ſtets vorenthalten worden. So find wir durch die Verei⸗
nigung entwhrdigt und befhimpft.
$. 1. Als Zweck der Vereinigung wurde angeführt:
das fehle Verſchmelzen ber Bewohner beider Iufeln zu
Einem Volle. Man bot bie .fchmgicheihofte Hof
nungen, verhieß die feierlichſten Bügihaiken, Irland
folle der britifchen Freiheit nicht länger fremd und fern
bleiben. Die Religion der Einwohner folle nicht länger
ein Wahrzeihen für Verfolgung fein, die Völker follten
Eins werden; an Rechten, Gefegen und Freiheiten ein:
ander gleichgeftelt fein. Man pofaunte bie abgenugten
Redensarten: „‚Paribus se legibus“, „Invictae gentes”,
„Aeterna in foedera”, fo lange aus, bis das Ohr betäubt
ward und der gute Geſchmack einen Ekel davor erhielt.
& 2. Dies waren Worte — lateiniſche oder engli⸗
fhe, doc leere Worte. Irland verlor durch die
Bereinigung Alles, und erhielt buch fie
nichts. Pitt benahm fih mit einiger Würde, als er
die Stelle sinds erſten Miniſters aufgab, weil er fand,
bag ihm Georg IM. nicht geflatsen wollte, die der Ders
einigung geleiftete Bürgfchaft für Gleichberechtigung der
Katholiken einzulöien. Allein jene Würde wurde im
Schmug getreten, al& er nachher einmwiligte, mit feiner
gebrochenen Buͤrgſchaft und verlegten Treue, Miniſter zu
bfeiben. Und dennoch gibt es noch „Pitt: Clubs‘ im
England!
$. 3. Ireland verlor Alles, und gewann
nichts durch die Bereinigung. Es gibt ein großes
Übel in dem Stantshaushalte Irlands. Es gibt einen
unvertilgbaren Schandfled im irlaͤndiſchen Staate. Sie
befiehen darin, daß neun Zehntheile des Bodens Abwe⸗
fenden gehören. Diefes Übel wurde als ein unheil⸗
fchwangeres mit dem größten Leidweſen ſelbſt wor der
Bereinigung empfunden. Es hat. ſeitdem ungeheuer zu:
genommen. Die Vereinigung muß das Außerlandesleben
unausbleiblich vermehrt: haben und es noch fortwährend
vermehren. Selbſt alle zur Leitung der Regierung noth⸗
wendigen Dienflämter, mit Ausnahme eines einzigen —
das des Lord⸗Lieutenants —, find Abweſenden zu Theil
geworden.
$. 4. Irland verlor Alles, und gewann
nichts buch bie Vereinigung. Jedes Verfprechen
ward gebrochen, jede Buͤegſchaft verlegt. Irland muͤhte
fi) ad, und bat und rief Freunde zu Didfe und das
Parlament um Erleichterung au.
$. 5. Endlich kam ein anderer Geiſt über unfere
Beftrebungen. Das irlaͤndiſche Bott Hirte auf, um
Goͤnnerſchaft zu buhlen, ober Hälfe von feinen Freunden
zu hoffen. Es wurde ‚fein eigener Freund” und nad
fochsundzwanzigiähriger Aufregung erzwang es bie Gleich⸗
bereitigung. Es ‚nöthigte die maͤchtigſten wie die fal⸗
ſcheſten, die frechſten wie bie gewanbteften feiner Feinde,
ihm Gleichberechtigung zu gewähren.
$. 6. Wellington und Perl — Gott ſei Dank! wir
haben Euch geſchlagen. Unfere friedliche, unblutige, un⸗
beſteckte, unverbrecherifche Verbindung war zu ſtark für
ven ſoidatiſchen Ruhm des Einen, und für alle bie
feinen RE ernledtigende Rechttverdrehung, das
taͤuſchende Vilendwerk des Andern. Weide bewilligten
emdiich, aber ohne Würde, ohne Edelmuth, ohne Bieder⸗
keit, ohne Aufrichtigkeit. Ja, das Zugeſtaͤndniß ward
mit einer Rieinlichleit ertheilt, die faſt unglaublich ift,
wenn fie nicht bereits der Geſchichte angehörte. Sie er:
theilten einem Volke die Gleichberechtigung und durch
die naͤmliche Urkunde aͤchteten fie einen Einzelnen. Peel
und Wellington, wir ſchlugen Euch und trieben Euch in
eine erzwungene Zeeifinnigkeit binein, und Ihr ließet jes
den Ref von Charakter als eine Beute der Sieger hin:
ter Cuch zuruͤck
F. 7. Es gab eine Zwiſchenzeit, In welcher die Gleich⸗
berechtigung mit Anſtand haͤtte bewilligt werden koͤnnen,
und in welcher ſie als eine Gunſt angenommen worden
wire. Dies war das Jahr 1825. In dieſem Jahre,
wo Altes das Gewaͤhren der Gleichberechtigung beguͤn⸗
fligte, wo fie mit Anftand und Würde hätte verlie
ben werden tönnen, wo fie als ein Erguß mächtiger
Beifter von Staatemännern und Eroberern. erteilt wer⸗
den tonnte — 1825 widerſehten ſich Wellingten und
Peel mit Erfolg der Gleichberechtigung, und bemirkten
dadurch, daß Das, was ihnen zu glorreihem Ruhme ge
dient hätte, zum Werkzeuge ihrer eigenen Erniedrigung
wurde.
6. 8. Laßt es uns nicht vergeffen, daß das Haus
der Gemeinen während dieſer 29 Jahre dreimal eine
Gleichberechtigungsbill durchgehen ließ; daß aber diefe Bill
jedesmal vom Dberhaufe verworfen ward. Die Pairs
geftatteten indeß einen vierten Angriff, da er fih auf bie
Kraft des irlaͤndiſchen Volks flügte. Endlich haben wir
den befländigen Feind Irlands gefchlagen — das engli:
fhe Oberhaus.
8.9. Wir wollen baran erinnern, daß unfer Kampf
„Gexifſensfreiheit“ galt. O, wie befchränkt find die
WMenſchen, die mit proteftantifcher Duldſamkeit prahlen,
und gegen katholiſchen Glaubenseifer losziehen! Dieſe
Verleumdung war eins der aͤrgſten Übel, die wir früher
zu erbulden hatten. Jetzt verlachen wir fi. Die Ges
ſchichte der Berfolgungen, welche von den Proteftanten
der hertſchenden Kirche Englands gegen die Katholiken
einerfelts, und gegen Presbyterianer und andersdenkende
Proteflanten andererfeits ausgeübt wurden, iſt eine der
ſchwaͤrzeſten auf den Blättern ber Zeit.
$. 10. Die irlaͤndiſchen Katholiken, die feit der Me:
formation dreimal wieder zur Macht gelangten, haben,
gelobt fei der große Bott, niemals einen einzigen ‘Den:
ſchen
(Dee Beſchluß folgt.)
Literarifhe Notizen.
Die Heilguellen Griechenlands.
Herr &. Landerer, ber ſich feit feinem zehnjährigen Aufents
hatte in Sriechenland mit den Mineralwäffern, womit die Nas
tur vos in fo vieler Hinſicht gluͤcktiche Königreich Griechenland
beſchenlt Hat, beſonders befchäftigt, und auf den von Zeit gu
Bett unternommenen?Bpeifiär bafeldE "die ſchon in alten Seiten
getannten Heilquelten beſuchht und an Ort und Stelle anakyfirt,
auch anbere neue und ben Griechen ganz unbekannte Liuellen
biefer Art aufgefunden bat, tft auch viefacdy bemüht geweſen,
bie Ergebniffe feiner Unterfuchungen in kleinern Auffägen in
Journalen und in eigenen eguften in griechifchee Sprache zu
veröffentlichen. So gab er 1835 eine Schrift: „legt zuv h
Kıdyp Ieouwv vdarwr" (vergl. „Die Infel Thermia und
ihre Deitquellen”, von Goedechen, in „Ruſt's Magarin für die
gefammte Heilkunde”, 1837, 8b. 50, Heft 1), 1836 eine:
„ Hegıyoayy Tüv dv "Ynarn, Aldnyo xal Geouonüiaıs
depuor üdarar‘' (Deutſch: Bamberg 1837), auch ähnliche
„Heol wy ron, Miiw x. r. A. Iepuwr vdarwur'! heraus.
Da jedoch diefe Mittheilungen, in fo vielen Zeitungen zerfireut,
den beabfichtigten Nugen nicht barbieten konnten, fo Öihrieb er
1840 ein eigenes Werkchen: „ITeot ro» dv 'Elladı Inuarınwy
ddatom!’, das er nun in einer deutſchen überſezung, die er
durch Hinzufügung einiger neuen Unterſuchungen vermehrt hat,
für Diejenigen, die ſich in Deutfchland für die Heilquellen
in Griechenland intereffiren, bearbeitet bat. („Beſchreibung
der Deilquellen Griechenlands.” Nürnberg, Schrag. 1843.
Gr. 8. 230 Ngr.) Jedenfalls verdienen letztere aus mehren
Gründen die Aufmerkfamleit und nähere Beachtung des Aus
landes, und es iſt ein Verdienſt des Verf., demſelben biefe
Schäge Griechenlands näher gerüdt zu haben. Die gruͤnd⸗
liche Unterfuhung dieſes Gegenftandes gehört nicht hierher;
doch wird fie wol bemfeiben, namentlich auch in Deuticland,
fiher zu Theil werden. Die Beſchreibung ſelbſt behandelt ih⸗
ven Gegenftand mit Fleiß und wiffenfchaftlicher Genauigkeit und
beſchraͤnkt fich nicht blos auf die gewöhnlich allein genannten
Bäder und warmen Waſſer im neuen Griechenland auf ben
Inſeln Kythnos (Thermia), Milos und Thera (Santorin)
3 bei Ypati (Patradgil), Albipfos und ben Thermos
N. l.
Cyclopaedia Indianensis.,
Zu Neuyork erfcheint eine „Cyclopaedia Indianensis, or
a general description of the Indian tribes of North and
South America”, herausgegeben von H. Schooleraft. Das
Ganze iſt alphabetiſch angeordnet und umfaßt den Urſprung
dieſer Staͤmme, ihre Geſchichte, Sitten und Gebraͤuche, Sprache
und Religion, Alterthuͤmer und monumentale Überreſte, Alles
gorien und Sagen, Schriftart, Spuren von Kunftübung, Vers
gnügungen , Biographien ber berühmteften Haͤuptiinge u. f. w.
Sin Lexikon indianiſcher Worte und Phrafen wird beigegeben, fer»
ner bie Portrait ausgezeichneter Däuptlinge, Abbildungen von als
ten Ruinen, Hiereglyphen u. ſ. w. Dies fehr interefiante Werk
iſt auf acht Nummern berechnet, von benen je vier einen Band
von 700 Seiten büden. Gin uns vortiegendes Probeheft Ichrt
und die Trefflichkeit der Ausflattung kennen. Wir entnehmen
biefem Hefte folgende flatiftifche Angabe. Großbritannien ver-
wandte während des Revolutionskrieges in mehr oder wen
directer Weiſe nachftehend verzeichnete indianifche Gtreitkräfte:
Shoctams 600, Chictaſawe 4 Gherofefen 500, Creeks 700,
Kiankaſchaws 400, Omiamies 300, Kickapoos 500, Munſeys 150,
Delawaren 800, Shawnees 300, Fores 300, Puyon (Paunte)
350, Sokki 450, Abientis 200, Mohidons 60, Uchipways 3000)
| Dttawayns 300, Mohamts 300, Gayugas 230, Jenckawe 400,
Sues und Soulhufe 1300, Yuttawottomee81400, Talawas 150
Muskulthe 250, zufammen 12,6% — Hechnet man auf
einen Krieger 9 Seelen, fo war eine Zotalbenölkerung vom
63,450 Serien bei dem Sriege betheilige. Diele Lifte ver⸗
öffentlichte Gapitain Dalton, Obrrintendant der indfanifchen Anger
tegenheiten für bie Vereinigten Staaten, ber lange Zeit Gefaͤn⸗
| gener des Feindes gewefen war, am 5. Aug. 1783 zu Philadelphia.
Sin Sinefifher politifher Roman.
Von Dr. 3. Legge eingeleitet erfchien zu London: „The
rambles of the omperor Ching Tik in Kiang Nan, = chinese
796
teien ebenfo wild und roh wie bie Greuelthaten Attila's
d ingis⸗Khan's.
Fa Snsbefondere bietet die Weitgefchichte nichts
Schrecklicheres und Abſcheulicheres dar ale die Megelrien,
welche Obrien, Lord Inchiquin In der Stiftskirche von
Gafhel, Zacton in Limerid, Cromwell in Drogheda und
Wexford verübten. ,
$. 6. Nach beendigtem Kriege fammelte Crommell,
als die Erfllinge des Friedens, 80,000 Irlaͤnder in ben
fhdlichen Theilen Irlands, um fie nad) den weſtindiſchen
Inſeln zu verpflanzen. So viele als das Verfahren des
Zufanmentreibens überlebten, wurden in einzeinen Sen:
dungen nach diefen Infeln eingeſchifft. Von den 80,000
beliefen ſich in ſechs Jahren die Überlebenden auf nicht
30 Perfonen!! 80,000 Irlaͤnder mit einem Streiche,
durch langſame, aber beharrlihe Grauſamkeit, hingeopfert
dem Moloch englifcher Derrfhaft!! 80,000 — o Gott
ber Gnade!
F. 7. Und doch erfcheinen alle diefe Sraufamteiten un:
bedeutend und nichtöfagend gegen die Allem die Krone
auffegende Grauſamkeit der Feinde Irlands. Es wurde
den Irlaͤndern bürgerliche Gerechtigkeit verweigert. Aber
noch weit abfcheulicher iſt es, daß man ihnen gefchichtliche
Gerechtigkeit verroeigerte, und fie befchuldigte, Urheber und
Ausüber der Todtfchläge und Mepeleien zu fein, deren Opfer
fie nur waren.
88. Kein Volt auf Erden iſt jemals mit folder
Grauſamkeit bekandelt worden mie die Irlaͤnder.
(Die Fortſetzung folgt.)
Literarifhe Notizen aus Franfreid.
Geſchichte des Theaters.
Bir haben vor kurzem in d. BI. eine Reihe von Werfen
aufgezäpit, welche alle die Gefchichte der franzöfifiyen Bühne
zum Gegenftande haben, ober wenigftens Beiträge zur Kenntniß
einzelner Perioden derfelben geben. Wir können heute biefe
eite noh um eine „Histoire philosophique et litt6raire du
theätre francais depuis son origine jusqu’& nos jours’ vers
mehren, die foeben die Preſſe verläßt. Diefes Werk rührt aus
der Feder eines Peuilletoniften bes „‚Siecle”, Hippolyte Lucas,
ber, der ſich ſelbſt durch einige leichtere Theaterſtuͤcke, Vaudevilles
und Operntexte bekannt gemacht hat. Seine beſonnenen Theater⸗
kritiken im erwaͤhnten Journale beſtechen bei ſeinen Werken
von vornherein und laſſen eine unparteiiſche Wuͤrdigung fremden
Berdienftes erwarten. Dieſe Erwartungen werben denn auch
nicht getaͤufcht. Wir machen beſonders auf den ſchwierigen Abs
ſchnitt, weicher den Zuſtand des franzoͤſiſchen Theaters während
der Revolutionsperiode behandelt, aufmerkſam. Derſelbe iſt
wirklich hoͤchſt intereſſant. Der Verf. uͤberblickt dabei die ganze
Lage der Dinge zu jener Zeit und gibt zugleich noch eine uner⸗
—. Fuͤlle einzelner intereſſanter Zuͤge und pikanter,
charakteriſtiſcher Anekdoten, aus denen man jene Periode oft
beffer Eennen lernt als aus langen Afthetifchen Raiſonnements.
Intereffant ift, was Lucas von ben erften Aufführungen von
Shenier’s „Charles IX” erzählt. Talma, der bis dahin noch
feine Gelegenheit gefunden hatte, fein herrliches Talent vols
fündig bervortreten zu laflen, warb in dieſem Stüd, in. dem
fein chef d’emploi nicht auftreten wollte, zum erſten Male
an eine größere Rolle gelaſſen. Die übrigen GSchaufpieler
weigerten fih mit Talma aufzutreten, nicht aus Misgunſt über
fein Genie, deſſen Umfang fie noch gar nicht ahnten, fondern
weil fie bie republikaniſchen Gefinnungen nidht tbeliten, von
denen biefes neue Stuͤck durchdrungen war. Die Anhänger des
Hofes geriethen in Muth, als bie erften Vorſtellungen, ungradhtet
ihrer Cabalen, body ihren Fortgang haften, und ber Dichter
fowie der Gchaufpieler, der bie erſte Role hatte, wurben in
allen Blaͤttern, die ben Royaliſten zu Gebote landen, bis in
den Staub gezogen. Ja, die Srhitterung ging fo weit, daß
Chenier und Talma ſich gendtbigt fahen, öffentlich befannt zu
machen, fie würden ftets Waffen bei fih tragen, um ſich, wenn
fie auf der Straße angegriffen würben, vertheidigen zu Können.
Mirabeau nahm für die Werfolgten Partei, und erfannte
namentlich in Zalma ben unſterblichen Künftler. Wenig belannt
dürfte auch fein, daß Laya, unbedingt ber einzige Dichter, der
feinen Revolutionsſtuͤcken wenigftene eine gewiſſe Literarifche
Borm zu geben verfland, im %. 1793 den Muth hatte, die
Ultraradicalen in ber Convention offen anzugreifen. Das Städ,
in dem er dies that, führte ben Zitel „Ami des lois”. Man
wollte in bdemfelben fogar die Portraits von NRobespierre und
Marat erkennen. Die Verfolgungen, die fih der Verf. durch
fein Stüd zugezogen hatte, wurben von ber Convention, die
einen Act ber Großmuͤthigkeit thun wollte, niebergefchlagen.
Von allen GStüden, bie Lucas in feiner Schrift beſpricht,
ift das tollfte und ungeftaltetfte das ‚„‚Jugement des rois”, das
mitten im droften Gewirr der Revolution zur Aufführung kam.
Der Verf., Sylvain Markchal, hatte fein Städ, in dem ben
armen Königen und fogar bem Zar und dem Papſte, die
fi) beide ins Haar fallen, arg mitgefpielt wird, eine „Prophetie'*
genannt.
Lothringiſche Alterthümer.
Wir haben vor kurzem ben zweiten und legten Banb ber
„Archeologie de la Lorraine” von J. 2. Beautieu erhalten,
der an wichtigen tmnd intereffanten Ginzelheiten nicht wenis
ger reich ift ats ber erſte. Diefes Werk verbient namentlich
auch von beutfchen Gelehrten beachtet zu werben. Der Berf.,
geb. zu Nancy am 28. Aug. 1788, gegenwärtig Präfident
der Sotcide royale des antiquaires de France, hat fein ganzes
Leben archaͤologiſchen Unterfudjungen gewidmet, und diefe Stu⸗
diem verdanken ihm manche wichtige Bereicherung. Einen
Theil feiner Beobachtungen hat er in verfchiedenen gelehr⸗
ten 3eitfcheiften niedergelegt, indeſſen find auch mehre ſeib⸗
ftändige Werke aus feiner Reber erſchienen. Erſt neuerdings
bat er in einem Briefe an Iomarb, Mitglied der Afademie,
die aͤgyptiſchen Alterthümer befchrieben, die vor einigen Jahren
bei Salzburg aufgefunden find. Leider ift es ihm gleich bei
der Abfallung des Titels zu biefem Buche begegnet, einen Kleinen
geographifchen Schniger zu machen. Bon Beaulieu’s übrigen
archaͤologiſchen Schriften heben wir bie „Recherches archeo-
logiques et historiques sur le comt& de Dachsbourg, aujour-
d’hui Dabo” und die „‚Antiquitss de Vichy les Bains” hervor.
2
Literarifhe Anzeige.
B i “ Æ. au 1 ⸗
und ar — * Ferne h 8 iſt neu erſchienen
Traditiones corbeienses.
Herausgegeben
von
Dr. Paul Wigand.
Sr. 8. Geh. 24 Near.
Fruͤher erſchien von dem Herausgeber ebenbafelbfi :
Die Corveyſchen Gefchichtoquellen. Ein
Nachtrag zur kritiſchen Präfang des Chronicon cor-
beiense. 1841. Gr 8. Geh, 1 The.
Verantwortlicher Herausgeber: Heinrih Brodhbaus. — Drud und Verlag von F. U. Broddaus in Leipyig.
Blätter
für
literarifhe Unterhaltung,
und die SIrländer.
(Vortfetung aus Nr. 198.)
Biertes Hauptflüd. Die Jahre 1660-92.
Wir find jest zur Reflauration gelangt, einem Er:
eigniffe von aͤußerſtem Vortheil für die Anhänger ber
Krone, bie gerechterweife wieder in ihr Eigenthum einge:
fett wurden ; einem Ereigniſſe, das den britifchen Plündes
rern und befonders den Soldaten Ireton's unb Crom⸗
well''s das Eigenthum der irländifchen Katholiken, deren
Väter gegen die Gewaltherrſchaft bis zu ihrem letzten
Blutstropfen und Athemzuge gelämpft hatten, unwider⸗
euflich und für immer zuwies.
$. 2. Der Herzog von York, nachmals Jakob II,
nahm, für feinen eigenen Antheil an dem Raube, über
80,000 Morgen Landes, den irlaͤndiſchen Katholiten zu:
gehörig, die diefe durch nichts Anderes verwirkt hatten,
als daß fie die Freunde und Befchüger feines ermordeten
Baters und die Feinde feiner Feinde gewefen waren.
3. Und dennoch war die bem irlaͤndiſchen Wolke
inmohnende Liebe für einen einmal gefaften Srundfag —
einen Grundſatz ebrenhafter, aber in diefem Falle hoͤchſt
misverflandener Unterthbanentreue — fo groß, daß, als
biefer koͤnigliche Räuber nachher durch feine britifchen Un:
terthanen vom Throne geflürzt wurde und feine Zuflucht
zu Irland nahm, der irländifche katholiſche Adel, der
Mittelftand und das Volk im Allgemeinen fih um ihn
reihten, und ihre Blut mit einem Muche und einer Be⸗
harrlichkeit für ihn vergoffen, welche einer befjern Sache
würdig waren.
8. 4. Diefer Abſchnitt follte für den Vertrag von
Limerid beflimmt fein. Die Irlaͤnder, erhabene Frau,
wurben im Kriege nicht befiegt. Sie hatten in dem
Sabre vor dem Vertrage Wilhelm II. mit Niederlage
und Schande aus Limerid vertrieben. An diefem irlän:
difhen Eiege nahmen die Frauen Theil. Es iſt keine
Erdichtung. Bei ben großen Niederlagen Wilhelm’s III.
focheen, biuteten und fiegten die Frauen von Limerid.
Am 3. Oct. 1691 ward ber Vertrag von Limerid un:
terzeichnet. Das irlaͤndiſche Heer, 30,000 Mann flark,
der Adel, ber Mittelftand und das Volk Irlands unter:
Das irlaͤndiſche Volk leiſtete biefee Krone von neuem
Huldigung. Nie hat England einen vortheilhaftern Wer
trag gefchloffen als bdiefen, unter den vorhandenen lUms
ftänden. Es war ein wohlüberlegter und feierlicher Ver:
trag, wohlbebachterweeife durch offene Sreibriefe von ber
Krone beftätige. Er machte einem biutigen Bürgerfriege
ein Ende. Er brachte das irländifche Volk wieder unter
die Herefchaft Englands, und ſicherte dieſe Herrſchaft auf ewig
über einen der fchönften Theile des Erdballs. So groß war
ber Werth von Dem, was das Irländifche Volk gegeben.
6. 5. Durch bdiefen Vertrag bedangen fich anderers
ſeits die irländifchen Kafholiten von der englifchen Krone,
was ihnen auf „Treu und Glauben’ von berfelben ver⸗
bürgt ward, den gleihen Schuß des Geſetzes mit allen
andern Unterthanen, für ihr Eigenthum und ihre Frei⸗
beiten — und befonders für die freie und unbe:
ſchraͤnkte Ausübung ihrer Religion.
Fünftes Hauptflüd. Die Jahre 1692—1778.
$. 1. Die Irlaͤnder erfüllten ihrerfeits in jeder Ruͤck⸗
ſicht mit gewiſſenhafter Genauigkeit die Bedingungen bes
Vertrags von Limerid,
$. 2. Diefer Vertrag wurbe von ber beitifchen Me:
gierung gänzlich verlegt, im Augenblid, wo fie vollkom⸗
men ficher war, es thun zu können.
8. 3. Diefe Verlegung gefhah durch die Verfügung
eines Geſetzbuchs von der Liftigften, abfcheulichten Unge⸗
vechtigkeit, welche jemals die Sahrbücher der Geſetzgebung
befleckt hat.
$. 4. Hier führe ich einige Beifpiele von ber Grau⸗
ſamkeit an, womit der Bertrag von Limerid verlegt
warb, und zwar unter folgenden Hauptpuntten: „1) Eis
genthbum. Jedem Katholiten war durch einen Par:
lamentsbefhluß die Befugnig genommen, einer katholi⸗
fhen Ehefrau ein Witthum auszufegen, ober feine Laͤn⸗
dereien mit irgend einer Anwartfchaft zu Gunſten feiner
Töchter zu belaften, ober letztwillig über fein Grundeigen⸗
thum zu verfügen. Bel feinem Tode theilte das Gefeg
feine Ländereien zu gleichen Theilen unter alle feine
Söhne. So murden alle Familienverhältniffe ver⸗
legt. — Bing eine katholiſche Ehefrau zum Proteflans
tismus über, fo berechtigte fie das Gefeg nicht nur, ihren
bandelten mit dem Heere und der Krone Großbritanniens. ! Ehemann zu zwingen, ihr ein befonderes Einfommen zu
eben, ſondern auch bie Auffiht und Vormundſchaft
der alle ihre Kinder auf fie zu übertragen. Auf biefe
Weiſe wurde die Ehefrau ermuthigt und ermächtigt, mit
Erfolg gegen ihren Ehemann fi aufzulehnen. — Wenn
bee aͤlteſte Sohn eines Larholifchen Vaters fi in Iegend
einem, wenn auch noch fo jugendlichem Alter, zum Pro⸗
teftantismus befannte, fo machte er dadurch feinen Vater
zum Pachter auf Lebenszeit, raubte ihm jede Befugniß
zum Verlauf eines Guts oder zur Verfügung bdarliber,
und ein folcher Proteſtant erhielt den Anfprud auf un:
beſchraͤnkte Herrſchaft und Eigenthumsrechte des Gute.
Auf diefe Weife wurde des aͤlteſte Sohn ermuthigt und
fogar duch das Geſetz beſtochen, ſich gegen feinen Vater
aufzulehnen. — Wenn irgend ein anderes Kind, außer
dern Atteften Sohne, ſich in irgend einem Alter als Pro:
teitant erklärte, entging ein ſolches Kind fofort der Auf:
ſicht feines Vaters, und hatte Anſpruch auf Unterhalt
aus bem väterlichen Vermögen. Auf biefe Weife er:
mutdigte das Geſetz jedes Kind, ſich gegen feinen Vater
aufjulehnen. — Wenn ein Katholik ein Land:
gut für Geld erkaufte, war jeder Proteftant
zeſetzlich berechtigt, dem Katholiken jenes Gut
u nehmen, und daffelbe zunugen, ohne einen
Schilling Kaufgeld zu zahlen. Dies war Ge
ſetz. Der Katholik zahlte das Geld, worauf der Pro:
teftant das Gut nahm. Der Katholik verlor ſowol Geld
wie Sue. — Wenn ein Kathollt ein Landgut durch
Heirath, durch Schenkung oder durch Vermaͤchtniß eines
Verwandten oder Freundes uͤberkam, konnte dem Geſetze
nach jeder Proteſtant das Gut dem Katholik fortnehmen,
und es ſelbſt nußen. — Wenn ein Katholik einen Pacht:
vertrag eines Landguts als Paͤchter auf eine oder mehre
Lebenszeiten oder auf laͤnger als 31 Jahre ſchloß, konnte
jeder Proteſtant geſetzlich dem Kathollken die Pachtung ab⸗
nehmen, und den Vortheil des Pachtvertrags genießen. —
Wenn ein Katholit einen Pachtvertrag auf eine, 31
Sabre nicht überfchreitende Friſt ſchloß, was er dem Ge:
fege nach thun Eonnte, und duch Arbeit und Fleiß den
Werth des Guts fo erhöhte, daß es einen Mugen ge:
währte, der einem Deittheit des Pachtverteags gleichkam,
fo durfte in diefem Falle jeder Proteftant gefeglih den
Katholiken entwähren und für ben Reſt ber Pachtzeit
die Frucht der Arbeit und des Fleißes des Katholiken ges
nießen. — Wenn ein Katholik ein Pferd beſaß, das
über 5 Pf. Sterling werth war, und ein Proteftant
dem katholiſchen Eigenchümer 5 Pf. Sterl. dafür bot,
war er gefeglich berechtigt, da® Pferd zu nehmen, wenn
es auch 50 oder 100 Pf. Sterl. oder mehr werth war,
und 26 ats fen Eigenthum zu betrachten. — Wenn
ein Katholik ein Pferd beſaß, das Aber 5 Pf. Sterl.
werth war, und bles Pferb vor einem Proteflanten ver:
barg, war ber Katholik für das Verbrechen, fein eigenes
Pferd verborgen au haben, einer Gefängnißftcafe von brei
Monäten und einer Geldbuße von dreifachem Werthe des
Pferdes, wie hoch berfelbe auch fein mochte, unterwor⸗
fen. — So viel in Hinficht der Geſetze, welche durch
Parlamentsbeſchluͤſſe das Eigenthum bes Katholiken ord:
neten ober vielmehr im gehörigen Laufes Geſetze bes
plünderten. 2) Erziehung. Wenn ein Katholit eine
Schule hielt, oder Jemandem, einem Proteflanten oder
einem Katholiken Unterricht in irgend einer Art von Bü:
cherkenntuiß oder Wiſſenſchaft ereheilte, fo beſtrafte bas
Geſetz einen folchen Lehrer für das Verbrechen mit Vers
bannung , und kehrte er aus der Verbannung zurüd,
mußte er gemwdetig fein, wie ein Mifferhäter gehenkt zw
werden. — Wenn ein Katholit, ſei es eim Kind oder
ein Erwachlener, in Irland eine Schule befuchte, die ein
Katholik hielt, oder zu Haufe von einem un:
terrichtet wurde, fo verwirkte ein folcher Katholik dadurch,
wenn er auch noch ein junges Rind war, die Einziehung
feines ganzen jegigen und künftigen Eigenthums. —
Wenn ein auch noch fo junges Kind in das Ausland
zur Erziehung geſandt ward, ſetzte ſich ein ſolches Kinb
einer ähnlichen Strafe aus, naͤmlich der Einbuße fei:
nes Rechts auf gegenwärtiges ober zu boffendes Eigen:
thum. — Wein irgend Semand in Irland Geld oder
Waaren zum Unterhalt eines icländifchen im Auslande
erzogenen Kindes beförberte, fo feste er ſich der nänsiichen
Buße aus. 3) Perföntihe Unfaͤhigkeiten. Das
Geſetz machte jeden Katholiken unfähig, eine Anftellung
im Heere oder in der Krlegäflotte zu bekleiden, ja ſelbſt
nur Soldat zu fein, wenn er nicht feine Religion feier:
lich abſchwor. — Das Geſeztz erklärte jeden Katholiken
für unfähig, irgend ein Ehren: oder. Soldamt im Staate
zu bekleiden. Don folchen waren fie gänzlich ausgeſchlof⸗
fen. — Ein Katholik entbehrte jedes gefeglichen Schuges
für Leben und Freiheit. Er Lonnte nicht fein: Richter,
Obergeſchworener, Sheriff, Unterfherfff, Referent im Kanz⸗
keigericht, Anwalt, Geſchaͤftsverwalter, Bevollmaͤchtig⸗
ter, Schaffner oder Verwalter einer Gutsherrſchaft ober
ſelbſt Wildhüter eines einzelnen Edelmanns. — Gin
Katholik Lonnte nicht Mitglied einer Koͤrperſchaft fein,
und das Geſetz ſchloß Katholiken vom Wohnfige In man-
hen Gemeindeftäbten aus. — Die Katholilen waren
jebes Rechts beraubt, für Mitgfteber des Daufes der Be:
meinen Im Parlamente zu ſtimmen. — Katholiſche
1 Patıs Hatten kein Recht zu Sig und Stimme im Ober
haufe. — Haft alle biefe perſoͤnlichen Unfähigkeiten fegte
das Geſetz gegen jeben Proteftanten durch, ber eine fa-
thotifhe Frau heirathete, oder beffen Kind unter 14
Jahren, felbft ohne feine Bewilligung, katholiſch erzogen
war. 4) Religion. Die Eatholifche Religion zu leh⸗
ven war eine Miffethat, worauf Landesverweifung Rand;
einen Proteftanten zum katholiſchen Glauben zu
war ein Hauptverbrechen, wie Hochverrath ſtrafbar. —
Ein katholiſcher Ordensgeiſtlicher, d. h. ein Monch oder
Kloſterbruder zu fein, wurde mit Verbannung beſtraft, und
aus der Verbannung zuruͤckkehren, war eine Handlung des
Hochverraths. — Ein katholiſcher Erzbifchof oder Biſchof
zu fein ober irgend wine gelflfiche Gerichtsbarkeit in ber
katholiſchen Kirche Irlands auszuhben, war flrafbar durch
Verbannung — aus folher Verbannung zuruͤckrukehren,
mar Hochverrath, worauf die trafen des Henkens, bes
lebendig Ausweldens und nachher des Vierthellens flanden.”
$. 5. ige es nach dieſer Auſaͤhlung Euch, alauchte
Frau, gefallen, ſich zu erinnern, daß jede einzelne dieſer Ver⸗
ordnungen, jedes einzelne dieſer Geſetze geradezu eine hand⸗
grelfliche Verlegung eines feierlichen Vertrags war, für den
Treue umd Ehre der britifchen Krone verpfändet und die Ge⸗
rechtigkeit des englifchen Volkls unzweldentig verpflichtet war.
$. 6. Niemals war no eine fo abfcheulihe Samm: |
lung von Verfolgungsgeſetzen erdacht worden, fo grau⸗
ſam, ſo kaltbluͤtig, ſo berechnet, ſo umfaſſend wie dieſe
Geſetzgebung, welche die irlaͤndiſche Orangepartei, die
Chaw, die Lefroh, bie Berner damaliger Zeit erſan⸗
nen und ausführten. Ein Geſetzbuch, dadurch zur Außer:
fin Höhe von Schande gefteigest, daß es mit der ſchaͤnd⸗
lichſten Verlegung einer feierlichen Verpflichtung und eines
wohlüberiegten Vertrags befchloffen warb.
8. 7. Es ift mie nicht möglich, dies Geſetzbuch in
einer angemeflenen Sprache zu deſchreiben. Dies über:
fteigt faft bie Beredtſamkeit Burke's. „Es hatte”, fo be:
fchreibt es Burke, ‚eine lafterhafte Vollkommenheit —
es war ein vollſtaͤndiges Lehrgebäude — voller Zuſam⸗
menbang und Haltbarkeit; in allen feinen Theilen wohl:
überlegt und wohlberechnet. Es war ein Triebwerk von
Euger und uͤberdachter Erfindung, und fo wohl geeignet
zue Unterdruͤckung, Verarmung und Erniedrigung eines
Bote und felbfi zur Herabwurdigung der menſchlichen
Natur in demfelben, als jemals aus dem verberbten
Scharffinn des Menſchen hervorgegangen iſt.“
$. 8. Dies Geſetzbuch verhütete die Anhäufung von
Eigenthum, und beftrafte den Fleiß als Verbrechen. Gab
«6 je in einem andern Lande, in einem chriftlichen oder heidni⸗
fchen, ſolche Sefepgebung? Doc das iſt nicht Alles; denn
die Partei, welche dies abſcheuliche Gefegbuch zufammen:
ſtellte, machte dem irlaͤndiſchen Volke wirklich den Bor:
wurf abfichtlicher und ſchmutziger Armut.
$. 9. Dies Gefegbuh zwang buch Zug und Recht
zur ünwiſſenheit, und beflcafte die Erlangung von Kennt:
niffen als Verbrechen. Iſt dies glaublih? — und ben:
noch ift es wahr. Doc) das iſt nicht Alles; denn dieſelbe
Partei, weiche die Bildung des Geiſtes fo verfolgte, warf
den Irlaͤndern Un wiſſenheit vor, und thut es noch.
10. Ja, niemals ward ein Volk auf Erden ſo
graufam, fo niedrig behandelt wie das irlaͤndiſche. Nie⸗
mais gab es eine fo blutbefleckte, fo verbrecheriſche Par:
tei als bie Drangepartei, die, unter dem Namen von
Proteflanten, den Reft ihrer gemisbrauchten Macht zu
erhalten firebt, indem fie den Geiſt aufrecht erhält, der
die ſchaͤndliche Racheverfolgung ſchuf und fortfegte, von
weicher ich die Umrifſe nur ſchwach gezeichnet habe. Es
wäre mehr als aufruͤhreriſch, ja wirklich vertaͤtheriſch,
wenn man vorausfegte, daß eine folche Partei jemals bei
Eu, gierwürdige Frau, Schutz finden könnte, die Ihr
dazu beftimımt feid (denn dies Vertrauen hege ich), end:
lich Gerechtigkeit walten zu lafien, dadurch, daß Ihr die
VNechte Eures getreuen, beaven, lange unterdruͤckten, aber
irländifigen Volks denen Eurer übrigen Un:
terthanen gleichſtellt.
steigt (Die Yertfegung felst.)
Über China.
‚ Bel bem Interefle, weldhes der Ausgang des
Kriegs für diefes Land wieder erweckt hat, iſt «6 bem „Horeign
and eolonial quarteriy review‘ nit zu verdenken, daß «&
bemfelben in dem exften Defte des gegenwärtigen Jahrgangs
fogar zwei Artilel widmet. Giniges daraus wird auch bem
beutfchen Lefer willlommen fein. In dem einen biefer Arttkel
ift eine Überficht des Ganges geliefert, welchen bie Weinbfelig-
teiten Englands mit China von Anfang an genommen haben,
Als Quellen ſind angeführt bie londoner Zeitungen von 1842,
das dem Parlamente vorgelegte „Blue Book’, weiches bie offie
cieflen Documente enthält, und folgenbe zwei &chriften: „The
Chinese’‘, von 3. 8. Davis (London 1840), und „A narre-
tive of the expedition to China”, von Com. Elliot. Bon
demfelben Davis ift fpdter ein Wert in zwei Bänden erfchienen:
„Sketches of China” (London 1841). Der genannte Auffag
des „Review” enthält eine unerquidtiche Polemik gegen bie Bes
hauptung ber Whigs, daß ber. Erfolg bes Kriege noch auf
Redinung des Whigminifteriums zu fleflen ſei. Als ein Fehler,
ohne welchen es vielleicht gar nicht zum Kriege gelommen wäre,
wird die Übertragung ber Handelsverwaltung in China, nach
Auflöfung der Oſtindiſchen Gompagnie (deren Xuflöfung eben:
falls verurtheilt wird), an Lord Rapier gerügt, während dies
felbe in Hrn. Davis’ Händen beffee aufgehoben geweſen wäre.
Der Gang ber Greigniffe während bes Kriegs iſt aus den Sek
tungen betannt, aber intereffant iſt eine Zafel ber Eroberungen,
welche zeigt, wie die Erfolge feit Auguſt 1841 einander jags
ten. Gingenommen wurbe nämlih moi 26. Aug., Tſchu⸗
fan 3. Dct., Ningpe und Tfhings:häd 10. März 1849,
Siguhn und Tſi⸗ki 15. und 16. März, Tſchaͤ⸗gu IS. Mai,
Busfung 16. Suni, s[häng-b& 18. Juni, Aſchin⸗
tläng»fu 21. Juli; und am 20, Auguft wurde der Friebe
von Nan⸗king gefchtoffen.
Sodbald die britifhe Erpedition in ben YangstfisHang
eingebrungen war, dnberten bie chineſiſchen Beamten ploͤtlich
ihren Ton. Wie fie früher den Kaifer gegen die Briten einzu⸗
nehmen geſucht hatten, {ft oft komiſch gem . In einem We
morial, das der weitfehende Ki⸗ſchen, Vicekoͤnig von Petſche⸗li,
an den Kaifer gerichtet hatte, bieß es: „Anlangend das Geib,
das die gedachten Barbaren einführen, fo iſt es allefammt mit
Queckſilber legirt. Wenn man es einwidelt und etliche Jahre
weglegt, ohne daran zu rühren, fo wirb es voller Motten und
freffender Infelten, und ihre filbernen Becher verwandeln ſich
ganz in Federn und Fluͤgel.“ Iſt das nicht noch toller ausge⸗
dat, als es der Sklave Stafimus bei Plausus zu machen
weiß, um dem alten Phitto das Landgut, das biefer Taufen will,
zu verleiten? „Ihe Geld, heißt es noch weiter, iſt alles vom
diefee Art, und wollte man es ein 400 ober 500 Jahre liegen
lofien, fo Tann Eein Menſch wiffen, in was es ſich noch vers
wanbeln würde.” Aber bie Niederlagen von Amoi u. ſ. w., be:
fonders bie bei Tſchaͤ⸗gu und bei Tſchin⸗kiaͤng⸗fu, hatten bie
Manbarinen und mittelbar ben Kaiſer mürbe gemalt. Nau⸗
ting war bedroht und außerdem, wie es ſcheint, das Land un-
ruhig; die Soldaten aus bem Innern wollten nicht mehr an
die Küfte, befertirten und ftreiften in Banden plündernb umher;
die Schrecken, welche den Fall von Tſchin⸗kiaͤng⸗fu begleiteten,
hatten allgemeine Sehnſucht nad) Beendigung ber Feindſeligkei⸗
ten erweckt; fcharenmweife hatten ſich bie Bewohner ber Gtabt,
Männer und Weiber, erhenkt .oder den Hals abgeſchnitten; Wäs
ter, Gatten Tiefen nach Hauſe, als fle Alles verloren fahen,
und erwürgten ihre Kinder, ihre Weiber und bradhten zulegt
fi feibft um. Dies geſchah nicht nur unter den niebeen Volke⸗
claſſen, die Sieger drangen in die ſtattlichſten Haͤuſer und fan⸗
ben Frauen in Weide und Atlas aufgefnüpfts die tapfern Ta⸗
taren ließen fich niederhauen oder verbrannten ſich in ihren
Häuferns die Euft war ſcheußlich erfüllt von tem M
ber verweſenden Leichen in ber Stadt und ben Worftäbten; bie
Stadt war unbewohnbar geworden, weil alle Haͤuſer t
waren; die Cholera brach aus. Wiele Bamilien waren auch
wo: t
Fr Sa ;
den Am 10. Maͤrz (Sonntag) wurbe die Pe:
tition im bdiefen verlefen und in Allem mit 30,225 Stimz
men gegen 1048 angenommen.
Am 14. März verwagdelte der Regierungsrath feinen
Borfiyag, Strauß zu penfionkn, auf den dee Ergiehange:
rath nicht eingegangen war, in foͤrmlichen Veſchinß, doch mit
dem Vorbehalt der Genehmigung ded Großen Raths. Des
letztern Verfammlung fand am 18. flatt, und es wurde
die Penfionicung mit 149 gegen 38 Stimmen befchloffen.
Das Centralcomitd erftärte nunmehr, daß es, ba feine
Zunetionen erfüllt fein, zuruͤcktrete, ohne jedoch die Or⸗
ganifation in Bezirksvereine aufzulöfen, als deren Mittel:
Hergen am Bü t murde.
Hiermit endet der erſte Act des Trauerſpiels, der als
die fpeciell Strauß'ſche Angelegenheit ganz für ſich des
wachtee werden kann. Er durchlaͤuft zwei Phaſen, deren
acſte den Kampf zwiſchen der kirchlichen Partei und den
ſar die Berufung des Dr. Strauß ſtimmenden Raͤthen,
die zweite deu Aufſtand bes Volta zu Gunſten ber kirch⸗
Eichen Partei darſtellt.
Die Verhandlungen im Großen Math breiten fi nas
ehrlich um die flreitigen Gebiete von Staat und Kirche
und um bie Stage ber Lehrfreiheit (welche letztere aller
dings vem allgemeinſten Jutereſſe, obgleich weit weniger
von allgemeiner Wichtigkeit als die der Preßfreiheit if).
Don Griten der Kirche wurde es ſogleich durchſchaut, daß
in we Strauß'ſchen Berufung ein Element lag, welches
ſich zur Aufreigung des Wolle gegen die Regierung, ſomit
zur Schwaͤchung der Reglerung und zur Ausdehnung des
Biechlichen Machtgebiets eignete. Daß es ſich viel weniget
som die Abwelſung dieſes einzelnen theologiſchen Lehrere,
als un eine kirchliche Eroberung handelte, bemeill unwi⸗
derfprechlich die erfte Motion des Antiftes Fuͤßli auf Bes
theiligung des Kirchenraths bei den Wahlen zu theologi⸗
ſchen Lebrftellen. Dr. Keller zeigte in der Sitzung am
31. Januar aufs klarſte, daß durch die Annahme des
aßlbſchen Antrags gegen Strauß’ Berufung, gegen welche
er doch oftenfibel gemuͤnzt ſei, gar nichts ausgerichtet fein
werde, weil dee Beſchluß, der erſt in ſechs Mongaten ges
fegtiche Kraft erlangen würde, Beine ruͤckwirkende Kraft
baden koͤnnte. Auch Regierungsrach Wyß fagte: „Die
Motion iſt ein Nothruf der Geiſtlichen“, und fügte him
gu: „Diefen fol man nun hören? Und dem Nothſchrei
von Tauſenden, bee täglich um Lichte und Wahrheit
yama Himmel fleigt, bat man feit Jahrhunderten nicht
hören wollen.” Die Motion war aber ganz zweckmaͤßig
geftelit. Wurde fie angenommen, fo hatte bie Kirche weit
mehr gewonnen ale ben Ausſchluß eines Neologen, ber
doch ohne Zweifel alsdann auch erfolgt wäre; wurde fie
wicht angenommen, fo zog ſich die Kirche auf das Bolt
zuräd, dem fie an dem Strauß'ſchen Fall die Nothwen⸗
digkeit der von ihre beanfpruchten Machterweiterung ein:
leuchtend machen konnte. Dr. Keller iſt der Einzige, der
mit Teinem fcharfen, praßtifchen Bid das Manoeuvre fo:
eich durchſchaute. In beftimmten Worten erflärte er:
„Die Kirche foll nicht als ſelbſtaͤndige Macht dem Staate
geommhberiteben.” Sicherlich wirkte feine Rede am meir
nd
Rem dayu, daß der Große Mach mit fo fackır Majeridt
(98 gegen 49) die Motion verwarf.
Der zweite Punkt der Verhandlung betraf bie Lehe
freipeit. Diele Frage: iR du jüngfler Zeit bekauntlich ganz
verfige und vmwhfelt warden. Bi Ehche, iſt aber am
fi unſaglich ewfacd, und die Beantiuertum) der Frage
dem unbefangenen und unbeflochenen Uetheil überaus leicht.
Fragt man ohne alle Einſchraͤnkung: Sou Lebrferiheit fein?
fo antwortet die Vernunft: „Unbedingt, ja!” Fragt man:
in einen chriſttichen Staat Lehrfreihelt fein?
fol in einer evangeliſch⸗ reformirten, oder chen oder
anirten tbeologifchen Facultaͤt Lehrfreiheit fein ? fo läßt fich
nur antworten: „Es fommt darauf an, wer zu befshlen
bat.” Ein vernünftiges „Soll gibt «6 da nicht mehr.
Den was iſt ein hrifklicger Staat? weiche Stelle
nimmt die Organiſation der Kirdge, naͤmlich der reformit⸗
ten, oder lutherifchen ober ‚unirten, darin ein? Wie viel
bat die Kirchenbehörde zu fagen? Welche Anſichten bat
fie? u. f. w. Auf das Alles gibt es gar Leine vernünftige
Antwort, fondern e6 fleht wie es ſteht, und geht wie es
kann. Der Streit über den Umfang der Lehrfreibeit im
einem ſich ausdruͤcklich als chriſt lich bezeichnenden Staate,
und für eine theologifche Facultaͤt iſt demnach ein gam
müßiger. Wer das Recht und die Macht hat, den Staat
als chrifttichen zu decretiren, bat auch Recht und Macht,
den Begriff des Chriſtlichen zu erpliciren und danach zu
beftimmen, was frei fein fol, was nicht. In einer evans
gelifch =ceformirten u. ſ. w. Facultaͤt fol natürlich nur ges
lehrt werden, was evangeliſch⸗ reformitt u. ſ. w. iſt. Da
aber hierüber Streit ift, was denn eben das Evangeliſch⸗
reformirte u. f. w. ſei, fo läßt fi auch nicht fagen, was
frei fein fol und was nicht, fonbern wer bie Macht hat,
bat das Recht.
Die züriher Sache lag fo: Hätte der Große Rath
wirklich Lehrfreiheit gewollt, fo hätte er ſprechen mäffen:
Den Studenten fol Alles vorgetragen werden, was fich
über das Chriſtenthum, die Kirche u. ſ. w. denfen und mit
Gründen erweifen läßt, und kaͤme auch dabei heraus, daß
die ganze Kircheniehre falfch if. Denn was gelehrt wer⸗
den fol, iſt Wiſſenſchaft, und die Wiſſenſchaft bat es le⸗
biglich mit der Wahrheit zu thun. Kurz, der Große Math
mußte fih, wenn er Lehrfreiheit wollte, auf das „Chriſt⸗
liche”, welches doch ein irgendwie Bellimmtes und baber
die Freiheit Beſchraͤnkendes fein muß, gar nicht einlaffen.
Wenn aud Einer oder ber Andere im Mathe dies fehr
wohl empfand, fo ging doch Keiner ganz rein mit ber
Sprache heraus, und ber Rath im Ganzen erklärte, daß
es ihm um das Chrifttiche fo ganz eigentlich zu thun ſei,
niht um die Wahrheit als folde. Er war daher ges
zwungen, das Chriftliche auch zu befiniren, und dann zu
behaupten, daß die Strauß’fhen Anfichten biefer Defini⸗
tion des Chriftlichen gemäß felen.
Hiermit zog er natürlich ben Kürzen nicht nur gegen
bie gelehrten theologifhen Herren in und außer feinem
Schooſe und gab ſich die Bloͤße, baß er bei feiner chrift-
lichen Anſicht angegriffen werden konnte, fondern er gab
feine wahre Stärke völlig amd Sen ‚Händen, denn es konnte
dach mm pet .erwritiih (in, daß die” Guruiiihen
Anſichte un. Enne als chriſtliche gelten duͤrften,
wodurch Ai ſAuaatab⸗hdrde, die En Ari Drer Baeboltung
der TJendenz vothaceadig auf ſolche Unter⸗
mußte, jedenfalle ihren eigenen Veden
, «6 fi gar nicht die We
Lehrbegriff eufzuhrängen; dat We:
ſei freie Sorſchung, und dieſes
wolle man baich⸗upten. Aber er hatte hierin großes
Denn erſtlich iſt das Weſen des Proteſtantis⸗
— zwar freie Forſchung geweſen, bis 1830, won
wicht mehr; und von Proteſtan⸗
8 felite nicht mehr die Rebe fein, fomdern
enangelifih aueformirter u. f. w. Kirche. Zweitens
wen der Kirche allerdings etwas, wenn auch nicht
kehebegriff, aufdraͤngen. Dean was iſt die
Kieche ift Autiſtes Fuͤßli und der Kirchen⸗
Azrieeet
3 {HR
nten, Morgenſternen, Piken, Knuͤtteln
ſchleppen. Was der Lehrbegriff dieſer Kir
iſt, das — weiß Gott allein. Weder Hr. Antiſtes
noch Hr. Dr. Schweiger, noch irgend ein Anderer
es im Ürefen Bath zu fagen vermocht. Hr. Dr.
fügte aber gang male:
Der Protefiantiamus ift bie Freiheit bes Geiſtes, welcher
feembes Menſchenwerk verfgmäht, und ſich das heilige
nimmt, den göttlichen Gehalt, den ber Glaube aus Chris
ſtus fchöpft, in die der Zeit, Weltanſicht, wiffens
fdaftiigen Dentweife angemeflfenen Bormen bins
einzugießen und ein uns eigenes, in uns lebendes Ganze
„u aeaiten (©. 136).
F [est
Und fo alle diefe Deren, bie dem Valle weis mach⸗
ten, fie hätten den etablirten Lanbesglauben, die ihn
aber nicht haben, fonbern nur ihren eigenen „nach ih⸗
ren Bebhrfuiffen zu Stande gebrachten Glauben“ (roie
He. Schweizer ebenfalls wörtlich fagte), die alſo gegen
Serauß wit den Funken einer Berechtigung im Heidel⸗
f. w. auföringen Binnen und gegen
echt haben als 40,000 Kukttel, vor
ich auch nicht wiſſen, was fie glauben,
uben, was fie glauben, daß ihr Pfar:
glaubt.
alfo hier das wiberwärtige Schauſpiel vor
. in «den Streitigkeiten aͤlte⸗
ger und neuerer Zeit Überall wiederholt, daß einerfeits der
(ic; weine die Staatsbehoͤrde) bee Kirche (naͤmlich
ber Geifilichkeit) ſich feindlich gegenuͤberſtellt, fie als Feind
etennt und ausdeuͤcklich für feinen gefaͤhrlichſten Feind
etlärt, deſſen Selbſtaͤndigkeit und Macht man brechen
müffe, dennoch aber nicht de6 Feindes fich erwehren kann,
weil er ſeibſt Das nicht aufopfern wii, was des Feindes
und von ihm wnabtrennliches Eigenthum ifl;
daß andererſeits die Kirche, die gar keinen erfennbaren Zu:
famemenbalt wche, außer in der Herrſchſucht der Geiſt⸗
gen, ir gar keinen hefkiaamater Lehrbegriff mehr, ſondern
fo viel Lehrbegriffe oder Lehrupbegriffe als theologiſche
Köye hat, fich dennoch für eine Macht ausgeben und ein
Reqht zur Ausſchtießgung von Heterodoxen ausüben till,
Ss ..
=
&
-
Capitel der Geiftlichkeit, welche 40,000 Mann
bug berjenlpe: Genet, Dog wirtih; Steben - Zerifilt Seffes
will, auf feine Bacon fellg gu werden, der
der roirltich Mölfenfchafe und affe umbedingee
will, der dann aber auch feine Unterrichtsanftaiten von
benen irgend einer Kirche Lrennen und folder Kirche dag
Recht zugeſtehen muf, ſich ihre eigenen gu unterhalten
nur diefee Staat iſt ſtark gegen die Kirche und frei vom
ihror Tysannei, Ebenſo iſt aur diejenige Kirche berechtigt
gegen den Staat und ſtark gegen ihn, welche ſich auf
eine wirkliche, gemeinſame und von ihren Mitgliedern an⸗
erkannte Überzeugung berufen kann, nicht aber eine ſolche,
welche dem Staat die von ihm approbirten Confeſſlons⸗
fhriften entgegenhätt, waͤhrend fie zugleich ſelbſt erklärt,
ihrerſeits nicht an jene Gonfeffionsfchriften unbebingt ges
bunden zu fein. Lesteres hat bie zürrcherifche Kicche mit
einee — Dreiſtigkeit erfiärt, durch den Mund ihres An:
tifte® Fuͤßll, dag man, die Erklärung lefend, feinen Augen
nicht traut.
(Der Beſchluß folgt.)
Literarifhe Rotizen aus England.
Derfetbe engtifche Beurtheller, weicher Schiller einen wahren
ſten trog Jedem nennt, bat doch auch Bebichte wie „Die
ttee Griechenlanda’ nicht unbeachtet gelaflen.
Gr kommt
nathrlic dabei mit feiner Vertheidi bes Schiller ſchen Shri⸗
ſtenthums als ein echter Engländer | Ih eine —2* kage
als feine deutſchen Collegen, die fromm und Freunde der Gchils
lerſchen Mufe zu gleicher Zeit fein wollen. Es iſt ergoͤtlich zum
fehen, wie er fich dreht und windet. „über dieſes ſehr merk:
würbige Gedicht möchte genug gefagt fein, wenn mau
daß es als eine Schüberung der im Zeitalter Konftantin’s die
noch heibnifche Welt beherrfchenden Gefinnung jeden Leſer durch
die Wahrheit feiner Sharakteriftit und bie Lebendigkeit der Ans
ſchauungen entzäden würde s aber aus bes Dichters eigener Seele
‚ wie es body der Ball ik, und alfo am Schluſſe bes
8. Zahrhunderts chriſtli ung und mitten in der
Ghriftenheit, iſt e& nur zu ſeht dazu geeignet, jeben keſer Irre
führen, ber nicht, wie wir es verfucht haben, ſich über den
baralter und die innere Entwidelung des Dichters Klarheit
verichafft hat.“ Kurz, „Die Bötter Griechenlands und verwandte
Gedichte fieht der gute Englänber eis Probucte eines Iranklaften
Epoche in Schillers Geiſtesleben an, und findet es tröftlic,
daß Schiller „in ber Reihe feiner reifern Erzeugniſſe das Be:
dürfniß einer gewiſſern Hoffnung, als feine Philofophie ihm
geben Tonnte, nicht verbeblt hat." Schiller fei auch, wenn
immerhin sum pofitiven Glauben, doch wenigſtens
Gerneglaubenwollen (willing dodlity) gelangt, wa ji Us
beſſer ſei als jene Selbſtgenuͤgſamkeit u. f. w.
„Der Bers von Schiller: ‚Die Weitgeſchichte ME das Welt⸗
gericht‘, fagt ein engliſcher Kritiker, ‚it ein ſchlagendes Meifi
von jenen bei häufigen Sentenzen, die fi) in einer
andern Sprache nur durch Umſchreibung wiedergeben laffen. ’
Diefer Kritiker überfegt: „The world’s record is the world's
final doom.“ Er ftellt noch M. de Barante’s franzöfiiche Über
fegung daneben: „L’histoire du monde, voilä le jugement du
monde!‘ und eine Lateinifihe (aus Feuerlein's „Schälieri Iyrica
omnia”, Gtuttgast 1831): „Usque Clio Munus obit Themidis
supremae.”' Die lehtexe iſt ganz abge feumadt und verkehrt.
Die Schwierigkeit der Überfegung, ja bie Unmöglichkeit liegt
borin, daß der mächtige Gedanke, deffen ungeheuren Inhalt ber
dere Bere In cin anfehe, Een ufemmenfohk, ein Wie
Zt gang des deutſchen Geiſtes
Nachdem in Drutfihland var m a mehre Schriftin üter Sa⸗
vonaroia bie Aufmerkfamkeit wieder auf dieſen italieniſchin
Reformator, und, wenn man till, Revolutionnait gelenkt wor
den, ift foeben auch in England eine nach Quellen gearbeitete
—ãe — deſſelben erſchienen: „The life and times of
Girolamo Savonarola.” (Eondon 1843.) Da wir das Bud
noch wicht in Haͤnden gehabt, Tönnen wir bier nur barauf
aufmerkfam machen. 48,
Amenobphis au Retzonue.
Weit aus libyſchem Sanb Sabetaufende durch und bucdh
nder,
Gruß, du Scher des Nords, fend’ ich bir Amenophis.
Unſre Seheimniffe nicht, gleich Moſes, verriethen bir Priefter,
Dein tief ſchauender Geift im Katalomben : Gektäft
War dein Hierophant; Mar fprachen bie Hieroglyphen,
Die auf der Mumien Grab ernft der Granit⸗Obelisk
Zeigte zum Hohn Jahrhunderten umm, bis Champollion
enblich
Wußt' ein Sdipus Hug Raͤthſel zu loͤſen der Sphinx.
Hüter des Tempels, den ich gebaut, vor den Rieſen⸗-Pylonen
Saß ih, ein Zwillingkoloß, den mir Syenas Granit
Hoch aufragend gehau'n aus ungefpaltenem Felsblock,
Ernſt auf der Stirn, Monolyth, wie's dem Hoppter
geziemt.
Auf dem viefigen Fuß, nur dem Eingeweihten verſtaͤndlich,
Hierogipphen vermummt nannten Amenophis mid).
Einf erbebte die Erde, zerriß mir fpaltend den Felsleib;
.. Nicht des Perfer Pygmir, nicht dies Kambyſes vermocht,
Bruſt und mein rieſiges Haupt entrollten zum Fuß mir
in Truͤmmern,
Halbmenſch, ruinenumringt thront' in der Wuͤſt' ich
oloß.
Wenn mich die Mutter die Sonne begruͤßte mit Strah⸗
len des Aufgangs,
Die in den felſigen Leib drangen mit Flammengewalt,
Tlef aufſeufzend zu ihr laut Aue ih exbebend mein
Weh ihr,
Mich den Verſtuͤmmeiten fleht' ich fie mid wieder zu au’nb.
Wie durch die Laͤnder die Kunde nun ſcholl von dem
Sohne des Nilthals,
Wie er mit toͤnendem Fels Morgens die Sonne begruͤßt;
Stroͤmte der Sterblichen Schar zur hunderthorigen Thebe,
Um zu lauſchen dem Ton felſigen Wehmuthgeſangs.
Romas wandernder Kaiſer er ſelbſt, Autokrator des Erdballs,
Hadrianos er ſtand vor mir im thebiſchen Sand.
Stolz verfiumme’ ich jedoch vor dem Herrſcher am erſten
bee Morgen,
Zweimal mußte der Welt⸗Herr zu mir wandern hinaus,
Dentend in felfiger Bruft: ic fh ein König, nicht
Vorchend auf Herrſcher Be Mi gu fingen
mein 2
Steabo er Fam, Paufanias auch, — die Laͤnder,
Auch der Spoͤtter Lucian horchte mit zweifelndem Ohr,
Tactue fABR, den Tyrannen ein at, Yen und
Gänge,
Centurionen, ber Römer Provinz,
Zogen zum Nil aufhorchend geſpannt dem Warndergeſange
Der mir sur Sonn’ Aufgang bebt aus dem Trinumerkeloß
Mir auf dem riefigen Fuß eingruben fie Ihre Bewund’rung,
Auf Haß zur Nachwelt ih trig’ Ihre Namen mit mir.
Babeinde Griechen im eitlen Gefhwäs mitkannten ben
Herrſcher,
Mich des thebaniſchen Nils König mie Amenophls,
Nannten mid Sohn der Aurora, mid Sohn bes ſchwin
denden Ticthon,
Nannten mich Memnon, vom Thron fihrzend ber
Mumien Herr'n.
Endlich der ſtrenge Septimins er misdeutend mein Klaglied,
Welches zur Sonn’ empor tönt aus dem Felckatafelk
Waͤhnt', ich Page’ als Drake A Flucht Hinfcheibender
tter,
Weil fie erlagen im Kampf mit dem gefreugigten Gott.
Um mich zu rüften mie Kraft, mie zu ſtillen die Klage
der Wehmutch,
Thuͤrmend Fels auf Fels hoch bis zur Stirne hinauf,
Lieh Septim mich wieber erbau'n, um wärbig zu thronen,
Um vor dem Zwilling befhäme mich nice verſtummelt
zu ſchau'n.
Nun ich mich nicht mehr erblidt von meinen Ruinen
| umlagert,
Sande’ ih zur Sonne nicht mehr Klagen aus felfi>
ger Brufl.
Laut frohlodte Septim, verföhnt nun wähnend die Trauer,
Stark mit der Jungfrau Sopn mid num gerüftet zum
Kampf.
Doch Jahrhunderte durch ſtets Memnon ward ich geſcholten,
Hieroglyphen verftumme waren mit meinem Geſang.
Mas nicht der Grieche, der Römer errieth, die fo nab
mie doch ſtauben,
Denen noch Nachhall ſprach von hierogiyphiſcher Schrift,
JSie, die mid) König entthront, umſchaffend mich fabeind
zum Mennon,
Du nur baft es gefchaut in der Mekropolis Nacht,
Du nur, blonder Barbar, gezeugt weit jenfeits der Meerfiut,
Haft ein Sehender mich Wüftenbeherrfcher erkannt;
Haft das Geſpenſt Memnon mie gebannt aus dem riefls
gen Felsleib,
Wieder zum König gekroͤnt mich ber entthront Amenoph.
Hold ſei'n Könige die, weil du die Kron’ auf das Haupt mir,
Die mir der Griech' entriß, wieder mid ehrend, gefetzt.
Drum aus libyſchem Sand Saberaufenbe duch und durch
nder,
Heil und Gruß die und Dank fend’ Ih Ammophis dir.
Unangetaftee von rollender Zeit ſteh' nimmer erfchättere
Deines Geiſts Monument fo wie ih Zwillingkoloß
Im Nitthat von Granit, unſchmelzbar verzehrender Sonne,
Untösbar von der Blut, nimmer begraben von Sand.
Maris, im Zuni 1843,
I. 8. Koreff.
Berantwortlicher Herausgeber: Heinrih Brockhaus. — Drud und Verlag von J. U, Brochaus in Leipzig
Bitter
ih: 5 0
q
literariſche Unterhaltung.
LG
— fir
Sonntag,
204. —
23. Juli 1843.
I
Die Strauß'ſchen Zerwuͤrfniſſe in Zuͤrich von 1839.
3Z3Zweiter Artikel.
(Befhluß aus Nr. 288.)
Antiſtes Süpli bezog fih chen in dee Sitzung am
33. Jan. auf die Karultätöflasuten, um die Strauß’fce !
Berufung ald eine Rechtsveriegung barzuflellen. Dem Ge: '
ſede nad, fagte er, habe bie Univerfität den doppelten !
Zweck: 1) die Wiſſenſchaft zu bearbeiten; 2) die Zwecke
des Staats und der Kirdye zu fördern.
Widerſpruche.
heit zu ſuchen, fo kann man doch auf anderweitige Staates
Diefer Doppel: '
zwed kemmt allerdings in aller Melt Univerſitaͤtsſtatuten
vor, macht aber das Statut zu einem trodemen Waſſer,
Falten Feuer, lebendigen Tode, kurz zu einem unlösbaren |
Soll man dem Zwede dienen, die Wahr:
fefforen vorausgefegt, daß fie nichts Ichren als den Lehr⸗
begriff des Staats.” Der „riftlihe Staat”, den der
große Rath proclamirte, hat aber keinen beftimmten Lehr⸗
begriff, Sulzer machte alfo durch feine Außerung, in
Widerſpruch mit dee Anfiht der Majorität, den zuͤri⸗
her Staat zu einem „evangelifdy s reformirten“, d. h. bie
Kirche .zur Regentin. Waͤhrend dies von ber Seite des
Staats her gefhah, opferte von der andern Seite her die
Kirche ihren Lehrbegriff total auf, und accepticte die Norm
des Staats, daß man nur chriftlich zu fein brauche.
An derwfelden Tage, an weichem der Antiftes die Lehrfrei⸗
beit als eine confeſſionell befchrändte dargefteikt bat, fegte
Hr. Schweizer des Breitern auseinander, in welche ‚dir
Zeit, Weltanfiht u. f. w. angemeffene Form” er ſich den
und Kürchenzwecke keine Rüdficht nehmen; fol man Staates: :
umd Sirchenzwede im Auge haben, fo kann man nicht,
msehr fagen, man made die Wahrheit zum med, denn :
Der Wahrheitöforfcher muß ohne Vorausſetzungen an fen:
Betääft gehen. Geſetzt aber auch, der Zwed der Wahr: |
Heie würde geopfert, wie fol man den Staats: und Kir: |
chenzwecken yu gleicher Zelt dienen, da diefe beiden einan⸗
kirchlichen Glauben hineingegoffen habe und fügte: „Der
nah unſern Bedürfniffen zu Stande gebrachte Glaube
wird den uns fremden, für die Denkweiſe feäheree
Jahrhunderte gemachten, uns wie ein Jod drü-
ckenden Glauben (alfo den confeffionellen) befiegen. ”
Strauß fehe nur „In übergroßem Maße“ die bibtifchen
Erzählungen für Mythen an. „Chriftus ift en — ge:
A —
der fo oft tiderfprehen? ‚Niemand kann zweien Gerren
dienen; entweder er wird einen haſſen und ben andern!
lieben, ober wird einem anhangen und den andern ver:
achten.” Der Große Rath im Zuͤrich gab fi das An:
fehen, die Eehtfreiheit zu vercheidigen, er vertheidigte aber,
(mit Ausnahme einiger wenigen Räthe, die von der Wahr: ;
beit als folcher, aber auch nur beiläufig fprachen) eine:
durch den — Namen ber Ehräfltidzkeit bedingte Lehrfrelz
beit, vote denn das im „chriſtlichen“ Staat ganz In der
Drebmung. Die Kirche, die ihm gegenkterftand, war aber
nicht die „chriſtliche“ Kirche, fondern die „evangelifch⸗ re⸗
formirte” ; fie konnte alfo auch nur eine durch den evan⸗
geliſch⸗ reformirten Lehrbegriff bedingte Lehrfreiheit zuge:
fen. Dieſe Eolliſſon war vorhanden. Antiſtes Füußli
war In der Sitzung am 31. Jan. in feinem Rechte,
als er behauptete: „Die Lehrfreiheit iſt zwar anerkannt,
cber Fe iſt an die confefflonellen Schranken gebunden.“
Sa der Sitzung am 13. März ſagte einer der Staats⸗
mianer, Bein Geiftticher, Regierungsrat) Sulzer, noch!
deutiiher als Fißli: „Wen auch Lehrfreiheit anerfanne!
wird, fo wirb mir Ruͤckſicht auf die theologifchrn "Pro:
nialer, vom Goͤttlichen durchdrungener Menſch,
der hoͤchſte und letzte“ (mie auch Strauß ſagt). Gleich
darauf erklaͤrte der Decan Voͤgeli: „Die Juͤnglinge, die
in den Kirchendienſt treten, muͤßten geloben, das Evange⸗
kium nad) den Grundfügen der reformirten Kirche unge⸗
faͤlſcht zu predigen; das koͤnnten fie nicht, wenn fie
Strauß erzöge.”” Und in demfelben Athem fagte er: „Die
Kitche iſt nicht ſtationnair, fondern beſonnen vorwaͤrts ſchrei⸗
tend.“ So zeigte es fich, daß die Colliſion zuiſchen Eeaät
und Kirche nicht blos zwiſchen den Vertretern des Stacts
und der Kirche ftattfand, fondern innerhanb dee Stacts⸗
vertretung ſelbſt und ebenfo Innerhalb der Riedhenverteesumg
ſelbſt ſchon vollſtaͤndig vorhanden war. Die Kämpfer uf
beiden Seiten Behrten die eigenen TBaffen "fies -umwe gegen
ſich ſelbſt und wuͤtheten im eigenen Fleifche. Daher kam
eb, daß der Antiſtes Fuͤßli, das Oberhaupt der zuͤtcheriſchen
Kirche am 18. März, die Worte ſprach, von denen ih
zuvor fagte: man glaubt, fie fefend, ſeinen Augen wicht
trauen zu dürfen, Worte, die in Lapidar gebrudt gu-twers
‘den verdienten, Worte des ‚Höfen Urchlichen Gewiſſens,
Worte, die das Wort wahr mathen: Ihe to ſchen ge⸗
s r\
0,59
. > v
richtet, weil Ihe nicht glaubt!“ Hr. Antifles Fuͤßli ſprach
aber, und der gelehrte Profeſſor Hr. De. Gelzer Hat es
wiederum (S. 291) drucken laffen:
Die Eehrfreibeit befteht wol darin, daß ein einmal für
ein beftimmtes Fach angefteliter Echrer nicht gehindert
Rn, fee ri Anſichten vorsutragen, Richt aber darin,
deß in Bäßen, wo cin Many, ber zu einer Gtelle berufen
würden foll, Anfichten bat, bie durchaus in Widerſpruch mit
den Bedürfniffen Derjenigen, welche als Schüler von biefem
DRanne Pa werden follen, ſtehen, derſelbe angeftellt wer⸗
en möäfle.
Habt ihe dies auch gelefen, ihre Männer mit den Mor:
genfternen, Buͤchſen und Knütteln? Wenn etwa einmal
Hr. Schweizer oder fanft ein „einmal Angeftellter” euch
phpfifh und morafifh durch die Xehrfreiheit zu Grunde
richten wilf, habeat sibi! Ob Hr. Antiftes Fuͤßli die or:
thodore Lehre verfündige oder nicht, darüber darf Keiner
mit ihm rechten, auch ihr nicht; denn mer angeftellt iſt,
bat Lehrfreiheit. Hang bim, wenn es nicht fchon die
Schulknaben gethban haben, aus „Innerer Bewegung” für
das Wohl der gemishandelten beutfchen Gonftruction.
O ſchnoͤde Heuchelei! Ich meine gar nicht die be:
wußte, inftdiöfe: fern fei e8 von mir, Jemandes Charaf:
ter und Gefinnung anzutaften! ich meine jene innere Heu:
chelel, von welcher Seuerbach einmal ſagte:
Er rede nicht von der gemeinen, mit biefer befuble er ſei⸗
nen Geift, feine Feder nit. Gr nenne es Heuchelei, wenn
Jemand Beflimmungen gibt, weldge, inbem fie igren Gegen:
ee veiaben ſollen, benfelben in der That verneinen und auf
n u. |. w.
Woher denn aber die Erbitterung gegen Strauß? Iſt
es doch wahr, mas mehre Räthe den Theologen ins Ge:
fit warfen, daß fle gar kein Recht hätten, diefen Mann
zu verwerfen, fie, die ſelbſt ſchon laͤngſt nicht mehr in der
Kirchenlehre fländen. Bruͤſtet fih doch Schweizer felbft,
bruͤſtet fich fogar, mit feiner „ſchoͤnen Idee der geninien
Derföntichkeit”, um deren willen Huldreich Zwingli, wenn
er aufftände, ihn getroften Muthes würde — koͤpfen laf:
fen! Woher die Exbitterung? Ei, fie fürchteten ſich vor
Strauß. Dr. med. Zehnder fügte ihnen am 31. Jan.:
Dee Unterfchied zwifchen Strauß und andern Theologen fei
nur, daß er ganz durchgeführt habe, was bie Andern ſtuͤckweiſe
gethan. Es fet unbegreiflih, baß die Geiftlichen, welche ſich in
der ſchlimmen Stellung befänben, zu lehren, was fie ſelbſt nicht
glauben, nicht Denjenigen mon der fie aus dieſer ſchlimmen
Stellung bringen wolle (©. 188).
Dies iſt nicht geſchickt ausgebrüdt, aber ber Redner
fühlte wenigftend, daß Strauß” Gegner Eein Recht gegen
ihn batten. Daß fie ihn Ddeffenungeachtet zurückſtießen,
iſt aber keineswegs unbegreiflich, ſondern ganz in der Ord⸗
nung. Niemanden hatten fie mehr zu fürchten als Den,
welcher ihnen bie Gonfequenzen ihrer eigenen Anfichten
und damit den Ruin ihrer Kirche, alfo auch ihren Unter:
sang ats Kirchliche Perfonen vor Augen brachte. Sie alle
seftanden den Bruch der Kirche ein, bofiten aber immer
0 auf eine bishes nicht entdeckte Heilung, in deren Er:
wartung fie ed fich gern einftweilen im Beſitz ihrer bau:
fälligen Hütte bebaglih machen wollten. Strauß aber
war ein Ruͤttler, und, was noch fchlimmer, drohte, die
Menge, das wahgnum vulgus, in flürmifcher Haft hinter
’ x
s
ih Her zu reifen. Dies mußte verhuͤtet werben, ber
Menge mußte ein Grauen vor ibm beigebracht werben.
Hätte die zuͤrcheriſche Kirche wirklich den Glauben befef:
fen, der fih nicht „in die Winkel der Theologen ver:
kreucht“, fondern getroſt 8 „Legiſten, Arzt,, Actiſten
u, ſ. w. uͤber ſich richten IdBR, — elle vor dem
Einen Strauß gar nidyt zu fürdgten gehramkt;-To Hätten
fie für das Voll und feinen wahrhaften Glauben gar
nichts zu beforgen gehabt; fo hätten fie fih auf die
Macht der von ihnen bekannten Wahrheit verlaffen. Sagt
doch unfer Verf. felbfi in feinem Bude (©. 16):
Unter be Dr. Schultheiß u. f. w. Einfluß (der faſt ein
halbes Jahrhundert in Zürich wirkte) fand es zu erwarten,
daß die theologiſche Bildung der jüngern Geiftlihen zum gro
fen Theil eine unbebingt rationatiftifhe würde; dennoch fanb
dies nur in beſchraͤnktem Maße ftatt.
Warum fürdteten fie fi denn nun vor Strauß?
Vor Strauß, dem einzigen Bock unter’fo- vielen Schafen
an der züricher Hochfchule? War doh da — wie Scherr
dem Glaubenscomite im „Pädagogifchen Beobachter” (12.
März) vorhielt — ein frommgläubiger, demuͤthiger Prof.
Hirzel, ein geiftreicher Ulrich, ein Alex. Schweiger, ein
Higig, und ſogar — 0, mer da an Froͤmmigkeit zweifeln
möchte! — als Docenten die Deren Pfarrer Schins,
Zimmermann und felbft eins der Gomitämitglieder, Hr.
Pfarrer Uftert, die an der Bildung der jungen Geiſtlichen
arbeiten. Es iſt eine wahre Herabwürdigung dieſer Der:
ten, daß man zweifelte, fo ein ſchwaͤbiſcher Strauß würde
nicht bald von ihnen in bie Wüfte des Unglaubens zu:
tüuchgetrieben werben. Aber die Herren hatten — ein boͤ⸗
ſes Gewiſſen: ihr eigenes Chriſtenthum, wenn man «6
fo hoͤtt, möchte leidtich ſcheinen, ſteht aber doch im⸗
mer fchief darum! Man höre nur, was Hr. Dr. Gelser
(S. 99) fagt:
Gerabe für Solche, die ſich in der wiffenfchaftlichen Bewe⸗
gung der Zeit‘ mitbegriffen wußten, konnte ber Gedanke danie⸗
derbeüdend fein, daß die Frucht fo langer unb vielfei:
tiger Arbeit am Ende gur Zertrümmerung aller
böhern Ausſichten follte ausgebeutet werben.
D, das böfe Gewiſſen! Sich daniederdruͤcken laſſen?
Luther fügte: „Meine Lehre iſt das Hauptſtuͤck darauf ich
troge, nicht allein wider Zürften und Könige, fondern auch
wider alle Zeufel, und habe fonft nichts, das mein
Herz erhält, flärkt, froͤhlich, und je länger je mehr trogig
made.” Hr. Dr. Gelzer fpeicht dagegen (S. 92) von dem
„Zweifel, der oft momentan felbft in den frömmften Ge⸗
müthern erwacht, dem Zweifel an der objectiven Wahr⸗
heit der Religion” u. ſ. w. O, das böfe Gewiflen! das
fi) vor dem Zweifel fürchtet und ihn lieber vertufhen ale
betämpfen wil. Die Herren zitterten, und zogen fich
binter da6 Volk zuruͤck, da fie ſich hinter Zwingli's 67
Artilel oder des Calvin Consensus Tigurinus oder ben
„Heidelberger Katehismus”, wovon fie Eins wie das Andere
längft verrathen und Alles „in die zeitgemäße u. f. w. Form
bineingegoffen”’ hatten, nicht zuruͤckziehen durften,
Sie fingen gleich damit an, - dem Großen Rath mit
dem Volle zu drohen. „Die religiöfen Kämpfe”, hieß es
in dem Bedenken des Kirchentaths, „die gefährlichfien Von
len, werben ni “nf. 115). „Reiche“,
* der eine ua! eh. * Bote ſich
für ehr Heiligſtes regen” (S. 124). Fa; fie drohten mit
Berödung der Univerficät, felbft mit der Abneigung ber ;
auswärtigen Mädte Eo ging pro aris et focis. Da:
her fagte ihnen Dr. Keller mit Recht: fie wendeten ‚ine
rofifchen Zwang“ ſtatt teiftiger Gründe an. „Unfer Bote“,
fagte er ihnen, „iſt fähig wie jedes andere, in einen falfchen
Und als die Volkobewe⸗
sung eutflanden war, nannte es fie (am 18. Mär) „uns
rein in ihrer Quelle, unrein in ihrer Entmidelung, uns
Schrecken verfegt zu werden.”
rein in ihren Refultaten”. Mit Recht. Zwar widerſtrit⸗
tem die Gegner und priefen die edle Regung des Volks,
und Dr. schweizer fagte, der Geiſtlichkeit ſei es Ernſt
mit ihrem Glauben, und alfo die Quelle des Widerftandes
nicht unrein. Umfonft. Nicht blos darum unrein, well
die Geiſtlichkeit kein reines Gewiſſen haben konnte im
Streit für ihre Lehre, fondern auch darum, weil ſchlechte
Putſchermittel wirklich angemendet wurden. Etrſtlich vers
ſchwiegen fie dem Volk, wie Schere bemerkte, daß dem eis
nen neuen Lehrer fo viele alte, angeblich vechtgläubige ge:
genüberflanden. Sodann fchrien fie unaufhoͤrlich, wie ih:
nen Staatsanwalt Ulrich vorrüdte: Der Strauß glaubt
nicht an Gott, an Chriſtum, an Unfterblichkeit u. ſ. w.
Ferner fpradyen fie immerfort durch ale ihnen zu Gebote
ftchenden Drgane von einem „erfhätternden Ereigniß,
zu erihütternd (fo find die Worte des Sendfchreibens an
die Kirchgemeinden) für bie ungeheure Mehrzahl der Bes
wohner des Cantons, ald daß fi nice alle Gemuͤther,
wie durch elektriſchen Schlag getroffen, mit
Entfegen erfuͤllt fähen.” Oberrichter Fuͤßli erklärte:
„In den VBolksverfammlungen find die Gegner theils hin⸗
ausgewiefen, theils überbrüllt worden.” Man fragte die
Leute: „Wollt ihr Chriftus oder Strauß?” Dan warf den
Rabicalen die ſcheußlichſte Unſittlichkeit vor. Man fagte
dem Volke, es ſei darauf abgeſehen, ihm Taufe und Abend:
mahl zu rauben; Strauß ſei dem Zuchthauſe ent⸗
laufen und trage die Zeichen. der Brandmars
tung (8. 279). Aber laſſe man das Alles fallen, ob:
glei” Niemand im Mathe biefen Angaben widerſprach,
nehme man das Alles nur für miruntergelaufenen Unfug:
bier ift ein Mittel, das der Hr. Antiftes felber angewendet
hat, ein actenmaͤßig conflirendes Kactum! Strauß hatte
nämlich ein Schreiben an einige feiner güricher Freunde
erlaffen, und darin unter Anderm gefagt: „Mit jener auf:
gerelzten Maſſe habe ich nichts zu reden, des Spruchs
eingedenf, ber ſolcherlei Menſchen das Kleinod veligiöfer
Überzeugung vorzulegen ausdruͤcklich verbietet.” Strauß
unterfchied hierdurch, wie billig, Volk und Pöbel. Der
Hr. Antifled aber erwähnte dieſen Paſſus in einer feiner
Reden: „So fpriht Strauß von unferm Volle! Er weiſt
auf die Steele bin: Werfet die Perlen nicht vor bie
Schweine! und zeigt damit deutlich, wofür er un:
fee Bote haͤlt. Dod wenn der Schwabe mit fol:
aa Sram zu unferm Boll kommt, fo wird das Volk
ihm fagen : Behalte deine Perlen!“ Iſt das aufreizend
oder nicht? Iſt das ein reines oder ein unreines Mittel?
P, Dr. ! Mubrhler pur nech ein pagr Fragnens⸗
aus einem Libell, das unter dem Titel einer Bettaga
predigt für die eidgenoͤſſiſchen Megenten, weiche weder Ip
den Kirchen noch In den Herzen den eibgenöffi,
ſchen Bettag mit deu eidgenoͤſſiſchen Chriften feiern
im Drud erſchien.
Ihe armen Beute! (vie Regenten näntich) spähzend ihe
euern Gott mit dem Munde prebigt, prebigt euer Leben eine
furchtbare Predigt Aber den Sammer, das Ctend Derer, bie
unf 8 db Bott gaufaen an —F Gott. *
ren ele von euch bereits in m Thlerdient
waͤlzen, ſieht man Andere nach und nach von lebendigen 3
armen umſchlungen .... fie fallen tiefer und tiefer dem haͤß⸗
lichen Dienfle entgegen. dem eure Gefährten ſich weihen.
Ihe armen Kindlein nennt Syſtem euern Bögen, den
Dunft, den fremde () Taugenichtſe euch einblaſen, tretst
die Yreunde in den Roth, um Handlanger und Sklaven frems
ber (!) Hungerleider, zuchtlofer Lüfllinge zu werden.
Euer Dienft war die Überlieferung des Waterlandes in
frembe Knechtſchaft (, in die verruchte Knechtſchaft bes
jungen Europa. Das thatet ihr Ungluͤckliche!
Geht im Lande von Hütte zu Hütte, ſchaut in die Augen
der Leute, fie werben fich abwenden von euch; gebt ihnen die
Dände, die Weiber werben abwiſchen die berührte Hand! Sucht
euern guten Namen von Dorf zu Dorf, ihe werdet ihn nicht
mehr finden, aber finden werbet ihr Mistrauen, Ekel, Haß.
Die Berſunkenheit des Bögendienftes legt als Belpenft
ſtch zwiſchen euch und das Wolf, und was das fchlummernke
Bolt ſchon lange träumte, wird das wachende vollziehen — e⸗
wird euch verwerfen!
Bon einem Pfarrer, fagt Hr. Dr. Gelzer, fei dies
Libell verfaßt.
Segen diefe abfcheufihen Umtriebe mußte die Regie—
rung durchaus mit entſchiedener Feſtigkeit ihr verfaffungs:
mäßiges Recht wahren. Die Berufung bes Dr, Strauß war
von vornherein ein Misgriff. Hatte fie ihn aber berufen,
ſo mußte fie die Berufung mit feſter Stirn behaupten,
bem ganzen Volk gegenüber. ie hatte erkannt, daß «8
hier einen Streit zwiſchen Kirche und Staat gab. Sie
mußte den Staat vertheidigen gegen den lbergriff der
Kicche, und wenn die Kirche das gefammte Volk aufbot.
Sie mußte das Volk, auch rider feinen Willen, in feinen
politifhen Rechten [hügen; fie mußte das Volk verhins
dern, in feinem eigenen Fleiſch zu wuͤthen. Sie hatte
das Recht dazu, denn fie war das verfaffungsmäßige Or:
gan des Volkswillens: an die Vertheidigung des Staats
mußte fie ihre Eriftenz fegen. Sie durfte nicht die Adreffe
des Gentrafcomite als anmaßlich zuruͤckweiſen und zugleich
über Penfionieung des Dr. Strauß Raths pflegen. Bon
dieſem Augenblick an hatte fie das Heft aus den Händen
gegeben. Der wackere Dr. Keller hat dies Alles durchs
[haut und deutlich ausgefprodyen, aber fein und einiger
andern braven Männee Wort verhallte, und bie elende
Feigheit der Majoritaͤt behielt den Steg. Es warm ihrer
zu Diele ohne klares Bewußtfein, ohne fefte Überzeugung,
ohne ſtarken Willen; zu Viele, die fih nur von der klein⸗
lichen Eitelkeit, Zuͤrich berühmt, Zürich zu einem Mufter
fisat zu machen, oder felbft als freifinnige Männer zu
glänzen, nicht aber durch den gewaltigen Antrieb bes
Beuerelfers für Wahrheit und Volkswohl leiten ließen.
Sobald die Penfionirung durchgefegt war, fahen diejenigen
Tiefe nicht mehr zu denken wäre, und es mußte ihnen
daher buffer erfheimen, gar keine Hochſchule zu Befigen ats
wine 'geßwechtete. Dem Antrag auf Auftjebung ber Hoch⸗
fıle Tag alſo nicht Perfidie und Rachfucht zum Grumbde,
ſondern eine vernuͤnftige Erwaͤgung und Schmerz. Statt
dlos anf Aufioͤſung der Univerſitaͤt hätten fie uber lieber
anf Auflöfung der Reglerung antragen follen, denn die
Megierung war noch weit mehr innerlich zerbrochen al6
Ye atademiſche Freiheit.
Abgiſehen von der Schwaͤche der Regierung, Kiig dies
fer kein Grund vor, ſich für aufgeloͤſt zu erklären: die
Ehre erfoderte dies nicht, die Verfaffung gar nicht. In
vonſftitutioneilen Monarchien ift es nothwendig, daß ſich
Ge Negierung zurückzlehe, wenn die Volksvertretung Ihr
fein Verttauen mehr ſchenkt. In Zuͤrich nimmt der Größe
Rath ſelbſt die Stelle der Volksvertretung ein, und wenn
das Volk feinem verfaffungsmäßigen Organ kein Ders
trauen fchenkte, To mußte #6 fich gedulden dis zum Jahre
1848, bis zu der verfaffungemäßigen Zeit der Neuwahlen.
Inzwiſchen hätte es Muße gefunden, ſich ſelbſt einiger:
maßen aufzuklaͤren, ob die allgemeine Bewegung eine fa⸗
natiſche Raſerei, die Folge eines paniſchen Schreckens
war oder ein auch bei ruhigem Blute ſtichhaltender Wille.
Denn die Allgemeinheit der Aufregung beweiſt nichts fuͤr
die Guͤte der Sache und fuͤr die Standhaftigkeit ihrer
Behauptung. „Ein großer Haufen“, ſagt Seneca, „iſt ein
Beweis vom Schlimmſten. Wir müflen fragen, was däs
Beſte zu thun ſei, nicht was dem großen Haufen gut
duͤnke, der gar ſchlecht entſcheidet, wo es Wahrheit gilt.
Zum großen Haufen gehoͤren mir aber Leute mit Kronen
fo gut wie die mit der Chlamys.“ Dazu iſt nun Ord⸗
nung in der Welt, dazu find DVerfaffungen, daß nicht
das Erſte Beſte gefchehe, fondern daß Jegliches nach be⸗
ftimmten Gefegen und in vernünftiger Weiſe durchgekaͤmpft
und das Wahre und Rechte wie das Nuͤtzliche und Imed: .
"mäßige an den Tag gebracht werde. Willkür darf und
ſoll durchaus nicht fein, weder Willkür eines Despoten
noh Willkür einer Ariftokratie, noch bureaukratifche Wil:
für, noch Willlür des viellöpfigen Ungeheuers Volk.
Das Voll, das nicht von dem Glauben an die lebendige
Macht des ihm einwohnenden ftaatebildenden Weſens
durchdrungen iſt, das nicht in der Erhaltung feines Staats:
wefens die Berhätigung feines Willens ficht, das nicht
demn qach Geſetz und Ordnung Über Alles ftelt, fondern.
noch Dies oder Das in petto behält, was ihm höher gilt:
als feine Verfaffung und fein Recht, verdient nicht den:
Namen eines Volks; die Regierung, welche nicht im Stande!
ift, die fich felbft vergeffende Menge zur Vernunft zu brin:
en, verdient nicht den Namen einer Regierung, und die
Gepublik, in der der Unfinn, die Unvernunft und das Un⸗
zecht fiegen, nicht den Namen einer Republik, *) |
G. Julius.
”) Des dritte und lette Artikel folgt in ber nahen Eieferung.
. Red.
1 Ste verbefferte
| w
Wükärt, wehche tiffehfchäfttidye Feciheit wollten, DaB am |
| Aibitugraphte.
Baumgarten, M., Liturgie und Predigt. (Ein
Be Zractat. Kiel, Univerfitäts: Buchhandlung. Gr.
Sarcand, @., Ungieka Maria, cine Gdilikerung
dem häuslichen Leben. Nich dem ttalienifihen Dxininaie bean
heitet von R. v. Eangenn. Leipzig, Kolmann. 8. 1 Zgir.
gr.
Dumas, A., Gorg. Aus bem Branzöflichen von W.
®. Welche. Zwei Bände, Leipzig, ann. 8. 3 Thir.
Cichborn, 34 Taste eu —— —
99a —W © i — nden
und Ruprecht. 58.3 Ad ar. ven vord
Belter, J. E., Archiv der Staatöpapiere, enthaltend ben
Urfprung, die Einrichtung und den jegigen Zuſtand der Staats
Auleihen, nebſt den nöthigen Rotizen über die Berechiwmg ber
Staats Efferten und deh darin vorfommenden Gefdäften. te
gängtih. ningeacheitete Auflage. Leipzig, Müller. Gr. 12. 1 Zbie.
Nor.
Gros von Trockau, X. Freiherr, Reife don Bamberg
nad) Aurach auf Ummegen, ba man heutzutage auf bem geras
den wicht mehr fortfommt, ober: Auch eine Reife km die Welt.
Bamberg. 8. 3%, Nor.
Humboldt, A, v., Central-Asien. Untersuchungen
über die Gebirgsketten und die vergleichende Klimatologie.
Aus dem Französischen übersetzt von W. Makimann. Mit
einer Karte und mehren Tabellen. Istes Heft. Berlin,
Klemaun, Gr. 8, 13 Near.
James, ©. 9. R., Robin Hood, ober das Leben im
tufligen Walde von Sherwood. Ein Boman. Aus bem Eng
lifchen überfegt von E. Sufemipl. Drei Bände. Leipzig,
Kollmann. 8. 3 Thlr. 7% Nor.
Krause, K. Ch. F., Handschriftlicher Nachlass. Her-
ausgegeben von Freunden und Schälern desselben. Este Ab-
theilung ?te Beihe: Bynthetische Philosophie. I. Die abss-
lute Religionsphilosopbie in ihrem Verhältnisse zur Glau-
benslehre des Gefübls und nach ihrer Vermittelung des Su-
pernaturalismus und des Rationalismus; dargestellt in einer
philosophischen Prüfung und Würdigung der religionsphile-
sophischen Lehren Jacobi’s, Bouterwek’s und Schleierma-
cher’s. 2ter Band. 2te Hälfte. Göttingen, Dieterich. Gr. B.
a. Kritik von Fr. Schleiermacher’s Einleitung seiner Schrift:
der christliche Glaube. Herausgegeben von H. K. v.
Leonhardt. 1 Thir. 20 Ngr.
b. Krgebuiss der Kritik der religionsphiloseptischen Eeh-
ren Jacobi’s und Boaterwek’s. 121, Ngr.
— — Des handschriftlichen Nachlasses IV, Abtheilung:
Vermischte Schriften. 1. Geist der Geschichte der Mensch-
heit. Ister Band. — A. u, d. T.: Die reine und die allge-
meine Lebenlehre und Philosophie der Geschichte zu Be-
gründung der Lebenkunstwissenschaft. Herausgegeben von
Hr K. v. Leonhardi. Göttingen, Dieterich, Gr.6. 3 Thir.
gr. j
Mofer, 8., Über. das Licht. Vortrag, gehalten in ber
pbyſikaliſch⸗dkonomiſchen Geſellſchaft zu Königsberg, den 7. Aprit
1843. Higeberg, WBoigt. Gr. 8. 30 Nor.
Neybaud, Mad. Charles, Clemenze. Ins Derrſche
Eripgie,
übertragen von Fanny Zarnow. Zwei Thtile.
Kollmann. 8. 2 hie 15 Nor.
Schoppe, Amalie, Büber aus dem Familienleben. 2ter
Band; Die beiden Schweftern — Beronifa. 3wei Erzählungen.
Reipzig, Zaubert. 8. 1 ZTptr. 22%, Nor.
Thermann, ©. v., Reiſebilder aus Deutſchltand und
Ztatien, nesft einer Sammlung von Gebichten. Leipzig, Gerig.
. e
Ulmer, K. Der .Politi Srauerfpiel. Nuͤrn⸗
berg, Gtein. Gr. 1. rer Kit
Verantwortliher Deransgeber: Heinrich Brokhaus. — Drud und Berlag von F. U. Brodhaus in Leipzig.
- Blätter
für
literarifhe Unterhaltung.
Betrachtungen über die berliner „Eite-
rariſche Zeitung”.
Die berliner „Literarifche Zeitung”, gegenwärtig redi⸗
giet duch Dr. Kari Brandes, hat feit der Zeit ihrer
Begründung eine fonderbare Reihe von Stadien durch⸗
taufen: Dies ift, für ſich betrachtet, nichts Auffallendes,
da in einem Zeitraum von fünf Jahren 3. B. mannich⸗
faltige Verhaͤltniſſe eintreten Eönnen, durch welche Geiſt,
Tendenz, Umfang u. f. w. eines Slugblattes verändert
werden. Wir würden auch jest weder dieſen Punkt her⸗
vorbeben, noch überhaupt uͤber jenes Blatt ein Urtbeil
abzugeben Beranlaflung finden, wenn «6 nicht feit efni:
ger Zeit eine gewiſſe Partei zu verfechten ſich zur Aufgabe
geftellt, umd in biefer neuen Function einer andern Partel
entgegengetreten wäre.
Direct provocirt, und es liegt im Intereſſe der Gegenwart
wie der Wahrheit, das Streben ſowol dieſer Zeitung ale
ihrer vermeintliden oder wirklichen Gegner einmal auf:
merkfam zu befeuchten. Wer fich der erften Jahrgänge
drr ‚‚Literarifchen Zeitung” erinnert, wird ziemlich deut:
lich gewiſſe Wendepunfte ihrer Tendenz unterfcheiden.
Sie trat auf als anfpruchlofes, doch gehaltvolles literari:
ſches Wochenblättchen.
fenden Welfe, wie dies befcheidene Blaͤttchen wichtige
Schriftwerke zur oͤffentlichen Kenntniß brachte, und lobte
vorzüglich die reizende Miniaturarbeit; denn mit unge:
wöhntich getwandter Kunft waren die Ergebniffe mühfe:
mer Studien hier im Heinften Raume zufammengedrängt:
ein würziger Genuß für die durch ſchwere wifjenfchaftliche
Kritik Ermüdeten, felten ohne irgend eine fpecielle An⸗
regung, meift mit neuen, obwol ohne Anmaßung hinge:
Rellten Geſichtspunkten. Und wer felbft die milde, zu:
weilen farbiofe Weiſe nicht guthieß, benusgte Doch das
Blatt gern wegen feiner ziemlich vollftändigen Biblio:
grapbie. Nach dem Tode des erfien Redacteurs dauerte
Diefe Weiſe eine Zeit lang fort. Allmälig jedoch wuchſen
iene koͤſtlichen Miniaturbilder zu Genrebildern heran, die
etwas mehr bedeuten wollten als ein Urtheil in nuce ober
ein pikantes Reſumé der wiſſenſchaftlichen Kritik. Die
Zeitung fing an, eine beſtimmte Geſinnung auszuſprechen;
fie mat gegen gewilfe Zeitrihtungen in polemifche Dal:
Hiermit hat fie ihre Gegenpartei,
naͤmlich einen großen Theil der heutigen Journaliſten,
Man freute fidy der kurzen tref⸗
tung. Diefes zweite oder lbergangsflabium erweckte
Meugier, Theilnahme, Zweifel und Fragen bei dem Publi-
cum, das fich indeſſen unmerklich erweitert hatte. Immer
deutlicher traten Ddiefe Tendenzen hervor, bis endlich feit
einem Jahre, am entfchiedenften aber feit Anfang des
legten Jahrgangs, ein neuer Höhepunkt erreicht war, dem
wir jeht näher ins Auge fafen wollen. BE
Die Zeitung will nämlih, nunmehr den groͤßern
Journalen ſich ebenbürtig ſtellend (feit 1843 zweimal
wöchentlich in größerm Format erfcheinend), in die wich
tigften Zeitfeagen felbftthätig eingreifen. Diefe Abficht
involvirt fchon eine gewiffe Tendenz, in welchem Punkte
fi) die gegenwärtige ‚‚Literarifhe Zeitung” von ihrer
barmloferi naiven Jugend weſentlich unterfcheidet. Sie
erfüllt hiermit allerdings den Anfpruch, den man an das
gereifte männliche Alter macht, fich in und für die Ge
genwart zu bewegen, zu arbeiten, zu haffen und zu lie
ben, und wenn es hier und da einmal Stöße und Schläge
abfegt, fo bat ſich der Gegner nicht zu beblagen, der
ſelbſt Arme und Kopf frei bat, um mit rechtem Maß
wieder zu zahlen. Selbſt wenn der Gegner einer Partei
angehört, die in vielen Kreifen verdächtig fcheint, fo kann
doch immer noch ein ruhiger Zufchauer fein Theil daraus
nehmen, und vom Feinde lernen, fofern diefer vernünftig -
und ehrlich if. Man fagt, dies fel eine Nationaltugend
dee Deutfhen, den Feind zu ehren: eine Eigenſchaft,
die mol die Hälfte ihrer Schwächen vergütet. Iſt nun
die „Literariſche Zeitung‘ — oder Hr. Dr. Brandes —
ein eifriger Verfechter der Maßregein, Xendenzen unb
Marimen der preußifhen Regierung: fo ift hieran nicht
nur fein Tadel, fondern es ift lobenswerth, wenn das gerade
herausgefagt wird. Schließt er fi der bei den Franzo⸗
fen unter allerlei Namen verrufenen Partei der Stabilen,
Zegitimiften, Servilen u. f. w. an, fo laͤßt man es gèt
ſchehen, fo lange dies mit ehrlichen Maffen, mit Bet⸗
nunft und Liebe geſchieht; denn jeder Ehrliche "Hit
feine Waffen dagegen — entweder Schweigen "oder
MWiderlegen. Es ift heutzutage nicht fo bequem wile! vor
zehn Jahren, ein rechtes Organ der Regierung‘ fürr'dfe
Deffentlichkeit darzuſtellen; wer auf Seiten dei’ Malt
fleht, hat einen ſchweren Stand dem Gefchril der Pak
teien gegenüber. Defto ehrenwerther, wo dies mılti Ei:
fiht und Ruhe gefchieht, und vor Allem: ohne "Leider:
ſchaft; denn nach beutfchen Begriffen muß ein koͤnig⸗
liches Wort kein Parteiwort fen. Wo die Polemik
zu Parteimaffen greift, z. B. Ironie, Sopbifterei, Ver:
Heinerung des Gegners u. f. w., da wird fie verdächtig,
fi ihrer Mache nicht bewußt zu fein. ‘
„En Nagel im Kopfe” das bedeutet in einigen
Gegenden ſpruͤchwoͤrtlich fo viel als Hochmuth und Bor:
nirtheit. Um nicht allzu unhöflich zu fein, geflehen wir
vorab, das dies nicht die hervorſtechenden Eigenfchaften
der „Literarifchen Zeitung” find, wenn auch Spuren pfäf:
fiſchen Hochmuths und hiſtoriſcher Bornictheit vorkom⸗
men, z. B. wenn die wichtigſten Fragen von Strauß,
Ruge u. A. nur fo üͤber's Knie gebrochen oder als ab:
etban bezeichnet werden. Vielmehr muß man im
brigen, auch den Feind ebrend, geſtehen, daß die Her:
ausgeber und Diitarbeiter tüchtig fludirte Leute, daß fie
fleißig, belefen und nicht ohne Gewandtheit im Ausdrude
find. Manche Auffäge find gehaltreich und treffend, wie
3. B. der über preußifche Elementarfhulen; in ihm und
mehren andern erkennen wir jene Vorzüge dankbar an.
Doc, find dies Eigenſchaften, die in unfern Tagen viel
weiter verbreitet find als ehedem; fehlten fie, fo würden
wie den Gegner nur verächtlid, finden, und das fin⸗
den wir nicht — und wünfhen nur, daß bie Herren
von der "Zeitung ebenfo viel Billigkeit gegen ihre Feinde
ausübten, von denen fie gar Manches lernen könnten.
Bon einem Journal, das fih heute Achtung und Gel
tung verfchaffen foll, verlangen wie jedoch, abgefehen von
Geſinnung und Xendenz, noch ein Mehres außer jenen
allgemeinen Löblihen Eigenfchaften, die der „Literariſchen
Beltung” nicht abzufprechen find. Wir verlangen von ber
Sefinnung, einerlei, welde fie ſei, Selbſtaͤndigkeit
und Tiefe; wir wünfhen und fodern In der Ausfprache
derfelben Ehrlichkeit und Scharffinn; ber allge:
meine Gehalt aber kann nicht imponiren ohne eine ges
wiſſe Srofartigkeit der Auffaffung, und ohne
Neuheit, d. h. daß nicht das einmal Dagewefene zum
bundertfien Dal wiederholt werde.
Wie es mit der Selbſtaͤndigkeit der Geſinnung
ſtehe, können wir zwar ebenfo wenig ad oculos demon⸗
ſtriren, als überhaupt irgend ein Menſch den andern
nah Herz und Nieren prüfen kann. Gewiffe Indicien
jedoch zeigen, daß eine Frage nah der Selbſtaͤndigkeit
der „‚Literariihen Zeitung‘ nicht fo ganz bornirt ft, wie
der feit 1843 neugebildere Artikel Falſche Gerüchte, Ent:
flellungen, Irrthuͤmer, Lügen‘ vermeidet. Nicht, weil
fie auf Seiten aller Regierungsmaßregeln feit einem Jahre
unausgefegt geftanden hat, flellen wir dieſe Frage. Nurbarum,
weiß dieſer Ton erft von fo neuem Datum iſt; weil ſich
diefelbe Zeitung vor zwei Fahren wenig um Zeitfragen
kuͤmmerte, und jest plöglich bei den Kanonleren der erfien
Batterie fleht; weil fie ein graufames Vergnügen daran
findet, dem am Boden liegenden Keinde den Eſelstritt
zu geben. Diefelbe Zeitung, welche bei andern Artikeln,
3 B. Marr’s „Compoſitionslehre“, nicht unterließ, mit eis
ner großen Satisfaction zu bemerken, daß fie zuerfi (I!)
auf die Vorzüglichkeit diefes Werks aufmerkſam gemacht
babe, diefelbe Zeitung wußte nichts von Herwegh, als feine
„Lieder eines Lebendigen” in Deutſchland berühmt waren
— bis er ausgefpielt hatte; da kriegte er tüchtig Eins ab.
Hoffmann von Ballersieben ward vor feiner Abfegung
faum erwähnt, und jet — adj! es HE eime alte Tradi⸗
tion geworden, jenes vielhumdersjährige Wort: victrix
causa diis placuit, sed victa Catoni. Und in Dem, was
nun eigentlih den Senannten vorgeworfen wird, was die
„kiterariſche Zeitung” ſowol bdiefen als Ruge und Strauf
als verdammliche Kegerei nachweilt, ift weber der Kern
ihrer Anfichten getroffen noch das Weſen ihrer Leiftungen,
fondern nur entweder die aͤußere Form des Ausdruds
oder ihre Perfönlicgkeit. Und auf welche Welle iſt dies
gefchehen!
Es iſt aber kein Zeichen von Tiefe, Ehrlichkeit
oder Scharffinn, wenn man dem Gegner Gonfequen:
zen aufbürder, die er nicht ausgeſprochen; wenn man
feine Worte im Einzelnen durchnimmt, bie im Ganzen
verflunden werden follen; wenn man die Brunbibee feines
Strebens verkennt um des leidenſchaftlichen Äusbrucks
wilen. So wurden in ber wäflerigen Reflaurationsjeit
die Burſchenſchaften verfolgt um ihrer grimmigen Geber:
ben willen, und damit das hehre Wort deutfhes Ba:
terland in vielen Kreifen geächtet; fo ift Strauß von
vielen Pfaffen perhorresciet, weil fie für ihre Pfrimden
gitterten, weil deren Untergang die Conſequenz der freien
Forſchung ſchien. Wir möffen geflehen, daß weder Her
wegh, noch Hoffmann von Fallersleben, nech Niklas
Becker uns echte geborene Dichter ſcheinen, und daß wir
dieſelbe Meinung von Anfang gehegt haben, wenn Se
mandem daran liegt, das zu wiſſen. Aber was fie ge:
fagt haben, wo fie die Wunden zeigten, die unfer ſonſt
gefundes Blut bedrohen, wo fie den wadeigen Schlen
drian angetaflet — das Laffe fich nur jeder Vaterlands⸗
freund gefagt fein, und wenn ein überflüffiges Wort mit
unterläuft, fo iſt das nicht fchlimmer al6 vieles Über:
flüffige in der „Literarifhen . Zeitung‘, wo längft Gehoͤr⸗
te6 wiebergefäut wird, wie 3. B. bie uralte Wahrheit,
daß im jeder größeren Gefelfhaft der Einzelne einen Theil
feiner individuellen Freiheit daran geben mäüfle, daß es
keine abfolute Freiheit gebe, daß der Staat die Oberge⸗
walt haben müfle u. f. w. Wenn aber Herwegh bem
beutihen Volke Freiheit wuͤnſcht, und Heffmanı die
böfen Flecken eines fonft kräftigen Staatölörpers auf:
bet, und Weder unfern alten heiligen Grund und Wo:
ben zu ſchirmen aufeuft: — dann iſt's nöthig, bei fo
wichtigen Fragen der Gegenwart zuerft nach ihrem In-
halt, Bedeutung und Wirklichkeit zu forſchen, dann erſt
nad) der Form und Darftellung, melde ihr ber menſchlich
Irrende gegeben,
Scharffinn und Sroßartigkeit der Auffaf:
fung verräch es nicht, wenn man in unfen Tagen
noch, um ben noch fo verrufenen Gegner aus dem Sat:
tel zu heben, zu dem ſchwachen Mittel der Conſequen z⸗
macherei greift, von dem ſowol die Erfahrungen bes
legten Jahrhunderts al6 die Belehrungen der Philofophen
den Geift der Deutfchen befreit haben müßten. Weil ein
paar Mufiter gemuͤthloſe Gimpel gewefen, barum iſt micht
die Muſik ein Nichtiges. Weil die Revolution viel Blut
gefobert, darum iſt fie an ſich noch kein Verbrechen, fo
wenig als das Chriſtenthum um ber Blutſtroͤme willen,
womit es den Erdboden gewaſchen, um ein Tittelchen ge:
zinger wird. Mur welches das wahre Chriſtenthum fet,
Daräber erlaubt ihr eine Frage? und gleicherweife 'hiers
über: welches ift die wahre, vernünftige Ummälzung oder
Reform oder Zortfchritt, wie e6 auch heiße? Nun, fo
unterfucgt mit demfelben Aufwand an Scharfſinn, mit
dem ihr Herwegh's Begriffe analpfirt zu haben euch
ungewöhnlih freutet, auch einmal biefen Begriff nad
alien feinen Kategorien und Relationen. Wenn «6 man-
chem Könige zum Ruhme gerechnet wird, von oben herab
revoltirt und reformiert zu haben, Andere aber, die Daſ⸗
felbe von unten herauf gewagt, wie Luther, ebenfalls
eure Biligung erzwungen haben: fo iſt doch wol das
Ummälzen an [ich fo wenig gut und böfe, als bie
Freiheit an fi, d. h. ber leere abflracte Freiheitsbegriff.
Einem ſehr bekannten Sage ferner, dem: quidquid deli-
rant reges — wollen wir bier gar nicht einmal viel
Gewicht belegen, um nicht triviale Wahrheiten mit aͤhn⸗
lichem Pompe aufzuführen wie die „Literarifche Zeitung”,
die fich übrigens aus ihren gründlichen biftorifhen Stu:
dien wol erinnern wird, wie alle Voͤlkerrevolutionen die
Schuld der Regierenden von jeher bezahlt haben. Aber
darüber flieht doch wol eine Frage frei: ob denn Alles, was
die heutige erregte Tugend fodert, felbft wenn fie es un:
manierlich tbäte, ober wenn fie dem neuen Geſetz der
Hoffnung zu Liebe ſich In dem alten ber Erinnerung
nicht immer mohlbewandert erwieſe — ob dies Al:
les, was und wie es gefodert wird, wirklich fo unzei⸗
tig, idealiſtiſch und frevelhaft fi, ob man zu bar:
ven babe auf die Güte, Weisheit und Kraft aller:
hoͤchſter Staatsbehoͤrden, wenn es fih um dringende Fra⸗
ges ber Begenwart handelt; ob nicht vielmehr ein kraͤfti⸗
ges Wort aus freiem Munde auch heute den Königen und
Bölkern gut thue? Ein kraͤftiges freies, d. h. weder
in vorgefaßter Meinung noch pfäffifher Demuth dem
Shrftienwort nachbetend, fondern auch dem Fürften frei
entgegnend: du bift ein Menſch! Man ift gewohnt, ge:
gemwärtig über den Marquis Poſa zu lächeln, der vor
60 Jahren das Entzüden von Fuͤrſt und Volk erweckte.
Stände doch heute noch einer auf! Aber ein edler, reiner,
in Schiller's Sinn, dem es weder um Ehrenglanz nod)
um Märtprerthum an fich zu thun wäre, fondern allein
ums die Wahrheit und ben Genuß und bie Verkündigung
derſelben an ale Menſchen! Der wie Schiller und Uh⸗
land und Pitt, ohne Eitelkeit, ohne Pöbels oder Herren:
gunft zu fuchen, vor ber Krone nicht erbleichend, ihr zus
tiefe: du biſt von Staub! Und Carlos’ Worte nicht vers
ſchmaͤhte: „Es iſt nicht Alles gut, was Ihre Diener
KL
Es [heine ſich erwieſen zu haben, daß Herwegh
aihe dieſer echte Marquis Poſa war. Die fhönite
Gonfeguenzmacherei von hinten ift nun bdiefe, um des
Einem willen von neuem auf das Pofathum loszutrom:
mein, Wir unterfuchen bier noch nicht, wie weit das
Urtheil über Herwegh gerecht, wie weit e6 frei und
feldftändig ift, was von feinem Dichten und Trachten zu
halten, ob er wirklich ein fo arger Renegat ber Freiheit,
. wie die Berliner fagen, nachdem er fiasco gemadt hat
durch den allerunglüdfichfien faux pas. Vielmehr Haben’
wir vorab zu fragen, ob denn im beutfchen Vaterlande
Aues fo trefflich fiche, ob die Bedürfniffe fo weit erfüllt,
feine langen Taͤuſchungen fo weit ausgeglichen feien, daß
e6 nun weiter nichts zu thun nötbig babe, als eim
Halleluja zu fingen den Sefandten des Deren, bie das
wahrhaftige Reid Saturni wiedergebradyt hätten? If
Altes, was die deutfchen Fuͤrſten ihren Voͤlkern feit
30 Jahren verfprohen, nun wirklich ausgeführt Wir
erwarten 3. B. allgemeine gefeglihe und gewiffenhafte
Beftimmungen über die Preffe. Nicht allein das
„Geſindel“, fondern ſehr ehrenwerthe Männer hoffen
auf den Augenblid, wo ihre Freiheit ehrlich und rück⸗
baltlos wird verkündet werden. Wir willen zwar Alte
fo gut wie die „Literariſche Zeitung‘, daß die indivi⸗
duelle Kreiheit in monarchiſchen Staaten und bei ſtren⸗
gem Regiment gefchäster iſt als in jeder andern Ver⸗
faffung. Auch fehnen wir uns nicht nach ber franzoͤ⸗
fifchen Sreiheit, nachdem wir ihr Gebahren mit Augen
gefehen, meinen aber doch, daß der unferigen ber rechte
Nerv fehle, fo lange nicht fichere Beſtimmungen gefunden
find, welche ebenfo fehe der Ordnung wie ber Willkür
Raum geben, fi in vernünftiger Freiheit zu bewegen.
(Die Fortſetzung folgt.)
Fiat applicatio.
goumger’® ,‚Commonplace Book” (Ronbon 1842) er«
zählt "von einem Warktichreier, der unter ber Regierung
Georg 1. von Sngland auf feiner zu Hammerſmith, nahe bei
London, errichteten Bühne bie verfammelte Menge folgender
maßen angerebet: „Von Geburt ein Hammerfmithianer habe ich
lange nachgedacht und reiflih erwogen, auf weiche Weiſe ich
meinen Mitbürgern das verftändlichfte Zeichen meiner Liebe und
Berehrung geben koͤnne, und da tft mir eingefallen und ich Habe
mich entfchloffen, jedem Einwohner des Kirchſpiels 5 Schil⸗
ling zu ſchenken. Ich weiß, das wird mich viel koſten. Deſto
fefter vertraue ich der Hoffnung, daß Niemand von meiner
Generofität zu profiticen fuchen wird, der nicht wahr und wahr:
baftig ein Gingepfarrter iſt.“ Die Menge drängte näher, mit
weit gedffneten Augen und aufgefperrten Mäulern, Aller Blicke
auf einem grünfammetnen Beutel von beträchtlichen Umfange,
der dem generöfen Manne über dem Arme hing. Und ber Redner
fuhr fort: „Ich weiß, Ihr feid nicht fo feil und Iamugig, meine
Freigebigkeit blos deshalb zu fchägen, weil fie Euch ein paar
Schillinge in bie Taſchen ſteckt. Die Freude, die id in Cuern
Augen funkeln fehe, ift nicht das Product des Gedankens an ben
eienden Quart, der heute in Guern Händen, vielleiht fon
morgen in ber Fauſt eines Geizhalſes, eines Spitbuben ober
eines Pfaͤnderverleihers if. Ich begreife recht gut, was Cuch
entzuͤckt. Cuch entzüdt die Üiberrafhung, daß ein Mann, ben
Ihr für einen Fremden bieltet, der wärmfte, der aufrichtigfle,
der uncigennügigfte Freund ift, den Ihr-in Guerm Leben gehabt.
Über, meine lieben Freunde, Geld verleiter nur zu oft bie
Qungen und Unbefonnenen, ſich zu betrinken und andere Exceſſe
zu begeben, zum größten Schaden für ihre Gefundheit und
Moralität. Dies zu verhindern, und bamit meine Wohlthat
Nachthe werde, ſchenke ich ads freiem Antriebe
Fra inet Mitbürger” (hier arif ber Redner in ben Sams
metbeutel) „ein ſolches unfchänbares Padet, worin eine Schachtel
Pillen, eine Partie Pulver und ein Pflafter, das in Europa
feines Gleichen nicht hat, für Quetſchungen und Wunden, gleich
vier, ob das Mefler fie geſchnitten, das Schwert fie gehauen
ober die Piftole fie geichoffen. Legt ber Verwundete es vor
Schlafengehen auf, fo wette ich meine Reputation, daß bie
el, dafern eine in ihm fiet, ſich herauszieht, und ehe ber
Morgen graut, das Fleiſch fo gefund iſt, wie meine flache Hand.
Bier dagegen Pflafter und Salben nicht mag, weit fie Schmerzen
und Mühe machen, dem empfehle ich das Pulver. Das Yuiver,
meine Damen und Herren, wirkt mittel Sympathie und ift
die vereinigte Erfindung von dreien der größten Arzte, bie je
gelebt haben, Galen, Hippofrates und Paraceifus. gt Ihr
nur ein Paar Körnchen diefes Pulvers bei Euch, fo könnt Ihr
‚ohne Gefahr in das dickfte Gewuͤhl ber Schlacht ‚ Schwer:
tern, Spießen und Bayonneten Trog bieten. Was ich fage, iſt:
laßt Cuch verwunben, laßt Such verfrüppeln, laßt Euch in Koch⸗
chen baden wie einen Stockfiſch, den Ihr effen wollt, — je
Yänger, je tiefer, je zahlreicher die Schnitte, defto lieber ift mir's,
deſto fchlagender wird der Beweis fein für die Meriten meines Puls
vers. Bleibt ganz ruhig, widelt bloß den verwundeten Theil in
ein reines, weißes Tuch und gebt zu Wett, fehtaft, wenn. Ihr
tönnt,, laßt inzwifchen die Waffe, die Euch vermundete, neuns
mal mit einer kleinen Quantität des Yulvers abreiben, und
mein Wort zum Pfande, des folgenden Tags könnt Ihr wie
gewoͤhnlich an Eure Geſchaͤfte gehen. Ron ben Pillen fage ich
nichts. Die find feit lange ihre eigenen Eobredner und außers
dem liegen vollftändige Gebraudhsamvelfungen bei. Nur weil
Ihr etwas abfeit der großen Welt lebt, muß ich Euch bemerken,
Daß fie ledigen Krauenzimmern Maͤnner, und verheiratheten
Kinder verfchaffen, daß fie das Blut reinigen und die Geſichts⸗
farbe wunderbar verſchoͤnern. Weit über Menſchengedenken
hinaus find dieſe unerreihbaren Arzneien mit 6 Edhilling bes
zabıt worden. Aber ich bin feft entichloffen, mein Wort zu
halten, prafticire audy nicht wegen ſchnoͤden Gewinnes. Wollt Ihr
daher Eure Zafchentücher, jedes mit der Kleinigkeit eines Schil⸗
lings, Lediglich zur Bezahlung ber Reifekoften und meiner Diener:
ſchaft, mir heraufwerfen, fo ſchenke ich Euch aus freier Bewegung
das übrige Geid, genau wie ich es von vornherein verfprochen.”
Einige aus der Menge gingen ſchweigend fort; die Meiften
blieben. Auch die paſſive Bethoͤrung, ſich betrügen zu laffen,
hat ihre Zreuden. Zwei Stunden lang flogen Zafcyentücer,
leerte fi) der grünfammetne Beutel, fpielte bad Orcheſter, und
als der Künftler des Abends im Gaſthofe an Entenbraten und
Gchotenerbfen ſich delestirte, hatte er 25 Guineen reinen Profit
in ber Taſche. 14,
Literarifhe Notiz.
Gegen England.
Bekanntlich hat der Zulivertrag den alten Zwiſt zwifdyen
England und Frankreich wieber gefchürt, und feit der Zeit
tobert in den franzöftfchen Journalen und Flugſchriften der Haß
gegen die Briten aufs neue in heilen Blammen. Das Lied „‚Guerre
aux tyransi! Jamais en France jamais l’Anglais ne règnera!“
in der Oper „Charles VI” von Gaflmir Detavigne, der ſchon
bei der Ankunft von Rapoleon’s Aſche vom „perfiden Aibion”
fang, ift zum Nationalliede geworden. Natürlid wird von ben
Buchmachern diefe feindfelige Stimmung e„exploitirt“ (es gibt
hier eine „„Societs pour l’exploitation des oeuvres de V. Hugo‘')
und fo find wir benn mit einer ganzen Flut dis und duͤnn⸗
Leidiger Werke überfchwenmt worden, in benen die Geſchichte
Englands mit den ſchwaͤrzeſten Farben gemalt und oft aufs
graͤulichſte entftelt wird. Die flammendfte diefer Gchriften,
die in der Regel bloße Pasquille find, aber auch zugleich bie
einzige, die, wenigſtens was Stil und Darftellung betrifft,
leebar if, bärfte bie „‚Histeire criminelle da ernement
anglais depuis les premiers massacres de l’Irlande jusqu’ä
Pempoisonnement des Chinois‘, von Elias Regnauit, von ber
vor kurzem die letzte Lieferung erſchienen ift, fein. Der Berf.,
der, ieren wir nicht, einige Abhandlungen von Bentham übers
fest bat, entwirft in feinem Buche ein langes Suͤndenregiſter
der englilchen Regierung, bas in ber That — wenn man don ben
gar zu grellen Barben, die er aufträgt, abſieht — ganz erbaulich
zu lefen ifl. ine andere Schrift, die wir foeben u. d. T
„Napolson et l’Angleterre”, vom Bicomte be Marg uefar
(2 Bde), erhalten, iR zwar gleichfalls in einem ſehr feindfellgen
Sinne gegen England geſchrieben, verdient aber eine ganz andere
Beachtung, ale alle diefe politiſchen Gelegenheitsfchriften,, bie
von der Welle des naͤchſten Tages verfchlungen werden. Mit
Reit behauptet der Verf. dieſes Wertes, baß bie meiften Ge
ſchichtſchreiber bei der Darftellung der Kriege des geſammten
Europa in ber, Regel bie bedeutende Rolle, die England foye
fagen hinter den Couliſſen fpielte, zu wenig berüudfichtigt haben.
So fucht er bei feinem hiftorifchen Werke namentlidh das Ber
bältniß Englands zu den übrigen friegführenden Mächten ins
rechte Richt zu ſtellen. Vielleicht dürfte er indeſſen doch manch⸗
mal etwas zu weit gehen und ben britifchen Einfluß da feben,
wo er wol in ber Wirklichkeit nicht thätig geweſen il. Jater
effant aber find auch die Partien, wo der offene Kampf zwiſchen
Frankreich und England dargeſtellt iſt; ſo namentlich die Schil⸗
derung der Kriege in Spanien, die man in dieſem Buche, un⸗
ungeachtet der meiſterhaften Werke, die wir uͤber dieſen Gegen⸗
ſtand von Foy, Napier, Southey u. ſ. w. haben, immer noch
mit Intereſſe leſen wird. Mit beſonderer Vorliebe ſchildert der
Hr. von Marqueſac bie Vorgänge in Polen, ſodaß es une, um
fo mehr, da ex eine Menge ftrategifiher Einzelheiten auskramt,
faft ſcheint, ats ſei er bri den militairifchen Operationen in.
diefem Lande vielleicht felbft thätig gervefen. Überhaupt athmet
in dieſer Schrift cine große Bewunderung für das militairifche
Genie Rapoleon’s, ohne daß bie Darſtellung ben Feinben des
Kaiſers gegenüber in wirkliche Ungerechtigfeiten ausartete. Der
Stit ift gewählt, nur zuweilen gar zu bilderreidy. 2.
Literarifhe Anzeige.
Durch alle Buchhandlungen iſt zu erhalten:
Moses Klendelsschn’s
geſammelte Schriften.
Nach den Originaldruden und Handfchriften Herausgegeben
Dr. &. 3. "Alendelsfohn.
En sieben Bänden.
Erfte Zieferung: Band 1—323.
Mit Alendelsschn’s Bildniss.
Sr. 12. Geh. 3 Thlr. N
Der vierte bis fiebente Band biefer erfien von aͤndi⸗
gen Ausgabe ber Werke Menbelsfohn’s, weiche
außer den größern Schriften auch die einzelnen zum Theil ano»
nym in verfchiedenen Zeitfchriften mitgetheilten Auffäge, forie
mehre noch ungebrudte Manuſcripte enthält, werden ebenfalle
binnen kurzem ausgegeben. Der erfte Band enthält zugleich eine
Biographie Mendelsſohn's von deſſen Sohne, Joſeph Mens
beisfohn, und eine Einleitung zu feinen philofophifchen Schrif⸗
ten vom Geh. Cabinetsrath Brandis.
Eeipzig, im Juli 1849,
F. U. Brockhaus.
Berantwortlicher Herausgeber: Heinrich Brockdaus. — Druck und Verlag von 8. A. Brochaus in Leihrnis.
ed n: bi %
| BlAatter
für
literariſhhe Unterhaltung
N
Dienftag,
25. Zuli 1843.
Betrahtungen über die berliner „Lite-
tarifhe Zeitung”.
” (Bortfegung aus Nr. 206.)
kaßt uns bach einmat bie „Literacifche Zeitung” auf
Hre Wahrhaftigkeit anſthen. Ireilich, wenn wir verfa-
chen, über Ihre Anfichten von Religion, Philologie, Pati: .
tt, Feriheit m. f. w. zu urtheilen, fo tönt das alte Wert
entgegen: was iſt Wahrheit? und Immer mahnt ed das
Gewifſen: vichtet nie! Daun "fo fein fludirte Argumente
wie die über Herwegh, Hoffmann u. A. find von der
Art, daß man an der eigenen Wahrheit irre wird, and
nicht germ leichtfertig über feinen Gollegen in Der WIE
ſenſchaft nach ſeinem innern Werthe abſprechen möchte.
So oſt mir daher wein Ferund — daß ich es nur geſtrhe
auch ein Freund Hervvegh's — ſo oft dieſer den ram
des am Böpfe nahm und würhnb in bie Etbe ſcthmiß
und wwörief: „Wie magſt du ner bie umwerſchaͤmten
Sophiſtereien noch Iefent Wird die wahr recht fabbucdiich
zu Mu bei dem Phariſder?“ — fo: fragte ich ihn
eruftlidh: Daft bu Sum denn in die Seelse geaudt, wie er
dem 53 Was weißt du von’ Deuchefei und wir.
wagt du ben Stab Aber ihn biuckertd Das Hab denn
einige polemifche Schhhige, und blieb daraus cin geb
nigted Metall uͤbrig, eine fee Meinung, bie fih aus.
deu Gelpräden meines Freundes — nebft ben eigenen
Beigaben — ungefähr folgendermaßen confolibirte,
Wer mit den Waffen heutiger Schulbildung gerfiftet
und dutch gute Uninerfisäteftubien geflärke ift und dam
eine gewiſſe Gewandtheit der Sprache befigt, dem ift es
gegenwärtig nicht ſchwer, einen leidlichen Aufſatz über
Angelegenheiten von allgemelnem Intereffe zu fchreiben,
und wentgftens dem großen Haufen ber Leſer, die nad)
Bildung flreben und ihren gewöhnlichen Bedarf aus ben
Tagebtättern beziehen, eine relative Belehrung zu geben.
Wie weit die Argumentation gegründet oder ſelbſtaͤndig
iſt, das durchſchaut nur, wer verwandte Studien gemacht.
Es iſt gar leicht, zu täufchen und getäufcht zu werden,
wenn man ſich felbft täufcht aus Bequemlichkeit. Daß
Hr. Brandes und bie Seinen abſichtlich hätten taͤu⸗
fiyen wollen, wie unfer Freund in polemifhem Ingrimm
wol behauptete, kann kein Menſch entſcheiden; denn einen
fo tiefen Bi in fremde Herzen, wie Brandes in Her:
wegh’8, getrauen wie uns wicht Mu thun. Es wire we
auch nichts daran gelegen, zu volffen, wie viel bie ‚Ute:
rarifche Zeitung” in der Selbfitäufchung bis jetzt gelei⸗
flet, wenn nicht fo viel an der Wirkung des Augenblids
dinge, und namentlich jetzt. Darum tik wol einmal bie
Srage anzuſtellen, was denn z. B. an der Wreibeitstber
dee Zeit fei, und mie ſich dazu die bertiniſche verhalte.
Die Freiheit iſt ein vieldeutiges Wort. Ste har ſelt
viel hundert Jahren die Welt in Bewegung yefegt: Voͤl⸗
fer find barum derbiutet; In Schutt und Brandflätte har
man fie geſucht und nicht gefunden. Es ift aber mie
der Srelheit ebenfo beftelle wie mit allen hödften Begrif⸗
fen ber Menſchheit, mit jeder Abſtraction, jeder Vranfcen:
denz, bie über das finnliche Bewußtſein hinaus geht.
Roͤmiſche und deutſche Chriſten haben 30 Jahre um dfe
Wahrheit gefeitten und fie im Strelte faſt verloren;
größere Heere von Büchern haben darum gekaͤmpft und
noch iſt die Frage nicht entſchieden: was fie fei, mie ffe
wirfe, wozu, wohin fie führe. Und doc haben alte
Meufhen ein files Beruftfein in fid von MWahrheft
und Sreihelt, fo mie fie die Liebe im Herzen empfinden,
vote fie ihren Gott anbeten jeder in ſeiner Sptache, den
Gott, den fie doch nicht nennen und beſchrelben koͤnnen.
Darum iſt weder Freiheit no Stauden noch Liebe ver:
loren, weil fürdige Menſchen darum geftiitten haben.
Selbſt wenn wir, Hrn. Brandes zu Gefallen, einen Ber:
ſuch der Definition etwa mit Goethes Worten binfteh-
ten: die Freiheit el das Recht und bie Macht, ungehin:
dert das Gute zu thun: fo glaubten wir auch bierin
keinen prattifhen Gewinn für unfen Fall zu finden.
Der unfruchtbarfte aller Streite ift der um Definitionen.
Dies wenigftens könnten Alle, bie an den neueften Ent:
deckungen der MWiffenfchaft Theil genommen, an ſich felbft
erfahren haben. Wozu alfo dergleichen aufrühren, wenn
man nicht gefliffentlih Steeit ſucht? Es gibt keine ma:
litioͤſere Verirfrage als die, wenn einer eben in hellen
Liebesflammen lodert, von ihm die nuͤchterne Definition
zu verlangen, was Liebe ſei; er hat es und braucht nicht
daruͤber zu ſchwatzen, fondern fpricht die Liebe felbft aus
und bethätige fie. So fpriht die Sehnſucht ihre Sehnen
aus in That und Wort, aber nit in Definitionen.
Damit hebt ihr keinen Freiheitöfteund aus dem Sattel,
daß ihr ihm ein Schulerereitium entgegen Haltet, welches
9 —E m «’
nur für euch und euern Magiſter Intereſſe Hat. Thut
und handelt ihr ſelbſt nur, aber nicht mit logifchen
Diftinctionen, die auf dem Katheder richtig find, fon
dern mit thatkräftigen wirkſamen Worten, bie das Leben
berühren, Bel jenen Verirfragen iſt der Beweisfodernde
natuͤrlich im Vortheil, zumal hier, wo ihr — eine große
Concefflon! größer als wir felbft Concediren — ihm ben
Titel de6 Dichters a priori einräumt. Hiervon wäre
der Anfang zu machen: fein Geſichtspunkt ber
Dinge und Ideen, ob diefer wirklich poetiſch fei, wäre zu
unterfuchen, ehe man an bie fpecielle Tendenz feiner Poes
fin ginge mit philofophifcher Zerklaubung. Das zwar
geſteht jeder Vernünftige zu, daß der Dichter Vernünf:
tiges fuht und mill; aber er fodert darum nicht
son ihm eine logiſche Analyſe. Und was ift es endlich,
was ihre mit dem Wunderwerk euerer Dialektik aus
ibm herausgeklaubt hat?
Dog Vieles, was manche Leute nicht gern hören,
- von ihnen häufig ald unpatriotiſch, irreligioͤs, unfitt:
lich u. f. w. bezeichnet wird, find wie laͤngſt fo gemohnt,
daß wir uns darum allein feine grauen Daare wachſen
laffen. Aber daß ein Dichter wie ein Froſch fecier wird
und alle Unteinlichleiten des Meſſers dem unglüdlichen
Dräparate aufgebürdet werden — das iſt ein unmahres
Verfahren, das wir nur darum nicht als Lüge bezeich:
nen, weil wir von Hrn. Brandes etwas mehr gute Mel:
nung hegen als er von feinen Feinden. Wenn nun der
Dichter Herwegh fpricht: „Es gibt auch bei uns Pulver
und Blei, die Freiheit zu erlämpfen, wir brauchen fie
nicht von den Franzoſen zu erbetteln”’, fo glauben wir
dies richtig gefagt in demjenigen vaterländifchen Sinne,
wie man überhaupt fagt: Wehre dich deiner Haut — hilf
die felber, fo wird dir Sort beifen. Daß es bei großen
Ummälzungen nicht ohne Gewalt und Blue abgeht, iſt
eine natürfiche Nothwendigkeit, und es iſt da von Recht
und Gefeg nicht mehr die Rede, wo das reine Bute,
wenn auch irrend, gefucht wird. Ihr pflegt auf bie Greuel
der franzöfifhen Revolution mis ſittlichem Abfcheu hinzu:
bliden; wer iſt ed denn aber, ber fie bewirkt hat? Das arme
blinde irrende Volk doch nicht, das ſich mehr denn 100
Fahre weiblich hatte treten laffen, und nun endlich für die
Sünden der Bäter die Söhne büßen ließ? — Und find
denn ale königlichen Reoofutionen, Reformen u. f. w.
nichts als pure Gerechtigkeit geweſen? Es Elingt frech und
gottlos, und iſt doch wieder im höhern Sinne fittlich, daß,
wo fein Recht beim Deren zu finden, dee Sklave «6 ſich
fetbft fhaffen muß. Wird man uns nicht entgegenhalten,
dag das polnifche Volk blos deshalb zweimal gemorbet
fei, weil es gegen feinen rechtmäßigen Deren rebellirt
habe — und daß die kaiſerliche Zuchtruthe, von Oſten
ber gefhwungen, noch allzu gnädig verfahren gegen bie
vereuchten Ruheſtoͤrer, welche nicht einmal ihre Freiheit
definiren konnten! Andere einfihtsvolle Leute meinen
zwar, daß eine höhere Rache des Schickſals an dem
Volke vollzogen fei, das feine Freiheit niche felbft zu er:
werben verfland: aber das find radicale Poffen; wer
wollte zweifeln, daß nur die Gerechtigkeit und Gnade des
BE x
Kaiſers von Rußland dem poluiſchen Belle gethan, mas
ihm recht war! '
So ungefähr könnte man die Conſequenzmacherei der
„Literarifhen Zeitung‘ nachahmend verhöhnen, wenn es
ehrenvoll wäre, fi; foldier Waffen zu bedienen. . Derwg
hat aber nirgend ein ſo poͤbelhaftes Geſchr Mei
wie bier behauptet. wird *), als 3. B. mit Mord um
Kodtfchlag gleich Mobespierre die Reichen und Mächtigen
zu verfolgen, das fei Freiheit; oder: dieſe Freiheit vr:
lange „den Untergang alles Herrlichen, der Ordnung
Gottes, dur die niedrigen Leidenfchaften des Czois⸗
mus...”, und fo fe denn Mar: „dab man das aner:
kannt Schlehte und Elende ſtatt des Guten
und Gluͤcklichen verlange”. Dieſe letztere offenbar
Verruͤcktheit iſt aus einer fehr gewöhnlichen poetiſchen
Hyperbel Herwegh's abgeleitet, nämlich diefer: ‚man fole
für der Sklaverei Idylle ein Trauerſpiel der Freiheit ge
ben”. Wie wollen gar nicht leugnen, daß uns fehr viele
poetifhe Wendungen in Herwegh's Worten abgebrandt
oder unwahr vostommen (obwol das von der „‚Literar:
fen Zeitung’ incriminirte ,, Sturmebodem“ nicht fo
ungebeuerlich ift, wie «6 das beigemalte sic! wermeldet),
und daß viele feiner Ideen übertrieben ober unpraktiſch
oder verkehrt find. Aber. um diefe zu widerlegen, be
darf e6 anderer Mittel als eines abgefchriebenen Para:
grapben aus ber erften beſten Aſthetik über das Weſen
bes Trauerſpiels, und noch viel weniger kann aus de
Confequenz jenes Paragraphen die Conſequenz abgeleitet
werden, daß Herwegh „frevelhafterweiſe Bott um fel:
nen Fluch, um Vernichtung ded Segens und läd
bee Völker foͤrmlich bitte!!“ Da wir auf dem Wegt
find, gegen Hrn. Brandes bitter zu werden, und ibm
feloft wieder Confequenzen, Soppifterei, Heuchelei u. ſ. w.
in den Bart zu werfen, fo halten wie inne, und bemer
ten nur, daß nach unferm nüchternen Sinne jene poeti:
fie Hpperbel ad vocem Trauerſpiel nichts befagen wid
als: „Rüttelt euch auf aus dem Schlafe eurer Schein:
freiheit, und erwerbet die wirkliche, wenn andy mit
Schmerzen; biefe iſt nicht auf idylliſchem Wege zu fin-
ben.” Und in biefen naͤchſten Sinn ſtimmen viele weit
ruhigere Köpfe als Herwegh ein; Autoritäten, deren Namen
Hrn. Brandes verbienden würden mit mehr als koͤnigli⸗
Hem Stange, wenn feine Augen nicht ſchon entäaig,
wären.
Mit dem poetifhen Berftändniß iſt es eine eigen
Sache: es wird. nicht aus philoſophiſchen Compendie
erlernt, fondern muß zuerſt im eigenen Herzen anklingen
wer dazu ein bischen urfprüngliche Phantafie und Liek
mitbringt, wird aud das Ungehörige in feinee Wei
auffaffen und gelegentlich zurechtlegen, nidyt aber uͤb
‚) Es muß bemerkt werden, daß wir bie namentliche
führung und Seitenzahl der „Literarifchen Zeitung” unt
laffen haben, weil uns unmöglich war, alle curfirenden Blaͤ
zufammenzubringen, und der Augenblick Eoftbar fhien. ii
gens find die Kitate, obwol ohne Zahlen, doch gewiſſen
u bem Driginal abgejchrieben, wie Hr. Brandes felbft z
eben wird.
die aſte deſte umgelegewe ‚Gtehe. Kolpein und auttn⸗
fen: der Kerl ſpriat ünſinn! „Die grüne Inſel, po:
man frei und freudig. flerben kann“, verliebt. z. B.
jeder Andere außer Hrn. Brandıs, dep ‚daraus einen
locus secretus macht, wo man in Frieden ſich ſelbſt die:
Keple duschfägen kann. Ebenſo: wenn der ‚Dichter fagt, :
dag man. für. die Freiheit ſterben. müſſe: flugs
Fratzen an die Mand: ;
malt die „‚Kiterarifche Zeitung‘ dem
„eine curioſe Freiheit, für die man ſerben muß,, um fie
zu genießen!”
Berftändniffe gar nicht fo fern, daß man nicht den Einy,
dee feit Kaͤrner's Freiheitsliedern im deutſchen Volle an-
gelungen, gar bald enträthfelte. Wir wärben die Lefer
ermüden, wenn wir ihnen den Tod für bie Freiheit und
die grüne Jnſel (nach der fih auch Schiller fehnte, phan:
taſtiſch, doch nicht albern) des Breiten demanftriren
wollten; und überlaffen Andern die geiftreiche Frage:
wenn ich aber todt bin, was habe ih dann von Frei⸗
heit und Vaterland?
fragen, warum er diefe Anatpfe einer etwas wilden Ge:
dichtfammiung nicht damals, als der Dichter berühmt
war und von dem hochherzigen Könige mit Intereſſe ge:
tefen, mit perfönlihem Seeimuch aufgenommen ward,
warum er jene logiſche Zerfplitterung nicht vor 6 — 8
Monaten, ſendern post festum angeflelle hate? Denn :
wir Leugmen wicht, daß Brandes fehr viel Treffendes ge-
fagt bat; mur in dem Punkte finden wir ihn teren, daß
er dem ganzen Poeten ins Irrenhaus fleden will. Die
wichtigere Frage: ob Hermegh wirklich ein Dichter fei, ift
umgangen. Was er perföntid verſchuldet, zeige aller:
dinge, daß es mit feiner fittlichen Haltung nit ganz
ſicher ſtehe; aber das ſchien fihon damals offenbar, als er
in erſter Jugend über einige militairiſche Ungelegenheiten
ein Eindifched Lamento erhob, in welches A. Lewald mit:
leidig einſtimmte, als ginge duch) eine ſimple Disciplinar:
ftrafe einer der Großgeifter Germaniens zu Grunde. Bon
Diefer fittlichen Seite und von der rein Äftherifchen
Betrachtung feiner Leiſtungen hätte eine vernünftige Kri⸗
tit von Herwegh's Thun umd Treiben ausgehen müflen, nicht
von einer Conſequenzmacherei aus portifhen Redeblumen.
Weit mehr aber als jenes harmloſe Lanzenſtechen im
Gebiete der Rhetorik har uns die Betrachtung der Bauern:
kriege in einem Auflage gegen Hoffmann von Fallersle⸗
"pen erbittert. Auch Doffmann’s Leben und Treiben neh:
igeren wir nicht unbedingt Im Schutz; dies hindert uns
Medoch nicht, aus feinen Buͤchern das DBernünftige her:
j;a2u6jzufehen. An Bezug auf bie „Literariſche Zei:
Mang“ heben wir nur die Anficht über die Bauern ber:
"aber, weiche im 16. Jahrhundert ein ſcheußliches Joch
zuſchuͤttein verfuchten, und dennoch der damals kraͤfti⸗
n Ariſtokratie ebenfo fheußlih unterlagen. Was fie
oliten, das wußten fie wol, obgleich der Metzler von
ttgart ſchwerlich dem Hen. Brandes eine Definition
ze Bebärfniffe geliefert hätte. Gegenwärtig iſt, was
als gerecht gefodert ward, erfüllt: ein halbes Jahr:
dert bat im germanifchen und romaniſchen Europa
Reſte der Leibeigenſchäft vernichtet bis auf wenige
Beide Stelfen find dem unbefangenen
Hrn. Brandes aber möchten wir
Fpuern., ‚Di Brandes weil min mit eines. mrhängniß
yollen biftgeifchen Beweisluſt wach, jens vnſeligen Wes
bältniffe, „gegen welche die Bauernkriege gerichtet waren,
‚feien völlig im hiſtoriſchen Recht begrüundsr! Gin
Deutfcher des 19. Jahrhunderts erroͤthet nicht, diefeß
Wort unter freiem Dimmel auszuſprechen. Gewiß und
wahrhaftig! es war hillorifhes Recht: das jus primae
nortis, die Gewalt über Lehen und Tod des Bauern, Die
Segitimität jener Gefege mag fo wenig bezweifelt war⸗
den als Ludwig's XVIII. wadelnde Krone ;. und wenn ain
Bauer lebendig gefhunden warb, weil er feines Hercu
Hund todtgeſchlagen, oder einen Hirſch gefaͤllt, oder kei⸗
nen Zins und Frohndienſt geleiftet, fo gab es keinen Ges
richtshof dagegen — auch dies war hiſtoriſchl Es ik
noch hiſtoriſch in Rußland, wenn auch buch die Bil
dung der Zeit gemildert: möchte Dr. Brandag darum
wol nah dem alten heiligen Moskau ausısandern ober
— Bott behür’s! — etwa felbft einer von Denen fein,
bie zu Zaufenden um da6 Denkmal Peter’s bes Großen
herangezwungen wurden, um ihres Deren Willen kraft des
hiſtoriſchen Rechts erfülen? Wir kennen fehr wohl die
Misflände der völligen Befreiung der niederfien Vollba⸗
claſſen, und wilfen, daß «6 in Rußland Leinen ausge
dehnten Pauperismus gibt wie in Frankreich, England
und Deutſchland. Sollen wir daram zur Clientel zuruͤck
kehren, oder nicht vielmehr arbeiten, die Freiheit frucht⸗
bar zu maden, die wir, freilich auch mit aunpchens
Opfer an die untern Stände, nur eben erft gogruͤndot
haben? Die Freiheit iſt da6 wahre Ziel der Völker, dag
Ziel der Wahrhaftigkeit, nach dem fih die Gewiſ⸗
fen fehnen, unbelümmert um hiſtoriſches, dogmatifches,
philofophifche® und anderes Recht, dergleichen Hr. Bram
bes vorfhiebt zum Gefpenft für die Kinder.
In ähnlicher Weife, wie gegen Herwegh, pergeirs die
„‚Literarifhe Zeitung“ vielfältig gegen Perfonen und
Zendenzen in einem Zone der Sicherheit, als hätte fie
ein kaiſerlich ruſſiſches Privilegium darauf erhalten. Mit
einem Zone der ſicherſten Gewißheit, der in den paͤpſt⸗
lichen Bullen des 13. Jahrhunderts feines Gleichen ſu⸗
hen würde, und mit einer fat hohenprieſterlichen Uns
trüglichkeit werden die ſchweben den Fragen ber heu⸗
tigen Theologie behandelt, und das Urtheil fo hingeſpro⸗
hen, als wenn kein Zweifel möglih. Dies kommt uns
nun in demfelben Maße pbarifälfch vor, wie ber „Litera>
rifchen Zeitung‘ das Treiben Bauer’s, Feuerbach's, Strauß’s
u. %. gottlos, frevelhaft, pelagianiſch, ſocinianiſch, pam:
theiftifh und mie fonft noch vorkommen mag. Dies
wären nun fubjective Äußerungen von Liebe und Daß,
welche die Wiffenfchaft nichts angehen und ihr fo lange
gleihgältig find, als fie felbft, die kalte reine Wiſſenſchaft,
von ihnen unberührt bleibt. Der erfte Schritt in die
objective Wahrheit iſt tie Betrachtung ber hiftorifchen
Thatſache; bier ift ein Falſchſehen verdächtig, und dem
erhigten Feinde der Vorwurf der Lüge nicht übel zu neh⸗
men, wenn ein Factum geleugnet ober verdreht oder mis⸗
deutet wird. Wenn nun die „Literarifche Zeitung” über
Strauß wie über einen bürgerlich Todten abfpricht, er
fet Abewunden, ober ſich bit wohlgekungenen Phraſe
ent: „ik ben erſten Theil der Serauf'ſchen Bogmartt
Far * mehe als er ſelbſt —” wie iſt ſolcher
rieſterliche Speuch
*. GStrauß's Werke jährlich neu aufgelegt, wie fie
trot deo Verbots von katholiſchen und proteftantifchen
Drieſtern gleich eifrig geleſen werden, und hoͤchſt ehren⸗
werthe Männer (wir wuͤrden fie mit Namen nennen,
wein fe ferbft es nicht verboͤten) den Ketzer Strauß.
einen redbichen Forſcher nennen? Dieſer feste Punkt
ſcheint Bielen unerheblich, bie ich bei theologiſchen Streit:
fragen mit dem Herkoͤmmlichen: du bift ein Pelagfaner,
Spinoziſt, Pantheift, Hegeliter u. f. w. prieſterlich zu bei:
ſen wiſſen, ſtatt rebſich bem redlich Fragenden zu ant⸗
worten. Strauß hat die große Frage — die redlichſte
von: allen cheslogiſchen ſeit vied hundert Jahren — die
VFrage: „Jſt Das wahr, was ihr von Ehriſto ſa⸗
get, und woher wiſſet ihr es“, mit ungeheurem
Fleiß, redlichem Willen und genialer Kraft durchgearbei-⸗
tee — und flatt. der Frage redlich zu antworten, fpricht
ber prieſtliche Hochmuth: Du bift ein Keger! Zeige uns
vo He. Brandes oder einer ber Seinen fonft, wer denn
Aigenttich den Strauß widerlegt oder überwunden habe?
Meamber doch nicht, Ber (in feinen übrigens vortrefflichen |
Wert „Das Leben ef’) ohne meiteres fante: „Ja,
es iſt wahr, mas die Edangelien geſprochen“ — und
den Brweis ſchuldig blieb? Denn wenn Strauß fragt:
Köntten wir voransfegungelos beginnen? iſt es dann eine
Antwort, zu: fagen: Darauf komme e8 nice an? Und
gefebt, es kaͤme darauf nicht an, und die hifkorifche Wahr: |
heit der Evangelien fäge fo auf platte Hand: warum
% viele redliche Zweifler von Leffing an, warum
ſolche Denker, wie DMendelsfohn, Spinoza, gewiffermafßen
auch Want, no in Angewißheit? Waren fie auch alle
untedſich oder bornirt? Und tie iſt es mit dem Gros
der Welt, Juden, Tuüͤrken und Heiden, die doch nicht
alfefanime auf den Kopf gefällen find — warum geht
diefen die offenbate Religion fo ſchwer ein, und tächtige
Mifflonare könmen fie nicht zwingen, das Dffenbarfte zu
begreifen? Aber alle diefe Fragen beifelte — denn Hr.
Brandes Aiöchte uns leichtlich auf bern Roſt bringen, um '
alles unnuͤtze ketzeriſche Fleiſch auszubrennen —, feid ihr
deß Allen, was ihr als laͤngſt ermittelt hinſtellt, ſo aus-
nehmend gewiß: fo lehret es doch der Welt, die fo lange
durch‘ Kirche und Prieſter nicht hinlänglich belehrt war: -
ihr werdet ein didaktiſches Meifterfiüd machen! und
vieleicht gar Calviniſten, Soeinianer und Anabaptiften zu
dern einzig wahren Lutherthume convertircm, wenn ihr |
fie richt alle vorher verbrannt habt. Den Rattonaliften,
die noch nicht fo ganz gefterben find, wie euer Grimm
vermelbet, werdet ihr ihre eigene Hölle anweiſen — wäh:
vend fie hier auf Erden nur eine Sekte neben vielen
Sekten ber freien Kirche bilden, und es vielen Gutmuͤ
thigen fo ſcheint, als fei e8 kein Verbrechen, die ratio
su fuhen Wollt ihr dagegen den Spruch an eure
Tempel Heften: Credo quia absurdum est, fo haben
zu benennen, wenn alle Welt ı
| mertungen, die er im J
wir gar nichth Vaſeger, ba Töle-meft dem Hroßen Ark;
Jeden anf ſeine Façon fellg werben 5 Aber nm
wiche verketern! Das iſt unpretefiuntifih. Wenn wir
eudy das Eure lafſen, ohne ſogleich Mucker, Pietiſt
u.f.w. zu ſchelten: fo Laßt auch uns, die Suchenden,
in Ruhe ohne atheiſtiſchen Spftznamen. Detgleichen
Streitigkeiten werden, wie dad Reformationdzeitalter jeigt,
weder in Worten noch auf bem Stchlachtfelde erledigt,
fondeen dutch Liebe, Willen und Sihickſal. Dieſe A
der Ertebigung kommt manchen Hrieſter nit und ohne
Stota fehr laͤcherlich vor. Nun, bad Eachen har Jeder
frei. Aber dies koͤnnen alle Parteien auf dem Gebiete
der Religion tie der Politik verlangen, daß mit Be
geiffen, nicht mit Worten und foftematifiken Ekelnamen
gefochten werde. Und ald echte aufrichtige Proteſtau—⸗
ten erdennen wir Beine menſchliche Autorität im Sa⸗
Yen bee Slaubens an, und verabfdreuen jeden Papfl,
fige er num gu Rom ober zu Wen, mit oder ohne
Königskrone.
(Der Bel@luh folgt.)
Literarifhe Rotiz.
er a m aldkonumit.
e ads RES. mehr ale einer Beziehung auch
die Geſchichte der Nationabbkonomite“ von Bangui ift, von
der wir vor kurzem eine zweite umgearbeitete Auflage erhal:
ten baben, fo läßt ſich doch nicht Teugnen, daß mehre Par:
tien bderfelden bedeutend beridjtigt md ergänzt werben koönnen.
So Maren namentid die Abſchnitte, welche der Werf. dem
Zuſtande ber Nationatbbonemie im Altertfanke, namenttich bei
ben Roͤmern, gawidmet bat, etwas dürftig ausgpfallen. Als
eine Ergänzung und Vervoilſtaͤndigung biefes Theile Läßt ſich
aber das umfaſſende Werk Yon de Villeneube betrachten, das
gerade diefen Begenftand ins Auge faßt und beffen wir im d. BL
bereits gedacht haben. Sebann zeigten fidy auch bei der Me
handlung des Mitielaltters fuͤhibare Rüden, tie um fo auffel
Iender waren, da wir bereits ein ziemlich umfallendes Werk
über diefen Abſchnitt befigen. Es h dies, wie man errathen
wird, das Werk bed Italieners Cidraria, das Wlanqui bei
feiner Darflellung gar nicht beruͤckſichtigt zu haben ſcheint.
Gegenwaͤrtig erſcheint aan vun brmfelben site fr üder:
ſetung, deren Derausgebes bin Waerth dei Dfiginals ducch
ghlreiche Noten und Grläuterungen bedeutend. erhoͤht bat.
lanqui hat bereits eine Reihe von Bruchftüden aud den er
‚3. 1841 auf feiner Reife nach Konftan:
tinopel gemacht hat, in verſchlebenen Zeitfchriften, na mentlich
im „Jowrnal des Econpmistes”’ und dem „Secle mitgetheilt.
Man fah deshalb: dem Grfiheinen feines Reifeberihts mit Un⸗
geduld entgegen. Gegenwärtig hat nun eine „ Voyage en
Bulgarie pendant l’annde 1841” unter feinem Namen bie
Preffe verlaffen. Diefes Werk entfpricht eigentlich den Erwar
tungen nüht, die man davon hegte. Det Varf. entfchutdigt
ſich aber auch gewiffermaßen über die Dürftigteit feiner Schrift
felbft, indem er fagt, daß er feine eigentlichen Beobachtungen,
bie ſich auf den wahren Zweck feiner Reife, das Studium ber Do:
nauländer in politif&er und commercielfer Hinſicht bezögen, in
feinem Bericht ans Miniftertum niedergelegt Habe, und das
er bier gewiſſermaßen nur die allgemein intereffänten Bemer
tungen eines „fluͤchtigen Reiſenden mittheil. Wir erhalten
in biefer fleinen Schrift alfo nur bie Schnigel und Gedanken:
fpäne, die von feiner größern Arbeit, bie er bann aber dem
Publicum nicht vorenthalten follte, abgefallen find.
Berantwortlider Herauögeber: Heinrich Brodhaus. — Drud und Verlag von F. X. Brodhaus in Leipzig.
EEE
Blatter
für
(iterarifhe Unterhaltun
Betrachtungen über die berliner „Lites
rarifhe Zeitung”.
(Beihiuß aus Nr. 288.)
Auch den Philologen iſt es neulich uͤbel ergangen,
wie fich denn die vaͤterliche Sorgfalt der ‚‚Literariichen
Zeitung” auf alle Seiten unfers Culturlebens erſtrecken
wit. ine Sufinuatien, dergleihen man feither nur in
Baiern zu hörem gewohnt war, erichallt von Berlin ber,
das fih fo gern den Sig der Freiheit nennt: „Das
religiös⸗ſittliche Bewußtſein der Philologen‘
wird auf eine Weife Eritifirt, die einen Zweifel läßt,
weiche Gonfequenz die naͤchſten Blätter bringen werden.
Wir könnten fon an dem Titel Anſtoß nehmen, da in
ihm wieder eine Seelenſchau ausgefprochen ift, die wir
uns nicht getrauen von irgend einem Feinde zu geben:
denn wir wagen nur Thaten zu beurtheilen, nicht über
Herz, Sitte und Bewußtfein ohne tiefere Huͤlfomittel ab⸗
zufpsehen. Daß der Ausdruck,, Bewußtſein“ hinzuge⸗
füge wird, if eine unfteiwillige Conceffion an ben fonft
verhaften Hegel ſchen Sprachgebrauch, da in der That
Religion und Sitte ber Philologen in Frage geftelit
werden fol. Aber wir enthalten uns, um nicht auch in
rhetoriſche Rlaubereien zu gerathen, ber weitern Ausführung
unferer Bedenken gegen das Kbelgewählte Wort. Mich:
tiger ift das andere Bedenken, wie man «6 zu verfichen
habe, daß bier ein ganzer ſonſt ehrenwerth erachteter
Stand urplöglih vor der Öffentlichen Meinung verdaͤch⸗
tige und inculpirt wird. Meint nun bie „ Literatiſche
Zeitung” — mie man grammatiſch fchließen koͤnnte, ans
der Wahl bes beffimmten Artikels: „der Philoles
gen” — wirklich umd aufrichtig alle Philologen, fo iſt
dies eine groͤbliche Infinuation, ‚deren Ginn geradezu
verkehrt und unwahr, und die alfo nur noch ihres Zen:
den; nach beachtenewerth fein kann. Doch davon nad):
ber. Wir wollen, fo beforgt wir auch für bie Geſin⸗
nung ber „‚iterarifchen Zeitung” zu werben anfangen,
ihr wenigſtens Beinen offenbaren Unfinn zutrauen.
Denn einen ganzen Stand verbäcdhtigen iſt Unfinn gleich
dem Aberglauben ber alten Ariſtokratie, die fih ruͤhmte,
mit erquifiten Leibern und Selm auf die Welt gekom⸗
men zu fein. Mit bemfelben Rechte könnte man reden
von der Religiofitaͤt und Bittlichleit ber Bibliothekare,
g.
Journaliſten, Mathematiker, Phyſiker, Maſchinenmeiſter
und Schornſteinfeger. Da nun jeder vernünftige Menſch
weiß, daß e6 weder zum Gchornfteinfegen noch zum Ma⸗
ſchinenbauen oder zum Elektriſiren und bibliothekariſchen
Regiſtriren einer befonders qualificirten Religion bedarf,
fo muß jenem feltfam gewählten Thema ein efoterifcher
Sinn unterliegen; und es ift möglich, daß ber verkehrte
Zitel, um ber Kürze tollen gewählt, etwas Anderes bins
ter ſich birgt. Was ein Philologe fei — ob das Wort
gedacht fei in dem altgriechiſchen Sinne ober im Wolf'⸗
ſchen, ober in bem neuern, den Dr. Mager in dem ein:
leitenden Anffage feiner ‚‚Pädagegifchen Revue’ vortreff⸗
lich begründet und erläutert bat, iſt nicht mit gewohnter
Spisfindigkeit deducirt, mol aber die Beſtimmung hinges
gefügt, daß man bie Gymnaſiallehrer meine. Da
nun deren in ‚Deutfchland üͤber 1000 ſich befinden, fo
iſt die Frage: entweder, ob Dr. Brandes einen fo er⸗
ſtaunlich tiefen Blick in die Herzen dieſer Tauſende ge
than, daß er davon hiſtoriſchen Bericht abflatten koͤnnte;
ober, welche unter den genannten vorzugeweife gemeint
fein. Wir erfehen es bald aus dem Auffage ſeibſt, daß
Niemand amders gemeint fei als ber größte Schell der
Gpmunfiallehrer, die den künftig Studirenden den Cicero
und Homer eröffnen und ihnen Lateinfchreiben u. f. w.
(chen. Ob es in dem Weſen ihrer Studien liege ober
in den Verhaͤlniſſen ber Lehrverfaffung ober im der zu⸗
fälligen Perſoͤnlichkeit der Meiften, daß fie folche Halb⸗
und Scheinchriften find, wie Hr. Brandes infinutrt, wirb
nidyt gefagt; genug, fie find ed. Daß einige namhafte
und fehr bekannte (wir vermeiden «6 mit Hrn. Brass
des Namen zu nennen, weil dies perfönlich ſtoͤren Aönnee!)
par excellence ortbodore Lutheraner find, verſchlaͤgt hier
bei wenig, denn 26. fol von ber Mehrheit geredet werden.
Nun willen wir zwar, daß es zur Erklärung des Livius
und Cicero feines befondern Glaubens bebarf (obwol, aufs
fallend genug! — noch kein Jude ober Türke unter bie
philologiſchen Notabititäten gerechnet ift), und daß z. B.
dee gute Gruterns mit feinen chriftlich: moralifhen Sen⸗
tonzen den Kinius mehr verdunkelt als erläutert hat.
Aber leider wiſſen wir auch, dab F. A. Wolf ein Pfaf:
fenfeind und arger Keger war. Deſto ſchlimmer für ihn!
koͤnnte man fagen — und fi dann mit ben Beiſpieten
des Gegentheiis an Boͤckh und O. Müller getröften,
x
Aber man ahnt fon, wo die ganze Diatribe hinaus
will. Nicht darum follen ale Nachfolger F. A. Wolfe
mit ibm zufammen in solidum verhaftet werden, well
diefe Schule die Kenntniß des Alterthums auf bisher un:
befannte Weife gefördert hat; nicht darum, weil fie etwa
einem andern Lebensgebiete befchränfend im Wege flände:
nur weil ihr Einfluß auf die Jugend gefährlich fei, in⸗
fofern der echte Philolog in der Verehrung des Alter:
thums befangen, darüber die Gegenwart und das Chriſten⸗
thum vernacdhläfftge; und da fie einmal In der Sprache
das wichtigſte Gulturelement in der Hand hätte, fo
müffe man fie um fo vorfichtiger überwachen. Das alfo
war des Pudels Ken! Epch und, Dengftenberg und: fo
Sort win die Benebictiner follen in unfere Gymnaſien
eingeführt werben, welche die verruchten Antiguarien ver:
peſtet haben. Bemerkenswerth iſt Hierbei der Umſtand,
daß die Philologen faſt in einem Athem „gefährlich
und überwunden“ genannt werden; gefährlich in ih⸗
rem Einfluſſe auf die Jugend, überwunden in der Meis
nung ber Welt, da nur nody wenige Gebildete an bie:
fem hoffnungsiofen Grübeln in der Vergangenheit Gefalien
bätten. Hierbei konnten wir uns nicht enthalten, jener
Neigung zu gedenken, die wie vorher in der Beurtheilung
Herwegh's fo auffallend wirkfam fanden: den ſinken⸗
den Stern zu verunglimpfenz denn wenn: felbft
eingeflanden wird, daß die Philologie fich gegenwärtig en
decadence befinde, was braucht es denn ſolches Geſchreis
über ihre Gefährlichkeit?
Soliten wir unfer eigenes Urtheil über jene trüben und
bucch die „Literariſche Zeitung” vollends getrübten Fragen
abgeben, fo würden wir vorfichtiger zu Werke gehen, und zuerſt
über das Weſen der heutigen Philologie uns zw belehren fus
chen, dann die bedeutendften Leiftungen der Gegenwart bes
teachten, endlich einen Blick in die Schugimmer thun und
mit heiterm, ungetrübten Auge die Tendenzen und Ergeb:
niſſe der neuern Pädagogik anfehen. Gewiß ift ber gegenwaͤr⸗
tige Zuſtand nicht vollfommen; doch damit iſt nichts ge:
fagt, als die nothwendige Beſchtaͤnkung alles Endlichen.
Doch haben wohlunterrichtete Geiftliche und Staatsmaͤn⸗
nee eingeflanden, baß der Zuſtand der preußiſchen Gym:
naften und nad) ihnen ber norbdeutfchen im Allgemeinen
feit einem Menſchenalter fich weſentlich gebeffert babe;
indem nämlich zuvoͤrderſt mehr wirklich gelernt und das
Gelernte beſſer als fruͤher durchgearbeitet werde, bie ein:
ſeitige Cultur des Alterthums einer allgemeinern Bildung
auch in realem Wiſſen gewichen ſei und die disciplinari⸗
ſchen Verhaͤltniſſe ſich weſentlich gebeſſert. Unter die Maͤngel
pflegt man dagegen die Überladung mit mancherlei Ars
beiten und die Vernachläffigung des Körpers zu rechnen,
und es erheben fi Stimmen genug, welche biefen Übel⸗
fländen abzuhelfen fuchen. Über den Mangel an Reli:
giofität der Gymnaſien haben wir noch nirgend außer in
der „ Eyangelifchen Kirchenzeitung” Klage gehört, und diefe
ertennen wir fo menig als fonft einen Menfchen für uns
fen Papſt. Wie willen vielmehr aus Bergleihungen
fowol der Altern Lehrbücher mit ben jetzigen ale aus eige⸗
ner Erinnerung der Jugendjahre und Anfhauung ber
Gegenwart, baß bie heutigen Religionsiehrer im Durch⸗
ſchnitt die Sache ernfter und tiefer anfaffen, als es vor
20 Sahren zu gefchehen pflegte. Wenn aber ber Inter:
pret des Sophokles nicht mit cheiftlichen Nuganwendun-
gen dazwiſchen fährt, fondern der Jugend bie Schönheit
des Jugendvolks der Menfchheit eröffnet ohne Erankhaf:
tes Nebenbei — ift das gottloß oder vernünftig? Hättet
ihr nur ehrlich herausgeſprochen: ihr Schulmeiſter nehmt
euch zuſammen und lebt nicht wie die Heiden, und do⸗
ciret wie Chriſten! — ſo haͤtte kein Vernuͤnftiger gegen
dieſen Wunſch etwas einzuwenden gehabt und euch ſelbſt
die unbefugte vaͤterliche Ermahnung um der guten Sache
willen zugute gehalten. Daß ihr aus der Ermahnung
einen Bericht, eine Inſinuation, eine Verleumdung mach⸗
tet, kann nur empöcen, nicht beffern.
Es haben fhon bedeutendere Stimmen als bie unfe:
tige fi) erhoben gegen foldyes Treiben einer Zeitung , die
fih für eine Zeitſtimme ausgeben möchte, und allerdings
eine Stimme aus der Zeit ertönen läßt, die wir als
eine bedrohliche fürchten, nicht verachten; benn Verach⸗
tung Des Feindes iſt die größte Thorheit und dee An:
fang der Niederlage. Hier erinnern wir nur noch, baß
Dr. Fr. Ellendt, einer der wuͤrdigſten preußifchen Schul:
männer, die Verantwortung ber Philologie bereits über:
nommen bat in einer kuͤrzlich erfchienenen Broſchuͤre mit
aͤhnlichem Titel wie der eben befprochene Auffag. Die
politifhen Glaubensbetennmiffe der berliner Camarilla
find, in einem andern "Buche: ‚Über das Verhaͤltniß
Preußens zu Deutſchland“, von Steinader (Braunſchweig
1842) mit folcher Gediegenheit und Tiefe beleuchtet, daß
Männer des verſchiedenſten Glaubens baffelbe für die
vorzüglichfte politifhe Schrift der Gegenwart erklärt ha⸗
ben, ba in demfelden mit Ruhe und einem wahrhaft
königlichen Bewußtſein von Recht und Freiheit die wich⸗
tigiten Fragen der Gegenwart unfers Vaterlands einfichts⸗
voll befprodhen werden. Wein Freund, der fi durch die
literariſche Feindſchaft gegen die „‚Literarifche Zeitung” fo
bedenklich hervorthut, wollte diefen Steinader zum Schi:
bofeth machen für diefe feine Seindin, indem er ausrief:
„Sb Act! binnen vier Wochen wird das koͤſtliche Buch
in Berlin durch Feuer und Waſſer gehen! Wir aber
zweifeln dennoch nicht, daß Hr. Brandes aus demfelben
Belehrung entnehmen und die guten Seiten mit dem
feinen kritiſchen Takte berausfühlen wird, der ibn an:
derswo auszeichnet, wo ihn nicht Kragen bee Gegenwart
in Fieberhige verfegen. Denn wir wiederholen das Ge:
fiänonif vom Anfange, daß uns nur eine unfelige Ber:
bliendung, wenn nicht andere minder ſchuldloſe Motive,
biefe traurige Ablenkung eines fonft gefunden Verflandes
und günftiger Anlagen in das trübe Gebiet ſophiſtiſcher
Parteiklaͤtſcherei verurſacht zu haben fcheinen.
Was nun emdlih unfer Verhaͤltniß zu-den wichtigen
Fragepunkten betrifft, die wir zu beſprechen uns gedrun-
gen fühlten, fo bemerken wir bier fhließlih, dem Hrn.
Brandes zum Troſte, daß wir zu keiner der duch ihn
verdbammten Kategorien ſtraͤflicher Sournaliften gehören,
als da find: Juden, durchgefallene Candidaten, Bankrot⸗
831
teurs u. f. w. Warum wird nicht hinzugefügt, um das
Maß vol zu machen: Pharifder, Edomiter, Sodomiter
und Digeuner? Was in der That diefe perfönlihe Quali:
fication zur Sache thut, fehen wir nicht in dem Maße
ein, wie es bie „Literarifche Zeitung‘ urgirt. Wenn
auch auf die bürgerliche und fittlihe Haltung ded Men:
fyen viel ankommt, der feine Stimme öffentlicy erhebt,
fo find doc allen den Genannten die Thore der Zeitun:
gen nicht zu verfchließen, da fie auch zumellen etwas Ber:
nüuftiges fagen, und dies werben bie Literarifchen Herren
auch fihwerlich leugnen. Aber — zugegeben einftweilen!
— wir gehören nicht zu der verfemten Claſſe, von ber
es in der „Literarifchen Zeitung‘ heißt: hic niger est,
kunc ta Germane caveto! Wir find glüdlicherweife in
dem Kalle, nicht für unfer täglich Brot fechtend zu jour:
nulificen, weder beim Pöbel noch bei Fürften um Gnade
bublend, wenn Hrn. Brandes daran liegt, das zu willen,
und an diefer Eile das bisher Geſagte zu meſſen. Schreis
ber dieſes befindet ſich in einer gluͤcklichern Verfaſſung
als manches Königreih: mit der Gegenwart zufrieden,
fo weie in den Unzulänglichleiten des heutigen Lebens
einer die Zufriedenheit ducch fich ſelbſt erfechten kann;
ein eifriger Freund des deutfchen Vaterland, dem er doc)
dereinft eine fchönere Regſamkeit und wahrhaftige Sreiheit
wuͤnſcht; Verehrer des Koͤnigthums, und zu dem Al⸗
len Ghrift ohne Pfafferei und Gleichgültigkeit. Da⸗
mit wir aber Hrn. Brandes nicht den Triumph laſſen,
in diefem Glaubensbelenntniß nur eine tationaliftifche
Verwahrung mit durchſcheinendem Indifferentismus zu
entdecken, und alſo neue Gelegenheit geben zu willkomme⸗
nen. Inſinuationen der umgekehrten Seite: fügen wir
hinzu, daß wir bei aller Größe feines erkorenen Leitflerns,
die wie mit Freude und Verehrung anerkennen, body
nicht blind find fir deffen angeerbte Schwäche, Leinen
MWiderfpruch ertragen zu fönnen: und wir glau:
ben, daß in evangelifhen Landen weber Pfaff noch Fuͤrſt
fie infallibel gilt. Die Religion der Deutſchen aber,
meinen wir, habe ſich ebenfo fehr vor dem eigenen Kreb6
des Pietismus und der fürftlihen Knechtſchaft wie vor
roͤmiſchem Kebergericht zu hüten. Redlichkeit aber
vor Atem! Sei einer minifteriell oder liberal, koͤnigiſch
oder demokratifih — nur ehrlich! So lang noch ehrlich
geſtritten wird, werden wir weber kalt noch ſchwach fein
im Streit. Wie wollen ehrlihe Zeinde fein! hat ein
König gefagt. 62.
EEE
Les manuscrits francais de la bibliotbeque du roi, leur
histoire etc., par P. Paris. Fünfter Band. Paris 1843.
Der verdiente Gelehrte Paris, dem bie Archäologie und
intbefondere die Kenntniß der alten Manufcripte mandje wich:
tige Unterfuchungen verdankt, laͤßt fich durch die mannidhfachen |.
Krititen, die ihm fein umfaffendes Werk über die franzoͤſiſchen
Handfchriften der Königlichen Bibliothek zu Paris zugezogen bat,
nicht abhalten, zubig feinen Weg zu verfolgen. Und wahrlich!
ve Wiſſenſchaft muß es ihm Dank wiffen, baß er ſich nicht irce
maden Läßt. Der größte Theil der Ausfegungen, die man an
diekm Werke, von dem wir ben fünften Theil anzeigen wollen,
mach, ift völlig aus ber Luft gegriffen, ober ohne allen Be⸗
lang, und es feheint, daß man bie Xnfeinbungen, bie ſich n
den Verf. deffeiben erhoben haben, meiftens aus .perföntt
Beziehungen erflären muß. So war die feindfelige Kritil von
Daunou im „Journal des savants‘‘, der fonft fein Richteramt
mit geringerer Strenge auszuüben pflegte, offenbar ungerecht.
Daunou hatte es fich bei der Berbammung ber erften helle
diefes Werts fehr Leicht gemacht. Seine Aueſetzungen bezogen
fih naͤmlich faft ohne Ausnahme auf Nebenſachen und gang uns
wichtige Dinge, bie dem Werke felbft feinen hoben Werth- nicht.
rauben Eonnten. Go madht er Paris cin Staatsverbrechen dar⸗
aus, daß derfelbe fidy in einigen Punkten der Orthographie, na⸗
mentlih in der Schreibung des oi und ai ebenfo wenig wie
einige andere ausgezeichnete Schriftſteller, 3. B. Eh. Robier,
ber doch Akademiker if, vor dem Ausfpruche der Acaddmie
frangaise nicht bat beugen wollen. Ferner warf ihm Daunou
vor, daß er ſich mit zu großer Ausfuͤhrlichkeit bei ber dußern
Beichreibung der Wanuferipte, ber barin befindlichen Wappen,
"die oft ein Eicht auf ihre ehemaligen Befiger werfen u. f. w.,
aufhalte, obgleich gerade dieſer Theil für ben WBibliographen von
hohem Intereffe ift. Diefe Krititen haben wie gefagt gluͤcklicher⸗
weile Paris nicht abgehalten, bie Linie, bie er fich gezeichnet
hatte, unverbrofien zu verfolgen; nur hat es berfelbe für nöthig
befunden, auf die gar zu mälelnden Ausfegungen, die Daunou
an feinem Werke gemacht hatte, ausführlich zu antworten.
Wir wollen im Voruͤbergehen eine hoͤchſt originelle grammatifa-
liſche Bemerkung aus diefer Antitritit ausheben, obgleich dies
felbe eigenttiih mit dem Werke ſeibſt nichts zu fchaffen hat.
Nachdem Paris die Gründe auseinander geſetzt hat, bie ihn bes
wogen, in Bezug auf das oi und ai ber alten Orthographie ger
treu zu bieiben, macht er auf bie fonderbare Verſchiedenheit in
der Ausſprache ber verfchiedenen Voͤllernamen aufmerkfam.
Während nämlich die Endſylbe ber einen auf ois, „3. Daneis
lautete, werben die andern mit ber Ableitungsſylbe ais gebildet.
Urfprünglich wurde befannttidy oi ſtets wie oa gefprochen, wie
dies Reime wie autrefois und j’stais, bie im Racine vorkom⸗
men, beweifen. Als allmdlig eine beträchtiie Anzahl von
Wörtern mit dem A⸗Laute ausgeſprochen zu werben anfing, fo
ſtellte es ſich ſonderbarerweiſe heraus, daß die Namen ber Voͤl⸗
fer, die mit Frankreich in einem regen Verkehre fianden, bie
alſo häufig im Munbe bes Volks waren, biefe neue Ausſprache
erhielten, während man für biejenigen, von denen man feltener
zu reden hatte, weil bie franzöfifche Nation mit ihnen weniger
in Berührung kam, den aiten Laut oi beibehielt. So fagt man
Polonais, Hollandeis, Anglais, während es Danois, Sue-
dois u. f. w. heißt. Paris führt diefe Bemerkung, bie ihm,
fo viel wir willen, eigenthuͤmlich ift, weiter durch und belegt
fie mit den gehörigen Beiſpielen.
Was nun den neuen Band biefes intereffanten Werks ſelbſt
betrifft, fo fteht derfelbe an Reichhaltigkeit hinter ben fchon erfchies
nenen Abtheitungen nicht zurüd. Sehr wichtig für die Kenntniß
ber Manuſcripte und für bie Wibliograpbie im Allgemeinen ift
der Artitel, in welchem eine bebeutende Anzahl verftficirter Uber:
fegungen von Borthius befprochen werben, bie fich in ber reichen
Bibliothek befinden. Aber ber intereffantefte Abſchnitt bes gan-
zen Bandes ift derjenige, welcher ben Werfen der Chriſtine de
Pifau gewidmet iſt. Diefe fruchtbare Schriftftellerin aus ber
erften Hälfte des 15. Jahrhunderts, bie uns eine Menge der
verf&hiebenartigften Werke in Verfen und in Profa gelaffen hat,
verbient die Aufmertfamkeit, die ihre Paris widmet, um fo mehr,
da fie bis jegt im Allgemeinen nicht gehörig berüdjüchtigt iſt.
Bekanntlich hatte Karl V. von Frankreich ſtets mehre Aſtrolo⸗
gen und Zeichendeuter um fi, auf deren Ausfpräce ex großes
Gewicht legte. Einer von denen, die bei ihm in befonderm
Anſehen ftanden, war Thomas de Pifau, der Water ber eben
erwähnten Chriftine. Derfelbe befand fich gerabe zu Venedig,
als er feines großen Ruſes wegen eingeladen ward, fi) an ben
Hof bes Königs von Frankreich zu begeben. Er ging zuerſt
nach Bologna, wo er feine Frau und feine fünfjährige Tochter
gelaffen hatte, und Iangte mit denfelben im I. 1368 zu Paris
warb. Es dauerte nicht lange,
GBunft deö Königs, der endlich
Thomas de Pifau zu Rathe ges
haben. Umftänden warb die Erziehung
Kochter EChriſtine mit der größten Gorgfalt geleitet, ſo⸗
dab fie bald als eine Art von Wunderkind betrachtet wurbe.
Sie jpruch deei Sprachen mit gleicher Geläufigkeit und war in
der Geſchichte und ben fihönen Wiſſenſchaften wohl bewandert.
Kaum 14 Jahre alt ward fie an einen jungen Mann verheira
dem fein Verdienſt und die Kürfprache feines Schwieger⸗
vaters eine anfehnliche Stelle im Gerichtswelen verfchaffte. So
lehte fie bis zum Tode ihres Waters im liberfiuß und in ben
angenehmften Berhältniffens bald aber lernte fie die Schatten»
feiten des Lebens kennen. Nachdem ihr Vater, an dem fie mit
großer Liebe hing, n war, warb auch ihr Gatte von
einem frühen Tode hingerafft. So ſtand bie verwailte Gheis
fline in einem Alter von 35 Jahren allein, ohne Vermögen und
ohne zu wiſſen, wie fie fich felbft, ihre drei Kinder unb eine
—— Mutter ernähren ſollte. Die Noth zwang fie,
zur Feber zu greifen. Es iſt dieſer Umſtand um fo bemerkens⸗
werther, da dies das erſte Beiſpiel iſt, weiches im Mittelalter
von einem Gelehrten, der ſich mit dem Ertrage ſeiner Geiſtes⸗
producte naͤhren will, vorkommt. Indeſſen kann man ſich den⸗
ken, daß die Zeiten fuͤr den literariſchen Erwerb nicht eben guͤn⸗
fig waren, und in der That hatte die bedraͤngte Schriftſtellerin
unanfbörlih mit Noth und Elend zu kämpfen. Das einzige
Mitte, fih mit ihrer Weber einiges Gelb gu verdienen, war,
ihre Werte irgend einer vornehmen und einflußreichen Perſon
yaqueignen. Giädticherweife fand fie in Philipp dem Kühnen,
Herzog von Burgund, einen großmüthigen Beſchuͤter, welcher
das Gedicht „La mutation de la fortune”, das Ehriftine ihm
überreichte, mit Wohlwollen entgegennabm. Diefer Fuͤrſt nlaubte
in bee Verf. dieſes Gedichts ein hervorſtechendes Talent zur
hiſtoriſchen Darftellung zu finden, und er gab ihr daher den
Auftvag, das Leben des Könige Karl's V. zu fchreiben. Auf
feinen Befehl wurden die nöthigen Documente zu ihrer Vers
fügung geftellt und Ghriftine ging raſch an das Werk. Bevor
es aber noch vollendet war, flarb Philipp und ihr Loos ward
fo traurig als vorher. Mitten in dieſer bebrängten Lage nun
entfaltete fie eine erflaunenswerthe Fruchtbarkeit. Bon alle
Dem, was aus ihrer Feder gefloffen ift, verdienen ihre „Falts
et bonnes moeurs du sage roy Charles V’ befondere Aufs
mertfamleit. Diefe Buch ift in einem naiven und gefälligen
Zone abgefaßt, ben man indeffen nicht in ihren übrigen Wer:
ten, weber in denen, die in Verſen, noch in.den profaifchen fus
hen muß. Der größte Theil derfelben ift nämlich in einem ver:
worrenen, fchleppenden und geziexten Stile gefchrieben, ber um
fo unerträglicher wird, weil man die Adfichtlichkeit fieht, mit
der die Verf. ihre Säge dem Lateinifchen Periodenbau anzupafs
fen frebt. In diefer Beziehung reiht fi Chriſtine de Piſau
eng an die pebantifche Schute an, bie im 15. Jahrhundert und
namentlich in der zweiten Hälfte beffelben in die einfache und
naive frangöfifche Profa ben Numerus und ben Prunf der latei⸗
niſchen Satzbildung einzuführen ſuchte. Gluͤcklicherweiſe konnten
ſich dieſe ohnmaͤchtigen Verſuche einer pedantiſchen Gelehrſam⸗
keit nicht lange halten. Sie ſcheiterten ebenſo wie ein Jahr⸗
hundert ſpaͤter die Bemuͤhungen Ronſard's und deſſen Schule,
die Alles nach griechiſchem Muſter zuftugen wollte — am geſun⸗
den Sinn der großen Menge. 6.
Literariſche Notizen aus Frankreich.
Hippologiſche Literatur.
Die große Pferdeliebhaberei, die von England aus den
Kanal uͤberſchritten hat und die ſich immer mehr in Frankreich
ausbreitet, zeigt ſich in der Eiteratur auf doppelte Art. Ein⸗
mal nämlidy werben ſolche Bücher, die ber bloßen Abfpieges
lung des alltäglichen Lebens gewibmet find und daher auf den
Ton und die Zarbe der Gefellfchaft Rüdficht nehmen muͤſſen,
.V’ouvrage de M. le eomte Savary
fo von hippologifcgen Kunftausbsäcden geſpickt, daß man, um
diefen Jargon zu verfiehen, immer bad englifche Lexikon zur
Band haben muß; dann aber nimmt die Zahl der ber ebein
Pferdezucht und Beftätwiffenfchaft getwibmeten Schriften fo über:
band, daß man noch gar nicht abſehen kann, wo fidy bie Yıut
biefer Literatur aufhalten wird. Das Merl des erften Bereiters
von Franconi, Baucher, das jeht auch ins Deutfche äberfeut ift,
wollen wir weniger um feines theoretiſchen Gehalts willen, ben
wir nicht zu wärbigen verftehen, ats der Merkwuͤrdigkelt wegen
angeführt haben, weil der Berf., bem man, wie er fagt, es übel
ausgelegt babe, daß er, der Begründer. eines neuen Reitſyſtens,
feine Künfte im Branconffdgen Gircus für Geld zeige, ſich te
mit Shakſpeare und Molitre vergleicht, die ja auch in ihren
eigenen Stuͤcken aufgetreten wären. Diefe Schrift, die bereits
ihre vierte Auflage erlebt hat, iſt von mandyen Selten ange
griffen sworben. Unter den MBrofchüren, bie fie hervorgerufen
bat, erwähnen wir bes „‚Iuixamen da systeme Baucher et de son
application A notre cavalerie, avec guelques observations sur
e Lancosne-Breves”, von
ecormee. Wir wollen gleich noch ein paar andere hippologifche
riften, bie vor kurzem in Frankreich erſchienen find, erwähnen,
da es vielleicht für &Kebhaber von Intereſſe it, dieſelben Eennen
zu lernen. Es find dies der „Abrege d’hippologie”, von
E. Laborbe; „Traité de l’exterieur du cheval’, von %. Lecog;
„TraitE de l’&quitation sur des bases geometriques”, von
Parifotz endli die „Considerations generales sur l’ame-
lioration des chevaux en France”, von R. Bamont. Der
Berf. der zulegt genannten Brofchäre war, wenn wir nicht irren,
14 Jahre Borfteher eines der erſten Geſtuͤte von Mohammed⸗
Ati, und hat fi) durch feine vor kurzem erſchienene Schrift,
„L’Egypte sous Mehdmet-Ali’” (2 Bbe.), deren wir in d. Bi.
gedacht haben, bekannt gemalt.
Gedichte über die Jungfrau von Drieans.
Der „Augsburger Zeitung‘ warb vor einiger Zeit bei Ges
legenheit der Enthuͤllung des Denkmals für die Zungfrau von
Drleans aus Lothringen berichtet, daß wir binnen kurzem eine
Zragddie zu erhalten hätten, bie zum erften Male die Gefchichte
diefes Heldenmaͤdchens würdig barftellen würde. Allerdings bat
auch nicht ein einziger der feanzöflichen Dichter, die dieſen
nationalen Gegenſtand bebanbelt haben, bis jest unferm Schiller
bie Palme ftreitig machen können. Und body treten Jahr aus
Jahr ein eine Menge Bewerber um biefen Preis auf. In
biefem Jahre allein find ſchon zwei Dichtungen, bie bem Leben
ber Jungfrau von Orleans gewidmet find, im Oruck erfchienen.
Es find dies: „Jeanne d’Arc, un poöme en six chantes“, von
5. Amand de Gournay, und „Jeanne d’Arc, poäme national
en 18 chants“, von A. 2. Jacquet, aber weder das eine noch
das andere biefer Gedichte verdient Beachtung. Bon den übrigen
franzöfifchen Dichtungen, die das Leben ber beidenmüthigen
Zohanna behandeln, find uns unter benen, die in ben legten
Jahren erichienen find, zunaͤchſt eine „Jeanne d’Arc’” von
Mad. de ***, die 1828 gedruckt ift, und deren zweite Auflage
die Gräfin von Choifeul, geb. Prinzeffin von Bauffremont als
Berf. angibt, und dann ein anderes gleichnamiges epiſches Ge⸗
dicht in 10 Geſaͤngen von A. Bonvalot befannt, das im 3. 1837
berausgelommen ift.
Bei diefer Gelegenheit wollen wir auch anführen, daß
ber vor kurzem geftorbene franzöftfdge Generalconful zu Alexan⸗
drien, Gautier v’Arc, aus ber Familie der Jungfrau von
Drieans flammte. Cr war früher feiner Kenntniß der orien«
talifchen Sprachen wegen in der „Ecole des langues orien-
tales vivantes’” zu Paris angeftellt, und kam bann nad Bar:
celona als Confut, von wo aus er nad) Alerandrien verſetzt
ward. In ber Eiteratur hat er fi) namentlich duch feine ins
tereffanten Reifeberichte aus Griechenland und der Levante, die
vor mehren Jahren die „Revue des deux mondes“ mittheilte,
fowie durch eine Geſchichte der Einfälle der Rormannen in Saͤd⸗
italien, Spanien u. ſ. w. rühmlich befannt gemadht. 2.
Verantwortliher Herausgeber: Heinrih Broddaus. — Drud und Verlag von J. A. Brochaus in Leipzig.
Blätter
für
GB
literarifge Unterhaltung.
—
— —
UÜberficht der neueſten poetiſchen iteratur.
3weiter Artikel. )
39. Gebichte von Karl Friedrich Heinrich Straß. (Ott
von Deppen.) Leipzig, Brodhaus. 1842. Br. 8. 1 Thlr.
Wenn der uns fehon Längft vortheilhaft bekannte Sänger
diefer 237 Lieder in deren erften Rummer „Die Quelle meiner
Lieber ſich alfo vernehmen läßt:
Nicht feil für Gold iſt mein Befang,
SH finge, wenn bed Herzens Drang
Gedanken ſchafſt zum Liebe,
Und wenn ed flammt au6 tiefſter Brufl,
So muß es fein, als ob bie Luſt .
Aub jedem Worte ficht.
Kit wäg’ ih dann nah Maß und Badl,
Nicht fuͤhr ih mehr des Reimes Dual,
Es fügt ſich ungefirebt!
Und kraͤftig, wie aus einem Buß,
In freier Rede ſchnellem Fluß,
Wird dann mein Lieb belebt!
Nur muß dad Herz fein übervol,
Ein Quell, der aus den Ufern ſchwoll, -
Den nichtd mehr hemmt und Hält!
Dann reift’ mich fort, wie Windeswehn,
IH kann nicht fliehn, nit wiberfiehn,
Das Lied wird meine Welt!
fo ſpricht er darin nicht nur feine geiftige Individualität und
tüchtige Gefianung aus, fondern rechtfertigt auch volllommen
feinen Beruf zum Dichten; denn, in weſſen Innenmwelt das vor⸗
geht, und wer fo Lieder machen muß, ber if ein Dichter, und
bebarf einer Rechtfertigung wegen der Veroͤffentlichung feiner
Gebichte, wie wir fie in der etwas zu langen und Deterogenes
einmifchenden Vorrede leſen, durchaus nicht. Hat er fie body
über ben Horaz'ſchen Zeitraum von neun Jahren zögernd in
feines Pults Verſchluß gehalten! Überfchägt er doch ihren aͤſthe⸗
tiſchen Werth nicht mit vaͤterlicher Affenliebe! Fuͤhit er doch
ſeibſt, daß ſie, wie alles Menſchenwerk, an Maͤngein und Un⸗
vollfommenbeiten laboriren! Sie find nicht rubricirt nach der
Zeit ihrer Erſcheinung oder der Verfchiedenpeit ihrer Themen,
fondern er gibt fie in bunter Reihe, und fie feiern, ohne Boms
baft, Schwurft, Dunkelheit oder politifchen Fanatismus, bald die
Zeit und das Vaterland, bald den Krieg und die Natur, bald
die Liebe und ben Wein, bald das Heilige. Alles ift leicht hins
gehaucht und bekundet, bis auf Stachelvers und Charade, eine
antennenswerthe Bielfeitigkeit und innere Beweglichkeit.
Bor Allem tritt ein poetifch:politifcher Charakter bier hervor,
Der Verf. ift mit ganzer Seele ein Preuße, und kuͤndet überall als
folder feine Baterlandsliebe. Gr ift aber auch ein Deutſcher
Y Be. den etſten Artikel in Nr. 19-115. DB. D. Red.
Donnerstag, — Kr 208 —
und bat feinem Wolfe eine genmice Anzahl von Liedern geweipt,
unter denen wir das an „Zolepb 11.” (S 52), „An die Deutfchen‘“
(G. 13), zwi: „An mein Baterland" (&. 15, &.58), „Krieges
lied" ( S. 70), „Das beutfche Oa ira” (&. 340), nebft dem folgendem
„An die Franzoſen“ auszeichnen möchten. Da Poefie und Por
litik, nachdem fie feit einigen Jahren ſchon miteinander gelieb⸗
dugett, in neuefler Beit den Bund der Derzen gefchlofien haben,
fo laͤßt ſich dieſen Liedern, welche vernünftige Reformen und
tgemäßen Fortfchritt predigen, und fidy namentlich für ſtaͤndi⸗
che Verfaſſung erklären, ein gluͤckliches Prognoſtikon hinſichttich
ihrer Aufnahme beim Publicum ſtellen. Stoͤrend ſind die des
Verf. Anſicht erläuternden Noten unter biefen Gedichten, und
wenn ſechs Lieber für Deutfche, die viele Gebanten und manche
Stellen gemein haben, gegen. das Ende der Sammlung mitger
theitt worben, fo ift das eine Zautologie, die ſchwer zu rechtfer-
tigen iſt. „Die Donardie” (S. 154) ift kaum noch Poefte gu
nennen, und in „Die Gonftitution” (©. 264) klingt ein bipie-
matifher Ton hervor. Ruͤhmen müflen wir bagegen die Frei⸗
muͤthigkeit, mit welcher der Sänger feine Anſichten über Lebens⸗
formen, SInftitute und 3eitbegebenbeiten ausfpridt. Man febe
(&. 24), wo er feine Anſicht über Gchulbilbung der Jetztweit,
für das Reale fich entſcheidend, darlegt, ober ,, Preßfreiheit
(S. 242), wo er volle Freiheit der Preffe bei firengen Gefegen
wünfcht, aber Preßfrechheit verwirft. Furchtlos, unparteiifch und
unerfchroden zieht er zu Felde gegen ben mobernen Pietisinuk;,
gegen den Papft und bie Umtriebe der Roͤmlinge Man Iefe
©. 5 und ©. 20; den Genius zu jeder Zeit und in jeder
Perfönlichkeit anerfennend, ſpricht er feine Verehrung gegen
Napoteon (©. 31 fg.) unummunden aus. Won ähnlicher Gefin⸗
nung zeugt auch das Lied „Bei Griechenlands wahrſcheinlichem
Untergange” (©. 108). Dabei offenbart fidy ein frommer Sinn
in der Überfegung einiger David'ſcher Pfalmen, und bie ireni⸗
fhen Worte „An meine Landsleute” (©. 69 und &. 107) ber
tunden feinen Naturfinn. Themen, die einen allgemein Igrifchen
Charakter haben, Liebe, Schönheit, Wein, Fruͤhling, athmen,
ohne eben Neues und DOriginelles zu bringen, body Gemuͤthlich⸗
teit und Grazie und find fo fangbar, daß Mantius vielen eine
Melodie untergelegt hat, und unter biefen tritt als allgemein
beliebt hervor: „Ich habe zwei Sterne, zwei Sterne gefehen‘ x.
Daß (8. 162) au der „Cotillon“ gepriefen wird, mag ben
diefe Gebichte Lefenden Damen lieber fein als den grämlichen
Keitilern. Die Lieder, welche den Wein preifen, bewegen ſich
freitich in ziemlich ausgefahrenen Gleiſen auf allbelannten Heer⸗
ſtraßen; aber fie find friſch und riechen nicht nach der Öllampe
des Gtubirzimmere. Das ift freitich ein Verſtoß gegen das
feinere Gefühl, daß er die gefuͤllten Becher eine Hauptrolle in
feinen Weihnachtéliedern fpielen laͤßt; denn nach diefen Liebern
ſcheint es in der That, als ob der Liebe Gott blos darum ſei⸗
nen Sohn in bie Welt gefandt habe, damit bie Leute bei biefer
freudigen Veranlanlafiung brav zechen können. In einigen
Nummern kommen die Berliner, des Verf. Landsleute, ſchlecht
weg. S. 198 gibt er ihnen. den guten Rath:
884
Left doch Eure Hegelei,
Cuer Tholudizen !
Soll man ob der Narretbei
Nicht ſcandaliſiren ?
Lafft den theuern Hengſtenberg
Hab bie edeln Mucker!
Ku ſein evangeif Merk
Iſt für arme Scäluder.
Lafft den übertrieb’nen Dang
Sum Iheater = Wefen !
Wahrli wol zu befierm Drang
Str Ihr Tusertefen.
Jort Die Pieliften : Zunft,
Die tn Rebdeln brütet!
Heilig fei Sub die Vernunft
GStets und rein dehätet.
Noch Ichlimmer gebt es ihnen in ber jovialen Buß⸗ Gtrafs
und Gontroversprebigt, „Das verkehrte — in Knuͤttelverfen
und im Geiſt und Ton der Schiller'ſchen Kap en in
„Wallenſtein“ abgefaßt, die, 20 Biattfeiten lang, 1
in wenigen Wochen drei Auflagen eriebte und vier bie a &:
gengebi hervorrief. Hier trifft die Geißel ur ©atire oft
den „ehten Be fowie auch Nr. 196, wo Heine, ber Goͤttliche,
nen aber ftechenden Daktylen gegeißelt wirb.
a enden wir no, daß, wenn wir „Das wunder
tätige Marienbiid” (&. 28, das aber mehr Anekdoton ale Ro
manze if), „Des Fiſchers Veib⸗ (&. 99), und „Das Mädchen
non Verena” (©, 120) -ausnehmen, der Verf. das epiſche Ge⸗
bist zu betreten vermeidet; und er thut wohl daran, bie Richtung
feines Geiſtes ift rein fubjectiv. Gewiß fühlt ber wadere Verf.
die Mahrheit des Rouſſeau'ſchen Wortes: „On ne sort point
impussment de son natural.’
. —— or az Hormwig. Bertin, Leſe⸗
cabinet.
Es if ie —8* Bad pi Licht und Klarheit in der
** Beides fehlt vori Gedichten. Wan Hört in ihr
its nur bie Klage um die Ohnmacht, das "Leben
— aus feinen Symptomen zu erkennen, ober bie Beflgnation,
Se es außgibt, das dunkle Räthfel zu Idfen. S. 48 nennt der
bad Menſchenleben einen langen Waben, und ben Men:
—* einen wirren Knoten und ſchließt:
Gin oN Geweb' mit neuen Faͤden,
Und neue Fäden alt an Brud; |
Bertagteb Sinnen — neue Reden,
Do ungelöter Raͤthſelſpruch.
u kommt, daß das einleitendbe Gedicht, wo von einem
großen Wort in einem geheimnißvollen Alphabet die Rede ift,
im Leſer die Erwartung wedt, er werbe erfahren, was Wiens
ſchenleben und Menfchenherz fei, daß aber weber in den groͤß⸗
tentheitd erotifchen Gaben ber erften Abtheilung, noch in ben
Briedensmanifeften, wie Dr. Horwit bie zweite Abtheilung bes
titelt, noch in den Wallfahrten biefer Erwartung Genüge ge:
teiftet wird. Biel Geſchrei und wenig Wolle. Auch in
übrigens wohlgerathenen Überfegungen aus Vordsworth, ano
mas Moore, Bictor Hugo und aus den Pfalmen finden wir
keinen leitenben Faden, der uns aus dem dunkeln Labyrinthe
leitet; natuͤrlich, daß das Ganze den Leſer in eine unbehagl
Stimmung verſehzt. Wer wandelt gern in nächttidier Stunde
im —** und eht das Tageslicht nicht anbrechen?
31. Ballaben und BRomanyen Dos von wolfgang Müller. Duͤſ⸗
feldeef, Schreiner Ihe.
Über Dichterberuf und — dieſes jungen rhei⸗
— ee bat fig Ref. bei Belegenheit der von ihm uns
n zanunge Leiden ’ agratusgegebenen lyriſchen Ge⸗
Sn in me. a Bi. f. 1842 ausgeiprochen. Wir Tin
en deshalb 5 ry fein. Der Geiſt eines Dichters bieibt
Derfeibe, er mag es Tekiectio barflellen, ober eine objectine Ride
tung nehmen; inbeffen if es doch etwas Anderes, dad ſchen in
der Seele Vorhandene in Wort und Klang verwandelt baryus
Mel, ats einen außentiegenden, g n er, * — u
Wahrheit gemäß zu behandeln, da ſelbſt f
Schwierigkeiten, wo ber Dichter ſich feinen I ſelbſt (haft;
denn man verlangt von ihm Umbil ⸗ohne dep er
ber Natur und Wahrheit Eintrag thut. Woifgeng —*
ler — dieſes Urtheil laͤßt ſich im — über ihn faͤllen —
ſticht das Epiſche gegen das egeiiche gehalten nicht unvortheils
baft von demielben ab, und wirb er auch mehr als Sänger in
vorherrſchender Gubjectivität wie als piaſtiſcher Sildner dem
Yublicum gefallen, fo verbienen
epiſche Beftrebungen
und Leiftungen doch unfere Theilnahme und Beachtung, unb wir
können Folgendes zu ihrer Empfehlung fagen. Dex Balladenton
iſt überall getroffen. Das Meifte offenbart ee Prägnanı.
Die wennſchon eiten originell wid, it ſtets edel,
rein, würbig. Die in der letzten ber vier Abtheilungen des
Buche gegebenen Überfegungen aus Burns’, Byson’s, MB. Scott's
und Landon's Gedichten find wohl gelungen, und unter ben
„Deutſchen Sagen‘ und „Bermifchten Balladen” find vier Num⸗
men, bie wie als Juwele ber Sammlung betvadten Ehnnen,
und die auch von ihm feibft erfunden find: — Pt
(6. 40), „MWolfdietrich’e Bupe“ 8 45), „Naͤchtlich⸗ een
nung zu Gpeier” (©. 53), ‚, Schönfter Tod’ (8. 64).
e en zunaͤchſt ſtehen ihrem —XR Werthe nach Altmahr⸗
©. 3), „kud win bes Eifernen Mauer” (S. 19), „Sobonn von
me (S. 28),
), „Der Mönch von —*8 (©. 28), „Das
rald“ (8. 59),
ſchlacht“ (S. 83), und „
ſich aud viele Fe ——
machen. ffe eigener Wahl und Wlidung an⸗
langt, fo 3 ſich nicht behaupten, daß der Verf. eine gluͤck⸗
liche Srfindungsgabe habe. Unter denen son nmicht eigener Er⸗
findung aber find viele von Anbern bereits bearbeitet, atſo ſchon da
gewefen. „Das Grab bes Volks“ (©. 76) hat eine ſehr ergreifende
ointe, aber die Anlage und Behandumg iſt — ungeſchickt.
berhaupt zeigt sielee und das vorhergehende Gedicht, „Der
Guaranne“ (6. 73), daß unfer Dichter für Derartige Stoffe
kein Ereiligrarh if. Mitunter macht er einen Disgriff in der
Sprache, wo biefe recht einfach fein — Man vergleiche in
„Wikher““ (S. 3M, wie denn das ganze Gedicht weit unter dem
ihm fehr aͤhnlichen von Upland „Schwaͤbiſche Kunde” flieht. In
der Ueberſegung bes Byron’fchen ‚Gefangenen von Ghillon‘
(8. 141), noch augenfälliger in „Sinevre (&. 157), gibt es
mancherlei an e Scherſaligkeuen, die mb betalllicen ber
Raum nicht 4 wird er ver Gonfruction
undeutfch. ”.. in sen Jungen —X “ erlaubt ſich der
Verf. auch Hier die falfche Dreffungen Meerd (©. 167),
unb „ie auffallend (©. ) Könige. Ob die Mkeinflellung
in Gedichten S. 73, 76 und 97 gefallen mag, hebt
abe Endlich ift an w fonft von der Werlagsbhandbtung
out ausgeftattete Buch micht vein von ftörenden Druckfeh⸗
. As Reſultat unferer Durchſicht fällen wie das Mrtheil:
Wolfgang Mäller fbeht als kyriker Höher denn als Gpiler.
32. Lieder eines Einſtebdkers. Von 5. W. Nolte. Leipzig,
Brockhaus. 1842. 8. 16 Nor.
Diefer Einflebiee iſt kein Anacdhoret, der, im haͤrenen Ge⸗
wanbe, umgürtet mit dem Strick ber Geißel, mit der Weit
zerfallen, in finfterer, rauher Ode lebt, fondern, wie die Bor⸗
rede zu verftehen gibt, ein fühlender Menſch der fi) blos des⸗
halb aus dem Geräufch gezogen, weil er teln mit ibm ſympo⸗
tbifirendes Wefen in der lauten Menge finden Eonnte, und nun
dieſes Gefühl der Einſamkeit in Werfen, in zwei Abtheilungen,
auf 105 Seiten aueſpricht. Diefe Berfe nun, bie größtentheils
Liebe zum Thema haben, und häufig in kurzen Metren abgefaßt
find, laſſen viel — richt viel zu wuͤnſchen übrig, und fie ers
werden — wir müflen der Wahrheit bie Ehre geben — ben
Wunſch, daß ber Ginfiebler das Gelübbe des Shweigens abges
Iegt, und fi an den Erguͤſſen des eigenen Eiche bebürfenden
4 Gr. .
gr
Mir derfelben Freude, mit welcher wir biefen geiftreichen,
"Gänge auf vom Fruditfeise dee Tlffenfpaft ion fr
wedsen
ben, degraͤßen wir bier im Biumengasten ber Poeſie.
ch in dem auf das feinfte Velin gedrudten unb mit
einem Luxus Außertich ausgeflatteten Buch in geößter
Drtavform weder eine Busignung aa Salomon Voͤgrlin ei
eine Vorrede, noch einen Epilog, noch erlaͤuternde Roten, n
eine Rubricirung nad Werichiebenhrit ber behandelten Gtoffe.
Der Berf. ſcheiat damit fagen zu wollen: „Da bin ich; nehmt
mich bin, wie ich eben bin in Manier und Kleid.” Ze ber
hat lobt ſich bie Waare von ſelbſt, und guter Wein bedarf
keines Kr Aubriciren und claffificiren laſſen ſich uͤberdies
dieſe Lieder nicht; denn wenn wir bie orientaliſche Erzaͤhlung
(S. 374), nach einem Salomoniſchen Ausſpruche gedichtet, und
„Di (S. ri “ar Velen —ãS
lung, ausnehmen, fo findet nichts Epiſches. enfo wen
ift Das Erotiſche, ober das Elegiſche, oder das Religidfe, oder
das Phantaſtiſche vorherrſchend. Der Charakter bdiefer rein
Igrifchen Gebichte, von benen viele nur aus vier kurzgemeſſenen
Reimzeilen befichen, if Wis, Scharffinn, Ginnigkeit. Daher
haben nicht wenige in ben erflen drei Büchern ein epigrammas
tiſches Moment, welches Aur da die Wirkung auf den Leſer ver⸗
fehlt, wo dee Dichter den Gedanken mit keinem ihm ganz ent»
ſprechenden Wilde ausgeftattet, und wo der Sinn erſt errathen
werden muß. In der Außern Anorbnung und Reihenfolge hat
der Derausgeber eine Steigerung ihres äfthetifchen Werths bes
obadıtet, ſodaß man immer Beſſeres findet, je länger man lieſt.
Die erften drei Bücher bringen faſt ausſchließlich Erzeugniſſe
des Wipes und Scharffinns, und dies geht bis auf die finnreis
den Überfägriften, die von Andern fo oft jegt vernachiäffigt
werden; „DB. „Atra cura”; „SrühlingssKalligraphie”; „Et ab
hoe, et ab hac, et ab illa”; „Dpferrauch” und mehre andere. Die
Mitte des Buchs enthält „LXX Lieder aus dem Brautſtande“,
in denen natürlidh die Empfindung vorberrfcht, die aber nur
nad) des Verf. eigenem Urtheile höher ftehen Tönnen als die der
drei Bücher; fie find tautoiogiſch und viele wiederholen
benfelben Gedanken, der uns in Ar. 27 und 32 gegeben wird.
Aber das fünfte Buch enthält das Geblegenfte, und das letzte
Gedicht „Reujahrsnacht ” bildet einen würdigen Schlußftein des
ganzen wohnlidyen und zierlichen Gebaͤudes.
Nach dieſem allgemeinen Urtbeil erlauben wir uns ein bes
fonberes in Bezug auf eingelne Rummern, wie es fich bei ber
ungeſucht ergab. Ausgezeichnet find: „übe bin id’
(8.13); „Aufbem Kirchhofe⸗ (&. 14); „Raum genug“ (©. 19);
bimmelbhody” (&. 42); „Rad Retſchati (&.68), alfo lautenb:
„Lerne von ber Mufchel, Kind, felten deine Lippen rühren, Und du
wich wie fie im Mund einen Schatz von Perlen führen”; „Brau
Kratefuß (©. N) body ift es mehr Idee als Ausführung;
„Ab und auf” (& Si); „Halte Stand” (©. 87); „„Dalte Stand”
(S. 88); „Stoff und Form“ (8.110), alfo tautend:
Sei nur auf rechten Stoff bedacht:
Das Anbre magſt du laffen;
Der ſchafft fi ſelber über Nacht
Die Kleider, bie ibm paflen.
Haſft du von Faͤfſern nie gehört,
Vergrabuen, längft vergeßnen ?
Die Dauben hatten fich zerſtoͤrt,
Die forgtih abgemeßnen,
Unb dennoch war vom «deln Wein
Aein Sropfen drum verloren ı
@r hatte feiber ſich von Etein
Gin neueb Vaß geboren.
?
‚u Waipnechten”‘ (@. DE), doch nur bee Anfangs „Mas fu
bu mehr als was bu bit, gu feine” (@. 113); „Die ie
Much" G. 1283); faſt alle „‚Butenbergesliedes” (@. M
„Des Ehriſtbaum“ (S. 315); „„Bornungswetter” (&. 340) Ein
ironiſches Wort auf bie Weinſtudien frommer füche
©. 133. Gin Anklang an politiſche Poeſte gibt « fiunreidh
Wir hofften viel Naturgemaͤlde zu
» Der Storch“ (S. 137).
finden, aber nach Verhältniß laͤßt fich Hier eime geringe Aus
beute machen. Schönes in dieſem Genre bietet inbeflen daB
» uptingelied r Ge u —* EN au einen A a
wuͤrdig an es ſchli „Die Rigit „ .#
„ Muottathal” (&. 258) und ‚Bier tiefe“ (8. 259).
„Gettes Wort” (©. 328) erinwert an das Gchönfte der Axt
aus der Pocfie des 17. Jahrhunderts. Wie fromm und in wel»
dem echt bibliſchen Gewande erfcheint das „MWeihnadhtätieb
(©. 347), wie denn überhaupt gegen den Schiuß der Gamm-
lung ein frommer Athen durch das Ganze weht, und die Ber
bandlung der biblifchen Texte überall gelungen if. Zur Probe,
wie gewandt des Dichter mit der Sprache umzugehen weiß, wie
plaftifch fein Pinfel, wie warm fein Gefühl, wie frisch feine
Phantafte ift, wählen wir „Das Abendopfer” (S. 266):
Es kniet der Berg, der alte Rieſe,
Ein Foͤhrenhain fein wallend Dear,
Sein Mantel eine gruͤne Wiefe,
Er Eniet als Prieſter und Altar,
Und bringt mit FEIN gefaltnen Händen
Bon Wief und Wald und Feld bie Spenden,
Dem Deren dad Abendopfer bar.
Und fieh! in feinem fhönften Straple
SR au der Moend daher gelenkt,
Und bat als goldenrotde Schale
Dem Prieſter fih aufs Haupt geſenkt;
Sie ſchwebt und ſtrahlt vom Glauz der Sonnen,
Und ſtrahlt vom Glanz der Erdenwonnen,
Und tropft, vom Erdenweh getraͤnkt.
Der Prieſfter kalet, und Biumenbäfte
Sind feines Opfers füher Raub;
Und wie im Schatten feiner Hüfte,
So !nien auch wir und beiten au
Und opfern, während rings von Keryen
Der Himmel flammt, aus vollem -Derzen
Sebeteöduft und Liederhauch.
(Die Kortfegung folgt.)
Ein tritifher Johann Ballhorn.
Eine Eöftticyere Ballhorniade laͤßt fich micht denken, alß ung
der zweite Band des ‚Foreign and colonial quarterly review”
von biefem Jahre bringt. Archer Gurney bat ben zweiten
Theil des „Kauft überfeht.”) Das „Westminster review’’ ta-
beit diefe Überfegung unb bringt Beweiſe. Gleich die erften
Worte Ariel's:
Bean der Wiäten Yräßlingdregen
Über Alle ſchwebend finkt u. f. w.
paraphrafiet die Überfegung wie folgt:
When o’er the landscape eherming sprieg
Weeps 'mid her smiles in gentle showers eis.
wogegen ber Recenfent mit Recht bemerkt, von einem Fraͤhlinge⸗
regen, von Regenwaſſer (wodurch ſich der lberfeger auf feine
„Thraͤnen unter Laͤcheln“ habe bringen laſſen) fei gar wicht bie
Rede, fondern ber Vers befage: When the spring-shower of
blossoms, over all things hovering, sinks (Wenn der Fruͤh⸗
lingöregen ber Blüten, der Aber Allem fchevebt, nieberfint).
Hier irrt der Recenfent allerdings in der Auffaffung des über
Ale ſchwebend u. f. w.“, denn „Alle iſt nicht „Alles und
*) Bgl. eine Mittheilung hierüber in Me, 157 und 158 d. BI.
D. Red.
des „Binkens”, has Siuken der Mih- ı
Iwebenb”' it Beiwort
ten ik ein 3 Sinken. Aber man hoͤre, wie eine
Antikritik des ‚Foreign review‘ ſich über bie Kritik des „„West-
miaster” luſtig macht. „Fruͤhlingeregen bebeutet allerdings
Regen im Fruͤhling“, fagt biefer neue Ballhorn; „alle if ein
Adſectlvpronomen, welches fih auf Blüten bezieht, und ber
&un if: ‚Wenn der Frühlingsregen ſchwebend auf alle Bluͤ⸗
ten finlt‘ (When the spring-shower sinks hovering on all
the blossoms), denn ber Frühling läßt doch nicht WI aus
ben Wolfen regnen, fonbern treibt dieſe vielmehr von unten.
aus der Erbe hervor, und noch weniger läßt er fie auf Allee
regnen.“ D weiſer Fichter! An upright judge, a learned
judge! A second Daniel iA Kein 9 f ioeifer arte! Lig
ud laͤßt ber hing nicht en aus den Wolken regnen,
* * von * Bäumen; freilich laͤßt er feinen Bluͤtenregen
nicht auf Alles fallen, aber doch auf Alle, d. h. auf alle Men⸗
ſchen, b. b. nun wicber nicht auf alle Menſchen ohne Ausnahme
ser Zahl nad, aber auf alle Menſchen ohne Unterfchied der
Derfon, auf Gute, wie auf Böfe. Die Elfen find Allen freund⸗
lich; „ob er heilig? ob er böfe? jammert fie der Ungluͤcks⸗
mann” — heißt es gleich darauf in Ariel's Geſang.
Weiter zu den Berfen:
Eiöpelt leiſe fäßen Frieden,
Wiegt bad Herz in Kindedrud u. ſ. w.
bemerkt der Antikritiker: diefe Gonftruction könne auf zwiefadhe
Art verftanden werden, naͤmtich entweber fo, daß man „liöpelt”
und „wiegt als dritte Perfon der Ginheit fafle, und als Sub:
ject dazu das vorhergegangene Wort „Dämmerung’’ nehme,
oder aber fo, daß man es al® zweite Perfon ber Mehrheit und
als Anrede an die Elfen nehme. Wie man es nun nehmen
wolle, das fei Geſchmackſache. Nein, mein wertber Herr!
das ift nicht Geſchmackſache, fondern wenn Sie deutſch verftän-
den, fo wärben Sie wiſſen, baß beide Formen an der betrefs
fenden Stelle nur und allein als zweite Perfon in der Mehr:
beit zu verſtehen find; denn der Sinn ifl: „In ber Daͤmmer⸗
ſtunde (weiche die vier erſten Verſe maleriſch umfchreiben) lispelt,
ihr Elfen, Frieden in das Herz dieſes Muͤden u. f. w.!‘’ Und
wenn Sie zum Schluſſe dem „Westminster” den wohlgemeinten
Rath geben: not to meddie with foreign tongues, fo laſſen
Ste fi Daffelbe gerathen fein. 48,
@ibliographie. .
Bel, J., Leitfaden beim erften Unterrichte in der Geſchichte
in vorzugsiveife biographiſcher Behandlung. te durchaus verbef:
ferte und vermehrte Ausgabe. Karlsruhe, Braun. Gr. 8. 10 Ror.
| Bilder aus dem Leben. Lecture für Schule und Haus auf
feftliche DIahreszeiten. Bon bem Verfaſſer der „Beatushoͤhle“.
Mit einem Stahlſtich nach Originalzeichnung von J. Leudner.
Regensburg, Manz 8. I1Y, Rar.
Bretfhneider, K. G., Die religiöfe Glaubenslehre
nad) der Vernunft ‘und der Offenbarung für denkende Lefer dar⸗
geftellt. Halle, Schwetfchle und Sohn. Gr.8. 1 Thlr. 26%, Nor.
Saricaturen und Sithouetten des neunzehnten Jahrhunderts.
om Berfaffer des „Mefiftofeles”. Ifte Sammlung. Coesfeld,
efe. 8. 15 Nor.
Davis, I. %, China, oder allgemeine Befchreibung ber
Eitten und Gebräuche, der Regierungs⸗Verfaſſung, ber Se:
fege, Religion, Wiſſenſchaften, Literatur, Naturerzeugniſſe,
nf, Fabriken und des Handels ber Chineſen. Deutſch von
8. Weſenfeld. 2te Ausgabe. Nebſt einem‘ Supplement:
bande, die Nachrichten über die neueſten Vorfaͤlle, Entdeckun⸗
gen und Fortſchritte der Chineſen enthaltend. Iſter The...
Magdeburg, Kaldenberg und Comp. Gr. 8. 1 Xhir 7Y, Ner.
Deeg, I. G., Gedichte. Stuttgart, Brandt. 8. 2 Tphlr.
Deutinger, P. M., Grundlinien einer pofitiven Philos
fophie, als vorläufiger Verſuch einer Zurudführung ‚aller Theile
der Philoſophie auf chriftiiche PYrincipien. After Theil: bie Pro:
pädeutil. Regensburg, Manz. Gr. 8. 15 Nor.
Dreves, E., Sthachte Lieder. Hamburg, Böbecker 6.
1 Thir. 10 Rer. j
und Gueichheit! ober bat bie oberſte Gewalt ihre
Quelle im Bottle? Im Hinblid auf unfere vefigiöfen und poli⸗
tiſchen Berhaͤltniſſe, und insbefonbere auf die Beftrebungen eines
Ruge, Bruno Bauer, Herwegh und anberer Giteidhgefianten.
at Auflage. Düffelthat, Verlag der Rettungss Anflat. 1.8.
r
% .
Gerstner, F. A. Ritter v., Die innern Commusics-
tionen der Vereinigten Staaten von Nordamerika. Nach
des Verfassers Tode aufgesetzt, redigirt und hera
von L. Klein. Ner Band. Mit 19 Tafeln Zeichnungen.
Wien, Förster’s artistische Anstalt. Gr. 4. Beide Bände
13 Thlr. 10 Ngr.
Die Kirche in unferer Zeit. Gin Wort an Geiſtliche uns
Laien. Duͤſſelthal, Werlag der Rettungss Anftatt. 8. 10 Nor.
Kösılin, K. R., Der Lehrbegriff des Evangeliums
und der Briefe Johannis und die verwandten neutestament-
lichen Lehrbegriffe. Berlin, Bethge. Gr.8, 1 Thir. 25 Ner.
Krüger, E., Überficht der Heutigen plattbeutfchen Sprack.
Emden, 9. Woortmann jun. ®r. 8. 10 Nor.
Kurg, H., Schiller's Heimatjahre. Vaterlaͤnbiſcher or
man. Drei Theile. Btuttgart, Grand. 8. 6 Thlr.
Lessing, C. F., Vollständiger Beweis 1) dass wir
bis jetzt noch kein verständiges System der Philosophie ge-
habt haben, und 2) die modernen Philusophien von Kant
bis Hegel Phantasien, nicht aber Wissenschaften sind. ?ier
' Band. Breslau, Grass, Barth und Comp. Gr. 8. 3 Ner.
Riesberg, ©., Gebihte. Dsnabräd. 8. 20 Rear.
Rüder, 8. A., Über die Ernaͤhrung des Pflanzen und
bie Statik des Landbaues, in Bezug auf bie gekrönte Preis:
fhrift des Dr. Hlubeck. Leipzig, Beter. Gr. 8. 10 Nor.
Rupp, J., Dee Symbolzwang und bie proteftantifche
fahre und Gewiffensfreiheit. Königsberg, Voigt. Gr. 8,
gr.
Die gute Sache ber Seele, ihre eigenen Angelegenheiten
und die aus dem Menfchen und der Vergangenbeit entwidelte
Gefichts « Zukunft. Braunfhweig, Otto. Gr. 8. 25 Nar.
Schilling, G., Muſikaliſche Dynamik, odes die Lehre
vom Bortrage in ber Muſik. Kaffel, Krieger. &r.8. 1 Zpır.
Ner.
Schricker, M., Lilien und Leidensblumen aus dem Gar:
ten der Legende der Heiligen. Groanungegebihte. Ifte und 2te
Antheilung. Regensburg, Manz. 8. 15 Nor.
Schuͤtz, W., Zeitdilder der Geſammtgeſchichte von Erfurt,
der Hauptflabe Thüringens. Profaifch und poetifch gezeichnet.
Dit 2”. gortrait des Obervierherrn H. Kellner. Erfurt, Dtte.
a y 2 gr.
Schwarzlofe, J., Mein Leben auf ber Königlichen
Staats: und landwirthſchaftlichen Akademie zu Eldena, ais
Bertheidigung gegen die mir daſelbſt wiberfahrene Behandlung,
fowie gegen die Angriffe auf mid) in ber augsburger „Allgemei⸗
nen Zeitung”. Magdeburg, Beinrichshofen. Gr.8. 7 1, Ror.
Theiner, 4, Gefdichte der Zuruͤckkehr ber regierenden
Däufer von Braunſchweig und Sachfen in den Schoos der ka⸗
tholiſchen Kirche im 18. Jahrhundert, und der Wiederberftel:
tung der katholiſchen Religion in diefen Staaten. Sinfiedeln,
Gebr. Benziger. Gr. 8. 1Thlr. 25 Nor.
Veilchen und Tulpen aus dem Bereiche ber Phantafte und
Wirktichkeit von dem Verfaſſer der „Beiträge zur Gefchichte Grie⸗
chenlands“, des ‚‚Allerlei aus dem Tagebuche eines Reifenden”“,
bes „Rund, Edig und Bunt‘ und ber „Saitenklaͤnge des Ge:
fangenen auf Marienberg”, des „Allerlei zum neuen Jahr wie's
die Phantaſie gebar“. Angehaͤngt ift: Geburten des Augenblicks
für den Augenblick. Von A. Freihrn. Groß von Trodau.
Bamberg, Zuͤberlein. 8. 7TY, Per.
Bett, K., Über die Jliade und das Nibelungenlicd. Neun
literariſche Abenbunterhaltungen in dem Mufeum zu Karlerube.
Karlsruhe, Braun. Gr. 16. 1 The. 5 Nor.
Berantwortliger Deraußgeber: Helnrich Brokhaus. — Drud und Verlag von F. U. Brokhaus in Retpzig.
Blafter
für
literariſche Unterhaltung.
Freitag,
28. Juli 1843,
weiter Artikel.
(Bortfegung aus Nr, MB.)
34. Laien: Svangelium. Jamben von Friedrich von Sal⸗
let. Leipzig, Boldmar. 1842. 16. 1 Thlr. 15 Nor.
Bier haben wir Leine gewöhnliche chythmilche Paraphraſe
Aber die neuteſtamentlichen Synoptiker, mit der man fich etwa
nad) Tiſche in eine Sieſta⸗Ecke ſchleicht, noch ein Unterhaltungs:
buͤchlein vor uns, deſſen bunte Bilder man in behaglicher Stim⸗
mung dem geiftigen Auge vorübergehen läßt, ſondern ein didak⸗
tifdyes Peines Werk, ein Erzeugniß prüfenden Nachdenkens über
Das, was ber Stifter des Chriſtenthums lehrte, that und wollte,
welches des Leferd Aufmerkfamkeit in vollen Anfpruch nimmt,
weiches kLuſt ermedt, den vom Verf. angedeuteten Weg weiter
zu verfolgen, und weiches, obwol ber Verf. Fein gelehrter Theo⸗
log ober Geiſtlicher vom Fach ift, eine entſchiedene theologifche
Farbe teägt. Traͤgt es nun auch nicht die Farbe, in welcher
neuertih Strauß, Bruno Bauer oder gar Feuerbach aufgetreten
find, fo erfeint der Verf. doch ald Vertreter und Verkuͤnder
jener liberalen Anficht des Ghriftenthums, die fi aus den
Schriften des heibelberger Paulus, Schultz's, Bretſchneider's und
Roͤhr's offenbart, die fämmtlich eine vernunftgemäße Auffaffung
der Wahrheiten des Evangeliums wollen und einfchärfen. Nas
tuͤrtich iſt es, daß hier gegen jene religids⸗kirchliche Zeitrichtung,
die in Dengflenberg und in dem gemäßigtern Tholud ihre Ders
treter findet, ſtark geeifert wird. Den Anhängern der Letztern,
wir mögm fie Pietiften oder Myſtiker, Pharifder oder Mucker
nennen, gebt es bier ſchlimm; &. 127 fäut der Laien-&vangelift
das Urtheil über fie, nachdem er über des Ehriften Gebet in
frinem Kämmerlein geſprochen:
Seid) einer Jungfrau, keuſch und Rill entleimt,
SR das Gefühl gefunder, ſchlichter Chriſten,
Gleich einer Qure, frech und abgefeimt,
Das ver Empfindler und der Pirtiſten.
Unter ber Überfchrift „Ich muß wirken, fo lange es Tag
if’ (8. 178), ſchilt er:
Micht taͤuſcht und mehr die Froͤmmelei, die träge.
Gin Kampfolatz Gottes iſt ber Erdenſtern.
Der Bei, der da nicht räftig I und rege,
" Der iR ein feiger Fluͤchtling vor dem Herrn.
Über die rechte Art zu beten fagt er S. 150 im „Gebet
det Deren’ den Eippenbetern:
Hut Aber eure Bluͤmlein und Guirlanden!
Sie wüdern in gemeiner Seelen Sumpfe.
Der Seit warb faulend drin zu Spott und Schanben,
Die Kraft hinweggeſchwemmt mit Stiel und Stumpfe.
üÜlberficht der neueſten poetifchen Literatur.
3
Ich möcht? euch zathen: laßtes dabei beivenden !
Wie fange wolt ide no Gebete fchmieren?
BU denn der Scharivarl nimmer enden,
Des GSreinen, Wimmern, Bafeln, Declamiren?
Aus ſich zu beten, nit durch frembe Mäuler,
Wolt ihr bie Schwachen und noch ganz entmarken,
Ihe heuchleriſchen weinerlihen Deuler ?
Sort in die Gtut mit all den füßen Baͤndlein,
Draus ide follt beten lernen fein manierlig!
Maroquindedeihen mit goldnen Ränblein,
Und drinnen? — Koth, beforigt mit Bluͤmlein ziertich.
In „Die falfchen Propheten” iſt die Warnung vor ben
Sefuiten beherzigenswerth :
Bluͤhend zu wuchern uͤberm Grab der Geifter,
In folder Satanskunß find nicht allein
Die Väter der Geſellſchaft Jeſu Meiſter —
Sie führen — andre folgen binterdrein.
Ob pietiifh oder altkatholiſch,
Der euch betäuben fol der Luͤgendunſt,
Bedientendaft Icyal und apoſtoliſch —
Es if die eine, alte fhwarze Kunfl.
Bei Gelegengeit der Schilderung bes Kindermorbs zu Beth⸗
lehem verfegt er den Regenten, welche die freie Preffe hindern
(8. 0), einen Hieb:
Horcht auf! Es waltet deut! ein ſchlimmres Morden,
Daß, bis zum Jaod verlegt, die Wehen kranken,
Die Deren der Welt, manierlidder geworden,
Sie tödten Teine Kinder, blod Gedanken.
Da biigt Bein Stahl. Mit leichtem Kederſchwenken
Wird Geiſtestodtſchlag fünberlich vollzogen.
Nur dies und bad bärft ide nicht lernen den ken —
Sonft bleibt man ja eu vaͤterlichſt gewogen.
In einer Erklaͤrung der Worte des Herm „Alles was ihr
wollt, das eudy bie Leute thun follen, das thut ihre ihnen‘,
heißt es abermals (©. 147) von den Fürften:
Warum umgarnt ibr und auf allen Pfaden?
Gewalt und Li bebrohn und fort und fort. —
„3a, wie find Leute au von Gottes Gnaden!“ —
Ron ſolchen meldet Ehriſtus nicht ein Wort.
Berſucht's, ein Spruͤchlein nur von Ihm zu borgen,
Damit ihr und beweift, es ſei erlaubt,
Bon Gottes Gaaden für Ti ſelbſt zu forgen,
Werd’ auch die Welt der Breibeit drum beraubt.
Ihr findet nichts im Neuen Xeftamente.
Seit Chriſtus nieberwarf mit einem Streich
Die Mauer, die von Bott den Menſchen trennte,
Sind Ale frei in Bott, vor Gotte glei,
Mit leichter Ironie berührt ex andere Beitfragen und Inter
een So laͤßt er den Leichtfinnigen (S. 107) über die She
agen:
8 „Was ift die Gh’? Grfinbung nur der Pfaffen,
Ded Herzens fühe Regung, göttlih fee
In nüchterne Gewohnheit umzuſchaffen,
Den Beuerwein in faben Kindelbrei.“
„Dos Herz, kann ſich verſchenken iebe Stunde,
Und immer wieder ganz fein eigen fein.
Wo nur gwei Seelen taufchen füße Kunde,
Den Sog fol innigſtes Genießen weihn.“
Leber, in welchem fittiiches Gefühl und Bewußtſein der
Menſchenwuͤrde nicht gang erflidt iſt, wird ihm
wenn ex auf ſolche ekelhafte Phraſen erwibert:
Dos if bloͤdfinnig ſchwaͤchliche Gemeinheit.
Berlübert ik der Geift, der's nicht begreift,
Daß nur bed Lebens und bed Strebens Cinheit
Die Thierhaut ab vom echten Menſchen fireift.
beiftimmen,
Dos Thier begeht fi, wenn es in der Brunft if,
Daun flieht es pflichtenlos, fo frei wie bumm.
Menſchen! wenn das bed Herzens freie Kunft if, —
Wiehert und bloͤkt! die Sprade werde flumm!
Zuletzt ruft er den Frauen gu:
Ihr Fraun! fie haben euch geiſtreiche Huren
Als Hohe Drufterbilder vorgerädt.
Scauſtuͤcke ſiad's, drauf feine fhmug’gen Spuren
So mander Finger taftend abgebrädt.
Wir fehen hieraus, Herr von Sallet nimmt fich die Er⸗
faubniß, das religiöfe Zeitmoment in bie Poefie zu ziehen, und
wie uns duͤnkt, mit eben dem Rechte, mit weldyem andere
Dichter unferer Tage die Politik in die Sphäre der Dichtkunſt
ziehen. Dabei fleht er in feinen Anſichten auf Niemandes Schuls
teen, beruft ſich auf keine fremde Autorität, ift keiner Philoſo⸗
phenfchule, weder Spinoza noch Hegel, zugethan, und laͤßt feinen
eigenen Geiſt nur walten. Strauß naͤhert er ſich blos in ber
Binfiht, daß ihm Vieles Bild, Sage und Mythus in Chrifti
Lehre ift. Aus dem Bilde flellt er den Gedanken heraus. Als
auf einen charakteriftifhen Typus hinſichtlich der Behandlung
mythiſcher Begenftände weilen wir auf „Die Verſuchung Chriſti⸗
(8. bin, und gern theilten wie des Verf. ganzes eregeti
ſches Ratfonnement, befonders die Schlußſtrophen mit, wenn es
der Raum hier geftattete. In liberalem Geifte und vom Stand⸗
puntte des Nationalismus aus find alle Reben Jeſu commentirt
und gloffirt, wogegen er bie Anfichten ber jubaifirenden Apoftel
völlig ignorirt. „Mariaͤ Verkündigung” leitet ex mit dem Ges
danken ein, es verhalte ſich mit der heiligen Sage wie mit dem
goldenen Gi, welches Kinder anftaunen; wird es zerbrochen, fo
weinen fie über den Verluſt, überhören aber den lieblichen Ge⸗
fang des Vogels, ber daraus hervorgegangen. Es fpricht, fagt
er (©. 12), die Sage tief und ahnungsvoll:
Do, wenn idr fie und aufzwingt als Geſchichte,
Daun macht ihr fie zum Märchen, zwecklos toll,
Und den lebend'gen Geiſt in ihr gu nichte.
Die Breifinnigkeit feiner religidfen Anſicht offenbart ſich
fon im „Geſchlechtsregiſter Jeſu“, das er aus ber Bibel aus:
zeißen möchte als einen Stammbaum, ber nur für unter und
Weiber Werth babe. Wozu, eifert er, die Abflammung Chriſti
von einem Könige erweifen, ber einft einem Weibe Ehre und
Mann erſchlug? Iſt Gottes Sohn nicht Titels ſchon genug ?
Obwol mehre Stellen aus der Bergprebigt minder fchön unb
räftig find, befonders in ber Behandlung ber fogenannten Mas
karismen, fo fagt es body zu, wenn er bei Gelegenheit der
Worte: „Selig find die Barmherzigen!“ über Wohlthaͤtigkeits⸗
finn und Mitleid fagt, das Erbarmen fei Fein marklos weidhli-
ches Zerfließen. Ebenſo golbene Worte enthält der Abſchnitt
„Sott ift ein Geifl”, namentlidy, wo er ausruft (8.179): Was
gemütgiee ift, ift gottlos! Im „Gaftmahl” (S. 272), find die
eiden Strophen hervorzuheben :
Schwatzt nur von „materiellen Intereffen“,
Bergt binter fhönen Phrafen die Gemeinheit!
Verklaͤrt, vergöttert Induftrie und Meffen!
Der Geiſt nur if dad fihre Band ber Einhelt.
Die Seele jedes Bells IR ein Gedanke.
Fuhr der dahin, dann Hoff’ es nit Geneſung
Db außen au ein Lebendanflug kranke,
Gin Leichaam if ed, brinnen nagt Werwefung.
Über die katholiſche Lehre von der Brotverwandlung im
Abendmahle fpricht er ſich (S. 311) fehr frei und derb aus.
Über das Wunder der Werkiärung Chriſti auf dem Berge fagt er:
CEhriſtus! dich ſchauten, wie du bil, verkiärt,
Nur Wenige, und bie nur wie im Traum.
Schnell warb und beine Lichtgeſtalt verkehrt
>) In Naht, grob übertändt, zu kennen kaum.
Jent zieht der Geiſt hervor bein göttlih Bild,
Die fallen Barden tilgend und den Staub.
Wie fon hervor des Blickes Leuchten quiüt!
Das Echte warb ben Zeiten nit zum Raub.
Batd ſtehſt bu nun in bes Gedankens Licht,
. Bor aller Menſchheit in Verklaͤrung ba,
Und nimmer ſchwindet ald ein Traumgeſicht,
Was unfer Geiſt bewußt und wachend fah m. f. w.
Beſonders zeigt er fi auch als Prediger einer mobernen
Zeit s und Weltanſchauung in dem Abfchnitt: Politik ber
Pharifäer, wo er, ſich über die Schemata Staat, Volt, Genfur,
Freiheit u. f. w. verbreitend, oft mit der Waffe der Ironte, oft
mit bem bloßen Schwerte lauter Misbilligung um ſich haut unb
trifft. Überall verfucht er, die fcheinbaren Widerfprüche zwifchen
den GSrlebniffen des freien Dentens und der pofitiven Glaubens:
fäge im Ghriftentyum au löfen; den Rationaliften will ex bes
friedigen, ohne dem Supranaturaliften Anftoß und Argerniß zu
geben; auf bem eigenen Wege des Denkens fchafft er ſich feine
Dermeneutil, und macht gewiß mandem Korfcher klar, was
dunkel und verworren in feiner Seele lag. Nur was wir feibft
erringen, fagt er im Prolog, ift uns Wahrheit, und habe i
mid) aud zuweilen in Dämmerung verloren, fo habe ich d
bem Ewigen treu nadjgerungen. Hin und wieder fdheint aus
ber Spradye bes Büchlein hervorzugehen, daß er mit der Sproͤ⸗
digkeit bes Stoffe gerungen habe, fo edig und holperig kommt
mancher Gedanke and Tageslicht, fo unmanierlih klingt man⸗
der Vers, in welchem er dem unmilligen Ohre bes Leſers reinen
Trochaͤus ftatt eines Iambus gibt. Vermißt haben wir bier bas
Evangelium, wonach das ganze Neue Teſtament Evangelium
genannt wird, nämlich die frohe Botſchaft des Engels an Beth:
lehems Hirten in der geweihten Nacht, ebenfo die Auferwckung
des Lazarus, die Darftellung Chriſti im Tempel, die Parabel
vom barmherzigen Samariter — Alles Stoffe, woran ſich der
Scharfſinn verſuchen konnte. Obwol Luther in feiner Verdeut⸗
ſchung der Heiligen Schrift ſich mitunter derber Ausdruͤcke be:
dient, fo hätte Ref. fie doch nicht nachgeahmt, wie der Verf.
thut; wie unfein und unziemlih, wınn er bem Deiland bie
Worte Breßgelage, Brei, Brühe u. a. m. in den Mund legt.
Wenn er ferner (&. 129) fagt: „Nicht daß ſich luͤderlich das
Herzchen ſiele“ (ſoll heißen herumwaͤlze), fo gebraucht er ein Gau⸗
wort, welches von Bielen nicht verftanden werden wird. ©. 73 über
die Malarisma: „„Gelig find, die ba Leid tragen‘, ift Vieles in
ein metaphpfifches Dunkel gehüllt, und der Hauptgedanke ſcheint
bem Verf. felbit nicht Elar zu fein. „Selig find, bie da hun⸗
gert und durftet nach der Gerechtigkeit”, iſt nicht zichtig ge⸗
faßt (S. 77), weil der Laien⸗Evangeliſt mit bem hbebraifirenden
Gebrauche des Wortes Gerechtigkeit im Alten und Neuen Teſta⸗
mente nicht befannt zu fein fcheint. Dies find die leichten Aus⸗
ftellungen, die wir an bem Laien-Evangelium zu machen ung er=
tauben; fonft empfehlen wir es Allen, weiche bei poetifchee
Lecture nicht blos zu fühlen, fonbern auch zu denken lieben.
35. Thomfon’s Frühling, metriſch überfegt und mit einer Beis
lage biographifcger Notizen und Eritifcher Bemerkungen verſehen
von Hg. R.— Magdeburg, Rubach. 1842. 16. 7%, Rear.
Eingenommen für das britifcye Original, bis zur Über«
ſchaͤhung feines aͤſthetiſchen Werths, ift der ungenannte über⸗
feger und Bearbeiter des „Spring” aus Thomſon's „Sensons‘’.
‘
°
Go muß es aber auch fein, wenn man Ähnliches con amore
und mit Gluͤck bearbeiten will Die Überfegung ift Leine ber
ſtellte Arbeit und braucht ſich ihrer Erſcheinung unter einem
größern Publicam nicht zu ſchaͤmen. Nicht rechten wollen wir
mit dem Verdeutſcher, daß er fich erlaubt bat, des Driginale
fünffößige reimlofe Jamben in Hexameter umzuwandeln — ift
doch dadurch dem Geiſte der heitern gefälligen Dichtung fein
Gintrag geihehen — ; ebenfo wenig ift es rügenswerth, daß ex den
Srüplingegefang in fünf, durch Motti bezeichnete Abſchnitte zer⸗
fallen lajt, wovon bas Original nichts weiß. Gtellen, die blos
auf das britiſche Reich ober die damalige Zeit, fei es in der
Bocalität ober binfichtiich der befungenen Perfonen, Bezug
haben, find weggelaffen, in einem Anbhange jedoch in woͤrtlicher
Überfegung beigefügt. Yür einige im Hriginal vorkommende
fingirte Ramen bat er andere gewählt, vielleicht um einem
Freunde oder einer Freundin etwas Schönes zu fagen. Der
erwähnte Anhang enthält ferner eine kleine fprachliche Abhands
tung über ſchwierige Stellen und ſchwer zu überfegende Worte,
die wir mit Bergnuͤgen gelefen haben, einige biftorifche Erlaͤu⸗
terungen, einige Briefe an einen Kreund über Thomſon's „Zabs
seßzeiten” und beren Schickſale und Bearbeitungen in fremden
GSprachen, und ein Bruchſtuͤck aus einem neuerlich erfchienenen
engliſchen Bde, das Lob eines edeln Weibes enthaltend.
3. Alerander Pope’s poetifche Werke. Deutfch von Adolf
Böttger und Theodor Delders. Bier Bändchen.
eipzig, F. Fleiſcher. 1842. 16. 2 Thir.
Bor nicht langer Zeit zeigten wir in d. BI. eine Über
fegung von Pope’s „Eodenraus” an, und bier erfcheinen fchon
wieder in vier Bändchen die fämmtlichen poetiſchen Werke eines
engliihen Autors aus dem erflen Viertel des vorigen Jahrhun⸗
dertd, der von ben Kritikern feiner Zeit hart angegriffen wurbe,
welchen aber neuertich Lord Byron in einem Briefe an Th.
Moore für den größten englifchen Dichter und alle andern im
Bergieih mit ihm für Barbaren erklaͤrt. Die Überfeger, welche
Beide nicht obne Beruf und Geſchicklichkeit fi) ans Wert mach⸗
ten, haben fih in die Arbeiten getbeilt. Das erfte Bändchen
bringt zunächft den „‚Lodenraub ”, ein Lomifches Heldengedicht,
in weichem „der Scherz Anabiomenene Gürtel trägt”, von Adolf
Böttger hier recht fließend und gewandt übertragen. Ebenſo
ergoͤtlich als lehrreich ift der von Ih. Delders überfehte „Ber:
ſuch über die Kriti”‘, der ſchon deshalb Boileau’s ‚„‚Art poötique‘’
in Schatten flellt, weil die Sprache Albions poetifcher als die
der Männer von der Seine ift, die nur zierlich und leicht cons
verfieen tönnen, aber weder Rhythmus noch pcetifche Worte in
ihrer Sprache Haben. Die bekannte Deroide „Heloiſe an Abes
lard⸗, die viele Racyahmungen in verichiedenen Landen und Zuns
gen veranlaßt hat, von Th. Oelckers übertragen, ift noch immer
leſenswerth. Kein Werk des geiftreichen Briten bat ibm jeboch
mehr Lorbern eingebracht, und feinen Namen am fräheften über
den Kanal getsagen, als fein „ Essay on man”, ein didaktiſch⸗
reflectirendes Gedicht in Briefen, das in acht Sprachen (auch
in todte) überfegt wurde und deſſen Sentenzen und Kernſpruͤche
noch heute in Albums und Anthologien fpulen. Freilich ſieht
und fühlt der des englifchen Idioms kundige Lefer zehnmal mehr
bei ber Lecture deſſelben als ber Unkunbige, der ſich mit dem
Surrogat einer übertragung, oder, um das Wort eines ſpani⸗
ſchen Dichters anzuführen, mit der Anſicht der Ruͤckſeite einer
Einftiich gewebten fiamänbifchen Tapete begnügen muß. Der
Vih der im dritten Bändchen mitgetheitten „Dunciade”, in vier
Büchern mit erfiärenden Roten, hat freilich in unferer Beit feine
Frifchteit und feine Spigen eingebüßt, indem Autoren und Gr:
eigniſſe aus Pope’s Zeit der Gegenftand befleiben find; aber
mon wird fie immer noch gern lefen und ſich befonders ergögen
on der in ungebundener Rebe unter dem Titel abgefaßten Gin:
kitung: „Prolegomena des Scriblerus und Hyperfritifa des
Icharhus.” Am anziehendften und pilanteften möchten die
Sium diefes Lobes der Dummheit fein, wo der Dichter bie
Grißel der Satire über den literarifchen Dieb oder Piagiarius,
den awelliſtiſchen Pasquillanten, den fpeichelledenden Dedicans
ten, ben ſchreienden Kritikaſter und ben Tdumugigen Parteiſchrift⸗
ſteller ſchwingt. Unter den kleinern Gedichten (Idplien und Open)
bezeichnen wir ats claſſiſch die „Dde am Gäcitientage”, „Ar
bie Einfanteit, ein kleines Gedicht, weiches Pope in feinem
zwölften Lebensjahre fdhrieb, und „Der flerbende Ehrift an feine
Seele“, welche Stüde von X. Boͤttger gut übertragen find.
Die Slegie „Dem Andenken eines unglüdlichen Maͤdchens if
ebenfalls trefflich überfegt, wogegen uns bie ng des
befanuten „Common prayer‘' weniger zugefagt bat. Die bio«
graphifche Skizze über ben Dichter bitdet einen irefflichen Schluß⸗
ftein des Ganzen. Das erſte Bändchen ift mit Pope’s von Bis
chardſon —*— und von Duncan geſtochenen Profil geziert,
und das vierte bringt eine Zeichnung, weiche Pope, ber bekannt⸗
lich ſehr haͤßlich war, in ganzer Figur darſtellt. Sie warb
ohne fein Wiſſen, waͤhrend er im eifrigen Geſpraͤch mit Mir.
Allen in ber Salerie zu Prior Park begriffen war, von Dir.
Hoare gezeichnet. Sie ift deshalb befonders fhäsbar, weil fie
in ihrer Art bie einzige von biefem berühmten Dichter if. Die
Rachahmungen des Horaz haben die Überfeger aus begreiftichen
Gründen wegfallen laſſen.
(Der Beſchlß folgt.)
Schriften zur dreifundertiährigen Jubel:
feter der Schulpforte _
1, Musae Portenses sive Analecta Poetica ab alumnis Por- -
tensibus ultimis decem annis saeculi scholae Portensis
tertii composita. Leipzig, Vogel. 1843. Gr.8. 20 Ngr.
3. Chronik des Kiofters Pforta nach urkundlichen Nachrichten.
Srfter Theil. Bon ©. X. B. Wolff. Leipzig, Bogel.
3 rn Gr. KR 1 Sun — P
. rtner um. n O. ttcher. Leipzig, 8
1843. Gr. B. Fi Thir. 4 piis, Beget
. @rinnerungsblättr. Von H. ©. mieder. Leip
Bogel. Gr. 8. 1 Thir. 8
Als der Kurfürft Morig von Sachſen am Montage nad
Trinitatis des 3. 1543 feine „Reue Landesorbnung” erließ
(f. Codex Augusteus, Bb. I, &. 14 fg.) und darin „von bes
nen verlebigten Klöftern und Stiftguͤtern bie Aufrichtung dreier
Schulen in Meißen, in Merſeburg (von da kam die Schuie im
3. 1550 nad) Grimma) und zu ber Pforten anorbnete, bamit
„die Jugend zu Gottes Lobe und im Gehorſam erzogen, in ber
nen Sprachen und Künften, und dann vornehmlidy in der hei⸗
ligen Schrift gelehret und unterweifet werde”, erkannte er nicht
allein feine Zeit und deren Bebürfnifle, als baß er ihr vielmehr
mit vorahnendem Geifte vorauseilte. Gein großes Werk, mit
der Reformation aufs innigfte verbunden, aus ihr ſelbſt uns
mittelbar hervorgegangen, und deren ſchoͤnſte Bluͤte und Frucht
zugleich, bat, bei ber glüdlicy getroffenen Wahl ber Ortisver⸗
bäitniffe, bei den vorgezeichneten Zwecken und den zu Erreichung
diefer Zwecke mit weiler Klugheit angewendeten Mitteln, welche
möglichft in der Stiftungsurkunbe felbft oder in dem Geiſte ber
nachfolgenden Jahrhunderte ihre Grundlage fanden, um fo
glüdlicher und fegensreicher fi) bewährt, und ehrt noch nach
Jahrhunderten eines fegensreichen Beftehens den ruhmwuͤrdigen
Stifter und alle Diejenigen, welche in feinem @eifte fortgewirft
baben, ohne aus übelverftandener NRachgiebigkeit gegen einfeitige
Kieblingsneigungen und vorübergehende Richtungen der Zeit ben
Grund zu verlaffen, welchen Moritz gelegt und in ben er Keime
geſenkt und Saatkoͤrner ausgeftreut hatte, welche herrlich aufs
gegangen find und felbft wieder zu Bluͤte und Frucht auf das
fhönfte fidh entfaltet haben. Bon ben drei Fuͤrſtenſchulen, bie
Kurfürft Morig von Sachſen gegründet und feine Nachfolger
mit Liebe gepflegt haben, fobaß fie beftanden bis auf unfere
Beiten, war es nun aber namentlich bie zu Pforte, bie im Laufe
der Jahrhunderte zu befonderer Blüte ſich entwickeltes — war es
nun bie ihr vorzugsmeife zugewendete Gunft der Menfdhen,
welche fie pflegten, oder war es eine befondere Huld Genius
bes Orts felbft, der fi darin Eund gab und gleichſam, aͤhnlich
Gerapkiänen ya Gun war: Di Saatfode RI6E R cine un
Akt zur Band war: atfa t e uns
bave, und eine Art Glorie ift über ber Pforte und ihrer
ie verbreitet, bie feibft ihre beiden Schweſtern ihr gern
vor ihnen felbft zugefteben werben, ohne fie ihnen zu beneiben
und zu misgbnnen. Nicht blos Hriflliche Schulen follten die
Stel Echnlen des Kurfärften Moritz ſein; nicht blos zu „chriſtlicher
Lehre und Wandel” follten fie die Zugend erziehen, und biefelbe
nicht blos in der heiligen Schrift Ichren und unterweifen (das
fol ja eine jede Schule in dhriftticdden Staaten!); bie Jugend
foßte vornehmitkh ud in den Sprachen und Künften, alfo,
was jene antangt, vornehmlich in ber lateiniſchen und griechi⸗
ſchen Sprache gelehrt und unterwiefen werben. Die hierdurch
gegebene philologiſche Grundlage iſt es nun eben, was dieſen
drei Schulen ihre beſondere Eigenthuͤmlichkeit, ihren entſcheiden⸗
den Sharatter ſchon durch die Stiftung ſelbſt verliehen und aufs
gedruͤckt hat, eine Eigenthuͤmlichkeit, ein Charakter, der neben
der firengen Disciplin, neben ber Abgeſchiedenheit des auf bie
Scchule feibft beſchraͤnkten, doch nicht möndhifch »eingefchränkten,
feibftändigen und geiftig freien Lebens dee Jugend vorzüglich
dazu beigetragen bat, den Ruhm ber fächfifchen Fuͤrſtenſchulen
zu begründen und, infoweit fie dieſe Eigenthuͤmlichkeit, dieſen
GSharalter ſich erhalten haben, auch diefen mohiverdienten Ruhm
ihnen zu fihern und zu bewahren. Die claſſiſche Bildung; das
Studium der griechiſchen und lateinifchen Sprache; das Lefen
der in dieſen beiden Sprachen des Alterthums auf umfere Zeiten
gelommenen Werte, welche ein richtiges Denken und Schärfe
des Urtheils vermitteln, das Schoͤnheitsgefuͤhl und ben Geſchmack
bilden und veredeln; das Befruchten der Geiſter mit den in bies
fen Werfen enthaltenen großen und erhabenen Ideen; bie Ent:
bidelung und Bildung des Geiſtes und Charakters durch bie
lebendige Anſchauung des Lebens ber alten Griechen und Römer,
durch die Anfchauung ihrer Groͤße in Geiſt und Charakter, in
ihrem Eeben und in ihren Thaten, durch die Auffaflung bes
rein Menfchlichen in dem Leben und ganzen Weſen biefer Ju:
gend des Menſchengeſchlechts: dies Alles, wozu die drei Fuͤrſten⸗
ſchulen befondere Gelegenheit und ernfte Anieitung gaben, dies
ift es, was nun namentlih aud die Schulpforte zu Dem ge
macht bat, was fie im Laufe ber Zahrhunderte geworben ift:
eine gtuͤckliche Biidnerin der Jugend, eine reihe Pflanzftätte
gebiegener Gelehrfamkeit, gründlichen Wiffene und firenger Dis:
eiplin, eine, auch in ihren ſtrengen Anfoberungen doch wahrs
- haft liebende Mutter der, ihrer ernflen Pflege und ihrer weilen
Zucht anvertrauten Juͤnger, eine Mutter, die den Segen bie:
ſes WBerhättniffes au über die wenigen Jahre feiner Dauer
hinaus zu erſtrecken gewußt, die im Allgemeinen auch dann
ihrer Pflege ſich wicht zu ſchaͤmen gehabt hat, wenn bie Lebens⸗
richtung des G@inzeinen ibn jener Welt be6 Alterthums mehr
entfeembet als näher gefährt hat. Denn ber Game, ben die
Pforte ausgeſtreut, war nicht verloren, unb bie Sonne bes
daffifchen Atterthums warf ihre belebenden Strahlen, und nicht
etwa blos fpärlih und mit geborgtem Lichte, auch nach voll:
enbeter Schulzeit auf bie mühevollen unb bdornenreichen Pfade
des nur auf das Nächfte und Nuͤtzliche bedachten Daterialismus
der Togenannten Brotflubten.
8 ift in den claſſiſchen Studien eine, die Phantafie und
dad Gemüth weit über das Gewoͤhnliche und Alltägliche er
bebende Lebenskraft, bie für Alle, die gleihlam an den
Brüften des Alterthums gelegen und da jenen göttlichen Ichor
eingefogen hatten, ein nie verfiegender Quell ber Grhebung
md WBereblung zu echter Humanität wird; und wie mußte
dies, unter dem Hinzutritte fo mancher andern günftigen Um⸗
fände, nun auch in Pforte und bei ben Schülern der forte,
ſelbſt wenn fle längft die Schule verlaffen hatten, der Fall fein!
Daher auch jene ſpruͤchwoͤrtiich gewordene Anhaͤnglichkeit und
Liebe der atten Pförtner zur Pforte, bie felbft, war fie auch
eine nicht wenig ſtrenge Buchtmeifterin, ihnen doch immer unb
geen unter bem Bilde einer alma mater, wie fie fie fo gern
. wannten und nennen in: eine Andaͤnglichkeit, die Ehren
Grund nicht zutegt in ee Semeinfihafttichteit batte,
womit bie Schüler in dem claſſiſchen Alterthume lebten, und tn
weicher fie mit bemfelben verkehrten. Es ift nicht zu beredinen
und iſt nicht gu fagen, wie reich an ibeenwedender Kraft, wie
; begeifternd für das Wahre, Gute und Schöne, wie ermunternd
zur Erkenntniß des Menſchlich⸗Edeln in dem Leben und in den
ı Merken der alten Griechen und Römer, bie claffifhen Studien
. gerade in Pforte fih erwiefen und bewährt haben; wie erhebend
. und befzuchtend für das Leben des Ginzeinen, alfo für die Ge
genwart felbft, fie geweienz wie fie einen Damm gegen bie
Roheit und Gemeinheit des gewoͤhnlichen Lebens haben errich⸗
ten beifen, worin fo leicht die Menſchennatur, ohne eine ger
funde und Eräftige Speiſe für ben Geiſt, ohne befondere Hin⸗
weifung zu bem Hoͤhern, zu bem Erbabenen in ber Geſchichte
‚ ber Menfchheit, ſich vertiert und untergeht. And wollte man
vielleicht dagegen meinen, daß das Princip der claffifchen Stu⸗
bien dem chriſtlichen Principe feindiich entgegentrete; daß auf
den fächfifchen Fürftenfchuien und dann nun auch auf andern
ähnlichen Anftatten vool das heibnifche Altertum, nicht aber
das Chriſtenthum gelehrt worden ſei und gelehrt werbe; def
alſo diefe Schulen eher alles Andere wären ats eine: Pflanzſtaͤtte
chriſtlicher Gefinnung und chriſtlichen Wandels: fo wäre das
eine Anklage, die allenfalls gewiſſen einfeitigen, hyperorthodoxen
Verächtern des Alterthums und engherzigen Späitterrichtern, bie
nur an die Form, nur an den aͤußern Schein fi) halten, zu⸗
wutrauen wäre, nimmermehr aber im Ernſte gegen jene Schu⸗
len, und alfo auch gegen bie Pforte, würbe erhoben werden
tönnen. Und wenigftens würde man, auf ihre Koften, ben for
genannten realiſtiſchen Schulen einen Vorzug in bisfer Hinſicht
body wahrlich nicht einräumen können! Wollte Gott, wenn
man ja glaubte, der Meinung fein zu mäffen, daß z. B. in
Pforte den alten Sprachen und dem Studium ber ciaſſiſchen
Schriftſteller in dem Schulpfane za viel eingeräumt worden fei,
und daß fo manches Andere, wenn auch nicht gerade der Reli⸗
giondunterricht, darunter gelitten habe und vernachlaͤſſigt wor⸗
ben fei, daß man doch auf ber andern Seite nicht etwa zu viel
thue, um bis claffifchen Studien einem übelverftandenen Staus
bendeifer aufzuopfern unb bas Gebiet, was fie bisher beberrfcht
haben, einem Gegner zu übertaffen, ber mit dem Paniere bes
Beitgeiftes nur zur Bielwifjerei und zur Oberflächtichkeit hinlei⸗
tet, und da zur Berflachung führt, wo eben ein Damm hat errich⸗
tet werben follen gegen die Koheit und Gemeinheit des alltaͤg⸗
lihen Zreibene. Der onerlannte und mwohlverdiente Ruhm der
ſaͤchſiſchen Schuipforte ift chen ein Ruhm, an weichem Sabre
hunderte gebaut; und man kann wol den Bau, wie es unfere
Zeit in andern Kreifen leider nicht ohne Erfolg derſucht hat,
untergraben und einreißens aber man fann- nicht gleich ein ans
beres, gleich feftes Gebäude binzaubern, und man wirb es wei
au nach Jahrhunderten nicht Tönnen, wenn man ben Grunud
dazu — in ber flüchtigen Meinung des Tages findet.
(Der Beſchluß folgt. )
Literarifhe Notiz.
Die Aufmerlfamkeit namentlich) von Rechtsgelehrten und
Volksvertretern verdienen bie neuerdings in Edinburg erſchienenen
„Speeches of Lord Campbell at the bar and in the house
of commons; with an address to the lrish bar as Lord
chauceller of Ireland”. Diefe Reben des ausgezeichneten
Mannes, weiche ex theild als Rechtsanwalt, theil® ale Botkss
vertseter im Unterhaufe gehalten, zeichnen ſich befonders durch
Sründlichkeit der Argumentation, Klarheit der Auseinanbers
fegung und Richtigkeit der GSchlußziehung aus. Ihr Verf,
‚ der jegige Lord Campbell, gehört zu den Männern in England,
bie ſich lediglich durch ausbauernden Fleiß, unermübliche Arbeite
ſamkeit, Geift und Talent zu hohen Ämtern und Würden eme
porgefhwungen haben. 16.
Verantwortlicher Derausgeber: Heinrich Brodhaus. — Drud und Verlag von J. X. Brodpans in Leipzig.
‚Blätter
für
literarifhe Unterhaltung.
Sonnabend,
29. Juli 1843,
Überficht der neueften poetifchen Literatur.
3Bweiter Artikel.
(Eeſchluß aus Nr. 38.)
Es war vorauszufehen, daß bei dem allgemeinen, jüngft in
Deutſchland erwachten Intereffe für die koͤner Dombauangeles
genheit auch die Poeſie ſich einmifchen würde, theils durch Bei:
tragung ihres äußern Scherfieins ded großen Plans Ausführung
zu befördern, theils im rein aͤſthetiſchen Streben ihre Ranken
um die Pitafter des ehrwürdigen Gebäudes zu fchlingen. Und
warum follte fie das nicht? Iſt fie doch neuerlich in die Dienfte
ber Politik, einer fehe proſaiſchen Derrin, getreten; darf fie ſich
nicht mit weit größerm Rechte über einen Gegenſtand der plaſti⸗
ſchen Kunft verbreiten? Ließe fi nur Grfreuliches darüber
berichten; aber leider veranlaßt gleich die erfte Schrift, bie uns
in Bezug auf diefen Gegenftand in die Hände fällt, den Wunſch,
daß fie nicht möchte gefchrieben worden fein. ie erfcheint ats
fpiendides Quartheft, auf Koften ihres Verf. zu Dresden ges
drudt und führt ben Zitel:
37. Dee Dom zu Koͤin. Gedicht in drei Hymnen von E. F.
Hausfhild. Dresden. 4.
Titel, Widmung, Borwort und Inhalt — Alles geht auf
den Stelzen einer erfünftelten Begrifterung für Kunft und Deutfchs
ttum. Nm der Welt zu zeigen, wo bie unfterblidyen, „aus bes
wegter Bruſt gefungenen und jedem echten Deutſchen ges
wibmeten” Hymnen erzeugt und geboren find, werben bie Orte
angegeben, wo ber Verf. die Mufe umarmt hat. Unerachtet
nun das unfterbliche Werk jedem echten Deutfchen gewidmet ift,
fo findet ſich doch noch folgende Widmung: „Diefe Dichtung ift
eine Kniebeugung vor ber unfterblihen Hoheit und Schöne des
Genius, zunächft und insbefonbere vor der des beutfchen Genius!
Aber ua ein Zoll der Achtung ber Majeflät, und den, im Zer⸗
malmen doch nur ſchoͤpferiſchen Mächten des Unglüds, und ben |
hoben Tugenden, welche die Größe Hamburgs gefchaffen, befe:
figt, erweitert, die unter der vulcanifdhen Umarmung bes
Brandunglüds ihre hoͤchſte, ewige Schönheit entfaltet haben,
und die Seele des wiedererſtehenden Hamburgs, ihm fein ras
(des, höheres, dauerndes Emporblühen verbürgen, bdargebracht
don dem Verfaffer.“ Enthält nun fchon dieſe Widmung sesquipe-
dalia verba, die in Geiſt und Ton an jene Mordgefchichten
mahnen, bie ber WBänkelfänger dem Marktpublicum vorträgt, fo
Reigert ih der Hymnenflug bis zum Ronſens, bie Gedanken
drehen ſich in einem Cirkel und quälen fidy ab, in abenteuerli:
cher Decoration und FZlitterpus aufjufliegen, die häufigen Noten
unter dem Zerte follen den Gedanken manchmal Par machen,
ader das gelingt nicht, kurz das Ganze iſt eine Miögeburt, die
niht an der Afthenie, wol aber an der Hyperſthenie bes Vaters
bald verenden wird. Mir wollten biefe3 Urtheil durch Mittheis
tag der auf ©. Al befindlichen Apoftzophe an ben Dom zu Köln
belegen; aber e6 wäre Papiers und DruderfchwärzesBergeubung,
and ſe fehr wie dem Verf. Käufer feines pieriſchen Handels⸗
zwriget wünfchten, fo innen wir doch, ehrlich gefagt, dem
Yublicum nicht zumuthen, um ſolcher Hymnen willen fi in
Untoften zu figen. Etwas natürlicher und lesbarer iſt bie
Schrift:
38. Die Bollsfage vom koͤlner Dom, poetiſch bearbeitet vo
8 Mavenburg. Berlin, Hold. 1842. Gr. 8
Auch fie iſt eine Finanzſpeculation, gedruckt auf often des
Herausgebers, und verkauft zum Beſten des koͤlner Dombaus.
Hr. Dr. Th. Heinſins hat fie mit topographifch » hiſtoriſchen
Vorbemerkungen begleitet, viellsicht um fie durch ſolches Trouſ⸗
feau an den Mann zu bringen. Sie betreffen den Nationaigeifl
der deiligen Künfte und geben eine Geſchichte der Stadt und
bes Doms zu Köln, die wir mit Vergnügen gelefen haben. Die
Gage ſelbſt erzäpit in Turzgemeffenen Stangen, wie ber erſte
uns unbelannte Srbauer bes Doms, beim Entwurfe des Plans
vom Teufel verfucht, der des Meifters ſchoͤpferiſche Thaͤtigken
durch die Erinnerung an die Kathedralen von Strasburg, Gpeier
und Rheims boshaft hemmte, durch feine Froͤmmigkeit den Bau⸗
plan des höllifchen Baumeifters entwendete. Die Form ift ims
mer noch beffer als der hoͤchſt triviale Stoff.
Das dritte Schriftchen von gleidyer Tendenz ift betitelt :
39. 1862. Gedicht von Eduard Duller und Ferdinand
Breiligratp. Darmftadt, Jonghaus. 1842, Gr. 8.
2 Ngr.
Die Muſenkameradſchaft nimmt alternirend bie Lyra. Hr.
Duller ſingt zuerſt den Bruder in Apoll an, erinnernd an die
ſchoͤne Zeit, wo fie miteinander aus Becker's Becher Rheinwein
tranten, und ſich der Boffnung hingaben, es werde aus bem
Dombau in Köln body noch etwas werben. Dr. Freiligrath ers
widert gar burfchilos:
Dank, altes Baus! Du au zur Domfhau hier?
Nun: Unkraut flirbt nit. Das bewähren wir!
D, wel’ ein Tag für fol’ ein Wiederſehen!
Vollendungsfeſt! Dord, voller Glockenklang
Des fert’gen Münfterd! Volksflut überall!
Ihr nah! Bum Dom, die Stunde zu begeben!
Davon, fügt er hinzu, daß er jegt wieder in feinem Heimat⸗
lande, dem prächtigen Weftfalen, lebe, werde er hernach fpres
en; jegt fei vom Dom und von den ſich daran Enüpfenden Hoff⸗
nungen die Rebe. Da weifet ihn denn Hr. Duller fogleidh auf
den wadern Meifter Zwirner; Sreiligrath weift auf die Fuͤrſten,
die ihn umſtehen, vor allen auf ben Albert, Victoria's Ges
mahl, und den königlichen Protector, auf Deutſchlands Einheit,
auf das Band, das Fürft und Wolf umfchlingt, auf bfe nieders
gefallenen Schranken, welche die chriftiichen Gonfeffionen trennten :
Wie Herz an Derz wie zwei, — Du Proteflant,
IH Katholit — fo Tauſende! Es ſchwand
Der Bann, der in zwei Schlachtreihn fie geſchleben;
Dem Sinen Gott, dem ewigen, bem Dom!
Dem Einen Sinn, dem beutfen, bier am Strom
Die fee Burgt Gin Recht als Gottesfrieden!
qe⸗
—— ſchiidert nun bie Scene, wo, ben Koͤnig gruͤßend,
der Erzbiſchof aus dem Portale tritt, wie das feierliche Hoch⸗
amt gehalten wird, wie kein Herz ungerührt, kein Auge trocken
bleibt; — Duller fährt in ber Beſchreibung fort, und prophe⸗
geit aus dem heitern Büpe der Gegenwart bie glüdlihe Zus
‚wo Wahtheit, Freiheit, Recht das Scepter führga: were
sen Preiligrais, Ia und Amen dazu fpredgend, erklimmt, nach
dem das Volk ſich verlaufen, den Zhurm bis unters Kreuz, von
wo herab er über Stabt und Strom und Baterland in Eräftigs
ſten Phrafen oratelt — kurz, beide Herren thun ihr Möglichftes, ſich
mittels des Krahns einer kuͤnſtlichen Begeifterung fo hoch ale
möglich hinauf; und wuͤrfein in diefem Zuſtande aller⸗
lei Gehanfen und Gefühle yufammen die uns berzlich kalt ger
laffen Gaben Der Kitel „AS62”, wird bucdy ben Inhalt dund«
aus nicht motivirt.
#6. Die Benriade von Brancois Marie Arouet de Bot:
‚ taire. Aus dem Fran öfifchen im Versmaße bed Driginals
überfegt von Friedrich Schröder. Leipzig, Brockhaus.
1843. 8. 1 Thlir. J
Dieſe mit Liebe und Geſchicklichkeit gearbeitete überſetzung
Des in Deutſchland bekannteſten und geleſenſten epiſchen Voitai⸗
reſchen Werks bildet zugleich ben ſiebzehnten Band ber in ber Ber:
lagshandlung d. BI. heraustommenden „„Ausgewählten Bibliothek
wet GStaffiker deu Auslandes”. Sie paſßt vortrefflich in bie Reihe
dieſer Schriften? denn abgefeben davon, daß Voltaive in ber
„Henriade“ vorzugtweiſe aus der der Poefie fonft fo abholben
franzoͤſiſchen Sprache Alles gemacht hat, was ſich aus ihr ma⸗
chen laͤßt, fo ift fie audy bie Schrift der aͤltern franzoͤſiſchen
Elaſſiker, die in unſern Schulen noch heute gelefen wird, und
noch nicht antiguirt iſt. Nun haben wir- zwar Übertragungen
der, Henriade“, aber noch keine im Versmaße des Originals. Die
von Kaltſchmidt und Hoffbauer, jene 1817, dieſe 1821 erſchie⸗
nen, verwandeln die Alexandriner, vielleicht um das Schleppende
derfelben zu vermeiden, in Gerameter, ein Verfahren, bei weis
chein fich fagen 1ä6t: Incidit in Soyllam, qui vult vitare Cha-
rybdin, Hr. Schroͤder hat es anders und beffer gemacht. Den
Alerandriner hat er var beibehalten; um aber bie ermüdende
Gintönigkeit deffelden zu mindern, miſcht er Senarien mit fols
genbem Rhythmus unter denfelben :
uvlLu_.uLu_vuLvuv_
und gibt dadurch dem Ganzen mehr Kraft und Abmwedhfelung.
Es kann ihm fein Borwurf gemacht werben, wenn er einige
Gigennamen in verſchiedener Quantität, 5. B. Valois bald’
zwei⸗ bald breifgibig gebraucht hat, noch auch, wenn hin und
wieber ein unreiner Reim mit unterläuft; dagegen wundern wir
uns, wenn er, ber nach feiner Verfiherung fih in feiner Zus |
end viel mit Poeſie befhäftigt und anonyın und pfeudonym in
ber erfchienenen Zeitſchriften Gedichte hat abdruden Laffen,
in einer Rote der Borrede fagt, an mehren Stellen feiner dra⸗
matifchen Werke habe Voltaire fehlerhaft ein und baffelbe Wort,
(3. 8. pas nicht und pas Schritt) aufeinander gereimt, woraus herz
vorgeht, daß Hr. Schröder nichts von ben fogenannten rimes
riches weiß, weldge ſich Franzoſen, Deutfche, Italiener und
Spanier in ihren poetifhen Werken erlaubt Haben. Nicht blos
Sorneille und SRacine, ſondern auch Barcilafo, der iberifche
Petrarca, und der Sänger ber Laura in feinen Ganzonen,
namentlich in den Geftinen, bilden biefe reichen Reime, wo ein
und baffelbe Wort, vorausgefegt, baß es, wie pas nicht und pas
Schritt, einen andern Sinn hat, aufeinander reimt Doch das
find unerhebliche Dinge; genug, daß wir hier eine leichte, treue,
fließende Übertragung vor uns haben, aus welcher wir nur eine
kurze Etelle als Probe ausheben, bie uns beiläuflg lehrt, daß
wir Urſache haben, bie Branzofen wegen der Freiheit und Anmuth
im Gebrauch ihrer Participien zu beneiden. Diefer aus dem
fechsten Befange genommene Paſſus lautet:
Teols, que des antres du nerd, dchappes sur la terre,
Procedes par lo vent, ot suivia du tonnerre,
D’un teurbillen de peudre obseurcisennt los airs,
Les orages fougueus panmcauremk l'univers eis.
8
| weichen Hr. Schroͤder alfo wiebergibt (S. BE):
So, lodgelaffen aus des Nordens Höhlen, raſen, —
Den Donner im Geleit, vor dem die Stuͤrme blaſen,
Indem bed Staubes Wirbel ſchwärzt bed Tages Schein, —
Die wüthenben Delane-ringd durch Flur und Hain.
Boran geht bie Tinerfegung von Volfaire® Entwurf bie
„OHenriade“, eine kurze idee deu Begebenheiden, auf weide
fig der Stoff des Gedichte gründet, und ein Vericht über die
frangöfifhen WBürgerkriege im 16. Jahrhundert, in welchem bie
Befchreibung ber fogenannten Parifer Bluthochzeit befonders 16
ſenswerth ift; angehängt find erklaͤrende hiftorifche Bemerkungen
u allen zehn Sefängen, ein Prolog uns ein Appendir, die hier nicht
en Durften, da es im Plan des Herausgebers ber „„Ausgemähle
ten Bibliothek der Claſſiker des Auelandes“ Lteat, jedes einzelne Bert
mit einer biographifchen ober Literarifchen Einleitung ans Licht
treten zu laffen, was allerbings den Werth der Schriften erhött.
41, Gedichte von H. Hisau. Soidin, Siebert. 1842. 8,
1 Thlr.
Bon großer Begabung dieles wahrſcheinlich noch jungen
Sängers kann nicht die Mebe fein. Er. beobachtet bin und
wieder mit gefundem Auge, und feine Phantafie verarbeitet au
bas Beobachtete, aber nirgend erhebt fich fein Talent über das
Niveau der poetifhen STegtwelt. Seine epiſchen Gaben fin
weder durch Erfindung nody durch die Form ausgezeichnet, und
befonders iſt legtere überall mangelhaft, und ber Verf. hat kein
Ohr für wohlklingende gefällige Rhythmen.
42. Poetiſche Feldblumenkraͤnze. Lieder eines Mitgliedes ber
Brubergemeine, von Fr. Burkhardt. Leipzig, Fort 134,
Gr. 12 Nor.
Reinheit der Heime, Leichtigkeit in der Verfification, Innig:
keit des Gefühle, und eine Phantafte, die vom guten Hausvas
ter, bem Verſtande, überall im Zügel gehalten wird,charal⸗
terifiven diefe Lieder, deren Zitel Schon von ihres Verf. Beſchei⸗
denheit Kunde und Zeugniß gibt. In ihnen tönen freilich nicht
die Saiten, die von ben jegigen Saͤngern angeſchlagen werden
und deren Klange bas Publicum fo gern laufcht ; aber fie haben
dennoch ihren eigenthümlichen Werth. Das Heilige ift ihr Cie
ment; aber nicht jenes Heilige, im welches füch fonft die Mit:
glieder der Brudergemeine verfenken, fondern das Heilige, wel⸗
ches in dem Boden jedes chriftlichen Herzens wurzelt, keimt und
Blüten treibt. Kein heuchlerifches Augenverdrehen, fein Koket⸗
tiren mit dem füßen, unbeflcdten kaͤmmlein, das der Weit Sünde
trägt, und kein Schiboteth aus den Zinzendorf'ſchen Andadtt
buͤchern verfümmert dem denkenden und führenden keſer den
Genuß, und wie die Religion, als ein unabwelsbares Bedür-
niß des Menſchenherzens, über jeder kirchlichen Gemeinſchaft ſteht,
fo ſchweben dieſe Gedichte durdy ihre intenfive, allſeitige Ge⸗
fühlsfraft Über jedem GSchulparticularismus. Sie bewegen ſich
zwar nicht ſaͤmmtlich im Gebiete der Religlon, ſondern find
auch der Natur, dem Eebenswechfel, felbft der heitern Geſelligkrit
ı geweiht und verſchmaͤhen nicht, Zeitliches und Örtliche, Gage und
! Gefchichte zu behandeln. Ais befonders anfpredgenb notiren wir
„Memnonstöne” (&. 23), „Die Stunden der Nacht” (&. AT),
obwol eine fromme Spielerei zu nennen; „An meinem 50. Be:
burtätage” (S. 54), „Die Heimat“ (S. 63), „Herrnhut“
:(&. 145), „Dentfteine” (S. 148), und „Erinnerung an en
‚16. Mai 1760 (Zingendorffs Todestag).
: 43. Maler s Sänge von Glaring. Münden, Palm. 184,
16. 20 Rgr.
Wir haben in dem Büchlein biefes Kuͤnſtlers von ber Jſar,
| deren Wellen feit vier Euftren doch ganz melodiſch rauſchen, vorm
‚ und hinten gebtättert und emfig geforſcht, ob fich an den darin
' abgedrudten Gedichten nicht irgend ein Merkmal entbeden ließe,
wodurch fie ein befonderes Gepräge erhielten; aber unfer Be:
‚ mühen war ohne Erfolg; wir, fanden eö im Innern ebenfo win
‚ zig und unfcheinbar wie im Außern. Leicht Hätte aber doch der
Berf., der ja Maler iſt, in lenterer Hinſicht auch für das Auge
des Leſers forgen können; aber auch das hat er nicht gethan;
J
£
is. been alogorifchn Beftuten (Mtabirei. und Diähtluufl)
Dusbepi@iteinigneite entfprechen ben Erwartungen, bie
in tiefen Hinſicht on eines dichtendan Water macht, deh
Won einigen Verſtoͤſen gegen die Sprache ſchmei⸗
von Moritz Brandee. Manheim, Bensheimer.
Gr. B. B Nor.
elegiſche Stimmung, welcher dieſe einfachen Lieber ihre
hung zu verdanken ſcheinen, ſteht ihrem Berf. recht gut.
tein ünftiich gemarhter, bei den Haaren herbeigegogener
wie ihn eine gewifle Dichterkaſte heutzutage liebt, was
ſpricht; man ſieht und Hört es, Wahrheit ift in dem
Behmuthögefühl, der Verf. liebt wirklich die Einfamteit, bie
nädytliche Stille, das Träumen im Mondfchein. Das Spiel
des Lebens zenigt ihm nicht. Eine fromme Ergebung jedoch
das Unvermeiblide, und ein daraus hervorgehender Muth,
mit den übein der Zeitlichkeit zu ringen, gibt den Klagen einen
Anflug von Kraft, wodurch der ſonſt ieicht aufkommende Gedanke
an Unmaͤnnlichkeit und Schwaͤche unterdruͤckt wird. Derjenige,
welchem ſoiche Stimmung nicht fremd iſt, wird dieſen einfachen
Klaͤngen eine freundliche Aufnahme gewiß nicht verſagen.
45. Gebdichte von Wilhelm Elias. Kleve, Cohen. 1841.
8, 1 Tdir. 10 Ror.
Es ht eine ernſte Reflerionspoefie in dieſem Buche, welche
ben Leſer mehr feffeln und nachhaltiger wirken würbe, wenn
es nicht Hin und wieder ben Anfchein hätte, ats habe fich der
Verf. feine Gedanken ſelbſt nicht klar gemacht und ſchwanke in
feinen Anfichten. Dan ftößt ſelbſt auf Unbeholfenheiten und
Ra nien im Ausbrud. Die Sonette leiden weniger an dies
Tem de und bieten manches Schöne für Ohr und Herz.
Die Eichen der zweiten Abtheitung find noch tiefer in die Farbe
der Schwermuth getaucht s fie beginnen:
Dir gelten meine Lieder,
Die, Liebfien in ber Gruft,
Es find bed Grabes Blumen,
Dir weihn fie ihren Duft,
us „‚Betalimus (S. 166) iſt erſichtlich, daß philoſophi⸗
ſche Aeflexion im Gewande der Rhythmen und Reime, wäre
fie noch fo geifreih, ohne Glauben, Demuth und Herzensmilde
alles Ginbruds entbehrt. „An mein Grab’ (S. 229) ift edit
weiſch und das Iehte Lied: „Einf und Jetzt““, ift nidgt ohne an⸗
ſyrechende Cigenthuͤmlichkeit. *) 61.
Hefetgner
>
-
S Kriften zur dbreibundertjährigen Jubel:
feier der Schulpforte.
(Beſchlus aus Nr. 208.)
Unter ben aus ben vorftehenden Andeutungen ſich ergeben,
ben Umſtaͤnden und bei dem woblbegründeten, von ber Ver⸗
gangenheit der Gegenwart überlieferten, weithin glänzenden
Ruhme ber Schulpforte war um fo gewifler zu erwarten, baß
bei dem, im 3. 1843 eintretenden Jubilaͤum ihres dreihundert:
jährigen Beſtehens zahlreiche Stimmen der Anerkennung Deffen,
was biefe Schule gewefen und was fie if, der Anerkennung der
BSerbienfie, die fie im Allgemeinen und im Ginzelnen um bie
cioffifchen Studien, um die Wiffenfhaften und um bie Wilfen-
f&aftiichfeit, fowie um die Erziehung ber Jugend überhaupt,
um Staat, Kirche und Schule ſich erworben, endlich ber Ans
ertennung bes über die Pforte verbreiteten Ruhms, von nah
und fern, zu felbfleigenem Ruhme und zur Beſchaͤmung gewif:
fee Seraͤchter beutfcher Srändtichkett und echter Wiſſenſchaftlich⸗
keit, ſich ausſprechen würden; daß es aber auch nicht an war:
nenden Etimmen Solcher fehlen Eönne, die ba meinten, ed käme
aun auch um fo mehr darauf'an, den alten Ruhm der Schuls
vierte zu bewahren und zu behaupten; es muͤſſe vor allen
Diagm auf dem reiten Wege nach dem Einen Ziele geftrebt
Gin deittee und letzter Artikel folgt im September. D. Ned.
unten: Parte time!
ſtehens ber Gchute zu Poste iſt 3. — vom
age, am welchem: tm 3 1543 ber Rurfärit Mort bie oden
aͤhute Berorbnung erlaffen hatte, — gefeiert worden awökges
sabtreishen Beuguiffe ehrender Anerkennung, bi
fer Gelegenheit ber Schuipforte öffentticg und mit vollem Gtechte
von verſchicdenen Seiten her zu hell geworben find, gendgemb
ſich amögefprodyen, und es kann baber hier um fo weniger be
won die Rede fein, nodgmals auf jene Feſtb
ruckzukonmen. Es mag vielmehr in biefee Hinficht 8
u
auf bie „Allgemeine Literaturgeitung”, 1843, Ne. 3,
bes Intelligenzblatts, zu verweilen, im lbrigen aber zu feus
ten, daß, was auch fonft bie Schulpforte für frühere. Zeiten
gewefen, und mit welch einem ruͤhmlichen Beiſpiele fe auf dem
Gebiete claſſiſcher Zugenbbilbung andern Anftaiten bes
Baterlandes vorgeleuchtet haben mag, es befonbers für wefeee
Selten hervorgehoben werden müfle, baß fie ein glänzendes
Mufter tiefer Gelehrſamkeit und Wiſſenſchaftlichkeit auf dem
Grunde bes griechifcyen und lateinifchen Gtubiums getvefen, und
eine ſtrenge Disciplin, ſelbſt gegen bie Weichlichkeit der Bei
anfichten und bie Sittenſchlaffheit des Jahrbhunderts, aufrecht
r erhalten gewußt bat. Weiche mächtige Auffoderung hierin
Ar unfere und für bie nachfolgende Heit Liege, ift leicht zu em
kennen; möge die Auffoderung auf bie rechte Weiſe verfkanden
und befolgt werben!
SEs iſt gegenwärtig nur die Abſicht, über die im Eingangt
biefes Auffages erwähnten Jubelfchriften kurz zu berichten, wor
zu bie vorfichenden allgemeinen Bemerkungen vorauszuſchicken
nicht unpaffend erfchien. Diefe Zubelfchriften nehmen für fig
eine gewiſſe Seibftänbigteit und ein allgemeineres Intereffe, daß
gerabe nicht 6108 an ben flüchtigen Augenblick fich Eettet, tn
Anſpruch. Nr. 1 von dieſen Schriften iſt eine Sammtung Yas
teiniſcher Bebichte, theils epifcher und elegifcher, theils Igrifcher
Gattung, die von den Schülern in Pforte während der letzien
zehn Jahre bei verfchiedenen Gelegenpeiten gebichtet, und bier,
nad) dem Meilpiele ber Musae Ktonenses (1795), von bem
Rector in Pforte, nach vorheriger Durchſicht und Verbefferung,
herausgegeben worben find. Es hat daburdy bewiefen werbeh
follen, was gegenwärtig die Schüler in Pforte in ber lateinis
ſchen Poefie leiſten. Ratürtich find dieſe Gedichte an Gehalt
und innerm Werthe fehr verſchieden, doch zeugen fie im Alige⸗
meinen von einer gewilfen Kertigkeit und Gewanbtheit, womit
bier, namentlich in ber epiſchen Gattung, die lateinifcye Yoefie
gehandhabt wird. Es Yerbient dies um fo mehr Anerkennung,
je fettener bie Kunft werden zu wollen fcheint, lateinifche Ge⸗
dichte F dichten, die nicht blios frei von Fehlern der Proſodie
find, fondern bie zugleich auch, worauf es hauptfächlidh arm
fommt, roͤmiſchen Geiſt athmen und eine Iateiniiche Farbe an
ſich tragen. Und body find ſolche Übungen von befonberer Wich⸗
tigkeit, weil babei der Lehrer mit weit größerer Beftimmtheit
und mit weit mehr Schärfe, als dies bei der Profa gefchehen
kann, auf die rechte Wahl der Ausdruͤcke, die richtige Wort:
flelung , die Vermeidung leerer Phrafen unb Flickwoͤrter und
dergleichen mehr aufmerffam zu maden und auf biefe Weiſe
audy bei diefer Gelegenheit den Berftand zu Iäutern, bas Urthell
zu bilden, ben Gefhymad zu veredein und den Sinn für bas
wahrhaft Antike zu werten und zu beieben Veranlaſſung findet;
und vor Allem würbe es hier beißen: Ars non habet osorem
nisi ignorantem. Wir können nicht wünfchen, haben aber auch
feine Veranlaffung zu fürchten, daß dergleichen osores in Pforte
und für Pforte die Oberhand gewinnen koͤnnten; aber immer
möge man bedenken, baß es erfprießlich fei, fich es recht oft
zu vergegenwärtigen, auf welchem Grunde unfere claffifche Bits
dung berube, bamit wir um fo weniger uns veranlaßt feben
Eönnen, wo bie Zwecke wahrer Biidumg zur Humanitaͤt es fos
bern, auch nicht einen Fuß breit diefe Grundlage zu verlaffen.
Auf Koften anderer Mittel zu den nämliden Zwecken ber Bils
dung braucht das nicht zu gefchebens man muß fich aber nur
Yen, in dem Otreben nad) moͤgkichſt Bielem das rechte Maß
feften Boden ſelbſt, auf dem wir ſtehen, zu verlieren
Wolfe flatt der Böttin zu umarmen. Im librigen
Kenner der neuen (ateinitchen Poeſie in der unter
Mr. 1 gedachten Ganımlung, und zwar ©. 152 fg., ein nur
nach dem Gegenftande in wenigen einzelnen Worten abgeänder:
tes, auch abgekürztes Bebicht Gottfried Hermann’s in Leipzig
wieberfinden, das derfeibe im J. 1827 bei Gelegenheit ber Thron⸗
befkeigung des Königs Anton von Sachſen gebichtet, und weldyes
fi) nun auch in der Sammlung ber „Opuscula Hermanni‘‘, Bd. 3,
©. 354 fg., wieberfindet ; der Pförtner Schüler Hatte es im
. 1840, mit Aufopferung faft aller feiner Seibſtaͤndigkeit, auf
den König von Preußen angewendet.
Mr. 32 bat Prof. Wolff in Schulpforte herausgegeben.
Es tft der Anfang einer Gefchicdhte des Kloſters Pforta, der
hier gegeben wird, einer Geſchichte, bie bei ber Wichtigkeit des
Kioſters und ber Schule Pforte, fowie infofern die Gefchichte
bes Kiofters mit der Gefchichte Thüringens und des Mittelaiters
überhaupt 'eng verbunden iſt, ihr unläugbares Interefle hat.
Es find dabei die beiden handfchriftlichen Urkunbenbücher, bie
Pforta aus ber Kloſterzeit beſigt, befonders benugt worden; ins
dei bat der Verf. es für zweckmaͤßig gebalten, flatt die Urkun⸗
den vollfändig in bem Lateinifchen Originale ober in Auszügen
mitzutheilen, die nur das Weſentliche kurz zufammenftellen,
diefe Urkunden faft vollftändig und wörtlich ins Deutſche zu
überfegen. Manche würden die Urkunden jedenfalls lieber in
ben Originalen vor ſich haben. Den mitgeipeilten Urfunben
bat übrigens der Verf. über Ort und Verhältniffe Erläuteruns
gen beigefügt. Die Darftelung, das Ergebniß ſehr fleifiger
and mühevoller Studien, verbreitet fih mit großer Ausführlich
Reit über die Gründung des Klofters und über die erften Zeiten
deffelben, und wirb namentlich von ben Freunden des mittels
alterlichen Geſchichtsſtudiums als beſonders verbienftlich anerkannt
werden. Sie umfaßt bie Zeit von der Gründung bes Kiofterd
bis zum 3. 1223, und wird hoffentlich feiner Zeit weiter fort:
führt werben.
Das „Pförkners Album” unter Nr. 3 ift ein Verzeichniß
fämmtiicher Lehrer und Schüler der Pforte vom 3. 1943 bis
843, das von dem Dr. Bitter, Adjunct und zweitem Geift-
lichen in Pforte, auf den Grund früherer gebrudter Verzeich⸗
niffe und fchriftlicher Notizen fowie muͤndlicher Mittheitungen,
Boat muͤhſam zufammengetragen worben ift, und in der Haupt⸗
ache, außer den Namen der Cinzelnen unb ber Angabe des
Jahrs ihrer Aufnahme in der Schule, ihre fpätern Scidfale,
wenn audy nicht durchgaͤngig, kurz angibt. Auch bei einer nicht
u verkennenden Mangelhaftigkeit, die in der Sache ſelbſt und
n den Umftänden begründet ift, bat biefes Pförtner= Album
vorzugeweife für ehemalige Schüler der Anftalt, außerdem aber
aud für die Schule feibft, gleihfam zu ihrer Beglaubigung und
als ein Zeugniß, worauf fie ſich berufen Tann, ein befonderes
Intereſſe. Ein ausführlicheres, umfangreicheres Pfoͤrtner⸗Album
wird durch das vorliegende allerdings nicht ausgefchlofien, viel
mehr wird die Idee eines folchen durch letzteres erft recht leb⸗
haft angeregt; namentlidy aber wird bei biefer Gelegenheit ber
Wunſch nach einer ausführlichen Geſchichte der berühmtern Pfoͤrt⸗
ner von neuem rege, — ein Wunſch, den Schreiber diefes fchon
früher einmal in db. BI. auägelpradien bat. Das vorliegende
—— weiſt uͤbrigens 9921 Schuͤler und 254 Lehrer ber
orte nach.
Die „Erinnerungsblaͤtter“ unter Nr. 4 ſprechen zunaͤchſt,
infofern fie hauptſaͤchlich theils den erften Rector der Pforte,
Sohannes Gigas, beffen Leben, literarifche Thaͤtigkeit u. dergl.
zum Gegenftande haben (S. 1— 142), theils dem Gedaͤchtniß
einiger Lehrer der Schule aus dem gegenwärtigen Zahrhundert
gewibmet find, ebenfalld nur das Intereffe ehemaliger Pförtner
an, die eben als ſolche an der Vergangenheit der Schule ſelbſt
SIntereffe nehmen, und diefe Lehrer, deren Andenken bier gefeiert
wird, gelannt haben; allein fie ſprechen in diefer Hinſicht jenes
“2
Intereſſe und dad Gemuͤth übeshaupt in einen ebenſo ruͤhrenben
als erhebenden Weiſe in einem fo hoben Grabe an, baf wir
nieht umhin koͤnnen, allen Pförtuern, bie der fruͤhern Pietät
gegen die alma mater noch gern und freubigsbanfbar ſich be
wußt find, diefe „Erinnerungsbiätter” zum Lefen zu empfehlen.
Außerdem aber baben viefe Blätter au im Allgemeinen, wie
zum Theil fon aus bem Gefagten felbft hervorgeht, theils ein
literarifches, theild ein päbagogifches Interefle, um deſſen wil:
ten fie auch in weitern Kreifen Beachtung verdienen dürften,
welcher felbft dadurch, daß man fi) an eine gewiffe, in einer
etwas falbungsvollen Darftellungsart beftebende Eigenthuͤmlich⸗
—F ben, Bert. gleichfam erſt gewöhnen muß, kein Eintrag ge
eben kann.
So viel über dieſe obgedachten Jubelfchriften bei Gelegen⸗
beit der dreihundertjährigen Feier ber Schulpforte. Bedenken
wir am Gchluffe noch einmal, was uns befondırs zu dem Bor:
ftehenden veranlaßt hat, fo können wir nun um fo weniger un
terlaffen, noch eines Zeugniffes über Pforte hier zu gedenken,
beffen Ausfteller, ein gründlicher Kenner des claffiichen Alterthumt,
ein wahrer Pricfter reinfter, edelfter Humanität, wol von kei⸗
ner Seite ber verdächtigt werben fann. Es ift ber ehrwuͤrdige
Friedrich Jacobs. Derfelbe berührte auf einer Reife im 3. 1
auch die GSchulpforte. „Ich betrat damals’’, fo fchreibt er in
feinen ‚‚Perfonatien’’ (Leipzig 1840, &. 268 fg.), „die be
rühmte Pforte, aus der fo viele trefftiche Gelehrte und Lehre
hervorgegangen find, zum erftien Male, fie mit der Ehrfurdt
begrüßend, auf bie keine Anftalt gleicher Art mit größerm
Rechte Anſpruch zu machen hat. Wie viele Ummätlzungen der
Zeit und ihrer pädagogifchen Syfteme hat fie überlebt! Wie hat
fie mit fliler Würde alle phitanthropifchen und realiftifchen Ans
griffe ohne Kampf und Streit überwunden! Toͤnt nicht ihr Lob
aus dr Munde Aller, bie ihre Pflege genoffen haben? Senden
fte nicht auch ihre Söhne diefer nämlichen Pflegerin gründlichen
unterrichts zu? Iſt fie nicht, wie vor Jahrhunderten, noch jeht
die ſtille Heimat einer gebiegenen claflifchen Gelehrſamkeit, bie
von den Weltleuten oft mit Worten verfpottet, aber, wo fie
ſich kund gibt, im Stillen bewundert wird? eine wohlmwollende
Mutter, bie ben Geift ihrer Kinder durch firenge Gelege ftärkt,
feine Freiheit durch Zucht nähert und fichert, und, indem fie
ftraft, bes Gegend gewiß ift, mit dem einft ber Geftrafte ihr
danken wirb g Das Urtheit, das Zeugniß, weiches Jacobs in bie
fen Worten über bie Schulpforte ausfpricht, ift fo fehr auf eime
genaue Kenntniß der Eigenthuͤmlichkeit diefer Anſtalt gegründet,
fo fehe von der Wahrheit und von dem Gefühle hoher Pietät
durchdrungen, daß man zu bedauern ſich faſt verfudht fühlen
Eönnte, daß Jacobt — kein Schüler dee Pforte ſelbſt if. Shit
fie diefes Urtheil des ehrwürbigen Iacob& in einem nicht gerins
gen Grabe, fo ift das Wort Friedrich Wilhelm’s III., weiches
uns Cylert ( „Gharattergüge aus dem Leben Friedrich Wil⸗
beim’s III., Bd. 1, ©. ) von ihm über bie Schulpforte
überliefert hat, nicht nur ein Wort ehrender Anerkennung, fons
dern auch eine bebeutungsvolle Mahnung. „Habe viel Gutes’,
alfo lautct dieſes Wort, „von Schulpforte gehört, und follen
die Beamten, bie auf derfelben gebilbet find, vergleichungsweiſe
bie gründlichften und beiten fein. Mag wol mit ber geiftigen
Speife gehen, wie mit der koͤrperlichen; es kommt nicht
darauf an, daß man viel genießt, fondern daß man Das,
was man genießt, gut verbauet und in Kraft und Gefunbheit
verwandelt ” Wir wünfchen von Herzen, daß die Dahnung, welche
in diefen Worten Liegt, nie überhört werben möge. 31.
Notiz.
‚ „Ja Philadelphia hielt vor kurzem ein Hr. Ginal eine oͤffent⸗
liche Vorleſung in deutfher Sprade über Monarchie,
Ariftokratie und Demokratie. Es hatten ſich zahlreiche Zuhörer
eingefunben. E 33.
, Borantwortlicher Herausgeber: Heinrich Broddaus. — Drink und Verlag von F. A. Brockdaus in Beipzig.
Blaͤmter
ir
literarifche Unterhaltung.
Sonntag, - R
30. Juli 1843.
Die ——5 Zerwuͤrfniſſe in Zürich non 1839.
Dritter und Ichtes Artikel.*)
Die kirchliche Partei im Großen Rache ımd das Gen:
tentosımite behaupteten mit Worten fortwährend, daß bie |
Dolkstewigung durchaus Teime polltiſchen Zwecke babe.
Mnd Gr. Dr. Belzer behauptet Daflelbe noch im J. 1842.
Eher ſchon in der Rathöfigung am 31. Fan. fagte Staats:
anwalt Urkh: „Dan bat uns ja prophezeit, daß die
GStrauß ſche Frage eine ſolche ſei, über welche die Ras
dcealen endlich einmal den Hals brechen werden.“
Übtigens MR es laͤcherlich, auch nur darüber zu ſtreiten,
ob ein poelitiſcher Zweck den Demarchen ber Firchlichen
Partei zum Grunde lag. Alles, was fie von der Regie:
rung verlangte, war ein Zuwachs von Rechten, gzwar für
die Kieche, aber von politiſchen Rechten. Auch waren die
Mittel, Ye man anwendete, durchaus politifcher Matur.
Wenn man erftärte, Beine ungefegliche Gewalt anwenden
zu wollen, fo zeigte man doc, daß man ſich wohl bewußt
fel, diefe Waffe in der Hand zu haben. Folgende Stelle
kam in ber Abreſſe des Centralcomiteé an den Großen
Kar vr: une 4
Es iſt Alles geſetzlich hergegangen... allein das
Bolt᷑ befindet ſich in —— Sonnen. wie im bödften
Grabe ber Krafı t... Jeder Miderftand ber Regierung,
dem Bolköwillen In gieer Dinficht feine Rechte zu verfagen, ift
gefährliih (S. 191).
Und in dem Sendfchreiben an die Kirchgemeinden
hieß es:
Sie wäre wahrlich ein entartetes Geſchlecht die jetzige Ges
neration des Gantons Zürich, wenn irgend eine weltliche Macht
es vermögen fellte, ihr (rm Giauben an bie unmittelbare Sen:
bung eines Weltheilands . . zu nehmen u. f. w. Frei ge⸗
und gewohnt, ihre Gefühle ohne Scheu autzudruͤcken,
37 "fe ſich beleidigt, gekraͤnkt in den heiligften Rechten ber
Menſchheit, durch eine, ohne den Volkswillen zu befragen, in
den Annalen der Geſchichte beiſpiellofe Verfuͤgung uͤber ihre re⸗
ligioſe Zukunft, und — wie Ein Mann und Eine Beele
Bebt fie auf u. ſ. w.
Ja dee politifche Charakter, den man ber ganzen Ber
mwesung zu geben fuchte, war fo ſtark ausgeprägt, daß dafs
ſelbe Sendſchreiben fogar folgende Hypotheſe enthielt:
Die fociaten Buflände würden der Probirftein idetller
ſiegebilde werden (durch die Seitens der Regierung an⸗
9 Fr den erfien und wpweiten Artikel in Nr. BE— 17 und
— begonnene Rirherreform), u und das Wand, das ums voch
n unfere zeformirten, ihrem Glauben petreuen ib au
tatholifchen Brüder enfelieht, dürfte vollenbö zerfchnitten wer⸗
den... Mit dem Verlufte unferer Gewiſſens⸗ und Gemuͤths⸗
rube wäre auch unfer fchweizerifch « politifcher Verband zu
Grunde gegangen. Innerlich und aͤußeriich zernichtet wärben
wir dem verdienten Untergange aller fittlichen And politiſchen
Kräfte entgegenfchreiten u. ſ. w. (&. 187.)
Der erfle Entwurf der Petition vom 10. März hatte
folgenden (bei den Haaren berbeigezogenen) Eingang:
Es gibt im Leben der Staaten Diomente, wo bie gefehe
mäßigen Gewalten ihre Befugnifle überfchrriten, bie Voͤlker eo
erheben und dieſe Miebraͤuche — beftzafen. Die Geſchichte
gibt dazu Belege, und einer ber neueiden if hie 1830 flattges-
: habte —— des franzoͤſiſchen Bolks gegen feinem König,
der die orthanen nbergriffe mit dem erinfte feines Stroms
büßen mußte ıı f.
Endlich —28 die Berufung des Dr. Strauß mittels
einer merkwuͤrdigen Deduttion Tlr verfaſſungswidrig er:
kluͤrt, indem zwar die Wahl des Profeſſors der Regierung
zuſtehe, die Regierung aber doch nicht die Verfafſung durch
ihre Wahl verlegen dürfe, was aber durch die Berufung
.de6 Dr. Strauß geſchehen fei, da durch diefe Berufung
die der Theologie Befliſſenen in die Irrlehren dieſes Man⸗
nes eingefuͤhrt wuͤrden und unfehlbar der Verfall der Lan⸗
deskirche eintreten muͤßte.
Indeſſen war mit der Penſionirung des Dr. Strauß
jeder auch nur ſcheinbare Grund zur Rechtfertigung einer
Auflehnung gegen die Regierung weggefallen. Man wird
fi) erinnern, daß das Centralcomité ſelbſt fi geweigert
hatte, um Abfegung des Seminardirectors Schere zu pe⸗
titioniren, weil dieſer durch die Verfaſſung und das Ge⸗
ſetz davor geſchuͤtzt ſei. Ploͤtzlich wurden Gerüchte ausge⸗
breitet, als gehe Scherr damit um, die Schule ganz an
die Stelle der Kirche zu ſetzen S. 327). Und am B.
Aug. erließ das Bentrafcomite einen Aufruf: „An bie
Bürger der vereinigten petitionirenden Kirchgemeins
den’’, worin e8 heißt: Zwar habe die Regierung die Nie:
‚ derfegung einer Prüfungscommiffion für bie religiäfen
Lehrmittel, die Vermehrung der Religionsſtunden in ben
Volksſchulen, die Übertragung der Wahl von Religions:
kehrern für Seminar: und Cantonsſchule an die Geiſt⸗
lichkeit, die Übertragung des Religionsunterrichts in der
Repetirſchule an einen Geiſtlichen u. A. den Wuͤnſchen
des Volks gemäß berofiligt. Indeſſen obgleich das Gomtte
biern „einige Beruͤckſichtigung der Bolkswünfde" anerz
| foboß man gu ber
sfobert wi babe feine Dichtung
U nach der Gedichte der Tage, in: weichen Dumsuvieg
zur Boarbeitu
bein, daß diefe Darftellung auch dem Lefer aus andern Gtäns
den Stoff zur Unterhaltung und zum Nachdenken geben werde.“
Die Bemerkung Des Verf. fcheint uns neu und in Bezug
auf den Dichten bed „Wallenflein‘ überaus bebeutend zu fein;
wie empfehlen fie ber eigenen Wuͤrdigung bed Lefers. Es fei
und jadoch geflattet, aus biefer jo anziehensen Darfiellung ein
5 Momente hervorzuheben, weiche beinahe unverkennbar aͤhn⸗
Iihen Momenten in ber Dichtung Schiller's zum Grunde: geiss
gen zu haben feheinen. Seinen Oxenſtierna fand Dumouriez an
Seburg, feinen Baner an Obriſt Mad; fein Queſtenberg war
Senrnonville und bie Commiſſare des Gonvents, Camus, Las
meque, Bancal; fein Octavio Piccolomini war ber Großpro⸗
fae Seuper; fein Io, Teriky und Tiefenbach waren Valence,
ot, Montjoie, Devauz, Neuilly, Ruault und Berneron 3
fein Heer war in Haß und Liebe, in Entſchloſſenheit für ihn
und in ſchnellem Abfall ganz das Wallenftein’s und feine Pap⸗
waren die Volontairs vom dritten Bataillon ber
Marne. Hören wir nur den Verf.: „Am I. März verlangen
ſecchs Volontairs des „dritten Bataillons von ber Marne ben
Feidherrn zu ſprechen. Diefer läßt fie kommen. Sie tzeten vor
{fa mit militairiſchem Anftande und nehmen Gewehr beim Fuß.
Die ‚Hüte trugen fie verkehrt, bie breitern Stuͤte vorn, darauf
jeher mit Kreide das MBort ‚Republique‘ geſchriebon.
er General erlaubt, daß fie schen. Der Wortführer beginnt
alabald: wie er höre, daß bez Beneral bas Vaterland verrathen
weile, daß ex nicht baran glauben Eönne, baß aber kein Mittel
varhanden fei, fidy won dieſem Verdachte zu wetten, als vor bie
Gehronten des Gonwente zu treten. Dumouriez läßt ihn bis
zu Ende reden. Dann macht er einige Geitenfragen und ſoricht
in allgemeinen Ausdrüden. Diefe Außerungen werben vielmal
unterbrochen, endlich kuͤndigen ihm bie Soldaten an: wenn er
ſich weigere au geborchen, fo fähen fie bie Beſchuldigung als
emwiehn an, und für diefen Fall hätten fie ſich verſchworen,
ie umsmbringen. Dumoupiez antwortete mit ruhigem Son,
ige Gifer führe fie zu weit. Wenn ihnen daran Läge, das Was
testand zu retten, fo müßten fie erkennen, daß das Ungehauer
dee Anarchie geflürzt werden muͤſſe. Diefe habe Frankreich ins
Wenberben gebracht u. |. w. Dieſer Verſuch des Generald miss
lingt, das Geſpraͤch wird hieig, bie Soldaten umringen ihn,
ee Scheint verloren, ba fpringt fein Diener Baptiſte herbei und
befgeit ihn” m. ſ. w. .
Unter fo aͤhnlichen Nebenumſtaͤnden entwickelten ſich zwei in
ihrenn Weſen verwandte geſchichtliche Ereigniſſe; beide Unter:
nehmnungen fcheiterten aus zwei Gründen, erſtens weil die öfs
fanttiche Meinung fie nicht unterfiügte, und weil die Hand, bie
zu idrer Ausfuͤhrung berufen war, im entſcheidenden Augenblick
Jauderte. Auf der andern Seite iſt es eine hiſtoriſche Merk⸗
wördigfeit, wie geringen Nutzen die Verbuͤndeten aus bee Ver⸗
wirrung sogen, weiche Dumouriez' Beginnen über ‚bie franzoͤ⸗
fifdge Wacht brachte; 90,000 Mann bewährter Krieger ſtanden
woͤlf Märfehe von Paris entfernt, batten auf ihren Flanken
Seinen Feind zu fürchten und vor fich einen aufgelöften Heer⸗
haufen, der Faum einigen Widerſtand leiften Eonnte. Und den⸗
noch kam Niemand auf den Gedanken, über Balenciennes hinaus
zu marſchiren. So beſchraͤnkt war die Auffaffung Exiegerifcher
Unternehmungen in jener Zeit!
Der vierte Band faßt ſechs Biographien und Rekrologe zu⸗
fammen, wie wir glauben, bie friuͤheſten ſchriftſtelleriſchen Ver⸗
fudhe des Verf. Die „‚Lebensgefchichte Fürft Karl v. Schwars
zenberg's“ ift ein aͤußerſt flüchtiger Auszug aus ben „Denk:
würbigleiten aus dem Leben des Feidmarſchalls Kürft v. Schwar⸗
zımberg“'; ein Anhang wiberlegt einige Einreden ber Beipgiger.
diteraiur⸗ Zeitung”. Die Biographie des Herzogs Don Reich
fteht, den ber - ſehr nahe ftand, ift mit non Neigung unh
Liebe begeifterter Hand entworfen, und läßt nur bedauern, baf
der Biograph nicht zu größerer Ausführlichkelt Cut und Mufe
fand. lider Wityelm dv. Degen, den Verf. von „‚Dys-Na-Sere”,
mit weichem ker Autor als Drbonnanzo des arten v.
Schwarzenberg tm J. 1820 gleichen Dienſt theilte, folgen einige
warme Worte, welche Beide, den Beſchreiber und den Beſchrie⸗
benen, ehren. Dieſen folgt ein ziewlich umfaſſender Auszug aus
Meyern’s Hinterlaffenen Schriften, welche feitbem gefammelt er:
ſchienen find. Diele biographifchen Notizen von der Hand eines
Freundes würden jene von Feuchtersleben herausgegebene Samm⸗
lung geziert haben und wir bedauern, baß fie dem Gammier
unbekannt — zu ſein ſcheinen.
Oen alu machen einige kurze Rotigen Aber den Drik⸗
ten in diefem Bunde, Über Graf Johann Saar, gleichfalls aus
der nächfien Umgebung bes Mürften v. Schwarzenberg, dem us, als
ihn in Leipzig, gerabe ficken Iehre nach feinem rubmgelrön-
teſten Eabenstage und auf bemfsiben Plage, wo ihm ber un
flerblidye Sieg zufiel, ber Zodesengel erreichte, das Auge ſchloß.
Wir entlaſſen hiermit die Sammlung Meiner iften des
Berf. nicht ohne Dank für die Bufammenftellung dirfefben. Wir
nehmen daraus bie Überzeugung mit, daß der Verf. nach im
vollen Auffteigen in feige Laufbahn :begyiffen und daß in vie
len Richtungen Hin noch als eine erfreuliche und dankens⸗
wertpe Leiſtung von ihm zu erwarten fei.
Literarifche Notizen aus Frankreich.
Die ruͤhmlich beisante „Bibliothägue latiue - fran-
oaise" ven Panckeucke wird jest in einer zweiten Serie, von
dev bereitd ber erfte Band erfdyienen iſt, vervollſtaͤndigt und
esgängt. In der erften Abtheilung bat fich ber gelehrte Heraus⸗
geber bekanntlich auf bie Werke der vorzüglichen Dichter und
Proſaiker Ver Iateinifchen Literatur befchrändt, ſodaß ihm für
diefe zweite Abthellung, in der bie Kleinen und unbeachteten
Werke der beffern Zeit und insbeſondere die werthvollezn Sehrift⸗
fellee aus bez Beit bes Verfalls mit franzöfiicher überſetzung
herausgegeben werben follen, noch eine reiche Nachleſe —*
geblichen iſt. Der erſte Band dieſer neuen Sammlung enthält
eine Auswahl von kleinern Poeſien, bie nur feltenge gelrfen
werben, und bie doch in mehr als einer Beziehung für das
Stubium des Alterthums nicht ohne Intereffe fand. Wlan muß
es dem Derandgeber Dank willen, daß er einzelne bexfelben,
von benen oft noch gar feine Iedbare Ausgabe vorbanben ift,
wicber aus ihrer Bergefienheit hervorzieht. Wir erwähnen von
benfeiben nur den Aulus Gabinus, Gratlus Faliscus, Kracaftor
Alcon u. f. w. Die liberfegung diefer Dichter rühzt von Ga-
—— her, der Geſchmack mit Treue zu vereinigen
gewußt hat.
überſetzungen des Virgil und Boraz.
Pongerville ift eine von ben alten ehrwürdigen Geftalten
ber Academie frangaise. Er hat fih turd feine ſchulgerechte
und wohlverfificiete Überfegung bed „Lucrez“ die Sporen vers
dient und feitdem iſt er nie ein Daarbreit von ben Foberungen
des gulieiömus abgewichen. Seine Worte find: „Die Claſſiker,
die Glaſſiker, und wieder die Claſſiker!“ So hat ed ihm denn
ein dringende Bebürfniß ber Zeit gefchienen, in einer Übers
fegung bes Virgil den auf den Pfaden bed Romanticiömus ver:
irrten Schafen eins von ben vollendeten Muftern der Schönheit
vorzuhalten. Wenn feine Überfegung wenigftens in Verſen wäre,
jo hätten wir nicht& dagegen einzuwenben; aber was Jollen wir
mit gewöhnlichen profaifchen Überfegungen, wie wir fie deren
ſchon ein Dugend haben? Hr. v. Pongerville ſchreibt noch dazu
eine Profa, in der überall der Alerandriner durchblickt. Deſto
mehr Gefallen finden wir an einer Überfegung bes Doras_von
Michaux, bei dev man nit weiß, ob man die Treue der Über:
fegung .oder bie Anmuth und Leichtigkeit der Form mehr be⸗
wundern foll, e
Berantwortliher Herausgeber: Heinrich Brockhaus. — Drud und Berlag von 8. U. Brodhaus in Leipzig.
Blätter
für
literarifhe Unterhaltung.
Montag,
Die Strauß'ſchen Zerwürfniffe in Zürich von 1839.
Dritter und legter Artikel.
(Befdluß aus Nr. 211.)
Inzwiſchen ſollte die Regierung den 9. Sept. nicht
mehr erieben. In einem Gebirgsderf des oͤſtlichen Cans
tons, in einer Gegend, wo Armuth, Unwiſſenheit, Starr:
finn vorzugsweife herrſchend find, in Pfaͤffikon brady ber
Sturm los. Sein Urheber, der Pfarrer Dr. Bernhard
Hirzel, erzaplt feibſt:
Der biofe Gedanke an frembe Einmiſchung, an Zwang zu
verabfcyeuten Zwecken von Seiten einer verachteten Regierung
regte mid; und Alte, denen ich den Mahnbrief des Comité mit:
theilte, bergeftalt auf, dab win lieber fterben wollten als folchen
Zwang erbuiten. Sogleich benachrichtigte ich-bie umliegenden Ger
meinden, daß fie auf die Glocken von Pfäfftton achten möchten,
und überlegte ſodann mehre Stunden lang, allein vor
Gott, die Lage ber Dinge. ’
Das Refultat der Überlegung war blos, man müffe
der $ntervention zuvorfommen, wenn man nicht alle bie:
ber errungenen Vortheile einbüßen wolle. Alſo — er ließ
Sturm läuten. Nun böre man den Pfaffen:
Eine allgemeine Bewaffnung fand nicht flatt, weil wir
6108 durch eine moraliſche Demonftration, nicht durch
BVaffengewalt, die Regierung zur Erfuͤllung der Volkswuͤnſche
bewegen wollten; aber — es bewaffnete fidy ein kleinerer Theil,
um bamit dem Zuge ein gewiffes Anfehen zu geben (&. 380).
Das Centralcomite war auf diefe Übereilung feiner
Sache nicht vorbereitet. Hürliman : Landis war ruhig zu
Haufe in Richterſchwyl. Als man am 5. Sept. Abends
hörte, daß Stuͤrmende im Anzug wären, wurde der Actuar
des Gomite Spoͤndlin abgeſchickt, die Bauern zuruͤckzu⸗
weifen, weil (des Präfidenten Worte) „man fie nicht ges
rufen und in der Stadt fir weder brauchen könne noch
wolle‘. Spöndlin fchrieb zugleih an alle Seegemeinden,
fie möchten durchaus nicht eher aufbrechen, als big das
ComitE in Neumünffer (erfte Gemeinde am rechten Ufer
naäͤchſt Zürich) Sturm läuten laſſe.
Der Zug von Pfaͤffikon war bei Dübendorf ſchon auf
45000 Mann angefhwollen. Dier erhielten file die
Anffedrrung des Somitd, nad Haufe zu geben, kehrten
fih aber nicht daran und rückten weiter auf der Straße
gem Zürich vor. Auf ber Höhe dee Winterthurerſtraße,
mm Oberſtraß trafen fie auf zwei Abgeordnete des Regie⸗
rungttaths, welche fie befragten, was fie für Wünfche haͤt⸗
ten. Dr. Rahn : Efcyer langte gleichzeitig von Seiten bes
— Nr. 212. —
m —
31. Juli 1843,
Comite an. Als Wuͤnſche des Volks wurden ausgeſpro⸗
hen: 1) Erfüllung ſaͤmmtlicher in der Adreffe von Cloten
Eundgegebenen Wuͤnſche; 2) beflimmte Erklaͤrung, daß
man feine Intervention zulaffen werde; 3) Losfagung
vom Giebner: Soncordbat. Mit diefen Aufträgen Echrten
bie beiden Abgeordneten nach Zürich zuruuckk. Ohne jedoch
die Antwort der Regierung abzuwarten, ging die Maffe,
von der fich die Hälfte ſchon wieder verlaufen hatte, alfo
etwa 2000 Dann, mit Stöden u. dgl. bemaffnet, voraus
aber gegen 20 Scharfſchuͤtzen und etwa 100 Mann mit
Infanterieflinten und andern Waffen, gegen Zürich los.
Da das Comité fah, daß ſich die Heranziehenden niche
mehr abweifen ließen, fo that e6 ben legten Schritt. Man
bot den allgemeinen Landflurm auf. Hürliman : Landis
fchrieb an einen Bezirk:
. Laßt Sturm läuten, Brüder! vereinigt euch zum Scuge
der verlegten Religion, der verlegten Werfaffung, der Grundlage
einer befiern Zukunft (S. 3890).
Die Gemeindevorfteher in Neumünfter ließen fi) lange
bitten, die Glocken zu ziehen; endlich veichen fie den bein:
genden Borflellungen und flürmtn. Das Sturmgeldute
ging dann meiter den See entlang von Gemeinde zu
Gemeinde. |
Die Pfäffitoner rüdten unter Abfingung bes Liedes
„Dies ift der Tag, den Gott gemacht”, in die Stadt ein,
und dann vom Rathhausplage aus, auf Rahn⸗Eſcher's
Kath in zwei Haufen, deren einer über die untere Brücke,
Hirzel und die Schügen an ber Spige, der andere unter
Rahn-⸗Eſcher's Führung über die obere Brüde zog, nad
dem Sraumäünfterplage, an welchem das Zeughaus Liegt.
Regierungsrarh Wyß batte auf die Kunde vom Sturm:
läuten in Pfäffiton als Präfident des Kriegsraths dem
Oberſten Hirzel Vollmacht gegeben, die Mititairfchule „zum
Schus und zue Sicherheit der Perfonen und des Eigen⸗
thums ſowie der verfaffungemäßigen Behoͤrden“ zu ver:
wenden, eine Bollmadht, die der um 4 Uhr Morgens zus
fammengetretene Regierungsrath beflätigte, mit bee nähern
Beſtimmung, dag Oberft Hirzel „ausgedehnte Vollmacht“
habe. Die Bürger Zuͤrichs erhielten zugleich, auf Antrag
ihres Vorſtandes, Erlaubniß, fih „zum Schuge ber Pers
fonen und des Eigenthums“ aus dem Beughaufe zu bes
waffnen.
Ich laſſe jegt den Pfarrer Hirzel weiter erzählen :
Gegen die Mändung der Storchengaſſe in ben Fraumuͤn⸗
#terplag hörte ich plöglih Cavalerie heranfprengen , lief ſchnell
vorn an die Schägen, und — (nun höre man wieder den Pfafs
fen!) rief ihnen zu: „Um Gotteswillen nicht zu feuern, bie
Zwei von uns tobt darniederlägen, bamit wenigftens wir nicht
den Bürgertrieg anfangen.” In diefem Augenblick ſah
- ih die Dragoner mit gezuͤcktem Saͤbel —"’
Doch — id muß bier bemerken, daß unfer Berf. les
diglich die Hirzel'ſche Erzählung mittheilt, und die vom
Major Uebel gegebene Darfiellung des Vorgangs (vergl.
„Leipziger Allgemeine Zeitung”, 1839, Nr. 270) vers
fchweigt. Er traut dem Pfarrer mehr als dem Offizier.
Ich will Leinen Zweifel In die Aufrichtigkeit des Pfarrers
Hirzel fegen, aber ich frage, wer verdient in Betreff der
- Schilderung eines Treffens mehr Glauben, der brave, er:
probte Prieggeübte Offizier, der gewiß keinen Augenbiid einem
Volkshaufen gegenuber die Ruhe und Aufmerkfamkeit verlor,
oder der fanatifche, heftig aufgeregte, durch das Zuſammentref⸗
fen überrafchte Pfarrer, der den Bericht des Majors „ganz
unrichtig” nennt, aber ſelbſt geſteht, nicht mehr recht zu
wiffen, was nach dem erſten Wortwechſel mit Major
Uebel, defien er ſich ganz Mar erinnern will, vorging?
Da Hirzel’s Darftellung überdies das Andenken des bras
ven, feitdem in Algier an einer Wunde geftorbenen Offi:
ziers befleckt, fo ſchalte ich hier einen Auszug aus Major
Uebel's Darſtellung ein.
Uebel hatte von Hirzel Inſtruction, den Muͤnſterplat
von Menfchenmaffen frei zu halten, und wenn bewaffnete
Haufen ſich näherten und nicht zuruͤckwollten, die Waffen
zu gebrauchen. Als ſich der Hirzel'ſche Haufe an ber
Mündung der Storchengaſſe zeigte, fprengte ihm Uebel
mit feinen Reiten (20 Mann) entgegen, und rief: „Zus
ruͤck! der Pag fol frei bleiben !’’ Hirzel antwortete: „Friede!“
Uebel: „Ja wol, Friedet aber der Platz ſoll frei bleiben.
Ihr dürft nicht vorcüden.” Hirzel abermals: „Friede!“
Sept riefen Leute hinter ihm: „Vorwaͤrts!“ und legten die
Gewehre an. Oberſt Hirzel, der zu Fuß von hinten ber:
ankam und alle Savaleriften riefen: Zuruͤck!“ Da fiel aus
dem Haufen ein Schuf. |
irzel, der Pfarrer, erzählt dagegen :
Er fa bie EA nit gezädtem Saͤbel hart vor mir,
trat bin vor Major Uebel und rief fo Laut ich konnte: „Wir
kommen blos, um unfere friedlichen Unterhanblungen mit dem
Stegierungsrathe fortzufegens ich beſchwoͤre Sie, beginnen Gie
keinen Bürgerkrieg!” (Man denke fi biefe Zirade in biefem
Augenblick. O guter Pfarrer) Allein Hr. Uebel fprad
fein Wort, wenigftend hörte ich keinen Ton, und fah feine
Lippen fidy nit bewegen. Vielmehr zog er fih mit feinen
Dragonern ein paar Schritt zurüd. Ich hoffte ſchon, er
würde abfleigen und mit mir fpredhen, allein er glaubte
vielleicht, daB er vor den nun wirklich angehaltenen Stugen
meiner Leute weniger ficher fei als ich zwifchen biefen und
den Pferden u. f. w. feiner Leute: er fprengte zum zeiten
Mat auf uns ein, bie wir unbeweglich ftille hielten; wieder
derfeibe Zuruf von mir, wieder keine Antwort, nochma⸗
liger Ruͤckzug.
Dann erzählt Hirzel, aber aus unbeflimmter Erinne:
rung, die Gavalerie fei zum dritten Male angefprengt, der
Schuß gefallen, er wiffe nicht, ob aus bem Haufen feiner
Leute, oder aus einem Haufe, ein Dragoner habe dann
auf ihn, Pfarrer Hirzel, loshauen wollen, diefen Dragoner
habe ſammt feinem Pferde ein Schuß niedergeſtredt, die
Dragoner felen entflohen, ruͤckwaͤrts noch einmal feuern
und „ihr Heldenmuth babe ſich gegen die Unbewaffnetm‘
bie über die obere Bruͤcke. heranzogen, gewandt. In die
ſem Augenblicke Habe er, mit ſchwerem Herzen, gerufen:
„Nun denn in Bottes Namen vorwärts!” „Zum Feurrn
— (hört den Pfaffen!) foderte ich niemals auf,” De
ganze Zug fei dann an dem gefallenen Dragoner vorbei:
marſchirt, der ſich unter dem Pferde hervorarbeitete, „ohne
ihm ein Haar zu kruͤmmen“, gegen die Mitte des Plage,
Hier erfuhren wir erſt recht die Schaͤndlichkeit und Rie
berträchtigkeit ber Gegenpartei. Richt offen, Dann gegen Mann,
wagte fie zu kämpfen, fondern feige verkrochen fie ſich in die
Häufer und richteten ihre meuchelmdrberifcyen Schäffe auf ihre
Brüder u. f. w.
Major Uebel erzählt dagegen weiter:
As der Schuß fiel, vief Pfarrer Hirzel: „Run ben, in
Gottes Namen fchießt 1” Ein lebhaftes Rottenfeuer erfolgte, mes
von mebre Gavaleriften und Pferbe getroffen wurden. Katic
lich gab jest audy die Gavalerie Feuer. Ich konnte aber nicht
baran denken, mit 20 Neitern eine in enger Straße dicht zu
fammengedrängte Maffe von mehr als 2000 Menſchen, meik
lebhaft auf uns feuerten, zurüdzumwerfen; auch bemerkte ih in
biefem Augenblid eine zweite feindliche Maſſe über die obere
Brüde uns faft im Rüden gegen den Platz vorrücen : ich führte
daher die Gavalerie an das Zeughaus neben bie Infanterie zu:
rad; unterwegs machten wir noch zweimal Front, um Kaue—
raden zu retten, deren Pferde geſtuͤrzt waren. Die feinblihe
Mafle folgte uns, blieb aber im Vorgehen nicht dicht zufammen.
As biefe Haufen am Zeughaufe ankamen und auf wiederholt
Zur uͤckrufen nicht wichen, fondern wüthend andrangen, gab bie
Infanterie Beuer und bie Gavalerie brach Hervor. Rach einem
turzen Gefecht zogen ſich bie feindlichen Baufen in mike
Flucht zuruͤck.
Wenige Minuten ſpaͤter kam von der Regierung der
Befehl, das Zeughaus am die Stadtwehr zw übergebm
und bald darauf ein zweiter Befehl, die Militairſchule zu
entlaſſen.
Oberſt Hirzel und Oberſtlieutenant Sulzberger verlangten,
mit der Schule in Maſſe nad) Dietikon an ber Grenze dei
Cantons zu marſchiren, um fie dort zu entlaffen. Dies wurde
auf Das entfchiedenfte verweigert und wir mußten einzeln, fo
gut Jeder konnte, bie Stadt verlaffen. Alle Gavaleriften muf:
ten in andere Gafernen geben, um ſich der Wuth der fanatilir
ten Maffen zu entziehen; G@inzelne haben auf ihrem Wege noch
Schüffe belommen. — — ALS bie Leichen ber Gebliebenen 6
im Ganzen) in der Kirche aufgeftellt waren, haben die Lenker
bes Glaubens die Haufen der Bauern vor ben Leichen vorüber
geführt und ihnen gefagt: Seht! Dem hat Major Uebel den
Kopf zerhadt, Jenen erſchoſſen u. f. w.
Auh dem Oberſtlieutenant Sulzberger hat Pfarrer
Hirzel noch eins angehängt.
Es ift zu bemerken, daß bie Infanterie ſchwerlich dem Be
fehle von Hrn. Oberſten Sulzberger gehorcht haben würde, wenn
fie gewußt hätte, daß biefer radicale Heid ein paar Gtunden
Ipäter als galantes Yräulein in Schleier und Gor:
fett feine Ehre beweifen werde.
Ich weiß nicht, ob es wahr ift, daß ſich Oberſtlieu⸗
tenant Sulzberger in Srauenkleidern gerettet habe. '©o
viel it aber gewiß, daß die Ehre eines Soldaten es nit
erfodert, wenn ihm der Gebraudy der Waffen von feiner
Obrigkeit verboten und er des Dienftes entlaffen ift, ſich vom
Poͤbel abſchlachten zu laſſen, fondern daß es ihm auf alk
ei
Weiſe zu rathen if, daB er ſehe, wie er -mit beiler Haut
davon komme; ob er In Verkleidung und im weldyer- feine
Flucht bewerkſtellige, iſt gewiß ganz gleichgültig: die naͤchſt
zu babende gewiß die beſte. Was meint ihe aber zu der
tiebreichen Art, im welcher ber fromme Pfarrer jene Ber
Heidung au6malt ? |
Der Regierungsratb fing an fih zu zerſtreuen, als
das Gewehrfeuer gehört wurde. Aus dem Haufe, wo er
Sitzung hielt, flürzte noch Regierungsrath Hegetſchweiler,
den fchriftlihen Befehl, nicht länger zu ſchießen, in der
Hand, den er einem Gavalerieoffizier übergab, und fiel,
von einem Schrotſchuß getroffen, ein Opfer feines Mus
thes. Nach Beendigung des Kampfes conftituirte fi aus
Mitgliedern der aufgelöften Regierung und Mitgliedern der
Bolkspartei eine proviforifhe Regierung.
Ich ſchließe. Die ganze Geſchichte — „ſie klingt
ſehr pfaͤffiſch“.
— — Pfaffen waren’s auch.
Sie waren mehr als Andere betheiligt,
Der Aufruhr ſchwoll, der Aufruhr ward geheiligt.
G. Julius.
Romanliteratur.
J. Die Bettter in Köln, ein Roman von Maria Lenzen.
Drei Theile. Leipzig, Kollmann. 1843. 8. 3 Thir. 71% Ror.
Man muß ber Autorin biefes Romans die romantifche
Schule zugeftehen und fieht die Romantik bis zum doͤchſten
Grade gefteigert. Es gibt Begebenheiten und Leidenfchaften als
ler Art, und meift von den abenteuerlichften; und Schatten und
Licht find fo grell aufgetragen, daß man diefen Roman mit je
nen nur mit zwei Karben, nämlich roth unb ſchwarz, gemals
ten Biltern vergleichen möchte: auch treten ſaͤmmtliche Geftals
ten ſehr greil hervor und befchäftigen durch ihr Grfcheinen,
Sprechen, hun, die Phantafie des Lefers auf fehr feffelnde
Weile. Das Ende des 17. Jahrhunderts und die erften Jahre
des 18. geben den Zeitraum ber Begebenheiten. Köln ift der
und die damaligen Sitten und Gebraͤuche fcheinen
gugen Ghroniten entnommen zu fein. Das Bettlerreich, jener
Heine Etaat im Großen, ift in feinen verfchiedenen Typen gut
repräfentirt; man fieht fie betteln, ſchwelgen, darben unb in
ihrer ganzen privilegirten Gemeinheit ſich entwiden. Beim ers
fen Zon ber Morgengiode fpie bie Pfarrei von Gt.: Mauricius
ganze Scharen diefer Hefe der Menfchbeit aus, fie überfluteten
in einem Nu die Etraßen Koͤlns und kehrken erfi am Abend
zuräd. Diejenige Kirche oder Kloſterſchwelle, wo feit vielen
Jahren Bater und Mutter gebettelt hatten, betrachtete der
Betteinde als fein rechtmaͤßiges Eigenthum unb ein Anderer
durfte die Stätte einnehmen. Gr murbe von feinen Standes⸗
genoffen in diefem fonderbaren Eigenthumsrecht beſchuͤtzt; daher
famı es, daß Manche das Bettelrecht an verſchiedenen Portalen
befaßen , während Antere eine ſolche Stelle oft mit Vielen theil:
ten. Manche befußen mehre ſolcher Bettlerftellen, Andere nur
Antheil daran. Den Töchtern gab man bäufig eine Bettlerſtelle
ſtatt des Deirathöguts. Die aͤrmſten und veradhtetften von Als
ien waren bie auf das Thürbetteln ber Bürger angewiefenen.
Und diefer Sphäre entfproßte die Heldin unfere Romane, bie
ſchoͤne Columba, ein Ideal von Schönheit, Bildung, Zus
gend u. ſ. w. Sie ift an den würdigen Bettler Valentin Hahn
wertobt, weicher drei Bettelftellen befigt und alfo eine gute
Yartie iſt. Sie liebt aber einen jungen Maler, erregt die Reis
denſchaft eines Gomtburritters, weldyer ihr nachſtellt und gegen
den fe mit Dolch und Meffer ihre Unſchuld vertheidigt. Gie
findet in einem würbigen Gelehrten ihren Water, den Verführer
ihre Mutter, die Mutter aber in Ketten, als Mörderin des
Satten und Branhftifterin, als ein sermerfenes, Ekel erregendes
Weib, welichet auf dem Schaffot enbigt. Wenn dem Buche
auch biftoriihe Wahrheiten untergelegt find, fo fehten ihm body
bie pfychologiſchen, denn Alles iſt übertrieben, allzu grell aufs
getragen. Entſetzen haͤuft ſich auf Entfegen, dad Ende iſt traue
zig, ſchauerlich, bie Liebenden fterben, nachdem ihre Liebe ſich
als alle Prüfungen beftehend erwielen hat. Der Charakter
eines vornehmen GSoquetten ift eben jo unwahr in feiner Frech⸗
beit, wie Columba und Agnes, die Bettlerinnen, in ihren
Edelmuth und in echter Weiblichkeit. Irog aller ber bier anges
führten Mängel lieft man indeß von Anfang bis zu Enbe mit
Spannung und folgt gern durch die wechlelnden Bilder, von
ber Bettlerwohnung zum Garneval von Köln, von den Ber
führungsfcenen des Comthurs zu dem Liebeflüftern des Liebenden
Malers, über Kerker, Verhoͤr, Schaffot, Abenteuer aller Art;
man vernimmt Gegen und Fluch, man ſieht haſſen und lieben
in den grellften Karben und laͤßt fich gern umfpinnen von bies
ſem bunten Gewebe einer begabten weiblichen Phantafte, melde
mit beinahe männlicher Feder niederfchricb und die Kuͤhnheit
bes Ausdrucks nicht ſcheut, wo er zum tiefiten Schatten ihr
nothwendig duͤnkt.
2. Lodore. Nach dem Engliſchen von A. Gräfin v. M***,
Zwei Bände. Altenburg, Pierer. 1843. 12. 3 Thlr. 15 Ror.
Schr weitſchweifig erzählts Sonverfationen , Lebensgefchich«
ten, Rüdblide und Nachtraͤge aller Art, die man weniger ihrer
ſelbſt wegen gern lieſt, alö dee bandeinden Perfonen wegen, mit
denen der Lefer befannt gemacht wirb und die ihn in ihren ver»
fchiedenen Sndividualitäten fo ſehr intereflicen, daß er gern ihr
ferneres Schickſal erfahren möchte. Man lief mehr aus Neu⸗
gierde als aus Genuß am Lefen. Diefer handelnden Perfonen
find fehr viele, und alle mehr ober weniger gut und ebel gehal⸗
ten, eine jede bat zwar ihre Fehler, doch zulegt legen fie dieſe
ab. Lobore, der bem Bude ben Ramen gab unb deflen Held
tft, ſtirbt ſchon in der erften Hälfte. Seine Eriftenz in Ames
rita, fowie fein frühere® Leben, hätten viel ärger ſtizzirt wer⸗
den koͤnnen. Der Leichtfinn und Stolz feiner rau haben ihn
bewogen, fie zu verlaflen und ihr das Kind auch zu entführen.
Der Charakter diefer Frau ift nun, wie es fcheint, bas Haupt⸗
motiv bes Werks, er wird in feinen Schroffheiten von allen Seiten
beteuchtets zulegt wird indeß aus ber cgoiftifchen Frau eine liebes
volle, aufopfernde Mutter. Es endigt Alles in Friede und
GSluͤck, und es iſt gewiß nicht leicht, fo zahlreiche heraufbeſchwo⸗
rene (Seftalten mit= und nebeneinander burchzuführen und doch
gluͤcklich zu machen. Talent und Grfahrung verräth der Autor
babei, doch kein Genie, ba foldyes die Lebenswahrheiten und
pfocpologifhen Srundideen mit weniger Material dargeftellt ha⸗
ben würbe.
3. Drei Tage in SansGarlo. Roman von Georg Los. Drei
Theile. Jena, Euden. 1843. 8. 1 Thir. 22°, Nor.
Eine aus ben verfchiebenften Individuen beftehende Gefells
(haft aus verfchiedenen Rändern ſtammend und verfchiedene Spra⸗
hen redend, verfammelt fi im Hoſpital zu Sans Carlo zu
Havana, in biefer trefflichen Anſtalt der Verpflegung von ins
und auslaͤndiſchen Kranken, und man erzählt fih, um die Zeit
der Genefung zu verkürzen, allerlei wahre und erfundene Bes
gebenheiten, Auszüge aus Memoiren, Novellenſkizzen u. f. w.
Der Verf. fcheint nichts davon erfunden zu haben, denn Ref.
fand Erinnerungen aus franzöftfchen und andern Autoren; er
bat fie aber gut nacherzählt, auf anmuthige Welfe aneinander
gereiht, geſchickt in die Gonverfationen ber vereinigten Patiens
ten eingewebt, die Indivibualitäten des Erzähler ihnen angepaßt,
ſodaß man die Abftchtlichkeit der Einfaffung jener wahrſcheinlich
feit lange gefammelten Erzählungen nicht allzu fehr herausfäßlt.
Am beften gefiel uns der. Auszug aus den Memoiren eines
alten franzöfiihen Bürgers: „Cine berühmte Frau’; dieſe
gibt die Geſchichte ter Caroline Wuiet, welche ald Kind ſchon
glänzte, als junges Mädchen eine fo große, gefeierte Rolle
fpielte, um im Alter kuͤmmerlich verlaffen zu fein und vergeffen
gu werden, lange ehe fle geftorben iſt. Ihr legtet Wort: „Bo
das himmliſche Feuer gebrannt hat, kann keine Freude fein, da
bleibt nur Aſche noch übrig”, iſt in ihrer verlafienen Lage fehr
ergreifend. Auch die Erzaͤhlung vom Welifar der großen Armee
tft anziehend umb bat gewiß ben Kreis ber vereinigten Zuhörer
erfreut. Die fpanifche Rovelle: „Braut von Ravarra”, ſprach
uns am wenigften an; fie iſt zu lang gebehnt und man vergibt
nur den unndthigen Aufenthalt auf einer Reife, wenn ber Weg
etwas Reizendes ober ntereffantes bietet, was hier aber nicht
der Fall if. Die ganze Sammlung ift indeß, trot einiger
ſchwacher Probuete, welche nie bei einer Sammlung fehlen, doch
fehe empfehlungswerth.
4. Lonife. Aus den Papieren eines Staatömannes, von 8. Schu⸗
bar. Berlin, Heymann. . 8 1 Thix. 10 Nor.
Die Vorrede läßt zweifelhaft, ob Wahrheit ober Erfindung
den Stoff zu biefen Blättern geliefert, indem ſie verfihert: „baß
einzelne Punkte ih an Begebenheiten anfchließen, welche in dem
Buche ber Weltgefchichte verzeichnet find, zum Theil aber auch
diefe Handlungen felbft ins Leben gerufen haben, nur daß dieſe
Banblungen, wo es angemeffen ſchien, von ten Orten bes Urs
fi zung6 entfernt und willlürlich auf fremden Boden verpflanzt
nd.” Dur dieſe Erflärung verlieren bie Mittheilungen fehr
ihren Werth, fie find weber poetiſch noch romantifch genug,
um des Eocalinterefle entbehren zu können; als hiſtoriſche Wahr:
heiten find fie zu breit erzählt, um bem Diplomaten und Staates
wann Unterhaltung zu bieten; als Grfindung enthalten fie gu
wenig romantiſche Ausfhmüdung, um zu erfreuen. Die Hel⸗
Sin, welche dem Buche den Namen gibt, erſcheint nur flüchtig,
und man weiß nicht, was fie will, was fie foll, was fie treibt
und warum fie handelt. KWerfchmiste Diplomaten, ein räthfels
bafter Moͤnch, diplomatiſche Betrüger, vermummte Geſtalten
einer Jeimtihen Verbindung, deren Zwecke ebenfo vermummt
find u. f. w., ziehen wie bie Geftalten eines Gchattenfpield vor
den Lefer auf und nieder, keine vermag zu fefleln, keine tritt
lebendig und Elar Rechenſchaft gebend heraus. Das Berfchwin-
den, Wiedererſcheinen und abermalige Entwenbetwerden ber
bairifhen Documente verheift vergebens eine verftänbliche
Kataſtrophe, und diejenige, welche endlich eintritt und ben
od ber Heldin berbeiführt, ift ebenfo dunkel, wie bad ganze
Buch, wie ber Nachtrag bed Helden. Der Stil des Staates
manns iſt mit feanzefiieten Worten angefüllt, was oft flört;
das ift wahrfcheintich mit Vorbedacht gefchehen, bie damalige
Sitte darſtellend, doch iſt biefe Phrafenverzierung zu häufig an⸗
gebracht und wirft unangenehm flörend auf den Leſer.
5. Novellen aus: dem modernen eben von Fr. Paolo. Ber
iin, Bereinsbuchhandtung. 1843. 8. 1 Thir.
Drei Novellen, weldye jebe die Darftellung einer Anficht,
bie Verkoͤrperung einer Ibee zum Zweck hat. In ben „Zwei
Schweſtern“ ift die Tendenz indeß am wenigften Mar. Der
Heid bat das Recht zu fehr auf feiner Seite, wenn ex feine
Neigung von der coquetten Schweſter ab und ber beflern zu:
wendet, um bie harte Beftrafung der legtern zu verdienen. Die
Kovelle „Ins Ktofter” ift gegen die Tyrannei bes Katholicis:
mus gerichtet und ftellt dieſelbe in das grellfte Licht. Der Je⸗
fuitismus mit feiner zweibeutigen Moral, melde kein Mittel
[heut zum Triumph der Kirche, wird in grellen Bildern dars
geftellt. Die Disputationen über Proteflantismus und Katholis
cismus find ernft und durchdacht, beinahe zu ernft zur Novelle.
Der Erzaͤhlungsfaden ift ergreifend. Die „Moberne Ehe” vers
dient das Prädicat modern auf bem Zitel nur, indem Lißt darin
fpielt und George Sand genannt wirb; die Che gehört in ihrer
Eigenthuͤmlichkeit jeder Zeit an, denn zu allen Beiten haben
ſolche Heirathen nach Vermögen flattgefunden, welche ſchlecht
ausfielen und deren Gluͤck an der Emancipationswuth der Frau
ſcheiterte. Die jetzige Zeit beſchirmt ſie nicht mehr als jede an⸗
dere. Man lieſt indeß auch dieſe Novelle mit Vergnuͤgen und
wird die ganze Sammlung gewiß nicht zu den unbedeutenden
Erſcheinungen unſerer Literatur rechnen. 12.
| „Shi Sorzin”. Breslau, Kern.
Berantwortliher Heraußgeber: Heinzsih Brockhaus. — Drud und Verlag von F. A. Brodbaus in
Biblisgraphie.
Aus ber Reſidenz. Schickſale eines Kürftenfohnes. Zwei
Bände. Bredlau, Ken. Ki. 8. 2 Thlr. 20 Nee.
Bacherer, G., Schattenriſſe und Quexſtriche aus 7
ee des Michel Zeus Darmftabt, Leite. Ge. 1
r. r.
Beidtel 3., Betrachtungen Über einige durch die Zeit:
umftände befonders wichtig geworbene Gegenſtaͤnbe ber Civil⸗
gefeggebung und Staatewirthſchaft. Zter Theil. Leipsig, Barth.
&.8 R A Nor.
Beitrag zur Beurtheilung bed Preußiſchen Strafgeſetzent⸗
wurfs in feinem allgemeinen und politifcyen Theile. Jena, ‚God
haufen. ®r. 12. 15 Nor.
Die Beschwerden und Klagen der Siaven ia Ungarn
über die gesetzwidrigen Übergriffe der Magyaren. Vorge-
tragen von einem ungarischen Slaven. Leipzig, Binder.
Gr. 8. 1 Thlr.
Brunnow, ©. v., Der Troubabour. Hiſtoriſcher Ro⸗
man. Zwei Bände. 3te Auflage. Leipzig, Teubner. 8. 1 Thir.
Nor.
Bibliothet für moderne Politik und Gtaatswiffenfchaft.
Herausgegeben von K. Riedel. Ates Heft: Mariana von bem
Könige und bes Könige Erziehung. Mit Unterfuchungen über
den chriſtlichen Staat der Reuzeit, von K. Riedel. Darm:
flobt, Leste. Gr. 16. 1 Zhlr.
Das Buch von unferm Könige, ober Leben, Helfen, Be
den, Anekdoten und Charakt e bes Könige Friedrich Wil⸗
beim IV. 38 drei Lieferungen. Iſte Lieferung. Leipzig, Schmalt
Gr. 8. gr.
Evangeliſches Concordienbuch, oder die ſymboliſchen Buͤcher
der evangeliſch⸗lutheriſchen Kirche. Mit geſchichttichen Einlei⸗
tungen und Anmerkungen, herausgegeben von F. W. Bode:
mann. Hannover, Hahn. Gr. 8. 1 Thlr. 10 Nar.
Flugi, A. v., Volksſagen aus Graubünden. Chur, Gru⸗
benmann. Gr. 12. 15 Nor.
Hanke, Benriette, Saͤmmtliche Schriften. Ausgabe
fester Hand. 33ſter dis STfter Band. Hannover, Bahn. 8.
1 Thlr. 20 Nor.
Sn der Deimath. Briefe eines Halbjahres, vom Blaͤtter⸗
tnospen bi zum Wiätterfallen. Bon ber Berfafferin von
®r. 8 23 hir.
raft, F. K., Kleine Schulschrifien. Neue Wolge.
Stuttgart, Metzler, 8. # Thir. 25 Ner.
Mauritius, A., Der Panflawismus. Gine Impropifas
tion als Sendſchreiben an den Grafen Adam Gurowski. Leipzig,
Binder. Br. 8. 10 Rear.
Neuer Nekrolog der Deutfhen. 1er Jahrgang, 184.
Der Theilen. Mit einem Portrait. Weimar, Voigt. 8.
r
bir. | |
Drfint, Leben bes heiligen Vinzenz von Paul. Aus
bem Franzoͤſiſchen uͤberſetzt. Orraußgegeben von $. X. Steck
Tübingen, Laupp. &r. 8. I Thir. I1Y, Rer.
Poffart, P. A. F. K., Die ruſſiſchen Oftfee : Provinzen
Kurland, Kivland und Efthland, nad ihren geographiſchen,
flatiftifchen und übrigen Verhättniffen dargeftellt. After Theil:
Statiftit und Geographie des Gouvernements Kurland. Gtutt:
gart, Eteinkopf. Gr. 8. 1 Thir. 15 Nor.
Ried, F., Der Schleswig: Holfteinifcde Gnomon und bie
Volksſchule. Flensburg, Kaſtrup. 8. 10 Nor.
Schirach, E. dv., Über die von ben Hoilſteiniſchen Gtän-
den beantragte Reform des Strafverfahrens. Kiel, Schwers
Gr. 8. 10 Nor.
Sigismund NRüftig, der Bremer Steuermann. Gin neuer
Robinfon, nach Sapitain Marryat frei für die deutſche Jugend
bearbeitet. Zwei Bände mit eingebrudten Holzſchnitten. Leip⸗
zig, Teubner. Kt. 8. 3 Thlr.
Sternau, C. D., Kaleiboscop von Dreeden. Skizzen,
Berichte und Phantaften. Magdeburg, Intermann. 16. 10 Nor.
Blatter
für
literarifhe Unterhaltung.
Dienfag, — Sr. 213,
Zur R
Brit. | "
1. Auguſt 1843.
Bon diefer Zeitfchrift erfcheint außer den Beilagen täglich eine Rummer und iſt der Preis für den Jahr
12 Thle. Alle B
handlungen in und außer Deutfchland nehmen Beſtellung darauf an; ebenfo alle Poflämter,
di die koͤnigl. ſaͤ itungsexpedition in Leipzig ober das koͤnigl. Gr amt
Sal erben j is fälle are nn Mochenlieferungen md in other ha rare ie
Über die Stellung, welche der Baukunſt, ber
Bildhauerei und Malerei unter den Mitteln
menſchlicher Bildung zulommt.
aehalten am 18. März ae Biſſenſchaftlichen
Bortrag,
Berein zu Bertin von Dr. u ew, Director der
Semäldegalerie des Königl. Muſcums.
Borbemertung.
Der Wunſch, theils wuͤrdigere Anſichten über das
Weſen von Baukunſt, Bildhauerei und Malerei und bes
m Wirkung allgemeiner zu verbreiten, als leider nach
den von mir vielfach gemachten Grfahrumgen mod, immer
Kufz im Schwange gehen; theil& dem richtigen aber ums
befimmten Gefuͤhhle daruͤber bei fo Bieten einen heftimms
ten Ausdeuck zu leihen, hatte mich veranlaßt, diefen Vor⸗
trag im hiefigen Wiſſenſchaftlichen Vereine zu halten.
Verſchledene mie zugegangene Auffoderungen, denfeiben
zu veröffentlichen, haben mis bewieſen, daß ich meinen
Zweck wenigſtens nicht gänzlich verfehle habe. Somol um
dieſen Auffoderungen zu gendgen, als auch an Orten, wo
meine literariſchen Arbeiten uͤber Kunſt bisher einige Theil»
nahme gefunden, vielleicht im obigen inne wohlthätig
ein zwirken, übergebe ich den Vortrag hiermit dem Drude.
Obgleich Ich in demſelben das vorgefchriebene Zeitmaß «einer
Stunde (dom um etwas Äberfchritten hatte, fo war es
dech natuͤrtich immer nicht möglich, in fo kurzer Zeit
cum fo umfaffenden Gegenſtand irgend erichöpfend zu
behandeln. Man wird mir vielleicht vorwerfen, daß ich
des bei dem Drud, woſelbſt dieſe Schranke wegfällt,
nicht nachgeholt habe. Durch eine ſtrengere wiſſenſchaft⸗
liche Form, durch eine größere Ausfuͤhrlichkeit wuͤrde der
Iuffog allerdings an ſich gewonnen haben.
Er duͤrfte
ir dadurch meines Erachtens minder geeignet geworden
kin, anf die weitern Kreiſe von geblideten Männern und
Item einzweirtm, welche an dee Kunſt ein allgemeines
Jatırefie nehmen, ohne daraus ein eigentliches Studium
zu maden, worauf er doch urfprünglid, als ein leben⸗
diger und anregender Vortrag, berechnet war. Für alle
Solche, welche in Wefen und Wirkung der Kunft völlig
eingeweiht find, ober wenigſtens es zu fein glauben, if
er ohnehin weder gehalten noch gefchsieben, und wiubde
ee auch in erweiterter Geſtalt überflüflig geblieben fein,
Ich Habe mich daher mit einigen Bufägen begnügt, weich⸗
ihn nur in feiner urfpränglichen Weiſe gleichmaͤßiger ande
runden dürften.
Berlin, 30. Mai 1843.
Gewiß iſt die in unfeen Tagen immer mehr erwachend⸗
Liebe zu den kildenden Künften eine der erfreulichen Sei⸗
ten unferer Zeit. Es dürfte indeß wol die Frage fein,
ob Ddiefe Kunſtliebe fi der Gruͤnde, worauf fie beruht,
der Wirkungen, welche fie berverbringt, immer deutlich
bewußt if. Ich erlaube mir daher, der bochvershrien
VBerfammiung Einiges uͤber die Stellung vorzutragen
welche der Baukunſt, der Bildhauerei und der.
Malerei unter den Mitteln menfhlicher Bils
dung zukommt. Inwiefern diefe Künfte, welche ich
im Derfolge alle drei unter dem Namen ber bildenden
begreife, eine ſolche Stellung einft wirkiid eingenommen,
werden uns vor Allen die alten Griechen umb bie
Jtaliener des Mittelalters lehren. Schließlich wird
fih daraus die Stellung jener Künfte in unfern Tagen,
und was wir uns von ihnen verfprehen dürfen, fo gut
wie von felbft ergeben.
Gleich der Dichtkunſt und ber Mufit find auch bie
bildenden Künfte die Töchter der fchöpferifchen Kraft
im Menfhen, der Phantafie, weiche beſtimmt iſt, und
die Schönheit In der einer. jeden Kunſt entiprechenden
| Form in unendliher Mannichfaltigkeit zu offenbaren.
ı Wie der Dichtkunſt bie Sprache, der Muſik der Tom,
ı fo iſt den bildenden Künflen der finnliche, durch die Ans
ſchauung auffaßbare Stoff, als Ausürudsmittel ger
geben, fel es nun, baß er, wie bei der Architektur und
Bildhauerei zugieih greifbar, oder, wie bei der Ma:
lerel, nur ſcheinbar ifl.
Wie aligemein und wie urſpruͤnglich diefe Ausdrucks⸗
weife dee Phantafie für die unmittelbare, ſinnliche An:
ſchauung dem Menfchen innewohnt, zeigen bie vielen Ein:
difhen Kunftverfuche bei Voͤlkern, welche auf einer ſehr
niedrigen Stufe der allgemeinen Cultur ftehen. Die höchfte
Ausbildung derfelben aber hat nur bei wenigen, felten be:
gabten und von geographiſchen und hiſtoriſchen Verhaͤlt⸗
niffen vorzüglich beguͤnſtigten Völkern flattgefunden, deren
Kunſtdenkmaͤler daher auch als Geiſtesbluͤten, welche in fo
vielen Kahrtaufenden nur an einigen Stellen unſers Pläneten
zur Entfaltung gelommen, von den Gebildeten aller Zeiten
und Länder mit Begeiſterung bewundert und angeflaunt
werden.
MWiewol der Menſch in allen oben angeführten Kün:
ſten als Schöpfer erſcheint, fo drängt fich doch das Pros
dusct von Peiner berfelben im Vergleich mit der großen
äußern Welt (dem Makrokosmos), fo ſehr als Weit im
Kleinen (Mikrokosmos) auf, als dies bei ben bildenden
Künften der Kal if. Wie die Gottheit die Welt nach
ewigen Gefegen der hoͤchſten Zweckmaͤßigkeit und Schön:
heit geordnet, welche fo georbnete Welt die Griechen ſchoͤn
mit dem einzigen Worte „Kosmos“, die Römer mit „Dun:
dus” ausdruͤckten, fo geſtaltet ji der Menſch, in welchem
dee in ihn gelegte, göttliche Keim zur Ausbildung ges
langt ift, feine Umgebung nad) ebenfalls ewigen, feinem
Geifte innewohnenden Gefegen der Schönheit und bdrüdt
ihr da6 Gepräge diefes feines Geiſtes auf. Da nun
aber der Menfch ebenfo gut ein Geſchoͤpf der Natur ift
wie alle andern auf der Erde, kann man die durch den
menfchlichen Geiſt vermittelten Erzeugniffe der bildenden
Künfte fuͤglich Naturproducte in zweiter Potenz nennen,
worin die Natur zum deutlichen Ausdrud des ſich bes
wußt gewordenen Gefeges der Schönheit gelangt ifl.
Wie fi) nun auf ber großen Erde die Gebirge nach
Art des Geſteins und der Einwirkungen dere Elemente bald
in erhabener Mächtigkeit und Schroffe, bald in fanften,
Heblihen Schwingungen erheben, fo feigen in der Meinen
Weit, welche fi dee Menſch erfchafft, nah Art der
geiftigen Anlage und der hiſtoriſchen Erlebniſſe, bald him⸗
melanftrebende Pyramiden, bald fchöne Tempel, oder hohe
Dome, und mieder majeftätifche Palaͤſte und beitere Vil⸗
y empor. Die Gefeke der Regelmäßigkeit und Schöns
it der Verhältniffe, welche in den gemaltigen Gebirgen
aus der Maſſe des berben Gefteind nur in den Eleinen
Kryſtallen zum beflimmten Ausdrud und zu fharfer Form
gelangen, geſtalten bei jenen SKunfigebirgen, welche ber
Menſch hervorbeingt, dagegen bie ganze Maſſe und ges
winnen fie für das Gebiet der Schönheit. Im oben:
berübrten Sinne erfcheinen biefe als mächtige Kryſtalliſa⸗
tionen der Natur in zweiter Potenz, welche dem Forſcher
ber Kunftgefchichte ebenfo von Geift und Art ihrer Urhe⸗
ber, nachdem deren Staub ſchon vor Jahrtauſenden vers
weht ift, Beugniß geben, wie der Naturforfcher die Gon:
hylien nach ihren Schalen beflimmt, aus denen das
leicht vergängliche Thier laͤngſt entwichen iſt. Betrachten
wir daher die großartigen und ſchoͤnen Ruinen, meld
uns Ägypten, Griechenland und Italien bacbleten, fo fi:
dee auf fie, was Schiller fo erhaben ſchoͤn alein in geifi:
ger Beziehung von den Fuͤrſten [agt, auch. in phyſuͤten
Sinne feine volle Anwendung:
Völker verraufchen, Namen verflingen,
inftre Vergeſſenheit breitet die dunkelnaͤchtigen Schwingen
ber ganzen Geſchlechtern aus.
Aber der Denkmale einfame Haͤupter
Ragen empor und Aurora berührt fie
Mit den ewigen Strahlen,
Als die ſtillredenden, traurenden Zeugen
Längft fchon entfchwundener edler Geſchlechter.
Dieſer Vergleich mit dem ſich fo natürlich darhie
tenden Schluß flieg in mir auf, als ich, an des feligen
Schinkel Seite, die vom Fruͤhroth beglängten Tempel
von Paͤſtum in einfamer Ode vor mir liegen fah.
Wie aber dem mürterlichen Schoofe der Exbe die ſchoͤne
Melt der Pflanzen entfprieft und fie mit taufendfahem
Schmuck bekleidet, wie die mannichfaltigen Formen der
Thiere und, vor Allem am bedeutendften, der Menfd
fie belebt, fo find auch im jener Eleinen Welt, ber Ardis
tektur, welche fi) der Menſch fchafft, die Künfte de
Sculptur und Malerei emfig bemüht, ein mannichfaltiges,
eigenthümliches und geiftig bedeutendes Leben der Schoͤn⸗
beit zu geftalten.
Betrachten wie kuͤrzlich, inwiefern fich dleſe Kuͤnſte
in den Mitteln, wodurch, und in den Geſetzen, we
nad fie bilden, von der Architektur unterfcheiden. Die
Formen der Architektur find in der Natur nicht vorgebil:
det, fondern allein das Ergebniß des Sinne für Kar
monie und Schönheit der Berhältniffe im Ganzen und
der Gliederung und Berzierung im Einzelnen, wie foldes
dem wahren Architekten, vermöge eines höhern, geifligen
Geſetzes, ebenfo innewonnt, wie die Biene vom Snitint
getrieben ihre regelmäßig geformten Zellen baut. Bill:
bauer und Maler finden dagegen die Formen, womit fi
fih ausfprechen, ſchon in der Natur vor. Erſcheinen fe
bierducch im Vergleich mit der Architektur nach einer Seite
bin in einer geößern Abhängigkeit von der Natur, ſo wird
dies doch reichlich dadurch aufgewogen, daß die Arditek:
tue urfprünglic eine Tochter des Bedürfniffes iſt und
auh in ihren böchften Schöpfungen diefe ihre Mutter
nie verleugnen, nie auf Unkoſten der Zweckmaͤßigkeit ſchoͤn
fein darf, fondern vielmehr ihre Schönheit aus dem jedes⸗
maligen Zwecke entwideln muß, während Bildhauerei und
Malerei fich dem ſchoͤnen Ausdrude von Ideen ganz un
abhängig und frei hingeben innen. Kntfpricht die Form,
in weldyer ſich die Schönheit in der Architektur offenbart,
in ihrem conftructiven Theile der Schönheit der Natur,
in ihrer unorganifchen Exrfcheinung, wie fie uns in den
Gebirgen und befonders in den Kryftallen entgegentritt,
in ihrem ornamentalen Theile aber, worin fie zum Dre
ganifchen erblüht, der Schönheit der Natur in der Vege⸗
tation, fo entfpriht die Form der Schönheit in Bilde
bauerei und Malerei der Schönheit der Natur in ihrer
hoͤhern animallſchen Gebilden, namentlich in ihrem hoͤch⸗
4
fien Product, dem Menſchen, in welchem offen dir
Geiſt der Natur zum vollen Bewußtfein und zum
lebendigſten Ausdrud feiner ſelbſt gekommen ift,
Obgleich nun diefe beiden Kuͤnſte ſich, wie fchon bemerit.
diefer organifchen Wefen, und vornehmlich des Menfchen,
als Vorbilder zum Ausdrud ihrer Ideen bedienen, fo ift
doch die Schönheit, welche fie mittels berfelben zur Ans
fhuuung bringen, nicht minder eigenthuͤmlich ale die
Schoͤnheit der Architektur, und wefentlich von der Schön:
beit in den entfprechenden Naturerſcheinungen verfchieden.
Diefe Behauptung moͤchte Manchem parador vorkom⸗
men, namentlich allen Denen, welde noch an dem Ge:
meinplag fefthalten, daß das Wefen der Sculptur und
Malerei in der Nahahmung der Matur beftche. Unter
allen Umfländen find dem wahren Künfller die Natur⸗
formen aber nur Mittel zum freien, bewußten und
fhönen Ausdeud in feiner Phantafie entflandes
ner Sdeen, ald eigentbümlihem Zwede ber
Kunft. Und zu diefen Naturformen gelangt der echte
Künftter voeder dadurch, daß er ein einzelnes Individuum
in allen Theilen möglichft genau nachahmt, noch dadurch,
daß er, von einem Modell diefen, von einem andern je:
nen Theil entiehnend, eine Art aͤußerer Zufammenfegung
macht; fondern wie die Biene, von einem unwlderſteh⸗
Lichen Inſtinct getrieben, das Beduͤrfniß bat, Donig ber:
vorzubringen und daher von den Blumen angezogen wird,
weiche ihr den Saft dazu hergeben, und fich in deren
Innerſtes gänzlich verfenkt und wie beraufcht, fo wohnt
dem bildenden Kuͤnſtler, als eine Art höherer, geiftiger
Inſtinct, das ſehnlichſte Verlangen inne, in ihm aufſtei⸗
gende Ideen auf eine fchöne und bedeutende Weife mit:
tels Raturformen auszudrüden. Um dieſes DBerlangen zu
befriedigen, flürze er ſich daher mit Begeifterung in die
Fülle der äußern Naturerfcheinungen, erkennt mit fchar:
fen Auge das Unendlidye und Ewige, das geiftig Bedeu:
terzde, Schöne und Anmuthige, fei es in Form, Bene:
gumg oder Ausdrud, welches feinen Sweden entipricht,
und ſchwelgt und vertieft fich in diefen Anſchauungen und
Studien in feliger Luſt. In feiner, fo befruchteten und
gefättigten Phantafie gewinnen feine Ideen Geftalt, und
er ift im Stande, ihnen den angemefienen Ausdruck zu
geben. Wie aber der Honig der Biene nicht ein mecha:
nifches Gemiſch des Saftes verſchiedenartiger Blumen,
fondern ein ganz neues Product eines organiſchen
Mefens ift, ebenfo ift dad Product des bildenden Künft:
lers etwas durchaus Anderes als ein mixtum composi-
tam einzelner Naturerfcheinungen, es {ft das organi: |
(he Gefhöpf feiner Phantaſie, welchem er ebenfo
das eigenthümlihe Gepraͤge derfelben aufgedrüdt und
ihm ein geiftiged Leben eingebaut hat, wie die Natur
einem ihrer Sefchöpfe das ihrige. Daß ber bildende Künft-
er als Aushülfe feines Gedaͤchtniſſes fich vielfach einzelne
Studien fogleidy aͤußerlich firirt, bisweilen auch eine feiner
Idee wunderbar entfprechende, einzelne Erfcheinung in der
Natur vorfindet, endlich bei der Ausführung bie Natur
meheſach zu Rathe zieht, ändert in der Weiſe der Con:
ception wie des Refultats nichts. Bel dem Maler um⸗
!
fafjen diefe Maturftudten außer ber Welt der Formen au
noch die der Farben, und ſpricht ſich daher auch’ in der
Art und Welle, wie er Diefelben mehr ober minder har⸗
moniſch zuſammenſtellt, feine Eigenthuͤmlichkeit fo ent⸗
ſchieden aus, daß darin bei manchen Malern mit der
Hauptreiz ihrer Werke liegt. *)
Diefes eigenartige Gepräge eines beſtimm⸗
ten, ſchoͤnen Geiſtes iſt es aber, weiches den hoͤchſten
und geheimnißvollen Zauber eines Kunſtwerks aus⸗
macht und es von den entſprechenden Schoͤnheiten in der
Natur weſentlich unterſcheidet. Je ſchoͤner, je bedeuten⸗
der ein ſolcher Geiſt iſt, deſto mehr wird ſich dieſer Zau⸗
ber ſteigern, woher z. B. ein Bild von Rafael etwas
ungleich Anziehenderes hat als von dem an fich ſehr lies
benswürbdigen Meifter Garofalo.
Daß derfelde Fall auch bei den Werken der Acchiteftur
flattfinder, leidet keinen Zweifel, nur möchte ſich bier
Manchem die Frage aufdrängen, auf welche Weiſe ſich
die Eigenthuͤmlichkeit des Architekten fo deutlich ausfpricht,
daß man ein Werk, als von ihm herrährend, erken⸗
nen kann. |
Auf den erften Blick follte man glauben, daß, nach
dem gewiſſe Formen und Mafe, gewiffe Verzierungen
einmal als die fchönften ermittelt find, die Architekten
‚in der Wiederholung berfelben ſich ziemlich gleih fehen
müßten. Wie aber nach Geiſtes⸗ und Lebensart der Voͤl⸗
ter, nach Klima und Baumaterial, in allen jenen Stuͤcken
fih eine fo große Verſchiedenheit ausgebildet hat, als fie
z. B. in der griehifchen und got hiſchen Architektur
hervortritt, fo ſtellt ſich auch innerhalb jener großen Maſ⸗
fen eine unendliche Menge von feinern Modificatlonen
dar. Fa, jede neue Aufgabe fodert eine neue
2öfung und führt daher für den echten Archi⸗
tektzen nothwendig eine neue Modification
mie fih. Seine Eigenthümlichkeit wird ſich daher in
ber beflimmten Art und Weife-ausfprechen, wie
ee aus dem jedesmaligen Zwed und nach dem
Material des Gebäudes Schönheiten der Ber:
bältniffe wie der Ornamente entwidelt. Dieſe
Art und Weiſe aber hat ein fo beftimmtes Gepräge, daß
man fie an den verfchiedenften Aufgaben und bei dem
verfchiedenften Material doch wieder erkennt, wie dies
3. B. für den Geübten bei zwei gleich vorteefflihen, in
jenen Bezuͤgen aber fehr voneinander abweichenden Gebaͤu⸗
den von Schinkel der Fall if, dem Mufeum und
dee Bauſchule.
Hat man für die Beurtheilung eines Bauwerks eins
mal diefen Standpunkt gewonnen, fo erfcheint die fo oft
gehörte Klage, daß unfere Architekten nichts Originelles
bervorbringen könnten, weil es unferer Zeit an einer in
ihe erfundenen, eigenthuͤmlichen Bauart, gleich der gries
hifchen oder gorhifchen fehle, keineswegs als gegruͤndet.
Alterdings nimmt der Architekt unferer Tage feinem Werke
) Es mußte mir genägen, bier nad meiner Art kurz anzu⸗
deuten, was Schelling in feiner berühmten Abhandlung über das
Berhaͤltniß der bildenden Känfte zur Natur ausführlih bedans
beit hat,
über atß Brfinder eine ande Scatle ein, als aim
ing6, einer des Baumeiſter des Varthenen, aber als
ein Gumin won Steinbach, der Baumeiſter des frag
Wunger Deönfborh, wizweh Melde nur mieher Hauptgfieder
in des Kette gleichartiger Reihen von Erfindungen find,
welcye ihnen bereitd vorausgegangen waren; deſſenungeachtet
if} aber bei ihm die Erfſindungskraft keineswegs uuthätig.
Ex befindet ſich den, heute genauer als je zuvor, in allen
hen Feinheiten zur allgemeinen Kenntniß gelangten, ſchoͤ⸗
sen Bandenkmalen aller Voͤlker und Zeiten gegenüber in
eine Werhältuiffe, welches einige Ähnlichkeit mit dem
der Budhauer und Maler zu den Gebilden der Natur
hat. Es kommt nur darauf an, was ec mit dieſem uners
wehlihen Apparat anzufangen weiß. Der geiftweicge, ori⸗
ginell ſchaffende Architekt gelangt dazu, ſich das ibm nad
eier. ianern Verwandtſchaft feiner Natur Zufagende geiftig
quaseiguen, und ſich deffelben mit derſelben Freiheit zu
feinen Zwecken zu bedienen, ‚dem mittels defjelben hervor⸗
gebrachten Werke, von dem allgemeinen Entwurfe, bi6 zu ben
Urinften Ornamenten, diefelbe geiſtig⸗ organiſche Eigenthuͤm⸗
lichkeit feines Weſens aufzubrüden, wie der Bildhauer
ober Maler es mit feinem Werke im Vexhaͤltnis zur Nas
wur macht. Es findet hier im Vergleich zu jenen alten
Architekten immer eine freie Reproduction flat. Ein
ſalcher Architekt war Schinkel.
- Den balten, geiltfofen Nachahmer und Eklektiker kann
dagegen felbft die Benugung, ja die genaue Wiedergabe
dar gepriefenften Muſter nicht verbergen. Aus der Akt,
wie er auch nur ein noch fo claſſiſches Ornament an⸗
bringt, fühlt der Kunfiverfländige heraus, ob es dem Ar⸗
duitekten lebendig an feiner Stele hergusgewachſen, oder,
wie ein erotifches Gewaͤchs, willkuͤrlich und iavita Minexya
angekleht if.
(Die Sortfegung folgt.)
Hospiteliten - Literatur.
- Der. „Ealaireur du Midi” ift das allernüglichfte und aller⸗
öonomifchfle Journal, das auf Erden erſcheint, das nuͤtlichſte
in Betracht der hochwichtigen Gegenflände, mit benen es ich
beichäftigt, das dkonomiſchſte wegen der ungeheuren Wohlfeilheit
feines Xbonnementöpreifed. Diefe Behauptung ziehe nur Rie⸗
mand in Zweifel! Denn nicht ef. behauptet fie, Tondern ber |.
£ ber Directeur beis
d. h. der Mann, welcher dieſes allervortreffs |:
„Ielaisene du Midi” felbft, oder pie
jeden zu Avignon,
lichſte —8* Namens der Frères hospitaliers de 8t.-Augustin
herausgibt. Der Leſer iſt ohne Zweifel fehr gefpannt auf nähere
Belanntfcyaft mit dem gerühmten Biatte. Doch erft ein Wort
über die GSeſellſchaft, weiche es herausgibt. Das Inſtitut ber
Ererea et soeurs, der Hospitaliten des heil. Auguſtin, hat es ſich
Aufgabe gemacht, allerlei heilſame Schriften heranszugeben, |
omme Xractätchen, populaive Abhandlungen Mebicin, |
Aderbau u. dgl., natuͤrlich auch diefe nicht ohne fromme Weis |.
mifgung. Ais Krankenpfleger find die Hospitaliten wirklich
Ihägenswerthe Menſchen; fie reifen in bie Länder, wo Cpidemien
berefgen, und find unermäblic in Ausübung der beſchwerlichſten
und widrigften Nächftenpflicht. Damit befaßt ſich eine Giaffe
derſelben, die eigentlichen Hospitaliers; es gibt aber im Orden
| i Stoffen, naͤmlich Solitaires, die un en und uns |:
—* Geſchoͤpfe unter der Sonne, und bie Missionnaires ||
rates” m.
.
I
|
1
J
u eben
re te und —X en Surmal, ben lee
erausgeben.
Was nennen dieſe Miffionere „gute Boͤcher⸗? Mas
verſtehen fie —— ———— mie fat ber JInhalt der
uͤgtichſten Journals a „Eclairear”‘ erſqeint ſei
p Sun. 1843 in 12 jährlichen Lieferungen von je en
. das Zahresabonnement foftet nur 3 Francs. „Der ‚Eclaireur,
fo berichtet das diesjährige Programm, „behandelt Gegenkänke
der hHöhern Philoſophie.“ Was iſt Höyere Phiüloſophie?
20 2 airour handelt uͤber die guten und biſen
Engel, ihre Macht und Wirkung auf ben Menfchen, auf bie
Natur und bie ganze Welt; er handelt über Wunder, Zauberei,
abergläubifche Praktiken, Beſeſſenheit und uͤbernatuͤrliche Er⸗
fhetnungen aller Art, wie foldye vielen Theologen und infonders
Ärzten und Philofophen viel zu fchaffen madyen.” ifo
belämpft wol ber ‚‚Bclaireur” alle Art von Aberglauben?
Gebuwd! „Der ‚Eclaireur‘ gibt bie Kennzeichen an, nach welden
mon unterfcheiben Tann, was gute und was böfe Geifter freien.
Die Wiffenfhaft hiervon ift ben Beichtigern un:
erlaͤßlich fowie aud den Arzten. Ban fehe nur Hippo⸗
f. w. „Die Weichtiger und Ärzte, welche bie,
ieiber in ben Geminagien und auf ben Univerfitäten pöhft ver
| nachläffigte Wilfenichaft nicht verfiehen, Handeln gleich Blinden"
u. |. w. „Die Sektirer, Swedenborglaner, Janſeniſten u. |. w.
bitden fich ein, daß ihre Hellſeherinnen und Kataleptifchen ans
dem heiligen Geift reden. O ja bo! Der ‚Eclaireur du Mid
beweift, daß aus ihnen ber Teufel redet und deu heilige Geik
nur aus ben roͤmiſch⸗katholiſchen Heiligen.” Der Achberban
ik ebenfo materialiftifh geworben wie bie Mebicin. Der
| „Eclaireur da Midi* wird ihn zur Religion „peüetiten, ald
zu feiner eigentlihen Gtäge.” „Der ‚Eclaireur‘ ift fin Go⸗
phiſtenwerk, ex wird einfach und kunſtlos reden, er wird We
' freie Rebe und bie freie Schreibart der Heiligen ſich zum
Muſter nehmen.” „Die Religion und die Menſchheit find bes
theiligt bei dem Succeß dieſes Journale.” „Der ‚Kclairenr
' * Nichts vor Augen als Gott und das Heil ber Seelen, mie
abonatre, lisber Leſer, abonnire!
don der Abonnementspreiß genugfam zeigt.” U f. w. as
Literarifche Anzeige
Dur alle Buchhandlungen iſt zu erhalten:
Georg Forster’s
stlihe Sckyritten.
Herausgegeben von deſſen Tochter |
uhd begleitet
mit sinsr Charakteristik Forster's
son
G. &. Gersinus,
iu neun MBänben.
Brste Lieferung: Band 1, 6, 7.
Gr. 12. Geh. 3 Thle.
Die Übrigen Wände biefer erften voRändigen Aus⸗
gabe ber Mech eines unferer Griffel
ler werden in Eurzen Bwilchenräumen folgen. Auf die dem
fiebenten Bande beigedrudte Gharakteriſtik Forſter's non Ger⸗
vinus eriaube ich mir ganz befonbers aufmerkfam zu machen.
Reipzig, im Juli 1843,
5. A. Axrackhaus
(awa
Verantwortlicher Herausgeber: Heinrih Brokhaus. — Druc und Verlag von 8. U. Brodhans in Leipzig
— — — — — —
Blatter
für
literariſche Unterhaltung.
Rittwos,
— — Kr. 2 14 —
2. = Xuguß I 1843.
Über die Stellung, weiche ber Baukunſt, ‚ber
Bildhauerei und Malerei unter den Mitteln
menfchlicher Bildung zukommt.
78 au Sir. 20.)
Dängen nun fen GSeutptur und Malerel wicht wie
die Archieektur theilweiſe vom Bedarfniß ab, fe find fie
do Kinder der Architetur und dirfen biefe Abkunft
ungeflraft nie ganz vergeſſen. Wie es nämlih zum Mes
ſen der A gehört, gewiſſe Geſetze der Symmetrie
feſtzuhalten, fo mäflen ſolche auch in ben Werken der
Bildhauecei und Malerel in der Anotdaung, in der Ver⸗
theilung der Maſſen im Raum, wenn fhon im Ganzen
mehr verhüflt, im Einzelnen mit mehr Freiheit, beobachtet
werben. Die meiſterliche Wahrnehmung biefes Geſetzes
gehört z. B. zu den groͤßten Eigenſchaften Rafael's. Dan
bat die Beobachtung deſſelben paſſend das taͤumtiche
Grilgefähl genannt.
Aber auch die Architektur erfährt wieder einen gewiß
fen Einfuß von ber Sculptar und Maletei. So thut
ſich bei ige in den Zelten ihrer hoͤchſten Biute das male:
riſche Element in einer geſchmackvollen, meiſt durch einen
befondern, praktiſchen Zweck bebingeen Unterbrechung der zu
ſtrengen Symmetrie fund, wie bei den mit dem Parthe⸗
nen verbundenen Heinen Gebäuden des Pandrofions und
des Erechtheums und fo vielen gothiſchen Kirchen. Das
plaſtiſche Element aber seite bri der geößern Ausbildung
des ormamentalen Theile der Architektur, z. DB. bei der
Canelirang bed Saͤulenſtammes herver, weburd das
Schwere und Plumpe ber Maſſe gebrochen, umb dieſes
Glied, welches urſpruͤnglich als tragendes mehr conſtruc⸗
to iſt, im ein zu gleicher Zelt in einem hohen Grade
verwandelt
wird. Wie allen drei Kuͤnſten
das Zeihnen als Element gemeinſam iſt, fo zeigt fich
auch in jenen gegenſeitigen Ginftkffen eine enge Berwandt:
ſchaft derſeiben und dee bei dem Schaffen in jeber von
ihnen thaͤtigen Geiſſesart. Hievams iſt +8 zu erklaͤren,
dag manche Künftter ſich in allen dreien hervorgethan,
von denen ich bier nur den Michael Angelo Buonar⸗
wi als das beruͤhmteſte Beiſpiel anführen will.
aber bat jede dieſar Kunſte wieder ihre bes
ſondern Stilgeſetze, von deren firenger Beobachtung ein
große Theil des Werchs ihres Preduetionen abhängt.
Bor Atem machen füch bei der Architektur und Bildhauerri
gewifſe Kodsrungen des Materials, deren fie ſich
geltend. In der Architektur muͤſſen die Befehe dee Gras
tie anf eine Weile beobachtet fein, daß die Gebäude am)
dem dufern Sinn in allen Theilen als eine feſt anf fi
beruhende Maſſe erfcheinen, und nicht, wie ber
Thurm von Piſa, den Eindrud machen, als ob fie Einen
durch Umſturz erfchlagen koͤnnten. Nach der Merfchiaberts
beit des Materials treten für Gonſtruttion wie für Des
namentirung wieder verichlebene Bedingungen ein. Ans
der® find diefe, jemachdem der Architekt in Holz oder Stein
und wieder, jenachbem er in großen Werkſtuͤcken ob
in Badftein zu bauen bat. Weſentliche Stilgeſetze find
außerdem für ihn, die Hauptlinien wicht zu unterbrechen, Die
confteuctiven und ornamentalen licher nicht auf sie
Weife zu mifchen, daß man nicht erfennen kann, weichem
dee beiden ein jedes angehört; endlich durch die Denamute
die Profile der Hauptglieder nicht zu durchſchneiden.
Bei dem Bildhauer greifen die Stilgeſete des Ma⸗
terials in fehr mannichfachen Modificationen ein. Er
darf nie vergeffen, daß der Stoff, worin er bilder, ſich
Immer als eine ſchwere und derbe Maſſe darſtellt, und
muß mithin in Rundwerken mie ber Arhitele nicht vers
fiumen, den Schwerpunkt auf eine Weife zu besbachten,
welche auch den dußen Sinn nicht flört. Er fo daher
zu lebhafte Bewegungen, wie die des Fliegens und Fal⸗
kend, vermeiden. Manche Gegenſtaͤnde, bei deren treuer
Nachahmung fi) der Stoff zu fehr als ſolcher aufdraͤngt,
wie z. B. Gewandfalten, Haarloden, muß er mehr durch
Vertiefungen und Einſchnitte, als durch ſtarke, immer
plump und fehmerfällig Lafiende Ausladungen auwsbräden
imb dadurch Die Maffe brechen und minder fühlbar machen.
Andere Gegenftände, 3. B. Bäume, welche er nicht im
Einzelnen wiedergeben han, darf er nur andeuten; noch
andere endlich, reiche in der Natur in gar zu großem
Widerfpruche mit feinem Material ſtehen, wie 5.8. Wels
fen, muß er durchaus nicht darſtellen. Bin ſchlagendes
Beifptel hierfür gewährt bie auf Wolken einherſchwebende
Statue der Gebe des Canova im hieſigen Mufum.
Bei erbabenen Arbeiten (Relieſen) darf er, um Ver—⸗
worrenbeit und Unwahrheit zu vermeiden, nich mehe
ale zwei Pläne —— weichen bie dm einemn
jeden derſelben befindlichen Figuren einen gewiſſen alle
a . we.
gemein dafuͤr angenommenen Grab ber Erhabenheit
nicht überfchreiten dürfen. Weite, landſchaftliche Hinter:
gende find vollends unflatthaft, weil ihm die Jllu⸗
fion der dem Mater zu Gebote ſtehenden Luftperſpec⸗
hie Ind ſich in Ben. Plänen wisfelbe. denke Felle
fee \geleend macht. Anders fielen ſich aber Wider
diefer Bedingungen, nachdem das Material verfchie:
den, 3. B. Marmor, Bronze oder Holz iſt. So würde
3.8. die ſchoͤne bronzene Statue des fliegenden Mercur von
Johann von Bologna tn Marmor ſtilwidrig, ja unmoͤglich fein.
Wenn der Maler bei den ihm zu Gebote ſtehenden
Mitteln der Linien und Luftperfpective vecht eigentlich dar:
auf angewiefen iſt, eine größere Zahl von
in verfchiedenen Plänen darzuftellen, fo hat er body auch
wieder die gefährlide Klippe der Überhiufung uud Ver⸗
moerenheit zu vermeiden. Um den jedesmal erficchten
Grad von Jhuflon zu erreichen, iſt es ferner erfoderlich,
deß derfeibe in allen Theilen gleichmaͤßig durchgeführt
fi. Obgleich in der Malerei die Gtitfoderungen bes Stof⸗
ſes fi minder geltend machen als bei ben andern beis
ben Künften, fo beſtehen fie doch ebenfalls für gewiſſe
wie
von Waffen hervorzubringen. Dies gefchieht aber durch
mbglichft geringe Unterbrechung der‘ Lichtmaſſen in ihrer
allmaͤligen Abſtufung. Um dies zw eriichen, haben bie
Dialer daflız entweder breite Faltenmaſſen gewählt und die
Angabe der kleinern Motive inmerhatb bderfelben fehr ges
‚ ber die Stoffe fo zart angenommen, daß bie
Hatten bei ihrer großen Feinheit die Lichtmaffe nicht we⸗
fentlich ſtoͤren. Die erfiere Weiſe ift im Mittelalter, bie
gweite bei den antilen Gemaͤlden vorzugsweiſe in Anwen:
dang gekommen.“, Obwol es den Anſchein bat, als ob
viele dieſer Stilgeſetze in den drei Künften fich faſt von
felbft vwerftänden, lehrt die Kunfigefchichte leider, daß gegen
alle unzählige Mal gefehlt worden iſt.
Obaleich die geiſtige Schönheit der Eigenthuͤmlichkeit
des Kaͤnſtlers, welche aus feinen Werke herausitrahit,
den Befchauer am geheimnißvolifien und maͤchtigſten ans
zieht, naͤchſtdem aber die Beobachtung der jeder Kunft
eigenthuͤmlichen Stilgeſetze von ber entſchiedenſten Wirkung
tft, fo macht ſich daſſelbe doch auch noch in andern Be⸗
siehungen auf eine fehr bedeutende Weiſe geltend.
Zunaͤchſt komme bier die Idee, welche uns der Kuͤnſt⸗
(re zur Anſchauung bringt, in Betrachtung. Da thut
fich nun eine unendliche Mannichfaltigkeit auf! Bald bes
ziehen fich diefe Ideen auf das Höchfle, wozu fich ber
Menſch erheben kann: auf fein Verhaͤltniß zur Sotts
beit, ober auf das ſchlechthin Ewige und Unvergängs
liche, bald auf bie Sefansmtheiten der Menſchen, worin
fie fih, als in hoͤhern Individualitaͤten, bier ſchon auf
Erden unfterblich fühlen, auf die Staaten und ihre
Geſchichte. In diefen beiden Beziehungen firtdet die
9 Ich bin in dieſen Angaben uͤber Stilgeſetze meift dem tref:
(te Wertungen des Herrn von Rnnodr im erfien Bande
foiner „„Btalisnifhen Borigungen’ gefolgt.
4 einigung ud drin
Kunf, ihew Rdipion re Ad
I...
bildende Kunſt vorzugsſweiſe ihre oͤffem tliche, menn:
mentale Bebeutung, und in ben Denkmalen ber
Völker, welche zum freien und ſchoͤnen Ausdeud in de
Kunf gelangt find, ſpiegelt fih im der wuͤrdigſten Ber
ſt ahter
o Weltt und:
in den Xempelä und den Sculpturen der Griechen die
jugendliche, ſich genuͤgende Friſche und. Naivetaͤt der
Menſchheit in einer Fuͤlle von ſcharfumriſſenen, auch for
mell ſchoͤnen BDudungen entgegen, waͤhrend die Dome und
religidſen Geſtalten des Mittelalters eine echabene Scemuge,
oft duͤſtere, ſeltener heitere Feier, oder eine tiefe, ergeels
ucht Ee⸗ ſich, daß in dieſa
beiden Kunſtwelten tauſende von Modificationen flattfin:
ben, ih muß mid aber hier mit Amdentung der alge.
meinfien Grundzüge begnügen, |
Der Sculptur und Dialerei gewähren. bie Werke ber
Dichter zunächft ein reiches Gebiet von Ideen, welche
ebenfalls meift in monumentaler Weiſe ausgebildet wer:
den. Auch bier iſt es wiederum natuͤrlich, daß die Kuͤnſt
ler anders von Hoͤmer, und wieder anders von Dante
begeifteet werben und daß ihre Werke der Verſchiedenartig⸗
keit dieſer Begeifterung entfprechen.
Selbſt ganz einfache und ſchlichte Naturmotive haben
bei den Griechen, wie bisweilen Ina Mittelalter und auch
in der neueſten Beit den Künftlern zu fehr anziehenden
Werten Veranlaſſung gegeben; foldye find z. B. de
Knabe, welcher fit) den Dom aussieht, eine berühmte,
antike, bronzene Statue, wovon eine antite Wiederholung
in Marmor im biefigen Mufeum, das bekannte Bänfıs
männlein von Peter Wifcher auf. dem Marktelatze von
Nürnberg, endlih die Statue bes Pſyche Im Scqloſſt
Tegel, eins der vollendetfien Werke von Rauch.
Ich komme zumaͤchſt auf die Beziehungen des Privat:
lebens, als Gegenfiand der Kunfl. *) Obwol, wie fo vice
Bilder in Pompeji beweifen, den Alten keineswegs fremd,
baden fie doch erſt vom 16. und 47. Jahrhunditt an
eine vielfeitige Ausbildung erhalten und machen ſich bald
duch einen gemütblichen, bald durch einen ruͤhrenden,
bald endlih durch einen bumorififhen JInhalt geltend.
Entfprechen die Scutpturen und Bilder von monumes
talem Charakter bem Epos und dem Drama, fo nd:
men biefe in den verfchiedenen Battungen der Gonverfationt:,
der Bauern⸗, ber Jagd⸗, Schlacht: und Viehſtuͤcke, worin
fie ſich ausfpalten, die Stelle des Zoykis und ber Ro:
velle in ihren maunichfaltigften Ausgeflaltungen ein. Ib
erinnere bier für die Converſationsſtuͤcke an fo viele Bilder
des David Willie, In der Vorausfetzung, daß diefe durch
bie meifterlichen Kupferfliche nach denfelben der hochverehr⸗
ten Berfammiung am aligemeinften befaunt fein möchten.
Für die fonfligen Gattungen wird es genägen, bier der Bis
dee des Zemiere, des Weuwerman und des Potter zu gedenken.
In allen obigen Beziehungen ſpielt der Menſch die
Dauptrolles die Landfchaftsmalerei begründen fi das
gegen auf den eigenthuͤmlichen Eindruck, welchen die Ra:
| 9) Dub Be Dub fogmmennten „Gamer,
— — Heat to ghrinas vad Abe
—— ge. Wim auch
— male Kr ei en ——— ge⸗
aus verſchledenan ern aus Po erhellt,
ſo 58*
* Per her Dar ——æ— zulem»
*
der antiken vrter
2 * ee I ihre er Auettrung in niuern
fene Sag: „Die Kunft.fei eine ber Natur”,
wenigſtens hier. feine, Richtjgktit habe. Dies iſt aber
keineswegs der. ed. Welwehbt bean: aud bier der
ſchopfeciſche Kanſtier nur gewiſſe Naturmotive, um feine
—— Gefuͤhloweiſe arckzudruͤcken. So iſt ber
dem Weſen des Glaube Lortain das
BA des 3 Schoͤnheit der Linien und einer
ewigen Helterleit und Klarheit, in der. nur die weite Ferne
eine ine fee GSehnſucht weckt; eine Bereinigung, wie die
otlcktichftäg Gegenden Staliens fie in den begünftigtften
Momenten berbieten, und Homer fie fo herlich in der bes
rahmten Stelle van bin Inſeln der Seligen ſchildert:
Doert ht ardeitles und —— der Menſch fein Leben;
Kie ik da Schace, raufgt Platregen ba, nimmer auch
Sturmwind
rin Otean⸗s fenbet des W ellwehende
Inmer dehin, — —ã— an Ton kuͤhlend.
Da ſich der berühmte Kaspar Pouffin in
feinen R — bald als ein erhaben melancholiſches,
bald als ein hoͤchſt leidenſchaftlich aufgeregtes, aber immer
ſchoͤnes Naturell.
Wer ſich nicht zu einer ſolchen eigenthuͤmlich poetiſchen
Tuffaſſung, erheben kann, ſondern nur die jedesmal vor»
liegende Natur geiſtlos copirt, wird daher auch zum Un⸗
—— VBedutinmaler genannt; womit indeß nicht
gefagt fein fol, daß ſich nicht auch hier ein eigenthuͤm⸗
liches Gefühl ausſprechen kann, ja ausſprechen muß,
wenn fehle Aufihten ein hoͤheres, kuͤnſtleriſches Intereſſe
erregen follen. Indeß wird fich dee gefchictefte Maler
diefer Gattung zu dem erfindenden Landfhaftsmaler im:
mer wie der bloße Porteaitmaler zum Hiſtorien⸗
maler. Ger: und Architekturmalerei find Derzweigungen
der Eaudfſchaftsmalerei. Die Landſchaftsmalerei in jenem
hoͤhern Sinne entfpricht der Inelfden Moefle vom er
habenflen Homnus bis zum leichteſten Liebe
ve (Die —* folgt.)
Arndt und Deutſchlands Erhebung im J. 1813.
aut mas Stimme aus cn eh m
—— Eintett ir mehr als Einem Sinne Erin bloßer raum
bieibn, fondern daß ſich die Prophezeiung davon früher ober
ndmti far 17. Jahrhundert erhalten. Es dürf |
ten nun Manche glauben, daß der oben ald irrig verwors | heyichen, dodh- Kiefer
dem Au
55 *7 ni —*
n gegen Die, weiſhe piellejch
Maort f — ’y
— — —⏑ ⏑ —⏑⏑ — e mei De De
un fürchten. Die aber
glorreiche Beit bad Suflwmungs vom I. 1813 veru verunglimpften
unb beichnäffeiten, wauen- rg junge jübifche Zac
weiche maift non Haufe aus ven Drilaehint für deutſche Ast
ben und obgleich fie deutſches Brot efiam, deuiſches Weffer trins
ken, beutfche ef einatmen und Llingendes beutiches. Honagag
den murrenden Slawen ober Yanflamen ober *
den gemachten feinen *36 ſpielen michten 3 fernen bie radi⸗
ealen Bibsrnien.vom 3. 1830, te auf Paris als auf
die Gebt Gottes hinblickten, wen en aus das Deil kommen
müfle, die. vielen Anhänger bes plöglich MWobe gewordenen und
blind zutsnpenbes Napolton⸗Cathuſiasmus, bie große Anzahl ber
aus Zeitgährungen und uubefrigbigten Goffnungszuftänden *
vorgegamgenen Geiſter und Griſterchen, denen nichts recht war,
bie Alles bemaͤkelten und befpöttelten, blos um zu mäleln unb
zu fpöttelns endlich auch viele der Beſſern, denen bie Zeit iR
ihren Entwidelungen zu langfam ging, weiche bie Anſtrengun⸗
gen vom J. 1813 barum verachteten und verdaͤch ‚wei
die im Innern Deutſchlande gewonnenen Refultate ihnen. Diefen
Anftrengungen nicht zu entſprechen ſchienen, weil fie bie Quers
ſtriche bebamexten , * bey diplomatiſche Areopagus durch bis
—— bes deutſchen Volks zog; und zu alleriegt die Unzehl
Derer, weiche kein eigenes Urtbeil haben, fonbern nur ba& ib⸗
ven Borgeſprochene nachinlien und nachbuchſtabiren. Die Reiben
diefer Veraͤchter der Thaten von 1813 wurden noch bucdh ein«
ipiete. Schriftſtellerinnen verfärkt, weiche die Maͤn⸗
nerthaten von bamals geringfhästen, weil innen bie Thaten
nicht mehr vor Augen He bie Männer, „reihe bie Thaten aus⸗
geführt, entweder todt, ober bejahrt, d. h. durch Jugend und
Kraft nicht mehr anziehend find; denn das Weib kümmert fich
viel um die Vergengenheit, es Lebt für die Gegenwart, unb
wenn es einen Mann würdigen foll, muß es feine Perſoͤnlich⸗
keit kennen. Gefallene Männer ſind dem Meibe keine M
geichebene Ihaten Leine Thaten mehr. Daher der Ausſ,
einer ſqhriftſtellernden Gräfin, was man benn um bie Gchebung
den preubifchen und weiterhin des beutichen Volks ein fo Grohe
Geſchrei wache? das ſei body wirklich fo gut wie nichts, wenn
ein Volk fi Jahre lang treten laffe und endlich fein Jod abe abs
ſchuͤttele. Mit Erlaubniß! Wenn der einzelne Mann ben eins
nen Dann gegenüber bat und er wirb von biefem beleidigt,
gibt er ihm entweber eins hinter die Ohren ober er fovert
ihn vor Di Kiinge ; ſogar eine einzelne Stadt, wie Numantia,
in neuefter Zeit Saragoſſo, mag fich Leicht
in ber toth wie Sin Mann zum Kampfe auf Leben
und Zob'vereiben ; nicht fo leicht ein Bolt, weiches umftellt und
noch Theil in der Hand des Feindes iſt, wo unter den
bes Feindes erſt Alles vorbereitet, organifirt, inſtruirt,
Ipeiten zu einer Geſammtheit verdichtet werben ni
el und zwar einem fo großen und fucchtbaren
BolsoR gegenäber. und burch wen fiel bas beusf
ſich feibfi? Nein! Aber durch wen erhob es ſich
ſeibſt! Dan muß bie Anftvengungen des preußiſchen Volks
kennen, 2* es gekoſtet bat, um das Biel ber allgemeinen
Bolksb —25* man muß bie hiſtoriſchen Vorder⸗
füge Tannen; der darum kümmert ſich ein Weib freilich nicht,
weiches auch im Buche immer nur wie am Aheetifche Ichwagt.
Diefe verächttichen Anfichten über die Erhebung Preußens im
J. 1813 waren, bei ber duch einzelne Sründe gerechtfertigten
ri des übrigen kan om —* Fe banal
entgegengeſetz te ins un rſum⸗
men und Gurren ſpoͤttiſcher Stimmen gaͤnzlich uͤberhoͤrt wurde
ober laͤcheruich erſchien. Aber es änderte ſich, ſchneller als man
einen Handſchuh amkehrt, und nlögiich waren die Männer und
Thates von 1813 wieder oben, Arndt's „Erinnerungen au,
fern Lohen‘‘ erlebten ſqͤnell eine. beitte % lage; man.
Blätter
für
literarifhe Unterhaltung.
Donnerstag,
— — Nr. 215. —
3. Auguſt 1848.
über die Stellung, welche der Baukunſt, der
Birtmuerii und Malerei unter den Mitteln
menſchlicher Bildung zukommt.
(Vortfegung aus Nr. 214.)
Es bleibt mir noch übrig, von eimer Äußerungsweiſe
des kuͤnſtieriſchen Geiſtes zu fprechen, nämlich von ber
Dortraitbildung Wie groß auch der Unterfchied
der Art und des Aufwandes der Lünfkierifchen Yhantafie
von der Bildung eines olympifchen Zeus des Phidias,
einer Sirtinifhen Madonna von Rafael, bie zu dem
blinden Fiedler von Willie, oder dem Heitathéantrag
auf Helgoland von Jordan fein mag, To iſt doch von
einem bis zum andern, durch alle die dazwifchen liegenden
Stufen, dieſelbe erfindende Kraft thätig und macht das
eigenchümliche Naturell bes Künftlers, welches fi darin
ausfpricht, überall den Hauptreiz aus. Bei ber Portrait:
bildung, wo body der Künftier allen an die Wiedergabe
der einzelnen, ihm vorliegenden Naturerfcheinung gewieſen
ift, möchte es dagegen auf den erften Blick ſcheinen, als
ob bier die Thaͤtigkeit der kuͤnſtleriſchen Phantafie aus:
gefchloffen fein und an dieſer Stelle doch endlich der Sag:
„Der Zweck der Kunſt beflehe in der Nachahmung der
Natur”, feine volle Anwendung finden muͤſſe. Und doch
ift dem ſelbſt hier keineswegs alſo. Es macht fic) viels
mehr gerade - bier die kimſtleriſche Eigenthuͤmlichkeit auf
eine überrafhhende Weife geltend. Oder worauf beruhte
fonft der unermeßliche Unterfchied in der Wirkung eis
ned Portraits von Nafae und eines von Denner ?
Man wende mir nie ein, dieſer entfiche dadurch, Laß
Denner in feinen fo unfaglich ausgeführten Portraits faft
immer haͤßliche und runzlige alte Männer und raum,
Rafael dagegen meiſt ſchoͤne Leute gemalt habe. Im
Palaſt Pitti zu Florenz hängt von Rafael das Por:
tcait des Cardinals Inghirami, eines häßlichen, diden
und ſchielenden Praͤlaten, und doch uͤbt dieſes Bild eine
wunderbare Anziehungskraft aus. Worin liegt dieſe alfo
anders als in der eigenthuͤmlich edeln Art der Auffaflung,
vermöge welcher Rafael in feinem Vorbilde alles geiftig
Bedeutende, oder das Ewige, was in jedem Menſchen
inet, geſchaut und mit Unterdruͤckung des Zufälligen und
, tweldyes ebenfalls jedem Menſchen nothwendig
anklebt, vorzugsweiſe wiedergegeben hat? In dieſem Sinne
malen bie großen Maler, bilden die großen Bildhauer im
ihren Portraits ihr Vorbild nicht wie es ft, fondern
wie es fen folt, und beftreben ſich darin, das Ideal
deffelben, welches in jedem Menfchen vorhanden, aber in
der Erſcheinung mehr oder minder getruͤbt iſt, zu erkennen
und zur Anfchauung zu bringen. Man würde ſich indeh
fehr irren, wenn man glaubte, daß dies auf Koften der
Ähnlichkeit und Lebendigkeit gefchaͤhe; diefe treten vielmehr
gerade dadurch auf das ergreifendfte und geiftigfte her
vor. Sch erlaube mir bier nur an die Buͤſten von
zwei, einen großen heile ber hochverehrten Verſamm⸗
ung perfönlic bekannten Männern zu erinnern, an
die Buͤſte des felgen Schleiermacer von Rauch und
an die des Dichters Ludwig Tieck von feinem Bruder,
dem Bildhauer Friedrich Tieck. Beides find treffliche Bei⸗
fplele von jener Art von geiftreicher, ideeller und doch
wahrer Auffaffung.
Werfen wir nun einen Blick auf bie Portraits von
Denner! Diefer Kuͤnſtler hat ſich allein an das Wieder:
geben der Außerlihen Erſcheinung mit allen ihren Hein:
fin Zufälligkeiten gehalten und jedes Hautfaͤltchen, jedes
Biutäderchen, jedes Schweißloch, jedes Haͤrchen mit topos
graphiſcher Gewiſſenhaftigkeit auf das natuͤrlichſte aus⸗
gedruͤckt. Hier hätten wir alſo eine bis aufs aͤußerſte
getriebene Nachahmung ber Natur! Jedem gebildeten
Auge erfcheinen feine Bilder aber ungeachtet ihrer unge
meinen techniſchen Virtuoſitaͤt nicht blos geiſtlos, fonbern
widerlich. Die freie Kunſt grenzt in ihnen mit den Wachs⸗
figuren zufammen, die etwas Grauenhaftes haben, weil
fie lediglich auf eine täufhende Nachahmung des orgamls
ſchen Lebens ausgehen, ohne daß daſſelbe duch einem ans
dern Geiſt, nämlih den eigenthuͤmlich ſchoͤnen eines
Kümftlers erfegt würde. Ein Jeder kann fi) hiervon durch
ein vortreffliches Portrait von Denner, welches das Mus
ſeum befige, ſelbſt Überzeugen.
Sollte indeß die hohe Bedeutung der Eigenthuͤmlich⸗
keit des Kuͤnſtlers bei dem Portrait noch irgend in Zwei⸗
fel gezogen werden, fo iſt dieſelbe auf die evidentefte Weiſe
durch die Portraits dargethban, welche gegenwärtig in fo
großer Anzahl durch das Daguerreotyp hervorgebracht wer⸗
den. Hier ift die Nahahmung getreuer als irgend eine
Kuͤnſtlerhand fie geben kann, denn bier verführt die Na:
tur nad) ihren eigenen Geſetzen. GSelbft die gelungenflen
folder Portraits haben indeß etwas Nüchternes, Gleich⸗
gültiges und Kaltes, weil ihnen naͤmlich das Gepraͤge
der Auffoffung eines beſtimmten, kuͤnſtleriſchen Geiſtes
febte, welcher ihnen allein Wärme, Geiſt und ein höhe
red Interoſſe einflößen kann.
Aus dem Geſagten srhelt von ſelbſt, daß, wenn ſchoͤne
und geiftreiche Perſoͤnlichkeiten ſich mit der Auffaflung
durch einen großen Künftter wie in einem Brennpunkte
vereinigen, Portraits folder Art felbft den Kunſtwerken
der hoͤchſten, ideellen Aufgaben nicht - ,
wie denn auch ein Portrait, wie das der irrig ſogenannten
„Bäle ferranitre” *) des Leonardo da Bincd zu Pas
sis, ober das des Papſtes Leo X. von Rafael im.
Palaft Pirti zw Florenz jedem hiſtoriſchen Bilde gleich
geachtet wich.
Es dürfte bier der ſchicklichſte Det fein, auch der
Malerei von Früchten, Blumen und fegenannter
Gtilleben mit einigen Worten zu gedenken, indem «6
ih dabei, wie bei dem Portrait, vorzugsweiſe um das
Wiedergeben der einzelnen Naturerſcheinung handelt. Als
lerdings beraubt bei Bildern diefer geringſten Gattung ber
Heiz ungleich mehr als bei allen Übrigen auf ber Illu⸗
fion, welche eine möglichft getreue Nachahmung der Mas
te hervorbringt. Deffenungeachtet macht ſich auch bier die
GEigenthämiichleit des Kuͤnſtlers ſowol In dem Geſchmack
ber Anorduung als in der harmoniſchen Zuſammenſiel⸗
kung ber Karben auf eine ſehr bedeutende Seile geltend.
Haben die Kunſtideen, welche fi auf Kirche, Staat
und Poefie beziehen, vorzugsweiſe eine Öffentliche und mo⸗
numentale Bedeutung, fo find die Übrigen meiſt dazu bes
ſtimmt, das Privatleben auf eine fchöne und bedeutende
Art zu ſchmuͤcken.
De Eigenthümlichkeit des Künftlers, die
Beobachtung der einer jeden Zunft zukommen⸗
ben Gtilgefege und bie Idee, oder der Gegenſtand
des Runftwerts, find unftreitig die Eigenfchaften, welche
ver Allem in bemielben anziehen; aber auch bie eigent⸗
üche Wiſſenſchaft, als bei der Architektur die
ſtrenge Beobachtung ber Megeln ber jedesmaligen Conſtruc⸗
tion, bei der Sculptur und Malerei die auf gruͤnd⸗
lichen anatomifchen Studien berubende Richtigkeit der Zeich⸗
nung, wozu bei ber letztern noch die Beobachtung der Linien:
und Luftperfpective kommt, bat an dem Eindruck, den
ein Kunſtwerk auf den Beſchauer macht, einen hoͤchſt be:
beutenden Antheil. Daſſelbe gilt endlih von dem rein
sechmifchen Theil, von der Weiſe, wie dee Architekt fein
Material ſcharf und genau zufammenfüge, wie dee Bild:
bauer mit dem Meifel feinen harten Stoff kunſtreich bes
zwingt und ihm gleihfam Leben einhaucht, wie der Mas
fee durch die Führung des Pinfels und den Gebrauch
ſchͤner und haltbarer Farben feine Kunſtwelt hervor⸗
Ein in allen Theilen ſchones und befriedi⸗
gendes Kunftwert kann nur dann entfichen, wenn alle
9 Iegt wit viel mehr Dahrſcheialichtoeit Tür das Purteait der
Surregia Grinelli gehalten.
diefe Eigenfchaften in einem hohen Grade vorhanden fin
und auf eine lebendige Weile zuſammenwirken, ſodaß
eine beſonders ſchoͤne und bedeutende Eigenthuͤmlichkeit des
Kuͤnſtlers fih mit einem richtigen Stügefühl, einem glns
fligen Gegenſtande und einer Koh Ausbildung der wif,
ſenſchaftlichen und technlfchen buchhleinge. Die
iſt indeß verhaͤltaißmaͤßig nur felten der Kal, Nah
Maßgabe aber, wie ein Kunftwerk die mehr oder minde
wefentlichen jener : Eigenfchaften beſitzt, wird «6 immer
noch ſchoͤn und anfprechend bleiben. Der Aufdrudk einer
fhönen und naiven Eigenthümlichkeit des
Künſtlers br eine ſolche Gewalt aus, daß er feihk
gegen die Stilgefege verſtoßen kann, wie dies zB, in
einem hohen Grade bei den nach maleriſchen Stilgeſchen
componftten, weltberühmten Bronzethlisen des Baptifteriums
zu Florenz von Lorenzo Ghiberti ber Kalt ift, daß m
auh dem ungünftigften Gegenflande, z. DB. der Martet
des heiligen Erasmus, dem bie Eingeweide aus dem Leibe
gerwunden werden, no Reize zu verleihen vermag und
foger fehr erhebliche Mängel in den wiſſenſchaftlichen und
techniſchen Theilen ſehr erträglich macht. Hierin liegt der
Hauptgrund, weshalb fo viele Werke früherer Kunſtepochen
gebildeten Kuͤnſtlern und Kunftfreunden ungeachtet folder
Mängel oft eine fo warme Bergunderung entloden. Sek
ber Aufdeud einer mehr ober minder verfchrobenen, aber
entſchiedenen Perfönlicykeit (eines Manieriſten) verleiht
dem Kunſtwerke noch immer eine energiſche Wirkung,
mag es nun anziehen, wie >» B. ein Bild des Gate:
tor Rofa, oder abfloßen, wie ein Bild des Sprangn.
Ein Kunſtwerk dagegen, welches ohne Gefuͤhlsbegeiſtetung,
wie ein Rechenepempel, lediglich aus der Beobachtung ge
volffer Regeln und Reflexionen entſtanden ift, kann beim
Falls ein Aggregat von ſehr lobenswerthen Eigenſchaften,
es kann wohl angeordnet, . ricgtig gezeichnet, mit vicer
Bravour gemalt fein, aber ale Ganzes wird ed den Be
ſchauer, tro& des ſchoͤnſten Gegenſtandes, immer kalt
und gleichguͤltig laſſen, weil ihm die Alles ducd:
dDeingende Seele fehlt. Kunflwerke von foldyen nega⸗
tiven Vollkommenheiten find im 18. Jahrhundert in be
fonders großer Anzahl hervorgebracht worden.
Machwerke endlich, weiche Beine aller erwähnten Cigen⸗
haften in einigem Grade befigen — und leider iſt deren
zu allen Zeiten eine Unzahl hervorgebracht worden —, Wi:
dienen gar nicht den Namen von Kunſtwerken und wir
Ben verderblich auf Sins, Geſchmack und Geil. Die
leider unmoͤgliche Vertilgung dieſer Fehlgeburten wäre eine
große Wohlthat für das mienfchliche Geſchlecht!
Iſt aber bei einem Volke der Kunſiſinn einmal ler
bendig geworben, fo ruht er nicht cher, bis er nicht al
kein die Gebäude, von dem Palaſt bis zur Hütte, von
außen und innen geſchmuͤckt, fonderm auch ein jegliches
Dausgeräth durch Form und MWerzierung in bas Gebiet
des Schönen gezogen hat. Dadurch aber, daß Begenflände
bes bloßen Beduͤrfniſſes das Gepraͤge einer der Höhen
Thaͤtigkeiten des menſchlichen Geiſtes, nämlich der erfins
derifhen, kuͤnſtleriſchen Phantafie tragen, ehe
ben fich auch biefe aus dem Geblet der bloßen dufem
Ninkihleit in das des Seins um ihrer feibft willen und
adeln auf Defe Wette ſelbſt das Bedürfniß.
Eine ſolche von dem Groͤßten bis zum Kieinften von
den bildenden Künften durchdrungene Umgebung übt nun
auf den Menfchen einen wunderbar veredeinden Einfluß
aus. Sie gewährt die ſtumme, langſam, aber fidyer und
mächtig wirkende Erziehung durch die Schönheit,
Wem es auf: längere Zeit vergoͤnnt geweſen iſt, in ſolcher
Umgebung zu leben, dem wird fie fo ſehr zum geiſtigen
Bedärfnif, daB ihm da, wo fie ganz fehlt, nicht anders
zu Muthe iſt wie dem Freunde der Natur, wenn er
aus Gorrent, oder Salzburg, wo fie das reichte und
fchönfte Leben achmet, in die Lüneburger Haide verfegt
würde, wo fit fih in einförmiger Dürte und todter Er⸗
flarrung wor Ihm ausbreitet. Erſt ein Solcher verſteht
ganz den tiefen Sinn der Zeilen:
Kenuf du dad Haus, auf Säulen ruht fein Dad,
Es län der Baal, ed ſchimmert dad Gemach
Und Marmorbilder flehn und fehn mich an.
worin die Sehnſucht eines jugendlichen Gemuͤths nach
einer kunſterfuͤllten Heimat fo hertlich anklingt.
Aber auch in anderer Beziehung iſt die bildende Kunſt
von hoher, ſittlicher Bedeutung. Die dem Men⸗
ſchen nun einmal eigene Welt der Sinnlichkeit, welche
fo Viele In dem Schlamm thierifher Gemeinheit hinab:
zieht, welche ganz zu verleugnen aber immer nur [ehr
Wenigen gelingt, wird duch die Kunſt veredelt und
gereinigt, indem fie diefelbe zum Ausdruck der Schön:
heit und oft rein geifliger Beziehungen verwen»
det. Go bewahrt nichts mehr gegen die fo häufige,
falfche Pruberie, welche an der Darftellung des Nadten
Anfiob nimmt, ats die frühe Bekanntſchaft mit echten
Kunſtwerken, wo daffelbe, im reinen und keuſchen Dienſt
dee Schönheit, geringere Beziehungen in der Phantafie
gar nicht aufkommen laͤßt, und fo die wahre Unſchuld
bewahrt. In diefem Sinne malte Michel Angelo in
der Birtinifcyen Kapelle den Adam, welcher, am Boden
zuhend, von dem Finger Gottes berührt wird; die Eva,
sie fie, menerfchaffen, vor ihrem Schöpfer niet, in der
Unfchutd, wie fie ans feiner Hand hervorgegangen find.
In diefem Sinne find auch die herrlichen Compofitionen
von Schinkel gedacht, welche, in Fresco audgeführt, die
Halle des Mufeums ſchmuͤcken werden. Wenn aber felbft
eine Venus von Tizian in dem Beſchauer andere Em⸗
ats die reine Bewunderung der Schönheit
ald einer göttlichen Eigenfchaft erweckt, fo tft die Schuld
hiervon nicht dem Künftter, fondern ber fittlichen Verderb⸗
niß des Gefuͤhls im Beſchauer beizumeffen.*) Ih bin
indeß weit entfernt, behaupten zu wollen, daß die Kunſt
nidyt ihre edlere Natur verleugnen und einer niebrigen
Sinmlichkeit dimen kann und vielfach gedient hat. Der
Misbrauch einer an ſich guten Sache beweiſt aber nichts
gen biefelbe; denn womit wäre wol je ein größerer Mis⸗
Deuuch getrieben worden, als mit dem hoͤchſten Gute der
9 gi wir erlaubt, in biefer Beziehung auf einen trefftiäen
Ausflar von Goethe: „Der Sammler und die Seinigen‘‘, aufmerls
fu mechen.
Menſchheit, der Religlon? Wem aber koͤnnte es einfal⸗
len, deshalb an ihrem göttlichen Urſprunge zu zweifein,
oder fie gar vermerfen zu rollen ?
Andere Leidenfchaften, denen dee Menſch fi) nur gar
zu leicht ruͤckſichtslos überläßt, z. B. der Schmerz, werden
duch die Weife, womit die Kunft fie durch die Schönpeit
bes Gefühle verklärt, gelinbert und harmoniſch aufgeloͤſt.
So will ich befennen, dab der Anblid der Mutter Niobe,
der Srablegung in Borghefe von Rafael, mir in ſchmerz⸗
lichen Lebensvorgängen wunderbar troſtreich geworden find,
Einen verwandten Eindrud macht der von zwei Engels
betrauerte Chriftus von Mantegna im bhiefigen Muſeum,
befonder6 in dem emporblidenden Engel.
Ich berühre jegt einen andern wichtigen Einfluß ber
bildenden Kunft, die Schärfung und Verfeinerung
des Sinns für die verfchledenartigfien Schoͤn⸗
beiten in der Ratur. Da jeder große Kuͤnſtler die:
felbe auf eine bedeutende, aber doch nur ihm eigenthüms .
liche Weiſe aufgefaßt Hat, ſieht fich der aufmerffame Be⸗
[dauer von Kunſtwerken allmälig in die verfchledenen Wei⸗
fen derfelben hinein, ſodaß ihm erſt die geiftige Bedeutung
der Gefichtöformen, der Mienen und der Geberden in der
Natur in ihrer unendlihen Mannichfaltigkeit aufgeht und
er 3. B. gewahr wird, wie jich bisweilen in einem, in
den Formen häßlichen, Geſichte, tie dem des Sokrates,
eine höhere, geiſtige Schönheit ausſpricht, waͤhrend ein
formell ſchoͤnes Geficht gelegentlich wieder moralifche Ver⸗
derbtheit und Häßlichkeit des Geiſtes verrätd und ihm
dee Ausdrud, oder die Anmuch keiner Wendung und
Bewegung entgeht. Ebenfo erhält die Landfchaftlihe Mas
tur taufend neue Reize. Faßt das Auge in einer Ge:
gend wie die von Neapel mit Claude Lorrain jede neue
Verſchiebung der Linien bei der Änderung des Stands
punkts und die zarteften Abflufungen der Töne auf, fo
erfreut es fih auh in unfererr Markt mit Ruysdael
uber eine fchöne Buumgruppe, über das mannichfache
Spiel der MWolkenfchatten und der Sonnenblide auf den
weiten Flächen von Wiefen und Seldern und entdeckt
ſelbſt in den gewöhnlichen Kräutern zu feinen Füßen eine
Menge von Schönheiten.
Betrachten wir nun bie befondere Weife, wie bie
bildenden Künfte in dem oben angegebenen Kreife von
Ideen, worin fie fich bewegen, auf den Menſchen wirken,
fo unterfcheiden fie .fih von allen andern Arten ber
geiftigen Mittheilung durch die Gewalt des unmit⸗
telbaren, augenblidlichen und zugleich dauern⸗
den, ſinnlichen Eindruds, womit fie uns die vers
fhiedenften Leidenfchaften und Zuflände von dem höchften
ſittlichen Wollen und der innerſten Heiligung bie zur
tiefiten Verworfenheit und gänzlichen geiftigen Entartung
in den mannichfachſten Geftalten vor Augen flellen, fo:
wie ducch die allgemeine Verſtaͤndlichkeit in den
Mitteln ihres Ausdrucks, vermöge deren fie nicht allein
dem ganzen Wolle, wo fie entftanden, fondern allen Men⸗
(hen, fie mögen eine Sprache reden, welche fie wollm,
deutlich find. Go würde der Chinefe fo gut wie ber
Irokeſe dei dem Anblick von Rafael's Madonna aus
dem Haufe Colonna im biefigen Muſeum den allgemein
menſchlichen Inhalt des Bildes erkennen, daß bier naͤm⸗
lich eine Mutter und ihr Kind dargeftellt find, welche ſich
innig aneinander freuen,
Gewiß erfuͤllt nichts die Seele fo lebendig mit heilis
gen Schauern, läßt die Gegenwart Gottes in dem Maße
ahnen, ftimmt den Geiſt fo. zur Erhebung zu ihm, ale
eine wuͤrdige Kirche, wie 3. B. der koͤlner Dom. Ebenfo
wird die Xorftellung irdifcher Majeftde auf keine Weife
fo fchlagend und allgemein erwedt, al6 durch einen Palaft,
der, wie er durch Größe und Adel der Verhältnifje die
Wohnungen der andern Menfchen überragt, fo ſich durch
Bedeutung, Seinheit und Reichthum des Kunſtgeſchmacks
im Innern von ihnen unterfcheibet.
(Die Fortſezung folgt. )
Neue franzöfifhe Literatur.
1. Napol6on et Marie Louise. Souvenirs historiques par
M. le baron de Meneval, Zwei Bände. Paris 1843.
Bon allen ungäbibaren Grinnerungen aus dem Kaifers
reihe, die wir in der legten Zeit erhalten haben, ift das vor
liegende Werk gewiß eins ber intereffanteften. Man. hat es
Hier mit wirklichen, authentifhen Memoiren zu thun, bie ſich
von ben untergefdyobenen Fabrilarbeiten, mit denen man eine
Zeit lang das Publicum zu taͤuſchen gefucht hat, auf ben erfien
Blick unterfcheiden. Wir finden in diefem foeben erichienenen
Werke eine Zülle von neuen Anekdoten, für deren Echtheit ber
Name bes Verf. und bie ehemalige Stellung beffelben bürgen.
Derfelbe war lange Zeit hindurch Gecretair bei Napoleon und
befleidete zu gleicher Zeit eine ähnliche Stelle bei Marie Luiſe.
Man begreift, von welchem Intereffe bie Grinnerungen eines
Mannes fein mäffen, der mit dem Leiter der Welt in einem fo
nahen und engen Verhaͤltniß geflanden hat. Dan muß deshalb
dem Berf. feine Zuflimmung geben, wenn er in ber Vorrede
fagt, daß es feine Abſicht nicht fei, Rapoleon als ‚Beiden und
Geſetzgeber, wie er ſchon taufend und abertaufendmai gefchilbert
ift, fondern mehr in feinen häuslichen Beziehungen, als Gatte
und Vater zu zeichnen. Auf St.⸗Helena hatte Napoleon ben
Wunſch ausgebrüdt, es möchte mehren Perfonen, unter denen
er namentlidy Meneval nannte, gefallen, feinen Sohn mit den
wahren Verhaͤltniſſen der Dinge, die zum Theil entftellt feien,
befannt zu machen, und bemfelben mehre Punkte, die für ihn
von Intereſſe fein müßten, mitzutheilen. Der Verf. hat lange
ezögert, mit feinen Denkwürbigkeiten hervorzutreten, und auch
. jet tbeilt er nur einzelne Bruchftücde daraus mit, die ihm für
bie ffentlichkeit vorzugsweife geeignet fcheinen. Zum Theil
halten ihn, wie er fagt, Zweifel an feiner Iiterarifchen Befähigung
ab. Indbeſſen foRte er biefelben befämpfen und aus feinem
zeichen Schage noch andere Mittheilungen machen. Sein Buch
tft mit vielem Talent gefchrieben, fein Stil ift elegant und
ſtets des Gegenſtandes, den er behandelt, würdig. Mit außers
ordentlicher Gewandtheit und mit einer Zartheit, bie unter den
Schriftftelleen von Tag zu Tag feltener wird, behandelt er bie
ſchmerzliche Trennung, bei ber Rapoleon das Herz feiner ges
tiebteften Freundin einer politiſchen Berechnung opferte. Wenn
wir fo im Ganzen im Werke Meneval's uns mehr in ben
ſtillern Kreiſen des häuslichen Lebens von Napoleon bewegen,
fo berührt ber Verf. doch zumetien einzelne politiſche Verhaͤltniſſe,
über die immer noch ein gewifles Dunkel ſchwebt. Möchte er
fi durch die große Aufmerkfamleit, welche bas vorliegende Wert
bereits gefunden hat, veranlaßt ſehen, feine eigentiidden Me⸗
moiren, in denen er gewiß auf bie Politik näher eingeht, recht
bald erfdheinen zu laffen. Indeſſen enthalten wie gefagt auch ſchon
diefe zwei Wände mehre gelegentliche Bemerkungen über einige
von den Herrſchern und den Staatsmännern, bie in Frankreich,
Öftreih und Rußland in dem Drama, das ber Berf. uns vor:
führt, mit thaͤtig geweſen find. Auch der Gongreß von Wien,
ber fo gdiet behandelte und doch noch nicht erſchoͤpfte, geht nicht
r | . ’
2. Le Troubadour, ou la Provence au I2idme siöcle, par le
baron Ladowcette. Paris 1843.
Wilhelm von Gabeftaing, ber einer alten Familie aus dem
Geſchlechte der Vottinier angehörte, ward in einem provenza⸗
liſchen Dorfe geboren, das aus ben lberreften einer roͤmiſchen
Stadt gebildet war. Lange Zeit trieb er fi im Gefolge eines
Zroubaboue umher, ber den Namen Ollivier führte, bis er
endlich ſelbſt der Ehre thelihaftig wurbe, fidg einen Titel bei:
zulegen, vor dem ſich bie Burgen ber Herren ſowie bie Patäfte
der Könige öffneten. Gine alte e lehrt uns — denn wir
haben es in dieſem Romane mit hiftorifchen Geſtalten gu thun —,
baß ed Wilhelm gelungen war, einer hohen Dame, für bie er
eine heftige Leidenſchaft empfand, eine lebhafte Siebe einzuflößen.
Bon ben Hinderniſſen, die ſich ihrer Bereinigung entgegenfesten,
zur Verzweiflung gebracht, machten bie Liebenden ihrem trofts
ofen Leben felbft ein Ende. Dies iſt bad nadte Gerippe der
Erzählung, in welcher der Baron Raboucette uns ein Wild von
bem moratifchen und politifchen Buftande der Provence während
des 12. Zahrhunderts entwirft. Der Verf. flüge ſich bei der
Schilderung biefer intereffanten Epoche gewiß auf gründliche
Forſchungen. Und wir erwähnen auch feinen Roman mehr
um ber einzelnen Bemerkungen als feines poetiſchen Gehalts
willen, der nicht fehr hoch anzufchlagen if. Von befonderm
Intereffe find die Lieder Wilhelm’s, die Hr. v. Ladoucette
am Gnde feines Werts hat abdruden laſſen. An den
„Troubadour‘ ſchließt fich ein anderer kleiner Roman in
Briefen an, dev ben Titel hat: „La jeune fille de la Val-
louiss“, in bem der Verf. an die Manier von Bernarbin de
St.⸗Pierre ſtreift.
Notiz.
Eine merkwuͤrdige Preisaufgabe.
Der Herzog von Modena hat feiner Akademie die Mittel
zu ſechs Preisaufgaben für das Jahr 1943 zufließen taffen.
Eine biefer Preisaufgaben verdient auch in Deutſchland befannt
zu werden, wo man ſich durch ihre Löfung par vielleicht Bert
und Beförderung, aber ſchwerlich gerade ein premio d’onere
erwerben Tann. Die Alabemie verfpricht 500 ttatienifche Lire
für die befte italieniſch oder beutfch gefchriebene Arkeit, die mit
den beften Gründen die Nachtheile einer zügellofen, und tie
Vortheile einer gezügelten Preffe, und dadurch die Rothwendig⸗
keit einer weiſen Genfur darthut (— dimostrare co’ migliori ar-
gomenti i mali della stampa licenziosa, ed i vantaggi della
ben regolata, e quindi la necessitä di una savie cassura —).
Die Arbeiten müllen bis zum 31. Dec. 1843 (aocompagnate
da una scedola sigillata con entro il nome, cognome e do-
micilio del concorrente edi fuori verrä ripetuta la epigrafe
medesime) — * R. Accademia delle scienze, lettere
ar ena gefendet werben. Das fieggefrönte Meiſter⸗
wert wird ſogleich auf Koften der Akademie gedruckt und ber
Sieger erhält eine Anzahl Exemplare, mit denen er fi bei
feinen Borgefegten empfehlen kann; felbft wer bloß das Accefit
davonträgt, erlebt die Freude, fein Werl gedruckt zu fehen und
noch dazu unter ‚einer „‚savia censura”. Unter den beutfihen
Sreunden ber Genfur gibt es hoffentlich einige, die Gedanken
und Eatein genug befiten zum Wettſtreit um bie herzoglich
modenefifge Siegespalme, die des Schweißes bee Sheln unftreitig
ſehr wiürbig ift. 73.
Berantwortliher Herausgeber: HPeinrich Brokhaus. — Drud und Verlag von F. X. Brochaus in Leipzig.
Blätter
für
literariſche Unterhaltung.
Freitag,
4. Auguſt 1843,
Über die Stellung, welche der Baukunſt, der
Bildhauerei und Malerei unter den Mitteln
menſchlicher Bildung zukommt.
(Jdortſezuag aus Nr. 215.)
Beſtimmte und wuͤrdige Vorſtellungen der Gottheit
oder heiliger Perfonen werden im Geiſt am ſicherſten und
Dauerndflen durche Werke großer Kuͤnſtler erzeugt. So
trat ben Griechen ihr Zeus durch die berühmte Statue
Des Phidias zu Dlympia in feiner ganzen, fchönen Ma⸗
jeftät und Wilde entgegen, fo den Katholiken die Maria,
als Dimmelskönigin, in hinreißender Schönheit und Bes
geifterımg in Rafael's Sirtinifher Madonna zu Dresden.
Aber audy in proteftantifchen Ländern würde unfehlbar
noch jet die Verbreitung würdiger Darflellungen aus
der heiligen Schrift, fei es durch Scufpturen und Ge:
mälde in den Kirchen, oder auch nur durch Kupferftiche
im Privatleben, ungemein zur Belebung und Veredlung
des religisfen Sinns beitragen. Wenigſtens babe ich an
mir erfahren, wie duch die fehr frühe Belanntfchaft
mie der fogenannten Bibel von Rafael, den Prophe⸗
ten Des Midyel Angelo in der Sirtinifchen Kapelle und
den Rafael'ſchen Cartons, mittel der beflen Kupfer
ſtiche, mir die patriarchalifchen Vorgänge des Alten Teſta⸗
mente, Die erhabene Begeifterung der Propheten und bie
Staubensgröße der Apoftel für das ganze Leben in der
wuͤrdigſten und fchönften Geſtalt eingeprägt worden tft.
Das Andenken der Männer und Thaten, in denen
fi ein Volk am lebhafteſten und freudigſten als ein
großes Ganze fühlt, wird aber unftreitig durch nichts auf
eine fo ſchoͤne, eindringliche und allgemeine Weife
lebendig umd gegenwärtig erhalten und dadurch zu ruͤhm⸗
licher Nacheiferung aufgefodert, als durch die Dentmale
der bildenden Kunſt. Ebenfo werben die Geflalten der
Dichter dadurch erſt zu voͤllig beflimmten, aͤußerlich
ſcharf begrenzten Weſen. Wie mußten z. B. die Griechen
ihren Homer leſen, welchen alle Geſtalten, die er uns
voruberfuͤhrt, in den Gebilden ihrer trefflichſten Kuͤnſtler
verſchwebten!
Jene Werte, welche uns, wie der erwähnte Doms
ziehe, nur einfache Naturmotive vorführen, bewei⸗
fen vielleicht die Macht der Kunſt am glaͤnzendſten, ins
dem hier Borgaͤnge, an denen wir in der Wirklichkeit Im der
Regel faft unbemerkt vorübergebhen, durch die kunftgemaͤße
Auffaffung, die liebevolle Durchbildung, einen wunder
baren Reiz ausüben.
Die Darftellung jener mehr dramatiſchen Vorgaͤnge
des gewöhnlichen Lebens zieht uns durch den Geſchmack
und die große Lebendigkeit an, womit fie uns die Mans
nichfaltigleit der geiftigen Beziehungen und das Maleriſche
und Zierliche deſſelben vorführt.
Die Landfchaften, welche uns fchöne, aber leider
in der Natur fchnell vorübergehende Momente für immer
fefthaften, rufen die eigenthuͤmliche Gemuͤthsſtimmung,
welche jene in uns erregen, ungleich fchlagender und uns
mittelbarer hervor, als die fchönfte Wefchreibung des groͤß⸗
ten Dichters es vermag.
An den Bildniffen endlich, jenen rührenden Denk:
malen der Familienpietät, welche die geliebten Züge der
Angehörigen über die fchnelle Veränderlichkeit der Zeit und
die Vergaͤnglichkeit des Grabes hinüberretten, knuͤpfen fich
tauſende von großen und kleinen Erinnerungen auf eine
lebendigere Weiſe, als dies ſonſt irgendwie geſchehen
koͤnnte. Betreffen ſie aber hervorragende Perſoͤnlichkeiten,
ſo gewinnen ſie eine hohe und allgemeine Bedeutung.
Denn was iſt die genaueſte Beſchreibung von dem Aus⸗
fehen eines großen Mannes, welche uns die Hiſtoriker mit
Recht geben, gegen bie unmittelbare Anfchauung, wie fie
uns der Pinfel eines Holbein, Xizian oder van Dyck,
ja felbft eines jeden geſchickten Künftlers gewährt?
Erhelt nun aus allem Gefagten, vote mannichfaltig
und bedeutend die bildenden Künfte in die Bildung bed
menfchlichen Geſchlechts eingreifen, ſodaß ſelbſt der übri-
gens gebildetfte Geift, welcher ſich ihnen verfchließe, noth⸗
wendig in eine gewiſſe Einfeitigkeit verfällt, fo gewähren
fie meiner Überzeugung nach unter allen Künften das
wirkſamſte Mittel, um mittels der Schönheit wahre
Bildung aud unter den untern, ja geringfien
Gtaffen dee menfhlihen Gefeltfhaft zu vers:
breiten. Wahre Bildung aber entfleht in jedem Geiftes:
gebiet nur duch den vertrauteften, unmittelbaren
Umgang mit den edeliten Beiftern des menſch-
lihen Geſchlechts, oder den Erzeugniffen von
folhen. Wer nicht aus dieſer Quelle ſchoͤpft, wird
nichts als einen aͤußern Schein von Bildung erlangen.
Das trefflihe Spruͤchwort: „Sage mir, mit wem bu
umgeht, ich mil die fagen, wer bu bift”, iſt auch in
diefem Sinne hoͤchſt wahr. Die Werke der großen Did:
ter, eines Homer, Sopholtes, Dante, Shafpeare, Goethe,
die der großen Muſiker, eines Sebaftion Bach, Händel,
Stud oder Mopart find nun aber, wie einiges Nacdenfen
lehrt, jenen untern Ciaſſen theils gar nicht zugänglich, theils
aus Mangel an Vorbildung, welche zu erlangen ihre Lebens⸗
lage nie zuläßt, nicht verſtaͤndlich. Beides ift aber mit den
Merken der bildenden Kunft aus ben foeben erörterten
Urſachen der Hal und dadurch der unmittelbare und
allein fruchtbringende Verkehr mit den Werten
urfprüngliher, ſchoͤner und edLer Geiſter vermit⸗
telt, deren eigenthuͤmliches Gepräge, wie wir und erinnern,
ja das eigentlichfte und innerfte Wefen eines Kunftmerks
ausmacht. Vielleicht dürften ſich wenige ber hochverehr⸗
ten Verſammlung, welcher die oben erwähnten und fo
unzählige andere geiftige Schäge täglich zu Gebote ſtehen,
eine Vorſtellung von der Armuth an fchönen, geiftigen
Genüffen bei dee Mehrzahl in jenen untern Glaffen ma»
dien Einnen, wie ich Dies, al6 Freiwilliger in den Jah⸗
ten 1813 und 1814, mit lebhaften Mitgefühl zu beob⸗
achten vielfach Gelegenheit gehabt babe und dadurch zum
Nachdenken über diefen Gegenſtand veranlaßt worden bin.
Die hohe Wichtigkeit Öffentlich aufgeſtellter Kunſtwerke
und für Jedermann zugänglicher Kunſtſammlungen iſt
denmach auch als dAftthetifches VBildungsmittel für jene
Saffen der Geſellſchaft einleuchtend.
Werfen wir nun einen Blick auf Griechenland und
Italien, um zu fehen, inwiefern die bildenden Künfte die
ihnen in unferer bisherigen Betrachtung vindicirte Stel⸗
lung unter den Mitteln menſchlicher Bildung wirklich ein⸗
genommen haben.
Nie und nirgend hat dies in fo umfafiendem Maße,
in fo organifcher Entwickelung, in fo mannichfaltiger und
fhöner Ausgeftaltung flattgefunden, als bei den alten
Griechen.
Bor Allem tritt die Kunſt nirgend in dem Maße in
ihrer Öffentlichen Bedeutung, im Verhaͤltniſſe zur Reli:
sion und zum Staat und als allgemeines Erziehungs:
und Bildungsmittel hervor. Nicht blos den vielen, allges
mein verehrten Gottheiten, fondern auch den unzähligen
Goͤttern, Halbgöttern und Heroen, welche eine focale Vers
chrung genoffen, fliegen Deiligthümer und Standbilder
empor, und die hoͤchſte Ehre, wonach bie Lebenden jeder:
zeit firebten, war bie Errichtung einer Bildſaͤule, wodurch
fie fi) jenen höheren Weſen zunächft anzureihen glaubten.
Der Weife, der Dichter, des Redner, der Künftler und
der Sieger in den Kampffpielen wurde ebenjo dadurch vers
berelicht, wie der Held, der Staatsmann, ber Herrſcher.
Neben den heiligen Gebäuden erhoben ſich die für die oͤf⸗
fentlichen Verfammlungen der Staatsgewalten, die Thea
ter, die Odeen, die Gymnaſien, die Bäder und die
Märkte mit ihren Saͤulenhallen, alle mehr oder minder
mit Werken ber Sculptur und Malerei aus dem reichen
Schatze der griechifchen Mpthologie oder des geiechifchen
Lebens auf eine dem jebesmaligen Zweck entfprechende
Weiſe ausgeflattet. Orte, wo bie nationalen Kampfſpiele
‚wie
flattfanden, die Orakel Ihren Sitz hatten, waren vollends
mit Kunftwerken wie bedeckt. Auch in den heiligen Dai:
sten des Helikon reihten fih um die Statuen des Apollo,
der Mufen und anderer Götter die vieler alten Dichter.
Die Anzahl von Kunſtwerken, weiche foscheuweife in Grie⸗
chenland und feinen Colenien im Laufe der Fahthunderte
entilanden waren, und nicht allein die großen und Kleinen
Städte, fondern auch die Landflragen, die Zlüffe, bie
Duellen, die Haine und Berge ebenfo bebeutend ale ſchoͤn
ſchmuͤckten, grenzt au da6 Unglaubliche. Ich erlaube mir
bier nur einige Beiſpiele anzuführen. Zu Athen fand
Paufanias, der Griechenland erſt im 2. Jahrhundert un:
ſerer Zeitrechnung bereifte, fodaß die Stadt fchon verfchie
dene ſchwere Plünderungen von Kunſtwerken duch bie
Römer, befonders duch Sulla und Nero, erfahren hatte,
noch gegen 300 Bildfälen, welche er einer namentlichen
Erwähnung für würdig erachtet, außerdem aber ganze
Maffen, die er, ohne Angabe der Zahl, nur anbeutet.
Unter der Welt von Bötters und Menfchenbildern, weiche
den Beſchauer auf ber Akropolis umfing, befanden fich
Die drei berühmten Statuen der Pallas von Phidias,
die der Athene Poliad, ein Koloß von einer Größe, daß
ide Helmbuſch ſchon vom ſuniſchen Worgebirge dem Schif:
fer entgegenftrahlte, die, welche vorzugsweiſe den Namen
der ſchoͤnen führte, beide in Eu, und die vor allen
gepriefene Tempelſtatue des Parthenon, die Jungfrau
(Parthenos) genannt, ein 40 Fuß hoher Kolof von Gold
und Elfenbein. In Delphi fah man fchon aus der Ferne
ganze Scharen von Statuen der Sieger in den Kampf:
fpieen, mehre auf Quadrigen erhöht, und Nero fand,
nachdem Brand und Raub hier fchom öfter die Zahl ver:
tingert, no 500 eberne Statuen, weiche er ber Entfüh-
rung werth hielt. Dennoch ließ auch er noch miehre Hun⸗
dert zurüd, welde Pauſanias ausdruͤcklich namhaft macht.
In Diympia reihten fih um ben großen Centralpunkt,
den berühmten Koloß bes Zeus von Phidias, aus Go
und Elfenbein, nicht allein viele andere Statuen des
Zeus, unter denen noch fünf Koloffe, deren größter 27,
der Bleinfte 12 Fuß maß, fondern auch, theilweile eben⸗
falls koloſſale, Statuen anderer Gottheiten, Werke be:
rühmter Kuͤnſtler. Die Zahl der Statuen von Sie
gern in ben Spielen aber muß in die Tauſende gegangen
fein, von denen Pauſanis nur zweihundert und etliche drei⸗
Big als die merkwürbigfien hervorhebt. Faſt noch auffal⸗
lender aber ift der Reihthum von Statuen, ben bie
Beine, aber durch den Handel reiche Inſel Rhodus bes
fa. Plinius gibt die Zahl der Statuen dort auf 3000
an, unter benen fih, außer dem weltberuͤhmten Koloß,
einer Statue des Sonnengottes (Helios), noch 100 aus
dere Kolofje befanden, jeder wichtig genug, um jeglichen
Drt, wohin er geſtellt würde, berühmt zu machen. Aber
auch andere Inſeln an der Käfle von Kleinaſien, wie
Samos und Kos, befaßen eine Fülle von Kunſtwerken.
Daſſelbe galt von den großes Gtäbten. des Feſtlandes,
wie Ephefus, Mile und Smyrna. Selbſt in Gegenden
to:ien, wo die Künfte nie ſonderlich beguͤnſtigt wor⸗
den, befanden ſich fo vielt Skaten, bag die Macedomier
bei ihm Nacheriege gegen bie: Henker, zu Ahermon, ber
Hauptſtade des Landes, deren mehr ale 2000 zertrum⸗
mern konnten.“)
Die Übderreſte diefer Kunftwelt, welche die Jahrtau⸗
ſende und die Barbarei der Menſchen überdauert haben,
find im Verhaͤltniß zu jenem einſtmaligen Reichthum
äußerft bürftig. Won den Ruinen und Sculpturen, welche
wir befigen, werden nur ſehr wwehlge von den Alten er:
mwähnt. Gluͤcklicherweiſe befinden fich unter dieſen bie
von den alten Schriftſtellern fo bochgepriefenen Proppiden
und der Tempel der Pallas, Parthenon genannt, auf
der Burg (Akropolis) von Athen, fowie ein XThell der
Sculpturen, welche jenen Tempel gefhmüdt haben. Diefe
and verſchiedene andere Denkmale aber lehren, baß die
Griechen in diefen Künften gang die Höhe erreicht haben,
weiche wir im Epos beim Homer, im Drama beim
Sophokles bewundern.
(Die Bortfegung folgt.)
Mein Orient. Ben C. D. Sternau. Magdeburg,
Inkermann. 1843, 8. 1 The. .
Dee Berf. ſcheint noch in fehr jugendlichen Lebensalter zu
ſtehen; das laßt ſich aus Bielom fchließen, zum Grempel aus
der modernen Sucht, ſich alt zu machen, und aus ber großen
Unseife ei feiner Arbeiten. Darüber follte nun eigentlich
mit bem . Riemanb rechtens denn er bat ja geſagt „Mein
Drient”’3 der Drient mag fein welcher er will und wo er will,
was geht es und an? Indeß unter die Schriftſteller rechnet ber
Berf. ſich denn doch; barum muß er ber Kritik fich unterwerfen.
Der erſte Artiter ift uͤberſchrieben „Hölberlin” und erzählt
in NRoselienform recht anfprechend Hoͤlderlin's Liebe zu Diotima,
die Entftehung feines „Hyperion“, einen Beſuch bei Schiller in
Sena, feine Reiſe durch bie Schweiz und Frankreich und bie
bes ungluͤcklichen Juͤngtings nach Tübingen, wo er
34 Jahre im Zuſtande bes tiefflen Wahnfinne bei einem Jiſchler
sertebse — bei bem er jeben Abend feinen Sarg beflellte und
bat, ex felle recht ſtarke Breter nehmen, damit bie Wuͤr⸗
mer nicht einbringen koͤnnten im das traute Tchlummerfüße
Baus —, und wo er auch vor kurzem geflorben iſt. Diefe
Schĩilberung ift recht anfprechend, ganz in bem one gehals
ten, der dazu paßt, wehmuͤthig, ohne fchwächlich zu werben.
Sölberlin’d „„Byperion’' hat viel Ähnlichkeit mit Heinfe’s „Ar⸗
dingheſo, namentlich das helleniſche Element iſt beiden gleich;
indeß hat Heinſe eine beiweitem größere Kraft im Piaſtiſchen.
DaB heclleniſche Element machte ſich damals in der deutſchen
Dose mit Eutichiedenbeit geltend; auch bie „Goͤtter Griechen⸗
lands” von Schiller, „Das steufinifche Felt”, „Das Siegesfeſt“,
Klage der Ceres“ gehört in bie Zeit. Hölderlin war mit
md mit Hegel im Gtifte gu Tübingen; damals cultis
vierten alle Drei vie Lehren be8 Neu sPlatoniemus und bes Pan⸗
Yeisuns. Hegel riß fi) yet heraus und warf ſich auf bie
Ammetrat entgegengefegte Seite, auf bie des Rationalismus,
des Berſtandes, der Dialektik; Hölderlin blieb in der extremen
ZU der Poeſſe. Das Sentrum feines Bewußtſeins ift wol in
dan Gerne tän Satze zu ſuchen: Eins zu fein mit Allem,
was 3 in Selpftoergeffenheit wieberzulchren ins AU
er Manre das iſt ber Sipfel der Gedanken und Freuden, bas
& We hellige Wergeshöge, der Ort ber ewigen Ruhe, wo ber
SS Habe dieſe Meifpiete ber vortreffüchen Abhandlung von
Srieheh Zacobö Aber ben Reichthum ber Griechen an plaſtiſchen
Wiittag feite: Richmnäle, dam Demmer feine Glumme verliset eh
das Eochende Meer ber Woge bed Kornfeldek gleicht.
Hr. Sternau laͤßt auf „Hölderlin folgen ein Märchen
„Der gläferne Danfel”. Das ift nun aber gar feine ARE
Dichtung, und wir begreifen nicht, wie ber Verf. dem Lefer,
für den „Hölberlin” beftimmt ift, biefe fade, langweilige Gy
säblung vortragen mag. Aber Hr. Sternau geht noch weiter,
es, laͤßt folgen „Der Grenabier von Auerftäbt”, ein fo hin⸗
geſchludertes Machwerk, daß die Kritil gar Feine Rubrik dar
für hat. Bon Charabkterſchilderung, von Gitustion, von Wahre
deit ift auch nicht die Spur darin zu finden; ber Ausdruck if
vernachlaͤſſigt, fehlerhaft.
Die näcfte Rummer: „Über bie Jugendideale unfers Les
bens.“ Jedem edeln Menſchen find die Ideale und Traͤume
feiner Jugend heilig; darum ſoll man Jedem die ſeinigen laß⸗
ſen. Der Hr. Bert. will und aber offenbar bie feinigen aufs
beängen, indem er ſchreibt, bie Zugenbibeale unfers Babens.
Dad müßten wir benn aber doch zuruͤckweiſen. Er weit gar
fein Genteum nad, um welches ſich die Jugendideale herum
lagern, unb über den Urquell der Ideale find wir gar nicht mit
ihm einverftanden. Er behauptet nämlich, eine Art von Unzu⸗
friedenheit fei ber Urqueli der Ideale; allein das iſt eine hoͤchſt
untergeorbnete, veraltete Anficht. Vielmehr Liegt die Sache ſot
ber Dienfchengeift hat eine Anlage zu allem Hoͤchſten, zur un⸗
ichen Vollkommenheit, eine Anlage, worauf ber Ghrift ben
Glauben und ber Philofoph bie Ahnung ber Unfterhlichleit grüne
bet. Diefe unenbtichen Anlagen des Menfchengeiftes kommen aber
in ber befchräntten Form des Menfchendafeins und bes Mens
ſchenlebens zur Erſcheinung; dieſes Hinuͤberſtreben über die bes
ſchraͤnkenden Grenzen und Formen des Srbenbafeins ift der Urquell
bed Ideale. Go fieht der Hr. Verf. die Sache freilich nicht an.
Es folgt dann einiges vecht Poetiſche über die erſte Liche,
angeregt vielleiht durch Vorbilder unferer erſten beutfchen
Glaffiter; einmal ruft ber Verf. aus: „ine erfle Liebe!
Siehſt du nicht einen blauen klaren Äther über die Erbe ges
fpannt bei biefer Erinnerung! Brechen nicht all bie verbaltenen
&hränen hervor und fließen zufammen in eine große Tchräne?
D, es war Fein irdiſch Leben, fein Zraum und auch Fein Ideal.
Ein leifer füßer Kuß war es, den bir ein Engel auf die Lips
pen druͤckte.“ Recht hübfch verbindet ſich damit das Ideal ber
Freundſchaft, wenn es heißt: „Es deckt die Wunden leife zu, die
erſte Liebe ihm ſchlug, es bringt ihm feine Blumen wieber und
feine Hoffnung, und feine Thatkraft fteht wieber gewappnet im
Felde des Lebens.” Zum Schluß fei noch bemerkt, daß bie Zus
gendibeale ſich aufzuldfen fcheinen in Schmerz über getäufchte
Liebe, und daß das Ganze viel zu fubjectiv gehalten ift, um
übsrfchrieben fein zu bürfen: Ideale unfers Lebens.
Nun folgen „Aphorismen” und „Denkfteine”. Darunter
findet fich wieder mancherlei, worüber wir mit dem Verf. rechten
koͤnnten; mancherlei gar Gonfufes, z. B. wenn er ftille Liebe
mit einer einfamen Wafferpflange vergleicht, bie einfam blüht -
und welkt, von Niemand gekannt, von Niemand geliebt. Wenn
‚ wie grammatifch rigoros verfahren wollten, fo müßten wir be«
baupten, ber Verf. made in feinem legten Sage die einfame
Waſſerpflanze zu einem fillen Dorgenftern, der über bie Erbe
zieht. Dergleichen überſchwaͤnglichkeiten ſollte Niemand fabri⸗
ciren; wi man damit gar ben großen deutſchen Dichter mit
dem franzöfifchen Namen nachahmen, fo verfündigt man fich am
bem reichen, gain Genius beflelben.
Recht huͤbſch feheint der Denkflein, ben der Naturforſcher
Zaufcher befommen Hat; aber wenn man genau aufs Ginzelne
ſieht, fo ift viel Wortgellingel darin. Er fagt von Tauſchers
Philoſophie: „Sie war ein auffitebender Aar mit ge
mem Klügel; fle war eine ewige goldene Kreipeit, ein Phantom,
nur ſchade, daß es unterm Drange irdiſcher Ketten ſchmachtete;
feine Philoſophie pfluͤckte er draußen in Gottes weiter Natur.
Am Bache gränte fie und auf Iuftigen Bergen im bunten Ges
wande; am fternbefdeten Himmel gluͤhte die Uribee feiner Philo⸗
ſophie.“ Dergleichen Phraſendreherei aber ſollte ſich Riemand
geſtatten, der etwas drucken läßt; das ift ein unreifes Mefen,
das an Unfinn grenzt. |
Hierauf folgen Gedichte; das erfte Gedicht, ein epiſch⸗lyriſches,
„Dee Menfch, ift wirklich gar zu allgemein gehalten, obwol
es zehn Geiten umfaßt; warum heißt es nicht lieber Der erfte
Menſch, ober Der legte Menſch, ober Der junge, oder Der ordi⸗
naire, oder Der neue Menſch, das wäre dem Verf. vielleicht beffer
elungen. Das Lied „Woll'n meine Rofen noch immer nicht
ltuͤhn!“ ift fchon beſſer; das Lieb vom fllbernen Hirten erins
next an Schiller’: Räthfelz die „„ Schlacht der Blumen“ fcheint auch
nicht original zu fein; in „Pandora von Emite d’Efirers fins
den fich Shafelen von Sr. du Garbien, weiche biefer Blumen⸗
gar zu weit voraus find. „Das Schillerfeſt“, „Die ber
ne Bitte” u. A. find auch nur ein zweiter Aufguß, und
dergleichen follte Niemand anbieten, ber gern ben Namen bed
Poeten gewinnen will.
Wenn wir nun das Refultat des Ganzen deben follen , fo
iſt es dies: Der Verf. hat ſich infonderheit in Einem vergriffen,
naͤmlich darin, daß er fein Buch, weldyes er ja auch „Mein
Orient” nennt, drucken ließ. Kür ihn felbft mag es ben hoͤch⸗
fin Werth haben, weil er vielleicht Erlebniſſe feines Herzens
darin andeutete, ober weil es ihm als Merkzeichen feiner Bil⸗
dung wichtig fcheint; nur hätte er es für ſich behalten follen, in
das Pult verfähließen und vielleicht einmal einen Freund oder
eine Freundin hineinblicken Laffen: bann hätte bie Kritik nicht
nöthig gehabt, ihm zu fagen, baß fein Werkchen ſich kaum zu
der Linie des Mittelmäßigen erhebt. 29.
Literarifhe Notizen aud Frankreich.
Bilvio Peilico in iliuftrieten franzdfifhen Übers
fegungen.
Eine neue Ausgabe der franzöfifchen überſetzung des Sil⸗
vio Pellico erfchien u. d. T.: „Silvio Pellico illustre, con-
tenant Mes prisons, suivies des Devoirs des hommes, avec
des chapitres inedits, les additions de Maroncelli et des
notes litteraires et bibliographiques sur plusieurs prisonniers
de Spielberg’; die Überfegung ift die von Latour, welche fich in
fieben Ausgaben und in 21,000 Exemplaren verbreitet bat. Die
bisher nicht gedruckten Gapitel, welche biefer Ausgabe beigegeben
find, verdankt ber Überfeger der Freundſchaft Silvio Pellico’s.
Diefe Ausgabe ift mit 100 Holzſchnitten nady Zeichnungen von
Zony Johannst geſchmuͤckt. Wie ſehr die Gerechtigkeitspflege,
welche Oftreich gegen Silvio Pellico ausgeübt hat, das Intereſſe
Frankreichs erregt, beweift der Umftand, daß baffelbe Werk,
und ebenfalls illuftrirt, in einer neuen Überfegung erfchienen ift,
beforgt vom Grafen von Meffey und durchgefehen vom Bicomte
Aban von Billeneuve, mit Vorwort und biographiicher Bes
trachtung über Silvio Pellico. Es Kann nicht fehlen, daß Öft:
reiche Sefängnißwefen und Verfahren gegen politifche Verbrecher
immer mehr dem Auslande folchergeftalt verbildlicht wird.
In den franzöfifchen Journalen erfährt ein Gedicht von
Baron Buiraudb „Le clottre de Villemartin‘ große Robeser:
hebungen und Begluͤckwuͤnſchungen. Ban will darin eine echt
kuͤnſtleriſche Anlage, erhabene Ideen, einen reinen und ebein
Ausdrud, eine füße Anmuth, ein lebhaftes Gefühl, überhaupt
Eigenſchaften erfennen, welche an Lamartine's „Jocelyn” ers
imnern. Durch philoſophiſchen Inhalt zeichnen fich befonbers
die Geſaͤnge „La gitana”, „Le condamne” und „La femme’,
durch ein mehr bramatifches Intereffe bie Gapitel ‚‚I.a chapelle”,
„Le couvent” und ‚‚Le mariage’' vortheühaft aus. Bon
‚Demfelben befinden ſich „Oeuvres litteraires” unter der Preffe,
nicht weniger als fünf Bände, wovon jeber, laut ber Buchs
hänblerangeige, ben Stoff von drei Bänden enthalten fol. Als
ob es auf bie Maſſe ankaͤme!
Bon dem Berl. ber „Iiufants peints CQx - ben",
„Cazacttres et pertraits de jeunes filles’ mr ires d’oa
centenaire” u.f.w., Hrn. A. de Sailtet, erfceint: „Les en-
fants chez tous les peuples ou la famille de l’armateur”', in
0 Lieferungen, jede mit drei Bignetten in Holzſchnitt und eine
Abbitbung in colorirter Aquarellmanier dt. 18,
Bibliographie.
Die weſtphaͤliſchen Antchens » Grebitoren, ihre Stellung und
Derfpective, eine gutachttiche Anſicht. Herausgegeben von 6. V.
Hoffmann. Frankfurt a. M., Meidinger. &r.8. 34, Nor.
Der Branntwein und die Proletarier. Gin dem Brannts
wein: Gntfagungsverein im Großherzogthum Pofen vorgelegtes
Gutachten: „Über die Wirkung des nicht mediciniſchen Brannt:
wein s @enuffes und deſſen Entbehrlichkeit.“ Won P. Bripiig,
D. Wigand. Er. 8. 3 Rear.
Briefe eines Deutfchen aus bem Exil. Winterthur, Gteis
ner. 8. 1 Thlr.
Das Bud) Jona. Nach der engliſchen Auslegung R. WM.
Bibthorp’s überfegt von A. 9. Werner. Gtuttgart, 9.
FJ. Steinkopf. Gr. 8. 7Y, Nor.
Engelmann, ©, Die Gonvertirung ber Schleffſchen
Dfandbriefe mit befonderer Beziehung auf bie Amortifation. Gin
Beitrag zur Löfung ber Pfanbbrief: Tilgungss Krage, durch
Rechnungsbeiſpiele erläutert. Neiffe, Pennings. Gr. 8. 10 gr,
Keftgruß an die Königlich Bayeriſche Friedrichs KAleranderes
Univerfität in Griangen zu ihrer erſten Scaularfeier im Jahre
180. Bezaußgegeben von 3.9. Jordan. Nördlingen, Bed.
. r.
Feuerbach, 8, Das Weſen bes Chriftenthums. 2te vers
mehrte Auflage. Leipzig, DO. Wigand. Gr. 8. 2Thlr. Der.
Haupt, E. 8, Wilpelm und Konrad, Brüder Rofen,
Nikolaus von Dornſpach und M. Procopius Naſo. Zitten,
Chips. Gr. 8. 25 Nor.
Jeſus Chriſtus, unentbehrlicher Vermittler mit Bott und
Wirkungen der Verbindung mit ibm. Gt.sGallen, Huber und
Comp. 8. 20 Ror.
Krüfi, H., Meine Beftrebungen und Erfahrungen im
Gebiete der Voikserziehung, bargeftellt in Briefen an Freunde.
Ifter Theil. Gais 1842. Sr. 8. ZUR
Norwegen 1814. Hiſtoriſch⸗ romantifches Gemälde von
2, 8. Leipzig, Barth. Er. 12. 1 hir. 221 .
Einige Dden des Horaz, im humoriftiſchen Gewande, gram
matiſch, kritiſch, biſtoriſch und philoſophiſch ertäutert. Kein
Beitrag zu einer Textesreviſion. Bon Carlo bei Re Ein
Odarum lib. I; 1, v.1—6. Bertin, Springe. 8.
74 Nor. ’
Ruffa, D., Dee raͤthſelhafte Fremde, oder: Der Schein
1 Thlr. 10 Rer.
tobt. Novelle. Leipzig, Schred. 8.
Schäffer, 3. &., Kurse geographifch« piftorifch Ratififde
Beichreibung des Großherzogtbums Heſſen. Mit einer Karte
bes Großherzogthums. Mainz, Kunze. 8. 20 Nor.
Shloife. 8 C., Geſchichte des achtzehnten Jahrhun⸗
derts und des neungehnten bie zum Sturz bes franzöfilden
Kaiferreihs. Mit befondberer Rüdficht auf den Bang ber Liter
ratur. After Band, bis zum Belgrader Frieden. Ste burcaus
oerbeiferte Auflage. Heidelberg, Mohr. Er. 8. 3 Ahr
gr. |
Schultz, 3. 9. S., Über Golonifation mit beſonderer
Ruͤckſtcht auf die Solonie zu Santo Thomas, iur Staate Gus
temala, und bie beigifche Coloniſations⸗Compagnie. Mit zwei
Karten. Köln, Du Monts Schauberg. Ki. Fol 15 Nor
Bollmann, A., Die Stände Sachſens über die Reform
des Strafproceffes. Eine Betrachtung über conftitutionelle Wirk:
ſamkeit beim Gchiuffe bes Landtages. Leipzig, D. Wigant.
Gr. 8 3 Rear.
Verantwortlicher Herausgeber: Heinrih Brodhaus. — Drud und Verlag von F. X. Broddaus in Leipzig.
Blätter
für
literarifhe Unterhaltung.
Sonnabend,
Über die Stellung, welche der Baukunſt, der
Bildhauerei und Malerei unter den Mitteln
menichlicher Bildung zukommt.
(Bortfegung aus Nr. 216.)
Eine unmittelbare Anſchauung, in weichem Maße bie
bildenden Künfte das Privatleben bei den Alten verherr⸗
Sichten, iſt uns, wunderbar genug, gerade duch ein Na⸗
turereigniß der furchtbarften und zerfidcendften Art, durch
den Ausbruch des Veſuv unter Kaifer Titus, erhalten
worden. Die Füuͤlle von heitern und fchönen Erfindungen
der Maleriien, welche die Wände der Kleinen Zimmer
ſelbſt geringer Häufer der mäßigen Stadt Pompeil fymüden,
it erflaunungswürdig, und laͤßt von der Höhe, welde
auch die Malerei in ihrer glüdlichiien Zeit, von Po:
Ingnot, dem Maler des Untergangs von Xroja, bie
Apelles, dem Lieblingsmaler Alexander's des Großen,
in Mittelpunften des griechifchen Lebens, wie Athen,
oder Korinth, erreicht haben muß, den vortheilhafteften
Schiuß maden. In anfehnlidern Käufern geſellten ſich
hierzu noch die zierlichen, oͤfter, wie bei der bekannten
Schlecht des Alexander und Darius, ſehr kunſtreichen,
marfivifhen Gemälde der Fußboͤden.) Eine nicht ge:
singere Vorſtellung von der Schönheit, welche das Leben
der antiten Welt bis in deffen feinfles Geaͤder durchdrang,
erwedt die Unzahl von Heinen Sculpturen und dem mans
nichfachen Hausgeräth, welche in Pompeji und Hercula⸗
num gefunden, jegt, gleich der Mehrzahl jener Malereien,
eine Reihe von Räumen im Museo borbonico zu Nea⸗
pel anflllen, deren aber auch das hiefige Mufeum eine
fhöne Auswahl befist. Gefäße verſchiedenſter Art, Drei:
füße, Gandelaber, Lampen, Teiletten, Frauenſchmuck und
fo viele andere Begenflände, in Gold, in Sitber, in
Bronze, wie in gebrannter Erde, zeigen eine Verbin:
dung der vielfältigfien und fchönften Erfindungen und
Verzierungen mit der größten Zweckmaͤßigkeit, eine Treff⸗
lichkeit der Arbeit, welche die lebhafteſte Bewunderung
hervorrufen und Diele Ge,
eines fchönen und reinen Geſchmacks machen. Ich erins
wre bier nur an bie Meinen filbernen Gefäße mit den
J Das Werk, welches Profeſſor Zahn über biefe Malereien in
Berlin yerausgtbt, IR wohl geeignet, eine Anſchauung von benfelben
JE grwinnen.
enftände zu ewigen Muſtern
Centauren, welche bier in Berlin in mehren Atgüffen
vorhanden find. Diefelbe hohe Ausbildung der Kunſt bes
mweifen für alle Gegenden, wohin griechifche Bildung ges
deungen, die Münzen, welche von einer Schönheit find,
wie kein anderes Volk der Erde fie aufweiſen kann. Ich
erwaͤhne hier nur des Kopfes der Nymphe Arethufa
auf den größten Münzen von Syrakus, welcher von
der wunderbarften Reinheit und Zeinheit der Form iſt.
Ein Ähnliches gilt endlich auch von den gefchnittenen
Steinen, deren unfer Mufeum für vertieft gefchnittene
eine der koſtbarſten und zahlreihften Sammlungen befigt.
Hatte aber die Kunft mit ihrem fo bebeutungsvollen
Schmud das Leben der Menfchen in feinen verfchiedenen
Beziehungen verſchoͤnt, fo verfchönte fie, mit ihm in das
nächtliche Dunkel der Erde hinabfteigend, in gleicher Weiſe
auch fein Grab mit Sculpturen und mit Malereien, an
den Wänden, wie auf den zierlich geformten, dem Todten
mitgegebenen Vaſen, von denen das Mufeum eine der
reichften Sammlungen aufzuweiſen bar, und bezeichnete
endlich dieſe feine Ruheſtaͤtte für die kommenden Ges
fehlechter mit einem Denkmale. Hierfür legt die bekannte
Gräberftraße in Pompefi ein ruͤhmliches Zeugniß ab, und
In welcher Ausdehnung im eigentlichen Griechenlande die⸗
felbe Sitte herrfchte, beweifen bie vielen, hoͤchſt einfachen,
aber doch immer mit einem Relief gezierten Grabſteine,
welche man dort aufgefunden und deren auch das hiefüge
Mufeum verfchtedene, zum Theil erft ganz neuerdings er⸗
worbene, befigt.
Daß unter folhen Umftänden die bildenden Künfte
ihre woblthätigen Cinflüffe in allen von mie oben anges
deuteten Beziehungen im reichſten Maße ausübten, bedarf
wol kaum der Verficherung. Die Griechen erreichten bas
durch eine Harmonie der geifligen Bildung, von welcher
es ſchwer hält, bei der einfeitigen Meflerionsblldung unfes
ver Tage eine deutlihe Vorſtellung zu geroinnen.
mache bier nur auf die Wechſelwirkung zwifchen der Poefte
und den bildenden Künften aufmerffam, durch weiche beide
fih in ihren Erzeugniſſen nothwendig immer ſteigern mußs
ten. Selbſt die fchöne, kunſtreiche Form, in welcher bei
den Griechen Philoſophie, Redekunſt und Gefchichte er⸗
feinen, hänge mit diefer hohen Ausbildung und alls
gemeinen Derbreitung der bildenden Künfte innig zufam:
men, ja, it zum Xheil das Ergebniß derſelben.
”:
Nachdem die bildenden Künfte zugleich mit den Grie⸗
chen in den Dienft der weltbeherrfchenden, aber im Ber;
haͤltniß zu den Griechen Immer halbbarbariſchen Römer
gerathen, und in diefem, im Beſitz unermeßlicher Mittel,
in einer Unzahl von zum Theil koloſſalen Denkmalen der
allgewaltigen politifhen Größe und Würde und dem über:
mäßigen Lurus dieſes Dolls, wennſchon auf eine ihrer
edeln griechifhen Abkunft würbige Weife gefröhnt hat:
ten, erlebten fie noch in den aͤlteſten Dentmalen chrift:
licher Kunft, worin fie die Grundzüge derfelben, eine er:
babene Feier und fittlihe Strenge, angaben, duch ben
Impuls diefes neuen Begeiſterungsmoments eine ſchoͤne
Abendroͤthe. Darauf frifteten fie durch die lange Epoche
einer taufendjährigen Barbarei ein Lümmerliches Leben,
bis fie im Mittelalter zum zweiten Dale unter dem Pas
nier des Chriſtenthums der Gegenſtand einer allgemeinen
Begeifterung wurden. Obgleich biefe außer Stalin auch
andere Länder Europas, am lebhafteften die Niederlande,
Deutfhland und Frankreich ergriffen, ja in diefen allein
in der gotbifhen Bauart eine durchaus eigenthüm:
liche und beimunderungsmwürdige Form der Architektur ent:
widelt hatte, find doch Sculptur und Malerei nirgend
gu fo vollendeter, großartiger und fchöner Blüte gelangt
als in Italien, umd bietet kein anderes Land noch
beute in fo vielen und großartigen Beiſpielen die volle,
lebendige Anfchauung dieſer Kunftblüte dar.
Wenn aber die Architektur dafeldft an Eigenthuͤmlich⸗
keit der Erfindung den genannten Ländern und aud) ben
Denkmalen gothifcher Baukunft in England und Spa:
nien allerdings weit nachſtehen muß, fo entwidelte fie doc)
im 15. und 16. Jahrhundert nah den Worbildern der
altrömifchen Denkmale auf eine freie und geiſtreiche Weife
nach den verfchiedenen Zwecken felbfländige und ſchoͤne
Formen, und ift der Umfland wohl zu bedenken, daß fie
fowol in dieſen, als ſchon in der minder in die Höhe
ſtrebenden Art der gothifhen Bauart, wie ſich diefelbe im
14. Jahrhundert in Italien meift ausgeftaltete, der Sculp⸗
tur und Malerei an den weniger hohen Giebeln und
Strebepfeilern des Kußern, an den geräumigen, meift
halbkreisfoͤrmigen oder body wenig fpigen Wandflaͤchen
und mäßig hohen Gemälden des Innern, einen ungleich)
weitern und paffendern Spielraum zu monumentaler und
ſtilgemaͤßer Entwidelung gewährte und dadurch eine foldye
ungleich mehr förderte, ald dies bei der gothifhen Bau:
art in ihrer firengeen und an ſich weit fhönern Zorm ber
Sau iſt. |
Schon vom 13. Jahrhundert an fehen wir in dem,
in viele größere und Bleinere Staaten getheilten Italien
Fuͤrſten und Freiſtaaten, Geiſtliche und Weltliche von der
Begeifterung fuͤr die bildenden Kuͤnſte erfllit, diefelben im
euhmlichften Wetteifer in den meiften der oben erwähnten
Beziehungen ausbilden. Wie die Verherrlihung ber Kirche
indeß allen andern vorausging, behauptete fie auch immer
diefen Vorrang. Auch bier fpielten dieſe Künfte, wie
einft bei den Griechen, als Mittel der Erziehung und
Belehrung eine fehr bedeutende Rolle. Im Gefolge der
Sculptur. und Malerei bildeten ſich dort auch deren Der:
gweigungen, die Golbſchmiede⸗, die Stempels und Gtens
chneidekunſt, die Miniaturs und Schmelgmalerei, das
iello, die Malerei in geftidten und gewebten Stoffen,
endlich die Dolgfchneldes und Kupferftecherfunft früher oder
fpäter aus. e beibe verbeiteten ducch Verviefäligung
eine beträchtliche Anzahl fhöner Kunſtideen in großer Ak
gemeinbeit.
Bon den verfchiebenen größern Mittelpunkten, Bme
dig, Piſa, Siena, Florenz, in welchen die Kunft in
fröhlichen Bebeihen emporblühte, erlauben Zeit und Zur
diefes Vortrags nur einen etwas näher zu betrat,
Sch wähle hierzu Venedig.
Denedig iſt unftreitig das eigenthuͤmlichſte und groß;
artigfte Denkmal des Mittelalters. Erſcheint «8 ſchon
in der Ferne mit feinen vielen Thuͤrmen und Kuppen,
aus der Meeresfläche hervorragend, faſt maͤrchenhaft, fo
fleigert fi der Eindrud des MWunderbaren noch in dee
Nähe, wenn man in ben Canale grande, die Hauptftcafe
Venedigs und unbedingt bie fchönfte, welche es gibt,
hineinſchifft und diefe Welt von Kirchen und Palaͤſten
erblidt, welche zu beiden Selten in den mannichfaltigſten
Formen aus dem Wafler emporfleigen. Romaniſche, ara:
bifche, gothifche Architektur wechfelt bier mit den nad der
altroͤmiſchen Baukunſt frei entwidelten Formen von den
Lombardi, dem Sanfooino, dem Palladio, im bunten,
malerifhen Gemiſch und vergegenwärtigt und ebenfo vice
Epochen der langen Blüte der Republik. Dabei iſt die
Verzierung an den meiften dieſer Gebäude fo reich und
fo geſchmackvoll, da6 Material, Marmor, ober ber harte
Kalkſtein von Iſtrien, fo gedisgen, daß man in eine
Stade von Fürften zu fein glaubt. Dennoch erreicht der
Eindruck erſt feinen hoͤchſten Grad, wenn man zum dl:
ten Mittelpunkt dee Republik, zur Piazzetta und dem
Marcusplag gelangt, welche duch ein hoͤchſt gluͤclicht
Gemiſch von Regel und Zufall ein Ganzes von achite:
tonifcher und malerifcher Wirkung ausmachen, wie die
Welt es ebenfalls nicht zum zweiten Male aufweiſen
tann. Die Dauptmaffen bilden hier, gleich ſchoͤn und
eigenthuͤmlich, bie Marcusliche und der Dogenpalafl,
gleihfam Merz und Kopf des Staats.
Welch ein lebhaftes Bewußtſein dieſer Wunder von
Venedig ſchon von Alters ber die Italiener durchdtang,
beweift das berühmte, lateiniſche Epigramm des Dichtets
Sannazar“), weiches ich mir erlaube der verehrten Bm:
ſammlung in einer verfuchten Überfegung mitzutheiln:
As, In den Wogen gegründet, Neptun Wenedig erfchaute,
Wie es In ruhiger Kraft trogt bem unbändigen Meer,
Sprach er zu Jupiter: Setze, fo viel dir behagt, mir entgegm,
Deine tarpejifhe Burg mit der Ummaurung des Mars!
Zieheft den Tiber dem Meere du vor, von den Staͤdten bekennt:
Menſchen nur haben bein Rom, Götter Wenebig gebaut!
Der Senat von Venedig fand, daß der Dichter würdig
*) Viderat Adriscis Venetsm Neptungs in undis
Stare urbem, et tanto ponere jera marl.
Nuno mihi Tarpejas quantumvis Jupiter aroes
Pbjlce et illa tul moenia Martis, alt.
Si polage Tyberim praefers, urbem aspice utramgue
LUlam homines dices, kanc posuisse deos,
von ber Stadt geſprochen und behdite ihm daher ſeinen
Dant in einem Schreiben aus, weiches mit 100 Duka⸗
ten für jede der fechs Zellen begleitet war. Sein Bild⸗
nid, im Auftrag der Repudlik von Tizian gemalt, fand
feine Stelle im Dogenpalaſt unter denen der erſten Mäns
ner Benedige.
(Der Beſchluß folgt.)
Merkwuͤrdige Außerungen Napoleons.
Über Lichesyändel und Maitreffen ber Fürften.
GEhevalier von Beauterne laͤßt in feiner zu Paris erſchie⸗
nenen qhrift: „Sentiments de Napoleon sur la divinits
de J&sus Christ. Pens6des inedites, recueillies par M. le comte
de Montkolon et publi6es par Mr. le chevalier de Beau-
terne”, den SrsKaifer eines Tages in St.⸗Helena fagen:
„Wenn das Bourbonifche Geſchlecht fein Unglüd verdient hat,
fo ift es dedurch gefchehen, daß es fich Aber Religion und Sitt⸗
lichkeit hat erheben wollen. Es gibt nichts Unverfhämteres und
VBerberblicheres für die Sittlichkeit als die Tkandaldfe Lieber
lichkeit eines Souverains. Beſſer ift für ein Reich ber ungläds
lichſte Krieg und bie Geißel der Peſt. Das Gittenverberbniß
it anftedend, wenn es vom Throne herablommt, benn ber Hof
unb bie Gtadt berilen fi), nachzuahmen. Die Religion wird
dadurch auf eine traurige Weile verlegt. Man fchreibt ben
Prieſtern und ber Lehre alles Boͤſe zu, was fie nicht verhins
dern. Ihr Unvermögen, bie Unordnung zu hemmen, wird ihnen
zur Laft gelegt. Wie kommt es, daß fein Priefler den Muth
gebakt bat, Ludwig XIV. wegen feines Öffentlichen Ehebruchs
fFentli zu tabein, und feinen Fluch gegen den Prinzen Res
genten (Philipp von Orleans) und Ludwig XV. mit kühner
Stimme zu fhleudern? Dies macht der Geiſtlichkeit jener Zeit
wenig . Mit weniger Talent als Boſſuet und Maffillon
bejaßen , wärbe fich in frühern Zeiten ein Bifchof gefunden has
ben, ber mit Gefahr feines Lebens dieſe Pflicht erfüllt hätte.
Der Eingriff der kirchlichen Gewalt iſt von dieſer Geite nicht
zu befuͤrchten. Es gehört zu viel Seelenhoheit dazu, um ſich
der Sache des beleidigten Himmels anzunehmen, indem man ſich
der Ausfcweifung der Großen wiberfept. Die Energie, welche
ſich dieſer Pflicht erledigt, iſt zu felten und fompathifiet mit
dem Bolktgefuͤhi. Ich wüßte nichts Niedrigeres als bie Ge⸗
walt eines unfittlidhen Herrfchers. Cine Geſellſchaft ift fehe tief
gefunten, weiche ein fo veraͤchtliches Joch erträgt: es iſt ein
Zeichen der Auflöfung des Staatsvereins. Ohne allen Zweifel
waren die Liebeshändel der Könige, die Schaͤndlichkeiten Eub:
wig’8 XV. und des Regenten eine ber Haupturſachen der Res
volution. Bevor man die Gewalt herabwürdigte, hatte fie ſich
ſeibſt herabgewuͤrdigt; fie war unter alle Welt gefallen, indem
fie alle Srundfäge mit Füßen trat. Durch feinen muthvollen
bob Lubwig XVI. das Königthum in ber öffent
lichen Meinungs dies vechtfertigt nicht, erklaͤrt aber die Ver⸗
brechen Marat's, Robespierre's und ber übrigen Königemörber,
weiche wahre Ungeheuer mit menſchlichem Antlige find; aber
deſe lingebeuee haben ein Urtheil ber focialen Genugthuung
vollzogen. ... Die Verbrechen haben dazu gebient, wie die Un⸗
veinigfeiten, weiche zum Dünger eines erſchoͤpften Feldes dienen
und es fähig machen, das Hundertfache hervorzubringen. Was
midz betrifft, wenn ich auch einige Schwachheiten gehabt, To
habe ich fie nie zur Schau getragen; ich war der Erſte, ber
fich derfeiben fchämte, weit ich die Folgen davon zu beurtheilen
wußte: Wie Weiber find eine Kippe für ben Souverain.
Beine Seele war zu ſtark, um in die Falle zu gerathens unter
ven Blumen nahm ich ben Abgrund wahr. Ich befehligte alte
Sewrate. Neidiſche Blicke verfolgten alle meine Bewegungen.
Wein Gluͤck war in meiner Weisheit; ich hätte mich eine Stunde
vergefien können, und wie viele meiner Siege haben won nicht
mehr Zeit abgehangen. Als ich mi mit Marie Euife ver:
wählte, ich, daß ich noch ein bärgertiches Herz hatte.
Die wirb die Macwelt mir bi :
Pre ranzoͤſin — len beran vormerfen: I
Über Religion.
Dft flellte der Er⸗Kaiſer allgemeine Betradgtungen über
Religion überhaupt an, woraus wir Einiges anfähren wollen.
„Der in das Leben gefchleuderte Menſch“, laͤßt ihn Las Cafes
fagen, „fragt fi: woher komme ich? wohin gebe ich? Dies
find ebenfo viele gebeimnißvolle Fragen, die uns auf die Religion
bindrängen. Wir fühlen ‘uns zu ihr bingezogen, unfer natuͤr⸗
liches Gefühl treibt uns dazu an. Dann kommt ber Unterricht,
der uns auf einmal aufhält. Wiffenfchaften und Geſchichte,
bies find bie großen Feinde ber wahren, durch die Unvollloms
menheiten ber Menſchen entftellten Religion. Warum, fragt
man fich, ift die Religion von Paris nicht die gleiche mit ber
von London, mit der von Berlin? Warum unterſcheidet ſich die
Religion von Petersburg von der in Konftantinopel? Die letz⸗
tere von ber in Perfien, am Ganges und in China? Warum
tft die Religion bes Altertbums nicht die Religion unferer Zeit?
Alsbann geht die Vernunft mit ſchmerzbaftem Gefühl in fi
zurüd; fie ruft aus: Religionen! Religionen! O Kinder ber
Menfhen!.... Man glaubt wol an Gott, weil Alles um uns
ber fein Dafein verkündet, und weil bie größten Geifter an ihn
eglaubt haben, nicht allein Boſſuet, bei dem es zu feinem
Amte gehörte, fondern auch Newton und Leibnis, die nur ihre
Überzeugung audzufprechen brauchten. Aus ber Eehre, bie man
und vorträgt, weiß man aber nicht, was man madhen foll,
und es ergibt fi, daß wir die Uhr find, die gebt, ohne ihren
Uhrmacher zu Eennen. Und bedenke man einmal die Ungefchids
lichkeit Derer, die uns bilden; fie follen bie Worftellung des
Heidenthbums und bes Sögendienftes von uns entfernen, weil die
Ungereimtheit berfelben unfere erften Urtheile hervorruft und uns
bazu vorbereitet, dem pafliven Glauben zu wiberfireben, und
doch erziehen fie uns mitten unter Römern und Griechen, mit
ihren unzähligen Gottheiten. Dies war wenigftens bei mie
buchftäblich der Bang meines Geiſtes. Ich hatte das Webürfniß,
zu glauben, und glaubtes aber wie ich anfing zu wiffen und au
denken, fo fand mein Glaube Anftoß, Ungewißheit; und dies war
fhon bei mir im dreizehnten Jahre der Ball. Vielleicht werbe
id einmal wieber blind glauben, Gott gebe es! Ich habe nichts
bagegen und wuͤnſche es fogarz denn ich fühle es, da ein gro⸗
bes und wahres Glüͤck barin liegen muß. Gleichwol darf ich
verfichern, baß bei ben großen Stürmen, bei ben zufälligen Eins
gebungen der Immoralität felbft, ber Mangel an biefem reis
gioͤſen Glauben nie irgend einen Einfluß auf mich gehabt bat,
und daß ich nie an dem Dafein Gottes zweifelte. Denn hätte
meine Vernunft nicht Hingereicht, ihn zu begreifen, fo wärbe
ifn mein Inneres nichtsbeftoweniger aufgenommen haben. Deine
Nerven waren in Sympathie mit biefem Gefühle. Alles vers
tündet das Dafein eines Gottes, bies iſt nicht zu bezweifeln,
aber alle unfere Religionen find offenbar Kinder der Menſchen.
Barum widerlegt eine Religion bie andere? warum befämpfen
fie fih? warum war bies zu allen Beiten und in allen ändern
der Fall? Darum, weit die Menfchen immer Menſchen find
unb die Priefter flets den Betrug und bie Lüge einzufchwärzen
ſuchten. Bei allebem, fobald ih Macht hatte, beeiferte ich
mich bie Religion wieberherzuftellen. Sch bediente mich ihrer
als Bafis und Wurzel der Geſellſchaft. Sie war in meinen
Augen die Stüge der echten Moral, der guten Sitten und der
wahrhaften Grundfäge. Und dann, bie Unruhe des Menſchen
ift der Art, daB er biefes Unbeſtimmte, biefes Wunberbare,
das fie ihm vorbält, nicht entbehren kann. Es ift beffer, daß
er hier, als bei Gaglioftro und Mademoiſelle Lenormanb oder
bei Wahrfagerinnen ober Beutelſchneidern feine Befriedigung
Als Jemand aus Rapoleon’d Umgebung auf Gt. Helena
bemerkte, daß er, der Kaifer, wol noch fogar fromm (devot)
werben Eönnte, antwortete er mit ber Miene ber Überjeugung:
Er fürchte, dies würde nie ber Ball fein, und er fage bies wit
Webauern, denn es laͤge im religiöfen Gefuͤhle umfireitig ein
umendlicher Troſt. Gein Unglaube entipringe aber nicht aus
Berkehrtpeit, oder Ausſchweifung des Geiftes, fondern einzig
aus ber Stick feinee Bermunft. Gr fügte Hinzu: „Ich bin
weit entfernt, Atbeik zu feins ich kann aber nidgt Alles glaus
ben, was man, meiner Bernunft zum rose, mich lehren will,
wenn ich anders nicht faiſch und ein Heuchler fein will.” Gr
fagte dann: „Es iſt 8 kein Zweifel, daß meine Art von
Unglauben in meiner Stellung als Kaifer reine BVohlthat für
die Biker wurde. Wie bätte ich ſonſt cine wahre Toleranz
ausüben innen? Wie hätte ich mit gleichem Schute fo ent
gegengefehte Selten begänftigen können, wenn ich von einer eins
tigen beherrſcht worden wäre? Wie hätte ich bie Unab
beit meiner Gebanfen und meiner Schritte unter ber
flüfterung eines Beichtvaters erhalten, der mich unter ber
vor der Dölle regiert hätte? Welche Herrichaft kann nicht ein
Schurke, ber duͤmmſte Menſch unter diefem Zitel Aber bie Juͤr⸗
fien ausüben! VWer zweifelt, daß die legten Jahre Aubwig’s ALV.
ganz anders gerzefen fein wuͤrden, hätte er einen andern Beicht⸗
vater gehabt? Ich war von biefen Wahrheiten fo ſehr über»
zeugt, daß ich entichloffen war, fo viel von mir abhing, meis
abe in berfelben religiöfen Richtung, der ich folgte, zu
erziehen.’
Über den Islamismus und die riftliche Religion.
Las Caſes laͤßt Napoleon darüber Folgendes fagen: „Der
Islamiemus iſt die Religion eines Volks in feiner Kindbeit; er
entftanb in einem armen Lande, dem bie zum Leben nöthigen
Dinge fehlten. Mohammed fprach nur zu den Sinnen; er wäre
von feiner Nation nicht verflanden worden, wenn er zum Ver⸗
Rande geſprochen hätte. Gr verſprach feinen Anhängern wohl:
riechende Bäder, Ströme von Mil), weiße Houris mit ſchwar⸗
yen Augen und ben ewigen chatten der Lauben. Der Araber,
dem es an Wafler fehlte, ber von bee Gonnenglut verbrannt
war, ſchmachtete nach Waffer und Kühle, und that Alles, um
eine foiche Belohnung zu erlangen. So fann man als Gegen
fa zum Ghriftenthyum fagen, daß Mohammed's Religion eine
Verbeißung fei.... Die chriflliche Religion iſt die Religion eines
civiliſirten Volks, fie ift durchaus geiflig. In diefer Religion
iſt Alles dazu geeignet, die Sinne zu tödten, Nichts, um fie
zu reisen. Die Fortſchritte des Ehriftenthums waren ber Triumph
der Griechen über die Römer, die Ruͤckwirkung der Philoſophen
Griedenlande auf ibre Eroberer. Die Heiligen Vaͤter waren
faft alle Griechen. Die Moral, weldye fie predigten, war Pla⸗
10’8 Moral. Die Chriften glaubten, nach dem Beiſpiele des
Heidenthums, an die Belohnungen des Fünftigen Lebens, welches
jedoch unzulängtich war, um die Laſter und Verbrechen, welche
aus ben Leibenfchaften entſtehen, zu unterbrüden; fie fchufen
eine ganz phyſiſche Hölle mit ganz Lörperlichen Strafen; fle
bereicherten durch Vieles ihre Vorbilder unb gaben felbft diefer
Lehre ein folches Übergewicht, daß man mit Recht fagen kann,
Shrifli Religion fei eine Drohung... . Redliche Menfchen und
Dummlöpfe bedürfen beiberfeits bdiefer Religion. Die erfteen
befolgen fie aus Zugenb und Liebe zur Orbnung, bie legtern
aus Unwiſſenheit und um Lohn zu verbienen. Sie befriedigt
die Einen unb zügelt die Andern.“
Über ben Katholicismus.
Graf Las Caſfes laͤßt Napoleon darüber ſich dahin aus:
ſprechen: „Als ich bie Leitung ber Gtaatsangelegenheiten
übernahm, . hatte ich fchon meine feften und georbneten Anſich⸗
ten über bie großen Elemente, welche die Geſellſchaft zufams
menbalten. Ich hatte die ganze Wichtigkeit ber Religion erwor
gen, ich war überzeugt und entfchloffen, fie vwieberherzuftellen.
Man Tann ſich aber kaum einen Begriff von bem Wiberftanbe
machen, den ich zur Wiedereinführung des Katholiciemus zu
Ä hatte. Man würde mir weit gutwilliger gefolgt fein,
wenn ich die Fahne des Proteflantisinus aufgeſteckt hätte. Dies
ging fo weit, doß im Maatcrathe, bie guöhte
hatte, bie Annahme bes Concordats dusdzufegen, re
bios In der Abſicht ergaben, um ein Complot zu machen, dem,
felben zu entgehen. Wohlan! fagte Einer zu dem Andern, wir
wollen uns zu Proteflanten machen, unb dies Alles wirh un
dann nichts angehen. Gewiß if, daß bei ber Unorbnung, ia
welcher ich auftrat, bei ben ZeÄmmern, auf wialche ich mih
eſtellt ſah, mir die Wahl zwiſchen dem Katholicismus und den
roteſtantiamus blieb enfo wahr iſt es, daß bie auge:
blickliche Stimmung allgemein für den lehtern war. Außerbem
aber , daß ich in der That für meine Gebustönstigion Anhing:
lichkeit an hatte ich noch die hoͤchſten —eæ ju ma⸗
ner Entſcheidung. Was würde ich bei Ausrufung bes Pro⸗
teſtantismus erhalten haben? Id wuͤrde bie Entſtehung ven
zwei ungefähr gleich großen Parteien veranlaßt haben, da dab
mein Hauptzweck aller Entzweiung entgegen wars ich würk
die Wuth einer Religionsflzeitigkeit wieder herbeigeführt haben,
da doch bie Aufklärung bed Jahrhunderte und mein Wille ver
zuͤglich darauf binzielten, dieſe verfchwinden zu machen. Dieſe
zwei: Parteien würben gegeneinander gewuͤthet, Frankreich ehn⸗
mädtig und zum Sklaven Guropas gemacht haben, ba bo
mein Ehrgeiz darin beftand, ihm bie Herrſchaft deſſelben zu
verfhaffen. Mit dem Katholicismus gelangte ich weit fiherm
zu allen meinen großen Relultaten; im Innern Fraalrrich
verichwanb bie Meine Anzahl unter ber großen, und ich hatte
mir feſt vorgenommen, jene mit einer ſolchen Gleichguͤltigkeit
zu behandeln, daß bald kein Beweggrund mehr vorhanden fen
follte, eine Berfchiedenheit derfelben zu erkennen.”
Man fieht hieraus, daß Napoleon bie Religion immer
nur zum Kitt und Kleiſter feiner Herrſchſucht und ſelbſtſuͤchtiger
Zwecke diente. Gr glaubte in der Suprematie bes Pap
eine Stüge feiner Gewalt, Macht und Herrlichkeit zu finden
Er war Katholik nicht aus religiöfer überzeugung, fondern um
Politik. Aus Politik hätte er fich zum Islam bekennen können,
denn nach ber Erzählung bes Grafen de Las Gafes fol w
einmal auf der Inſel St.» Helena geäußert haben: „Im Ga
zen iſt es nicht unmöglich, daß mich die Umſtaͤnde badin haͤt⸗
ten bringen fönnen, zu der mohammebanifchen Religion über
zugehen. Aber nur unter gluͤcklichen Vorbedeutungen hätte ich
fo etwas unternommen, ich mußte bis an den Euphrat gelem
men fein. Eine Religtionsveränderung , bie für Privatvorthele
nicht zu entfchuldigen iſt, laͤßt ſich vielleicht bei Erreichung wm
ermeßticher politiſcher Refultate begreifen. Heinrich IV. hats
Recht, zu fagen: ‚Paris ift eine Meffe werth.“ Sollte det
orientaliihe Reid” und vielleicht bie Unterwerfung von gam
Aften nicht einen Zurban und lange ‚Hofen werth fein?" ©
tonnte NRapolecn reden, dem für ſich und feine Armeen ale Ke
figionen glei waren. Mohammedaniſch, Koptifdg, Arabilk,
Ehrifttih u. f. w.: das Alles war im Syſtem feiner Acht
gläubigkeit eine Sache der Gleichgültigkeit.
Literarifche Anzeige.
Bei F. A. Brockhaus in Leipeig ist enchr-
| nen und durch alle Buchhandlungen zu besiehen :
Handbuch
der Kinderkrankbheiten.
Nach Mittheilungen bewährter Ärste
herausgegeben von
Dr. A. Schnitzer ui Dr. B. Wolf.
Zwei Bände.
Gr. 8 6 Thlr.
Berantwortlier Herausgeber; Heinrih Brodhaus — Drud und Werlag von F. U. Brochaus in Leipzig
Bua
tier
für" wor 1
literariſche Unterhaltung.
nn ne an no
Über die Stellung, welde der Baukunſt, der
Bildhauerei und Malerei unter den Mitteln
menſchlicher Bildung zufommt.
(RBeſchluß ayb Me. 22.)
SDreten wir jegt einen Augenblick in die Kirche des
heiligen Marcus! Die Schutzpatrone dee Staͤdte nehmen
in Italien öfter eine aͤhnliche Stellung ein wie die Lo⸗
calgötter im alten Griechenland. Wie bie Athener Are
zur WBerbeeriihyung dee Palnas aufboten, fo die Venetia⸗
ner zu Ehren des heiligen Marcus. Hiervon legt Die
frei wa dem Vorbilde der ODophienkirche in Konſtanti⸗
nopel erbaute Kirche das glänzendfte Zeugniß ab. Nicht
nur Die Wände und die fünf Kuppeln des Innern, fon:
dern amdy die Vorhalle und die Weorberfeite find durchaus:
auf die koſtbarſte Weiſe, nämlich mit muſiviſchen Gemälden
aus der heiligen Geſchichte auf mufivifhem Golbgrunde,
ausgeſchmuͤckt, woran won der Entflehumg der Kirche die ins
37. Jahrhundert, wennſchon mit Unterbredyungen, gear⸗
beitet worden Mi. Der Eindruck dieſer prachtvollen Feier iſt
einzig in feiner Art! Das Seltenſte und. Koflbarfle von
Gegenſtaͤnden der Kunft, weiche Siege oder ber Handelsver⸗
kehr den-Wenstiomeen saführten, wurde hier ben ‚Deiligen ges
weiht. In viefene Sinne ſtellden fie die berichmten bron⸗
zuuen Merde, weiche fie in Konflomtimopel erbeutet, über
tem Sanptpertal der Marcuskirche auf, draͤngten von
— und andern ſeltenen Steinarten Saͤulen an Shure
ien mb fchmüdten den Fußboden mit ſchoͤnen antlken
Drefaiten. Wen dee Punfrichen Mtartafel aus gediegenem |.
Bor, von Yen reichen: und ſchoͤnen Altaͤren und Kan
a) dee zu ſprechen, verbletet mie die Zeit.
Die ganze Weihe - der großen und Beinen’ Räume bee
meift im gecßartigſten, italleniſch⸗ gotbifchen Geſchmack
erbauten : Dogenpalaſtes aſt von: PaulVeroneſe, Mn⸗
toreto um. vielen: · amren· Malern der venetianffähen
Schale, matzum Theil otofiaten Gemaͤlden geziert, deren I.
23* ſich— uuf dir Großthaten and dle Berheerlicheng
die Roeprbutn Begieht. " Am die Werftelleng von dem
908 :Plniflletifihert ⸗Production zu geben) „bes I!
ante —*8 die Hauptfſule (yon im -13: Fahrhundert
ak enin : Antike Weifen von
Malern gefchmauckt waten, welche Wider aber
bi ein ıgeoßän Secnde iu Bunde Fegaugen ſinb.
von den Urin und anbern
6. Fuguft I 1843.
Eine beträchtliche Zahl von Gemälden, weldhe vorbem
Altaͤre der Stehen und die Berfammiungehäufer heitiger
Brüberfihaften zierten, jet aber in den Saͤlen der Aba⸗
demie der Künfte vereinigt find, fegen durch Schönheit
und Umfang in Erſtaunen. In dem koloſſalen Gemälde
von Zislan dafelbft, der Himmelfahrt ber Maria, feiert
die Glut und Tiefe der Farbe, melche diefer Schule vor
ofen eigen iſt, einen glänzenden Triumph. Aber aud)
viele Gemälde, welche noch beute in den Kirchen übrig ges
biieben , find von großer Bedeutung.
Das Andenken der großen Maͤnner der Republik lebe
in den prachtvollen Familiendenfmälern fort, von Deus
fie noch heute flolz und fireng herabblicken. Viele Kicchen
peangen mit ſolchen. Bor allen großartig erſcheinen
aber durch ganze Reihen die Kirchen ©. = Stevannlie
Paolo und be’ Frari. Bildhauer wie die Lombarbi,
Sanfovine und Aleffandro Bittoria haben in Denkmalen
dieſer Art mit ihr Beſtes geleiſtet.
Rur in wenigen Palaͤſten iſt ſeit dem Untergange ur ’
Republik noch. der alte Schmud des Innern erhalten wow
den, doch fo manches daraus herſtammende Geraͤth, als:
Marmorkamine, Spiegelrahmen und Truhen in Holz,
‚ wie von beiden Beifpiele neuerdings für da6 Mufeum eue
‚ worben worden, und fo viele amdere Gegenftaͤnde zeigen,
daß hier die Kunft in Reichthum und Schoͤnheit der Kes
bete nicht: zurückgebiteben iſt.
Die Unzahl von bifterifchen- Bildern und Birdniffen
dee großen venetianiſchen Meiſter, welche jest, im gang
Europa zerftreut, die Bewunderung ber Kunſftfreunde aus⸗
machen, bedeckte einft die Wände der Privathäufe u
Venedig und gewährte ihnen fu dem edelſten Schmud.
Was aber in Stalten den Fremden faft noch mehr im
Erſtaunen ſetzt ale die Fuͤlle von Kunſtdenkmalen, welche
ihm in großen Mittelpunkten des Lebens wie in Venedig
| ober der andern obengenannten Staͤdten entgegentcite,
find- die Kunſtwerke ber großartigften und ebeiflen Gattung,
welchen er in kleinen, abfeits gelegenen Orten begegnet.
' Kein: Kuiſtand beweift wol fehlagender, wie echt und alls
| gemein Bir Kunſtbegeiſterung geweſen, welche Stollen int
| Mittelalter durchttang.
So fand ich in der kleinen Stadt Gubbio in Uns
Sri; welche ſehr maletiſch am Apennin gelägen, die große
Eene ont Uinðditen beherefähe, das vormalige Murpkame
bene und DRHSE Über Mccififtehine, ‚manmentlich | Seh
in Deutſchland.
Rah einer
*—
ſchau⸗ Teva fi ein ene gegen‘ ihn
ulige Zveiben in Deutſchland aus. Iſt auch das Urtheil
Mörne’s etwas ſehr ſchneidend und bitter, fo wird doch
darin unſerer Zeit ein Gpiegel vorgehalten, in welchem fi
ewiſſe Keute immer umfehen mögen, um, was fie gewiß
Übmnen , gar Manches daraus zu lernen. „Gehen Be”,
ſprach Börne, „bei ums in Deutſchlaud gibt: es Fein eigent⸗
tiches oͤffentliches Leben wie dei Ihnen in der Schweiz. Die
een Köpfe Ichaffen es fich felbft, wie fie es können, wenige
ftens auf dem Papiere. So haben wir beinahe eine Million
Sehriftſteller und Schriftſtellerinnen. Wer fich bemerkbar ma:
den, wer Wefbrberung in Stellen will, ſchreibt. In unſerer
Gelehrten: Repubtil gilt ebenfalls Freiheit und Gleichheit. Giner
tgitt dem Andern in die Schuhe, man drängt ſich vor, und
vertheilt und empfängt Rippenftöße links und rechts. Wie In
dien Republiken, gibt es auch in ber unferigen Bactionen, die
efninder "mozatifch tostfälagen, bie endlich) idr nat
ed nen feibft dazu kommt, nämlich andere Wiebe, anderer
ed, und genatichee Vergeffenwerden vom Publicum.
im nicht im Gedraͤnge aller Ritter von ber Feder erbrüdt und
ectreten zu fein, muß man zur Sahne irgend welcher literari⸗
Coterie Halten. Da wird man gehoben, weil man Andere
heben hitft. Das find ſchriftſteleriſche Handwerkskniffe. Man
muß fie kennen. Es thut mix um bie deutfche Nation Leib»
Zfcyotle's in feiner „Gelbſt⸗
über dab litern⸗
Sie trat mehr. als die frangäfifche und britifche wie ein Riefenlind |
aus bem Mutterſchooſe der Natur. Allein man hält dies alte Kind
in den Windeln feft eingefägnärt mit Armen und Beinen, daß es
feine Glieder nimmer gebrauchen lernen Tann.” Go Börne,
Darauf bemerkt nun ber edle Zicholle: „Bär mich lag nun |.
einmal die böchfte Würde des Schriftſtellerthums im Anzegen
des Hochmenſchiichen, des Sinnes für Wahrheit, Menſchenrecht
und Geiftesvereblung der Zeitgenoffen. Bloße Gaukelſpiele des
Ditzes, Bambocciaden und Euftiprünge ber Einbildungsfeaft,
vote viel fie der fogennnnten poetifchen Höhe und Miele haben
mögen, genügten mir nie, und nocd heute nicht. Was nicht
3 die eine ober andere Art den Menſchengeiſt emporluͤpft, traͤgt
meht das reine Gepraͤge des Schönen, iſt nur Seiltaͤnzerei ber
Phantaſie, gleidy derjenigen, die der Markt auf ber gejpannten
Schnur zeigt, wo man zwar mit Groödgen oder Verwunberung,
mit Gelächter ober Graufen eine Weile zuficht, aber endlich
mit nüchternem Misbehagen ober gleichgültig von bannen - gebt.
Wahrhaft Schönes läßt einen langen Nachhall des Wohllauts
in der Seele zurüd.” Nicht blos das Schöne, auch das Wahre!
So nid) biefe wahren Worte Zicholle's. Laß Air befür, edler
Zſchokke, und bag bu im diefem Sinne gewirkt, bie Hand im. |.
Geiſte drüden! Ihr Schriftfteller aber, lernt von Börne, lernt
aber noch mehr von Zſchokke! 31.
Bemertung.,
@. X. Yale, in feinem Kuflake ;due Gefdtäte dir |
& se |
politiſchen Poeſie in Deutſchland“, in Ne. 2387-391 d.
1842, meint bafiöft &. 1166, two es: von Paul Gerharb.alt- 1... Gegen Infbir enge. (su ©o-
pottsifchereilgiöfen Dichter ſpricht, aus deffem beerlichem Dinger | ——. — Gries —— a, —. |
liede „Zeu ein. zu deinen Thoren“ ſeien die dort von Hm, , 22 2 —— 31, ed) —BRBE 2.% |
angeführten brei Strophen, bie wir bier kurz durch 1, 2, ul, eh a LIT 21,7 >| Tau 9 RE
bezeichnen, aus unfern Geſangbuͤchern verſchwunden. Der an 64 ——2* Kap, ER ν“
indes nicht ganz fi. Gänfender biefes Hat gerade drei alte’ HE —— — eG m. en
Geſangbuͤcher zur Hand, nämlich das alte Dresdener (vowBoh.. |. . a TV A N er ar
Georg Wörner), das Leipziger (von Karl Gottl. Hofmann) | , "Wall it es ons at mo nn.
un) das nad Stiers Urtheile in feiner „ Sefangbuctnoth 1ER ee ne
„ſehr wenig mobernifirte” Autmärkifche und Pr gi efdon, |! ©: are: eure ie ss
Kafp. Georg Friccius, zuerſt erſchienen 1734 m ee Bor: |! = o... Die Bee 5
rede von Joh. Ehrph. Maurer), In diefen drei Geſang⸗
Berantwortiiher Derauögebers Heintih Brodhdaus. — Drud und
ern finbee -fich - bit are und deitte Stube, unpenäubest,
hoch bie qweite Strophe iſt mi u de In, Ran wird abes
bad alte Dresdener Geſangbuch noch in manden kaubgemeinen
der ehemaligen ſachſiſchen Graſſchaft Gommern (jest zum Re:
een ‚Magdeburg gehörig) und "das Altmaͤrkiſche Ge:
angbuch wol allenthalben in ber Altmark umb
braucht; was in biefem :Dinfit wom £ 4
gelte, kann Ginfender nicht fagen. ber oe
ſangbduͤchern, 3. B. in bem vortrefflihen,, befonders von Dubm
‚ rebigirten und 1808 erfchienenen Geſangbuche Für die Stadt um
das Herzegthum Magdeburg und in dem 1800 gu Berlin zum
Gebraudge fix enangetifche Gemeinen berausgeksumenes Befang:
, findet fi) Die erwähnte erſte Strophe wur. ip bee. Ichten
üfte, bier mit faſt gar keiner, dort mit geringer Abaͤnde⸗
—— „aber die Hi ne biete! nur bas ———
uch dar, wo fie jedoch ganz verändert, beſonders ei
—— —
eſer Gelegenheit mird Einſender eine Parallete su der
zweiten Strophe von demſelben Dichter aus *
liebe „„Bottlob! nun iſt erſchienen“, das ganz einftimmig in
den genannten drei alten Geſangbuͤchern und blos ben Wor-
ten nad) etwas verändert und obne die fünfte Strophe auch
in dem Bewiner Veſangbuche zu leſen ift, mitthetlen. Diele
Parallele lautet dent in. der deitten mad pieten-Eitraphe ale,
ungen bei den berliner Ausgahen unten. Hinzuge
gt find:
s . ..
Sei taufen mal willkeumen,
Du theure, merche gricdencgabi
Setzt ſen wi, was für Brommmen
Dein bei und Wohnen in fi hab.
In bir hat Bott verſenket
Au unfer OEluͤck und Heil;
Wor dich Steäht uab- Tuknäik,
Du —— ven Men in
e das Herza ..
Und loͤſcht aus Unverſtand
Die güfdne Freudenlerge
Mit feiner eignen en —* u
03,
Das beit und niemanb beiger
Sn unfer Seel und ‚Herz hinein,
Als ihr zerſtoͤrten Schiͤſſſe ..
Und Städte voller Schuit und Stein;
Ye vormals Finnen Yelden, --- : :
— Ihr GSGräber voller Leidyen
* md Gintgent Helbenſchweiß PP
DH. txiſcheri Saat: vcſecut, 47.
‚Seht tr ER . ig LIE ui BEETE
Und vuͤrre wuße Deibzt) 4er ı
ins
Dor Selden, Den He I ©
u en vantuichtu accis. wos. ı
EEE Be Be , > 9
, N Y . W 3 rn S*ı v3 u@haflne
*) Du theurgd, werthes Feigdendauf!....
"Nun ſehen alle Frommen, Mer: I
rer.
[4 ®.
et
Berlag von
⸗
Blätter
für
literariſche Unterhaltung.
General Graf Bülow von Dennewis in ben Feld:
Ka von 1813 und 1814. Bon einem preußifchen
> je Leipzig, Brodhaus. 1843. Gr.8. 1 Xhlr.
a.
Die ununterbrochene Waffenrube, in welcher das preußi⸗
ſche Heer feit 30 Jahren ohne alle Gelegenheit zu neuen
Lorbern gelebt hat, iſt dafuͤr fruchtbringend an Schilde:
rungen früherer Großthaten deffelben und an fchägbaren
kriegsgeſchichtlichen Monographien über die Ereignifje der
Fahre 1813—15 gewefen. Nachdem in den erften Jah⸗
ren nach Beendigung des großen Kampfes mehre der ein:
fichtsvoüften Theilnehmer an demfelben, wie Müffling,
Kühle von Lilienflern, Pfuel, Clauferwis, Bleſſon, Varn⸗
hagen von Enfe, einzelne Partien aus der unmittelbar;
fien Erinnerung und mit Benutzung der beften Quellen
Dargeftellt hatten, begann ber legtgenannte mit feiner aus:
gezeichneten „Biographie Blücher's“ im I. 1827 die
neue Reihe militairifch = biographifcher Schriften zur Ge:
fchichte des preußifhen Heeres und feiner Seldherren. Ihm
folgte der edle Minifter Boyen mit den ‚, Erinnerungen
an Scharnhorſt“; General Srolmann mit der „Geſchichte
des Feldzugs von 1815 in Frankreih und in den Nie
derfanden”, einem Buche voll würdevollee Anſpruchsloſig⸗
keit und männlicher Grazie; General Hofmann mit den
„Erinnerungen aus dem J. 1813”, die mit Wahrheit
und Klarheit eine möglichft buͤndige Kürze vereinigen; Ma:
joe von Damig mit der „Geſchichte des Feldzugs von 1814
im oͤſtlichen und nördlichen Frankreich”, die nach den Be⸗
(ehrungen und Anleitungen Grolmann's gefchrieben iſt
und die Vorzüuüge jenes claffifhen Werks theilt; zuletzt
in dieſem Jahre ein höherer Offizier der preußifchen Ar⸗
mee (General von Prittwis) in den ſehr ausführlichen,
fachreichen „Beiträgen zur Gefchichte des 3. 1813”, und
der Generauditeur Friecius mit feiner ,‚Sefchichte des
Krieges in den 3. 1813 und 1814”, die zwar Veran:
laffung mancher Widerfprüche in öffentlichen Blättern ge:
morden iſt, aber doch jedenfalls ein intereffantes Denk:
mal der heidenmüthigen Beftrebungen bleibt, mit welcher
die oftpreußifche Landwehr, in der Friccius Major war,
in jener Zeit gefochten hat. Neben jenen größern Wer:
ten find auch eine Anzahl kleinerer Schriften und Ge⸗
ſchichten einzelner Regimenter (uns find deren 12 be
kannt) erſchienen, die von größerem oder geringerm Werthe
find, alle aber das Verbienft haben, fpeciele Zuͤge ber
Zapferkeit einzelner Soldaten vor ber Vergeſſenheit bes
wahrt zu haben. Die Geſchichte des Kolbergſchen Res
giments von Bagensky und die bed fünften Hufarens
regiments von Schöning find in jeder Beziehung unter
diefen Monographien die vorzüglichften. Ohne nun jegt
auf einzelne Vorzüge dieſer Schriften und der vielm in
Zeitſchriften zerfireuten Auffäge, wie in der „Minerva“,
im preußifchen „Militairt: Wochenblatte” (wo freilich die im
J. 1833 gegebene liberficht jegt vieler Nachtraͤge bedarf),
in den berliner „„Sahrbüchern für wifienfchaftliche Kritik“
und in andern, weiter einzugehen, Binnen wir einer Zus
gend faſt aller Schriftſteller ihr geblihrenbes Lob nicht vers
fagen. Das iſt die Tugend der Beſcheidenheit.
Ic glaube — fchrieb W. Alexis ſchon im 3. 1820 („Herb
reife in . Skandinavien”, II., 99) — in der ganzen preis
Bifhen Armee ſucht man jetzt vergebens. nach einem Original,
das bei Katzbach ober Waterloo ſchwoͤrt ober flucht. Man
möchte eher eine zu weit gehende beutfch « nationale Beſcheiden⸗
heit finden, welche lieber jeden Gluͤckscoup des genialen Feindes
anerkennt als das Verdienſt der eigenen That.
Dies Wort findet auf alle oben genannten Schriften
Anwendung. Denn wenn man die befcheidene Sprache
eines Srolmann und Prittwig mit ben Affectationen ber
Franzoſen vergleicht, die ihre Niederlagen eher allem Anz
dern zufchreiben als der Tapferkeit der Preußen und dem
Genie bes Fürften Blücher, oder mit den Prahlereien des
Ruſſen Danilefsti, der alles Verdienft feinen Landeleuten
allein beilege und Blücher’s Ruhm wol gar buch) un:
wuͤrdige Verleumdungen zu verdunfeln fucht, oder mit
gehäffigen Ausfällen englifcher Offiziere auf den Muth
und die Dieciplin der preußifhen Armee im J. 1815 —
dann muß man zugeftehen, daß die edle Beſcheidenheit
und die großmäthige Schonung ber preufifchen Krieges
fchriftftellee ein neues Lorberblatt in dem Kranze der uns
ſterblichen Leiftungen iſt, durch welche das preußifche Volk
und das preufßifche Heer fich gerechte Anfprüche auf bie
Dankbarkeit der Nachkommen erworben haben.
Iſt es nun für die Sefchichte der J. 1813—15 ein
ganz befonderes Gluͤck, fo viele Beiträge von ausgezeich⸗
neten Zeitgenoffen und felbfithätigen höhern Militairper⸗
fonen zu befigen, fo barf uns dies auch nicht ungerecht
gegen folche Arbeiten machen, die von fpäter Lebenden
mit Geſchick und Fleiß ausgeführt worden find und In
878
der loͤblichen Abſicht, das Andenken an jene Großthaten
unter der jdngern milltaltifchen Generation ftiſch zu er:
halten. Dan kann es nicht leugnen, daß bei aller Sorge,
welche für die Intelligenz der jüngern preußiſchen Off:
ziere durch einen hochgebildeten Kriegsminiſter getragen
id, dennoch der Garnifondienft und das Leben in ben
feinen Sarnifonftädten die ilıngern Dffiziere nuc- zu
feiche verdirbt und in ihnen den Sinn für gefchichtliche
oder geographiſche Studien, wie überhaupt für das Hoͤ⸗
here, gefährdet, ja ſogar manche Erſcheinung wieder her⸗
vorruft, die man zum Heile der Armee in ewiger Ber:
geffenheit begraben glaubte. Nur wenige der Jüngern
waren fo glüdtih, daß fie „des Dienſtes gleichgeflellter
Uhr“ entfliehen konnten und ſich dafür im Kampfe mit
Ägpptiern, Tſcherkeſſen und Afghanen herumtummeln,
und auf der andern Seite find die Beifpiele einer lobens⸗
werthen fchriftftellerifchen Thaͤtigkeit, wie fie Gansauge,
Orlich, Roon, Spdow, Prodczinski und einige Anbere
gegeben haben, noch immer nicht zu zahlreich für die
fange Reihe der Friedensjahre.
Um fo freubiger begrüßen wir das vorliegende Werk,
Denn ein jüngerer Offizier in der preußifchen Armee bat,
„um den angel eigener Kriegserfahrung fo viel als
mwoͤglich zu erfegen und ſich auch für den bedeutungsvol:
lern Theil feines Berufs auszubilden‘ (Worte der Bor:
rede), feit mehren Jahren bei feinen Friegsgefchichtlicyen
Studien einen Mittelpunkt in den Feldzügen des Gene:
rals Bülow von Dennewig gefunden. Da die Refultate
dieſer Forſchungen bei den Freunden des Verf. Anklang
fanden, fo beſchloß er, feine Arbeit der Dffentlichkeit zu
übergeben, will fle aber nur als eine Materialienfammlung
für einen fpätern Eritifchen und mehr befähigten Schrift:
ſteller angefehen wiffen. Dierauf fährt er alſo fort:
Den patriotifgen Sinn ber Söhne durch die Großthaten
der Väter zu beleben und dem Andenken eines ‚Helden ein Denk⸗
mal zu fegen, ber in dem ewig denkwuͤrdigen Befreiungsfriege
außer dem Zeldmarfhall Bluͤcher der einzige preußiſche General
war, ber mit größern Streitkräften auf abgefonderten Kriegs:
(daupiägen ſelbſtaͤndiges Feldherrntalent zu entfalten Gelegen:
beit hatte, tft der Zweck dieſer Schrift, von der der Werf. hofft,
Laß man um ber guten Abſicht willen die oft mangelhafte Aus⸗
führung derſelben überfehen werde.
Die Angabe folder Mängel überlafjen wir gern ben
militairifchen Beurtheilern, wir an unferm heile erken⸗
nen aber zuvoͤrderſt bie loͤbliche und beſcheidene Gefin-
nung unſers Verf. an, bie fih auch im Buche (4. B.
auf S. 83, 125) im erfreulichflen Gegenfage zu der
Tagesweisheit junger Lieutenants ausfpricht, die nur zu
oft fich einfallen laffen, die verfuchteften Seldherren nach
dem Eprercierreglement zu Eritifiren. Zweitens gereicht es
ihm zur Ehre, ſich die oben angeführten vaterlänbdifchen
Scheiftfteler auch in der Anerkennung frember Tapferkeit,
unbeſchadet bee Großthaten des eigenen Volks, zum Mu:
ler genommen zu haben. In biefer Beziehung nennen
wir bie Stellen über bie bartnädige Gegenwehr ber Franz
zofen in Halle am 2. Mai 1813, über die Tapferkeit
einzeiner franzoͤſiſchen Divifionen in der Schlacht bei
Dennewig, über die Auszeichnung, mit welcher bie fächfi:
fhen Zruppen in berfelden Schlacht gefochten haben, und
über den verzweifelten Kampf ber franzöfifhen Tiraileus
in dem treffen bei DHoogfiraaten am 11. Januar 1814,
Zum britten iſt überall das forgfältige Studium der
beften Quellen wahrzunehmen, umd mean der Verf, im
Mistrauen auf die eigene Kraft und den Mangel an
perfönlicher Kriegserfahrung bei abweichenden Angaben
fein Urtheil zuruͤckgehalten bat, fo ift es ihm body dafür
gelungen, die meiften Begebenheiten klar und anſchauiich
darzuftellen, fodaß auch Nichtmilitairs mit Hülfe eins
guten Situationspland ſich die Aufftellungen und Yagriffe
der Truppen binlänglich verdeutlichen Lönnen. Diele
Anſchaulichkeit wird auch wefentlid durch gute Terrain⸗
beſchreibungen erhöht, wie der Schlachtfelder bei Groß: Bee⸗
ven und Dennewig, der hollaͤndiſchen Feſtungen Arnheim,
Gorkum und Herzogenbufh, des Schlacytfeldes bei Laon
und der Umgebung von Soiſſons. Überhaupt if das
Buch gut und einfach gefchrieben und man erkennt auch
hierin das Studium ber beſten militairiſchen Schriftſtel⸗
fer unferer Zeit und ihrer treuen, lebendigen Darftekung,
der die Lefer mit dem waͤrmſten Snterefie folgen und die
Vorzüge eines buch den Krieg, durch die große Welt
und die Studien gebildeten Militairs volllommen an:
erkennen. |
Der erſte Abſchnitt befchäftige ſich mit den Thatn
des Generals Bülow und feiner Truppen von der Eroͤf⸗
nung ber Zeindfeligkeiten bi6 zum Abfchluffe des Waflen
ſtillſtandes zu Pleifhwis. Hier treten nun befonders die
Gefechte bei Daniglom und Vahlitz hervor, dann die
Einnahme von Halle am 2. Mai, die wir ale eine der
beften Partien anfehen und wo Bülow zuerft als ſelbſtaͤn⸗
diger Führer erfchien, ferner die Anflalten zum Schupe
Derlins und der Mark Brandenburg, als biefe durch
Marſchall Ney von Wittenberg und Torgau her bedroht
wurden, und die kuͤhne Diverfion nach der Laufig, um
feinen bei Lügen befiegten MWaffengefährten durch einen
ſolchen felbftändigen Schritt Hülfe und Erleichterung zu
bringen. Unter den Ereigniſſen diefer Tage find das für
das Corps nachtheilige Gefecht des Generals Borſtell ki
Hoyeröwerda am 28. Mai und das glückliche Treffen
bei und in Luckau am 4. Juni mit befonderer Ausführ
lichkeit bargeftellt worden. Der letztere Sieg war von
großem moraliſchen Einfluffe und für dem militairiſchen
Ruf Bülow’s entfcheidend, die franzoͤſiſche Eitelkeit aber
fo fehr gekraͤnkt, daß dieſe Schlacht in den amtliden
Berichten gar nicht einmal erwähnt iſt, obfchon die ftan⸗
söfifchen Zreuppen 1100 Mann an Todten und Verwun:
deten und 800 Mann an Gefangenen verloren hatten.
Der zweite Abfchnitt von ber Wiedereröffnung der Feind⸗
feligbeiten bis zur Schlacht bei Leipzig ift nicht blos dem
äußern Umfange nad der ſtaͤrkſte, fondern auch in Beziehung
auf den Inhalt der wichtigfte. Denn bier werden die beiden
Schlachten bei Sroß-Beeren und bei Dennewig beſchrieben,
wo bie gefchidte Berechnung unb ber taktiſche Blid des
Generals Bülow im Verein mit der preußifchen Volls⸗
kraft zwei der herrlichfien Siege errangen und ber Glaube
an die Unüberwindlichkeit franzöfifcher Marſchaͤlle durch⸗
aus untergraben wurde. Mit biefen gewaltigen Anſtren⸗
gungen ſteht nun bie Langfamkeit und Unbeflimmtheit
des Kronprinzen von Schweden, des Oberanführers ber
Nordarmee, zu der das Buͤlow'ſche Corps gehörte, in dem
auffaßendften Gegenfage. Unfer Verf. äußert fi darlıber
zwar mit Vorſicht und Zurüdhaltung, er nimmt an, daß
dipfomatifcye und politiiche Rüdfihten das Betragen jenes
Feldhertn geleitet hätten; aber der patriotiſche Unmille über
die Zögerung des Kronprinzen, Über feine Iſolirung von
den JIntereſſen des Tages, über fein fpätes Erſcheinen
anf dem Schlachtfelde bei Dennewig, bricht doch an mehr
als einer Stelle hervor, wie denn «in bdeutfches Herz über
jme Vorgänge auch nicht anders als tief betrübt fein
kann. Es mag immerhin dem Kronprinzen eine folche
Zögerung durch Umftände geboten fein, aber eine Schat⸗
temfeite in dem Leben des ausgezeichneten Fuͤrſten iſt fein
Benehmen für alle Zeiten und wie trefflich auch feine
Dispofitionen nach dem Urtheile von Sachverſtaͤndigen
geweſen fein mögen, fo bleibt doch immer zu fragen
übrig, was er dann gethan haben würde, wenn Bülow
bei Groß : Beeren und bel Dennewis gefchlagen worden
wäre. Schweden und Ruffen allein hätten ſchwerlich über
die Kranzofen geftegt, nachdem bie moralifche Kraft ber
Preußen durch zwei Niederlagen erfchüttert war. Was
nun die Schilderung der beiden Schlachten betrifft, fo
find wir dem Verf. für die Mühe, die er auf eine an⸗
fdyauliche Darftellung berfelben in ihren einzelnen Theilen
verwendet bat, Dank fhuldig, und meinen, daß biefelbe
auch neben ben ausführlichen und genauen Berichten des
Generals von Prittwig in den angeführten „Beitraͤgen“ ih⸗
ven Werth behalten wird. Einzelnes herauszuheben ge:
flattet der Raum nicht, es würde fonfl der preußifchen
Tapferkeit in den Vorpoſtengefechten vor der Schlacht,
wo fie ſtets gegen bedeutende Übermacht ſtritt, zu ge:
denken fein, ferner der Unverzagtheit der Anführer, bes
mannhaften Eutſchluſſes Buͤlow's, auf feine eigene Ber:
antwortung und gegen den Befehl des Kronprins
zen die Hauptfchlaht zw tagen, vor allen aber des
Heldenmuthes ‚der Landwehr und vieler einzelnen Züge
von Muth und Vaterlandsliebe. Wir ergänzen aus ei-
ner glaubwuͤrdigen Mittheilung, daß, als Bülow dem
Kronp in deſſen Hauptquartier unter der Wind:
muhle bei Ruhlsdorf hatte melden laſſen, er wolle an:
greifen und zugleich gebeten, ihm die rechte Flanke zu
decken und die linke des Feindes zu bedrohen, bie Ants
wort des Oberfeldheren lautete: „J’ai l’ennemi devant moi;
chacun defend son front. Es erhöht Bülow’s Ruhm,
Das er durch diefen alten Beſcheid ſich doc, nicht von
feinem großen Unternehmen zurhdfchreden ließ. Die Er:
eignifie von ba bie zur Schlacht bei Dennewis (6. Sept.
1813) zeigen diefelbe Paffivität des Kronprinzen und bie:
fetbe glänzende Xapferkeit der Preußen in kleinern Ge:
Fechten, wo viel edles Blut vergoffen wurde. Die Schlacht
ſelnt iſt gut und Überfihtlih erzählt, fobaß ber klare
Bus und der befonnene Muth bes Seldheren, dem feine
Soldaten mit hoher Freudigkeit vertrauten und die zu jeder
Anſtrengung bereit waren, in ben einzelnen Hauptmo⸗
menten hervortreten. Aber ohne bie Huͤlfe in ber Noch,
Die General Borſtell des Nachmittags 3% Uhr beachte,
wären alle Anftrengungen des Tages fruchtlos gewefen
und die Preußen hätten der Übermacht weichen müffen.
Daher ift Borſtell's Entſchluß, nach Goͤlsdorf vorzuruden,
wo ſich Buͤlow im heftigſten Feuer befand, ſtatt der
kronprinzlichen Weiſung zu folgen, bie ihm nach Eck⸗
mannsdorf zu marſchiren befahl, ein Glanzpunkt in
der preußiſchen Kriegsgeſchichte. Nachdem die unmit—⸗
telbaren Folgen der Schlacht bei Dennewitz angegeben
ſind, fuͤhrt der Verf. ſeine Leſer zu der Belagerung
von Wittenberg und zu den ermüdenden Hin: und Her:
zuͤgen ber. Norbarmee, beren Oberbefehlshaber bie Er:
eigniffe abwarten wollte, bis Marſchall Ney wieder die
Snitiative ergriff, um den gefuntenen Muth feiner Krie⸗
ger aufzurichten und dadurch auch den Kronprinzen za
größerer Thaͤtigkeit nöthigte. Nun bereitet fich Alles zur
Schlacht bei Leipzig vor, an der endlich das Buͤlow'ſche
Corps auch feinen ruhmvollen Antheil gehabt und na=
mentlich bei der Erflürmung des aͤußern und innern
Grimmaiſchen Thores Gelegenheit gefunden bat, große
Tapferkeit und Zodesverachtung zu bemeifen.
(Der Beſchluß folgt.)
Über den Unterricht in der deutfchen Sprache.
1. Der deutfche Unterricht auf beutfchen Symnafien. Gin paͤ⸗
bagogifcher Verſuch von Robert Heinrich Hiede. Leip⸗
gig, Eiſenach. 1843. Gr. 8. 1 Thlr. 10 Kor. *)
2. Der Unterricht in ber Mutterſprache. Bon 8. E. 9.
Wadernagel. Vierter Theil des Deutfchen Leſebuchs. Kür
Lehrer. Gtuttgart, Lieſching. 1843. Gr. 8. 15 Nor.
„Der deutſche Unterricht auf Gymnafien tft, dies fann man
wol ohne Übertreibung fagen, von geftern und heute.” So fagt
Hr. Hiecke gegen Ende feines Bucht ©. 288; und wer noch
eine Erinnerung bat an bie Langeweile und Pruchtiofigkeit der
beutfchen Stunden, bie er felbft ausgehalten, ber wirb ihm
darin Recht geben. Der deutſche Unterricht war und iſt wol
hier und da noch nichts Anderes als eine Übung in der Lange⸗
weile. Dies ift an und für ſich fchon ein großer Übelftand, ber
aber durch bie Einwirkung bes beutfchen Unterrichts auf bie
übrigen Unterrichtögegenftände unendlich verfchlimmert wird. Wer
wünfchte nicht von ganzem Herzen, ber jetigen und ben nadhs
folgenden Generationen biefe Qudterei und Zeitvergeubung ers
fpart zu ſehen? Darum find Schriften über SBerbefferung ber
Methode des deutfchen Unterrichts von Schulmännern willloms
men zu heißen, und auch dem größern, gebilbetern Publicum
ift ein Sntereffe daran zuzumuthen, wenn die Darftellung, wie
bei den vorliegenden Schriften, populair ift.
As ich vor ungefähr einem Jahre Hrn. Hiecke's Buch zu
Geſichte befam, befand ich mich in der bebrängteften Lage; denn
ich hatte den beutfchen Unterricht in vier verſchiedenen Glaffen
übernommen. Won meinen enblofen Berlegenheiten eine Nor:
ftellung zu geben, braude ich nur zu befennen, daß ich fogar
zu Raim und Jakob Wurft für die unterfte Claſſe meine Zus
flucht nahme aber biefer Sünde wider den heiligen @eift der
Sprache habe ich mich nur zwei» ober dreimal fehulbig gemacht ;
dieſes Zerreißen eined Organismus, der noch bazu mit den Gms
pfindungen und Vorſtellungen ber Knaben in innerlichfter, uns
*) Bgl. über biefe Schrift einen Auffag von W. A. Paſſo w
in Ar. 106 und 197 b. BI. f. 1088, D. Red.
mittelbarſter Werbindung fleht, war mir body gerabezu uner⸗
traͤglich. Da griff ich denn begierig wie nach einem Rettungee |
a
mittel, nach Hiecte's Buche, aber ich fand mich betrogen. Das
Bud) enthält gar vielerlei und zwar in großer Breite und Auss
fahriichkeit (ih vermochte im Zufammenhange kaum bis zur
Bitte zu leſen); aber von Dem, was man fucht, findet man
ute Winte. Ich legte das Buch aus der Hand, als
nur
ih ©. 195 den Gag gelefen hatte, deifen Sinne ich felbft ſchon
mit einiger Deutlichkeit auf der Spur war: „Lecture iſt von
uns als Baſis und Ausgangspunft, Production als Ziel» und
Sipfelpunkt für den geſammten beutfchen Unterricht feftgefeht
worden.’ Beinahe Daflelbe hatte der Verf. allerdings ſchon
fräger geſagt (©. 6l und 62); aber ich hatte es über ber
Maffe des dazwiſchen beſprochenen Stoffes —5* wieder ver⸗
geſſen. Eg würbe durchaus nicht ſchwierig fein, das 2396 Sei⸗
ten lange Buch in ungefähr 50 — 60 Seiten ne
obne dem Inhalte Abbruch zu thun. In der Einleitung ©.)
Spricht der Verf. vom Weſen dev Mutterfpradie, vom Verhaͤit⸗
niß der Realgymnafien zu den altclaffifchen Gymnaſien u. |. w,
und fehlieft mit der nalven Wendung: „Somit können wir
nun näher an unfern Gegenfland herantreten; jedoch noch
nicht fogleid unmittelbar.” Naͤmlich im naͤchſten Ab:
ſchnitte (bis S. 60) ift von der „@tellung ber andermweitigen
Lectionen zu dem Unterrichte im Deutfchen‘ die Rebe, ohne daß
man etwas Anderes erführe, ale was man ſchon im Anfange
weiß, daß nämlich aller Unterricht, auch unabfichtlich, Unter»
richt in der Mutterfpradhe iſt. Um ein recht auffallendes Bei
fptel von der Breite der Darftellung bes Verf. zu geben, braus
wir nur zu fagen, daß von ©. , alſo auf ZT Geis
ten, von der „Wichtigkeit der beutfchen vecture“ gehandelt wird,
alfo von etwas, woran Niemand ziveifelt, was. fi aufbrängt
wie Luft und Licht. Deutfche Lecture ift für die große Mafle ber
Somnaflaften Lecture überhaupt, und Lecture ift heutzutage für
den Geiſt, was Effen und Zrinten für den Leib, alfo — — body
genug! Man wird felbft breit, wenn man von Breite fpricht.
erauf folgt: „Wahl und Umfang ber Lecture.” In biefem
Gapitel traut man feinen Augen nicht. Erſtens bat der Verf.
für jede Gtaffe eine beftimmte Anzahl von Büchern ausgewählt,
und alle Knaben follen mit berfelben Koft aufgefüttert werben.
Aber das Schlimmere ift bie Mafle, die der Verf. vorſchlaͤgt.
Alle Genres, ja alle Manieren werben herbeigezogen, alle Ar:
ten von Dichtern, Rebnern, Piftorifern u. |. w. Der Verf.
geberdet fich ordentlich Angftiih, ein Genus auszulaflen. Und
das Ganze ift mit aͤſthetiſch⸗ Eritifchen Bemerkungen durchzogen,
die man bier, abgefehen von ihrer theilweifen Unrichtigkeit, nicht
ſucht. Um von der Waffe der Lecture, bie ber Verf. 3.8. ben
Primanern auferlegt, eine Vorftellung zu geben, führen wir
eine Stelle an (©. 113): „In geſchichtlicher Profa werden einige
Biographien von Barnhagen (etwa König Theodor und Paul
Flemming); fodann Pfizer’s Luther, außerdem noch einige Par⸗
tien aus Ranfe genügen; von rebnerifchen einige weltiidye (sic)
Reben von Bernhardi, Jacobs, Fichte, Hegel, Goethe, Schil⸗
ler; von kirchlichen einige vorzügliche charakteriftifhe von fünf
ober ſechs unferer bedeutendften und für bie Stadien bes relis
gidfen Lebens bezeichnendften Kanzelvebner, (etwa von Mosheim,
Zollitofer, — Reinhard und Dräfele fprachen wir ſchon ber
Secunda zu — Theremin, Schleiermader, Tholuck und [damit
auch der religiöfe Wahnfinn nicht fehle und damit die armen
Zungen noch zeitig genug erfahren, daß fie auf dem Gymna⸗
flum ſich auf dem naͤchſten Wege zur Hölle befinden) von Krum⸗
macher).” Zuletzt wird ber Verf. ſcherzhaft und man möchte
glauben, das Ganze wäre Scherz; aber es ift Ernſt, denn ges
gen die Maffe des Übrigen verſchwindet das Angeführte völlig.
Diefe literarifche Kleinkraͤmerei, diefe ftubengelehrtsängftliche Be⸗
gierde, von Allem Notiz zu nehmen, auf das Gymnaſium zu
verpflanzen, ift unverantwortlich. Bat, der Verf. keinen Augens
blick an das allbefannte multum, non multa gedacht? Glaubt
er, daß feine Schäter ihre Seelen dazu haben, fie mit Büchern
vollzuftopfen? Lefet alle die Bücher nicht, ihr Zünglinge, wenn
Verantwortlicher Herausgeber: Deinrih Brockhaus. — Drud und Verlag von F. A. Broddaus in Leipzig. |
“ poetique”’, von Bictor de la Boulaye; „Le si6ge d’Orlean”,
end) das ‚Heil eurer Seele und eures Leibes lieb iſt / Traut den
Berf. nicht! er bat fie auch nicht in feiner nd
ei, ac ne a I ri
‚wo ber ndien iteratur un
feit iri —8 ſ Bert. durch » Beltefun
ie folgen unferm .d die übrigen Abſchni
Son ©. 10— 194 wird beftimmt, „wie A **
G6 fol „Mondes bis in das Einzeinfte hinein erläutert, Bir
les nur befprocgen werben”. Gut. Aber nun fängt der Be.
glei an, Proſaiſches und Poetiſches ausführlich zu erläutern
und zu befprechen. re wen? Am Ende bes Abſchnitts kommt
der Verf. auf das Declamiren. Gr beichreibt die herrſchende
alberne Manier vortrefflich, und body will er es nicht fahren
laſſen. Dan höre: „Freilich, fo bleiben darf es nicht, aber
Hülfe if im Ganzen und Großen erfl von ber Zukunft zu m
warten, einestheild von ben Leibesübungen, die u. f. w., fü
dann von guten Anmeifungen zu ber ſchweren Aufgabe beö Des
clamirens, die aber nicht wohl von uns Gymnaſiallehrern ans
gehen koͤnnen, fondern von durchgebildeten Schauſpielern zu er
warten find, bei benen fich bie Lehrer exit ſeibſt in die Schar
zu begeben haben.”
( Der Beſchluß folgt. )
Literarifhe Notizen aus Frankreich.
In einem Bande von 1016 Seiten erſchien: „Koonomister-
financiers du 18ieme siecle”, mit fosgender Capitel-Einthei⸗
lung: Vauban, Projet d’une dime royale (mit einem biöher
ungedrudten Sapitel vermehrt); Bolsguillebert, Detail de la
France, Factum de la France, Opuscules divers; J. Lem,
Considerations sur le numeraire, Mémoires et lottres sur les
banques; Melon, Essai politique sur le commerce; Dutol,
Reflexions politiques sur les finances et le commerce. _
Herausgeber ift ©. Daire, welcher zugleich Gommentare, m
klaͤrende Anmerkungen und biftorifche Nachrichten über jeden der
Autoren beigefügt bat. Diefer Band enthält den Stoff von
acht gewöhnlichen Bänden und ift mit einem ſchoͤnen Portrait
Bauban’s geſchmuͤckt. Bon derfeiben Sammlung erſchien auch
bereits ber erfte Band von Adam Smith und die drei Bande det
„Cours complet du trait6 d’&conomie politique‘ von Gay.
Im belletriſtiſchen Fache lieferte bie franzoͤfiſche Int
neuerdings: „L’alcove”, von dem übermäßig probuctiven Zus
Lacroix (2 Bde); „Georges, von X. Dumas (3 Bde); „Üiel
et terre”, Dichtungen von %. de Baillet; „Le chätean de
Rochecourbe” , vom Grafen Rictor du Hamel; „‚Ttineraire
von ber Bürftin de Eraon (2 Bbe.); „Le rameau d'or“, von
% ©. Ronzitre (2 Bde); „Contes r&mois”, mit 30 Stu
frationen; „Le comte de Sombreuil“, von der Gräfin Daſh
(2 Bde); „‚Transeundo”, Gebichte von E. de Chambure; „Mar-
cel”, ein Gedicht von A. Leflaguais; „Edouard Aubert“, ven
&. Leroux; „Le bananier”, von $. Soutie (3 Bde.); „Rose
Himmel’, von M. Maffon. |
Eine neue frangöftfche Überfegung des Dante, von dem Buf.
der „‚Divines f6eries”, erfheint unter bem vollftändigen Zitd:
„Dante. La divine comedie, contenant: l’Enfer, le Purga-
toire, le Paradis, accompagnes de la Vie nouvelle et de ia
Prophetie du Dante par Byron, avec un pr&ambale histe-
rique et les notes gnérales des cinq poämes’’, drei Bine
mit 108 Zeichnungen nach Flaxman.
In neuer Überfegung von Bacharach erfchien Lavater
„L’art de „connaftre les hommes d’apr&s les traits de leu
physionomie”, mit 120 Bildern, auf denen 600 Gegenftänt
dargeſtellt find. 18. ;
Blätter
für
literariſche Unterhaltung.
Dienſtag,
General Graf Buͤlow von Dennewitz in den Feld⸗
zuͤgen von 1813 und 1814. Bon einem preußiſchen
Offizier.
ns ( Beſchius aus Nr. 218.)
Sm dritten Abfchnitte iſt der Feldzug Buͤlow's in
Holland gefchiibert worden, von dem der Verf. richtig
bemerkt bat, daß man ihn nicht al& einen untergeordneten
Theil des Kampfes wider Napoleon betrachten darf, und
vol Begeifterung für feinen Helden hinzufegt, daß die
Lochern, welche er fich in Holland erwarb, ihm buch
Beine Scheelfucht verkleinert oder gar entriffen werden
Sinnen. In der That verdient auch der kühne Zug, den
Bülow mit nicht mehr ale 18,000 Mann unternahm,
und im Geiſte eines Parteigängerkrieges ausführte, alle
Aufmerkfamteit in militairifcher Hinſicht und volle Be:
achtung in Betreff der Refultate, melde in fo kurzer
Zeit für die allgemeine Sache der Verbündeten gewon⸗
nen worden find, fodaß die ausführliche Beſchreibung deſ⸗
felben nach den beften Hülfsmitteln eine Lüde in den
meiften gefchichtlichen Werken, wie bei Manfo, Bülau und
Andern, volltommen ausfällt. Wir können hier nur im
Allgemeinen die Hauptfahen angeben, bie Blodabe von
Weſel, die Einnahme von Dorsburg und Zütphen, die
Erftirmung von Arnheim, den Marſch nach Utrecht, die
Gefechte auf dem bommeler Waard, die Bertheidigung
von Breda duch 1500 Mann Cavalerie gegen 6000
Mann feanzöfifches Fußvolk, den Sieg bei Hoogſtraaten,
den verunglüdten Angriff auf Antwerpen und die Erobe>
zung von Herzogenbuſch. Das Werdienft des Lieutes
nants Kretſchmer (jege Regierungsrath in Danzig) bei
der zulegt genannten Erpedition bat unfer Verf. voll:
kommen nnt, und daher braucht ſich derſelbe nun
nicht mehr zu beflagen, daß jene Waffenthat ganz vers
gefien fei, wie in feinem Buche „Soldaten-, Krieges und
Zagerieben” (U, 161) gefchehen iſt. Das Bud ſelbſt
aber Scheint unfer Verf. nicht gekannt zu haben, fonft
hätte er gewiß die betreffende Stelle angeführt, und «8
auch fonft bei andern Begebenheiten des hollaͤndiſchen
Feldzugs benutzen Binnen.
Der vierte und kuͤrzeſte Abſchnitt handelt von dem
Antheife des Generals Bülow an dem Winterfeldzuge des
3.1814 in Frankreich. Nach der Einnahme der Feſtung
La Fere erſchien er mit feinen Teuppen an den Ufern
ber Aisne, als gerade Bluͤcher deingend der Unterflügung
bedurfte, und am 9. und 10. März 1814 flanden 17,000
Mann feine Corps mit in den Meiben der Tapfern,
welche den Sieg bei Laon erfochten. Diefe Schlacht hat
ber Berf. feinen Lefern wiederum recht anfchaulidg darzu⸗
flellen verflanden. Den Schuß der Eriegerifchen Unters
nehmungen bildet die Einnahme der Seflung Compiegne;
fie war bie legte Kriegsthat unter den fünf fiegreichen
Schlachten und vier größern Gefechten, an denen das
Armeecorps unter feinem geliebten Kührer Antheil genom⸗
men hatte. Um fo mehr hätten wir gewänfcht, bier Buͤ⸗
low's Abſchied an das dritte Armeecorps zu finden, bem
er von London aus unter dem 20. Juni 1814 mit der
innigften Anerkennung fo edler Waffenthaten erlaffen hat.
Der Berf. konnte ihn aus Bagensky's Geſchichte des
Kolberofchen Regiments” (S. 224 fg.) entlehnen.
Es bleibt nun noch übrig, eines befondern Vorzug
des vorliegenden Werks zu gedenken. Wir begrüßen in '
ihm mit Verehrung und Bewunderung aufer dem glüds
lien, tapfern und menfchlichen Kührer des Korps eine
Reihe von Namen der ausgezeichnetften höhern Offiziere,
eines Oppen, Krafft, Dobſchuͤtz, Thuͤmen, Borſtell, Boyen,
oder ſolcher, die damals noch in den mittlern Dienſtgraden
ſtanden und die erregte Hoffnung auf das trefflichſte ge⸗
rechtfertigt haben, als eines Hiller, Rekow, Colomb,
Sandrart, Zaſtrow, Steinmetz, Sjoͤholm u. A., aber wir
begegnen auch der ruhmvollen Erwaͤhnung gemeiner Sol⸗
daten und gewoͤhnlicher Landwehrmaͤnner. Eine ſolche
Auszeichnung des Verdienſtes gereicht unſerm Verf. be⸗
ſonders zur Ehre und gibt ſeinem Buche einen dauernden
Werth, wie ſich auch die bereits genannte „Geſchichte des
Kolbergſchen Regiments“ gerade durch bie Sammlung ſolcher
Thatſachen als ein echtes Soldatenbuch bewieſen hat, aus
dem unſer Verf. vielleicht noch einzelne Züge in feine
Erzählungen verflechten konnte. So berichtet er (S. 170),
daß der Dragoner Schwarz in ‚der Schlacht bei Denne:
wis, nachdem ihm fein Pferd getödtet war, fofort Ge:
wehr und Patrontafhe eines Zodten ergriffen und ſich
als Tirailleur der Infanterie angefchloffen habe; daß eben
da der Musketier Drobowski, dem ein Bein zerfchmettert
war, feine zur Hülfe herbeieilenden Kameraden von ſich
weg in bie Schlacht gewieſen habe. Als in der Schlacht
bei Leipzig die Erſturmung des innern Grimmaiſchen Tho⸗
res durch einen Kugelvegen faft unmöglich fehlen, ſtuͤrzten
fih pommerfche Freiwillige kuͤhn über die Brüde in den
Feind, bemächtigten fidy mit vorgehaltenem Bayonnete ber
feindlichen Stellung und gewannen mit Hülfe ihrer nach⸗
eilmden Kameraden das Thor. Es waren ber Feldwebel
Ganz, die Unteroffiziere Winkler und Kela, die Muske⸗
tiere Keriten, Gieſe, Haß, Loͤper und Treptow (S. 230).
Einen ähnlichen Beweis von Much zeigte ein pommer:
fcher Fuͤſelier Maag in der Schlacht bei Hoogſtraaten.
Er erhielt einen Schuß in das Bein, nahm aber fogleid)
fein Taſchenmeſſer heraus, fchnitt fich während des heftigſten
Feuers die Kugel aus dem Beine, ladete fie in fein Ge⸗
wehr und ſchickte fie dahin zuruͤck, von wo er fie empfan-
gen hatte (S. 284). Andere Beifpiele übergehen wir;
aber es bat une fehr erfreut, folche hier zu finden umd
auch hierin einen Beleg wahrzunehmen, wie aufrichtig
ed der Verf. mit feiner Verſicherung gemeint bat, durch
fein Buch die Erinnerung an bie Großthaten der vater:
landiſchen Krieger zu wecken und zu beleben. Möge fein
banteriswerthes Unternehmen viele und geſchickte Nachfol⸗
ger finden! 9.
Uber den Unterricht in beutfcher Sprache.
(Beſchlud aus Nr. 218.)
Der folgende Abſchnitt iſt uͤberſchrieben: „Theoretiſches und
FE Wiffen (Grammatik und Geſchichte der beutfchen
prache, nebft philofophifcher Grammatik; Metrit und Profo:
die; Poetik, Rhetorik und Gefchichte der beutfchen Literatur;
Logik; Encyklopaͤdie der Schulmwiffenfchaften), Production über
dahin einfehlagende Fragen.’ „Mir wird bei alle Dem fo dumm,
als ging mir ein Mühlrad im Kopfe herum.’ Im legten Abs
fpnitte (einen überfpringen wir) handelt der Verf. „von den
Ausfichten und dußern Bedingungen für deren KRealifation”.
Die Ausſsſichten des Verf. gehen weit, fehr weits von ber Aus«
dehnung bed deutfchen Unterrichts erwartet er ſehr große Dinge.
Wir wollen die —— Stelle, die davon handelt, an⸗
fuͤhren, zumal dieſelbe zugleich als Probe von dem haͤufig aͤußerſt
unklaren, verworrenen und verſtiegenen Stile des Verf. die⸗
nen kann. ©. 280: „Dann, nur dann, wenn das Deutſche
zu ſeinem vollen Rechte gelangt iſt, werben bie mancher⸗
lei zwar verworrenen, body nicht alles Grundes ermangelnden
Anlagen verflummen, bann erft werden bie Gymnafien nad
ihrer ganzen Bedeutung gewürdigt und anerfannt werben, ale
Anftalten, welche die gehattvollften und mannichfaltigften @r-
fheinungen zu erfaffen, feflgubaltın, zu verarbeiten unb von
der Erſcheinung bed Weſenhaften zum Weſen ſelbſt vorzubrins
gen bie Anleitung und Übung gewähren, hiermit auf die Ar:
beit des Teteftthätigen Eindringens in die fpeciellern Wiffenes
gebiete, fowie der Erkenntniß der Erfcheinungen aus ihrem Bes
griffe heraus vorbereiten, und fo den erften Grund legen gu ber
geiftigen Macht, alles Dafelende ale cin durch ben abfoluten
Geiſt Geſetztes, die Schöpfungen und Geburten bes endlicdyen
Geiftes als zu ewiger ſittlicher Kortgeftaltung beftimmt zu fafs
fen und in biefe fittliche Fortgeſtaltung mit Befonnenheit und
Klarheit mitwirkenb einzugreifen.” Welche Sprache! Welch
ein Monſtrum von Sag! Welch ein greuliches Gemiſch von
darrer Logik und romantiſchem Gemuͤth! Dergleidyen paffirt
jetzt nicht mehr — bie Cenſur wol, denn was kuͤmmert ſich bie
Cenſur um fremden Unſinn? — aber nicht die Kritik. Mit
ſolchen Rodomontaden laͤßt man ſich nicht mehr verpluͤffen;
denn bie Grenzlinien bes Unſinns und Tiefſinns find aufgedeckt.
Wer nicht menfchlidy reden kann — fonderbar, daß man das erſt
fagen muß — ber rebe gar nicht. Was ber Verf. mit dem obigen
Gate fagen will, bad ahnt man ungefähr; aber man begreift ſe⸗
glei, daß das nicht von einer weitern Ausbehnung bes deutfchen
Unterridts, fonbern von einer limgeftaltung und neuen Belebung
bes Gymnaſialunterrichts überhaupt zu erwarten if. Mit Hrn.
Hiecke's Methode bildet man immer wieder nur deutſche Ge
iehrte und Pebanten. Was die Dickion des Vprf. betrifft, fe
genügt wol die obige probe: fie iſt unklar »althöhetif und oft
ſchwuͤlftig und Roſenkranziſch aufgepugt. Wehe zur Beluſti
gung als zur weitern WBeweisführung von beiden Gorten
noh ein Beiſpiel (S. 204): „Auch bas Bekannte ik
noh fein Ertanntes; ber Weg bes Erkennens aber ik
nur ber Weg der Beoba feiner ſelbſt. Die Mutter
ſprache muß allerdings erft gelernt werben, aber nicht aut:
wendig gelernt; ber Erkenntniß gebt in ihr Kherall ein Kin
nen voraus u. f. w., fobaß das Erkennen nur beftebt in einem
in fie, in in eine
Bere Tiefe des eigenen in ihr fich feiner bewußten Geibftes.”
Die Tortur iſt noch nit abgeſchafft! Die einzelnen Wörter
biefes Satzes, wenigftens des Nachſatzes, zerren ben Ber:
ftanb auseinander, wenn man ſich bemüht, Sinn hineinzubrin:
en. Und nun noch ein Banz kurzes Beifpiel von des Berf.
hmüıftiger Rhetorik: „Alſo Talutiren wir ehrfurchtévoll vor
Klopfto@ und Herder und ſcharen uns und unjere Schüler un
tee Leſſing's, Schiller's, Goethe's freudig flatternde Paniere.
Das Buch wird wenig Frucht bringen; denn die wenigen frucht
baren Gedanken ſind unter einem breiten Wuſte en. Hr.
Hiecke ſucht aber auch das Heil an gang unrechten Orten; denn
— dies ift arakteriftiih und wir dürfen das Curioſum unfera
Lefern nicht vorenthalten — er macht das Gedeihen des deut
fhen Unterrichts auf Gymnaſien zuletzt abhängig von der An
ftelung eines Profeffor® an der Univerfität für Gefchichte ber
deutſchen Literatur feit Suther. Hilf Himmel! Xıs ob mar
nichts lernen Bönnte, als wofür ein Profeſſor inflallist if!
Wadernagel’d kleines Buch macht seinen ganz andern
Eindrud. Es leidet zwar aud an wefentlichen Mängeln,
aber es geht überall von praktiſchen Geſichtspunkten aus, der⸗
irrt ſich nicht — menigftens nicht weit — in ungehoͤrige Er
curfe, bat immer eine lebendige, einfache wab aherzeugende
Sprache, und gelangt zu Elar beſtimmten und ausführberen Re
fuitaten. Aus diefen Gründen t wir Keinen Augenbiid
Bebenten, es ben Lehrern ber beutfihen Sprade — nit nut
auf Gymnaſien, fondern auch auf den Realfchuien u. f.w.— ·0
dringend zu empfehlen; und mer an bem Gegenflanbe überhaupt
Intereffe hat, der wird fi anf eine leichte und angenehm
Weiſe aufgeflärt und beiehet finden. Manches trifft mit Dem,
was Pr. Hiede gefagt hat, auf eine auffallende Weiſe zufam
men, aber bie Art, wie es gejagt wird, und ber Zufammen
bang und tie Kolgerungen, bie daraus abgeleitet werben, find
ganz verſchieden. So tft daB Reſultat bei Hm. Wackernagel
bie hoͤchſte Vereinfachung des beutfchen Unterrichts, während
das Refultat bei Ben. Hiecke ein hoͤchſt complicirtes Gyſtem war. |
Aber was wir oben ſchon bemerkt haben, das mäffen wir
wiederholen, das Buch leidet an wefentlichen WRängeln, dit
manchem 2efer die Lecture verleiden werben; und biefe Mängel
haben ihren Grund vorzüglich in ber Gef ‚ bie um
Berf., man fieht nicht warum, zu wählen beliebt bat. Dem
Geſpraͤche fehlt alle Künfkterifche Anordnung, Stetigkeit, ren
ger Zuſammenhang. Der Verf. feheint nicht der größern Schwit⸗
tigkeit, fondern der größern Leichtigkeit wegen die Gefpröht
form gewählt zu haben. Wie wollen bierbei nicht näher auf
die Frage eingeben, wie das zu erklaͤren iſt, daß bie Dialogen,
in denen bie Alten Meiſter find, den Reuern fo ſchlecht gel
gen. Das Gelpräd wird zwiſchen Karl und Philipp (Pilipo
ift der Verf. felbft) geführt; aber Karl und Philipp find biske
Namen, die den Fluß der Rebe unterbrechen; Giner ſpricht wie:
der Andere. Ehe man ſich daran gewöhnt, bie Namen ganz zu
äberfeben, und gar nicht danach zu fragen, ob Karl oder Phi:
lipp ſpricht, was einem fehe ſchwer wizd unb was man bi
einem werpehhn gar nid foBte, (inb hir Sins höbchſt ſtirend.
Wenn denn Ber . bit Kamen wieder ploglich behandelt, als
wiren fit Menſchen, ſodaß etwa der ine ven Anden fragt:
„Du nimm Deinen Hut?“ fo mach bas einen laͤcherlichen Ef⸗
5! die Seſpraͤchsform ift dem Verf. misgluckt. Hatte
Berf., wie ſich Dieb für das Thema ſchickte, die anſpruchs⸗
Iofe FJorm der Abhandlung gewählt, fo hätte er wahrſcheinlich
auch alle die Fehler vermieden, die mit ber Seſpraͤchsform zus
fammenzubängen [dyeinen. Men Gang bes Geſpraͤchs ia ber
Kürze anzugeben, fcdeint geradesu unmöglih. Das Geſpraͤch
bet gar feine beflimmien, hervortretenden Wendungen; Kart feht
die von Philipp abgebsochenen Gigpofitionen fort und wmgelchzt;
man befiamt ſich nicht, von we man ausgegangen und wohin
man will
Bon der durchgehenden Mangelhaftigkeit der Form abges
ſehen, finb die einzeinen Punkte vortrefflich ausgeführt, beſon⸗
ders über Die Grammatik, bie Declamation, die Production;
aber einige ſonderbare Anfichten ſtehen mit der fonfligen gefuns
den unb einfachen Art bes Berf. in einem eigenthuͤmlichen Wi⸗
berfprudge , ſodaß fie fa wie Caprice ausfehen, ats wollte ber
Berf. feiner fonft einfachen und natürlichen Bildung einige glaͤn⸗
wende und Punkte anheften. Wir erwähnen fie nur
und fegen uocans, daß unfere Leſer eine weitere Srörterung der⸗
fetben gar nicht verlangen. Gleich von vorn herein leugnet ber
Berf., um die Bermifchung ber proſaiſchen und postifchen Stüde
in feinem Lefebuche zu rechtfertigen, allen fpecififdhen Unterſchied
zwifdgen Poeſie und Profa. Er laͤßt Kari fagen: „Dann möchte
ich dich auffodern, mir irgend ein Gtüd u. f. w. ber ganzen
Literatur zu nennen, das entweder reine Poefie ober reine Profa
wäre. Die wißlenfchaftliche Proſa fo wenig als bie Profa in
den Geſchaͤften des Hffentlichen ober Privatsebens iſt ohne
Poeſie u. f. w.“ und Phllipp weiß dies nicht gu wiberlegen.
Die Sonderbarketit ift die, daß ber Verf. einen gras
Gen Darauf legt, wie es er mit großer Ausführlichkeit
und fogar Wieberholungen auseinanberfegt, bie Lanbfchafttichen
Mundarten literariſch zu cultiviren.
Die dritte und auffallendſte Sonderbarkeit endlich iſt die
Art, wie der Berf. die chriſtiiche Dogmatik in eine Abhandlung
vom Unterrichte einmifht. Wir wollen uns darauf
befchränten, von ben durch das ganze Buch gerfireuten Stellen
eine anzufähren (©. 53): „Philipp: Als der erfte Lefer meis
nee VBesct (das vorliegende Schriftchen iſt gemeint, weiches
die Stelle einer Vorrede zum Lefebuche vertreten foll), ber ba
merft, in weſſen Dienſt fie gefchrieben if, follſt du die Haupts
fumme meiner neueſten Methodik, welche bie ditefte ift, hören:
Sürdjtet Gott und gebt ihm die Ehre, denn die Zeit Geines
Gerichts ift fommen, und betet an Den, ber gemacht hat Him⸗
mei und Erden und Meer und die Waflerbrunnen. Karl: Bet
Hamann ift diefe Stelle aus der Offenbarung (14, 7) bie Haupt:
funıme feiner Äſthetik.“ Aber Kari und Philipp laffen biefen
GSechanten wieder fallen, und unfere Leſer brauchen nicht zu
fürchten, daß die Bermifhung des religiöfen und des wiſſen⸗
ſchaftlichen Standpunkts eine durchgaͤngige ſei. Der beutfche
Unterricht liegt unſers Wiſſens noch immer ſehr im Argen; wir
wuͤnſchen von Herzen, daß das Schriftchen von Wackernagel
von recht vielen Lehrern moͤchte geleſen und beherzigt werben.
Notizen.
In dem! neueften Bande der „Geſchichte der ſechs Nationen’
(Irstefenbund) von MB. 2. Stone, welcher das Leben des großen
Bectners ans bem Seneca⸗ Stamme Bas Eos Yir Wat Ha oder
Butpjade (Bed Jacket) erzählt, Vieft man, daß diefer Seneca⸗
Siapeing kurz vor feinem Tobe zu einem Geiſtlichen gefagt
Her: „Bruder, wenn ihr Weißen den Sohn des großen Geis
Ai wmorbet Habt, fo geht das uns Indianer nichts an.
Bir u gu uns gelommen, fo würden wir ihn nicht getöbtet,
fondern gut aufgenommen haben, und bie Weißen, bie ihn ges
töbtet Yabın, wählen für biefe Miſſetbet 37—
Nur ihr habt die Schuld und mußt bßen.“ Böfehe
Problem, ihr Iheologen, ihr Miſſionare!
Derfelbe Rothjade vertheidigte vor dem Givilgericht sine
Indianer, der angellagt war, Kin Weib als Dexe hingerichtet
su haben, wis folgt: „Was? ihr Weißen! Schimpfet ihr uns
abergtäubifh und wahnwigig, weil wir glauben, was ihr vor.
200 Jahren ſelbſt geglaubt habt? Eure Schwarzröde donnerten
biefe Lehre von ihren Kanzeln, eure Richter fprachen barüber zu
Recht von ihren Bänken, und ihr wollt jegt unſern ungläds
lihen Bruder verurtheilen, weil er dem Glauben feiner und
eurer Wäter anhängt? Was haben unfere Brüder anders ges
than, als was eure Öbrigkeiten in früherer Zeit thaten? Und
was hat biefer Mann gefünbigt, der nach den Geſetzen feines
Landes und ben Geboten des großen Geiſtes handelte?” Schämen
wir ung!
Derfeibe Rothjacke ſah über einer Druderei das Unions⸗
wappen und daneben allegorifhe Figuren, welche die Freiheit
und bie Gerechtigkeit vorftellten.. „Wer das fein? fragte er.
„Die Freiheit”. „Ugh'“, antwortete er mit einer eigenthuͤmlichen
Inblanergeberde. ‚Und wer dieſes fein?” „Die Gerechtigkeit.‘
„But! Wo er jeßt leben?" Wer bie Antwort weiß, ber gebe
fie! Wie wollen ihn mit Trompeten und Paulen empfangen.
Derfelbe Rotbjade hatte in einer Zufammenfunft mit
Bouverneuer Tomkins von Neuyork Streit mit biefem wegen
eines Punktes, Aber weichen man vor Jahren übereingefonmen
war. „Wir haben es aber hier auf dem Papier”, ſagte der
Altenmann. „Dann luͤgt das Papier”, war bie Antwort.
„Ihr Yankees ſeid geboren mit einer Feder zwifchen den Fingern,
aber eucr Papier ift nicht wahrhaft. Wir Indianer haben unfer
Wiffen hier — auf bie Stirn zeigendb — und was ba ſteht,
Lüge nicht.” Man holte das Document hervor, fah nad, und
A Indianer hatte Recht. Geſegnet ſei das ſchriftliche Ver⸗
ahren
Dr. Auſter's überſetzung des „Fauſt“ iſt in England zum
Ruhme der Gtafficität gelangt. Ein engllſcher Kritiker, der ſich
neulich darüber aͤußerte, findet Ama on ihr auszufegen, baf fie
bin und wieder zu paraphraflif und ku wenig concis fei,
nennt fie aber doch eine „‚splendid translation” und fügt Hinzu:
fie ſtehe nun einmat fo feft ale claffifches Wert der britifchen
Literatur (so standard a classic in our language), daß man Andes
rungen für künftige Ausgaben kaum wünfchen moͤchte. 48,
Bibliographie.
Das malerifche und romantifche Ausland. 2te Section.
Belgien und Bolland von D. 2. B. Wolff. Ifte Lieferung.
Reipzig, Keollmann. Ler.:8. TY, Nor.
Barmtofe Bilderhen aus Danzig. Ungehaltene Vorleſun⸗
Iftes pet: Intändifhe Zuftände. Marienburg, Dor⸗
mann. 8. Nor.
Boeckh, ©. %., Rede am 27. Mai 1843 bei dem zur
Feier des 25. Jahrestage ber Berfaffungs «Urkunde veranftaltes
ten Feſtgottesdienſte in ber proteftantiichen Pfarrkirche zu Muͤn⸗
den gehalten. Münden, Franz. Gr. 8. 2%, Near.
Element, K. J., Die Lex salica und die Text-Glos-
sen in der salischen Gesetzsammlung, germanisch nicht kel-
tisch; mit Beziehung auf die Schrift von H. Leo: ‚Die
Malbergische Glosse etc.“ Mannheim, Bassermann. Gr. 8,
M Nger.
Die Dichter des beutfchen Volks. Album bes @ebiegenften
und Ausgezeichnetfien aus den Werken beutfcher Dichter. Mit
kritiſch⸗ biographiſchen Skizzen. Herausgegeben unter Mitwirs
tung mehrer Literaten von A. Bra. IHuuftrist mit Deiginals
—8 von E. Holbein, JT. Hoſemann, A. v. Kioeber,
Menzel, ©. Roſenfelder, A. Schroebter, I. B. Gonbere
land u. A. m. lIſte Lieferung. Berlin, Meyer und Hofmann.
Rer.s8. 10 Nor.
en.
iamal,
Sn
1
.
und, J. 173. Beitrag zus 9 en Geſchichte ber
—** —2 — ‚ mil beſonderer —— — Dan⸗
ton'e und GShallier’s; zugleich als Berichtigung der in den Wer⸗
ken von Thilers und Mignet enthaltenen Schilderungen. Manns
beim, Waflermann. Gr. 8. 1 Thir. 20 Nor.
Herbart's, J. F., kleinere philosophische Schriften
und Abhandlungen nebst dessen wissenschaftlichem Nach-
lasse. Herausgegeben von G. Hartenstein. 3ter Band. Leip-
zig, Brockhaus. Gr. 8. 3 Thir. 15 Ngr.
Hoeck, K. bmifche Gefchichte vom Verfall der Republit
bis zur Vollenbung der Monardie unter Gonftantin. Mit vor:
ataliher Ruͤckſicht auf Verfaffung und Verwaltung bes Reiche.
ſter Band. 2te Abtheitung. Braunſchweig, Weftermann. 8.
2 Thlr. 7’/, Rer.
Hottinger, 3. 3., Ariftofratie ımb Demokratie in der
alten Zeit, Kirche und Staat in der neuen. Zwei alabemifche
Borlefungen. Züri, Meyer und Beller. Gr. 8. 11%, Nor.
Kirfhbaum, Auffäge im Gebiete der Religion und bes
focialen Lebens, weiche die Lühnfte biblifche Kritik bei ber gluͤck⸗
lihflen Rettung des Ehriſtenthums, wie bie rabicalften fociaten
Keformen bei ber geakeen Schonung des Beftehenden enthalten.
Iftee Theil: der jüdifche Alerandrinismus eine Erfindung chrift-
Ucher Lehrer. Oder Beiträge zur Kritik biblifcher Geſchichte
und Literatur, in welchen die Aufmerkſamkeit ber Korfcher auf
bisher nie geahnte Quellen für die Urgeſchichte bes Chriſten⸗
thums gelenkt wirds; nebfl einer Darftellung ber Uribee des
Ehriſtenthums. Iftes Buch: Zübifch « griehifche Originale, vor:
Be ie und Sirach. Züri, Literariſches Somptoir. Gr. 8.
2 Agr.
— — Derſelben 2ter Theil: Vorſchlaͤge zu den radicalſten
ſocialen Reformen bei der groͤßten Schonung des Beſtehenden.
Zuͤrich, Literariſches Comptoir. Gr. 8. 711, Nor.
Klenze, Die legten Gründe zwiſchen den Dänen und
Schleswig: Holfteinern, oder flaatsrechtlicher Beweis der Staats:
einheit Schleswig⸗ Holfteine. Itehoe. Br. 8. 25 Ngr.
Kortüm, F., Die Entſtehungsgeſchichte des Jeſuiten⸗
Ordens, nebft einem Schlußwort über die neuen Sefuiten. Nach)
den Quellen bargeftellt. Mannheim, Baffermann. Gr. 8. 20 Nor.
Lasaulx, E. v., Der Fluch bei Griechen und Römern.
Würzburg, Voigt und Mocker. 4. gr.
Löwenberg’s, J., Historisch - geographischer Atlas
zu den allgemeinen Geschichtswerken von k. v. Rotteck,
Pölitz und Becker. 2te durchaus umgearbeitete Auflage in
50 colorir.en Karten von J. V. Kutscheit. Iate Lieferung.
Preihurg, Herder. Kl, Fol. 15 Ngr.
Monaldi. Eine Erzählung aus dem Engliſchen des ameris
Tanifhen Malers Waſhington Alıfkon überfegt von Kahl⸗
borf. Leipzig, Brodhaus. Gr. 12. 1 Thlr.
Dertel, 5 M., Das Münftee der Auguftiner Chorher⸗
zen zu St.Afra in Meißen. Cine Säcularfrift zum breihuns
dertiährigen Jubelfeſte der königlich ſaͤchſiſchen Landesfchule da⸗
kb aus aarhinatifihen Quellen bargeftellt. Leipzig, Reclam sen.
Gr. 8. gr.
Öftreig und deffen: Zukunft. Ste Auflage Hamburg,
Doffmann und Campe. 1 Thlr.
Dettinger, E. M., Joujoux. Humoriftifch » fatirifches
Lefekabinet. After Band. Mit Saricaturen. Leipzig, Ph.
Reclam jun. Gr. 16. 1 Zpir. 15 Noar.
ODtt, K., Geſchichte der legten Kämpfe Napoleon’s. Re⸗
volution und Reftauration. Zwei heile. Leipzig, Brockhaus.
Gr. 8. 3 Thlr 15 Nor.
Piratenieben. Geefcenen und Sharakterfliggen. Zwei Theile,
Leipzig, Brodhaus. Gr. 12. 2 Thlr.
Der neue Pitaval. Cine Sammlung ber intereffanteften
Criminalgeſchichten aller Länder aus dlterer und neuerer Zeit.
Serausgegeben von 3. E. Higig und W. Häring (W. Aleris).
Iter Iheit. Leipzig, Brodhaus. Gr. 12. 2 Thir.
Allgemeine Yesbigtfammiung aus dem Verlken ber
Bortefen in Landkirchen, wie uni
Herausgegeben von @.
: GSpiftelprebigten auf alle Sonn: und
Jahres. Leipzig, Brockhaut. Ge. 8. 2 The.
Rathgeber, G., Ausnalen der Niederländischen Ma-
lerei, Formschneide- und Kupferstecher- Kunst. Von Al-
brecht Dürer’s Anwesenheit in dem Niederlanden bis m
Kran Fioris Tod. Ilter Theil. Gotha, Möller. Fe.
r.
Relikab, 2, Befammelte Schriften. Mer bis
Band. Leipzig, Brockhaus. Er. 12, 3 Oi
Sale, Lady, Tagebuch der Unfälle in Afghaniften 1941
—43. Aus dem Engliſchen von I. Deiders. Wit zwei Le
thographien. Leipzig, T. D. Weigel. Gr. 8. 2 Kir.
Sammlung orientalifigee Marchen, Erzählungen und Fa
bein. Serausgegeben von H. Brockhaus. Ifter un fr
Theil: Die Märchenfammiung bes Somadeva Bhatta aus Kafdk
mir. Aus dem Ganskrit ins Deutfche überfeht von H. Brod:
b r us. Zwei Theile. Leipzig, Brodhaus. Ge. 12. 1 Ahr.
Ror.
Gartorius, E., Die Lehre von ber heiligen Liebe aber
Grundzüge der evangeliſch⸗ kirchli Moraltheologie. Iſte Ar
u Bon der —— — und ihrem Fake |
2te Auflage. Gtuttgart, Lieſching. Gr. 8. 271, Rer.
Schenkel, D., Bierundzwanzig Prebigten über Grub
und Biel unfers Glaubens. Iſtes Baͤndche
——— as und Beller. Er. 8. 32%, Wer.
es, .
vertheidiger. BVaterlaͤndiſches Trauerſpiel in fünf Acten. Re
gensburg, Puſtet. 8. 121, Nor.
Schleiden, H., Berſuch einer Geſchichte des großen Brar⸗
bes in Hamburg vom 5. bis 8. Mai 1842. Acch als erlaͤn⸗
ternde Zugabe zu ben 14 Speckter'ſchen Lithograptzien und dem
Panorama. Mit einem Plane bes WBrandes in feinem Fort:
ſchritt von ſechs zu fech® Stunden. Bamburg, Hoffmann und
Sampe. 8. 1 hir. 18%, Rgr.
Schulte, 3. B. P., Die ſittliche Freiheit der Mitalicer
der Maͤßigkeits⸗ und Enthaltſamkeits⸗ Wereine. Leer, Yrötorins
und Sende. 8. 21, Rer.
Seefried, Sidonie Baroneffe v., Ein Album. Bi
— aut unferer Zeit. After Theil. Muͤnchen, Jaquet. 8.
« O8
‚ Gparfeid, ©, Zeittafel der Geſchichte von Leipzig. Kir
zig, Peter. 5 Nor.
Zemme, I D. H., Kritil des Entwurfs des Otuf
gefepbuchs für bie Preußiſchen Staaten.
Rüder und Puͤchlter. Er. 8 1 Tr. IN
Thomas” von Kempen vier Bücher von der Rachfolge
Chriſti. Dem Lateinifchen in dee Sinnesrichtung bes Berfallet
X Des Glaubens |
Plinganfer, oder bie bairifhen Sankt: |
Ifber Theil. Berlin,
und textgetreu in Alexandrinern nachgebildet buch J. B. Rouſ⸗
feau. Fuͤr die Kirchliche Andacht, haͤusliche Erbauung und
den Schulgebrauch. Berlin, Voß. Gr. 16. 22, Near. .
Thun, L. Graf v., Die Stellung der 8lowaken in
Ungarn, beleuchtet, Prag, Caive. Gr. 8. 15 Ngr.
Zrautner, 3. 8. F., Paſſifloren. Gtimmen bes kr
dens und ber Erhebung in Gedichten und Liedern. Ruͤrnberg,
Raw. 8. 71, Nor.
uhden, 5. $., Die Zuftände der anglikaniſchen Kircht.
mit befonderer Berudfichtigung der Verfaffung und des Cultus
bargeftellt. Leipzig, K. Zauchnie. Gr. 8. Thir. 10 Rot.
Walhalla. Meifterwerke deutſcher Poefie. Die deutſchen
Volksbuͤcher in neuen Bearbeitungen. Herausgegeben von einem
Verein von Gelehrten. Mit Zeichnungen von C. Chor,
T. Hofemann u. A. Ifter Band. Leipzig, Peter. 1844
&r. £er. 28. Ir. j
Deutfche Worte eines ſtreichers. Hamburg, Hoffman
und Gampe. 8. 1 Kplr.
Berantwortlicher Heraudgeber: Heinrich Brokkdaus. — Drud und Verlag von F. U. Brochaus in Leipzig.
Blätter
für *
literariſche Unterhaltung:
Mittwod,
Duandt und Gräfin Hahn⸗Hahn.
I. Reife in Schweden von Samuel Laing. Nach dem Eng:
tifchen bearbeitet mit Zufägen und Anmerkungen von Wil:
heim Abolf Lindau. Nebft einem lithographirten Titel⸗
blatte. Dresden, Arnold. 1843, Gr. 8. 2 Ihr. 15 Nor.
Der angezeigten Scheift, im Ganzen und Hauptſaͤch⸗
tichen das Ergebniß einer im J. 1838 unternommenen
Meiſe durch ‚Schweden, iſt das wohlverdiente Städ ge:
worden, einen Bearbeiter zu finden, deſſen Name fuͤr den
Werth des Orginals und zugleich fuͤr die Guͤte der Be⸗
arbeitung buͤrgt. Die Vorrede gibt eine kurze Wuͤrdi⸗
gung früherer Reifen durch Schweden, die Anmerkungen
vervolifändigen und berichtigen zum Theil den Text.
Ein Anhang emthält eine fehr dankenswerthe hiſtori⸗
fe Darftelung der kirchlichen Verhaͤltniſſe Schwedens,
einen Auffeg über die ſchwediſchen Lappmarken, und
eine lehereiche Erklärung des lithographirten Xitelblattes,
Das auf das Land fich bezlehende Gchildereien zeigt.
Wir theilm aus der Schrift Einiges mit, das von
allgemein anfprechendem Intereſſe und dadurch geeignet
fdyeint, bem Lefer d. Bl. in den Stand zu fegen, felbft
ein dem Werthe des Buchs entfprechendes Urtheil ſich
u bilden.
’ Bei Betrachtung eines Volks ift deſſen Sitelichkeit
das Erſte und Wichtigfte. Sehe ungünftig aͤußert Laing
fidy über die der Schweden. Berflört (behauptet er S. 67)
fet durch ben günfligen Erfolg, den die gewiſſenloſeſten
Menſchen feit Suftav’s TI. Ermordung in dem zu einem
Treibhaus politifcher Kaͤnke ausgearteten Lande gefunden,
Des Volks Gefüuͤhl für politifche Sittlichkeit. Nicht min:
der hart äußert er fich Über ben moralifhen Charakter
in den Privatlebensverhaͤltniſſen der Schweden. Er zählt
(Abſchn. 4, &. 73) die Momente auf, von denen man
die sänfligften Einwirkungen auf des Volks Sittlichkeit
erwarten möchte und rechnet: bahin, 1) daß es größten:
theits von Aderbau und Viehzucht lebt, Überdies bei eis
ner Sefammetbevälterung von beinahe gi Millionen die
Manufarturarbeit betreibenden 14,975 Individuen nicht
ia inem umb dem andern Stadtbezirke zufammengedrängt,
federn durch 2037 Anſtalten zerſtreut find, 2) die mäßige
Stärke des Heeres, 3) den nicht ſehr bedeutenden Handel,
4) den Umftand, daß von Fremden Bein Andrang nad
4
Schweden ift, 5) außer ber Mefibenz das Land Keine
große Stadt hat, wol aber 6) eine verhäimißmäßige Ans
zahl von Schulen und Univerfitäten und 7) bie mächtige
und voliftändige Einrihtung der Landeskirche, nicht tm
ipree Wirkſamkeit duch Sekten und Spaltungen gebro=
Shen iſt. Deffenungeachtet erklaͤrt Laing, das Volk fei
fittenlofer al& irgend ein anderes in Europa, fittenlofee
als felbft ein gleich zahlreicher Theil der dichten Bevoͤlke⸗
rungen in Großbritanniens Manufacturgegenden. Nähere
auf diefe Behauptung einzugehen iſt um fo mehr ber
Mühe werth, ale auch Laing, bevor er ſelbſt fich mit
dem Gegenſtande befchäftigt, befferes Vertrauen zu des
Landes Sittlichkeit gehabt zu haben ſcheint. Die Statiſtik
der Liederlichkeit bezeugt, daß in Stockholm die ehelichen
ſich zu den unehelichen Geburten wie 1 zu 2°ho verhals
ten. Auf ber ganzen befannten Erbe geht es nur im
Münden Iebensluftiger her, während nach Puchet died
Verhältniß in Paris 1 zu 5, in den übrigen Staͤdten
Frankreichs 1 zu 7’, nad Laing in England und Was
les 1 zu 19, in London und Middiefer 1 zu 38 fein
fon. Nicht überrafchend ift es demnach, dag einige Sabre
vor der Reife Laing’s aus Rüdfichten fir Geſundheits⸗
und Sittenpflege ein liederliches Haus unter Genehmi⸗
gung ber Behörden als Öffentliche Anftalt- errichter wor⸗
den iſt. Ste mußte aber wieder aufgegeben werben, weil
bie Bewohnerinnen als Opfer ber graufamen Einrichtungen
fielen. Bon der Statiftit dee Verbrechen, die Laing mit⸗
theilt, wobei ex ſich auf Angaben ber ſchwediſchen Staates
jeitung flügt, deren Glaubwuͤrdigkeit in gebachter Hin:
fiht zu bezweifeln er Leinen Grund zu entdeden ver:
mocht bat, heben wir folgende, die übrigen entbehrlich
machenden Angaben aus. Im 3. 1836, wo man Die
ungewöhnliche Schwäche des Verbrecherverzeichniffes erwaͤh⸗
nenswertb fand, waren vor fämmtlichen Gerichtshöfen
des Reiche wegen Vergehen angellagt 26,925 Perfonen ;
22,292 murden verurtheilt, 3688 freigefprochen und 945
in Unterfuchung behalten; es iſt alfo im Berhältnif zu
der Geſammtbeboͤlkerung eine von etwas mehr als 112
Derfonen befhuldige und unter ungefähr 134 eine Übers
wiefen worden. Sondert man hiernach bie ftädtifche von
der ländlichen Bevoͤlkerung, fo iſt in gedachtem Jahre
ein Menſch von 46 der erftern und einer von 174
Perfonen der letztern uͤberwieſen worden, obſchon, was
-
56
allerdings ein wichtiger Umfland iſt, weder wie in Irland
politifche Aufteizungen Anlaß zu flrafbaren Handlungen
geben, noch die Willkuͤr ungerechter Sagungen, wie der
Jagb⸗ und Zollgefege Englands, gleihgültige Handlungen
zu Verbrechen umgefcaffen hat. Jenes Verdaͤltniß zu
der loyalen, menigfiens nicht in Unterfuhung gezögenen
Bevölkerung erfcheint als ungeheuer, wenn man erwägt,
bag im Aprit 1835 die Bevoͤlkerung Londons 1,918,640
betrug und in dieſer als ein Pfuhl von Sünden und
Laſtern verfchrieenen Hauptſtadt während bes 5. 1834
nicht mehr als 3547 Perfonen und alfo unter 540 eine
einzige wegen Verbrechen in Unterfuhung gekommen iſt.
Bon ſelbſt drängt gegen das Refultat, das eine folde
vergleichende Zufammenftelung gibt, fih der Einwand
auf, daß zwifchen Verbrechen und Verbrechen ein gewal⸗
tiger Unterſchied obwaltet, 3. B. eine Aderbau und Bishzuct
treibende, 1000 Köpfe ſtarke Bendlkerung, wenn in ihrer
Mitte während eines Jahres drei betrügliche mit Helfershel⸗
fern ausgeführte Bankrotte vorgekommen find, dadurch mehr
in der Meinung der Menſchen verliert, als durch 300 in der
vaͤmlichen Zeit vorgefallene Holzdiebſtaͤhle; auch beruft ſich
(S. 77) Hr. Lindau in einer Note auf Forſell's „Statiſtik
yon Schweden” (Luͤbeck 1835), wo in Betreff der ſchwe⸗
difchen Verbrecher bemerkt wird, dag aud in Schweben
eine Menge fozufagen rein bürgerlihe ergehen vor
tommen, 3. DB. Übertretungen von Forſt⸗, Branntwein⸗
und Zollverordnungen, verfaumte Wegebeflerungen, ver:
wachläffigtes Scheeauswerfen und — mas in Schweden
eine ganz eigenthümliche Art ſolcher Vergehungen bildet —
unterlaffene Leiftung von Fuhren für die Poſtanſtalt.
Allein Laing’s echt emglifcher Beobachtungsgabe iſt ber
wohlfeile Einwand nicht entgangen. Man lefe, was
(S. 93 und 93) in diefer Hinficht gefagt If:
Ich habe die Abfchrift eines Berichts des Juſtizminiſters
über die im 3. 1837 begangenen Verbrechen gelefen, worin zum
erſten Wtat, wie ich glaube, die Vergehen in drei Glafien ges
theitt And. Die erſie und zweite Glaſſe umfaßt Verbrechen ges
gen die Perſon und das Gigenthum, die in allen gefitteten Sans
bern beſtraft werben, und bie britte enthält Vergehen gegen
die auf gewiſſe übereinkuͤnfte gegruͤndeten Geſetze, z. B. Schleich:
andel, oder übertretungen von Policeiverordnungen, bie mit
buße ober Befängnid geahndet werben. In biefer Gtafle
find aber Vergehen aufgeführt, die ich zur zweiten sechnen muß,
nämlich Hurerei, angebrobter und gewaltthätiger Angriff und
übermäßige Trunkenheit, bie überall mehr ober minder ber Straf:
geſetgebung anheimfallen. Faſſen wir nun jene beiden Staffen,
mit Einſchluß der letztgenannten Vergeben, ins Auge, was
FR das Ergebnißs? Im 3. 1837 warb unter der ländlichen Ber
vblkerung von 2,735,487 Perfonen eine unter 460, unter ber
Gefammtbevölterung von 289,230 Perfonen in 84 Städten eine
unter 78 wegen Verbrechen verurtbeilt. So iſt das Ergebniß,
wenn man jebes Vergehen, das nicht von einer durchaus unfitte
lichen Beſchaffenheit ift, und alle mit Gelbbußen beftraften Elei-
nern Bergehen rag & 81_88
Desgie e man ©. 87—88:
re in dem amtlichen Verzeichniffe der im 3. 1886
unter der Bevölkerung auf dem Rande begangenen Verbrechen
eine Brandftiftung, Mordtpaten, 10 Kindermorbe, 4 Ber:
fftungen, wobei 8 Perfonen verwidelt waren, 9 gemaltthätige
eien mit 14 Mitſchulbdigen, 13 File von unnatürlicyer
Unzucht, 1776 Miesftähte mit 1971 Meitichuldigen, I0SO gemalt:
famıe Anfälle, 7 Meineide. Ich emmähne nicht bie n,
bie als Übertretungen von Policeiverorduum B
wie 190 Faͤlle von unerlaubten Holzhauen, —
gem Betragen während des Gottesbienftes, und nehme aus
der Staatszeitung nur diejenigen Pälte, die in
alten Ländern als ſchwere Verbrechen betragtet
werben undb@ründbezu einer Schaͤtznag bes fittlicen
Buftandes nerfhiedener Länder gehen. Im 3. 1833
erlitten 16, 1836 binmegen 21 Menſchen bie Todesſtrafe und
1835 wurden 574, 1836 aber 392 zu lebenslänglicyer Ketten:
ftrafe verurtheltt. In England gab es 34 Hinrichtungen 1835,
aber 1836 nur 17 und 1835 wurben 523, aber 1836 nur 49%
Derfonen ſchwerer Verbrechen überwiefen. Zu Ende des 3. 1836
enthielten die Gefängniffe Schwedens 13,209 Gefangene, aufır
4 Kindern, bie bei ihren Altern lebten. Unter- diefen Gefan:
genen faßen 547 in Schuldhaft. Die Geſammtzahl der Gefan-
gruen war um 718 größer als im vor .
Sroßbritannien und Irland würden mit ihren 27 Millionen nad
dieſem Bertyäitniffe 148,000 Perfonen von ihres Volkamenge im
Gefängniß fehen müflen. Im 3. 1836 befanden fi in ven
Strafanflaiten Schwedens 53040, die als Verurtheilte büßten.
Die Urſachen dieſes tief geſunkenen ſittlichen Zuſtan⸗
des findet Laing zunaͤchſt in fehlerhaften ſocialen Ein
richtungen, in Folge deren nicht der moraliſche Werth
des Menſchen, ſondern
die Achtung und die Geltung beſtimmen, die bad JIndi⸗
viduum in der buͤrgerlichen Geſellſchaft findet. Ven dem
hoͤchſten Adel an bie zu dem letzten Handwerket herab
Außerlichkeiten und Zufaͤlligkeiten
gehört Alles irgend einer von dem Staate bevorrechteten
Genoſſenſchaft an, und bie laͤcherliche, ſchwerlich in irgend
einen andern Lande gleich weit getriebene Titelſucht, welche
von ber Regierung ohne Maß umd Ziel augebeutet wirt,
ſtellt des Mannes bürgerlichen Rang in. der Meinung
höher als den moralifdgen Werth deſſelben. Zermer hat
das Beifpiel eines zügellofen Hofes entſittlichend auf die
arme und müßige Bevoͤlkerung Schwedeus gewirkt. Die
Sucht, den altfranzöfiichen Hof Ludwig's XIV. nah:
ahmen, hat das Vorbild in allen deſſen Verwerflichkeilen
: überteoffen. Zu Grunde gerichtete verarmter Adel fant
zu den Mittelclaſſen herab und verbreitete unter dieſen
Spielfucht, Liederlichkeit und gämgfichen Mangel an Sian
für Sittlichkeit. Hiernächft zeigt von jener Verſchwoͤrung
an, in der vornehme und gebildete Männer zu Guſtav's II.
Ermordung zufammenteaten, bie Gefchichte Schwedens dad
Bild tieffler politifcher Liederlichkeit. Daß ein Bolt fie
ken müͤſſe, deſſen hoͤchſten Claſſen politifche Grundſaͤbe,
Gemeingeiſt und Rechtsgefüuͤhl gaͤnzlich abgehen, das ver
ſteht ſich von ſelbſt. Merkwuͤrdig iſt es, daß Laing auch
ber Reformation einen smghnfligen Einfluß auf den me
ralifhen Zuftand bes Laͤndes zufchreibe. Denn er meint,
die nicht von der Regierung, ſondern ohne Zweifel in
Form de6 Chriftenfhums: voybereitet gefunden, und fo ſei
nur ein Gultus durch den andern und zwar gerade ders
-jenige verdrängt imorden, der rohe Maſſen am Eräftigken
im Baum halte. Ref, möchte bezweifeln, daß zur Zeit
der Reformation der deutſche Bauerſtand dem ſchwediſchen
Einklang mit der Politik des neuen Fuͤrſtenſtammes Waſa
herbeigefuͤhrte Reformation habe nicht, wie in Deutſche
land, England und den Übrigen vom Katholicismus abe
gefallenen Ländern, die Bevoͤlkerung für eine geiſtigere,
mehr zu dem — ale zu den Sinnen ſprechende
auch sur i minbefien in reiigiäfee Bildung machgeſtan⸗
ben babe. Auch wurde England wahrhaftig nicht vom.
geifitgen Bedhrfnfffen, fondern von dem verabfheuungs:
würdigen Heinrich VIII. reformirt; fchwerlich aber würde
Laing nacweilen koͤnnen, daß die englifhe Volksmaſſe
in waͤchſter Zeit nach der Reformation von biefer eine
ſchabtiche Wirkung anf die Moralltaͤt verfphrt habe. Fragt
man die Schweden ſelbſt, was der Grund der Berderb:
niß fei, fo mefjen bie unterrichtetfien fie ber Trunkſucht
des untern Volks bei, die drei Viertheile aller Verbrechen
Gerbeiführe und ben Meynſchenſchtag moraliſch wie phy⸗
filch zerſtoͤre. In einer Anmerkung des Überfegers leſen
wir, daß vor Zeiten, wenn ſchwediſche Frauen mit ihren
Männern zu einem Schmauſe ober Hochzeitfeſte gingen,
fie immer deren Sterbeflsib aus Worſorge mitnahmen,
und noch jet diefe Sitte fih in einigen Gegenden ers
balten babe. Indeß ſtimmt Laing diefee Anfiche nicht
ganz bei. Theils find ihm ſelbſt nur wenige beraufchte
Derfonen vorgekommen, theils folgert er aus ſtatiſtiſchen
Angaben über den Branntweinvorbrauch in Schweden,
daß die Unmäßigkeit im Genuffe deffeiben nicht fo vers
breitet fein koͤnne, als man im Allgemeinen annehme.
Hoͤchſt eigenthuͤmlich ift Schwedens politifhe Stel:
tung dadurch, daß einzig und allein ber Thron ber Was;
ſa's derjenige iſt, den noch ein den alten Mogenten-
häufen Europas umebenbürtiger, durch die franzöflfche
Revolution aus dem Volke emporgehobener Regent inne
hat, als wovon ſowol gewiffe Antipathien als Sympa⸗
thiess die nothwendige Folge find, wozu noch kommt, baf
da8 von Dänemark getrennte und durch fein neues Ko:
zighaus mit Schweden verbundene Norwegen ſich im
Befige einer freieſten Verfaſſung befindet, welche, verbun:
den mit den Ausfichten in die Zukunft Daͤnemarks,
Wuͤnſche, wol auch Hoffnungen und Entwärfe angeregt
Hat, deren Erfüllung und Gelingen dem ſchwediſch⸗ nor:
wegikhen nicht fehr bemerklichen Cinfluffe auf Die euro:
päifchen Angelegenheiten eine viel bedeutende Geſtaltung
geben Tönnten. Darum theilen wir, was in biefer Be:
ziehung uns in Laing's Buche bemerkenswerth geſchienen
hat, hier mit.
Die Frage betreffend, ob des neuen Regentenhauſes
Zukunft gefidert ift, fo glauben wie, daß für wohl: und
fefibegrändet nur eine in den &pmpathien des Volke
wurzelnde Regierung gelten kann, und für eine ſolche
dung. es keinem ſchlagendern Beweis gibt als eine
freie und unbeargmohnte Meſſe. Brei num iſt aller
dinge mach dem Geſetze die ſchwediſche Preſſe; denn ber
Berfaffung na kann Jedermann bruden lafien, was
er will, namentlich auch beliebig ein Journal oder eine
Zeitung heranegeaben, und verautwortlic ifl er nur dem
Geſet⸗ für Das, was er hat druden lafſen. Allein
ſo wenig umbeargmohnt iſt dieſe Preffe, daß ſelbſt ihre
arferfihe Freihelt factifch geramme Zeit lang wäre auf:
grheden gewefen,. wenn die Aufhebung nicht bie ſchlimmſte
von gen, naͤmlich eine halbe Maßregel geweſen wäre.
Dem nicht cher ats 3840 iſt bie 1812 der Regierung
eingrräumte Befugniß, jede Zeitfchrift nach policeilichem
| durch Die Preffe zu wirken verfichen.
Ermeſſen daxch den Kuflanzier mmtehchden zu inksfen,
wieder aufgehoben wordean. Die umpepwlaire Befugniß
tonnte fall 30 Jahre lang beftehen, weil bei dem Vi⸗er⸗
Kammerſoſteme und dem unbedingten Veto es uͤbenaus
ſchwer war, die Wiederaufhebung von dem koͤniglichen
Willen zu erlangen, obſchon die Handhabung jener Be
fugniß nur diente, das Anfehen der Regierung blotzuſtelen.
Denn nad dem Geſetze war die Aufhebung einer Zeit:
ſchrift nur die augenblidlicye Unterdrüdung ihres Erſchei⸗
nens unter gleicher Buchftäblichkelt des Titels. Nach:
dem einundzwanzigwal des ‚‚Aftonblader”’ (Abendblatt)
unterbrädt worben war, erfchien es weiter als fünfund:
zwanzigſtes Abendblatt. Nah Laing umgibt bes Koͤnig,
"welcher noch jegt dee Landesſprache unkundig and darum
offenbar perfönlich außer Stande tft, von der Stimmung
des Volks eigene genaue Funde zu nehmen, ein Häuf:
lein um ein Jahrhundert hinter ihrer Zeit zuruͤckgebliebe⸗
nee Ariſtokcaten, welche die Preſſe nur zu veizen, nicht
aber im Geiſte conſtitutionneller Regierungen auf die Preſſe
Indeß, da man
feinen Grund bat, zu bezweifeln, was Laing über ben
geſunkenen Zuftand fagt, in ben in Schweden ber Sian
für Rechtlichkeit in Öffentlichen Angelegenheiten verfallen
tft, fo drängt ſich uns bier die Frage auf, wie bei einem.
ſolchen Zuftande ein fonderlicher Segen von einer freien Preffe
zu boffen, ja eine im eigentlichen Siune des Worts freie
Prefſe überhaupt moͤglich fel. Daß die Macht doerſelben
in Schweden höchft bedeutend fein mäffe, ergibt Mich ſchon
daraus, daß in Stodholm 19, in dem gefammten Lande
80 Zeitfchriften erſcheinen. Das Beſtehen der Provinzial
blätter ift durch den MRegierungsorganiemus felbft gefichert.
Denn jede Stadt hat ihre detlichen Berichte, weiche, wie
Laing fagt, bei dem Syſteme, viel kaͤrm um nichts zw
maden, einer Anzahl von Beamten den Lebensunterhalt
geben und fost und fort eine Menge gerichtliche. Bekannt⸗
machungen veranlaffen. Dierzu kammt, daß ber Zei»
tungeftempel überaus niedrig und das Papier aller Pro⸗
vinzialblätter uͤberaus ſchlecht iſt, fo aber die wohlfeilen
Inſertionsgebuͤhren audy für bie Privaten die Einladung
find, aller Arten Anfragen und Anerbieten in die Tages⸗
blaͤtter einruͤcken zu laſſen, deren Beſtehen daburd) noch
mehr gefichert wird. Gegen den Preis von 10 Reiche»
thaler Banco fegt das ‚‚Aftonbladet‘” nicht weniger als
4000 GSremplare des Jahres ab: Die nicht auf Geſetz
berußende DVergünftigung , innerhalb be6 Landes für 1
Reichsſthaler 8 Schill. oder — 16 Er. verfendet zu wer⸗
ben, hat bie übel berathene Regierung diefem Blatte ent⸗
zogen, ohne es dadurch Ändern zu Finnen, daß nur die
freifianigen (in Schweben bedeutet das fo viel als die ber
Regierung feindfeligen) Blätter diejenigen find, welche
aller Orten audliegen. Bebenklich iſt bie Stellung, wie
folyen Symptomen gegenüber jebes Regentenhaus hat,
das fremd des Volks geſchichtlichen Erinnerungen und
nicht in längfler Zeit ber vom Vater auf den Sohn ver⸗
erbten Beſitz der hoͤchſten Gewalt, auch kaum die Bes
fugniß zu felbiger aus Gottes in der Geſchichte manis
feftirten Gnaden ableiten Tann. Die in Abſchnitt 9,
S. 353 — 58 über Wie jetzige ſchwediſche Stellung wach
innen und nad außen entwidelten Anſichten Laing’s find
durchaus Intereffant und bedeutend. Hoffentlich gelingt
es Ref., diefelben — benn fie find etwas breit und Leben
bin und wieder an entbehrlichen Wiederholungen — in
veraͤnderter Geſtalt mit vollkommener Erſchoͤpfung bes
Weſentlichen mitzutheilen.
¶ Die dortfetung folgt.)
Engliſch-jüdiſche Zeitſchrift.
Es iſt vielleicht dem chriſtlichen deutſchen Publicum noch
wenig oder gar nicht bekannt, daß ſeit 1841 in London eine
Zeitfcheift esjcheint, die unter dem Titel „The voice of Ja-
cab" das einzige Öffentliche Organ für die Wünfche und Forts
fihritte der in Großbritannien lebenden Juden if. Die erſte
Nummer batirt „Rosh Hashanah, a. m. 5602”, was in Eng»
land und Deutſchland „den 16. Sept. 1841 bedeutet. Alle
14 Zage erfcheint ein Kleiner Bogen und ber erfte Jahrgang
liege in einem Bande gefammelt vor. Politiſches enthält
ee gar nicht und das Ganze iſt in dem Geile redigirt wie
die „Zeitung des Judenthums“ und das beutfche „Zion“, ober
auch das franzöfifche „Archives des lIsratlites”. ,,The
voloe of Jacob" beſpricht ausfchließenb juͤdiſche JIntereſſen,
namentlich Gryiebungsinftitute und geiftige Cultur. Gleich der
Anfang erzehlt die Ginmeihung einer am 14. Sept. 1841 in
London eröffneten Schule für 120 Kinder, und eine fpätere
Rummer berichtet, daß bie Altern Geſchwiſter und ſelbſt die
Mütter jener Kinder ſich durch deren Kenntniffe fo beſchaͤmt ge:
füptt, daß dies zur Errichtung einer Abendſchute für Erwachſene
Auleß gegeben, die bereits von 280 Perfonen befucht werke. Cie
nige burze Auszüge mögen ben Inhalt der Zeitichrift bezeichnen.
„Zi. Niſan, 3602 (1. April 1842). Gin viel verfprechendes
Wert von Hrn. Joſeph Schwarz befindet fih in Ierufalem
unter der Preffe. Es wirb drei Abthellungen haben, von denen
die erſte unb zweite Hebraͤiſch, bie britte Deutfch gefchrieben ift,
und eine Reihe Auffäge über ben Oſten bringen, in phyſiſcher,
politifcyer und hiſtoriſcher Beziehung. Gedruckt wird es in ber
erſt kürzlich in Ierufalem errichteten Officin.“
„35. 26 5602 (22. Zuti 1842). Wir haben eine neue,
voriges Jahr in Zerufalem gedruckte Ausgabe bed Rituale er⸗
beiten und uns felten fo wahrhaft innig gefreut, wie über biefes
junge , frifche Erſcheinen eines hebräifchen Buchs in Ierufalem.
Die Preffe ift von jeher Vorläuferin der Verbeſſerung gemwefen,
die Schwalbe, die ben geiftigen Fruͤhling verfündet. Wo ges
drudt wird, gibt es Auffoberung zum Lefen; wo gelefen wird,
entſtehen neue Ideen, da ift Eeben, gibt’s ein Vorwaͤrtsſchreiten.
und wie gleichguͤltig auch der Jude gegen Lebenszeichen ferner
Brüder fein möge, ſolche Zeichen, wenn fie in Jeruſalem ſich
offenbaren, müflen zu feinem Innerften reden.” '
„Um die Mitte bed vorigen Jahrhunderts Iebte zu Prag
in Böhmen der gefeierte Rabbiner Sarah Eiblis, ein Mann
von großem Verſtande und tiefer Auffaflung, nicht blos berühmt
wegen feiner Kenntniß der heiligen Schriften, des Talmud
und deſſen Gommentaren, fondern auch befannt durch feine
mathematifhen Studien, von welchen fein Werk ‚Die Kunft zu
rechnen‘ Zeugniß liefert. Rach der Sitte feines Wohnortes
und Zelt, in welcher er lebte, theilte er feine Stunden
zwiſchen einfames Studiren und unentgeltliche Beiehrung, wäbs
rend feine Gattin mittels eines Fleinen Kramhandels die Er⸗
fobernifle des befcheibenen Haushaltes erwarb. Gidlitz Eannte
recht gut bie reichen Quellen, welche feine Gelehrſamkeit ihm
öffnen koͤnne. Aber er lehnte jebe Belohnung ab, weil unvers
einbar mit dem Worte des Wellen: ‚Wer fein Pfund ſolcher⸗
geſtalt misbraudgt, Der foll verworfen werben.“ Im Fortgange
Berantworilicher Deraußgeber: Heinrich Brokhaus. — Drud und Berlag von E. X.
ber Beil wurden die Unhande bes gelehrten Mlamnes inmer
druͤckender und es kam dahin, daß er ſich viele Bequemlichkeiten,
oft die nothwendigſten Beduͤrfniſſe verſagen mußte. Deflenunge
achtet hielt er aus und verſchwieg ſeine Armuth, damit, wenn
fie befannt würde, es nicht ausfähe wie ein leifer Anſpruch auf
Unterflügung. Zu felbiger Zeit beſuchte ihn eines Tages ein
alter Freund, ber Rabbiner Israel Frankel, Vorſteher der prager
Gemeinde, und im vertrauten Geſpraͤche entdeckte ibm Giblie
feine wahre Lage. Als Beide bald nachher fich wieder fahen,
machte Frankel auf bie zartefte Weife Eidliten ein Gelbanerbieten,
das dieſer jeboch ſchlechterbings nit annahm. ‚Wohl‘, vers
ſette Erankel, ‚bu weißt, daß Bott mid mit Reichthum gefeg⸗
net bat, daß ich aber in Folge meiner zeitlichen Stellung die
Befähigung bienieben nicht erlangen kann, bie dem Gtubium
des Rechtes gebührt. Willſt du alfo dieſe Kleinigkeit ſchlechter⸗
dings nicht annehmen, werde ih fagen, du thueſt es aus Reib,
bamit ich durch meine Handlung mir nicht einen Anfprud auf
bie Befägigung im künftigen Leben erkaufe.“ Diefe Au
hatte den gewuͤnſchten Erfolg, aus Rüdiicht für das Gefühl
Perung
feines Freundes nahm Ciblig bie Gabe an. Die Zeit verrann;
die Sreunde fahen ſich oft, aber, wie leicht zu denken, ber Ge:
genfkand gnunde nie aber Haan?
ankte ie und ſtarb. ie feine Pflicht es Heifchte, begab
ſich Frankel in bie Wohnung bes —* 8 —
verzeichnen. Doch war das eine bloße Foͤrmtichkeit
wußte, wie arm Ciblig geftorben.
ben Haͤnden geloffen. Beim Uinterfuchen ber
entdeckte
Frankel ein hartes, rundes Packet. Er *
es hervor; es war
ein verſiegelter Beutel mit einer beträchtlichen Geldſumme, und
an dem Beutel hing ein Zettel, auf welchem bie Worte ftanden:
‚Bei mir deponirt von meinem
kei‘,
Freunde, dem Rabbiner Serasl
4.
titerarifhe Anzeige.
balt
Allgemeine Predigtsammlung
‚ aus den Werken ber vorzüglicäften Kanzelvebner; zum
Vorlefen in Sanbfischen wie auch zur häuslichen
rbauung.
Derausgegeben von .
Dr. Eduin Bauer.
weiter Band.
Auch unter dem Titel:
iſtelpredigt
Spiftelpere 4 3 auf alle Sonn: und Vet:
Nach einigen Jahren ers
Geftorbenn, ben Nachlaß zu
‚bean er
Eidlig Im Studirzimmer des Ge
ſchiedenen ftand eine Kifte, worin Manufcripte und andere Gas
hen, welche ber Gigenthümer von Werth geglaubt und fo Heilig
gehalten, daß er während feines Lebens den Gchlüffel nie aus |
Neu erſcheint und ift durch alle Buchhandlungen zu er⸗
en:
ahtes aus ben Werken der vorzuͤg⸗
lichſten Kanzelredner; zum Vorleſen In Landkirchen wie
auch zur haͤuslichen Erbauung. Gr. 8. 2 Thltr.
Der erſte Band dieſer Sammlung (1841), welchem von
Seiten ber Kritik das Präblcat eines Wuſterduches von
. eloarträgen beigelegt warb, enthält —— —
r
und koſtet ebenfalls 2 Thlrz3 mit einem ſpaͤter
erſcheinenden dritten Bande: —X* über freie Texte,
wird dieſes Werk gefchloffen‘ werden.
Eeipzig, im Auguft 1843,
“ F. AÆ. Brockhaus.
rodcbaus in Leipzig,
—
Blätter
‚ l u
.
fir
littrariſche Unterhaltung.
— ——— or ⏑—⏑ ⏑ — — ---- eo r 20
10. Auguft 1848.
Schweden beurtheilt von Samuel Laing, I. G. von | yeimzen füritten, erfiärten fie factiſch Schweden fin eis
Duandt und Sräftn Hahn - Hahn.
(Bostfegung aus Nr. BU.)
Zuerfi von den Umſtaͤnden, weiche bei des geweſenen
Marias Bernadette Berufung zur Thronfolge als ges
geben vorlagen. Als haupfſaͤchtiches Moment, das Bu:
ftau’s IV. Entthronung rechtfertigen foll, führen die Schwes
den den Verluſt Finnlande an, wogegen Laing vielleicht
irrt, wenn er behauptet, dieſer Verluſt fei mehr gewinn⸗
dringend als ſchaͤdlich geweſen, weil jene Befihung gend»
thigt habe, auch im Frieden ſich immer fchlagfertig zu
hatten und fobann, weil Schweden felt Finnlands Ber:
Iufte den eigenen Getreidebedarf erzeuge, während fruͤher
das Land feine geringe Bevölkerung nicht habe ernähren
tönnen. Dagegen iſt es aber wol unbeſtreitbar richtig,
daß in Folge der geographifyen Lage Finnlands und nach⸗
dent Rußlands Sröfe zu intenfiver Entwidelung gelangt
it, erfteres für Schweden ebenſo nothwendbig mußte vers
toren geben, als es für England unmöglich geweſen iſt,
die Rormanbie zu behaupten. Und wenn erweislich die
wichtigſten Feſtungen von. den befehlhabenden Offizieren
an Rußland find verkauft worden, fo fragt ſich noch, ob
ohne biefe WBerworfenheit eines armen Adeld Rußland
jene ESroberung ſchon unter Guſtav IV. gemacht hätte,
den Männer entthronten, mit denen weder Guſtav Adolf
no Kart KH. ihre Schlachten gewonnen hätten. Der
Herzog von Gödermanland — Laing nennt ihn «inen Ein
deriofen Macbeth — erlangte feinen Zweck, König zu werben.
Den Verſchwoͤrern mußte daran gelegen fein, bie Nach⸗
kemmenſchaft des Entthronten von der Nachfolge in der
Regterung awtzufchließen. In de Auffagungsacte vom
29. Mai 1809 wird hierliber gefagt: Der Radylommen
angeerbte Denkart und der Sippſchaft wahrfcheinfiche Ge⸗
neigcheit, Das zu raͤchen, was zu Rettung des Staats
bereiss geſchehen oder Fünftig vorgenommen werde, Yiumte
die Gefahren ded Reiches erneuen. Der zum Kronprinzen
erwählte Prinz Ehriflian Anguft von Holſtein⸗Auguſten⸗
burg, von ‘dem man gefagt hat, feine Abſicht ſei geweſen,
vom Haufe Waſa die Krone zuruckpugeben, flarb im Mat
1810 auf nicht unbedenkliche Welle. Indem jedt bie
Kikiäbude, das Haus Holftein⸗Auguſtenburg von ber
Madfeige ausſchließend, zur Wahl eines andern Aren
Wahlreich, das es nach feinem der WBorgange If, in tyels
den deſſen Stände ſich für guumdgefegliih beuechtigt gee
achtet haben, die Threonfolge zu ordnen. Sowol die
Partei, weiche den vorigen Käulg entthront hatte, als
Die, welche bes alten Herrſcherhauſes Burchdbeenfung
wünfdyte, beabfichtigte, «inen Bann aus dem
zu wählen: jene, weil fle hoffte, der Neugewaͤhlte merbe
für das ihm fo gänziih unerwartet gewordene gaͤnzende
Loos doppelt dankbar feinz dieſe, weil fie nicht beſorgee,
daß denfeiden eine Macht des Autlandes gegen die Kate
fprüdge der entihrenten Familie fchirmen werde. AQuver⸗
laͤſſig richtig har Iogtere Partei gerechnet. Damm zum
Beweiſe, daß in den Augen ber alten Herrfſcherfamilien
das Haus Pontecorvo noch nicht in bie Legisimiedt einge⸗
rackt iſt, bedarf 06 nicht der von Laing ©. 4 ange
zogenen Thatſachen. Selbſt dann, wenz vor Mertin sımh
bei Leipzig Die Alllirten unbezweifelt nicht ohne. die Schwe⸗
den gefiogt hätten und man glauben follte, ohne Liefe
Siege waͤre Rapoleon überhaupt unbrfiegt geblichen, feibf
dann zesfiörte durch Inconſequenz die Logitimitaͤt ſich
ſelbſt, naͤhme fie auch das Haus Pontecorro under ihre
Aügide. Beruͤhrungen, in welche ſchwediſche Milltains wit
dem Prinzen von Pontecorvo gekommen waren, lenkten
die Wahl auf dieſen. Die jungen Edelleute und Mi
tairs traͤumten von der Wiedereroberung Finnlanda, Die
Hoͤflinge erwarteten großen Einfluß von einem der Sprach⸗
und Eigenthuͤmlichkeiten bes Kandes unkundigen Megenten.
Der König feibft mußte erfreut fein, wenn, was an ibm
nicht ruͤhmlich war, Aber den Ruhm des Thronfelgera
vergefien wurde. Diefe tharfächlicgen Momente find von
der et, daß fie dem neuen Kronpringen die Aufgabe
Kelten, diejenigen Garantien, weiche die Wahl ihm nicht
gab, ihr durch feine Werfönlichkeit, durch die Besbadhtung
von Maximen und Maßregein zu ſubſtruiren, die ihn
populair im eigentlichſten Sinne bes Worte machen Sons
ten, indem fie feine und bie Iuterefien ber Belkemaſſen
verfihmolzen. Bevor wir hierauf eingehen, bie Bemer⸗
fung, daß man ©. 264 fg. kaum ohne Laͤcheln Die Bes
bauptang lieſt, mit Unwillen fehe das proteſtantiſche In⸗
teceffe Deutfhlands die Abkönmilinge eines Röwigs, Deus
bie Reformation ihre Forderung ebenfſo ſehr ats Luther
verbanfe, verdrängt von einem Könige; der zwar einen
v
.. v00
Platz unter ben bedeutendſten Feldherren der neueſten Ge⸗
ſchichte, aber an großen mit verhaͤltnißmaͤßig geringen
Mitteln vollbrachten Thaten ſich ebenſo wenig mit Guſtav
Adolf meſſen koͤnne, als die Zwecke, fuͤr die er gekaͤmpft,
gleich wohlchätig wie Guſtav Abolf's Sage auf, die
Menſchheit zuruckgewirkt hätten, und daß dieſet Unwille
ein neues dem neuen Koͤnigſtamme feindſelig drohendes
Element ſei. Kennte Laing die deutſchen Zuſtaͤnde nur
halb, nur zum achten Theile ſo genau als die ſchwedi⸗
ſchen, ſo wuͤßte er, daß, wenn von keiner andern Seite
Gefahr droht, der Thron des Hauſes Pontecorvo umer:
ſchuͤtterlich feſtſteht. Denn angenommen, bie Beforgnifie
vor einem im Geheimen perfid wirkſamen Proteſtantismus
ſind ungegruͤndet, ſo fragen wir, wie kann jemals werk⸗
thaͤtig in der Entſcheidungsſtunde ein Proteßantismus
werden, der nach allen Kennzeichen zu urtheilen immer
mehr zu einer. bloßen Regation, zu einem Nichtkatho⸗
licismusſein herabſinkt?
— Über des jetiigen Könige Perſoͤnlichkeit und Charak⸗
ter aͤußert Laing ſich durchaus hoͤchſt anerkennend, ruͤhmt
infonderheit — und das iſt ein mächtiger Hebel, wo es
darauf ankommt, ſich der Volkſtimmung zu bemeiſtern —
daß feine Haltung und Benehmen edler und majeſtaͤti⸗
ſcher die Koͤnnigswuͤrde darſtelle, als viele für den Thron
geborene Herrſcher es vermögen. Allein er behauptet, daß
des jetzigen Könige Megierungsanfichten die eines Fran:
zofen ſeien aus der Schule Napolson’s, er fo wenig als
Ludwig XIV. eine Vorſtellung von verfafjungsmäßig or⸗
ganifictem und organiſirendem Volkswillen babe, vielmehr
in. der Erinnerung an die Greuel, die des Volkswillens
wilde Entfeffelung während ber franzöfifchen Revolutlon
geboren, bemfelben abgemwendet umd dadurch dem Koͤ⸗
ige das liberale, fo mächtig und raſch zunehmende In⸗
texeffe, daß im Bunde mit diefem das neue Herrſcherge⸗
ſrhlecht fi gegen bie - ganze Welt Hätte zu behaupten
vermochte, entfrembdet worden ſei. Laing erklärt, jet ſei
vie Legitimitaͤt oder bie Unbefchränkcheit der koͤniglichen
Mechte — biefe und jene dürften dem SBegriffe und alfo
auch dee Sache nach fehr verfchieden fein — was zus
Zeit der Meformation das Papfitbum geweſen, eine hin⸗
fänige vor ber Vernunft binfierbende Lehre, was jedoch
auch von dem Papfithum, faßt man daſſelbe in feiner Idee
auf, eine unhaltbare Behauptung zu fein ſcheint. Gewiß
tft aber, daß fo wie Guſtav Waſa und Guſtav Adolf, obs
ſchon vechtgläubige Proteflanten, fich zugleich dadurch als
politiſch einfichtsvolle Männer charakterifirten, daß fie ihre
Sache mit der des Proteftantismus identificirten, Der
jegige König der Schweden gleiche Politit nur dann be:
befolgte, wenn er frei und muthig den neu aufgehenben
potitiſchen Ideen Europas ſich anſchloß. Statt befjen
flüge er ſich auf das Militair, und die Unzuverlaͤſſigkeit
dieſer Stuͤtze hat auch in Schweben fidy vielfach bewährt;
auf eime Ariſtokratie, die, weil fie feinen auf überwiegens
den Landbefig gegründeten Ginfluß übt, indem fie von
Staatsaͤmtern und Militairdienſten lebt, eine Ariſtokra⸗
tie iſt und und von Jahr zu Jahr mehr verfaͤllt. So
haben im J. 1835 Nichtadelige von dem Adel für 107,000
Reichethaler Banco meht Ländereien gekauft, als dieſe von
jenen, und in zwei Jahrzehnden die mittlern und untern
Stände für beinahe acht Millionen Beflgungen, bie bis
dahin adellgen Eigenthuͤmern gehörten. Diefe Richtung
ber Regierung, ber Lang vorwmfrft, daß fie eig Art Kreuz⸗
zug gegen. freifinnige Meinungen umd Stackseintichtung
führe, wird ihr bitter vom der Preffe vergeiten, bie nmicht
müde wird, des Heldenkoͤnigs Thaten mit denen Guſtav
Wafa’6 und Guſtav Adolf's zufammenzuftellen. Alter
dings begibt ſich ein Koͤnig, der in Jahrzehnden ſich noch
nicht die Mühe genommen bat, die Landesfprache zu er:
lernen, des Vortheils, unmittelbar auf die Vorſtellungen
und die Gefuͤhle des Volks einzuwirken, er beachtet micht,
was ihm die ſchwediſche Geſchichte lehren follte: daß im:
mer die Könige des Landes entweder willeniofe Werkzeuge
in den Haͤnden des Adels geweſen find, oder, unmittelbar
an das Volk ſich wendend, eine von dem Adel unabhän:
gige Gewalt behaupteten; daß, als Kart XII. drohte, einen
feiner Steiffliefeln zum Borfige in den Reichsrath abzu:
ſchicken, er damit keine leere Beleidigung ſagte, fonbern
nur kraͤftig ausſprach, dab er auf das Volk, nicht auf
ben Adel rechne. Wie febe die Regierung ihr Anfehen
durch die Art und Meife compromittirt, auf weiche fie
daſſelbe zu befeftigen ſucht, beweift allerdings ſchlagend
folgender Vorfall: Ein Hauptmann, Lindeberg, Heraus⸗
geber einer freifinnigen Zeitſchrift und darum aus dem
Genuſſe feines Halbſoldes gefegt, wollte ein neues Thea⸗
ter in Stodholm gründen und befchuldigte die Krone,
welche als Eigenthümerin ber bereits errichteten Bühnen
dies ihm vermehren wollte, in Öffentlicher Druckſchrift
des geſetzwidrigen Mondpolismus. Zür den deshalb bes
Hochverraths beſchuldigten und nach veralteten Belegen
sum Tode verurtheilten Mann erhob die Stimmung des
Volks ſich fo bedrobend, daß die abeligen Machthaber
nicht wagten, das Urtheil zu vollficeden. Die Eöniglicdhe,
ba6 Todesurtheil in drei Jahre Gefaͤngniß verwandeinde
Begnadigung folte aus der Verlegenheit helfen. Allein
dee Begnadigte lehnte die Begnadigung ab und indem er
gegen die Werwandelung einer Strafe in die andere als
verfaffungswideige Willkuͤr proteflicte, erbat er fih nur,
am 8. Nov. hingerichtet zu werden, an dem Tage, an
welchem Chriſtian U. im J. 1520 nicht weniger als 37
der erſten Edelleute in Stodholm bincichten lief und da:
durch dem erfien Anlaß zu dem Aufflande unter Guſtav
Mofa gab. Nun wurde ber vorher nie fonderlih beach⸗
tete. Gedaͤchtnißtag des erfien Landung bes Könige in
Schweden gebraucht, alle politiſchen Verbrecher zu begna-
digen, obſchon außer Lindeberg nur drei Männer dieſer
Gnade theilhaft werden konnten, von benen ber eine feit
einigen Jahtzehnden ausgewandert, der beiden andern Straf:
zeit ohnehin fall abgelaufen war. Daß ber Regierung
der Sinn abgeht, ihre Stärke da zu fuchen, wo fie Die-
felbe zu finden im Stande wäre, das beweiſt ihr Bemeh⸗
men gegen Norwegen. Dusch einen Vertrag, der für
die Norweger ein Part unter dritten Perfonen war, wur⸗
ben fie an Schweden überwiefen. Wenig angefprochen
von der Rechtmäßigkeit dieſer Maßregel gaben im April
1814 die Nocweger ſich die Nnoch jegt beſtehende Derfaf⸗
fung. Ste und der von ihnen gewaͤhlte König Chriſtian
Friedrich unterzeichneten am-3. Mai 1814 ba6 Grundges
ſetz, letzteter aber gab am 10. Det. deſſelben Jahrs feine
Gewalt in die Hände des Bolks zuruͤck. Die Reicheftände
unterhandelten mit dem an der Spitze eines ſchwediſchen
Heeres heranziehenden Kronpringen, und übergaben am
4. Nov. die Oberherrſchaft dem Könige von Schwe⸗
den, wogegen der Kronprinz in des Königs und feinem
Namen vorausübereingefommenermaßen das Grundgeſetz
befchwor. Nach Karl's XII, Tode iſt er als König von
Norwegen gekrönt worden, nachdem er nochmals das
Grumdgefeg beſchworen. Somit aber iſt fein Recht auf
Diefe Krone das alierlegitimfte, das fi, nur denken läßt.
Wahrhaft ärgerlich zu lefen iſt e8 aber, wie deffenungenchs
tet die Regierung auf eine Act göttlichen, aus dem kieler
Bertrage hergelelteten Rechts. ſich zu flügen ſucht. Im
$. 1821 bat man fogar verfucht, durch Einfchreiten ber
bewaffneten Macht das Volk zu zwingen, das Feſt zur
Erinnerung an den 14. Mai auf den 4. Dct. zu ver:
Iegen. Das gelingt nicht, ſchadet aber unendlich, weil bie
Norweger zu viel gefunden Berftand haben, um die Ab:
fit nidye zw begreifen. Die Folgen find um fo nad:
theiliger, als bie Norweger für das Königehaus, das ge:
ſchichtlich mit ihrer durch das Grundgeſetz geficherten Uns
abhaͤngigkeit innig verfiochten iſt, aufrichtige Ergebenheit
hegen. Was die Unpopularität der Regierung erhöht, iſt
der Umftand, daß die neue Dynaſtie zu halten nur Ruß:
(and ein Intereſſe haben kann, welches recht wohl einfieht,
daß dee König von Schweden und alfo aucd ber von
Norwegen in fietee Beſorgniß, die Nachkommenſchaft des
zufegt entthronten Könige durch fremden Einfluß wieder
zurückgeführt zu fehen, den Zürken und den miszufriede:
nem Polen für immer die Hoffnung. auf ſchwediſche Un:
terſtuͤtzung entzieht.
Die Schweden verbergen ſich nicht, daß einer ihrer
loswenmuthigen Könige aus dem Haufe Waſa bei dem
legten Kriege Rußlands mit ben Türken und bei dem
Auffkande der Polen unfriedfertigere Gefinnungen würde
gezeigt haben. , Aus gleihem Grunde erklärt ſich die dem
Nationalſtolz wahrhaftig nicht ſchmeichelnde Deferenz,
weiche man 1837 gegen Oſtreich gehabt hat, den Her
ausgeber des, Aftonbladet“ zu verurtheilen, weil er —
was war davon wol für Öfteeich zu befürchten? — aus
dem „Bon sens” einen Artikel über den Zufland der oͤſt⸗
reichifhen Befigungen in Italien gegeben hatte.
Die Verwirklichung bes Gedankens an eine Bereinis
gung bes ſchwediſch, daͤniſch, norwegiſchen Nordens iſt
bei Laing ſchlecht empfohlen. Zunaͤchſt bemerkt er, daß
die Kalmariſche Union fchlechte Srüchte getragen, von den
fürfitihen Perſonen, welche während deren Beſte⸗
hens (1397 — 1523) regiert, nur eine eines natürlichen
Zobes im ungeſtoͤrten Befige der Hertſchaft geflorben ſei,
Uame man es nämlid fo nennen, wenn eine Königin
(Margarethe 1412) in der Kajlıte eines Kauffahrteifchif:
fes inbe, das Guſtav Wafa die Union fo leicht geiprengt
babe, «is hätte fie nie befanden, und auch ihre legte
haͤltniſſen ungeeignet zu einem Angriffskriege.
Spur, bie Verbindung Schwebens mit Norwegen, ohne
fonderliche Wehen und Krämpfe verfchwunden If. Daß
die Union nie einen tief und innerlich eingreifenden Zu⸗
fammenbang erhalten, wird ibm begreiflich dadurch, daß
die drei Länder in keinem Austaufch gegenfeltigee Vor⸗
theile fliehen Eönnen. Schwedens und Norwegens Pros
ductionen find die naͤmlichen und dadurch beide Voͤlker
Rivale auf den Märkten des Auslandes. Belden würde
da6 Getreide Dänemarks willlommen fein, nur wenig
würde dagesen Dänemark von ihnen als Zahlung neh⸗
men koͤnnen. Ein ganz anderes iſt das Verhaͤltniß ber
drei britifchen Reiche. Würde Irland von England ab:
geriſſen, fo wuͤrde eine ſechsmonatliche Erfahrung das
Verderbliche der Somderung fichtbar machen. Übel ſtuͤnde
es auch nach Laing um bie militaicifche Macht der verbuns
denen Reiche. An ſich wäre ihre Über ein zerriffenes, weit
ausgedehnte Areal verbreitete, zufammen nicht mehr als
5% Milion beteagende Bevölkerung unter heutigen Ver⸗
Gefaͤhrlich
aber wuͤrde, beſonders gefährlich für England es fein,
wenn Rußland im Finnifchen Meerbufen oder vor Stod:
bolm die wichtigen Häfen vom Sund bis zum Norbcap
erobern koͤnnte und die Vertheidigung foldyer Intereſſen
einem ſchwediſchen Adel anvertraut bliebe, während Mors
wegens focale und ſociale Verhältniffe daffelbe gleich der
Schweiz und Tirol in den Stand fegten, des nachbarli⸗
hen Schutzes entbehren zu können. Wir hefchließen.
hiermit die Dittheilungen der aus dem bedeutenden Werk
hervorgehobenen Bettachtungen, wuͤnſchend und Übergeugt,
die allgemeine Kenntnignahme von demfelben gefördert und
befchleunigt zu haben.
(Die Yortfegung felgt.)
Le Comte J. Capodistrias, president de la Gröce, juge
par lui-meme. Paris 1843,
Es muß als ein gluͤcklicher Gedanke bes ungenannten
Herausgebers des vorliegenden Bucht angefehen werden, ben
Grafen 3. Kapobiftrias, als Präfidenten von Griechenland, durch
ſich ſelbſt gu ſchildern. Er hat dazu bie im 3. 1830 in Genf
in vier Bänden erfchienene „Correspondance du Comte J. Ca-
podistrias, prösident de la Gräce” benust, inbem er, von
dem officiellen Charakter diefer Sammlung und von dem hiſto⸗
rifhen Werthe derfelben für Beurtheilung bed Kapodiſtrias in
feiner Stellung als Präfldent von Griechenland ausgehend, deren
reihen, durch feine Maſſe den Lefer faft erdrüdenden Inhalt im
Allgemeinen zugänglicher und im Einzelnen gleichſam genießbarer
zu machen ſich bemühte. Zu diefem Bmede, und zum 3wecke
ber Beurtheilung bed Kapodiſtrias aus deflen, in feiner Brief⸗
ſammlung enthaltenen Gorrefpondenz, bat ber Herausgeber bie
einzelnen Gegenftände, welche in der Maſſe jener Briefe des
Kapodiftriad behandelt werben, unter gewiffe Geſichtspunkte ges
orbnet, wonach es nun um fo leichter iſt, den Präfibenten Ka:
pobiftriad in den einzelnen Beziehungen feiner Stellung und nach
den einzelnen Seiten feiner mannichfachen Wirkfamleit, feines
Wollens und Strebens bin zu betrachten und aufsufaffen. Der -
bier gegebene Auszug iſt an und für fich hoͤchſt lehrreich und
von befonderm Intereffe, welches infofern noch erhöht wird,
als ber Derausgeber dabei den hiſtoriſchen Zweck der Beurthei⸗
lung des Kapobiftriad durch ſich felbft feftgehalten und allein
vor Augen gehabt hat; er hat biefem Zwecke jede andere Stück
fiht unterorbnen wollen und namentlich auch deshalb möglichft
bat, nicht unterfuchen und nicht enticheiben.
ermuͤdliche Thaͤtigkeit, fein ganzes inneres und Auferes Weſen
£ennen zu lernen. Indeß muß doch auch dagegen wenigftens
im Allgemeinen die Wahrheit als unumſtoͤßlich geltend gemacht
werben, daß Das, was jene „Correspondance” enthält, nur
bis zu einem beftimmten Punkte für Kapodiſtrias angeführt und
zu feinen Gunften angezogen werben kann, und daß im Minzeinen
davon da nicht mehr die Rede fein kann, wo etwa bie Ihat-
fachen wiberfprechen. Fehlt es jeboch noch zur Zeit an einer
wahrhaften Geſchichte Griechenlands unter ber Präftdentichaft
des Grafen Kapodiſtrias, fo mag Ref. auch um fo weniger
auf die nähere diesfallfige Unterſuchung fich einlaffen, als er nur
im Allgemeinen obige Bedenken hat ausſprechen weisen, aber
es auch ausſprechen zu aA: geglaubt bat. Bis bahin, mo
wir eine auf unparteüfcger Prüfung ber Thatſachen berupende,
und mit Unparteilichkeit geſchriebene Geſchichte Griechenlands
unter Kapodiſtrias erhalten haben werben, wollen wir uns an
das Wim Yalten, welches wir ums von dem Wanne, bem 98
at, ams feinen Briefen zufammenfegen koͤnnen, und wonach er
unleugbar ats hoͤchſt liebenswuͤrdig und achtungswerth erfdeint ;
wir wollen es nicht verfennen, daß in den Worten bes Heraus⸗
gebers der vorliegenden Schrift: „Capodistrias a été me&connu
avant d’avoir &te connu; il a étéę condamue avant d’avoir
66 jug6 (©. xii fg.), viel Wahres liegt; und daß keine Vor⸗
eiligfeit im Urtbeilen über biftorifche Perfonen, wenn man nur
feroft ein diſtoriſches Gewiſſen hat, mehr und empfindlicher fidy
beftzaft, al& wenn biefe Perfonen auf Zeugniſſe Anberer und har
menttieh auf Zeugniſſe aus einer Zeit fich berufen können, wo fie um
fo weniger für verbächtig angefeben werben tönnen, und als fie
fahr fich felbft und für ihr reines Wollen und Streben fo echtes
gniß abtegen, wie Kapobiftrias in feiner „Corsespondance”
x fi zeugt. Der Wann, von weichem ein Freiherr von
@tein fo urtheilt, wie derſelbe es gethan, und ber mit jo reinen
und frommen Gefinaungen bas große umd vielfach ſchwierige
Werk der Befreiung Griechenlands von der Herrfchaft der Mus
ſelmaͤnner und von ben Fallſtricken einer binterliftigen, lügen:
haften, Eurzfichtigen Politik ergreift, wie fie Kapodiſtrias unter
Anderm in einem Briefe an den obengenannten Stein vom
8. Aug. 1927 ausfpricht („Die Briefe bes Freiherrn von Stein
an den Freiheren von Gagern“, ©. 196), ein folder Mann
kann nicht fo ohne weiteres verworfen werben, wie es gleichwol
fo Manche in und außer G@riechenlaud, vor und nad 1831,
auf fo unwäürbige Weile gethan haben. Die Leibenfchaften der
Menſchen können die Geſchichte nicht machen, aber die Geſchichte
brandmarkt das Urtheil, das die Leibenfchaften der Menſchen in
fie fetbft, die Geſchichte, und über fie ſelbſt gebracht hat; und
wiſſen wir denn übrigens fo genau und im Ginzelnen, welchen
Aniheil jene Hinterliftige, Tügenbafte und kurzſichtige Politik
an dem Fehlſchiagen der reinen Abfichten bes Präfiventen Kapo⸗
diſtrias für Griechenland und an dem trausigen Ausgange bes
Mannes ſelbſt gehabt hat? Dis nachfolgende Beit mindeſtens hat
von. gewiſſen Seiten die Politik nicht inaciq
—æe bis auf Ku — Zeit Pe A
Literarifche Notizen aus Kranfreid.
Biegraphiſqhes.
Co umenbiic ziel auch ſchon Aber bie ſranzoſiſche Revolution
von 1789 gefchrieben if, fo Kart doch isder Tag irgend einen
neuen Beitzag, den ber Geſchichtſchreiber Diefes wichtigen Ereig⸗
niffes nicht unberücfichtigt laffen darf. Außer den Memoiren
der Zeitgenoſſen und Xugenzeugen, weiche, wenn fie wirklich wie
bie bon Barrere, von denen ſoeben die beiden legten Bände die
Preſſe neriafen, amthentiig find, voryäglicdes Iuterafie in As-
fpruch nehmen, verdienen bie Biographien und Charakteriſtiken
ſolcher Perfonen, die entweber bei jenem großen Drama felbft
mithandeind aufgetreten find, ober die wenigſtens mit den
Heiden der Revolution in Beruͤhrung kamen, befondere Beachtung.
Wein fie von unterrichteter Band berühren, To Thnnen fie bie
Stelle von Memoiren wertwien. Wir achelten jett chen eime
ſoiche diographiſche Notiz über ben Grafen Bigot de Prdamenen,
der während bes Kaiſerreichs Cultusminiſter war, aber ſchon feit
dem Beginn der Revolution eine politifche Wolle geſpielt Hatte,
und namentiich ale einer ber drei Stedacteurs des
Barante” geleſen haben. Fayet jeans in einigen Zugen das
Geben feines Großvaters, der feit 1769 bis gar gweitean Reiten
ration ſtets an ben Crnatseriääften Theil genommen, Obgleich
diefe Kleine Biographie, die mit wahrhaft kindlicher Liebe ges
fchrieben iſt, weniger dramatiſches Intereffe in Anfpruch nebmen
fann ats die Tebensbefchreibungen der eigentlichen Stevofutiond-
heiben, fo swisft fie doch auf einzeine Partien ber damaligen
eier ber Bert, das Belt ———
ex Verf. erhaͤltniß ber fra i
zum päpftlichen Stuhle ſchildert. hen Sg
Überfegung des Spinoza.
Zaft alle jüngern Gelehrten, die fich auf dem Gchiete ber
Philoſophie hervorgethan haben, find Schüler von Goufin, ben
man den wahren Reflaucateur dieſer Wiffenfihaft in Jreutreich
nennen Bann; auch H. Saiſſet, der vor karzem eine übers
fegung ſaͤmmtlicher philoſophiſcher Werke von Spinoza hezaus-
gegeben bat. Dieſes Unternehmen iſt um fo verdienfllicker , da
bisher in Frankreich nur eine einzige von den Schriften der
berühmten Denters und auf biefe nur in einer ungenägenben
und mangelhaften Überfegung bekannt war. Goufin bat von
diefer eren vollfiinbigen Sammlung in ber Akademie einen
ſehr günftigen Bericht erflattet. Beſondert hebt er den Werth
der ausführlichen Einleitung und der einzelnen Borbemerfungen
zu jedem der eingeinen Werke hervor. Bei diefer Seteg
jagt Coufin auch nodi: „Deutfchland iſt das einzige Band Ham
ya, wo man eine Überfegung ber Werke a6 Opinoza
verfucht hat, aber biefe Überfegung ift dunkler als ber Skert
ſelbſt, und entftellt überdies den Sinn nicht felten. Eine Fran
söfifche Üderfegung ſcheint mir allein fähig, feine Werte Alen
zugaͤnglich zu machen, denn es iſt dad Privilegium unferer
Spradıe, daß fie gewiſſermaßen für die metap Begrife
eine Act von Sieb iſt, das nur Das durchläßt was wis£tich
far und verfländig if.” Es liegt nielleicht etmas Wahres im
biefer Behauptung, um fo mehr, ba der Say Boltaire’s „Tour
X n'est pas clair n’est pas frangaĩs“ noch feine Geltung
at. 2.
Berantwostlier Herausgeber: HYeinzih Brockhaus. — Deud und Berleg von E. A. Beodhaus in Beipzis.
277
literariſche
Blatter
fr m
Unterhaltung.
26 . £ .J)
Quandt und Gräfin „Hehn- Dahn.
(Bortfehung aus Mr. 282.)
23. Nippes von einer Reiſe nach Schweren. Bon 3. G. von
Quanudt. Beipzig, Fe re &r.8, air. 15 Ngr.
Sehr verſchieden von Lalins’s Schrift iſt die dei
Hm. % Quandt; denn es Kind, nach feinen eigenen
Worten, Alles, was er gibt, nur Eriunerungen an
unmittsfbaus Eindrucke. Was. er wmiedertzeſchrieben, follse
kein Daubbuch für Solche fein, weiche eine Reife aus
treten wellen, Tondern zuruͤdgelegt haben und gern dei
Exriehten gedenken. Bei einer Melfchsfchreibung, beſonders
wenn fie ſich alſo ankuͤndigt, kommt mehr als bei irgend
einer andern Schrift Alles auf des Meiſenden Subjretivi⸗
sit an. Desijenige, welcher und gegenwärtig von feines
Kelle nach Schweden Nippes mitgebrache hat — Soech⸗
iR der Meinung, De ſchlechteſde Art von Gloſſen wären
Diejowigen, Die fich ber eisen Namen maden ließen +,
begeichnet In dem Vorweorte, das er. eine Vorlage nemmt,
bie Wenigen, auf deren Aufriedenheit mit Ihm es rechne
— wmittelbar alte auch ſich ſelbſt —, für Solche, bie
fi gerußig in alte, fehle und wohleingerichtete Huͤuſer
zucdckgegogem, gegen Die Welt mit Kunſt⸗ und Nas
turprodacten · verſchangzt und das Alte liebgewonnen ha⸗
ben, weiül fie deſſen Gehalt erprobt, und dene man
nicht erlauben weile zu fein, mie fie find, obwol —
der Zufag Klicfte gefläffentlich mehr Krgerniß geben ale
eben neth that — des meumodifchen Redner Wahl⸗
ſpeuch fei ‚‚i erlaube weis”, wihrend He v. Quandt
geſteht, Heber einen Kammmerfänger ald «einen Kammer⸗
zebener zu. hören. Ja, er toeibe bie Keckheit fo weit,
S. 82, wo..e über ſtockheimer Journalweſen fpeldzt,
za fagen md drucken zu lafſen: bie Preßfreiheit wire
wur dann puhlffig, wenn bie Journaliſten unartgeitlich
(gratis) um ber Wahrheit willen ſchrieben, aber micht ait
Selle Mischlinge ber Medemeinuugen. Seltſam ſei «6, daß
die Ungufriedenen nie auf den Einfaln kaͤmen, ben Grund
Mens Bispeeguügens in ſich ſelbſt, in ihrem Benskab,
Wen Yirtäiihen Werhätnifien, ihern Beumögmöuiuftäns
dan und bergieihhen zus fuchen, fondern Alb, was fie
ber Reglerung aufwiistn. Daft
ustogie
11. Auguft 1848.
mächtig ift, einen Ariſtokraten, einen Ultra, einen Gets
feruativen fcheiten, Leicht möglich meit irgend einem ganz
und gar umebserbietigen Werte benenmen. . Zum groͤßten
Std fuͤr ihn ſcheint des harmisſe Bann ſich niche ſen⸗
derlich viel daraus zu machen; Dean gleich tm den Aen
Zeiten raͤth er Jedem, ber fi von dem Mache midht
möchte angefprocen fühlen, kuczwag Alles baifeite Begen
zu laſſen. Inbeß Ref. macht es fi zur Bewiffensfache,
zu warnen, daß man nicht durch uͤbereilte Sefolgung
diefes Rathes ſich um die Freude bringe, die es jeder
Gebildeten gewährt, zu leſen, was ⸗in gebildeter, mit xes
gem Sinn für Kunft, Natur und menfchliche Verhaͤlt⸗
niffe begabter Mann, deſſen Ariſtokratismus ao, vder
wie man bie von dem ſogenannten Zeitgeiſte verſchrieenſte aller
Idioſynkraſien anders benennen möge, jedenfalls kein «in:
geroſtetes Stebengeblichenfein ift, vom eimer sichtigen Idae
geleitet, niedergefchrieben bat. Denn ſoll eine Meiſche⸗
fhreibung wirklich eine Reifebefchreibung, Peine die Wan⸗
derung durch) irgend ein Ausland zur Quelle ſtatiſtiſchen,
geogtaphiſchen, eihnographiſchen oder font eines Art Wiſ
ſens oder auch Notizenkrams machendes Lehrbuch fein,
f6 muß fie, da nun und nimmermehe ein Object, ſendern
nur ein diefelben auffaffendes Subject fi auf den Ellwagen
fegen kann, auch den in dem Vorworte angeflndigten
Ebarabter der Subjectivitaͤt haben. Alles kommt basanf
an, wie die Subjectivitaͤt die Eindruͤcke in ſich auſgenomenen
und biefelben ins Gpiegefbitde dem Befee gu dergegenwaͤr⸗
tigen gewußt hat. Ref. ſcheint dee Hr. Werf. Se ‚age
deutete Idee einer Reiſebeſchreibung mit richtigem Sole
ergriffen und genctid; durchgefuͤhrt zus haben. Nicht Dias,
was uns am meiſten angefprochen. hat. (denn Foem id
Gehalt des Buche, jene wie biefer, ‚find „mit Gleichmnaͤßig⸗
keit durchgefuͤhrt), ſondern fo vie, als füh in dan. mus
Srengen mittheiten Ihe, theilen wir dem Keſer
ats dem Buache mit, um ikea in den Stand zu Rum
fih im voraus eine Vorftellung von bemfelben: zu bilden
Worher wur noch folgende aligemeine Bemmstlung Alte
Bahre erſcheinen Weiſebeſchreibungen in Mafſe und ab
nice wel an ber Zoit, Uber dieſe sigenthlumliche Mattuung
bee Literatur ich zu theeretiſchen Kerfichten gu erhebe,
mach demen die Aritik jebb ſolche Schrift unter eins:
tanute Kategorie von Meilchriehreitungen zu ſellen wer
mabdyte, um. alodann deſte geuauer und Abtrjengenbgs auf
die Meile nah Italien.
ae > Br
tee Eigenthämlichkeiten eingehen zu innen. Noch iſt
es dahin nicht gekommen und wird auch ſchwetlich dahin
tommen; daher, um doch wenigflens fo viel möglich ir⸗
gend eine allgemeinfte Anficye der Reife des Hrn. v. Quandt
gu vermisteln, bemerkt Ref., daß, genau — — er
zur zweil Reiſen kennt, denen er einen, Form und Stoff
durtbdeingenden und die Production in ein Kunſtgediet
erbebenden Werth beilegen kann. Er meint damit zu:
naͤchſt und vor allen des jüngern Forſter Reife am Nie:
derchein u. f. w., hiernaͤchſt Goethe’ Erinnerungen an
Lentere find Mef. ber Typus,
welchen er in der Quandt'ſchen Meife wiederholt finder.
Die Reife bat Ref. zum bäufigfien an
jenes wuͤrdigſte Vorbild erinnert, nie aber in Folge
einer erkennbaren, folge Erinnerungen bervorzurufen abs
ſechtlich berechneten Manier. Sedes Wort, und darin
wird ef. jeber Lefer beiſtiimmen, iſt ber unbefangene na⸗
chuliche Ausdruck dee eben angeregten Stimmung. Go
4. B. veflectiet beim Fruͤhſtuͤcke im Hotel zu Stockholm
unfer Reifender (S. 78-79) alfo:
Drei Biäffigkeiten bärfen bei meinem Fruͤhſtuͤck nicht fehlen:
Kaffee, Rahm und Zinte. Alles Dies fand ich von befter Dun:
lität in unferm Hotel und ich war an meinem eleganten Secre:
tair de6 Morgens ganz gluͤcklich, als ich meine Neifeerinnerun:
en zu Papier brachte, welche mir jett wie ein Herbarium vor:
ommen. : Da liegen nun die fdyönen Blumen vor uns, obne
Duft. Es iſt mir ein Bebaͤrfniß, mich ſchriftlich mit mir ſelbſt
gu unterhalten und über Vieles Auffchtuß zu geben; aber das
chriebene Wort bleibt unabändertih und barum ſtarr, indeß
ie Erinnerung immer von neuem auflebt, taufendfältige ger
men und die Faͤrbung des Miederfcheind dom gegenwärtigen
Augenblick annehmen kann. Auch gleicht dos gefchriebene Wort,
weiches den Begriff in ſich trägt, bee Mumie, in welcher nad
de Meinung der Alten ber Geiſt bis zum Weltgericht eingeler:
kert * Kr war einen Augenblic im Zweifel, ob ich biefe
VDlatter dem Feuer ober meinen Freunden übergeben follte, und
endlich fiegte die Betrachtung, daß fie Die nidye leſen werben,
weiche keinen freundlichen Autheit an mir nehmen, einige Recenſen⸗
ten außgenommen, bie nur wieber von Solchen gelefen werben,
weiche kein Buch anfeben. Das iſt der Troſt jedes Schriftftels
ters, daß er beim Schreiben nur an feine Freunde benft und
für diefe jede Schrift die Eigenſchaſft ſympathetiſcher Tinte hat,
weiche, vom warmen Hauch des Mundes, frühlingsgrüne, friſche
Unete immer von neuem wisder mt.
‚die anderes Mal geben artige und huübſche Mäbchen,
bie in einer Mühle dem Reifenden das Mittagsefjen darrei⸗
den, ihm Anlaß, ſich mit recht Logifcher Beſt immt⸗
heit Aber die ſpecifiſche Differenz zwiſchen der
Anmuth ſchwediſcher und roͤmiſcher Töchter des Landes
wutzufprechen. Auftatt aber während ber darauf folgen:
den Fahrt durch die Schatten eines Waldes an bem mit:
reiſenden Sohne Me Entwicklung diefer togifchen beſtimm⸗
am Differenz auf Sokratiſche Weiſe zu verſuchen, de ukt
a ihr weiter nach.
Der WMind wehte bereits Aber die Stoeppeln ber
Gerſte, als Quandt von Dittersbach, feinem in dem
gelegenen Landfite, abreiſte. Am foigenden Tage ließ.
fich ven Dresden nach Leipzig „‚Tpapieren ſchießen“ zub
baue ber Zeiten, wo eine Neiſt kein Spaß, ſendeen
Werke derz Bankunſt, gleich age heim
I pfung empfand. Von Magdehurg his
eine Freube wer, ber Ruͤhrung, mit welcher bie meijner
Gegend, durch bie man damals allmaͤlig fuhr, dea Ku
ben Herz erfüllte, das tief bie Gegenwart der Gottheit
in dem Dom auf der Albrechtsburg, dieſem erhahenen
Fer Bi
— 24). Unter’ den zahlreichen mit unferm —** das
Dampfboot in Magdeburg befleigenden Perfonen befinde
fi ein von ber Leipziger Meſſe heimkehrender Kaufmann,
dem bei ber Klage, daß es dafelbft den Käufern an bar
en Bahlungsmitteln fehle, einfällt, Vermehrung des Pa:
piergeldes würde dem Mangel abhelfen; Quandt, in
bie Homonyme | mit Schein
ominds findet, fragt, was zu foldhen Operationen Xrifle:
teles fügen würbe, der ſchon Geldgefchäfte für era
Widernatuͤrliches hält.
Hamburger Zuflände (vor dem Brande) treten in
beitern und ausdrucksvoll anfprechenden Bildern vor das
geiftige Auge des Lefers, dem fodann von Kopenhagen
fieben Sonderbarkeiten mitgetheilt werben. Scheint nun
fen Dr. v. Quandt feinen Scharfblid einigermaßen ange:
ſtrengt zu haben, ums bie boͤſe Siebenzahl voll zu machen
fo bleiben doch deei dbrig, deren jede für zwei und ein
Drittheil Sonderbatkeit geiten kann. An der Uninerfitdt,
fo berichtet Quandt, werden bie wiſſenſchaftlichen Ber:
teäge, namentlich über Jutisprudenz, in einem dreilährigen
Gurfus alfo gehalten, daß wenn z. B. im ben erſten
Jahren die Juſtitutionen und im Dritten ber Proch ge
(fen wird, bei keinem Profeſſor dieſe Doetrinen im
zweiten Jahre zu hoͤren ſind. Ferner: Königs Neu⸗
mark war zu flach, um das Waſſer gehoͤrtg abfal:
Ion zu machen. Man erhöhte Darum ihn von ann
nach innen, bemerkte aber mach einiger Zeit, alle
fortfahrend würde man Kinig Ehriftiew's V. Denkmal
zum Theil verfchütten. Anſtatt die Bitbfäule höher zu
ſtellen, fchaffte man die Auffuͤllung wieber hinweg. Drit
Sonderbarkeit: wird im Theater, wo uͤbrigens der Preit
ber Abonnementspläge anf dems Wege der Auctien feige
ſtellt wird, ein neues Stud zum drittenmale voleberhelt,
fo entſteht nad) dem vortetzten Acte, während einer Pauft
von fünf Minuten, furchtbarer Laͤrm von Klatſchen und
Pfeifen. Ein Giedenfchlag macht dem Spectakel ein
Ende. Ye nachdem das Klatſchen oder Pfeifen fih de
bei am fidekfien bethaͤtigt bat, wird des Grhd m
Ende geipielt oder wiederholt, bleibt es anf dem Re
toire oder verſchwindet es von diefem. Bei Erwaͤhnung
des koͤniglichen Luſtſchloſſes Sorgenfzei gedenkt Quandt
eines die freundliche Popularität des jetzigen Könige (dia
begeichnenden Zuge. Gin Fleiſcher, der die Reiſe von Kid
nach Kopenhagen mitmachte, erklaͤrte, feine Abſicht fd,
den König zu ſprechen und erwiderte auf die Bremer:
kung, dieſer fel nicht in der Reſidenz: „Das chat nichts
id) gehe gu ihm nach Sorgenfrek” Die beſtellie Jagd
und den ganjen ihn zu biefer begleitenden Hofftaat bat
ber König matten laſſen, um, wie.ein auderer Mitreiſen⸗
bes erzählte, über feine, des bittenb. Erſchienenen Ange
legenheiten ſich anf. das gemausfbe zu erlumnbigen:
(8.85 43),
Wir theilen eine Stelle woͤrtkich mit (S. 20):
obwel ich recht gut wußte, daß dieſes Gebäude mit Ausnahme
eines ſeht alten viereckigen Thurmes erſt um das Jahr 1574
erbant wurde, und bie Geſchichte des Hamlet ein Märchen iſt,
fo vermandelte doch meine Phantafte dieſes Schloß zum Schaus
u jener ntaftifhen und ſchwermuͤthigen Tragoͤdie; ber
Geiſt des 196 ſchritt auf ben Waͤllen am Meer für mid
ſichtbar vorüber. Ebenſo wenig Eönnte Iemand mir wehren,
waf die Kuinen von Belfingborg den treuen König von Thute
zu ſtellen, denn ohne Grenzftreitigleiten zu befommen, bürfte
ih aur fein Reich aus bem hohen Rorben bis an ben Sund
ansbehnm, und wahrfcheinlich ſogar befpiiten die Wellen da⸗
mals bie hohen Ufer, daß er vom Schloſſe den Becher in das
rer werfen Tonnte, denn nad den alten Ringen zu urtheilen,
melde an mehren Orten in den Felſen am @eftabe ber OÖftfee
zum Anhängen der Schiffe befeftigt find, trat die Flut feit
vielen Jahrhunderten weit zurüd. Ron ber Mitte bes Sunbes
kann man beide Ufer fehr deutlich fehen, und wie Helfingör im⸗
mer tiefer hinabſank, leg Oetfingborg mit feiner ehrwürbigen
alten Kisde und den Zrümmern eines Thurmes, ber über der
Otabt auf einer Anhöhe liegt, vor uns aus der Flut empor.
Über die eigenthümliche Art des Reiſens mit ſchwe⸗
diſchen Paftpferden find Bemerkungen, die einem künf:
tig eben dahin Meifenden von praktiſcher Wichtigkeit fein
tinnen. Auf der Fahrt von Engelholm nach Holmflabt
erinnert der Anblick der Gegend unfern Reiſenden an
Everdingen’S poetifhe Landſchaften. Ref. Meinung ſpricht
ibm die fhöne Babe zu, auf befcheidenite Welfe die Er⸗
innerung am Naturſcenen fo wiederzugeben, daß er, mehr
den Eindruck von dem Geſchehenen zuruͤckrufend als dafs
felbe zu beſchteiben verfuchend, dennoch in des Leſers
Phantaſie bedeutende und erfreuliche Bilder hervorruft.
Wenigſtens glaubt Nef., dab man nur Dahl'ſche Landſchaf⸗
ten braucht gefehen zu haben, um durch folgende ſchlichte
Worte ſich wahrhaft. angefprochen zu fühlen (S. 30):
Unmeit Laholm führt eine fteinerne und ſchmale Bruͤcke
in hohem Botenſchwunge über einen reißenden, ſtarken Bach
(Lags), der braufend über Steine ſich hinſtuͤrzt und die Räder
einer verfallenen Mühle in raſchem Umſchwung erhält. Ich
toante mich an dieſem Bitde nicht fatt feben, welchem ein Ma⸗
ler wie Everbingen zu wuͤnſchen wäre. Zwar ficht das Waffer
braͤralich aus, weil es aus Moorgegenden kommt, ift aber bas
bei fo durchſichtig, daß man jeben Stein in ber Tiefe des felfls
gen Flußbetts erkennen kann. Unſer Reifebiener fanb meine
Frende über dieſen Fluß darum fehr paflend, weit in bemfelben
bie beten Lachſe in ganz Schweden gefangen werben, weiche in
der dabei Liegenben Mühle zu haben find.
In ähnlichen aber groͤßerm Stile tft über bie be:
chhmten Waſſerfaͤlle bei Trollhaͤtta gefprochen (S. 47):
Bei dem obern Kalle, der nur 25 Fuß hoch iſt, eilte ich
‚um niit die Überrofiung gu ſchwaͤchen, weiche ber
er unten tiegenbe Sturz beim n Anblick hervorbringt.
Selfeninfel, mit duͤrftigen Fichten bewachſen, die ſich angſt⸗
ih an das Geſtein mit ihren Wurzeln anklammern, ſboellt fi
ver wilden Gothacif entgegen und theilt ihre grünen Fluten, bie
* e MRADIen ga unb bier tritt {6 Vene andere
tiefer I en zu un m eine anbere
— Fapnee einen Dt —* die Gdthaelf zum
I) a en one
Ei
gebäl in Na Son —* taucht 6 oft hoch
ſehnen n auf, w w Schieiern
ſchwebt und wogt uͤber die Feiſen weit — un.
@ ne die Beſchrelbung der Lage von Lila Eder
1
®
Kleebau bier im hohen Norden erinnert ihn an bie
Wohlthaten, welche Schubart von Kieefeld fo weit ver⸗
breitet hat, und Quandt kann nicht recht begreifen,
warum man die Nachkommen biefes Mannes in uns
verfchuldeter Durftigkeit ſchmachten laͤßt, indeß die Leips
ziger Okonomen dem großen Thaer, wie er genannt weich,
beffen Wirthſchaftsſpſtem nur auf einen fehr Beinen Thei
von Europa anwendbar fein möchte, ein prächtiges Denk
mal zu errichten gedenfen.
(Die Bortfehung folgt.
Die dramatifche Eiteratur in England und Deutfchland.
Deutichland und England theilen das Schickſal einer ume
(ebendigen dramatifchen Literatur. „In unferm Lande‘, fagt ein
englifcher Schriftfteller, „hat in den letzten 15 Jahren ber bras
matifche Geiſt ſich in einer Weiſe offenbart, welche in der Ger
ſchichte des Dramas aller Nationen ohne Beifpiel if. In früs
bern Zeiten kam es oft vor, daß Schaufpiele, die man auf
ber Bühne gefehen, nie gedruckt wurben, aber wir haben eine
bedeutende Menge Schaufpiele in der letzten Zeit erhalten, bie
gebrucdt und herausgegeben, aber niemals aufgeführt worden
find. Keins dieſer unaufgeführten Dramen hat Abſat gefunden
oder iſt audy nur, wenige Ausnahmen abgerechnet, von der per
riodiſchen Preſſe fonderlich beachtet worben: wie verführerifch
muß bie Gattung fein, daß fie dennoch unabläffig angebaut wirde
Unter ben Literaten iſt augenfcheinlich ein Lebhafter Trieb vors
handen, fih dem Drama zu widmen; allein wie felten wirb
ein neues Drama höbern Ranges in Scene gefegt! Zwei bis
brei im Laufe einer Saifon, bas tft das Außerfte, was vorkommt,
und dieſe erfcheinen felten wieber, wenn biefe Saiſon vorkber
it. Man hatte eine ſchlechte Wahl getroffens was fidy ben
wenigften Erfolg verſprechen burfte, hatte man für vielverfpres
hend genommen. Wie wenige Verfafler erhalten eine aulung:
| Mit etwa vier Namen ift ber ganze Reigen voll. Und es i
kaum ein Dichter, ber nicht für die Buͤhne zu arbeiten verfudgt -
hätte, ungeachtet ſich ihm bie Bühne nicht dffnete.
dieſer Staͤcke ſind Treitich ohne alles Geſchick für
ion gemacht, find effectlos und unſceniſch. Aber ink
per " ie teiettic rg die — gelangen, beſſer? ‚Dee
p Ber nen Birkung;
«ber man gewahrt nur zu leicht, wie eier Naturlich
beum , Kımı und Erfa hil
ran —— ae yn —— — kiſte —2* ßiger
Stuͤcke, unverhoffter Fiasken und Wezuer Bertufte.”
Man hat es uns in Da zum wies
derhoit, daß die dramatiſche Poeſie bei uns nicht gedeihen koͤnne,
weil e6 uns an politifhem Leben fehle. gland hat an por
den leidigen Beitgeift ſchob. Der inbuftrielle @eift, die Unruhe,
te Gewinnſucht, diefe ſolſen die Dämonen fein, welche Luft und
Geſchmack für dramatiſche Erzeugniffe verfcheudhen. Nun ja!
irgendwo muß die Urfache liegen. Aber wo? In den Dampfs
maſchinen und Eifenbahnen Liegt fie unferer Meinung nach nicht.
Denn befucht genug find die Theater. An Luft, fi da zu em
holen, zu erfreuen, zu erquiden, fehlt es im Allgemeinen nicht.
Auf der andern Seite find Kräfte genug bereit, ſich dem Dienft
der Bühne zu weihen. Warum follte fich nit der Geſchmack
des theaterbeſuchenden PYublicums bilden, heben, firiren laflen ?
Es wäre nur nöthig, baß die reiten Kräfte zu diefem Ende
Sifammenmirkten. Und w
T.
Der Schriftſteller, deſſen Bemerkungen -über den Zuſtand
der engliſchen Buͤhne und dramatiſchen Production wir oben
mitthellten, hat ebenfalls verſucht, dem übel auf ben Grund
zu dringen. „Unter vielen aͤußern Urſachen“, ſagt er, „find
«8 zwei vornehmlich, bie ‚ich einer neuen, friſchen Entwidelung
ah entgegenfteen, eine innere unb eine dußexe, bie eine
hetifcher Natur, bie andere durch bie Macht der Verhaͤltniſſe
herbeigeführt. Die erſtere ift: der unwandelbare Hang, Reas
litäten an bie Stelle ber poetifchen Illuſionen zu fegenz die ans
bere ifl: das Monopol. Die erftere macht es zu einem Rieſen⸗
unternehmen, unb daher zu einer ernfihaften
tion, ein fünfaktiges Schaufpiel in Scene zu fegen. Die an»
deve Sept Shakfpeare und bie Probuctionen hödkfien Ranges in
ken Alleinbefit ber bevorrechteten Bühne, während auf ben klei⸗
nern Theatern und in ben Salons ber Tavernen ber Geſchmack
des Publicums mit den elendeften Machwerken verberbt wirb,
macht einen ehrlichen Wettlampf ber probucivenden Kräfte uns
lich und etablirt einen Despetidmus bex Unternehmer und
aufpieler über alle probuctiven Talente. Das Monopol,
ſches ber großen Mehrzahl der Theater bad Recht vaubt, bie
been Scaufpiele, die fie erhalten koͤnnen, anzunehmen und auf⸗
zufuͤhren, Lönnte fo leicht abgefchafft werben, wean ein Par⸗
Ismenssmitglieh den Antrag fiellte. Lord Lyndhurſt hatte einen
laichen Antrag in der That angekündigt, als er plöglich in das
Gabinet berufen wurde und fo die Sache
zur Sprache, man erwartete einen Antrag, aber es iſt nichts
weiter erfolgt.
Die Anwenbung hiefer Bemerkungen auf unlere deutfchen
Abeaterverhaͤltniſſe iſt Leit, und ‚wir glauben, daß fie nicht
ohne Mugen gemacht werben könnte. 48.
Nordamerikaniſche Miscellen.
(Husyhee ans den Öffmiiiken Wlättern des Mereinigten Gtagten
vom Jahre 1B42.)
Der euftſchiffer I. Wife hat neutich feine zweite biesjähe |
ben Derauss
Suftreife vollendet, welche er in einem an
United States Gazette” iben alfo
befgesist: „Wellefonte, am 17. Mai 1842, MWorigen Biennabend
dub ich ben gutem Binwognern biefes Stäbtikene Gelegenheit,
eine Suftfäßet
aty eine ſolche Hiapmelfahrt
nur Bahn gebrochen, fo ginge es |
falen Ueß; neuerlich, |
nad) vor wenigen Wonaten, brachte Losd Mahon dieſelbe Bade |
Der Gongreß bat dem Geber feinen a dieſes 1
5 und daſſelde in der Bibliothek des Sapitols aufhan
en.
Kamm in der geleh 4 t hat,
** old Profeſſor bes Mathematik bei der
wor
nab bie Ginmoßner bakken
verfammelt, um dieſem Schauſpiele beisumohnen. mn ur
Nachmittags flieg der Ballon während einer voilkomn
Windflile empor und 30 Minuten darauf flellte fi eine Aus⸗
ſicht dar, wie man fie fi nicht ſchoͤner wänfden kann. Die
endlofe Kette bed Alleghanygebirgs mit allen feinen Nebenzweigen
gab, von oben herab betrachtet, der Gegend sin einziges und
oßartiges Anfehen. Die zahlreichen Drtfchaften in ben Thaͤlern
en aus wie Häuschen in einem unermeßlidhen Luflgarten.
Große Rauchſaͤulen brangen aus ben vielen Eiſenwerken in Gentee
Sounty „gern und belebten die Lanbfchaft. lngendhtet dies
meine 34. Luftzeife war, fo muß body geſtehen, daß diefe
mir eine der angenehmſten und intereffanteflen war. SEs wäre
Seit onymlnhen.
e
an, unmöglich, eine ber Wahrheit nur annähernbe ilbezung
* praͤchtigen Anblicks geben, den die me ge⸗
waͤhrte. n ber Reiſende auf der Erde der Luftſchiffer
verwandelte fi i
—2
nur mit
Be een ae Bi Ma ne be Brut
vöLg dom biefer Thakfadhe überzeugt.” fon boben mich
Die Hydropathie ober Wafferheillunde hat auch in
Rordamerika Cingang gefunden und befonders find es De }
die ſich hier mit Diefem SGeitvorfahren Gefdhäftigen, aber dabei
nicht felten gegen bie beuufchenben Bonuztbeile zu impfen ‚Haben.
Im Staate Reuvork erifirt bereits sine Waſſerheilantalt unter
ber Leitung des Dr. Richter und auch in Philadelphia bei ein
der, Dr. Karl Reifesing, ſchon Länger als rin Jahr bisfe
—ã— mit beſtem Grfolge angewendet, woräbee
up
Hr. Arthur Middieton hat dem Gongerh zu Mafhington ein
ſchenk gewacht, weiches nady
Bildniß von Colombo un Ge
einem in Spanien befizdlicgen Driging!
Hr. Apequin, ein Ghemiter franıdfi
gepreßten Auderzohre cin ausge
e
denkt, die Sache im Gpgßen
— — — —
Hr. Eaph, der ſich darch feine Theerie ber Strnt sine
. a nn
gen Melt gamach
VDerantwortlicher Herausgeber: Heinrih Brochaus. — Drad und Beriag von B. . Droed aus in Beipgiä.
hlende Zeugniſſe aufweiſen kann. Zeuguniſſe, daß * *
erſten deutſche
‚ges
[dee Abkunft, in eur
} DOxleane, hat die Entbedung 1618 Inh aus
t qut
bereiten laͤßt. Gr bat Hereits ein Patent —*
ya beizeiben.
|
Blätter
für
literarifde Unterhaltung
Sonnabend,
(Sortfefung aus Nr. 222.)
Bon fehe finnigen Bemerkungen über die Naturum⸗
gebungen bei Bothenburg nimmt Dr. v. Quandt Gelegenheit,
gegen die Nachtheile zu fprechen, die atıch bier in Schweden
aus ber Bewirtbfchaftung des unter viele kleine Beſitzer zers
fplitterten Bodens entfliehen. Dbfchon.ber Art Bemerkungen
nicht nen find und dies Thema ſchon vielfach befprochen
worden ift, fo macht doch das Beherzigungsmwerthe des Ges
genflandes es erfreulich, wenn andermweit eines Einſichts⸗
vollen Stimme fich darüber mit dem überzeugenden Nach⸗
drude verbreitet, der überall aus eigener klarer Selbſt⸗
uͤberzeugung hervorgeht.
Don Gothenburg bis Stodholm. (S. 43 — 71):
Dis Schloß und die alte Kirche zu Drebro, in rel:
dem Engelbrecht’6 Grab nicht mehr zu finden, ver:
anlaffen, von dieſem als ſchwediſchem Volkshaͤuptling
und feinen Kämpfen gegen Erik von Dänemark zu be
richten, was natärlich dem in der Geſchichte Bewanderten
nichts Neues, aber zu leſen auch diefem angenehm fein
muß, weil es in einfach wuͤrdiger Schreibart die Erimme:
ung an eine der bedeutendften Perſoͤnlichkeiten der Altern
Geſchichte Schwedens erneuert. ©. 63 findet ſich eine
Stelle, die den Lefer auf Koſten des Verf. erheitert, der
ih bier, ohne allen ausreichenden Grund, einer fentimen-
taten Wehmuth hingibt, die fonft eben nicht feine Stärke
oder vielmehr Schwäche zu fein pflegt. Einem Hirten:
Enaben, an dem er vorlberfährt, kauft er ein Bodshorn
ab, deſſen helfe weit durch das Feld erfchallende Töne ſchon
von fernber waren vernommen worden. Obſchon ber
Empfang ded Geldes ben Knaben „erfreut, als habe er
ein großes Loos gewonnen”, reut doch der Handel unfern
Rafmden, weil er, der jelbft dem Snftrumente keinen
Zen abzugewinnen vermag „dem armen ungen feine
greude abgefauft hat”. Wer möchte zweifeln, daß der
Knabe fhon in den nächften Tagen wieder im Beſitz ei:
us Bodshorn® werde gemwefen fein und damit anberweit
mpleich gutem Geſchaͤfte bereit gewefen wäre? S. 65—70
Irit Quandt über den Dom in Wefteräs, mie er
dena überhaupt große Aufmerkſamkeit den Architekturen
ven Shöffern und Domen ſchenkt. Schr angezogen
heilig und zur Regel zu machen.
nerungen, infonderheit an Guſtav Waſa, die bier den
Leſern vorübergeführt werden, find in bem naͤmlichen
12. Auguft 1843.
bat Ref., was wir &. 72 — 77 über das Schloß in
Stockholm, „dieſes Pracht: und Muftergebäude”, und befs
fen Umgebungen leſen. Der dahinter liegende Stadttheil
Suͤderholm erinnerte Quandt fo lebhaft an Neapel,
daß er Sta : Lucla und Pizzi Falcone zu fehen glaube.
S. 78—88 über „Rand und Leute” und „Die Dalekar⸗
lier in Stodholm”. S. 93 — 96: „Die Zaglioni in
Stodholm”. Hr. v. Quandt ſah fie in dem nämlichen Thea⸗
ter, wo 1792 Guſtav III. ermordet wurde (&. 96):
Diefer Gedanke, daß in bemfelben Locale, in weichen fich
bie ſchoͤne Welt Stockholms jegt amuſirt, ein Königs» und Men⸗
chelmord verübt wurde, verließ mich feinen Augenblid. Ich
möchte fagen, daß mir dadurch bie Taglioni wie ein berculants
ſches Wandgemätde erſchien — eine Zänzerin in den heiterften
Barben auf ſchwarzem Grunde.
S. 96— 105: Upfala und bei Alt: Upfala „bie Graͤ⸗
ber der Könige — Goͤtter — ”, waren das Ziel der Reife
und vorzüglih der Dom hatte Quandt nach Upfala
gezogen. Sin vielfacher Hinfiche ift, was S. 107 — 133
der Verf. in Erinnerung an diefen „‚meifterhaften Bau”
niebergefchieben, fehr anziehend. Unter Anderm fpricht er
gegen die Maß⸗, Zahlen: und Formenmyſtik und Sym⸗
bolik, gegen die Maß = und Zahlenhieroglyphik, welche
fo viele der neuern Beſchauer in den Werken ber mittels
afterfichen deutfchen Baukunſt erbliden. Hier wirft unter
Anderm Hr. v. Quandt bie Frage auf, ob die Baumei⸗
fir, wenn duch die finnlide Wahrnehmung der von
ihnen beobachteten Maßverhätmifie jene Acht⸗, Sieben⸗,
Sche:, Fünf: und Bierede eine ganz andere Wirkung
auf das Gemuͤth machten, als fie der eigentlichen geiſti⸗
gen Weihe und Bellimmung des Baus nach hervor⸗
bringen follten, ob al&dann wol die Baumeiſter folche:
Maße und Formen wegen ihrer Ausbildung hätten waͤh⸗
len innen? und erklärt fih der Meinung, man hätte
den Proportionalmaßen ſchoͤner Grundformen bogmatifche
Bedeutungen angehangen, um fie den Schülern und Sols
hen, welchen «6 an Sinn für Ebenmaß fehle, wichtig,
Die Hifkorifchen Erin⸗
Stite wie bie zu Engelbrecht’8 in Örebro nicht aufzus
finden gewefenen Grabe gehalten. Die Gemälde, bie im
Dome fi) auf die Reformation und Guſtav's freiwillige
Abtretung ber Regierung an Erich IV. beziehen, veran⸗
we:
laſſen den Verf. Folgendes (S. 123) über Hiſtorienmalerei
zu fagen:
Der Hiftorienmaler dat immer einen Entſchluß zu fallen, |
ob er die öeſchichte als thatfächlicye Begebenheit, oder epifch
darftellen will. In Falle muß ihm an beſtimmter, ins
bidföneller Tharakterifit ber Perſonen und der Zeit, alſo an
Partraitähalichlet und Deobachtung bes Moftume und Allem,
was ein Bergangenes dem Beſchauer fehildern Tann, gelegen
fein, jedoch wird dabei immer eine Bekanntſchaft mit ber Ges
ſchichte vorausgefegt werben müflen, wenn bas Bild verſtanden
werben fol. Anders ift es bei ber epiſchen ‚Diftorienmalerei.
Der bargeftellte Heid iſt nur Träger einer Idee, Eymbol eines Au⸗
gemeinen, mas von jebem Menſchen ohne Erklärung verflanden wird.
Wer an Das glaubt, was Quandt hier epiſche His
ei nennt, ber muß auch glauben, daß, wenn
einem kunſtſinnigen Athenienfer in des Perikles Tagen
darch Zauberei eine Flucht nach Ägypten wäre in einem
mittelalterlichen Gemälde vorgehalten worden, er davon
ſich auf befriedigende Weife angefprochen gefühlt Haben wärbe.
Richt fcheint Quandt's Meinung haltbar nad) Ariftoteles,
welcher im vierten Gapitel der „Poetik“ das Vergnügen
bei Betrachtung von Bildniffen auf das Erkennen. der
abgebildsten (wirklichen oder angenommenen, wie 5 B.
der Bötter und Heroen) Perſoͤnlichkeiten zurüdführt.
Eine Meile von dem in einer unabfehbaren Ebene
liegenden Alt⸗ Upfala wurden in alten Zeiten die Volksver⸗
fammiungen auf der Moraheide gehalten. In der Nähe
erheben fich vier Hügel, von welchen brei fo beifanmen
liegen, daß fie einen In die Länge gezogenen nicht fehr
hohen Berg ausmachen. Der einzelne Hügel iſt nad
ben aus ihm hervorragenben Steinen von Natur ent:
ſtanden.
Upſala find die Graͤber der Goͤtter; unter dem einen ſoll
rei, Odin's Enkel, mit feinen Schägen ruhen, der mit:
telfte ein. Heiligthum ber Gerechtigkeit (Ting) fein. Der
dritte Huͤgel wird nach dem Gotte Thor benannt, dem,
was jedoch die Beſchaffenheit des Hügeld nicht glaublich
macht, bier vielleicht ein Tempel errichtete war. Zum
Verftändnig Deffen, was mit den Gräbern ber Götter
gemeint fei, geht Quandt auf bie Naturphilofophie der
Edda ein. Auch was er hierüber fagt wird man gedans
kenreich und anregend finden. Die Ruͤckkehr nad Stock⸗
holm und von da der Heimweg machen den andern Ab⸗
ſchnitt der Reiſe aus, deren Beſchreibung inſofern eine
geſteigerte Bedeutſamkeit erhaͤlt, als Quandt erſt jetzt
auch den Sammlungen und Kunſtwerken, die Stockholm
und die Richtung des Heimweges ihm zu betrachten ver⸗
ſtatteten, ſeine Aufmerkſamkeit ſchenkt und nunmehr viel⸗
fach auf dem Gebiete ſich ergeht, das ſeine eigentliche
Domaine iſt. Moͤgen von jetzt an die Leſer d. Bl. ſelbſt
und allein den Reiſenden bis dahin begleiten, wo er,
wenn ſeine Berichte an Trockenheit litten, Alles mit dem
Ende gut machen würde, das er die Reife und deren
weitere Befchreibung unter einer Dachtraufe nehmen läßt.
(Der Beſchlus folgt.)
giterarifhes aus Paris.
Unter dem Zitel „Mirabeau et l’Assemblde constituante‘'
tt vor kurzem ein Grgänzungsband zu I. Droz' „Histoire du
Die drei bei der uralten Kiche von Alt⸗
regne de Louis XVI erſ Die heraus guͤnſtige
nahme der erften beiden —*X Geſchichte dr den Ber
halt den beiden vorausgehenden nicht nachfteht und die Geſchichte
ber Gonflituirenden Berfammlung enthält. I. Drcz, Mitglich
ie und Fest Weäfibegt auf Guizot's
32 neugegründeten fünften Glaffe des Ins
ſtituts, der Acad&mie des sciences morales et politiques, hat
Mancherlei geſchrieben. In feinem erflen, zu Anfang biefes
Jahrhunderts herausgelommenen und feitbem oft aufgelegten
Bude „Essai sur l’art d’dire beureux‘' war er durchaus Ger-
ſualiſt und Eptturder und hat ſich erſt alUmaͤlig zu einer etwas
gerkinigtern Auffaffungs» und Anfchauungsweife erhoben. Gr
it ein Phitofoph in der Weiſe der Weltleute, dabei Moralift,
mibhr ein eleganter Literator als ein Denker, und bat im Gans
sen recht vernünftige Anſichten. Ohne mit ben \
been ganz gebrochen zu haben, veredelt er fie. Das Schöne
it ipm in feinem „Kssai sur lo beau dans les arts” ;
das Rügliche, was einem zunächft fuͤrchterlich Elingt und Schrecken
einjagt; aber Droz verfeinert bie Vorftellung des Nuͤtlichen fo
lange, bis etwas gang Beibtiches und von Volney's oder Ben:
tham's Begriffen ganz Verſchiedenes herausfommt. So tft auch
die Morat in feinem Werke „De la philosophie morale on des
difiörents systemes sur la science de la vie” ein Eudaͤmonis⸗
mus; der Gigennug fledt babinter; wir thun bas Gute, um
gluͤcklich zu werden; aber man fürchte wieder nicht, daß er zu
Holbach's ober Helvetius‘ Reſultaten komme. Dazu ift Drop
su ſehr nelox ayador. Im Grunde fleht er noch etwas
als die meiften Theologen, weiche für das Gute viel flärkere
Impulſe in Bewegung jegen als Droz, die Himmelsfreud und
das Höllenleid, und welche Gpinoza’s großes Wort: Virtus
virtutis praemium, für toll halten. Auch in der Schrift
„Application de la morale & la politique” behauptet Droz
den Gtanbpunft eines im obigen Sinne moralifirenden Autors,
und wenn biefe Schrift, im Ganzen betrachtet, eben nicht viel
befagen will, fo enthält fie im Ginzelnen bie beften Lehren und,
bei fehr viel Trivialem und Gemeinplägigem, durchaus vernuͤnf⸗
tige, aus ſchmerzlichen Grfabrungen der Geſchichte abgelcitete
Grundfäge. Was nun Drog' „Histoire de Louis XVL be:
trifft, fo iſt dieſelbe in monarchifch s conflitutionneller Gefinnung,
in der Denkart ber Neder, Mounier, Molouet abgefaßt und
bietet eine überaus lehrreiche und unterhaltende Lecture. Drop
ift zwar weber tief noch geiftreih genug, um eine genügende
Geſchichte der Revolution zu ſchreiben, zum Sluͤck aber bekennt
er fih zu einer potitifchen ng, weiche wenigfiens ber
Wahrheit und Bernunft nicht gerade ins Angeficht fehlägt, wie
er denn auch perſoͤnlich ein braver, wohlgefinnter Mann ift.
Seine pragmatifchen Reflexionen find freilich befchränkt, und er
benft ganz ernfthaft, daß das Häthfel, weldyes die Sphinx ber
Zeit dem Könige von Frankreich und feinem Wolle aufgegeben,
auf frieblihem Wege hätte gelöft, daß die Revolution 17 und
1790 noch hätte vermieden werben ober wenigftens einen ganz
andern Sharakter erhalten können als ben, der fie zum Fiuche
und Abfcheu der Mits und Rachmwelt machen follte; aber er
ſteht doch auf einem Punkte, wo er weder dem Royalismus
noch der Revolution abſichtlich unrecht than will und flrebt in
feiner Art nach lobenswerther Unparteilichkeit und Genauigkeit,
ohne tarum body bie höhere Wahrheit zu erreichen, weiche auf
dem Standpunkte des wohlgefinnten Mannes nicht zu finden ift.
Bon biefem Geſichtspunkte aus prüft nun Droz in dem eben
berausgelommenen britten Bande die Bandlungen der Conſti⸗
tuirenden Berfammlung und fchließt aus bem bamaligen Stande
dee Parteien und dem gewiffermaßen magnetifchen Einfluß Mi—
rabeau's auf die Beſchluͤſſe der Majorität, dag Ludwig XVI.
an dem großen Redner für fich und feinen Thron eine fefte
Stuͤtze gehabt haben wuͤrde, wenn nicht ein neidiſches Eee |
ihm dieſen mächtigen Bundesgenoflen durch zu frühen Tod entriffen
hätte. Übrigens läßt der Verf. biefe unhaltbare Meinung nicht
ohne Einſchraͤnkung gelten. Daß Mirabeau’s Reben wunderbar
ultrifiuenb vad Domsinirenb auf: bie "Mätionaiusrfommfktg ge⸗
witt, darin AMumen alle Memolren und fonftige e der
überein; aber die Poputaritäe Mirabeau’s, wiewol
den legten feinem Tode dios einize Tage voraufgehenden,
redaeriſchen Ariumph von neuem gehoben, hatte doch bereite
mehr alt einen empfindtichen Stoß erlitten und hätte das oͤf⸗
fenttihe Bekanntwerden feiner gomvernementalen Abfichten nicht
überiebt. Durch feinen liberteitt zur Regierung waͤre der tehte
arme Reft von Bertrauen vor ber Öffentlichen Meinung unwider⸗
beinglig verloren gegangen, und von ber Stunde an, wo er
ein mmen, wäre er in den Augen bes Bolks
keinen Schuß Pulver mehr werth geweien, und bei Hofe zwar
zu Macht, aber nicht zu Anfehen gelangt. Ohnehin traute
ihm weder das Wolf, noch ber ig, bem er fi} anbot, ber
aber nur zoͤgernd und widerſtrebend auf feine Anträge einging.
Micheon, der König der Halle, wie ihn ber Graf de
Naiſtre in feinen ‚‚Bolrses de Saint - Petersbourg’‘: verächtlic
nennt, hatte Diele Feinde und Bewunderer, aber wenig Kreunde
und Anbängers er riß zu Haß und Entbuflasnus bin, fiößte
aber keine Hochachtung und Werehrung ein, ohne welche der
Einfluß eines Gtaatemanns nur erzwungen und vorübergehend
WM. Gelb den entgegengefekten Fall angenommen, wäre der
Erfolg feines Unternehmens immer noch böchft zweifelhaft ges
wein. Daß der Hof auf feine Borfchiäge einging, beweift
durchaus nicht deſſen aufrichtige Sinnesaͤnderung. Da man in
gutem Rechte zu fein und nur verbrecherifcher übermacht nach⸗
yageben glaubte, fo hielt man das unrebliche Spiel für erlaubt,
in welchem man ben Bolksredner unpopulair zu madhen und
der Öffentiichen Meinung gegenüber fo ſehr zu compromittiren
ſachte, daß ex hinfort willenlofes Inſtrument bätte bleiben müfs
fen, oder im WBeigerungsfalle bei erſter Gelegenheit als ein Paar
verſchlißene Schuhe weggeworfen werben können: Die ſchlimm⸗
ſten Beinde hatte Ludwig XVI. nicht an den Demokraten ber
Rationalberſammlung, fondern an feinen eigenen unb feiner
Teeunde Ideen über Gouverainetät. Wer mag dem Könige, in
feiner age, einen Vorwurf machen? Als Bater, Gatte und
Regent er fi von allen Banden des häuslichen und oͤf⸗
fentlichen Lebens fe umfiridt. Er war im Glauben aufge
wachſen und erzogen, ein Monarch beſitze fein Reich, wie ein
Privatmann Haus umd Hof, und nichts koͤnne ihn vermögen,
gegen feine Einficht und feinen Willen irgend eine Veränderung
mit bemfelben vorzunehmen. Ludwig XVI. benahm fi, wie
es ife von ihm zu erwarten war. @r konnte ſich
wicht in die Neuerung finden, die allen feinen Gefühlen und
Begriffen, feiner ganzen Erziehung und Angewöhnung, allen
iſſen, in denen er gelebt, aufs greüfte wiberfprach.
Mufte er nicht die Ehre und Pflicht des Waters und Königs
darin finden, feinen Rachlommen das Reich ungefchmätert zu
biatertaffen, wie er es von feinen Borfahren empfangen hatte?
Es war ein ihm anvertrautes But, das er zu bewahren hatte.
In demſelben inne ſprach und handelte ber größte Theil des
As und ber Weifttichkeit. Sie, die mit dem Königthum
Jabrhunderte hindurch ben langen Weg der befreundeten Nähe
jurüdgelegt, follten im Augenblide der Gefahr und Roth fi
trennen! GSleiche Vortheile flößten ihnen gleiche Gefinnungen und
Grundfäge ein. So hoch auch der König Über den Herzoͤgen,
Grafen unb Erzbiſchoͤfen ftand, fie flanden ihm doch näher als
das Bolt, und waren alle in bem gleichen Kalle, ihren Reich⸗
tkum, ihre Macht und ihren Einfluß auf Koften des dritten
Standes, oft bid zur höchften Ungebühr, vergrößert zu haben.
Et gehörte kein gewöhnlicher Srik dazu, um ben Unterfchieb
zwiſchen der Lage und dem Intereſſe der Monarchie und des
derdaladels einzufehen; um zu begreifen, wie jene, ftatt ihrer
motſchen, zufammiengebeochenen Gtügen, auf denen fie ruhten,
n dem Willen und der Kraft der Nation dauerhafte und flarfe
Faben Tonnte, während dem bie Erbariſtokratie nur als ein
glingendes Meteor in der Berne, aber in der Gegenwart ohne
Hatten daſtand. Gehörte aber ein ungewöhnlicher Geift dazu,
um die neue Stellung zu begreifen, dann beburfte es nicht
weniger eines kraͤftigen Charakters, um fle frei von Vorurthbei⸗
im der Art, unabhängig von dem Einfluffe verſchlagener —*
geltend zu machen und zu benützen. Dazu war kud⸗
wig XVI. nicht, vielleicht kein König in der Melt gemadit.
Der Spron, glaubte man, ſtehe nur feft auf feinen alten "Sun:
damenten, welche bie Zeit indeffen untergraben hatte, und jeder
Neuerung, die ein Bedürfnis geworben war, müffe er fich, als
einem gefährlichen Gingriffe in feine echte, wiberfegen. Der
Feudaladel umterhielt nach Kräften biefen Glauben und verficherte,
das Ednigthum, mit dem er ſich in früherer Zeit nicht immer
ſo befreundet gefählt, koͤnne mit ihm fih nur erhalten, ober
Fr mit ihm untergehen. An biefer Kippe, die keineswegs
in feinem Wege lag, iſt der Thron gefcheitert. Br. Drog, ber
Fa nad aunabeheit räbt A oh — Anficht dem Leſer
en, ba iefe Einw um Theil felb
gemacht und ihre Kraft keineswegs verpeimticht." Toen feroft
Im Banzen genommen urteilt ber Verf. durchaus befonnen und
recht verftändig s doch wirb man Droz feiner Urtheite wegen nicht zu
iefen haben; die forgfältige, gewiflenhafte und erfolgreiche Zuſam⸗
menflellung und Sicherſtellung des Stoffes, fuͤr welche er Be⸗
deutendes leiſtet, empfiepit fein Werk. Auch er wird zuweilen
irren; aber, das ift gewiß, er will überall die Wahrheit fagen,
und bat, um fie zu erfahren, keine Mühe und Arbeit geſcheut
und auſeitige Forſchungen angeſtellt. Man darf ja nicht glau⸗
ben, Thiers Revolutionsgeſchichte ſei, auch nur in Bezug auf
materielle MBahrpeit in Angabe der Thatſachen, das legte ort
über die Revolutions Droz berichtigt ihn ſehr häufig und in
weſentlichen Dingen. Cr befand fich im Befide vertrauter Mit:
theilungen von mehren bedeutenden gleichzeitigen Perfonen, bie
er ſchildert, und zugleich in der Lage, geheime Archive und un:
gedruckte Memo a für feine Arbeit benugen zu Pönnen, die das
durch fehr an Reichhaltigkeit und befonderer Wichtigkeit gewon—
nen, daß fie merkwürdige Details und unbelannte Actenftüde
beidringt. So ſtellt Droz mit unwiderleglichen Beweisgrünben
die bisher hypothetiſche Theilnahme des Grafen von ber Pro⸗
vence an der Verſchwoͤrung bes Marguis don Favras ins Licht;
auch haben untängft faft alle Journale feinem Werte bie authens
tifche Copie bes Gontracts entiehnt, in welchem Mirabeau fi
gegen ein ſchmaͤhliches Handgeld an ben Hof verkauft, was‘
Thiers bekanntlich in Abrede ſtellt, weil „ber Hof ſich zu lin⸗
kiſch dabei bertommen‘/; ‚ber Cynismus feiner Heben, har er
indeß hinzu, entſchuldige jebe Bermuthung. Die Bewunderung,
welche Hr. Droz dem Genie Mirabeau's zollt, hat indeß bie
Strenge des Geſchichtſchreibers nicht entwaffnet; er befchönigt
nicht nur nicht die Lafter feines Helden, fondern hängt ihm uns
barmberzig einen neuen Schandfleck an. Diefes einzige Kactum
beweift, duͤnkt mich, zur Genüge, wie wahr und gewiſſenhaft
der Berf. zu VBerke gegangen. Die aufrichtige Lobrede auf die
keiſtungen der Conſtituirenden Verſammlung, womit das Buch
ſchließt, iſt ein eigenthuͤmlicher Beieg von der bonetten Unpars
We ‚ deren ex fich gegen Perfonen, Meinungen und Dinge
Charles Lacretelte bat ſich als Hiſtoriker durch
Werke über bie aͤltere und neueſte ent —ã
nen anfebnlichen literariſchen Ruf erworben und, da er elbſt
viel erlebt, unlaͤngſt unter dem” Zitel „Dix anndes d’Epreuves
int la Revolution‘ den mwichtisften Abfchnitt feines Lebens
beſchrieben. Diefe Lebensnachrichten reihen fich in feloftändiger
Bedeutung den intereffanten biographifch» focialen und Literaris
fen Memoiren Morellet’e, Arnault’s, Girardin's u, X. an und
liefern zur Gulturs und Gittengefcjichte damaliger Zeit dankens
werte Beiträge. Lacretelle Fam gerade nach Paris, als bie
franzoͤſiſche junge, freiheitsſchwaͤrmeriſche Generation mit trans⸗
atlantiſchen Lorhern bekraͤnzt zuruͤckkehrte und bie bedenkliche
Wirkung des Beiſpiels mitbrachte, welches der amerikaniſche
Beeiflant bem beiweglichften, erregbarften Volksgeiſte gab. Gein
iterer Bruder, ‚der einige Jahre vorher nach Parid gegangen
und fi) als Zurift und Schöngeift einen Namen gemacht, führte
ibn bei einer Menge Literaten und Abvecaten ein, bie ſchon das
mals großes Renommee hatten und in ber Folge meilt ein noch
größeres, wiewol in verſchiedenen Beziehungen, erlangen ſoll⸗
ten. MWaiesherbes, Deſeze, Rulhieres, Yiorian ziehen an
unfern Blicken vorüber und gewinnen dadurch neues Interefle,
daß der Verf. fie uns in einem neuen Lichte, in der Perfpecs
tive des vertrauten, beitern Umgangs zeigt. Kaum auf den
Schauplatz getreten, wurde Lacretelle durch ben Ausbruch der
Revolution in feinen Lieblingsbefchäftigungen, in feinen literas
riſchen Studien, unterbrochen und in ben politifden Strubel
bineingeriffen. Die Belanntfhaft mit Maret, dem ſpaͤtern
rzog von Baſſano, der damals ein Journal herausgab, wel
I unter bem Namen ‚‚Le Moniteur” zu ber dickleibigſten
Sammlung frangöfifher Yarlamentebebatten angeſchwollen if,
verfchaffte dem Verf. indeB cine Anſtellung bei ber Rebaction
des eben geftifteren „Journal des debats’‘, für weiches er die
Berichte über die Verhandlungen der Gonftituirenden Berfamms
Iung abfaßte. Als die Gefeggebenbe Verſammlung zufammentrat,
wurde Racretelle Secretair des Herzogs von Larochefoucauld⸗
Liaucourt und lebte faft dieſe ganze Zeit über auf bem Landgute
feines Goͤnners und nachherigen Freundes, bei weichen zabls
reiche royaliſtiſche Emigrirte vor ihrer Auswanderung und viele
feiner demokratiſch⸗ monarchiſchen Collegen aus ber Gonftituante
zum Beſuch einfprachen. Im naͤchſten Stadium ber Revolution
warb auch Larochefoucauld gezwungen, durch Flucht fein Lehen
zu retten und ließ feinem Freunde die Sorge, einige Trümmer
aus dem Sciffbrudye feines unermeßlichen, oberiehnäherrlicdyen
Kermögens zu retten und fie ihm ins Ausland nachzufchiden.
Bon nun an beginnt für den Verf. ein unruhig bewegtes und
ſchwer geprüftes Leben. Man muß feine „Souvenirs sous
la terreur’ leſen, wie ev fih in einem Hoͤtel garni vers
ftedt und auf wunderbare Weife den Klauen der Häfcher ent
tommt. Um nicht länger in beflänbiger Todesangſt u Ihroeben,
nahm Racretelle Dienfte bei der Armee von 1,200, Mann,
die der Nationalconvent ausheben ließ. Der Verf. gefteht ſeldſt,
daß er wenig Behagen am Kriegshanbwerk gefunden; doch zog
er ſich beffer aus ber Affaire als der römifche Dichter, er warf
feine Flinte nit weg und ging erft nad dem 9. Thermidor
wieder nah Paris, um ſich den Sieg feiner dortigen Freunde
übes die Bergpartei zu Nutze zu machen. Diefer politiſche Sieg
war nicht fo entichieden, daß ber Verluſt ber gewonnenen Pos
fition außer aller Beforgniß lag. Unter dem Abfingen des „Ré-
veil du peuple’’ hatten die Thermiborianer ihn erfochten, aber
die wüthenden Jakobinerhorden drohten mit dem „Réveil du
Yon”. Bolt und Löwe, jeder batte feine eigene Armee; biefer
die Arbeiterclaffen der Vorftäbte, jenes bie jungen Bürgerföhne
mit geringelten Paaren und ungeheuern Lanzen, die fogenannte
Jeunesse doree. Hr. Bacretelle ſchrieb Morgens Journalartis
el, tummelte fih den Tag über mit ber ‚goldenen Jugend⸗
und begeifterte fi) am Abend bei der Egerie bes 9. Thermidor.
Eine Frau wirkte in der That am meiften zum Gturz bes
Berges und befeuerte hauptfächlich die Zagenden zum Aufftand
gegen ben Dictator und feine Rotte, weldye die Hölle felbft
ausgefpieen zu haben fchien. Diefe Frau war Madame Tallien,
„die incarnirte Menfchlichkeit in der entzüdendften Beftalt‘‘, wie
der Verf. fich ausdrüdt, die GSuͤte felbft, die ſich während ber
ganzen Revolution und in ihren fehrediichften Epochen überall
zum Bortheil der Beächteten hoͤchſt thätig bewies und ſich ein
ewiges Denkmal ber Dankbarkeit in den Herzen fo vieler vor
und nad Robespiere's Sturz befreiten und erhaltenen edeln
Franzoſen fliftete, baß man fie allgemein Notre Dame de bon
secours nannte. Der 9. Thermidor hatte allerdings einige fühs
nende Nefultate, aber ber Löwe war nicht todt; er brüflte
grimmig wie eine gefeffeite Beftie in ihrem Käfig. Run ging
es an eine Klopffechterei der Parteien in Sournalen und Flug⸗
f&riften, an ein Gewebe von Übertreibungen und Rügen, von
erdichteten Verbrechen und Beſchuldigungen, an Ausfprengung
von Morbs und Gtaatögefchichten, um eine Bewegung gegen
i | ſt
gemein lebendig geſchrichen. Die periſer Nationalgarde —
ſich tapfer, wurbe aber von dem jungen General beſegt,
Directorilum opponirte Laczetelle und bielt ſich zur „Wefellichaft
der Reitbahn‘‘, die in ber Abſicht geftiftet wurbe, ben Bei
Bolkes aus feiner Lauheit und GSleichgültigkeit aufzurätteln unb
bie Symptome des politiſchen Todes ber Berfaffung abzuweh⸗
ven. Indeflen blieb biefe Gefellfchaft der Reitbahn, bie man
bei ben. Gegnern nur die „‚Eollerigen Pferde der Reitbahn”
nannte, nidht auf bem Punkte flegen, worauf fie fid) anfangs
geftellt hatte. Sie warb aus einer Bereinigung unbefangener
und wahrer Freunde ber Freiheit eine grimmige Partei, ein
Staat im Staate und zeigte nur zu bald, daß fie zu etwas
ganz Anderm binaus wollte, als fie anfangs ben Leuten ein:
gebübet hatte. Man blieb nicht bios bei ben alten Klagen
fliehen, die bei dem Wolke durch bie ewige Wiederholung alles
Intereſſe verloren hatten, fondern griff bas Directorium und bie
Räthe im Gentrum an. Man offenbarte das Geheimniß der
Geſellſchaft, welche die Sunden der Regierung nur aufbedite
und gegen ben Luxus und bie Gefuͤhlloſigkeit des Reichen nur
declamirte, weil fie Luft hatte, den ledigen Thron, wenn fie
ihn erledigen tönnte, zu befteigen und fich mit den Gchägen zu
vergnügen, beren Inhaber fie um ihre Köpfe bange madhte.
Bei biefen Ausbräcdhen der Wildheit und des Gchrediens trenne
ten ch, von ber Geſellſchaft ale Diejenigen, welche aus wirt
lich patriotiſchen Abſichten beigetreten waren. Sie flohen eine
Peſt, die fie nicht heilen konnten, die ſie aber leicht mit in ihre
Greuel und Zerſtoͤrung verwickeln konnte. Bu dieſen gehörte
auch Lacretelle, der nach dem. 18. Fructidor feine Oppofttion
geaen bas Directorium im Gefängniffe abbüßte, wo er zwei
ahre lang zubrachte, biß er wieder frei wurde.
Das ift In gebrängter Überficht der Inhalt diefer „„Dix aandes
d’6preuve pendant la r6volution”. Dex Verf. iſt ein Alabemiler
im echten Ginne bes Worts, ein correcter, eleganter Gchriftfteller
mit einem gewiſſen Tatente, aber ohne Bedeutung ald Geiſt
und Gharakter. ‚ Er iſt ein eprenwertger Dann, ein moraliſcher
Pragmatifer, ein Zacitus im verkieinerten Maßſtabe; er bat
Leidenſchaft, Phantafie, Gedaͤchtniß, fehildert lebendig und ans
ſchaulich und hat fuͤr einen ſehr honetten, wenn auch nicht bee
ſonders geiſtreichen Theil des Publicums großen Werth, weit er
gern und oft fagt, daß bie Tugend eine ſchoͤne, das Laſter eine
verabfheuungsiwürbige Sache ift und beffengleichen mehr, was
nit ſchadet. Dabei iſt Lacretelle'3 Stil leicht, kurzathmig
gezüchtigt, mehr bluͤhend als Eräftig; man fieht, baß der Atas
demiker feinen Gorps Ehre machen will. Go gibt er ih 2 8.
eat Prag ‚ae Den bon biftorifchen Perſonen nach fran⸗
i eije zu machen, bie er mit befonderer Bortiebe
Geſchicklichkeit handhabt. ß
| Literarifche Anzeige
Neu erſchien bei mir und ift durch alle Buchhandlungen zu
erhalten:
Monaldi,
. Eine Erzählung.
Aus dem Engliichen des amerikaniſchen Malers Washington
Iston überfegt von Kahldorf.
12. Geh. 1 a erf
®r.
Eeipzig, im Auguft 1843.
S. 9. Brockhaus.
Berantwortlicher Herausgeber: Oeinrich Brockhaus. — Drud und Verlag von $. A. Brodhaus In Zeipsig.
4
Blätter
für
literarifhe Unterhaltung.
Sonntag,
Schweden beurtheilt von Samuel Eaing, I. &. von | fiel es ſchwer, dies Vergnuͤgen ſich zu verfagen. In bes
Duandt und Sräfin Hahn- Hahn.
(Beiltuß aus Nr. 2M.)
3. Eu im Rorden, von Ida Grid ahn⸗
Pe Berlin, X. Ouncker. 188. 8. 2 var
Mitte Juni 1342 traf auf dem Dampfboote die
Kran Gräfin in Stodholm ein, um ben Norden zu be:
reifen, war aber fhon Mitte Auguft zuruͤckgekehrt. Denn
ber Pan za einer ausgedehntern Bereifung der flandinas
vifchen Halbinſel blieb ein unausgeführter BVerſuch, weil
die Temperatur kalt und unangenehm war und blieb,
ſodaß die Krau Bräfin mit Lachen des weißen Muſſelin⸗
anzugs gedenft, den fie in Berlin In den Roffer legen
tieß. Unzertrennidh blieb fie von Ihrem kleinen Pelze.
Es fehlte an Blumen, die zum Sommer, zum Ges:
burtötag, zum Hochzeitfeft, zu allen Momenten des
feſttich verflärten Daſeins gehören. Geo, nur fo verficht
die Frau Bräfin die Blumen, die, ihrem Verlangen nach,
da fein mäffen in Waffen, überfkärzend, beraufchend,
blendend als Gipfelpunkt und Krone des Naturlebens.
So bebagte Ihe es nicht, im Norden zu reffen. Immer
dachte fie an den Shen. Beim Anblick de Mälar
fiet ihre der keman ein und darum wurde fie von
jenem weber „angedonnert“ noch „angeſtrahlt““. Entſchul⸗
digend für den Mälar fegt fie hinzu: „der graue Him⸗
mel mag daran Schuld fein, dag ich einen blauen Blid
auf bie ände werfen Tann”. So bat unfere Reis
ſende, fie für ihre Perfon, (Vorrede S. v) nicht beſſer ale
geſchehen befchreiben können, was fie von Schweden fah,
obfchon fie fehr deutlich fühle, daB mancher Andere es
unendlich ee befchrieben hätte. Warnend macht fie
fetbft in ber ede darauf aufmerkſam, nicht aber um
ſich zu entfchuldigen, denn ihr iſt nicht zu Nuthe, als ob
fie eine Entſchuldigung brauche. Bu dem Publicum über
ein Buch zu fprechen, das fich als der Spiegel verſtimmend
anf das Subject einwirkender Gegenſtuͤnde anfündigt, das
ſchien kaum chumlich, fehlen es um fo weniger, als ſchon
dad eben GSeſagte belegt, daß die Frau Gräfin ihrem ges
wohnten le und Ton auch in dem angezeigten Reiſe⸗
verupe treu geblieben Mi. Mef. aber, der fo gern fiber
eitued geſprochen Hätte, was der Beau Gräfin fo ganz
eigen angehört, wie jede ihrer Kterarifchen: Preducktonen,
Moth und Verlegenheit kam ihm der Einfall, zur Schad⸗
loshaltung, nicht mehr als Morfichendes über das Beh
zu dem Publicum gefprochen zu haben, vor diefem 3%
der Frau Gräfin auf eine Weile zu ſprechen, bie
ganz am Orte und mehr noch an ber Zeit zu fein ſcheint.
Sie redet nämlich dem Bruder alfo in das Gewifſen:
Ih weiß nicht, warum man foldy ein Borurtheil gegen
feftellexinnen bat, daß man im Algemeinen ſogleich bie
bee von Lächerlihleit und Verſchrobenheit mit ihnen in Ver⸗
binbung bringt. 8 mag wol ehedem fo gewefen fein; jett
nicht mehr. Wahrſcheinlich find fie früher unbebeutender gewe⸗
fen und folglich von ber Angft geplagt, überfehen zu werben.
Wer damit behaftet ift, wird durch feine Beſtrebungen, dies
von ſich abzuwenden, freilich immer hoͤchſt albern fein
und man Bann das alle Tage an Männern und Zrauen, Autos
ren ober nicht, genugfam beobachten. (Eben fällt mix ein, daß
ih ja auch Frau Karoline Pichler in Wien Eenne. Es wuͤrde
aber doch dem libelmollendften ſchwer werben, etwas Anderes au
diefen beiben Frauen zu finden, ats höchftens das: daß fie ange
uebener als viele von Demen find, welche nicht zu ſchreiben ver⸗
ſtehen. Ich weiß aber auch recht gut, wer es erfunben hat, daß
bie fchriftfiellerifchen rauen abgeſchmackt fein follen: die mittels
mäßigen Männer haben es gethan, und es gibt deren weit mehr,
als fie felbft e8 ahnen. Dieſe Diänner! auf der Schalbank has
ben fie gefeffen und beim Latein geſchwigt; in den akabemiſchen
Hoͤrfaͤlen haben fie. gefeffen und fich einer bez vier Bacultäten
befüäffen; jest figen fie zum brittenmal auf einer Bank, in ir
gend einem Sollegium, auf Kanzel, Katheber, was weiß ich, mo
fie fih unterbringen, arbeiten da ihr Penſum ab nnd benten:
„Himmel! wie iſt e8 ſchwer, zu etwas tn ber Melt zu Eommen P*
und da haben fie ſehr vecht. Run hören fie ben Ramen
Freu nennen, mit Lob und Beifall und nicht mit bem, we
ſich auf ihre Schönheit bezieht. Da find fie aus dem Haͤuſel.
„Was? fie hat nicht den Cornelius Nepos uͤberſetzt!“ rufen
| fie ganz grämtich, „hat nie ein philofophifches oder theologiſches
[
Sollegium gehört, bat Leine Epamina befanden, bat nie einn
strag gehalten oder eine Acte flilifirt, Tann nie ben rothen
Adlerorden viester Claſſe befommen, kann nie Minifter ober
Präfldent oder GSuperintendent, genug, Tann gar nichts wers
ben . . . . und bildet ſich ein, beräßmt werden zu können! das
nruß eine rechte Rärrin fein 1" — kieber Bruder, ich wende mid an
dich: iſt bies nicht ber Ideengang her Mebivmmen deines Ges
ſchlechte? Gel einmal ehrlich und ſprich Ja! Sieh, es gibt auch
Ueberlegene unter euch; die wiſſen, daß zwiſchen aller Guperio⸗
ritaͤt eine Solidaritaͤt ſtattfindet, und die denken anders. Aber
die Mediocren? gib fie nur preis und ſprich Ja! da es doch
ganz unmöglich iſt, daß du Nein! fagen Täuntefl.
Ref. ſetzt fih in die Bage, er wire diefer Beben
Er fühle deutlich, ein anderer Bruber votre darauf mm
deä.
endlich viel beffer antworten, er aber kaun nicht anbers
antworten als in folgender Mate!
Liebe Schwefter! Wäre im Leben ich noch niemals ehrlich
geweſen, fo bin ich es in dem Augenblide, wo ich, die Hand
aufbem Herzen, nicht 3A, fondern, Rein, Nein, zu Hundert⸗
5* Dein auf deinen Brief ſage. Wie are ſoll
idred anfangen, damit beine Weiber: und Autorenüberzeus
gung wenigftiene an die Redlichkeit, wenn auch nicht die
Wahrheit meines Widerſpruchs glaubt? denn allerdings da 6
wied fchwer haften, befonders jetzt, wo deines Namens
Ruhm fo weit gebrungen iſt und fo in Alter Mund
lebt; daß — ich geftehe, von die felbft mußte ich es hoͤ⸗
um,-um es zu glauben — dein ſchwediſcher Lohnbediente
in Stodholm, ein flodordinairer Menfh, den du nicht
anders als Caliban nennft, ohne dadurch fehr oft er:
wähnten Lohnbedienten die mindeſte Ergöglichleit zu ino⸗
calicen, hitzig darauf war, eigenhändige Namensunter:
ſchriſten von dir zu befigen,. die er vortheilhaft an rei⸗
fende Autographenſammler abzuſetzen gedachte. Schwer
oife wird «8 halten, dich von meines Wortes Ehrlichkeit
zu überzeugen. Was aber thäte ich nicht, um mir Die
gute Meinung einer Schweiter, einer berühmten umd,
(a6 bu ficherlich noch wiel lieber hoͤrſt, einer liebenswär:
digen Schwefter, nicht zu verſcherzen. Ich exöffne meine
Operationen von der Stelle aus, wo du (S. 10) über
die Ilias redeſt. Da fagft du: fie mache uns dem grie:
chiſchen Diymp vertrauter, als uns je der chriftliche Him⸗
mel werden koͤnne, fie laffe uns fo theilnehmend auf bie
| — Heroen blicken, als waͤren ſie unſere Ahnen.
uͤßte ich nicht ohnehin, daß du, gutes Kind, von allem,
was griechiſches Alterthum heißt, gerade ſo viel inne haſt,
als um die Theetiſche herum curſirt, beſonders ſeitdem in
Berlin die „Antigone” gegeben worden und die Auffuͤhrung
der „Medea“ fowie Ariftophanffcher Luftfpiele in Ausſicht
geſtellt ift, fo würden fchom jene Worte, wie jebe Stelle,
in der dein dithyrambiſcher Redeerguß auch Über das Grie⸗
chenthum einherbrauft, mir großes Vorurtheil gegen beine
Kenntniß deffelden eingeflößt haben. Indeß Altes, was
du darüber fagft, überzeugt mid, auch im Reſpect für
das Griechenthum machſt du die neuefte berliner Mode mit.
Nun bitte ich dich, fei, und waͤrſt du es noch nie im
Leben gewefen, nur dies eine und einzigemal comfequent,
amd du wirft mir recht geben, weil bu es mußt. Du
wirft oder kannſt — denn das läuft bei meiner gelehr:
ten Schweiter auf eins hinaus — in einfchlagenden Ars
Mein bes ‚‚ Converſations⸗Lexikon“ erfehen, daß der freie
Sinn Griechenlands Grauen, die von Trieb und Nei:
gung dazu berufen waren, mehr noch fih zu emancipiren
verftattete, als meine vortreffliche Schweſter dazu irgend
eine Anlage in fi verfpüren wird. Wohin brachten es
in Griechenland, wo jede naturgemäße Entwidelung in
vollendeten Typen ſich ausgeprägt hat, von be6 Hausal⸗
tars ſtillen und heiligen Pflichten emancipirtefte grauen?
Dabin, der Blumenfhmud in der Unterhaltung geiſtrei⸗
her und bedeutender Männer zu fein: Kaum aber, daß
eis mub dee andere Frauenname unter der großen, großen
Aczahl in ihrer Literatur beruͤhmt gewordene Männer
einen Platz gefunden hat. Wenn Perilles, der
fentant helleniſchen Sinnes, diejenigen Frauen *
trefflichſten erklaͤrt, über die kein Wort geſprochen merke
ſo ermißt du leichtlich, was er von unſern femmes *
teurs gedacht haͤtte, deren. Name alluͤberall auf Bell
und Loͤſchpapier prangt. Für ausgeſprochen umd that
ſaͤchlich erwiefen durch der Griechen unmiderlegbar richti—
gen Naturfinn wirft du es alfo wol gelten Laffen, wenn
ich annehme, daß die Natur, bie fich ja offenbar gar
nicht die Mühe hätte zu geben gebraucht, Männer und
Meiber zu [haffen, wenn nicht diefe und jene gefomberte,
darum aber, weil fie Naturzwecke find, gleich heilige und
geoße Aufgaben Iöfen follten, daß fage ich, die Natur
ſelbſt bewieſen hat, die Literatur ſei kein Element für die
rauen. Fa fogar da, wo dies Element ſchon mehr ein
kuͤnſtliches, ja erfünfteltes war, bei den Römern, die
nämlihe Erſcheinung. Auch in Rom blieb die Literatur
den Frauen fremd. Wenige Ausnahmen zählen bier ebenfo
wenig, als eine oder ein paar Schwalben Semmer make.
So wenig du fagen wirft, die Atmofphäre fei beftimmt,
mit Steinen bernisberzuseguen, weil es von jeher ju Fi:
ten Steine geregnet bat, kannſt du fagen, die Fraum
ſeien zu literariſcher Thaͤtigkeit berufen, weil von Zeit zu
Zeit eine Dame ſich auf ſolche Weiſe hervorgethan hat.
Du haft ferner geoße Verehrung für Goethe (©. 8);
— beiläufig gefagt, wo du auf Goethe und Eckermann
kommſt ‚ mag id es ‚nicht tadeln, daß du legten de
Servilismus gegen ſeinen Herrn und Meiſter beſchuldigeſt.
Allein ich gäbe etwas, ich gäbe viel darum, wenn du niht
dabei von einem Menfhenpudel gefprochen und — ih
bitte dich um Alles in der Welt! — dabei in abgebrudten
Lettern geſchworen hätte, du wollteft kein Menfgeupudel
fein. Indeß zur Sache. Goethe alſo, der end Welt
recht gut gekannt hat, flelit in dee Prinzeſſin im „Tor⸗
quato Taſſo“ ein Ideal der Weiblichkeit, in Tagen des
böchfigebildeten und — bu kannſt und mußt mic das
auf mein Wort glauben — unferer Weltbildung met
überlegenen [pätern italieniſchen Mittelalters auf. Wat
- fagt die hochfinnige und gartfühlende Dame?
nie hab’ i
As Rang und als Beſitz —88 was
Mir die Natur, was mir das Gluͤck verlieh;
Ich freue mid, wenn kluge Männer fprechen,
Daß ich verftehen kann, wie fie es meinen u...
Buopin ns das Gefprälh ber Shlen lenkt,
ern, denn mir wird lei
Ich Höre dern dem Wort —
Auch hat nicht die „ſchoͤne Seele“, ſondern Goethe ihte
Bekenntniſſe abdrucken laſſen. Welches vedentenden Man
nes gewichtige Autoritaͤt kannſt du,. was kannſt du That
ſaͤchliches mir entgegenſtellen? Weiter nichts, als daß ſich
in neuer und neueſter Zeit die ſchriftſtelleriſchen Frautn
ins Verhaͤltniß zu der ſteigenden Zahl männlicher Verſe⸗
macher, Novellen: und Momanfchreiber gemebrt haben;
ein Gefchlecht, bei dem mir die Worte Napoleons tin:
fallen, der, al6 ihm einmal fo ein Heros vorgeſtellt wurd,
benfelben mit den Werten ſtchen lief: „Vous cultivez un
tres-mauvais genre.“ Daß manchen diefer Vortrefflichen
giftigee Ne pliagen mag, Beeil de wenige Derchhaͤudier⸗
honorat bezieht ale dur, dad beweiſt nur, Daß bdiefe culti-
vateurs d’un tr&-mauvais genre e6 nicht einmal fo weit
zu bringen vermögen ald du. Es gab eine Zeit, wo der
umfaubrre Elauren ſtaͤrker honorirt wurde ald Schiller
es jemals ward, ſtaͤrker vielleicht auch als jemals Tieck
oder ſelbſt Goethe. Wo liegt denn der Muſenberg, auf
‚ dem du die Anſchauungen bir erholſt, die den Leſer auf
würdige und bildende Weife anregen könnten? Denn dei:
ner Abfiche nach, nehme ich an, follen fie das. Er liegt
da, wo er jederzeit für die ſchriftſtelleriſchen Frauen ber
modernen Zeit lag, In der Societaͤt. Um die heutige
von der umendiich geiftreichen und in ihrer Art durchge
diſdeten unter Ludwig XIV. und XV. zu unterfcheiden,
muß man das Wort mit dem auch dir in der haute
volde , der großen Welt geläufig gewordenem Accente
ausſprechen. Daß aber eben biefe Welt eine Welt
zum otterbarmen ift, das ſei Gore geklagt. Du, bie
du in der großen Welt fo zu Haufe bift, daß du gewiß
nie etwas thuſt oder fanft, was gegen dieſe Melt nicht
zu vertreten wäre, haft ferbft — In dem Augenblid wirft
du es mir nicht glauben wollen, Überlied aber nur gefäl:
digft ©. 247 — die entfeglichen Worts ausgefprochen: „Bes
friedigung will ich, alles Andere iſt mic einerlei. Worin
ich Befriedigung finde, das führe ich aus und durd mit
Gottes Huͤlfe, aber nur Das.” Du fiehft, welche Subli⸗
mitäten aus deiner Theekeſſelhippokrene an dad Licht der
Belt treten. Noch bat kein Miniſter ein Portefeuille
erhalten, weil ee den Gornel geleſen; alſo wirft du bir
wol auch fagen, daß, wenn keine Frau Minifter, Praͤſi⸗
dent oder Öuperintendent wird, es keinesroegs daher kommt,
weil ihre nicht den Cornel gelefen habt, fondern um bes:
wien, weis num einmal eure Sphäre eine andere iſt als
Die der Männer, mit andern Worten, weil ihr unberu:
fen feld, in da6 Leben herauszutreten. In dieſes wagt
den Hinaustritt und zwar den allerbloßftellendflen — er:
mb Mrtbeiläunfidten ‚geiifen; es war. Im za Wänthe-geweike
wie bei ben —— — mo man bie verſchlebenen
Jeugen uenyärt mb im bie verſchiedenſten Stimmungen verſegt
wird; ex war in Werlegenheit, wie alle Refuttate fo g
wie möglich zuſammenzufaſſen, als ihm ber Autor in feinem
wort ſeibſt zu Hälfe fun, und ba biefes eine Mare (her
fit in das Selbfierichaffene darlegt und bem Autor nur als
ein Berbienft mehr angerechnet werben kann, führen wir dafs
fetbe hier wörtlich an. „Zu den wunberlicden Schwachheiten der
menſchlichen Natur geböst unter andern auch die, daß nur We⸗
nige ſich felbft und ihre. Prodbuste zu beurtheilen willen mb
ſelbſt Solche nicht, die ſich als competente Richter aller Andern
aufwerfen, deren Meinung, befonvers im Gebiete der Aſthecit
als Orakelſpruch betrachtet werben foll; benn fonft müßten wir
doch mindeſtens ebenfo viele gute Driginalwerke ats Überfepun-
gen und Rachahmungen befigen, da es uns befanntsich nicht an
Recenfenten fehlt. Der Verf. ift nicht fo eitel, um. zu glauben,
daß er biefer Schwachheit gas nicht unterworfen ſei. Gieichwoi
tennt er ſehr wohl einige Unvolltommenpeiten dieſes Buche, bie
er aber nicht vermeiden Eonnte, wenn ber Zweck beffelben er-
reicht werden follte. Dahin gehört z. B., daß eigentlich nicht
Kart II., fondern Thomas Gorgon darin die Hauptrolle. fpielt;
wie konnte dies aber anders feln, da biefer, aber nicht jener,
einen vollendeten Charakter befigt? Sollte der Verf. etwa jenen
Karl zu einem ganz andern Menfchen machen, als er wirt
war, und hierin bem Beiſpiel moderner Biographen folgen
Davor bewahre ihn der Himmel, ober vielmehr bie ervige Ge⸗
vechtigfeit! Karl II. ift eine hiſtoriſche Perfon, ein Königs
und die Geſchichte der Völker ift, wie öfter mit Recht bemerkt
worden, die ihrer Kürften. Wir fagen mit Recht, meinen aber
keineswegs damit, daß die Sache lobenswerth fei, oder etwa zu
ben Bolltommenpeiten gehöre; ganz fm Gegentheil redynen wir
fie zu der oben angebeuteten weitläufigen Kategorie der noth⸗
wendigen Schwächen unfers Geſchlechts. Daffelbe gilt von dem
übrigen biftorifchen Perfonen dieſes Romans; wir können vers
fihern, fie mit gewiffenhafter Treue geſchildert su haben, und
um bierüber dem Eefer keinen Zielfel zu Laffen, fah fich ber
Verf. veranlaßt, bei allen erheblichen Gelegenheiten feine Quel⸗
len anzuführen. Ein anderer Vorwurf, ber dem Buche ges
macht werden kann, find die vielen eingeffreuten Erzählungen,
wodurch der Hauptfaben häufig unterbrochen wirb; da aber
der Berf. ein umfaflendes Bild der Seit, worin ſich die Hand⸗
tung bewegt, barzuftellen beftrebt war, fo glaubte er fi bin
und wieber gleichſam zu einem Luftball erheben und zu entferns
laß mir, Stellen aus deinem Buche anzuführen, die mir
dies Seiwoert in die Feder legten — die literariſche Thaͤ⸗
tigkeit. Einen Brief, der dir nicht durchaus angenehm
fein Tante, hätte ich Unrecht länger auszufpinnen. Jeden:
falls babe ich genug gefagt, um dir, willſt du meinen
ten Regionen hinbegeben zu müffen. Daß nun bei folchen Reifen
das Gemüth auch einmal zum Nachdenken geftimmt wird, iſt
gang natuͤrlich, und daraus entftand nun wieder ber dritte und
Pauptfehler, das leidige Raifonnement, von dem ber Verf. ofs
fen gefteht, daß es ihm damit gerade wie Thomas und Kirby
mit ihrem Gtedenpferde geht: denn wer. Tann helfen, daß
Worten reiflich nachdenken, zu der Überzengung zu vers
heifen, daß bei dem goldenen Ausſpruch: ‚Auf rauen:
verftand und Weibertugend iſt jedes Btüd der Welt ge:
gruͤndet“ nicht an die Möglichkeit deines Reiſeverſuches
it gedacht worden. Wie meine feheifefteilerifche Schwe⸗
fer mir zugeben wird, daß man verfländig fein muß,
er inwendig raifonnirt? Was endlich die Gedichte und dramas
tifchen Verſuche betrifft, fo verlohnt es fi) gar nicht ber Muͤbe,
viel darüber zu reden; ber Verf. beruhigt ſich bereits damit,
wofern man fie nur nicht als ganz geſchmackios und verfehit
betrachten will, was fie freilich nit find.” So hätte Yin
der Autor hiermit ſelbſt bie Schwächen feines Werks beimichtel,
und Ref. wii ſich nur an deſſen Berbienfte halten, weiche haupt:
faͤchlich in der originellen Art der Beleuchtung don Zeit und
hiſtorijchen Perfonen befteht. Die beften und ergiebigften Quel⸗
ien wurden flubirt unb benugt, unb wenn ber Roman oft unter
um Autor zu fein, fo wird fie auch fo verfländig fein,
nicht zu zümen dem brübeslich gefiunten und baum
ufrichtigen der. 34 der des Stoffs leidet, fo kann man ſolchen Re m
“ Dev gern verzeihen, ba —2* — Intereſſen bietet. Die Bomanbele
, din Clementine und ihre Breunbin Warte on find als ans
Romanenliteratur. ‚müthige weibliche Weſen gut durchgeführt. bat durch
des Herzogs von Buckingham, ihres Waters, Schlechtigkeit man⸗
gertei Gefahren zu befteben, und muß erft ben ellungen
eb: Königs, 2” benen Bi pringen an en —8 A
ttwerh n u können | e mi
gon et —** in Kalkatta ein gluͤckllches Ayl finden
1. Kari IL, König von England. Gin hiſtoriſcher Roman
wo Duellen bearbeitet von Serbinand v. Sommer.
Bein, Borin. 1843. 8. 3 Thir. 20 Ror.
Waf. hatte bie beiden Baͤnde bereits zu den lehten Blaͤttern
zwit geipanntem Intereſſe, mit oft wechfelnden Empfindungen
Gorgen if inte die Hauptgeſtalt des Bomuied;
Lichtſtrahlen ſich eancentriven und bes bie Faͤden
mit ben kiugen, burdjbringenden Augen darch⸗
ſchant, fie größtentbeils Hält und mit Eräftiger Hand leitet.
cheint ber Autor feine ganze ſch he Zuneigung
Kun zugewenbet zu haben; denkend und entichloffen, mu:
thig und bedacht, ift er zum Leiter einer geheimen rung
würdig ausgeräftet, und ben Lefer ergreift mit feinem Ball die
De andere Sti,
zu einem empfehlenswerthen Beitrag
füchern ihm bie Theilnahme der gebildeten Leſer zu.
3. Eebensbilber aus Öftreih. Ein Denkbuch vaterländifcher
Erinnerung, unter Mitwirkung finnverwandter Schriftfteller
und Künfller zum Beſten ber bei dem verheerenden Brande
am 3. Mai 1842 verunglädten Familien von Steyr heraus:
gegeben von Andreas Schumacher. Wien, Zauer und
ohn. 1843. Gr. 8. 2 Thlr.
Ein Wert der Barmherzigkeit, und alfo ſchon deshalb
empfehlungswertt. Da die Namen ber finnverwandten Autos
zen, welche es zufammentrugen, auch empfohlen werben, follen
fie bier ihren Play finden: Sanag Lederer, Johann Gabriel
Seid, Rordmann, Anton Langer, Anton Gifenfchmid, Muller,
oh. Nep. Vogl, Emanuel Straube, Joſeph Rank, Anton
NKitter von Perger, Joſeph Bergmann, Ernſt von Feuchters⸗
leben, Franz von Braunau, Mathilde Felderns Rolf, Friedrich
With. Armin, Karl Adam Kaltendrunner, Kranz Schubert,
Alex. Julius Schindler, Fürft Friedrich von Schwarzenberg, Karl
Marie Böhm, Dantel Friedridy Reibersdorffer, Joſeph Pfund:
heller, Bammer » Purgftall, gran Botgorſchek, Andreas Schu⸗
macher, Karl Landsmann, Karl von Sava, Ernſt Cemyl, Lud⸗
wig Englar. In der Beilage Gedichte von Caſtelli, Foglar,
— Schlegel — in Muſik geſetzt von Biſchof, Hacket,
ubert. Als beſonders anſprechend moͤchte Ref. unter den
verfähledenen Beiträgen folgende herausheben: „Schuſterfreuden“
von Eiſenſchmid, vol Wis und Humor. ee en
leben's „Srinnerungen an Mayrhofer“, vol Gefühlstiefe; ift
eine jener fchönen Biographien, welche das Herz dickirt, ber
Berftand nieberfchreibt, indem die Wahrheit die leuchtende Kerze
dazu hält. „Der fchwere Bang”, von Friedrich Fürft von
Schwarzenberg, fit befonders ergreifend erzählt, die Schilde:
zung der Gemsjagden und Sitten lebhaft vorgetragen. Andreas
Shumaders „Grimerung an Friedrih Ludwig Zacharias |
ch Möchten bie teeffs ı
gen der. @inen, ber gute Wille ber Andern und ber |
Zweck des Unternehmens zahlreiche Lefer und Käufer berbeiloden. |
3. Anna Arnold, die Herenhuterin. Der Thurmwaͤchter an Gt.
Petri. Zwei Novellen von Ba ekinb. Beriim,
Werner” gewährt ein ſchmerzl
ed Intereffe.
fichen ei
j Vereinsbuchhandiung. 1843. 8.
Die Srzaͤhtung handelt von Anna Arnold, einem frommen
in Altona öffenttich geſtaͤubt wird,
we angeflagten und überwiefenen Diebſtahls, während fie |
und (de
udere —ã— Werfuße dem Eſſect ſchadeten
6 a
Der Vortrag .ift uͤberladen, es wird zu virl in ber Gryählung
erratit, anflatt Daß fie fh fett ergäbien fein Sa der
ten Novelle: „Der Ahurmmälter an &t.: Petzl‘, if *
Misgriff weniger fuͤhlbar und die Erwaͤhnung des noch in allen
Seelen vibrivenden Greigniſſes des furchtbaren Hamburger Brans
des, welcher die Kataſtrophe herbeiführt und der Erzählung den
Schiuß verleiht, verfehlt nicht, feine ergreifende Wirkung bervos
gen.
4 Rachtvioien, ein Novellenkranz vom Chevalier St.⸗Henri.
eeipye, Peter. 1843. 8, 1 Ihe. 7%, Nor. v
pe wild, romantifch, find die drei Novellen und könn:
ten fuͤglich als Opern verarbeitet werben; die Ereigniſſe erman⸗
geln aller Wahricheinlicheit; die tragifchen Scenen erregen Lachen.
Wenn der Schriftſteller ſehr jung iſt, oder biefe Erzeugniſſe feis
ner Phantafle in großer Jugend niebergefchrieben bat, fo verrathen
fie allerdings Talent, und verfprechen für die Zukunft wenigftens
Erfindungsgabe. Der Stil ift gut. Sonft aber eriftirt nichts in ben
drei Novellen, was einen Ref. des 19. Jahrhunderts vermögen
tönnte, fie zu loben und dem Leer anzuempfeblen, dem Beier
unferer Zeit, dem ſchon fo viel Gutes geboten warb und bei
dem dag viele Mittelmäßige unferer jesigen Literatur ſchon fo
großen Überdruß am Mittelmäßigen entwidelt hat. 12,
Literarifche Notizen aus England.
Yarlamentsberedtfamteit in England.
Ausiänder, welche englifche Parlamentöfigungen befuchen,
befonderd, wenn fie zuvor franzoͤfiſchen Rammerbebatten beige:
wohnt haben, machen uns nicht felten eine traurige Gchiiberung
von dem Rednertalent felbft der Notabilitäten in den beiden
Erwartungen bins
ſehr getänfdgt
fand. Die beflen unter ben Rebnern und es find nur ſeht
wenig gute — fprecdhen mit einem fo umverantwortlichen Reber
ton, haben fo wenig Grazie in ihrem Mortrag und ihren Ber
wegungen, es tft fo ſehr eine Waffe vork feftflehenden Nedens⸗
arten und Wendungen in Brauch gekomman, baß Der, weicher
ſich feine Vorſtellung von Beredtſamkeit nach den aiten WMuftern
Griechenlands und Rome gebildet hat, die Reden ein
Pitt und Fox klaͤglich tief unter biefe fte
e ich mid, überzeugt
und ber Andere bat
> daß er faft an
Mechanis mus grenät, Allein keiner von heiden ift fo weit ge:
Eommen, Shakſpeares Regel anzuwenden} denn der eine ſaͤgt
bie Luft mit feinen Bänden, der andere mit\bem ganzen Leibe.“
Sin habſch aberſetter Gejiliericen Mess (aus dem
„Woreign and colonial quarteriy review‘):
Kann ber Liebe füß Verlangen
Gmma, kann's vergaͤnglich fen?
Bob dahin ik und vergangen,
Emma, kann's bie Liebe *
Ihrer Flamme Himmelsglut
Stirbt fie wie ein irdiſch Gut
Can ewoet hopes of love's Ikapiring
Emme, can ihey tfäneien? provo?
What io past — long since expiring —
Rumtis, uny, can that be love?
Con its fine of konveniy giew
Perieh — like wur joys below? 48,
Berantwortlicher Heraugeber: Heinrich Broddaud. — Drud und Berlog vom 5. U. Brofhaus in Leipzig.
Blätter
für
literariſche Unterhaltung.
Rontag,
Sheologifhe Poefie.
1. Theologiſche Sonette von Bart volig. Neubranden⸗
burg, Bruͤnslow. 1843. Gr. be
3. Gegen den Strom. Gonette. A Beh bes koͤlner Dom:
haus. Gtuttgert, Hallberger. 1843. Gr. 8, 15 Rgr.
3. Expestulation ober Ferael und England, ein Gedicht von
Billiam Cowper, überfegt, mit Einleitung und Anmer:
kungen von Kart Heinrich Sad. Bonn, Weber. 1843.
&.12. 7% .
4, Adelaide oder Religion und Liebe. Non Jakob Fri — 5*
Ir.
kieberknecht. Sondershaufen, Eupel. 1842.
Die Theologie fpiele jept eine große Rolle; das
kann man nicht leugnen, man möge gegen fie gefinnt
fin, wie man will. Ale Welt intexeffirt fi für bie
theologifchen Fragen unferer Zeit. Freilich iſt das Inter:
eſſe meift nur ein mittelbares, weil die Theologie mit dem
anderweitigen ragen der Zeit, dem politiſchen und philo⸗
fopbifhen, zufammenhängt. Die Zeiten des unmittelba:
sen und ungetheilten Antereffes hat die Theologie laͤngſt
hinter fih, die Zeiten nämlich, wo alle Welt auf theolo:
giſchen Grund und Boden ftand, die wefentlichen theos
logiſchen Vorausfegungen anerlannte, und wo fih ber
Streit nur um die einzelnen weitern Bellimmungen der
verſchiedenen theologifhen Spfteme bewegte. Katholicie:
mus oder Proteflantismus, iſt ſchon lange Feine Stage
mehr, die die Melt bewegen könnte, fie ſpukte nur vor
einigen Jahren noch einmal in den Köpfen einiger ge:
lehrten Theologen, und bereicherte nicht die Welt, fondern
bie Bibliothefen um einige dide Bücher, die Niemand
mehr lieſt; und bie neueften fogenannten „Wirren‘ wa: :
ren weientlich politifcher Natur. Rationalismus und
Supranaturaliemus, ober wie man bie aus taufend Sn:
geedienzien verfchieden gemiſchten fpätern theologifchen Sp:
fleme nennen will, find auch vom Kampfplatze abgetreten.
Ale theologiſchen Segenfäge baben ſich ausgeglichen, ha⸗
ben einen allgemeinen Frieden untereinander gefchloffen,
um ihre gemeinfchaftlichen Waffen aegen ihren gemeinfa:
mm Feind zu Lehren, die neueſte Philoſophie. Die „All:
gemeine” und die Evangellſche Kicchenzeitung” — um bie
theologiſchen Deifchlinge gar nicht zu nennen —, Bret⸗
Cuelder und Hengſtenberg blafen in ein Hom ,‚ und
eim Melodie: und was blafen fie? Sie blafen Sturm
gem die neueſte Philofophie. Die „Evangeliſche Kir:
Gmpitung‘’ ſtreichelt mit widerlich verzereten- füßlichen
Mienen die bairiſchen Katholiken, bie Ihre: proteflantifken
Brüder zwingen wollen, vor bee Monſtranz bie Autee
zu beugen; fie wennt fie „ige Bruͤber in ber kactholiſchen
Kirche’; fie bitter fie ums Himmelowillen, Frieden zu
hatten, die Dogmen und Gayungen gegenfeitig. anzuerken⸗
nen. Nur Dogmen ! Dogamn! ganz gleichguͤltig welche.
„Dogmen! Dogmen! ein Königreich für ein Dogmal”
Zu dieſer allgemeinen Werbrüberung haben die thes⸗
logiſchen Syfieme freilich Grund genug; denn bie Phlie:
ſephie bat ihnen Indgefammt den Krieg angekuͤndigt. Die
Philoſophie wendet ſich nicht wider diefe ober jene Keche,
ſondern wider die Kleche überhaupt; nicht wider dieſes
oder jenes Dogma, ſondern wider alle Dogmatik. Das
erklaͤrt ſchon Strauß in der Vorrede zu feiner ‚Blanbenss
lehre im Kampfe wit ber medernen Wiſſenſchaft“ eb
Strauß iſt noch nicht Feuerbah und Bruno WBauet.
Das iſt der Stand der Dinge; bie Schranken find ges
öffnet ; der Kampf geht auf Leben und Tod.
An diefem Kampfe fh titerarifch zu betheitigen, iſt
nicht Jedermanns Beruf; aber gleichguͤltig und unberkhet
kann kein gebildeter Menſch beiden. Und wenn er für
rein theoretiſche, für metaphyſiſche Kragen ein Intereſſe
hätte, fo möüflen die unabfehbar wichtigen praftifchen
Folgen, die fi unmittelbar an das Reſultat des Kam⸗
pfes anknüpfen, feine Aufmerkſamkelt am fich reißen ; denn
e6 bat ſich noch niemals in ber Welt um rein theo⸗
retifche Kragen gehandelt: alle Theorie und Bildung ſetzt
fih in® Leben um, gibt fich Geſtalt und Wirklichkeit im
Staat, in Geſetz und Sitte und in det Ordnung ‘des
gefelfchaftlidhen Lebens. Die katholiſche Theologie hat bie
Hierarchie hervorgebracht, das Papſtthum, das Moͤnché⸗
weien, die Imquifition; die Gcheiteshaufen; was bie Pros .
teftantffche Theologie hervorgebracht hat, das wiffen wir,
darin leben wir; man nennt es felt einiger Zeit den "chrifts
lihen Staat. Has die Freie Philoſophle mit ihrem Principe
ber Dumanität hervorbringen wird, das ficht zu erwarten,
man mag fi nun davor fürchten oder baranf hoffen.
Aus diefen Gründen fagte ich oben, daß die Theolo⸗
gie jetzt eine große Role fpielt; und aus diefen Gründen
fege ich bei den Lefern d. Bl. ein Inteteſſe für theologl⸗
[he Fragen und für Erſcheinungen der theologifchen Lite⸗
ratur voraus. Daß die vorliegenden theologifchen Schrifs
ten mit den ragen der Belt nicht zufammenhängen moͤch⸗
». 96
ten, bavor brauchen wir non vormberein nicht bange zu
fein ; benn die Theologie bat immer nicht nur im, fon-
dern auch vom Widerfpruhe mit der menfchliden Ber:
nunft und alfo mit ber jedesmaligen Wiffenfhaft und
Bildung gelebt.
Mr. 3. „Theologiſche Bonette.” Das muß man
geftehen, die Theologen unferer Zeit wiſſen fid in Alles
zu finden. Wo find Kutte und Kapuze? Sonft war ib:
nen keine Form zu ſchlecht, ihren Glauben zu verbreis
ten; jest ift ihnen keine zu gut, ihr bäßliches Gemiſch
von Glauben und Unglanben, ihr deſtillirtes, zerſetztes,
bruchſtuͤckiges Chriſtenthum an den Mann zu bringen.
Aber find denn theologifche Sonette, iſt theologifche Poeſie
überhaupt möglih? Die Theologie iſt ja als Wiffen-
sfehaft. ber Religion, wie.fie die Theologen felbft erBlärem,
dacchhaus eine Sache der: Reflerion, des Verſtandes. Frei⸗
lich bat es in ber Geſchichte der deutſchen Literatur ein:
mal ‚eine Zeit ‚gegeben (im AT, Bahrhundert), wo die
Dorfie von dee Theologie beierefcht wurde und darum
ſelbſt ein theeiagifches Gepraͤge an fi trug, wo bie
Rechtzlaͤubigkeit für den Pruͤfſtein des poetifchen Werths
‚galt: aber Klopſtock, der das Gebiet der Theologie für
die Empfindung und Pbantafie eroberte, Wieland, der
ne Beit lang ſeibſt in den theologifchen Feſſeln ge:
(hwachtet, uad ſich fpdter empfindlich dafuͤr gerächt hat,
‚ab vor Allen Lefling Haben diefer ſchmachvollen Knecht:
ſchaft der Poeſſe für immer ein Ende gemacht. Run
‚gar theologiſche Sonette! Von jeher gilt das Sonett
‚Sr den Ausdruck der innigſken und zarteſten Empfindung:
das Ungeftlam und bie Heftigkeit des Affects wird gebän-
digt durch das beſtimmteſte Maß, durch die kunſtvollſte
Form; aber sahme (gar theologiſchel) Meflerionen. paflen
in dieſes Maß niht. Darum find denn aud bie vor:
Iegenden ‚‚Nheologifchen Sonette” zum geringern Theil
nicht theologifche, zums geößern Theil feine Sonette. Don
den erſtern eine Probe:
AL.
Unverzeihliche Cenſur⸗Rachlaͤſſigkeit.
Oft Hör’ ich unſres Staates Weisheit preiſen;
Wie aber, nennt man denn aud Das gefcheit,
Daß er die Prebigt von Cenſur befreit,
Uns von ben Pfarrern 1äßt herunterreißen?
„Ihr Anechte, wollt ihr Gottes Kinder heißen’ —
Warb heut geprebigt —, „müßt ihr jeder Zeit
In allen Dingen Treu und Folgſamkeit
- Den Seren, auch ben ſtrengſten felbft, beweifen.”
Schoͤn das! wie aber kam's im zweiten Theile:
Ihr Serra, was recht und gleich beweiſt ven Knechten;
Auch ihr habt einen Herrn! zu eurem Heile,
Vergeßt das nie; einſt wird er mit euch rechten.“
e kann der Menſch ſo etwas ſich erfrechen!?
DO wär’ ich Fuͤrſt, bald follt' er andere ſprechen.
Hierin iſt doch die Pointe ganz untheologifh. Die Aus:
drucksweiſe if} zwar immer nocd breit und matt und
nicht epigrammatiſch, wie fie die Sentenz, die als med:
Ienburgifches Product ganz brau iſt, erfoderte. "Aber bie
wirklich „Theologiſchen Sonette” find ſchale Reimerei und
noch dazu voll unklarer widerſprechender Gedanken.
Nr. 2. „Gegen ben Strom.“ Ja wel gegen den
Strom, aber für den koͤlner Dom. Jedoch im er
ſten Theile: „Vaterland“, find einige Sachen gamı
leidlich. Der Verf. kaͤmpft zuerſt gegen die „Pfaf:
fen’, und ‚das 1 ſicherlich nicht „gegen, ben Strom;
aber dann gegen ben „Krbfeind”, die Franjoſen und
gegen den Kosmopolitismus. Mit diefem Specke fängt
man feine Mäufe mehr, zumal wenn man chriſt⸗
he Würze daran hut. Als ob das Chriſtenthum
nicht kosmopolitiſch wäre! und als ob nicht gerade der
Kosmopolitismus feine welthiſtoriſche unvergänglihe Miſ⸗
fion wäre! Was die Franzofenfrefferei ins Veſondern be:
trifft, darf man immer noch auf das herrliche Schriftchen
von Ludwig Boͤrne verweilen: „W. Menzel, ber Ftanzo⸗
fenfreffer. Nehmt euch ein Erempel dram, ihe „chriſtli⸗
hen Germanen”, unb denkt an den Häglihen Ausgang
des Liedes vom ſogenannten „freien“ deutſchen Rhein!
Der zweite Theil: „Kunſt“, enthaͤlt auch noch leidliche
Sachen; aber im dritten Theil: „Aus dem Leben“, bericht
der Unfinn ſchon durch; 3. B. AT:
Da lob ich’ mir die bärt’gen alten Juden,
Dem biut’gen Talmud treu in finfleen Buben,
Trotz manchem Fluche, den fie auf fich Tuben.
Zwar fagt man, daß fie Chriſtenkinder ſchlachten,
Doch find fie gläubig bei dem ſchlimmen Trachten —
Den Juden, der nichts glaubt, muß jch veradgten.
Und das ift, man glaubt's kaum, biutiger Ernſt, denn
es kommt im vierten Theile: „Glauben“, noch Arger (X):
Den Mann von echtem Btauben muß ich achten,
Ob Ketifhhdiener, Jude, ob Brahmine,
Ob Moslim, ober weichem Bott er diene —
Den Mann, ben Zweifel nicht zum Zweifler machten.
Sein Staub’ iſt frei, er laͤßt dafür ſich fchlachten,
Nicht fchredt der Tod den Muth aus feiner Miene,
Sr glaubt, baß er das Parabies verdiene,
Sobald die ſchwarzen Schleier ihn umnadten u. f. w.
Solcher Theologie 'gefhähe zu viel Ehre, wenn man fie
nad Ludwig Feuerbach in Anthropologie auflöfen wollte;
fie ft nur in Zoologie aufzuldfen: Ihe wahres Wefen
ift die Beſtialitaͤt. Ja unfer Verf. geht mit feiner
Staubensfompathie noch eine Stufe unter da6 hier,
denn ein Sonett beginnt: „D, unfre Berge zweifeln
nicht!“ und S. 59 ruft er aus:
blinder unverzagter Glaube!” Hiermit fei der Verf.
der — Verachtung bes gebildeten Publicums anheim:
gegeben !
Nr. 3. „Expostulation.”’ Über bie Beibehaltung
diefes englifchen Ausdrucks erflärt fich der Überfeger in
der Einleitung (S. 10) fo:
Das Wort Expostulation bebeutet im Gnglifhen Be⸗
fhwerbe, Streit, Wortwechſel, Anklage, aber diefe Begriffe find
in ber Bedeutung des Wortes fo gebunden, und der urfprüng:
liche des Derausfobeens fpielt fo hinein, daß das MBert ſchwer⸗
lich im Deutichen durch ein ganz bezeichnendes wiebergegeben
werben ann.
Das ganze Gedicht (734 Jamben) ift eine Allegorie
ohne allen beflimmten, faßlihen Zufammenhang Die
englifhe Geſchichte wird mit der jüdifhen in Parallefe
geflellt; aber bisweilen weiß man nicht, ob von Jsrael
„uns fehle ein
ober England die Rebe if. Die gumge altteflensentliche
VWeltanſchauung des Berf. und fein prophetiſcher Stil
möchten bei dem Geſchlechte unferer Zeit ſchwerlich ſon⸗
derlichen Anklang finden. Nur einige Stellen, wo von
der Freiheit und Macht Englands in menfhlicher Weiſe,
ehne Einmifhung der wunderbaren Vorſicht Gottes, ge:
handelt wird, geben für die fonflige Breite, unklare und
verfiiegene Auegorie eine gerofffe Genugthuung, und es
ige fi, wie unter einem freien Voike der Sinn für
die Gedichte der Gegenwart auch bei einen fonfl gan
sheoisgiihen Menſchen nicht völlig erſterben kann.
Des Gedicht ift von William Cowper (geb. 1731,
gef. 1800) im Winter 1780 — 81 gefärieben. Der
Berf, war (nach der Einleitung des Überfegere) zu ver:
fhiedenen Malen gemüthskrank, einmal fünf Jahre lang,
yon 1773 — 78; wir vermuthen, er war 1780 noch
wicht völlig wiederhergeſtellt. ©. 3:
Sowper farb den 25. April 1880. John Johnſon, ein
junger Beifltiyer und Verwandter, ber um ihn war, fagt, ber
Austrud feinee Züge im Tode fei Ruhe und Faffung gewefen,
gemiſcht mit Heiliger Überrafhung. (Wat if Heilige
ücherrafhung?) Gr deutet darauf, daß in den Zuͤgen bes Ent⸗
feriten fich das feige Erſtaunen (felige Erſtaunen?) malte, fo
viel Größeres zu finden, als er in feiner legten Dunkelheit er:
wertet.
Wiliam Cowper hat alfo bie Herrlichkeit bes jenſei⸗
tigen Paradieſes noch mit leiblichen Augen gefehen; er
iR zu gleicher Zeit auf diefer Erde ſterbend und in
im Welt auferfianden gemein. Was doch ein
Theologe Alles glaublich findet! Der Zufammenhang bes
Gedichts mit unferer Zeit befchräntt fi) auf den Wunſch
des Überſetzers, Daß „die Theilnahme für Cowper's Werke
überhaupt dadurch in gewiffem Grade angeregt würde”.
Das ſteht nicht zu erwarten; denn mit Gomper’fcher
Porfie war wol gegen den damaligen englifchen Deismus
etwas auszurichten, aber nicht gegen unſere gegenwärtige
Bildung und Philofophie.
Nr. 4. „Adelaide. Laßt euch nicht durch dieſen
(hönen Namen verloden, romantifche Zeferinnen! denn im
Buche fpielt Adelaide eine hoͤchſt untergeordnete Rolle; bie
Hauptrolle ſpielt — Gottlieb. Gottlieb predigt beinahe
durch das ganze Buch, und die Dürftigkeit, Plattheit
und Sntereffelofigkeit der Erzählung, des (sit venia verbo!)
pertiihen Ingredienz ift gar nicht mit Worten zu be
ſcheeiben, oder vielmehr mit zwei Worten. Gottlieb (er
bat duch das ganze Buch hindurch keinen andern Na:
men; nur einmal fagt der Verf. „unſer Theophilus“,
aber im Drudfehlerverzeichniß ſteht: ließ [unfer] Gottlieb)
Gottlieb alfo bat ein Geſpraͤch mit Adelaide, erzähle das
Reben feines feligen Freundes Gottlieb Weihe, und beide
(nimtih Adelaide und Gottlieb) verlieben fi ineinander.
Beim Abfchiede fagt Adelaide zu Gottlieb: „Ich bin eine
Juͤdin.“ Aber das kuͤmmert Gottlieb nicht, er bat fuͤrs
erfte ganz andere Gedanken (S. 86):
Die Erbe erfchlen ihm ald eine Hde, aus weicher nur
Sergen und Kümmerniffe wie Geſpenſter fich erhoben, um Gott
ieh zu quaͤlen. (Eine Probe von des Berf. Schreisart!) Was
werdin die Menfchen davon fagen? wäre es nicht beffer, ſpaͤter
irgend ein reiches Maͤdchen zu heirathen, deſſen Geld beiner Bes
bagtichleit uukahtfe (sich? bean Abelaidens Weruäcdtniß i
iger wit u. f. w. RR
Meter umten:
I bin eine Zünin, abflobenbes Mont — (das finde ich nicht;
Sude klingt haͤßtich, aber Juͤdin akt) — allein wer bi Hu
denn: ein Deutſcher, iſt beun dad wirktich etwas Beſſeres?
(Die Interpunction tft vom Berf.) Ha — ich fühle — doch
nein, ich bin ſtotz, ſtoiz bin ich darauf, ein Deutſcher zu fein!
Die Deutſchen waren es, die. tapfern Germanen, welche allein
: 1, W. 1
Gottlieb hält fpäter eine Lange Predigt über Altes
und Neues Teſtament, fchimpft auf Aufllärung und
Toleranz, auf Degel und Strauß (mit einer beifpiellofen
Unwiſſenheit), umd verlobt fich mit der Juͤdin Adelaide.
Ste macht dann unfreiwillig einen Abſtecher nach Ame⸗
rika, wo fie ihren todt geglaubten Vater wieder findet;
Gottlieb tröftet fich leicht und geht in den Orient. Beide
treffen nach ungefähr einem halben Jahre an einem Tage
in Hamburg wieder zufammen u. f. w. Wie man ein
fo geil : und geſchmackloſes Barch ſchreiben, und ohne
Ahnung, daß man fi dadurch vor aller Welt blamirt,
drucken laſſen kann, wäre unbegreiflih, wenn’s nicht —
theologiſch waͤre. 42.
Humoresken von W. Achat.
Gr. 12. 1 Thlr.
Dee Werf. hat ſich durch allerlei pikante Kleinigkeiten in
ben Tagesblättern bekannt gemacht; bier iſt eine Sammlung
derſelben. Wir meinen, dieſe Sammlurg ſelbſt iſt als sine
Kleinigkeit dem Publicum übergeben und fo muß fie beurtheilt
werben. Die meiften Artikel find mit Wortfpieien, mit Werts
wig, mit fdhlagenden Beziehungen ausgeftattet, ſodaß fie fich
ganz leicht weg lefen laſſen. Es if darin nicht das Blendende,
nicht das Brillante, was in Saphir'ſchen Artikeln diefer Art
fo ſehr anfpricht, aber es ift doch in bem vorliegenden Buche
eine Grinnerung daran. Einiges ift recht leicht und fließend,
Anderes höcft ſchwerfaͤllig und forcirt, zum Grempel bie „Ras
gen des Eifens und Goldes“; übertrieben und matt if „Roth
und Grau. Das Budy ift wie manche Befrlfchaft: But man
teine befiexe, fo läßt man fie ſich einmal für eine Stunde gefallen.
Bisweilen ſtreift ber Verf. ins Gebiet der Satire, aber ba ber
wegt er fich nicht ohne Schüchternpeit. Seine Satiren find faſt
guößtentheils allgemeine, gegen Sirutenauts, Commiſſionsraͤthe
unb geprellte Shemänner gerichtet; wendet fich feine Satire
gegen Perfönlichkeiten, fo ti fie fo zahm, daß ihr die Zähne
zum Feſthalten ausgefallen zu fein ſcheinen; oft kommt es Eis
nem bor, als werbe der tobte Eſel zum zweiten Male tobt ges
f&lagen. So fagt der Verf. 3. B. einmal von Menzel: „Was
ba noch herummwanbeit und Krititen ſchreibt, das ift blos Men⸗
gie Geſpenſt; fein Geiſt befindet ſich laͤngſt im Reiche der
z er ſtarb an einem Duell mit Heine, das zwar nicht zu
Stande kam, aber er ſtarb doch daran.“ Ebenſo matt iſt, mas
Or. Achat über Grabbe ſagt: „An einem Waſſerfalle — unge⸗
heure Sronie — ſigt Grabbe. Er trinkt verſchiedens Schnäpfe
und arbeitet dabei an feiner wuͤſten Tragoͤdie, bie man aber
wol wieber nirgend aufführen wird als im Meplatalog.” Ein
haͤchſt veraltete Big wird über Raupach gerifien, wenn es
beißt: „Der verſtehts; einen Stoff, bee kaum zu zwei Akten bins
weicht, dehnt ex im feinem bramatiichen Prokuflesbette 8 fünfen.
Warum? Deil das Heftheater ihm für jeden Act DO Thaler
bezahit.“ Gegen ben Thalien⸗Vater Töpfer und Conſorten, bie
für große Männer Hatten, geht er ſcharf zu Feide; „dieſe
Coesfeld, Riefe. 1843.
enden Übderfehungstabrilanten, die noch dazu unverſchaͤnt genug
find, fi den Originalen an bie Seite zu flellen, ſollten als
Seine unferee Rational » Literatur oͤffentlich profkieuiet werben.”
Berf. hat wirklich Secht, wenn er erklärt: „Kotebue war
ein anderer Mann, der kbertrug nicht bios bie Norte, ſondern
auch den Geiſt; er überfepte nicht blios aus dem Franzoͤſiſchen
ME Deutfche, Tondern auch aus dem Faden ins Pilante, ans
dem Zrivialen ins Witige.” huͤbſch fpricht Hr. Achat
über den literariſchen Reid: „Die Poeten ſollten einander doch
nur durch bie Schoͤnheit ihrer Lieber und Dichtungen zu übers
treffen ſuchen.“ Mit Recht wird noch „Oeine's Salon“ tuͤchtig
mitgenommen; ber Verf. weiſt in bem ganzen Heine’fahen Buche
gwei und einen halben Wis nad, und rebet, wie es Recht ifl,
mit Schärfe über biefen Auswuchs ber Literatur.
" Da Ref. die entfchiedene Anſicht hat, daß gegen viele ver:
Lehrte Richtungen und Tendenzen der Zeit gar nicht anders als
mit Satire gewirkt werben Tonne, fo fobert er ben Verf. der:
„Sumosesten‘' auf, dieſe Waffe ſelbſtaͤndig und mit Kuͤhnheit
u gebrauchen, damit er nicht blos ber Unterhaltung biene,
—8 auch die reichere und vollere Entfaltung des geiſtigen
Lebens foͤrdere. W.
Literariſche Notizen aus Frankreich.
Katholiſche Zeitſchrift.
Wir haben zu wiederholten Malen auf bie große Thaͤlig⸗
keit aufmerffam gemacht, welche in jüngfter ‚Zeit einige ber
retigidfen Geſellſchaften in Paris entfaitet haben. Nicht nur
durch die mündtiche Rede fuchen diefe Geſellſchaften, benen einige
der einflußreichften Familien angehören, ihrer Sache immer
neue Anhänger zu verfchaffen, fondern mehr als einer bdiefer
eifrigen Apoftel greift auch, um feinen Ideen eine weitere
Verbreitung zu geben, zur Beber. So hat faft jebe biefer
Geſellſchaften, die alle mehr ober weniger untereinander in
Berührung kommen, ein eigenes Zournal. Das gediegenfte und
am beften redigirte iſt die ,‚Revue litteraire et critique,
publide par la Sociöts de Saint- Paul”, deren wir ihrer
wirftichen Bedeutung wegen hier gebenten wollen. Diefe perio⸗
difche Schrift, auf die namentlich der bekannte Abbé Ratisbonne,
ein getaufter Jude aus Straßburg, einen großen Cinfluß aus⸗
übt, bringt außer einigen gebaltvolien Driginalauffägen eine
Reihe kritiſcher Artikel, in denen die wichtigſten Gricheinungen
der neueften franzoͤſiſchen Literarur vom religioſen Standpunkte
aus beleuchtet werden. Mir rechnen dahin namentlid eine
Beſprechung ber legten Wände von Michelet's „‚Hintoire de
Franoe’. Es if intereffant zu fehen, mit weldem Auge
ein eingefleifcdhter Katholik, und bies iſt M. D., der biefen
Auffag unterzeichnet, dieſes wichtige Geſchichtswerk anſieht,
dem von manchen Geiten ſchon ein allzu katholiſcher Anflug
vorgeworfen wird. Beachtungswerth find auch mehre ber kriti⸗
ſchen Portraits und literariſchen Charakteriftiten, die uns in
diefer „Revue’‘ geboten werden. Wir heben davon namentlich
die Shateaubriand’s, die aus der Weber von Gabourd gefloflen
tft, hervor. Vielverſprechend find endlich Die „Etodes sur les
philosophes contemporains”‘, die mit Fourier eröffnet werben.
viel man auch ſchon Aber diefen Sotiatiften bins und herge⸗
redet bat, To ift doch bis fest fein Verhaͤltniß zum Glauben
ber kaͤthoiiſchen Kirche noch nicht fo umfaſſend dargelegt, wie
es in biefem Auffage geſchieht. Won ben Driginelauffägen
verdient einer aus ber Weber vom Abb Ihkodore Ratisbonne
(dem Bruder des Dbenerwähnten): „Harmenie des sdcrits de
Saiot- Bernard sur la sainte Vierge avec ceux des pères de
Peglise”’, befondere Beachtung. Binnen kurzem wirb bie „Revue
Iitteraire’’ auch einige Proben aus einem größern Werke über
Proteflantisimus und Katholicismus („Ise protestantisme com-
par6 au catholicisme dans les rapports avec la civilisatien
suropsenne”, vom AbbE Iacques Balmer) bringen. Der Berf.
dieſet Sqheift if Herausgeber eines ſpaniſchen Yaurnais
aivilizacien‘‘, das in Barcelona Pod ein und hat A
seite durch mehre literariſche Arbeiten ſowol in Frantreig au
in Spanien ruͤhmlich bekannt gemacht. Die „Rerue litteraire"
ib, In demı ce ben. berüpeiten Befhichtfän her aut DM
ihm, in er en i mM
fühetich befpricht. in
Raspails neues mebicinifhes Syſtem.
Bir müflen zwar in bes Regel die Anzeige folder Werte
die den engen Kreifen einer befondern Fachwiſſenſchaft angehören,
andern Zeitſchriften übertaffen, wollen aber einmal in Bey
auf sine ſoeben erfihienene mebieinifche Schrift eine Ausnahme
machen. Dieſelbe verdient nämlich einmal dethalb, weil fe
beffimmt iſt, im ihrer Wiſſenſchaft Revolution zu machen, un
bann insbefondere um ihres Verfaſſers willen eine allgemeinere
Beachtung. Wir meinen bie „Histoire de In sante et de la
maladie chez les vegötanx et chez les animaux en
ei en particulier chez l’homme” (2 Bde). Der Verf. biefer
Schrift iſt 2. V. Naspail, der ſich ſowol durch feine Theilnahnt
an revolutionnairen Umtrieben, als durch feine autgezeichneten
naturhiſtoriſchen, namentlich chemiſchen Werke, bekannt gemacht
hat. Er iſt einer von ben feurigſten Köpfen, bei denen Kür,
was fie angreifen, zum &piel ihrer Leibenfchaften wird ©
bezweckt denn auch das vorliegende Werk nichts weniger als
einen gaͤnzlichen Umflurz Deflen, was bis jegt in der Mebicin
für Autorität gegolten hat. Bon. bitteren Erfahrungen mise
flimmt, bat ſich fein Verf. von allem Verkehre zurtuͤckgezogen
und ganz in das Studium der Grundſaͤte ber Arzneiwiſſenſchaften
und ber Verhältniffe bes gefunden und kranken —* vertieft.
Seine Schrift iſt die erſte Frucht feiner Iangjährigen Betrach⸗
tungen und Beobachtungen, der bald noch einige andere aͤhn⸗
lichen Schlags folgen werben. Wir müffen es Leuten von dech,
bie fi aber, um ein unpartelifches Urtheil fällen, ale
—8 Vorurtheile zu entſchlagen haben, uͤberlaſſen.
nachzuweiſen, inwiefern bie Wiſſenſchaft durch dieſes Werk
gefördert wird, oder ob alle die neuen Theorien bes originellen
Denters auch nur einmal wieber Leuchtkugeln find, die eine
deit lang flimmern, dann aber ſpurlos verpuffen.
Jonenale in Berfen.
Bon allen verfificisten Iournalen, bie in Frankreich ſeit
ber Julirevolution aufgetaucht find, bas einflußreichfle und dad
jenige , welches den meiften poetifhen Werth hatte, war jeden
falls die „, Nemesis‘ von Barthelemy, ber fich bekanntlich and
einmal in Werfen vor @ericht vertheibigte. Es gehoͤrt ein un
gewöhnliched Talent dazu, ber Beſprechung ber alltägliden
Sreiguiffe und ber potitifchen Begebenheiten eine poetiſche Br
beutung zu geben; benn felbft im gluͤcklichſten Zalle bleiben bie
felben dody nur gereimte „Premiers Paris”. Dies ift bie Klippe,
an der afle ähnlichen Unternehmungen, in denen die Taget⸗
neuigfeiten- gefungen werden follen, gefcheitert find, und wit
möchten faſt begweifeln, daß das „‚Tribulet, journal en chan-
sons politiques‘‘, das vor kurzem gegründet iſt, fich eines are
Ben Leſerkreiſes und eines langen Beſtehens erfreuen wird. Dab
zweite Heft, das und zu Geſicht gekommen ift, enthält unter
andern berfificiete Artikel unter folgenden überſchriften: „Le
rincosse Pomare”, „La comäte de 1843, „Complainte sur
© ‚prooös Caumartin” u. f. w., die ale weit hinter ben
politifchen Eiedern bet „Corsaire” und namentlich bes „Char
vari’’, der zuwellen ganz meifterhafte hat, uͤckſtehen, un
befonders einen Vergleich mit Beranger’s —— » qutmätfigen
Berfen nicht im entfernteften aushalten. Der Herausgeber uns
wahrfcheintih alleinige Werf. biefes Journals in Liedern iſt
Gharied Lepage, der vor einiger Beit ein Bändchen ziemlich
a emäbiger „Chansons politiques et autres” beraudgegehen
Berantwortliher Herausgeber: Heinrich Broddaus. — Drud und Berlag von U. U. Brodpaus in Leippig.
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ficht auf die innere Eutwickelung in Staat und Bol
Bon E.5.. Allen. Gekroͤnte Preiöfcheift. Aus: dem
il R gentalogiſchen Tabellen und einem
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Borwert — Babd..:
buchhandlung. 1842, Gr⸗ J
Daß die Freccjoſen and * —— ihter
auf die leſende Votkemaſſe berechneten Jocenaliſtek eine groͤ⸗
here Energie zu geben wifſen als die: Deutfchen, iſt in po⸗
fieifcher, aſthetifcher und 'Anbuftiiefer Beziehung, vorniger
in rein wiſſenſchaͤftlicher Hinficht eine unbeſtreitbare That
ſache. Doch zeigt FE auch Im 'diefem' Punkke die Mer
fülerenhelt der Charaktere jener Heiden Nationen. Waͤh⸗
vend nämlich die Franzofen, der Romautik ungleich geneig:
tee als die Engländer, vorzüglich Ihre Romane, "bie nach
ihrer Vollendung mehre Bände füllen; in eine lange Reihe
von SFenfüetonsartiliin- auflöfend unter die VBolksmaſſe
wiglichſt ſchnel zu - vertriiben fuchen, nehmen die Eng⸗
lander cdaſſifchze Werke des In: umd-Ausiades; -fofkn
insbefonbere die praktiſche Bildung und Speculation zu
fordern ſcheinen, gut Hand und thellen fie in einer Menge
ven Zeitun foenn es noͤchig iſt im La He
Oprade dem igeößern Publkum mit. Ein miethokedi
Brifpiel dee Art Liefert Chamber? s „Ediaburgl kouraelt,
Dieſes Journul, vorzugsweiſe auf bie induſtrielle Bevoͤcke
rung Schottlands berechnet und ' bishalb' außerdrdentlich
wohlfeil, fette inn dee neueſten Zeit Jährlich 70,000 Erem⸗
Mars ab. Und was bot e6 feinen Leſern ä. B. Gomkbers
„Constitetion of man”, „Qustelet's „Sur Fhomme?t;
Suiets „L’histoesie ia eivillention: d’Eerope’;" Bord
Bacın’$ ‚Essays: morel, economical: aud pölilical”, und
ähnliche Werke mıche. Was leſen die Deutfcherr?- Rinalde
Rinaldini mit feinen Spießgefellen mache noch immer Gei
ſaſte in een gewiſſen Keetſe der deutſchen Leſelwelt,
‚fe der Bemuͤhungen, die im der juͤngſten Zeit gegen
folde Kertiree angeroender worden find. Wir wollen hier
dieſe Sache nicht weiter verfolgen, glauben’ jedoch Bi Be⸗
wertung nicht Ahterbriden zu duͤrfen, daß es zur "Wen:
kiung unſerer allgemeinen Cultur⸗ und Geſchmackszu⸗
Kine von Intereſſe ſein moͤchte, wenn Lelhbibliotheten
Ha und niedern Ranges gehalten: todren, altjaͤhrſich Tin
tiſiſche Tabellen zu lieſern uͤder Die Wahl der: Leeture: ont
Seiten Dee: eingeiherr Staͤnde, der G. ſhieclen de
möglich auch der verſchiedencn kebendalter. Welches "Ges
gebniß man auich Bin’ diefer ſtatiſtiſchen Maßregel fuͤrch⸗
‚ten oder hoffen mag, ſo diel iſt ſchoͤn iim voraus gewiß;
daß die Bekanniſchaft mit dert‘ edlern und edelſten Theilen
unferer Nutlonalliternkur nicht ſehr chef: innunſer Volk her⸗
abteicht. Sind: doch Pt fr ber’ gelehrten Welt noch
ale alle Pedimsen 'wtißuifldchen, denen es inbung
koſtet, ber deutſchen MNoetieniaitteratne weben der aften ben
ehrenvollſten Platz einzuriumen. Und es bedarf tm der
That noch eines —— auch fter die Geſchichte der
deutſchen Proſa, wir ganz und für Alle' übergeugend- zu
nd Wir "gebiet: haben und weſſen 'wirfere Sprache
—A— ſt. Mar hat übrigens theils uhfeen Schriftftellern
elbſi, theils unfdter Mutiteſprache den Vorwurf Beinahe;
daß ſie die Schuld jener aicht eben erfreulichen und ehren⸗
dellen Erſcheinung teligen. : Über Die: Ungerechtigkeit der
lehtern Anklage’ ſind die Kenner und unparteiiſchen Beur⸗
theiler jetzt To ziemlich einigj J. H. Voß ſteht mit feine
ehrenvollen Zeugniſſe für bie deutſche Sprache ſchon Kängit
Wicht mehr allein da. Und was den Vorwurf gegen bie
Septiftfteker bethifft 7 -fo' iſt derſelbe nur noch theilweiſe
ſtichhaltig: 7E'wirb unleigbar felt längerer Zeit -befonderb
In’reinigen Zwelgen "der Litetatr beſſer gefi rieben als ges
(fen. Wollten wir"did Sünde alle aufſuchen und ihren
Zuſammenhang ·maher etoͤrtern, weshalb wir In der Age
meinheit fo wenig geneigt find, unfere- nationale Biteratwe
rouhrhuft ju ſtudlren/ oder" befähigt, fie geblihtend beur:
chellen zu’ koͤnnen, fo wiirde Das, was daruͤber zu ſagen
waͤre, zu einet bifondern ‚Abhandlung anwachſen. Wir
begnügen uns de&hafd' mit der: Bemerkung, die nicht oft
gennug wiederholt und tief genug eingepräyt werden ann:
derjenige Theil unfers Volke, der einf den geiſtigen Kern
deſſelben bilden ſol und zur - Einwirkung auf die tiefer
ftehenden Bolksgenoffen zu wirken: Serufen iſt, wird zu
frichzeitig in das Auslandiſche und Fremde gewoͤhnt, der
Blick; der Sinn, ja ſogar das Herz ſind ſchon gefangen
genommen, wenn zum Beurtheilen; zum Wuͤrdigen des
Vaterlaͤndiſchen und zar Aufnahme deſſelben in das Ges
mich. zeſchritten wird. Wir ſind fruͤhzeitig uͤberall zu
Haufe, wur im Baterfande am' wenigflen und in der Re⸗
geb; wenn es ja gefchteht, am ſpaͤteſten. Vergebens iſt
indie Binden nach Nationaleinhrit, gehn unfer Stees
ur 3 7
ben nach einem flarken Rationaigefkhl,, wenn wir nicht
die Köpfe und Herzen unſerer Volksgenoſſen mit dem
wahren Geiſte unferer Rationalliteratur füllen und bei
eben wollen. Doc nur zu . wiflend, zu 1 —*
ſequenzen und ( oo ten ocentwickelung Diele ‚Ans
Schr führen een ch ab, um für unkee agents
liche Aufgabe * den 3. 3. Raum zu bewahren.
Der Wunſch, ein populaires Werk über die Geſammt⸗
gefcyichte Deutſchlands zu erhalten, iſt ſchon oft und Lange
ausgeſprochen worden, und +6 wuͤrde «in ‚wen 6
d abe töfte, unſtreitig mit vielem, vielleicht mit all⸗
gr She — werden. Zur **
dieſer Wunſch
na feiner Erfuͤllung.
um fo weniger geneigt fein, den piftorifchen Schrifeftellern
Deusiiglande deihatb Vorwuͤrfe zu marben, je mehr man
übe die Schwierigkeiten zachgedacht hat, denen dieſe Auf⸗
gabe unterworfen iſt; je genauer man ſich mit dem ein⸗
mal angenonmagen Gharalter unferer gaſchichtlichen Stu⸗
dien und amferer hiſtoriſchen Kunſt bekaunt gemacht, hat,
und febald man endlich bedenkt, daß es unferm aͤffent⸗
chen Wofkedggrakter noch am einen geroifien Schärfe und
figerm Talte fehlt. Indeß bat auch in diefer Sezichung
die meuelte Zeit manche erfreuliche Fortſchritte gemacht;
vers heſiten Imsbsfondere bereits eingelne hiſtoriſche Mon⸗⸗
graphien, die alle Aneckeunung verdienen; bie Memoiren⸗
literatur zeigt in einzelnen Erſcheinungen ſchen eine ‚ge
wiſſe Glofficisät, fowie auf der andern Seite —*
Unterricht und Geſchichtslecture in Kreiſen Raum gewon⸗
nen haben, mg dies früher aicht der Fall war. Allein es
bleibt deſſenungeachtet noch wahr, daß der Deutſche, wenn
liserarifche Einladungen qus den Bauen feines Baterlans
bes laut werden, etwas h fi zeigt, dagegen Ans
preifungen, wenn fie von der Seine oder Themſe ber er⸗
tönen, gleich Sireneznſtimmen horcht: er ſucht bereitwillig
bei Fremden, was or entweder zu Hauſe bei fi nicht
femnt oder in der That noch nicht beſigt. Daß unter
den namentlich in Europa obwaltenden Culturverhaͤltniſſen
nicht felen ein gluͤckticher Fund gethan merden ſollte, wer
moͤchte das in Abrede ſtellen? Und wir müͤſſen denn
auch das Wert, das und jett zur Beustheilung vorliegt,
als «einen ſolchen bezeichnen,
Die Lopenhaganer Geſellſchaft für die Nachwelt hasse
im 3. 1836 als Preisfrage geitelle „Die Bearbeitung
einer Geſchichte Dänemarks mit befonderer Rüdficht auf
bie innere Entwidelung in Boll und Staat”. Ein aus
fünf der geachtetfien dänifchen Gelehrten befichendes Gen-
forencollegtum ſprach 1839 Hm. Allen den ausgeſetzten
Peeis von 300 Reichsbankthalern zu. Die Mitglieber
beffelben erkannten des Verdienſt, das fich dee Verf. um
die Befriedigung eines fange grfühlten Beduͤrfniſſes erwor⸗
ben babe, einſtiamig an, um fo mehr, „Avell Diefes Ber
bürfnig in ben letzten Jahren noch zugenommen, ha die
Beſtrebungen einer befiern Ordnung ber Verhaͤltaiſſe des
Bemeinweſens und das lebendige Intereſſe für das Oeffent⸗
liche, welches ſich in der leuten Zeit kundgegeben, natuͤr
lich die allgemeine Aufmerkſamkeit auf bie Votzeit und
ihre Verhästniffe, aus denen die Gegenwart ſich extwickelt
e
Der Umfland nun, daß die Par,
eift, welde iche vortreffiich Die Mitte 2 zwiſchen Dahl
ann's gelehrter Geſchichte Dänemarks und einem Sqel⸗
pen, auch von dem te Publicum mit gre
Sem te
eine rſchu Na Hera l
Und wi —8* it Recht behaupten m dürfen Me
durch diefe Übertragung, die zugleich als eine fehr gelun:
gene bezeichnet werben muß, ber deutſchen Geſchiqhtslitera⸗
ur ein hoͤchſt geleiſtet worden ſeh
—* in materieller theils im formeller Bezichung: in
materieller Beziehung deshalb, weil wir dutch ein Vat,
des auf: aub Rekanniſchaft mit
den deſten Huͤlfsſchriften gefküe ift, die Möglichkeit gehe⸗
ben fehen, die Kemntaiß tet Geſchichten ines Semuikkeren
VBraderoaits, Das theitweiſe acahe .olmm gtaͤnzende Ber
garpenheit gehabt hat, auf ein bebehrende Wiſe amiır
uns zu vwerbreiten bean Sachſca Merk: iſt vernitet amd
wenig gelurmee, :mäheemd ae fs spelchete
Binelle forſcht uind.cfchreibe. . Aber aueh hp ſormeller Bin:
ſicht darf des Verf. Suhript unter wis vollifeummmen ‚ehr:
fen werden, weil :bis ſprachtiche Darftellang, bie gefhict:
liche Methabe mad die Auttwahl ber RPegebenheiten, der
Verfaſſungs⸗ und Rechtuwverhaͤttmiſſe, der Cultur⸗ und
Wiffenfchafteguftäude His. anf einzelne wenige Punkte ie
bie ſich rochten läßt, unſtreitig das Wrädicat der Muller:
haftigkait in Anfpmuch nehmen koͤnnen. Wir halten an
ch für wolttonamsen gerechtfertigt, daß ums cin dem
fo arkartee Werk für unfere Volksgeſchichte weht bald
wu Theil werden maͤchte! Der Eindruck, ben des Verf.
— anf ums gemacht hat, iſt uns um fo wohlthwu⸗
Ra at's „Nordgarmauiſche Weit“ ua
der gaweſen,
ihres eigenthuͤmlichen Galehrſamkeit doch mm ihre Pi |
bachepfaiten: und Übertreibungen willen fo wenig wahrheit
miſſenſchaftlich zu erfreuen vermag.
Vevar indeß der —— Die Die Deustfche Übenfetuung dem
Dade fihengab, ſendete er fie ham * Etatsrath Fald
in Kiel zur Durchſicht zu mit ber Wise, dieſelbe mit ds
nem Vorworte zu tgl. Dies iſt deng auch gehe
ben, aber allerdings in, ainer Art, bie wir gu billigen und
nicht ensfelieen kännen :- diefe Morcede Bommt und ar
wie eine Art Uriasbrief, ur mais dem Angerfchiede, daß ı
geöffwet iſt. Der Werraäner bat nach gewiß die Aufgabe,
wenn nicht gar die. Dicht, ein Werk, dem er feine Worte
oder feine Aucaritaͤt vorſetzt, zu bwormarten und zu em⸗
aim ; auf kanen Kal. list ihm das (Begentheil ob.
Eins feine Anfipren wand. Überzeugungen dem Werke fehl
nicht gänftig, nun dann ift es nicht fein Beruf, die Role
eines Vowedners zu Abemmehmen: die Zumuthung, zu lo⸗
hen und Andern anzupreiſen, was man nach feiner inwen
Überzeugung tabeinswerth findet, wird Miemand «am
Ehrenmanne machen. Allein Hr. Falck verfährt niet ſo,
wis map erwarten follte, Nachdem er ziemlich froflig ge
äußert, daß man im Allgemeinen alle Urſache habe, mit
Auenis Schrift zufrieden zu fein, fügt er hinzu: „Ib
Pe die Theilnahme an ber Herausgab⸗ dieſer deut:
efegung al6 eine wölkfonumgse Gelegenpeit, [o wir
big"
we 11.) fm
ju im Wrincipe , fehter | Aesleken
—— an, 5,99
Er het es tabeintwenth
Den ee bemahpe iſt, daß bee
———— aats gepriefen und
pre Bits eit ohne Grund sur
—55* ſpalt dar Meinyngen
* Pa
‘ber Eine die €
—— — ins Ange faßt; Jene —2 ‚Der Brei |
— ak Der Greiheiten nlimsbinge bie
und fchen reiyiebge three Sicllung, res aligewai⸗
Den Be Ib ho Thaten bie ‚Hufmertfamteit des
and errgen in Manchem ſagar auch
noch in 5 sine aganthuͤmliche Luͤſtoernheit; die
———
und im Auge behaͤlt, aul ir politiſch verſinken: das ur⸗
ſprungliche Gleichgewicht ward allmaͤlig im Laufe des
pri
Ente
Mittelalterb gänzlich aufgehoben. Aber die Geſchichte hat |
das Anfänglihe und Ratuͤrliche iF-ihrem Andenken eben
0 t
Es Arere * he gewaltfam — geſetzlich Berfchrobene. Und
en Derif ‚maam ſich auch von dem verhaͤngnißvollen
ext Sreigeit biden woͤge, auf weichen Standpunkt
—23233 fich auch fielte, fo viel iſt gewiß —:
Eee darin überein und was noch wichti⸗
, We Jeſ ehrichen Thatfachen und Urkunden ver-
“ sernehrlih —, daß das urſpruͤng⸗
steflo Kreis der Volkofreiheit im. Laufe
des ſogenanuten Mittelalters ſich im⸗
"Ben man diefen Gegenſatz hervor:
a fib dedhalb der Verkennung geſchlcht⸗
a⸗ al. wie Hr. Falck unferm Verf. vor:
7 iſt deun auch der Vorwurf, den
— 33 „daß namentlich die Anſichten
bie Stellung der Geiſtlichkeit und des
Bag
Hau
|
if
der neuen Zeit von ‚ber Art fein,
6 Vorworts in feiner Art umd
gen anerkennen möchte”. Und zu den
32 Bl * Falck feine Polemik zu vertheidigen
ſacht, gt ee Folgendes Hinzu: * * fe und
— iſt, eine nicht unparteii und
von Metwibuag freie Auffaſſung unb Barftelung
** Yan ia dee Gegenwart —— nachtheilig —
indem eine allgemeinere Verbreitung ſolcher Anſichten nur dazu
dient, einen Fheil des Volks mit feiner Sage un zu
machen uns haß ‚gegen andere Stände zu Eugen, deren unge
IH
wefduniaden ebenſo vor den Blichen des F hie
m er fie nicht veſonders auffucht
in Ehren zu, halten wie das ie
en Wolke während bes Mittelalters und |
ie
*
ee * genug in
—— — *
Eaſicta· — nad. inarım
thode. Von M. W. zeua — —*—
3 8. Ahle, 22 Near
kelamntlich **
mia an. = u. —
"ie —** ‚au bie Spige. ae übrigen: — E ar Alntene
| n gefellt zu werben — Richt nur Ende
Rast fuchten Durch, ‚eine ber Rhatfadgen : de **
| eins Blend
Vorausſchungen
—— **
Uet
ſich aibnaiße, das wo ed: 33 Bewe isgrauden fehlte, ſich anf he⸗
fonbere aeitige Drgane ald bie Duelle gewiſſer ten nen B*
.
| bie —2* AR:
Speculation zeittebene fremd Klaibt, ‚waren ı fir eine philofopbiidie
ver. Srksuntniß Gottes anb
des Univerfums gewiß war, ein viel za ,gerinpfüniner Begenflun,
\ 8 daß fie ihr der Mühe einer genauen —* — werib ers:
1. fheinen tönnen. Während daher da, um bie
die Natarphiloſophie und bie. ————— — Dielettitẽ
tümmerte, ber gemeine pſychologiſche Haußbedarf wit den
alten Traditieaen ber — 2* Moif ſchen Bermögensiehme.
begnuͤgte, Kebten es bie Adepten jener ſen mit dem, für
eine präsife Unterſuchung überall noch nis «im unner ſtandenat
Räthfel daſtehenden NWegrifie einer „organifden Entwidieling‘
hald in Wüdern und Analogien, bald is willlkuͤrlichen
: mein zu fpielem. Andlich ergriff man, als ab cd mögkicdh.
; bie Dunletheit Dusch die Binßeunig zu ‚be
gen von Somnambulen und Elairvahants fammt den Beiden
eufcheinungen und dem SBefeflenfeim als eine neue Ast non Dfr
' fenbarang über bie Ziefen des geiligen ©: Lebens und vergaß in
. einer Art träummeifchen Entzuͤckens über der Nachtſeite“ beffels
ne Be m
nten dem machenden unb n nen en pu don
möglich madt. Der einzige Wann, der mit bar
Schaͤrfe der Beobachtung 33 jan da Sdufsmitein. elnes duec
gebildeten Degkens ausgeruͤſtet, die Aufgabe ber Pſychologie im,
Sinne der echten — * fetbftändig anfzufaſſen and gu
loſen verſuchte, Derbast, brauchte für fe famen Untar⸗
ſuchungen viel: Iu viel Zeit, um nicht ne Jahre «dein u
* und da xr * überaf darauf hinwies, daß ein abds
er Ausbrucd der des geiftigen ohne
are Sin * mögliche: ſei, fehlen. .genaume- Zeit und
Re
rung
—2
g
———— und es iſt
taum nothig zu ſagen, daß die —— in dem Sinne der
Herbart'ſchen Pot foppie geſchrieben iſt. a wird fi
R ar Ded un
wur a 5 — —
——
—
ee Pr keine
—— J np f iſche eine watehaft, ER A
Fa Ei Pieie,_afß Bi En ii gdaditem ' een Ka
nicht vermiſchte des —— er e⸗
nigſte⸗im m Gebiete der Phhchologie, wie in für 8 au
air Ochaten dieſeibe fein; "die —ES ber. Back durch Mheo: | güldge Zäefen
verſchiedene Mage verſuchen, die Änalſe wir Yacta | keit. augerich,
* nähe überall auf girichr Anerkennung rochnen können. P unter der Me
Denn ns *7 eiitgenbe * „yon —— toieder eint
au Theo einer eztehun
t, ſo hat das ſeinen Grund —eã— — ver Berfi dutch FA auf: das Lieinere..,,
„fartiſch den Beweis zu: verſucht, daß eine andere und
hoffentlich natürlichere. und — als die noch immer
gaugbare von den Erſchenun Borgaͤugen des
gen Bebens, ohne Saufe —8 Pd: k and ber ie |
‚ ohne Auzirhung der Mathemmit, durch bisße unbe⸗
€ Deobachtung/ „Zexglie —1— hand: Aber
—5 der unſerer innern ng ben weſent⸗
then Gounbtinien nad) fig gersinmmei- Läße!" CE 1) ‚Er Soft |
Bes geiftigen Lebens gu eines eitikt führe,
durch welche ſich die Wahrheit der Herbart ſchen, auf 3*
——— Theorle deo Geelenlobene!
alle frühern und ſpaͤtern Oypotheſen aber Ach ——
* ©. N Wollte man dieſe Säys
—* ie Heeefäpetr. ger vie 1 Dfocztichem hph
der ©: e MPhaͤno⸗
mene —— irgend eine tion bes Gauſalbegriffẽ
ſychiſchen Kräfte
lich, Towol:was die p
* ihrer Wirkſamkeit betrifft; und. ſchwevlich laͤßt ih behaup⸗
‚ dab die bloße Aufſaſſung, Becgliektung, Bergleichuag und
—— der Phänomene genlige, uni Beides himreichend zu
men. Wohl aber kann man ben Beumbuebanken ber Her⸗
bart ſchen Pfycholoptes daß. bie Vorſtellangen ſelbſt die wahren
pſochiſchen Kräfte und bie elf m ’öuftände der Ausdvuck ihrer
—— ve B eräge modificirten Wirkfam⸗
phyſtichen Weorändung f
gs dos als —— — ten, und bann wird man
allerdings finden, daß ſich Diele kick Dem, :wa8 Wie innere
Sefaprung wirklich lehrt, unvergteichbar leichter und natuͤr⸗
licher anſchließt als -jebe andere, durch welche man bi8 jest in
bie Mannichfaltigkeit das geiſtigen Lebens’ die.-Ginhelt eines ges
fegmäfig —— —— — ten beingen verſucht
bat. Wenn bie empiriſche Dipdhols fig vorläufig mit
ver mbalihrett jener myyottefe begnügen kann, ‚beren-Moths
wendigBeit zu rechtfertigen den einenttich ſpeculativen Unter⸗
fuyungm übertaffen bleiben muß, fo iſt die voriiegende Schrift
volllommen geeignet, bie fruchtbare Anmenbbarkeit jenes Grund⸗
— thatſaͤchlich zu belegen und zu brabaͤtigen. Das
nun ber Verf. gagleich eine Arbrit geliefert, welche
He —* inſofern weſentlich ergaͤnzt, als ſie berch eine
forgfäitige, gewaͤhtte und umfidgtige Zufammenftellung bes pſy⸗
ifdm Materials vor Allem wine „leichtfaßliche Drientirung
auf dem Grfahrungsgebiete ber: a (8. v) fidert,
während Herbart’s eigene Schriften, zwiſchen vder Anatnfe dei
Gegebenen, theoretiſcher Syntheſe und Polemit nad außen viele
ſach getheitt, au) auf dieſem Geblete bie Orientirung keines⸗
wege erleichtern. - Über Diefes Merpältniß feiner Kebeih. 4 gu denen
in aller Strenge |;
würden ſich wol Zweifel dagegen erheben taflen, F
ſelbſt, als die |.
hen wir Alle vom ne e und näritgallze
fpuecdyens eben deshalb
A: halb Yet Ra Saar
predenden N e: außer :
—8 „wieber: in dig Willens Kane
(Da Bet Ast.),. -. vr.
—1
— —* Der —
: Zum Capitei ber Chefhridungen.
In den „Curiosites et anecdofes itafiennes’’ non Ba:
lery, dem Bibliothekar König Lubwig Hältipp's, Aefen w
Folgenden: „Wechohedig find die Ernie; * kr ve
Kanifche Krifiofeatie in kirchl — *5*
en Geiſtlichen waren fe gran
—* chen Großen zu trennen, wenn hie ee Krath
: ihrer Convenienz anaemeffen fanden. Obwol eAvımger
‚Dom Dande „Inter 1 en Hetsen Fe Hadı ;
der rom —2* ‚, wußten un Nulli
gründe ſehr geſchi benuten Tg * *
Einfluſſes der Ariſto auf die heiſtlichen
wo auch in den meiſten Familien ‚wiebe beitatbe e, 5*
gefunden Werben, wehrnd ber erſte |
' ergäblt dom der Furſti „dur, Me oh ii ehe =
Rom lebt, baf fie bei ver Traaung wer van Klaren
; ein Paar Obrfeigen gab, weiche dieſe sach ag
liches hinnahm. Us die darüber beswund ehenben nad
der Urſache fragten, fagte fie: —8 Toch dadurch vor⸗
kommenden Kalles das Recht, ihre Che en ellpeigteh-aufiäfen |
zu laſſen, weil fle danait beweifen Bann, daß Ih fie de u Heicath
*
—— —
gezwungen babe. Obwol mau in Rerd ——
fahren im kanoniſchen Recht iſt, —*
bat, aus ber astistentia passiva den Pi
fo ift doch im November 1842 in m & een,
in —* gezeigt wird, baß es weit leichter —T e' fas
e bur et zu trenntn ale eine pe Inter
——e— Such Srefheldung. Dieſes Bu ben Titel:
„Bergleidung ber —— und nad
dem preußiſchen Lanbr 64
VBeraatwortticher Heraußgeter: Heinrih Brodaus. — Deu an Beticg win F. % Beo Edaus in Retyeis
4
Blatter
für
literarifche unterhaltung.
Nittwoch,
Geſchichte des —** Danemart Mit ſteter Ruͤck⸗
fr om fen ”y die Ian Entoidelung | m nt m dan und Bolt.
Bon
Eis aus Wr. 31.)
Wir glauben nun nicht zu irren, wenn wie naments
lich in diefer Beforgniß einen Grund zur Polemik gegen
unfern Berf. finden: Hr. Falck fürchtet, es möchte für ei⸗
nen geriffen Theil de6 dänifchen Volks — die Herzog:
thümer find überhaupt nicht mit im die biftorifche Dar⸗
ſtellung gejogen. — aus der Preisſchrift nicht ſowol Bes
lehrung ats vielmehr Aufregung hervorgehen. Wir wollen
den beforgten Vorredner zuvoͤrderſt mit einem deutſchen
Beilpiele zu troͤſten fuhen. Im J. 1831, alfo in einer
Zeit, wo die deutſche Volksmaſſe ungleich aufgeregter war,
ats fie es jegt in Dänemark ift, fchrieb Dr. Fleiſchhauer
„Die deutſche privilegirte Lehn⸗ und Erbariftofratie vers
aunftgemäß und gefchichtlich gewürdigt für gebildete Deut:
ſche aler Claſſen“. Diefe Scheift, den Herrſchern Deutſch⸗
lands gewidenet, mußte allerdings um ihrer Tendenz willen
viel Aufſehen erregen; denn fie machte fein Hehl daraus,
wie gleich Ihr Motto anzeige — „Nicht den Perfonen,
nur der ungerechten Sadye gilt's“ —, daß fie möglichfl
viele Thatſachen und Verhaͤltniſſe zu gruppiren beabfichs
tige, um die mittelalterliche Artftokratie als die größte
Zeindin der Volksfrelheit darzuftellen und den fchlagenden
Beweis zu führen, daß nicht das Recht, fondern die Ge:
walt die obmaltenden Volkszuſtaͤnde herbeigeführt hätte,
und daß mithin der Lehensverband auf keine mach recht⸗
üben Grundfägen zu ordnende Auflöfung Anfprlche er⸗
heben inne, fondern ſich bet einer factifchen Trennung ju
berubigen habe. Allein trotz der unverkennbaren Abficht,
ale ariftoßrarifchen Elemente in dem Lichte der Gewalt⸗
thätigkeit und Rechtswidrigkeit erfcheinen zu laſſen, find
dennoch weder die deutfchen Regierungen noch die Volks⸗
maſſe von der Bahn der Geſetzlichkeit abgebracht worden.
De Einen nahmen verfländigerweife a Lehre, die Ans
dem mit lobenswerther Mäfigung als Troſt bin: was
vergangen iſt, kehrt nicht wieder! Wir denken, das daͤni⸗
fe Brudervolk wird ed dem n gleich thun, wenn
von Seiten Derer insbefondere auch ein Gleiches gefchieht,
Ye das Wohl und Wehe, das Segnen und bas Fluchen
deb Volks in ihrer Haud haben. Allein bei Lichte bes
trachtn werfihwindet jeder Geuud zu MWeferanifien und
mithin auch zu jeder Polemik, da bie Preisfchrift auch
nicht im geringfien die Abſicht verraͤth, mis Huͤlfe ges
ſchichtlicher Ersäplungen Misvergnügen oder wol gar Haß
zu erregen, da vielmehr der ganze Ton, die ganze Dat
tung derfelben eine Ruhe umd Leidenfchaftoloſigkeit wahe⸗
nehmen laſſen, wie fie die Geſchichtſchreibung zu ſodern
berechtigt iſt. Daß aber der Verf. ein warmes Watev⸗
landegefuͤhl an den Tag legt; daß er Sympathie für das
Volk empfindet, das umter den Folgen ariſtokratiſcher umb
bierarhifcher Beſtrebungen und Kämpfe leidet; daB er
diefen Thatfachen, die einen weſentlichen Theil der Ges
ſchichte des germanifchen Mittelalters, ja felbft biß Iu6
18. Jahrhundert bilden , eine befondere Aufmerkſambfeit
ſchenkt, fie auf dem Grunde von Quellen und Hülfe
fchriften anfchaulich zufammenftellt und den Leſern ber vos
fchtedenen Volksclaſſen, denen anderweite hiſtoriſche Velch⸗
rungefchriften nicht zugänglih find, In einem moͤglichſt
treuen und vollftändig ausgemalten Blide vorzulegen ſucht,
kann das etwa von dem Kenner de Berufs ver Gar
fhichte und von einem parteilofen Richter getadeit werben?
„Wahrheit ift das erfle Geſetz der Geſchichte“, fagte ſchea
vor langer Zeit de Wette, „Wahrheitsliebe die erſte Dfiie
des Geſchichtsforſchers.“ Hat vielleicht der '
ber, der fich der Trefflichkeit feines Berufs und der Seins
beit feines Willens bewußt iſt, rechts und links zu feas
gen: Was ift gefälig? Kann wel die Webauptung mit
gutem Grunde beftritten werden, daß nichts fo ſehr pur
Ausföhnung des Mispergnügten mit der Gegenwart,
nichts fo fehr zur richtigen und gebührenden Würdigung
der gegenmärtigen Nechts = und Wohlfahrtezuftände beizus
teagen vermöge, als wenn man das harte Drängen und
Treiben und die Noͤthen der Väter dem Volke zu: aim
lebendigen Anfchauung bringt? Das können nur Dieiewe
gen beſtreiten wollen, die entroeder aus fogenannten Ruͤch
figten oder vermöge befonderer Partelanfichten mit jence
alten Zeit noch liebaͤugeln. Go vernünftig und aufgellͤn
find bereits alle germanifchen Bolksſtaͤmme, daß fie meht
vor Freuden oder Sort weiß ans welchem andern Grunke
in den Strudel der Revolution rennen, weil fie durch das
Geſetz und die Weisheit der Regierungen aus dem Sam⸗
Me der Barbarei und der Rechtsloſigkeit gerettet worden
find. Hat uͤbtigens das Genformeotiegium in Kopenhagen,
was Hr. Falck aber nur vermuthet, aͤhnliche Bemerkungen
.: 914
und Bedenklichkeiten, wie bie feinigen find, dem Manu⸗
feeipt der Preisfchrift beigefügt, fo innen wir es dem
Verf. derfelben wirklich nicht verdenken, wenn er im Wer
fentlihen Gebrauch davon zu machen fidy weigerte. Ein:
mas durfte er dies thun, als felbfländiger and denkender
Geſchichtsforſcher, und dann als Menſch im Bewußtfein
dee Schuldloſigkeit: bie Geſchichte redet aus feinem Buche,
nicht eine Partei, nicht eine verwerflihe Tendenz, feine
Übertreibung. Und durfte auch der Verf. nicht mit einem
ehemaligen Bürgermeifter von Kopenhagen, Chriſtoph Dans
fen, den der Reichsrath ungerecht fchmähte, in damals ge⸗
wöhnlicher Derbhelt antworten: „Wie find nicht - eure
Zungen, daß ihr uns fo anfahren dürft”, fo möchte ihm
doch Rabener's Beiſpiel nit unpuffend vorgekommen fein,
der nach dem Erſcheinen feiner Satiren mit einer Menge
von Proceſſen bedroht auf den Verdacht bin, daß er be
ſtimmte Perfönlichkeiten gezeichnet habe, Öffentlich die Ant⸗
wort gab: „Ih babe Niemanden gemeint, nur wer ſich
getroffen fühlt, den babe ich gemeint.” Dies möge ges
wügen, um unfern Verf. gegen ben Vorredner in Schutz
zu. nehmen, und fo viel an uns iſt, zu verhüten, daß ber
einzeine Lefer oder vielleicht gar das größere Publicum ge:
en die treffliche Preisfchrift von irgend einem Vorurtheil
eingenommen werde.
Wir hatten uns nun vorgenommen, einzelne Abfchnitte
der Preisſchrift befonders zu befprechen, und dazu nament:
dich den kirchlichen Zehnten und Struenſee beflimmt. Sn:
deß der Raum, den wir nuc noch äbrig haben, nöthigt
uns, von biefer Abſicht wenigfiens vor der Hand abzu:
ftehen und une auf folgende Bemerkungen zu befchränten.
Gugenheim’s Wert: „Das Staatsleben des Klerus im
Mittelalter“, erhält in Abfihe auf die Geſchichte des
Zehnten im Norden durch die vorliegende Schrift zahl:
reiche factiſche Beweiſe für den MWiderwillen des Wolke
gegen diefe Abgabe und für die ſelbſt biutigen Kämpfe
umd kirchlichen wie weltlichen Verwickelungen, die daraus
hervorgingen. Was Struenſee betrifft, fo iſt es von
Intereſſe, Wergleihungen anzuftellen zwifchen Allen’s
Darfiellung und Urtheil und Dem, was wir in v.
Maumer's „Europa“, Bd. 1, S. 179 fg., lefen. Es er:
gibt ſich zugleich aus dieſer Verleihung, wie gut unfer
Berf. fi) über diefe merkwürdige Zeit Dänemarks und
über die einzelnen Perfönlichkeiten unterrichtet bat und wie
fein Urtheil Sachkenntniß mit Unpartellichkeit und Beſon⸗
nenheit vereinigt. Als wir Raumer’s genanntes Werk
auch in d. Bl. befprachen, machten wir namentlich dar⸗
auf aufmerkfam, daß, wenn eine Vergleihung mit Pom⸗
bat flattfinde, Steuenfee infofeen offenbar im Nachtheile
fei, als feiner Perſoͤnlichkeit ſowol als feinen Beſtrebungen
unleugbar die wahrhaft fittlihe Grundlage dermaßen ges
mangelt habe, daß auf ein gluͤckliches Endreſultat keine
Hoffnung zu flellen gewefen ſei. Ebenſo uctheilt der Verf.:
„Es mangelte Struenfee der fittliche Ernſt und die fitts
liche Reinheit, die ebenſo wenig bei dem Staatsmanne
wie bei dem Privatmanne fehlen dürfen, wenn irgend
beuerhaft Gutes zu Stande gebracht werden ſoll.“
Dee Verf. hat am Ende ſeiner Schrift ſehr zweck⸗
Streitigkeiten. Der König, durch die Stimme des
mäßig noch einen vefumisenden Ruͤckblick auf bie ganze
Geſchichte Dänemarks gegeben, und diefen wollen vr
ganz mittheilen, theils zur gefchichtlihen Belehrung unferer
Lefer, theild um einen factifhen Beweis zu Liefern, wie
gut der Verf. ſchreibt und wie befonnen. er urtheilt
Die Urzeit Daͤnemarks kann als eine Zeit großer Volli
freiheit bezeichnet werben. Es iſt aber dabei nicht zu vergeffen,
daß diefe Volks freiheit keineswegs allgemein war. Gin nict
unbebeutender, vielleicht der dritte Theil der Vevdlkerung befand
ih in dem Zuſtande der firengfien Unfreiheit oder wahrer
Sklaverei. Fortwaͤhrend gelangten zwar viete Sklaven durch
Beeitaffungen ihrer Herren in eine beflere Lage, und ihre Rad
ommen wenigftens konnten als vollberechtigte Mitglieder in die
bürgerliche Gemeinſchaft eintreten. Aber die Claſſe der Skla⸗
ven blieb immer groß, bis im 14. Jahrhundert die SMaverei
durch die Bemühungen ber Kirche ein Ende nahm. Was dat
Verbältniß der freien Grundeigenthuͤmer betrifft, fo gaben fie
auf den Thingen fich ſelbſt Geſetze und fchlichteten Kuh ihre
i olls ges
waͤhlt, hatte nur bie ausuͤbende Gewalt und war ber Anführer
im Kriege, weshalb er einen größern Antheil an ber Beute und
fo viel Geſchenke und Steuern erhielt, als das Herkommen be:
flimmte oder die Zuneigung und ber gute Wille des Volkt ihm
vergönnte. Die Däuptlinge ober bie reichern und angefehenern
Bauern hatten ohne gefeglich beftimmte Vorrechte den Giafluf,
welchen großes Bermögen und die Abflammung aus einem an
gefehenen Geſchlecht verfchaffen. Die Bereinigung ber Meinen
Reiche bewirkte keine wefentliche Beränderung in ber Berfaflung
des Staats, verſchaffte aber den Dberkönigen größern Glan,
größern Reichthum und ein zablreicheres Gefolge von ergebenen
Kriegern und dadurch höheres Anfehen und größere Macht. Mit
der Einführung des Chriſtenthums entſtand die Geiſtlichkeit,
welche aus fremden Landen ihre Sinrichtungen und ihre höhere
Suttur nach Dänemark verpfianyte, und bard burch ihr feſtes
Zufammenpalten und burch das Beduͤrfniß ber Zeit nach einer
geordneten und fchügenden Macht einen Ginfluß erlangte, der
auf bie Entwidelung eines frieblidhern und rubigern Lebens
wohlthuend einwirkte. Der Eriegerifche Geiſt bes Volke verlor
ih, ats friedliche Beſchaͤftigungen, Aderbau, Kandel und Ge
werbe das wilde") Wilingieben ber Vorzeit verbrängten, und
es wurde jest ein eigener Kriegerfland nothwendig. Go mt:
fand, wie Einige glauben, ber Adel, zuerft als ein Berein
von Kriegern, welche zur Belohnung ihrer Dienfte fteuerfreie
Lehnguͤter erhielten, fpäter ats ein fireng geſchloſſener erblicher
Stand. Am fpäteften bildete fi in den Gtädten ber Bur:
gerftand, welder in der dlteften Zeit wie bas Wolf über:
baupt im Beſitz ber gelengebenden und richterlichen Gewalt war.
Anfangs war der Bürgerftand ſtark durch feine befeftigten
Städte und durch bie enge Verbindung feiner Mitglieder in
Gilden, und im Stande, ſich gegen die ſteigende Macht der
Geiftlichleit und bes Adels zu halten. Die Geiſtlichkeit begann
einen langwierigen Kampf mit dem Königthum, der bamit tn
dete, daß die Staatsgewalt zwiſchen je Häuptern, einem geif:
lichen und einem welttihen, dem Könige und bem Erzbildoft,
getheilt wurde. Nachdem die Geiftlichkeit ihren Zwec erreicht
batte, ſchloß fie mit den Königen Frieden; allein ber Abel
folgte nun dem gegebenen Beifpiel und begann einen neun
Kampf, deſſen Ende eine große Beſchraͤnkung ber koͤniglichen
Macht war. Diefe beiden mächtigen Stände waren jegt zum
Befig aller der Rechte gelangt, weiche fräber von allen Freien
ausgeübt worden, unb hatten zugleich ben größten Theil ber
Geunbftüde kandes ermorben; ber freie Bauernſtand der
Vorzeit, durch blutige innere und dußere Kriege geſchwaͤcht und
*) Wer ſich darüber näßer unterriäiten will, den verweilen wit
uf Gtrinndeim's „‚Wflingözäge, Staatoverfafſung und Sitten der
alten Stanbinavier⸗⸗(aus dem Guwrtifiien von Friſch, 3 Ihe.
Sumbung IE -— dl), Des Helle, uud wir daroͤber befigen.
2
wenichtet, wer. zus Shell Lehbeigen gewschen, wah der Buͤr⸗ —— We
gerkand, deſſen Handel und Gewerbe durch den mächtigen nord⸗ darauf an, über | auf bas 33 Üben»
dentihen Hanſabund geläbmt wurde, hatte auf den Herren» | fie über das Ganze des geiſtigen Lebens nicht aus dem Auge
zu verlieren; es handelte fi alſo um eine naturgetcene Auf⸗
tagen, weiche den Danchof und das Volksthing ablöften, |
keine Bedertun
g. Gegen das Ende des Mittelalters verfuchten
der Bürger: und der Bauernſtand unter der Anführung eines
Königs einen biutigen Rampf, um das Joch bes Adels und
—— abzuſhattein allein dee Woltstampf nahm ein |’ fi
iches Ende, bie Geiftichleit unterlag, von König, Adel
mb Belt verlaſſen; allein durch ben Fall der Geiſtlichteit ers
hob füh der Adel zu großer Macht. Die Reformation hatte
ſtige Jolgen für die Entwickelung ber bürgerlichen Freibeit,
—* die proteſtantiſche Geiſtlichkeit, welche gleich dem Volke
unter dem Drucke des Adels litt, verband ſich mit dem Wolke, |
und die Auftiärung fing an, ihre Strahlen zu verbreiten und
im Bolle dad Bewußtfein feiner Rechte und die Erkenntniß ders
feipen wieder zu beieben. Als ber Abel eine Macht erlangt
hatte, weiche ſelbſt die wohlgemeinten Beftrebungen der beflen
Könige, wie bie Chriſtian's IV. für den Bauernftand, fcheitern
machte, und ein unglüdlidyer Krieg ben Staat dem Untergange
nahe gebracht hatte, vereinigten fi der Bürgerftand und bie
Geifttichkeit und bereiteten ſich Schut, indem fie die Macht des
Königs vermebsten. Die politifhe Macht bed Adels wurde bas
durch gebrochen, und ber Buͤrgerſtand aus feiner Erniedrigung
erhoben; doch bürgerliche Gleichheit war damit nicht hergeſtellt.
Der Bauer blieb unfrei wie zuvor, nur daß er ſpaͤter hei⸗
matspflidhtig flatt Leibeigen genannt wurde, und ber
Adel behielt Privilegien und Rechte, welche in mehr ald Ginem
Jahrhanderte demſeiben einen verderblichen Einfluß im Staate
ſicherien. Der Bürgerfland aber gewann nad) und nad @ins
fit, Vohiſtand und Eelbfkändigkeit; eine zunehmende Auftlaͤ⸗
zung und eine fich entwickeinde Öffentliche Meinung untergruben
heimlich die Grundlage, auf welcher ber Anfpruch des Adels auf |
größere Rechte und Vorzuͤge als bie übrigen Gtaatsbürger bes
rubte, und die Beiden des Bauernflandes riefen, bei einer öffent:
lichen Verhandlung der Sache, eine lebenbige Theilnahme bei
dem Botle bervor, bie bei einer aufgellärten und ebelgefinnten |.
Regierung Anklang fand. Die Breigebung bed Bauern»
fandes 1788 war ein großer Schritt zur Verbeſſerung ber
Säzgerlichen Berbältniffe, und auf denfelben folgten andere Ber:
anftaltungen, woburch die Vorrechte eines privilegirten Standes,
bie mit dem Wohle bes Ganzen unvereinbar waren, aufgehos
ben oder eingefchränft wurden. Nachdem auf diefe Weiſe alle
Stände in ein befferes Verhaͤltniß gueinander gebracht waren,
erhielt Dänemark jegt, wo die Zeit erfüllt war, die Strände:
isfitution, weiche dem Bürger, bem Bauern und dem Edel⸗
manne nebeneinander Sitz im Rathe, mit gleicher Stimme und
gleichem Rechte, erkheilt. Die Stänbeinftitution ſchließt die Als
tere Catwickeiung ab, und bildet ben Anfang einer neuen.
Zum Schluß noch Folgendes: Allen's Preisfchrift iſt
beſonders Geſchichtslehrern fehr zu empfehlen, fowol in
Abſicht auf die Methode als die Auswahl des hiſtoriſchen
Stoffs. Sie ift aber auch allen Denen zu empfehlen, die |'
an einer guten biftorifchen Lecture Geſchmack finden, oder
denfelben zu veredein bemüht find? Möge das Bud, die
Kraft bewähren, die wir ihm zutrauen, fih in ben
Bibliocheken gegen Nebenbubler gemeinen Ranges geltend
ju machen! Kari Zimmer.
Tupisifye Pſychologie nach naturwiſſenſchaftlicher Methode.
Den M. W. Drobiſch.
¶ Beſchlusß aus Mr. 20.)
SH man 7 u ——⏑——
anmaufgabe auch n emptelfchen mmen,
— * Nie Gesugen, welcht der Berf. ſeibſt fi abe
menbang
der Gebantenzeihen, en —— gemeine Dewußefein vo
bas Berpälniß zw
I
Bu ze —E ein Anziogn des eigentlichen ie |.
‚, geben deutliche Belege, daß das Schließen und
Zolgern. en fer häufig bios auf der ummilffürtidden Reproduetion
—— — VBorſtekkungẽreihen beruht; daher wol kein ges
d vorhanden iſt, mit beſchraͤnkender Auckſicht auf
tie Nefierton die Schlüffe von den logiſchen Jormen
* vielmehr von dem Analogon dieſer Formen, weiches in
dem gemeinen Hewußtſein vorkommt, auszuſchließen.
waͤre es vielleicht zweckmaͤßiger geweſen, wenn ſogleich im exflen
Abfdyuitte bie Ancipfe der ſinnli Empfindungen weniger den
telcoiogiſchen Gefichtspuntt feftgehalten, als vieimehr auf Das
ewiefen hätte, was eigentlich Dbject der finulidden Empfin⸗
> if. erlich würbe kann „® B. ©. rn gefagt werden
„der Taftſinn erkenne bie x umtich begrenzte haffen«
"2a Materiellen und zwar nad) allen drei Dimenſionen“
da: dach Niemand etwas Anderes taflen Tann ale höchftens
Beiden, und ſchon bas urıheil Aber die Veſchaffenheit der Glide
— das Rauhe und Slatte, als veruhend auf dee Art d
gangs von einem Punkte derfelben zum andern, auf Fu
weobuctionen beruht. Mef. weiß fehr wohl, daß namentlich in
dieſer Beziehung der zweite Abſchnitt den erſten fehr wefenttich
ergaͤnzt; es feheint ihm aber wichtig, ſogleich bei ber erſten
Analyfe der finnlihen Empfindung ausdrädlid ——
daß die Art, wie die gemeinſten ſinnlichen Ra re
uns aufbringen, ſchon *. verwickeite pſychiſche Proceffe b ne
Bemerkungen biefer Art, deren ſich bei einer ausführlichen
ariti⸗ dem Ref. noch mehre barbieten wuͤrden, ſollen indeſſen
dem Urtheile des Leſers über den Werth des Buchs keinen Ein
teng thun. Zu einer ausceichenden Belanntfchaft mit der Ras
tus des pfychologiſchen Materials, weldyes, obwol Jedem uns
mittelbar nahe liegend, body fo leicht falſchen — und
Erſchleichungen aller Art unterliegt, wollte der Berf. die Hand
ten; Io tet 8 die Pſychotogie ats Wiſſenſchaft —
Er wollte gang von der Erfahrung zur theoretiſchen
Pſychologie —8 —* zwar noch nicht nothwendig ſpeculativ
fein braucht, wohl aber vor Allem der Hülfe ber Mathematik
um ihren Erundbeſtimmungen diejenige Specialität, ja
Indioidualitaͤt zu geben, ohne welche jene immer in vager Als
gemeinpeit bleiben muͤſſen“ (@. v). In der letztern Beziehung
Dat er die Abficht, der vorliegenden Schrift „Elemente der mas
—— — Pſychologie⸗ nadhfolgen zu laffen. Die Ausführung
N
ſcheint er von der Werbreitung und WBeadktung |-
fein taflen zu wollen, weiche diefe Schrife finden
werte. Muß jedoch bie Pſychologie, wie ber Verf. bemerit,
einmal mit ihrer Geſchichte brechen, ſo kann ſie überhaupt von
allen Denen, bie einen ſolchen Brudy nicht für nöthig halten,
in dieſem Augenblicke nur wenig hoffen. Möge ſich alfo ver
Besf. nit abhalten laſſen, tn diefem Jalle für die Zukunft zu
arbeiten, ſelbſt wenn die Hoffnung täufchen follte, daß feine
mathematiſche Bil ben Gedanken einer Anwendung der Mas
thematik auf die Pſychologie den eigentlichen Naturforſchern und
Mathematikern auch ſchon jest nabe zu legen im Stande fein
werde; und Ref, fchließt mit dem Wunfche, baf ber
der Veröffentlichung feiner Längft vorbereitefen Arbeiten über mar
thematische Pſycholagie nicht länger zögese- mäge. 78.
Biblingraphie.
Ahdlard und Heloiſens Briefe. Na dem ——
bearbeitet. — von 8. Ag
* — die Be
Ungarn. 2 Die — =:
a Leipzig, Binder
franyd
Runtet.
Ebenfo |:
den fruͤheſten Zeiten bie joet
Berf. mit
Statiſtiſ
:von Qufa.
; Im 15. Saprhunderte. Mit ben ortrait des Gardinais, Mainz,
—8 8.8. 1 5
Wetrulftung der Sqheiſte über den Frieben unter der Finde
"und den Gtaaten von dem Grgbifigofe von Koin, Giemens
Auguft Freiherrn Droſte zu Wilhering. Giberfeid, Haſſei.
&. 8. 10 Rgr.
3 ne een a
wei e. 8
Fint, ©. B., GSeſchichte un Male der *
Iſtes Heft. ẽeipris, * &. 8. 15 Rar.
heitung.
Holdheim, &., Über Die Autonomie —* —322 und
das Prineip dee juͤdiſchen Ehe. Gin Beitrag zur —— —
— inne at das on betreffende Zeitfragen. Schwerin
er
—AS J., Die Liebe hellbar. Humoriftiſ
kpbifd m maittihe Abhandlung. 2te Auflage. Pr *
Kolb, G. F., ng ber — unb Wer Cuitur.
In zwei Abteilungen Kung. Das Atterthum; De
Abtheilung. Dat —EF und * Neuzeit. Pforzheim,
Dennig End und Gomp. 8. Jede Abtheiulun BY Rear.
sn! en oder: topogr
es, verbunden mit einer rn we
Mit zwei Landkarten. Kempten,
Nor.
8 ‚®. E., Du deut 2) ,
——* fe, 8. Aa es ade © chwurgerichte. Leipzig
s Re G., in Bromberg, Leo. Gr. 8.
Theil, Oxr in Statfen 6. 97, in —
und 1
nen.
—2
R ittler.
& 8. DD Nor. '
Mörder, 5%, Die Dillenefreibeit in GStantsverbande.
Zur Ginfährung in des Ariſtoteles Baͤcher von dee Shetont
und zur richtigen ghrdigung der geiſtlichen Mereitfamteit. War
un, 5.32 ——
ephiſto pheles und d al |
Digeung. Däfeort Sqreiner. * MHrhei
ven, C.
Piſchon, J. A., Deufmälee —EE Sprache von
. Euv
lung zu feinem Beitfaden der Geſchichte der 2: warfen Literatur.
Zter Theil, welcher bie Zeit vom Jahre 1620 bis 1720 umfage.
Bertin, Dunder und Bumblot. Gr. 8, 2 The. W Rar.
ine Biogmansifie un * “an
u
Mit Portrait. —— —— en ar Near. |
eden, . . d a8 iſerreich Rußland.
s gefdyichtiiche Darftelung feiner —
in landwirthfchaftlicher, gewerblichen und commerziels
r Berlin, Mittier. Gr. 8. 3 Lr.W Re
Scharpff, F. A., Der Cardinal und Biſchof ——
Ifter Theil: Das kirchtiche Wirken. Sin Beitr
zur Feſchichte der Beformation. innerhalb der —— — —
namentli
Mike ſeit von X. w.
He Auflage. lſten Wand.
VBerantworuicher — A BSrockbaus. — — Fr — ** 5 Brodiuus in Seippig.
Blätter
für.
literarifche Unterhaltung.
Donnerdtag,
17. Auguſt 1843.
grandfifge Souriften : Literatur.
Kein Kenner des franzoͤſiſchen Geiſtes wird leugnen,
daß die fein auffaffenden, ſchnell beobachtenden und leicht
wiedergebenden Sranzofen in der fogenannten ‚‚leichtfüßigen
Literatur” (literature l&gere) ein ganz befonderes Talent
entwideln und die meiften Schriftfteller anderer Nationen
entfchieden übertreffen. Wenn die philofophifhen Schrif⸗
ten der Franzoſen unfers Sahrhunderts für Den, welcher
an bie fubflantiele Nahrung der modernen beutfchen Spe⸗
culation gewoͤhnt iſt, eben von keinem ſonderlichen In⸗
tereſſe ſind, fo gewähren hingegen ihre literariſchen Zeit:
vertreibarbeiten allen Denen, die nicht fowol auf Beleh⸗
rung als auf Unterhaltung ausgehen, einen eigenen Reiz.
Frangöfifher Esprit ſchmeckt auf deutfchen Ernft wie
feanzöfiiher Champagner auf deutfhhen Hochheimer, und
die leichte franzoͤſiſche Literatur verhält fich zu ihrer deut:
fhen Nachbarſchweſter wie die franzöfifhe Küche zur:
beutfhen. Die derben, einfach zubereiteten Gerichte find,
wie das Charakteriftifchfte, fo auch das Beſte unferer Koch⸗
tunft. In den feinen, raffinirten Aufgaben ift dagegen
die Erfindungsgabe unferer culinarifhen Phantafte weder
rich noch gluͤcklich und auf keine Weile mit dem er:
ſtaunlichen, finnreihen Combinationstalent der frangöfifchen
Köche zu vergleichen, welche in diefem leichten, ſchnoͤrkel⸗
artigen Genre die fruchtbarften, vorzäglichfien Meifter
find. Was nur immer Geift, Wis, Laune und Satire
auf den Miftbeeten der Civiliſation zur Reife bringen,
bietet der pariſer Literaturmarkt alltaͤglich in einer Unzahl
von Journalen, Revuen und Octavbaͤnden im größten
Überfluß, und eine unerfättliche Lefermenge verfchlingt Al:
les, was die durchaus auf ber Höhe der Zeit arbeitende
litecarifche Kochkunſt in einer Unzahl fein abgewogener
Zufammenfegungen dem Geſchmack eines Jeden mundrecht
zu machen weiß. Natürlich wird unter den Ledereien und
ausgefuchten Seltenheiten aller Art, womit die Tafel der
Keinen feanzöfifchen Literatur bedeckt iſt, manches Ver:
brannte, Überpfefferte, Fade, und für uns platterdings Un:
genießbare aufgetiſcht; doch mangelt es nicht an gut ges
bechten, kunſtreich gewürzten, pilanten Gerichten, welche
unfere Geſchmacksnerven angenehm kitzeln und unfere Eß⸗
Luft befriedigen. Bon drei folhen Schüffeln, die wir hei
einem neufichen Mittagäeffen ap der großen Table b’pdte
zierfahrten eine befondere Würze.
| nimmt.
der Lefecabinete gekoſtet haben, wollen wir ben Leſern ef-
nen kleinen Vor⸗ oder Nachgeſchmack zu geben verfichen.
1. Trois ans de promenades en Europe et en Asie, par.
Stanisias Bellanger. Zwei Bände. Paris 1843.
Eine Olla potrida, bie uns brodenweife mie ſpani⸗
ſcher Pfeffer in die Naſe ſteigt. Don Strasburg aus
reift der Derf., ein Iuftiger Lebemann, mit dem Stellmas
gen über Karleruhe, Stuttgart, Um, Augsburg nad
Münden, und von da über Linz und Wien dur Uns
garn und Eiebenbürgen nah Bularefht. Er beobachtet
nicht übel und hat gute Augen, obgleich franzöfifhe Aus
genglaͤſer. Was er fieht, trägt er ohne Kunft und Um⸗
ſchweife in fein Tagebuch ein und laͤßt es druden, und
dabei erzählt er mit vieler Natürlichkeit und Anmuth die
Heinen Abenteuer, welche von ihm und feinem Reiſege⸗
führten beflanden werden. Auch gibt er hier und ba eis
nige artige Novellen und curiofe Geſchichten; wo er einen
fertigen, biftorifchen Stoff findet, weiß er ihn recht ver-
ftändig zu benugen und in leichte, lockere, gefällige Kor.
zu bringen; feine Beſchreibungen von Landfchaften und
Gegenden, von Sitten und Gebräudhen, von Kirchen und.
Schloͤſſern, ſowie feine Nachrichten über philanthropiſche
Inſtitute und einzelne berühmte Männer find ohne An
maßung, ohne Schwulfl und ohne Leidenfchaft, von aller
Klatfcherei und allen Perfönlichkeiten fern. Die liebens⸗
würdige Impertinenz, die jungen Leuten fo leicht verziehen
wird und jungen Autoren wohl anfteht, gibt biefen Spas
Das Buch kann zur
unterhaltenden Lecture empfohlen werden. Man lacht
über Manches, was ber Verf. gefehen und befchreibt, und
noch öfter Über den Verf. felbft, der mit feinen franzoͤſi⸗
fhen Anfichten fi in Deutfchland fpaßhaft genug auds
Man Eennt die Meinung, welche die meiſten
Sranzofen noch immer von uns Deutfchen haben; es {fl
die, welche vielleicht vor 100 Jahren galt, und welche
jegt nur noch bei einem helle unfers Volks zutrifft.
Unfere Laſter und Gebrechen, als da find Voͤllerei, Trun⸗
Eenheit, Verdroſſenheit bei Kieinigkeiten, Schwerfaͤlligkelt
des Körpers, Roheit der Zunge, find zum — bei
ihnen geworden, und noch immer glauben Viele, es ſei
unmoͤglich, daß ein Deutſcher ein liebenswuͤrdiger Gemahl
und ein unterhaltender Geſellſchafter ſein koͤnne. Man
ſollte denken, der ununterbrochene feindliche und friedliche
Er.
Verkehr ber legten 50 Jahre mit Deutichland habe fie
- eines Beſſern in mancher Hinſicht belehrt; allein der
FStanzofe, welcher nur fein Eigenes liebt, kuͤmmert fi
wenig um dad Fremde, und kann Sabre lang im Aus:
Lande reifen und leben, ohne etwas weiter darin verfucht
und fludirt zu haben als die Weiber. Diefe fchöne Na:
tur jenfeit bed Rheins fchildert und kennt auch unfer Verf.
am gründlichften. Die fhönmeiberigen Städte Deutfchlande
find feine füßeften Meifeerinnerungen; der reigenden Münch:
nerinnen, Paffauerinnen, Rinzerinnen und Mienerinnen ge:
denkt er mit freudigem Entzüden und den bairiſchen und
Öftreichifhen „Kelleresses“ hält er eine gebührende Lobrede.
Mir Männer kommen nicht fo gut weg.
zwar für ehrlich und brav im Leben wie in Schlachten,
aber doch, meint er, fei ein Franzoſe ein Weſen, das ſchon
weit mehr Ehrgefühl und Humunität befigt. Unfere Be:
fheidenheit duͤnkt ihm Kriecherei, unfere Derbheit Baͤu⸗
sifchleit, — und werden es beide nicht oft? Die Eriftenz
bes Stocks und die Geduld der öftreichifchen Rüden kann er
nicht begreifen; ebenfo unbegreiflich ift ihm, wie ein rhein-
weinländifhes Volk in Wort und That fo träge und
feuerlos fein kann, was allerdings unmöglich fein würde,
wenn man nicht von oben fo fehr in das Gebiet des Bei:
ſtes eingriffe und dieſem Feuerelement fo viel erfältendes
und löfchendes Waſſer zugöffe. Hab gegen die Deutichen
läßt der Verf, nie blicken; er findet uns blos zu langfam
‚and langmeilig, zwei Dinge, die gerade die Antipoden der
franzöfifchen Schnelligkeit und Behendigkeit find.
3. Une annee en Espagne, par Charles Didier. Zwei Bände.
Paris 1842.
Ein genießbares Potpourri, welches jedoh ab und zu
ein flarkes Brennen im Halſe verurſacht. Der Verf., ein
geborener Genfer, der wie im vorigen Jahrhundert Rouf:
feau feinem Bürgerrechte entfagt und ſich nach Frankreich
gerettet hat, ift ein heißer Demokrat und falzt feine Urs
theile über Perfonen und Dinge nicht immer mit attis
ſchem Salze. Er befchreibt zunächft die Kuͤſtenſtraße über
Junquera und bie Grenzfeflung Figueras, welche das
„Journal des débats“ nod vor kurzem einen der feſte⸗
fien, wohlverfehenften Plaͤtze Europas nannte, der Verf.
aber als eine elende Gitadelle fchildert,
bios von einem Haufen zerlumpter, fieberfranfer Bettler be:
wacht und von einigen Stüden Geſchuͤt vertheidigt, an denen
bie Ratten ganz ruhig bie Laffetten abnagen. Hohes Gras
wädft um die weitläufigen, leeren Gafernen. Nachlaͤſſiig an
eine Batterie gelehnt, fteht eine verlorene Schildwache in träus
meriſchem Nachdenken. Der Sonftitutionsplag iſt ganz mit Bet:
Welleuten und Müffiggängern gepflaftert, die im Staube liegend
fihy in der Sonne wärmen oder die ungeheure, mit fieben
Maulthieren befpannte altfränkifche Staatskutſche vorbeipaffiren
feben, bie ©. H. ben Herzog von Infantado fpazieren fährt.
In einem Ru bat man bergeflalt einen vollftändigen Abriß von
Spanien und feiner Bevölkerung.
In Figueras ſchifft ſich der Verf. mit der fpanifchen
Diligence nach Barcelona ein. Die Reife dahin hatte
eine fo originelle Form, eine ſo entfchiedene Localfarbe,
ein fo eigenthümliches Weſen, daß Ich ohne Beforgniß zu
langweilen dem Autor folgend einen Umriß davon geben
darf. Das Fuhrwerk der fpanifhen Diligence ift, feiner
Er hält ung |
vorm nad, ein Poloffale® Ungeheuer in Kutſchenbauart
aus ber Ferne einem Elefanten nicht undhnlic, dem man
einen hölzernen Thurm vol Soldaten aufgepadt. Gin
ärgere Caricatur kann in dieſer Art die Staatskutſche nicht
fein, worin der König von England ind Parlament fährt,
Diefer vieredige Kutſchenkoloß, mit feinen Magazinen auf
dem Dedel und auf der Hinterachfe, hat inwendig auf
zwei breiten Sigen ſechs bequeme Pläge, zwei grofe und
vier kleine Fenſter. Gluͤcklich, mer eine der vier Edm
erhält, und ſich früh genug dazu meldet. Gr gewinnt
auf diefem wohnlichen Plage doppelt, frifche Luft und
freie Ausſicht durch das Fenſterchen in der Seitenwand,
und bettet ſich fanft, beim Schlafen in die Ede gedeuͤdt.
Die Beſitzer ber beiden Mittelpläge haben es weniger be:
quem, und find ihren beiden Seitennachbarn fühtbar, dem
Schlenkern des Wagens und allem damit verbundenen
Zwange preisgegeben. Die Kutfche hängt in Riemen,
ihe Untergeftell und Raͤderwerk find Maffen von Hol
und Eifen; ein Gebäude von Bäumen und Balken, Br:
[hlägen, Stangen und Schrauben, als für die Eroigkeit
zufammengezimmert. inige fiebzigmat muß fie im abe
die Reife nad) Barcelona oder daher zurüdmadyen. Die
zweite Hauptregion des Wagens iſt das ungeheute Mi:
gazin auf der Hinterachfe, nach der Megel des Diligence—
inflitutd nur für die Koffer der Neifenden und für Hl:
ned Gepäd beſtimmt, durch Misbrauch und Gewinnfuht
der Unternehmer aber auch zum Transport großer War
venballen und fchmerer Colli benugt, und mit eifernen
Bäumen, mit Ketten und Latlenwerf hoch aufgethürmt
und befeftigt. Auf dem Kutſchenverdeck iſt ein Korbbe:
hälter für Kleinigkeiten, und zugleich der Sitz eines
Detaſchements Escopeteros mit blankgezogenen Haudegen
und ſcharf geladenen Donnerbuͤchſen, um die großen und
Kleinen Strauchdiebe, die Caballiſtas und Rateros, abiu:
ſchrecken, die ohne diefen militairifhen Bedeckungsappatat
ber Verfuhung nicht widerſtehen Könnten, Alleinreifende
auszuplündern, und bisweilen ſich dennoch beigehen Laffen,
die ganze Meifegefellfhaft und ihr Sicherheitsgeleit zu
brandfhagen. Die fpanifche Diligenceanftatt iſt wie die
franzoͤſiſche ein Privatunternehmen , wovon dem Staate
Abgaben entrichtet und mit den Poftmeiftern der Static:
nen wegen ber Borfpanne, bie den Unternehmern eigen:
thümlic gehören, Vergleiche getroffen erden.
13 Poften (etwa 20 deutſche Meilen). Nur eine Nacht
wird ganz durchgefahren; für die Übrigen Naͤchte geminnt
man einige Stunden Schlaf im Bette. Die Ruhepläge
zum Nachteffen und zum Nachtlager (Posadas) find be:
flimmt und etapenweiſe angelegt. Allenthatben ift man
darauf vorbereitet, der Tiſch iſt gedeckt, der Puchero (ein
fpanifches Nationalgeriht) duftet im Zimmer, das Bette
iſt gemacht, und es bleibt dem Reiſenden noch etwas Zeit,
fih In dem Orte umzuſehen; jedoch iſt e8 ihm nicht ver:
gönnt, den andern Morgen im Bette zu bleiben, fo lange
Mit ihen
fieben auf gewöhnlichen ebenen Wegen und Eurzen St:
tionen, und 10, 12, oft 16 auf ungewöhnlichen holperigen
Straßen und langen Relais vorgefpannten Mauithieren
macht die Diligence den Zag Über 10, größtentheils aber
9m: -
es ihm gefült. Er maß ſich dem Dosgetiamus bus dies
fees unterwerfen und gehotchen, wenn die Stimme des
Dberregenten in aller Fruͤhe zur Abfahrt ruft. Dies iſt
der Mayeral, micht etwa ein fchwerfällig eingehüllter deut⸗
ſcher Wagenmelfter oder ein kurz angebundener framoͤſi⸗
ſcher Conducteur: es iſt ein zierlich gekleideter, plump hoͤf⸗
licher, zuvorkommend dienſtfertiger Menſch, der ſich in ſei⸗
nem ſpihen, mit Sammetborten und Seidenquaſten ges
(dmüdten Gut, in feiner braunen, buntgeflidten Jade,
in feinen ledernen Kamaſchen und feinem rothen Leibgurt
flatttih ausninmmt und von den Unternehmern forgfam
zu dem Beihäfte gewählt wird. Auf ihm beruht der oͤf⸗
fentliche Sredit und die Empfehlung der Diligence. Die:
fer Reiſemarſchall richtet die Tagsordnung ein, beſtimmt
Ankunft und Abfahrt auf den Stationen, führt das Rech:
nungswefen, ift verantwortlich für das Gepaͤck, der Tiſch⸗
gefellfchafter der Meifenden und ihre Stüge beim Ein:
und Ausfleigen. Seine Refidenz ift ein an ber vordern
Kutſchwand angebrachter hoher Sig, von welchem er bie
beiden legten Maulthiere, welche den Dienft der Deichſel⸗
pferde verrichten, im Bügel hält. Die übrigen paarweife
vorgelegten Saumroſſe gehen frei und ohne Zügel und
geborchen auf. Commando. Wie fie bei Namen gerufen
werden, antworten fie mit einem leichten Obrenzuden.
Eie haben gewoͤhnlich von ihrer Farbe oder Eigenheit herz
genommene, romanhaft Mingende Namen, als: Carbonera,
Dragonera, Piatera, Capitana, Coronela, Senerala, Amo:
cofa, Valeroſa, Borrasca, Leona, Rofa u. ſ. w., und find
durchweg mit Schellengeläute, theilweiſe mit gelben Decken
behänge, groͤßtentheils aber unbededt und halb gefchoren,
weicher letztere Umſtand ihnen ein fonderbares, ſchrecklich
magetes Ausfehen gibt; denn bei dieſer gaͤnzlichen Ent:
Mößung kann man ihren anatomifhen Bau, die Knochen,
Schnm, Muskeln und bis auf das Mleinfte Geäder
gründlich fudiren, und mit ihren kahlen Schwänzen und
fpigen Ohren fehen fie aus wie ungeheure Ratten. Das
vorderfte Mautthier reitet ein Keiner Poftillon, der ben
ganzen Zug anführt und in Bewegung fegt, ohne fih umzu⸗
fehen, wos hinter ihm paffirt. Eine Art Läufer und Uns
terreifemarfchall, Zagal genannt, der an abfchüffigen Stel⸗
im den Hemmſchuh einhängt, das Geſchirr in Obacht
nimmt, auf den Stationen aus: und umſpannen hilft,
unterwegs beftändig neben den Maulthieren herrennt und
nach Umſtaͤnden Fluͤche, Liebkofungen, Peitfchenhiebe und
Stochſchlaͤge unter fie austheilt. Seine Tracht iſt aller:
liebſt, äußert Leicht und elegant; er trägt einen fpigen,
bebaͤnderten Hut mit Troddeln, eine braune Jade mit
fhedigen Unteraͤrmeln und dreifarbigem Kragen, Hoſen mit
Stahlknoͤpfen und als Schuhzeug alpargatas, mit Schnür:
hen fellgebundene Sandalen; zu diefem Anzug denke man
fih no einen vothen Gürtel und ein buntes Halstuch,
ud man kann fi die durch und durch charakteriftifche
Hıltung des Zagal vorftellen. |
In dieſem . eigenthlimfichen Aufzuge gebt es porn:
ſtreiht bald durch eine einfoͤrmige, charafterlofe, mit einis
gen wrkrüppelten Bichten und großen. Meiepflanzungen be:
dedte Ebene, bald durch eine öde Berggegend, wo bie
Etraße ſich am Uhgaheben entlang zieht uͤber Geems und
Mataro. Naher nach Barcelona zu dmdert ſich Die Ge⸗
gend und erweitert ſich der Geſichtskreis in eine reiche
Perfpective mit Dörfern und Landhaͤuſern; überall zeigt
fih eine neue Pflanzenwelt; doch im Allgemeinen bleiben .
fih die Anfichten glei und ermüden auf die Dauer; bie
erfeifchenden, faftig grünen Buſchklumps fucht das Auge
vergebens in der Landfchaft; die Ebene iſt von allen
Seiten offen, der Himmel tief, die Sonne brennehd heiß;
die Bäume geben aus und länge der Felder gebeiben
Aloen und Gactus als Frembdlinge aus Afrika umd Amer
rika. Nach einem kurzen Aufenthalt in ber Hauptftade
von Catalonien, die mit einigen kräftigen Strichen ge-
ſchildert wird, zieht der Verf. gen Aragonien und macht
auf dem Wege nad, Lerida nähere Bekanntfchaft mit el:
ner Bande Caballiſtas, welche die Diligence anfallen und
ihm feine Uhr flehlen, nachdem fie vorläufig feinen Koffer
außgeleert und feinen Mantel zerhauen. Die Reife wird
immer intereffanter ; Boden und Bevölkerung zeigen ſich
in ihrer fchredlihen Schroffheit. Wie man Gatalonien
verloffen und die fhöne Gegend von Urgel im Rüden
bat, nimmt die Landfchaft gleich ein rauheres Gepräge an.
Braga iſt bie erfte Stadt Aragoniens, wenn man von
Barcelona kommt, und liegt in einem tiefen Felſenkeſſel,
in den die Landflraße beinahe Eerzengerade hinabführt.
Die Gebirgsgegend um Fraga ift wie zum Tummelplatz
für räuberifhe und halsbrecheriſche Künfte aller Art eigene
gemacht. Die dürren Felſenriſſe, die ſteilen Abfälle, die
engen Schluchten und Zidzadpäffe der aragonifhen Siers
ras fcheinen gleichfam die Keckheit der Banditen⸗ und
Buerrillasbanden herauszufodern. Wie der Waffenlaͤrm
aufhoͤrt, iſt Alles todtenſtill und ausgeſtorben. ie ein⸗
zigen Menſchenſpuren, die man in dieſen Einoͤden antrifft,
ſind Steinhaufen mit kleinen Kreuzen, welche die Stellen
bezeichnen, wo Mordthaten verübt worden, und oft ganz
ftiſch errichter find, denn in dieſen fandigen Hohlwegen
und am Abhang diefer grauen Felsmaſſen, die Nachts
beim Mondſchein ihre Zadengipfel ſpukhaft in den Him⸗
mel reden und ihre Schlagfchatten unheimlid über dem .
Weg werfen, vergehen wenig Tage ohne Mordfcenen.
Den Berf. ſcheinen die Gefahren weiter nicht zu
fhreden. Guten Muths croquirt er in fein Reifealbum
den Räuberhauptmann, der ihm eben eine Kugel um bie
Ohren pfeifen läßt, und die Zeichnung geräth ihm darum
in den Hauptzuͤgen nichtsdeſtoweniger ſcharf und bes
ſtimmt. Seine an Ort und Stelle nach der Natur auf:
genommenen Skizzen ſind ungemein lebendig und effect⸗
voll; Gegenden, Trachten, Volksgruppen treten charakte⸗
riſtiſch vor das Auge. Die Reiſe von Saragoſſa na
Madrid, von Madrid nach Toledo, der Aufenthalt in letz⸗
terer Stadt, der Jahrmarkt von Mairena und die anda⸗
luſiſchen Stuger (majo) find Lauter geiſt⸗, kunfl: und
forbenreihe Genreſtuͤcke, die ein poetifches Auffaſſungs⸗
und Darfiellungstaiene in nicht geringem Grade beur⸗
kunden. Folgende Beſchreibung einer frappanten Raturs
ſcene mag als Probe feines Erils dienen. Der Verf. iſt
auf dem Wege zwiſchen Saragoffa und Madrid:
C
Pibqeq ftieg. mic ein: ſo ſtarker in bie
Nahe) daß ich: nich ſAnen Augenblick in hen Schtund des. Atna
verfent waͤhnen konnte⸗ 8* ſich vielleicht mit einem Male
unter meinen Fuͤßen ein Vulkan aufgethan? So tragiſch war
es’ gerade nicht; wir fuhren ganz einfach an ben Schwefelquel⸗
len von Athama vorüber, bie’ vole Mitchbäche von einem durren
abhange herabrauſchen ımb zwiſchen Fetſenriſſen durch⸗
men. Die Gegend iſt uͤberaus wild, die Straße biegt jede
paor Minuten um eine ſchroff vorſpringende Felsecke, und der
&alon, den man von Calatayud an entlang fährt, laͤrmt tofend
in der Ziefe einer fehauertichen Schlucht, welche zu beiden Sei:
ten graue, kahle Berge umfchliegen. Während bie untern Bers
—— « hen. in Abenbfchatten getaucht waren, gluͤhten bie
obeen Kaͤmme in ftrablender Sonnenuntergangsbeleuchtung, und
die brennenden Barbentöne, im Verein mit den Schwefeldünften,
gaben der Gegend einen höllifchen Aufdruck und Dante hätte fie
gewiß zu einem feiner phantaftifhen Hoͤllenthaͤler benußt.
Nach diefer Schilderung, duͤnkt mich, begreift man
eher die wunderfamen Landichaftöbilder des Ältern Herrera,
die nichts als oͤde Gegenden, glühende Terrains und Eno:
chenduͤrre Berge darftellen. Ein alboroto (Volksaufſtand)
in Balencia iſt befonders gut. gefchildert. Schön, aber
fhauerlich ift das Leben in biefem herrlichen Lande; eine
ſtickende Hize fest Boden und Menfchen in Flammen;
ein feuriger Odem weht vom füdlihen Nachbar herüber
und entzindet alle glühenden Leidenſchaften eines brennen:
den Himmelftrihs, Eiferfuht, Glaubenswuth, Kreiheits-
sache. Diefer Gaft aus Afrika übt auf die reizbare ſuͤd⸗
fpanifche Bevoͤlkerung eine folche Gewalt, daß er vor Ge:
richt in Anklagen wegen Zodtfchlag als Milderungsgrund
zugelaffen wird. Während der Solano weht, fallen be:
ſonders viele Mordthaten vor, die übrigens hier auch fonft
vielfach verhbt werden. In den engen Kiesſtraßen der
Fruchtebene (huerta) von Valencia find die Steinhaufen
mit Kreuzen (milagros) häufiger als in Hohlwegen der
Gebirgskette von Fraga.
(Der Beſchluß folgt.)
George Sand in England.
Wie die engliſche Preſſe George Sand's Werke beurtheilt?
Man kann es ſich denken, wenn man einigermaßen engliſchen
Moralſtoig, engliſche Pruderie, engliſchen Phariſaͤlamus kennt.
Aber wie es zu gehen pflegt, die Splitterrichter merken den
Ballen im eigenen Auge nicht. Man muß ſolche Artikel über
die den Zornſchalen Gottes verfallene Suͤndhaftigkeit und Ser:
ruͤttung Frankreichs, foldye mitleidige, achſelzuckende, vornehme,
Taste Verurtheilung des unverflandenen fremden Geiftes mit einis
ger Aumerkſamkeit lefen, um das Vergn zu boben, bem
Sittenprediger die Larve abzuziehen und bie Deuchelei, bie er
mit jedem Athemzuge von FE laͤſt, aufzudeden. Ein Beur:
theiler der Sand’fchen Werke im ‚Foreign and colonial quar-
terly review’’ findet, daß George Sand kein bloßes Phänomen,
vie es in dem betreffenden Artißel bes „Gonverfations s Lerilon
der at heiße, ſondern wirklich ein Repräfentant des
frangs fchen Zeitgeiftes ſei: er findet dies, um auf Kranfreiche
graufenvolle Sntartung, Bottlofigkeit, Zerrättung u. |. w. ſelbſt⸗
gefällig und mit heuchteriſchem Mitgefüht herabblicken zu koͤn⸗
nem. (Br: erzählt die aͤrgſten Seandala, indem er verfichert,
diefe.mit bem Gichleier der cheifilichen Liebe zu bebedien. Gr
bt. das Privatleben ber Madame Dubenant herein, benn,
gt er, bei einem Schriftfteller, der moralifche Begenftände bes
banbelt, fittliche Tendenzen hat, ift die Frage natuͤrlich und ‚ges
Berantwortlicher Herausgeber: Heinrich Brodhaub —
— Datz 1ap fihen, wie vu uf Bann
b ’ e du ſelbſt bu
Gitteniehre geworben bift?” Wie falfch aber, wie —8
dieſe Methode! Rouſſeau, der ſeine eigenen Kinder fremden
Händen preisgab, iſt bekannttich Der, weicher ſuͤr Die ganye ci:
viliſirte Weit. der Oerold liebreicher, muͤtterlicher, echter Kari:
Vienergiegung gemarden iſt! Wie paßt ſein eigenes Benchmen zu
feiner Lebre? Aber wer gibt uns auch das Recht, ben Bruder
u verbammen? Und ift nicht feine Weisheit gerade die Frucht
einer Berirrungen ? Nein! wer nicht eine geheime innere Freude
daran Hat, fremben Fall ans Licht gu ziehen, wird nicht das
Drivatieben bes Schri ers noͤthig haben, um feine Pad
zu wörbigen: die Betrachtung ſolches Privatiebens ift ein gan;
abgefondertes Intereffe. Und aus welchen Quellen wird nun
die Kunde dieſes Privatlebens — Beſonders in Betreff
noch lebender Beitgenoffen? Sind fie nicht truͤb? Endlich nad
welchem Mafftab wirb gemeffen? Nun, in vorliegendem Fall,
wie man fidy denken Tann, nach dem engherzigfien. Diele Berf,
halt den Sonntag nicht heilig, gebt micht in Kirche und Ka:
pelle, bat kein Chriſtenthum! Der Stab ift gebrochen. „Cie
bekennt, wie ungluͤcklich fie ſich fühlt, und fchreit laut in ihrem
Elende, ihrer Unruhe. Es findet fich bei thr in ber That ein
Ernſt und eine Herzensinnigkeit für die. Mitwanderer, aber eine
unfelige Verkehrtheit in ihrem Suchen na Wahrheit. Lat
uns daher durch Mitleid den Unwillen mäßigen, womit bie Ge
fühle und Brundfäge, die wir in diefen Werken finden, eng:
liſche Männer und engliſche rauen natuͤrlich erfühen werden.”
Und nun höre man weiter ben vollendeten Phariſaͤer, der Gott
dankt, daß er nicht ift wie diefee Zöllner: „Wer weiß, in wi:
hen Abgrund von Irrthum und Unmoralität, wilder Princip
lofigkeit und ſchweiniſcher Beſtialitat wir felbft vieleicht
geflürgt wären, wenn bie Borfehung es uns beftimmt gehabt
‚hätte, Frankreich zum Vaterland zu haben und bie volllommme
"Auftöfung aller gefeligen Bande u. f. w.“ Gleich darauf wird
bemerkt, Frankreich fet ſabbatſchaͤnderiſch und lag in ben „rl:
‚gidfen Pflichten”, das wille alle Welt, aber Wenige mödten
wohl wiffen, „bis zu welchem Grabe Frankreich aufgehört habe,
den Namen einer chriſtlichen Nation zu verdienen”. Dod genug
als Probe. Diefer Referent befpiegelt fich wohlgefaͤllig in der
Chriſtuchkeit Großbritanniens Frankreich gegenüber. Von dem
Roth⸗ und Schmerzensſchrei der Tauſende und Tauſende, wei;
der aus feinem eigenen Lande täglich zum Himmel ſteigt, von
dem wilben Verlangen nady mehr Schweinen und weniger Prir
ftern, von den ftürmenden Verſuchen, eine neue Lebens: und
Staatsorbnung herbeizuführen, von Bunger, Bibße, Jammm,
Arbeitereiend, Ghartidinus, Korngefeglänspfen, kirchicher Zeit
tungen, buͤrgerlichem Zerwuͤrfniß ſcheint er nichts zu wiſſen.
Er wiegt fi in feiner ariftokratifhen Behaglichkeit und weil er
fatt zu eflen und comfort und kein Beduͤrfniß nach Reform bei
geiftigen Lebens, nach Ausfegung des alten Sauerteigs um
Verjagung ber und Taubenhänbler aus dem Heilig
thume ber Meufchpeit hat, ſieht er hoͤhniſch auf bie Wehen nie
der, unter benen fich eine neue Zeit gebiert. Es ift Schade,
auch nur diefe Zeilen an ihn verſchwendet zu haben. |
Literarifhe Anzeige.
Bei J. A. Brockhaus in Leipzig iſt neu erſchienen
und ae Buchbandlungen zu erhalten :
Jiratenleben.
Seeſtenen und Charakterſtizzen.
Zwei Vhoeile.
&. 13. Geh. 2 The:
Drud und Verlag von J. 4. Brockhaus in Leipzig.
BIärt er
für
literarifhe Unterhaltung.
Sranzöfifhe Zouriften- Literatur.
(Belhluß aus Ne. 228.)
Der teuriflifchzliterarifche Theil des Wuchs ift un:
fleeitig der gefungenfle; der culturhiſtoriſch⸗politiſche behagt
uns viel weniger. Der Verf. ſchildert befonders die phi⸗
loſophiſche Bewegung, die auch Spanien im 18. Jahr⸗
hundert ergriff, die Schriftfteller und Staatsmaͤnner, wels
he diefen Aufichwung des geiftigen Lebens unter den Spa>
niern hauptfächlich begünfligten, und das Charakteriftifche
ihre Reformverfuche und flaatsötonomifchen Beftrebungen,
und gibt darauf einen kurzen Abriß von dem Gang der
Dinge in Spanien feit der Heirath Ferdinand's VII. mit
Marie Ehrifline von Bourbon 1830 bie zum Eintritt des
Grafen Torreno in das Minifterium Martinez de la Rofa
1834. Dieſe gefchichtliche Überfiht vervollſtaͤndigen ver
ſchiedene Abhandlungen Über die einflußreichfien und nam⸗
hafteflen Redner der Cortes und über die bedeutendflen
Individualitaͤten der einzelnen Miniflerien, die fich von
Satomarde bis Mendizabal einander abgelöft haben. Diefe
In beiden Bänden zerfiveuten Bruchſtuͤcke bilden zufammen
eine achtbare Maſſe von Thatfachen und Bemerkungen, die
über jenen wichtigen Beitabfchnitt manchen interefjanten Auf:
ſchluß geben. Der Berf. befigt gründlichere Kenntniffe über
ſpaniſche Literatur, Tagsgeſchichte und Wolkschümlichkeit als
Biardot, defien „„Btudes sur Phistoire des institutions, de la
htterature en Eispagne’! nicht viel befagen wollen und der als
Überfeger des, Don Quigote”’ beiwiefen, daß er das Spanifche
nicht volllommen genug verfieht, um in den Geiſt der fpas
niſchen Kiteratue und In den Kern der fpanifchen Cultur ein:
ringen. Wäre Hr. Didier von feiner franzöfiich = demo:
katifhen Idee nicht fo ſehr präccenpirt gerwefen, wodurch
er gar Vieles im politifchen und literariſchen Leben ber
Spanier ganz ſchief anfieht und manchmal Mindmühlen
für Riefen Hält, fo hätte er die Vorſtellungen feiner Landes
kt über Spanten vielfach berichtigen und erweitern koͤn⸗
zen. Denn Didier bat mehr Geift, Phantafie, Geſin⸗
nung und Ernſt als die andere franzöfifchen Touriſten,
weiche vor umb nad ihm über die Pprendenhalbinfel ges
Krichen. Man braucht nur fein Ichersiched Buch „Rome
sıterraine” und die Meifefchilderungen aus Mabrid, To⸗
ke, Valencia zu leſen, um alle bisfe guten Eigenfchaften
in ihm zu entdecken. Daher iſt um fo mehr zu bedauern,
daß jene franzöfifch = demokratiſchen Präocchpationen ihn
zu einer Menge irriger Anfichten verleitet haben. Seine
Artikel über ſpaniſche Autoren und berühmte Staatsmaͤn⸗
ner des 18. Jahrhunderts find da und dort durch bio⸗
graphiſche Notizen intereffant, aber durch die eingeſtreuten
politifchen Reflerionen oft ſehr unerquidiich und durchweg
hoͤchſt einfeitig. Er beruͤckſichtigt bei den fpanifchen Staates
verbefferern lediglich Das ungeflüme, unklare Streben nad.
Neuerung und bewundert an den fpanifchen Schriftſtellern
nichts als die Reproduction franzöfifcher Ideen. Bon ih⸗
ten Gegnern hat er die aͤrgſte Meinung ; er fpricht ber
damaligen fpanifchen Geiſtlichkeit alle Bildung, Würde,
Redlichkeit und Intelligenz ab und nennt bie Batholifchen
Driefter gottlofe Frevler.
Diefe ſcheinheilige Hierarchie — ſagt er — begeht eine
fortwährenben Frevel; denn täglich Läftert fie Gott in feinem
vornehmften Schoͤpfungswerk, und ihre Gebankentäfterung ifl
: eine wahre Gottesläfterung-
Ganz confequent befteht ex deshalb auch auf die Un:
terdruͤckung der katholiſchen Beiftlichkeit, „dieſes überflüffts
gen, abgeftorbenen Organs: im Leben der Nation”. Mes
benbei verlangt er auch bie Aufhebung bes kirchlichen
Symbols, „dieſes Eabbaliftifchen Buche, das ber Priefler
mafchinenmäßig ablieſt“.
Edenfo ftreng ift der Verf. gegen gewiffe Perſonen.
Die Erregentin wird in einigen Gapiteln als ein verwors
fenes Weib, die unfchuldige Iſabella als eine unnuͤtze
Spielpuppe, Don Carlos als ein ſchwachkoͤpfiger, blutgie⸗
rigee Mönch und ber jetzige Megent als ein jaͤmmerlicher
Intrigant geſchildert. Hr. Didier glaubt fleif und feſt,
daß Spanien nur durch eine fo gründliche Revolutionscur,
ale die franzöftfche von 1793, gerettet werden koͤnne; ex
wünfcht fehnlichft, daß es bald zu biefem ſchoͤnen Heil⸗
mittel greifen möge und bedauert innigſt, daß es fire fels
nen Privatbedarf noch nicht ein Dutzend Hühneraugen:
ausfchneider A la Mobespierre gefunden hat. Hr. Didier
fpricht wie ein promevirter Doctor der Rewolutionskung
und fodert das republikanifche Frankreich auf, diefem fo
fhönen und fo ungluͤcklichen Lande die Freiheit zu brins
gen. Bemerkungen find unnöthig, Kußerungen diefer Art
widerlegen fich von ſelbſt; nur iſt es Schade, daß foldhe
anachroniſtiſche Vorurtheile einem Manne anklebten, ber,
ſtatt eines übrigens geiſtreich behandelten und glänzend
ſtilifirten Miſchmaſche, ein lehrreicheres und zuſammen⸗
haͤngenderes Werk uͤber Spanien haͤtte ſchreiben koͤnnen.
3, Tra los Montes par Théophile Gautier. Zwei Baͤnde.
Paris 1843.
Backwerk zum Naſchen, welches bie mit den es
ſchmacksnerven kokettirenden Gegenſaͤtze und Accorde der
franzoͤſiſchen Paſtetenbaͤckerei nicht uͤbel entwickelt. Der
Verf. gehoͤrt als Mitarbeiter an der „Revue des deux
mondes“, als Theaterkritiker an der „Presse” mit zur
herrſchenden Coterie, und wird ſomit in den Blaͤttern und
Zeitſchriften gewaltig herausgeſtrichen. Fteunde find eine
ſchoͤne Sache, zumal wenn fie für Journale fchreiben.
Gefaͤllige feanzöfiihe Kritiker haben Gautier's Romane
und Gedichte („Mademoiselle de Maupin“, „Fortunio“,
„La comedie de la mort”, „Une larme du diable ‘‘)
ohne weiteres über Balzacis Romane und neben Victor
Hugo's Poeſien geſtellt; und doch ſind es Geiſtesproducte,
die noch nicht einmal an Janin's „Todten Eſel“ und Mufs
fat’8 „Ballade an den Mond” hinanceichen. Kennt man
das innere Getriebe der literarifhen Sameraderie in Paris
nicht, fo läuft man oft Gefahr, Windmühlen für Rieſen
und Windbeutel für Prälaten anzufehen. Literarifche Cos
terien und Gliquen haben von jeher in ber franzoͤſiſchen
Literatur eine voichtige Mole gefpielt:: die fchöngeiftigen
Kreife der Ninon de l' Enclos, der Marquife von Ram:
bouillet und Frau von Skoigne im 17., die Literarifchen
Girkel der Damen Dubdeffant, Tencin, Geoffroy, Neder,
Recamier, Stadi im 18. Jahrhundert find wahre Maͤchte
geweſen, wie die aͤſthetiſchen Theés der Madame Ancelot
Ind der Madame de Girardin es heutzutage ſind. Der
traditionelle Wahlſpruch dieſer Literarifchen Coterien iſt aber:
Nol n’aura de l’esprit, hors nous et nos amis“; wer
alfo zu einer von diefen Gliquen gehört, iſt ein genialer,
talentvoller Menſch, und wird als folder berühmt und
unfterblih. Einige literariſche Kameraden haben Hm.
Theophile Gautier bereits fein Brevet der Unfterblichkeit
ausgefertigt und mic wollen keinen Einfprudy dagegen er:
heben, zumal ba er fetbft fo beſcheiden iſt, daran zu
zweifeln.
Tiefe Trauer — ſagt er bei der Beſchreibung der Dom⸗
kirche von Burgos — beklemmt mein Herz, ſo oft ich eine je⸗
wer Wunderbauten der Vergangenheit beſuche; eine unſagliche
Berzagtheit ergreift mid, und id habe feinen ſehnlichern
Bunfh, als mich in einen Winkel zu verkriechen, mir einen
Stein unter den Kopf zu legen und in beſchaulicher Ruhe und
unbeweglichkeit, den Tod, biefe abfolute Ruhe und Unbeweglich⸗
keit, abzuwarten. Nicht einmal bie Namen dieſer göttlichen
Baumeifter wiffen wir, und mein Name follte unfterbiich fein,
weit ich in meinem Leben zehn» oder zwölftaufend Verſe ger
zeimt, fieben ober acht elende Bände und drei» oder vierhundert
ſchlechte Journalartikel gefchrieben? Was iſt ein dünner Bogen
Yapier gegen einen Granitberg? (Gebr bezeichnend !)
"Vorab muͤſſen wir bemerken, daß dieſe urfprünglich
für die „Revue des deux mondes“ geſchriebenen unb das
ein auch abgedruckten Artikel über Spanien uns ungleich,
mehr zufagen als Gautier'6 Romane und Gedichte, die
uns in moralifcher wie aͤſthetiſcher Beziehung verwerflich
erfcheinen. Seine Reiſeberichte find dagegen recht unters
baftend, und für den Lefer, ber gern wiſſen möcht
es im heutigen Spanien ausfiebt —— A
Bortheil, daß Gautier nicht viel mehr als ein Spiegel
und nicht im geringfien ein Denker oder ein Demokat
1 ift, dee mit Halbphilefophifchen Anfichten oder mit einem
Spfemchen, wie die Salt: Simeniften es gethan, au
Reifen geht. Die Denker laffen die Dinge 5* wie
ſind: indem ſie ſehen und hoͤren, verwandelt ſich ihnen das
Geſehene und, Gehoͤrte ſchon in Gedanken und dieſe Ge:
danken gleichen den ſchon längft im Kopfe vorhandenen
Gedanken. Sie tragen ihr Streben und Verlangen, iht
Fuͤrchten und Hoffen, kurz ſich felbft im ihre Umgebungen
über, und ihre dußere Welt ſteht im Lichte oder Dunkl,
da6 von der Innern auf fie fälle. Die volllommene
Oberflaͤchlichkeit berichtet treuer, - wenn fie nicht ohne Bil
dung und Auffaffungsgabe if. Freilich muß dann der
Lefer das Beſte ſelbſt thun; er hat jegt die Wahmeh:
mung und Anfhauung in den Gedanken zu verwandeln.
Und faffen ſich Leute wie Gautier anf Reflexionen ein, fo
uͤberſchlaͤgt man diefe, gerade wie man fie uͤberhoͤren müde,
äußerte fie der Mann in unferer Nähe in einem Salon.
Recht gern aber hört man ein Stündchen feine Plaude
reien und Erzählungen an. Gautier hat viel Talent für
pilante Schilderungen, ift aber ohne tiefere Bildung und
Geſinnung. An Geift und Wis fehlt e8 ihm nicht, und
er verbindet damit einen eigenthümtlichen Dandysmus der
Form, der oft ein Lächeln ablodt. Uber Frankreich, über
die Mufterkarte von Gemuͤſe⸗ und Setreidefeldern zwiſchen
Paris und Chartres, über die platten-Ufer der Koire ſagt
ee feinen Landsleuten unbarmberzig die Wahrheit; über
bie bauptfächlichiten Eigenthuͤmlichkeiten und Merkwärig:
keiten Spaniens läßt er fg dagegen fehr Liebreih aus.
Coftume, Sitten, Kunft: und Bauwerke, Theater und
Spaziergänge, Stiergefechte und geſellſchaftliches Leben
ſchildert er in einer Reihe anziehender Genrebitber ; Cha:
vaßterfchilderungen gelingen ihm weniger. Die Männer der
reizenden Auen von Granada und Valencia, wahre Ban:
biten, pure Naturmenſchen, die, ohne irgend einen Gran
Moral im Kopfe oder im Herzen, Alles chun, mad Ihnen
gefällt, indem fie Hinderniffe obne weiteres mit dem
Dolhe aus dem Wege räumen, diefe europäifhen Ati:
kaner zeichnet er nur in ſchwachen, vagen Umtiffen. Gr
genden und atmoflphärifche Lichts und Lufterfcheinungen
befchreibt er dagegen fahr originell; doch muß man dabei
einen Stit goutiren koͤnnen, der diefem Autor eigen und
aus den parifer Ateliers bergenommen ift. Ganutier's
Landſchaftsgemaͤlde find, um mich in feiner Weife auszu⸗
drücken, geiftreich tokkirt umd keck impaftirt, voll Phantafit
und Energie, aber nicht ohne gleichförmigen, conventionnels
(en und unwahrſcheinlichen, übertriebenen Effect. Die
feanzöfifche Kuͤnſtler⸗ ober vielmehr die parifer Atelier
fprache, auf Beſchreibung fchöner Natur aller Art ange
wandt, iſt dee hervorſtechendſte Zug in Gautier's ſchift⸗
ſtelleriſcher Phyſiognomie. 27.
Jean Charles.
1. Dichterleben aus unferer Zeit. Rovelle von Jean Charles,
Berf. der Romane „Das Leben kein Traum‘ und „Schöne
Welt”. Leipzig, Boͤſenberg. 1842. 8. 1 Thlr. 10 Nor.
3. Die Stimme bes Blutes. Roman von Jean Charles.
Zwei Zeile. Leipzig, 8. Zleifcher. 1842. Er. 12, 2 Str.
Jean Charles gehört zu benjenigen mobernen Schriftſtel⸗
lern, bie mit einiger Beweglichkeit ber Empfindung, mit huͤb⸗
fher Darftelung des Smpfundenen, mit guter Benugung bes
von Andern früher Bebachten und Empfundenen eine übergroße
Meinung von fich verbinden und befiiffen find, biefe Meinung
auch dem Yublicum beizubringen. Mehr Denker und Nefleriong«
menfchen ale Dichter, Tchlägt ihre denkende Anſchauung allers
dings öfters in eine dichteriſche um, aber es iſt eben nur ein
Umſchlag, ein momentane Anwandeln poetiſcher Grregtheit,
die fie nur als Stuͤckpoeten, keineswegs als bichterifche Schöpfer
tm Ganzen und Großen erjcheinen laͤßt. Was aber Andern an
ihnen als bloße Virtuofität des Denkens, Fuͤhlens und Darftel:
lens erfcheint, dat erfcheint ihnen ſelbſt als Genialität;z fie fuͤh⸗
len fidy verfannt; ihre Neid, ihre Eiferfucht laͤßt fie bei Tag
und Racht nice ruhen, und in großartigen, ſchoͤn klingenden
Phraſen drängen fie ſich nun der Welt als Dichter auf, wäh
rend biefe fie in taltbiütiger Gleichguͤltigkeit zwar nicht zu den
Todten, aber body zu den Halbtodten wirft, welche zwiſchen
Tod und Leben zweifelhaft ringen und bei lebendigem Leibe faft
als Gefpenfter in den Ballen ber Literatur umgeben. Beide
oben angezeigte Romane bemweifen eine fo aͤrmliche Erfindung,
dag mir dem Berf. das Prädicat eines Dichters ſchwerlich ers
heilen können; Sean Charles ift höchftens ein Zinder, Fein Er⸗
finder. Dagegen bat der erfle Roman „„Dichterieben aus unferer
Zeit” wenigftens das Berbienft, manche bübfche Reflerionen,
mande Spuren tiefere Empfindungen zu enthalten; aber bie
maßloſe Eeibfibefpiegelung und Eitelkeit Löfcht den günftigen
Eindruck wieber aus. Es iſt nicht zu zweifeln, baß der Verf.
hier ein Städ feines eigenen Lebens verarbeitet hat und daß,
wie aus dem Buche hervorgeht, ber bekannte Ritter Braun
von Braunthal der Berf. if. Er ſelbſt nennt fih im Buche
Kart; und diefer Karl, heißt es; fer feinen Breunden nur ale
Berftandesmenich erfchienen, und doch habe nie ein glühenderes
He alles Schöne, Gute und Wahre in eines jungen
Mannes Bruft gefchlagen, nie habe eine reigbarere Phantafte
den Geift beflimmt und gelentt, nie fei Iemand vom Principe
der Schönheit inniger durchdrungen geweſen, und fo noch ein
paar Geiten fort. Wir vermuthen um fo mehr, daß diefer
Sean Gharles der Karl bes Romans und biefer Karl ber
Kitter Braun von Braunthat fei, ba er von einem „Fauſt“
ſpricht, welden Kart gefchrieben habe, und ba Braun von
—— — auch einen „Fauſt“ geſchrieben hat — und
was für einen„Fauſt“!Es heißt im Roman: „Karl's
‚Zauft“ wurde ein handlungsreiches, phantaſtiſches, lebensvolles
Drama; eine umfaſſende Kritik der ‚Revue des deux mondes‘
ſagte bezüͤglich der Grundidee, wie er fie aufgefaßt und durch⸗
geführt, daB er es gewagt, fid) Gorthe ſcharf gegenüber zu
fellen, biefe® Dichters Idee zu ſtuͤrzen (!) und daß es ihm zum
Rubme gereide, in biefem großen Kampfe geflegt zu haben!“
Außer vielen innern Gründen geben uns auch noch manche äußere
zu der oben ausgefprochenen Vermuthung Anlaß. Die Gefchichte
fpieit in Wien und bad Verhältniß Karl's mit Alexander Gra⸗
fen »on Auersperg, mit dem Braun von Braunthal das viel
beſprochene Rencontre hatte, wirb genau erörtert, das ſpaͤ⸗
tere Zerwürfniß jebeh nur aus ber Werne angedeutet. Karl
Meibe natürlid) in geiftiger Hinſicht in Vortheil gegen Alerans
der. Auch Nicolaus Lenau, unter dem Namen Nicolaus, tritt
auf, empfängt von Karl mande gute Eehren, wird aber, ba
er ih zu Karl freunbfchaftlicher verhielt als der fchärfer
blickerde Alezanber, hoͤchlichſft gefeierts indeg nimme der Verf.
die Ireradſchaft biefes Ricolaus nur zur Folie, um feine eigene
Größe deko nachdruͤcklicher reflectiren zu laſſen. Schwerlich
| wird Lenau dem Verf. für dieſe
Thigungen großen Dank wife .
fen. Gegen ben Schtuß des Wuchs mich —* Eiteikeit des
Verf immer zudringlicher. Karls Fauſt“, wird geſagt, habe
nad) dem Urtheile bes geachtetſten kritiſchen Organs von Frank:
zei Goethes „Baufl’’ fogar übertroffen, aber wer frage in
Deutſchland danach? Er habe nicht einmal einen Verleger bar
gefunden und das Werk auf eigene Koften drucken Laflen mie
fen; und ber Verf. fährt fort: „Hätte ein engliſcher ober fran«
zoͤſiſcher Schriftfteller ein ſolches Werk gefchaffen, fo würde
man feinen Ramen ausgerufen haben burcy ganz Europa.”
Diefer Umftand gibt ihm Gelegenheit, dem Geſchmack bes
Yublicums zu Leibe gu gehen, weil es die Werke Goethe's, Schil⸗
ler's und ber Altmeifter unferee Poeſie nicht zu Fidibus und
wer weiß zu was noch fonft verbraudge und dafür des Verf.
Werke in ben Schrank, feine Gypsbuͤſte auf den Schrank
ſtellte. Wir erinnern uns, eine Gorrefpondenz von Braun
von Braunthal gelefen zu haben, worin er behauptet, Kefe .
fing’d ‚Emilia Galotti” fei fo unfittlih, daB er nicht ber
greife, wie Mütter ihre Töchter in das Theater ſchicken
könnten, wenn „Emilia Gatotti” aufgeführt wuͤrde. Ahns
liche Anſichten enthält auch biefes Buch, und fie find fo
bezeichnend für die Arroganz unferer Mobernen, daß wir
nicht unterlaffen können, fie bier zu citiren: „Da hört man
täglich und flünblich Klagen über Mlagen, daß die goldene Zeit
der deutfchen Literatur entſchwunden fei, und ber Buchhandel
beutet diefen Wahnfinn aus und lebt wieberfäuend von ben un:
unterbrochen aufgefrifchten Ausgaben ber Verftorbenen. Und wie
verbatten fich die großen Zobten zur Jetztzeit? Hatten fie ein
Gefühl, ja nur eine Ahnung von ber Schönhelt und tiefen
Naturkenntniß, die in ben Iprifhen Dichtungen eines Lenau,
A. Grün, Mofen, Karl Bed u. m. %. tebt? Sind die Gedichte
Schiller's und Goethes nicht baare Profa dagegen? Haben
diefe großen Todten ein Drama, einen Roman, eine Rovelle
bervorgebradht, die nachgeahmt, nachgebilbet, mit einem Worte
mufterhaft genannt zu werben verdienten? Der gepriefene Leſ⸗
fing war ein guter Kritiker, aber feine Dramen find nichts
weiter als Abhandlungen in bramatifcher Form; Schiller's Stücke
wibdern an (!) durch ihre maßlofe Subjectivität. Goethe ift
war objectiv genug in feinen Dramen, aber der kalte Hauch
des uͤberwiegenden Berflandes ertöbtet alle Blumen des Befühts
und das Herz kann fi} nicht erwärmen an der Sonne feines
Geiſtes“ u. f. w. Nur Heinri von Kleiſt wirb ruͤhmend her:
vorgehoben, wahrſcheinlich, weil er eine Beit lang fo verfannt
und unbeachtet blieb, wie Braun von Braunthal ift und wol
auch bleiben wird. Weiterhin heißt es, daß Goethe's „Werther
und „Wahlverwandtfchaften‘ wol Niemand zweimal wird lefen
wollen und daß Schiller im Roman befanntiich nichts geleiftet
babe, baß fein „Geiſterſeher“ ein hohles Machwerk frei! Das
find geradezu Stimmen aus dem Srrenhaufe und man follte
eigentlich einem ſolchen tollen Raiſonneur die Eritifche Zwangs⸗
jade anlegen, bamit er zu einer felbfländigen Bewegung Feine
Kraft mehr babe; aber es iſt doch auch gar zu luſtig,
wenn ein folcher in fich verliebter Narciß ſich vor den Gpier
gel feines eigenen Ichs ftellt und verliebte und närrifche Geis
maſſen ſchneidet.
Bei dem zweiten Romane fällt die Ärmlichkeit ber Erfin⸗
dung um fo mehr auf, je mehr in diefem Romane die Grfins
dung für ſich gelten und das Raifonnement und die Reflerion
in den Bintergrund drängen wil. Das Blut, welches feinen
Sig im Körper bat, hat nun auch im Romane bes Hrn. Braun
von Braunthal Stimme genommen. Hören wir auf biefe
Stimme des Bluts! Der Hergang iſt fehr einfach biefer: Herr
von Bergen Lebt mit feiner jungen ſchoͤnen und Liebenswärbigen
Gemahlin überaus gluͤcklich, ba kommt ein verführerifcher Teu⸗
fel in Geftalt Leon Delamare's und verführt und entführt die
leichtſinnige rau von Bergen, die gerade guter Hoffnung ift,
über Meer. Das Schiff, wie Herr von Bergen aus einer Zei⸗
tungsnachricht erfährt, gebt mit Mann und Maus unter, alfo
auch feine Gattin und das damals noch ungeborene Kind des
. von Bergen, das fie unter dem Herzen trug.
& muß Herr von Bergen es annehmen. Was hierauf folgt,
geſchiehe in Paris. Wir een bier dran. von Bergen, einen
wohl conſervirten Mann in feinen beften Jahren, und beffen
erfigeborenen Sohn Victor. Dieſer liebt eine junge Dame, bie
dato unvermählt, ‚die bei einer Frau von Meran lebt. Frau
von Meran felbft weiß von der Geburt und Herkunft Beatricens
fo vier als nichts. Man fieht jest ſchon, worauf bas Ding
hinauswill; und es ift eben der Hauptfehler bes Romans, daß
er ſo wenig hinter dem Berge hält und shit dem Lefer gar kein
VBerſteckens fpielt; er ift von vorn herein gar zu aufrichtig,
duckhfihtig wie Glas. Die Frau von Bergen und ihr Verfuͤh⸗
rer Delamare find naͤmlich nicht mit ben Schiffe untergegan:
gen, fondern gerettet worden, und Jene bat fpäter Beatrice
— bie Tochter des Hrn. von Bergen, bie deſſen Sohn
ictoe Lebt und von ibm wiebergeliebt wirb, oder umgekehrt.
Aber raͤthſelhafte Stimme bes Bluts! Baron von Bergen, der
Boter, und Beatrice erbliden ſich kaum, als fie auch eine ge:
beimnißoolle Sympathie, die Stimme des Bluts zueinander
zeißt; der Water fliht feinen Sohn bei Beatrice aus und Ben:
trice gibt den Sohn für den Vater auf. Doch wir mäflen zum
Schluſſe eilen. Bictor ſtoͤßt auf den Verfuͤhrer feiner Mutter,
fobert und tödtet ihn; feine Mutter, welche verborgen in Paris
lebt, flixbt in feinen Armen. Das ift Schrediich genug, aber
noch nicht fchredtih genug, als daß es bem Verf. genügen
koͤnnte. Beide Nebenbuhler, der Vater, ber feine Tochter, und
ber Sohn, ber feine Schwefter mit geſchlechtlicher Zuneigung
liebt, fehen fich wieber; ſchreckliches Wiederſehen! Aber Ber
gen, der Vater, ift edel und will entfagens da überreicht ihm
der Sohn ein Käftchen, welches die Mutter ibm vor ihrem
Tode eingehaͤndigt; es enthält unter Anderm ein Padet Papiere
mit ber Auffchrift: „Documente, meine mit Baron Bergen ehe⸗
lich ergeugte Tochter betreffend‘ — Beatrice ift Hrn. von Ber⸗
gen’s Tochter, Victor's Schweſter. Baron Bergen, ber Vater,
muß an fehr ſchwachen Nerven leiden, denn bie Freude, feine
Tochter gefunden, oder ber Ärger, feine Geliebte verloren zu has
ben, töbtet ihn wie eine Fliege, die man mit ber Fliegenklatſche
todtſchlaͤgt; Beatrice verfällt hierauf in ein Fieber und flirbt
auch; Victor von Bergen — was foll der Verf. auch mit ihn
Befleres anfangen? — geht unter bie Chriflinos und ſtirbt
auch — aber, großartige überraſchung! von ber Hand beffelben
Delamare, den er im Duell getöbtet zu haben glaubt. Mit
Diefem Schuß⸗ unb Knalleffect ſchließt der Roman! Manier
und Stil find franzöfeind; überhaupt fcheint der Verf. mit Ans
firengung dahin zu arbeiten, für bie Vornehmen und Salons
menden zu fchreiben, denen ex aber jedenfall zu wenig pikant
und unterhaltend fein möchte. Fuͤr ben SBerichterflatter wes
nigftens haben drei ober vier Kuaftftellen aus Boz hoͤhern
Werth und größeres Interefie als alle ſolche mattvergolbete
Erzeugniſſe ber ariftofratifhen Mufe, die, wie fie ſelbſt nicht
begeiftert und bingeriffen ift, auch Niemand begeiftern und bins
zeißen Tann. 66.
®o weni
Dee Zweikampf. Ein fittengefchichtlicher Beitrag von
oe Mayer. Erlangen, Palm. 1843. Gr. 8.
/ Nr.
erzen gebroche
Deutſch beginnt die 16 Seiten lange Einleitung;
und Jebermann, wer es nicht Über ſich genommen hat; das Buch
in einem kritiſchen Blatte anzuzeigen, wirft es bei Seite. Der
Stil iſt wirklich durch und durch unertraͤglich, breit, matt, ge⸗
t, ſ unklar und bier und ba incorrect; er erinnert
an das Pferd mit allen Fehlera. Was ben Inhalt beteifft, fo
it im erſten Abſchnitte die Geſchichte des Zweikampfs enthalten,
fo weit fie fgon ben Spmnafiaften belannt fein muß. Die Tri⸗
Berantwortlicher Deraudgeber:s Deinrih Broddaus. — Drud und Berlag von J. A. Brochaus in Leipzig.
9: ] viatität IR unglaubtich Im poelten unb, beitten Afäpnitte
| ganye Abhandlung gar nicht; und das Widerl
Altes bunt durdgelnanber. neuer Geſtchtepuntt, ei
yeugender Gedanke, eine treffente Wendung
deu Berf. mit feiner eigenen praktiſchen Kenntniß ber GSache
renoamirt.
Notiz.
Nordamerikaniſche Ebrlichkeit.
Unter einigen aus Norbamerika eingeſendeten literariſchen
Novitaͤten befindet ſich ein maͤchtiger Imperialfoliobogen von ſeche⸗
ehn Dctavſeiten, auf jeder Seite drei eng gedruckte Spalten,
berſchrieben: „Day’s New York Bank - Note List, and
Counterfeit Detector‘’, alfa: „Day's Neuyorker Banknotentifte
und Berfällhungs : Entdeder”. Laut Anmerkung beftcht dieſes
der norbamerikanifchen Ehrlichkeit zu exemplarifcher Ehre gereis
ende Blatt feit 1818 und erfcheint alle Ad Lage. Da es fi
zugleich das ditefte Blatt der Art nennt, muß man folgern, daß
es nicht das einzige iſt. Es enthält ein ——— ſaͤmmtlicher
nordamerikaniſchen Banken, ungefaͤhr 1200. Dem Namen
jeder einzelnen Bank folgt der Curswerth ihrer Noten und eine
kurze Beſchreibung der auf ſie umlaufenden falſchen Roten.
Letzteres fehlt nur wenige Male, und wo dies ber Fall, folgt
dem Namen ein einzelnes Wort oder ein Zahlenbruch, der den
Stand der Roten bezeichnet, z. B. „Merchant’s Bank, Nor-
wich, ..... a". In ber Regel folgt ein Verzeichniß ter
mehren cisculicenden falfchen Noten. Einige ber wahrfcheiniich
geachtetften Banken find mit nicht weniger als zwölf verfchiebenen
Faͤlſchungsarten angefegt. Im Durchſchnitt kommen beren auf
jede ſechs, und das mit 1200 multiplicirt, ergeben fi 7200
verfchiedene Arten in Umlauf feiender falfcher Banknoten. Den
Betrag jeder biefer Arten nennt bad Blatt nicht; er läßt ſich
wol auch kaum errathen, gefchweige nachweiſen. Dez burd
fotche granbiofe Faͤlſchung bewirkten allgemeinen Entwerthung
der Banknoten mittels Befchreibung ber Faͤlſchungen aufzubelfen
und mittels fothaner Veroͤffentlichung ber Faͤlſchungen einen
Damm zu fegen, ift ber oftenfible Zweck des Wilatted. Unter
ben borwaltenden Umftänden eine Unentbehrlichkeit für jeben
Menſchen in Nordamerika, der nicht geradesu vom Betteln Lebt,
ein Taſchenwoͤrterbuch, dad man nachſchlagen muß, fo oft man
eine Banknote in Zahlung empfängt. Das häufige Erkennunge:
zeichen ber gefälfchten Banknoten ift die Untreue, theils bei Go:
pirung der Namen, theild bei Nachbildung der Figuren. Sc
beißt e8: „Union Bank of New - York — New - York
r. 1 dollar, letter A, dated Oct. 1, 1840. Cahier’s name,
aniel Ebbetts, is not spelled right, one t being omitted.
The figure of Washington on the vignette on the right is tall,
and the eyes small, and the one in the centre of note badly
done,” Binnerzeine ähnlicher Art gibt ed zu Hunderten. Raum
minder oft entdeckt ſich die Faͤlſchung bei genauer Betradhtnng
dee Worte und Zahlen auf den echten Banknoten. Bier bat ber
Faͤlſcher ſich blos an des urfprünglidden Summe vergriffen, aus
einer Beinen eine große gemadit, 1 B. auf Roten der Delaware
and Hudson Canal Company 50 aus 5: „50 dollars altered
from 5 dollars — easely detected if you observe the insertioa
of the word fifty in place of the word five — the former
won being also Ber gun the ante, with which
it should correspond.’’ Gine weitere Faͤlſchungemanier befteht
in Veränderung des Namens ber Bank; ber Name einer fol:
venten wird gegen ben einer infolventen vertaufcht, und da ei
in Amerika viele Orte gleihen Namens gibt, fo m fi dat
durch Veränderung des beigefügten Diftrictnamens. gibt ei
mindeſtens zwölf Stäbte, bie Franklin oder Monroe beißen
Zu Monroe im Diſtricte Michigan bat bie Bank fallkt. Zı
Monroe im Diftricte Rochefter ift die Bank ſolvent. Alfo wurb
aus dem * Michigan ausgeloͤſcht und dafuͤr Rocheſter ge
9 e “ w. =
Bläster
1
literarifche Unter
baltung.
Sonnabend,
Die Phyfiognomif der Tracht.
Es if diefen Jahren ein Buch erfhienen, das fich
auf diefe Überſchrift bezieht. (H. Dauff, „Moden
und Trachten. Fragmente zur Geſchichte des Gofums”,
Stuttgart 1840.) Daſſelbe hat auch bereits Anzeige und
Beurtheilung in d. BL gefunden. *) Der Verf. bat
„zerſtreute Journalartikel“ zuſammengeſttellt und in dem:
felben ben Ton des unterhaltenden Wites dem der zuſam⸗
menhängenden Forſchung vorgezogen. Denfelben Gefichts:
punkt nimmt aud bie eben erwähnte Mecenfion d. BL
Aber der Gegenſtand iſt noch einer andern, einer willen
ſchaftlichen Betrachtung fähig, unb woeil er ihrer fähig
if, fo verdient er fie auch. Als Andeutungen dazu
möchten die folgenden Säge gelten und ben Lefern d. Bi.
bie Wichtigkeit der Sache etwas näher bringen.
Die Tracht iſt ein Moment in der Phyſiognomie bes
Menſchen und fält alfe in das Gebiet der Phyſiognomik.
Wenn aber Phyfiognomit Wiftenfchaft iſt, und nur aus
Gründen, bie fi hier nicht weiter darlegen laſſen, hinter
andern Theiten ber Anthropologie, ber fie ſelbſt ais Theil
angehört, um einen Schritt zurüdgeblieben, fo muß auch
die Tracht als ein durch bie Selbſtbeſtimmung des Men-
fchen geſetztes Moment feines KÄußern darin ihre Stelle
finden. Die Phyfiognomik gehört nur mit einer Seite
ber Speculation an, mit ber andern ber Beobachtung,
umb fie theiit diefe Weife der Eriftenz mit dem Ganzer,
zu Dem fie als Theil gehört, mit der Anthropologie. Das
St, das Begebme, unterliegt immer der beobarhtenden
Auffaffung, aber fofern in biefem Iſt ein Soll, ein ab⸗
ſtracter
durch eine Seibftbefſtimmung ein Ethiſches, das die an:
dere Seite des Gegebenen wäre, ſich felhf die Wirklich⸗
keit gibt, fo befinden wie uns zugleich auf ſpeculativem
Gebiete... Mit einem Worte: dies Reſultat iſt die Kußer:
lichkeit, und diefe Kußerlichkeit if gegeben, und das Ge⸗
gebene If fur die Beobachtung gegeben; aber Die Außer:
lichkeit iſt zugleich die Außerlichkbeit des Geiſtes, das Ge:
dankens umb damit alſo auch Sache ber Speculation.
Verdienste demnach bie Mhyfiognomid Werwerfung, fo
mhßte mit ihr Die Anthropolpgie uͤberhaupt, ja Die gange.
Ratarroiffenfaft verworfen werden, und het man fie
*) Bel. Nr. 334 d. 81. f. 1841. .
Begriff verbergen, und diefer durch «in Wolen,
D. Red.
bisher auf dem Standpunkt der Beobachtung und zwar
einer fragmentarifchen allein flehen Laffen (doch duͤrfen
wir dies nicht einmal fagen, denn ſchon im Alterthum
finden wir manche nicht unbebeutende Beiträge zu ihrer
Ipeculativen Bearbeitung), wem wollen wir die Schulb
davon zuſchieben, dem Gegenſtand oder der Speculation,
die ihn zu fpröde fand, um fich deſſelben zu bemächtigen?
Das Gewand ift der Theil der Phyfiognomie, der am
unmlittelbarften der momentanen Selbſtbeſtimmung uns
terliegt, es iſt die ruhende Mime an der dufern
dividualicäe, und wenn das Thier aͤußerlich wird in ſei⸗
nem Felle, ſodaß wir es als ein Moment feiner generi⸗
ſchen Unterſcheidung von andern nehmen, ſo wird ſich der
Menſch noch vielmehr aͤußerlich in ſeinem Gewande, und
wenn z. B. das oben erwaͤhnte Buch (S. 68) von einem
Traveller ſpricht, an dem der grellſte Modeſtaat ſo naiv
hänge wie am Nagel, fo kann Niemand an ber
phpfiognomifchen Bedeutung eines ſolchen Haͤngens zwei⸗
fein. Das Gewand aber hat, und dies iſt der erfle au⸗
gemeine Geſichtspunkt, den wir nehmen koͤnnen, feine
Geſchichte mit ihren Perioden und Epochen, fo gewiß ak
die Entwidelung der Perfäntichkeit ſelbſt die Geſchichte
iſt. Sofern nämlich die Tracht diefe aͤußere Form TR,
fo iſt am ihr zunaͤchſt zweierlei zu unterfcheiden, fie diene
einem boppelten Zwede. Sie iſt Form, und als folche Aus⸗
deu, finnlihe Darſtellung ber Idee, und zwar ber Idee,
fofern fie fi auf die Form, auf die finnliche Darftelung
bezieht, der aͤſthetiſchen Idee, der Idee der Schönheit.
Dies wäre kurz bie objective Seite der Sache. Diefe
Form iſt aber in und an einer gewiſſen Materie, fie diene
zur Bekleidung und zwar zur Bekleidung einer gewifſen
ſchon gegebenen Geſtalt, und dies iſt die -fubjective Seite
der Sache. Jene wird das Bleibende, Beharrliche an
der Tracht ausmachen, dieſe das Veraͤnderliche. Aber das
Bleibende wird ſelbſt wieder zum Veraͤnderlichen, wenn
das ideelle Moment herabſinkt zu dem Atomismus der
Meinung, wie bei der Mode; und das Veraͤnderliche wird
zum Bleibenden, wenn das Gubject fich als moralifche
Perfon, als Volk fixirt und eine: gewiffe Unvergaͤnglich⸗
keit aller feiner Außern Beſtimmungen gewinnt. Dies
wird fi in der Tracht zeigen, wenn fie zur Rational:
teacht wird. Das Mechfelfpiel dieſer Momente’ wird den
Perioden, welche die Geſchichte der Tracht‘ durchidufe, th:
3)
ren allgemeinen Charakter geben. An der Tracht felbft
aber laſſen fi die Beſtimmungen, durch welche fie phy⸗
fiognomifcher Ausdrud, Ausdruck des menfchlichen, geiſti⸗
gen Lebens toschen: Bann, felbft Meder unser varſchiedene
—*9 Kafegorien beingen. Dies iſt der andere Ge⸗
ſichtepunkt, den wir zu nehmen haben. Diefe Beſtim⸗
mungen find, die Farbe, die Drapirung und das Tragen
der Tracht. Dean Bönnte vielleicht noch ein Moment,
den Stoff, hinzufügen, und wenn das Gemand das Zell
des Menſchen wäre, fo würden wie dies auch müflen,
aber eben darin unterfcheidet fih Fell und Gewand, daß.
das letztere nicht die ausgefchmigte Äußerlichkeit des In⸗
dividuums ift, fondern von außen angenommen wird,
And der Stoff hiermit unmefentlicher für die Phyſignomie
ssfcheint. Er kann ein Gradmeſſer fein für die induftrielle
Höhe einer Zeit oder für ben Reihthum eines Indivi⸗
duums, und auch das nicht immer, wie wir unter III.
ber oben angeführten Schrift recht deutlich belehrt wer:
den, in einer Zeit, mo „der ungeheure Auffhwung ber
Induſtrie und damit die Wohlfeilheit der Fabrikate, der
wachlende Wohlftand der gewerbtreibenden Stände, die
befchränftern Mittel der höhern, und die Vortheile, die
fie beim Untertauchen unter das Niveau der Gefellfchaft
finden, es einer großen Zahl möglih macht, in ihren
Derfonen das Zeitideal der Seinheit und Zierlichleit dar:
ſtellen“ (S. 69), in einer Zelt, wo „die Laufbahn zum
Ziele der feinen Lebensart, fo weit eine Schneiderrehnung
das Patent derfelben iſt, vor jedem gewandten Burſchen
‚offen daliegt“ (S. 78). Für die Phnfiognomie hat der
Stoff nie mehr Bedeutung gehabt, als daß der feinere,.
zaͤrtere receptiver und ducchfichtiger war für die Bewegun⸗
gen des Willens, ber fi in ihm ausdruͤckte. Doch —
noch ein Fall laͤßt fi) denken, wo die Wahl bes Stoffe
zum Ausdrud bee Einfachheit dient und der Mann im
haͤrenen Gewande und bem ledernen Bürtel entweder
Elias oder — eine Kokette fein muß.
Nach diefen allgemeinen Geſichtspunkten, bie wir an⸗
‚gegeben haben, unterfcheiden fih nun die Perioden ber
Tracht a) in die, in welcher das fubjective Moment vor:
herrſcht, die Bekleidung der Noth; dann b) in diejenige,
in weldyer das objective Element vorherrfcht, die claffifche
Tracht; und endlich c) die, in welcher beide Elemente im
Gleichgewichte find. Dieſe felbft aber wird eigentlich erſt
sine Bewegung, eine Geſchichte haben, in welcher mir
vorläufig drei. Perioden unterfchelden, namlich die der
Nationaltracht, der Modetracht und der Tracht der Per:
ſoͤnlichkeit. Die erſte iſt abgelaufen, in ber zweiten fte:
den wir, und den Begriff der dritten anticipirt die Specu⸗
lation. Natürlich gibt es noch einzelne feinere Nuancen,
namentlih bei dem Übergang von einer Periode in bie
amdere, und wir werben auch fpdter nod mehr darauf
hinzuweiſen Gelegenheit finden.
Man könnte bie Frage aufwerfen, ob bie Tracht zu:
erft ihrem phyfifchen oder ihrem geiftigen Zwecke gebient
babe, und wenn auch in erfier Beziehung dieſe Frage et:
was Düfiges bat, ſofern es gänzlid von ber Laune bes
Klimas und ber Witterung abhängt, ob fie dem Men⸗
[en mehr oder wenlger dieſes Veduͤrfuiß aufdrängm
will, fo tft fie doch in der andern Weziehung um ſo m.
ſcheidender für bie Bedeutung des Gewands, und ıs if
ein fchöner, Heheutiggsvoller Zug f i
Urkunden, dab fie jenfalls sun N Seas m
geiftige, ethiſche Beſtimmung geb (Gen 3, 7), we
her dann die phyſiſche nachgefolgt zu fein ſcheint im Zu:
fammenbang mit einer Veränderung des Wohnſitzes der
erften Menſchen (5, 21), „Sie wurden gemahr, daß
fie nadet waren”, einfach darin liege die Nöthigung zur
Bekliidung; es iſt eine moralifch = äfthecifcge Mothwendig⸗
keit, daß der Menſch bekleidet ſei. Der Menſch iſt we
ſentlich geiſtiges Weſen, und es "mM darum nothwendig
daß an ihm nichts ſchlechthin Natuͤrliches, fondern auch
das Natüurliche pneumatiſch fe. Das Natuͤrliche muf
geiftig verklaͤrt, d. h. natuͤrlich verbäsit fein, es muß dem
Ausdruck geiſtig freier Beſtimmung dienen. Wo man
namentlich in neuer Zelt bie nackte Figur ber bekleideten
vorgezogen bat, ba konnte man dazu nur buch eine un
geiftige, Häßtiche Bekleidung, die allerdinge wieder zur nadten
Natürlichkeit als ihrer Correction zurkdführt, verleitet
werden. Degel macht darauf aufmerffam (, ÄAſthetik, 2.2,
S. 407 fg.), welche Götter von den Griechen bekleidet,
welche nackt bdargeftelt wurden. Wir bemerken baran
den Übergang des Naturdienſtes zur Religton des Geiſtes.
Zunaͤchſt dient alfo die Bekleidung nur der Noth in
geiftiger wie in phyſiſcher Beziehung, das Feigenblatt für
die Scham, das Fell für die Witterung. Der Noth,
geiftiger, vote phnfifcher, genuͤgt an der Verhuͤllung. Aber
diefe Periode wird überall fehr vorübergehend fein. Es
laͤßt fih in der bloßen Megation nicht verharren. Der
Menſch will nicht blos verhüllen, was er ift, fondern et
will auch etwas, auch leiblid, etwas fein.
So kommt es nun zur geiflig pofitiven Bedeutung
ber Bekleidung. Sie fol nur das Unfchöne, alfo entwe⸗
der blos die bem Dienft der Natürlichkeit bingegebene Seite
ber Geſtalt, oder wol gar natürliche Gebrechen verhülln,
zugleich aber die ſchoͤne Form enthällen. Wie die Wabı:
heit der mathematifchen Linie, fo die Schoͤnheit der äflbe
tifchen Liegt jenfeit ber Erfahrung. Aus diefem Grunde
nun [don wird die Bekleidung dem Nackten vorzuziehen
fein, wenn fie fo eingerichtet ift, Daß fie erinnert, die
Formen ber vollendeten Schönheit nicht in einem elngl:
nen Eremplar zu fuchen, andererfeits dem bdichtenden Gr
danken Beranfaffung gibt, Das, was die äußere Anfchanun
nur unvollkommen darbietet, in ber innern zu vollenden.
Wenn fie fo eingerichtet iſt, fagen wir, und es win
dies bie Beſtimmung einer wahrhaft idealen Tracht, de:
ven Stelle außerhalb bes gefchichtiihen Fluſſes wir dx:
durch bezeichnen, daß wir fie bie claffifche nennen. Ei
ift in die Zeit eingetreten bei den Griechen, ſodaß wir
nicht fagen dürfen: bie Griechen hatten eine Rational:
tracht, fondern bie Tracht, aufsefaßt im ihrer idealen
DBebeutung. Halten wir den eben angegebenen aligemei-
nen Sinn der Bekleidung feft, fo ergeben ſich daraus
die aligemeinften Erxfoberniffe der Tracht. Sie muß ver
huͤllend enthüllen, ſie muß alfo nicht blos die Theile bed
Körper®, wehhhe dir "uumeittsibauften Ongame bes Geiſtes
find, und damit fie Dieb fein Binnen, der unverkuͤmmerten
Aufhauung dargeboten werden follen, möglichft unbedeckt
lafien, ſendern fie muß auch die übrigen Einien bes £el:
bes nicht zerſtoͤren, was dadurch gefchieht, Daß fie entwe:
der in eine nicht zu unterfcheidende Einheit mit dem Leibe
fi ſelbſt, wie fo oft bei fpätern Nationaltrachten, auch
folchen, welche den bedeutendſten aͤſthetiſchen Werth haben,
die aber dadurch in das Gezwungene und Manlkritte fich
vericren, vorkommt; oder daß fie fih gar an die Stelle
des Leibes feidft fegen will. Jedes Gewand, das fich
als Gewand nicht mehr von dem Leibe, zu dem es ge:
hört, unterſcheiden läßt, das in Gefahr bringt, den Rod
mit dem Manne zu verwechfeln; oder wol gar eine ganz
andere Linie als die, welche bem Leibe wirklich angehört,
ihm unterfdylebt, verfehlt feine Beſtimmung. Das Ge:
wand muß fo befchaffen fein, daß «6 dem Willen nicht
nur fein Hinderniß in den Weg legt (fleif), fondern fo,
daß es den Ausdrud bdefielben, die Bewegung fichtbar
werden läßt. In diefer Beziehung erfüllt das griechifche
Gewand in fo hohem Grade die Beſtimmung der Tracht.
Es dient nur zum Hintergrunde, auf welchem bie For⸗
men des menfälichen Leibes um fo deutlicher hervortreten.
Es tödtet nicht die menſchliche Form, wie manche unferer
modiſchen Kleider, fondern es erhöht ihre Lebendigkeit, die
Anſchaulichkeit ihres Lebens. Ja da6 Gewand wird gerade
dadurch, daß es fich ſelbſt im befcheidenem Unterſchiede
von dem Leben hält, die dienende Stelle einnimmt, nicht
bie gebietende, felbft unmittelbar lebendig, es wird bie
Möglicdykeit der Perfon damit gegeben, ſich in das Ge⸗
wand fortzufegen, ideelles Leben in das todte zu hau:
hen. Die Momente der Drapirung und des Tragens,
wie wir fie oben an dem Gewande unterſchieden haben,
kommen am voliftändigften zu ihrem echte, während in,
der geklebten und gezerrten Modetracht beide pſyſiognomi⸗
ſche Beſtimmungen, ia fogar die Farbe, wie wir weiter
unten ſehen werden, bis auf ihr Minimum reducitt, oft
geradehin vernichtet ſind. Das griechiſche Gewand iſt
nur eine Dälle, die wie von oben fallen gelaſſen iſt über
die Menſchengeſtalt, die allen, namentlich aber ben Linien
eine Folie bereitet, in welchen das Hegemoniton des Mens
ſchen hervortritt. Er ſchuͤttelt fein Haupt, und bies ift
frei, und nur an den Schultern hängt leicht das Gewand,
Das von da an über die untern lieder hinabfließt.
Freitich wereinigten fi) darum ſolche Gewaͤnder auch nur
mit foichen⸗ Leibern, wie fie bie Griechen zu bilden ſuch⸗
ten, zu einem fhönen Eins. Wandiemensländer in ein
griechifches Gewand gehlillt würden doch nie eine griechi⸗
ſche Seſtalt werben.
So erſcheint die griechiſche Tracht als die ciaffilche,
ideale Tracht. Die Sorgfalt, welche die Griechen auf
das Gewand mendeten, zeugt, wie wenig ihnen Die
Teherlichkeit des Menfchen ein Adiaphoron war; der Takt,
mit welchens fie das Gewand In feiner echten Beſtim⸗
egten, zeugt, wie fie auch bier das Wolik ber
es —— Die Äußerung des Gedankens litt an
Beiner Abfkraction, und das gehört eben zur Claſſicitaͤt
bes Volks, aber mol ber Gebanfe fehl, Maͤre ber
Menſch nur ſchoͤne Form, nur beliebte Bildfäule, fo
müßte das grishifche Gewand Tracht der Menſchheit
werden, oder wäre es. Sehen wir noch einmal bas
lange, faltige Gewand ber Griechen, fo muß es einleudh-
ten, daß in ihm der Begriff der Perfönlichkeit, ſofern
diefe nicht eine befondere iſt, fondern jeder nur wahrhaft.
Perfon ift, fofern es alle find, nicht zu ihrem vollen
Rechte komme. Es iſt mehr ein Gewand flr Goͤtter
als für Menſchen. Dies lange, faltenreihe Gewand war
nur für ein Leben, das fi zwifchen olympiſchen Spielen
und dem fpazierenden Dafein dv ayopa theilte. Dort,
wo der ganze Menfch zur Thaͤtigkeit kommen follte, ent
kleidete er fi alles Gewandes, und die Worausfegung
mar dabei nicht nur ber Standpunkt eben der nadten
Natürlichkeit, nicht ber verklärten, vergeifligten, fondern
auch der griechifhe Himmel, der eine ſolche Entkleidung
ohne Schwierigkeit möglih machte. Hier das lange Ges
wand zeugt von einem Zuſtand ber Mufe, wie er nur
fattfinden ann da, wo bie alltägliche Bewegung des Le-
bens duch den abflracten Willen geleitet wird, eine ges
wiſſe befondere Zahl von Menfchen mit der Ruhe ber
Goͤtter, wie ber Phidifhe Zeus, über den niedern Bewe⸗
gungen des Lebens thront und die Dienfte der Noth von
einem andern Geſchlechte ſich verrichten läßt. Durch die
(hönften Falten des griechiſchen Gewandes grinze das
jerriffene, entmenfchte Antlig eines Heloten. Das ift bie
endlihe Seite des griechiſchen Gewandes, es überwindet
die Hemmniffe der allgemeinen, freien Perfönlicykeit nicht,
fondern es abftsahirt von ihnen. Es ift zwar nicht Nas
tionaltracht, eine Befonderheit, die andere Befonderheiten
neben fi) bat, aber Sattungstracht und zwar einer hoͤ⸗
bern Sattung, die andere, niedrigere Gattungen unter
fih bat.
So gibt uns das griechiſche Gewand einen allgemei:
nen Maßſtab für die Bekleidung, aber felbft nur allge⸗
meine Beſtimmbarkeit, nicht befondere Beſtimmtheit, durch
welche das. Gewand. erſt zur eigentlihen National:
tracht wirb, d. h. zu der Tracht, welche ber dee ber
Bekleidung mit Ruͤckſicht auf bie klimatiſche Eigenthuͤm⸗
lichkeit eines innerhalb natürlicher Grenzen abgefchloffenen _
Landſtrichs, und auf den Kreis gefchichtlich gebildeter Ge⸗
wohnheiten gewiſſe fefte Beflimmungen gibt. National:
tracht werden wir alfo einerfeits da nicht fuchen bürfen,
wo fich nur verlorene Spuren der Ider finden, und bie
Art der Bekleidung nur abhängt von dem Zufall bes
dugenblicklichen Beduͤrfniſſes, andererfeits aber auch ba
nicht, wo natürliche oder gefchichtliche Verhaͤltniſſe einer
befondern Lebensbildung binderlih waren. Während un:
ter den emreopdifchen Voͤlkern hauptſaͤchlich die Ungarn
(Magyarın), die Polen und Spanier eine Nationalteacht
haben, fo find die Deutfchen und die mit ihnen ſtamm⸗
verwandten Engländer, die Franzofen und die mit ihnen
verwandten Italiener nie zu einer eigentlidhen National⸗
tracht gekommen. Bei den genannten drei Nationen
aber, beren Gewande das Maleriſche nicht abgeſprochen
werden kann, findet fi das Gemeinſame eines eng ans
—— Unterheibes mit bem daruͤbergeworfenen reichen
‚ und wenn 3. DB. Polen und Magyaren ihre
Berwandtſchaft auch im Gewande nicht verleugnen, bie
auf die arabeskenartige Befetzung des Oberkleides hinaus,
fo telte doch gerade bei diefer Verwandtſchaft die unter:
füyiebene Nationatphyfiognomie um fo beftimmter hervor
in dem tängern und dunklern Rode des Polen, und in
dem kürzen und farbenreichern des Ungars. Wefentlich
verfchieden von biefen iſt die fpanifche Tracht, und fie mit
ihrem kurzen, aber reichen Mantel mit ihrer edeln Kopf:
bedeckung, mit ihrer Farbenpracht gehört wol zu dem
Bolltommenften, was auf dem Gebiete der Nationaltracht
erfchienen ift. Dieſe Ideelle Vollkommenheit, wodurch ſich
die genannten dreierlei Trachten hervorthun, hat bei ih:
en, zumal bei der fpanifchen, begünfligt durch bie politi⸗
fhen Berhaͤltniſſe, auch die Schranke nationaler Befon:
derheit durchbrochen, und zeigt ums ben Übergang von
der Nationaltracht zur Mobdetracht.
Die Nationaltracht iſt gefchichtlich vergangen; nur.
bier und da noch in einem Lande oder in einem Stande,
die nicht eilig genug fi in den Fluß der Geſchichte füs
gen, findet fich ein Überreft derſelben, aber aud da mehr
nur far feftlihen Pomp als der Stolz der Überlieferung
aufbehalten, oder, wie in bem Bauernflande der meiften
Begenden, mit allerlei Flickwerk ber Mode untermengt.
Die Abſtraction der Nationaltracht befteht darin, nicht
ſowol, daß fie Voll von Volk unterfcheidet, denn biefe
Uinterfchiede find einmal da und können fidy in einer hoͤ⸗
bern Einheit auch der Tracht immerhin wieder ausglei⸗
hen; aber darin, daß fie blos die Nation hervortreten
fäßt, die Nationalphyfiognomie verwirklicht, aber die In⸗
dividuqlitaͤt verwifcht und, um die Nationalität als den
Unterfchied von andern feflzuhalten, gewiſſe Beftimmun-
gen unveränderlich fixirt.
(Der Beſchluß folgt.)
Zur polnifhen Literatur.
Gegen bie zuerft von dem Grafen Eduard Raczynski ver
Sffentiichten, auch ins Deutfche überfegten und von beutfchen
Siftoritern geſchaͤgten „Memoiren von Paſſek finb in neuefter
Belt von einigen Geiten ber Zweifel erhoben worden, einige
Gelehrte wollten fie gerade
Berf. der „Neueſten polnifhen Literaturgefchichte”, Prof. Wisz⸗
niewsti in Krakau, ſprach dem Werke faft allen Hiftorifchen
Werth ab und wollte es nur als eine zur Unterhaltung bienende
Schrift gelten laſſen. Dieſes Urtheil gelamgte zu ein Ans
ſehen. Reuerdinge aber ift von Lachowicz in ber kaiſerlichen
Bibliothek zu Petersburg ein Manufcript aus dem 17. Jahr⸗
hundert aufgefunden worden, bas nicht nur einen Beleg für
bie Authenticität der „Diemoiren von Paſſek“ tiefert, ſondern dies
feiben noch vervollländigt. Lachowicz, der fich auch ſonſt ſchon
docch Neroffentlichuug bisher unbelannater Gchäge der poinifdgen
Literatur einen Namen gemacht hat, hat dieſe Ergänzungen
zu Paſſek zufammengeftellt und fie u. d. X. „Reazty rokopisma
J. C. Paska" (tina 1843) abdrucken Laflen.
Eine Bibliothek altpolnifcher Schriften: „Biblieteka staro-
“ytna pisarsy polskich”, bat der als Deramägeber von Gagen
unb Weollälieden beiannte Wojcicki begennen. Der eben in:
gibſes
ausſpricht, „daß Betz den
und Artikel ber Armenier vom J. 160
für untergeſchoben halten und der
erſchtnene erſte Band enthaͤlt zehn in
und mechwhrh ALL, aus
. dem 16. unb erkunden * * er theils
nach alten ſeltenen Drucken. Unter Anderm findet man bie
Tragödie „„Zephtes” von Ian Zawicki vom 3. 1587, ein rei
Gedicht der Sofia Dieinicke, in dem Mi ber Damk bafı
niebeigen Wenfdentindegn die Ge
heimniſſe feines Reiches geoffenbart hat“, ferner die Gerechtſame
. ‚ aud Abbräde von
Brofchüren, die die Stelle ber Zeitungen vertraten, über Chod⸗
Hewicz‘ Zug nach Lieflanb vom I. 1606, über die Siege Ian
Gobiesti’s vom 3. 1663 u. f. w. Die Wichtigbeit dieſes Un⸗
ternehmens für bie polniſche Eiteratupgefdyidgte ein; möge
nur bem eifrigen und tüdhtigen Herausgeber bie Unterfiügung
des polniſchen Publicums nit fehlen, damit fein Wert nit,
wie ähnliche, ins Stocken gerathe.
Bon der angefündigten vollftändigen Ausgabe von Bros
dzinskis Werken find bisher der erfle, zweite und fünfte Theil
erſchienen. Sie enthalten bie ‚‚Sielankt” und ben „Wieslaw”,
poetifche Darfkellungen aus dem polnifcgen Landleben, burch weldye
Drobginsti ‘zuerft bie gewöhnliche breitgetretene Landſtraße der
franzöfifhen Nachahmung verließ und, in das nationalpotnifce
Leben hineingreifend, die reichen Schäge,, die für den Dichter
in demfelben lagen, ans Licht zog. Die Überſetzungen, bie hier
Gigenthuͤmlichkeiten der fremden Sprache einzugehen verſtand.
Außerdem findet man auch bie kritiſchen Auffäge über Opalinsti,
Karpinsti, Woronicz, Die Sammlung ift auf zehn Wände be:
rechnet. Der Verleger bat den ganıen Nachlaß WBrodzinsti's
an fig gekauft.
u. d. T. „Noworecznik literacki na rok 1843” hat ein
Geiſtlicher, Krafinski, ein religioſes Taſchenbuch in Wilna er:
feinen laffen. Es enthält theils religiöfe Bebichte, theild Ab-
bandlungen über Religion und Moral, in benen ebenfo ernfte
wie gebildete Anfichten hervortreten.
bat eine Schrift
Das Oſſolinski'ſche Inſtitut in Sembers
„OD Ormiansch w Polsce’ (Lemberg 1842) abbrudsn laflen,
zur Gefchichte der Polen bewoh⸗
bie ein willlommener Beitrag
nenden fremden Volkerſchaften iſt. Sie enthält viele neue Mit:
theitungen über bie Armenier in Polen, insbrfondere in Galis
ien, und tft um fo zuveriäffiger, als der Werf., ehemals Pro⸗
teffoe ber I mengefeichte an ber Mninerfität zu Lemberg, jelbf
rwenier iſt.
J. J. Kraſzewski, einer der geiſtvollſten und fruchtbarſten
juͤngern Literaten Polens, hat ſeine fruͤheſten Gedichte in einer
neuen Sammlung (2 Thle., Warſchau 1843) wieber abdrucken
laſſen. Es find Erguͤſſe jugendlichen Gefuͤhls, nicht ohne daß
ein wahrhaft dichteriſcher Beruf zu erkennen wäre. Im zweiten
Theile findet fi ein Drama ‚‚Helszka’, deſſen Stoff aus Polens
Vorzeit (3. 1954) entnommen ift.
Noch freundlicher werben die Liebhaber polniſcher Poeſie
bie Sammlung ber Gedichte von Thomas Pabura ( „‚Piena
Tomasza Padury'‘, wow 1842) aufgenommen haben.
Dichter gehört zu benen, welche in ber Ukraine zugeft wieder
das Andenken an eine glorreiche Vorzeit wedten. Riemand bat
bort mit quicer Anmuth gebichtet, Niemand ift fo tief in das
Herz des Volkes eingedrungen wie er; die meilten feiner Sieber
weiß das ufrainifche Volk auswendig; gerade bie ſchoͤnfſten find
nicht in polnifcdyer Sprache, fondern in dem auch für
leicht verſtaͤndlichen ukrainiſchen Dialekte verfeßt, der am
und Geſchmeidigkeit ben polnifchen übertrifft. Die „Dumy‘,
ballabenartige Gedichte, haben einen in andern Spraden uns
nachahmlichen, melandhotifchen Anſtrich. Über Padura's Lebens⸗
verhältniffe hat man nur wenig Nachrichten. In der Araine
geboren, befudhte er die Schule in Sczemieniec, wellte bann lange
74.
27
in Voltpninn und befuchte mit Basis Sesmusti nen 1517
ven Drink Ge a —— *
Berantwortlicher Herausgeber: Heinrich Brockhaus. — Druck und Verlag von F. A. Brockhaus in Leipzig.
Blätter
für
Literarifhe Unterhaltung.
[)
Sonntag,
20. Auguft 1848,
Die Phyfiognomil der Trade.
(Beſchluß aus Nr. 281.)
Uns aber ber Individualität zu ihrem Mechte zu ver⸗
beifen, mußte zunaͤchſt die flabile Befonderheit der Na:
tionaltracht gebrochen werden, und fofeen die Mode dies
tbat, iſt fie ein wirklicher Fortſchritt und die Hoffnung
und das Streben Derer eitel, die von ihe wieder auf
die Rationaltracht zuführen zu fönnen meinen. Die ein:
mal überfiiegene Stufe läßt ſich nicht mehr repriftiniren.
Das Volk ift zur Voͤlkerfamilie erweitert, die Volke:
phpfiognomie zur Voͤlkerphyſiognomie befreit, unter ſicht⸗
barem Einfluß der Weltreligion des Chriftenchums, denn die
nicht⸗chriſtlichen, insbefondere die ganz nahen mohammeda=
nifdyen Voͤlker fchlofien fih aus von dieſer Bereinigung.
Die unveränderliche Stabilität der Nationaltacht wird ge:
brochen durch die Veraͤnderlichkeit, welche keinen Unter:
fchied beſtehen läßt, Alles nivellict, einen als den von
heute und gehen. Nur nody Amtskleider, Uniformen,
Regimentsnummern, Menfhennummern und Parlaments:
perrüden halten ſich einigermaßen neben diefer Ununter:
ſchiüedenheit, aber auch Uber fie fcheint es immer mehr
die abfolute Herrſchaft des ſchwarzen Fracks zu gewinnen.
Doch mit jenem Nivellement wird nur die andere Abs
fraction fanctionnirt, verändert man nur, um zu verän-
bern, nur um nicht flabil zu fein, nicht um fortzufchrei-
ten, fo fällt man ebenfo fehr und in noch höherm Grade
ats bei jener Stabilität aus dem Leben der dee hin⸗
aus. An die Stelle des hausväterlihen Regiments der
Nationaltracht, von welchem man emancipiren wollte,
trat erfi die abfolutefle Tyrannei, an die Stelle der Be:
ſtinmungen ber dee der Iaunenhaftefte Zufall. Die
Tracht präsendirte jest völlige Subflantialität, und läßt
dad nun generis ncutrius gewordene Menſchlein in. fein
Domunculusgehäufe hineinkriehen. Die Tracht ift nicht
mehr blos das Dienende, wie fie es bei den Griechen ge:
zoefen, daS Dienende, das, an ſich geflaltlos, damit um
fo mehr geeignet war, jede Perfönlichkeit in ſich fortzu:
fegen, die Geftalt von jeder Individualität ſich frei geben
ya laſſen. Die Tracht nimmt nun ſelbſt Geſtalt an, fie
wi etwas für fich neben der Phpfiognomie des Indivi⸗
Duums, die Kleidung kann zur Noth für fi) allein fie:
ben, und leiſtet förmlich Verzicht auf den Dienfchen, der
darin untergebracht werben fol.
Aber eben diefer Übermurh kommt vor dem Fall.
Die Mode will nur negiren, es fehle ihr als dem ge:
treuen Typus des kritiſchen Geiſtes unferer Zeit die Pofls
tion, es fehle ihr Markt und Bein, und fo wind ihre
eigene Herrfchaft unmittelbar das Werkzeug der Reaiifis
rung ihrer Endlichkeit. Sie ift ſchon Längit fo weit ges
kommen, fich felbft zu verfpotten, mit einer weit fchärfern
als Ariftophanifhen Galle über fich ſelbſt herzufallen. Dee
impotente Muthwille der Tyrannei laͤßt ihr keine Ruhe,
bis fie in jeder neuen Beltimmung fidy felbft carikirt
bat. Kein Glied des menſchlichen Körpers vom Scheitel,
bis zur Fußſpitze iſt verſchont geblieben, und Ihre Laune
eilt der Erſchoͤpfung zu.
Nehmen wir das erfte ber oben angeführten Momente,
die Farbe des Gewandes, und betrachten an ihm bie heu⸗
tige Mode. Das Feſtgewand des Mannes ift vom Kopfe
bis zum Fuße ſchwarz, das des Weibes ebenfo weiß. In
der That, eine fchneidendere Ironie ijt noch nicht erfuns
den worden, als die bier die Mode an fich felbft übe,
die beiden Seiten der Sarblofigkeit in fi darzuftellen,
nicht zu gedenken, wie wehe es dem Auge thut, das ſich einis
germaßen feine Natürlichkeit behalten hat, in einer reichen
Sefeufhaft alle Farben verbannt und das Farblofe nur
zu einem punttirten Grau gemenge gu fehen. Wenn
Soethe in feiner „Farbenlehre“ ($. 60) zeigt, mie das
Auge Xotalität der Farben fodere, und es deswegen
nicht für wohlgethan bäle (8. 55), zur Schonung der
Augen ſich grüner Släfer oder grünen Papiers zu bedies
nen, weil jede Farbfpecification dem Auge Gewalt ans
thut, und das Organ zur Oppofition reizt, wie viel mehr
beißt ed dem Auge, d. i. dem Geſchmacke Gewalt ans
thun, wie viel mehr muß er zu Dppofition gereizt wers
den, wo man Alles nur in Schwarz und Weiß theilt!
Weit mehr aber noch als in der Farbe zeigt ſich das
Caricitte der Mode in der Draperie, die bier, wir duͤr⸗
fen ſchlechthin ſagen, ganz zum Schnitt geworden iſt,
keinen Punkt mehr für die freie Seftaltung übriggelofien .
hat, ſodaß man auch hier nad) Hegel („Hftperit”, Th. 2,
©. 412) immer nur den Schneider ſieht. Erinnern wie
uns, um en Beiſpiel unter taufenden anzuführen, an
die vor einigen Jahren in der weiblichen Tracht aufges
tommene Bloufe. Dan muß geftehen, daß feit lange
keine Mode von ber bee ber Tracht fo viel an fi
x
hatte wie biefe. Aber bie arrogante Mode war gerade
darum nicht damit zufrieden. Sie rhdte fo lange an
ber Schulter herab über den Arm, bi6 die Breite in den
Schultern und die Kürze der Arme eine monftröfe, fie
erweiterte fo lange den weiten Ärmel, bis diefer zum
No, das Ganze zum Zerrbild geworden war.
Mollten wir noch etwas von der unfchönen Tracht
bes ſchoͤnen Geſchlechts fprechen, fo verdiente ihr Kopf:
pug, ihre Hüte, die den Menfchenkopf zum Roß⸗ oder
Heuſchreckenkopf machen, und ihr Lodenbau befondere Aus:
zeichnung, welcher legtere vor noch nicht lange wie ein
Anfag zur Behornung (Übergang von bem Wiederkaͤuer
mit gefpaltener Klaue zum Huf), oder wie das Neſt ei:
nes Vogels und zwar nicht gerade des zierlichen Kolibri,
fondern das eines Raubvogels, zum wenigſten wie das
einer Eifter mitfammt ihrer Brut fi ausnahm. "Wenn
daher der Verf. der oben angeführten Schrift (S. 29)
Mecht behalten wollte, daß der gegenwärtig herrſchende
weibliche Kopfpug in feiner Gefammtheit derjenige Theil
der weiblihen Modetracht fei, der am Ende noch am
eheften als etwas Ganzes, Charakteriftifches, der Zeit Ei:
genthuͤmliches bdaftehe, fo würde dies wenigftens nidyt zum
Vortheil der Menſchlichkeit des fchönen Geſchlechts gefche:
ben tönnen.
Bei der männlihen Tracht werben unter den mober:
nen Kleidungsitüden die Hofen und ber Frad die ent:
fchieden merktwürbigften fein. Dec Frack insbefondere ift
bei all der unbebingten Verehrung, die er genießt, in der
That das am meiften Auffehen erregende und zugleich
räthfelhaftefte Kleidungsftüd. Würde Einer der Vorwelt
‚ feinen Enkel in folder Tracht fehen, fo würde er wol
in Verfuchung kommen, ihm zuzurufen: Mein Kind, du
haſt dich ja falſch angekleidet, du haft das Vorderſte zu
binterft genommen. Auch bei ber Verwechſelung dieſes
Hyfteronproteron würde zwar die Kleidung nichts weniger
als ſchoͤn werden, aber diefe unnügen Flügel hätten dann
doch die Fuͤrſprache irgend eines Zwecks für fi, naͤmlich
die Stelle einer Schürze zu vertreten, während fie jetzt
zwifchen dem Ertrem eines Stricks zum beliebigen Feſt⸗
halten und des Schurzfells der Bergleute fih bin und
her bewegen. Wie in aller Welt iſt man zu biefem
Kleidungsſtuͤcke gekommen? Wir müflen es uns ale
Caricatur denken und «6 wird ſich uns leicht enträthfeln.
Seine urfprüngliche Seftalt war der Rod mit einer Reihe
Knöpfe und ziemlich Langen Schoͤßen. Diefe Schöße
binderten beim raſchen Gehen, und e6 wurde die vorbere
und hintere Ede jedes Schoßes in ber Mitte für die
Zeit des Gehens entweder mit einem Knopf oder auch
nur mit einer Schlinge vereinigt. Überreft diefer Ent:
ftehung ift noch der militairifche Frack, deſſen Revers fo:
wol als die doppelte Farbe auf feinen Slügeln nichts An:
deres tft als der umgefchlagene Rod, der durch das Um:
fhlagen fein andersfarbiges Futter fehen ließ. Hierbei
durfte aber die Mode nicht fiehen bleiben, fie fchnitt ab,
was anfangs nur umgefchlagen war, fie fchnitt immer
mehr, immer tiefer, wie Sener, ber zu träge war, feine
ſchmutzig gewordenen Rockſchoͤße zu reinigen und fie durch
das wiederholte compenbiarifche Abſchnelden ber Kürze hal⸗
ber bis zum Wamms verkürzte. Hier kam es zwar
nicht bi6 zum Wamms zuruͤck, von dem man nad ber
Anficht des obgenannten Autord ausgegangen war, fon:
dern zu einen Zwiſchenweſen, das nicht Fiſch und nicht
Steifh war, und das fich eben bamit als die Garicatur
von beidem bezeichnete. Selbſt die Uniformen machen
keine Ausnahme, und faſt fheint «6, daß ein baͤuriſches
Herauspugen mit Gold und Silber die Beſtimmungen
der Schönhelt bei ihnen vertreten fol. Der ihnen eigen:
thuͤmlich flehende Kragen, namentlid wenn er, wie bi
ben meiften militairifhen Uniformen, vorn geſchleſſen
ift, entflelle eine der fchönften Partien der menſchlichen
Geſtalt, den Hals, der, ftatt das Haupt frei zu tragen,
nun zum unförmlichen, unbeholfenen Block wird, auf
dem oft etwas noch Unförmlicheres, fei es nun ein preufi:
fher Hut, oder Czako oder Kalpad u. f. w. (mit Aut:
nahme des ſchoͤnen Helms) hingepflanzt ift.
Doch wie dürfen uns nicht länger bei dieſen Fingl:
heiten verweilen, und noch etwas über das Tragen der
Tracht anzuführen kann um fo überflüffiger erfcheinen,
ale für dieſes Fein Raum mehr gelaffen iſt und ni:
thigenfall6 ſich die ganze Tracht mit geringer Nachhüffe
auch allein hinftellen ließe, ohne daß etwas darin wire;
in der That das fhönfte Seitenſtuͤck zu dem Diogeniſchen
Spott über die Platoniſche Definition vom Nenſchen.
Hoͤchſtens daß auch die Mode diefe oder jene carilicte
Geberde dem Männchen im Rode zu machen vorſchreibt,
eine fchiefe Verbeugung, ein Webeln mit der Hand, rn
jüdifches Vordrüden des durch die unfoͤrmliche Halsbinde
gervaltfam gehobenen Kinn u. dergl. Immer abet bleibt
das Beſte dabei, daß das Ding, das unter der Laſt diefer
Ironie feucht, eine fo ernſte Miene dazu macht, oft eine
wahre Leichenbittersmiene, ja daß es 3. B. zu den Haupt:
verbrehen in dem Coder der Tracht gehört, als eine
ſchwere Verlegung des Anftandes angefehen wird, nidt
mit dem zerfchnittenen Rode, dem Fracke ſich anzuthun,
wo es irgend gilt, fich zu präfentiren.
Aber es ift aller Zyrannei eigen, fich felbft zu ver:
fpotten, und in ihre volle Sconie einzutreten ift immer
ihr letztes Stadium. So können mie auch fagen, daß
wir im legten Stadium der Modeherrfchaft ſtehen. Einige
Vorwerke fcheint fie ſchon aufgegeben zu haben, mie j. 2.
die Farbe im Srauengewand zu gewöhnlichen Gebraudk,
fodag man zum Theil ſchon in der Wahl derfelben nid:
mehr blos das Aufgeben aller Individualität, fondern ge
trade ihre Segen, Ausdrud von Charakter finden kann.
Aber wohin werden wir nach der Mode kommen? Gier:
lich nicht zur Nationaltracht zuruͤck, wie Manche meinen,
und wohin zu fuͤhren ſich Viele die Muͤhe gegeben haben.
Die Nationalttacht bat die allgemeine Beſtimmungen ge⸗
wiſſer Menfchenracen und Stämme ausgedrüdt. Dieſes
Stehende bat die Mode in Fluß gebracht, aber fie hat
die abfiracte, die zufällige Bewegung an die Stelle des
abftracten Stiuftandes gefegt. Der Gegenfag von Hera
klit und des Eleaten auf dem Gebiet der Trachten. Aber
nun läßt fi noch ein Drittes denken, die Bewegung der
981
Ider, der Idee ber Peeföntichkeit, die ats Idee das Mo: :
mene der Subflantialität, der Beharrlichkeit in ſich bat,
und als Sichfegen zugleich da8 Moment der Bewegung.
Et muß fürs erfte die Natur in ihre Rechte wieder ein:
treten, und dieſelbe Barbarei, die dem Pferde Schweif
und wel auch Ohren flust, wird auch in ber civilifirten
Menſchheit aufhoͤren; man wird nicht das Weib zum
Manne machen wollen dadurch, daß man es in den
Schultern breit, in den Hüften eng zu fein nöthigt, den
Dann zum Weibe, daß man ihm ben Bart bis auf bie
Wurjel abfhabt. Fuͤrs andere werden bie allgemeinen
Beſtimmungen, welche Klima, Lebensweife in die Tracht
bringen, wieder einkehren, aber nicht al6 ein für allemal
Gegebenes und gleihfam das Individuum, die Indivi⸗
dualitaͤt Uberdeckendes. Es wird vielmehr einerfeits ein
Sortfpreiten mit der Geſchichte des Volks ſtattfinden, an:
dererfeitd dee Individualitaͤt Raum gegeben werden, ſich
volftändig geftend zu machen. Man wird nicht dem
Individuum eine Tracht von außen ankleben, weil fie
Volks⸗ oder Modetracht ift, aber dem gegebenen Indivi⸗
duum geradezu widerſpricht. Die allgemeinen Beſtim⸗
mungen werden gar nicht fo weit gehen, um hierin nod)
Befhränkungen zu machen, fondern e6 wird vielmehr, wie
es jene Natuttrachten, Volkstrachten und Modetrachten
nebeneinander in einem Volke gibt, dann die Trachten
verſchiedener Perſoͤnlichkeit, die unendliche Verſchiedenheit
in der beſtimmteſten Einheit geben, und es wird Aufgabe
werden, ſich nach ſeiner Perſoͤnlichkeit, aͤußern und innern
Theils, zu Bleiben, wie es ehemals Aufgabe war, ſich
nad feinem Stande zu Bleiden. 70.
Über Almquiſt als Romanfchriftfteller.
1. Zintomara, Greigniffe fur; vor, bei und nad der Gr:
mordung Guftav’s II. Bon ©. 3. 8. Almquift. Zwei
Theile.
2. Gabriele Mimanſo, der legte Mordverſuch gesen König Lud⸗
wig Philipp im Herbft 1840. Ron E. 3. 8. Almquift.
Drei Theile.
Seit den in mander Beziehung claffiidden Romanen ber
Frederike Bremer haben bie ſchwediſchen Unterhaltungeſchriften
in Deutſchland einen großen Grebit gewonnen. Es ift immer
das Berbienft eines einzelnen bedeutenden Autors, daß er bie
Aufmerfamkeit ber zerfireuten und vergeßlichen Welt auf eine
Piteratur oder einen Zweig ber Literatur zuruͤcklenkt. Bei dem
Beifall, den die Arbeiten jener trefflichen Schriftftellerin fanden
unb finden mußten, wär es natürlid, daß die umherſuchende
Speculation baid bie ſchwediſche Romanliteratur zum Gegenſtand
wihlte. Wir haben aus dem Schwediſchen übertragen und bei
ung eingeführt gefehen, was folder Mühe werth war und was
nicht. Im Ganzen genommen können wir gefteben, baß in ber
Sache zu viel geichehen ift, und daß die Ausbeute diefes Schach»
tet den zuerſt erregten Erwartungen doch nidyt gang entfprocen
bat. Der Riteraturgeift des Romans fcheint in Schweden mehr
auf den Frauen als auf den Männern zu ruhen. Während
man in Deutfchland den Romanfcriftftellerinnen den Bor:
werf unwahrer Lebensauffaffung und der Darftellung unmög«
Ver ober unkuͤnſtleriſcher Lebensverhättniffe macht, ſcheint in
Cipueden gerade ein Übergewicht praktiſcher, thatfächlicyer und
fehre Ergreifung des Lebens und feiner Gombinationen auf Geis
ten der Frauen fein, und das Maßlofe, Unfefte, Kiatternde
und Unmahre ih zu den männlichen Autoren geflüchtet zu ha⸗
ben. Mit biefem Nacht würben fie gegen bie Frauen nun
entfchieden gar nicht ankaͤmpfen koͤnnen, wenn nicht andererfeits
der Vorzug poetifcher Intentionen und Fühner Erfindung ihnen
zur Geite flände, zwei Cigenſchaften, bie freilich in den idylli⸗
ſchen ſchwediſchen Frauenromanen ganz vermißt werben.
In diefen beiben Vorzuͤgen iſt ber Geiſtliche Almquiſt ebenfo .
ausgezeichnet als Frederike Bremer es in ber Srfaffung und Dar⸗
ſtellung des wirklichen Lebens in faft allen feinen Schattirungen
tft; und wie fie in ihrer Weiſe alle ikr: Mitſchweſtern vers
dunkelt, fo in der feinigen Almquift feine Witbrüber. Zwi⸗
fhen ben beiden Spitzen der ſchwediſchen Romanliteratur aber
findet gar kein Vergleich flatt, ba fie faft keinen Berührungs-
pun®t miteinander gemein baben.
Die ſtarke Seite Aimquift’s iſt die Malerei eines ganz zer⸗
rütteten Seelenzuſtandes, die Darftellung bes Außerordentüchen,
Abnormen, des Phantafievollen, ja bes ganz Phantaftifchen, und
wir wiffen, daß Frederike Bremer gerabe im gang Geſetzmaͤßigen
und Gewöhntidyen groß if. Almquiſt hat nur außerorbentlidhe
‚Begebenheiten vor Augen, wie fon bie Wahl feiner Titel zeigt,
und erzählt ſelbſt das Gewoͤhnliche auf abenteuerliche Art — bei
Frederike Bremer gilt gerade das Gegentheil. Rur in einem Fehler
begegnen ſich Beide, und zwar in einem ſolchen, der in Deutſch⸗
land, feit Keßter’s Zeit, dußerft unangenehm empfunden wird,
nämlich in der unmäßigen Ginmifhung bes Dialoge in ihre
Grzählungen. Um mit einem Worte endlich den ganzen Unters
ſchied zwiſchen Almquift und Frederike Bremer zu bezeichnen, fo
laͤßt fih fagen, daß ber Erftere eine Welt und Menfchen ſei⸗
ner Schöpfung, bie Zweite aber die Welt und den Menſchen
von Gottes Schöpfung darftellt. Und fo mögen denn Beide
Recht haben!
„Zintomara” ift jebenfalld ein geiſtreicher Roman, ber ſei⸗
nen Stoff mit Begeifterung ergreift, begt, liebt und ergrünbet.
Die Ermordung Guſtav's III. von Schweden gewährt bem Dich⸗
ter auch einen fo vortrefflichen hiſtoriſchen Hintergrund, daß zu
bewundern fleht, warum derſelbe nicht fchon früher zu einer
Dichtung mit aͤhnlicher Aufgabe benutzt worben iſt. Nichtsdeſto⸗
weniger bat ber Verf. eher alles Andere, als einen hiſtoriſchen
Roman in unferm Binne geliefert. Won einem ernfthaften
Verſuch, Parteien und ihre Führer, Creigniffe und ihre Hebel
und Motive, den König und feine Gegner zu zeichnen, ift nicht
die Rede; ber Verf. flürzt fi, feinem Triebe folgend, vielmehr
von vorn herein in einen Strudel von abenteuerlichen Fictionen.
Eine grelle Probe biefer entfchiedenen Neigung für bas Aben⸗
teuerlihe und Unnatürliche findet der Lefer im Gingange bes
zweiten Theile. Adolfine fol aus ben Saale gerettet werben,
in welddem foeben der Königemorb vorgefallen ift, und beffen
Thüren gefhloffen find, um Niemand undurchſucht zu entlaflen.
Wie geſchieht dies? Das Fräulein im Ballſtaat Elettert an bem
Geftänge der Theatercouliſſen in die Höhe, bis unter das Dach
des Gebäudes, wo fie endlich zu einer Ballettaͤnzerin gelangt,
die bost ihr Ankteidezimmer bat. Diefe Kletterpromenabe if
bie abenteuerlichfte Unmöglichkeit, bie fich erfinden ließ; eine
einfache verborgene Treppe hätte dem Dichter benfelben Dienft
gethan, aber feiner Neigung entfprach in diefem Kalle das Un⸗
natürlidhe. Die Schickſale der entronnenen Koͤnigomoͤrder bilden
ben Stoff diefer Erzählung, und ber Verf. fand ſich unter bie-
fen abenteuerlichen Begebenheiten, die wir nicht gergliebern wols
len, wie in feinem Gtemente. Die Belenntnifle Ankarſtroͤm's
find biftorifh. Die Geſchichte endet mit ber Schein » Srecution
Donna Azouras de Zintomara, der Heldin, welche im Wald
von Golna mittels 16 Mustetenfchüflen, ohne Kugeln, bins
gerichtet werden foll; eine Schein: &recution,, aus welcher durch
Verrath eine wirkliche wird. An diefem Orte findet ſich folgende
Metapher: „Die ernften Grenadiere flanden da mit Schnur⸗
.bärten, in denen fih vor Erwartung bie Haare wie Bor⸗
ften hoben.“ Man fieht, die deutihen Romantiker haben von
ı Hrn. Almquiſt im Punkte der Geſchmackwidrigkeit hier und ba
noch zu lernen.
„Gabriele Mimanſo“ bat im Gtofflichen viel Verwandt⸗
2
mit „Tintomara“. Auch bier IM Rönigämorb, Gtaate⸗
mfturz dad Themas eine giühende Güdländerin iſt die Heldin,
weiche die Männer wie Puppen regiert und die Knoten ſchuͤrzt,
wetige jene durchhauen müffen. Diele Heldin erweiſt fidh end⸗
lich gar ale eine Nichte Abd» el⸗Kader's und iſt feibft im Be⸗
griff, den Sultan und Walde zu Brüdern zu machen. Doc das
erlanbt ber Berf. und die Sıfborie nicht, und Alles endet mit
einer Reiſe nach Tekedempt unter ſicherm Geleit und an der
Gelte ihres geliebten Schwebenfreundes Konftantin. In bdiefer
ohne viel Aufıwand von Geiſt und Überlegung erfundenen Ge⸗
ſchichte iſt das Beſte und Anziehendſte die Auffaflung der poli⸗
tifchen Zuftände von Paris. Der trosige, vom ſchwachen Ges
feg nicht bewältigte Sinn der Parteien, die Verbindungen in
allen ihren Abftufungen, von ben hoͤchſten Eingeweihten durch
alle Sradationen diefer „verlorenen Kinder ber Preiheit” hinab,
bis. zu ben beilagenewertben Opfern ber Straßenemeuten, und
endlich diefe Straßenſchlachten felbft, find mit kuͤhner und gluͤck⸗
licher Hand gezeichnet. Die Scenen und Geftalten, wie ber
Schmied Brimoire, Ambrofe, Seraphine u. A., wären meifter
baft, wenn ber Verf. nur in ihrer abenteuerlihen Bekleidung
Maß hr halten gewußt hätte. Nicht minder fühn, aber we⸗
niger löblih, ja kaum zu rechtfertigen, ift die Art und Weile,
in ber der Berf. tebende Perfonen und Charaktere, wie Dars
mez, Edmond Blanc u. A., in feiner Erzählung auftreten laͤßt
Auch diefe Freiheit, wie jede andere, hat ihre natürliche Grenze;
es war erlaubt, ben König, den Marſchall Valée in das
Drama zu verwideln, aber dieſe Befugniß endet da, wo bie
Derfon von dem Sharalter trennt, und ein Roman, fcheint
uns, fol fein Anklageact fein.
Lieber, ald uns weitläufiger über den Werth dieſer hiſtoriſch⸗
somantifchen Erzaͤhlungen zu verbreiten, weldye von dem Vor⸗
bitve Walter Scott's nicht zu ihrem Vortheil abweichen und
an Regelmäßigkeit und fchöner Form, an innerer Rothwendigs
Teit und Geſetzmaͤßigkeit felbft gegen die beffern beutfchen Arbeis
ten dieſer Art unverkennbar zuruͤckſtehen, wollen wir diefer Ans
zeige einige Notizen über ben Autor felbft Hinzufügen, die bei
dem wachſenden Nachhall feines Namens virlleicht willlommen
fein mögen. Karl Jonas Ludwig Almquiſt, der fruchtbarfte
aller lebenden ſchwediſchen Schriftiteller, ift am 28. Nov. 1793
u Stockholm geboren, wo fein Vater Sengecommiffor war.
fudirte zu Upfala und promovirte 1819 zum Magifter.
Rad) einer kurzen Anftellung im Staatsdienſt z0g er ſich aufs
Sand zurüd, nabm bann wieder eine Lehrerftelle zu Karlsberg
an und warb 1829 Rector ber neuen Schule zu Stockholm.
Sm 3. 1840 reifte er nach Paris, legte zurüdtgefebrt fein Amt
nieber und lebt jegt wieder auf dem Lande dem Schriftſteller⸗
beruf. Dan follte kaum glauben, daß dieſer Geiſt, in dem eine
bobe Blut der Phantafie bewaͤltigend und maßlos herrfcht, eine
Menge der trockenſten Schulbücher, Grammatiken, geographifche
und hiſtoriſche Handbücher und Ähnliches hervorzubringen vers
mochte. Almquiſt ift Dichter in allen Gattungen der Poefie,
findet feine eigentliche Heimat jedod im gefchichtlichen Roman.
Rah feiner erſten Arbeit in dieſem Felde, die Novelle „Det
e an’ („Das geht an’), in welcher er etwas ketzeriſche Grunde
ige über bie Ehe befannte, wegen welcher er kuͤrzlich, als
Geiftlicher, in zwei Solloquien hat Rebe ſtehen müflen, iſt er
diefem Gebiete treu geblieben. Gine Sammiung feiner Erzaͤh⸗
Inngen, welche ex das „Roſenbuch“ genannt hat, befteht bie
jegt aus 13 Bänden. Alle diefe GBefchichten werden von dem
Berf. einem gewiffen Richard Furumo In den Mund gelegt,
der fie Hrn. Hugo Löwenftierna zu deſſen Abendunterhaltung
auf feinem Iagdfchloffe im Kreife feiner Familie vorträgt. Auf
dies Berhältniß, dem Decamerone nachgeahmt, bezieben fich
viele Stellen in den Romanen felbft, weiche ohne daffelbe uns |.
verftändtich fein würden.
Daß dieſe Erzählungen Aimquiſt's auch in Deutfchland bes
friedigte Leſer binterlaffen
werden, dafuͤr iſt durch fie ſeibſt ge⸗kurzem erſchien davon die zweite Abtheilung.
4
ſteht, fie werden mit diefen Mitteln fetbft eine ungänflige Kris
tit bero
unferige iſt 8.
Literarifche Notizen aus Frankreich.
Neue in Frankreich erfhienene hiſtoriſche Schriften.
Zournoi® gab heraus: „Histoire de Louis Philippe Jo-
seph, duc d’Orldans et du parti d’Orl&ans, dans ses rapports
avec la r6volution frangaise’ 3 Bde); Pasquier, fruͤher
Mitglied des Magiftrats zu Pondichery: „Précis de l’histoire
de l’Hindoustan’', enthaltend: Stiftung, Wachathum und ers
fall des Reiches ber Wongolen, die allmäligen Angriffe unb
Niederlaffungen ber Europäer, die Goalition der afghaniftanifchen
Fürften geaen die Engländer, Prüfung ber verfchicdenen bei
den Inbiern geltenden Retiyionsfyfteme, wie auch ein Gemälde
ihrer anfänglichen Beige, three Sitten, Gepräude und Ges
wohnpeiten, unb ein Refume ber Gelege, wonach bie fran
ſchen Riederlaffungen verwaltet werden. Ferner erfihien: „Iliu-
strations de l’histoire de France”, 120 piftorifche Notizen
von Micdhelant, 120 Bemätbe von B. Adam, mit einem Bor:
worte von Hrn. von Segur, 60 Lieferungen, deren jebe 25 Gent.
foftet; „La chronologie sacr6e, basde sur les d6nouvertes de
Champollion‘’, von Andre Ardyinard; „Rome chrötienne, ou
tableau historique des souvenirs et des monuments chrötiens
de Rome’, von ©. de la Gournerie (zwei ſtarke Bände); „, His-
toire des invasions des Sarrazins en Italie du Ti&me au 1 Jieme
siecle”, von ®. Famin; „Histoire des 6tats-g6neraux et des
institutions reprösentatives en France depuis l’origine de ia
monarchie jusqu’a 1789”, von A. C. Thibaubeau (2 Bde.).
Mit dem 32. Bande ift jest beſchloſſen: ‚Nouvelle collection
des m&moires pour servir à l’histoire de France depuis le
13ieme siecle Jusqu'à la fin du ISièmo, preckdes de notices
pour caractöriser chaque auteur des m&moires et son &poque,
suivis de l’analyse des documents historiques qui 8’y rap-
portent”, von Mehaud und Poujoutant.
Auf bie ältere franzdfifche Literatur bezichen fi
folgende neu erfchienene Schriften: „Le romant du renard, par
Pierre de Saint-Cloud et Jacguemars Gielec de Lille, nad
den Manufcripten aus dem 13., 14. und 15. Jahrhundert Heraues
gegeben von Meon (4 Bde.); „Fabliaux et contes des poẽtes
frangais des Ilième, IZièême, I3ieme, IAièmeo et Adidme sidcies”,
nad) den Manufcripten ber koͤnigl. Bibliothek herausgegeben vom
Barbazan und Meon (4 Bbe.); „Glossaire de ia langue romane,
contenant l’&tymologie et la signification des mots usit6s dans
les Ili&me, 13i&me, 13i&me, 14iöme, 15idme et 16idmeo sie-
cles”, von 3. B. Roquefortz „Le grand d’aussi, fablieux ou
eontes, fables si ry- du 12i&me et du 13i&me sidcle, tra-
vits ou extraits” (9 Bde.), dritte beträchtlich vermehrte, mit
18 Bildern von dem jängern Meon ausgeflattete Auflage.
Bon dem angenegm aber giemtic oberflächlich reflecticenden
ne ale De * ulgarie pendant l’annde 1841’,
worin manche intereffante Facta in ug auf bie i
Bevölkerung ber Tuͤrkei befinden. sag auf bie Geiftiche
Unter bem Titel „Cours d’esthetique” -d
wiffer Charles Benarb Hegel’ Bortefungen ae "Sir
Beroatwortticher Derausgeber: Heinrig Brockhaus. — Dead und MBeriag von B. U. Brockhaus in Leipzig.
Blätter
für
literariſche Unterhaltung.
Auch noch eine Betrachtung über Goethbund Schiller.
Es gibt gefchichtliche Namen, weiche, nachdem ihre
Eigenthuͤmer Iängft nicht mehr auf Erden fichtbar find,
nur wieder von einem menſchlichen Munde ertönen -oder
im Buchſtabenreiche erfcheinen dürfen, um fogleich Jeder
mann zu elefteificen und unfere Aufmerkſamkeit in Ans
fpruh zu nehmen. Wie haben Hiftorie und Roman,
Liebe und Haß, Wahrheit und Lüge, den Namen Na:
poleon ausgebeutet und defjen geiflige und Eörperliche,
moralifhe und phyſiſche Eigenfhaften bis in die winzig
fien Faſern zerlegt! Man darf blos zulangen, um aus
dem endloſen Material von Anekdoten und Charakterzügen,
Biographien und Denkſchriften aller Art, Über fein oͤffent⸗
liches und Privatleben, ſich ein voliftändiges Portrait des
unfterblihen Mannes zufammenzufegen, je nachdem die
Sympathie. oder Anttpathie des Mofaiften folches nur
verlangen kann. Gleichwol find jegt, 1843, mithin eine
ziemliche Reihe von Jahren nach feinem Verſcheiden, bins
nen welcher vielleicht Fein Tag verging, in dem die Dru:
dnprefien feinen Namen nicht vielfach, bier in goldenen,
dert in bintigen Lettern ceiebrirt hätten, die Acten uͤber
fin Wefen, Thun und Treiben noch keineswegs gefchloffen.
Mit der Größe des Corfen, deren Wetterleuchten fich
faſt über die ganze Welt fichtbar verbreitete, und der Größe
dee Deutfhen: Goethe und Schiller, findet kaum ei⸗
nige Verleihung flat. Während Jener am Arme ber
Gewalt, bei Trompeten⸗ und Kanonenklang, durch Laͤn⸗
der, Städte und Dörfer rauſchend, vom Gemuͤthsleben
kaum eine Spur darthat, hat ſich die Größe umferer bei⸗
den Dichterfürftenn gerade in der Stille des letztern ent:
widelt und emporgeſchwungen. Wenn der unaustöfchliche
Strahlenkranz uns die Häupter beider, flatt wie Napoleon's
Glotie einen großen Theil des Erdkreifes zu umfaſſen,
faſt einzig noch auf den Eleinen Punkt beſchraͤnkt ift, Wo
die deutſche Sprache geredet wird, fo übte er doch auf
diefen einen deſto mächtigen und wohlthätigern Einfluß
ind. Hierin liegt auch der. Grund, weshalb ihre Namen
an Anziehkraft fortdauernd den Namen des großen Erobe⸗
tas in Deutfchland die Wage halten, wo fie durch ihre
Geifeimerke ſich ein ewiges Reich erobert haben, Wie
über dm Kaifer der Franzoſen, fo traten über die zwei
N
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zen ll, Wuguß'1843.
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m -_ Du 2 -
a 7 Be tt abudcı. Zr
deutſchen Dichterfuͤrſten zahlloſe Schrifen .. und:. Schrifte
den’ ebenfalls an: das Lehr, noch Immer abet Hab. alle
für Dichtkunſt nur einigerrhaßen Empfaͤmgliche bamit niche
gefättige; - Und je inniger wir ums, allen anfech Befühlen
nach, anſeter Verwandtſchaft mit den. beiden Riefengeifkerzt
otfreuen, deſto willkommener ſind uns auch fottdauernd
ihee Namen, wo ſie in unſer Ohr tönm, oder unſerm
Auge begegnen. Waͤhrend der Manget an Gefühl: ums
zum Ddeil auf die Moͤtlichkeit ber Staunen erregenden
Größe Mpolton's ſchauerlich hinweiſt, wird uns, eben hei
anfster Gefuͤhlsahnlichkeit mit den beiden. Dichtesfrftem,
dee geiftige Abſtand zwiſchen ihnen und uns um fo. um
erklaͤrlicher, daher werden gewiß ihre unferm Herzen je
theuern Namen noch lange Zeit fogar einen weit höherem
Reiz für uns und unfer Nachfinnen behaupten, als dei
Name Napoleon’s. In dem bekannten, koͤſtlichen Liebe
Beranger’s: „Les souvenirs du peuple”, wo die Enket
in ihrer Beinen Dorfhütte um die Gtoßmutter verfammels
diefe beffürmen, von Ihm, nur von ihm, mit ihnen
und davon zu fprechen, was er vormals beim Übernachten
in. derſelben Hütte fagee und that, Tpiegelt ſich auch der
Wunfh der Freunde der Porſie in Deutfchland ab, immer
wieder etwas von Goethe und Schiller zu vernehmen.
Sogar das Uabedeutendſte in Beziehung auf Ihre Perſoͤn⸗
lichkeit ober auf ihre Werke, das uns die Zeitgenofien bee
beiden Unſterblichen in öffentlichen Blättern darbieten,
nimmt man in der Regel, es fheint fogar dankbarer wie
jemals, als eine freundliche Gabe noch immer hin.
In dieſer, auf. Erfahrung gegründeten Vorausfegung
möchte wol dem Nachfolgenden vieleicht ebenfalls das
Heine Plaͤtzchen, deſſen es bedarf, in dem fchon fo volu⸗
mindfen Werke ber Goethe: uno Schiler > Literatur zu
vergönnen fein.
Es war wenige Jahre vor Schillers Tode in der
Wohnung eines meiner Freunde, als ich ganz zufällig
mit den großen Dichter zufammentraf. Keineswegs ragte,
die ungemeine Körperlänge abgerechnet, Schillers aͤußert
Exfcheinung fo weit über die Linie des Gewoͤhnlichen him
aus, wie fein raſtlos nach den Sternen gerichteter Geiſt.
Ihr himmliſches Licht aber ſchien es zu fein, was aus
feinem Blide fo wohlmellend quoll und die ihm etwas
nach der eimen Seite gebogene Naſe, nebft ben übrigen
Theilen feines Antlies zu einem” recht edeln Ganzen,
24
möchte ich fagen, zufammenfchmoiz. Anjug und Haltung
hatten ebenfo wenig etwas Dervorflechendes. Doch gerade
deshalb war der Eindrud von feiner Perfon um fo ges
müthlicher, und bie wenigen Worte, die der erhabene
M an mid vishtetete, Elan
* miner darauf, folgenden Lee ha ernd ſſen
lich aach.
Unter dee Menge zum Theil recht wichtiger Schrifs
ten über ben Verewigten bat mic Hoffmeiſter's Bud:
„Schiller's Leben, Geiftesentwidelung und Werke”, außer:
degtlich h dieſe
— * —— e. 0
. — *
AR; ver ung ans: dan Munde wa
Nedners ruͤhrt una ergreift... Agſondert Bils bien
yon.den meiften Gedichten her erſten Perjode.
» Da-wol find feine Poeſien aus biefer Periode in mehr:
fadiger Hinſicht viel zu merkwürdig und. lehrreich, als daß
es bei Dem gelaſſen werden konnte, mas uns davon bie
Gelammtausgabe .feinee Werke darbot. Banz. abiefehen
von der, befanntiih Hrn. Bons, mern ich nicht irre, ans
ſengs beftrittenen, Berechtigung zur Derandgabe von Nach
dgm zu Schiller's Schriften, bat ber genaunte Autor
der deutſchen Literatur und Poeſie fchan dadurch einen
bernd wichtigen Dienſt geleiſtet, dab dieſe Nachtraͤge
bie Erben des unvergeßlichen Mannes ſelbſt veranlaßten,
dem Publieum eine große Zahl in der Sammlung ſeiner
Werke ausgelafſener jugendlicher Dichtungen und Varianu⸗
ten noch Naczubeingen. Wenn auf der hoben Stufe
ſectlicher Ausbildung, wohin, nad, einem, zum hell gar
augtuellen Ringen mit widrigem Geſchicke und ber eigenen
Leidenſchaftlichkeit, der Unſterbliche gelangt war, deſſen Bart:
gefaͤhl die nechmalige Publication jugendlich uͤppiger und
ſich qu tief in finnliche Malerei veriscender Poeſien ihm
entweher gas nicht, oder doch in ‚ganz veraͤnderter Geſtalt
gufoattete, fo gibt ihm dies nur einen Anſpruch mehr auf
unſere Verebrung. Aber bie deutſche Literasar und Poefie
bat darum wol nicht weniger ein Hecht, die Angelegenheit
won amberer Seite ins Ange zu fallen und in biefem
Punkte dem ber Erde feitbem Längft enthobenen, nunmehr
unftreitig die Sache von ber naͤmlichen Selte betrachten⸗
den Geiſte, ſich gleichſam zum Vertreter zu conſtituiren.
Man iſt in Deutſchland und anderwaͤrts jetzt ned
damit beſchaͤftigt, dem Schriftſteller das ihm nicht zu
beſtreitende Eigenthumsrecht an feinen Geiſteswerken zu
ſichern. Aber der Literatur und Poeſie duͤrfte wol gleich⸗
falls ein Eigenthumsrecht an dem einmal von ihm ver:
oͤffentlichten Werke zuzugeſtehen fein, von dem fie eigen⸗
maͤchtig Gebrauch machen koͤnnte, ſobald der Schriftſteller
Ihe Verlangen darnach umberkckfichtigt laͤßt. Jene fruͤhern
Fruͤchte des Schiller'ſchen Geiſtes find gerade in ihrer ur
ſpruͤnglichen Form zu gehoͤriger Wuͤrdigung eines außer⸗
ordentlichen Charakters, wie des ſeinigen, durchaus nicht
zu entbehren und es verdient unſere volle Bewunderung,
wenn wir ſehen, wie aus den ganz abgefallenen, jugend⸗
Ehen Schlacken von Uppigkeit und Leidenſchaft zuletzt fein
F t * * He * Ale feine ei *
och ein m , ⸗
ſo gt . an R .. ge = - hi J
(daten
rch die lange. |.
Seaius zu einer fo reinen Simmelöflamme fi emper
Pe daß Goethe in dem bei Gelegenheit bes hei,
„Bon ber Bode”, dem Wollenderen gewiime
ten, fo teauernollen Nachrufe fagt:
ind & m {
used u be Brchden handen,
Doch nicht allein zuc gehörigen Wuͤrdigung ſeiner
Geiſtes⸗ und Seelenbildung dient die Wiederaufnahme der
poetifchen Jugendblüten des Meiſters, ihren ganzen Innern
und Aüßern Welen nah. Denn fie koͤnnen, auch abge
f on. ihren Irrthuͤmern, zum Theil b i dehes, po
kiſches Verdienſt, mit den beſten feiner ſpaͤtern Werke c:
Gier bit
zwei Gedichte: „Sreigeifterei der Leidenſchaft““ umd „Nıfie:
nation”. Verzieiflung und Kekdenſchaft haben fid mel
nle.fe.spahr um. dabei. fa; glangpp CH
a ik Geisundernsierfhen —— Das
die Moral und eine geregelte, nuͤchterne Amficht der Dinge
ſich durchaus micht mit den in Ihren aufgeftelim Gaͤten
einverflehen koͤrmen, iſt gewiß. Aber voarum deshalb, mil
Berzwelftung und Leidenſchaft zu Doralprebigerinnen ver:
dotben find, ihnen, ausgeſtattet mit dem hoͤchſten Reim
ber Poeſie, in den fchönen Raͤumen ber letztern keinen
Zutritt vergoͤnnen wollen? Finbet doch hier Daſſelbe An;
wendung, was Goethe in feinem Gedichte „An die Sim
fligen” fo wahr als ſchoͤn gefagt hat:
Was ich irrte, was ich ſtrebte,
Was ich litt und was ich lebte,
Sind bier Blumen ner im Strauss;
und bas Alter, wie bie Jugend,
Und ber Yehler, wis bie Tugend,
Nimmt fi gut in Liebern aus. |
Allerdings enthält die Gefammtausgabe der Schilke:
[hen Werke bie ebenbemerkten zmei Gedichte, von deum
das erſte nunmehr „Der Kampf” betitelt wurden, ebenfold,
Aber nach "den erlittenen Abduderumgen gleichen fie ihnen
hoͤchſtens, wie das tobte jeder Aunmsch beraubte Skelet
ber früher mit aller Glut und allem Schimmer der Su
gend ausgeflatteten lebendigen Nymphengeſtalt.
UÜberhaupt ſollten bei den mehrmals gedruckten Wer
ten aller Dichter hoͤhern Ranges, beſonders namentlich
Iyrifhe Gedichte, die in den fpäterm Amsgaben vor
Eommenden Werbefierungen tie ohne Hindeutung auf die
Geſtalt erfcheinen dürfen, im weicher bie nachher verhefke
ten Stellen zuerft dem Publicum vorgeführt wurde,
Denn «6 frage ſich immer, ob auch die nachherige Im
änderung für eine wirkliche Verbeſſerung, im ſeder Hies
fit, zu achten fein möchte. Um das eben Behauptite
einleuchtender zu machen, gibt mic bee gefuͤhlvolle Gänge
Matthiſſon ein Beiſpiel an bie Hand. Sein großes Ver
bienft ift zwar ſchon feit einiger Zeie beinahe vergeffen,
aber taͤuſcht wich nicht Altes, fo wird es, eben darum,
kuͤnftig deſto ficherer wieder gerechte Anerkennung finden.
In der unter dem Beiſatze: Ausgabe letter Hand, im
Jahr 1821 erſchienenen Sammlung der Matthifſon'ſchen
Poeſien lautet der lezte Vers bes Gedichte „Genuß de
Gegenwart” alfo: '
Früher ſprach der Deus gerabe das Gerencheil Ob,
vr |
Bei ver & die Gegenwart ergreifen
An ihr —— —2 — J
Heiß bie Lippe bes Duiders Hängt, verfegt une
iter GR Wötter | Mr.
Die wirklich weſentliche Verbefferung in der fpätern
Faſſung des Verſes laͤßt fih "kaum verkennen. Denn wer
möchte ed, nach ruhiger Erwägung, nicht für weit rath:
famer achten, der Freude Au} eine fo aͤthtriſche Umarmung
za wimmen; als fie mit einer Leidenfchafe zu verfolgen,
wie der frühere Vers es anrieth? Legteres Er gerade
aus wie ein Zuvielthunwollen im Guten, während bie
ſpaͤtere Lehre völlig vemunftgemaͤß den vereinten Mor:
ſchriften dee Klugheit, Tugend und Schicklichkeit volle
Genuͤge leiſtet.
Betrachtet man hingegen bas ganze ſuͤßmelancholiſche
Gedicht im Zuſammenhange und die Stimmung, welche
daſſelbe gebar, fo muß man dieſer Vervollkommnung bes
einzeinen Verſes den kaum geſchenkten Beifall wieder ent⸗
ziehen. Denn der Dichter faͤllt mit ſeiner Verbeſſerung
voͤllig aus jener Stimmung heraus. Der ganze gluͤhende
Enthuſiasmus für die kurzen Freuden der enwart, der
ſich im letzten Verſe im hoͤchſten Reize ber Wahrheit aus⸗
mad, iſt durch die Wohlgezogenheit, welcher der Ders
neuerdings huldigen mußte, ganz erloſchen und ber lebens:
volle, Iprifhe Erguß bes Augenblids in eine Gefundpeit
lügende Leiche verwandelt worden. Es hieße daher offen:
bar dem Dichter großes Unrecht thun, wenn in den kuͤnf⸗
tigen Ausgaben feiner Gedichte dieſer Vers nicht ebenfalls
wie er früher lautete, wenigſtens in einer Anmerkung,
mit abgedruckt werden follte.
Dolllommen wahr it, was Hoffmeiſter im erſten
Theile feines Werks (S. 284) Über die vorerwaͤhnten
beiden Schiller'ſchen Gedichte in ihrer frühern Form und
über das koͤſtliche Lied „An die Freude” fagt:
Diefe Gedichte, welche alle brei das Gluͤck entweber an
und für fi, oder in feinem Widerſtreit mit bem Necht und
der Gittlichkeit, zum Gegenftande haben, gehören zu dem Mäcdhs
tigſten, Ergreifendften, was Schiller gebidtet bat. Die Gedichte
der folgenden Periode find gegen biefe Immergrünen Zweige ber
unmittelbaren, wahrften Smpfinbung meiftene minder friſch und
btätierreich. "Denken und Fühlen geben bier noch in Eins auf. |
Sie fanden auch einen foldden ungeheuern Beifall, daß fie noch
vor dem Druck in hundert Abfchriften in Deutichland umher:
gingen und daß es bald webder ihtes Drucks noch ber Abſchriften
beburfte, fo tief Hatten fie fidh in das Herz und das Gedaͤcht⸗
mp der beutfchen Jugend geprägt. Vergebens mühte ſich die
nühterne Kritik Bes Tages ab, vie Blammen zu löfchen, bie fie
angefadt hatten.
Wie das fo lieblich am Elbufer gelegene Dörfchen
Vlaſewitz bei Dresden dadurch auch einige Literarifche
Deutung erhielt, daß Schiller ber „Guſtel von Blafe⸗
nit" einen Chrenplatz in feinem Wallenſtein'ſchen Lager
eiminmte, fo gereicht «6 dem, durch feinen größern Um⸗
fang [ton am fich bedeutendern Dorfe Gohlis bei Leipzig
su beſonderm Schmude, daß es der Geburtsort des Lie⸗
‚ Raum. Es fei genug mit der Anzeige, daß in
*
nenktanz zu verleihen. Deesden hat Ti eines Ah;
Ruhmes zu orfreuen, da Schiller in ibm .anfer Amen
bichten: Freigeiſterei der Beibenfthafe” und „efianastah”“,
zu denen. er bass begeiſtert wurde, feinen „Dew. Carlos?
Sollchdete::: . . >. j |
. Diefe Tragödie erhaͤlt dadurch - eine Merkwuͤrdigkeit
mehr, daß fie, nad; dem Belfplele von Leffing’s „Närden”
In reimfreien Jamben gefchrieben iſt und. der, Karhy
mus‘, mit bem mau: fit bei ber Auffuͤtrrung au
wenn auch bie etſte Beatbeitung Ds ‚Den Gaelos *
bie Bühne zu thunlichſter Adkurzung nur in’ Prod nes
ſchad, in der Folge, wo dieſem Drama felbft zum the
traliſchen Gebrauch das Metrum teftituiet wurde, Ad
sab, die Zragödie in Deutſchland kaum anders als im
gleichem Metrum auftreten zu laſſen. Es fast derfelben
auch gewiß zumal tm beutfcher Sprache weiit beffer iD,
als die fpäterhin Spaniens Tragikern entichnten Aug
Reimverſe, obſchon fie vom Muͤllner nicht ebne Gtäd
verſucht wurden.
(Die Yorkfepung folgt.)
ws ‚Aue u Di, cvſie ,
hfletn aut with, —* 557
Unterhaltungsliteratur.
1. 1840. Hiſtoriſcher Roman von Br. Zubojagfy. Dee
Theile. Grimma, Berlagscomptoir. 1842. 8. 4 Ehe. 15 Nr.
Der Schmugtitel ſegt jenem Jahre 1840 uogh bie. Worte
binzu: „ober Spinnengewebe”, unb dag u eine Art Parabel
gekleibete Motto auf der Hückfeite des Schmutztitels fpricht
von einer „Spinne auf bem Thron“. Damit foll Louis Phi⸗
lipp bezeichnet fein, „ein ſchlauer König, den bie Feinfte Fliegt
nicht ungeſtraft berührt”. Cs iſt Wahrheit darin, doch ift das
Bild zu allgemein: es paßt für jeben andern Thron und filt
viele andere Side. Der Verf. fcheint für kouis Philipp nicht
befonders eingenommen zu fein, und das gibt feinem iftocifigen
Roman einen Beiſchmack von Parteiroman. Den Bang ber
ſehr verwidelten Begebenheiten nachzuweiſen fehlt «8 bier am
m Bude nichts
von Allem fehlt, was im I. 1840 Brantreig Denkwürbiges
bot, und daß biefes mit der Geſchichte eines Jungen Menſchen
' und einer Maſſe Snteiglien meiftens nicht ohne Geſchick vers
, widelt und entwidelt
ft. Eben biefe Waffe aber ſchadet dem
Bude, fie erflidt die von einem Romane unzertuennliche Kupe
und Vollendung ber Darftellung. Das benußte Material war
für ſechs Bände nicht zu wenig: baß es in drei Vaͤnde sufame
mengebrängt ift, gibt dem Bude den Charakter einer Chronik.
3. Onkel Zebra. Memoiren eines Gpikuraͤers von E. M. Dets
tinger. Sieben Theile Leipzig, Böfenberg. 1842. 16. 3 Chr,
Gs if nicht mit Gfien und Trinken gechan; ber Mienf)
wid auc gut eſſen und teinden. Wie man das könne und folle,
entwickelt dieſes feltfame Buch nach allen aubplicken Geiten bis
Gapitel über bie Kunſt ber Kuͤchenhelden, bes Genießens unb
, 5, chen = mb
fieben Bänbehen, unb die flüffige Darſtellung, trogenb von mert
würdigen Autoritäten und Citaten, welche nachzuſuchen ben Bes
fer vicHeicht Vergnügen gewäßrt, ihn jedenfalls hungeig nackt,
8* in buntem Wechſel an uns vorüber. Eigentlich kann bes
uch nicht gelefen werben, es wii genoffen fein. Dex Beim
ſchmecker wird mit @inn unb gebiegenem Urtheil bie Gapisel
wählen, welche feine Mahlzeit würbig einleiten, begleiten und
lieben; ber arme Schlucker wird je nad feiner 6
ſich damit wie mit Opium bevaufdien, ober ia den Abgrund
ber Berzweiftung flürgen. Daß der Verf. bie Branzofen zum
3. Die Erbſchaft in Kabul.” Komiſcher Roman von Fer di⸗
nand Gtolle Brei Bände. Leipzig, Thomas. 1842.
. 8, 4 TIhlr. 15 Rer.
. Der talentvolle Werf. beträgt feine Lefer ungefähr in
Werfelden Weife, wie mehre Erbſchaftsluſtige in feinem Buche
leer ausgehen. a —— bus —— am deſſen
Geöffuung an eine gleiche Scene „VFlegeljahren“ von
Iran Paul, welchen ber Verf. überhaupt flei
zu vereinigen wiſſen. wi bee Verf. unfern Zabel als ein
Lob aufnehmen; denn wirklich ift er zu reich an Mitteln, als
daß es ihm genügen dürfte, nur gewöhnliche Unterhaltung geges
ben zu haben. 24,
Literariſche Notizen aus Frankreich.
Der Cardinal von Rep.
Amt Shampollion - Figeac, gegen den ber fon dfter
erbobene Vorwurf, daß er bei ber Vermaltung der Bibliothek
nit ganz von Gigennug frei fei, kuͤrzlich wieder erneuert ifl,
patte es fich vorbehalten, eine neue Ausgabe ber „Mémoires
u cardinal de Retz‘ nad) ben auf ber koͤnigl. Bibliothek
befindlichen Originalmanufceripten zu veranftalten. Wir erhalten
gegenwärtig den Anfang biefer Ausgabe, bie einen Theil der
werthoollen ausgewählten Bibliothek der beften franzöftfchen
Werke bildet, deren Leitung der befannte Ch. Nobier über:
nommen bat. Es duͤrfte intereffant fein, über das Original⸗
manufcript dieſer wichtigen Demoiren etwas Näheres zu ers
Dee Die koͤnigl. Bibliothek befigt fie erſt ſeit etwa neun
ahren. Vor dieſer Zeit haben ſie ſich in den Haͤnden des
Grafen Rat befunden, ber fie kurz nach der Aufhebung der
Bibliothek des Kloſters Moyen: Moutier um das 3. 1795 zur
Benugung erhalten hatte. Real hätte fie eigentlich der Natios
nalbibliothef, der fie einverleibt werben follten, wiebererftatten
muͤſſen, aber er nahm fie, als ihn bie politiſchen Verfolgungen
gwangen, Ftankreich zu verlaffen, mit ſich nad Amerika. Ge
war erft nach ber Julirevolution, als fie mit andern politifchen
Berbannten nadı Beanfreic) zuruͤckkehrten. Sie bilden drei
ſtarke Bände von 2818 Seiten in 4. Man nimmt an, baf
der Garbinal bie Abfaffung feiner Memoiren erft nach bem J.
3672 begonnen habe, indeflen fann man bei ber großen Ge⸗
nautgleit in ben einzelnen Angaben, bie nicht felten bie forgs
faͤltigften Rachforfchungen erheifchten und bei ben vielen Reifen,
von benen fie unterbrochen werden mußten, wol annehmen, daß
gwifden bem Anfange und ber WBollendung gewiß mehre Jahre
»erflofien find. Man fieht dies aber auch den Manuferipten
je an. Die erften beiben heile find reinlich und Tauber
Fluͤchtigkeit und Rachläffigkeit zeigt. Champollion behauptet,
daß diefer Theil nach dem 3. 1676 abgefaßt fein muͤſſe. Wir
eben, und namentlich ift wenig barin auögeftrichen und |
derbeſſert, während bie Handſchrift des dritten Bandes große |
erinnern bei dieſer Betegenhelt au vimm .
den tlenrual des van, (a dem glei eher —*
Handſchriften vom Sardinal von ‚Bet beſprochen wurden, hie
auf bie Garteflanifche Lehre Bezug haben. Man darau
daß berfetbe in feiner laͤntichen gegogenpeit I hei
immer noch an ben Worgängen ber Melt Thell nahm uns ng
mentlich ben philoſophiſchen Streitigkeiten, welche der Gartris
nismus hervorrief, eine größere Kufmerkfamkeit ſchentte, in
man bei einem Weltmanne, ber in emiger Aufregung Ichte
vermutben follte. Sehr intereffant find bie Schilderungen, bie
a a en aa
er Cardinal von Retz die unfterblichen nk
Descartes auffaßte. ſopfungen Kan
Pariſer Skizzen.
Die bunte Gchüberung des pariſer Lebens, die von P. de
Kod u. d. T. „La grande ville‘ begonnen wurde, if, weil
fie gleich anfangs viel Beifall fand, allmälig erweitert. Ban
bat einen größern Kreis von Mitarbeitern gewonnen und dem
ganzen Unternehmen eine größere Ausdehnung gegeben, Die
Namen Balsıc, Dumas, Briffault, Gautier m. f. w. kinnen
das Intereffe an dem Werke nur fleigern. Auch Janin, ws
wir glauben, fehlt nicht, ober wenn er bis je&t noch feinen
Beitrag dazu geliefert hat, To Tann man ſicher fein, daß ncg
etwas aus feiner nimmer raftenden Feder kommen wird. Ge
waltiges Auffehen bat ein Auffag von Batzac gemacht, in dem
bie Sournaliften und die übrigen hommes de letizes ober gende-
lettres (un gendelettre, wie Balzac analog dem un gendarme
fast) gehörig mitgenommen wurden. Balzac entiud ſich hier
aller Galle, die fi in ihm bei den ungünffigen Kritiken feiner
beiden dramatifchen Verſuche gefammelt hat. Gr nahm firma:
Rache an feinen ungeredhten Richtern unb ſchilberte bie Sour
naliftit als bie wahre Peftbeule unfers Zahrbunberts und de
Krebsſchaden der Literatur. Leider blickte aus biefer Philippica
überall die verlegte Eitelkeit hervor und fie dürfte deshalb eben
von feiner großen Wirkung fein. Ungleich harmiofer if das
legte ‚Heft ber „‚grande ville“, in dem A. Dumas — uud Ci
ner von Denen, die man wie Thalberg mit zehn Händen abs
malen follte! — uns eine naturgetreue Schilderung der files,
lorettes et courtisanes entwirft. Der erfte und ber legte dieſer
Ausdruͤcke find verfländlich genug. Lorette aber ift fononm
mit femme entretenue. Diefer Name, ben man ihnen zum
erften Male im „Charivari beigelegt hat, raͤhrt daher, wi
weil
ber größte Theil dieſer Leichtfertigen Befchöpfe, die Dumas uni
recht con amore vorführt, in der Nähe ber Eglise de Notre
Dame de „Lorette wohnt. Die Zeichnungen GBavarne's, der
im „Charivari‘ ſchon eine ganze @alerie von Loretten gegeben
bat, find dem Texte gang angemeffen. Er weiß feinen Helbinam
eine außerordentliche Anmuth zu geben. 2.
Literariſche Anzeige.
Bei F. A. Brockhaus in Eeipzig iſt neu erſchienen
- und durch alle Buchhandlungen zu erhalten:
Dekameron
Das
von
Giovanni Voeccaceio.
Aus dem Italieniſchen überfest
von
Rarl Witte
Zweite verbeſſerte KRuflage.
Drei Cheile.
Gr. 12. Geh. 2 Thlr. 15 Mor.
Verantwortlicher Herausgeber: Heinrich Brodhaus. — Drud und Verlag von $. A. Brochaus in Leipzig.
Blätter
' für
literarifhe Unterhaltung.
(Bortfegung aus Nr. 228.)
Mit ungemeinem Scarffinn zergliedert Hoffmeifter
die ganze Eigenthümtichleit des Schiller’fhen „Don Gar:
108” und hebt die rühmlichen Seiten diefes Dramas wie
deſſen Schwächen Eraftvoll und einleuchtend hervor. Auch
unterläßt er nicht, darauf aufmerlfam zu machen, daß den
drei erfien, in der „Rheinifchen Thalia” abgedrudt gewe⸗
finen Acten fehr viel Treffliches bei der nuchherigen Abs
fürzung verloren gegangen ſei.
Manche Stellen — fagt er — find in unferer jegigen Aus⸗
gabe nicht vecht verſtaͤndlich, oder doch raͤthyſelhaft und ans
ſtoͤßig, weit fie fi auf etwas jetzt Ausgelaſſenes bezie
hen. Wir brauchen aber nicht bei folchen Einzelheiten ftehen
zu bleiben, Dee Geiſt des Ganzen ift durch die neue Überars
beitung ſehr verändert. Die erfte Anlage iſt unbeholfener, uns
gemeffen in Gehalt und Ausdrud, fie ift aber auch jugend⸗
licher, frifger, kuͤhner, charakteriſtiſcher, die kecke
Polemik hat etwas Pikantes und was wir uns jetzt haͤufig hin⸗
zudenken, was wir errathen muͤſſen, iſt im fruͤhern Texte mei⸗
ſtens ausfuͤhrlich dargeſtellt. Das Ganze hängt in feinen Tugen⸗
den und Fehlern inniger mit den Schiller'ſchen drei Dramen (den
„Räubern”, „Yiesco” und „Cabale und Liebe‘) zufammen und
offenbart den Geiſt des Dichters beimeitem echter als bie nach⸗
berige gereinigte und abgekürzte Ausgabe. Beſonders fcheint
der fpanifche Prinz durch feine Wiedergeburt zwar manierlicher,
aber audy unbebeutender geworben zu fen. Er ift in ber
„Thalia wol ercentrifcher und ſtolzer; die fpätere Kritik bat
ihm mit feinen Mängeln auch feine Vorzüge genommen unb
ihm gar wenig übrig gelaflen.
Je richtiger dies Alles jedem aufmerkfamen Beobachter
erfheinn muß, um fo natürlicher fleigt auch gewiß der
Wunſch in ihm auf, die noch fortdauernde theatralifche
Wirkfamkeit des ‚Don Carlos” durch Wiederbeifügung der
den Dichter felbft zum Urheber habenden Elemente zu er
hihen, die er einzig deshalb daraus entfernte, weil durch
ihre Beibehaltung der Umfang ded Dramas für die Dauer
eined Theaterabends zu groß würde geworden fein. Schon
der mächtige Effect des’ „Don Carlos” auf der Bühne hat
Schiller's frühere Anficht davon, daß dieſe Tragödie, auch
ta ihrer nachherigen Bearbeitung, in theatralifcher Hinſicht
vefehlt fei, widerlegt.
Allerdings leiden beinahe alle Charaktere in dem Stuͤcke
an dem Mangel eines naturgemaͤßen innern Zuſammen⸗
hanges, was vielleicht die wichtigſte Ausſtellung iſt, die
man an einem dramatiſchen Producte nur machen kann.
— 22. Auguſt 1843,
Wußte aber, trog dieſer Mangelhaftigkeit, der Schiller’
fe „Don Carlos’ dem beffern Theile der gebildeten Zus
[dauer einen wahrhaften Genuß zu bereiten (und er weiß
es noch immer, wo die Darftellung, namentlich der Haupts
rolle, ded Pofa, vom Schaufpieler nicht völlig vergriffen
wird), fo iſt dem Dichter ein Verfehlen des Zwecks ger
wiß nicht vorzumerfen, wenn auch defien Erreihung auf
anderm Wege als dem eigentlichen dramatifchen gefchieht,
der wol in dem regelcechten Sneinandergreifen ſcharfgezeich⸗
neter und abyerundeter Charaktere beftehen möchte. Wie
Schiller, um mit feinem Biographen Hoffmeifter zu reden,
in den „Raͤubern““ die Welt in Trümmer ſchlug, fo wird
fohe im „Don Carlos“ auf idealem Fundamente wieder
aufgebaut. Das Thema der ganzen Tragoͤdie ift der Con⸗
flict eines (mit Vorliebe in feiner Herrlichkeit gefchilderten)
neuen Alters der Menfchheit, mit einer veralteten Zeit und
der temporelle Sieg des Schlechtern über dad Beflere.
Die Glut hoher rhetorifcher Schönheit in dem Bilde des
Dichters befriedigt dergeflalt, daß der Theaterbeſucher gar
feine Zeit behält, der Unvolllommenheit der dramatifchen
Schönheit nachzuſpuͤren. I
Und in noch weit hoͤherm Grade wuͤrde dieſe Befrie⸗
digung erfolgen, wenn die Tragoͤdie das mancherlei zu de⸗
ren beſſerm Verſtaͤndniſſe Gehoͤrende aus dem fruͤhern
Entwurfe zuruͤckerhielte. Zur Zeit, wo Schiller in der
„Thalia“ ſagte: der „Don Carlos” fei kein Theaterſtuͤck,
die dramatifhe Einkleidung fei von einem weit allgemels
nern Umfange als bie theatralifche Dichtlunft und man
würde der Poefie eine große Provinz entreißen, wenn man
den handelnden Dialog auf die Gelege der Schaubühne
befchränten wollte, da hatte der Dichter den unftreitig
früher gebegten Glauben an die Möglichkeit eines Erfolge
feines Stuͤcks bereits verloren. Ja, es mögen ihn wo’
gar noch, bei feinem nachherigen Zurechtſchneiden der Tra⸗
goͤdie für die Buͤhne, die Zweifel am Erfolge mitunter
angewandelt haben. Bei bem ungemeinen Erfolg der
Aufführung feines „Don Carlos” laͤßt fi) eine augenblid-
liche, völlige Genugthuung für ihn denken. Aber gewiß
bat fie fpäterhin dem Verlangen das Keld räumen müffen,
fo manden das Ganze erläuternden Vorzug ber erſten
drei Acte, in deren urfprünglicher Geſtalt, ihm auch für
die Aufführung zurüdgegeben zu ſehen. Der Erfüllung
dieſes Verlangens fchien fich freilich die Unmöglichkeit ge⸗
radezu entgegenzuftellen. Denn fogar in ber abgefürzten
Seflalt erfoderte die Darftelung des „Don Carlos” auf
dem Theater wol eine ganze Stunde Zeit mehr, ale die
meiften andern, den XTheaterabend auszufüllen beſtimmten
Bühnenfüde. Endlich trat fpäterhin bei Schiller's dras
matifcher Bearbeitung des „Wallenftein” der Umſtand aber:
mals ein, daß das überreihe Material ſich durchaus nicht
in die Form eines gewöhnlichen Theaterſtuͤckks von fünf
Acten zufammenfhnüren ließ, ohne der daraus geſchaffenen
Geſtalt den Lebensathem zu benehmen. Gleichwol hatte
Schiller's ſchoͤpferiſcher Genius das neue Werk bereits mit
ſolcher Liebe und ſolchem Gluͤcke erfaßt, und bes Gedan⸗
kens ſeiner Wirkſamkeit von der Buͤhne aus ſich erfreut,
daß er davon nicht abzulaſſen vermochte. Und ſo fand
ſich denn auch das Mittel, es moͤglich zu machen, in der,
ſolchenfalls ſchon von Shakſpeare und Andern beobachteten
Methode, das aufzufuͤhrende Drama in einige auf mehre
Abende zu vertheilende Abfchnitte zu bringen. Der Bel:
folsfturm, welchen fein auf dieſe Weiſe zum Gebrauch
für die Bühne behandelter „Wallenſtein“ aufregte , hätte
ihn unfteeitig auf die Idee gebracht, mit dem „Don Gar:
108” in ähnlicher Art zu verfahren, indem er, manche un:
geeigneten Auswüchfe der in der „Rheinifchen Thalia‘ ab:
gedruckten drei Acte weglaffend, das dieſer Tragödie der
Bühne zu Gefallen entzogene Wefentliche derfelden zurüd:
ftellte und das Ganze auf zwei Theaterabende verteilte.
Es gefchah vielleicht blos darum nicht, weil entweder feit:
dem, in Folge feiner ungemeinen Erweiterung und Ders
vollkommnung der Anfihten von der dramatifchen Kunft,
der „Don Carlos” überhaupt um feine Vorliebe gelommen
war, oder anderer, ihm nunmehr beffer zufagender drama:
tiſcher Stoff ſich feiner Phantafie zur Bearbeitung auf:
drang. Sedenfalls würde, wenn dem gewaltigen Dichter
ein längerer Aufenthalt auf der Erde vergennt worden
und ec die dee einer neuen. Umfchaffung des „Don Car:
106” gefaßt und ausgeführt hätte, dem beutfchen Theater
dadurch ein bedeutender Gewinn zugewachſen fein.
Wäre es daher nicht vielleicht eine Kühnheit, die ſich
mit der Plerät gegen den Verewigten, der unverfennbaren
Schmerz darüber empfand, daß er, um fein Werk bühnen:
gerecht zu machen, eine Menge, zum Theil zu befien Ers
täuterung kaum entbehrliher Stellen und Schönheiten
daraus entfernen mußte, entfcyuldigen ließe, wenn irgend
eine hinlaͤnglich funftgelibte, fremde und mit den Beduͤrf⸗
niffen der deutſchen Bühne vertraute Hand hier einen
Eingeiff wagte, indem fie aus einer Berbindung bee
Mefentlihen und Geeigneten der erflen drei Acte bes
„Don Carlos”, wie fie in der „Thalia“ erfchienen, mit
dem von dem Schöpfer des Kunſtwerks nachher ſelbſt für
die Bühne zugerichteten Zrauerfpiele zu einem organifhen
Ganzen verbände ?
Dabei müßte freilich zugleich vorzüglid darauf gefehen
werden, daß die erwähnten jugendlichen Auswuͤchſe, wie
Alles, Schiller's [päterhin auf das volllommenfte ausge: :
dildetem Schönheltöfinne nur im mindeften Widerſpre⸗
chende daraus entfernt wuͤrde. Es gehörte auch zu einer
Umfhaffung diefee Art nicht allein ein Mann von dem
ficherften Urtheile und dem zarteflen Takte, ſonbern dabei
.ein folcher, dem die Heiligkeit des Schiller ſchen Namms
nirgend erlaubte, etwas Weſentliches aus eigenen Mitten
hinzuzufügen. Auf diefem Wege würde Schiller in ſei⸗
nem „Don Carlos“ zu eigener Genugthuung aus fih
felbft ergänzt und vervollkommnet werben und die Freude
der Bühnenfreunde an der, in vieler Hinſicht einzigen,
Tragoͤdie, die ohnehin für das Nachdenken eines Abends
allzu viel wichtigen Stoff darbietet, während zweier Theo:
terabende fich noch um Bieles gefleigert fehen.
Bon der zu ihrer Zeit gar rüftigen und müplichen,
aber fpäfer im Werthe immer tiefer heruntergefommenm
und nun fängft ſchon dem Schickſale alles Irdiſchen, dm
Untergange erlegenen „Allgemeinen beutfhen Bibliothek"
an bis zu dem neueften Werke des fcharfinnigen Gewi—
nus *) legt die deutfche Buchſtabenwelt über die Dichter:
heroen, Goethe und Schiller, die grelften Miderfprüce
dar. Die zuletzt erfchienenen Abhandlungen dieſer Art
ftimmen wenigftene darin überein, Goethe und Schiker
als die hervorragendften Geifter im der deutſchen Literatur
und Poeſie anzuertennen. So dürftig auch der aus bie
fen von der höchften Xrefflichkeit bis in die tiefite Abſur⸗
ditaͤt fich verlierenden, gedrudten Urtheilen in die allg:
meine Meinung gedrungene Ertrag fein möchte, fo glaubt
doch beinahe Jedermann, eine gültige Etimme über dab
Verdienſt diefer beiden Dichter abgeben zu können. Am
gemöhntichften zieht man eine. Parallele zroifchen ihnen und
die im hoͤchſten Glanze der Salons rvie die im der granen
Dämmerung der geringften Zabagie Einheimifchen koͤnnen
fich der Erörterung noch immer nidyt enthalten, wer don
beiden der größere Dichter fei, Goethe oder Schilke, ob:
(don die Mehrheit der an der Controverſe Theilnehmen⸗
den gemeiniglih in craffefter Unwiſſenheit daruͤber lebt,
worauf ed bei einem Endurtheile diefer Art zunaͤchſt an:
fommen würde. Die Parallele an ſich ann keinem I:
def unterliegen. Es fit fo lehrreich als genußvol, die ei⸗
gentlichen Verfchiedenheiten zweier anerkannt großer Did;
ter ins Auge zu fafjen und bis in ihr Meinftes Detail zu
verfolgen. Nur müßte es bei der Bewunderung Beider
bewenden und man ihre Größe nicht unter ein Maß ſiel—
fen wollen. Wo überhaupt das Mafauffinden für di
Größe in der Kunft, weiche binmlifchen .Urfprungs und
unermeßlich ift? Es durchriefelt einen ein Schauer, went
man mit anhören muß: der von Den Beiden iſt de
Größte, und der Schauer nimmt zu, wenn biefen Aus
ſpruch ſogar Menſchen thun, die in wiſſenſchaftlichen um
andern Dingen eines Urtheils nicht unfähig find. Deus
gerade bei ſolchen iſt die Schuld größer als bei den ge
ringhaftigen und kenntnißloſen. Die größere Kunſt dr
einen oder des andern ber beiden Dichter dictatoriſch auf:
zufprechen, wird hier immer ein Frevel fein. Er
*) Neuere Veſchichte der poetiſchen Rational s Literatur der
Deutfchen, Theil 3 (Leipzig 1842).
mit dem Gehalte des Mannes, der das Wort wie ein
|
|
|
Ariom von ſich gibt. Noch mächtiger muß in und de
Schauer werden bei der Betrachtung, daß man vormald
1
C
im jugendlichen Cathufiaeins, für den einen ober den
andern der beiden gefeiesten Dichter wol ſelbſt eines fo
frechen Ausfpruchs ſchuldig geworden fei.
Wenn in dem weit hinaus über der, allerdings dem
Maße unbedingt untermorfenen, Technik liegenden Reiche
der hoͤhern Kunſt überhaupt der Kreitik die eigentlichen
Mormen für ihre Ausoſpruͤche faſt ganz abgehen, fo gibt
es auch Kuͤnſtler, fo ſehr Über ihre Zeit und bie gemöhn:
liche Meiſterſchaft erhaben, daß die Kritik fih nie einer
Abſchaͤrung derſelben erbreiften folite, Künftler, wie z. B.
Dante und Shaffpeare, Rafael und Michel Angelo, Goes
the und Schiller. Und wo ſchon fogar der Kritik kein
Urtheil mehr zufteht, da follten wir Andern und doch noch
viel eher eine® folchen enthalten, wenigſtens eines den
Grad ihrer Groͤße beflimmenden, wovon bier vor Allem
die Rede it. Verfahre man doch bei ſolchen Ausfprüchen
über Goethe und Schiller, wie Mman es in ber Blumen:
weit zu halten pflegt, wo gewiß die Meiften der Roſe und
Nele oder einem Paar anderer hervorſtrahlender Blumen
ein Übergewicht über ſehr viele aus dem zahlreichen Blu⸗
menvolfe zuerfennen, aber doch Niemand leicht fo anma-
Send ift, die eine von beiden für die vorgüglichfte zu er⸗
Hären, ba beide ihre voneinander abweichenden Vorzüge
behaupten. Daß die eigenthümlichen Vorzuͤge Goethe's
der Eigenthuͤmlichkeit des Einen, die eigenthümlichen Bor:
zuge Schiller's der Eigenthuͤmlichkeit des Andern mehr
zuſagen, wuͤrde hingegen ein fo wenig zu migbilligendes
Bekenntniß fein, als wenn der Eine fagt: Mir gefällt die
Roſe beffer und der Andere: Mir die Nelke. So viel iſt
gewiß, Goethe und Schiller werden, mie die Dioskuren,
gewöhnlich zufammen genannt, nur mit dem Unterſchiede,
da nach dem Grade des Mohlgefallend an ihnen auf
der Zunge des einen ihrer Bewunderer Goethe und auf
dee des andern Schiller von felbft die Priorität in Ans
ſetuch nimmt. Daß Beiden, als Dichten, beiweitem der
Vorrang vor allen neuerlich aufgetretenen Poeten gebührt,
darf man wol für einen Sag annehmen, den nur We:
nige in Zweifel ziehen werden. .
Berfuchen wie nunmehr, ihre Eigenthümlichkeiten ne:
beneinanderzufteilen. Über Schiller's Außeres erlaubte ich
mir bereitö einige Andeutung, fodaß ich hier nur noch et
was über feine Haltung binzuflge, wie mir foldye, wenig:
ſtens in der kurzen Zeit, daß ich zu Ihrer Beobachtung
Gelegenheit hatte, vorgelemmen if. Die Bruft duch
freundliche Gefühle forben erwärmt, war Schiller's ſonſt ges
wöhnlihe Bläffe an feinem Antlig nit wahrzunehmen.
In der Richtung feines ganzen Körpers [bien fid immer
neh aus der fiuttgarter Karlsakademie eine Spur von
mititairifcher Subordination erhalten zu haben. Zugleich
glaubte ih aus feinem Auge den Trotz hervorbligen zu
ſchen, den die feines hohen Beiftes fo unmwürdigen Be:
deingniſſe im ber Jugend in ihm erzeugen mußten. Die:
Im beiden ſich widerſtrebenden Eigenheiten mochte wol
die Art von Unruhe entfpringen, welche feine Lörperlichen
Bewtgungen barthaten.
Im völligen Contraft hiermit erſchlen mir Goethe, als
ich ihm einige Fahre fpäter in feiner Wohnung zu Wei⸗
mar gegenüber ſaß. Obſchen an Alter Schiller berrisß
weit vorausgefchritten, war doch die Kraft und Schoͤnheit
der Jugend in ber hohen Goͤttergeſtalt noch nicht erloſchen.
Die Macht des Adlerblicks aus dem großen Auge, welches
der edeln Form ber von ben Jahren bereit6 etwas anger
geiffenen Gefichtszüge die Krone auflegte, ging keineswegs
unter in dem von ihr gütig ausgelprochenen Willkommen;
fie wurde durch dieſes vielmehr auf das hoͤchſte und zus
gleich erfreulichfte gefleigert. Keine feiner Bewegungen,
keins feiner Morte hatte den Schein bes Vornehmſeins,
bed Vielgeltenwollens, weder im Leben noch in der Kunſt,
aber Alles zeugte ſowol von der Sicherheit feiner aͤußern
Stelung, als von ber volltommenften Harmonie in ſei⸗
nem Innern.
(Der Beſchluß folgt.)
Zwei Sigungen ber parifer Akademie.
Es ift befannt, daß das Institut de France in ben erften
Tagen des Mai eine Generalfisung zu halten pflegt, der dann
die einzelnen Sitzungen ber fünf verfchiebenen Giaffen folgen.
Im Allgemeinen ift diefe große Parabe ebenfo langweilig als
bie befannte Geremonie im ‚‚Malade imaginaire’‘, die an denk⸗
würdigen Lagen, 3 B. beim Geburtstage Molitre's, im
Theätre francais aufgeführt wird und mit der man fie ſchon
vielfältig verglichen hat. Dieſes Mat ift biefe Sigung weniger
langweilig ale gewöhnli ausgefallen, zum Theil ſchon, welt
bie obligaten Begräßungsformeln und bie Langen Panegprifen,
bie das Privilegium haben, das Yublicum in den, füßeften
Schlummer gu wiegen, etwas gekürzt waren. So nahm bie
UAnrebe des Grafen Beugnot, ber als Präfident der Akademie
ber Infchriften bie diesjährige Sitzung zu eröffnen hatte, bie
Aufmerkſamkeit der Zuhörer nicht lange in Anſpruch. Und doch
bätte der Schluß, in den eine Grabrede an ben Herzog von
Drleans mit. den Haaren berbeigezogen ward, noch *
werden koͤnnen. Nicht mit Unrecht vermuthen einige —**
der Redner, der durch ſeine hiſtoriſchen Arbeiten bekannt iſt,
babe dieſe Gelegenheit ergriffen, der Verſammlung feinen über⸗
tritt von ber Seite ber Legitimiften zu ber rechten Mitte öffent-
lich anzutündigen. Es wirb auf die Dauer ordentlich lächerlich,
wenn man mit jeder Jahresfigung die Volney'ſche Preisaufgabe
zur Auffindung eines Univerfalalphabets wieber auftauchen fieht.
Wie Viele find nicht gekrönt und doch haben alle Unterſuchungen
noch zu feinem Refultate geführt. Sie fchöpfen unverdroffen,
und boch wird das Danaibenfaß nicht vol. Wan kann es nur
billigen, baß die Akademie almälig die Aufgabe, wie fie ber
berühmte Verf. der „Ruines‘’ geftelit bat, immer mehr zu um:
gehen angefangen bat, um fo mehr, da fich mit jebem Jahre
weniger Goncurrenten mit ber Löfung biefer Aufgabe, bie eben⸗
fo wenig wie bie Quadratur bes Cirkels ober ber Stein ber
MWeifen gefunden wirb, befaflen mögen. Es werben beshalb
in der Regel bie 1500 Fr., bie für die beſte Preisabhanblung
ausgefegt find, irgend einer verbienftlichen philologiſchen Arbeit
anderer Ratur zuerkannt. &o tft biefes Jahr Benjamin Ras
faye als Verf. eines werthuollen Werkes über bie franzoͤſiſchen
Synonymen gekroͤnt, obgleich einige eigenthuͤmliche Schwärmer
fi wieder mit dem Univerfalatiphabet ben Kopf zerbrodyen
hatten. Unter benfelben wird beſonders ein gewifler Paulin
Gagne erwähnt, der feine Anfichten in einer Heinen Brofchäre
auseinanderfegt, weiche den Titel führt: „‚Gagnomonopanglotte”
ober: „Einzige und allgemeine Sprache von Gagne““. Aber biefe
Anfichten find au abenteuerlich, ald bag man bavon nur einen
Begriff geben könnte.
Nachdem biefe ſtereotype Preisaufgabe befeitigt war, hielt
Gugtae Burnouf, ber verdiente Drientalifi, einen febr intets
effanten Vortrag über den Urfprung bes Buddhismus, beilen
%
Gatfiehung von veridiebenen Gelehrten verfchieben angegeben
wit. Burnouf weil in feiner Abhandiung nad, daß bie
Lehre bes Buddha nichts iſt als ein Loßgelöfles Glied vom
Brahmanismus. Indeſſen ift nicht zu leugnen, daß beibe Re
tiglonsfeften von ganz entgegengefegten Principien ausgehen,
indem nämlich der Brahmanismus unäberfleigbare Kaften ans
nimmt, bie fich auf eine urfprünglicdde Racenverſchiedenheit
geünden , während der Buddhiemus, welcher die Bewohner ber
de einen und benfelben Urfprung und eine und bie nämliche
Natur haben läßt, ale Menfchen zu Brüdern machen will,
Burnouf fept, den gewöhnlichen Annahmen zuwider, ben Urs
Iprang biefer Sekte in das 9. Jahrhundert vor Ehriſti Geburt,
in allgemeineres Interefle erregte der Vortrag bes immers
wäbrenden Secretairs der Akademie der ſchoͤnen Künfte, Raoul
Rochette. Der geiftreiche Redner ſprach über den berühmteften
Maler Frankreichs, Nicolas Pouſſin, und foderte zu lebhafterer
Theilnahme für ein Monument auf, das man bemfelben errichten
will. Beſonders unterhaltend war bie biographiſche Partie diefes
Vortrags, in der die mannichfachen Widerwärtigkeiten erzählt
wurden, mit denen biefer große Künftter, der fi zur Beftris
tung feines Lebensunterhatte zur Gcilbermalerei bequemen
mußte, zu kämpfen hatte.
Blanqui, der hierauf bie Rebnerbühne betrat, beleuchtete
in einer geiftreichen Rebe voller Thatſachen die unfeligen Folgen
Der Polygamie, wie er fie in der europäifchen Türkei Gelegenheit
gehabt hat, zu beobachten. Die Sigung, bie, wie man aus
diefer kurzen Aufzählung ſehen kann, eine große Mannichfaltig⸗
feit bot, werd mit einer Epiſode der „Jeanne d’Arc’’ von A.
Soumet, dem berühmten Verf. der „Epopee divine‘, geſchloſſen.
Diefes Bruchſtuͤck, das von Ancelot mit vielem Ausdruck vor⸗
gelefen ward, feheint den großen Beifall, den es fand, wirklich
au verdienen. Deflenungeachtet warb allgemein bedauert, daß
Viennet, der fonft einige feiner pifanten kleinen Babeln mit:
zutheilen pflegt, diefes Mal mit leerer Hand gekommen iſt, um
fo mehr, da fi) das Gerücht verbreitet hatte, er werde eine
neue Epiſtel an A. Duval vortragen.
Die Academie des sciences morales et politiques hatte
hierauf am 27. Mai ihre oͤffentiiche Sizung. Die Berfamms
fung war weniger glänzend als gewöhnlich; fo fehlten auf
den Bänten, weldye den Mitgliedern ſelbſt angemwiefen waren,
unter Andern Thiers, Guizot, Villemain, Mole. In diefer
Sitzung werden in der Regel die Preife vertheilt oder we⸗
nigftens die Namen Derer verliefen, deren eingefchidte Arbeiten
gefrönt find. Dieſes Mat ift diefe Feierlichkeit weggefallen,
angebtich, weil keiner von ben Goncurrenten irgenb eine der ges
flellten Aufgaben auf eine genügende Art geldft hat. Die Aka⸗
demie hat ſich deshalb veranlaßt gefehen, bie ausgefchriebenen
Fragen audy auf das nächte Jahr noch auszubehnen. Davon
intereffirt uns namentlich diejenige, derzufolge eine Analyſe der
vorzüglichften philoſophiſchen Syſteme verlangt wird, welde in
Deutfchland feit Kant zum Vorſchein gefommen find. Diele
Aufgabe dat ebenfo wertig als die übrigen biefes Mal eine Er⸗
ledigung gefunden, und iſt deshalb gleichfalls noch für das kom⸗
mende Jahr guͤltig. Der Graf Portalis, der die Sitzung er⸗
öffnete, war, um einen Ausdruck, ben man von Sängern ges
braucht, auch auf den Rebner anzuwenden, fo wenig bei Stimme,
daß der Sinn feiner Rebe geradezu unverflänblich ward. Dies
war um fo unertraͤglicher, da dieſelbe von einer ungebührlichen
Länge war. Mignet hat als alabemifcher Rebner im gefammten
Snftitut einen Rebenbubler. Seine Lobreden werben jedesmal
mit der größten Aufmerkfamteit angehört. In ber That weiß
er aber auch ben Gegenftand, den er behandelt, fo geiftreich
barzuftellen, fein Stil ift fo pilant und babei body fo claſſiſch
vollendet, er weiß in bie einfache biographifche Erzaͤhlung fo
uͤberraſchende polltiſche und hiftorifche Betrachtungen einzuflechten,
daß man unwillkuͤhrlich an Alembert, ber eben wie Mignet lange
Jahre die öffentlichen Paradereden halten mußte, und ſich doch
nicht erfchöpfte, erinnert wird. Alle diefe Gigenfchaften werben
noch durch ein ſehr einnehmenbes Üußere und ein autdrucwelun
Hangreiches Organ gehoben. Beſonders bewunderntwerth fheint
es uns, wie Mignet in feinen Reben oft einem und demfelben
Gegenftande immer wieder neue Geiten abzugewinnen weiß,
Eins diefer Themas, die faft Immer wieberkehren, if, wie die,
ba es Mignet faft immer mit foldhen Männern zu thun hat,
die beim gewaltigen Umſchwunge des vorigen Jahrhunderts be
theiligt waren, in der Natur der Dinge liegt, die franzoͤſiſhe
Revolution und bie Ereigniffe, die in Folge berfeiben über Gas
ropa hereinbrachen. Auch in feiner diesjährigen Rebe, die dem
Leben und bem Wirken des trefflichen Daunou (geft. den W. Jeni
1840) gewidmet ift, wird dieſer gewaltfame Umſturz der beſte
benden Ordnung berührt. Aber ber Redner hat diefem unendiich
oft behandelten Gegenſtande immer wieder neue geiſtreiche Be
trachtungen abgelodt, die, wenn fie auch manchmal mehr bienben
als überzeugen, doch ſtets bie Anfmerkſamkeit und das Intereffe
der Zuhörer fefleln.
Es wird den zahlreichen Verehrern Mignet's fehr erfreutih
fein, zu hören, daß der Buchhändler Paulin gegemwärtig eine
Sammlung ber kleinern Werte unb namentlich ber intereffan:
teften Lobreden des berühmten Verf. ber „Histoire de la rt-
volution frangaise‘‘ vorbereitet. Bon berfelben werben binnen
kurzem zwei Bände u. d. X. „Notices et me&moires historiques
Ins à l’Academie des sciences morales et politiques de 133
— 43. die Preffe verlaſſen.)) In dieſer Zufanmenftellung wird
man ben Umfang der Kenntniffe und das ungewöhnliche Zalmt
Mignet’s in der Eharakterzeichnung berühmter Zeitgenoſſen er
ganz kennen lernen. Staatsmaͤnner, Philoſophen, Prubliciften,
Phyſiologen werden von ihm mit gleicher Sicherheit gezeichnet.
&o enthält der erite Band nebeneinander die Portraits von
Sidyes, Roederer, Livingfton, Talleyrand, Brouffais, Merlin,
Deftutt de Zracy, Daunou, Raynouard. Im zweiten Bande
werden mehre kleinere hiftorifche Abhandlungen zufammengefaßt
werden, bie, weil fie in einzelnen gelehrten Journalen gerſtreut
waren, zum Theil ihre rechte Würdigung nod) nicht gefunden
haben. Für uns dürfte ein Auffas, betitelt „La Germanie au
Sieme et au Yieme siecle; sa conversion au christianisme et
son introduction dans la a0ciété civilisee de !’Europe oedi-
dentale”, von befonderm Sntereffe fein. Von einer andern
Heinen Abhandlung: „„Krablissement de la reforme religiens
et constitutive du calvinisme à Gen&ve’’, die gleichfalls dem
zweiten Bande der Eieinen Schriften von Mignet einverleibt
wird, ift vor kurzem eine deutfche Überfegung erfchienen, bie von
3. 3. Stolz, dem Secretair Dignet’s, berührt. 6,
Literarifhe Notizen aus England.
.Sraf 9. Krafinsti gab heraus: „Polish aristocracy ad
titles.’ Der Verf. nennt fi) einen Gmigranten, der zwat
fein Engländer, aber doch einer von Kerzen fei und fi de
Rachſicht eines edelmäthigen und wohlmollenden Publicumd m
pfiehit. Gr gibt darin Nachrichten über die Union zwiſchen
Polen und Lithauen, unb verbindet damit Skizzen und And:
boten über die großen polnifhen Familien. Zur Gradtun
unferer Lefer theilen wir mit, baß der Verf. in ber Vorttde
den Wind auf den Steppen ber Ulraine einen Kofad tanz
laͤßt. Überhaupt feheint er nicht gerade einen claffifchen eng⸗
liſchen Stil zu fchreiben, was auch von einem polniſchen Emi
granten nicht wol zu verlangen ift.
Bon Sir Walter Boyd, Verf. von „The epitome of tbe
history of literature’’ und „The guide to Italy’, erſchien der
erfte Band einer „Complete history of literature, embracing
the progress of language, writing and letters, from th
earliest ages of antiquity to the present time”. 18,
9 Dos Werk iſt bereit erfhienen und wir berichten noͤchlteni
baräber. D. Reb.
Berantwortiiger Herausgeber: Heinrich Brokhaus. — Drud und Verlag von F. X. Brochaus in Leipzig.
Blätter
literarifcht
f
Unterh
v
uͤr
altung.
(Beſchluß aus Nr, 231.)
Schon in der perſoͤnlichen Erſcheinung beſtand daher
eine ganz ungemeine Verſchiedenheit zwiſchen den beiden
Dichterheroen. Verfolgen wis nun weiter den ahbweichen⸗
den Gang ihrer beiderſeitigen Bildung bie zu der Zeit ih⸗
res nachherigen Außern und innern Vereins.
Blicken wir zuerſt auf den, der Zeit nach, den Vor⸗
tritt vor Schiller Habenden. Wie ſchon Goethe's Wiege
in einer vom Gluͤcke beguͤnſtigten, hoͤchſt freundlichen Um:
gebung ſtand, fo führte auch die Hand der Fortuna ihren
durch dauerhafte Koͤrperkraft, Geſundheit und Schönheit
ausgezeichneten Liebling, faſt ohne je nur auf Yugenbiide
von ihm abzulaffen, busch das Juͤnglings⸗, Mannes: und
Greifedalter hinduch, In feiner Anfchauung der Welt
faßt von jedem nach Willkuͤr durch ihn gewählten Stand:
punkte aus durch nichts gehemmt und gehindert, von eis
gentlichem Mangel und wahrer Noth beinahe ganz unbe⸗
ruͤhrt, konnten alle Keime feines hochhervorragenden Geiz
fies fih in vollfomnnenfler Freiheit zu den ſchoͤnſten Bluͤ⸗
ten und Früchten entfalten. Die mitunter natürlich auch)
diffonirenden Leidenfchaften und Irrthuͤmer feiner Jugend
(fen fi faſt immer in Wohllaut auf und menden den
entzuͤkendſten Blumenſchmuck in feinen Lorberkranz. So⸗
gar nad) dem ihn noch im hohen Alter ganz unerwartet
treffenden Verluſte des kinzigen Kindes reichte ihm Phoͤ⸗
bus Apollon, für die ihm lebenslang gewidmeten Huldi⸗
gungen dankbar, die göttliche Hand- aus den Wolken. An
ihr füͤchtete der ſchwerverletzte reis vor der nach fo lan:
ger Berfhonung ihn um fo empfindlicher treffenden Grau⸗
ſamkeit des Lebens in die heiten Räume der Po—eſie.
Bande herrliche Schöpfung gelang ihm noch-dost, Die
größte davon war die FErfuͤllung eines Lange gepflegten
Wunſches, die Vollendung feines „Fauſt“. Mögen im:
mahin ſtrenge Richter Ri der dee wie an der Ausfuͤh⸗
rung vielleicht gerechte Ausftellungen machen. Mag auch
Niemand im Stande fein, über den Sinn des Ganzen
ung völlig genugende Aufklärung zu finden, fo wird bad
on feinen, einzelnen Partien nach der zweite Theil des
anf immer ein Werk bleiben, wodurch es dem Die:
wteften in. feinem haben Alter noch gelang, ſich über
die gfananıte noch Jebende poetiſche Jugend hoch hinaus:
235. ——
28. Auguſt 1848.
So blieb denn dem Unfterblichen Fortuna im Allges
meinen bis an das Ende feines gehaltreichen Lebens ge:
treu. Sein Schluß war gewiffermaßen der Spiegel des
Ganzen. Hatte der Tod feines Sohnes das Drama bis‘
zur Höhe der Tragödie erhoben, fo bewies diefe ihre Edit:
beit eben durch den mit Vollendung bes „Fauſt“ gelun:
genen, verföhnenden Schluß.
Laßt aber wol ein fchrofferer Gegenfas zu dieſem lanı
gen, fonnenhellen Leben fich denken, als das kurze Dafein
unfers Syiler? Vom erflen Athemzuge nad) Erblidung
des Tageslichts, in düftern, engen, unbehaglichen DVerhälts
niffen, lag er als Kind wie auch fpäterhin beindhe forts.
dauernd mit feinem ſchwaͤchlichen Störper im Kampfe.
Der bei feines häuslichen ynd Schulerziehung vorwaltende
Terrorismus nahm durchaus feine mildere Form an, als
ihm, 14 Jahre alt, vom Derzoge Karl von Würtemberg
die Gnade der Aufnahme in die militairifhe Pflanzfchule-
zu Stuttgart widerfuhr. Es war eine Art auch unter
Geiſtestyrannei ſeufzender Leibeigenſchaft. Vom Studium.
der Theologie hinweg zur Jurisprudenz gedraͤngt und von
dieſer nach der Arzueikunde geſchleudert, hatte Schiller in
keiner dieſer drei Kacultäten Troſt gefunden. Die Poeſie
hatte fi feiner ganzen Seele bemächtigt, durfte jebod),.
‚ dee Brotwiſſenſchaft halber, nur verflohlen von ihm cul⸗
tioizt werben. Gleichwol drang fie durch und fein Schau⸗
fpiet „Die Räuber” machte die gewaltigfte Senfation.
Inzwiſchen zwang doc dad Bebürfniß ihn, die Anftellung
als Regimentsarzt nicht zuruͤckzuweiſen. Sein Dichter:
geift brach hervor aus dem Käfig, worin man ihn zu er⸗
ſticken trachtete. Mit dem, allerdings ein gemeinnußiges
Streben beustundenden, ‚ober dem vielen von ihm beab-
fihtigten Guten durch empörenden Zwang bei der Eins
führung oft felbft in den Weg tretenden Herzog Katl,
ſeinem Sönuer, in das druͤckendſte Misverhältniß gerathen,
bleibt Schiller zuletzt nichts übrig als eine heimliche Flucht.
Alein, auch nach abgeflreifter Kette, läßt in feinem jun⸗
gen, fiy immer weiter verbreitenden Dichterruhme das Un:
ı gl, im vielfacher Geſtalt, nit von ihm ab. Bon jeder
: Banftigen Yusficht zum Fortkommen im geliebten Vater:
lande Singpeggehrängt, füllte die Gegenwart ebenfall$ zer:
| molmend über ihn her, Sein zweited Drama „Fiesco“,
halt anfangs gar nicht, was er fi von ihm. verſprochen
hatte. Immer ‚härter bedrope ihn Mangel und Noth.
sa.
Dazu muß er ſich zu Zeiten ganz verbergen, aus Beſorg⸗
niß, der herzogliche Corporalſtock koͤnne fogar über Würs
temberg6 Grenze hinausceichen und der heimatlofe Dichter
vielleicht, im fein Geburtstand zuräcgefchleppt, die glaͤn⸗
zenden Erfolge feines erften Dramas auf der Vefle Hohen:
aßyerg lebenslang zu betrauern haben. '
Sogar fpäter, nachdem Schillkr endlich, ben vieljähri:
gen Wirren enthoben, eine freiere, günftigere Luft einath:
mete und feine Verhaͤltniſſe ſich immer vortheilhafter ge:
ftafteten, begleitete ihn das Unglüd noch boshaft, bald in
Form einer Krankheit, bald als plögliches Abfallen einer
am Herzen getragenen Hoffnungsblüte, bis ein, leider fehr
fruͤhes, Grab den allgemein Bewunderten vor alien fer:
nern Verfolgungen in Schug nahm.
Konnte wol ein fo fchreiender Abſtich zwiſchen dem
Zuftande und Entricelungsgange der beiden Dichter zu
einem, dem Vereine miteinander günftigen Reſultate füh:
ren? Mußte nicht vielmehr die Sklavenkette, deren Ende,
fogar nachdem Schiller fie mit Gewalt zerriffen, immer
noch melancholiſch ihm ins Ohr klirrte, die Folter, die feis
nen Geift in eine einfeltige Richtung geswängt hatte, ver:
möge der er bie ganze, eben beftehende Wirklichkeit zu ei:
nem Kampfe auf Tod und Leben in die Schranken tief
— ein Ruf, ber, aus jeder Zeile feiner „Raͤuber“ gellend,
die ganze damalige Zeit erſchuͤtteree — eine Finſterniß
üser ihn ausfchlitten, die, bei feinem zum Bewußtſein ge:
Iangten, innern Gehalte, ihm die Stimmung gewiß nur
noch graufamer verbitterte, wenn er ben vom Schidfale
ſtets ſorgſam auf den Händen getragenen und fo dem Ge:
nius des Ruhm in die Arme gelegten Goethe im vollen
Beſitz aller irdiſchen Güter glänzen fah ?
- Und Goethe, dem auf feiner biumenvollen Lebensbahn
ebenfo ficher aller Glaube fehlte, daß, wie bei Schiller,
die Verzweiflung zum Aufſchwunge eines Gentus mit bei:
zufragen vermöge, wie konnte die offenbare Spur der Ber-
zweiflung in Schiller's Dramen und hauptfſaͤchlich in def:
fen wahrhaft gigantifher Schöpfung, den „Räubern”, einen
andern als widerwärtigen Effect auf den Dichter machen,
deffen ganzes Weſen Zeit und Gelegenheit gehabt hatte,
ſich nach allen Seiten hin gleichfoͤrmig zu entwideln und
auszubilden ?
Meines Erachtens mußte nad) den fo ganz verfchiebe
nen Pfaden, auf denen Goethe und Schiller den Tempel
des Ruhms erreicht harten, auch in bdiefen heiligen Hal⸗
len noch ein volllommenes Verftändnig übereinander Bel:
den anfangs unmoͤglich werden. |
Wirklich Hatte Goethe den dem „Don Carlos” vor:
ausgegangenen Dichtungen Schiller's Leinen Geſchmack abs
gewinnen können und aud den „Don Carlos“ nicht ge⸗
eignet gefunden, defien Verfaffer ihm näher zu bringen,
und Schiffer, obfhon ein Bewunderer von Goethes Wer:
een, war, feinem eigenen Geftänbniffe nach, zu fehe im
Bewußtfein feines Werthes, um biefen nicht durch Zuruͤck⸗
Haltung gegen Goethe geltend zu machen, der, wie Schiller
bei der erften Zufammentunft mit ihm wahrzunehmen
glaubte, fi) über Ihn ftellen oder ihm ignoricen wollte,
Bei alledem, aͤußert er darüber, habe feine, in ber That
große dee von Goethe, nad) biefer perfönlichen Bekannt:
(haft fi nicht vermindert, aber er zweifle, ob fie einan-
der je näher ruden würden. Vieles, was ihm, Schiller,
iegt noch intereſſant fei, was er noch zu wünf und
zu hoffen Yabe, habe ſeine Epoche —2 rchlebt;
Soethe's ganzes, Weſes ſei ſchon Yon aut bie anders
angelegt ale das feinige; Goethe's Welt nicht die feinige;
ihre beiderfeitigen Borftellungsarten weſentlich verfchieben.
Indeſſen fchließe fih aus einer foldhen Zuſammenkunft
nicht gründlih. Die Zeit werde das Weitere lehren.
Und Letzteres iſt auf die erfreulichite Weiſe erfolgt.
Mührend des in Goethes Nachbarſchaft verfegten, weit
jungern, Schiller's nachherigem Umgange mit ihm iſt das
Berftändnig übereinander ihnen weit genügender aufge:
gangen, als nad) allem zudor Bemerkten die kuͤhnſte Hoff:
nung folches hätte träumen koͤnnen. Offenbar erkannten
Beide, daß, wie verfchieden und contraftirend fi auch
ihre Bergangenheit geftaltet hatte, es body berfelbe hobe
Gentus war, ber in ihnen flammte und Beide wie mit
magnetifchenn Zauber aneinanderzog. Gar freundlich druͤckt
Goethe (Taſchenausgabe feiner Werke, Bd. 31, &. 78)
bei Erwähnung feiner gemeinfchaftlihen Wirkſamkeit mit
Schiller für das weimarifche Theater 1797 fein Behagen
an Schiller's Entfagung des Rohen, Übertriebenen und
Gigantiſchen und darüber aus, daß ihm hierdurch das
wahrhaft Große und deſſen natürlicher Ausdruck gelang.
Dabei dußert er auch, daß bie beiden Engverbundenen Bei:
nen Zag in ber Mähe verlebten, ohne fich mündlich, Feine
Woche in der Rachbarfhaft, ohne ſich ſchriftlich zu un:
terhalten. Und daß ihre Innigkeit hauptſaͤchlich auf eine
vollkommene Übereinfiimmung ihrer roifienfchaftlicen und
Kunftanfichten ſich erftredte, davon zeugen mehre ganz in
Einem Sinne gemeinfchaftlich gefertigte Arbeiten, wie die
Kenien, von deren manchen die beiden Dichter nicht wuß⸗
ten,: ob ber eine oder ber andere der Werfaffer ſei. Einen
eöfttichen Eommentar über die Innigkeit des Verhaͤltniſſes
zwiſchen Goethe und Schiller, deffen Entfichen und Kort:
gang und wie jeder von Ihnen zunaͤchſt darauf ausging,
fih in geiſtiger Dinfiht aus dem Andern zu ergänzen,
gewährt das angeführte Werk von Gervinus.
Ohne Zwelfel verdanken wir dem Bereime, der fich
über Kunft und Wiſſenſchaft überhaupt und befonders
auch Über ihre poetifchen und andern Iiterarifchen Erzeug⸗
niffe mitelnander berathenden Sänger mandyes Schöne im
„WBallenftein” und in den ihm folgenden Schiller'ſchen
Tragddien, ſowie mehre herrliche Gedichte Goethes, bie
fonft vielleicht entweder gar nicht, ober doch in minder
vollendeter Geſtalt erfchienen wären. Goethe geftand auch
ſelbſt Schiler, daß er ihn wieder zum Dichter gemadye,
was zu fein er fo gut als aufgehört gehabt Habe.
Dabei kann ich gelegentlih mein Bedauern baräber
nicht unterbrüdten, daß dem „Wallenſtein'ſchen Lager” das
im erſten Xhelle der von Gen. Boas herausgegebenen
„Nachtraͤge zu Goethe's Merken” (S. 33) abgedruckte
„Soldatenlied“, von Goethe gedichtet und von Schiller
mit einigen Verſen vermehrt, welches dem Lager zugedacht
geweſen, entzogen worden iſt, da es nicht leicht etwas
Gharatterffilfgeren geben Tann Als eben Diefr6“ Ebahen.
Allerdings mag wol häterhin das durch ——
noch Immer allenthalken augemmeinen: Anklang fin
„Reiterlid“ am deffen Stelle getreten fein. Aber daderch,
daß ed in 4 Reitern nur einen Theil bed damäligen
Kriegetreibens ausjuſprechen ſucht, wird es minder etſchoͤ⸗
pfend in ſeiner Darſtellung des vorherrſchenden raubluſti⸗
gen Stiamung bes Heeres, als jenes von Muchwillen
trunkene Soldatenlied. 2
Schon diefe geiftige Verſchmelzung der beiden Freunde
ineinander, da& eifrigfte Beſtreben, fid is ihren Werten
einer duch deu andern wechfelfeitig zu vervolllommmen,
ſollte die Srage, wer mol größer fei von Beiden, wenig⸗
find als Streitfrage, für immer befeitigen. Schiller
gleicht, nach meiner Anficht, dem gewaltigen Flammen⸗
frome eines Vulkans, der, im erhabenen Dunkel der
Naht zum Himmel firebend, mit feiner Pracht einen
weiten Umkreis zanberifch befeuchtet, aus dem uns Die
Mahnung: „Nicht unten auf ber Erde, fondern hiet oben,
ift des Menſchen mahrhafte Heimat”, mächtig ergreift und
erhebt; Goethe dem Elaren und doch unergründlichen Him⸗
mel, der am Tage die Welt und deren Geſchoͤpfe in bie
mannichfachſten Sarben leidet und bei Nacht im ſtillen
Wunderglange der Sterne zugleich feine und die allge:
meine Unfterblicykeit verfündigt.
Volle Bewunderung und gerechtes Erſtaunen muß
wol die Betrachtung ber himmelmeiten Verſchiedenheit
zwiſchen dem Schiller aus dem vorlegten Decennium bes
18, Jahthunderts und dem nachherigen Schiller erzeugen.
Don dem im Schaufpiele „Die Räuber” duch ihn auf:
geregten koloſſalen Donnerflurme gegen Geſetz, Herkom⸗
men und Sitte, aus dem nebenher faft allenthalben bie
finnfihe Natur im Menfchen hervorbricht und von feiner,
die letztere in Inrifchen, mitunter fo wilden ald unfonoren
Klängen noch weit auffallender darthuenden Sammlung
von Gedichten: „Anthologie auf das Jahr 17823”, deren
größter Thett ihm ſelbſt zum Verfaſſer haben fol, aud)
niht die mindefte Spur in feinen fpdtern Werten! Wis
aus den früheren die Sinnlichkeit oft ohne alle Hülle ſich
kundthat, fo find die fpätern aus der reinſten Sittlichkeit
hervorgegangen. Schiller erfcheint in ben legten als bie
in feinem herrlichen Gedichte „deal und Leben” vorkom⸗
mende, hohe Geſtalt des von allen Schlacken der Erde ges
läuterten Hercules.
Ganz anders ſtellt ſich ums Goethe's Lebensbild dar.
Schiller's geiſtiges Weſen zerfaͤllt in zwei einander völlig
entgegengeſetzte Theile. Goethe hingegen behauptet von
Jugend an bis in das ſpaͤteſte Alter immer dieſelbe Ge:
kalt, voll Geiſtes⸗ und Koͤrpermark. Der unnatürliche
äußere Druck, verbunden mit einem gewaltigen Geifle in
ſchwaͤchlichem Körper, mußte bet Schiller ſtoͤrend auf das
Gleichgewicht zwiſchen Geift und Körper einwirken, waͤh⸗
u) die gebeihlichen, harmonifchen Elemente, in denen es
Ste ſich zus bewegen verflattet war, Letztern am .beflen
dor dem ganzen verwahrten, worein biefe fo kernge⸗
ſunde Geiſtes⸗ und Körperkraft fonft vermuthlich ebenfalls
geratben fein wuͤrde. So viel mir bekannt worden, hat
dende
gemuͤthlichſte Si
Gocthed jugendinde ByitE. niefnald aus beim Gebiete des
AMiftandes in finntiche Räume, toriche ben gefeliſch
Regeln Hohn geſprochen Hätten, hinuͤdergeſttebt.
ehe
€ ß
fetienvollen ber ads" GSeeſenheim, deren mehre erſt ver
ı einigen Fahren zum Worſchein gekommen ſind, d
bei einer hoͤchſt anſprechenden Delicateſſe des Gefuͤhls die
Sittenreinhelt, wie alle übrigen in den nochſt⸗
folgenden Lebensperioden gedichteten Lieber nad Momangen,
weiche. nebſt dem zefien Theile bes. „Fauſt“ (beffen Un⸗
ſchicklichkeiten in ber Blockobergéſcene zur richtigen (Ehas
rakteriſirung "der Perſonen und Umſtaͤnde nicht wohl zu
entrathen waren) als die hoͤchſten Kleinode feines mer
meßlichen Kunſtſchatzes zu betrachten ſind. Seinem gan⸗
zen behaglichen Bildungopfade nach konnten Goethe's er
ſtrebungen ſchwerlich jemals dahin geben, feine. Werke fo
forgfättig, wie Schiller in der ſpaͤtern Periode, von allem
Sienlichen frei zu halten. Wie Goethe, ducd das Schick⸗
ſal begünfligt, dem Geiſte und den Sinnen nach immer
der ganze Menſch hatte fein dürfen, fo ſollten auch bie
durch ihn aufgeftellten Charaktere, Zuftäude und Werke
fi überall als der Abdruck diefer ineinandergreifenden beis
den Hauptbeſtandtheile des irdiſchen Menſchen bewähren,
Neben dem Beifte gehörte, feiner Anficht nach, Fieiſch
und Blut zur Verlebendigung aller Kunflwerle. Dem
Sleifh und Blute durfte daher Fein abfolutes Schweigen
auferlegt, aber demſelben ebenfo wenig erlaubt werden,
duch Borlautfein das, nicht auf bloßer temporairer Des
cenz beruhende, fondern in unferm Innern feinen Grund
habende Sittlichkeitsgefühl zu verlegen. Und Lepteves iſt
gewiß fogar bei denjenigen Stelen in Goethes Merken
nicht gefchehen, wo Fleiſch und Blut am lauteſten fpres
hen, wie z. B. in den koͤſtlichen, Roͤmiſchen Elegien”
und feiner wunderherrlichen „Braut von SKortach”. ’
Adam Müller fagte fon 1806 in einem feiner zu
Dresden vor einer größtentheils hochgebildeten Verſamm⸗
lung gehaltenen Vorträge über deutſche Literatur: „Wie
Goethe der Geiſt unferer Poefie genannt werden kann,
fo it Schiller ihre Herz”*, Das ſchimmernude Wort,
fobald man es fefter ins Auge faßt, biendet vieleicht mehr
als es leuchtet; ich gedenke feiner nur beifäufig an biefer
hierzu paffenden Stelle, da eine Ideenverwandtſchaft mir
ſolches ins Gedaͤchtniß brachte. Bekanntlich fpielt bei ung
Deutihen das Herz eine wichtigere Role als bei den
meiften andern Völkern. Oft geht es offenbar viel zu
weit und verlangt fogar eine Stimme bei Dingen, melde
ber Geift viel beffer, ganz ohne daſſelbe, abthun koͤnnte.
Und wegen biefer offenbaren Präponderanz des Herzens
iſt e6 wol kein Wunder, wenn der, immer das Herz in
”) In dem fpäter erfolgten Abbrude dieſer Friedrich von
Gerz gewidmeten Vorlefungen erfdgeint die &telle etwas abs
peänbert und lautet ihrem ganzen Inhalte nad) alfo: „Wenn
Goethe nach der Klarheit, Verftänblichkeit feiner Zuͤ
feiner Augen, feines Blicke und nach ber Meiſterſchaft k
ner Werke, Haupt und Hand unferer Poefie nennen möchte,
fo ift Schiller ihr Herz, das unfühlbarer, aber mit befto fies
ferm, innigerm Schlagen bie heilige Empfindung offenbart, bie
ol eemnoen der Deutſchen für Wahrheit und Schoͤn⸗
[4 .
ſeinen Taten zumächfk bericktichthende Achiller *
dausichen Wolke ins Maemeinen von ion: mehr. anlage.
BG Soethe, dem unfirditig, wegen feiner Uninmfelität, der
gebildetſte Theil des übrigen Bälle Eurepee, ſofern er
De deutſchen Sprache hinreichend kandig iſt, vor Schiller, |
den Preis zuerkennen wird,
Doch am Schluffe diefer Betrachtung noch wenige
Were uͤber den Verein ber zwei hoͤchſten Zierden ber
deutſchen Literatee und Poeſie. ss nicht an das
Wunder, daß dieſe beiden, vermöge ber fchroffen Gegen⸗
füge in ihrem Bildungssange und in ihren Gliccksum⸗
ſtaͤnden fe ganz verſchieden fich darſtellenden, großen Mas
turen, die gerade durch die ihnen fpÄter vom. Schidfate |
angersiefene perſoͤnliche Naͤhe ſich anfangs im SIunem |
noch weiter voneinamder entfernten und fich immer unvers
ſtaͤndlicher zu werden ſchionen, zuletzt einander kaum ent⸗
behren kounten und bie durch aͤußere Einfluͤſſe fo welt
audeinander gehaltenen Geiſter gewiſſermaßen nur zu Eis |
nem Geiſte ſich emporſchwangen?
Wenn ich nicht irte, fo wurde Goethe ſchon bei Leb⸗
zeiten von der Buchdruckerpreſſe zum Dichterfuͤrſten aus⸗
gerufen. Das war voreilig. Nicht, als ob ihm die Qua⸗
Hficatton dazu fm mindeften abgegangen wäre. Allein,
man hätte dem gewaltigen Dichterheros die dadurch aufz
izten Bosheiten des giftigen Neides erfparen follm, |
Überhanpt gehören bergleichen oͤffentliche Anerkenntniffe ei⸗
ned ausgezeichneten Lebens zu den Dingen, bie erft nad)
deſſen Tode zur Reife gelangen, wie die Helligfprechung |
und das reichten von Denkmaͤlern. Nun, nachdem bie
Leichname beider Unfterblichen fehon fo lange denen der
* von Weimar beigefellt ſind, nun mag der Neid |
ch baräber nad) Belieben ausfprechen, daß die ganze
fachkundige Zeit unſtreitig Goethe der poetifchen Fuͤrſten⸗
krone werth achte.
fondern Mebtinge, Schiller, einen gleichen Antheil an dem
Kronenglanze um fo weniger verweigern, da bie Innigkeit |
des Verhaͤleniſſes zwifchen ihm und Goethe irgend einen
geiſtigen Unterſchied zwiſchen ihnen kaum zulaͤßt. Ber:
danken wir doch der bis zur Einheit gelangten, harmoni⸗
ſchen Fortbildung unſerer zwei Dichterfuürſten eine große
Zahl beiberfeitiger Werke, die vermöge ihres Zuſammen⸗
wirkens allein bis zu einem Grade von Vollkommenheit
gediehen, welcher ihnen außerdem unerreichbar geblieben
ſein wuͤrbe. 30.
Bildes „Austria”.
raum if ein Land in jüngfter Zeit im Guten wie im Voͤ⸗
fen mehr beſprochen worben als Oſtreich; auch englifche Zouriften
und ee nſchaftiiche Reifenbe ‘wenden ihm jetzt mehr und mehr
ihre Aufmerkſamkeit zu. So erſchien neulich eine Schrift zu
Dublin unter. dem Titel: „Austria: its literary, scientific and
medical instituons”, von W. R. Wilde. Hauptſaͤchlich ver⸗
breitet ſich der Verf. über bie Dofpitäler und big übrigen An:
flaften Wiens, welche für einen Mediciher von Jutereſſe fein
fönnen, und diefe erhalten im Allgemeinen ihrer Ausbehnun
und‘trefflichen Einrichtung wegen großes Lob; doch laͤßt er el:
ir iloſophie in —— wen
arg Io i nen
Die Zeit wird auch gewiß Ihrem be: |
En aan Bons * Yet Ei ei rar trefflicherer
* * *8 Es, tom kaun
daß fuͤr
ent ſſenſche
oder einer ihrer
einer andern Stadt Med und —2
‚Halfemdetein. Die Chemie hat bis nie geblühtz die Affzonos
‚ie ift mit ihrem ebenen Profeſor zu z gegangen ;
ſchloſſen in ben ei efajlen des 8. 1.
—* ir fe we: hi w de in Hrn. SE aufbluͤbt);
nommen
Biene, na ed der dadurch
auf ſich gezogen, * * einige —* Etelen unb Aus⸗
druͤcke enthalten ſollte, im 8. ein kaiſerliches OEdict ver⸗
anlaßte. Diele ſeltſ jopıen Vorkeh maßregeln, um bie Res
ligioſitaͤt und Moralität der Oſtreicher im Statu que gu Laffen,
fcheinen dem Briten um fo auffaender, ba er fonft die Sitten
ſehr lar an was er * der —
zu beweiſen . Richt immer abgeneigt, bes „Hr das Bott“
uech das Boll’ ben Hier *
Anetdote.
Der boutfde Bauer.
Bi. ann Kriege seit eine Stusifpartie einen
m MBobenfre an mußte.
der ipr den Weg nad be
—* "easten iin bie Reiter, * ex ſchwed er kaiſer⸗
ſei. Gr aber gedachte: „Sagſt du kaiſeruch, "Ta Ge ſich
in, vor ſchwebiſch ans, und raumen dir ben ab; ſagſt
du aber fi ſchweru⸗ fo widerfaͤhrt dies — *— antwortete
fie es nicht”. . —* ſagte sin Weiter zu
aren wenig weil die —*
daten die Bauern Schelme nannten, ww fie lm sten, unb bin:
gegen die Bauern die Goldaten Diebe halten, wenn |
nicht hörten, „Scheim, du wirft ja wilfen, wem bu an er |
‚ein, the Deren”, antwortere uietu ber Baucn, „buß.dft Ohne Ge:
abr nie zu. jagen, ich. fei Mn uf meins ziaenen —
auf JF * Mie ena Fr 7 die |
enneſt UND ſagſt, wie es dir ums Derz i o ich dich
gi deines Ah laufen laffen, wo ua 1 zus vi 6 6 |
obenfee oßme ale Barmherzigkeit erfanfen.‘
Bau
nahm deu offer De Dan Wort, und auf deffen Em Authesung „ei |
Schelm⸗ ven fein Vort nids Häst® —E * |
wollte, bie Eaiferlichen en sen eine M —— f} *
wie der Bodenſee, und die jet n wären bie karın,
alsbann möchte ber Teufel fie —e en Das
Hab ein Gelaͤchter und dem Bauer nn bir —5 —
Diefe Geſchichte Di in
Berantwortliher Deraudgeber: Heinrih Brochaus. — Dauct unb Verlag von J. X. Bus 7 a ——
8 I
atter
. fbx | | oo .
iterarifhe Unterhaltung
Donnerstag,
Rofentranz über Schelling.
Schelling. Borlefungen gehalten’ im Sommer 1842 an ber Int.
verfität zu Rönigeberg von Karl Roſenkranz. Danzig,
@r. 8. 23 hie j
Daß De naͤchſte Weranlaffung der Herausgabe biefer
Vorleſungen die Berufung Schelling’s nach Berlin gemwe:
fen ift, geht forsol aus der Vorrede als aus den Be
trachtungen hervor, mit welcher bie erſte Vorleſung bes
ginnt; und daß fie nicht herausgegeben wurden, um
Schelling Sonceffionen zu machen, beweifl das Motto über
dee Vorrede: Man muß nicht nur kämpfen, fondern aud)
firgen wollen.“ Zugleich bittet aber der Werf., feine Ar
beit nicht für eine bloße Tendenzſchrift zu halten; und
das if fie auch infofern nicht, als fie von den fogenanns
ten „meueften‘‘, in Berlin — wie die Sage geht, aus
ätem, in Münden auch fon vorgelefenen Heften —
mitgetheiften Philoſophemen Schelling’6 weder eine Dar⸗
ſtellung noch eine Kritik enthält. Der Verf. fagt zwar,
er glaube, unterftigt durch manche mündliche und ſchrift⸗
lie Mittheitungen, wirklich zu wiſſen, mas Schelling's
gegemmwärtiger Standpunkt ſei; allein er habe fich enthal:
ten, denfelben näher zu fchlidern und in feinen Befonder:
kiten zu beurtbeilen, weil Schelling gegen ein ſolches Un:
tmehmen immer den Mangel des authentifähen, durch
ihn felbft beglaubigten Urſprungs einwenden könnte. Die
vorliegende Schrift befchränte ſich alſo auf die aͤltern,
laͤngſt der Öffentlichkeit vorliegenden Schriften Schelling’s;
weshalb der Verf. neben fo vielen andern Darftellungen
diefer Philoſophie die vorliegende nicht für uͤberfluͤſſig er⸗
achtete, das, hofft er, werde die Kritik ohne Mühe finden.
Diefed Eigenthüͤmliche, was fie von andern Darftellungen
unterfcheibet,, fcheint nun dem ef. darin zu liegen, daß
der Berf. die Entſtehung und die verfchiedenen Phafen der
altern Schelling'ſchen Philofopbie genetifch darftellt, und
an der chronotogifchen Meihenfolge der Schriften Schel⸗
lings ſowol die Ausbildung als die partiellen Umbildun:
gen der Altern Identitaͤts⸗ und Maturphilofophie darzule⸗
gen fuht. Er geht daher von den Alteften Schriften und
Abhandlungen Schelling's aus, und begleitet deffen fchrift:
Pelkerifiche Tätigkeit bis zu der, nunmehr ſchon bis zum
oft erwähnten, abgedrudten, commentirtin, ge:
prieimen und getabelten Vorrede zu Victor Coufin, aus
jeder dieſer Schriften Dad aushebend, was ihm fir die
Jakob
Entwickelung
und Darſtellung der Schelling'ſchen Denk⸗
weiſe charakteriſtiſch erſcheint. Aus ben: wichtigern Schrif⸗
ten werden dabei zum Theil ziemlich ausführliche, immer
möglichft urkundliche. Auszlige gegeben, aus andern nur
Einzelnes, befondeis Bezeichnendes. hervorgehoben; und fo
bildet das Ganze für Den, dem es fchon bekannt ift, wie
ih Schelling in den Beſitz der von Fichte, Spinoza und
oͤhme binterlaffenen Erbſchaft fegte, eine unter
haftende, mit Gewandtheit vorgeflihrte Reihe von Bildern, -
die der Verf. durch Lebendige Schilderungen der geiſtigen
Umgebungen, in. weichen fi. Schelling bewegte, ſowie
duch feine Pritifchen. Zwifchenreden deutet und auslegt.
Obgleich nämlich der Verf. durch das Feſthalten an. der
chronologiſchen Reihenfolge der Schelling’fchen Schriften
dem Charakter einer genetifchen Darſtellung durchaus treu
bleibt, fo vermißt man doch eine genauere Darlegung bes
Zufammenhangs der Lehre Schelling's mit denen feiner
Vorgänger; das erklärt fich jedoch daraus, daß der Verf.
einige, fubfidiarifhy über Kant, Spinoza und Fichte ſich
verbreitende Vorleſungen abfichtlich weggelaflen hat.
Hiermit koͤnnte ſich eine Anzeige, die. nichts weniger
al6 eine Beurtheilung fein will, begnügen, um den Leſer
auf Das hinzumellen, was es bier zu erwarten bat, und
da6 lisrige der eigenen Lecture zu üsberfaflem Nur über
einen Punkt mögen ein paar Bemerkungen hinzugefügt
werden, da er für das Berhaͤltniß der Hegel'ſchen Schule
zu Schelling, und zwar ganz abgefehen von der Gefahr,
die Ihr jegt, wenn auc mehr aus dußern ald aus inneer.
Gründen von. der „neuen‘ Schelling'ſchen Philoſophie zu
drohen fcheint, bezeichnend iſt. Daß die Scheiling'fche
Identitaͤtsphiloſophie die Baſis der Hegel’fchen ift, hat bie
Hegel'ſche Schule niemals geleugnet. Dadurch wird ein
hoher Grad von Verehrung, welchen fie. dem Genius”
Schelling's zollt, ein unentbehrliches Fundament für die
Anfprüche, die fie ſelbſt macht. An Ausdrüden für dieſe
Verehrung und Bewunderung fehlt ed auch bier. nicht;
die abfolute Einheit aller Gegenfäpe und- zwar nicht ale
todtes Abſtractum, fondern als lebendige, fid aus ſich
fetbft evolvirende Identitaͤt des Heterogenen verfolge und
ausgelprochen zu haben, das wird hier mehr als einmal
als Schelling’S großes, für die Hegel'ſche Schute gewiß
nicht gering anzufchlagendes Verdienſt geruͤhmt. Deshalb
fagt der Verf. fhon ©. 7:
Die Kritik, welche ih mit ber n der Schelling'⸗
ſchen Philoſopheme werbe verbinden muͤſſen, kann, infofern das
Hegel' ſche Syftem die Vollendung bed Gchelling’fchen ifl, keinen
andern Sinn haben als hen, zu zeigen, daß die Stufe, welche
die Speculation mit De einnimmt, bie Wahrheit derienigen
äft, auf der fie mit Gchelling fand und ſteht.
Aber er fest ſogleich hinzu:
Schelling's anzuerkennende Anftvengung befleht, feitbem Des
gel's Phaͤnomenologie ba iſt, darin, den Standpunkt Hegel's
aus ſich zu erreichen. Seine geniale Urſpruͤnglichkeit zeigt ſich
aber darin, dies nit zu vermögen; denn bie Seihicte
vertheitt die Kortfchritte an verfchiedene Individuen, und gerade
das probuctive Tann ben Kreis feiner Nothwendigkeit nicht
echen, weshalb es bie aus feinem eigenen Thun
weiter entfpringendben Thaten nit anzuerfens
nen, nur midzupverfleben vermag.
Seltfam! Kann denn etwa ein unprobuctives Indivi⸗
duum den Kreis feinee Nothwendigkeit durchbrechen? oder
ducchbräche ihn ein probuctives, wenn es Das, was aus
feinem eigenen Thun entfpringt, anertennte? Überdies will
fit) in andern Gebieten, wo von den wirklichen wiſſen⸗
ſchaftlichen Fortfchritten allerding® nicht fo viel Redens ge-
madıt wird, als von den angeblichen der vorherrichenden
Zeitphilofophie, doch gar menig zeigen: von einer folchen
Impotenz, die nothwendige Vollendung und Entwidelung
wiffenfchaftlicher Gedanken — denn das find doch bie
Thaten, von denen hier die Mede ift — auch wirklich zu
begreifen und anzuertennen. Es bat 3. B. mandıen im
Gebiete der Mathematik erfinderifchen Kopf gegeben, der
die Grundzüge neuer Methoden entdedit, aber nicht In
der ganzen Breite ihrer möglichen Anwendungen entwidelt
hat; ſchwerlich aber ift ein Erfinder diefer Art fo bornirt
gerwefen, die aus feiner eigenen Erfindung hervorgehenden
Confequenzen nicht einfehen zu können. Jedoch diefe In⸗
congruenz zwifchen Lob und Zadel wirb, je weiter man in
dem Buche Lieft, deſto auffallender. Schon S. 19 wird
von der erften philoſophiſchen Schrift Schelling’6 gefagt, fie
enthuͤlle fogleich feinen ganzen fchriftftelferifchen Charakter:
Zunaͤchſt fehen wir in ihm einen Sprung... .. So tft
er von Thema zu Thema auch fpäter abgefprungen. Wie fehen
ferner ihn an ein Gegebenes anknüpfen. Sanguiniſch ers
zegt lebt er mit ganzer Hingebung für baffelbe und förbert es
in der That weiter. Er ift kein gemeiner Nachtreter, fondern
ein wirklich probuctiver Geil. In feinem Enthuſiaſsmus aber
- täufcht er ſich in fo weit, daß er ben Anfloß, den ein Anderer
ihm gab, vergißt, und auch Das, was biefer gethan, . . . . als
feine eigene Entbedung anſieht. Er wirb undankbar, zus
naͤchſt ohne e8 zu wiffen... . . Indem er ſich in eine Aufgabe
mit leidenfchaftlichere Ergriffenheit flürzt, verfährt er affens
toriſch. Gr leitet nicht ab; er fagt, es if fo... Richt
zubig genug, eine Sonfequenz in allen ihren @liedern zu vers
folgen, hilft er ſich bei eintretenden Stocdungen durch Voraus⸗
fegungen, durch Möglichkeiten rechts und links darüber hinweg,
und ſchafft ſich dadurch, ohne es inne zu werben, zabllofe
Widerſpruͤche.... Diefer Mangel an umſicht, an kriti⸗
fcher Befonnenheit, an Gontinwität im Denken zerſtuͤckt feine
Schreibart. . . Der Drang bes Fortſchritts führt ihn zu eis
nem poetifchs prophetifchen Zone u. f. w.
Kann man etwas Schlimmeres von Arbeiten fagen,
die als Ausdruck wiffenfchaftlicher Unterfuchungen betrachtet
fein wollen? Und dennoch häufen ſich Bezeichnungen bie:
fer Art im Verlauf des Buche fo fehr, dag man ein
langes Regiſter von Stellen zufammenlefen koͤnnte, wo
von „übermüthiger Gelbfigewißpeit” die Rede if, den
„abenteuerlichen Ausfhweifungen und Gtolz”, von ‚wm.
methodiſcher Weiſe, deſultoriſcher und phantaſtiſcher Ma.
nier“, von „Umsordaung und Zufaͤlligheit der Keflrim«
von einer ‚‚nicht weniger als bloͤden Kecheit des De
fiherne”’, von „brusquer, ſchludriger Bequemlichkeit”, von
„Einſchmuggeln der wichtigften Säge ohne Beweis”, yon
„Oberflaͤchlichkeit“, von „lahmen und flachen Aggregaten
von Begriffen, von ber „unbeholfenen, nichteſagenden
oder vielmehr Unvernünftiges fagenden Auffaffung fremder
Gegelſcher) Begriffe”, von „Zafeleien”, von „Dreiftigkit,
um nicht zu fagen Unverſchaͤmtheit“.
, Nun fagt zwar der Verf. (S. 77) ausdruͤchich: u
würde für ihn der wehmüthigfte Gedanke fein, wenn man
aus feiner Entwidelung eine Verkfeinerumgstendenz dei
wirklichen Verdienſtes Schelling's, wol gar eine Freude
am Tadel über ihn heraushoͤren wollte; und es iſt gewiß
die für den Verf. guͤnſtigſte Praͤſumtion, wenn man an
nimmt, daß biefer Tadel, wie ihn Schelling hier nict
zum erſten Mal und nicht blos von Seiten der Hal:
[hen Schule erfahren hat, nicht ungerecht if. Aber chm
beshalb erinnert die mit ſolchen Urtheilen fortwährend ab:
wechfelnde Bewunderung Schelling’8 ganz unwillkuͤrlich an
das Shakfpeare’fhe: doch Brutus ift eim ehtenwerther
Mann! Sind jene Uetheile über Einzelnes gegrlindet, mad
bürgt denn bafür, daß der Grundgedanke der Scheling:
(hen Philoſophie nicht auch blos eine kecke Verſicherung
oder gar eine Faſelei iſt? Hat Scheling die wichtigſten
Säge ohne Beweis eingefhmuggelt, dürfte man da nicht
auch nad) einem Beweiſe für die Wahrheit Defim fragen,
wovon der Verf. eben auch nur verfichert, daß es einm
„echt [peculativen Kern” babe? Hat Schelling mit „un
kritiſcher Kedheit der Kombination”, mit einer „Intuition
Phantaſtik“ gerade da durchzukommen gefucht, wo es fih
um die Bewährung feines Principe an dem fpecielln Ex:
ſcheinungen der Natur handelte, genügt es da, von „eht
fpeculativem Inftincte”, der „einen Ruck in der Willen:
(haft thue”, von der Unmittelbarkeit der genialen An:
[hauung, von der Kuͤhnheit der fpeculativen Parrhefie zu
reden? Fehlt nicht, wo Mangel an Umficht, an kritiſche
Befonnenheit, an Continuität im Denken als bie alıe
meinen Merkmale einer philofophirenden Individualitaͤt be
zeichnet werden, geradezu Alles, was ihre bei Denm, die
nicht blos ſtaunen, fondern felbft mit unterfuchen wollen,
Zutrauen und Achtung verfhaffen kann? Pflegen etwa
die Meifter der Wiſſenſchaft die willkuͤrlichſten Dinge ind
Blaue hineinzubehaupten, oder hänge nicht die Ehe der
Meiſterſchaft eben von ber, jeden Kortfchritt der Unter
hung gleihmäßig begleitenden Strenge, Befonnenkeit und
Sewifierhaftigkeit ab? Solche Fragen möchten fih wel
einem nur einigermaßen umblidenden Manne aufdrängn,
wenn ihm auch bier wieder zugemuthet wird, trog der
geöbften Fehler, trog „zahllofer Widerfprüche”, an die Res
putation de6 „fpeculativen Inſtincts“ au glauben, dit,
nachdem er undewußt das richtige Princip ergriffen, hin
terdrein fo lahm wird, daß er es zu gar keinem regelmoͤ
Bigen Fortſchritte bringen kann. Vielleicht kaͤme ein fol
947
cet onf bie Vermuthung, daß, wo man in Sachen der
Wiſſenſchaft fo viel Rühmens vom „Iuflinete”” mache,
ver dad Wahre unbewußt finde, da ber eigentliche Geiſt
dee dorſchumg ſchlaff geworden fein muͤſſe; daß alfo jenes
Ruhmen ſich ſelbſt werbächtig mache; umd daß es faſt
fheine, alß ob die Hegel ſche Schule nur in ben Punkten,
wo fir Schelling's Behauptungen adoptirt habe, “diefem
gropmüthig den Beweis erlaffe, und dadurch unfreiwillig
on bie Unfiherheit des Bodens erinnere, aus welchem ihr
eigened Syſtem erwachfen iſt.
Ganz am Ende erwähnen biefe Vorlefungen im Vor⸗
beigchen einen Aufſatz des Franzoſen 2erour in der „Be-
wne independante” (Mai 1842) über Schelling. Diefer
Aufſatz iſt die Veranlaſſung folgender Kleinen Schrift ges
worden: „Über Schelling und Hegel. Ein Sendfchreiben
an Pierre Lerour von K. Roſenkranz“ (Königsberg 1843),
weiche wis hiee noch erwähnen, weil fie der Verf. ſelbſt
als eine theilweife Ergänzung zu den obigen Vorlefungen
über Schelling bezeichnet. Das Hauptthema der Eroͤrte⸗
rung ift neben einigen biftorifchen Verhaͤltniſſen, über wel⸗
che der Verf. die Unkunde des Franzoſen belehrt, die Bes
ziehung und Stellung ber Hegel'ſchen Philofophie zur
Religion, worliber jedoch, nach ben hier fich vorfindenden
Stellen zu fchließen, der Auffag von Lerour kaum etwas
Andered zu enthalten fcheint, als ein, durch rhetoriſirende
Drdamationen einigermaßen mobdifichttes Echo Deffen, was
darüber in Deutfchland ſchon oft gefagt worden iſt; neu
ſchein nur Das zu fein, dag Scelling auch als Reli:
gionsflifter gepriefen ift, was zur Zeit in Deutfchland noch
Niemandem eingefallen fein mag. Die Art, wie ber Verf.
des Sendſchreibens ſich der fremden Nationalität und In:
dividualität aceommobirt, zeugt von großer Geſchicklichkeit,
und die Hegel'ſche Schule hat Urfache, ihm für die Art,
wie er fie gegen das Ausland vertreten hat, dankbar zu
fing wenn er aber dem Urtheile von Perour auch für
Deutfchland eine ziemliche Wichtigkeit beilegt, al6 ob man
daffelbe begierig ergreifen werde, um dieſe Stinnme bes
Austondes als eine Autorität geltend zu machen, fo hätte
er ſich doch wol von diefem Complimente, welches er fei:
nem Gegner macht, durch den Gedanken abhalten laſſen
follen, daß die Krangofen, und nach den von ihm felbfl
mitgetheiften Proben auch Leroug, zur Zeit noch Fein fol-
het Verſtaͤndniß deutſcher Philoſophie beurkundet haben,
daß Deutfchland fich veranlagt finden koͤnnte, ſich feine
Kritik dieſes oder jenes Syſtems aus franzöfifchen Sour:
talauffägen zu holen. 12.
Madame b’ArbIay.
t ohne wirkliches Intereffe für Freunde der Literatur
—* ante —* letzten Hälfte des 18. Jahrhunderts
iſt folgendes in London vor E erfhienene Buch: „Diary
ad letters of Madame drArblay ( Be) Die Verf.
Us Zagebuches war Tochter eines Mufllers Namens Burs
m, der wegen feiner muſikaliſchen Talente von ber nis
derſtaͤt zu Oxford mit dem Diplom eines Doctoss ber Muſik
beebrt wurde. eine Tochter Fanny ober Franziska, die nach⸗
berie Madame d’Arblap, wurde 1752 zu Lynn geboren.
At Jahre ſpaͤter zog ihr Water mit feiner Bamilie nad
Sonden, wo er großen Beifall und viele Schäter fand, At
Yauny noch ihr A WB & Iernte, verlor fie ihre Mutter und
mußte nachher ſich ſelbſt erziehen, da ber Water, fonft ein bras
ver, gutmäthiger und liebevoller Mann, keine Zeit hatte, fich
um ihre Bildung zu befümmern. Als Kind zeigte fie wenig
Geiſtesfaͤhigkeiten; fie war auch nicht ſchoͤn, aber befcheiden
ſtill und in fd hrt. Das Maͤd bildete ſich mehr d
Umgang mit Menfchen als buch Bücher. Viele Männer von
ausgezeichnetem Geiſt, Literaten und Künftter kamen oft in ber
befheidenen Wohnung ihres Vaters zufammen, und Nanny
hörte, ſah und beobachtete Alles genau. Der bamals berühms
tefte Schaufpieler Englands, Garrick, und Golman, Floining,
Harris, Bazetti, Hawkesworth, Reynolds, Barry u. A. bradgten
oft ihre Abende bei Dr. Burney zu. Auch Männer von hohem
Rang und Gtand, als ein Lorb Mulgrave, Lord Bruce, Lord
und Laby Gdgecumbe, Lord Barrington, Lord Sandwich unb
ber feine, gewandte unb galante franzoͤfiſche Großbotſchafter
Frankreichs be Buignes befuchten bisweilen ben Muſikus. Eben⸗
fo kam ber berühmte Reifende Bruce nicht felten in das Haus
und erzählte, was er in Ägypten, Abyſſinien u. f. w. gefehen,
gebört und erfahren. Sogar ein Dann von Dtaheiti, Namens
Dmai, fand Zutritt und beulte ber Geſellſchaft otahaitifche
Liebeslieber vor. Die Pleine fchüchterne und furdhtfame Yanıy
blieb fill umb unbemerkt im Bintergrunde, wo ihr aber nichts
von Dem, was bie Gefellichaft ſprach, entging. Der Eindrud,
welchen diefelbe auf das Mädchen machte, ging nicht verloren.
Kaum Tonnte fie die Feber führen, als fie anfing, kleine Erzaͤh⸗
lungen zu fchreiben, welche ihre Schweftern fehr unterhaltend
fanden, von benen aber ihr Water nichts wußte. Als Banıy
das funfzehnte Jahr erreicht hatte, bekam fie eine Stiefmutter,
die von ber Gchriftftellerei ihrer Tochter nichts wiflen wollte,
Eegtere gehorchte und übergab ihre Manufcripte ben Flammen.
Bon nun an mußte fie von Morgens früh an bis zum Mittags⸗
efien ftriden und nähen. Aber man aß früh und ber Nach⸗
mittag blieb- ihr frei.‘ Da fing fie an, ein Tagebuch zu halten
und mit einem alten Freunde ihres Vaters, Samuel Erisp, der
viel zu ihrer Bildung beigetragen zu haben feheint, fleißig Briefe
zu wechfeln. Diefer Mann war ein Kenner von Literatur und
Kunft, und hatte viel Geſchmack. Fanny Burney's Neigung
zum Novellenfchreiben war einige Zeit unterbrücdt, erwachte
aber bald mit verboppelter Stärke wieder. Die Helben und
Heldinnen ber Erzaͤhlungen, bie in den Flammen unterges
gangen, waren ihrem Geiſte immer gegenwärtig. So ſchrieb
fie ihre „Goelina”, und es gelang ihe endlich, einen Ver⸗
leger dafür zu finden, ber ihe ein Donorar von 20 Pf. St.
für ihr Manufeript bezahlte. Diefe Novelle erfchien 1778
und fanb den allgemeinften Beifall in allen Kreifen. Durch
biefe, in einem einfachen und natürlichen Stil geſchriebene
Novelle wurde die Verf. den angefehenften Männern ihrer Zeit,
einem Burke, Windham, Gibbon, Reynolds, Sheriban u. A.
befannt und von ihnen gefeiert. Auch gewann fie durch dies
Buch die Freundfchaft einer fehr gebildeten Krau, Madame
Thrale, bei der fie auch bie Belanntfchaft mit dem Schriftftellee
und Sprachforſcher Johnſon machte, ber ebenfalls ihrer „Eve
lina’ feinen Beifall ſchenkte. So aufgemuntert fchrieb ſie eine
zweite Rovelle, „Gicilia”, welche 1782 erſchien, und ebenfalls
mit dem größten Beifall aufgenommen wurbe. Diesmal befam
fie 2000 Pf. St. als Honorar. Darauf wurbe fie mit einer Bas
dame Delany belannt, die oft von König Georg III und feiner
Gemahlin befucht wurde. Bon ber Delany wurde Fanny Bur⸗
ney dem hoben Paar vorgeftellt, und die geizige Königin Char⸗
Lotte hatte ben @infall, die gefeierte Schriftſtellerin zu ihrer
Kammerfrau haben zu wollen. Dem Willen ihres Waters fol
gend, der dies als ein großes Gluͤck anſah, nahm das unglüds
liche Mädchen biefe Stelle an, hielt in derſelben fünf Sabre
lang bie gräßlichfte Knechtſchaft aus, und war nahe baran,
Geift und Leben dabei zu verlieren. Doch erholte fie ſich, nach⸗
dem fie ihre Freiheit wieder gewonnen, balb wieder. Sie
machte nachher die Belanntfchaft mit mehren geiftreichen Fran⸗
“
vn
‚, bie ausgewandert waren, Karen: anbern nee Madame
* und dem General
dei nalen ein paar —* aber in
aßt waren und wenig Anfang fanden,
ihrer Bluͤtezeit elite ie befonbers im Humoriſtiſchen.
| Barb 1832 in ihrem 88. Jahre. ex das Leben und dig
—— dieſer intereffanten ge ee Yennen lernen will,
Vab Hier angezeigte Tagebuch. Man macht barin viele gute
anntfchaften, fogar mit fürftlichen Perfonen und Gtaatk
. Indianern, wie Pitt, or u. %.
Bibliographie.
Album für das Zahr 1843. tebigket ı von einem Kreife
Gitubirender zu Jena, Jena, Baufe. M Rer.
Indrefene@iemens, J., —X88 Seegeltung. In
Handelsmarine eine Kriegsmarine zu erziehen. Norddeutſch⸗
he Nordifche Kriegemarine. Hamburg, Kittler. Gr. 12.
— we Der Nordſee⸗Beſen. Das Helgolander Lootfenwefen
untesbrädt; bie Fe gefährdet! Die Reform. Ham⸗
Bibuothet aus —* jo Romane bed Auslandes.
(Reue Folge dee Bibliothek ber neueflen und beften Romane
—* engliſchen Literatur.) Iſter bis Ater Band: H. K. Ander⸗
e ſaͤmmtliche Werke. (Eines Dichters Bazar. ut dem
Dänlicen.) Braunfchweig, Vieweg unb Sohn. Ki.8. . LXhle.
Büttner, F., kungen üher Sprach - und Musik-
rhythmen und die Quantität der dentschen Sprachlaute;
nebst Virgil’s Idylien in gunntitativ correcteren deutschen
—— He volherg. Westphalen. Gr. 8. 235 Ngr.
Dehn, &,, Die eiteopäifchen, inabefondere bie beutfchen
Gifenbahnen, nach Länge, Fahrzeit, Baukoſten, Kahrpreifen
und baulichen Merkwuͤrdigkeiten. Ein Taſchenbuch für Beifende
und —— Kebft einer Eiſenbahnkarte. Hamburg, Kitt⸗
gr.
kr 16
„J. & v., Die Apologetit als wifenfhaftiche
—R ber Goͤttlichkeit des Gpriftentyums in feiner Gr
einung. 2ter Band: Die Religion in ihrer ——
twickelung biß zu ihrer Vollendung bu Fi Dffenbakung in
8. 5, Rupferberg. Gr. 8. 5 Nor.
VFiſ Abe, 9, Deilige Geſchichten hr Soon, Dich⸗
gen. Mit mehren bildlichen Darſtellungen von Katharine
iſchbach, geb. 3 nebft andern Gedichten zeligiöfen und
Rgr
Fubſie, T., Geſchichte der deutſchen Literatur, ober
ker Sprach⸗, Dicht» und Redekunſt der Deutſchen, bis auf uns
fere Zeit. Gte durchaus verbefferte und mit vielen aufäten vers
37 Sur Ausgabe. Berlin, Dunder und Humblot. 1Thir.
Des Q Horatius Flaccus Satiren, erklärt von L.
F. Heindorf. Neu bearbeitet von F. Wüstemann. Mit
einer Abhandlung von C. 6. Zumpt: Über das Leben des
Horas und die Zeitfolge seiner Gedichte, namentlich der
Satiren. Leipzig, Herbig. Gr. 8. 3 Thir..
Hünefeld, 5. 8%, Über das atabemifche Stubium ber
—— —— vorzüglich das der Chemie. Ein Beitrag
zeitgemäßen Betrachtungen über —S — im akademi⸗
—X Unterricht. Mit Bezugnahme auf die Schrift des Prof.
dibig „über das Studium der —ãS— un d uͤber
den Zuſtand der Chemie in Preußen. Braunſchweig —X8 u
Greifswald, Bamberg. Br. 8. 10 Rer.
Klemm, 8.,. Allgemeine Sulturs @efchichte ber Menſch⸗
Ki Nach den seflen Quellen bearbeitet und niit xdlographi⸗
Abbildungen. der verſchiedenen Nationalphyfiagnomien, (Bes
raͤthe, Waffen, Trachten, Kunftprobucte u. f. w. vesiehen.
Berantwortlicher Deraußgeber: Heinrich Brodbaus. — Drud und Werlag
Iftee Band, bie
&. 5. *vV
iron
Bälle ‚'&., Ariftöteles bie
— ⸗ — — ———— ar
| r.
Dappe. Ben. & MM. Fouqus, Feiedriqh⸗
fen, F. W. Gubitz, ®. — — Molt ak, ifter
—— Berlin, Vereinebuchhandiung. 8. 1 Thilc.
\ e Staͤbte, Laͤnder, b Anftän [2
burg, —5 — — nm 5 en * 15 Ro dom
Ye ale Syſten
im Zufammenhange mit ber Geſchi fben Miſſen⸗
daft und Dee einzelnen Bmige entoitet. a Damburg, Pers
thes. Be. 5 . 9 — Fi en an
egierung un pofition 2 Perußen. Wort in der
Belt. Berlin, Hirſchwaid. Gr
Schaden, E. A. v., —— auf den Angriff eines
. Apelt in der neuen unenalichen, emeinen Biteratur:
Zeitun * ansen, Enke. Gr. 8,
chwirrer, S., epter **— des verdienſtdollen
Schullebrerſtandes wider bie geiſtlichen Anmaßungen, und Eräfr
tige Mittel, Yale ‚alten Sauerteig auszufegen. Selpzig, Raum:
urg. 8.
Soldan, Ri &,, Gef der Herenproceſſe.
ben OD Durllen Gew Sersiäne — Gr. 8. 2 Fee
— „Die Frithjofs⸗Sage. Aus dem Schwedi
fen von & Seren Stuttgart, Scheible, Rieger und
Sattler. 16. 15
Nor
Test —8 va der Stadt Stargard. Stargard, Hen⸗
* benius, 8 „Das Evangelium ohne die Evangelien.
Ein offenes Genöffgreiben an Herrn Bruno Bauer. Leipzig,
Weidmann. Gr. 8. 15 Ror.
bie Genfur. Münden, Fran. Gr. 8, 5 Ngr.
Verdichtiingd« Ber uch meines Tagebuches. Zwei Gebi
1. ein kleiner Mann — ein eu Komet, Fa
ben, Bekannten und Geifehbermandten gewidmet von K. R.
Duͤſſeldorſ, Schreiner. 8. 10 Rar.
Vincas, H., Bott innerhalb bes- piopen Verſtandes und
ber Erfahrung. Dlbenbnrg, Stalling. 8. 1M Rer.
Vorwärts! Wolke: Taſchenbuch hr das Jahr 1843. tin
ter Mitwirkung von I. Deeg, Detmold, ©. Hermegb,
Hoffmann v. Baltersiesen Sahmann, 3. Jacoby,
9. Mofen, RG. Prus, Matestode, GE me
der u. A. Serausgegeben von R. Blum und W. Steger.
eeipaig, ae at. wi I gr.
anderer dur ndon und en der Umgebuns
gen. Ehemnitz, — 16, 26%, 9 er Umgeb
Wiefeler, K., Chronologiſche Crnopfe der vier Evans
m Ren: —* —S der Evangelien und evange⸗
liſchen ichte, do n je ber, Bora ungslofigkei
Hamburg, Pertbbb. Kr RR unfegungslofigteit.
5 Pazzenner, 6.86 "- Göal Mhiten, @iälehen, Reichardt.
Zur Judenfrage in Deutſchland. Vom Standpunkte bes
Rechts und ber Gewiſſensfreiheit. Im Berein mit mehren Ge:
ledrten herausgegeben von W. Freund. Ifte Lieferung. Rebſt
einer coloritten Karte des’ preubiſchen Staats nach ben Grenzen
Comp. Gr. 8.
feiner. 18 Dodenbezirke. Berlin, Veit ns
5 Ngr.
deß.
von & A, Brodpaus in Seipsie.
ET 2 27 BEE 2 Ze
I Du et
23 y. a ..
Blätter,
li 2%
. PER i⸗ —X
litärärtiſche Unterhaltung.
i⸗⸗
Freitag, 25. Auguſt 1848.
Sremka. Sie och Skabler. Teokande af P. D. A.
Atterbom. Erſter Theil. Upſala 4841.
Dieſer erſte Theil der kleinern geſammelten Schriften
des als Dihie und Philoſoph ruͤhmlichſt bekannten Ver⸗
faſſers, weicher ve’ ben „Manen feiner beiden Jugendfreunde
Arvid Aug Aſelius, dem Dolmetfcher, Erlaͤuteret und
Ernenerer bes Borzeitgeſanges, des Volksliedes und der
mb, und Sammel Johann Hedborn, dem
Dichter dee Mate, der‘ Kindheit und der Andacht” ges
weiht hat, enthaͤtt: 1) Altfchwediſche Bilder, 2) Sweden⸗
ſel unterliegt, d. h. im Tode, und wie Ragnaroͤk die. Zins
‚terung der Afen ift, worauf fie vergeiftigt forzieben, fo if
auch der Seele Wanderung zur Reinigung beſtimmt und
ihre Folge die Sittlichkeit und Sittenlehzre. So viel. gut‘
befieen Verſtaͤndniß von Vata's Weisheit. :
Ehe wir zur Befprechung der Abhandlung über Swe⸗
denborg ſchreiten, ſei es und erlaubt, eime kurge Skizze
von dem’ Leben des in fo mancher Beziehung ausge⸗
zeichneten Mannes voranzuſchicken. Emantiel von "mes
borg, 3) Ehrenſwrd. Vortreffkich iſt feine, dem Isländis
[dem Originale moͤglichſt nabe kommende lberfegung der’
„Voluspa“ (Vala's Weisheit) aus dA Edda Saͤmund's
v6 Welfen.: Nicht minder ſchoͤn find bie beiden Folgen:
den, den alten ſtanbinaviſchen Skalden nachgebiideten Ge:
dichte: „Ramipf”’ (Ragnars Biarkamal) und „Liebe (Helge
md Sigrun) uͤberſchtieben.
Die beiden bsolaͤndiſchen Eddas (die poetiſche und bie
profaifche, namentlich die Voluspaͤ dee erftern, enthalten
drei durchgretſende Grundlehren: von der Welt, von den
Göttern und vorn den Menfchen ; ade drei find aber fo
eng miteinander verbunden, daß fie nicht getrennt werden
Einnen. Jede diefer drei großen Lehren enthält wieder
dei Abtheilungen, nämlich bei der Welt Schöpfung, Mit:
telzeit, Untergang ; bei ben Göttern Geburt, Baldur's Tod,
Rognardt (der Weltbrand); beim Menfchen Magie, See:
lerwanderung, Sittenlehre. In der Weltlehre find wieder
dreierlei Weſen von großer Bedeutung, Joten, Wanen,
Afen, deren eigentliche Wirkſamkeit erſt in der Goͤtterlehre
bervorteitt. Bon ihnen ſtammen drei Unterarten von We⸗
fen, nämfi Zwerge von den Joten, Alfen oder Elfen von
dn Wanen und Menſchen von den Aſin. Die Wirk
ſamkeit der verwandten Wehen iſt ber Art mach gleich, im
Maße der Kraft aber verſchieden. Was dei der Welt die
Schoͤpfung, das: ift im Beinen Wirkungskreis die Geburt
oder der Urſprinig der Goͤtter, was die Mittelzeit der
Wet fi, d. h. der Zeitpunkt, wo die Lebenskraft abs
nimmt, das iſt Batdurs Tod fuͤr Aſen, Wanch und So:
tm, nnd fo entſpricht ſich auch Der Untergang der Melt
mb der Goͤttet. An diefe ſchließt fi nun die Wirk:
ſambeit des Menſchen genau an, Von der Aſen erfchaf⸗
fen iR ihm ab ein Theil there ſchöpferiſchen Wunder:
kraft, was hier der Begtiff Magle HAB, geworben; Biefe
‚in der Entwickelung beffelben.
denborg, zweiter Sohn des eifrigsfrommen ſchwuodiſchen
Bifchofs Swedberg, murde 1688 su Upfala geboren.
Er erhielt eine forofättige, Befonders auf: das Keligioͤſe
und zwar das Bibliſche gerichtete Erziehung. Won 1710
— 14 ftudirte er zu Upfala und auf auslaͤudiſchen
‚Untverfitäten Philoſophie, Naturwiſſenſchaften und Theo⸗
logie, und wurde bald nach friner Rückkehr als Berge
werksaſſeſfor angeſtellt. Seiner amtlihen und gelehrten
Verdienſte wegen wurde er ſchon 1719 in den Adeſſtan
erhoben. —
Die Schriften Swedenborg's, Im ihrer Auftinander⸗
folge betrachtet, zeigen einen ganz naturgentäßen Fortgang
Als Füngling mit poeti⸗
fen Verſuchen beginnend, wird er durch feinen Beruf
zur Mathematik und Mechanik, zur Mineralogie und
- Geognofie hingegogen, wendet fi dann zur Ehemis mb
Phyſik, und forſcht als Mann nad den „SPrineipien: der
natürlichen Dinge”, nad) dem ‚Mechanismus der Wirk⸗
ſamkeit der Seele und des Körpers’, und nach demUn⸗
endlichen‘ und der „endzwecklichen Urſache der Schöpfung”.
Hier aber mir feiner mathematifhen, abfirueten Methere
gar bald an ein Ende gelangt, wendet ſein Forſchungstried
fih zuruͤck auf die gegenrodttige Schoͤpfung, und ſucht
fidy ein Bild zu entwerfen von ber „Okonomie bes ani⸗
malifchen Reichs”, welches er, fm Geiſte der damals herr⸗
[enden Leibnitz⸗ Wolf ſchen Philoſophie, als eine präftas
bittete Harmonie votaubfeite. Neben diefen Naturſtudien
hätte aber Swedendorg von Jugend nuf ben Grundſatz
feſtgehalten, oft in der heiligen Schrift zu leſen und reif⸗
darkber nachzudenken. Ordnung⸗ tind ſriedliebend,
er war, mußte er daher auch früher ober Tpäter das
Bebuͤrfniß fühlen, Natur und Schrkft iwitsinander zu ver⸗
einigen, and die Architektonik und Ököromie zu entdecken,
mitteld welcher von dem finflern formiofen GStoffe und
dem biblifchen Abgrumde — bis empor zu dem Schöpfer,
der im unzugänglichen Lichte wohnt, das Univerfum ſich
zu einem et Med In: geſtaltet.
3
Do er, um
fol
- FI
‚if Mc VER a laſſen feine Mi.
* religioͤſen Schriften es nicht bezweifeln, daß bie
Schriften Fludd's und der Hermetiker und Kabbaliſten
von ihm zu Rathe gezogen worden find. Aber nu ar
äußegineg Anreg zu religioͤſen Forſchungen fehle r
ihm Ro Denn owol durch Lecture und Torreſp
ob: durch ers
hiett er fortwährend Kunde von allen den Parteiungen
Treigniſſen, die zu feines Zeit Atsf dem kicchlichen
— und zwar ganz befenders in England, das ex fo.
häufig befuchte, ſich drängten.
Es konnte ihm nicht unbekannt bieiben, daß feit on
Neformarion die chriſtliche Kirche fi immer mehr und
mehr zerſplitterte, daß bie widerſprechendſten Deutungen
der. hVligen Schrift ſich von Tag zu Tag vermehrten, und
daß lygemdwmo mehr eine kirchliche Behörde yarhanden fei,
welche zus Taticheidung der Siaubensitreitigkeiten.. irgend:
wie ich old zureichend bevollmaͤchtigt und bekraͤftigt zu le⸗
giimiten wermdge. Indem er nun überall Zwiſt, Hader,
Derfoigan
g aller Ars gemwahrte, mußte in feinem wohl⸗
wollenden Semütbe, der Wunſch immer lebhaften werden,
auch. in. dep Ehriſtenheit den heiligen Gottesfrieden geſtif⸗
tor zu chen, den er ſelbſt im Herzen trug. Wenn er
ſich dann fragte, auf welche Weile diefer Friede zu ftiften
fei, fo mußte ſich ihm, feinen Vorurtheilen und Vorkennt⸗
niſſen gemäß, mol die rzeugung aufdrängen, daß
Die me dodvbrch bewirkt werden koͤnne, daß die heilige
Schrift, deren goͤttliches Anfehen damals noch fat durch
gängig wesbeftritten mar, auf eine Weiſe gedeutet wurde,
meich * allen Parteien, auch von Gelehrten und For⸗
ſchern, wie er felbf war, als zureichend anerkannt wer:
den miiſſe.
Die angeblichen Dffenbarungen J. Boͤhme's, die be:
ſonders in ngland durch defien Schuͤler Pordage, durch
Bromlıp. und Johanna Leade fid) bis auf Swadenborg's
Zeit fortgspfinngt hatten, bieten, im Verein mit bem Vor⸗
hergehenden, oben Angeführten, einen Hauptſchluͤſſel dar
zu Demimigen, was Swedenborg ſich als hoͤchſte, ihm ge⸗
mardent Offenbarung vindicirte, nämlich zu, feiner Lehre
von der Auslegung dee Heiligen Schrift, dern Verſtaͤnd⸗
niß bedingt fei durch die Kunde ihres verichiehepgztigen
Sinnes und namentlich durch die der fogenannten. Ent
[nungen (Corgefpondenzen).
Da ame fowol Swedenborg als feine Anhaͤnger auf
Die Offenbarung dieſer Gntfpeegumgen eine fg. eminent
VBedeuiung legen, und das ganze Staubensfpftem Sweden⸗
borgs durch fie bedingt iR, fo iſt nachzuſehen, ob nicht
auch diafe.: —— Dffenbarung ieh aus aͤltern Burk
Ian ableiten - Iafle.: Dan. weiß, daß die geſammte
Welt ihr⸗ Auſchauung bes Univorſums conftuirt hat
einaatheils aus, einer Paralleljſituyg und Analogie oder
re
Shrfperdung des Himmels und ber Erbe, auderncheils
aus der Überorbuung ber Goͤtter⸗ über bie Menfgenwilt.
"Die Gottheit it ein Menſch im Großen, ber —— die
Gottheit im Kleinen, Mt Dt im Keinen; „I Gott
uf den fl die
E ſich — aloe 1.01 n In
puren dieſes Yarallellzmus — in Lat ndien und
Agypten, in Iran, Israel und dem älteflen Europa, bei
den Orphikern, Hermetlkern und Plato und ſeinen An⸗
—— in "den und den
en. Ehenfo laͤßt ſich nachweiſen, daß immer
all zum wenigſten von Einigen geifaubt toinrde
Parallele über das irdifche, und an eine cortefpondie
"rede Influenz "uifhen beitee, die danm Ihnnchipimgig
Fl als durch ein ‚üritede Zwiſchenglicd vermitteit darge⸗
pilt wucden.
Namentlich finden wir dieſe Welsauſich mulg grober
Beſtimmtheit in zwei Schriften ausgeſprochen, die doͤchſt
wahrſcheinlich auch dem ſehr beleſenen Gimahenbars, bekannt
gerworden find. Die eine iſt das berühmte Merk Rench⸗
lin s, welches 1616 zum erſten Male — Titel
„De arte cabbalistiea ‚lihri tres Iseni %,, m
ſchien; das andere „Das Buch der him NOffenba⸗
rung der heiligen Wattiban Birgitte non. Mu Bumigrrid
Schweden“, wavga, eine Ausgabe in elle, 1500 zu Nuͤrn⸗
ı berg gebrucht worden ift.
Aus dem oben Geſagten geht hrrugey daf; Emden:
borg auf gamz gemöhnlihem Wege ſawol zu den hei ihm
vorherrſchenden Vorſtellungen als zu der Mgeirhnungss
weife derſelben gelangt ſein kann. Da ex aber. fapsl den
fubftantiellen Inhalt. feiner Lehre als bie Kengntniß der
Correſpondenzen, mittels welcher dieſer Inhalt ans ber
heiligen Schrift exuirt werde,
ihm geoerdbumpe. göstlicher
Offenbarung zuſchreiht, und auch feing. Anhänger die Goͤt⸗·
lichteit feiner Geſichte urgiran, fo. verdient aucd dieſes Mor
ment eine nähere Prüfung.
Diele von Swedenborg's Freunden angeführte ‚lm:
flönde erlauben die Vermuthung, daß derſelbe zum. wenige
ſten in den Momenten, in denen ex mit nie irdiſchen
Weſen umzugehen glaubte, fih in kranthaftem ——
befunden. Sa dieſer Vermuthumg wich man beflaͤrkt,
wenn man erwägt: 1) daß die firumge Gushaltung Don
dem phufifchen Geſchlechtaverkehre bei Sugebenberg, wie bei
fo vielen Asceten der katholiſchen Kiche, den uatürlichen
Schaffunge: und Zeugungstrieb zum Wilden, und Objecti-
viran von Geſtalten una Weſen, auf welcha der Geiſt de⸗
reits mit lebendigſter Intention gerichtet war, veranlaft
haben mag; 2) daß von der Nagugfeite her⸗ der. haͤnfige
Genuß des Kaffees viel zu ſolcher Steigung: der geftals
tenſchaffonden Phantaſie deigetragen haben kamn; 3) daf |
in ebof (her Begehung, Owedenbogg durch dir niglen, im
den naͤchſten Jahren vor. feines erſten Viſfion, in⸗ —8
ſtattgefundenen außerordentlichen Seelenerregungen bei den
Mitgliedezn mahrer Zelten ebenſo wol im feichen magis
ſchen Krris hinringezogen, werde ſein, kanm, mie ‚bei den
: cenyanifchen, Inſpirirzen ſeloſt mmimdige Kinder zu Wie.
|
I
kunge * warden 3
4) def alla angeblidhe -
mabearg’@ fo ne I — a und 5
* auspraͤgen, daß Jeder, dem ſie
"ohne ihm zu bemerken, fie feien bie
ee Seipiration, fie auch ſchwerlich für
etwas Anderes halten würde als für natüzliche, wenn
au mitemnt keantkhafte — gerade jenes Indi⸗
viduums.
Wir wollen Hiermit, keineswegs behaupten, daB unter
den vielem fogenannten Offenbarungen Swedenborg's, bie
übrigens aup. durch die Art und Weiſe ihrer Kbfaffung
fich von den Fuͤhern eingeftändlich nicht offenbarten Schrif⸗
ten deſſelden ger nicht weſentlich unterſcheiden, fich auch
Wahrachmungen
finden, welche mehr oder weniger hell⸗
ſehenden Zufaͤnden ihre Entſtehung verdanken koͤnnen.
Daß üßetgmg fein fittlicher Charakter, ſeln Leben und
ſeine unſtr geweſen, wird von Freund und
Ftind zen. Gwederborg ſtarb in einem Anfall
der Moplerm an welcher Krankheit er oft litt.
Der HE Pref. Atterbom, der Bein Anhänger der
Fi Kirche, ſondern Philoſoph und Dichter
iR, betrachtet den durch umfaſſende Kenntniſſe und Genie
aubgreſchneten Mann vorzuͤglich von dem äfpetifchen
Standpunkte ans. Seine Abhandlımg hat die Auffchrift:
„Emanuel Swedenborg's Lehre von dem Leben, der Liebe
und der Ehe” Gleich anfangs fagt er:
Drei ſubehiſche Männer haben v önetfe tief, groß und
ſchon Aber ——— gedacht: —— je jr Piede
Alles werʒ Ehrenſwaͤrd, dem die Kunft Alles war; Thorild,
dem die Natur Mile wars und ein Jeder von ihnen richtete
mitbin feine Aufıwerkfamteit überwiegend auf ein gewiffes Haupt:
flüd von des tigen Gang zu Offenbarung als Schönheit.
Kor muß nämmich fein, daß das Schoͤne von der Liebe ausgeht,
aus der Kunſo dervorgeht, nd zwifchen biefen beiden. EOndpunk⸗
ten die Ratus durchgehtz ober daß «6 von ber Liebe feine Seeie,
von der Ratur In Eeib, und von der Kunft feine. vollendete
Geſtait erhält. verbätt es fi fo mit aller
götttichs gearteten Ge ßtheit, und fomit auch mit unferm
Antheil davon (ober mi em, was wir Idee nennen), daß bie
Eiche grobe das Leben iR, wodurch fie ſich auflaͤßt und über
läßt, ober ſich ſchaffen ut; andererſeits wieder faßt die
Ratur alle — ntichen Anſchaulichkeit dieſer Mit⸗
theilung 4 en das Schoͤne a*5 deren Grund Fuß
rafcn muß 8 fein ——— Fo Bortreten in orrvollfommneter
Korm.zu bereiten jſt daher
daß, die m er, bie wir genannt, in ihren
Serial, u a — eit ungleid und glei waren.
Scihtepunke für Alles war das von der Liebe
beftimmte ' aͤliniß 2 — und Guͤtez Ehren⸗
ſwaͤrd's das von der. Verhaitniß zwiſchen Ges
nie und Thorũubs —8 * der Natur —— Wer:
Pe erg —**— und Harmonie: aber auch des Zweiten
Hase Dritten Ratur, hatte, wie des Erſten Liebe, zu
Tine Inhalt Bott, als aller Schönheit Duell und
Ubi, * fi, daß für einen Jeden, ver fo fühlt und
Pad R
eht
ft ein goͤttiiches Kunſtwerk iſt; naͤmlich
5 nbarung und unmittelbare Poeſie. Woher
—* die Kunft Ehrenfwaͤrd nichts Anderes war als der Ratur
ep bildender Seins, fo m } e im Menſchenge a voller
dbkbefinnun gkeit kommt; ebenfo Sihoritd die
Ratur Du aaa Sa * * ———— einer ewig weltꝰ ele⸗
ich wechſelnden
Wildungen, bad rei
Daraus aR als ——— er Bike —ãXAR *
Obigirich nun Swedenboerg ſich wie in ſolchen Wor⸗
ten über das Schoͤne auofprach aud daſſelbe nur img Bot⸗
beigehen betrachtete, fo thut doch Atterbom dar, daß der
ruchtbare Theoſoph auch für die Kunſtlehre und die Poe⸗
fie sine wichtige Bedeutung hat, Aber Swedenborg's
aͤſthetiſche Weltanſicht kann nicht cher richtig aufgefaßt
werden, als bis man ſich mit feiner allgemeinen Weltanficht
genauer bekannt gernacht dat; dazu kommt noch, daß er
nirgend der erflern eine befondere Schrift oder Abtheilung
gewidmet har. Das dahin Gehörige muß aus einer
Menge weitläufiger, in lateiniſcher Sprache verfaßter
Werke zufammengelefen werden. Diefe Muͤhe hat ſich ber
Verf. des hier beſprochenen Buchs gegeben, und das Ers
gebniß davon in eine ſchoͤne, uͤberſichtliche Form gegoffen.
Die vornehmflen hierzu benugten Quellen find namentlich
folgende Schriften von Swedenborg : ‚„‚Sapientia angelica
de divino amore‘”, „‚‚Deliciae sapientiae de amore
conjugali”” und „De cultu et amore dei”. Letzteres
Werk ift, feiner Richtung nad, eine Darlegung feiner
Lehre von feinem damaligen Standpunkt; der Form nad)
it e8 ein Mittelding zwiſchen Abhandlung und Roman,
und handelt von der Entftehung der Erde, dem golbenen
Alter der Natus und des Menfhen, von dem Paradiefe,
von ber Geburt, Jugend, Erziehung und Liebe Adam's
und Eva’s. Dies iſt von allen Werken Swedenborg 8
das einzige, worin das Element der Schönheit, als ſolches,
überroisgend ifi; es ift nicht allein in einem glängenden,
Elangvollen Latein, fondern vor Allem mir einer dichteri⸗
fhen Begeifterung gefchrieben , welche, auf ein Dutzend
Dichter vertheilt, hinlaͤnglich wäre, fie an dem Himmel
der Poeſie als Sterne erſter Größe zu befeftigen. In fels
nen ſpaͤtern Schriften bedient ex ſich der Eprache meiſten⸗
theils blos wie ein Protokolfuͤhrer oder Referent Deffen,
was er nad einer noch hoͤhern Eingebung mitzutheilen
fih für verpflichtet halt; und das Postifhe bat ſich da
gleichſam in die Gegenflände zurüdgesogen, welche feine
Perſoͤnlichkeit fo uneingeſchraͤnkt in WBefig genommen, daß
er diefelben beinahe blos paffto wiederfpiegelt.
Da mir unferm Verf. bier. aus Mangel an Raum
nich felgen Gönnen, fo müflen wir und damit begnügen,
nur noch ein paar Stellen hervorzuheben. &. 141:
Nach Swedenborg's Lehre find Leben und Liebe ur
ſpruͤnglich Cins: denm bie Liebe ift, in ihrer ewigen Bes
deutung gefaßt, gerade des Lebens eigene Selbſtnothwendig⸗
keit. Das in jeder Art Beben ——— kann nichts
Anderes fein als eine in gewiſſer Richtung Mebende Total⸗
energie aller Kräfte, ein ſich Telbfibeflimmender und damit in
urſachliche Wirkfamkeit verfegender Endzweck, woraus alles in
dem lebendigen Dafein Enthaltene oder Evolutive feine Rich⸗
tung euthaͤlt, weldge, nad) Maßgabe ihrer erreichten Abficht, bie
Bernefmung einer erreichten vollen und volltemmenen Wirklich⸗
eit gibt, und mithin ein für das Dafein Nachtrachtungswur⸗
biges ober Gutes enthält. Aber gesade diefe Zielung, worin
ein urfprüngticher Endzweck ſich durch das Erreichen einer Ahr
ſicht als eines Guts zu bekraͤftigen begehrt, iſt Liebe; woraus
man einſehen muß, daß in allem Leben bie Liebe gerade —
das Leben ſelbſt iſt. Werner ſagt und ein genaues Rad
denken, taß reine Selbſtnothwendigkeit bios als Perſoͤnlich⸗
N
ri
keit gefunden werben Tann; woraus folgt, daß das Reben in’
feiner urſpruͤnglichen und eigenthuͤmlichſten Geſtalt von Ewlg⸗
Bett zu Ewigkeit ein Perſoͤnliches ſei. daß Bott als
das urfaringliche Leben audi die urfprängkiche Liebe ik, und
baf ee als bie urfprängliche Liebe bie urſpruͤngliche Perſoͤnlich⸗
34 liegt die Urſache von Gottes Menſchlichke it. Mr:
i von ſeiner Liebe, ſein Verlangen mit einer nicht minder
jenzeniofen Wirklichkeit, atd fie, gu füllen, kann er fein Gutes
Anberes Tegen nis barin, eine allbeiebenbe Guͤte zu fein.
Seite 206 heißt es:
Merklich ift, daß, weil eine gufriebenflellende Ausficht über
den Raum, welchen die Menſchen als den des Schönen lieben.
und Toben, nur in unb mit einem richtigen Begriff von Eiebe
fi) öffnet, wovon die Ehe die veichfte menſchliche Wirklichkeit
tft: fo ift die wahre Lehre von Schönheit, außerdem, daß fie im
Allgemeinen eine Unterabtbeilung ber wahren Eehre von Eiche
iM, zugleich eine Unterabtheitung der wahren Lehre von Liebe
ale Ehe. Denn wenn uns in der Ehe bie volllommenfte
Borm der Einheit begegnet, in welcher Nugen und Vergnügen
unmoͤglich voneinander getrennt werben können: fo kann man
in naͤchſter Folge bavon fagen, baß in ber Schönheit, wie fie
von ihren Liebhabern an und für fich felbft betrachtet wird,
une die volllommenfte Korm ber Seite diefer Einheit, mo bas
böchfte Vergnuͤgen reinweg als ſolches ben hoͤchſten Nusen in
fich foßt, begegnet; oder wo der Nugen gerade barin befteht,
lauter Wergnügen — von ber veinften Art — zu gewähren.
(Der Beſchluß folgt.)
Chants de lexil par Louis Delätre. Paris 1843.
Unter den jüngern franzöfifchen Eyrifern einer der talent:
vollſten iſt Louis Delätre, deſſen 1840 zu Lauſanne erfchienene
„Chants d’an voyageur“ Iebhaften Beifall gefunden haben.
Wir besiten uns um fo mehr, auf feine gefammelten Poefien aufs
merkſam zu maden, dq ber liebenswürbige junge Dichter gewiß
feinen zahlreichen Kreunden, die er fi während feines mehr:
maligen Aufenthalts in Deutfihland erworben bat, noch im
freundlichen Angedenfen fiehben wird. Der Verf. hat feinem
Werke den Titel „Chants de l’exil’/ gegeben, weil der größte
Theil feiner Poeſien in dev Fremde, in Italien, in Deutfchland,
Belgien, Rußland und namentlich in der Schweiz, wo Delätre
ah der kürzlich in der augeburger „Allgemeinen Zeitung” befpro:
denen „Revue suisse” thätig gewefen ift, entftanden find. Am
gelangenfien fcheinen uns die Gedichte, in benen die großartigen
inbrüde der Natur, wie man fie in ber Schweiz und im ho⸗
ben Rorben empfängt, geidgiibert werden. Beſonders ergreifend
find die „„Lamwine” (l’Avalanche) unb der „Rheinfall“ fowie einige
mächtige Büber des Oceans Aber auch die zartern und fanf:
tem Tone gelingen dem reichbegabten Dichter. So Tann man
fich fein lieblicheres Bild denken als ben „Soir an bord du lao“‘,.
von dem wir nur bie legten Worte hier anführen wollen:
J’ertands du nautosior la chanson trisie et doues,
Et le bruit des ruisseaux qui filtrent sur la mousse,
Et les seupirs du lac qui tremble sur le bord;
Bi je vois wur ja vaguoe un dersier reyon luire
‚Comme oa voit un dersier seurice
Aus levres de l’onfent qui douesment s’endert.
Aber die Poeſie Delaͤtre's ift keineswegs etwa blos befcriptiver
Natur; einzelne feiner Heinen Lieder find vielmehr vein iyriſche
Sroäffe eines bichterifchen Gemuͤths, leicht und duftig wie ein
blingslied von Uhland. Unter den mitgetheilten überſetzun⸗
gen, deren Anzahl nur ſehr gering ift, baben wir zwei Bebichte
von Goethe gefunden. Recht anmuthig bat Delätre, der In
ben Geiſt ber deutſchen Poeſie eingedrungen iſt, wie felten ein
Ausländer, den „„Srilöniy” wiedergegeben. Bekanntlich ift biefe
Ballade befonders ſchwer zu überfegen, weil das verichwimmende
und buftige Element berfeiben dem Franzoͤſiſchen vorzüglich wi⸗
Dichter befugmubeten
Frankreich Sitte if
Verſtſlcatichk Rn in Till
vs udet. —— er ve da
Perſonen, benen Mikes: »--
deiſtrebt. Sorache und
Maße
mowif MM
uns außer mebren andern |
ae ‚ Ku —ã Fe I —
Wir wuͤnſchen herztich, daß das große der
Dichter für Deutſchland und deucſche Literutur Arrall an ben
Tag legt, ihm auch unter uns bie Angerkennung gu Theil wer:
den laſſen möge, bie er im hohen Grade verbient. 6,
Literarifhe Notiz.
Franzoͤſiſche und deutſche Journale,
Während in Deutſchland die rein belletriſtiſchen BVlaͤtter
immer mebr an Bebeutung verlieren und Politik oder wenigftens
einzelne zeitgernäße Tendenzen ſich alinälig fa ihre Spallen, in
denen fonft nur bie fühe Romantik ‚eines ‚ van ber
Velde u. ſ. w. bämmerte, eindringen, laͤßt ſich Kn Fraulreich
gerade das Gegentheil hiervon beobachten. in gutes Thei
franzoͤſiſcher Blaͤtter, welche früperbin der Politik ausſchlichlich
gewidmet waren, verdankt naͤmlich faſt alle Abonnenten dem
Beutlleton, in dem ſich der Leſer don ben eadig wiedergekaͤuten
Phraſen ber Minifieriellen fomie der Oppoßtien erquickt. Der
„Siecle’, der jegt qn 43,000 Abonnenten zaͤhlt, muͤrde zu Grunde
geben, ober wentgftens die Zahl feiner Abnehmer bebeutend vers
ringert fehen, wenn es ihm einfallen follte, ſein Feullleten mit
den fpannenben Erzaͤhlungen eines Batzae, Demas u. ſ. m,
an deren Bippen halb Franberich jeden Kag dangt, über Bd
zu werfen. Auch in ben „Debats”, welche feit dem Ableben
ihres gewanbten Steuermannes, Bertin bes "Alfeen, bedeutend
verloren haben follen, haben die vielbeſprochenen „Mynteres de
Paris’ bie ungetreuen Abonnenten, die abgefallen waren, wieder
geböbert. Aber Sue weiß auch das Intereſſe feines Roman,
in dem bie Wunden unferer geſellſchaftlichen Verhaͤltniſſe un:
barmperzig und ohne Schonung aufgebeckt werden, mit jeder
Kummer zu fleigern. Auch die „Presse’” ſucht womdelih isn
Morgen ein recht pikantes Bericht von Balzac, Men u. X.
ihren Leſern aufzutiſchen. Gixarbin hat außerdem befanntüid
den Referfreis feines Blattes neuerdings durch Hinzufuͤgung
eines gerichtlichen Beiblatts, in bem eine Blumenleſe der an
ziehendſten und feſſelndſten Gerichtöfcenen gegeben wird, bebeu:
tend erweitert. 2
Literarifche Anzeige.
Durch alle Buchhandlungen iſt zu beziehen:
Veteris et Novi Testamenti versionis gothicae
fragmenta quae supersunt, ad fidem codd. «-
stigata, latinitate donata, adnotatione critica in-
structa cum glossario et grammatica linguae
gothicae conjunctis curis ediderunt
H. C. de Gabelentz et Dr. J. Loebe.
“ Vol. IL Pars prior.
(Den Schluß des Textes umd bas Gloſſar enthalten)
Gr.4. Geh. Drudp. 4 Thlr. 15 Ngr.; Velinp. 5 The. 8 Rgr.
Der erfie Band ift aus dem Verlage ber S fe:
ſchen Buchhandlung je Yıtenburg & den —
egangen und koſtet auf Druckpapier 5 Thlr. 15 Razr., auf
elinpapier 6 Ihlr. 22 Nor. Die zweite Adtheilung dei zoti⸗
ten Bandes (eine Grammatik ber gothifchen Sprache enthaltend)
wird im Laufe des kuͤnftigen Jahres erſcheinen.
KReipgig, im Auguft 1843.
| F. A. Brockhaus.
Verantwortlicher Derausgeber: Heinrih Brodhbaus. — Drud und Berlag von F. %. Broddaus in Leipzig
Bıarler
für
literarifche Unterhaltung.
Sonnabend,
Svenska Siare och Skalder.
Teokasde af P.D. 4.
Atterbom. Erſter Theil,
( Deſchluß aus Ne 387.)
Ein nicht weniger leſenswerther Theil des Atter«
bem ſchen Werks iſt: „Karl Anuguſt -Ehrenfwärb’s Lehre
von Schoͤnheit und Kunſt““, von der wir den Inhalt
kurz anzudeuten verfuchen werden. Wir haben es bier
niht mit dem Grafen und Oberadmiral, dem Schöpfer
der Feſtung Sweaborg und der ſchwediſchen Galeeren⸗
flotte, der 1790 bei Swenskſund das erſt ankommende
Geſchwader der ruſſiſchen Flotte fchlug, nicht mit dem
Naturphiloſophen Ehrenfiwärd, ja nicht einmal mit dem
edeln und liebenswuͤrdigen Manne zu thun, fondern ledig:
ih wit dem Kunftfeeumd und Kunſtlehrer, dee burd)
feine „Reile nach Italien“ und feine „Philoſophle der
freien Künfle” ats Schriftſteller verdienten Ruhm erwors
ben bat. Er war ein Zeitgenoffe Suftav’s III. und Tho⸗
mas Thoriid's, den Beide liebten und fchägten. Sein
naͤchſter und innigſter Freund war aber der berühmte
ſchwediſche Bildhauer Sergei. Prof. Atterbom theilt feine
Abhandlung Über Ehrenfmärd’s Kunftphllofophie in fünf
Abfepnitte mit Folgenden Überſchriften: 1) „Die frohen Bes
dürfniffe; das Schöne; das hoͤchſte Schöne.” 2) „Gegen:
füge und Arten des Schönen; die Nothwendigkeit, zur Eins
fit de6 Schönen erzogen zu werden; Tand und Edelheit.“
3) „Die freien Künfte;, Genie und Geſchmack; Stil; An:
tited und Modernes.” 4) „Beſondere Anwendungen auf
Baukunſt, Malerei und Bitohauerei.”’ 5) „Italien und ber
Norden; Klima, Geſetzgebung, Vaterland.‘
Seite 241 fo. heißt es:
Der erfte Grund alles Schönen iſt berfelbe, als ber erfle
Srund alles Wabren: die Ginpeit. Die Welt, an und für ſich
ſelbſt, iſ nur Eins. Mol befteht fie in einer Summe vollkom⸗
meer unb unvolllommener Zahlen, weiche, ohne meitern Anfang
und Ende, in dieſem urfprünglidhen Ginen enthalten ifl; aber
fie dewahrt ihre
dung und Zuſammenſchließung zu einem ſymmetriſchen Ganzen.
AIuch lieben wie nur Das, was in Einheit mit uns iſt.
Un mas Aaderes als die Ginheit, ober ein klar anſchaulicher
ALeidruck derfeiben, iſt das in Toner Kunft eigenttich Schöne?
Wire diefe Einheit eine in fi ſtillſtehende, fo vadce
fie nichts Anderes als der Tod. Aber in ihr ift eine mit
ihr ſabſt gleich ewige Zweifaltigbeit, weiche fie beſtaͤndig in
Veranderung, Wechfelung und Entwickelung verſetzt.
gen, zu beduͤrfen.
Eigenſchaft von Einheit durch deren Verbin⸗
nennen fie Frieden und Unruhe, oder Ruhe und ——
gung. Mittels dieſer Zweifaltigkeit zeigt fie, daß: fie lau⸗
ter Leben iſt und in unzählige Lebenswirkungen ausgeht:
Das Reſfuitat und die Kortfegung der vollkommenſten Les
benswirkungen. ift der Menſch. Bei ibm muß fi daher
vorzugsweiſe zeigen, was die hoͤchſte Gackſeligkeit und
Vorttefflichbeit lebendiger Wehen ausmacht: ein. Daſei
welches ſich in Harmonie mit dem Ganzen — mit das
Matur im hoͤchſten Sinn — und dadurch zugleich mit
ſich ſelbſt befinde. Ex if der vornehmfle Theil der Ne:
tur; darum bat er das allgemeine Borbilt feines Seins
und Thuns gerade in dee Natur Eitgenſchaft, als einem
wahrhaft. Ganzen, in allen feinen Theilen harmoniſch zu
(eben und beifammen zu leben. Die Natur hinwiederum
gehorcht darin der urſpruͤnglichen Einheit Allbeſtimmungs⸗
keaft, ‚weiche in Weisheit. und Schönheit der Mache um
der Bewegung Wechfelungen :abmißt, ‚und femit auch alle
bavon nusgehende Wirkungen , zu einer ſtets feſtgeſetzten
harmeaiſhen Lebensſchoͤpfung. Als dieſe Kraft iſt bis
Einheit Gott. Näher geſchen, kann demnach das Ideal
menschlicher Wirkſamkeit nichts Geringeres fein als Gott
Keime Wirkungen koͤnnen entſtehen, ohne daß eine wirkend⸗
Kraft in Bewegung geſetzt wird. Die Macht, weiche den
Menfhen aus Ruhe in. Bewegung reift, iſt das Vermoͤ⸗
In biefens liegt. demnach der gluücktiche
Zwang, welder zu Ktughelt, Grfindungen, Anbau nom
Gibigkeiten: kurz geſagt, zu Allem, was wie jegt Gultue
nennen, antreibt.
Der Euttue Sortfchreiten von. den erften Anfängen ber
ruht darauf, daß eine Zweifaltigkeit menſchlicher Faͤhigkei⸗
ten zur Entwidelung kommt. Die eine Art derfeiben made
ger die nothwendigſten Organe genammt werben, weil bies
ſelbe ‚für des Menſchen tsdifige Angelegenhriten eingerichtet
it, umd weil jede andere Gultur nur infofern woͤßglich iſt,
ais die Ausbildimg dieſer Digane verangegangen If. Die
andexe Art dagegen beflcht aus den Organen, welche bie
feineen genannt .mesben moͤgen, weil durch fie bie Werfei⸗
werung oder Veredelung, weiche das Erwachen und das
I &eflllen: der hoͤhern Beduͤrfniſſe des‘ Menſchen begleiten, -
guwege. gebracht wird. Die erſtern find unfere fınf Ginue,
nnd des RVoͤrpers ‚Kraft, zu ertragen; bie Iegtems machen,
in ihrem Zuſammenwirken, die Einbiidungskraft, das Ned
Wir | denken und den Forſchungetrieb aus. Erſt darch dieſe lege
2
genannten kann eine Gultur in eigentlicher Bedeutung ent:
ſtehen. Die Völker, welche noch blos die Ausbildung der .
nothwendigern Organe bedürfen, find daher die wilden; die
hinwiederum, denen die Ausbildung der feinen ein gleich,
deingendes VBedüffniß geworden, find die civlfficten. Aber
nur in gemäßigten Klimaten it die Civiliſation "eine freis
willige Folge von ber Erde und der Menfchen Beſchaf⸗
fenheit. Nur unter einem mildern Himmel, nicht unter
dem Nordpol und dem Aquator, erwachen die frohen Be⸗
dürfniſſe.
Zwar koͤnnen alle Beduͤrfniſſe, die ihre Befriedigung
finden, im allgemeinen, aber nicht im eigentlichen Sinn ſo
genannt werben. Es iſt allerdings wahr, daß jedes be:
friedigte Beduͤrfniß eine Art von Genuß gewährt; es gibt
aber Bedurfniſſe, welche in dem Grade nothwendig find,
daß fie unter die Muͤhſeligkeiten des Lebens gerechnet wer:
ben muͤſſen. Davon unterfcheiden ſich die feinen, von
Ehrenfwärd die frohen genannt, weil fie nur eine relative
Nothwendigkeit haben, Im hoͤchſten Sinn nothmendig
find die legtgenannten aus dem runde, weil auf fie
die Exiſtenz aller fittlihen Wiflenfchaften und Kuͤmſte
fih gründe. Denn daraus, daß ded Menſchen Sinness
organe ſich in wichtigere und feinere unterfcheiden, ebenfo
wie aus dem entfprechenden Unterfchiet, wodurch feine
Bedkrfniffe fi) in nothwendige und frohe theilen, entiteht
aud) eine Zweitheilung der Cultur und Literatur in ernſte
und Tchöne Ertennmißartn. Die erniten find die phyfi⸗
fihen und praktiſchen; die fchöngeiftigen find die ethifchen,
die menfchheitlichen, oder die den Menſchen unmittelbar
als Menſchen angehen. Sie umfaſſen Philofophie, Mo⸗
ral und ſchoͤne Kunſt. Die ernſten Wiſſenſchaften brin⸗
gen der Natur verborgenes Wirken ans Licht; die ſchoͤn
geiftigen lehren uns die Bedeutung der Lebensgefege und
Lebensthätigkeiten kennen, den Zufammenhang zwifchen
der Phyfik und der Ethik, zwiſchen Gefühl und Gedanken,
zwiſchen Gewalt und Freiheit, zwiſchen Finſterniß und
Aufkiarung, zwiſchen Vorurtheilen und Wahrheit begreifen.
Die eine Clafſe iſt für des Menſchen phyfiſche Unter⸗
ſtuͤtzung; die andere für feine fittlichen Beduͤrfniſſe: beide
find verbunden in derfelben Darmonie, weiche unfere Welt
in Zuſammenhang gefchaffen hat. Übrigens wird man
nunmehr wol einfehen, daß die fchöngeiftigen Wiflenfchafs
ten auch ernite find; in dem Sinne, worin bie feinern
Drgane auch wichtig, fowie die frohen Bedürfuiffe auch)
nechwendig find.
Betrachten wir die frohen Bedürfniffe näher, fo neh⸗
men wir wahr, daß fie Überhaupt Beduͤrfniſſe von etwas
Geordnetem für das Auge, Klarem für den Gedanken,
Angenehmerm für das Gefühl find, fomit Beduͤrfniſſe von
etwas, das unfern Sinnen — den aͤußern und immern
zufammen — einen volfommenen Eindruck volllommener |
Wohlgeſtaltung gibt. In ihrem innerften Weſen genonms
men find fie mithin Beduͤrfniſſe von Schönen; denn
mit dem Namen bezeichnen wir das Vollkommene, wenn
ed in einem Dafein, oder überhaupt einem Gegenftand,
ich als «in finniich Erfaßbares zeigt, weiches die wolftäu:
digfie Darmenie von Inhalt für unfer Gefühl und In⸗
——41841
halt für unſern Begriff vereinigt. Die Natur ſelbſt it
wefprünglic und in ihrem Ganzen eine ſolche Harman;
aber wir vermögen uns dieſes Ganze nur uͤberſinnlich —
oder blos durch den Sedanken — zuzueignen. Den Big;
nen, oder unferm naͤchſten Vnehmen Somint es alt ein
BGetheiltes vor; und: von daſſen Theilen ſcheinen dam
viele cher ein Chaos, als ein Weltgeſetz vorzuſtellen. Bios
wenn das Auge etwas Schönes fieht, trifft es gerade ein
Bild des harmoniſchen Naturganzen, es findet naͤmlich
dann eine Ordnung, ein lebendiges Geſetz, welches die
Sache für unſern Sinn in eine unausſprechliche Idee fe,
worin man zu gleicher Zeit Alles fühle und Alles beyrrift;
in eine Seelenthätigbeit, weiche weder Gefühl als Gefuͤhl
noch Begriff als Begriff, fondern eine ungelonderte und
unauflösliche Einheit beider it. Es iſt Mar, daf hierin
die reinfte Gluͤckſeligkeit liegt. |
Der Menfh hat demnach ein weſentliches Beduͤrfniß
bes Schönen; und dieſes gluͤckliche Beduͤrfniß Außer ſich
uͤberall, wo ec eines erfoderlich gefunden und bequemen
Zuftandes genießt. Uber dieſes Beduͤrfniß bat eine noch
tiefere Bedeutung ; denn als ein Bedürfnib des Schoͤnen
überhaupt, iſt es auch — und innerſt — ein Berürnif
des hoͤchſten Schönen, d. b. Gottes, der des Schönen Ur
bitd if. Die Natur har ihre Muſterſchoͤnheit nur durch
ihn. Gore ift nicht ſichtbar als Perſon. Aber weil die
Natur das große Ganze der Lebenswirkungen von Gotted
Weſen ift, und weil der Menſch nächte bloß ein Theil die
ſes gemeinfamen Lebens ift, fonderr zugleich einen Haupt:
antheil Davon felbft beſitzt, fo ift uUns Dadurch eine Mög:
lichkeit gegeben, Gott zu ſchildern 3 welches auch faſt alle
cultivirte Völker gethban haben. Ihn ſchildern, heißt ihn
unferer Anfchauung in einer Geſtalt darſtellen, welche
durch ihre Vollkommenheit fein Abbild zu fein vermag
Diele Geſtalt, die wir Gott geben, kann nur der friſchen
und echten Form des Menſchen entiehnt werden. Denn
genau genommen ift der Menſch das einzig pofitio con
unter den Gefhöpfen der Natur, weil blos er alle die
Lebenswirkungen befigt, deren Ausdrud zur Schönheit m
fodert wird.
Im Allgemeinen beftcht unfere Erziehung zu dm
Schönen darin, überall Tand von Sache oder Wirklich
keit unterfcheiden zu lernen. Tand ift der Ausdrud einer
Krankheit in den innern Sinneswerkzeugen des Menſchen,
ein großer Schein der Wirklichkeit, ein Dunftbitd von it
Sache Geſtalt, die es vervielfältigen, aber nicht richtig dar
flellen kann. Das Maß der Gemüchsbemegungen und
Gewmuͤthswitkungen heißt das Edle. Eitle Menſchen br
ben in ihren Gemüthöberegungen entweder etwas Nidr:
ges oder etwas Ülbertriebenes. Aber das Edle iſt geratt
die unverfennbare Phyfiognomie, die Geberde, die Et:
lung wahrer Schönheit, Es ift deshalb auch dus Nas
wendigfte, die Hauptſache in jeder Darftellung eine Ge
müthsberoegung; gleichwie die Zeichnung, oder die Geſtalt,
das Nothwendigſte ift in jeder Darflellung von dem äufern
Geſchick des Gegenflandes. Und wie großes Gewicht man
auch anf ſtrenge und richtige Zeichnung zu legen hat, ſo
iſt doc, dee Ausdruck edler Gemuͤthsbewegung in einem
noch bedentendern Grabe wichtig: deum in iht zeigt füh
unmittelbar- dee innern Organe Zuſtand; woraus folgt,
daß blos in. Ihr das eigentliche Schoͤne einer ſchoͤnen
Menſchlichkeit ſich offenbart. Geſchmack in der Kunſt iſt
achtungsewerth aus demſelben Grunde, mie Tugend im
Leben; denn in beiden nimmt man die wahren Hatmo⸗
nien der hoͤchſten Vermögen des Menſchen wahr. Aber
um Geſchmack komme man blos in dem Maße, in
weichem gute Erziehung mit glüdlichen Anlagen verbun:
dm wid
Der Zweck aller Kunſt, durch welche der Menſch felbft
eine Macht ausübt, Schönheit zu fchaffen, ift dem Weſen
nach nur ein und derfelbe; ee wird aber durch verfchiedene
Mittel und ſomit auf verfchiedenen Wegen erreicht, Da:
durch verzweigt fich die gemeinfume Kunſt in mehre Haupt⸗
arten, in dee Weiſe voneinander unterfchieden, daß eine
jede derfelben für eine eigene Kunſt angefehen werden
muß — und wirklich auch wird.
Dies find die weſentlichſten Grundzüge der Kunſiphi⸗
fofophie dB berühmten, an Geiſt und Genie reichen Eh:
renfwäcd. Was er noch von den ferien Kuͤnſten, von (Ge:
nie und Geſchmack, von dem Stil und von dem Antiken
md Modernen u. f. vo. hinzufügt, leidet keinen Auszug.
Im zweiten Theile dee Sammlung feiner kleinern
Schriften wird uns der Mufen und Grazien Liebling, Ama⸗
dus Atterbom, den hochgeſinnten, edein und genievollen
Themas Thorild, den unter fo vielen Anden auch Gerber
fo hoch fchägte und Kebte, vorführen und uns mit einem
Bild von feinem Wirken, Thun und Leiden für das
Wahre und Rechte, Edle, Schöne und Große erfreuen.
D. ©. v. Ekendahl.
Reifebrief eines Engländerd aus Franken.
Anfihten über beutfhen und englifchen, deutſchen
und franzdfifhen Geiſt.
Einen haͤbſchen, mit vielem Gemäth abgefaßten Reifebrief
eines Englaͤnders über Deutfchland lefen wir in einer der letten
Rummern des ‚‚Athenaoum”. Die Gorrefponbenz zeichnet ſich
dadurch aus, daß fo gar nichts von jener uͤbertegen thuenden
Bornehmheit darin iſt, welche jeher Au unferm Waters
tande gegenüber fat annehmen zu muͤſſen glaubt, feibft wenn
ee fih innerlich zur Anertennung, zur Sympathie getrichen
fühlt. Der Weite ſchreibt feinen Brief aus Franken, was aud)
eine Seltenheit ift, da die engtifchen Zoueiften, namentlich bie
ſchriftſtellernden, in ber Regel betretenere, Gegenden Deutſch⸗
tands zu beſuchen pflegen. Freilich, ohne die auf dem Mein
errichtete Dampfſchiffahrt würde unfer gemuͤthlicher Brite gerabe
dieſe BReife ſchwerljch gemacht haben; die Engländer richten ihre
Zeuren durch Die Welt nach den Sinien ein, weldhe ber Dampf
ihnen vorzeichnet. Gollte je auf dem Niger ein Dampfidiff
sehen, fo iſt vorauszufehen, daß es auf dem Niger bald von
engtiffen Xoueiften wimmeln, daß ber Riger flatt bes. Biheins
dee Mobeltom werben wuͤrde; benn von einem comfortabeln
Dampffchiffe aus bietet ein Weite felbft den Strahlen ber tro⸗
yilhen Sonne Trotz, das Dampfihiff ift das Haus, welches
det Engländer wie die Schwede ihr Haus betrachtet, um ſich
darin bei verkommender Gelegenheit zuruͤckziehen, ober au)
feine u Tonnen. Erſt feitdem auf dem
Main rin Dampfboot geht, ſcheint dic "Terra incognita
lands, Kranken, für die Englaͤnder entdedt worden zu fein.
fo
der andern
Kürnberg und
vol
fpondent erwähnt hierbei in einer Note, jenes Dreieck zwifchen
ben brei Städten — eigentlich wohl nur bie Gebirgsgegend zwi⸗
fen Baireuth und Bamberg — werde die Fraͤnkiſche Schweiz
genannt. Indem die Deutfchen ihre fchönen Gegenden fo benams
ſeten, ſchienen ſie dadurch den Vorwurf, daß es ihnen an Na⸗
tionalſtoiz mangele, zu rechtfertigen. Wenn eine Gegend vor⸗
aügtäcg ſchoͤn fei, fo fei fie nicht mehr Deutfchland, fondern eine
Schweiz. Die Saͤchſiſche und Fraͤnkiſche Schweiz fein Namen,
bie von den Ausländern adoptiert, aber von den Einheimifchen
gegeben feien. Ein Edelmann in Berlin babe ihm mit einem
Lächeln erzäptt, daß er eben aus der Märkifchen Schweiz zuruͤck⸗
gekehrt ſei; er, ber Gorreſpondent, koͤnne ſich freili von einer
Maͤrkiſchen Schweiz Leine Worftelung machen. Nun befchreiht
ber Gorrefpondent feine Mainreile, auf deren Einzeinheiten wir
uns nicht sinlaffen wollen. Bei Miltenberg angelommen macht
er die Bemerkung, daß biefe alte, fo recht urfprünglich aus
fehende Stadt ihn daran erinnert hätte, was wol bie Beinen
Rheinftädte vor SO Jahren geweſen fein möchten, ebe fie noch
durch garflige Victoria» Hotels verunſtaltet und durch hundert
bem ‚wahren ober vermeintlichen Geichmad der Reifenden ans
gepaßte Einrichtungen entmationalifizt worden. Miltenberg fei
aber dvielleicht ſogar noch beutfcher, noch origineller als die
Städte am Rhein damals geweien feien. Übrigens hörte ex,
baf in Miltenberg zwei Engländer zu ihrem Vergnügen wohns
ten, eine Bahl, die er, ber Lage bes Orts nach, nur billigen
Eonnte. In Mainz angelommen und in einem prächtigen Hotel
eingnartirt, habe er gefühlt, daß er ſoeben das letzte Stuͤck von
Deutſchland geliehen habe. „Von Zrantfurt an”, fagt er, „fe
ihr, wenn ihr wollt, in Europa, nur nicht in Deutſchland —
das Deutſchland, welches ich verſtehen und lieben gelernt hatte,
mit ſeinen vielfachen Maͤngeln und ſeltenen und einzigen Vor⸗
trefflichkeiten, mit feinem vergleichsweiſe aͤrmlichen und unvoll⸗
kommenen materiellen. Leben (um mich eines affectirten Galli⸗
cismus gu bedienen), und feinem zeichen intellectuellen Dafein,
mit eiäem complicirten Charakter, welchen nur wenig Ausläns
der I verſtehen und zu würdigen wiflen, dex aber bie Wenigen,
die ſich damit verſtaͤndigt, für ewig feffeit — Deutfchland lag
hinter mir. Gine ganze Reihe von Gedanken und Gefühlen,
mit denen ich vertraut geworden, mußte mit ber Sprache, bie
von ihnen ihren eigen mlichen Gtempel erhielt, beifeite ges
legt und eine neue moraliſche und insellectuelle Welt, die Weit
TFrankreichs, betreten werben.” Obgleich er, wie ex fagt, fidh
wenig geflimmt gefühlt, über feine lieben Deutſchen, bie er
eben verlaffen, zu ladyen, fo könne er doch nicht umbin, bies
über ein Specimen deutſcher Pebanterie zu thun. Er meint
bas ‚‚Lligemeine Reglement ben Perfonendienft der Maindampf⸗
ſchiffe beizeffend‘ mit feinen unzähligen, peinlich ausgearbeite⸗
ten Paragraphen. Es fei, abgelehen von des laͤcherlichen Per
danterie, nicht huͤbſch von der Direction, folche Reglemente aufs
zuflellen, womit man angaulßiien ſcheine, daß bit **
unfähig ſeien, ſich mit A reie Venſſchenverſtande dit. act
Anftond aufzuführen. fährt fort: „Mag man immerpin
. benten, daß idh- der deutſchen Gentimentalicät nicht eutgangen
bin, wenn id) geftehe, daß fü: meiwe Augen mit Thtanen fü
ten, mit Thraͤnen bei bem- Anblicke von Tapeten und Borhau
gent Es if nicht möglich fin Den, welcher Beutflands.inne:
res Leben kennen gelernt, es zu verlaffen, ohne daß herzlichſte
Bedauern zu fühlen, oder ohne das tiefſte Intereſſe firh feiner
zu erinnern; und biefe Empfindungen maden, wie echte Liebe
unb- Freundſchaft, uns ſelbſt die Eigenheiten und Maͤngel · werth
und lieb. Das moraliſche und geiſtige Leben dieſes großen: und
mannichfaltigen Landes ift fir bie Berrachtung ein Höchft frucht
barer und anziehender Gegenſtand, voll von neuen Gombimatic«
nen und eigenthümticdhen Winken. In keinem andern Lande has
ben Gedanke und Speculation ein fo freies und weites Feld,
in keinem andern iſt der Beruf dee Wiſſenſchaft und Kunſt fo
verflanden und geehrt, in keinem andern die chriftliche Freiheit
fo im Anfehen und die hriftiiche Barmherzigkeit fo geübt. Gibt
es innerhalb der englifchen Gefellfyaft mehr perfönliche Waͤrde,
Freiheit und GSelbfladhtung, eine höhere, ausgebehntere, gene⸗
vöfere Urt det Berkehrs und größere Verfeinerung des außern
Lebens, fo ift auch auf der andern Seite die intellectuelle Nies
drigfeit Englands, verglichen mit Deutfpland, unableugbar und
auffallend. Zrivialität und windiges Geſchwaͤtz ſcheinen bie
Botkspreffe unter ſich zu theilen; fchon vor langem Liscatirte
und abgeworfene Ideen, ſchon vor langem widerkegte Irrthuͤ⸗
mer und Schniger, ſchon vor langem bewältigte Worustheile
werben mit einem eiteln Pomp wieder and Tageslicht gebracht,
weicher aufs feltfamfte dem kuͤhnen, unternehmenden, fähigen
Charakter des englifhen Wells, das ſich vor nichts weiter als
vor dem freien Gebrauche feiner eigenen geiftigen Fähigkeiten
ſcheut, in feltfamer Weife widerfpridt. Der Gegenſatz zwiſchen
der Freiheit im Handeln und dem Mangel daran in der Spe⸗
eulation in England, verglichen mit der ganz entgegengeiehten
Erſcheinung in Deutſchland, tft eins der feltfamften Räthfel in
der Geſchichte der Menfchheit. Kurz, ſch kehre zu meinem als
ten Satze zuräd, Gaben und Wohithat feien mit fo ausglei⸗
gender Hand vertheilt, daß fein Volk ſehr dazıs berechtigt iſt,
zu triumphiren.” In Frankreich gibt ihm das miferable Pflafter,
der jämmertiche Zuftand ber Communieatienswege, wobei befon:
ders das arme Wort im Nachthell ift, Gelegenheit, ſich dber
‚bie ergögliche Einbildung der Franzoſen zu moquiren, fie ſeien
das erfle und civitifirtefte Voll der Welt. In diefen und ats
‘dern Dingen ftände Frankreich gar ſehr hinter Deutfdjtand zus |
rüd. Dagegen findet er auch Gelegenheit, die Grazie feangöfl:
ſcher ˖ Weiber der niebern Gtaffe, felbft bei beſchwerlichen Arbei:
ten, rühmend hervorzuheben, und- vergleicht damit die Plump⸗
Weit der deutfchen Weiber, welche bei ähnlidyen. Berrichtungen
aller Anmuth, allen Stolzes, aller agröments ihres Geſchlechts
entbebrten. Und dennoch, troh diefer im Allgerheinen ben Deut:
fen fehlenden Grazie in ihrer perföntichen Erſcheinung, ge:
ſteht uns der Brite in Sachen ber Kunft und bes Kunfl: |
geſchmacks vor allen Wölfen den Vorrang zu. In Allem, was
in Deutſchland in Betreff der Kunſt gefi en, gefchrieben oder
gethan werde, feien wir, wie unfee Correſpondent fagt, Frank⸗
reich und England in unermeßlihem Abſtande voraus. Kehre
man nad den letztern Rändern zuruͤck, To fehe man ſich ploͤt⸗
ich in die Barbarei bed 17. und 18. Jahrhunderts verfegt.
Won der Renovation einer Kathebrate bis zus Trompete, die zur
NRetraite blafe, habe ihm in Frankreich Alles, was fein Auge
geſehen, fein Ohr gehört, nicht nur wicht gut, fondern wahr:
daft beleidigend erfehienen. In dem. erbärmlichften beutfchen
"Dorfe habe er nirgend fo ſchreckhafte Töne gehört, wie man fie
in den franzdfifchyen Kirchen mit einer Art Prätenfion und
Gelbſtgefaͤlligkeit herausftoße; bei ſolchem Geſchreit wuͤrden bie
Eervin: auc bes. felcuſten Micichen U eines,
then, be jede. Anwandlung 33 ui
maden. ae on bem Sefange in engiif
. Kirchen, oder
gar bei den Meetings, wolle er Ifeber gan Merten
dered E06 eefähkt Die Biencthtion Deü-Dampergen oe
um: anter denſellen Gin
fluͤſſen arbeiten, weiche ben grvanten pa biefen seligiäfefßen und
poetiſchſten Wauwerlen: eingaben. IR ber dam⸗
berger Kathedrale ſcheint mir, fo weit ed nur moͤglich ift, vol:
fommen zu fein. Innerhalb einer Woche trat ich mit dieſen
noch friſchen Eindrucke in die Kathebrate von &t.:Dmer. Den
Gontraft zu beſchreiben iſt unmöglih. Gin großer Theil if
bier ausgeführt worben, oder noch in ber. Kusfüp begriffen,
Ales im ſchlechteſten Geſchmack, Alles von einem Gefühl cin:
gegeben und geleitet, welches demjenigen gerabe emtgegengrfegt
ift, der die flrenge und feierliche Schönheit des bamberger Doms
bewahrte und reinigte.” RB.
Neugriechiſche Literatur.
Aus dem Jahre 1841 iſt nachtraͤglich (vgl. bie letzte Noti
uͤber neugriechiſche Literatur in Rx; 80 —— 85 cube
grammatiſcher Werke des gelehgien Griechen, K. Aſopiot, der
bis zum I. 1842 Profeſſor der.griechifchen Literatur an der jo:
niſchen Univerfität in Korfu und beren Ephorus war, feitten
aber Profeffor an der Univerfität in Athen ift, Grmähnung jı
thun. Das eine dieſer Werke fähet den Titel: „Bloayuyi
Us zijv Ulnmıxiv ourtafıy' (Kepaspa 184l), das antım
find „Zrogsie rg Eiinmxis yonmmazınis! (ebendajelbft) und
zum Gebrauch der Öffentlichen Secundairſchulen ber joniſchen Ja:
feln, mit Genehmigun der Regierung ſelbſt, beftimmt. Außer⸗
dem erſchien noch im I. 1841 in Athen eine Tragödie: „O 3e-
varog cu Magxov Mnörlagıs”, vom Theodor Alkaiot. Im
3.1842 erfchienen in Athen das „‚„Askrxov Antıyvo-Ellerıziv",
von Prof. mirichs (in deei Bänden, Preis 18 ;Dradmen); vie
Zragddien von Panagiotis Sutſos, darunter eine verbefltt
Ausgabe des „Odomugos” ımd eine andere „Magaloxaun";
die Geſchichte Athens von ber Zeit dee Römer bis zum Ende
der tuͤrkiſ⸗
Ausgabe; eine Schrift über Kreta, von M. Thurmufls; ein
Schrift von Mawrojannis über das Klima von Athen, und ein
akademiſche Rede des Prof. Wentbples, am Jahrestage ber
Gründung. der Univerſitaͤt in Athen, den 20, Mai 1842 gehal⸗
ten. Aud fol. im 3. 1842 eine neugriechiice Komödie: „Be-
Bvianda', erſchienen fein. Aus. dem I. 1843 liegen mir ver:
neugriechiſche Hberfegung ber „Erklärung des anatomilchen At:
las“, von M. J. Weber (in Bonn), von Georg Damianc,
Prof. der Anatomie und Phyſiologie in Athen; eine Überfehung
der GSinteitung sum Pindar, bie von dem obengenannten It:
pios in dem Winterhalbjahre 1842 — 43 an deu liniverfität vn
getragen worben war; ein „Yuros sic üv avordır za win
zıysg”, von Photiadis; eine Ode auf den 25. März, den Jah:
restag der griechtichen Wiedergeburt, von Panagiotis Sutſot,
wobei er zugleich bemerkt, daß er in kurzem ein lyriſches Drama
mit Choͤren, deren Gegeufianb bie Mefrsiung Wifolonghi's ſei,
herauszugeben beabfichtiges. und: bie Leichenrede des Konſt. Dile
nomos auf Theodor Kotokotronis. Bon Alerander Gutfos ſol⸗
ien zwei größere Gedichte: „O "Yroveyos’' und „O "Eyast-
—— wahrſcheinlich mit ſatiriſcher Tendenz, een
Berantwortliger Herausgeber: Heinrich Brokhaus. — Dim und Verlag von 5. T. Brodhaus in Leipsie
von Qurmelis, im zweiter verbeflete
Blätter
für
literarifhe Unterhaltung.
Sonntag,
— Mein Lied,
Warum es nicht fo wilden Graus vermied,
Warum es ruft nach jenes Greuels Schatten,
Den die Geſchichte froh war zu beftatten?
Bau begrabnes lebendig fingen,
ind gegen Zodte Haß dem Herzen bringen?
Hat unfer Zeit nicht Seide genug für Klagen? .
dat Haß nicht Manchen, der da lebt, zu fdhlagen ?
So ruft der Maler der gräßlichen Wilder, welche er uns
mit glühenden Karben, und doch mit allem Schmelz,
deffen die Kunſt fähig iſt, vor bie Augen zaubert, zum
Schluſſe aus, und beantwortet zugleich die aufgeworfene
Stage. Damit unfer Blick, auf ber Vorwelt weilend, mit
ihe fi eins fühle, ein Geſchlecht, ein Leben, ein Geſchick.
Der Wanderer zeigt dem Freunde, der nach ihm kommt,
beim Scheidermege im Walde den Weg, welchen er felbft
gewandelt hat. Ex flreut für ihn grüne. Reifer hin
So liefen uns die alten Kämpfer Zeichen :
Die Trümmer ihres Gluͤckt und ihre Leichen.
Es erhebt unfere Bruft, daß wir mit laͤngſt entſchwunde⸗
nen Streiteen em gleiches Loos theilen; wir mögen uns
im Unglüc® prophetifch freuen, und badurdy beherzter in
den ſchmerzenvollen Kampf, in ben fieglofen Tod gehen,
mit den Troſte:
&o wird bdereinft, in viel beglüdtern Tagen,
Die Nachwelt auch nach unferm Leibe fragen.
Es ik ein Tendenzgedicht, wer erwartet «6 ‚anders von
dera Sänger des„Savonarola“, wer will den Dichter
zwingen, den Der Unmuth ber Zeit, der Groll, die Eile, die
Zerriſſenheit fo tief innerlich, wie Lenau, bewegt, daß er
fi daven lesweiße, und nur der Goͤttin folge, wie es be:
hauptet wird von den alten Dichten, daß fie es gethau?
Wer denn von ihnen, könnten wie fragen? Homer, So⸗
phokles, Shakſpeare? Zerriſſen waren fie freilich nicht,
aber die heiligen Fragen der Gegenwart und Zukunft,
fiegein fie fich nicht in ihren Dichtungen ab? Nur war
ihr Spiegel ein größerer; er faßte koloſſale Dimenfionen,
worin die Details verfchwinden, welche den Dichtern der
Sestwelt, wenn fie ihren Schmerz und Grimm der Wufe
vertrauen, fo oft zur Dauptfache werden. Lenau muß
den Gegenftand, den er ergreift, fo auffaflen, ex muß das
Bin der Vergangenheit in der Gegenwart wiederiefen,
aber er reißt fi) aus der trüben Melancholie los, indem
er mit Adterflügen der Zukunft ſich entgegenſchwingt.
Jede Trauerzeit der Vergangenheit hat ſchon Ihre Zukuuft
gehabt; auch diefe Tiegt hinter uns, und wir erflechen an
dem Weltgerichte, Das Liber das begangene Unrecht geridhs
tet bat. In keinem feiner fruͤhern Gedichte ſcheint um6
der Dichter fo mit Bewußtſein das dichteriſch Geftchtte
und Erſchaute mit der Macht des Gedankens vermaͤhlt gu
haben. Woher der Unmuth, ruft er ?
Das Streben in der Dämmerung iſt ſchulb
An diefer freudenarmen Ungeduld;
Bart iſt's, das lang erfehnte Licht nicht Schauen,
Zu Grabe gehn in feinem Morgengrauen.
Und müflen wir von Tag zu Afche finken,
Mit beißen Wünfchen, unvergoltnen Qualen,
&o wird doch in der Freiheit golbnen Strahlen
Erinnerung an uns als Thräne blinken.
Nicht meint das Lied auf Todte abzulenken
Den Haß vor foldhen, bie uns heute kraͤnken;
Doch vor den ſchwaͤchern, fpätgezeugten Kindern
Des Rachtgeiſts wird die ſcheue Frucht ſich mindern,
Wenn ihr die Schrumpfgeflaiten der Despoten
icht mit Innocenz, bem großen Todten,
Der doch der Menfchpeit Herz nicht ſtill gezwungen,
Und den Gedanken nicht Hinabgerungen.
Lenau tritt in diefem Gedichte, wie fchon erwähnt, bewuß⸗
ter, aber auch entfhiedener auf als in einem feiner frühern.
Nicht daß der Dichter des „Zweiflers“ zu einem feft ums
grenzten, pofitiven Glauben gekommen wäre, nur biefem
uns darin audfprechen wollte; denn die zwei Genien, die
ihm in der tropifheh Wuͤſte an dem Steinhaufen begeg⸗
nen, unter welchem ein vom Xiger zerriffener Wanderer
tiegt, rufen ihm fehr Verſchiedenes zu; der eine, daß ber
Tiger, der das Menſchenbild zerriffen, ficdh zuvor In Got⸗
tes Größe ahnungsvoll berauſcht habe, und „weltbefreien
kann die Liebe nur; nicht der Haß, der Sklave der Na⸗
tur“; der andere aber: er ſolle Herrſchaft haſſen und nur
die Natur lieben, die immerdar nach Licht und Kreis
beit ringe. .
Bis die Bergen der Despoten bluten,
mb zerfallend ihre Burgen rauchen.
Über diefe Frage Iefen, wenigftens wir, aus dem vorliegen:
den Gedichte Feine Entſcheidung heraus, welche ben letzt⸗
bin wegen pietiftifcher Tendenzen verdächtigten edeln Did;
ter wieder auf den religiöfen Standpunkt zurückfuͤhrten,
den verlaffen zu haben die jüngflen unter den Vorwaͤrts⸗
Rürmenden ihm zum Verbrechen machten. Aber «6 iſt bie
.- ®, [,
angewandte Wahrheit, daß jede veligiöfe Übergengung,
wenn der Zanatiemus ſich ihrer bemaͤchtigt, zum Goͤten⸗
dienft, zum Dienfl det Hölle wird,
D Gott, wie u a ———— * Prag ji
‘ & (4 ’
oa ee hc lammenzügen, auf if ef:
Seele uns vorführt.
Einen der gräßlichften Kämpfe, der um den Wahn
auf Erden gefochten wurde, hat der Dichter fi zum Bor:
wurf gewählt. Könnte man fagen, «6 fei der allergraͤßllchſte
iq. dem ‚Lande gemefen, wo er ausgefochten ward! Aber
fo üderreich iſt Franktelchs Geſchichte an fanatiſchen Blau:
‚an Kämpfen für alleinfeligmachende Ideen,
im Gebiete der Religion wie der Politik, an Schlachtfels
beten, teiefend von Bürgerblut, und an Marterkammern,
un die Grauſamkeit ſich felbft an Ecfindungskraft übers
dot, daß man bei ber Erinnerung am diefelben immer dem
‚Saite ben Vorzug geben möchte, den Geſchichte, Kunſt
ober Porſie und gerade vor Augen führt. Graͤßlicher war
Dach nichts, find Viele geneigt auszurufen, ald der Terro⸗
- cite in Paris, die Noyaden in Nantes, die Mitraillas
den in non! Aber das Licht des Tages fehlen doch auf
die Greuelfoenen. Die Dragonaden, die Samifardenkriege,
die Barthofomäusnächte, welche ganz andere unheimliche
Schauer wehen darüber, Und war die Bartholomäus:
nacht, waren die Kriege der Liguſſten und der Hugenot⸗
ten, mehr mit dem Dolce als mit dem Schwerte aus:
gefochten, in ihrer Erfcheinung und in ihrer Wirkung
furchtbarer als die Verfolgungen der Albigenſer? Was
überbietet jenen hiſtoriſchen Ausſpruch, den duch der Dih:
tee aufgegriffen hat, an ruchloſer, kannibaliſcher Verſtocktheit!
Bei der Erſtuͤrmung von Bezieres fragt Simon von
Montfort den mitcommandirenden Abt Arnold, ob man
auch im Gedrang die Katholiken erfchlagen dlrfe, da viele
daven in den Mauern wären, oder ob bier Mitleid und
Bedauern geftattet ſei:
Der „ist a — ie Roth,
⸗ t
es —— auch durcheinander liegen,
Gott weiß die Seinen ſchon herauszukriegen.
An geoßartiger Kuͤhnheit, an wilder Glut, an Wahn⸗
fina des Sanatismus und zugleih an leuchtenden Thaten
der Tapferkeit, an rührenden Bildern von Treue und Aufz
apferung unter den Derfolgten und zugleih an wunder:
baren Verirrungen, zu denen bie freigemordene Vernunft
ahne ausreichende Weltkenntniß verleitete, ift viel Stoffes
dem Dichter im Albigenferkriege geboten. Die ſuͤdliche
Somne leuchtet über die Provence in das fangesfrohe Lan:
guedoc mit feinen Zroubadouren und edeln Frauen und
Rittern. Die glühenden Augen, die fhallenden Gefänge,
Nitterfchlacht, Galanterie und Lehnstreue und mitten in
‚ einem finnlichen Geſchlecht die erften puritanifden An:
klaͤnge des Proteſtantismas, Zweifel und Streit um Dog:
men, bie jegt hinter uns Allen liegen und feine Kämpfer
der Gegenwart mehr in die Schlachtreihen treiben; alles
Das zuſammen bietet dem Dichter von felbft ein meit rei:
ders Gemälde als jene andern genannten Gonfliete des
Fanatiomus, in bie, wie zumal in die Monetonie der
lich Luſt dazu hatte.
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4
Greuel einer Bartholomaͤnsnacht, kaum poetiſche Schlag⸗
lichter hineinfallen. Und der Dichter hat die Bilder nicht
verwiſcht. Obwol er das Gegebene ſeiner eigenen Idee
unterordnete, und die That zum Kettengliede in ſeinen
Gedantunfdptäffen machte,Aeß Er u nk Ola uud
ben Sehnen ihr eigene# Recht, Add & jede de:
zeln mit dem voliften poetifchen Schmelz. Aber wie ver:
band er dig getrennten Theile zu einem Ganzen, ober vie:
mehr wie ward es ihm möglich, den rothen Baden biefer
zerriffenen Begebenheiten herauszufinden, umd, was die
Aeſthetik fodert, den organiſchen Baum fidstbar- dem - Auge
berzuftellen, an dem diefe Bilder nur Zweige und Blätter
find? Reell ift dieſer Organismus da, aber hiſteriſch Kick
er fich nicht geben. Diefer wilde Kreuzzug iſt ſelbſt nichts
Ganzes, ihm fehlt die erfichtliche Seele, das Continunm
ber Dandlung und der MWerfonen. Bin Romanendichter
hätte einen Helden und eine Heldin hineindichten mögen,
einem Epiker iſt dies nicht vergoͤnnt. So muß das per:
ſoͤnliche, menſchliche Intereſſe fich zerfplittern, da ex auf
der andern Seite, unter den DBerfoigern und Zanatikern,
feine oder ſeinen Heiden nicht fischen durfte, noch ſchwer⸗
Es find eben nur Sktzzen, gewich⸗
tige, geftaltenreiche, ſchroff abgefchloffene, die indeß ohne
den geiftigen Faden ganz auseinander fielen. Die Be:
rechtigung dazu ſteht auf dem Schilde. „Freie. Dichtun⸗
gen” heißt es auf dem Titel. Auf den Geſchmack des
Publlcums wirkt die Poeſie freilich nur noch durch apho:
riftifhe Dichtungen. Kine Epopde von den Albigenfern
würde fo wenig Eingang finden ald eine „Tuniſias“ bei
allen ihren Voczuͤgen vermochte. Seine „Albigenferfhladht”
nennt Lenau ein Mal das Gedicht; eine Schlacht befteht
aus vielen Heinen Treffen, Scharmügeln, Angriffen, aus
Sturm, Flucht, Ruͤckzug, Sammlung Epiſch laͤßt fi
nicht fuͤglich etwas, was auf weitem Raume faſt zu glei⸗
cher Zeit. vorgeht, ſchildern; daher paſſen bie ſchoͤnen
Bruchſtuͤcke, deren jedes verſtaͤndlich iſt und anzieht, für
die Behandlung des Gegenſtandes; aber wir meinen, Le:
nau’6 Talent eigne fi, auch einmal einen würdigen Ge⸗
genftand mit. würbiger epifcher Ruhe aufzufafien. |
Der Eyklus der Lenau'ſchen Bilder beginnt mit dem
Morde, verkbt an dem Priefter Peter von Caflelnau, der
den albigenfifcyen Ketern den Zorn des Himmels prebigte
und vermuchlih auf Graf Raimund's Weranloffung an
dee Rhone erfliochen wurde. Wo der Dichter den men:
chiſchen Fanatismus in fo vielfacher Stufenleiter zeichnen
mußte, war es natürlich, daß er die Karben bei der erſten
vorgeführten Geſtalt nur ſchwaͤcher auffengen durfte, und
doch wie Eräftig, lebendig, dunkel ſteht der finflre Moͤnch
vor ung mit feinem irren Eifer, feiner Legende von den
Zigeunern, die das Kreuz und ben Seifand baram ver:
brannt, um ihre Raben zu braten, mit dem Gleichniß von
dem reinen Quell, der rein bleibt, wenn er audy durch
ein Aas fließt. Sogleich knuͤpft fi daran bie Belehrung
des Spötters, des kecken Troubadour Fulco, mit ber ſchoͤ—⸗
nen Romanze feiner Petrarcaliebe zur Gräfin Berral. Der
die Mönche hoͤhnte und verfolgte, wird an ber Bahre Der
Geliebten irrfinnig und mm felbft der finfterfte aͤrgſie
Acherverſeiar. Hien ns: Bern: Dip: bi "Gel egenipie Bez
betm, die Acheung eplſch forgufähren. Sie hie in
Sulco'’d ung ihre Kriſis, ihre Kataſttophe fuchen
koͤnnen. Fulco fortgefeht, welche Handlung, welche plycho⸗
logiſchen Einblicke in das Menſchenherz und ſeinen Jer⸗
wahn boten ſich das; aber der Dichter laͤßt Fulco laufen
umd wählt unter den veidyen Stoffen, was ihm wohlde⸗
hagt, Raus, immer Neues. Es wirkt doch zum Gans
en, es fest an dem Stamm an, auf ben es ibm ans
kommt; nicht au dem der Dichtumg, aber an dem des
Gedanbens. Wir tadein ihn nicht, aber wir meinen, die
hoͤhere Aufgabe des Dichters fei, Beides vereinen, ber
Wachsſthum kann ſich ducchdrängen.
Anaſtaſius Gruͤn war ein gluͤcklicher Maler in der
Portreitirung bed Pfaffenthums er kannte e8 aus ber
Nähe in feinen zwei großen Doppelrichtungen. Noch ties
fr dringt Lenau, auf jenen in Gruͤn's „Schutt” nieders
gelegten Fuudamenten weiterbauend. In der Hoͤhlenver⸗
fammiung der Albigenfer befings es ein Neubekehrter:
um euch das Pfaffenthum, das Hoͤllending zu fchlibern,
Mus ich aach Indien ziehn, nad) graufen Schreckensbildern.
Mit ſchwarzem An ‚mit Augen aufgeriffen
Die hr fh —— in dben —
Bewaffnet mit dem Schwert, Dreizack und Blutgeſchirre,
Die Schlangen um ben Leib, ein wallendes Gewirre,
So fliegt bie Göttin hin, mit toͤdtlicher Geberde,
Die Amaburge beißt, auf einem Höllenpferbe.
Die große Göttin iſt's ber mörberifchen Zeiten,
Seht ihr fie zornig bort, durchs Erdenleben reiten?
Wohin der Goͤttin Roß mit ſeinen Hufen haut,
Dort bricht ber Boden ein, worauf der Menſch gebaut.
Bom ſcharfen Ritte der Göttin ſchuͤtteln ſich die Schlan⸗
gen aus ihrem Gürtel los. Die eine ſchleicht ſich fort
und ift die Peſt, die andere die Hungersnoth, eine dritte
der Krieg, bie vierte allerfchlimmfie Schlange aber, bie
vom Orient nach dem Abendlande zog,
Cie Heißet Pfaffentrug und ſticht auf ihrer Bahn
Der freien Luft an Gott ins Herz den giftgen Zahn.
Der Moͤnch muß, in der Höhle, von Wuth zerriffen, die
Jttlehten der Ketzer anhören, und, in den Wald entloms
men, wirft ec fih mit namenlofem Grimm zu Boden
und — weint:
Aus feinen Zornesthraͤnen warb ein Molch,
Wogegen hold wie Engel, Gift und Dolch,
Vogegen Liebesketten alle Schlangen,
Die aus dem Gurt der Amadurge ſprangen.
Sottiob, es Lebt nicht mehr, es ward zunichte;
Doch dem Entſetzen zeigt noch d’e Geſchichte
Sein Bild, des Unthiers Bau, Geſtalt und Glieder,
Die Menſchheit ſchlaͤgt davor die Augen nieder;
Bergeſſen moͤchte ſie den Schreckenston,
Des Molches Name: Inquiſition.
Welch ein vortreffliches Bild, aber mehr als Bild, find
die beiden Mönche, der hagere, finftere Ascet, den die
Raben anpiden möchten, weil fie ihn für todt halten,
und der andere, flattlich gerunbete, der mis füßer Erden⸗
ft zu koſen nicht verfhmäht und deſſen Wangen wie
fette Rofen glänzen, Beide im Vorſaal des Vaticans auf
die Andienz harrend. Der fleptifhe Ritter ſchildert fie
und als intrigant. Der Boͤſe bielt mit feinen Söhnen
’
u Aber denꝰ Nactand, DaB, Tole"er Ft cu e
nd Biäge, wenn’ die Ernte reife, bie &chke m *inier
aus der Hand geſchlagen werde:
Die Garbe faͤllt in frommer Schnitter Haͤnde,
.Des Teufels Thun wird Gottesbienft am Enbe.
Er unternimmt es mit feiner Schar, den Block umzu⸗
drehen, daß hie Kirche, als wadere Mugd, des Veufels
Haus veftele: Ddei finke Vurfhe aus der Höfe derkappt
ec in braune Mönchsgewande und ſchickt fie nach Rom,
um an St: Peters Thron um einen neuen Kreuzzug ges
‚gen die Keger den Papft anzuflchen. Auf dee legen und
hoͤchſten Stufe diefer Leiter des Fanatismus ſteht Inno⸗
cenz ſelbſt. Der Dichter führe ihn wuͤrdig vor, würdig
auch im der gräßtichiten Blindheit des Zelotismus; der
Prüfftein des echten Dichters. Lenau iſt faſt immer
‚glüdlich in kurzen ſchlagenden Bildern, als Spmbele des
Gedankens. Innvocenz Bft die Wunden des Heern am
Kreuze, wie ein zahmer Loͤwe feinen Herrn beleckt, aber die
ſcharfe Zunge Hat Blut gekoſtet, und nun iſt feine Wuth los:
Der Leu bruͤllt auf, und hat mit ſeinen Krallen
Wuthhlind ben eignen Meiſter angefallen,
Er hat fein Bild ſchon halb zerriflen,
Und meint es immer noch zu Eüffen.
Sm Pfaffenthum ift ein vollftändiger Klimaz gegeben;
auf dee andern Seite werden uns nur gerriffene Auftritte,
wenig Charaktere geboten. Tieck wußte uns in den „Ce—
vennen“, obgleich fie unvollendet find, ein ziemlich, vollſtaͤn⸗
Jdiges Bild der reformirten Schwaͤrmer in allen Nuancen
hinzuſtellen. Freilich ſteht uns die Zeit der Albigenſer
entfernter und die Nachrichten über fie find fparfamer;;
vielleicht wäre es eben bier erlaubt und Aufgäbe gewefen,
Perfönlichkeiten zu erfinden, die eine durchgehende Hand:
lung gebildet hätten. Statt defjen erhalten wir nur ſchoͤne
Koleidoffopbilder ; eine Höhlenverfammiung der frommen
Geweihten, Scenen ihrer Tapferkeit, den atheiftifhen Gra⸗
fen Golf, den wahnfinnigen Schneider, der fort und fort
an einem Leichenhemde für den Antichrift näht, die in
Winternacht binausgefloßenen, die in Flammen verbren:
nenden Märtyrer, das Mädchen von Laveur, eine furcht⸗
bar ſchoͤne Phantafle, die Studenten in Paris, in Weln:
rauſch erglühend fuͤr die neue freie Lehre, und die Kern:
geftalt auf diefer Seite, den halbgeblendeten Hugo von
Alfar, der aus diefen entſetzlichſten Kämpfen um den Gtau-
ben ats Frucht den Zweifel an allem Gtauben dasen ge=
tragen bat. Es find mit wunderbarem Metz umgebene
Laterna⸗ Magica⸗Bilder, aber das perfäntiche Intereſſe feſſelt
ung nicht an fie. Verlangt ihr auch Das noch, könnte
und der Dichter zurufen, wo dann den Zauber der Poefie
hernehmen, um all die Schmerzen und Greuel, die ihr
mit empfinden mößtet, erträglich zu machen ?
(Der Beſchluß folgt.)
Neuere polniſche Literatur.
1. Archiwum tajne Augusta Il. wydane praeg Zdwarda Ressyi-
skiego. Zwei Theile. 8, Breslau, Schletter. 1843. 2 Thir.
Bon allen Perfonen, welche den Thron Auguft’s II. um:
gaben, übte der Feldmarſchall Flemming ben größten Einfluß
auf die politifyen Verhaͤltniffe Polens aus. Wie er am meiften
3
Auge 3. die —— Krone ya werlipeflen,
7 genen, zug der Gpige — *7 2
nach Polen gefuͤhrt ae fo et au ec auch von Augufl’s Kroͤ⸗
nung an nie auf, am ben Öffentlichen Angelegenheiten Polens |
thätigen Antheil zu nehmen. Dabei waren ihm feine Familien⸗
verbindungen in Polen und feine Kenntniß der polniſchen Sprache
ganz Vefonders behärfiih. Als Anfuͤhrer des ſaͤchſiſchen Heeres
- in Lithauen 1699 brachte er wenigftens cine fdeinbare Ver⸗
einigung ber Sapicha'ſchen und Oeinsti’fchen Partei zu Stande
und gab nachher den erften Anlaß zu dem Kriege Auguft’s 11.
mit weden, wofür bekanntlich geuaß Loos ſeiner harrte.
As Auguſt vor dem Sieger ſich beugte, verzweifelte Flemming
an feines Königs Sache nicht. Gr ſpaun bald wieder neue
Jatriguen in Polen an, um bie Parteigänger A
ichäen, zu beleben und zu mehren, und bie Schlacht bei *
tawa ließ ihn die Früchte feiner Mühen und feiner Ausdauer
früher ernten ats er gehofft hatte. Nachdem Augufl ben von
alten Seiten bedrohten Thron wieder beftiegen hatte, war es
- Ylanming, der dem Könige den Rath gab, mit Hülfe des fg
fifdgen Heeres die Regierungsform in Poteh zu ändern.
das für Polen felbft heilfame Borhaben gelang nicht, und au
benugte der gebemüthigte Monarch wie früher den Degen feines
Keidmarfchalls fo jegt deffen Keder zu ben Verhandlungen mit
den tarnogroder Gonföberirten. Nach dem unheilvollen Trac⸗
tate von 1717 warb Flemming, der das unumfchräntte Vertrauen
feines Deren befaß, von biefem vornehmlich zu Miffionen an
fremde Höfe verwandt, und während einer derfelben flarb er in
Wien 1727, vier Jahre vor Auguſt.
Das Privatarchiv Flemming's kam durch eine feiner Ens
£elinnen in die Bände des um bie polnifdye Literatur fihon fo
verdienten Wrafen Eduard Raczynski. Es mußte dieſes Archiv.
um ſo wichtiger ſein, je bewegter das Leben des Feldmarſchalls,
je groͤßer ſeine Macht und ſein Einfluß geweſen war, da die
Angefehenften Derfonen in Polen, ſelbſt aus dem königlichen Ge⸗
biäte, um- feine Freunbſchaft ſich beworben, feinm Rath eins
geholt und unter feinen Schutz ſich begeben hatten, und je ges
nauer er mit ben gebeimften Triebfedern der damaligen innern
und dußern Politik des poinifchen Hofed vertraut gemefen war.
Graf Raczynski erfannte daher alsbald die Bedeutung Deffen,
was ihm durch einen gluͤcklichen Umſtand vorlags er veranlaßte
einige polnifche Damen und ben Grafen Bernharb Potocki, die
wichtigen Documente bes Archivs aus dem Franzoͤſiſchen und
Deutfcyen ins Polnifche zu übertragen und übernahm ſelbſt bie
Derausgabe der Überfegung, und fo verdankt ihm bie hiftorifche
Literatur Polens wieder einen neuen wichtigen Beitrag. Es
‚enthält die Sammlung theils Staatsichriften und andere amts
liche Actenſtuͤcke, —* Briefe hoͤchſter Perſonen, Reben u. ſ. w,
einen wahrhaften Schag von Rachrichten über die damaligen
Berhättniffe und Perfonen. Mit Recht fagt ber Herausgeber,
daß wir bier nicht blos Einficht in ein Privatarchiv, fondern
in die geheimen Archive zweier Höfe, des ſaͤchſiſchen und pols
niſchen, und den Schiäffel zu mancher bisher räthfelhaften Be⸗
gebenheit erhalten. Daher wäre es wuͤnſchenswerth, baf bie
einmal in bie Öffentlichkeit gezogenen Documente nun aud) in
den Urfprachen dem Publicum vorgelegt würden.
2. Pamietniki do dziejow Polskieh, wydane przez St. A.
Lachowieza. Wilna 1842.
Es enthalten biefe „Denkſchriften zur Geſchichte Polens
ein lange Reihe von Briefen, welche der König Sigismund
Auguft mit Nicolaus Rabziwill, zugenannt der Schwarze Kanye
ler und Wojewode von Wilna, gewechſelt hat. Sie reichen von
1548 bis zum 3. 1571, umfaffen alfo faft die ganze Regies
rungszeit biefes Königes fie gewähren eine genaue Kenntniß
vieler Ereigniffe, über welche man anderewo vergeblich Auskunft
ſuchen dürfte, und find für Jeden unentbehrlich, ber fi mit
einer fo langen und glorreichen Regierung vertraut machen will.
Die Originale befinden ſich in der kaiſerlichen Bibliothek zu Per
teröburg, vorher waren fie aus ber Radziwiller Bibliothek zu ſcheinen zu ladſde vorher waren fie aus ber Radziwiller Bibliothek zu
ICH LIT bie li⸗
Gjocki beſeß außer biefen
8 a s Sigismund u und es ift zu
wünfchen, daß fie fi Ele irgendwo auffinden Laffen. Du
die vorliegende Sammlung werben wir Aber das Verdaͤltniß des
Königs vr feinen, Kanzler Radziwill genau untereichtet Wei
Lebzeiten eiien feiedengeit barüber,
Beider äußerte vn Uau
daß ber König faft die ganze Regierung Lithauens in Radziwilſ's
Hände gelegt hatte. Doch aus dieſen Briefen zeigt ſich klar,
daß der Kanzler feinen Ginfluß nur auf eine ehrenwertbe we
erlangt hatte. Der Blang feines alten Ge ſein R
—— *
thum, ſeine eigenen und die Berbienfe fein
en dem ausgezeichneten Wanne ben Bugang we den
tern im Staate, aber nur feinen perfönlichen Gigeafkafen,
feiner Bildung, feiner Weisheit, feiner Anhaͤnglichkeit an Gigie-
mund Auguft verbankte er deffen Freundſchaft und beffen Ber:
trauen. Allee was bie innere Einrichtung bes —323 was die
Berhaͤttniſſe zu dem Auslande betraf, ſogar
genheiten des koͤniglichen Hauſes wurden vom 5
5* Geſe
—* mehr Bri
geles
dent
Kanzler Radziwill vorgelegt und häufig nach veffen Rathe er⸗
ledigt. Daher denn bei Denen, die nicht in das Innere des
Berpältniffee zu blicken vermodten, doch über ben Einfluß
Radziwill's betroffen waren, leicht bie Rebe Glauben fand, der
König fei gang in bie Hände feines Kanzlers bapingegeben und
babe ihm 8 feinem Tode die beſondere Herrſchaft über Eis
thauen verfprodhen. Der Vorwurf von Radziwill's Ubermäßis
Br Einfluffe war fo allgemein, daß er noch hundert Jahre
päter in Kojalowicz und Nieſiecki widerhallt. Die hier veröfe
fentlihten Briefe befunden, wie ungerecht diefer Vorwurf ges
weſen. Radziwill überfchritt nie die Grenzen, bie ben Unter
tban vom Throne fcheiben, häufig entgeht er den Stürmen nit,
die feine hohe Stellung mit fi bringt; an ber Sreundfchaft
feines koͤniglichen Herrn zweifeind fehnt er ſich nach der haus
lichen Ruhe und will ben Segterungsangelegenbeiten fich ent:
sieben. Manche Mittheilungen geben ganz newe Aufichiäffe-
Dahin gehört, das Sigismund Auguft, von Rom aus durch
das Gerücht erfchredt, der Großfürft von Moslau, Iwan ber
Schreckliche, bewerbe ich beim Papfte um bie polnifche Krone,
eben durch dieſes Gerücht veranlaßt worden fei, zu einer zwei⸗
ten Heirath mit einer dſtreichiſchen Pringeffin zu ſchreiten in⸗
dem er an Kaiſer Karl V. einen Rüdhait zu haben wuünſchte
Auch über bes Königs Verhaͤltniß zu feiner. Mutter, Bona
Sforza, welcher bie Vergiftung ber Barbara Rabziwill zum
Bormurf gemacht wird, zu den B:chwertbrübern in Eiefland x.
erhalten wir mannichfache Auffchlüffee Im Ganzen find die
| Briefe in gutem Polniſch gefthrieben, insbefonbere bie Rabdzi-rilt’s,
bie fi duch Wit, Kraft und Schönheit ver Bprade, aut
zeichnen.
Literariſche Rotiz.
Griechiſche Philoſophie in Frankreich.
Jules Simon iſt, wenn wie nicht irren, ber Stellvertreter
Soufin’s an der Sorbonne. Gr ift Derjenige, weidher die An-
griffe der franzoͤſiſchen Seiftlichleit auf die freie ſelbſtaͤndige
Philoſophle, wie fie in Frankreich erſt von Couſin wieder be
gruͤndet iſt, am energiſchſten abgewehrt hat. Seine Auffäge
in der „Revue des deux mondes“ find in dieſer Beziehung
fehr „rahtenswertg. Diefer tatentvolle junge Philofopg bat
ſich überhaupt ſchon durch mehre Arbeiten ruͤhmlich bekannt ge-
macht, an bie ſich feine aeueſte Schrift „Etudes sur ha cheo-
dic&e de Platon et d’Aristote’’ mwürbig anreiht. Wir möchten
diefe Elare und ſchoͤn gefchriebene und dabei doch tieffinnige Ab⸗
handlung Denen empfehlen, die da immer noch in dem Wahne
befangen find, die franzöfiiche Sprache eigne ſich nit für die
philoſophiſche Speculation ober die da meinen, man muͤſſe jeden
Gedanken in ein unverfländtiches Dunkel hüllen, um {pn tiet er⸗
ſcheinen zu laſſen.
Berantwortlicher Herausgeber: Heinrich Brokhaus. — gg rantwortiider Deranbgeber: Heintid Brodbaus. — Drud und Werlag von 8. &. Brodbaud in keiypf. — und Verlag von 9. A. Brodhausß in Leipzig.
Blätter
literarifde Unterhaltung.
(Beidiuß aus Mr. 228.)
Über das Glaubensbekenntniß der Aibigenfer gibt ung |:
bie Weihe eines Neuaufgenommenen in jener Höhle fo |
weit Auffhluß, als wir überhaupt davon Kunde haben, |,
und diefe ein Dichter für geeignet hält in feine Dichtung
aufjunepmen. Der Duallsmus in der Antwort:
Die Seifter find von Gott; die Körper find vom Boͤſen
wurde nit von allen Sekten, bie man unter dem Mas
men Albigenfee zufammen begriff, angenommen. Nachfol⸗
gende Dogmen Klingen flart an Meinungen aus der Ges
genwart an: Ä
Der Kirche fei der Geiſt entgegen und zumiber,
Sie läutet ihn zu Grab und fingt ihm Sterbelieder.
Der Kirche Abendmahl ift nur gebacken Brot,
Die lepte Olung kann nichts ändern an dem Tobd.
Dos Sacrament ber Ep’ ift meift nur Buhlierei,
Venn fie auch vor der Welt bingeht, bee Schande frei.
Die Taufe negt das Kind — ben Pflangenkeim ber Regen —
®ie mahnt uns, der Natur das Kind ans Herz zu legen.
Ih ſchwoͤre Beinen Eid, denn nichtig find die Schwüre,
Im Beitenwetter bald zermorfchen twa Schnuͤre.
Berachte jegtich Wild, zumeiſt das Kreuzeszeichen,
Das uns nicht frommt, noch Gott zur Ehre kann gereichen.
Nach langem Schiefe vegt ſich ſorſchend der Gedanke,
Do träbt ihn noch und hemmt die Zeit und ihre Schranke.
Der volle Chriſtus ift erſchienen nicht auf Erden, u
Sein goͤttlich Menſchenbiid muß noch vollender werben.
Noch verwandter Mingt, was in dem Geinegarten von
Piris ein Anhänger der Lehre Almerich's von Bene von
den „theuten Lehren” fpricht, von denen
eine, unvergeßtich ihm vor allen,
Noch Tpät wird auf ber Erde widerhallen.
Sie lauter in der Lenau'ſchen Verſion:
Was wir mit dunklem Worte nennen
Die göttliche Dreifaltigkeit,
Das find drei Stufen in ber Zeit,
Wie wir den einen Bott erfennen.
Den Bater glaubte ben Gewittern
Der Menſch und bem Prophetenmunb,
Bor Gottes Willen mocht' er zittern;
um» foihes yieß der alte Bud.
Jehova's Tage mußten ſchwinden,
Der dunkle Donnernebel floh;
Wir lernten Gott als Sohn empfinden,
Und wurden feiner Liebe froh.
Auch Ehrifti Zeit, die Bott verſchleiert,
Bergeht, der neue Bund gerreißt,
Dann denen Bott wir als den Weißt,
Dann wird ber ew’ge Bund gefeiert.
Der wilde Hohn gegen alle Zucht und Sitte, wie er im
Grafen von Foix fig ausfpridht, repraͤſentiet auch eine ber
Verirrungen, wie fie ſchon früh unter den erſten Verſu⸗
hen zur Reformation fich bervorthaten. Der lang ges
knechtete Geiſt, wie folte er fogleihh den Weg zur Er⸗
tenntniß finden? Flagellanten, Wiedertäufer, Bilderflärmer,
Adamiten waren in der entfeflelten, noch von der
rei buschathimeten Menge die nothwendigen Begleiter der
Reformation. Auch diefe kühnen, luſtathmenden Geifter,
die ben Gott nur im Genuffe fuchten. Dagegen iſt dey
Zweiflee Hugo von Alfar in feinem fehroffen kalten Bes
wußtfein, in feinem bittern Hohn mol mehr eine Geburt
der Gegenwart und des eigenen Gedankenproceſſes des
Posten. Wo hat die neuere Porfie ein erſchuͤtternderes
Bid aufzuweiſen als den Roſenkranz von geblendeten
Nittern., welche der grimme Simon dem nur auf einem
Auge geblendeten Alfar übergibt, mit der hoͤhniſchen
Weiſung: Nun mögt ihr Keber
‘ katholiſch wandeln lernen,
Blind folgfam und gehorſam nur dem Einen,
Dem noch ins Aug’ die Himmelslichter ſcheinen.
Zenau gefüllt ſich nicht, das Furchtbare noch furchtharer
auszumalen, noch die NRührung zu erwecken, was ein
Leichtes geweſen wäre; er bleibt ganz Dichter, Indem die
Dichtung dody nur dem Gedanken dienen ſoll. Einer der
reife ruft:
D daß wir Augen brauchen um zu ſchauen!
Die ganze Welt zwei Punkten anvertrauum! -
Barum ift nicht dem füßen Lichte offen
Der ganze Leib? Er athmet noch die Luft
Und ift doch ſchon fo finfter wie die Gruft. .
Wär’t Innoceng, den dort mein Schwert getroffen!
Daͤr's Innocenz, deu ich dort umgebradit !
Er if die Seele und das Herz bee Nacht.
Die blinden Krieger heben einen entfeglichen Fluchgeſang
des Haſſes an, den aber Ihr Führer Hugo von Alfar
durch feine Worte, fpäter durch feine That, noch fiber
as *
bietet. Diefer ſeltene Roſenkranz“, den Simon dem Gra⸗
fen Foix ſendet, iſt mit Dem, was ihm folgt, wol die
Perle unter den Geſaͤngen, wenngleich nicht die lieblichſte.
Die Anmuth, könnte man fagen, gehört überhaupt nicht
in Sleſe Sraͤßlichkeiten, und doch, auch in ber Schilderung
wu Sturm, Noth, Graus und Tod, darf der Kuͤnſtler
nicht gegen ihre Gefege fündigen. Diefe Anmuth, wohl
verftanden die kuͤnſtleriſche, waltet noch ob in der Schil⸗
derung des Schlachtfeldes, deſſen gehäufte, verſtuͤmmelte
Leichen, deſſen Blutſtroͤme, die zu einem Teich ſich ver:
fammeln, mit aller Lebendigkeit vor unfer Auge gebracht
worden. Sie alle ſchlugen fih um die Frage: Ob Gott
den · Koͤrper erfchaffen, ober ein böfer Geiſt?
Darüber flritten fie mit allen Waffen,
Und werben. von den Vögeln mm gefpeift,
Die, ohne ihrem Urfprung nachzufragen,
Die Körper da ſich laffen wohlbehagen.
Bel Zaufende gethan ben testen Hauch,
Meint Innocenz, der Zweifel that ihn auch ?
Sie rufen übers weite Schlachtgefilb
Das Unkentied des Zweifel bumpf und wild,
Was foll das ewig antwortlofe Fragen,
Zu deſſen Ungeduid fie ſich erſchlagen?
Was iſt's? — und Chriſtus? — Wunberlihe Mäpre!
- "Daß er für uns ſich Fünsmert, zeigt uns nicht
Dies todte Durcheinander zweier ‚Deere,
Wo jedes fiet im Wahn der Chriſtenpflicht.
Den gläubigen Kegern und Zweiflern gegenüber fagten
wir, daß Innocenz, der Gipfel des Fanatismus, in groß
artiger Wuͤrdigkeit aufgefaßt fei. Die verführerifche Los
ung , bei Darftellung von Slaubenstämpfen diefer Art,
wo der Dichter aus greimmerfülltee Seele Partei nehmen
muß, dem verhaßten Werfolger auch zum Heuchler zu mas
dyen, und ihn moralifch noch tiefer zu flellen, bat Lenau
überwunden. Inmocenz glaubt mit heiligen, heißem Eifer,
fo die Andern auch, aber mit dem heiligen @ifer, der
mehr Unheil über die Welt gebracht hat ale Heuchelei
und Bosheit felbft, denn beide find mit Vernunft bes
gabt, beide müfjen den Verſtand bei ihrem Wirken zu
Huͤlfe rufen. Wie herrlich iſt Ianocenz‘ Traum _
ein banges Stodlenfummen,
Die Kirche laͤßt ihr legt Gelaͤut verhallen,
Ihm duͤnkt die Welt von Chriſtus abgefallen,
Er lauſcht und weint — die Glocken, ach! verſtummen.
Das heilige Tau des Glaubens iſt zerriſſen,
Das diefe Welt an ihren Gott gebunden,
Bom Nagethier, dem Zweifel, überwunden,
Bom Zahn bee Höllenratte abgebiffen.
&o tritt er mit allgewaltiger Kraft auf gegen ben Boten
Fulco, der ihn zum Kreuzzug mahnen will, ben er ſelbſt
als nothwendig ſchon befchloffen. So ängftige ihn in ber
Stile der Nacht das Gefiht, das ihn an die Stille
mahnt, die er über die Provence gebracht; aber das Ger
ficht überwindet ihn nicht. Er fpüttelt das Grauen ab,
und ruft vor dem Erucifir ein ruhiges Amen!
Wir überfcheitten das Maß für Anzeigen einzelner
Werke, wenn wir alle die Gefänge, welche Schönes oder
wm
Beachtenswerthes enthalten, noch einzeln hervorheben wei:
ten. Weil uns das nicht vergönnt if, halten wir auf
der andern Brite audy mit den Rotaten zuruͤck, wo 9
nau's Diction, Im Ganzen eine edle, durchaus dichteriſche
die ſich Mrs Drange nach Deutlicheeit md Rıdfe ciyıme
Bahnen bricht, bisweilen willkuͤrlich wird umb neben dem
tühnften und glüͤcklichſten Pathos in die zu gemöhnlide
Sprachweiſe verfällt. Was kommt es auf dieſe Lapfus
der Sprache bei diefem Gedichte an? Es fol kein ruhi:
ger, ebenmäßiger Strom fein, es iſt ein Waldbach der
Enträftung, der uns weden, mahnen, wenn wir im dum:
pfen Schmerz Über gegenwärtiges Leid verzweifeln, erhebm
und auch fol; er verweiſt uns auf die
richte der Geſchichte, und breitet ſolche elegiſche Weihe des
Schmetzes Über das umausſprechlich Herbe aus, daß wir
im Zuſammenſchaudern hoch noch genießen können.
Der Troft für die gerteetenen. Albigenſer blieb lange
aus; dee Dichter baut die Brüde auf, über welche der
Gedanke endlich fiegreih drang. Welche jahthundert⸗
lange Bruͤcke: J
Das Licht vom Himmel laͤßt ſich nicht verſprengen
Noch laͤßt ber Sonnenaufgang ſich verhaͤngen prengen,
Mit Yurpurmänteln oder dunkeln Kutten;
Den Albigenfern folgten die Huſſiten
Und zahlten biutig beim, was jene litten;
Nah Hub und Zisla fommen Luther, Dutten,
Die dreißig Jahre, die Gevennenftreiter,
Die Stürmer der Baſtille und fo weiter.
Ein Bud), das erſt recht lebendig fpricht, wenn wir
ed zufchlagen; ein Bud voll ftrömender Gedanken, Be:
danken an die Gegenwart bei Bildern aus der Porpit,
und im ſchoͤnſten poetiſchen Gewande. Wäre es auch ein
Leid, fo würden wir Lenau's „Albigenſer“ vielleicht cin
einziges Gedicht nennen. W. Arie,
Der Mormonismusß.
Irgend ein deutſches Journal erwähnte nor einiger Zeit.
daß in ober bei Bremen eine neue Gelte ſich bilde, dit
den Namen Mormoniten angenommen. Iſt bie Rachricht
gegründet, fo bürfte Die fragliche Sekte eine Gommandite oder
ein
fi) verbreiteten Sekte der Mormoniten ober Juͤngſten: Tagi⸗
Beiligen fein, und wäre bas, fo erftärte ſich vielleicht hieraus,
warum eine im laufenden Jahre in London erfdyienene neue Kufı
lage des Textbuchs ober der Bibel diefer Sekte, „Das Ba
Mormon”, das in Amerila mehre Mate, in England zuerſt
1841 gebruckt worden ift, laut Buchhändlerangeige „For exper-
tation”, zur Ausführung außer Landes, beftimme fein fol. Die
el HT
icher a ngften » Zag6 : Heilige. ie Sn deſſelben
wird folgendermaßen erzählt. * | (Repung
Bor zwanzig unb einigen Jahren lebte in Rorbamerils
und lebte noch 1842 ein damals junger Menſch, Joſeph Omith,
feines Zeichens ein Schatzgraͤber. &6 herrſcht naͤmlich in eini-
gen am Meere gelegenen Diftricten der Bereinigten Staaten
der fefte Blaube, daß vor Zeiten Seeraͤuber große Maſſen ge:
münzten und ungem Boldes dort verſcharrt und ein Glei⸗
ches während bes Freiheitskriegs gefchehen fei. Da finden ſich
denn liſtige Wänner, die ‚pen Leuten weiß madhen, daß fit im
Stande, mittels Beſchwoͤrung bie verborgenen Schaͤte zu heben,
der in Nordamerika entſtandenen und nach England
i es ins
unb ein ige: Wann wag Baith. .
deſſen, 48 See nike Monter rentirte, ober Smith
nad mebr und Göherm trachtete, genug, er rühmte fi himm⸗
Ufcher Dffenbarungen in Betreff der dermaligen BReligionsfekten.
Das fie Mal wurde ihm geboten, in den Wald zu geben und
inbrünßig beten um Grleudtung von oben, weldye von als
len de Selten er für die wahre erfennen und verehren
folle. Und als er das gethan, ging ein Eicht auf über feinem
Daupte; ee wurde empor und mitten hinein geboben und. ers
blickte zwei engelgleihe Geſtalten, die ihm fagten, alle feine
&ünben feien ihm vergeben, die ganze Welt im Bezug auf res
Kigidfe beiten im Irrthume, und gu geeigneter Beit
folle die Wahrheit ihm Fund —X sin a ne Er:
deinung unterrichtete ihn, daß bie amerikaniſchen Indianer ein
eibket der Kinder Iſrael und daß einft Propheten und
gottbegeifierte Männer uater ihnen gelebt, von welden an
einem ſichern Orte göttliche Urkunden niedergelegt worden, das
mit fie nicht in die Hände der Gottlofen fielen. Eine britte
Erſcheinung am Morgen de 232. Sept. 1823 benachrichtigte
Smith, daf jene göttiihen Urkunden fich in einer Höhle befän-
den auf einem Berge oͤſtlich von ber nad Palmyra führenden
Dauptitrafe im Difteiete Wayne im Staate Reuport. Dorthin
begab ſich Smith, fuchte und fand — wie er behauptet — eine
fleinerne Kite, worin golbähnlidhe Zafeln, jede acht Zoll lang
und fieben Zoll breit und nicht ganz fo di wie gewöhnlidhes
Zinn. Auf diefen Tafeln war das Buch ober die Bibel Mors
mon eingegraben, fo gebeißen nach Dem, ber es geichrieben und
verborgen. Smith durfte jedoch die golbenen Zafıln nicht weg⸗
nehmen, bevor er ägpptifch gelernt, benn in dieſer Sprache
oder einem jüngern Dialekte war dies Bud) abgefaßt. Endliich
in September 1827 wurde er zur Empfangnahme für qualifis
cirt erachtet, und nun fertigte er eine englifche Überlegung, bie
1830 gebrudt erſchien, infonderheit unter den ärmern Claſſen
großes Auffehen erregte und zur Bildung einer Sekte Veranlaſ⸗
fung , veren Anhänger fi) anfangs die Kirche Jeſu Ghrifti
der Sängien: Kaps: Deiligen, fpäter, wie bemerkt, nad) ihrem
Zertbucge Mormoniten nannten. .
Das „Buch Mormon“ ift ziemlich von ber Stärke bes
Zeftaments und yerfällt in zwei voneinander getrennte Haupt⸗
abfchuitte. Der erfle erzählt die Geſchichte der Nephiten, einer
Iraction des Stammes Sofeph, die unter ihrem Propheten
_ Reppi Jeruſalem verlaffen: haben und wunberbarerweile nad
Amerita gelangt fein fol, wo fie den Grund zur indianifchen
Kace gelegt. Viele Jahre nach ihrer dortigen Riederlaſſung
entbedhten die Nephiten die Urkunden der Jarebiten, eines ers
duemen Wotles, das um bie Zeit ber Grbaumg Babels nad)
Amerita gelommen. Die Offenbarungen mehrer Propheten un⸗
un — Düne Sofepg Eaayr, Giftrs,
„meines werd, € N Ü N
ee der Mormeoniten, machen den zweiten
&
> bes Buchs aus. An Beweiſen von ug
anb Zeug M durchaus kein, Dlangel. Der Verf. hat ben eigen
*
su GSetil der igen Schrift nachgeahmt, babei aber
Serie un Ramen Be Sprachen It, die gu der vors
gebticyen Zeit ihm unbelannt fein mußten. ‚Den Anftoß, daß
die vothe inbianifche Hautfarbe nicht juͤdiſch, befeitigt er durch
dae bequeme Mittel eines Möunberd. Ihre Hautfarbe, beißt «8,
zux Strafe ihrer Suͤnden verwandelt. Dann werben
Dinge erwähnt, die um Bieles fpäter erfunden worden find.
ſchreibt der Prophet Rephi, indem er von eines Weuterei
auf der Überfahrt nach Amerika fpricht: „Und fiche es geſchah,
nachdem fie mid Losgebunden, daß ich den Gompaß nahm und
er drehte —* in a few et — —
ober, i he mich hinſicht ng au u
tät des a m’. Das Tagt hierüber : & —
angektichen eliten wird in den Bädern Enos, Jarom, Ze⸗
ni uf. —2 und durchgaͤngig entdecken wir den klar⸗
fien Beweis nicht bios von Betruͤgerei, ſondern auch vom der
Unwiffenheit des Wetrügers, die ſich mit merkwuͤrdiger Ausdauer
ſeph Smith den Plan entworfen und ausgeführt
treu bleibt. Gi been oghänbet ben Mer.
phiten ren — ar es Nm der Berf. ſich des ge:
meinen Irrthums ſchuldig gemadt, ein Beiwort für einen Nas
men zu halten. Jeder gebildete Menſch weiß, daß Ghriftus
kein Rame, ſondern ein griechiſcher Amtstitel, daß has Wort
fo viel bedeutet als der Geſalbte und eigentlich bie Überfegung
des hebraͤiſchen Wortes Meſſias ift. Allerdings wird: in neuerer
Zeit und auf den Grund eingebürgerter Gorruption von ben
weftlihen Chriſten das Wort fo gebraucht, ale wäre es ein
Gigenname, ober mindeſtens eine unüberfegbare Bezeichnung.
Das ift aber ein moderner Irrthum, ben die meiften Kirchen
bes Drients vermieden haben. Daß jedoch ein griechifcher Aus⸗
druck zu einer Zeit, wo bie griechifche Sprache noch unausgebil-
det war, bei einem Volke vorfommt, das mit ben Griechen uss
möglich in Verkehr flehen Eonnte und deſſen individueller Sprach⸗
organismus überdies aller fremden Beimiſchung feind iſt, muß
: für ein fo offenbares und entſchiedenes Zeichen ber Faͤlſchung
eiten, daß es laͤngſt die Taͤuſchung zu Tage gefördert haben
ollte. Unglüdticherweife müflen wir indeß aus uns zugeganges
nen Flugſchriften folgern, daB die amerilanifchen Methodiſten,
die zuerſt es unternahmen, bie Mormoniten zu entlarven, kaum
weniger unwiſſend waren ale biefe. Gin zweiter Rephi greift
den Faden der Geſchichte bei einer Periode auf, welche mit ben
im Reuen Zeftamente erzählten Begebenheiten zufammenfält.
Wenn da nun behauptet wird, daß unfer Heiland nach feiner
Auferftehung ſich den Rephiten gezeigt, fo liefern die ihm in
den Mund gelegten Worte für die Unwiſſenheit ber Betrüger
einen noch ſchlagendern Beweis. Die Worte lauten: ‚Seht, ich
bin Jeſus Shriftus, ber Sohn Gottes. Ich habe Himmel und
Erde geſchaffen und Alles was darin.‘ Dann: „Ich bi: das
Sicht und Leben der Welt. Sch bin Alpha und Dmega, der
Anfang und das Ende.‘ Abgefehen von dem frühern Berſtoße
beim Namen Chriftus haben wir hier den Namen Jeſus in der
griechiſchen Korm, und nit, wie die Hebraͤer ihn genannt ha⸗
ben würden, Joſua. Außerdem erfcheinen der erſte und ber
legte Buchſtabe bes griechifchen Alphabet als Metapher für
fortdauerndbes Dafein, und das bei einer Nation, die nie bon
der griechiſchen Sprache gehört. Es leidet gar keinen Zweifel,
daß der Verf. Alpha und Omega für zwei myſtiſche Laute Hielt,
denen eine befondere Heiligkeit anklebe — ein Irrglaube, ber
fig nicht auf die Mormoniten beſchraͤnkt —, und daß er fie
binfchrieb, ohne Ahnung, welch offenes, jedem Schuljungen
Mer ra Zeugniß der Faͤlſchung er dadurch wider ſich felbft
au e.“
Iſt denn nun aber Joſeph Smith Verf bes „Buchs Mor:
mon’’? Was weiter unten über feine Perföntichleit gemeldet wer:
den wird, muß von vornherein bie Frage verneinen. Wenn cr
es jeboch nicht ift, wer ift e8? Darüber gibt das „Athenaeum”
einen Wink, der ſich bören läßt. Laut diefem achtungewerthen
Journale hatte ein Geiftlicher, Namens Golomon Gpauibing,
feinen Stand aufgegeben, fi in Gherm Vale im Gtaate
Neuyork als Kaufmann angefiedelt und 1809 fallist. Zu felbis
ger Zeit wurben bie norbamerilanifchen Grabhuͤgel viel beſpro⸗
: en und das brachte Spaulding auf den Gedanken, daß ein
Roman, ber bie verlorenen zehn Stämme Iſraels, von denen
"die Sage ging, daß fie Amerika bevölkert, mit jenen Grab⸗
— in Verbindung ſetke, wol ein Erkleckliches eintragen,
m wenigflene momentan aus feiner Geldnoth helfen koͤnnte.
Gedacht, getban. Spaulding ſchrieb einen foldyen Roman in
altem hebräifchen Stile, nannte ihn bas gefundene Manufcript
und bot ihn 1813 dem Druder Lamdin in Pittsburgh im Staate
Pennſylvanien zum Verlage an, ftarb aber, ehe Lamdin fidy
entſchloſſen. Im J. 1826 ſtarb auch Legterer, nachdem er kurz
vorber das Heft einem gewiffen Sidney Rigdon zum Lefen ges
Heben. Diefer fol nun gemeinſchaftlich mit feinem rg Io:
en, der
Welt das Buch als eine neue Offenbarung aufzubinden. Geeig⸗
net war 28 bazu und etwa nöthige Kbdnderungen und Zufäge
erfoderten Leinen befondern Scharflinn. Das dies wirklich die
wohner zählen fol und wohin fortwährend englifche Auswan⸗
derer ihren Meg nehmen. Bezuͤglich Näheres findet fi in der
Heinen Schrift eines Augenzeugen — „The city of the Mor-
mons, by Caswall” (London 1842) —, aus welcher ich bie
oben angebeutete Schitberung des Joſeph Smith entiehne. Cas⸗
wau berichtet: „Ic; begegnete Joſeph Smith unmeit feiner Woh⸗
nung und wurbe ihm vorgeſtellt. So wurbe mir bie Ehre ber
Zufammentunft mit sinem Manne zu Theil, der Prophet,
cher, Kaufmann, Dffenbarer, Präfldent, Älteſter, Redacteur
und @entral der nauvoder Legion ift. Dem Kußern nach iſt er ein
gemeiner Ptebejer, auf deffen Geſichte ber Scheim und der Tol⸗
pet nebeneinander ſtehen. eine Hände find groß und fleiſchig
und an dem einen Finger trägt er einen mafflo goldenen Ring
mit einer Infchrift wie mir ſchien. Gekleidet war er in grobes
Landtuch und fein weißer Hut mit ſchwarzem Grepp ummunden,
als Zeichen der Trauer um feinen verflorbenen Bruder, Don |.
Sarlos Smith, Herausgeber ber „Times and Seasons”. Er
mag ungefähr 35 Jahre alt fein. In die Augen konnte ich ihm
nicht fehen, benn es fehlt ihm der offene, gerade Blick bes ehr⸗
tichen Mannes. Gefolgt von einer Menge Ziteften, Bifchöfen,
Predigern und geme nen Mormonen führte er mic in fein Dans, |
(} U l A t
wo nad unferm @inteitte für ihn und mid Grüßle gebrac | volle Auffäge, unter benen wir namentlid)
wurden. Der neugierige Haufe gaffte ſtehend zu. Ich behäns
bigte dem Propheten ein Buch und bat um Erklaͤrung des In:
halte. Er fragte, ob ich den fchon Eenne. Ich ermwiderte, daß
In nos Ku für einen ariedifchen Bieten hatte, inc DE | Hiforiidgen Artitet, melde zum gebßten Zeile von Arm
Geoffroyh St.» Dilaire und Sheobeo
Meinung zu vernehmen wünfde. ‚Nein‘, fagte er; „Griechiſch
ik das gar nicht, ein paar Worte vielleicht ausgenommen.
Was nicht griechifch, das tft aͤgyptiſch, und mas nicht aͤgyptiſch,
das ift griechiſch. Gegenwaͤrtiges Buch ift von hohem Werthe;
ed tft ein erklaͤrendes Verzeichniß aͤgyptiſcher Hieroglyphen.“
Dann legte er den Finger auf die großen Anfangsbuchſtaben
jedes Werfes und fuhr fort: ‚„Diefe Figuren find aͤgyptiſche Dies
zoginphen und das Nachfolgende ift die in neuerm Agyptild
geichriebene Erklaͤrung der Hieroglyphen. Die Zeichen ähneln
den Buchflaben auf den goldenen Tafeln.‘ Da begluͤckwuͤnſchten
mich die umftehenden Mormonen wegen der empfangenen Beleh⸗
zung ‚Wir fagten ed Euch‘, riefen fie, ‚fagten wir es ud
nicht, bad unfer Prophet Euch belehren werde? Nur unfer Pros
phet vermag foldye Geheimniſſe zu deuten.‘ " 14.
— — ——
Literariſche Notizen aus Frankreich.
Die Auffindung ber legten Gefänge von Byron's
„Doa Juan”.
Bon franzoͤſiſchen Blättern zuerft wurde die Rachricht ges
bracht, daß die acht legten Belänge vom „Don Juan‘ Bnron’s
in Benua aufgefunden feien. Go unwahrſcheinlich es war, daß
NRicolint, der Freund, dem Byron feine Papiere zur Aufbewahrung
gegeben haben ſollte, erſt wit dieſem Intereffunten Iran,
mente hervortrat, fo machte oe erfreuliche Nachricht doc 8
deſtoweniger die Stunde durch unfere Zeitſchriften. Das dein
ann an inlichkeit, als ber bekannte Buchänker
Dauıtn anzeigte, daß der —— „Don Juan” im Drigh
nalterte und iA ber Überfegung zu gelcher Zeit bei ihm erfcheinm
werde. Seiner Anklındigung zufolge werde das Driginal ki
ihm fruͤher als bei Murray, dem Verleger Wyron’s, heran,
tommen. Gr behauptete, dieſes Übereinfommen mit dem ion,
doner Buchhändler getroffen zu haben, um dem franpdfifhen
Rachdrucke aus dem Wege zu geben. Diefe Anzeige fand mit
großen Eettern in bem „Jou des debats””. t lange, fo
brachte das Journal „L’Illustration” den 17. Gefang a
Probe. So giaubhaft bie ganze Sache jet nun fein,
und zwar um fo mehr, ba das mitgerheilte Bruchſtuͤck wirtih
in Byron's Manier gehalten iſt, fo können wir doch aus beſter
Quelle verſichern, daß fie nichts als ein Puff und eine My:
fleation ifl. Ein geiſtreicher franzoͤſiſcher Schriftſteller hatte fh
einen Spaß daraus gemacht, in einem Geſange (in Proſe) dad
unvollendet gelaffene Gedicht des englifchen Dichters fortzuführen.
Paulin, dem er biefen Scherz mittheilte, fand in dieſem Krag:
mente ben Byron'ſchen Ton fo gut getroffen, daß er beictof,
es in feinem obengenannten Journale abbruden zu laffın. im
der Sache mehr Staubhaftigkeit zu geben und tum das Publ
cum im voraus gefpannt zu machen, ſtchickte er die verfdiee
nen Anfündigungen, deren wir oben gedacht haben, votam.
Außerdem tieß er noch den Anfang bes untergefdobenen 17,
Geſanges von einem talentvollen englifchen Dichter, melde
fih gegenwärtig in Paris aufpätt, in engliſchen Berfen bear
beiten. Schade, daß fo ben zahlreichen Verehrern des grehm
Briten und feinen faft ebenfo zahtreidgen lÜberfegern die Freude
zu Wafler wird.
P. Lerour’ literarifhe Unternehmungen.
Die werthuolle „Emcyclopedie nouvelle” von Pierre fu
sour und 3. Reynaud, deren Anfang von Erſterm fh ge
fehrieben , gafent und gedruckt wurde, iß jegt beweits bit jur
4l. Lieferung gebieben. Diefes ‚Heft enthält einige recht gehalt
„Descartes“ von
Renouvier, ,„Epop6e” von Guinet und „Krasme‘' von fertsul
hervorheben. Diefes umfaffende Were hat einen fehr fchön
Mitarbeiterlreit. Gebr werthvoll find inabefondere die natur
re Lacorbaire, dem Bruder
des bekannten Kanzelredners, berrühren. Die orientaliſche its
ratur wird von Pauthier, ver ſich durch zahlreiche Werft ie
kannt gemacht bat, behandelt, Gehe gehaltvoll ſiad die peli⸗
tiſch⸗ commereiellen Yuffäge von Petetin, einem ber fleifigke
Mitarbeiter an ber gleichfaUs von Lerour vedigicten „Bera
independante”. Viardot if} das Gebiet der Kunftgeicicte und
namentlih ber Malerei zugefallen., Seine Artitel find nikt
ohne Intereffe, wie man dies auch von bem Verf. der „Muster
d’Italie”, an bie fi) jeut ein aͤhnliches Werk über die Kunfı
fhägc von Spanien anreibt, nicht anders erwarten kann. Be
fondere Erwäbuung verdienen noch die Aufſaͤtze, weiche aus ber
Beder des treflichen Hippolyte Carnot gefloflen find. Die ca
erwähnte „Revue independante” bat einen viel beffern Srfolg,
als man anfangs nermuthete. Zum Theit verbanft fie dit
gänftige Aufnahme dem zeihhaltigen „Bulletin bibliograpbigue",
das jedem Hefte beigegeben wird. Indeſſen bietet aud der
größte Theil der mitgetheilten Auffäge eis wirkliches Sotefe.
So heben wir außer ben vieigelefenen Novellen ber Gaud, von
der faft jede Nummer wenigftens etwas bringt, in ben lehten
Heften namentlich einen ſehr heichrenden Auffag aus ber Feder
V. Schoͤlcher's, des unesmüblichen Sklavendertheidigert, Ku
vor. Gr betrifft die Revolution von Haiti und if reich an
Belehrung. 2
Berantwortliher Herausgeber: Heinrich Brockhaus. — Drud und Berlag von 3. X. Brodhaus ia Reipzig.
-
literarifde
Bıatter
he
Unterha tung.
panien, von William
ß, Drescott. Aus dem Engitfeen uͤberſetzt.
z3 Bände. Leipzig, Brockhaus. 1842. Gr. 8,
r.
Wenige Laͤnder haben eine fo reiche, mannichfaltige
nad zugleich fe wehmuͤthige und niederſchlagende Ge⸗
ſchichte alg wie Spanien. Die Zeit Ferdinand's, Ifa⸗
bella's und ihres Enkels Karl treibt das lang Vorberei⸗
tete raſch zu glanzreicher Hoͤhe; aber noch vafcher nicht
der Verfall herein, und meber Perfonen noch For:
wen haben bis auf den heutigem Tag eine wahrhafte
Wiedergeburt herbeiführen Sinnen. Die Wurzeln, die
erſten und urfprünglichen Gründe biefer tragiſchen Er⸗
ſcheinungen, zeigen fi) ſchon dentlich in ber geruͤhmten
Zeit Ferdinand's und Iſabella's, und Dr. Prestott Has
fie, ungmmchtet feiner Vorliebe für dieſe Hereſcher, wicht
verdecken koͤnnen und wicht verbedien wollen.
Schon darin zeigt ſich eine hoͤchſt merkwuͤrdige Um⸗
üelung weilthiſteriſcher Entwickelung, daß ein Amseridaner
weit das geuͤndlachſte und am beſten gefchsisbene Duch
über Den anziehendſten hell der fpanifchen Seſchichte
liefert. Es verdiente ohne Zweifel, durch eine lberfegung
befannter zu werben: aber nur zu oft gerath dies Ge⸗
(Gfı in die Hände eiliger Habrilarbeiter, weiche ſeibſt bie
treffligfle Usfegrift im eine nuſcheinbare, heiperige Nach⸗
binung vermamdeln. Die vorliegende Überfegung iſt eine
jeltene und hoͤchſt Inbenswekthe Ausnahme. Sie iſt gas
gieich tuu und fließend, lieſt ſich wie eine Urſchrift, und
zeigt eine Reinheit der Sorache, die wir leider im vieten
deutſchen Werben wicht finden. *) GO bleibt ein Jau⸗
wer, anzuſehen, mie unſere uͤberreiche, bildſame, zum pafs
faden Ausdruck aller Gebanken hinreichende Sprache, von
Sceififlellere, Beamten, Geſetzgebern mit einer verdamm⸗
lichen Nachlaͤffigkeit behandelt und ihr eine
Hantwurſtjacke aufgezwungen wird. Diejenigen, welche
mit anmaßlicher Unwifſenheft "und gemirthiofer Gleichguͤl⸗
Hafeit be : 8 fel an biefer Derunflaktung nichts
rm, ia fie ſei nothwendig, koͤnnen von dem Überfeger
Dieles B da6 Gegentheil lernen.
Die fricheen Verhaͤleniſſe Caſticlkens und Wrageriewe
80.2, ©. 85, 3. 6 von oben, liek Wrrtagne.
find von Hrn. Prescott in einleitenden Abſchnitten ſehr
29. Auguſt 1848,
Ichrreich auseinandergefegt worden. Sie beftätigen (gegen
bie gewöhnliche, aber irrige Meinung), daß auch in Spas
nien während bed Mittelaiters die Könige nicht willlur
li bereichen konnten, fondern durch mancherkei Formen
und fländifche Mechte befchräntt, ja übermäßig bes
ſchraͤnkt waren. Deshalb lite Caſtilien (5.29) ungeach⸗
tet feiner freifinwigen Verfaſſung an den Gebrechen inne:
ter Zuchtloſigkeit; und während man in Aragonien foͤrm⸗
liche Mittel zur Abſtellung etwaiger Maͤngel übereinander
baute, vergaß man, daß die auf vielen Stufen zur Aufe
fiht Berufenen immer wieder Menfchen, mit menſcht⸗
ren Eigenſchaften und Mängeln waren. Ferdinandes
and Iſabella's Bemühen, die allzu ſchwache koͤnigliche Ge⸗
walt zu ſtaͤrken, war natürlich und heilſam; nach ber
miegluͤckten Gegenftreben der Gemeinen während der Ju⸗
gend Karls V. bekam aber die Macht der Könige WER
um fo ertödtenderes Übergewicht, als Aberglaube nm
Glaubenswuth fidy damit unfeliger Weiſe gereinigt hatten.
Hr. Pretcott Tage W. 1, S.233, mit Recht:
Die Inquifltion bat mehr als irgend etwas dazu beigetrar
gen, den erbabenen Charakter des alten Spaniens zu erni
gen; fie ſchleuderte den Feuerbrand ber Slaubenswuch in dieſe
lieblichen Gegenden, welche von ber Natur zum Wohnſitz der
Froͤhlichkeit und des Vergnuͤgens beſtimmt zu fein ſcheinen.
Bei dem jetzigen freiern Stande der Bildung biiden wir wit
Biderwillen auf jedes menſchliche Weſen, es ſtehe noch fe hoch,
das die beiligen Rechte des Bewiffens, das unserdäußerliche Wat
jedes Menfchen antaſtet. Wir fühlen, Daß die —* UAngev
igt, uͤherlaffen bieiben mäflen, inſoweit nicht ——
Kal, ’
—* oder freundliche Ermahnung * i
zwingen, ein ebenſ
An einer andern Stelle (Bd. 1, S. 277) heißt es:
Der Großinquiſitdr Torquemadd verbarg unter feinem Rn
gewande mehr Stolz; ars ein ganges Kiofter feines Ordens d
zuweiſen gehatit hätte, war einer ven jener Gtaffe, bei denen
Siaibendeifor für Religion gilt; und bie biefen Effer durch ofe
thende Verfolgung Derjenigen offenbaren, deren Glaube von dem
ihren abweicht; die ſich für ibre Enthaltfamkeit von. finnlidhen
Genäflen dadurch entſchüdigen, daß fie jenen tödtlidern Laſtern
des Herzens, als Vtoiz, Zeinnmiei und Unduidſamkilt; den Di
ge ficken — en Lehe * nd * ger
er in.ainem w ın M
En lbringend fin. — : —** trieb See u eh u
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fſprechen, oder, mie Eintge behaupten, hreßte ein ſolches von
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s ‘ ; als , — der Aus
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des rn Bene weihen wolle.
Der Eifer Torquemada's war fo übertriebener Act, daß
Zolkeit n Beine Geſchichte kann
et allen voälchen —* lmehr
„eh feine gibt, bie ber menfchlichen” Geſcuiſchaſt größeres
Unbeil bereitet ale Glaubenswuth. Der entgegengefegte Grund⸗
fag, die Gottesleugnung, welcher fid) weigert, bie hoͤchſt bedeut⸗
ſame Weihe ber Zugend anzuerkennen, bebingt nicht notbiwenbig
bei feinen Juͤngern den Mangel richtiger Moralbegriffe, das
beißt der Faͤhigkeit, Recht von Unrecht zu unterfcheiben. Aber
Giaubenswuth wirkt auf alle beftehenden Grundfäge ber Moral
fo zerftörend, daß fie, unter dem gefährlichen Sage: zur Beförs
dea Glaubens find alle Mittei erlaubt (den Kaſſo IV,
mit Recht von ben Höllengeiftern hergeleitet hat), nicht nur
die empoͤrendſten Verbrechen entſchutdigt, fondern diefelben als
eine heilige Pflicht empfiehlt. Je mehr ſolche Verbrechen nun
dem natürlichen Gefuͤhl ober ber dffentlihen Meinung wiber:
fireben, je größer ift das Berbienft, das aus dem Opfer, womit
man fie begeht, erwerben wird. So manches biutige Blatt der
Geſchichte bezeugt es, daß Blaubenswuth, mit Macht gewapp⸗
net, das ſchwerſte Unglüd if, bas ein Volk treffen kann
Die ſchrecklichen Verfolgungen, welche [don während
der Regierung Ferdinand's und Iſabella's die Mäuten
und Juden, ja die Chriften trafen, erweifen nur zu ſehr
die Nichtigkeit der legten Anklage; umd wie fleigerte fich
fpäter das Übel zur Schmach und zur Verödung Spa:
niens! Glaͤnzender erſchien der Erfolg, insbefondere ‚die
politiſchen Grundfäge und Maßregeln Ferdinand's; und
doch hatten diefeiben mit Sittlichleit und wahrer Staats:
weisheit nichts gemein. Es war ein Syſtem der Taͤu⸗
(hung und des kuͤnſtlichen Betruͤgens, wogegen ber Egois⸗
mus ber Römer, wie ihn Macchiavelli predigt, kuͤhn und
geoßartig erfcheint.
Die Größe und die Beſchraͤnktheit des Cardinals
Zimenes ift richtig bargeflellt und gewürdigt. In Bezug
auf bie von ihm veranlaßte Verbrennung ungähliger ara⸗
biſcher Werke fage der Verf.:
Ste fand ſtatt, nicht in ber Finſterniß bes Mittelatters, ſon⸗
dern in ber Morgenroͤthe des 16. Jahrhunderts und mitten unter
einem aufgeliärten Volle, das für feine eigenen Fortfchritte ges
vade hiefen Schaͤten arabiſcher Weisheit fo viel verbankte. GE
bildet ein (erwieſenes) Gegenſtuͤck zu dem, acht Jahrhunderte
verher, Omar angeſchuldigten Frevel und beweiſt, daß blin⸗
ber Glaubenseifer in ſedem Glauben und Zeitalter ſtets derſelbe
iſt. — Eine ſolche Buͤcherverfolgung iſt, in einer Kuͤckſicht, noch
wuhellveller als ſelbſt die gegen das Leben gerichtete; denn ber
eines Ginzelnen wird faum Über ein Menſchenalter hin⸗
amd gefühlt, während bie Wernichtung eines werthuollen Werks,
oder mit andern Worten, eines in bleibender Form vertörperten
Geiftes, ein Verluſt für alle künftigen Zeiten if.
Der mildere Erzbiſchof Talavera hatte die Gebetbuͤ⸗
her, Katechismen und andere religioͤſe Lehrſchriften zum
Gebrauche der bekehrten Mohammedaner ins Arabifche
überſetzen laſſen, und fich zugleich vorgenommen, bie Über⸗
fegung auf die ganze heillge Schrift auszudehnen. Ximes
nes aber widerfegte fich aufs Kußerſte und fagte: es hieße
Perlen vor die Säue merfen, bie heiligen Schriften vor
Benten in ihrem niedrigen Zuſtande dee Unwiſſenheit zu
Amen; fie würden nicht ermangeln, diefelben zu ihrem
eigenen Verderben zu verdrehen. Das Wort Gottes follte
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FR)
1
dem gemeinen Haufen, ber vor Dem, mas klar und offen
bar iſt, wenig Ehrfurcht habe, im ein angemeſſes Gehen.
niß gehält werden. Von diefer Zeit an gewann
die Religion in dem ungluͤcklichen Spanien eine neue Geſtait.
Dee Geift der Unbuikfamleit, nicht länger
des Kloſters, ſchritt Pr in —— —
r
Dunkel
offen einher. Gifer wurde zu aubentwuttß geſteͤgert, und ci
vernünftiger Bekehrungsgeiſt zu graufamer Berfolgung. Gs
enügte jept nicht mehr, wie ehemals, fich gebuldig nad) den
ehren ber Kirche zu richten, fonbern man wurde angemiefen,
gegen Alle, w diefeiben nicht annahmen, zu Felde zu ziehen
Das natürlidde Gefühl von Zerknirſchung bei ber Musübung bie
fer traurigen Pflicht war ein Verbrechen; und bie Thräne det
Mitgefuͤhls, im Angefichte von Todeskaͤmpfen ausgepreft, war
ein Vergehen, das durch demüthigende Buße geführt werden
mußte. Die fchauberhafteiten Brundfäge wurden wohl überlegt
in das Sittengeſegzbuch eingepflanzt. Gin Jeder, fagte man,
tönne mit rublgem Gewiſſen einen Abtrännigen töten, wo er
ihn finde Darüber, ob man feinen eigenen Water erſchlagen
tönne, wenn dieſer ein Ketzer oder ein Unglaͤnbiger fei, berrfte
noch einiger Zweifel; body nicht der mindeſte über das Red,
in einem ſolchen Falle feinem Sohne oder Bruder dab Leben
zu nehmen.
Edenfo war damals bie Meinung vorherrſchend ge:
worden: daß heidniſche und milde Voͤlker wegen ih
Unglaubens weder auf geiftliche noch buͤrgerliche Rechte
Anſpruch haben. Man hielt ihre Seelen zur ewigen
Berdammnig beſtimmt, und ihre Leiber für das Eigen⸗
thum des chriſtlichen Volke, das ihren Boden eroberte.
Bei dem uns ſparſam zugemeffenen Raume habe
wir aus dem vorliegenden Werke nur wenige Proben dee
Auffoffung und Darftellung geben kaͤnnen. Sie berreffen
aber eine Richtung, weiche immerdar hoͤchſt gefaͤhrlich if
und vor weicher man nit oft und (aut genug warnen
fann. Febenfalls widerlegt Den. Peescott's Wert im
fo oft gedankenlos nachgeſchriebenen und nachgeſprochenen
Vorwurf, als bekuͤmmerten ſich die Amerikaner nur am
bie untergeordneten, materiellen Intereſſen ber Gegenwart,
Abgeſehen davon, daß dieſe immerdar mit geiſtigen De
ſtrebungen in weſentlichet Werbindung und Weechſelwir⸗
kung ſtehen, zeigt ſich hier ein Fleiß bei Erforſchung der
Quellen, ein Abel und eine Unbefangenheit der Beuth:
lung, eine Angemeſſenheit und Kiachelt der Darflellumg,
wie wir fie nur felten in europaͤlſchen Werken finden.
Es gereicht uns zur befondern Benugtheung, daß wit
ben tüchtigen lberfeger zur Übernahme feiner Arbeit wer:
anlaften unb federn ihn auf, die naͤchſtens erſcheinende
„Geſchichte der Eroberung Mexicos“ mit aͤhnlicher Sorqg⸗
falt ins Deutſche zu Übertragen. Gewiß wird dies zweite
Wert Prescott's alle Vorzuͤge bes erſten befigen, und on
poetiſchem, romantiſchen Jutereſſe demſelben vieleicht neh
voranſtehen. F. v. Raumer.
Charles Belt.
Durch die überſ ber Bridgewater⸗ Bücher ift Charies
Bel, Berf. der (hören Abhandlung über ie menſchliche das
ohne Zweifel auch in Deutſchland allgemeiner bekannt
—— hm it. Dat 1842 auf Br. SHollanb’s Band Dave
orreſter, geſtorben. Notizen
welche wir dem "Quarteriy review‘ entnehmen, werden daher
hoffentlich unfern Leſern willkommen fein.
in &bi —R Gein Bater, Dorf:
tenteal, hatte don einem fährlichen Eig⸗
. t. ſich und feine Famitie 5 —
die Altern Brüder Kari's, zu
fein Atter zu u When, ger
Gr erhieit allen
Mutter, und fagt ſeidſt, bas Beiſpiel feiner Beuder
Bruder John, der aid Wunbarzt in
Bauls auflgammmen, weniger
den mebieinifeen Jaſtituten, fei es aus Ratienslabneigung ges
ven wie Well ſelbſt glaubte, fei es um ber Zohn’s
ſchen mebicinifhen Händel in Edinburg willen, woran er ſei⸗
nem Bender zu Eiche Theil genommen hatte. Er zeichnete fleis
Sig wach bem Acte und hielt den nampafteften Kuͤnſtlern, unter
itmen auch dem berühmten Davib Willie, anatomifche Vorleſun⸗
den Antllenfammiungen. Willie erinnerte fich deflen ned)
15 ‚als e u Serufalem ee ak —— ahiaburs
of Expression”, die er ig von Edinburg
mitgebracht hatte, gab er 1806 heraus und begründete dadurch
feinen Ruf; aber eine fefle Anftellung Eonnte er deffenungenchtet
nicht eriangen und hatte auch wenig Zuhörer, flatt der neunzig,
die in Edinburg feine are af ie — erh
und es ingen viele ce, ebe er es auf vierzig brachte.
Gr m e 1807 ein altes, baufälliges Haus in der Leis
Es war dafleibe, worin
ine Möher verborgen wer. Auf Erkundigung erfuhr er,
dieſe Borrichtung dem unfihtbaren Mädchen gedient
hatte, weldes an der nämlichen Gtelle gezeigt worden war.
Bell bemerkte hieräber in feinem Tagebuche: „Sin Dann, der
fee Areuge mb Begriffe von Schicklichkeit. Ich
s | hätte, als
a er Art Dane 10 mopnte.”
wohnte in dem Onslomw” Haufe bis 1812 in fors
keit und voll von —— kuͤnftiger Erfolge.
n auf feine Theorie des Nervenſyſtems hin und
feiner Entbedungen über ben Zufammenhang und
ber Kup erwähnend: „Ich will nichts das
aber meinen Freunden Vorleſung darüber hal⸗
8* Borleſung hal⸗
ver dt Laͤrm damit machen, wie «8 denn in
ea Einzige tft, was feit Hunter's Lagen im Gebieie
gu Tage gekommen.“ Boll Selbftgefühl war er
ſtete ohne Anerkennung; fein Bruder fcheint der ein
fein, der ihn damals zu fchägen wußte Gr
[were Krankheit zu deftehen, während weicher
Deliriren fo viel möglich beobachtete und feinem
Abvocat in Schottland) nachher im einem Brief
Manufcript für Freunde ließ er feine „Idea of
asaisiby ef the brain‘ A814 druden, in welder er
NJeines Syſtems entwidelt. Kein Menſch wollte
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5 . 3 ’ wie wie
fee: vi ver De ae en |
mit unter; denn ich fäptte mich Jo ausgefloßen von ber Melt
die ich liebte und beren Anerkennung ich zu verdienen glaubte,
fo allein in der Welt, daß ich gewiß war, es müßte fi etwas
anfnüpfen; und ich unterhielt mich mit Phantaflen, welder
amilie, weicher Gtellung, weicher Art Leuten mich Lie Vor:
ehung zumelfen möchte. Es war faum eine Straße, oder ein
Baus, wo meine Einbildungsfraft mir nicht meinen Fünftigen
Aufenthalt vorfpiegelte. Kurz, ich war fo romantiſch, wie ein
junger Menſch es nur ei Eonnte, obwol mein Sinn vornehmlich
banach fland, duch Wiffenfchaft Ruhm und Unabhängigkeit zu
Dies war vielleicht. die ausſchweifendſte Phantaſie
gewinnen.
von allen.’’
Bell verheicathete ſich 111 und uͤberaus gluͤcklich. Bald
barauf fand er Gelegenheit, ſich in bie Hunter'ſche medicinifche
Schule, wonach er lange geſtrebt hatte, einzulaufen, und wid⸗
mete im 3.1812 allen Fleiß feinen Vorlefungen. Er hatte gun
bald wieder feine 90 Zuhörer und ſchrieb damals, er wollte
nit ruhen, biö er die Zahl auf 150 brädte. Im J. 1814
wurde er zum Wundarzt an bem Middlefer s Hofpital ernannt
und er freute ſich der praktifchen Thaͤtigkeit: er machte bie Ans
ſtalt in kurzer Beit zu Dem, was fie [päter in ber allgemeinen
Anerkennung wars zu feinen Vorleſungen drängte man ſich; er
erwarb aber nicht nur als Lehrer, ſondern audy als praktiſcher
Mititaisarzt, als geſchickter Operateur, wobei ihm bie auch in
feinem Zeichnen und Malen erprobte Leichtigkeit feiner Hand zu
Statten Fam, einen glänzenden Ruf. Im 3. 1815 begab er
fi unmittelbar nach der Schlacht von Waterloo nach Bräflel,
wo er fi in Behandlung der Verwundeten fehr thätig erwies
und nüglich machte. Interefiant iſt bei biefer Gelegenheit bie
Schilderung, welde er vom Schlachtfelde macht. Er erfietterte
das über 00 Fuß hohe Geruͤſt, wo Rapoleon geftanden und bie
Scene überfchaut hatte, eine ſchwindlige Höhe: hier wendet ex
auf Napoleon bie Stelle aus „Machbeth‘‘ an:
...... Was für Soldaten ?
Diener.
Erlaubt, das Beer von England!
...... Diefer Rud
Eurirt auf immer, ober Liefert jegt mid.
Ich lebte lang genug... ....
Gehorſam, Liebe, Ehre, Freundestroſt,
Dana darf ih nicht audfehn; doch Matt deſſen
Flüge, nit laut, dach tief, Munddienſt und Bauch,
Was gern dab arme Herz mir weigern moͤchte,
Und wagı’s nit.
Bell lebte gen der Wiffenfhaft und boffte von Jahr zu
Jahr, daß die ifenfägaft ibm auch ein genügendes Auskom⸗
men ſichern würde, aber vergeblich. Beine Einnahme ſchwankte
yifchen 1400 und 2400 Pf. St, was für fein Eoftfpieliges
tubium, feine zahlreiche Familie und das theure Leben in ber
Hauptſtadt ſehr unzureichend if. Da las er 1821 in der Ro-
yal society feinen erften Auffag über das Nervenſyſtem; mit
welcher Muthloſigkeit, zeigen folgende * „Nie fühlte ich
mich fo ſchlaff ..... nehme meine Buinee und laure auf
mehr. Das iſt ein jaͤmmerliches Leben, und ich weiß, ich halte
es nicht lange aus w. ſ. w.“ (13. Juli 1821). idee Grwen
ten machte bie Vorleſung außerordentliches Auffcbem Gr ge
wann wieber Muth, fein Gelbfigefüht kehrte zuruͤck. Roch mebe
Eindruck als in England, fagt er felbf in einem Hriefe, machte
fein Auffag (er fland in ben „Philosophieal transastions”') im
Frankreich. „Wenn ich nicht arm J ’, ſagt ex in demdjels
—7535 „und keine Scherzen haͤtte, wie gluͤcklich bLoͤnnte
ſein.“
Im 3. 1833 begannen bie Verſuche, Wells Entbeckunges
ifyem Urheber fixeitig zu wachen, bie bis an feinen Tod forts
dauern, und erft nach diefem fand er fein volles. Recht. Am
dem etenben Gtreit über das Cigenthumerecht biefer Entdedunr
gen nahm ex ſetbil Ekinen Theil; aber dieſte Sereit Hatte ihm
die Klang mit der Nerveniehiie zum Ekel gemadt. In
feinem Ehreifer ließ er nicht. nach. Dies wurde auch anerkannt.
Das wundarztiiche College übertrug ihm ben erflen Erheftuhl
für Anatomie: und Wundarzneikunde. Aber fonderbar! den
anatomischen kehrſtuhl in der Akademie —x dreimal va⸗
cant, konnte er nie erhalten. Er lieh fi 24 überreden, ſich
darum zu bewerben. Alles kam ihm mit Hoͤflichkeit und Ach⸗
tung entgegen. Flaxman, wie er ſelbſt erzählt, einen kteinen,
abgelchten, doch noch beweglichen Mann, fand er mitten unter
ungeheuern Fragmenten antiker Statuen figen; Rorthcote, mit
feinen blaffen, lebhaften Zügen, Kopf und Schultern in ein
Tuch gewickelt, unterhielt ihn mit Gomplimenten und Klagen
über den Berluft der alten guten Zeit ber Akademie; Chantrey,
ſtrotend von Gefunbheit und Ruhm, ſchritt wie ein König durch
feine geräumigen Studios, mo gewaltige Marmormafien die
Größe feines Rufö anzuzeigen und zur Erhaltung berfeiben aufs
untern ſchienen; er zollte Bell volflommene Hochachtung und
nerfennung ...... aber bie Stelle erhielt Bell nicht.
"Die Hunter'ſche Schute gerieth feit 1827, wo Beill's treuer
Sehuͤlfe John Shaw ſtarb, alimdlig in Berfall, ben Reft gab
ide die Brandung der londoner Univerfität, und dann des
King's Oollege. Bell nahm den Lehrſtuhl der Phyſiologie
an der Univerfität an, aber feine außerordentliche Gewiſſenhaf⸗
tigkeit als Lehrer dewog ihn, da er mit den Einrichtungen der
anatomiſchen Gurfe und mit der Befegung der dahin gehörigen
Sehrerftellen umzufrieben war, und da noch mandje fleine Unan⸗
nehmtichteiten binzufamen, bald darauf zu refigniven. Er war
daburch auf die ärztliche Praris beſchraͤnkt, die er nicht Tiebte.
Seine Berühmtheit hatte damals ſchon ihren Gipfel erreicht.
Euvier, Tiebemann befuchten ihn. Bei Withelm’s IV. Thron⸗
befteigung erhielt er zugleich mit Herſchel, Brewſter u. A. den
Guelphenorden. Fremde firömten herbei, ihn zu confultiren,
und er hätte mit geringer Mühe eine glänzende Lage haben und
feinen Studien leben tönnen, wenn er in Pondon geblieben wäre.
Aber feine Reidenfchaft für das Unterrichten ließ ihm nicht
Aube- Gr nahm 1836 eine Profeffur an der edinburger Uni:
verfität an. Zu feinem Unglüde Beine Einkünfte verſchlech⸗
terten fih: Verdruß, Kraͤnkungen, Beforgniffe kamen hinzu.
Er unternahm eine Reife nah Rom. Wohin er fam, fand er
fi befannt, geachtet, mit Ehrenbezeigungen überhäuft. Sein
Leben aber war feinem Ende nabe. Kine Herzkrankheit, die
fi 1827 bei dem Tode feines Freundes und Bruders, feines
vietjährigen treuen Gehülfen John Shaw entwickelt und feitdem
allmaͤlig zugenommen hatte, brach im Sommer 1842 heftiger
ans. Gr machte eine Reife nach London und ftarb auf dem
Landfige Dir. Holland's am Zage feiner Ankunft daſelbſt. Sir
Charles ſtarb fo arm, als er die wiffenfchaftliche Laufbahn be
treten Hatte, doch auch ebenfo makellos, und hintertieß feiner
Witwe nichts als da® Andenken feiner herrtidden und liebens⸗
würbfgen Eigenſchaften und die Unfterbiichfeit feines Ramens,
——
Biblingraphie.
Die am 3. Maͤcz 1843 erfolgte Auflöfumg Nee Stände
stefatnmimg des Herzogthums Sachfen-Schung betreffend. Gotha,
fer. Br. 8. 7%, Rear.
Banaſch, 8. W., Der Stand ber Rautit zu Zelten
des‘ Eolumbus im Vergleich mit unſerer heutigen Schiffahrt⸗
kunde. Vorlefung, gehalten in der deutſchen Reſſourte am 17. Mai
1843. Koönigsberg, Boigt. @e. 8. 10
Bold, 89, Das RNathhaus zu Ka Schatzſchetft
für die unverledte Erhaltung des deutſchen Kroͤnungsſaaled.
8. Mar.
Kadıen, Henſen und Gemp.
Boltze, H., Gtubbenkaumer —* VDroandentur
win one d
Brüggemann, K. H., Preubene Beni i
ſchen Staats Entwidelung er Preup Bei der dent:
feiner Erfüllung. Berlin, Beſſer. &r. 8. 15 Nor.
Buhmang, J., Popubiriombakit, oder: vergleichere
der ſchen atbeliten und Dry
teflenten nach ihren Vekenntaißſchriften. Meaing, Kirdpeim,
Schott und Tpielmaan.: Er. 8. 1-Zhie. 32), Nor,
D’Eonnell, D., Irlauts Buftänbe alter und newer 5
Aus dem Englifägen von ©. Willmann. After Ban. gr
Abthenung. Begentburg, Dam. 8. des Bander de
— Abryeltuiegen 3 ayie. 3%, Nee. |
bung kur Hin Baden ed * ——
zur tie ed ers und .
bare "Treffer. Cr. 8 35 Wer. dam
Elttendorf, 3, Bes Erzbiſchofs won Abtı Geh:
„Über den Frieden unter dee Kirche und den Staaten, nf
Bemerkungen über die befannte MWerliner Dautegung.” Belenchtet.
Berlin, Bereinsbuchhandiung. Gr. 8. 10 Nor.
Fontes rerum Germanlitarum. Geschichtatueilen Desisch-
ivads. Herausgegeben von J. F. Bochmer. Ister Band:
Johannes Victerlonsis und andere Gresckichtaquellen Deutsch-
lands im 14, Jahrhundert, Stuttgart, Cette, Er.8. 3 Th
Er. |
Geib, K., Handbuch für Reiſende buch das Moſelland
von Tritr bis Goblenz. Mit — nach Meg, nach de
Gifel, in die Gegenden der Baar und Rabe, und im das durım:
burgiſche. Sammt einem Anbange romantifcher Gagen un
Geſchichten, gefeliger Lieder und einer Nachbildung der Mofela
bes Aufonius. Trier, Sal. 8. 1 Thir. 10 Rar.
Gotthold, F. A., Fr. Aug. Wolf, die Philelogen un
bie Symnaften gegen einen Angeiff der Literariſchen Zeitung 9
rechtfertigt. Nebſt drei Beilagen dlanlichen Inhalts. König
berg, Graͤfe md Unzer. Gr. 8, 122, Nor. |
Gruͤn, A., Nibelungen im Ftack. Gin Sedicht. Leipzig,
Weidmann. 8. 22%, Mor.
Hoffmann, W., Die Gtellung bee wiſſenſqaftichen
Theologie ‚zur gegenwaͤrtigen Zeit, Bine Autritts « Berkiung
an der Univerfität zu Bafel am I. Hai 1343. Baſel, Ehaiy
hauſet. Br. 8. 6%), Nor.
Doltei, K.v., Die beſchuhte Kate. Ein Marchen in dei
Aeten mit Zwiſchenſpielen. Berlin, A. Dunder. Er. 12. 8%.
Kaufmann, P., Nationalfefte des deutſchen Volles, ci
oderung der Zeit. Bonn, Habicht. Ge. 8. 5 Kar.
Die chriſtliche Kirche und bee Entwurf ded meuen preußi⸗
ie servafgefegbucht. Kin, 3. und WB; Boifferee. 8.
8 gr.
Meyer, ©, Gefchichte des Hamburgiſchen Schul⸗ un
—S im Mittelalter. Hamburg, Meißner &.5
’ T, OD ®
Archäologische , Mittheilungen aus ‚Griechenland nach
C. 0. Mäller’s hinterlassenen Papieren herausgegeben ve
A. Schöll, I, Athens Antikensammlung. Istes Heft. M
tg Tafelo. Frankſert a. M., Hermann, Gr, 4. ‚3 The.
gr.
Reifen und Länderbefchreiken besausgegeben non G. Bi:
benmann und 9. Hauff. fie Lief: {Belle durch Rab
kand nach bem Laukaſiſchen Ahreus in den 1836, 1837
und 1838, von K. Koch. Ctuttgart, Gotta. Gr. 8. 2 Ehe
hauſen, Bist, 8, £:77 Her
Wette, BB. MR. E. de, Die Einheit ber protehantiicen
. Aeſormatlongpred rinteitcuden WBemerkungel
* di Sindpice Gemrink. Bafeı, Oinbeispenin. Gr
Berantwortlicher Deraudgeber: BHeintih Brodpaus. — Drud und Verlag von F. U. Brodhaus in Kilpjig.
Blätter
J
literarifcht
für
Unterhaltung.
Mittwoch,
u | ———— en — nn Lu nn
Mit Vorliebe hat man in neuerer Zeit dem Uxfprunge
unſerer Volksbucher nachgeforſcht. Die Unterfuchungen
eines Sach, Wilſon und Loiſeleur⸗Deslongchamps über
die Fabeln des Bidpai haben den indiſchen Urſprung die⸗
ſes im Morgen⸗ und Abendlande weit verbreiteten und
hechgeſchaͤtzten Buches evident nachgewieſen; eine ähnliche
Quelle durfte man für das ebenſo beliebte Volksbuch der
„Sieben weifen Meifter” annehmen. Die Forſchungen des
Hrn. A. Keller in der Einleitung zu feiner Ausgabe der
älteften poetifchen Bearbeitung diefes Volksbuchs in fran:
zöfifcher Sprache („Li romans des sept sages, nad)
der pariſer Handſchrift herausgegeben von H. A. Keller”,
Zübingen 1836) find unfern Lefern in einem früheren
Jahrgange d. Bl. (1838, Nr. 337, 338) ihrem Haupter:
gebniſſe nach mitgetheilt worden. Durch die Arbeit des
Leider fruͤhzeitig der Wiſſenſchaft entriffenen franzöfifchen
Drientaliften A. Loiſeleur⸗Deſslongchamps (‚‚Essai sur les
fables indiennes, et sur leur introduction en Europe‘,
Paris 18335, S. 80— 180) ift die Unterfuhung noch
weiter gediehben, und Hr. Keller bat in feiner Ausgabe
der gemüthlichen poetifhen Bearbeitung des Volksbuchs
son Den „Sieben weiſen Meiftern’ duch Hans von Bühel
(„Dyokletianus Leben”, Quedlinburg 1841) in ber ins
baltsreichen Einleitung außer vielen eigenen trefflichen Be⸗
merkungen aud die Hautrefultate der Forſchungen des
genaumten franzöfifhen Gelehrten mit aufgenommen.
Diefen Gelehrten [ließe fi Hr. Heinrich Sengelmann
an, ber zwei der aͤlteſten Redactionen des vielgelefenen
Bächelchens, die bebräifche (,„Mischle Sendabar’‘) und bie
griechifche (‚‚Syntipas‘') in fließender und doch treuer Übers
ſezung dem Publicum vorführt.
Das Buch von den Sieben weifen Meiftern aus dem Hebräifchen
und Gricchiſchen zum erften Male überfegt, und mit literaris
ſchen Borbemerkungen verfehen von Beinrih Scengel:
mann. Halle, Ripper. 1842. Gr. 12. 20 Nor.
Der Inhalt diefer beiden Bearbeitungen war zwar
bereies durch Loifeleur: Deslongchamps bekannt, dennoch
heißen mir dieſe vollſtaͤndige Überfegung fehr willkommen;
dean in dem eingeftreuten Detail, und in der eigenthüm:
lichen nach Bolt und Zeit fo verfchiedenen Auffaffung und
Darſtellung der einzelnen Erzählungen liegt der Hauptwerth
diefer mannichfaltigen Bearbeitungen deſſelben Stoffe.
30. Auguft 1843,
nn — —— —— —— — — — — —— -———.
In einer Einieltung hat Hr. Sengelmann die Haupt
tefultate der fruͤhern Unterfuchungen kurz zufammengefaße
umd gedrängt dargeftelt. Auch ihm ift der orientalifche
Urfprung der ganzen Sammlung nicht zweifelhaft, doch
ſei es noch nicht gelungen, die Iekte Duelle, aus der aue
übrigen Bearbeitungen gefloffen, nachzuweiſen. Die nadjs
folgenden Dittheilungen werden uns diefer Quelle biels
leicht etwas näher bringen.
Einer der ätteften arabifchen Hiſtoriker, Mafudt (ftarb
956 nm. Chr.) ſagt in feiner biftorifchen Encyklopaͤdie
(„Historical encyclopaedia, entitled ‚Meadows of gold
and Mines of gems‘; aus dem Arabifden uͤberſetzt von
Aloys Sprenger”, erfter Band, London 1841), wo er
von den Königen von Indien fprihe (©. 175): „In his
(Kurush) reign lived es-Sondbad, who is the author
of the book The seven Vezirs, the teacher
and boy, and the wife of the king. This is
the book which bears the name Kitäb es-Sondbad.”
Der ältefte arabifche Literarhiftoriker, Mohammer Ibn
el Nedim el: Werrat (ſtarb 987 n. Chr.), Verf. des
„Fihrist", fagt in dem Äbſchnitte, wo die Maͤrchenerzaͤh⸗
ler aufgezählt werden: „Ein anderes Buch iſt das bes
Weifen ‚Senbabad‘ in zwei Ausgaben, eine große und eine
Kleine. Die Meinungen über den Urfprung deffelben find
ebenfo verſchieden, als über den Urfprung von „Kalila me
Dimna‘; das Wahrſcheinlichſte ift wol, daß daſſelbe aus
Indien gefommen.” Und an einer andern Stelle: „Ans
dere Bücher der Indier find das Buch ‚Sendabad’e, das
große; das Bud, ‚Sendabad’s‘, das Meine.” *)
Beide Araber ftimmen alfo in der Angabe überein,
daß das Buch von den „Sieben Vezieren“, womit unfere
„Steben weifen Meiſter“ identiſch find, indiſchen Urs
ſprungs fei, was ſich auch noch weiterhin beftätigen wird.
Eine diefer Bearbeitungen des großen Sindbad: Buche
in perfifcher Sprache hat in neuefter Zeit Hr. F. Falco⸗
ner, Profeffor der orientalifchen Literatur an der fondoner
Univerfitdt, aufgefunden und feinem Hauptinhalte nad)
befannt gemacht. (,‚Analytical acconnt of the Sindibäd-
Nämeh, or Book of Sindibad, a persian manu-
script poem in the library of the East - India-
°*) Siehe von Hammer in ben wiener „Jahrbuͤchern ber Literas
tue, Bd. 8, ©. 49 —61. .
Company.) *) Hr. Sengelmann bat dieſe Arbeit jelbſt noch
nicht gekannt, fondern nur eine flüchtige Anzeige berfelben.
Eine ältere perfifhe Nedaction des Buchs der „, Sie:
ben Veziere”’ aber, ober ein kleines „‚Sindbäd-nämeh”, war
der Unteczeichnete ſo gihdlih aufzufinden, und biefe
woͤchte uns, wie gelagt, der legten Quelle des Werte
ziemlich nahe bringen.
Ein fehr beliebtes Volksbuch der Indier iſt die „Cuka
saptati’, oder die „Siebzig Erzählungen des Papageien”.
Frlbzeitig wurde das Werk in das Perſiſche überfegt,
aber. feiner Breite und ungefälligen Darftellung wegen
von Sinai edsdin Nachſchebi (ftarb 1329 n. Chr.) unter
dem Titel ‚„„Tüti-nämeh” (d. h. das Papageien : Buch),
neu bearbeitet. Auch biefe Bearbeitung fund man noch
zu breit, die Sprache zu gefucht und ſchwer, und ſo ent:
floh ſach ein fonft unbefannter. Schriftfieller, Mohammed
Kädiri, der wahrfceinlih im 17. Jahrhunderte tebte, zu
einer neuen Redaction. Diefe ift im perſiſchen Driginat
mit einer emglifchen Überfegung unter dem XZitel: „The
Tooti nameh or Tales of a parrot” (Kallutta 1801-
und öfters) gedrudt, und darnach auch in das Deutſche
überfegt worden. („Touti⸗Nameh. Eine Sammlung
perfifcheer Märchen. Deutfche Überfegung von C. 3. 2.
Sen, mit einem Anbange von J. ©. 2. Kofegarten.”
Stuttgart 1822.)
In jenem älteren Papageien : Buche des‘ Nachfchebt,
von dem «6 mic vergännt war, eine fehr fhöne Hand:
fcheift der hamburger Stadtbibliothek benugen zu können,
wofür ich hiermit Öffentlih dem gelehrten und Liberalen
Cuſtos derfelben, Herrn Profeffor Peterfen, meinen ver:
bindlichen Dank mwiederhole, findet fich in der achten Nacht
„Die Erzählung von dem Königsfohne und den fieben Ve:
zieren, und das Unglüd, das ihn von wegen eines Maͤd⸗
&ens traf”, die in der jüungern uns befannten Bearbeitung
des Papageien: Buchs von Mohammed Kädiri nicht als
Ganzes aufgenommen worden ifl; nur einzelne Erzaͤhlun⸗
gen bat der fpätere Bearbeiter feinem Werke einverleibt.
Diefe Redaction möchte Ich ihrem Charakter nach für
die allteſte vorhandene des Buchs der „Sieben weifen
Meiſter“ halten, denn fie ift unter allen mir befannten
die einfachfte, aus welcher der Plan bes ganzen Werks:
»or den Liften der Frauen zu warnen, am beuts
lichten und am menigften durch andere Zugaben getrübt
hervortritt. Es werden bier nämlih nur Erzählungen
nicht zugänglich iſt; von den einzelnen Erzählungen machte
ig «6 aber faſt mit Beſtimmtheit behaupten, Es wird
wol der Mühe werth fein, eine Handfchrift biefer „Gaka
saptat!” nachzuſehen, um fomit die Unterſuchung über du
weitberuͤhmte Volksbuch der „Sieben weiſen Meißer jum
Abſchluß zu bringen. Die Erzählung, wie fie in dem pr
[hen Papageien: Bude des Nachſchebi ſich finder, iſt nun
ihrem weſentlichen Inhalte nach folgenpe:
In Indien leb a en mi
n Indien lebte einft ein mächtiger König. Als ſchon
Frühling feines Lebens vorüber, wird ihm ein ——
Die Aſtrologen erklaͤren, daß dem Knaben in feinem dreizehnten
Jahre ein großes Ungluͤck drohe, er aber gluͤcktich werde gerts
tet werben. Der Water übergibt den Knaben den tüctigken
Lehrern, aber alle ihre Bemühungen find vergebens; beträt
ruft er die größten Weifen feines Eandes zufammen, und klagt
ihnen fein Leib. Giner derfelben verfpricht, wenn man ihm den
Knoben überlaffen wolle, bemfeiben in ſechs Monaten alle Zweige
des Wiſſens zu lehren. Der König willigt ein, und der Weile
nimmt den Prinzen zu fidh, laͤßt einen viereckigen Thurm bauen,
und an die Deden und Wände ber Zimmer die wichtigfien kLeh⸗
ren finnticy abbilden, und fo gelingt es ihm, inbem ex bie Ab
bildungen nun mündlich erfiärt, die Erziehung des Knaben in:
nerbalb ſechs Monaten giüdlich zu vollenden. Da die verabre⸗
bete Zeit verfloffen ift, will der Weife den Prinzen an den Hef
bed Vaters zurüdbringen, beobachtet aber vorber no dus
Horoſtop. Erſchreckt fieht er, daB dem Knaben in den näcfen
fieben Tagen ein großes Ungluͤck drohe; dad einzige Mittel, der
rfadr zu entgehen, fei, daß er während biefer ganzen Seit nicht
ein Wort fpredhe, und auf feine Frage Antwort gebe, fonf
werde er fein Leben einbüßen. &o bringt ber Weiſe nun ben
Pringen an den Dof des Waters zuruͤck, der ihn umgeben vo
allen Edeln feines Reiches empfängt. Aber ber Knabe antınor
tet auf feine an ihn gerichtete Krage. Dex Bater ift gan
troſtlos, feine Veziere aber tröften ihn mit den Worten, daß ter
Knabe gewiß in einer ſolchen Verſammlung aus Beſcheidenheit
ſchweige, er möge ihn daher Lieber in die inneren Gemaͤthet bei
Harems bringen. Hier tritt dem Konig ein Maͤdchen entgegen,
die mit dem Prinzen in gleihem Alter fleht, und bittet ihn,
ben Knaben in ihr Zimmer führen zu dürfen, denn da fie al
Kinder ſtets zufammen gefpielt hätten, fo werde er ſich vor ihr
gar nicht ſcheuen zu veben. Der König bewilligt ed, aber kaua
ift das Mädchen mit dem Prinzen allein, als fie ihm in gie
benden Worten ihre Liebe geſteht. Der Prinz fiebt fie mit
zornerfälltem Auge an, und eilt aus dem Zimmer. Das Ri
chen ift ganz vor Schrecken außer fich, derm fie erkennt die dr⸗
bende Gefahr, in der fie ſchwebt; nur ein Mittel ber Rettung
bleibt ihr: die eigene Schulb auf den Prinzen zu waͤlzen. Cr
zerreißt daher ihre Kleider, und flürzt unter beftigem Wem
und Klagen zum Könige, und fagt, daB der Prinz ihr fit
Liebe erfiärt habe, und als fie ihn unmillig zuruͤckgewieſen, dabe
er ibr Gewalt anthun wollen; nur mit Maͤhe babe fie ſich feinm
der Veziere von ber Lift der Frauen gegeben; alle Gegen: | Ungeftüm entreißen können; jegt verlange fie Gerechtigkeit. Dit
ergdblungen des Mädchens, um ben König mistrauiſch en befiehit, obgleich mit ſchwerem Derzen, den Prinzen hie
gegen die Anfichten feiner Rathgeber zu machen, fehlen | Furihten. HP
' , Diefer König hat fieben Veziere, voll Weispeit und Einfät.
— ai In a oe FR Der erſte derfeiben befichlt dem Scharfrichter, noch einige it
mit ber Sinrichtung zu warten, da er das des Bu
F — des Herbers“, wenn auch gewiß nur zus | ter ruͤhren und Don feinem Gortluffe — — zu fin
fällig, überein.
nen, Der Vezier gebt nun zum Könige, warnt ibn, den Ber
Ob in dem indiſchen Papageien: Buche derſelbe Cyklus ten der Brauen nicht unbedingt zu trauen, und erzäblt bie
von Erzählungen ſich findet, kann ich leider micht beitim: Der j Re € m db R u an
men, da das in Sanskrit verfaßte Driginal mir hier Eine Frau hatte einft ein Liebesverhaͤltniß mit einem Bir:
nn ber. MWBatb befuchte fie ihn, bald Lam er zu ihr. Der Forde
hatte einen Lehrling, ein Juͤngling von anmuthigem Aufert
den ex eines Tages zu der Frau fendet, um fie zu ſich einzule
*) „Asiatie jeursal ”, 1841, Bd. 6, ©. 100 100, unb Bdo. 36,
®. 118 und ©. @ 1,
—2 | |
dien. Die findet an dem Knaben Gefallen. Da er fo
tange ausblelk, nimmt der Färber ein Schwert, und gett Mu
ver Fran bin; kaum fiebt diefe ibn anfommen, fo verftedt ſte
ven Rnaben in einen Winkel, und geht dem Faͤrber ſelbſt ent-
gegen. Diefer ruft ige zu: „Ich babe dir bee Morgen eine
Botfcaft gefendet, um zu mir zu kommen; und noch hafl du
niht einmal einen Strumpf angezogen. Iſt etwa mein Bote
nicht gefommen?” Die Frau ermwibert baaegen, daB man zu
einer ſoichen Botſchaft ein Weib ſchicken müffe, und keinen un⸗
verftändigen Knaben; fle habe ihn vergebens gebeten, in das
Haus zu fommen, er fei aber gleich wieber meggegangen. Waͤh⸗
rend fie fih fo zanken, kommt ber Ehemann ber Frau. Der
Farber geraͤth in die hoͤchſte Anaft, wie er fein Erben retten
fod. Die ram ruft ihm au: „‚Biehe dein Schwert, und flürze
ſchimpfend und fhreiend aus dem Hauſe.“ Der Faͤrber befolgt
diefen Rath, und kommt unverſehrt nach Haufe. Der Ehemann
if} über diefen Anblick fehr erflaunt, und fragt feine Frau, wer
ver Mann fei, und weshalb er fo Tchnell fortgerannt. Die Frau
antwortet: „Es geziemt fih für mid, Almofen zu fpenden
und Opfer auf dem Altare durzubringen, daB du, lieber Mann,
fo grüdtich vor diefem wuͤthenden Menfchen bifl bewahrt worden,
Höre. Ih ſaß bier ganz ruhig, als plöglidy ein Knabe weis
nenb bereinflürgte, und mir zurief: Verſtecke mich in irgend eis
nen Winkel, denn ein Betrunkener folgt mir auf den Ferſen
no! Kaum hatte ich den Knaben verftedt, als ein betrunfener
Mann mit aegogenem Schwerte in das Zimmer trat, um den
Knaben zu ſuchen. Da ich leugnete, daß der Knabe im Hauſe
fei, fo flürzte er fluchend und ſchimpfend davon.‘ „Aber mo
it ber Knabe?” fragt der Ehemann. Die Frau führt ihn zu
dem Winkel, wo der Ehemann den Knaben hervorzieht, ihm bie
Stine küßt, und ihm feine Freude hezeigt, daß er aus fo gro:
fer Gefahr gerettet worden; er bittet ihn, noch einige Zeit im
Haufe zu warten, damit er nicht in die Hände des Betrunfenen
fallen möge. Endlich kehrt ber Knabe zu dem Haufe bes Faͤr⸗
bers zuruͤck.
Dieſelbe Erzaͤhlung finden wir in den verſchiedenen
orientaliſchen Redactionen der „Sieben weiſen Meiſter“, und
zwar in der hebraͤiſchen der „Miſchle Sendabar“ (in Sen»
gelmann’8 Überfegung S. 60), in der griechiſchen des „Syn⸗
tipas“ (ebendaf. S. 96), in der arabifhen der „Geſchichte
der fieben Veziere“ (bresiauer Überfegung der „Tauſend und
Einen Nacht“, 388.15, 8.115). Vgl. Keller's Einleitung zu
„Li romans des septsages”, S. 140, und Deffelben Einlei:
tung zu, Dyokletianus Leben”, S. 46; Loifeleur: Destongs
hamps, „Essai sur les fables indiennes”, ©. 100.
Der König verfchiebt bie Hinrichtung feines Sohnes. Das
Maͤdchen kommt am andern Tage, und verlangt wieder Gerech⸗
tigkeit. Die anbefohlene Hinrichtung bed Prinzen wird aber
wieder verhindert durch ben zweiten Vezier.
Zweite Erzählung.
Ein reicher Kaufmann hat eine fchöne Frau. Er muß in
Geſchaͤften eine Reife machen, und feine Frau vertebt feine Ab⸗
meienbeit in ollem Luxus des Reichthums, und in Gefellfhaft
jungee Männer. Der Kaufmann lehrt von feiner Reife zurüd
und fleigt in einer Herberge feiner Vaterſtadt ab. Er läßt eine
Kuppierin rufen, gibt ihr ein bebeutendes Geſchenk und fagt ibr,
daß er ein Fremder fei, der bier einige Tage zubringen möffe;
fit möge ihm ein junges fchöned Weib bringen, die ihm bie
Langeweile feines Aufenthalts verkürzen könne. Die Kupplerin
geht aber, da fie ihn nicht kennt, zu feiner eigenen Krau, und fodert
auf, dem Fremden Gehör zu leiſten. Die Frau folgt auch
xt Ruppierin, kaum aber ertennt fie in dem Fremden ihren
Semahı, als fie den Schleier vom Geſicht reißt, ihn heftig beim
Barte faßt, und laut zu Magen anfängt, daß ihr Batte feit
fcht Ronaten abweſend endlich zuruͤckgekehrt ihr fogleich untreu
geworden ſei. Sie will zum Kadi gehen, um auf Scheidun
zu dringen, und nur durch vieles Zureden der Umſtehenden laͤßt
ſie ſich dewegen, in ſein Haus zuruͤckzukehren.
Dieſe Erzählung hat Mohammed Kaͤdiri in feiner
Bearbeitung des „Tuti⸗Nameh“ mit aufgenommen; f.
Iten's Überfegung, achte Naht, ©. 48. Bon dem
Sanskrit : Driginale der Erzählungen des Papageien iſt
bis jene nur ein kleines Fragment gedrudt worden (in
Laffen’6 „‚Anthologia sanscrita”, Bonn 1837),, daß bie
Einleitung zu der ganzen Sammlung und bie erfte @rs
zaͤhlung des Papageien enthält, aber glücktichermeife iſt
die gerade dieſelbe Erzählung, die wir eben hier mittheils
ten. Da fie noch nicht überfege ift, fo will ich hier Die
treue Überſezung davon geben, ſoweit e6 der grenzenlos
jerftörte Text erlaubt:
In der Stadt Tfchandravati lebte einſt Sudhana, der Sohn
eines reichen Kaufmanns. Dieſer mwünfchte ſich in Liebe zu er⸗
freuen mit Lalfhmi, ber Gattin eines dortigen Bürgers, Ra⸗
mens Daridatta. Zu diefem Zwecke bemog er, als Haridatta
gerade die Stabt verlaffen hatte, eine Kuppterin, Namens PYürnä,
durch viele Befchente und Bitten, als Botin in das Haus des
Haridatta zu geben. Die Kupplerin madıte die Lakſhmi durch
viele Schmeichelmorte fo freundlich geftimmt, baß fie ihe fagte:
„Was du aud) begehrft, das will ich thun.” Da Sprach Puͤrnaͤ:
„Dann erfülle die Wünfche eines jungen Mannes, der ſich mir
anvertraut.” Lakſhmĩ erwiberte: ‚Kür edle rasen ziemt ſich
dies zwar nicht; doch weil ich es dir vorhin verfprocdgen, fo
werde ich es thun. Denn man fagt: Selbſt jegt ſtoͤßt Siva
noch nicht das furchtbare Gift aus, noch immer trägt die Schild⸗
Erdte die Erbe auf ihrem Rüden, das Meer erbulbet das Feuer
der unter ihr wuͤthenden Vulkane, — was ein Edler verfpros
hen, das hält er unverbruͤchlich.“ Als Pürnä bies gehört, wurde
fie fegr froh. Sie richtete nun Alles in ihrem Hauſe vor, und
führte die Lakſhmiĩ Keim Einbrudy der Dämmerung in ihr Haus.
Da aber Sudhana durch ein wichtiges Geſchaͤft abgehalten zur
feftgefegten Stunde nicht kam, fo ſagte die liebegluͤhende Lakſchmĩ:
„Bringe mir raſch einen andern Marn ber!” Puͤrnaͤ war. dars
über ſehr beflürgt, und in ihrer Verwirrung brachte fie den
foeben zuruͤckkehrenden Gatten derſelben. Lakfhmi erkannte in dem
Antömmling fogleidy ihren Wann, fprang auf ihn zu, faßte ihn
bei den „Daaren, und ſprach: „DO bu Elender! Mir ins Geſicht
haft du immer gefagt, daß du außer mir keine Andere weiter
tiebteft, aber peute babe ich did durchſchaut und ertappt.” Sie
gerieth dabei in den beftigften Zorn, und nur mit Mühe Eonnte
der Gatte fie durch die liebevollſten Worte beruhigen, fobaß fie
ihm wieder in fein Haus folgte.
In den übrigen Bearbeitungen findet ſich diefe Erzaͤh⸗
lung ebenfalls: „Sendabar“, ©.47; „Syntipas“, &. 108;
„Sieben Beziere”, S. 127; vgl. Keller's Einleitung, S. 145
und ©. 47; Loifeleur, S. 106. Doc find mit diefen
Bearbeitungen einige andere Momente verwebt, bie den
Indiern übrigens auch nicht fremd find; f. „Geſchichte
der Devasmitä“, in meiner Überfegung der „Märchen:
fammiung des Somabeva”, Bd. I, S. 137 fg.
(Der Beſchluß folgt.)
Geſchichte und Archäologie verfchiedener franzöfifcher
Provinzen.
Wenn man nur erft auf den Gifenbahnen Frankreich in
allen Richtungen durchfliegen Tann, fo wird man ſchon aller
Orten und Enden des Intereflanten viel entbeden. Das ſtolze
Paris wird fih dann in die Provinz auf Gntbedungsreifen
u
v2 \
begeben.” Dann werben auch bie unverbroffenen Bemühungen
vereingelter Gelehrten, bie ſich jest in einem Provinzialſtaͤdtchen
mit dem Studium der Altertbümer abgeben, und die jegt mei⸗
fiens nur in einem ſehr beſchraͤnkten Kreife Beachtung finden,
aftmätig anerlannt werden. Mir haben zu wieberholten Malen
in biefen Blattern auf die intereflanteften dieſer Monogra⸗
phien, die oft treffliche Worarbeiten zu umfaflenden Darſtel⸗
lungen abgeben, aufmerffam gemadyt, und wir wollen deshalb
ter unter den hiftorifch s archäotogifhen Werken, weldye aus der
ovinz hervorgegangen find und bie Provinz betreffen, eine
feine Lefe halten. Diefeibe wird nicht ganz dürftig ausfallen.
ft floßen wir auf eine ſehr intereflante Befchreibung der
Altertbümer im Departement der Vogeſen. Es ift dies das
„Memoire sur quelques antiquites remarquables du departe-
ment des Vosges”, von J. B. 9. Jollois. Leider Hat der
geiehrte Verf. von feinem Werke nur 125 Grempiare abziehen
laffen. Diele Zurädfegung des größeren Yublicums wird unter
den Alterthumsforſchern immer mehr Mode und namentlich
fuchen die Mitglieder der Bibliograpbifchen Geſellſchaft ordentlich
etwas darin, daß bie Werke, welche auf ihre Koften erfcheinen,
ja nicht etwa in die Hände eines Laien kommen.
Wir erwähnen ferner der ausgezeichneten „„Monographie de
la cathedrale de Chartres’', die für ein Muſter von Fleiß und
vom artiftifcher Aueftattung gelten fann. Didron, der, wenn wir
nicht irren, Secretair des Comité historique im linterrichts:
miniftertum ift, hat die Leitung und Ausarbeitung diefes umfaf-
fenden Werkes, das auf Koften und unter ben Aufpicien der Re:
gierung erfcheint. Indeſſen ift die Bearbeitung einzelner Partien
verfchtedenen Gelehrten, die fidy fpeciell mit den zu behandelnden
@egenftänden bef&häftigt haben, übertragen. So ift der Abſchnitt,
weldyer Architektur: und Sculpturverzierungen und Glasmalereien
umfaßt, I. B. A. Laffus zugetheilt, während die Beſchreibung
und Grläuterung ber Rrescomalereien vom bekannten Kunft:
kenner und Archäologen Amaury Duval, dem Bruber bes
fruchtbaren Theaterdichters Alexander Duval, übernommen ift.
Das Werk ift bis zur vierten Lieferung, die binnen kurzem ers
fyeinen muß, vorgerädt.
Umfaffender und nicht blos auf die überreſte bes Alterthums
und des Mittelalters bezüglich ift die „Histoire de Cambrai”
von Sugene Bouiy, von der foeben ber ameite Band erfchienen
it. Dieſe fleißige Arbeit reiht fi an die übrigen Einzeifchriften,
in denen die Geſchichte der verfchiedenen Provinzen ausführlicher
und erfchöpfender behandelt wird, und deren wir in le&terer
Zeit mehrer gedacht haben, würdig an.
Ungleich intereffanter aber ift eine „Histoire des populations
pyreneennes du Nebouran et du pays de Comminques depuis
les temps les plus réculés jusqu’a la revolution de 1789”,
von H. Caftillon, von der gleihfall vor kurzem der zweite
Theil in den Buchhandel gelommen if. Wir finden in diefem
Werke, das eine Frucht ber fleißigften Studien ift, intereflante
Aufſchluͤſſe über die Bevölkerung diefer Gegenden, in denen ſich
die verfchiedenartigften Racen freuen. Wir führen bei diefer
Gelegenheit gleich noch ein Werk an, das die Geſchichte eines
ber interefjanteften Partien des an bie Pyrenaͤen angrenzenden
Laͤnderſtricht behandelt. Es ift dies die „Histoire de Bearn“',
von Mazure, bie, obgleich ſchon 1840 erfchienen, in Deutfchland
ſchwerlich ſchon befannt geworden iſt. Diefes Werk, beflen Verf.
fih in Sranfreid durdy fein „Tablean des litteratures” u. f. w.
befannt gemadjt hat, enthält einige höchft befriedigende Gapitel.
Befonderd beachtungswerth find die Bemerkungen über den an:
mutbigen Dialekt, in bem der ausgezeichnete Pierre Despourrins,
defien Idyllen kaum von denen Theokrit's übertroffen werden,
gedichte hat.
Als eine reiche Fundgrube für bie Gefchichte einer der ins
tereffanteften Provinzen Frankreichs dürfen wir bie ‚‚Archives
historiques et ecclesiastiques de la Picardie et de l’Artois”,
herausgegeben von P. Roger, die mit der fünften Lieferung,
de A einiger Zeit eefälenen, abgefdjtoffen find, nidit unerwiga:
Norbameritantfche Miscellen.
(Auszüge aus ben Öffentliden Wiättern ber ten
vom Jahre 1842.) Bereinigten Elan
Gin Amerilaner von der Marine theilt in Itfentti ;
teen folgende von ibm gemachte Entdedung * ——
drei Theile Steinkohlentheer und einen Theil pulverifizten Kalt
zufammen kocht und bie Blifhung, fo lange fie heiß it, af
Eiſen trägt, dann wird dieſes dadurch vor dem Werzoften im
Seewaſſer deſſer bewahrt als durdy irgend ein anderes Mittel,
mit Ausnahme bes Verzinkens, welches ats das beſte Mitkl
bekannt ift, um Eiſenwerk vor Roſt zu fichern,
— — ——
Am Huronſee befinden ſich fo ausgedehnte und reichhaltige
Kupferadern, wie je auf ber Erbe entdeckt wurben; aber fir
wurden bisher nie mit Ernſt autgebeutet. Im Sabre 1841
baben zwei unternehmende Neuengtänber dort eine freilich noch
fehe mangelhafte Schmelzhürte angelegt und im Suni 134
tam dic erfle Frucht ihrer Arbeiten, beftchend aus etwa kei
Zonnen Gewicht, in Buffalo an.
Die Paffagiere eines Dampfboots, welches den Ohio hinab
fubr,, fahen einen großen Bären über den Fluß fhwimmn.
Einige beftiegen fogleidy einen Rachen, um ihn zu fangen. Der
Bär wehrte ſich zwar fo gut er konnte; es gelang jedoch, ihn
eine Schlinge über den Kopf zu werfen und den Stric an dat
Schiff zu bringen, auf welches er heraufgezogen und dann er⸗
legt wurde.
Gin Medaniker zu Springfield im Staate Maffadufetts
bat einen Webſtuhl erfunden, auf weichem Strümpfe, Hand
ſchuhe u. bergi. gewebt werden, welche keine Naht haben. Ze⸗
gleich iſt die Maſchine ſehr wohlfeil, denn fie koſtet nicht mehr
als 40 Dollars.
— —
Zu St.⸗Louis im Staate Miſſuri bat ber Richter kucat
bem Orden der barmberzigen Schweftern daſelbſt einen Bauplag
geſchenkt, der auf 10,000 Dolars an Werth gefchägt wird, um
darauf ein Gebäude zu dem Waifenhaufe, welches ſich unter
ihrer Leitung findet, zu errichten.
Das Dampfboot Henry Clay legte vor kurzem die Reife
von Souisville im Staate Kentudy bis nach Neuorleans auf
dem Ohio und Miffiffippt in der unerbört Burgen Zeit von die
Zagen und acht Stunden zuruͤck.
Fu Neus Philadelphia im Staate Ohio hielten im Monat
Mai über 200 Schägen eine große regetrechte Wolfsjagd. Et
wurden dabei neun Wölfe, einige Fuͤchſe und eine große Menge
eßbaren Witbprets erlegt. 3.
titerarifhe Anzeige.
Bei F. A. Brockhaus in Leipzig erſcheint forben:
Vortrag zur Gedächtnißfeier König
Friedrich Wilhelm's III., gan
am, 3. Auguſt 1843 in der Univerſitaͤt zu Berlin von
Friedrich von Raumer. Gr. 12. Geh. 8 Ner.
Predig zur Feier Der taufendijähri
gen Selbſtändigkeit Deutſchlands,
am 6. Auguſt 1843 in der Dreifaltigkeitskirche zu
Berlin vorgetragen von Dr. Philipp Marheinekt.
Gr. 12. Geh. 8 Nor. Philipp
Verantwortliher Derauögeber: Heinrich Brockhaus. — Driud und Verlag von F. A. Brockhaus in Leipzig.
———— — 2
Blätter
' für
literarifde Unterhaltung.
Donnerstag,
Zur Geſchichte der „Sieben weifen Meifter”.
(Beil aus Mr. FIR)
Dritte Erzählung.
Das Elefanten.
Einem Nanne bringt feine huͤbſche Frau in einem Korbe
Kuchenteige Unterwegs begegnet ihr ein fchöner junger Mann,
er gibt ihr Geld, und fie geben in ein Gebuͤſch. Ein Knabe,
der den jungen Mann begleitet hatte, Öffnet ben Korb und macht
aus dem Zeig einen Giefanten. Als bie Frau, obne irgend
etwas zu ahnen, ihrem Manne ben Zeig bringt, und diefer ers
faunt fragt, warum fie ſich diefen Spaß gemacht, dem Zeig bie
Seſtalt eines Elefanten zu geben, antwortet fie mit großer
Rue: „In der vergangenen Nacht fah ich im Traume einen
Dann mit einem Glefantenkopfe, ber dir eilig nachlief. Beute
nun habe ich diefen Zraum einem Aftrologen erzählt, und biefer
bat mir gefagt: Mache einen Elefanten aus Mehl, und gib
ihn deinem Manne zu eflen, dann wirb alles Unglüd, was dei⸗
nen Mann bebrobt, auf biefen Elefanten fallen. Aus bdiefem
Grunde babe ih nun biefen Stefanten gemacht; fei bu nun fo
freundlich, und iß den Glefanten, damit du alles drohende Un⸗
beit abwendeſt.“ Der betrogene Ehemann kuͤßt dankbar feiner
dran Stirn und Augen, und verzehrt das Elefantchen.
Diefe Erzählung verräch deutlich ihren inbifhen Ur:
rung, denn der Mann mit dem Elefantenkopfe iſt
unfreitig der Gott Ganeſa. Die Erzählung finder ſich
a im „Syntipas“, ©. 127; vgl. Keller's Einteltung,
. 181,
Vierte Erzählung.
Studien über Weibertüde
Ein junger Mann faßt den Plan, Alles nieberzufcreiben,
was er über die Eiften und Tuͤcken ber Weiber erfahren Tann,
um fi fo felbft gegen ihre Ränke ficherzuftellen. Nach kurzer
Zeit hat er fehon einen ganzen Korb voll Papiere. Eines Zar
ges begegnet ihm ein Wann, der ihn in fein Haus führt, ihn
dort Der gaftlichen Pflege feiner Frau übertäßt, und dann feinen
Geſchaͤften nachgeht. Die Frau fragt ben Jüngling: „Was
daft du da im Korte?” „Es find Papiere.” „Unb was fleht
auf den Papieren?" „Die Eiften und Ränke der Frauen.” ‚Man
fann alfo jebe Lift, welche die Frauen jemals begehen koͤnnten,
bier bereit aufgezeichnet finden?” „Sa, fifer.” Nach biefer
Unterhaltung faßt bie Frau den Jüngling bei ber Band und
führt ihn täftern in ein Bimmer. Ploͤtlich erhebt fie ein Bes
Krei: Haͤlfe, ihr Nachbarn, Hälfe!" Ale Nachbarn eiten her
ki; dem Shngling wied bei diefem Auflauf nicht wohl zu Mus
the. Auf vieles ragen erzählt die Brau: „Mein Mann bat
bie Gewohnheit, daß er jeden Tag einen Gaſt in das Haus
f mi | W. Deut
Wade cr ven dank Teen Befäfen
nad. Ich feste meinem Bafte ein Gericht vor; kaum hatte er
aber einige Biſſen gegeffen, als er einen zu großen Wiffen ers
faßte, dev ihm in ber Kehle ſtetken blieb, fobaß er die Augen zu
verdrehen anfing und zu erftiden drohte. In ber Ang, er
möchte flerben, unb bie Schande, ben Gaſt getädtet zu haben,
mie zur Laſt fallen, habe ich euch herbeigerufen, um ibm etwas
Wafler in die Kehle zu gießen, denn wie bürfte ich es magen,
mit der Hand einen fremden Wann zu berühren. Doc jept
geht nur wieder nad) Haufe, denn die Gefahr tft vorüber.” Als
bie Leute fort find, fragt ber Juͤngling, warum fie fo gebanbelt,
wodurch fie ihn dem Untergange fo nahe gebradt. Die Frau
antwortet: „Es war nur eine Probe meiner Lift. Doc ich
babe eine Schweſter im Serail des Könige, beren £iften
die meinigen weit überteeffen.” Nach dieſen Worten laͤßt
fie den Züngling in einem Palanquin zu ihrer Schweiter in
den Palaft tragen, und gibt einer begleitenden Dienerin den
Auftrag, ihrer Schwefter zu fagen: biefer Züngling fchreibe alle
Eiften der Frauen auf; fie möge daher eine ſolche Lift erfinnen,
daß er alle feine Papiere vor Verdruß verbrennen werde. Er
wird in das Zimmer ber Königin geführt, die ihm Betel gu
kaurn und Wein zu trinken gibt und mit ihm der Liebe ſich
bingibt. Ploͤtzlich naht der Sultan. Die Gultanin verbirgt
ben jungen Mann in einen Koffer, fließt ihn zu unb nimmt
den Schlüffel in bie Hand. Der Gultan tritt darauf in das
Bimmer, und fragt erftaunt, was bied Gelage zu bedeuten habe.
Die Sultanin fagt: „Es kam heute ein junger Mann zu mir,
mit dem babe ich biefen Wein getrunken, und gefcherzt und ges
koſt. Ich Habe ihn bier in den Koffer geſteckt, gebe felbft hin
und ſieh zul” Der Sultan geht zu dem Koffer bin, um ihn zu
öffnen, ba fängt die Suitanin an zu lachen, und fpricht: „Ich
habe einmal die Weisheit des Sultans prüfen wollen Du
Thor, wenn wirklich ein junger Mann zu mir gelommen waͤre,
und ich ihn in biefen Koffer verſteckt hatte, wuͤrde ich denn es
bir wor fagen? übrigens, wie foll denn Jemand hierher Toms
men?” Der Sultan fühlt ſich befchämt und verläßt das Zins
mer. Die Sultanin Öffnet nun den Koffer und läßt den Juͤng⸗
ung in feinem Palanguin zu ihrer GSchweſter zuruͤckbringen. Die
Frau fragt ihn: „Steht die Lift meiner Schweſter Tchon in beis
nen Bädern, oder nicht ?“ Der junge Dann nimmst feine Pa⸗
‚piese, wirft fie ins Fener und verläßt das Haus.
Der erfte Theil der Erzählung ſteht im „Syntipas“,
©. 135; vgl. Keller's Einleitung, S. 186 und ©. 54;
Loifttene, ©. 115.
Die beiden folgenden Erzaͤhlemgen finden fich wörtlich
| in bem’ jüngern ‚„‚Iuti:Nameh”, ich übergebe 'fie daher.
Die fünfte Erzählung nämlich ſteht in Iken's Überfegumg,
©. 51, ohne in die übrigen orientaliſchen Boarbeitungen
der „Steben Veziore“ übergegangen: zu fein. Die ſechate
Ergähteng frht ebenfalls baferbft, ©. 106, umb uch.
. [ >
im „Senbabar”, S. 57; „Opntipas”, ©. 103; „Bie
ben DVeziere”, ©. 120; vgl. Keller's Einteitung, S. 144
und ©. 46; Loifeleur, S. 103,
Schluß.
So iſt denn der ſiebente Tag gekommen, an welchem das
drohende Geſchick des Prinzen ſich endet. Er darf nun reden,
und erzaͤhlt, wie das Maͤdchen ihn habe verfuͤhren wollen, und
da er ihre Liebe zuruͤckgewieſen, ſeinen Tod herbeizufuͤhren ſich
bemuͤht habe. Das Mädchen wird hingerichtet, und ber König
übergibt feinem Sohne die Krone.
Hermann Brodhaus.
Der Krieg ſtreichs gegen Frankreich, deffen Alliirte und
den Rheinbund im Jahre 1809. Der: Ausführliche
Geſchichte der Feldzüge in Deutfchland, Jtalien, Polen
und Holland; der Inſurrectionen Tirols und Vorarl⸗
berg6 ; der Aufflände in der Altmark und in Heſſen
und der Züge. des Herzogs (Friedrich) Wilhelm von
Braunfhweig und des Major F. von Schill im
Sabre 1809. Bon Franz Joſeph Adolf Schnei⸗
damind. Erſter und zweiter Band. Schaffhaufen,
Hurter. 1843. Gr. 8, 3 Thlr. 15 Nor.
As im 3. 1809 Sſtreichs muthvolles und Eräftiges Auf:
treten gegen Napoleon viele Herzen in Deutſchland und in
Europa für eine beffere Zukunft begeiftert, aber auch nach der
Schlacht bei Wagram mit tiefem Schmerze erfüllt hatte, fchrieb
ein edler Beitgenoffe, Niebuhr, unter dem 18. Juli 1809 an
feine vertraute Freundin, bie geiftvolle Densler, folgende Worte:
„Mir fcheint Alles fehr fchlimm zu ſtehen, aber Männer find
fie, diefe Öftreiher! und das ift tröftlih, wenn fie bie
zum legten Augenblicke ungebeugt und ungeſchreckt ausbarren,
fallen und nicht fliehen, damit ihr Andenken rein und unverftellt
lebe, wenn auch der Staat und Alles untergehen muß — daß
fie fterbend fagen können, wir und bie Nachkommen fagen koͤn⸗
nen, daß wenn Rettung möglich gemwefen wäre, ihr Arm fie
bewirkt haben würde. Meine Hoffnung geht mehr und mehr
- aus, und an die beffeern Gerüchte glaube ich gar nicht: aber es
it mir das ein großer Troſt, daß die Männer der Sache werth
waren, baß eben ihre. Brapheit über alles Raifonnement bars
thut, daB die Güte und Herrlichkeit der Sache kein Traum war,
wie Viele fagen werden, fobald Alles aus fein wird.” („Lebens⸗
nachrichten über Niebuhr‘‘, I, 413.)
Eine ſolche Zeit und fo ruhmmürbige Anflrengungen ver:
- dienten eine ausführliche Beſchreibung und Schilderung ber
Großthaten im Kampfe gegen Rapoleon’s bis dahin faft uns
befiegte Legionen. Es Tann daher nur ein lobenswerthes Unters
nehmen genannt werden, daß Hr. Schneidawind, der durch aͤhn⸗
liche hiſtoriſch⸗ militairiſche Schriften bereits von einer vortheils
haften Seite bekannt ift, fich biefer Arbeit unterzog, zu deren
Bollendung nody ein dritter Vand erwartet wird. Was das
Material zur Abfaffung eines folchen Werkes betrifft, fo gibt
es für den Gefchichtfchreiber des J. 1809 eine bedeutende Ans
zahl guter Quellen, bie fi) denn aud Dr. Schneidawind faft
alle zu eröffnen gewußt bat. Auch ungebrudte Tagebücher,
wie das eines bairiſchen Majors Krafft, find benugt und
Stutterheim’s Wert über den Krieg von 18000, bas in Wien
nur mit Griaubniß des Hofkriegsraths zu erhatten iſt (1, 36).
Bas mun die Benugung feiner Quellen betsifft, fo koͤn⸗
. en wir bem Verf. bad Zeugniß nicht vnerfagen, daß ſich
überall das Streben Eund gibt, mit Wahrheit und Unparteis
“ Vichkeit zu ſchreiben. Demnach find bie biplomatifchen Ber
Hältniffe vor dem Ausbruche des Kriegs lichtvoll entroickelt,
- bis außetordentlichen Auftrengungen und bie Waterlanböliche ber
ı Mreiihifchen Unterthanen in gebaͤhrender Weiſe beicht, aber
Na
auch die Proclamationen Oſtreiche, um bie Deutſchen
ſtande gegen ihre eigenen Herrſcher zu vermögen, ats —
woͤrdiges Zeichen ber Verwirrung in damaliger Zeit Hegeihne,
Daneben bätte aber ein deutſcher Geſchichtſchreiber im 3, Ig43
auch mit tiefem Bedauern des Wahnfinns erwähnen ſollen in
welchem damals Deutſche wetteiferten, ihr Blut für Deurfchlang
Unterjohung zu verglchen, und folder Neiegderflärungen dent,
ſcher Fürften gegen Üftveich tadelnd erwähnen follen, in denn
fie, wie König Friedrich Auguft von Sachſen, die Race ve
Himmels über Öftveich herabriefen. Wir wiffen recht gut, mus
bamals die Noth und die Furcht vor Napoleon gebot, wolm
daher audy gern mandes harte Wort mit der Wehrängnig mt.
ſchuldigen und keineswegs nur „vom fichern Port gemaͤthich
rathen“ aber der Hiſtoriker iſt verpflichtet, folde Dinge mr
mit Zrauer und Wehmuth zur Deiehrung ber Jeitgenoffen
erwähnen. Und fo wollen wir gleich Dier, che wir nod andern
Vorzüge bed vorliegenden Werks gedenken, bemerken, daf mir
die Wärme und Glut der Empfindung, die wir nad der Kar:
rebe des Verf. erwarten zu können glaubten, an mehren Ekel:
ien vermißt Haben. In diefer Hinſicht flieht K. X, Mmyıs
kurze Schilderung biefes Kriegs in ber Fortſetzung von Bıdırz
„Weltgeſchichte“ (Bd. 14) höher als die des Hrn. Ein
wind, noch mehr aber Leo's feurige, patriotifche Befchreibung |
im fünften Bande feiner „Univerfaigefchichte”. Dies Vuch mei
ches in dieſer Beziehung nur ein unbedingtes Lob verdient, hat
Hr. Schneidawind überhaupt nirgenb benugt oder angefikrt,
was wir nicht billigen koͤnnen, ba namentlich die Wahrheit un
das heilige Beuer, mit welchem von &. 579—619 der Fri
heitstampf in Tirol befährieben ift, auf Fein jugendlid empfaͤng⸗
liches ‚Herz, ja überhaupt auf kein deutſchis Herz feine Bin
tung verfehlen wird. Und da hier die Gefchichte einer für un
und für unfere Nachkommen unvergeßlichen Zeit gefchrieben wer:
ben ift, fo burften nad unferm Dafürhalten auch die chen
Dichterflimmen nicht fehlen, in denen fich die Gefinnung dieler
Steichgefinnten damals ausgeſprochen hat. Wir meinen damit
Hr Körner’s drei Lieder auf die Schlacht bei Aspern und
fein ſchͤnes „Was une bleibt”, Staͤgemann's Kriegsgefänge
aus dem I. 1809, fein „Tiroler Kriegslied, feinen „Krieg:
gefang für Öftreicy” und bie „Lieder für Schill und feine Gefüge
ten’, und Arndt's volksthuͤmliche Gefänge auf Schill und ande
Zeitbegebenbeiten. Die Umfängtichteit des Schneidawind'ſchen
Buchs verſtattete vollfommen die Aufnahme folder Beiträge
zur Beitgefhichte, die ſchon im I. 1781, als Alles in ticm
Frieden ruhte, Möfer, ein befonnener und warmer Freund ki
nes deutfchen Waterlandes, für nothwendig erachtete, denn „at
befte Gefang für unfere Nation ift unftreitig ein Vardiet, dae
fie zur Bertheidigung ber Heimat im der Schlacht fing; ber
befte Tanz, ber fie auf bie Batterie führt und das befle Shaw
fpiel, was ihnen hohen Muth gibt‘.
Nach diefer Ausftellung wenden wir uns zu verſchiedenen,
lobenewerthen Partien des vorliegenden Werks. Dahin rehum
wir bie vollfländige Darftellung ber einzelnen Feldzuͤge in Drutik-
land, Italien, Tirol, Polen, Borarlberg und Jlyrien, ze
namentlich bie beiben legtern durch das forgfältig gefammelt
Detail von befonderer Wichtigkeit find, da fie im dem geſchicht
lichen Werken oft übergangen, ober nur den Hauptzuͤgen nad
erzählt werden konnten. Gin zweites Lob gebührt der nad ka
beiderfeitigen Berichten der friegführenden Zeldherren und mit
Benugung guter Pläne entworfenen Befchreibung von Schlach
ten, denen ftetö genaue Terrainſchilderungen vorangehen. Bi
nennen bier die Schlachten bei Thann, Abeneberg, Eanböhut,
Eckmuͤhl, Regensburg, Ebersberg, Porbenone und Sacile, dor
allen aber die bei Aspern, Wagram und Raab, wo den Erlen
klare und Überfichtliche Bilder geboten worben find. Dies wird
auch ganz befonders durch die Aufmerkfamfeit unterflügt, die
Pr. Schneibawinb mitten im Getümmel ber Schlacht der Zapf:
keit und dem Heldenmuthe einzelner Krieger zugewendet bet.
Weniger Eonnten foldhe Züge bei den franzöftfcen Truppe
berausgehoben werden, weil bie Rapoleonifdgen Bulletins meh
‚5
i der Bravour eingelner BRegimenter und Bataillone verweilten
Ai bei den Wamen Einzelnen und weil in den kriegẽgeſchicht⸗
lien Memoiren ebenfalls ſolche Belobungen ſelten find. Die
allgemeine leire und ber Wunſch, uͤberall den Glanz des kai⸗
fertichen Geſtirns oder einiger Oberfehlshaber und Marſchaͤlle
iruchten zu laſſen, bat bier die NRennung der Ginzeinen unters
irüct, obwol Niemand zweifelt, daß dazu bie gegründerfte
Seranlaffung vorhanden geweſen ift. Um fo mehr hat der Verf.
Gorge getragen, daß bie Heldenthaten einzelner öftreichifcher
und daitiſcher Soldaten nicht in Vergeſſenheit gerierhen. Zus
vörderft ift die Gefchichte des Kriegs in Tirol eine fortlaufende
Keine ſolcher Bewriſe von Muth und Vaterlandeliebe, aber auch
der Haltung und ſtandhaften Tapferkeit feiner bairifchen Lands⸗
(cute (Hr. Schneidawind lebt in Afchaffenburg) in den mörs
deriſchen Gefechten diefes Volkskriegs hat der Verf. die Gerech⸗
tigkeit widerfahren laffen, die ihnen ſchon im 3. 1809 feibit
ein erbittertee Feind gönnen mußte. Dann find aus den Schlach⸗
ten bei Robr, bei Abensberg und bei Wagram die Namen vers
dienter Offiziere und Gemeiner aus den bairiſchen Ghevauriegeres
Regimentern genannt worden, aus ber Schlacht bei Eckmuͤhl
der des Wachtmeiſters Roͤsler, der als der erſte über die bren⸗
nende Brüde in Landshut eingedrungen war, und andere mehr,
die ſich zum Theit unter Napoleon’s Augen ausgezeichnet hatten,
der bekanntlich die Dauptfchläge in den Schlachten vom 19. bie
zum 23. April vorzugsweiſe durdy die bairifhen und andern
deutſchen Truppen thun ließ. Auf öftweichifcher Seite finden ſich
zadireiche Waffenthaten einzelner Offiziere und Gotdaten aufs
gezeichnet und es macht Hrn. Schneidawind Ehre, daß er ba,
mo dad Unglä bie gefammte öftreihifhe Armce Schritt für
Schritt verfolgte, um fo lieber den Heldenmuth der Einzelnen
hervorgehoben hat. ins der leuchtendften Beifpiele gibt die
fürhtertiche Schiacht bei Ebersberg am 3. Mai. Bier Feld⸗
mebel ded Regiments Benjowski retten hier mit geößter Tapfer⸗
feit die Kabnen, Grabiscaner und Ublanen wetteifern an krie⸗
gerifcher Tuͤchtigkeit, Oberlieutenant Küffel, Major Ealis, Gorr
peral Tiller von den wiener Freiwilligen beurfunden im bidften
Dandgemenge die höchfte Vaterlandsliebe. In der Schlacht bei
Landshut fprengte ſich ein Grenadier (hier fehlt der Name) mit
einem Munitionswagen in bie Luft, um dadurch die Seinigen
ven der Umgingelung durch frangöfiiche Reiterei zu befreienz bei
Edmuͤhl rettet Corporal Faich die Regimentsfahne und Felds
mebel Fenzel deckt mit großer Entſchloſſenheit den Körper feines
Hauptmanns; bei Raab zog Dberftiieutenant Bummel mit einer
Heinen Schar den ruͤhmlichen Tod ber Gefangenfhaft vor.
Und nicht allein die Geſchichte der Schlacht bei Aspern zeigt die
echebendften Beiſpiele von Kühnbeit und Patriotiemus vieler
tinzeinen Soldaten, durch deren Aufbewahrung, wie durch die
That tes Hauptmann Murrmann, dem ber Erzherzog Karl
auf der Wahiftatt felbft das Thereſienkreuz umbing, fih Br.
Schneibawind ein wahres Verdienſt erworben hat, fondern auch
in Heinan Gefechten bervährten ſich diefelben Cigenfchaften.
Sc fritt mit unerfchütterlihem Muthe das Regiment Kerpen
in der ſchwarzen Lade bei Wien am 13. Mai, das Fort Mal
borghetto wurde am 16. und 17. Mat von dem Pauptmann
Henfel, dem Oberfeuerwerker Rauch und einer Band voll tapfes
ter Öftreichee gegen bie flürmende Übermacht mit der größten
Tapferkeit vertheibigt, und ebenfo gerietb am 18, Mai das
Bleckhaus auf dem Predil unweit Goͤrz erft dann in die Ges
malt der Franzoſen, als der Commandant Hermann und der
aröäte Theit der Beſatzung den Heldentod geftorben waren Alle
folde Beifptele, denen noch viele andere hinzugefügt werten
Eönnten, zeigen auf das deutlichſte, welch ein Geiſt damals in
der oͤſtreichiſchen Armee lebte und was foldye Truppen hätten
kiftm tönnen, wenn fie überall einen Obergeneral wie den
Sriterzog Karl an der Spite gehabt hätten, oder zu @eneralen
den Criherzog Johann, die Fürften Johann, Alone und Morig
enftein, die Feldherren Klenau, Rabepfy, Rothkirch, Chaſte⸗
kr, St.⸗Bincent, Frimont, Colloredo, Roſenberg, Bacquant,
Bianchi und Andere, deren Tapferkeit und kriegeriſche Einſicht
in ſo vielen Stellen des vorlie n in dem glänzendften
ichte erſcheint. Wir aber alaubten, dieſe Becken bier
um fo weniger unterbrüden zu miflen, weis ſich heutzutage,
und nicht bios unter der jüngern (Semeration (ber foldhe Ye
rungen noch am erften nadyzufehen wären), bie Meinung beeit
macht, als wären die Franzoſen unter Napoleon die einz
Zruppen gewelen, welche verftanden hätten, den Krieg zu füh«
ren. Solche Behauptungen Tann aber nur bie Unkunde in ges
yichen Dingen, oder eine boͤſe, undeutſche Geſtmung aufs
ellen
Es erfobert bie Gerechtigkeit, die Geile bei Hrn. Gdmelbas
wind (II, 460), wo er von bem Benehmen ber ſaͤchſiſchen Trup⸗
pen in der Schlacht bei Wagram fpricht, zu berichtigen. In
der Beſchreibung ſeibſt iſt ihrer Zapferfeit die gebuͤhrende Ehre
widerfahren. Um fo mehr aber mußte der ungeredyte Vorwurf,
ben Rapolcon in feinem Tagesbefehle vom 7. Zul. 1808 den
Sachſen madıte und fie, die ſich ſtets fo brav für ibn geſchla⸗
aen haben, ats ben fchlechteften Theit feines Deeres brandmarkte,
bündig widerlegt werden, wozu die Schrift des fächftfchen Ger
nerals von Gertdorf: „Deux lettres adressees au lieutenant-
genöral Gerard et au mar6chal de camp baron Gourgaud
au sujet d’une remarque de Napoldon” ( Dresven 1823) uns
ferm Verf. hintänatichen Stoff barbot, wie auch fchon Boͤttiger
(„Geſchichte von Sachſen“, II, 405) zu bemerken nicht unters
laſſen bat.
Die Sprache bes Hrn. Schneidawind iſt faft überall bem
Gegenftande angemeffen und wo fie mehr an das Poetiſche flreift,
als man nad) der fonftigen Haltung des Buchs erwarten dürfte,
be ſe wol eine Entſchuldigung in der belebtern Stimmung
des Verf. .
Bibliographie.
Auffenberg, I. Freihr. v., Sämmtliche Werke in zwan⸗
zig Bänden. Erſte, von der Hand des Verfaſſers forgfältig
reoidirte, vollftändige, vechtmäßige Sefammtausgabe. Ifter Band.
Siegen, Friedrich. Gr. 16. 123%, Nor.
Die legten Augenblide des Prinzen Auguf von Preußen.
Zur sinnerung von einem Augenzeugen. Bromberg, Lepit.
. gr.
Bretfchneider, K. G., Heinrih und Antonio, oder die
Profelyten der römifchen und der evangelifchen Kirdye. Ste vers
befferte —8 Gotta, Perthes. 8. 1 Thir. 10 Rgr.
Fünfter Brief an die Eefer der „Blätter für chriſtiiche Er⸗
bauung von proteftantifhen Freunden‘. Oder: Erbauliche Lei:
chenrede auf ben lebendigstodten Rationatitmus. Bon Sinc.
Bibliophilus. Magdeburg, Inlermann. 8. 3%, Nor.
Burkhardt, J., Conrad von Hochſtaden, Erzbiſchof
von Kölln und Gruͤnder bes koͤlner Doms. (1238-— 1201.)
Bonn, Habicht. Gr. 8. 25 Nor.
Buſch, G. F., Der ſchwarze Nitter, ober: Der Bluts
vächer. ine hiftorifch s romantifche Eraähtung aus dem Ritters
leben und ben furdhtbaren Zeiten des heimlichen Gerichte. Zwei
Bände. Norbhaufen, Fuͤrſt. 8. 1 Thlr. 20 Ner.
Calinich, ©. A. E., Das gefammte Unterrichtswefen
im Königreiche Sachſen. Leipzig, Tauchniz jun. &r.8. 20 Mor.
Carus, & ©., Goethe. Zu deffen naͤherem Berſtaͤnd⸗
niß. Beigegeben ifl eine Reihe bisher ungebrucdter Briefe Goes
IE an den Herausgeber. Leipzig, Weichardt. Gr.8 1 hir.
ar.
Dolly, K., Reiſetagebuch Napoleon Bonaparte’s ſeit ſei⸗
ner erſten Abreiſe von Korſika bis zu ſriner Ankunft in Bong»
wood. Nach Correſpondenzen und autbentiſchen Quellen geſam⸗
melt. Aus dem Fran öfifähen von I. Guͤnther. Arnflabt,
Meinhardt. 8. 71 Ror.
Döring, 9, &xenen und Bilber aus dem Leben Jeſu.
Nebſt altteſtamentlichen Bemätben unb veiigibfen Dichtungen ver:
ſchiedenen Inhalte. Werlin, Amelang. 8. 22%, Nee.
J neue
* * ae Üagbeburg, Heinrigähofen. x.
Yriedtänder, A., Die Lehre von bee undorbenklichen
Zeit. ine von ber Juriſten⸗Fakultaͤt zu Heidelberg Xęær
Preieſchrift. Zwei Theile. I. Dogmengeſchichte und iſches
ceecqt. II. Canontſches und beutfches Hecht und Soflen. Mars
FJriedrich der Zweite über Etaatsverfaflungen und Pflichten
der Farſten. Ind Deutſche überfent, nebit Binweifungen auf
einige Beitfragen. Leipzig, Frigſche. Er. 8. 5 Nor.
Geißlter, Teutſchlands Berarmung, ihre Folgen und Abs
bätfe, ober: Was ift von der fortfchreitenden Berarmung Teutſch⸗
lands zu fürditen, und wie ift ihr und den überband nehmen»
den gegen Eigenthum und öffentliche Sicherheit abs
zubelfen? Gine aus Zeit und Grfahrung hergeleitete, auf dem
Gebiete vernünftiger Forſchungen beantwortete und mit Vorſchlaͤ⸗
gen begleitete Voikefrage. Zeit, Schieferdecker. Kl. 8. 9 Rgr.
Genoſſen der Gegenwart. Espartero. Schweden und fein
König. Ferdinand IV. Don Miguel. Mehemed Ali. Abder⸗
haman⸗Bey. Ibrahim Paſcha. Emil Girardin. Gardinal
Jeſch. Mit einem Vorworte vom Verfaſſer bes „Meſiſtofeles“.
Mit Espartero’s Portrait. Coesfeld, Rieſe. Gr. 8. 1Thlir.
Gerhard, E., Phrixos der Herold. Zweites Pro-
gramm zum Berliner Winckelmannsfest, Nebst einer Abbil-
dung. Berlin, Besser. 1842, Gr. 4 20 Ngr.
Gerlach, F. D., Tiberius und Cajus Gracchus. Ein
historischer Vortrag. Basel, Schweighauser. Gr. 8. 11Y, Ngr.
Ghillany, F. W., Die Jubenfrage. Cine Beigabe zu
Bruno Bauer’s Abhandlung Über diefen Gegenfland. Nürnberg,
Schrag. Br. 8. 7Y, Nor.
Guͤnther, W. A., Qurifiheus und Heracles. Metalo⸗
By Krititen und Meditationen. Wien, Bed. &r.8. 2 hir.
+ O8.
Harleß, Dffene Antwort an ben anonymen Berfafler der
zwei Genbfchreiben, die Trage von der „Kniebeugung ber Pros
tefkanten‘’ betreffend. Mündyen, Palm. Gr. 8. 5 Ner.
Hartmann von Aue, Iwein. Kine Krzählung. Mit
Aumerkungen von @. F. Benecke und K. Lachmann. ?te
Ausgabe. Berlin, Reimer. Gr. 8 2 Thir. 15 Neger.
GHOeiinroth, I A. ©, Gedichte. Iſter Band, enthaltend
Kabeln und Grzählungen zum Declamiren. In drei Heſten.
Göttingen 1340— 42. 16. 20 Rgr.
Helferich, 3, Won den periodiſchen Schwankungen im
Werth der ebein Metalle von der Entdeckung Amerikas bis zum
Jahr 1830. Eine hiftorifch: dkonomifche Monographie. Nuͤrn⸗
berg, Schrag. Gr. 8. 22%, Near.
Neues Jahrbuch der Berliniſchen Geſellſchaft für deutſche
Sprache und Alterthumskunde. Enthaitend ſprachwiſſenſchaft⸗
liche und geſchichtiiche Abhandlungen, Abbrüde und Erlaͤuterun⸗
gen kleiner Stuͤcke altdeutſcher Sprache und Poeſie, Nachrichten
von altdeutſchen Handſchriften, Mittheiuungen aus Lebenden deut⸗
ſchen Mundarten, einzelne Sprachbemerkungen, Beitraͤge zur
deutſchen Literargeſchichte, und überſichten der deutſchen Sprach⸗
titeratur feit 1834. Serausgegeben von F. H. v. db. Hagen.
Ster Band. Mit Beiträgen von Auguft, Bormann, Foͤr⸗
femann, Höfer, Kidöden, Kubn, Lütde, Piſchon,
Zoftmann, Zelle, Beune, Zinnow und bem Heraus⸗
geber. — A. u. d. 3.: Germania Ster Band. Berlin, Schulte.
@r. 8. 1 Thir. 15 Nor.
Kuapp, A., Edriflliche ichte Ite Auflage. Iſter
und 2ter Band. Baſei, Neulich. 8. 2 Thir.
Koͤbler, L., Akabemiſche Well. Roman aus dem deut⸗
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Kühne, J. ©., Portraits und Silhouetten. ie,
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miuan. Mit zwei Kupfertafeln. Wien, Schaumburg und Gomy,
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Löwengard, M., Jehova, nicht Moloch, war der Bett
ber alten Hebraͤer. Gntgegnung auf Ghillany's Werk: „Die
Da nenopfer der alten Pebräer”. Merlin, Schulte. Gr. 8.
Marheineke, Der Erzbischof Clemens August, Fre-
herr Droste zu Vischering als Friedenstifter zwischen Stası
und Kirche. Berlin, Schroeder. Gr. 8. 5 Negr.
Der Menfh und die Thierwelt. Zwei Reden, gehalten
vor der Hauptverſammlung ber Mitglieder bes Vereins gegm
Thierqudierei zu Dresben am 23. Mai 1843 von J v. Im:
mon und 6. G. Prinz ‚Dresden, Arnold. 8. 7TY, Nar.
Menzel, K. A., Neuere Geſchichte ber Deutſchen von der
Reformation bis zur Bundes⸗Acte. IOter Band. Die Zeit
Kart’s VI. und die Anfänge Friedrich's UI. Breslau, Graf,
Barth und Comp. Gr. 8. 2 Zhlr. 20 Ror.
„Mitteilungen über Friedrich den Großen aus ben Jahım
1784— 1786, vornehmlich in Bezug auf die Lecture deſſelben
Von einem feiner Vorleſer. Berlin, Ende. Gr. 8. 7), Ra.
Napiersky, 8, Die Morgengabe des rigifchen Kechts.
Gine Gandidatenfhrift. Dorpat 1842, Gr. 8. 10 Kar.
Öffentiih und Muͤndlich contra Schriftlich und Genofn,
oder die Griminalreformer vor Altenburg. Kriegeriſches Optt:
tateiftäct in zwei Acten von B. F. Scherzer. Oſchat. 61.8.
gr.
Preiler, L., Über die Bedeutung des schwarsa
Meeres für den Handel und Verkehr der alten Welt. Rede
gebalten am Krönungsfeste Sr. Maj. Nicolai Pavlowiuch
am 22. August 1842 an der Universität Dorpat. Dort
1842. Gr. 8. 7%, Ngr. |
Revue oͤſtreichiſcher Zuftände. ter Band. Leipzig, Recamjen.
®r. 12. 1 Thir.
„Rild, D. J., Zünfte, Gewerbefreiheit, gewerbliche Berein,
im Allgemeinen betrachtet und _vergleicheweife zufammengeftllt.
Berlin, Springer. Gr. 8. 17%, Ngr.
Schuderoff, J., Glaube und Vernunft in ihren Ba:
zweigungen. Reuſtadt a. d. D., Wagner. 8. 12%, Nor.
Des Sophocles Antigone, griechisch und deutsch, berau-
gegeben von A. Boeckk. Nebst zwei Abhandlungen über
diese Tragödie im Ganzen und über einzelne Stellen denl-
ben. Berlin, Veit und Comp. Gr. 8. 1 Thlr. 20 Ngr.
Streckfuß, K., Über bas Werhättniß ber Juden zu der
chriſtiichen Staaten. Zweite Schrift unter diefem Titel Be:
un, Beit und Comp. Gr. 8. 15 Rgr.
Über die Bekaͤmpfung bes Liberalismus in Deurfälat.
Sin on Wort an die deutichen Regierungen. Leipzig, Frigiät-
® .
Der Berfaffungsfreund. Volksſchriften über flaatöhürgr:
liche Angelegenheiten unter Mitwirkung mehrerer freifinnigt
Schrififteller herausgegeben von R. Blum und &. GSteger.
Iftes Bändchen: Das Verfaflungsweien, ober bas conftitufe
aeile Peincip, von F. Steger. Leipzig, Mayer und Wigant
— — Deffelben 2tes Bänden: Über Öffentlichkeit un
Maͤndlichkeit im beutfihen Strafverfahren. Won 5. Gteger
Leipzig, Mayer und Wigand. Kı. 8. 3 Nor.
Bander, 8. F. W., Der geſchmaͤhete Dieſterweg. Eint
Stimme aus dem preußiſchen Voikeſchuliehrerſtande gegen die
Angriffe des Herrn 8. Emmerich zu Bonn. Leipzig, H.
gand. Gr. 8. 12 Ngr.
Warnke, G., Briefe. Der Jugend gewidmet. kiben
v. Rohden. 8. 15
Bagler, J. J Gebiäte, Münden. Gr. 8. 15%
Werentwortliger Deraudgeber: Oelarich Broddand. — Drud und Werlon von U. U. Brockhaus in Beipıie
Bläfter
”
für
literarifhe Unterhaltung.
Freitag,
Zur WNachricht.
Von dieſer Zeitſchriſt erſcheint außer den Beilagen taͤglich eine N nb iſt ber Preis für den J
12 Th. Ale Buchhandlungen in und außer Deutfchland nehmen —* Wu: an ehe ale Does
die ſich an die koͤnigl. fächfifche Beitungserpebition in Leipzig ober das
dnigl. preußtfche Grenzpoſtamt in
Halle wenden. Die Verfendung findet in Mochentieferungen und in Monatäheften ſtatt.
Leffingiana.‘)
Wenn Eeffing unter den Claſſikern ber Nation nicht
blos als Dichter, fondern auch als Repräfentant des deut
ſchen Geiſtes und Nationalcharakters, als univerſeller Ge⸗
lehtter, heller Denker und freiſinnigſter Menſch die unge⸗
theilteſte Verehrung genießt, fo wird er unter uns, in hie⸗
figer Stadt, noch gewiſſe befondere Sympathien erregen.
Perföntiche, interefjante Erinnerungen find es, welche ſich
theils an feinen hieſigen Aufenthalt, fein Wirken und
Streben, an bier begonnene poetiſche Entwuͤrfe, wiſſen⸗
ſchaftlich- literariſche Studien‘, theils an feine, noch bei
Leſſing's Leben hierher uͤbergeſiedelten, in Schleſien ver:
breiteten, in Kunſt und Literatur namhaften Verwandten,
theils endlich, was damit zuſammenhaͤngt, an mehte
hier in oͤffentlichem oder Privatbeſitz aufdewahrte, literariſch
noch keineswegs hinlaͤnglich ausgebeutete Papiere und
Handſchriften von ihm knuͤpfen. Dieſe Erinnerungen
nach allen fich darbietenden Richtungen und in ihrem Zu:
ſammenhange zu verfolgen, wuͤrde mid, von der Aufgabe,
weiche ich mir bier zunaͤchſt gefiellt, zu weit abfähten: In
Bezug auf einen wichtigen Wendepunkt In Relfing’s phi⸗
fofophifger und theofogifher Bildung und Denkart, wels
her in die Jahre feines breslaner Aufenthaltes (1761 —
65) fält, habe ich in einee vor drei uhren verfaßten
Schrift Über Leffing’s Erziehung des Menſchengeſchlechts,
Ihre Echtheit und philoſophiſche Bedeutung, ausführlich,
gehandelt. Ein Schreiden des ehemaligen, fo gelchrten
wie geiftvollen Nectors der biefigen Buͤrgerſchule zum hei⸗
ligen Gef, S. B. Klofe, an Karl keſſing; G. €. Leſ⸗
fing's eigener, bier gefuͤhrter, Leider viel zu ſpaͤrlich erhal
tener Briefwechſel; feine Herausgabe der Gedichte des ſchle⸗
ſiſchen Andreas Scultetus — dieſe liefen ums mehte
[häpdore hiſtoriſche Zeugniſſe und Spuren aus jenem
Zeitum. Möchte Gedichte von Stultetus har Leſſtug be:
*) Bergeiefen am 31. Maͤr 1843 in ber allgemeinen Berfamms
lung der Gefeifgaft fie vatertändifge Guitur in Brestau.
kanntlich In der Bibliothek zu St. Bernhardin entdeckt,
nachdem er früher, in Wittenberg, zuerft auf ihn aufs
merkſam geworden, und fo Schlefien mit einem bemer:
kenswerthen, wenn aud im Enthufiasmus anfangs viel-
leicht überfhägten Dichter gewiffermaßen bereichert. Ge:
gen Zadariä, dem er dieſe Gedichte in einer Zuſchrift
widmet, denkt ee mit Erkenntlichkeit feiner in Breslau
erworbenen würdigen Freunde: des von Friedrich dem Gro:
Ben bochgeachteten Rectors am Elifabethanum, Arletius —
dieſer ruͤhmte gern, wird erzählt, den Secretair Leffing,
I al8 Einen „der etwas gelernt” — und des eben erwähn:
ten Klofe. Diefer war als Rector der Schule zugleich
Auffeher der In der Kirche zu St.: Bernhardin gegründes
ten, der Stadt gehörigen Bibliothek.
Hier, in dem Bücherfaate zu St.:Bernharbin — druͤckt
fih Klofe in dem Briefe an Leffing’s Bruder aus —, hielt ee
fi) vorzüglich bei den Sammlungen poetiſche komiſcher Erzaͤh⸗
lungen aus dem vorigen Jahrhundert auf, die kaum no ihren
Titel nach befaant find. Er durchlief fie, Goldkoͤrner darin zu
finden, denen ex das ſchoͤnſte Giepräge zu geben wußte. _
Mit Kloſe Befuchte Leſſing auch die Übrigen Biblio:
theken der Kirchen, Klöfter und Gymnaſien; in ber zu
Maria Magdalena fand er die erſte Ausgabe von Logau's
Gedichten, die er fofort an Ramler nah Berlin ſchickte.
Auffallend iſt es, daß uns von einem Briefwechſel zwi⸗
ſchen Leſſing und Kloſe, nach des Erſtern Abgang von
Breslau, gar keine Spur aufſtoͤßt, da ſich kaum denken
laͤßt, daß aller unmitteibarer Verkehze zwiſchen ihnen nach⸗
der aufgehört habe. Einen ruͤhrenden Beweis echter Anr
haͤnglichkeit gab wenigſtens Kloſe, der, einer ſichern Ras
dition zufolge, in der letzten Lebenszeit Leſſing's von
hier aus zu Fuß nach Wolfenbuͤttel reiſte, um ſeinen
Freund, ben er noch fange uͤberleben ſollte, noch einmal
zu ſehen.*)
) In Breslau haben füh Trabditionen non Leſſſag'sb Aufenthalt
In elnign Gtärten bie heste ochalten. Man zeig 5 9. bed Hank,
wo er die Abende in fröhliher Gefelligpnft und beim Gipiele, aus
Es wird jegt wenigftens nicht befremden, wenn wir
die allgemeinere Aufmertfamkeit auf eins der intereflante:
ſten Manufcripte von Leffing’6 eigener Dand zu lenken
verfuchen, welches eine Bierde der genannten Bibliothek
zu St.=Mernpardin ausmacht, deſſen Beſchaffenheit und
Kendenz Aberhaupt, fein Urſprung und endlid die Art
feinee Aufbewahrung an alle jene Verhaͤltniſſe lebhaft er:
innert. her koͤnnte es befcemden, daß die Eriftenz dieſes
Manufcripts nicht einmal am hiefigen Orte Allen bekannt,
um fo mehr den auswärtigen Literatoren unbekannt ges
blieben iſt. Es ift diefed Manufeript nun nichts Anderes
als die vollftändig erhaltene Originalhandſchrift von Ref:
fing’6, duch Eſchenburg 1790 in zwei Dctavbänden, mit
Zufägen herausgegebenen „Collectaneen zur Literatur”.
Wie und in welcher Zeit die Handſchrift an ihren gegen:
wärtigen Ort gefommen, lehrt ihr Xitel, welcher jedoch
nicht von Leſſing's Hand, ſondern dem ehemaligen Rector
der Buͤrgerſchule, G. S. Bande, Kloſe's Nachfolger, der
von bier einen Ruf nad) Krakau erhielt, herruͤhrt; er laus
tet wis folgt: „Gotthold Ephraim Leſſing's Collectanea,
von ihm felbft eigenhändig gefchrieben, geſchenkt der Bi:
bliochet zu St.:Bernhardin, von ...., mit den Wor⸗
ten: „Weil mein Bruder fo oft auf diefer Bibliothek ges
weſen und mit Klofen fo gut Freund war. Den 30.
Mai 1805°, ”
Daraus geht hervor, daB es Leſſing's Bruder, der hier
lange lebende und 1812 verfiorbene Münzdirector Karl
Zeffing war, der, aus einem Gefühle von Pietät, das
Manufeript, nach deſſen NRüdfendung durch Eſchenburg,
der Bibliothek fuͤr alle Zeiten geſchenkt hat. Sie nimmt
unter den Handſchriften Leſſing's in unſerer Stadt, die
theils der koͤniglichen und Univerſitaͤts-Bibliothek, theils
dem Hrn. Geh.⸗Rath Delsner angehören, an Gehalt und
unverkuͤrzter literarifcher Wichtigkeit einen hohen Platz ein;-
fie würde, hätte von ihrem WBorhandenfein früher verlau:
set, auf die Mecenfion diefes Beſtandtheils der Britifchen
Sefammtausgabe Leffing’d durch Karl Lachmann nicht
ohne Einfluß geblieben fein; daher ein künftiger Heraus⸗
geber ihre durchgängige Vergieihung und Ausbeutung —
dies wird ſich Hier näher herausftellen — nicht wird um:
gehen können. Der genannte berühmte Gelehrte und Der:
ausgeber Leſſing's verficht überall, wo er fih auf bie
„Breslauer Papiere” beruft, die fich größtentheils auf Lef:
fing’s theatraliſchen Nachlaß beziehen , lediglich das Con⸗
volut der Autographa Leſſing's auf der hiefigen koͤnigli⸗
chen und UniverfitätssBibliochet, welche Wachler ihm tur;
brachte (Schubräde, im Pofthorn), das Haus, wo er lange gewohnt
(Shweidniger Straße), bei einem Pfefferkuͤchler. Diefer, fein Wirth,
sumathig über Leifing’d Höufiged naͤchtliches Nachhauſekommen,
xaͤchte fih duch eine Pfefferkuchenform, mit einer Misgeſtalt und
der Unterfhrift: Gotthold Ephraim Leſſing. Es leden hier Per:
fonen, welde Pfeffertuhen aus diefer Form gefehen und gegeflen
habeir. ‚Namentlich erzäpit man, daß gewiſſe wigige Kuferun:
gen, welche dem General Tauenzien, al6 Commandanten von Bres⸗
lau, in den Mund gelegt werden, von Leffing ihren Urfprung naß:
nen; dab Einzelne Nierüber, obihen es fogar auf Beffing’5 Mruder '
gueötgetährt wirb, bietet jedoch chronologiſche Schwlerigkeiten bay,
daher ich eötbefler Übergehe.
vor feinem Tode gefchidt hatte. Auch von dieſen kam
Öffentliche Kunde ziemlich fpät und nicht von Mader
ſelbſt. Mehre unter uns (mm dies im Vorübergehen zu
bemerken) werden ſich erinnern, wie dieſer berühmte Pit
tator, fo begeiſtert er für Leffing fich zeigte, doch von die
fen Papieren feine irgend erheblie Ausbeute verhief, ia
ihre Benugung dem Ruhme Leffing’6 Für wenig vortheil
haft erklärte. Dee Erfolg, womit Lachmann dieſelben bei
feiner Ausgabe gebraucht hat, bat diefe Meinung nidı
gerechtfertigt; felbft in Dem, was Diefer Gelehrte unbenupt
ließ, finden fidy einige, wenn auch unfceindare Goldkir:
ner, welchen, an dem rechten Drte in eimer Wiographie
Leſſing's, ibe Schimmer nicht abgehen würde. Anderes
may immerhin nur noc als perfönliche Reliquie des gro:
fen Geiſtes mit Achtung aufbewahrt bleiben. Wann und
auf welchem Wege unfere Bibliothek zu diefem koſtbaren
Shape gelangte, darüber haben wir zwar kein fo dent
liches und anziehendes Zeugniß wie bei den Golkctanm;
Wachler wenigftend wußte es, nad) einer Notiz des Hm.
Prof. Kahlert im „Freihafen“ (1838), nicht genau an:
zugeben. So viel fieht im Allgemeinen feſt (und dies
wird durch die Ausfage von Leffing’& unter uns lebenden
Verwandten beftätigt), daß dieſe Papiere als ein Br
ſtandtheil des Nachlaſſes vom Münzdirector Leſſing 1813,
in jener Zeit allgemeiner Aufregung und Unruhe, verlei
gert und zerfireut wurden, wobei durch einen uneigennügi:
gen Verehrer des großen Mannes die noch erhaltenen Pa:
piere in die Univerfitäts: BibliocheE, als ein Afpl, gewife:
maßen gerettet wurden. Nicht wenig wird damals we: |
loren werben oder in Werborgenheit gerathen fein. Denn
ber, gefammte, vollfländige Nachlaß Leſſing's, welden fein
Bruder bald nad feinem Tode von Wolfenbintel
nad Breslau abyehoit, fo vollfländig, daß heute nicht ein
Blatt von Leſſing's Hand in der herzoglichen Bibliothet
zu Wolfenbüttel vorhanden ift (fogar die amtlichen Pa:
piere Leſſing's erlaubte ficy dee Bruder mitzunchmen, mi
id an Dre und Stelle durch dem trefflichen Bibliotheku
Dr. Schönemann berichtet wurde): dieſer Nachlaß ent
bielt weit mehr als das noch Vorhandene, z. B. Alk,
was Eſchendurg und was namentlicy der geniale, zu früh
verfiorbene Fuͤleborn bier, in Gemeinfchaft mit Karl td:
fing oder allein bekannt gemacht. Fuͤlleborn namentlich
verhieß in der Vorrede zum dritten Bande von „Leſſinge
Leben” (S. xx) einen „Nachtrag zu Leſſing's Collectanen“,
wobei er, wohlgemerkt, etwas ganz Anderes im Auge hatt
als unfer, damals bereits von Eſchenburg herausgegebenes
Manufcript. Daß diefer Nachtrag nicht erfchienen (mit
Ausnahme ded Wenigen, was Külleborn in feinen „Ned:
ſtunden“ [1799— 1800] mitgetheitt), bedauert unter In:
dern Mohnite in den von feinem Sohne vor kurzem be:
ausgegebenen, gelehrten „Leffingianis”. Was Fuleborn
von Leſſing's Papieren bei laͤngerm Leben vielleicht br:
kannt gemacht hätte, nahm der Muͤnzdirector Leſſinz nach
feinem Tode wieder an fih, und auc dies gehört jett
wol mir zu den Deſideratis. Ich laſſe mich darüber auf,
weil es nicht außer der Möglicykeit Liegt, daß dieſe Pa:
piere, ganz oder zum Theil, In Schleflen noch wieder auf:
afunden werden kaͤnnten. Fuͤr die Erhaltung wenigſtens
zweier nicht unwichtigen Handfchriften Leſſing's aus ſei⸗
nem Nachlaſſe iſt man, wie bekannt, dem literatiſchen Eifer
unſetes Mitduͤrgers Hrn. Geh.: Math ODelsner verpflichtet:
ich meine die berühmte, von Leſſing in den letzten Jahren
feines Lebens zum Zwecke der Herausgabe, auf den
Grund dreier wolfenbuͤttler Handſchriften verfüßte Recen⸗
fion des „Renner” von Hugo v. Zrimberg, und feine Ans
wertungen zu 2. E. Steinbach's Deutſchem Wörterbuch,
welche Prof. Kahlert (bis auf einige) im „Freihafen“ von
1838 bekannt gemacht, von wo fie Lachmann der neuen
Ausgabe im elften Bande einverleibte.
Ich komme auf unfer Manufeript zurüd, von wel:
chem mir, bis vor kurzem, nit mehr als eine dunkle
und unbeitimmte Erinnerung geblieben war, die ſich von
der Zeit meiner biefigen akademiſchen Etudien herſchreibt.
Bel einem meiner Beſuche auf der Bibliothek zu St.:
Bernhardin, etwa im 9. 1830, zeigte mir der damalige
Rector der Schule zum heiligen Geift und als folder
Auffeher dee Bibliochet, Morgenbeffer, ale ein Curioſum
unter Anderm jenes Manufeript: „Leſſing's Tagebuch“, fo
bezeichnete er 18. Don diefer ziemlich unbeflimmten Gr:
innerung geleitet, voollte ich neulich mich näher über Die
Beſchaffenheit dieſer Handſchrift unterrichten; ein Blick in
daſſelbe belehrte mich, daß ich die durchgaͤngig eigenhaͤndige
und vollſtaͤndige Urſchrift, nach welcher Eſchenburg 1790
die „Collectaneen zur Literatur“ herausgegeben, in der Hand
hatte. Sie beficht, genau wie Efchenburg fie befchrieben,
aus 550 Seiten in Kieinfolio und in gefpaltenen Colum⸗
nen, die aber nicht alle befchrieben find. Beim Blättern
fiel mie bald bier, bald dort ein Artikel in die Augen,
den ich ald mir durchaus unbelannt und neu anfehen
mußte. Dies reichte hin, mir ein genaueres Studium
diefer Handfchrift zu einer intereffanten Pflicht zu machen, '
deſſen Ertrag ich ihnen, fo welt er eine allgemeine Theil⸗
nahme anſprechen darf, mitzutheilen die Ehre babe. Biel:
leicht iſt es möglich, dieſe, wie es fcheint, trodenen Ma:
terien (wenn man fich an die „Collectaneen zur Literatur”
überhaupt erinnert) auf eine Einheit des Gefichtspuntts
zurüdzuführen; und wo koͤnnte dieſer Geſichtspunkt fich
bequemer darbieten als in der Perfönlichkeit, in dem
Charakter Leffing’s ?
(Die Fortſetzung folgt.)
Feten et souvenirs du congr&s de Vienne; tableaux des
salons, scenes anecdotiques et portraits 1814 — 15,
par le comte A. de la Garde. Zwei Bände. Paris 1843.
Der Berf. dieſes intereffanten, geiftreihen Werks, deſſen
Verth bauptfählih in einer Mafle einzelner, pilanter Züge
tiegt, entſchuldigt ſich gewiſſermaßen, einen fo oft gefcyilderten
Gegenſtand aufs neue bebandelt zu haben. Der Menge von
Schriften, die über den Wiener Congreß erfchienen find, nach zu
artheilen, follte man allerdings meinen, das Thema fei jeät bes
tits erfchöpfe Das Dem aber nidyt fo fei, wird man, wenn
man die bisherigen Darflellungen näher ing Auge faßt, dem |
Grafen de la Garde leicht zugeben. Nur glauben wir, daß der⸗
felbe gerade barin Unrecht babe, daß die ernfte Seite dieſes
Congrefes, auf dem das Geſchick Europas entſchieden werben
⸗
e, genuͤgend behandelt, daß dagegen ber unterhaltenden Ge:
chichte dieſer glaͤnzenden Zufammenkunft gekroͤnter Haͤupter, be⸗
rühmter Diplomaten und glaͤnzender Schoͤnheiten aus allen
Ländern noch nicht die gebührende Aufmerkſamkeit gefchentt fet.
Uns will es vielmehr feinen, als fei bisher die politifche Be⸗
deutung bed Gongreffe® noch nicht genug hervorgehoben und als
hätten bie Hiſtoriker deffelben, ſeibſt die meifterhafte Darftellung
Barnhagen’s nicht ausgenommen, fi mit zu großem Gefallen
an bie glänzende Außenfeite gehalten. Wir geben indeffen gern
zu, daß alle diefe gene, dieſe glänzenden Zufammenkünfte, die
gemeinſchaftlichen Vergnuͤgungspartien oft ſchwer in der Mage
ber Staatengefchidde gervogen baben, daß, wie der Verf. fast,
„oft auf einem Balle cin Königreich zerftüdelt oder vergrößert,
eine Sonftitution auf einer Sagdpartie verabredet und entwors
fen ward und daß ein glüdiiher Einfall, ein wigige® Wort
oft einen Vertrag zu Stande brachte, an dem bisher alle diplo⸗
matifhe Gewanbtheit und tagelange Gonferenzen gefcheitert was
ven’. Es kommt uns auch nicht zu, mit dem Verf. zu reche
ten, daß er in feinem Werke Feine diplomatifche Geſchichte ge:
ben will, fondern ſich begnügt, den Congreß von feiner heitern,
unterhaltenden Seite aufzufaffen und ihn darzuftellen „als ein
ungeheures Feſt zu Ehren des allgemeinen Friedens”. Gein
Bud) ift fehr anziehend gefchrieben und enthält trotz ber großen
Menge ſchen vorbandener Schübderungen noch eine reiche Leſe
einzelner Anekdoten, charafteriftifcher Züge, die man nicht ohne
Sntereffe lefen wird. Wan kann dem Verf ein bideutenbes
Zalent zur Charakterzeichnung nicht abfprefhen, obgleich er bie
meiften Seftalten, welche er an uns vorüberführt, in der Regel
nur mit menigen Strichen ffisziet und nur ausnahmsweiſe ein
Portrait ganz ausführt. Überall hat er das richtige Maß zu
treffen gewußt und namentlich die Monotonie gluͤcklich vermies
den, in die man bei der Schilderung einer fo großen Anzahl
berühmter Perfonen aller Art leicht fallen fann. Es ift ihm
bies befondere dadurch gelungen, daß er die Geftalten, die er
barftellen will, meiſtens handelnd auftreten läßt, und oft feine
Schilderungen Andern in den Mund legt So madt in ber
erften Partie bes Buchs namentlidy der Licbenswürdige Fürft von
Ligne, der am jungen Grafen de la Garde befonderes Intereffe
genommen zu baben fdheint, den Giceronce in den glänzenden
Salons, die fi) vor und ausbreiten, und den Wappenherold,
welcher uns mit ben hervorragenden Geftalten des Congreſſes
befannt macht. Leider verlor der Graf de fa Garde bdiefen
fihern Führer, der fi eine lange Reihe von uhren in biefen
glänzenden Kreifen bewegt und doch ftets die Unabhängigkeit
feines Urtheild zu beivahren gewußt hatte, gerade als er feiner
noch am meiften bedurft hätte, durch den Tod.
Der Berf. hat allerdings Takt genug gehabt, feine Per⸗
föntichteit nicht in den Vordergrund zu drängen; aber vielleicht
wäre es doch nicht unangemeilen gewefen, wenn er über bie
Natur feiner Stellung in Wien u. f. w. ein Wörtchen hätte
fallen taffen. Es fcheint, als habe er ſich mit den Geſchaͤften
und potitifhen Verhandlungen gar nicht befaßt — und er hätte
fonft dieſeiben audy wol nicht ganz unberädfichtigt gelaffen —,
und als wäre er einer von ben vielen Zugpdgeln, die aus als
ien ändern herbeiflogen, um an den Bergnügungen, Feften
und Bällen Theil zu nehmen, die man ſich bei diefer Belegen:
heit nicht mit Unrecht verſprach. Seine Geburt und feine Ja⸗
milienverhältniffe — fein Vater ift, wie man gelegentlich ers
fährt, Miniftee der auswärtigen Berhältniffe wahrfcheintich uns
ter Ludwig XVI. geweſen — brachten ihn indeffen mit den Pers
fonen, um bie. fich der ganze Gongreß drehte, in die naͤchſte
Berbindung. Zuweilen ift es, als ſpraͤche ſich ein verhaltener
Ärger über eine verfehlte Garriere aus und als fei fein Chrgeiß
und die Thatenluſt nicht befriedigt. Ga lefen wir II, 177 eine
derbe Philippika gegen die vielgemundene Laufbahn bes Dis
plomaten, „auf der nur Derjenige es zu etwas bringt, ber
die Dankbarkeit mit Füßer tritt, die thruerſten Neigungen er⸗
ſtickt, die Grundfäge feines ganzen Lebens verleugnet und Bas
mitie, Freunde, Vaterland vergefien kann’. Doc es iſt dies
eine Bermuthung, welche wir uns nur erlaubt haben, weil man
bei aͤhnlichen Werken, wie das bortiegenbe tft, nur zu leicht
unter dem @influffe feiner perſoͤnlichen Verhaͤltniſſe ftebt.
Sn ber langen Galerie einzeiner Portraits, die fich in bie:
fen zwei Bänden vor uns aufthut, fuchten wir natärlich zuerft
nah Bekannten, für die mir uns näher intereffiren, oder fol:
chen Zügen, weiche uns ſchon aus frübern Schitberungen befannt
find. So finden wir unter den Deutfchen, mit denen de la Garde
in Berührung fommt, namentlich Metternid, W. v. Humboldt u. X.
Geng wird nur fürzer abgefertigt, obgleich der Verf. ein eifriger
Beſucher der Salons der Graͤfin v. Buchs war, in denen man
den geiftreichen Yubliciften befonder gern ſah. Cine der in:
tereffanteften Partien feines Buchs ift biejenige, welche der
Verf. dem begeifterten Ypſilantis, mit bem er durch die engften
Bande der Freundſchaft verbunden war, wibmet. Nidjt ges
tingern Werth bat der Abfchnitt, in welchem er bie Stellung
Sidney Smith's auf dem Congreß, die von den bisherigen Ges
ſchichtſchreibern der winner Verhandlungen nody nicht in ihrem
rechten Kichte dargeftellt ift, näber ins Auge faßt. Diefer aben:
teuerlihe Ceemann, von dem Napoleon befanntiidy fagte: „Ce
diable de Sidney Smith m’a fait manquer ma fortune”, hatte
fih von Zhatentuft verzehrt zum Vertreter des Exkoͤnigs von
Schweden Guftav Aroif aufgeworfen. Seine Stellung war da⸗
durch von Anfang an eine ſchiefe, die nur dadurch balancirt
wurde, daß er noch nebenbei den Plan zu einer Gefellfchaft für
die Sklavenemancipation in Anregung brachte, der bei mehren
ber gefrönten Haͤuptern, namentiih bei dem philanthropifchen
Alerander von Rußtand, Anklang fand.
In ber Art, wie er feine Geftalten zeichnet, macht ber
Verf. von einem Kunftgriffe, deffen ſich auch andere Portrait:
maler mit der Feder zu bedienen pflegen, vielleicht einen gar
zu reichlichen Gebrauch. Er leiht nämtich nicht felten, wenn
er eine der zu charafterifirenden Perfonen redend einführt, der⸗
ſelben alle die Schlag: und Witzworte, welche man im Publi⸗
cum auf ihre Rechnung zu feßen pflegt. Allerdings, ertennt
man fo die Geftalt, weiche auftritt, glei auf den erften Blick;
indeffen muß man fich fehr büten, dieſe Art der Darftellung,
die zum Theil gewiß von den griechifchen und römifchen Hiſto⸗
rifern in Anwendung gebracht if, in Manier ausartın zu lafs
fen. Dies ift uns namentlich bei der Charafterifirung des geifts
reihen Fuͤrſten von Ligne, der von Wigmworten überfprudelte,
aufgefallen. Der Berf. legt ihm bier das befannte „las con-
res ne marche pas, il danse“ und eine ganze Neihe von
onmots in den Mund, die dadurch, daß man fie fon überall
gelefen bat, allmätig zu abgedroſchenen Gemeinplägen geworben
find. Daß übrigens Ia Garde mit dieſem feltenen Wanne, def:
fen Umgang zu den gefuchteften gehörte, wirktich in fo nahen
Beziehungen ftand, wie er fagt, geht aus der Dedication feines
Buchs hervor, weiche dem Enkel des Kürften, dem jed’gen beigi:
fhen Geſandten zu Paris, zugeeignet if. Jeder Zweifel an
der Glaubwuͤrdigkeit des Verf wird übrigens fchon gehoben
durch ein fehr ſchmeichelbaftes Schreiben, welches dieſer Dipto⸗
mat an ihn gerichtet hat und das von einigen franzoͤſiſchen
Journalen mitgetheilt worden ift.
Wir Haben die heitern Schilderungen tes Verf. mit keiner
ernften Betrachtung unterbrochen, obgleich ſich uns dieſelben
beim bloßen Nımen des Wiener Congreſſes in Maſſe aufdrängen.
Aber einen erfhütternden Eindruck macht ee, wenn man fiebt,
wie er fein Bud, durch das ſich ein Abgtanz der großartigften
Feſte zieht, mit einer furzen Erinnerung an Fauche-Borel und
an deſſen abenteuerliches Liben abichließt. Mit Recht beißt es
von biefem ehemaligen Buchhändier, der 30. Zahre hindurch mit
der größten Selbflaufopfirung und einer romantifden , chevale⸗
resken Ausdauer im Intereffe der Wourbons gearbeitet hatte:
„Wenn man irgend ein B.ifpiel anführen wollte, um ehrſuͤch⸗
tige Gemücher gegen diefen Durft, etwas zu fein und zu ſchei⸗
nen, der fie versehrt, zu bewahren, wo könnte man ein ſchla⸗
gendere® finden ale das von Kaudhes PRorel, welcher fi ſelbſt
durch feinen ſreiwilligen Tod fr bie Wänfhungen feine “%
izes ſtrafte und mit feinem Mitte Ace
Untantbarfeit der Fuͤrſen geſagt hat, befisgelte * Ib de
EEE nn 7
Literarifhe Notiz.
Bon folgendem Berke: „The sanative influence of climats;
with an account of tbe best places of resort for invalides“,
von Sir James Clark, durch welches bie mediciniſche Riteratur
Englands wahrhaft bereichert worden, ift dor kurzem bie dritte
Auflage in London erſchienen. Bor ber erflen Ausgabe deſſelben
bie vor zehn Jahren berausfem, fehlte ben Cuglandern gay
und gar eine allgemeine Abhandlung über die Wirkungen
ber verfchiedenen Klimate auf leidende Perfonen, cher
von der Anwendung des Klimas al® allgemeines Beilmittel in
gewiffen. Krankheiten. Wir koͤnnen jedoch nicht fagen, dab che
gebachtes Werk, wie ſchaͤgbar es auch iſt, biefem Mangel vos
kommen abbilft, da es nur von der Wirkung von einer Art
Ktima handelt, nämlich von dem Einfluß eines milden Klimas,
in chronifchen Krankheiten, auf die Einwohner Fälterer Gegenden.
Kaum ift darin bie Rede von den Wirkungen eines Wegzugtz
bon einem gemäßigten zu einem gang kalten oder gan; heißen
Klima, oder umgekehrt. Doch ift nicht zu Läugnen, daß der
Zweig deö bier behanbelten Gegenſtandes die Mehrzahl der
Krankheiten, welche durch einen Wechſel von Klima gehoben
ober wenigftens gemildert werben koͤnnen, umfaßt. In einem
Capitel bat ber Verf. allerdings auch von den wohlthätigen
Wirkungen eines gemäßigten Klimas auf die Eränktiche Körper
befchaffenheit Derer, die lange in tropiſchen Gegenden gelebt
haben, geſprochen, aber beimeitem nicht erfchöpfend genuy
befonders, wenn man bebentt, daß Tauſende von Menſchen
jäbrlih von der Golonien nad) Europa zuruͤckkehren, bern
Gefundheit mehr ober weniger gelitten bat. Es ift daher zu
wünfhen, daß er in einer kuͤnftigen Ausgabe feines Werks
das in dieſer Hinficht Fehlende ergänzen möge. Mehre Urfagen
vereinigten fih vormals, den Einfluß des Klimas auf gewiſſe
Krankheiten der fpeciellen Unterſuchung unferer Zeit aufjhe:
wahren; aber bie vornchmften derſelben find ohne Widerrede
die fo ſehr zugenommene Begterbe, Fremde Länder zu beſuchen
und bie vermehrte Leichtigkeit, diefe MReifeluft gegenwärtig in
befriedigen. Es ift in ber That erft nachdem die Schlacht von
Waterloo bie Bahn bes Reifenden in jedem Lande Suropas frei
und ſicher gemacht hat, daß die Mittel, ein Werk, wie dal
bier erwähnte, zu verfaffen, einem engliſchen Arzte zugänatid
geworden find. . 16,
Literarifhe Anzeige
Durch alle Buchhandlungen iſt von mir zu beziehen:
Geigidte
letzten Kämpfe YWapoleon's.
Aevointion und Reftanration.
Bon
Konrad Dtt,
Zwei Theile.
®r. 8. Geh. 3 The. 15 Ror.
Reipsig, im Auguft 1843,
8 A. Brochausd.
Berantwoi ilier Deraußgebrr: Qeintid Brodhbaus — Drud und Beriag von F. U. Brok haus in Eripsis-
Blätter
für
literarifbe Unterhaltung.
Sonnabend,
2. September 1843.
Leffingiana.
(Bortfegung aus Nr. MA.)
Es wird oft und mit Recht hervorgehoben, daß das
Charakteriflifhe von Leſſing's Geift, nach feiner fchriftftel:
lerifchen Thaͤtigkeit gemeſſen, am entſprechendſten ſich durch
den Begriff der Kritik, im hoͤhern Sinne, treffen laſſe.
Diejenigen jedoch, welche das Weſen der Kritik hauptſaͤch⸗
lich in Schärfe und Subtilitaͤt des Verſtandes ſetzen, faſ⸗
fen nur die eine Seite ihres Weſens, oder vielmehr die
Sage oft nur in ihrer Erfcheinung auf: dieſes Weſen,
die Murzel und der Träger jener hohen Verſtandeskraft
liegt in dent fittlichen Principe des Menfchen, in dem
„undedingten Triebe“ nah Wahrheit und Recht; ja, «es
bedarf eines ſittlichen Fundaments, es bebarf eines Cha⸗
rafter6, wenn je etwas Bleibendes, etwas Großes vermöge
der Kritik ausgerichtet werden fol. Diefes fittlihe Kun:
dament, die innere Harmonie der Seele ift e8, welche bei
Kling überall das Maß, die Klarheit hervorruft, wo
Form und Gehalt ſich durchdringen; welches feine Werke
mit einer innern Wärme, einer ftlllen Begeifterung befeelt,
weicher wir beim Lefen nicht widerftehen können. Selten
trägt eine fo fcharf ausgeprägte Originalität zu gleicher
Zeit fo den Stempel des allgemein und rein Menſchlichen,
und dies ift es, was fo hinreißt ; es ift das Homo sum,
humani nihil a me alienum puto, was zu jeder Seite,
die Leſſing gefchrieben, das Motto bildet. Ähnlich dem
phoſiſchen Athemholen beweift ſich Leſſing's Streben in
zwei ſtets einander belebenden und erhaltenden Functionen:
Wahrheit ſchoͤpfen und Wahrheit verbreiten; er iſt ebenſo
ſeht Lehrer als Forſcher; ſogar als Dichter betrachtet er
fich als Lehrer nuͤtzlicher oder hoher, erbaulicher Wahr:
heiten. Die dramatiſche Behandlung, welche Leſſing's Ab⸗
bandlungen und Briefen fo viel Leben und Farbe gibt,
bingt damit zufammen; nirgend die Hppochondrie des in |-
fh und feine Bücher vergrabenen Stubengelehrten, nir⸗
gmd der vornehm abfprechende, felbftgenügfame Ton des
mit fi) fertigen, feine Meinung oder Syſtem über Alles
ſchenden Mannes; es iſt ein beftändiges Suchen und
Inden, Fragen und Antworten. Wenn jemals, fo hat
bir das berühmte Wort feine Wahrheit: Der Stil ift der
Menſch ſelbſt. Stil iſt dann nicht der Gedanke in fei:
nem Page, im angenommenen Feierkleide, das man abfegt,
‚aufgefchrieben.
‚in dee Vorrede fein Bedauern
Wort ausgegangen, fich faſt nur in ſolchem gezeigt Hat),
fondern es ift ein Plaftifches, das mit dem Gedanken
ſelbſt Geftalt gewinnt und nur feine Faͤrbung von Stim⸗
mung und Umftänden annimmt; das, wenn es fogar in dem
verborgenen, nachlaͤſſig hingeworfenen Gedanken angetroffen
wird, Doppelt belehrt, ja erbaut. Und dies ift der Ka
bei den meiften in Leffing’s Nachlaſſe vorgefundenen Stu:
dien, Vorarbeiten oder Entwuͤrfen zu fcheiftftellerifchen Ar:
beiten, befonders bei denjenigen Schriften, weldye man im
nähern Sinne feine Gollectaneen nennen kann. Denn
leicht erachtet man, daß die von Efchenburg nach unferm
Manuferipte herausgegebenen „Collectaneen zur Literatur”
nicht die erften und bie einzigen waren, welde Leſſing
Eſchenburg bedachte dies zu wenig, ale er
zu erkennen gab, Daß der
große Mann |
diefe Gollectaneen nicht fchon gleich bei feinem Eintritt in bie
von ihm fo ruͤhmlich durchlaufene, Literarifche Laufbahn ange
fangen, unb fie bi8 an fein viel zu früh erreicdhtes Ziel derfel-
ben fortgefegt :’fie würden da freilich ungleich größer und reich⸗
baltiger ausgefallen fein. Aber fo fcheint er erft tm 3. 1768
bamit den Anfang gemacht, und fie während feines Aufehthalts
in Hamburg und in ben erften Jahren feines Bibliothekariats
in Woifenbüttel fortgefegt zu haben.
Allein, find wir zu entgegnen berechtigt, Leſſing hat
weder. feine Gollectaneen exit mit diefem Manufcripte an:
gelegt, noch datirt dieſes erft vom Jahre 1768. Fruͤhe
hatte er der Art Sammlungen anzulegen angefangen, aber
warum fie nicht alle erhalten find, bekannte er felbft, da
er bei einer Gelegenheit fchrieb (Kachmann's Ausgabe,
Bd. Il, ©. 753):
Ich weiß nicht, wo die Blätter meiner ehemaligen Samm:
lungen bingefommen. Mir geht e8 mit allen meinen Gollec:
taneis, wie der PVirgilianifchen Sibylle. Ich ſchreibe derglei⸗
den Dinge meiftens auf einzeine Blätter, die ich dann wol hin⸗
lege und ordentlich aufzuheben gebenfes aber weht auch nur ber
leinfte Wind darunter, und treibt er fie einmal auseinander:
Nunquam deinde cavo volitantia prendere saxu
Nec revocare situs, aut juegere earmina curo.
Und doch ift unfere Erbſchaft an Leffing’s Collectaneen
rei genug, wenn wir nur an die, auf unzuſammen⸗
hängenden Blättern und Bogen erhaltenen Fragmente aus _
Leſſing's Nachlaß denken, welche beinahe den ganzen elf:
ten Band der Lachmann'ſchen Ausgabe ausmachen, eine
wahre Fundgrube für Philofophen, Theologen und Litera⸗
wenn man allein ift (wiewol Buffon, von bem jenes I toren. Ich rechne dahin einen Theil der in ber biefigen
%
Univerſitaͤts⸗Bibliothek aufbewahrten Leffing [chen Papiere.
So befindet fih (das kann ich fogleih erwähnen) in un⸗
ferm Manuſcripte ein einzelnes Folioblatt, einen ungedrud:
ten Artikel: S. Cresci val cava enthaltend, das urſpruͤng⸗
lic) dazu nicht gehörte, fondern von Karl Leſſing, wahr:
ſcheinlich erſt nachdem er die Handfchrift von Efchenburg
zuruͤckerhalten hatte, hineingelegt worden. Dieſes Blatt
trägt die Seitenzahl 2192 und koͤnnte auf viel bedeuten:
dere Collectaneen als wir kennen fließen laſſen. Um
fo mehr behauptet unfer Manufeript, ſchon feiner Form
nach, feinen befondern Werth und eine gewiſſe Selbflän-
digkeit. Die Vermuthung Efchenburg’s, daß Leſſing dies
ſes Collectaneenbuch 1768— 69, alfo in Hamburg, mo
er damals lebte, begonnen, ftüßt fi darauf, daß gerade
bei diefem Artikel in dem Buche, und außerdem bei eini-
gen andern, diefe Zahreszahlen beigefchrieben find. Dieſe
Artikel find gedrudt. Dagegen finde ich in unſerm Ma⸗
nufcripte bei einem der von Eſchenburg überfchlagenen Ars
titel: „Joh. Cleland, noch lebender Schriftfleller in Eng:
land” u. ſ. w., hinter dem Namen fehr deutlich die Jah:
reszahl 1764, Es wird fo außer Zweifel gefegt — und
dies kann fir uns nicht ohne nterefje fein —, daß el:
fing dieſes Collectaneenbuch bereits hier in Breslau, wo
er damals (176164) als Secretair des Generale Zauen:
zieh lebte, wo nicht zu allererſt angelegt, doch bereits be:
nugt hat. Breslau, können wir fagen, hat gewiſſe An⸗
fprüche auf den Beſitz gerade diefes Manufcripte. Bon
jener Zeit alfo ab datirte fih die Gewohnheit Leffing’g,
die ihm beim Leſen entitandenen Gedanken oder feine
Auszüge aus Büchern mit und ohne eigene Bemerkun⸗
gen, endlich ganze Studien zu künftigen Abhandlungen
oder Schriften in alphabetifcher Ordnung und in unbe
ſchraͤnkter Mannichfaltigkeit, in einer folchen Vielſeitigkeit
zu fammeln und zu ordnen, daß diefes Buch bei laͤngerm
Leben des großen Mannes fi von felbft einer Art wil:
fenfchaftficher Encyklopaͤdie genähert haben wuͤrde. Aber
auch fo, in diefer fragmentarifhhen Beſchaffenheit, zeichnen
fih diefe Collectaneen vor denen anderer Gelehrten aus:
es find keine aufs Gerathewohl zufammengemwürfelten Er:
cerpte; ein fo eminent productiver Kopf nimmt auch das
von Andern Entlehnte nicht nackt und beziehungstos,
fondern mit Nüdfiht auf das Ganze feines Ideenganges.
Diefe Beziehungen zu verfiehen, aud nur zu errathen,
ift nicht immer leicht; gewiß iſt, daß fein einziger un:
ter diefen Artikeln iſt, der abfolut ohne Intereſſe, oder
nicht ein Wink für weitere Belehrung waͤre. Leffing
hatte noch etwas von der Polghiftorie früherer Jahrhun⸗
derte, jene Neigung, Bücher von den verfchledenften und
entlegenften Materien, befonders folhe, welche ſich auf
die Gefchichte, den Gang des menfchlichen Geifles, der
Gultur beziehen, zu lefen, um es mit eigenen oder
fremden Beobachtungen zu combiniren. Der Philofoph,
der Denker zeigt fih im Dintergrunde, wo man es am
menigften vermuthete; die Erudition muß allgemeinen
Ideen dienen. Da treffen wie denn oft verfchollene Au:
toren, welche £effing in den Bibliotheten oder auf Auctio:
nen aufftöberte, wobei ihm feine unermeßliche Literatur
Eenntniß zu Hülfe kam, bie ihn von Entdeckung zu Ent⸗
deckung führte, Er beſaß, wie Leibnitz, jene Spuͤtkraft
und Wißbegierde, auch aus mittelmäßigen oder ſchlechten
. Büchern das Nuͤtzliche herauszufinden. Als junger Dann
während feines Aufenthalts It Bortin wnd Im Umgenge
mit Mendelsfohn hatte bekauntlich Lefing einmal den
Einfall, eine Zeitfhrift „Das Beſte aus fchlehten Bi:
chern“ herauszugeben; cin Stud davon wurde fertig, doc
äußere Bedenklichkeiten, heißt es, hinderten dieſes origineke
Unternehmen. In fotdhenr Geifte find mm häufig fein
Collertaneen gemacht, nur ganz für ihn und feinen eige
nen Mugen. Beſonders notirt er ſich gern, wenn er auf
etwas Abfonderliches, Wunderliches bei Menſchen oder in
der Natur flößt, wie gefagt, aus einem höhern Snterefi,
In dem Xrtilet „Wunderbare Menſchen“ iſt dies det:
lich u nen. X
uf ſolche — fagt er — in Anfehung i i
Koͤrpers will ich —*5— ſehen. en nen —*
ber menſchlichen Kräfte ohne Zweifel noch lange nicht u. ſ. w.
Dahin gehören endlich mehre unter den von Eſchen⸗
burg ganz uͤbergangenen Artikeln.
Daß eine Sammlung dieſer Art aus Leſſing's Nat:
laß die Veröffentlichung verdiente, darüber werden Alte ii—
nig fein; doch über das Maß und die Methode ihrer Re
daction und Bearbeitung koͤnnten abweichende Anfihten
obwalten. Nur wird der Herausgeber bei feiner einmal
gefaßten Anfiht mit Confequenz und Klacheit verfahen
mäffen, und bier iſt es, wo mir uns mit dem Verfahren
des im Übrigen fo verdienflvollen Herausgebers, Eiden:
burg, nicht einverflanden erfläcen koͤnnen.
Eſchenburg ließ ſich im Allgemeinen, gewiß mit Recht,
von dem Intereſſe des Leſers an dem Subject, dem Kr:
faffee der Gollectaneen, wodurch in diefe Mannicyfaltigkeit
Einheit und Phyfiognomie kommt, maßgebend leiten; auf
druͤcklich fügt er:
Was einem Manne wie Leſſing diefen Werth zu habın
ſchien, bie und überhaupt den Gang, bie Richtung, die man
nichfaltiae Beſchaͤftigung feines fo großen und fo glädlih ge
lehrten Fleißes näher kennen zu lernen, dazu ſcheinen mir dirk
Gollectaneen hoͤchſt dienlich zu fein; zu gefchweigen, daß fein
mehr als Sinem Betracht dem Liebhaber der Literatur und dem
angehenden Forſcher derſelben Außerft lehrreich werben künnm.
Dies darf zu der Erwartung berechtigen, daß un
Leffing in diefer Herausgabe überall in feiner echten, ur
fprünglichen Geſtalt und Phpfiognomie begegne. In Mr
That, wer möchte aus freien Stuͤcken auf den Gedanken
kommen, daß dieſes nicht der Kal, daß Efchenbun
ſich mit dem Xerte vielfache Veränderungen (in fein
Augen ohne Zweifel Verbefferungen) erlaubte ? Diefe Ber:
änderungen find mannichfaltig : größtencheils find es Der:
befferungen des Stils, naͤchſtdem häufige Zuſammenjit:
hungen, DVerfchmelzungen, Weglaſſung ganzer Selm,
nicht felten gar Entflellungen dee Worte Leſſing's, m
durch fie einen andern Sinn erhalten; was zuweilen blos
Folge ber Nachlaͤſſigkeit zu fein fheint. Cher zu entiäul:
digen wäre es, daß Eſchenburg hier und da die ep
pitten Stellen in lateinifchee englifcher odet italieniſchet
Sprache in deutfcher Überfegung wiedergegeben. Einige
Mate kommt «6 vor, daß ber Derausgeber einen Theil
des Terxtes fortgslaflen, ihm aber in bie ihm brigefügte
Anmerkung verarbeitet dat. Und endlich hat der Heraus⸗
geber, wie erwähnt, eine Reihe von Artiteln ganz über:
gangen, welche nicht allein ihren Platz neben den übrigen
meiftentheil6 verdienen, fondern von denen einige an Ge⸗
halt und Intereſſe mandye der aufgenommenen weit über:
treffen. Died Alles hat Efeyenburg allerdings von fern
angedeutet, wie wenn er fich in der Vorrede entfchuldigt,
daß er fo viel aus dem Manufcript gegeben. Er leugne
es nicht, daß unter den bier beibehaltenen. Artikeln moch
mande find, die auf den erſten Anblick minder erheblich
und ihred Uthebers minder würdig ſcheinen dürften ale
manche, oder doch die meiſten übrigen; und doch glaube
er ihre Beibehaltung vor Jedem verantworten zu Eönnen
u. ſ. w. Karl Leſſing, fagt er kurz vorher, hatte ihm die
Handicgrift mit der völligen Freiheit übergehen, fie ganz
oder fo vief ihm gut duͤnken würde, bekannt zu machen;
und das hätte ihn zu dem Entſchluſſe beilimmt, von jvs
ner Srlaubniß einen „zwedmaßigen Gebrauch gu machen”.
Welch ein weites Feld für ein fubjectived Verfahren hatte
fi) der Herausgeber damit gegeben!
Run ift es unfere Adficht nicht, einen entfchiedenen
Tadel deshalb gegen Eſchenburg auszufprehen; man muß
die Perfon und ihre Abſicht von der Sache untericeiden.
Man kennt die damaligen, eigenthümlichen, oft fo nobeln
Verhaͤltniſſe der Schriftſteller und Dichter untereinander,
die Rechte, welche fie den Freunden gegen ihre Geiftes:
producte einräumten, den literarifchen Gemeinfinn, der fie
befeelte, und baher die Unbefangenheit, womit fid) der
Dichter der Pritifchen Schere oder Teile ergab. Mir wel:
her Bonhommmie fügte ſich der große Lefling den kritiſchen
Vorſchlaͤgen feiner berliner Freunde, der Ramler, Mendels⸗
ſohn, und ſeines eigenen, wacker ſtrebſamen, an Intelli⸗
genz ihm jedoch ſehr nachſtehenden Bruders. Und ſo
slaubte Eſchenburg es vor feinem Freundes- und Schrift⸗
ſtellergewiſſen verantworten zu koͤnnen, wenn er die mit
ſtilem Fleiße verfaßten Collectaneen Leſſing's nach beſtem
Ermeſſen zuſtutzte oder ſichtete, ohne es uͤberall diploma⸗
tiſch genau zu nehmen. Dabei ließ er ſich nur von ei⸗
nem Irrthum, der aber nach unſerm Ermeſſen auf fein
Berfahren dunchgehenden Einfluß übte, leiten: Eſchenburg
glaubte, und er fpricht die® unverhohlen aus, hier und da
Spurm gefunden zu haben, daß Leſſing nicht nur bei
einzelnen Artikeln, fondern, „mie es ihm immer einleuchtens
der wurde, bei der ganzen Arbeit ihre öffentliche Bekannt:
mahung umd ein fie lefendes Publicum ſchon im Auge
gehabt habe”. „Diele Spuren zu entdecken“, fegte er hinzu,
‚tönne dem Leſer nicht ſchwer werden. Hier verweife er
nuc auf die drei Artilel: Marbodus, Matthäus und
Bunderbare Menſchen, aus weldhen ſich zu ergeben
ſcheine, daß Leffing diefe Sammlung feine Literatur zu
mnnen Willens war.” Died wäre ein Hauptpunkt, aber
davon haben wir uns am allermenigfien überzeugen koͤn⸗
nen, weder im Banzen, noch bei den genannten drei Artis
filn im Befondern. Leffing bedient fich allerdings bier
jener Bezeichnung, welche dem Derausgeber fo auffiel; wie
er denn von Marbodus fehreibt: „Er erhält eine Stelle in
meiner Literatur, blos wegen feines ‚Liber lapidum‘ ete.”;
oder von Matthäus (Verf. des Buͤchleins De reram in-
ventione” aus dem 16. Jahrhundert): „Das Gedaͤchtniß
des Matthäus verdient in meiner Literatur erhalten zu
werden, weil ich ihm verfchiedene Nachrichten von Erfins
dungen zu verdanken babe” u. f.w. Das lehrt uns fo
viel, daß Leffing diefe Collectaneen, als foiche, feine Literas
‚tur nannte und für ſich bezeichnete, Literatur gleichbedeu⸗
tend mit Gollectaneen oder ähnlichen Namen: body daß er
fie, gleichviel unter welchem Zitel, habe herausgeben wol⸗
len, das folge aus diefen Stellen gar nicht, und die Bes
(haffenheit des Ganzen ſpricht entſchieden dagegen, na⸗
mentlich die urſpruͤngliche, von Eſchenburg noch nicht fo
vielfach veränderte. Faͤllt diefe Vornusfegung fort, fo leug⸗
nen wie ganz entfcieden die Nothwendigkeit oder Schid:
lichkeit, den Inhalt fo zuzuflugen, als hätte etwa jekt
Leſſing fo vor die Welt damit treten koͤnnen oder fols
len. Ohne Noch alfo ließ Eſchenburg fich verleiten, die
Phnfiognomie diefer Artikel, welche häufig wahre Confeſ⸗
fionen bedeuten, zu verwiſchen.
(Die Bortfegung folgt.)
— —
Unterhaltungsliteratur.
J. For en een und ie von
ermann eynert. echs Theile. Peſth, Hartleben.
1843. 8. 1Thir. 26 Rgr. vr
Die bier den Zeitfchriften und Taſchenbuͤchern meiftens ent:
bobenen Erzählungen gewähren einen recht freundlichen Genuß.
Sie find gut gefchrieben, faßlich angelegt und burchgeführt und ihr
warmer Ton fpriht unmittelbar an. Die Kritik würde manche Fra⸗
gen zu flellen haben, allein der Novelliſt, deffen Arbeiten in Öftreich
erſcheinen follen, muß ſchon ein eminentes Genie fein, wenn er Genfur
und Kritik zugleich befriedigen will. in folches Genie zu fein,
wird der Verf. felbft nidyt glauben; es wird ihm genug fein, als
liebenswuͤrdiger Erzähler zu gelten, weldhem Sinn für tieferes
Auffaffen feines Gegenſtandes keineswegs mangelt. Dies ift
durch das theatralifche Zeitgemälde Hariekin's Rache” im ſechs⸗
ten heile vorzugsweiſe bethätigt. Daſſelbe gibt die Geſchichte
der Neuber, deren ſich verdunkelndes Geſchick an das durch
Gottſched veranlaßte feierliche Begraͤbniß Harickin's geknuͤpft iſt
Heute koͤnnen wir leicht ſagen, daß dies Begraͤbniß, wenn auch
damit das Schauſpiel fi von ber Monotonie ſtereotyper Figu⸗
ren befreite und dem Leben näher trat, eine Übereilung war;
denn jede Kunft bedarf befonderer, ihr weſentlich nothwendiger
und eigenthämlicher Mitte. So trat denn auch ber Hariekin
ganz von felbft wieder auf die Bühne in taufend andern Ge⸗
ftalten; aber wie Privatleidenfchaft der Neuber, nicht Elares,
fünftterifches Erkennen bes Rothwendigen und Ungehörigen, ihn
begraben, fo hatte fie feinen Erſah, und der Dartelin ward
ihre Geißel, unter welcher fie langfam hinwelkte. Wir bedauern,
baß dies Zeitgemätbe nicht umfaffend, organifch gehalten tft.
Das Meifte gibt fi zu aphoriſtiſch, und namentlich baben wir
auch 2effing in demfelben ungern vermißt, ber, wie bekannt,
feine dramatiſchen Erfltinge at8 junger Menſch der Neuber in
Leipzig darbot.
1 und et des M. Gaubelius Snzian. Komi⸗
er Roman von G. Herloßſohn. Zwei Theile. Leipzi
Taubert. 1843. 8. 3 Thlir. Pater
Der gute Magifter Gaudelius muß es ſich fauer werben
toffen, ebe fein bischen gefunde Wernunft zum Durchbruch
fommt. Er wird alt darüber, muß fi von den Rothhäuten
fogar tätewiren laffen, und eben das hat geholfen. Einzelnen
Gcenen des Romans glauben wir ſchon in einer Zeitfchrift ber
gegnet zu fein. Gr ift reich an komiſchen Scenen der mannich⸗
faltigfien Art, bietet aber auch manches Ernſte, wie denn zwi⸗
fen dem wiberwärtigen Stephaniſtiſchen Pietismus, ber nichts
tft als eine hohle Form egoiſtiſcher Gemeinheit, Sophiens
Briefe aufblähen, wie Rofen über einem Sumpfe. Sophie tft
bee Luͤſternheit Stephan's nicht entgangen, und fie weiß endlich
feine Rettung als ben Tod. Das Schlichte und Einfache ber
Schilderung ift als hoͤchſt lobwuͤrdig hervorzuheben. Auf befons
bere Tiefe der Anlage und Entwidelung macht der Roman feis
nen Anſpruch, doch bethätigt er vielfältig eine ſcharfe Auffaſ⸗
fung der Zeit in ihren aus dem Gleife gerathenen Erſcheinun⸗
gen, und eben deshalb gewährt das Buch neben ergöglicher Un⸗
terhaltung auch manche beachtenswerthe Wingerzeige.
3. GSriminalgefchichten nad wahren Begebenheiten in Novellen:
form dargeftellt von Cadislaus Zarnomski. Zwei Bände.
Leipzig, Zort. 1843. 8. 3 Thlr.
Daß Eriminalgefhichten einen großen Reiz für den Lefer
haben, ift bekannt: ob fie mehr vom Boͤſen abhalten als Ge:
fege und Predigten, wie ber Berf. meint, ift immer relativ,
fie Eönnen fogar dazu verleiten. Uber den moraliſchen Werth
wollen wir daher hier fein Wort weiter verlieren, dagegen ans
merten, daß wir in ben vorliegenden beiden Bänden eine neue
wohlfelle Art, Buͤcher zu maden, fennen ternen. Die mit:
" getheilten Criminalgeſchichten find auch den Abonnenten der Leih⸗
bibitothelen aus Feuerbach, Bifchoff u. A. bintänglich bekannt.
um fie aber dem Lefer von neuem in die Bände zu fpielen, ift
der Introduction jeder Gefchichte eine novelliftifhe Form geges
ben; diefer Introduction folgt dann ein faft wörtticher Abdrud
aus den Werken der genannten Gchriftfteller, und das Bud)
ift fertig.
4, Söteftine, oder der eheliche Verbadht. Won Julius Ehomw:
nie Theile. Mit Suftrationen. Leipzig, Peter. 1842.
— Ir,
Nehmen wir in Baufch unb-Wogen fünfhundert Leibbiblio⸗
thelen in Deutſchland an, welche, da fie ftetd Neues bereit ha⸗
ben follen, das Buch nun einmal anfchaffen müflen (7), fo hat es
brutto 1500 Thlr. aufgebracht. Das ift im Grunde Alles, was
fi dapon fagen läßt. Eine befriedigende Charakterzeichnung
im Ernſten wie im Komifchen wirb nirgend fichtbar, ebenfo
wenig leuchtet irgend eine Nothivendigkeit des Einzelnen wie
des Ganzen ein. Die bdeutfche Literatur bat mit dem Buche
nichts Fiona nichts verloren, und das ift das einzige Sute,
was ſich davon fagen Läßt.
Notiz.
Dr. Browne Willis
ift der Literatur als Derjenige befannt, ber zuerft ausführliche
Rachrichten über die großen kirchlichen Gebäude in England ges
fammelt und eine parlamentarifche Gefchichte der dortigen Grafs
ſchaften und Burgfleden gefchrieben hat, ale Verf. von: „The
cathedrals of Kingland ”, „The mitred abbeys of England‘
und „‚Notitia parliameutaria”. Aus feinem Privatleben laufen
einzelne Anekdoten um, dic den Gonderling charakteriiiren. Am
vollftändigften finden fie fi in ben „Illustrations of literary
history‘, von Nichols, der damit cine kurze Biographie des
feltfamen Mannes verbunden bat. Geboren 1682, gehörte Wil⸗
lis einer begüterten Familie in Budinghamfhire an. Die eigens
thümliche Richtung feines Geiſtes zeigte ſich fchon, während er
in London die Weftminfterfchuie beſuchte. Er Eannte kein fchb:
neres Vergnügen, als in der anftoßenden Abtei umherzuſchlen⸗
bern, den antiten Bau zu betrachten und die Infchriften der
Monumente zu lefen. Er that Dafleibe in Oxford, nachdem er
die Univerfität bezogen. So bildete fi fein Sinn für Antiqui⸗
täten; ee wurde Antiquar mit Leib und Geele, heirathete zwar
‚und faß eine Eurze Zeit für Buctingham im Unterhauſe, trug
aber bis zum Tode das Gepraͤge feines frei erwaͤhlten Berufs,
Scharfſinn in Gutzifferung alter Hand» und Infcsriften, Ge
nauigleit in Erforfhung von Thatſachen, ein Regiftertopf fir
fein Fach — wie Müllner den feligen Boͤttiger einen für alle
Fächer nannte —, Fleiß und unermübliche Ausbauer befähigten
Browne Willis, ein Antiquar zu fein. Auch befaß er die da
Antiquaren in ber Üegel eigene Ginfeitigleit. Rur geiſtliche
Alterthuͤmer auf engliſchem Grund und Boden interefficten ihn.
Ein junger Geiſtlicher hatte ſeine Gunſt gewonnen. Als er aber
eines Tags aͤußerte, daß ein Blatt’ von Galluft oder Caͤſar,
Eiviud oder Tacitus ihm lieber ſei als alle Moͤncheſchriften zu:
fammens und Beda's Schriften nicht ausgenommen, bat ihn
Willie, fein Haus zu veriaffen und ſah ihn mie wieder an.
Seine Studien und Sammlungen koſteten ihm viel Geld. Gtatr
mit feinen herausgegebenen Büchern Geld zu verbienen, fegte er
es zu. Nur bie „„Notitia parliamentaria‘’ rentirte 15 Dfunt.
Gr legte ein Wedeutendes zu und baute dafür den Kicthurm
in Budingham. Bei feiner Muͤndigwerdung übertam er 2000 pf.
jaͤhrliche Cinkuͤnfte. Als er flach, waren fie um die Hälfte ge⸗
ſchwunden. Und babei knappte er ſich und feiner Familie nad
Mögtichkeit ab. ‚Kein Hiftorifhes Factum dünkte ihm wichtiger,
als welchem Heiligen eine Kirche gewidmet und an melden
Zage fie eingeweiht worben. Um Jahresfeſten ber Art beizu:
wohnen, ſcheute er weder Gelb noch Muͤhſal. Auf eigene Koſten
ließ er zu Kenny Gtratford, wo fein Großvater gelebt, ein
Bethaus errichten, ftellte e8 unter den Schug des heiligen Mar
tin, weil fein Großvater am Martinstage geboren worden, un
feierte das Gedaͤchtniß des Großvaters mit folgender Inſchrift:
„In honour of thy men'ry, blesved shade!
Wes tbe foundation of this chapel laid,
Perchased by thee, 'thy son and present heit
Owes these three manors to thy sacred care.
For this may all thy race thanks ever pay,
And yearly celebrate St. Martiu’s day.”
Und doch war Willis nicht Kathotit und Laut Nicholls „Freng
religios, ohne aberglaͤubiſch oder Enthuſiaſt zu fein“. een
dem Sinn für Antiquitäten hatte der Sinn für dußere Schic—
lichkeit nicht Plot. Willis trug nur alte, unmodiſche Kieider,
gewöhnlich zwei ober drei Roͤcke übereinander, einen ledernn
Gürtel um die Hüfte, im Winter und bei Regenwetter einen
abgeſchabten blauen Mantel, eine durch Gebrauch kahl gemwor:
dene Zopfperuͤcke, einen alten niedergekrempten Hut und ein
Paar uber und über verfchrumpfte, mit Flecken befegte Gtiefen,
denen er ein Alter von AD Jahren nachrühmte. Sie erwarben
ihm den Beinamen „Old wrinkle boot‘ — alter Runzelſtiefel
In dem Wagen, den er bei ſeiner Verheirathung gekauft und
der mit den großen metallenen WBappenfchildern ausfah wie tin
Sarg, fuhr er fein ganzes Lebelang. Dabei war er dem Bi:
ſchen fo feind, daß flarte Nerven dazu gehörten, es in feiner
Nähe auszuhalten. Bei aller Beſcheidenheit hatte Er feinen
Stolz. Wer ihn nicht mit Squire anrebete, durfte keine Ge
fältigfeit erwarten, und weil er die Stadt Budingham im Pır:
iament vertreten, nahm er es übel, wenn Jemand Budingkam
eine Prodinzialftabt nannte. Auch gab er fich viel Mühe, dem
dortigen bailiff den Titel mayor zu verfchaffen. Er hatte vier
Toͤchter, beren Loos ohne Mutter bei einem ſolchen Bater fein
großen Unannehmtichkeiten hatte. Zwei berfelben, die Lebbafl,
nannte er feine Löwen, die zwei andern feine Lämmer. Gin
Tags befuchte er einen Herrn in Orforb, der in einem Gele
giengebäube wohnte. Er befah alte Urkunden und hatte lange
gefeffen, als ber Bettmeifter eintrat und vor ber Thür mod
ıvie Seide rafchelte. „Was ift das ?“ fragte der Heer. Det
Bettmeifter ſchwieg. „O“, fagte WiNis, ‚‚es wird meine Zohter
fein, die id) auf ber Treppe ſtehen taffen.” ,„Hoffenttid mar
es feine der Lämmer”, bemerkt Nicholis. Wilus ftarb 1 Pe
Verantwortlicher Herausgeber: Heinrich Brokhaus. — Drud und Werlag von J. X. Broddaus in Leipzig.
Blätter
far
literariſche Unterhaltun
g
Sonntag,
Leffingiane.
(Bortfegung ans Nr. 2345.)
Es wird Sache eines Lünftigen Herausgebers ber
Schriften Leſſing's fein, unſer Manuferipe nach Grund⸗
fägen einer ſtrengern, objectivern Kritik zu benugen, und
dem Zerte überall zu Grunde zu legen: alsdann wird die
Richtigkeit der foeben bingeworfenen Bemerkungen vollfiän-
dig und bündig fich bewähren können, mehr als etwa
durch einzelne Beifpiele, welche an ſich nicht gerade das
Intereſſe zu feſſeln vermöchten. Doch was jedem Verehrer
Leſſing's ſchon jetzt Stoff zu neuen Betrachtungen liefern
koͤnnte, das wird eine allgemeine Überſicht der als noch
ganz ungedruckt anzuſehenden Artikel in unſerer Handſchrift
ſein, welche wir jetzt in alphabetiſcher Ordnung vornehmen
wollen, wobei jedoch nicht Alles ohne Ausnahme genannt
werden, ſondern nur das Wichtige und Manches nur im
Vorbeigehen hervorgehoben werden fol.
Unter A wird kaum etwas Hervorſtechendes nachzuho⸗
im fein. Ägypten, Albani, Alfieri find, was öfter
vorkommt, fait wörtliche Excerpte aus Windelmann’s
„Geſchichte der bildenden Kunft” und andern Schriften.
Amerika: Auszug aus der Schrift eines englifchen Miſ⸗
ſionars, Beatly, von 1768, die Vermuthung ausſpre⸗
chend, daß einige indianiſche Staͤmme von den Juden ab⸗
ſtammten, worin Leſſing keine neue oder dem Verf. eigene
Bermuthung findet. Antonides, der hollaͤndiſche Dich:
te, Afpergillum, ein Sprengwebel, deſſen ſich Die Roͤ⸗
mer bedienten, das Weihraffer in den Zempeln auf die
Umftchenden zu fprengen u. ſ. w.
Baukunſt. „Daß die Baukunst auch Reidenfchaften
erregen koͤnne, ein Erempel aus dem bdreizehnten Bande
dee allgemeinen Reifen” (eine Belchreibung des Zrauerhau:
ſes des Kaiſers Montezuma in Mexico). David von
dr Bee. „In feinen ‚Experimentis et meditatjonibus
circa rerum naturalium principia‘ (Hamburg 1678) müfs
fen viel fonderbare und naͤrriſche Dinge ftehen, daher fie
wol verdienen, daß ich fie einmal leſe.“ Körperliche
Beredtfamkeit. „Malende und bedeutende Gebehrden
ud Geften, die allgemein oder doch in gewiſſen ˖ Gegenden
allgemein verftändlich find.” (Fragment aus der Geſchichte
des Bruders Gerundio von Campazes, deutfche Überfegung
©. 6) Bibel. „Bon den verfchiedenen Überfegungen
— Nr. 246. —
3. September 1843.
derſelben.“ Dieſer Artikel enthaͤlt ein ausfuͤhrliches kriti⸗
ſches Verzeichniß von den verſchiedenen überfetzungen der
Bibel des Alten und Neuen Teſtaments; aus ber Bit
vor Leffing’s Streitigkeiten mit dem Paſtor Goͤtze, ein
Beweis, daß Leffing nicht erſt durch diefe zu gruͤndlichen
Studien über die Bibel geführt worden. Branca. So
beißt ein Wundarzt beim Matthäus: ‚De reram inven-
tione”’, welcher bereits Mafen aus Fleiſch wiederherftellte.
„Ich wollte”, bemerkt Leffing, „daß uns Matthäus auch zu:
gleich gefagt, wie lange fo eine Naſe gehalten.” Braut:
[hmeig. Nachrichten von einigen damals dort lebenden
Malern. Hans Jacob Breuning. Ein gelchrter
Würtembderger von Adel, geboren 1557. Werfaffer einer
Reife in den Orient, die 5612 herausfam. „Das Wirt
muß rar fepn, wie ich denn auch des Verf. beim Suchen
gar nicht gedacht finde. Es enthält manche, gute. Nach:
eichten, wovon ic einige hin und twieber. ercerpirt habe.
Seine Reifen in den europaͤiſchen Ländern hat er wicht
mit befchrieben, weil, ift fein Ausdruck, ſolche Kaͤnder Mie⸗
len befannt, und (wie man fayt) nicht aus. der Vieh⸗
wend ſeyn.“
Philologiſche Bemerkungen über den Buchſtaben C,
wie audy vorher über BB Cameo. Obſchon in den au
tiquariſchen Briefen gegen Klog benutzt, doc, nicht ohne
Eigenthümlichkeit. Unter Anderm erfahren wir, daß Bel:
fing zu Hamburg im Umgange mit Weflely fich über die
Etymologie dieſes Wortes, welches Huet faͤlſchlich aus
dem Hebraͤiſchen ableitet, unterhalten. 8. Cresci in
val cava. „Ein ſchnurriger Heiliger beim Boccaz.“
Leffing fpottet über eine franzöfifche kberfegung ‚des De⸗
kameron“, und gibt in einer längern Anmerkung das
Hiftorifche Über jenen Deiligen, ‚den einige gar für. einen
edein Deutſchen halten wollten“.
Darmanfon. Go hieß ein Prof. der Philoſophie
an ber Univerfität zu Frankfurt an der Oder, ein Gartes
fianer, der in Dolland eine franzöfifche Vorlefung Über das
Dhitofophem des Gartefins, daß die Thiere Mafchinen
ohne Seelen felen, hielt; und bie 1601 unter dem Titel
„La bete machine” mit Approbation der Theologen zu
Sranffurt herauskam. Über den Verf. wollte Keffing nd-
bere Unterfuchungen anftelen. Deutſche Geſellſchaf⸗
ten zur Aufnahme der deutfchen Sprache“, zwar nur das
Hlftorifhe und Bekannte enthaltend, größtentdeils nad)
98
Joh. Burkh. Menke's „Schediasma“ von 1725, doch mit
der Leffing eigenen Präcifion. Zu dem von Rift geftif-
teten Schwanenorden bemerkt er witzig: „Su dieferh
Schwanenorden waren viel Gaͤnſe.“ Lateinifhe Dich:
te. auafuͤhdiches kritiſches Verzeichniß der ig der
amilanſet Ausgabe von 1731 — 54 in 31 Bänden in 4.
enthaltenen Lateinifchen Dichter mit italienifcher Überfegung
und Biographien dee Dichter. Im Ganzen urtheilt Lef:
fing, daß das Unternehmen nicht viel mehr als ein Buch:
bändlereinfall geweſen zu ſein fchlene und als folcher auch
groͤßtentheils ausgeführt worden. Dee Artikel Diplo«
matik gibt einen Audzug aus des Hrn. v. Gemmin⸗
gen Abhandiung Uber die Entſtehung dieſer Wiflenfchaft,
in Folge des faſt vierhundertjährigen Streits zwilchen dem
Wisthuns Trier und dem Klofter des heiligen Maximus.
Bm Schluß aber nimmt Leffing die verdienten Begruͤn⸗
ber dieſer Wiſſenſchaft gegen die Meinung ded Verf. in
-Schus: ale ſeien jene wider ihren Willen bie Merkzeuge
geweſen, wodurch die Schriften der alten deutfchen Dich⸗
te aus der Dunkelheit gezogen worden ..... . ohne zu ab:
nen, etwas Anderes als verſchimmelte Kaufbriefe oder
Moͤncheſchriften zu entdecken. „Das iſt num aber wol”,
lauten Leſſing's Worte, „ein wenig übertrieben. Wenig⸗
ſtens bat Hr. v. Semmingen Unrecht, wenn er auch
Goldaſt wit unter diejenigen Männer rechnet, die unter
ihren ſtaubigten Bemühungen auch nicht einen Gedanken
won Am innerlicken Werthe der alten Dichter gehegt.
Aus feinse Note zu ben Paraeneticis zeigt fi) wohl, daß
see ihten poetiſchen Werth kannte und ſchaͤtzte.“
Ich uͤbergehe eine Reihe von Artikeln, wie Donatus,
Dufreéenoy, Durand, England, Ennius, Eukli—⸗
des, Fabretti, Lafage, Fiamingo u. a., um ein Frag⸗
mant vbdliſtaͤndiger witzutheilen, welches zur Charakteriſtik Leſ⸗
ſing's beſonders geeignet ſcheint, ia ihn faſt von einer neuen
Seite zeige. Es iſt überfchrieben Deutfche Freiheit
und tnhpft ſich an eine Außerung de6 Verf. des „Testa-
‚sent politique du duc de Belleisle” (er hieß v. Che⸗
vrier; das Buch kam 1761 heraus), aus welchem auch
audere Artikel gezogen find. Die hier gemeinte Freiheit
»iſt nicht die dußere, welche die Sicherſtellung des Reiche
‚nach außen betrifft, fondern die innere, verfaſſungsmaͤßige;
mit einem Worte, Leſſing thut bier Wuͤnſche für die
Wiedecherſtellung ber nach dem Weſtfaͤliſchen Frieden in
den Ländern des deutſchen Reichs mach und nad er:
toſchenen, landſtaͤndiſchen Verfaſſungen. Woͤrtlich lautet‘
der Artikel wie folgt:
Deutſche Freiheit. Von der man jetzt überall eine
ſehr gene Meinung bat. Die Niemand mebr ühertreibt, als
der Verf. bes „Testament politique du duc de Belleisle”, der
vorgibt, daß alle deutfchen Unterthanen serfs wären, bie ihre
Derren finden koͤnnten, wie fie wollen. Wenn er van Dem
vebet, was gefchieht: fo dürfte er faft recht haben. Judeß tft
dieſes · die Ginrichtung des deutſchen Gtaats gar nicht. Ludewig
in
mini Germano omnino discendum et notandum, quod legis-
latoria potestas, uti in imperio non penes imperatorem so-
lam, verum etiam ordines in oomitlis, ita in provinclis quo-
‚que. peinaipi soli ppm Hcuit condere leges, nisi in connessu
qoascuauquje proserum. provincialium, der Landſtaͤnde, ut adeo
„Belig. Manuscript.”, T. VII, p. 150 fagt: „Est hoc ho-
:| anderer triegender Mächte Voͤlker
‚vielfältig zu erſchoͤpfen pflegten. Man bat auch den auf fun
provinciales leges nemen sustinerent provincielium recy-
saum, in vernacula der Landtags Abfchiebe.”
Daß in ben Ätteften Zeiten, von welchen Tacitus fchreikt,
die Könige und Gerzoge der Deutfden, ohne Zupehung def
Bolks nichts Wi |
machte rn, Wichtiges Anternehmen bügfen, iſt gine aut,
Ebenſo ausgemarht iſt es, daß in ben miltiern Zeiten ie
Landftände zu allen wichtigen Regierungsgefchäften gezogen wur:
ben, und ihr Rath und ihre Einwilligung unumgänglich nöthig
war. 3. E. wenn neue Steuern aufgelegt, oder Kriege bes
ſchloſſen werben follten. Diefes hat Strube in feiner Abhand⸗
lung von ben Landfländen („Rebenftunden”, Th. 11) faft von
allen Provinzen Deutfchlands bewieſen und belegt. Das His:
rifche in diefer Abhandlung iſt ſehr gut, aber das Politiſche un
Pragmatiſche deſto ſchlechter und flavif—ker. Dean warum fl;
ten nicht ($. 26) auch noch heutiges Tages ben Lamſhafica
alle Rechte beizulegen fein, womit fte vor 300. oder 400 Jahren
verfehen geweien? Freilich hat fich'die Regimenteverfaffung ſeit
200 ober 300 Jahren fehr verändert, und e& iſt faft mirgend mehr
üblich, alle wichtigen Saden auf ben Panbtag zu bringen.
Wenn aber das geſchieht: follte es auch g ? Solten wir
wenigftend nicht in unfern Gcheiften unaufhoͤrlich gegen dieſe
ungeredhten Beränderungen proteſtiren, anitatt duch fdmei:
cheinde Nachſicht und Entſchuldigung der Großen Ihre That:
handlungen recht ſprechen? Die Urſachen zeigt unteren
Strube ſehr gut an, wie es gelommen, daß die Landſtande fı
biatangefegt worben.
I) Nachdem der Randfriebe fattfam befeftigt warden, fr
dadurch viele Gelegenheiten zu ben fonft häufigen Empörung
ber Unterthanen wider ihre Obern abgefchnitten worden; bafır
mußten fich dieſe fürchten, und daher nichts ben Randfände
Misfaͤlliges unternehmen.
2) Iegt kann man deſſen entuhriget fein, da faſt überall
geworbene, und ber Landesherrſchaft allein zu Befehl ſtehende
Soldaten unterhalten werden. Den Unterhalt folder Mann:
haft erfobern zum Theil die Reichs⸗ und Krayßſchluͤſſe, mithin
fönnen ihn die Landſtaͤnde nicht verweigern. In vielen Lin:
bern hat man es aber dabei nicht gelaffen, fondern
bie Eandfhaft in eine weit größere Kriegsserfaf:
fung gewitliget. Es Hk dadurch bie ſchwere Laſt der Dur
züge und Winterquartiere gemindert, womit des Kaiſert un
die unbewaffneten Gtiak
tagen das Meifte vermoͤgenden Abel dadurch zur Ginwilliguns
bewegt, baß ihm die alte Steuerfreiheit feiner Guͤter gelaffen,
er felbft aber und bie Seinigen mit Civil» und Mlitairämten
verfehen worben. -
3) Endlich Hat die verminderte Macht des KRaifers vi
bazu beigetzagen, daß bes deutſchen Landſtaͤnde Auſehen vermis:
dert worben. Die alten Rechte mit der Kauft zu behaupten
war, dem Angeführten nad, unthunlich und alfo nichts Ahr,
als richterliche Huͤlfe zu ſuchen. Bieſes iſt auch den Unterthe
nen wider ſchwaͤchere Reicheftände vielfältig angeblichen. Wir
bie Mächtigen aber fehlt es baran u. f. mw.
Aber find alle biefe Urſachen nicht ſeibſt Misbraͤuche oder
ſchlimme Folgen einer fonft guten Einrichtung? Und gilt an
nicht bier, daß kein Misbrauch durch noch fo fange Übuns
zum rechten Gebrauche wird?
Der Anlage nach hätte diefer Artikel noch länger fat:
gefegt werden follen. Ob Leffing damals Neigung md
Beruf in ſich verfpärte, als pubticiſtiſcher Schriftſetet
aufzutreten? In ſpeculativer Hinſicht wenigſtens hat keſ⸗
fing fein politiſches Syſtem oder Glaubensbekenntnij in
feine claſſiſchen Dialogen: „Ernſt und Falk oder Geipräte
über die Sreimaurerei“, niedergelegt, Ideen, beren innen
Bufammengang - mit Leſſing's Geſammtanſchauungen ühe
m
görtliche umd wenſchliche Dinge bei einer fruͤhern, oben
geoochten Melegenheit nachzumelfen ich geſucht habe.
Die alphabetiſche Ordnung, weicher wir folgen, führt
and in rafcher Wendung neuen und verfahfedenen Obhjec⸗
ten zu. Bon der Vielſeitigkeit Leffing’s zeugt unter Ans
derm ein Artikel Geburt, Seburtshülfe, mit Bezug
auf dad Roonhupfen’fche Geheimniß, ſchwere Geburten
duch Inſtrumente zu erleichtern. Den Gebrauch unferer
fiommen Altvordern, bei ſchwerer Geburt dem Kinde im
Murterleide die Zaufe beizubringen, merkt ſich Leſſing zur
Erläuterung des Capitels im Triſtram Shandy“ an.
Bei dem Artikel Gemmen, welcher au Umfang und
Gliederung am meiſten einer Abhandlung nahe kommt,
und der aus neun Abfchnitten befteht, hat Efchenburg
den ganzen achten Abfchnitt: „Won den Compositoribus
gemmarum”, ausgelaſſen, weil er nur den Entwurf von
Dem enthielte, was Lefling im vierzigften feiner antiquaci:
fyen Briefe weiter ausgeführt. Allein gerade ale Ent:
wurf bietet ee fein Eigenthuͤmliches; und warum durch
eine willlürlihe Lüde ein in fi zufammenhängendes
Ganze verftümmeln? Ferner:
Ir. Buatdus. in venetianifcher Ebelmann, von Geburt
aber, wie er vorgab, ein Deutfcher, von bem zu Ende bes vori⸗
3 (17.) Jahrhunderts der Verdacht entſtand, daß er an bie
Jahr alt fein muͤſſe. Er war noch 1688 in Benedig ficht:
bar, verfänvand ader, wie man fagt, auf einmal, weil er bie
Folgen von feinem aufgelommenen Geheimniſſe beforgte.- Das
ganze Märchen iſt umfländlicher in einem kieinen deutſchen
Buck zu Iefen, welches 1700 in — in 12. u. ſ w.
Das Werken muß ſehr felten geworden fein — fchließt der
Artikel — da in ben „Dresdner Anzeigen” vor einiger
einmal darnach gefragt wurde. Zu Bamburg befißt es Herr
Friedrich Buͤſch.
Bei Hanover merkt Leſſing an, daß die dortige koͤ⸗
nigliche Bibliothek, außer den Manufcripten von Leibnig,
auch Diejenigen Dietrich's von Stade befige, weiche Eccard
1723 fr ſelbige kaufen laſſen. In dem Artikel Ninon
de Lenclos nimmt er diefe berühmte Aspafla Frankreichs
gegen Voltaire in Schus. Diefer hatte in feiner „Lettre
à un ministre da Saint- Evangile sur cette pretresse
de Venus” ein angebliches Spottlied des Dichters Cha:
pelle auf jene beigebracht, das Chapelle im Raufche und
aus Rache verfaßt, weil ihn Ninon megen feiner Liebe
jum Zune aus ihsem Daufe verbannt.
Dieles exzaͤbit Boitaixe — ſchreibt Eefling —, er, der über
dergleichen ſchaͤndliche Anekdoten fonft fo febe eifert, weit fie
noch dazu felten wahr find. Und nie iſt eine erlogener gewelen
eben die, denn es iſt ſchlechterdings nicht wahr, baß biefe
—* Ninon gemacht worden, und daß fie Chapelle ges
Hier zeigt Leſſing, daß die naͤmlichen Verſe, einige
Beine Änderungen abgerechnet, lange vor Chapelle in dem
wu Paris 1619 erfchlenenen „Cabinet satyrique” zu le:
Mn hate Denn f wollen, daß Ghapelle in ber T
nu fagen wı e in ber Truns
Impeit Berſe zu machen geglaubt, die er blos in ſeinem Ge⸗
dqtaiſſe fanb-
Ohne mich aufzuhalten, nenne ich bie Artikei Ray:
mund Lullus, Manufertpt („was flr alle noch
verbergen find, die doch für einiger Zeit bekannt geweſen“,
‚ mit Hinweiſung auf einen
0998 der Art bei Cardangs
„De rerum subtilitate”). acmor. Maestro,Cchas
Hauptbuch der Kaufleute. Moſes Mardez, ein eng-
tifcher Jude, Verfaſſer einiger muſikaliſchen Schauſpiete.
Meſſen, beſonders die braunfchweiger. Miniaturs
malerei (bei Eſchenburg unvollſtaͤndig). Nordlicht,
die Stellen bei den Alten, in denen man dag Mordlict
wii gefunden haben. Ohrgehenke, eine antiquazifche
Ausführung. Onyr, Entwurf der in den antiquariſchen
riefen gegebenen Auselnanderſetzung. Orpheus (bei
Eſchenburg unvoliftändig). Orthographiſche Anmer:
tungen die deutſche Sprache betreffend. Pantomime,
bei den Alten. Parmegianino. Mehre italieniſch⸗
Maler haben diefen Beinamen geführt, Leffing fragt, wel:
her es fel, von dem MWindelmann fagt, daß er on dem
langen Dvale der Geſichter und an den langen Fingern
tenntlich fe. Parchafius. Perraukt. Sc: Peter
in Rom, und defien von Camphell angezeigte Fehler:
frag Segen ee Weripeibigung möhte ich aber wol
en, ob Fehler, welche nothwendi
u eher ne hwendig entftehen müffen, nicht
Petron (bei Eſchenburg unwollſtaͤndig), Nathe⸗
rius, ein Benedictiner des 10. Jahrhunderts, Verfaſſer
einer Grammatik, welche er, zum ihrer Beichdigkeit willen,
ſodaß die Präceptores den Rüden ihrer Schüler mit
Schlägen ſchonten, Sparadorsum nannte. Reimarue.
Diefer Artikel wird, wie er fih im Manuſctipt finder,
nicht ohne Intereſſe fein:
In dem zweyten Tome der „Nova raccolta d’opuseeli
sc. et ſil.“, p. 162, fagt der Cardinal Quirini in einem
Briefe an den Brafen Barbiert (vom 26. Gept. 1754): „Tro-
‚| yarsi sttualmente in mie mani una eperetta MS. del eelebre
et eruditissimo Professore di Amburge Krmanno Samuele
Reimaro le quale ha per titolo: Praeeipua capita Religie-
nis naturalis dissertationibus perspieue exposita et vindi-
cata.” Dieſes lateiniſche Merk, wet ohne Zweifel ein erfter
Entwurf feines deutſchen Werks von der natürlichen BRellaton
gewefen, iſt meines Wiſſens nie gedruckt worden, und ich wüßte
auch nit, daß Buͤſch in feinem Leben beffeisen gebächte, ober
id von feinem Sohne etwas bavon gehört hätte.
Hier Übergehe ich mehre Artikel bis auf folgende:
Stanz von Sidingen, eine Dinweilung auf ein Con»
volut Schriften in der wolfenbüttier Bibliothek, viel bes
fondere und zum Theil ungebrudte Dinge von den Haͤn⸗
bein dieſes Ritters enthaltend: ein Wink, welcher dem
Biographen Sickingen's, Ernſt v. Münch, willkammen
gemefen wäre. Gene: Spanien, deſſen Kunſtſchaͤte.
Spindelti, eine italieniſche Münze, als Gegenfland des
Kunſthandels. Stapel und Stapelccht. Stuart
und Reveti, zwei englifhe Maler, Berfoffer eines
Reiſewerks über die athenienſiſchen Alterthümer, aus dem
man zuerſt die wahre und unverfälfcte Form der griechi⸗
fen Saͤulenordnung Eennen Teınen. Neue Worte, das
Recht, neue Worte in eine Sprache einzuführen, und wie
foiche zu bilden. Mit Rüdfihe auf Seneca „De tran-
geillitate anımi“, Gap. 2. Zahlen, ein Auszug aus
Gemmingen's Abhandlung von Verſchiedenheit und Wer⸗
befferung ber Ziffern; dahinter folge ein Artikel: Won der
Art, wie die Griechen zählten u. ſ. w. Mit dem Artikel
Y
Bipperlein fließen bei Eſchenburg die Collectaneen, doch
nicht das Manufeript. Man lieft bier erftlich noch einen
Artikel, welcher Leffing perſoͤnlich betrifft, daher ich ihn
noch mitthelle :
3ſchaſchler, polnifdy Czaszler, cin alter Bekannter, mit
dem ich auf der Fürftenfchute ſtudirt, ift jegt bei der koͤniglichen
Mitterafademie in Warſchau Profeſſor. Gr ſchrieb an mid
1767 von da aus wegen ber Correſpondenz, die ihm die Ber:
aeger bes Altoneiſchen Poſtreuters vorgeſchlagen.
Ich will — heißt ed dahinter — unter dieſer Rubrik alle
andere Aprefien und Nachrichten von Leuten noliren, die an
midy gefchrieben oder mit denen ich fonft in Gonnerion gekom⸗
men. Denn id) finde, daß in diefem Städe mein Gedaͤchtniß
ſehr untreu zu werden anfängt.
1) Bufhmann, ein Cand. jur., ſchickte mir aus Stral⸗
{und .einen poetifhen Epilog zur Minna den 23, Oct, 1767.
I), Kaspar v. Schotten zu Brieg unter dem Thiel'
ſchen Regimente, war in dem Avancement übergangen und
fudyte 1084 feinen Abſchied, den er auch vefommen. Er ift ein
Mann von Geſchmack. Nur neulich hörte ich, dab er wieder in
Dienfte getreten und als Major placirt worden.
3) Metroföty heißt der ruſſiſche Acteur, den die Kai⸗
ferin reifen laffen, den ich in Berlin habe fennen lernen, als er
mit dem Fuͤrſten Dolgoruki wieder nach Petersburg zurädkeifte.
(Die Yortfegung folgt. )
Literarifhe Notizen aus Frankreich.
Slluftrirte Werke.
In unfern flüchtigen Bemerkungen über die neueften Er⸗
fheinungen ber franzöflfchen Literatur müffen wir eigentlich ben
„tüufteirten‘‘ Werten eine flehende Rubrik anweifen. Grandville,
Gavarni, Daumier, Loreng und wie bie Zeichner alle heißen,
weiche jest en vogue find, feheinen wirklich unerſchoͤpftich zu
fein. Kaum haben wir eines Werkes — à 30 centimss la
livraison — gedacht, fo werben gleich zehn andere wieber an⸗
getündigt. Ja in Frankreich werden nody Bücher gekauft, ob:
‚gleich wir Deutſchen uns nit wenig barauf zu gute thun,
daß in Frankreich von den Gonferibirten nur immer ein Drittel
leſen kann, während ſich bei uns das Verhältniß ganz anders
herausftellt. Won den neuern illuſtrirten Werten, die, wie wir ges
wiß wiffen, geoßentheils in 10,000, 15,000, ja 20,000 Erempiaren
abgefegt werden, wollen wir hier vorzüglich auf den illuftrirten
„Silvio Pellico” aufmertfam machen. Tony Iohannot, beflen
„Don Quichotte” immer nody zum Schönften gehört, was im
Fache der Jlluſtration geliefert ift, bat diefen GSchriftfteller mit
wahrer Liebe behandelt. Seine Zeichnungen find zum heil
meifterhaft. Wir erhalten in diefer Ausgabe, welche eine’ Zierde
jedes Boudoir werben wird, bie „@rinnerungen aus dem Gefaͤng⸗
niffe” mit den „Pflichten des Menſchen“ in ber Überfegung von
Antoine Latour, der fi) durch eine Reihe von Bearbeitungen
aus dem Stalienifchen einen rühmtichen Namen gemacht hat.
Wenn wir nicht irren, ift der Überfeger im Secretariat des
Prinzen Aumale oder Montpenfier angeftellt. Geine Arbeit ift
Heißig und zum Theil recht gelungen. Die „Srinnerungen aus
dem Gefängniffe” erhalten wir zum erften Mate in einer volls
fländigen Ausgabe, der fogar die Zufäge von Maroncelli bei:
gefägt find. — Aus der großen Anzahl ber illuftrirten Werke,
welche hier wenigſtens angeführt zu werben verdienen, beben
wir noch die „Rues de Paris” hervor. Sie ericheinen bei
einem beutfihen Buchhändler in Paris, Kugelmann, und wenn
wir recht berichtet find, beforgt auch ein junger Deuticher,
welcher zu befcheiden ift, feinen Namen zu nennen, den beiten
Theil der Redaction, obgleich den Anzeigen zufolge der Feuille⸗
tonift &urine, von dem man geſagt hat, feine Eleinen Rovellen
feten huͤbſcher als fein fatater Rame, an ber Gpige des Unter:
nehmens fit. Wir erhalten in diefem intereffanten Werke,
wie man fon aus dem Zitel erräth, die Geſchichte aller Straßen,
Plaͤtze, Duaid u. f. mw. bed an Grinnerungen aller Art fo
reihen Paris. Die namhafteſten Gcheiftftellet ha
fteuert und namentlid haben —— Mr us
—— — geleſen, weiche aus ber Feder Janins berchbrten
Wir machen unter Anberm auf die Blätter aufmerkſam weihhe
derſelbe der Place royale widmet. — Ein anderes Wert, in im
uns die intereffanteften Scenen der franzoͤſiſchen Geſchichte de
geführt werden, find bie „Illustrations de P’histeire de France”
von Michelant. Der Tert if bier Nebenfach, obgleih de
Darſtellung des Verf. ganz anfprechend iſt; deflo werthucde
aber find bie 120 Bilder, mit denen der bekannte Victor Aan
das Werk geihmüdt hat. Der Name Segur's, der eine Ein
leitung zu bdiefer Schrift geliefert hat, ſichert berfelben fon
von vornherein eine günflige Aufnahme beim Publicum. — Ihe
ein Wert, welches alle bisher angeführten au Pracht, kau
und wahrem kuͤnſtieriſchen Gehaite zweit übertrifft, find de
„Galeries historiques de Versailles’‘, die.von Bavard Heraus
gegeben werben. Sie find mit der 300. Lieferung, die ver
kurzem erfchienen ift, abgeſchloſſen. Das ganze Werk enthat
aun 1200 Stahiſtiche mit wenigftens ebenfo viel Bigmetten au
Holz. Die letzte Lieferung, bie einen fürmlichen Band bildet,
enthält Scenen aus allen Perioden der franzöfiichen Geſchiqhte.
So ſehen wir die „„Bataille de Mons- ea - Puelle”, die „Pre-
dication de la secoude croisade”,
wird in einem ſehr fchönen Stiche von Gaite dargeftellt. And
die Glanzperiode Napoleon’s wird, und zwar in einer Com
von Abulir, vepräfentirt.
fehr gelungenes Bild von Ludwig Philipp.
Es if dies dei
fhöne Portrait, welches
unfer Landsmann Winterhalter ver
einigen Jahren im Louvre ausgeftellt bat. Es dürfte das die
lichite Bild des jetzigen Königs der Franzoſen fein, jedenfals
ift es das geſchmackbollſte und basjenige, in bem bie ernfm
Züge Ludwig Philipp’s am geiſtreichſten aufgefaßt find. F.Bir
terhalter, nicht zu verwechſeln mit feinem weniger reich begabten
Bruder Dermann, ber inbeffen immerhin einen ruͤhmuchen
Play unter den Künftiern von Paris behauptet, bat feit einigen
Jahren ein beneidenswerthes Gluͤck gemacht. Rachdem er ein
mal bei Hofe in Gunſt gelommen tft, reißt ſich, wie man zu
fagen pflegt, die vornehme Welt foͤrmlich um ihn. Ftriüch
kommt diefe einträgliche Yortraitmalerei, welche unverfehens in
Handwerk ausartet, feinem eigentlichen Talente wol ſchwerlich
zu Gute. — „Les arts au moyen - äge’‘, von A. Dufommeatl,
it ein wuͤrdiges Monument ber Sunftgefchichte. Wir baden
vor kurzem bie legte Lieferung erhalten, weiche ben fünften Band
zu Ende führt. &o haben denn bie Erben zu Stande gebraft,
was der edle Kunftfreund fo mürbig begonnen hatte. Ginzix
Partien des Textes beruhen auf ganz originellen Koriduon.
Der Folioatlas enthält 510 Kupfertafeln, die von namhaften
Künftleern, wie Deveria, Johannot, 2. Boulanger, Challamt
Sragonard u. X. herruͤhren. Diefes werthvolle Werk, ſowi
die reichen Kunftfchäge des Hötel Cluny, das mit allen Gum
tungen, welche es enthält, hoffentlich von der franzoͤſiſchen Re
gierung angelauft werben wird, reichen allein ſchon hin, um du
Namen Dufommerard auf die Nachwelt zu bringen.
Neueſtes Wert von Poujoulat.
Youjoulat, der ſich durch feine Herzlichen Gchiiderungn
aus dem Morgeniande fowie durch feine geiftveichen Artlkel i
der „Quotidienne” befannt gemacht bat, gibt jegt eine Gaum⸗
iung feiner Kleinen Abhandlungen und Auffäge heraus, die
den Zitel führt „Religion, histoire, paesie”. In dieſem
Werke werden bie hoͤchſten Intereffen des Lebens in wuaͤrdigſter
Weife beſprochen. Am anziehendften aber fcheinen uns bie ein⸗
zeinen Meinen, buftigen Naturfchitderungen und poetiſchen Bil,
welche der Verf diefen ernfteen, tieferen Darftellungen eingenoben
bat. So hat uns namentlich die „Hloraison des amanders
en France“ angeſprochen, wo der po e Poujorlat di
Pracht und die Wonne eines provenzaliſchen Fruͤhlinge ſchildert
Sein Stil, der zuwellen wol in eine Art Schwuiſt ausartet, iß
duftig und abgerundet. 2.
Merantwortikger Herausgeber: Heiarich Broddaud, — Grund und Berlag von F. U. Brodbaus in Eeipzie.
Das Zeitalter Ludwigs XIV, |
Zum Schluß erhalten wir noch en
Blatter
für
literarifhe Unterhaltung.
4. September 1843.
Leffingiana.
(Bortfegung aus Nr. 246.)
Sept folgt im Manufcripte ein ausführliches Schema
zu einem direnologifi Verzeichniffe der alten Artiften
nad den Oympiaden (Olymp. L— LXXI), wovon aber
auc ein Anfang zu der funfzigften Olympiade gemacht ift.
Den Beſchluß machen Einfaͤlle, Spruͤchwoͤrter und Sen:
tenzen aus Schriftftelleen der alten und mittlern Zeit, ver:
(hieden von dem Inhalte Ähnlicher Fragmente, welche
Fülebern in den „Nebenftunden” (unter der Auffcheift:
„Selbſtbetrachtungen, Einfälle und Eleine Aufläge”) zufam:
mengeftellt bat (vgl. Lachmann's Ausgabe, Bd. 11 zum
Schluſſe). In dergleichen Einfällen zeigt ſich eine ber
Hauptrihtungen des Reffing’fhen Geiſtes, feine Liebe zum
Spigramm. : Die folgenden „Einfälle find in Hamburg
sefhrieben, ihre Beziehung tritt von felbft hervor :
I) Bei dem Lärmen, welches die Orthodoxen über den gus
ten Paſtor Schhlöffer und feine Komödie erhoben, könnte cine
deppeite Frage aufgerworfen werben. Die erfle: Darf ein Pres
diger wol Komödien ſchreiben? Darauf antworte ih: warum
nit? wenn er kann. Die zweite: Darf ein Komöbienfcreis
ber mel Predigten machen? Antwort: warum nit? wenn
er wil
Don diefem Einfall bat Leffing viele Sabre fpäter,
bei feinem Streite mit dem Paftor Goͤze, dem Urheber
jenes Laͤrmens, faft mit denfelben Worten Gebrauch ge:
macht („Anti-Goͤze“, 1, 1778), als Goͤze ihm feinen
„Komödienftil” zum Vorwurf gemacht Hatte.
As Sie, Here Hauptpaſtor, den guten Schloͤſſer wegen
feiner gambbien fo erbaulich verfolgten, fiel eine doppelte Frage
vor u f. w.
2) So wie man von GShrift nicht Shriftianer gemacht bat,
fondern Shriften, wegen ber innigen Vereinigung, welche bie
Glieder mit ihrem Haupte haben ober haben follen, To follte
man auch von Klotz nicht Klopianer machen, fondern Klöger.
Man folte nicht fagen: Schmidt, Riedel, Meuflel ift ein Kilos
gianer, ſondern Schmidt, Riedel ober Meuffel ift ein Klotz.
9) Wie Aft und Buſch:
So Wittenberg und Duſch.
Wie Rief und Zwerg
So Duld und Wittenberg.
4) Bon eines Gewiſſen Poefie:
Omnia nam stolide magis admirasiura mantgue
lauversis quue sab veorbis latitantie gemunt. )
— nn —
*) Die üͤbrigen Gedanken, welche meiſt aus lateiniſchen und gries
diſchen Säriftlellern gezogen find, lauten:
— Ini kesterni pueri, magistri hodierni, heri vapulantes ia fe-
Bel diefer Gelegenheit kann ich mir es nicht verfagen,
Einiges der Art aus Leſſing's Papteren, welche ‚vie koͤnig⸗
liche und Univerſitaͤts⸗Bibliothek aufbewahrt, und das
rula, hodie stelati docemtes fin cathedra.. .
Mctal. ib. I, cap. B. , i
— Littera suavlter escutienda est, et nou More captivorum
averbe torquenda, donec restituat, quod non accepfit. ibid. I, 1.
— Collatio meditatione videtur utilier: ut enim ferrum ferre
acultur, sic ad vocem alterius contiugit asimum colloquentis acu-
Uus et efficacius excitari. ibid, III, 10,
— Disciplinarum omnium connezae sunt rationes, et quaelibet
sui perfectionem ab alils mutuatur. ibid. IV, 1.
— Nemiucm docere in auctoritetem soiontiae est, fagt Plinius
(üb. XXXV, sect. 1) von Denen, welde mit ihrem Wiſſen neidifch
find, und ihrem Anfehen zu vergeben glauben, wenn fie es mit:
theilen.
— (Corneliud Gelſus, wenn er vom Hippokrates redet, der fels
nen Irrthum gellanden (De mwedi. lib. VIII, cap. 4) — se de-
coptam esse Hippocrates memorise prodidii, more scilicet maguo-
rum virorum et Rdusiam magnarum rerum habentium. Nam levia
ingesia, quia nihil habent, nihil sibi detrahunt.
— Können wir nis alle dichten:
So wollen wir body alle richten;
it ein guter deutfher Reim von Phil. Melanchthon, v. Belnoscer.
Praef. Eıplieat. Psalm. j
— .. . . .. ut vetus et laudata tot anais
Discendi ratio nigro carbone notetur.
L. Sectanus Atll. Sam, II.
— Quid facias? jubet hoc setas, et Gallia victris.
idem ibid.
Jo. Saresburiemsis
— Olxoı uereır der Toy xalwg Erdasuora,
Kaı Toy xaxac TOROGOVEn Kaı TOUTOr werten"
find zwei Verfe des Aſchylus beim Stobaͤus.
— Eur, or wor Ders dor, od’ el naxıom osder &Ador,
Zuvoy arıunoat, npos yap Atos sloıy anayres
Btıroı TE NTUTMOr TE».
fagt Cumaius zum Ulyifed (Ob. Z, 56), ber ald Bettler zu ibm
tommt; und auf biefe Gefinnung bezieht fi auch eine Stelle bes
Menander beim Stobäuß:
Atl vouılord’ of nevntes ray FEur.
— Ab umbra statuam laudare, beim Novarinus p. 37: cum, re-
lHetis megnis faselueribus et factis egreglis, minima et exilia im
aliquo, in cujus laudes itur, afferuntur.
— Nihil tam necessariem, quam cognossere, quid non sit n0-
cossarium. S. Ambrosius Mib. X, c. M.
— Moribus esse feris prohibet me gratis verie
Et formam mentiv mihi mutuer ex elementie.
Marbodus.
— Candida fervens ut nix, et Iumins nigra velut piz.
lGdaem.
— Jem zweiden Theile des „Laokoon“: Cai si animum propius
meined Wiſſens nirgend gebrudt it, mitzutheilen. Ein
Dctavbüchlein, deſſen erfte Seite das Datum trägt: den
35. Sept. 1756, von dem aber nur einige Blätter be:
ſchrieben find, enthält dramaturgifche Bemerkungen über
die zwei engliſchen Buftfplele: „The soldier’s fortune“ von
Stway, und „The comntry-wife” von Wicherdey. Kol:
gende pſychologiſche Betrachtungen, welche vorangehen und
fi auf das erfte dee beiden Stüde beziehen, charakteri⸗
firen ganz Leſſing:
Surely ’tis impossible to think too weli of him, for he
has wit enough to call his good natare in question, and
good nature enough, to make his wit suspected. .
Er bat fo viel Wis, daß man an feinem guten Herzen
zweifein follte, und em gutes Herz, daß man ihm wenig
oder feinen Wis zutrauen follte. ’
: Beige weder deinen Witz, noch beim gutes Harz in ihrer
völligen Stärke. Zeigſt du zu viel Wig, fo wirb man bir fein
gutes Herz zutrauen; zeigft du ein zu gutes Herz, fo wird man
an deinem Wige zweifeln.
I am afraid your Ladyship then is one of those dan-
gerous creatures they call She-wits, who are always so
mightily taken with admiring themselves, that nothing else
is worth their notice.
Eine Wiglingin (She-wit), vielleicht daß biefes cin Cha:
rakter wäre, welcher fih auf bem Theater nicht übel ausneh⸗
men follte, und auf einer ganz andern Seite gefchildert werden
tönnte, als daß er mit ben gelchrten Weibern des Moliere zu
vermengen wäre.
Tl have three whores a day, to keep love out of
my head,
Du Liebft, und deine Liebe ift ernfthaft.e Aber deine Um⸗
fände erlauben es nicht, einer ernflhaften Liebe nachzuhängen.
Nun wohl, fırche dich ihrer zu entſchlagen. Wermeibe, fliehe den
dich bezaubernden Gegenftand! Du fliehſt ihn umfonft? ein
Bild verfolgt dich überall? So verfuch etwas Anderes; verfente
dich in Geſchaͤfte; befege jeden Augenblick mit ernfthaften Ars
beiten. Auch das ift vergebens? Nun wohl, fo wage das Letzte:
fuche Huͤlfe bei den luſtigen Schweftern des Mitleibs, die du
genießen kannſt, ohne fie zu lieben. Laß auf einen wolluͤſtigen
Genuß den andern folgen. Aber wic? Deine Goͤttin hat ſich
deiner fo bemächtigt, daß es bich ein Verbrechen duͤnkt, in ben
Armen einer andern die Entzüdungen zu genießen, die du fo
gern in ben fhrigen genießen moͤchteſt? Wirktih? Je nun, fo
beirathe fies allen es verwehrenden Umſtaͤnden zu Trotze, hei:
rathe fies oder made dich gefaßt, das naͤchſte Jahr im Toll:
haufe zu fein.
Bortrefflihe Moral, Gchmwachheiten durch after vermei:
den lehren.
His father was as obscure, as his-mother publick; every
body now her, and no body could guess at him.
intenderis, velut fermentum coguliionis ei inerse, quam bracteas
eloguentias deprehendes. Sollaus.
— Percastatorem fagito, nam garrulus idem est.
— Sanus homo, qui et bese valet et suae apontis est, nmullie
obligare se legibus dobet, ac meque medico nequg istralipta
egere. Hune oportet varium habere vitae genus, modo ruri ease,
modo in urbe, saepius in agro; navigari, venarl, quiescere inter-
dum, sed frequeniius se exercere.
Cer. Celsus ib. J. e. 1.
— Vim tebus aliquando ipsa verborum hbumilites affert.
Quintil,
— Haocı uyvaı noposdeorım Turn.
Aristennetae ep. 18
%
In dem zweiten Acte laͤßt' der Dichter verſchiedene Perf
nen flumm über das Theater geben, die gang und gar keine
Berbindung mit dem Stüde haben, blos in der Abfidt, d
den Mund bes Beaugard und Gourtine einige flarke Charaktere
zu fhüdern. Wenn es die Art des Stüds erlaubte, ; G,
wenn der Ort eine Straße ift, und Ich &p amkern Umfäne
dazu fhiden, fo wollte ih einem Bi tee been rlanben, oft
zu diefem Kunftgriff feine Zuflucht zu nefimen, ats eine oder
mehr leere Scenen zu machen.
Prahlereien zweier Eiſenfreſſer im vierten Act:
Ah Bioody Bones! Ah, when thou and I comman-
ded that party at the siege of Philipsbourghi where ia ıbe
face of the Army we took the impenetrable Half- moon.
Blood, Hall-Masa, Sir! by your farour ' wasa
whole moon.
Fourbin. Brother thou art in the wight; 't wass
full Moon, and sach a Moon, Sir —
Die Heiden in biefem Stuͤcke find zwei abgedankte Dffzie:,
und das Gluͤck, das ber Dichter fie machen laͤßt, beſieht darin,
baß der eine einen alten Ehekruͤppel zum Hanrey macht, in
andere eine ziemlich gute Heirath thut. Jenes iſt die Daupt:
handlung, biefes die Epffobe. In den drei erften Acten hat der
Dichter die „„Männerfchute” des Moliere ziemlich geplündert. Die
Brau ſchickt ihrem Liebhaber durch ihren cigenen Mana Ge
ſchenke und Briefe, fo ats ob fie ihr von ihrem Liebhaber we
ren geſchickt worden, und fie fie ihm blos mit Bezeigung ih
Haſſes wieder einhändigen laffen wollte. Nur daß man bi
dem Moliere über diefe Lift lachen, und bei dem Otway ſich
darüber drgern muß; weil jener fie einem unverheiratheten, un
gebundenen Frauenzimmer beilegt, und dieſer fie eine Frau, die
durch die heiligſten Bande gebunden ift, ausuͤben laͤßt. Bat
dort ein vorgeblidher Betrug ift, wirb bier zum Laſter. em
die Engländer über ihre franzoͤſiſchen Originale fo encheriren,
fo bringt e8 ihnen wenig Ehre. Auch ber Tepte Zug, da ver
Liebhaber bei dem Moliere für tobt geprügelt gehalten wird, if
von dem Engländer auf eine ungeheuere Art übertrieben mem
den. Der eiferfüchtige Ehemann will ihn durch einen Meudel:
mörder aus dem Wege räumen laflen. Sir Jolly Jumble Ik:
tet da8 Ding fo, daß ſich des Liebhabers eigener Bediente ver:
fteflterweife dazu wiH brauchen laſſen. Diefen nebft einem Se
bülfen werben alfo mit dem Ehemanne des Handels einig, ©
beißt, fie haben ihren Mord verrihtet und ben tobten Körper in
bed Sir Davy Dunce (fo heißt ber Ehemann) Haus gerragm
Hier muß ber Liebhaber ben Todten fpielen. Dunce ift in tar
fend ÜÄngften darüber. Jumble u. f. w.
Der Charakter des Sir Jolly Jumble ift originell. Er
alter Ge, der ſelbſt nicht mehr ſuͤndigen kann, aber fihen |
Bergnügen daraus macht, Ehebruch und DB... zu befördern
And nur mit Hetratheftiftungen will er nichts gu thun
Siche die Stelle im vierten Act, S. 30.
Die Scene im vierten Act, wo die beiben verſtellten Dir
cheimdrber mit dem Dance den Handel ſchiießen, ift abſchertich
und ihre moͤrderiſchen Prahlereien find fo eitel als gottiod. Der
eine ſtellt ſich ſogar vor Blutgier raſend, und ſagt in dieſer
Raferei Dinge, die man odne Schauer unmoͤglich hören kam.
(Hier folgt ein Auszug aus bem Driginat.) .
Diefes Luftfpiel iſt gedruckt gu London 1695 in Auarl
(acted by this Mojesties Servants at the Theatre Roys,
the third edition). Auf dem Zitel fliehen die Werfe (au) dem
Martial, wenn ich mich recht erinnere) :
Quem recitas meus est, e Fidentine, Mbellus;
Se@ male cum recitas Incipft eweo tuws.
Ohne Zweifel daß Otway mit der Vorſteuung nicht alle wohl
zufrieden geweien.
(Die Fortfegung folgt.)
habe |
Theodor Hot.
Aus einem ausführlichen Artikel des „Quarteriy review’
(Mai 1843) geben wir folgenden Kurgen ‚Auszug: Theodor
Gduard Boot wurde den 22. Gept. 1788 in London geboren.
Sein Vater war Somponift, feine Mutter, elme geborene Mad⸗
den, eine böchft begabte, durch Schoͤntzeit, Geiſt, Charakter
ausgejeichnete Frau. Aber fit flarb, die Hook 14 Jahre alt war.
Gein Bater, um fi zu tröflen, nahm ihn bamals (1802)
aus dee Schule von Harrow, wo er Byron's und Sir Robert
Peel's Schulkamerad geweſen, wieder in fein Haus, entdeckte
bald des Gohnes Talent für Dichtungen zur Gompofition und
m ihn nun vollends zu feinem Abgott. Theodor fpielte
fehr huͤbſch Clavier, hatte eine gute, Fräftige Stimme und fang
mit Gefühl. Zugleich entwickelte fi ſchon in dieſen frübın
Fahren fein reicher, fprudeinder Wig und fein impropiſatoriſches
Talent. Gein Umgang waren Muſiker, Sänger, Schaufp:eier.
Gr ırieb fih auf dem Bühnen, bei den Proben, hinten den Cour
tiffen umper und war dort der Liebling aller Welt. Indeflen
vermuthlich auf Antrieb feines 18 Jahre aͤltern Bruders, bed
Decansd von Worcefter (dev übrigens auch in feiner Jugend ein
paar wigige und launige Novellen gefchrieben hat), dachte fein
Bater wieder an eine ernfte Beſtimmung des in Luft und Uns
gebundenheit dahin lebenden Sohnes. Er ſchickte ihn in Be:
gleitung feines Bruders, des Dekans, nach Orford, bamit er
dort das Rechtöftudium betreibe. Als der Vicefanzier, zum Bes
bufe der Immatriculation, ihn folgendermaßen anrebete : „Sie
ieinen fehr jung, Sir! Sind fie bereit, die 30 Artikel zu uns
terfchreiben 2° antwortete Theodor augenblicklich: „D ja, Sir,
ih bin ganz bereit, auch AU, wenn es Ihnen beliebt. Dir
Bicelanzler ſchlug das Buch zu, aber der Dekan begütigte ihn,
und die Immatriculation fand ftatt. Der junge Hook follte jes
dech erſt nach Ablauf einiger Zeit in das Inſtitut eintreten.
Et kehrte nach London zuruͤck, begann fein früheres Leben wie⸗
der und kam auf den Einfall, für das Theater zu ſchreiben.
Sein erfied Stück (er war erſt 17 Jahre alt) „Des Soldaten
Rückkehr, oder was vermag Schönheit?” komiſche Oper in
zwei Acten, Wufit von Mr. Hook, im Drurylane-Theater auf
geführt, ging nicht fo fpurlos vorüber, mie Hook felbit es ſpaͤ⸗
kr in feinem „Gurney” (worin Vieles aus feinem Leben ges
ihidert if) darſtellt, ſondern madhte bedeutendes Auffchen. Er
wurde mit den Komikern Mathews und Lifton bekannt , und,
obwol fie älter waren, eng vertraut und fhrieb für fie im fol-
genden Jahre (1806) „Catch him, who can”, ein Sud, das
mit ungemeinem Beifall aufgenommen wurde. „Das unſicht⸗
bare Mädchen” und eine Reihe anderer Stuͤcke folgte, weiche
alle Gluͤck machten und ſich eine Zeit lang auf dem Repertoire
erhielten. Im 3. 1808 gab er eine Novelle unter dem erdich
teten Namen „Alfeed Allendale Esq.“ heraus.
ſourlos vorüber. Indeſſen war der Berf. body fo dafür ein
genommen, daß er fie abgekürzt und mis Abanderungen im
„Merton” (in feinen „Sayings and doings‘) wieberholte,
Am olänzendften zeigte er fih im Umgange. Es fehlte ihm nie
an Einfälen, Impromptus, Reimen. Seine Gemandtheit im
Improviſiren, biefe in England unerhörte Gabe, ging ins in:
giaubliche. In allen Bersarten, Rempverſchlingungen, Manit⸗
sen war er im Stande, jeden verlangten Gegenſtand augen»
diclich zu behandeln. Jeden keinen Vorgang in der Geſellſchaft
denntte er, um Couplets zu improvificen, die er zum Clavier
fang, Worte und Melodie zugleich erfindend. Sein mimifches
Zalent war nicht minder auffallend. Dan kann fidy vorflellen,
wie er in feinem Kreife gefucht war. Mit Mathews und ans
bern jangen übermüthigen Freunden führte er eine große Menge
luſtigen & aus, die han in England Hoaxes
Ran. Ginige finden füch im „Gurney’ und in andern Novel:
Im tur befchrieben, andere hat Mrs. Mathews in ber Bio⸗
rapie ihted Mannes mitgetheilt.
Heok ward durch Shrridan’s Bohn Thomas endlich in höhere
Eike eingeführt. Seine toyate umd alttoryiſtiſche Gefinnung be:
Dirfe ging |
des Staates für 12,
; feet.
faͤhigte ihn ohnthin, füdh in ben ariſtokratiſchen Kreifen mit Erfolg gu
bevogen. Auch bex Megent (nachher Georg IV.) ließ ihn gu fich kom⸗
men, fand große Wcfallen an ihm und beſchloß etwas für ihn zu
ton. In der Ihat gab er ihm eine glänzende Anſtellung, aber Diele
warbe Dost’d Ungliuͤck. Er ging naͤmlich 1813 als Generals
schmungsführer und GSchagmeifter (mit Gintommen von 2000
Pf. Et.) nady ber Infei Mauritius. Fuͤnf Yahre lebte er dort
gluͤcklich und herrlich, bei aller Welt beliebt, aber zu ſehr aller
Melt vertrauend, der Geſchaͤfte nicht Eundig genug unb mehr.
auf feine Jagden ald auf die Buͤcher des Schagamts bedacht.
Unorbnungen ziffen ein, und es ergab ſich endlich ein Kaſſen⸗
befeet, der zuexft auf 20,000, endlich aber auf nur 13,000 Pf. St.
ermittelt wurde. Gefangen nach Bonbon geführt, hatte er nach
das Städ, daß Feine Criminalunterſuchung gegen ihn vingeleitet
' wurde: man gab ibm nur Nachlaͤſſigkeit Schuld; indeſſen dauer⸗
ten bie Unterfuhungen gegen fünf Sabre. Er war 1818 in
London angelangt; er wohnte dert in einem elenden Neſt und
Inüpfte nım feine Bekanntſchaften aus der Schaufpielerwelt
wieder an. Inzwiſchen regte dee Proceß der Königin bie Pars
teien und bas ganze Sand mächtig auf. Hook trat gegen fie
in die Schranken, zuerſt mit einem Bibel unter dem Titel:
„Tentamen, oder ein Verſuch zur Gefchichte Whittington's unb
feiner Kate. Bon Biceftmus Biankinſop.“ Unter Wpittington
ift der Aldermann Wood und unter der Katze die Königin Karo⸗
ine gemeint. Dieſem Spottgebichic im Bänkelfängerton folgte
fobenn feit 1820 die Zeitichrift „John Bull“, welde fo uns
geheures Auffehen machte, nicht wenig dazu beitrug, der Koͤ⸗
nigin die Volksgunſt allmälig zu entziehen, und fich endlich noch
| jange, "in mäßigerm Tone, als einflußreiches toryiftifches Blatt
erbieit.
Wer die Unternebmung biefes Blattes zuerſt veranftals
tete, weiß man nicht. Hook, der beinahe Alles ſelbſt fehrieb,
nannte fich nicht und verteugnete, als man auf ihn muthmaßte,
feine Autorſchaft. Er ließ im Blatte felbft Kolgendes druden :
„Was Leute doch für Einfälle haben. Unfere Lefer werden
feben, daß uns ein Brief von Mr. Hook zugegangen, worin
derfelbe jede Art von Berbinbung mit diefem Blatte in Abrebe
ſtelt. Theils aus Gutmüthigleit und theild um diefem Herrn
zw zeigen, mie wenig wir ein erlangen danach tragen, mit
ihm in Verbindung au ſtehen, haben wir eine Erklärung aus⸗
gefertigt, welche ohne Zweifel feiner Erankhaften Empfindlich
keit und feiner gezierten Heikligkeit Genüge thun wird. Wir
find fo frei, zu befennen, daB Zweierlei uns bei dem Handel
wundert: erſtlich, daß irgendwo etwas von Dem, was wir ber
Mühe werth bislten zu publisiven, für Wr. Hook's Arbeit ans
geſehen werden Tonnte; zweitens, daß fo ein Subject wie Mir,
Hook ſich für berabgewürdigt halten kann durch eine Bezichung
zu John Bull.” Das Journal ging eine Zeit lang fo gläns
end, daß es ihm, wie feine Zagebücher ergeben, in einem
abe WU Pf. St. eintrug. Da 1823 die Unterfucdung ber
Mauritius ſchen — beendet und er als Schuldner
Pf. St. erfannt worden war (ex ſelbſt
behauptete ſtets, der Defect betrüge nur MOD Pf. St.), fo
wurbe feine ganze unbedeutende ‚Babe verkauft und cr eingeler-
Er biteb anfangs, weil er immer noch Hoffte, freigelafs
fen zu werben, in Gewahrſam bed Sheriffs Dir. Hump, unb
zwar in ungefunder, feuchter Wohnung, unters angeflrengter
Axrbeit, ohne leibliche Bewegung und bie fpät in bie Nacht von
feinen Freunden befuht. Seine Gelunpheit hatte daher ſchon
gelitten, als er nad) Kingsbench trandportirt wurde. Anbeffen
tieß man ihn 1825 wieder frei. Er miethete eine angenehme
Wohnung in Putney, gab die erfie Serie feiner „Bayings and
doings’' heraus, gewann viel Geld an feinen Novellen und
richtete fih 1827 glänzender ein. Er ſcheint entſchloſſen gewe⸗
fen zu fein, obgleich er nicht leugnete, daß er für die Kaffe
‘von Mauritius verantwortlich geweſen, dem Staate nichts vom
den 12,000 Pf. St. zy zahlen, indem er fi ſchon hinlaͤnglich
gebüßt glaubte burch die lange Unterfuhung, Daft und Leiden.
Schlimm mar es für ihn, daß er fi) der ariſtokratiſchen Ges
fenichaften nicht ermehren konnte, die ihm nad) angeflrengter
Kogesarbeit feine Nächte raubten, fein fauer erworbene: Gelb
überdies, das er im Spiel verlor, und feine Geſundheit vollends
zerchtteten. Ungeachtet feiner beträchttichen Cinnahmen gerieth
ee in Schulden, Streitigkeiten mit feinen Verlegern, und brachte
es nicht dahin, die Mutter feiner Kinder, wie er es vorhatte,
u beiratben. So führte er, während er für ben unterhauend⸗
ın, luſtigſten Mann galt, ein geplagteß, forgen: und ſchmerz⸗
volles Leben, wovon feine ftets fortgeführten Tagebücher Zeuge
wiß geben, wie auch Häufig feine Novellen. on den Sayings
and doings” war die deitte Serie 1828 erfchienen; 1830 „Max-
well” (3 Bde.); 1832 „Sir David Baird's Leben‘ (2 Sde);
1833 „Des Pfarrers Tochter” (3 Bde) und „Liebe und Stolz’
(3 Bde). Im 3. 1836 wurbe er Herausgeber des „New
monchiy magazine”, für weiches er feibft feinen „Gilbert
Gurney’ und bie Rortfegung „Gurney married’ lieferte (wie
fon bemerkt eine Art Selbſtbiographie), beides fpäter befon= |
ders abgedrudt (in je 3 Wänden). „Jack Brag’ erſchien 1837
(3 Bye) und „Geburten, Todesfälle und Heirathen“ 1839
(3 Bde). Endlich noch „Precepts and practice” (3 Bbe.),
„Wathers and sons‘ (3 Bde.), beides aus dem Jahrgang 1840
des Magazins. Er farb am 13. Auguft 1841 in einem Alter
von 53 Jahren Kür feine Hinterbliebenen, denen er nur Schul:
den zuruͤckließ, ift eine Sammlung veranflaltet worden, deren
Ertrag aber hoͤchſt unbedeutend und für die ungeheuer reihen
Freunde, die den Geiſt des vieldegabten und unglüdtichen Mans
nes täglich in ihren Luftbarkeiten wie für ihre politiſchen Zwecke
ausgebeutet hatten, ſchimpflich genug ausfiel; nur der König
von Hanover fandte 500 Pf. St. aus freiem Antriebe. Was
fi) aus dem Werkaufe feiner Bücher und Effecten ergab,
2500 Pf. St., nahm die Krone als privflegirter Glaͤubiger.
„in natürlichen Anlagen’, fagt der Biograph im „AQuar-
terly review”, „fand Hook vielleicht wenigen feiner Zeitgenoffen
nach. Er hatte ein offenes, einnehmendes Geſicht, einen hoben
und mwohlproportionirten Wuchs, einen kräftigen Körper, ein
fanftes Gemüth, ein warmes Herz. Gr war menfchenfreunds
iich, mitdtbätig, großmäthig., Sein Wig hat ihn vielleicht
niemals um einen Freund gebracht, und man Eonnte nicht mit
ibm umgeben, ohne ihn zu bewundern und ibn lieb zu gewin⸗
nen... ... „Wir haben ihn in Geſellſchaft mit vielen der her
vorragendften Männer feiner Zeit gefehen und find niemals, bie
an fein Ende, heimgegangen, ohne ihn als Gefellihafter für
unübertroffen zu halten. Gr konnte kein Geſchichtchen erzählen,
ohne es durch feine ſtets neugeftaltende, unermuͤdlich erfinderifche
Saune ganz zu feinem Eigenthum und durch die Verknuͤpfung
wit den Vorgängen und Intereflen des Abends zu einem wah⸗
ren Gemeingut der Gefellfchaft zu machen. Sein Micnenfpiel,
der Wohlftang feiner Stimme, fein großes, bligendes Auge,
die Fähigkeit, feinem Geficht jeden Ausdruck vom ernfteften und
rüßrendften bie zum komiſchſten zu geben, feine Gewandtheit in
der Anwendung paflender Geberden und Stellungen, feine Staͤrke
in der Mimik, in der es ibm Niemand außer Mathews gleich
that, und zu dem Allen fein angeborener, unverſieglicher Hu⸗
mor, fein ſtets beiteres, fpleenlofes Wefen, und das Blitzen
eines tiefen Sinnes durch alle Poflen und Gaufeleien hindurch,
wie ließe fidh das befchreiten? Der Reiz lag darin, daß es bei
ihm Alles Natur war, fprubelnd wie Waſſer aus dem Zelfen.
Kein Wunder, daß er fo beliebt war: aber das Ehrenwerthefte
dabei iſt, daß er weit entfernt von aller Kriecherei war. Es
war eine Ihorheit, eine Schwäche, fi zum Wergnügen Ande⸗
rer ausbeuten zu laffen und fo viel Zeit, Gefundheit und fogar
Seelenruhe daran zu fegen; aber in der Geſellſchaft, von wel:
der Staffe fie fein mochte, zeigte er niemals gemeinen Sinn.
- &r hatte allerdings eine gewilfe Achtung vor bloßem Rang und
weltiichem Glanz, woran fi fein niedriger Urfprung und
feühefter Umgang verrieth, aber um fo anerfennungsierther
wor ed, daß er fi niemals zum Schmeichler und Kriecher
herabwuͤrdigte.“
Nach feinem Tode erſchien noch „Peregrine Bunce” (3 Thle.,
maligen Landtagsabgeordneten.
Geſchichte und Satire.
London 1842) unser feinem Namens der Verf. der Skijze über
fein Erben, woraus wir das Obige mitgetbeilt haben , if jedoch
be zufiht, daß biefes Buch doͤchſtens thellweiſe von Hort
. 4,
Bibliographie.
Die arabiſchen Actenftücde über die Grmorbung bed Pater
Zhomas und feines Dieners in Damaskus. In das Deutſqhe
uͤderſeht nach der mwörtlidden Übertragung im [’Univers von X.
v. Morell. Nürnberg, Schrag. Br. 8. 7%, Rar.
Aphorismen über den Entwurf des Strafgeſetzbucht in ſei
an exiehungen zur Retigion und Kirche. Trier, Eins. Or.$.
ar.
Baur, 8. ©., Die chriflliche Lehre von ber Dreieinigkeit
und Menfchwerdung Bottes in ihrer geſchichtlichen Entwickelung
Iter Theil: Die neuere Geſchichte des Dogma, von ber Kıfor:
mation bis in bie neuefte Zeit. Tübingen, Dfiander. Gr. 8.
4 Thlr. 15 Near.
, Böhnede, 8. G., Forſchungen auf dem Gebiete ber at:
tifgen Redner und ber Gefchichte ihrer Zeit. After Band in
zwei Abtheilungen. Berlin, Reimer. Gr.8. 3 Thir. 1), Nor.
Gommiſſions⸗ Beriht am bie Unterzeichner der Petitim
vom 8. uni 1842. Hamburg, PerthessWBefler und Maule.
Er. 8. 1 hir.
Dies Buch gehört dem König. In zwei Abtheilunge.
Berlin, Schröder. 8. 4 Thir.
Döllinger, J., Der Proteftantismus in Bayern un |
bie Kniebeugung. Sendſchreiben an Hrn. Prof. Harleß, der |
J Regenſsburg, Manz. Gr.8.
gr.
Einiges über die rufenden Stimmen ober bie fogenannt
Predigttrantpeit in den Jahren 1842 und 1843. on einem
Augenzeugen. Nebft zwei Berichten: 1. des Phyſikus Dr. Etöß:
berg in Joͤnkoͤping; 2. des Biſchofs Butſch in Skara. Aus
dem en Geipaig. Michelſen. Gr. 8. 10 Rat.
röhlih, A. E., Der junge Deutfchs Michel. Funk,
Meyer und Zeller. 8. 20 Rar. i ſche iche Din
Grimm, Brüder, Kinder⸗ und Hausmaͤrchen. Greße
Ausgabe in Heften. Aftes Heft. Göttingen, Dieterid. Gr. 12.
gr. '
Groscreup, R. v., WMiscellen aus dem Gebiet: kt
Berlin, Hayn. Gr. 132 I Ihe. |
Dammerftein, E. Freihr. v., Das Gymnaſium zu Cl.
Deffen Gethihte bis auf die neuefte Zeit. Celle, Schutze jun.
. r.
Die Jubelfeier bes Herrn Staatsminiſters von Schoͤn. Am
8. Juni 1843. Koͤnigsberg, Voigt. Gr. 8. 10 Ngr.
Kalender und Jahrbuch für Ieraeliten auf das Jahr HM
(1843/44). Herausgegeben von 3. Buſch. ter Jahigang
Wien, v. Schmid und Buſch. Sr. 12. 2 Nor.
Liederbuch für Turner. Herausgegeben von W. Looff.
Afchereieben, Saue. 12. 7% Nor.
Mayer, B., Das Judenthum in feinen Gebeten, Et—
bräuchen, @efegen und Geremonien. Regensburg, Manz. Gr}.
2 Thle. 7Y, Nor.
Redslob, D. &., Über den Glauben an ben Megſcen
und an deffen hödhfte fitttiche Beſtimmung. Gin pfocotogifder
Nor
Berfuch. Strassburg, Schuier. Gr. 8.. 15
gr. |
Sommer, $. v., Poetiſche Bilder ber Vergangenbei
und Gegenwart. Ifte Biiderreihe. Berlin, Hayn. Gr. 9.
ar.
Ufrialow, N, Die Gefchichte Kußlands. Aus dem
Ruſſiſchen überfegt von ©. W. Ber Band. Ite Abthrlung.
Stuttgart, Cotta. Sr. 8. 15 Nur.
Was ift der beutfch = ebangeliſche Guſtad⸗ Adolph : Verein
und wie kann man ihm beifen? Leipzig, Kummer. 8. 9 Rat
Berantwortliher Deraußgeber: HDeinrih Broddans. — Drud und Verlag von F. J. Brochaus in Leipzig.
Blätter
für
literarifhe Unterhaltung.
Dienflag,
keffingianae.
(Boxtfegung aus Nr. AI.)
Diefe Bemerlungen aus einer früheren Lebensperiode
keſſing's erinnern von felbft an feine fpÄtere, fo verdienft:
volle und originelle „Damburgifhe Dramaturgie. Man
weiß, daß Leffing diefe Wochenſchrift — das war fie urs
ſpruͤnglich — mehr abgebrochen als beendet bat, haupt:
fachlich aus Verdruß über den fchamlofen Diebftahl, den
die Dodsley und Comp. an diefem Unternehmen begingen,
worüber ſich das letzte Stuͤck in bitterm Humor ausläßt,
mo der Verf. zugleich von dem Publicum Abfchied nimmt.
So kam es, daß die „Dramaturgie bei dem 52. Abend,
den 28. Juli 1767 (Wiederholung der „Brüder von Ro⸗
manus) aufgehört hat. Nun findet fi aber unter un:
ſern Papieren auf zmei Bogen von Leffing’8 Hand eine
Aufzählung aller Stüde, mit Hinzufügung des Datums
von Tag und Monat, nicht nur derjenigen, welche in der
„Dramaturgie“ feibft vorkommen, fordern auch derjenigen,
wide in der Kortfegung darin noch hätten vorkommen
ſelen. Der Anfang diefes Entwurfs ift nicht mehr da,
das Vorhandene füngt erft mit Nr. 35 „Rodogune“ von
Pater Corneille an (übereinflimmend mit dem gedruckten
Zeste, daher auch Leffing die Geitenzahlen feiner Ausgabe
bdis Mr. 44 dazu bemerkt), geht aber weit über den 52.
Abend hinaus und bricht erft mit dem 141. Abend, den
4. Dec. 1767, ab. Dabei fälle nur dies auf, daß in
Bezug auf die in der „Dramaturgie“ befprochenen Stüde
ke handſchriftliche Entwurf nicht überall mit dem Buche
ibereinftimmtz 3. B. fefen wie im Entwurfe auf Nr. 47
Dienftag den 21. Zult: „Der Zmeitampf”, dagegen im
Buche die Wiederholung von „Nanina“, worauf „Der
moermuthete Ausgang” von Marivaur folgte; fo nament:
id, was uns hier näher intereffiren wird, bei Nr. 50
50, Abend), Freitags den 24. Juli, „Die Frauenſchule“
on Molitre, im Buche aber unter demfelben Tage:
Sriffers „Sidney wiederholt, und „Der fehende Blinde”.
8 find nun zw gleicher Zeit einige dramaturgifche
Fiagmente vorhanden, welche theils, nach dem handſchrift⸗
liden, ſoeben genannten Verzeichniſſe angelegt find, theils
wer Nummer noch Datum haben. Sie koͤnnen, ob:
ſchon dragmente, als. sine Art Ergänzung des Vorhande⸗
wen nicht ohne Intereſſe geleſen werden. So ſteht das
folgende Fragment, deffen Abweichung dem Datum nach
ich ſoeben berührt habe, mit dem über Dtway’s Luſtſpiel
Mitgetheilten in gewiſſer Beriehung. *)
Den funfzigften Abend (Freitags den 24. Zulius) ward bie
Frauenſchule des Moliere wiederholt.
Moliere fah in ber legten Hälfte bes Jahres 1661 und
das ganze Jahr 1662 fein Theater ziemlich verlaffen. Denn
die ganze Stadt lief zu den Stalienern, um ben Scaramouche
zu feben, der wieder nach Paris gelommen war. Wollte Mor
liere nicht den leeren Logen fpielen: fo mußte er bad Publicum
durch etwas Neues zu locken ſuchen, fo ungefähre von dem
Schlage der welfchen Schnurren. Er gab alfo feine Frauen»
ſchule: aber das naͤmliche Publicum, welches dort bie abges
ſchmackteſten Poffen, die efelften Boten in einem Gemengfel von
Sprache ausgefchättet, auf das unbändigfte beladyte und bes
klatſchte, erwies ſich gegen ihn fo fireng, als ob es nichts als
bie lauterfie Moral, bie allerfeinften Scherze mit anzuhören ges
wohnt fei. Indeß zog ex es doch wieder an fih, und er lief
fi gern Eritifiren, wenn man ihn nur fleißig befuchte.
Die meiften von diefen Krititen zu Schanden zu machen,
hatte er obnedem alle Augenblicke in feiner Gewalt, die er denn
endlich auch Auf eine ganz neue Art übte. Gr fammelte mäms
lich die abgefchmadteften, und legte fie verfchiebenen Tächerlichen
Driginaten in den Mund, mengte unter biefe ein paar Leute
don gefundem Gefchmade, und machte auß ihren Gefpräden für
und wider fein Stüd eine Art von kleinem Stuͤcke, das er bie
Kriti des erften nannte („La critique de l’Ecole des femmes’),
und nach bemfelben aufführte. Diefe Erfindung iſt ihm in ben
folgenden Zeiten von mehr als einem Dichter nachgebraucht wor⸗
den, aber nie mit befonderm Erfolge. Denn ein mittelmäßige®
Stuͤck kann durch eine folche apologetifche Leibwache das Ans
fehen eines güten body nicht erlangen, und ein gutes wandelt
auch ohne fie durch alle hämifchen Anfechtungen auf bem Wege
zur billigen Nachwelt ficher und getrofk fort. — —
Leſſing hatte die „Hamburgiſche Dramaturgie‘ mit der
Kritik von Cronegk's „Olint und Sophronia“ begonnen
und dieſes Stuͤck, wie den Dichter ſelbſt, ziemlich ſtreng,
wenn auch wahr beurtheilt. Hierauf bezieht ſich das folgende
Fragment, wo Leſſing ſein Urtheil gegen den Vorwurf zu
) Die Stücke von 83. an bis zu Ende find großentheils bie auch
vorher gefpielten und von Leffing befprodenen, von den neuen ſchei⸗
nen wenige zu den bebeutendern zu gehören. 58. Abend: „Eduard
und Cieonora”. 57T. Abend: ‚„Iurcaret” von Le Sage. 97. Abend:
„Tartuffe (der Werluft von Leſſing's Kritit gewiß zu bedauern).
132. Abend: „Claus Luftig, ein Milchbauer, als Klerander der Große,
oder die Komödianten auf dem Lande, in drei Anfzägen, nad bem
Hollaͤndiſchen des ‚Herrn Langendyk, Kraws Lonwen.” 132. Abend:
„» Mohammed” von WBoltalte, nad Löwen’d Überfebung (wurde
mebrmald wieberholt), 141. Abends „Mobammed ber Prophet‘
(dab leßte). .
m
großer Schärfe, den er erfahren haben muß, in Schutz
nimmt. Es iſt ein bloßer Entwurf.
Den — warb Dlint und Sophronia wiederholt.
Bon bem vermeinten Unrechte, welches ich dem Herrn von
G. alg dramatifchem Dichten erwieſen haben Toll. |
rum wollen wie mit Schägen gegen Auslaͤnder prahlen,
die wir nicht haben ? So fogt 3. E. das Joursal eneyciopedique
1761, daß fein „Mistrauifcher” auf unferm Theater Beifall ge-
abt, und allegeit gern gefehen wurbe. Nichts weniger als das.
8 ift ein unausſtehliches Stuͤck, und ber Dialog deffelben du:
$erft platt.
Was bafelbft von feinem Dlint und Sophronia gefagt
wird, ifk noch fonderbater. '
Durch den Beifall, welchen fein Kobrus gefunden, aufge
muntert, batte er eine andere Zragddie unternommen, in welche
er die Chöre, nad der Weife der Griechen, wieber einführen
wollen. Er wollte verfuchen, ob Das, was Racine in Frans
reich mit fo vielem: Gluͤcke in ſeiner Athatte getban hatte, aud)
in Deutſchland gläden werbes nachdem er aber bie allergebften
Schwierigkeiten überftiegen, und feine Arbeit bereits fehr weit
efommen, gab er fie auf einmal auf, weit er glaubte, daß fein
orbaben, wegen ber Beichaffenheit der deutſchen Muſik (at-
tendu de la musique allemande) nicht gelingen koͤnne.
glaubte zu bemerken, daß fie auf keine Weiſe der Schönheit ber
Gefinnungen und dem Adel ber Gedanken, die er ausbrüden
wollte, gewachſen fe. Dod uns bünft, er hätte der Mufit
gi lich überhoben fein Tönnen, ſowie es der Herr von Voltaire
h feinem Brutus mit den Ghören gemacht hat. Doc dem fei
wie ihm wolle; genug er gab fein Stüd auf; die Fragmente,
die bavon übrig find, und in benen ſich große Schönheiten be:
finden, machen, daß man es bedauern muß, baß er nicht bie
ietzte Hand an das Merk gelegt. Deutfchland würde ſich ruͤh⸗
men können, eine chriſtliche Tragoͤdie zu haben, die feinem Thea:
tee Ehre machte.
Wie abgefhmadt ift das! Die deutſche Muſik! Wenn
e Bit gefagt hätte, die deutſche Poeſie wäre zur Muſik un:
e !
i Und die ganze Sade ift nit wahr. Cronegk hat feine
Urbeit nicht aufgegeben, fondern er iſt darüber geftorben.
Was ber Zournalift am Ende dazu fegt, ift allem Anfehen
nad auch eine Lüge: „Un 6crivain anglais qui a senti le
mörite de cette tragälie, se l’est appropriee. La pièce a
para sous ce titre: Olindo and Sopbronia,, a tragedy
taken from Tasso, by Abrakam Portal” (kondon 1758).
Da wird ber gute Portal zum Plagiarius, ber vielleicht
den Namen Cronegk's nie gehört hat. Anno 1758 war Gros
negk's Dlint noch nicht gedruckt.
Hieran ſchließe ſich folgendes Meine Fragment:
Den — warb Miß Sara Sampfon wieberhoft. *)
Auch ber Herr Baron von Bielefeld bat in feiner neuen
Ausgabe feines Progres des Allemands (Leide 1767, T. II,
. 343), dieſes Stuͤck durch einen umftänblichen Auszug ben
usländern befannt machen wollen. Der Berfafler muß ihm
für diefe Ehre verbunden fein; aber follte er nicht eines und
das anbert gegen das Urtheil des Herrn Barons einzuwenden
ara Sampfon, ſagt Hr. von Bielefeld, iſt zwar ein ur⸗
ſpruͤnglich deutſchet Stuͤck; gleichwol ſcheint der Stoff aus eng⸗
iiſchen Romanen genommen ober nachgeahmt zu fein, unb der
fowie der Geſchmack diefer Nation, darin zu berrichen.
Was Toll biefes eigentlich ſagen? Der Stoff fcheint aus eis
nem englifchen Romane genommen zu fein? Einem bie Grfin
dung von etwas abzufizeiten, if dazu ein „es feheint” genug?
Welches iſt der englifhe Roman — —
r\ (Der Beſchluß folgt.)
Man. vgl, Rt. XIV, ben 16, Zuni 178.
Boltspoefie.
1.. Siawiſche Balalaika. Bon Wilhelm v. Walbbräpt
Reipzig, Hirſchfeld. 1843. Gr. 8. 1 Tbir. 15 Rear.
Der Überfeger, um mit dem Zitel anzufangen, nennt fein
Wert „Balslaita”’, weil biefee Name das vo lie Son:
zeug des größten flawifcdgen Stammes, bes ruſſi begeichnet,
ein Inſtrument, weiches fig” an Beflatt und Ton ziemlich un⸗
ferer Sither nähert, doch zum Spiele weniger Saiten und eine
unbeholfene Stimmung bat. Gr liefert in feiner Sammlung
eine Blumenleſe ber Bolkögefänge aus Groß: und Klein⸗Rußland
und Polen, weldye Länder unter allen flawifchen, was ihre Lie
berpoefie betrifft, uns in Deutfchland noch am wenigften bekannt
und zugaͤnglich find, während wir allerdings durch viele Gamm-
lungen und gelungene Übirfegungen mit der ferbifchen, boͤh⸗
und anderer &i iemtich beinumt
o wurhen.
Der gefhäste Verf. hat felbft in ben genannten Ländern gelebt
und theilt uns in der Vorrede intereffante Beobachtungen mit,
die wir, der Kritik ſlawiſcher Alterthumsforſcher vorbehaltend,
bier nur anführen koͤnnen. Er findet die aͤlteſten groß⸗ruſſiſchen
Lieber immer reimlos, defto Hämfiger finden fi) aber Affonangen.
Aud in den fpätern find bie Reimfpusen nur wie zufäftig, wähs
rend erft in der neueften Zeit bie Ruffen das Reimen vom den
Polen gelernt zu haben ſcheinen. Bei den Eleinsruffifchen Lie⸗
dern aug der Ukraine entbehren aber nur bie allerälteften des
Reims. Sonft berrfcht der Reim vor, nur baun.unb wann
mit einzelnen Aſſonanzen, ober wenigen ganz reimiofen Stellen.
Es ift des überſeters Bermuthung, daß die ſlawiſchen Bölker
erft durch den Umgang mit den germanifcdhen, je nach der mäbenn
Berührung, fi) den Reim angeeignet bätten.
Der lberfeger bekennt, daß feine Sammlung nicht erfchöpfe,
da bie verſchiedenen Stämme auch in ihrer Urfprache keine
durchaus erſchoͤpſende Sammlung befigen, ja daß, was er biete,
nicht einmal eine Auswahl gemannt werden bürfe, ſondern nur
ein Griff in ben reichen Hort der Woͤlker. Diefer Griff ik
aber ein glüdlicher und bes Anziehenden und Schoͤnen iſt gewiß
in ber großen Sammlung von 524 Geiten vieles. Mrhr aber
wol bes Bezeichnenden, werauf es zumeift ankommt, wenn wir
fremde Boitslieber in die Danb nehmen; wir wollem aus feinem
Drunde das Volk Eennen lernen. Und ba ber Überfeger nur
Griffe in den Schag gethan, wird es in unferer Anzeige auch
erlaubt fein, nur griffweife aus feiner Sammlung etwas heraus:
gunehmen, wo ed nur gilt, einen Begriff von bem Eharafterifti:
chen. zu empfangen umb zu geben. Wie beuttich Klingt uns in
einem Liebe: „Der Hoͤrige“, das ſittliche Verhaͤltniß 3. B. ent
gegen, wenn es heißt:
... Heer Berwalter, komm zu Börre,
£affe dich erbitten;
Pruͤgle nicht zu fehr mein Maͤbchen,
Wenn bad Korn gefänitten.
unb:
Daß bein Auge dir, Verwalter,
Mög’ ein Kind zerſchlagen,
Daß du zu fo Barter Frohne
WINK mein Maͤbchen jagen.
Dennoch iſt es in ber Fremde traurig, daß der Autgeſtoßene zuft: |
Hätte de mil doch, o Mutter,
In ben Fluß getragen,
She daß ih fo ungiädtii..
In die Welt verſchlages.
Die Beopferte aber fingt ein Lied, welches in tauſend Warie-
tionen mag wiebergeftungen haben:
Heimatweiler bu,
Weller füßer Ruß!
Gelmatweller du,
11 Bon Moskau nit feinz
Bon edlen niht fer,
Ach iegt Uegſt du wüßt
Der Beawalter Wi
Treulos di verheert;
Dee Starole balf
Zu verwuͤſten did. —
Mich gab man zu Ep
Einem altea Mann.
Darum ſchmerzt das Haupt
Auch mir Jungen fo;
Darum ſchmerzt bad Daupt,
Darum bin id frank.
Ja dem Arme ſchlaͤft
Mir mein lauer Dann.
Schlaͤft in meinem Arm-
Und befiehlt den Kuß.
Ich, ih kuͤſſen ihn!
Nein, ih mag es nit;
Ich vergeſſe nie
Meinen Herzenfreuud.
Scherzen find über alle Welt ausgebreitet, wie ich denn
glarbe, daß bie erften Licher nicht bie Ausbruͤche ber Freude,
fondern des bangen MWichgefühle waren. So auch in Große
und KieinRuftend. Es war bad Volk, weiches fang. Die Mies
lodies ſprechen es aus. Gie atmen das Gefuͤhl einer tiefen
Scqhwermuth, einer ergreifenden Klage. Schmergen, woruͤber
nicht / Aber bee Eiche gebührt die exfte Stimme, auch unter dem
rufifhen Bauern. füple mit den Gedruͤckten, Gejagten,
Bufofenen, Gepeinigten, als die Natur! Ihr klagt ber uns
otädtich Liebende, ihre ber Räuber. Aber bie Natur iſt nicht
der verſcheimmende, allgemeine Begriff, am wenigften ein fen
timenteler. Sie wird durch die Thierwelt vepräfentist, bie Voͤ⸗
gel ſprechen und verſtehen die Sprache. Daher beſtaͤndiger An⸗
ruf an fie, Gleichniffe mit ihrer Lebensweiſe, Erſcheinung. Das
trene Boß harrt aus bei ber Leiche des Erſchlagenen, bie «6 bie
Verwandten ruft, um ihn zu beexbigen, ober zu rächen. Poeſie
* F Ausdruck, oft Bet Pla —— —
en, Folgerungen un ngen, welche gu verſtehen
unfererfeitd ein Aufgebot unferer Verſtandeskraͤfte nöthig wich,
waͤhrend fie dem Raturmenfchen, mit feinen dafür gefdkieftern
Sianen, fi von ſelbſt geben. Poeſie, aber durchaus lyriſch;
au wo ein Gebicht als Ballabe anhebt, verliert es fidy bat
in Gefählsergüffen. Von der epifchen Geftaltungstraft, bie ſich
in den ferbifchen Volksliedern fo mächtig regt, und oft fo eigens
thuͤmlich hiſtorifch geftaltet, finden ficy hier Beine Spuren. Die
Zonzlirder find bei den ukrainiſchen Kofaden wie bei ben Polen
in großer Anzahl vorhanden. Hier natuͤrlich muß die Welans
chelie der ſtuͤrmiſchen Luft weichen. Dinfichtlich dee polnifchen
Volketieder macht der Überfeger die Bemerkung, baß fie im ſla⸗
wilden Kranze Das find. was die oͤſtreichiſchen im beutfchen :
Eieder der Heiterkeit und ber Lebenstuft, bie wol dann und
wem in Gintönigkeit und Flachheit ausarten. Der ders
ſeter hat zue Kenntniß der Bolkslieder ein verbienflliches Wert
durch dieſe „Batalaila” geliefert. Ihm war es um bie Sache
Saft, vielleicht ging er aber etwas zu ernfl baranz denn ets
wos mehr Freiheit in ber Übertragung hätte zur leichtern Mer: K
faͤndigung und Würdigung verholfen.
2, Deinns. Pitauifche Vollelleber. Geſammelt, überfeht und
mit gegenuͤber ſtehendem Urtert herausgegeben von 2. I. Rheſa.
Net einer Abhandiung über die. lithauiſchen Volksgedichte
und muſikaliſchen Beilagen. Neue Aufiage. Durchgeſehen,
berihtigt und verheffert von Friedrich Kurſchat. Berlin,
Ertlin. 1843. 8. 1 Tips. 15 War.
Die erfte Auflage diefer „Lithauiſchen Volkolieder“, weiche
18% in Königsberg erfchien, wurde dort größtentheils abgefekt,
dar durch den deutſchen Buchhandbel weiter verbreitet zu fein.
Der treffliche berſetzer iſt —56 geſtorben, und fein Rach⸗
in der Direetion bes Lithaukſchen Seminars zu Konigs⸗
bat es Kbermommen, eine neue, durchgefehene, berichtigte
verbeſſerle Auflage vor daB größere Pubticam zu bringen,
welches tiefe intexeffante und ideen gupärbigte inbe:
Dank hinnehmen wird. Die Berichtigung ——
naͤmlich auf eine kritiſche Reviſion des Urtertes, nicht auf bie
Überfegung, da es nicht rathſam erſchien, die gelungene Arbeit
eines Zobten einer fremben Zeile zu unterwerfen.
Die lithauiſchen Dainos find größtentheits Lieber erotifcher
Gattung, fortgefegte Idyllen des häuslichen Lebens, indem fie
die zarten Berhältniffe zwiſchen Ramiliengliedern und Verwandten
auf die anfpruchlofefte Weile vor Augen führen. Die ganze
Sammlung iſt gleihfam ein Eyfins der Liebe durch alle ihre
Abſtufungen bis zur Vollendung in der Ehe. Wie einfach lieb⸗
lich glei das Beh „Der Brautſchag:
Ich, der lichen Mutter
Eingeborne Toter,
Var nit ſaͤumig, ihr Geſchäfte,
Gaure Arbett anzugreifen,
Gleich den andern Maͤgben.
Mir. befahl die liebe Mutter
Irſh am Morgen aufpeftehn.
Sch gehorchte, fruͤh aufſtand ich,
Bänbete ide Feuer az,
Seüpteft zu bereiten.
Mir befahl die liebe Mutter
Belinea Garn zu ſpinnen.
. Ich gehorchte, ſpann geſchwinde
Mir befahl die liebe Matter
Seine Eeinewand zu weben ,
Und ich webte, ſchlug zuſammen
Da ſchon führt man meinen Brautieg
doet in fremde Gegend,
Mu zweien, dreien Wagen,
Mit fünfen, ſechſen Roſſen
Allen Feſtbegleitern.
Die Mäder ſchnitten tief ein und -riflen bie Saiten entz wel
Und von Kummer ganz zerriſſen
War dad Herz bed Maͤgdleins.
Als fie durch die Kleete ging, wankten bie Dielen ber Kierte unb
Traͤufend troffen von meinem Antiig
Die beißen Thraͤnen.
Bon diefer feinen, finnlidhen Anfchauung find alfe biefe merk
würdigen Lieber erfüllt. So ſpricht der Bräutigam Mur Braut,
als er fie den Kranz flechten fteht, den Brautkranz „Wainilas”
aus Rauten geflochten :
Sieh ber betrachtend
Du zartes Maͤgdlein
Be mein Rob erjittert.
So vwirf bu zittern,
Wenn du im Brautfrang
Bu mir geführt wirft: werben.
Und wann bu gehn wirft
Un meiner Seite,
Wirt du wie Wachs zexrichmelgen.
Stanig, zart, rührend, vom tiefften, aber klaren re
eingegeben hauchen die Lieber hin, beachtenswerth bu pi
Stempel ber reinen Sittlichkeit, ber faft allen aufgebeädt iſt.
Wenn ſchon bie eine w Wirkung bervors
briagt, um was mehr muß es bad Driginat I Die Berbeiratkung
mit einem Jrohnbauern duͤnkt bem jungen Maͤdchen das bitterfbes
Wer Kammer wii erieben
Die geh? zur Braut und werde
Des Schaarwerkſohnes Gattin.
Das Schaarwerk hieß bei den Lithauern bie Plage, ——
ber Bertuft fo vieler Tage für die Bearbeitung bed eigenen Fe
des, die meitenweite Reife, die barbarifche machte
zen den Frehadienſt dazu. Lieber will has Weäbdien bes
Kerwoirters Sohn heirathen:
Gr wird zum Walbe gehen,
Ins gräne Birkenwoͤldchen,
Mich laſſen Im fügen Schlummer.
Bebeckend mit dem Pfäble.
Er wird vom Walde kommen,
Vom grünen Birkenwälbchen,
Mitbringen braun Geflügel,
Und holde Liebesworte.
An eigenthuͤmlicher Phantaſie fehlt es den lithauiſchen Liedern
nicht. Der Mond hatte die Sonne zur Frau genommen, ba
war erfier Frühling. Aber die Sonne ſtand früh auf und ber
Mond verbarg fi. Gr wandelte einfam und gewann ben Mor:
genftern lieb. Da ergrimmte der Donnergott und zerbieb ihn
mit dem Schwerte. Rhefa zweifelt, ob eine europaͤiſche Nation
vorhanden fei, weldhe bie Liebe der Bauernhütte in fo vielfeitis
gen Brautliedeen ausgemalt habe. Ihre Eigenthuͤmliches, fagt
er mit Recht, ift ihre ſchlichte Natürlichkeit, ihr ungezroungene®,
einfaches Wefen, was jede Kunft in Wendungen, Bilbungen
und Vergleichungen, kurz allen Schmud der Poeſie verſchmaͤht.
Hierdurch kündigen fie ſich beim erſten Blick als Producte an, bie
aus dem Wolfe felbft hervorgegangen find. Die Llithauifchen
Dainos tragen keine Spur einer fpätern, kuͤnſtlichern Bearbei⸗
tung an fi, wie die Volkslieder der meiften Nationen, ſelbſt
die ſo ſpaͤt erſt uns bekannt gewordenen der Serben nicht aus⸗
geſchloſſen. Einige tragen unverkennbare Spuren eines hohen
Titerthums an ſich, andere find erſt in den legten Kriegen ges
dichtet. So lebt alfo die Poefie in dem Landvolke fort. Aber
da das Heidenthum bis lange nach der Reformation ſich in Ei:
thauen erhielt, ift es fein Wunder, wenn bie alte Mythologie
in vielen Liedern vorherrfcht. Über das eigenthuͤmliche Metrum
leſe man Rheſa's gehaltreiches Vorwort noch; der Heim ift nicht
allein nicht weſentlich, fondern ſcheint, wo er ſich findet, nur
durch den Zufall herbeigeführt.
Vergébens blieb Rheſa's Mühe — er bat 15 Jahre an
dem Werke gefammelt, und aus Liebe zur Sache weder Reifen,
Arbeit noch Koftenaufmand gefcheut —, hiftorifche Lieder unter
den Lithauern aufzufinden. Die Analogie ber benachbarten Na⸗
tionen ließ ihn folde auch unter den Lithauern vermuthen, bie
ihre Heldenzeit und berühmte Krieger und Derzöge gehabt ba:
ben Vermuthlich haben fie fih aber, aus Mangel an Aufs
zeichnung, im Munde des Volks verloren. Doch, meint er,
daB vielleicht noch einige Bruchftüde in den, entferntern Gegen:
den Großlithauens ſich finden dürften. Ältere Chronikanten
fprechen deutlidy davon, daß das Volt feine Heiden befang. In:
tereffant ift die Notiz, daß Lefjing einer der erften Deutfchen
war, welcher auf den Werth der lithauifchen Volkslieder auf
mertfam madıte. 10.
— —
Literarifhe Notizen aus Frankreich.
Werke über Rußland.
Das neueſte Werk Cuſtine's uͤber Rußland, von dem unſere
politiſchen Zeitungen viel Geſchrei gemacht haben, verdient dieſe
Beachtung unſerer Meinung nach nicht. Es ſteht an Intereſſe
den meiſten fruͤhern Schriften des geiſtreichen Weltmannes, der
ſich in feinen fluͤchtigen Bemerkungen oft gar zu ſehr gegen
läßt, weit nad. Wir hatten Auffiärungen über politifche Ver⸗
bästniffe, Beobachtungen über den Buftand bes Landes und bie
verfchiedenen Gtaffen feiner Bewohner erwartet, aber von alle
Dem erhalten wir nichts. Cuſtine gefteht übrigens auch in aller
Ginfatt, er kenne weder das Voik noch den Mittelftand und
man dürfe deshalb in feiner Schrift nur folge Dinge fuchen,
die man beim Beſuch der höhern Salons fehen oder erfahren
ann. Dann uber durfte der Verf. auch nicht den vielnerfpres
enden Titel „„La Russie en 1839’ geben, ber ein vollftän:
diges Bild jenes intereffanten Landes erwarten ließ. Denn
appliquée a la physiologie et A la pathologie.”
wie gewaltig auch die Mall der Großen in Kußland fein
mag, fo wuͤrde mun body ohne Zweifel zu weit geben, wenn
man in ber großen und gemiſchten Bevölkerung biefes Ranker
ben dei allein fehen wollte. Gerade die unterm Claſſen ker
ruſſiſchen Nation verdienen jetzt befondere Beachtung, weit fi
bis jegt faft noch von keinem Gchriftfleller aus dem Schatten
bervorgezogen find, während wir unzählige Darftellungen aus
den höhern gefellfhaftlichen Kreifen in Rußland befigen. Sehr
beacdhtenswerth ift deshalb eine Schrift von Golowin, In mes
er dem bebrüdten Theile der Nation, namentlich den Erik:
eigenen, befondere Beachtung geſchenkt wird. Der Berf, iſt
Nuffe von Geburt und lebt feit längerer Beit in Paris. Gr
kennt die Verhäitniffe feines Vaterlandes genau und if una
pengig genug, den Gchleier zu lüften, der uns bis jegt die Lage
es niedern Volkes in Rußland verborgen bat. Obgleich alle,
wie gefagt, Suftine bei feinen Darftellungen nur bie vornehmern
Claſſen der Geſellſchaft beruͤckſichtigt, gibt er doch auch in diefer
Beziehung nichts Befriedigendes. Er ift, wie man ſchon aus
feinen frübern Werten, namentlich aus dem beſten davon:
„L’Espagne sous Ferdinand VII”, weiß, ein geiſtreicher Beob:
achter, der bier und ba. irgend etwas aufzugreifen und inter
effant darzuftellen weiß. Sehr geſchickt ift er in der Cutwerfung
Heiner pitanter Skizzen, aber er hat nicht Ausdauer genug, um
ein vollfländiges Bild zu machen. Zudem gefällt es ihm, nur
immer auf ber Oberfläche hinzufpielen, ohne jemals auf den
Kern ber Sachen einzugehen. Ungleich intereffanter und werth⸗
voller für die Kenntniß. des ruſſiſchen höhern und niedern Weit
ift die befannte Schrift des Fürften Dolgoruki, welche derſelbe
unter dem Pfeudonym Amatgio herausgegeben und die ihrem
Verf., wie es heißt, die Ungnade feines kaiſerlichen Herrn zw
esogen bat. Vor kurzem haben wir auch nod ein anders
erk über Rußland erhalten, welches vecht gut gefhrieben if,
aber eben nichts Neues zu Markte bringt. Es führt ben Zitel:
„Impressions d’un touriste en Russie et en Allemagne”, don
Pierre Albert. Der Berf. diefes Schriftchens von geringem
Umfange wollte eine Art von Reiſehandbuch geben, aber dem
Neifenden ift nicht mit flüchtigen „Eindruͤcken“ gedient, fondern
er muß pofitive Angaben und vorzüglich Vollſtaͤndigkeit in allen
Punkten, die für ihn von Sntereffe find, verlangen. Gin It
nerarium ift nicht für die eigentliche Eecture, fonbern nur für
das Nachſchlagen beſtimmt. ingelne Partien biefes Bades
verdienen indeflen wirkliche Beachtung und man kann insbrion:
dere dem Verf. Talent in der Schilderung nicht ſtreitig machen.
Eo haben uns die Befchreibungen von Petersburg, Mostau,
Berlin, Dresden, Prag, Münden u. f. w. zum Theil recht on
gefprochen. Auch bie politiſchen Bemerkungen, bie er feinem Werte
eingeftreut Hat, tragen das Gepraͤge einer reifen Weltanſchanung.
Deutfhe Anatomie in Frankreich.
Unter der Zahl Derer, welche die deutſche Wiſſenſchaft
im Auslande vertreten, ift ber Dr. Mandl einer von Denn,
weiche ſich das meiſte Verdienft erworben haben. ine Reihe
intereffanter Abhandlungen, die ſich meiftens innerhalb der Ana:
tomie und Phyfiologie bewegen, hat bei der Akademie der Wiſ⸗
fenf&haften zu Paris die gebührende Anerkennung gefunden.
Mandl theilt in diefen verfchiedenen Monographien nıdt nur
die wichtigen Refultate eigener Beobachtungen und Unterfucdan:
gen mit, fondeen leiſtet der Willenfchaft dadurch einen Dienfl,
daß er die Kranzofen mit dem Stande der Anatomie und Php⸗
fiotogie in Deutfchland befannt madt. Sein neuefles Werk il
umfaflender und wird feinem Namen eine größere Geltung det
fhaffın. Es führt den Xitel: „Manuel d’anatomie
Die Fran:
zofen befommen hier zum erſten Wale einen vollftändigen Überbld
über die Syſteme, die gegenwärtig in Deutfchland herein.
Dabei ift es dem Verf. gelungen, die oft etwas bunleln Ihe
rien, bie in ber Faſſung, in der fie den Deutfchen vorliegen, den
Franzoſen gerabezu unverftändlih bleiben würbsn, in Hart,
faßlicher Darftellung zu entwideln. 2.
Verantwortliher Heraudgeber: Heinrich Brockhaus. — Drud und Verla von 8. 4. Brodhaus in Leipzig
Blätter
für
literarifhe Unterhaltung.
Mittwoch,
Leſſingiana.
(Beſchluß aus Nr. MB.)
Ein anderes Fragment bezieht ſich auf die ſehr aus⸗
führliche Zergliederung und Kritik von Favart's „Soli:
man 11.” (Re. XXXIII — XXXVI), nad) einer Erzählung
von Marmontel, wo Leifing das Verdienſt des Dramati-
ters in feinen Abweichungen von der Quelle nicht lobend
genug auseinanderfegen koͤnnen:
11. Sorftellung.. Soliman der Zweite. *)
Ob Favart die Veränderungen aus Eritifgen Urfachen ge:
macht? Db er es nicht blos gethban, um feiner Nation zu
fhmeicheln? Und feine Franzoͤſin nicht allein zum lebhafteften,
wisigften, unterhaltendften, fondern auch ebelften und großmüs
ttigften Mädchen zu machen? Damit man fagen müfle: es ift
wahr, fie ift ein närrifches, unbedachtſames Ding, aber body zus
gleich das beſte Herz? So wie Beilfig, im Franzoſen zu Eons
don, feinen Petitmaitre am Ende doch zu einem jungen Men:
fhen naher macht; und dadurch alles das Gute, was bie
Schilderung feiner Thorheiten fliften koͤnnte, wieder verderbt.
Marmontel fagt überhaupt fchon von ber Rolle des Petitmaitre
(Poetig. frang., T. II, p. 395): On s’amuse & recopier le Pe-
tit-Maltre, sur lequel tout les traits du ridicule sont Epui-
ses, et dont la peinture n'est plus qu’une Ecole pour les
jeunes gens, qui ont quelque disposition & la douceur.
Die franzöfifhen dramatifchen Dichter Überhaupt find jegt
die berechnendften Schmeidhler der Nation. Um bie Eitelkeit der-
felben bringen fie ihre Verſuche in Schug. Beweiſe hiervon
an dee Belagerung von Calcis, und noch neuerlihd an —
Gleichwol find wir Deutſche fo gutmüthig, ihnen biefe
Gtüde nadyzufpielen, und die hohlen Eobeserhebungen der Fran⸗
zofen auf deutfchen Theatern erſchallen zu Laffen.
unmoͤglich Eönne doch bei uns ihre Tragödie von ber Art
gefallen; und ihre Komödien ber Art müffen vollends verun-
glüden. Wir haben keine Rorelanen, wir haben feine Petit:
maitres, wo follen unfere Schaufpieler die Mufter davon ge:
feben haben? Kein Wunder alfo, daß fie diefe Rollen jederzeit
ſchlecht ſpielen. Und defto beffer!
Auf einem halben Bogen ſtehen endlich einige Be⸗
merkungen über Voltaire's fo hochgeprieſene Großmuth ges
gen die Enkelin von Corneille, zu deren Beſtem er die
Werke ihres Großvaters mit einem Commentar heraus⸗
gegeben hat.
Die Komoͤdianten waren bie Erſten, weiche fi des Enkels
Ks geoßen Sorneille öffentlich annahmen. Sie fpielten zu ſei⸗
wa Beften die Rodogune, und man lief mit Haufen hinzu, ben
% Darauf weil genau bad handſchriftliche Verzeichniß bin, mit
eiarm „ND. das Rädkändige von 3.” Der Tag wer „Montag
den U, Augufl.””
Schöpfer bes franzoͤſiſchen Theaters in feinen Nachkommen zu
beloynen. Dem Brn. v. Voltaire warb die Mabemoifelle Cor⸗
neille von le Brun empfohlen; er ließ fie zu ſich kommen, übers
nahm ihre Erziehung und verfchaffte ihr burch die Ausgabe der
Werke ihres Großvater eine Art von Ausfteuer.
Man bat die That des Hrn. v. Voltaire ganz außerorbent:
ih gefunden; man hat fie in Profa und in Werfen erhoben,
man hat bie ganze Geſchichte in einen befonbern griechiſchen
Roman verkieidet (La petite niece d’Eschyle, 17861).
Sie ift auch wirklich ruͤhmlich; aber fie wird dadurch nichts
rühmlicher, weil es bie Enkelin des Corneille war, an ber fie
Voltaire ausübte. Vielmehr war bie Ehre, von der er voraus⸗
fehen konnte, daß fie ihm nothwentig daraus erwachfen mußte,
eine Art von Belohnung; und der Schimpf, der dadurch gewifs
fermaßen auf Fontenelle zurüdfiel, war vielleicht für Boltaire
auch eine Eleine Reizung.
Auch das Unternehmen, ben Gorneille zu commentiren,
ſchrieb man bem rn. v. Voltaire als eine außerorbentlih uns
eipennüigige und großmäthige That an (Journal encycl., Oct.
1761): L’exemple qu'il donne est unique; il abondonne
pour ainsi dire son propre fonds pour travailler au champ
de son voisin et lui donner plus de valeur etc. (Die von
Leffing ausgezogene längere Stelle [liegt mit den Worten :
Nous admirerons davantage l’auteur de Rodogune, de Po-
lieucte, de Cinna, quand nous verrons toutes ces pieces
enrichies des Commentaires que prepare l’anteur de Maho-
met, d’Alzire et de Mérope; ils vont fortifier l’idee que nous
nous formons de Corneille, et le rendre, s’il est possible, en-
core plus grand à nos yeux; ils feront lire le texte avec-
plus de plaisir et plus d’utilite.) j
Wie viel iſt von diefer fehmeichlerifchen Prophezeiung ab»
gegangen. Wie fehr iſt diefee Kommentar anders ausgefallen?
Wie leicht wäre es zu glauben, daß Boltaire auch hierbei fehr
eigennügige Abfichten gehabt hätte.
Hierbei dürfte e6 für diefe Mittheilungen genügen
Einer Erwähnung indeß mag es wenigflens verdienen,
daß unter diefen Papieren und zwar aus Leſſing's Jugend
fi) einige Überfegungen befinden, als von „Catilina. Ein
Zrauerfpiel ded Deren v. Crebillon. Aus dem Franzoͤ⸗
ſiſchen überfege von G. E. 2. (Berlin 1749, unvollendet
und in gereiisten Alerandrinern); ferner Überfegungen von
Thomſon: „Tankred und Sigismunda“ (nur der Anfang)
und von deflelben Dichters „Agamemnon”, beides in Proſa.
Auch Calderon’s ‚Das Leben ein Traum” fing Leſſing
zu Überfegen an; aber außer dem Titel („Das Leben iſt
ein Traum. Ein Schaufptel aus dem Spaniſchen des Don
Pedro Galderon de la Barca Überfegt”, Berlin den 23.
1750) und der Überfchrift des erften Auftritts („Roſauta
kommt von der Höhe eines Berges herab, fie iſt als eine
Mannsperfon verkleidet, im Reifehabit, und ſagt Bolgendes”),
ift nichts vorhanden.
Hier könnte ich dieſe vielleicht ſchon zu langen Mit⸗
theilungen fchließen ; doch weil id im Eingange der Leſ⸗
fing’fhen Recenfion des „Renner” von Hugo von Trim⸗
berg gedacht, und der wuͤrdige Beſitzer biefer ſchaͤtzbaren
Geiſtesreliquie Leſſing's fie, unter andern Beweiſen feines
gütigen Vertrauens, mir mitgetheilt hat, fo dürften einige
Bemerkungen über Beſchaffenheit und Bedeutung dieſes
Manufcripts Ihre Aufmerkfamkeit noch einige Minuten
in Anſpruch nehmen. Died Manufeript enthält nicht den
ganzen „Renner“, fondern nur die erfien 4365 Verſe, den
Titel davon hat ſchon Fülleborn (Leſſing's Werke von
1826, S. 83) nad eigener Anſicht angegeben: „Der
Renner Haugs von Trimberg. Aus drei Handschriften
der herzoglichen Bibliothek zu Wolfenbüttel wieder
hergestellt” I, v. 1— 4366; ein Quartband von 167
Seiten, für den Drud fauber, obwol mit vielen Rafuren,
abgefchrieben (von V. 2808 an ift die Seitenzahl des aͤl⸗
teften und früher einzigen Druds, Frankfurt 1549, an
den Rand bemerkt). *) Es war leicht zu bemerken, daß
diefer Band nicht den ganzen „Renner enthielte, aber mo
war und ift das Übrige? Darüber fagt Fuͤlleborn nichts.
Hr. Geh.⸗Rath Delsner, von Eifer befeelt, ſich diefen Schag
zu ergänzen, hat bereit6 im J. 1812 Schritte gethan, auch in
den Befig des zweiten Theils dieſer Leffing’fchen Abſchrift
zu gelangen. Damals befaß fie naͤmlich Eſchenburg in
Braunſchweig. Friedrich Auguft Wolf, Delsner's Lehrer
und fein Freund, bemühte ſich felbft, feinem Wunfche Bes
feledigung zu verſchaffen, einer der vielen Beweiſe echter
Zuneigung, welche der große Philolog unferm verehrten
Mitbürger bei mehr als einer Gelegenheit zukommen ließ.
Delener war in Halle auf der Univerfitätsbibliochet unter
Wolf thätig; unter ihm legte er den Grund zu ber um:
foffenden und gründlichen Literatur = und Bibliothekkennt⸗
niß, womit er einen der reichhaltigften und ſeltenſten Bü:
cherſchaͤze in Deurfchland gefammelt und geordnet bat.
ine der größten Zierden darin ift Wolf's trefflihe Buͤſte
in Marmor, ein Geſchenk des DVerewigten; der von ihm
herruͤhrenden literarifchen Werke nicht zu gedenken. Dels:
ner's Briefwechfel mit 5. A. Wolf dürfte einft ganz neue
Auffchlüffe, wenigftene weſentliche Berichtigungen der vor:
handenen Lebensnadrichten über den nicht felten verkann⸗
ten großen Philologen darbieten. Wolf alfo fuchte in ei:
nem Billet, das unferm Wanuferipte als Document bei:
liegt, durch einen Dritten die Entäußerung des zweiten
Theils des „Renner” bei Efchenburg zu veranlaffen; ver:
gebens! Eſchenburg ſchlug es rund ab; feine Antwort
liege im Originale bei:
Ich befige allerbingg — fchrieb er aus Braunſchweig ben
6. Zuti 1812 — den zweiten Theil der eigenhändigen Leſſing'⸗
°) Der Iehte Vers: ‚Das nimmer sich aufgerichtet wider‘, ent:
ſpricht dem V. 4418 ber neuen bamberger Ausgabe in Quart, ©. 86,
wo noch die oft wiederkehrenden Verſe folgen:
Nu sul wir ab’ furbaz rennen
und unsern h’ren baz erkonnen.
Es if dad Ente der hier (nit bei Leffing) überfhriebenen Kabel:
‚Das ist von der siangen vad ven des menschen missetat.”
fen Abfchrift vom Renner, und biefer gebt .
6326, * Bt. 34b 3. 30 der udn — Kin
Blaͤtter hat. Die Arbeit iſt alfo noch nicht Halb votlen:
det. Jene Handſchrift erhielt ich, mit mehren andern, ven
Leſſing's Bruder in Breslau, ber mir ſchrieb, der erſte Ze
liege, wegen eines Proceſſes mit den Erben, zu Berlin in Br
flag; id ſollte ihn aber haben, Tobatb der Procef geendlat
ſei. Leſſing's Bruder iſt, wie Sie willen, nun audy tott, mi
den Anfang jener Abfchrift befist Ihr ungenannter Kerund?
Wie wäre es, wenn Sie diefen bewegen könnten, mir dag Ma:
nufcript zu überlaffen, denn von meiner Hälfte Tann ic mid
unmöglich trennen. ... .
Dabei blieb es. Nach Eſchenburg's Tode gab fih |
Hr. Geh.: Rath Delsner zwar wiederholte, aber ebenfo un:
fruchtbare Mühe, den zweiten Theil zu erlangen; ‚biels
Manufeript blieb fogar eine Zeit lang ganz verfchollen, |
Sm J. 1833 beſaß es jedody (nach der Angabe der dam⸗
berger Derausgeber des Menner, Vorrede Nr. 30) Hr.
Hofrath Graberg in Braunfchmeig *), und es wird we:
muthlich noch daſelbſt fein.
Ich vermuthe jetzt, daB aber noch ein dritter (m
nicht gar noch ein vierter) Theil dieſer Leffing’ihen Re
cenfion des „Renner“ vorhanden geweſen fein wird, mi:
cher das Übrige und Fehlende enthielt, und der entwehr J
verloren ging oder fich noch in öffentlichen oder Privat:
befig in Deutfchland finden möchte. Denn Leffing ſpricht I
in einem Fragmente feines Briefs an Herder vom IN.
San. 1779 zu beflimmt und ſchlechthin von dem „Rm:
ner”, den er aus drei Manuferipten der Bibliothek in
Wolfenbüttel ‚‚zufammengefchrieben” und den er eben bi
Weygand habe druden laſſen wollen, als ihm unvermi:
thet ein viertes Manuſcript aus Hamburg zugekommen
u. ſ. mw. Mir fcheint nicht, daß Leffing, bei feiner praci: J
fen Art zu fprechen und zu fchreiben, ſich fo ohne Ein:
(hräntung würde ausgedrüdt haben, wenn er nur die
Hälfte, ja nicht einmal die Hälfte des ‚‚Renner” hätte diu⸗
den Iaffen wollen; noch weniger kann man annehms,
daß ihm der wahre Umfang dieſes ſeines Lieblingsgedicht
unbelannt gewefen fei.
Eine andere Frage endlich ift die, ob und melden
Pritifchen Werth die Leſſing'ſche Recenſion, fo weit ſu,
wenn auch als disjecta membra, vorhanden ift, übe:
haupt für uns einnehmen, ob diefe Handſchrift, märe ft
gedrudt worden, die Derausgabe des Gedichte durch dem
Hiftorifhen Verein überflüffig gemacht, oder gar jede fünf:
tige kritiſche Ausgabe überflüfftg machen würde? Gewij
niht. Wie fehr auch „manche Mitglieder des Verein‘
fih befcheiden, feine fo gründlichen Kenner der altdeutſchen
Sprache zu fein, als zur befriedigendften Erörterung Dt
‚Renner‘ erfoderlich fein möchte, und den guten Wil
haben, den Meiftern in diefem Fache die Arbeit zu
leichtern“, fo ift doch das Beſtreben, eine kritiſche Aut:
gabe, nach dem heutigen Standpunkte der Wiſſenſchaft,
*) Rad ihrer Angabe ainge die Abichrift von Werd an⸗ as.
Serig if, was fie daſelbſt Ne. 7 von einer Handſchrift des, Menu” anf
Pergament mit 337 Blatt vom 3 IR in ber Uniuerfitätiii
zu Breslau erwähnen; eine Abfchrift des Renner if daſelbſt ger
nicht vorhanden. An ber citirten Gtelle bei Auffep iR arch (HM
Prof. Hoffmann) austrädlid Leiden, nit Wredlan genannt.
9
feſtzuſtellen, überall außgefprochen. Lefling dagegen hat es,
bei Gelegenheit der Kabeln des Bonerius („Beitraͤge“, V,
19) offen geſtanden, daß er ed „bei den alten Dichten,
die man bios zum DBergnügen leſe, ohne eben daraus
auch nur die Geſchichte der Sprache ſtudiren zu wollen”,
niht fo diplomatifh und kritiſch fireng genommen haben
wolte, und an einem Beifpiele aus Boner's Fabeln ges
zeigt, wie aus drei Dandfchriften eine vierte „gezogen”'
werden könne, „die fi) ohne allen Anſtoß auch jebt Iefen
toffe, ohne gleichwol mobdernifirt zu fein, oder ein einziges
Wort zu enthalten, welches nicht den einen oder andern
Tert für fih babe”. Gerade fo beim „Renner“, den er,
foreibt ec ja an Herder, aus drei Handfchriften zufam:
mengefchrieben habe, wie er glaubte, daß er wol koͤnne
gercefen fein. Es Bann fein, daß Leffing, bier, wie ans
derswo, fih den Schein der Oberflächlichkeit oder Leichtig⸗
keit gab, um feiner Arbeit bei. feinem Publicum leichtern
Eingang zu verfchaffen; indes bat auch er die fo fpäte
Schöpfung der altdeutfhen Grammatik, diefer Grundlage
aller wiſſenſchaftlichen Texteskritik, nicht anticipiren koͤn⸗
nen.) Immer aber hat Keffing, wie an vielen andern
°) Zur Probe theile ich bie Babel oder Adegorie mit, womit ber
erſte Theil, wie angegeben, fließt; danach vergleidhe man:
Von einem vlangen ich weilent las,
Der het drei haupt, und was
Segetan wunder an In geleit,
Wer im der haupt eins absneit,
So wuchs drei an einer stat. n
Alsam tut unser missetat,
. Sieh wir ein ab so wachsen drei:
Sas wirt der mensch nimmer frei,
Er mus streiten gen der untugent
Ina dem alter und ia der jugent.
Hoffart, unkeusch und geitigkeit
Fügen manik unsclikeit.
Auch hat mauik sel verlora
Neid, fras, lasbeit und zorm.
Die siden gespiln sein ungescheiden.
Wann under kristen, ketzern, heiden
Eis ir diener tegelich.
Wer sich ir einer underwindet
Vn Aier or sich ervindet
Das in die andern heimlich
Beginnen suchen und offenlich
Ein tagent ist, on die andern nicht.
Untugent hat dieselbe pflicht.
Wer ewig fried wolle hab
Der siah die haupt ze mal in ab,
Als Hercules ein frummer mas,
Des siangen dribaupt hat getan
Die sing er ab mit einem siag
Nach heidnischer meister sag
Unkousck ist on heart nicht
Fres hat mit in beiden pflicht
Neid und zora sein in geeipp,
Von des alten slangen ripp.
le zuchtmuter ist geitigkeit
Was kesten sell, das ist Ir leid.
Lassheit, die fan! pemstein
Drisget vi gera mit in ein
Und soucht menik hers nider
Das nimmer vich sufgeriehtet wider.
rm eine neme Peitifhe Ausgabe bed „Renner einmal von einem
Baum vom Bad bearbeitet wird, fo wird zuglei ein gefäligeres
Orten, fo auch bier, ben rechten, gründlichen, wiſſenſchaft⸗
lihen Weg, dem Geiſte nach, vorgezeichnet und feibft bes
treten , fodaß die auf dieſem Felde gezogenen herrlichen
Fruͤchte als Denkmale feines Geiſtes unter uns angefehen
werden koͤnnen. Namentlich läßt fich über den richtigen
Takt, womit Leffing gerade das Gedicht Hugo von Trim⸗
berg's wählte, wenig fagen nach der fo beredten und mar:
men Auseinanderfegung, welche Gervinus über die unver:
gängliche Bedeutung jenes Gedichts für die Gefchichte des
beutfchen Mationalgeiftes gegeben hat. Ehre dem Anden:
ken Leſſing's, welcher zu einer Zeit, wo auf dieſe Seite
unferer Literatur: und Gulturgefchichte erft noch einzelne
matte Stralen fielen, ats echter Patriot den Schacht der
Vergangenheit mit der Leuchte einer beffern Zukunft auf:
zußlären geftrebt. 8. €. Bubrauer.
Urtheil eines Briten über deutfche Malerei.
Das „Athenaeum’ fährt fort, bei jeber Gelegenheit bie
deutſchen Mater ihres coloritiofen Colorits wegen zu tabeln.
Der jegige Ausfall trifft beſonders Kaulbach und Heinrich Heß,
von denen bei einer Ausftellung von Gemälden, meift ditern,
in der Londoner Pal! mall, einige Bilder zu fehen waren; von
jenem der Kopf eines Moͤnchs. „Könnten wir glauben’, fagt
der Berichterftatter, „daß Kaulbach nad) feinem fangen Unter:
riht bei Cornelius nichts Beſſeres malen konnte als biefen
Moͤnchskopf, fo würden wir ihn zur Verbrennung ber rechten
Hand verurtheilen, zus Strafe für ein fo ſtarkes Beifpiel von
mangelhafter Ausführung; doch ift es nur ein ifolirtes und fein
wahrhaftes Zcugniß feines Talents, welches, wie wir hören,
auf das Fresco und bie enkauſtiſche Malerei befchränft ift.*)
Shriftus die kleinen Kinder fegnend, von Heß, iſt vielleicht als
Wahlſtuͤck rin ſolches Specimen von ſchlechter beutfcher Aus:
führung, als fi) englifches Borurtheil gegen bie continentale
Kunft nur wuͤnſchen oder ein taktoolles englifches Somite nur
wählen kann, um biefes edle Gefühl zu nähren.” Nun kommt
eine gar nicht liebenswuͤrdige Schilderung des farbigen Aus:
-fehens dieſes Gemaͤldes, die aber unzweifelhaft carifirt ift, und
zur Carikatur bat bekanntlich der Engländer erftaunliches Ta⸗
ient; der Ref. gebt fogar fo weir, zu behaupten, Deinri Heß
male nicht einmal halb fo gut als Zadded Gabdi. Dies bat
aber der Engländer vor bem Franzofen voraus, daß er, wo er
tadelt, gründlich tadelt und nicht blos oberflächlich, und daß
ee von der unſcheinbaren Außenjeite eines Dinges ſich über den
anderweitigen Werth beffelben nicht täufchen laͤßt.
Immer weift er auch darauf bin, daß foldhe ifolirte Bil⸗
der in Dt weder etwas für noch gegen die Zrefflichkeit der
muͤnchner Malerſchule beweiſen, deren Meiſterſchaft hauptſaͤch⸗
lich im Fresco und inder Enkauſtik zu ſuchen ſei. Auch geſteht
er dem eben genannten Bilde von Heß große Verdienſte zu;
er ſagt, die Compoſition habe viel Schönes; manche Geftalten
hätten eine große Bieriichleit in ihren flatuarifchen Attituben
und ibre Bewegungen eine ruhige Würde, die Gefichter ber
weiblichen Seftalten glänyten, bei näherm Anfchauen, vor Lieb⸗
lichkeit durch ihren füßen und edeln Ausdrud, auch mehre ber
Männcrköpfe verdienten großes Lob; um aber Heß volllommen
würdigen zu Bönnen, muͤſſe man die Allerbeiligenlapelle zu
Format und vor Allem eine den claffifden Ausgaben Lachmann's fi
mehr anſchließende, durchgaͤngig gleichfoͤrmige Schreibung, als die der
Bamberger Ausgabe, zu wünfden fein,
°) Wie man weiß, führt jedoch Kaulbach feine große Gompofition.
Die Zerſtoͤrung Jeruſalems, in DI aus; auch bat er in jängs
* Zeit Portraits geliefert, die von großem Barbenfinn zeugen
ollen.
Muͤnchen befuchen, weiche bie wahrhafte Arena feines Talents
‚fe. Dann fährt er fort, es ſei nicht parador, zu behaupten,
daß die deutfchen Maler ihre Gemälde nicht zu malen wüßtens
ipre Färbung fei mehr eine Entfaͤrbung. Doerbeck, wie bet
Ref. ſchon andern Orts gefagt, made ſich ein Vergnügen dar⸗
aus, feinen Pinſel in Pfirfichgrän zu tauchen; Bendemann in
Waſſerblau; Philipp Weit fhmelge in ſchlammigem Braun;
‚während ‚WBaron” (!) Gornelins ‚einen brandigen, d. h. ziegel⸗
fleinartigen Zon vorziehes Profeſſor Bogel, den er „unfern
Liebenswärdigen Freund“ nennt, kommt in Bezug auf das Cor
Lorit nicht beffer weg, und von Schnorr wirb gelagt, daß feine
Meiſterſtuͤcke aus den „Nibelungen“ durch ein rußiges Anfehen
rerunſtaltet feien. Legterer, ein ſehr bichterifcher Denker, babe
an die Ausftellung im Louvre ein Ölgemälte gefandt, weiches
überragend fchlecht gemalt gewefen fet, und biefe Palme fei auf
der LoupresAusftellung ſchwer zu erreichen gewelen. Des ſchwedi⸗
ſchen Beneralconfuls Wagener in Berlin Sammlung moderner deut⸗
ſcher Gemätde enthalte micht ein Muſter von füßer, fanfter, weicher
ober durchſichtiger Bärbung. „Die deutfchen Künftier”, fährt er
fort, „haben unfere Einwürfe gegen ihr Golorit, wie wir erfahren
haben, mit eben folchem Ärger aufgenommen, wie bie englis
ſchen unfere Ausfälle gegen ihre Mängel in der Zeichnung ; jene
zeihen uns des bigoteften Patriotismus, dieſe des antinationas
len Vorurtheils, wir aber lieben die Kunft ſelbſt mebr als bie
einzelne deutfche oder englifhe, ja als die altgriechifche ober
mittelalterliche, und werden unfere geringe Kraft ſtets dazu
verwenden, die Irrthümer jeder Schule darzulegen.’ 13,
Literarifhe Notiz.
Ch. Magnin und Ponſard's „Lucréce“.
. Wir werden binnen kurzem eine Sammlung der Eleinen
Schriften von Charles Magnin, dem geiftreichen Verf. der
„Origines du theätre” u.f. w., welder einer der Gonfervatoren
an ber Bibliothdäque Mazarine ift, erhalten. Ob der Zitel
„Causeries et meditations’ für Eritifche Auffäge, welche doch wol
den größten Raum tn den zwei Bänden, bie vorläufig angekündigt
find, einnehmen müffen, ganz paffend ifl, wollen wir bahingeftellt
fein laffen. Zum Theil ſehr ungeziemend waren bie Angriffe Mag⸗
nin's, der fonft ſehr human ift, auf bie vielbefprodhene Tra⸗
gödie von Ponſard. Magnin kann immer feine Heldenrolle als
einer der kritiſchen Vorkaͤmpfer der romantifhen Schule noch
nicht vergeffen. Und doch, wie haben ficy die Zeiten geändert
und die Menſchen mit ihnen! Sainte-Beuve, ber einft in feiner
Begeifterung fang, die Bögen des Claſſicismus feien zerträm:
mert und alle Welt bete ſchon bie neuen Goͤtter an, iſt in ben
Schoos des alleinfeligmachenden claſſiſchen Glaubens zuruͤckge⸗
kehrt; wenigftens find feine aͤſthetiſchen Anfichten unendlich mil:
der und foleranter geworden. Magnin will Ponfard mit aller
Gewalt, und fo ſehr ſich diefer auch mit Händen und Füßen
fträubt, zum Romantiter mahen. Zu dem Iwecge werben alle
Auffäge hervorgeholt, welche man in den mit Staub bedeckten
Zahrgängen einer obfcuren „Revue de Vienne” aus Ponſard's
Feder hat auffinden können. Aus einigen berfelben ſcheint her⸗
vorzugehen, daß der jugendliche Dichter fig damals zum Ro⸗
manticismus befannte. Unter Anderm wird eine fehr beißende:
Kritik hervorgehoben, welche der zukünftige Poet der „, Lucr&ce’’
gegen eine Tragödie Viennet's, wenn wir nicht irren gegen
„Argobaste”, gefihrieben hatte. Diefe Perfibie — denn diefen
Namen verbient ed wol — verlegt Ponfard um fo mehr, da
Viennet der Verf. der lobpreiſenden Kritifen fein fol, welche
ber „Constitutionnel” über „Lucrèce“ bradte. Er tritt dee:
bald offen auf und erkiärt, wie er jene Kritik auf Dörenfagen
bin und ohne „Argubaste’’ geleſen oder gefehen zu haben, ge:
ſchrieben habe Nicht mit Unrecht wol fagt er, wie ſchondlich
es fei, flatt den Mafßſtab einer gewiffenhaften Kritik an fein
Wert zu legen, fich zu fotchen Perföntichkeiten herabzulaſſen und
dieſelben noch dazu in ben erften Jahren feiner Literarifchen
Laufbahn zu ſuchen, wo er im Kinflern habe tappen müͤſſen.
Mit einem - gewiffen Pathos ruft dann noch ber junge Dig
ter: „Ic erkenne nichts von meinen fruͤhern Sachen an als
„Luerece‘!' Bielleicht hat Janin, der fi) neulich Aber biefe
jugendliche Eitelkeit luſtig machte, Recht; aber m Did.
ter würde bei einem fo plößlichen und fo ungeheuern Triumphe,
wie ber tft, welchen Ponfarb gefeiert hat, der Kopf nicht we:
nigſtens auf einen Xugenblid ſchwindelig? Gelten hat wol ein
Dichter fo einflimmigen WBeifall gefunden als der Verf. ber
„Lucrèce““. Gogar ber gefirenge Eckſtein, ber gewoͤhnlich
in das tolle Zreiben von Paris recht finfter dreinblickt, bat fih
gedrungen gefühtt, eine leiſe Zuſtimmung zu niden. Nur Deine
findet das Ding ohne alle Poeſte, gefteht freilich gieich ganz
naiv, daß er die „‚Lucreoe” weiber gelefen noch geſehen habe,
aber glaubhafte Leute hätten ihm das verſichert. Bielieicht
bat er fein Urtheil aus der Gchmähfchrift des Schweizer:
Fournier „„Anti- Lucrece‘’ gefhöpft, in der Ponfarb ein Bor:
wurf baraus gemacht wird, daß er die Schändung der Eucrezia
nicht vor den Zuſchauern vor ſich gehen läßt, weit das doch
fehr ergreifend fein müfle. » 2.
Literarifhe Anzeige.
Ausgewählte Bibliothek
Glaffifer des Auslandes.
' Mit biographifch = literarifchen Einleitungen.
Hiervon siny neu erschienen ver zwan bis adht:
undzwanzigſte Band, welche enthalten sigfte de
ÄX—XXU. Boceaccio, Das Delamerss. Aus
bem SItatienifchen überfest von K. Witte. Zweite verbef-
ferte Auflage. Drei Theile. 2 Thlr. 15 Nor.
AXIIT— XXV. Bante Hlighieri, Die göttlidge
Romddie, Aus dem Italieniſchen überfegt und art *
K. £&. Kannegießer. Vierte, ſehr veränderte Auflage.
Drei Theile. Dit Dante's Bildniß, den Plänen ber Hdüe,
des Begefeuers und Paradieſes und einer Karte von Ober:
und Mittel: Italien. 2 Thir. 15 Nor.
den Defonberd rar Den Anpferbeilagen wer:
XXVI. @eleftina. Cine bramatifche Nöovelle. Aus dem
Spanifcyen überfegt von Ed. v. Bülow. I Thlr. 6 Nur.
XXVIL XXVIII. Die Maͤrchenſammlung bes Somabdeva
Bhatta aus Kaſchmir. Aus dem Sanskrit ins Deutfche über
fegt von Bm. Brockhaus. Zwei Theile. 1Thir. 18 Rar.
1. II. Bremer, Die Nachdarn. Dritte Auflege. M Rear. — IL
ch r. 58 Da
Das neue chen, überfept von Görfte 2 *
, r. .—
Ibchter des Präfldenten. Dritte Auflage 10 Ner. — VI vi Brei *
ina. Zweite Auflage. 20 Rgr. — VI K Bremer, Des Haus.
e Semi
gr. — X. Biemer, D le &. 1 .—_
XI. Prevoſt VE ites Geſchichte der Manon Letaut —ä Bir
low. W Rgr. —
tlart ann egteher und tte. wette Xuflage. 2 Xhlr. 12 Wer.
. Der geranbte Eimer, üB von Rt
INgr. — XV. Sremer, Kleinere Et lungen MO Nor. hi Kyı. —
mer, Streit und Friede. Zweite Auflage. io Rgr. — . Weltsire,
Die Henriade, überjept von Schröder. 1 Xhlr. — XV. BEL...
Schaufpiele, überfegt von Eichel. 1 Xhir. 6 Kar. — UX. obere |
(Vitalis), Gedichte, Überfept von Kannegteher. 20 See.
Eeipzig, im Auguft 1848.
#5. A. Brockhaus.
Berantwortliger Derausgeber: Deinrih Brodhaud. — Druck und Werlag von 8. A. Brodbaus in Leipzig.
Blätter
für
littrariſche Unterhaltung.
Gräfin Chateaubriand. Roman von Heinrich Laube.
Drei Bände. Leipzig, ,Teubner. 1843. 8. 5 Zhlr.
Sollen wie uns einer fo frifchen, warmen und treff:
dichen Leiſtung, wie der vorfiegende Roman Laube's
it, nie von Herzen freuen, ja follen wir, wenn wir
ihn denn body nach deutfcher Unfitte durchaus mit Eriti:
ſchem Auge betrachten und äfthetifch anatomifiren müffen,
nicht flolz darauf fein, fobald wir ihn mit jenen Arbei-
ten vergleichen, die uns vom Auslande her mit vielem
Gefhrei empfohlen werden, und die den beutfchen Fode⸗
eungen doch oft fo wenig entfprehen? Wir geben bei:
fpielsweife Hrn. E. Sue gern feine ans Barbartfche ſtrei⸗
fmde Phantaſie und feine diaboliſche Portraitlunft zu;
wir erfreuen uns augenbiidiih an Cooper's Miniatur:
bildern; wie wandeln mit Almquift zumeilen recht gern
duch feine menſchenaͤhnliche Schattenwelt; wir laſſen
ſelbſt Bulwer's und Boz' Sauner: und Diplomatentreife
in Ehren; allein für uns vindiciren wir Spftem und
Bewußtſein, and für unfern Autor die ‚‚poetifch gewor⸗
dene Geſchichte“.
Dies iſt der Charakter des vorliegenden Romans:
wirkliche Gefchichte im poetifchen Gewande. Ihm gegen:
über gibt Walter Scott Poefie in geſchichtlicher Hülle.
Daſſelbe Feld hat Laube fhon in feinen „Franzoͤſiſchen
kuſtſchloͤſſern“ betreten, und er fegt bier gleichſam nur wei:
te auseinander, was fi dort in Skizzen zufammen:
drängte. Durch den ganzen dreibändigen Roman weht
ein Geiſt Hiftorifcher Ergruͤndung, und die Gefchichte
philoſophiſch und poetifch zu verklaͤren iſt des Verf. Ziel,
28 mit Strenge, ja mit fichtbarer Selbftverleugnung ver:
folgt wird. Dieſe Einheit bes Strebens thut wohl, gibt
dem Werke ein Hauptelement der Schönheit: Ruhe, und
net dem Lefer Befriedigung auf, wenn wir fo fügen
n.
Wehe ſchoͤne Bewältigung bes Stoffs und der Form
auͤberall! In den geſchichtlichen Geſtalten, welche tiefe Er:
faſſung der Individualität! Der Fortſchritt der Charak⸗
terentwickelung, wie bedacht, ruhig, felbſtbewußt, wie ge-
ſchitt und wie anziehend! Wie theilnehmend folgen wir
der geſchichtllchen Sonde, die uns das Geaͤder in Cha:
eafterm und Begebenheiten barlegt, ohne der Poefie Ein:
trag za thun, die Ihe zarte Licht, ihren Blütenflaub
auf diefe hiſtoriſchen Seſtalten Freut! j
Es gibt eime breifadye Beftaltung des hiftorifchen He:
mans. Na der einen wird das hiſtorſſche Element ges
gefegt, und mit dem poetifihen gefättigt, fo viel entweder
dee Stoff verträgt oder der Berf. hinzuzuthun befähigt
ift; nad) der andern geht das poetiſche Element voraus
und erhält nur feine hiſtoriſche Baſirung. In ber ers
fin Form find Walter Scott's Romane Muſter gewors
benz; in der zweiten zeichnen fi Koenig, W. Alerts,
Sternberg aus. Es gibt aber noch eine dritte Geſtal⸗
tung, nach welcher das hiſtoriſche Element fofort poetifch
aufgefaßt und zu dichterifchem Endzweck verwendet wird,
und dies iſt z. B. ber Fall in Tieck's Cevennen“. Diefer
Formgebung ringe Laube nach, mit vollem Rede und
mit vollem Bewußtſein. Wir unfererfeits können jebe
Seftaltung des hiſtoriſchen Romans, bie nicht auf eine
völlige Schmelsung des poetifchen Elements in das hiſto⸗
riſche ausgeht, nur für eine untergeordnete erachten, mag
ihe flüdweife auch die auferordentlichfte und erfreufichfte
Wirkung gelingen. Der gefhichtliche Roman bat keine
andere Aufgabe als diefe;z er hat kein Geheimniß zu ent
beiden als das, wie die Subjectivitaͤt der Geſchichte,
das Pofitive dee Greigniffe, die Individualitaͤt der Pers
fonen, in die allgemeine Wahrheit der Menfchennatue
aufgeht, in da6 Abfolute der philoſophiſchen Weltbetrach⸗
tung ſich aufiöft, und in die ewige Wahrheit bee Poeſie
binhberfpielt. Dies tft feine Aufgabe, ſeine Tendenz, ſein
Reiz; ja, der gange Werth feiner Gattung, feine gan.
Seltung im Kunftgebiet führe fi hierauf zurüd,. Hut
er dieſe Aufgabe nicht gelöft; fo iſt er nichts, ober deh
etwas Anderes als was er fein will und fen fol. :u%
In dem vorliegenden Roman nun wird ein ſlichtbatth
und glüdtices Streben angetroffen, jene Aufgabe zu”t#
fen. Die Perfonen darin find Indlvidualltaͤten, Hr
nothwendige; die Begebenheiten hiſtoriſche, pofitive, abeR’aule
dem Geifte der Geſchichte ermachfene und benfelben eflet:
ticend, an Zeit und Der gebunden und doch Ausſtrehl
gen des abſoluten Menſchengelſtes. Wir molar
entfcheiden, ob Franz 1., der Gonnetabfe von Bdurbbn
dee Dichter Marot und andere Geſtalten genau fe, 68
ten, dachten und ausſahen, wie fle bier gefchild A
di
allein fie dürfen fo reden und denfen, und die ‚Si ichte
kehrt nicht, daß fie anders dachten und fprachen, "u
Geſetzmaͤßigkeit genuͤgt der Kunſt. Wie fie find 0
Aumacht und ber fubjectiven Willkür.
a ‘
„x 02
fie ein Stuͤck Wat und Menſchenthum treu bar, und
erfuͤllen fo die Aufgabe ber Poeſie überhaupt.
Sehen wir da6 Gewebe des Romans an fi ar,
fo treffen ir auf Gelungenes und, wie uns ſcheint, aud)
— — des erſtern iſt piel, des betztern
—5 Sich die Einlaͤtung iſt cher etwas gewWähn:
„Adi und trivial zu nennen und zeigt nicht, daß der Verf.
es auf einen frifchen, neuen, verfprechenden und feffeln:
den Eingang abgefehen hat. Er bat ein ſchoͤnes Haus
mit einem ſehr gewöhnlichen Veſtibul gebaut. Uber feine
Überlegenheit zeigt fich fofort in den Scenen am koͤnigli⸗
hen Hoflager zu Blois. Drei bedeutende Charaktere,
Louife von Frankreich, der Gonnetable von Bourbon und
König Kranz I. führen vor uns eins der anziehendilen
Dramen auf, deren biefe Gattung von Paefie fähig if.
Die flolze Fuͤrſtin, bemüht, den Connetable zum Werkzeug
ihrer Hersfcherplane und zugleih, wenn möglich, zum
Gatten oder Verehrer zu gewinnen; der gekraͤnkte Bour⸗
bon, mit den ertremflen Rathfchlägen befaßt, bitter und
herb gegen feinen König, doch die Schlinge erkennend und
fliehend, bie die Fürftin ihm legt; der König endlich,
überzeugt von feiner unendlichen Überlegenheit über Alle,
Spiel treibend mit feiner ganzen Umgebung, leicht, froh,
wigig, ſtaatskluge Plane fchlau verbergend — biefe Cha:
raktere in voller Reibung mit und gegeneinander, «6
iſt ein reiches und reizendes Schauſpiel, durch bie feinite
Sharakteriftit erhöht und begeiftige. In diefer Beziehung
iſt befonders die Zeichnung des Königs fein angelegt und
mag ſelbſt Hifkorifcher Geltung nicht entbehren. Der
Verf. ſtellt uns Franz I. als einen glänzenden Egoilten
bin, befeelt von dem Gedanken der Wiedergeburt bed ver:
fallenen Ritterthums, der es felbft nicht ahnt, wie fehr
in ihm das moderne Element der Willlür und des pers
föntichen Willens und MWohlgefallens ſchon zur Herrſchaft
gelommen fei. Seinen Marimen nad fol die alte Treue,
die alte Regel, die alte Form des Vaſallenthums gelten,
und doch folgt er im Einzelnen und im fchreiendfien
Widerfpruche zu feinen Ideen dem Peincip der Eöniglichen
Er bricht durch
alle Formen und will doch, daß dieſe gelten. Er mag
hierin Ähnlichkeit mit Erſcheinungen unſerer Tage haben,
die nicht minder glänzend ins Auge fallen als die Er-
fcheinung dieſes Königs, der den Franzoſen durch bie
Furcht vor einem rüdfichtslofen Naturel ebenfo impo:
alrte, wie nach ihm Ludwig XIV. durch feine Grundſaͤtze
und bie Majeſtaͤt feine Macht. Durchweg bleibt dieſer
widerſpruchsvolle, aber anziehende Charakter, in dem das
Ritterthum mit der Mobernität feine Verfchmelzung feiert,
bee Juwel diefes Romans, der Charakter, deffen Eintre:
ten wir ftets in Spannung entgegenfehen, von dem Wort
und That uns bis ans Ende bin wichtig bleiben. In:
dem der Verf. das Seheimniß fand, dies zu bewirken,
hat er einen vor den Kunfigefegen geltenden Roman ge:
ſchrieben.
Wir kehren zur Handlung zuruͤck. Das Widerſpiel
des Könige Charakter iſt der der ſchoͤnen Gräfin
Brangolfe von Chateaubriond — ein Weib durch und
r J
durch, und in jedem Zoll ein Weib. Sittlich ſtreng und
finntih ſchwach, dem Zuſammenwirken des Moments er:
geben, unſchuldig — ſchulbig, weil fie ſelbſt zu denken,
unabhängig zu fühlen unſernimmt und mit Beidem doch
nicht zurecht kommen kann; gm Beroifien grirrt, de wo
fie handelg foRte, umb immer nuk sur Hanblunß getiie
ben, buch den aͤußern Widerſtand gegen das als richtig
Empfundene, immer abhängig, weil fie nady Unabhängig:
keit ringe. So kommt fie, durch Lift verlockt, aus ihrem
ftiten Schloß von Chateaubriand an den Hof von Blois;
fo ſchleicht die Liebe zu dem glänzenden König in ihr
Herz, während fie fi zwingen will, dem rohen und un:
geliebten Gemahl treu anzubangen; fo flieht fie vor fig
ſelbſt zu ihrer ſtrengen Mutter nah Foir; fo in das
Kloſter, als die gehoffte Mutterliebe ihr nicht begegnet;
fo folgt fie Brion, der unglückliche Verſuche made, fie
für den König zu befreien, und fo endlich dieſem feibfk,
als er. zw ihrer Rettung in Foix erſcheint. Hiermit
[hließt der erſte Band, in welchem nur zu rügen bleibt,
daß die unglüdlihen Fluchtverſuche im Kloſter einen gu
großen und unverhältnißmäßigen Raum einnehmen, de
fie auf die fernern Schidfale der Heldin Leinen Einfluß
äußern. Hiftorifh angefehen ift in diefem Bande nichts
gelungener als die Zeichnung des fich ſelbſt zerflörenden
Vaſallenthums der Großen des Reichs, die Battung zwei:
felhafter Königsmajeftät, in der Stanz fi noch befand,
und nach welcher ihm nur der erſte Rang unter Glei⸗
hen’ zugeflanden werden wollte, und endlih bas innere
Weben der kirchenreformatoriſchen Ideen, denen König
Stanz mie feine ſchoͤne Geliebte huldigten. Der Ernit
des Werks beruht auf Diefen gelungenen Zeihaungen
biftorifch wichtiger Momente.
Faſt zu früh für den theilnehmenden Leſer entwickelt
fi Françoiſe's truͤbes Schidfal. Wir wuͤnſchten, das treff:
liche licbende Weib etwas länger im Befig des hoͤchſten
Lebensglüdes, im Vollgenuß des geliebten Gegenſtandes
zu fehen, als der Verf. uns geftattet; denn ſchon im ber
Mitte des zweiten Bandes iſt es entichieden, daß eine
Natur wie die Könige Franz nicht durch Liebe zu befe-
ligen vermag. Bon Gegnern umringt, politiſch irre ge-
führt duch liſtige Anfcläge, von ihrem Herzen ſelbſt ge-
täufcht, einem fo entichiedenen Egoismus wie dem des
Königs gegenüber, ohne Klugheit, verliert fie das Herz,
dem fie Alles geopfert hat. Nur auf Augenblide kehrt
ihre Macht zurüd, und immer nur dann, wenn ,
aller andern Ruͤckſicht vergefien, der Stolz, das reine
Selbſtbewußtſein in Ihrer Bruſt erhebt, wenn fie dem
Zreuvergefjenen die erhabene, die folge Seele zeigt. Die-
fer Zug iſt ungemein gut beobachtet. Einem Charakter
gegenüber, wie er in König Franz gezeichnet if, giie nur
der Charakter. Hingebung, Unterwerfung haben Peis
nen Werth für einen nichtsachtenden Geiſt, der Aber die
von ihm niedergeworfenen Opfer binwegfchreiter, als haͤt⸗
ten.fie nur gelebt, von ihm geopfert zu werben; allein
da, wo er auf einen ähnlichen Stolz trifft wie der ſeinige
ifl, da flugt er, da vermag er zu lieben, ja zu bewarns
dern. Schlimm für die ſchoͤne Gräfin, daß fie ſich nicht
in jener Gtimmung zu behaupten weiß, daß ſie einer
durchaus kuͤnſtleriſchen Nutur gegenhber ihr Sam ſprechen
iißt, daß fie nicht ſalbſt eine kuͤnſtleriſche Natur bleibt.
Mur fo find folche Chargktere zu bewältigen.
Nach der furchtbaren Ecene, in weldyer der König
ihren Gemahl daniederſtreckt, geht der Armen alle Hal:
tung verloren. Sie, zur Regentin des Reicht. erſehen,
zur koͤniglichen Gemahlin beſtimmt, ſinkt in den Außer
fen Grad von Emiedrigung hinab, ſobald einmal Louife
von Angouleme, ihre ſchlimmſte Zeindin, zur Reichsver⸗
weſerin ernannt und Franz nad Italien abgereiſt if.
Den hiſtoriſchen Faden ſpinnen Lautteds, ihres Bruders,
Briefe fort, auch dieſe kalt und hergzlos gegen die arme
Srangoife, die außer dem Kanzler Budé Leinen Freund
bewahrt. Da gelangt ber Eurze (duch die Tradition bes
Konnte Brief Kranz 1., denn Niemand bat ihn gelefen)
nad Paris: Tout est perdu, hers Phoaneer. Dieſer
zerſchmetternde Donnerſchlag verrütckt die ganze Scenerie,
Die Regentin zeige fi piöglih und zugleich als eine
würbdige Vertreterin ihres Sohnes in ben Reichsgeſchaͤf⸗
ten und als eime liebende Mutter; denn zum Troſte ih⸗
res gefangenen Sohnes fendet fie ſelbſt die noch ebenfo
verhaßte Framgoife zu ihm nach Abignon.
Im zweiten Bande, der hiermit fchließt, hat ber Ge:
ſchichtsfreund mit Dank die glänzende Schilderung bed
furchtbaten Schlachttage® von Paris, am 24. Februar,
in dem Briefe Brion's an Buabe’’und das Gemälde der
Verwirrung, weldye diefe Schredensnachricht in Paris
hervotrief, anzuerkennen.
Eine Scene von außerordentliher Wirkung eröffnet
den dritten Band; es ift der Beſuch des „blaſſen“ Kai:
ſers Karl bei dem kranken König Franz in deſſen Ge⸗
füngni, dem Alcazar von Madrid. SPoefie und Se:
(dichte haben gleichen Antheil an dem großen Stil, in
dem diefe Scene gefchrieben iſt, am der tiefen Wirkung,
nit dee fie jeden Lefer ergreifen muß, und unfere beſten
geſchichtlichen Romane bieten wenig dar, dem biefer im
Stil, in Anordnung und im Colorit vortreffliche Auftritt
untergeordnet wäre. Um fo empfindlicher berührt uns,
was diefee Scene folgt: es verftößt gegen Wahrheit und
Geſchmack und dee Verf. übertreibt offenbar die Confe:
quinz im Charakter des Königs, in dem der Leichtfinn
allerdings ein Grundzug iſt, wenn er ben kranken Für:
ſten unmittelbar nachher auf ein Liebesabenteuer ausgehen
it. Der Gedanke bat ihn hier verlockt, und er hat
in der Abſicht, den Reichtfinn des Königs ſtark zu zeich⸗
am, bie Wahrfcheintichkeit felbft zum Opfer gebracht.
Der Fluchtverfuch mit Seangoife und der Schweſtet des
Riniss, Brien und Maret, die fich freilich etwas „uns
hiſtoriſch“ in Madrid ausnehmen, hätte auch wegbleiben
tum. Genug, Frangoiſe's Geſchick entwickelt ſich; der
Kinig glaube einem Schein der Untreue, in den ihre
Freunde fie ſtellen, und trennt fi von ber Geliebten.
Ya ſpaͤt erkenne er fein Undecht, umſonſt begegnen ſich
De Kirper wieder im Schloß zu Cognac, na des Koͤ⸗
zig Entlaffung aus der Gefangenſchaft; die Seelen fin⸗
den fi im dem alten Vethaͤltaiß wicht mehr zurecht; ob
auch Faanz fein. Ainuecht ubbitte, die: Goa ſi Sat mie e
von Beben: abgeſchloſſen, umd es iſt ſchͤn, daß fie, freini⸗
Hg ihre Schuid zu buͤßen, nach Chateaubriand zurück⸗
kehrt. Dort bereitet der rohe Gemahl ihr ein brutales
„bretoniſches“ Ehegericht, dem, mit eine kuͤhnen Erſfin⸗
bung, König Franz als verkleideter Eherichter ſeibſt bei⸗
kat, und — hinfinkt fie in bie Arme des Todes, vom
Gifte Florentin's, des Boͤſewichts Im Prilatenpurpur, zerſtoͤrt.
Die Nemefis hat ihre Werk gethan und wir entlaſſen den
Autor mit Dank, mit voller Anerkennung, mit wohlbe⸗
gelindetem Beifall und mit dem Lobe der Keitil, Er
bat feine Aufgabe gut geläft. 8,
Neue franzöfifhe Kunftwerte.
1. Atlas historique et statistique des departements de la
France et de l’Algerie par MM, Donnet, Fremin et Le-
vasseur, ingenieurs-geographes. Parts 1843.
Wir koͤnnen es nicht unterlaffen, auf biefes wichtige Wert
aufmerkſam zu machen, das man wit den Landkarten, Tabellen
und geographiſchen Leitfaben, die Jahr aus Jahr ein erfcjeinen,
nicht in eine Glaffe werfen darf. Die drei Herausgeber beabe
füchtigten bei ihrer gemeinfchaftlichen Arbeit, etwas Ähnliches
für die Gegenwart zu leiften, wie Ceſar Krancois Gaffini, der
im Gept. 1784 an den Poden ftarb, für feine Zeit gethan.
Dieſes Unternehmen verdient um fo mehr Ermunterung, weil
feit Gaffini wenige Atlas von Frankreich erſchlenen find, die
einen wirklich wiifenfchaftlichen Werth hätten. Geit dem 13. Det.
1789 aber, wo Jacques Dominique Gaffini bie ganze Sanm⸗
lung ber von ihm fortgefegten und ergänzten Karten ber Ras
tionalverfammlung überreichte, bat ſich fo viel verändert und
die Wiſſenſchaft Hat fo bebeutenbe Fortfchritte gemacht, daß eine
neue Bearbeitung wirklich noth that. Die Herausgeber haben
ſich ihrer verdienfllichen Arbeit mit großem Fleiße unterzogen.
Aber der urfprängliche Plan iſt von ihnen erweitert, ſodaß the
Werk uns nicht nur eine vollftändige überſicht über bie geogra⸗
phifchen Verhaͤltniſſe Frankreichs gibt, fondern uns zugleich mie
der Statiſtik des Landes bekannt macht. Diefer Attas zerfällt
alſo eigenttich in zwei Theile, von benen namentlich ber geos
graphifche befonders gluͤcklich durchgeführt if. Die Karten, bie
von Malo, Ch. Simon, Laguillermie, Artus u. A. nad ben
Entwürfen von Donnet, Fremin und Levaffeur geflochen find,
zeichnen ſich durch die firengfte Genauigkeit und eine große Feine
beit in ber Ausführung aus. Belonbers ſchwierig war «6 bei
ber rein flatiftifchen Partie, eine einfache, ſichere Methode zu
finden, um ben Leſer durch das Labyrinth ber einzelnen Angas
ben und ben Wuſt der Zahlen zu leiten. Die Derausgeber ha⸗
ben folgende Einrichtung gewählt. Un ber Seite jeber Karte
befinden fich eine oder zwei Spalten Text, in denen ein kurzer
-Abriß von der Geſchichte und eine Auswahl flatiftifcher Angaben
gegeben wird. Der große Beifall, welchen bie erften n⸗
gen bed Werks bis jetzt ſchon gefunden haben, beweiſt, daß bie
Herausgeber das richtige Maß, bie Mitte zwifchen dem Zuviel
unb dem Zumenig, woran bie meiſten ähnlichen Unternehmen
ſcheitern, zu treffen gewußt haben.
2%. Lirlande au dix-neuvicme siöcle, par J. J. Prevost.
Paris 1848.
Hr. Curmer, ber Verleger biefes prachtvollen Kupferwerks,
hat den günftigen Augenblid zu treffen gewußt; denn zu Feiner
Zeit ift die Öffentliche Aufmerkſamkeit fo wie jegt gerabe auf Ir⸗
land gerichtet gervefen. Alle Zournale bringen Schilderungen vom.
der grünen Grin und über kurz und lang werben wir gewiß
mit einer gangen frifchen Literatur uͤberſchwemmt werben. Die
franzöfifche Literatur bat bereits eine ganze Anzahl mehr ober
weniger intereffanter Schriften über dieſes unglüdtiche Land,
|
Yen DVeichthum wiiter dem Drucke dee eagkiſthen Berrſchaſt
werdet iſt. Beſonders beachtenswerth finb bie beiden Merle
von ©. de Beaumont und von Gapo be Peuillibe, von denen
getterst namentlich in landſchaftlichen Schilderungen fehr gluͤck⸗
ch if, während das Buch des Erſtern in publiciſtiſcher Be⸗
we böper Fehk. ‚Dedefien gab weder das eine noch das ans
dere biefer Werke ein vollſtaͤndiges und u ipöpfenbes Bud
von dem Lande und feinen Bewohnern. Es iſt deshalb eine
alüdtiche Idee zu nennen, daß Herr Gurmer uns zum erſten
Mole in einem fogenannten „ſlluſtrirten“ Werke ein umfaſſen⸗
des Panorama von Irland eröffnet. Hr. PYrevoft, dem er die
Abfaflung des Textes übertragen hat, it mit ben engliſchen
w teifehen Berpittaifen genau belannt unb tat fich durch feine
Auffäge in ber „Revue britansique”, deren Gerguögeber ev
eine Zeit lang geweſen iſt, einen Namen gemadt. Ganz aus:
gezeichnet aber bie ferftiche , bie wirklich
‚nichts zu wünfdyen übrig laffen. Sie find zum größten Seil
von ensliſchen Künfltern ausgeführt.
Bibliographie.
Abenteuer eined Auswanderers nach Reufeeland. Brei
VDriefe, mitgstbeilt von H. Schirges. Mit einem Plane.
Demburg, Verlage :Comptoir. 8. 10 Rer.
Bed, 3. T., über das Verbältniß des Ehriftenthums zum.
— Alaberniiche Antrittrede. 8.
4
Beleuchtung der Schrift: ‚Über ben Frieden unter ber
Kirche und ben Staaten von dem Erzbiſchofe von Coͤln, Siemens
zum ee Droft zu Bifchering”. te Auflage. Giberfeld,
—æe ee die Finanzen Portugals gi Gapitaliften
und Speculanten. Branffurt a. M. Gr. 8. 5 Nor.
Bibliothek der gesammten deutschen Natienal-Literatur
vom der ältessen bis auf die neuere Zeit. Bier Baad: Sanct
Alexius Leben in acht gereimten mittelhochdeutschen Be-
handiungen, Nebst geschichtlicher Kinleitung, sowie deut-
schen, griechischen und lateinischen Anhängen. Hierausg.
von Hans Ferd. Massmann. Quedlinburg, Basse. Gr. 8
L Thale, 15 Ner
Büchner Grundſaͤtze ber Logik. Zum Gebrauch für
Periefungen. 3te verb. Ausgabe. München, Fleiſchmann. 8,
Dir Bureaufratismus und ber Liberaligmus. im Verhaͤlt⸗
niO zu einer dem beutichen Volksgeiſt angeniefenen organifehen
Stuttgart, KBelfer.
VDudurg des Staats. Leipzig, ee a Ti Nor.
Chamiſſo, A. v., Gedichte. e Auflage. Leipzig,
Wedmann. Gr. 13. 23 hir.
Eberhard, F., Das Ende kommt!! doch fehen unb ex
tenmen wir uns im großen Ienfeits wiederz mit Beweisgrünben
* Bent und Wiedererkennens. Quedlinburg, Ernſt.
—ã zu ordnen, Programm. Dorpat 1842. @r.8.
qı
A ieh, 8 D., Die römifhe Genfur in ihrem Ber:
haͤltniß zur Berfaffung Eine Hiftorifche Unterſuchung. Baſet,
Reukirch. on 5 Nor.
Grün, R., Meine Autweifung aus Baden, meine ge:
waltfame Ausführung aus Rbeinbaiern und meine Rechtfertigun
Faehimann, F., Versuch, die estnischen Verba in |
vor dem beutfchen Volke. Zürich, Literar. Comptoir. Gr. 8,
38%, Nor.
Hoffmann von Pallersichen, Gedichte. Leipzig,
Weidmann. Gr. 12, 2 Thlr.
Jokell, 3. 8, Sefcichte der Regierung Ferdinand's des
Erſten; zunaͤchſt nad Buchholz und andern Quellen bearbeitet.
Bändchen. Ceingig, Binder. 8. "5 Ngr.
e Seit in 2, . in 16H,
Gray. ui. & 1 Km. Wölfe
— — Derfeihen Mer Banb Ifte Abtbeiung. Gi. 6.
Br.
Kobhe, T. v., Humoriſtiſche Beifebil
Berlagt ⸗ — rs 1 a Fr a — derbern
ottenlamp, te Zage,
Chronit ber neueften Zeit, Nach den ——
. Iſter Band: Geſchichte Rtußlonde feit mit
befonberer Rüdfiht anf den Krieg im Gaucafut, Mit 3 Pan
Nor
traits. Stuttgart, — 838* Gr. 12 gr.
taudhard, & Tagebuch einet Lehrert. Darmflcht,
Jonghaus. 8. OR
Lilien. Zafı (denken hiſtoriſch · romantiſcher Gxzäglunge
fuͤr 1844, son G. v. Bahsmann. ter oa Di
6 Stahlſtichen. Leipzig, Bode. K. 8. 2 Thir. 10 * gr.
Moris, L., Nächte am Züricherfee. a. Bezug der
Eieder eines Gefangenen, Berlin, Hermes Nor.
Müller, %., Riathenkrauz. —— * dem Ge⸗
biete — Literatur alles geblildeten Volker Alter un
neueren, Pi tee Band. Nürnberg, Riegel und Wick,
8,
ee %., Jermak und feine Genoffen, ober bie Er
oberung von @ibkrien. Geſchichttiches Sagengemaͤlde. 2 The.
Berlin, deutſche Vertagsbuchh. 9. 3 hir. 20 Nor.
Dberlin’s, 3 R, Bolfkknbige Lebendgefdzichte und ge
fammelte Schriften. Herausgegeben von Dilpsst, Stäbe
u. A. Mit Berüdfichtigung aller Huͤlfsmittel zufammengefteht
und übertragen von W. Burdhardt. 4 Theile. Mit?
Abbildungen. Stuttgart, Scheible, Rieger und Sattler. LE.
2 hir. 2YNer.
Potzholde, A. Bätalge zur Geoogmose von e Ind
Skizzen auf einer Reise durch Sachsen, Bayern, Salskan-
mergut, Salzburg, Tyrol, Östreich. Mit I in den Text
eingedruckten Abbildungen. Leipzig, Weber. Gr. 8
2 Thir. 3) Ner.
Bunte Reihe. Eine Sammlung ausgewählter uns 7
Seiminsigefhihtn 9
Rugo, J Weimars Erinnerungen.
effantee Erzählungen, Rovellen und
Ates Heſt.
Weimar. Gr. er 0 Ror.
Scherer, Z., Gumbdatine Farſtin Borghefe⸗Talbot. Gin
Berbitd des edeln "Zrauengeichtechts. Rab Brtoni und ander
Durumenten dargeſtellt. Ginfiebeln, Gehr. Benziger. 1.
Schnaase, C., Geschichte der bildenden Künste bei
den Alten Ister Band: die Völker des Oriests. Düsel-
dorf, Buddeus. Gr. 8. 3 Thir.,
Semide, der Seibfivenfer. Cine Kuͤnſtler⸗Novelle. Berlis,
Schultze. 8. 22 *
Streuber, X , Über die Chronologie der Horaziiäen
Dichtungen. Sine titerae « bifkorifcye Abhandiung. Baſel, Aw
kirch. Gr. 8.
Teuffel, W. S;, Horaz. Bise literar - historische
Uebersicht, Tübingen, Fues. Gr. 8 8%,
Srautma 5 F., Proteus. Zwei Dingen Münden,
Palm, Gr.
Werners, $ y dramatiſche Wirte. Bes
Fr raum. —* fofet in 2 Akten. Maratdin. (Br. 1.
Wiid, .,. Der moderne Sefuitismus. Gin Beitrag zu
Aufdeckung des unredlihen Verfahrens der Menfchenvergätterung
im Sample ee die evangelifche Wahrheit. Nörbtingen, rt.
8, r.
8 ®., Sagen und: Mäbrchen aus ber Dir
lauf. Bederzeichnungen von &. Dfieymwald. 23 Apik-
Dannover, ki &. 12. 3 Thir.
Berantwortlier Herausgeber: Heinrib Brodpand. — Druf mub Beriag von a U, Annsknun in Leimsie
Blatter
für
literarifde
Unterhaltung.
Freitag,
8. September 1843.
Zur Geſchichte der Paͤdagogik.
Erziehung und Unterricht find in unſern Tagen nicht
mebr allein Demen, welche von Amts und Berufs wegen
fi damit befyäftigen, ſondern Allen, denen bie hoͤchſten
Angelegenheiten ber Menfchheit nicht fremd oder gleichs
gültig bleiben, Gegenſtand lebhafter Theilnahme Um fo
gewiſſer darf man vorausfegem, daß die Beſprechung zweier
Werte, weiche als fchäsbare Beitraͤge zu einer umfaflens
den Gefchichte ber Pädagogik, diefes wichtigen Zweiges
einer allgemeinen Gefchichte der Menfchheit, ausgezeichnet
zu werden verdienen, Dielen willlommen fein werde.
Beide find gleichzeitig, das eine im Süden, das andere
im Norden Deutfchlands erſchienen, beibe haben bie Paͤ⸗
dagogit des fogenannten Mittelalters, obwol das eine nur
andeutend und einleitend, aus gründlichen Quellenflubium
anſchaulich darzuſtellen verfucht, beide tragen die Zeichen
einer ebenfo klaren Einſicht in den Gegenfiand wie eines
warmen und gefunden Eifers für benfelben an fid.
Wenn das zweite engere Schranken ſich gefegt bat, fo
verbreitet es doch von biefen aus ein helles Licht über
einen viel weiten Kreis, und rechtfertigt die günflige
Meinung, welche ber Darf. durch fein größeres Wer:
„Geſchichte der Erziehung”, erregt hatte.
1. Geſchichte der Paͤdagogik vom Wiederaufbluͤhen claſſiſcher
Studien auf unſere Zeit von Karl von Raumer.
Erſter Theil, erſte und } weite — Stuttgart, Lie⸗
ſching. 1843 Lerx⸗8. She. 7 Y%, Nor.
2. Geſchichte der — ung and des unterrichts in den Rieder⸗
landen während des lters, von Beiedrih Cramer.
GStraiſend, Loͤffier. 1848. Gr. 8. 1Thir. 20 Nar.
Das erfiwe hat eine ſehr umfaſſende Aufgabe ſich
geſtelt, und die Löfung derfelben fo befsiebigend begon⸗
un, daß dieſes Berk, wenn «8 einft, Hoffentlich bald, in
gleicher Weiſe vollendet fein wird, ohne Zweifel allen bil:
Ligen aim Anfprüchen wie hohen Erwartungen entfprodgen mag.
Werf. dieſes iwtereflanten Werks nur als
dam * aturwiſſenſchaft befannt iſt, den mag «6 be⸗
kemden, daß derſelbe feine Thaͤtigkeit einer Geſchichte der
—* zugewendet hat. Sein Unternehmen iſt aber
durch den Erfolg — gerechtfertigt. Und 7
8.9. Raumer hatte mehr ats ſeldſt manche Maͤnner
vom Ja den entſchledenſten Innern Weruf zur Loͤfung
der Aufgabe, die er mit unverbennbater Vorliebe ſich ges
wählt und mit gruͤndtichem Ernſt durchgeführt hat. Ge
M auch Denen, weiche nidyt gerade vertraulich ihm nahe
flawden, nicht verborgen geblieben, mit weichem lebendi⸗
gen Eifer, mit weicher Kraft der Wegeifterung es ſchou
febh feine Theilnahme der Erziehung und Bollsbiitung
zuwendete. Wenn er nach Beendigung feiner aklademi⸗
fyen Studien, in welchen er eine vietfeitige Bildung nicht
auf Unkoſten der Gruͤndlichkeit erſtrebt hatte, in Freiberg
unter Werner's Leitung ganz dem Studium ber Mine
ralogie und Geognofie fi hingab (wie tlichtige Men⸗
ſchen Das, was fie eben zu erſtreben ſich berafen achten,
mis ganzer Seele treiben), fo verlor er doch nie das Biel
aus den Augen, fi zum Lehren und Erziehen tuͤchtig gm
machen, und die reiche Ausbeute feiner wifienfihafidichen
Bildung vornehmlich dazu zu verwenden. In ein
ter, in welchem die Meiſten nur danach trachten, eine
bürgerliche Laufdahn zu betreten, auf der opes et hono-
res zu gewinnen fein möchten, ellte 8. v. Raumes, gim⸗
fligeen Ausſichten die Augen verſchlleßend, zu Peſtalogi,
und befreundete ſich in langem und vertramtem
mit dem Geift, der Methode und bem Lebenögwed des
hochherzigen Schweizers, der, viel verfaunt und viel ir⸗
vend, Doch, wenn man den Werth des Mannes nicht
nach dem Erfolg feiner Bemähungen allein, fonberm zu⸗
meift nad feiner Geſinnung, nad) der Lauteekeit und
Hochherzigkeit feiner Beſtrebungen würdigte, zu Denen ge:
zähle werden muß, die mit voͤlliger Selbſtverleugnung ein
reiches Reben ganz dem Dienft der hälfsbebärftigen Menſch⸗
heit geweiht haben
Ans ber Schweiz heimkehrend trat K. v. Raumer
in das akademiſche Lehramt ein, und ward nach Ber
bienft Said durch eine ordentliche Profeffur in Halle, mit
anfehnlichem Gehalt, auögezeichuet. Aber ee 3 is ſei⸗
nem Wirken bie erſehnte Befriedigung nicht; er beffte
als Erzieher mehr leiſten, einen geſegnetern Einfluß ges
winnen zu koͤnnen; darum entfagte ex dem Gtaatsdienfl
mit aller Gunſt und Annehmiichkeit, Sicherheit und Buͤrg⸗
fihaft, welche ihm derfelbe gewährte, und zog es ver, ſtark
im Glauben au den Segen, der von oben kommt, eis
Privaterziehungsinftitut zu gründen, in welchem er bie
Ausbeute feiner Studien und Erfahrungen zu erproben
gedachte. In Nürnberg ſiedelte er fich am, und ein gleiche
geftunter Freund ſtellte ſich mis ihm an die Spitze des
BE :
Unternehmens, für das er auch wackere Mitarbeiter ges
wann, und das ebenfo fröhlich zu gedeihen fchien, wie es
von Anfang an zu den günfligfien Erwartungen berech⸗
tigte. Aber das Bufammentreffen mehrer widerwärtiger
Vechaͤltniſſe hinderte die erwuͤnſchte Euwidelung und be:
wirkte die frühe Auflöfung einer Anftalt, die in der kurs
zen Zeit ihrer Dauer ſchon Erfreuliches geleifter, unver
kennbar den guten Geift bewährt hatte, aus dem fie ber:
vorgegangen, und in dem fie geleitet worden. Go war
dern auch manch großes Opfer, da6 der Hausvater dem
(höngedachten Piane freubig dargebracht, nicht ganz frucht⸗
106 geblieben, und wenn weltkluge Leute ihm den Vor⸗
„wu machten, baß er eine feſte Stellung im Staate und
ein gewiſſes anſehnliches Einkommen für eine ſchwer zu
eealificende Idee und ein Unternehmen fehe zweifelhaften
Erfoligs bingegeben, fo konnte er fih mit dem Bewußtſein
töten, daß er frei von Selbſtſucht etwas Züchtiged und
Heilſames gewollt und erflcebt, nicht einem phantaftifchen
Traume, fondern einer fehr realen Idee gehuldigt, und
des Mislingens feines Verſuchs ungeachtet doch nicht
vergebens gewollt, geftrebt und gearbeitet habe, fo gewiß
Me Dauer und der Erfolg eines Unternehmens über dei:
fen wahren Werth nicht entfcheibet.
Nah Auflöfung des Inſtituts Lehrte er zum akade⸗
mifchen Lehramt zuruͤck, und die ordentliche Profeffur, die
$ald darauf in Erlangen ihm zu Theil ward, war nur
en Zeugniß wohlverbienter Anerkennung. Bon da an
hat er, die Aufgabe feiner amtlichen Stellung nie aus
dm Augen verlierend, doch der erſten Liebe treu, der Ju:
genbbilbung noch in einem weitern Umfange feine Thaͤ⸗
tigkeit gervibmet. Seine Lehrbücher, namentlich das der
„Augemeinen Geographie” umd die mufler: und meiſter⸗
hafte Beſchreibung Palaͤſtinas, beurkunden feinen ent:
fchiedenen Beruf, wie im akademiſchen Hoͤrſaal, jo in der
Gelehrten s und Volksſchule das aufblühende Geflecht
zur Erkenntniß zu leiten.
Diefen Beruf bewährt aud das anzuzeigende Merk,
das aus Borlefungen hervorging, welche der Verf. bereits
im J. 1833 zu Halle, und von 1838 — 42 in Erlans
gen gehalten hat. Nur der erſte Theil liegt vor uns;
der zweite fol den Beſchluß der Geſchichte der Pädagogik
(668 im die neueſte Zeit), der dritte das eigene paͤdagogi⸗
(he Syſtem des Verf. enthalten und binnen Jahresfriſt
ausgegeben werden. Der erſte Theil, welcher die Ge:
fchichte bis Franz Baco und Montaigne fortführt, bildet
an fi ein fo ſelbſtaͤndiges Ganzes, daß, wenn man auch
das Endurtheil fi) vorbehält, doch eine gerechte Anerken⸗
nung des gedfegenen Inhalts nicht zu früh kommt.
Sehe zweckmaͤßig find unter der Überſchrift „Mittel⸗
alter“ einige fparfamıe, aber genägende Andeutungen über
die Bildung und die Studien jener folgereichen Periobe
vorangeſtellt, woran ein lichtvoller Überbli der geiftigen
Entwidelung Italiens vom 14. bis 16. Jahrhunderte fich
anſchließt. Stalien, von ber Geburt Dante's bis zum
Zobde Petrarca's und Boccaccio's, die Entwidelung der dafs:
fifchen Bildung in Italien vom Tode Petrarca’s und Boc⸗
actio's bis auf Leo X., dann Leo X. und feine Zeit,
mit Ihrem Licht und Schatten, treten in einem auſqar
len Bilde hervor, und mic einem MädbliE auf Ir
Iten wird der Übergang zu Deutfchland finureic gebahn
Das gruͤndliche Quellenſtudium, die eigene Anſchauim
der ſchriftlichen Denkmäler aus jener Zeit, weiche fein
eine lebendige und fruchtbare Übergangsjeit war, if in
den geiftreihen Skizzen überall wahrzunehmen. Mir fin
den bier in dem engen Raume von 60 Seiten das Gr
gebniß mehrjähriger Studien, vielfeitiger Forſchungn
ebenfo anziehend wit lehrreich zufansmengebrängt; «4 M
eine Überſicht, die eine recht are Anfchauung gewährt und
in die folgende Geſchichte aufs befriedigendfte einleitet
Der erſte Abſchnitt, „Deutſche und Niederländer"
überfchrieben, führt die Geſchichte mit vorwaltendem bie
graphifchen Element von Gerhardus Magnus bis Yu:
eher 1340— 1483. Die Hieronymianer, genannt „Bil:
der vom guten Willen”, oder „Bruͤder vom gemeinfamen
Leben”, auch Gregorfaner, eine Geſellſchaft von Kritm,
die fi in Deventer zu einer frommen Gemeinſchaft ve:
banden, zuerft unter Leitung jenes Gerhard Magnus
(Geert Grote) und des Florentius Radewitz, fpäter bed
trefflichen Gerhard von Zuͤtphen, welcher bereits die Bi:
bei in der Mutterfprache unter das Volk verbreitete, wid:
ten folgereih auf gelehrte Bildung ein, widmeten ſich
aber auch, in Löblicher Anerkennung eines dringenden Be |
dürfnifjes, dem noch ganz vernachläffigten Volksunterricht.
Sn ihren zahlreichen Sraterhäufern wuchfen ausgezeichnete
Männer heran, unter ihnen der tieffinnige Thomas o
Kempis, Johann Welle, Rudolf Agricola, Alerender
Hegius u. A., deren bedeutender Einfluß auf die gelehr⸗
ten Studien und auf bie Entwickelung einer freien von
den ſcholaſtiſchen Banden entfeffelten Wiſſenſchaft ſowie
des Bedärfnifies einer gründfichen Reformation anſchan⸗
lich dargeſtellt wird. Jenen reiht fi am Rudolf von
Lange und Hermann von dem Buſche. Dem Eratmat
von Rotterdam, der auch feine erfte gelehrte Wildung
unter den Hieronymianern empfing, iſt, wie billig, ein
größerer Abſchnitt gewidmet; feine Werbienfte und feine
Schwäden werben gerecht beurtheilt.
Mit Dem, was in den Niederlanden und in Nr:
deutfchland fowol für Erneuerung claffifchee Bildung alt
für Volksunterricht gewirkt ward, wetteiferten bie füddent
(hen Schulen zu Schlettſtadt, Heidelberg und Xübingn.
Der Schule zu Schlettſtadt fand Ludwig Dringenders
40 Fahre lang vor. Unter feinen Zoͤglingen find beſor⸗
ders ausgezeichnet Jakob Wimpeling, Jakob Sum
Georg Simter (Melauchthon's verehrten Lehrer) und Ei⸗
telwolf von Stein. Dringenberg’s Werk fegten in Schleu⸗
flade Grato, und nad) ihm Johann Sapiaus fort, unter
dem die Schule der Beinen Reichsſtadt im 3. 1511
900 Zöglinge zählte. Unter diefen war auch der Schwei⸗
zer Thomas Platter, aus deſſen heiterer Selbſtbiogtaphie
einige Fragmente beigegeben find, welche das bamalige
Leben auf Schulen und das oft feltfame Treiben der
Schüler recht anfdyaulich vergegenwärtigen.
Ein wohlverdientes Ehrendenkmal, wie es dem win
digen Vorläufer und Bahnbrecher der Meformantoren ge
käher, hat der Hr. Berl. dem hechrerbdienten Joheun
Reuchlin (Capuio) geſetzt, ſein Leben und Wirken in kraͤf⸗
tigen Umriſſen dargeſtellt, und darauf in einem „NRäd:
bit” die Ergebniffe des ganzen Abfchnitts überfichtlich
zufammengefaßt.
Der zweite Abſchnitt, überfchrieben „Reformation —
Jefuiten — Realismus“, reiht von Luther bis gum Tode
Baco's, 1483 — 1626. Hier iſt es nun, wie fih von
felbft verficht, vor Allen Luther felbft, deffen Bild mit
Liebe und Treue gezeichnet wird, infonderheit feine Wirk:
fomteit für Schulen und Jugendbildung. In wohlge:
wählten Auszügen aus feinen Werken ift das Zieffle und
Treffendfle zufammengefaßt, was der heldenmüthige Käm:
pfer für die Sache Gottes und bes verwahrloften Volke,
als unvergangliche Erzengniſſe und Zeugniſſe feines Gel:
ſtes binterlaffen hat, über Hausregiment und Kinderzucht,
über Krgerniß den Kindern gegeben, fiber ungerathene
Kinder, über Schulen, gelehrte, befonders Sprachftudien
und Bibliotheken, über das Lehramt, defien Beſchwerden
und Segen, über Schuleinihtung und Univerfitäten,
Bibelftudium, Realien, Geſchichte, Dialektik, Rhetorik,
Mathematik, Leibesͤbungen und Muſik.
Auch Philipp Melanchthon, „der Lehrer Deutſchlands“,
der fi) unmittelbar an feinen heidenmüthigen Freund an⸗
fhließt, findet gerechte Anerkennung feines Strebens und
Wirkens, feiner Leiftungen und Verdienſte. Der Gang
feiner eigenen Studien und fein mächtiger Einfluß auf
die Studien und den Bildungsgang feines Zeitalters, auf
mehre Zweige der Wiſſenſchaft und auf die Methode ib:
rer Behandlung, auf das gefammte Schulweſen und auf
die wiſſenſchaftliche Geſtaltung der Reformation, feine
vielfeitige paͤdagogiſche Wirkſamkeit tritt hier in ihrer vol:
lm Bedeutſamkeit hervor, wie es einer nicht nur aus den
Quellen gefchöpften, fondern auch ben empfangenen rei:
en Stoff umfichtig und Mar auffaffenden Geſchichte der
Pädagogik gemäß iſt. Diefe Darftellung wird auch von
Denen, welche das Zeitalter der Reformation ſammt Zus
ther's und Melanchthon's Leben und Wirken ſchon viel:
feitig durchforfchten, mit Befriedigung gelefen werben; es
find nit gerade weſentlich neue Geſichtspunkte eröffnet,
oder noch unbekannte Thatſachen ans Licht gebracht,
was kaum moͤglich war; aber es iſt Alles, was zur
Sache gehört, umfaſſend, ohne zu fehr in die Breite zu
geben, entwickelt, in das rechte Licht und in Die rechte
Beziehung gefteltt.
Die trefflichen Schulmänner, Valentin Friedland Trotzen⸗
dorf, Michael Neander und Johannes Sturm, bie Zier:
den und mufterhaften Rectoren der Schulen zu Goldberg
in Schlefien, zu Ilefeld am Harz und zu Strasburg,
werden nicht minder unbefangen und gerecht, Legterer be:
fonders umfänglicy gewürdigt. Was von der Gtaffenein:
teilung Sturm’s, von der Aufgabe, die er jeder ber zehn
Caſſen und ihrem Lehrer ftellte, und von der Behand:
lung des Unterrichts beigebracht iſt, das verdient um fo
mer Dank, da es ein anſchauliches Bild der damaligen
chulen vorhält, und Quellen entiehne ift, bie
nicht Jedermann zugänglich find.
Usern beabfihtige man in ben Gifehendf
iemer Zeit zumeiſt gruͤndliche Bekanntſchaft mie ee
Sprahen, vornehmlich der Lateinifchen, und Bewandte
heit in claffifcher, vor Allen. Eiceronifcher Redeweiſe; 6
waren recht eigentlich Inteinifche Schulen, in denen die
vaterlaͤndiſche Sprache faft ſchnoͤde zuruͤckgeſetzt und auf
Realien wenig Werth gelegt warb — eine Einſeitigkeit,
die bis ins 18. Jahrhundert fortwaͤhrte. Doch war den
Keuntniſſen und der Redekunſt, die man als Hauptauf⸗
gaben der Schulen betrachtete und behandelte, zu Sturm's
Zeiten die Anleitung zu chriſtlicher Froͤmmigkeit vorange⸗
ſtellt. Von einem Unterricht im Leſen und Schreiben
der Mutterſprache findet ſich ſelbſt im Unterrichtsplan der
unterſten Claſſen der ſtrasburger Schule, die doch ſechs⸗
jaͤhrige Knaben aufnahm, keine Spur; auch das Rechnen
ward in den acht untern Claſſen nicht gelehrt, und Ma:
thematik ſcheint felbft in ben beiden oberften Claſſen nur
kaͤrglich bedacht worden zu fein. Don Geographie, Ges
ſchichte, Naturgefhichte und Phyſik war noch weniger Die
Rebe, ebenfo wenig von neuen Sprachen, aud kaum
vom Hebräifhen, das man doch als unentbehrlich für
ben künftigen Theologen anerkannte, aber ber Univerficdt
vorbehielt.
Lateiniſche Schulen zu fliften und auszuflatten war
denn auch das erſte Bemühen der Fuͤrſten und Ma:
giſtrate, welche, durch Luther und die Reformation ange⸗
regt, der Jugendbildung eine geneigte Aufmerkſamkeit und
Theilnahme zuwendeten. Lateiniſche Schulen ſollten im
allen Staͤdten und Staͤdtchen, und ſelbſt in den vornehm⸗
ſten Flecken und Doͤrfern errichtet werden; doch dachte
man allmaͤlig auch an Herſtellung deutſcher Schulen,
ſelbſt in kleinen Dörfern und Flecken, damit die Kinder
im Lefen und Schreiben, in der Religion und im Kies
hengefang, nebenbei wol ein wenig im Rechnen unter:
tiefen wuͤrden, wobei denn doch auch der Geſichtspunkt
vormwaltet, daß die Jugend von den Elementen per gra-
dus zu der Fertigkeit auffteige, „welche im geiſtlichen und
weltlichen Regiment” erfoderlih iſt. Eine eigentliche‘
Volksbildung für das bürgerliche Leben ward noch wenig
ins Auge gefaßt. Die beiden Abfchnitte, welche von dem
mwürtemberger und ſaͤchſiſchen Schulweſen und den publis
cirten Schulorbnungen handeln, genügen bei aller Kuͤrze
ihrem Zweck.
(Die Wortfegung folgt.)
Macbeth im Drigimal.
Ein Auffag in Nr. 311 d. 8. f. 1842 ach „Kbh
Lear im Original”. Als Seitenſtuͤck gelte — —*
eat“. Das dort Beigebrachte war ber engliſchen überſegung
einer alten walliſer Chronik entnommen. Auch das hier Weis
zubringende fließt aus englifcher Quelle, ebenfalls aus einer als
ten von Gollet in feinen „Relics of literature” mitgeteilten
Shronik. Ss iſt zweifelhaft, wird wahrſcheintich immer zwei⸗
felhaft bleiben und am Ende kommt auch nichts darauf an, ob
Spakfpeare den Stoff zu feiner Tragödie aus Holinſhed's oder’
Buchanan's „Beichichte von Schottland‘ gefchöpft hat. Jenes
Werk war bas ditere, letzteres erſchien, als Shakſpeare bereits
bie Dichterfeder führte, jedoch vor feinem ‚„„WMocheth”. Vielleicht
2» Seimard obes rd.
chanan berichtet, daß auf Anlaß eines
dem ehrgeizigen Wacheth drei Weiber von uͤbermenſchlicher Ges
ſtalt erfehlenen und ihn nacheinander Than von Angus, Than
von Moray und König von Schottland gegrüßt, er in Inver⸗
neb Dunsan ermordet und ſich des Sceyters bemdchtigt. Dun⸗
Weil aber die Weiber prophe⸗
au's Sdhne wären entflohen.
vi daB Banquo’s Nachkommen herrſchen würden, habe Macs
eth Banquo meuchlings erdolcht; Fleance habe ſich gerettet.
Die Ermordung von Macduff's Kindern, die Flucht des Vaters
nach England zu Malcolm, die Kuͤckkehr mit Hülfstruppen uns
tee Seiward, die Belagerung Macbeth's auf Burg Dunfinan
und fein Tod dur Macduff — alles Das erzählt Buchanan
wie bei Shakfpeare. Selbſt Unmefentlicheres, 3. B. bie grünen
Zweige, mit welchen Malcolm’s Krieger fi geſchmuͤckt, erwähnt
der Gefcgichtfchreiber und fchließt mit einem Winte, dem wir
vieleicht das Trauerſpiel verdanken. „Ich übergehe eine Menge
in, bie für theatralifche Darſtellung fich beifer eignen, als
ein Geſchichtswerk.“ Was nun aber laut Gollet vermuth:
ti „Machethb im Driginal”, Macbeth's wahre Geſchichte ift,
weist von Vorſtehendem bedeutend ab. Collet fchreibt:
„Der um Vieles glaubwuͤrdigere Wyntown nennt Macheth
Than von Crumbachty, das gaͤliſche Wort für Eromarty, und
in ber wohlbekannten Fabel von den Hexen läßt der Chroniker
ihn von der erften ald Shan von Crumbachty, von ber zweiten
als Than von Moray und von ber dritten ald König begrüßen.
Dies erklaͤrt auf einmal bie Fictionen bei Boece, Holinſhed und
Ghalfpeare. Wacheth war dich Geburt Shan von Roß, wurde
dunch feine Vermaͤhlung mit Lady Gruoch Than von Maray
und in Bolge feiner Verbrechen König der tten. Bir ers
fahren von Zorfäus, daß zu Anfang des Il. Jahrhunderts
Finley Maormor, oder, wie der norwegifche Hiſtoriograph ihn
nennt, Sarl von Roß war und wider die Ginfälle des maͤch⸗
tigen Bilinge, Sigurd, Grafen von Orkney und Gaithneß, fein
Land tapfer versheibigte. An bie Bellgungen bes Letztern grenzte
Finley's Gebiet, während das. Lanb Angus viel weiter fuͤdlich
lag. Um das 3. 1020 wurde Finley bei einem feindlichen Zu:
fammenftoßen mit Malcolm II. getödtet. Dies allein ſchon bes
weift, daß Finley ſchwerlich gegen feinen Schwiegervater gefoch⸗
tem hohen würbe, wäre er ber Gemahl Doada's gemefen. Durch
daB ungluͤckuche Schickſal ihres Gemahls, bes Waormor von
Moray, aus ihrem Bergſchloſſe vertrieben, flüchtete Lady Gruoch
mit ihrem Meinen Sohne Lulach fehr natünlich in das Land
Roß, wo damals Macbeth herrſchte. Macbeth heirathete fie
und bas geſchah unter der Regierung Duncan's. Liegt nun zu
Tage, daß Macbeth Maormor von Roß, ein Sohn Finley's
und Enkel Rory's ober Roderichs und Gemahl der Gruoch,
dieſe aber die Tochter Boedhe's und Enkelin Kenneth's IV. war,
fo vereinigte Macbeth folchergeftatt bie ganze Macht der Ans
bänger Kenneth’3 IV. und ben ganzen Einfluß ber Lady Gruoch
und ihres Sohnes Lulach mit dem Anfehen eines Maormor von
Kofi, Teineswege aber von Angus. Durch alles Dies, fowie
dv die ihm eigene Gewandtheit und Staͤrbe wurbe er Duns
con und befien Anhängern überlegen. Macbeth hatte die feiner
Gemahlin zugefügte Unbill und für fich felbf ben Tod feines
ers zu rächen. Macbeth's überlegenheit und Duncan's
wurden ſichtbar, als ber ungluͤckliche König durch
„BHeiliges ſchaͤndende GSrmprbung‘ bie Verdrechen feiner
er ſuͤhnte und Macbeth eiligſt nach Scone aufbrach, wo er
mit Beiblife ber GStane von Moray und Roß unb begünfligt
von den Anhängern Kenneth’s IV. zum Känig ber Schotten ges
meiht wurbe. e Macbeth geweien, wozu bie Dichtung ihn
jeder 3 Thir. 15
Verantworticher Yeraußgeber: Yelnrio Brokhaus. — Drud und Berlag von J. U. Brodtaud in Leipsig
te wein
von der
mmdht, ein heim: Meatsiurs,
Ba ber In Gamtriems men ver Plkche den *
an gegoltenen Berfaffung ein näheres Recht auf ben Thron
habt als Duncan’s Bohn. Wie mangelhaft indeffen aud fein
Anſpruch auf das befubelte Gcepter feines Worgängers geneim
fein mag, jedenfalls ſcheint er ſich Muͤhe gegeben ya hakm,
eine Wwäftige und wahlthärige Brrwaltung den ÜRangei yı
erfepen. Er übte foger bie ‚, die dem Ktäde
linge Schuß bietet. Unter feiner Regierung ſoll üÜberfuuß in
Ba et haben; 1 ———— en gebankhakt und die
zu ung von en genei
ke — —
keit gezaͤgelt.
ſchmieden.
jen ſcheint das ge Verbrechen
feine Botmäßigfeit erlangt, ihn auf dem Gipfe fis
ned Gluͤcks gepeinigt zu haben. Cr verfuchte dadurch, If er
in Rom Geld ausfirente, der Geiſtlichkeit Geſchenke machte und
Almofen unter die Armen vertheilte, ſich Erleichterung ju ur
ſchaffen von ‚der Martes jener fürdgterkiden Sraͤume, die ih
naͤchtlich feghttelten‘. Macbeth unb feine Gemablin, kai
Gruoch, gaben die Länbersien von Kirkneß, wie aud das Gut
Bolgy ben Culdees von Lochleven. Allein weber bie —*
ſchaft des Papſtes noch der Beiſtand der Geiſtlichkeit fihertm
Macheth ruhiges Regiment. Bit dem Gefüpt der Unficherheit
flieg feine Strenge. Die dem Maormer von Fife, Macıfl
zugsfügten Übeithaten zeigten den Sohn Duncan’s, Ahhtife y
bewirlen. Mit Genehm ne Dietleigt auf Befehl Ehuards
des Belenners führte Siward, ber mächtige Graf von Rorth⸗
umberland und Verwandter Malcolm's, ein gehtreiden dm
nach Schotttand im 3. 1084. Angefährt von Siward und deſ⸗
fen Sohne Dsbert beangen die Rorthumberiänber vermuthiih
bis vor Dunfinan. Rahebei felite ſich Macbeth ibnen enigegen
und es erfolgte ein wüthender Kampf. Die
Erſchlagenen bezeugt die lange Dauer ber
Bravheit der Kämpfer. Osbert wurbe getöbtet. Aber trat dl:
lee Anftvengungen feinee Zapferleit und feines Eräftigen Bo
nebmens wurbe Blachet$ geworfen. Gr zog fic nad Rerden,
wo er viele Freunde hatte und leicht fehle Punkte finden Tonatr.
Simard kehrte nach Northumberland zurüd und flarh zu Yet
1055. Inzwiſchen fegte Macbeth feine blutige Fehde gesm
Maicolm fort, und biefer ungewöhntidhe Mann fiel endlich bei
re am 5. Dec. 1056 von der Hand bes gekraͤnkten
a u 08
Literasifhe Anzeige.
Vollständig ist jetzt in meinem Verlage erschiene
und durch alle Buchhandlungen zu beziehen:
3. F. Herbart's
kleinere philosophische Schriften und Abbandim-
gen, nebst dessen wissenschaftlichem Nachlasse.
Herausgegeben von Gustav Hartenstein.
Drei Bände.
Gr. 8, . 10 Thlr.
. Der erste Band enthält zugleich eine ausführliche Eis-
leitung des Herausgebers über Herbart’s Leben und Schif-
ten. Derselbe kodtet 3 Thir., der zweite und dritte Band
er.
Leipsig, im Augast 1863.
F. A. Brockhaus.
Blätter.
dr
littrarifche Unterhaltung.
Sonnabend,
— RL. 232. —
v. September 1843.
‚ ®
*
__ - ü | | r | . . n s ı } ' 7} . \
Zur Geſchichte der Paͤdagogik.
(Bortfegung aus Nr. 351.)
Ein langer und tief eingehender —* iſt den Je⸗
ſuiten und ihren Schulen eingeraͤumt worden, mit Recht,
um fo mehr, da der Orden das Vorurtheil zu verbreiten
und aufrecht zu erhalten gewußt bat, daß feine Schulen
ebenfo fehr duch die ausgezeichnerften Leiftungen wie
durch die zweckkmaͤßigſte Einrichtung alle andern übertreffen.
Dos fie wirklich viel, zum Theil Erflaunenerregendes ge:
teiftet haben, und infondecheit dem Zweck des Ordens
entſprachen, mag aud) zugellanden werden; daß aber we:
der iht Zweck der befle, der menfchenwürbigfte war, noch
die für denfelbern verwendeten Mittel als heilfam und dem
hoͤhern Zweck des Menſchenlebens entfprechend anerkannt
werden Können, das hat Hr. v. Raumer von neuem recht
anſchaulich gemacht. Welche Erziehungsktunft und Lehr:
welſsheit konnte aus einer fo nichtswuͤrdigen Sittenlehre
hervorgehen, wie notorifch die der Lopoliten iſt, die zum
Thell ganz unverhohlen * den ruchloſeſten Principien ſich
befannt haben. Ihre Moral iſt die troſtloſeſte und un:
fittlichſte Caſuiſtik, die feine Kunſt, vecht methodiſch zu
fündigen, ohne ſich fangen -zu laffen, ohne das betäubte
Gewiſſen zu beunrubigen, ohne den allwiſſenden Richter
ſcheuen zu muͤſſen, die wunderliche Kunſt, zu luͤgen und
zu trügen, das heil ig gegebene Wort nicht zu halten und
dabei ein ehrlicher Mann zu bleiben. Ihre Lehre von
den zuläffigen Zweideutigkeiten bei Ausfagen, Zeugniffen,
Verſprechungen, Eiden, und die vom Teufel felbft erſon⸗
nene vom heimlichen Vorbehalt, da denn ein Verfprechen,
das man zu balten, indem man es gibt, nicht die Abficht
bat, keineswegs verbindlich ift, und fo viele andere Grund⸗
fige, zu denen fie mit der ſchamloſeſten Frechheit fich be:
kannt haben, zerftören dergeflalt Treue und Glauben un:
ter den Menfchen, verwüften das fittliche Leben in dem
Maße, dag die Erziehung der Jugend Männern von fo
wierheiftlichen, unvernünftigen und buch und durdy ver
veſteten Grundſaͤtzen anguberttauen, ohne Zweifel Wahn:
fan oder Verbrechen wäre.
Die jefuitifche Erziehungs - und Lehrmethode iſt im der
ebenfo fehe wie ihre Moral nichts als Caſuiſtik,
u eine Abrichtungsmethode, eine Dreffur, wie fie
ſten der hoͤhern Bellimmung des Menfchen
alte Bei einem ſolchen Abrichten für einen beflimms
ten Zwea kann allerdings etwas Aufsrocbentliches, recht
in die Augen Fallendes, ja Staunenerregendes geleiſtet wer⸗
den, aber doch immer nur etwas Einſeitiges eine Fertig⸗
keit und Gewandtheit, aber nicht eine harmoniſche Geiſtes⸗
bildung. Im der Prüfung bee Köpfe, in der Erkbennt⸗
niß jedes Talents der Schüler waren die Jeſuiten allen
dings von jeher „ausgezeichnet, wie denn ber Drben über:
haupt auch dadurch fo mächtig ward, daß er feine Leute,
feine geiftlichen und weltlichen Genoffen erfannte , Ser.
den auf den rechten, angemefjenften Plag zu flellen, Je⸗
den als thätiges, ob auch unbewußtes Werkzeug der Dr:
denszwecke zu brauchen wußte. Nächit dem Einhegen des
Eateins, das mit Verbannung alles Redens der Mutter⸗
ſprache auch die Gonverfationsiprache der Schüler fein
folte, war. die praktiſche Brauchbarkeit des heranwachſen⸗
den Gefchlechts für die Öffentlichen und geheimen Tenden⸗
zen der Sorietät die Hauptrichtung ber Jeſuitenſchulen.
Abgefehen von der Einſeitigkeit und Beſchraͤnktheit
des Behrplang iſt befonders der Einfluß der jeſuitiſchen
Erziehungemethode fo beklagenſswerth und geunbwerberhs.
id, daß man nicht genug vor ihrer geichäftigen und zu⸗
dringlichen Einmiſchung In das Schulweſen warnen. kann.
Freilich foll die Religion „der Grund umd die ‚Höhe, die bie:
Bafis und der Gipfel, die Mitte und bie Seele” ihres.
Schule und Erziehung fein; das wird aber ſcharf heraus⸗
gehoben, zundhfi nur um die Nothwendigkeit darzuthun,
daß nur Religiofe, Moͤnche, d. h. Die Zefniten ſelbſt Leh⸗
rer und Erzieher fein ſollten. Auch fehlte es im ihren
Schulen und Erziehungsanftalten nicht an Andachtsübume..
gen; im welchem Geifte aber diefe behandelt wurben, das
erhellt fattfam fon daraus, daß Denjenigen, melde .„fich -
in der Andacht verfehlt hatten”, aufgegeben ward, im
Bethauſe einige Zeit zu beten — als Strafe! So if
auch, wie oft die Demuth empfohles murbe, bey aller
Unterricht fo —F auf ÄAmulation geſtellt, daß ein: maßlo⸗
fer Ehrgeiz in der Jugend erweckt werden mußte, ber.
nur durch die frühe Gewoͤhnung zu blinden, knechtiſchem
Gehorſam gezligelt, aber nicht fittlic, überwunden werben
konnte. Und eben dieſer unkindliche Gehorſam, bie un⸗
bedingte Obedienz machte die Zoͤglinge weis : dem
Willen. ihrer Obern als dem Willen Gattes unterthau,
dergeſtalt, daß ſelbſt die Stimme Gottes im Gewiſ⸗
ſen derſiummen mußte, wo der gebieteriſche Wille des
Ordens mit derfelben in Widerſpruch trat. Selbſt das
Berhaͤltniß der Böglinge zueinander ward im hoͤchſten
Stade corrumpirt. Schon der fcharfe Stachel der nie
eaftenden ÄAmulatlon erwedkte Eiferfucht und Neid, Feind:
feligteit und Lieblofigkeit, und das überall vorhereichende
Cohn der Angeberei war eben wicht geeignet, eine bef-
ſere Gefinnung zu ermweden. Wer ein deutſches Wort
fi) entſchluͤpfen Heß und damit an der herrfchenden La:
tinität ſich verfündigtee, ward mit einer empfindlichen
Schmach und Strafe belegt, konnte biefe aber leicht von
fih wälzen und fie einem Mitichüler zuwenden, wenn er
diefen unter Beiſtand eines Zeugen anklagte, daß ex eben:
fo im Haufe oder auf der Straße die „gemeine“, d. 1.
die Mutterfprache geredet habe. Da man, um Alles, den
ganzen DMenfchen mit Leib und Serie, mit allen feinen
Meigungen und Bedürfnifſen dem Orden unterthan zu
machen, die Kinder felbft den naͤchſten Angehörigen ent:
frembdete, die Liebe zu den Ihrigen als eine „untergeord⸗
nete” verdammte, durch Eröffnung der Briefe und durch
die Strenge der häufigen Beichte ſich in den Befig aller
Geheimniſſe der Zoͤglinge fegte, und ſich zwiſchen dieſe
und die Ältern drängte, fo ſchien Alles darauf berechnet
zu fein, jedes Eindliche Gefühl in den Kindern zu unter:
druͤcken, und den freien Willen fammt der Vernunft in
ſchwere eiferne Ketten zu fchmieden. Es ift ein Meiſter⸗
ſtuͤck jeſuitiſcher Schlauheit, daß fie ihrer pädagogifchen
Kunft zu weitverbreitetem Anfehen zu verhelfen wußten,
obwol fie hoͤchſt unpaͤdagogiſch iſt, und allen gefunden
Principien der Pſychologie und der Ethik, ja aller gefun:
den Bernunft Hohn ſpricht. Es ſchien in unferer Zeit,
da der Orden von neuem fe fein Haupt erhebt und ſich
ber Erziehung und des Unterrichts zu bemaͤchtigen ringt,
darin nur zu fehr von verbiendeten Patronen begünftigt,
es fihien gerade jegt am wenigſten überfläffig, dieſe An-
Deutungen, toelche in dem vorliegenden Werke hinreichend
begründet und entwidelt find, bier aufzunehmen.
Der folgende Abfchnitt ‚‚Univerfitäten‘ enthält mit
zwedtmäßiger Auswahl das Nöthigfte, was zur Sache ge:
hört, iſt aber doch zu kurz und fragmentarifh, ale daß
er befriedigen und feine Stellung in der Gefchichte der
Paͤdagogik ganz ausfüllen koͤnnte.
Der Abſchnitt„Verbaler Realismus’ bietet eine
tiefere Einficht in den damaligen Studiengang dar. Eras:
mus und Melanchthon machten das unabweisbare Be:
dhefnig von Sachtenntniffen zum Verſtaͤndniß der Claſſi⸗
ter geltend; Melanchthon felbft las in Wittenberg über
Phyſik, und fein Lehrbuch diente lange Zeit als Gompen:
dium. Aber diefe Phyſik war keineswegs Ergebniß eige:
nee Beobachtungen und Verſuche, fondern nur des fleißi:
gen Buͤcherſtudiums, vornehmlich des Ariſtoteles. Won
der Aſtronomie fpricht er mit der Höchften Achtung, mit
Bewunderung, und empfiehlt ihr Studium; er legte aber
auch noch Werth auf Afteologie, und konnte von dem
Ptolemaͤiſchen Weltſyſtem ſich nicht losmachen, obwol fein
College Reinhold bereits das Kopernicaniſche vertheidigte.
Da unn Bei dem hervortretenden Realismus die Sach⸗
kenntiß zumähft nur als Mittel des Wortwerſtaͤndniſſes
1010. ⸗
erſtrebt warb, To beißt er nicht mit Unrecht ein verbale
wie denn damals bie Philologen von Denjenigen, —*
der Sachkenntniß neben dem Sprachſtudium einige Ge.
tung zu verfhaffen ſtrebten, Verbales genannt wurde,
Wortkrämer, die deum in der That meiſt am Buchſtaben
hafteten.
Die beiden legten Abfchnitte dieſes erflen Theils en:
wideln treffli den bedeutenden Einfluß Franz Bari
und Michael Montaigne's auf die Pädagogik. Bar,
einer der außerordentlichſten Geiſter, deren mehre frim
in einem Sahrhundert hervortreten, aber mit Keppler un
Shakfpeare in einem Jahrzehnd geboren, wuͤrde in jede
Beziehung bewundernswürdig fein, wenn die Stärke du
Charaters feinen eminenten Faͤhigkeiten und wifienihaft:
lichen Leiſtungen entfprochen hätte. Er hat nicht unmit:
telbar für die Paͤdagogik gewirkt, aber im feinen phüofe:
phifhen Werken, und infonderheit durch Begründung des
methodifchen realen Realismus, einen fruchtbaren Einfuf
auf diefelbe gehabt. Während die beften Kräfte in Gram
matik und RMhetorik, in gründlicher, aber oft fehr dürte
Buͤchergelehrſamkeit fi erfchöpften, verfuchte er mit gr
waltiger Kraft, fie der Beobachtung, dem Studium der
Natur zuzumenden, und er ſelbſt entroidelte mit geniale
Scharffinn und Tieffinn die Ideen einer Naturphiefe:
phie, von der feine Zeit kaum eine Ahnung hatte. Van
er in feinem Urtheil über die Lelftungen der claſſiſchen
Alten, infonderheit der Griechen, den Werth berfelben un:
guͤhrlich herabfegte, fo war das nur ein Extrem, melde
durch das entgegengefegte der herrfchenden Vergoͤtterung
des Überlieferten hervorgerufen ward, als ein Heilmittel,
das fpäter das rechte Gleichgewicht herftellen folt. In
feinen pädagogifchen Bemerkungen und Andeutungen if
er nicht frei von Einfeitigkeit; aber er hat der Willen:
(haft und dem Studium eine Richtung gegeben, die auf
Erziehung und Unterricht folgereich einmwirkte.
Hr. v. Raumer bar ihn mir einiger Vorliebe, do&
ziemlich unbefangen gewürdigt, und nicht minder dra
leichtfertigen, aber geiftreihen Montaigne, der alerdinge
das Eine, was noth iſt, nicht erkannte, doc im 24. un
25. Buche feiner „Essais” (über Pedanterie und Kinderudt)
beachtenswerthe pädagogifche Winke mittheilte. Ex kämpft
witzig und treffend gegen orbilifche Strenge, pedantiſchen,
unerquicklichen Fleiß der Stubenhoder, und empfahl kil:
tigfrifche Leibesübungen und Bewahrung eines heiten
Sinnes und Treibens. |
Montaigne's Gedanken über Erziehung beſchließen dit
fen erſten Theil der „Geſchichte der Pädagogik”. Bi
wuͤnſchen recht bald über den Inhalt des zweiten un)
dritten Theis veferiren zu koͤnnen, und werden und freufn,
wenn wir die Aufmerffamfeit unferer Lefer auf dieſts
reichhaltige und gediegene Werk hingeleitet haben.
Gleiche Aufmerffamkeit nimmt aber auch das zwiile
mit vollem Recht in Anfpruh. Dr. Dr. Grame bat
das Bedürfniß gefühlt, gegen die Gefahr des Stilſſtands
und der Verknoͤcherung, wie fie im täglichen Einerlei des
Schulamts nicht felten eintritt, durch reges, wiſſenſchaft
liches Fortſtreben fi zu wahren, Darin zugleich die edelſt
D
Grhelung und Guyellung: gu ſuchen; neben und. nad
kinem behrerberuf bat er Die Geſchichte der Erziehung
und des Unterrichts zu ſeinem irdiſchen Tagewerk und zur
Lebentaufgabe gemacht. Daß er auf bdiefem Gebiet mit
gruͤndlcher Ginficht, der Frucht ausdauernder und ſcharf⸗
finniger Forſchung wirkſam iſt, Das bewaͤhrt das vorlie⸗
gende Werk feines Geiſtes unverkennbar. Cr begehrt das
Urcheit erfahrener und kundiger Männer über feine Auf:
foffung und Anordnung des Gegenflandes; er proteftict
im voraus gegen hohles und oberflaͤchliches Lob, dem er
begründeten Tadel vorzieht, und gegen leere und batbe
Redensarten, mit denen man ſich über fein Buch dufern
möchte. Blickt nun auch einige Autoreitelkeit aus foldyen
Äußerungen hervor, fo find doch feine Foderungen hin:
reichend begrümdet. Hier aber müffen wir auf eine kurze
Melation des welentlichen Inhalts und auf ein allgemei:
nes Urtheil und befchränten, da eine tiefer eingehende Kris
tie, die nicht ausbleiben wird, der Beflimmung d. DI.
nicht entfpredhen würde.
Die ungewöhnlih langen Präliminarien (Borrebe,
Einleitung , Inhaltsverzeichniß) find fehr zwedmäßig
und wirktidy geſchickt einleitend. Der Einfluß des Chri⸗
ſtenthums auf das öffentliche und häusliche Leben If
in lichtvollen Andeutungen der Cinleitung befriedigend
dargelegt, und daraus die verfländige Eintheilung der Er:
ziehungsgefchichte des gefammten Mittelalters in vier Pe:
rioden abgeleitet, naͤmlich 1) von den erfien Zeiten Des
Chtiſtenthums bis auf Karl den Großen oder die reinkirch⸗
lie Bildung im Kampf gegen die weltliche; .2) von Karl
den Großen bis zu den Kreuzzuͤgen, oder von der erften Daͤm⸗
merung ber chriftfichen Laienbildung neben und mit der
geiflihen; 3) von den Kreuzzuügen bis zum 14. Jahr:
hundert, oder die beginnende Selbſtaͤndigkeit ber chriſtli⸗
hen Laienbildung zunaͤchſt in den Rittern; 4) vom An-
fang oder der Mitte des 14. Jahrhunderts bis zur Re:
formation, ober die fortfchreitende Selbſtaͤndigkeit der chriſt⸗
lichen Bildung in den Volksſchulen und der chriſtlichen
Wiſſenſchaft in den Univerſitaͤten.
Den Umfang und Reichthum des Inhalts wollen
wie wenigſtens andeuten. Das Buch hebt mit dem
Schul- und Unterrichtsweſen in Gallien und den Nieder:
tanden in den erſten Jahrhunderten chriftlicher Zeitedy
nung an, zeigt dann die Deränderung des Bildungs:
und Unterrichöwefens im 6. Jahrhundert durch Verbrei⸗
tung und Befeftigung des Chriftenthums und der fieben
freien Künfte (des Trivium und Duadrivium), dann den
Einfluß der Benedictiner » Klofterfhulen, und gebt über
auf die Fürſorge der weltlihen Macht für die Schu:
en, vornehmlich Karl's des Großen Verdienſte. Hier wird
die Hauptrichtung feiner Bemühungen für das Schul:
wefen, naͤmlich die chriflich:religiöfe, die Sorge für Volke:
bildung, Alcuin's Wirkſamkeit, bie geiftlihe und religioͤſe
Bildung des Zeitalters, die Einführung der Mutterſprache
in den Religionsunterricht, Karl's des Großen Einwirkung auf
Wirderbelebung der altclaſſiſchen Bildung, einer reinern La⸗
tinität und der Beſchaͤftigung mit der griechiſchen Sprache,
ebenfo anziehend wie ſachkundig dargeſtellt. Eine Hinwei-
fung auf die bald nach Rat dem Geroßen eintretenden wichti⸗
gen Beraͤnderungen, insbeſondere in ben Kloſterſchulen,
bildet den Übergang zur ſpeciellen, Geſchichte des Erziehungs⸗
und Unterrichtsweſens in den Niederlanden‘. Hier wer⸗
den zunaͤchſt die allgemeinen Verhaͤltniſſe, welche die Bil⸗
dung begüunftigen, namentlich die Kioflers und Kathedral⸗
ſchulen, befonders die Schule zu Utrecht, um weldye, fo:
wie um Ausbreitung des Chriftenthums in den Nieder:
landen, Winfried: Bonifazius ſich große Verdienſte erwor⸗
ben, Luͤdger's Wirkſamkeit unter ben Frieſen, weiter bie
Bildung in den füdlichen Niederlanden, befonders frit Karl
dem Großen das Büchermefen in den Kiditern, Karl’8 und
feiner Nachfolger Einwirtung auf die nieberländifchen
Schulen, Karl's des Kahlen Bildungseifer und die Schuls
disciplin jener Zeit, weiter die Verfüflung der Schulen
zu St.:Eino, zu Lobbes, zu Pürtidy (robei des für das
Schulweſen eifrig bemühten Biſchofs Everaclus [Euraffus],
der Familie Notker, befonderd Notker's von Lüttich, und
des dauernden Bildungseinfluffes Luͤttichs, der daſigen
Klofterfhulen und ihrer Wirkſamkeit nach außen, in wohl⸗
verdienter Anerkennung gedacht wird), dann die übrigen
beruͤhmteſten Klofterfchulen der Niederlande, beſonders An;
dain, Stabulo und Gemblours, endlich die eigenthuͤmliche
Richtung der niederländifchen Kloͤſter, namentlid, das
itarre Kirchenthum und firenge Feſthalten an den roͤmi⸗
ſchen Sagungen, bei Zurückdraͤngung des Studiums der
Gioffiter, dargeſtellt mir gruͤndlicher Sachkenntniß und
treffenden Bemerkungen.
(Der Beſchluß folgt.)
— — ——— —
L’Europe pendant la revolution fraugaise par B. H. R.
Capefigue. Erſter und zweiter Band. Paris 1843.
Wir haben die beiden Bände, welche bis jegt von biefem
Werke erfchienen find, nicht ohne ein gewiſſes Mistrauen in die
Dand genommen. Gapefigue bat in den legten fünf bis ſechs
Fahren eine fo unermeßliche Anzahl von Büchern in die Welt
gefchleudert, daß man ſich nicht erwehren Tann, feine ganze
Schriftftellerei für eine Art fabritmäßiger Thaͤtigkeit zu halten.
Sreili) muß man wiffen, daß er eine längere Reihe von Jahr
ren bindurch dem Ardjive auf dem Minifteriun der auswärtigen
Angelegenheiten vorgeftanden bat. Während biefes Zeitraums
bat cr eine Menge wichtiger Documente theils felbft ercerpirt,
iheils ercerpiren laffen und fo ein unerfchöpfiiches Material zu
hiftorifchen Darftellungen angefommelt. Auch feine neuefte
bringt wieder einige intereffante Beiträge zur Beleuchtung eins
zeiner Thatſachen und feheint uns fogar mit geringerer Rad:
läffigkeit als einige feiner frühern Werke, welche die Sputen
der Fluͤchtigkeit nicht feiten ſchon in ftitiftifcher Beziehung zei⸗
gen, gefchrieben zu fein.
Am intereflanteften und wichtigſten für die Charakteriſtik
der Revolutionshelden find einige Privatbriefe von Männern
wie Briſſot u. f. w., die von Sapefigue mitgetheilt werden.
Dabei glauben wir die Zeichnung von der Stellung, weldye Die
verſchiebenen Wächte vor und während ber Mevolution einges
nommen haben, als bie gelungenfte Partie bed ganzen Werks
hervorheben zu Tonnen. Überhaupt war bie Idee gewiß eine
recht gluͤckliche, einmal bei der Erzaͤhlung der wichtigften Er⸗
eigniffe von 1789 und den folgenden Jahren von Paris, dem
Mittelpunkte ber Bewegung, mehr abzufehen und bie übrigen
Staaten und ihr Verhältnig zu den revolutionairen Ideen, weiche
fih von Frankreich aus über die Welt verbreiteten, mehr ins
I. oe gue iu — rade
in Frankreich, wo bie Hiſtoriker bisher, von dem nähern Jnter⸗
eſſe in ber Regel faſt ausſchließlich in Anſpruch genommen, ben
ängen im übrigen Curopa nur eine geringe Beachtung ger
* haben. Wenn wie nun freitich ftagen, ob⸗ Ga⸗
peſigue gerade ber Mann dazu war, dieſe Aufgebe zu loͤſen, fo
drängen ſich um fo ſtaͤrkere Zweifel auf, wenn wir glei auf:
den exften Blick ſehen, daß in dielem neuen Werke feine ultra:
montanen Glaubensanſichten wo möglich noch greller herdortre⸗
ten als in feinen frühern Schriften: Wir ſind weit entfernt,
etwa ben zabicalen
der Revolution zu einem Pamphlet geworden ift, bier eine groͤ⸗
Sere Berechtigung einzuräumen; aber wie faun man von einem
Schriftſteller Unparteitichkeit erwarten, welcher Alles, was
während ber Revolution unb bes -Kaiferreiche Großes gethan
it, noch auf Rechnung des vorhergehenden Regime feat — To
meint er 3. B., alle: großen Generale bes Kaiſers feien in ber
Schule der alten Monarchie gebildet — , während er die Revo⸗
Iution wie eine vom Himmel gefallene Bombe betrachtet oder
fie hoͤchſtens den Philofophen ins Gewiſſen ſchiebt, ais wenn
fie nicht zum großen Theil wenigflens eine nothwendige Folge
der Ausichweifung und Thorheiten der früheren Machthaber ges
wefen wäre.
Am erften verföhnt ſich der große Werehrer bes Adels, def
fen brittes Wort immer chevalerie, noblesse und chevaleres-
que ift, noch mit dem eigentlichen Wolfe, dem er weniaftens ein
sentiment de nationalit6 läßt; aber der Mittelftand, bie bour-
gesisie, iſt ihm ein Greuel. Sie ift an Atem Unheil ſchuld,
was über die Weit hereingebrochen iſt, und er ſchildert fie mit
den fhwärzeften Karben, wahrfcheiniih, um an ihr bafür, daß
fie ihren volftändigen Triumph in der Yulirevolution befiegelt
bat, Rache zu nehmen. Indeſſen weicht Gapefigue an mehr als
einem Punkte von den Hiftoritern feiner Farbe ab und nimmt
4. B. Philipp Egalite, den die Legitimiften gewöhnlich zum
allgemeinen Sündenbod machen, in Schutz ober verfährt wenigs
ſtens ſehr glimpflidy mit ihm. Im Allgemeinen zeigt fi Ca⸗
peſigue wieder als einen ebenfo eifrigen Ultraromanen als in
feinen frübern Schriften... &o fehen wir, wie er bei feiner ges
wagten Behauptung bleibt, bie ganze Schuld an den religiöfen
Berfo en und namentlid an ber pariſer Bluthochzeit trage
Lediglich die vermalebeite bourgeoisie, während Karl IX. ber
ganzen Sache fremd geblieben fei (Bd. I, ©. 346). Nicht ganz
battbar fcheint uns ferner feine Anficht, welche er an verfchiebes
nen Stellen, z. B. Bd. 1, &. 390, ausfprickt, daß bie allger
meine Bewegung, bie fi beim Beginn ber evolution in den
verfchiedenen Ländern kundthat, nicht etwa bem Umſtande guzu:
ſchreiben fei, daß bie Liberalen been von Freiheit und Gieich⸗
heit wirklich Anklang gefunden hätten, fondern Eapefigue behaup⸗
tet, daß fie einzig auf Rechnung der Sympathie zu fegen fei,
weiche die Bildung, bie Eiteratur und bie Sitten, wie fie vom
ancien rögime geformt waren, ben Franzoſen überall ficherte.
Bir geben zu, baß bie große Vorliebe, mit ber alle Welt an
Frankreich hing, in etwas zur fchnelien Verbreitung ber revo⸗
Iutionnairen Ideen beigetragen haben mag; aber es läßt ſich doch
auch auf ber andern Seite nicht ableugnen, daß die eralticten
Köpfe, welche in der Lobernben Flamme der Revolution die Mors
genſonne ber Freiheit begrüßten, von: ben Ibeen, welche ber Be⸗
wegung felbft gu Grunde lagen, nicht wenig angefprochen fein
mußten. Bei biefer Gelegenheit wollen wir auch glei noch
anführen, daß Gapefigue unter ben hervorragenden Gelftern
Deutſchlands, die fich von den Grundſaͤtzen der Revolution ans
ſtecken ließen, eines ber bebeutenbflen von allen, Georg Forſter's,
bee von ber Flamme, welche ihn mit unmwiberftehlicher Gewalt
an ſich zog, felbft verzehrt wurde, mit keinem Worte gedenkt.
Den Strondiften und ihren Anhängern fpielt er gar gu mit,
während er in ben extremen Parteien wenigſtens Kraft und
Gnesgie gelten laͤßt. Gr läßt an der Gironbe allen Hohn und
Hiſtorikern, unten deren Weber die Gefdichte:| |
arten
alen Spott aao; fe weit er MERERETÄER „AHletes pen
— 555 u €
n 7) i
ronde “, und ber Mad. Roland Hähgt ein „„cetie pödante
Dagegen will er durchaus nicht zugeben, daß
n’ perfönfichen ſchaften def
füpvader Disnasdj. war, fonbern wil Ihn mit Gemız
5
Wir Haben ſchon gefehen, wie dem Verf. Alles, was e
Schönes, Herrliches und Großes gibt, in dem Worte „chera-
leresqueo” enthalten if; fo fagt er denn auch: „Li od n’sinient
plus ia cocarde blanche et l’Stendard fieurdeliss, la n'tzieat
plus la Franoe“ und es klingt orbentlich elegiſch, wenn er aut:
ruft: „Plus de traditions, plus de respect, plus de voble
chevalerie!’ oder an einer andern Stelle: „Qu’staient devenus
ces beaux marquis, les dölices du monde tiviliss 1“ 6.
Notiz.
Mittelamerika.
. Das lebhafte Intereffe, welches von ben beiben Werken von
Stephens über Mittelamerika erregt wich, hat den mexicaniſchen
Alterthämern, melde, nachdem fie einige Zeit hindurch viel ke:
ſprochen waren, mit einem Male in gaͤnzliche Vergefſenheit ge
funten ſchienen, wieber bie Aufmerkſamkeit der emvapätkken
Gelehrten zugewendet. So fucht man Fest denn wieder heraor,
was feit X. von Humboldt — man Eann in Amerika feinen Gqritt
thun, ohne an feinen Namen erinnert zu werden — bi uf
Rorman und Friedrichsthal über Biefen Gegenftand geſchrieben if.
Von fo hohem Werte auch einzelne dieſer Arbeiten fein mögen,
fo. bleibt doch noch immer viel zu thun übrig, und namenilich
bietet die Halbinfel Yucatan, ber einzelne Abfchnitte der Ste
phens’fchen Werke gewibmet find, für ernfte Forſchungen noch
ein weites Fed. Gin bedeutender Gewinn für bie Wiſſenſchaften
würde es fein, wenn ber umfaflende Plan bes Grafen von
St.sPricht zur Ausführung kaͤme. Dieſer um bie Wiſſenſchaften
verdiente Franzoſe will nämlich eine gange Geſellſchaft von Ar:
chaͤologen, Naturforfcheen und Künftlern anmwerben, um bie in:
tereffanten Gegenden Mittelamerikas, die namentlich für die
Alterthumskunde ein fo hohes Intereſſe bieten, in allen Rid
tungen zu durchforſchen. An Gelehrten, - bie an dieſen Unter:
fuhungen Theil nehmen mödten, wirb es ſchon nicht fehle,
aber bie Bauptfache if, das nöthige Gelb — und zur Beini
tung der bedeutenden Reiſekoſten würbe wenigftens eine Summe
von 12,000 St. erfodert — aufsutreiben. Gt.: Prifl,
ber ſich namentlich burdy feine ‚‚Antiquites mexicaines” befannt
gemacht hat, befindet ſich zu dem Zwecke gegemmärtig im London,
wo er mehre reiche Gapitaliften für fein Unternehmen zu int
eifien hofft. Bei biefer Gelegenheit kommt auch noch zur
Soprache, daB bie Geographiſche Gefellfchaft zu Paris im Bft
der Berichte üher die Grpebition in den Jahren 1805 —7 iR,
weldye im Auftrage bes Könige Yon Spanien in Mittelamerile
unternommen wurde. Die Driginalhandfſchrift davon beat
fih in den Archiven zu Mexico. Hoffentlich wich die Geene
pbifche Geſellſchaft biefe wichtigen Papiere, unter denen ſich
namentlih fehr werthvolle Zeichnungen und Pläne von Ga
* befinden, der gelehrten Welt nicht laͤnger nt
n.
Verantwortlicher Oerausgeber: Heinrich Brodhaus. — Druck und Verlag von F. J. Brockhaus in Eripsig.
Blätter
f%
literariſche Unterhaltung
„7
r
(Behind aus Nr. BR.)
Abe jene berühmten Schulen in den Nicberlanden
maren, wie anderwaͤrts, faft ausſchlleßlich der Wildung
kunftiger Geiſtlichen, und etwa einiger vornehmen, infon:
derheit adeligen Laien gewidmet; wie menig dort von den
erften qriſtlichen Zeiten bis gu den Kreuzzuͤgen für eigent:
liche Volksbitdung gethan ward, hat Hr. Dr. Cramer an-
gedentet, ebenfo den Einfluß der Nonnenkloͤſter auf Er:
jihung und Unterricht, den Verfall der Kloſterſchulen
aber und die einreißende DBerwilderung der Kiöfter ums
fländlich vor Augen geftellt.
In der folgenden Periode wird der geiftige Einfluß
ber Rrenzzlge und das Auftreten einer neuen geiſtigen
Rigtung anſchaulich gemacht, vornehmlich Laienbildung
neben der geifllichen, das Hervortreten ber neuen Spra⸗
den neben den alten, der Natur neben dem Geiſte
(Realismus — Nominalismus —), die ritterliche Bildung
im Gegenfag gegen die gelftliche, und das Hervortteten des
weiblichen Geſchlechts in der Geſellſchaft, die Wichtig:
fit Frankreichs und der fäadlichen Niederlande für Ent:
wickelung der neuen Richtung und befonders des Ritter:
thums, die geiftige Bildung ber Ritter, bie verfchieden:
artige Sultureinwirfung auf die Niederlande in jener Zeit,
dann die Univerficät in Paris mit ihrem welthiſtoriſchen
Einfluß, die Univerfitäten zu Salerno und Bologna, die
niederlaͤndiſchen Stubenten und Lehrer zu Paris, weiter⸗
bin die Bedeutung der Kathedralſchulen gegen die Kloſter⸗
ſchulen, infonderheit der nieberländifchen Kachedralfchulen,
namentlich der zu Lüttich, gu Tournay, zu Mecheln und
Uneht — das Altes find Gapitslübesfchriften, die zu einem
gewiß belohnenden Stadium diefer Geſchichte «inladen.
Die vierte Periode zeichnet fih aus zunaͤchſt durch
Erhebung des Buͤrgerſtandes und das allgemeinere Stre⸗
den nach geifliger Biidung. Das Volksſchulweſen wird
durch die Kirche und die Bettelmoͤnche mehr als man
gemeinhin anerkennt geförbert, bie Volksſprache, die
Velkegeſehe und die Volkspoeſie gewinnen an Bedeu:
tng, bie miederlaͤndiſchen Städte entfalten «ein freie:
= bürgerliches Leben und Regen. Danke Elemente
der damaligen Becks⸗ md Hoflebens, vornehmlich audi
der dirgerlichen Ergtehung, treten recht anſchaulich in
dem niederlaͤndiſch n Thiereyvss — Iſegrimm, Rei⸗
10. September 1843.
nad — aus ber erſten Hälfte des 13. Jahrhunderts
hervor. Während Im 14. Jahrhundert die Srädte RB
erheben, bas Rittertbum aber verfällt, bilden fich Fromme
Bereine in Verbindung mit Realſchulen, die Buͤrger⸗
fhulen gewinnen an Anfehen und Eiufiuf, und «6 regt
ſich ſchon das DBerlangen, fie von der Kirche unabhängig
zu machen, fowie die fläbtifhen Magiftrate das Patro⸗
natsrecht über die Ortsſchulen erfirebten und allmälig
erlangten. Man arbeitete fleißig, wenn auch nicht überall
mit fiherm, paͤdagogiſchem Takt, Grammatiken und ass
dere Lehrbücher für die niedern und höheren Schulen, wo:
bei man gern der metrifchen Form fich bediente. Die
Brüder des gemeinſamen Lebens und ihre Schulen, deren
Einwirkung und Verbreitung, werden auch von Hrn. Dr.
Cramer wie von Hrn. 8. v. Raumer unbefangen und
einfichtsvoll gewürdigt; es iſt von da an intereffant, beide
Darſtellungen zu vergleichen, zumal jede ihre eigenthüm⸗
tihen Vorzüge hat. Was Hr. Dr. Cramer von den be:
rühmteften Schulen der Brüder, von deren Verdienſten
um Zucht und Methode, von der gegenfeitigen Einwir⸗
fung diefer Schulen und ber Wiederherftellung der Wif
ſenſchaften, von dem Verhaͤltniß derfeiben Schulen zu den
reformatorifchen Bedürfniffen und Beſtrebungen der Zeit
und der Erhebung des Bürgerſtandes, dann über Die
Gründung, Entwidelung und den Einfluß der Univerſi⸗
täten — Prag 1348, Wien 1361, Heidelberg und Räte
1386, Erfurt 1392 —, und von ihrem Einfluß auf allge⸗
meine Bildung, von ihrer allmälig ſich geftaltenden Op⸗
pofition gegen die paͤpſtliche Xuctorität, mitgetheilt bat,
das bewährt ebenfo fehr die Gruͤndlichkeit feiner Studien
vie feinen fcharfen und umfaffenden Blick. Es iſt finn-
reich ausgeführt, wie die Univerfitäten als ein geiſtiges
Ritterthum fich geflalteten, da die Blütenzeit des alten
Ritterweſens vorübereile. Die brei Stufen der Gelehr⸗
tenbifdung, Schüler, Student, Doctor, entſprachen dem
drei ritterlichen Graden Page, Knappe, Ritter; die ge
lehrten Disputationen traten als eine geiſtige Gymnaſtik
an die Stelle der Turniere und wirkten auch mit, wide
wur das perfönliche Talent und eine kräftige Geifleägugen-
wart geltend zu machen, fondern auch ben Geiſt einer
freien Maͤnnlichkeit auf den Univerfitäten autzubilben.
Der Univerfitäe Löwen iſt mit Recht ein beſenderer
Abſchnitt gewidmet, in weichem noch manche bedrutende
, 8%
Merkmale ber
Einige Bemerkungen über ben naͤchſten und unmittelbar:
ſten Einfluß der Reformation auf das Schulweſen und
über die Univerfitäten zu Douay und Leyden (legtere bie
Vertreterin des. hollaͤndiſch⸗ Ai rare . —*
J eſchließen
uch.
Mef. iſt nicht uͤberall mit dem Verf. einverſtanden; er
die de6 beigifch:tgthofkfägen
B
fuͤhlte ſich mehr als einmal verſucht, eine andere Auffaf:
fungsweife einzelner Thatfachen oder Perfonen geltend zu
machen; aber er erkennt willig und dankbar für mannid):
fache
forgfältiger Forſchung auch in angemeffener Form in die:
fm fchägbaren Werke niedergelegt if. Bemerkt fei nur
noch, daß die vier Perioden im Concept ebenfo markirt fein
5. 4. Koethe.
——— — — — — — —— — —
ſollten wie in der Inhaltsanzeige.
Weſchichte der ſchleſiſchen Kriege nach Originalquellen von
Leopold von Orlich. Erſter Theil. Mit Plänen
Berlin, Gropius.
und mit einer Sperationekarte.
1841. Gr. 8. 2 Thlr. 20 Nor.
Das erwachte gefichtlihe Quellenſtudium gehört zu den
ekfreutichen Grfcheinungen unferer Zeit. Alles verlangt nach
Urmielen, und Geſchichtswerken, aus blos ſecundairen Quellen
geſchoͤpft oder ohne Angabe derielben, würde nur der Zauber
ber Darftellung, wie Voltaire's „Karl xXiL” und Schillers
„Dreißigjährigem Kriege’, Gluͤck bei der gebildeten Leſewelt ver:
fhaffen. Man ſcheint endlich Johann v. Muͤller's Ausſpruch, daß
es eine ernfte Sache um die Geſchichte fei, begriffen zu haben.
Gin anberer Meifter *) fieht fogar die Zeit fommen, da wir bie
geuere Geſchichte nur „aus ben Relationen der Augenzeugen und
dem echten unmittelbaren Quellen aufbauen werden‘. Sieht
war Ref. nicht fo weit und kann er audy nicht eine ſolche Zeit
ünfcyen , die das mit Geift und Detailfenntniß Abgeleitete als
wnbrauchbar darftellen und fo um manches Treffliche uns ver:
fümmern würde, fo ift auch diefe ertreme Anficht infofern ers
freulich, als fie die hohe Bedeutung bed Quellenſtudiums zeigt
und nach diefer Seite zu aufmunternd und anregend wirkt.
Indbdeß darf dem Eifer der heutigen Gefchichtsforfcher diefe
Erſcheinung nicht allein zugefchrieben werden. Die Zeit begün:
ftigt fie fo fehr, daß dieſelben faft nur das ihnen Gebotene ans
ehmen brauchen. Denn der Stoff, welder fonft mit mid
trauifcher Giferfucht bewacht wurbe und unter dem Staube der
Archive vergraben lag, ift jest den Gefchichtsforfchern mit einer
{in fräherer Zeit unerhörten Preifinnigkeit zugängli gemacht
worden. : Wenn auch nicht Alle Gleiches erfahren und ein lite
zarifcher Rame und, in defien Ermangelung, felbft die Protec-
tion die Flughaut unterfpannt, weldye zu Urkunden und auto-
graphen Handſchriften gelangen läßt, fo darf doch über einzel:
nem Menſchlichen das allgemein Gute und Schöne nicht ver:
tannt werden. Und gut und ſchoͤn iſt es gewiß, daß Regieruns
gen, auch verſchiedener Richtung und Farbe, die geſchichtliche
Muheheit fördern, anftatt neidifch zu bewachen. Es liegt in
dieſem Zuge etwas Dffenes und Vertrauenvolles, welches die
öffentliche Meinung nur gewinnen kann.
Zu biefen Betrachtungen hat die vorkiegende Schrift dem
Me. nahe Berantaffung gegeben. Ihr Verf. hat das Gluͤck
„ in ben Ardive zu Deffau in mebr ale 2D zum
heil eigenhändig geſchriehenen Originatbriefen Friedrichs des
Grafen an ben Fürften und den Exbpringen von Anhalt:Deffau,
.. 95 Menke in der Vorrede zur MDentſchen Geſchichte im Zeitalter
a Retſematie ·
ga. y
Bildung jener Zeit in Betracht kommen.
‚freund ſehr verdient gemacht.
Belehrung und Anregung das viele Wahre und
Gute an, welches als die Ausbeute warmen Eifer und
7
ẽ 1 .
in Berichten mehrer Generale, ja ſogar ir von Keickei
gezeichneten Schlachtplaͤnen einen reichen Quellenſchat zu —*
und ſich ſchon durch deſſen Beroͤffentlichung um den Geſhihtn
Aber dieſes Verdienſt Hat er neq
dadurch zu erhöhen gewußt, daß er das gefundene Unbekannt
nicht bios wiedegäegeben, forpern auch mit
gen, kurz nicht De (Giysckn Werften fo —
Geſchichte felbſt fert: bat. ferner Bel it nenn
ec feine Arbeit nr einen Berſuch, mit dem er nicht warten u
dürfen glaubte, bis ein kriegskundiger unb erfahrener Nilitar
derfeiben feine Mußeftunden widme. Aber Ref. glaubt fie dennod
als eine fehr gelungene Gefchichte empfehlen zu können.
Was das allgemeine Geſchichtliche betrifft, fo hat zwar der
gefundene Quellenſchatz oft ein bedeutendes ühergewicht gewen:
nen und ift nicht immer kritiſch gefichtet und mit dem Bekam:
ten gloͤclich verſchmolzen worben. Indeß läßt fi biefer Man:
gel durch die Wichtigkeit des gemachten Fundes und die ſicht
bare Freude über denfelben erklären und um fo mehr entickt:
digen, als er doch keineswegs in der Gompaofition fihrend vor:
herrſcht. Diele verwirrt nicht unter ben verſchiedenen Gruppi:
rungen und Schattirungen ber Perfonen und Begebenheiten,
unter ben fogenannten accessoires, die ma Gehihtikrn:
ber noch fo viel zu Schaffen machen, fondern laͤßt immer den
Faden halten und den Blid auf das Ganze unzerflreut un ur
getrübt. Kurz der Verf. ift im Allgemeinen Meiſter fein
Stoffe geblieben und feine Sompofitionen im Ganzen ald geſchiet
zu empfehlen. Ginige feiner Gharaftergeichnungen find vorzig
li gelungen und feine Darftellung, ihr Geſuchtes an einzeinmn
Stellen abgerechnet, hat eine ganz geſchichtliche Haltung. Seiat
Kritik iſt umfichtig und fo unpartetifch, als es fein preußiſcher!
Standpunft und feine von ihm felbft ausgeſprochene patriotiſche
Abſicht nur irgend erlauben. Damit will ef. um fo weniger
einen Zadel ausſprechen, als er von fogenannter Vorausſetunge
loſigkeit nicht viel hält und über dieſelbe in d. WI. bei ein
andern Gelegenheit ſich offen erflärt bat.
In Hinficht des Militairiſchen ſcheint dem Berf., nad fe:
ner Bemerkung , die eigene Kriegserfahrung abzugeben. Aller:
dinge waͤre dies ein Mangel, und ein wecht großer Mangel
für den Befchreiber von Operationen und Schlachten, ta des
ferbft Exlebte das Urtheil über das von Andern Grfahrene ef
recht reift und befeftigt, und mol nirgend dem Begriffe dat
Leben näher zur Seite geht ale bei mititairifchen Gegenſtänden
Indeß würde diefer Mangel bier nur ein relativer fein, nämlid
in Beziehung auf den Berf, ſelbſt, da er, der ohne Kriegeerſch
zung und don fo viel gegeben hat, mit derſeiben noch Ic:
licheres hätte Leiften Eönnen. Diefer Mangel würde auf nnd
nicht feine Geſchichte durch bie von kriegserfahrenen Militais
verfaßte unbedingt verbunfein laſſen. Denn bie Erfahrung wit
nicht magiſch, nicht befruchtend, fondern nur Läuternd und be
feftigend,, erſetzt nicht Geiſt und Kenntniß, ſondern klaͤrt ſt
gleichſam ab und reinigt fie von den Auswuͤchſen muͤßiger Ept
culation und von dem Staube der Schule. Schiller hat, cum
Mititair geweſen zu fein, in feinem „allenftein” das Selbe
tenicben, und Goethe in feinen „Bekenntniſſen einer fhdam
Serie das innere Leben, in dem er wol nicht land, meikm
haft zu objectiviren gewußt, und Jener manchen Dffigier, wie
Diefer viele Fromme befhämt. Und dem Maufefel des Print
Fugen haben, nad) Friedrich's des Großen Bemerkung, den
Kriegszuͤge nichts genügt.
Wenn alfo auch unfer Berf. bei ber Abfaſſung des Werk
feinem Kriege beigewohnt haben folte, fo hat ex doch den Dir:
tiegenden mit Sachkunde beſchrieben und in feiner militairilden
Kritik, bei all ihrer Kürze, den Kenner verrathen. enden DIE
uns nun zu der Schrift ſelbſt, aus der Ref. bei ber Veſchränkt:
heit des Raumes und bei der großen Schwierigkeit, chat das
Berflänbnig barunter leiden zu Laflen, aus miutairiſchen Drtais
einen Auszug zu liefern, nur Einzelnes hervorheben
Ginteitung. Weiß -die Anfpuhche, des. Kucfuͤcſten 0
Brandenburg auf das —* athun Jageradert nach und KU
bie Intriguen —* Am das ihm zu maͤch⸗
tig wer | een. beffen .Hüife —8 ſo ſehr
die Franzoſen und Tuͤrken bedarf und welches es daher
zu müflen glaubt. Der Große Kurfurſt befinder ſich fo
in einem befländigen Kampfe zwiſchen feiner echt deutfchen (Be:
finnung unb feinem Sfaatsinterefie, welches ihm das Anfchließen
an bed, fein politifches Wacsthum weniger eiferfüchtig be:
wachende und hemmende Franfreicy gebietet, aber dennoch jener
Gefianung unterliegt. Gleichen Kampf bat Friedrich Wilhelm I,
zu beftehen. Allein bie Öftreichifche Regierung findet, außer in
der deutſchen Geſinnung des Königs, in ihrem Gefandten, dem
ſchlauen Seckendorf, und in dem bon ihr gewonnenen pteußis
ſchen Jeldmarſchall von Grumbkow gewuͤnſchte Unterflübung und
diefe diplomatifchen Federn werben noch durch große Rekruten
und Geſchenke für die Offiziere des Tabackscollegiums eingedlt
und in Bewegung und in Spannfraft erhalten. Indeß dringt
doch der gefunde Blick des Königs ſtets durch all diefes Betriebe
und flerbenb fagt er, auf den Aronprinzen binweifend: „Hier
ſteht Einer, der mich einft rächen wird.“
Erſter Abſchnitt. Verfaſſung und Stärke ber Eriegfüh:
renden Deere. Bier ift des Fürften Leopold von Anhalt: Deffau
Sharafteriftit von befonderm Interefie. Sr ift gewilfermaßen
der Zppus, Ver Repräfentant einer militairifchen Zeit, die mit
Friedrich Wilhelm I. begann, unter deſſen großem Nachfolger
imedmäßige Modificationen erfuhr und, obgleich durch die frans
zofiſche Revolution in ibren Grundfeften erfhüttert und nur
noch einem von dem Fleiſche ummachfenen Ringe gleichend, den⸗
nob mit flarrer Conſequenz feftgehalten wurde und auf dem
Schlachtfelde von Iena ihr endliches Grab fand. Ginfeitigen
und unverfländigen Bewunderern diefer Zeit find noch einfeitigere
und unverfländigere Tadler gefolgt, welche, biefelbe aus ihrem
geſchichtlichen Zuſammenhange reißend, ihre nuc Stocktyrannei
md Zopfpedantismus aufbuͤrden. Die heutigen Militairs haben
zwar Stock und Zopf abgelegt (obgleich diefer in der langen
Friedentzeit mandyem militairiſchen Philiſter und Kleinmeiſter
an das befangene Haupt ſich anzuſeten ſcheint), auch von ben
Franzoſen und ihrem Helden eine kraͤftigere, geiſtvollere und
zweckmaͤßigere Kriegsart und Heerverfaſſung angenommen, aber
dennoch don jener Zeit und ihrem Repraͤſentanten Manches zu
lernen. „Der Sieger von Keſſelsdorf“, ſagt unſer Verf., „von
etwas mehr als mittlerer Groͤße, war kraͤftigen, unterſetzten
Koͤrperbaus, hatte eine mehr gerundete Phyſiognomie, dunkle,
ſcharfliegende Augen, dunkles Baar mit einer Zopfflechte en⸗
dend, und unterſchied ſich von den übrigen Offizieren durch einen
kurz geftugten fdnvarzen Schnurrbart, weldyer die kecke martia-
liſche Perföntichkeit noch mehr hervorhob. Nannten ihn doch
bie Offiziere gemeinhin nach dieſem, der alte Schnurtbart ‘; waͤh⸗
rend die Soldaten mit feinem gewöhnlichen Ausdrude ‚Schwere:
nöther* ihn unter fich bezeichneten. Won beiden, feiner Strenge
wegen, gefürchtet, feiner Tapferkeit, Grfahrungen wegen hoch
geehrt. Beine Söhne, fo fehr er fie liebte, durchdrang ein
aͤhnliches Gefuͤhl; fie waren feiner Liebe verfichert, wenn fie in
feinen ſoldatüſchen Wegen wanbelten. Rahm er body feinen
Sotn keopolid fon im achten Jahre mit fi ins Feld nad
Brabant. In Ausdruct und Berftändigung gegen fie wie gegen
fen Anbern, unb wenn er einft dem Prinzen Morig in Schle⸗
fien troſties weinend mit den Worten: „Junge, der Teufel bat
deine Mutter gebott‘, in die Arme fiel, fo war dies eben feine
eigenthümliche Art, welche tief aus dem Herzen kam.” Der
alte Deffauer, mit dem Vater befreundet und durch Gleichheit
der Neigungen und Gefinnung eng verbunden, konnte ſich in
dad Verhättnig zu dem königlichen Sohne, den er zu überfehen
glaubte, nicht vecht finden, und diefer brauchte all fein Anfehen,
fine ganze GBeiftesüberlegenheit und einen gewiſſen feinen Takt,
wn den alten Etarrtopf noch in feinem Dienfte zu erhalten.
Dies Verdaͤltniß iſt eine der anfprechendften Partien in un:
ſerer Geſchichte. Gliuͤcklicher iſt das Verhaͤltniß Friedrich's zu
dem Erbpri Lespold, feinen „lieben Polten“, mit welchem
er in —— * — hruͤderlichen Bernehmen ſtand und dem er
als Kranprin i er ihn tcubi Chem;
pagner „ausiaufen” die Kon ae om ‘6 9
Bweiser Abſchnitt. Von dem Vorbereitungen Feld⸗
zuge bis zur Beziehung der Winterquartiere. Dex alte Schpurrbart
war von dem achtundzwanzigjaͤhrigen Könige nicht in has Ge:
heimniß feiner Kriegse fe gezogen worben und gleich eyzügmt
und erſchrocken, als er erkannte, daß fie gegen Öftveich, für
bas er flete Zuneigung gehabt hatte, gerichtet waren. (Er ſchnieb
baher in Aushrüden ber Empfindlichkeit an denfelben und wider,
vieth ihm, mit der Freimuͤthigkeit eines alten, feiner Überlegen
heit fi bemußten Soldaten, ben unbefonnenen Gchritt, der
um fo weniger gelingen fönne, als man fich nicht einmel dazu
feines Beiſtandes bediene. Der König antwortete in gleicher
Empfindlichkeit: „Ich habe Cre Durchi. ipren Brif gekrigt unb
geſehen, mit was vohr Inquietude Sie den bevohrſtehenden Mari
meiner Trupen anfeben, ich hoffe, das Sie ſich daruͤber be⸗
ruhigen werden und Erwarten mit geduldt zu was ich Sie
aestimire, ich habe meine Dispesitions alle gemacht, und wer⸗
den Ihre Durchlaucht Schon zeitig genung Erfahren was ich
befohlen babe, ohne fich weiter darum zu inquietiren in deme
nichts vergefen noch verfeumet ift, und hoffe ich übrigens das
fie verfichert fein werben wie ich mit vieler estime bin Ew.
Durchlaucht freundtwilliger Vetter Friderich.“ Den Eindruck
dieſes Schreibens ſuchte er doch durch ein fpäteres zu mildern,
in dem er des Feldherrn großer Verdienſte ruͤhmliche Erwaͤh⸗
nung thut, ihn, wie ein junger Offigier den alten, zu ehren
verfpricht, auch ihm verfichert, keine Gelegenheit zu verfäumen,
da er ihn mit Rath unterflügen könne, aber auf das Specielle
übergehend und den eigentlichen Kern der Differenz berühsend,
am Scluffe in die merkwürdigen Worte ausbricht: „Allein diefe
Spedition reſervire ich mir allein, auf das die Welt nicht
he der König in Preußen marfchire mit einem Hofmeiſter
zu Felde.’
Noch Geute, bei fo veränderter Kriegsart und ungleich grö-
Berer Beweglichkeit der Zruppen, verdienen die Einleitung dies
fes Feldzugs und bie Präcifion und Schnellizkeit der Operatioe '
nen und Märfche unfere Anerkennung. Schwerin’s Gorps u. X.
legte in drei Zagen 14 deutfche Meilen, zurüd und nad fünf
* waren bie feetich —— — Öftreicher ohne Schwert:
eich, bis auf Groß: &logau, Neiße und Brieg, aus
Schlefien vertrieben ! gau, J ara
Wir übergeben das Weitere und treffen beide Kriegsheere
amı 1. Aprit 1741 auf dem Schlachtfelde von Molwig.
Diele Schlacht hat dadurdy ein hohes militairifches Inter:
effe, daß fie ein mit Befonnenbeit, Umſicht und ſtrenger Con⸗
fequenz neu gebildetes Syſtem in die Wirklichkeit einführte und
anftatt es, wie die Schlacht von Jena die alte Kriegemanier
und Heerverfaſſung, aufzulöfen, ihm nur feine Gteifheit nahm,
es gluͤcklich modificirte und dem Leben anpaßte. Friedrich Wil:
beim I. und ber Fuͤrſt von Deffau hatten dad preußifche Fuß⸗
volk zu einer Mafchine ausgebildet, die in taktifcher Binficht
wol kaum etwas zu wünfchen übrig und alle andern ‚Deere weit
binter ſich zurüdtieß. Die Friction dieſer Wafchine, welche den
größten Kriegskünftlern fo bemmend in den Weg tritt, wear
dur eine unerhörte Disciplin und Subordination aufgehoben
worben, wie fie denn die übrigen Deere auch in materieller Pins
fiht, als Beſoldung, Bekleidung und Bewaffnung (wo beſon⸗
ders der eilerne Ladeſtock zu erwähnen ift) weit übertraf. Ge⸗
gen die „Infanterie traten die Reiterei und bie Artillerie zwar
ſehr, aber doch lange nicht fo zuruͤck, daß dadurch die Über:
legenheit des Fußvolks über diefe Waffe anderer Heere auss
gestichen worden wäre. Und da biefes die Hauptwaffe einer
Armee ift, fo fehen wir bie preußifche bei Mollwig im Gangen
in einer den Sieg verfprechenden,, wirklich imponirenden Hal
tung. Der Erfolg zeigte aber, daß es in wirklicher Schlacht
noch andere Geſetze als die der Mechanik gebe, dab ein Beer,
und befonders bie Keiterei, noch bes moralifcgen Elements be:
durſe und feine ganze Kraft nicht in bie Dreſſur aufgehen koͤnng
dag der Sto der preußiſchen Hauptieute und Corporale fe
wenio dis bie berühmte Weinrebe der römiflgen Genturtonen
7 Element zu erſetzen e und daß enblich über all die:
fen been und Rädern ber ichen Maſchine der Geiſt bei
Vdeiderrn ſchweben mäffe. |
Bir fehen das preußiſche Heer in einer Ordnung wie auf
dem Grdetierpiatze, das Jußveit buch die Macht ber Gewohn⸗
heit und den Hedel des Stocks in beſtaͤndigem Gleichſchritte ges
hatten, gegen die oͤſtreichiſche Armee anräden und von feinen
fehe gut bedienten Geihägen in bie frindliche Steiterei, unter
Yem tapfern General Römer, Tod und Berwirrung ſchieudern.
Die treffiichen Reiter murren Aber ihre fo zweckloſe Aufopferumg,
und verlangen laut, gegen den Jeind geführt gu werben. Der
rinftinet des gemeinen Golbaten ‚ wie oft in ver
Scqchlacht, über die Dispofltion , die Ratur bie Runft, und
Rdmer flürzt, ehe der Oberfeldherr, Feldmarſchall Neipperg,
die Aufftelung des Heeres vollendet bat, auf vier Schwadronen
Dragoner unter Schulenburg, welche ſogleich geworſen werden.
ch will durch die Garabiniers die Sieger aufhalten laſ⸗
, aber diefe reißen jene und ben König felbft nebft den ihn
Degieitenden Gensbarmen unaufhaltiam mit ſich fort und er⸗
ebern neun Gefchäge, von denen Römer einige gegen bie Preus
Sen richten läßt. Die Batailone Bolftern und Winterfeld, von
ihrer Reiterei ſich verfaffen febend und von der feindlichen in
Front und Rüden nahe bedroht, feuern nad) vorn und hinten,
md Römer findet hier den Heldentob. Der Kampf wirb immer
dlfgemeiner, faft die ganze preußifche BReiterei in die Flucht ge⸗
fäytagen und der König, bie Schlacht rettungslos verloren ges
dend, vertäßt fie, auf den Rath des Feldmarſchalls Schwerin und
des Erbprinzen Leopold, und flüchtet ſich in eine Muͤhle bei Ohlau.
Die oͤſtreichiſche Reiterei richtet nun mit allem Ungeftäm
des Giegers ihre Angriffe auf das preußifche Zußvoll. Aber
dieſes, obgleich in duͤnner, dreigliebriger Stellung, und fo, nach
den Regeln der pedantifch und unpfpchologifch oft auf den Krieg
angewendeten Mechanik, gegen bie fiegreichen Gentauren in ficht:
darem Nachtbeite, fehlendert, in ungemobnt ſchnellem Feuer,
od und Wunden unter diefelben, hält fo die Borſichtigern uns
tee den Lebenden und Unverfehrten in ficherer Ferne und läßt
die Zapfern und Zolltähnen in bie fpanifchen Reiter der vorges
haltenen Bavonnete ſich ſpießen. In fünf Angriffen erſchoͤpft fo
Die oͤſtreichiſche Reiterei vergeblid Kräfte und Muth und ver
ſchwindet endlich ganz, von dem Schlachtfelde.
Das oͤſtreichiſche Fußvolk ruͤckt nun auf das preußifche an,
meiches es mit jenem Schnellfeuer empfängt, deffen Verderbliches
feine Reiter foeben erfahren haben. Aus ben geordneten Reihen
ber öftreichifchen Fußſoldaten werden balb, wie man es oft ges
ſehen hat, dichte Kıumpen, in deren Inneres ‚bie Borfichti
fih drängen und in hohem Anfchlage auf den ungefehenen Feind
Siegen. Befferes wählen ihre Srenadiere in einem ihrer Zeit
vorauseilenden Kriegerinftincte. Sie tegen ihre Zornifter auf
die Erde, hinter denen fie liegend auf die Preußen feuern!
Die preußtfäge Infanterie iſt indeß in fünfflündigem mör:
berifden Kampfe in ihrer beifpiellofen Ordnung wol wnerfchüts
tert geblieben, aber doch durch benfelben ermattet worben. Ohne
Mmnition muß fie die Patrontaſchen ber Gebtiebenen leeren, und
als auch dieſes Mittel bald fi zu erſchoͤpfen ſcheint, feben
fetöft erfahrene umd muthige Offiziere die Nothwendigkeit, ſich
zu ergeben, nicht mehr fern. Da erkennt ber alte Feldmarſchall
GSchwerin, der nach bes Könige Flucht ben Oberbefeht übermoms
men bat, den Augenblick, in einem allgemeinen Angriffe ver
ſuchen zu muͤſſen, den unmilligen Sieg an feine Bahnen zu reis
fen. Mit etingenbenn Spiele, wie es oft nur in milltairifchs
metaphoriſcher Sprache hyperboliſch heißt, ‚hier aber buchſtaͤblich
Rattfindet, in faft fchnurgerader Linie, tm Gteichfchritte und
unter fletem geregelten Pelotonfeuer ruͤckt das preußifche Fuß⸗
sort gegen den Beind. *) Gleiches verfudgt ber oͤſtreichtſche Ober:
») Zn vom GYrriben eined baden Öferkbiften Dffhierd wird des
Bengigen der preußifägen Infanterie aid HAM Bewundtrumgänättig
| fetöhere mit dem feinigen. "Mber es if müßt Hermine zu bein
ben und geräth bald in große Unorbnung; ı
lich verfuht noch vor Mollwitz ber —ã
Berlichingen durch einen Angriff die von Relterei ungefchdet,
etwas unvorfichtig vorgehenbe, preußtfche Infanterie aufzupa:
ten. Nichts widerſteht derſetben und die Üfteeicher Iäfen fg
endlich in wilder Fiucht auf. Schwerin will fie durch 14 She
dronen Reiterei verfolgen laſſen, aber ber Erbprinj erklärt fd
bagegen; in dem barüber zwiſchen Beiden entfichenden Gimit
entfcheidet ber Adjutant des Königs, Graf Hacke, für den Pr:
zen und die Verfolgung unterbleibt. Es ſſt diefes ein bie de
malige Disciplin und ihre Gchattenfeiten bezeichnender Zu,
— fi oh R j Kanig * — ee Adjutanten einen ent:
eidenden Einflu en jtegreichen Feld aus umd erin
h an den Stiefel Kart’s XILI dee -
Der König erſchoͤpft ſich faft bei biefer Gelegenheit und im
Laufe bes ganzen Kriegs in dem Lobe feines Yußvolts. Aber
bitterer Tadel verfolgt feine Reiterel, die ſich als ſchlechte Kırız
aufgeführt habe, welcher die Buborbination fehle, deren Off:
giere mehr Paͤchtern als Offtzieren gleidyen, die nicht werth fei,
baß fie der Teufel hole, mit der kein Offizier umgehe” u. f. w
Diefelbe Neiterei fehen wir bald, vom Friedrichs Geiſte mt:
flammt, glänzende Thaten verrichten und im &iebenjäkrign
Kriege, unser Geiblig, auf einer kriegeriſchen Höhe, bie wir
jegt Das uneereichhar —— g
egen tadelt pperg feine Infanterie mit faſt
Bitterkeit und fchlägt vor, 10,000 Sachfen oder Ruffen —
zu nehmen, da fein Fußvolk ganz unzewerlaͤſſig ſei. Ref. führt
diefen Zug an, da er für das faft ſtets ungluͤcktiche und oft mit
fremder Schuld beladene ſaͤchſiſche Heer vin ehrendolles und gas;
unparteiifches Zeugniß Liefert. Erkennen es doch ſelbſt vie
Sachſen nit an, wie 1756 ihr Beer, im elendeften Zuſtande,
verlaffen und dem Bungertobe preisgegeben auf ber Vergplattt
des Lilienfteins den @ieger von Lowoſttz wufhielt und bafke
ſchmaͤhliche Gefangenfchaft und gezwungene Ä in
die preußiſche Armee erntete, wie der unbedeutende Bentenderf
bei Kolin den Sieg aus den Bänden des großen Auige riß
und fo die Sachfen zum andern Dale bie Öftreichifche Konarchie
retteten !**)
(Dre Befchtuß folgt. )
Biblisgrepbie.
Bolbfhmied, J., Epigrammatifch: jokofe Kleinigkeiten.
er Vorrede von M. &. Saphir. Wien, Volke. Gr.3.
Stremme, C. C., Die Architektur und ihr Verkältnis
zur Cuitur und zum Volke. Dorpat 1842. 8. 3%, Ner.
Bigand, P., Traditiones Corbeienses. Leipzig, Bed:
haus. Er. 8. 24 Nur.
geſchildert. Aus tiefem Schreiben führt ıumfer Werl. an: „I
kann wohl fagen, mein Eebtage nichts Superberes gefehen zu bahn,
aid das Vorgehen der feindlichen Infanterie. Sie marſchirte mä
der größten Gontenance und fo ſchnurgleich, als wem eb auf hm
Yaradeplage gervefen wäre. Dad blanke Gewehr made in der
Sonne den fbniten Effect, und ihr Besen ging möcht anders aß
wie ein beftiged Donnerwetter.“
**) Wie der Dichter (Schiller in feinem „Wiallenfein”) überbeu,
fo f&libert der Geſchichtſchreiber (Johann v. Müller) dad unglätiihe
füchifche Beer im vorigen Jahrhunderte mit zwar verſciedenen 36
gen, aber wol gleicher Wahrheit: „Der Kurfürk von Sin |
Spieltiſche verloren, welchen
benbwwärkige Telente gefallen hatten,
¶Miecundzwanzig TWıhiher allgemeiner Befiäten”, Bb
Berantwortlicher Serausgeber: Oeinrich Brodbaud — Drud und Berlag von F. A. Brodpaund m Kripgie
B erte r
für
literarifhe Unterhaltung.
Montag, >
Meue
1. Sieber vom Bobenſee. Mon G. 8. Gmminbofen. Bam:
berg, Litcrariſches Inſtitut. 1843, Gr. 8. 1 Xhlr. 10 Mer.
2. — von J. G. Deeg. Stuttgart, Franckh, 1843.
4 le.
Das groͤßere Publicum, nicht ſelten auch die Kritik,
if in der Baurtheilung neuerer Erſcheinungen in der Li⸗
teratur oft fehe ungerecht, wenn diefe nämlich fih mit
Ideen und Michtungen der Gegenwart befaffen, bie van
einem Fruͤhern fchon mit Erfolg behandelt worden find.
In der Regel, werden bie Letztern ale die Nachahmer von
den Fruͤhern bingeftellt, und Derjenige, melcher das Gluͤck
hatte, als der Erſte mit dem Ausdrude irgend einer Zeit:
fimmung hervorzutreten, [cheint alle die Fruͤchte zu ern:
ten, welche inemer erlichen, wenn der Schriftileller den
Geiſt finer Zeit aufgefaßt, im Sinne deſſelben gefchaffen
bat. Wie gefagt, dies if ſehr ungerecht; denn der Geiſt
einer Zeit und auch fein Ausdrud concentrirt fi nie in
einem Menſchen allein: er iſt zertheilt in eine Menge von
Individuen, welche von benfelben been erfüllt find und
getragen werben. Dean eben nur dadurch bildet ſich eine
Öffentliche Meinung, Daß fich die Überzeygung von der
Wahrheit gewifler Ideen mit einem und demfelben Bes
wußtiein der Mehrzahl der Individuen zugleich aufdringt.
Sa dem DMemsut alfo, wo Einer der allgemeinen Stim⸗
mung Worte leiht, hatte ſich diefe ſchon einer großen An:
zahl von Geiſtern bemaͤchtigt, und es iſt oft nur Bufall,
daß nit eig Anderer dem Erſten zuvorgelommen, ivo:
duch dieſer um feinen Locher gelommen wär. Denn
gar häufig trifft es ſich, dab die erſten Zungen irgend ei:
ner Volksſtimmung nicht immer die beften find, und daß
die Nachfolger, die oft durch Zufall verfpäteten Nachfolger
weit beiler find als jenen Erſte; ober fie werben in der
Regel weit weniger beachtet, wenigſtens vom größern
Yablıum, was wieder fehr natürlich iſt, weil das In⸗
tereffe an dem Gegenſtande ſich ſchon duch die Behand:
lung des Fruͤhern abſorbirt oder wenigſtens einigermaßen
ylättigg bat. Dleſe Erſcheinung gilt von der geſammten
Literatur; fie gilt von den ernſtern Wiſſenſchaften nicht
minder wie non der Poeſie. Dort Bann es fich treffen,
daj zwei Männer ih wit einem und demfelben Gegen:
Rand beſchaͤftigen, daß fie in der Behandlung deſſelben
auf die naͤmlichen Ideen ſtoßen, daß fie ſelbſt in der
| Form der Darftellung miteinander uͤbereinſtimmen, ohne
daß Einer von dem. Anden etwas wüßte Wer nun
aber das Gluͤck bat, zuerft mit feinem Werke aufjutreten,
wird gewiß vom Publicum dem Andern vorgezogen wer⸗
den, welcher fpäter erfcheint, ja diefer Letztere wird das
Unglüd haben, der Nachahmung des Anderen bezlichtigt
zu werden, insbefondere wenn er weder in ber Literatur
noch in ber bürgerlichen Gefellfchaft ſich derfelben gün-
fligen Stelung erfreut wie jener. Auch unfern beiden
neuen Dichtern, fuͤrchte ih, möchte jene Ungerechtig⸗
keit widerfahren, indem man fie bei oberflächlicher Be⸗
trachtung fowol in Form als im Inhalt vielleicht als die
Nachahmer diefes oder jenes unferer befanntern Dichter bins
fleßen, oder ihnen doch, in Betracht, dag die Grundideen
ihrer Poeſien ſchon vielfach behandelt feien, die bedeutende
Stellung verweigern dürfte, welche ihnen in der That
gebührt.
Unfere Dichtkunſt bat in neuefler Zeit eine ganz an-
dere Bahn eingefchlagen, eine Bahn, welche volllammen
mit dem Gange der Erxeigniffe, mit der Entwidelung der
Öffentlichen Meinung uͤbereinſtimmte. Wenn je eine Zeit
einen Beleg für die Behauptung abgeben könnte, daß bie
Poefie der Ausdruck ift von dem Geiſte ber Epoche, ſo
bat dies die unferige gethan. Früher auf ſich ſelbſt be⸗
fchränkt, in harmlofem Spiele die Zuftände des Herzens
entfaltend, die Schönheit der Natur und des Fruͤhlings
und dazwifchen das Wohl und Wehe der Liebe hefingend,
war fie ein Zeichen von dem friedfamen, nach langen
Stürmen auf ſich felbit zurüdgezogenen Geiſte ber Na:
tion, welcher nach vergeblichen Ringen nach einex ſchoͤneen
Entrwidelung zulegt die Klage darüber in gemüthlicher
Beſchaulichkeit vergaß, Aber bald folgten wicher neue
Ereigniffe. Noch einmal erhob ſich der Sturm der Frei⸗
beit, und wenn auch biedmal wieder überwunden, regte
ſich doch der gemaltige Drang fortwährend im ganzen
Volke, nicht ohne von dem eriten Auftreten eines neuen
Herrſchers beguͤnſtigt zu fein, welcher eine neue Epoche in
unferm Nationalleben zu verheißen ſchien. Es fielen gar
manche Theorien, gar manche Illuſionen zuſammen, und
ba DBewußtfein von ber Nothwendigkeit eines ander
Ganges, den hie Ereiguiffe nehmen müßten,, drängte ſich
alien Gemüthern auf. Diefss Bewußtſein mußte natüss
lich auch in des Poeſie fih geltend maden, unb es war
2
vorauszuſehen, daß der Dichter, welcher zuerſt die neue
politifche Stimmung ausſprach, ungemeffenen Beifall fin
ben werde. Diefes Gluͤck begegnete Herwegh. Aber daß
er nicht der einzige Dichter war, welcher der öffentlichen
Meinung Werte Helichen,, konnte man aus ben dielen
Bald darauf oder faft zugleich erſchienenen polisifchen Ges
dichten bemerken, kann man Überhaupt aus dem ganzen
Charakter bemerken, welchen unfere Poefie jegt an fid)
teägt. Denn biefer ift mehr oder minder ein politifcher:
ein Dichter Eann ſich heutzutage fo leicht mehr Dem ent:
ziehen, was die ganze Nation, ihr innerſtes Leben bes
ſchaͤftigt.
Auch unſere beiden Dichter find von dieſem neuen
Geiſte ergriffen, ja den Einen, den Verf. der „Rieder vom
Bodenfee”, koͤnnte man vorzugsweiſe einen politifchen Did:
tee nennen, indem in der Sammlung faft fein einziges |
Gedicht ſich befindet, in dem nicht ein politifcher Gedanke
hindurchleuchtete. Sie aber etwa Nachahmer nennen zu
wollen von diefens oder jenem unferer modernen Poeten,
wäre um fo mehr unrecht, als bei dem Einen die Innig⸗
keit und Wahrheit der Empfindung viel zu klar hervor:
tritt, als daß fie eine Zreibhauspflanze genannt werden
tönnte, und als der Andere, Deeg, mehre feiner Gedichte,
reiche einen politiſchen Charakter tragen, fchon zu einer
Reit hat druden laffen, theils im „Braga“, theils in ber
„Europa“, theild in andern Beitfchriften, mo die andern
unferer mndernen Poeten noch nichts von ihren Gedichten
hatten veröffentlichen Laffen. Dies fei nur gefagt, der Ge:
techtigkeit wegen, in Bezug auf die Richtung.
Was aber das poetifhe Talent betrifft, fo flehen
Beide Herwegh nicht nur gleih, fondern fie übertreffen
ihn. Denn fragen wir uns emftlih, 0b Herwegh als
Poet fo viel bedeute, ob er die außerordentliche Anerken⸗
nung, die ihm zu Theil geworden, feinem Ddichterifchen
Talente verdanke, fo muͤſſen wir diefes verneinen; in bie:
fer Beziehung ift er nicht mehr als gar manche unferer
jegigen Dichter, ja er fteht manden nah. Die Haupt:
fache war, mie gefagt, daß er den Gedanken ber Zeit zu:
erſt Worte geliehen, daß er ed wagte, auf kecke rüdfichte:
tofe Welfe die Ideen auszufprehen, von denen die Na:
tion, wenigſtens der größere Theil derfelben, erfüllt mar.
Die dichterifche Kraft ift bei ihm das Secundaire.
Man könnte nun freilich fagen, bei dem pofitifchen
Dichter komme darauf wenig an, die Hauptfache fei hier
der Stoff, der Gedanke. Aber man taͤuſcht fich hierin.
Will freilich der politifhe Dichter die Poeſie nur als
Mittel benugen, nur als eine Form, um feine Anfichten
auszufprechen, und verzichtet er eben dadurh auf dem
Namen des Dichter, meil ihm der politifhe Zweck die
Dauptfache ift, fo ift nichts dagegen zu fagen. Es me;
gen dann manche gute Sachen entſtehen, die ale ſchla⸗
gende Belege für die Schlechtigkeit der Zeit, als Wig:
worte, als Bonmots eine nicht unbedeutende momentane
Wirkung haben, mie wir denn died namentlich von den
Gedichten Hoffmann's von Fallersleben behaupten koͤnnen.
Mer fid) aber über diefe Sphäre erheben will, welche
mehr oder minder der Komik ober der Satire ‘angehört,
an 1 Zu Bee
wer wirklich zu dem BReiche der Poefie fich emporſchwin⸗
gen will, der muß auch für die Politk die Weihe eines
böhern poetifchen Genius aufweifen. innen, wenn das
Gedicht, das er gibt, nicht bios als das Erzeugniß einer
fubjectiven Stimmung, ſondern al6 der Aukdruck der
Mahrheit, einer hoͤhern weltgeſchichtlichen Macht erfcheinen
fol. Nur ſolche Gedichte werden fih auf die Dauer er:
halten, nur ſolche werden eine nicht ephemere, fondern
eine bleibende Wirkung haben. Denn das Voll, wenn
es ſich auch keine NRechenfchaft geben kann über die did:
terifche Bedeutung des einen oder des andern Liedes, hat
doch eine Art Inſtinct, welcher daflelbe immer das Rechte
treffen laßt. Schlechte Lieder waren es nicht, weiche
Jahrhunderte hindurch vom Wolke gefungen wurden, fon:
dern es waren die, guten, die echt dichterifchen.
Und in diefer poetifhen Kraft, wie gefagt, uͤbertreffen
unfere beiden neuen Dichter Herwegh beimeitem. Was
.zuerft den Verf. der „Lieder vom Bodenſee“ betrifft, fe
tritt uns bier ein reiches Talent entgegen, mit einer An:
ſchauung, mit einem Hineinleben in die Natur, mit ei:
nee folhen Fuͤlle von poetifäyen Bildern, wie es uns un:
tee den Meuern felten vorgelommen if. Allerdings merkt
man dem Dichter in gar manchen Beziehungen die Su:
gend an, und da derſelbe nad) der vorliegenden Samm:
fung zu fließen noch Groͤßes verfpricht,. fo wird er uns
danken, wenn wir ihn auf Mandyes aufmerffam machen,
was er bei feinen fpätern Erzeugniſſen vermeiden koͤnnte
Auf die Form ift hier und da\zu wenig geſehen, ber
Rhythmus ift manchmal fehlechaft.\ Die Bilder, welche er
in außerordentlihem Reichthum t, jagen fi oft,
überftürzen fi, und ermangeln dad&ıch manchmal der
Anſchaulichkeit; der Verf. geht viel zu verſchwenderiſch mit
ihnen um. Überhaupt wäre ihm zu varhkn, Maß zu hal:
ten. Died bezieht ſich aud auf den Inhilt der Gedichte
Der Dichter iſt von ber heißeften Sreiheitslllebe durchdrun⸗
gen ; fein Leben, fein Wirken, fein Dichten,‘\ fügt er, ſoll
nur ihr, ſoll nur dem freien Waterlande gewidmet fein.
Er haßt die Dränger derfelben ; haßt ſtlaviſchen Sinn,
haßt Alles, was die freie Entwidelung bes Bells hemmt.
Dies iſt gewiß Alles ganz gut, aber in fein Negation
geht dee Verf. oft zu weit: er vergißt Über dem glühen-
den Haſſe oft die Schönheit, welche dad erfle Erfoderniß
der wahren Poefte if. Der Dichter darf nit blos ſchel⸗ |
ten; zümen darf er und ſtrafen, doch nie aıf Koften ber
Schönheit. Auch muß ber Dichter verfoͤhnn. Ich ver:
ftehe darunter nit etwa eine Art Juſtemilit. Bott be⸗
wahre! Nein: im Gemüthe fol der Dider verföhnend
wirkend, infofern er die Zroftlofigkeit der Okgenwart duch
das Hinweiſen auf einen höhern Gedanku wieder aus:
gleiht. Der Kampf darf nie Zweck fein, alſo auch nicht
die Negation, .fondern nur Mittel zum Jmed. An der
Stelle des Bekaͤmpften muß fich ein need Reben entfat-
ten, und biefes Meue darf nicht nur 'ıit dem Ramen
genannt werden, ed muß fich auch ei pofitiver Gehalt
deſſelben entwideln. Dies fagen wir, um den Dichter
zu veranlaſſen, die Keime zu allen dien Dingen, weldye
wirklich in ihm fliegen, weiter auszuiden und Blütm
treiben zu laſſen. Meunn fhen: IM ben: verliegenden Be:
Did, wiewob ·ſie meiflens ein ungeſtuͤmes euer. ent:
widen, finden wir doll ſchon Anklaͤnge an jene höhere
Verſoͤhnung, die wir angedeutet, wie z. B. In den So⸗
netten an Sean Paul, und des Verf. Gemuͤth ift zu
tief angelegt und feine Befreundung mit der Natur zu
imig, als daß wis nicht hoffen dürften, er entfpreche uns
ſern Erwartungen.
(Der Beſchluß folgt.)
Geſchichte der fchlefifchen Kriege nach Originalquellen von
Leopold von Orlich .Erfter Theil.
¶ Beſchluß aud Pr. 263.)
Der Sieg von Mollwik gab Preußen eine politifche Bedeu⸗
tung, welche es vorher nicht gehabt und wol kaum geahnt
hatte. In dem Hauptquartiere des Königs bilbeten die Geſand⸗
ten der verſchiedenen betheiligten Mächte einen Eongreß, von
ſehr politiſcher Webeutung, bei dem bie Ginbildungsfraft bes
franzoͤſiſchen Marſchalls Belleisle heſonders thätig und Frucht:
dar an Theilungsprojecten war. Ginft beſchaͤftigten ihn dieſel⸗
ben fo fchr,. daß er vor dem Koͤnige tief nachdenkend erſchien.
Auf deſſen Frage, ob er traurige Nachrichten erhalten habe,
enwiderte er: „Mein, Gire, aber ich befinde mich in Verlegen«
heit, da ich nicht weiß, was mit Mähren anzufangen iſt.“ Der
Kvonig ſchlug ihm laͤchelnd vor, es Sachſen zuzutheilen, was
der Marſchall auch ſpaͤter befolgte Aber Friedrich gab ſich, ob⸗
gleich jung und. Sieger, der fremden Ginbilbungstraft nicht hin,
unterzeichnete den vortheilhaften Theilungstractat nicht und bes
obachitte überhaupt in ber damaligen politiſchen Gaͤhrung eine
ſeht fihere, fefte, nichts übereifende Haltung, die fhon auf
feine tünftige Größe im Gabinete fließen Laffen konnte und
weiche er in mititairiſcher Hinſicht auf dem Schiachtfelde von Moll:
wig wenigftens nicht gezeigt hatte. Diefe Hewann er glänzend
in der Schlacht von Szaslau (17. Mai 1742), weiche feinen
Kriegeruhm auf immer entſchied. u
Schlachten in das nidhtmilitairifche Publicum befriedigens
der, gebrängter Kürze zu beſchreiben, ift ein eities, aber auch
Ihäbliches Beftreben, da es durch bie Auslaffung der Details
nme ein unrichtiges Wild gibt und die beliebte Halbwiſſerei fürs
dert. Ref. leiſtet auf baffelbe daher ganz Verzicht und begnügt
fh, von der Schlacht von Czaslau nur folgenden Bug anzuführen.
Das Regiment Prinz Leopold, ſehr unvortheilhaft aufger
eilt und von feiner Reiterei verlaffen,, wird von ber oͤſtreichi⸗
(den Cadalerie in die Fianke genommen und zum Ruͤckzuge
nah Ghotufig genoͤthigt, der Kin in Flucht überzugehen bes
ginnt, als der Feldprediger dieſes Regiments, Segebarth, ſich
den Fluͤchtigen entgegenwirſt, fie durch Wort und Beiſpiel zum
Stehen bringt, ſammeit und gegen den Feind führt.*) Gr
fagte fpäter, er hade damals gelernt, daß das Chriſtenthum res
ſolut und muthig mache und lobe &ott, ber ihm Davib's Muth
und Chan gegeben. Friedrich wollte ihn für biefe That zum
Sauptmann befördern. Da er aber barauf verzichtete, fo vers
Neh ihm der König ein Kandnikat von S00 Thalern jährlichen
Einkommens und eine einträgiiche Pfarrſtelle.
| Sherafteriftifch und gegen die heutige, von den Rufen auf
ums übergegangene, Ordenverſchwendung einen ſtarken Abſtich
bibend, iſt der Zug, daß Wriedrich feine in ber Schlacht fi
auszeichnenden Generale und Gtabboffiziere nur mit den Mes
dailien belohnte, die er auf die ihm von den ſchleſiſchen Staͤn⸗
den gefeiftete Huldigung hatte prägen laffın. Bon biefen erhiels
m blos der Erbprinz Leopold und zwei andere höhere Generate
" Die Gröählung unferd Werf. iR nicht aany Mar. GE fcheint,
bob der Veldprediger die Wlhdyligen nicht feines, ſondern eines
Reiterregimentd zum Stehen gebracht und gegen den Feind ges
führt babe. . 2
goldene, bie ührigen. aher nur füberne Mebaiſlen. deicdrih
demerdte in feinem Cchreiben an den ringen, ex biele
Medaillen und das Berzeihniß der Offiziere, für welche fie bes
flimmt waren, zufendete: „Ew. Liebden baben ihnen zu vermels
den, wie daß Ich ihnen diejenige Mebaille ſchickete, zu welcher
fie die Stempel bei Mollwitz gemacht hätten“, und verftand fo
biefer nad) heutigen Begriffen bürftigen Auszeichnung einen
Werth und eine Bedeutung zu geben, welcher jegt manche glaͤn⸗
gende Sterne ermangeln. Auf Orden Tönnen bie Worte bes
großen, vielleicht größten Dichters: „Die beflen in diefer Art
find nur Schatten uud bie ſchlechteſten find nicht fchledgter, wenn
bie S Einbilbungsfraft fie verbeffert‘‘*), wol paflend angewendet
en.
Zum Schiuffe biefer Anzeige der ſehr empfehlungswerthen
Schrift mögen folgende eigenhändige Schreiben Friedrich Wil
beim’s I. und Friedrich's 11. an den alten Deffauer und deffen
Sohn aus der ihr angehängten ſchaͤtzbaren Urkundenſammlung
fteben : |
„Wuſterhauſen d. 9. Sept. 1721.
Nach Wien habe Greve befohlen Ihre fache mit anzunehe
men, hoffe das es Heifen wird, zweifele aber daran, weil meine
Sachen ſchlegt gehen, aber ich Tehre mich nit daran und vers
laße mic) auf meine gerechte Sache. Gott werbt mie beuftehn,
den ich es biß auf bie Iedte extremitet ankommen laßen werke,
Wo es folte was passiren ben igo body nad) Wien apparentz
ft, werde @. Tieben bei Zeiten avertiren. Was Katt feine
Comiss. anbelanget und an ben BRindifchen tumult ift das hoch
Preissi. Cam. ſchuit, die hetrn werden mie erftl. tage ben Kop
wahrm machen bis ich ein exempel flatuire und dan passire
ih in ber Weit vor einen Kolericus iſt das meine Schuldt.
Gott weiß das ich gar zu tranquille bin, wenn ich mehr col-
lericus wehre ich glaube es würbe befer fein, aber Bott will
es nit haben, der ich ſtehts E. lieben guhter freundt fein werde.
Fr. Wilhelm.”
„ich habe 300 Hühner fage 500 Huͤh. geſchoßen.“
„Das befte ift man muß fterben, wohl dem ber am erften flirbt
und bei Gott kommet ift am glüdlichften denn auf diefer Welt
lauter nichts ift und Thorheit.
Potzdam d. 31. Wär; 1720. Fr. Wilhelm.‘
„Potzdam d. 2. Febr. 1732.
Der König in Pohlen befindet fidy gar nit wohl wo ber
flirbet als dan ift gewis Predoiulle Gott gebe nur Krig in
Brabant und über alle und der große fride mein gang ungelüd,
ald dan man occasion zu haben fein Gemüth zu fühlen, den
diefes mir ein chagrin if, den ich nit alles fprechen Ean.
Zr. Wilhelm."
Giner Ordre an ben Yürften aus feinem Sauptguartiere
Chrudim vom 21. April 1742, die Vorwürfe über Nichtauss
führung feiner Marſchroute enthält, fügt Friedrich II. eigens
händig Hinzu: :
„IH wundre Mitte Sehr das Ihr Durchl. als ein alter
officir nicht acurater meine orders folgen die ich ihnen gebe,
und man Sie noch habiler als Cesar weren und Meine orbres
nit acurat und Strikte nachleben fo huͤlft mihr das übrige
nichts. ich verhoffe das es bei dießem avertisement bleiben
wirbt und das fie mihr ind fünftige feine weitere uhrfachen zu
beſwerden geben werben. Friderich.“
An feinen „lieben Polten“ ſchrieb Friedrich unter dem 2. Mai |
1742 aus Böhmen u. a.: „Je me promet (a Moins que La
Providenee soit contre nous) que V’Enemi sera a Nous et
que Nous en aurong bon Marche”, und unter dem 8. Sept.
beffelben Jahres:
„Mon cher Pr. Leopoldt J’aurai Le plaisir de Vous am-
*) ‚‚Tho best in this kind are but shadows: aud the worst are
no worse If imaginstion amend them’ (Ghakfpeare’ö „Midenm-
mernighi’sa dream’'.) -
Brasser le IE a Magdebotrg c’est pourquot ji voulu: Vous |
en denne part em Vous assurant De tout Men Amiie.
adiet. Frederic 16
Literarifhe Notizen.
Nachdruck fremder Werte.
Nachdem nun von Seiten der feanzöfifchen Buchtzaͤndier und
Schriſtſteller ernſte Schritte gethan find, ihre Regierung zu
veraniaſſen, zur Abhuͤlfe des Nachdrucks franzoͤſiſcher Werte
mit den fremden Staaten in Unterhanblung zu treten, wird
diefer wichtige Gegenftand aud in England wieder in Anregun
gebracht. So dringt namentlich dad englifhe „Auhenaeum
fehr ernfitich auf Berathung eines „international law of
copyright”, bei dem man, wie uns ſcheint, vorläufig noch
auf bedeutende Schwierigkeiten ftoßen würde. Cinzelne Verträge,
wie > B. ein Übereintommen zwiſchen Frankreich und Belgien,
von bem ſich bie franzoͤſiſchen Buchhaͤndler und Schriftiteller
fo viel verfprechen, würden zu nichts führen, denn ber Schwarm
der Rachdrucker brauchte fi dann nur nach einem andern
GStaate, 3 B. in das benachbarte Holland zu flüchten, um un:
geftört ihr naͤchtliches Gewerbe. forttreiben zu können. Die
ge Sache kann nur zu Stanbe kommen, wenn alle Länder
or zur gemeinſchaftlichen Aufhebung des Rachdruckergewerbes
verfteben.. Dazu aber würde ſich z. B. Amerika, das bei ber
eigenen Unprobuctivitat eine geoße. Wenge englifcher Werke ver⸗
braucht, und bem doch bie theuren Driginalausgaben viel zu
* zu ſtehen kommen, ſicher nicht leicht bequemen. Dies geht
auch fchon aus der Heftigkeit hervor, mit der man die Bes
ſchwerden ‚von Dickens über ben Nachdruck feiner Schriften und
engitfcher Bücher überhaupt in Amerika in norbameritanifchen
Blättern zuruͤckgewieſen bat. Erſt :neuerbinge kommt biefer
Gegenſtand in bem „American book circular‘ wieber zur
Sprache. Bei diefer Gelegenheit wird auch unter Anderm bie
Behauptung aufgeftellt, daß in Sachen des Buͤchernachdrucks
gar nicht etwa die Wagfchate fo fehr zum Vortpeil der Ver⸗
einigten Staaten ſich neige. Der Verf. diefes Auflages ſucht
nämlich durch pofitive Angaben, deren Richtigkeit kaum in Zweifel
gezogen werden dürfte, darzuthun, baß alljährlich eine bedeur
tende Menge norbameritanifcher Werke In London nachgedruckt
werden. Um indeffen die Sache weniger auffallend zu machen,
verändert man babei, wie er behauptet, in ber Regel ben Zitel
oder nimmt mit dem Werke felbft einige oberflächtiche Umges
flaltungen vor, die den Kern der Schrift ſelbſt weiter nicht
| n, und dann werden biefe Bücher als Originalwerke
ins Pubiicum gefchmuggel. Wenn die Sache ſich wirklich
fo verhält — und wie gefagt, ber Verf. läßt es nicht bei
bloßen Declamationen und leeren Behauptungen bewenden, fon
deen fiägt fich auf eine ganze Reihe von vorliegenden Faͤllen —,
fo kann man mit Recht fragen, was in einem gehälligern Eichte
exfcheint : der offene Nachdruck, wie ex in Rordamerika ausgeübt
wied, ober der literarifche Diebftahl, den man ſich von englifcher
Seite zu Schulden kommen läßt und bei bem man die Nord:
ameritaner nicht nur in ihrem pecuniairen Gewinne, fondern
anz vorzüglich auch in ihrem Literarifchen Rufe beeinträchtigt ?
berbaupt bat Dickens mit feinen Reiſebemerkungen in ein
Wespenneft geftochen. Seine „Notes“ Haben nicht nur fehr
teidenfchaftliche Erwiderungen, fonbern auch andere Repreffalien
een So ift es jegt bei den norbameritanifchen Schrift:
een zum Schema geworben, an dem engiiſchen Schriftſteller
dadurch Rache zu nehmen, daß man feine Nation fo tief ale
möglich berabfest. Wir erwähnen von ben zuiegt erfhienenen
Werken, in denen man recht undhriftlich den Engiändern Böfes
mit Boͤſem vergilt, namentii die „Briofe einer nordamerika⸗
niſchen Dame In London an ihre Freundin in Amerika
De — cho Di aatu wu wien,
‚Neavellts ginsreises“ vom Toͤpffer bakem, tuokbene
daß ber Berf. bie Koſten wide geſpart hat, fie nad einmal iz
einer fogenannten „Edition - Charpentier‘ herauszugeben, bie
Anerkennung nit gefunden, welche biefe Pleinen Beldictn
voll koͤſtlichen Humors verdienten. Man hat ſich in Ftankreiq
zu ſebr an bie eigenthuͤmlichen unfranzöfidgen Wasch ge
foßen, bie mehr ober weniger allen Genfern anhaften, und von
denen aud) Töpfer fi nicht ganz frei zu erhalten gewußt hat.
um fo mehr haben wir immer bebauert, daß feine eilt Ga:
ricaturgeihnungen — denn man muß vwiffen, daß Topffer mit
bem Stift ebenfo gut umzugehen weiß als mit der Feder —
nicht mehr verbreitet find. Wir freuen uns deshalb recht ſehe,
daß in einer ber erſten Buchhandlungen von Paris eine attiice
Ausgabe von einem feiner komiſchſten Bilderbücher veranfaltet
werden wird. Daſſeibe wird den Zitet führen: „Voyage en
zigzag, ou excursions d'un pensionat en vacances." dr.
Zöpffer ſteht nämlich ber Beltung einer Penfonsanfteit zu Genf
vor und unternimmt jedes Jahr mit feinen Zöglingen eine Fer
rienreife nach irgend einem. Theile ber Schweiz oder nad Ober
italien. Auf dieſen Wanberungm pflegt er ein forgkkitige
Tagebuch zu führen, in dem bie Meinen Ereigniſſe des Tags,
meift komiſcher Ratur, beſchrieben ober bitdiich dargeſtellt werbm.
Der Bf. theilt uns nun aus feinen: heitern Erisnermosblätten
eine paffende Auswahl wit. Die. gemuͤthliche Laune, die in des
Zeichnungen wie im Terte berrfcht, fichert diefen inhaltsreichen
Heften eine freundlihe Aufnahme. Ihr Werth wir noch m
hoͤht durch 12 Landſchaften von der Meiſterhand bes befannten
Schweizermalers Calame, deſſen landſchaftliche Bilder fiets cin
Zierde des pariſer Salon geweſen find. Moͤge es Hm. Töpfe
gefallen, bald noch mehre andere feiner Garicaturhefte folgen zu
laflen, von denen uns einige, z. B. die Darflellungen ans den
Leben eines Hofmeiſters, bereits bekanmt find. 2
Arnold's „Borlelungen über meueze Geſchichten
‚ Mit lebhaften Intexeffe wird jeiber Freund. der Geſchichte
bie zu Orford erfchienenen „Introductery lectures on modern
history” von Thomas Arnoıd aufnehmen. Wenngleich au
biefer Band von Worlefungen bes zu früh verflorbenen Verf.
nicht allen Grwartungen, die er ermegte, als er vor zuci
Jahren ben Lehrſtubl eines Profeſſors der Geſchichte auf der
genannten Univerſitaͤt einnahm, entſpricht, fo verdienen dieſelben
doch eine ehrenvolle Erwaͤhnung, um fo mehr, ba Arnold ſih
nicht allein ‚dur feine umfaſſenden hiſtoriſchen Kenntniſe,
ſondern auch durch feinen feften, edeln Sharakter und fein für
Wahrheit und Recht ſowie für das Mohl feines Waterlandet
und der Menſchheit gluͤhendes Gemuͤtch aus zeichnete. Jnſoſcn
bie hier erwähnten Vorleſungen auf. die Literarifcgen und intel:
lectuellen Leiſtungen ihres Verf. ein Licht ſo laſſen me |
allerdings noch Manches zu wuͤnſchen — — fehlt
ipnen das rechte Chenmaß. Der Verf. will zu viel auf einmal
geben, feine Gedanken draͤngen fi) und ex kann feinen Gtoff
nit bewältigen. Man merkt an ber Miſchung von Materi,
weiche in bdiefen engen Raum eilig zuſammengebracht find, di
Mannichfaltigkeit von Gegenftänden, bie feinen Geiſt erfüllten,
und die Nothwendigkeit, der er unterlag, fich feiner Gefaͤhle
über jeden berfelben zu enfladen, als wenn bie Zurüdhaltung
von irgend einem Theile feiner Vorraͤthe ipn usterbrüdte Gt
ſchichte, Kirche und Gtaat, ber hiſtoriſche Stil, GSittenlehrt
für den Kriegerftand, Miltenicgeograpbie, Nationalvorurtheilt,
retigidſe und politiſche Parteien in England, ſiad blos einigt
ber hervorragendſten Themas, welche in feinen Vorleſungen mit
groͤßerer ober geringerer Kuͤrze behandelt werben. Doch mas
ex bier nur im Vorbeigehen beruͤhrte, wuͤrde er, waͤre ihm ein
längeres Leben zu heil geworden, gewiß ausführlider und
mit mehr Kiarheit und Zuſammenhang behamdeit haben. Auf
jeden Ball hat England an biefemm Wanne einen würdigen Eat |
der Jugend verloren.
Berantwortlier Herauſsgeber: Heinrih Broddaus. — Druck und Werlag von 8. A. Brochaus in Beipzig-
Blftter
1
literarifche Unterhaltung
Dienflag,
Neue Didter.
(Belhluß aus Ne. 3.)
Gehen wir nun zu dem Zweiten, zu Deeg, über, fo
tritt ‚uns bier die wohlthuende Erfcheinung eines vollende:
ten in fi abgefhloffenen Dichters entgegen, ſowol in
Bezug auf die Form als auf den Inhalt. In der Korm
thut e6 ihm unter den Lebenden Feiner zuvor, unter den
Zodten wetteffert er mit Platen. Vielleicht halten ihn
darum Manche für einen Nachahmet deſſelben. Dies
bieße aber fo viel, ald wenn man Einen, dem ein ehyth⸗
miſches Talent von der Natür verliehen iſt — denn dies
lernt fih nicht, es iſt Einem gegeben — und Stun für
Schoͤnheit der Form nicht nur, fondern auch die Kraft
der Darftellung derfelben, einen Nachahmer Platen’s nen:
nen wollte, Allerdings bat es Wenige gegeben, welche in
der Form mit Platen wetteifern konnten; wenn aber Ei:
ner erfcheint, der e6 kann, fo freue man ſich darüber und
verkuͤmmere fich die @rfreulichkeit der Erſcheinung nicht
durch eine ſpießbuͤrgerliche Betrachtung.
Zur ſchoͤnen Form gehoͤrt aber nicht nur die Vers:
kunt, fondeın noch mehr: es gehört dazu namentlidy die
Darftellung des Gedankens. Und hier bemerken wir denn
bei Dreg diefelbe Fülle der Bilder, daſſelbe Hineinleben
in die Natur wie bei dem Dichter der „Lieder vom Bo:
denſee““; aber er unterfcheidet fi) dadurch von dem Lebtern,
daß er fich beſchraͤnkt, daß er ein fchönes Ebenmaß be:
hält. Es iſt allenthalben die fchönfte Harmonie, die reinfle
Anſchaulichkeit. Dies macht, weil bei ihm der Gedanke
zugleich mit dem Bilde eritanden zu fein fcheint, daß das
iegtere nicht erſt gefucht worden zu jenem, fondern daß
beide zufammen aus einer und bderfelben Ziefe des poeti⸗
(hen Gemuͤths entfprungen find. Dies aber macht den
wahren Dichter: die Harmonie des Bildes mit dem Be:
danken, die gegenfeitige Durchdringung, ja die ucanfäng:
liche Einheit beider. Und darum haben auch Deeg's Ge:
dichte noch einen Vorzug, der kein Eleiner iſt, den ber
Kürze. Der unbebeutendere Dichter, wie überhaupt jeder
Darfteller von einer geringen Sorte, braucht viele Worte,
um einen Gedanken aus zudruͤcken, der zuletzt nach einem
—* von Phraſen, ja eben darum, doch keine An⸗
ſchaulichkeit erhaͤlt.
mit der Form entſteht, wird er immer kurz ſich darſtellen,
Da aber, wo der Gedanke zugleich
und zugleich anſchaulich. Dann erhaͤlt er ſich aber auch
bei dem Leſer und bei dem Hoͤrer und eroͤffnet — wie⸗
derum ein Zeichen des wahren Dichters — eben wegen
der compacten Faſſung deſſelben bei dem Leſer einen
Reichthum von Gedanken und Empfindungen, welche
ſaͤmmtlich verloren gehen bei einer waͤſſerigen auseinander⸗
gedrängten gloffirenden Darftellung.
Sreilih, um jene Wirkung bervorzubringen, dazu {fl
ein wefentliches Erfoderniß, daß der Dichter Gehalt habe.
Nicht nur muß fein Geiſt und fein Gemuͤth von Natur
fchon tiefer angelegt fein, fondern er muß auch Erfahrun⸗
gen des innern Lebens über ſich haben ergeben Laffen,
oder mit andern Worten: er muß fih entwidele haben.
Auch dieſes dürfen wir von unferm Dichter behaupten.
Man merkt e6 den Gedichten an, baß fie nicht das bins
gervorfene Erzeugniß eines jugendlichen Kopfes find, der
e6 nicht fo genau nimmt, ob mitunter auch Spreu in
dem Weizen erfcheint. Ein Harer, fich felbft bewußter
Geiſt tritt uns vielmehr entgegen, der erfl, nachdem er
mit fich abgefchloffen, nachdem er ſich ſelbſt ducch mans
ches Geſtruͤpp des Lebens hindurchgearbeitet, als ein fer⸗
tiger, ſiegreicher Kaͤmpfer vor dem Publicum erſcheint.
Nicht jedoch, als waͤren die vielfachen Stimmungen, denen
der Menſch im Laufe ſeines Schickſals unterworfen, und
die eben nur durch ihre Mannichfaltigkeit ein poetiſches
Intereſſe gewinnen, vor dem Dichter ſpurlos voruͤberge⸗
gangen: nein! ſie ſind uns alle enthuͤllt, aber ſie erſchei⸗
nen ſchon durch die Art der Behandlung, durch die poe⸗
tiſche Meiſterſchaft, die ſich Hierbei ausdruͤckt, als über:
wunden, uͤberwunden durch die Kraft der Shönkeit. &
find allerdings die hoͤchſten Ideen der Menſchheit, die der
gegenwärtigen zumal, welche ſich wie rothe Faͤden durch
die Poefie unfers Verf. bindurchziehen ; doch erfcheinen
diefe nicht wie von außen ibm aufgedrungen, mie eine
gewaltfam gebietende Macht, fondern fie erfcheinen viel
mehr ale mit Nothroendigkeit aus ber innern Entwicke⸗
ung des Dichters ſelbſt entfprungen, und darum um fo
wahrer und tiefer. Der Dichter iſt Menſch, iſt gan»
zer Menſch; keins der Elemente, welche den ganzen
Menſchen machen, ift bei ihm zurlidigewiefen ; nur durch
die Ausbildung diefer erft bat er den Grund gewonnen
für die höhern Beſtrebungen, wie ex denn in dem Motto
fo ſchoͤn fagt:
Auf dem Beben deines
Mußt bu fihern Halt gewinnen,
Dann getroften Muthes magft du
Greifen nach des Lebens Zinnen.
Und fo erfheing uns denn dee Dichter zuerſt als ju:
e Arne, dem Liebe und Sehiſucht um den
ei fokit; dankt af ein Juͤngling, dem das Leben
fo manchen Traum verwiſcht, fo manche Schmerzen bes
reitet hat, welche die Liebe wiederum auszugleichen fucht:
und bier eine Menge finnigee Gedichte, welche fern find
von dem gewöhnlichen Liebeständeln, fondern immer ei-
nen Wefsch Sinn vsrratben. Doch der Dichter reißt fich
los auch von diefem Spiele, infofern es ihm ein höheres
Ziel ga verruͤcken ſucht, und firebt nach einer tiefen Auf:
fofjung des Lebens und der Natur und nach einem groß:
artigern Wirken. Wir machen bier befonder® auf das
"Eomnentied" aufmertfam, und auf die „Wunderbiume”,
welche wir als Probe bier mittheilen wollen.
Die Wunderblume.
Laſſe Schnell voruͤberziehen
All die dunkeln Wolkenſchatten,
Und ſodann das Auge ruhig
ifen ber bunte Matten.
Stärm’ und Wetter find des Frühlings
NRimamenmäbe Ka ?
Wenn ex läßt die rafchen Blitze
Auf des Winters Stirne fahren.
Und fie halten Wacht am Thore
Segen den bezwungnen Alten,
Daß der junge Gott fen Eden
Kane meu und ſchoͤn gefteiten.
und er greift zum Saltenfpiee,
Und er legt die Lange nieder
Und die Erde ganz bezaubernd
Jauchzt er räthfeihafte Lieder.
Um den Reigenführer jubeln
Sänger rings in Wald und Lüften,
And beraufchend eint der wilde
Cor Fi mit ben füßen Düften.
Aus ber Ebde jung und beiter
Schauen bunte Blumenaugen
und fie möchten ganz; des (Gottes
Warme Blide in 1 faugen.
Da ift Freude, da iſt Leben,
und der Yuls der Mutter Erbe
Pocht fo machtig, da fie ſelig
Sieht ber Kinder große Heerde.
Aber was die Boͤgel fingen ?
Aber was bie Blumen blühen?
Aber was bie Lüfte ſchmeicheln?
Und warum die Herzen glühen?
Von ber golbnen Wunderbliume
Geht im weiten Land die Sage,
Daß geheimnißvolle Kräfte
Sie in ihrem Kelche trage.
Ben fie ſigt am warmen Bufen,
Dem ift bald ber Blick genefen,
Und er kann bie Schrift des Gottes
Auf der Bluͤtenkrone lefen.
Dann der Nachtigallen Klaͤnge
Sieht er und der Lerche Meber
Sleich verſchungnen Engein ſchweben
In den Luͤften auf und nieder.
Ns
der Mürnfch mit frommem Deren
Findet fie in guten
Und den Faden Arlabne's
Dat er dann in ihr gefunden.
Endlich aber gelangt er zu den hoͤhern Tendenjen de
Gegenwart, dem ben⸗ na Frei: Mir kin
in ihm dem ſdtloſen Bekaͤmpfer der Gewakt, any die
nun im SPrieflergemande erfcheinen oder im Purpur, den
Dekämpfer jedrveder Macht, welche die Entwidelung beffe:
ver Verhaͤltniſſe verhindern möchte; aber zugleich iſt der
Dichter von der waͤrmſten Liebe zum Vateriande dur:
drangen und von ber Hoffnung auf eine ſchoͤnere Zunft
welche reichlich für die Zraurigkeit der Gegenwart entſchä⸗
digt, indem fie bis Keine us am Rat
unfern Blicken entfaltet, welche der Dichter heil in der
Bergangenheit, theils in der Gegenwart hr unfer Bolt
in Anſpruch nimmt. Die Begeifterung für die hachſten
Zwecke der Menfchheit, für den Ruhm und die Gräfe der
Baterlande, fire eine würdige Löfung der Aufgabe, melde
ihm die Weltgeſchichte angewieſen, ft der Grundtypus da
politiihen Gedichte unfere Verf, und der Kampf gem
die herrſchenden Gewalten iſt nur die Folie, auf welcher
jene Empfindungen und Beſtrebungen erſcheinen. Beyid:
nend if dafuͤr das ſchoͤne Sonett hy
Es wirb ein Tag fein, da die Höhen wanken,
Da Fuͤrſten mit verhititen Aromen tnien,
Da blutige Schwerter Nachts am Himmel ziehen,
Da krachend, fplitternd brechen alle Schra
Es wird ein Tag fein, da die Tempel ſchwanken
Und Priefter, die ſich heiſer „Weh“ gefchrien,
Run mit zerriffenen Gewaͤndern fliehen,
Erſchreckt som Sturm der fiegenden Gedanken.
Dann wirb ein Tag fein, da wie eine Rofe
Des Volbes innce Schoͤnheit ſich entfaltet
Bei freiem Wechſelſpiel der freien Geiſter.
Das wird ber Tag fein, da ber Mitwelt Eoofe
Mein Baterland mit frommer Band verwaltet
Gar herrſchgewaltig als Gebankenmeifker.
a ober es morfſch und
‘ at die inob «in Fahrzen ⸗
Molches ihr trogig Die Beiche weigert. 9
ee ne area et
nm. el ab; itle gibt’
ls weich in Armidens a ae
Waffenentbloͤßt um ein Lächeln buhlen.
Feigheit gebeiht im wuchernden übermaß,
Krank iſt die Zeit, drum huͤte ſich jeber Dem,
Dat der kbestünfkter
Orkan Im er 3* vergifte.
Auf aus der Dumpfheit, Brütender, reiße *
en iſt:
int vom |
14 fa öl, Vo aan. , bee X |
Nicht thut es Roth, ben Hab zu predigen,
Über das Feuer in Zoru und Liebe.
Komm, neiee Titan, komm mit dem Beruflich,
Zicke den | Götter nicht.
Aug die, auch Die naht ein Herakles
Otrablenb vom Biege ber Drängesfürften.
Noch fellten wir ein paar Worte über die dramaki⸗
(dm Fragmente „Witufind und die Sachſenkriege“ fügen;
wis enthalten uns aber vor der Hand eines Urtheils, ba
nach der Anzeige des Verleger zu ſchließen bald das ganze
dramatifche Gedicht erfcheinen wird, auf das wir dann
fpäter vielleicht zutückkommen werden. Dafür geben wit
den Lefen zum Schluffe das letzte Gedicht der Samm⸗
lung „Anno domini ?”
Es muß der Geil, ed muß die Freiheit ſiegen,
Ob's audı in DM von Perierlanzen ſtarrt,
Wir feen fern des Xerxes Fahnen fliegen, “
Mardonins naht, doc, Ariflides harrt.
Tief unten gebt er, außer euren Augen,
Ihr Großen, wechfelt oftmals die Geftalt,
Spät ſcharſ, ob Feine Feuergeichen rauchen,
Denn tämpfen möcht er, ch’ er müd und alt.
Als Polen ſank, da griff er nad dem Schilde,
Dod war ihm damals noch kein Peer zur Hand,.
Erin Schlachtenruf ſcholl laut durch die Gefltde,
Der Ohren wohl, doch keine Schwerter fand.
Dereinſt, dereint! Es kommen heiße Tage
und mandge Zragen find der Löfung nah’:
Daß Keiner tieiniih nur im Herzen zage:
Bo Perfer nahn, find auch Athener ba.
Es muß der Geiſt, es muß die Freiheit fiegen,
Ob auch die Welt in Kampf zerfplittere!
Ihr habt die Thermopylen überftiegen,
Doch kommen muß sin Tag von Myuytale. 43.
Notices et me&moires historiques par F. 4. A. Mignet.
Erfter Band. Paris 1843,
Eine Sammlung biographifcher Artikel, welche der berühmte
Berf. ald Secret air der Akapemie der politiſchen und moralifchen
Biffenfgaften über verflorbene Mitglieder dieſer Akademie gt:
tiefert hat und benen feine eigene akademiſche Antrittörede und
feine Beantwortungen der Antrittöreden von Blourend und Pas:
quier ais Anbang beigegeben find. Daß bei akademiſchen Lob⸗
reden die wahre Biographie nicht wohl beftehen, und nod we:
niger die gerechte, ſcharf und tief in Geiſt, Sinn und Charafs
ter ber Schriftſteiler, Gelehrten und Staatömänner eingehende
Kritit aufkommen kann, ift leicht einzufeben. So haben auch
Sieyes, Röderex, Merlin, Daunou, Talleyrand, Deftutt de
Tracy und Brouffais in Mignet einen fein charakterifirenden,
aber ſtark apologificenden Lebensbeichreiber gefunden.
Sityes wird in einem übrigens bemerkenswerthen Auffage
überous gelobt. Wer dem berühmten Abbe nit genau auf
alm Wegen und Gtegen in feinem Gange busch bie Revolu⸗
tiontgeſchichte gefolgt if, den kann bie Mignet ſche Charakter⸗
zeichnung leicht irre mathen; wer fie nice noͤtbig bat, kann
Bieles daraus lernen. Die Jakohiner nannten Gieyes ſehr be:
sinend und ausdrucksvoll eine Ente, die das Untertauchtn
wrftehe (faire le plongeon), und wahrlich iſt fein ganzes Les
ben feit ‚dem Anfange ber evolution bis ans Ende ein Eluges
Untertauchen und Ktiederducken gewefen. Ohne den Schein,
ſelb Verbrechen begangen zu haben, fand er dog mit großen
Verbrechern oft in einem engen Bufammenhange. Mein öffent:
kiches Lehre nie. ein Se b offenes. Beine beit
ihm einen —* hie eich es Beta erwarben zu — *
fein kaltes Bemig nie den Schwung und das Feuer, wodurch
ex neben seinem Isnard, einem Maury und Verginaub big
Rebnerbühne hätte beherrſchen koͤnnen. Indeſſen nagte ber
Wurm im Gtilen manchen Schiffsboden mit durch, worauf
fübnere Gemüther fi ben gefährlihen Wogen vertrauten,
Sieyes war in feiner frühen Jugend ein Zögling ber Iefuiten,
und fland in ben Dienften des Herzogs von Orleans als Se⸗
eretair und Lehrer feiner Kinder bei dem Anfange der Revolu⸗
tion, wozu aud) er mit den andern talentoolliien Männern
nereihe berufen ward. Er fpielte eine febr zweideutige
olle bei den Unterhandlungen, die zwifchen dem Fürtecticen
Orleans, nachher Egalitd zugenannt, und dein Rieſengeiſt Mi⸗
zabeau gepflogen wurden, von dem es wegen feines Todes ein
unaufgeldftes Nätbfet geblicben ift, ob er als ein Teufel fein
Land verdorben, oder als ein mächtiger Gott es aus ben Fly:
ten der Revolution gerettet haben würde, Wie alle jene gebei-
men Geſchichten vielleiht nie Mar mit ihren Zriebfebern und
Inftrumenten der Gefchichte erfiheinen werden, fo ſteht auch
Sieyes mit feinem thätigen ober leidenden Antheil, den er
daran nahm, im Dunkel, und dies läßt Schatten auf ihm, fo
ſehr er in der erſten fchönern Zeit der Revolution ald patrio⸗
tifher Pamppletift und Denfer der gefeggebenden Verſammlung
glänzte. Während Danton, Robespierre und der Wohlfahrts⸗
ausſchuß die Zügel der Regierung an fidy riffen un mit dem
Zigergefpann der Anarchie auf dem Nacken der Nation einhers
fuhren, war von Sieyes nichts zu feben. Er war oft frank,
erſchien felten und immer unſcheinbar dffentiih und ſah bie
beften Köpfe und Herzen bes Volks untergehen, ohne baf er
nur eine Miene bes Misfallend verrathen, ein — des
Unwillene verloren haͤtte. Während Garnot's mächtiger Regie⸗
zung tauchte er wieder auf, ohne daß jener Starke ihn gebrau—
hen tonnte. Nach Sarnot ward er wieder populair, und fchien
Barras und Rewbel fo gefaͤhrlich, daß fie ihn als Gefandten
der franzöfiichen Republik nach Berlin in ein ehrenvofles Cru
ſchickten. Er und das Directorium machten ſich wechfeifsitig
Komplimente, und dem Wolfe wurden von Zeit zu Beit die ger
beimen Wunder der Sieyes ſchen Politik erzählt, und biefes
Bolt, das für Gutes und Boͤſes ein kurzes Gedaͤchtniß bat,
fing an, Großes von ihm zu hoffen, und man ſchlug ibn alfo
in fehr mislichen Umfländen als den natürlichften Gandibaten
für den Director vor, der nad) dem Geſetze ausgefchieden wer:
ben mußte. Er fam, die Freude der Patrioten war vorbei; fie
faben nur den alten Schlaukopf. Gr ſchloß fi) an ben Etdr:
fern in feinem Gollegium an; und Drei wurden aufgewippt und
von ben Zweien wieder erfegt. Ale Vor: und Mitarbeiter an
der Revolution des 18. Brumaire befam er natürlich gin gutse .
Stüd vom Kuden, der nach dem Siege vertheilt wurbe; aber
den künftigen Deren und Meilter ahnend, verlieh ex feinen Dis
rectorpoften. und fein Gonftitutionsproject und ließ ſich pum
Staatörath ernennen. Der Uncuhflifter, der die Revolution
damit anfing, daß er den Adel und auch die Akademien für
überflüffig erklärte, genoß ganz gemaͤchlich an einer woplbefeg
ten und adelig bedienten Tafel die Erzeugniſſe feines adeligam
Qutes, und wartete Nachmittags ganz bequem die Verbau
in einer Sitzung der Academie de la langue et de la littyr
ratpre frangaise ob, in die er eingeſchachtelt worden war,
um fein Muͤthchen an der Grammatik zu Fühlen. Auch führe
er fih im Staatsrat und im Juſtitut fo artig auf, wie wäh
rend der Robespierre’fchen Zeit im Convent, ſodaß er zur es
lobnung eine echt abelige Genatorerie und einen fchönen Orden
erhielt, der bem alten Orden des Heiligen Geiſtes, den er mit
hatte austreiben helfen, verdammt ähnlich fah- Während ber
Reftauration hielt er fidy verborgen außerhalb Frankreich. Die
QJulirevolution führte ihn wieder nach Paris zuräd, fo hinfäßs
tig, als feine weiland Gonititutionen, und fehon mit einem Fuß
im Grabe, in das er bald dbazauf auch mit dem andern hinab
fleigen folte. Diefe Laufbahn die ich nur durch einige grobe
Gteilge angebeutet habe, zeigt zur Benäge, daß Der, fo fie
one Straucheln geben konnte, ein feiner dad geſcheuter Kopf
fein mußte, und darüber iſt wot in ganz Frankreich, wie in
anz Europa, ‚nur Eine Stimme. Gr gehörte zu jenen Men:
chen, die Geiſt haben ohne Charakter, die das Gute wollen,
aber ſich mit den Umftänden abfinden — inserviunt callidissine
temporibus — ; mit Ginen Wort, er war ein Polititus wie
fein Zeit⸗ und Geiftesgenoffe Röderer. Auch biefer Buchs wußte,
wie Gtiyes, duch alle Stürme und Wetter den Kiauen ber
böfen und reißenden Revolutionswölfe zu entgehen und fpäter
zwiſchen allen Parteien durchzufchleichen.
Man wundert ſich oft, wie die revolutionnairen Ideen und
{hre Repräfentanten fo ſchnell in das Gegentheil Deffen umſchu⸗
en, was fie erſtrebt und verfprodyen hatten, und doch iſt nichts
Degreifticher. Man weiß, wie es den erften großen Talenten
Frankreichs erging. Danton's und Kobespierre's Sciffionen
und Mordgerichte mähten die Blüte der großen Genies und Pas
teioten Frankreichs bin, die zum Theit durch Unſchluͤſſigkeit,
mehr durch den Äbſcheu fielen, durch böfe Mittel etwas Gutes
wirken zu wollen. Es gibt Zeiten, wo man mit Waffen bes
Simmeld immer ber Hölle unterliegt. Wer mit ihr ftreiten
will, muß die Schneide feines Schwerte wenigftens ein wenig
im Waffer des Kocytus flählen. Ebenſo verderblich ward Frank⸗
reich die Deportation nady Gayenne, die Bonaparte, damals
noch der Diener von Barras, durdy militairifge Gewalt durch»
fegen half. Männer, wie Garnot und Barthélemy, wachſen
nicht alle Zage wie die Pilze aus der Erbe. Es war, als ob
felt dem Gtaateftreih vom 18. Fructidor eine Geiftesarmuth
auf Alles gefallen, was mit am Ruder des Staats arbeiten
und pfufchen half. Cine fehe natürliche Erſcheinung. Nicht
blos Die, weiche man als Begünftiger einer conftitutionnellen
Monarchie anfah, wurden eingelerfert, erilirt und beportirt,
fondern ein ähnliches Schickſal traf Alles, was durch Talent
und Muth gefährlich werden konnte. Die Zournaliften wurden
in Maffe geächtet und 42 Journale unterdruͤckt, die, merkwuͤr⸗
dig! alle der Republik abhoid und meift royaliſtiſch waren.
Dies und vielleicht Unmuth der betrogenen Hoffnungen des Par
triotiemus ſchreckte die Guten ab, ſich nicht in den gefläuterten
Schafſtall zu drängens benn eine Sammlung von Schafen be:
delt man, und von Küchen, bie dumm und liſtig um das its
difche Brot gern das Zoch trugen, und gelehrig in Alles ein:
guaeı was man eben im Directorium haben wollte. Die
tger waren muthlos und unentſchloſſen zum Guten und Boͤ⸗
fen, und die meiften flüfterten im erbaͤrmlichen Gefühle der
Hülftoflgkeit bei drohenden Ungewittern: Ach! Hätten wir nur
einen König, fo wäre ung geholfen. Die Parteien ſeibſt hatten
micht den Muth, ganz gut und ganz ſchlecht zu fein, und ber
Haufch war vorbei, wo man fo frei einen Kopf hinftellte, um
eine bedeutende Rolle zu ſpielen, ja um nur die Wahrheit fa:
gen zu können. Bonaparte brauchte den revofutionnairen Geift
nicht mehr zu bändigen; er war längft ausgefahren mit den
taufend Regionen Zeufel, welche bie Nation im Ecibe hatte.
Doch das iſt fein unfterbiiches Verdienſt, daß er Frankreich aus
dem revolutionnairen Chaos hervorzog und die Rolle des De:
miurg übernahm, der bie bunt durcheinander gewirrten Elemente
der abgelebten, in Atome zerfallenen Gefellfchaft wieder zu einem
wohlgegliederten Organismus vereinigte.
8 gibt nur wenige Öffentliche Namen, die in dem Wed):
fel der Beiten und Regierungen in Frankreich ſich felbft treu ger
Stieben find und ihren Gharafter unter allen Umftänden be:
hauptet haben, wie Merlin von Douay und Daunou, zwei
Wänner von geprüfter Rechtfihaffenheit und feltener Charakter⸗
feſtigkeit, himmelweit verfchiedben von jenen windelmeichen Cha:
xalteren, bei denen das Heute immer gegen das Geſtern Recht hat
und die vergeflen, daß fie geftern anderer Meinung waren als
—* Merlin war ein gruͤndlicher, umſichtiger, aber nicht bes
onders gebanfenreicher Gelehrter und hat zur Wieberbegründung
des Juſtizweſens In Frankreich unendifch viel beigetragen. Daus
nou kann ald der Benebictiner der Voltaire'ſchen Schule bezeich⸗
net werben. Das Meiſte, mas er gefheiebe
„Jouraal des savants”, in ben Memoiren und 83 end
ber Akademie und in ähnlichen Sammlungen. Bon feinen Ber
tefungen, bie ex als Profeffor am Coliöge de France gehattm
und fpäter ausgearbeitet, find bis jeht fünf Wände eriäin
und foßen fun achfelgen. ©s
—— Geichrfamteit Vice ana ug une
Vorurtheile, denen er huldigt, ſehr oft —— ans nhea |
bar gemacht wird. Mignet’6 hiſtoriſche Rotizen über diefe kei
den Männer find ſehr intereffant ; ebenfo —*X et
Talleyrand. Nur können wir felbft in das bedingte Lob nit
einftimmen, weldyes Mignet vorgefähriebenermaßen dem ehem.
lgen Bifhof von Autun ertpeilt. Talleyrand dankt einen ge
Sen Theil feines Rufs dem politiſchen Scharfſinn und ver Ge
duld, womit er ben ſchicklichen Zeitpunkt abzumarten und zu
erfaffen wußte, in welchem feine Raͤnke ſich augenbiictichen Er:
folg verſprechen konnten — allerbings eine große politifce Gabe
Verräthereien kann man ihm billig nicht zur Laſt legen; es ik
ganz natürlich, daß man eine Btegierung verläßt, die nicht auf
guten Rath Hört und ins Verderben rennt. Politiſche Verbre⸗
hen hat Talleyrand nicht begangen ; im Übrigen war ex, was
ben moralifchen Charakter betrifft, gelinde gefagt, ein com:
pacter Egoiſt, ober, wie Schloſſer etwas ſtark ausbrüdt,
ein „Schuft“.
Auch die kebensſtizzen über Deftutt de Tracy unfBrouf:
fais find in mancher Hinſicht lehrreich, doch in vicler Bepiehung
für uns unerquidiidh. Uns Deutfche überläuft es immer gan |
eigen, wenn wir gewiffe Maͤnner nennen hören, bie graͤßliche
Syfteme'repräfentiren. So können wir uns eines innen Bit
behagens nicht erwehren beim Leſen der clegifirenden Biogre:
phien der beiden obengenannten Männer, bie fi ihr gan
Leben unverhohlen als Anhänger und Fortſetzer der Philoſophie
und Moral von Helvetius und Caba nis befannten, und von
benen ber Eine eifrig den Atheismus lehrte und der Ander
bigig für den Materialismus ſtritt. Gtädticherweile für dieſe
Männer war ihr angeborenes Raturel beffer als ihre anftubirte
Phitofophie, und widerſprach die Praxis ihres Lebens ben Grunt:
fägen ihrer Theorie. Deſtutt de Tracy war ein adjtungiwe:
ther, veblidher und braver Mann, eän treuer Freund, guter
Gatte und Vater, und der Armen Wopithäter; auch finden ſich
in feinen Schriften neben den abgeſchmaäckteſten, gröbften und
verfehrteften Anfichten bie wahrſten, feinften und richtigſten Ge
danken, von denen man nicht begreift, wie fie aus demſelben
Kopfe ftammen. Brouffais bat ale Gründer einer mediciniſchen
Theorie und als praktiſcher Spitalarzt fich bedeutendes Berdienf
um die beobadhtende Arzneitunde und bie leidende Menſchdeit :
worben und ſich ats Menſch und Hellkuͤnſtler ſtets brav, recht
lich, fitttih und uneigennägig bemwiefen.
Sämmttiche in diefem Bande gefammelte Lebens: und Che
takterbitder find, wie gefagt, von einfeitig apologetiſchem &:
präge; boch in allen flößt man nichtsdeſtoweniger auf feine, be
deutende, ſcharf abgrenzende Züge und Umriffe, die menigfien
in dem Lefer das Bild, welches er ſchon von dem Berftorbenen
bat, vervollftändigen und frappanter madhen heifen. In ſtiliſt
her Beziehung find auch diefe Charakteriſtiken durch Giegan,
Geſchliffenheit, Kraft und Angemeffenheit, ausgezeichnet, wit
ale Sniften des berühmten Gefchichtsfchreibers der Frangörn
evolution.
Literarifhe Notiz.
Waterfton’6 Werk: „A cyclopaedia of commerce", it
eine tüchtige und forgfältige Compilation, jeder Handelsbibtiothet
zu empfehlen, indem man darin bie neuefte auf die darin ab:
gehanbelten @egenftänbe bezuͤgliche Belehrung finden kam
Vorzüglich aufmerkſam zu machen iſt auf die Artikel „Com
merce”, „Mercantile law‘ (von Burton), „‚Rinance” und
„Commercial gergraphy”, 18,
Berantwortliher Herausgeber: Heinrich Brockhaus. — Drud und Verlag von J. A. Brockhaus in Eripsig
Blftter
für
literarifche
Unterhaltung,
Ritwod,
— Rt. 296,7 —
18. September 1843.
über Menſchenraſſen.
J. Die Eutwickel der M durch Einwirku |
Di ung enfdenraffen bury_ WBinwi 1842. dibliſche Annahme zurüd. Bei der ungeheuern Kluft, bie
der Außenwelt. Bon K. Weerth. Lemgo, Meyer.
Or. 8 1 Ihe. Near.
3. Die Sntftehung des Menfchengefchlechts.
ab? Ben ri Müller Grlangen, Heyder.
1842. Gr
8. Die Menfchenraflen. Bon Ernſt Friedrich Eberhard.
Einladungsſchrift aur Beier bed Gymnasii Casimiriani zu
Koburg Koburg
Es made dem mesfätlten Beifte Ehre, daß er ſich
Immer wieder an Probleme wagt, deren Löfung außer
feinem Bereiche zu liegen ſcheint, wo wenigſtens alle bis:
herigen Verfuche, fie zu loͤſen, fruchtlos geweſen find, fo
oft man auch mit friſchem Muthe und mit allen Mit:
tin, wie fie Fleiß und Scharfſinn darbieten, daran ge:
sangen iſt. Ein ſolches Problem iſt aber die Abſtam⸗
mung des Denfchen und die damit in genauem Zufam:
menhang flehende Frage, ob ber Menſch von Einem oder
mehren Paaren abflamme, eine Frage, die allerdings nicht
außerhalb der Grenzen menfchlidher Forfhung liegt und
das wiftenfchaftlihe Sintereffe in hohem Stade in An:
(much nimmt.
Wir haben früher ſchon in d. BL.*) auf ein Wert
von Prihard aufmerkſam gemacht, welches die erftere An:
fiht vertheidige, zugleich aber auch mehre damit in Wider:
ſpruch ftehende Gründe aufgeftele, worauf wir bier, um
Wiederholungen zu vermeiden, verweifen müffen. Die
erneuette Anregung der Stage ſcheint vornehmlih dem
verfhiedenen Standpunkte Ihren Urfprung zu danken zu
haben, auf dem die Wiſſenſchaft überhaupt in verfchiede:
nen Zeitepochen fland.. Früher waren e6 die Naturphiloſo⸗
pbie und ihre Anfidhten von der Entflehung organifcher
Weſen im Allgemeinen, jest find es theils die neuem
Ehrenberg’fchen Entdeddungen, denen zufolge felbft den Ins
fuforien noch Zeugungsfaͤhigkeit zugefprochen wird, theils
bie neuern ethnographiſchen Forſchungen, theils endlich
eine bier und da wiederauftauchende mpftifch:religiöfe Ten:
benz, welche felbft manchen naturhiftorifchen Anfichten ihre
Farbung verleiht, die den Geſichtspunkt bezeichnen, von
welchem ihre Beantwortung ausgeht. Während man ſich
%) Ja Nr. 163-106 u. Wi. f. 1842. D. Red.
Iſt der Menſch
Geſchoͤpf eines perſoͤnlichen Gottes oder Erzeugniß der Natur,
und ſtammt die Menſchheit von Einem oder mehren Paaren
Jdort für die Abſtammung bes Menſchen von mehren
Paaren entfchied, kommt mau hier wieder auf bie alte
zwiſchen der Zeit des Urfpeungs bes Menſchengeſchlechts
und feinens heutigen. Zuſtande liegt, wo es ſich nicht nach
Jahrhunderten, ſondern nad Jahrtauſenden zählt, und
bei dem Mangel einer Menge von Mittelglledern, die zur
Beurtheiltung Deſſen erfoderlich fein würden, was Aima,
Lebensweiſe, geiftige Cultur u. f. w. zu feiner Umaͤnde⸗
rung beigetragen haben, wird man moi nie zu einer be
feiedigenden Löfung der Frage gelangen, fo wenig als man
je aufhören wird, für eine oder die andere Meinung Dar
tei zu nehmen.
Die beiden erften der obemgenarmmten Schriften ver:
treten die Anfiht von der Abflammung des Menſchen⸗
gefchlechte von Einem Paare, die letztere dagegen vertheis
digt die entgegengefegte Anfiht. Der Verf. von Nr. 1
bemüht ſich im erften Abſchnitte feines Werts, zu bewei⸗
fen, daß die im Menfchengefchlechte vorhandenen Verſchie⸗
dbenheiten in Schädel, Bellen, Knochen der Ertremitäten,
Statur, Haut, Haaren, Angen keineswegs bedeutend ges
nug find, um eine Eintheilung deſſelben in verfchiedene
Arten und Species rechtfertigen zu koͤnnen, ſondern vieks
mehr felbft als durch gewiſſe Verhaͤltniſſe ber Außenwelt
mehr oder weniger bedingt erfcheinen. Wie andere Ber:
theidiger der eimpaarigen Abſtammung legt auch er ein
befonderes Gewicht darauf, daß einzelne Verſchiedenheiten
auch bei andern Voͤlkerſtaͤmmen als denen vorfommen,
zu deren Eigenthuͤmlichkeiten fie gehören, 3. B. dichte,
dide Schädel, wolliges Haar nicht allein bei Afrikanern,
ſondern auch bei Europdern u. f. w.; er uͤberſieht indefe
fen dabei, daß dergleichen Ausnahmen, wo fie vorfommen,
nie zur Begründung einer eigenen Raſſe Veranlaffung
geben. So 3. B. verfhwinden die einzelnen mwollhaarigen
Menſchen bei den Europäern unter der großen Maſſe,
ohne daß daraus eine befondere Raſſe wird. Überhaupt
aber können hier nicht einzelne Verſchiedenheiten entfchels
den, fondern das Ganze. Die Raffeverfchiedenheit liegt
in Schaͤdel⸗ und Bedenform, Statur, Haut, Haaren u. ſ. w.
zufammengenommen. Bo aber fände fich eine ſolche Aus:
nahme im Sefammtkreis bei einem andern ale dem Volke,
dem er eigenthuͤmlich iſt?
Im zweiten Abſchnitte verſucht der Verf. das Har⸗
monifche im ber Phyfiognomie ber Länder und ihrer Bes
wohner nachzuwelfen. Er betrachtet die Phyſiognomie ber
Sefttänder im Allgemeinen, in Bezug auf ihre Längen:
und VBreitenausdehnung und die Entwidelung bes Bin
neplan
—* ‚nach den ve denen Zonen und ben ver:
Tdfiebenen Erdtheilen, und endlid die Phufiognomie der
einzelnen, durch befondere phyſikaliſche Verhaͤltniſſe ausge:
zeichneten Länderftredden und ihrer Bewohner. Wäre ihm
diefer Verſuch gelungen, könnte er wirklich , der
* & fei an dieſem oder jenem Orte ber Erde geboren,
mr den oͤrtlichen WVerhältniffen gemäß fo und nicht
andars ausiehen, fo wäre auch hat große Raͤthſel geiäil
Über etwa mit Ausnahme der Polargegenden fehlt allen
übrigen Parallelen zwiſchen Ländern und Bewohnern aller
wiſſenſchaftlicher Boden, fo niel füch auch der Verf. he:
wuͤht, die Phantaſie dabei zu Hülfe zu nehmen. So
Habt es z. B. von. Afrika und feinem eigentlichen Urbe⸗
mwohner, dem Meger: wie das Lamb in der. abgefchlofjenen
Sigut eines Kaelſes daliege, fo mwichließen auch enge.
Kreiſe das Geißtesleben des Negers, und der Körper dei-
ſelben, in allen allen Theilen einfhrmig abgerundet, beute
en, daß Ihm, wie auch dem Lande, jede höhere Entwicke⸗
eng md Gliederung nach fehle; der Schädel des Negers
und des Kaubaſiers fliehen ‚ungefähr in demfelben Verhaͤlt⸗
wifle zueinnuder wie die rund abgemölbten Flaͤchen Afri⸗
kas zu den Steilktüften des Kaukaſus; wie ferner dem
Lande bes Negers die üppige Pflanzenwelt anderer Erd⸗
theile fehle, wie meift nur duͤrres Geftrüpp auf dem oͤden
Boden wuchere, fo fehle dem Kinne des Neger der Bart,
der den Stolz des Kaulafiers bilse, und auf feinem
Haupte wuchere nur ein verworrenes Geſtruͤpp von Woll⸗
haar; wie das Land offen da liege und feine Gebirgs⸗
kaͤmme das Waſſer aufflauen, damit eine neue Schöpfung
aus ihm entfpriefen könne, fo finden fih aud im Ske⸗
lette des; Negers diejenigen Knochen und Muskeln (?), de:
wen Aufgabe es fei, die Keime der kommenden Geſchlech⸗
ter zu befchügen, fo flag und weit, daß ſich felten das
nen erwedte Leben bis zu feiner Meife entwideln könne.
Menn es mit foldhen Annlogien in der Wiffenfchaft ges
than wäre, fo getraute ſich Ref. nächigenfalls auch zu bes
weifen, daß der Patagonier eigentlich nad Lappland ges
höre. Manches, was der Verf. zur Charakteriſtik einzel:
ner Voͤlker anführt, iſt nicht einmal richtig. So heißt
es ©. 157, die Gabe des Gefanges fehle dem englifchen
Volke, ein Volkslied befige es nicht. Schon bie vielen
noch im Munde des Volks Ichenden Balladen fprechen
für das Gegentheil, nody mehr aber das allgemein beliebte
„God save the king” und. „‚Bule Britannia”’, beides Lieder,
weiche fo tief in das Mark des englifhen Volks einge:
derungen find und bei alien feierlichen Veranlaſſungen mit
ſolcher Begeilterung gefungen werden, wie vielleicht kein
Lied. eines andern Volks der Erbe.
Im dritten Abfchnitte werden die Einwirkungen ber
Außenmelt auf die Entwidelung des Menſchengeſchlechts,
namentlich die Einwirkungen der unorganifhen Natur,
der Pflanzens und der Thierwelt und endlich des eins
die Phafiogkomie dee Beweahnex dee Ede im
seinen Krankheitöfsensen, in verſchiedenen Zonen, Gegen—
den und Zeitabſchnitten betrachtet. Der Verf. hat dirfn
Begenftand ohne Zweifel auf eine intereffante Weiſe be
bank aber haltbare Gründe für die Entwidelung da
verfchiedengg chenraſſeyn abe, ner wicht eu
decken —— * in mi in —* ein
zelner Naturerzeugniſſe abhängig, fo müßten mic deren
noch viel mehre zählen, al6 wir bereite ſchon befiken,
Allerdings laͤßt ſich ihr Einfluß auf die Verbreitung, fie:
pertiche Bitdung, geffitge Sulrur u. ſ. w. einzelner Volks
flämme nicht ableugnen, aber auch nicht einmal annike
eumgsweife daraus die große Verſchiedenheit erfläcen, wie
Se une is den | be
Im vierten Abſchnitt verſucht der Verf. die Fragen
zu beantworten: wie waren bie erſten Menſchen befchaffen?
wo lebten fie? und auf welchen Wiegen vorthellten ſich
die nachfolgenden Geſchlechter Uber der Erder Die Ant:
. wort auf die erfle Frage lauter: Seiner von allen jekt
vorhandenen Menfchenraffen gehört der zuerſt erſchaffene
Mencch an, denn das alfeitig Entwickelte Eonnte nicht
vor ber Entwidelung felbft da fein. Vielmehr iſt in dr
Verfchmelzung der verfchiedenen Raſſenunterſchiede zu di:
nem urfprünglichen, noch unentwickelten Ganzen, das Un
des erften Menſchen wieder zu erkennen. Das erfle Mn:
fchenpaar hatte eine mittlere Faͤrbung, die ſich nad den
verf&hiedenartigen Einwirkungen ber Außenwelt zu den an
geführten Unterfhieden und Grundſaͤtzen in der Haut:
farbe entwidelte. Als das Stammland der erflen Mm
[hen betrachtet der Verf. Kaſchmir, und von bier aus laft
er fie ſich nach verfchiedenen Himmelsſtrichen vertheilm.
Ne. 2 bat manche Vorzüge vor Nr. 1, nammtlih
den, daß fein Verf. mehr auf die Wiederlegung der
Gründe für die Abflammung des Menſchengeſchlechte
von mehren Paaren eingeht. Votzugsweiſe werden von
ihm die naturatiftifchen Anfichten befprodyen: 1) daß de
Menſch unmittelbares Erzeugniß der Natur fei; 2) daß
die höhern Organismen ſich allmälig aus den niebern ent
widelt haben, fodaß diefe von felbft im jene übergegangen
find, und daß die Leßtern nunmehr ſich felbiländig fort:
pflanzen; 3) daß noch immer Thiere durch ungleidartige
Zeugung entfliehen, zum Beweis, dag Organiſches aus
Proceſſen des unorganifhen Dafeins hervorgehe; und di
endlich 4) wenn man auch die Entſtehung der Menid:
beit auf Gott zurücdführe, mehre Menfchenpaare doch in
verfchiedenen Gegenden entflanden find. Es laͤßt id
nicht leugnen, daß ber Verf. diefe Anfichten mit Grün:
den beftreitet, wie fie vor ihm bis jetzt noch nicht geltend
gemacht worden find.
Zunaͤchſt log eine zwar kurz zuſammengefaßte, ab
von genauem Studium zeugende uͤberſichtliche Betrach—
tung dee verfchledenen Voͤlker des alten und neuen Mel
in Abfiht auf Größe, Bau, Farbe u. f. w. Diefe Ver
ſchiedenheiten werden von dem Verf. gleichfalls von den
Einflüffen des Klimas, der Lebensart, der Nahrung und
Beſchaͤftigungsweiſe, ſowie aus angeborenm und auf dit
Nachkommen fich fortpflanzenden Misbildungen und Krank
heiten: abgeleitet; fie falle: zum 66 ammwerneeit iwin⸗
ante aͤbagehen, one tuß-mam befkktuuer Gem;
dam, um jedem Worköftumm felbſt vorkommen, und
en Tegen Mrdamerikanet bie
ringebwreifän . Yabiaec ln cne Ui
NMenſchengattung halten als fie. Meat vergleteht Uhl
übrigen® nicht größer fein, als wis fie in den Eiplefarten ı] eine intereffante Abhandlung von Murbatd in Wiltau’s
umd Ausärtungen unſerer Dausthiere finden, deren viel: '
fache gem noch nicht derechtigten, fie zu eigenen
Arten zu flempein. Wenn nur nicht auch die Abſtam⸗
mung der verfchiedenen Thierraffen von Einem Paare noch
problematifch rodre. Ihre gegemfeltige Fortpflanzungsfaͤhig⸗
keit beweift nicht, was fie beweifen fol, denn es wäre ja
möglich, daß fih verwandte Arten fortpflanzen, ohne daß
dies auch bei andern weit veeinamder abflefenden Gat⸗
tungen von Thieren der Fall fein mießte. Unerwaͤhnt
dürfen wir indefſen eine für die Auſicht des Verf. ſpre⸗
ende Thatfache nicht Laffen, welche für eine allmälige
Abänderung in der Bildung mancher Thiere durch Locale
Einflüffe zugt. Rengger bemerkt nämlich, daß unfere
Hauskahe, webdhe vor ungefähre 300 Jahren im den erflen
Zeiten der Ersbeenng von Paraguay daſelbſt eingeführt
worden fei und ſich fele jener Zeit nie oder nur felten
mit frifhen Ankoͤmmlingen vermiſcht babe, fi von der
europäifhen durch kuͤrzere, mehr glänzende, dünnftehende
und knapp aneinander liegende Haare, die am Schwanz
noch kürzer fein als am übrigen Körper, unterfcheide;
ferner ſei ſie wenigſtens um ein Viertheil Heiner als jene,
habe einen ſchmaͤchtigern, zuſammengedruͤcktern Rumpf und
einen zartern Gllederbau. Nach demfelden Gchriftftelier
efheint auch das Schaf in Paraguay fo entartet, daß
jede Spur der fpanifchen Abflammung bei ihm verſchwun⸗
den iſt; fie find Mein, tragen eine kutze, aͤußerſt raube
Wole, und geben nicht einmal ein ſchmackhaftes Fleiſch,
denn es iſt mager, ganz weiß und von fadem Geſchmack.
Dergleihen Tcharfachen, obwol fie noch vereinzelt daſtehen,
verdienen unfere ganze Aufmerkfamkeit, denn wenn wir
die Ratur nicht im der Umdnderung ihrer Formen gleich:
fam auf der That ertappen, fo bleiben alle Muthmaßuns
gen und Hypotheſen unzureichend.
Einen Unsftand, welcher, wie uns fcheint, ducchaus
bei der in Rede fichende Streitfrage wide uͤberfehen wer⸗
den darf, dat unſer Verf. gar nicht erwähnt, wir meinen
die Verfchledenheit der. geiftigen Culture und der fittlichen
Bildung bei den verfchledenen Menſchenraſſen. Es ift
auffallend, daß z. B. in Nordamerika die freien Farbigen
auch da; wo fie nicht durch unterdrüdende Gelege gebun-
den find, fich doch nicht aus ihrer Miedrigkelt erheben,
hoͤchſt felten eine gewiffe Wohlhabenheit erreichen, mit den
Weißen wicht auf gleicher Stufe der Sittlichkeit ſtehen,
i mei arm und phyſfiſch mad moraliſch verderbt
ſind und in den noͤrdlichen Staaten der Union, in wel⸗
Sen ſchon ſeit lange her gar Eine klaut beſteht oder
dieſe nie vorhanden geweſen, Das vorſtellen, was man
in den europaͤiſchen Laͤndern die Hefe des Poͤbels nennt.
Es fehlt ihnen an allem Unternehmungs⸗ und Erfindungs⸗
gilt, allenthalben ſtehen fie den Weißen nach, bleiben
binter ihnen zuruͤck und erſcheinen als eine untergeordnete
Nenſchenclaſſe, von Natur zu niedrigen Dienften und
Arbeiten in der Geſeliſchaft beftimmt und nach Höderm
weder ſtrebend noch dazu befaͤhigt; daher denn auch bie
„Neuen Jahrbuͤchern der Geſchichte und Politik“, Jahr⸗
gang 1840, zweiter Band, S. 408 fg. Solte dieſer
Mangel an Intelligenz und an fittlidher Wervsttonint
mung nicht ebenfo gut für eine urſpruͤngliche, in der Raffe⸗
bildung begründete, Verſchiedenheit zeugen?
Die Verbreitung des Menfchengefchlechts Über die Erbe
thßt der Verf. vom Berge Ararat beginnen. Um biefen
Berg, auf welchem die Arche Roah's nach der Shapflut
ſiden blieb, bildeten fich die alten Eulturlaͤnder. Die
fchänfte der menſchlichen Formen, die kaukaſiſche, ſchlug
ihren Sig in feiner Nähe auf. Entfernt von ihm befin>
den ſich die beiden andern Raſſen; die mongelifihe im
Mordoft, die Megerraffe im Suͤdweſt. Die von efintih
Punkte ausgegangenen Menſchen arteten auf der Hoch⸗
ebene der Mongolei zu Mongolen und im heißen Gens
tralafrika zu Negern aus.
(Der Beſchluß folgt.)
Autograpbifhde Sammlungen.
In dem reichhaltigen Werke „Les Francais peints per
eux-memes’' finden wir einen allerliebften Fleinen Auffag aus
der geiſtreichen Feder Eh. Nobier’s, betitelt „Le bibliophile%,
Alle die einzelnen Meinen Züge, mit denen der liebenswuͤrbige
Schriftſteller das Weſen ber begeifterten Buͤcherliebhaber — und
Nobier ift ferbft einer der leidenſchaftlichſten — ſchlibert, peffen
auch auf den unverbroffenen Sammler von Autographen. Unſere
Abſicht iſt es indeſſen nicht, ein fatirifches Wild des Autographo⸗
philen — um biefer immer weiter um fidy greifenden Leiben⸗
daft einen Namen zu geben — zu entwerfen, fonbern wie
wollen nur ein paar der reichſten Sammiungen biefer Arten ges
denken, bie wir in Paris Gelegenheit gehabt baben zu ſehen.
Wir Können aus der großen Menge der Aime Martin, Boutrons
Eharlard, Baron v. Chaffiron, Ehambry, Feuillet, Graf d' Haute
rive, Lalande, Lidri, Geaf Anat. de Montesquion, die alle von
der Wuth des Sammelns angefledt find, hier inbeffen nur zwel
ober drei ausgreifen.
Erf mit der Reflauration fing ber Geſchmack an berartfs
gen Sammlungen an, in Frankreich Wurzel zu faſſen. Etwa
um das 3. 1820 befamen file wirklichen Werth, und feltberk
vermehrten fig die bis dahin noch unbekannten öffentlichen Wer:
fleigeeungen von Autographen nıit jedem Jahre. Im 3. 1837
ward ein Billet von Auife Marie, Königin von Polen, vom
28. Mai 1644, das der Sammlung eines Englänbers angegdet
hatte, öffentiich verkauft. Das Interefiantefte an biefem Briefe
war, daß darin ausbrädtih gefagt wird, daß es von ber Abe
nigin eigens geſchrieben fei, um einer Sammlung von Bande
ſcheiften einverleibt zu werden. Auch aus einem Briefe, ben
ein Dr. v. Flers befist, gebt hervor, daß bie
baberei fchon im 17. Jahrhundert nicht fo felten war. Indeſſen
wurde, wie gefagt, erſt in neuerer Zeit in Frankreich foͤrmliche
tion bamit getzieben. Bei den boßen Preifen, mit wer
nen die Hanbfchriften beraͤhmter Perfonen fei es gekroͤnter Haͤup⸗
ter, Schriftfteller, Künftier, Staatömänner, Helden, fet 8 auch
vecht beruͤchtigter Schurken u. f. w. bezahlt wurden, mußten
minder Bemiĩttelte ſich mit lithographirten Autographen begnüs
gen. Die Buchhändler fahen fich deshalb veranlaft, ihren Wer⸗
en baburch noch ein eigenes Intereffe zu verleihen, baß fie bens
felben ein Kacfimile von der Handſchrift des Verf. binzufügten,
Derartige Zugaben finden wir nawentlich in den Ausgaben
Ladvocat’s aus den Sahren 1824 und 1925. Bei dem großen
Beifalle, ben diefe Mobe fand, lag ber Gedanke ſehr nahe, eigene
RB ”
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aphen her n.
nen Unternehmen, die in dieſer Abſicht begonnen wurden, hat
ſich die „Isographie”, zu der noch eine Sammlung von Portraits
unter dem Xitel „Iconographie” hinzugefügt wurbe, am länge
ften (1838-30) gehalten. Aber alles Dies genägte dem Lieb»
haber von Autographen ebenfo wenig wie bie Abbrüde ber Ins
eunabeln und ber Editiones principes (und wären fie mit
diplomatifcher Genauigkeit beforgt) dem Bibliophilen. Alle biefe
Jacſimilia waren Jedermann um ein Geringes zugänglich und
doch IM der Hauptreiz biefer Sammlungen der alleinige Befig.
Se mehr alfo bie Liebhaberei der Autographen durch lithographirte
Abtrüde profaniet ward, deſto eiftiger wurben bie eigentlichen
Handſchriftenſammler, ſodaß ſich die Liebhaberei nicht felten bie
ur Leidenfchaft fleigerte. Zu gleicher Zeit vermehrte fidy die
ahl diefer Sammlungen, fobaß man jest in Paris beren mehre
Hundert —* kann.
Bei oͤffentlichen Verſteigerungen, bie jetzt gar nichts Seltenes
mehr find, fieht man, wie es mit ben Autographen ebenſo geht
wie mit den koſtbaren Ausgaben unb den alten Gemälden. Diele
@uriofitäten find der ganzen Wanbelbarkeit der Mobe unterwors
fen. Autographen, die heute bis zu unfinnigen Preifen hinauf:
getrieben werben‘ — und ed find nicht etwa immer bie, wel
von den berühmteften Perſonen herruͤhren —, werben in einigen
Dnomalen [0 im Preife geſunken fein, daß fie kein Menſch mehr
wid.
Eine der tntereffanteften autographildgen Sammlungen von
Paris ift die, welche ber bekannte Buchhaͤndier und Gelehrte
Panckoucke angelegt hat. Sie zählt eine Menge ber widhtigften
und feitenften Stüde, die zum Schell noch ganz unbelannt find
und aus benen fi eine werthuolle Kuswahl zufammenftellen
ließe. Man bemerkt darin unter Anberm eine Rotiz über bie
Schlacht von Zrafimenes, die Rapoleon während feines Aufents
halts zu St⸗Helena eigenhändig gefchrieben hat. An die Samms
lung Ponckoucke's reiht fich die von Feuillet be Gonches, ber eis
nen hoben Poften auf dem Minifterium der auswärtigen Samm- .
Iungen bekleidet. Auch der Marquis von Flers, Conseiller & la
cour des comptes, ber gegenwärtig ein umfalfendes Werk über
autographiſche Towie andere Sammlungen vorbereitet, iſt im
Belig einer großen Menge Eoflbarer Stüde, bie manchen Liebs
haber neidiſch machen könnten. Unter der großen Zahl berfel:
ben (feine Sammlung beläuft fi) auf mehr als 2500, aber A
les nur Raritäten!) können wir nur einer Erklaͤrung von Kas
tharina Il. über bie franzöfifche Revolution, fowie ber Hands
friften von Montecuculi, Galilei, Mackhiavelli u. ſ. w. er:
wähnen. In der reihen Sammlung von H. Chambry, Maire
des vierten Arrondiſſements, befindet ſich ein böchft intereffanter
Brief der Charlotte Cordah vom 15. Zul. 1793. Wir müffen
hierbei ftehen bleiben, ohne uns in die Phyfiognomit der unzaͤh⸗
ligen Xutograpben, die wir durchblaͤttert haben, einzulaffen und
ohne es zu verfuchen, wie Sal aus ben Hödern und ben Vers
tiefungen des Schaͤdels, fo aus den Steigen und Punkten der
Handſchriften die Charaktereigenthuͤmlichkeit, dad Schickſal und bie
Banbtungen der Perfonen, von benen fie herruͤhren, herar ezu⸗
leſen.
Nordamerikaniſche Miscellen.
(Auszge aus den öoͤſffentlichen Blättern der Vereinigten Staaten
vom Jahre 1983;)
Die in Mobile wohnhaften Deutfchen haben ſich daſelbſt zu
einer Geſellſchaft vereinigt, ber fie den Ramen „Deutfder
Freundſchaftebund“ gegeben haben und bie zum Zweck haben
fol, deutſche Literatur jedem ber Mitglieder zugänglich und
durch gemeinfame thätige Kraft im neuen amerikaniſchen Was
terlande den Standpunkt der Deutfchen ehrenvoll zu machen.
Die Geſellſchaft befigt bereits einen Bonds, um kranke oder
bütfsbebürftige Mitglieder zu unterflügen, und jeder Deutfche,
ber ſich guter Genpfehlungen erſſect, finbek‘ unter feinem
Mebite anfäffigen RRR. eine offene und ——, Du
im Ball er der Unterftügung zu feinem Fortkommen bedarf u
dadurch fein ferneres Wohl begründet werben Kann. Der
Deutſche ndſchaftsbund wurbe am 21. Dec. 1841 errichta
und es ſchloſſen ſich demfelden fehr ba B Deutſche ats Mit
lieber an. Dem Bunde wurde am Gtiftungätage von ein
Feiner Mitglieber folgendes Gedicht gewibmet, das zugleich als
Probe beutfcher gebundener Rede im Suͤden ber nocdamerike:
nifchen Union dienen mag:
Dem deutfden Breundfhaftöbunde, am 2, Dec, u
geweiht, von G. F. R.
Kommt Wräber, tomemt in. unfre Mitte,
Reit Eu die Hände, wie im Vaterland,
Kein Gchlummer taugt für unfre Gchritie,
Bon und bleib’ ewig ex verbannt.
Bu gutem Wirken find wir nur verbunden;
O! führt es aus, was wir und zugefagt,
Und zeigt, daß treue Maͤnner ſich gefunden,
Die duͤlfreich find, wo Schmerz unb Kummer aagt.
Erdebt Cuch feibk durch gegenfelttge Treue,
Beigt deutſche Ehr’ in ihrer Pracht;
Gebt deutfhem Namen jene Weihe,
Die Ihn zum flolgen Titel macht.
&o laßt und denn die Stund’ begrüßen,
Die und in edlem Bund umfchlang,
Lat enger uns dab Band mmfihliehen,
Und deutſche Ehe? fei unfer Mundgefang.
Aus dem durch den Druck veröffentlichten officiellen 14. Jah:
resberichte der Belferungsanftalt für jugendliche Ber:
bredher (House of refuge) in Philadelphia geht hervor, daß fd
am 1. Ian. bes vorigen Jahres 102 Knaben und 46 Mäbe
in diefem Inftitut befanden. Im Laufe des 3. 1841 wurden 8
Knaben und Al Mäpchen entlaffen, ſodas im Anfange dei J.
1842 102 Knaben und 48 Mädchen vorhanden waren. Toder⸗
fälle fanden nur 23 in dem Beitraume von einem Jahre ſtatt.
Bon denen, bie in dem verfloffenen Jahre aufgenommen wurde,
tonnten 37 weder leſen noch fchreiben, 57 waren in ber Giabt
Philadelphia, 19 in andern Theilen Pennſylvaniens, 1] in Raw
jerſey, 7 in Neujork, 2 in Ohio, 1 in Rbobe« Island, 1 in Bir
ginien, 3 in Delaware, 2 in Maryland, 9 in Irland, din
England und 3 in Deutſchland geboren. Won den Entloffmm
wurden 29 bei Landwirthen, 2 bei madhern und d kei
andern Gewerben als Lehriinge untergebracht; 19 Mäcken
wurben ausgethan, um bie Haushaltung zu erlernen, 14 Knaben
als Schiffsſungen fortgefchict und Knaben und Wide
ber Obhut ibrer Verwandten anvertraut. 3.
Literarifhe Anzeige
Neu erschien soeben bei mir und ist durch alle Bud-
handlungen zu erhalten:
Das Venensystem
in seinen krankhaften Verhältnissen
Von
F. a. Bj. Puchelt.
Zweite Auflage.
In drei Theilen.
Erster Theil.
Gr. 8. Geh. 1 Thlr. 13 Ngr.
Leipzig, im August 1843,
F. A. Br ockhaus.
Berantwortlicher Herausgeber: Heünrich Brokhaus. — Drud und Berlag von J. A. Broddaus ia Leipzis.
Blätter
für |
literarifhe Unterhaltung.
(Beſchluß aus Nr. 258.)
Die Heine anſpruchloſe Gelegenbeitsfchrift Nr. 3 maßt
fidy nicht an, ihren Gegenfland erſchoͤpft und eine durch⸗
dringende Kritik der gegentheiligen Meinung geliefert zu
haben, aber es gebricht ihr weder an Scharffinn noch an
Gruͤndlichkeit, um mit ihren Gegnern in die Schranten
zu treten. She Verf., wie ſchon bemerkt, ein Gegner der
Anſicht von der Abflammung der Menfchen von Einem
Daare, verfolgt zuerft den Weg der Beobachtung und Er:
fahrung und ſchlaͤgt dann den umgekehrten Weg vom
Allgemeinen zum Befondern ein, die aus bewährten all»
gemeinen Naturanfichten abgeleiteten Schluͤſſe damit vers
gleichend. Kine Vergleichung der Hauptgruppen der Men⸗
fdyen in Hinſicht auf Farbe, Xertue und Organifation
von Haut und Haar, Habitus und Ausdrud des Gefichts,
Entwidelung des Geſchlechtsſyſtems, Skelett, Gehirn: und
Nervenſyſtem, Muskelkraft, Krankheitsanlage, Verkruͤppe⸗
lungen und Misgeſtaltungen, Sprache, Religion, Wiſſen⸗
ſchaft, Kunſt, Familien⸗ und Staatsleben fuͤhrt ihn zu
dem Reſultat, daß wirklich Menſchenraſſen mit beharrli⸗
chen Unterſchieden exiſtiren, und zweitens daß wir in detail⸗
lirter Auffaſſung der Abweichungen noch nicht weit genug
mmen find, um mit aller Zuverſicht entſcheiden zu
koͤnnen, ob es fünf oder nur vier Rafſen gibt, daß aber
die Geſammtheit aller angedeuteten Züge und Befonder:
beiten für die Fuͤnfzahl ſpricht. Nachdem der Verf. feinen
Segenftand auf empiriſchem Wege betrachtet, untermirft
er, auf dem Wege von dem Allgemeinen zum Belondern
fortfchreitend, zuerſt daß Terrain, welches den Menfchen:
fiämmen zum Wohnplag angemwiefen ift, der Unterfuhung
und kommt bier zu dem Reſultate, daß die Gegenfäge der
Gontinente in ber geographifchen Lage, in der Configuras
tion umd horizontalen fowol als verticalen Ausdehnung,
in ber fnnern Structure, im Verhaͤltniß von Land und
Waſſer und vielen damit zufammenhängenden Eigenthuͤm⸗
iichleiten es als Wunder erfcheinen lafien würden, wenn
die organifche Welt nicht eine entfprechende Verfchiedenheit
im fi) ausgeprägt trüge. Es wird dies durch die Geo:
graphie der Pflanzen und Thiere beſtaͤtigt. Die fünf
GSontinente bilden felbftändige botanifhe und zoologiſche
Mrovinzen. In verwandten Himmelsſtrichen und Locali⸗
täten erſetzen fi verwandte Gruppen; bisweilen, doch
nicht oft, findet fich daſſelbe Genus, faſt nie dieſelbe Spe⸗
ces. Der Verf. zeigt nun, daß die Fünfgliederung auch
in der Menſchheit hervortrete. Die fünf verfchiebenen
Raſſen entfprechen diefer Gliederung, aber die amerikani⸗
ſche flellt nicht, wie Blumenbacdh annimmt, den nody nicht
ganz zur mongolifhen Form gewordenen, bie malalifche den
noch nicht ganz negrificirten kaukaſiſchen Typus dar, fon:
dern eine ift fo felbftändig und urfprünglic wie die an⸗
dere. Es find die europdifche oder weiße, bie afiatifche
oder gelbe, die amerikanifche oder rothe, die malaiſche oder
braune und die afrikanifche oder ſchwarze. Während aber
der Verf. die urfprüngliche Künftheilung der Menfchheit
vorausfegt, leugnet er das Zerfallen in verſchiedene Spe:
cies, indem ein ſolches Zerfallen ebenfo fehr der bee der
Menfchheit, welche innerlihe Einheit bei aller aͤußerli⸗
hen Mannichfaltigkeit fodert, vwoiderfprechen würbe, als fie
duch naturgefchichtliche Tihatfachen widerlegt wird. S. 35
beißt es:
Die Natur hat ihr Höchftes, den Menſchen, in verfähtebe:
nen Gontinenten auf verſchiedenen Schoͤpfungsleitern auffteigenb
u erreichen gefucht und erreicht. Die Spitze biefer großen,
Fnffeitigen Schöpfungspyramide tft kein mathematifcher Punkt,
welcher nur in der Vorſtellung eriftirt, fondern eine Fläche, bie
auch hier noch der Mannichfaltigkeit eine reiche Entwidelun
geftattet. — Für die Erledigung ber obfchwebenben Brage au
empirifchem Wege ift es nöthig, daß ber Begriff von Species
firirt werde. Die ausgezeichnetften Naturforfcher, wie Cuvier,
R. Wagner, 3. Müller erfiären, daß bie Begattung und Bas
flarberzeugung in letzter Inſtanz entſcheide. Sie gehen dabei
jebenfalls von ber Überzeugung aus, daß die Natur in ber Zeus
gung fi am deutlichften Über innere Verwandtſchaft ausfpreche
Diejenigen Weſen, welche ſich ohne kuͤnſtliches Zuthun und ohne
unnatürlihen Zwang von Seiten des Menſchen begatten, unb
danernd fruchtbare, denfelben Typus bewahrende Nachkommen
erzeugen, gehören zu einer Species. Was zu einem Genus
als verfchiedene Species gehört, vermag wol ſich zu begatten,
body entweder ohne Erfolg, oder fo, daß die Nachkommen fteril
find oder nur mit einem Weſen ber primitiven Art Junge ers
zeugen, weiche in die urfprüngliche reine Form zuruͤckſchlagen.
Der Formenwechſel innerhalb ber die Species umziehenden Gren⸗
zen gibt Raſſe, Barietät, Abart u. f. w. Damit flimmen auch
die Refultate der phyſiologiſchen Forſchungen überein, z. B. dab
die Spermatogoen bei den männlichen Baftarben ganz fehlen
oder nur verlümmert vorhanden find. Sonach gehören Hunb
und Wolf, die Baſtarde erzeugen, zu verfdhiedenen Species,
ebenfo Hund und Fuchs, Löwe und Ziger, Pferb und Gfel.
Dagegen bilden alle Hunde eine Species. Das aber if ein
gewaltiger Irrthum vieler Raturforfcher, daß fie es als ausge⸗
macht annehmen, mit der Einheit der Species fei auch bie Ab.
mung von einem ar erwiefen: alle Warietäten inner
Lern der Gpecied feien — ‚ nicht urſpruͤnglich. Dieſe An⸗
ſicht, daß jede Species organiſcher Weſen einen einzigen Aus⸗
gangtpunkt, gleichſam einen Adam habe, widerſpricht den Natur⸗
geſegen. Ice. Kargheit dee Armuth, fon verſchwenderiſche
bes Aeichthums dezeithnet das Sch Der Natur. Ge⸗
wiß I jede Speties urſprünglich gleich in einer Wenge nicht
blos don Exemplaren, ſondern auch von Barietaͤten aufgetre⸗
ten. — Wenden wir den gefundenen Begriff ber Species auf
die Menſchheit an, fo ergibt fi auf das klarſte, daß alle
Menſchen zu einer Species gehören. Die Menſchen der vers
fehiedenften Stämme erzeugen miteinander ſehr Fräftige frucht:
bare Rachkommen. Rur diejenigen Abkömmlinge, bie in den
—ãaſ* Nuancen aus der Vermiſchung der amerikani⸗
Rafſe mit andern hervorgehen, ſtehen weder in phyſiſchen
ften noch in phyſtſcher PYroductivität und Zaͤhigkeit den Mi⸗
ſchungen anderer Raſſen gleich, fodaß ſich auch hierin der To⸗
deskeim verräth, den die amerikaniſche Raffe in ſich zu tragen
ſcheint. ont gibt, wie in der Thierwelt, Kreuzung der Rafs
fen ein befonders Eräftiges Geſchlecht, während bauernbe Abſper⸗
sung bes Bluts innerhalb enger Grenzen ein Herabfinten des
Drganismus und Berkrüppeluny zur Zolge hat.
Es bat diefe ygeiftreihe Auffaffung des Gegenftandes
etwas fehr Annehmliches. Sie läßt uns die verfchiedenen
Menfchenraffen gleihfam als einzelne Organe eines großen
Menfchenteibes erfaffen, von denen jedes feinen Theil zur
Verwirklichung eines höhern, ideellern Organismus beis
trägt und durch deren relative Ausbildung da6 Ganze der
Menfchheit geiftig und leiblich gefördert wird, ohne dabei
die Möglichkeit auszufchließen, daß die jegt niedern Glie⸗
der, wie ſich ein ſolches z. B. jegt in der Megerraffe dar:
ſtellt, dereinft die Höhern werden tönnen.
Wir begnügen uns, unfere Lefer auf diefe interefiante
Heine Schrift aufmerffam gemacht zu haben und wuͤn⸗
fchen, daß fich ihr Verf. im Intereſſe der Wiffenfchaft ver:
anlaßt fehen möge, ihr kuͤnftig eine größere Ausführung
zu geben und fie fo auch für ein größeres Publicum zu:
gäuslicd, zu machen. 75.
Zorfchung und Phantafie. Won I. Beet. Überſetzt durch
Diesanda. Leipzig, Weigel. 1842. 8. 1 Thir.
1 gr.
In Holland hat die franzoͤſiſche Literatur von jeher einen
bedeutenden Rang behauptet; die Literatur der übrigen Voͤl⸗
ker — natuͤrlich mit Ausnahme ber fogenannten Claſſiker ber
und Römer — ift dajelbft wenig befannt. Seit mebs
zen Decennien haben ſich in Holland Akademien für hollaͤndiſche
Sprache und Literatur gebildet. Namentlich zwei Hollaͤnder,
Bilderdijk und van der Palm, haben in ben legten 30 Jahren
Wucch ihre zahlreichen Schriften einen Typus hollaͤndiſcher Dris
ginalitaͤt anfgeftellt; der Erſte ift zwar vielfeitig, aber nicht pos
pulair, und der Zweite fchreibt zwar ſchoͤn, hat aber body nicht
durchdringen Eönuen. Nun haben die jest beſtehenden hollaͤndi⸗
ſchen Akademien * sweiſe darauf ihr Augenmerk gerichtet,
gegen Nachahmungsſucht zu Felde zu ziehen, wiſſenſchaftliche
Truͤndlichkeit zu vertheidigen und ben echten Geſchmack zu
den. Das angezeigte Buch enthaͤlt akademiſche Vor⸗
„, welche das bezwecken, und iſt alſo ſchon um dieſes Stre⸗
bens willen von Intereſſe; daB das Buch von Wirkung iſt,
er —— beſtaͤtigt, daß es in kurzer Friſt die zweite Auf⸗
er t.
Die erſte Nummer enthaͤlt Tiſchgeſpraͤche uͤber Gegenſtaͤnde
von großer Wichtigkeit. Es wird naͤmlich darin die Sucht,
Vreisfragen aufzuſtellen, perſiflirt, und zwar auf eine ganz
huͤbſche Art, indem eine Akademie bie Preisfenge autſchreitt
ob bie Theorie ber chinefiſchen Schrift brauchbar fei für unfen
weſtlichen Sprachen, und ob man hiervon wicht einigen Ben
theil für die allgemeinere Verbreitung der wiffenfhaftticen
Kenntniffe erwarten Bhane. Gehr treffend vergleicht
force Akabemien und ihre Freicſagen mit usgchranten Kıa
tern, worin Peter und Paul, jung a alt, ohm Gfahr ug
nad) Belieben fiten £önden.
Zweite Abhandlung: „Uber die Einfachbeit.“ Der Begrif
wird fonthetifch beftimmt, an Homer und Heflod, an Thuchdi
des und Herodot, an Bilberbijt und Schiller, und if reich an
ſchlagenden Bergleichen und ſcharfen Pointen, wenngleich uns
die Form des Vortrags etwas ermuͤdend vorkommt; man muf
vieleicht Holländer fein, um dabei wach zu bleiben.
Dritte Abhandlung: „Geſpraͤch über Poeſie und Arbeit.
Hier wird die Meinung? eines Vnchuſiaſten un
eines Nealiften über das Studium, welches Poeten machen mil
fen, auögegtähen ; bie Discuffion ifk ſcharfünnig durchaefühtt
enthält aber uns Deutſche Teine Deittheilungen, bie wir dem
Holländer Dank wiffen müßten.
Vierte Abhandlung: ‚Uber das Reifen. Diefe Berleſung
in ver Wiffenfcyafttichen Verſanmmlung zu Rotterdam gehalten,
barf in der That als humoriſtiſch bezeichnet werden; es ift daria
fo viel Lebendigkeit, wie man einem Holländer gar nicht zutraut;
es ift darin eine fo Leichte, wigige Perflflage der Modetsorki:
ten, eine fo pikante Satire gegen Die, welche das Leben ne
genießen wollen, ohne darin einen hoͤhern Gehalt zu finden, deß
wir dem Artikel unfern Beifall nicht verfagen können, dk
Naturichilderungen, bie bineinverwebt find, haben ben Borg
der Schärfe und Anfchaulichkeit.
Fünfte Abtheilung: „Eine neue Charaktereintheilung it
Stils.” Der Berf. beginnt feine Abhandiung mit der Erkiärung
des Wortes Stylus. Hecht hubſch iſt bie Auselmanberiehung un
Begründung der Behauptung, daß bie Römer gemeint hätten,
man müfle viel fehreiben, um gut ſprechen zu lernen; baber ki
den Jünglingen der Rath gegeben: Stylum verte! Die Römer
fpradyen viel mehr als fie fehrieben; das Sprechen war ihm
wichtiger; bei uns iſt der Stil nicht mehr Übungsmittel, for
bern felbft das Biel. Der Berf. meint wun, wenn man bt
Stil eintheite in Brief⸗, Kanzlei», bifkorifchen, rhetorilden
Stil, fo fei das falſch, weil man demzufolge den Stiü für ein
bloße Form halte; aber in dem Stil liege der Gedanke Io fef
verfchloffen, daß Stil und Gedanke eigentlich ein Ganzes aut:
made. Darum räth der Verf., man folte eintheilen in einm
aufridhtigen Stil, einen gutperzigen, einen wmürzifchen, ram
eiteln ober vermeffenen. Indeß diefe Gintheilung ſcheiat tn
feftes, logiſches Zundament zu haben; daß diefe Charalım
eintheilung wirkuch hoͤchſt willkuͤrlich fei, gebt aus Dem
bervor, was er 3. B. über den gutherzigen Stil fagt: De
gutherzige Stit gönnt Jedem, was ihm zukommt, fügt ib
hatb zu jedem Hauptwort ein Beiwort, das ihm eigenthu
lich ifts die Fuͤrwoͤrter er, fie, es find ihm zu ſcharf und eis;
darum gebraucht er lieber derfelbe, biefelbe, daſſelbe; er ment
felten andere Metaphern als die befannten und gewöhnliden
anz er jagt nicht nach Werfchiedenheit und Abwechſelung, feier
Säge haben eine gewiſſe Bteichförmigkeit; fie find Lang m
enthalten gewoͤhnlich einen Gedanken, in den ein andere ad
gefchaltet iſt; am Schluß der Rebe wird der Numerus tro
und dadurch erfcheint er ftill, gemäßigt, beſcheiden. Der mir
riſche oder grämlidhe Stil gebraudyt den Wuchftaben x fehr vitl,
auch das d und t nit ſelten; die Perioden find ungleich, Cor
junctionen fehlen oft; von Beit zu Seit häufen fich eiaſolbigt
Wörter; fitionen bekommen oft den Zon; ber Numamd
bricht oft in Anapäften aus. Der eitie Stil hat wenig laneın
Gehalt, keine Genauigkeit in Gegenfag und Berbindung. Dit
Worte fpringen mehr als fie rollen; der Vortrag mimmelt vor
Bildern mit orientalifäder Pracht und Pebanteries die Perioden
find manlerirt; der fdeinbar große Meichehum biefed Stiu H
Beine „ weile die Zeit befchaeiben wird, ſondern eu
nee Gleis hi pe nee —
se ine ne Reit erzählen in bey eitle Stil gar
sicht. Was diefen Artikel betrifft, fo iſt derſelbe offenbar nur
eine Skizze; der Gegenſtand iſt ein fo vielumfaflender, es Liegt
fo Bieleb anf dem Sebiete des Problematiſchen, daß fih un:
möglih auf einigen Geiten eine Anſicht gruͤndlich auseinander-
fegen Iäßt. Dex Werf. ſcheint von der Anfidt auszugehen, bie
aud) Morig in feinen „Borlefungen” (1808) ausfpricht, daß ſich
der Stil nicht Ichren laſſe; daß Jeder in der Form 34
druaͤken müffe, die ihm ſich gebe, in der feine Gedanken entſtehen.
Bon der grammatiſchen und Ingiichen Correctheit iſt gar nicht
die Rede, und bie iſt Doch bie erſte Anfoberungs ebenfo wenig
wird es erwähnt, daß fi der Stil aus dem Gebiete der Cor:
sectheit in das ber Kunſt hinüberführen laſſe, oder Daß das
Richtige zun Schönen ſich entfalten müfle; auch kommt nichts
vor ber Die gewöhnliche Gintheilung, die von ben alten Rhe⸗
toren berrühst, in genus dicendi tenne, medium et sublime,
oder dig niedere, mittlere und höhere Schreibart Wie ſchwer
es ſei, über den Stil etwas Stichhaltiges zu jagen, gebt auch
daraus hervor, daß das Kapitel weit weniger auf bem Gebiete
des Verflandes als auf dem des Gefühle Liegt. Mit Liefer
Gqwierigkeit kämpfte auch Iean Paul in feiner „Borfchue der
Aſthetil⸗; denn wo er bie Stilarten charakteriſirt, ſpricht er
faft nur in Bildern. So fagt er zum Exempel, Luther's Proſa
iſt eine halbe Schlacht; Klopſtock's Proſa zeigt eine ſtoffarme
Sprachſchaͤrfe, es find fo viele nackte Winteraͤſte darin; Her⸗
der’ö Proſa wird fo geſchildert: man geht in einem Mondſchein,
in melchen ſchon Morgenrxoͤthe fällt, eine verborgene Gonne malt
ja bie Wenn Jemand etwas Geniales, zum Denken und
Veiterforſchen Anregendes über den Stil lefen will, der nehme
die „Vorſchule zur AÄſthetik“ vor; auch Herling hat viel Gutes.
Sechete Abhandliung: „Das Lufifpiel bei den Griechen.”
m Eingange dieſer intereffanten Abhandlung wirft des Verf.
Ve Brage auf: Woher fommi das Euftfpiel? Dagel, Regen und
Sqhate fallen ans der Luft, aber das laͤßt ſich weder vom Hel⸗
dengedicht noch vom Euftfpiel Tagen. Der Urfprung ber Kos
mödie wird nun nit aus einem Beduͤrfniß dafür, denn das
wäre petitio prineipii, weil das Beduͤrfniß Belonntfchaft vor⸗
auefeet, fordern aus ber Geſchichte des Volks nachgewieſen,
vob heilt im Allgemeinen aus hiflorifchen und Localen Umſtaͤn⸗
ben. Run weißt der Verf. zunaͤchſt nach, daß bie Tragoͤdie und
nicht die Komödie zuerft entfliehen mußte, und daß die Tragödie
bie Komddie erzeugt babe. Dann ift die Btebe von ber alten
Komödie, worin Perfonen von Anſehen und Gewalt, entweber
mit Nomen oder durch Nachahmung bezeichnet, geiſtreich durch⸗
sehecheit wurben. Als Die Vollmacht aufpörte und die Ariſto⸗
fratie an deren Stelle trat, entftand bie mittiere Komoͤdie,
worin ältere und gleichzeitige Tragoͤdien parodirt oder Perfonen
aus der Heldenzeit phantaftifch dargeftellt wurden; auch pbHlofos
phiſche Hypotheſen wurden in der mittlern Komoͤdle beſpoͤttelt.
Hieraus entwickelte ſich bald Die neue Komödie, worin Untugens
den, Fehler, Ge in Caricaturen dargeſtellt wurden; das
taͤgliche Leben in feiner reichen Mannichfaltigkeit und Farde, mit
feinen wechſelnden Formen und feinem bunten Gefchmad kam
darin zur Darfislung. Run wird das Weitere auseinander
gefeht, wodurch denn die griechliche Komödie fo ganz befonders
gicklich ſich entwidelt Habe. Die Dauptmomente biefer Ent;
widelung liegen im Wolkscharakter, in dem öffentlichen Leben
dr Griechen, in der lebendigen Theilnahme an Allem, was ben
Grant, die Staatsbeamten und die Gtaatebürger betraf;
ferner in ber großen Empfaͤnglichkeit für alle Eindruͤcke, in
dem heilen Slick der riechen für Gontrafte, in einer gewiſ⸗
fen Reichtfertigkeit und Beweglichkeit des Charakters, ber vom
dobe fo Leicht zum Spott, von der Bewunderung fo leicht zur
Veringſchaͤzung überfpringt. Dazu kam, daß man in Athen
damals feine waifonnirenden Zeitungen, feine Meuigkeitöblätter,
feine Recenſenten, eine Garicaturzeichnee und dergleichen mehr
hatte; alle dieſe Bebärfniffe und deren Befriedigung concentricten
fd damals in ber Tomdͤpie.
Gin a tgg, Blüte '
Griechenland Liegt. in Te en —— len
und mittlern Komoͤdie lieferte die reiche gpifche Poeſie viel Steffi
Daffelbe that das Volk ſeibſt, namenilich durch den oft zur Er⸗
fcheinung tommenden Misbrauch ber Freiheit; Daffelbe thaten
endlich Emporkoͤmmlinge, Mebner, Demagogen und Staats
beamte. Bene liegt in ber griechiſchen Sprache viel für bie
Komdbdie ſich Eignendes; B. wie viel Freiheit hat man im
Griechiſchen im Zuſammenſetzen von Woͤrtern; wie leicht kann
durch Verſetzung des Accents ein veränderter, oft ein parodirter
Sinn beruosgebracht werben; ferner, wie malerifch ig
kleinen Partitein, oft gleichſam tanzend, auftreten, gar nicht
einmal zu reden von dem Reichthume, dem Wohlklang, der
Weichheit, Birgfamkeit und Kraft der griechiſchen Sprache. Zu
dem Allen kommt nod bie große Zahl vorzüglicher Dichter,
weiche eine vollflommene Gewalt über die Sprache, reiche Phans
tafie, Macht der Rede, Kenntniß des Lebens, Ironie, Geift
und felbft etwas Bosheit hatten, die im Luſtſpiel oft To gut
einſchlaͤgt. Diefer Artikel iſt der gründlichfte und intereffantefte
in ber ganzen Summlung; er leidet durchaus nicht an jener Uns
behuͤlflichkeit, die auch im Stil leicht den Hollaͤnder verräth.
Giebente Abhandlung: „Die Pflichten eines Zuhoͤrers.“
Der Verf. fpricht Hier wieder als Humoriſt, und als ein recht
iebensmürbiger, dem man mit Laͤchein zuhoͤrt, wenn man ber
merkt, daß er oft umwilltürtich in die Zopfzeit unb in die Zopfe
form faͤllt. Er fpöttelt über Die, welche in ihren Vortraͤgen
durchaus unterweifen und beiehren, und für das Beduͤrfniß ihrer
Aubdrer reden wollen; zugleic aber ſtacheit ex das PYublicum
oder vielmehr bie Indolenz ded Yublicums an. Recht huͤbſch ik
bie Erzählung angebracht, wie Plato feinen „Phaedon“ einer
großen Berfammlung vorliefl. Erſt gebt einer fort, bald meher,
endlich wird es ein dragonermäßiges Ausderthürgehen ; nur Arife⸗
teles iſt noch da, als Plate enbet.
Achte Abhandlung: ‚Die Proſa.“ Diefe Abhandlung ißñ
eigentlich eine Streitfchrift ber bie oft aufgeftellte Frage, ob
die Profa der Noefle untergeordnet werden müfle Auch hier
fpricht der Verf. oft in feiner leichten, fchergenden Weife, z. B.
glei) im Anfange fagt er, daß Dichter oft die Harfe fpielen
und die Saiten raufcgen laſſen, womit bildlich anugtbentet neue,
was ihre Kunſt eigentlich fein müßte. Domer rief aus: „Singe
mie, Mufe, den Wann‘; unfere Dichter pflegen zu fagens
„Ich befinge den Helden“, was ſehr oft unwahr iſt, indem fie
ſagen mußten: „Ich ſpreche ober ſchreibe im Eiyibenmaß non dem
Helden.“ Der Verf. behauptet nun, daß ber Menſch in der
früpeften Zeit der Cultur durchaus poetiſch gefprochen habe, und
baß es merkwuͤrdig fei, daß wir, die wir doch über die erſte
Sulturftufe weit fortgefchritien fein, dennoch das Dichtertalent
mit Cifer und Fleiß pflegen. Was Refenenten betrifft, fo muß
er bemerken, daß bie Frage, ob Poefie eder Profa älter fet,
eigentlich gar keinen Sinn hat. Diefe zwiefache Korm des Ause
drucks bitdete ſich erſt im Yortgange der Beit, und bei verſchie⸗
denen Bdilern und unter verſchiedenen Klimaten anders. Weil
ein Bolt, wenn es nech jung ift, ſich mehr finnlih und bilder
reich auẽdruͤckt, darf man noch nicht. behaupten, daß die Poefie,
weil darin die bildliche Ausbrudsmweile vocherrfche, bie Altere ges
wefen fei; oder will man, um einen concreten Fall anzuführen,
behaupten, die Bottentotten und die Lapplaͤnder hätten eher eine
Poeſie ats eine Profa gehabt?
Nach diefer Einleitung geht der Verf. auf den Gegen:
ftand der Poefie und ber Profa ein, und erläutert, daß beide
benfeiben Gegenſtand haben, ober haben können, erfidet aber,
daß ber Dichter den unfchägbaren Wortheil befige, daß man auf
feine Kenntniß des Gegeuftandes nicht genau und fcharf achte.
Was dem Dichter von feinem Gegenſtande unbekannt if, bas
ſchafft er felbft, in feiner Phantaſie findet ex einen Vorrath von
Zufägen und BVerhuͤllungen; ber Verf. meint fogar, wenn der
Dichter zu tief in feinen Gegenſtand eingedrungen wäre, dann
würde ihm nicht Spielraum genug für fein Gefuͤhl bleiben. Das
Wenige, was der Dichter über einen Gegenftanb weiß, ſchteift
oͤnnen die.
’
er, daß es poetiſche Ecken befommt, vielt es aus, hebt fich
damit von ber Erbe empor und gebt in die Wolfen. Keferent
muß bemerken, daß ber Berf. in dieſen zulegt ausgefprochenen
Behauptungen entfchieben irrt. Sein Railonnement gründet fich
nämtich auf die falfche Borausſegung, daß Kenntniffe befigen
etwas weit Ehrenwertheres fei, als in Kraft der Phantafie Ge⸗
falten bildens indeß der ſchoͤpferiſche Geift darf doch durchaus
nicht dem blos empfangenden und fefthaltenden Geiſte untergeord«
net werben. Der Berf. redet bier offenbar parteiiſch und ganz
einfeitig zu Gunſten des Profaiften. Der Profaift — fo ſpricht
der Verf. weiter — muß feinen Gegenftand kennen bis auf
die Beinften Eigenthuͤmlichkeiten, denn er darf nicht fuchen, blos
u gefallen, wo er den Befls von Kenntniffen darthun muß.
ud muß der Profaift das Überdachte in einer feflen Orbnung
vortragen, er muß foftematifch verfahrens dagegen der Poet
fchteppt uns mit über Hecken und Stege, er reißt und zu Abs
gründen, durch Qualm und Peſtgeruch zu ben Wolfen und
dann wieder in unfere Heimat, ſodaß wie nicht wiffen, wo wir
geweſen find. Wie viele Oben der Alten gibt es nicht, worin
man die Ordnung der Gedanken bis auf dieſe Stunde noch
nicht gefunden hat. Die Poeſie bebarf des Weine, daher Horaz
von ſchlechten Dichtern fagt, fie trinken zu viel Wafler; ber
Profaift dagegen muß enthaltfam, muß mäßig fein. Wie mans
nichfach dem Profaiften aud die Vorftellungen zuftrömen, fie
find ihm unbrauchbar, bevor er fie gefichtet und in Ordnung geftellt
hat; fein Gefuͤhl und feine Phantafie werben vom Berftanbe gelenkt.
Run kommt unfer Verf. auf bie Schöngeit ber Profa, auf
ihre Bilder, ihre Malerei, ihren Reichthum, ihren ungezwunge⸗
nen Schmuck, worin eben ihr Vorzug liege. Kerner behauptet
er, daß das Geiftreiche, der Wis, das Salz der Rebe beinahe
ausfchliefliches Eigenthum des ungebundenen Stils fei, was auch
inſofern richtig ift, als bie genannten Vorzüge alle mehr auf
der Seite des Verftandes ald auf der ber Phantafie und bes
Gefühle liegen. Hierauf baſirt ber Berf. feine Behauptung, daß
es Thorheit fet, das Talent zur Profa für eine Loftenlofe Gabe
der Natur zu halten, dba ja Geift und Wig eine ebenfo feltene
ats hohe Begabung fei
Zum Schuß tft noch die Rebe vom Reime. Biele von Der
nen, welche das Reimſpiel in ihrer Gewalt haben und barin
das Wefen der Poefie nicht fegen, werben ſich auch über ben
Profaiften nicht ungebührlich erheben wollen; aber Die, weiche
oft vergebens an die Thüre ber Muſen Elopfen, die, wie Plato
fagt, über zwei Verfen einen ganzen. Tag lang finnen und alle
Freunde zur Begutachtung derfelben zufammenrufen, die wollen
fi) gewiß Hody über ben Profaiften flellen. In ben Kinberjah:
zen der Menſchheit fang die Rebe; aber fie war damals auch
in ber Kindheit; fie band ſich, weil fie ben Genuß ber Freiheit
nicht kannte; ihre Ausbrud gli noch nicht der volllommenen
Sprache der Bilbung, gleidy wie bas Kind, das man in Tuͤ⸗
dern und Windeln hätfchelt, noch wenig bem Menſchen gleicht.
Die Menfchheit ift emporgewachſen und die Poefie ift bei Bieten
ein Eindifches Alter geworden; bei Wenigen ift fie Natur geblies
ben mit dem Reiz der Jugend. Aber die Proſa hat fich burdy
Denten entfaltet, buch Nachforſchung, durch Kunſt verbolls
tommnet. Die Profa ift die Sprache in ihrer Annehmlichkeit,
in ihrer Kraft, in ihrem Reichthum, die Profa ift die Sprache
in ihrem ganzen Umfange. Die Ungebunbenpeit ift feine Feſ⸗
fellofigteit ; unfer Sehorfam gegen die Sprachgeſetze, von denen
fie fi fo oft losſagen, ift eine Keffel, die viele Male ebenfo
ſehr druͤckt als das Maß ihrer Verſe. Unfere Profa Tcheint
ungebunden ; aber fie ift es nur, weil die Zeffein weniger fühlbar
find für Auge und Ohr. Sie feheint frei zu fein; aber die
Freiheit ift eine beinahe unendliche Ausbreitung, eine Dehnbar⸗
keit, welche jedoch Grenzen hat, womit wir nicht unbefannt fein
dürfen. Sie fcheint fein Maß zu haben; aber fie hat eins, das nicht
foßbar if, welches an den Fingern nicht gemeflen werben kann.
Sie ſcheint nicht Sang, nicht Klang zu haben; aber fie bat
einen Wohllaut, ber verfchteden und body nicht unbeftimmt, der
ſchwer zu faflen und auch muͤhſam; ern
Geheimniß der Kunft tfl. hſom qi Fürberm, ber da if
Wenn wir nun ein Gefammturtheit über dieſes Bud ch.
geben, fo geftaltet es fich folgenderweife: Mas die Form ke
teifft ,_ in welcher diefe Abhandiungen erfcheinen, fo ift dieſelde
nicht fo vollendet, wie wir das in Deutſchiand jett verlangen,
wo namentlich feit dem I. 1830 der Stil ſich zu einer wunder
baren Leichtigkeit, Eleganz und Präcifion erhoben bat; mag
auch in einigen Abhandlungen, 3. B. über das Reifen und übe
die Pflichten des Fuhörers, bie zopfartige Welle des Bortrags
zu der ironiſchen Stimmung ganz gut paflen, im Allgemeine
muß doch der Vortrag breit, matt, langweilig genannt werden.
Was den Inhalt betrifft, fo intereffirt er ſchon dethalb,
weil er durchaus Original iſt. Richts Entlehntes, Erborgiei
Geraubtes iſt darin; da iſt immer bes Mannes ureigene An-
ficht, und zwar eine Anſicht, die auf Kenntniſſe, auf Beck:
ſamkeit baſtrt iſt; jeder Artikel zeugt von einer echt claſſiſchen
Bildung und Durchbildung des Verf. Indeß wenn man fragt,
ob für uns Deutfhe in unferm Decennium etwas badurd ge
wonnen werde, ob wir biefe Abhandlungen zu einem Fortſchrute
unferer Wiffenfhaft und Kunft erheben und benugen Können?
fo muß biefe Brage verneint werden, weshalb denn der Werth
des Buchs nur als ein relativer bezeichnet werden darf. 9,
Literarifhe Notizen aus Frankreid.
Die frangdfifhe Herrfhaft im Drient.
‚Die „Revue de Paris‘ hat feit einiger Zeit recht intereffante
Mittgeilungen aus den Reifeerinnerungen Buchom's mitgetheit,
bie zum Theil vom „Ausland“ überfegt find. Dieſer unermik
liche Gelehrte, ber namentlich beim „Pantheon litteraire‘, dielem
ungeheuern Ötapelplage der Literatur, betheiligt ift, hat zwei
Jahre Griechenland, die Türkei, Kieinafien u. f. w. bereift, um
Materialien zu fammeln für eine Geſchichte der franzöffhen
Herrſchaft im Orient. Gr hat bereits einige von den wichtigen
Docrumenten, bie ex in jenen Gegenden aufgefunden hat und von
denen ein guter Theil noch ganz unbekannt war, an verſchiedt
nen Orten mitgetheilt. Wir erhalten gegenwärtig eine vollfde:
bige Sammlung biefer wichtigen Papiere, durch die der Geſchichte
tuͤchtig vorgearbeitet ift. Sie führt dem Titel: „Nouvelles re
cherches historiques sur la principaut6 francaise de Moree et
sea hautes baronnies à la suite de la quatrieme croisade.”
Wir wuͤnſchen, daß dem verdienten Gelehrten, der bei feinem
Unternehmen eine Mühe und kein Opfer geſcheut bat, Muß
bleiben möge, fein umfaffendes Gefchichtswert, das er über die:
fen Gegenſtand vorbereitete, felbit auszuführen.
Darftellungen aus ber neueften Gefdidte.
Ein wichtiges biftorifches Wert, welches ber neuem
Geſchichte gewidmet ift, hat vor kurzem die Preffe verioffen.
Es if dies bie „Histoire des stats europtens depuis
le congres de Vienne” vom Bicomte be Beaumont, die auf
10 Bände berechnet iſt. Der erfle ift vor kurzem in den Bud
bandel gelommen. Gr umfaßt die Gefchichte Belgiens und
Hollands. Die Entſtehung des Königreichs der Niederlande,
die beigifche evolution, die Erwaͤhlung des Königs Leopold,
die franzoͤſiſche Intervention, die parlamentarifcgen Zebden
zwiſchen der katholiſchen Partei und den Liberalen, und endlich
der befinitive Vertrag mit Holland auf der einen Seite und
auf der andern ber zehntägige Feldzug, die Belagerung von
Antwerpen, bie Thronentfagung Withelm’s I. und die erften Re
gierungsacte Wühelm’s 11. find die Dauptpunkte, welche i
diefem intereflanten Werke berührt werben. Der Verf. hat die
Geſchichte Hollands und Belgiens an Ort und Stelle ſtuditt.
Sein Wert verdient, wenn es mit gleichem Fleiß und glei:
er Unparteilichkeit zu Ende geführt wird, große Speilnabnt.
Verantwortliher Herausgeber: Heinrih Brockhaus. — Drud und Verlag von F. A. Brodhbaus in Reipzig.
Blätter
für
literarifde Unterhaltung
Kreitag, .
15. September 1843.,
W. 8 Meyern.
Hinterlaſſene Schriften W. J. Meyern’s, Berfafler von Dya-
Na-Sore. Derauögegeben mit Vorwort und Biographie von
Ernſt Freiberen v. Beugter&leben. Drei Bände. Wien,
Klang. 1842. 16. 2 Thir.
Die Republik nu Geiſter — wie voll und reich
iſt fie doh! Wie wenig find uns die Namen alle gegen:
wärtig, weiche von andern Völkern mit Stolz genannt
werben würden, und die bei uns ſich kaum über die
Wogen der Vergefjenheit erheben, wenn nicht etwa ein
zufäßig dahintreibendes Bret fie über der Flut emporhält!
Wer kennt noch Meyern, diefen reichen deutfchen Geift, der
bisher nicht einmal im „Converſations-Lexikon“ das Eleinfte
Plaͤtchen finden Eonnte, den Verf. von „Dya-Na-Sore”,
einem Werke von folcher Fülle des Geiftes, daß ein gro:
fer deutfcher Philolog auf die Frage, welche drei Bücher
et für fich retten würde, wenn alle Bibliothefen zu Grunde
gingen, zur Antwort gab: „Homer, die Bibel und Dya-
Na - Sore!” J
Meyern iſt ſtreichs Leſſing, ein halbes Jahrhundert
ſpaͤter als jener. Sein Leben verfloß groͤßtentheils in ei⸗
nem Kreiſe, der nicht in dem Rufe ſteht, der Hüter des
deutſchen geiſtigen Schatzes zu ſein. Meyern war oͤſtrei⸗
qiſcher Artillerieoffizier, ein Freund Fuͤrſt Schwarzenberg’s,
deſſen Leiche er von Leipzig nad Wien begleitete; hier⸗
naͤchſt öftreichifcher Staatspenfionnatt. Er war 1762 bei
Anſpach geboren, fiudirte in Erlangen und Altorf, wollte
Seemann werden, mas nicht gelang, ergriff da6 Waffen:
handwerk im erſten Revolutionskriege, führte dann große
Reifeplane zur Hälfte aus, fihrieb „Dya-Na-Sore”, trat
1809 wieder als Offizier unter die Waffen, wirkte am
Rhein, in Paris ale Gehuͤlfe Canova's bei Nüdtieferung
dee italienifchen Kunſtſchaͤtze, ging mit Graf Kaunitz nad)
Spanien nnd war 1820 wieder, in Schwarzenberg’ Um⸗
gebung, in den mannichfaltigſten Richtungen thaͤtig. Er
farb 1829 in Frankfurt a. M.
Diefem trodenen Lebensabriß koͤnnen wir nicht um:
bin einige Bemerkungen des Ritters v. Prokeſch anzufuͤ⸗
en, der uns mit. einer, dem Sammler vieleicht nicht
Iannten biographifchen Notiz über Meyern beſchenkt hat.
Yrokeſch ſchildert ihn als einen durchaus Tiebenswärdigen
Charakter vom reinſten geifligen Anhauch. Ehren, Or
dm, Gold warm ihm hoͤchſt veraͤchtliche Dinge; er lebte
nut feinem geiſtigen Debürfnif Wenige Gulden im
Monat genügten ihm; er genoß nur Pflanzenkoft, ſchlief
auf Stroh, trank faft nie Wein und war niemals traf.
Seinen Behaft erhob er zumellen Yahre fang nit wwub
mußte öfter zu feinem Empfange gezwungen werden. Er
war nie verbeiratbet; fein Werhältniß zu den Brauen hatte
den Anhauch Iumafräulicher Reinheit. Nie kam «in Wow
über feine Lippen, das nicht die ſtrengſte Sitelichkeit ath⸗
mete, oder das nicht der einfachen Würde feines Charak:
ters entfprach. UÜber Liebe äußerte er ſich niemals; aber
er war der wärmifte, ficherfte, bequemfte Freund. Ebenfo
wenig ſprach er von fi, feinen dußern Verhaͤltnifſen.
Auszeichnung und Beifall beſchaͤmten ihn; er leugnete Die
Autorſchaft von „Dya-Na-Sore” nicht ab, ſprach aber
ungern darüber. Die Kunft erfühte feine ganze Secke;
ee erkannte den Genius in jeder Verhuͤllung. Gene
Rede ftrahlte in Farbenpracht, wenn er von ben hoͤchſten
Dingen im Leben, in Kunft und Geſchichte ſprach. Wo
er eintrat, dahin warf er biefen Glanz der Kauft, da
nahm er den Einfluß, der feinem Geiſt gebührte, ohn⸗
ihn zu erfiredben. Er war wie eine Blege im Samımia
— an dußerm Gelten lag Tdm nicht.
Wenn man ein Leben, ein Wirken wie das Meyern's
überblict, fo drängt fich uns eine Bemerkung auf. Der
flache Sournalismus unferer Tage drängt das deutſche
Leben nach einer uns Allen befannten Richtung bin —
wir follen praktiſch, polttiſch, induſtriell werben, wie
follen die Welt mit unferer Maſſe ſchrecken und lenken.
Iſt dies das Beleg der Borfehung für das deutſche Weit?
Wir zweifeln daran. Die reiche Bihte des deutſchen
Geiſtes würde in diefer Richtung zu Grimbe geben ;
nicht Jedem ift Jedes befdyteden, und der an das deut⸗
che Volk ergangene Ruf iſt ein anderer, als den Markt
mit marktgaͤngigen Artikeln zu füllen, auf ber Red⸗
nerbühne dem flachen Materialismus dialektifche Kraͤnze
zu flechten, niit politifchen Staubwolken die Welt zu fü
In. Es ift der Ruf an den deutfchen Volksgelſt ergan⸗
gen: „ mit den reichfien Seiftesblüten Sort zu loben und
in der Welt der Feen über alle Wölker zu herrſchen“.
Dies iſt unfere Überzeugung. Taͤuſchen wir uns nicht:
den Ruhm der materifllen Bröfe und ben Ruhm der
Seiftesherrfchaft werden mir nie, wird nie ein Volk ih
demfelben Kranz vereinen; mol aber fichen wir ie’ Be-
be Be
fahr, den einen Preis zu verlieren, um in der andern Eh⸗
reubahn ſtets Sthmper zu fein. Unfere Natur will es fo.
Doc nein! Wir berichtigen uns ſelbſt. Jenes Drän-
gen des flachen und troftlofen Journalismus tft nichts
eine kurze Reattion gegen dig -uillgu gr ernachlaͤß
g niſſerer aͤußern era Bu echte Ze (äßt der
eift Teine Stimme ertönen, und die Definnung kehrt
zurüd. Wir werden dann wieder erkennen, wie des Deut:
{hen Beſtimmung lautet, worin er zu fiegen berufen ift,
und dag fo wenig zwei Völker der Erde, wie zwei
Blaͤtter deflelden Baumes ſich gleich zu fein beſtimmt
find. Laſſen wir die Zeit voruͤberrauſchen.
Der Dann, deſſen gefammelte Eleine Schriften uns
bier vorgelegt werden, war durchaus ein Deutſcher, feine
Art -ift keine Abart und wir zweifeln ſehr, ob unter allen
andern Voͤlkern zufammen ein Geiſt angetroffen werde,
Mm: gleich an Vertiefung, Innigkeit des Wiſſens und
Bahlens, Feinheit des Verſtaͤndniſſes in Dingen der Kynil
and Ecrkenntniß im Gebiet bes Schönen. Praktiſcher
San, Stoff des Wiſſens, nebft Allem, was firenge Logik
wu lehren wermiag, dieſe moͤgen Frankreich, England, Sta
Ken in gleichem Vorhaͤltniß hervorbringen — der Ruhm
des Eutdeckers im Gebiete der Ideen bleibt dem Deutſchen.
Wie nie Neues koͤnnten jene andern Voͤlker allein
ans dieſen Heisen Schriften Meyern's lernen! Der Auf:
fg: „Stammfolge der Wiffenihaften”‘, wei eine Mafle
2 Frankreich nie gehoͤrter Gedanken regt er an, und
Aeanech blieb er nur Fragment. Wie reich an Anſchauun⸗
sus, vie neu in den Wendungen und Betrachtungen,
denen er die Dinge unterwirft, wie genial in Auffaſſung
aener Baziehungen. Das Leben z. B., wie faßt Meyern
es auf? Als vermittelnden Hergang von Maſſen, Gattun⸗
ern, Jadividuen, Dingen — als Verliehenes — als Ei⸗
mes — als ein Auftrag, ale Verwaltung, als Capital,
ah Drama! Nach allen ſchon dageweſenen Geſichtspunk⸗
ten, wie viel neue und originelle noch!
Bei ber. innigen Verbindung bex Ideen in dieſer
Schrift iſt es eine nicht zu loͤſende Aufgabe, durch frag:
mentoriſche Anführungen daraus von Geiſt des Ganzen
eine Vorſtellung zu geben. Am zutreffendſten möchte noch
der Veegleich mit Montesquieu’s „Esprit des lois“ fein,
wit der Maßgabe jedoch, daß, während Montedquieu den
Menfhen nur als Rechtsindividuum, Traͤger von Med):
sen und Pflichten, betrachtet, in Meyern's Schrift „Der
Menſch und die Menſchen“ und in deren Folge „Der
Maenſch und das Höhere”, alle Beziehungen des Indivi⸗
aus zur Natur, zur Sefellfhaft und zum Geift (dee ber
Menſchheit) überhaupt zur Sprache gebracht werden. Hier
aber zeigt ſich ſogleich die dreifache Beziehung des Men:
Shen, als Werk der Natur, als ein Weſen fich fetbft
üherlaffenen Waltens, und als ein dem böhern Weltge-
je umserworfener Seil. Wir erkennen, fogleich, daß das
geſanmte Bebürfen und Können des Menſchen, nicht
dblas feine. Rechtöfphäre bier des Betrachtung unterworfen
aſt; ‚Die letztere felbft oxſcheint Hier al& untergeordwet, ie
en. d96 Recht ein Beduͤrfen, das Bedürfen fetbft aber
ig) dag, Mahrheit des Weſens gegründet ift.
- ale befrucht
7 —
Recht fodert Muth, Wut ’
fü — * Br Bus a
uptet. etwas fo Deiliges, d t
geltend zu machen, verfäumte A over Ole,
Ein golbener
pruch, werth, den verfannten Be
ſtrebungen
hrheit, wie fie wech Seifen neigen,
Thau zu Bienen, die Mrtoger Ute
ben zu Ägen und zu ftärken, den rechten Much nie
untergehen zu laffen in der Welt. Es iſt Gortespfüct,
fagt Meyern, daß der Menſch fein Inneres bewahte, fi
fetbft und der Wahrheit getreu, Bein Spiel mit ſich trei—
ben Laffe, daß er zu reiner Selbſtaͤndigkeit zu gelangm
kein Mittel fich verfage, aber auch den Andern nidı.
Hierin wurgelt das Siteengeſetz, und weit ihm ale dei:
ftungen und alle Foderungen, die er an fi und an Ik
gemeinfam, ja an ba6 Ganze der Natur zu flellen har.
Was der Welt vor Atem nothehur, iſt Be Erkennenii
dieſes ewigen, göttlichen Rechts; dahin zu wirken, daß die
Erkenneniß verwirklicht werde, des Staats erfle Pflicht
gegen Alle und gegen ſich ſelbſt. Hieraus fließt feine
Definition, fein Zweck ab, als einer rein firefigen Anſtall
Mir fehen, der Verf., wiewol im Ganzen der Kan:
(hen Philoſophie zugewender, ſucht doch nad einem ermas
anders formulierten Begriff des Sittengeſetzes und des
Staates. Es ift ein Unterfchied zwifhen dem Gake:
„Thue, was du wollen kannſt, Daß es für Alte Geſeh
ſei“ und dem Arlom: „Verſage weder dir noch Anden
die Mittel, zu reiner Selbſtaͤndigkeit zu gelangen“, und
weiter in feinen Anwendungen auf den Begriff des Staatt.
Später fagt der Verf. von der pofitifchen Freiheit:
Brei ift die Geſellſchaft, die als Ganzes und Jeder in ihr
fi) zu behaupten weiß über jeder Wereinzelung in Irkben,
Hang — Gefallen und deren Kolgen: Jutereſſen; die biele ale
als Drgane des Lebens in ihre Sefammtheit verwendet, oba
fih hinzugeben an Eins, flamme es aus ihr felbft oder aus
einzelnen Gtiebern. Die Geſellſchaft ſteht wie ber Einzeln
zwiſchen Rothwendigkeit und Freiheit mitten inne. Nothwer:
digkeit — ewig fortherrfchende Weltgefepe, Rachwirkung de
Bergangenen, Schuld oder Irrthum (biftoriidyes Princip) be
ſchraͤnkt in ihr das Können und Wollen, die Freiheit.
In diefem Sage finden die Verfechter der geſchich:
lichen Entwickelung des Staats, gegenüber ber rein ver:
nünftigen, ihren Anknuͤpfungepunkt. Allein fie moͤgen
nicht teiumphiren; der Verf. läßt fie nicht zu weit obar
Zügel fhweifen. Ex ſtellt jener Nothwendigkeit die Hei:
heit bis in ihre innerſten Bildungen ſtandhaft zur Seit,
und zeigt, daß die Wahrheit in ihrer Verbindung be
ruhe. Die Pflicht bes eigenen Erhebung aus der Not:
wendigkeit zur Freiheit iſt auch eine Gottespflicht. Die
Nachwelt iſt unſer Zweck; fie nicht durch Verſchuldung
zu binden iſt unfere Aufgabe; daß Schwankendes und
Zufällige — Gluͤck und Unglüd — immer wenige
herrſche, die Nemeſis des Unfittlichen immer weniger zu
rächen finde, Das iſt Aufgabe der Stagtegeſellſchaft; &-
u ſtiftet fi ein großes Volt! Die Wahrheit macht
ei! .
Wir dürfen unfese Lefer auf den tiefen Sinn dieſer
Gedanken nicht erſt befonders aufmerkſam maden; tt
dringe ‚von felbft ein in einer Beit wie bie unſere, in
Unreht uns |
Recht verbient uns ke.
|
|
weicher bie Begriffe ber Mochwandigfeit und der Frei⸗
heit in einene weir ausſehenden umd befinungsarmen Kanıpf
liegen. Wer wird ihn enden, wer wird hier Kampf
richter fein, wer die Schranken fließen? Die Ge:
ſchichte! Allein wie die MWürfel des Kampfes auch
fallen, wir fehen, daß des heile Geiſt Meyern's nicht allein
im Anfang diefes Jahchunderes den Kampf fchon voraus
ſah; fondern daß er mit prophetiſchem Geiſte fchon Damals
feine Stadien bezeichnete, feine endliche Loͤſung andeutete.
Gewiß, ein folder Geiſt, To Über feine Gegenwart —
feine Gegenwart war die von 1804 — erhaben, verdient
andy heute noch Huldigung, Bewanderung.
Wir gehen zu dem dritten Bande diefer Samm-
tung über. Bier faßt der Verf. im Verfolg feines Ge:
dankens, ſich ſeibſt eine Encpklopädie aller Wiſſenſchaft zu
fhreiben, den Menſchen gegenüber dem Döhern, dem Weit:
gefege, ind Auge. Der Daupttheil diefer nicht vollendeten
Unterfuchungen gilt und iſt der Kunft gewidmet; ein
ganz neues Feld, in dem diefer reiche Geiſt ſich den Wir:
Digften an die Seite ſtellt, Windelmann, Golger, Fernow,
Goethe. Einige Gedankenbruchſtuͤcke hervorzuheben, dürfte |
uns bier wol allein noch geftattet fein. Es fei z. 2.
angeführt, wie der Verf. es erklärt, daß in der Kunft das
Schlechtere das ſchon erreichte Gute zu verdrängen vermag.
Er fast ©. 106:
Es wäre ſchwer zu erklären, wie das Verfehlte zum Vor⸗
biſd, zum Gefeh, zum. Wettelfer werden, wie der Menſch fi in
Ken gefallen, die ſichtbare Schoͤnheit ber Kunft bis zur un:
leidiichen Gntftellung verlaffen könne, wenn er nicht außer der
reinen Herrlichkeit der Kunft in ibr noch etwas Anderes Tuchte.
Er will für ſich ſelbſt beftaunt, als Erfinder gepriefen fein, Ans
dere beherrſchen — in diefer Selbſtſucht der Kuͤnſtler beruht
ver Zerfal der Kunft und ihre Ausartung. Nicht was in
der Sache felb das Höhere und für eine Höhere Menſchheit
Gewonnene fei; fondern wie viel mehr Ehre bei gelöfter größe:
rer erigkeit dem Künftier erwachſe, dies fällt den Mei⸗
Ben in den Sinn. Hieraus iſt am bäufigften der Verfall ber
Künfte, der Sitten, der Zeiten, des Glaubens, ber Meinungen
za exrltären. Ideal iſt Betrachtung jedes Gegenſtandes im Lichte
des hoͤhern Weitfinnes; ein religidfer Act. Was einen Gtaat
groß wacht, oder ein Wolf, gibt auch eine große Kun — beir
des flamımt aus einer Duelle.
Und weiter:
Was ift Romantiſch? Was Berborgenes, Konnmenbes, Be:
abntes, Hoͤheres weniger verheißt, als darauf hindeutet, daß
wir es zu erwarten haben — es iſt gefleigertes Lebensgefühl,
ein weiter Greifendes, das aus der Gegenwart in die Zukunft,
aus dem Habhaften in ein Mögiicdhes vordringt. Daher fo ver:
fhiedener Art und Stärfe, als Perfonen find, bie es in ſich
tragen. Das Glaſſiſche dagegen it Eins und ein Ruhendes
Die Alten brachten dieſe Rube zur Darftellung; fie vermieden
in ver Kunſt diefe Doppelericheinung des Kuͤnſtlers und feines
Dbjects; fie vergaßen ſich ſelbſt. Kein Schwanken zwifchen Er⸗
zabler und Perfen, zwifchen dem Geſchichtlichen und dem Stil,
zwiſ dem abſichtlich gezeigten Wiſſen und dem Helden, kurz,
zwiſchen allen gen ungleichartigen Aufgaben des Geiſtes, weldye
dem Hörer und Beichauer bie Ruhe nehmen, der er, um rein
zu fühlen, bedarf. Dieſe dreifache Huhe, die fie gaben, erhiel:
ten und barflellten, weit fie fich in ſich ſelbſt trugen, viele bil⸗
det den clafſiſchen Kunflftit.
Wir find bier zw fchlleßen gezwungen, wie mächtig
die Berfuchung audy fei, den Berf. in den Anwendungen
feiner Säge auf die aͤghptiſche, grlochiſche, gothiſche und
maberne Kunſt uochzufoigen. Mir empfehlen aut mad
das ihm ganz eigenthuͤmliche Urtheil über Rafael umd ſei
wa Sch zum Studium für jüngere Kunfigenoffen. Wr
enden daher mit einem Nachwort Meyern's, dem wir et:
niges Nachdenken anwuͤnſchen:
Waximen, Geſichtopunkte, Empfindungsbilder, welche un
mehr fortreißen als überzeugen, mehr eitel als —— ee
den Geiß der Zeit. Er entflebt, er muß entfichen; bie Menge,
deren Werl er ſcheint, iſt eigentlich das Seine. Rothwenbig ift
er; darum knuͤpft jeder höhere Menſch ihn gern an feine Le
bensfäden; aber gehorchen kann er ihm nicht. Je drmer an
tieferer Kraft, je fortgerifiener, je ſchneller wechfeind und nad
Wechſel gieriger eine Zeit ift, deſto eifriger wirkt bie Eitelkeit;
zwiſchen verworrener Myſtik, umſchleierter Sinnlichkeit und kal—
ter Satire ſtirbt endlich die beſſere Kunſt. Der wahre Dichter,
bee wahre Menſch gehoͤrt Allen; fernen Zeiten kommt bie
Wirkung feines Wolens zu Gute, dorthin iſt fein Wlic ges
rg Er gibt Glauben an das Hoͤchſte! Und wäre bas fo
wen
Mit dieſem ſchoͤnen Zuruf nehmen wir Abfchied von
dem ebein und klaten Geiſt, dem uns diefe Sammlung
der Beinen Schriften Meyern's kennen umd hochachten
lehrte. 8.
EEE — —— — ——s ————
eiterariſche Notizen aus Frankreich.
Politifhe Pamphlets.
unter ben politiſchen Flugſchriften, von denen jeder Ta
eine ganze Menge bringt, die aber in der Kegel nur ein ephe⸗
meres Interefie in Arſprach mean können, Hit eine, die gegen:
wärtig ein befonderes Aufſehen erregt. Schon ihr Umfang
überfchreitet das Maß der gemähntichen Pamphlets. Gie ik
zur Verherrlihung Guizot's und feiner Politik gefrhrieben und
führt den Titel: „Du systeme conservateur. Examen de la
politique de M. Guizot et du ministere du 29 octobre 1840
par un homme d’dtat” (Paris 1843). Diefer „Staatemann⸗
iſt, wie behauptet wird, nichts weiter als ein Journalift, ber
früher Thiers ſehr zugethan war und der ſich jeßt in bie Reihen
der minifteriellen Publiciften des gegenwärtigen Miniſterium⸗
begeben hat. Rach diefen Andeutungen, die von frangöfifchen
Journalen gegeben werben, erkennen wir hinter diefer Masfe
ben dekannten Bollay, ber in der parifer Journaliſtik wol ben
Ramen bes Mamluken von Thiers führt, weil er dieſem
Staatemanne eine Reihe von Jahren treu wie ein Hund auf
Tritt und Schritt folgte. Er batte ſich, wie verſichert wird,
fo fehr in die Manler Zhiers’ eingefchult, daß diefer ihm oft
nur eine Idee on die Hand gab, die Bollay dann mit fo großer
Gewandtpeit durchzuführen wußte, daß Jebermann darauf ge
ſchworen hätte, ber Aufſatz rühre von Thiers felbft ber, fo treu
waren die Wendungen, der Stil, bie logiſchen Gedankenſpruͤnge
dieſes lebendigen Kopfes nachgeahmt. Thiers zaͤhlte mit größs
tem Vertrauen auf feinen „Mamluken“; aber ſiehe ba, eines
ſchoͤnen Morgens padte derfelbe auf und zog nach ben reichen
Zelten bes Miniſteriums hinüber. Anfangs war bie Rede davon,
er fole beim „‚Messager’’ befdyäftigt werden, baraus ſcheint aber
nichts geworden zu fein, und fo iſt der gewandte Publiciſt bis
jet für das Minifterium nur in ein paar anonymen Broſchuͤren
in die Schranken getreten. Aber Guizot wird vielleicht ſchon
zufrieden fein, wenn ev für ein bedeutendes Handgeld biefen
läftigen Scharmügler zur Ruhe gebracht hat, denn es tft ja
nichts Seltenes, daß das Stillſchweigen beſſer bezahlt wird als
bie koſtbarſten Worte. Thiers bat ſich für die Untreue feines
Eeibjournatiften durch ein beißendes Wort gerät. Er bat näms
lich geäußert, daß ihn biefe Abtrünnigkeit gar nicht befrembe,
bean Bollay babe es gerade nur fo gemacht, wie eine Köchin,
bie, wenn fie_bei einer Herrichaft etwas Tüchtiges gelernt bat,
abzieht unb fi ein anderes Unterfommen fucht. Das Buch
ſeibſt, deſſen Zitet wir oben angeführt baten, gibt einen Über:
blice über die Politik, bie Guizot während feines jegigen Mi⸗
niſteriums befolgt hat. Der Verf. laͤßt Alles in einem roſen⸗
farbenen Lichte erfcheinen und flimmt auf allen Geiten das Lob
des „großen Gtaatömannes‘ an, dem das Geſchick Frankreichs
anvertraut iR.
Über die Marguefas : Infeln
In unferer literaturgemwerblichen Zeit pflegt ein jebes po:
litiſche Ereigniß immer glei eine Menge von Schriften ins
Leben zu rufen. So bat fi benn im Verlauf von wenigen
Monaten gleich eine ganze Literatur Über die Marquiſen⸗ oder,
wenn unfere Geographen es vorziehen , den unveränderten eng«
Vifchen Namen beizubehalten, über die Marguefas : Infein ge:
bitdet. In politiicger Beziehung das bebeutendfte ber dahin ein:
ſchlagenden Werke ift jedenfalls die Schrift von Louis Reybaud
(„La Polynesie et les Iles marquises‘‘), auf bie wir in diefen
Blättern bereits Beranlaffung gehabt haben, aufmerffam zu
mahen.*) Der Berf. gibt in feinem intereffanten Werke ein
Reſumé von alle Dem, was bisher über diefe Infelgruppe, deren
Bedeutung fich erſt fpäter herausftellen wird, befannt war,
und fnäpft daran politifhe und namentlich commercielle Ber
tra ‚ die von großem Jutereſſe find. Von ben zahl⸗
zeidden in der legten Zeit erfchienenen Schriften über denſelben
Gegenftand heben wir noch die fleißige Arbeit von Vincendon
Dumolin und Desgraz (,,Iles marquises ou Nouka-Hiva;
histoire, g&ographie, moeurs et considerations generales”,
Paris 1843) hervor. In dieſem Werkchen ift die hifkorifche
Partie vorzüglich erſchoͤpfend behandelt. 9,
Bibliographie.
Alleg, Konziliens Lexiton, enthaltend ſaͤmmtliche General⸗,
Rationals, Provinzial= und Partikular: Konzilien, vom erften
Konzitium zu Ierufalem bis auf das Konzilium von Paris 1811;
ben Gegenftand ihrer Verhandlungen; deren Gntfcheidungen,
über Dogma und Disciplin und die Irrlehren, weldye darin
verworfen wurden. Mit einer Sammlung der widhtigften Ga:
nonen, nach ihrem Inhalte geordnet und mit einer chronologi⸗
ſchen Zabelle fämmtlicher Konzilien. Aus dem Franzoͤſiſchen
überfegt von M. Difch. After Band. Iſte Lieferung. Auges:
burg, Schiffer. Gr. 8. 15 Nor.
Bibliothek politifher Reden aus dem 18. u. 19. Jahr⸗
hundert. Iftee Band. Ifte Lieferung. Berlin, Boß. Gr. 16.
gr.
Binder, W., Alemannifche Volksſagen, Geſchichten und
— Geſammelt und neu erzaͤhlt. Stuttgart, Caſt. 8.
« BE. .
“ er z2ano, B., Abhandlungen zur Asthetik. Iste Lie-
ferung: Über den Begriff des Schönen. Eine philosophische
Abhandlung. Prag, Borrosch und Andre. Gr. 4. Ngr.
Cooper, ©. F., Bom Bergen zum Bergen. Bilder aus
Fatvr und Schrift. Gedichte. Hamburg, Niemeyer. 1842.
. gr.
George, Der Kundſchafter. Hiftorifcher Roman aus dem
Anfange dieſes Jahrhunderts. Zwei Theile. After Theil: o⸗
penhagens Schreckenszeit 1807. — 2ter Theil: Der Krieg in
Deutſchland 1809. Grimma, Berlagscomptoir. 1844. Gr. 12.
3 Ihr.
Srund, F. J. Hantbuh und Wegweifer für Auswan⸗
derer nach den Vereinigten Staaten von Nordamerika. Stutt:
Hart, Gotta. 8. 1 Thlr. 7%, Nor.
Guͤnther, &. $., Anekdoten, Eharakterfdhilderungen und
Denkwuͤrdigkeiten aus ber heſſiſchen Geſchichte. Darmſtadt,
Jonghaus. 8. 15 RNgr.
) Bergl. auch einen größern Auffag in Nr. 157 und 188:
‚Briefe über die Marqueſas-Inſeln.“ D. Red.
Heeringen, ©. v., Der Knabe von Locern Giforifäer
Boman aus ber Schweizer Geſchichte. Bler Wine. ;
Mayer und Wigand. 8. 5 Ihr. een
Hoffmenn von Fallerslebeon, Breslauer Nıam-
büchlein, d.i. Einwohner-Namen der Haupt- und Resde-
Stadt Breslau, nach Stand, Würden und sonstigen Ripe-
schaften geordnet. Für Liebhaber der deutschn Sprache, |
Leipzig, Engelmann. Gr. 16, 5 Nyr.
Riederrbeiniſchet Jahrbuch für Geſchichte, Kunſt und Poefe.
Herautgegeben von E. Lerſch. Mit vier architektoniſchen &ı:
bilbungen: rw Years und Soßen. 8 Thir. W Nor.
arl, ©. F., Danziger en. iſtes Heft. Dani
Anhuth. 8. 5 Nor. oo den ui
Koſck's, P., Humoriſtiſche Stomane, deutic bearbeitet un
9. Elsner. Ifter und ter Theil: Weber nie, noch imem
fort! Ifter und ter Theil. Gtuttgart, Scheibie, Rieger um
Sattler. a 3%, Nor
Korte, K. G., Feredin, der letzte Hohenſtaufe. Gin
Trauerſpiel. Schwelm, Scherz. 8. 221%, Ror
Ö q .
Lennep, I. van, Hollands romantifche Geſchichte Ibter
und IIter Band. — A. u. d. T.: Das elfte Jahrhundert. Am
dem Holländifchen überfegt von I. H. F. Lerz. Zwei Bänke.
Aachen, Mayer. Br. 12, 23 Thir.
Log, G., Neue Novellen und Erzählungen. Zwei Bänke.
dambıng, Niemeyer. 8. 1 Thir. 10 Nor.
Mowes, H., Saͤmmtliche Schriften. ter Zei:
Gedichte. Rebſt einem Abriffe feines Lebens, großentheüt
nach feinen Briefen. Ate, mit einee Meinen Auswahl va
ihm gebaltener Predigten vermehrte Auflage. (Mit Bar:
rede von 4. W. Appuhn.) Magdeburg, Heinrichthofen. 9.
1 Ihe. 7, Nor.
Hieraus befonders abgebrudt:
— — drebigten, gehalten in feinen lepten Lchentjohen.
Ebend. 8. 7Y, Re
Des Nabob Heimkehr. Roman aus dem Engliſchen vn
C. Rihard. Drei Bände. Aachen, Mayer. Gr. 12. 3 Zar.
Norder, E., Janus oder Erinnerungen einer Reife durch
Deutfchland, Frankreich und Italien. Gter Theil: Das antik,
architektoniſche Rom und die capitolimifchen Muſen. Hambrtg
ae —ãſ * Pa 2 — Fa a für IB
erien. Taſchenbuch romantif: biungen .
RR. Heller. Leipzig, Reclam jan. Gr. 12 2 Ik.
or.
Raumer, F. v., Bortrag zur Gedaͤchtniß feier Friebrih
Wilhelm’s III., gehalten am 3. Auguft 3843 in der Univerfitä
zu Berlin. Leipzig, Brodhaus. 12. 8 Near.
Schröder, 9, Johann Gottwerth Müller, Verfaſſer
des Siegfried von Eindenberg, nach feinem Leben und feimn
Werten dargeſtellt. Nebſt zwei Zugaben. I. Auswahl aus
Briefen berühmter ober merhvürdiger Männer an Mühe.
1. Johann Gottwerth Müller ats Snittelversdichter. Iyche,
Slauffen. 8. 20 Nor.
Seidl, I, G., Bifolin. Dichtungen. Ite, verbeflen,
vermehrte und mit des Verf. Bildnis umd Facſimile verichem
Auflage. Wien, Pfautſch und Gomp. 8. 1 Zhpir. 15 Kor.
Toiletten: Romane des Auslandes. Kür beutiche Eeferinum
herausgegeben von G. R. Bärmann. Gtes bis Ites Bänden:
Die Tochter Menzikoff's. in geſchichtlicher Roman. Den
Engliſchen der Mrs, Hofland nacherzähit von G. R. Bir:
mann. Bier Theile. Braunſchweig, ©. SG. E. Meyer sa
Gr. 12. 4 The. Ä
Bahsmann, ©. v., Erzählungen und Novellen. Raw
Folge Adter bis 18ter (dritte Folge After His Ater) Band.
Reipzig, Focke. 8. 6 hir. |
Woeniger, &. T., Publiciſtiſche Abhandlungen. Ile
heil: Die Gründe des wachſenden Pauperismus. — Die Pu:
büichit bei deren von Bülow: Gummerow. Berlin, Dermti.
r. 8. r.
Berantwortlicher Herausgeber: Heinrich Brodhaus. — Drud und Werlag von J. A. Brodhaus in Leipzig.
Blätter
für
literarifhe Unterhaltung.
Sonnabend,
Ghriftoffel von Grimmelshauſen, der Verfaſſer
des „Abenteuerlihen Simpliciffimus ’’.
Ein Beitrag sur Literaturgefhichhte Deutfchlands
im 7. an von
8 w.
l. Unterfuhung.
Ohne allen Zweifel die bedeutendfle Erſcheinung in
dee Romanentiteratur des 17. Jahrhunderts ift in Deutſch⸗
fand der „Abenteuerliche Simpliciſſimus“; die echt volks⸗
thümliche Natur diefes trefflichen Buchs zeigt fich unter
Anderm auch darin, daß nur bürftige Nachrichten über
feinen Verf. auf uns gekommen find. Indeſſen Finnen
diefe doch auf dem Wege Eritifher Forſchung noch we:
fentlich erweitert und berichtigt werden.
As Verf. des ‚„‚Abenteuerlichen Simpliciffimus” wird
fat in allen Lehrbüchern der deutfchen Literaturgefchichte
Samuel Greifenſon von Dirfchfeld genannt und
von feinen Lebensumftänden Folgendes erzählt: er fei um
1622, Manche fegen hinzu im Speffart, geboren, habe
als Muskerier einen Theil des Dreißigjährigen Kriegs
mitgemacht und fei vor 1669 geflorben; nur Warhler *)
fest feinen Tod, obwol zweifelnd, nad 1660 und Buͤ⸗
tom ’*) in das J. 1669. In einem Literaturwerk fin:
det man die Frage nad) des Mannes Perföntichkeit irgend
eingehend behandelt ***): Flügel in ber „Geſchichte ber
tomifchen Literatur” erwähnt ihn gar nicht; Koch +)
gibt zahlreiche, aber rein bibfiographifche Notizen; Joͤr⸗
dens ++) laͤßt in dem betreffenden Artikel feine ſonſtige
Sorgfalt und Vollſtaͤndigkeit vielfach vermiſſen; Gervis
aus +++) iſt wie überall fo auch hier mit pofitiven No⸗
tijen fehr fparſam umd im Irrthum, wenn er die übel
*) „Borlefungen über bie Geſchichte ber teutfchen Rationals
kteratur”‘, zweite Aufl. ‚©. 69.
) ‚Abenteuer des Simpliciffimus⸗ Leipzigl836, ©. v
” Bis zur Lächerlichleit dürftige Notizen gibt D. e. 'S.
Volff in ſeiner „Encyklopaͤdie ber deutſchen Natienatliteratur“,
indem er fi damit begnuͤgt, unter Greifenſon auf Bimpriciffi-
zus ia hinwiederum unter Simpliciffimus auf Sreifenfon zu
derweiſen.
Du Gompsnbiarn der beutfehen Eitera ichte“, Berlin
IB, Sd 2, ©. 255 fg turgeßqh
et n Eiiten bar Dichter und Profaiften “, 2
en a 3, ©. 388, erfte Aufl.
Km Dom 1 nn
aufgefunden zu haben glaubte.
16. Geptember 1843.
gen Schriften deffelben Verf. für verloren hält; eine große
Anzahl derfelben, die ich unten näher angebe, liegen mie
in Ausgaben von 1670— 85, sum Theil doppelt, vor.
Der neuefte Bearbeiter des Simplichffimus, €. v. Bülow,
endlich weiß ebenfalls nichts Neues über den Verf. anzus
geben, bemerkt aber mit großem Recht, daß die herkoͤmm⸗
lichen Angaben nicht völlig beglaubige feien.
Ich war durch Vergleichung der verfchiebenen Simplis
cianifchen Schriften zu meiner eigenen Überraſchung auf
ein von dem bisher angenommenen gaͤnzlich abmeichendes
Ergebniß gekommen, als ich noch zu rechter Zeit auf
den wichtigſten neuern Beitrag zur Simplicianiſchen
Literatur, auf Echtermeyer’s Beurtheilung von Buͤlow's
Bearbeitung *), aufmerffam wurde; bier fand ich dafjelbe
Mefultat bereits aufyeftelt, was ich ale ein ganz neues
Dennoch konnte Echter:
meyer's Arbeit eine neue Behandlung der Frage nicht
uͤberfluͤſſig machen, da er, dem naͤchſten Zweck feines Auf:
faged gemäß, eine völlig erfchöpfende Löfung derfelben
keineswegs gegeben hat, aud feine Unterfuhung nur auf
der fpäten Ausgabe von 1713 ruht, und er deshalb auch
noch nicht allgemein die Anerkennung gefunden hat, bie
feiner Arbeit gebührt. **) Die nachfolgenden Blätter ents
halten eine durchaus felbftändfge Behandlung des fragli⸗
hen Gegenftandes, und nur bei wenigen Cinzelnheiten,
die mirerft aus Schtermeyer’s Auffag befannt geworben,
werde ich mich ausdruͤcklich auf diefen berufen, zum Theil
auch von feinen Anfichten abgehen. Der Verlauf diefer
Abhandlung aber wird hoffentlich meine Ergebniſſe nicht
nur volllommen begründen, fondern auch darthun, baß
eine ausführliche Behandlung der Sache nicht ohne we⸗
fentlihen Gewinn für die deutſche Literaturgefchichte ifl.
Die Schwierigkeit, über den Berf. des Simpliciſſimus
genaue und zugleich fichere Angaben aufzuftelen, beruht
5 —R Zahrbächer‘‘; 1638, Nr. 52 4.
IR ——— „Quellentunbe der deusfehen Geſchichte“,
zweite Aufl., S. 83, 3. 9. Schäfer, „Srunbriß der beutfchen
Literatur’, zweite Aufl, 8.69, 3. 8. F. Rinne, „Innere
Geſchichte der Entiwidelung der deutſchen Nationalliteratur“,
Bd. 2, S. 140, 8. ©. Helbig, „Grundriß der Geſchichte ver
poetiſchen literatur der Deutfi en’, 1848, ©. 19, haben ſich
meines Wiſſens bis jeht Ehtermeyer erklärt, und auch von
biefen die Mehrzahl nicht mit voller Zuverficht; Servinus in.
J feinem ‚„„Dandbuch” beracichtigt ihn nicht.
> Pr
darin, daß außerhalb feiner eigenen Schriften gleichzeitige
oder doch nahezu gleichzeitige Zeugniſſe über ihn nirgend
vorhanden find. So iſt es gefommen, daß man ben
Berf. und den Helden des Romans mehrfach, aber ohne
ausreichenden Grund, miteinander ibentiffcirte. Daß aber
auch die in den Simplicianiſchen Schriften bier und ba
verftreuten Notizen, welche fi) ausdruͤcklich auf den Verf.
beziehen, bei einer komiſchen und fatirifhen Schilderung
der eigenen Zeit mit doppelter Vorſicht benugt werden
möffen, follte ſich wol von felbft verftehen.
Ehe ich meiter gehe, halte ich die volftändige und
genaue Bezeichnung derjenigen Ausgaben Simplicianifcher
Schriften, die ich bei meiner Unterfuhung benugen konnte,
für unumgänglidy noͤthig. Es find, in Ermangelung der
beiden erften fehr feltenen Ausgaben des „Simpliciſſimus“,
folgende ſechs Bände, wovon I, II, V, VI der herzoglichen
Bibliothek in Meiningen, III, IV und ein zweites Exem⸗
plar von V der zu Gotha angehören.
. Gang neu eingerichteter allenthalben viel verbefferter Abentheure
ficher Simplicius Simplicissimus Das ift: Außführliche, uns
erbichtete, und recht memorable Lebens: Befhreibung Eines
einfältiger , wunderlichen und feltzamen Vaganten, Rahmens
Melchior Sternfels von Fuchshaim, wie, wo, wann, aud
welcher Geſtait er nemlich in diefe Welt gelommen, wie er
fi) darinnen verhalten, was er merd: und dendwürdiges ges
Sehen, gelernet, gepracticiret, und bin und wieder mit vielfäls
tiger Leibs und Lebens-Gefahr ausgeftanden, auch warum er
enbtich fotche wiederum freywillig und ungezwungen verlaffen
habe. Annemlich, erfreuiih und luflig zu lefen, Wie auch
u
fehr nuͤtzlich und nachdenklich zu betrachten, Mit einer Vor⸗
gebe, fambt 20. anmuhtigen Kupffern und d. Gontinuationen,
Bon German Schleifheim von Sulsfort. “
Es hat mir fo wollen bebagen,
Mit Lahen die Warheit zu fagen.
Mompelgart, Gedruckt bey Johann Fillion, Nürnberg zu fins
den bey W E. Felßedern. ©. 3. Ei. 12.
Diefe dritte Originalausgabe des Romans von 1670 ober
1671 enthält eine Vorrede und die fünf erflen Bücher
(S. 1 — 608); das fechste Buch mit befonderm Titel
und der Jahreszahl 1671 (S. 609 — 672); und beei
Gontinuationen mit befonderer Vorrede (S. 673 -87 0).
Die erfte Vorrede, unterzeichnet Simplicius Simplicissimus,
enthält außer Klagen Über einen erlittenen Nachdruck die
Anzeige, daß folgende Werke deſſelben Verf. kürzlich im
Drud vollendet felen:
1. Ewigwaͤhrender Galender.
2. Schwarz und weiß ober fatyrifcher Pilgram.
3. Die Landflörkerin Courage.
4. Der abenteuerlihe Springingfelb.
5. Der keuſche Joſeph famt feinem Diener Muſai.
6. Die Liebe: und Leidsbefchreibung Dietwalts und Amelinben.
7. Der zweitöpfige Ratio Status.
Ale diefe Schriften find unten unter II, a, b, c, d; IV,
a,b, e; vaJd(#S, VI nachgewieſen.
II. Ein Band dem vorigen an Format und Druck
faft ganz gleich, fobaß er wol als zweiter Band zu dem:
felben zu betrachten iſt; er enthält: |
a) Des Vortrefflich Keufchen Joſephs in Egypten, Erbauliche,
recht ausführliche und viel s vermehrte Lebensbefchreibung,
u. f. w. erſtesmals mit groffer und unverbroßner Mühe zus
fommen getragen von Samuel Breifnfon von Hirſchfeld
Runmehro aber wieberumb aufs neue vom Autore uͤberſehen,
. 1038 - .
verbeſſert und ſamt des unvergleichli
Shaffners Mufat Erbens-Lauff. Ben oh ai
keſer „ehe Fear , lutie and nutzlich zu betrachten mot:
mem mitgetheilet. rndber
I. enders, za ſinden bey eiteten
Der Mufai hat auch feinen befomdern Hhtel mit da
Jahreszaht 1670.
b) Dietwatts und Amelinden anmuthige Lieb: und Leidäbefhri
bung, Sammt erfler Bergröfferung des Weltberühmten 8.
nigreichs Frankreich.
Gottſeeligen erbautich
Euriofen lufſtig
Historicis annemlich
Betruͤbten troͤſtlich zu leſen.
Verliebten erfreulich
Politicis nuͤtzlich
und der Jugend ohnaͤrgerlich
Zuſammengeſucht und hervorgegeben von H. J. Chrifeffi
von Grimmels hauſen, Gelnhasano. Ruͤrnberg, Veriegt un
zu finden bey Beißedern, Im Jahr Chriſti 1610. (226 6)
c) Trug Simplex: Oder Ausführliche und wunderfeltzame ke
bens:Bejchreibung der Exrgbetrügerin und Landſtoͤrtzerin Cor⸗
rafche, u. f. w. Eben fo luftig, annemlich und nuͤtzlich zu
betradhten, als Simplicissimus ſelbſt. Alles miteinander Ben
der Gourafche eigner Perfon dem weit unb breitbelanntn
Simplicissimo zum Verdruß und MWiderwillen dem Auteri
in die Feder dictirt, der ſich vor dießmal nennet Philarchus
Grossus von Trommenheim, auf Grifföberg u. ſ. w. Ga
brudt in Utopia, bei Felix Stratiot. (DO. J. 23641 6)
Die Lebensgefchichte eines Weibes, welches im, Simplicff:
mus”, Buch 5, Gapitel 6, kurz erwähnt ift.
d) Der feltzame Springinsfelb u. f. w. Aus Anortnung 6
weit und breit befanden Simplicissimi Verfaſſet und zu Pa
pier gebracht Bon Philarcho Grosso von Trommenheim.
Gebrudt in Paphlagonia bey Felix Stratiet. 1670. (Ohne
Seitenzahlen.)
V
Die Lebensgeſchichte eines, im dritten Buche vortommen: -
ben Spiesgefellen des „Simpliciffimus”.
von 1685, unter IV, a, wicd diefe von 1670 ausdrhd:
lich als die erfte bezeichnet.
I. Gefammtausgabe der Simplicianifchen Shui:
ten von ben Jahren 1683 — 85, erfter Theil; in den
mic vorliegenden Exemplar fehlt der Titel; diefer Band
enthält:
a) Den Simpticiffimus, alle ſechs Bücher. (672 ©.)
b) Des Weltberuffenen Simplicissimi Pralerei und Geprin |
in feinem Zeutfhen Michel, Jedermaͤnniglichen, wanns Im
kann, ohne Lachen zu leſen erlaubt von Signeur Mepmall
u.f.w. MDCLXXIN. (8. 67373.)
Die Jahreszahl 1673 iſt hier wahrſcheinlich nur ein
Drudfebler ſtatt 1683, da alle uͤbrigen Schriften nich
das Jahr der Abfaffung, fondern das bes Druds af
bem Titel tragen.
Beide Schriften find in diefer Ausgabe flark mit
langweiligen Moralifationen interpolict, aber die Jate:
polationen mit Sternchen bezeichnet.
IV. Derfelben Geſammtausgabe zweiter Theil, 1685;
er enthält:
a) —* Syrieginckend, als dritte Ausgabe bezeichnet (I086)
odben A, d.
b) Die Landſtorgerin Courage (S. 100 —26); f. oben IL, «.
c) Das wunderbarliche Simplicianifche Vogel⸗Reſt, der Spring
insfelbifchen Leyrerin, In zwey heiten, u f. m. Can
In der Ausgabe
neu vermehret und vechäffert Du ichael Regulin
von Sehmsdorff. ——— Pe . ” g
4) Ded wunderbarlichen u. f. w. Bogel: Nefkes, fernere Fort:
fegung u. f. w Am Zag gedracht; u. f. w. und mit feinen
kehren vermehrt Bon Aceeeffghhiillmmnnoortss
stuu. (8. 343-492) .
Die einzelnen Buchſtaben entfprechen dem, auf dem et:
ſten Theile des Vogelneſtes angegebenen Namen des Verf.
bis auf geringe, im jener Zeit Überall wiederkehrende ots
thographifche Unterfchiede. | J
e) Du zeafi Joſeph. famt feinem Diener Mufat (S. 493
ſ. oben I, a; aud in biefem Bande finden durchweg
bezeichnete Interpolationen ftatt.
V. Derfelben Geſammtausgabe dritter Theil mit dem
Haupttitel‘ "
Deß Aus dem Srabe ber Vergeffenheit wieder erflandenen
Simplieissimt , Mit koftbaren, zu bdiefer Zeit hochwerthen
und dero Liebhaber feft an fich ziehenden Waaren ans und
ausgefüllte Staats » Kram, ftatt be& auf feinen jüngfthin
hervorgegebenen Lebens» Wandel, nunmehr ordentlich folgen:
den Dritten und legten Theile u. ſ. w. Nürnberg, Drucdts
und teriegtd Johann Jonathan Felßecker, Im Jahr 1684.
Diefer Band, in dem Interpolationen nirgend bezeichnet,
noch von mir fonft bemerkt find, enthäft:
a) Der ſatyriſche Pilgram (148 ©.);
ohne befondern Zitel, wenigſtens in dem beiden mir vor:
liegenden Eremplaren.
b) Das Rathſtuͤbel Plutonis Ober Kunft Reich zu werben,
und von denen Mittlen, mie hierzu zu gelangen; u. f. w.
aug Simpliciffimi Brunnquell feibften gefchöpfft, auch auff⸗
recht Simplicianiſch befchrieben von Erih Stainfels
von Grufensholm, Sambt Simpliciffimi Discure, Wie
man hingegen balb auffwannen: und mit feinem Vorrath
fertig werden fol. Getruckt in Samarien, Im Jahr 1683
(8. 149— 233 )
e) Deß Abentheurlichen Simpliciffimt Verkehrte Welt, u. f. w.
entworffen von Simon Lengfrifd von Hartenfels.
1683. (&. 233-326. Ä
d) Dietwalt und Amelinde (8: 327—440);
ſ. oben I, b; Hier mit Capitefeintheilung ; die in ber
älten Ausgabe nicht vorhanden ift.
e) Des Durhlauchtigften Pringen Proximi, und Seiner ohn⸗
vergleihen Lympidae, Liebs⸗Geſchicht-Erzehlung. u. f. w.
an Zag gegeben von 9. 3. Ehrifioffel von Grim:
melöhaufen, Gelnhusano. 1683. (&. 441—594.)
Ü) Eimplicianifcher Zweykoͤpffiger Ratio Status, luſtig ent:
werffen u. f. w. von Hans Jacob Chriſtoph von
Srimmetshaufen, Gelnhusano. 1683. (G. 595—660.)
g) Der Fliegende Wanderdmann nah dem Mond, u. f. w.
1634. (&. 661-722.)
Nah dem Titel aus der franzöfifchen Überſetzung eines
Panifhen Originals Übertragen.
h) Satyriſche Geficht und Traumgeſchicht von Die und Mir.
(8. 723—772.)
) Kurge und Kurgweilige Reife: Befchreibung nach der obern
neuen Mondswelt. 1684. (&. 713-809.)
Die Schriften h und i haben nur Mebentitel, fodaß fie
Us Anhänge zu g zu betrachten find.
k) Simpliciſſimi &atgen» Männlein, u. f. w. Erſtlich durch
Simpliciſimum felbften u. f. w. an Xag geben, Rachge⸗
hende mit nuͤtlichen Anmerck⸗ und Grianerungen :exiäutert
dacch Israel Kromschmidt von Hugenfelß u. |. mw. - 1683.
E 800-846 ) |
Def die Angabe, hinter dom Rum I. F. von Hugeufeiß
fh in Ise Sastıpaun oschorgen. * r. n
—2* fih unten eben an it Reh
I Der folge Meier, Eombr einer Befprgcinuß Yon da)
Brangp Krieg Mit der Holland.’ Weiches Tuch Seratiah
Iung “ines Sarbaberß. ber Beirbenefatten und gernskriegeniben
eutihen Jugend zum ram verehret wird. 164.
. (&. 841-868) ‚ Diehfgarm Berebert wird. 104
— angeregt —8 — sicht. Catho⸗
. EI werben Tore onamico In;sisgmn. Spuk
- ‚voidgelegt, 1684. (S. 860-894) ar rn;
n) Der Erſte Beernpäuter, u. |. w. andern zum (Erempel vor.
geeilet, Samt Simplicissimi Gauckel⸗taſche, Won Allite rato
gnorantio, zugenannt Idiota. 1684 ) *
(S. 895-904
Fir dem vorgeblichen Namen iſt offeubarzu tefen. „IN:
terato“. [ u EB Zn
o) Simplicifſimi wunderliche Gauckel⸗Taſche u. ſ. w. Entworf⸗
fen durch obigen Autorem. 1684. (&. 95-99) -
Diefe Schrift befteht nur aus einer Hekten Anzahliganz
kurzer ſpruchartiger Gedichte, die zur Auslegung zbenfe
vieler, ziemlich grober Holzſchnitte dienen. i
p) Manifesta Wider bie jenige, welche ais- fohberbarer- Mit
Und verfoigen, Dedicirt ofen Bickhaben Kar een
un , cirt ade n der vo
benen Bärte. 1034, (©. 023937.) vo *
VI: Des Abenteurtichen Simpliciſſimi Ewig⸗waͤhrender Calen⸗
ber, Worinnen ohne die ordentliche Verzeichnus der unzehlbar
vieler Heiligen Taͤge auch unterſchiedliche Curiose Discursen
von der Astronomia, Astrologla u. f. w. Richt weniger
Biel Seltzame, jedoch warhaffte Wunber-Gefchichten u. ſ. w.
beſiadlich u. ſ. w. Nürnberg, Feißecker 1677. (234 ©. 4.)
Die Vorrede iſt unterzeichnet: „Melchior Sternfels
von Fugshaim“, welchen Namen wir ſchon oben auf
dem Titel von I gefunden. Es iſt dies übrigens offenbar
nicht die erfte Auflage, welche nad) einem Chronoftichon
auf dem Titel und einer noch entfchefdendern Stelle (&, 92)
in das Fahre 1670 gehört. Die Einrichtung des Kalen—
ders iſt folgende: je zwei gegenliberfiehende Seiten find
in fechs, zum Theil nur in fünf oder vier Spalten ges
theilt; Die erſte enthält das Verzeichniß der Heiligen auf
jeden Tag, bie zweite und dritte „Chaos oder vertworrne®
Mifhmafh ohne einige Ordnung”, d. 9. Wettstregein,
allerhand Hausmittel, eine Art Geſchichtskalender und
manderlei Simpficianifhe Anckdoten und Gefpräde ;
die drei legten Spalten enthalten In biafogifcher Form
weitläufige Abhandlungen Uber Kalenderweſen, Aſtrologie,
Nattvitärftellen, Weiſſagungen u. dgl. -
Ob alle biefe eben verzeichneten, -theil$ anonymen,
thells mit den verſchiedenſten Berfaffernamen verfehenen
Schriften wirklich einen und denſelben Werfoffer haben,
kann ohne befondere Unterfuchung nicht bejaht werben ;
biefe aber muß jedenfalls von’ dem bedeutenbſten, um
fangreichften und biöher eigentlich allein befanntm Werte,
dem „Simpliciffimus”, ausgeben. -
Die erfte Ausgabe des „Simplleiſſtmus“ von 1669
enthielt nur die erſten fünf Buͤcher des Romans, dach
fhon in demfelben Jahre erfchien eine zuctte um daB
ſechſste Buch vermehrte Auflage; die oben unter I näher
beſchriebene dritte Deiginalausgabe enthält, wie alle fol:
”) Joͤrdens, Wh. 2, &. 432. 00.
x
Yu ce iu Br
Voss
genden, Abe ſecht Buchtr mit fortlaufender Seitemzahl,
aber unter dem befondern Titel:
Des neueingeridhteten und vielverbeflerten gang umgegoflenen
Ahentheuflicden Bimplicissimi Fo gung md Schluß, Oder
Sechſtes Bud. Durch German Schleifheim von Sulsfort.
Mompelgart, Bey Johann Fillion, 1671.
Die Echtheit dieſes festen Buchs if mehrfach in
Nueifel gezogen worden: Joͤrdens erklaͤrt fich gegen dieſelbe;
Wachler führt ſechs Theile ohne Zeichen des Zweifels an;
Koberfiein *) und Gervinus gehen auf die Frage nicht
ein. Eine deſto eingehendere Kritit mußte man von
VBuͤlow erwarten, aber vergeblich; ex flellt zwar ben kuͤnſt⸗
terifchen Werth des angefochtenen Buchs mit ausdruͤck⸗
kichen Worten und factifh dadurch, daß er es in feine
Bearbeitiing nicht mit aufgenommen hat, gegen bie fünf
erſten Buͤcher herunter, äußert fich aber zugleich auch
wieder fo über baffelbe, daß er es mit jenen einem und
demfelben Verf. beizulegen feheint. *) Mir [prechen zu:
naͤchſt alle Innern Grunde cher für als gegen die Echt:
beit: daß es den fünf unzweifelhaft echten Büchern an
poetifhem Werth allerdings nachſteht, finde ich fehr er:
Hlärlih, da das ganze Werk doch immer einer Zeit ange: |
hört, wo die Kunſt der Darftellung noch fehr unausge⸗
Difder war, mas fi) ganz vorzugsweiſe in den entweder
gewaltfam abgebrochenen oder matten Schluffe eines Werks
Dagegen behält die Sprache und ganze Darftellung aud
im fechsten Buche biefsibe, im 17. Jahrhundert doppelt -
charakteriſtiſche Friſche und bei allem Wigreichthum feltene '
Einfachheit wie in ben eriten fünf Büchern, die nicht
leicht nacgmahmen war; die ascetifche Richtung, die im
fünften Buche je länger je mehr bervortritt, aber fehr
weislich ſchon im Anfange des ganzen Romans angelegt
amd begruͤndet If, bleibt in gleichmäßiger Zunahme und
ift wie bort fo auch bier fortwährend mit gleicher Wander:
und Abenteuerluft und nain: berber Schalkheit verbunden,
in welcher letztern Beziehung ich namentlich das elfte und
zwoͤlfte Capitel als ſtarke Zeugen für die Echtheit anfüh-
sen möchte; ebenfo entfpricht gleich der Anfang des fechsten
Buchs der Zraums und Phantaſiewelt, die fhon im fünf:
sen Buche auffallend an bie ‚Stelle des ausgebeuteten !
usiebfichen Lebens tritt, Kurz dieſes fechete Buch iſt im.
allen charakteriftifchen Zügen aine fo ganz wirkliche Fort-
feuung des Vorhergehenden, daß ich ſtark bezweifle, ob es
u 17. Jahthundert ‚zwei Männer gegeben habe,. die
Adgeeiben Fusuten. ' |
(Die Vortfegung folgt.)
m
*).Grundriß ber Wefdiiiigte der deutſchen Rationattiterstur*, !| in
zweite Auft., S. 403, Anmerkung. |
”) &, xvu. ‘
| fein, w is jest n u; i
zu verrathen pflegt; dazu kommt, daß hier felbft erlebter l her „hab Rinde in Brantreid ga.
Stoff nicht mehr vorhanden war; fo mußte benn bie!
Abenteuerluft in unbegrenzte und unbeflimmte Fernen,
die damals nur dürftig bekannt waren und eben dadurch |
um fo reigender erfchienen, binausfchweifen, und fo den !
hen Boden, jene Anſchaulichkeit und Individualität
serlieren, anf weichen Vorzuͤgen die feltene Trefflichkeit
der erſten fünf Bücher gerade ganz weſentlich beruht.
le rapport
mehr an ihrem Wert
Literarifche Notizen aus Frankreiq.
Goethe in Frankreich.
Goethe hat in Frankreich an Bewunderung und X
no nichts verloren. Alles, was in Deutfäland über diefen
Heroen geſchrieben und gefagt wird, findet auch jenfeit ter
Rheins Beachtung, wenngleich darüber auch mandmal rin
ziemliche Zeit verſtreicht. So iſt eigentlich erft ganz kuͤrzlich
der Berſuch gemacht, die n, duftigen Bluͤten, mit denen
Bettina in ihrem „Wriefwechfel”' das Grab ihres gelichten Dig-
ters geſchmuͤckt hat, nach Frankreich zu verpflanzen. Wir Hin:
nen deshalb noch nicht von bem Gindrude reden, den ſie daft
gemacht haben, wennſchon wir hoffen gu dürfen glauben, daf
fie in Frankreich mehr Anertennung und eine gereihtere Win
digung finden werden, als bie in dem ſprachverwandten England,
das gegen unfere romantifche Überſpanntheit viel unduldfamer
{ft als unfere Nachbarn jenfeit des Mheims, der Fall geweſen
iſt. Gin kleiner Aufſatz in einem dltern Jahrgange der „Berne
de Paris’ war gar zu bürftig, als baß ex im Gtande geweſen
wäre, die Aufmerkfamfeit Frankreichs auf das poefiereige Se
müth der Bettina zu ziehen. Er ruͤhrte, wenn wir nicht
irren, von Prevoft, einem Schweizer ber, der ſich der int:
ſchen Literatur mit vieler Liebe zugewendet hat und weide
jegt in einem Provinzialcollegium, wir glauben in Tours, al
Profeffor der neuen Literaturen angeftellt if. Ein tum
Beriht von Ph. Charles in dem „Journal des debats” übe
ben Briefwechfel der Bettina war flüchtig und ungenügend.
Rechnen wir hierzu einige gelegentliche Bemerkungen von
Dueöberg in dem „Moniteur universel ”, deffen „Revue alle
mande‘' alle Anerbennung verbient, fo dürfte dies ziemlich Ale
Wir freuen und deshalb, jest eine Bearbeitung ihres reiden
Briefwechſels anzeigen ‚zu koͤnnen. Sie erfceint u. d. I.
„Goethe et Bettina, correspondance inedite”, überfegt vin
Sebaftien Albin. Der Verf. diefer Überfegung hat ſich durch
eine Bearbeitung unferer „Chants populaires”, die in der
„Bibliotheque Charpentier” erſchienen ift, ald Kenner und
Berehrer umferer Poefie ruͤhmlich befannt gemadt. Der Brief:
wechſel Goethe's mit der Schwefter der beiden Stolberg ik {hen
vor einiger Zeit von Henri Blaze, dem liberfeger bes „gan“,
in der „Revue des deux mondes” feinem weſentlichen Inhalte
nad) mitgetheilt. Die neue Überfegung von Goethe's, Vilhein
Meifter” aus ber Feder der Mad. de Carlowitz, die für ihm
chwuͤlſtige Bearbeitung des Klopſtock'ſchen „Meſſias““, und fir
ihre Überfegung des „Dreißigjährigen Krieges‘ von Schiller zei
Mal von der Academie francaise mit dem lberfeserpreife ge:
trönt ift, genügt den firengen Anfoberungen, die man jMl
an ähnliche Arbeiten machen kann, nicht völlig, Der Ei
it ſchleppend und wennſchon der Sinn im Ganzen rihfig
wiedergegeben iſt, fo kann man ſich nach diefer Bearbeitung
doch nur einen ſehr ſchwachen Begriff von ber Bollendung di
Driginats machen. Übrigens iſt „Wilhelm Meiſter“ ſchon burch
beffere liberfegungen in Frankteich bekannt.
Waſſerbeilkunſt.
H. Scougetten, der ben deutſchen Waſſerdoctoren in Yard
manche unrubige Nacht gemacht hat, weil fie von ihm a
einem begünftigten Nibenbuhler eine gefährtiche Goncurretz
fürdteten, hat jest in einer foeben erfchienenen Schrift dit
Beobachtungen niedergelegt, welche er auf einer im Auftrag
des Minifterfums gemachten Stubienreife in Deutfchland ge
fammelt hat. Diefes Buch führt den Titel: „De leau sou
hygienique et medical ou de l’hydrotherapie"
Mögen feine Herren Gollegen diefes Werk, das eine lichtvole
Abetſicht über die beutichen Forſchungen gibt, ohne Neid um
Ubelwollen in bie Hand nehmen, benn wenn es ihnen, wie ft
ı| 'porgeben,; wirklich um bie Xusbrei
ber ilkunde
autreich Gruft iſt, fo kann — —— —
wenn fie in Scouhetten einen ruͤſtigen und geſchickten Artzun
t fanden haben.
Berantwortliger Derauögeber: Heinrich Brokhaus. — Drud und Berlag von 8. X. Brodhaus in Leipzig.
Blätter
für
literariſche Unterhaltung
Sonntag,
des ‚„„Abenteuerlihen Simpliciffimus‘.
(Fortfegung aus Nr. 259.)
Ich komme nun auf die aͤußere Beglaubigung bes
fraglichen Buchs, und bier muß ich bedauern, daß mir
die beiden diteften Ausgaben nicht zu Gebote flehen; ich
kann fomit die Interpolationen, die nad Bülow fchon
mit der zweiten Ausgabe von 1669 beginnen, gar nicht
berudfichtigenn, was aber auch füc den Verlauf diefer Un:
terfuhung wol kaum bedeutende Früchte tragen dürfte,
denn meine aͤlteſte Ausgabe in vwoefentlihen Punkten für
interpolirt zu balten, babe ich durchaus feinen Grund,
und Heine Veraͤnderungen und Nachträge konnte ſchon
der Verf. ſelbſt gar leicht anbringen.
Der Anfang bes fehsten Buchs wird in einer an:
dern Simplicianifhen Schrift *) mit ausdrücklichen Wor:
ten angeführt- Da ſich die Echtheit diefer Schrift unten
ergeben wird, fo wäre dies der fchlagendfte Beweis für
die Echtheit Des fraglihen Buchs, wenn ich dieſe nicht
fhon benugte, um bie jener andern Schrift darzuthun.
Es bedarf alfo noch anderer Gründe.
Dem fecheten Buche ift in allen Ausgaben ein Be:
fhluß angehängt, welcher dem Leſer mittheilt, daß ſich
dies Buch unter den nachgelaffenen Papieren des Verf.
gefunden habe; der wahre Name beffelben fei gewefen
Samuel Greiffenfon von Hirfchfeld; er habe fein Bud)
in feiner Jugend zum Theil gefchrieben, als er noch ein
Musketier geweſen und die erfien fünf Bücher bereits
bei feinen Lebzeiten in Drud gegeben; weshalb er aber
feinen wahren Namen anagrammatifch in German Schleif⸗
beim von Sulsfort umgefegt habe, wilfe der Herausgeber
nicht. Diefer Beſchluß, bisher die Hauptquelle über die
Petſon unſers Verf., ift unterzeichnet: ‚„‚Rheinnec, den 22.
Aprilis Anno 1671 **) H. J. C. V. G. P. zu Cernheim.“
Diefer Befchluß widerfpricht zunaͤchſt der gewöhnlichen Ans
nahme, daß der Verf. vor 1669 geftorben fei, da er fo
die erfte Ausgabe feines Romans nicht mehr erlebt ha:
ben würde; die einzige Aushülfe wäre, ben Ausdrud „in
*) Rathftübel Plutonis (im obigen Verzeichniß V, b), Gap. 7.
“Nach Zördens, Bd. 2, ©. 424, und Bülow, ©. ıx, bat
die zweite Ausgabe von 1669, die erfte des fechsten Buchs, daſ⸗
feibe Datum aber die Jahrszaht 1669.
Chriftoffel von Grimmelöhaufen, der BBerfaffer | Drud gegeben” ſtreng wörtlich zu fafien und von ber
Vollendung des Druds zu unterfcheiden, was aber gegen
alten Sprachgebraudy ftreitet. *)
Es enthält aber dieſer Beſchluß noch manches andere
Auffallende und Unmwahrfcheintiche: dee angebliche Heraus:
geber weiß doch gar zu wenig von dem Namen zu fagen,
deſſen nachgelaffene Papiere er befigt und fichtlih body
hält. Ferner: der ganze Simpliciffimus Liefert auf allen
Seiten zahlreiche Beweiſe von einer nicht geringen Ge:
lehrſamkeit feines Verf. und deſſen ausgebreiteter Beleſen⸗
beit in der ganzen alten und neuen Literatur; wie bes
ſteht das mit der Angabe, daß das Bud von einem noch
jungen Manne **) unter der rohen Soldateska des Dreißig⸗
jährigen Kriegs gefchrieben ſei? Noch weniger paßt zu
diefer Angabe die ſehr gediegene und burchgebildete Le:
bensweisheit und der ebenfo klar verſtandene als kuͤnſt⸗
leriſch gefhict angelegte und durchgeführte Grundgedanke
des ganzen Romans, mas uns —X | nöthigt, in fei:
nem Verf. einen in fchwerer Zeit vtommen gereiften
Mann zu erkennen. In der Vorrede zu einer Ausgabe
des „Satyrifhen Pilgram“ von 1697, die ich nicht kenne,
fol ***) der Verf. ſelbſt fagen, er fei von ſeinem zehnten
Jahre an Musketier geweſen und ohne alte wiſſenſchaft⸗
liche Erziehung aufgewachſen. Die Wahrheit der erſtern
Angabe wird durch feine Schilderungen mehr als wahr:
[heinlih, woraus man aber um fo mehr folgern muß,
daß ihm fpäter Zeit und Gelegenheit geworden, bie fruͤ⸗
ber verfäumte geiftige Ausbildung nachzuholen, und ba
die Abfaffung feines Romans erft in diefe fpätere Zeit
falle; wie e6 denn auch an fih gar nicht wahrfcheinlich
ift, daß der Verf. zwifhen Vollendung und Veroͤffent⸗
lichung feines Werks längere Zeit habe verſtreichen Laffen ;
dafür freilich, daß er mehre Jahre lang an demfelben ge:
arbeitet babe, fehlt es weder an’ innern noch an dufern
Bemeifen. +)
*) Wahrſcheinlich durch diefe Schwierigkeit hat ſich Buͤlow,
©. vi, beffimmen laſſen, den Zod des Verf. in das Jahr 1669,
„gleich nach der Herausgabe feines Buche”, zu fegen, was ohne
anderweitige Beweiſe boch ein etwas willkuͤriiches Verfahren ift-
**) Rach ber gewöhnlichen Annahme wäre er am Schluſſe des
Dreißigjährigen Krieges erft etwa 26 Fahre alt gewefen.
*e*, Joͤrdens, Bb.2, & 428 fg.; feine Kriegsdienfte erwähnt
ber Verf. au im „Satyriſchen Pilgram“, Buch 3, Gap. 10.
) Zu den letztern gehört, daß eine Stelle aus dem Anfang
13
Wenn wie ſonach annehmen müflen, baf der Verf.
des befprochenen Beichlufles von dem Verf. des „Simpli:
ciffimus’ entweber wirklich nichts gewußt hat, was doch
kaum glaublid), oder daß er den Lefer abfichtlich mpyflifi:
ciet, fo dürfte das wol gerignet fein, die Zweifel an der
Echtheit des feheten Buchs zu verſtaͤrken und in dem
Herausgeber defjelben einen Zälfcher erfennen zu laſſen.
Mir Eönnen aber, wie das alte Sprühmort von den
nürnberger Rathsherren fagt, Niemanden veructheilen,
wir haben ihn denn zuvor, und müſſen uns alfo auch
hier umthun, mit wem wir es eigentlich zu thun haben.
Diefe vor Echtermener noch nie berührte Frage iſt aber
bei geringer Bekanntſchaft mie den Simplicianiſchen Schrif⸗
ten ſehr Teiche zu beantworten: der dort unterzeichnete
B. 37. CV. G. P. zu Cernhein ik Niemand anders
ats: Dane Jakob Chriftoffel von Grimmelshauſen, der:
felbe Mann, der fich noch mit dem Zuſatze Gelnhusanus
als Heraudgeber oder, tie wir fehen werden, Verf. von
„Dietwalt und Amelinde” (Im obigen Berzeidmiß 31, b),
„Proximus und Lympibda“ (V, e) und dem „Ratio Status‘
(V, f) genannt und feinem Namen unter der Debication
der letztgenannten Schrift ebenfalls wie unter dem Be:
ſchlufſe des ſechſten Buchs die Bezeihnung P. zu Gern:
bein *) beigeflgt hat.
Ohne Zweifel wird dieſer Grimmelshaufen zu den
dret eben genannten Schriften in demfelben Verhaͤltniß
fiehen wie zum Techeten Buche des Simplicifſimus, und
über dieſes Verhäftniß geben uns die verfchiedenen Außen:
werke jener drei Schriften genuͤgenden Auffchluß.
Wir betrachten zuerft die Titel. Bet „Dietwalt und
Amelinde” heißt e8: „zufammengefucht und hervorgegeben
von” u. f. w.; „Proximus und Lympida“: „an Tag
gesehen von” u. |. w.; auf beiden Xiteln findet ſich we⸗
der der Name Simpliciſſimus, noch German Scyieifheim
von Sulefort, noch Samuel Greifenfon von Hirfchfeld.
Auf dem Xitel des „Ratio Status’ endlich heißt es ge:
radezu: „luſtig entworffen von” u. ſ. w. So hätte Brim:
melshauſen alſo eine Schrift für fein Eigenthum erklaͤrt,
die in der Vorrede zu eben der Ausgabe des „Simpliciſſi⸗
mus’, welcher Grimmelshaufen feinen Beſchluß anhängt,
als von dem Verf. des „Simpliciſſimus“ herruͤhrend an:
gegeigt wird. **) |
Es find diefen drei Schriften ferner Dedicationen
vorgefegt: In dee vor ‚„„Dietwalt und Amelinde”, an Phi:
pp Hannibal von und zu Schauenburg ***) gerichtet und
datirt: „Hybspinthal den 3. Ders Anno 1669”, heißt
e6: „diefe meine zufammen getragene zwar Altfrändifch,
do warhaffte und curiofe Gefchichte”. In der vor
des „Bimpliciifimus“, Buch 2, Gap. II, ſchon im Satyriſchen
Pilgram“ der zuerft 1666 erſchien, Buch 3, Cap. 8, an
—* doch könnte dies Citat Pr licherweife aud) erf er
tern Ausgabe ber legtgenannten ift eingefügt fein.
*) unter dieſer Debication fleht zwar „Bernheim, aber es
it für die ganze Unterfuchung von Wichtigkeit, überall an der
Schreibung der ätteften Ausgaben fireng feflzubalten.
**) S. das oben unter I über biefe Vorrede Geſagte.
*0) In ber Ausgabe von 1684: „Schauenberg“.
„Proximus und Lympida”, an Maria Dorothea Freifcku:
lein von Fleckenſtein gerichtet und datirt: „Renichen, der
21, Julii Anno 1672”, beträgt fich Grimmelshauſen duch:
aus als der Verf., ber feine Arbeit beſtens zu empfehlen
fuchtz fa eignet er fich hier alfo auch dieſe Arheiten gan
zu, vom denen Dis erſte in der erwaͤhnten Vorrede zun
„Simpliciſſimus“ ebenfalls als deſſelben Verf, Wert ange⸗
kuͤndigt wird, von welchem im beiden Debicationen gar
nicht die Rede ift. Die Debication vor dem ‚Ratio Status“
endlich iſt gerichtet an Krafft von Crailsheim zu Neuhaus
u. f.w. und datirt: „Bheinnec den 26. Juli Anno 1670",
und bier heißt es wieder, Srimmelshaufen habe diefes Kerl,
auf defien Titel er fich, wie wir eben gefehen, gan; offen
für den Verf. ausgibt, in dem Nachlaſſe des Coma
Greifenſon von Hirfchfeld gefunden.
Ale diefe Umſtaͤnde muͤſſen im befagtem Grimmelt:
haufen entweder einen fehr unverfhämten und doc ja:
gleich ungeſchickten Betrüger erfennen laffen, oder ihn mit
dem Verf. des „ SAmpliciffimus” zu einer und berfeihen
Perfon machen. Und dies Letztere wird ganz entfhiem
beftätigt durch einige an Grimmelshauſen gerichtete ib
gedichte, die nad der Bitte der Zelt vor und hinte
„Dietwalt und Amelinde” und „Proximus und Lnıpide”
abgedruckt find. Ich ſetze das erfle und zugleich Kür
bavon bBierher:
Der Grimmieshaufer mag fich mie auch bei den Alten
der alt Protheus thät, in mancherley Geſtalten
verändern wie Er will, fo wird Er doch erfandt
an feiner Feder hier, an feiner treuen Hand,
Er ſchreibe was Er woll, von ſchlecht — von hohen Eachen
von Schimpf, von Ernft, von Schwänden bie zu Laden machen
vom Simpliciseime, der Mender und bem Knan
von ber Courage alt, von Weiber ober Mann
vom Frieden oder Krieg, von Bauren und Goldaten
von Aenderung eins Staads, von Lieb von Heldenthaten
fo blickt body klar herfür, daß Er nur Fleiß ankehr
wie er mit Luft und Nug den Weg zur Tugend Iehr.
Diefem Opo (sie!) und deffen Autore zu Ehren ſchreit
biefes deffen ergebener Sylvander.
Hier wird alfo Grimmelshauſen geradegu als Verf. di
„Simpliciſſimus“ bezeichnet, und nicht etwa, wie mar
noch vermuthen könnte, blos als Werf. des ſechsten Buhl,
denn bie „Meuder und der Knan“, d. h. des Gimp
ciſſimus Mutter und Water, kommen nur in den ef
fünf Buͤchern vor; auch das längere Gedicht hinter „Die
walt und Amelinde’ bezieht fich ganz deutlich und ber
zugsweiſe auf das zweite Buch des Romans, und in dm
vor „Proximus und Lompida“ wird Grimmelshauſen dl
ein allbefannter Schriftſteller begrüßt. Ich halte es nun
zwar nicht für unmöglich, daß, wie Cervantes vor ſeinem
„Don Quixote“, ſo auch Grimmelshauſen diefe kLobgediche
auf fich ſelbſt verſertigt hat; dee Name, mit dem dal
letzte unterzeichnet if, Urban von Wurmsknick af
Sturmdorff“, kann es ſogar wahrſcheinlicher machen; Mi
ee aber auch feine Identitaͤt mit dem Verf. ſelbſt ge
macht babe, kann man daraus nicht folgen; zu der Ir
nern Unwahrfcheinlichkeit einer ſolchen Anmaßung kommt
nämlich endlich) noch ber ganz ſchlagende Grund, dab de
Name Chriftoffel von Grimmelshaufen mit ben beiden
höher bekannten, Samuel Greifenſon von Hirſchfeld und
German Schleifheim von Gulsfort, ebenſo anagramma>
tiſch mefammmenfälle wie diefe beiden untereinander.
So glaube ich denn hiermit ganz volllommen nad
gewieſen zu haben, daß Grimtmelshaufen eine und biefelbe
Perſon mit dem Verf. des, Simpiicifiimus’’ If, den wir nun
alſo bereits umter drei nur anagrammatifch verfchiedenen
Kamen kennen, bei denen es aber auch nicht bleiben wird.
Aus der Gleichheit diefer Namen ergibt fich erſtens
ganz unwiderleglich die Echtheit des ſechsten Wuchs, bei:
fen Beſchluß wir von dem Verf. felbft mit feinem britten
Namen unterzeichnet finden. Es ergibt ſich daraus fer⸗
nee die Echtheit derjenigen Simplicianiſchen Schiften,
welche theils in der Vorrede zur dritten Originalausgabe
(oben I) angekündigt, theile mit dem Namen Grimmels:
haufen bezeichnet find; es find dies folgende: „Ewigwaͤh⸗
render Calender““, der „Satyriſche Pilgram”, die ‚Land:
förkerin Courage“, der „Abenteuerlihe Springinsfeld“,
„Der keuſche Joſeph ſammt feinem Diener Mufai’’, „Diet:
malt und Amelinde‘‘, der ‚Ratio Status” und „Prorimus
und Enmpida”. Won den Titeln der dritten und vierten
diefer Schriften entnehmen wir einen vierten Namen bes
Verf. Philarhus Grofius von Trommenheim, welcher
fih (dom auf dem Titel dee ‚Courage‘ durch den Zufag:
„der fih diesmal nennt” deutlich genug als Pſeudonymus
verräth *), und mit dem drei bisher bekannten ebenfalls
anagrammatifch zufammenfällt, indem er fih bis auf ein
überflüffiges m in Gheiftophorus von Grimmelshaufen
umfegen läßt.
Die Debication zu „Proximus und Lymwpida“ iſt
vom 21. Juli 1672 unterfchrieben, bis zu diefem Datum
nüffen wir nun alfo auch die Lebenszeit des Verf., den
man fonft ſchon vor 1669 fterben ließ, vor dee Dand
ausdehnen, und daraus folge denn endlich wieder, daß
die dritte Drkginalausgabe des Romans, die diefer Unter:
ſuchung hauptſaͤchlich zu Grunde liege, noch vom Berf.
ſelbſt deſorgt If.
Ich wende mich nun zu den üͤbrigen Namen, die auf
den Titeln der oben verzeichneten Schriften vorkommen.
Signeur Meßmahl (f. im obigen Vergeichnig AI, b) gibt
anagrammatiſch verſetzt Scimmelshaufen. Michael Me:
guiin von Sehmsderf (IV, e, d), Erich Statnfels von
Grufensholm (V, b), Simon Lengfrifh von Hartenfels
(V, ce), Iſrael Fromſchmidt von Hugenfelß (V, k) und
Melchior Sternfels von Fuchsſshaim, der dem Simpticiffi:
mus felbft beigelegte Name, fallen bis auf geringe ortho>
graphifche Unterfchiebe alle auf diefelbe Weiſe mit Chriftof:
fl von Grimmelshauſen zufammen, **) So haben wir
*) Gewinus, Bd. 3, &. 388, erſte Aufl., führt biefen Phi⸗
larchus ats einen vom Verf. des „Simpliciffimus‘ verichiebenen
Eihriftfteller an.
*“) Der erfte diefer Namen ift zu biefer Umfegung Michael
Resulin von Sehmstorff zu fchreiben, was dadurch beſtaͤtigt
wid, daß die Buchſtaben, in bie der Name auf dem zweiten
Theile des „Wogelnefts‘ zerlegt ift, gerade diefe Schreibung ges
ber; bei dem zweiten ift einmal m für n, bei dem dritten eins
| malm und einmal u für n zu fegen, genauer würde alfo bie
Schreibung Leugfriſch entfprechen, bie, dem Charakter der betzefs
nicht weniger ald zehn Namen fir diefen einen Mann
6 ein großartiges Zeugniß für die anagrammatifche Ges
ſchicktichkeit feiner Zeit, und wie können nun afle bie
Scheiften dem Verf. des , Simpliciſſimus““ mie Sicher
beit beilegen, auf denen fidy einer jener Namen findet,
was noch mehr dadurch beflätige wird, daß fich in vielem
berfelben Hinmwelfungen auf eine oder mehre derfelben als
demfelben angehörig finden.
Auch ein chronotogiſches Moment gewinnen wir hier:
aus noch: in dem „Galgenmaͤnnlein“ nämlich von Ifrael
Fromſchmidt von Hugenfelß bildet ein Brief die Grund:
lage des Ganzen; biefer iſt unterfchrichen: „‚Hercinen den
39. Jubi 1973 (ſtatt 1673), wodurch ſich feine Lebens:
zeit noch um ein Jahr verlängert, ſodaß mir feinen Tod
früheftens in die zweite Hälfte des Jahres 1673 fegen
dürfen. Vor 1683 aber ift er jedenfäus geftorben, denn
bie Vorrede zu dee Ausgabe von diefem Jahre, die der
Verleger Felßecker unterzeichnet, behandelt ihn entfchieden
und ohne alle Spur einer Moftification als einen Tod⸗
tm. Liber die Geburtszeit des Mannes habe ich in allen
diefem Schriften nur eine, nicht ganz fichere Notiz gefuns
den. Im „Ewigwährenden Galender” (S. 46) fagt er:
„Amno 1635 wurde ich in Knabenwelß von ben Heffen
gefangen’; wenn wir nun annehmen, daß hiemit feine
Eriegerifche Dienftzeit begonnen, die er, wie oben erwähnt,
in der Vorrede zum ‚‚Satyrifhen Pilgram“ von feinem
zehnten Lebensjahr an rechnet, fo würden wir als fein
Geburtéjahr 1625 ſetzen muͤſſen, wonach er ein Alter von
mindeftens 48 Fahren erreiche hätte; er bezeichnet fich
zwar mehrfach, als einen bejahrten Mann, doch dürfte
das keinen fo unbedingten Glauben verdienen.
Was endlich die noch übrigen anonymen Schriften
(in dem obigen Verzeichniß V, g, h, i, |, m, n, o, p)
beteifft, fo gibt jezt die Vereinigung derſelben mit den
übrigen als echt ertviefenen ein bedeutendes Präjudiz auch
für ihre Echtheit ad; ale Innern Gründe fprechen für
dieſelbe; aͤußere Gründe aber dürften ſchwerer nachzuwei⸗
ſen ſein. Von ausdrücklichen Beziehungen auf die als
echt anerkannten Schriften habe ich nur eine gefunden,
in der „Traumgeſchichte von Dir und Mir“, (S. 727)
auf „Simpliciſſimus“, Buch 5, Cap. 9, welches über:
haupt eine Lieblingeflelle des Verf. iſt; und des „Sims
plieiffimus wunderlihe Baudeltafche” (V, 0) iſt offenbar
baffeibe Buch, welches im „Springinsfeld”, Cap. 7, un:
ter demfelben Namen ausführlich befchrieben wird. Ich
bin indeß von der Echtheit auch diefer Schriften fo Über:
zeugt, daß ich mir an einigen Stellen eine Berufung auf
fie erlauben werde.
Zunaͤchſt muͤſſen wir nun fuchen, die chronofogifche
Aufeinanderfolge der als echt erwiefenen Schriften auszu⸗
fenden Schrift hoͤchſt angemeffen, vielleicht nur deshalb vermier
den wurde, um nicht einen zu fprechenden Sinn in den Ramen
ſelbſt deutlich hineinzulegen; bei bem vierten muß man bie For⸗
men Fromſchmit und Hugenfeld zu Grunde legen, dies beweift
zugleih, daß die Deutung dieſes Namens bei Joͤrdens, Bd. 2,
©. 4323 (f. oben V, k) faliſch iſtz bei dem fünften einmal ch
für g fegen; alles Veränderungen, die in jener Zeit keine Schwies
rigktit machen.
mitteln; bie anomymen übergehe ich dabei, weil ich im
ihnen keinen Anhalt zu chronologiſchen Beſtimmungen
gefunden habe.“) Mehrfache Abweichungen, die ſich hier
von Echtermeyer's Anordnung finden werden, werden
hoffentlich durch die folgenden Bemerkungen zur Genüge
gerechtfertigt erfcheinen.
Die Vorrede zur befondern Ausgabe des „Satyriſchen
Pilgram“ iſt unterfchrieben: Hybspinthal, den 15. Gebr.
1666 **); dies iſt die frühefte Zeitangabe in allen Sim:
plicianiſchen Schriften und weift deshalb dieſer Schrift
den erſten Platz an; daß fie vor bem „ Simpliciffimus
erſchienen, fagt der Schluß mit ausdrüdlihen Worten.
Daß aber dennoch in bderfelden Schrift ſchon eine Stelle
aus dem „Simpliciſſimus“ angeführt wird, habe ich ſchon
oben al& einen Beweis von der mehrjährigen diefem Ro⸗
man gewibmeten Arbeit angeführt. Dann werden wol
„Der keuſche Joſeph“ und „„Dietwalt und Amelinde“ fols
gen, da von erſterm bereits 1671 bie zweite, um ben
„Mufai’ vermehrte Auflage eriheint, letzteres Buch aber
nach des fehr forgfältigen Koch Wermuthung ***) mit eis
nem fchon 1668 zu Frankfurt a. M. anonym erſchiene⸗
nen Roman „Almerinde“ identifch iſt. Wenn diefe drei
Schriften in der eben angeführten Ordnung in der mehr:
erwähnten Vorrede zum ‚Simpliciffimus‘ als naͤchſtens
erfcheinend angelündigt werden, fo läßt ſich das ohne
Zwang von neuen Auflagen verftehen. Nun erfcheint dee
„Simpliciffimus‘, 1669, zuerft fünf Bücher, aber ſchon
im Fruͤhlinge deſſelben Jahres ift auch das ſechste Bud
vollendet. Ihm fchließe ich zunaͤchſt die Schriften an,
bie in ber Vorrede zum zweiten Theile des ‚, Vogelneſts“
und durch den fie verfnüpfenden Zuſammenhang des
Stoffs als ein Ganzes bezeichnet werden: „Courage“,
„Springinsfeld”, „Vogelneſt“ Theil I und 2; diefe Ord⸗
nung weift ihnen fowol der Zufammenhang der Erzäh:
lung +) als auch, den zwei erfien, meine Originalausgabe
an, worauf ich mehr Gewicht legen zu müflen glaube als
auf die umgekehrte Stellung der beiden erften in der
erwähnten Vorrede zum „Vogelneſt“ und in ber Ausgabe
von 1685. Nun kommt der „Ewigwährende Calender“
und der „Ratio Status”; den erflern fegt das Chronoſti⸗
hon auf dem Titel in das Jahr 1670 und noch be:
flimmter beißt es S. 92: „des Simplicifjimus Le:
bensbefchreibung iſt vorm Jahre das erſtemal gebruct
worden”; Iegterm weit das Datum der Dedication
die Mitte des Jahres 1670 als Entficehungszeit an. So:
dann „Proximus und Lympida’’ vom 3. 1672, ebenfalls
nach der Dedication, und von demfelben Jahre das „Rath:
ſtuͤbel Plutonis““, worin es mit deutlihen Worten beißt,
daß es unmittelbar nach dem vorigen, noch vor Veröffent:
lichung deffelben, verfaßt fei. tt) Die drei noch übrigen
*) Im „Btolzen Melcher“ weiſen jedoch gefchichtliche Beziehun⸗
gen auf das Jabr 1667 oder 1668.
**) Jordens, Bd. 2, &. 429.
***) „Sompenbium ber beutfchen Eiteraturgefch.”, Bd. 2, &. 258
+) Bergi. namentlich „Simpiicifiimus”, Bud 9, Gap. 9;
„Gourage”, Sap. 24; „Springinsfelb”, Cap. 9.
++) „NRatbftübel Plutonis“, Gap. 7.
Schriften laſſe ich in der Drbiuumg folgen, welche ihnen
die erſte Geſammtausgabe von 1683 anweiſt: Teniſche
Michel“, durch ein Chronoſtichon auf dem Titel dem J.
1673 angewieſen, „Verkehrte Welt *), „Balgenmin:
fein”, aus weichem das Datum, ben 29. Juli 1673,
ſchon erwähnt iſt; die legte dieſer Schriften wird Aber
dies in der erfien als noch bevorfichend angekündigt. *)
So gewinnen wir alfo nachſtehendes chronologiſches
Verzeichnis echt Simpliciantfcher Schriften:
1666 Schwarz und weiß ober Gatyrifcher Pilgram won
Samuel Breifenfon von Hirſchfeld.
1667 — 68 Keufcher Joſeph fammt feinem Diener Mufat von
Demfelben.
1668 Dietwalt und Amelinde von GChriftoffel von
Grimmeishaufen.
1669 Simpiiciffimus, fee Bücher, von German
hleifhbeim von Sulsfort.
Courage von Philarhus von Trommenpein.
Springinsfeld von Demfelben.
Bogelneſt, zwei Zheile, von Michael Regulin
von Sehmsdorf.
Ewigswährender Kalender von Melchior Stern:
fels von Fuchſsheim.
Ratio Status von Chriſtoffel von Grimmels—
haufen.
Proximus und Lympiba von Demfelben.
1673 <Ratbftübel Piutonis von Erich Stainfels von
Srufensholm.
Zeutfher Michel von Signeur Meßmahl.
Verkehrte Welt von Simon Lengfrifd vor
Hartenfels.
Gaigenmaͤnntein von Iſrael Fromſchmit von
Hugenfels.
(Die Fortſetzung folgt.)
*) Am Schluffe diefer Schrift wirb die 1672 entdedte Bau:
mannshöhle genannt, wodurch die Richtigkeit obiger Zeitdeſtim—
mung außer Zweifel gefegt ift.
*) „Teutſcher Michel”, Cap. 12.
***) Der Mufai fällt eigentlich exft Hinter ben „Ratio Status";
f. oben II, a.
1669— 70
1670 |
1673
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Durd) alle Buchhandlungen des In: und Auslandes if ven
I A. Brockhaus in Eeipzig zu beziehen:
Geſammelte Schriften
von
Sudwig Nellttad.
In zwölf Bänden.
Zweite Rieferung, ober vierter bis fechster Sant.
Gr. 12. Geh. 3 Thlr.
‚ Die erfte Lieferung (Band 1-3) diefer Ausgabe entil
bie erften brei Theile des in britter Auflage erfcheinenden bi
ftorifchen Romans „RELB’; die zweite Lieferung den Schluj
von „ABLE, „Sagen und romantiſche Erzählungen
und „Kunſtnovellen“; bie dritte und vierte Lieferung mtr
den Novellen, Dramatifche Werke, Gedichte, Bi:
gen, Pritifhe Mrbeiten und vermiſchte Schriften
enthalten und in kurzen Zwiſchenraͤumen erſcheinen. |
Einzelne Lieferungen diefer Nusgabe Fönnen
nicht getrennt werben. |
VBerantwortliher Heraußgeber: Heinrih Brodhbaud, — Drud und Berlag von F. 4. Brodhaus in Leipzig.
Blätter
fir
literarifhe Unterhaltung.
—** von Grimmelshauſen, dee Verfaſfſer
des Abentenertihen Simpliciſfimus
dJdortſerung aus Ne. 200.)
CR mem 206 bie Frage übrig, welcher ımter die:
fin zehn Ramen des Berf. wahrer und wieklicher fei?
Dean den biäher dafür geltenden, Greifenfen, giaube ich
keineswegs umbedingt dafür anerkennen zu maflen. Es
beruht diefe gewoͤhnliche Annahme lediglich auf der Wer⸗
fierung in dem Beſchluſſe des ſecheten Wuchs, denn bie
anagrammathſche reinſtimmung Bat jetzt, wo wir fie
in zehn Namen gefunden haben, natuͤrlich kein ausfchließ-
liches Gewicht mehr für einen derſelben. jene
ſſcherung anlangt, fo hat fie alle Glaubwurdigkeit verlo⸗
rn, ſobald man annimmt, daß unter eben jenem Be⸗
ſchluſſe der Berf. ſchon wieder mit einem andern Ramen
auftsitt; e6 wdre ja ganz wumerflärtich und widerfinnig,
man er in Demfelben Augenbildle feinen rechten Ramen
nennen wolle, two er einen andern, demnach fingirten,
sunimmt. Daß er auf dem Titel einiger Schriften voirk
Ich den Raraen Greifenfon führt, ift ebenfo wenig em
rund für Ute Authemnticitaͤt deſſelben.
Man nıwf jedenfalls ſuchen, den wahren Namen aus
tier In der Sache Tiegenden Indieien aufzufinden. Da
iſt es deum zumaͤchſt hoͤchſt wahrſcheinlich, daß der Werf.
ſeinen Namen ba genannt haben wird, wo er :den wenig⸗
im Srund hatte ihn zu verbergen, d. b. auf den eat
ten, die die wenigſten fatfrifchen Elemente enthalten; dies
ſind, Joſeyh und Muſai“, „Dietwalt und Amelinde”,
„Prormus und kynpida“, wonach die Namen Greiſenſon
und Grimmelshauſen die gleiche Wahrſcheinlichkeit für
fi haben
Ferner hat gewiß der Name das meiſte Recht, für den
wahren gehalten zu werden, der mit andern geſchichtlich
treuen Notizen in Berbindung flieht, und dies iſt nur
da der Fall, wo der Name Grimmelshaufen unter den
an hiſtoriſch nachweisbare Perfonen gerichteten, mit Drt
und Datum untergeichneten Zueigaungsichtiften fieht, wels
der Name üͤberdies allein bie beſtimmte Bezeichnung des
Vaterlandes, Geinhauſen, und, wenigſtens andeutungs⸗
weiſe, des Standes und Mohnortes, P. zu Cernhein,
bei Ah hat. Dieszu kommt endlich noch, daß nicht leicht
ein ſingirtre, fehr wol abee ber wahre Name mit den
blojm Buchſtaben bezeichnet werden konute, wie dies um:
ser dem Beſchluſſe des„Simpliciſſimus“ geſchieht; we
alſo der noch immer halb verkappte Verf. abſichtlich ei⸗
nen folſchen Namen für den rechten ausgibt, um ben
Leſer deſto gründlicher irre zu fiihren.
Soprechen alle diefe Umſtaͤnde ſehr Mark dafkr, daß
ber Verf. des „Simpliciſſinms mit feinem wahren Na—
men Grimmelthauſen geheißen habe, fo iſt nun nech Aue
Beweis zu führen, daß bie verſchiedenen geſchichtlichen,
geograpbifchen ud cheonologiſchen Notizen, die ſich in
den Simpsicianifhen Schriften zerſtreut finden, fowel an
fi nichts entfchleden Falſches enthalten, als auch meit
dem Namen Geimmelshaufen in paflenten Zuſammen⸗
bang gebracht werden innen. So Lange dieſer Bewcis
nicht geführt wird, mas mis Grelfenſon nie gefchehen iſt,
wird immer wenigſtens die Wenmuchung offen bisiben,
daß der Name Geimmelöbaufen ebenſo ein fingirtex fei
wie die neun andern.
Orimmedshaufen nennt fi auf dene Titel ber unter
biefem Namen erſchienenen Schriften Gelahusanus; waß
bee Merf. des ‚„Simrpkkeiffinaus” wirklich -aus Gelnhaufes
ſanmte, hat Echtermeyer nachgewieſen.“) Sodann bie
Perſonen, an welche die drei oben beſprochenen Dedicatio⸗
wen gerichtet find, laſſen ſich genau nachweiſen: Philip⸗
Hamibai von Schauenburg war 1685 Director bie
ſchwaͤbiſchen Ritterſchaft am Meder **); Maria Diesothes
von Fleckenſtein vesheisashete fü) 1661 oder 1662, alſo
ae oder zehn Fahre nach der ihr gewimmein Aueige
nung, mit Welfgang Heinrich von Goͤllnitz, uniriembergis
ſchem Jufigash ***); Kraft von Erailsheim auf New
baus Iechte von 1001 — 1703 +) und murbe 1.708
mastgeäflich s anfpachifcher GSeheimrath und Dbeeneigt der
Reſidenzſtadt. +4) Die Weubindung, in ber Grimmelo⸗
*) — umb noch einige zunaͤchſt folgende Notizen bat .r
termeyer dem fpäteen n um „Gimpliciffimus ”, a
Cap. 2 2, Sntnommen; bier ift ausdrüdiich von des Verf. Bas
terlande Geinhauſen“ die KRede; auch bie Ausgabe von 1683
enthält diefe Zufäge, die ich Aberfehen, da ich mich nur an bie
ältere Originalausgabe hiett.
”*) Zedler, „Univerfaisteriton”‘, Wi. 34, &. 10328,
j. ) Bedler, Bd. 1194; Hübner, „Genealogiſche Zabek
n”,
9 Biedermann, ei der Ritterſchaft zu Fran⸗
ten, Orts Steigerwald”, Tab. 13.
++) edler, Bd. 10, ©. — 8
« 1946
haufen mit dieſen Familien geſtanden haben muß, laffen
uns ihn an ben Ufeen bes Medar oder des beutfchen
Oberrhein auffuchen; audy der „Simpliciſſimus“ vertaͤth,
namentlich im fünften Buche, eine fehr genaue Kenntniß
jewer nd, und eben dahin führen auch die Qtesna⸗
mm, Ge in den verfchiedenen Unterfchriften ber Stmpiis
ciantfhen Schriften vorkommen; der eine berfelben frei:
ih, Hpbspinthal*), klingt fehr fabelhaft, und ich habe
ihm bis jest auf keine Weife beitommen können; dage:
gen alle die andern, Rentchen **), Rheinmec ***), Gern:
bein +), Dercinen TF) find wieder ein und derfelbe Name,
nur anagrammatiſch verlegt; als Grundform aber madıt
a ſogleich die Form Renichen kenntlich, da die Schrei⸗
bung der uͤbrigen Ortsnamen ſichtlich nach jener geformt
iſt. Meine Vermuthung, daß dieſes Renichen das jetzige
Renchen, im Großherzogthum Baden, Amt Oberkirch ſei,
wird von Echtermeher FF}) zu völliger Gewißheit erhoben.
Die Unterfchrift P. zu Cernhein iſt nun entweder durch
Pater oder durch Praetor zu Menichen aufzuloͤſen; dage⸗
gen, daß Grimmelshaufen dem geiftlichen Stande ange:
Hört habe, ſpricht fchon feine Theilnahme an dem Dreißig⸗
jährigen Kriege; volle Gewißheit aber, daß er ein richter:
liches Amt bekleidet, gibt wiederum jener fpätere Zufag zum
„Simpliciſſimus“, Buch 1, Gap. 2, auf weldyen Echter:
meyer aufmerkſam gemacht hat; dort heißt es, daß der⸗
fette ‚‚fehe an fürftlichen Höfen beliebt, auch in einem
Hochfürfttich Hifchöftichen Amt am Schwargwald bei Straß:
burg, zu Renchen, im Schulzen: Dienft geſeſſen war”.
So Haben wir alfo fichere und ziemlich ausreichende
Nachrichten über Grimmelshauſen's äußere Leben aufge:
funden, die alle zu der vollen lberzeugung führen mäfs
fen, daß wir in ibm den wirklichen und wahcen Verf.
ale Simplicianifchen Schriften zu erfennen haben. Ich
halte endlich noch die Frage nicht für mäßig, welcher
Confeffion Grimmelshaufen angehört babe: in Ermange:
lung beſtimmter Zeugniffe führen alle Umftänbe. darauf
bie, ihn für einen Proteflanten zu halten, denn bem
einzigen einigermaßen entgegenfliehbenden Grunde, daß er
in bifchöflichen Dienften geftanden, glaube ich eim ent: |
ſcheidendes Gewicht nicht beilegen zu dürfen. Fur feinem
Proteſtantiemus aber. ſpricht Kolgendes: in feiner Vater:
ade Gelnhaufen und in ber Gegend, mo er feine fpd
tern Lebensjahre zubrachte, üherwiegt entfchieden der Pro:
teſtantismus; bie Samilien, deren Gliedern er feine Schrif:
ten gewibmet hat, find meines Wiſſens alle proteflantifdy;
ebenfo erfcheinen fie in einem proteflantifchen Verlagsort,
Nürnberg. So ſprechen alfo die dußern Umflände für
meine Anficht, die ich noch beſtimmter ‚aus den Schriften
Grimmelshaufen’s glaube vertheidigen zu koͤnnen. Zwar
*) „Gatyrifcher Pilgram‘’, Vorrede ber befondern Ausgabe;
„Dietwalt und Amelinde”, Debdication.
**) „Proximus und Rympiba’‘, Debication.
*..) „Simpkeiffmus”, Buch 6, Belhluß; „Ratio Status“,
MDeditation.
+) „Simpliciffimue”, Bud) 6, Beſchiuß; „Ratio Status’,
Rn
on.
) „Galgenmaͤnnlein“, Unterfchrift.
+») „Simpticiffimus”, Buch 1, Gap. 2.
wallfahrtet Simpliciſſimus nad Einſiedeln, zwar beginnt
and befchließt er fein Leben als Einfiedier, aber die Hals
ligkeit dieſes Standes wird von einem rein menfhliden,
nie von einem fpeciell dogmatiſchen Standpunkt aus
gepriefen, und nad Einfiedda und gar Meicke dafeinf
treibe ihn alles Andere eher als religioͤſer oler ger caufc
fioneller Eifer *); die einzige kirchliche Partel, der dirertef
Lob gefpendet wird, find die Wiedertäufer in Ungarn “)
mehr freilich in focialer als in dogmatiſcher Hinſicht, um
wenn ihnen zugleidy Keterei vorgeworfen wird, fo konnte
dies ebenfo gut von proteſtantiſchem als von katholiſchem
Standpunkt aus geſchehen. Sonſt erinnere ich mid, in
allen ianiſe nur Einer. Stelle, di
ein beflimmtes Religionsbekenntniß des Verf. enthält"),
und ba heißt es: „er bekenne ſich zur alten Religien
doch nicht zur roͤmiſchen, noch zur juͤdiſchen“; dem
wenn der Simpliciſſimus bei Gelegenheit feiner Wattfahrt
nad) Einfiedeln erklärt: „er babe bis dahin keine Reli:
gion gehabt und fi mus öffentlich zur katholiſchen ke
kannt“, fo gilt das offenbar nur von der Perfon dei
Romanhelden, nicht von ber des Verf.; auch die Be
tanntfchaft, die Grimmelshauſen mit Luther's Schriften
verräth F), dürfte für mich ſprechen. Endlich ift bie
ganz beſonders in Betracht zu ziehen die Schrift „Warumb
Er nicht katholiſch werden könne?” ++) In biefem Die
log wird zwar Simpliciffimus ſchließlich zum Katholicit
mus bekehrt, aber eben die Art, wie es geſchieht, fprict
mir für des Verf. Proteflantiemus: es werden dort naͤm⸗
lich viele. Dogmen des Katholicismus, die Werchrung der
Maria, die Lehre von Fegefeuer, ber Bilderdienk, die
Abendmahlsfeier unter einer Geftalt, die Heiligenaube⸗
tung, in ſtark protefiantiihem Sinne mehr entſcholdigt
als gerechtfertigt, worauf denn Simpliciſſimus ſchließlich
erklärt: „folcher Geſtalt mag der katholiſche Glaube
wol recht fein’; der Kern alles Katheolicismus aber, di
Suprematie des Papftes, wird in dem ganzen Geſptaͤche
nicht mit einem Worte berührt. Deutzutage mögen mel
aufgelärte Katholilen ihre Sache auf biefe Weile ver
fechten; im 17. Jahrhundert aber wuͤrde ber entfchledt
und Elare Grimmelshauſen, der im Glauben nichts we
niger als ſchwach war TFT), einen ganz andern, wahrſchein
ih einen myſtiſchen Ton angefchlagen haben, wenn «
den Katholicismus ernſtlich hätte vercheidigen rollen. Aus
alten dieſen Gründen glaube id in Grimmelshanſen bit
auf weitere, fehr fchlagende Gegenbeweife einen Proteflas:
ten erkennen zu müflen, zu deſſen mannichfachen Cır:
dienfien wol auch das gerechnet werben mag, daß er
fih von allen Spigfindeleien in religidfen Dingen nad
von der Verkegerungsfucht feiner Zeit fo frei zu 1
*) „Simpliciffimus”, Buch 5, Sap. 1, 2.
) „‚Simpticiffimus, Bud 5, Sap. 19.
*e) „‚Reifebefchreibung nad; ber obern neuen Mondewell
(V, i), ©. 783.
+) „Zeutfcger Michel”, Gap. 9.
+}) Im obigen Vergeichniß V, m.
+44) Bon
ſcher Pilgram“, Buch 1, Gap. 10.
erereien und Zaubereien weiß er gar viel gu em |
zaͤhlen: „Simpticiffimus‘, Bu Gap. 17, 18; „Satytri⸗
JAH \
halten send: bat, ia letztere mit ansbehdlihem Kabel
belegt. * ‚a
Yun biefen ausſchließlich auf kritiſcher Combination
beruhenden Reſultaten mußte ich wuͤnſchen wo moͤglich
noch diplomatiſch Geſichertes hinzufuͤgen zu koͤnnen. Aus
Grimmelshauſen's Vaterſtadt, Gelnhauſen, wurde mir auf
desfallſige Nachftage nur die Gewißheit, daß dort über
eine Familie des Namens nichts zu erfahren, da die dor⸗
tigen Kirchenbucher nicht über 1720 hinaufreichen und
überall feine Aufzeichnungen aus der Zeit des Dreißigjäh:
rigen Kriege, nach welchem fich dort eine völig neue
Einwohnerfchaft zufammenfand, vorhanden find. Dage:
gen verbanfe ich der Güte des Deren Archivdirectors Done
in Karlerube den Beweis, daß eine Samilie Srimmels:
haufen in Renchen wirklich anfaffig gewefen: in dem
großherzoglich badiſchen Landesarchive findet fich nämlich
ein Kaufbrief von 1711, den ein Chriftoph von Grim:
melshaufen, vielleicht der Sohn unfers Schriftftellere, da:
mald Hauptmann und Poftmeifter zu Renchen, ausge⸗
flelt hat; ald Wappen der Kamille zeigt derfelbe zwei
ausgebreitete Fluͤgel, zwiſchen welchen ſich oben und un-
ten je drei krumme Nägel befinden.
So ſchließe ich denn diefe Unterfuchung mit bem An:
trage, ben Samuel Sreifenfon von HDirfchfeld
endlich aus der Gefchichte der deutfchen Literatur abzu:
(haften, ag feine Stelle aber Hans Jakob Chriftof:
fl von Grimmelshauſen zu feben, von dem wir
num Folgendes wifien: Srimmelshaufen iſt geboren
in Geinhaufen um den Anfang des Dreißigjährigen
Kılegs, vieleiche 1625, und gehört dem proteftantifchen
Glauben anz in feiner Jugend that er Kriegsdienfte,
fpäter ftand er in bifchöflihen Dienften und war in fel:
nen legten Lebensjahren Schulcheiß zu Menden am
Schwarzwald, wo er großer Adytung und mehrfacher
Berbindung mit bedeutenden Familien fidy erfreute; er
ſtarb fruͤheſtens nach der Mitte des J. 1673, jedenfalls
vor 1683. Erſt in feinen fpätern Lebensjahren ſcheint
er ald Schriftfteller aufgetreten, dann aber auch um fo
thätiger geweſen zu fein.
Das Refultat der vorfiehenden Unterfuchung iſt fchein-
bar ein fehr geringes: an die Stelle eines unbelannten
Namens wird ein anderer, nicht viel befannterer geſetzt;
das Lebensziel biefes Mannes wird um etwa vier Sabre
über die gewoͤhnliche Annahme hinausgeruͤckt, und eine
Anzahl bisher faſt herrenloſer Schriften wird unter Einem
Namen in ziemlich genau nachweisbarer Ordnung ver:
einige. Sobald man mir aber zugeben muß, daß ber
Zuftand der deutfchen Literaturgefchichte bis jetzt noch ein
folder ift, dee fehr viele fpectelle Unterfuchungen verlangt,
ehe er fi Schritte für Schriet dem Ziele nähern kann,
weldyes die neuere Zeit ald das einzige biefer Wiſſenſchaft
würdige zu erkennen angefangen bat, bann wird man
wol geneigt fen, auch der vorliegenden Unterfuhung ein
höheres Intereſſe nicht abzufprehen. Sept erſt ift es
) Keiſebeſchreibung na ber obern neun Monbömelt,
©. 783 fg.3 Wogelneft, Theil 1, Gap. 4.
möglich, über en aigenthümlicden ſcqhrifiſelaxiſchem Char
rakter Grimmelshauſen's und über feine Stellung in dem
Entwidelungsgange des deutſchen Literatue ein richtiges
Urtheil zu verſuchen. Diele Aufgabe foll der zweite Ab⸗
ſchnitt meiner Abhandlung zu loͤſen verſuchen.
2. Refultate.
Hauptſaͤchlich durch Gervinus iſt nachgewieſen, wie
ſich der Gang der deutſchen Literaturgeſchichte ſeit der aͤl⸗
teſten Zeit in fortwaͤhrenden Gegenſaͤtzen bewegt, deren
allgemeinſte Grundlage die iſt, daß auf der einen Seite
eine kuͤnſtleriſch ausgebildete, von einem beſtimmten Ideale,
weiches bei dem fruͤhern Zuſtande der nationalen Bildung
meift dem Auslande entlehnt fein mußte, erfüllte, deshalb
zu gleicher Zeit hochſtrebende und body beſchraͤnkte Kunſt⸗
poefie ſteht; ihr gegenüber aber ſich eine unbewußte, durch
Eeinerlei conventionnelle Schranken gehemmte, echte Volks:
dichtung entwidelt. So ſtehen fi, fofort nach allgemei⸗
nerer Einführung bes Chriſtenthums geiftliche und welt
lihe Dichtung gegenüber; fo geht neben dem ritterlicyen
Minnegefange und fpäter neben dem bürgerlichen Meiſter⸗
gefange eine ununterbrochene Volkspoeſie ber; fo ſtehen
fih im Minnegefang felbft Walther von der Vogelweide
und Neidhart aͤhnlich gegenüber; fo laͤßt fich dieſer Ge:
genfag fort und fort verfolgen, bis endlich in Klopftod,
Leffing, Goethe und Schiller die Auflöfung und Eini:
gung bdeffelben erfcheint.
Bon Seiten der formell faft immer vollendetern Kunſt⸗
poefie wird die Volkspoeſie meift mit ſtillſchweigender Ge:
ringſchaͤzung überfehen, nur felten und meift auf dußern
Anlaß bin eigentlich befämpft, wie von ber Geiſtlichkeit
unter Ludwig dem Frommen und beifen Nachfolgern.
Bon Seiten der Volkspoeſie beginnt der Kampf gegen
die Kunftpofie, welche jener durch mancherlei Umftände,
ſchon durch die äußere Stellung ihrer Beförderer, impos
nirte, gewoͤhnlich erft dann, wenn die dee, von welcher
die jeweilige Richtung derfelben getragen wurde, ſich uͤber⸗
lebt hatte und dadurch haltlos geworden, ober wenn fie
in ein maßlofe6 Ertrem ausgeartet war: fo gegen das
Ritterthum, als dieſes feinen poetifchen Schimmer und
bie Möglichkeit feiner Eriftenz ſchon größtentheils verloren
hatte; gegen bie Geifllicykeit, als Herrſchſucht und Habſucht
bie einzigen Leidenfchaften derfelben geworden waren. Bon
Haus aus ift die Oppofition, welche die Volkspoeſie macht,
durchaus gutmuͤthig und ohne alle Bitterkeit; fo im, Pfaffen
Amis”, in „Salomon und Morolf“, fo no im „Eulen:
fpiegel”. Je mehr aber im deutſchen Reiche und in ber
deutfhen Kirche Verfall und Zerrättung zunahmen, ie
entarteter die Vertreter der Kunſtpoeſie, je werthlofer alfo
dieſe felbft wurde, deflo entfchiedener wird die Kluft zwi⸗
(chen ihr und der Volkspoeſie, befto heftiger die Oppoſi⸗
tion ber legtern.
Auf biefem Punkte finden mir den Zufland der beut:
[hen Literatur im 17. Jahrhundert, dem Zeitalter des
„Simpticiffimus”. Die Kunftpoefie hatte unter den Haͤn⸗
ben ber erften fchlefifchen Dichterfchule, wenigftens derjeni:
gen ihrer Mitglieder, die vor allen maßgebend wurden,
Di altern Auffchwunge der Form, den Kern und Lak
wer Poefle verforen, und im der zweiten ſchlefi⸗
ſchen Dichterſchule diefe nur durch die regel: und fitten-
tofeften Phantaftefpiele oder vielmehr Gpielereim zu er:
ſetzen geſucht, während bier zugleich die Form der Daw
flelung von ber verhaͤltnißmaͤßig deln Einfachheit eines
Dpis in maßlofe Monftrofitäten ausſchweift. Diefem
Wäglichen Zuftande der Kunſtpoeſie gegenüber erhielt ſich aller
Ungunſt der Zeiten zum Trot in den aͤlteſten Sitzen der
deutſchen Porfie zwiſchen Rhein und Donau eine zwar;
Verbe mb ungehobelte, aber gefunde und unverfünftelte
Weottöporfie. Männer von wahrer Bildung und gefundem
inne, die fih etwas Im ihrem Vaterlande umgefehen
hatten, mußten fomit wol unwillkuͤrlich auf den Geben:
tem kommen, fidy der Volkspoefie zu nähern, ihrem reichen
Gehalte noch ben Vorzug kuͤnſtleriſcher Vollendung bin:
zuzufuͤgen und dadurch jene Bereinigung der Kunfl: und.
Volkspoeſte vorzubereiten, die freilich erft ein volles Jahr:
hundert fpäter unter ſehr veränderten Umfänden wirklich
erreicht werden konnte. Selbſt eins der berühmteflen
Haͤupter ber erſten ſchteſiſchen Schute, Andreas Gryphius,
fiheint in feinen beiden Luſtſpielen, namentlich im „Peter
Squenz“, einen folhen Weg aufgefucht zu haben, und
Diele beiden Dichtungen find ohne Zweifel die Krone aller
feiner Werke. Vorzugsweiſe gehören aber, und bied if
ganz nathrlich, die Maͤnner, welche hierher gehören, dem
füdweftlichen Deutfchland an: Georg Rudolf Weckherlin,
1584 bis etwa 1650, und Johann Valentin Andred,
1586— 1654, beide Würtemberger, fcheinen mir ein ber:
artiges Streben gehabt zu haben, doch Tenne ich ihre,
Werte nicht genau genug, um ein emtfchiedenes Urtheil
darhber fällen zu koͤnnen. Ganz entfchieden aber ift hier:
ber zu rechnen Balthaſar Schupp aus Gießen“), 1610
— 61, nur find feine Werke kaum zur poetifchen Litera:
tur zu zählen. Das bedeutendfte in diefer Richtung end:
lich leiſtet Hans Michael Moſcheroſch aus dem Hanaui⸗
fchen *), 1600 — 69. Seine „Wunderlichen und war:
bafftigen Gefichte Philanders von Sittewald“ find ein
Iebensvolles, feifches Sittengemaͤlde feiner Zeit, durchaus
von dem Standpunkte bes ſchlichten, unverborberien Bois:
verftande aufgefaßt. Zugleich aber trägt die Form der
Darſtellung dennody deutliche Spuren an fich, daß der
gründlich und vielfeitig gebildete Mann fi) von ben
Einflüffen der Verbildung, der die Mehrzahl feiner Zeit:
genoffen erlag, nicht ganz freimachen konnte; ſchon bie
ganze Einkleidung feiner Durflellungen in Traumbilder
it einem ſpaniſchen Original entlehnt; griechifche, lateini⸗
fhe und franzöfifche Stellen find nicht wenig eingefloch:
ten, und unzählige Citate aus den verſchiedenſten Scheift:
ſtellern aller Zeiten und Voͤtker verrathen nur zu fehr
die peinliche und geiftlofe Gelehrſamkeit des 17. Fahr:
*) Schupp wirb von Grimmelöhaufen mit Lob erwähnt:
„Mathſtuͤbel Pintenis’, Gap. 2, 56.
**) Auch Mofcherofh wird von Geimmelshaufen mehrmals
mit Anertennung genannt: „Satyriſcher Pilgram“, Buch 2,
Cap. 4; „Berkehrte Welt”, Gap. 10.
hunderts; weche Entſticttungen es denn freillch uumd;
ld) machten, daß feine Geſichte“ jemals ein Volkibrq
im wahren Sinne des Worts werden konnten.
Schlugen dieſe NRaͤnner bei dem ehrenwertheſten Ster
ben doc einen falſchen Weg ein, indem fle zu früh die
Berſchmelzung der fich noch in unnahbarer Schroffheit
gegenüberftehenden Begenfähe verfuchten, fo ſteht Grm:
melshaufen, ihnen zwar geiſtesverwandt, ungleich eigen:
thuͤmlicher und befonnmer da. reine Eigenthimiihiek
nämlich, die wol Bein anderer Scheifeſteller des 17. Yahe:
hunderts theitt, befteht darin, daß er die beiden großem
Segenfäge, in die ſich die gefanmte beutfühe Eiteratar e
länger je mehr gefpalten hatte, als ſolche klar erfannn
und ſchied; daB er, mit wunderbarer Friſche ımd Be
weglichkeit bed Geiſtes begabt, nach beiden Seiten hie
thätig war, ohne eine umflarthafte Vermengung der bt
den Gattungen vorzumehmen, oder auch nur eine der
felben fremde und widerſtrebende Etemente beizumiſchen;
vielmehr begnügte er fi, der Volkopoefie diejenige Funk:
ferifche Vollendung zu geben, deren fie, ohne Grund um
Boden zu verlieren, fählg war, und der Kunſtpoeſie dur
Zurüdführung auf eine geringere Ausbehmung der dm
zelnen Werke und durch größere Einfachheit und Wahr
beit der Darflellung wenigftens ehren Theil der völligm
Unnatur zu benehmen, in weiche fie verſunken war.
(Die Sortfegung folgt.) N)
Literarifhe Notiz.
Ein Berk, deffen Plan vom Hergog non Orion
berrührt.
Amedee Rene hat ſich, fo viel wir wiffen, durch feine geil:
reihen Artikel in der „Revne de Paris’ und feine tft
Bearbeitung der Briefe Chefterfieid’8 — es iſt uns unbekannt, |
ob er der frühere Redacteur bes „Journal de l’instrnciion”
iſt — zuerſt dem groͤßern Publicum befannt gewacht. Seit ie
Zeit hat er eine große literariſche Thaͤtigkeit nach allen Sri
bin entwidelt, namentlich zeichnen fich feine Eritifchen Arbeiten |
und kleinern biftorifchen Auffäge, deren er mehre zur befonntn
„Bueyclopedie des gens du monde’’ beigefteuert hat, vortteik
baft aus und verrathen ein bebeutenbes Talent zur hiſtorijchen
Darſtellung. So haben wir von ikm in dem obengenanntn
encyklopaͤdſchen Werke, das unter der Leitung des treffliden
Schnitzier langſam, aber defto ficherer fortfchreitet, den Artikel
„Napoleon“ bemertt, der mit großem Gefchick gefchrieben ſſ.
Rene vermeidet hier die beiden Klippen, en denen aͤhnlichk
Darſtellungen nur zu teidht ſcheitern, indem er ſich von trivialm
Gemeinplägen, bie über ben großen GSorfen in Umlauf find, mt
von paraboren Saͤtzen, mit denen andere Hiſtoriker diefn ur
erfchöpftihen Gegenftanb wieber aufzufriſchen fuchen, gleichwet
entfernt hätt. Bein Stil namentiich iſt trefflich. Gegenwaͤrtig
erhalten wir aus der Feder René's ein neweb Werk, dein
Plan noch unter den Augen des Herzoge von Orleans enkorrii
ift und für bas der den Wiflenfchaften zu früh entriſſene Pr
ſich lebhaft intereffirte. Es iſt dies ein „‚Tableau des service
de guerre des princes de Robert le Fort, dac de Fran“,
chef de la dynastie capötionne”. Aus dieſer hiſtoriſchen ühr:
fiyt über die Waffenthaten der Prinzen, weiche ans dem Hari
der Gapetinger flammen, ergibt ſich, daß 42 Prinzen Melt
Linie einen rühmlihen Tod auf dem Felde der Ehre gefundtt
baben, daß ferner 56 in den Schlachten verwundet wurden, L.
39 an ben Kreuzzuͤgen Theil nahmen, u. f. w.
Verantwortlicher Herausgeber: Heinrih Brodhaubd. — Drud und Verlag von F. 4. Brochaus in Leipzig.
Blätter
für
literäariſche Unterhaltung.
des „Abenteuerlichen Simpliciſſimus“.
(Bortfegung aus Nr. 261.)
Soll diefe allgemeine Charakteriſtik an den einzelnen
Schriften Grimmelshauſen's genauer belegt werden, fo
find zunähft nur feine Romane ins Auge zu faffen; der
„Teutſche Michel” und die meiften der in dem beitten
Bande der Gefammtausgabe unter dem gar nicht uns
pafienden Titel ,, Staatefram ’’ vereinigten Gchriften
werden weiter unten ihre befondere Beſprechung fins
den. Dieſe Romane find nun einerfeits ,,Der Leufche
Joſeph mit dem Muſai“, „Dietwalt und Amelinde”,
‚Srorimus und Lympida“; andererfeits der ‚„Simpliciffis
ums” mit felnen Fortfegungen „Gourage”, Springins⸗
feld" und „Bogelnefl”. Die drei erfigenannten gehören
gang der Richtung des Romans an, welche buch Phi:
liyp von Zefen in Deutfchland eingeführt, bauprfächkich
duch Andreas Heinrich Buches, Anton Ulrich von
Braunſchweig, Lohenflein und Ziegler vertreten wird,
d. h. alfo dem Kunftroman. Wis diefe entnehmen fie ih:
mm Stoff entlegenen Zeiten und Orten, ber juͤdiſchen,
ftanzoͤſiſchen und byzantiniſchen Gefchichte oder vielmehr
Sage, denn eigene Erfindung ſcheint mie nicht viel in
ihnen zu fein; wie jene find fie bei dem größten Man⸗
gl an wahren Gehalt von einer gewaltig gefpreiften und
hochtradenden Form ber Darſtellung, obne jene Wahr:
beit und jenes Leben, welches den „Simpliciifimus’ fo fehr
auszeichnet. Indeſſen ſtehen diefe Arbeiten von Grim⸗
melshaufen immer noch böher als die der andern Genaun⸗
tm, theils dadurch, daß fie es weder in der Sprachmen⸗
gerri noch in dem hohlen Bombaft fo weit gebracht has
en wie jene, dann aber befonders durch ihren unendlich |
geringen Umfang. Wenn in den fech6 diden Bänden
einer „Römifchen Detavia’’ oder in den zwei gewichtigen
Quartanten eines „Arminius und Thusnelda“ die wuͤſte
Anhäufung des bunteflen Stoffe, der aller Individualität
ur Situationen umd der handelnden Perſonen oder viel:
mehr Maſchinen, aller dichterifchen Belebung, Wahrheit
und Moͤglichkeit emebehrt, zu dem unerträglichiten Wieder:
delungen führen muß, fo werden bei Grimmelshaufen
kleinert Ganze abgegrenzt, bei denen ein ſtoffliches In⸗
tereſſe zur Noch and) ohne reichern geiftigen Gehalt aus:
dauern kann. Durch biefen gesingern Umfang fällt für
Brimmelshaufen der Hauptgrund weg, der den Romanen
des andern genannten Schriftſteller eine unverdiente Fort⸗
bauer verliehen hat; er erklaͤrt die Vergeſſenheit, im die
diefe drei einen Romane fchon früh gerathen zu fein
Idyeinen, und der man fie nur zum Behufe einer wiſſen⸗
ſchaftlichen Darftellung, nicht aber ihres eigenen Wertbs -
wegen wird entreißen wollen. Keineswegs bin ich aber
bier mit Echtermeyer *) einverſtanden, daß Grimmelthau⸗
ſen ſelbſt auf dieſe Claſſe ſeiner Schriften den groͤßten
Werth vor allen uͤbrigen gelegt zu haben ſcheine; daß er
gerade auf ihnen feinen wahren Namen nennt, babe ich
ſchon oben aus ihrem nicht fatirifchen Charakter erklaͤrt;
gegen Echtermeyer's Anficht aber iſt hervorzuheben, daß
zwei dieſer Schriften zu Grimmelshaufen's frübften Ar
beiten gehören, und die fpätere dritte kann wol als ein
Erzeugniß der damals gangbaren Art von Galanterie ges
gen die Dame, der fie gewidmet iſt, betrachtet werben.
Wenn Echtermeyer ferner: geltend macht, daß er feinen
Joſeph feibft vertheibigt und ruͤhmt ), fo führt er feine
Volksromane noch häufiger und mit mindeflens gleicher
Liebe und gleihem Selbſtbewußtſein an ***); und gewiß
bäste Grimmelshauſen, wenn er auf diefe Art von
| Schriftflellerei einen vorzugeweifen Werth gelegt hätte,
berfelben einen größeren Theil feiner Thaͤtigkeit zugewandt,
wofle Ehre und Anerkennung. ihm von einem großen
Theile feines Volks wohl reichlicher zu Theil geworben
‚ wäre als für feinen „Simpliciffimus”. Endlich erwähne
ich noch, daß Grimmelshauſen viele deutſche Schriftſteller
ſeines Jahrhunderts gelegentlich nennt, von den Namen
aber, die in der erſten und zweiten ſchleſiſchen Dichter⸗
ſchule vorzüglich glänzen, habe ich nur den einzigen Logau
genannt gefunden F), der außer den Verbeſſerungen in
*) A. aD, G. 432.
++) „Wogelneft”, Theil I, CGap. 15; „Ratio Status”, Debication.
+4) „Satyriſcher Pilgeam”‘, Buch 2, Gap. 6 und am Eade;
„Simpliciſſimus“, Vorrede und Veſchluß; „Teutſcher Micher”,
Cap. Z, 9, 12; „Vogelneſt“, Theil 2, Vorrede; mehrfach im
„Ratbftäbel Piutonis”.
+) Im „Simpliciffimus”, Buch 6, Gap. Il; das angeführte
Epigramm ift in Leffing’s Auswahl V,QL, Werke, Bd. 5, &. 176,
Ausgabe von Lachmann. Diefe Anfuͤhrung if auch dadurch
merkwuͤrdig, daß fie wos fo ziemlich bie einzige im gangen 17.
Jahrhundert ift, die Logau als Dichter erwähnt; daß aber auch
1050
Sprache und Vers wenig mit Opitz und noch weniger
mit Hofmannswaldau und Gonforten gemein bat. So
viel aber ift jedenfalls ganz außer Zweifel, daß Grim⸗
melshaufen den Gegenſatz zwiſchen Kunfttoman und Volks:
roman Mar ertannt haben muß, um beide Gattungen in
finen Leitungen fo ſcharf auseinander halten zu kennen.
Wenn diefe Doppelthätigkeit auf den erſten Blick kaum
in einer und derfelben Perfon vereinbar erfcheinen dürfte,
fo wird wol ihre genügende Erklärung fchon in dem We:
nigen, was wir von Grimmelshauſen's Leben wiſſen, ge:
funden werben können, barin ndmlih, daß er den Zu:
fand und die Bedürfniffe des ganzen Volks durch fein
eigenes, in die Wirren des Dreißigjährigen Krieges ver:
flochtenes Leben zu erkennen befähigt, ja gezwungen war,
auf der andern Seite aber auch mit bedeutenden, body:
fiehenden Geſchlechtern mehrfach verbunden und „ſehr an
fuͤrſtlichen Höfen beliebt” war, für welche er denn fein
Talent in der einzigen bier anklingenden Weife benugen
mußte.
Bon ganz anberer Art als bie bisher beſprochenen
Werkchen find der „Simpliciſſimus“ und feine Zortfegun:
gen. Diefe Romane find aus dem unmittelbarfien Leben
der Begenwart mit volifter Friſche und Treue herausge:
griffen und flellen Ddiefe in einer dem ganzen bdeutichen
Volke verftändlichen und zugänglichen Form, frei von je:
ber aliegorifchen oder fonftigen Umhuͤllung dar; zugleich
büden fie ein kuͤnſtleriſch und wahrhaft poetiſch angeleg:
te6 Ganzes, wodurch fie ſich über alle ähnlichen Erſchei⸗
nungen derfelben Zeit wefentlich erheben. Schon das Motto:
Es hat mir fo wollen behagen
Mit Lachen die Wahrheit zu Tagen,
weit auf eine beflimmte, Mar erkannte Grundidee Hin,
die unmittelbar an die Dorazifche Lebensweisheit erinnert,
und deren Durkführung allen fchon eine Lünfiterifche
amd bichterifche Thaͤtigkeit des Verf. beweifl.
Mitten im Speffart geboren und erzogen wächft der
Stmpliciffimus ohne alle Berührung, ja ohne alle Kennt:
niß von der übrigen Welt heran; da wird feine bisherige
Welt, das Hausweſen feiner Ältern, ehrlicher Bauersleute,
duch eine Priegerifche Streifſchat vernichtet; er flüchtet
und findet Aufnahme bei einem Einſiedler; bier verlebt
er mehre Fahre und legt den unvergänglichen Grund zu
einer auf wahrer Religiofitde und ſittlichem Ernft beru⸗
benden Weltanſchauung, bie ihn bei allen Wechſelfaͤllen
feines fpätern Lebens, bei allen Moheiten und Gemein:
beiten, die er nicht nur um fidy fieht, fondern auch ſelbſt
durchmacht, doch niemals gaͤnzlich verfinten läßt. Der
Srimmelshaufen nichts Näheres von ihm gewußt, geht daraus
hervor, daß er ihn bei feinem angenommenen Ramen und noch
dazu mit falſchem Bornamen ‚Samuel von Golau“ nennt.
Lohenftein und Ehriſtian Gryphius Haben mehre Gedichte an
Logan's Bohn gerichtet, aber nur der Erſte berührt darin, fo
viel ich gefunden, einmal von fern des Vaters dichteriſche Thaͤ⸗
tigkeit. Übrigens find Logau's Epigramme body befannter ge:
weien als ihr Berf., benn eine große Anzahl berfeiben finde ich
obne Rennung des Ramens in einer Sammlung von Witzwor⸗
J gr Anekofen: „Luftige Geſellſchaft“ von 3. P. de Me:
Tod feines Einſiedlers treibt ihm endlich zum erſtenmul
in die unbekannte Welt hinaus: zuerſt in Hanau bi
einem fchwedifdhen Gouverneur, dann unter den Kroaten,
dann im kaiſerlichen Heere vor Magdeburg macht er hal
ben Hofnarrn, halb den Bedienten. Wıtiig berangewadı
fen wird er Soldat und zeichnet ſich durch Bühne Streifs
züge, die zu den bunteflen und tollſten Abenteuern Ber:
anlafjung geben, aus; während einer erzwungenen Bf:
fenruhe als ehrenvoll Gefangener ſieht er ſich gendthigt
zu beicathen, aber nad wenigen Wochen unternimmt a
eine neue Reife und geräch von neuem in den Stud
des Lebens, der ihn weiter und weiter führt und zu dem
begonnenen Dauswefen nicht zuruͤckkehren läßt. Rachden
er Paris befucht, Frankreich halb als Bettler, halb als
Wunderdoctor durchzogen hat, geräth er wieder in Kriegt—
dienfte und mancherlei Faͤhrlichkeiten, bis es ihm endiid
gelingt, fih auf eigenem Bauergute zur Ruhe zu fen,
Nachdem aber eine zweite Heirach einen ſchlechten Ant:
gang genommen, geht er wieder auf Abenteuer aus; di
Schilderungen des beutfchen Volkslebens find jekt m:
fhöpft, deswegen läßt ihn der Werf. nach Moskau, bi
China die ganze alte Welt durchwandern. Nach feiner giäd:
liyen Heimat zuruͤckgekehrt will er ein ganz heiliges und un
geitörtes Leben beginnen, er wird Einfiedlerz aber «6 daum
nicht lange: er begibt fih auf eine neue Wallfahrt nah
Rom, von da ins gelobte Land, wird unterwegs gefaw
gen, gluͤcklich wieder befreit, endlich auf eine einfame Ir
fel zwiſchen Afien und Afrika verfchlagen; bier beginnt
ee nun das Einfiedlerieben zum drittenmal, der aͤtteſt
Robinfon, den wir litecarifch nachweifen koͤnnen, jeeh
mit dem Unterfchiebe, daß die Sehnfucht nad) der Se
mat mit aller ihrer Unruhe, ihren Leidenfchaften und
Kämpfen bald in ihm erlifche; ja ats fich ihm eine Orle
genheit zur Heimkehr bietet, benutzt er diefe nur, um
feine auf jener Inſel aufgezeichnete Lebensgeſchichte nad
Europa zu fenden, während er felbft feine Tage in ung
flörter Einfamkeit, nur dem Geber und dem Nachdentne
gewidmet, beſchließen will.
Dies eine kurze Überficht uͤber den Inhalt des „Sin
pliciffimus‘’, weldye freilich den ganzen Reichthum defik
ben kaum entfernt anzudeuten vermag. In ähnliche
Weiſe enthalten bie Fortfegungen die Abenteuer anderer Pet:
fonen, deren Schidfale irgendwie an das des Haupthelden
angelnüpft werden; überall mit derfelben Grundlage di:
ner fittlich gedlegenen Gefinnung und unvermüftilden
Heiterkeit, die es nicht verſchmaͤht, ſich in fcperjbaftt
Weiſe über die Erbaͤrmlichkeit und Eitelkeit des gewöhr—
lichen Treibens der meiſten Menſchen luſtig gu maden.
Wie Ear fi) Grimmelshaufen diefer feiner Richtung be
wußt war, bemweift außer unzähligen einzelnen Stellen ki:
ner Romane der Spruch, welchen er den Kupfer der
dritten Originalausgabe beigefchrieben hat: „Der Wahn
betreugt.” Hierzu kommt nun auch noch die angemel:
fenfte Form der Darftelung: keine Spur des inhaltleeren
MWortgepränges,, der Eintönigleit und ESprachmengetei,
worin die Kunftromane berfelden Zeit ihren Hauptvoges
fuchten ; überall finn- und witzvolle Kürze und Einfad:
beit, der nie bee bezeichnendſte Ausdruck fehlt, unge:
chwaͤchte Kraft der Mede, die nicht felten in eine heutzu⸗
tage für unanfländig geltende Derbheit übergeht, und le:
bendiger Wechſel der Form dem Wechſel des Inhalts ent:
ſptechend; zwar find auch bier die reichlichften Belege für
des Berf. ausgedehnte Gelehrſamkeit und Beleſenheit
überall eingeftreut, aber in fo ſchlichter und natürlicyer
Weiſe, daß fie nirgend für einen weitern Leferkreid un:
verftändlich werden. So flehen denn diefe Romane in
jeder Beziehung ganz umendli hoch über den Werken
von Kobenftein und Conforten, namentlih aud) nod
darin, daß in ihnen überall Sinn und Liebe für alles
Vaterlaͤndiſche ſcharf hervortritt, wovon jene keine Ab:
nung hatten oder haben wollten.
In einer feiner fpätern Schriften hat Grimmelshau:
fen die vollkommenſte Gelegenheit zu einer Vergleichung
feiner Reiftungen im Kunfttoman und in der volksthuüm⸗
lichen Erzählung felbft, man möchte faft glauben abficht:
lich, gegeben; denfelben Stoff naͤmlich, aus dem er feinen
ganzen Roman „„Prorimus und Eympida‘ gemacht, hat
er im „Ratbflübel Piutonis’ *) zu einer kurzen Erzaͤh⸗
lung von drei Seiten verarbeitet; fo langweilig jener Ro:
man iſt, ebenfo vortrefflih trifft diefe Erzählung ganz
den echten alten Legenden: und Volkston.
Das große Intereſſe, welches Srimmelshaufen’s Volks⸗
eomane im weiteſten Kreife finden mußten, erklaͤrt es zur
Genüge, daB man, wie bei jedem echten Volksbuche, an
die Perfönlichkeit des Verf. wenig ober gar nicht dachte,
und diefe fomit bis auf feinen Namen in eine Vergeſ⸗
fenheit geriet, ans der wir fie jegt nur mühfam und
theilweife wieder ans Licht bringen koͤnnen.
Den Hauptbeweis für die Volksthuͤmlichkeit biefer
Schtiften und den großen Beifall, den fie allgemein fan:
den, geben naͤchſt ihren wiederholten Auflagen die zahl:
eihen Nachahmungen ab, die fih an fie anfchließen,
von denen aber freilih mol keine ihrem Vorbilde gleich,
aur ſeht wenige ihm nahe kommen. Die verichiedenen
Simpliciſſimi und» Robinfonaden, die id, kenne, verras
then fehe deutlich, daß es ihren Verf. an der eigenen
Anfyauung und reihen Erfahrung gefehlt hat, aus der
Grimmelshauſen's Vorzüge hervorgehen; deshalb begnuͤ⸗
gen fie fich entweder mit ziemlich duͤrrer, blos bier und
da mit allerhand burlesken Einfällen verbrämter Aufzaͤh⸗
fung rein hifkorifcher Ereigniffe in Chroniftenmanter, oder
fie laſſen einer durchaus willkuͤrlichen, weder durch Drt
noch Zeit befchräntten Phantafie den Zügel fchießen, wor:
ans denn Producte entſtehen, die jeder leitenden Grund:
idee, aller Innern Wahrheit und Volksthuͤmlichkeit, kurz
jedes höhern Werth entbehren, wovon die „Inſel Selfen:
burg” vielleicht als leinzige werthuollere Ausnahme bafteht.
Noch werthloſer find, fo weit fi) meine Bekanntſchaft ers
ſtreckt, die fogenannten Avanturiers und Avanturieren, de:
ren Abenteuer fich über die Heimat wenig oder gar nicht
hinaus zu verbreiten und bier nicht von der ehrbarften
Art zu fein pflegen; während biefe Art von Schriften
*) Rathſtuͤbel Piutonis’‘, Gap. 6.
fih in Form und Juhalt wieder dem Kunfiroman i
feiner tiefften Ensertung zu nähern fucht, eignet fie . |
vom Simpliciimus und deſſen Genoflenichaft fat nae
die unfittlihen Partien in doppelt unſittücher Weiſe zus
Nahahmung an; denn fo unverhällt auch die Gemein:
beit und Sittenlofigkeit in Grimmelshaufen’s
oft auftritt, fo iſt doch eben ihre Bekämpfung dur Aufs
ſtellung eines bis zum Erſchrecken aͤhnlichen Abblides der
klar hervortretende Zweck ſolcher Schilderungen; in jenen
Avanturier6 aber wird die luͤſterne Darſteüung des Un»
fittlichen fetbft zum Zwei: die Männer find biee nur fo
lange keine Schurken, bi6 fie es ohne Gefahr fein koͤn⸗
nen; die Grauen bewahren ihre Ehre gerade nur fo lange,
bis fie fie, für diefe Leute ohne allen Makel und Voͤr
wurf, an einen reihen und vornehmen Bewerber verhan:
dein können; eine Lebensklugheit, die zu jemer Zeit frei⸗
lich vielfach praktiſch geübt fein muß, da ſchon Hof⸗
mannswaldau und Lohenſtein ſie in ihren ſogenannten
Heldenbriefen unbefangen genug lehten konnten. *)
So kann man allerdings fagen, daß Grimmelshau⸗
ſen's Volksromane in der deutſchen Literatur allein und
in ihrer Art einzig daſtehen; genauer betrachtet liegt dies
jedoch nur in der Eigenthuͤmlichkeit der Zeit, aus der fie
hervorgehen und die ſie abſpiegeln. Ihr Grundcharakter
laͤßt ſich als echt deutſch und in andern literariſchen Er⸗
ſcheinungen wiederkehrend nachweiſen; und wenn dies
nicht wäre, wide ja eben ein Hauptvorzug derſelben,
ihre vollkommen nationale Natur in einer daran fo Eläge
lich armen Zeit, verloren gehen; die große Verbteitung,
die fie im ganzen deutſchen Volke fanden, wuͤrde ſich
nicht erklären laſſen; fie würden als ein unorganifcyes,
fremdes Glied in der Entwidelung des deutſchen Volkes
geiſtes angefehen werden müffen.
Don der nahen geiftigen Verwandtſchaft zwiſchen
Grimmelöhaufen und mehren feiner Zeitgenofien, nas
mentlih Mofcherofh und Schupp, habe ich fchon gefpros
hen. Ihr naͤchſter Vorläufer im 16. Jahrhundert iſt
Johann Fiſchart. Gemeinfam ift beiden Männern eine
ehrenwerthe, echt volksthuͤmliche Gefinnung , gemein
fam audy der Reichthum an Witz und heiterer Lebens⸗
luft, womit fie ihre gewählten Stoffe behandeln, weſent⸗
lich verſchieden aber fonft Beider Darftellungsweife. Yu
‚*) I muß bier ausdruͤcklich bemerken, daß das oben über
bie Nachfolger Grimmelshaufen’s Geurtheilte ſich ausſchließlich
auf diejenigen Bücher ber genannten Gattungen gründet, die ich
aus eigener Lecture genau tenne, d. h. auf eine ziemliche, aber
doch nichts weniger als vollftändige Anzahl derſelben; fo wirb
z. B. die „Inſel Belfenburg’’ gewoͤhnlich zu den Avanturiers ge⸗
rechnet, iſt aber mit ben mir bekannten Schriften, die diefen
Namen meift fon auf dem Titel führen, durchaus nicht in
gleiche Kategorie zu fegen. Auch die Anfänge der Robiſon⸗
Eiteratur verdienen wol noch eine befondere Unterfuhung, denn
fo entſchieden ſich das erſte Vorbild derſelben im fechsten Buche
des „Simpliciſſimus“ findet, fo kommen doch die deutſchen Kos
binfonaben alle erft nach Daniel de Zoe (1719, deutfch 1720)
um Vorſchein. Endliich dürfte eine erfchöpfende Eiteraturger
chichte dieſer Zeit auch die zahlreichen Sammlungen von Eurzen,
unzufammenhängenden Grzählungen, Anekdoten u. dgl, nicht
überfehen, bie feit etiwa 1660 zu erfcheinen anfangen.
alten Scheiften Fiſchart's*) tritt bie Satire viel offenes
weh snuerhällter als Hauptzweck hervor als bei Grim⸗
welhauſen; zugleich verſetzt fich jener meifientheils **)
anf einen rein phamtaftifchen Boden, und indem er bier
fowel eines. ungezugelten Phantofie al6 namentlich feiner
hoͤchſt wunderlichen Behandlung der Sprache den freiften
Spielraum geſtattet, ſcheint er mir nicht felten den eigent⸗
lichen Zweck feiner Schriften aus dem Auge zu verlieren
mad Spiele dee Laume und augenblidlidhe Einfälle an
dein Stelle zu fehen; er gebt dabei mit einem unerhoͤr⸗
tm Beihthum an Wis, namentlich an Wortwitz wahres
haft verfhmenderifh um, und während er auf der einen
Seite durch die feinen Schriften zu Grunde liegenden
Ideen und buch Verſchmaͤhung aller conventionnellen
Feſgeln der Volksliteratur angehört, entferne er ſich
amdererfeit6 wieder von ihr durch die phantaflifche, dem
Vollsverſtande fernliegende Geftaltung feiner Schöpfungen
und durch die Kberreiche Kunſt, die er auf die bloße Auss
ſchmuͤckung feiner Arbeiten verwenbetz dem fcharfen Ge⸗
ganſatz zwiſchen gelehrter und Wollstiteratur, den haupt⸗
ſaͤchlich Opitz feſtſtellt, kanunte Fiſchart's Zeit noch nicht,
aber er war doch bereits im Begriffe ſich zu entwickeln,
und Fiſchart ſchwankt nur, wahrſcheinlich ſich ſelbſt un⸗
bewußt, zwiſchen beiden noch nicht ſcharf geſonderten Mich:
tungen bin und wieder. Grimmelshauſen fand dieſen
Gegenfeg vollkommen ausgeprägt vor und erfannte ihn
mit voller Klarheit, deswegen gehören auch feine Schrif:
tea ganz rein entweder der einen oder der andern Cats
tung an, und wit der Beſonnenheit, die ihn überall
charakteriſirt, behielt er bei feinen Volksromanen das vor
geſteckte Ziel weit fehler im Auge als Fiſchart; deshalb
iſt überall das wirkliche Leben feiner Zeit der Gegenfland
feiner Darftellungen, deshalb finder fi bei ihm Leine
Spur von dem umemdlihen Wortwige Fiſchart's, dagegen
eine weit Überfichtlichere Anlage feiner Werke im Großen
und Ganzen. Einen recht augenfäligen Beleg für das
vollkommenere ſchrifiſtelleriſche Bewußtſein Srimmelshau:
ſen's gibt es, daß er denſelben Stoff, deu Fiſchart zu ei⸗
mem ganzen von Wis und Laune Überfprudeluden Buche
wit dem größten Behagen ausfpinnt, wur gelegentlich zu
einer Epifode benupt, die jenes Buch durch den Zufam:\
menbang, in dem fie erfcheint, doch am Ende an wahrem
Humor übertrifft. ***) Diefe Epifode kann wol zugleich
ale Beweis angeſehen werden, daß Grimmelshaufen
Fiſchart's Werke gekannt, gefhägt und zwar benußt, aber
in der ihm gemäßen Weife umgeftalter bat.
(Die Fortſetzung folgt. )
Fidibus, Schelmenlieder von J. Laster.
bus. Gr. 8. 20 Nor.
Welche Zitel wird man noch erfinnen, um Leſer anzuloden !
Aber es hilft ja doch nichts. Wie ungebildet müßte der Ges
*) Nur mit Ausnahme des „Sluͤckhaften Schiffs” unter den
mir befannten Schriften Kifchart's.
**) Weniger ift dies der Fall in den gegen ben ingolftäbter
Sranciscaner Johannes Naß gerichteten GStreitfchriften.
»**) Bifchart’s „Flohhatz mit, Simptieiffimus”, Buch3, Gap. 6.
Danzig, Ra:
mer? ſeia, dem biefe ale Mehbe behagtet In einer Y
fung ©. Bl fpridt id Dee Merf. fin eig) Une Sn
Texte beißt ed: „Fuͤr Heine's Gedichte wird Schimper Dun
bein. — Rote für die Stuͤcklichen, welde fragen:
Wer iſt Schimper? — Berf. von Gedichten, die ki Eak
in Erlangen 1841 erſchienen und das madtehe fun,
was je zwiſchen Wahnſina und Unſinn bie Mitte gehalten."
Diele paar Zeilen find eine Probe von des Verf. Eiprit. Gin
wohlfeilerer Wis und eine fabere Reimerei find ung kaum ver;
gefommen. 4.
Bibliographie.
Brandstäter, F. A., Bemerkungen über das Ge
schichtswerk des Polybius. Danzig. 4. 10 Ngr.
Grundgefeg des Koͤnigreichs Norwegen.
gifchen überfegt. Königsberg, Boigt. .8
Herbert, E., Kritiſche Beleuchtung der preußüͤchen Gen
für s Inftructionen vom 4. Zebruar und W. Juni 1843; rise
gr
Aus dem Ron
5 Nor.
vernunftgemäße Unterfuchung über die Syſteme des Ghrikm |
und Judenthums und über die Theorie der Aegierungefornm
und Staatöverbände. Altona, Beilbutt. Gr. 12. 15 Rar.
6 —— fuͤr rn auf '= Jahr (1843/44),
erausgegeben von I. Buſch. 2ter . Wien, v. Ohm
und Bu &. 12. 2% Rer. abraens oo
Des deutichen Michels Jubel» und Feſt⸗Geſaͤnge bei der
taufendjährigen Jubelfeier der Deutſchen im Jahre OH
Derausgegeben von Michel — Rupig! Yhr eine Singſtinm—.
Hamburg. Qu. 8. 5 Rer.
Leſſing's Nathan der Weile auf ber Berliner Bübn,
Ein Vortrag gehalten in ber Geſellſchaft der Freunde ir
—— in Berlin. Berlin, Aſher und Comp. Gr.8
2 Agr.
Mayrhofer, J., Sedichte. Neue Sammlung. As
beflen. al r ——— und Vorwort ——
von ©. Rreeib. d Beuchterdieben. Wien, Klang. Gr.
1 Zpır. EM se
Nork, F., Biblische Mythologie des alten und neuen
Testaments. Versuch einer neuen Theorie zur Aufhellung
der Dunkelkeiten und scheinbaren Widersprüche in den a-
nonischen Büchern der Juden und Christen. ter Band.
Stuttgart, Cast. Gr. 8, 2 Thir. 11%, .
Nur für Augenblide, gir Damen. Fuͤr Herren. Der
pat, Severin. 1842. 32. 15 Rar.
Reventlow, C. O,, Lehrbuch der Muemotechsik
nach einem darchaus neuen auf das Positire aller Disciplinen
anwendbaren Systeme, Stuttgart, Cotta, Gr. 8, I Thlr.
Ta Ner.
6 Yulz, B., Die Bewegung ber Production. Cine gr
ſGichtlich⸗ ſtatiſtiſche Abhandiung zur Grunbiegung einer nıum
Wiffenfhaft des Staats und der Geſeliſchaft. Zurich, Literer⸗
ſches Comptoir. Gr. 8, 1 The.
Stein, C. v., Freud und Leid in Rovellen. Wecch
Kıönne. 8. 26%, Nor.
Trompetenſtoͤße und Puff, Anekdoten aus der Gegenwart.
Derauögegeben von Ha⸗He⸗Hi⸗Go⸗Hu, Kaiferlich chineſiſchen
Geh. Babnenfänoinger und Vivateufer a. D., Inhaber ber are
nen Pfauenfeder 1
Heft. Demmin, Geſellius und Comp.
eißenborn, W.,
nad) ihren biätetifchen Beziehungen, ihre Wapt, Zubereitung
und Anwendung, wie ſoiche Gefuntheit, Lebensvertängerung,
Hebung roniſcher Krankheiten, ſowie Rückficten auf Gharab
ter, Intelligenz, Gemüth und auf bie Reibenfchaften erfodert.
Ta R A. Hebert frei bearbeitet. Weimar, Voigt. Sr.
Zur Kenntniß der Geſellſchaft Jeſu. Bon einem Kathe:
liken. Züri, Eiterarifches Gomptoir. Lex.⸗8. 15 Nor.
TYy Nor.
Berantwortliher Herausgeber: Heinrich Brodbaus — Drud und Berlag von 3. A. Brodhaus in Leipzig.
—— — —— — ——
. Klaſſe. 370ſte Auflage. Die erſten W
Auflagen wurden vor dem Drude vergriffen.) Iftes und Ab
12,
Die NRahrungsftoffe bes Menfhen
Blätter
f
ur
literarifhe Unterhaltung.
Shriftoffel von Grimmelöhaufen, der Berfaffer
des „‚Abenteuerlihen Simplichfimus”.
( Bortfegung aus Nr. 282.)
Eine weit treffendere Parallele zu Grimmelshauſen
bietet das 35. Jahrhundert; ich erkenne nämlich in ſei⸗
nen Vollsromanen nichts Anderes als den „Eulenſpiegel“
des 17. Jahrhunderts. Bis ins Einzeinfte ließe fich die:
fer Vergleich da verfolgen, wo der „Simpliciſfimus“ halb
freiwillig, hald gezwungen ben Narren fpiele*); aber
die Ähnlichkeit liegt tiefer. Der „Sulenfpieget”, ale das
ältefte Muſter und Vorbild eines echt deutſchen komiſchen
Vollsromans, dem, um biefen Namen ganz zu verdienen,
nur Abrundung und Abſchluß zu einem organifchen San:
zen fehle, ift eine gutmuͤthige, heitere Perfiflage der ver:
ſchiedenſten Schwachheiten des deutſchen Volks, befonders
derjenigen Richtungen, die, von einem idealen, aber dem
wirftihen Leben je länger je mehr entfremdeten Stand-
punkte ausgehend, dem fhlichten, unmittelbaren Volks⸗
verlunde als durchaus nichtig erfcheinen mußten. Cine
ganz gleiche Perfiflage, ein gleicher, mit fchershaften Waf⸗
fm geführter Kampf für den fchlichten gefunden Men:
ſchenwerſtand, für einen unverfünftelten aber aufrichtigen
Blauben tritt une im „Simpliciſſimus“ und feinen Fort:
tungen entgegen. Auch die Formen, in Die beide
gleichartige Grundgedanken fich eingekfeider, find nahe
miteinander verwandt: ein nafver, urfpränglich gut gear:
teier Naturmenich, eine Art des jetzt fo beliebten ‚Deut:
[hen Michel”, wird ohne allen Anhalt in eine verkünftelte
und vielfach zerruͤttete Welt hinausgefchleudert, aber nicht
um mit derfelben auf Tod und Leben zu kämpfen, ſon⸗
dern um durch biefe Bereinigung ganz widerſtrebender
Elemente fortwährend in die laͤcherlichſten Situationen,
dınn und warn auch im ernflere Vertegenheiten zu gera=
then. Diefe zuerft im „Eulenſpiegel“ verkörperte Idee
ledte im deutfhen Wolle mehre Jahrhunderte hindurch
fort und nahm natlırli in jedem Beitalter eine einigers
maßen veraͤnderte Geſtalt an. So mar freilich im 17.
Jahthundert des alten Eulenſpiegel vollkommen gutmuͤ⸗
idize Art von Simplicitaͤt — denn der Charakter dieſer
Helden laͤßt ſich wirklich nicht treffender bezeichnen als
mit dem Namen, den Grimmelshauſen dem ſeinigen
) „Simpticiffimus”, Buch 1, von Gap. 28 an, Bud 2.
— — Rr. 2683, ö—
20. September 1843.
gibt — nicht mehr möglich: die Übelſtaͤnde, weiche gang
Deutfchland in biefer Zeit zerrutteten, waren zu eenſter
Art, als daß fie ſich mis der ungeträbten Heiterkeit des
„Eulenſpiegel“ hätten behandeln Laffen; dee fittliche Ver⸗
fall zu groß, als daß der, Simpliciſſimus“ die kindlich⸗
Unſchuld feines Vorgaͤngers hätte bewahren künum; bie
geoßen öffentlichen Interefien der Kirche und des Staats
nahmen jegt alle Gemuͤther zu fehr in Aufpruch, als daß
ber geiſtesverwandte Schriftſteller diefer Zeit ſich auf bie
Heimen Gemälde aus einem eng begrenzten buͤrgerlichen
Leben hätte beſchraͤnken innen, aus denen der „Eulen
ſpiegel“ zufammengefegt iſt. So if denn der Unterfchieb
zwiſchen dieſem und den Simplicianiſchen Remanen ledig⸗
lich die unumgaͤngliche Folge ihrer verſchiedenen Zeitalter.
Zwei andere Elemente des „Simpliciſſimus“, die ber Cu⸗
lenfpiegel” noch gas nicht kennt, find: die ſchon mehrfach
erwähnte, ebenfalls in der Zeit begründete Wanderluft in
bie entfernteflen und entlegenſten Gegenden, und daun
das Einmiſchen einer myſtiſchen und aliegerifchen Traum⸗
und Wiflonswelt, die, ber ſpaniſchen Literatur entlehnt,
um biefe Zeit in Deutfchland fleißig angebaut wurde und
weiter unten bei Beſprechung der kleinern Schriften Geim⸗
melöhaufen’s nochmals zu erwähnen fein wird. *) Kür die
Dasftellungsweife umd gamge Anlage des, Simpliciffinms
ift endlich noch der Unterſchied wichtig, daß der „Eule
ſpiegel“ wirklich unmittelbar ans ber Mitte bes Bois
hervorging, der ‚, Simpikiffimes‘’ aber von einem gebil⸗
beten Schriftfteller mit ſelbſtbewußter Abfiche verfaßt wurde,
der ſich dazu erſt mit geifliger Anftrengung auf einen weit
hinter ihm liegenden Standpunkt zurüdvesfegen mußte,
deſſen unwillkuͤrliches Product der ‚‚Eulenfplegel” war.
Diefer Umftand und die überhaupt vorgefehrittene Bil⸗
dung feines Zeitalters erklärt zur Genuͤge die kuͤnſtleriſche
Anlage und Abrundung des „Simpliciſſimus“, von dee
beim „Eulenſpiegel“ gar nicht die Mede fein Eann.
So fehen wir alfo, daß Grimmelshaufen’s Volksro⸗
mane in engem, organifhem Zufammenhange mit Dem
ſtehen, was auf demſelben Gebiete vor ibm geleiftet wor⸗
ben iſt, welche Zuſammſtellung denn auch ſofort ben echt
*) Im „Simpliciffimus”, Buch 9, Gap. 12 — 17; Bud 6,
Gap. ; am confequenteften und ausfährliähften ift dieſe
Richtung befolgt in Moſcheroſch's „Geſichten“; endlich kehrt fie:
auch noch wieder im letzten Theile der „Infel Felſenburg“.
deutfchen Charakter bes „Simpliciſſimus“ nachweiſt. Daß
diefe Gattung des Romans wol viele Nachahmer, aber
Beine echte Fortſezung und lebendige Zortbildung gefun:
den hat, iſt aus dem weitern Gange der beutfchen Lite:
ratuegeſchichte keicht erflärlih: bis in "das zweite Viegtel
des 18. Jahrhunderts, bis wohin bie literariſchen Zu: |
fände Deutſchlands eine ſolche wol möglih und wün-
ſchenswerth gemacht hätten, fand der dazu befähigte
Mann nicht auf, wie dergleichen immer und überall nur
felten erfcheinen. Die Gegenfäge der verfchiedenen litera⸗
riſchen Nichtungen wurden uͤberdies feit dem Anfange
des 18. Jahrhunderts mehr auf ihrem eigenen Boden,
als vol literariſche Fehden ausgefockten, weiche aller, am
meiften der volksthuͤmlichen Productivität hemmend im
Wege ftanden. Sobald fich endlich die deutfche Literatur
aus ihrer tiefflen Erniedrigung, die eine Reaction noth:
wendig hervortief, zu erheben begann, war ihre Streben
auch fofort ein idealeres und allgemeineres, als daß es fid)
mit einer im Sinne bes , Simplieiffimus” gehaltenen
Dppofition gegen die bisherige Miſere hätte begnügen
tönnen: Haller, Hagedorn, Gellert, Gleim nebſt den ſich
naͤher und ferner an fie auſchließenden Dichten waren
Die Borläufer, Klopſtock, Leſſing und Wieland in ver:
ſchiedenen Richtungen die Wollender einer ganz neuen
Schöpfung, und feitdem hat jede bedeutende dichtetiſche
Kraft dahin geftrebt, im hoͤhern Sinne Volksthuͤmliches
zu fchaffen ohne bie Worzüge aufzugeben, welche fid) eine
wahrhaft nationale Dichtung allerdings auf kuͤnſtleriſchem
Wege aneignen muß, wenn fie überhaupt ale verſchoͤnernde
und veredeinde Kunft gelten will. So verfhwand aus
dee deutfchen Literatur einerfeits die Roheit und Form⸗
iofigkeit der Altern Volksdichtung, andererfeits die Gehalt⸗
und Geiſtloſigkeit ber gelehrten Poeſie, und ber frühere
Gegenſatz Eonnte in der grellen Weife des 17. Jahrhun⸗
derts nicht mehr auftreten. Die Gegenfäpe, an denen
es auch ber neuern und neueſten deutſchen Dichtung nicht
gefehlt hat, fehlt und fehlen wird, hier zu beſprechen,
würde von meinem Ziele zu ‚weit abführen; jedenfalls
aber find fie von weſentlich anderer Art und alfo auch
von anderer Wirkung als jene, aus welchen Grimmels⸗
haufen’s Volksromane hervorgingen.
UÜbrig iſt nun noch die Beſprechung von Grimmels:
hauſen's zahlreichen Eleinern Schriften vermifchten In⸗
halte. Diefe find, wie ſchon bemerkt, in dem dritten Bande
der Befammtausgabe von 1685 unter dem befondern Xi:
tet „Staats: Kram” vereinigt, außerdem gehört aus bem
zweiten Bande berfelben Ausgabe noch ber ,‚,Teutfche
Michel“ und der „Ewigwaͤhrende Calender” hierher. Un:
berädfichtige werbe ich in dem Nachfolgenden drei dleſer
Arbeiten lafien: den erften „Baͤrenhaͤuter“, die „Gauckel⸗
tafche”, da6 ‚„Manifeft für bie rothen Baͤrte“; die erſte
diefee Scheiften iſt als eine nette ſcherzhafte Novelle mit
Necht von Buͤlow erneuert worden *), aber für eine literar⸗
biftorifche Würdigung Grimmelshauſen's ohne twefentliche
Bedeutung; bie zweite iſt durchaus ohne eigenthuͤmlichen
) In Bülow’s „Rovellenduch”, Bd. 2, S. 559.
2 1054
Werth; die dritte endlich fcheint mir nur ein in Sifbert‘;
fiber Manier, doch ohne deſſen Sprackunfftude, auche
ſponnener Scherz zu fein, hinter dem ich einen wirklichen
Gehalt nicht babe entdecken können, *) Bemeinfams
Nerkmal alter übrigen hierher gehörigen @chalften if, vof
ber beichrende Zweck, der in den Momande durchaus nice
beſonders herausgehoben wird, hier entfchieden als leicht
erkennbare Hauptſache hervortritt; daß fie deswegen alı
als in einer beſtimmten Abſicht gemacht etſcheinen, mit:
rend die Romane im Gegentheil als ſchlichte Erzählung
wirklicher Erlebniſſe angeſehen werden wollen und könne,
Als Gegenſtaͤnde ber in biefen Schriften niebergelegten
Belehrung kaun man im Aügemeinen bie bedentmöfm
Iutereffen der Zeit angeben: Glaube, Sprache und Eitt
des deutſchen Volks im weiteflen Sinne; daß Schriften,
die für ein größeres, nicht durchweg gelehrtes Publicum
beſtimmt waren, in jener Zeit auf die eigentliche Palit
nicht geradezu und ſoſtematiſch eingehen, verſteht fid bei
einiger Kenntniß von dem damaligen Zuflande der Re—
gierungen und des Volks wol fo ziemlich von ſelbſt; da:
gegen enthalten fie zahlreiche bie Öffentlichen Verhälmiie
näher ober ferner beruhtende Partien. Ihrer Form nd
nähern ſich dieſe Schriften theild der reinen Erzählung
doch immer mit leicht kenntlicher didaktiſcher Ridtum
und vielfach eingelegten Dialogen; theils der reinen Ak:
handlung, doch auch hier durch häufig beigebrachte Bei:
fpiele und Anekdoten zu unmittelbarer praßtifcer Anıse:
bung der vorgetragenen Lehren auffodernd.
Sehen wir zuc nähern Betrachtung ber einzelnen
Schriften über, fo fpringt fofore in die Augen, daf fi
ebenfo wenig als die Romane alle einer und detſelben
Richtung der Eiteratur angehören, und zwar fliehen einig
von ihnen in engem innerm Zuſammenhange mit m
„Simpliciſſimus“, gehören alfo der Volksliteratut an;
dies find: das „Rathſtubel Plutonis“, der „Teutſch
Michel”, der „Stolze Meier” **), „Warum Er nik
tatholifdy werden könne” und ber ,, Ewigmährende Ge
lender“. Andere fliehen auf vollkommen gleichem Bern
mit Grimmelshaufen’6 Kunftromanen , dies find: da
„Satyeifhe Piigram“ und der „‚Batio Status“, Die
übrigen fünf Schriften gehören einer dritten, noch nike
zu bezeichnenden Gattung an. |
Wenn ic) eben fünf diefer Schriften als dem „Sie:
plichffimus” gleichartig bezeichnete, fo geht daraus «int
ſeits hervor, daß fie die oben näher bezeichneten formelm
*) In mehren Anekbotenfammlungen aus biefer Zeit frhrt
ein Wigwort wieder, mit dem ein Rothbärtiger den Gpott rind
Schwarzbaͤrtigen zurädfchlägt: dies ſcheint barauf' hinzubenter,
daß man bamals auf bie Barbe ber Wärte einen Werth It
wie es jetzt höchftens ein vollendeter Dandy thut; dies hat vih
leicht Grimmelsgaufen’s betreffende Schrift veranlaßt, die dan
wahrſcheinlich in ironiſchem Sinne zu faffen if.
p Ebenfalls von Bülow erneuert, im „Novellenbuche“, 8-3
S. 60. So wertpuoll diefe und alle ähnliche Bearbeitungen Bi
low's in aͤſthetiſcher Beziehung find, fo verräth fich doch der
Mangel an firenger hiſtoriſcher Kriti gleich in der erften Zei,
wo die erzählte Begebenheit entfdieden unrichtig in das Jahr
. *)
1 1683 verlegt wird; |. S. 1044, Anm
J
Voerzuͤge dieſes Memams theilen, andererſeits, daß fie auf
derfelden gediegenen, ‚echt volkochimlichen Gefinnung wie
jene berufen müſſen, und zwar tritt letztere wegen des
meht didaktifchen Charakters dieſer Schriften hier faſt
noch deutlichen hervor als dort, fodaß wir fie noch genauer
als eine deutſch bürgerliche Sinnesart bezeichnen können,
wozu als naͤchſte und treffendfle Parallele Juſtus Mi:
fer's „Patriotifche Phantafien * su nennen. find, mit de:
nen hier in ber That eine fo auffallende Ähnlichkeit ſtatt⸗
findet, daß man oft glauben möchte, ganz Daſſelbe bei
Möfer gelefen zu haben, was zugleich als das ſchoͤnſte
Lob fuͤr Grimmelshauſen's ſchlichte und Präftige Darftel:
fungsweife gelten kann. In Beziehung auf den Stoff
dem „Simpficiffimus‘ am naͤchſten flieht das „Rathſtuͤbel
Plutonis“. Bier finden fih nämlih noch einmal alle
Hauptperfonen des, Simpliciſſimus“ nebft noch einigen
andern, neuen Charakteren zufammen und behandeln zu:
naͤchſt dialogiſch die Kunft reich zu werden, bie fie, bei
der heſchickteſten Feſthaltung und Durchführung der vers
fhiedenen, durch ihre ‚Auftreten in den Romanen feflges
fieliten Charaktere, doch im Weſentlichen uͤbereinſtimmend
alle in dee Entaͤußerung von allem unnöthigen, nament:
lich auslaͤndiſchen Lurus in Kleidung, Nahrungsmitteln
u. f. w. finden; an dieſes Geſpraͤch fchließen fi kurze
Erzählungen und Betrachtungen des verfchiedenften In:
haits, aber alle mit volksmaͤßig lehrhafter Wendung an,
die von den einzelnen Perfonen der Reihe nach vorgetra»
gen werben: dis Art, in dee bier hiſtoriſche Perfonen,
J 8. Wallenſtein, Johann von Werdt u. A., tur; ge
jeichnet werben, koͤnnte noch heute Volksſchriftſtellern zum
Muſter dienen. Strenger in erzaͤhlender Form als ein
ununterbrochenes Ganzes iſt der „Stolze Melcher“ durch⸗
geführt; ein reicher Bauerſohn, den Ubermuth und Wer:
cehrtheit verleitet hat, franzoͤſiſche Kriegedienſte gegen Hol:
land zu nehmen, kehrt krank und abgeriſſen wie der ver⸗
lotene Sohn nach Hauſe zuruͤck, wo er aber zum Scha⸗
den auch noch den Spott zu dulden hat. Das didakti⸗
ſche Element in dieſer Schrift wird hauptlaͤchlich dadurch
gewonnen, daß der Junker und der Pfarrer des Dotfes
als geiſtig hoͤher ſtehende Theilnehmer und Beurtheiler
der Handlumg eingeführt werden, was ganz ebenſo bei
Miöfer wiederkehrt; diefe knuͤpfen an des ſtolzen Melcher
Schickſal Betrachtungen an, welche uns Deutſchen ‚Au
wiederhoten Leider noch fange nöthig geweſen, vielleicht
jett noch noͤthig iſt: fo ſieht man bier, daß es nicht ber
Napoleoniſchen Kriege bedurft haben follte, um zu erken⸗
nen, daß
i ranzoſen zugleich fuͤr Verfechter, fuͤr Schanz⸗
a ie 1 rd aaflen, fie durch ihre 5
Me ee Er
t augzu
a in ben —— aber die Gräben autzufuͤllen.
Oder wer follte nicht in ben folgenden Worten eine viel
weiter als blos für das 17. Jahrhundert gültige Wahr:
beit anerfennen: 6 nigt finde
i — ſagte der Junker —, da nicht finden
ui dp jemals die dein ent als N Deutfie übers
wunden werben koͤnnen; bas wiflen bie Branzofen, und derowe⸗
gen fehen wir, daß fie gu unfern Zeiten um anfer Beh, bat
wir beides um franzoͤſiſche Waaren und mit obnnöthigen koſt⸗
baren Reifekeften in Frankreich hinein vernarren, unfere junge
Mannſchaft an ſich locken; und hernach um berfelbigen Zapfer:
keit, Mühe, Arbeit, Blut unb Leben fowohl bie aroßen Städte
ats die Wictorien im Feld von den Nicberteutichen erkau
werben, auch mit folder Mode uns da und dort zu zwacken
nicht aufhören, wann wir die Augen nicht beffer aufthun, bis
fie uns endlich nody gar um unfere Freiheit, um Hab und Gut,
ja um Alles, was Deutfchland groß und ruhmreich macdıt, ge
buadyt Haben werben.
Diefe Worte erfcheinen wahrlih als die Stimme: eines
Prediger in ber Wuͤſte, wenn wir bedenken, daß fie etwa
zwölf Jahre vor dem Haube Strasburgs geſchrieben find !
Haben die beiden genannten Schefften hauptſaͤchtich
bee Deutfchen Sitte und politifdhe Lage zum Gegenſtande,
und find fie in Ferm und Anlage den Romanen nahe
verwandt, fo nähern. fich die beiden andern mehr der rei⸗
nen Abhandlung, und mol eine Folge diefes Umſtandes
iſt es, daß fie jenen an Friſche und Volkothuͤmlichkeit ber
Darftellung nicht ganz gleichfiehen, daß fich in ihnen bie
Gelehrſamkeit des Verf. ſchon eher in ſtoͤrender Weile
blicken laͤßt; doch iſt dieſer Abſtand hier jedenfals nur
ein ſehr geringer. Im „Teutſchen Michel” wird der Bu:
hand der Mutterſprache in Vetracht gezogen, unb mit
gefunden Urtheil ebenfo fcharf die barbarifche Sprachmen⸗
gerei des 17, Jahrhunderts als bie abgefhmadte Art von
Sprachreinigung, die Philipp von Zeſen ausgefonnen hatte,
getadelt; zahlreiche fcherzbafte Anekdoten fegen die Wer:
kehrtheit beider Verirrungen in das heilfte Licht. Von
ber legten hierher gehörigen Schrift endlich ‚Warum Gr
nicht katholiſch werben koͤnne“, die wieder in Geſpraͤche⸗
form eingekleidet ift, aber dennoch den Charafter der Ab:
bandlung an fich trägt, habe ich ſchon oben nachgewiefen,
wie fie der Blaubensfreiheit in einer für das ganze Volt
befimmten Weife das Wort reber.
Meniger ein zufammenhängended Ganzes kann feiner
ganzen Anlage nad der „Ewigwaͤhrende Galender” bil:
den. Die Idee, mit Kalendern als den verbreiterften aller
Volksſchriften didaktiſche oder fonftige Zwecke zu verbins
den, gehört den Volkokalendern unferer Tage keineswegs
eigenthuͤmlich an: ſchon Thomas Murner hatte, wahr⸗
ſcheinlich 1527, dieſe Einkleidung für die giftigſte feiner
Satiren gegen Reformation und Reformatoren gewaͤhlt,
und Ähnuches kehrt mehrfach bis auf die Ketzeralmanache
aus dem Ende des vorigen Jahrhunderts wieder. Weit
näher der belehrenden Tendenz unferer Volkékalender fleht
Grimmelshauſen's Arbeit: bier enthält die erfte der feche,
fünf oder vier Spalten, in die je zwei gegenüberfichende
Seiten zerfallen, die Ramen ber Heiligen für jeden Tag.
Die zweite und dritte Spalte bringt gefchichtiiche Notizen,
befonder® zahlreich aus dem Dreißigjährigen Krieg, Haus:
mittel, Wirthſchaftsregeln und Anekdoten, die als einzelne
Nachtraͤge und Ergänzungen zum „Simpiiciffimus”, nas
mentlich zum vierten Buche deſſelben, angefeben werben
Sinnen; ſchon bier bewährt ſich des Verf. gefunder Sim
in Eurzen Bemerkungen, die er manchen, mehr oder we:
niger abergiäubifchen Dausmitteln fpottweife beifügt. Be⸗
deutender iſt bie zweite Dälfte der Arbeit, die ausführliche
“
Dialoge uͤber Rotenderweien, Afttenomie, Afteelogie und
Welffagungen enthält; bier find nicht nur wirklich ein:
gehende Kenntniffe in für jene Belt trefflich populairer
Weiſe entwickelt, fondern noch wichtiger iſt der durch⸗
gehende Kampf gegen thoͤrichten Aberglauben; freilich ver⸗
wickeit ſich Grimmelshaufen dabei nach unſern Begriffen
in ſtarke Widerſpruͤche, indem ihm Vieles noch glaublich
iſt, was heute laͤngſt abgethan iſt; wir wiſſen ja aber
aus zahlreichen andern Quellen, welche ernſte
man im 17. Jahrhundert noch dee Aſtrologie und dem
Mativitaͤtſtellen beilegte, ſodaß es ſchon als ein Verdienſt
bettachtet werden muß, wenn ſich ein tüchtiger Mann be:
whhte, in dieſen Angelegenheiten fcheinbas wiſſenſchaftliche
Regeln an dis Stelle der reinften Willkuͤr und Charlas
tanerie zu bringen. Go if namentlich dieſe zweite Hälfte
des Kalenders eine mit ehrenwerther Bemuͤhung der Be⸗
des Motto gewidmete Arbeit.
So fchen wir alfo in dieſen fünf Scheiften die bes
deutendften Iuterefien des Waterlands in ebenfo ehren:
werthem Sinne als allgemein verfiändlicher Form beſpro⸗
chen; deppelt liebenswärbig erſcheint der Verf. darch bie
Milde des Urtheils und die gutmäthige Heiterkeit, Die
uberall Benntlich iſt, ohne dem Ernſt, mit dem er die
heiligſten Intereſſen verficht, irgend Eintrag zu thun.
* (Dee Beſchluß folgt.)
Mankerlei.
Hesel’s Lehre von den Wegriffen als ſich ſelbſt bewegenden
Subſtanzen und miteinander haushattenden Weſen, denen ber rechte
Philoſoph nur zuzufehen und bie er nur in feinem Bemußtfein
einzufangen bat, bient vortrefflid zur genetiſchen Erklaͤrun
mancher Vorgaͤnge. So Läuft jegt in der Welt ber Beariff
einer hriftiihen Kirche herum, und ihm jagen die Theo⸗
logen nach, und bie Religionsphilofophen und die Polititer. Am
been eingefangen hat ihn der Papfl und ihm in feiner Perfon
concreted Dafein gegeben. Den proteſtantiſchen Zheologen will
dies nicht gelingen, er entichlüpft ihnen trog ihrer Kirchen⸗
zeitungen, Unionen, Abftrafungen bes Lirchenfeindlichen Ratios
naliömus. Die Religionsphilofophen fuchen Ihn einzufpinnen
darch Dialektik, aber der Begriff zerdeißt ikme Gewebe, und
will in ihr Bewußtfein fich nicht einfegen laffen. Die Politiker
fuhen ihm mit Negen und Leimruthen beizukommen, allein
auch bdiefen entgeht er durch behutfame Vermeidung des Netzes
und der Kiebftellen. Gind die Jaͤger verfeflen auf Teinen Beſitz
und bartnddig in ihres Jagd, fo werben fie immer mehr dem
pepfitichen Gebiete entgegengefährt, auf welchem alle d vers
boten ift, indem der Begriff dort mit dreifacher Krone geſchmuͤckt,
als in feiner Heimat, luſtwandelt und von’ feiner Weltreiſe
ausruht. Ihn dort zu haben, iſt fehr leicht, denn er ſchenkt
fi gern feinen Liebhabern mit dem Papfte ſelber; nur nicht
ohne Krone, nicht, um in ein Mildgeheg geiperst ober in ein
Beuchtfeld eingezAäunt zu werben, fondern um triumphirend auf
den Schultern geftagen zu fein, Theologen zu meiftern, Philos
fophenzu befhämen, Polititern ernfte Mahnungen zu ertheilen.
Davor ſtutzen nun dieſe alle, weichen zuruͤck, beginnen ihre uns
fruchtbare Jagd aufs neue, und Einer meint immer, es liege
an dem Laͤrm bed Ankern, daß man den Begriff nicht fange;
die Theolo fchmälen auf Philofophen und Politiker, diefe
wicder auf jene, der Laͤrm wird durch ben Zank noch größer,
und Keiner wird einfangen, was er ſucht.
Mitloſophi ein
Armuth, enfant & la
un
: dötresse et oempagse de
De op, bem en wohl if in feiner Haut,
n enſch, we vo t und mi
Genuß feine Wänfche befriedigt, — ih um man daten
ſich eben belümmern muß, un ebenfe
bie 4, ven
Zweifler. Sie ift
allerlei Beten
dethalb arm, ſucht aber zu heifen dark
und Rat. Michl Dem
und feines Be un
Ä — weicher vi,
ng, beines Mothes bederf. Kommen bie
Kinder ind Himmelreich (Matth. 18, 3), welche das Itdiſche
mit voller Seele naſchen, fo haben fie keine Phlioſophie un
bebürfen keiner. Wollen daher weltliche und geiſtliche Führer
der Voller Phliofophie abſchaffen und dieſelbe als Feſcheig
und entbehrlich darſtellen, fo fie vieleicht das Wehl ihen
Untergebenen im Xuge und 5 ihnen bie Seligkeit der Kine
zu ſchenken, follten aber zugleich dem Mangel und der Armut
im Sinnlicyen wie im Geiftigen ſtets vorbeugen können. MW.
Literarifhe Anzeige.
Durch alle Buchhandiungen iſt zu erhatten:
Der nene Pitaval.
Cine Sammlung der intereffanteften Griminalge
ſchichten aller Länder aus älterer und neuerer Zei.
‚Derausgegeben von
Dr. 3. €. Hitzig und Dr. W. Gäring (W. Aleriv).
Erſter bis beitten Theil,
Gr. 12. Sch, 5 Thir. 24 pr.
Inhalt bes exfien Theits (Preis 1 Chile. M Mer.):
Kari Ludwig Sand, — Die Ermordung bes Fualdes. —
Das Haus der Frau Web. — Die Ermordung bes Pater Te
mas in Damaskus. — James Hind, der royaliftifche Gtrafen:
räuber, — Die Mörder al Reiſegeſellſchaft. — Donna Worte
Bicenta be Menbieta. — Die Frau des Parlamentöraths Tigut.
— Der falfdye Dartin Guerre. — Die vergifteten Mohrrouͤben
Inhalt bes zweiten Theile (Yaris I Sir):
Fonk und —8 er
Die Gebeimräthin Urſinus. — Anna Margaretha Imanzige.
— Gehe Margaretha Gottfried. — Der Lirtbfehaftsfchreie
Tarnow. — Die Mörberinnen einer Bere. — Die beiden Rim:
bergerinnen. — Die Marguife de Gange.
Inhalt bes breitten Theile (Yes 3 Ehke.):
Strumfee. — Lefurques, — Der — Der
Marquis von Anglade. — Jacques Lebrun — Der Mord di
Lord William Ruſſell — Nickel Lift und feine Seſellen — Ber
thelemy Roberts und feine Flibuſtier.
Der vierte Theil dieſer intereffanten Sammlung wit
noch im Laufe diefes Jahres erfcheinen.
Reipgig, im September 1843.
S. a. Brockhaus.
VBerantwortiiger Deraußgeber: Heinrih Brodhand. — Droue und Berlag von F. A. Brockhaus im Beipzig.
r. — Die Marquije von Brinvilier. —
Blätter
fhr
literarife Unterhaltung.
Donnerötag,
— Ar 204.
21. September 184.
Chriſtoffel von Grimmelähaufen, der Verfaſſer
des „Abentenerlichen Simplitiſſimus⸗
(Befchiuß aus Nr. 268.)
Den mtichiebenften G⸗
qeuen Schriften bilden der —— Pigram“
—— * Ratis. Status’: dort unmiſtelbates en
geben auf die wichtigſten Angelegenheiten Deo Waterlandd, :
bier in mißlges, vefuttatiofes Gedankenſpiel; dort Alles
belebt durch wwmiittelbare Anwendung auf die naͤchſten
Bedürfniffe des deutfchen Wells, hier Alles dur und
buch unprakeiſch; host lebendige, heitere und einfache :
Daeſtellung, bier Suifheit der Sprache um) prunfendes
Anbhäufen todter Gel⸗ehrſamkeit; dort wird mau beim Les
fen ebenfo angezogen wie hier gelangweilt. Der „Saty⸗
tiſche Pügram’‘ zerfaͤllt in zwel Bücher von je sohn Ga: '
piteln, in „Sat“, „Gegeuſatz“ und Nachklang“; in je
dem wird irgend ein beliebig aufgegriffener Begenliand fo
behandelt, dab bee „Satz“ das Guce deſſelben, der „Be:
genſatz“ fein Boͤſes auseinanderfegt, und ber „Nachklang“
de Abrechnuug zwiſchen beiden haͤlt, welche ohne Aus:
nahme als eine siemiih matte Paraphraſe des alten
Spruchs: „iedas Ding hat ſeine zwei Seiten“ ausfält.
Einige Capiteluͤberſchriften urbgen bier als Proben er '
seiprochenen Stoffe und ihrer bunten Befammenmürfeiung |
Bay finden: „Bon Gott und deſſen Lob”, I, L, wo
fih der Gegenfatz freisich darauf beſchraͤckt, zu fagen, daß
* feinen gebe; ‚Don den Bauetn umd ihren Berzigen”,
1,4; „Vom Janzen, deſſen Urfprung und Lob”, I, 6;
„Ben der Poeserei und beefeiben Wertrefflichleit”, ü. t3
„Vom Gefhüg und deſſen mie auch des Bücfnpuivers
i Gebrauch“, Il, 2; „Von der Liebe, ihrer Ei:
uenfhaft und Wirkungen‘, MH, 3; „Wom Taback, meher
derſelbe kommen, und wozu er diene”, II, 4; „Von der
HYhiloſephia und den Phileſophis, II, 6; „Bon ber Mum⸗
merei, und warum dieſelbe Maſũe und verantwortlich“,
u, ’. im Eingehen in das Gingeine wid man bier
wol nicht verlangen, *7r ſich gern wit dem obigen
gemeinen Urtheil
Ja dem „” ——* Batio Status“ tönnte man
luicht eine grimdlihe Darflellung ber bamaligen Gebzechen
in dem ——* Zuſtande Deutſchlande ſuchen wollen;
die Erwartung wird aber ſchon ſehr herabgeſtimmt wer
dm, wenn man auf dem ie weiter Heft: „‚iuflig ent⸗
Me
zeufag gegen Die eben befpoe: | feibung des gebeffeen Gegemfandes diefer Abtendtung
| zannen beherbergt und ihm Folge geleiſtet wird”;
werfen unter der Hifteri des weidlichen Könige Saul,
bes ſanfemuͤthigen Koͤnigs David, des getan Prinen
JJonathan und des tapfern Generaliſſimi Joabi“, was
alſo vonnigfiens ſchen eine abſichtliche Umspüllung und Vor⸗
ankuͤndigt. Und in der That IE dieſe Umhuͤllung fo
dicht, Daß es num möglich wird, irgend vat⸗waͤndiſche
Beziehungen in dieſer Scheift zu entdecken. Batio Sta-
tus beißt. nach Grimmelshauſen's Definition ‚‚in unſeret
beusigen Alomode-Weit Die Übung ber Selbſt⸗Erhaltung
fanst dem Fleiß und der Muͤhe, fo hierzu angemandt
wird, als weiche gleichſam das Leben und die Beste eines
Reichs ober einer Republique iſt“, und feine Zweikoͤpfigkeit
beſteht darin, daß er, „aut ober boͤſe, je machdem er etwan
von redumdßigen, frommen, Gott und der Weit gefaͤlli⸗
gan Regenten, oben aber von ungerechten, gottlefen Ta⸗
als
Nepsdfentant dee letter, ſchlochten Art von Staatsweis⸗
beit wird Macchiavelli auf das lebhafteſte angegriffen.
| Man ficht hiernach Leiche, daß das Ganze ſich eigentlich
nur durch größere Ausfihelichleit von ber im „Satyri⸗
fhen Pilgram“ eingehaltemen Behandlungkweiſe unser
ſcheidet, der hier noch eine gefchichtliche Grumdiage zur
gefügt iſt; die weitere Ausfährung beſteht naͤmlich dari
daß die zwiefache Staatsweisheit in langweiligen 8*
anderſetzungen und Betrachtungen dsber die bibliſche Er⸗
zaͤhlung von Saul, Jonathan, Dauid und Joab veran⸗
ſchaulicht werden fol. Schließlich iſt „dem hochloͤblichen
Frauenzimmer zu ſonderbaren Ehren und Wohlgefallen“
ein „Discurs vom Favoriten Sabud” angehängt. Don
mittelbarer oder unmittelbarer Anwendung auf bes Verf.
zeitliche umb raumliche Gegenwart nirgend eine Spur!
So fehle alfo diefen beiden Schriften keine der Eigen
fchaften, derentwegen votz Grinmelshaufen’s Kunfkcomane
wie alle auf Lohenſtein ſchem und verwandteni Grunde
aufgebauten Schriftwerke fehr gering zu ſchaͤtzen endlich
gelesut haben.
Ich wende mich wen zu der letzten Abeeilumg vom
Grimmelshanfen’s Weinen Schriften, welche die „Werbehete
Welt”, deu „Eiligenden Wanderemann“, die „Traumge⸗
ſchichee von Die und Mir‘ und die „Meifihefihreibuung
nah der neuen Mondswelt” umfaßt. Es find Dies dies
jenigen Schriften, in welchen bie fügen eben «ewähnte,
v 3 *
gegen das Ende des „ Simpliciffimus” auftauchende Traum⸗
und Vifionswelt entfchieden vorherrſcht. Sittenſchilderun⸗
gen der Gegenwart waren in ber erſten Hälfte des 17.
Jahrhunderts von ſpaniſchen Scheiftftelleen mit vielem
verſucht worden; die Pibendige Phartafie der Spa:
niet gab auch diefer Gattung von Schriften alchald einen
ſcharf ausgeprägten Charakter: theils nahmen fie dem re:
ligioͤſen Standpunkte ihres Vaterlands gemäß eine asceti⸗
ſche, weitverachtende Richtung; theils wurden fie in mehr
heiterer und ſatiriſcher Weiſe, zugleich in einer rein phan:
taſtiſchen Forma angelegt; in Iegterer Weife flellte Quevedo
das von ihm Beobachtete als eine Reihe von Traͤumen
dar, in erflerer find die Peoben, bie Grimmelshauſen aus
den Schriften Guevara's, die ſtark auf ihn gewirkt hat:
ten, mittheilt.”) Wie jede bedeutende Erſcheinung des
Auslands wurden auch diefe Spanier in Deutfchland,
son wo fich feit Karl V. außer dem lebhaftern Handel aud)
wol mancher geiflige Verkehr nad) Spanien bin ange:
fponnen hatte, gelefen und nachgeahmt. Ein gluͤckliches
Geſchick führte ihnen gleich in dem erften namhaften deut:
ſchen Bearbeiter einen in jeder Hinſicht befähigen Mann
zu: Mofcherofch ſtammte nie nur von einer ſpaniſchen
Familie ab, fondern befaß audy alle Eigenſchaften, um
mehr als ein blos Außerlicher Nachahmer feines Vorbildes
zu werben. Dies ift, wie er felbfl fagt, Quevedo, d. h. er
hat von ihm den Gedanken entiehnt, ſatiriſche Zeitſchilde⸗
sungen in Form von Traumgefichten nieberzulegen ; fonft
aber ift fein Werk durchaus ebenfo, ja noch mehr deutſch
geworden, als 3. B. Wolfram von Efchendba im „Par:
cival“ die franzoͤfiſche Sage verdeutſcht hat; «6 find nicht
nur deutfche Sitten und Zuftände, die er fehlidert, fon:
dern auch feine ganze Betrachtungo⸗ und Darſtellungs⸗
weiſe mit ihrer fittlihen Grundlage if ganz fo deutich,
als es die bdeutiche Literatur damals Überhaupt zu fein
vermochte. Was feinen Traumgeſichten dennoch abging,
um ein mahres Volksbuch werden zu tönnen, babe ich
fon oben bei der Vergleihung Beimmelshaufen’s mit
feinen Geiſtesverwandten ausgeſprochen.
Hier ſchließen fich nun unmittelbar die in Rede ſte⸗
henden Schriften Grimmelshauſen's an. Ohne Zweifel
entweder von Quevedo ſelbſt oder von Moſcheroſch hat
er die Anlage und Einkleidung dieſer Schriften entlehnt,
jedoch nicht ohne ihre durch eigene Erfindungen Abwech⸗
felung zu geben; auch die fatirifche Richtung ift hier im
Wefentlichen wie dort, und wenn bei Grimmelshaufen
vieleicht noch mehr fittlicher Ernft zu Grunde liegt, fo
wird die Urfache davon vielleidyt in dem fchon erwähnten
Einfluffe des mehr ascetifchen Guevara auf Grimmels:
haufen, zum hell auch in feiner eigenen Natur zu fu:
chen fein; bei alle Dem aber find auch diefe vier Schrif:
ten buch und durch, mehr noch als der zur Unzeit ge:
Belsere Moſcheroſch, deutfch und flehen durch ihre gefunde,
unverkünftelte Lebensweisheit in - voller Übereinftimmung
mit allen volksthuͤmlichen Schriften GBrimmelshaufen’s.
re Einkieidung nach find fie Grezaͤhklungen von bem
v*) „Gimpliifinst, Buch 5, Gap. 23, IA
Mannes wird wur an di
we:
Wunderdingen, die der Verf. theils in einer ſelbſtgematce
ten unterirdiſchen Hoͤlle, theils im Traume eilebi haben
will. Die Darſtellung iſt ebenſo voll Friſche und Leben
wie in den beſten unten feinen Übrigen Schriften, un
die allerdings auch In Ehen: ſichthare Selchtſamkeit vu
nzeinen Stellen durch Sprag
mengerei und gehaͤufte Citate anſtoͤßig. Am conſequente:
ſten und gelungenſten durchgefuͤhrt, zugleich am eigen:
thümlichften in der Anlage und von einer meißterhaften,
in aller ihrer Ausführlikeit nicht ermüdenden Irene
if die „Verkehrte Welt”: hier „rumpelt“ der Verf. durd
einen hohlen Baum, in den er fich vor einem Unwettt
geflüchtet, bis In bie Hölle und laͤßt ſich von den we
fhiedenen Bewohnern derfelben die Urſachen ihrer Ver:
dammniß erzählen, denen er durchgehends die Verfide:
rung entgegenfeßt, daß all dergleichen Unfug auf der Erde
jest gar nicht mehr gekannt werde, daß es feine ung:
rechten Fuͤrſten, feine beftechlicyen Michter,, Beine fündhef:
ten und anmaßlichen Geifllichen, Eeine betruͤgeriſchen Kauf
leute u. |. w. mehr gebe, was denn zu fehr treffenden
Schilderungen dieſer verfchiedenartigen Sünder Veraniıl
fungen gibt. Schließlich führt ein enger Felſenweg dm
Verf. zurüd in die Baumannehöähle, aus der ihm ein
Erdmaͤnnchen vollends heraushilft.
Hier werde ſchließlich noch der legten übrigen Schalt
Srimmelshaufen’6 kurz gedacht, des ‚, Balgenmänntein“
welches zwar nicht derſelben pbantaftifchen Zraummet
angehört, aber doch infofern einigermaßen damit in Ver
bindung fleht, daß «6, an eine Stelle der „Courage“ fih
anfchhließend *), einen viel verbreiteten, in neuerer Zeit von
Fouque dichteriſch bearbeiteten Aberglauben in einem kunm
Briefe mit langen Anmerkungen warnend und belehrend
beſpricht.
Sehr bedeutend iſt in faſt allen Schriften Grimme:
hauſen's die Menge echt volksmaͤßiger Erzaͤhlungen, Amt:
boten, Betrachtungen, aus denen fich mit vorfichtiger Er
neuerung eine trefflihe Sammlung herſtellen Tiefe, die
viele neuere, geruͤhmte Volksſchriften in Scyatten ſtelen
würde; auch feheint er auf bdiefe Weiſe ſchon hier und
da benupt zu fein: wenigſtens finden ſich im Hebel
„Schatzkaͤſtlein“ und ähnlichen Schriften mande Ab—
ſchnitte, die entweder mittelbar oder unmittelbar vor
Grimmelshaufen entichnt oder einer Quelle entnommm
fein muͤſſen, bie diefer fchon benugen Eonnte..
Bisher fpielte der „Simpliciſſimus“ in der deutſchen
Literarurgefchichte eine ziemlich ungluͤckliche Rolle; man
fah in ihm nur eine treue, hoͤchſtens wichtige, aber durch
aus rohe Scyiiderung feiner Zeit; man dyarakterificte ihm
als „wichtig für die Sittengefchichte, fonft ohne Takt für
das Schickliche“, und wußte ihm namentlich in der et:
ganiſchen Entwidelung der deutſchen kiteratur feinem
rechten Plap anzumwelfen. Gervinus zuerft bat etwas mit
ihm anzufangen gewußt und ihm etwas mehr Gexrechtig⸗
keit angedeihen laſſen. Ich hoffe, daß biefee Aufſatz dajı
noch ein Mehres beitragen und anf eine fehe wuͤnſchent⸗
*) „Ceurage“, Cap. 1-29.
werthe ſpecielle Geſchichte der deutſchen Literatur im 17.
Yaprhunbert nicht ganz ohne Einfluß bleiben fell. Der
„Simplicffimus’ tann fortan nicht mehr als ein allein:
ſtehendes literariſches Product betrachtet werden, ſondern
als ein Theil der niche unbedeutenden fchriftftellerifchen
Thätigkeit eines ebenſo merkwürdigen al6 wunderlichen
Mannes. Alle fruͤhern deutſchen Literaturgeſchichten wiſ⸗
ſen im 17. Jahrhundert faſt nur von den beiden ſchleſi⸗
ſchen Dichterſchulen und ihren Abzweigungen zu reden;
Gervinus „hat eigentlich zuerſt auf die ſehr bedeutende
Reaction gegen diefelben, welche gleichzeitig flattfand, auf:
merkſam gemacht, aber diefen Gegenſtand natürlich noch
keineswegs ganz erledigen können, da es gerade hier noch
viefee und nicht leichter Sichtung bes oft ſchwer genug
zu befhaffenden Stoffe bedarf. In Grimmelshaufen
lernen wir nun ducch Echtermeper’s und meinen Aufſatz
einen Schriftſteller kennen, der beide Richtungen feiner
Zeit Mar erfennt und in fidy vereinigt, ohne fie mitein:
ander zu verfchmelzen ; einen Schriftfteller, der, mit felte:
nem Reichthum an Wig und Phantafie begabt, damit
die noch feltenere Kraft und Beweglichkeit des Geiſtes
verbindet, die verfchiedenften literariſchen Richtungen in
ihrer ganzen Eigenthuͤmlichkeit fo zu verfolgen, daß er
aus eigener Dichterifcher Kraft einen nicht unbebeutenden
geifligen Gehalt in fie hineinlegt; der in dieſen beiden
Richtungen die richtige, dem Inhalt wohl anpafjende Form
der Darſtelung mit gleigger, auf der einen Seite freilich
ſchlecht angebrachter, Meifterfchaft zu handhaben verſteht;
der in der voltsthlimlichen Literatur feiner Zeit ohne
Zweifel einzig und umerreiht daſteht, und auch wieder
ale Mängel und Schwächen eines vorhereihenden Unge:
ſhmacks theile.
Eine hoͤchſt eigenthämliche und merkwürdige Zeit ift,
wie im Politiſchen fo auch im Literarifchen, dieſes 17.
Jahrhundert, wo auf der einen Seite die deutiche Kite:
tatur in jeder Beziehung fo in die aͤußerſte Entartung
verſank, wie dies die Erzeugniffe jener Zeit ihrer großen
Mehrzahl nach beweifen, andererſeits noch fo viel gefun:
dee Volksfinn ſich erhalten und fo kraͤftig ausſprechen
konnte. Möge eine ausführliche Geſchichte des geiftigen
Lebens dieſer Zeit, zu der Echtermeger bisher leider ver:
gebend Hoffnung gemacht hat, nicht zu lange auf ſich
warten laſſen! Gewiß wird in ihr Chriftoffel von rim:
melshaufen nicht die letzte Stelle einnehmen dürfen.
Studi eritici di N. Tommaseo, Venedig 1843.
Diefes jängfte Werk des bekannten Belehrten und Roman
ſchriffftelers Tommaſeo ift jedenfalls bedeutender als fein kurz
vorhergegangenes „Fede e beilezza”, beffen günftige Aufnahme
beim Yublicum wir und weniger aus dem innern Werth diefer
Ropelle ald aus dem Umftande erfiären, daß fie Dichtung und
Wahrheit aus dem eigenen Leben des Werfaffers enthalten fol,
der alierdinge, ſowie durch feine zahlrelchen Schriften, auch
dur fein perſonliches Schickſal einige Zheilnahme von Geiten
Itaiims verbient, feiner ſchoͤnen Adoptivpeimat, für deren Bis
teroter unb politifche der datmatifche Gelehrte dort
gewirkt, namentlich durch fein großes „Synomymiſches Wörter:
buch”, und bise 2, band —5 Verbannung, hie
ihm fein republik x Roman, ber berühmte De ch
ugezogen. Seinem „Fede e bellozza‘’ aber gereicht fogar bie
* Sprache, die in feinen gelehrten Werken fo ganz am
Drt, infofern zum Rachtheil, als fie bucch ihre Taciteiſche
Kürze und allzu kunſtreiche Periobenfügung den ohnehin zu le
ten und ſtizzenhaften Inhalt diefes Buches nur no fchmä
tiger ericheinen läßt. Wie der geiftvolle, fonft auch im Roman
nicht ungluͤcktiche Werfaffer nur fo gar Beine Sorgfalt auf die
Geftaltung diefes Romans verwendet! Gin mäßige Bändchen
und bed Helden Gelichten allein eine Schar von vielleicht zwölf
Köpfen — wo bliebe da Raum für Motivirung ober aud) nur
bie ſpaͤrlichſte Charakteriſtik, dieſe verſchiedenen Liebesgänge cines
und deffelden Herzens auseinanderzuhalten? Und doch webt in
dieſem Tagebuch — mehr iſt die Novelle kaum — ein gewiſſer Reiz
ber Wahrheit und eine Fülle von Ideen, welche dem Buch, das
feine zweite Auflage bereits erlebt, auch noch eine dritte vorher⸗
fagen laffen, um fo mehr, als bie Eritifchen Anfoderungen ber
Staliener an ihre Romanliteratur lange nicht fo body reichen,
als ihre Meifterwerte in diefem Genre oder auch nur der
Standpunft joliten vermuthen laffen, den die Kritil im Allges
meinen heutzutage in Jtalien einnimmt. on Tommaſeo felbft
zu gefehweigen und einigen andern literarifchen Größen Italiens,
weiche die Kritil im ebeiften und umfaffendften Sinn betreiben,
bedarf es nur eines Blicks auf die periodifche Preffe, um bie
Kritit auch hier als eine Literarifche Macht zu erfennen. So
gibt ed allein in Oberitalien nicht weniger ale drei Sournaliften,
welche auf dem Felde ber Kritik zu hohem Anfehen in ganz
Stalien gelangten, und auch in privatlicher Beziehung zu einer
mehr oder minder vortheilbaften Stellung, es find dies Angelo
Profferio, Felice Romani und Tommaſo Rocatelli. Der Erfte
war früher Advocat und ſchreibt nun ben „Messaggiere” in
Zurin, den er aus einem unbedeutenden Handelsblatt zu einer
der geachtetften Zeitſchriften erhoben, und zwar unter beftigem
Kampf mit einer in Turin beflehenden litcrarifchen Camarilla.
Sein Stil iſt leicht und fließend, feine Sprace nicht fehlerfrei.
Romano zieht einen jährlichen Gehalt von Francs für die
Appendici, die cr zur turiner Zeitung liefert, fonft fchrieb ex
die beiten libretu d’opera (SDperntexte), welche jebenfalls
beſſer flilifirt find als feine Profa, die gezwungen und jchleppend.
Wirklichen Werth befigt die Profa Locatelli's, bes gefühls,'
phantafies und wigbegabten Redacteurs der „Gazzetta di Ve-
nezia‘', den feine Eandsleute daher auch als „„modello di bello
e gentile scrivere’’ bezeichnen. Höher freilich als diefe Kory⸗
phaͤen der Tagesliteratur, unb gigantifcher in jeber Beziehung
tritt und Tommaſeo in feinen „Studi critici” entgegen, als
Statiens Lefjing, möchten wir fagen, ausgerüftet gleich dieſem
mit tiefer Geichrfamkeit, ſcharfem Urtheil und claſſiſchem Stil.
So wenigftens dürfen wir von Zommafeo reden, den Leiftuns
gen Italiens gegenüber, ohne daß wir darum, hätten wir des
Deutichen ſchwerverdienten Kranz zu vergeben, ben jüngern
Fremden auch abfolut deffeiben würdig bieiten. .
Tommaſto's Wert zerfällt in zwei flarle Bände, von
denen ber erfte fi blos mit &. B. Vico und Manzoni ber
ſchaͤftigt, während der andere ſich über fo viele litevariſche
Stoffe, Perfonen und Gcheiften Eritifch verbreitet, daß wir
dem Verfaſſer unmöglich ins Einzeine folgen koͤnnen, ohne daß
unfere Recenſion nicht zum gleich ſtarken Buche anwuͤchſe, was
ſchon um deswillen unterbleiben mag, weil, wenn Tommaſeo
auch eine Erſcheinung bitbet, bie ins Ausland hinuͤberragt, body
nicht auch jede von ihm befprochene Erfdgeinung gleicherweiſe vers
dient, über die Grenzen ihrer Heimat hinaus befannt zu werben.
Vom boͤchſten Iuterefie dagegen find feine MWeleuchiuug. des
Bico ſchen Syſtems und ber Bang feiner eigenen Unterfuchungen,
womit der Kritiler vermitteind und loͤſend und faſt immer ent
fiheidend zwiſchen bie jedesmaligen Gontroverien Vito's umb
feiner bebeutendften Opponenten tritt. Auf dieſem Felde philo:
fophifcher Gefchicgtforfgung beweiſt Tommafo einen. f
der um fo groͤßeres Staunen erweckt, eis cr ſich in den Gren⸗
BP era menu sr, ade
nzöftfepe
iſt ſchlecht und mangeldaft, und 6 ffe :
feines Raifonnements beraustretende Umſtand eines patriotiſchen
Zorns über die Nichterwaͤhnung Vico's von Geiten bes jüngern
Niebuhr erfiären Vieled. Weinahe noch mehr als die brofchäs
renhafte Abhandlung Über Vico hat uns bie folgende Aber Manz
zoni angeſprochen, weil der Werfaffer darin frei und ungehin-
dert durch nationetle ober perſoͤnliche Bezüge feiner eigenen
tücktichen Anfchauungsweife folgt. Wie Tcharf treten 5. B.
anzoni’6 Schwächen und Vorzuͤge als dramatifcher Dichter,
wie Har und voll die ganze Wichtigkeit feiner erzaͤhlenden Profa
Heraus, indem Tommaſeo nit nur feldft tief einbringt in
die Sachen, fondern auch durch die Urtheile Anderer (7. B.
Goethe's) fein eigenes entweder vervollfiändigt oder berichtiet.
Der bebeutendfte Auffag des tten Bandes beſchaͤftigt ſich
mit Antonio Marinopich, eimem jüngft verftorbenen dalmatifdhen
Gelehrten, mit dem Zommafeo lange Jahre hindurch in freunds
ſchaftlicher Verbindung tebte, und enthält namentlich einen Brief:
mechfel, weicher für ben Einen wie für ben Andern ehrendes
Zeugniß abfegt, nicht nur in Beziehung auf bie Innigkeit ihres
Berhaͤltniſſes, fondern auch für den Ernſt und die Blut ihres
elehrten Strebens. Außerdem finden wir eine treffliche Abs
Banbtung über den großen Lexikographen E. Forcellini, und
eine andere über Raimondo Eunich, den Überfeger des Gomer,
wo ſcharfe Vergleiche zwiſchen lateiniſcher und italiemifcher
übertragung ber , Slias“ gezogen werden imd Tommaſeo's tiefe
Durchdringung des griechiſchen Dichtwerks ſich durch keine Vor⸗
liebe fuͤr die italieniſchen Bearbeitungen deſſelben beirren laͤßt.
Dann zwei Briefe über Dalmatien, wovon der un Heinrich
Stiegitk gerichtete eine ſehr verdienſtvolle Zufammenftellung der
verſchiedenen Schriftfteller dringt, die über Dalmatien gefchrie⸗
den haben. Ferner ein Brief über die zur Bildung des Stils
geeignerften Schriftfteller, tweldher von dem übermäßigen Berichte
eugt, das die Italiener auf die Form tegen, leiber ein Beweis
hir die Abnahme der ſchoͤpferiſchen Geiſteskraft dieſes Volkes,
da es die Gedanken weit geringer taxirt. In ben kurzen Kriti⸗
ten über venetianifche Literatur und Kutiſt finden fih wahre Mei:
fterftüde einer ſoichen für das Beduͤrfniß des Tages und bes
Kormat einer Beitumg zugeichnittenen Kritik. Dieler ganze Ab:
ſchnitt fowie vieles Andere aus dem zweiten Bande enthält
„Sefammeltes”, während der ganze erſte Band nur „Reuge⸗
drucktes⸗ bringt. Große Unannehmlichkeiten, ſcheint es, hat
Zommafeo ſich durch einige Zeiten zugezogen, weiche er bei Ges
legenheit einer Überfegung Schiller'e fchrieb, und bie wörtlich
feine Werwunderung ausdrüden, „daß die phantaftildgen Thor⸗
beiten des barbarifchen Schiller in die Sprache Virgil's überfegt
worben‘‘, die er aber bier bei bem Wiederabdruck jener Stelle
für bloße JIronie erklaͤrt. Offenbar iſt Iegtere Maniteftation für
nichts mehr als die Bahnen und das klingende Spiel dei Ab:
gage bei einer Feflungsübergabe zu halten: Tommaſeo verfteht
mb liebt das Deutſche nicht beſonders, und früher noch viel we⸗
Niger ats jetzt; er mochte daher mei eine übereitung begeben,
son der er fich keines folchen Laͤrms verfah, und als die Rente
fo ehyrenbes auf fein flͤchtiges Wort legten, burfte
der Gprecdyer beffelben ſich auch bei deſſen Burüdnahme ein
wenig ſchaͤmen.· Die Scham aber wirft einen Schleier über.
So erſcheint uns, wie gefagt, bie Anmerkung Sommafen& zu
reiner Notiz uͤber er. > 7
Eier
n dem zwar Milk gerade au ‚bob ve
paisend gefhelsbemen Bauce „The sung ee
yore in Galyeta”, won . FU. Zellen (3 Mar), behke:
in u f
1942 im Augu Ya
—* der bortigen —R Bgrufl. Won ben
ſtorbene Stamm eines en;
heinlich und
feinen Ratı:
under nehmen fann, wenn Rapslaı
es zu feiner Nubeftätte auserſah. Die englifcge Regimm
taufte daher ben Det für 1900 Pf. von Mertbutt, jerod m
für fo ange an fü, ats Mapolson beat beguaben bleiben weh
Sobalb man feine Überrefte ande brädste, ſollte Zarden
wieder in Beſiz des Grund und Bodens kommen. Diefer Zul
trat bekanntlich ein. Tarbutt ftarb jedoch plögtich und nid in
ben beften Berhättniffen, daher fein Beſitgehum verkauft wur.
Seine Witwe hat es jept für 100 Pf. des Jahrs in Padt un
fucht fuͤr ſich und ihre Kinder einge Sewinn ga machen, ine
efe iſt offen und dat am
fie Fig die Gruft peigt.
eine leichte Bedachung. Sie befindet fh, foweit bad ohne k:
fondere Bürforge fein kann, ganz in dem Zuſtande wie zu du
Zeit, wo ſie Napoleon's Sarg enthiett. Kaum glaubhaft Mei,
daß ein. MaritätenTmumiter waͤhzreand einer Auen Amen:
bes Fuͤhrers einen Stein aus dem Gewölbe losgebrochen hat; uk
mit demfelben unterm Arme fi. aus dem Gtaube meh
wollte, als ex noch angehalten wurde. In ber nahen Wohnum
ber Mis. Tarbutt find Erfriſchungen ‚zu bekommen; euch lat
Album zum Sinzeichnen.
In Reaper iſt eine kloine, laͤnglich viexeckige, ſpaniſche Han:
ſchrift von 116 Blaͤttern aufgefunden worben, welche einen hoqhl
merkwuͤrdigen und genauen Bericht über ben Proceß des Staut⸗
fecretairs und Rath König Philipp's II., des durch feine Gewand
beit und fein Misgefſchick ausgezeichneten Antonio Peru.
entLätt. Die Handſchrift fcheint dem ſpaniſchen Bicekoͤnig sm
Neapel, bem Derzage von Medina s Geh, gehoͤrt zu haben u
ziemlich gleichzeitig mit dem Sturze des Perez abgefaßt zu fi:
Sie führt den Titel: „Processo que se fulmino contra Anteo
Perez, secretario de Estado del rey Don Phelipe segudı.
y del despacho universal, y por su mandado; sobre la moertt
de Juan de Escobedo, criado y secretario del sehor Dr
Juan de Austria, hijo del sefior emperador Uarlos puints,
que estaba gevermando los estades de Hlaudes.‘ ou
Escabebo gehörte zu ben Räthen des Wicebönige, age er Br
exetair Deu — wurde. Seine Ermordung gab den ei
wand zu den Verfolgungen gegen Perez ab, und die Gantikeif:
enthaͤit mertwärbige, ben König in Metseff sines Morden com:
promittisenbe Stellen, weicht überhaupt is weſentlichen Pucftm
von den im 17. Zabrhundert durch Juan be la Plane pam
Did gebrachten „Belaciones”' ab. Cie ſoll nachſtent vair
bie Peefie Bommen. u
VDerantwortlicher Herauſsgeber: Heinri Busdtauk, — Drul und Benlag „on J. % Brotdans, in, Beipuis-
Blätter
für
literarifhe Unterhaltung.
Freitag,
— Kr 265. —
22. September 1843.
Kabul. Schilderung einer Reife nach biefer Stadt und
des Aufenthalts dafelbft in den Fahren 1836 — 38.
Bon Alerander Burnes. Aus dem Engliſchen
von Theodor Oelkers. Mit zwölf Kupfern.
Reipzig, D. Weigel. 1843. Gr. 8. 3 Thir.
In dem Augenblid, wo der fängft gehegte Plan der
englifhen Regierung, den untern Indus in ihre Gewalt
zu bringen ımd die Emirs der Heinen Uferſtaaten ſich ein
für allemal zu unterwerfen, zur Ausführung kommt, muß
uns ein Werk, das und diefe der europdifchen Civilifation
hinzutretenden Länder mit Zuverläffigkeit fchildert, durch⸗
aus willkommen fein. Doppelt willkommen aber erfcyeint
es, wenn es aus der Feder des Mannes kommt, der vor
13 Jahren zuerft die Blicke der englifchen Negierung auf
diefe neuen Erwerbungen lenkte, und der diefe Känder im
3.1836 — 38 hiernaͤchſt in ihrem Auftrage durchforfchte.
Dieſer Mann tft Alerander Burnes, deſſen frühes
Ende wir im mannichfaltigen Intereſſe der Wiſſenſchaft
zu beffagen haben, obwol neuere Werke, und namentlich)
kady Sale, ihm einen großen Theil an den Unglüdöfällen
in Afghaniſtan beizumefjen geneigt find.
Es ift Hier nicht der Ort, die politifhe Seite jenes
Entſchluſſes der oftindifchen Negierung zur Erörterung zu
bringen; allein wir dürfen wol im Worübergehen bemer:
ten, daß uns derſelbe ſchickſalsreich und verhaͤngnißvoll zu
fein feine. Durch dieſe Erwerbung gewinnt die oftindis
(de Regierung etwa eine Million Eriegerifcher, moham:
medanifcher Untertbanen mehr und wir willen, daß das
Goudernement an feinen jegigen islamitiſchen Vaſallen
ſchon zu viel bat. In dieſer Bevölkerung fchlummert
noch der ganze mohammedaniſche Fanatismus der vergans
genen Sahrhunderte, eine Geiftesenergie, die in Worderafien
derſchwunden iſt und mit der ſich diefe Stämme von den
fanften, geiſtesmatten indiſchen Voͤlkerſchaften mächtig un:
terfheiden.. Am Indus wohnt ein Volk ohne Bedlrfniffe,
rauf, riegliebend, an Kampf gewöhnt, und jedenfalls viel
gefährlicher al® die Afbantis, ungebändigter als die Mah⸗
tatten, und ſtark durch die mittelafiatifchen Glaubensbruͤ⸗
und alte Verbindungen mit dem perfiihen Reiche.
Ss if die Frage, ob die Engländer diefer Umftände Herr
ju werben vermögen, oder ob mit ber Beſetzung des In⸗
dus das Maß voll tft, welches überzufließen droht.
Genug wir haben ein fehr bemerfensmwerthes und von
augenblicklichem Intereſſe erhobenes Werk in diefer Schils
derung der ſchickſalsvollen Indusufer vor uns liegen. Von
einee andern Seite ber jenes Maß überfüllend, erlag
Alerander der Große, und am Indus fand Dſchingis⸗Khan
das Ziel feiner Eroberungen im Süden. Unzählbare, bald
dem Islam fanatifh anhängende, bald aber Ausartungen
der Dindureligion ergebene, bald den ganz fremdartigen
Buddha⸗Culten zugethane Völkerfchaften und Stämme von
verfchiedener Herkunft und von den mannichfaltigſten Na⸗
turanlagen, Aderbauer, Hirten, Krieger, wandernde Kauf:
leute, Räuber, wilde Naturföhne, der Weichlichkeit ergebene
Stämme, verrätherifche und treue, ſklaviſch gefinnte und
von wilden Sreiheitstrieb befeelte Wölkerfchaften, wechſeln
bier beftändig ab. Im Allgemeinen findet bier Europa
ein - duch uralten Stammzufammenhang verbrüdertes
Volt, und namentlich möchte wol das germanifhe Blut,
wie Körperbildung und Sprache darthun, bier am Indus
feine aͤlteſten Blutsverwandten haben, und mander ſitt⸗
liche Zug, den Burnes berichtet, dient dazu, diefe Der:
muthung zu unterftügen, ohne daß wir uns dieſer Ver:
wandefchaft zu ſchaͤmen hätten. Die Sindier, der Haupt:
ſtamm am untern Indus und feinen zwölf Armen, ift ein
ebenfo Lapferer als gutmüthiger, wißbegieriger und der
Civitifation zugeneigter Volksſtamm, welcher unferm Bes
richterftatter zufolge nach der englifhen Herrſchaft aufrich⸗
tiges Verlangen trägt. Die große Hauptader des Landes,
der Indus, ſcheint mehr und mehr zu verfanden und läßt
an den Hauptflapelorten nur immer flachere Fahrzeuge zu;
ja felbft der Siamarm, der mädtigjte von allen, kann
fih mit dem Gangesausfluß des Huglyarms nicht mel:
fen. Der erfle volkreiche Ort, den die Reiſenden unter
Burnes' Anführerfhaft erreichen, ift Tatha, von etwa
10,000 Hindus bewohnt, ein berühmter Meßort, der in
feiner Glanzperiode über 1500 Meßbuden aufweiſt. Trotz⸗
dem verfällt auch diefe Stadt, obwol die blühendfte am
untern Indus. Sandige, Eallige Hügel, Vorberge ber
Halakette, begleiten den Fluß bis Hyderabad, der Haupt:
ftadt von Sind. Hier begannen die Unterhandlungen mit
den Emirs, die den Zweck der Sendung des Verf. bilde:
ten und welche auf großen Sagdpartien und Feſten aller
Art ſtill aber erfolgreich fortgeführt wurden. Man fand
die Emirs, unter denen Nar: Mohammed und fein Sohn
Schahdad hervorragen, für die englifche „Allianz“ fehr ges
neigt. Diefe Emirs find ſtrenge Schüten, freundliche,
nicht culturlofe, gerade, hHöfliche und meiftens gut urthei⸗
Imde Männer, die man füglich den Grafen und Rittern
des deutfchen Mittelalter vergleichen könnte. Viele leben
wirklich ganz patriarchaliſch auf ihren großen Gütern, in
huͤbſchen Landfigen, denen ſich ein Meines Dorf, von Hin⸗
terfaffen bewohnt, anfchließt. Jagd ift ihre Lieblingsge⸗
ſchaͤft, wiewol fie meiftens, Nur: Mohammed ausgenom:
men, keine große Schügen find; gewöhnlich, wird aus Elei:
nen im Tamariskengebuͤſch verftedten Jaͤgerhaͤuschen auf
das aufgetriebene Wild gemächlid gefeuert. Nach einer
Ausflucht nad Larkanah, einer Stadt von 12,000 Ein:
wohnern im inneen Land, mit einem Bazar von 370 Li:
den, wurde die Reife auf dem Indus nordwaͤrts fortges
fest. Zu Khirpur traf Dr. Lord, der vierte der Commiſ⸗
fare, zu Burnes und feinen Begleitern Wood und Leech.
Es war das Keft des Id und die Prima Donna von
Khirpur, Jewun Buhkſch, eine angefehene Courtifane,
welche Mofcheen baut und große Summen auf Werke der
Wohlthaͤtigkeit verwendet, unterhielt die Fremden mit ih—
ren Schweftern — ſchoͤne, melancholiſche Mädchen — durch)
Tänze, bis der Wein fie niederwarf. Der Weinſtock ift
bier einheimifh und hat hier vielleicht fein Vaterland.
Große Falkenjagden vergnügten die Emirs; ein Jahr fpd:
ter nahmen fie das britifhe Bündniß an und bie englifche
Sahne wehte auf der Veſte von Khirpur.
Bon hier gingen die Reifenden nach Bukkur, Sukkur
und Schilarpur, damals noch eine Terra incognita. Die
legte Stadt hat 30,000 Einwohner, theild Hindus, theils
Sikhs, ein Zehntel etwa befteht aus Afghanen, die dem
Islam anhängen; fie flehen unter der Botmäßigkeit der
Emirs von Sind, welche die Einkünfte theilen. Hier
ftanden die Meifenden an der Grenze des befreundeten
Sind; die Kortfegung ihrer Reife führte fie vom Indus
weftwärts zu fremden und rohern Stämmen. Der krie⸗
gerifche und väuberiihe Stamm der Beludfhen ummohnt
die Grenze; Bamul: Khan, Herr zu Bawalpur, gilt für
den Fuͤrſten des Landes,
der Mufaris, Bugtis und Burdis, zeigten ſich zur Ans
nahme des englifhen Protcctoratd geneigt und den Abge:
fandten freundlich und bdienftbereit. Von Offizieren Ba⸗
wul: Khan’s geleitet gelangten die Neifenden nad) achttägi:
ger Wanderung nah Dera:Gazi:Khan, dem Hauptftapel:
orte im Lande der Loghani⸗Afghanen, eines flillen Dirten-
volks. Wie umfangreich der Handel dieſes Orts ſei, läßt
ſich daraus abnehmen, daß die Zollblicher dieſes Jahres
5140 Kameele mit Ladungen und 24,000 Paßträger
nachwiefen. Diefer Zug der Loghani⸗Karavane ift uralt und
wird fhon vom Kaifer Baber befchrieben. Die Zahl der
MWaarenläden betrug 1600, von denen 520 mit Zeuchen
und weißem Tuch gefüllt waren; die Stadt hat 25,000
Einwohner und befteht feit drei Jahrhunderten. Yon
bier ging der Reifezug über Sungur, Gurung, Kalabagh
gegen die Sulimanberge, durch romantiſche Landfchaften,
und von $eftlichkeiten begleitet; an vielen Orten wurden
die Reifenden mit Balleten unterhalten, und die Einwoh⸗
ner, Afghanen, zeigten ſich als ein flarker, Eräftiger, aber
Auch diefer Häuptling, wie jene.
gutmüthiger Menfchenfchlag. Allmaͤlig betrat die Miffien
jetzt das Land des Kriegsſchauplatzes zwiſchen dem Her
fher von Labore und den Afghanen ; in diefem Augm;
blid maren die Sikhs im Nachtheil und bis an die
Grenzen von Peſchawer zurudgedrängtz die Spuren ihm
Verwuͤſtungen bedediten dad Land. Nach Uberſchreitun
des Attock, über Khyrabad, Hurd, Peſchawer, Didumm)
wird endlich der nun fo berühmt gewordene Kheybetpaß
erreiche, gluͤcklich uͤberſchritten und die Reiſenden gelangm
über Bafful und Kudfhu und feine Granatgaͤtten nad
Kabul, dem naͤchſten Reiſeziel. Hier ward ihnen ven
Seiten Athbar:Khan’s der herzlichfie Empfang zu Theil; dee
Prinz nahm den Verf. auf feinen eigenen Elefanten un
wies der Sefandefhaft eine Wohnung im Balahiifır
bicht beim Palaſt felbft an. Am 25. Sept. wurde ihm
die feierliche Antrittsaudienz bei Doſt Mohammed: Khın,
dem anerkannten Herrn des Landes, bewilligt. Ein fü}:
ned Bruftbild zeigt und den charaktervollen Kopf des dı
mals mächtigen Emirs. Seine Hoheit war Auferft freun:
(ih und für die mitgebrachten feltenen Geſchenke dankbar,
äußerte jedoch frei, die größten und die ihm liebften Et:
tenheiten feien die Reiſenden ſelbſt. Über die politiſcha
Dinge ſprach er verftändig, kannte die Geſchichte feines fur:
des zur Zeit der Portugiefen, und ſchien von dem Jumads
feiner äußern Macht nicht im geringjten werbiendet. Auf
den Straßen riefen die Einwohner den Reiſenden zu:
„Nehmt Kabul in Acht! Zerftört Kabul nie!” Niät
minder freundlih und herzlid) war der Naevab, Dofis
Bruder. Die politifche Lage des Landes war nach dem
fiegeeichen Zreffen von Dſchumrud ziemlich beruhigt, in:
dem auch die Perfer fih von Herat zurücgezogen hatten.
Doft Mohammed's Selbſttaͤuſchungen begannen eiſt Ip:
ter, für jegt mar er dankbar und treu dem engliſchen
Bunde ergeben. Nachdem der Tumult der Gaſtmaͤhle
und Beſuche überftanden, wurde Kohiſtan, dus Fand nid:
ih von Kabul beſucht; ein Land von unvergleiclict,
ftrogender Cultur, Terraſſe über Terraſſe 16 — 18 Ni
len weit darbietend und bemunderungsmürdig bemäffert, von
drei Flüffen und zahllofen Kanaͤlen ducdyfchnitten. Di
blühende Zuſtand dieſer Landfchaft erſcheint um fo au:
nenswerther, als der Staat ein volles Drittel der Emte
für fih nimmt. Die Bevoͤlkerung bildet ein Gemiſch von
Afghanenflimmen und Zurkomanen. Eine Merkwüuͤrdiz
keit dieſer Landſchaft fit der tönende Hügel, Reg Ruwan,
aus dem man beim SHinabgleiten einen Schall wie ver
Zrommeln und Zimbein vernimmt. Geringe Etderſchür
terungen (Guzur) find in diefer Gegend häufig.
Bei der Rückkehr nach Kabul hatte man die Frerde,
einen Abgefandten Murad:Bei’d, des Zürften von Kun:
dus, eines alten Feindes der Engländer, mit Gelcenlin
und einem Einladungsfchreiben anzutreffen. Dr. Lord un
ternahm fofort die Reife nah Kundus, um den auge:
Franken Bruder des Fürften zu heilen. Diefe Erpeditin
in das berufene Usbekenland gelang vollkommen, obwi
der Kranke nicht geheilt wurde; Fuͤrſt und Volk wurden
dem englifhen Intereſſe gewonnen und eine Anzahl El:
tenheiten, Münzen (ein Eukratides) und Handſchriften zu⸗
1068 j
rüdgebracht. Im felgenden Abſchnitt werden die Länder
nördlich vom Hindukuſch, die Siahspufch: Kaffıre, Bad⸗
fhaur, Khoten, endlich das wilde Huxaraland befchrieben.
Die Kaffirs, von unbelannter Herkunft und einer eigenen,
dem Hindu wie dem Afghanen unverjtändlihen Sprache,
find sin gutmüthiges, zur Dienſtbarkeit geborenes Volk.
Die Huraraflämme, wahrſcheinlich Reſte von Toghiani⸗
Tataren in Dſchingis⸗Khan's Deere, find die Gallegos die:
fer Ränder; alle fchweren Dienfte fallen ihnen zu, in freis
williger Dienftbarkeit oder als Sklaven. Ihre Gefchichte:
tenditionen sweifen auf einen Zuſammenhang mit Balkh
und dem König Burbur zurüd, und find reich an märs
chenhaften Ereignijfen.
(Der Beſchluß folgt.)
Recherches sur la condition civile et politique des fem-
mes, depuis les Romains jusqu’a nos jours, par Ed.
Labowlaye. Paris 1843.
Der befannte Hiftorifer Segur hat die Stellung und den
Einfluß der Frauen in der focialen Ordnung in einem befondern
Berke ziemlich erfchöpfend behandelt. Es lag nicht im Plane
feinee Abhandlung, ihr politifches und juridifches Verhaͤltniß zu
berudfihtigen, obgleich in dieſer Beziehung noch nichts Erſchoͤ⸗
pfendes vorlag Die Akademie der moraliſchen und politifchen
Viffenſchaften ſah ſich dadurch veranlaft, eine Gefchichte der
Erofolge der Weiber im Mittelaiter im meiteflen inne als
Gegenftand der Preisaufgabe auszufchreiden. Diefe Frage war
unendlich weiter als fie auf den erften Anfchein fcheinen mochte,
und Mignet hatte gewiß gang Recht, wenn er in feinem Rap⸗
pert fagte, daB fie eigentlich die Stellung des Weibes in der
Famitie und im Staate ihrer ganzen Ausdehnung nach in ſich ein:
ſchließe. Laboulaye, der ſich durch eine Reihe gebiegener juriſti⸗
fer Werke, unter denen wir feines „Essai sur la vie et les
doetrines de Savigny’' bereits in b. BI. erwähnt haben, fos
wie durch Überfegungen aus dem Stalienifchen und Deutfchen
(4. 8. „Histoire de la procedure civile chez les romains de
F. Walter’') einen rühmtidhen Ramen gemadt bat, faßt denn
auch in feiner gekrönten Preisfchrift die Aufgabe in ihrer weis
teften Ausdehnung. Ya, er bleibt nicht einmat innerhalb der
Grenzen des Mittelalters fehen, fondern zieht die ganze römis
ſche Geſezgebung, infofern fie auf das politifche und civile Ver:
daͤltniß des Weibes Bezug bat, in den Kreis feiner Befpre:
hung, indem er mit Recht behauptet, daß fonft die mittels
olterlihen Befege und Gebräuche geradezu unverftändlich blei⸗
ben würden.
kaboulaye fpricht an verfchiedenen Stellen feines Werks,
ſewie auch insbefondere in feiner angeführten Schrift über Gas
vigny, eine große Bewunderung über bie gelehrten Beiftungen
der hiſtoriſchen Schule ber Jurisprudenz in Deutfchland aus;
aber wir haben es durchaus nicht etwa mit einem blinden Vers
ehrer berfelben zu thun. Indem er die Refultate ihrer gelehr:
ten Forſchungen nicht unberüdfichtigt läßt, tritt er Denen, wels
he die Rechtswiſſenſchaft ftationnair erbalten möchten und bie
almälige Kortentwidelung ber Gefehgebung in Abrede ftellen,
mit vieler Gntfcyiedenheit gegenüber. Gr leugnet nicht nur
nit die Berechtigung unferer Zeit für bie Legitlation, fondern
ſpricht es mit Maren Worten aus, daß bie Kodification eine
Aufgabe der Gegenwart und das Iegte Ziel aller Jurisprudenz
iſt. In dieſer Beziebung fhließen fich feine „„Recherches” an
eins feiner frühern Werke an, das gleichfalls bei einer Aufgabe
der Akademie ıden Preis bavongetragen hat. Wir meinen die
„Histoire du droit de propriet6 fonciere en Occident” (Pas
ris 1839). In beiden Werken herrſcht derſelbe Geiſt, dieſelbe
Methode, und auch ihr Inhalt ſteht in naher Berührung. Der
Berf. derfoigt In beiden Abhandlungen die allmätige Entwicke⸗
lung ber europaͤiſchen Givilifation in den Inſtitutionen und Ge⸗
fegen ber verfdhiebenen Staaten unſers Gontinents und beweift
unwiderleglich, daß es in der Gefchichte trog ber ſcheinbaren
Verſchiedenheiten doch eine gewiſſe unaufhaltfame geiftige Stroͤ⸗
mung gibt, von der alle Voͤlker Europas einem gemeinſchaft⸗
lichen Ziele zugetragen werden. In der That mag man bie
DOrganifation des Eigenthums, wie es in bem einen Werke,
oder die Drganifation der Bamilie flubiren, wie es in ber ans
dern Schrift gefchieht,, fo wird man body bie Überzeugung ers
langen, daß ſich die Inſtitutionen und Geſetze, der verfchiedenen
Voͤtker unfers Erdtheils nach einem und demſelben Geſetze ent:
widein. Das Ziel diefer allmäligen Entwidelung ift bie vom
Dichter im voraus begrüßte, vom Socialphilofophen als nahe
bevorftehenb angekündigte Verſchmelzung und VBerbrüberung als
ler Nationen.
Die flawifche Race wird in vorliegender Schrift völlig uns
berüdfichtigt gelaffen, obgleich der Verf. keineswegs bie Rolle
verkennt, welche diefelbe zu fpielen berufen if. Er entſchuldigt
ſich mit Unfenntniß ber ſlawiſchen Idiome. Wir können es
ipm im Grunde auch nicht verargen, daß er feine fleißige Ars
beit, die auf allen Seiten einen größern gelehrten Apparat zeigt
als man bei franzöfifhen Werken zu fuchen gewohnt ift nit
durch einige flüchtige und oberflädhliche ‚Sapitel, in denen er fi
lebigiih auf Compilation hätte verlaffen muͤſſen, hat entftellun
wollen. Defto gründlicdder und erfchöpfender behandelt er bie
Geſetze und Gebraͤuche der romanifchen und germaniſchen Staͤm⸗
me und bie Inftitutionen, welche aus der gegenfeitigen Miſchung
derfelben hervorgegangen find.
Zunddft faßt er die römifche Gefeggebung ins Auge und
verfolgt diefelbe von ihrer Entſtehung bis zu dem Augenblide,
wo Rom dem berandrängenden Strome ber germanifhen Nas
tionen erlag. Nachdem er einmal den Geift und den Charakter
diefer Sefeggebung, welche aus der Eigenthuͤmlichkeit des roͤmi⸗
ſchen Volks natürlich hervorgewachfen war, feftgeftellt und bes
ſtimmt hat, weift er die verfchiedenen Umgeftaltungen und Ber:
änderungen nad, welche fie durch den @influß des germant:
fhen Norden erlitten bat. Mit Recht legt er befonders Gewicht
barauf, daß der Geiſt diefer Legislation ebenfo wenig wie bie
römifche Nationalität fi ganz verloren bat, fondern daß viels
mebr beide fih nad einem und demfelben Gefege mobiflcirten,
fodaß man annehmen Tann, daß ba, wo man die Spur einer
römischen Inſtitution entdeckt, auch noch roͤmiſches Blut vor⸗
banden fein muß.
Hierauf treten wir nun an bie Betrachtung der germanis«
fen Snftitutionen. Der Verf. beftimmt, welche Ideen uub
weiche Principien von biefen neuen Nationen mitgebracht wurs
ben. Der intereffantefte Abfchnitt feines Werks ift derjenige,
wo der Kampf der romanifchen und germanifchen Elemente, ihr
gegenfeitiger Einfluß und ihre allmälige Verſchmelzung beleuchs
tet wird. Der Verf. ſchreibt nicht mit Unrecht der Kirche eis
nen bedeutenden Einfluß bei ber Bildung biefer romanifch: ger⸗
maniſchen Givilifation zu, welche an die Gtelle ber roͤmiſchen
Civiliſation trat. Sie verwilhte und milderte nämlich das
sein Formelle der römifchen Sefeßgebung, behielt aber immerhin
genug davon bei, um die germaniſchen Rechtsideen und Ges
bräudye wefentlich umzugeftalten. Der Einfluß der Kirche muß
gleich in der erften Zeit ihres Siegs ein gewaltiger gemwefen
fein, denn offenbar verrathen die barbarifchen Geſetge, infoweit
fie uns überliefert find, faft alle mehr ober weniger deutlich die
Hand der Geifttichleit. Diefe Gewalt waͤchſt mit jedem Jahr⸗
hunderte und bald fteht bie Kirche allmächtig da. Bor ihrem
Throne beugt fi die romanifche Nationalität fo gut wie die
germanifche, deren allmälige Vermiſchung von der gemeinfchaft:
lichen Gebieterin befchleunigt wird. Die Auffindung der Pan⸗
beiten im 12. Jahrhundert beginnt eine neue Phafe in ber eus
ropäifchen Jurisprudenz, die jest erſt zur eigentlichen Willens
fchaft fi erhebt und Juſtinian fpielt, wie Laboulaye mit Recht
bemerkt, in ber Reflauration der Rechtslehre biefelbe Rolle wie
Ariftoteles in der Philoſophie. In der zweiten Hälfte bes 13.
Jahrhunderts zeigte ſich in ganz Europa eine gemeinfchafttidhe
Sichtung, liberall verdichten ſich nämlich die herkoͤmmlichen Ge⸗
braͤuche zu eigentlichen Geſetzbuͤ In biefen Zeitraum faͤllt
die Bildung des Sachſen⸗ und des Schwabenſpiegels, der Ber
fegbücher Atfonfo’s des Weifen in Spanien, der Etabliſſements
in Frankreich und einer unabfehbaren Menge von ſtaͤdtiſchen
Statuten.
Rechts: das roͤmiſche, das kanoniſche und ein jeber Provinz
eigenthümtiches, befonderes. Indeſſen thut ſich mit dem 16,
Jahrhundert ein mächtige® Streben zur Verſchmelzung dieſer
drei Battungen Eund. Die Vergrößerung der koͤniglichen Macht
ie hierzu wefentlich bei. Dies zeigt ſich namentlidy in Frank⸗
rei, wo von den Drbonnangen ber erften Valois bis zu denen
Lubiwig’s XIV. und Ludwig's XV. die Kobification ben Geſetz⸗
gebern vor Augen ſchwebt.
Wir haben es für nöthig erachtet, biefe allgemeinen Be:
merkungen vorauszufchiden, weil man fonft einen falfchen Maßs
ſtad an das gediegene Werk, welches wir vor uns liegen haben,
legen Eönnte. Der Verf. hat nicht einzelne abgeriffene Erörtes
rungen über die Erbfolge des Weibes in dem „Huero-juzgo”
ober im „Schwabenfptegel” geben wollen, fonbern es ift ihm,
wie wir zu Anfang gefagt haben, darum zu thun gewefen, bie
gemeinfame und übereinitimmende Entwickelung ber römifchen
und germanifchen Geſetzgebung, infofern fie fi) auf das politi⸗
fihe und civile Verhaͤltniß der Frau bezieht, darzulegen. Sein
Werk ift eine Frucht der umfoflenbften Studien; aber der Verf.
bat es verflanden, bie todte Maffe der Kenntnifle geiftig zu
durchdringen unb zu geftalten, und in diefer Beziehung ftellen
wie mandyem bdeutfchen Rechtsichrer feine Schrift ats ein nach⸗
ahmungewuͤrdiges Muſter hin.
(Der Beſchluß folgt.)
Miscellen.
Es ift eine feit langer Zeit beftehende Klage, daß bie uns
bebeutenbften Rechtsſachen gar oft, durch die Gewinnſucht ber
Advocaten befonders, zu weitläufigen und foftipieligen Rechts⸗
handeln auögefponnen werben, bergeftalt, daß die auf die Pros
ceßführung verwendeten Koften den Werth bes Streitgegenftandes
bei weitem überfteigen. Schon Martiat (Epigramm., 7, 65
fpottet darüber, und Leyſer (Med. ad Pand., Sp. 53, m. I)
erzäbit, daß zu Anfang des 18. Jahrhunderts Acten an bie
Yuriftenfacuität zu Helmſtaͤdt gefandt worden feien, betreffend
einen Rechtöftreit über das Gigenthum einer Gans. Diefer,
durch das GBefchreibfel der Abvocaten, Zeugenvernehmungen und
gegen Zwiſchenbeſcheide eingewendete Rechtsmittel weit zur Un:
gebühr ausgedehnte und hoͤchſt Loftipielig gewordene Rechtöftreit
erfchöpfte die Parteien fo, daß fie darüber an ben Bettelftab
geriethen. Iſt es demnach zu verwundern, wenn wegen foldyes
früher wol noch mehr als jegt vorkommenden Unfugs die Jus
riften von witzigen und unmigigen Verſemachern hier und da
Bart mitgenommen worden find? &o unter Andern Owen:
Jurisprudentes prudentes jure vocaatur,
„ Tam bene quum studeant provideantque sibi.
Dann Ebenderſelbe in dem Epigranım, in welchem ex bie Rechts:
gelehrten mit Rechenmeiſtern vergleicht:
Callet caussidicus numerandi quatuor artes,
Sitem addit Ik, jargla multiplicat;
Subtrahit argentum nummosque clientibus aufert,
Hemanumgqgus genus dividit atque secat.
Enbiih ein Ungenannter, der in feinen Knittelverfen die Zu:
riften bitter ſchmaͤht und Gott um ihre Bertilgung bittet:
Diure Juristas, Deus, ut Satanae citharistas
Linguss venales qui diount et simoniales.
Bon jegt an gibt ed nun aud drei Arten bes
O Deus, extinguss hes pingues abgus Billagues!
Frontie enim trietio sunt, herrondas quagee vita,
Hi aust fauteres scelerum frandisgue miaistri,
Bon dergleichen Prodbucten ließe ſich eine artige Sammı
machen, wenn es fi der Mühe verlo * —*
verdient hier noch ganz beſonders Martial’ 19. Cpigramm dei
—— a vn weichen bie mark der Abbe
caten, am ungehörigen Orte un Sa
bringen, ſarkaſtiſch angegriffen wird. ahorigten Baden ve
Die vormalige Reicheſtadt Frankfurt a. MM. Hatte vom
Kaiſer Karl IV. ein Privilegium erhalten, daß keiner item
Bürger in die Reichs acht erklärt werden konnte. Wie midi
dieſes Privilegium feiner Zeit geweſen, ergibt ſich daraus, daj
die größte aller Strafen, die, fo lange bie vorige beutfhe
Reichsverfaſſung beftand, durch Laiferliche Macht verhängt
werben Eonnte, die Reichsacht oder Adhtserkiärung (poena bauti)
war, durch welche der Verurtheilte aller und jeder Rechte beraukı
ward, welche er als Mitglied der bürgerlichen Geſellſchaft zu
genießen hatte. Sie folgte dem Hochverrathe, der beleibigten
Reichsmajeftät und dem Landfriedensbruche. Fruͤher waren ven
kaiſerlichen Rechte hierin keine Schranken gefegt, und not
Kaifer Kart V. verurteilte (1547) den ungluͤcklichen Kurfürkee
von Sachſen, Iohann Friedrich, wegen angeblichen Hodverrauty
zum Tode. Die Achtöformel lautete in früherer Zeit: „Deine
Wirthin theilen wir zur Witwe, deine Kinder zu Waiſen, bein
Lehen dem Herrn, bein Erb und Eigen deinen Kindern, bein
Leib und Fleifch den Thieren in den Wäldern, ben Vögeln in
den Lüften und den Fiſchen im Waſſer. Wo jeglicher fm
Geleit bat, ſollſt du keines haben, und wir weifen dic die
Bier Straßen der Welt in dem Namen des Teufels." Be
Goldaft (Constitutiones imperiales, I, 233) findet man einige
Barianten davon. Gine formula proscriptionis Romanse,
melde mit der Achtserklaͤrung Ähnlichkeit Kat, theilt Berl
(Sp. 62, m. 4) mit.
Bei ber Vorliebe unferer Zeit für Monumente, dab
welche berühmte Männer geehrt und gefeiert werben follen, ne
gegen ſchon das Horaziſche: „Debemur morti nos, nostrague
(Ep. 2, 3, 63) und Seneca's Declamation über bie Berginz
lichkeit alles Irdiſchen Ep. 91, 1U— 12), weiche mit den Bar
ten fchließt: „Hloc unum scio: omnium mortalium opera mer-
talitate damnata sunt; inter peritura vivimus’‘, einen Bean
halt bieten, wird man ganz befonders von dem Audfprud ie
lacedämonifchen Königs Agefilaus angezogen, welcher (mie Pio:
tarch in den Denkiprüden ‚von Königen und Feldherren erzätlt)
fterbend feine Freunde bat, nichts Geformtes „ober Bemaltıs
von ihm machen zu laffen; „denn“, fagte er, „wenn ic ein
rühmlihe That verrichtet habe, fo ift dies mein Denkmal; m
aber nicht, fo werden es alle Bilbfäulen nicht fein.”
Gin Dichter muß ſich wol der hoͤchſten Kraft bewußt fein,
wenn er gleichſam gefliſſentlich ſelbſt an die Spitze feines Gedicht
einen in die Augen fallenden Fehler hinftellt, ohne daß ber Iccf:
lichkeit des Ganzen dadurch Gintrag gefchieht. So hat Ham
(wie Plutarch bemerkt in der Abhandlung „Wie man fen
Fortſchritte in der Tugend bemerken könne”, Gap. 9) gieih
im erſten Verſe der Itiabe gegen das Metrum verſtoßen. Auh
Schiller im „Oymnus an die Freude” braucht gleich im erſten
Verſe der erften Stange, des Reims wegen, ſprachunrichtig:
„Funken“ flatt „Funke⸗ und ebenfo in dem erften Verſe de
vierten Stanze des Gedichte „Die Bunft bes Augenblidi”.
„‚Sunt’‘, fagt Soraz (Ep. 2, 4, 347), „delicta tamen, qui-
bus ignovisse velimus.“ fiberftraplt -ja immerhin der Glan)
dieſer Dichtungen die unbedeutenden Kleden. 31.
Berantwortlier Heraubgeber: Heintig Brodpaus. — Drut und Werlag von F. U. Broddaub in Leipzig.
Blätter
für
literariſche Unterhaltung.
Sonnabend,
Kabul. Schilderung einer Reife nach diefer Stadt und
des Aufenthalts daſelbſt in den Jahren 1836 — 38.
Bon Alerander Burnes. Aus dem Englifchen
von Theodor Delkers.
(Beſchluß aus Nr. 265.)
Dilie naͤchſten Abfchnitte gehören der Schilderung von
Kabul, dem Fortgang ber politifchen Gefchäfte und hoͤchſt
anziehenden Sittenfhilderungen von Stadt: und Landleben
der Großen an. Außerordentlich viel haͤlt man in Kabul
. von der phyſiognomiſchen Wiſſenſchaft, Kiafe genannt,
welche bis in Die Eleinften Details cultivirt wird, und
- ihren Eingeweihten großes Anfehen gibt. Der Verf. theitt
eine afghanifhe Abhandlung über diefen Gegenftand mit,
in der wunderbare Dinge zu lefen find. Folgende Ariome
als Proben :
Eine offene Stirn verkündet Reichthum und Fülle; ein
grober Mann mit langem Bart ift ein Narr. Wer ba rothe
Augen bat, ift immer bereit zu fechten. Dide Lippen verratben
den Krieger. Erwarte Freigebigfeit von Dem, ber lange Arme
bat, Fürchte nicht den Muth Eines mit dickem Leibe. Mens
fhen von Meiner Statur find beträgerifch; ebenfo bie mit büns
nen Rofen. Wer weiches Baar hat, ift guten Gemuͤths; fpröde
koden beweifen dad Gegentheil. Weite Nafeniöcher verkünden
Grauſamkeit; ein ſtarkes Gebiß wenig Weisheit. Große Ohren
. deuten auf langes Leben; magere Knoͤchel auf Behenbigkeit; ein
flacher Fuß ermuͤdet nicht u. f. w.
Naͤchſt diefer ift die Vorliebe für ſchoͤne Waffen eine
kiidenfhaft der Afghanen. Die verfchiedene Geſtalt des
Waſſers im Stahl wird flets mit einem beſondern Na:
men bezeichnet; Der Verf. ſah eine Klinge, deren Werth
auf 1500 Rupien angefchlagen wurde; die Probe ift, daß
eine folhe ein feicht in die Luft geworfenes feidenes Tuch
fpalten muß. Die Frauen, meiftens melandpolifhe Schöns
keiten, genießen in Kabul, fetbft bei politifhen Verhand⸗
lungen, große® Anfehen, und verbienen diefe Schägung in
der That oft duch Einfiht und Verſtand. So nahmen
die Schweftern Doft Mohammed's an allen pofitifchen
Vorgängen einen lebhaften Theil und wirkten bei feinen
raten Intriguen wefentlich mit. Zugendmufter find dieſe
gifterhaften Exfcheinungen allerdings gewoͤhnlich nicht.
Der Winter iſt zwar kurz, aber ftreng in Kabul und
tut früh ein; zu Anfang November fror das Gemäffer
und die Hügel bedeckten fih mit Schnee, und am 11.
De. lag derfeibe auch in deu Stadt feft, und ſtarke Kälte
rat ein; die Karavamnzuͤge hatten ein Ende und die
ganze Bevölkerung erfhien in Schafpelzen. Viel halten
die Afghanen auf Traͤume; fie nennen fie die Seele im
Fluge und ohne Leib. An Aberglauben fehlt es auch
nicht, und an Sagen iſt das Land um Kabal her reich.
Das Dorf Tſchihib Dukterun (Vierzig Toͤchter) entſtand
z. B. dadurch, daß 40 von den Kaffirs verfolgte Maͤd⸗
hen ſich bier in Stein verwandelten. Einbildungskraft
und bie daraus entfpringende Übertreibung und Prablerei
find den Afghanen überhaupt eigen; fo nannten fie der
Reifenden Eleined Gefolge ſtets ein Deer, die Reife einen
Feldzug u. |. w. Die Bewohner von Kabul führen den
Urfprung dee Stade auf zwei Soͤhne Noah’s, Kakul und
Dabul zurüd, die um den Namen bed Orts, dem fie
gruͤndeten, ftritten, und ihn endlich Ka⸗ vom erſten, und
bul opm zweiten Bruder nannten. Wahrſcheinlich iſt ber
alte Schah Urdſch der Erbauer des heutigen Kabul (um
1240), deifen Blütezeit eben jest gefommen war.
Der Verf. traf biee mit dem ruffifchen Gefchäftsträger
Wickiewitſch zufammen, der von Bokhara kam und ben
englifhen Botſchafter zuerft befuchte; diefe Berührung war
Pritifch und der Verf. verbirgt ſich hierüber hinter einem
begreiflichen bipfomatifchen Schweigen. Im Februar brach
der Frühling an, und ber Befehl feiner Regierung rief
Burnes nad Lahore, während Leech nach Randahar ging,
da8 er in 14 Tagen gemaͤchlich erreihte. In Labore
wankte der Maharadfha Rundfhit Sing zum Grabe;
von feinem Hofe hat Capitain Osborne einen Tehrreichen
Bericht erftatter.
In einem Anhang fammelt der Verf. aleihfam bie
Mefultate feiner Miffion: Ermittelung des geeigneten Orts
zur Anlage eines großen Emporiums für den Handel der
Indusreiche; Schiffbarkeit des Indus und feiner Ausfläffe,
Tiefe, Art der Beſchiffung u. f. wm. Vorzüge von Dera-
Shazi: Khan zu einem Mehplag für Suͤdaſien, die Pend⸗
ſchabfluͤſſe, und endlich, was für uns das Erheblichſte iſt,
die Lage der politiſchen Zuſtaͤnde in Kabul und den In⸗
dusreichen. Das heutige Kabul iſt der Reſt einer großen
verfallenen Monarchie, welche ſich von Medſchid bie Delhi,
vom Deean bis Kaſchmir erſtreckte. In zahlloſe Haͤupt⸗
lingſchaften machtlos aufgeloͤſt, nahm erſt vor einigen
Jahren der Herr der Stadt Kabul, Doſt Mohammed,
aus dem Stamme der Gildſchies, den Emirtitel an, und
vergroͤßerte durch engliſchen Schutz und gute Politik ſein
Reich bald fo, daß er feinen Feinden, den Siths von La⸗Recherches sur la condition civile et politique des
bore, zu widerfiehen vermochte. Er felbft regiert zu Kabul,
bält einen Artilleriepark von 45 Kanonen, 2500 Mann
regulairen Fußvolks mit Musketen und 12 — 13,000 Rei:
ten, werunter ein Zwoͤlftat Kuzzilbaſchen find, ums hat
@4— 26 Lad Rupien Einkuͤnfte; das Bad faft gleich
100,000 Thaler. Sein Bruder, Dfehubbar : Khan, tft
- gleichfam fein Großvezier, ein Mann von vieler Einficht
und Erfahrung; fein altefter Sohn, Mir Afzat: Khan, re:
giert zu Zormut; Mohammed Akhbar⸗Khan, fein Lieblings:
fon, zu Dfchellalabad mit der Häuptlingfchaft über die
Gildſchies; Akrom = Khan verwaltet Beſut und lenkt die
SHuzaras, Hyders Khan beherrſcht Ghizni, und der Sohn
Emir: Khan’s verwaltet Kohiftan. In diefer Stellung ift
der Beherrſcher von Kabul der natürliche. Verfechter des
Jelam am Fundus, und bat keinen Feind zu fuͤrchten
als von Oſten her den Fürften der Siehe, die Feinde
des Islam.
Dies war die Lage des Emirs von Kabul, als die ſo
ungluͤcklich beendete engliſche Erpedition im J. 1841 an
dem Reiche ruͤttelte, und die Familie Doſt Mohammed’s
plöglih dem alten Buͤndniß untreu machte. Daß dies
ruſſiſchem Einfluſſe beizumeſſen war, laͤßt der Verf., ohne
es auszuſprechen, dentlich genug erkennen. Dem Fürſten
felbſt ſpendet Burnes großes Lob; einſichtig, wachſam,
von ſchneller Faſſungsgabe, dabei unternehmend, voll Men⸗
ſchenbenntniß, billig, ruhig und gerecht, gewandt und gei⸗
ſtig uͤberlegen ſeiner Umgebung, war Doſt Mohammed ein
Füͤrſt, wie er für Kabul nur zu wuͤnſchen war; fein
einziger Fehler war Geldgier und Geiz, damit hatte er
ſeine Revenuen auf ſo ungeheuere Hoͤhe gebracht. Vor
allen Dingen that ihm Friede noth, um ſein neues Reich
zu begründen ; es ſcheint aber, daß der Fanatismus und
der Ehrgeiz. feiner Söhne und beſonders der des krieg:
liebenden Albbar: Khan es zum Frieden nicht kommen laſ⸗
fen wollte. „Es iſt ein fchöner und begabter Menſchen⸗
flag, den Doft Mohammed beherrfcht, flarf genug, um
jedem Feinde zu teogen”, fagt Burnes zum Schluß, und
dieſe Weiffagung hat fih zum Verderben feiner eigenen
Landsleute bernahrheitet, als die 200,000 Gildfchiefamitien
in Afghaniſtan fich gegen die Engländer erhoben.
Gern theilten wir noch einen Auszug aus bem php:
fiognomifchen Werke einer afghaniftanifchen Philofophie
mit, das den Beſchluß macht, doch wir beforgen, unfere
Lefer zu lange aufjubalten und enden bamit, dem Ber:
dienfte dieſes Berichts die volle Anerkennung zu zollen,
die Ihm als Iehrreicher Beitrag zur Kenntniß der Indus:
laͤnder unverkennbar gebuͤhrt. Mit Dank nehmen wir
auch die zwölf Zeichnungen und die kurzen Vocabularien
der Kaffirfprache und des Pufchgedialekts hin, welche an⸗
geſchloſſen ſind, obwol wir allerdings viel Lieber als dieſe
eine tuͤchtige Karte des Meifezuges empfangen hätten, wel⸗
che um fo möthiger war, als dis unter uns vorhandenen
fo aͤußerſt mangelyaft erfheinen. Unter den Portraits
iſt beſonders das von Doft Mohammed charaktervoll und
femmes, depuis les Romains jusqu’& nos jours par
Ed. Laboulaye.
(Beſchluß au Nr. 2365.)
Wis müflen es Kritlern vom Jach en, den re
juriſtiſchen Theil, in dem bie Muchte. das Wäeibek in der —*
des Waters als Tochter, Schweſter ober Verwandte überhaupt
und in der Familie des Gemahls als Frau, Witwe und Mat
ter erörtert werden, näher ins Auge zu faffen und nachzuweiſe,
ob der Verf. alle einzelnen ragen gleich befriedigend geidſt hat.
Wir begnügen uns hier, einige Bemerkungen über die potitifäe
Stellung des Weibes im Mittelalter hinzuzufügen, weiche vid:
leicht für den Lefer d. Bl. nicht ohne Julereſſe find. Co
[wer es bei ber großen Verſchiedenheit der Gefege und Ce
bräuche auch ift, 0% einen allgemeinen Begriff von der pe
Litifhen Befähigung, die man ben Weibern im Mittelalter cir:
sdamte, zu bißben, fe Tann man buch im Allgemeinen aunt:
men, daß dem weiblichen Geſchlechte den Waͤnnern gegeniter
nur ein fehr beſchraͤnkter Kreis vom politiſchen Rechten an:
wiefen war. Es fteht außer allem Zweifel, daß im Mittelalter
ber Mann fi) aus anderm Stoff‘ gebilbet glaubte. Dies geht
befonder6 aus dem Umftande hervor, daß das Weib eigenuih
zeitlebens in einer fortwäsrenden Unmimbigleit gehalten wurk,
die in den mittäglichen Ländern weniger gell berbortrat al
im germanifchen Norden, wie bie aus der Beſchraͤnkung di
Rechts, als Zeuge aufzutreten u. f. w., hervorgeht. Gebr hie:
fig ift aber auch diefe Inferiorität für das Weib von Borkkei
und gibt ihm inebefondere Anfprudg auf Schutz und Protein.
So kann nad) dem Gefege von Aragon die Frau nicht Ode:
ben halber ins Gefängniß gefteddt werben. Sn den erfen Ze⸗
ten ber Feubalität war der Beſitz eines Lehens dem Bei
gänzlich verfagt. Dieſe Tendenz herrſcht im ganzen Lehnereäte,
wo die Weiber felbft im günftigften Falle immer erſt auf ik
zweite Linie gefegt werden. Der Grund biervon ift mel w
naͤchſt in der Unfähigkeit des Weibes, dem Krlegedienfe Gt
nüge zu leiften, zu fuchen; aber bie ungalanten aͤltern Redti-
lehrer führen noch einen zweiten Grund an, und bies it di
Unmöglichkeit bed Weibes, ein Geheimniß zu bewahren. (Bafat
fagt in feiner Abhandlung „De feudis’’: „Mulieres et pueri id
celant quod ignorant”), Aber ihr Rechtekreis erweitert: fü
bedeutend, als es ihnen einmal geftattet war, ein Lehen zu nt:
walten. Ganz vorzüglich zeigt fich dies in Stalien, wi wi
aus einge Menge von Diplomen aus dem 9.—12. Jahrhundert
fehen, bie von Muratori mitgetheilt werben. Aud in fra
reich war dies der Fall und es ift befamnt, daß es den Weiber
freiftand, an ben Stänbeverfammtungen Theil zu nehmen, tia
Net, von bem unter Anbern Frau von Sevigné, melde da
Ständen in ber Bretagne beivohnte, Gebrauch gemacht hat.
Nachdem einmal das Recht der Weiber, ein Lehen zu k:
figen, gefegliche Kraft erhalten Hatte, öffnete fich ihnen auch da
Weg zur Erbfolge auf dem Throne; denn im ganzen Mitt;
alter war die Thronfolge nichts Anderes als eine Lehensfolg
und dad Königreich das erſte Lehen. Der erſte Fall, F
Recht der weiblichen Erbfoige auf dem Throne in Kran
zur Frage kam, war im I. 1346, bei der Thronbeſteigung
lipp’6 des Langen. Beim abe feines Vorgaͤngers Lubmig, 8
nigs von Frankreich und Navarra, erbte feine einzige Tohte
Zohanna, Gemahlin Philipp’s von Evreux, die Krone von Rs
varra, die anerfanntermaßen ein weibliche Lehen mar. Abt
vom Throne von Frankreich ward fie von ihrem Onkel Phin
bem Langen ausgefcklofien. Agnes, die Tochter kLudwig's de
Heiligen, Witwe Robert's IL, von Burgund, appelit
in ihrer Gigenfchaft als Mutter der Johanna gegen bie N!
nung Philtpp’s des Sangen. Aber fie verlor ihren Procef, 5
dem Pierre Darabiai die Hauptfade ausmadpte. „Mei di
Gelegenheit", fagt Dönanit (Abreg& chronologigee, 1, 313
beſchieht bes Saliſchen Seſetes zum exfien Mate Erwähnung
Indeſſen iR 06 gu besweifsin, daß ber Mame bes Galiſchen 6
⸗
(eweits gehmändgiih; war. Meit dieter Beit blieben bie
8 Erben von der R B audgefchlofien, obgleich, na⸗
menttih nad dam Ableben ‚Heinzicg's III. von Gpanien ber
Alcs aufgeboten ward, die ‚Dinderniffe, welche ben rauen Dem
Try zum Throne verſperrten, bei Seite zu fhaffen. Dieſer
Fali ift beſonders beasptenswerih, benn bei biefer. nheit
wurde bie ganze Frage zum erſten Male vom juriſtiſchen Stand⸗
punkte einmal näher ins Auge gefaßt. Die beiben eifrigſten
Streiter waren die Brüder Anton und Franz Hottmann, bie
beide mit eigenen Streitſchriften hervortraten. Sie beleuchten
barin ſowol bie vechtliche als die Hiftorifche Seite des Saliſchen
Geſetzes. Seit dieſer Zeit, wo bie Bemuͤhungen Spaniens zu
Schanden geworben waren, wurde das Saliſche Gefeg ober eis
gentiih das Saliſche Herkommen (coutume) nicht mehr in Zwei⸗
fel gezogen, und jetzt bildet daſſelbe einen Theil des franzoͤſiſchen
Staotirehte. Sagen wir nun noch fehließlich, daB Dank die:
fm Gelege die franzoſiſche Krone nie mehr in fremde Bände
übergegangen ift und daß Eanguedoc, Bretagne und bie übrigen
reichen Provinzen, die jet Frankreich ‚bilden, ihre auf biefe
Weiſe zugefallen find.
Deutihland folgte bem allgemeinen Berlommen, unb als
einmal die Frauen das Recht errungen batten, ein Zehen zu bes
ſitzen, ſo ſtand ihnen auch nichts mehr im Wege, im Fall kein
naͤherer maͤnnlicher Erbe vorhanden war, zum Throne zu ge⸗
langen. Die Beiſpiele der weiblichen Erbfolge waren ſo zahl⸗
reich, daß Senckenberg verſichert, es gebe in Deutſchland kein
Fuͤrſtenthum, keine Grafſchaft u. ſ. wm», im ber nicht ſchon eine
Frau die Erbfolge angetreten habe. Bei der oͤſtreichiſchen Suc-
ceffion, welche Curopa fieben Jahre hindurch (1740 — 48) zu
ſchaffen machte, handelte es fi) weniger baum, zu wiflen, ob
ſtreich ein weibliches Lehen fei, denn dies warb fo ziemlich von
allen Parteien zugegeben, als um bie Yrage, ob man, ba ein:
mal blos weibliche Kronprätendenten ba waren, ber Tochter des
letzten Throninhabers ober denjenigen weiblichen Erben, welche
eine größere Berechtigung dazu geltenb machen Eonnten und bie
nur zu Gunften männliher Nachkommen auf bie Regierung
Verzicht geleiftee Hatten, ben Vorzug geben folle.
Die ſpaniſche Erbfolge iſt ein ſehr fehwieriger Punkt, ber
erſt von Mignet in feinen ausgezeichneten „Negociations rela-
tves a la smccession d’Espagne sous Jouis XIV’ (Paris
1835) in fein rechtes Licht geftellt if. Trotz biefer meifterhaf:
ten Arbeit bat Laboulaye doch einige Punkte gefunden, bie
bisher noch nicht erörtert waren. Wir können ihm nicht weis
ter in das Getriebe von Intriguen, welche in biefen Angelegens
keiten ind Spiel gefegt wurden, folgen unb verweilen deshalb,
fewie auch in Bezug auf bie weibliche Erbfolge auf dem ſpa⸗
fen Thron nady Philipp V., auf das Werk ſelbſt. Wir wol:
ien diefe überſicht mit einigen Ländern fchließen, wo das Recht
der Weiber auf dem Throne zu folgen niemals ſtreitig gemacht
iſt. Wir rechnen hierzu SItalten, wenigſtens ben nördlichen
Theil davon, wo ungeachtet mehrer Bürgerpvifte bie weibliche
Succeſſion faft immer durchgelegt wurde. Mailand, Mantua,
Parma u. a. bieten zahlreiche Beiſpiele dafür. Neapel war ein
Trauenlehen fo Lange, bis das Baus Bourbon zur Regierung ge:
langt war; aber noch zur Zeit Ludwig's XIV. trat der Yark
% Tremounille, ber fi mit dem legten weiblichen Rachkommen
vermaͤhlt hatte, als Prätendent auf („De regni neapolitani
$i demſelben die weibtiche Defcendenz nur ben Borwand
fe, unter dem bie beiden gegen ehenden ien ſich bes
Heten. Seitdem iſt aber das weibliche Erbfolgerecht auch
nit einmal im | a ober in Zweifel
egogen worden. Maria, Eilfebeth und, feit (ution vom
& 1688 bie Königinnen Ren und Anna en Thron
ohne den geringſten Widerſpruch. Im den nordiſchen Staaken
wurde bie Erdfolge der Weiber gleichfalls frühzeitig zugelaffen.
Korwegen, Schweden, Polen und Büußland, fort, ums des gleich
mit anzufähren, auch Wöhmen und Ungarn find von Koͤnigin⸗
nen und belanntlich zum Theil nicht unruͤhmlich regiert morben.
Mit Recht bemerkt der Verf., daß es den Anfchein hat, ats
hatten bie flamifchen Whtler, weil unter. ihmen bie Feudalitaͤt
weniger beobachtet war, ſich leichter zur Weiberherrſchaft bequeme.
Die eigentliche Befähigung ber Frauen zur Regierung gebt
dee Verf. in Zweifel und er ſtuͤtzt fich dabei auf gabizeiche Zeug⸗
niſſe Älteren Schriftſteller. Befonderes Gewicht legt er babei.
auf die Anſicht Bodin's, ber in feiner Schrift über bie Die
publik dieſe Frage zum erflen Male einer umfaflenden Unter⸗
fuchnng unterwirft. Schon Jeſaias hat Übrigens gefagt: „Der
Herr wird firafen und eud ein Weib zur Herrin
geben. Dagegen ſpricht fi Montes quien fehr zu Sumflen der
Hoauenregierungen aus. Derfelbe fchreibt den Weibern nit
auc eine gleiche Befähigung zur Verwaltung ber Staatögefchäfte
wie den Männern zu, fondıen flellt fogar die Behauptung auf,
daß Fälle eintreten innen, wo die Regierung einer rau ums
endlich begluͤckender für bie Ration ift als die Herrſchaft irgend
eines Mannes. Im Allgemeinen ſtimmen indeflen mol bie
veuern Staatslehrer dahin überein, daß ein kraͤftiger männli
her Herrſcher eine ficherere Garantie für das Staatswohl ift,
als wenn das fhwächere, für dußere Einfläffe empfaͤnglichere
Weib bie Zügel der Regierung in die Hand nimmt. Dies ift
wie gefagt auch bie Meinung, weldge Laboulaye in feinem Werke
verficht. Er weiſt dem Weibe einen ftillen, friedlichen Wir⸗
kungskreis an; aber er kann doch nicht umdin zuzugeben, daß
unter gewiffen Berhältniffen mit der Regierung einer Zrau we:
nig ober gar feine Übelftände verknüpft find. Ja, er acht noch
weiter und meint, daß in Berfaffungen, wo wie in England bie
tönigtiche Gewalt eigentlich bei Lichte betrachtet nur ein Schein
tft, eine Königin, die ald Weib fich leichter mit bem dußerh
Prunke ohne wirkliche Thaͤtigkeit befriedigt fühlt, vielleicht noch
mehr an ihrer Stelle ift als ein thatendurfliger Mann, dem
diefe Außere Parade nicht genügt. Nur als Hegentinnen, wenn
fie während der Unmündigkeit ihre® Kindes die Staatsgeſchaͤfte
verwalten, räumt der Verf. ihnen eine größere Gewalt ein. Er
berührt inbeffen diefen Punkt nur im Voruͤbergehen, weil bare
felbe ihm nur ein geringes juribifches Intereffe zu bieten ſcheint.
Ebenfo wenig gebt er auf bie biftorifche Seite der weiblichen
Regentſchaften ein, und verweift in biefer Beziehung auf die
zahtreihen Schriften, welche der verhängnißvolle Tod des Ders
zogs von Orleans hervorgerufen bat. Die erfchöpfendfte und
brauchbarfte derſelben ift der „‚Precis historique des r&gences
de France” von Colar und Dufau (Paris 1842).
Der gelehrte Verf. bat bei feiner Arbeit, bei der ex bie
wichtigften Vorarbeiten benutzt bat, zwei Werke nicht beruͤckſich⸗
tigen £önnen, welche erft nad Yofaffun feinee Schrift erſchie⸗
nen find, bie aben Gelbe mit dem G de, ben er behanbelt,
in näherer Beziehung ſtehen. Es ift dies erſtens eine „Histoire
du rögime dotal et de la communaut&’ von Ginoulhiac, und
dann ein ausgezeichneted Wert vom berühmten Herausgeber ber
„Collection des lois maritimes”. Es ift dies eine gelehrte
Ausgabe bes Saliſchen Geſezes Parbeffus ſpricht in einer
gründlichen Ginteitung zuerft von den verfchiedenen Handſchrif⸗
ten und gibt bann verfchiebene Texte, die bisher noch wenig bes
fannt waren. Seine Anmerkungen fowie bie hinzugefügten Difs
fertationen, 14 an ber Zahl, bie fi auf die Redaction bes
Saliſchen Gefeges, auf verfchtebene Punkte des franzöftichen Pri⸗
vatrechts u. |. w. beziehen, find von bedeutendem Werte. Im
Allgemeinen flimmt Parbefius, einzelne geringfügigere Abwei⸗
dungen ausgenommen, mit den vernünftigen und begrünbeten
fihten überein, welche Laboulaye in feinem fleißigen Merle
ausgefprechen hat. 6
Norbameritanifhe Miscellen.
(Aubzöge aus ben Öffentlichen Blättern ber Wereinigten Staaten
vom Jahre 1848.)
Bor dem Berichte in Gounty Giaremont bes Staats New⸗
Dampfbire kam neulich — erzählt ein neuenglaͤndiſches Blatt —
ein Fall vor, den ſich alle Junggefellen merken mögen. Eyma
&mith klagte gegen Samuel Blanchard auf Entfhädigung, weil
er ihr die She verfprochen und dennoch eine Andere geheirathet
babe. Die Klaͤgerin bewies auf bas vollfiändigfte, daß ber
WBeltagte wirklich ihr bie Zuſage ertheilt, fie zu heirathen.
Letzterer geftand dies Alles zu, behauptete aber zu feiner Ver⸗
theibigung, daß fein Verſprechen barum nicht binden) für ihn
gewefen jei, weit fein Anerbieten von ber Klaͤgerin niemals ans
genommen worden ſei. Er habe, feßte er hinzu, freilich lange
den Wunfch gehegt, fih mit ihr zu verebelidhen und fei deshalb
zu verfchiebenen Malen mit Beirathsanträgen herausgerüdt; fie
aber habe diefelben bald theilweife verworfen, balb gar nicht
beachtet und habe jedenfalls nie bie Abficht gehabt, ihn zum
Manne zu nehmen, falls fie eine beffere Partie machen koͤnne.
Als er fig überzeugt gehabt, daß bie Klägerin ihn nur als
Kothnagel gebrauchen wolle, habe er einer Andern einen Hei⸗
ratheantrag gemacht, die ihm gleich auf die erſte Anfrage das
Jawort gegeben. Ungeachtet biefer fchr einleuchtenben Ginrebe
wurde ber Beklagte dennoch von bem Gerichte zur Zahlung
einer Summe von 300 Dollars zur Entſchaͤdiguug der Klägerin
verurtheilt.
Aus dem Jahresberichte ber Patent: Gommilfion in Wafhington
gebt hervor, daß im 3. 1841 von der Bundesregierung 435
Erfindungspatente ertheilt wurben und 327 erlofchen. Im
Ganzen beiäuft ſich bie Zahl der in den Vereinigten Staaten
feit deren Gründung ertheilten Patente auf 12,47/. Im vers
fioffenen Jahre wurden 847 Anmeldungen gemacht. Die Com⸗
miſſion macht auf zweierlei Misbraͤuche aufmerlfam, einmal,
da& viele zum Verkauf gebrachte Sachen mit dem Worte „Pa⸗
tent“ fich geftempelt finden, obgleich für diefelben nie ein Pas
tent genommen worben ift, und zweitens, daß viele Erfindungen
noch als patentirt verkauft werben, deren Patentzeit längft
abgelaufen if. Um folchem Betruge zu begegnen, wird in
Vorſchlag gebracht, eine gefeglihe Beſtimmung zu treffen, daß
bas Datum der Yatentertheilung an alle patentirte Sachen ge:
flempelt werben müfle.
Aus dem Sahresberichte der pennſylvaniſchen Taubftum:
menanftalt ergibt fi, daß zu Anfang des 3. 1842 106
Zöglinge, naͤmlich Gl Knaben und 45 Mädchen, Unterricht und
Pflege in berfeiben erhielten. Der Staat Pennfylvanien unter:
hält 72, Maryland 12, Neujerfey 7 und 15 werben theils
von ihren Verwandten, tbeils durch die Ginkünfte bes Inſti⸗
tuts verforgt. 33.
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Nothwendigkeit eines unfehlbaren Oberhauptes bed Papftes in
ber Kirche Chriſti. Aus dem Lateinifchen überfegt von H. L.
Mit einer Vorrede begleitet und herausgegeben von X. 3. Bins
terim. Düffelborf, Roſchuz und Eomp. Gr. 8. 7Y, Rear.
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Niederländifhe Sagen. Gefammelt und mit Anmerkungen
begleitet herausgegeben von I. W. Wolf. Mit einem Kupfer
Leipzig, Brodhaus. Gr. 8. 3 Thir.
Sammlung der neuern und beften Romane ber Franjſen,
Italiener und Spanier in beutfcher überſezung. Emile Sou:
veſt re's geſammelte Werke. Aus dem Franzoͤſiſchen uͤbertragen
von Mehren. After und 2ter Band: Die Kletterftange. Hiſte:
riſche Novelle aus ben Julitagen 1830. Ins Deutfche ubertrc:
gen von D. dv. Birfened. Zwei Theile. Grimma, Verlage⸗
comptoir. Gr. 12. 1Thir.
Wien, Sauer und Sohn.
Seidl, 3. G., Pentameron.
8. 1 Ihe. 74 Nor.
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vermifchte Schriften. 2te Auflage. Ater bis Öter Band. — I.
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Leipzig, Brodpaus. Gr. 12. 6 Thlr.
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Bon Bernd von Guſeck. I7Tter Jahrgang. Mit acht Stahl⸗
flihen. Leipzig, Baumgärtner. Er. 16. 2 Thlr. 10 Ra.
Waagen, ©., Über die Stellung, weiche ber Baukunſt,
der Bildhauerei und Malerei unter den Mitteln menſchlicher
Bildung zukommt. Vortrag, gehalten am 18, März 1845 im
8
Was wollen eigenthich bie Muͤnchener hiſtoriſch⸗ politiſchen
—* für das katholiſche Deutſchland? Leipzig, Fort. Gr.d.
2 gr. |
Blätter
für
literariſche Unterhaltung.
Sonntag,
Überſicht der neueſten poetiſchen Literatur.
Dritter und letzter Artikel.”
40. Gedichte von Adolf Schults. Erſte Sammlung. Mag⸗
deburg, Baenſch. 1843. Gr. 12. 1 Zhir.
Bier tritt ein nicht undbegabter Sänger auf. Der Duft
der Jugendfrifche umhaucht alle Blumen des Gefanges. Die
Sprache ift prägnant und concis in den größtentheils kurzge⸗
meflenen Rhythmen. Er verfteht die Kunft, einen winzigen Ge⸗
danfen zum Liebe auszufpinnen und eine ertraͤgliche Menfchens
geftaltung in eine graziöfe Gruppe umzufchaffen; aber — o baf
der pebantifche Kunftrichter dem warmen Lobe ein eisfaltes
Uber, wie der Dimmel dem Fruͤhlings ſonnenblick einen Hagelſchauer
nadhfendet! — der Verf. ift Gebieter in einem nur kleinen Mu⸗
fenterritorio; Wein und Liebe, Liebe und Wein ift das Thema,
das er unabläflig variirt und was einen ewigen Kreislauf bei
ihm macht; die Natur, das Heilige, das Menſchenherz, das
Menſchenweh und aus Iedterm ber Himmel haben noch nicht zu
ihm geredet, und reden deshalb auch nicht aus ihm. Gr ift
mithin einfeitig. Doch wollen wir, um ber Wahrheit die Ehre
zu geben, nicht verfchweigen, daß bie Sammlung auch Epiſches
und am Schluß Spigrammatifches bietet, wofür er nicht ohne
Talent iſt; indeffen bleibt die Domaine, die ihm der deiphifche
Bott verliehen, doch immer nur klein. Auch tifcht er den in
neuerer belletriftifchen Literatur Beleſenen manche Schüffel auf,
die ein Anderer fchon bereitet hatte. Manches mahnt an Heine
und an Zerrand. Nur einige Hindeutungen auf Einzelnes.
„Lenz und Erde” (©. 3), fowie „Nur Du’ (&. 9) eignet fi
wegen feiner Sangbarkeit zur Gompofition. Den Romanzen
febit die epiſche Kürze nicht; man fehe den oft Thon behandels
ten Romanzenftoff „Des Bergmanns Braut” (©. 27), „Säns
gerfiage”‘, echt lyriſch und charakteriftiih (©. 58). Wenn man
viel von dem allegorifhen Cyklus „Das Vergißmeinnidt an den
Sommerwind" (&. 140) erwartet, wird man in feiner Erwars
tung getaͤuſcht; es if gebanfenarm und tautologifh. Die Ror
manze „Soldatenleiden“ (&. 147) erfüllt alle Foberungen, bie
man an derartige Dichtarten machen kann. „Anakreontiſche Lies
der‘ (S. 167) find jugenbfrifch, Teiht und keck. In dem Meis
nen Liede „Ju Daufe” (&. 1%) ift der Gedanke anſprechend:
Nach ben Wände blicke nicht,
Sieh nit um dich ber,
Schan nur mir ind Angeſicht:
Kennſt du mich nicht mehr?
Bier mein Arm und hier mein Herz,
Dein, bis einſt ed bricht!
Alles Andre außenwaͤrts
Kuͤnmert und ja nicht.
*) Bergl. den erſten und zweiten Artikel in Nr. 130 — 141 und
Ar. we — 28 v. Rt D. Red.
Unter der großen Zahl erotiſcher Gaben zeichnen wir aus „Lieber
und Thraͤnen“ (&. 198) und „Minneſaͤngers Gluͤck“ (&. 241).
Den Schluß bildet Epigrammatifches, oder fiebenmalfieben Reim⸗
ſpruͤche, unter denen wir notiren „‚Veriegenheiten” (&. 283),
„XRenien“ (&. 285), „Gchreibfeligleit” (&. 285), „Einſt und
Run‘ (&. 287), „Bildung“ (&. 292), „Freiheitshelden“ (©.
308) und „Zum Abfchied” (S. 3). Die Worte auf. dem Zi:
tel: Erſte Sammlung, geben Kunde und Zeugniß, daß eine
zweite folgen wird. Wird fie bie oben angebeuteten Rüden
villeicht ausfällen ?
47. Wilde Blumen. Dichtungen von Joſeph Mendels»
ſohn. Leipzig, Ph. Reclam. 1843. 8. 1Thlr.
Einige diefe Dichtungen einleitende- Verfe deuten ben Titel
berfeiben. „Mein Dafein‘, fagt der als Schriftfeger, Journaliſt
und Kritiker in Paris lebende, durch feine „Pariſer Briefe‘ bes
kannte Verf., „gleicht den Felſenhoͤhen, wo wilde Blumen, ein:
fam, ohne Pflege und Sorge wahlen. Was unbelannt auf
fteiten Höhen, im Sonnenfeuer, im Abendroth, «im Leuchten ber
Geſtirne blühte, wand ich zu bunten Sträußen, beren Loos es
if, zu blühen, zu wellen und zu flerben.” Die Lieber tragen,
gegen unfere Erwartung, der Mehrzahl nach, eine dunkle Farbe,
fheinen in elegifher Stimmung empfangen, find forgfältig ges
feitt, kokettiren aber hin und wieder mit gedrechfelten Phrafen
und Bildern, auch Läuft wol ein erkättend profaifcher Paflus
mit ein. Wo er bie Feder mit dem Pinfel des Landſchafts⸗
malers vertauſcht, malt er fogar vortreffiih. Die „Wanderlie⸗
der’! Elingen harmoniſch, bieten aber fonft nichts Ausgezeichnetes.
„Wandlung“ ift ein Nachtftüd, mit Liebe gearbeitet, mit Say
falt gefeitt, doch Eönnte es prägnanter fein. „Wunſch“ (S 64)
ift echt Igrifh und Lader, wie mehre andere, zur Gompofition
ein, wie wie denn auch in Hirſch's Album eine anſprechende
Sompofition des Liedes „Zieh' hinuͤber, ſuͤße Taube” u. f. w.
von Methfeffel gefunden haben. Die Lieder, welche eine natios
nale, politifche oder auch religiöfe Anficht und Geſinnung dar⸗
legen, werben gewiß dem Yublicum der Jetztwelt gefallen, und
es find wirklich einige gelungene darunter, 3. B. „An Georg
Herwegh‘' (8. 109). Mehre halb Klage, halb Unwillen ath⸗
mende Lieder an das Bolk Jorael könnten faft den Gedanken
beranlaffen, der Sänger gehöre biefem Wolke confeflionell an,
eine Vermuthung, bie auch durch feinen Namen halb und halb
zur Sewißheit wird. Das Gedicht an Kranz Dingelſtedt bat
energifche Stellen. Ein Verdienſt hat ſich Joſeph Mendelsfohn
überdies erworben durch Übertragung einiger Lieber des Hege⸗
fippe Moreau, eines ebenfo unglüdtichen als genialen Sängers,
der im 3. 1838 in einem parifer Hospital endete. Cine Les
bensſkizze defjelben fleht im zweiten Bande ber „Parifer Briefe’.
Richt zu überleben ift das Eleine Lied (S. 105), wo ber Verf.
feine Lieder charakteriſirt und fagt, fte fproßten üppig wie junge
Keben an einem Spalier und fchließt:
Wie das Spaller verſchwindet in der Hülle
Der Blätter, Reben und ber Traubenfuͤlle,
wie
So wird der Sänger auch bereinft verſchwiaden,
Doch wer ihn ſucht, wird feine Lieder finden.
48. Lieder aus Tirol. Von Beda Weber. Gtuttgart, Gotta.
1842. 8. 1 Zhlr. 15 Nor. ’
Ber, wie Ref., in disfen Siedern das age Matiomalgefäht,
* heitere Stimmung und bie anſprechende Raivetaͤt bes tiroler
olis fucht, wird fi ara getäufcht finden; denn bier ertönt
nicht das Jodeln eines gepugten Sängers ober Hirten von ber
Am, welchem aus friſchem Dunde der Dirne eine Antwort
wird, fondsen das Largo lamentofo einer trüben Lebensanfcdhau:
ung, einer tiefen Wehmuth über bie Hinfälligfeit alles Sicht:
baren, einer fhwärmerifchen Sehnſucht nad) dem Himmel. In
den neillen Nummern verliert ſich jenes Largo in ein ſchmelzen⸗
des Adagio, das den Herrn, den füßen Geelenbräutigam, ans
sit, und wo ſich in bie Exdftige Sprache ber Bibel, wunder⸗
lich genug, die moderne Ausbrudsweife mifcht. Gieich die erfte
Rummer , ndniß“ gibt bie Tonart, in ber alle Rieder in
Muſſk gefegt find, an:
Ich rang die matten Hände
Hinuͤber mit Gebet,
Wo und da6 Kampfedende
Aus ew'gen Palmen’ weht.
Ich fiel ind müde Sterben
Der Heißgeliebten ein,
Den Tod wollt’ ich verderben,
Die Liebenden befrein.
Doch blieb mie Kampfesraſchen
Nur wehnder Ericheubuft
Und Thraͤnen, mid zu waſchen
Dom Hauch der Moberluft.
Wenn sr nachher noch binzufägt :
Du fiehſt die truntnen Züge
Und kannſt fie kaum verfichn,
fo müffen wir ihm feufzend Recht gebens beſonders unverftänds
lich wird er da, wo er fih in den Nebein muftifcher Entzuͤckung
verliert; da erfcheint er in einer Bublimität und krankhaften
Zartheit, daß der Mann mit gefunden, Eräftigem Rervenſyſtem
und mit Harem Blick ihm nicht folgen kann. „Wähle Gott
um Bräutigam, quaͤle dich ab für ihn”, ruft er einmal aus.
In der „Riebesnacht”, die er &. 50 mit Jeſus durchſchwelgt,
eht ed noch Arger ber; ebenfo in „Areuzesiuft” und „Nacht⸗
eier” (8. 54 u. 58), wo er Novalis in feiner muftifchen Übers
ſchwaͤnglichkeit vor Augen gehabt zu haben fheint, nur daß jes
ner Romantifer mebr aus der Seele berausfingt und großartt:
ere Wilder entfaltet. Überdies find feine Bilder nicht immer
lar. Bo heißt e8 &. 72:
Die Unſchuld breitet Blum’ und Blüte
Spalirend durch dad Haus,
Und malt mit Himmelsguͤte (7)
Die lichten Springen (?) aus.
Bn „Die Pfingſtnachtigall“ (8. 141) lautet bie britte Strophe:
Das Rreifge Gi des Lieds ranunkelt,
Bon die umgluͤht, in meiner Wruf,
Durchs zarte Schalgehaͤuſe vunkelt
Die junge Frucht, fie locht und funkelt
Ans goldne Licht die Brählingeluft.
Ein Lied an den Gott des Weins bat fich in die Nummern der
dritten Abtheilung verirrt und eingefchmuggelt, doch hat, ber
Sänger im Weinrauſch noch feinen muftifchen Gharafter. übri⸗
gens ift in genannter Abthellung Hin unb wieder ein patrioti⸗
Icher Hauch fühlbar, und die fonft vag in Lüften ſchwebende
Dhantafte findet feften Grund und Boden. Er begrüßt da fein
Deimatsland, deffen Berge, Bernsjäger und Helden, namentli
Andreas Hofer und feinen Landesherrn; aber ohne alles myſti⸗
ſche Gewinfel geht es nun elamal in dem Buche nicht ab,
und mir mödten bie kuͤhne Behauptung aufflelien, daß
Hrn. Beda Webers aus der Ki ſchichte befanater
mensvetter, Beda ber Ehrwuͤrdige, —* * in *
nen myſtiſch⸗allegoriſchen Deutungen der Saͤrifien des nur
Bundes, alfo gelehrter, aber gewiß nicht froͤmmer war als Hr.
Beda aus Tirol.
49) GBedidte von Yranz von Sieker. ©
ae — won, Ki
Hr. von Gotta beftrebt ſich ſeit Jahren bereits, fein
Verlagshandlung zu einer Notabeinverfommiung von Gchön
geiftern beutfcher Zunge zu maden. Dem Mittelmäßigen un
Sinfeitigen, wie es uns in ben in voriger Nummer angejeigten
„Liedern aus Tirol” vord Auge tritt, geſtattet er felten den
Sintsitt und weiß faft immer das Beſſere, oder wenigſten
das Bielverſprechende auszuwählen und unter das Yalladiım
feiner Firma zu flellen. In die Kategorie des Beſſern un
Vielverfprechenden ſtellen wir auf vorliegende Gebidhte cine
füdoftdeutfchen Schöngeiftes, beffen wir, wenn wir nicht irn,
ſchon früher in d. WI. gedacht baben. Meine Vorzüge hefketen
nicht in eminenter Geiſteskraft, ſchimmerndem Wige ober in der
Kunft, der blafirten Jetztweit pikante poetiſche Speiſen zuzube⸗
seiten, ſondern Herz, Gemuͤth, tuͤchtige Geſianung bei gerrifit
Erfahrung machen ihn zum Dichter und giehen uns an -
Vorzüge, bie fon von den Alten geſchaͤgt wurben, welde bt
haupteten: Peotus est, quod disertes facit. Das lirthel bie
fes Ausſpruch⸗ wendet man heutzutage vorzugsweiſe auf be
geiftliche Homiletit an; warum follte man es nicht auf der fr
riter beziehen Tönnen? Bei einem mit einer reichen ſchoͤnen Ge
muͤthlichkeit begabten Dichter überfieht man gern jene Ming
bie an jedem menfchlihen Kunfwest haften, und fo vergift
man auch leicht bei ben Schober ſchen Gedichten die Haͤrte in
ben Metren, bie Unebenheiten im Rhythmus und oft ein gewiſu
Sichgehenlafſen, alfo übelſtande, buxc Die das Auge und Die
oft g wird. Er iſt gang Gefuͤhl und Empfindung un
bat Recht, wem er S. 103 fagt:
Web IS fehe, wird Empfindung,
Was ich fühle, wisd Geftalt,
Und in ewiger Verbindung
Alles jung und ewig alt.
So ſchaut ex der Nätur ins holde Antlig, träumt in ihren As
men, und fofet mit ihr. Wie hold find die „Herbfllice"
(8. 95). Die Berge, bie Wälder, die Ströme fangen on je
ſprechen, und „bie Sprache wird Belang, aus den Blumen, anf
ben Bädyen bringt ein wunberbarer Klang’. Wenn aud) einig
Fruͤhlingslieder unfere Lyrik nicht bereicyern, fo ift doch „Biol,
eine Blumenballade’’ (&. 12) dabei, die Vieles, ja Alles wire
gut macht. Außer der Natur find Liebe, Freundſchaft, dr
und Kunft die Gegenflände, die er mit Vorliebe behandelt u
bie er mit den gefchmeidigen Ranken feiner Empfindung um:
zieht. Wo ihn die Weichheit ber Empfindung mit dem Io
len und Realen in Conflict bringt, und wo er Beide zu vn
föhnen und zu vereinigen firebt, aber bie Unmöglichkeit des 9
lingens ſolches Strebens gewahrt, da bekommen die Greif
eine elegifche Faͤrbung, die dem Auge des Beſchauenden und mit
ihm Sympathiſirenden mwohlthut. Nie geht feine Kiage im
Blaue hinein; er weiß, um was er Schmerzen leidet ; wie üben
treibt er die Klage; Weitkenntniß, Grfahrung und MWeiktell,
wie gereifte Jahre fie geben, ſpricht überall aus ihm. Dis
fieht und Hört e&, er kennt die Alten, tiebt das Buch der Bb
der und hat fidh in des Drients Wunderwelt ergangen. Ein
nicht gemöhnliche Wahrheit, Kraft und Anmuth haucht aus den
Gedicht, S. 92, wo er der Menſchen thörichtes Thun und Art
ben mit einem Sumpfe vergleicht, und allegorifch ducchfäht:
Wir erklären daffelbe für die Perle der ganzen Sammlung wi
empfehlen es Jebem, ber in der Lecture unferer Dichter etwai
mehr als ein Phantaſieſpiel in muͤßiger Stunde ſucht. Außerdes
notiren wir noch als ausgezeichnet die Romanze „ofen
(S. 144), „Das @onstt” (S. 180), wol es am chpıbmildet
Därten teontt, „WBanberflufen” (&. 206) und noch einige Or
nette, buch weiche unter der überſchrift „Schattenriffe”, litera⸗
cifche le in und außer Deutichland dharakterifirt und
gefeiext werben; indeſſen haben nur die Zeichnungen Jean Paul's,
Börne’s, Hoffmann’s und Voß's Werth; Schiller und Goethe
3. B. find verzeichnet. Die Sonette, welche Seftalten, Perföns
iihteiten, Gruppen und Greigniffe aus der Heiligen Schrift
malen, finb von ſehr ungleichem Werth, und machen recht fühls
bar, wie wenig die Eindlidye naive Sprache der Urmelt für uns
erreichbar iſt. Gern unterfchreiben wir, was ber Dichter über
Entftehen, Bortbiiden und Schickſale von Gedichten einer Freun⸗
din in den erſten Nummern zuruft, und wenn er über feine eis
genen biex gebotenen Reiftungen in der Eyrif am Schluffe fagt:
So gibt's auch Worte, denen bad Gedränge
Des literdr’ fen Marktes nicht gefällt,
So wenig wie bad raufchende Gepraͤnge,
Dit dem die Eitelkeit zux Schau fich flellt.
Sie ſehnen fih ius Dunkel, — in bie Enge,
Das ftille Herz it ihre eigne Melt;
Sie leben nur: Um Mitgefühl zu werben,
Und wenn fie das erlangt, beglüdt zu ſterben.
Und haben fie fih einen Weg gefunden
Zu einer Bruk, bie für verfihloffen gilt,
Die fie, viefleiht zum Schutz für mande Wunden,
Die ide dad Leben ſchlug, nur mehr verhüllt;
Und fühlen fie, daß fie vom Drud entbunben,
Ermutbigt haben, ober Schmerz geſtillt;
Dann koſten fie geboppelt jene Breuben,
Um weldye fie die Engel ſeibſt beneiden.
Gewiß wirb des gemütbuigen Dichters Wunſch in Bezug auf
diefe Gedichte in Erfüllung gehen!
M. Gedichte, dltere und neuere, von Fiedrig Freiherrn von
Pechlin. Stuttgart, Cotta. 1842. Gr. 8. 1 Ihr.
Hr. von Gotta führt bier einen Kuͤnſtler in den großen
Goncertfaal deutſcher Saͤnger, über den wir anfänglich mit uns
ferm Urtheil nicht ins Reine kommen konnten. Kart im Vor⸗
trage, berb im Ausbrude, verſchmaͤhend Gadenzen und bie |
Modephrafeologie der neubeutfchen Kunſtſchule, haͤlt er fi) ans
Materiefe im Leben, und führt in feinen Naturgemälden ‚in
denen ev Dänemarks Küften vorzugsweiſe mit Liebe malt, einen
groben Pinſel. Als tüchtiger Weidmann ergöst er ſich (S. 102)
„on Punſch und Taback, Würfelfpiel und Karten, den Requis
fiten echter Iagbgelage”. Ginige Mate kleidet er feine derbges
funde Mufe in das Gewand des Patriotiömus, wo man ſchon
eher ein kraͤftiges Wort hören mag. Wenn es ihm aber auch
bin unb wieder gelingt, und in recht gemüthlide Stimmung zu
verfegen, wie 4. B. in „Traum ber Kindheit‘ (S. 12) , einem
treftich angelegten, aber am Schluß ungendgenben Gedicht, fo
verjagt er fie plöglich wieder durch einen Gemeinplag oder ein
gewoͤhnliches Bid oder durch einen matten Schluß. Gelten
trifft man auf fo finnige und gefühlvolle Stüde in der Samm⸗
tung wie auf „Pflanzenloos“, aus welchem ein fanfter Hauch
und anweht. Im letzten Theile der Sammlung, wo er fidh
tem Religioſen zumwendet, macht er Manches gut, was er frü«
ber durch unzartes Wefen verborben hat. Da gibt er ſelbſt zus
weilen eine neue Idee in einem paſſenden Bilde (fo nennt er
&t = Helenas Zelfen den Unterbau zu bes Kaifers Büfte) ; cr wird
gemüthlicher, er ſchweift nicht ab, die Reflection wird weicher
und er weiß den Leſer für fein Lied zu gewinnen. Man leie,
um fi davon zu überzeugen, nur bad Sonett ©. 155 „Licht
und Finfternig”. ken 8
51. Spruͤche und Lieber eines nordi Brahminen. Bon
Eduar) Boat. Leipzig, Boͤſenberg. 1842. 8.
1 Thir. 10 Rer.
Wie Gr. Boos dazu kommt, fi und die Dichter übers
Yaupt Brahminen zu nennen, konnte Ref. anfänglich weder auf
ieri noch auf philoſophiſchem Wege finden; denn bes
founttich iR es eine Hauptbeſchaͤftigung dieſer Kafte, tieffinnige
Betrachtungen über das göttliche Weſen anzuftellen; bier iſt
| zu träumen. Se
aber unfer nordiſcher Braͤhmin fehr meit entfernt .non- ſolchem
ernften Thun und Treiben; ber Fruͤhling, die Eiche, der Mein
und bie damit zufammenhängenben taufend und aber taufend
Mate befungenen Dinge bes bunten Erdenlebens find ed, Dis
der achtundzwanzigjaͤhrige joviale Sänger befingt; von metaphy⸗
ſiſchen Dingen ift nirgend die Rede. Wenn er jedoch (S. 191)
ſagt: „Zu Gterbenden zu gehen und zu Todten ift im Geſei
Brabminen ftreng verboten; ihr Mühen fei dem Leben nur ges
weiht”, fo finden wir in diefen Worten fchon eher eine Bezie⸗
bung auf bie Fähigkeit und den eigenthümlichen Geſchmack des
Berf.s darum hat er auch wol den Ernft bes Lebens und das
elegifhe Moment aus feinem Buche verbannt, in welchem
durchgaͤngig eine heitere, leichte, frifche, wigige, moderne Sa⸗
lonspoeſie, die es licht, ihre Blüten in cine epigrammatifche
Spige auslaufen zu !affen, vorberrfcht. Wie allerliebft find bie
Pointen in ben Liedern ©. 4, 6 und 13. Wie. naiv das ‚‚Btells
dichein“ (S. 13) nach Walther von der Vogelweide. Wie ges
troffen das Bild in „rauen sGmancipation” (6. 58) Wie
hell und lebensfriſch ertönen die „‚Pofthornktänge” (S. 107),
Wie ruͤſtig und wigig wird unfer Brahmin Schiller's Apologet
und Defenfor gegen Schlegel in „Das Lied vom Blodienkiöpfel”
(S. 136). Wie teiht und anmuthig laffen ſich in ber „Alans
. thologie’’ die Epigramme lelen, „die eben nicht verwunben, fons
dern buͤffelhaͤutige Aunden nur rigen‘ follen. Kurz, es tritt
bier ein munterer Brahmin auf „mit noch braunem Haupt, das
er ſtolz trägt”, und ber es liebt, „ein Roß zu lenken, ben Be⸗
er zu ſchwenken und Mäbchen zu kuͤſſen, ber, was er poetifh
beginnt, auch recht treibt und thut, und dabei auch denkt”. In
. diefen bezeichneten Worten charakterifirt fi) nämtich Hr. Boas
im legten Gedicht der Sammlung felbft, und zwar nicht ohne
Beimifhung eines kecken Gelbfigefühls, doch auch nicht ohne
Wahrheit. Bein jugendlides Bild ift eine angenehme Beilage
zu dieſem eleganten Buche, das von unferer Jugend gewiß gern
gelefen werden wirb.
92. Gedichte von Benebict Dalei. Stuttgart, Hallberger.
1842. Gr. 8. 1Thlr. 18 Nor.
Hier haucht uns ein anderer Beift an als aus letztbeſpro⸗
chener Nummer. Das Leben wird von einem andern Stand⸗
punkte aus betrachtet. Gin tiefer Ernft waltet felbft im bes '
feriptiven Genre vor. Dunkelfarbig ift ber Aufzug, und ebenfo
der Einſchiag in das ganze pieriſche Gewebe. „Neidet nicht des
Kuͤnſtlers Gluͤck“ (naͤmlich des Werstünftiers), fo Elagt gleich
anfänglich der productive, geſangluſtige Verf., „das Schickſal
fodert Harte Zinſen für den kurzen Sonnenblick feines Gluͤeks,
und nur in einem leidenden Herzen lebt die Bluͤte der Dichter⸗
freuden.“ Dann folgen Klagen über bie Kälte und Verderbt⸗
heit der Wenfchen, Hauche ber Sehnſucht nach dem Frühling,
dem verlorenen Paradiefe der Jugend, nach der laͤndlichen Hei⸗
mat und ber goldenen Freiheit. Man hört ihn gern, wenn er
bie Natur befingt. Sie ift ihm ein Spiegel, in welchem wie
die Gottheit ſchauen; fie redet freundlich und tröftend mit bem
Edeln, aber bart und finftee mit dem Frepler. Thraͤnen find
ihm edle Perlen, errettende Geifter, die das in der Bruft for
dende Wort löfen, ober Redner von oben gefandt, welche wech
feind von der Tiefe der Hölle und ber Höhe des Himmels Zeugs
niß ablegen. In der Stille und fern vom Weltgeraͤuſch weilt er
gern, nicht gerade um zu beten, ſondern um zu reflecticen und
Uſt wo er der Frauenliebe feinen pierifchen
Zell bringt, laͤßt er daB Lieb nie jauchzen, fondern feufzen.
Bin Tanz⸗ ober Weinlied zu dichten verfucht er hin und mies
bee; aber es gelingt ihm nicht, er ift da nicht in feiner Sphäre.
Die durch das Buch zerſtreuten Stachelverſe zeugen von Geift,
haben aber mehr den. Sharakter des griechifchen Epigramms.
Die „Stammbucheblätter” haben winzigen dfthetifchen Werth;
gemuͤthlicher ift dagegen ber elegifhe Buß der Empfindung bei
einer „Mufterung meiner Briefe” (&. 211). Zu wünfden wäre
es, der Verf. verflände die Kunft, das Leben zu ibealifiren, und
baffelbe nicht fo einfeitig zu betrachten. In jedem Balle bat
fich der Verf. busch feine allzu große Producktoftät Schaden ge⸗
1072
than. Hätte er gefichtet und gefdhnitten, hätte er bie Maffe
bes Gegebenen auf die Hälfte rvebucirt, oder nur mit edler
Seibſtverleugnung (welcher Verslünftier übte aber diefe 1?) ein
Drittheil dem Vulcan geopfert, wieviel hätte biefe Sammlung
gewonnen! &o aber wird bie Geduld des gebuldigften Leſers er⸗
thöpft, fowie die Aufmerkfamleit und das Interefle des größs
ten Mufenfreundes gefhmwäct, wenn man ihm zumuthet, einen
corpulenten Großoctavband von 433 Blattſeiten mit nicht gro:
fen Lettern gedrudt, mit über 200 Nummern, deren Bormen
ferbft nicht einmal Abwechſelung bieten, unb die alle einem und
demfelben Geifte entſtammen, burchzulefen. Est modus in re-
bus, sunt certi denique fines, räth ber Lyriker Flaccus. Hätte
doch Hr. Benedict Datei das mahnende Wort beherzigt!
(Die Bortfegung folgt.)
Literarifhe Notizen aud Frankreich.
‚Die Senfur der Theaterftüde und Caricaturen.
Belanntlidy beftebt in Frankreich trog der unbefchränften
Sreiheit, deren die Preffe im Allgemeinen genießt, noch eine
Genfur für die Theateritüde, welche zur Aufführung kommen
ſollen, fowie für die Kupfer, Lithograpbien und Holzſchnitte.
Daß max nicht jebes Stuͤck, weldyes den Sitten und ben befte:
henden Religionen gefährlich werden könnte, auf die Breter
bringen darf, findet im Allgemeinen Billigung, und fogar der
„National”’, biefer geſchworene Feind alles geiftigen Zwanges,
täßt das Princip gelten und verwahrt ſich nur gegen den Mis:
brauch, den das Meinifterium in Iegterer Zeit z. B. mit dem
Stuͤck „I etait ua roi’' etc. getrieben bat, welches nicht zur
Aufführung kommen durfte, weit man darin eineentfernte Anfpies
tung auf bie Königin von England zu finden wähnte. Weniger
Beifall erntet bie Cenfur ber Bilder und Lithograppien, unter
der vorzüglich die geiftreichen Zeichner des „Charivari” viel zu
leiden haben. Dieſes wisige Blatt hat in leuterer Zeit anges
fangen, eine Art von Bulletin auszugeben, in dem alle bie
übeln Streiche verzeichnet find, welche die Cenſur ihm in biefer
Beziehung gefpielt dat. Man findet unter diefen Verboten
wirfiih Manches, wo man durchaus nicht recht abfehen kann,
was die Genfur veranlaßt haben mag, bas Imprimatur zu
verweigern, unb es fcheint faft, als wenn man fich auf diefem
Gebiete dafür ſchadlos Halten wollte, daß man dem Texte bes
beißenden Blattes fo wenig anhaben kann. Nur ift ed dann
ſchlimm, daß man es dem „Charivari‘’ nicht verwehren kann,
bie Lithographien, welche er hatte geben wollen, und deren
Abdruck verweigert ift, ausführlich zu beſchreiben, wo dann ber
Lefer fi in der Regel die Sache viel ärger vorftellt als fie
bei Lichte betrachtet eigentiih war. Unter ben Bildern, die
auf diefe Weiſe vom Verbot getroffen waren, befinden ſich
unter Anderm auch ein paar unfchuldige „Chargen“ auf die
sunden Baͤuche und bie Regenfchirme (cifflards) der garde na-
tonale und einige caritirte Portraits, die zur beliebten ‚„Ga-
lerie charivarique” gehörten. Merkwuͤrdigerweiſe wollte bie
Regierung dieſe Zerrbilder felbit dann nicht geftatten, nis die
Driginale, weidye zu diefen nicht fehr geſchmeichelten Portraits
gefeffen hatten, den Rebacteur zur Herausgabe ausdruͤcklich er:
maͤchtigten. So war 3. B. Gremicur, der befanntlich bem
Minifterium ganz und gar nicht hold, nicht wenig erflaunt
darüber, daß fich daſſelbe plöglich zu feinem Befchüger aufwarf
und nicht geflatten wollte, daß das Publicum über die haͤßliche
hyfiognomie des Deputirten lachen follte. Auch Wiennet, der
erf. der unübertrefflichen „Wables”, fpracdy in einem wigigen
Briefe, den der ‚„‚Charivari’ mittheilte, feine Verwunderung
darüber aus, daß man dieſes Blatt verhindern wolle, fein
Portrait in die komiſche Galerie aufzunehmen und meinte, war
zum denn das Minifterium, wenn es ihn mit aller Gewalt
protegisen wolle, ihm nicht beigefprungen wäre, als mon feine
Tragoͤdien im Théatre francais ausgepfiffen habe. Unter ben
verſchiedenen andern Faͤllen, weldye ber „Charivari“ erzählt,
find einzelne, bie gar gu ſonderbar ſchelnen, als da
nicht mittheilen follte, dba man ſich aus ihnen * pP
von der Willlür maden kann, welche ſich die Genforen as
wahre Wilderftürmer erlauben. So konnte . ein gewiſſer
Biollet, Verf. einer „Histoire des Bourbons d’ spagne”, durdı
aus nicht bie Erlaubniß erlangen, feinem Werke ein gang ein:
faches Bild von Don Garios beizufügen. Diefes Verbot war
um fo fonderbarer, da Viollet nur die Gopie gab von einem
Portrait aus dem „Leben bes Don Carlos“ von Doublet (1841),
bei dem fich die Regierung weniger engherzig gegeigt hatte
Bei Erwähnung der Theatercenfur, bie übrigens vor kurzem
in ber Pairskammer zur Sprache gekommen ift, fällt uns eig
eigene Art von Misbrauch ein, ber, wie uns von einem bu
kannten Beuilletoniften verfichert if, auf dem Miniſterium ve
Innern, dem oberften Schiedögerichte in dieſen Angelegenheiten,
berrſchen fol. Die mit der Durchſicht ber eingereichten Theater:
ftüde beauftragten Beamten follen nämlich bie Dramen un
Vaudevillen, weiche ihnen am intereffanteften feheinen, ercerpiren
und ben Auszug an verfchiedene Provingiaibiättter, mit denen
fie zu diefem Zwecke in regelmäßiger Verbindung ftchen, gem
ein anftändiges Honorar abgehen laffen. Auf diefe Art ih «
auch erklaͤrlich, wie man nicht felten in biefen Journalen, ſobal
nur angefündigt wird, daß man ein neues intereffantes Gtie
vorbereite, eine vollſtaͤndige Erzählung bes ganzen Hergangt
und der einzelnen Gcenen lefen fann, während man in Pas
natürlicherweife, um das Publicum gefpannt zu halten, bei ſolche
Gelegenheiten das Geheimniß fo gut als mögtic zu bewahren ſucht.
Briefe von Heinrich IV.
Der „Charivari” bemerkte neulich einmal recht witig
daß auf dem Miniftertum des Unterrichts, wo bekanntlich ein
weitverzweigtes Comits historique feinen Sig bat, eine rigen
Sommiffion niebergefegt fei, die fig mit nichte als mit dm
unbefannten Briefen Heinrich's IV., von benen jeder Tag cin
reihe Ernte bringt, zu befalfen hätte. In der That hat man
feit einigen Jahren fo vicle Briefe, die alle diefem Könige zu
gefchrieben wurden, aufgefunden, daß man, menn alle bie
Correſpondenzen authentify wären, annehmen müßte, dieſer
„Bater bes
wefen, ben man fi nur denken koͤnnte. Natürlich war ein
beträchtlicher Theil untergefhoben und die bemußte Commiſfior
auf dem Unterrichtäminifterium, wenn biefelse wirklich beſtanden
bätte, würde vollauf zu fhun gebabt haben, wenn fie über die
Echtheit und Unechtheit der fraglichen Briefe hätte entſcheiden
folen. 3u benen, bei benen man feinen Zweifel an ihrer Au:
thenticiät erheben kann, gehört der „Recueil des lettres mis-
sives de Henri IV‘, ber in der wichtigen Sammlung it
„Manuscrits in&dits de l’histoire de France’, auf Koften der
Regierung herausgegeben, erfcheint. Der durch mehre hiſtoriſche
Krbeiten befannte Berger de Xivrey, unter deſſen Beſorgung
der erſte Band dieſes „‚Recueil” erfchienen iſt, hat ſich feine
Arbeit mit vieler Umſicht und großem Fleiße unterzogen. Die
in diefem Bande enthaltenen Briefe werfen namentlich auf den
Beitraum ein klares Licht, als Heinrich noch König von Ravartı
war und an ber Spitze der proteftantifchen Partei ftand. Gi
intereffantes Pleines Werkchen von Jameſon, das dor kurzem in
England über den Proteftantismus im fübmefttichen Franfreiä
erſchien, koͤnnte nach biefen Mittheitungen zum heil vermi:
ftändigt werden Billemain, der das Werk Berger's mit einer
kleinen Ginteitung verfeben bat, fagt in berfeiben, daß man,
um einen König zu finden, zwiſchen dem und Heinrich IV. man
eine Parallele zichen Eönnte, bis auf unfere Tage herabſteiger
müfle. Die minifteriellen Journale, namentlich bas „Jourss
des débata“ ſehen bierin eine feine, gewandte Anfpielung
auf die hohen Gigenfchaften des jegigen Königs der Franzoſen,
während wir in diefen Worten nichts ats eine unpaſende
Schmeichelei erblicden, um fo mehr, da wir nicht recht abiehtn
Eönnen, welche Gemeinfchaft zwifdyen Heinrich IV. und re
EEE ————————————
Philipp beftehen fol.
Berantwortlicher Heraudgeber: Heinrih Brokhaus. — Drud und Verlag von 8. X. Brodhaus in Leipzig.
aterlandes“ wäre ber eifrigfte MWrieflchreiter a:
Blatter
für
literarifbhe Unterhaltung.
Montag,
Überficht der neueften poetifchen Literatur.
Dritter und Tester Artikel.
(Bortfegung aus Nr. 207.)
53. Schwarze Lieder. Bon Benedict Datei.
1842, 8. 1 hir. 3%, Nor.
Ob der Verf. vortiegenber, ſchwarzgallichter Lieber mit bem
legtgenannten Sänger eine und diefeibe Perfon iſt, wagen wir
nicht zu beftinmen; aus dem Gelfte beider Schriften geht es nicht
hervor. Jenes Berfe atmen weiche Gemuͤthlichkeit, bier brau«
fet wilde Leibenfchaft: Der Sänger iſt ein greifer katholiſcher
Prieſter und fühlt ſich in dieſem Gtande hoͤchſt elend. Dffen
betennt er, ein liebendes Herz war feine Pein. Auf das Ehe⸗
bändni des geliebten Mädchens mit einem Andern mußte er
ſeibſt den kirchlichen Segen Legen, ihe Kinb muß er taufen, ihre
Beichte, fie ſei nicht guͤcklich, auß er hören. Jedes Taufgloͤck⸗
Irin mahnt ihn an eine Erdenfreude, bie er nie ſchmecken kanns
zeder Dochzeitsjubel preßt ihm Sheänen aus. In „Der kranke
Griefter” (S. 30) fchildert er das Elend bes katholiſchen Geiſt⸗
lichen, ben Beine Kindes: ober Gattinhand pflegt; In tie
fim Gefäht feines Jammers ruft er da aus: „Wegrabt den Ars
men, begrabt ihm lebendig! If tegend ein Worb Barmher⸗
zigleit, fo iſt es dei einem katholiſchen Priefter, ben Menſchen⸗
gefühl zum Menſchen geweiht!” Mit der Mehe will er nie
fündigens; offen umd ehrlich will er lieben. Das darf er ni
und das bringt ihn zur Verzweifiung — zur Verzweiflung bis
zum Wahnfinn (8. 34). Alle Pfaffen, fagt er, haben im
Dienfte des teuflifchen Papſtes das Menſchenſein verlernt und
fih vom Gott des Lichts entfernt. Gangbare Phraſen find:
„ertretene DRenfchennatur”, ‚‚vergiftete Siebeöfreuben”, „Gatten⸗
und Vaterluſt“ u f. w. Mehr Lieber fluchen Roms Kivchenfürften,
andere reflectiren im Geifte bes mobernen Liberalismus über ges
mifhte Ehen, noch andere gieben gegen ben GSrorcismus in ber
Zaufe zu Felde; in einem fpricht er den Wunſch aus, ein kal⸗
ter Stein zu fein, an welchem Dolche zum Kindermorb gewetzt
werden. Im derben Schimpfen auf den Papft flieht er Luther
laum nach; fo beginnt er in „Dispenfen” (&. 103): „Huren,
Saufen, alle® Lubern, das erlaubet dir ber Papfl’u.f.w. In
„&timmungen’” (8.52) fchließt er: „Und komm’ ich nicht bald
ins Zolhaus, fo hätt mein Liebendes Herz beim Satgen blutige
Hochzeit, euch Menfchen zu Luft und Scherz.” S. 106 ftimmt
er ein Ried mit Chor an über den Eölibat, daß dem Papfte bie
Ohren davon gellen müflen. Gin Bittwort an Deutfchlande
Türken, die Krebéegeſchwuͤre am Leibe des Papfithums zu opes
tiren, leitet die Sammlung ein und ein ſoiches ſchließt die
„Schwarzen Lieber‘, bie, da man ihnen in den deuffchen Bun:
Westen gewiß dad Imprimatur verweigert hätte, in ber
frelen Schweiz gedruckt find, wo Fein Genfor den ſchwarzgallich⸗
ten diederſaͤnger auf Mund und Finger ſchlaͤgt. Wir fürchten,
daß auch ber Peoteflant und Autiroͤmling diefe Leber zu ſchwarz
finden wied. IM der Berf. wirklich ein katholiſcher Geiſtlicher
Bern, Jenni.
und ein Greis, fo hat die Stimme ber fanften Religion Jeſu
fein Herz nicht erwärmt und erweicht, und bie mildernde Zeit
bat bie Flamme feines Haſſes nicht gelöfcht. Bereit fi da⸗
egen ber Verf. kuͤnſtlich in bie fragliche Lage, fo find bie
arben doch immer zu bi aufgetragen; Animofität und
Polemik ift überdies nie ein würbiger Stoff für die Porſie.
54. Gedichte von 3 3. Reitharb. Gt.» @allen, Huber und
omp. 1842. 12. 1 Thir. 221, Nor.
Nicht ohne eine gute Portion Selbſtgefuͤhl tritt bier ein hel⸗
vetifcher Sänger auf, der befonders nicht obne Beruf für bis
epifche Poeſie in der Form der Ballade if. Beinahe die Hälfte
feines Bude nimmt Erzaͤhlendes ober Epiſch⸗Lyriſches ein.
Gröffnet wird es durch einen Balladen⸗Eyklug: „Rubelf von Babes
burg‘, wo uns in elf Nummern das Gervorfirahiendfle aus dem
Leben jenes beutfäyen Helden mitgetpeilt wird, wobei ber Beruf.
jedoch ſich nicht ftreng an bie Chronik hält, ſondern bie ideali⸗
fieende Phantafie den Pinfel frei führen laͤßt. Go thut er
auch in den drei Balladen auf Aubolf von Erlach, bie tm
gleich gefälliger Form abgefaßt find. Zu dieſer epifchen Abthei⸗
lung feines Wuchs gibt er erläuteende hiſtoriſche, biographiſche
und topographifche Roten und Erklaͤrungen, bie für ben aus—⸗
ländifchen Leſer befonders ihren Wertb haben. Friſchheit und
Keckheit athmet aus jedem Stuͤck; mit Leichtigfeit bewegt es
fiy in jeder Form, bie flets der Materie angemefien if, und
die Khythmen bewegen fich in gleicher Raſchheit mit der Hand⸗
lung. Zu „Die beiden Bemsiäger” (S. 81) machen wir jeboch
bie Bemerkung, daß dies Gedicht, fo ſchoͤn bie Verſe und bie
Alpenfcenerien auch find, Teinen würdigen Balladenſtoff bietet,
und im Grunde weiter nichts als ein das Volk dharakterifizene
des Anekdoton iſt. Unter der Überfchrift „Neujahrsbilder” fine
ben wir rein Lyriſches, Didaktifches und Vermiſchtes, wie denn
überhaupt der Gintheilung ber ganzen Sammlung kein firenges
Syſtem zum Grunde liegt, fondern viel Verſchiedenes nebenein⸗
andertiegt, was wir bei einer Gedichtſammiung auch nicht ta=
bein Fönnen. Die Gaben verratben Zalent in Anlage und Aus⸗
führung, find frei von den ſprachlichen Gigentbämlichkeiten bes
Schweizeridioms, und der Verf. liebt Vaterland, Ahnentugend
und Wreiheit, ohne darin ein neufchweizerifcher Ultra zu ſein.
Hier, wie in allen Schweizerliedern, behagen und jeboch vor als
ten die Lieder, in denen das Alphorn klingt, die uns auf Fir
nen und @tetfcher führen, von denen donnernde Lawinen und
Bergftröme herabflürgen, beren Melodien aus dem Dufte der
Alpenrofen gleichſam hervorhauchen, fowie auch bie, weiche Teil
und Winkelried feiern, über bie Schlachtfelder von Morgarten
und Raͤfels hintönen und fo den echten Schweizercharakter ver
präfentiren. Die in ſolchem Geifte bier ertönenden find durch⸗
aus frei von jener Abnenkoketterie, die in den Sammlungen
neufchweigerifcher poetifcher Preipeitöfänger eine fo große unb
laͤcherliche Rolle fpielt. Unter den brei Kinderliedern reflectirt
das erſte doch wol gar zu ernſt. Die Rätbfel und Eharaden
— nun, bie Tennt man ja. In ber Babel iſt unfer Berf. zwar
fein Froͤhlich, der in biefer Gattung im der Nenzeit unerreicht
wa 79.
daſteht, und befien wie auch zu feiner Zeit in db. Bl. ehrend
edacht haben, aber „Urſprung ber Wirthe“ (S. 372), „Od:
enpäbagogif'' (&. 373) und „Blädswechfel‘‘ (S. 385) befunden
doch ein gluͤckliches Talent. Das Gpigrammatifche leitet ein
gotbenes A DB 5 ein, welches gegen fociale, politifche, veligiöfe
und poetifche Unbilde geharniſcht auftritt, und ſich recht les
fen 1d6t, da der Geiſt der Mäßigung über dem Ganzen fgwebt.
Unter den Giangebichten, Schwänten, Srabichriften u. f. w. ift
manches Scharfe und Wigige, 4. B. S. 426:
Dier ſchlummert Jungfer Iante,
Die alte Gouvernante.
Aus Deutſchen ſchuf fie Franzen,
Die Gteifen Ichrt fie tanzen,
Und ald ber Tod nun kam
Und fie beim Bügel nahm,
Sragt fie: Que voules vous?
Dig! lispelt er ihr zu.
Drauf lächelt fie verfhämt:
Eh bien, Theurer, nehmt!
In einem profaifchen Nachwort wird uns eine kleine Ge:
ſchichte der poetifchen Schweizerliteratur und zugleich etwas aus
bem Leben und der PVerfönlichkeit des Verf. gegeben, der jept
Santonsfhulinfpector zu Mollis im Santon Glarus iſt. Wir
baben oben von feinem zu großen Selbftgefüpt geiprochen. Der
Leſer wird uns beipflidhten in dieſem Urtheil, wenn er bier
mehre Fragmente aus dem Erſtlings⸗ und Jugendverfuchen des
Berf. in der Poeſie abgebrudt findet, über weiche gefagt wird:
„Jedenfalls werben diefe Proben aus meinem Kindesalter bins
reichen, um ein entfchiebenes Talent und einen unverkennbaren
Beruf zur Mepitation zu befunden.” Schon ©. 439 wirb er
der Rec. feiner eigenen poetifchen Reiftungen, wenn er alfo re
fleetirt und urtheilt: „Wei Betrachtung meiner Gedichte bin ich
ebenfo entfernt von jener Sorte Beſcheidenheit, die Nichts gels
ten will, um Alles zu gelten — als von jener Gelbftüberichäs
wung, bie für den Tadel empfindlich und für bie eigenen Maͤn⸗
ger blind iſt. Ich bin mir eines tüchtigen Talents bewußt,
und darf auch fagen, daß ich das Meine gewifienhaft gethan,
um es ausbilden” Wir haben nichts gegen ſolches Gefühl
und Bewußtfein, fo lange es der Mann in ben Ziefen feiner
Druſt Möglich verſchloſſen Hält; laͤßt er es aber über ben Zaun
feiner Lippen gehen, fo macht es feinen guten Eindruck auf ben
Sörer und nimmt nicht für ben Redenden ein. &o würde auch,
in bes Ref. Mugen wenigftens, ber dur Pietdt, Sinn für
Breunpfäaft, Yatriotismus und Herzensmilde ausgezeichnete
. um Bieles höher ſtehen, bätte er jenes Selbſtgefuͤhl nicht
duch den Hauch feines Mundes verkörpert.
55. Bilder und Sagen aus ber Schweiz, in epiſch⸗-lyriſchem
Sewande. Bon Rudolf Müller. Schaffhauſen, Brodt:
mann. 1842. 12. 15 Rot.
Diele Eleine Sammlung epifch « Iyrifcher Gemälde aus der
ſchweizeriſchen Vorzeit fchließt fi an bie zuvor befprochenen
Gedichte an, obwol ihre Verf. ein minder regfames poectifches
Leben entfaltet und auch in ber Darftellung der Kraft entbehrt,
mit der Reithard zeichnet. Auch er beginnt in 18 Balladen
mit „Rudolf von Habsburg”, weldyen in [ches Nummern „Konrad
von Bußnang” folgt. Diefe Stüde find bem Verf., weil fie ber
eigentlichen Geſchichte des Schweizervolls angehoͤren, Bilder;
Sagen bape en find ihm „Der Wein bed heiligen Gallus”,
„Bero⸗Muͤnſter“, „Der Urner Boden”, ‚Das Kiöfterlein zu
Enge”, „Die Verwandlung des Glaͤrniſch“ (vielleicht das Anz
Tpreckendfte), „Das Erdmaͤnnlein“ in ſechs Nummern, allerliebft,
naiv, volksthuͤmlich, „De Gtiefelis Rüüter‘ und „D'Saͤaͤli⸗
Sciögti, weil fie ſaͤmmtlich Bollstraditionen find und bem
Munde des Volks entnommen wurden. Über Bilder und Gas
gen fehlt es nicht an hiſtoriſchen und localen Griduterungen.
Den Schluß maden Bilder aus dem Xargau, db. h. eine ziems
ich unerquickliche Beichreibung von 24 Ortichaften, Städten und
Kiöftern aus genanntem Canton, die wir ibm gern geſchenkt
hätten. Ginen eigenen Plan und eine bad immte
und Aufeinanderfoige ber Stüde vermiſſen perl en ae
Werth der einzelnen Sachen iſt fehr ungleich. Ginige datirm
fi aus bes Berf. Jugendzeit, andere find aus ber juͤngſten
Beit. Die Formen find 0 und Gaab entlehnt. Zei
Rummern „Der Gtiefeli: Rüütes” (@. 137— 182, eine Pic
von erfchredenber Länge und Breite), und „D’EMii : Schiri"
(8. 163) find in der aargauer Mundart, zu der wir Auslin-
der uns ein Gloſſar wünfchten, gefchrieben. „Der Grieftlis
Nüüter”’ warb früber befonders abgebrudt, und der Verf. der
vielen Werth auf biefe Sage zu legen fcheint, verwahrt ſich in
einer Note ausdruͤcklich gegen die uthung, biefe Volkeſage
ſtehe in Beziehung zu der Aufhebung ber Kloͤſter im Aargen
841. Das ganze Buch hat den Charakter des Unfcheinkaren
äußerlich und innerlich.
56. Laute und leife Lieder von Johannes Scherr. Cuf:
baufen, Brobtmann, 1842. 8. 20 Nur.
Diefe Lieder find zwar im der cenfurfreien Schweiz ge:
drudt, aber ihr Verf. iſt, wie aus einem feiner Gedichte an
den König von Würtemberg hervorgeht, ein — Schwabe, br
fie allen Reactionnatren wibmet, und durch diefe Dedication uns
fogleih auf ihren Geiſt und ihre Tendenz hinweiſt. Sie find
nicht eben in der conifcherohen Manier eines Harro Harring,
wo an bed. legten Pfaffen Darm
der Iehte König hängt —
abgefaßt, fondern gleichen baguerzeotypifcgen Lichtabbruͤcken ve
Georg Herwegh, Freiligrath und Anaftafius Grein. De
erfigenannten dieſer Freiheitsſaͤnger fingen auch ſechs zahm
Sonette an, denen der Verf. durch ben Hebel der Zone
auf die Beine zu helfen ſucht. Gleich im ber erſten Rum
mer, „Sin Ritter“ uͤberſchrieben, redet er. Diejenigen ar,
welche mit aller Nationen Schweiß ſich die Feſſeln vergolden
an des Borurtheils Krüden dur die Schöpfung binfen, und
bie freien Wogen des Zeitgeifts zurüddrängen wollen. „taub
ihr nicht”, fagt er, „wir freien Männer wiffen, wie euer Hey
unter dem befternten Kleide zittert? Wähnt ihr, uns dur eure
füßen Heben zu kirren? Wir find für alle Ewigkeit von eud ger
ſchieden, denn ihr feid Frevler am heiligen Geiſt; unverfüunt
mit euch gehen wir ins Grab. Ihr wählt in eurem Gelbe,
wir gehen den Pfad der Armuth; ihr fdhlürft aus goldenem Pas
kat den Wein, unfere fieberheißen Rippen netzt der Thraͤnen Firt;
ihr feiert glängende Feſte, wir werden verlannt und verhöhnt,
und dennoch, dennoch, all ihr Stolzen—
ſtehn wir getrew und unverzagt,
und ſchleubern unſers Wortes Bolzen,
bis es ob allen Landen tagt;
bis einſt des ew'gen Lichts Geloder
zu Aſche eure Groͤße brennt,
und eures Weſens ekeln Moder
ein jedes Menſchenaug' erkennt u. f. w.
Die Hanoveraner ermuntert er, auszuhalten und beffere Zeiten
zu erhoffen. Bon ‚Der guten alten Zeit‘ fingt er
nit Üüberfhwänglid wie die Trugpropheten,
nicht ſalbungsvoll wie ein geſchorener Wolf,
nit füß und ſchmeichelnd wie die Lugpoeten,
die Sache nit mit Bildern Ind umkleidend —
mein Ginn iſt ernft, mein Wefen fchroff und rauh,
mein Wort ein Meſſer, fhonungslos und ſchneidend.
Mit diefem fchneidenden Meffer geht er auch ber frechen Ba:
lerin am Tiberſtrand keck zu Leibe, und beſchwoͤrt bie Geiſter
des Arnold von Brescia, des Johannes Huß und Gavonarela
jur Rache aus ihren Gräbern hervor. Indeſſen wird im Fort:
chritt bes Wuchs der Ton der Lieder milder, Leifer, weicher, dit
der zweiten Abtheilung klingen weniger ſchrill und ſchatf; da
ber vielleicht der Titel „Laute und leiſe Lieder“. Die epiſch⸗
lyriſchen, die hier gegeben werben, erinnern an Beine'd Manier,
die weltſchmerzelnden klingen in allbekannigr Deiſe, und einige
.
Rachbildungen ſcher Dichter zeigen von Gewandtheit im
Ausdruck und Reimfertigkeit, worin er von Freiligrath gelernt
haben mag. Aus tem Ganzen geht ein emſiges Streben nad
Erringung ber Gelebrität des jungen postifchen Deutfchlande
ervor.
v (Die Yortfegung folgt.)
Entrourf einer Univerfalgefchichte fuͤr gebildete Lefer. Don
WB. Zacharias Reſſel. Erſte Abtheilung: Age:
meine Gefchichte des Alterthums. Reichenberg, Pfeif:
fer. 1843, &r. 8. 2 Thir.
So ein Wort, wie Univerfum, Univerfal klingt prächtig
und flolg; wenn man an ben Inhalt deffsiben denkt, wird «6
einem fo zu ©innen, al& ob fi) das Gehirn, bie Bruſt und
die Knochen erweiterten und wüchfen, aber die Obren ganz Flein
würben, fobaß bei ber Erwaͤgung ber Kieinheit und Gering⸗
fügigleit der eigenen Perfon es mit dem flegelhaften Hochmurh
rein ab ift. Aber freilich, erweiterten ſich auch jene ehrenwer⸗
then, keineswegs unausfprechlichen Theile bes Herrn und Meifter:
ftüds ver Schöpfung, fo könnten fie auch wol hohler, leerer
werden. Mehr als Einen Gedanken ober auch gar feinen koͤn⸗
nen Menſchen, die Weſen bes Augenblicks, doch nicht haben,
und ber eine gibt uns ſchon Exiſtenz genug, nach jene Philos
fophie: cogite, ergo sum. Wie beim Körpes, To auch mit
dem Geift, in diefer Hinſicht; denn das ift doch eine grauens
hafte Sefchichte von dem Überall und Rirgend. Won jenen We⸗
fen, weiche dreierlei, ja fechfertei Dinge auf einmal in ihrem
Geifte und mit ihren Fingern treiben, babe ich mir früher (und
ein jeder Menſch hat feine mothologiſche Zeit) eine laͤcherliche
Borftelung gemacht: das dachte ich mir als natürti und bes
greiflich, daß einer mit feinen zwei Haͤnden, zehn Fingern, mit
feinen zwei Züßen, zehn Zehen mehr als einerlei treiben könne
zu einer und berfelben Zeit; wer aber geiftig etwa breierlei Ge⸗
genftänbe bearbeiten Tönne, wenn 3.8. Berathung oder Sitzung
pober geweaitiger Herren wäre, Der, meinte id, müßte aud)
ebenfo viel — wie fapt man? Muͤnde, ober Munde, oder Munbs
öffnungen, oder Mäuter haben. Gin anfländiger, gefitteter
Mann bat nur einen Mund, unb foll alfo auch nur einen Ge⸗
danken haben, ben er ausſprechen will. Ungefittete, ungefchladhte
Menſchen haben Mäuler; dergleichen Anomalien find aber nur
für befondere Liebhaber und NRaturaliencabinete. Der Pracht⸗
exemplare, welche einen Mund und keine Gedanken haben, gibt
es auch.
Das Gegentheil ſind Univerſalgenies, die bekanntlich Al⸗
les wiſſen; welche in dieſem Augenblicke über die Geburts⸗
wehen der neueſten Zeit in Preußen, über das Eheſchei⸗
dungägefeß,. die Genfur und Preßfreibeit, über die befondere
Mabt und Beltung dieſes oder jenes Miniſters, über die Eins,
Aus:, Ras, Dur» und Kursficht dieſes ober jenes hohen
Bern, darüber, ob Preußen ‚Degemonie in Deutichland haben
inne ober nicht, ob Se. Majeflät nicht etwa den Katholiken
feines Staats auf den Raden treten und eine deutfch = Fatholifche
Kirche gründen und den Proteftantismus reformiren und beffen
ertiärter BVBelhüser, Begünftiger werben folle, über Parteinahme
der Regierung, über Öffentlichkeit und Muͤndlichkeit reden, ale
wenn es gedrudt wäre und fie jene „Fliegenden Blätter für
Fragen des Tags’ hätten aus ihrem Kopfe wegfliegen laſſen
wie Roah die Taube aus feiner Arche; und weldye im nächften
Augenbiicke eine Frage aus ber höhern Kritik beantworten, über
Kiopftodd und die Nibelungen, über Menſchen⸗, Pferder und
Sunderaffen, über bie Todesitrafen, über die Nothwendigkeit bes
Sriechiſchen auf den Gelehrtenfchulen, auf weichen es in Baben
eingefägränkt werben folle, horribile dietu! mirabile auditu!
über bie Anlegung einer nichtrauchenden Küche und eines nicht
iechenden unausfpredhlichen Orts, über Windmühlen und
den Bufammenhang des Gothifchen mit dem Reuhochbeutfchen,
über nügliche Verwendung des Duͤngers und bie neue Lehr⸗
"Wirtnfchofterinnen und Köcdinnen. Gin nothwenbiger
metyebe bed Dr. Sutherbt in Dretiau — unlverfalgenies
gibt es alfo, bie Hber Alles und Jedes reden, Pie ein 1er
bentiger tractatus find de ommi re scibili et quibusdam
alils; wobei das Intereſſaute, ober wenn man tieber wid, das
wider Willen Erregende oft Das if, daß biefe Götter der Erde
über alles Dies falbungsvoll, geheimnißreich, mit der
Entidiedenpeit und Beftimmtheit, ſowie mit dem feſteſten @laus
ben an ihre Infallibilität fi) hören Laffen, als wären fie mehr
als alle Paͤpſte und okumeniſche Concilien und ale Orakel unb
ale Koifer des himmliſchen Reiche des Mitte. Wehe Denen,
welche diefen im Gebiete des Willens fireng commanbirenben
Seneralen zu widerſprechen Aufgeblafenheit genug zu beſigen
fih erfühnen wollten! Es ift aud keine Kieinigleit: Alle vier
Bacuitäten und noch Giniges in einem Kopfe.
Zwei Begriffe find es, die nach unferm Sprachgebrau
in dem Worte Univerſum, Univerfal liegen; ee: wi
au, Alles, und der andere: das Ganze, ein Ganzes. Die Ber:
ſchiedenheit bemerken wir im Deutfchen und im Franzoͤfiſchen,
wenn wir nur folgende Zitel anfehen wollen: „Univerfatpiftorifche
Überfiht der Völker der alten Welt”, von dem freifinnigen Kraft:
mann Schloſſer zu Heidelberg, und „L’Univers pittoresque,
ou histoire et description de tous les peuples, avec 1800
gravures”‘, ober „Univerfal s Gonverfatione - Lexikon für afle
Stände”; H. Leo's „Univerfalgefcichte” und Gchiebe's „Lnivers
ſal⸗Lexikon ber Dandelöwiflenfchaften von A bis 35 oder Nefs
ſel's „Sntwurf einer Univerfalgefchichte für gebitbete Ständer,
und „Univerſal⸗Haus⸗, und Wirthſchaftsbuch für Hausfrauen,
Anhang
je jedem Kochbuche“; oder ein „Univerfals Segifter” und MWofe
uet's „Discours sur l’histoire universelle”, welche am Enbe
des zweiten und zu Anfange des dritten Theils folgende Gapitel
behandelt: ‚Suite de l’Eglise catholique et sa victoire mani-
feste sur toutes les sectes“ und „Les rövolutions des empires
sont regides par la providence, et servent à humilier les
princes”‘, fowie „Les r6volutions des empires ont des causes
barticuliöres que les princes doivent ötudier”. univerſalwerke
oͤnnen alfo alles Wiſſenswuͤrdige und Brauchbare aus allen
Wiffenfchaften und Künften enthalten wie die fogenannten Eons
verfationds Lexikons, ober aus einer Wiſſenſchaft oder Kunſt
Das, was man weiß, ober aud) nicht weiß, zufammenftellen,
ſodaß Schriften diefer Gattung ein Hause und ein Handbuch
fein mögen. Sie waren und find bei Völkern, bei welchen
Kenntniffe ein achtungswerther und nuͤtzlicher Schat find und
im focialen, commerciellen Verkehr nicht entbehrt werben koͤn⸗
nen, immer entſtanden, zumal wenn bie Kenntniffe, weiche als
wiffenswürbig galten, ſehr zahlreich und verfchiedenartig waren.
Die bei uns in Aufnahme gekommenen Gnchliopädien von
12 bis 15 Wänden in 8., oder von 30 bis 50 Quartanten find
doch noch winzige, und was ben Umfang betrifft, fo unbebeus
tende Werke, daß fie mit der aus mehren hundert großen Baͤn⸗
den beſtehenden Encyklopaͤdie der Ghinefen auch nicht entfernt
zu vergleichen find. Dafür ift aber China der Staat der Ins
telligeng: wer bort etwas weiß, wirb auch etwas. Heißt doch
der jegige Kaifer: Ruhm ber Bernunft, und wäre demnach bas
Daupt ber Rationatiften. Müffen wir Deutfhen es nun etwa
auch noch dahin bringen, wo die Ghinefen flehen, oder die Chi⸗
nefen dahin, wo wir fleben? Oder find fie und wir im Irr⸗
tum und auf verfehrtem Wiege? Letzteres behauptete ein ges
iehrter Herr vom Katheder brrunter und er hat mehr als einen
gleichgefiunten, abſtracten, bas Leben nicht kennenden Genoffen,
fagend, daß alle ſolche Univerſalwerke, Gonverfationsbücher un⸗
nüge, ſchaͤdliche, verderbliche Probucte wären, der Wiſſenſchaft
da® Grab bereiteten; und fo bannerte er weiter fort in ber
Achtaerklaͤrung. Die Wiſſenſchaft bat befanden und befteht,
und wenn auch bie neueſte Auftage bes bei Brockhuus in Leip⸗
zig erſcheinenden ‚Gonverfatiends Berilon”‘ noch zweimal fo
viel Abnehmer fände als fie jest fchon aufzuweifen das Wergnäs
gen hat. In der Seele meines alten Lehrers lefe ich ein- tange-
noch zitkergbeh Meben und Grauen, wens er bie Sahl: der jegi⸗
x |
Abrehmer fieht: 25,000, fage ſaafundzwanzig Tauſend., wäre. Won biefen als von
8 wer weiß, wie ſich zum Ruin der Biken
gebeuere Menge noch vermehren wird! Der juͤngſte Tag ber
erhabenen Goͤttin Wiffenfchaft naht, kommt raſch und eitend! -
Bu den Univerfalgefdgichten in bem befprocdhenen Sinne bes
Worts Univerfat, kann jene Allgemeine Weltgeſchichte gezählt
werben, beren Baͤndezahl ſich über ſechszig mäßige Quartanten
betäuft.._ Was man jeit einiger Zeit Univerfalgefchichte nennt,
if etwas Anderes als eine alle merkwürdigen Begebenheiten und
Auftände aller Völker und Staaten zu allen Zeiten berichtende
Darſtellung; bie jenige allgemeine ober Univerfatgeichichte ſtellt
ſich nicht ſowol bie Aufgabe, Alles zu erzählen, was merkwuͤr⸗
dig if, als vielmehr bie, ein Ganzes aus der Gefchichte zu
büden, bie Zuſtaͤnde und Wegebenheiten nicht einzein und blos
an und für fi, fondern im Zuſammenhange mist andern dar:
zuftellen, fie nebeneinander, ineinander, auch wol bier und da
durcheinander, wie Kraut und Rüben, zu placiven. Die jetzige
Univerfalgefdgichte hat weſentlich ein katholiſches Prineip: bie
@inheit und zwar die retigidfe. Einheit. Zur fichtbaren Einheit
vermögen bie Univerſalhiſtoriker nicht überall durchzudringen, fie
werben ſich fehr oft mit der unſichtbaren Ginheit, mit der Eins
beit, melde nur ber Glaube wahrnimmt, zufrichenftellen muͤſ⸗
fen. Die Einheit Liegt nicht in den WBegebenheiten, die nach⸗
und miteinander fich ereignen, fonbern über denfeiben, außer:
halb derfeiben, wie ſolches Haug in feiner „Allgemeinen Ge⸗
ſchichte“, deren Fortfegung flodt, anerkennt. Welches aber ift
nun der Wereinigungspuntt, bie Ginheit? Die alten dhriftiichen
Diftoriker waren ber Meinung, baß die ganze Geſchichte in zwei
große Zeiten zerfalle: die exrfte ging bis auf die Erfcheinung bes
Erloͤſers, und dies war die alte Geſchichte, die Zeit der Vor⸗
bereitung auf ben Deiland; bie zweite begann von der Menſch⸗
werbung beffelben; jenes war bie Periode des Alten, biefe zweite
die des Neuen Bundes. In jener wurden betrachtet die Jsrvae⸗
liten und bie Möller der vier Weltmonarchien; in biefer bie
Ghriflen und. die Gegner und Keinde bes Chriftenthums, - bie
Ungläubigen. Das altteſtamentliche Gefeg nebft der Weiffagung,
fowie die Philofophie der nichts jübifhen Völker galten als
Wegweiler und Hinführung zur wahren Philoſophie bes Chriſten⸗
thums und zum volllommenen Gefeg. Das läßt ſich nicht leug⸗
nen: einfach und beftimmt war dieſe Anſchauungsweiſe, bie auch
in unfern Tagen noch ihre Anhänger findet, welche Chriſtus
ald den Mittelpunkt alter Gefchichte betrachten. Solche Ge:
ſchichtſchreiber hat die katholiſche und proteftantifche Kirche: die
der erſten Zugethanen nehmen als Mittelpunkt die ſichtbare,
ununterbrochene Einheit ihrer Kirche von der Schöpfung bie
auf unfere Zage und betrachten das Verhaͤltniß ber Menſchen
und Voͤlker zu demfelben; die der legten Zugethanen beurtheilen
bie Völker und Begebenheiten nach den Ausſoruͤchen ber heiligen
eheift, Einer fo, ein Anderer fo, unb ein Dritter wieber
anders.
Außerhalb ober innerhalb, ober mit ber veligiöfen Anſicht
der Geſchichte verbunden, fteht eine poLlitifche Beurtheilung
der Perfonen und Begebenheiten. IA nun fchon auf religtäfem
Gebiete eine ſolche Zwietracht, daß Einer für weiß erfidrt, von
bem ber Andere behauptet unb darauf ſchwoͤrt, daß es ſchwarz
fei, fo ift auf dem potitifchen Boden eine Verwirrung, wie fie
beim Thurmbau zu Babel fchwerlich gewefen fein mag. Wenn
es jeßt, feit bem Jahre 1830, nicht unmöglidg wäre, daß
Giner, der die Gegenwart verftehen und auf fie einwirken will,
ober ex officio muß, fich eine beftimmte, klare politiſche Eins
fiht ober (wenn das nur hinreichte) eine Anficht erwerben
müßte, fo wäre es das Rathfamfte, alle politilcden Syſteme
fi bilden und. aufbauen zu lafien, wie es eben gehen wollte,
Diejenigen find gluͤcklich, welche, bie Politit ihren Weg geben
laffend, ihrem Amte treu nachleben koͤnnen.
Vorerſt haben diejenigen Hiſtoriker Unrecht, welche meinen,
daß eine jebe Arc von Berfaffung für ein jedes Volk gleich gut
jene uns
politiſch⸗ inbifferenten oder ni
a if weiter nicht gu ſi . ana aber Han
Unrecht alle politifch «einfeitigen. Einheit und Einfeitigkeit fin,
zwei verfhiedene Dinge. Cine politiſche Einheit wird nit da⸗
durch gebildet, daß ein Gtaat: nach einem einfeitigen Princh
gebildet wird. Faſſen wir’ z. B. bie cuitivirten Gtaaten Eure
pas ins Tuge, fo würbe Derjeni wenn er
ben Staat für ben politiſch vollkommenſten hie in melden
@in Prineip vein ober abfolut efüyrt , wenn Die;
anders möglich fein follte. Es darf ein Staat, wenn er leben
big fein, blühen und gebeiben fol, weder xein ober abſolrt
monarchifſch, noch abſolut ariſtokratiſch, noch abfotut demokratiſch
eingerichtet fein. Wer abfolut conſervativ iſt, iſt mol nicht ia
einem viel geringern Grade negativ und defkuctrio als der
vein ober abſolut Liberale, wenn es einen ſoichen gibt. Ru
eriftice in den gebildeten Theilen Europas kein einfeitig dund«
geführter Staat, und koͤnnte ein —— nicht auf In
en und Bie
Zweierlei hätt. Ale einfeitigen Staaten tragen bie —*
in ſich, laut der Erfahrung, wie fie von allen Jahrhunderten
beglaubigt unb befcheinigt wird. In jeder Monarcht vielmeht,
mäffen ariftofratifäe un
einem tebenbigen, wahr
haft organifirten Staate muß das Monarchiſche übertwiegen aber
nicht niederdraͤcken. Und gluͤcklich iſt das KBolf, weiches duh
ſich (dügm
kann und darf, da iſt Freiheit |
liche Freiheit, als alle Gonftitwtionen gewähren mögen; auch
bier wieder laut Erfabrung und Gefchidhte, denn umzerivennid
find Gerechtigkeit und Gonſtitution keineswegs. Au Das R
eine einfeitige und barum verkehrte Meinung, daß alle Zhrie
eines groͤßern Landes ein und biefelbe Berfaflung haben müftn
zu ihrem froͤhlichen Gebeihen.
(Der Beſchluß folgt.)
ee —
Notiz.
3ur Zeitungéſtatiſtik.
Laut ber dem engliſchen Unterhaufe im Juni d. I.
gelegten Berechnung erfcheinen gegenwärtig in London 139 Jcur:
nale, bie in den vorbhergegangenen zwölf Monaten 36,271,0%
Rummern abgefest Cbefannttich findet in England kein Atos
nement flatt, ſondern jebe Nummer wird einzeln verkauft), und
48,179%, Pf. St. Avertiſſementeſtempel entrichtet haben. J
ben übrigen Theilen Englands erfcheinen zwar 214 Soumak,
doch haben dieſe in derfelben Seit nureinen Abfag von 16,857,000
Nummern gehabt, folglich bei einer bedeutend größern Zehl
nicht die Hälfte ber Londoner. Der Avertiffementeftempel
bat 40,766 Pf. 18 Sch. betragen. In Schottland erſcheinen
18 Journale, davon faft ein Viertel in Edinburg, feltfam genug
aber in biefer reichen, ſowol ariftokratifchen als gewerbtreibenben
Stadt nicht eine einzige tägliche Zeitung. Der Jahresabſatz dat
1,478,940, der Avertifſementoͤſtempel bie Summe von 13,5%
Pf. 12 Sch. erreicht. Wales veroͤffentlicht 10 Journale, ven
benen das gelefenfte im Durchſchnitt wochentlich 1500 Gremplart
verfauft. Der Abfag ber übrigen ift ſehr ſchwankend, er feigt
bieweilen in einem Monat auf 10,000 und faut im näcften
auf 1000. Der Gefammtabfag im legten Jadre hat 88,00,
ber Avertiffementöflempel 305 Pf. 18 Sch. 6 Pce. betragen.
In Dublin erſcheinen 25 Journale, wovon im legten Jahre
3,366,406 Rummern verkauft, und für Avertiffementäßempt
4,999 Pf. 8 Sch. erhoben worden find. Die Provinzen |
58 eigene Journale, die 2.435,068 Nummern nebft 13,0
Supplementen ausgegeben und 3,686 Pf. 16 Ch, Anetife
mentsſtempel berrchnet haben. d.
Berantworttichetr Deraubgeber: Deinrt Broddaut. — Drus und Verlog von ®. &. Brochaus in Leipzig.
Blatter
für
literariſcht Unterhaltung.
\
Dienflag,
überſicht der neueften poetifchen Literatur.
Dritter unb letter Artikel.
(Kortfegung aus Nr. 268.)
57. Lieber eines politiicgen Tagwaͤchters. Bon Ernfl Ort;
Lepp. Gtuttgart, Brandt. 1843, 8. 2 Thlr.
Sao jure beſtallt fi hier Dr. ©. Ortiepp, dem wir ſchon
einige Male auf Inrifchem Gebiete begegneten, als politifcyen
Tagwaͤchter Aber Welt und Zeit. In einem Prologe fpricht
ex feinen Liedern Friſchheit und Keckheit zu, und ermahnt fie,
in voller Ruͤſtung dazuſtehen; nirgenb lefen wir etwas, aus
weffen Macht er fich dieſes Amt gegeben habe. Ohne weis
teres ruft ex den Finfterlingen fein „Hoͤrt ihr Derren und laßt
euch ſagen!“ gar gebieteriſch entgegen; triumphirend fünbet er
Alten die Nähe des Freiheitsfruͤhlings an; à Ja Prug und Her⸗
wegb bittet er Preußens König um das freie Wort und eine
Berfaffung, nur verfährt er infofern dabei fduberlicger, daß er
der Bitte ein Preisgebicht auf bes Könige Thaten folgen laͤßt;
er tabelt, bad man Friedrich's des Großen Schriften im Staats⸗
archiv en halte, wiberruft aber den Zadel ſogleich in der
folgenden Nummer, nadbem er in ber „Allgemeinen Zeitung”
geiefen, ber große Todte werde Auferfiehung halten. Hanover
wird nicht fo glimpflich behandelt, fondern mit dem raupeften
Bornton angeblafen; Hr. v. Mühler Yagegen wird belobqualmt.
Die Preßfreipeit, der Cenſurzwang, ber Materialiömus ber Neu⸗
zeit, die Emancipation des Weibes, der Juden und ber ganzen
Menfchheit, der Brand von Hamburg, der kölner Dom, das
deutfche Theater, die Denkmals und Polalmanie, bie Verfin⸗
fterer, bie Katholiken, der Rhein und die Franzoſen, Stuttgarts
ſchoͤne Literatur, die gemifchten Ehen, die Policei, der Zollver⸗
band, die Eifenbahn, der Landtag, ber Lisztwahnfien, Boͤrne's
Schatten, Luther, Welder, Strauß, Laube, Herwegh — über
das Alle und noch über viel mehr raiſonnirt unfer Waͤch⸗
tee in flereotyp gewordener Phraſeologie. Nur übel ift es,
daß nicht mehr dahinter ift als Phraſenwerk. Kein neuer
Gedanke, kein überrafhendes Bild, Fein wahres Entbrannt⸗
fin für die Sache fchlägt den Leſer an Ohr und Ders;
dabei langweiliges Geleier in fihleppenden Rhythmen, Nons
&alance in der Korm, Sansculottismus in ber Daritellung, fors
cirte Begeiſterung für die betagwächterten Objecte — kurz, wir
iweifeln, ob dieſer Hornift mit den Tönen feines Hirtenhorns, das
tr für sine Weltpoſaune hält, den beabfichtigten Effect auf bie Ooͤ⸗
ter machen wird. Nehmen wir nun nod dazu, daß nur wenigen
potitifegen Dichtern der Neuzeit bie Sache, der fie fih anneb⸗
men, recht Mar zu fein fcheint, daß Wiete, wie wir hier &. 190
fen, ins Afchgraue, Dunkelblaue und Grenzenlofe bineinblafen,
dad Land der Ehimären betreten, und ſich mit den riefigen Zerr⸗
binern ihrer Phantaſie, wie Don Quixote mit den Windmühr |
tenftägeln, herumbalgen, oder baß wol gar Manche ſich durch
den lockenden Gedanken an ben Succeß und den goldenen Bes
cher Riklas Becker's in die poetifch» politifche Begeifterung hin:
aufſchrauben: fo mäflen dem zuhigen, erfahrenen unb wahren
Freunde der Poefte und Freiheit folche Verſe faft widerlich, und
um fo mehr ale verfehlt erfcheinen, da ihre Wahl auf einen an
und für ſich unpoetifchen Stoff gefallen iſt. &o wird auch der
etegifhe Hornklang in ben in einer zweiten Abtheilung mitges
theilten Polenliedern“ nachgerade eine ſtereotype Sangweife,
die das Auge und nicht mehr das Herz lieſt. Unter den ver⸗
miſchten Gedichten ber dritten Abthellung find einige, die uns
an bie Anmuth und ben Geift des Sängers aus früherer Zekt
mabnen, ehe er auf den unglädtidyen Gedanken fiel, politiſcher
Zagmwächter zu werben und feine mohlklingende &yra mit einem
Wächterhorn zu vertauſchen. Jene verſtand er zu fpielen, für
biefes bat er feinen Anfag. Wir laſſen, fo leid es ums thut,
den Aber feinen Beruf beflagenswerth verblenbeten Berf. ſelbſt
über feine Berfe (S. 281) urtheilen:
"Diefe verpvidten Reime,
Die ihre braucht als Volksleime,
Nach denen in biefen Tagen
Ihr pflegt zu jagen,
Und bie bei den neuellen Dichternilden
Saft etwas Charakteriſtiſches bilden,
Sind vor dem Richterſtuhl der Camoͤne
Nicht dad wahre Schöne.
58. Gedichte von Heribert Rau. Otuttgart and.
10 6 2 aut, Braune
Die Balladen und Romanen ber erften Abtheilung ruhen
theils auf hiſtoriſchem Grunde, theils find fie vom Verf. gi
sich erfunden, und nicht ohne Talent für das Objective darges
ftellt. Auch die in edler Sprache und entfprechenden Bi
abgefaßten poetiſchen Srzählungen intereffiren uns für ihm.
Unter ihnen zeichnet ſich „Der Fels dee Mutter” durch die mil
Meifterhband gemalte amerikaniſche Scenerie, und „Die Tiger⸗
jagd” aus. Die Gedichte an Perfonen, „Zueignungen” bier ger
nannt, bieten Gewöhnlidyes, wogegen die „‚Religiöfen @edicte”
fih in die Sphäre einer geläuterten Maren Anſicht und gottin⸗
nigen Empfindung, die von jeder myſtiſchen tiberfpanntheit fern
iſt, wohlthaͤtig bewegen. Wie hold entfaitet fi 3. B. in dem
einfach „‚Eieb‘’ uͤberſchriebenen Gedichte die Blume des Gottver⸗
trauend; würdig daran ſchließt ſich „Troſt“ (S. 214), „Selig⸗
keit des Sterbens“ (S. 216), „Geiſtige Liebe“ (S. 220), „its
derſehen“ (&. 231) und „Entſagung“ (S. 248). Die vermiſch⸗
ten Gedichte ſchwimmen auf dem breiten Strome der Alltaͤglich⸗
keit. Was bie politiſchen Lieder betrifft, die auch hier nicht
fehlen, und welche bie Sammlung fchließen, fo behandelt ber
Sänger bie Zuflände der Gegenwart mehr mit Wis und Hu⸗
mor als mit jenen übertriebenen Grcelamationen, welche Herr
Ortlepp im Munde führt, Rach dem ©. 400 ausgeſprochenen
ort:
Der Diäter iß bed Zeitgeiſts Stimme,
Drum ſchlage er im beil’'gen Grimme
Auch jegt ein wildes Schlachtlied am,
vinbicirt ex dem deutfchen Dichter bas Recht, die Voͤller wenn
n Kampfe mit dem Eiſenſchwert, doch zum Gei⸗
aut aufhurufen. „Das politiſche Unſer Water auf ben ka⸗
raibiſchen Infeln” (S. 361) führt das Thema über Volksfrei⸗
heit in einem Trialog zwiſchen Pater, Minifter und Bolt mit
glädticher Ironie aus. Den falfchen, ſchmachbringenden Ehr⸗
geig (Louis Bonaparte's) geiſelt er in einer. Paramychie „Doble
und Adler“. „Der Kaiferfaal im Roͤmer zu Frankfurt am
Main (5. 384) ift ein Eräftiges Phantaflebild, das in Teinem
Zuge verfehlt if. In einer „Menagerie“ (S. 409) endlich läßt
er dem Yublico von einem radebrechenden MBärter einen Eco:
parben, einen norbifchen Baͤren, einen Gockelhahn, einen weis
fen Aar, dem man bie Flügel arg geftugt, einen verfrüppelten
und einen jungen gefunden Adler, einen großen Löwen und eis
nen Hirſch zeigen, und man erräth leicht, was ber Bührer
meint. Summa: Der Verf. hat nicht eben die Meifterfchaft in
der Lyrik erreicht, aber fein Lied wird nicht fpurios im Ohre
und Herzen der Hörer verhallen.
59. Kinder der Zeit. Gedichte von Johann Heinrih Sie»
vers. Jena, Frommann. 3. Gr. 12. 15 Rgr.
Dieſe Kinder der Zeit, die mit dem Motto auftreten: „Fe⸗
ſter Mittelpunkt der Dichtung bleibe ſtets die Wahrheit, und
bes Geiſtes Klarheit kuͤnde ſich nach jeder Nichtung‘‘, führen
zwar eine jugendfriſche, kecke Sprache, aber fie find nicht ſehr
prätentids. Auch hört und ficht man es ihnen an, fie meinen
und fühlen, was fie fünden. Der junge Brauſekopf will bins
aus in die Welt; das procul negotiis ift ihm ein Greuel;
Kampf ift des Mannes Loos und auch das Wort eine That.
Man foll ihn nicht tadeln, daß fein Sang nur Freiheitstuft und
aie Brauenliebe athmet. Zu folhem Sange ruft er, da das
deutfche Volk der Lieder bedürfe, bie deutſchen Dichter auf. um
acht bis zehn Lieder hängt er ben Mantel einer feinen Ironie
und geifelt verächtliche Charaktere, Inftitute und Zuflände ber
deutfchen Gegenwart. Selten reflectirt er, und wo er es thut,
laͤßt er, gewöhnlich gegen bes Liedes Schluß, die Reflection in
Aufruf, Bitte, Ermahnung ober Warnung zerfließen. Rament⸗
dich mahnt er zur Eintracht und Einheit, und alle feine Wüns
ſche beziehen fi) auf das Gebeihen ber Landeswohlfahrt und
das Gelingen angeregter Berbefferungsplane. Was bie Formen
anlangt, fo hat fein Ohr Empfänglichkeit für Melodie und er
gießt feine Gedanken auch in die Form fübeuropäifcher Sonette
und füboftbeutfcher Ghaſelen. Auszeichnen möchten wie „Unſer
Bater‘' (©. 109).
60. Lieder eines Erwachenden. Won Morig Graf Strach⸗
wis. SBrestau, Kern. 1842. 8. 22%, Nur.
Hier fprubelt und ſchaͤumt ber Quell jugendlicher, über:
muͤthiger Kraft in wilder Ungebunbenheit auf, und in feinem
Strahle bricht fich die Sonne der Poeſie in prismatifchem Far:
benfpiel.” Das Muſenroß flöhnt und fchäumt unter dem Eräftis
gen Schenkeldruck bes gräflichen Reiters, der mit dev Sicherheit
eines Robomont und Ferraut bie Lanze einlegt und es in bie
Schlacht treibt. Erwacht aus dem Gchlafe der Indolenz und
dem wirren Worgentraum, ben er zu lange geträumt, macht er
es fi) zum Lebensgefchäft, die Welt aus bem bleiernen Arm
des Schlummers zu weden, in weichem er felbft zu lange ges
legen. „Ein wildes Lied’ (&. 12) gibt die Tonart an, in wel:
der er faft alle übrigen Lieder componirt bat. „Im Schlum⸗
mer”, fo eifert er, „fterben bie Völker hin, am Banner fchläft
der Soldat, und fo ſchlummert auch die Großtbat am Buſen
ber Zeit; die Freiheit ſchlaͤft im Schooſe der Tyrannei““; und
fo wuͤnſcht er den Schlummerzwang gedrochen, und ruft:
Komm, Sthlachtengebruͤll, du Donnerwort,
Mit Wundengeklaff und Tod,
Mit Wöoͤlkergroll und Völkermord
Und Voͤlkermorgenroth!
Komm, Klingenwechſel und Schwerterblitz,
Komm, raſſelnder Reiterſturm,
Bor deinem Athem, bu Mordgeſchuͤt,
Berfahre Mau'r und Thurm.
| verfchleierte Bild”, ein Gommentar zu Sch
Und bricht entzwei bie alte Welt,
Bom Stop zuſammengedruͤct;
Wiel beffer, daß fie in Traͤmmer faͤllt,
Als daß fie ſchlafend erfidt.
Ähnliches bieten „das folgenbe „Reiterlieb‘‘ (&. 14), ‚De
Hymnus / an den Born” (8.16) und „Mer wagt 237” (5.9,
Den Zweilampf nimmt ein Eräftiges Wort (6. 29) in
Würden wir, wie es anfänglich unfere Abſicht war, Kräftiges
und Gelungenes im Auszuge geben, fo müßten wir ein Drittd
bes Buchs abſchreiben. Dabei zeigt ber Erwachenbe eine felteng
Meifterihaft in der Reimbildung, und wir haben aud bie,
was wir fon an andern Orten bemerften, beflätigt gefunden,
daß ber Reim dem Liebe nicht blos Reiz und Kraft leiht, fon:
dern auch wie durch Zauberfpiel den Gedanken erzeugt und a
an Idee Enüpft. Die politifchen „Zeit⸗ und Zendengtieber hi
den freilich den Glanzpunkt Hier; doch befunden auqh die „Re
manzen und Märchen‘, in denen viel Blut fließt, und dem
Schauplatz das Meer, das Schlachtfeld oder der mondbeglänte
Eifenwald ift, die kuͤhne fich überfchlagende Phantafie des Dit:
ters und fein maßlofes Blutwallen. Das Dugend „eiebeslieder"
welches den Romangen folgt, fcheint zwar den Leſer von da
Parforceritten, die er mitmaden muß, zu Athem Zommm y
laſſen; aber es ſcheint nur fo; benn der junge feurige Kite
bat Eros’ Zadel. an ber Leibenfchaftlichen Glut entzündet, ki
in feinem Innern lobt; etwas Weicheres und Mitte, mie
etwa Nr. 9, findet fich felten darin. In den „Reimen aus 6
den und Oſten“, db. b. in ben Ottaven, Gonetten und Zerzinm
des europäifchen Südens, und den Ghafelen aus Deutſchan
Süboften findet der Erwachende eine erwuͤnſchte Gelegenheit,
feine Geſchiclichkeit im Reimen zu entfalten, wir möchten fagu,
fein Müthchen zu kühlen und in Affonanz= und Reimfpiel
ſchwelgen. Wäre uns der Raum in den Spalten d. BL ni
su knapp zugemeffen, fo würden wir die Behauptung, hier fi
nichts Autägliches, fondern ein os magna sonaturum, mit Ans
zügen belegen; zurüdhalten können wir indeffen bie Bemerkung
nicht, daß, wenn exft der junge Moft in der Wruft diefes K
wachenden ausgegaͤhrt hat, ober ber an Hyperſthenie kranfenk
Vitalfinn durch ein ernftered Wörtchen, vom Leben aefprohen, |
geheilt fein wird, wir erſt vecht Schönes von ihm Iefen werte; |
erft dann wird er einfehen, daß er noch nicht völlig erwacht ii,
und daß er manchen feiner Träume für Wirklichkeit haͤu.
61. Gedichte von Albert Kelter. Giesen rich un
Schol. 1842. 8, 1 Spk. ven. Be
Die innere Stimme, die, laut Prolog, dem Verf. rät, |
auf Mufenrupm nicht zu verzichten, bat ihm in ber That fi
nen guten Rath) gegeben, denn es fehlt ihm an ben erften M
quiftten der edeln Mufentunfl. Seine Sprache iſt unbeholfen,
er fündigt gegen bie Sprachſyntax, in feiner Seele wohnt fin
Khythmus, feine Reime find oft wunderlich, feine Bilder u:
paffend und feine Ideen oft fogar unklar. Dieſes Urtheil mıf
ten wir nad) Durdhlefung des erften Dutzend biefer Gedichte
fällen ; natürlich hat uns das abgeſchreckt, den epifden Theil
bes Vuch⸗ „Weltgeſchichtliches“, und „Mazeppa“, ein Heide:
gedicht in zwei Gefängen, zu lefen. Wir haben nur darin ge
blättert und uns überzeugt, daß unfer Urtheil darüber nit
günftiger ausfallen kann, und daß der Verf. Hecht hat, wenn
er in einem Epilog ſagt: „Der Keim bes Todes ſchlaͤft in die
fen Liedern und Gedichten.“
62. Die Aeolsharfe. Ein Cyklus Gedichte mit bidaktifden Be
on von G. E. Müller. Leipzig, Metzger. 1842. 16.
Ir. "
Der Verf. bringt feiner Mufe Erſtlinge, zunächft „Raid
und Arm’, eine poetiſche (ziemlich langweilige) blung, de
ven Inhalt zum Titel nicht wohl paßt. Drei Wariationen über
Schiller ſche Themata „Die Vergotterung des Herculed“, „Das
iller's belanntem Ge
dicht, und „Die Genien bes Lebens‘, ein Pendant zu den „dt
len", Eönnen als Einſchlag in ein ſchon aufgegogenes Gene:
feinen aͤſthetiſchen Werth Haben. Die Gegenfäge „Wernunft und
Offenbarung” (©. 93), „Geltenbaß und Duidſamkeit (©. 99)
und „Zeit und Raum” (&. 102) geben Betrachtungen, mit
ziemlich bobien Erclamationen vermildht, die den Geiſt nicht zu
erwärmen oder zu entflammen vermögen. Gin bibaltiiches Ge⸗
dicht in vier Belängen „Eros und die Geſchlechter“ reizte uns
fere Wiß⸗ und Reubegier um fo mehr, da unfere Schöngeifter
aus jüngfter Aera fich eben nicht mit Eehrgebichten gu befaflen
pflegen; aber teiber blieb auch hier bes Wiſſens Durft unge:
ſtillt und das Herz unbefriedigt. Gin etwas frifcheres poetis
ſches Leben pulfirt in den Meditationen, die den Zitel haben
„Das Streben und die Wahrheit”; die Jamben ſcheinen da
leichter fich zu bewegen und anmuthiger zu Bingen, weil ein
iebendigerer Gelftesodem das Ganze durchweht. Dex legten Abs
theitung „Pſyche“, einem in wechſelnden Rhythmen und Metren
geſchriebenen und ſchon im Taſchenbuch „Roſen“ für das Jabr
1837 abgedruckten Gedichte, koͤnnen wir wenigſtens das negative
Lob ertheilen, daß es an kein derartiges Vorbild erinnert und
in Allem, was es beſpricht, original iſt. Hier gilt das Wort
„Finis coronat opus”.
(Der Beſchluß folgt.)
Entwurf einer Univerfalgefchichte für gebildete Lefer. Don
DB. Zaharias Reffel. Erſte Abtheilung.
¶ Beſchiuß aus Nr. 208.)
Wir kommen auf unfere alte Behauptung zurüd: Alles
Abſolute in der Politik taugt nichts. Die Philofophen mögen
das Abforute für das Hoͤchſte erklaͤren und, wenn fie wollen,
aud für das Lette, woran fie recht thun, denn es dauert nicht
lange. Abfolut Befehlende gibt es fo wenig wie abfolut Ge⸗
horchende; es Läßt fich auch wol kaum etwas lnfinnigeres, um
nit zu fagen Gottloferes, denken als der Sag: die Menſchen
theilen fih in Bebietende oder Befehlende und Gehorchende; ale
ob nicht der Befehlende zugleich wieber Gehorchender wäre. Es
mag fehr fonderbar klingen, aber wahr ift es, felbft Bott ift
nicht unbefchräntt, benn er hat einen Bund mit den Menfchen
gefätoffen, ſich zur Erfüllung feiner Berheißungen verbindlich
gemacht. In den allerjämmerlichften Zeiten eines Voikes, wie
4. 8. des roͤmiſchen unter feinen Kaifern und fonft, war abfos
Iute Unabhängigkeit. Biftoriter wie Perg und K. A. Menzel
baben hier und da eine politifche Anficht ausgeiprodyen, wie
ſoiche jedem Beſonnenen als die wahre, vernünftige ericheinen
zuß. Jener fagt: „Die niederen Giaflen des Wolle, deren Kräfte
befändig auf den Erwerb gerichtet find, verlangen nur Gerech⸗
tigteit und Frieden; die zeichen und gebildeten auch Antheil an
der Beſtimmung gemeiner Geſchaͤfte. Wer feine Unabhängigkeit
füptt, unterwirft fi nicht gern ohne Überzeugung einem frems
den Willen.” *) Gleichweit entfernt von politifcher Cinſeitigkeit
if die Behauptung des unparteiiſchen Hiſtorikers K. A. Mens
zei, wenn er in feiner „„Selchichte der Jahre 1815 — 37
Tagt: „Ein bemokratifches Clement muß auch in der Monardjie
fein, 3. 8. in den Gorporationen ber Städte, ber Dörfer.‘
Sole Anfichten diefes Hiſtorikers find deswegen zu achten,
weit er ſomſt als Repubtilaner ober demokratiſch Sefinnter gar
nicht erfcheint, wie man leichtlich aus deffen „Geſchichte unferer
Zeit‘ erfeben kann. Wenn irgend ein Befchichtfchreiber unpar:
tif) genannt werben kann, fo iſt es K. A. Menzel. Wäre
« ein einfeitiger Parteimann unb ein leidenſchaftlicher Ber
irgend weldger, wenn auch noch fo elenden Zeitrichtung
in Staat oder Kirche, fo würde er viel mehr dekannt und ges
priefen fein, da er jest erſt fi) Bahn bredden muß zu einer
ohortigen, energiſchen Verarbeitung ber neuern und neueften
Beit. Diejenigen politifchen Hiſtoriker, welche fi ben Namen
Ar Gonfervativen zulegen und wol geneigt find, ſich dieſen
Mean zuzugeſellen, find ohne Unterfchieb, einer wie ber andere,
perteitfcher , ieidenſchaftlicher. Wit den Gonfervativen hat es
) „Meroningifge Hausmeiet⸗⸗, ©. .
⸗
fo feine eigene Noth; für Ronarchie unb Ariſtokratie find Mi
confervativ, für die demokratiſchen Elemente, bie doch auch ihr
gutes, wohlerworbenes Recht haben, find fie nicht conſervativ,
fondesa negativ und beflruciv. Darum ift eine Oppofition,
eine liberale Partei nötbig geworden, weiche für Grhaltung und
Erhöhung des deitten ebenfo nothwendigen Biements aus allen
Keäften fechten muß und fir) durch ein gefchriebenes Grund»
geſet ficher fiellen. In Preußen z. B. ift diefes, da das dritte
Glied des Staats⸗Ganzen lebendig ift, nicht nöthig, wuͤrde
aber durchaus nöthig, ſobald bie Ariſtokratie fehr, ober zu maͤch⸗
tig, oder, wollen wir lieber fagen, übermüthig ift; denn bie zu
große Begünftigung dieſes Theile, zumal wenn er etwa oͤkono⸗
miſch ober moratilch ruiniert wäre, ift der Stachel, durch weis
Ken eine Oppoſition aufgeregt wird. Wegen bie Monardhie,
wenn fie nur einigermaßen gerecht und liebevoll ift, ift die Op⸗
pofition fo leicht nicht gerichtets da, wo feine gerechte, durch
Moralität, gute Sitte und Treue ſtarke Pofition ift, entſteht
Dppofition und wirb und muß fliegen. Wir werben wol barüber
einig fein können: alle Sinfeitigkeit in ber Politit wie in ber
Religion führt zu einer falfchen, ungerechten Beurtheilung ber
Geſchichte. Es mag wie Scherz flingen, wenn wir fagen: alle,
nur einigermaßen vernünftigen beutichen Politiker find confers
vativ; der Radicalen, rein Deftructiven find fehr wenige; unb
revolutionnaire Schwindler find fo gefährtich nicht. Wenn irgend
ein Volk feften Sinn bat für Recht und Gerechtigkeit, Liebe
zum alten Baterland, fo ift e6 das deutſche. So viel wird ſich
ohne große Vorliebe als ber Wahrheit gemäß beglaubigen lafs
fen. Rach unferer Anficht entfcyeibet fich die fliegende Frage:
Soll eine Regierung Partei nehmen? ſehr leicht dahin: ie
foU nicht Partei nehmen, weber für die Monarchiſch⸗Conſerva⸗
tiven allein, noch für die Ariftokratifchs Gonfervativen allein,
noch für die Demolratiih: Eonfervativen allein, fondern fie foll
ale drei Elemente im vechten Gleichgewicht erhalten, zu leben-
diger Kraft erhöhen, alle Parteien (um ein miferables Wort
u gebrauchen) flärfen und befchränten; und wenn alle Welt eins
—F wuͤrde, fo ſoll eine Staatsregierung dreiſeitig fein und bleiben.
Keine Zeit allein, weder bie des Alterthume noch die bes
Mittelalters, kann für unfere neuere und neuefle Zeit Norm
und Richtſchnur fein. Das Gute in Kunft, Wiſſenſchaft, Polis
tie ober Staatsverfaffung, Handel und Gewerbe aus allen eis
ten foll confervist werden und uns zu gute fommen. In ber
neuen Zeit leben wir nicht deswegen allein, weil wir nur Neues
hätten und haben müßten; das Reue ift die großartige Erſchei⸗
nung, daß das Gute, was früherhin nacheinander war, jest
nebens und miteinander feine Eriſtenz behaupten fol. Das
träftig Perfönliche ber alten Welt, die Freiheit der Perfon, das
Privat:Reht und Richtige, das Rationale, Eräftig Volksthuͤm⸗
lie der alten und mittlern Zeit fol beftehen in und mit dem
Voͤlkerverkehr ber neuern Zeit. Gtaatens und Voͤlkerrecht ift
erft ein Product ber neuern Zeit, fowie ber eble Kosmopolitis⸗
mus. Geit Vasco be Gama und Chriſtoph Colombo bie Wege
nad den beiden Parabiefen des Dandeld und Verkehrs gefunden,
gibt es eine Univerfals Geographie und eine Univerſal⸗Geſchichte
in einem andern als dem zulegt entwidelten Sinne. So viel
wird immer als Wahrheit fich berausftellen, daß für gebildete
Lefer, wie man zu fagen pflegt, bie Geſchichte des Alterthums
nad) und nad) in den Hintergrund tritt und wol auch mit Recht
treten muß. Fuͤr Gelehrte von Profeffion, zur Bildung für
Kinder und Jünglinge bier und da, mag bie alte Geſchichte
ganz in ben Vordergrund treten; fie wird als Bildungsmittel
immer ihren Plat behaupten. Die Gegenwart aber ift feit der
neueften Zeit fo mächtig, daß fie für Den, der fie nicht Eennt,
verwirrend ober nieberbrüdend wird, und es ift Iächerlich, was
für Urtheile ſolche Männer, die nur in den Büchern aus alter
Zeit leben, äber die neuere Zeit und unfere Tage fällen. Da
wird gefchrieen über die verberbliche Gewalt der materiellen Ins
tereffen und die unfinnige Behauptung aufgeftellt, daß bie Zei⸗
ten, in welchen biefe Intereffen lebendig geweſen, für die ſchlech⸗
teften Perioden ober Epochen in der Geſchichte gu halten feien-
Hoc .Solche gelehrte Herren bebenken nicht, daß der
Menſch aus Geil, Seeie und Leib beſteht und daß in unſerer
Zeit vie Aufgabe zu Idfen iR, wie alle drei Elemente friedlich
beftehen follen als ein mitelnander aufs engfle verbundenes Ganze.
Uns dieſen geiehrten Herren redet jene fpiritualifiifche Einſeitig⸗
keit, weiche ſich überall geltend zu machen ſucht im Gtaat, in
der Kirche, aber kräftig zuruͤckgewieſen werden muß als ſchie⸗
lende oder blinde Richterin, bie den Wald vor lauter Bäumen
nieht fieht. So viel ber oder bie Seele, veben ſolche Maͤn⸗
ner falbımmgöreich und albern, erhabener ift als der Leib, fo viel
muß auch die Sorge für bie Seele gem fein als die um ben
Leib, und meinen nen, ein Kind muͤſſe eber einen Katechismus
haben als einen Roc auf ben Leib und ein Stückchen Brot in
den Wagen. Kemntniſſe fammeln in feinem Kopfe, die doch am
Ende in abftracten Nebel zerfließen,, ſcheint Manchem edler, als
den Schmutg vom Leibe zu fchaffen. Pfleget bes Leibes, doc
atfo, daß er nicht geil werde. Cine ähnliche Ginfeitigkeit iſt
bie, daß man behauptet: ein Buch für Gelehrte br nicht
in gutem Stile abgefaßt zu fein. Bielleicht haͤngt damit bie
Mode der Büchergelehrten zufammen, daß fie fih in eine Klei⸗
bung huͤllen, bie auch nichts weniger als ſchoͤn iſt, ſodaß mans
cher Stiefelpuger ordentlicher, reiner, ſauberer gekleidet einher⸗
geht als mancher hochgelahrte Herr. Es wird mol neh lange
Zeit dauern, bis biefe Mode aus ber Mode kommt. Nur iſt
auch nicht abzufeben, warum für gebildete Lefer eine Darftellung
fo fen follte, daß fie zu einem Theile aus einem Mantel, zum
anbern Theile aus einem Dberrode und zum dritten Theile aus
einem Fracke befteht, d. b. aus Iangweiliger Profa, orbinairer
und fefllicher Poeſie, wie fie in Romanen für verbilbete, ges
dantenlofe Herren und Damen anzutreffen if. Das Erſprieß⸗
liche Liegt in einer ſolchen Schreibart, daß man nicht viele Ge⸗
danfen zu haben gezwungen wird. Jene angenehme, klare, les
bendige, auf zwei gefunden Yüßen einperfchreitende Profa , wie
man ſolche in fo fehr vielen franzdfifchen Geſchichtswerken findet,
iſt in Deutſchiand eine Rarität. Bet nicht wenigen Geſchichts⸗
bäcdern unfers theuern Vaterlandes wirb es sinem fo zu Muche,
als wenn man über Gtor und Gtein, durch Suͤmpfe, Untiefen,
über Berg und Thal gefchleppt würde, daß einem das Hören
und Sehen vergeht, bie befte Lunge nicht Athem genug bat,
um einen halben Gag zu übermältigen. Die Deutfchen haben
von ben Franzoſen ; Manches zu lernen, von dem Verf.
des zu Anfang genannten Werke nicht vie. Wer mit ben
meiften ber hier befprochenen Gegenſtaͤnde nicht uͤbereinſtimmt,
wird in jener Geſchichte feine Rechnung finden und wir wuͤn⸗
ſchen, daß ihm bie Lecture wohl befommen möge. 50.
Literarifhe Notizen aus Italien.
Die beiden Wände des „‚Archivio storico italiano, ossia
raccolta di opere e documenti finora inediti o divenuti
yarissimi, risguardanti la storia d’Italia‘ (Riorenz 1942),
herausgegeben von Gaſpare Bencini, Gino Capponi, Sebafliano
Ciampi, Franc. del Furia, Tomm. Gelli, Franc. Inghirami,
Filippo Luigi Polidori und Eman. Kezetti, enthalten bie
„Istoria fiorentina“ von Jacopo Pitti (eingeleitet von Polibori
und mit Anmerkungen und Beilagen von Documenten 7—
ſtattet von Giampi und Eapponi), ein ben Zeitraum von 1
— 1529 umfaffendes Werk, nebft Anhängen von andern Schrift
ftelleen (Bacopo Mobefti, Simone Brami u. f. w.) über einzelne
Borgänge bes nämlichen Zeitraums ; ferner das ,‚Diario” bes
Aleffandro Sozzini, betitelt „Il successo delle rivoluzioni
della citta di Biena’ (bie Zeit vom 20. Juli 1550 bis zum
38. Juni 1555 umfaffend), nebft andern diefe Zeit betreffenden
Actenftüden und Berichten (von Roffia u. A.), das Ganze
berausgegeben , eingeleitet und mit Roten verfehen von &. Mis
lanefl. Die zweite Sammlung, von welcher jett bie erften
beiden Wände vorliegen, foll ſechs Serien umfalfen und zwar:
1) Geſchichtswerke, Chroniken u. dgl.; 2) Neifebefchreibungen
von Italienern; 3) Dlographien
dahin gehörige 25 %) —ã* bis Pa *
—æ— —
an N f '
Sproniten, politifihe Gedichte, Eittern u. dal.; 6) ‚Briefe
Die „Biblioteca italiana‘ wundert ſich mit Recht barkker,
daß M. Valery in feinen „Voyages historiques et litteraires
en Jtalie” fi wundert, wie der Cardinal Vorromeo die An
fertigung eines Kataloge für bie Ambroftanifche Bibliothek habe
verbieten Eönnen; denn in ber That hat Borromeo bies niemals
gethan, fondern fogar fegt er das Borhanbenfein eines Katalogt
voraus, wenn er in ben Statuten ber Bibliothek beftimmt:
„libres Catologo adscriptos nullo modo ex bibliotheca qui-
quam efferat”, und den Bibliothekaren ſchreibt er außerden
ausbrüdlich vor, zwei Kataloge zur Dand zu haben, cinen für
bie gedruckten Bücher, einen ir die Danbichriften. Überhaupt
find Valery's Notizen über die Ambrofiana, wie fo viele ander
in feinen Schriften, leichtfertig aufgegriffen und ungenau.
Die Eoncurrenzaufgabe (um bie Atbini'fche Prämie, golden
Medaille von 100 Scudi Werth). welche bie Akademie vom
Bologna in d. 3. geftelt hat, und deren Bearbeitungen bit
Nov. 1843 an den Segretario dell’ Accademia delle scine
dell’ Istituto di Bolegna in italiemiſcher, lateiniſcher ober
feangöftfäger Sprache einzureichen find, betrifft bie Arme
tungsanftaiten und lautet: „Dare la storia ed analisi r-
gionata di tutti ij mezsi tanto fisici che chimici e me-
canici fin qui proposti in difesa e salvezza delle periom
e sostanze e degli edific; negli incendj " Es wird erwarte,
daß die betreffenden Rettungss und Gicherungsmittel und : Ks
ſtalten nad ihren Vortheilen und Nachtheilen gewürbigt, bie
beften Methoden hervorgehoben unb womoͤglich neue vorgtſcha⸗
gen werben.
Ugo Fostolo ſchrieb bekanntlich feine legten Sachen in En:
land, er ſchrieb fie franzoͤſtſch und fie erſchienen, in feinem Aufı
trage überfegt, in engliicher Sprache. 1824 gab Stefan⸗
Ziconzi eine italieniſche Überfegung bes ‚, Verſuche über Petrarca”
heraus; jest aber ift eine Überfegung von anbern Aufſoͤten, die
Foscolo in englifcyen Journalen hatte abbeucken Laffen, erfhimm:
„Discorsi storici e letterarj di Ugo Fosoelo, tradotti dalls
lingua inglese nell’ italiana, da Pietro Giuseppe Maggi”
( Mailand 1843). Es find drei Auffäpe: 1) „Oulla democrasie
della republica di Venezia’; 2) ,‚‚Sai poemi narratini e
romanseschi”’; 3) „Bul Diagamma Eolioo”.
N)
In den Jahrbüchern, welche das „‚Ateneo” in Ventdig
unter dem Zitel „Esercitazioni scientifiche e letterarie’ kn
ausgibt, befindet fich (Theil 4, erfchienen 1841) ein Auffag ver
dem Präfldenten der Geſellſchaft, Grafen Leonardo Mann:
„Nuove studj sulle relazioni finali degli ambasciatori ven«-
ziani”, worin es fich der Verf. zur Aufgabe macht, gegen Auk
länder, welche venetianifche Archive benugt haben, zu polemiftm
und ungenaue Behandlung von Documenten nachzumeifen.
Die „Science de la vie, on principes de conduite relir
gieuse, morale et politique” von Baldıy (Berfaillet 134)
it ein zur itatienifchen Fiteratur gehoͤriges Buch, in weihen
ber Verf. eine Reibe italieniſcher Autoren zuſammenſtellt, weiche
Borfchriften zur Erlang tung viner mens sanı
uab
‚in corpore sano für das befonbere * und oͤffentliche Eben
gegeben haben. Gr behambelt Paflananti, Luigi, Gornam,
Matteo Palmieri, Basb. Gafliglioni, Agnolo Pandolfini, Gin
vanni della Safe unb endlich Tafſo (Beptern wegen des Diele!
„N padre di famiglia’‘), #.
Berantwortlihes Sexausgeder: Heinrih Brockhaus. — Drud und Berlag von F. A. Brodbaus in Leipzis.
Blätter
für
literariſche
Unterhaltung.
Dritter und letzter Artikel.
(Beſchluß aus Mr. 29.)
63. Der Zug nad) Moskau,. oder die Schickſalemaͤchte. Helden:
gebiht von K. @. ©. Weber. Bunzlau, Appun. 1942,
&r. 8. 1 Zhle. \
Wie groß die Zahl ber Subſcribenten ift, wie voll ber
Berf. hinſichtlich feines Berufs, feiner Begeiſterung und feiner
Verſprechungen im «erften einteitenden Geſange den Mund
nimmt, wie rein auch die Octaven klingen, etwas Vorzuͤgliches
hat er doch nicht gebracht, denn feine Zuba läßt ein affectirtes
epifche® Pathos hören; es fehle dad echte epiſche Feuer, ber
Anflug des Romantifchen und die Idealifirung des Hiftorifchen,
wodurch Segur, bei allen feinen phantaftifchen Abfchweifungen
von ber geſchichtlichen Treue, fein Gluͤck bei uns Deutfchen ger
macht bat. Nach Art der Überfchriften der Gapitel in den alt:
deutfchen Märchen und Heldenſagen bat auch der Verf. jedem
der 15 Gefänge eine eigene naive Inhaltsangeige gegeben; 3. B.
bem fünften Gefange: „Wie Napoleon den Todtenweg einſchiagen
und mit ben Borens fämpfen muß”; oder dem achten: ‚„‚Rapos
leon vertraut ſich dem Geheimniffe an und fein ‚Heer muß mit
der Berzweiflung ringen.” lbrigens ift in feine patriotifche
Gefinnung (denn der Sänger ift mit Leib und Seele ein Preuße)
fowie in feinen guten Willen nicht der geringfie Zweifel zu
fegen, ſowie wir auch überzeugt find, das Buch werbe feine Les
ſer und Bewunderer finden. Was dem Ginen nicht gefällt, ges
fält ja dem Andern. „Laudatur ab his, culpatur ab illis”,
fagt Horaz.
64. Mapoteon in Ägppten.
fängen von Hermann von Bismard.
gand. 1842. 8. 1 Ihr. 10 Nor.
Zn einigen bad Ganze einleitenden Stanzen bringt biefer
ung unbefannte Sänger der befannten poetifchen Kameratfchaft
Merp und Barttliemy feinen Dank dar. Ihrem Werte „Na-
pol6or en Egypte‘' ift er naͤmlich in ber Anlage und bem
Sange der Erzaͤhlung, obwol nicht ſklaviſch, und nur in den
erften Sefängen gefolgt; bie fonftige Abfaffung fowie Einklei⸗
dung des Stoffe und Wahl ber Bilder will er als fein Eigen:
thum betrachtet wilfen, was wir ihm auch nicht ſtreitig machen
wollen. De ſchlaͤgt ihm fein beutich = patriotifches Gewiſſen,
ta ee den vielfach gehaßten, auslänbifchen Eroberer zu feinem
Helden macht. Gr fucht ſich gegen biefen Borwurf zu vermahs
zen, indem er fagt, er rühme ſich nicht bios der Abflammung
von deutſchen Ahnen, habe zweimal im heiligen Kriege gegen
Frantreich dem Mutterlande feinen. Arm geliehen, finge noch
beute aus voller Bruſt: Sie follen ibn nicht haben! und
fuͤrchte nicht, fraͤnkiſches Gift durch fein Lied bei uns einzu
ſchmuggeln. Auch darin wird ipm ber Unbefangene Recht geben.
Hiſtoriſches Gedicht in acht Ge⸗
keipzig, O. Wis
27. September 1843.
auf Arlofto's und Taſſo's Stanzen wie ein feiner aromatiſcher
Duft ruht, fo hat biefes Gedicht doch Worzüge vor dem letztge⸗
nannten Epos; freilich find diefe Vorzuͤge weniger dem Ver⸗
bienfte bes Verf. ale der Bunft bes Zufalls in der Wahl des
Stoffs zuzuſchreiben. Napoleon's Grpedition nad bem Lande
der Pyramiden hat an und für ſich eine abenteuerlich = poetifcye
Färbung; der Schauplag ber Handlung iſt das Rand ber My:
fterien und fabelhafter, im Nebel ber Urmelt ſchwimmender Er⸗
eigniffe, die der flumpfern Phantafie auch Vorſchub leiſten.
Dazu kommt nun die anziehende Eigenthuͤmlichkeit der handeln⸗
ben Derfonen, die, ba fie faft alle von biefem Schauplatz abge:
treten find, der Geſchichte angehören. Sehen wir zuerft auf
bes Landes Eingeborene, fo haftet ber Blick auf der myſteridſen
unheimlihen Figur Et Modhi's, auf dem kriegeriſchen Bei
Murad und dem Paſcha von Syrien, Achmet Djezzar; ihnen
gegenüber in ſcharfem Gegenſat Kieber, Defair, Marmont und
vor allen der kleine Corporal ſelbſt — obwol wir erwarteten,
der Erzähler würde des Letztern Figure mit mehr Liebe zeichnen
und martirter binftellen; denn in dieſer Hinſicht genägt er
wahrlich nicht, wogegen ihm die Schilderung von Zufländen
und G@reigniffen viet beffer gelingt. Neues in hiftorifher Hin⸗
fiht haben wir nicht gefunden. Die Form ift die Stange, aber
nicht die italieniſche Octave, da er bie Reimftelung und bie
männtiche und weibliche Reihenfolge ber Reime willlürlich aͤn⸗
dert. Die epifihe Kürze vermißten wir oft.
65. Aifhilde. Ein Gedicht von Louife Tittmann. Dance
ver, Dahn. 1842. Gr. 12. 1 Ihe. 10 Nor.
Die Berf. führt den Lefer biefes Gedichts vom feften hiſto⸗
rifhen Grund und Boden hinweg in bas Gebiet der Romantik
und felbflerfundenen Sage. Der Schauplag der Handlung ift
das Wefergebiet, und fie fpielt in der Zeit, wo Karl ber Große
bie heidnifhen Sachſen zum Chriſtenthum befehrte. Die Ein«
miſchung altnorbifcher Gottheiten, der heiligen Jungfrau gegens
über, gibt den Greigniffen und Handlungen eine epifche Faͤr⸗
bung. Die Fiction ift diefe: Alfhilde ift der Iduna, einer
jungfräulichen Pricfterin der Bertha, fchöne Tochter. In einem
Felſenthal am Rumaflufje heimlich geboren, wird das Kind einer
Drube übergebeh, dic es in der heibmifchen Zauberfunft unters
richtet, und mit der Sterne Walten vertraut macht. Erwach⸗
fen übt fie diefe Künfte an Wodan's Opferherde. Ihr Ruhm,
mehr noch ihr feltener Reit, entzündet in Ziatf, einem jungen
fächfifchen Herzoge, eine glühende Leidenfchaft, bie fre aber nicht
erwibdert, fondern nur ihre Gewatt über ihn benußt, um ihn zu
gewinnen, das Sachſenvolk bem Joche der Franken zu entziehen.
Sie ift nicht glüdtich, ein unbekanntes Sehnen füllt ihre Bruſt,
nur ber Bei eines von ihrer Mutter ererbten Kleinods macht
fie reich und glüdlih in manden Stunden. Tialf, ber Sohn
des Albion, eines frühern Sachſenhaͤuptlings, ber aber Chriſt
geworben, während ber Sohn den alten Göttern treu geblieben,
zuft auf Alfhildens Geheiß die Seinen zum Kampf gegen bie
ranfen. Ihm gegenüber fleht, außer dem Vater, ber fraͤnki⸗
Fehlt nun feiner Darftellung auch jener romantifche Anflug, der J ſche Graf Abdelhart, der, nachdem er die holde Zauberin gefehen,
«
—
ebenfalls in fie entbzennt und dabei auf des Greiſes Winfred,
feines treuen Dienerd, Warnungen nicht achtet. Ein chriſtlicher
Eremit, Bernwardus geheißen, weiflagt dem Ghriftenbeere den
Sieg. Wie Alfhilde mit ihren Jungfrauen am Wodanberge
opfert, ertennt fie, daß dem Gotte Gefahr drohe, und ermuntert
Tialf und die Seinen um fo mehr zu muthigem Streiten gegen
das feindfelige Chriſtenvolik. Der Streit beginnt. Der Beide
Miba ſtuͤrzt fi) auf Adelhart, den er aber nicht überwällipt.
Zialf dagegen laͤßt fich in einen Kampf mit Egbert, einem Für
flen von der Donau, ein. In dem Augenblid, wo Regterer,
von Erſterm hart getroffen, nieberfinkt, flürgt fich ein Knappe
zwifchen bie Streitenden und nimmt Tiaif's Zobeähieb auf, der
Gobert treffen ſollte. Man töft dem Sterbenden bas Biſier,
und Egbert erkennt Bertha, feine Battin. (Dies if, wenn man
es fonft fo nennen will, die einzige Epiſode.) Indeſſen fih um
Beide der Kampf heftiger entzündet, gelingt es Adelhart, bie
Hoͤhen zu erflimmen, wo Alfhilde mit ihren Jungfrauen die
Kämpfer durch Geſaͤnge ermuntert. Gr umſchlingt ihren Leib
und will fie forttragen. Da wird er umringt, und Zialf eilt
zur Rettung der Zuuberjungfrau herbei. Zwiſchen beiden Hel⸗
den ſchwankt lange der Sieg. Zialf wankt, wird aber geſchont
vom Gegner, deffen Entkommen vom Gefchonten großmütbig
begünftigt wird. Gin Priefter Thunar's raͤth jegt dem Bolt,
den finftern Gott duch ein Dienfchenopfer zu verföhnen. Die
MWabı fällt auf Suanwith, eine edle Sachfenjungfrau, beren
Vater den von Albion unter ben Sachſen zurücgelaffenen Tialf
mit ihr erzog. Im ihrer Noth bittet fie den geliebten Jugend⸗
gefpielen um Schutz. Nicht ohne eigene Gefahr entreißt er fie
dem Biutdurft der Priefter Thunar's und bringt fie in ein eins
fames Felſenthal am Rumafluß, wu ebebem ein Tempel Freya's
geftanden, der aber von Karl dem Großen in ein Kirchlein ber
heiligen Jungfrau umgewandelt iſt. Bier lebt ber heilige Bern:
wardus als Priefter. Ihm gelingt ed, der Jungfrau Herz für
die Wahrheit des Evangeliums empfänglidy zu machen. Buans
with, die früher mit Aufbilde in ein enges Freundſchaftsverhaͤlt⸗
niß getreten, beftrebt fich vergebens, Zialf für Jeſu Lehre zu
gewinnen, doch bringt fie e8 bei einem Beſuch, den er feinem
Schuͤtzling macht, wenigftens dahin, feine Vorurtheile gegen das
Chriftentyum abzulegen. Unterdeſſen vüftet ſich Adelhart zum
Zweikampf mit Zialf. Des Erſtern Großmuth gewinnt auch
bei diefer Gelegenheit bes Lestern Ders. Alfhilde, fich ihres
Gefuͤhls für den chriftiichen Grafen immer mehr bewußt wer:
dend, zittert für Adelhart. Der Sieg ſchwankt. Lange ringen
fie. Winfred, Alfhilden alles Unheil beimeffend, Tchießt aus dem
Hnterhalt einen Pfeil auf fie ab. Das gewahrt Adelhart, der
Liebende, 4
Und außer fi ſtuͤrzt er dinzu, und ſchlinget
Jdeſt um der Jungfrau Leib den Arm voll Kraft,
Wie fih der Pfeil von Winfreb's Bogen Ihwinget
Im Augmblid, wo [don die Sehne Elafft,
Und wie Atfhilde noch vergebens ringet,
Da 1öft von ſelbſt fi feines Armes Daft;
Gr taumelt, finkt, aus tiefer, blut’ger Quelle
Beſtroͤmt er fie mit heißer Purpurwelle.
Und wilbed Schrein erhebt fi), lautes Toben
Macht rings den Widerhall im Thale wach,
Denn rafend ſtuͤrzt Winfred, dad Schwert erhoben,
Dem blut’gen, unglädfel'gen Pfeile nach.
Angftvoll if bald dere Jungfraun Schar zerfioben,
Bol fah Alfhilde jegt den legten Tag,
Wenn Tialf nicht raſch fie zu befchägen eilte
Unb im fiegvollen Lauf Winfred verweilte.
Des Kampfes Wut flammt jett durch alle Heiden,
Ringd tobt umher bie wild verworr'ne Schlacht,
Berzweiflungsvoll ſtrebt Winfreb, zu befreien
Ihn, den fein Pfeil in FJeindes Haft gebracht.
Bergebend mag Egbert den Kampf erneuen,
Er dringt nicht dus da, wo ber Derzog wacht.
‚verbienftoolten Schriften von Moreau de Sonnts benugt, der
1988 -
Und mag er gleich mit Liwenfiärke ringen,
Unmöglih if’6 zu Abelhart zu dringen.
Doch bleich und Ri, mit thränenvollen Biicken,
Kniet Afhilp’ — vor ihr Ieblo Liegt der Graf —
No wills der angſtvoll Gtrebenden nicht giäden,
Ihn zu ermweden aus dem Zobedicdhief !
Do, 0, wer malt bed Nitterd Godpentzüden,
Als nun fein erfler Blick bie Jungfrau traf,
Die über ihn gebeugt mit bleichen Wangen
So hälfreih ift mit forgenvollem Bangen !
O, bdiefer Blick entzündet neued Leben
Und neue Kraft In feiner wunden Brufl.
Er ſchauert In unnennbar füßem Bebeg
Und fühlt durchdrungen fih von Pimmeldtufl.
Und als ihe Arm mit liebevolem Streben
Ihn fügend Hält, da, feiner kaum bewußt,
Ruft er vol Blut: D, felig ohne Gleichen,
In ihren Armen darf Ih nun erbleichen !
Man nimmt ihn gefangen. In feinen Kerker tritt Alſdilde,
erzählt ihm ihre Geſchichte und befennt ihm ihre Liebe, wider
ſteht aber ftandhaft feinen Witten, ſich taufen zu laſſen. Gr
als er in dem Kirinode, das Alfhilde von ihrer Mutter ererit,
dad Kreuz erkennt, glaubt Alfhilde, es fei eine Mahnung dei
Himmels und ift bereit, das Chriſtenthum anzunehmen. Dr
achte Geſang loͤſt nun ben Knoten. Abelhart gewinnt es übe
Zialf, daß er ſich mit feinem Vater ausföhnt und Chriſt wir.
Jetzt aber folk er den Göttern geopfert werben. Da ziehen bie
Chriften gu feiner Hülfe herbei. Gin furchtbarer Kampf br
ginnt. Gr enticheibet fich für die Kranken. Aber ein Sachſen
priefter bringt fterbenb dem Albion einen Dolchſtoß bei. Um
ihn fammeln ſich Tialf, Alfhilde, Adelhart und Egbert. Der
Sterbende erkennt in Alfhiide's Kleinod das Kreuz, dad tet
Iduna, feiner Gattin, einft gegeben, und erklaͤrt fie für fein
Tochter. Er legt ihre Hand in Adelhart's und Tialf's in dr
ber berbeigeflommenen Suanwith. — Dies ift in wenige Werte
zufammengebrängt, der Inhalt eines Gedichte, welches mit einer
gewiffen Ruhe und Beſonnenheit abgefaßt ift, die fonft den De
men nicht eigen zu fein pflegt. Dabei ift es von aller Ediv
thuerei in Phrafen und Bildern völlig fern, ſodaß fich aud in
biefer Hinſicht der weibliche Charakter bier ganz verleugnett.
Schade, daß ed Hin und wieder an Klarheit fehtt, und daß dit
Phantafie in ber Erfindung ber Fabel eine gewifle Mattiatet
und Lahmheit offenbart, die ben Leſer erft nach vollendeter Lec
ture unangenehm berührt. Eine niedliche Zitelvignette mit alt:
gorifhen auf bes Gedichts Inhalt fich beziehenden Figuren und
Emblemen, gezeichnet von der Verf. felbfleigener Hand, und Ir
thographirt von G@iere in Hanover, trägt zur Verſchoͤnetung
des zierlichen Buchs, das dem Kronpringen von danoder hr |
cirt ift, viel bei. "
La France statistique d’apr&s les documents ofhcies
les plus recents par Alfred Legoyt. Paris 1843.
Diefes Wert iſt eine Ginteitung zu bem Surmerfdei
Prachtwerle „Les Frangais peints par oux-meömes”, abet
verdient auch feines reichen Inbalts wegen eine befondere Beach
tung. Es war eine fehr glüctiche Idee von Gurmer, fen
intereffanten franzöflfyen Sittenſchilderungen durch forgfaltig
und überfichtliche ftatiftifche Angaben einen hoͤhern Werth zu
geben. Es iſt ihm gelungen, für die Ausarbeitung biefer Sta
tifttt einen Mann zu gewinnen, dem bie ſchoͤnſten Mittel und
eine Menge unveröffentiihter Documente zu Gebote ſtanden.
A. Legoyt befteibet naͤmlich einen bebeufenben Poften auf den
Statififchen Bureau im Minifterium des Innern unb hat ſich
bereits durch einige wiſſenſchaftliche Arbeiten ähnlicher Art be
kannt gemacht. Bon gebrucdten Quellen bat er namentlich d*
RG bei feinen Angaben gieichfeils auf authentiſche Documente
flüste. Beſonderes Werbienft aber hat Legoyt fi erworben
durdy die große Überfichtlichkeit, die er feinen Zabellen ſowie
den eriäuteenden Anmerkungen zu geben gewußt bat. Dabei
verliert ee fi nicht in eitie Hypotheſen, fendern gebt ganz
praktiſch zu Wege.
Schon feit langen Jahren bat die franzoͤſiſche Regierung
dad Beduͤrfniß gefühlt, fi) von der Bewegung der Bevölkerung,
den Schwankungen bes Handels, der Conſumtion, dem Zuſtande
der Agrieuttur und Induflrie, mit einem Worte von allen ftas
titifchen Berpältniffen Rechenfchaft zu geben. Schon kLudwig XIV.,
oder vielmehr Golbert, hatte in diefer Beziehung den Intendans
ten und Statthaltern ſehr beftimmte Inftructionen gegeben und
zu verfchiedenen Zeiten mußten fehr detaillirte Berichte über bie
einyeinen Zweige der Abminiftration eingereicht werden. Aus
diefem Documente fhöpfte Necker die werthvollen Angaben, die
er in feinem Werke über die „Administration en France” ind
befondere in Bezug auf bie finanziellen Verhaͤltniſſe mittheilt.
Während der Revolution wurden biefe flatiftifhen Arbeiten zum
großen Theil gänzlich abgebrochen und erft im I. X wieder
aufgenommen. Napoleon organifirte fie in einem fehr groß:
artigen Maßflabe. Es war eine eigene Commiſſion niedergefept,
melde genaue ftatiflifche Berichte über die neucroberten Ränder
zu entserfen hatte. Gin Theil derfelben wurde veröffentlicht,
wie 3. B. diejenigen, welche ſich auf die Eleinen italienifchen
Staaten beziehen und bie für Muſter ähnlicher Arbeiten gelten
tönnen. Ganz befonders hervorzuheben ift ſodann noch eine
Überficht über den Zuftand des gefammten Kaiſerreichs, welche
im 3. 1812 erſchien. Diefe intireffante Arbeit ift als eine
Frucht zwötfjähriger Beobachtungen zu betrachten. Die Reftau:
ration, ber es überhaupt nicht barum zu thun fehien, ſich uber
den wahren Zuftand bes Landes aufzuflären, vernachläffigte
diefe nüglichen Arbeiten auf eine unverantwortiiche Weife. Erft
nach der Julirevolution wurde auf dem Minifterium bed Dans
deid und ber Agricultur ein foͤrmliches Statiſtiſches Bureau ges
gründet, um deſſen Organifation ſich namentlich Thiers ein gros
zes Verbienft erworben hat. Im 3. 1840 fepte Duchatel, der
Minifter bes Innern, eine ähntiche Commiſſion auf feinem Mi:
nifterium nieder, der es obliegt, in die ſtatiſtiſchen Berichte und
Angaben der verfchiebenen Adminiftratienszweige eine gewifle
Einheit zu bringen. Aus dieſen überfichtlidgen und vergleichens
den Zufammenftellungen hat nun eben Legoyt bie Materialien
zu feinem werthvollen Werke gefchöpft.
Bevor wir aus dem reichen Stoffe, ben ber Verf. und
darbietet, einige Mittheilungen machen, dürfte es nicht ohne
Intereffe fein, etwas Näheres über die Art zu erfahren, wie
die ſtatiſtiſchen Burcaux zur Kenntniß ber fie betreffenden Ans
gaben gelangen. Die minifteriellen Inftructionen verlangen von
jedem Maire, daß er in ben erften Wonaten jebes Jahres einen
Aussug aus dem Etat civil mache und namentlich bie Gebur⸗
ten, Deiratben und Todesfälle, welche während bes Laufs bes
vorhergehenden Jahrs flattgefunden haben, genau ichne.
Diefer Auszug wird an den Umterpräfecten des Arrondiſſements
gerichtet, welcher die einzeinen Angaben deſſelben zu einem foͤrm⸗
lichen Berichte verarbeitet. Nach den verfchiedenen Berichten
nun werden vom Praͤfecten bie fogenannten Generaltabellen
entworfen, weiche den ftatiftifchen Arbeiten des Minifteriums
zu Grunde gelegt werben. Bis zum 3. 1839 war ein und
derfeite Bericht beim Minifterium des Innern und bem des
Handels eingereicht. Seit biefer Zeit aber hat das Bureau auf
dem LBandelöminifterium eine neue Art von Zabellen eingeführt,
auf denen bie Geburts⸗, Heirathe⸗ und Sterbeangaben nad)
Arrondiffements angeführt find, ſtatt wie bisher in einer allges
meinen überſicht über das ganze Departement verſchmolzen zu
werben. Aus diefen doppelten Angaben vermehrt ſich die Ars
beit der Maires und Präfeeten. Insbeſondere find die neuen
Gterbetiften, deren Angaben nicht immer ohne bebeutende Schwies
rigfeiten zu haben find, mit mandherlei Übelftänden verfnäpft.
Ganz befonbers ſchwer fällt es z. B. namentlich auf dem Lande,
*
ſich immer genau über bie Sobesarten und bie Ras
tur ber Krankbeiten zu unt en.
Außer bdiefen jährlichen Werichten finden noch alle fünf
Jahre allgemeine Zählungen (recensements guinquennaux )
ſtatt. Bis zum I. 1836 zählte Jedermann an dem Orte, wo
er fi im Augenblicke des überſchlags befand; für diefes Jahr
aber hat man das Syſtem bes Recenfement verändert, fobaß
man nur ba zählte, wo man eigentlich zubaufe war. Es trat
alfo, wie man ſich ausdruͤckt, an bie Stelle der population de
fait die population de droit, Geitdem ift man auf bie frühere
Zählungsart zuräcgelommen. Obgleich man bamit einige Ver⸗
befferungen vorgenommen bat, fo find bie Angaben, welche man
auf diefem Wege gewinnt, doch immer noch nicht ganz perbürgt, -
um fo mehr, da das Recenfement als Grunblage ber Abgaben
genommen wird. So kommt es nicht felten vor, daß die Maires,
um fi populair zu machen, die Zahl der Einwohner ihrer
DOrtichaften geringer angeben als fie wirklich find. Außerdem
ift dies au) der Grund, weshalb diefe allgemeinen Bählungen,
wie ſich namentiih im 3. 1841 herausgeftellt hat, dem Volke
als eine laͤſtige und unrechtmäßige Maßregel erfchienen find.
Wie unvolllommen dus Zaͤhlungsſyſtem übrigens fein muß,
welches noch jegt in Branfrei in Anmwendung kommt, ſieht
man aus dem Umftande, daß man in England mit der ganzen
Operation in etwa ſechs Wochen zu Stande fommt, während
die franzöfifchen Behoͤrden faſt ein ganzes Jahr bavon in Ans
fpruch genommen werben.
Aus den Grgebniffen ber verfchicdenen Sählungen, welche
der Verf. mittheilt, beben wir Folgendes aus. Im 3. 1700
zählte man 19,669,320 Seelen (ohne Gorfica und Lothringen);
im 3. 1762: 21,769,163 (Gorfica und Lothringen inbegriffen) 5
1734: 24,800,000 (nach Recker's überfchlag) ; 1801: 97.490, ;
1806: 29,107,425; 1825: 30,461,875; 1826: 31,858,937;
1831: 32,569,223; 1836: 33,540,910; 1841: 34,173,234. 8
ergibt fich hieraus, daß die Bevoͤlkerung von 1801 —41 fig um
6,144,2331 vermehrt bat.
Die forgfältigen Zabellen über bie Verbrechen, die ber
Verf. nach ben Angaben des Juftizminifteriums entwirft, geben
Stoff zu mannichfachen Betradjtungen. Es ftellt ſich babei
beraus , daß von 100 Angeklagten 57 Unverheirathete und nur
43 Verheirathete find, woraus man entnehmen Tann, daß bie
Ehe einen bedeutenden Einfluß auf die Moralität der Bevoͤl⸗
ferung hat. Als Durchſchnittsſumme Deffen, was in einem Jahre
geftohlen wird, finden wir 1,232,227 Krancs, während man in
London allein für 25 Millionen an Werth ftiehit. Won Selbſt⸗
morden zählt man in Frankreich im Durdhfchnitte jedes Jahr 2484,
worunter dreimal mehr Männer als Frauen. Seit dem 3. 1835
bat fih die Zahl der Selbſtmorde fortwährend vermehrt, und
zwar von 1835 — 39 um 19:100. Die Mittel, welde
von den Selbſtmoͤrdern angewandt werden, find der numeriſchen
Reipenfolge nad: Ertränktung, Srhängung, Erſchießung, Gr:
ftidung durch Kohlendampf, freiwilliger Sturz von erhabenen
Puntten, Toͤdtung mit ſtechenden oder Tchneidenden Inſtrumen⸗
ten, Vergiftung. Zwei Drittel der Erftidtungen durch Kohlen⸗
dampf kommen im Departement der Seine vor. Es ergibt fich
aus den präfumirten Urſachen des Selbftmords, wie fie don ber
Adminiftration angegeben werden, daß bie Mehrzahl dem Elend
zuzuſchreiben ift.
Bon nit geringem Intereffe find bie einzelnen Refultate,
weiche ſich bei den verfchiebenen Angaben in Bezug auf die
Agriculture in Frankreich herausſtellen. Es zeigt — ‚ daß ber
Boden, welcher dem Bau der Gerealien gewidmet ift, fih um
12: 100 vermehrt bat; hierdurch iſt namentlich der für bie Weide
beflimmte Ader, der fo nur den fechsten Theil bes ganzen
Ierritoriums beträgt, weiſentlich beeinträchtigt worden.
England, Belgien und einem Theile von Deutfchland fteilt ſich
das Verhaͤltniß ganz anders heraus. Bemerkenswerth ift, daß
gerade in Folge biefes Syſtems, den eigentlichen Ackerbau auf Koften
der Viehzucht zu vermehren, der Ertrag des Bodens um ein
Beträchtiiches fich vermindert hat. Gegen die Mitte des 17. Jahr⸗
1084
hunderts wurbe Frankreich ats bie Kornkammer von Europa
angefehen; die Schweiz, Savoyen, Spanien und England ber
zogen einen heit des Getreibes, das biefe Länder confumtrten,
von hier. In England, . deffen frühere Getreibeprobuction nies
mals genügte, zeigt Mich unter andern Bedingungen ein gang
anderes Refultat. Während im Durchſchnitt in Frankreich ein
Bectar nur 12 Hectotitre trägt, gibt er in England, Belgien
und Deutfhtand 72 — 23. Der Werth vom jährliden Er⸗
frage des Aderbaus beträgt in Frankreich 1,542,083,761 Francs,
der Wertb der Gereatien nach Abzug ber neuen Ausfaat
1,717,352,169 Francs; ber gefammte Wertb vom Ertrag alter
verfchiebenen Zweige der Agricultur 4,508,425, 194 France, wos
bei aber der Viehſtand noch nicht mit inbegriffen iſt
Mit befonderer Ausführiicykeit hat Legoyt das Capitel von
der Bevölkerung und deren Vermehrung behandelt. Er geht
darin die verfchlebenen Anfichten aller hervorragenden Rationals
dtonomen dureh, um dem Princip, nach dem diefe Vermehrung
fattfindet, auf bie Spur zu kommen, und um zu feden, welche
Abhuͤtfe Hier zu treffen iſt. Das Refultat diefer unterſuchungen
iſt, daß der größte Theil der Rationalötonomen in ber großen
Bermehrung einen Grund ber Beforgniß für das allgemeine
Wohl gefehen und dafür gehalten hat, der Staat müfle bier
direct einfchreiten. Es ift dies eine Idee, welche ſchon von
Mottbus und zwar vorzüglih von der italieniſchen ule,
z. B. vom GBrafen Berti, Ortez, Ricci u. A. ausgeſpro⸗
chen iſt. Dagegen behauptet Legoyt, daß bie Angaben aller
diefer Männer mehr oder weniger auf bupothetifchen Annah⸗
men beruben, indem es ſich auf ftatiflifchem Wege nicht er
mitteln läßt, wie weit fich die Geſammtſumme bes Lebensunters
halts ausdehnen laͤßt. - 6.
Notiz.
‚‚Bistories of noble english families’ (London 1342) macht
der englifche Berichterſtatter die Bemerkung, daß es zum Er⸗
ftaunen fei, wie wenig bie großen Familien Englands im Ber⸗
gleich mit denen anderer Länder darauf bedacht gervefen find,
ihre Bamiliengefhichte in Monographien aufzuktären.
„Erroͤthen“!, fagt er, „müßten die Befiger von Alnwick, Knowsley,
Arundel, Hatfield u. f. w, menn man ihnen auch nur einen
ganz Heinen Theil der auf dem Kontinent erfchienenen Familien⸗
geſchichten aufzaͤhlt.“ „Die Kamilienardyive‘‘, bemerkt er ferner, |
„sieler berühmten Haͤuſer enthalten zahlreiche Documente, die an
Wichtigkeit Allem, was von aͤhnlicher Art bekannt gemacht
worden, nicht nachftehen.” Und in der That iſt es auffallend,
daß die reiche und mächtige britifhe Ariftofratie diefen Zweig
der Specialliteratur nicht angebaut hatte; man follte gerade in
Engiand die glängendften Prachtwerke der Art erwarten. Und
noch mehr! Unfer Gewährsmann fest hinzu: „Wie fol man
aber Gefchichten von Privatfamilien erwarten, da fogar die
Geſchichte des Königshaufes felbft nirgend anzutreffen ift als
in den unvolllommenen Arbeiten Sandford’s, die von Stebbing
bis zum Tode der Königin Anna fortgefegt find. Berner beißt
es: „Das Oberhaus Läßt es ſich offenbar nicht angelegen genug
fein, genealogiſche Regifter über feine Mitglieder zu führen,
ungeachtet das Recht, Pair zu fein, und im Parlament zu figen,
zebiglich von folder Nachweiſung abhängt. Wie außerordentlich
os feinen mag, wahr ift es, daß bie erbtiche Pairie feine
Vorkehrungen trifft, die Keftftelung des Erbrechts zu fichern ”
Das zuerit erwähnte Werk von Drummonb tft eine Nachahmung
"des bekannten Litta’fchen „„Famiglie celebri d’Italia”, 48.
Bibliographie.
Alertus, H. 3, Tod und Grab, Unfterbiidhleit und
Miederfehen. Cine Gedankenfolge der beften Schriftfteller at:
| ter Zeiten und Botker. Gin Lefe« und Erhauungsbud; für Ge
Biete aus allen Ständen. Köin, Heinrigs und Batti. Sr. 12,
gr.
Bauer, 3.R., Theoretiſch und praktiſch verfaßte d
Byradiiehee in Beogen und eafiier . en —*
von der Synonymik. Und: Praktiſche übun u derſelben.
Wien, Gerotd und Sohn. 8. 1 te. 5 — i Ion
Gfroͤrer, A. F., Allgemeine Kirchengeſchichte. Iter Banı.
Ifte Abtheilung. — &. u. d. T.: Geſchichte ber chriſtlichen Kirche
vom 7. bis zu Ende bes 11. Jahrhunderts, oder von Mabomet
bis zum Tode Papft Gregor's VII. Iſte Abtheilung. Stutt—
gart, Krabbe. Gr. 8. 2 Ihr. 7Y, Wer.
Halm, E., Der Sohn ter Wildnis. Dramatifches Ge:
dicht in fünf Acten. Wien, Gerold. 8. 1Thlr. 10 Nur.
Klee, $., Der Urzuflandb der Erbe und bie Hypotheſe von
einer flattgehabten Änderung der Pole erklaͤrt durch Übereinfim:
mung mit Sagen und Nachrichten aus ditsrer Zeit. (Eine go
logiſch⸗ hiſtoriſche Unterſuchung über die fogenannte Gündflut:
kataſtrophe. Nach der dänifchen Handſchrift des Werfaflers von
Major ©. 8 von Jenſſen⸗Tuſch. Gtuttgart, Schweizer
bart. Gr. 8. 1 Thlr. 221%, Nor. |
„Kofegarten, ©. J., Jucunde. (Eine ländliche Dichtung
in Fünf Skiogen. Ge Auflage. Berlin, Oehmigke. Gr. 16,
r. |
gangbein’s, X. 3. E., Saͤmmtliche Gebichte Bir
Bände. Mir 65 Gtahiflihen. Stuttgart, Gcheible, Rieger
und Sattler. 16. 3 Ihr. 7Y, Nor.
Leben, Thaten und ſchreckliches Ende der Wrüber Gyioio
und Matheo Pellegrini, berücktigter Banditen Salabriens, bie
während einer Nacht im tiefen Kerker bie Beute bungriger
Schlangen wurden. Eine wahre Begebenheit. Mit einem Zi
teitupfer. te verbefferte und vermehrte Auflage. Wien, Dans.
8 22%, NR
Bei Gelegenheit einer Anzeige von Henry Drummond’s | In Rge
Mayer, J., Die National: Einheit der Deutſchen aut
gefchichtlichen, religiöfen und politifchen Geftchtspuntten. Otutt:
gart, Schweigerbart. 8. 22%, Nor.
Methode bes deutfchen Styiunterrichts. Bern, Dalp. Ge.b.
12%, Nor.
Mielichhofer, L., Das Mozarts Denkmal zu Salzburg
und deffen Gnthüllungs: Beier im Geptember 1843. Rebſt l⸗
thograpbirter Abbildung bed Denkmals. Galzburg, RMadr.
®r. 8. 15 Ner.
Moris, 8, Sechs Raͤchte am Zuͤricherſee, den Zreien ge
Er Politifche Gedichte. Leipzig, Engelmann. Gr. 3.
ı Nor.
Muͤhlboͤk, R., Graf Niclas Gara oder bie Rieſenhoͤble
im Dageger- Thale. Gine biftorifch = romantiſche Geſchichte aus
ber Zeit der Zurken: Einfälle in Ungarn. Wien, Tauer und
Sohn. 8. 25 Ner.
Pohl, &. F. Das Leben der unorganifcgen Natur. Ge
Rede zur Gedaͤchtnißfeier der breihundertjägrigen Begründungt:
zeit des Gopernicanifhen Syſtems. Breslau, Graf, Bar
und Somp. Gr. 8. 10 Nr.
Sagen aus dem Riefengebiege, erzählt vom Kräuter:
Flauber. Für KReifende der befte Geleitsmann. Iftes Bär:
gen srrübegaht, des Derr des Gebirges Leipzig, Frobberger.
” gr.
Schick, 8, Ginige Bemerkungen über die Brofhür:
„Hſtreich und beflen Zukunft.” Leipzig, Weygand. 8. 74 Ror.
Sporfhil, 3., Geſchichte der Zerträmmerung des Rs
poleonifchen ‚Heeres durch die Schlacht von Welle: Alliance, ſo⸗
mie ber einleitenben Urſachen und naͤchſten Zolgen biefes großem
Greigniffes. Dit zwölf Stahlſtichen und drei Plänen. Brom
ſchweig, Weftermann. Lex.⸗8. 1 Thir. MW Rear. |
Wackernagel, WV., Deutsches Lesebuch. 3ter Theil.
2ter Band: Proben der deutschen Prosa von 1740 - 1812.
Basel, Schweighauser. Lex.-8. 3 Tulr. 3%, Ngr.
Verantwortlicher Derausgeber: Heinrig Brodhaus. — Drud und Verlag von F. &. Broddaus in Leipgis.
4
“
Blätter
für
litrrariſche Unterhaltung.
Donnerdtag,
Die neueften Bewegungen auf dem Gebiete ber
Philoſophie der Geſchichte.
Krauſe's Geiſt der Geſchichte der Menſchheit.
Motto.
Soll und kaun ber Moſt in die Arauben, bie Raupe
in ihr @i, oder ihre abgelegte Haut, der Schmetter⸗
ling in feine Yuppe, das neugeborene Kind in den
Mutterleib zurädtehten, oder dahin zuruͤckgebracht
werden? — Ebenſo wenig als die jedt eine Neuge⸗
Gurt and weſentliche Verwandlung in ein böheres
Esben beginnende Menſchheit in die abgelebten Jor⸗
men voriger Zeiten, von denen fie ſich lodgemadt
bat, weil fie, zu eng, dad ſchwellende Leben nicht
mehr faßten, die neuerfoderlihe Lebensnahrung nicht
gewaͤhrten. Kraufe.
Wenige gewiß zweifeln noch daran, daß Geiſt nur
durch Geiſt widerlegt werden koͤnne und bekaͤmpft wer⸗
den ſolle, und daß aͤußere Maßregeln, welcher Art ſie
auch immer ſein moͤgen, und Polemik mit policeilichen
Waffen geiſtige Entwickelungen nicht niederhalten, fon:
dern nur zu einer einſeitigen, verderblichen Hoͤhe hinauf:
fhrauden. Denn wie die Pflanze zum Lichte der Sonne
drängt, mögen ihr felbft Felſen den Weg verfperren, fo
drängte der Geift nach dem Lichte der Wahrheit. Muß
die Pflanze fich aber durchkruͤmmen und durchquetſchen,
fo wird fie verfrüppelt erfcheinen. Haben wir Gleicharti⸗
ges nicht taufendmal beobachtet, ſelbſt in der vororgant:
fen Natur, wo fie in der Kryſtalbildung den Übergang
zum Organismus macht, an Pflanzen, an Leibern von
Zhieren und Menſchen? Dafjelbe Geſetz herrſcht aber im
Reiche der Geiſter, wehe, wenn man es verfennt, wenn
man vermeint, geiftigen Entwädelungen Zwang anthun
zu Einnen. Das Anerkenntniß dieſes Geſetzes hat die
Berufung Schelling's nah Berlin, die Gründung ber
„eiterarifchen Zeitung” u. f. w. zuc Folge gehabt, allein
leider iſt es nicht dabei geblieben. Der geiflige Kampf,
deffen Zufchauer wir in der jüngften Zeit waren, und
deſſen innere Bedeutung fchon öfter in d. Bl. gewürdigt
wurde, ift unterbrochen. Ein zweifelhafter Sieg iſt er
fohten, mit ungeiftigen Waffen erfochten, und wer moͤchte
et leugnen, die Sympathien haben ſich auf Seite Derer
geflüchtet, die man im Gebrauch der Waffen beſchraͤnkt
bat. Die Art und Weife, wie der Kampf ein Ende ge:
nommen (wenn man Das Ende nennen kaun), hat etwas
Unbefriedigendes. Aus all dem Gähren und Drängen
1 kein klares Refultat, der Proceß ift unterbrochen und
| XZaufende, die flumm und ängftlih, aber theilnahmsvoll
der Entfheidung hartten, find tathlos wie zuvor, ja fie
find ſchlimmer daran, ihr ruhiges Bewußtſein iſt erſchuͤt⸗
tert, fie haben noch keine Richtung ergreifen können ober,
mas noch mehr vom Übel ift, fie haben in der Eile und
Unklacheit eine falfche Richtung ergriffen, ftreben einem
Mebelbitde der Wahrheit, ſtatt diefer felbft nad.
Wenn bei folher Sachlage ein frifher Kaͤmpe auf
dem Schlachtfelde erfcheint, und flolz Sieger wie die an:
geblich Beſiegten in die Schranken fodert, fo kann das
nur erfreulih fein, und darf auch von d. Bl., welche
über die Gegenwart und ihre Strebungen Bud) führen,
nicht ignocirt werden. Als einen ſolchen Kaͤmpen führt
aber dee Dr. Freiherr Hermann von Leonhardi die Mas
nen des vor zehn Jahren verftorbenen Karl Chriſtian
Friedrich Kraufe in die Schranten. Dem Althegellanis-
mus wie dem Junghegelianismus wird ber Handſchuh bins
geworfen, aber auch zugleich dem alten und neuen Schel⸗
ling, dem „logifhen Gedicht“ tie der ‚‚pofitiven Phi⸗
loſophie“.
Die „Literariſche Zeitung“ bat fi eines Mitkaͤm⸗
pfers, aber auch zugleich eines Gegners zu erfreuen, denn
es ift immerhin noch ein Philofoph, dee hier auftritt.
Erfreulich ift aber nie nur, daß der Kampf über:
baupt wieder aufgenommen ift, fondern daß er auch mit
den allein ehrenwerthen Maffen der Wiſſenſchaft gekaͤmpft
wird, daß nur Principien mit Peincipien ftreiten,
Was aber vor Allem unfere Aufmerkfamteit auf dieſe
neue Erſcheinung lenken muß, ift, daß es nicht erft we:
fentlih "auf Polemik, gar nicht auf beftruisen, fondern
auf conftruiren, auf Neubau abgefehen ift, daß
man uns Reſultate verfpricht, die wir bei dem bisherigen
Kampfe vergeblich erfehnt haben. |
Denn wer aub an dem Much und der Thatkraft
fi erfreute, mit welcher die Junghegelianer, namentlicd)
der Herausgeber und die Mitarbeiter der ,, Deutfchen
Zubeb ner bie Probleme der Zeit aufgriffen und zur
iscuffion brachten, mußte er fi nicht geftehen,, daß
eine volle Löfung der ſocialen politifchen und ſpeculativen
Fragen hier nicht geboten wurde? War nicht zumelfl ber
1986 " .
gordifche Knoten unferer Lebensverwidelung nur mit bem
Schwerte zerſchnitten, oder wenn geloͤſt, nur in Begriffe
und Schemata aufgelöft, die wol zum Verſtaͤndniß
der Misflände beitragen Eonnten, aber die Brüde aus
der Gegenwart in die Zukunft keineswegs bausen?
Sahen wir nicht bald ein reines Negiren des Beſtehen⸗
den, bald wie fich die noch vielfach verfrüppelte Gegen:
wart als Zukunft aufblähte, immer aber ein Verkennen
des Transcendenten über dem Immanenten, oder umge:
kehrt? Man drang auf Autonomie des Dentens und
Wollens, abgelöft von der höhern göttlihen Auctorität,
während doch die wahre Autonomie nicht nur mit der
Anerkennung ber göttlihen Selbfibeftimmung befteht,
fondern, fofern fih in ihe ber göttliche Urfprung bes
Menſchen beurfundet, ſelbſt ein religiöfes Element iſt.
Man ſuchte uns eine Zukunft zu bereiten, indem
mun das Mittelalter mit feiner verkehrten Weltanſicht,
daß das Erdenleben blos Vorbereitungsanſtalt, nicht
Selbſtzweck fei, auf den Kopf ftellte.e Daher jener
Kampf gegen das Jenſeit in allen Geflaften, gegen das
Jenſeit des Glaubens im Gegenfag gegen das aus fich
ſelbſt fchöpfende, ganz durch fich ſelbſt vermittelte Wiffen,
gegen das Jenſeit einer göttlihen Vorfehung, gegen das
Jenſeit eines zulünftigen Lebens. Daher jener Stolz
auf das Selbftpemußtfein welches Alles, das ALL wer:
den foll, jene Gotterhebung des Sch „als die offenbar
gewordene und aufgehobene Subflanz”, als die unendliche
Macht, den unendlichen Stoff alle geifligen und natür:
fichen Lebens, daher jenes Genügen des Dieffeit.
Iſt die ganze Polemik Ruge's gegen die Romantik
etwas Anderes als das Umfchlagen ins Gegentheil?
Einen großen Antheil an dieſen unbefriedigenden Me:
fultaten hat offenbar die Methode Hegel's, welche darin
beruht, „daß die dee fich ein Anderes werde, fich gegens
. überftelfe, fich frei aus fich entlaffe und dann ſich ale
Anderes wieder in fich zurudehre”‘, was Segel die dia:
tektifche Bewegung der Sache felbft nennt. Daher fehen
wir denn in der Hegel'ſchen Schule ein ewiges Drehen
und Wenden der Begriffe, ein beftändiges Herumtreiben
in der Antichefe.
Durch diefe Methode werden ben Begriffen und Din:
gen neue Seiten abgewonnen, ja es wird nicht felten das
durchaus Richtige getroffen, wenn naͤmlich die Dinge, wie
es leider noch mit fo vielen Dingen in der Welt ift, bis⸗
ber wirklich auf dem Kopfe fanden.
Aber felbft wenn eine Menge einzelner Wahrheiten
auf diefe Weife zu Tage gebracht würden, wenn man
einzelnen praßtifhen Beſtrebungen dieſer Schule, gewiſſen
Gebrechen abzuhelfen, feine Anerkennung nicht verfagen
tann, fo fehlt ihnen doch die ſynthetiſche Vereinigung, es
fehle ein harmoniſches Wiffenfchaftsganzes. Hegel war
ein Feind ber fonthetifhen Vereinigung, er nannte fie
einen Vergleich der Billigkeit und trieb die Arifto:
-telifchen Einfeitigkeiten auf die Spige.
Eine harmoniſche Wiffenfchaft hat uns gefehlt, fie ift
es, was Moth thut, denn wir erwarten mit dem Heraus:
geber des Krauſe'ſchen Machlaffes von einzelnen Refor:
men wenig, Alles von einer völligen Wiedergeburt des
Geſchlechts durch fortgefegtes Schoͤpfen aus dem emig
Duell des Weſens und Lebens, mittels des dazu allein
brauchbaren Werkzeuges, der Vernunft.
Eine folde harmonlſcheWiſſenſchaft wird uns ge
geboten. Daß viele der MWahrhiten, mäche fie Ihm,
vereinzelt ausgeſprochen, ſelbſt Segenftand reger Belle:
bungen geworden find, erkennt der Herausgeber an, un)
ein Streit Über bie Priorität der Gedanken würde um fo
vergeblicher fein, als einestheild das uns jest geboten
Merk fchon vor 14 Jahren vollendet war und ſchon ver:
her vor einer zahlreichen Zuhoͤrerſchaft in Goͤttingen ve
getragen wurde, man alfo nie genau ermitteln fann, ch
durch diefen Kanal einzelne Wahrheiten nicht weitere Ber
breitung erhielten, anderntheil® aber auch feſtſteht, daf
unabhängig von Zeit und Drt verfchiebene Menſchm
gleiche Gedanken und Gedankenrrihen haben koͤnnen.
Nicht die Prioricät, fondern die Wahrheit iſt aber das
Wefentlihe, und wenn feine andere Priorität, ſo mß
man Krauſe's Werk dach wenigſtens die zuſprechen, baf
es zuerfi eine barmonifche Bereinigung aller der Gedan: |
ten und Beltrebungen bietet, welche unfer Jahrhundert
bewegen. Diefes iſt aber etwas ſehr Wefentliches, denn
die Vereinzelung war binderlih, daß diefelben zu volle
Wirkſamkeit durchdrangen. Wer eine oder einige dieſer
Wahrheiten anerkannte, verkannte haͤufig die andern, wi
derfegte fich den auf ihre Durchführung gerichteten Be
ftrebungen oder blieb doch gleichgültig gegen dieſelben.
Dr. Freiherr Hermann v. Leonharbi, welcher fih
gegenwärtig als Privatdocent in Heidelberg habil
tiet bat, begleitet das Werk: „Krauſe's Geiſt der Gr
fhichte der Menſchheit oder reine Philofophie der Ge
ſchichte“, mit einem 84 Seiten langen Vorbericht, aus
dem wir einige Stellen mittheilen wollen, um bie hohen
Erwartungen kennen zu lernen, welche ber Herausgcht
von biefer Schrift hegt, bie Anfoderungen, welche er at
uns flellt, zu prüfen.
Sichtbar — fagt er — fchreitet die Menſchheit einer neum
Lebensordnung entgegen. Grundgedanken der Wiffenfchaft, dit
noch vor einigen Jahrzehnden das Eigenthum weniger ernſten
Denker waren, bilden jest eine den Gebildetern aller Staͤnde
gemeinfame GBeiftesatmofphäre und bewähren ſich — von tab
fprechenden neuen Lebensregungen begleitet — als ebenfo vick
neu eingreifende Mächte bed Lebens.
Großes, Unerwartetes haben wir erlebt, Größeres, foum
Beahntes, ſteht vielleicht den naͤchſten Gefchlechtern Tchon, ſteht
vielleicht uns felbft noch bevor! — Der menſchliche Geiſt hat
es vermocht, die Kräfte Natur zu bewältigen, bie er doe
nue von außen zu erfaffen vermag; er hat nicht blos die
Kräfte der Erbe, er bat auch die des Sonnenfoftems in ben
Dienft der Wiffenfchaft und des Lebens genommen, und fein
Ebenbuͤrtigkeit als Bürger des Himmels von biefer Seite vol:
fländig bewährt; — und es folite ibm nicht möglid
fein, ſich bei ſich ſelbſt heimiſch, fo ſehr ſelbſtbewußte
Seiſt und dee in ihm aufgaͤhrenden Ideen durch wiſſenſchaftliche
Kiärung fo Herr zu werden, daß er nicht mehr nöthig hätte
als ein Spiel bes Zufalls, das Leben wie das Bıb
ter über fi kommen zu Iaffen? |
Es ift unfere Palme Schuld, wenn wir, wenn die Arge
tungen, von der Geſchichte überrafcht werben, flatt mit frei
Kunft des Geiftes fortan die Reitung bes Geſchichtsganges zu
®
1009
übernehmen. Aber die bebeutenbfien Grideinungen ber Ge⸗
genwart koͤnnen nicht als göttliche Offenbarungen begriffen, ats
göttliche Hütfen genügt werten, fie müflen vielmehr unverſtan⸗
den bleiben, ja verwircen und bethören, fo lange die allgemei:
nen Ideen, die göttlichen Wefenheiten, die in aller Geſchichte
fih ſpiegeln, und bie befondern Ideen, die den neu anbrechenden
Lebenstag, die unfere naͤchſte Zukunft beflimmen, nicht erfannt
werben. Dieſe Ideen find die allgemeinfle, die innerlichſt wirs
ende und in unferm Zeitalter der Enttäufhung und ber ver⸗
ftändigen Überlegung allein mächtige Grundlage echter, nachhal⸗
tiger Begeifterung, fie koͤnnen durch alle äußern Begebenheiten
nicht erfegt werben. Schwer laſtet noch ihr Mangel auf der
ganzen gebildeten Menfchheit und insbefondere auf dem heut:
ſchen Wolfe, bei welchem aus ber Gewohnheit, bevormundet zu
fein, eine Abneigung entfprungen ift gegen alle ſolche über:
Legungen, bie zu einem maͤnnlich räftigen Handeln führen müßs
ten, würdig eines großen, edeln und an Anlagen, die einem hoͤ⸗
bern Berufe entfprechen, fo reichen Volke.
So weit Hr. v. Leonhardi.
Und jene Wiſſenſchaft des Lebens, jener Organismus
ewiger Wahrheiten, der „anleiten fol zu einer Drganifas
tion der freien Bedingungen menfchlidher Berhätigung des
Rechts Alter”, defien Ahnung am Ende bes vorigen
Jahrhunderts imit allgemeinem Entzüden begrüßt war,
wir follen fie bei Kraufe finden. Die Weſenlehre fol
die Menfchen anleiten, die neue Zeit, die hereinbrecyen
wird, zu verfiehen und fi ſchon jegt dazu zu rüflen.
Diefer Lehre, welche Ideal und Geſchichte mit glei:
her Klarheit als die Slieder Einer Wefen:
beit, in Einem Wiffen erfaßt, wird die Madıt
zugefchrieben, aud für ein Leben der Einheit bie
Herzen zu gewinnen. Hr. v. Leonhardi fagt:
Sie ruft zu einem idealen Streben und Schaffen auf, aber
fie .entfremdet darum nicht der wirklichen Welt, fondern gewinnt
ihr die Herzen, indem fie dieſelbe anerkennt und verftändlich zu
machen fudht ats ein unter Gottes eigenleblicher Bor:
fehbung, nah Gottes ewigen Wefenheits und Leben:
Gefegen Werden, — bisher Gewordenes und ferner
u werden Beftimmtes. Durd die Ausficht auf eine befs
ere Zukunft, weldye fie begründet, verföhnt fie mit dem Unvoll⸗
fommenen der Gegenwart, zu deſſen Erfenntniß fie im ganzen
umfange anleitet, während fie den wahren Werth des fchon
wirftrich gewordenen Guten erft recht fchägen lehrt.
Wir fehen fhon aus bdiefen Andeutungen, daß dieſe
Lehre fih nicht mit „Haß gegen Gott und Haß gegen
das Beſtehende“ brüftet, wie dies. Bruno Bauer von
Hegel's Lehre ruͤhmt, daß das Jenſeit in allen Gebieten
hier Anerkennung findet neben dem Dieffeit. Aber fie
fieht die Exde nicht als ein Jammerthal an, fondern er⸗
tenne das Erdenieben als Selbſtzweck; fie geht nicht aus
von einer Ungöttlichleit der Sinnenwelt, fondern lehrt,
daß Die Natur dem Geiſte gleich würdig ifl, und ale
wichtige Folge, daß aus dem Geiſte nicht mehr, aus ber
Natur nicht weniger gemacht wird, als ein Jedes von
ihnen iſt, ergibt ſich dann, daß über beiden au Gott.
anerkannt wird als das unbedingte und unendliche bie
Welt wefentlih und weſenheitlich begrindende Wefen, und
ald Urweſen, als weife, tiebende, gerechte Borfehung,
als Lebendiger Gott anerkannt wird. Sie erkennt
das Bereich der perfönlichen Liebe, das Ehethum und
die Freundſchaft als unantaftbare Grundfeſten der
menſchlichen Geſellſchaft, als die Geburts und Pflanzfät:
ten alles höheren Menfchlihen an. Sie will die Religieg
nicht flürzen, fondern in den Herzen der Menfchen durch
Mare Erkenntniß Gottes erbauen. Sie verkennt die Wer
fenwidrigtelten im gegenwärtigen Menſchheitsleben nicht
aber fie negirt ſich nicht‘ bloß, fondern fucht fie zu heilen.
Aber fie hofft diefe Heilung nicht blos oder zuerſt vom
äußern Mitteln, fondern von innen heraus,
Die Hellung ber gegenwärtigen Disftände, lehrt Kraufe,
darf nicht allein oder zuerfl von der Verbefferung und
freifinnigen Neubildung der politifhen SInftitutionen der
Völker, oder von einer beffern Ordnung der Eigenthums⸗
rechte (durch Herftellung eines zweckmaͤßigen Verhaͤltniſſes
des Privat: und Gemeindebeſitzes und durch Abſtellung des
Unfugs, der auf den rund von übermäßig ausgedehn;
ten Privatrechten mit den gefeufchaftlihen Lebensgätern
getrieben wird) gehofft werden. Ebenſo wenig aber als
fein von einer mehr nur materiellen Derbefferung des
Geſellſchaftslebens durch Belebung der Induſtrie, zur Ver:
mehrung der Lebensmittel und der Erwerbsquellen. Auch
nit allein duch eine Wiederbelebung und Hoͤherbil⸗
dung der chriftlihen Religion, noch von einer richtigen
Erfaffung des Vechaͤltniſſes von Staat und Kirche und
dem dadurch bedingten innigen Zuſammenwirken beider,
noch auch allein von der Erziehung und dem Volksun⸗
terrichte, wie wichtig und zeitgemäß auch alle diefe aͤu⸗
ßern Hülfen, oder auf einzelnes WWefentliche gerichtes
ten Beftrebungen fein mögen. Sondern es kommt vor
Auem darauf an, den ganzen Menſchen zu erfafien,
bie bee der Menſchheit als des hoͤhern Ganzen —
das altes Einzeine, alle menſchlichen Vereine, Gefellfchaf:
ten und Voͤlker als feine Glieder in fich begreift, — ale
gleihfam eines hoͤhern Menſchen — im Bewußtfein zu
weden und die weitere Entwidelung dieſer dee der
Menfhheit ale Eines, in organifcher GSefelligkeit fein Les
ben bildenden Ganzen — als Einer großen Gemeinde auf
Erden — aller Edlern werth, und dadurch zum Gegen:
ftande ihrer vereinten Bemühungen zu machen.
(Des Beſchluß folgt.)
Rubini in Petersburg.
Der große Rubini hatte ſich endlich, nicht ohne viel Mühe,
bewegen laſſen, feine erfte Reife nach Rußland zu machen. Was
that Rubini in Rußland? Rubini fang einige feiner fchönften
Arien, er fang fie vortrefflid. Und Rußland, was that Ruß:
land? Rußland fiel dem Sänger zu Züßen, die Haͤnde voll
Diamanten und Perien. Sie waren quitt. Rubini hatte nun
nichts Beſſeres zu thun, als ſich in ben Privatſtand zurüdzus
ziehen. Gr wurde erwartet in feiner italienifchen Herrſchaft.
Geine guten Bauern machten ſchon Anftalten zu feinem Em⸗
pfange, die Triumphbogen, unter denen er einziehen ſollte, was
ren fchon aufgerichtet, die jungen Mädchen in weißen Kleidern,
die Sreife mit entblößten Häuptern, bie jungen Leute, Kränze
in den Händen, bie Geifttichleit Heiligenfahnen tragend, Alle
waren voll Grwartung, voll Freude, voll Stolz, ihrem Meifter
und Herrn entgegenzugiepen, um fo den legten Pflichten feiner
Größe zu genügen, hatte Rubini felbft die Anträge, Bitten,
Huldigungen Frankreichs, feines ſchoͤnen Frankreichs, ausgefchlagen.
und das Ehrenkreuz. Und nun bewundert bie erhabene Herzens⸗
güte biefes großen Mannes! Den Tag vor feiner Abreife
von Petersburg wird Rubini zu dem Kaifer an ben Hof gie
1088
zufen; noch einmal verlangt ber Kaifer ihn zu fehen, ex tft
antroͤſtlich über bes Sängers Scheiden; nur noch ein Wort, ein
Tebewohl, und dann auf ewig Lebewohl. Dann wird der Kaiſer
allein und einfam bleiben in der Berlaffenheit und DÖde feiner
Faiferlichen koͤniglichen Mafeftät. Rubint hört, der Kaifer wolle
ton noch einmal ſehen, Rubini, beſcheiden, wie große Kuͤnſtler
ind, wiligt ein, um vferundzwanzig Stunden feine Reife aufzu⸗
e
fchieben. r Raifer möge vubtg Tchlafen, der berühmte ⸗
gr wird morgen in petite tenue im Sommerpalaſt erſcheinen.
rührendes Scaufpiel! Ihr hättet fehen follen, wie Se. |
kaiſerlich⸗ Fönigliche Majeftät Rubini bat und flehte, ihn, nicht
fo geſchwind mit feinem traurigen Geſchick allein zu laſſen, aus
Gnade und Barmherzigkeit nur noch ein Jahr, ein einziges
Jahr zu opfern. Schent’ uns den Winter 1843, Meifter Ru:
bint, laß uns nicht troſtlos, du Winternachtigal, Bulbul des
Decembermonde, ſchenke ihn unferm ewigen Eis und Schnee!
Singe noch, finge fort, fei uns die Sonne, uns unglüdlichen
Franzoſen des Nordens! Rubini mollte anfangs wibderftegen,
er firkuste ſich. Ihn lockte das Wild des italienifchen Water:
landes, das nach ibm feine Haͤnde ausfiredte, mit Nofen und
Myrten befränzt, und zu ibm rief: Komm komm, mein Sohn !
Aber endlich — wenn man nun auch der größte Sänger ift
und der Welt noch fo müde, man hat fein Herz von Stein.
Gin Kaifer, der mit flehenden Bänden bittet, ift cin großer
Kaifer. Das Tageblatt feibft von Petersburg, biefes ſtumme,
maulgelnebelte Blatt, geflebt: „Der Kaifer nahm Rubini's
beide Bände in die feinigen. Ihr bört es, nicht feine Band,
nein, feine beiden Hände. Wenig fehlte, daß der Kaifer mit
dem Geizigen fprach: Rubini, deine Hand, und noch die andere —
de andere! Solches geſchah, Rubin war beflegt; follte e8 von
ibn beißen: Se. Mojeftät der Kaifer Nikolaus I. übertraf an
Großmuth Rubini den Erſten und Lepten? Gr verfpradh zu
bleiben, er wird bleiben. Aber wie Echade, welch ein Jammer,
daß Rubini nicht daran gedacht hat, ſich als Abſchlagszahlung
eichſam auf den neuen Gontract für bdiefen Winter, den er in
—* zubringen wird, ein Geſchenk, ein Freudenzeichen aus⸗
gubitten, eine Kieinigkeit, ein Nichts, die Befreiung Polens, eine
Tharte, menigftens die Surücberufung der Verbannten aus
Sibirien. O Rubini, woran dachten Sie? Warum dieſe un:
felige Uneigennügigfeit? Es hätte Ihnen fo wenig gefoftet! Es
hätte fo vielen elenden Verbannten, die nun ſterben werden,
vohne von Ihnen die rührende Arie aus der „Lucia” gehört zu
haben, folh eine Freude gemadt. O NRubini! Bitten Sie
4. B., da der Kaifer fo im Zuge war, Ihnen Alles zu bewilligen,
die klaͤgliche Geſchichte von der Fuͤrſtin Trubetzkoi gavußt, wie
hätten Sie den Fall dem Kaiſer vorgetragen! Arme, eble
Fuͤeflin, jedes Lobes, jeder Achtung würdig, und vor Allem
werth, daß Sie Rubini, ber Einzige, ber ſich ihrer annehmen
tonnte, the geholfen hätten. Ber Prinz Trubetzkoi wurde als
Werfchwörer verurtheitt, erft als Sträfling in den Minen bes
Ural zu arbeiten und dann auf Lebenszeit nad Gibirien zu
gehen. Er hatte eine Frau, jung, fchön, gefeiert, aus einer
angefebenen Familie entfproffen. Kaum vernimmt die Yürftin
das über ihren Gemahl ausgefprochene Urtheil, fo erflärt fie,
daß fie geben und fein fürchterliches Loos mit ihm theilen werbe.
ie wendet ſich deswegen fußfälig an ben Kaifer, und ber
Kaifer, geruͤhrt von To viel Bingebung, von fo vielen Thraͤnen,
ertaubt der Fürftin, fich mit ihrem Gatten lebendig zu Segraben.
Sie reift ab, nicht wie Sie reifen würden, König der Zenore,
in einer bequemen, warmen, von ſechs Pferben gegogenen Ber:
Une, während die Leibeigenen unterwegs fich vor Ihnen ale dem
Freund des Kaiſers büden, nein, auf einem offenen Karren, der
fie Tauſende von Meilen weit über Knittelmege fchleppt, weldye
Wagen, Erib und Seele gerbreden. Die Seele biefer edein
Fürftin brach nicht, noch ihr Leib. Wierzehn Sabre lebte fie
vergraben in den Minen des Ural. Vierzehn Jahre bed Jam:
mers, der Kälte, des Hungers, ber gezwungenen Arbeit! Bier:
zehn Sabre! Indeſſen erbarmte fi ber Himmel fo großen
keidets. Diefem Sträftinge und feinem treuen Weibe ſchenkte er
vier Kinder, vier Kinder im Abgrunde geboren! Dort hatte fie
fie empfangen, zur Welt gebracht und aufgezogen. Rad Xh:
lauf diefer vierzehn Jahre follte der Ungluͤckliche nad Gihirien
geführt werden. Merten Sie bas wohl, Meiſter Rubini, i.
birien. Gin ſchreckliches Loos, fo ſchrecklich, daß dic Kürkiz
Srudegtoi, ihren Stolz beflegend, ein eigenhänbiges Bittgefug
an den Kaifer richtete. Der Kaifer hatte für den Etxä
Trubetzkoi und feine Familie einen fo milden, eifigen Fleck ke:
flimmt in diefer Eishöhle, die Sibirien heißt, daß bie Fuͤrſtin,
demuͤthig, mit gefalteten Händen (zwei edeln Händen, Händen
einer Heiligen, die der Kaifer nicht in die feinigen nehmen wird)
fußfällig bat, ihre vier Kinder von fo zartem Alter, fo unfäul:
dig und fo fchön, an einen Ort ſchicken zu bürfen, wo fie ein
milbere Luft als den Eishauch jener Wildniß athmen Ennten.
Der Brief iſt gefchrieben , fie reift ab. Ein Mann, nein, tin
Weib findet fi in diefem ganzen weiten Reiche lahn genug,
die demuͤthige Bitte dem Kaiſer vorzutragen. Jammer! biefe
heldenmuͤthige Mutter bittet für ihre Kinder um den ewigen
Winter von Tobolsk, Irkutzk, Orenburg, fonft nichts, und wird
bie gewährt, fo will fie ihre Kinder für fo gluͤcklich halten, alt
ob fie innerhalb Ihrer Herrſchaft in Zoscama lebten, Meiſter
Rubini! Cie fpricht mit der Beredtſamkeit einer Mutter, mit
Engelzungen, und nachdem die Rache vierzehn Jahre gemäht
hat. Willen Sie, carino Rubini, was für Antwort der Kaifr
gab, der Ihre beiden Bände in bie feinigen nahm, ber den
weint, wenn er fie mit flagender Stimme und lachender Wim
den kleinen Jammer einer Roffini’fhen Heldin erzäbten hir!
„Ich wundere mid”, fagte ber Kaifer, „daß man die Keckhet
bat, der Familie eines Mannes vor mir zu erwähnen, der gegen
mich confpirirt hat.” In dem Roofe der Kinder biefer Kürfin
Ttubetkoi hat ſich Nichts geändert. Num fingen Ste, Rubin
Sie befigen ja das kalſerliche Ohr, fingen Sie mit Ihrer füheln
Stimme Ihr „Bella alma imamorata”! Erpreſſen Sie Ihränm,
—* Sie von Lucia, fo viel Ihnen beliebt, aber hüten Sie
ih, hüten Sie fih, den bewunderungsmwerthen Namen ausje:
fprechen, den edeln Ramen ber Fürftin von Trubetzkoi. (Journal
des debats.) 1,
Literarifhe Notiz.
Libri’ antijefuitifher Eifer.
Wir haben in d. Bl. bereitd zu wiederholten Malen die
treffiihe „Histoire des sciences mathématiques en Itale
depuis la renaissance. jusqu’a la fin du 18ieme siecle” vom
Staliener Libri, der bereit eine längere Reihe von Jahren
in Paris lebt, erwähnt. Wir erhalten gegenwärtig von dickm
intereffanten Werke, das auf ſechs Bände berechnet iſt, den drik
ten und vierten Band. Seitdem hat fid aber Libri, ber Mitglied
der Acadömie des sciences iſt, ald einen ber energifhlken
Geinde der Jeſuiten und den Iebhafteften Wertheibiger der Uns
verfität, d. h. des gefammten franzoͤſiſchen Unterrichtämelens
gezeigt. Seine Auffäge, die auf diefe wichtigen Fragen Bau
hatten, flanden in ber „Revue des deux mondes“, bie ver
einigen Jahren einige frefftiche Artikel Über die neuere italienijſche
Literatur aus feiner Feder brachte. Dögleich Xrago und ſein
liberaler Anhang in der Afademie ihm gewiß bei Bekämpfung
ber immer mehr um fi greifenden Ufurpation von Eeitn
der Geiſtiichkeit im Allgemeinen beipflicdyten wird, fo fan
biefe Partei es Libri doch nicht verzeihen, daß ſich derfelbe wit
ſchon bei verfehiedenen andern Gelegenbeiten zum entſchiedene⸗
Streiter für die Sache bed Minifteriums aufgeworfen bat.
Man bat deshalb neulih, als Libri zum Nachfolger des ver
ftorbenen Lacroix ernannt wurde, wenigftens indirect protefirt.
Arago, ber, wie ſich denken läßt, auf bie Acadsmie des sciences
einen bedeutenden Ginfluß ausübt, ſoll nämtich die Mehrzahl
veranlaßt haben, als die getroffene Wahl. bee Acndemie gu
Begutachtung vorlag, durch weiße Stimmzettel gu erkennen hu
geben, daß man ber Entfcheidung des Minffteriums nit ber
pflichten koͤnne. 2.
Berantwortliher Deraußgeber: Heinrich Brockhaus. — Drud und Verlag von $. X. Brodpaus in Leipzig.
Blätter
für
literarifhe Unterhaltung.
Freitag, — Sir 272. —
Die neueflen Bewegungen auf dem Gebiet der
Philofophie der Geſchichte.
(Beftus med Sr. ML)
Es wird von Kraufe als eine nothwendige Bebingung
anerkannt, um die Menfhen dem Guten geneigt zu mas»
chen, daß man fie zuerft in die äußere (materielle) Mög:
tichkeit verfege, ein menſchliches Leben zu führen; allein
«6 wird auch amerfannt, daß, um zu biefem Imede zu
gelangen, noch ganz andere Mittel und Kräfte erfoderlich
find, als fie der Staat durch feine Behörden zu entfal:
ten vermag, daß man daher nicht Alles vom Staate er:
warten darf.
Wenn es eine große Wahrheit tft — fagt Kraufe —, baß
dem Menſchen durch die göttliche Fuͤrſorge, im rechten Gebrauch
der Vernunft und der Naturkräfte, alle Dittel des Guten gege⸗
ben find, unb daß nah und nach alle ben Menſchen nieber:
drüdenden, bie Erreichung feiner Beſtimmung beeinträchtigen:
den Arbeiten durch Mafchinen geleiftet werden können, fo ift es
anbererfeit® nicht minder wahr, daß, wenn biefe durch die Kunft
im reicher Maffe erzielten Güter der Menfchheit zum Gegen
gereihen follen, eine andere als die bisherige Haus:
haltung bamit begonnen werden müſſe, und daß dem
GStaate Hierin ein Zuſammenſtehen Aller in Ehre umd Liebe zur
Seite gehen, ja daß feine Wirkfamkeit duch einen Organis:-
mus freier Vereine vorbereitet, unterſtützt und
das Wirken ber Legtern erfi erfolgreih gemadt
werden mäffe. Überhaupt ift in allen gefelifchaftlichen Ein:
eichtungen det Grundſatz durchzuführen, daß Erziehung zur
Zreibeit der Anfang ber Regierung iſt, und daß bie
Erziehung für eine, in allſeitiger geſellſchaftlicher Berathung
als wmufterbildiidh erfannte neue Lebensorbnung mur dann von
ganzem Erfolge fein kann, wenn fie alle Stufen bes ke:
bens begleitet und Feine einzelne oder gefellige
Derfon einer zufättigen Entwidetung preisgibt.
Kraufe fieht die Wiflenfchaft und ihre organifche Ans:
bildung als die nochwendige Grumbbedingnif auch ber
fitttichen Entfaltung der Menſchheit an. Er Hofft von
the, daß fie ale Höhere Macht wirkt, von deren Zahlen
jede einzelne eine unendliche Rede böfer Zahlen bemältige.
Das Beben, lehrt er, fei eine Kunft, die mur in ſteti⸗
ger Beſonnenheit ihres Gefeges gebt werden könne. Die
Menſchheit, lehrt er, fei eine Höhere Perfon, die ebenfo
ſche eines Gewifſens bebürfe als der Einzelne. Ober,
um ganz mit Kraufe zu fprechen: Es iſt Eine Menſch⸗
beit in Gott, oder Gott I in fih auch die Eine
Menſchheit. Diefe iſt in fi) unendlich viele Einzelmen⸗
hen, welche in leiblicher Hinfict im unendlichen Raume,
als felbfiändige Einzelweſen vertheilt, ſterblich, in Din:
fiht auf die Lebensvereinigung des Geiles, mit dem
ſtofflichen Gebilde eines urendlichen Leibes; der Grund⸗
wefenheit nach aber ewig und unſterblich find. Gott
waltet unbedigt frei in feinem einen innern Leben, auch
in ben Leben der Menſchheit, dieſer Theilmenſchheit auf
Erden, wie in den inzelleben jedes Einzelnen. Aber
auch jedes Weſen in, Gott ift auf feine eigene Weiſe,
in feinem igentebengebiete, mit feiner Eigenkraft mit:
wirffam in und an dem einen Lebenswerke Gottes.
Alſo iſt auch die Menſchheit diefer Erde und jeder eins
zelne Menſch nad) der Stufe der Einfiht und ber Ge⸗
finnung eine in ihrem Gebiete freie, ſelbſtaͤndige, unter:
geordnete (aber nicht ifolirte), organifch = verbundene, mit:
wirkende Kraft des ſich fletig forebildenden Lebens und
der einen Gefchichte. Die -gefammte Beſtimmung des
Menfchentebens ift organiſch⸗ harmoniſche Entfaktung def
felben nady allen Momenten und Stufen in Wiffenfchaft,
Gemuͤthleben, Sittlichkeit, Recht und Tugend, Erziehung
und Bildung und im ganzen Gebiete der Kunft, und
zwar in Gottinnigkeit, Gerechtigkeit, Schönhett ſowol je⸗
des Menfchen ats Individuums in ſich, als auch nach als
len grundgefelifchaftlihen WBereinigungen der Ehe, ber
Freundſchaft, der Kreigefelligkeit jeder Ortsgeſellſchaft, des
Stammvereins, bed Dolls, des Wölkervereind unb zu⸗
hoͤchſt der Menſchheit als eines organifhen Geſellſchaft⸗
vereins und zugleich im werkthaͤtigen Vereinen für Wif:
fenfhaft, Kunſt, Zugend, Recht und Wefeninnigkelt
dazuleben.
In dem einen Gebote: ſei Menſch, liegt das ganze
Sittengeſetz, das hoͤchſte Geſetz verborgen. Die ganze
Kraft und Fülle dieſes Gebots Legt Krauſe aber in folgen:
ben aligemeinen und befondern Geboten auseinander.
Allgemeine Gebote.
Du ſollſt Gott erfennen, anbeten, lieben und heilig halten.
Du fell die Vernunft, die Rasur, und bie Menſchheit und
ale Weſen in ihnen erkennen, adıten, lieben und heilig halten.
Du folk dich felbft, als Gottes Gefchöpf, als ſeibſtaͤndi⸗
ges und als geſelliges Weſen, erkennen, achten, lieben und hei⸗
lig halten.
Du ſollſt als ganzer Menſch leben.
Du ſollſt deinen Geiſt und deinen Leib, und beide, ſofern
ſie Ein Weſen ſind, erkennen, achten, lieben und heilig halten,
daß jeder für und beide in ihrem Bereinleben, vein, gefund,
kraftvoll und ri und du ein harmoniſcher Menſch Teieft.
Du fouft tugendhaft fein, aus reinem, freiem Willen.
Du foüR gerecht fein gegen alle Weſen und gegen bid)
ſelbſt, aus reiner freier Achtung.
Du folk liebreih fein gegen alle Weſen und gegen dich
ſelbſt, aus reiner freier Neigung. '
< Du follft gottinnig fein, und in ber Gottinnigkeit vernunfts
innig,, naturinnig unb menſchheitinnig aus reinem freiem Ge⸗
müthe, jedem Leben, jeder Freude, jeder Liebe hold,
Du four das Wahre, als Eine Wiſſenſchaft, im Spiegel
deiner reinen Seele, gottinnig und gefellig erforihen. -
Du ſollſt das Schöne, als das Gottaͤhnliche in bem Einen
geben aller Weſen in Bott und in der Geſtalt aller Weſen,
rein erfennen, und in reinem Kunfttriebe in deinem Lebenkreife
büden.
Du ſollſt dich feibft erziehen und bilden, unb die erziehen:
den und bildenden Einflüfle Gottes und der Welt mit freier,
befonnener Kunſt in dich aufnehmen.
Befondere Gebote, die aus den allgemeinen
fließen, zugleidh als verbietende.
Du ſollſt das Gute nicht thun, weil du hoffeſt, noch weil
du fuͤrchteſt, noch um der Luft willen, fondern weil es gut iſt;
dadurch wirft du erfüllt werden mit Einer Hoffnung auf Gott,
daß du dich furchtlos, aber voll heiliger Scheu, deines Lebens
in Gott erfreueft. Du fouft das Recht thun, nicht weil es bir
muͤht, fondern weil ed recht iſt.
Du ſollſt aller Weſen Bollkommenheit befördern und allen
empfinbenden Wefen Wohlgefühl und Freude bereiten, fo weit
deine Kraft reicht, nicht um ihres Dankes und ihrer Wieder⸗
vergeltung willen, und ohne ihre felbftgefegmäßige Freiheit zu
ſtoͤren; und Dem, ber dir wohlthut, ſollſt du dankbar fein.
Du follft keinem Wefen geneigt fein, und ihm wohlthun,
nicht um deiner Luft und deines Vortheils willen, ſondern weil
diefes Weſen gut und fchön und mit bir zugleidy in Gott, ale
Glied Eines Lebens ifl.
Du foltft gefellig fein, nicht aus Eigennutz, noch Eüfterns
heit, fondern keuſch und ſchamhaft; und dich mit andern Weſen
lebend vereinigen nur aus Liebe und nur um Liebe.
Du fouft zu dir felbft, als Gliede ber Menfchheit, keine
Vorachtung noch Vorliebe haben, fondern deinen Mitmenfchen
achten und lieben als dich felbft.
(Du foift das Wahre annehmen, nur fo weit du es felbft
ſchaueſt, nicht weil bu anfchauft, daß ein anderes Weſen fagt,
daß es ein Wahres ſchaue; und ohne eigene freifelbftthätige
Prüfung folft du nichts weder annehmen, noch verwerfen.
und das Schöne follft du Lieben und leben, nur weil es ein
Theil des Guten ift, nicht weil es dich ergöget.)
Du fouft nicht hochmuͤthig fein, noch ein Selbſtling; nie
träg fein, nie lügen, nie heuchein, nie did) verflellen (nie zürnen,
nie ungebulbig fein, nie trogen, nie reizen, nie necken, nie ſpot⸗
sen); nicht neidifch, ſchadenfroh, noch rachſuͤchtig fein; fondern
befcheiden,, gemeinfinnig und genuͤgſam; arbeitfam, wahrhaft,
lauter und offenherzigs genügfam, froh über Anderer Wohl und
zum Berzeiben geneigt.
(Du follft rein und ganz vom Boͤſen laſſen, und das Boͤſe
mit nichts entſchuldigen noch beichönigen.)
Dem Böfen follft du nie Boͤſes entgegenfegen, fonbern nur
Gutes (und unermüdet immer wieber nur Gutes, und ben Gr:
folg und überhaupt alles Andere Gott überlaffen):
Dem Irrthume die Wiffenfchaft, dem Wefenwidrigen das Le⸗
bendige und Schöne, dem Rafter die Tugend, bem Unrechte
das Recht; dem Haſſe die Liebe, der Yeindfchaft reinmenfch
liche Zuneigung, der Zrägheit den Gifer, dem Hochmuthe Bes
ſcheidenheit, der Selbſtſucht Bemeinfinn und Genügfamteit,
der Lüge Wahrhaftigkeit (dem Zorne liebrinnige fanfte Freund»
lichkeit, der Ungeduld bereitwillige Geduld, dem Zroge zart:
sefellige Nachgiebigkeit, oder ernftruhige, unftreithafte Aus⸗
* führung des Guten, dem Heizen gottinnige Ruhe und Lieb⸗
flellen, mit Nothwendigkeit, doch unter Mitwirkrng ihnt
potte ruhigen Ernſt, der Raubſucht Frägebigkeit.
So folft du das Boͤſe nicht mit gleichen Mäaffen, fenters
nur mit den Waffen ber Gottinnigkeit, ber Tugend, der Se
rechtigkeit, des Wahren unb des Schönen bekämpfen, und an:
ders fouft du dich ihm nicht widerfegen.
Und dem Übel, weiches bir in ber Weltbeſchraͤnkung nad
Gottes Willen widerfaͤhrt, ſollſt du nicht Zorn, nicht Unmut,
nicht Trägheit entgegnen, fondern in ruhiger Ergebung in Set,
mit befonnenem Muthe, mit munterm Fleiß, und mit auffin:
bender Kraft ſollſt du es ertragen, und, mit Gottes Hilfe,
überwinden.
Man vergleiche diefe Gebote mit den zehm Geboten
Mofis, mit Dem, was unfere chriſtlichen Moralichrer as
Kern chriſtlicher Sittenlehre abflrahirt haben, und mar
wird einen fehr großen Weiterſchritt bemerken; hält man
fie aber nun gar an die large Moral, die ſich in das &e
ben aller Kreife der Geſellſchaft eingefchlichen hat, fi
möchten Wenige fein, bie nicht erröthen müßten, wen
fie ihe Thun damit vergleichen. Hier höre ich nicht nur
Edgar Bauer, fondern eine ganze Schar Dichter oder
folchye, die e6 fein wollen, Zagsliteratoren u. f. w. auf
fchreien:: weich Iangweiliges Leben!
Hr. v. Leonhardi hat diefen Vorwurf gleichfalls im
voraus geahnt, und fagt deshalb in feinem Vorberichtt:
Die Herrſchaft der Vernunft und damit auch vollendete
Religion wird weder zur Alltäglichkeit und Langweiligkeit füh
ren, noch wird fie durch kirchliches Formelweſen das Grab un:
ſchutdiger Freude und freien gefelligen Ergehens werben. Dem
in Arbeit und Spiel, in Scherz; und Ernft und nur in lebe:
lem Wechſel von biefem Allen vermag das Leben ber Menſchheit
feine höchfte Beftimmung zu erreichen, worach es eine fletige,
des Menſchen als göttlichen Ebenbildes würbige, bie gang
menfchliche Wefenheit Tpiegelnde Innigung bes ganzen Menſchen
mit Gott, Ein ftetiges Gebet des ganzen Rebens fein fol.
Wie wir bisher einige Lehren Kraufe's aus dem um
endlichen Reichthum feines Syſtems geriften haben, um
fie den Lehren der gegenwärtigen Phitofophie ſowol a
den Empirikern und Dogmatikern entgegenzuftellen, fo
wollen wir nun auch kurz die Art und Weiſe feine Gr
ſchichtsanſchauung mitthellen.
Dem vorwifienfchaftlichen Blicke des Menſchen erfcheint
"die Geſchichte der Völker und der Menfchheit, ſowie felbt |
die Gefchichte feines eigenen Erdenlebens, als ein geſch⸗
loſes Ganzes. Der grundwiſſenſchaftlich gebildete Geiſ
erdennt aber da6 Leben auch dieſer Menſchheit, tıet
aller Misbildungen und Entartungen, Lüden und Fleden
in denfelben, als eine gefegmäßige, organifche Entwide
lung. So Kraufe; er lehrt, das Wefen, das Ganze alle
göttlichen Wefenbeiten, an jedem Lebensindividuum un
in jebem Lebensgebiete auf eine beſtimmte Weife dargeftcht,
daß die enblihen Wefen, gemäß der Stufe, die fie im
Gliedbaue des Weſens einnehmen, den Stiebbau ber göttib
hen Weſenheit in gefeumäßiger Folge nacheinander dar
) Ur⸗Achtung in Gott.
10p1
Sreibeit barfieen, und zwar unendlich viele Dale in der
unendlichen Beil. Was ewiger Weife zugleich und ohne
Zeit ift, wird in der Zeit neben, mit und nadeinander.
Die vollendete Endlichleit und Beflimmtheit, bezogen zu
der endlichen Zeitdauer, zu der Ziefe der Wefenheit, und
der darin liegenden Möglichkeit geben diefes Refultat.
Aus den Grundwefenheiten Gottes und jedes endli⸗
hen Weſens beducirt Krauſe dann drei Dauptiebensalter
auch der Menfchheit,, zu vergleichen dem Alter der Kind:
beit, der Jugend und dem Alter der Reife.
In die weitere Gliederung diefer Lebensalter einzuge⸗
ben, zu prüfen, mit welhem Gluͤck oder Geſchick Kraufe
in der bisherigen Geſchichte der Menfchheit diefe Haupt:
Icbensalter auffindet, wie er dad Wefentliche aus dem
fiheinbaren Chaos der Geſchichte herausfindet und ver:
geiftige, müffen wir unfern Leſern überlaffen, denen Die
bier mitgerheilten Bruchſtuͤcke Luft gemacht haben, nd:
here Belehrung aus der urfprünglichen Quelle ſelbſt zu
ſchoͤpfen.
Ohne zu verkennen, daß ſich Voͤlker und Einzelne
noch in allen Lebensaltern und auf allen Lebensſtufen
finden, iſt Krauſe's Anſicht, daß wir an den Pforten des
dritten Hauptlebensalters, des Reiflebensalters ſtehen, wo
das Leben nach innen und außen ſeiner Vollendung nahe
kommt, ja diefes Lebensalter hat ſchoy in Geiſt, Gemuͤth,
Willen und Streben vieler einzelnen Menſchen begonnen.
Diejenigen, welche im Geiſte des dritten Hauptlebensalters
leben, ſollen aber beſtrebt ſein, daß hauptſaͤchlich folgende
Grunduͤbel aus dem Leben der Menſchheit entſchwinden:
„I1) Zwangsgewalt, Zwingherrſcherei jeder Art und jeden
Gebiets, und zwar leibliche und geiftige Zwingherrſcherei.
2) Der blinde, d. i. der unbegründete,, blos individuell
perfönliche Satzungsglaube in jeder Art und in jedem
Gebiete, welcher und fofern er ohne die Grundlage der
ewigen und zeitlichen Wahrheit ifl. 3) Das Grundübel
der Hehlerei und der Geheimſucht in allen Gebieten.
4) Das reihe Gebiet des Ungluͤcks und Zufalls (jeder
Art) foll vermindert werben.”
Sm Sinne dieſer Grundanfichten eifert Kraufe dann
namentlih aud gegen Vernachläffigung der rauen und
Kinder, &Haverei und Sklavenhandel, irreligiöfe Unduld⸗
ſamkeit und Bevorcechtung der Bürger bes Staats als
Religionsgenoſſen, bei abgöttifher Verehrung einzelner
Menſchen, gegen Zwangbuhlerei im unechten Ehebette (er
will Trennbarkeit der Ehe, wenn bie Liebe erlofchen), da=
gegen, daß es für Könige, Mächte und für diplomatifche
politifche Verhandlungen nody eine befondere Moral gebe,
wonach z. B. ein Autoktat gar keiner moralifchen Baur:
theitung von Menſchen fol unterzogen werden können
(untergeorbneter Standpuntt).
Er will, daß die beftehenden Geſellſchaften im Geiſte
des dritten Hauptlebensalters der Menfchheit gereinigt, ver-
edelt, höher gebildet werden, daß die noch fehlenden Ge⸗
feufchaftswereine hergeftellt, daß die Freigefelligkeit befördert
werde, vor Allem aber fodert er auf, das Schliefen und
Gedeihen des von ihm zuerſt verfündeten alloffenen
Menfchheitsbundes zu fördern, in welchem er die
leitende und tegierende Grundidee bed kommenden, und
nun fchon begonnenen Zeitalter® erblickt,
Der Derausgeber hat, im Geiſte Krauſe's, die Höchfte
Michtigkeit darauf gelegt, die Priorität diefes Gedankens
demfelben zu vindicicen, und darlber verabfäumt, uns naͤ⸗
ber in die Anfchauungen einzuweihen, welche Kraufe von
dieſem alloffenen Menfchheitsbunde hatte. Wir werben auf
die folgenden Theile des Nachlaſſes verweiſen. ‘
Gern theilten wir Krauſe's Lehre vom Boͤſen, dem
Lebenswidrigen, bier noch mit, weil fie den einzeln ges
nommen ſchrecklichen Gedanken, urviele Menfchen fchlas
gen ſich todt in jedem Augenblide, urviele Mütter mors
den ihre Kinder in dieſem Augenblide, unendlich viele
Menfhen luͤgen und heucheln u. ſ. w., feine Schrecklich⸗
keit nimmt, und auch das Boͤſe als Gott-⸗Beſtaͤtigung
erkennen lehrt, fuͤhrten uns dieſe Lehren nicht zu den
feinſten, ſpeculativen Begriffen, welche in d. Bl. nicht
an ihrer Stelle ſein moͤchten. Aber wir koͤnnen nicht
unterlaſſen darauf aufmerkſam zu machen, daß die leben⸗
weſentlichſten Begriffe, die felbft im Bewußtſein der mel:
ſten Gebildeten erft verworten bämmern, geklaͤrt und
gefchieden find wie nie vorher; wir meinen die Ideen
und Begriffe: Religion, Recht, menfhlide Be:
ffimmung auf Erden und nad diefem Leben,
Naturgefeg, Beift, Seele und deren Berbält:
niffe zum Zeibe, Bewußtfein, Erkennen, Füh⸗
len, Freiheit des Willens, Grund, Urfache,
Mittel, Bedingung, Leben, Werden, Berge:
ben, Zeit, Ewigkeit, Kraft, Stoff, Naturges:
bilde, Möglichkeit, Gutes, Boͤſes, Sünde,
Schuld, Erziehung, Regierung, Staat, ers
laubte Mittel u. f. w. Diefe Begriffe aber find ges
ade die Angeln, worin ſich unfer ganzes Leben bewegt,
und ohne ihre wiſſenſchaftliche Aufklärung tappen Voͤlker,
Regierungen und Einzelne im Dunkeln und werben Beute
der einfichtsfcheuen Selbſtſucht.
Menſchen aber — fagt Kraufe —, welche bie Finfterniß
hüten, aus guter, aus übler Abſicht, gleichen Denen, bie auf
den Bergen fhünden, um bei anbrechender Dämmerung daß
Überhandnehmen des Lichts zu verhindern. Oder im Frühling
das Ausbredyen der Knospen und Blumen zu verwehren. Wo
nur erft die höhere Sonne ſcheint! Sie rüdt höher. Wir wer⸗
den uns Alle darin erkennen, verföhnen. Die auf dem Berge
werben fie zuerft ſehen und benen in den Thaͤlern nicht verbins
dern, nicht verheimtichen Eönnen. Denn Die unten feben bie
Berge ſich vergolden und.balb, wenn bie Sonne fich hebt, ers
blicken fie Alle.
Zugleich mit biefer Philoſopie ber Geſchichte iſt der
dritte Band von Krauſe's „Religionsphiloſophie“ erfchies
nen, der eine Kritik der Schleiermacher'ſchen Religions:
philofophie enthält und daher in unfern Tagen wie ges
eufen kommt. 9. A. Oppermann.
=
Aus dem Böhmermalde, von Joſeph Rank. Leipsig,
Einhorn. 1843. 8. 1 Thir. .
Die Ethnographie Böhmen ift in ber Neuzeit mannichfadh
vorgefchritten; auch der Böhmerwald, dieſes Urgebirge mitten
in Deutfchland, ift der Aufmerkſamkeit der Korfcher nicht ents
gangen. Gelehrte wie Zippe, Lindaker u. A., haben mannich⸗
1092
faltige Beobachtungen über benfelben angeſtellt. Über die We:
wohner feisft ift indeß noch wenig Sicheres bekankt geworben,
und boch hängt gerade von ben Bewohnern des Boͤhmerwaide
und ihrer geiltigen Beſchaffenheit die Entſcheidung einer ber
wichtigften ragen der Geſchichte ab, inwieweit hier die deutſche
Bevölferung eine urfprängliche oder cine fpäter eingewanderte
zu fein feheint. In oiefen Urmälbern, welche felbft gegenmärtig
noch nicht einmal im deſtimmte Reviere abgetheitt find, ſodaß
fie „jeder Wefiger nach Bedarf nägt”, mußte fi) aud die urs
rüngliche Bevolkerung am längften und ſicherſten erhalten.
3 Rank hat befonders die Deutfchen biefer Gegend zum
genftande feiner Berobachtung erwaͤhlt. Rachdem er über ben
„Sauptag” feiner Beobachtungen einen kurzen Bericht geger
ben, bemerkt er von bem Wolke ſelbſt, daß: „dieſe Deutichen
muſikaliſches Talent und Wortiebe für bie Mufit gleich den
eigentiichen Böhmen befigen. Faſt jedes Dorf hat feine Muſi⸗
fanten. Gpielt der gegenwärtige Bauernfohn nicht Geige oder
Gtarinette, fo beweift eins dieſer Inftrumente, in der tube
anter verfchiebenen Handwerkszeugen bängend, daß der Water
ober Großvater fpielte. Richt minder flab fie für Nationals
efang eingenommen. Unzählig find Voiksmelodien und Terte.
—* der Jodler iſt da zu Hauſe. Jaͤhrlich componiren die
Burſchen einzelner Dörfer Melodien und Terte und die gelun:
genften werden allgemein. Das muſikaliſche Gehör bemeilt fi
vadarch, daß bie fchlechtefte Stimme im Chor wenigftens feine
Mistöne nimmt. Am Tage widerklingt Haus und Feld von
Liedern. Naͤchtlich durchziehen erwachſene Burſche jingend die
Dörfer. Nicht nur heitere, Tondern auch rührende und ernfte
Lieder werben gefungen, und wenn ein ſolches durch bie Mitter⸗
nacht tönt, da richten ſich Väter, Mütter und Jungfrauen im
Bette auf, bis ſich die Sänger entfernen.” Beinahe Wort
für Wort erzählt Daffelbe der ruſſifche Romanſchriftſteller Gogol
in feiner ukrainiſchen Novelle „Anna. Aber auch in dem übris
gen Buche kommen nod häufig Sitten und Gewohnheiten vor,
werde aus erſter Band dem Kenner die gleichen flawifchen ins
Gebdaͤchtniß rufen. Wie viel hieran das nachbarliche Zufanımen,
when Schuld fein mag, laͤßt ſich nicht erklären; wenn es aber
niemals inniger gewefen wäre als es der Verf. aus ber Gegen:
wart darftellt, fo müßte man die Urfache diefes Zufammentref:
fens wol in andern Dingen ſuchen. Indeß das Gebiet der Hy⸗
potheſen iſt zu groß und kennt dann nicht fo leicht eine Grenze.
liter das nachbarliche Verhältniß gegen die Böhmen fpricht fi)
der Verf. ziemtich feft aus. „Die Deutſchen“, fagt er, „zeigen
für Böhmen als Vaterland feine Vaterlandelicbe.” Der Boͤhme
werde durch bie drüdende Lage (in welche er von ben Deutfchen
geſetzt ift) dumpf, verſchloſſen, argwoͤhniſch, oder wenn er aufs
thaue, laͤſtig fhmeicheind; harmlofe Froͤhlichkeit zeige er nie.
Einmal aus dem Dunkel feines Irübfinns getreten, ſchwinge
Bingerzeig, auf welche Welfe ſich die boͤhmiſche Ration allmätig
und freiwillig germanifiren bieße, wenn man aunders es miät
für einen Frevel bielte, ein ganzes Volk noch länger in Knech
ft, Unwiffenbeit und SSoheit zu belaffen.) (in deutſcher
urſche aber werde nie im Dienfle eines den Haufes
gefunden. Miflgungsbeirathen geſchehen nur hoͤchſt felten, äufer
bei aemifchter Bevdlkerung in einem Dorfe. „Ber Verkeht
zwiſchen dem Deutſchen und Böhmen wieb, two er niät noth⸗
wendig ift, nicht geſucht; viel Lieber bat man mit den anſtoßen
den Baiern zu ſchaffen, weil hier das Nachbarvolk viel üer
einffimmung in Tracht, Dialeft, Sitten und Gharakter zeigt."
Eine eigenthuͤmliche Sehnſucht zieht die deutſchen Maͤdchen und
Burfchen diefer Gegend nadı Wien, welche ſich oft zum unwider
ſtehlichen Heimweh fleigert. Zropdem aber befeelt fie eine ſolche
Liebe zu ihren heimiſchen Bergen, daß fie dennoch immer wie
der in die Heimat zurüdlehren. Bei den Volksfeſten komme
die in Wien Dienenden bäufig nach Daufe, wobei fie den Weg
von 40 Meiten zu Buß und „mit einer Wegzehrung om
30 Münzkreugern und ohne Mildthaͤtigkeit anzufpreden” zurkd:
legen. ber die Sitten. und Gebraͤuche verfudgt der Verf. durch
einzelne Darftellungen deutlich zu unterridgten. Unter denfelben
baben uns der „Tanz“, die ‚„Dochzeit”, die „luſtige Burfhen
nacht“, die „Gratulationen“ und das „Kirchweihfeſt“ am beften
gefallen. An fie ſchließt fih der „„Winterabend‘ umd eine Reihe
Sagen und Märdyen, fowie die Wollsnovellen gut an. Do&
teifft der Berf. wie und duͤnkt, nicht kberall ben rechten Bell:
ton, was um fo ſchwerer iſt, jemehr ſich berfeibe vor der in
der Volksſage herrfchenden Derbhrit, welche das Gebiet des Gr
meinen nicht feiten betritt, hüten zu müffen geglaubt hat. Aut
biefem Grunde ift denn auch feine Überfegung ber Volkelieder
nicht feiten freier als man fie bei ilderfegungen aus ganz frem
den Sprachen gutheißen wuͤrde. Das Moll if derb, öfter
aud) ‚gemein; aber lächertich iſt es, baffelbe ale zartfuͤhlend un
überall mit erhabener Gefinnung zu fhildern. Wahrheit git
überall und macht keine Schande. Wie ſehr fich der Def. in
der Darftellung von Bolkscharafteren vergriffen hat, zeigt ım
beutlichften fein Fallſtaff 11. Liber den Abergtauben bes Bor
bringt dir Verf. recht ergoͤtzliche Sachen zum Vorſchein. Di
wenigen Proben von Voilksliedern laſſen ahnen, daß fid hie
unter vieler Spreu noch mandjes volle Korn Borfindet. Schade,
daß der Berf. es nit fammelte. Vielleicht thut er ed abch
es wäre ein intereffanter zweiter Theil zu diefem iatereſſanten
unb werthvollen erften. 3 9. Zorden.
Literarifhe Notiz.
Neue engliſche Reiſewerke. |
Ausgeftattet mit einer ausgedehnten Karte des Kitmens |
von Chamouni, mit lithographirten Anfichten und Holzfänitten
erfhien: „Travels through the Alps of Savoy and other
parts of the pennine chain, with observations on the phe
nomena of glaeiers”, von 9. correſpondirenden
er die ſauſende Fackel wilder Luſt, um dann auf lange wieder
einem Robotpflug (Hofedienſt) in traͤger Verſunkenheit nachzu⸗
chlendern. „Dieſer arme Czeche weiß“, ſagt der Verf., „daß
ihn ſein Fleiß in hoͤchſter Potenz auf keinen gruͤnen Zweig
bringe; daher kein Funke Neuerungs⸗ oder Befferungsgeiftes,
Wenn eine Familie zu zahlreich wird, fo treibt man (das ift:
- Monalleben ber Deutſchen finden.
die Herrſchaft) die Kinder wie entbehrliche Schafe in alle Weit.
In der Fremde erfi, wo er mit feinem Fleiße frei ift, beweift
dieſer Czeche die unbändigfte Ausdauer, Sparſamkeit, Mäßig:
keit, Ernſt, Geſchick und Luft zu jeder Fräftigen That. Was
würde biefes Volt aufbauen, wenn es zu.einer großen That
ebenfo gefucht und gerufen würde wie zum Bau von Bäufern
und Palaͤſten in der Fremde.“ Diefe fcharfe Berfchiedenpeit
des Nationalcharakters balte ben Deutfchen und den Czechen
„natürlich, nicht aus Daß’ ‚voneinander fern. Die ungluͤckiüchere
age bringe mandyen böhmifchen Burfchen dahin, ſich den Deut:
hen näher anzufchließen, daß fie in beutfhen Dörfern zu
enfte geben, wo fie dann ein tebhaftes Vergnügen am Na:
(Es ift dies der deutlichſte
Mitgliede des Inſtituts von Frankreich und Profeffor di
Naturphilofophie an ber Univerfität zu Edinburg. gerut:
„Personal observations on Sindh, the manners and custom
of its inhabitants and its prodactive capabilities; wirk 4
narrative of the recent events”, mit Karte und Iufte |
tionen von Gapitain Poftans; ‚Guide t0 the highlands and
islands of Scotland, induding Orkney and Zetland; deserip-
Live of their scenery, statistics, antiquities and natur
history, with numerous historical and traditional notice”,
von George und Peter Anderfonz „Steam voyages on the
Seine, the Moselle and the Räine, with railread visiu W
the principal cities of Belgium ete.” (2 Bbe.), von 3. Di,
mit Suuftrationen. 18.
Berantwortliher HGerausgeber: Heinrih Brockkhaus. — Drud und Berlag von F. W. Bro@haus in Leipzis.
Bldeter
literarifche
für
Unterhaltung.
Sonnabend,
—— Nr. 273. —
30. September 1843.
Das Delameron bed Giovanni Boccaccio. Aus
dem Stalienifchen überfegt von Karl Witte.
Zweite verbefierte Auflage. Drei Theile. Leipzig,
Brodhaus, 1843. Gr. 12, 2 Thlr. 15 Ngr.
Das „Dekameran” gehört zu den nicht alternden Er⸗
zeugniffen der ſchoͤnen Literatur, und die Gunft, melde es
ſeit Jahrhunderten genoffen, wird ihm erhalten werden,
fo lange die heitere Poefle, der gefunde, berbe Scherz und
das zauberifche Idiom feine Freunde behält. Schon im
15. Jahthundert fuchte Deutfchland diefen Schag durch
Überfegungen ſich anzueignen, deren Anzahl in neuerer
Zeit duch Soltau, Schaum, Röder u. A. vermehrt wor:
den ift. Der legte und, wir dürfen ed von vorn herein
fagen, verdienfvolifte Überfeger ift nun Hr. Witte, der bes
kanntlich Italiens Geſchichte und Literatur zum Gegen⸗
ſtande großer und fruchtbarer Studien gemacht hat. Doch
arſt in dieſer zweiten verbeſſerten Auflage iſt die Übers
fegung gänzlich fein Eigenthum geworden, wie uns die
fata libelli beweifen. In ber erften Ausgabe nämlich
hatte Hr. Witte eben bie erften vier Tage überfegt, ale
dringende Gefchäfte ihn nöthigten, die Arbeit aufzugeben,
welche fortan in die Hände „eines des Italieniſchen in
hohem Grade kundigen und in der beutfchen Literatur
wohlbekannten Schriftftellere” (des Hm. W. v. Lüdemann)
überging. est hat fich das Verhältnig anders geftaltet;
die fünfte und fechste Siornata find ausfchließlich von
Hrn. Witte bearbeitet; außerdem gehört ihm die fiebente
Geſchichte des fiebenten Tages an. Die legten vier Tage
follten dann nur einer Revifion unterworfen werden, aber
glücklicherweiſe hatte es dabei fein Beenden nicht. Dr.
Witte konnte nicht umbin, die Überfegung feines Vorgaͤn⸗
gers gänzlih umzumodeln und ihr diejenige Faͤrbung zu
ertheilen, weiche charakteriftifch für den Stit des Boccaccio
ift und von. Hrn. Witte bereits fo gluͤcklich getroffen war.
Vergleicht man daher etwas genauer, wie Ref. es gethan,
die erſte Ausgabe mit diefer zweiten, und namentlid in
den betreffenden Xheilen, dann erkennt man leicht, daß fie
in der That eine vielfach verbefferte und aus einem Guſſe
gefloffene iſt. Keine Seite, auf welcher fid nicht mehr
oder weniger zahlreiche Weränderungen, Umfchreibungen
und ſelbſt Berichtigungen eingefchlichenee Irrthuͤmer bes
merken ließen, wodurch gewiß Hrn. Witte eine größere Ars
beit erwuchs als eine eigene Übertragung Ihm gemacht
haben würde. Dafür gebührt ihm aber auch das Vers
dienff, das „Dekameron“, unbeſchadet feiner nationalen
Eigenthümlichleiten, zuerſe in einer wahren Geftalt auf
deutfchen Boden verpflanzt und ihm den ganzen fädlichen
Duft und Farbenreihthum erhalten zu haben, welcher uns
ter den Händen der frühern Überfeger faſt gänzlich vers
loten ging.
Ein zweites großes DVerdienft des Hrn. Witte um diefe
Bearbeitung des „Dekameron“ ift die biographifch :literas
rifche Einleitung, welche, Giovanni Boccaccio Üüberfchrieben,
92 Seiten füllt, waͤhrend hierzu in der erſten Ausgabe
10 Seiten binseihten. Sie enthält Alles, was nur ir⸗
gend über Boccaccio's Leben und Schriften einiges Licht -
zu verbreiten im Stande tft, und in der That muß man
über den Aufwand von Fleiß und über die Fülle der mans
nichfachften gelehrten Kenntniffe erflaunen, welche Hr. Witte
zu dieſem Zwede entwidelt hat. Mitten in Stalien und
in der nächften Nähe feiner Bibliotheken und Denkmäler
hätte feine volftändigere und erfchöpfendere Arbeit über
Boccaccio geliefert werden koͤnnen, wie biefe von einen
Deutihen an den Ufern der Saale zu Stande gebracht
ift. Aber nicht nur den gelehrten Literator, fondern auch
den Mann von Geift und Geſchmack hat man zu loben,
deſſen Abhandlung, weit entfernt, eine trockene Compilation
zu fein, beinahe mit den Reizen einer Novelle geſchmuͤckt
iſt. Namentlich iſt Altes, was fi auf das „Delameron”
und deſſen Gefchichte bezieht, fehr anziehend dargeſtellt. Ref.
erlaubt ſich hier nur auf Einiges hinzumeifen. Bekannt⸗
lich rechnet man zu den Urfachen der „faft beifpiellofen”
Verbreitung dieſer Novellenfammlung auch die Snvectiven
gegen die Geiftlichen, beſonders gegen die Mönche. Diefe
Geißelhiebe fanden einerfeitS laute Acclamation, aber ans
bererfeitö erregten fie auch) ben Born und bie Verdam⸗
mungsluft der Kirche. Das Zridentinifche Concil fegte da⸗
ber das „Delameron” in die Zahl der verbotenen Buͤ⸗
cher, jedody mit dem befchränfenden Beifag: bis es werde
gereinigt fein (Boccatii novellae centum, quamdiu ezpur-
gatae non prodierint). Duck das Verbot geriethen nun
die florentinifchen Sprachforſcher in die größte Verlegen⸗
beit, welche das „„Delameron” für das Geſetzbuch der ita⸗
lieniſchen Sprache erfiärt hatten, nur bie Schreibart bies
fes einen Buche nachgeahmt, aus biefem einen den gans
gen Wortſchatz gefhöpft willen wollten, und biefes eine
Buch durfte Niemand lefen, wenn er nit den Strafen
der Inguifition verfallen wollte. Dies führte dahin, daß
der Großherzog Eosmus mit dem päpftlichen Stuhle Diplo:
matifche Verhandlungen anknüpfen mußte, in Kolge deren
le Stellen, in denen auf Geiſtliche ein unguͤnſtiges Licht
le, getilgt oder dadurch unfchädlich gemacht werden foll:
ten, daß die Mönche in Kaufleute, Soldaten, Zauberer,
die Nonnen in ledige Mädchen verwandelt, und fomit un:
befchreibliche Albernheiten erzeugt wurden. Die Sittlichkeit
kam bei diefen feltfamen Verhandlungen auch nicht im
mindeften in Betracht. Die Schilderungen der Unkeuſch⸗
beit und des Ehebruchs blieben unangefochten, nur Möns
che ſollten es nicht fein, welche darin handelten. So ent⸗
ftand die Ausgabe ber „Deputati” (Florenz 1573), Kei:
nem genügend, weder den Sprachfreunden und Unterhal:
tungsluftigen, welche fo viel dagjn vermißten, noch dem roͤ⸗
mifchen Rigoriften, für welche noch immer zu viel Anftö:
ßiges ſtehen geblieben war. Erſt eine noch willkürlichere
Berunftaltung des, Defameron” von Salviati (1582) ges
wann den Beifall Roms, und fo kamen faſt ein Fahr:
hundert lang nur mehr ober weniger verflümmelte Aus:
gaben zum Vorſchein. Dann wagte man fi, zuerft in
Holland und in England, mit einzelnen Abdrüden ber:
dor; noch fpäter fegte man in Italien felbft fi über das
Verbot hinweg, und „gegenwärtig Liefert jedes Jahr ein
ganzes oder halbes Dugend Ausgaben unter den Augen
der Kicche, welche zu dem Misbrauche, den fie nicht mehr
zu hindern vermag, ein Auge zudrüdt”.
Auch die Gefchichte der Ausgaben des ‚, Delameron ”
bietet mancherlei Curiofa dar. Die aͤlteſten Ausgaben
werden noch jegt oft zu enormen Peeifen von Bibliomas
nen gekauft. Die Baldorfer’fche Ausgabe von 1471 er:
kaufte dee Marquis Blandford im 3. 1812 in der Kor:
burgh'ſchen Auction für die ungeheure Summe von 2260
Pf. St.; fieben Zahre fpäter wurde daſſelbe Exemplar
wieder verauctioniet und von Lord Spencer für 918 Pf.
St. erftanden. Wie hätte felbft diefe leute Summe ge:
nügt, ruft der Verf. aus, um den Geldverlegenheiten des
armen Boccaccio für immer abzuhelfen! In biefer Din:
ficht freilich hat Boccaccio da6 Loos vieler Dichter ges
theilt, die gewoͤhnlich bei der Theilung der Erdengüter zu
kurz fommen. Ein eigened Guriofum unter den zahlrei⸗
chen Ausgaben des 15. Jahrhunderts bietet eine vom 20.
April 148% bis zum 13. Mai 1483 aus der Druderei
von Sans Zacopo di Ripoli hervorgegangene dar. Jene
Druderei gehörte nämlich zu einem Nonnenkloſter; bie
feommen Schweftern festen, drucken, befteten felbft, was
ihnen von Buchhaͤndlern aufgetragen ward, wie die noch
erhaltenen Klofterrechnungen daruͤber Nachricht geben. Nun
denke man ſich die ehrbaren Nonnen in ihrem Ordensge⸗
wande eifrigft Novellen fegend oder corrigirend, welche die
nichts weniger als zarten erotifchen Abenteuer in Nonnen:
Möftern erzählen und — die Situation ift komiſch genug!
Was nun einen Hauptpunkt betrifft, der von jeher
dem „Dekameron“ fo viele Leſer verfhafft, aber auch fo
viele Verdammungsurtheile zugezogen — wir meinen den
fhlüpfrigen Inhalt vieler Erzählungen —, fo ftellt hier⸗
über Hr. Witte gewiß die einzig richtige Auficht auf, E
weift auf das komiſche Element Hin, welches die une:
laubte Geſchlechtsliebe, beſonders der Ehebruch, neben dem
verbrecheriſchen befigt, und welches Element als hoͤchſt we
fentlich uͤberall wiederkehrt, „wo die Aufgabe verfolgt wird,
Beifpiele von komiſchen Verflechtungen der Ereigniſſe un)
von ſchlau erfundenen Auswegen aus ſchlimmer Vetlegen⸗
heit zu erzählen”. Wenn der Schriftfteller bei diefem
Elemente um feiner ſelbſt wilden, weil es ein unzuͤchtiges
ift, wollüftig ausmalend verweilt, fo teifft ihn der Ber:
wurf der Frivolitaͤt, von welcher jedoch Boccactio im Ban:
zen frei gefprochen werden muß. Er benugte vielmehr dat
Unzüchtige nur um feines Lächerlichen Effects willen, „nu
als nothwendigen Bauftein, um die Eomifche Situation,
auf bie es ihm eben ankam, aufzubauen, weshalb er auch
dft ziemlich unfeln und derb das Ding beim rechten Pa: |
men nennt, während feine frivolern Nachahmer der Ein
einen luͤſtern kokettirenden Schleier ummerfen und mit
Borliebe dabei verweilen, ihn immer nad einer anden
Seite zu Lüften”. Daffelbe Verhaͤltniß findet in der bi:
denden Kunft flatt, wo das mit aller Meifterfchaft darge
ſtellte Nackte an ernſten Gegenfländen gewiß keinen An:
ftoß erregt, während daflelbe, wenn es nuc die Sinnenluf
reizen fol, immer tadelnswerth bleibt. Hr. Witte hat
daher fehr wohl gethan, bei der Überfegung nichts zu ent
fernen, was keuſchen Ohren unſerer Tage verlegend if,
und bei diefen Erzählungen mit jenem Sefultengeneral den
Grundfag feflzuhalten: Sint ut sunt, aut non sie!
Pruderie und Bigoterte waren von jeher de& „Dekameren“
Feinde, welche man, eines ernften Ziele® bewußt, am br
ſten ihrem eigenen Arger überläße, ohne fie, wie fon
Byron, durch eine Philippika zu flrafen oder fich von ih:
nen einen Skrupel einflößen zu laffen.
Gewidmet ift bie Überfegung mit einem fehr finnigem,
gleihfam den Lebenslauf der Novelle andeutenden Genett
dem großen Meiſter diefer Dichtungsform L. Tieck. 11.
ng — —
Carlyle über die Gegenwart Englands vom Stant:
punkte feiner Vergangenheit.
Das tft die Bedeutung des lakoniſchen Titels „Past and
present’, unter welchem Thomas Carlyle fein neueſtes Wert vr
kurzem veröffentlicht bat. Carlyle ift in Deutfchland als ei
ungewöhnlicher &chriftfteller, als ein Mann von kraͤftigem und
originellem Geiſte bekannt, der die Dinge nit nad ihm
Außenfeite beurtgeilt, fondern ihnen gleichfam ins Herz Met
und, wenn es fich vom Zuftande eines Landes handelt, feinm
Ausſpruch nicht auf die Geſichtsfarbe, fondern auf bie Pulk
ſchlaͤge gründet. Wie Deutichland ihn, fo kennt er bie deutſch
Literatur. Statt aber mit den Englänbern zu behaupten, deß
ee feinen merkwuͤrdig eigenthümlichen Stil nady deutſche
Muſtern gebildet habe, dürfte es vielleicht richtiger fein zu le
aen, daß er eine Art beutfches Engliſch ſchreibt, wiil er Mm
Englifchen deutfch denkt. Dagegen läßt ſich den Englaͤnder
nicht widerfprechen, daß feine metaphyfiſchen Gubtilitäten ihn
bisweilen von ber vorgeftedten Bahn abbringen, er feine keitt
verwiert und bie großen und wichtigen Wahrheiten, die er ihn
recht eindringlich machen will, rein unverſtaͤndlich macht. Im
und Ziel feiner Schriften, Stab und Stecken auf feiner ſchrift:
ftelerifchen Laufbahn ift die Abſicht, den Zuſtand feiner Reben:
menſchen zu verbe
Maqehrit, Frichen und Behaglichleit
zu foͤrdern. Die ar der Menſchheit überwiegt * jede
andere Kückſicht. In Engiand namentlich will er das Elend
mit der Wurzel ausreißen, will die Wunden unb Quetſchungen
heilen, die Misbraͤuche gröbfter Art dem gebutbigen Volke ges
fihtagen, will bie boffärtigen Landbeſiter überzeugen, daß ber
2 fhen angebrodyen, an beflen Abend ein jeder Arbeiter ein
Stüd Grund und Boden zu eigen haben und es aus fein werde
mit den „Erzfaullenzern, bie im ÜUbermuthe ihrer Herzen hin⸗
treten und fagen: „Die Erde ift unfer und das Korn und ber
Wein und das DL, das barauf wähfl. Wer kann's uns neh⸗
men?‘" Hierin concentrirt fich auch bie Tendenz ber neueflen
Schrift. Aus dem Staube und Schutte der Vergangenheit ber:
vorgegrabene Thatſachen follen den bermaligen Zuſtand Gngs
lands erläutern und ben Bid in feine Zukunft rechtfertigen.
Dazu bedient fidh ber Verf. insbefonbers Auszüge aus ter Chro⸗
nik eines Mönche im Kiofler St. : Ehmonbsbury, Namens Io:
eelin, der vor 100 Jahren lebte und ein Rotigenbuch hinterlafs
fen bat, worin er bie Geſpraͤche und Handiungen des Abts
Samſon, defien Kaplan er war, in Küchenlatein aufgezeichnet.
Die von Gariyle dem Terxte beigegebenen ſcharfen und fcharfe
finnigen Anmerkungen find natuͤrlich die Hauptſache. Dann
folgt ein Gapitel über bas „Evangelium bes Mammonismus”,
vol Kraft und Saft und Wahrheit. Aber nur im Gapitel
„Die Engländer”, wo der Verf. ſich fetbft zum Conſervatismus
befennt, iſt eine Stelle kurz und ifolirt genug, bier beiſpiels⸗
weife Raum zu finden.
„D, meine confervativen Freunde, bie Ihr Euch immer
noch fpeciell Gonfervative nennt und alle Sehnen anfpannt,
Euch confervativ zu ermeifen, wollte ber Himmel, ich koͤnnte
Sud) von ber weltalten Thatſache überzeugen — das Schickſal
ſteht nicht fefter als fie —, daß Wahrheit unb Werechtigkeit als
lein fähig find, confervirt und präferoirt zu werden. Was uns
‚ was nicht in Einklang mit Gottes it, wollt
Ihr das auf Bottes weiter Welt zu conferviren ſuchen? Es tft
fo alt, fagt Ihr? Recht; deshalb folltet Ihr vor allen Andern
am fo bißiger und eiliger fein, es nicht Alter werben zu laffen!
Ziüftert die Leifefte Stimme in Euern Herzen, daß es nicht gut
and loͤblich if, fo fputet Such, um bes Gonfervatismus felbft
willen, «6 fireng zu prüfen und, bat es Schuld, es mit einem
Dale umd für immer wegzumerfen. Wie wollt ober Fönnt Ihr
erhalten, was nicht gut und loͤblich ifl? ‚Unmöglichkeit‘ ift taus
fendfacdy darauf gefchrieben. Und Ihr, die Ihe Euch Conſer⸗
vative, Ariftofraten nennt — wären Ehre und Edelmuth auch
von der ganzen Erde gewichen, hätten fie bei Euch nicht die
letzte Zuflucht finden müflen? D Ihr Ungluͤcklichen!“
„Der abgefiorbene Aft muß weggefchnitten werben um bes
Baumes willm. Aut? Nun freilih, zu alt. Mandyen trauris
gen Winter hat er dort gehangen und gekraͤchzt, geknirſcht und
gesappeit mit feinem tobten Sole, die organiiche Subſtanz, die
fortiebende Fiber diefes guten Baumes. Mandy langen Som:
mer bat fein haͤßlich nadtes Braun das ſchoͤne grüne Laub ger
ſchaͤndet. Jeder Tag bat Unheil und das allein geftiftet. Port
damit um des Baumes, wenn auch um nichts Wichtigern wils
len! Und gerade der Gonfervatismus, ber erhalten will, muß
ihn weofdmeiden. Dat kein Forſtkundiger Euch gelehrt, daß
ein abgeflorbener Zweig, den Ihr mit feiner todten Wurzel
dort ſtecken laßt, ein fremder, giftiger Körper, baß er ein kal⸗
ser eiferner Stachel, ein fchauderhaft verrofteter Pflugfchar in
der lebendigen Gubflang, ja, daß er etwas nod viel Schlim⸗
meres ift; denn bei jedem Wetterſturm (Handelskriſis ober bers
gleichen) zappelt ober kraͤchzt er, ſchwingt hin und her und fann
nicht einmal fo ruhig liegen wie Euer kalter eiferner Stachel.”
„Wäre ich bie confervative Partei Englands, nicht für
100,000 Pfund ſtuͤndlich ließ ich bie Korngeſetze fortbeftchen.
und Golconda zufammengenommen lönnten meine Bei⸗
Kimmung nice erkaufen. Zaͤhlt Ihr bie Schaplammern, die
fle in jedem gerechten englifchen Herzen mit bitterer Entruͤſtung
gegen Euch voll häufen? Kennt Ihr die Fragen, nicht nach ben
Getreibepreifen und ber Stela, bie fie jeben bepfenben E
der zwingen, fich zu ftellen® Unloͤsbare, ober annoch ungelöfte
Fragen, tiefer als unfere logiſchen Tiefenmeffer reichen, fo tief,
daß wir flüger thun, fie nicht zu nennen, nicht einmal in Ge⸗
Ihr aber nöthigt uns, an fie zu denken, nöthigt uns,
anzufangen fie zu dußern. Der Anfang, fie auszufprechen, iſt
gemacht und wo, meint Ihr, wird das Ende fein? Wenn zwei
Millionen unferer Mitbrüber in ben Arbeitshäufern figen und
fünf Millionen, wie Jemand freventlich gefpottet bat, ſich an
Kartoffeln laden‘, da gibt e8 Mancherlei, das angefangen wers
ben muß und enden wirb, wie und wo es kann.” 14,
Schriftſtellerleben.
Einer der Unſerigen — ſagt ein Mitarbeiter bes „Journal
des debats‘' — ift geflorben, der junge Laſſailly; ich will fein
traurige Geſchick beichreiben, das lehrreiche, das Riemanden
belehren wird. Auch er war gelommen, wie fo Viele, aus dem
Winter feiner Provinz, den Kopf angefült mit Meifterwerten,
das Portefeuille leer. In fünf ober ſechs Jahren diefes Schrift⸗
ftelleriebeng, weldyes Leib, Seele und Geiſt töbtet, hatte der
arme Juͤngling fein Portefeuitle angefüllt; nunmehr war fein
Portefeuile voll, fein Kopf leer. Ach! es wäre beſſer gewefen,
noch da in feinem Kopfe, ba in feinem Herzen das Wenige zu
laſſen, was ber Liebe Gott hineingelegt hatte, als biefe Schäge
ber Maculatur zu überliefeen. Das wollen fie nicht begreifen,
Diefe und Jene. Sie ſchreiben, fchreiben, träumen, benfen,
verlieren fi in allerlei unmögliche Pbantafiegebilbe, und was
geſchieht? Auf halbem Wege bleiben fie in ihren angefponnenen
Zräumereien fteden. Bon Allem, was Laffailly gefchrieben hat,
tft nur wenig gebrudt worden. Indeſſen hat er ein Buch her⸗
ausgegeben ‚, Les roueries de Trialph”, und diefes Bud lich
fhon ganz den Abgrund erfennen, in weichen fein Verf. fi
zu flürzen im Begriff wor. Es war verrät, Werruͤcktheit
erften Grades. Aber wie ift da zu beifen? Wo ift ber Freund,
welcher warnt? Wer bat heutzutage ben Muth, einem ars
men Zeufel, ber in fein Verderben rennt, zu fagen: Halt inne?
Was ift aus ber Kritik geworben , jegt, wo fie fo gute Dienfte
teiften Eönnte? Die Kritik, o die beſchaut ſich feibft in ihrem
Spiegel, liebäugeit mit ſich, findet ſich ſchoͤn; mas kümmert
fie ein Ungiüdticher, der den Kopf verliert, weil Niemand ihm
mit Rath beifpringt! Die Kritik fchreibt Verschen, Romandıen,
Meine ,Roueries de Trialph“ und laͤßt ben armen Schrifts
ſteller, unterdeffen ſich feibft überlaflen, nady Gefallen zu Grunde
geben. Armer Lafſailly, bie ganze ideale Welt war ihm nicht
weit genug; bie Luft hatte nicht Schlöffer genug, um ihn ges
maͤchlich zu berbergen. Rein, er feßte immer noch Stodwerk
auf Stodwerk, bis ber erfle Windſtoß aus Norden das zere
brechliche Gebäude einer kranken Phantaſie über den Haufen
warf. Gr lief, er zappelte, erarbeitete fi, wie es uns im
Leeren immer ergeht. Er ſchlug ſich Bruſt an Bruft mit bem
Nichts herum, ſchrecklicher Zweikampf, in welchem bie beften
Kräfte, die tüchtigften Antagen erichöpft werben müffen! Was
für lange Gedichte dichtete er! Die „Aeneide“ und bie „Ilias
und das „„Befreite Jeruſalem'“, das Alles ift nichts gegen bie Epos
pden, bie diefer verlorene Sohn ber Poefte ſchuf. Ehe er für
wahnwisig erkannt und erflärt war, fehrieb er ein Journal,
er ganz allein, ein ganzes Journal; ein unerbitrliches Blatt,
worin er unbarmberzig Jeden zerriß, der in biefem Jahrhun⸗
dert eine Feder führte, er nannte fie „ausgefogene Menfchen”,
„abortirte Genies‘, „Romantiker in den letten Zügen‘, „bis
auf den Baden abgenugte Neuerer‘, „Abſchreiber und Literaris
che Diebe”, „Banbiten bie ums liebe Brod fchreiben”. Gr
tannte feine Schonung, er wüthete, er machte feine Opfer zu
Lauter Candidaten bes Tollhauſes, des Tollhauſes, in das man
ihn dann felbft eingefperrt hat. Was iſt uus den verfireuten
Blättern feines Iournals geworden? Geſetzt fie fallen einmal
irgend einem grundgelehrten Dann, einem ehrbaren Literatur:
fermbe (etwa im Audiaude) in bie.ände, fo wird er bie gange
jetzige fran Literatur daran meflen, auf ben literarifchen
Geiſt der einen Gchluß von dem Journal eines Wahnſin⸗
nigen machen! on
Unter andern fixen Ideen hatte er auch bie, ein Theater⸗
dichter zu fein. In einer Zeit der Muße, die er Hrn. Billemain
verbankte,, diefem edeln Schriftſteller, der ein fo mitleibiges
Herz für Alles hat, was leidet, machte Laffailly nichts als Dra⸗
men, Zragdbien, Komödien, Gachen bie feit hundert Jahren
nnablaͤffig gemacht worden find, und die nun fo leicht zu machen
find, daß er vielleicht bei aller feiner Tollheit Leidliches gemacht
bat. Aber alle dieſe ſchoͤnen Arbeiten find wie fein Verſtand
wer weiß wohin! or einigen Wochen begegnete ich ihm auf
dem Quai Voltaice, wo ich Bücher fuchte. Gr war tin, fein
Auge fanft, ex machte ſich eine freie Stunde zu Nutze. „Ach“,
fagte er zu mir,‘ „Mäder wollen Sie kaufen? MWozu? Altes
Beug, veraltete Gebanten, altes beſchmutttes Papier! Gie
thäten beffer nach dem Théatro frangais, in die Probe meines
neuen Schauſpiels zu geben. Wuͤßten Sie, wie das dba gefpielt
wird! Mit welchem Geiſt! Wie feelenvoll! Wie fhöne, junge
Leute! Sonberlich ein Mädchen: von funfzehn, fechäzehn Jahren,
Bas die Liebhaberin macht! Nie habe ich ein nieblicheres We⸗
fen, ein tieblichered Lächeln gefehen! Und der Liebhaber: ber
Zruppe, das ift noch Giner, der meine Berfe recitiren kann!
Komm mit, bu wirft fehen, wie viele Thraͤnen und wie viel
Ein großes, goͤttliches Theater, dieſes Theatre
orme Tolle. Ich ging eine Strecke mit
ifm und unterwegs erzählte er mir eine Geſchichte, die wirk⸗
lich rübrend war. Gr hatte in feinem armen leeren Kopf alle
Arten ſchoͤner Scenen mit Gewalt zufammengefchmiedet, Julia's
Balcon, Hamtet’s Kirchhof, Don Juan's näcdktiiche Wege, Des⸗
Yemona’s Gebet. Es ſchwebten ihm die Bilder von Schönen
wor, die er gefannt hatte, und aus allen biefen Schönheiten
fegte er fich eine einzige zufammen, deren Dante, Ariofto und
Hetrarca er zugleich war. In biefe Liebestollheit einmal hineins
gerathen, die kluͤgſte und gluͤcklichſte von allen Zollheiten , btieb
er nicht ſtehen: fein Auge ‚Härte fih wieder, er fab mild und
gärttich aus, man hörte ihm faft mit Vergnügen zu, kind bei
aller inorbnung feiner Gedanken Hatte er Augenblide von reizen⸗
der Naivetaͤt.
Ach es ſterben Manche ſo erdruͤckt von der Buͤrde des
Schriftftellerlebens. Trauriger Tod! Aber ihr Leben iſt noch
trauriger geweſen. Sie ſind geſtorben im Gefuͤhle ihrer Ohn⸗
macht, und wir koͤnnen ihnen unfer Bedauern, unfer Mitleid,
nicht verſagen. Arme von Gott und Menſchen verlaffene Ge⸗
ſchoͤpfe! Wie gluͤcklich hätten fie fein tönnen mit etwas mehr
Seiſt; was fage ich? giüdti mit etwas weniger Geift! Denn
fonft — eiend ift auch Gervantes, Camoens, Spenſer, Dry
den, Gotbfmith, Fielding geweien, und wie farb Taſſo, wie
Marb Shatterten ! A8.
———— — — — —
Bibliographie.
Abeken, W., Mittelitalien vor den Zeiten römifcher Herr:
ſchaft; nach feinen Denkmalen dargefteitt. Mit 11 lithographir⸗
ten Tafeln. Stuttgart, Gotta. Gr. 8. 3 Thir. 71, Nor.
Althof, 3. &., üder bie Verwerflichkeit ber Todesſtrafe
und was für jetzt in Deutſchland an deren Stelle zu ſetzen.
Rinteln, Boͤſendabl. Gr. 8. 20 Nor.
Sechster Bericht über das Beſtehen und Wirken bes hiſto⸗
Iche Vereins zu Bamberg. Bamberg, Zuͤberlein. &r. 8,
gr
francais."
So ſprach der
teſt“.
Homann. 8. 3%, Nor.
Farode, F. W., Über daB fogenannte germaniſche und
das fogenannte chriſtliche Staatsprinzip, mit befonderer Bezie⸗
Sommer.
Sertholdi, Proteſt gegen Dr. Kniewel's „Offenen Pro: I
Gin Büdlein für Gläubige und Ungläubige. Danzig, | 25. Auguft 1843 bringt
| Städwunfd bar.
bung auf Minursmbrediee, Stahl unb Mathaß. Ciegen, Trike
ch. Br. 8. 3 The. 10 Nur.
*8 don deutschen Mittel ters. Ister Band: der
unge Not u lage, herausgegeben von A.
Vollmer. Leipaig, Göschen. Gr. 8. 1 Thlr. "
— — Band: Tristan und Isolt, von Gottfried
von Strassburg, herausgegeben von H. F. Massmann. Leip-
sig, Göschen. Gr. 8 1 Thlr.
Emmid, W., Berſuch einer überſicht ſaͤnuntlicher befann
ter Bauwerke der B und deren Denkmaͤler, alt Beitreg
m te und Archäologie der Baukunſt. Mit einem Tite⸗
er. Branffurt a. O., Darneder u. Gomp. 8. DW Rar.
Feſtgruß an ein neues alademifches Jahrhundert Gin
chriſtüches Wort zum Frieden zwiſchen den Gläubigen ale
Eonfeſſionen. Bei Gelegenheit der 100jährigen Iubeifeier ver
Univerfität Grlangen. yreuth, Buchner. Gr. 8. 10 Nr.
Eine Heine Gabe am hundertjährigen Geburtstage des Hin.
Joh. Georg Bteufel, weil. geh. Hofraths und Töniel Uni:
ſitaͤts⸗ Profeffors in Erlangen, zu feinem ehrenden Andenken bei
der diesjährigen Saͤcularfeier der dortigen Univerſitaͤt darge
bracht. Grlangen, Palm. 8. 2, Nor. |
Gerhard, R., Symboliler und Antifgmboliter. Workter
iſt der Streit? Kar umd beutfch beantwortet. Bretlau, Hirt.
Sr. 8. 25 Rgr.
Hamilton, 8. 3., Reifen in Kleinafien, Pontus u
Armenien nebft antiquariſchen und geologiſchen Korfdyunge.
Deutſch von O. Schomburgk. Nebft Zufägen und Beridti
gungen von H. Kiepert und einem Vorwort von ©. Ritter.
Zwei Bände, jeber mit zwei Anfldhten und einer Karte. Leipzig,
Beidmann. Br. 9. 6 Thir. 15 gr.
Deutfcher Jugendalmanach. 1844. Herausgegeben von I.
Mit 60 dofänitten und zwei Stapiflichen. Leip⸗
zig, Teubner.eft. 8. 10 Nor.
Kern jeder Erziehungslehre. Münfter, Deiters. 5 Nor.
Le Sage, Der binkende Teufel. Neue forgfältige i
tragung. Mit Holzſchnitten nach Tony Johannot. Iſtes um
us Bänden. Stuttgart, Scheibe, Rieger und Sattler. 1,
4 gr.
In erederbudh des deutſchen Michel. Leipzig, Peter. Gr. D.
r.
Antike Marmorwerke, zum ersten Male bekanıt gr
macht von E. Braun. te und 2to Decade. Leipzig, Brock-
haus. Gr. Folie. 8 Thlr.
Nagel, L. J., Sendſchreiben an den Herrn Yale
Moll u eockeniz. Gin Beitrag zur Union. Gtettin, Be.
. gr.
Deickers, T., Zolle Welt. Ein Roman. Zwei Theile
Leipzig, Peter. 8. 3 Ihr.
Penelope. Taſchenbuch für das Jahr 1844. Herausgege⸗
ben von Th. Hell. Neue Folge. Ater Jahrgang. Mit dui
Stahlſtichen. Feipzig, Hinrichs. KL 8. 1Thir. 20 Rer.
Reimlein, Unfer Erlangen. NReminiscenzen eines Bir
zigers. Erlangen, Palm. 8. MN Nor.
Sapper/ A., utrich. Gin dramatiſches Gedicht. Stru⸗
gart, Becher. 8. 1 Thir. 3%, Nor.
Stengel, $ranzista von, Das apulifcke Kind. Pike
riſcher Roman. Leipzig, Melzer. 8. 1Thir. 15 Rar.
Gine Stimme für Abfehaffung der Todesſtrafe und ber fr
yerlichen Zächtigung. Hervorgerufen burch den Enhourf ua
neuen Strafgefebbuche für die preußiſchen Staaten. Damit,
Homann. 8. 3%, Rer.
s uohlgemut, H., Beitgedichte. Manheim, Hoff. Gr. 13.
gr.
Zum Zubelfefte der Univerfität Griangen am 23., 4. und
ein Freund bes Vaterlandes ſeinen
Inhalt: „Bin Bierteljahrhundert konſtittin
nellen Lebens in Beutſchland.⸗Erlangen, Palm und Exit.
8. 2%, Rot. |
Verantwortlier Herauegeber: Heinrich Brockhaus. — Drud und Verlag von 5. X. Brochaus in Leipzig
[4
/
Bırt er
für
(iterarifhe Unterhaltung.
Sonntag, —
Zur Radridt.
Ben diefer Zeitfchrift erfcheint außer den Beilagen täglich eine Nummer und iſt der Preis ben Jahrgan
12 The. Ale Buchhandlungen in und außer Deutfchland nehmen Beſtelumg. darauf an; De alle ont
die ih an die koͤnigl. fd
Halle wenden.
che Zeitungsexpedition in Leipzig oder das
Die Verfendung findet in Wochenlieferungen und in DMonatäheften ftatt.
nigl. preußifche Grenzpoſtamt in
Sofeph Freiherr von Eichendorff.
of i Eichendorfſs Werke. Vier Theile.
a RE
m einer bäbfchen Geſammtausgabe Liegen hier die
Werke eines Dichter® vor und, der mit feinen Liedern
manches Herz erfreut hat, und welcher hoffentlich mit die: |
fe Gammlung feiner Schriften nicht fein literariſches
Zeſtament wird gemacht haben wollen. Wie die Natur,
sin Hauptgegenfland feiner Muſe, bleibt auch ſeine Poeſie
feifh und jung, und wir erwarten von ihr noch mandye
(höne Gabe, manchen duftigen, perienden Blumenftrauß,
Die Sammtiung iſt dem Könige von Preußen, Fried:
ih Wilhelm IV., gewidntet, mit einem Gonett, das wir
bier folgen Saffen, um einige Bemerkungen daran zu
knuͤpfen:
Ein Eiland, das die Zeiten nicht verſanden,
SIT
| er men,
Der Wetter bricht und Weltwig macht zu Schanden:
Dorthin kehrſt du das Schiff aus wildem Bimanben,
Wie auch die Wogen fich hoffaͤrtig baͤumen,
Das Steuer Ienfend durch das eitle Schäumen,
Am heiffgen Heimatsſtrand dein Bott zu landen.
Dorther audy flammt der Polfte Gebilde,
Inb mahnend zielt nach jenen ſtillen Höhen
Des Dichters Lied, daß Keimmech fh erneue.
Ein Zeh ner ifi’s — laß in dis Seget milde,
um deinen Banner, hoher Herr, ibn umben, - -
Es iſt ber Herzensklang der alten Treue.
In doppelter Hinſicht feheint uns dies Sonett bemer:
kenswerth, einmal, fofeen es das Bewußtſein des Did
ters von dem Charakter, dena innerſten Geiſte, dem letzten
Biete ſowie des Heimat folmer Poeſie (und ſeine Uns
Br vom Weſen und um der Beſtimmuug des Poefle
überhaupt) ausfpriht, und ſodann, weil er darin feine
Porfie in ein beſtimmtes Werhättuiß feige zu einenn Res
genten, der .anf die Zukunft des, deutſchen Baterland eb
nen unberechenbar großen Einfluß auszuüben durch feine
hohe Stellung in einer entwicklungsſchwangern Zeit berw
fm if. Unb zwar wird die Annahme erlaubt fein, baf
bie Auffaſſung und Beazeichnung dieſes Dun -
den Dichter Anerkennung und Gmebmigung sefunbe
babe, zumal da hierfür auch andere bekannte Umſtaͤnde
fprechen ; Preußens Regent hat den Anfang feines Regie⸗
wung mit Beweiſen von Huld gegen mehr Dichter ber
zeichnet, haupeſaͤchlich gegen ſolche Dichter, weiche in dyes
rakeeriſtiſchen Punkten mit Eichendorff zsufanınentueffen.
E. M. Arndt, ber ehrenfefte, wadere, fromme Oichter,
wurde von ihm aufs ehrenvollſte feiner akademſchen Thaͤ⸗
tigkeit zurückgegeben; der Baron v. Fonqué, der ritterliche
Dichter der „Undine” und des „Zauberriug“, glaubte
feinen Wohnſttz in die unmittelbare Naͤhe des Könisk
verlegen zu follen, unb hatte ſich der Beweiſe feiner
Gnade zu erferuen; der greife Großmeiſter der Romanti⸗
bee endlich, 2. Tieck, wurde ganz für Berlin, fho die win
bigfte Exheiterung der Mußeſtunden des Könige gerapmmeit.
Wenngleich num die Annahme, daß eine beſtimmte poe⸗
tiſche Schule oder Richtung ausſchließl ich aufgenum⸗
tert umb beghnitigt werbe, duch mauchs Thatſachen ent⸗
ſchieden widerlege wird, fo iſt doch wol Dus benfe unwir
beufprechlich als es natuͤrlich iſt, daß ein Fink von Ge
Jſchmack und Principlen auch in der Literatur und Pool
das ihm Homogene herausfinde, und daß er, wo nicht
nur die Form feinen Goſchmack befriedigt, ſondern auch
der Inhalt und bie Tendenz feinen Princhien und As
fichten ontfpeicht, an der Muſe nicht bios eine erheissrube
Freundin, fondern auch eine fchaͤtzbare Bunbesgenoffer er
Senne. Dies hat der Dichter in dem -obmfichenden: Ges
nett angedeutet, nicht zweifelud an der Iafkiunemuug umb
dei Vetfal ‚ am den es gerichtet if. Als Auf⸗
gabe und Xofiche des Fuͤrſten beachtet er, fein Weik zu
dem heiligen Eiland — ber frommen Geffnnung, ums
den moͤgtichft allgemeinen Ausdruck zu gebrauchen — mb
BEE" " un,
ber Brandung durch eitle Wogenſchaͤume zu fleuern, «6
zum heiligen Heimatsſtrand zu führen. Hierin ihm bei-
zuftehen, wenn aud nur mit der Kraft eines leifen Hau:
ches, fei die Aufgabe ber Poefie, die derfelben Heimat ent:
figgmt — dem Grunde ber tiefen Piecat —, die Er
udseung, die Sehnſucht, das meh nach dem Heili⸗
gen und Himmlifhen zu beleben, zu erneuern, mit flanb:
bafter Treue ſtrebe. So ſchoͤn dies lautet, und fo bereit:
willig man die tiefere, darin liegende Wahrheit anerken:
nen mag, daß ber irdifche Herrſcher, und der Beſaͤnftiger
und Bildner der Geifter, der Poet, von der gleichen Ge:
finnung, von dem Geift und Ernſt der Pietdt, von ber
Ehrfurcht vor dem Heiligen, von Achtung für das echt
und rein Menfchliche erfüllt fein follen, um wohlthätig
und nachhaltig je in ihrer Sphäre zu wirken: fo wuͤrde
26 doch ſchwer fein, die bildlichen Ausdrüde des Sonetts
fo im die unbildliche Sprache zu überfegen, daß fie ſich
doch nicht in abſtracte Allgemeinheiten auflöften, — und
dann doch noch die Aufgabe des Dichters als zufammen-
treffend mit dem Beſtreben des Fürften erſchiene. Die
politiſche Thätigkeit, wenn auch geleitet und befreit von
gemürblichen, fittlichen und refigiöfen Geſinnungen, ift doch
nothwendig auf die Realität gerichtet, und wenn fie in
Folge hiervon allerdings eher einen fichtbaren Erfolg be:
wirken, durch Kraft und Einſicht manches Gute erzwingen
Bann, fo findet fie dad) andererfeits gerade an der Wirkitchs
eit, die ihre Sphäre ift, ihre Scheanten und Hemmun⸗
gen; fie iſt gebunden an Gefeg und Recht und hat fih
zu hüten, daß fie nicht, indem fie die Öffentlichen Juſti⸗
tutiowen und. Verhältnifje durch die wohlmeinendſte Einmi⸗
fchung von gemüthlichen, fittlicgen und cefigiöfen Beweg⸗
grimden feſter zu begründen und zu weihen ſucht, in bie
Sphäre der individuellen Freiheit und Überzeugung vers
(spend eingreife und das Recht erfchüttere, indem fie es
am tieflten zu -begründen ſtrebt. Bon diefen Demmmun:
gen und Schranken weiß der Dichter nichts; er fpricht
feine Zwangsgewalt Über die Gemüther an, feine Herr:
ſchaft, fein Einfluß ift etwas ganz Freiwilliges, und er
mag feinen perfönlichfien Vor⸗ und Abneigungen, feinen
Dhantafien und Liebhabereien ganz frei den Zügel fchießen
laſſen; er iſt Niemand dafür verantwortlich, weil nicht Die
Erde mit ihren Geſetzen und Rechten, weil der freie Äther fein
Reich if. Er braucht fih in Niemand hineinzudenken,
fi Niemand anzubequemen; wer ihm nicht folgen mag,
der bleibt zuruick; aber der Herricher hat die Werpflichtung,
ih in ben Geiſt feines Volks hineinzuverfegen, fich ihm
fo viel ald möglich, anzubequemen, mit den gefundeften,
ehchtigſten, reifften Geſinnungen und Elementen ſich zu
sermäbien, und fo viel es nur immer umbefchadet dee
amumgänglichen Kraft. der Einheit im Organismus des
Staats möglich iſt, die individuelle Freiheit gewähren zu
toffen. Von einer gewiſſen Seite betrachtet jedoch find
wein gemeigt, bei dem Regenten, ber eine große Aufgabe
su föfen hat, eine Anlage zu erwarten und zu wünfchen,
die man .fonft cher dem Dichter zuzuſchreiben pflegt: bie
grophetifche naͤmlich. Wir wollen bier nicht weis
Ghufig waterfuchen, in welhen Sinne ber Dichter in
Prophet genannt worden iſt umb genannt werden kan:
fo viel Recht ibm auf diefen Ehrentitel zuſtehen mag we:
möge ber Überrafchenden, wunberbaren Klarheit und Wahr:
heit feiner Aufhauunggr von Dingen, Zuſtaͤnden um
Charakteren, die er nit durch ſtunilchr Mahmehmuyg
und Erfahrung kenat, fo wird ME dodh feinen Anfpıug
am wenigſten auf feine Kenntniß und Verkuͤndigung dr
Zukunft gründen wollen, denn bie Zukunft iſt nice
das Reich des Dichters, fondern bie Gegenwart oder hi
Vergangenheit, in weicher er freilich oft erſchaut und ſcl
dert, was alten Zeiten, mithin aud) der fünftigen, ang:
Hört. Aber der Herrſcher muß den Sinn und Inſtinc
der Zukunft haben; denn im Voͤlkerleben, in der Or
Fichte iſt Alles Vorwaͤrtsſchreiten, Entwidelung; un ſo
wenig es einem Regenten anftände, feinen prophetiiden
Blick durch ungebuldiges, haſtiges Erperinsentiren bemit:
ren zu wollen, fo unentbehrlich iſt ibm doch ein Bee
ſtaͤndniß der Gegenwart, weiches die Keime künftiger Ge
flaltungen und Entwidelungen erkennt, der Glaube an ir
Entwidelungsfähigkeit, an die Verjuͤngungsktaft der Vi
ker. Viel chut hierzu das richtige Verſtaͤndniß der er
gangenheit, aber es thut und iſt nicht Alles; es era
nicht das Vertrauen zu bem lebendigen Geiſt der Gem
wart, bie durch eine weile und liebevolle Führung einn
ſchoͤnen, fruchtreichen Zukunft entgegengeleitet werden wil,
Ein von den Schägen und Lehren der Gefchichte, von Im
großen und ehrwürdigen Überlieferungen der nähen um
fernern Vergangenheit genährter, von den heiligen Mit:
ten, bie zu aller Zeit über der Menſchheit gemaltet un
fih in ihren Geſchicken bewährt haben, innig dutchdtun⸗
gener Geiſt wird auch mit der ſicherſten Hand die Keim
der Zukunft ſaͤen, der künftigen Entwickelung die Behe
bereiten; aber er wird auch aufs tiefſte durchdrungen fein
von der Überzeugung, daß die Aufgabe umd das Heil de
gelhichtlichen Lebens vorwärts und nicht ruͤckwaͤrts liege;
daß, mas Schmud und Blüte eines Zeitalterd war, einem
andern darum nicht aud in berfeiben Weife ſich aneignm
oder aufpropfen laſſez daß der Menfch feine indioidurlen
Wuͤnſche, Phantafien, Neigungen und Gefühle nicht I:
ten den Pflichten des für das Allgemeine lebenden Staats:
mannes unterordnen und aufopfeen muͤſſe. in porti:
[her Geiſt mag mol lieber in der von Geſtalten erfil:
ten Vergangenheit als in der leeren und geſtaltloſen Ju:
Eunft weilen; die Stimmung eines Dichters ann fü
als Sehnſucht, als eine Art Heimweh nad dem Une
flande der Menſchheit, nad) dem Paradies, oder nah
dem ſchoͤnen und genußvollen Leben bes griechiſchen At
terthums, oder nach den in vieler Hinficht fin
und ehrwürdigen Inſtitutionen und Organifationen ii
Mettelalters geftaltn: aber der Mann bes Handeln,
ber That, muß immer nach vorwärts den Blick gerih
tet haben, er muß auch da, two er das Alte herſtell
und befeftigt, e& in dem Sinne thun, daß daB Alte, ſich
verjuͤngend, ein Neues, — eine kebendige Schoͤpfung nid!
eine ſtarre Meftauration werdbe.
Man verzeihe diefe Abſchweifung; fie iſt vielleicht nicht
gay außer Ihm Orte. Eichendorff, einer der ausge
zeichnetſten ber noch lebenden Nomantiber, bet in bem
obigen Sonett die gefammte Tendenz feiner Poefie in
eine innere Verbindung geſetzt mit einer Richtung ber
Politik, die er für die einzig beilfame hält, und die er
eingefchlagen zu ſehen hofft, oder ſchon befolgt. glaubt.
Bon einer andern Seite dagegen bat man in neueren Zei⸗
ten der Romantik den entfchiebenften, bitterften Krieg er:
klaͤrt, und bat darunter nicht blos eine gewiſſe Richtung
und Schule der Poefie verftanden, fondern mit weitgrei⸗
fender Willkuͤr mit diefem Collectivnamen Altes in den
entfchiedenften Sphären der Kiteratur, der Poeſie, der Kunft,
der MWiffenfchaft, der Religion, des Staats bezeichnet, was
ber dictatorifchen Berftandesphilofophie und modernften Aufs
Härerei, was dem Senfualismus und Formalismus unferer
Zeit widerfpricht; und die unter ſich ungleichften, wider⸗
ftrebendften Richtungen, Charaktere, Werke der Kunft und
Poeſie und Wiffenfhaft mußten es fich gefallen Laffen,
mit dem Stricke jener Kategorie ertwürgt zu werden. Mit
einiger Kunft in den Übergängen und in der Gruppirung
ift es auch gar nicht ſchwer, vom barmlofen Poeten, der
im grünen Waldesdunkel der Stimme der Natur Laufcht,
in mondbeglänzten Baubernäcdhten und wundervollen Mär:
chenwelten fchwärmt, einen Zuſammenhang und am Ende
eine innere Weſenseinheit nachzuweiſen mit dem crafleften
Dbfeuranten und dem Nege fpinnenden Jefniten ; reactions
naire Staatsmänner, Ariſtokraten, Myſtiker, Geifterfeher,
Fanatiker laſſen ſich gar leicht und bequem in Einen Sack
ſchieben mit Maͤnnern, die mit ihnen ſo gut wie Nichts |
gemein haben, aber auch anders denken und fühlen als
die Apoftel der neueften, abfoluten Weisheit.
von zwei Seiten, in entgegengefeßtem Sinn und Intereſſe,
die Romantik mit der Politik, mit dem handelnden Leben
in eine engere Beziehung zu fegen gefucht. Hicr will man
die Romantik verdädtig, man will fie verantwortlich ma:
chen für die Beftrebungen und Schritte der Reaction, des
Obſcurantismus, des Fanatismus und aller möglichen
Ausichweifungen und Verirrungen; dort nimmt man für
die Poefie, die romantifche Poefie, die Ehre in Anfpruch,
an den Beflrebungen und Leiftungen der Höchften Politik
Antheil zu nehmen, fich ihnen in der Gefinnung, im
Geiſt anzufchließen, und ertheilt diefen fo zu fagen ben
Segen und die Weihe ber Poefie. Aber es will uns be:
danken, daß diefe Verknüpfung von Romantik und Pos
titiE, in dem einen oder im andern Sinne, thelie un de⸗
rechtigt und unbegründet, theils auch hoͤchſt uner⸗
fprießtich ſei. Das Letztere wird man leicht zugeben;
was fol, in Wahrheit, die Poeſie in der jegigen Zeit ge:
winnen durch fürflliche Protection und Gnade? und was
die Fürflfichkeit, die Kraft und dad Anfehen einer Regie⸗
mg durch eine etwaige Übereinftimmung mit den Nei⸗
gungen und Phantafien ber Romantik? Was aber das
Erftere betrifft, fo glauben vole nimmermehr, daß die tief:
fen bewegenden Principien einer Politik und die tiefften
Idem der. zamantifchen Poeſie, trog mancher äußern Be⸗
ruͤhrungspunkte und Ähnlichkeiten, diefelben ſeien; wit
glauben, daß in der Politik immer praßtifche Intereffen
«6 find, welche am Ende den. Ausſchlag geben, welche eis
So wild
wie Syſtem fen Eharaluer aufdtoͤcken, waͤhrend bie
romantiſche Poeſie, wie alte echte Poeſte, Sache ber freirn
Stimmung, ohne Vorſatz und Berechnung, iſt; ein Staats
mann kann bei den gleichen politifchen Anfichten und Grund:
fügen ein Gönner und Freund der romantiſchen Poeſie,
oder der ihr eutgegengeſetzten, wie man fie bezeichne —
oder auch ein Veraͤchter von beiden feinz und ein Dich⸗
ter kann in ber Poefie das Romantifihe Lieben und in
der Politik den Ideen der neuen Zeit anhängen, ebenfo
gut wie das Umgekehrte.
(Die Yortfegung folgt. )
Histoire civile, morale et monumentale de Paris de-
puis les temps les plus reculds jusqu’ä nos jours par
J. L. Belin et A. Pujol, Paris 1843,
Es war ein ganz zweckmaͤßiges Unternehmen, einmal eine
überfichtliche Gefchichte der ungeheuern Weltſtadt, die von ben
Einen als der Suͤndenpfuhl werfchrieen, von ben Andern als ber
Himmel auf Erden gepriefen wird, zu liefern. Was bie ungähe
ligen Guides, Kenpsakes und Handbuͤcher von der Gefchichte
von Paris und feinen wichtigften Straßen unb ben denkwuͤrdigen
Meonumenten geben, ift meiftens fo loſe zufammengefüst und fo
ungenau, daß es gar keinen Werth hat. Dulaure's befanntes
Wert aber, das gegenwärtig erſt wieder in einer neuen Auflage
erſcheint, ift gar zu umfangreih. Auch bebarf es trog ber vers
fehtebenen Ausgaben body immer noch mannichfacher Berichtigungen.
Die Berf. obigen Werts haben bei ihrer Darfiellung das richtige
Map zwifchen bem Zuviel und dem Zuwenig zu treffen gewußt.
Zrogbem dad Ganze kurz und zum Theil aphoriſtiſch gebalten
ift, laͤßt es doch eine fortlaufende Lecture zu und bietet tem Les
fer einen ungebeuern Schatz einzelner intereffanter Notizen
Wir heben aus benfelben einige hervor, die für dieſe Blaͤter
von befonderm Interefie fein dürften. Sie betreffen bie große
königliche Bibliothek, deren Geſchichte wir Bier auf wenigen
Seiten überfitlich erhalten. Die Könige der erften und zweis
ten Dynaftie hatten feine eigentlihen Bibliotheken. Erft Lud⸗
wig der Heilige war im Beſitz einer Sammlung von Manu⸗
feripten, bie er aus dem Morgenlanbe mitgebradht hatte, die
fi) aber nad feinem Tode wieder vireingelten. Auch der Kös
nig Johann hatte eine Bibliothek, die aber nur aus zehn bis
zwanzig Büchern beftand. Kart V., fein Nachfolger, ber die
Wiſſenſchaften liebte und befärberte, brachte dieſe Anzahl bis
auf MI Bände, die er im Louvre in dem „Tour de la li-
| brairie’ aufftellen ließ. Gillet:Matet, fein Bibliothekar, fehte
im 3. 1373 ein Verzeichniß diefer Bücher auf, das noch auf
uns gekommen ift. Diefe Sammlung war naͤchſt der der Sor⸗
bonne, bie vom heiligen Ludwig angelegt war und hie im
3. 1290 mehr als 1000 Bände enthielt, die bedeutenpfte,
welche Paris um biefe Zeit aufzumeifen hatte. Nach dem Tode
Kart’ V. wurbe ein Theil feiner Bibliothek zerftreut, ſodaß fie
im 3. 1423, troß ber neuen Bücher, mit denen man fie be
reicherte, doc nur 858 Bände zählte. Der Herzog von Bed⸗
fort Faufte fie und Iieß fie nach England bringen.
Ludwig XI. vereinigte die Wücher, welche ſich noch von
Karl V. her in den verſchiedenen koͤniglichen Reſidenzen befanden,
= einer Sammlung, zu ber er noch mehre neu angelchaffte
erke binzufügte.- Ludwig XI. und Kari VIII. vermehrten
diefen Anfang einer Bibliothek betraͤchtlich. Erſterer ließ fie
nach Blois bringen, von wo fie Kranz I. wieder nach Fontai⸗
nebleau ſchaffte und mit einem bedeutenden Zuwachs griechifcher
und orientalifher Manuſcripte bereicherte. Heinrich IV. verlegte
bie Bibliothet im 3. 1594 in bas College de Clermont zu
Paris und vereinigte damit die von Katherine von Medici
binterlaffene Sammlung hebraͤiſcher, griechifcher, Lateinifcher,
arabiſcher, franzoͤſiſcher und italieniſcher Manufcripte, deren
I auf mehr als. 80 angegeien wird. Eubwig SIE. ſchaſſe
pen nicht unbebeuteube Anzahl orientaliſcher Handſchriften an
und ertieß im 3. 1617 ein Geſet, daß Jedermann, der ein
Bud druden oder in den Handel kommen ließe, gehalten fein
folte, zwei Sremplare davon der koͤniglichen Bibliothek verab⸗
folgen zu laffn. Gegen Ende ber Regierung dieſes Königs
wer bie Bibliothek auf 16,746 Wände geſtiegen. Bedeutenden
Zuwachs erhielt fie unter Lubwig XIV. Go wurden naments
üch von Golbert mehre Privatbibliotheten angelauft und mit
der großen Sammlung verſchmolzen. Im 3. 1684 zaͤhlte fie
10,542 Manufcripte und etwa 40,000 Bände gebradter chen,
worunter die Kupferftiche und Landkarten noch nicht einmal mit
begriffen waren. Louvois ſchickte — was auch ſchon Golbert
gethan hatte — Gelehrte auf Reiſen, um bie koͤnigliche Biblio⸗
thet durch neue Ankäufe zu bereichern und gab insbefondere ben
Geſandten bei ben verſchiedenen Mächten den Auftrag, feltene
Bücher und vorzuͤglich Eoftbare Handſchriften zu erwerben.
Auch erneuerte er (1689) das Geſetz, daß jeder Buchhaͤndler
wei Sremplare feiner Verlagswerke abzugeben haben follte.
Gun J. 1697 erhieit die Bibliothek 42 Baͤnde chineſiſcher Werke,
weiche der Kaiſer von China dem Könige zum Geſchenk machte.
Indeſſen hatte bie königliche Sammlung ſchon vier Bänbe, bie
in dieſer Sprache verfaßt waren, aufzumeifen. Im 3. 1666
war die Bibliothek in die Rus Vivienne verlegt werben, nadıs
nom fie ſchon zuvor von einem Orte zum andern gemandert was.
Im J. 1 warb fie im Hotel de Nevers aufgeſtellt, weil
fie ſich in fo reißender Progrefflon vermehrte, daß ihr bie bis⸗
berigen Locale nicht mehr genägten. Im J. 1790 zählte man
200,00 gedrudte Werke, deren Anzahl jest auf 450,000 ges
fliegen if, wozu noch wenigftens ebenſo viele Broſchaͤren und
chriften fommm. Man rechnet, daß fie jebes Jahr um
Nationalwerke vermehrt wird. Die Zahl der Handſchriſ
ten, die jegt zur großen Bibliothek gebören, wird auf 60,000
und bie der Kupferftiche auf 1 Mi. 600,000 angegeben, ar
yorron hatte den Plan gefaßt, bie ganze Bibliothek im noͤrd⸗
Kchyen Theile des Louvre aufzuſtellen, beffen Aufbau er mit vie
ser Energie betreiben ließ. Ob dieſes Project wieber aufgenam
mm werden wird, ift noch zweifelhaft.
Pietismus in England.
Ders. Sherwood's Buch für junge Srauenzimmer der mitt:
lern und höhern Stände, welches unter dem Zitel „The lady
of ıhe Manor’ (die Landebeifrau) erſchien und fleben Bände
umfaßt, bat bis zum 3. 1843 in England bereits vier Auflagen
erlebt. Es enthält Geſchichten, die es felbft als „Evangeliſche
Erzählungen” bezeichnet, d.h. Erzählungen im Sinne der Evan:
gelifchen, mit andern Worten ber Pietiften; Gefchichten, bie
alle ven Grund haben, die tiefe innere Verderbniß der menſch⸗
lihen Ratur aufs empörenbfle zu fchlldern, und damit enden, daß
die feelenfhwarzen Heldinnen ſich mit Huͤlfe einer frommen
Perſon ober fonft wie befehren, und durch das Evangelium er:
weden laffen, ihree Sünden Menge auf das Lamm zu werfen
u. f. w. Der Unfug, den die Verf. in ihrer Gefchichte treibt,
das BSittenverberbliche, welches für die jumgen Gemüther, denen
es gewidmet iſt, darin liegt, hat das n Quarterly review ’'
yermocht, endlich in einem ausführlichen Artikel dagegen zu
Beibe zu ziehen. Schon Recht! Der Rec. findet es fäioer zu
egreifen, daß ein fo unmwahres, unpfochologifches, aller Vor⸗
güne baares und obenein dickleibiges und Eoflfpieliges Buch vier
uflagen erieben konnte; und er kann ſich dies nur daraus er:
Slären, daß es einer zahlreichen und vermöglichen Giaffe der
Geſellſchaft gewidmet if, die in iprem Eifer für die Beförderung
Deſſen, was fie für Religion hält, und in ihrer Zuvorkom⸗
menheit gegen Ale, die fle als „Arbeiter im Weinberge’ ans
legt, nicht genauer prüft und bedenkt, was Ihr unter ſolchem
Zitel und Schild angeboten wird. Er findet dann das Unglüd
darin gewurzelt, daß fich dieſe Frommen, diefe Evangeliſchen,
J in Bezug
ſolche
war nicht foͤrmlich feparkten, aber boch innerlich abadiftm
—** Kreiſen bilden, nicht in ihrem Schooſe trage, nick
aufmuntere ober irgendwie deguͤnſtige, ſondern bekaͤmpfe uns
von ſich ausſchließe, was draͤngt Jene von dem Profeß der
etablirten Kirchengemeinſchaft hinweg? Nichts Anderes als dei
Ungenögen, w in dem —2 Weſen finden. Bi
fo atfo bie Kirche hellend auf Jene wirken, be fie ihnen zit
gibt, was fie bebärfen? Und was hält ihnen die Kirche at:
gegen, um bie Auswuͤchſe als ſolche zu erkennen und zu bezeich
nen? Ihre eigenen beffern, anders bafirten Sagın en? Rein!
Ihre Sagungen ruhen auf demfelben Grunde. ie Sch vr
d buoch verberh
der buch und d ten Natur, dieſe Bluttheorie der
Berföhnung und Altes, womit Jene den bitterſten Ernft madkn,
bat fie Wodurch rectificirt fie nun biefe von ihs feihk
anerfannten Lehren? Wenn fie fie rectificirt, nicht dadurch, daf
fe biefe etablirte Kirche mit biefen und dieſen Satzungen if,
ondern dadurch, daß fie immer noch bie WBefonnenheit behät,
auf das Weſen der menſchtichen Natur zurkilzugehen. Se
rectificirt das fpecififcg Kirchliche dadurch, daB fie das fpecifih
Kirchliche augenblicklich aufgibt, und allgemein menſchliche, fit
lie Principien geltend macht. Und Das thut bie Kirche nicht
einmal unter allen Umftänden, fondern nur, wenn ei geom
Diejenigen frommt, weiche eine gewiffe Abſonderung wollen un
bewerkſtelligen; aber wenn es ihr ſelbſt Abbruch thun koͤnen
auf ihre Autorität und Geltung, thut fie ed nik,
fondern macht dann fogleich wieder die ganze Echroffpeit der
etablirten Satzung geltend, Das Chriftenthum begann mit be
Befreiung vom j bifhen Pharifditmus. Kaum war das Eher
ſtenthum ats Kirche etablirt, fo war der chrifttiche Pyarifdisun
ba: bie Geifter wurben wieber gebunden, wicht mehr durch ie
alten Gpeifegefege und Geremonienvorfchriften, fondern durh
neue ganz derjelben Art und obenein burch noch weit Schlimmertl,
durch Enechtende Staubensnormen.
mit Befreiung von biefem Pharifkismus und kaum waren pr:
teftantifche Kirchen etablirt, fo knechteten fie bie Geifter aber
malt mit Orthodoxie, GSymbolzwang, Gabbatfirenge Dis
Spriftentyum begann damit, dad Grundgefeg der allgemeine
Menſchennatur, die menſchliche Liebe zu promulgiren, und zwar
bie Liebe ohne alles Anfehen ber Perfon, des Wolkscharaktri,
der Glaubensverſchiedenheit, wie unter Auderm die Seſchihe
vom barmberzigen Gamarite zeigt. Und kaum war ix
Kirche etablist, fo verwandelte fie bie Vorſchrift ber allgemein
Liebe in die Vorſchrift der Liebe zu den Gieichglaͤubigen un
batte für die Andersgläubigen flatt aller Wohlthat Stheiterhaufen
und Henkerbeile. Darum weift den auf Grund von Kicker
lehren Irrenden nicht an bie established okurch, nicht an aut
wohlorganiſertes Biſchofthum, an eure twerfpeilige Regeimähig
keit, an eure flets ber Rectification bebürftigen Gagunger,
fondern weift ihn te uno ehrlich an Das, mas Ghrifel
gerollt bat (Luc. 10, 33): „daß der Menfih zum Dad
Literarifhe Anzeige.
Durch alle Buchhandlungen it von J. IE. Brockhau⸗
in Reipsia zu — gen iR Be
Bericht vom Jahre 1843 an die Mitglieder der Deut
ſchen Geſellſchaft zu Erforſchung vaterlaͤndiſcher Sprache
und Alterthuͤmer in Leipzig, Herausgegeben von be
Sefchäftsführer der Gefeufhaft Dr. R, A. Eſpe.
Gr. 8. 88 12 Ngr.
Die Berichte vom Jahre 1835—423 Haben denſelben Preis.
Verantwortlicher Herausgeber: Heiarich Brockhaus. — Drud und Berlag von J. X. Brodhaus in Leipzig
Die Reformation begamı
Blätter
literariſche
für
Unterhaltung.
Zoſeph Freiherr von Eichendorff.
(Zortfetquag aus Nr, 9.)
Eichendorff hat aber auch in jenem Sonett den Cha⸗
rakter, das Weſen feiner Poefie in der Kürze ausgeſpro⸗
chen; und dies iſt der zweite Punkt, bei dem wir verwei⸗
tm. Die Poeſie iſt ihm der Zug des tiefſten Gemüths
zu der heiligen Heimat, ein Emporſtreben von den Wel⸗
ten und Stuͤrmen der Welt zu dem Ewigen auf den
Schwingen der ahnenden Phantafie, ein in ſuͤßen Tönen
ſchmachtendes, oft in feliger Worempfindung jauchzendes
Heimweh. Mit wenigen Worten hat der Dichter charak⸗
teeiftifche Eigenthuͤmlichkeiten derjenigen Poeſie, die man
die romantiſche nennen kann, und insbefondere feiner
eigenen Poeſie angegeben. Einer der von Freunden und
Feinden a teſten, am wenigſten beftcittenen Züge
der romantifchen Poefie iſt die Sehnſucht nad dem Ser:
nen, dem Unemblichen, den Ewigen, die Ahnung der In
der Ziefe der Erſcheinungen und des Gemuͤths liegenden
Geheimmiſſe. Infofern trifft die romantifche Poeſie oder
die romantifche Stimmung zufammen mit der religiöfen
Rihtung und Stimmung, wie verſchleden aud, Übrigens
beide in der Fotm und in der Wirkung auf den Geift
fein mögen. So viel Widerfpruch nun auch die Behaup:
tang finden: möchte, daß dieſe Art von Porfie die einzig
berechtigte, daß alle echte Poefie romantiſch fein mäffe, fo
wenig wird man beſtreiten koͤnnen, daß ein fehr bedeuten:
dee Theil der edelften Poeſie romantifch in biefem Sinne
und bie romsantifche Weltanfhauung und Darftellung der
Kunft und Poefie in hohem Grade gemäß und förderlich
fi. Man wird vieleicht in den angegebenen charakteriſti⸗
(hen Zügen der romantifchen Poefie oder Stimmung Ban»
ches vermiffen, was man als integrivendes Element ders
filben anzufefen durch die Theorien unferer neuen Me:
mantifer gewoͤhnt worden ffl, und was man am den poe⸗
ffhen Drobuctionen älterer und neuerer Zeit, welche haupt⸗
ſachlich als romantifch gelten, mitunter als bas Weſent⸗
fe und Wichtigſte genommen hat — Berherrlichung
des Mittelaltere mit allen feinen Einrichtungen in Staat,
Beitsteben md Meche, Chriſtlichkeit, Kathelicismus; aber
wir nahe auch die Verbindung des romantiſchen Geiſtes
mit diefen hiſtortiſchen Eiemeriten lägen, ober er ſich mit
einer gewiſſen · Nothwendigkeit daraus entwickekn mußte
ſo ſcheinen uns doch die poetiſchen Werke, worin ſich an⸗
geblich das romantiſche Princip in feiner ganzen Reinheit
ausgeprägt haben ſoll, ſelbſt ſchon Modificationen des ber
verſchiedenſten Verbindungen und Ausprägungen fühlgeg,
am fich geſtaltloſen romantifchen Geiſtes zu fein. Manche,
wie ſchon erwähnt, Pönnen von dem Begriff des Roman:
tifchen die Worftellung von Katholidemus, Marias und
Helligencultus, Hierarchie, Ritterthum und Feudalismus
nicht trennen; ohne Zweifel boten alle dieſe Elemente der
Poeſie einen willkommenen, fruchtbaren Stoff und Aus
halt, zumat- fie felbfl-fo ganz das Leben des Volks durchs
Deangen; aber die romantifche Poefte ſelbſt ift fo wenig
nothivendig an diefe Formen des Lebens und des Glau⸗
bens gebunden, daß fie ebenfo da fich findet, wo bide
Grundlagen und Verhältniffe fehlen, daß fie gedeiht und
bluͤht felbft ohne das Chriftenthum, wie 3. B. bei ben Per⸗
feen imd Indiern. Mit einem Wort: Das Princip ber ro⸗
mantifchen Poefie iſt nicht In dußern, biftorifhen Momenten
und Einfiäfien, fondern in der Tiefe der menfehlichen Soele
zu fuchen. Wie bei den Menſchen überhaupt, fo insbeſon⸗
dere bei den Dichtern kann man uͤberwiegend myſtiſche und
überroiegend verfiändige Naturen unterſcheiden. Wenn
die Letztern Alles ins Barfte Tageslicht zu echeben, von
alten Seiten zu beleuchten und aufjuklären fuchen, and
was fich nicht erklären laͤßt, entweder für Täufchung umd
Wahn erkiären oder als nicht vorhanden betrachten, ſich
davon entferne halten, fo find die Erfteen, die myſtiſchen
Naturen (da Wort im unverfänglichften Sinne genoms
men) beſtrebt, den Wurzeln und letzten Gründe der Er⸗
ſcheinungen nachzufpuͤren und nachzuſinnen; das Dunkel
und das Geheimmiß reizt fie, das Leicht Verſtandene und
Begriffene befeledigt fie nicht; fie erwarten von ber heill⸗
gen, -majeftätifchen Macht wichtigere Dffenbarungen als
vom heilen, nüchternen Tage. In dieſem Sinne find
3. B. Novalis’. „Hymnen an die- Nacht“ gedichte. Das
bei verficht es ſich, daß es weder ben Letztern an Pldtem
Verſtand noch den Erftem an Xieffinn fehlen um; nur
eine - Stimmung und Richtung des Geſammtweſens iſt
ie jener Untetſcheidung bezeichnet; aber fo tief tft dieſer
Gegenſatz, daß er durch keine Argumentation und Dialek⸗
tik ausgeglichen werden kann. Beide Michtungen. wurzeln
in der menſchlichen Seele gleich tief, beide ſind gleich be⸗
rechtigt und nothwendig; aber beibe fetzen ſih in Tiuem
rg
n . PR | Pr ..
Geiſte felten oder vielleicht nie ganz ins Gleichgewicht, und
diejenige Richtung, welche die Oberhand gewonnen, befebs
det und unterdruͤckt dann meift die andern immer mehr.
Hierbei wirken Volks⸗ und Familienanlage, Eulturzuftand,
Natur fie, Exgiehung und Bildung unkeredgenbas ein;
ganze Böker find der einen ober der ander Richtung
überwiegend ergeben, und Ausnahmen, bie fich der entges
gengefegten zuneigen, find felten. Die Übertoiegend myſti⸗
ſchen Naturen nun find es, welche die romantifche Poeſie
lieben und üben werden; aber - fie bringen ihr nur ‚bie
Stimmung des Gemuͤths, die Weltanfchauung, ent ;
der Gegenſtand ſeibſt kann unendlich verſchleden fein, fo
wie eben. gefhichtliche Einwirkungen ihn herbeigeführt und
oeftaltet haben.
- Unfere deutfchen Romantiker, in den Jahrzehnden zus
nähft dem Wechſel des Jahrhunderts, veraufchaulichen
fehe deutlich diefen Gegenſatz des innerlichen, in die Tiefe
gehenden, myſtiſchen Principe gegen das nad außen, auf
die Dberfläche gerichteten, verfländigen Principe — des
Gewiuds und der Phantafle gegen einfeitige, flache Aufklaͤ⸗
terri. Es war sine miche unbsrechtigte Reaction gegen
eime gar zu anmaßende uud prableriiche, obwol in man:
den Beziehungen achtbare und verdienfiliche Verſtaͤndig⸗
Seit und fchulmeilterifche Wohlmweishelt und Pedantorei,
nicht ohne guten Willen und Eifer, aber oft ohne Geiſt
und Gemͤth. Uber ohne Zweifel haben die Romantiker
ihrerſeits das Biel überfchoffen, und fie haben, umter dem
Zitel, Gemuͤth und Phantafie in die ihnen gebührenden
Mechte wieder einzufegen, nicht felten den gefunden Ver
Band ſelbſt verfolgt und verhähnt, ihn gleichſam als einen
Eindiihen Greis in Ruheſtand geſetzt; fie haben dem bes
rechtigten Gelft der Romantik zufällige, zum Theil verals
2ete Elemente als zu feinen Weſen gehörig untergeſcho⸗
ben; fie haben mitunter Grillen, Lisbhabereien, Launen
und Wo ngen fürs poetifche Glaubensartikel erklärt,
Ge baden die Einflüffe und Stimmungen der Zeit und
der Diode mit dem tiefen und wahren Peincip der cos
mantifchen Kunft und Poeſie identificirt. Dadurch ver
wickelten fie fich in viele Inconſequenzen und Widerfprüche,
dadurch gaben fie ſich viefe Bloͤßen, und lieferten ihren
Waffen in die Hand; fie ſelbſt haben das We⸗
fentliche und das Unmefentliche, das Prineip und feine
sufähtgen Mobificationen und Ausprägungen nicht gehörig
getreunt; und die Reaction gegen fie benuste natürlich
mit allem Eifer das Buͤndniß der Romautik mit verfchies
denen Moden und Phantafien der Zeit, um buch Ans
geiffe auf diefe jene ſelbſt zu bekämpfen umd zu vet
nichten. Aber die echte Romantik wird fich reinigen
umd läntem, wenn nicht anders die Poeſie ſelbſt ermatten
und erloͤſchen folkte !
. Riner derjenigen Dichter, in welchen fich ber. roman⸗
tiſche Geiſt der neuern deutſchen Poeſie am reinſten und
anssehmöften, mit den wenigſten ſtoͤrenden Zuthaten aus⸗
gepraͤgt bat, if, neben Uhland, Joſeph von Eichendorff.
Beine Jugend fiel in die Blüte der romantiſchen Schule,
und ihe iſt ee bis in bie reifen Mannesiahre treu geblie⸗
ben, ein Nachtigall, die manchen Mai mit ihrem für
nuen
Sen, herzergreifenden Geſange, unermuͤbet und nie ermudend,
bewillkommt und verſchoͤnt hat. Der erſte Theil der vorie
— Sammlung bringt in vier Heſten die zahlerichen
ieder und Gedichte Eichendorff's. Sie zerfallen in für
gende Abtheilusigen: „Wandexiedee”‘, , dan”, Zeu
lieder”, „Zrähling und Riebe”, „Badtstsopfät”, Geiſtlich
Gedichte”, „Romanzen”; wozu noch einige Überfegungn
aus dem Spanifchen kommen. Es ſcheint nicht ohn
eine tiefere Bedeutung zu fein, daß die ziemlich zahlreichen
ieder Sind; das Wandern hat bei em
Romantiker Eichendorff noch eine ganz befondere, gleich
fam fpmbotifche Bedeutung ; unter dem Begriff des Ban
derns faͤllt ihm nicht nur dee feelemerfelfchende, hergfärkne
Streifzug durch Wald und Zeld, über Berg und Bitrm,
nicht blos bie meue Gegenden, neue Menfden, elei
Abenteuer bringende Weite, fondern dad Wandern un
die Wanderluſt ſchlleßt auch im ſich den doppelten Zu
des Gemuͤths, die abnungdoolle Sehnſucht nad einm
großen, hexrlichen, begluͤckenden aber unbekannten Fick,
welche die Jugend und wol auch oft noch den Dann
hinauslockt in die Ferne mit magiſchem Ruf, welche zu
allen Beiten den Sinzelnen ergreift, und wol aud dem
nicht ganz fremd ift, der auch zu Daufe an die Scholk
gefeffeit bleibt, die aber vor Beisen gewaltige S
und ganze Völker in Bewegung ſetzte, wie in den Zeilm
der Voͤlkerwanderung umd felbft noch viel fpäter bei der
Kreuszligen; es ift der romantiſche Trieb nach Abenteum,
der die Argonauten und die Griechen vor Troja, und der
die Ritter des Mittelaltesd und die fahrenden Schüln
und Dandwerköbusfchhen befeelte; aber dem Zug in di
fremde, ahnungsvolle Herne entfpricht dann der ebenfo gr
waltige Zug in bie Deimat, das Heimweh, das oft mit
nem «in und bafielbe Gefühl iſt, wenn der Bar
derer feine wahre Heimat nicht da finbet, wo ihn ſeia
Geſchick Hat aufmachen laſſen. Leicht und natulid
geftaftee fi dem Dichter auch das gamge Leben ı
einee Reife und Wanderung, die ihe Biel, ihre Sb
mat bienieden wol etwa im Arme der treuen Liebe, de
friedevollen Natur findet, wenigfiens da füße Raſt hält,
aber den wahren Ruhepocrt doch erſt jenfeit des Gm
bed hofft. Abes wenn auch oft ein Ton der Wehmuth
durch diefe Wanderlieder geht, fo find fie doch nichts we
niger als trübfelig und melancholiſch, vielmehr weht di
friſcheſte Lebeneluſt, der keckſte Wandermuth, oft die bir
teefte Laune darin, und dee Dichter, nicht zufrieden, in
eigener Seele die Wanderluſt durchzukoſten, verlegt fü
auch mit größter Liebe und mit dem gluͤcklichſten Gefhid
in den Zuftand aller Arten von Wanderern, Mufilanten,
Bigeunern, Studenten, Soldaten, Malern, Matroſen, I
gern binein, und betsachtet ſich mit ihren Augen und mil
ihrer Seele die durchpilgerte Welt, So geftaltet ſich mandırd
dieſer Wanderlieber zu einer Romanze, ober ſteht zwiſchen
ihr und dem Lied im dee Mitte „, iſt die
uweite Abtheilung betitelt. Es iſt eine uͤmlichkeit
bes tomantiſchen Schule, daß den ihr Angehoͤrigen It
häufig die Poefle, der Poet und die poctiſche Stimmung
ſelbſt zum Gegenſtand von Gedichten: wird. Theils map
dies feinen Drum hurin haben, daß bie. moderne toman⸗
tiſche Porfle nicht ein reines Product des unbewußten
Triebes und Dranges, fondern auch der Theorie, der Spe⸗
eulation über die Poeſie und Kunſt iſt; thells darin, daß \
die Kunſt und bie Poeſie, mithin auch der Dichter ſelbſt,
in ben mit dee vemamdichen. Poefle zuſammenhaͤngenden
philo ſophiſchen Syſtemen eine ganz neue und höhere Wer
deutung bekam, als ihr früher zugefkanden worden mar:
die Kunf galt als eine Offenbarung, als die Bermählung
des Unendlihen und Endliichen; und endlich begiusftigte
aud die Romantik außerordentlich das Belauſchen und
die Darftelung dee Stimmung ber eigenen Seele, in de
ren mufllalifhen Erklingen die Geheimniſſe der Welt laut
werden; dem, wie Eichendorff finge: „Der Dichter iſt
das Herz der Welt!” In dem „Sängerleben” leſen wir
nun vecht das Credo des begeiflerten Romantikers, ber
tief eingeweiht iſt in die Myſterien von den Zönen, Far⸗
ben, Quellen, Damen, worin das Geheimniß der Natur
und der Schönheit fich erfchließt, der die Sprache ber
Blumen und der Wellen und Wollen und Winde vers
ſteht, der die wunderfchöne Frau hoch zu Roß in Waldes⸗
einſamkeit geſchaut und zur Fahne des Phantafus geſchwo⸗
ren hat, der ſeinen großen Beruf erkannt hat, geſchieden
von der profanen, geſchaͤftigen, nuͤchternen, verſtaͤndig⸗
unverſtaͤndigen Menge, „ſich ſelber heilig zu opfern in
Geſaͤngen“. Wenn auch in dieſen Liedern (die jedoch weit
nicht alle ganz fubietiv und perföntich find) manches co:
mantifch Überfchwängtiche, Taͤndelnde und gefucht Myſtiſche
fi finden mag, fo iſt es doh im Banzen ein klarer,
friſcher Sinn, ein ehrenhaftes, treued Gemüth, ein gefuns
der, jugendlich bieibender Geiſt, was dem Leier überall
hoͤchſt anfprechend umd geroimmend entgegemteltt, und der
Dichter behauptet mit friſchem Muth und gutem Ver:
trauen bie von ihm erwählte, feiner Natur gemäße Poefie
gegen Anmushungen und Anfschtungen von verſchiedenen
Selten ber, ohne ſich irre machen oder einſchuͤchtern zu
laffen. Den Schluß diefer Abtheilung macht das fchöne
Gedicht „An die Dichter, worin Eichendorff klagt, daß
das Meich der Glaubens geendet, die alte Herrlichkeit zer⸗
ftört fe, die Schoͤnheit weinend ſich abgewendet babe von
der gnadenoſen Zeit. Aber wenn auch dabin dad treue
Thun, das ſchoͤne Lieben, - bes Lebens fromm vergnuͤglich
eſt —:
Der Dichter kann nicht mit verarmen;
Dede Ita en ——
Se Dichter Kia Herz der Welt.
— ibm bat Gott das Wort gegeben,
Das kühn das Dunkelſte benennt,
"Den feommen Ernſt im veidhen Leben,
Die Sreubigkeit, die Keiner kennt.
Da foll er fingen frei auf Erben,
An Luft und Roth auf Bott vertrauen,
Daß Allee Herzen freier werden,
ECrathmend in bie Klänge ——
Dee Ehre ſei er recht zum Horte,
Der —XX —* A
Biel Bunbertraft if in dem Worte,
Des U aus seinem Herzen beicht.
. einer &t ber forafältigften und muͤhſeligſten Forſ
—S wol bei Xlln, die wit ber —æ ich be⸗
Bor Eitelleit fol ex vor Alen
Etreng hüten fein unſchuld'ges Herz,
Im Falſchen nimmer 9 gefallen
um eitel Wig und blanken Scherz.
D, laßt uncdle Muͤhe fahren,
einge, gleißt und ſpielet nicht
Den lieben Gott laß in bie walten,
Aus frifcher Bruft nur triulich fing’!
Was wahr in die, wird fi geftalten,
Das Andre ift erbaͤrmiich Ding.
Den Morgen ſeh' ich ferne fcheinen,
Die Ströme ziehn im grünen Grund,
Mir ift fo wohl! — Die's ehrlich meinen,
Die grüß’ ich AU aus Herzensgrund!
(Die Wortfegung folgt.)
Polnifhe Literatur,
l. Rzut okana erddta Archeologii krajowsj. Wing 1849.
Dieſer „Bid auf bie Quellen ber vaterlänbifchen Archaͤo⸗
logie” vom Grafen Eus. 2. ift ein dantenswerther Beitrag zum
Aufhellung der ſlawiſchen Vorzeit. Das Werkchen enthält eine
Überfiht der archaͤologiſchen überreſte aus den weſtlichen Gou⸗
vernements des ruſſiſchen Reiche, insbeſondere Beſchreibun
und lithographirte Abbildungen derjenigen ſlawiſchen —
ten, die in dem ehemaligen polniſchen Lieftanb, dem heutigen
Gouvernemert Witepst, wo ſich das Heidenthum am Tängften
in Polen erhatten batte, und in ber Bialowiczer Halbe aufges
funden worden find. Im ber letztern, dem Wohnfige der alten
Jadzwinger, entdeckte man zuerft im 3. 1824, als man die
taufendjährigen Gichen umzubhauen anfing, unter den Wurzeln
Waffen, irdene Gefäße u. f. w., body verfolgte man die Spu⸗
ren nicht weiter und beſonders archaͤologiſche Forſchungen find
daſelbſt bis jegt noch nicht angeftellt worden; man begn
mit ‚gufeRigen Funden. In der vorliegenden Schrift behandelt
ber Verf., indem er die verfhiebenen Arten von Atterthämern
durchgeht, zuerft die Kurhany. Es find dies entweder vors
hriftiiche Gräber oder Hügel, bie an ben Gchlachtfeldern und
u irgend einem benfwürbigen Grelgniffe aufgefdyättet worden
find. Die —— in Liefland ſind mit Frauenſchmuck aus
Metall und allen Arten von Waffen der Maͤnner angefuͤllt.
Das eigentliche Lithauen, das an der Wilia, wo das Volk ſeine
Sprache ſich erhalten hat, bewahrt in den Grabmaͤlern ebenſo
koſtbare Geraͤthe, doch nicht in fo großer Maſſe wie in Lich
land. Weiß⸗Rußland und Schwarg Rußland, welches, zwiſchen der
Berefina und ber Witia gelegen, fpäter das ſuͤdliche Eithauen
bildete, iſt am aͤrmſten an — * Zierathen. Hieraus ‚fgeint
gu folgen, daß bie Gipilifation, bie aus Skandinavien herüber
am, vornehmlich die dem Baltiſchen Deere benachbarten Pros
vinzen umfaßte umd weiterhin in das Innere des Landes fich
verbreitend immer weniger Einfluß übte. Fernere Abfchnitte des
Werts behandeln den Frauenſchmuck, W u.f.w. Je höher
ein Grabhuͤgel ift, deſto mehr Waffen finden fich in bemfeiben,
es war alfo bie Größe des Grabhuͤgels eine Art Auszetdinung
für den Berflorbenen. Die aufgefundenen Gegenſtaͤnde bekunden
durchweg, daß die Kım im der vorchriftiichen Beit
ſchon ziemlich ausgeblidet war.
2. Mieszkania i postepowanie uczniöw krakowskich w wiekach
dawniejszych. Napisat Jözef Mucskowskl. Kralau 1848.
Unter dem unfdeinbaren Zitel „Über die Wohnungen und
bad Betragen ber Eralauer Schüler in fruͤhern Iabrhunderten”
tritt hier dee Profeffor und Bibliothekar Muczkowski in Krakau,
einer der grünblichften Kenner ber polniſchen Literatur, mit
ungen
[1
F108
faſſen, das lebhafteſte Intereffe erregen muß. Beine Grgebnifle
legt er Kar unb offen hin, man fteht, daß Ihn dieſelben ſelbſt
betrübt haben mögen, benn er wählt zum Wotto ben Bibel⸗
fpruch: „Wir können nichts gegen die Wahrheit, fondern für
die Wahrheit”, und doch teitt ein Beſtreben zu befchönigen, zu
entfcyutbigen, ober gar zu verheblen, nirgend hervor. In ber
That ift es aber beträbend, daß bie jagellomifche Univerfität in
der langen Zeit ihres Weftehene aus ihren Jnſtitutionen nicht
fo viel Kraft hat entwickeln können, um ſich vor dem Ginfluffe
der ihre wibdrigen @reigniffe ficyer zu flellen, wie viel weniger,
um auf, diefe Greignifle ſelbſt einen Einfluß auszuüben. Das
wäre ihe aber gerade zugefommen, denn fie war nad ihrer Zus
fammenfegung nicht etwa nur eine gewöhnliche universitas lit-
teraria, fonbern bildete eigentlih ein Miniſterium ber Weller.
aufflärung. Ie weniger fie ihre Miffton erfüllt bat, defto mehr
muß die Geſchichte fie anlagen.
Wie im 13. Jahrhundert bei den Uiniverfitäten in Italien,
Frankreich und England für bie Studirenden Ploflerartige Col⸗
legien gegründet wurden, fo entflanden nach und nach auch bei
der krakauer Univerſitaͤt vier Stiftungen, jedoch allein für bie
Profefforen. Gie hießen: das Große, das Kleine, das Neue und
das Juriſtiſche Collegium, Das * Collegium war der Kern
J. 14
der Univerſitaͤt und im von Wladislaw Jagello ge⸗
gruͤndet. Ein Hauptgebrechen dieſer Stiftungen war, daß die
Profeſſoren, mit Ausnahme des der Aſtronomie und Beredt⸗
ſamkeit, von den ſchlechter dotirten Kathedern nach der An⸗
ciennetaͤt zu den beſſer dotirten befoͤrdert zu werden pflegten,
das Hauptaugenmerk der Lehrenden alſo nicht auf das Lehramt
ſelbfſft, mit dem man bei der erſten Gelegenheit wechſelte, ſon⸗
dern auf das Einkommen gerichtet war. So geſchah es oft ge⸗
nug, ba bie geiſtlichen Lehrſtuͤhle mit Praͤbenden reichlich vers
ſehen waren, daß weltliche Lehrer ihre Lehrſtuͤhle verließen und
au ben geiſtlichen uͤbertraten. Gin ſolches Haſchen nach Ge:
mwinn bet Denjenigen, in deren Händen bie Leitung ber Wiffen:
f&haften in. dem größten heile Polens lag, mußte aber auf
den Gang ber Bollsbilbung den allerverberblichften Einfluß aus:
üben. Die Anzahl der wirklichen Profefloren betrug 42, doch
blieben in fpäterer Zeit viele Stellen unbefegt. Zür bie ſtudi⸗
rende Jugend beftanden wie in Deutfchland bie fogenannten
bursae, beftimmte Käufer, in denen die Zugend unter Aufficht
eines Lehrers ober Baccalaureus zufammen wohnte. In ben
krakauer Burſen fanden wirkliche Korlefungen nicht ftatt, es
mwurben bie Vorlefungen nur wieberholt und Disputirübungen
angeftelt. In Krakau beftanden acht Burfen mit fidhern Fonds
und vier ohne biefelben. Das Betragen der Gtubirenden gab
wie in Deutfchland und Frankreich zu vielen Kiagen Anlaß. Sn
Polen Lagen die Baupturfachen ber Sittentofigkeit in ben Ver⸗
folgungen ber Akatholiken und Suben, wobei bie oberften Un*
verfitätsbehörden, der Rector und die Dekane, welche alle Se⸗
meſter wechlelten, nur allzu nachfichtig waren. Wollten bie
Alatholiten ihre Häufer nicht überfallen und ihre Begräbniffe
nicht geftört fehen, fo mußten fie ben Stubirenden gewiffe Ab:
gaben entrichten, woraus mit ber Zeit eine Art Gerechtſame ber
©tubirenden entfland.
Vorliegende Schrift iſt eigentlih nur ein einzelner Abſchnitt
eines größern Werks, das Muczkowski fchon feit mehren Zah:
ven vorbereitet, naͤmlich einer umfaſſenden Geſchichte ber jagel⸗
tonifchen Univerfität. Sie wird zehn Bände umfaflen und fo:
wei eine Geſchichte der iniverfität feit der Gründung bis zum
3. 1809, als auch bie Statuten, Privilegien berfelben, Mit:
Abellungen über bie Profefforen u. f. w. enthalten. Als vors
zuͤglich wichtig nicht nur für die polnifche, ſondern aud für
"andere Literaturen find zunaͤchſt zu erwarten die ‚„„Metricae stu-
diosorum‘’ und bie Bücher der Promotionen, fortiaufende aus
den Manufceripten ber Bibliothek gefchöpfte B niffe der
©tubirenden und ber Perfonen, welde vom J. 1400 an ge:
lehrte Grade von der Univerfitdt erhalten haben.
unter den Stüden, bie ee für feine
8. Uteeskbe, “
Obtasy Utawkie, vtyden Ah. Erich, rien Ban,
Ift eine Fortfegung der „Wilder aus Li , von denen
Chodzko bereits eine ganze Heihe Deröffentiide bat. Das vor:
liegende erfte Bändchen einer neuen Reihe alt eine Erzaͤt⸗
lung „Die Ufer der Bllia“. Rach einer den Beſchrei⸗
bung ber Ufer Stuffee, an dem Mikina Liegt, folgen ia
ung biefes
bexfelben Leicht bingeworfene Sklizzen aus bem haͤutlichen Ehe
des lithauifchen Adels, die fich vornehmlich an per —*
gen deſſelben und bie oft geſchilderten polniſchen Gaſtmäler
ofen, im Allgemeinen ſich aber nicht Über das Gewöhniice
erbeben. 4
Literarifhe Notizen aus Frankreich.
Gefhichte ber vepräfentativen Berfammlunge
in Sranfreid.
Die meiften Geſchichtswerke, welche von der franzoͤfſchen
Revolution handeln, geben in der Regel wentaftens in Jom
einer Einleitung einen kurzen Überbiid Aber bie Geſchichte de
herſchiedenen Gtänbeverfammlungen, welche vor den wichtigen
ats- gensraux von 1780 flattgefunben haben. Zu ben beim
Darftellungen diefer Art gehört die einleitenbe Abhandiunz,
welche A. Lameth feiner tatereffanten „‚Eiistoire de l’Assembik
constituaste” vorausgeſchickt hat. Thiere flellte bei der erken
Ausgabe feiner vielbefprodgenen „Histoire de la r&volutie‘
eine umfaffende Arbeit über bie Staͤndeverſammlungen in Fraul—
reich aus der Feder bed bekannten Bei Bodin, des Verf. eine
großen Anzahl hiſtoriſcher Refumes, in Ausſicht, die feine
Schrift ats Einleitung beigegeben werben ſollte. Bodin ſcheint ab
diefe Idee aufgegeben zu baben, was um fo mehr zu bebaum
if, da _diefer Theil der franzöfifchen Gefchichte trot aller de
jelnen Darftellungen body noch Feine genägende Wehanblung ge
nden bat. Gegenwärtig erhalten wir nun eine ausführlid:
„Histoire des Etats-generaux et des institutions represen-
tatives en France” (3 Bbe., Paris 1843), weiche ben ganjm
Beittaum vom Beginn ber Bis zum Anfange ver
Revolution umfaßt. Sie rührt vom greifen X. C. Thibaudea
ber, ber ſich namentlich durch feine „‚Hlistoire de l’empire”
ſowie durch andere biftorifche Werke rühmtichft bekannt grmad:
bat. Seine Quellenftubien find, wie man es bei einem ſo
tüchtigen Hiſtoriker nicht anders erwarten kann, gewiſſenhaft
und umfaſſenb und bie ganze Schrift iſt in einsm eraſten
würbigen Zone gehalten.
H. Blaye's Fleine Unredlichkeiten.
Bor kurzem find uns einmal wieder bie „‚Po&sies“ vor
Henri Blaze, die tm vorigen Jahre erſchienen, .in die Hisk
gefallen. Zu unferer nicht geringen Verwunderung fanden mir
igenen Sachen audgikt,
eine ganz anſehnliche Anzahl von Gedichten, melde ber jundt
Dichter, ohne ein Wörtchen davon fallen gu Laffen, von Udland
und namenttidg von ert entiehnt. hat. Zub biefe Stuͤct
gehören nicht gerabe zu den fchlechtefen bes Sammlung. Br
haben öfters in db. Bl. die große- Liebe hervorgehoben, mit da
fih Blaze der beutfhen Literatug zugewendet zu haben ſcheint
und haben, wenn wir audy feine Überlegung des „Kauft“, mil
fie gar zu profaifh gehalten iſt, nur bebingungsmeife Toben
Eonnten, fein Berdienft, das er fich durch die Verbreitung un
ſerer Poefie im Auslande erworben hat, anerkannt. Indeſſer
tauben wir nicht, daß ex unfern Dichtern dadurch einen guim
tenft leiſtet, daß er ihre beften Saden ſtill —* aͤberſeh
und für fein Eigenthum ausgibt. Viel em Dank wirkt
er ſich erworben haben, wenn er durch genaue Angabe der
deutſchen Dichter, deren Poefien ihm zur Rachahmung vorge
legen gaben die Ramen berfelben Hei feinen Ramdöleuten bekannt
gemacht hätte, 9.
Berantwortlicher Herausgeber; Heinrich Sredhaus. — Droe und Verlag von B. X. ——e— in deipig
Blätter
für
literarifhe Unterhaltung.
Dienftag,
Joſeph Freiherr von Eichendorff.
( Fortſetung aus Nr. 215.)
Es folgen nun „Zeitgedichte”, großentheild vor dreißig
und mehr Fahren entflanden, in den Tagen des Druds,
der Moth, des Jammers, daher audy meift voll tiefen
Ernftes und Bornes, aber auch vol Kraft und Kauf:
fung, vol männlicher, deutfcher Gefinnung und frommen
Gottvertrauens. Indeſſen bilden nicht gerade einzelne
Zeitereigniffe oder der gefammte Zufland des DBaterlande
das Thema der meiſten biefer Lieder, fondern in ihre bunte
Mannichfaltigkeit klingt nur der Ton der Zeit ſtaͤrker oder
ſchwaͤcher hinein; es find Leine in Reime gebrachte politi:
fe Ergiefungen, fondern Ergiefungen eines für das All:
gemeine und Große, für Vaterland, Freiheit, Recht, Ehre
empfänglichen Dichterherzene. Aber diefem Dichter, fo
hoch er die Poeſie hält, und fo fehr er fich fehnt, ihr
friedlich zu leben, ſteht doch die That, die Pflicht, bie
Ehre höher als der Geſang, und er finge:
Wer in ber Roth nichts mag als Lauten rühren,
Deß Band bdereinft waͤchſt mahnend aus dem Grabe.
Mehre Eräftige Lieder find dem Heldenmuth der Ziroler
und einzelnen Krlegsfcenen geweiht. So ift die Erſtuͤr⸗
mung Witternbergs in ein ſchoͤnes, wildEräftiges, humoriſtiſch⸗
ernſtes Gedicht gebracht, betitelt „Die ernfle Faſtnacht
1814”, denn der ritterlihe Dichter hatte felbft das Schwert
ergriffen und fang in den Stürmen des Kriegs freudige
Soldatenlieder aus eigenfter Erfahrung und Anfchauung,
wo ihm gleichfam die Mitterzeit wieder lebendig aufging.
Im Schlußgedicht „Weltlauf“ mißt der Dichter die Zeit
und was in ihr gefchieht, an der Ewigkeit, und über den
Wechſel, die Unbeftändigkeit der Welt tröfter er ſich maͤnn⸗
ih mit dem Gedanken an Den, der in Allem und über
Allem ift und bleibt:
Wie im Thurm der Uhr Gewichte
Ruͤcket fort die Weltgeſchichte,
Und der Zeiger ſchweigend Ereift,
Keiner räth, wohin er weiſt.
Aber wenn bie ehrnen Zungen
Kun zum legten Dal erflungen,
Auf den Thurm der Herr fi flellt,
Um zu richten biefe Welt.
Und ber Herr hat nichts vergeffen,
Was gefchehen, wird er meflen
Nach dem Maß der Ewigkeit —
D wie klein ift doch bie Zeit!
„Fruͤhling und Liebe” — Hier ift der romantifhe Di:
ter ganz in feinem wahren Elemente. Denn die Ratur,
die Im Lenzgewand prangende Natur, iſt aud feine Ge⸗
liebte, — die Geliebte iſt ihm die Krone der Schöpfung,
bie Prophetin der Natur und des Himmels, und Beide
find gleichfam feine eigene, ihm gegenfländfich gewordene,
ihm von außen entgegentretende Seele. So wird im
„Zaubernetz“ befchrieben, wie der Sänger, die Geliebte und
der fie begleitende Jaͤger mit dem Waldhorn (ein wichti⸗
ger Artikel der romantiſchen Poefie!) vom Lenz im gräs
nen Walde mit einem Zauberneg umgeben werden, mel
chem noch Keiner entgangen. Wir müffen e6 uns jebody
verfagen, aus bdiefer reihen und reisenden Mannichfaltig⸗
keit von Liedern, welche Naturfeligkeit und Liebesiwonne,
Wehmuth und Liebesfchmerz ausfpredhen, Einzelnes her:
auszuheben und zu zeigen, in tie buntem Wechſel der
Situationen, der Stimmung, der Bilder Sonne und
Wald, Sterne und Abendroth gefelert und mit ber Seele
des Dichter fo zu fügen vermähle werden. Auch bier Aft
manches fcherzhafte und humoriſtiſche Gedicht eingeftreut,
wodurch Kintönigkeit vermieden wird. In den „Todten⸗
opfern’ iſt die tiefe, innige Trauer verfhönt von freunds
lichen Bildern der dem Dichter durch den Schmerz nicht
verbüfterten, fondern vielmehr geheiligten und verffdrten
Natur, und einem feften, zuverfichtlihen Glauben. Aber
eine rührende Weichheit des Gemuͤths fpricht ſich in Die:
ſen ſchoͤnen Liedern aus, unter welchen wir namentlich
das „Am Strom“ hervorheben. Sehr ſchoͤn ſind auch
die Lieder „Juf meines Kindes Tod“. Die „Seiſtlichen
Gedichte“ find freilich nicht von der Art, daß fie in Ge⸗
fangbücher könnten aufgenommen werden; in manchen iſt
ebenfo viel weltliche als geiſtliche Poeſie; aber es find Ge:
fänge voll Andacht und Frömmigkeit, voll echebender, ſchoͤ⸗
ner Empfindungen und Gedanken, voll Demuth ohne
Kopfhängerei, Trübfeligkeit und Scheinheiligkeit. Mitun⸗
ter findet ſich mol einige Künfttichkeit, und Manches, was
jest als Taͤndelei erfcheint, aber es in einer etmas anders
geftimmten Zeit keineswegs war; manches Lieb jedoch iſt
ganz in einfachem Stil gehalten, 3. B. das ſchoͤne „Mor⸗
gengebet”, „Nachtgruß“, „Der Wächter”. Eichendorff's
geifttiche Gedichte erinnern manchmal an bie von Arndt,
1106
weiche jedoch im Ganzen einfacher und reiner gehalten
find. Verwandt mit den geiftlihen Liedern von Novalis
ift das fchöne Gedicht „Gebet“. Schon unter den Kir:
dern befindet fich mandyes, welches als Romanze gelten
Tinte, aber eine größere Anzahl von. Gedichten dieſer
Sattung hat der Dichter am Ende feiner Sanımlung zus
ſammengeſtellt. Zum Theil tragen jedoch auch dieſe halb
den Charakter des Liedes an ſich; der Titel gibt die Per⸗
fon an; welcher das Lied in den Mund gelegt iſt, das
dann ein Erlebniß, eine Situation in kurzen Zügen fliz
zirt; amdere jedoch find wirklich erzählend,, darſtellend.
Unter diefen Romanzen findet fi viel Mäcchenhaftes,
„Allegoriſches; hiſtoriſche Anklänge find Is:
ten oder fehlen ganz. Unter dieſen Romanzen ift eine
der allerlieblichften ‚Das zerbrochene Ringlein“, Das
in feiner Tiefe und Einfachheit wie ein echtes Volkslied
gemahnt und in ganz Deutfchland gefungen wird. Einen
secht fchaurigen, unheimlihen Eindrud machen „Der Rei:
terömann”‘, und „Das kalte Liebchen“; nur ift in neuern
Zeiten ‚diefe Art von Poefie von Nachahmern mit und
ohne Beruf übermäßig cultivirt, bis zur Garicatur und
‚zur ‚Stage übertrieben, und dadurch die Empfindung dafür
abgeftumpft, ja wol gar Widerwillen dagegen erzeugt worden.
Leider dürfen wir auf das Einzelne nidht näher
eingehen; dafür aber müffen wir die gefammte Poeſie
Eichendorff noch etwas beflimmter zu dharakterifiren fu:
- den. Man bat fihon die romantiſche Poefie überhaupt
eine vorzugsmeife mufifalifche genannt, und menigitens
auf Eichendorff finder dies, wie und duͤnkt, in hohem
Grade feine Anwendung; feine Poefie wirkt wie Muſik.
Dhne Zweifel genügt fie dadurch einer Hauptanfoderung,
weiche man an die lyriſche Poefie macht; aber fie geht
darin zu weit; das eigentliche Element der Poeſie, das
Wort, die Sprache, wird zu ſehr vom mufilalifhen Ton,
vom Gefang verfhlungen; der Kortfchritt des Gedankens,
Die Bersegung und Gliederung des Lebende, der Meiz des
Geſchehens und der That, die Plaſtik des Ausdrucks
leiden mehr oder weniger unter dem Wormwalten des
mufitalifhen Elements. Der Dichter gibt uns beinahe
durchaus nur feine Stimmung; diefe ift nichts we⸗
niger als einförmig, und er iſt in der That uner:
fchöpflih in neuen Wendungen und Geflaltungen, um
feine Stimmung poetifh auszufprehen; die Natur und
die Menſchenwelt bieten ihm ihren Reichthum dar, in
welchem er mit verſchwenderiſchen Händen wühlt; aber
vielleicht iſt es gerade eine gewiſſe Okonomie und Spar:
ſamkeit, was ihm fehlt; er haͤuft zu viele Anſchauungen
und Bilder .in allzu raſcher Aufeinanderfolge, ſodaß dem
Gemuͤth wol ein allgemeiner Eindruck bleibt, aber keine
klare Erinnerung, etwa wie von einem ſchoͤnen Natur⸗
ſchauſpiel und Landſchaftsgenuß, wovon ein füßer Eindrud
bleibt, der fih nicht in Worten wiedergeben läßt. Nicht
wenig indeflen müflen diefe tiefempfundenen Lieder gewin:
nen, wenn man fie einzeln In ber ihnen gemäßen Stim⸗
mung ‚genießt, wenn man ſich in fie vecht vertieft und
jede Mote fo zu fagen recht austönen läßt. ‚Eine viel
mh auf Empfindungen als auf Gedanken und objective
Nachlaͤſſigkeiten und Härten erlaubt.
Gegenflände und Stoffe gegründete Poefie fobert auch
viel mehr Dingebung des Gemüths, eine ganz reine, unge:
ftörte Empfaͤnglichkeit. Wenngleich jedoch beinahe fümmı-
liche Gedichte Eichendorff’6 fi) auf Stimmungen zurid:
führen, als Vetbörpeningen yon Stimmungen ſich betrat:
ten laflen, fo darf man Heinehwegs glauben, dag nur Gin
Zon duch) diefelben hindurchgehe. ine Gefinnung, Ein
Gemuͤth lebt und ſpricht in demfelben, ja! und dies iſt
ein großer Vorzug ; Died gibt ihnen das Geptaͤge der m:
nen Wahrheit; aber der Dichter -bewegt ſich nicht in vi:
nem befchränkten Kreife von Empfindungen ; fein offenes
Herz, feine bewegliche Phantafie, feine tuͤchtige und mann;
hafte Weltanfkauung dehnen ſeinen Geßchtskreis weit aut,
und fein Gefühl umfaßt eine große Scala von Toͤnen,
von der laͤchelnden Wehmuth Hi8 zur vergücten Wonn
und bis zum phantaftifhen, muthmwilligen Humor; von
der harmlos tändelnden Luft bis zur ernſten Andacht und
zum männlichen Zorne; vom Wohlbehagen , das fih an
dee Sonne wärmt und unter Blumen fpielt, bis zu
Bangigkeit und zum Schauder der gefpenftifchen, kalten
Nacht. Dieſer Mannichfaltigkeit von Stimmungen at:
fpricht auch eine nicht geringe Abwechfelung in der Kom;
die Lieder bewegen fi) in verfchiedenen Rhythmen un
Versmußen, wiewol eine oder cin paar einfache Liedermi:
fen vorwaltend duch das Ganze hindurchgehen. Mi
den Romantikern überhaupt theilt Eichendorff die Ne:
gung, fid in verfchiedenen Formen des Gedichts zu vr:
ſuchen, und manches Sonett und fonftige kunſtreiche De
tea, Stoffen u. dergl. Laffen feine Fertigkeit aud in ir
Technik der Poefie in ein helles Licht treten; mit dieſer
Virtuofität aber in der Dandhabung fehroieriger Formen,
in der fpiefenden Überwindung felbftgefchaffener Schwirig:
keit contraflirt bin und wieder eine gewiſſe Gleichgülti:
feit gegen die firenge Form, welde ſich manche Licenzen,
Urfprünglich mag
dies Süundigen gegen die jegt geltende Grammatik un)
Sprachweile feinen Grund gehabt haben in der inne:
gung der Romantiker zum Alterthümlichen und Xldeut
fchen, gelegentlich aber wirkte mol auch eine gewiſſe Ve—
quemlichkeit mit. Berufen Eonnten fie ſich allerdings auf
das deutfche Volkslied, das namentlih im Reim nicht
weniger ald coreect und fireng — nad) den Begriffen da
neuen Profodie — iſt; und mit dem Volkslied ſcheint
Eichendorff nicht felten, und zwar mit Gluͤck, zu mir
eifern; mir finden häufig in feinen kurzen Liedern di
Einfachheit, die Tiefe, die Prägnanz, die raſchen um
übercafchenden Übergänge und Sprünge, welche die beſten
Volkslieder auszeichnen, und viele andere würden denſe
ben Charakter tragen, wenn fie mehr von bunten Schmud
der Bilder entkleidet, und andere, menn fie etwas fant
wären. Unklarheit fällt im Ganzen Eichendorff nit zu
Lat, aber manchen feiner Lieder haftet fie doch an — IE
mal denjenigen, ‚weiche ohne weitere Erklaͤrung aus dem
Zufammenhang ber Erzählungen in die Gedichtſammlung
aufgenommen find. An das Wolkslied erinnert bei Eichen:
dorff auch eine ziemlich conftante Wiederkehr gewiſſer In
ſchauungen, Bilder, eigenthuͤmlicher Ausdruͤcke, und es if
AUG
3u hoffen, ba immer mehre feiner Liber durch die Com:
yojition zum Gemeingut der Motion im Ichendigen Ge:
fange werden. Nach altem Bisherigen koͤnnen wir Eichen:
dorff Orginafität in einem hohen Sinne allerdings nicht
zufprechen, auch macht er felbft gewiß nicht Anfpruch, eine
neue Bahn gebrochen zu haben; aber darum halten wir
ihn dennoch für eine echte Dichternatur, feine Gaben für
ebenfo lieblich ats gefund. Der Gelft der Romantik hat
fein Dichtergemürh gewedt und ihm die Richtung gege:
ben, und zwar eine ihm volllommen gemäße; Dies erhellt
daraus, daß er ihr immer treu geblieben iſt, während er
fih von den Verirrungen und Affectationen der Roman:
tie ziemlich frei erhalten und gezeigt bat, daß dieſe den
Mann nicht verweihlihen und centnerven muß, Daß fie
fih ganz gut mit der moralifhen Gefundheit und mit
dem tüchtigften Lebensveeſtand verträgt.
(Der Beſchluß folgt.)
Ethnogtaphiſche und gefchichtliche Notizen über die Zigen:
ner. Gefammelt durh Karl v. Heifter. Könige:
berg, Gräfe und Unzer. 1842. Gr. 8. 20 Nor.
Der Titel „Rotigen‘ tft zu befcheiden; die Schrift darf als
ein Handbuch des Wiffenswürbigften, was bis auf die neuefte
geit über die Zigeuner ermittelt worden ift, bezeichnet und em:
pfohlen werben. Der Berf,, beffen Belefenbeit in dieſem Ge:
genftande bie volifie Anerkennung verdient, bat nicht nur die
von den Zigennern fpeciell handelnden Werke von Grellmann,
Barrow, Kogalnitihan, Kindier, Graffunder, Sprengler, Tetz⸗
ner u. A. benugt, fondern auch eine Menge geographiiche, ges
ſchichtiiche und anthropologifche Schriften, in denen gelegentliche
Rachrichten über bie Zigeuner gu finden waren. Daß felbft aus
Romanen (WB. Scott „Guy MWunnering” und bem „Cancan
eines deutfihen Edelmanns”) ein paar. Genrebilder entlehnt find,
erſcheint durch die Gigenthümtichleit des Gegenſtandes völlig ge:
rechtfertigt. Die große Maffe des Materials Hätte leicht zur
Veitfhweifigkeit führen können; um fo mehr mäflen wir es bem
Berf. danken, daß er ſich bei dieſem Reichthume zu beſchraͤnken
wußte, ohne daß feine Darftellung der Kaͤrglichkeit oder Trocken⸗
heit beſchuidigt werben kann.
In der erften Abtheilung der etbnographifchen Notizen wirb
zuerft von dem Namen „Zigeuner“ gehandelt. In Europa hu:
ben fie verfchiedene Namen, bei den Holländern heißen fie „Hei:
den“, in Spanien, Portugal und Sicilien „Gitanos“ (d. h.
Schlaue, kann aber auch von Egitto hergeleitet werben), bei
den Franzoſen „Bohsmiens und Kgyptiens”, bei ben Zürfen
„Tchinghenes““, was einen Leiermann bezeichnet, bei ben Ruſſen
„Tziganes“, in den Donauländern „Sygani“, in Italien „Gin:
gari”, Bei der Äpntichkeit diefer legtern Namen mit dem Worte
„Bigeunee’’ zerfällt die feltfame und doch von Manchen fehr
eenfihaft gemeinte Erklaͤrung, doß Zigeuner von Zieh » Gauner
kerlommen folle. Die Zigeuner ſelbſt nennen fih Rom, db. h.
Mann. Mit der mongolifchen Race, zu welcher fie oft gezaͤhlt
werden, haben fie nichts gemein, weder das platte Gefiht mit
ſchmaler Stirn, noch ben fpigen Hinterkopf, die Kleinen fchmas
ien Augen und die weigengelbe Gefichtsfarbe. Sie gehören zur
malaiifyen Race. |
„Wenngieich die dunkle Farbe, ein wenig ſchiefe Augen:
ren, etwas erhobene Backenknochen, nicht für ſchoͤn gelten koͤn⸗
ven, fo gewinnt body das Beficht des Zigeuners durch bie lang⸗
gewimperten fchwarzen Augen, durch den meift feinen Mund
mit ſchoͤnen, geradeftefenden Zähnen und mit einer uͤberaus an
muthigen Oberlippe, einen keineswegs unangenehmen, ja fogar
einen bedeutenden Ausdruck. Auf der Phyſlognomie diefer Aſta⸗
ten ruht ſchwermuͤthiger Ernſt; da finden fich die langen Beiben
eines verworfenen, auögefloßenen Stamms tief ausgeprägt,
wenn auch nur als unausbleiblicdye Kafter. Aus ben gkuͤhenden
Augen blitzt thierifche Wildheit hervor, unſtet ſchwankt ber Aus⸗
druck zwiſchen Schlauheit, Furcht und Haß; die wohlgeformte
Stirn zeigt reiche Ausſtattung an geiſtiger Gabe, und daneben
drüden alle Züge ben Argften Misbraukh aus. Menden wir
uns ab von bem geiftigen und koͤrperlichen Schmutze tiefer Ber⸗
funtenpeit, fo werden wir wieder angezogen, gefefleit durch nas
turgetreue, durch vollendetſte Bormenentwicelung. Die Bigeus
ner find im Allgemeinen von mittlerer Statur, ſchlank, haben
wohlgeformte Schultern, Arme und Beine, eine Füße und
Hände, lange, zugefpigte Finger. Das Dick- und Fettwerden
kommt bei ihnen nicht vor, unb überhaupt iſt ihre Geftalt mit
den zierlichen und dennod fo Eräftigen Gliedern von vollende⸗
ter plaſtiſcher Schönheit, ſodaß man, bemerkt Kogalnitſchan,
wenn man fie nadt fiedt, brongene Meiſterwerke des Alter:
thums lebend vor ſich hat.’
Die früher allgemeine Annahme, daß Ägypten das Vater
(and der Zigeuner fei, ift als voßftändig widerlegt zu betrachten 5
es wird jetzt kein Zweifel mehr daruͤber erhoben, daß ſie ur⸗
ſpruͤnglich aus Hindoſtan ſtammen. Durch die malaiiſche Ab⸗
kunft wird aber tiefem Voike Hindoſtan nicht genommen, indem
dort ein großer Theil der niedern Kaſte malalifher Race if.
Marsden findet den Stammfig der Malaien auf den Höhen von
Sumatra, von wo auß fie fi) weit über den Archipel und Hin⸗
terindien verbreitet haben. Gleich dem indifchen Paria verzehrt
ber Sigeuner die ekelhafteſten Speifen, er trägt fein Bedenken,
das Fleiſch gefallener Thiere zu effen; fie fagen, was Gott
ſchlachtet, das müfle body wol beffer fein, ald was von Men:
ſchenhand fterbe. Den Branntwein lieben bie Zigeuner leibens
ſchaftlich, nicht minder den Taback; ein altes, recht durchzogenes
Pfeifenrohr ift ein willlommenes Geſchenk; indem der Zigeuner
bie abgebiffenen Stuͤckchen ausfaugt und dazu Waffer trinkt,
hält er einen ganzen Zag beim beſchwerlichſten Marfche aus.
Bekanntlich fleht unter den Beſchaͤftigungen der Zigeuner
das Schmiedehandwerk oben an. Außerdem befallen fie fidy gern
mit dem Pferdehandel und haben es in den hierbei vorkommen⸗
ben DBetrügereien zu einer ausgezeichneten Fertigkeit gebracht;
in Siebenbürgen und ben Donauländern friften viele Zigeuner
in den Sommermonaten mit Goldwaͤſcherei ihre Eriftenz, in
Spanien find fie haufig Gaſtwirthe und einige haben fich bei
diefem Gewerbe Vermögen erworben, ohne deshalb ihre Eigen:
thümtichkeiten abzulegen. Dem ganzen Stamm ift ein entfchies
benes Zalent zur Muſik eigen. Die Catalani war in Moskau
von dem Gefange einer Bigeunerin fo entzücdt, daß fie ihe einen
toftbaren, vom Papfte zum Geſchenk erhaltenen Shawl mit den
Worten verehrte: „Er war einer unübertroffenen Sängerin bes
fiimmt ; nad Dem, was ich jegt gehört babe, darf ich ihn
nicht ferner tragen.” Auch für den Tanz diefer Orientalen has
ben wir ein febr gültiges Beugniß, feiner Vortrefflichkeit. Be:
bufs des Ballets „Die Zigeunerin‘‘, welches am 5. Dechr. 1838
zum erften Male in Petersburg aufgeführt wurde, machte bie
Taglioni ihre Studien bei einer Bande in ber Nähe von Moss:
kau, und fie, die gewiß competent iſt, zollt der natürlichen
Grazie, dem feinen Taktgefuͤhl, der ungefünftelten Anmuth ber
Zigeunermädchen ben größten Beifall. In der Moldau und
Walachei find die Zigeuner auch Schaufpieler, wenngleich nur
mit Marionetten, mit denen fie in den Nächten von Weihnach⸗
ten bie zum Garneval berumzichen. Das einft fo beliebte Wuhrs
.fagen wird, mie eine Zigeunerin in Dftpreußen dem Verf. ers
zählte, jegt nicht mehr getrieben, „weil die Leute nicht mehr
daran glauben”,
Die Zigeunerinnen haben im Punkt ber Sittlichkeit ſtets
im fchlechteften Rufe gaeftanden. Doch find bierüber die Urs
tbeile bes Forſcher ſehr abweichend. Während Kogalnitfchan
fagt, daß die Mädchen diefes Volks fich für einige Paras Les
dem bingeben, tritt Barrow als Ehrenretter berfelben auf. Er
verfichert, daß wenngleich in Spanien die Mäbchen durch wol⸗
(4
1108
Lüftige Taͤnze und andere Goletterien diejenigen Männer ans
zuloden fuchen, von denen fie Schutz oder Vortheil hoffen, fie
fi) ihnen doch niemals preisgeben. Auch die Zigeunerinnen in
der Tuͤrkei ſpricht Barrow von dem Vorwurf der Proftitution
frei und gibt denen in England das befte Zeugniß. Unfer Verf.
glaubt dagegen, daß dies zu günflig geurtheilt ſei; ex führt an,
daß die Zigeunermäbcdhen in Moskau die jungen Ruſſen in jeder
Art zu Grunde richten und erwähnt dabei ber befannten That:
fache, dab die Fuͤrſtin Gagarin und bie Gräfin Tolſtoy yebos
rene Zigeunerinnen find. Sollte aber bie Erhebung bdiefer bei
den Damen nicht gerade ben Beweis liefern, daß die Zigeune⸗
rinnen fi nicht fo leicht wegwerfen? Auch Richard Twiſſ
fagt in feiner fpanifchs portugiefifchen Reife ( franzöfifche Über:
fegung, Bern 1776): „Quant & leurs femmes j’ai eu lieu
de savoir plus d’une fois, qu’elles resistent aux offres qu’on
leur fait, plus souvent qu’on ne le presumerait d’une classe
de gens aussi decriee.” Wieder auf ber andern Seite fehlt
es nicht an Beweiſen der Unzüchtigkeit diefes Volks. Der Eng:
‚länder Swinburne berichtet, daß bei einem Jahrmarkte zu
Marfico» Ruovo in Bicitien einige Zigeuner dicht bei dem Orte
Das mit ihren rauen Öffentlih thaten, was auch die Eyniker
als etwas Natürliches nicht verbargen, fobaß ber vorgebaltene
Mantel des Diogenes recht eigentlih ein Mantel der Liebe
wurde. Als man nun dem fchamiofen Schaufpiele zuftrömte,
räumten die Helfershelfer die Buben aus.
Betten und Steblen ift der Hauptberuf der meiften Zigeu⸗
ner; fie verfahren dabei zuweilen mit einem nieberträdhtigen Raf⸗
finement. Zwei 3igeunerweiber brangen in bem Dorfe Zuſch⸗
kehmen bei Gumbinnen in ein Haus, wo allein bie ſchwangere
Bauersfrau anmwefend war. Als diefe nichts mehr geben konnte
ober wollte, zog eine der ZBigeunerinnen ploͤtlich aus ihrem
Shawltuche das Skelett eines Pferdekopfs hervor, wodurch die
Bäuerin in Iebensgefährlicde Gonvulfionen gerieth; unterbeß
wurde das Haus ausgeräumt. In einer Chronik von Bologna
zum 3.1422 wirb erzählt, daß „Derzog Andreas von Agypten’
mit etwa 100 Perfonen auf einer Bußfahrt nach Rom durch
Bologna gekommen ſei. Laut eines Briefs bes Königs von
Ungarn, der damals Kaifer war, durften fie fieben Jahre lang
überall, wohin fie famen, ſtehlen, ohne daß fie vor Gericht ge:
zogen werben Eonnten. „Es begann nun“, heißt es in der Chro⸗
nit, „ein gemwaltiges Stehlen in gan; Bologna, in Folge deffen
durch oͤffentliche Bekanntmachung gegen: Den, ber fich ferner
mit biefen Fremdlingen einlaffen würde, eine Gtrafe von
50 Lire und die Ercommunication verhängt wurde. Diefe Bas
gabunden find übrigens bie feinften Diebe, welche es auf
der Welt gibt. Als nichts mehr zu fehlen war, gingen fie
nach Rom.”
Kür die Ehen ber Zigeuner gilt das Consensus facit
nuptias. Iſt ein junger Burfche mit einem Mädchen über bie:
fen Puntt einig, fo nimmt er fie mit in fein Zelt, und iſt vor
diefem ein irdener Krug gerbrochen, fo gilt der Ehebund als
gefchloffen. Wird ber Mann feiner Frau untreu, fo erhält er
von deren männlicher Verwandtſchaft tüchtige Prügel; fonft
ſtehen, nad) Grabb und Andern, firenge, aber wol nicht mehr
zur Ausführung kommende Strafen auf dem Ehebruch: der
Schuldige verliert die Nafe und es werden ihm die Kniegelenke
durchgeſchnitten; die Frau wird noch ärger verftümmelt. Gin
uͤberreicher Kinderfegen beglüct die Zigeuner. Toppeltin meint,
. man tönne fich bes Lachens nicht enthalten, wenn man eine
Bigeunermutter, wie eine Henne mit ihren Küchlein, ſtolz und
gluͤckſelig zwiſchen der Schar der nadten und fchwarzen Rad:
tommenfchaft erblickt.
Tritt ein Todesfall ein, fo erfolgt ein gewaltiges Geheul,
befonders der Weiber, welches fich bei der Beerdigung noch fleis
gert; ftirbt aber ein Anführer, fo gebietet die Berehrung Stille,
wogegen aber Alle durch bie emfigfte Thaͤtigkeit bei der Beſtat⸗
tung ihre Theilnahme an ben Zag zu legen ſuchen. Im $e:
bruar 1835 ftarb ber König der Zigeuner in England, James
Shmid, in feinem Lager zu Veſtwoodlane bei Kottingham up
wurde mit vieles Pracht beigefest. @s iſt für bie in
RKammung dieſes Bolls fehr bezeichnend, daß die Be
Könige durchaus foberte, mit ihm beerdigt zu werben. Die
Regierung Gina in Grmangelung maͤnnlicher Thronerben an
eine Prinzelfin Tochter über, ſodaß jegt die große britiſche
Monarchie und der kleine —— in dieſer, beide vom
Damen bebersfcht werben. Überall findet ſich bei den Zigeunem
bie Sitte, daB ſich die Banden unter felbft gewählte Chefs fe:
fen, und dies ift, während in ben Familien das patriardalifce
Verhaͤltniß herrſcht, das Einzige, was über die Verfaſſung die
ſes Bolks beigebracht werben kann.
Über die Sprache der Zigeuner {ft auf die ausführliden
Berke von Biſchoff und Graffunder zu verweiſen; bier nur tin
für Sprache und Bolt charakteriſtiſche Bemerkung unfers Verf.
Ahun wir noch ganz Im Allgemeinen einen Biick auf dick
intereffante Sprache, fo ertennen wir unzweifelhaft die Spuren
früher und hoher Gultur. Die reiche Dectination, bie Meng
der Praͤ⸗ und Poftpofitionen zeigen an, daß einft bie Wedid:
beziehungen zwiſchen Perfonen und zwiſchen biefen und dm
Dingen durch alle Kategorien wohl beachtet wurben. Wenn fih
aber ber Geiſt unter bem fleten Drud einer gefährdeten Sriften,
bei einem wüflen Umbertreiben, nicht zur bftertenntnig un
Kiarheit emporarbeiten Tonnte, fo mußten die Ausbrüde für
Seelenzuſtaͤnde zurüdtreten, verloren geben, während Natur:
laute nachgeahmt und in bie Sprache aufgenommen wurden, da
das Leben im Freien zur Beobachtung führt und bie überaus
ſcharfen Sinne dazu befähigen. Die Zigeuner haben in Eh:
rakter und Weſen noch manches Kindliche, oder, wenn man ii
ber will, Kindiſche. Wie aber biefes durch rohe Unfitte gefe
felt ift, das möchte ſich daraus ergeben, daß ihre Sprache da
Diminutiven entbehrt, die fonft bei jugendlichen Nationen aus
Frohſinn, Semäthlichleit und aus dem Hange zur Taͤndelei
hervorgehen. (Der Verf. hat nur ein Diminutivum gefunden:
Bogel tschiriclo — Vogelchen tachiridoro.) Kaum gibt di
etwas bei dieſem Wolfe, was fo das Intereffe anzieht und an:
berfeite fo tief vertegt, als dag fie mit trefflichfter Anlage m
reichfter Ausftattung zu fo uralten, durch und durch verwal:
loften Kindern verwilderten.“
(Der Beſchluß folgt.) |
Literarifhe Notizen aus Frankreich.
Wirkungdes Chlor. |
‚ Cine kleine Schrift des Chemikers Lecanu „Documents
scientifiques et administratifs concernant l’emploi des chlo-
rures ou liqueur de Labarraque” ift foeben erſchienen, meld
genaue Auskunft gibt über die Labarraque'ſche Methode, alle
durch Verweſung entflebende ſchaͤdliche Dünfte durch Anwendung
von Ehlor wegzuſchaffen. Dieſe ſchaͤdlichen Duͤnſte erzeugen ſit
naͤmlich durch eine Verbindung bes Hydrogen mit ESchwefe
Ghtor aber verbindet ſich mit dem Waſſerſtoffgas augendlickich
wie daffelbe auch vorhanden ſei, frei oder gebunden, und N
daher die Berbindung beflelben mit dem Schwefel auf, It
der nachtheilige Einfluß diefer Verbindung unverzüglich wegföll.
Bon der Schnelligkeit der Wirkung, weiche das Labarraque ſche
Mittel hervorrief, gaben viele Srperimente Zeugniß, welde di
erwähnte Schrift von Lecanu anführt.
Das malerifhe Perfien. !
Auf Befehl des Miniſters des Innern wird ein Werk übe
Perfien „Voyage en Perse” der Herren Gugene Zlandin (Br:
ter) und P. Gofte (Architekt) herausgegeben. Der archaͤologiſche
Theil wird ungefaͤhr 2350 Kupfertafein enthalten (Werke ur
Architektur, Sculptur, Inſcriptionen, topographiſche Pläne), da
maierifche Theil wird 100 Anfichten aus allen Diſtricten bei
heutigen Perſiens barbieten. 8.
Berautwortliher Herauögeber: Deinrib Brodhaud. — Drud und Berlag von F. U. Broddans in Eripzig.
Blätter
für
literarifhe Unterhaltung.
(Beſchluß aud Nr. M.)
Den einen Theil Gedichte begleiten drei Theile Erzaͤh⸗
lungen und Rovellen, uͤber welche wir uns jedorh kürzer
faffen müffen. Eichendorff iſt unſers Erachtens vorzuge:
weife eine Iprifche Dichternatur, und neben den Iprifchen
Gedichten mag etwa fein hoͤchſt anmuthiger und liebens⸗
rordiger „Taugenichts“ genügen, um feine ganze Eigen:
thuͤmlichkeit in ihren SDauptelementen kennen zu lernen.
Die Erzählungen in Profa laffen ſich gewiſſermaßen als
Sommmntare, ald Erweiterungen der Gedichte anfeben, [os
fern ein großer Theil von dieſen urfpeänglich Im Zuſam⸗
menhang der Erzählungen eingewoben ift, und manche
erft durch die Beziehungen ber Erzählung verſtaͤndlich wer:
den. Dan könnte nun meinen, die Poeſien felen ein
Schmud und Zuthaten der Novellen und diefe die Haupt:
fache; aber wir möchten es faſt fo anfehen, als ob bie
Doefien die eigentlichen Lebenskeime der Erzählungen feien,
in welche fi die Stimmung zufammendrängt; oder, wenn
Dies zu viel geſagt fein follte, das Element, der Gegen:
ftand einer Battung der Iprifchen Poeſie, des Liedes,
Stimmungen nämlih, find Auch zum großen Theil
das Element und der Gegenſtand dieſer Erzählungen,
mehr als Charaktere und Begebenheiten. Als größere
künſtleriſche Compofitionen kann, was den Plan des Gan-
zen und die Anlage und Durchführung der Charaktere be⸗
trifft, Ref. die zwei größern Erzählungen „Ahnung und
Gegenwart” und „Dichter und ihre Geſellen“ nicht fehr
hochftellen; er geteaute ſich nicht, Die Idee derfelben kurz
und beflimmt anzugeben; bie Erzählungen im Ganzen,
wie die einzelnen Perfonen fchweben in einem Dämmer:
licht, das eime Weile anmuthig fein mag, aber auf die
Lange aͤngſtigt; oft iſt «6, als ob der Dichter ſelbſt
feine Lefer myſtificirte. Es waltet darin eine uͤberſchwaͤng⸗
liche, phantaſtiſche Romantik, welcher nicht, wie bei Ger:
vontes, ein befonnener, kuͤnſtleriſcher Verſtand maͤßlgend
zur Seite geht, ſondern die fi ungebunden ins ren»
zenlofe veriret und verliert. Bei dieſer phantaftifhen Un:
gebumbenheit fällt es auf, daß der Dichter in der Erzaͤh⸗
kung „Dichter und ihre Gefellen‘! Situstionen und Per:
fonen aus Goethes „Wilhelm Meiſter“ faſt gefliffentkich
nachzuahmen ſcheint. Die Elemente, die Motive, die
Rittwod, —— Nr. 277. —
Perfonen des Dichters find großentheils in allen feinen
Erzählungen verwandt; eine Hauptrolle fpiele überall,
wie bidig, die Natur, befonders Ward und Gebirg, In
deren reizender Schilderung in ihren verfchiedenen Charak⸗
teren, Geſtaltungen, Beleuchtungen der Dichter unerſchoͤpf⸗
lich iſt, und gewiß fein darf, jeden empfänglichen Lefer
mit Sehnfucht nady den bdargeftellten Scenen zu erfüllen.
Warme Sommer: und Mondſcheinnaͤchte, friſche Morgen
mit „verfchlafenen” Mädcyengefichtern unter den Fenſtern,
in Spanien und Stalien, in Gärten mit Wafferkünften
und Marmorftatuen fehlen nirgend. Die Wälder wim⸗
meln von Zägern und widerhallen von Waldhörnern und
Vogelſang. Wildſchoͤne Amazonen tummeln fih in Wald
und Gebirg, und felbft in Schlachten, heldenkühn auf
fhnaubenden Hoffen, und vertwegene, entbrannte Freite
und Liebhaber bleiben an wagehalſigem Muth nicht hin⸗
ter den Schönen zurüd. Lebensluftige, vom Arme des
Gluͤcks getragene junge Grafen und Edelteute durchziehen die
Melt auf Abenteuer, die Einen ritterlich ſchwaͤrmend, ernft
und fehnfüdhtig, die Andern genial, leidenſchaftlich, über:
müthig und muthwillig; gutmüthige oder armfelige Phi⸗
liſter bitden die Folie für die romantifchen Edelleute; halb
verrüdte Dichter ſchwanken bin und her zwifchen hoher
Poeſie und Gemeinheit, zwiſchen idealen Träumen und
derben Spaͤßen; Reiſen nach Spanien oder Italien, Mas⸗
keraden, Verkleidungen, Entführungen — prager Studen⸗
ten, Muſikanten, Zigeuner — dies die Perſonen und
Elemente, aus welchen die meiſten dieſer Novellen beſte⸗
ben. Aber wenn der ſtrengere kuͤnſtleriſche Sinn und
Verftand von dem Übermaße phantaftifchee Romantik nicht
eben befriedigt werden mag, fo findet ſich in dieſen Er⸗
zaͤhlungen eine unendliche Fuͤlle von ſchoͤnen, tiefen und
wahren Anfchauungen, von den Iebendigften, unverkuͤnſtelt⸗
fien Gefühlen, die tieffinnigften Betrachtungen und ein
üppiger, fprubeinder, aber nicht verlegender Humor. Was
am meiflen Bewunderung ertegen muß, ift die Paarung
der kuͤhnſten, phantaflifchften Imaginationen, welche allen
Boden der Wirklichkeit und Wahrfcheintichkelt uͤberfliegt,
mie einer uͤberraſchend treuen und fcharfen Auffaffung und
Schilderung der Zuftände, ber Verhaͤltnifſe, der Charaktere
bes wirklichen Lebens in den betailkieteften, feinften Zügen.
Unfee Dichter, den man ganz nur in den Wäldern und
im Himmel der Romantik einheimiſch zu glauden ver
1110
ſucht fein könnte, zeigt zugleich eine ausgebreitete und tiefe
Welt: und Menfchentenntniß, mit welcher er aber nicht
aͤngſtlich haushaͤlt, fondern bie er mit poetifcher Unbekuͤm⸗
mertheit verſchwendet. Er waͤre reichlich begabt mit den
Eigenfhaften, welche ben humoriſtiſchen Genremaler ma⸗
men, aber er verfchmäht es, fi in fo enge Grenzen ein:
zufchließen, er ftrebt immer hinaus in den Äther der freieften
romantifchen Poefle, und ftreift überall die Laſt des wirklichen
Lebens mit liebenswuͤrdigem Muthwillen ab. Für die gelun:
genfte feiner Erzählungen find wir geneigt die „Aus dem
"Leben eines Taugenichts” zu halten, in welcher Romantif
und harmloſer, unerſchoͤpflich quellender Humor eine Eöltliche
Miſchung bilden und melche fi nicht ins Maͤrchenhaftphan⸗
taftifche verliert wie „Das Marmorbild” und „Viel Lärmen
um Nichts” (erfleres eine phantaftifche Sefpenftergefchichte,
legtere® eine literarifhe Satire oder Humoreske, in ber
Art des „Seftiefelten Kater” oder des „Prinzen Zerbino’).
Die Einheit der Handlung iſt in diefer Heinen Erzählung
viel beffer gewahrt als in den größern, und ber Charal:
ter des barmlofen, gemüthlichen, treuberzigen und dod)
ſchalkhaften Gärtner, Geigers und Taugenichts ift aller:
liebſt durchgeführt. Sehr anfprechend ift ferner die Er:
zählung „Das Schloß Durandi” aus der Zeit der fran:
zoͤſiſchen Revolution, raſch und in flizzenhafter Kürze, aber
fehr lebendig und ergreifend erzählt, nur iſt der Gegen:
ftand zu düfter für Eichendorff's heitere Muſe. An „Viel
Lärmen um Nichts’ fchließe fi duch fatirifhen Humor
das dramatifhe Märchen „Krieg den Philiſtern“ an, wel
ches uns jedoch minder anfprechend erfcheint, wie benn Humor
und Satire in Deutſchland ſchwieriger find als anderswo.
Wenn Eichendorff's Erzählungen weder Den ganz be:
friedigen koͤnnen, roelcher eine firengere Einheit und einen
ducchgeführten Plan, confequente Charaktere und einen
öfthetifch befriedigenden Schluß verlangt, noch auch für
eine ſolche Claſſe von Lefern ſich eignen, welche — wenn
man ben Ausdrud geftatten will — den Brei ganz be:
quem in den Mund gefteihen haben wollen, fo bieten fie
doch jedem flr Poeſie Empfänglichen eine reihe Ausbeute;
fie find wie eine fchöne Gegend, wo der Reifende aller
Orten Überrafhende Anz und Ausfihten trifft und von
taufend freundlichen Plägen zu Raft und Genuß einge:
laden wird. Man ann darauf recht anwenden, was der
Dichter in „Ahnung und Gegenwart” fagt:
Das find die rechten Lefer, die mit und über dem Buche
dichten. Denn fein Dichter gibt einen fertigen Bimmel; er
ftellt nur die Himmelsleiter auf von der fhönen Erbe. Wer,
zu träge und unluftig, nicht den Muth verfpürt, die goldenen,
ofen Sproffen zu befteigen, dem bleibt der gebeimnißvolle
Buchſtab ewig todt, und er thäte beffer, zu graben oder zu
pflügen, als fo mit unnügem Eefen müßig zu geben.
Aus demfelben Merle mögen bier noch zwei Stellen
einen Platz finden, da fie für die Sefinnung unfers Dich:
ters charakteriftifch fcheinen und einem feiner Helden in
den Mund gelegt find, der gewiß am meiften von feinem
eigenen ernflen und treuen Welen an fich hat:
Wie wollt Ihre — fagt Friedrich, der Behauptung bes
Dichters Kaber widerſprechend, daß poetifch fein und Poet fein
zwei ganz verſchiedene Dinge fein — daß die Menfchen Eure
Werke hochachten, fi) daran erquicken und erbauen ſollen, mens
Ihr Euch felber nicht glaubt, was Ihr fchreibt, un buch
fhöne Worte und künftlihe Gedanken Gott und Menſchen zu
überliften trachtet ? Das iſt ein eitles, nidytönugiges Spiel, up
es büft Euch do nichts, denn es iſt Nichts groß, als wat
aus einem einfältigen Bergen kommt. Das heißt recht hm
Zeufel der Gemeinheit, dew immer in der Menge wach und ci
ber Lauer ift, den Dolch ſelbſt in bie Hand geben gegen die
göttliche Poeſie. Wo fol die rechte, fchlichte Sitte, dae true
hun, das fehöne Lieben, die beutfche Ehre und alle bie alte
herrliche Schönheit ſich hinflächten, wenn es ihre angeborenn
Nitter, die Dichter, nicht wahrhaft ehrlich, aufrichtig und cit
terlih mit ihr meinen? Bis in den Tod verhaßt find mir k-
fonber® jene ewigen Klagen, bie mit weinertichen Sonetten ix
alte fchöne Zeit zuruͤckwinſein wollen, und, wie ein Gtrohfenr,
weder die Schlechten verbrennen noch die Guten erleuchten un.
erwärmen. Denn wie Wenigen moͤchte doch das Herz zerfprin:
gen, wenn Alles fo dumm geht; unb habe ich nicht den Maut,
beflex zu fein als meine Zeit, fo mag ich zerknirſcht dat Schim:
pfen laflen, denn keine Beit ift durchaus ſchlecht. Die heiligen
Märtyrer, wie fie, laut ihren Erlöfer befennend, mit aufge
benen Armen in bie Zobesflammen fprangen — das find %
Dichters echte Bruͤder, und er foll ebenfo fuͤrſtlich denken en
ſich; denn fo wie Ae den ewigen Geiſt Bottes auf Erden tut
Thaten ausbrüdten, fo fol er ihn aufrichtig in einer derwitter
ten, feindfeligen Zeit durch rechte Worte und götttiche Erf:
dungen ausbrüden unb verberrlihen. Die Menge, nur af |
welttiche Dinge erpicht, zerſtreut und träge, figt gebüdt un
blind draußen im warmen &onnenfdeine. Der Dichter ku
einfam die fhönen Augen offen; mit Demuth und Freudigkei
betrachtet er, felber erflaunt, Himmel und Erde, und das dm
geht ihm auf bei der uͤberſchwenglichen Ausficht, und fo befinz
er die Weit, die, wie Memnon’s Bild, nur dann burd un
durch erklingt, wenn fie die Aurora eines bichterifchen Gemuͤthe
mit ihren verwandten Strahlen berührt.
Und am Schluffe des Buchs fagt Derfelbe, im Begrif
ſich von der Welt zuruͤckzuziehen:
Mir fcheint in diefem Elend, wie immer, feine andım
Huͤlfe als die Religion. Denn wo iſt in dem Schwalle von
Poefie, Andacht, Deutfchbeit, Zugend und Waterländerei, bi
jegt, wie bei der babylonifchen Sprachverwirrung, fdmantm
bins und berfummen, ein fiherer Mittelpunkt, aus welchem al
led Diefes zu einem Taxen BVerſtaͤndniß, einem lebendiger
Ganzen gelangen könnte? Wenn das Geſchlecht vor der Hand
einmal alle feine irdiſchen Sorgen, Mühen und fruchtloſen Ye:
ſuche, ber Zeit wieder auf bie Berne zu helfen, vergeflen un
wie ein Kleid abftreifen, und fich dafür mit voller, ſiegrtichet
Gewalt zu Gott wenden wollte, wenn bie Gemüther auf folk:
Weife von ben göttlichen Wahrheiten ber Retigion lange ver
bereitet, erweitert, gereinigt und wahrhaft durchdrungen wer
den, daß der Geift Gottes und das Große im öffentlichen Leben
wieder Raum in ihnen gewönne, dann erſt wird es Zeit fer,
unmittelbar zu handeln, und das alte Recht, bie alte Kreibeit,
Ehre und Ruhm in das wieber eroberte Reich zuruͤckzufuͤfren.
Und in biefer Gefinnung bleibe ich in Deutfchland und waͤhl
mir das Kreuz zum Schwerte.
Darauf erwidert der Dichter Faber:
Wie Ihr da fo ſprecht, ift mir gar feltfam gu Mutk.
War mir doch, als verſchwaͤnde babei die Poefte und alle Kunf
wie in der fernften Berne, und ich hätte mein Leben an ein
erigenbe Spielerei verloren. Denn das Haſchen ber Pocſie ned
außen, das geiftige Verarbeiten und Bekimmern um Das, me
eben vorgeht, dad Ringen und Abarbeiten an ber Beit, fo grch
und lobenswerth als Sefinnung, tft doch immer unkünftieild.
Die Poefie mag wol Wurzel fchlagen in demfelben Boden
der Religion und Nationalität, aber unbekuͤmmert, blos um it:
ver bimmlifcher Schönheit willen, als Wunderblume gu und ber:
aufmachen. Sie will und fol zu Nichte braudbar fin
®
€
Aber bes verfieht Ihr nicht und macht mid nur irre. Gin
fröhlicher Känftler mag fi vor Cuch hüten. Denn wer bie
Gegenwart aufgibt, wie Friedrich, wenn die friſche Luft am Les
ben und feinem überfchwenglicdyen Reichtum gebrochen iſt, mit
defien Poeſie iſt es ans.
Darauf antroortet Friedrich mit dem zur Guitarre
gefungenen Liede „An die Dichter”, woraus eben einige
Strophe mitgetheilt wurden; unb ehe er von den Freun⸗
den fcheidet, fagt er noch:
Aus ihren Bugen wirb die Welt noch einmal kommen, ein
unerhörter Kampf zwifhem Altem und Neuem beginnen, bie
Leidenfchaften, die jest verfappt fchleichen, werben die Larven
wegwerfen und flammenber Wahnſinn fi mit Brandfackeln in
die Verwirrung ſtuͤrzen, als wäre die Hölle losgelaffen, Recht
und linrecht, beide Parteien, in blinder Wuth einander verwech⸗
fein — Wunder werden zulett gefchehen, um der Gerechten
willen, bis endlich die neue und doch ewig. alte Sonne durch die
Graͤuel bricht, die Donner rollen nur noch fernab an den Ber:
gen, die weiße Taube fommt durch bie blaue Luft geflogen, und
die Erde hebt ſich verweint, wie eine befreite Schöne, in neuer
Glorie empor.
Diefe Prophezeiung — wird fie noch — ober wird
fie nur no einmal in Erfüllung gehen?
Guſtav Pfizer.
Ethnographiſche und geſchichtliche Notizen über die Zigeuner.
Gefammelt duch Kart v. Deifter.
(Beſchlus aud Nr. 276.)
Si ift vielfach behauptet worden, daß bie Zigeuner aus
ihrer Heimat eine eigenthümliche Religion mitgebracht und
ats Geheimcult bewahrt hätten. Jedoch flimmen Alle, welche
dieſes Voik näher zu beobachten Gelegenheit hatten, darin über:
ein, daß fie weder eine eigenthlümliche noch irgend cine Reli⸗
sion haben. Kogalnitſchan glaubt eine Art Fetiſchimus bei
ihnen entdeckt zu haben, wonach man nüglichen Gegenftänden,
wie Zelt, Wagen, Schmiede, befondere Verehrung zolle; aud)
Elsner will Daffelbe in Siebenbürgen beobachtet haben. Der
große Werth, den der Zigeuner mit Recht auf die genannten
Gegenftände legt, ift wol weit von jener niedrigften Form der
Gottesverehrung entfernt, wo, ohne bewußten Grund, die un:
bebeutendflen Dinge wechſelnd angebetet werben. Außerlich bes
kennen ſich die Zigeuner in der Negel zu der Religion bes Lan⸗
bes, zu der herrfchenden, von beren Bekenntniß fie den meiften
Bortheil und Eräftigften Schug gemwärtigen; bie meiften find
Katholiten. Die Idee der Fortdauer nach dem Tode erſcheint
ihnen laͤcherlich. „Was wir jetzt haben“, ſagen fie, „iſt doch we:
nigſtens etwas; wenn wir aber geſtorden find, iſt nichts mehr“;
ober: „Warum follten wir nody einmal leben; wir find hier
ſchon elend und lafterhaft genug.” Ein auf eine Gtadtfchule
in Siebenbürgen aufgenommener Zigeunerknabe war geſtorben;
die geſammte Verwandiſchaft wohnte der feierlichen Beerdigung
bei, die ihrer Eitelkeit fchmeichelte. Gin Geiſtlicher fragte ſie,
ob fie denn an die Auferſtehung bes Fleiſches glaubten. Da
lachten fie hell auf und nannten es einen feltfamen Ginfall,
daß tobtes Fleiſch wieder lebendig werben folle; denn Aas fri
Aas, ob von Pferden ober von Menſchen. Die Miſſionsverſuche
baben nirgend einen reellen Erfolg gehabt. Die Bibeln, welche
Barrom unter fie vertheilte, nahmen fie gern an, um fie bals
digft mit werthvollern Gegenftänden zu vertaufchen. Als ihnen
Barrow einft bibtifche Geſchichten erzählte, fagte ihm eine Zt:
geunerin: „Bruder, die Geſchichten, die bu uns da aufbindeſt,
mögen dir wol felbft aufgebunden fein!‘
Der gefhichttiche Theil des Wuchs handelt von dem erſten
Auftreten des Zigeuner in @uropa (im 3. 1417), ihre weitere
Berbreitung über unfern Grdtheil, bie anfängliche Duldung und
fpätern Verfolgungen, welche fie erfuhren, bie mit ihnen ans
Aal
geftellten Beſſerungeverſuche u. f. w.; In einem Xuhange berich⸗
tet ber Verf. über bie Zigeuner in OÖftpreußen,, wo * Gelegen⸗
heit hatte, einige Familien dieſes Volks aus eigener Anſchauung
kennen zu lernen. Um nicht zu weitlaͤufig zu werben, wollen
wir bier nur noch einen, für den Menfcenfreund gewiß den
intereffanteften Punkt herausheben: die WBefferungsverfuche; und
bierbet kommt wicder ganz befonders der Gharafter der Bis
geuner in Betracht.
„Es laͤßt ſich dem Zigeuner viel Übles nachfagen, wenig
Gutes. Wir finden ihn im hoͤchſten Grade gefhmwägig, Leicht:
finnig, unbeftändig, bann treulos, furchtſam, rachſuͤchtig, der
Gewalt gegenüber fltavifch, anmaßend und unverfchämt, wo er
ed wagen barf. Wäre er aber anders, fo würde dies ein nicht
begreifliches Phänomen bieten. Seit Jahrhunderten entweber
in harter Sklaverei, ober glei einem wilden Thiere verfolgt,
vogelfret, außer dem Geſetz, da mußte fich fein Weſen fo ents
wideln, wie es ift, und es Laftet auf uns der [hwere
Borwurf, daß faſt vier Jahrhunderte verliefen,
bevor au nur ein Verfuh gemacht wurde, die 3i—
geuner zur Befferung wieder in die menfhlide
Gefellfhaft aufzunehmen. Wenn ſich das Zigeunervolk
erhielt, trog aller Verfolgung, Jahrhunderte lang in, einer auf
nichts geftellten Exiſtenz, wenn es nie an ſich felbft verzweifelte,
wenn ber forglofefte Frohſinn flet wieder über alle Leiden fiegte,
fo fönnen wir einer Nation von foldyer Rebensfraft wenigftens
das Intereffe nicht verfagen, und, wäre bier ber Lebensmuth
ein moralifcher, fo müßten wir fogar bewundern.”
Faſt Alles, was bisher von ben verſchiedenen Regierungen
kur Beſſerung der Zigeuner gefchehen ift, zeigt nur, wie Bel:
erungeverfuche nicht angeftellt werden muͤſſen; nur einzelne
Beftrebungen biefer Art find ziemlich gelungen, und bies zwar
in weniger cultivirten Staaten, wie z. B. in der Moldau unb
Walachei. Dan hat die Zigeuner mit Vortheil zu militairifchen
Zwecken benugt, und an ber Donau finden wir fie während der
legtern Jahrhunderte ſowol in chriſtlichen als in türkifchen Hee⸗
ven. Fuͤrſt Miloſch in Serbien hatte Gluͤck mit feinen Beffes
rungsverfuchen; die bei Poſcharewatz von ihm angefiebelten Zi⸗
geuner leben von dem Kukurutz, ben fie ſelbſt bauen und find
fleißige und ordentliche Eeute. Die ausgedehnten Reformoerfuche, .
welde man in Dftreih in Betreff der Zigeuner unter Maria
Therefia und Joſeph IL. anftellte, hatten nur geringen Grfolg
und fdheiterten befonders daran, daß man ſo ſchnell die Geduld
verlor und ed, mit überfirengen Maßregeln zwingen wollte.
In Preußen wurde in neuefter Zeit zu Friedrichslohra (Thuͤ⸗
ringen) ein Verſuch zur Sittigung der Zigeuner gemacht. Anz
fange ging bier Alles recht gut; ber Bericht vom Juli 1830 — 31
lautete ſehr günftig. Sin Baus war angetauft, ber Bau einer
Schule wurde begonnen, und während 18 Kinder Unterricht ers
hielten, fuchte man audy die Alten an Arbeit zu gewöhnen,
lieg burd fie ein Stuͤck Waldland ausroden, gab auch Vor:
ſchuͤſe zum Ankauf von Geräth. Der wadere Schuhmacher
Wilhelm Blankenburg, der gute Schuffenntniffe beſaß, aud
mit Feld: und Gartenarbeit Beſcheid wußte, ſtand der Anftalt
vor, welche von ber Regierung und von Privatvereinen unters
flügt wurde. Balb aber trat das feindfelige Entgegenmwirlen
ber alten Zigeuner hervor; fie verließen ihre Arbeit, verleiteten
ihre Kinder, nicht mehr zur Schule zu gehen, entführten einige
Knaben, die man nad Erfurt in bie Schule gegeben hatte u. ſ. w.
Die Anftalt ging im September 1837 ein; man hatte es gut
gemeint, aber Geld und Mühe mar umfonft aufgewendet wors
den. Es bleibt hiernach recht ſchwer, einen zuverläffigen Weg
zur Beſſerung der Zigeuner anzugeben. Jedenfalls muß auf
fofortigen Erfolg verzichtet werden und haben wir biefe
Fremblinge durch vier Jahrhunderte fo ſchlecht bleiben Laffen,
wie fie bei ihrer Ankunft in Europa waren, fo koͤnnen wir uns
immerhin noch eine Weite gedulden, bis fie ſich gründlich befs
fern. Es ift viel gu gewähren, wenig zu fodern; es barf das
Band, welches fie mit der Befellfchaft verknüpfen fol, nur alls
mälig angezogen und nicht zur ſchweren Kette werben; es barf
A
or Allem nicht aus gereiffenen Jamttſenfaäͤden gewirkt fein, da
Ve Trennung ber Kinder von den Üttern gerade bei biefem
VBtumme die größten Schwierigkeiten findet. Hören mir num
ſchttehlich die Anfichten, welche der Verf. über die dei ben Zigeu:
nern anzuwendenden Befferungsmittet aufftelt :
„Zur Beſſerung bey Bigenuner muß von überaus verſchie⸗
benen Punkten aus gewirkt werben, bie hier angedeutet werben
folen. Bon Seiten des Staats fönnte verfucht werben, an
beffere Bigeuner Waldwärter:, Shauffeeauffeherftellen, überhaupt
foche zu geben, womit das Tragen einer Uniform verbunden
it. Hier muß von vornherein auf gutes Gluͤck volles Vertrauen
gewährt werben, und es ift, bei ber Charaktereigenthuͤmlichkeit
diefes Volks, faft mit Gewißheit darauf zu rechnen, daß jenes
nicht getäufcht wird. Eine ſolche Anftellung müßte aber durch
‘eine längere militairiſche Dienftzeit erlangt werben, unb es
würbe —* uͤberhaupt rechtfertigen, die Zigeuner laͤnger dienen
zu laſſen, da fie im Übrigen dem Staate nicht das Geringfte
nüsen. Dann erfolgte nur Urlaub beim Nadyweis eines ficheen
Lebensunterhalts, und es würden bie ind Vagabundiren Ruͤck⸗
älligen wieder eingezogen. Das Soldatenweſen fehmeichelt bem
tolge und ber Gitelteit des Zigeuners; bie hier nur moralifche
ſchraͤnkung der Freiheit wird viel vortheilhafter für feine
Gittigung fein als bie phyſiſche in einer Correctionsanſtalt.
Auch noch auf eine andere Weife koͤnnte durch Beiſpiel gut
auf die Bigeuner eingewirkt werben. Man gebe an die am mes
nigften Lieberliche Bamitie ein Eigenthum, was aber liberal mit
Wohnung, tobtem und lebendem Inventar ausgefkattet fein müßte,
ſobaß die Behaglichkeit der Lage die Luft am Wandern vergef-
fen machte. Eine ſolche Wirthſchaft dürfte aber nicht unter bie
Sontrole einer Behörde geftellt werden und es müßten Gensdar⸗
men und Poticeibeamte fern bleiben. Dagegen wirkte ein wohl⸗
wollender Nachbar dahin, baß aus ber Felde am Eigenthum
auch die Thätigkeit zu deſſen Erhaltung erwache. Gelingt ein
ſoicher Verſuch, fo hat er die Folge, daß der fo bevorzugte Zi⸗
euner balb von feinen Stammgenoffen beneibet, gehaßt, ja
folgt wird, er ſich aber von diefen losfagt, fich ihrer gain
und dann merden andere Familien biefes Volks verſuchen, in
eine ebenſo günftige Lage zu gelangen, was auch als Lohm
- Jängerer guter Führung in Ausficht geftellt bleiben muß. Übers
aus viel mehr als der Staat vermögen aber bie Butöbefiger zu
bewirken, wenn fie de überwinden, Zigeuner verfchiedenen Al⸗
ters und beiderlei Gefchlechts in ben Dienft zu nehmen, und
wenn fie dann zundchft wenig fobern, Zwang vermeiden, unbe:
Dingt vertrauen: das heißt allerdings den eigenen Vortheil dem
hoͤhern Zwecke unterorbnen, einen Volksſtamm aus der fittlichen
Verſunkendeit zu retten. Welche Richtung zur Befferung der
Zigeuner eingefihlagen wird, fo muß ſtets vor Augen bleiben,
bfefe Orientalen nicht etwa in eine andere Nation umfchaffen
vu wollen, fordern die in ihrer Eigenthuͤmlichkeit liegenden gu⸗
en Keime, wie ſchwach audy, zu pflegen und zu entwickeln.“
„Die ſegensreichſte Wirkfamteit Liegt endlich in der Hand
ver Geiſtlichen, nicht aber, indem fie die alten Sigeuner zur
Kirche, die jungen zur Schule geleiten: denn das beißt, wie
dies Volk jegt noch ift, gutes Korn auf völlig unbebauten Bo⸗
den ausflreuen, wo es entweder gar nicht aufgeht, ober im
Anfraute der aus Gigennug und Eitelkeit bervorgehenden Heu⸗
chelei erſtickt. Dagegen follen die Pfarrherren von der Kanzel
Yerab ihre Gemeinden über diefe Fremdlinge belehren, ihnen
deren Gefchichte erzählen, wie fie in der fernen Heimat tief
unter das Thier herabgemürdigt, bei uns durch Sahrhunderte
unmenſchlich verfolgt und fo immer tiefer ſinkend Gegenſtand
des Abfcheus wurden, den fie mit Haß ermwidern. Dat ber
Landmann fo Theilnahme, Mitleid gewonnen, abergläubifche
Furt vor den geheimen Künften ber Zigeuner abgelegt, ift in
feiner Bruft die Vorftellung erweckt, daß biefe verwahrloſten
Kinder . des Orients nur durdy Liebe wieder Lieben fernen, nur
durch fle in bie menſchliche Geſellſchaft wieder einzuführen find,
fo te ımendifd) viel gewonnen. Es Liegt dann bie Zeit nicht
feth, Wo "He z von fFabſt !ven Wer
und Sc füden wo fie * won NASE ben BB Sit
Bibliographie.
Arnold, %. Ch., Über Eidesleiſtung durch Stelloertreter
im CEivilprozeß. Erlangen, Palm u. Ente. ®r. 8. 11, Re.
Die Baſiliken des chrifttichen Roms, aufgenommen von ben
Architekten J. G. Gutenſohn und 3. M. Knapp. Roh
ber Beitfolge georbnet und erklärt, und in ihrem Zufammens
bange mit Idee und Befäjichte der Kirchenbaukunft dargeſtelt
von Eh. 8. 3. Bunfen. Iftes Heft. Muͤnchen, Eiterar. san
Großfotio. 1 Zpir. 10 Ngr.
Rgr.
erner, A. F., Grundlinien ber criminaliſtiſchen Impa:
tatioopiehne, Berlin, re Gr. 8 1 * 15 Rar.
-„Beleler, G., olksrecht und Juri t. Beim
Weidmann. Gr. 8. 2 Thlr. ” vor
Dramatifche Bibliothek des Auslandes." In gewählten üben
fegungen. Ste Bändchen. Scribe's ausgewählte dramatiſche
Werke. Ttes Bändchen: Geliebt fein ober flerben. Luſtſpiel in
einem Aufzug nah Scribe und Dumanair von J. v. Ri:
bics Wien, Zauer u. Sohn. 18. 7%, Nor.
‚ Biedermann, ©., Die deutſche Philsſophie von Kızt
bis auf unfre Zeit, ihre wiſſenſchaftliche Gatwirtung und ie
Stellung zu den politifchen und focialen Verhaͤltniſſen ber Gr
enwart. 2ter Band. eipäig Mayer und Wigand. Gr. 8
eis beider Bände 6 Thir. 22%, Nar.
eeb LE 3 Su — zu der Lehre von
en. r Theil: Die Entſtehungslehre. nkfurt a. W,
Sauerlaͤndet. Gr. 8. 2 Thlr. 10 Rat. Beanffer
Grande, E., Die Lehre vom heiligen Abendmahl. fi
Theologen unb Richttheologen. Kurz bargeſtellt. Leipzig, Die
der. 8* 10 ner.
aupp, K. F., Die Union ber deutſchen Kirchen. Brei
lau, Hirt. Sr. 5 Thlr. ſche
. Beſchichte der Ober: Pfarr: Kirche zu St. Marien in Dar
zig. Denkfchrift zum S0Ojährigen Yubelfefte den 28. Maͤrz 188,
Geraußgegeben von einem Gefchichtöfreunde. Danzig, Homann.
Gr. 8.
Oepp, 8.6.%H., Darftellung und Weurtheilung ber deut:
fhen Strafrechts⸗Syſteme, ein Beitrag zur Geſchichte der Phi
tofophie und der Strafgefehgebungs s Wilfenfchäft. Afte Abthei:
lung: Die Vergeltungss oder Gerechtigkeitsſoſteme. Re vöfie
umgearbeitete Auflage. Heidelberg, Mohr. Gr. 8. 2 Ihe.
Kruͤer, A., Gedichte. Leipzig, Got. Gr. 12. Mar
Luͤbeck, W., Echr: und Handbuch der deutfchen Zurnkunf.
Frankfurt a. O., Durneder u. Comp. Gr. 8. 1Thir. 10 Re.
Mignet, F. A., Hiftoriihe Schriften und Abhandlungen,
Uberſetzt von 3. J. Stolz. After Theil: Biographiſche Bidn
von Sieyes, Roͤderer, Livingſton, Talleyrand, Broufſait, Ber:
lin, Tracy, Daunou, nebft mehreren Vorträgen in der Akademi.
Leipzig, Köhler. Gr. 8. 2 Thlr.
Naturgefchichte des Muſikanten, von Bilarius Par:
enf & l aͤg 5 Mit eingedruckten Holzſchnitten. Leipzig, Br:
er. 16. r.
Das Nibelungentied. Überfegt von K. Simrock. M
Auflage. Gtuttgart, Gotta Gr. 8. 1 hir. |
Aus dem Kranz
Die cenften Stunden eines Juͤnglings.
fifden. Muͤnſter, Deiters. 18. Ar.
Woeniger, A. Th., Publiciſtiſche Abhandlungen. Iſter
Theil: Die Gründe des wachſenden Pauperiemud. — Die Pur
bliciftit des Herrn von Buͤlow⸗Cummerow. Be Auflage. Ber
iin, Hermes. Gr. 8. 1 Thir.
Berantwortlicder Derauögeber: Heinrih Brodbaus. — Drud und Verlag von F. X. Brochaus in Leipzig.
Blätter
für
literarifhe Unterhaltung.
Donnerstag,
Borlefungen Über flawifche Literatur und Zuftände. |
Gehalten im College de France in ben Jahren!
1840—42 von Adam Mickiewicz. Deutſche,
mit einer Vorrede des Verfaſſers verfebene Aus-
gabe. Zwei Theile in vier Abtheilungen.
und Paris, Brockhaus und Avemarius.
Gr. 12. 5 Thlr. _
Erſter Artikel.
Mickiewicz bildet In der neuoſten Zeit eine für ganz
Europa fo fntereffante Erfheinung, daß gewiß Jeder, wel:
her fih um bie flawifhen Zuflände auch nur im ent
Beipai
18
fernteften kümmert, mis größter Begierde das vorliegende :
nehmen wird. Micbhiewicz iſt Dichter ı
Buch zu Hand
durch und durch und dies gibt den Maßſtab für die Ber
urtheitung feiner Borlefungen. Sein poetifcher Geiſt
ducchdringt die tieffien Tiefen des ſlawiſchen Lebens und
weiß es bald ahnend, bald mit Bewußtfein in den gläns
zendſten Biden darzuftellen. Aber derſelbe poetifche Geift
laͤßt ibn auch fo manches in die gewöhnliche Proſa Ein:
fehlagende überfehen; was man von dem seinen Gelehrten
zit viel größerer Schärfe fodern würde, muß man ibm
um großen Theil nachſehen. Es fehlt dem berühmten
Manne an der genauen Kenntniß des Detaild ; trogdem
aber weiß er inflinctmäßig wie ducch eine heilige Ahnung
den Sen Deſſen zu tseffen, maß er darſtelt. Der Bufas
Zuſtaͤnde“ auf dem Titel iſt hoͤchſt wichtig und feut dem
Lefer beffer auf dem rechten Standpunkt, von welchem aus
man das Werk Mickiewicz's beurtheilen muß, als der
Titel, den das polnifcge Original trägt. Die vorliegende |
Uberfeung ift im Ganzen gelungen gu nennen, und dürfte
jeder billigen Foderung genhgen. Das Wuch felbft ent⸗
fand, wie uns berichtet wurde, auf eine eigenthümliche
Weile. Mickiewicz trägt nämlih nad keinem Concept
vor, fondern überlegt nur die wichtigften Punkte, welche
er zu beſprechen gefonnen iſt, und redet dann, was ihm
der Augenblick und feine Begelſterung eingibt. Mehre
feiner Zuhörer ſchrieben das Gehoͤrte nieder, theils es
wörtfich ſtenographirend, theil6 die Hauptgedanten auf:
seihnend. Nach diefn Quellen wurde dann ein ausführ
lies Referat in dem „Dziennik Narodowy” in point:
ſcher Sprache (Mickiewicz trägt natuͤrlich Franzoͤfiſch vor)
vom Grafen Plater und Andern zufammengeftellt, und
—
dieſes ſpaͤter als Text in ein Buch zuſammengetragen.
UÜber den Inhalt des hoͤchſt intereſſanten Buchs wollen
wir nun Einzelnes mittheilen.
Mickiewicz behauptet im Eingange ſeiner erſten Vor⸗
leſung, es ſei ein Charakterzug unſerer Zeit, daß ſich die
. 1 Bölfer gegenſeitig einander zu naͤhern ſuchen; virgend rege
ſich dieſes Sehnen nach Annäherung fo allgemein und fo
lebendig als in dem ſlawiſchen Stamme. Diefer, in ſei⸗
ner ungeheueen Ausdehnung (er nimmt die Hälfte von
Europa und den britten Theil von Afien ein) und bei
der großen Zahlmenge bat ſchon in den aͤlteſten Zeitem
Einfug auf Weſteuropa geübt und ſteigt gegenmdrtig zu
immer groͤßerer Wichtigkeit. Der Vacf. beſchreiht dann
bie ſlawiſchen Voͤlkerſchaften, ihre Sitze, ihre religiöfeg und
politifchen Formen, ihre Sprache und die Wichtigkeit ih⸗
res Notionalelements. Bevor er dann zu ber eigentlichen
Literatur uͤbergeht, Legt er noch einige Endergebniſſe vor,
welche das Studium der ſlawiſchen Sprache und Literatur
zu Tage foͤrdert. Erſtens haͤtten die Slawen ſeit jeher
Einfluß auf das angrenzende Europa geuͤbt; ferner ſei die
neue Geſchichte der Slawen unzertrennlich verbunden mit
der von Weſteuropa; der Kampf zwiſchen Polen und
Rußland hat die Welt erſchuͤttert. Außerdem haben bie
Stawen Vieles in dee Wiffenfhaft gefeiftet; in der Bo:
tanik, der Phyſik und der Aſtronomie haben fie bie
erflen und wichtigſten Gntbedungen gemacht. Endlich
offenbare ſich bei den Slawen immer feſter und feſter
„dee Glaube, daß fie beſtimmt ſeien, einen thaͤtigen Ans
theil am allgemeinen Streben Europas zu nehmen”. Die
gegenwärtigen politifchen Verfaffungen der Slawen Haben
auch für den Politiker die größte Wichtigkeit; er koͤnnte
von bier aus manche Aufklärung ſich holen, um bie End:
refultate Deffen vorauszufehen, was die Publiciſtik gegen:
wärtig als erficebenswerth angibt.
Mehre Ideen, weiche bei ihnen erſt als verſtandesmaͤßige
Auffaffungen ſich noch nicht bis zu ‚den etzten Logifi
gerungen entwickeit haben, geben ſchon führt bei ben Sla⸗
wen die Anſicht von dem in der Wirklichkeit erhaltenen *88
niſſe. Wuͤrde eine aufmerkſame Beobachtung die von den Sla⸗
wen ſo eifrig aufgegriffenen Theorien des Weſtens und das
tiſche, fo gaͤnzlich dem Weſten unbekaunte Leben ber Slaab
Böker vereinigen, fo woͤrde biefes ber Menſchheit viele
nexgebliche und ſchmerzliche vielleicht erſparen ·
Der franzoͤſiſche Rationalcondent griff zu einer en und ge⸗
waltſamen Reform; Peter dee Große weicht weder In ber troti⸗
Hi
t Entſchluͤſſe noch in ber ener Gewalt
—ãS aan * Maͤnnern —* Gonvents.
Dieſer Reformator war allein ein ganzer Convent, und darin
höher als jener, daß er fein Werk vollbracht hat. Peter's
des Großen Syſtem ftcht bis auf den heutigen Tag, bat fid
gaͤnzlich entwickelt, es trägt Fruͤchte.
Die religioͤſen Reformen will der Verf. nicht vorzuͤg⸗
lich beachten, obgleich ſie Einfluß auf Europa gehabt.
Dem Luther iſt ja Huß vorhergegangen, und die zahlreichen
und verſchiedenen Sekten find bier zur völligen Reife, zum ſo⸗
cialen Zuftande berangereift; fie haben ihre gefeßgebenden Koͤr⸗
per und Bollführungsgewalten gehabt, fie haben die allerlegten
Endergebniſſe geliefert, welche man hätte ſehen koͤnnen, ohne
denfelben Weg aufs neue zurüdiegen zu brauchen.
Naͤher berühre die Geſchichte der nördlichen Voͤlker
die Literatur. Hier haben befonders zroei Voͤlkerſtaͤmme
auf die Slawen gewirkt: der uralifhe, vorzüglich der
mongolifch:tatarifche, und ber türfifhe. Bei jenem fcheint
der blinde Gehorſam „die ganze Grundlage feiner gefelli:
gen Drganifation zu fein — der unfehlbare Inftinct der
MRaubthiere leitete das ganze Heer —, die Vernichtung
war fein einziger fichtbarer Zweck“. Anders waren bie
Türken, die fi am meiften dem indo⸗germaniſchen Stams
me genähert und vermiſcht haben.
Das Land der Ruffinen hat von ber einen Geite gen
Norden die Mongolen zurüdgebränats auf ber andern Seitr
Polen die Oomanlis in der Mitte von Europa aufgehalten.
Die Schliderung diefer beiden Voͤlkerſchaften und ih:
res ganz verfchiedenen Charakters ift ausgezeichnet.
Dritte Vorlefung. Der MWiderfland gegen bie
Afiaten „drückte der flawifchen Literatur einen eigenthuͤm⸗
lichen Stempel auf. In bdiefem langen und erbitterten
Kampfe haben die flamifchen Völker ihre Volksthuͤmlich⸗
Zeit ausgebildet, ihren Genius entwfdelt; durch ihn traten
fie in die Reihe der europaͤiſchen Völker.” In Rußland
wurde durch denfelben der Monarchismus, fpäter der Au:
tofratismus , in Polen der nationelle Patriotismus ge:
weckt. Über das Wort Vaterland, wie es zu verfchiedenen
Zeiten von verfchlebenen Perfonen gar mannidfaltig auf:
gefaßt worden ift, breitet fi ber Verf. weiter aus.
Der Patriotismus — fagt ee — ift das zeugende Dogma
der ganzen Bildung des Geiſtet und bes Gemuͤthes ber Polen;
ihre ganze Literatur entwuchs, entfaltete ſich und erblähte aus
dieſem einzigen Worte Ojczyzna, fie ift die verfchiedene Deutung
und Anwendung diefer einen Idee.
Die Darftellung des Ruffinenlandes, der Ukraine, ift
ein Zeichen der tiefen Poefie, tele in des Verf. Geifte
ruht. Den Charakter der ulrainifchen Poeſie als Vermitt⸗
lerin zwifhen Rußland und Polen hat Mickiewicz vors
trefflich aufgefaßt.
Vierte Vorleſung. Neben der ruffiihen und pol:
nifchen Poeſie werben nun bie allgemeinen Umriſſe der
ferbifchen und böhmifchen Literatur gegeben. Die Länder
fübtih der Karpaten find die „Wiege der ſiawiſchen Ges
ſchichte, bier fogar erhob fich zuerft eine Ihrer Mundarten
gar Würde ber Sprachen”, ber Kirchendialekt gehört
dieſer Zone an. Allein die Länder der Donau waren bie
Heerſtraße aller aflatifhen Horden, durch deren Andrang
jede Gründung eines feſten Staats unmoͤglich gemacht
wurde. Gerbien fehlen einſt zu einer Hegemonie berufen,
aber «6 fiel von den Türken geſtuͤrzt. Dermaßen ham
ſich alle Rüderinnerungen der Serben in einem Kampf:
plage eingefchloffen; ihre ganze nationale Poeſie irrt trau⸗
ig um einen einzigen Grabhügel auf den Federn von
Koffowo herum.” Die Czechen, am meiſten vorgeſchoben
gegen den Weiten, faugten einen großen Theil der Bit:
dung diefes ein und tepräfentiven demgemäß bie ſlawiſche
Wiffenfchaft. Auf diefe Weife hat der Verf. die wichtig:
flen Elemente des Stawenthbums in kurzem ſtizzirt un)
vergleicht dann die Länder deffelben in Hinficht ihrer Ge
(dichte und ihrer geiftigen Beſtimmung mit den well:
hen, in denen er ein merkwuͤrdiges und beiehrendes Wed:
felverhältniß zwifchen den Theilen der beiden Hälften Gu:
ropas beobachtet.
Die bergigen Länder ber, Illyrier und Serben entipreden
in vieler Hinſicht dem ſpaniſchen Satalonien und Afturien; &
find dieſes die Gemeinptäge der abenteuerlichen Unternehmungen,
der ritterlichen Schaufpieles bier und dort gibt es entführt
Pringeffinnen, mit dem Schwerte erbeutete Kronen. Range Zeit
war das Schickſal Polens aͤhnlich demjenigen Frankreicht; Po
ien wie Frankreich behielt nichts für fich von der Beute der
Ungläubigen, es blieb ihm nichts übrig als eine große heimats
liche Rüderinnerung und eine große Zuneigung bet ben Krems
den; die Völker find baran gewöhnt, in Polen den Bergegm:
wärtiger eines edeln Gedankens im Kampfe für das allgemche
Befte zu ſehen. Endlich Tpielen bie Gzechen und Ruffen Deutſch
land etwas ins Handwerk, man könnte fie bie flawifchen Deut:
[hen benennen. Der Czeche ftellt unter allen Slawen am m
ften den deutſchen Geift vor. Andererfeits fcheint Rußland a
England, diefes mobificirte Germanien, zu erinneen. In beim
fehen wir dieſelbe Ausdauer in ben Borläten, biefelbe Kraft is
ihrer Ausführung. Die Raſchheit, welche das Eine wie bi
Anbere von der Schwerfälligkeit des feften Landes unterſcheidet,
fann ebenfo gut hier wie da dem gleichmaͤßig eingeimpften
Geiſte der Rormannen gehören.
Fünfte Vorlefung. Bei den flawifchen Völker
fchaften hat „Reine Sprache und Beine Literatur ein übe:
wiegendes Recht zum Vorrange zur Oberhoheit unter den
andern”. Daher müffe man „den flawifchen Stamm in
feiner Ganzheit betrachten, die Stufenfolge feiner Ent
widelung auffpüren”. In diefer Abſicht theilt Drickienig
den Gang feines Bortrags fo ein:
1) Allgemeine Sharakterzüge der Samen, Kennzeichen ib
red Stammes und Beſchaffenheit ihres Bodens, zumal dur
diefe viele hiſtoriſche und literarifche Aufgaben gelöft werden.
Die aͤlteſten und allen Stawen gemeinſchaftlichen Literatur
denkmaͤler. 3) Die Denkmäler, welche den Tibergang vom dr
denthum zum Ghriftentyum bilden. 4) Das Zeitalter des Dei
dengedichts, bie ferbifche Poeſie, der Sagenkreis, welder di
Herrſchaft des Haufes Nemanicz umfaßt. 3) Polen tritt m
15. Jahrhundert an die Spike, fammelt in fi alle geifige
und fittlichen Kräfte der flawifchen Länder, entwidelt feine &
teratur und erhebt fie zur Kunft. 6) Endlich von dem dell
puntte der Hemmung feines Fortſchritts im 17. Jahrhundert
fängt bie allgemeine Umbilbung ber flawifchen Literaturen abi
Rußland und Böhmen kommen wieder auf dem hiſtoriſchen un
literarifchen Felde zum Vorſchein. |
In diefer Anordnung behandelt der Verf. in den en
fien drei Vorleſungen den erften Gegenfland, ben er ald
die Periode von den diteflen Zeiten bi6 zum Jahre 500
(n. Chr.) bezeichnet. Die Slawen gehoͤren zu dem inde—
europäifchen Volksſtamme, von welchen fie etwa den fünf:
228
wm Theil aramachen. Die Uieperliche Beſchaffenheit und
Die Stammestigenthuͤmlichkeit der Slawen wird mit glän:
zenden Farden geſchildert. „Randwirthfchaft iſt des Sias
wen unerlaßliches Beduͤrfniß. Der unermeßliche Raum
der ſlawiſchen Wohnſitze ſcheint auch gerade ein Land zu
fein, vorzuͤglich zum Ackerbau beſtimmt.“ Die Karpaten
bilden den feſten Grund dieſer Wohnſitze. Dieſelben wer⸗
den in dref Querſtreifen eingetheilt. Der mittlere Lands
itrich ift die Heerſtraße der wilden Thiere aus Aſien nad
Europa. Der nördliche Strich, dad Land der Wander:
ratten, welche als Sinnbild der Gefräßigkeit finniſcher
Voͤlker gelten, kann ebenfo wenig als der frühere ein
Land für Nomadenhorden fein.
Der ſuͤdliche Landftrich, offene Fluren mit fruchtbarem Bor
den, ift die Bahn anderer Befuche aus den Wuͤſten und Steppen
Aftens, es ift dieſes der Heuſchrecken- und Mongolenweg. Ie:
nes Infekt verfchwand, den Mongolen aͤhnlich, manchmal auf
lange 3eiten, Niemand ſprach von ihm Jahrhunderte lang, dann
erhoben fich wiederum plöglich feine Wolfen, die Sonne verfin⸗
fternd und die Erde betedend. Immer pflegte es in Polen
feine Winterquartiere zu nehmen; bie neue Brut drang dann
mit dem Fruͤhlinge zuerft zu Fuß vor, ließ bie Felder wie von
einer Keuersbrunft geſchwaͤrzt hinter fich, verfchüttete Fluͤſſe und
Engpäffe und flog, für den Sommer mit Fluͤgeln verſehen, bis
an die Ufer ber Elbe und des Rheine.
In dieſer Hinfiht flimmt die Sage des Volle mit
der gebildeten Literatur wunderbar überein.
Die Heufchrede, z. 8. ift in ber Überlieferung des Volks
immer das Ginnbilb der Zataren. „Laßt uns bie Heuſchrecke
en!” war lange ber Kriegsruf der Polen. Das Voll be
bauptet, auf ben Flaͤgeln dieſes Inſekts ſtehe mit Zauberzeichen
geſchrieben: „Sottes Strafe.” Bemerkenswerth if, daß alle
uralifche Hordenfuͤhrer von Attila bis auf Zamerlan jedesmal
fi) ats „Gottes Geißel” ankuͤndigten. — Die atterthümlichen
Lieder diefer Gegend fcheinen ber Widerhall von Vogelflimmen
und Inſektenſchwirren zu fein. — Betrachtet man bie gläns
senden Strophen eines andern unferer Dichter (Zaleski?) fo
fcheint es wirktich, ale fummten ganze Bienenigwärme, Schmet⸗
terlinge und Heine liegen mit goldenen Fluͤgelchen über bie
grünen Steppen ber Ukraine einher.
Als die drei Hauptdogmen der alten flawifchen Reli⸗
gion gibe der Verf. an: den Begriff vom alleinigen Gott,
den Dualismus, die Unfkerblichkeit der Seele; von Offen:
barung ift Leine Idee vorhanden, weil das Volk vor Abra⸗
ham ſchon nady Europa Übergemandert; die Religion war
„patriarchaliſch, ein Urglaube, wie in der Benefis, das
Bolt war ohne Priefter, ohne Geburtsadel, und ohne
Könige”. Won diefen Ideen ift das Dogma des Dualis⸗
mus ein fehr zmeifelhaftes; die Stawen haben viel wahr:
ſcheinlicher nur an einen einzigen, aber guten Gott ge:
glaubt; das böfe Princip mögen fie erft bei ihrem Zufam:
menftoß welt andern Völkern angenommen haben.
Sechste Vorlefung. Die flamifhe Mythologie
liegt im Dunkel und wenn der Urglaube der Slawen,
„unberührt gelafien von irgend einem Einflufje der Offen:
barung feine Einfachheit ewig bewahren konnte, fo mußte
er doch zugleich unfeuchtbar - und unfähig, irgend einen
Sortfchritt aus fich heraus zu erzeugen, bleiben”. Die
herumirrenden Bölker in der Völkerwanderung wurden von
Prophezeiungen und datauf gellügten Hoffnungen geleitet.
Die Stamm hatten keine folhen, konnten daher nie Er⸗
oberer werben. In Solge ihrer xeligiäfen Begriffe mar
auch ihre gefellfchaftliche Eintihtung ganz eigenthuͤmlich.
„Die Gemeinde, das Dorf, der Weiler iſt der Urſtoff der
ſocialen Verbindung unter den Slawen.“ Die innere
Einrichtung ſolcher Niederlaſſungen ſowie die alten ſla⸗
wiſchen Rechtsgewohnheiten, in welchen die Gemeinſchaft⸗
lichkeit des Beſitzes durchaus herrſchend war, beſchreibt
der Verf. mit den klarſten Worten nach den alten Nach⸗
richten forwie nach der Analogie der Gegenwart. Dann
fährt er fast
ic ſlawiſche Organifation, wenngleich eigenthuͤmlich und
ſchoͤn, war doch zur Vernichtung —S Fran
der weitern Entwidelung in fich trugs fie konnte dem thätigen
Oraanismus anderer Bölfer nit widerfiehen. Sogar in dem
tiefſten Dickicht ihrer moraftigen Wälder hätten fie mit ber Beit
ihr Geſchlecht nicht ſchuͤgen können, wenn fie nicht vorher in
' den Schoos ihrer Bevölkerung friegeriihe Stämme aufgenoms
men hätten, bie ihnen den Keim kuͤnftiger Staaten gebracht
haben, und wenn nicht der chriſtliche Glaube fie fpäter aus bem
Zuftande der Givitifationsunbeweglichkeit, einer Folge ber längft
abgeftorbenen Religion, herausgezogen hätte (?). Daher fie benn
in der Geſchichte erſt ſpaͤter auftreten, obgleich fie in den aͤlte⸗
ften Beiten nicht nur in ihren jegigen Wohnfigen, fondern auf
noch weit nach Weften hinaus über ganz Europa ihte Anflebes
lungen verbreitet haben, indem man daB Andenken ihrer Anwe⸗
fenpeit fogar noch in Frankreich und England vorfinde. —
Die verfchiedenen Namen, unter denen fie in der Befchichte vor
fommen, find von den Voͤlkern, welche fich zu ihren Herren
aufgeworfen, auf fie übergegangen. ‚
Siebente VBorlefung. Diefe Auffaffung des flas
wilhen Alterthums flimmt zwar nicht mit der der weft:
lichen Gelehrten überein; „beſonders bemühten fich die
Deutfchen leidenfchnftlih, die Meinung, als feien die Sla⸗
wen bie allerlegten Einwanderer nady Europa, zu begrün:
den; denn dadurch) wurde der Widerwille der Germanen
gegen diefe vermeintlichen Nachzügler des afiatiſchen Bar:
barenthbums, welche dem europäifchen Geſchlechte fih auf
einmal aufgedrängt hätten, fortwährend genährt”. Die
Schriftfteller, welche bisher über das ſlawiſche Alterthum
gefchrieben, fahen in allen Einzelnheiten defjelben nur den
Spiegel ihrer eigenen Vergangenheit, reducirten Alles,
was fie ſahen, auf ihre eigenen VBorftellungen und muß:
ten demnach nicht felten die flamifche Eigenthuͤmlichkeit
vom Grunde aus misverftehen. Erſt die Forfchungen der
ſlawiſchen Gelehrten haben Licht in dafjelbe gebracht. Die
alte finwifche Verfaſſung wurde anfänglid an den Gren⸗
jen, fpäter bei dem Kindringen der Barbaren und der
Verbreitung des Chriftenthums aud) im Innern durchaus
umgemwandelt ; und aus dem ganzen Altesthum blieb den
Slawen von der ganzen Arbeit der Jahrhunderte Fein eins
ziges Erzeugniß als ihre Sprache. „Alle ihre Kräfte,
alle ihre Fähigkeiten wurden zur Ausbildung bderfelben ver:
wandte.” Und dies iſt ein aͤußerſt churakteriftifcher Zug
der Slawen. „Dieſe ganze ungeheure Sprache iſt gleich
fam aus ſelbſtbuͤrtigem, von jeder Beimifhung freiem Erze
gegoffen, auf einmal aus einem einzigen Worte hervorge:
blüht.” In ihre werde der Streitpunft der zwei philolo:
giſchen Hauptfchulen, od die menfchlihe Sprache ein Ge:
ſchenk Gottes oder ein eigenes Product des menſchlichen
Geiſtes fei, entfchieden, indem man in ihr beide Princi⸗
1116
ten, das Börkiche und das Menſchtiche, finde, indem
fie gleichſam eine Zufammenfegung aus zwei ſich gleiche |
attig entwidelnden Sprachen fei, von denen die eine von
anficytbaren Dingen zu fichtbaren herabfteigt, die andere
fi von der finnfichen Wert im den Kreis einer hoͤhern
Wirklichkeit emporhebt und beide auf einer gewiffen Stufe
dee Volksbitkdung fi begegnen. Die Unendlichkeit ber
flaroifchen Sprache entfprehe am meiſten der Unermeß⸗
lichkeit der Natur; den Slawen fchelne es vorbehalten
zu fein, eine Philofophie der Sprache zu geben. Aus
der diteften Periode baben die Slawen eine nationale
Tradition erhalten, abflammend aus einer Zeit, wo die
Sprache noch nicht in Mundarten zerfallen war. Die
flawifche Sage unterfcheidet ſich von ber weſtlichen und
öfttichen, im Often fei fie ein Gegenfland der Kunſt ge:
worden, im Welten durch die Kunft bereits vernichtet;
bei den Stawen hingegen dauerte fie bie auf biefen Aus
genblick in ihrem urſpruͤnglichen Zuftande fort, weder als
Battung der Literatur, noch als Kinderſpielzeug. Ihr
Alterthum veicht über das der „Tauſend und Eine Nacht“
hinaus. Erhalten hat fie fih in den Märchen und Volks⸗
liedem.
Achte Vorleſung. Die Gemeinſchaft der ſlawiſchen
Sagen mit denen der andern europaͤlſchen Voͤlker beweiſt
das hohe Alterthum derſelben; gegenwaͤrtig iſt nur die ſla⸗
wiſche Welt die Schatzkammer dieſer merkwuͤrdigen Über⸗
reſte. Mit dem Zerfallen der ſlawiſchen Sprache in Dia⸗
lekte waren dem Slawenthum zwei verſchiedene Elemente
gegeben, welche gegenwaͤrtig von Polen und Rußland re⸗
praͤſentirt werden; die Dualitaͤt ſei auch hier herrſchend.
iermit beginnt eine neue Perlode vom J. 500 — 1000.
ach der kurzen Regierung Samo's erhebt ſich das groß⸗
maͤhriſche Reich. Die Lechen und Czechen, welche das
polniſche und boͤhmiſche Reich gründeten, waren durch die
Aſen verwandt mit den Warjegoruſſen, da dieſe als Nor⸗
mannen mit den Aſen gleichen Urſprung hatten. Alle
drei fremden Staͤmme gruͤndeten auf ſlawiſchem Boden
Reiche, gingen aber in kurzer Zeit im Slawenthum unter.
Die Religion bat ihre Verfchmelzung mit dem Slawen:
thum vollendet.
(Der Beſchluß folgt.)
Türkiſche Zugenden.
Das „Edimburgh review’ zeigt drei Reiſewerke über
Kleinaſien zc. gleichzeitig an, welche in den legten Jahren in
Engiand erfhienen find: William 3. Hamilton's „Researches
in Asia Minor, Pontus and Armenia’ (2 ®be., 1842) unb
zwei einbändige Werke von Charles Bellowes, naͤmlich „A journal
during aa excursion in Asia Minor“, fd&yon 1 ers
ſchienen; „An aocoust of discoveries in Byria (second excur-
sion in Asia Minor)” (1841). Aus allen dieſen Schilderungen
ergibt fih, daß man in ben gefchilderten Gegenden mit voll:
kommener perfänlicher Sicherheit reifen Tann. Dies ift vielleicht
überrafchend, zumal wenn man bagegen häft, was Reifende über
Italien, Spanien u.f. w. zu erzählen wiffen. Die lestern ſind
no dueifttiche Länder. Aber bie allgemein in den Länbern unter
tuͤrkiſcher Herrſchaft herrſchende Ehrlichkeit des Volkes wirb von
Sen. Bamilton wiedekholt
wert.
heruͤhat und Wadl vii
chhe Beiipkit üpnlldier Ant Sehen Ka a vn
mb aubern Reisenden
find fie nicht minder onzutreffen. AUS Mir. Fellowes einmal fein
Sepäd irgendwo in Berwahrung Laffen mußte, weil er et uf
| ſtiehlt — feine Religion verbietet a1
Gin anberer fchöner Zug im Volkscharakter iſt die Gaſtlichkeit,
bie man überall anteifft. In einigen Dörfern wurbe zwar
Mr. Hamilton gebeten, anberewo Halt zu machen, wo fd
bequemer haben koͤnnte; jeboch, wenn ex Beine
nahm, fondern blieb, fo beeiferten ſich augenblicklich alle Dark
bewohner, ihm Lebensmittel zu bringen und ihm jebe Artigfet
zu erweifen. Man denke, wie weit bie Achtung vor dem Fremi
ling geht! In der Borflabt von Als Schiher fand ‚Hr. Hamilten
bie engen Gaffen gebrängt voll von Bettlern, bie jeden voruͤber⸗
gehenden Türken und felbft den Suriji der Relfenden mit lauten
Geſchrei um Almofen angingen, aber kein Einziger unterfan
fih, Hrn. Hamilton und feinen Wegleiter um das Mindefte zu
bitten. Derfeibe Reifende wohnte zu Harmanjl einer Aubim
bei, welche der große Mann, ber Aga der Stadt, dem Bolk
gab; den Meiften war er zugleich Gutsherr. Alles ging anftändig
und feierlich zu, alle Anmwefenden betrugen ſich untereinander
hoͤflich und geftttet, Fein Lärm, kein Streit. Gin alter, —
Mann, ein Bild des Jammerse, in Lumpen gehuͤllt, naͤherte ſich
dem Aga. Sogleich erhob ſich dieſer halb von ſeinem Sitze,
den herkoͤmmlichen Gruß entgegenzunehmen und dem alten frau
ten Bettler dic Mühe des Verbeugens zu erſparen. Solchn
rübrenden Züge theilt Dr. Damilton viele mit; feriich feine,
‚von Tuͤrken etwas ame
Er, „sein €
von ihren religidſen Vorſtellungen in,
ichkei wieber mit ber Religien in
feet, z. 8. aus ihe abgeleitet, begruͤndet, gewechtfertigt wi
Die alten Kirchenvaͤter, welche die Zugenben ber Heiden nt
laͤugnen Tonnten, halfen ſich fo, daß fie verficherten, bie Zugeaben
Diefer wären body nur glänzende Lafter geweſen. tab die fafe
der Shriften? Nun, ebenfo viele I Sofern fie nur m
Glauben hatten, d. b. der Priefter Gatzungen und Herrſchaft
willig annahmen. Genug, die Religionen feien welche fie wol,
die Menſchheit treibt aus der Tiefe ihres Weſens flets und aber
den Adel ihrer Natur, bie ſchoͤnen WBikten ihres füttlichen Gefühl
und die Früchte der Liebe bervor.
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literarifche Unterhaltung.
—_ 2
Breitag,
6. October 1848.
Vorleſungen uͤber Nawife Literatur und Zuftänbe.
Schalten im College de France in den Jahren
1840— 42 von Adam Mickiewicz. Deutfche,
mit einer Vorrede des Verfaſſers verfehene Ausgabe.
Zwei heile in vier Abtheilungen.
Erſter Artikeil.
¶ Beſchluß aus Mr. M.)
Neunte Vorleſung. Seit der Organiſation der
neuen Reiche veraͤnderte ſich das ganze Leben der Slawen
und nahm den Charakter des gleichzeitigen Weſteuropa an.
Die Nationalſage wurde vernichtet und der neue, europaͤi⸗
ſche, chriſtliche Geiſt wurde herrſchend. Die Polen wie
die Ruſſen wollten den ganzen Norden zu ihrer Beute
machen. Die Lechiten in Polen bildeten eine Adelsrepublit,
meiche unverändert blieb. Die Normaͤnner gründeten ein
einheitliches Reich, aber ihre Dynaſtie verwandelte ſich in
Burzem in eine ſlawiſche, und „nichts mehr kam mit ihe
ins Land als die neue Idee der Gewaltführung”. Zwi⸗
fhen dieſen beiden Staaten lag ein Gebiet, weldyes vom
Dujepr, dem Schwarzen Meere, dem Bug und Niemen
eingefaßt if.
Es war ber Schauplatz bed Kanipfes Ruflanbe mit Pos
len. Auf. dieſem —* rang bie katholiſche Religion
mit der Öfttichen Kirche, bie Abelörepublit mit dem Alleinherr⸗
Über die Einführung des Chriſtenthums ſpricht ſich
der Verf. weitlaͤufiger aus, und bemuͤht ſich den Vorrang
der roͤmiſchen Kirche darzuthun, ſowie den Vorwurf zu
vernichten, daß das Chriſtenthum den Slawen Ihre Ver:
gangenheit entriſſen und ihre Denkmäler zerſtoͤrt habe;
der Verluſt der beidnifchen Gefchichte der Slawen erweckte
ungerechte Klage; ebenfo ungegründet ſei die Klage, daß
der Anfang der Staaten die Einheit des Stawenthums
jerriffen habe, denn aufe Einheit babe nie beftauden, fei
nur von den neuern Gelehrten erfonnen; nichts koͤnne bie
Siawen mehr vereinigen als nur „ein allgemeiner Gr:
danke, eine große Idee, bie fähig ſei, ihre ganze Vergan⸗
genheit unb Zukunft zu umfaflen”.
Zehnte Vorleſung.
nung des der Magyaren und ber Folgen defs
feiben auf das Slawenthum beſchließt der Verf. bie Ge:
ſchichte der gemeinfamen ſlawiſchen Entwickelung; denn
von da fange Die Geſchichte der einzelnen Sprachen an.
Mach einer kurzen Erwaͤh⸗
Diefe, in zwei Hauptſtaͤmme getheilt, ſtreiten wm dem
Vorrang, Der Verf. läßt die Frage unentſchieden und
unterſucht nur, was die aͤlteſten Schriftdenkmaͤler bietenz
nad) dem Alter dieſer will er bie Literatur barftellen.
Der Verf. beginnt nun einen neuen Zeitraum, bie Pers
riode vom J. 10001400. Die Czechen haben das
ältefte Denkmal der Literatur; es gehört dem 9. Jahr⸗
hundert an, befannt unter dem Titel „Libuſcha's Ges
richt”. Die Königindofer Handfchrift, ebenfalls boͤhmiſch,
iſt das zweite Denkmal.
Elfte Vorleſung. Hier hebt der Verf. das Se
dit „Zaboj, Slawoj, Ludjek”, heraus, das ihm Gele⸗
genheit gibe, bie Abneigung der Slawen gegen das Chris
ſtenthum zu tadeln und diefes noch einmal duch Aufs
sehlung der Wohlthaten, welche es denfelben gebracht, zu
vertbeidigen
— Vorleſung. Die uͤbrigen Heldengedichte
dieſer Sammlung ſeien nicht fo wichtig, ja ihre Authen⸗
tieität fogar verbächtig; die lyriſchen Dichtungen derſelben
Handfchrift verdienen keine befondere Aufmerkſamkeit. ( In
der That, ein Urtheil, deſſen wir uns von Mickiewicz,
dem Dichter, dem Lyriker, nicht verfehen hätten, da doch
Goethe ſchon den außerordentlichen Reiz derſelben aner⸗
kannt hat, obgleich ihm die Sprache des Originals ganz
fern fand.) Die diteften polnifchen und ruſſiſchen Denk
mäler find insgefammt im Geiſte des Chriſtenthums ger
ſchrieben. Die Annahme deflelben war nothwendig au
politifchen Bründen. So wie die beiden Länder in polisis
[her Hinſicht einen verfchiedenen Charakter annahmen, fo
bildeten fie denſeiben verfchleden auch in Hinſicht de6 Chris
ſtenthums aus; Polen wurde katholiſch, Rußland grie⸗
chiſch, oder wie Mickiewicz fagt, „ſchismatiſch“. Die
Stellung der Geiſtlichkeit wurde in beiden Ländern eine
ganz verſchiedene; der Verf. ſtellt hoͤchſt intereſſante Ver⸗
gleichungen daruͤber an. Da nun aber die Geiſtlichen je⸗
ner Zeit die Vertreter der Literatur waren, ſo bildeten ſich
auch in dieſer zwei Gegenſaͤtze, welche der Verf. am deut⸗
lichſten in einer Gegeneinanderſtellung der beiden Chroni⸗
ſten Neftor umd Gallus bezeichnet.
Dreizehnte VBorlefung Das Dogma und bie
Kirchenregel ſelbſt hatten einige Abänderungen erleiden muͤſ⸗
fen. Die ruſſiſche Geiſtlichkeit ward ihren Fürſten unter
thänig; die polniſche, aus den adeligen Familien abflanıs
1118
mend, warb patriotifch. Polen bar keine Verbreiter bes
Chriſtenthums erzeugt, und doch war dies dazumat ber
Hauptberuf jedes Volks; die „Nichterfüllung dieſer Pflicht
wurde fpäter die Quelle tiefer Leiden”. Die Apoflel wa:
ten aus fremden Ländern, aus Böhmen und Deutſchland;
fo der heilige Adalbert, defjen Lebensumflände der Verf.
näher angibt. Er ift der Verf. der polnifhen Kriege:
hymne „D Mutter Gottes”. In beiden Ländern machte
daher das Chriftenchum nur langfamıe Fortfchritte. Bier
Chronikenſchreiber, Dithmar, Kosmas, Gallus und Neftor,
find die „Muſter, die ſich fpäter in ber deutſchen, czechi⸗
fchen, polnifhen und ruſſiſchen Schriftftellerei immer wie:
derholen“. Die Sprache iſt in den aͤlteſten Schriftftellern
in bie noch jegt geltenden Dialekte zerfpalten; der Verf.
charakteriſirt die ſlawiſchen Literaturen folgendermaßen:
Die Eicchlige Mundart Tonnte bie Zeit der erften Über⸗
fegung der Helligen Schrift und einiger Liturgifchen Bücher
nicht Überleben, weil fie ber fernen Fortſchritte bed Ghriften«
thums nicht folgte, weit fie, unfähig, bie werbenden Beduͤrfniſſe
inmitten der ſlawiſchen Völker auszubrüden, durchaus nur von
der Vergangenheit ſprechen mußte und aus der lebenden Ges
fenfchaft der Stawen ausfchied. Die ruffifche Sprache hat nur
bie byzantiniſche Literatur beerbt und wäre ſchon längft vers
dorrt, bätte fie fi nicht im fpätern Verlaufe an bie neuere
Civiliſation feftgellammert, bätte fie nicht zuerſt das Polnifche
nachgeahmt und dann aus dem Lateinifchen einen neuen Quell
geſchaͤpft. Die czechiſche Literatur hat ſich durch den Ginfluß
der deutſchen erſticken Laflen, "fie verftand es nicht, ſich bas
fremde Element anzueignen, und entfrembete fi fogar ihrem
Bollstyum. Die polnifche Literatur, wenngleich weniger urs.
thümlich als andere, erwuchs dennoch am mädhtigflen und wei:
teſten; da fie der lateinifchen überſchwemmung nicht erlag, dann
die franzoͤſiſche Literatur fich aneignete, öfters bie beutfche nach⸗
abımte, verlor fie nicht im minbeften ihren weſentlichen Charakter.
Wol aber verlor fie immer mehr und mehr den fla:
wifhen Typus, und das ift einer von jenen Mängeln,
weiche erſt die Neuzeit aut zu machen berufen if.
Vlerzehnte Vorlefung Der Berf. gibt eine
kurze Überſicht der Eibeflawen, von deren Anweſenheit fich
noch Spuren im beutichen Welten fomwie in Dolland und
England erhalten haben. Ihr Widerfiand gegen das Chris
ſtenthum iſt erklärlih, denn bdiefes war „damals in den
Augen der Slawen nichts meiter als Deutfhthum und
Sklaverei”. Die Uneinigleiten unter den Haͤuptlingen,
von den Deutfchen hervorgerufen und genaͤhrt, waren
f&uld an der Vernichtung der politifhen Eriftenz jener
Voͤlker. Weniger wahr duͤnkt uns bie Behauptung, daß
die Reformation „der flawifhen Volksthuͤmlichkeit in den
Eibländern den Todesſtoß“ beigebracht habe. Pommern
allein wurde durch den Einfluß Polens gerettet. In den
übrigen Elbländern farb das ſlawiſche Volk nad, des
Verf. gewiß ungegründeter Meinung faſt gänzlich aus.
Bon da geht der Verf. auf das aͤlteſte Denkmal ber
nördlichen Literatur, der Sage vom Heerzuge Igor's,
über. Boian, den alten Sänger, hält ee für einen alten
Gott, „ein erfonnenes Symbol der Volksſage“.
Sunfzehnte Vorleſung. Der Verf. befchließt feine
Auszüge aus dem genannten Gedichte mit der Bemerkung,
daß in demſelben eine von der heitern Lebendigkeit der
polnifchen Schriftfteller fehr abweichende Trauer herrſcht,
eine Art Vorgefüht bes kuͤnftigen Schickſals des Ruſſinen⸗
landes. Das flawifche Epos überhaupt ermangele der
dee des Wunderbaren, welche den SPoefien der andern
Völker der Hebel und die Springfeder der Handlung
iſt. Dagegen verbiene die Bollkommenheit der dufern
&orm befondere —— —
lawen halten die Mitte zwiſchen der
heit der Griechen und der ernſten el hen oem *
Dumy (Romanzen) und Lieder koͤnnte man mit ben Iprifden
Dichtungen der Skandinavier vergleichen, welche Bahn zu be
treten den neuern Deutfchen noch nicht gelungen if. Die fie
wifche Dichtung {ft Leicht und einfach; fie hat weder bie lan
binapifchen noch bie griechifchen Maße, nähert ſich vielmehr der
Profa der lateinifchen Kirche, dieſer fo muſikaliſchen und ha:
moniereichen, zuweilen gereimten, zuweilen fogar maßhalten
den Profa. -
Der Einfluß der Volksdichtung auf die Folge iſt un:
gemein; man kann faft fagen, jeder Verb berfelben habe
den neuern polnifchen und böhmifchen Dichtern als Int
(freilich ohne ihr Wiffen) gedient. Das einzige Wunkt:
bare in ber flawifchen Poefle ſei der Glaube an bie Vum:
pyre, Upiorp, deren „Urfprung an das ſlawiſche Geſchlecht
geknuͤpft ift”. Über diefe Upforp verbreitet fih de
Verf. no weiter und geht dann zu den Donauflamen
über, Er gibt eine kurze Schilderung der Gefchichte der
Südflawen, an deren Spige in dieſem Zeiteaume die Sr:
ben, befonder6 unter dem Haufe Nemanija, landen.
Sechszehnte Borlefung. Ganz anders ale du
Geſchichte hat das Volk die Vergangenheit des Landıd
aufgefaßt. Die handelnden Perfonen führen gan; ande
Namen in ber Volksbichtung, ald unter denen fie bei den
griechifchen Gefchichtfchreibern vorkommen; die verfähiee
nen Thatenberichte find nicht felten ſchwer in Einklang jı
bringen. „Die Chroniken entwerfen bie bloßen Umriſe
des Bildes, die Dichter uͤberziehen es mit Lebendigen Zar:
ben.” Somit fiel nad dem Untergange des Reichs bir
Geſchichte gänzlich ber Poeſie anheim.
Die cheiftiiche Religion nahm zuerft ein gewiſſes mythole
giſches Bepräge an; aus ihren Legenden, ihren Wundern un
then Heiligen bilbeten bie Dichter etwas bem Olymp
Die ber Gefchichte entnommenen Perfonen wuchſen alsdanı in
exbichtetem Glanze empor.
Dem fo entftandenen Cyklus von heroifchen Gebichten
folgte ein zweiter, ein romantifcher. Aus jenem hit
dee Dichter die „Vermaͤhlung Lazar's“ hervor. Fine umge
meine Ähnlichkeit hat die heroifche ſerbiſche Dichtung mit
der Homeriſchen.
Die Dichtung dieſer Stawen trägt vorzüglich den Charal⸗
ter des Epos; fie Hält ſich an ein Wolf, das pon ber Vorftel
lung ber Reichsmacht burchdrungen ift, an ein Boll, weilches
fein politifches Dafein verloren, aber das Andenken feiner Mod
bewahrt bat, und nun feine Thaten erzählt. Selbſt jene erhe
bene Unparteilichleit, die wir im Homer bewundern, geich
auch die ſlawiſche Poefie aus: ungeachtet der ftarfen Andaͤnglich
keit an bie volksthuͤmlichen Begriffe fintet man in ihr denn
etwas Religidfes in der Beachtung der Gerechtſame der Fremben.
Siebzehnte VBorlefung Der Berf, theilt nm
aus dem heroiſchen Cyklus einzelne Gedichte theils IM
Überfegungen, theils in überfichtlichen Berichten mit. Uh
den Rhythmus und die Sprache, welche in denfelben
herrſcht, ſtellt dee Werf. ebenfo wichtige als intereſſann
AÄühnliches
.
111
Betrachtungen am;- er nennt ben ſerbiſchen Dialekt „von
alen fiawifhen Mundarten am meiſten muſikaliſch und
barmenirzeich, bie ttalifche Sprache der Slawen”. Wid:
tig iſt die Bemerkung, daß die ſlawiſche Sprache, wenn
fie mit andern in Berührung kommt, immer nur Sub:
flontiva aus ihnen aufnimmt, nie Zeitiwörter; „denn eine
vollkommene und aus Einem Guffe gebildete Sprache hat
ihren Anfang im Beitwort; dieſes iſt ihr weſentlicher, der
göttlihe Theil; die Subftantiva aber bilden ihre Fülle,
ihren materiellen Theil“. Nachdem der Verf. noch die
Doffnung, als könne aus der reichen ſerbiſchen Dichtung
einft eine „Ilias“ oder „Odyſſee“ zufammengeftellt werden,
abgeriefen hat, geht er zu der Darftellung des romantifchen
Cyklus über, beifen größter Held der Königsfohn Marko
ift, ähnlich dem Arthur in der bretonifchen Dichtung.
Achtzehnte Vorlefung. Als Einleitung zur Dar:
ſtellung dee romantifchen Poeſie flellt der Verf. feine An:
ſichten Über den eigentlichen Grund des Falls des grie:
chiſchen Kaiſerreichs auf, welcher in dem damaligen Zus:
flande der Stawen gelegen if. Es ift diefer Abſchnitt
einer der intereffantelten des Buchs, weil er den fchon
im Eingange erwähnten Nutzen aus der fiamifchen Ge:
ſchichts⸗ und Literarurforfhung, den nämlih, daß nur
durch ihre Refultate manche ber intereffanteften aber un:
begreiflichen Ereigniffe der europäifchen Gefchichte vollkom⸗
men verflanden werben Eönnen, am klarſten, weil durch
die That, darftelt. Der Königsfohn Marko ift in der
ferbifchen Nationalporfie die Geſtalt, in welcher ſich die
Lage der Donauflawen am beutlichften abfpiegelt. Als
Proben bdiefer Dichtung gibt der Verf. die „Hochzeit
des Zernojewicz”, mit weicher die erfte Abtheilung des
Werks fchließt. *) 3.9. Jordan.
Wien im Jahre 14593.
Aus einer gleichzeitigen Handſchrift.
Doͤgleich in feinem Umfange nicht mehr als 2000 Schritt
groß, iſt Wien doch von weitläufigen Vorſtaͤdten umgeben, bie
gleich der Stadt felbft tiefe Sräben und eine hohe Umwallung
haben. Die Mauern find feft und hoch, mit vielen Thuͤrmen
und Bafteien zur Gegenwebhr. Die Häufer finb groß und fchön,
von foliber Bauart mit gewölbten Hofthoren. Die Gemächer,
weiche ihnen als Tafelzimmer dienen, beißen bier Stuben, unb
find zu Grleichterung der Rauheit des Winters beflimmt. Gie
werben durch Glacfenſter erieuchtet, in denen mancherlei Voͤgel
fingen, und haben meift eiſerne Thuͤren. Das Hausgeräthe iſt
reichlich und gut. Pferde und andere Thiere find in weitlaͤu⸗
n Staͤllen untergebradht, und bie hoben Façaden ber Ges
de find prächtig anzuſchauen. Nur Schabe, baß wenige ber
fteinernen Haͤuſer mit Biegen gebedt find und mehrentheile
Schindeldaͤcher haben. Bon innen und außen erfcheinen bie
Haͤuſer gemalt und glänzend, daß man glaubt, in Paläfte zu
treten. Die Wohnungen der Abeligen und Prälaten find frei,
der Magiftrat bat keine Gewalt über fie. Die tiefen und wei:
ten Weinkeller unter der Erde nehmen faft ebenfo viel Raum
ein als bie Stadt Äber der Erde. Das Straßenpflafter aus
hartem Stein wird nicht durch die Wagenräber beichädigt. Den
bimmlifcyen Heiligen und dem hoͤchſten Bott find große und
Yerrliche Zempel geweiht, von Quadern erbaut, hell und mit
°), Einen zweiten Artikel theilen wir im nädften Monate mit.
D. Reb.
Säulen trefftich geziert; bie vielen koſtbaren Strtiauien ber Geis
ligen find mit Bold, Silber und Edeliſteinen bedeckt; auch —*
es ben Tempeln nicht an vielem und reichem Gerätbe. Die
Priefter haben uberflüffige Güter. Das Oberhaupt von Se.⸗
Stephan if nur dem römifchen Fuͤrſten unterworfen. Sam
Sprengel von Paffau ift diefe Stadt größer als bie ber Ruts
terkirche ; auch finden ſich hier in mehren Haͤuſern geweihte Ka⸗
peſlen mit ihren eigenen Prieſtern. Vier Orden der Bettel⸗
moͤnche finb weit entfernt zu betteln; die Schotten aber und
vegulaiven Kanoniker St.:Auguftin’s werben für reich gehalten.
Unter ben Jungfrauenkiöfteen ift das des heiligen Hieronymus
zur Aufnahme befehrter feiler Maͤbchen beftimmt, bie Tag und
Nacht deutſche Bußlieder fingen. Kehrt eine von ihnen zur
Sünde zuruͤck, wird fie in ber Donau erfäuftz doch führen fie
im Allgemeinen ein frommes und züchtiges Leben, man hört
nur felten etwas übles von ihnen.
Eine Univerfität der freien Künfte, Theologie und des Kir
henrechts ift neuerlich vom Papft Urban VI. dem Herzoge Als
brecht III. bewilligt (1388), wird häufig von Btubirenden aus
Ungarn und dem obern Deutichland befucht. Zwei vorzuͤgliche
Theologen habe ich hier gefunden: Heinrich aus Heſſen, der aus
Paris bei Errichtung der Hochſchule Hierher kam, zuerft den
Katheder beftieg und vieles Bemerkenswerthe fchrieb, dann Ni:
ckolaus aus Duͤnkelſpuͤhl in Schwaben, durch fein eremplarifches
Leben und feine Gelehrſamkeit bekannt, beflen Reden gern von
ben Gelehrten gelefen werden. Noch tft au Thomas Haſel⸗
bad) hier, der Nügtiches gefchrieben haben foll und beffen Lehr⸗
art ich loben würde, wenn er nicht feit 22 Jahren das erfle
Sapitel des Jeſaias gelefen hätte, ohne damit zu Ende gekom⸗
men zu fein. Der größte Fehler biefer Hochfchule ift: daß man
zu lange fich mit der Dialektik befchäftigt und fo zu viel Zeit
auf eine Sache von geringem Nugen wendet. lm ben Magi-
ftertitel zu erhalten, werben fie vorzüglich nur in biefer Kunft
geprüft. Um Muſik, Rhetorik und Arithmetit kümmern fie fi
nicht, obgleich einige Gedichte und von Andern ebirte Briefe
die ohne Talente nach dem Magiftergrabe Strebenden bezeichnen,
Predigen und Dichten find ihnen fremd, ihr ganger Fleiß rich⸗
tet fih auf Streiten und Sylbenſtecherei, das allen Grundes
entbehrt. Nur Wenige befigen die Schriften des Ariftoteles und
anderer Philoſophen; fie behelfen ſich meift mit den Commen⸗
tarien. Übrigens ergeben die Studirenden ſich den Lüften; gute
Speifen und Wein find ihre Freude. Nur wenige kommen als.
Gelehrte zurüd; fie kehren fi) an feine Regel, treiben fih Tag
und Naht umher und fallen den Bürgern zur Laſt; denn auch
die Ungebundenheit ber Brauen, verdreht ihnen den Kopf, wie
fie ihrerfeits den rauen.
= Die Bevölkerung wird auf 50,000 Communicanten gefchägt,
bie flet8 ein Jahr lang von 18 Männern regiert werden. Zus
erſt ber Oberrichter, dann ber Bürgermeifter, der für die Stadt
forgt. Diefe wählt ber Herzog aus Denen, welche er für ibm
treu ergeben bält, und laͤßt fid) von ihnen den Eid Ielften.
Der übrige Magiſtrat bat wenig zu fagen: fie nehmen Zoll
vom Weine u. f. w. ein und wechſein alljährlich.
Es überfteigt faft allen Glauben, was täglich an Lebens:
mitteln in die Stadt gebracht wird: Gier und Krebfe, viel viers
fpännige Wagen voll; feines Brot, Fleiſch, Fiſche und Wögel
ohne Zahl; dennoch ift jeden Abend nichts mehr zu verkaufen.
Die Weinlefe dauert bier 40 Zage, und jeden Tag kommen
zweis ober-breimal 300 Wagen mit Mein beladen herein, 1200
Pferde find täglicd damit befchäftigt. Bis zu Martini haben
die Dörfer Freiheit, Wein in die Stabt zu bringen. Wie viel
davon herein gebracht und theils in Wien getrunken, theils
mühfam die Donau Hinauf gegen ben Strom verführt wird,
ift beinahe unwahrſcheinlich. Won dem in Wien einzeln ver:
kauften Weine gehört ein Zehntel dem Fuͤrſten und trägt ber
Kammer jedes Jahr 12,000 Goldguͤlden; außerdem haben bie
Einwohner wenig Laſten zu tragen.
Übrigens ift Manches in ber fo großen, ſchöͤnen Stabt aufs '
fallend: bei Tag und Nacht gibt es Streit und Gqclaͤgerei!
m» mit ben ‚bei das
8 —5 bald dieſe ſelbſt — 19—
men Todtſchlaͤge vor, beinahe kein Feſt wird ohne ſolche voll
bracht. Wenn ein Zank entſteht, bring
gabeinanber. Weder der Magiftrat noch der Fuͤrſt ſucht dem
{ abzubelfen. Riemand ſcheut fih, in feinem Haufe Mein
zu verkaufen; faft alle Bürger haben Meinftuben und Barküs
den, wo Saͤufer und Öffentliche Maͤdchen fi verfammeln, bie
Gekochtes umfonft befommen, und dann beflo mehr teinten, ohne
auf das kleinere Maß zu feben. Der Pöbel ift dem Genuß er:
geben und freßluſtig; was fie die Woche hindurdy mit der Hand
verdienen, verzehrt am Sonntage das Lübertihe Boll. Die
Weiber find wollüftig, begnügen fich felten mit einem Manne.
Wenn ein Adeliger zum Bürger kommt, ſpricht ex insgeheim
wit der Kraus; es wird Mein gebracht, und ber Mann geht
fort, dem Edelmann das Feld überlaffend. Viel Mäbchen wäh
ien ſich Männer, ohne Vorbewußt ihrer Väter; Witwen vers
heirathen fi freiwillig noch während der Trauerzeit. Wenige
nd in der Stadt von ben Nachbarn gekannt, alte Familien
find felten, foft alles neue Anfömmiinge und Fremde. Bejahrte
reiche Kaufleute heirathen junge Mädchen, bie fie dann bald als
Witwen verlaffen. Diefe fuchen ſich nachher unter den Dans
deisbienern ihres Haufes, mit denen fie öfters Liebſchaft treiben,
einen jungen Dann aus; fo ift oft heute einer reich, der geftern
noch in Armuth lebte. Wenn diefe Maͤnner nun ihre Frauen
überleben, beirathen auch fie wieder: fo findet ein ſteter Wech⸗
jet flatt. Der Sohn folgt felten dem Vater, benn ein Geſetz
gibt dem überlebenden Gatten die Hälfte der Güter des Ber»
#orbenen; auch find bie Teſtamente frei, daß oft der Dann
feiner Frau und biefe Jenem das Gut vermacht. Es gibt
demnaͤchſt viel Erbſchleicher, die durch Schmeichelworte die Alten
bewegen, fie ins Teſtament zu fegen.
ebre Weiber follen bie ihnen laͤſtig werbenden Dänner
buch Gift aus dem Wege räumen. Sicher iſt, daß dfter
Würger von Abdeligen gemorbet worden find, bie ihre Frauen
durch Bedrohung hinderten, Hofleute zu Geliebten zu haben.
Es gibt Übrigens bier faft kein pofitives Beleg. Sie bes
haupten, nad) alter Sitte zu leben, bie fie dann nach Willkuͤr
einrichten oder auslegen. Das Recht ift feil, wer etwas hat,
kann ungeftraft ſuͤndigen; Arme, und die Teine Freunde haben,
werden geftraft. Öffentlich geleifteter Eid wird feft gehalten;
Tann hingegen das Beſchworene geläugnet werden, verliert es
feine Kraft. Hat einer etwas auf Zeit geliehen, kann er nad
Verlauf berfelben bie Summe durdy einen Eidſchwur, zu großem
Schaden des Schuldners, beliebig erhöhen. Gegebene Pfänder
haben keinen Einfluß auf die Zinfen. Der Kirchenbann wird
nur infofern gefcheut, als er zeitlichen Schaden bringt. Wird
das Geftoplene bei dem Diebe gefunden, gehört es dem Richter.
Die gebotenen Zefte werden mit wenig Andacht gehalten,
denn en wird Zteifch verkauft und bie Fuhrleute liegen kei⸗
nen Tag ftille.
In dem Herzogthum Öftreich find noch mehre Städte, doch
feine fo beruͤhmte; wol aber gibt es viel hohe und mächtige
Barone, unter denen die Grafen von Schaumburg und Meinburg
obenan fteben. Für die reichften werben bie Weiſer, die Lichten⸗
fleine, die Yuchauer gehalten. Won geringerm Anſehen find bie
Pottendorfe, die Stahrenberge, die Eberſtorffe, die Edenganer,
bie Dohenberge und viele Andere. Die Eytzinger ſind zwar
— doch gehoͤren ſie heute an Macht und Anſehen zu
den
Biel große und reiche Kiöfter fehlen nicht; auch haben die
Domkirchen in Salzburg, Paflau, Regensburg, Freifingen, weit:
laͤufige —I mit vielen Burgen und trefflichen Wohn⸗
haͤuſern in Oſtreich. Aus ihnen werden alle Räthe ber Herzoge
genommen und in hoben Shren gehalten. Im Kriege wie im
Frieden haben bie Herzoge von ſtreich Prälaten und Bornehme
in ihrem Hofftaate. 67.
e die Gtweitenben Keiner |
Notizen aus Italien,
Deefefior an 060. Kinn Hanni
or au Unter Keil
farb am M. Rev. Sahres in feiner ur A
Aechte ſtudium, ohne et
ſiſchen Invafton un
ch lanb sing Gr legte
ſich .. feiner Ruͤckkehr auf das mebicinifi tubium und
wurbe Togleih nad) Beendigung beffelben zarzt beim
Hospttal San⸗Spirito. Gr erwarb fi) das Berbienft, uch
eine Borlefung, bie er in der Akademie ber Lincei 1802 hie,
die Öffentliche Aufmerkſamkeit auf die 8 ber
Thierarzneikunde im Kirchenſtaate und auf die Rothwenbigkeit
‚ber Errichtung eines Eurfus für diefen Zweig der Heilkunde zu
Ienten. Das Anerbieten, welches ihm hierauf von der Regierung
gemacht wurde, felbft nach Paris zu geben und bie Thierkeil:
tunf dort gründlich zu fiudiren, konnte er, Samilienges
bättniffe verhindert, nicht annehmen. Gr erhielt aber been
a ben dafür neu errichteten Lehrſtuhl an ber roͤmiſhen
Untverfität. Er hielt nicht nur die erfi n Borträge, in
benen er fi darch Niarheit und MWeredtfamkeit auszeichnet,
fondern forgte auch fel& für ‚Gerbeifckaffung ven Präparate
und andern Unterri itteln ; durch dieſe Bemuͤhungen wurde
er Gründer des zoologifchen Mufeums in Rom. XS ber Pay
eine befondere Veterinairſchule im Palafte di Papa Gtulio
errichtete, wurde dem Profeffor Metark die Leitung berfelben
übertragen und als Univerfitdtäichrer erhielt ex ben Lehrſtuhl
ber Boologie. Aud war ex der Erſte, weicher dort die Disciplia
ber vergleichenden Anatomie einführte. Vor ihm wurden wer
über diefe A noch über —— no —* —— Bor:
träge an ber Sapienza gehalten. a antonetti's Elo
in der ‚‚Bibliotech —— ⸗
Der verſtorbene Geſandte von Parma in Paris, Hr. 8. ht
Poggt, hat ein Gedicht hinterlaffen, „Della natura delle oose“,
ein Lehrgedicht, in welchem bie Raturwiffenfchaften nad ba
Refultaten neuerer Forſchung Dorgeträgen werben. Roch ik
das Gedicht im Oruck erfchien, theilte die „Hiblioteca italiana“
Proben daraus mit, unter Anderm bie Ginleitung, welde her
fohrieben ift: „Invocazione alla natura” und ungefähe fo be
ginnt:
D da des unermeffun Weltalls
Ewige Urfal’ ......
Und immer fein wirkt, DIR du das, was if,
Was war und kommen wird; bif aller Dinge
Uranfang, Grundurfa” und Weſenheit,
Wirkende Kraft, Triebfeder, Ser’ und Leben,
Aus die I Alles und durch dich u. f. w.
Der Referent in der „Biblioteca italiana’ macht zu ber er
wähnten fÜberfchrift folgende Anmerkung: „Man kann der
bichterifchen Sprache viel verzeihen. Allein um jeber Gefahr
einer Auslegung im Lucreziſchen Sinne vorzubeugen, wird tt
dienlich fein, flatt ‚Anrufung der Natur‘ Lieber ‚Anrufung der
Gottheit‘ zu fegen.” Bat der Referent nicht gemerkt, obet
wollte er nicht merken (um das Gedicht vor dem uber jü
retten), daß der Dichter ein Atheift war?
Was für Philofophen es in Italien gibt) Einige Verſe
von de Poggi fährt Einer an als „Bervelfe, daß es Körper
gibt, trog der Meinung etlicher transcendentalen Idealiſten un
an three Spike Fichte und Schelling, welche behaupten, baf
bie äußere (gegenftändtiche) Welt nicht eriftire”. 6.
Verantwortlicher Deraudgeber: Deinrih Broddaus. — Drud und Bertag von F. U Broddaus in Leipzig.
Blätter
für
iterarifhe Unterhaltung.
Sonnabend,
Die untern Schichten der Gefellfhaft
in Großbritannien.
Der Zuftand der unterflen Gtaffen der Geſellſchaft
zieht mit Recht immer mehr die allgemeine Aufmerkſam⸗
keit auf fi. Die Nothwendigkeit, biefen Zufland zu
verändern, iſt nicht mehr blos ein Augenmerk der Phi:
Ianthropie, fondern laͤngſt fhon zum Gegenſtande angele⸗
gentlicher Berathung für die gefeßgebenden Körper der
größten Nationen in der civilifirten Welt geworden. Daß
es nicht um eine vorhbergehende Abhilfe zu thun, ja daß
ſolche nicht einmal mehr möglich, fondern daß es die Auf⸗
gabe ift, das Übel mit der Wurzel auszurotten, iſt von
allen Kundigen anerkannt und in den öffentlichen Ver:
handfungen über diefe Hochwichtige Sache vielfältig und
von Männern aller Parteien oft unmilitürlich und wider
Wien audgefprochen worden. Die Nothwendigkeit eines
neuen Zuſtandes bat ſich auch da, wo die Furchtbarkeit
des gegenwärtigen minder fohreiend als in England her:
vorzutreten pflegt, duch die Folgen der Unfruchtbarkeit
des letztvyergangenen Fahre praßtifch genug fuͤhlbar gemacht.
Was find ale übrigen Staats: und RReligiondfragen,
welhe in unſerer Zeit die Geiſter befchäftigen und zu
Kämpfen aufregen, gegen biefe Haupt: und Lebensfrage,
die im Bintergrunde aller wie ein drohendes Gefpenft
immer furchebarer und riefiger emporwaͤchſt? Alle Fragen
um Rechte, weiche ſtets nur Rechte der Beſitzenden find,
(hrumpfn in Nichts zufammen ber ungeheuern Frage
gegenhber ums das Mecht der befiglofen und darum recht⸗
(ofen Maſſen. Als im Zebr. diefes Jahrs Lorb Homid
im Unterhaufe den Antrag geftellt hatte, ba6 Haus möge
fh in ein Comiteée verwandeln, um die Noth im Lande
ju unterfuchen ımd über die Mittel zur Abhilfe zu bes
tathen, fagte Ste W. G. Gladſtone in feiner Antwort:
tede: „Das Unglüd unfers gefelfchaftlichen Zuſtandes ifl
diefed, Daß auf der einen Seite der Reichthum immer zus
nimmt, während auf der andern die Armuth immer
größer wird; daß auf der einen Seite die Üppigkeit fort:
während fleige, während auf ber andern bie Maflen in
Immer tiefern Mangel und immer ſchrecklicheres Elend
verſinken.“ Das trifft den Nagel auf den Kopf. Die
dm Zufall anheimgegebene ungleiche Vertheilung der Guͤ⸗
ter IE die Wurzel des Übel. Wer befist, bat die Mit:
tel, feinen Beſitz zu vergrößern und vergrößert ihn auf
Koften Derer, welche diefer Mittel in geringerm Maße
theilhaftig find. Während die Reichen reicher werben, muß
bie Armuth der Armen in demſelben Verhaͤltniß wachen.
Talent und Arbeit reichen nicht aus, um dem @inzelnen
die Befriedigung feiner Beduͤrfniſſe zu verfchaffen, das
blinde Gluͤck muß hinzukommen, d. b. der Zufall feiner
Ausftattung mit ben Mitteln, um jene —5 und nutz⸗
bar zu machen. Wenn nicht dieſer Übelſtand beſeitigt
werden kann, menn nicht der Spruch des Alten und
Neuen Zeftaments: „Der Arbeiter iſt feines Lohne werth”,
fich in dem Sinne erfüllt, daß der Arbeiter feines Lohne
gewiß fein könne, fo tft keine Heilung zu hoffen. Als
das Ehriſtenthum in die Welt trat, verfündigte es als
feinen erflen Grundfag die Gfeichheit aller Menſchen.
Aber wohl erfennend, daß die Menſchen in der Welt
„Angſt haben”, von der es fie nicht ſoglelch befreien
tonnte, verſehte es den Buftand, in welchem bie Welt mit
three Angft überwunden iſt, im bie Welt ber Hoffmung
und tröftete bie Lebenden damit, daß fie wenigſtens den
Gedanken ber wefentlichen Gleichheit in ihrem Innern
trügen und vor Gott gleich fein. Dennoch fuchten bie
früheften Chriſten im erſten Drange der Begeiſterung
innerhalb der vorhandenen wirklichen Gemeinde die heilige
Gleichheit der Menſchen auch aͤußerlich darzuſtellen, denn
„die Menge der Glaͤubigen war Ein Herz und Eine
Seeke, und es nannte Keiner feine Guͤter fein, ſondern
es war ihnen Alles gemein” (Apoftel:Gefch., 4, 32). Diefe
Einführung einer Gütergemeinfhaft war in der Dat
nichts Anderes als die Erfüllung des Auftrags, ben Chris
flus den Seinigen gegeben hatte: „Gebet Alles din Ars
men!” Das Reich der Gleichheit, der Bruderliebe md
der Einheit in dem Einen gemeinfamen Gelfte war im
Chriftenthume von Anfang an dazu beflimmt, auf Erden
verwirklicht zu werden und die Armuth follte gänzlich
aufhören. Wenn man daher von hriftlihen Staaten
tm eigentlichen Sinne reden wollte, fo Fönnten nur ſolche
auf diefen hehren Namen Anſpruch haben, In denen ber
Grundgedanke des Ehriftenthums, die brüderfiche Gleich⸗
beit und Einheit der Menſchen, vermirkiicht iſt. Groß
britannien tft bei aller feiner chriftlichen Gottesdienſtlich⸗
keit am weiteflen davon entfernt, das Bild des chriſtlichen
Lebens, d. 5. des Lebens aller Menſchen in der Bruders
1122
Use, ſch darzuſtellen, denn ins Leben aller feiner
großen und Beinen Parteien, Gefelfchaften und Körper:
fhaften offenbart fih nur das Spiel des radicalfien Egoie:
mus. Whigs wie Tories und Tories wie Whigs haben
gleich wenig Luft, dem Elend bes Landes durch Aufopfes
sung ihrer Vorrechte ein Ende zu maden, ja! fie gebraus
chen — es ift fchredlich zu fagen und leider doch nur
zu wahr, und in ihrem eigenen Lande oft genug ausge⸗
ſprochen — ihre Bekanntſchaft mit der fuͤrchterlichen Noth
und dem craffen Elend ber unterſten Glaflen als ein
Mittel, ihre elenden Parteigwede ducchzufechten, uns biefe
oder jene Abänderung der Getreidegeſetze zu ertragen obder-
mm des einen ober andern Partei die Zügel der Res
gierung aus den Händen zu reißen.
Deſſenungeachtet iſt Großbritannien bas Land, in
weichen, wenn nicht bie bedeutendften Zeichen trügen,
die große Frage unferer und aller künftigen Zeiten zur
Entſcheidung kommen muß. In beiden Häufern ift es
aingeftanden worden, daß das Elend in den unterfien
Schichten der Geſellſchaft eine Höhe erreicht hat, welche
eine lange Fortdauer biefes Zuflandes zur Unmöglichkeit
maht. Und das feit vielen Parlamentsfeffionen wieder:
holte Geſtaͤndniß beruht nicht auf Refultaten oberflädhli-
cher Beobachtung odes unbeflimmter Eindrüde, welde
tehgen koͤnnten, fondern auf umfafjenden Nachforſchun⸗
gen unb Unterfuchungen von aller dee Gruͤndlichkeit und
Benauigfeit, buch die fih Großbritannien in derglei⸗
hen Dingen ausjeihne. So wurbe unter allem Übri⸗
gen [diem während der Seffion von 1842 ben beiden
„Häufern blos über den Geſundheitszuſtand der arbeiten:
den Claſſen ein ausführlicher Bericht in drei Foliobaͤnden
vorgelegt und auf Befehl des Parlaments gedrudt, dem
Herr Chadwick aus der ungeheuern Maffe von ver
fchiebenartigen Berichten aus allen Xheilen des Landes,
Documenten, Protolollen u. f. w. ausgezogen hatte. In
diefen drei Folianten finden ſich fchauberereegende Details
über die Wohnungen ber armen Arbeiter und Handwer⸗
Ser in großen und Beinen Städten mitten unter Koth:
lachen, Untathgruben, flagnicenden Wafferabzügen, ver
ſchlanunten Höfen, in Kellern und dunftigen Löchern, in
Schmus und böfer Luft, in ſcheußlicher Enge, wo ganze
Samilien, erwachfene Brüder und Schweflern, Vater und
Tochter, Mutter und Sohn in dem nämlichen Bette
ſchlafen, Menſchen und Vieh in demfelben Stalle mit-
sinagber haufen, wo ber feuchten, ſtinkenden Atmoflphäre
wagen keine Vorräthe aufbewahrt werden können und bie
Ungluͤcklichen noch obenein gezwungen find, alle ihre ge
singen Bedürfniffe, weil fie fie einzeln beziehen müſſen,
theurer zu bezahlen als nöthig wäre, und wo fie häufig in
Ermangelung von Brunnen oder Wafferleitungen ihr Trink:
waſſer aus Lachen ſchoͤpfen und manchmal ganz entbeh⸗
sen müflen. Befonders in den Manufacturflädten Glas:
gaw, Mancheſter, Liverpool u. f. w. iſt die Sterblichkeit
tee den Arbeitern, welche Luft: und Waffermangel,
folung enger Wohnungen und elende Koft berbeifüh-
an, wahrhaft furchtbar. Wo aus. ber Gentry unb dem.
mittlern Handwerkerſtande im 3. 1840 in diefen Staͤd⸗
n 137 Perfonen farben, verlor bee Stand der Helm
Handelsleute (tradesmen) 1738, und bie Claſſe der It
beiter u. dgl. 5597. Fuͤr bie erfle ber drei genannten
Gtaffen ergab fih ein durchſchnittliches Lebensalter yon
35, füs die zweite von 23 und für bie beitte nur ve
15 Jahren. In Mancheſter ſtarben non 100 Kinden
der Arbeiter mehr als 57 (alfo mehr als bie Hälfte), in
einem Alter unter 5 Jahren, während im ben hihen
Ständen nur ”s; der Kinder vor 5 Jahren flach. Bon
der Robeit und S dieſer immer mehr verwit:
dernden Claſſen wird uns ein berzzerreißendes Bin gr
macht. Daß phyſiſch und moraliſch fo verkruͤppelte Mn:
fhen zum Trunke ihre Zuflucht nehmen werden, wm
wenigftens auf Stunden ihr Elend zw vergeffen, wi
ſich Jeder ſelbſt fagen Eönnen. Den Handwerkern, die
eine ſitzende Lebensart führen, 3. B. Schneidergefeln,
bie meift von früh bis in die Nacht im engen, bumpfen,
fchlecht geluͤfteten, von Licht: und Kohlendampf geidmar:
gerten Werkflätten arbeiten müffen, tft der Branntwein fi:
gar ein dringendes Beduͤrfniß, um ihre Lebenegeifter von
Zeit zu Zeit anzufrifhen. In Dumfries fanden fid 13
Bäderladen und 79 Branntweinſchenken. Ein engliſhea
Berichterftatter über die Chadwick ſchen Kolianten bricht in
die Worte aus: „‚Unfere Lefer werben mit uns zu dr
Übegeugung gelangt fein, daß es Fein wildes Volk af
Erden gibt, in welchem man barbarifcyere und viehiſchen
Zuftände antreffen koͤnnte als hier im Herzen biefes ge:
Sen Landes.”
Wenn es fi im Parlamente darum handelte, Vorfcliy
für bie Verbeſſerung ber Lage dieſer unglüdlichen Bulk:
clafjen zu machen, fo war immer, Volkserziehung“ ra
Rieblingsthema der Redner. Noch In der Seffion bild
Jahrs iſt wieder ein Ranges und Breites in biefem Siu
verhandelt worden, Lord Aſhley ſtellte eine Motion, dat
die Königin gebeten werden möge, der Megierung größe
Aufmerkfamkeit auf die Mängel der Wolbserziehung ju
Pflicht zu machen. Tauſende von Kindern, fagt Kar
Aſhley, werden jährlich in Elend und Lafer geboren, er—
balten gar keine Unterweifung ober mur folche, die ihnn
verberblich wird. Sie werden fruͤh reif in allen Schänb
lichkeiten, ihre Jugend wird mit ſchmutziger Sinnlihki
befleckt; die Männer gelangen nicht zur Charakterflärkt,
die Frauen zu keinem Zartgefühl; es gibs in den gatili:
ftädten eigene Bierhäufer für Kinder, wo Knaben m
Mädchen zufammenktommen und vom funfjehuten Jah
an gefchlechtlichen Umgang miteinander pflegen; und I
kommt es, daß die Bevoͤlkerung eines großen Theis du
Städte und felbft des flachen Landes aus Horden befzlt
die fi nur duch raffinirtere Laſterhaftigkeit und cm
Schmug eines in Mauern eingepferchten Lebens von Bir
ben unterfceiden. Es if hier nicht dee Det, mehr a
den entfeglichen Einzelnheiten anguführen, an denen kat
Aſhlep's Rede veih war. „Bemerkenswerth“, ſagtt %
male der „Spectator”, „war die reinſtimmung ale
Redner, melde fi in Folge der Aſhley ſchen Motion ver
nehmen liefen, in der Anerkennung, daß Abhuͤlfe Rot
tbue, and nach deu auglofen Verhandlungen über de
Rage des Lanka ſcheint meblidh ums, wem andh nicht
eben viel, für deren WVerbefſerung im Werke.‘ mb
was wollte man zur Herbeifuͤhrung der fo allgemein für
noͤthig erkannten Berbefferung thun? Zwei Maßregeln
Eündigte Sir Sohn Graham an, die fih auf die Errich⸗
tang von Diſtrictſchulen bezogen. Diefe Maßregeln, bes
merkt der „‚Spectator‘, griffen die Sadye beim verkehrten
Ende an, indem es nutzlos wäre, die Schulen zu ver:
mehren, wenn man nicht audy den Unterricht verbefferte
und für tüchtige Schulmeifter ſorgte. Indeſſen auch ab»
gefchen hiervon, was foll wol Schulunterricht nuͤtzen, wenn
das Leben mit Mache Lafer und Schandthat und in
Alm das Gegentheil von Dem prebigt, was in ben
Schulen gelehrt werben könnte! Es iſt ein wahrer Hohn,
fogt der zuvor erwähnte englifche DBerichterflatter, von
Hebung bes untern Volksciaſſen durch Erziehung zu ſpre⸗
chen, wenn man fie in Schmug, Hunger und Elend fo
wie es jegt ber Fall tft fort vegetiren Lift. Herr Chad:
wid fprach in feinem Berichte wiederholt die Anſicht aus,
daß durch Maßregeln der Gefundheitäpolicei große Er:
leichterung verfchafft werden koͤnnte. Aber theils fcheinen
feine Vorſchlaͤge zur Reinigung der Straßen und Woh:
nungen, zur Derbeifhaffung von trinkbarem Waffer u. f. w.
taum ausführbar, theils, wenn fie auch ausfuͤhrbar find,
entſteht die Frage, woher die ungeheuern Geldmittel ge:
nommen werden follen, ohne welche fie nicht ins Leben
treten koͤnnen. Sir Robert Peel fagte fort und fort, er
feugne die Noth, er leugne die Übelflände nicht; aber er
machte fich dann die Sache leicht, er berubigte fich das
mit, daß es einmal fo fei, das wachfende Elend der un:
tern Claſſen, die zunehmende Entmenſchlichung fei eine
unvernsetdliche Folge der fleigenden Civilifation. Wehe
über die Civilifation, wenn fie die Entmenfhlihung der
beiweitem größten Maſſen der Gefellichaft zur, Folge ba:
ben muß! Und doch kann der Premierminifter ſchwerlich
beweiſen, baß nicht die Erbe weit genug wäre und genug
hervorbrächte, um Alle, die da leben, reichlich zu ermäb:
ven, zu Beiden, zu baufen. Wenn das aber iſt und
dennoch Millionen darben, fo Liegt die Schuld doch wol
an den Menſchen und ihrem boͤſen Willen, und bie fo:
genannte Stoilifation iſt eben nicht Civilifation, ober es ift
dahin zus arbeiten, daß die Givilifation der Humanitaͤt weiche.
Das Bild des Jammers if noch nicht vollſtaͤndig
beſchaut, wenn man die arbeitenden Claſſen in ihrem Elend
betrachtet Hat. Sind diefe ſchon elend, wenn fie Arbeit
haben, fo werben fie es noch weit mehr, wenn fie, mit Kraft
und Luft zur Arbeit, dennoch feine finden. Und hinter
ihnen ſteht alsdann noch die zahlreiche Elafle Dorer, die
aus Mangel an Kraft gar nicht arbeiten innen, ber
eigentlichen Armen. Auch die Armengefege wurden in
der diesjährigen Seſſion wieder zur Sprache gebracht,
und zwar in eimer fchmerzlihen Weile. Es war naͤm⸗
Sch ein Plan veröffentlicht worben, ber früher dem Mi⸗
niſterium vorgelegen babe, und der darauf hinausging,
Armenhäufer zu errichten, außerhalb deren die Armen nicht
berechtigt fein follten, Unterflügumg anzuſprechen, in
denen fie aber fo ſchlecht behandelt werben müßten, daß
Die Viebauhlunng Ale, bie nie with Eau aber vor»
Schppelt wären, zunkdlfchrediee: auf diefe Art eulebe man
«6 mit der Zeit dahin bringen, ‚die Laſt Dex adizu deuckenb
gewordenen Ammentare zu erichbteen. Dieſcs Docummml
beachte das Parfamentöglieh Dr. Walter, derſeibe, der a
in feinem Blase, der „Times”, veröffentlicht hatte, waͤh⸗
seud ber Geffion zur Sprache und trug darauf an, daß
das Unterhaus die gegenmäertig geltenden Armengeſche fine
eines Ausfluß ber in dem Document niedergelegten weis
menfchlidyen Anficht erklaͤren möge. Dagegen wurbe wen
Seitan ber Regierung erläut, daß das Grey'ſche Miniſte.
rium delneswegs ben erwähnten Plan feinem Armenge⸗
fege zum Grunde gelegt, vielmehr denfelben gesabezu vers
worfen habe. Jedoch kam bei biefer Gelegenheit die all⸗
gemeine Erbitterung zur Spradge, welche in ganz Eng⸗
land gegen das Armengeſetz herrſche. Es fei, verficherte
Hr. Wasley, die allgemein verbreitete Anfiht, daß das
Armengeſetz nur ein Mittel mehr fei, um die unbemit⸗
telten unb arbeitenden Claſſen vollends in die tyanmmis
fche Gewalt ber reichen Fabrikanten, Brundbefiger u. f. w.
zu liefern, indem es fie zwänge, bie Arbeit um den ums
billigſten Lohn immer noch der Arbeitölofigkeit vorgusichen
und ihnen die leute Möglichkeit ber Wahl raube. Der
Walter' ſche Antrag wurde verworfen, allein bie grauſame
Härte bes Armengeſetzes haste fi doch bei diefer Gele⸗
genheit wieder fchneidend genug herausgeſtellt.
In England find die Armengeſetze fchen fräher Hart,
vielleicht härter als daB Grey'ſche Geſetz geweſen, wenig:
ſtens behauptete das Sir R. Peel; und baber iſt der
Druck des letztern Geſezes im Ganzen weniger gefähtt
worden. Anders flellte fi die Sache in land. Wenn
fhon in England beiderlei Verfahrungsarten, die Umters
flügung der Armen mit Gelb oder Natucalien und bie
Beichäftigung und Verpflegung berfeiben in Armenhaͤu⸗
fen, wie man nicht anders fagen ann, gämslich fehlge⸗
fhlagen waren, wie follte man in Irland dem Becteln
und Vagabundiren, biefem tief eingewurzelten Übel, firueen?
Es war im %. 1828, als das Comité des Unterhaufes,
welches das irlaͤndiſche Armenweſen unterfuchen und Mt:
tet wider baffelbe vorfhlagen follte, feine Berathungen
zu Ende brachte. Das Comité haste die bodenlofe Tiefe
des Übels erkannt, wagte aber eben deshalb nicht, einen
Vorſchlag zu machen, fondern rieth an, die Berathungen
fünftig wieder aufzunehmen, vorläufig aber ein
Herumtreibergefeg (Vagrant - law) zu erlaffen und mit
Strenge zu handhaben. Das beißt: wir fehen ein, daß
die Lage des Landes es großen Maffen unmöglich macht,
fidy ihre Exiſtenz auf eine ehrenvolle Weiſe zu fichern,
und daß ihnen nichts Anderes uͤbrig bleibt, als von der
Mitdehätigkeit der Bevorzugten zu leben; allein damit
diefe Bevorzugten nicht durch die Zudringlichkeit ber Bett⸗
(ee beiäftige werben, verbieten wir den Bettel, ohne frei:
(ich vor. der Hand zu wiffen, wie den Hülflofen auf an:
dere Meife geholfen werden könne. Zum Süd kam bie
fer barbarifche Borfchlag im Unterhaufe gar nicht zur Der
rathung, weil unmittelbar darauf die Reformbill alle Auf
merkfamfele in Anfpruh nahm. Seitdem iſt nun das
1124
Qeeutreidergeſetz wiederholt in Antrag gekommen, aber
immens wieder zucädigenonmen worden, fobaß «6 bis auf
den heutigen Tag noch nicht erlaffen if. Worin das
feinen Grund bat, wird ſich weiterhin zeigen. Bler Jahre
fpäree trug Here Gabler auf ein Armengeſet für Irland
an; da aber die Regierung erklaͤrte, daß man woch nicht
km Stande wäre, auf einen ſolchen Antrag einzugehen,
fo kam er nicht zur Berathung. Indeſſen wurde bie
Aufmerkſamkeit des Hauſes eınflli auf die Angelegen⸗
beit gelenkt und man ſetzte ſogleich im naͤchſten Jahre
eine Unterſuchungseommiſſion (Commission of enquiry)
wieder, weiche eine Maſſe von Thatſachen, Auslagen,
Machrichten (evidence) zufammenbrachte und ihren erften
Bericht, der auf Befehl des Hauſes gebrudt wurde, bes
gleitet von Auszügen aus ber gefammelten Evidenz, im
J. 1835 vorlegte; ed war ein ſtarker Band, ber wol
zur Hälfte von bem Bettel (mendicancy) handelte.
[E06 kaum Hier bemerkt werden, daß bie englifche Geſetz⸗
"bung Bettel und Landflreicherei (mendicancy und va-
grancy) nicht unterfcheidet. Für Irland würde aber auch
ohnehin jede Unterfcheidung von felbft und der Matur der
bertigen Verhaͤltniſſe nach wegfallen] Ihren Schlußbe⸗
richt flatteten die Commiſſioners im folgenden Jahre
1836 ab. Noch in demifelben Jahre fandte die Reglerung
Hen. Nichollo nah Irland, um eine abermalige Uns
terfuchung an Ort und Stelle vorzunehmen; und im
Nov. ſtattete diefer feinen Bericht ab, in defien Folge die
ng ein Armengefeh für Irland (Irish poor - lew-
bi) wirklich vorlegte. Um ben weitern Verlauf ber Be:
sathungen und Maßregeln anfchaulich zu machen, if zus
vor wenigfiens das IWefentlihe aus den Ergebniffen der |
verſchie denen Unterfachungen mitzutheilen.
(Der Beſchluß ſolgt.)
Le genie du dix-neuvième aiècle, ou esquisse du pro-
gr&s de esprit humain depuis 1800 jusqu’ä nos
‘ jonrs par Edouward Allets. Paris 1843.
Der Verf. dieſer Schrift, ber fi) namentlich durch ein
Werk über bie Demokratie ber neuern Zeit befannt gemacht
bat, beabfidhtigt nichts Geringeres als ben Geift unſers Jahr⸗
hunderts auf ben Deſtillirkolben zu bringen, um zu fehen, was
nach der allgemeinen Verfluͤchtigung noch übrig bleiben wirb.
Geiner Aufihht nach finb es drei Hauptpunkte, welche bei den
Sreiguiffen und der allgemeinen Sntwidelung bes 19. Jahrhun⸗
derts vom größten Einfluffe gemwefen find unb bie bei der Ge
fehichte der Gegenwart vorzüglich in Anfchlag fommen. Es find
dies erftens ein faft univerfeller Krieg, fodann der Verfall der
ensopäifchen Ariftofratien und enblich die Entdeckung ber Dampf:
kraft. Nachdem er einmal diefe drei Punkte feftgeftellt hat,
unterfucht er ber Reihe nach ihre bisherigen und bevorſtebenden
Wirkungen ſowie ihre Fünftigen Eonfequenzen. Auf biefe Art
fucht er unferer Zeit ihre Stellung in ber Gntwidelung ber
Jahrhunderte anzuweiſen. Er beftimmt ihren Antheil am
Ruhme, indem es unterfucht, was unfer „Jahrhundert zur
Berwirklichung ber großen Weltgefebe, d. i. zum Triumph bes
Chriftentyums und ber Verbreitung der GKivitifation getban hat,
ober zu thun verfpricht; benn bie gegenwärtige Zeit ift fo gut
wie die vergangenen Jahrhunderte berufen, einige Sproſſen an
der geheimmißvollen Leiter zu bilden, welche von ber Erde zum
Yiumel ſteigt.
Allen tbuiit fein Merk, Das, vole’ kn "uB Befer dur
yon Probe fehen Tan, in einem etisad glichen Zone
ehalten ift, in ſechs Bücher. Das erſte Much - enthält keinen
hun Überblit über bie Hauptpunkte in ber Entwi
geſchichte der Wiffenfchaften und Kuͤnſte feit dem gtichifeen
Aterthume bis auf unfere Tage. Hieran Inpfen fid einige Ber
teachtungen über bie allgemeinen Geſete, welche dem Fortgange
ber Sivilifation zu Grunde lingen. Im zweiten, beitten und vierten
Buche gebt nun ber Verf. näher darauf ein, das Weſen und dm
Charakter bes 19. Jahrhunderts zu beftimmen. Er theilt ale
menfchlihe Wiſſen in drei Gtaffen, naͤmlich in die Wilfen:
fhaft vom Menfhen, die WiffenfYaft von der Se:
fellfhaft und die Miffenfhaft von der Natur. Je
ber dieſer Claſſen wirb ein eigenes Capitel gewidmet.
Aus biefen Betrachtungen ‚' in denen ale en mitten
durch nebelhafte Phrafen recht feharfer and hervor
biigt, zieht Allch folgendes Nefuttat: „Seit den Jahren 1900
0 Hat Frankreich die Buperiorität über die übrigen Bit
fer in ben Raturwiſſenſchaften, der Matbematik, der Geſchichtt,
ber Beredtſamkeit und der Staatephiloſophie (Philosophie pe-
litique) gehabt; England gebührt die Palme in der Aſtronomi,
ber Technologie, der Beographie, der Poefie und dem Roman;
Deutſchland hat den übrigen Ländern ben Vorrang abgelaufen
in der Rechtöwiffenfchaft, der Philologie, ber Melaphyſik und
ber Theologie, und Italien bat fi nur in ber Muſit herum
gethan. Die Ghemie, bie Geologie, bie Mechanik, bie See
graphie, die Philologie und unter den ſchoͤnen Wiflenfchaftn
der Roman und bie Eyrif find die Zweige der menſchiichen Wik
ſenſchaft, welche im Laufe dieſer vierzig Jahre den weſentlichſten
Fortſchritt gehabt haben.”
Aber der Verf. bgnist fh nicht, ein Bilbd von Dem,
was wirklich geleiftet iſt, zu entwerfen, fondern mit vorwärtt
gerichtetem Auge zeichnet er im fünften Buche mit einigen
Grundftrichen die zukünftigen Kortfchritte und Entwickelungen
des menfchlichen Geiſtes. Gr führt an uns bie Haupfifragen
ber menſchlichen Erkenntniß vorüber, die einer Loͤſung noch ens
gegenfehen, und macht auf bie @ en und Gatbedungen
aufmerkfam, weldye noch näher ind Auge gefaßt zu werben
verdienen. Seiner Anſicht nach glänzt das 16. Jahrhundert
durch die ſchoͤnen Künfte, die in ihm zur herrlichſten Entfaltung
famen, das 17. burch die fchönen Wiſſenſchaften (lettres), dat
18. durch die firengen Wiffenfchaften (tes schences, ber Kran
zofe verftcht darunter namentlich bie Raturmwiffenfchaften, Da
thematif u. f. w.), und das 19. Sahrhundert wird ſich durd die
Entwidelung der Induſtrie befonders hervorthun.
Das fechete Buch enthält endtich eine etwas myſtiſche Ur
terſuchung Aber das Verhaͤltaiß ber chriſtlichen Meligion zu
ben allgemeinen Rortfchritten bes menſchlichen Geiſtes. Du
Verf. berührt hier einen fehr Eiglichen Punkt. Man darf nidt
verfennen, baß er, troß feiner Rechtglaͤubigkeit, die er an der:
fehiedenen Stellen feines Werks zur Schau trägt, doch nidt
zu Denen gehört, welche im ihrer theologifchen Verblendung al
ien Fortfchritt als ein Werl des Teufels in Werruf bringa
mödten. Ein Anhang, in bem die Hauptpunkte aus ber Litt⸗
ratur und Kunftgefchichte der verfloffenen vierzig Jahre uͤberſichtüch
zufammengeftellt find, bitbet den Schluß biefes Werkes, bad au
Werth noch gewonnen haben würde, wenn ſich der Verf. mer
niger in einer fihmeaifligen und unilaren Sprache gehe
“
Literarifhe Notiz.
Das erſte Heft bes fechäten Bandes der „Biblioteca italiana”
enthält eine Denkfchrift von Biufeppe Moretti über ben Botaniker
bes 16. Zahrhunderts Pietro Andrea Wattioli, mweiht
eine Ehrenrettung bes Genannten und Mittheilungen über frint
Schriften befaßt, tmter dem Titel: ‚‚Difesa e illustrazione
delle opere botaniche del Mattioli, ” 8.
DBerautwortiiher Herausgeber: Heinrich Brockhaus. — Drud und Verlag von F. 4. Brockhaus in Leipzig
Blätter.
für
literarifde Unterhaltung.
Sonntag,
Die untern Schichten der Geſellſchaft |:su Grauſamkeiten und Gewaltthaten; Der heute bettelt,
in Großbritannien.
( Beſchluß aus Nr. 3%.)
Faſt ganz Irland IfE bedeckt, überfäet mit Umhetzuͤg⸗
Seen und Bettlern, meiſtens wirklich alten oder arbeite:
unfähigen Perfonen und mit Samilien, deren Haupt ab:
wefend ober arbeitslos if. So ſpricht fi der Commiſ⸗
fionsberiht aus; Herr Nicholls erklaͤrt dagegen, es fel
ausgemacht, daß eine beträchtliche Anzabt der Vagabun⸗
den nicht gezwungen durch wirkliche Noth und durch Die
Unmöglichkeit fi, wenn fie nur wollten, felbft zu erhal:
ten, fonden aus Hang zum Müffiggange und zum Um:
Herftceifen, zur Ungebundenheit, aus Faulheit und Tiebers
licher Gewoͤhnung ben arbeitfamen Einwohnern zur Lafl
fiele. Allerdings werden beide Berichte Recht haben. Auch
das herumziehende Leben gewinnt feinen Reis, und um
fo mehr, wo, mie in Irland, ber Bettler keineswegs vers
achtet, ſondern eine meift willkommene, überall gelittene
und gewiſſermaßen geheiligte Perfon iſt. Solche Sitte
muß fi auch ausbilden, wo fo große Maſſen gezwungen
find, von der freiwilligen Milde ihrer begüterten Nebens
menſchen zu leben, und befteht fie einmal, fo wird fie ohne:
Zweifel Viele verloden, fie auch ohne Roth fih zu Nutze
zu machen. Darin wenigftens flimmen: beide Berichte Über:
ein, Daß bie Bettelei in Irland zu einem fonft überall in
Europa unerhörten Umfange geftiegen fel und baß fi
das Übel fo Kbermächtig darftelle, daß Leine Abhuͤlfe mög:
Uch erfcheine. Ein Übel iſt es aber nicht nur dadurch,
dag der Geſellſchaft eine Menge von Kräften entzogen
wird, nicht allein Derer, welche betteln während fie ar:
beiten koͤnnten, fondern auch Derer, weldye von Kindheit
auf durchs Land gefchleppt niemals Anleitung zum Ge⸗
brauch ihrer Kräfte erhalten, oder zu ben Kräften gar
uicht gelangten, bie fie bei einer beffern und georbnetern
Lebensart wahrfcheinlich entwickeln würden. Ein Über ift
es vielmehr auch in Betracht feiner unmittelbaren Folgen
für Diejenigen, welche es fi zu Nutze machen, und fels
wer umvermeldlichen Ausartungen, und ein Übel in Be:
tracht ber ungleichen und ungerechten Vertheilung feines
Driuds. Die unmittelbaren Kolgen bes Vagabundenle⸗
bens find natürlich viele haͤßliche Lafler, Unfittlichleit aller
Art, Vorausfihtiofigkeit, Stumpfheit, Verdummung, Hang
I wird morgen bei Gelegenheit zum Räuber und zum Mör-
‚der. Der Drud des Übels aber trifft gerade nit Dieje:=
‚gen, welche am wenigſten davon leiden würden, fondern-
faſt allein oder ganz allein Diejenigen, welche er am leich⸗
teften in den Schlund bdeffelben Übel hinabſtürzt. Nicht
in bie Gehöfte der Vornehmen, welche fi) durch Mauern,
Thore und Dienerfchaft ſchuͤten, nicht in die Paläfte und
Landhaͤuſer der Reichen dringen die Bettlerſchwaͤrme, fon:
bern fie belagern die Häufer der kleinen Handelsleute,
Meier und Handwerker, die Hütten und Wohnloͤcher der
“armen Arbeiter, So hat fih von ſelbſt eine freiwillig
geleiftete Armentare gebildet, weldye ausfchließlich auf den
mittlern und untern Claſſen ber Befigenden und Erwer⸗
benden haftet. Und auf die Beitreibung dieſer Abyabe
wirkt eine zwingende Gewalt, bie, wenn fie die gefegliche
ı wäre, nicht größer fein koͤnnte: mit einer faft abergläubt:
ſchen Furcht und Bereitwilligkeit wird von Jedermann
im Lande dem Armen geſteuert. Es ſcheint, als ob ein
‚Bettler niemals abgewieſen würde; man gibt ihm Milch
‚und Mehl, wo fidy noch dergleichen vorfindet, ober mins
deſtens Kartoffeln. Dan würde es für eine Sünde hats
item nicht mitzutheilen. Es bat fih der Grundfag aus: ®
‚gebildet, daß Jeder geben müffe, fo lange er habe. Und
zur Belhwichtigung des Egoismus, der doch auch nicht
fhweigen will, iſt der troͤſtliche Spruch im Schwange:
Mildthaͤtigkeit mache nicht arm, Bott” erflatte wieder,
was man an bie Armuth fpende. Dagegen fürchtet man
Gottes Strafe, wenn man die Hand den Bittenden ver:
ſchloͤſſe. Diele gemeine Leute fagten aus, dag fie eine
Nacht wüßten, wo fie nicht einem Bettler in ihrer Woh⸗
nung Nachtlager gegeben hätten; eine Familie, in wel:
her neun Kinder waren, gab beffenungeachtet jeden Tag
einem oder einigen Bettlern Obdach. Die Leute wuͤn⸗
[hen es fogar, daß Bettler zu ihnen kommen; fie fielen
fih vor, daß dieſelben ihnen Segen brächten, und behal⸗
ten fie manchmal wol eine Woche und länger bei fi.
Des Bettlers Segen wird fehr hoch gehalten und fel
Fluch abergläubifch gefürchtet. Der Pfarrer von Liſtowel,
ein Herr Mahoney, fagte ſelbſt, er möchte niche eines
Bettlers Fluch auf fi laden, denn jeder Arme fielle den
Allmaͤchtigen in Perfon vor. Und der roͤmiſch⸗katholiſche
Erzbifhof von Tuam, Dr. M’Hale, bemerkte, nicht von
11236
der Noth der Armen geruͤhrt gebe ber gemeine Mann, des
Bettlers Kußere erfcheine oft gar nicht fo mitleiderregend,
Bettel fei ein Bewerb und Almofengeben eine Pflicht,
dee Bauer lebe der allerdings beilfamen (!) Überzeugung,
daß „wer den Armen gibt, dem werde es nicht mangela”,
wer aber des Armen Bitte verachte, der werde in Noth
gerathen. Ein Pachter erklärte, daß es befjer wäre, einen
Theil dahin zw geben als das Ganze, und Wohlthun
made nicht aͤrmer. Ein anderer fagte: „Wahr iſt es,
daß der Bettler fich mit größerer Sicherheit als ich darauf
verlaffen kann, daß er morgen zu leben haben werde, aber
es wäre doch eine Sünde ihn abzuweiſen.“ „Ich bettelte
felbft vorigen Sommer”, verficherte ein Dritter, „und
wenn es Gottes Wille if, fo kann es mir nächften Som:
mer wieder fo geben; und doch muß ich, wenn ein Bettler
tommt und um Gottes Willen bittet, mit ihm theilen,
was ich habe. Der aͤrmſte Menfh unter uns muß,
wenn er ein Fuͤnkchen Erbarmen in fih hat, zum wenig:
flen ein Stone Kartoffeln wöchentlih im Winter ver:
fhenten.” Der Bettler ift alfo in Irland kein Auswurf
der Gefellfchaft, fondern dee gemeine Mann fieht ihn ale
feines Gleichen an. Der Häusler nimmt ihn mit Freu⸗
den auf, weiſt ihm feinen Plag bei der Kartoffelſchuͤſſel
oder am Feuer mitten unter der Familie an, und feine
Streu zum Nachtlager auf derfelden Diele, wo Alle ſchla⸗
fen. Der Bettler ift ihm ein angenehmer Gaſt, er bringt
Neuigkeiten mit, vertreibt ibm den Abend, ſchmeichelt ihm,
bittet Gottes Segen auf ihn herab. Einer wurde ge:
fragt: „Wie? Wenn am Ende der Straße ein Armen:
haus flünde, wo jeder Bettler Aufnahme finden koͤnnte,
fo würdet ihr dennoch lieber Almofen geben als den Bit:
tenden dorthin fchiden?” „Gewiß! wenn ein Armer
time, fo würde ich ihm etwas geben, das iſt ausge:
macht.” „Und felbft, wenn ihr wuͤßtet, daß ihm auch
ohne euch geholfen werden fann, und daß ihre nur den
Muͤßiggang begunftige?” „Ja! denn, euch die Wahrheit
zu fügen, man wäre ohne Bettler doch gar zu allein.”
Das Gutachten, welches bie Commiffion von 1833
in ihrem Schlußberichte abgab, über die Mittel und Wege,
dem Bettlerunmefen in Irland Einhalt zu thun, war
ſehr gründlich und verftändig abgefaßt. Die Commilfio:
ners erklaͤtten, daß fie zu einer legalen und ſyſtemati⸗
fhen Almofenvertheilung nicht rathen koͤnnten, auch wenn
man die Spenden in Lebensmitteln und Kleidungsftüden
beftehen laſſen wollte, denn fogleidh würde auf Kartoffel:
bau und Zeuchfabrikation eine unverhältnigmäßige Kraft
gewendet werden, bie Induſtrie wuͤrde leiden und der
allgemeine Ruin nur befto fchneller herbeigeführt werden
a. f. w. Ebenſo wenig aber und nody weniger könnten
fie die Errihtung von Armenhäufen anempfehlen, ba
das MWorkhoufe : Spftem nothwendig noch welt greößern
Widerftand in Irland als in England finden würde, denn
es widerfpräche ben Sitten bes Landes zu fehr und fel
als ein Verſuch zu Eoflfpielig und zu empfindlich für das
Kand. Es biieb ihnen daher nichts uͤbrig, als ein Aus:
wanderungsfpftem in Vorfchlag zu bringen. Jeder wer
wollte, ſollte fi nach einer Nichtverbrecher:Colonie, welche
bie Regierung zu beſtimmen hätte, uͤberſiedeln bürfen um
‚dazu freie Überfahrt und fonflige Unterflägung aus dee
Öffentlichen Fonds erhalten. Fuͤr Diejenigen, welche zu
jeder Arbeit unfähig wären, follte im Lande durch An;
a die nad) einem ausgedehnten Entmurfe und mit
venger Berückſichtigung dee Localverhaͤltuiſſe angelegt
werden müßten, geforgt, befondere Inſtitute folten für
verlaffene Kinder eingerichtet werden. Ein letzter Bor
ſchlag, der in dem Berichte nur kurz berührt wide, weil
ihm eine Minoriät der Commiffion widerſprochen hatte,
der aber in einer Beilage ausführlich entwidelt und be—
ſonders eindringlich empfohlen war, betraf diejenige Caſſe
von Leuten, welche man weder zu den hinlänglich Körper:
lich Befähigten noch zu den gänzlich Unfähigen und Hüff:
lofen zählen koͤnnte; unter diefen follten freiwillige Aſſe—
ciationen gebildet und ihnen aus Staatsmitteln Etleiqh
terungen und Unterflügungen bewilligt werden. Saͤmmt⸗
liche Vorfchläge der Commiffion ließ die Regierung, wer:
muthlich erfchroden über den Umfang der anempfohlenm
Maßregeln, unbeachtet und entfchloß ſich, es dennoch mit
dem Morkhoufe: Spftem zu verfuchen. Diefer Entſchluj
gab eben Beranlaffung, Hrn. Nichols im J. 1836 nach
Stand zu fhiden, welcher bie Inſtruction erhielt, die
Ausführbarkeit der Einrichtung von Armenarbeitähäufem
zu ermitteln. Er berichtete, daß ihm dieſe Einrichtung
ſehr raͤthlich fehlen, und daß es fehr möthig wäre, die
von der Bettelei bedruͤckten Claſſen von diefer Peft zu
befreien; die Armentare würde ihnen nicht halb fo theuet
zu fliehen kommen als die Unterhaltung der Armen in
bisheriger Weife. Herr Nichols ging im Herbſt 1837
nochmals nad) Irland, und berichtete in demfelben Sinn,
nur noch nachdruͤcklicher barauf dringend, daß man kin
Armenverpflegungsgefeg erlaffen follte, ohne zugleich ein
ſtrenges Verbot des Bettelns hinzuzufkigen, weil font
die Armenbhäufer unbefegt bleiben und die Contribuenten
doppelte Laft haben würben.
Diefe Gutachten bildeten die Grundlage der Poor-
law -bill, welche das Minifterium in ber Parlamentk:
feffion des 3. 1837 vorlegte. Erſt im Nov. in de
zweiten Seſſion deffelben Jahres kam die BIN zur Be
ratbung. Lord J. Ruſſell fagte bei der Einführung der:
felben, was man weſentlich beabfichtigte, ſei, den Unfug
des Bettelns in Irland zu unterdrüden; aber wenn man
nicht für die wahrhaft Nothleidenden, bie unfähig wären ſich
ſelbſt zu helfen, Sorge trüge, fo hätte man kein Nett,
den Bettel zu unterfagen und auf diefe Weiſe die ſcham⸗
lofen Bettler, die gelegentlich zu Räubern und Plünderm
würden, unſchaͤdlich zu machen. Daher enthielt die Dil
einestheils die erfoderlihen Beflimmungen über Errichtung
von Arbeitshäufern, anderntheil® aber Clauſeln über Un:
zuläffigkeit und Ahndung des Bettelns, alfo das eigen
liche vagrant-law. Merkwürdigerweife nahm bie Regie
rung dieſe Claufeln, auf welche fie von Anfang an dt
größte Gewicht gelegt hatte, noch im Verlaufe ber De
batten zuruͤck, und die Bi ging ohne diefelben durch das
Unterhaus, ebenfo fpäter durch das Dberhaus, erhielt die
koͤnigliche Beſtaͤtigung and Irland hatte Armenhaͤuſer,
1122,
ohne dab das Vagabundiren und Betteln unterfagt war
und beſtraft werden konnte.
as die Miniſter haben mag, die Clauſeln
antzuſtreichen, iſt ſchwer zu ſagen. Es fehlte ihnen an
Auth, mit Haͤrte in Irland einzugreifen. Dies zeigte
fi auch deutlicher, als im Maͤrz 1840 die bei Unter:
dradung der Glaufeln verheißene befondere Bill „zur Un:
terdruͤckung des Bettels in Irland“ wirklich in das Uns
techaus gebrachte wurde. Sei es, dag die Regierung
fuͤnchtete, die Gegner des Armengeſetes möchten die Bill
gefliſſentlich zum Falle bringen, um fhlimme Folgen des
: ohne biefe Bill zweckloſen und vielleicht fogar ſchaͤdlichen
: Armengefebes herbeizuführen, ſei es, daß fie fürchtete, ihre
eigenen Gegner möchten bie BIN zum Sturze des Mini:
ſterlums denugen, genug, die Bill wurde zuruͤckgenommen.
: Und fo beſtehen noch jest in Irland Arbeitshäufer, aber
: kein Verbot des Bettelns. Die belafteten Claſſen haben
die Armemtare zu bezahlen und außerdem die umberziehen-
den Bettler zu unterhalten. Aller Klagen der Beamten,
: ale Warnungen der Commiffion ungeadhtet hat auch
das gegenwärtige Zorpminifierium noch nichts in ber
Sache gethan; Sie Robert Peel hat mit feiner großen
Majoritaͤt nichts mehr zu unternehmen gewagt als Lord
J. Ruſſell in feinee Schwäche, und die jüngften Be⸗
. richte, von denen der fechöte, fiebente und achte neuerlichfi
- veröffentlicht worden, flimmen darin überein, daß das Übel
- ärger denn je iſt; wo in einem Diſtrict die Armen in die Ar:
beitshänfer gewiefen waren, wurde der Diftrict alsbald mit
- Scharen von Bettlern aus andern und feldft entlegenen Di:
ſtricten uͤberſchwemmt, und die Gontribuenten liefen zum
Armenhauſe, holten ihre Bettler heraus, denn, fagten fie,
lieber wollten fie doch ihre eigenen Armen behalten und
- füttern, als aller Welt Bettler fih auf den Hals ziehen.
Wer fuͤchhlt nicht, welch einen unfellgen Weg die vo:
. tige Regierung eingefchlagen bat, unfelig, auch wenn bie
Mafregel voliftändig ausgeführt worden wäre! Das lbel
I da und kann nicht geleugnet werden: unmäßige Ar:
muth großer Volksmaſſen dem unmäßigen Reichthum
weniger mächtigen Landbefiger gegenüber; kein Mittel aus
der Armuth und dem Elend zu kommen als Erwerb,
und an Ermwerböquelien der aͤußerſte Mangel. Das Übel
war da und das unglüdtiche Voll fand ein Heilmittel
nach feiner Weile. Was heute zu leben hat, iſt morgen
vielleihe am Bettelſtabe, der Afterpächter, wenn morgen
der Srundeigenthlimer feine Pächter wechfelt, erbarmungs:
los mit feiner zahlreichen Bamilie aus dem Pacht gejagt.
Nun, fo helfe wer kann dem Hülflofen ; wer bat, gibt Dem,
weicher nichts hat; wer erwerben kann, erwicht für Jeden
mit, der erwerblos iſt. Eine Moral bildet ſich von felbft
aus, weiche den Verhaͤltniſſen, die nun einmal beftehen,
ganz angemeſſen ift, welche, wenn fie auch, um fich vor
fi ſelbſt zu rechtfertigen, felbftifche Beweggründe vor;
fhüst und nur um Gotteslohn Liebe zu üben verfichert,
do immer thatſaͤchlich die Moral der Liebe und der we⸗
fentliyen brüderlichen Gleichheit ift, fo weit fich diefe uns
ter den vorhandenen Bedingungen verwirklichen kann.
Aber die Megierung bält fi für verpflichtet einzufchrei:
ficher
ten; dafuͤr iſt fie num einmal RNegierung. Das Übel
ausrotten kann fle nicht, —— ſchaffen kann fle
nicht, noch weniger einen Zuftand ſchaffen, wo Jeder
wäre, von Dem, was bie Geſellſchaft der Natur ab⸗
gewinnt, nad) feinen Beduͤrfniſſen und Faͤhigkeiten feinen
geziemenden Antheil und Genuß zu haben: fo wit fie
nun den Knoten durchhauen; das freie, gegenfeitige Mit-
theilen, die natürliche Heilung oder vielmehr Erleichterung
des Übels fol aufhören; fie will ſich Derer, wie immer,
annehmen, die bevorzugt find, die aber die adminiftrative
Heilkunſt und Hütfe nicht eimmal verlangt haben, denen
ihre eigene Art zu helfen, wie es eben gehen will, lieb’
geworden if. Man wird nun die Hungetigen füttern,
man wird Zaufende, die von Kindheit auf, gezwungen
durch ihre Lage, umberfchwärmen, die an dee Ungebun:
denheit des Wandern fo recht ihr Leben haben, in fin⸗
ftere Mauern, in enge Zellen und Höfe einfperzen; man
wird Die, welche die größere Hälfte ihrer Lebenszeit in füs
ßem Muͤßiggange zubrachten, teil fie nicht anders konn⸗
ten, zu Arbeiten, die ihnen verhaßt find, zwingen; man
wird Die, welche vielleicht gern als Ackerknechte oder Schä:
fer dienten, Wolle kraͤmpeln lafien; man wird Jedem Das
aufbürden, wozu er am wenigſten Neigung und Geſchick
hat; man wird ihm bafür eine rauhe Behandlung,
fhlechtere Koſt, als der Bettler zu erhalten gewohnt war,
und ein trauriges Unterfommen, dem er feine Streu in
der Lehmhuͤtte des Pächter6 vorzöge, gewähren; man wird
den Armen auf taufend Arten quälen, ungluͤckiich machen,
duch Sram und Gefangenfhaft tödten, und Dem, ben
man von ihm befreien wollte, der feine Bettlergeſellfchaft,
feine Unterhaltung, feinen Segenswunfd und die Hoffs
nung auf Gottes Vergeltung eingebüßt hat und doch ale
Taxe nicht viel weniger zahlen muß als er früher darauf
geben ließ, biefem wird man keine Erleichterung, ſtatt
deffen aber Verdruß und Leid gefchaffen haben. Und das
wäre milde? das wäre hriftlih? Oder ift es auch nur
politifh? Beſſer wäre es geweſen, die Regierung hätte
hier das Megieren gelaffen, und die Sache wäre, ſchlecht
wie fie war, gegangen wie fie ging.
Aber noch fehlimmer als diefes Schlimme war bie
Hafbheit, mit welcher die Regierung einfchritt. Und doch!
Wer hat nicht Mitleid mit der böfen Lage der Regierung ?
Sollte fie der misliehigen Maßregel der Milde noch bie
misliebigere Maßregel der Gewalt hinzufügen? Und anz
dererſeits, nachdem fie A gefagt hatte, durfte fie dennoch
das B nicht in der Kehle behalten. Sie durfte nicht
und tagte auch wieder nicht, es auszufprechen. Die
Mäder der Zeit rollen gewaltig. Es fühlt ſich ſchon, daß.
in ihre Speichen fih nicht greifen läßt. Wie armfelig
erfheinen alle die Mittelhen, welche dazu dienen follen,
dem traurigen Augenblick das Leben zu friften! Sie zer:
falten in ihrer eigenen Ohnmadıt. Wohl Dem, der nicht‘
verzagt, fondern ben Athem des Geiftes fpürt, welcher
die Melt erneut.
Tempora si veteris quaeris temeraria damni —
Postera lux melior.
®. Julius.
1128
Siblisgragfir. "
Ammon, ©. %, Predigt vor ber et des Landtages
am 31. Xug. 1843 bei dem evangelifchen
Dresden gehalten. Dresden, Walther. Y Nor.
Bifhoff, L., Rede kur eier bes taufendjährigen Ber
ſtehens ber Sinteit. und Se vie digkeſt Deutfdflands. Köln,
DE Mont⸗GSchauberg. Gr. 4. , TYY, Nor.
Böhmert, 8%, Über Sonntageſchulen überhaupt und
—— — zus gan *2 as eBay Sr.
neb ellen. Leipzig i r. 8 , Nor
mean. Johanna, Gedichte. Gtralfund, Loͤffler.
Gr. 8. 1 Ihr.
Bretſchneider, 8. G., Die religibſe Glaubenslehre nad)
der Bernunft und der Offenbarung für bentenbe Leſer Bargefeitt.
Be Aufl. Halle, Schwetſchke u. Sohn. Br. 8. 1 Thir. 20%, Nor.
Brunner, ©., Der Babenberger Ehrenpreis. Wien,
Stobrmann. 8. 1 Ihlr.
Das Buch von ber Nafe. Ppumorißiige Abhandlungen für
Jedermann und — jede Frau. Mit 1 Zitelkupfer. Leipgig,
Sadowis. 8. 15 Rgr
Buͤhl, W. A., Beiträge zur Kenntniß ber altpreußifchen
Juſtizeinrichtungen und Berihteverfoffung und beffen, was Noth
thut. Leipzig, Premann. 8
Casper, J. L., Der Entwurf des neuen Strafgesetz-
bechs für die preussischen Staaten vom ärztlichen Stand-
pnakte erläutert. Berlin, Hirschwald. Gr. 8. 10 Negr.
Dumas, A., Sylvandire. Aus dem Yeanzöfifchen von
w. 8%. Welche. "Zwei Theile. Leipzig, Kollmann.
3 hir. 15 Nor.
Silendorf, 3., Die Stellung der fpanifchen Kirche zum
sömifchen Stuhle von Anbeginn ihrer Gründimg bis auf bie
neuefle Zeit. Eine hiſtoriſch⸗kirchenrechtliche Abhandlung. Darm⸗
fladt, Leske. Gr. 8. 20 Nor.
Folix, Über Muͤndlichkeit und Öffentlichkeit des Gerichte:
verfahrens, bann über das Geſchwornengericht. Carlsruhe,
Bielefeld. Gr. 8. 20 Nor
Gudrun. Deutſches —* überfet von 8. Simrod.
Stuttgart, Gotta. Gr. 8. 1 Thir. 1
ante, Henriette, oe Scenen und Aufzüge.
Nebſt —— Gedichten. Hanover, Hahn. Gr. 12. 25 Ner.
James, © FE R., Der falſche Erbe. Ein Roman. Aus
dem Engliſchen überfeht von S. oz ufemipt. Drei Bände.
Leipzig, Kollmam. 8. 3 221, Ngr.
Kähler, 8. X. Ghriftiches Abſchiedswort an meine kirch⸗
lichen Freunde. Königsberg, Gebr. Bornträger 5 Rgr.
s2ohmann, Friederike, Saͤmmtliche Erzählungen. Aus:
gabe lepter Hand. Mit einem Vorworte ber Verf. von „God⸗
Erſter und zweiter Band. Leipzig, Bode.
a0 Rot.
Mauritiu ., Polens Literatur: und Gulturs Epodye
fett dem Jahre ish in Kürze dargeftellt. Pofen, Gebr. Scherk.
Gr. 8. 1 Ihir. 5 Nor
Merleter, 8. $., Siftorifd) polttifege Geographie ober
allgemeine Laͤnder⸗ und Völterfunde. dtes Buch der biftorifch-
comparativen Geographie. 2ter Theil, enthält: Die Gontinente
ans Amerita und Europa. Darmftabt, Leske. Gr. 8.
Ir
Moll, K. B., Beitrag zur Entwickelung ber Zeitvorſtel⸗
lungen über Union, "unitte Kirche, deren Kennzeichen, Princip,
und Lehrbegriff, fo wie über Umfang und Geltung der ſymboli⸗
fen Schriften, als Antwort auf bas Senbihreiben bes Herrn
Paftor Nagel. Pafewalt, Köhler. Gr. 8. 5 Nor.
Sefcichttiche Rachtichten Über bie Diffibenten in der Stadt
Dofen und die Reformation in Groß: Polen im 16. und 17.
Jahrhundert. Nach ber Folgenreite der Jahre georbnet von
3. Lukaſiewitſch. Ins Deutfche durch 8. dv. Bas
ligte Darmſtabt, Leske. Gr. 8
VBerantwortlicher Deraudgeber: — Brockbaus. — Druck und Berlag von F. A. Brochaus in Leipzis
ei Hofanties ienfte zu.
a) und‘ gar. eliprig, Mean. Gr. 1
u Pieufgmise, B 9, Dee ⏑——
Jahe
*8. Fr Kr. dig Bey ai
ſceht⸗ des Kampf — 328 — den enthume uab der neue
‚fen Philoſophie. Gtinma, Gebhardt. Gr: 8, 35 Nor.
Portugal. Erinnerungen aus bem Jahre 1849. Eon
giken Re eihnowely. Waltz, dv. Babe. Ge. 8,
Raumer, 8. v., de
ale Ei galt ua 3 de me
on Baco’s To m Tode v8 tutt
(ding. Gr. 8. 2 Chr. 18%, Mor 5 aa, ©
Röhr, I. F., Die erhebende Srinnerung an bie rufm:
wärbigen Eigenthaͤmlichkeiten unferes teutfchen Predigt
am taufendjährigen Gedenktage der Selbſtaͤndigkeit des teutiden
Volles. Weimar, Hoffmann. 8. 5 Rgr.
Sophocles Elektra. — übertragen von F. Frihe.
Berlin, Yörfiner. Gr. 10 N
Steffens, H, Ba er richte, Aus ber Sein
niebergefägeicbem. Te tee und Bter Band. Bretlau, Mas un
omp. 8.
Sternau, 5 D., Kaleiboscop von Dresden. Gkizn,
Berichte und Phantafieen. Zte, vermehrte Auflage. Mage
rn 16. 10 Ror. IR
toder, D. ysikalischen ie
und Geologie. Istes Capitel, enchält : Die ide
hältniss zur Schwere. Mit eingedruokten Abbildungen und
ler Iitbographirten Tafeln. Bern, Daip. Gr. 8. 2 Tik.
«
Suhrlandt, R., Aphorismen über die bilbenben Anke.
‚Duck Beifpiele erläutert. Schwerin 1841. 8, 10 Nor.
ehſe, ©. E., über die geſellige Stellung und die gi
flige Bildung ber Frauen in England, Amerika, Frankreich um
vornehmlich in Deutfchland. Zwei Einladungs⸗ Boriefunge
einem gefeh'äptlichen Eurtus {m Anterbafbiahe I 1843 — |
'Dresben, Walther. 1842. Gr. 8.
Saufen und Gine Bierteikunde, , o Tarteriſch
Originalerzaͤhlungen, vorgetragen von dem Arzte Ven Cridrie
zur Unterhaltung des Blinden Könige Schems⸗Eddin. Heraus
gegeben von 3%. H. Deffauer. Iften Thells Ifte Eieferung.
Stangen, Patm. 1844. 16. IN
Voigt, 3, Der Sitte eben ©. Maris de deutſhher |
Haufes zu Ierufalem in Preußen. — Auch u. d. T.: Rome: |
Coder der deutſchen Ordens: Beamten, Hochmeiſter, Landmeiſtc,
Großgebietiger, Comthure, Voͤgte, Pfleger, Hochmeiſter, Km:
‚pane, Kreuzfahrer und Sötbner = Dauptieute in —5 gi:
nigsberg, Bebr. Bornträgerr. Br. 4. 1 hie. 10 Kar.
Vorwort zu der Schrift: Die Frreymaarerey mi oſe
"nem Gesichte, und freyen, reinen Händen dargestellt aus
ihren eigenen Mythen und Symbolen von einem uralte
Freymaorer für Brüder Maurer, aber auch für höher
Stastebeamte. Erlangen, Palm. Gr. 8. 10 Ngr.
WBeihfelbaumer, G., Die Longobarden. Gin Traum
fpiel in 5 Acten. Düffelborf, Schaub. 8. 22% Nor.
— — Bladimirs Söhne. Ein Trauerſpiel in 9 Akten.
Düffeldorf, Schaub. 8. 20 Near.
Bitte, &. R. Die Kirche. Propofitionen über bie ketrt
von der Kirche, ale Srundfage zu einer Bearbeitung diefed &
genflandes. Leipzig, Köhler. Er. 3. 2, R
Zimmermann, Fr en! Biss Vetradptungen.
Darmftadt, Leske. Er. 8. TUN
Züge und Zuſtaͤnde "aus dem Erlanger Studentenleber.
Mit hiſtoriſchen Notizen über bie Friedrich⸗ Aleranderd » Uniter:
fität und dem Programıme zu ben Feierlichkeiten bei ihrem 0%
jäbeigen Jubil von einem ehemaligen Erlanger Studenten
Nürnberg, Felßecker. 16. 15 Nor.
Blätter
für
literarifhe Unterhalt
Über die Gefchichte des weiblichen Geſchlechts gibt «6
gar viele größere Werke oder Meinere Auffäge böchit ver:
fhiedener Art. Im Ganzen aber zeigt ſich eine Doppel:
sichtung Übertriebenen Lobes und Übertriebenen Tadels: Et:
liche berichten fehr langweilig faft nur von Wafchen, Ko:
hen, Weben u. dgl.; Andere erzählen, um Leſer überreiz:
ter Zunge herbeizuziehen, faft nur zweideutige Anekdoten,
und nennen das Anftöfige, welches fie aus allen Winkeln
zufammenfudhen, „Geſchichte des weiblichen Geſchlechts“.
Moͤge es mir gelingen in der folgenden kurzen Darſtel⸗
fung, gluͤcklich zwiſchen dieſer Scylla und Charybdis hin:
durchzuſteuern.
Die Geſchichte des weiblichen Geſchlechts beginnt,
gleichwie die der Menſchheit uͤberhaupt, mit einer feſten,
vollkommen beglaubigten Thatſache, oder (wie Andere be⸗
haupten) mit einer Allegorie, einem einfachen, oder gar
doppelten Mythos. Es iſt hier nicht der Ort, nachzu⸗
weiſen, wie die Erzaͤhlungen von der Schoͤpfung und dem
Suͤndenfalle aufgefaßt und erklaͤrt worden ſind; ein paar
kurze Bemerkungen moͤgen jedoch Platz finden.
Im erſten Capitel des erſten Buchs Moſis Vers 27
heißt es: „Und Gott ſchuf den Menſchen ihm zum Bilde,
und er ſchuf ſie ein Maͤnnlein und ein Fraͤulein.“ Hier
iſt von einem Stoffe, einer Materie, woran ſich die Bil:
dung anfchlöffe, nicht die Mebe; beide, Dann und Krau,
feinen gleichzeitig, unmittelbar aus der Hand Gottes
bervorzugehen. Nah der zweiten Erzählung oder dem
zweiten Mythos im zweiten Capitel Mofis, wird hingegen
zuerft der Mann aus einem Erdenkloſe und nachher die
Frau aus defien Rippe gebildet. Ob das Lketzte moͤglich
gewefen ohne noch andern Stoff zu Hülfe zu nehmen,
unterfucht ein berühmter Scholaſtiker Heinrih Goethals
auf ſehr gründliche Weife. *)
Um jene beiden Erzählungen in Übereinftimmung zu
bringen haben Etliche behauptet: Anfangs fei Weib und
Mann in einer Perfon vereinigt gewefen und nachmals
erft gettennt worden; was an die Mede des Ariftophanes
in Platon's, Gaſtmahl“ über die Doppelmenfchen erinnert,
welche Zeus, um ihre Ausgelaffenheit zu bändigen, aus:
einandergefchnitten babe. Mur nimmt die Piatonifche
*) Quetlib., VA, 9.
ung.
Mede an (um mancherlei Erſcheinungen des Lebend beſſer
zu erklaͤren), daß jene Doppelmenfchen früher aus zwei
Maͤnnern ober zwei Weibern, oder aus Dann und Weib
beftanden.
Daß der Wann Höher fiche als da6 Weib, leiteten
Manche daraus ad, daß Gott ihn früher erſchaffen habe;
wogegen Andere geltend machten: das Weib verdiene den
Vorzug, weit der Stoff, woraus fie gefchaffen (eines
Mannes Rippe), edler ſei als ein Erdenktos. Der bes
rühmtefte Kirchenichrer des Mittelaltere, Peter der Lom⸗
barde, bemerkt: Gott habe Eva nicht aus dem Kopfe
oder den Fuͤßen Adam's gefchaffen, fondern aus einer
Rippe; weil fie weder feine Herrin noch ſeine Magd,
vielmehr feine Senoffin hätte fein ſollen.) Noch anders
wicd der Hergang in einer, wahrfcheintih auf jhbifchen
Quellen beruhenden, Legende bed 13. Jahrhunderts er⸗
zähle. *) Es Heißt daſelbſt: „Gott gab dem Adam zuerſt
eine Frau, die volkommener war als er. Er ſchlug fie
aber aus Gründen tobt, die ich bier micht erwähnen
mag.’ **) As Gott ihn fragte, weshalb er dies gethan,
gab er zur Antwort: fie half mir nichts (elle ne m' etait
rien), und deshalb konnte ich fie nicht lieben. Dies war
die Urfache der Erſchaffung Eva's aus Adam’s eigener
Rippe, die er alfo lieben mußte, die aber dem Manne
unterworfen blieb, von dem fie außgegangerr war.
Zufolge der biblifchen Erzählung änderte der Sunden⸗
fall die Verhäteniffe oder beftimmte fie näher. Wenigftens
wird des Mannes Vorrang nunmehr ausbrüdtich aner⸗
kannt und laut Moſe der Eva von Gott befohlen: bein
Wille fol deinem Manne unterworfen ımd er fell bein
Herr fein. Hiernach haben ſich aud ohne Zwetfſel bie
Dinge in der Regel geftaltetz es gibt aber auch fo viele
und fo große Ausnahmen von diefer Hegel, daß wir
diefelben unmöglich kurzweg verdbammen und. als Stube
bezeichnen dürfen. Zuvoͤrderſt haben kuͤhne Sachwalter
der Frauen gefragt: wo war denn Adam und was hatte
er fo Wichtiges zu thun, daß er feine Frau mit der kluͤg⸗
fen und verführerifchen Greatur fo lange allein «6? Und
iſt der Wunſch, zu wiſſen, was gut und boͤſe ſei, nicht
ein natuͤtlicher und edler? Jedenfalls kannte Adam das
*) Sentent,, II. 18.
*9) Manuscr. de la Bibl. du Roi, IV, 38,
***) Dont je ci ne doi pas faire mention,
1130.
hoͤherſtehende Gebot, gleichwie Eva; anſtatt aber fie zu
warnen oder zu widerſtehen, oder auch nur die rhetoriſchen
Anpreiſungen der Schlange gehoͤrt zu haben, nimmt er
den angebiſſenen Apfel und ſchluckt ſo eilig, daß ihm
ein Stuͤck im- Halſe figen bleibt. Warum (ſagt ein
anderer Schrifterflärer Burnet in feiner „Archäologie‘) *),
ward die arme, ſchwache, unerfahrene, kaum erichaffene
Eva fogleih den Verfuͤhrungen des liſtigſten Gefchöpfs
ausgefegt? Warum wurden einem fo theuern Haupte
nicht wenigſtens ein paar gute und warnende Schutzengel
zur Seite geftelle? Die Drohung: daß die libertretung
des Gebots den Tod na fich ziehe, mußte gutentheils
wirkungsios bleiben, da Eva gar nicht wußte oder willen
konnte, was der Zod fei. Ich fehe, fagt ein Dritter, in
Adam's Benehmen weder Kraft der Selbfibeherrfchung,
noch irgend einen Beweis, daf er nach dem Suͤndenfalle
und um dieſes Hergangs willen mehr Anlage und Ge⸗
ſchicklichkeit habe, feine Frau zu beberrfchen, denn zuvor.
Zuletzt herrſcht in der Regel Der, welcher es am beiten
verſteht. In mancher Familie ift es ein Süd, daß bie
Frau regiert und nicht dee Mann; und Königinnen wie
Eiifabeth und Maria Therefia ftehen vollgültig den größten
Känigen gegenüber. Der angeblidy wichtige Einfall, uns
tee den Königinnen herrfchten die Männer, unter den Koͤ⸗
nigen die Weiber, ift in biefer Allgemeinheit kurzweg
nicht wahr.
Erlaubte es Raum und Zeit, fo ließen ſich die Ähn⸗
lichkeiten und Unähnlichkeiten ded Mythos von der Pans
dosa und. ded Berichts vom Sündenfalle zufammenftellen
und vergleichen; hier mögen, bevor ich auf Einzelnes eins
gebe, nur einige allgemeine Urtheile über das weibliche
Geſchlecht erwähnt werden, um zu fehen, ob fie uns als
Wegweiſer und Leitfaden auf der Bahn bienen können.
Mit Bezug auf die Geſchichte des Suͤndenfalls und viel
leicht auf eine Stelle des erften Briefs an die Korinther
(I, 11, 7) behauptete ein Biſchof auf der im 3. 585
zu Macon gehaltenen Kirchenverſammlung: man koͤnne
die Frauen nicht Menſchen nennen, nicht den Menfchen
ebeizäblen. (Mulierem hominem non posse vocitari.) lm
ihn zu widerlegen, ward unter Anderm angeführt: Daß
Bott das Männlein und Fräulein Menfchen nenne; daß
Jeſus, obgleich von einer Jungfrau geboren, doc, des
Menſchen Sohn heiße u. f. w. **) Genug ber Bifchof
biieb in der Minderzahl, und fein, ſchreckliche Folgen eins
ſchließender Lehrfag, ward nicht zu einem Kirchengeſetze
erhoben.
So verkehrte, thörichte Anfichten (denkt vielleicht manche
unter meinen verehrten Leferinnen) find doch in unfern
fortgefchrittenen Zeiten nicht möglih. Gewiß würden fie
nicht in der damaligen Weiſe begründet und widerlegt
werden. Sie haben indeß in ihrer Übertreibung auch eine
beitere und faft komiſche Seite; wogegen ich anheimftelle,
ob die nachſtehenden, ganz neuen Anfichten und Grund:
*) Archeol. phil., 200.
*e) Meter ber Lombarde (III, 12) unterfucht: ob Gott als
Weib zur Melt kommen konnte? Er antwortet: Ja; doch bes
quemer und paffender (opportunius et convenientius) als Mann.
füge über das weibliche Geſchlecht anschmlicer, grimbli—
her und hoͤflicher find, Hören wir einen Philoſophen
einen Naturforfcher und einen zur Politik übergetretenm
Theologen. Fichte fagt („Naturrecht“, S. 182): „In dem
Begriffe der Ehe liegt die unbegrenztefke Unterwerfung
ber Frau unter den Willen des Mannes.” Den iehıt
(„Lehrbud der Naturphilofophie”, B. 3, S.112): „Der
Mann ſteht um fo viel höher als das Weib, ale die
Geſchlechtspflanze höher ſteht denn die gefchlechtsiefe, als
der Baum über dem Mooſe. Der Mann ſteht um ganz
Thierclaffen höher als das Weib. Schnede, Fiſch, Wal:
fertbier ift das Weib; Vogel, Saͤugethier ift der Mann,
In der Idee folite jedes Kind Anabe fein. Wenn wei
liche Kinder entfliehen, fo gefchieht es durd ein Mislingen
des meiblihen Plans. Die Natur will nur das Hoͤchſte,
alfo nur den Mann erreihen. Weiber werden nur ge:
(haffen, damit Männer durch fie hervorgebracht rerden
tönnen. Das Weib iſt nur ein Naturmittel zum Natu:
zweck. Die Natur hat aber nur einen Zweck und nur
ein Ziel, den Mann.” Der dritte, von den Meiften un:
ter uns noch gekannte Schriftftellee fagt: „Da die Frauen
nur eine Beſtimmung haben, Sattinnen und Mütter
zu fein, fo werden aus ihnen, fobald fie diefe Beſtimmung
nicht erreichen, verfehlte Sefchöpfe, denen man immer Feb:
ler des Geiftes und Herzens beimißt und andichtet.”
Anftate mit Widerlegung diefer barten und ſchlecht
begründeten Urtheile Zeit zu verlieren, bemerfe ih, daß
der Zorn über diefelben und über alle vorhandenen Ver
hältnifje des weiblichen Geſchlechts nicht felten die Hoff:
nung, ja bei Manchem die Überzeugung hervorgetrieben
baben, in dem unfchuldigen, dichteriſchen Stande der N
tur fei ebenfo das Ideal der Kamilie und Ehe wie de
Staats zu ſuchen. Was finden wir aber bei näherer Uns
terfuchung des Zuftandes aller angeblichen Naturvölker, oder
vielmehr aller rohen, ungebildeten Völker? Wir finden
überall die bloße Derifchaft der Gewalt; Meiberraut,
Weiberkauf, Zrauen und Mädchen betrachtet und behan⸗
beit wie fachlihes Beſitzthum, Kindermord (felbft auf den
gepriefenen Inſeln der Suͤdſee) ohne die geringfte Ad:
tung der Perfönlichkeit und Vorherrſchen des Thieriſchen
beim Zuruͤcktreten alles Geiftigen.
Vielleiht, wendet man ein, ließe fich indeß mancher
finnige Gebrauch, mande unverlünftelte Einrichtung in
das langweilige Einerlei unſerer Gebräuche und Einrid;
tungen aufnehmen und dadurch die Frifche der urfprüng
lichen Natur herſtellen. Wohlan: ich will aus gar Bie
lem Einzelnes zu beliebiger Auswahl oder Nachahmung
vorführen. Bei den Dapfolybiern wurden die Jungfraum
jährlich zu einem Feſte verfammelt und in einen finſtere
Ort gebracht. Die, weiche hier Jeder ergriff, ward feim
Frau. Alle Bewerber eines Mädchens begaben fih hi
den Jalchlaͤern zu deren Vater und trieben Scherzueden.
Der, welcher ihn dadurch zuerft zum Lachen brachte, ward
fein Schwiegerſohn. In Japan unterfcheidet fi die Ehe
frau von der Unverheiratheten durch zwei Vorzuͤge: di
Zähne ſchwarz zu färben und die Augenbrauen auszu⸗
tupfen. Zu Bahar in Indien nimmt der Gläubiger oft
1181
die Fran des Schuldners als Pfand in Befis, bis bie
Schuld abgetragen wird. Bekommt fie von jenem Kins
der, fo ift die Hälfte derielben fein, die zweite Hälfte Eis
genthum des Schuldners. Bei den Vifirern, einem afgha⸗
nifchen Stamme, [hidt das Mädchen den Trommelſchlaͤ⸗
ger des Lagerd ab und läßt an der Muͤtze des ihr wohl:
gefallenden Mannes ein Schnupftudy mit der Nadel bes
feftigen, welche fie gebraucht bat, ihr Haar aufzufteden.
Der Mann ift gendthigt, jenes Mädchen zu heirathen, fo:
bald er ihrem Vater einen angemefienen Kaufpreis bezah⸗
in kann. Auf Sumatra werden die Ehebrecher todt:
geſchlagen und aufgegefien. Der Kaufpreis einer Frau
in Bambuf befteht gewoͤhnlich in einem Stud Vieh oder
einigen Pfunden Satz. Eine Ober: oder Hauptfrau auf
der Küfte von Sierra: Leone meinte: fie würde vor Lan⸗
gemweile umkommen, wenn fie fih nice mit den Kebs⸗
frauen ihres Mannes die Zeit vertriebe. In Abpffinien
verändern die Prinzeffinnen ihren Gemahl fo oft es ihnen
behagt. Will bei den Guaranis, in Südamerika, ein
europäifcher Aufſeher eine Frau durchpeitſchen laffen, fo
trägt er es ihrem Manne auf; fein Anderer vollzieht bie
Strafe fo pünktlich.
Doch genug des Einzelnen von den Sitten und ber
Etikette roher Völker; wenden wir uns jebt zu denen,
welche wir den gebildeten beizählen, fo werden wir ducch
eine im Diodor aufbewahrte Nachricht uͤberraſcht (Bd. 1,
S. 237): Im ben Eheftiftungen der Ägypter fei gemöhn:
lich feftgefegt worden, daß die Srauen die Maͤnner beherr:
{hen follten (xupsevar Taydowv). Zweifelhaft mag es
bleiben: ob fidy dies blos auf häusliche Rechte bezog; und
nody zweifelhafter, ob ſolch eine Beſtimmung des Ehevers
trags bei den Agyptern wirkſamer war, als wenn in ben
unferigen feierlichft niedergefchrieben würde: die Frauen
hätten nichts zu befehlen. Daß es in den ehelichen und
Familienverhaͤltniſſen der Juden nicht an anftößigen Er:
eigniſſen fehlte, ift befannt — ich erinnere z. B. an Ruben,
David, Abfaton (Moſ. I, 35, 22; Samuel HH, 16, 21) —;
doch würde dies weniger ins Gewicht fallen, wenn es
nicht mit allgemeinen Anjichten und Gebräucdhen in Ber:
bindung ftände und daraus hervorginge. Daß die Frauen
(zum Theil für die fonderbarften Preife) gekauft wurden,
mithin Vielwelberei flattfand; daß man gezwungen war,
die kinderloſe Witwe feines Bruders zu heitathen, daß
die Toͤchter vom Erbe ausgefchloffen wurden, wenn Söhne
da waren — dies und Ähnliches wird wol Keiner für nad):
ahmungswerth halten. Und ebenfo wenig werden Akade⸗
mifer, Profefioren, Mitglieder wiffenfchaftlicher Vereine
u. Dal. geneigt fein, eine Vorſchrift de Talmud für ſich
geltend zu maden, wo es heißt: „Der Gelehrte hat, vielen
Studirens halber, die Erlaubniß, fich binnen zwei, drei
Jahren nidt um feine Frau zu befümmern; doch wird
ihm empfohlen, dies wöchentlich zu thun.‘ *)
Merkwuͤrdig tft die Art, wie man, nach Herodot's
Erzählung, die Jungfrauen in Babylonien verheirathete.
In jedem Drte kamen diefe jährlih einmal zufammen
*) Michaelis, Moſaiſches echt, II, 306.
und die Minner fiellten fich ringsumber. Sept bot ein
Ausrufer zuerft die fchönfte, dann nah der Reihe bie
minder Schönen aus, und flug fie Denen zu, welche
das Meifle boten. Lam man endli an die Däßlichen,
auf welche Niemand bot, fo fragte der Ausrufer: mer
das wenigſte Geld, als Lockmittel, der Braut zugelegt
haben wollte? und mit den für die ſchoͤnen Mädchen eins
gegangenen Summen wurden die Däßlichen untergebracht
und ausgefleuert.
Ich wende mich jegt zu den Indiern. Deren Kaften
(wonach ſchon die Männer in fhroffe, ſich unbedingt aus:
ſchließende Abtheilungen zerfallen, und die Höherftehenden,
insbefondere die Brahminen alle Übrigen ſchlechthin beherr⸗
ſchen, ja tyranniſiren), fuͤhren zu dee naheliegenden Der:
muthung, daß durch Ruͤckwirkung auch das weibliche Ge⸗
ſchlecht hart davon getroffen wurde. Dennoch finden ſich
in den Geſetzen wie in den Schriftſtellern viele Außerun⸗
gen, welche eine hohe Achtung gegen die Frauen beweiſen.
So heißt es an einer Stelle in Menu's Geſetzbuche: „Wo
die Frauen in Ehren gehalten werden, da iſt Wohlgefal⸗
len der Goͤtter; wo ſie verachtet werden, da ſind alle re⸗
ligioͤſen Handlungen vergebens.“ Daß aber die Männer
nicht gemeint waren, hierdurch die Ehre verkürzen zu lafs
fen, voelche fie in Anfpruh nahmen, beweift eine Vor⸗
Schrift der Puranas (oder heiligen Commentare), wel⸗
he lautet: „Nachdem ein Weib die Gottheit angebetet
bat, muß fie ihren Gemahl verehrten, opfern, anbeten
(oder wie man worship überfegen will) mit Blumen,
Schmuck und Kleidern. Sie muB innerlih und mit
vollkommener Senugthuung denken: dies iſt der Gott
der Liebe!” *)
Folgende Blumen:, Frucht: und Dornenftüde aus
Menu’s Geſetzbuche werden die Verhaͤltniſſe näher erlaͤu⸗
ten. Weibernamen follen gefällig, fanft, leicht, die Eins
bildungskraft bezaubernd und von guter Vorbedeutung fein.
Niemand heirathe in eine Familie, welche zu Krankheiten
geneigt if. Niemand heirathe eine Ungeſtaltete, Kränk:
liche, Gefchwägige, keine die zu wenige oder zu viele
Haupthanre, oder entzündete Augen hat. Vielmehr ers
wähle er zum Weide eine Zungfrau, deren Körper vorzligs
lich weich ift, deren Haare und Zähne in Hinfiht auf
Menge und Größe ein billiges Mittel halten, deren Name
wohllautet, deren Gang voll Anftand ift, mie der Gang
eines Flamingo oder — eines jungen Elefanten. Wenn
eine Fran niche mit viel Sorgfalt gekleidet iſt, fo ann
fie ihren Mann nicht aufheitern, und wenn es ihrem
Herrn an Heiterkeit fehlt, fo werden fie feine Kinder bes
ftommen. Immer aufgerdumt muß die Frau fein, ber
Haushaltung wohl vorftehen, die Geräthe in Acht neh:
men und bei allen Ausgaben räthlih zu Werke geben.
Sie darf nie nach Unabhängigkeit fireben. Sollte audy
ein Ehemann die eingeführten Gebräuche nicht beobachten,
in eine andere Stau verliebt fein oder feine guten Eigen⸗
fhaften haben, fo muß ein tugendhaftes Weib ihn doch
immer — als einen Gott verehrten. Eine Stau, die ſcha⸗
*) Wilson, 'Theatre, 111, 19.
1138
benfeoh oder verfchmenderifch iſt, oder befeibigend ſpricht,
kann ohne allen Auffhub fortgefchidt werden. Wer zur
Beftreitung der Hochzeitskoſten um Geld bettelt, foll von
der Heirath keinen Bortheil haben. Das Kind gehoͤrt
dem Geber des Geſchenks. Eine Frau, die mit Jemand
aus einer niedrigern Glaffe die Ehe bricht, mag von den
Hunden gefreffen werden. Sind die Weiber eines Leh⸗
ters aus der naͤmlichen Claſſe, fo muß ihnen der Schuͤ⸗
lee oder Student fo viel Ehre erzeigen als ihrem vereh⸗
eungsmwärbigen Gemahle; find fie aus einer andern Claſſe,
fo ehrt man fie blos mit Aufſtehen und Grüßen. Fol⸗
gende Verrichtungen fol der Schüler oder Student nie
übernehmen: die Frau feines Lehrers mit wohlriechendem
Sie übergießen, fie beim Baden bedienen, ihr Haar ſchmuͤcken
und ihre Füße und Arme reiben. Ein Frauenzimmer
kann nicht nur einen Thoren, fondern felbft einen Weifen
vom rechten Pfade abziehen; daher muß fein Mann mit
ihnen an einem einfamen Orte figen.
(Die Bortfegung folgt. )
Windsor Castle; an historical romance. By W. Har-
rison Ainsworth, Drei Bände. Rondon 1843.
Ainsworth's hiſtoriſche Romane werben in England viel
gelefen, d. h. fobald fie aus den Journalen, wo fie capitelmeife
erfäjeinen, zu Büchern zufammengebrudt worben find, meift von
Ko n der Leihbibliothelen, bie in Gngland unter den
böbern Ständen bebeutenb weniger Kundſchaft haben als in
Deutfchiand. Diefe find in ber Hegel durch die Journalportionen
bereits vollauf gefättigt. Und das erklärt fi. ine Hiftorifche
Baſis haben die Romane insgefammt und bisweilen erzählen fie
fehe intereffante hiftorifche Greigniffe. Aber mitten durch läuft
immer ein fingieter Baden, an welchem allerhand Unwaͤhrſchein⸗
lichkeiten, Unmöglichkeiten und Zeufeleien baumeln. „Man left
es einmal und Ueſt's nicht wieder.” Kür circulating libraries
hingegen vortreffliches Futter, in England wie in Deutfchland.
Dazu kommt, daß bat Gewebe oft bis zum Berfahren liederlich
oder ift, die geſchichtlichen Perfonen häufig reden, wie fie
nimmermebr reden würden, wenn ber Charakter ihnen inwohnte,
ben fie repräfentiren, und daß, wo bie Darftellung fich erheben,
bie Phantafie in Xeolslauten klingen, Zärtlichkeit, Pathos oder
Leidenfchaft auftreten follen, Dr. Ainsworth mit feltenen Aus:
nahmen — von der Bank fällt. Gr weiß das, er fühlt dat,
und will es auf der Stelle gut machen. Wodurch? Dur
plögliche, gefahrvolle Situationen, burdy Anatomirung phyſiſcher
Schmerzen, durch die Details einer Hinrichtung, durch bie
Schauder einer Mordthat ober zur Abwechfelung burch einen
fentimentalen Seibfimord. Das find an fi ger Leine üben
Mittel. Nur theilen fie das Schickſal aller Stimulanzen: fie
wirken eine Beit lang und nicht länger. Wer drei ober vier von
Ainsworth’8 Hiftorifchen Romanen gelefen hat, weiß, indem er
einen vierten.ober fünften anfängt, daß bie Mehrzahl ber ein:
geführten Herren früher ober fpäter an den Galgen kommt,
die Mehrzahl der eingeführten Damen fräher ober fpäter in
einer Pferdeſchwemme erfäuft wird, und das mindert bas
Verlangen nach näberer Bekanntſchaft. Ein Menſch mehr ober
weniger tobt ober lebendig, barauf Eommt es Ainsworth nicht
an. Er bat in biefer Bezichung wahrhaft orientalifche Groß⸗
futtansgefinnung und ſcheint vor künftiger Rechenſchaft fidy nicht
im geringften zu fuͤrchten. Jemand fagt ein beleidigendes
Wort; flugs blist der Saͤbel in der Kauft des Beleidigten und
der Kopf des armen Schaͤchers, ber fein Wort fo boͤs gar nicht
gemeint hatte, rollt im &Staube wie eine Kegelkugel, und gleich
als wäre er auch nichts Beſſeres, erzählt ber Verf. ruhig weiter.
Alles Das wiederholt fig in feinem ,Windser -Casiet
Welcher Zweck ihm bei dichem Romane vorgeſchwebt geht aus
dem Romane ſeibſt nicht hervor. Die meiften Perfonm ſud
unftreitig hiſtoriſch. So Surrey und bie ſchoͤne Geraldine, Bir
Thomas Wyat und Wolſey, Anna Boleyn und der „Nero ve
Rrefermation’‘z auch Berne, bet Jäger, mindeflens laut Zeuguif
jenes glaubhaften Chronikiſten, dem wie bie „Pufligen Weiter
von Windfor” verbanten. Satanas ebenfalle if offenbar ein
biftorifche Verſon und eine wichtige. Die mag er freilich im
Windſor⸗ Schloffe zu allen Zeiten geweſen fein, aber fo ungeſchiet
bat er ſich nicht zu allen Zeiten benommen. In ber Gprade
ber Bühnenkritit würde es von ihm heißen, er habe den menfäs
lichen Eharakter ſchlecht aufgefaßt, habe zu grimmig, zu bölikh
ausgeſehen, überall zu fehr den Teufel burdjblicden laſſen. Une
ben Berhältniffen, bie ihn in ben Roman bringen, hätte a
den Pferdefuß in einen zierlihen Stiefel fteden und auch fonk
fo feine Zoilette machen ſollen, wie ein gewiſſer Iemand jet
in London, mit welchem vor feiner Anftelung in Indim die
Preffe und bie Zungen ſich mebr befchäftigten als während ken
feiben. , Jaͤger, ſowie Alles, was auf ihn und di
von ihm bekannte Legende fich bezieht, ift etwas zu derb fir
baare Münze ausgegeben. Selten eine Spur von Mofkerie.
Der gefpenftifche Jäger wanbelt umher, ats hätte er Fleiſch m
Bıin, plaudert sans göne mit chem, ber ihm begegnet, md
zeigt. in beſtimmten Theilen bes Forſtes feine Geweihe fo ugl:
mäßig, ald muͤſſe es fo fein. An Dämonen, Guten, Schlange
und anberm Gethier fehlt es auch nicht, und ſtecken fie in einm
Baume, aus welchem der Verf. fie heraus haben will, fo bevmtt
er fig nicht lange wegen bed Wie — der Baum kracht un
plagt. Die vom Aberglauben ber Zeit gebotene Maſchine konıte
teeffiih benugt werden. Ainsworth bat fie ohne Ginn un
Geſchick gehandhabt. Daß aber gerade beöhalb viele Koftgänge
ber Leihbibliotheken Maul und Naſe auffperren und den ihem
ausgepreßten Angſtſchweiß ruͤhmen werben, verfteht fih. Batı
ift indeffen, das bei @elegenheit jener Erfſcheinungen der Ba.
fein ſ Talent für Naturzeichnung aufs neue bewaͤhtt.
Meifterhaft entrollt ex das reizende Landfchaftögemätbe, in deſſen
Mitte Windfor liegt, und weckt gewiß die Sehnſucht mandıs
Lefers und mancher Leferin nad) dem ftillen, verfchmicgenmn
Schatten am Ufer plätfchernder Bäche, und nach den beiitm,
bianten Seen, die Fein Euftzug bewegt und worin der Mon
fi Tniegeit. Dagegen iſt der Schluß des Romans über ul
matt.
Literarifhe Anzeige.
Neu erfcheint in meinem Verlage und iſt durch alle Buczant:
lungen zu erhalten:
|
Di
Ruftfpiele des ecriſtophaues. |
Überfegt und erläutert
von
Hieronymus Mlüller.
In drei Bänden.
Crſter Band.
Gr. 8 Geh 1 Thlir. 24 Nr
Dieſer erſte Band einer neuen Überfegung bes Xriftophan,
die ſich Geltung neben Voß umb Dropfen zu fichern willen wird,
entbält außer einer allgemeinen Einleitung über bie Entſtehung,
Sntwidelung und Eigenthuͤmlichkeit bes griechiſchen Dramak
„Piutos‘, „Wolken und te.
Reipzig, im September 1843.
SF. A. Brockhaus,
Verantwortlicher Herausgeber: Heinrich Brokhaus. — Drud und Verlag von F. A. Broddans in Eeipsig-
Blätter
für
literarifhbe Unterhaltung.
Dienflag,
10. October 1843.
(Bortfegung aus Nr. 282.)
So weit meine Auszüge aus den Gefegen des weiſen
Menu; fehen wir jet, wie die rauen von andern Schrift:
ftellern betrachtet und behandelt werben. Wenigen Stoff
zu Mittbeilungen bieten bie epifchen Gedichte. Helena,
Andromade, Penelope werben nie von Damojanti, Drau:
padi und Sawitri verdrängt werden; obgleich fich die legte
von den Göttern 100 Söhne erbat und fie befam, wäh:
rend Penelope mit ihrem einen Telemachus begnügt blieb.
Mehr Ausbeute bieten die dramatifchen Dichter, umd
wiederum tritt bei ihnen ein Verhaͤltniß befonders auffal⸗
lend heraus: naͤmlich das ber Bajaderen zu den Baus:
frauen. Es wäre irrig, jenen im Allgemeinen eine höhere
Bildung beizulegen und fie mit Prieflerinnen zu verglei:
hen; es wäre zu gering, fie kurzweg liederlihe Dirnen
zu fchelten. Gewiß beweift ihr Dafein und ihr Verhaͤlt⸗
niß bedeutende Mängel des Familienleben.
In dem Schaufpiele „Mrichihakati“ fpielt ein folches
Maͤdchen Vaſantaſena die Hauptrolle. Sie iſt fehe veich,
hat eine prachtvoll eingerichtete Daushaltung, zeigt ſich
der reinften Liebe zu einem edeln Brahminen Charudatta
fähig; muß fid aber dennoch (gröberer Dinge nicht zu
gedenken) ins Geſicht fagen laffen: ihre Perfon fei ein
Gegenftand des Kaufes für Vornehme und Geringe, für
liebensmwürdige und toiberwärtige Männer. Dies offen:
bare Liebesverftändniß Charudatta’s mit Vaſantaſena Icheint
feine davon unterrichtete, rechtmäßige Frau gar nicht zu
beruhigen; vielmehr ift diefe bereit, ſich, nach Empfang der
irrigen Nachricht von feinem Tode, verbrennen zu laffen.
Liebfchaften der Männer mit niedriger ſtehenden
Frauen, Stavinnen oder Dirnen ſcheinen überhaupt, nad)
indifchen Begriffen, der Ehe gar keinen Eintrag zu thun;
weil troß diefer Mehrzahl wol das Übergewicht und größere
Mechte für eine Hauptfrau übrig blieben. Wenn ſich
Dagegen ein verheiratheter Dann mit einem Frauenzim⸗
mer böhern Standes einlaͤßt, fo gerät) dadurch die
Stellung der Ehefrau in größere Gefahe und verſchlech⸗
tert fich dergeflalt, daß Zorn und Eiferfucht mehr und
mit größerem Rechte hervortrift.
As fi) der König Purüravas (zufolge eines Schau:
fpiels von Kalidafa) in die himmliſche Nymphe Urvaſi
verliebt *), nimmt dies feine Gemahlin Aufinart fehr Abel
und macht ihm bittere Vorwürfe, die er indeß duch ums
wahre Segenverficyerungen abzulenken fucht. Sobald dies
vergeblich bfeibt, fagt er:
Ich hätte meine Mühe fparen koͤnnen!
Gin Weib hat ſcharfe Augen: bloße Worte
Berühren nie ihr Herz, ſobald nicht Leibenfchaft
Beglaubigung hinzufügt.
Als es jedoch heißt: die Königin wolle fi wegen ihres
heftigen Benehmens entfchuldigen, fpricht Purüravas:
& glaub’ es wol; denn wahrhaft kluge Weiber
Bereuen bald, daß fie ben reuigen Bemapl
So hart zurüdgeftoßen, und ergreifen gern
Gelegenheit und Vorwand, feine Liebe
Bon neuem zu gewinnen. Run wir wollen
Ihr' Gnaden Hierin auch gefällig fein.
Der König Überhäuft demgemäß die Königin fo mit
nein, daß eine Begleiterin der Urvaſt bemerkt
Dat ſich das Herz veriert, fo wird die 3
— He ar Far ra Berfpredien ©
Für ein misachtet Weib.
Der Königin Auftnari war es aber Ernft mit einem un:
erwarteten, bereite ducch ein frierliches Geluͤbde befräftigs
ten Entſchluſſe. Sie ſprach:
Welch eine Nymph' auch meines Herren Blid
Hat angezogen und ihn Hält in Liebesbanden;
Ich will mit Mild' und Liebe fie behandeln.
3a, hiermit unbegnugt zieht ſich die Königin ganz zuruͤck
und räumt Urvaft ihre Stelle ein, ſodaß deren Begleiterin
ausruft (S. 58):
Dies iſt ein Weib von hohem Geift
Ein Mufter in Erfüllung ihrer t!...
Ähnticherweife wird der Sakuntala die Lehre gegeben:
Bleib’ dem Gatten gehorfam, Liebes nur erweiſ'
Den andern Frauen deines Deren.
Selbſt wenn der Gemahl dich kraͤnkte, fo ergib
Di nimmer dem Reize zum Born.
In einem andern Scaufpiele „Retnavali”, von Sci
Herſcha, werden die Verhaͤltniſſe noch leichter ‚genommen
und kuͤnſtlicher verwidelt, fodaß einige Scenen an „Figa⸗
ro's Hochzeit” erinnern, ja fie überbieten. Deshalb ſagt
eine Bertraute ber Königin Vafavadatta: „Nichte ift fo
fhlecht, was man nicht von biefen fchändlihen Männern
erwarten müßte.” **)
*) Wilson, II, 45.
**) Wilson, III, 49.
| . — || vu
Der König Vatſa erzählt, aufrichtig genug, wie er es Doch häng’ dich auf, wenn du nicht kannk gewinnm
anfange, feine mit Recht eiferfüchtige Gemahlin zu beru⸗ Des Weibes Lerz, dem fie allein gehorch
digen. „Wenn fie ſeufzt“, fagt er, „zeige id Theilnahme, In der Regel wird das Verbrennen der indiſchen Mit,
wenn fie ſchmollt, fchmeichte ich ihr, wenn fie die Augen: | wen nad) bem Zode ihrer Männer als eine Folge une
brauen zufammengieht ugb ihr Geſicht von Bopn. enge T grenzter Liebe und rege ven oben, daß jedoch Aba⸗
Fe iß, falle ich ihr zu bien Derlei Zeichen der Eye | glaube, Eifafugt md li ei suhlenthäch ig Spiele find,
füripe iſt man der hohen Stellung einer Königin fehuldig. | beweilt Thon eine Stelle im Diodor (XIX, 33) wo 4
Indeß haben täufchende Schwuͤre, zärtliche Reden, ſchein⸗ beißt: „ In ältern Zeiten verlobten ſich fehr viele Indierin
bare Vormwände und demüthige Bitten weniger beruhigende | nen bei ſehr jungen Jahren. Hieraus folgte, daß ihnen
Wirkung — als die eigenen Thränen der Königin, Wie | Die Wahl nachher oft Leib ward. und viele Weiber, um
Waſſer das Feuer loͤſcht, fo loͤſchen jene Thränen die Flam⸗ eine neue treffen zu Eönnen, ihre Männer vergiftem.
men ihres Zomes.” ' Da die Beſtrafung Einzelner von dieſem Werbrechen nigt
Dielen Grundfägen gemäß läßt denn Vatſa die Wa, | zurüdichredte, fo gab man ein Gefeg, daß die Fran
favadatta fi fatt weinen; ja als des Könige Geliebte | (nur mit Ausnahmen der Schwangern und derer, die Kin
Metnavali ſich als ebenbürtig ausweißt, macht ſich die | der hatten) zugltich mit ihren verſtorbenen Maͤnnern fol:
Königin ein Vergnägen daraus, fie ihrem Gamahle zu | ten verbrannt werben. Diejenige, welche ſich diefem Ge—
Merzeban und fie ais Schweſter anzuerkennen. So wir '| fege nicht unterwerfen wolle, dürfe nicht wieder heitathen
mittelbar bie Vielweiberei doch hervor, obgleich deriei neue ‚| und werde als eine Sottlofe von Opfern und allım Gr
Ankömmlinge gewöhnlich zu einigem naiven Skandal oder heiligten ausgeſchloſſen. Um biefer Außerften Schande u
fentimentalem Geufjen und Klagen Beranlaffung geben. entgehen und ihre Männer zu beruhlgen, waͤhlte nicht
In einigen Schauſpielen wird Liebe und Treue mit || blos jede den Tod, ſondern die Weiber drängten ſich and
mehr Würde und Zartheit behandelt, fo im dem Liebes⸗dazu wie zu der größten Ehre.” Man iſt geneigt, oh
drama „‚Malati und Mabhava” von Bhahabhuti. Da: Nachricht über die Vergiftungen der Männer dur, die
felbft heiße e8: „Eine Verheirathung wird gluͤcklich fein, Frauen für eine Erfindung oder grobe Übertreibung zu
wenn Auge, Herz und Zunge das Paar zufammen füh: || ZU halten; doch werden wir fpäter eine ähnliche Anklage
vn”; — 10 unter Bumge dann wol die Mittheitung || Ir der roͤmiſchen Geſchichte finden. Gewiß übte man bi
und der Ausdrud des Geiſtes und des Geiſtigen zu ver: || Muen Verbrennungen bis in die neueſte Zeit die fund
fiehen iſt. Am „Nalas“ (S. 72) heißt es: barfte Ayramei und Graufamfelt. *)
Nichts ja gleichet dem Weibe, fie iſt (Die Bortfegung Folgt.)
Kür jedes Leid ein Heilmittel.
& die Goͤttin, — ift fein
in Troſt für den betrübten Mann.
Abweichend wird im Schauſpiele, Mrichlhakati“ gefagt
©. 89):
( FR Dinge find bie koͤſtlichſten auf Erben,
Win Freund und bie Geliebte: doch ich ſchaͤtze
Den Freund mir höher denn ein Hundert Schönen.
Bon fo zahlreihen Schönen iſt wol die Rede, wenn es
an einer andern Stelle Hefft: „Es tft fiber alten Zweifel
gewiß, daß Unheil angerichtet wird, wo man einbüft einen
Elefanten, einen Steuerbeamten, einen Bettler, einen Kund:
Ichafter und ein zweidentiges Mädchen.” An bie legten
denkt der Dichter wol vorzugsweife in folgender Stelle
G. 84):
( } weich ein Thor ift Der, der fein Vertrauen
Auf Weiber fest und Reichthum, beides fchlüpfrig.
Sie innen nach Belieben lächeln, weinen, trügen.
Des Meeres Wogen und des Abends Roͤthe
Sind minder unbeftändig ald ber Krauen Liebe.
Geld ift ihr Biel; fehlt dies dem Wann,
Wirft man ihn weg wie einen leeren Beutel.
So kurz als Blitzesglanz iſt Weiberliebe;
Se blicken Einen zaͤrtlich an, wenn ſchon der Andere
Im Herzen thront. Go hat's Natur gewallt!
Der Lotus waͤchſt nicht auf der Berge Höhen,
Das Maulthier wantelt nie zum Rofle fi,
Aus Gerftenkörnern fproßt Fein Reis hervor;
&o wohnt auch Tugend nie in Weibes Bruſt.
Gemäßigter lautet folgende Stelle (I, 35):
. Der Elefant wird mit der Kett' gehalten,
Das Roß gebänbigt durch des Reiters Kunſt;
Die Jeſuiten.
1. Histoire de l’Helvetie depuis son erigine: 'a nos jvarı.
Freiburg 1841 ‘ * ine junge an!
2. Tablenu auslytique de Vhistoire universelle priscatk
ine ber beträbendften Srfcheinungen, denen wir in be
Geſchichte des menfchlichen Geiſtes begegnen, ift ohne Zmeikl
diefe, daß er ſich zumwellen genöthigt Lebt, auf die Erörterung
von Fragen zuruͤckzaukommen, bie mit allem Rechte ſchon als
4 abgethan gelten fonnten. Bu biefer Bemerkung veranlaft un
1 die Thatſache, baß bie Geſellſchaft Jeſu, nachdem die beide
!
die
alte Wirkſamkeit theils ausübt, theils anſtrebt —* alte 9
Vemit gegen & aufregt. Am rührigften ſcheint fie ſich in Oſtrrich
einlaffen tönnen, den Streit, welchen bfe fogenannte neokathe⸗
Hfdge Partei in Frankreich gegen bin Geiſt und die Bildung bi
18. Jahrhunderts führt, weittäufiger zu beſprechen und num
beabfichtigen, über Einiges, was die Thaͤtigkeit des Ordent i⸗
Oſtreich und in ber Schweiz betrifft, ein paar Worte zu ſager,
*) Massie, Continental Indie, IL, 175.,
fo beſchraͤnken wir uns anf bie — vorliegender drei Schriſ⸗
ten, die uns für unſern Zweck vokoͤmmen en. Zwei Bas
von, nämlid die yiriatinen Lehrbücher, ſcheinen urſpruͤnglich
wol nicht für die Offentlichkeit beſtimmt geweſen zu fein, wahr⸗
ſcheinlich aus dem Grunde, weil fie und ihre Verf. ſich im
Halbdunkel am beften befinden und am vortheilhafteften ausnehs
men; wenn wir jedoch darauf keine Rüdficht nehmen, fo ge
gefchieht es, weil wir überzeugt find, baß in unfeen Tagen ges
rabe Diejenigen am wenigſten das Recht haben, ſich dem Eike
und dem Urtheile ter Welt zu entziehen, welche baflelbe am
meiften perborresciren.
Die Flugſchrift „Zur Kenntniß der Geſellſchaft Jeſu“ zers
fällt in zwei Abtheitungen, welche überfchrieben find: . „Neueſte
Literatur über bie Befellichaft” und Vruch
fhichte des Sefuitenordens”. Sie enthalten theild minder bes
fiüde aus ber Ge
Lannte aber vollkommen beglaubigte Facten, bie den Geift bed
Drdens, wie ex vor ber Aufhebung war, bezeichnen, theils ſta⸗
tiffifche Notizen und Thatſachen ber Geſchichte der Geſel⸗
{haft nach ihrer Repeiftination.
& übergeben, was fich auf.
die Periode vor dem 21. Juli 1773 (dem Datum des Aufpebungs: '
breve) bezieht, obſchon es auch uns als weientjich erſcheint,
daß man den nie unterbroshenen Zuſammenhang zwiſchen ber
(nur dem Ramen nady) aufgehobenen unb der wieberhergeftell:
ten, ſowie die Geſchichte der erftern im Auge behalten muß,
um * den era din — der letztern fuͤr unſere Zeit
ein richtiges Urtheil zu können.
In Öfteeih blieben die Sefuiten bie zum 3. 1827 auf
Galizien beſchraͤnkt; feither find ihnen in den italienifchen Pros
oinzen, in Oberöftteih, Steiermark und Zirot Collegien eins
geräumt worben, fobaß fie jest, 269 an der Zahl, fieben Kloͤſter
bewohnen. 34 Drdensglieder find auf Pfarreien ausgeſetzt; die
übrigen widmen fich theils der Jugenderziehung, theuͤs vor ber
Hand dem beſchaulichen Leben. In Galizien werben eine phi⸗
loſophiſche Lehranſtalt (zu Tarnopol, mit fünf Profeſſoren; ihr
Director iſt der Provinzial bes Ordens in Galizien) und zwei
Spmnaften (zu Tarnopol und Sandec) von ben Iefuiten vers
fehen; in Tirol gehören bie Lehrer des Gymnaſiums zu Inns⸗
bruck, der Rector, bie Präfecten und theilweiſe auch bie Lehrer
der dortigen Thereſianiſchen Ritteralabemie dem Orben an. Auch
gebt man jest in Innsbruck damit um, ein großes Penflonat
nach dem Mufter des in Freiburg in der Schweiz beftehenden
zu errichten und laͤßt zu diefem Zwecke nad) allen Seiten Aufs
federungen zu Beiträgen ergeben (die Regierung bat indeflen
ausdruͤcklich erfiärt, daß Öffentliche Fonds nicht in Anſpruch ge:
nommen werben bürfen.)*) Noch verdient angeführt gu werben,
daß die Verfuͤgung Kaifer Joſeph's II., durch welche dem Res
gularklerus unterfagt wurde, mit auswärtigen Obern in Ver⸗
Sinbung zu flehen, auf die Jeſuiten feine Anwendung findet;
unterm 18. Rovember 1827 geftattete ihnen Franz J. den un:
gehinberten Rerus mit dem P. General. Ebenſo wurden fie
auch laut eines Hofkanzleidecrets nom 8. April 1828 von den
Beflimmungen bed allgemeinen Amortifationsgefeges dispenſirt
und haben, wenn fie unbeweglidhe Güter erwerben, davon bloß
Anzeige an bie Behörde zu malen. In die Schweiz find bie
Zefuiten mit den reftaurirten ariſtokratiſchen Verfaſſungen ge:
kommen, beſigen Collegien und verfehen Lehranftalten in den
Santonen Waßis, Freiburg und Schwyz. überdies ſind fie in
Zug und Eugern als Wiffionare aufgetreten und nahe baran,
me Triumph in ben Gig bes —X Vororts zuruͤckzukeh⸗
ren.
Der Berf. fügt noch die Vemerkung hinzu, es erſcheine bei
dem überfluſſe an Welt⸗ und Ordensgeiſtlichen, mit dem Tirol ges
ſegnet fei (auf 839 Einwohner kommt ein Weltgeifllicher, auf eine
Benöfterung von BIR,090 Seelen, in runder Sahl E29 nrännlice
Debendperfonen, bazu no SR Nonnen, alfo auf ungefähr 2280 Ein:
wehner ein getfilihed Individuum), einigermaßen auffallend, daß
mean gerabe dieſe Provinz außwählte, um bort mit ber Sefuiten
päbagogit einen Verſuch anzuftelen.
Belcher Ert ihre Wirkfamkeit als Geslforger und als
der Iygenb ſei barüber gehen ben vi u
il fions Az ber ehrmuͤrdĩgen Bäter aus der u
P. Burgflaller, P. Damberger, 9. Schlaſſer, gehalten in
Pfarrkirche zu Eurfee, Gantons Augern, vom I. bis 10.
ner 1842. Getreu nachgefchrieben von mehren Zuhärenn!
(Luzern 1842), und bie zwei uns vorliegenden Lehrbücher. Um
unparteiifh zu fein, müllen wir erwähnen, daß der Guperior
ber Miſſion, P. Burgflaller, gegen diefe Sammlung, als feien
in berfeiben die gehaltenen Predigten entftelt, Proteftation eins
gelegt hat; diefe Proteflation ift jedoch fo Lange von keinem
Gewichte, . bis fie nicht durch eine gleichlautende Erklaͤrung ber
urtheilsfaͤhigen Zuhörer unterflügt und beftätigt wird. Am paf⸗
fendften wäre e8 tool geweſen, wenn der Here Superior bie
Predigten, wie er und feine Gollegen fie gehalten haben wollen,
dem ihrer Behauptung nach untergefhobenen Machwerk gegenüber
ſelbſt veröffentticht hätte; dann würde es einem Ausfchuffe vers
fändiger Zubdrer ein Leichtes gewefen fein, zu entfcheiben, welche
die authentifchen feien. Dies ift aber nicht geſchehen. Kerner
kommt noch zu berüdfichtigen, daß man es wol ſchwerlich ges
wagt haben wird, Hunderten von Zuhörern gegenüber, bie einen
auf ber Stelle Lügen ftrafen Eonnten, dieſe Predigten unterzus
fhieben; daß endlich Leute, welche die Kanzelberedtſamkeit der
Miffionare an andern Orten zu vernehmen Oetegengeit hatten,
ihr Urtheil dahin abgaben, die Miffionsprebigten felen Yon bes
nen, bie fie gehört, wenig verſchieden und trügen als ganz im
Geifte derfelben gehalten alle Kennzeichen der Autyentie an ſich.
Die Broſchuͤre, über die wir Bericht erftatten, bringt auf
©. 18—24 Auszüge aus diefen „Mifflonspredigten”, auf welche
wir Diejenigen verweifen, die noch einen andern Maßftab für
bie Schaͤdlichkeit und Gefährlichkeit dieſes Ordens brauchen als
die Geſchichte zweier Zahrhunderte.
Bon den zwei Eehrbüchern, beren Zitel wir im Eingange
angeführt haben, ift das eine, die Schweizergeſchichte, das Feck
eines ober gar einiger deutſchen Jeſuiten und vom P. Belle
froidb, ‚einem franzöfiihen Schöngeift des Ordens, überarbeitet
worden; Verf. ded andern, bad zu Vorträgen über allgemeine
Geſchichte dient, ſoll ein gewiſſer Freudenfeld ſein, der ehe⸗
mals Offizier, dann Profeſſor (in Bonn?) war, fpäter conver
tirte und gegenwärtig im Penfionate_ zu Sreiburg lebt. (8
verbient bemerkt zu werben, daß biefe Schwe ergefchichte, welche
jebod nur zum Unterrichte der franzoͤſiſchen Shgtinge dient, übers
all, wo fie auf die Kämpfe zwiſchen Oftreid und dem Gidgenofs
fen zu Sprechen kommt, den feindfeligften Geiſt gegen bie erftere
Macht atbmet; an einer Stelle wird Geßter fogar mit Nas
buchodonoſor verglichen, hingegen foll, glaubwuͤrdigen Nachrich⸗
ten zufolge, bei dem Unterrichte, der den deutfchen Zöglingen ers
theilt wird, gerade von entgegengefegten Srundfägen ausgegangen
werben. Auf jeden Fall iſt nicht abzufehen, wie in biefem Punkte
bie „uniformitas dpctrinae”, welde den Zefuiten durqh ihre
Gonftitutionen (pars 3, cap. I, 5. 18) zur Pflicht gemacht
iſt, aufrecht erhalten werben kann; benn 3. 3. auf ben oͤſtrei⸗
chiſchen Lehranflalten, bie von den Jeſuiten verfehen werben,
rechnen fie es gewiß biefem Herrfcherhaufe nicht zur „@chande”
an, daß es jenen Krieg gegen bie Eidgenofien führte, der ‚mit
ber Schlacht von Sempach endigte. „Wir zweifeln inbeffen
nit", Heißt es in der Broſchuͤre, „daß ſich die Sefuiten der
Schweiz mit ben Iefuiten Oftreiche über biefe Widerfprüche
leicht vereinbaren werden. Sie werben ja reichlich aufgewogen
durch bie Stellen, in benen von ber Reformation, ben Refors
matoren und ben Reformirten die Rede iſt. Wir führen einige
berfelben an, damit bie reformirten Eidgenoffen fehen, wie man
in Freiburg die Fatholifchen lehrt, von ihnen zu denken.” Diefe
Stellen verdienen in ber „Histoire de l’Helvetie’‘ ſeſbſt, wo
fie neben vielen des naͤmlichen Inhalts ſtehen, ober in ber Bro⸗
(hüre nachgelefen zu werben. Hier eine einzige zur Probe:
„Apres toutes ces tentatives de la divine misericorde pour
la conversion des Buisses, rendues inutiles pour un trop
grand nombre d’entr’ eux, la justice c#leste allait frapper
es coups plus terribles. Le Valais avait mal rogu l’Eavoys
1188
du Pre commun des fidäles, et des l’an 1584 les deux
villages de Corbitre et d’Yvorne furent engloutis sous
une montagne de terre.” Dazu macht bie Brofchüre bie tref⸗
fende Bemerkung: „Da haben wir den leibhaftigen 9. Gabriel
Malagrida mit feinem Buche ‚Über die wirklichen und wahr:
baftigen Urfadyen des in Liffabon am 1. Rovember 1753 vors
fallenen Erdbebens“ Der arme wahnfinnige Greis wurbe
einer vorgeblihen Offenbarungen und thörichten Auslegungen
der heiligen Schrift wegen von ber portugiefiihen Inquiſitien
dem weltlichen Arme unb von biefem dem Henker überliefert;
dies hält aber feine Mitbrüder und Nachfolger nicht ab, auf
feinen Wegen zu wandeln und ben Mapftab ihrer Kleinheit an
die Majeſtaͤt Bottes zu legen.”
Welches die „vrais principes” feien, bie der 9. Freuden⸗
feld bei der Analyfe der allgemeinen Geſchichte zur Richtfchnur
nimmt, erhellt fchon aus folgenden Begriffsbeftimmungen :
L’histoire moderne est la suite et l’ensemble des &vönements
qui nous manifestent l’action de la Providence de Dieu sur
son peuple, l’Eglise catholique, et le reste du genre humain
depuis la venue du Redempteur, Sie zerfällt in drei Epochen:
L’bistoire de ’ampire Romain et des premiers sitcies de
P’Eglise.
Les empires chretiens ou l’histoire du moyen - äge,
C'est la suite et l’ensemble des &venements, qui se
dsroulent apres l’invasion des barbares, et nous montrent
comme le Christianisme ou l’Eglise, qui est demeurde ind-
branlable alors que l’empire Romain tombait autour d’elle,
apprivoise et civilise peu-ä-peu ces nouveaux peuples,
fonde ainsi sur les ruines de cet empire les bases des etats
modernes, et des lors attaquee il est vrai de temps en temps
par ses propres enfants, parvient cependant à devenir do-
minante, et protege les peuples et les empires de son ombre
salutaire, jusqu’ä cette &poque fatale préparée par plusieurs
övenements, oò une partie de ses sujets se revolte, se 56-
pare d’elle et s’enfonce rapidement dans les voies de l’erreur.
L’apostasie des peuples ou l’histoire des trois derniers
siecles, sitcles de revolte.
C’est la suite et l’ensemble des &vönements, qui se de-
roulent alors que Calvin et Luther, premiers chefs de la
reforme, entrainent dans l’apostasie le tiers de I’Europe, et
tronblent I’Eglise et l’Etat, en sapant du même coup dans
le coeur de l’homme les fondements de la foi et des moeurs.
S. 11, 12, 13 werden, um uns der Worte ber Brofchüre
zu bedienen, bie Theorien Leſſing's, Kant’s, Berder’s, Schel⸗
lng’s, Fichte’s, Hegel's, fo weit fie fich auf die Philofophie
der Geſchichte beziehen, alle zufammen damit abgethan, daß fie
entweder geradezu als a= und pantheiftifch, oder als folche bes
geichnet werben, die nothwendig zum A⸗ und Pantheismus führen.
und von Schulen, in denen in ſolchem Geifte gelehrt wird,
von einem Orden, der folche Lehren verkündigt, von einem Res
terungsfufteme, das auf folche Lehren geftügt ift, erwartet eine
—* die ſich ausſchließlich im Beſitze der Wahrheit glaubt,
die Heilung der Gebrechen, an benen, wie fie meint, unfere
Zeit trank liegt! As wäre das Ideal der Menfchenbeflimmung
ein Zuftand wie jener der Indianer in den Miffionen von Pa:
raguay war! „Das Übel wäre nicht groß, wenn es feine ans
dere Wirkung hätte, als uns Alle, ober die meiften von uns,
u ſolchen fanften, einfachen, gläubigen und gelehrigen Den:
—* zu machen; wenn aber dieſes Treiben fuͤr einen Geiſt, den
es ſich dienſtbar macht, Tauſende zur Wuth entflammt, wenn es
die geſellſchaftliche Ordnung bis in ihre Grundfeſten erſchuͤttert
und bie Welt gegen den ſchuͤtzenden Genius des Chriſtenthums
in Aufruhr bringt — dann ift man wol gerechtfertigt, wenn
man fi) mit einiger Entrüftung gegen baffelde ausfpricht.”
Indem wir die Flugſchrift „Zur Kenntniß der Geſellſchaft
Jeſu“!, vorzüglich Denen, die vermöge ihres Berufs auf die Ents
fheidung der in einigen Eatholifchen Ländern fchwebenden Frage:
„ob die Erziehung ber Jugend wieder ganz oder theilweife den
Iefuiten anvertraut werben fol’, einzuwirken haben, zur hri⸗
fung und Würdigung empfehlen, rei es und nod erlaubt, if
Anzeige mit den Worten zu ſchließen, in bemen an einer Gteie
derfelben das Urtheil über biefen Orden zufammengefaßt wird
„Es ift, um e6 kurz zu Tagen, unbillig, bie ganze Geſellſchaft
zu brandmarten, ohne Ruͤcſicht auf die großen und tugendhaß—
ten Männer, die ihr einft angehörtens es Fit kindiſch, fie dar
zu fürditen, wo bie Vernunft in ihre Rechte eingefeht ift un
die Gefege Kraft haben; es ift gehäffig, fie im Namen ber Frei:
heit und der Duldſamkeit zu verfolgen — allein es iſt rathfam,
baß man fie kennen lernt, bevor man ihnen traut; benn weit
entfernt, immer gu wiffen, wohin fie einen führen, find fe
häufig felbft im Dunkeln darüber, wohin fie geben. (Einkix
aus ihnen mögen Achtung verdienen, wer zweifelt daran? Xu
Körperfhaft genommen, vereinigen fie mit allen Gebrechen eb
foluter Monarchien alle Gefahren geheimer Geſellſchaften. Val
aun bie erftern betrifft, fo iſt e8 Sache dieſer Drdensieute, fi
eine Berfaffung zu geben, wie fie es verſtehen; gegen bie Iegtern
gibt es jedoch feinen Schutz als die Sffentiichkeit. Die geher
men Geſellſchaften, weldye verboten werben konnen und folm,
laſſen fich nicht verhindern; allein fie werben über bie auf Öf:
fentlichkeit begründeten Wereine, wo Jeder laut fpricht und of:
fen handelt, nie dad Übergewicht bavontragen.”' 5*4.
Literarifhe Notiz.
Handſchrift von Shakſpeare's „Luſtigen Weibern.
„An account of the only known manuscript of Shak-
speare’s plays’ heißt ein in London erfchienenes Schriftchen ooa
3. D. Dallimell, das über eine im März vorigen Jahres vom
Verf. angekaufte Handſchrift der „Euftigen rauen von Bin
for’ berichtet. Außer den in einigen handfchrifttichen Gedicht
fammlungen enthaltenen abgeriffenen Stellen aus Ghaffpran';
Werken tennt man bisher keine handſchriftliche Überlieferung
eines feiner Stüde, während es an foldden von Ben Jonſon
Maflinger und andern ditern Bühnendichtern nicht gebricht. De
Berichterftatter hält feine Handfchrift urfprünglich für den Go
braud einer Öffentlichen oder einer Privatbüpne beſtimmt und
man würde das Legtere anzunehmen haben, wenn fie, wie a
behauptet, aus ber Zeit der englifchen Republik berührt, we
die öffentlichen Theater gefchloffen und Privataufführungen haͤufg
waren. Laffen wir das aber auch dahingeſtellt, fowie, ob ft
als Copie einer Driginalhandfchrift anzufehen ſei, fo wird ft
doch durch die in Feiner Ausgabe fo ausführlich vorbande
Lifte der dramatis personae wenigftens als bie eines Schar⸗
ſpielers charakteriſirt. Wir theilen biefelbe mit. „Robert
Shallow, Esq., aGlocrshire Justice, vncle to master Slender,
Sir Hugh Evans, a welch Priest: curate and schoolmaster
at Windsor.
in or neer Windsor.
Mrs, Mey Page, his wife. Mrs. Ame
Page, their daughter.
Billy, their son, schollar to maste
Evans. Mr. Francis Ford, a rich jealous curmudgeon ol
Windsor, Mrs. Alice Ford, his wife, Mr. Adra. Siender,
nephew to Justice Shallow. Dr. Cains, a french physicas.
Mr. Fenton, an expensive courtier (legtere brei eingeflammet
als) sutors to Mrs. Anne Page, each favord by — father —
mother — Mrs, Anne. Sir John Falstaffe, a fat ol
decayed leacherous court officer. Bardolfe, Nym, Pistoll,
his late under - officers, now hangers on. Robin, his pagt.
Mrs. Quickiy, Dr. Cains his housekeeper, but confident
the women. Host of the Garter, a werry, conceited, raut-
ing Innholder. John Rugby, Dr. Cains man. Peter Simple,
ınan to master Siender. Servants to Mrs. Ford. Fairie."
Der Titel der Handſchrift heißt: „The merry wives of
Windsor, written by William Shakspeare’. ie bietet nicht
unintereſſante Varianten dar und bei dem außerordentli
Mangel an ſolchen Quellen für den Text des Dichters befommi
auch der Eleinfte Zuwachs daran feine Wichtigkeit. 80.
VBerantwortlicher Herausgeber: Heinrich Brokhaus. — Druck und Verlag von F. A. Brochaus in Leipiig.
Mr. George Page, a rich country genlemu
Blätter,
für
literarifhe Unterhalfung.
11, Dcetober 1843,
Zur Gefchichte des weiblichen Geſchlechts.
(Bortfegung aus Mr. 28.)
Sehen wir jet zu den Griechen uͤber, fo finden wir zuerſt
(voie Überall) Lob und Tadel im Übermaf, Als Kern und
Zert aller andern Erörterungen ließe fih die Behauptung
Hefiod's aufitelen: Nichts Beſſeres könne einem Manne
zu Theil werden als ein gutes, nichts Schlimmeres als
ein boͤſes Weib. Hieran reihe ich allerhand andere Auße⸗
rungen an uͤber das Verhaͤltniß der Frauen zu den Maͤn⸗
nern und dem Hausweſen. So ſagt Menander (Mei⸗
necke, 168):
Den zweiten Part zu ſpielen, ziemet ſtets der Frau,
Des Ganzen Leitung aber kommt dem Manne zu,
Ein Hans, in dem bie Frau die erſte Stimme hat,
Muß unvermeidlich untergebn, früh ober fpät.
Ich glaube, lehrt XZenophon (Oecon,, I, 3), daß eine
Frau, melde fi) im Haufe als gute Gefährtin zeigt, dem
Manne das. Gleichgewicht zum Gedelhen der Wirthfchaft
hält. Denn wenn die meiften Einnahmen durch die Thaͤ⸗
tigkeit des Mannes herbeigefchafft werden, fo gehen die
meiften Ausgaben durch die Hände der Frau; und wenn
e8 in Dinficht dieſer beiden Punkte gut fieht, fo mehrt
fi), und im umgekehrten alle, mindert ſich das Vermoͤ⸗
ger. ine. rau (warnt Plutarch in feiner Schrift über
Die Pflichten der Ehegatten), die lisber einen einfältigen
Gatten beberrfchen, als einem vernünftigen gehoͤrchen will,
gleicht Denjenigen, die lieber einem Blinden den Weg zei:
gen, als einem Schenden (der den Weg kennt) folgen
wollen. Man darf, fährt er fort, fo menig für bie Au:
gen (nah Schoͤnheit) als für die Singer (nad) Gelde)
heirathen; wie es Manche gibt, die nur Überrechnen, wie
viel die Kram, die fie nehmen, einbringt, nicht.aber über
denen, wie fie mit ibe leben. werden. In Boͤotien (ev:
zaͤhlt Plutarch) pflegt man dee Braut, fobalb fie verhuͤllt
worden, eimen Kranz von Asparagium amfjufegen. Denn
Diefe Pflange bringt ans ben ſpitigſten Stacheln die ſchmack⸗
bafteflen
gelehrt) das verdrießliche und unangenehme Betragen dor⸗
feiben geduldig uͤberſicht, in der Felge einen flßen und
Siobreidyen Umgang verfhaffen. Wer ven etſten jungfraͤu⸗
Ibdiyen Eigenſina nicht uͤberſehen kann, iſt mit Einemn zu
vergleichen, der tum einiger ſauern Beeten wallien die ganze
Fruchte hervor; und fo wird auch bie KBreme
Demjenigen, der im Anfange (jegt gefihieht e6 wol um⸗
Traube meggibt. Eine Braut aber, die gleich über das
erfle Betragen eines Braͤutigams aufgebracht wird, handelt
ebenfo, ald wenn Einer um eines Bienenftihs willen ben
Honig wollte fahren laſſen. Hauptſaͤchlich muͤſſen Ehe:
gatten ſich im Aufange vor Zorn und Verdruß in Acht
nehmen und bedenken, daß Gefäße, die aus einzelnen
Stüden beftehen, anfangs durch die geringfte Urfache aus⸗
einandergeriffen, hernach aber, wenn die Fugen fih erft
feſt vereinigt haben, kaum duch Feuer und Stehl ge
trennt werden koͤnnen.
Gewiß fand ein ernſter Einfluß der Ältern anf bie
Verheisathung der Kinder flatt, woran heutzutage freilich
mandye heirathsluftige Kinder Anſtoß nehmen würden.
Hierauf antwortet ein ebenfo gelehrter als liebenswürdiger
Philsioge, Jacobs („Vermiſchte Schriften”, Bd. 3, S. 22):
„Es hertſchte oder es herrfchtnod in Deutfchland ein Glaube
an die abfoluten Rechte einer fentimentalen Liebe, ſodaß
nicht Wenige anzunehmen fcheinen, ein funfzegniähriges-
Kind werde duch die ploͤtzliche Berauſchung mit einem
Sefühle, das es mit dem Namen Liebe beehrt, während
einer Ballnacht gleichſam durch ein Wunder fo weile, daß
es die Erfahrungen diterficher Liebe entbehren, ja ihr ale
einer gewaltthätigen Tyhrannei Trotz bieten Eönne.” Die
Athener und alle Joner waren weit entfernt von einem
aſiatiſch⸗ mohammedaniſchen Cinfperren der Weiber; allein:
fie ſahen allerdinge deren Dauptberuf in dem Hausweſen
und der Kindererziehung, und ſchon Euripides ſagt Im
„Hippolyt“ (v. 640): „Ich haſſe eine überbildete Frau
und wuͤnſche nicht, Daß die meine mehr wiſſe, als Frauen
gebührt.” Denn die Benus erzugt in deu UÜberbildeten
manche Lift, während einfache Gemüther nicht in derlei
Ihorbeiten verfallen. Wiederum hatten die Griechinnen
Anſpruch auf eine Ehre und einen Beruf, von dem bie:
Frauen in der neuern Zeit ganz ausgekhloffen find: fie
"konnten Priefkerianen werden, und die Pythia war gewiß
nicht immer ein bioßes Werkzeug für Andere bei Leitung.
der hellenifchen Angelegenheiten,
Erwähnung verdient ferner die Sorge der attifchen
Geſetzgebex für ame Moaͤdchen. Der naͤchſte Vorwandty
ſollte fie heirathen ober ausſtatten-· Und ebenſo fehlten
das Geſetz reiche Cabtoͤchtee gegen willkuͤtliche Heinkuͤh⸗
rung.
Die Frau mußte gerichtlich auf Scheidung--Has-
gen; der Dann war weniger Foͤrmlichkelten utenworfäk,
[4
er f fi 188 Y ge:
£ .
mußte aber der ſchuldloſen Frau ihr Eingebrachtes heraus:
geben und für ihren Lebensunterhalt forgen.
Manche Schriftfteller haben (ich glaube mit Unrecht)
die Verhaͤltniſſe des weiblichen Gefchlechts bei den Dorern
und inshefondere den Sparsanern, über bie ath
Einrichtungen hinaufgefeßt. Sparta zeige auch bier nur
das Einfeitige, Schroffe. Familie und Ehe find zuruͤck⸗
gedrängt und den Staatösweden fo untergeordnet, daß
man in geroiffen Fällen verlangte, die Männer follten ihre
Srauen verleihen, und felbft einem Könige verbot, eine
Heine Stau zu heirathen. |
- Sn Sparta, Chios, Eyrene nahmen die Mädchen an
allen Leibeshbungen und Wettkämpfen der Juͤnglinge
Theil (Athen., XIII, 566), und Properz (III, 14) be
ſchreiht fie wie folgt:
Jetzo verfchwindet der Ball bem hurtigen Wurfe des Armes;
Dber im Rollen bes Reif Elingelt der hakige Stift;
Oder bie Läuferin flehet beftäubt am Btele der Rennbahn;
Im Pankration auch duldet fie Wunden des Schlags;
Jetzt umfchnürt fie mit Riemen die feeubigen Arme zum Fauſt⸗
tampf ;
Sept der Scheibe Gewicht brebt fie im Schwunge zum Wurf.
Kreife durchtrabt fie zu Roß; an ber fchneeigen Seite ber
ungfrau
Hängt ein Schwert, und das Haupt si gedletes Erz.
Zwifchen der Theilnahme an all diefen männlichen Übun⸗
gen und dem Stillſitzen am Stidrahm, oder dem Bewe⸗
gen blos der Finger am Fortepiano, liegen viele brauch⸗
bare Abftufungen. Am meiften aber dürfte in unfern
Tagen die Gewohnheit anftößig gefunden werden, viel
mehr als Hände und Geſicht den Zuſchauern zu zeigen.
Man darf aber wohl behaupten: nicht Altes fei an fi
unfistlic) zu nennen, was gegen bie Regeln unferer Decenz
verſtoͤßt.) Mit dem Sinne für Schoͤnheit iſt das Wohl:
gefallen am Nadten verbunden, und die Kenntniß deſſel⸗
ben erwirbt fih nur duch Anfhauung Wer diefe ver:
bietet, gibt dem größern Theile der Kunſt den Abſchied.
Die Kleidung bient voefentlih nur zur Verdeckung des
Slihen und zur Abhaltung der Kälte; unter dem
quator aͤndern fich die Grundſaͤtze über die Sittlichkeit
der Bekleidung Wo felsft Goͤttinnen nackt dargeftellt
und verehrt werden, wo man bie Foderung des Paris
fehr natuͤrlich und notbwendig fand, iſt es verkehrt, uns
fern Maßſtab der Beurtheilung anlegen zu wollen. Auch
bat es feine Gefahr, daß jene antike Betrachtungsmeife
wiederkehren und die moderne Sittlichkeit zu Grunde
richten werbe.
Einräumen muß man ferner, daß in ber Geſchichte
ber Götter und Göttinnen eben nichts Nahahmungswer:
thes anzutreffen ift für Cheſtand und Familie; die fchein:
bar Klügften blieben unvermählt, und der Ehefland von
Jupiter und Vulkan war faft nur ein Weheltand. Im
Ariftophanes, diefem ungezogenen Liebling der Grazien, findet
ſich allerding® viel über die Frauen, was fi an diefer
Stelle nicht mittheilen laͤßt; doch darf man erwähnen,
daß er in den „Ekkleſiazuſen“ ſehr tieffinnige Gruͤnde für
die Weiberherefchaft angibt, und in der „Lkyſiſtrata“ ein
’) Jacobe, III, W.
Mittel für den ewigen Frieden noachweiſt, das, eharig
angewandt, eher um Biele führen duͤrfte als die vom
koͤnigsberger Weiſen vorgefchlagenen. Trotz des Scheint
von Radicalismus lobt Praxagora in den „Ekkleſiazuſen
das —A Soſtem und ſagt vom. den acheniſchen
Frauen (B. 821): ⸗
Da ſitzen die Frauen und roͤſten, grade wie vordem;
Sie backen Honigfladen, grade wie vordem;
Sie drillen noch die Maͤnner, grade wie vordem;
Sie bergen noch daheim Liebhaber, grade wie vordem;
Sie kaufen ſich was Leckeres, grade wie vordem;
Sie moͤgen den Wein gern lauter, grade wie vordem;
Froh find fie ſtets der Minne, grade wie vorbem.
In den „Thesmophorien“ fagt die Ehorführerin (V. 784).
Wir wollen demnach uns felber einmal lobpreifen vor Euch,
, bie da zuſchaun;
Ob Jeglicher zwar von dem Weibergefchlecht viel Übeles weg
zu ergählen,
As wären durchaus wir ein Übel ber Welt und von und
ber käme das Alles,
Zwietracht und Gezaͤnk, Aufruhr und des Grams Unmutk,
und ber Krieg. Run wohlan dem!
Wenn ein Übel wir find, was freiet Ihr uns, wenn ein übel
wir find in der Wahrheit? |
Sa, Ihr Heißt und ſogar niemals audgehn, niemals auf:
gudend ertappt fein;
Sorgfältig vielmehr, mit fo ämfiger Muͤh ſucht Ihr zu se
wahren das Übel. |
Wenn das Weiblein dann autgebet, Wohin, und nicht Ipr zu
et,
. Daufe N
D Ihr wüthet vor Wuth, da Ihr folltet Euch freun kei
geopfertem Trank, wenn in Wahrheit
Ihr findet, hinaus fei das Übel entwifcht und nicht mehr
drinnen es antrefft.
Und guden wir einfl aus dem Fenfter hervor, man fuht m
betrachten das übel.
Benn eine vor Scham ſich zuruͤck dann zog, weit mehr if
Jeder begierig,
So klar ein⸗
Das noch eins vorguckende übel zu ſchaun.
leuchten ja muß es,
Daß wir viel Beſſere find als Ihr, und leicht In der Probe
bemerkt man's,
Die mittlere und neuere Komödie der Griechen, welche
fih auch im Plautus und Xerenz wiederfindet, zeigt ſic
zwar zahmer als die Ariſtophaniſche, hat aber die großartige
politifche Bedeutung verloren und erfcheint in Hinficht auf
die Geſchlechtsverhaͤltniſſe keineswegs wahrhaft fittliher.
Vielmehr ift alle höhere geiftige Liebe, es find wuͤrdige
Familienverhaͤltniſſe, wechſelſeitige Hingebung, Bezugnahwe
auf lebenslaͤngliche Einigung meiſt ganz zuruͤckgedtaͤngt,
waͤhrend ſchlechte Intriguen und gemeine Liebesgeſchichten
ſich breit machen und ſelbſt Verbrechen in dieſer Bejie
bung wicht geſcheut werden. Dies bietet dem Übetgang
zur Erwähnung ber Hetaͤten, ber geiechifchen Bajaderen.
Mit Unrecht Haben manche Philologen in ihnen den Dit
telpunkt und die Krone der geiftigen und leiblichen Bi:
dung gefehen; umd die Frauen und Jungfrauen als um
wiſſend, geiſtlos, charakterlos, langweilig und unbedeutend
dargeſtelt. Gewiß war bei dieſen nicht nur mehr Lu⸗
gend, ſondern auch mehr echte Bildung und Übung dei
Geiſtes. Schwierig wird der Name und ber Werth re
Aspaßa ſtatt aller bier geltend gemacht. Sie war nichts
weniger als eine Hetaͤre; fie war nur keine vollburtige
Athenerin, und fo lebte, nach umfee Weiſe zu reden, ;
Peritles, bes große Fink der Athenre, mit ibe in einer
morganatiihen Ehe. Alle die andern Hetaͤren, Laie,
Phryne, Glycerion und wie fie fonft heißen, werden ims
mer nur in Bezug ‘auf ihre große koͤrperliche Schönheit
gerahmt, und was fonft von ihren Anfichten, Urtheilen
und Einfaͤllen berichtet witd, iſt meiſt ganz flach und uns
bedeutend. Im Ganzen finden wir, ſowie in neuern
Zeiten, dieſelben Hoffnungen, Mittel, Zwecke, Freuden
und Leiden, uͤberall weit mehr Schatten als Licht, und
zuletzt, ſelbſt fuͤr Lais, nur Noth und Elend.
Vor Allem wird uͤberall ihre uͤbertriebene Eitelkeit
und ihr grenzenloſer Eigennutz hervorgehoben und ge⸗
rügt.”) Daher ſagt Alexis in einem Luſiſpiele
Iſt da eine klein von Wuchſe, gig wird ihr Kork in
u
b |
Singefüttert; groß ift jene, dünne Sohlen gibt man ihr.
Denn es ihr an Hüften fehle, werden Wuͤiſte zugefett.
Dat bie eine feuerrothe Brauen, malt fie Kienruß ſchwarz;
Eine andre ift ſchwarz von Barbe, ee freiht man
efer auf.
Übermäßig blaß ift jene, ihr reiht man 3innober ein.
Iſt ein einzelner Theil vorzuͤglich, biefer wird mit Fleiß
Dat fie etwa fchöne Zähne, muß fr ten früh und fpät
u. f. w. **
In einem andern Luftfpiele des Anarilas heißt es:
Weiher Menſch in feinem Leben eine Bublerin geliebt,
Weiß, daß unter allen Wefen keines fo verderblich ift.
Selchen Drachen, welche feuerfchnaubende Chimaͤra gibt's,
Melde Charybdis, oder welcher Scylla dreifach Ungethuͤm,
Belche Sphinz, Harpye, Hydra, ober welche Schlangenbrut,
Die der Hetaͤren frevle Rotte nicht beiweitem übertrifft?
Sicher keine! Bor allen Übeln haben fie den Rang voraus.
Geſichtspunkte oder Bedenken anderer Art werden in Lu⸗
cian's Geſpraͤchen erörtert. "**) So ſagt in dem einen
Ampelis zur Chryfis: „Wenn Jemand, meine liebe Chryfis,
nicht eiferfüchtig iſt, nicht zuͤrnt, nicht bisweilen um ſich
fchlägt, die Die Haare abfchneidet oder das Kleid zerreißt,
fo iſt er fein rechter Liebhaber.” „Wie, Ampelis“, antwortet
Chryfis, „find Das die wahren Zeichen eines Verliebten ?”
Ampelis: „Allerdings eine eifrigen Liebhabers. Denn Kuͤſſe,
Thraͤnen, Schwüre, häufige Beſuche find nur Zeichen ei:
ner anfangenden Liebe; erſt Eiferfucht ift die volle Flamme.
Wenn alfo Gorgias eiferfüchtig iſt umd dich ohrfeigt, fo
frewe dich darlıber und münfche, daß es immer fo bleibe.”
In einem andern Geſpraͤche fügt Cochlis: „Was kommt
bei Liebeögefchichten mit Kriegsleuten heraus? Nice als
Schläge und Händel. Sie geben fich für Generale und
Dberften aus; wenn fie aber etwas ſchenken follen, fo
heiße es: Warte bis der Gold ausgezahlt wird, dann ſollſt
du Alles erhalten. Deshalb weile ich fie ganz ab: mir
ift jeder Andere lieber, der wenig vom Schmeicheln ver:
ſteht, aber viel mitbringt. Wenn jene ihre Federbuͤſche
ſchutteln und von ihren Schlachten erzählen, das, o meine
liebe Parthenis, ift leeres Geraͤuſch.“
Trotz ber zuletzt beruͤhrten Auswuͤchſe und Jrrwege
*) Plautus, Epid. II, 2; Mercator II, 3 und öfter.
*) Jacobs, II, 323, 327; Hecyra, I, 1.
>)" Ermigimoı Aumdayor, VIL, 367, IT.
Hellas eine Abftufung von ben edelſten bis zu den aͤrgſten
Grauen finden. So muß «6 fein, wo Freiheit, Sittlich⸗
keit, Zurechnung fich entwickeln und geltend gemacht werden.
Statt des Unbeſtimmten, Chatakterloſen, Verſchwimmen⸗
den, ſtatt des wie in einer Form gebildeten Ununterfcheids
baren, finden wir überall Perfönlichkeit, Individualitaͤt,
beſtimmtes Denken, Wollen und Handeln. Wie in Kunft,
Philoſophie und Staat erhält erſt bei den riechen Alles
fefte Zeichnung, Umeiß und Inhalt, und wie bei den Min:
nern, fo bei den Frauen. Welche Reihe der mannichfach⸗
ſten Charaktere, von Penelope und Antigone, Iphigenia,
Elektra, Makaria, Evadne, Alceſte bis su Phaͤdra, Medea
und Klytemneſtra. Und ſeibſt bei dieſen furchtbaren Frauen
iſt immer nachgewieſen, welcher Faden ſie mit dem Menſch⸗
lichen verbindet, oder welche Maͤchte und Ereigniſſe fie in
die Bahn der Selbfihülfe und Rache fortriffen. Aber
gerade diefer Triumph des Helleniſchen, dieſe Erfindung
und hoͤchſte Ausbildung des Perſoͤnlichen, dieſe ſcharfen
Berhäftniffe in Liebe und Haß mögen dem himmelwaͤrt⸗
gefehrten Platon anſtoͤtig erfchimen fein und ihm Ber:
anlafjung gegeben haben zu feiner Anficht von ben Samt:
lienverhaͤltaiſſen. Im Allgemeinen, fagt er, find Me Maͤn⸗
ner und Frauen zu denfelben Dingen faͤhig, und follen
deshalb im Ganzen auch auf diefetbe Weiſe erzogen were
ben, fo insbefondere für Muſik amd Gymnaſtik.) An:
fangs zwar wird Died Verwundetung erregen, well e6 den
Gebraͤuchen widerfpricht, wenn junge Maͤdchen und alte
Weiber nadt mit Männern in den Paläften ringen fol:
len; doc, gewöhnt man fih an Alles, und «s gab eine
Zeit, wo man an den nadten Übungen der Männer An:
flog nahm, bis dies Vorurtheil verſchwand. Man fol
nichts ſcheuen, was der Natur gemäß und an fih nicht
böfe ift; die Weiber alfo die Kleider ausziehen, wenn fie
ſtatt deſſen nur die Tugend anziehen. Es iſt dagegen
fündlid,, vor und nad einem geriffen Alter Kinder zu
jeugen und zu gebären. |
In feiner „Republik“ fodert Platon für den auserwaͤhl⸗
ten Theil ſeines Volks, die Hüter (Phylakes) oder den
Kriegsadel, die Semeinfchaft der Weiber und Kinder. Nur
auf dieſe Weiſe werde der Beſitz des durch die Seele uns
bedingt zu behertſchenden Körpers unbedeutend und ber
Geiſt frei von der darauf gegründeten SHaverei. Mic
iener Gemeinfhaft nehme ein Ende alle unmaͤnnliche,
ſchwaͤchliche, eigenliebig ſich vereinzelnde Liebe, ſowie Eifer⸗
ſucht und jede daran ſich knuͤpfende böfe Leidenfchaft, und
flatt deſſen würden mit erweiterter Sreiheit und größerer
Innigkeit Ale in Alten nur Männer, Traum, Brübder,
Schweſtern, Ältern umd Kinder fehen. Hiergegen ift, ans
derer Punkte nicht zu gedenken, Folgendes zu erinnern.
- *) De Repabl,, V, 217. .
Zap Merneinſchaft (mine Nie kbecyaupt möglich) wärbs
at zu altgemeiner Gorsfalt, fondern zu allgemeines
Dernaclöifigung tähen. Den Kreie ber Meigungen
die Kräfte das Umfaſſens in Liebe und Thaͤtigkeit, basf
won nids ins Unbeſtimmte emweiten, ohne daß . tes
niger als das Natürliche erreicht würde. Wäre aber jene
Stichheit umd Gemeinfchaft naturgemäß und das Wor⸗
zuͤglichere, fo fehlt es an überwiegenden Gründen, fie auf
eine fireng geſchiedrne Elaſſe von Menfchen zu beſchraͤn⸗
ten. Herner it das Beſtreben, fich von allem Koͤrperlichen
zu loͤſen und jedes darauf bezügliche Verhaͤltntß als gleiche |
| oder vermerflich darzuſtellen, icrig und beruht auf |
der falfchen Anſicht von der umbedingten Sklaverei ber |
Beck, in und duch den Leib. Es gibt eine höhere, ans
gemeffenere Reinigung und Verklärung biefer Gegenſtaͤnde.
Die natürlichen Verhaͤltnifſe zwifchen Mann und Weib,
Dater und Kind find ja nicht hemmend, fondern fördernd;
wol aber iſt der Sprung in aligemeine Liebe und Einis
gung fo lauge ein aalto mortale, ald es Perſonen, Indi⸗
viduen gibt, Diele Perfönlichleis fegt Platon, um bes
Staats willen, zu fehr zuräd, und wenn er das Ber:
haͤlrmiß der Weiber auf jenem Wege zu deſſern meinte,
fo ierte er nicht minder; denn Staat und Familie fell
nie gleichgeſtellt oder ineinander aufgelöft werden. Weit
mehr als. Platon anerkennt Ariſtoteles die Perſoͤnlich⸗
keit ſowie die eigenthuͤmlichen Wirkungskreiſe und Tu⸗
genden der Maͤnner und Frauen; und wenn er dem
Manne innerhalb der Familie ein obrigkeitliches Amt zu⸗
geſteht, fo ſchließt Dies doch keine übermäßigen Rechte in
ſich, und es wird der Mann ausdrüuͤcklich angewieſen, ſich
nicht in Alles zu milden und überall befehlen zu wollen.
(Der Deſchluß folgt.)
Burnsim Franzoͤſifſchen.
Das neuefte Heft des „Horeign quarterly review‘ bes
Bricht den Verſuch eines Frauzoſen, des Drn. Leon de WBailly,
Buras’ Gebichte ins Pranzöfsfche zu uüͤbertragen. Gein Buch
beißt „„Po6sies completes de Robert Burns, traduites de
P’Ecossais, avec une introduction”. Der englifhe Kritiker
bemerkt, Hr. de Wailly habe feine Aufgabe „unermeßlich ſchwer“
gefunden, und wenigftens jeder Schotte wird das unverſichert
glauben, denn ſelbſt im Engliſchen verliert die einfache, aber
ausbrudsoolle Sprechweiſe ber im Niebexlande wohnenden
Schotten mehr als die Hälfte ihres Reized. Deshalb hat auch
der Seangofe ſich nicht an eine freie Überfegung gewagt, fondern
die feinige möglichft wörtlich gehalten. ‚Und gewiß”, fagt ber
Keititer, „hat er nicht vergebens gearbeitet. Wird durch ihn
nur ein Einziger feiner Landeieute befähigt, das geimude Aroma
koſten, das bie Lieder eines ehrlichen Natınfopas umweht,
* hat er Gutes gethan. Der Geſchmack wird um ſich greifen.“
As Probe von Hrn. de Wailly's Verfahren duͤrfen wir darauf
binmeifen, wie treu er bie phantafiereihe Stelle in „Tom
OÖ’Shanter” wiebergegeben hat, die ſich anfängt: ‚For pleasures
are like poppies shad”:
Mais les plajsire sont des purets qu'en eneilie,
Vons saieissoz la fleur, elle s’sfiauille;
Ou bien encore fiocons de neige au Slot,
Ua instant blauche — et fondaut aussiiöt;
Du kim. .ausel .anironi : Bbedeier .
Qu’on vont menteme et ui n'anfpie. ayaptn.
Ou lare- en -ciel & V’erage sondant,
Sa forme aimable, et qui dans air s'oxkale —
Nul bras mortel ne suuralt reten ir
Temps ni marde; il fand deu voreaik,
As eine zweite Probe hat ber Kriliker die Überfegung vet
Liches gewählt: „My wiies a winsome wos thing’, woye
bier nur zwei Strophen:
C’est une charmante petite ordature,
C’est une belle petite creature,
C’est une jolie petite erdatare,
Que ma chöre petite femme.
Nous partageons lee tracas da monde,
Sos luttes ot ses noucis;
Avce elle, ja lan supporterai Joysusement
Et eseirei mon let divie.
In diefer Probe verdient — mit Erlaubniß bes Kritikers —
der Ruth des Tiberfegers mehr Anerkennung als ber glädtie
Erfolg Kein Schotte wird das „‚charmante petite creature"
für „winsome wee thing“ ohne Lachen leſen, es Tefen, ohne «
groteſsk⸗ amuſant zu finden Wahr ift jedoch, daß der ſchottiſche
rg fih in keiner Weife frangöfiren ober auch englifen
Notizen.
Der Iheaterreferent des „Journal des debats” veriehkt
bem Théatre francais wo er kann einen Dieb. Da neulich ein
Städ von Eugene Sue und Dinaur „Latreaumont” mie
aufgenommen wurbe, benupte er bied zu eimem neuen Angrif
„Ss ift eine feltene Ehre“, fagt er, „bie einem Stuͤck wir
fährt, wenn es nad zweijaͤhriger Ruhe, wie das mit dem ‚La
treaumont * ber Fall tft, wieder auf die Breter gezogen min.
Ein Verf., der fo etwas erleben will, hat nichts zu thun, hr
fi) inzwiſchen populair zu machen. Erregt bie
der Menge, macht ihr Grauen, fehreibt ein Werk, das die Ib
bafteften Sympathien erwedt und ben Iebhaftefien Zom wire
euch ervegt, zieht gegen bie Feuilletons ber Pairsfammer und
die Journale der Deputictenlammer zu Zelbe (dies gebt arf
Eugene Sue und feine ‚ Dipfterien‘), augenblicklich wird de
Theätre frangais, das fein großer Abvocat iſt, bes Théaut
francais, das fein großer Prophet ift, bei füch ſprechen: ‚Ahr
es will mir fcheinen, daß ich cin Schaufpiel von biefem Menſchen
liegen babe, von dem fo viel Rumor gemacht wird‘, und huſch
bringt das wiwbige Ihexter dieſes Stuͤck an das Sicht, das
felbft ſchon lange vergeſſen hatte. Und bie Menge ihrerſeit.
die panurgifche Menge, wie kann es anbers fein, fie lieft bien
Ramen auf bem Zettel, fie Tann der Gewalt des Namens, ba
fie fetoft gemacht bat, nicht widerſtehen.
Romanſchreiber hat uns vorgeſtern mitten In einem ſchrecklichen
Capitel figen Infien. Wir mäffen wieder drei Zage warten, ce
wir erfahren, mas aus biefem armen Germain wird! Dei
Zage, das ift viel! Und einſtweilen gebt die Menge m
Theätre francais und fieht, faute de mieux, den ‚Laträu
mont‘.
Die Baubevitliften machen ſich Altes zu Nute. Kaum
baben die „Petises miseres” von Geaubuflle (die ja auch in
deutſchem Gewande vor dem beutfchen Publicum aufgetretes
find) alle Welt beluſtigt, ſo gibt man im Waubenilletheater ra
neues Vaudeville in einem Act von M. Clairville „Les petites
de la vie humaine”. Wird ſich die grande misre
unferer deutſchen Buͤhnenrepertoire nicht bald mit dirfen „pe
eicheen ? #8.
tites misdres’’ berei
Verantwortlicher Herausgeber: Arlurih Broackha us. — Drud und Verlag von F. U Brockhaus m Leipzig
Guter Gott! der
Bıdfter
literariſche Unterhaltung
Donnerstag, \ — Kr. 5,
Zur Geſchichte des weiblichen Geſchlechts.
¶ Beſchlas aus Nr. 2.)
Gtrenger als bei den Griechen tritt die Herrſchaft des
Mantes in der Familie bei den Mömern hervor. Durch
gewiſſe Formen ward die Frau ganz der Gewalt des
Mannes übergeben und er konnte fie behandeln wie ein
Bater fein Kind. Nun gab’ aber diefe Gewalt in gewif:
fen Faͤllen das Recht über Leben und Tod der Frau, ins:
befondere der Ehebretherin, während fie den ehebrechenden
Mann nicht mit einem Finger anruͤhren dürfe. Gleich:
mäßig tar die Stau beſchtaͤnkt bei Verhandlungen vor
Gericht, forte Hinfichtlich Ihres Vermoͤgens, Erwerbens,
Teſtirens u. f. w. Die diefem Ernſte des Lebens und
diefer ſttengen Ordnung dei Haustvefens fteht die Natur
und der Ruhm der römffchen Maättonen in wefentlidiern
Zufammenbange, und wenn auch die Dithtkunſt fie wenẽ⸗
ger verherriſcht hat, fo ſpricht doch die Geſchichte von Taͤ⸗
naquit, Goͤtln, Lucrezia, Virginia, Veturia, Volumnia,
Portia, Gornelia. Binnen 320 Jahren, wird behauptet
und gerühmt, habe keine Eheſcheidung in Rom flattge:
funden; do wird dieſer Ruhm glücklicher, nie geftörter
Chen rede aͤls zivelfelhaft, wenn wir die undebifigte Herr:
ſchaft des Mannes erwägen und einige andere Berichte
daneben ſtellen. So etzaͤhlt Livius (VIH, 18) zum Jahte
423 der Stadt: Unter dem Conſulate des Claudius Mar⸗
Aus md C. Valetius flach eine große Zahl angeſehener
Maͤnner füft unter denſelben Anzeichen und Umfländen.
Man ſchrirb dies einer anſteckenden Krankheit Ju, bis eine
Magd der Ädil Q. Fabius Marimus die Anzeige
machte: fl? wolle den wahten Grund angeben, wenn man
ine Sicherhett verfpreche. Dies gefhah und jene ſagte
aus: daß die Frauen ihre Männer mir Gift unibraͤchten!
Man fand an’ 20 Matronen, daruntee Pattizierinnen,
mit dent Kochen oder Brauen eines Getränke beſchaͤftigt,
12. October 18438.
ſim ausgelegt; und in der That FE der Hetgäng für pe
woͤhnliche Berbäitniffe and aus gewoͤhnlichen Gtunden nt
zu erklären.
Im Vergleich mit ſolchen Verbreihen und den wilden,
umatuͤrlichen Ausſchweifungen, weihe bei den geheimeh
Bacchanallen begangen und entdedit wurden, iſt ein ans
derer Wreridyt Über Putz und Kleidung der Sraum (Liv,
XXXIV, 1) nur heiterer Art. Der Zribun Opplus hatte
mährend der Bedrängniß bes zweiten: Punifchen Kriegs eine
Verordnung bucchgefegt: kein Frauenzimmer folle at th:
ee Kleidung Aber eine halbe Unze Goldes und kein bun—
te8 Gewand tragen, auth in Rom oder in der Nähe der
Stadt ſich keines Wagens bedienen. Zwanzig Jahre nad
afluns diefed Gefeges trugen einige Tribunen auf Ab⸗
ſchaffung deffefber a, waͤhrend andere ſich für die fernere
Beibehaltung etkolrten. Das Capitol (erzaͤhlt Lwius)
ward vom Freunden’ und Gegnern des Geſches angefülli.
Die Brauer ließen ſich weder durch den Gebrauch nöch
duch Scham, noch buch Befehl ihrer Maͤmnet int den
Häufern feſthalten. Sie befegten alle Straßen, die jur
Forum führten und baten die ſich dabin begebenden‘ kit:
ner: dieſe möchten jest, wo der Staat bluͤhe and der
Velchthum jedes Eititiatn ſich täsfich write, den Matro:
ten: Ihe alten. Schmuck wieder oben. -: Mich bie Car
fait, Prhtoven und andere Magiſtrattperſonen wurden An
aͤhtilicher Weile Yon Ihnen angegangen. Am: ernfteſten
widerfprach der Conſul M. Portius Cato Dee Abſchaffug
jenes Aufwandsgeſetzes. „Wenn jeder Mann“, Tagtb er un:
tee Audermi, ‚fein Recht und Unfehen bei ſeinet eigemn
J Yeau dufcecht zu halten: wüßte, haͤtten wie nidhe fo Wet
nit allin Frauen auf eimmal zu thun. Seltdem aber
unfere Freiheit im Haufe duech weibliche Hrerrſchfircht be⸗
ſtegt iſt, wird fie auch auf dem Fotum vernichtet und
mit Fuͤßen getteten, und weit wir die Einzelnen nicht in
Dednung zu halten wiffen, fürchten tie uns vor Allen.
deſſen Schaͤdlichkeir jedoch zwel der Etgriffenen Correlia | Wenndie Weiber dies darchſezen, was werden fie nicht
und Serhtia, pattizifher Abkunft) Ieugneten. Der Nic: verlangen? Gewiß die Auſhebung alles Deſſen, woduecch
ter foderte nunmehr: fie ſollten, zum Beweiſe der Wahr: | unfere Votfahren se Willkickt gebändigt “md. fe’ -ben
heit ihrer Ausſage, davon trinken Nach kurzem Ihren | Männern unterworfen haben. Sobald fie und gleichte⸗
etlaubten Geſpraͤche mit den übrigen Angeklagten, befchlofs | ftefit find, welden Me--Lbes uns Yinauswadhfeh,' und ve⸗
fen Alte, die angebliche Arznei zu triaken, und Alle flar: | 'Yerfehen and den Hauoſtand, ja den Staat durch immet⸗
ben bald darauf..: An 170 wurden ats Giftniifheritinen ‘| dar fleigende Üppigkeit und Verfchwendung zu Grunde rich:
verurtheilt und die Sache als Hr’ Wunder oder Wahn: '| ten. Weh dem Manne, er mag ſich erbitten oder "Richt
2
9 442 ‘
erbitten laſſen, denn was er nicht hergibt, werden bie
Weiber von andern Männern zu erhalten wiffen. ”
Der Trivun Lucius Valerius fuchte in feiner Ants
wort darzuthun, daß jenes im unglüdlicher Kriegszeit ers
laſſene Gaſetz jest —3 ſei und vertheidigte die Frauen
wegen ihrer natuͤrlichen Wuͤnſche und Beſtrebungen. „Putz,
Schmuck und Aufwand”, ſagte er, „find die Abjeichen,
die Inſignien des weiblichen Geſchlechts: daran erfreuen,
deren rühmen fie fi, weshalb unfere Vorfahren dies At
les die Welt der Weiber nannten. Sie wuͤnſchen, daß
ihr Aufwand mehr von Euch, den Männern, ald vom
Geſetze abhange, und je mehr Ihr vermöget, deſto gemäßig:
ger follt Ihr Eure Herrfchaft geltend machen.”
Am nächften Tage war der Andrang der Frauen noch
größer: fie umlagerten bie Thuͤren der widerfprechenden
Tribunen und gingen nicht eher von der Stelle, bis auch biefe
einwilligten, worauf die Abfchaffung des Gefeges von al:
len Tribus ausgefprochen ward. Gewiß ließen ſich viele
frühere, einfache Sitten und Gefege in dem weltbeherr⸗
chenden Rom nicht fefthalten; die hier bevorftchenden Ges
fahren Hatte indeß ber Ältere Cato richtig vorausgefehen.
Deshalb fagte der Cenfor Metellus Numidicus in einer
fpäter gehaltenen Rebe: ‚Könnten wir, o ihr Quiriten, obne
Meiber leben, fo hätten wir alle diefe Noch nit. Da
ed nun aber die Natur fo eingerichtet hat, daß wir mit
ihnen nicht bequem, ohne fie aber gar nicht leben können:
fo müflen wir mehr auf bauermdes Heil als auf vorüber:
gehendes Bergnügen Rüdficht nehmen. ‚Die Natur‘‘, bes
merkt Golumella in der Einleitung des zwölften Buche
feines Werks Über den Landbau, „hat die Frau gebildet
für Häusliche Sorgfalt, den Mann für öffentlihe und
kriegeriſche Geſchaͤfte. Ehrfurcht vertrug fi fonft mit
Liebe; man fah im Haufe nichts Getrenntes, keine Spal-
tung. In neuerer Zeit hat Lurus und Genußſucht die
Bande gelöft und dem alten, ehrwuͤrdigen, thätigen Le:
ben der Matronen ein Ende gemacht.“ *)
Bon ber Hauptfladt verbreitete ſich das Übel auch über
bie Landſchaften. Zum Theil deshalb machte Säcina (Tac.,
Ann., II], 33) den Antrag: «6 folle kein Beamter feine
Frau für die Zeit feines Auftrags mit in die Provinzen
nehmen duͤrfen. Denn (hieß es) das weibliche Geſchlecht
iſt nicht blos ſchwach und den Anfttengungen nicht gewach⸗
fen, fondern, wo «8 frei fteht, auch wild, ehrgeizig und nach |
Macht begierig. Sie miſchen fih in alle Geſchaͤfte und
segieven (nach Aufhebung befchräntender Gefege) die Häu-
fer, das Forum und die Heere.
nmd zeigte, dag Ausnahmen feine Regel bildeten und Ehe:
loſe fich nicht beſſer benähmen als Verheirathete. ‚Wer:
geblich“, fügte er hinzu, „‚uchen wir unfere Schuld durch
andere Namen und Vorwaͤnde zu bedecken: denn es ft
Die Schuld de6 Mannes, wenn bie Frau das Maß über:
ſchreitet, und mit Unrecht wil man um der Schwäche
des Einen oder des Andern mwilln alle Männer der Ge:
noſſenſchaft Ihrer Frauen in guten und böfen Tagen
berauben. Man fol das von Natur ſchwaͤchere Geſchlecht
®) Gelliws, I, 6,
Meffalinus voiberfprac
nicht eigenen Wuͤnſchen und fremden Begierden uͤberlaſſen
Kaum bleibt bie Ehe bei ſteter Aufſicht umverleht; was
wuͤrde nun bei jahrelangen Trennungen, beim Zuruͤdlaſſen
in einer verderbten Hauptſtadt entſtehen?“
Aus dieſen und aͤhnlichen Gründen 3 obiger An
trag verworfen; auch wurzelten bie übe I tiefer, o@
daß fie durch fo einfeitige Maßregeln konnten vertilgt wer:
den. Ebenſo wenig halfen Gefege, wie die lex Papia
Poppaea, melde durch Belohnungen und Strafen zum
Heirathen anhalten und von genußfüchtigem Hageſtohen
leben abfchreden follte. Die Scyeibungen nahmen hin:
gegen fo Überhand, daß, wie Seneca fägt, manche berühmte
und vornehme Frau die Zahl ihrer Jahre nicht nad) den
Confuln, fondern nad) ber Zahl ihrer Männer betechnele.
Nicht minder wird geklagt, daß vornehme Frauen von
Senatoren ſich nicht entblödeten, an den Kampffpielm in
ber Arena Theil zu nehmen; und in der That war Das,
was bei den Griechen aus heiterer Kuͤhnheit und jugent:
lichem Schoͤnheitsſinn hervorging, bei den fich überleben:
den Römern und Römerinnen nur Folge der Überreiiung
und Zuchtlofigkeit. **)
Die YAusartung hatte gleichermaßen beide Geſchlechte
ergriffen, und aus Boͤttiger's „Sabina, ‚oder die Römern
am Pustifche” kann man erfehen, wie die Frauen übe
das rechte Maß des Natuͤrlichen und Echönen hinam
in lächerlich, ja ekelhafte Eitelkeiten geriethen, und alkı
echte Inhalt des Lebens über die flete Befchaͤftigung mit
ber äußern Oberfläche verforen ging. An Rügen jeglicher
Ausartung fehlte es nicht (fo im Salluſtius, im Hoc)
aber die Verderbniß war zu allgemein und jegliches Wit
tel Dagegen nur kraftlos. ***) Am bitterften ſpricht Jude
nal in der fehsten Satire über die Fehler, ja Verbtechen
der Weiber: Putzſucht, Verſchwendung, Schuldenmagın,
Herrſchſucht, Zankſucht, Jaͤhzorn, Graufanikeit gegen Die
ner und Dienerinnen, Unkeuſchheit, Liebestraͤnke, unterge
ſchobene Kinder, Nacäfferei fremder Sitten, Gebrauh
fremder Sprache, Vielwiſſerei, hochtrabendes Gerede, fab
[he Gelehrſamkeit, Aberglauben, Umgang mit Juden und
Chaldaͤern, Überfhägung von Prieftern, Sängern un
Virtuoſen.
, Sehr natuͤrlich und mit großem Rechte erklaͤrte ſih
ein ſo ernſter Kirchenvater wie Tertullian gegen alle eitels
weltlichen Dinge, gegen Überfchägung der Schoͤnheit, Pur
ſucht, ſchlechte Moden, Vernachläffigung des Geiftigen und
dergleichen. +) Wie es aber zu gehen pflege, überfchreitet
er in feinen Widerfprüchen auch das rechte Maß und fit
Lehren und Foderungen auf, deren einfeitige Strenge eben
nur aus einer einfeitigen, ungenügenden Anfiht und Auf
faffung des Chriſtenthums hervorgeht. Wozu Chin:
beit!” ruft er aus, „‚fie ift ganz umnüg oder zulegt nur
für Gebrauch und Zweck der Unkeufchheit. Will ein Chrif
ſich feines Leibes freuen, fo fol er es allein thun übe
einen durch Bußen abgehärteten und abgemagerten Lei.
*) De Benef., III, 316,
”*) Tac., Ann., XV, 32; Saet., Domit., 4.
**%) Sallust., Catil., 25; Hor., II, 6.
+) De cultu feminarum, _
210
Juden ihr mm Leib aͤndern, umgeßalten, verſchaͤnern
wollt, fo wollt ihe Gottes Werk ve ihr verbammeb
das Werk des allmächtigen und allweiſen Schöpfers! Dazu
treibt auch lediglich der Satan! Schaͤmen ſich nicht jegt
mandye Gcwarkhanrige ihres Vaterlands, möchten blond
fein, roie die bdeutfchen Weiber und fegen auf ihr durch
die Taufe geweihtes Haupt Perüden von Leuten, die viel:
leicht die Araften Lumpenkerle und zum Hängen veruetheift
waren. Wo trage ihe ferner bunte Kleider? Glaubt
ihr, dab Bott das Färben ber Wollte Iehrte? oder daß
er bei der Schöpfung vergaß, rothe und blaue Schafe zu
erfchaffen? Haͤngt in eure Ohren das Wort Gottes und
um enern Hals das Joch Chriſti. Unterwerft euch euern
Maͤnnern und ihr feid genug gepußt; haltet eure Beine
zuruͤck in enern Häufern, denn hierdurch fhmädt ihr fie
mehr als wenn ihr fie mit Golde bededt. She follt nur
euern Männern gefallen; und dies werdet ihr in dem
Maße mehr, als ihr euch Mühe gebt, Andern zu misfal:
lien. Es ift ein Laſter, wenn die Männer den Frauen
und die Frauen den Männern gefallen wollen.“
Wie die germanifch=chriftlihe Welt diefe Anfiche reis
nigte und verflärte, wie die mohammedaniſche in fchwere
Irrthümer zurüdfant, mag ich um fo weniger darzuſtellen
verfuchen, da ich befürchten muß, daß man mein Beſtre⸗
ben, Beifall zu gewinnen, wenn aud) nicht mit Tertullian
laſterhaft fchelten, daffelbe doch für mislungen erklären
werde. 36.
Politiſche Poefie.
Bei uns hat der Name „Politiſche Poefie” nun ſchon fo viel
Lärın gemacht, ein Name, der, wenn er Überhaupt etwas bes
deutet, gewiß nur Das bedeuten kann, daß der Dichter feinen
Stoff flatt unter den Angelegenheiten bes Herzens und des
Privatiebens, ſich unter den Angelegenheiten des Volks und des
öffentlichen Lebens wählte. So ift, die Sache nichts Neues.
Genug, bei uns ift fo viel unnäger Lärm darüber entflanden, daß
es eine Art Satisfaction ift, zu fehen, wie unfere Nachbarn
jenfeit des Rheins diefelben Steddenpferbe reiten. Gin Herr Bels
montet bat eine Sammlung Inrifcher Gedichte erfheinen laſſen
ımter dem Xitel „Les deux régnes“. Unter den „beiden
Reichen” ift zu verftehen die Napoleonifche Herrſchaft und bie
Regierung Ludwig Philipp’s, bie der Dichter abwechſelnd feiert,
uefprünglich ein begeiftertee Bonapartift, dann aber auch ein
Bewunderer des Julikoͤnigthums, das er als eine würdige,
großartige Fortfegung des zum Ruhme ber Sranzofen unter der
Eaiferlichen Agide begonnenen Werts anfieht. Das find nun
Gedichte, wie es ſchon unzählige andere gibt, der Wahl der
Gegenftände und der Form nach, und fie follen ihrem Recenfeuten,
dem Hrn. Flenry zufolge, Thon und echt Inrifch fein; aber in
der Borrede nimmt Herr Belmontet einen großen Anlauf, ber
Poefie ein neues Gebiet zu erobern, ihr, wie er fi ausdrückt,
einen Platz in der conftitutionnellen Vertretung der Nation zu
ertämpfen, fie politifch zu machen. Alſo c’est tout comme chez
nous. Zum @tüc ift diefes abſonderliche Beftreben nirgend ale
in der Vorrede, in den Gedichten felbft nicht, anzutreffen. „Wenn
alle Genres‘, fagt Herr Fleury, „erlaubt find, außer dem genre
eunuyeux, fo darf ber Poefie Fein Stoff unterfagt fein, außer
die Politik. Die Politik, ernſtlich genommen, ift die Wiffenfchaft
oder die Kritik des Regierungsweſens, die Praxis ober die Die:
cuffion der Öffentiichen Angelegenheiten. Das Alles laͤßt ſich
nicht idealifizen. Poeſte und Politik vertragen ſich nicht mils
einander. Den einzigen Berührungspunft haben fie in der por
litiſchen Satire. Gew Selmontet bat.ni Andeyet
als was vor Ihm —X8Sæ8 J. B. Fe en
thaten; dieſe Alle haben ebenfo wenig als er bie polltiſchen
Parteihändel ihrer Zeit, bie diplomatiſchen Unterhanblungen,
bie Kammerbebatten, bie Verfügungen u. dgl. in Verſe gebracht,
fle haben nur Gegenſtaͤnde von allgemeinem Jutereſſe, &reignife
ber Zeit, Stimmungen des Volks ſich zu eigen gemadjt unk
im bichterifcher Weiſe wiedergegeben. Die Poefte ift unparteiifc,
erhaben über die kleinlichen Leidenſchaften des Tags, wie bie
Eeſchichte; wie Die Befcyichte, weiche das Wergangene in feiner
Wahrheit erfaffen und darflellen foll, fo fie, die Poeſte, weiche
das Gegenwaͤrtige in feiner Idealitaͤt ergreifen ſoll.“ 78.
Biblisgraphie.
Adami, F., Gonnenblumen. Almanach hiſtoriſcher und
moderner Novellen für 1844. 5ter Jahrgang. Berlin, Behr.
8. 1 Thir. 10 Nor. branng Behr
Die Attribute der Heiligen alphabetisch geordnet. Ein,
Schlüssel zur Erkennung der Heiligen nach deren Attribu-
ten, in Rücksicht auf Kunst, Geschichte und Cultus. Nebst
einem Anhange über die Kleidung der katholischen Welt-
und Ordensgeistlichen und einem Namen - Register der vor-
kommenden Heiligen. Hanover, Hahn, Gr. 8. 1 Thir. 10 Ngr.
Banblin, J. B., Peſtalozzi, feine Zeit, feine Schick
[ale und fein wöicten. Cine eseift für Freunde der Menfdyens
idung un rberer einer beſſern Zukunft. a
Brodtmann. F 20 Nor. ſſern Zukunſt. Sch ſhauſen,
Barth, K., Teutfchlands Urgeſchichte Ater Theil. 2te
ganz umgearbeitete Auflage. Erlangen, Palm und Ente 8,
1 hir. 25 Nor.
Beheim’s, M., Buch von den Wienern. 1462 — 1465.
Zum erstenmal nach der Heidelberger und Wiener Hand-
schrift herausgegeben von Th. @. v. Kardjan. Mit Facsimile
und „ovenbeilage, Wien, Rohrmann. Lex.-8, 4 Thir,
er.
Benedir, R., Die Sonntagsjdger, Driginaltufffpiel in
3 Acten. —— Beier. * 12. X Nor. 8 rip
— — Das bemooste Haupt, ober der lange Sfrael. Schau⸗
fpiel in 4 Acten. Wefel, Beer. 1840. Gr. 3. 22! a
Bergmayr, I. F., Krieges und Marine s Berfaflun
des Kaiferthums Öferreic. Ifter Theil. Wien 1842, Gr. 8.
2 Thlr. 10 Nor.
Bericht von ber bunbertjäbrigen Jubelfrier der Gemeine
Gnabenfrey im Ianuar d. 3. 1843. Breslau. 8. 10 Nor.
Beihoren, A., Pia vota in Betreff der Regeneration
F esangelifihen Landesfirche in Preußen. Halle, Lippert. 8,
2 i88.
Beschreibung der Stadt Rom von E. Platner, C. Bun-
sen, E. Gerhard, W. Röstell und L. Urlichs. ter Band.
Ste und letzte Abtheilung: Das Marsfeld, die Tiberinsel,
Trastevere und der Janiculus. Mit einem Plane des alten
Marsfeldes, Stuttgart, Cotta. 1842. Gr. 8. 4 Thlr.
—— B., Geiftes
leicher, B., Geiſtesfunken zur Entflammung fuͤr Frie⸗
ben, Wabrheit und Recht, in Haus, Kirche und Staat. in
Katholiken und Proteftanten. Um, Stettin. 8. 1 Thlr. 5 Nar.
Bülow s Summeromw, Über Preußens landſchaftliche
Grebitvereine, bie Reformen, deren fie bebärfen und über ein
richtiges Syſtem ber Boden -Nugung und Schaͤtung. Berlin,
Beit und Komp. Gr. 8. 236), Nor.
Bürd, A., Magellan oder die erfte Reife um bie Erbe.
Rad) den vorhandenen Quellen bdargeftellt. Mit Magellan’g
Bildniß. Leipzig, Tauchnig jun. 1844, 8. 1 Thir.
Subitres, Frau v., Hector von Golden. erfegt von
gannv Zarnow. Zwei Theile. Leipzig, Kollmann. 8.
Thlr. 75 Nor.
Dedekind, J. L. u, Abriß einer Geſchichte des
rechts und feiner Bearbeitung in ſaͤmmtlichen Staaten Guropas,
Y e
erbitten laflen, denn was er nicht hergibt, werden bie
Weider von andern Männern zu erhalten wiſſen.“
Der Tribun Lucius Valerius fuchte in feiner Ant
wort darzuthun, daß jenes in unglüdlicher Kriegszeit er:
laffene Geſetz jegt 3— ſei und vertheidigte die Frauen
wegen ihrer natuͤrlichen Wuͤnſche und Beſtrebungen. „Putz,
Schmud'und Aufwand”, ſagte er, „find die Abzeichen,
die Infignien des weiblichen Gefchlechts: daran erfreuen,
deren rühmen fie ſich, weshalb unfere Vorfahren dies Al:
les die Welt der Weiber. nannten. Sie wuͤnſchen, daß
ihr Aufwand mehr von Euch, den Männern, ald vom
Geſetze abhange, umd je mehr Ihr vermöget, defto gemaͤßig⸗
ter ſollt Ihr Eure Derrfchaft geltend machen.”
Am nächften Zage war der Andrang ber Frauen noch
arößer: fie umlagerten bie Thuͤren der widerfprechenden
Tribunen und gingen nicht eher von der Stelle, bis auch biefe
einwilligten, worauf die Abfchaffung des Gefeges von al:
len Tribus ausgefprochen ward. Gewiß ließen ſich viele
frühere, einfache Sitten und Gefege in dem weltbeherr:
fchenden Rom nicht fefthalten; bie hier bevorftehenden Ge:
fahren batte indeß der Ältere Cato richtig vorausgefehen.
Deshalb fagte der Cenfor Metellus Numidicus in einer
fpäter gehaltenen Rede: ‚‚Rönnten wir, o ihr Quiriten, ohne
Weiber leben, fo hätten wir alle diefe Noch nicht. Da
ed nun aber die Natur fo eingerichtet hat, daß mir mit
ihnen nicht bequem, ohne fie aber gar nicht leben können:
fo müffen wir mehr auf dauerndes Heil als auf vorüber:
gehendes Dergnügen Rüdfiht nehmen. „Die Natur‘, bes
merkt Golumella in der Einleitung des zwölften Buchs
feines Werts über den Landbau, „hat die Frau gebildet
für häusliche Sorgfalt, den Mann für öffentlihe und
£riegerifche Geſchaͤfte. Ehrfurcht vertrug fich fonft mit
Liebe; man fah im Haufe nichts Getrenntes, feine Spal:
tung. In neuerer Zeit hat Lurus und Genußſucht die
Bande gelöft und dem alten, ehrwuͤrdigen, thätigen Re:
ben der Matronen ein Ende. gemacht.” *)
Von der Hauptfladt verbreitete ſich das Übel auch über
bie Landfchaften. . Zum Theil deshalb machte Caͤcina (Tac.,
‘Ans,, III, 33) den Antrag: «6 folle kein Beamter feine
Frau für die Zeit feines Auftenge mit in die Provinzen
nehmen dfirfen. Denn (hieß es) das weibliche Gefchlecht
iſt nicht 08 ſchwach und den Anſtrengungen nicht gewachs
fen, fondern, wo es frei ſteht, auch wild, ehrgeizig und nad)
Macht begierig. Sie milden fih in alle Befchäfte und
segieren (nach Aufhebung befchräntender Gefege) die Hau:
fer, das Forum und die Deere. Meſſalinus widerſprach
md zeigte, daß Ausnahmen eine Megel bildeten und Che:
loſe ſich nicht beſſer benaͤhmen als Werheirathete. „Ver⸗
geblich“, fügte er hinzu, „ſuchen wir unfere Schuld durch
andere Namen und Vorwaͤnde zu bedecken: denn es iſt
die Schuld des Mannes, wenn die Frau das Maß uͤber⸗
ſchreiget, und mit Unrecht will man um der Schwaͤche
des Einen oder des Andern willen alle Männer der Ge:
npffenichaft ihrer Frauen in gutem und böfen Tagen |
berauben. Man fol das von Natur ſchwaͤchere Geſchlecht
9 Gellius, I, 6,
yo
nicht eigenen Wuͤnſchen und fremden Begierden überfaffen
Kaum bleibt die Ehe bei ſteter Aufſicht unverletzt; was
toürde nun bei jahrelangen Trennungen, beim Burkdiaffen
in einer verderbten Hauptſtadt entftehen?
Aus dieſen und aͤhnlichen Gründen ward ghiger As
‘trag verworfen; auch wurzelten bie Übel viel tiefer; als
daß fie durch fo einfeitige Maßregeln konnten’ vertilgt wer:
ben. Ebenſo wenig halfen Gefege, wie die lex Papia
Poppaea, welche duch Belohnungen und Strafen zum
Heirathen anhalten und von genußſuͤchtigem Hageſtoizen⸗
leben abfchreden follte. Die Scheidungen nahmen hin:
aegen fo überhand, daß, wie Seneca fügt, manche berühmte
und vornehme Frau die Zahl ihrer Jahre nicht nad) den
Conſuln, fondern nad) der Zahl ihrer Männer berechnete. *)
Nicht minder wird geflagt, daß vornehme rauen von
Senatoren ſich nicht entblödeten, an den Kampfſpielen in
der Arena Theil zu nehmen; und in der That war Das,
was bei den riechen aus heiterer Kuͤhnheit und jugend:
lichem Schönheitsfinn hervorging, bei den ſich überleben:
den Römern und Römerinnen nur Folge der Überreizung
und Zudhtlofigkeit. **)
Die Ausartung hatte gleichermaßen beide Gefchlechter
ergriffen, und aus Boͤttiger's „Sabina, oder die Römerin
am Pustifche” kann man erfehen, wie die Frauen über
das echte Maß des Natüurlichen und Schönen hinaus
in lächerfiche, ja ekelhafte Eitelkeiten geriethen, und aller
echte Inhalt des Lebens uͤber die ſtete Beichäftigung mit
ber äußern Oberfläche verioren ging. An Rügen jeglicher
Ausartung fehlte es nicht (fo im Salluſtius, im Horaj)
aber die Verderbniß war zu allgemein und jegliches Mit:
tel Dagegen nur kraftlos. **) Am bitterften fpricht Juve⸗
nal in der fechsten Satire Über die Fehler, ja Verbrechen
dev Weiber: Pupfucht, Verſchwendung, Schulbenmachen,
Hertſchſucht, Zankſucht, Jaͤhzorn, Grauſanikeit gegen Die
ner und Dienerinnen, Unkeuſchheit, Liebestraͤnke, unterge⸗
ſchobene Kinder, Nachaͤfferei fremder Sitten, Gebrauch
fremder Sprache, Vielwiſſerei, hochtrabendes Gerede, fal⸗
ſche Gelehrſamkeit, Aberglauben, Umgang mit Juden und
Ehaldaͤern, Überſchaͤzung von Prieſtern, Saͤngern und
Virtuoſen.
Sehr natuͤrlich und mit großem Rechte erklaͤrte ſich
ein ſo ernſter Kirchenvater wie Tertullian gegen alle eiteln
weltlichen Dinge, gegen Überfhägung der Schoͤnheit, Putz⸗
fucht, ſchlechte Moden, Vernachläffigung des Geiftigen und
dergleichen. 7) Wie 08 aber zu gehen pflege, uͤberſchreitet
er in feinen Widerfprüchen auch das rechte Maß und ſtellt
Lehren und Koderungen auf, deren einfeitige Strenge eben
nur aus einer einfeitigen, ungenügenden Anſicht und Yufs
faſſun des Chriſtenthums hervorgeht. Wozu Schoͤn⸗
heit!” ruft er aus, „ſie if ganz unnuͤtz oder zuletzt nur
für Gebrauch und Zweck der Unkeufchheit. Wil ein Chriſt
ſich ſeines Leibes freuen, ſo ſoll er es allein thun uͤber
einen duch Bußen abgehaͤrteten und abgemagerten Leib.
*) De Benef., III, 16, -
”*) Tac., Ann., XV, 32; Suet., Domit., 4,
*#*) Sallust,, Catil., 255 Hor., III, 6.
7) Do cultu feminarum, , .
1149
Indem ihe mern Lelb Andern, umgeßalten, verfchänern
wollt, fo wollt ihe Gottes Werk verbefiern, ihr verdammt
das Werk des allmaͤchtigen und allweifen Schöpfers! Dazu
treibt auch lediglich der Satan! Schaͤmen ſich nicht jest
manche Schwarzhaarige ſhres Vaterlands, möchten blond
fein, voie die bdeutfchen Meiber und fegen auf ihr durch
die Zaufe geweihtes Haupt Perüden von Leuten, die viel:
leicht die Argften Lumpenkerle und zum Pängen vernetheilt
waren. Wozu tragt ihr ferner bunte Kleider? Glaubt
ihr, daB Bott das Karben der Wolle lehrte? ober daß
er bei dee Schöpfung vergaß, rothe und blaue Schafe zu
efhaffen? Haͤngt in eure Ohren das Wort Gottes und
um euern Hals das Joch Chriſti. Untermerft euch euern
Männern und the feid genug geputzt; haltet eure Beine
zurück in euern Häufern, denn hierdurch ſchmuͤckt ihr fie
mehr als menn ihr fie mit Golde bededt. Ihr ſollt nur
euern Männern gefallen; und dies merdet ihr in dem
Maße mehr, ats ihe euch Mühe gebt, Andern zu misfal:
len. Es ift ein LKafter, wenn die Männer den Frauen
und die Frauen den Männern gefallen wollen. ”
Wie die germanifh=chriftlihe Welt diefe Anſicht reis
nigte und verkiärte, wie die mohammedaniſche in fchwere
Irrthuͤmer zurüdfant, mag ich um fo weniger darzuftellen
verfuchen, da ich befiscchten muß, daß man mein Beſtre⸗
ben, Beifall zu gewinnen, wenn auch nicht mit Zertullian
laſterhaft ſchelten, daſſelbe doch für mislungen erklären
werde. 86.
Politiſche Poeſie.
Bei und hat der Name „Politiſche Poefie” nun ſchon fo viel
Lärm gemacht, ein Rame, der, wenn er überhaupt etwas bes
deutet, gewiß nur Das bedeuten kann, daß ber Dichter feinen
Stoff flatt unter den Angelegenheiten des Herzens und des
Privatiebens, fi) unter den Angelegenheiten bes Volks und des
Öffentlichen Lebens wählte. So ift, die Sache nichts Neues.
Genug, bei uns ift fo viel unnüger Lärm darüber entflanben, daß
es eine Art Satisfaction ift, zu ſehen, wie unfere Nachbarn
jenfeit des Rheins diefelben Stedtenpferde reiten. Ein Herr Bel
montet hat eine Sammlung Iyrifcher Gedichte erfcheinen laſſen
unter dem Xitel „Les deux r&gnes”. Unter den „beiden
Reichen” iſt zu verftchen die Napoleonifche Herrfchaft und bie
Regierung Ludwig Philipp’s, die ber Dichter abwechſelnd feiert,
urfprünglicg ein begeifterter Bonapartift, dann aber aud ein
Bewunderer des Julikoͤnigthums, das er als eine würdige,
großartige Kortfegung bes zum Ruhme ber Franzofen unter der
kaiſerlichen Agide begonnenen Werts anfleht. Das find nun
Gedichte, wie es ſchon unzählige andere gibt, der Wahl ber
Gegenftände und der Form nach, und fie follen ihrem NRecenfenten,
dem Hrn. Zleury zufolge, ſchoͤn und echt lyriſch ſein; aber in
der Vorrede nimmt Herr Belmontet einen großen Antauf, ber
Dorfie ein neues Gebiet zu erobern, ihr, wie er ſich ausdruͤckt,
einen Plat in ber conftitutionnellen Vertretung der Nation zu
erlämpfen, fie politifch zu machen. Alſo c’est tout comme chez
nous. Zum @tück ift dieſes abfonderliche Beſtreben nirgend als
in der Borrede, in den Gedichten ſelbſt nicht, anzutreffen. „Wenn
alle Genres‘, fagt Herr Fleury, „erlaubt find, außer dem genre
eımuyeux, fo darf der Poefie Fein Stoff unterfagt fein, außer
die Politit. Die Politik, eunftlich genommen, ift die Wiffenichaft
oder die Kritil des Regierungsweſens, bie Praris oder die Die:
cuſſion der Öffenttichen Angelegenheiten. Das Alles laͤßt ſich
nicht idealiſtren. Poefle und Politit vertragen ſich nicht mits
einander. Den rinzigen Beruͤhrungspunkt haben fie in der po»
litiſchen Satire. Herr Belmontet. bat nichts Anderes gethan,
ald was vor ihm Pindar, Doraz, 3. B. Rouffean, Lamartine ıc,
thaten; dieſe Alle haben ebenfo wenig als er bie politifchen
Parteipändel ihrer Zeit, bie biplomatifchen Unterhandlungen,
die Kammerdebatten, bie Verfügungen u. dgl. in Verſe gebracht,
fie haben nur Segenflände von allgemeinem Intereffe, Ereioniife
ber Zeit, Stimmungen bes Volks ſich zu eigen gemacht umb:
in dichteriſcher Weife wiedergegeben. Die Poefte ift unpartetifch,
erbaben über die kleinlichen Leidenſchaften des Tags, wie bie
Eeſchichte; wie die Geſchichte, welche das Vergangene in ſeiner
Wahrheit erfaſſen und darſtellen foll, fo fie, die Poeſie, weiche
das Gegenwärtige in feiner Idealität ergreifen ſoll.“ 78.
Bibliographie.
Adami, $., Sonnenblumen. Almanach hiſtoriſcher und
moberner Novellen für 1844. Ster Jahrgang. Berlin, Behr.
8. 1 pie. 10 Ngr.
Die Attribute der Heiligen alphabetisch geordnet. Ein,
Schlüssel zur Erkennung der Heiligen nach deren Attribu-
ten, in Rücksicht auf Kunst, Geschichte und Cultus. Nebst
einem Anhange über die Kleidung der katholischen Welt.
und Ordensgeistlichen und einem Namen - Register der vor-
kommenden Heiligen. Hanover, Hahn. Gr. 8. I Thlr. 10 Ngr.
Bandlin, 3. B., Peſtalozzi, feine Zeit, feine Schick⸗
(ale und fein Birken. Eine on für Sreunde der Menfchens
ildung un rderer einer beffeen Zukunft. Gchaffhau
Brobtmann. 8 DO Ror. gukunft Fa Ion,
Barth, K., Zeutfchlands Urgefchichte Ater Theil. '2te
ganz umgearbeitete Auflage. Erlangen, Palm und Ente 8,
1 Thir. 25 Nor.
Beheim’s, M., Buch von den Wienern. 1463 — 1485.
Zum erstenmal nach der Heidelberger und Wiener Hand-
schrift herausgegeben von 7%. G. v. Karajan. Mit Facsimile
und Notenbeilagee Wien, Rohrmann. Lex.-8. 4 Thir.
20 Ner.
Benedbir, R., Die Sonntagejäger, Originalluſtſpiel in
3 Acten. Wefel, Beer. Gr. 13. 20 Nor. 8 A
— — Das bemooste Haupt, oder der lange Iſrael. Schaus
fpiel in 4 Acten. Wefel, Beder. 1840. Gr. 12, 22%, Nor.
Bergmayr, I. F., Kriege: und Marine s Serfaffun
bes KRaiferthums Öfterrei . Iter Theil. Wien 1842, Gr. 8
2 Ihr. 10 Nor.
Bericht von ber hundertjährigen Jubelfeier
Gnabenfrey im Januar d. 3. 1843. Breslau.
Befhoren, A., Pia vota in Betreff ber Regeneration
ber evangelifchen Landeskirche in Preußen. Halle, Lippert. 8,
2), Nor.
Beschreibung der Stadt Rom von E. Platner, C. Bun-
sen, E. Gerhard, W. Röstell und L. Urlichs, Ster Band.
ste und letzte Abtheilung: Das Marsfeld, die Tiberinsel,
Trastevere und der Janiculus,. Mit einem Plane des alten
Marsfeldes, Stuttgart, Cotta. 1842. Gr. 8. 4 Thlr.
221% Ngr.
Bleicher, V., ſteetunten zur Entflammung fuͤr Frie⸗
den, Wabrheit und Recht, in Haus, Kirche und Siaat. Fuͤr
Katholiken und Proteſtanten. Ulm, Stettin. 8. 1 Thlr. 5 Rgr.
Bülow⸗Cummerow, Über Preußens landſchaftliche
Creditvereine, bie Reformen, deren fie bedürfen und über ein
richtiges Syſtem dev Boden: Rugung und Schägung. Berlin,
Beit und Komp. Gr. 8. 26%, Nor. |
Bürd, A., Magellan oder die erfte Reife um bie Erbe.
Rach den vorhandenen Quellen bargeftellt. Mit Magellan’s
Bildniß. Leipzig, Tauchniz jun. 1844, 8. 1 Thir.
Eubitres, Frau v., Hector von Golbon. rfegt von
Kannd Zarnow. Zwei Schelle. Leipzig, Kollmann. 8.
Thlr. 74 Nur.
Dedekind, J. L. U., Abriß einer Geſchichte des Wechſel⸗
rechts und feiner Bearbeitung in ſaͤmmtlichen Staaten Europas,
ber Gemeine
Nar.
*144
für Juriſten und Kaufleute. — A. u. d. T.: Grundriß Dar⸗.
feuung bes poſitiven Wechfelrechts mit beſonderer Kuͤckſicht auf
Deutſchland und einer Auswahl der Wechſelrechts⸗Literatur.
Iſtes Buch. Braunſqhweig, Oehme und Muͤtler. Gr. 8. 26%, Nar.
Detroit, 8, Das beutfhe Volk wie es war, wie eb
‚wie es fein wird. Predigt bei der Jubelfeier des tauſend⸗
jährigen Beſtehens ber Selbſtaͤndigkeit Deutichlands gehalten.
Königsberg, Theile. Gr. 8. 3%, Nor.
Dittmer, 8 W., C.⸗R., Dad Saſſen⸗ und Holſten⸗
Hecht, in praktiſcher Anwendung auf einige im 16. Jahrhun⸗
dere vorgelommene Civil⸗ und Griminalfälle; nach ben im Ars
chive des St. Johannis⸗Kloſters zu Luͤbeck aufbewahrten Pros
tofollen bes vormaligen kloͤſterlichen Vogteigerichts, nebſt einer
tabellarifchen Überficht der im ganzen kloͤſterlichen Gerichtsbezirke,
{n dem ferneen Beitraume vom Jahre 1601 dis zum Jahre 1730
vorgelommenen erheblichern Eriminalfälle, und deren Erledigung.
Lübel, v. Rohden. Gr. 8. Nor.
Die Evangelien bed Matthäus, Marcus und Lucas, mit
ben entfprechenden Stellen aus Johannes. Nach der lutheriſchen
Überfesung zur Vergleichung zufammengeftellt von A. &. Vo:
zn 3. Wagner Zranffurt a. M., Brönner. 2er. 3.
Ir.
Foͤrſter, F., Peter Schlemihls Heimkehr. Mit 16 eige-
nen Dandzeichnungen von 3. Hoſemann. Leipzig, Teubner.
Gr. 16. 1 lr. 74 Nor.
Sch Fragen an die beutfche Nation Fatholifchen Theils
hinfichtlih ihrer Berufung zu entſchiedener Losfagung vom roͤ⸗
mifchen Papfte und zu religidsskicchlicher Selbſtaͤndigkeit mit
ibren nichtkatholiſchen Volksgenoſſen. Beantwortet in einem
Sendſchreiben an biefelbe von K. F. Theodul. Weimar,
Hoffmann. 1844. Gr. 8. 15 Nor.
—Fryxell, X, Erzählungen aus der ſchwediſchen Geſchichte.
Zwei Theile. Rad der Sten Auflage des ſchwediſchen Driginals
zur Unterhaltung und Belehrung für Alt und Jung überfegt
don T. Homberg. Stodholm, Frize. Gr. 8. 3 Shlr.
232, Nor. :
„C. X. Freih., Edler Here zu Putlis, Der Natios
nalcharakter des preußifchen Volks und feine hiſtoriſche Entwid:
lung während bes Königthumes. Leipzig, Hinrichs. Gr. 8.
20 Nor.
Gedenke mein! Taſchenbuch für 1844. 13ter Jahrgang.
l. 8.
Mit ſechs Stahlſtichen. Wien, Pfautſch und Comp.
2 Thlr. 7/, Ngr.
Geijer, E. G., Des Koͤnigs Guſtav III. nachgelaſſene
und 50 Jahre nach ſeinem Tode geoͤffnete Papiere. überſicht,
Auszug und Vergleichung. Aus dem Schwediſchen. Iſter Theil.
Hamburg, 8. Perthes. Gr. 8. 1 Thlr.
Gräfenhan, A., Geschichte der klassischen Philolo-
ie im Alterthum,. Erster Band. Bonn, König. Lex.-8,
Thir. 20 Ngr.
Stone, A. C. ©. v., Sammlung einiger Urkunden unb
Actenftüce, die corporetiven Rechte und Verfaffungsverpältniffe |. S
der wolfenbüttelfhen Ritterſchaft betreffend, nebft einer Entgeg⸗
nung auf die Schrift von Bobe: „Beitrag zur Geſchichte der
gu alftänbe am Herzogthum Braunſchweig ꝛc.“ Hanover, Dahn.
r. 8. gr.
Guſtav vom See, Aus dem Leben. Novellen und Er:
zählungen. Leipzig, Wiendrad. 8. 1 Zhlr. 10 Nor.
Gutzſchebauch, 3. G., Der Barfner und Shrift. Gin
Beitrag zur häuslichen Erbauung in Liedern. Leipzig, Gebhardt
und Neisland. 8. 30 Nor.
Hadländer, 8 W., Mähren mit ſechs Original⸗Stahl⸗
Den go 3. B. Bweder. Stuttgart, Krabbe. 8. 1Thir.
2 r
9
Hegel's Philoſophie in woͤrtlichen Auszügen. Fuͤr Gebil⸗
dete aus deſſen Werken zuſammengeſtellt und mit einer Einlei⸗
tung Va aa von ©. Frans und A. Hillert. Berlin,
Dunder und Humblot. Gr. 8. 3 hir.
.g., nes Galbin: te iſche
Herne 4% 4.3 Spar : — Cine‘ blographiſche
Dorſt, von ber, und der Bolketräin.
Heft. Hannover, Hahn. a 7 % ar Due
.
Immergeön. eu u das Jahr 1844. dte ⸗
gang: wit ſechs Kupfen. Wien, —* Kl. 8. Ha
8
Jacobi, Is, Weiträge zur beutfchen Grammatik. Ber:
n, ein. Gr. 8. I She. 3%, Nor
. ZIaffe, P.Geſchichte des deutſchen Steiches unter Lothar
dem Sachſen. ine von der philoſophiſchen Facultät zu Berlin
geiröute reisſchrift. Berlin, Veit und Comp. Gr.8. 1 Thur.
2 r
gr.
Die Jeſuiten. Vorleſungen von I. Miche let und E. Aut:
net. Aus dem Franzoͤſiſchen uͤberſezt und mit Anmerkungen
begleitet von A. Stoͤber. Baſel, Schweighauſer. 8. 25 Nor.
Jokell, 3. B., Geſchichte der Regieru dinand bed
Erſten; zunaͤchſt nech Buchoig und andern en bearbeitet.
2ter Band, 2te Abtheilung. Wien, Mechitariſten⸗Congregations⸗
ee gr * *
aulbach, ©. L., Bermiſchte Gedichte. Muͤn
8. 1 Xhie. 10 War. ſchte Gedichte Gen, dal
Klippel, G. H., Hiſtoriſche Forſchungen und Darſtellun⸗
gen. Erſter Band: Joh. Friedr. Falke und das Chronicon
Eorbejenfe. Bremen, Geister. Gr. 8. 1 Ihe. 7%, Nat.
ohl, 3. ©., Reifen in Irland. Zwei Thelte. Dresden,
Arnold. 8. MD Ror
—5 Fa 4 Thir. 10 A
nutoli, 9. G. d., Topographiſche Überficht der Aus:
grabungen griechifcyer, roͤmiſcher, arabifcher und anderer Müns
zen und Ainnfigegenflände, wie ſolche zu verfchiedenen Zeiten in
den Küftenländern des baltifchen Meeres ftatt gehabt; zugleid
als Andeutung über den Handelsverkehr ber norbdeutfchen und
morgenländifhen Völker. Berlin, Logier. Gr. 8. 18 Nr.
Pfaundter, J., Über die Hexenprozeſſe bes Mittelalters
mit ſpezieller Beziehung auf Tirol. Nebſt Anhang, die akten-
mäßige Darftellung eines ſehr intereffanten Herenprogeffes vom
Jahre 1680 enthaltend. Innsbruck, Pfaundter. Gr. 8. 7 Nor.
Roſenkranz K.⸗Pſychologie oder die Wiſſenſchaft vom
fubjectiven Geiſt. 2te fehr verbeflerte Auflage. Nebft Wider:
legung der von Hrn. Dr. Exner gegebenen vermeintlichen Wi:
deriegung der Hegel’fchen Pfychologie. Königsberg, Bornträger.
r. 8. 2 Zhir. 7Y, Nor.
Sandford, Mrs. John, Die Frau in ihren häuslichen
und geſellſchaftlichen Verhaͤltniſſen. Aus dem Englifchen frei
überfegt von Mathilde Tobler. Gt. Gallen, Scheitlin und
Zollifofer. Gr. 8. 26, Nür.
. Sqchaefer, I. W., Grundriß der Geſchichte der deutſchen
giteratur. Ite verbefferte Auflage. Bremen, Geisler. Gr. 8.
12Y, Nor.
awars, 8. 9- ©., Lehrbuch der Erziehung und dei
Unterrichts. Ate Auflage. Neu bearbeitet ais Handbuch für
Eitern, Lehrer und Geiftiihe von W. 3. G. Turtmann.
Erfter Theil: Lehrbuch der allgemeinen Pädagogik. Heidelberg,
Winter. Gr. 8. 22%, Ngr.
Wach, H., Wunderbare Schicfale und Irrfahrten ber
perſiſchen Graͤfin mit dem Todtenkopfe. Eine wahre Geſchichte,
| hnitgetbeilt aus glaubwürbdigen Papieren. Berlin, Babe. Ki. 8.
/s Nor.
Verantwortliher Heraudgeber: Heinrich Brodhausd. — Drud und Verlag von 8. A. Brockhaus in Leipzig.
Blatter
für
literarifhe Unterhaltung.
Über die Nothwendigkeit eines gefeßgebenden Ge:
lehrtenvereind für Werbefferung und Bortbildung
ber beutfchen Sprache.
Es bedarf keines Beweiſes, daß die deutſche ebenfe
tie jede andere lebende Sprache einer fortwährenden Ver⸗
vollommmung und Verdeſſerung fähig iſt; ebenfo leuch⸗
tet aber auch jedem unparteiiſch Prüfenden ein, daß Dies
felbe einer ſolchen Werbefferung mehr als ‚viele andere
Sprachen bedarf. Je mehr wir uns mit unſerer kraͤfti⸗
gen, reichen, urfprünglichen und mit allen möglichen ap:
dern Ehrennamen bezeichneten Haupt: und Heldenſprache
drüften, deflo härtere Vorwürfe treffen uns ſelbſt, die wir
diefe Herrliche Sprache fo wenig zu handhaben willen und
fo wenig wahrhaft begreifen *), daß wir barin leicht alle
andern gebildeten Völker Europas als unſere Meiſter an:
erkennen müflen. Wo finden wir in einem beutichen
Buche folche Klarheit und Nichtigkeit, Zierlichkeit und
Schönheit, wie beim ſchlechteſten itaflenifchen, ſpaniſchen,
franzöfifchen Schriftfteler? Ich weiß wohl, weiche Ent⸗
fhuldigung man dafür anfühst: unfer tieferes Denken,
unfer gruͤndlicheres Wiſſen. Ich denke, bie Sprache fol
der Ausdruck des Geiſtes, des Gedankens fein und wie
der Gedanke, fo die Sprache: wer Har denkt, fpricht und
ſchreibt klar, und umgekehrt: wer unklar und vermorren
ſchteibt, denkt ebenfo, ander er iſt nicht Herr über bie
Sprache als das Mittel zur Darfielung feiner Gedanken.
Nun wird aber unfere Sprache, und weit Mecht, als eine
tiefe, reiche, herrliche Sprache gepriefen; es ift alfo nicht
ihre Schuld, wenn fie ſich nice in ihrer Schönheit und
Reinheit zeigt, fondern die Schuld Derer, bie fie handha⸗
ben. Gerade je tiefer wir denken, deſto klarer muͤſſen
wir uns doch wol werden.
Worin befiehen nun die Mängel ber beutichen Sprache,
wie fie jegt gehdt wird? Zunaͤchſt, wenn wir mit dem
fheinbar Kieinften und doch fehr Bedentungsvollen ans
fangen wollen, find wir nicht einmal im Klaren, ob wir
) Be wir unfere Sprache begreifen, unb wie wenig
wir ihre Eigenthuͤmlichkeit, ich wi nicht einmal fagen Kar er-
fennen, ſondern nur fühlen, gebt u. A. ſchon baraus hervor,
daß wir fo oft zweifelhaft find, ob eine Verbindungsweiſe ober
ein Wort deutſch HE oder nicht! Cine ber dvieien unglädfeligen
Yolgen der Sprachmengerti!
Freitag, ö— Kr. 286.
eigene Buchſtaben haben wollen oder nicht; denn «6 find
Viele, melche unfere deutſchen Buchftaben als erwas Frem⸗
des, Geraubtes, Unpaſſendes, Haͤßliches verwerfen, und
uns die lateiniſchen Buchſtaben wieder aneignen wollen.
Es wuͤrde zu weit fuͤhren, in dieſem Aufſatze auf eine
erſchoͤpfende Beſprechung dieſes Gegenſtandes eingehen zu
wollen. Nur wenige Worte will ich im Vorbeigehen
darüber fagen. Schon Leibnig (‚‚Unvergreifflicde Gedau⸗
ken“, $. 104) empfiehlt dan Gebrauch der lateiniſchen
Buchſtaben in deutfchen Schriften, „weil den Doll: und
Miederständern die Hoch⸗Teutſche Schrift bey unfern Buͤ⸗
chern beſchwerlich fuͤrkommt, und folche Bücher weniger
lefen macht“. Ich denke, wer fich bie Mühe gibt, bie
deutſche Sprache zu lernen, wird auch leicht die deutſchen
Buchſtaben mit fernen können; wir, die wie ſelbſt fo
viele fremde Schriftarten lernen müffen, treiben auch bier,
wie gewoͤhnlich, unfere Höflichkeit gegen die Fremden fo
weit, daB wir aus bioßer Höflichkeit unfer Eigenthum
aufgeben wollen (mie dies in der That chen oͤfters ger
nug gefchehen iſt). Denn unfer Eigenthum find bie deut:
(hen Buchſtaben geworden; freilich haben fie fig nur zu⸗
fähig und unabſichtlich aus ben kateinifchen gebildet, aber
find die lateinifchen anders aus ben griechifdhen, Die gries
hifhen anders aus den phoͤniziſchen entfianden? Ih bin
weit entfernt, bie vielerlei Mängel, welche die deutſche
Schrift hat, zu verfennen, aber ich fehe nicht, daß bie
Inteinifche von diefen Mängeln frei iſt, wie denn über
baupt eine den Lauten genau entfprechende Schrift zu
den feommen unausführbaren Wünfchen gehört. Was
zu einer folchen gehört, fann man ungefähr aus Rapp's
„Verſuch einer Phyſiologie der Sprache” abnehmen,
Warum follen wir nun alfo unfere zwar mangelhafte,
aber feit Jahrhunderten uns uͤblich gewordene Schrift ge⸗
gen eine andere, gleichfalls mangelhafte und dazu fremde
vertaufchen? Jakob Grimm und die andern ihm nach
folgenden deutſchen Sprachforſcher haben die lateiniſche
Schrift wieder eingeführt (Grimm fagt: „wer die soge-
nannte deutsche schrift braucht, schreibt barbarisch’”)
und mancherlei Veränderungen und Verbeſſerungen an
denfelben angebracht. Sollte aber die deutfhe Schrift
nicht derfelben Verbeſſerungen fähig fein? Gewiß, «6 bat
fi nur noch Niemand die Mühe gegeben, ernſtlich über
eine DVerbefferung der beutfchen Buchſtaben nachzudenken.
1146
Wenn man ferner fagt, die deutſchen Buchflaben feien
verunftaltet, fo iſt dies allerdings nicht unbegründet, in>
defien kommt es bier ſehr auf den Schnitt der Buchflas
ben, auf die Schärfe des Druds und auf das Papier
anz «6 gibt gewiß fo viele lateiniſch gedruckte Bücher,
welche häßlich, wie deutſch gedruckte, weiche ſchoͤn ausſehen.
Menn wir fo nicht einmal im Allgemeinen über bie
Zeichen, deren wie uns beim Schreiben bedienen follen,
einig find, fo iſt e8 mit der Schreibung der einzelnen
Wörter noch viel fhlimmer. Der Eine will Alles der
Ableitung, der Andere der Ausfprache gemäß gefchrieben
haben, der Dritte will nicht am Schreibgebraudye rütteln.
Das Leptere wäre in gewiſſer Beziehung das Beſte, wes
nigſtens jedenfalls das Bequemfte und den mindeften
Anftoß Erregende, wenn wie nur im Deutfchen einen bes
flimmten Gebrauch hätten. Fragen wir aber in zweifel:
haften Fällen (und wie außerordentlich häufig find diefe!)
nad) dem Gebrauche, fo werden wir gewiß jedesmal ver⸗
fchiedene Antworten erhalten, weil wir durchaus nichts
Haben, woran wir uns halten können; benn felbft wenn
wie nad der Mehrheit der beften Schriftftellee uns ent:
fyeiden wollen, fo wiſſen wir wieder nicht, welches die
beften Schriftfteller, d. h. die, denen wir in der Schreis
dung fowol wie in der Schreibart oder bem Stile unbe:
dinge als Mufter folgen önnten, find. (E. M. Arndt
nennt — ‚„Zurnwefen‘‘, S. 73, — bie drei größten Muſter
deutſcher Schreibart: Luther, Lelfing und Goethe in ſei⸗
nen exften dreißig Fahren.) Da es nur großen Geiftern
gegeben iſt, eine eigenthuͤmliche, mufterhafte Schreibart
zu fhaffen, fo müflen die minder Begabten fich mit
Nachahmung begnügen. Die Beſſern werden ein ihrem
Beifte und ihrem Gegenſtande entfprechendes Vorbild zu
finden wiffen, aber der große Haufe der mittelmäßigen
Schriftſteller ahmt Goethe oder Schiller oder Jean Paul
oder Heine oder gar einen römifchen oder griechiſchen Schrift:
fleller äußerlich nad) und wird dadurch einfeltig oder ganz
undeutfh. Der Saybau und die Wortfügung iſt in den
meiften deutfchen Schriften, felbft bei den beften Schrift:
flelleen, Häufig genug entweder nachläffig und liederlich,
oder ſchwerfaͤlig, dunkel und verworren, wenigftens felten
ſchoͤn und rein deutſch. Ungetrübte Schönheit der Korm
iſt überhaupt in deutfchen Schriften undenkbar, fo lange
fle von Srembrodrtern wimmeln. Ich babe mich darüber
anderwärts fo ausführlidy ausgefprochen *), daß ich hier
diefen Schandfleden in unferer Behandlung der beutfchen
Sprache nur anzudeuten brauche,
Wenn wir aber auch von der Schönheit abfehen, fo
haben wir es nicht einmal bis zur Nichtigkeit und Mes
gelmaͤßigkeit gebracht; denn nicht felten finden fich felbft
bei unfern bedeutendfien Schriftftellern Verſtoͤße gegen all:
gemein angenommene Megeln. Gerade geiftreiche Maͤn⸗
ner glauben mit der Sprache nah Willkür fchalten und
walten zu können, ja fie machen fich oͤfters ein Vergnuͤ⸗
gen daraus, ganz undeutſche, fogenannte kuͤhne Wendun:
REES geb np U mb im
bende ftöße nicht fehr häufig auf Fälle
gen zu gebrauchen, um baburdy die Geduldigkeit der deut:
fhen Sprache und ihre Herrſchaft fiber dieſelbe, oder befs
fer, ihre Knechtung berfelben darzuchun. Lehrer,
weicher Schriftfteller nicht bloß, fondern Überhaupt Schreis
| ‚ in benen die
Deutfchen felbft über die Regeln ihrer Sprache, über den
Gebrauch einzelner Wörter u. dgl. uneinig find? Der
Eine erklärt geradezu für einen Fehler, was der Andere
für unumſtoͤßlich richtig erklärt, und Niemand if ba, der
den Streit ſchlichtet. Wie viele Nachtheile und Verle⸗
genheiten beim Unterrichte vorkommen, wo oft an derſel⸗
ben Anftalt verfchiedene Lehrer ganz verfchiedenen Grund:
‚fügen huldigen, brauche ich nicht weiter auszuführen.
Wenn die genannten Mängel wirklich vorhandene
Überflände der deutfchen Sprache betreffen, fo leidet diefe
auh noͤch an einem andern Mangel im eigentlichen Sinne
des Worte. Es mangeln ihre noch. unendliche Schaͤtze,
welche, größtentheils unbekannt, zum Theile ungeahnet,
in den lebendigen Volksmundarten verborgen find. Da:
mit ſteht in naher Verbindung, daß die deutſche Sprache
in ihrem jegigen Zuflande den Bewohnern dee Landſchaf⸗
ten gar zu fremd und zu todt iſt; denn fie mäflen fie
faft wie eine fremde Sprache aus der Sprachlehre erler⸗
nen, und lernen fie doch nicht Teiche gut genug, um ganz
in ihr heimiſch zu werden.
Wenn wir alle die angedeuteten Maͤngel der deut⸗
ſchen Sprache in ihrem gegenwaͤrtigen Zuſtande als be
gründet anerkennen, fo entſteht die natürliche Frage, wie
benfelben abgeholfen werden ann, und wer ihnen abhel:
fen kann. Bon Vielen würden wir fchnell die Antwort
befommen, daß die Sprache fich felbft im Wolke und
durch das Volk fortbilden muͤſſe, und daß ſich kein Ein;
jener anmaßen dürfe, in das Walten des Sprachgeiſtes
einzugreifen. Es ift wahr, daß auch die Sprachen, melde
fi der Fürforge von Gelehrten nicht oder wenig zu er:
freuen gehabt haben, ſich gleichwol fortwährend vervoll⸗
kommnet und weiter gebildet haben, denn da die Sprache
gleihfam der hoͤrbare oder laut werdende Geift eines
Volks ift, fo muß fie fi in demſelben Maße entwideln,
In welchem ficy der Geiſt fortbildet. Es fragt fich aber,
ob unfere jegige Sprache fich noch in diefem natürlichen
und urſpruͤnglichen Zuftande befindet, in dem fie mit dem
Geiſte eins ift. Wollen wir hier nicht auf Jerwege ge-
rathen, fo dürfen wie von der oben gegebenen Erklärung
der Sprache nicht abgehen: fie iſt der in Lauten verkoͤr⸗
perte Geiſt. Nun ift aber der Geiſt jedes Menfchen ein
anderer, alfo auch die Sprache, und wir Lönnen daher
mit Recht fagen: fo wie nicht zwei Menſchen einen und
denfelben Beift haben, fo haben auch nicht zwei Men:
ſchen eine und diefelbe Sprache, und wenn fie fi) auch
berfelben Woͤrter und Formen bedienen, fo iſt doch ihre
Ausfprache, ihre Betonung, ihr Ausdrud ein anderer.
Je enger aber die Menſchen miteinander verbunden find,
und je enger fie beieinander wohnen und fich ineinander
hineingelebt haben, deſto ähnlicher werden ihre Sprachen,
fodaß jede Familie, jeder Sau feine eigene Sprache er:
hält. Und biefe, fozufagen nathırliche und urſpruͤngliche
1147
Sprache bildet ſich allerdings ſelbſt fort zugleich mit dem
Geifte der fie vedenden Menſchen. Wir drüden dies fo
aus: der Sprachgeiſt — dies iſt aber eben nur der
Menſchengeiſt — waltet in ihr und entwidelt fie fort
und fort.
Iſt nun aber unfere deutſche Sprache, wie wie uns
deren zum Schreiben bedienen, eine folche natürliche
Sprache, eine fo von felbſt aufleimende und ungepflegt
auffproffende Pflanze? Nein, fie ift es nicht und fol es
nicht fein, fo wenig wie irgend eine Geſammtſprache.
Wenn ein Boll zu einiger geiftigen Ausbildung gelangt
ift, fängt es an, feine Erfahrungen, Kenntniffe, Empfin:
dungen in Schriftwerke niederzulegen; die Sprache, deren
es fih beim Schreiben bedient, iſt diefelbe natürliche
Sprache, bie es ſpricht. Aber das gefchriebene Wort
bleibt, während das gefprochene ſchnell verfliegt; man vers
wendet daher mehr Fleiß und Aufmerkſamkeit auf jenes,
und fo wird die gefchriebene Sprache unmerklich eine an:
dere, Lünftlichere, zierlichere, regelmäßigere als die be:
queme und nacläffige Umgangsſprache. Da aber nicht
das gefammte Volk fchreibt, fondern nur wenige vorzugs⸗
weife begabte Männer, fo geht die Bildung des Geiftes
und der Sprache von der Gefammteheit des Volks auf
diefe Einzelnen über, denen die Fortbildung dee Schrift:
ſprache, bie fie ſelbſt erſt von der Volksſprache gefons
dert haben, uͤberlaſſen bleibt. Dieſe Fortbildung einer
Schriftſprache iſt kein zu ſchwieriges Geſchaͤft; der Schrift⸗
ſteller nimmt die Schaͤtze, die er in der Volksſprache fin⸗
det, und hat ſie nur zu laͤutern; uͤberall zeigt ihm die
lebendige Volksſprache den Weg, den er zu wandeln hat.
So haben es z. B. in Griechenland die ioniſchen, atti⸗
ſchen, doriſchen, aͤoliſchen Schriftſteller gemacht; von
deutſchen nenne ich nur Hebel.
Weit ſchwieriger iſt aber die Fortbildung einer an⸗
dern Art von Sprache, einer Geſammtſprache. So wie
wir oben geſagt haben, daß jeder Ort, jeder Volksſtamm
feine eigenthuͤmliche natürliche Sprache hat, fo kann auch
jeder Volksſtamm feine eigene Schriftfpracye haben (mie
die griechifhen Stämme), welche fih von jener duch
nichts als durch größere Bierlichleit und Regelmaͤßigkeit
unterfcheidet. Wir nennen dieſe Arten von Sprache
Voltsmundarten, und zwar bie erftere Art geſpro⸗
dene, die zweite geſchriebene. Solcher Volksmund⸗
arten gibt es alfo in jedem Lande fo viele, wie «8 Volks⸗
fämne und Landfchaften, ja Orter gibt. Sobald nun
ein Drt ober eine Landfchaft die flaatliche oder geiflige
Herrſchaft über das ganze Ubrige Land ſich erringt, oder
fobald alte Landfchaften fich nur als Stieder eines und
deſſelben Volks fühlen lernen, muß fi eine Sprache bil:
den, weiche dem ganzen Volke als ſolchem angehört und
weiche über allen Volksmundarten fteht und diefe gleich
ſam in fich faßt; dies äft die Geſammtſprache. Ihre
Oberhoheit muͤſſen alle Glieder des Staats, felbft wenn
fie einem andern Sprachflamme angehören, entweder durch
äußern Zwang oder duch inneres Beduͤrfniß genoͤthigt,
anerkennen. Es mag ſchmerzlich für uns fein, wenn wir
> B. unfere fchon laͤngſt flaatlih von und getrennten
Ranböteute im Elſaß auch ſprachlich von uns losreißen
feben, aber wenn wir gerecht fein wollen, müffen wir
geftehen, daß Frankreich nicht anders handeln kann, als
daß es die franzoͤſiſche Sprache im Elſaß auf alle Weiſe
mehr und mehr einzubürgern ſucht; alle Eroberer thun
die und müflen es thun. Natürlich ift nun aber bie
Geſammtſprache für die Menfchen von fremden Volks:
flamme etwas Fremdes, Aufgedrungenes, was fie fi erft
‚anlernen müffen. Aber aud für die Menſchen von glei:
hem Volksſtamme ift fie etwas Fremdes, wenn fie nicht
gerade zu der Landfchaft gehören, melche ſtaatliches oder
geiſtiges Übergewicht erlangt bat; die fpanifhe Gefammt:
fprache ift 3. B. für die Catalanen oder für die Galicier,
die italienifche iſt für die Sicilier oder Piemonter, bie
franzöfifye für, die Gascogner oder Picarden, bie
deutfche für die Oftreicher oder Weſtfalen etwas Fremdes;
es iſt nicht ihre eigene mit der Muttermilch eingefogene
Sprade; fie können ſich nicht darin zurechtfinden. Die
Sefammtfpracye jedes Landes fol aber, wenn wir wieder
auf den Begriff der Sprache überhaupt zurückgehen, nichts
Anderes fein als der Ausdrud des Gefammtgeiftes eines
Volks; an diefem haben aber alle Landfchaften Theil und
alle tragen mehr oder meniger dazu bei; ich halte es da⸗
ber für die hoͤchſte Aufgabe der deutſchen Geſammtſprache
in&befondere, daß fie die Schönheiten und Eigenthuͤmlich⸗
keiten aller Volksmundarten fo viel wie möglich in fich
vereinige.. Sie kann ihren Stoff nur aus den lebenden
Volksmundarten nehmen; je mehr fie fi) von diefen ent:
fernt, deſto mehr erſtarrt fie und wird eine todte Bücher:
ſprache. Wir dürfen eine ſolche Sprache alfo nicht dem
Zufalfe überlaffen, fondern müſſen an ihrer Fortentwicke⸗
lung arbeiten, denn wie haben Alle Theil daran, und
ber deutfche Geiſt wird aus der deutfchen Sprache ers
annt.
Wie koͤnnen und follen wir nun aber unfere deutfche
Sefammtfprache fortbilden? In allen Dingen ift die Ge
fhichte die befte Lehrerin; wir wollen daher fehen, was
etwa andere Völker zur Entwidelung ihrer Sprache bei
getragen haben.
Die Griechen hatten, fo lange fie unabhängig wa⸗
ten, keine Geſammtſprache, weit fie nie ein Geſammtvolk
bideten; fie hatten aber faft fo viele Schriftfprachen, mie
fie Landfchaften hatten. Gleichwol fühlten fie ſchon das
mals das Bedürfniß einer Art von Gefammefprache oder
wenigſtens einer Kunftfprache, welche die mangelnde Ges
fammtfprache erfegen follte; denn für gewiſſe Gattungen
bes Schriftenthums wurden gewiſſe, denfelben am meiften
zufagende Formen flehend, für das erzählende Gediche
3. B. die gefhmwägige, dußerliche ionifhe Mundart, für
die Gefühlsdichtung die Pernige, innerliche dorifche, wes⸗
halb ſelbſt die attifhen Schaufpieldichter doriſche Formen
aufnahmen, wo das Gefuͤhl in ihren Schauſpielen her⸗
vortrat (in den Chorgeſaͤngen), waͤhrend fuͤr die Beredt⸗
ſamkeit durchaus die gewandte und vermittelnde attiſche
Mundart gebraucht wurde, auch wo fie Fremde übten,
wie z. 8. Gorgias, Protagoras u. f. w. Daher fpricht
man von einer epifhen, lyriſchen, tragifchen Sprache.
1138
Erf mit dem Untergange ber griechifchen Unabhängigkeit
hörte die Befchtedenheit der einzelnen griechifchen Staaten
und fomit audy die ber gefchriebenen Mundarten auf.
Erſt jetzt erlangten die Griechen eine Sefammtfpradye und
zwar in der attffhen Mundart, welche fich laͤngſt ein
geiſtiges Übergewicht errungen hatte, da in ihr die größs
ten Meiſterwerke des griechifchen Schriftenthums abgefaßt
warm. Da fie nun nicht nur allgemeine Schriftfprache
wurde, fondern auch ber ganz Griechenland, über Sy:
tim und AÄAgypten ſich verbreitete, fo erhielt fie von nun
an den Namen Hellenifche oder Geſammtſprache (EiAnvexr
oder xomwn dıadextos). Anfangs war es aber immer
nur noch bie attifhe Mundart; folite fie wirklich als Ge:
fammtfpradye fich erhaften, fo mußte fie alle Mundarten
in fih zu vereinigen fuchen.
Aufgabe der Gefammtfprahe und fuchten die attifche
Mundart in ihrer alten Meinheit zu bewahren — bie
Attikiſten. Der unter dem Schuge der Ptolemäer und
durch diefe begründete Gelehrtenverein zu Alerandeia, der,
tote er überhaupt meltgefchichtliche Bedeutung erlangt hat,
namentlich für die Fortbildung der griechifchen Sprache
von der hoͤchſten Wichtigkeit ift, erkannte die Aufgabe
der Gefammefpracye richtiger. Diefe Gelehrten fchieden
im Gegenfage zu den Attikiſten alles Dasienige aus, was
der alten attifhen Mundart ganz eigenthuͤmlich geweſen
war, und nahmen Formen, Ausdräde und Redensarten
aus allen andern griehifhen Mundarten auf, wenn fie
zur Vervollkommnung der Sprache dienen konnten. Sie
legten Verzeichniſſe (xavoves) für jede einzelne Gattung
der Dichtung an, in welche fie die Dichter aufnahmen,
die für würdig erachtet wurden, von der Nachwelt ferner
gelefen und als Mufter (als claffifch) betrachtet zu wer:
den. Die altgriechiſchen Werke unterfuchten und prüften
fie namentlih auch in ſprachlicher Hinſicht, ſodaß fie über:
haupt die erſten Begründer ber Sprachforfhung wurden;
fie ftellten in zweifelhaften Fällen Regeln auf über die
Schreibung, uͤber gewiſſe Berbindungsweifen, uͤber ein-
zelne Ausdruͤcke, über den Verbbau, trugen Wörterbücher
zufammen u. f. w. Dabei zeichneten fie felbft in ihren
Schriften ſich durch außerordentliche Reinheit der Sprache,
durch hoͤchſt geregelten Versbau, durch oft bemundern®:
werthe Glaͤtte und Feinheit aus, ſodaß fie felbft der Nach⸗
welt als Mufter dienten. Die griechifche Geſammtſprache
iſt alfo recht eigentlich vom Gelehrtenvereine in Alexan⸗
dria durch Sprachforfhung und durch eigene fchriftftelle:
rifhe Leiſtungen fortgebildet, ich möchte faft fagen er:
halten worden.
(Die Sortfegung folgt.)
Literarifhe Notizen aus Franfreid.
Soufin’s vermiſchte Schriften.
Auch in Frankreich wird jest aller Wuft aufgeräumt und
Alles, was nur irgend aus der Feder eines berühmten Mannes
gefloffen ift, mag es nun ein Gefchäftsbrief, cine vertrauliche
Mittgeitung oder auch nur ein Goncept und ein roher Entwurf
fein, zum großen Frommen der Rachwelt aufbewahrt. Dabei
haͤlt fi in der Regel auch der unbebeutendfte Schriftſteller für
Manche verfannten diefe
I et V’Italie‘‘ angedeutet hat.
berechtigt, Alles, wat ein nachſechtiges Rebacteur in feinem
Blafte hat abdeucken Tafien, in Hefander Sammlaungen u... T
„Melanges‘' wf.w zufommenzufellen. Bon den zahlreichen Fa⸗
brikbuͤchern dieſer Art, bie wir in ber letzten Bet erhalten ha;
ben, find nur drei von wirklichem Werte. Es find dies bie
Sammlungen vermifcgter Schriften von Mignet, Magnin und
Eoufin. Der „Uiscours et de Migaet” (3 Mbe., 1843)
baben wiz in biefen Blättern ſchon gebacht. Aud bie „Can-
series’ von Magnin, dem treflichen Verf. der „Origines du
theätre” u. f. w., enthalten des Intereffanten und Werthoollen
viel. Ein großer Theil der einzelnen Abhandlungen war bereits
in verſchiedenen periodifchen Blaͤttern abgebrudt und namentlid
erhalten wis eine Auswahl der trefftichen Auffäge, mit benm
Magnin, einer ber ausgezeichnetften Stiliſten Frankreicht und
ein ſcharfer, klarer Kopf, das oft etwas unerquidiiche „Jour-
nal des savants’ bereichert hat. Roc weit intereffanter ift
bie Sammiung Eteiner Abhandlungen Goufin’®, ber eine firenge
Auswahl getroffen bat, obgleich Alles, was von ihm herrührt,
ein mehr als vorübergebendes Interefle in nehmen
fann. Unter ‚den verſchiedenen Auffägen, bie er in feine „Prag-
ments litteraires”, weldye vor kurzem die Preffe verlaflen ba:
ben, aufgenommen bat, heben wir vorzuͤglich eine ‚Notice sur
les dernieres anades de Ia vie de Kant“ hervor. Coufin gibt
für uns Deutfche freilich Hier nichts Neues, aber trogdem wird
man dieſes abgerundete Bid mit Wergnägen betrachten. Nicht
weniger intereffant ift die „Histoire de la penitence de la
duchesse de Longeville”, in ber wir einige Auffchlüffe über
diefe wichtige Bekehrungsgefchichte erhalten. Auch der Auffas
‚Documents insdites sur le celebre jurisconsulte Domat“ ger
hört der Periode an, ber füh Soufin, ber Reftaurator ber
„Pensees de Pascal”, in neueſter Zeit mit befonderer Wortiche
zugewendet zu haben fdheint. Am meiften aber von allen eins
zelnen Stüden, die der berühmte Philofoph feiner Sammtung
einverleibt Hat, find wir von einem Auffage angefprochen, ven
er bem Andenken des Oberflen Santa : Rofa, befanntiich in der
piemontefer Revolution im J. 1821 betheiligt, gewidmet bat.
Diefed biographiſche Bruchſtuͤck iſt uns zwar ſchon aus der
„Revue des deux mondes”, tie es vor einigen Jahren mitge:
theilt bat, bekannt, aber wir haben e8 aufs neue mit dem
iebhafteften Intereffe durchgetefen. Die rührenden Seilen, bie
Gouſin feinem hingefchtedenen Freunde, ber während feines Eur:
zen Aufenthalts in Paris mit Rotb und Giend zu kaͤmpfen
hatte, wibmete, find rührend und verrathen bei ihrem Verf.
ein tiefes Gefühl, wie es der Fältere Philofoph nur felten ber:
auskehrt. Daß es indeſſen Couſin nicht verſchmaͤdt, fein In—
nerſtes aufzuſchließen, konnte man auch ſchon in ber meifterhafs
ten Rebe am Grabe bed unvergeßlichen £aromiguiere ſehen, wo
er feinem Echmerze ungehemmt Luft machte.
Sur Philoſophie der Geſchichte.
Gerrari, der einiger frsifinnigen Außerungen wegen des
Kommunismus verdächtigt und feiner Profrffur in Strasburg
enthoben wurde, bat vor kurzem ein Wert herausgegeben, das
neben den Beſtrebungen der juͤngern Philoſophen in Frankreich
genannt zu werden verdient. Es iſt dies ein „‚Eassai sur le
principe et les limites de la philosophie de l’histoire”. Der
Deraudgeber des Vico (6 Bbe., Paris 1835 — 37) entwidelt
bier die Anfichten, die er fchon in einer frähern Schrift „Vico
Im Allgemeinen zeigt fic bei ben
meiften franzöftfchen Werken über Philoſophie der Geſchichte
ber große Einfluß, den Vico in Frankreich ausgeübt bat. Auch
Michelet, der bekanntlich einige Abhandlungen bes großen itas
lienifchen Philoſophen überlegt hat, verieugnet dirſe Ginwirkung
nicht „Ferrari Außert ſich über den Begriff der Philoſophie ber
Geſchichte folgendermaßen: „Ich verftebe darunter eine Phi:
loſophie des Ideale, eine abſiracte Rachweiſung von den
dortſchritten ber Vernunft.“ Eigenthuͤmliche Anfichten haben
wir in ſeiner Schrift, die nicht feiten ans Unverſtaͤndiiche ſtreift,
nicht gefunden. 2.
Verantwortlicher Herausgeber: Heinrih Brockhaus. — Drud und Verlag von 8. A. Brodhaus in Leipzig.
— —⏑ 2⏑ 2—2
Blätter
für
literarifhe Unterhaltung.
Sonnabend,
14. October 1843.
Über die Nothwendigkeit eines gefeßgebenden Ge:
lehrtenvereins für Verbeſſerung und Fortbildung
der beutfchen Sprache.
(Bortfegung aus Nr, 286; )
Wir tommen nun zu den Römern. War bei den
Griechen Zerfplitterung der Herrſchaft und der Sprache,
fo war bei den Römern Einheit und Feſtigkeit beider,
Bei ihnen follte nur die Sprache der Hauptfladt Guͤl⸗
tigkeit haben, die Mundart einer einzelnen Stadt erhob
fih alfo zur Geſammtſprache, ber alle andern Wolle:
mundarten im römifchen Reiche fo unterthban waren, daß
fine einzige fich zw fchriftftellerifcher Ausbildung erhob.
Die Entwidelung der roͤmiſchen Sprache war der kleinen
Zahl von Gelehrten und Schriftſtellern überlaffen, die jeder
auf feine Weiſe die Sprache ausbildeten. Ste verfann:
ten aber nad) und nach immer mehr die Beflimmung
der Geſammtſprache, welche eine geläuterte Volksſprache
fein fol, denn nicht aus ber lebendigen Volksſprache,
welche fie veradhteten, fchöpften fie Kraft und Reichthum;
nicht ihr fuchten fie möglichft nahe zu bleiben, fondern
die fremde heilenifche Sprache nahmen fie zum Mufter,
ihr fuchten fie fih fo viel wie möglich anzuſchmiegen;
daher mußte der vollsthümliche Ton immer mehr einem’
fremden, fchwälftigen und gezierten Zone mit griechifchen,
vom römifchen Volke nicht verftandenen Wendungen und
Berbindungen weichen und es entfland eine endlih un:
überfteiglihe Kluft zwifchen bee Schriftfprache und der
Volksſprache. Die römifhe Schriftfprache mußte daher,
je mehr fie aus dem Leben berausgeriffen wurde, deſto
mehr erftarren, bis fie endlich vollig tobt in den Händen
der einzelnen Gelehrten und Schriftfleller blieb, welche fie,
ohne fih an die Volksthuͤmlichkeit zu Lehren, nach ihrem
eigenen Sinne nad) fremden Muſtern fortzubilden fich ge:
wöhnt hatten. Die Sprachlehrer, welche zum Theil den
bevorftehenden Untergang. der Lateinifchen Sprache vorauss
fahen, flanden zu einzeln da und hatten zu wenig Ein:
Aug auf die Schriftfteller, um ihn abwenden zu können.
Und er ſollte auch nicht abgewendet werden, denn nun
erhoben fich die lebendigen Volksmundarten, die fich in:
zwifhen ganz naturgemäß fortgebildet hatten, und traten
allmaͤlig fetbftändig in fcheiftftellerifchee Ausbildung auf —
die romaniſchen Sprahen. In Italien bildete fi
aus den verfhiedenen Mundarten eine Geſammtſprache,
ber bie toscanifhe Mundart, welche bereits ein geiflige®
Übergewicht erlangt hatte, zum Grunde lag. Als Be:
geünder diefer italieniſchen Gefammtfprache wird mit Hecht
Dante angefehen, der auch felbft eine Schrift äber die
Vollsmundarten und ihr WVerhäftnig zueinander („De'
vulgari eloquio’) ſchrieb. Nach ihm wurde die Sprache
von mehren ausgezeichneten Schriftftellern im ihren‘ Wers
ten welter gebildet. Aber fchon im Anfange des 16. Jahr⸗
bunderts fühlte man, daß man” die Sprache nicht bem
Zufalle und der Willklir einiger einzelnen nicht nad) bes
flimmten und übereinftimmenden Grundfägen verführen:
den Schriftjtellee Üüberlaffen dürfe. Man fing daher an,
die Mutterfprache eifrig zu erforfihen und zu beatbelten.
Es bildeten fidy zu dieſem Ende eine fehr große Anzahl‘
von gelehrten Gefelifchaften, deren faft jede größere Stadt
in Stalien mehre hatte; fie legten ſich einen meiſtens
Eifer und Vegeifterung andeutenden finnbildfihen Namen
bei, verfielen in Spielereien und dauerten in einiger Mick:
ſamkeit felten ein Menfchenalter aus. Beſonders aber
zeichnete ſich Florenz durch feine Sefeltfyaften aus, na⸗
nıentli durch die 1540 geftiftete, noch jest beſtehende
Accademia fiorentina (anfangs Accademia degli Umidi
genannt) und ganz vorzüglich durch die Accademia della
Crusca (Kleiengeſellſchaft), fo genannt, weil fie die Kleie
vom guten Mehle ſcheiden wollte. Sie ging aus jener
bervor und wurde 1582 durch Grazzini begründet (1584
feierlich eröffnet). Sie hatte ihe Augenmerk einzig auf
die Sichtung und Ordnung bed italieniſchen Sprachſtoffs
und auf regelmäßige Begründung und Verbeſſerung der
Sprache gerichtet, und fie hat diefer in der That fehr
große Dienfte geleiftee. Ihe Wörterbuch, das erfte ent:
germaßen vollftändige und befte der italienifchen Sprache,
erlangte trotz mancher Misgriffe bald auch außerhalb Tos⸗
cana ein faft unbegrenztes Anfehen, welches alle Schrift
fteller gern anerfannten und welches in allen zmweiftihaften'
Fällen den Ausſchlag gab. Noch nach langer Zeit diente
das Woͤrterbuch der Crusca andern Völkern bei der Ab:
faffung von Geſammtwoͤrterbuͤchern ihrer Sprache ale
Muſter. Erft in der neueflen Zeit ift diefer gefeggebende
Gelehrtenvperein mit mehr Erfolg angefochten worden,
weil er die lebenden Volksmundarten nicht genug beruͤck⸗
fihtigt hat. Im Allgemeinen aber kann man nicht leug⸗
1150
nen, daß er es eigentlich tft, welcher italienifche Sprache
weiter gebildet hat und fie weiter fortbilden wird, wenn
er auf die Volksmundarten die nöchige Ruͤckſicht nimmt,
und wenn er immer mehr ein wahrhaft italienifcher zu
werben, nicht blos ein toscanifcher zu fein ſtrebt.
Noch größer ift die Wirkfamkeit des parifer Gelehr⸗
tenvereins für die Verbefferung der franzöfifhen Sprache.
Er wurde bekanntlich unter Richelieu's Schu 1635 be:
gründet, um der franzöfifhen Sprache fefte Regeln vor:
zufchreiben. Gleich im Anfange feiner Wirkſamkeit er:
warb fich diefer Verein hohes Anfehen durch feine unpar:
telifche und würdevolle Prüfung von Corneille's Cid“;
nah ber Herausgabe feines Woͤrterbuchs aber (zuerſt
1694) wurde er bald allgemein als gefeßgebend und als
oberſter Gerichtshof in ſprachlichen Dingen anerkannt.
Richtigkeit, Klarheit und Zierlichleit wurden bald ein Ge:
meingut aller franzöfifhen Schriftfteller. Vorzugsweiſe
dieſem Gelehrtenvereine ift es zuzufchreiben, daß die fran:
zöfifche Sprache eine Stätte, Seinheit und Gewandtheit
erhielt, die bei ihrer Armuth bewunderungswuͤrdig iſt und
die ihr allgemeine Anerkennung und Herrſchaft in allen
gebildeten Ländern Europas verfchaffte.e Sch will nicht
in Abrede ftelen, daß die unumfchränkte Macht des Ge:
lehrtenvereins auch manden Nachtheil gebracht hat, in:
dem er namentlidy die dichterifhe Sprache in fo beilimmte
und enge Schranken einfchloß, daß fie ſich fat nicht von
gereimter Profa unterfcheidee. Aber es fragt ſich ſehr,
ob bie Franzoſen ohne die Beſchraͤnkung des Gelehrten:
vereins in der Dichtung wol viel mehr würden geleiftet
haben, da fie überhaupt wenig kuͤnſtleriſch und dichterifch
find. Ein wahrer Dichtergeift würde felbft in ben gefeg:
ten Schranken fich bethätigt, oder wenn fie ihm wirklich
fo binderlid waren, fie gewaltfam bducchbrochen und ben
Gelehrtenverein durch die Kraft feines Geiſtes zum Nach:
geben gezwungen haben. Die große Mehrzahl der fran:
zöfifchen Dichter erhebt fich nicht über das Mittelmäßige,
und daß deren Einbildungskraft Schranken gefegt wur:
den, bat zugleich ihren verberblihen Einfluß auf die
Spradye verhindert. Diejenigen Wortbildungen und Wen:
dungen aber, welche von höherbegabten Geiſtern ausge:
gangen find, hat ber franzöfifhe Gelehrtenverein, felbft
feinen eigenen Grundfägen gemäß, in fein Woͤrterbuch
nothwendig aufnehmen müffen. Und dies zeigt deut:
lic genug, daß ber Verein freiere Geiſtesthaͤtigkeit weder
unterbrüden kann noch will. Häufig genug aber fchreibt
man ihm aus Unkenntniß oder Misverſtand die thörige
Abfiht zu, die Sprache für alle Zeiten unabänderlich
feſtſtellen und fomit alfo alle geiftige Entwidelung un:
terdrüden zu wollen. Im Gegentheil' fpricht er felbft
z. B. in der Vorrede zu feinem Wörterbuche von 1765
deutlihh genug aus, daß er nichts aufzunehmen ver-
ſchmaͤht, was allgemeinen Anklang gefunden hat (S. v):
profession que l’Academie a toujours faite de se con-
former & l’usage universellement recu, soit dans la maniere
d’6crire les mots, soit en les qualifiant, l’a forcee d’ad-
ar deschangemens que le public avoit faits,
. m:
On ne doit point en matiere de langue, prevenir le
Public; mais il convient de le suivre, en se sou-
mettant, non pas & l'usage qui commence, mais ä
l’usage göndralement &tablie.
Wie fehr der Gelchrtenverein von ber Überzeugung
bucchdrungen iſt, daß die Sprache fich frei und ſelbſtaͤn⸗
dig entwideln müffe, und daß er felbft nur die Aufgabe
habe, über diefer Entwidelung zu wachen, ſpricht ſich deut:
ih genug in der Vorrede zur legten zeitgemäßen Aus:
gabe feines Woͤrterbuchs von 1835 aus. Seit einigen
Fahren regen ſich allerdings (glüdticherweife!) die Lands
(haften in Frankreich Iebhaft gegen das Zufammenbdrän:
gen alles wiſſenſchaftlichen Lebens in Paris, wie ſich
namentlid in dem von Herm von Caumont gegründeten
böchft bedeutungsvollen Congrös scientifique de France
ausfpricht, aber gerade die kann dem elehrtenvereine
ale Fingerzeig dienen, daß er, um fein Anfehen fortwäh:
rend in ganz Frankreich zu behaupten, auf bie lebendigen
Volksmundarten Rüdficht nehmen muß. *)
Zeifpiele Italiens und Frankreichs folgte Spa:
der Philipp V. 1714 ein’ Gelchrtenverein
Sprache im Madrid geftifter wurde.
Auch diefer Verein gemteßt eines entfcheidenden Anfehens
und hat fih durch Woͤrtexbuch und Sprachlehre weſent⸗
liche Verdienſte um die ſpantſtttze Sprache erworben. Na:
mentlich führte er im 3. 1813Neine fo einfache und re:
gelmäßige Schreibung ein, wie fie Mum eine andere neuere
Sprache aufzuweiſen haben dürfte. Die Einführung bie:
fer Schreibung gefhah aber nicht ſoglecich, fondern ſchon
ſeit 1741, in welchem Jahre die widktige Abhandlung
über die Nechtfchreibung zum erften Mald erfchlen, hatte
ber Gelehrtenverein unabläffig baran gearbältet, bie 1815
eine wefentlihe und durchgreifende Veraͤnderung einge:
führt wurde, die fo ſchnell und allgemein (
wurde, daß der Gelehrtenverein in der Vorrede
bald nachher erfchienenen Ausgabe feines
dem fpanifhen Volke für feine Bereitwilligkeit,
Gelehrtenvereine gemachten Vorſchlaͤge anzunchi
banken ſich veranlaßt fah. Zur allgemeinen ?
der neuen Schreibung trug weſentlich bei, daß &
fehl der Regierung fogleih alle amtlichen Berihäe nach
den Regeln des Gelehrtenvereins gedruckt wurbeni, und
daß alle Drudereien des Königreich ſich nach deig vor⸗
gefhlagenen Neuerungen bequemten. x
Wir fehen alfo, daß die Griechen, Staliener, Frauzo⸗
fen und Spanier (andere Völker, von deren Gelehren⸗
vereinen ich augenblicklich nichts Genaues anzugeben der⸗
mag, wie die Schweden, Ruſſen u. f. w., uͤbergehe 9),
die Sorge für die Fortbildung ihrer Sprachen einem Be:
lehrtenvereine übergeben und die Sprachen fich dabei vYbl:
befunden haben; bie Römer dagegen haben bie Fo kbil⸗
dung ihrer Sprache der Willkuͤr ihrer Schriftſteller Aber:
laſſen und weil diefe einen verkehrten Weg einfchrägen,
ift fie erſtorben. Was für eine Lehre folgt hierais für
*) Einige Worte, welche ich hierüber bei der Belehitenver-
fammtung in Strasburg im vorigen Jahre in einen einer aͤhn⸗
lien Gegenftand betreffenden Vortrag einfiocht, fanden tFi den
anmwefenden Franzoſen lebhaften Anklang.
H5l
uns? Wenn ich nicht irre, dieſe: auch wir ſollen bie
Sorge für Verbefferung unferer Sprache eis
nem gefengebenden Gelehrtenvereine anvers
trauen. Aber wir wollen fehen, ob uns nicht auch die
bisherige Geſchichte unferer Sprache ſelbſt eine Lehre geben
kann. Im Anfange unfers Schriftenthums bedienten fich
die Schriftfteller, wie Überall, ihrer eigenrhämlichen Volks⸗
mundart; boch fing man bald an, das Bedürfniß einer Ge⸗
fammtfprache zu fühlen, und unter den verfchiedenen Volks:
mundarten erlangte immer eine ein-geiftiges Übergewicht
fiber die andern. Seit dem Ende des 13. Jahrhunderts
aber, feit dem Sinken der mittelhochdeutſchen Dichtung
alſo, behauptete Feine Mundart mehr ein entſchiedenes
Übergewicht; es wurde in allen Mundarten gefchrieben,
ohne daß biefe durch ein gemeinfames Band wären zu:
fammengehalten worden. Dadurch gerieth die deutſche
Sprache in einen Naturzuftand zurüd, aus dem alle
Gefeglichkeit ber Form und alle Feſtigkeit wich, fodaß fie
im 15. Jahrhundert immer mehr verwilderte, ohne daß
die geiftlofen Sagungen der Meijterfänger diefe Verwilde⸗
sung zu hemmen vermocht hätten. Aus diefem trauri:
gen Zuftande riß Luther unfere Sprache, vornehmlich
durch feine Bibelliberfegung. Er bildete ſich feine Sprache
felbft, indem er mit großer Weisheit und in richtiger
Erkenntniß der wahren Aufgabe einer Gefammtfprache
das Gediegenfte aus den beiden deutſchen Dauptmund:
arten, dem Ober: und Miederbeutfchen, zu einer beuts
(hen Gefammtfprache vereinigte, doch fo, daß er das
Oberdeutſche vorzugsweiſe zum Grunde legte. So hatte
en einzelner Mann die deutfhe Geſammtiſprache (die
neuhochdeurfche Sprache) gebildet, welche bald allgemein
anerfannt wurde, da man allgemein das Beduͤrfniß der:
felben fühlte. Luther hatte aber nur den Grund gelegt,
auf welchem die Spätern welter bauen müfjen. Aber bald
brach die fchauderhafte Sprachmengerei ein, welche die kaum
feftgeftellte Sprache ihrem Untergange nahe brachte. Aus
diefee Gefahr wurde die Sprache durch einen Gelehrtenver:
ein, die Fruchtbringende Geſellſchaft, welche der
italienifchen Crusca nachgebildet wurde und alle bedeutend:
ſten Schriftfleller der damaligen Zeit zu Mitgliedern hatte,
errettet. Nach ihrem Aufhören (1680) trat eine neue Ver:
wilderung durch Frankreichs Übergewicht ein, und die Sprache
wurde abermals durch einen Gelehrtenverein gerettet, durch
die Deutfhe Geſellſchaft in Leipzig, durch deren
Vorſteher Oottſched aber die Geſellſchaft bald fo in dem
Hintergeumd trat, daß nicht fie, fondern ex Geſetzgeber
der deutfchen Sprache wurde und lange Zeit faft unums
ſchraͤnkte Gewalt ausübte (mehr noch als vor ihm Opitz).
Geringern, aber doch immer noch fehr bedeutenden Ein:
fluß auf die Fortbildung der deutfchen Sprache übten
fpäter Adelung, der die Geſammtſprache gern auf die
oberfächfifche Mundart zurückgefuͤhrt hätte, und Campe,
der hochverdiente Sprachreiniger. Von den neuern deut⸗
fen Sprachgefellfhaften hat Leine ein entfcheidendes und
uͤberwiegendes Anfehen erlangt, weil fie entweder fein fefls
beſtimmtes Ziel fig vorgeſteckt hatten, oder weil es ihnen
an einer binreichenden Anzahl tüchtiger und eifriger Mit
glieder fehlte, ober auch weil von Anfang an ber rechte
Eifer nicht da war.
(Die Fortſetzung folgt.‘
Histoire de la revolution de 1830, par Cauchois- Le-
maire, Erſter Band. Paris 1842,
Der Verf. diefer Schrift, die in mehr als einer Veziehung
ein bedeutendes SIntereffe in Anfpruch nehmen kann, holt. bei
feiner Geſchichte der Julirevolution etwas weit aus. Gr ſteigt
nämlich in feiner Esquisse preliminaire ſowie in der darauf
folgenden Introduction weit über die großen Greigniffe des Jahres
1789 hinauf und verliert fi in Gefbichte der Blütezeit der alten
Monardie; ja, er zieht bei feiner Beleuchtung vom Weſen der
Demokratie — dies ift eigentlich das Thema biefes Bandes —
bie ganze alte Welt in den Kreis feiner Betrachtungen. Und
er begnügt ſich bei biefen vorausgeſchickten Bemerkungen nicht
etwa mit einzelnen allgemeinen Strichen, fondern er ergeht ſich
im Sergarten derfelben fo fehr, daß er am Schluß des erften
Bandes — unb das ganze Werk ift nur auf drei Bände berech⸗
net — noch nicht einmal bei ber Julirevolution, beren Geſchichte
der Zitel verfpricht, angelangt iſt. Aber abgefeben von diefer
allzu großen Umſtaͤndlichkeit und einer breiten Geſchwaͤtzigkeit, die
Demjenigen, der felbft an ben Sreigniffen Theil genommen bat,
um fo eber verziehen wird unb in bie namentlich alte ausge:
diente Diener ber Tagespreſſe, wie der Verf. einer iſt, leicht
fallen, fann man vorliegendem Werke einen hohen Werth nicht
ftreitig machen.
Wir wollen dem Verf. in bie GBefchichte von der allmälis
gen Sntwidelung ber bemokratifhen Ideen (du mourvement
&mocratique) nicht folgen, der bie Esquisse preliminaire ges
wibmet ift, fo intereflant es auch fein mag zu ſehen, wie biefe
gewaltigen Ibeen, benen zum Theil ſchon die Gegenwart gehört,
ſich verftedt und unbemerkt bildeten und an Kraft gewannen,
bis fie mit einem Male in ber franzoͤſiſchen Revolution die uns
terwählte Dede ber alten Monarchie wie ein mächtiger Strom
durchbrachen. Es iſt died ein Thema, das uns bier gu weit
über bie Grenzen dieſer Zeitfchrift und ganz auf das Gebiet der
Politik führen würde. Gbenfo wenig wollen wir bier auf bie
Geſchichte der Regierung Ludwig's AVI., ber Revolution, bes
Gonfulatse und bes Kaiferreiche eingehen, denen Gauchois » Les
maire 60 enge Seiten feiner Introduction historique widmet.
Wir wollen vielmehr nur den Theil ſeines Buchs ins Auge faſ⸗
fen, dee es mit ber Gefchichte ber Reftauration zu thun bat.
Es if dies jedenfalls der intereffantefte und werthvollſte Abs
fhnitt bes vorliegenden Bandes. Der Berf. ſteht Hier auf eis
nem Boden, auf dem er wirklich zu Haufe if. Die Rolle,
weiche er im Kampfe ber liberalen Oppoſition gegen die Re⸗
ftauration gefpielt hat, war glänzend und — was nur wenige
feiner Mitlämpfer aus jener Zeit, die jegt im Beſitz der Macht
find, von ſich fagen können — er kann ohne eine Anwanbelung
von Reue auf jene Periode feines Lebens zurädbliden, denn den
Grundfägen von damals ift er noch jetzt getweu geblieben. - Dies
fee Umftand verleiht feinem Werke ein eigentbämliches Intereffe,
ohne daß dadurch bie Unparteilichkeit des Hiſtorikers auf irgend
eine Weife gefährdet würbe.. Ohne baß er alfo feine Rolle als
Vorlämpfer ber demofratifchen Ideen, die ſich in der Julirevo⸗
Iution wieder Luft machten, nachdem man fie einige Jahrzehnde
lang nieberzuhalten und zu erſticken verfucht hatte, verleugnete,
ift feine Sprache doch eine andere als diejenige, in ber er feine
flammenden Journalartikel, feine polemiſchen Flugſchriften und
die Briefe, die von ihm felbft in den „Lettres politiques, re-
ligieuses et historiques (2 Bde., Paris 1838 — 31) zufammen-
geſtellt find, gefchrieben hat. Bein Zon tft gemäßigter gewor⸗
den, feine Stimme hat ihre bonnernde Leibenfchaftiichkeit verlo⸗
ren, und befonbers merkt man wol bier und da in feiner Dars
fiellung, daß bie meiften von ben Jlluſionen, bie ber ſchnelle
Sieg tm demokratifch gefinnten Publiciſten hervorgerufen hatte,
r162
nachdem Jahre daruͤber hingegangen find, verrauſchk fein
en. “Ye auf allen Blaͤttern feine Zueche ertennen wir
den ehrenwerthen Mann, der nur im Dienfle feiner überzeu⸗
gung allen Lohn und alle Ehre von ber Hand wies und felbft
Zuerſt madgt Gaucoid + Lemaire darauf aufmerlfam — und
diefer Punkt iſt noch nicht gehörig gewürdigt worden —, wie
die Verbündeten, in deren Gefolge Ludwig XVIII. nach Frank⸗
rei) kam, ſich wohl huͤteten, gleich anfangs mit der „Legitimis
tät” des neuen Koͤn sten. Diele Sprache hätte bie
Nation, bie es veriernt hatte, von den legitimen Anfprücen eis -
nes Herrſchers reden zu hoͤren, verlegen können. Es wurden
mübdere Jormen angewandt, und man that faſt, als überlaffe
man die KRönigewahi dem allgemeinen Willen bed Volle, flatt
das „nöttliche Recht‘ gelten zu machen. Die Enkel Hein⸗
rich's IV. fchworen der Eine in feiner Antwort an den Senat,
dee Andere in feiner Deciaration von Saints Duen bie monats
chiſchen Principien des alten Regime ab und ber König trat,
wie deu Verf. fagt, dadurch, daß er die legislativen Verſamm⸗
ungen eröffnete, in den Schoos ber conftitutionnellen Kirche über.
Aber es war ſchwer für Ludwig XVIII., weicher
Bewegung bed Landes, das er regieren follte, fremb geblieben
war, fidy mir Sicgerheit auf bem neuen Boden, der in allen
Richtungen unterwählt war, zu bewegen, ſchwerer noch, fich ber
angeerbten Ibeen feiner Borfahren zu entfylagen. So achtete er
nit auf bas-Wort Foucheé's, der da fagte: „daß bie Keime
des Haſſes, welche man zu Anfang einer Regierung in bie Ges
möütber legt, niemals erflidt werden.” Wenn man irgend eine
Regierung von einer verhängnißvollen Richtung ibrem Grunze
entgegengeriffen fieht, To ift es die Reftauration. Selbſt bad bLös
deſte Auge muß in ber Julirevollition die logiſchſte Folge ders
feiben erkennen. Dafür waren aber auch bie Verhättniffe, un:
ter denen Ludwig XVIII. zum Throne kam, bie ſchwierigſten,
die man ſich denken kann. Wir wollen die Gefahren, die ihn
jeden Augenblick bedrohten und ihm bei jedem Schritte hindernd
in den Weg traten, nicht weiter einzeln aufzaͤhten. Sie find
übrigens auch befannt genug. Die Hauptfache aber bleibt doch
immer bie namentofe Verblenbung ber Bourbons. Ihr Verder⸗
ben war, daß fie glaubten, Frankreich, das ber ewigen Unruhen
überbrüffig fi) nach Ruhe fehnte, eine giüudliche Entfaltung bes
gefährdeten Handels und bee Induftrie verlangte und ſich mit
einem mäßigen Grabe von Freiheit begnügen zu wollen fchien,
empfinde Reue über die Vergangenheit. Aus biefer feflen, uns
erfgütterlichen Überzeugung ber Bourbons find alle reactionnairen
Maßregein berzuleiten, mit benen ſich die Reftauration ihre
Grube ſelbſt gepraben hat. Diefe Überzeugung warb noch ge:
naͤhrt und gefteigert von ber übermüthigen Partei der Royali⸗
ften, die es offen erklärten, „Das, was 14 Zahrhunderte beſtan⸗
den babe, muͤſſe wieber Hergeftellt werben”, und bie fo weit gins
gen, daB eine aus ihrer Mitte fagen Eonnte: „La rövolution
n’est qu’une rebellion de vingt-cing ans.”
Bon jest an ziehen ſich die Wetterwolken zufammen und
mon glaubte jeden Augenbiid, der Sturm muͤſſe hereinbrechen.
Aber wenn auch das Gebäude der alten Monarchie, das man
aus ben Trümmern ber Revolution wieder zufammengefügt
hatte, in feinen Yugen kracht, die Regierung unb ihre verblen:
deten Anhänger allein fehen und hören nichts. Wenn man jegt
ruͤckwaͤrts biidt, fo begreift man kaum, wie fie das Schwert
nicht erblichten, das an einem Faden über ihnen ſchwebte. Al⸗
lerdings ſchien Ludwig XVII. fich einen Augenbli zu befinnen,
ob ex ſich von dieſer gefaͤhrlichen Richtung tragen taflen folltes
bald aber umflutete ihn der Strom ber Reaction und er ließ
fih ohne Wiberfireben von ihm fortreißen. Bon biefem Augen
biide an eritarfte- die Oppofition; ja, der Gedanke einer neuen
Revolution, eines Nachipiels zum vorhergehenden Drama, regte
fi in den Gemüthern. Die Namen Carnot, Lafayetre u. X.
wurben vom Bolfe mit befonderer Liebe genannt, aber es fehlte
der liberalen Oppofttion noch zu fehr an Einheit, ats daß fie |
ber geiftigen
—— DÄRE wegehtEähen —— — Coterie
un. ei; db erlichen "unter Baffaho; bie bli⸗
kaniſche Fraction, "die Anhänger ber Gebruͤder Salemant und
| Lefebure s Desnouettes durchkreuzten ſich mis ihren Planen, ihs
I ven Wünfchen, Hoffnüngen und Mkäßregetn, während der Bf
von Artois feinerfeits ber Partet der opaliften die nöthige
Snergte gab, um diefen verſchiedenen Frackionen noch eine Weile
bie Spige bieten zu können.
Die Geſchichte nun biefer eingeinen Theile der Oppofition,
die, nachdem fie ſich allmätig verſchmolzen hatten, nothiwenbiger:
weife den Sieg babontragen mußten, bilbet den eigentlichen
Kern des vorliegenden Bandes. Der Berf. hätte biefem Bande
eine groͤßere Ausdehnung geben können, während ex ſich bei den
einteitenden Betrachtungen kuͤrzer zu faflen hatte. Arch hätte er
den geheimen Gefellichaften, wie bem Garbonaridmus, ber Ges
feufhaft „Aide-toi, le ciel t’aidera” u. f. w., die alle nur
flüchtig abgefertigt werben, eine größere Aufmerffamkeit ſchenken
ſollen. Wennſchon ihre —2 in der Verborgenheit
ſich nicht in ihrer ganzen Ausdehnung uͤberdlicken laͤßt, fo iſt
ihre Bedeutung doch fo groß, daB fie in deu Geſchichte der Res
ftauration durchaus nicht übergangen werben dürfen. Blanc,
ber in feinem Werke über bie QJulirevolution auf ihr Treiben
ausführlicher eingeht, hat das Richtigere getroffen. Auch die
Zhätigkeit der Oppofitionspreffe, welche gemwiffeemaßen ber
Mauerbreder war, unter deren Stoͤßen bie Regierung ber Res
flouration zertrümmert wurbe, hätte in dieſer Darftellung mehr
in den Vordergrund treten mäffen. Zu feiner Zeit ift es fo
wahr gewefen, daß bie Prefle die größte Macht ift, als damals.
Der Verf. hat es vieleicht vermieden, fie in ihrer ganzen Ber
beutung daxzuftellen, um ben Verdacht vom füch zu waͤlzen, ats
ſchlage er ihre Wirkfamkeit gu hoch an und zwar um fo mehr,
da er, wie gefagt, ſelbſt einer ber rüftigften und unerſchrocken⸗
ften Streiter der Tagesprefle, der immer auf der Brefche ftund,
gewefen if. Aber wer hätte ben unelgennägigen Verf. ber
„Lettre au due d’Orldans” u. f. w. der Eitelkeit. und ber
Selbſtuͤberſchaͤgeng zeiyen können, unb werm ee auch feine eigene
Perfönlichkeit in der Schilderung jener erbitterten Kämpfe mit
hätte auftreten laffen? Drei Jahre Gefängniß, ebenfo viel Exil
und 120,000 Francs Strafe, die.er ſich durch feine unerfchrodene
Polemik in Journalartikein oder Flugſchriften zugezogen hatte,
geben ihm ſchon ein Recht mitzufprechen. 6,
titerarifhe Anzeige.
VRAM.
CTaſchenbuch auf das Jahr 1844.
Rene Folge, Sechſter Fahrgang.
Mit dem Bildnisse Karl Förster's.
8. Auf feinem Velinpapier. Eleg. cart. 1 Thir. 20 Nor.
t: I. Die Wellenpraut. Bon A. Gutzkow. —
II. Pyſiotogie der Geſellſchaft. Von A. v. Sternberg —
11. Das Heimweh. Novelle von Iul’_ Rosen. — IV. Der
Wilddieb. Bon W. Aleris. — V. Nur eine Liebe. Novelle
von Fevin Schlicking.
Bon frühern Jahrgängen ber Urania find nur noch einzelne
Eremplare von 1831 — 38 vorräthig, die im herabgeſegten
Preiſe zu 15 Nor. der Jahrgang abgelaffen werben. Bon
der Neuen Folge Eoften die Jahrgänge 1839 und 1840 jeder
1 Thlr. 15 Rgr., 184143 jeder 1 Thir. WO Nor.
KReipzig, im October 1843,
F. A. Brockhaus.
Verantwortlicher Herausgeber: HReinrich Brodhaud — Druck und Verlag von F. X. Brockhaus in Leipzig.
KT ee er,
Blätter
für
literarifhe Unterhaltung.
Über die Nothwendigkeit eines gefeßgebenden Ge:
kehrtenvereind für Verbeſſerung und Fortbildung
der deutfchen Sprache.
(Vortfegung aus Nr. 8.)
Wenn wir nun alſo bedenken, daß unſerer Sprache
zei Bat durch Sprachgeſellſchaften wieder aufgeholfen wor⸗
den ift, daß fie fih Übrigens immer von einzelnen Män-
nern bat leiten laffen und nun immer noch fo große
Mängel bat, und wenn wie auf der andern Seite fehen,
wie andere Sprachen durch gefeggebende Gelehrtenvereine
zu Regelmäßigkeir, Einheit und Schönheit gelangt find:
fo erfcheint gewiß auch für die deutſche Sprache ein ge:
feggebender Gelehrtenverein hoͤchſt wuͤnſchens⸗
werth, ja ſelbſt nothwendig. Der Gedanke an einen
ſolchen Verein iſt auch durchaus kein neuer; ſchon Leib⸗
nitz machte einen derartigen Vorſchlag („Unvorgreifliche
Gedanken“, §. 30 fg.):
Weilen aber die Sach von einem groſſen Begriff, ſo ſchei⸗
net ſelbige zu beſtreiten etwas groͤſſers als privat⸗Anſtalt noͤ⸗
thig, und wuͤrde demnach dem gantzen Werk nicht beſſer noch
nachdruͤcklicher, als mittelft einer gewiſſen Verſammlung ober
Vereinigung aus Anregung eines hocherleuchteten vornehmen
Baupts mit gemeinem Rath, und gutem Verſtaͤndniß zu helffen
ein. — Das Haupt⸗Abſehen wäre zwar ber Flor des geliebten
Boterlandes Teutſcher Nation, fein befonderer Zweck aber und
das Vornehmen (oder object) biefer Anſtalt wäre auf bie Teut⸗
ſche Sprache zu sichten, wie nehmlichen folge zu verbeflern,
audzuzieren und zu unterfuchen.
Auch Klopfto hatte beim Entwurfe feiner ‚Deut:
fhen Gelehrtenrepublik“ etwas Ähnliches im Sinne, und
Wieland ſprach das Beduͤrfniß aus, durch ein fogenann-
ws „ I Panier” der Willkür und Geſetz⸗
loſigkeit der deu Schriftſteller und der Verwirtung
der deutſchen Schreibarten ein Ende zu machen; auch
Fuͤrſt Metternich ſoll ſich mit dem Gedanken an einen
deutſchen geſetzgebenden Gelehrtenverein beſchaͤftigt haben.
Iſt ein ſolicher noch nicht zu Stande gekommen, fo liegt
dies keineswegs an der Unmöglichkeit defielben, fondern
an den verkehrten ober nicht genug eifrigen Verſuchen
zur Herftellung eines folhen Vereins. Ja ich möchte
behaupten, man wuͤnſcht ziemlich allgemein einen deut:
fen gefeggebenden Gelchrtenverein und nimmt nur an
diefem Namen Anſtoß. Mit der Sache felbft find Diele
tm Grunde einverftanden, bie aͤußerlich dagegen ſtreiten.
So firdube ſich z. B. ein Ungenannter in Me. 62 d. BL
f. 1343 gegen einen gefeugebenden Gelehrtenverein und
fügt gleichwol nachher (S. 247):
Eine recht genaue Revffion der gefammten ſprachlichen Vevaͤnde⸗
rungen und ein darüber zu veroͤffentlichendes Butachten, welche
davon beizubehalten und weldye zu verwerfen fein möchten, wo
möglich von einem Vereine dazu Befähigter, Eönnte
deshalb gewiß ein fo nügliches ats in jeder Hinſicht dankbares
Unternehmen werden.
Die Deurfpen kommen mic in diefer Beziehung vor
wie die Athener, denen es ihre eiferfüchtige Zreiheinstiebe
ummöglid machte, eimen Herrſcher zu dulden, und Die
fih doc, fortwährend von einzelnen Männern gängelw
Ikehen, wenn biefe nur nicht den Namen Herrſcher hate
tn. Go ſtraͤuben ſich die Deutſchen mit aller Gewalt
"gegen einen Geſetzgeber tm fprachlichen Dingen, und iw
dee That erkenne doc Jeder einen Gefepgeber an, ſeinen
Lehrer oder feine Sprachlehre oder — fih ſelbſt. Und
natürlih, denn Pfleger und MWärter muß die Sprade
haben; foll der Wildling veredelt werden, fo bedarf eu
der pflegenden Hand des geſchickten Gaͤrtners.
Man fagt öfters, wir bedhrften keines Vereins von
Geledrten, denn in Deutfchland leiſte ein Mann (verw
möge feines deutfchen, d. h. eifernen Fleißes) fo viel
wie in andern Ländern eine ganze Geſellſchaft. Zu ſol⸗
hen Reden kann uns nur die größte Eitelkeit verleiten.
Niemand wird leugnen, daß die Anfichten eines Einzel-
nen immer einfeitiger fein müflen als die aus grändlicher
Berathung Mehrer hervorgegangenen; man erimnere fidh
nur an die Einfeitigkeie Adelung's, ber nichts außer der
oberfächfifchen Mundart wollte gelten laffen, und ber
beffenungeachtet noch jegt fein Anfehen nicht ganz verlo:
ven bat. Und damn find die zu einer geregelten Verbeſſe⸗
rang und Fortbildung der beutfchen Sprache nothwendi⸗
gen Arbeiten fo riefenmäßtg, daß fie die Kräfte oder auch
nur die Lebensjahre eines einzelnen Mannes oder einiger we⸗
niger Männer weit überfleigen. Und wenn wir wirklich uns
fere Sprache der Leitung eines Einzelmen übergeben wol⸗
ien, wie dann, da wir nicht auf derfelden Stufe fliehen
bleiben koͤnnen, nach deffen Tode? Wie, wenn gleichzeitig
mehre fehr bedeutende Sprachlehrer mit ganz verfchiedes
nen Anfichten und ®rundfägen da find? Wem foll man
dann folgen? Wie wiederum, wenn Niemand eines un⸗
Sn
1154
angefochtenen Anfehens genießt? Sept folgen Einige Ja:
ob Grimm, Einige Ferdinand Becker, die Meiſten ſich
fetbft, und eben daher kommt bie große Verderbniß unfe:
zer Schriften, denn Seder, der kaum das Weſen der
Sprache erkannt hat, will ſich anmaßen, mit der deut:
{hen Sprache, einer Kunftfprache, nad Willkür zu ſchal⸗
ten und zu walten.
Hieran ſchließt fih ein zweiter Einwurf gegen einen
gefeßgebenden Sprachverein. Man fagt, der deutſche
Geiſt ſei zu frei, um ſelbſt feine Sprache feſſeln zu
laſſen. Sonderbarer Widerſpruch im Weſen des deut⸗
ſchen Volks! Auf der einen Seite klagt man über feine
eigene Unfreiheit und Beknechtung und rühmt bie Frei⸗
beit der Franzoſen u. ſ. w., und auf der andern
Seite erfchricdt man bei dem bloßen Gedanken an einen
gefeggebenden Sprachverein, dem ſich doch ſelbſt freie
Völker willig unterworfen haben. Auch die freien Un
garn haben 1825 in Pefth eine Gelehrtengeſellſchaft bes
gründet, die namentlich den hohen Zweck bat, bie bie:
berige Geſellſchaftsſprache, die deutiche, zu verbannen und
die ungarifche zu verbeflern; eine Menge neuer Woͤrter
haben ſich, ſowie ſie die Genehmigung des Gelehrtenver⸗
eins erhielten, ſchnell verbreitet. Und dieſer Verein iſt
eine wahre Volksfache; nach mehren verunglüdten Ber:
ſuchen kam er binnen wenigen Minuten auf dem Land:
tage zu Stande; der Graf Szechényi gab den Ausichlag,
indem er 60,000 Gulden zur Begründung der Gefells
ſchaft aus feinem Vermögen bergab und dadurch ſogleich
auch andere Vaterlandsfreunde zu aͤhnlichen Opfern ver⸗
mochte. Es kann alſo ein geſetzgebender Sprachverein
doch wol nicht ein der Geiſtesfreiheit ſo ſehr gefaͤhrliches Ding
ſein. Ja, ich behaupte im Gegentheil: er iſt der allein
geſetze und vernunftmäßige Beherrſcher, ober beſſer Schieds⸗
richter und Ordner der Sprache. Statt dieſes rechtmaͤßi⸗
gen Schiedsrichters aber, wie ihn andere Sprachen aner⸗
dennen, haben wie eine Menge kleiner Könige, eine Menge
unberufener und unbefugter Herrſcher. Solche Willkuͤr
verlangt z. B. Rüdiger („Neueſter Zuwachs der teutſchen,
fremden und allgemeinen Sprachkunde“, drittes Stuͤck,
Leipzig 1784, ©. 9 fg.) ausdruͤcklich, zu einer Zeit, wo
Adelung in der Sprache allgewaltig zu werden anfing:
Er (Abelung) hat es mit feinen Werken wohl und theuer
genug verbienet, der teutfche Ariſtarch und Johnſon zu heißen.
Ge ift noch mehr, weil er uns zugleich einen verbeflexten Du
Freſne und Iohnfon liefern kann. Aber follen wir ihn zur Bes
Iohnung dafür, wie ber Wochenſchriftler Fig: Adam feinen Sohn:
fon, zum hoͤchſten Richter, unabhängigen Dictator und unfehlbas
zen Dabft in unferer Sprache erbeben, ihm in allem folgen,
biimblings glauben, durch fein Anfehn ſchlichten und feſt ſegen,
was ſtreitig und zweifelhaft iM? Nen, davor wache ber Schut⸗
geift der teutfchen Zreybeit, Wahrheit zu denken, zu Tagen und
darnadh zu handeln. Wenn das ſich frey dünfende Britannien
einen Dictator und Pabft und, fonderbarer Contraſt! bas des⸗
potiſch geſcholtene Frankreich einen oligarchiſchen Rath der vier:
zig zur Verweſung feines Sprachweſens ernennet, jo wollen
wir unfere natärlihe Anarchie und Autonomie
aud hierin behaupten.
(Der Beſchluß folgt.)
Die runden Thürme von Irland.
Ein die runden Zhürme von Irland — The round to-
wers of Ireland — befpredgender Auffag in Mr. und Mrs.
Halt’ verbienterweife auch in Deutſchland bekannt gewordes
nem Werke über Irtand*) hat den Herausgeber des „Edinburgh
journal” veranlaßt, in Betreff „diefer feltfamen und myſterid⸗
fen Gebäude feinen Leſern eine kurze und intereffante Mits
theilung zu machen, bie folgendermaßen lautet:
„Wen der Gegenftand diefer Zeilen voͤllig fremd iſt, möge
wiffen, daß bie runden Thuͤrme von Irland alte Gebäude find,
die eine eigenthämliche und auffallende Geftalt haben und über
die ganze Schwefterinfel zerftweut ſtehen, ohne daß ſich authens
tifche Nachricht vorfindet, wozu fie uriprünglich beftimmt gewes
fen ober fpäter aebraucht worden. Es gab beren früher bedeu⸗
tend mehr als jegt, wo ſich nur noch 83 zufa ien laffen,
von denen kaum 20 volllommen erhalten finb. ie leicht zu
glauben, flaunt das Volk fie an und bieten fie dem heimijchen
Alterthumsforſcher einen intereflanten Stoff. Aber auch außer-
balb Irland verdienen fie Beachtung, denn zwei aͤhnliche Thuͤr⸗
me in Schottland abgerechnet eriftirt fein dergleichen Bauwerk
im gefammten doriftlichen Europa. Allem Vermuthen nach ge⸗
bören fie einer Zeit an, die weit über bie hinaus reicht, wo bie
Sefchichte unfers Welttheils zu tagen beginnt, und find daher
fhon aus biefem Grunde faft ebenfo benfwürbig wie jene wun⸗
derbaren, verſchollenen Städte in Gentralamerifa, mit welchen
vor kurzem Stephens und bekannt gemadjt hat."
„Saͤmmtliche runde Thuͤrme von Irland und audy die zwei
in Gchottiand haben ein und biefelbe eigenthümliche Beftait.
Sie find nicht bios rund, fondern laufen auch ſpitz zu, haben
meift eine Höhe von 100 Fuß und find oben koniſch atgeftumpft.
Am Fuße variirt der Durchmeffer zwifchen 8 und 15 Fuß; bie
Shür iſt gewoͤhnlich 10 ober 12 Fuß über dem Boden; alle
ſcheinen drei oder vier Stockwerke und in jedem ein kleines
Benfter gehabt zu haben, und meift finden ſich nahe unter der
Aoftumpfung vier eine Fenfter nad den vier Weltgegenben
zu — aur zwei haben an biefer Stelle deren ſechs. Odwol bie
Höhe ber unverfehrten Thuͤrme im Durchſchnitt 100 Fuß bes
trägt, fo gibt es doch welche, die beträchtlich Kleiner, einen von
84, einen andern von 60, und wieder welche, die beträchtlich
größer, einen zum Theil eingefallenen von 110 Fuß. Die Abweis
dungen ber Yorm find ſehr unbedeutend. Der Thurm von
Kinneagh ift an der Baſis fechefeitig, darüber rund; der von
Arbmore bat auswendig brei Gürtel, ber von Dyſart einen und
ber von Devenifh unmittelbar unter der Abſtumpfung einen mit
Sculpturarbeit. Bei einem ift die Thür gemölbt, bei andern
ein einfaches Obfongum. Aber bei allen — die in Schottiand
nicht ausgenommen — befteht das Mauerwerk aus regelmäßig
zugehauenen Sandſteinbloͤcken (fogenannten Grundftäden) ziertich
aneinander gelegt und zufammengefügt, während bie innere
Seite unebener, der Kalk jedoch ohne Ausnahme von ber beften
und bauerhafteften Qualität if. Schon hieraus folgt, daß bie
runden Thuͤrme nicht das Probuct eines roben Volks fein koͤn⸗
nen. Vielmehr geben fie unleugbares Zeugniß, daß bie Nation,
die fie aufgeführt, in den Künften, vielleicht auch in der Wiſ⸗
fenfhaft nicht geringe Kortfchritte gemacht haben muß.
Letzteres dürfte die Anordnung der Fenſter hinlaͤnglicher PAIR.
fein. Daß nun nad Verlauf von nit weniger, mutbmaßlic
von mehr als zwölf Jahrhunderten fo viele biefer Gebäude noch
unverfehrt find, muß natürlich ebenfo fehr Üüberrafchen wie die
Zierlichleit der Arbeit. Von dem Thurme zu Brechin in Schott⸗
tand wird behauptet, baß bei flarkem Winde ber obere Theil
vors und ruͤckwaͤrts ſchwanke, und wir hegen gegen bie Richtig
feit dieſer Angabe nicht ben entfernteften Zweifel. Hinſichtlich
der Orte aber, wo bie Bauwerke flehen, ift e8 eine bemerkens⸗
) Wir behalten und vor, naͤchſtens ausfuͤhrlicher darauf zuräd-
zulommen. D. Red.
1158
werthe Eigenthuͤmlichkeit, daß fie inägefammt ſich in der uns
mittelbaren Raͤhe von Kirchen befinden.”
in der neuern Zeit haben die iriſchen Alterthums⸗
freunde angefangen, ſich mit den runden Thuͤrmen zu beſchaͤf⸗
tigen, und ber Mangel jeder, ihren Urſprung betreffenden Nach⸗
richt if reichlich durch Gonjecturen erſezt worden. Man hat
fie bald für Glockenthuͤrme, bald für Feuerthuͤrme, bald für
Bußhäufer, bald nad) dem Vorbilde ber Säulen orientalifcher
Heiligen für Einſiedlerſtationen erklaͤrt Im 3. 1830 fegte bie
Königiiche irifche Akademie auf die beſte Abhandlung über diefen
Gegenftand einen Preis aus, den fie zulegt zwei Männern ers
theilte, die ihre voneinander abweichenden Anfichten mit feltes
nem Geſchick vertbeidigt hatten, ben ‚Herren O'Brien und Pe⸗
trie. Erſterer hat ſeitdem feine Arbeit veröffentlicht und die des
Legtern ift, wie wir hören, unter der Preſſe. O'Brien fteht in
den runden Zhürmen das Wert eines beidnifhen Dolls und
eine Erfcheinung aus dem Drient. Petrie erachtet fie für min
der alt, für Bauwerke der frübeften Chriſten in Irland, bie fie
theils zu Aufhängung ber Stoden, theild zu Aufbewahrung
wirthoollen Kirchens und Kloftereigenthums gebraucht.”
„Baft möchten wir glauben, daß Petrie's Theorie lediglich
aus dem Wunſche hervorgegangen fei, das Staunen zu vermins
dern, das ſich an ben Urfprung ber runden Thuͤrme gelnüpft
bat. Gin folder Zweck mag ganz löblidy fein, nur darf er
nicht zu weit führen. Wären bie runden Thuͤrme chrifttichen
Urſprungs, fo ift ſchwer abzufehen, warum die Annalen der früs
heften irifchen Prieſterſchaft fie fo felten und nicht dad Erbauen
eines einzigen fpeciell erwähnen. Die wenigen vorfommenden
Notizen gedenken ibrer unter den Namen Zuraghan und Zerdh
nemedh, erwähnen aber mit feiner Sylbe ihrer Erbauung, ihres
Alters und ihres Gebrauchs, woraus ſich wol fchließen Läßt, daß
fie ſchon damals alte Gebäude und ihr Urſprung vor taufend
Jahren ebenfo unbelannt war wie heute. Gine der Älteften Be:
gebenheiten in ber iriſchen Belchichte, ber Sturz der Firbolgs
durch die Danaans, foll in einer Gegend fiattgefunden haben,
die nach einem benachbarten Thurme Muigh Tuireth na bh
Fomorach, die Ebene des Komorifchen Thurms genannt wird.
In gleich Früher Zeit gefchieht der Tor inis (dev Tory⸗Inſel)
d. b. der Infel bes Thurms, fowie ber Thuͤrme von Temur
und Zara Erwähnung. Die Annalen der vier Meifter von 808
gedenken des Turaghan Ancoire, des Feuerthurms des Einſied⸗
lers zu Inniscailtre. Die Ulfterannalen von 996 erzählen, ein
Big habe Armagh in Aſche gelegt und weder die Krankenhaͤu⸗
fer, die Stiftsficche und den Erdam, nod) ben Febneamead vers
font. Daffelbe wird in demfelben Jahre von Tigernach er:
zaͤhlt; aber ſtatt Erdam ſteht hier Cloichteach, Glockenthurm.
Während dies nun Alles iſt, was die Annalen über die Thuͤrme
enthalten, ift von Erbauung von Kirchen fehr häufig bie Rebe,
und erwägt man die verbaltnißmäßige Größe und Wichtigkeit
der Gebäude, fo muß man vernünftigerweife wohl annehmen,
daß, im Fall die Thuͤrme mit den Kirchen aus Einer Zeit
ſtammten, bie Annalen binfichtlich jener ſich nicht fo ſchweigend
verhalten haben würden — dies unfers Erachtens ein weiterer
Beleg für ihe hohes Alterthum.“
„Wie wollen nicht bergen, daß cudy wir uns einft ber
Meinung zuneigten, die Thuͤrme feten Ginfiedierftationen gewe⸗
fen. Doch ertennen wir, daß ſowol dawider ald wider bie Ber:
muthung, die fie zu Glockenthuͤrmen macht, entfdheidende Beden⸗
fen vorliegen. Wurden fie für Einſiedler errichtet, wozu fie fo
hoch und aus ſolchem Material bauen, während die anitoßenden
Kirchen Klein und niebrig, viele fogar von Holz waren? Aller
dings herrſchte in Irland vorzeiten viel Einſiedlerweſen; aber
die Gremiten wählten fich befcheidenere Aufenthaltsorte ale hoch
in die Lüfte ragende Thuͤrme. Noch gibt es in der Nähe vieler
alten Kirchen Bleine Bellen, die ihnen zu Wohnungen dienten, fo
in Achfert, Scattery und Glendalough. Noch eriflist zu Arbs
more Declan’s Zelle — im Leben fein Haus, im Tode fein
Grab — und heißt der Bonadan. Die Zelle des Marianus
Scotus war ein ähnliches niedriges Gebäude. Muͤſſen wir da-
ber auch bezweifeln, daß bie Thuͤrme urſpruͤnglich zur Aufnahme
von @infieblern errichtet wurden, fo mögen wir doch Beings
leugnen, daß in fpäterer Zeit Manche fie zu Bußwohnungen ber
nugt haben. Unſtreitig war das ber Fall mit obengenanntem
Zuraghan Ancoire, dem Feuerthurme des Ginfiebiers auf der
heiligen Infet im Shannon. Der Rame bezeichnet die frühere
heibnifche Beſtimmung zugleich mit ber Tpätern chriſtlichen Bes
nugung. Auch geht die Sage von einem Ginfiedier — Harris
erzählt fie —, der auf der Spige bes Thurms von Drumlaben
in Cavan gelebt, welcher Thurm noch heutigen Tags Cloich⸗
Ancoire, das ſteinerne Haus des Eremiten, heißt.“
„Daß die Thuͤrme urſpruͤnglich nicht zu Glockenthuͤrmen
beſtimmt geweſen, dafuͤr duͤrfte ſowol ihre Geſtalt als ihre Ab⸗
trennung und Entfernung von den Kirchen ſprechen, wodurch
ſie jedenfalls von den Glockenthuͤrmen in andern Laͤndern ſich
unterſcheiden. Wie indeß lange nachher einige wenige Eremiten
ſie zur Wohnung gewaͤhlt, mögen andere zu Aufhängung
von Glocken gedient haben. Seit den legten 150 Zahren ift
das zu Cloyne und zu Caſtledermot geſchehen. Nach GEinfühs
tung ber Giodenthärme in Irland gegen das Ende des 9. Jahr⸗
hunderte kommt in den iriſchen Gefdichtsbüchern das Wort
Gloihteady oder Sampanile fehr oft vor. Es wird aber ſtets
und ausdrüdiich von Turaghan oder Fidneimhedh unterſchieden.
Der Cloichteach oder Clochier ſcheint meift von Holz geweſen zu
fein, denn es findet fi die Nachricht, daß einige ein Raub ber
Stammen wurden. Diefe fo befchriebenen Gebäude werben an
Orte gefegt, wo nie ein runder Thurm geftanden zu haben
Icheint, To zu Slane, Glonard, Emily, Telcha u. f. w. Noch
eriftiren zu Gaſhel zwei Proben des Cloichteach, vermuthlich die
älteften Gebäude biefer Art in Iceland. Sie ſtehen zu beiten
Seiten der Cormac's Kapelle, die aus dem 9. Jahrhunderte
batirt, maden einen Theil berfeiben, find vierrdig und aus
gut behauenem Stein. Etliche Ellen noͤrdlich ſteht ein runder
Zhurm, von ganz anderm Gtein und völlig verfchiebener Baus
art. Wäre diefer urfprüngli zum Tragen ber Glocken beſtimmt
geweſen, würde man, ſich die Muͤhe erſpart haben, jene zwei
Thuͤrme zu bauen, Ähnliche Beiſpiele, daß ein runder Ihurm
in ber Naͤhe eines vierediigen, finden fich in Swords und is
Devenifd. Außerdem gibt es alte Kirchen mit Glockengiebeln,
die faſt unmittelbar an runde Thuͤrme ſtoßen, ſo zu Donagh⸗
more, Killicullen, Tulloherin, Kilree, Fertagh und anderwaͤrte.
Hätte der runde Thurm ben Dienſt be Glockentraͤgers verrich⸗
tet, würben die Glockengiebel weggeblieben ſein“
„Die Stellung der runden Thuͤrme in der Naͤhe von Kir⸗
hen — wobei man nur außer Acht gelaffen, daß fie von bems
felben abgetrennt und ifolirt find — bat hauptſächlich zu bem
irrigen Glauben verleitet, daß fie die Schöpfung chrifilicher Geifts
lichen feien. Gehr richtig bemerkt Weld, man koͤnne mit ebens
fo gutem Rechte umgekehrt bebaupten, die Kirchen wären in deu
Nähe der Thürme erbaut worden, und erläutert bies durch bie
wohlbekannte Gewohnheit der erſten chriſtlichen Miſſionare, ih⸗
ven Gottesdienſt dem ihrer heidniſchen Proſelyten moͤglichſt zu
accommodiren, wofür unter vielem Andern der Eifer zeigt, mit
welchen fie heidniſche Tempel und heibnifchen Göttern geweikte
Drte zu chriſtlichen Gebraͤuchen benusten (Einer der ftärkften
Einwürfe indeffen wider die Annahme, daß die runden Thuͤrme
chriſtlichen Urfprungs, bürfte darin beſtehen, daß ihre Bauform
mit keinem von ber chriftiidhen Geifttichkeit in irgenb einem
Lande gebrauchten Religionshaufe etwas gemein bat. Cs iſt
von vornherein ſchwer zu glauten, daß dieſe eigenthuͤmliche
Form eine Erfindung der Miſſionare ſei, die Irland und Schott-
land chriſtianiſirten. Wäre das aber der Fall geweſen, fo ließe
fi mit Gewißheit erwarten, daß die heiligen Männer aus Ics
(and, die fid) auf dem Gontinente ausgezrichnet, bier biefelbe
Bauform eingeführt haben würden, was gleichwol nirgend ges
ſchehen. Wahr iſt freitih, daß drei Ihürme, nämlich die zu
Donaghmore, Antrim und Brechin, über den Thüreingängen
hrifttiche Embleme baben; allein abgefepen, daß bei den zwei
erftern dieſe Embleme erwiefenermaßen einer jüngern Zeit an«
1156
gehören, iſt es auch Thatſache, daß, fobatb bie fruͤheſten chriſt⸗
Geiſtlichen einen alten, der heidniſchen Andacht geweihten
Det ſich zugeeignet, fle es eine ihrer erſten Sorgen fein ließen,
Gmbteme ihrer Religion an ben umgemwanbelten Gebäuden ans
ingen. Daͤrfte denmach zweifelfrei vorliegen, daß der runde
hurm feine Erfindung der iriſchen Mtifftonare, fo müffen
wie nothwendig feinen Urfprung tin einer früheren hbeidnifchen
Lehre, vielleicht bei einer andern Menfchenrafle ſuchen.“
„Windele, Berf. von „Historical and descriptive notices
of Cork‘, und wie es fcheint Derjenige, ber Wr. und Mrs.
Hall die Materialien zu ihrem Eingangs gedachten Auffage g⸗⸗
liefert, tft der Meinung, daß die runden Thürme Tempel für
ben einft in Irland beflandenen Ritus der Feueranbetung gewe⸗
fen feien. Die dafür beigebrachten Gründe haben viel Plau⸗
ſibles. Zuvoͤrderſt eriftiren noch jest in Indien durchaus aͤhn⸗
liche zunde Thuͤrme, beren die ehemaligen Zeueranbeter ſich bes
dient. „Lorb Walentia war ungemein überrafcht von der Ahns
lichkeit, bie ihm zwiſchen zwei runden Thürmen zu Bhangulpore
in Indien und denen von Irland auffiel. Die Thüren waren
über bem Moden erhöht; oben hatten fie vier Benfter und bie
Daͤcher weren mit Steinen gewölbt.‘ ‚Wo Pennant von ben
Polygeren in Indien fpricht, erwähnt er, daß fie ihrer alten
treu geblieben feien, und befchreibt ihre Yagoden als
Gebäude von Cylinder⸗ oder runder Thurmform, oberhalb ent:
weber ſpitzig ober abgeſtumpft und häufig mit einer Kugel oder
einem Stachel verziert, was bie Sonne repräfentiren ſolle —
ein Sinnbild der localen Gottheit.“ Hyde hat eins jener orien⸗
tatifchen Gebaͤude gezeidmet mit Rauchwolken, die aus den
obern Fenſtern bervorbringen.“ Der Kaufafus, das Land der
alten Iberier, von denen Irland feine erften Goloniften erhielt,
befigt noch eine Menge runde Thuͤrme, und in dem von be:
sieen colonifirten Sarbinien gibt es ebenfalls eine große Zahl
folder Bebäube unter dem Kamen nuraggi. Ferner muß das
einheimifche Wort in Betracht fommen, weiches in Irland die
zunden Thuͤrme bezeichnet, cillcagh oder golcagh, eine Zuſam⸗
menfegung zweier heiligen Worte, wovon das eine Feuer, das
aubere Bottheit bedeutet. Weiter beziehen fig die Eigennamen
mehrer Thuͤrme unverkennbar auf Feuer, wodei nicht zu vers
geſſen, daß ‚bie Feueranbetung im alten Irland eine Thatſache
it, welche fowol durch die iriſchen Geſchichtsbuͤcher und bie ke⸗
bensbefhhreibungen ber Heiligen, als durch die noch beftehenden
@ewehnpeiten am Borabende bed Mat, des Sohannistages u. f. w.
binreihend verbürgt wird. Die Beueranbeter felbft zerfielen in
zwei Gelten; bie eine zünbete das heilige Feuer in offenen
Tempeln an, wie zu Ballstismor (die Flamme des großen Kreis
fes), zu Sal: Baille (die Flamme der Gemeinfchaft) u. f. w.;
die andere umſchloß e® im Sonnenthurme (Turaghan) oder in
niebeigen überwölbten Gebäuden, dergleichen bie Boens, die Zels
vn au Ballserous u. f. w. Endlich findet derfelbe Thurm und
derſ
niedere viereckige Tempel ſich auch bei den Perſern, fuͤ
welche, wie uͤberhaupt fuͤr die meiſten ſonſt heidniſchen
r
Voͤl⸗
fer — Feuer oder Sonne ſtets ein Hauptgegenſtand der Anbe⸗
tung war.
„Die im J. 1841 von den Herren Odell, Abell, Hackett,
Wal, Horgan und Windele geleiteten Forſchungen, in deren
Folge neun ſolche Gebäude auf das genauefte unterfucht worden
I. baben zur Genüge berausgeftellt, daß mehre derfelben ale
egräbnißpläge gedient haben. In der Ziefe des Thurms zu
Ardmore wurden bie Nefte zweier Skelette entdedt, die auf eis
nem Lager von geftebter Erde ruhten. Darüber war eine fefte
gefchlagene Flur, über diefer vier Reihen eng verbundener, gro:
Ber Steine und darüber eine andere Flur von glatt geebneter
Subftanz. Diele Sorgfalt und Vorſicht waren gewiß hochwich⸗
tigen Perfonen erwiefen, während der Mangel jeder Spur eines
Sarges, eines Kreuzes, eines Ringes oder irgend eines Schmucks
die Bermuthung begründen muß, daß die bier Beerdigten keine
Ehriften waren. In ber Ziefe bes Thurms zu Cloyne wurden
drei Skelette und im Thurme auf ber Hanı:Infer gu Antrim
Überrefte menſchlicher Gebeine gefonben, aͤhmiche Entbeckungen
aber neuerlich tm Thurme zu Roserea von einem baflgen Hrn.
Wall gemadt. Belm Aufgraben des Thurms zu Dtomboc ge
Iangte man mehre Paß unter einer Schicht Schutt, Erde, Men:
ſchenknochen, Börner und Steine, auf welche insgefammt die
Einwirkung des Feuers zu erkennen war, zu einer feftgefchlage:
nen tur, aͤhnlich der ben Thürmen zu Arbmore, Cloyne,
Roscrea u. f. w. Unter biefer fand fich ein Lager fchwarzer,
fettiger Erbe und unterhalb deſſelben, zu ebener Flaͤche mit dem
Srundfteine, ein ziemlich unverfehrtes Skelett. (Die naturhifto:
riſche Gefellfchaft zu Betfaſt beflgt einen Abguß des Schaͤdels.)
Was jedoch dad Heidenthum diefer Gebäude über allen Zweifel
erhebt, ift die Entbedung einer Urne im Thurme zu Timahoe,
ſowie das Auffinden von Urnenfragmenten in den Thuͤrmen zu
Brechin und Abernethy in Schottland. In letztern lagen laut
Angabe des Hrn Black, Verf. einer , Geſchichte von Brehin‘,
neben den Bruchftuͤcken einer Urne von grünem Thon Knochen
unter flachen Steinen, fodaß hier in Einem Grabe Verbrennung
und Beerdigung zufammentreffen, genau wie in den etruskiſchen
Gräbern. Diefe Entdeckungen reditfertigen den Namen eines
der irifchen Thuͤrme, Fertagh, der Begraͤbnißfeuerthurm, und
bezeugen ihre nahe Berwanttichaft mit den Nuraggi, dem Gozo:
thurme, den Dagobas zu Seylon und andern, ber Sonnenanbe:
tung angehörigen Gebäuden des grauen Alterthums.‘
„Schließlich die Bemerkung, daß es in Irland einen my:
thiſchen ‚Helden dee Architektur gibt, ben bie im Wolke umge:
benden Legenden zum Baumeifter vieler jener feltiamen Gebaͤude
machen. Sie nennen ihn den Goban Saer, und der Glaube
ift, daß er auch außerhatb Irland als Baumeifter thätig gewe⸗
fen fei. ‚Der Name bicfes imagimeiren Weſens‘, ſchreibt Wire.
Hall, ‚wird leden, fo lange die Iren ihre eingeborene Sprache
und in ihrer Ungelehrſamkeit die von ihm gelehrten Grundfäge
der Weisheit als Orakel bewahren werben Ich habe nicht die
Zeit erfahren, in weicher er gelebt, aber die age verfichert, in
der Kunft des Bauens babe er alle feine Beitgenoffen übertrof:
fen, und feibft in jenen Zagen ber Zinfterniß, wo fogar nahe
gelegene Länder wenig miteinander verfehrten, habe fein Ruhm
weit in ferne Lande gereicht‘.’ 14.
Literarifhe Notiz.
Beitrag zur Dante-Eiteratur.
Einer ber neueflen Bände des Compte-renda von den
Arbeiten der Ziberifchen Akademie zu Rom, der uns zu Geficht
gelommen ift, enthält einen beachtungswerthen Aufſatz über Ugo
Boscolo’8 Kommentar zum Dante. Diefe geiftoolle Kritik rührt
aus der Feder des Präfidenten der gedachten Akademie her. Der
Commentar felbft, der fünf Abtheitungen büben follte, wurde durch
ben Tod bed Verf. unterbrochen. Bios ber erſte Band ift zu
London, wo ſich Foscolo bekanntlich mehre Jahre hindurch auf:
bielt, erſchienen und umfaßt zwei Bände. Garlo Gazyola, ber
Berf. der Kritik, auf die wir aufmerkfan machen, fucht die Ans
ſicht Foscolo's zu widerlegen, daß nämlich ber einzige Zwect, den
Dante bei Abfaffung gehabt habe, eine beabfichtigte Reformation
der Kirchendisciplin und zum Theil wenigſtens auch der Riten
und Gebräuche bes Katholicismus gewefen fei. Diefe feltfame
Anſicht, die von Gabr. Rofferti vertheidigt wirb, findet im Au⸗
—5 in Italien nur geringen Anticng. Außer biefem Auf⸗
age finden wir in der erwähnten Cammlung der Denkfcriften
biefer Akademie noch einige recht intereſſante Abhandlungen, von
denen wir eine „Betrachtung des Handels im Allgemeinen und
der Handelsverhaͤltniſſe von Italien im Beſondern“ vom Pater
Hyacinth von Ferrari und eine „„Darflellung von ber Macht der
religiöfen Ideen im Wittelatter” von Bartolomeo Pacca na=
mentlidy hervorheben. 2.
Berantwortlicher Derautgeber: Heinrih Brockhaus. — Drud und Verlag von 5. A. Brodhaus in Leipzig.
*
Blätter
fer
literariſche Unterhaltung.
Montag,
iehrtenvereind für Verbefferung und Zortbildung
der deutſchen Sprache.
Beſchluß aus Ne. 288.)
Man meine nur nicht, daß ein zu ertichtender beut:
[her Gelehrtenverein ein treues Abbild des franzöfifchen
oder irgend eines andern ausläudifchen Vereins fein muͤſſe.
Er muß durchaus deutſch fein und die Mängel zu ver:
beffern ftreben, die wir an jenen fremden Vereinen wahr:
nehmen; er foll und kann freie Regung des Geiſtes nicht
hemmen, fondern er kann fie vielmehr nur ermuntern
durch allgemeine und oͤffentliche Beſprechung fprachlicher
Angelegenheiten. Er fol und kann dem Gtrome ber
Sprache nicht Stillſtand gebieten, aber er folk ihn regeln
und reinigen; er foll darüber wachen, daß reichliche Quel⸗
Im und Bäche in das Bert des Sprachſtroms geleitet
werden, und wiederum, daß der Strom fich niche zu weit
und ungezügelt ausdehne und dadurch feine Xiefe vers
fiere und am Ende gar verfiege. Die deutfche Gefammt:
fprache ſtroͤmt nicht mehr wie anfangs ale Naturſprache
im obern Laufe im hohen Gebirge, wo ihe die Natur
ihren Weg vorfchreibt; fie ſtroͤmt jetzt in fruchtbaren Ebe⸗
nen als gewaltiger Strom, der feine Kraft und Schön:
heit verlieren kann, wenn man ihm felbft und feinen reis
hen Zuflüffen nit zu Huͤlfe kommt. Diefe Zuflüffe,
weiche ihm ein Gelehrtenverein durchaus wicht abfchneis
den, fondern vielmehr in möglichfter Fülle, nur geordnet,
zuführen ſoll, find befonders Wörter, Wortformen und
Wendungen aus den lebendigen Volksmundarten aus |
dem Norden und Süben, aus dem Dften und Welten
des deutſchen Vaterlandes, ſowie aus dem Kopfe und Ders
on begabtee Männer entquolien. Einen Damm foll der
Selchrtenverein nur den trüben Waflern entgegenfegen,
welche, auf fremdem Sprachgebiete entquollen, unfern
Sprachſtrom verunreinigen flatt ihn zu bereichern. Daß
auch die auswärtigen Sprachvereine der freien Entwicke⸗
lung des Geiſtes und ſomit' der Bildung neuer Wörter
nit hinderlich find, beweiſt 3. B. der franzöfifche, ber
in jede neue Auflage feines Woͤrterbuchs eine Menge
neuer Wörter aufgenommen bat, und der toßcanifche, der
ſchon ſehr fruh von der urfprünglich falſchen Auffaffung
Über die Nothwendigkeit eines gefeggebenden Ge-
18. October 1843.
feiner Aufgabe zuruͤckkam. Darüber fagt z. B. Leibnis
(„Unvorgreiffliche Gedanken”, 8. 18):
So bat audy bie Italiänifche Geſellfchafft der Euuslı oben
bed Beutel: Zuchs, weiche die böfe Worte von ben guten, wie
die Kleyen vom feinen Mehl fcheiden wollen, durch allzu eckels
baftes Verfahren ihres Zwecks nicht wenig verfehlet, und find
baher bie ikigen Glieder gezwungen morben, bey ber lekten
Ausgebung ihres Woͤrter⸗Buchs, viel Worte zur Hinterth
einzutaffen, bie man vorbero ausgeſchloſſen; weit bie Geſellſchafft
anfangs gang Italien an die Florentiniſche Befege binden, und
den Gelehrten felbft allzu enge Schranken fegen wollen. Und
babe ich von einem vornehmen Glied berfelbigen, To felbft ein
Florentiner, gehöret, daß er in feiner Jugend auch mit ſolchem
Toscaniſchen Aberglauben behafftet gewefen, nunmehr aber ſich
beffen entfchüttet habe.
- Sp dirfte namentlich auch ein deutſcher Gelehrten⸗
verein niemals glauben, fertig zu fein, fondern et müßte
immer von neuem beginnen und unaufbörlich wirken,
denn bie Hälfsquelien der deutſchen Sprache find umners
ſchoͤpflich. Gerade dadurch — wenn z. B. der Belchw
tenversin nach jedem Jahrzehnd eine neue Ausgabe vom
Wörterbuch und Sprachlehre Lieferte — würde man jeme
Huͤlftquellen erſt recht kennen lernen und es müßte febe
erfreulich, anziehend und lehrreich fein, die regeimähig
fortfchreitende Ausbildung der deutfchen Sprache verfole
gen zu Binnen, und der Eifer für die Mutterſprache, ges
gen bie man immer noch viel zu lau iſt, würde fich im⸗
mer mehr fleigern, denn auch jedes befählgte Michemitglieb
eines Vereine würde feine Stimme abgeben und daducch
gleichfals auf die Fortbildung dee Gprache einwirken
koͤnnen.
Ich hoͤre einen fernern Einwurf gegen einen geſetz⸗
gebenden Gelehrtenverein. Man fragt: wie ſoll er ſich
entſcheidendes Anfehen erringen? Die Antwort iſt
einfach: Ein ſolcher Gelehrtenverein dürfte ſich durchaus
nicht von vornherein als einen geſetzgeben den ankuͤn⸗
digen; er muͤßte vielmehr ganz geraͤuſchlos zu wirken an⸗
fangen; er wuͤrde ſich aber bald allgemeine Geltung da⸗
durch verſchaffen, daß er von ſeiner Nothwendigkeit und
von ſeiner Gediegenheit uͤberzeugte. Nicht aͤußere Macht
kamn ihn erhalten, ſondern nur er ſich ſelbſt durch innere
Tuͤchtigkeit und Fortfchreiten mit der Zeit. Vom frans
zöfffchen und fpanifchen Gelehrtenvereine Fönnte man
leicht fagen, fie hatten fi nur dadurch Geltung ver
1158
ſchafft, daß fie unter dem Schuge der Regierung und In
ber Haupeftadt des Reichs entftanden; mie aber der ita:
lieniſche Verein? Unter der Unzahl von Ähnlichen Verei⸗
nen bat er allein fi nun faft drei Jahrhunderte lang
als Geſetzgeber behauptet, ungeachtet unter den verſchiede⸗
nen Landſchaften Italiens viel loderere Verbindung als un:
tee den Deutfchen, felbft Haß und Zwietracht flattfindet.
Allerdings müßte der beutfche Belehrtenverein vom Staate,
am beften von allen deutfchen Staaten unterflügt und er:
halten werden, damit alle Mitglieder defjeiben alle ihre Zeit
und ihren ganzen Fleiß zum Beſten ber deutſchen Sprache
verwenden könnten. Und er dürfte feinen Sitz nicht in
Wien oder Berlin oder München haben, fondern im in:
een d, denn überali bat die Geſammtſprache
vorzugsmweife in der Mitte des Landes ihren Sie.
Wenn wir alfo die Weiterbildung unferer Gefammt:
fprache nicht der Willkuͤr Einzelner, fondern der Sorgfalt
einer Verbindung von Gelcheten, bie nach einem beflimm:
ten Plane und nad beflimmten, vom Volke anerkannten
Gtrundfägen arbeiteten, anvertrauen wollten, fo wäre eine
Hauptfrage, was nun eigentlic, diefelbe Gefellfhaft vor:
sugsweife zu thun haben würde. Ich will dies nur mit
wenigen flüchtigen Worten anzudeuten fuchen.
Vor allen Dingen müßte fie die Werke des deutfchen
Schriftenthums genau prüfen und bie durch ihre Schreib:
art ausgezeichnetfien ald Mufter zur Nachahmung bin:
fielen. Auch diefe Mufterfchriften müßten fprachlich ges
nau geprüft und alles Tadelnswerthe in denfelben in bes
fondern Abhandlungen gerügt und verbeflert werden.
Sodann müßte die Sprachlehre genau durchgenom⸗
men, alle irrthuͤmlichen und fprachwideigen Regeln, mit
weichen uns Gottſched, Adelung u. A. beſchenkt haben,
berichtigt oder ausgefchieben, bie zweifelhaften aber aus
ben lebendigen Volksmundarten beflimmt entfchleden wer⸗
den. Auf diefe Vorarbeiten, welche vorläufig in einer
Zeitſchrift zufammengeftellt werden koͤnnten, damit fie all:
gemeine Beſprechung veranlaßten, würde ſich dann eine
vonftändige Sprachlehre gründen.
In einer ſolchen Sprachlehre müßte namentlich eine
fefte, allgemein gültige Schreibung, die dann erft den
flogen Namen Rechtſchreibung verdienen würbe, feſt⸗
geftelt werben; auch Beihenfesung, Syibenmef:
fung und VBersbau müßten befonders berüdfichtigt
werden. Die ganze Sprachiehre aber müßte ſich auf
Kenntniß aller Iebenbigen Volksmundarten flügen.
Eine Hauptaufgabe für einen folhen Verein wäre
aber die Sichtung und Bereicherung des Wortfhases.
Ale gemeine, miderfinnig gebildete und fremde Wörter
müßten ausgefchleden und dafür eine große Anzahl be:
zeichnender und £refflicher Ausdrüde aus den Volksmund⸗
arten aufgenommen werden, bamit die Geſammtſprache
in der That Das werde, was ihr Begründer von ihr ver:
langte und was fie dem Weſen der Sprache nad) fein
fol: ein Inbegriff des Gediegenften und Schönften aus
allen lebendigen deufhen Mundarten; erft dann wird
fie für die Bewohner der Landfchaften nichts Fremdes und
Todtes mehr fein, denn Alle werben in ihr ihre eigene
Mundart wiederfinden. Auch biefe Beruͤckſichtigung ber
Mundarten verlangte ſchon Leibnig (a. a. ©. $. 32).
Die Hauptaufgabe wäre alfo ein Wörterbuch, welches
zugleih auch die brauchbaren mundartlichen Wörter ent:
bielte; denn auch das von den Brüdern Grinm zu ers
wartende Wörterbuch wird ſich auf die hochdeutſche Schrift:
fprache befchränfen.
Es geht aus dem Sefagten hervor, daß bie Mitglieder
bes Dereins alien Gauen Deutfchlands angehören und
eine tüchtige Kenntniß aller lebenden Volksmundarten
haben müßten. Dem jegt faft überall erwachten Streben
nah Erforſchung und Ausbildung der Volksmundarten
fheint das Gefuͤhl zum Grunde zu liegen, daß fie alle,
in ein einheitliches Ganzes verſchmolzen, erſt die wahre
deutfche Sprache bilden würden. Auguft Fuchs.
Algerifhe Vegetation.
In der Sigung der Academie des sciences in Paris am
10. Juli wurde ein Auffag des Präfidenten der nach Algier zur
Verfolgung botanifcher Zwecke abgefendeten Commiſſion, Bor
de St.⸗Vincent, vorgelefen, welcher allgemeine Geſichtspunkte und
Ginzelheiten von größtem Intereffe darbietet. Wir theilen
daraus Folgendes als das Wefentlichfte mit:
....,Deöfontaines’ ‚Flora atlantica‘ erregte fo viel Auffehen
in der getehrten Welt, weil ber Verf. 250 unbelannte Pflanzen:
arten in ſolcher Nähe von Europa entdeckt hatte. Faſt alle dieſe
Arten bat man ſeitdem an andern Küften bes mittelländifchen
Meeres aufgefunden, beſonders an ber Süd: und ODſtkante der
iberiſchen Halbinſel, welche man als das rechte Ufer eines breiten
Stromes anfehen kann, deſſen linkes Ufer Algerien fein wuͤrde.
Die Analogie beider Landſtriche ift fo auffallend, daß es jett
nicht mehr zu kuͤhn iſt, wenn man erwartet, nach vollendeter
Erforſchung beider alle Unterſchiede in geologifcher, zoologiſcher,
botanifcher und klimatiſcher Dinficht vöNig verſchwinden zu fehen.
Schon vor langer Zeit, als ich die afritanifche Küfte nur
dadurch kannte, daß ich fie von Anbalufiens Hoͤben und Küften
aus gefehen hatte, machte ich auf bie auffallende KÄhnlichkeit
beider Eandftrihe aufmerkſam und ftellte die Anfiht auf, daß
der Meeredarm, ber fie voneinander fcheidet, nicht immer ba:
gewefen. Der Gedanke, daß irgend einmal bort das Meer
piögtich durchgebrochen, war ſchon von Andern, aber obne Be:
weile bingeftellt; ich entnahm meine Beweiſe aus ber Verglei⸗
hung der beiden Gegenden gemeinfamen Raturverbältniffe.
„Ich verfuchte bamals zu beweiſen, baß die Revolution, der
bie von ben Alten fogenannten Serculesfäulen ihren Urfprung
verbanten, ‚innerhalb Menſchengedenkens ftattgefunden haben
muͤſſe und nicht weit über bie Zeit, weiche die Geſchichtſchreiber
das beroifche Alter nennen binaufzurdden fein dürfte. Meine
Sreurfionen in den 93. 1840 —4 baben mir Das befkätigt
was ich früher vermuthet und in ben 3. 1823 und 18
öffentlich ausgefprochen habe.”
‚Da feit 1830 viele einzelne neue Gewaͤchſe Aigeriens in
Guropa bekannt geworden find, hielt man bie Bekanntfchaft mit
ber algeriſchen Flora ſchon für erfchöpfend, aber es gab noch
eine bebeutende Leſe zu halten und wir haben gegen 60 un»
befannte Phanerogamen aufgefunden, unter benen mehre wegen
ihrer Schönheit in unfern Ziergärten Aufnahme verdienen. An
Kryptogamen find die brei Provingen des franzöfifchen Afrika
minber reich als an Phanerogamen. Die Gumnsreichen Täler,
bie Feleplatten, bie alten Baumſtaͤmme ſchmuͤcken ſich dort nicht,
wie an fo vielen andern Oxten gleicher Breite, mit einer foichen
Menge von Farrnkraͤutern, Mofen, Flechten, Schwämmen, einer
dem warmen und feuchten Klima fonft eigenthuͤmlichen Ne:
getation. Die algerifche Luft ift wirklich warn und feucht, man
muß alfo den Mangel an Gewaͤchſen biefer Art, der viel
AGD
groͤßer ift, als wir geglaubt bakten, aus andern Urſachen als
aus einer. vorgeblichen Trockenheit Algeriens herleiten. . Die
Landbraͤnde, weiche fe unbentrichen ae hi ige jedes
Sabr gegen Ende bes Sommers zu fliften en, erzeugen
diefen Mangel, und dieſe Mrände waͤrden mit ber Beit alles
Pflangenieben vernichten, wenn nicht die Adminiſtration endlich
vorforglich Einhalt thäte. Ginige Ausbeute an Kryptogamen
bat fich beffenungeachtet ergeben und zwar an bevorzugten
Gtellen, weiche von ber herkoͤmmlichen Berwüftung verfcyont
ebtieben find. Vorzuͤglich aher lieferte uns das Meer eine gute
ente im Gebiete ber Hydrophytologie. In diefem noch bunfeln
Zweige der Wiſſenſchaft gelang ed, drei Gattungen (genus)
feftzuftellen und nicht weniger als 400 Arten (species), von
denen etwa 60 (die bisher nur unvolllommen befannt waren)
Anſpruch auf Neuheit haben.’
„Die barbareste Flora wird in der Vollſtaͤndigkeit, welche
unfer Katalog darbieten wird, genügen, um den botanifchen
Charakter der Umgebungen des Mitteimeers mit Genauigteit
feftzuftellen. Diefer Katalog wird aud für einen wohlverftans
denen Aderbau von Nutzen fein, denn wenn man weiß, was
die drei Provinzen freiwillig erzeugen, fo Tann man daraus ab»
nehmen, was man ihrem Boden zumuthen darf. Es wird ſich
zeigen, daß unfer afrikaniſcher Diſtrict nicht, wie fo oft mit
Gmpbafe declamirt worden, ein erfchöpftes Land if. Man
wird vielmehr von ihm Weine fodern können, welche mit den
fpanifchen, dem Madeira, dem Ganarienfect wettelfern; er wird
den beften Zabad der Welt liefern, Baumwolle, welche die ames
rikaniſche übertrifft, Gochenille von nicht geringerer Schönheit
als die mericanifche, vortreffliches Di, Seide in folder Voll:
fommenpheit, wie fie Shina nur immer beſitzt, faſt alle Brüchte
der Welt, und darunter manche, bie getrodnet eine bedeutende
Ausfuhr geftatten werden, und viele andere Artikel. Der Cere⸗
elien gar nicht zu gedenken, deren wir für fo viele Millionen
om Schwarzen Meere holen, während fie in der Berberei übers
flüffig wachlen, wo fie ihrer Qualität wegen von Alters ber
rühmt waren.”
„Die Eoftbaren Gerealien find ganz anders verbreitet in
Afrika, als der berüchtigte Flugſand es iſt oder jemals war, von
dem fo ſchreckliche Schiiderungen nach Europa fommen und ber
den Gegnern der algeriſchen Befigungen fo viel Stoff zu Decla⸗
mationen über bie Unhaltbarkeit bderfelben liefert. Bewegliche
Sandſchollen von brohendem und unbezwinglich flerilem Eha⸗
salter kommen nirgend vor, nicht einmal in der Wüfte; im
Gegentheil, der Sand ift eine Beltenheit, während man ihn für
eine Landplage auögegeben bat. Man findet ihn in Algerien
nur, wo in Meeresbuchten ſich einige Anſchwemmungen bilden,
und Das, was an manden Küftenftellen einige Ahntichkeit mit
ihm hat, wa® man Dünen nennt, läßt fi) an Ausbebnung und
Höhe nicht im entfernteften mit ben Aufhäufungen vergleichen,
die in vielen Strichen Norddeutſchlands, Hollande, Belgiens
und fonderlich an der Küfte von Gascogne anzutreffen find.
Nirgend ift mehr fruchtbare Erbe, nirgend in tiefern Lagen,
nirgend beſſer anzutreffen als in Algerien, wo der Boden ſich
durch zwei Drittel des Jahres mit der uͤppigſten Begetation
fhmidt. Es ift im Winter milder und im Sommer weniger
heiß als irgendwo, wenn nicht in den Hundstagen ein Sirocco
mehre Stunden lang weht. Das Trinkwaſſer ift im Allgemeis
nen frifch und überall vorhanden, wo nicht europäifcher Bandas
liemus die zahlreichen Waflerleitungen, über deren Erhaltung
die türlifhen Barbaren forgfam wachten, zertrümmert und
Dürre verurfacht hat ober Berfhlammungen, durch bie dann
auch bie Luft verberbt worben iſt.“ 78.
Bibliographie.
Ainsworth’s, W. H., Hiftorifche Romane und Gitten-
gemäide. In forgfättigen Übertragungen aus dem Cnglifchen
von X. Bruder. Ifte Lieferung: Schloß Windfor. Iſtes Baͤnb⸗
den. Stuttgart, Böpel. 8. 8 Nor.
Apol des ungrischen Slawiswus. Von 8. Hess,
Leipzig, Volckmar. Gr. 8. 22!/, Ner.
Ariftophbanes, Luftfpiele. überſetzt und erläutert von
* Fo Iter. Ifler Band. Leipzig, Brockhaus. Br. 8. 1 Zpir.
Arndt, E. M., Gedichte» Der neuen Ausgabe Re vers
mebrte Auflage. Leipzig, Weidmann. Gr. 12. Zhle.
Aurora. Taſchenbuch für das Jahr 1844. Herausgegeben
von 3. &. Seidt. 20fter Iahrgang. Mit ſieben Stahiſtichen.
Wien, Riebls Sm FR Sohn. 16. 2 Thir. 5 Nor.
aum, J. B., Theodor Beza nach handfchriftlichen Quel⸗
len dargeßellt. After Theil. Wit Beza's Bildniß ⸗
mann: —8 pn n Thir. 15 Be B. Leipaig, Seſd
iſche Bekenntnißſchriften. Iſtes Heft: Das jſüuͤdi
Glaubensbekenntniß. Berlin, Behr. 12. gr Nor. judiſche
Bibliotheca magica et pneumatica, oder wiſſenſchaftlich
geordnete Bibliographie ber wichtigſten in das Gebiet des Zau⸗
ber», Wunder-, Beifter s und fonftigen Xberglaubens vorzüglich
" älterer Zeit einfchlagenden Werke. Wit Angabe der ous diefen
Wiſſenſchaften auf der koͤniglich fächfifchen öffentlichen Bibliothek
zu Dresden befindlichen Schriften. Ein —* r —5*
ſchichtlichen Literatur. Zuſammengeſtellt und mit einem doppel⸗
„ten Regiſter verfehen von I, G. T. Graͤße. Leipzig, Engel⸗
mann. Gr. 8. 25 Ngr.
Braune, H., Eidena's frühere Verhättniffe. Mit befon-
derer Berüdfichtigung des Studiums ber Landwirtbfchaft” und
deſſen Einfluß auf das praftifche Leben. Auf Beranlaffung eis
ner von 3. Schwarzlofe herausgegebenen Schrift: Dein ‚8er
ben in Eldena“ geſchrieben und mit einer Kritik derfelben vers
fehen. Magdeburg, Heinrichshofen 8. 7Y, Nor.
riefe preussischer Staatsmänner. Herausgegeben von
Dorow. ister Band: Briefe des Königlich Preussischen
Legationsraths K. E. Oelsner an den wirklichen Geheimen
Rath F. A. v. Staegemann, aus den Jahren 1815 — 1827,
Mit „hacsimile der Handschrift. Leipzig, Teubner. Gr. 8.
r.
Bruchſtuͤcke aus ber Kaiferchronit und bem jüngern Titurel
zum erften Dale herausgegeben und erläutert — K. Ro th.
Landshut, Thomann. 8, .
Emben, Rakebrand. Gr. 8.
r
Bueren, ©. W., Gedichte,
1 Thir.
Bunſen, ©. ©. J., Die Baſiliken des chriſtlichen Roms,
nach ihrem Sufammenhange mit Idee und Gelchichte ber Kir⸗
chenbaukunſt dargeftellt. München, Literar. sartift. Anſtalt. Gr.
SImp.:4. 1Thir. 18%, Nor.
D’Eonnel, Über Irland und bie Irlaͤnder. Nach bem
Englifhen von A. Böttger. Ifter Band, Ifte Lieferung. Leip⸗
zig, Kummer. 8. Preis des Bandes in zwei Lief. 1 Thlr.
Csaplovics, J. v., ÜUngerns Industrie und Cultur.
Leipzig, O. Wigand. Gr. 8. 12 Ngr.
Vier Documente aus römischen Archiven. Ein Bei
zur Geschichte des Protestantismus vor, während und nach
der Reformation. Leipzig, Hahn. Gr. 8. 20 Ngr.
Ehrenberg, C. G., Verbreitung und Kinfluss des
mikroskopischen Lebens in Süd- und Nordamerika. Ein
Vortrag. Mit vier colorirten Kupfertafela. ‚Berlin. Folio.
5 Thlr. 10 Ngr.
Stinnerungen der Schweiter Saint Louis aus ber Zeit ib:
rer Erziebung und ihres Lebens in der Welt. Vom Verf. von
„Rom und Eoretto”. Zwei Bändchen. Tübingen, Laupp. 8.
1 Thir. 25 Nor.
Erzählung einer vom Biſchof Laurent in Luremburg bes
wirkten Teufelsaustreibung. Aus dem Hollaͤndiſchen wörtlich
uͤberſetzt. Luremburg, Michaelis. Kl. 8. 5 Rgr.
Evangelium und Kirche. Eine katholiſche Proteſtation ge⸗
gen den Proteſtantismus, der ſich „„Kicche” nennt Bon Dr.
Sylvius. Regensburg, Manz. Gr. 8. 27%, Near.
Faͤhnrich, A., Pallas Athene. Gin etymologifches Ta⸗
ſchenbuch. Ater. Jahrgang. — A. u. d. T.: Ko molar
EBirtaerbuch aber ichende Anatomie der deutſchen
prache. Nebſt Materialien fr flawiſche und lateiniſche Sprach⸗
ſorſchuns · Iſtes Heft. Gitſchin. 16 20 Rar
e aurerei und bie Weit. Sin Programm. Der
koͤniglich bayerifchen Zriebrich » Aleranders » Univerfität at Be⸗
weis imiger Theilnahme an deren erſſer Gäcularfeier gewidmet
von ber Loge Libanon zu ben drei Cedern. Erlangen, Palm.
4
‚4 3
bee i 38 Leipzig, Binder.
Beiehri bes Großen RBermächtni.
®r. 16. 7%, Ner.
Fritſche, F. G., Die erziehende Weisheit Gottes beim
KRücdhiid auf die 1000jährige Gelbftändigkeit unferes Bolke.
Gebädhtnißprebigt. Altenburg, Helbig. Gr. 8. 5 Nor.
Gerus, 3., Stille Lieder. I. Königöberg, Theile. 8.
gr.
Goltz, ©. F. G, Jubelpredigt zur Feier des 1000jähris
en Beftehens Deutfchlande am 6. Aug. 1843 über Pſalm 126,
5. 3. Berlin, Atyendum. 8. 2% Rer.
Goͤrlich, F. X., Das Leben der heiligen Hebwig, Herzo⸗
gin von Schlefien, als Andenken an bie aͤhrige —&*
ihres ſeligen Todes zum Beſten eines kirchlichen Zweckes bear⸗
beitet. Breslau, Aderhoiz. 8. 22% Ngr.
Hagen, K., Deutſchlands literariſche und religiöfe Ver⸗
haͤltniſſe im Reformationszeitalter. 2ter Band: Der Geiſt der
Reformation und feine Gegenfaͤtze. Iſter Band. Erlangen,
Palm. ®r. 8. 1 Thir. 15 Rer.
Handbuch des Schachſpiels Entworfen und angefangen
von P. R. v, Bilguer Fortgeſetzt unb herausgegeben von
feinem Freunde v. d. Lafa. Berlin, Reit und Comp. Gr.
Lex.⸗B8. 3 Thlr.
Hanſen, W., Edmund von Kuckſsburg. Eine Ritterge⸗
ſvich fa den Beiten der Kreuzzuͤge. Nordhauſen, Fuͤrſt.
. 2 HE. j
Dautbal, $., genannt F. 8. Kranke, Der große Chris
ſtoph. Nebſt einem von C. Begas gezeichneten und lithogras
phirten Bilde und Zunft» und literar » hiltorifchen Bemerkungen.
Berlin, Trautwein. Gr. 4. 1 Ihe. 15 Nur.
Hengftenberg, © W., Commentar über bie Pfaimen.
3ter Band. Berlin, Oehmigke. &r. 8. 1 Zihir. 20 Nor.
Hopfe, 3. ©. F., Predigt am Tage der Feier des 1000:
jährigen Beſtehens der Einheit und Selbſtſtaͤndigkeit Deutſch⸗
lands. Eisleben, Reichardt. 8. 3°), Nor.
Junghanns, C., Beleuchtung der Bittſchrift der Han⸗
delstammer von Elberfeld und Barmen an ben rheiniſchen Lande
tag. Leipzig, F. Fleiſcher Gr. 8. 15 Nor.
Kall, &., Eva, bie Barfenfpieierin. Ein Gemälde aus
dem Wolksleben. Gifenderg, Schöne. 8. 1 Thlr. 10 Nor.
Koh» Sternfeld, 3. ©. Nitter v., Rhapfohien aus ben
norifhen Alpen. Mit ertäuternden biftorifch s topographiſchen
und Literatrifchen Notizen. Ite und vermehrte Auflage. Müns
en, Fleiſchmann. 12. 22, Xgr.
König, K. B., Der Schade Joſeph's an unfern Lands
gemeinden. Geſinnungsvoll aber freimüthig aufgebedt. Mag⸗
deburg, Baenſch. Gr. 8. 10 Nor.
Landau, W., Die Petition des Vorſtandes der israeliti⸗
fhen Gemeinde zu Dresden und ihr Schickſal in der II. Kam⸗
mer März 1843. Dresden, Walther. Gr. 8. 4 Ner.
Liebner, T. A., Predigt zur 1000jährigen Jubelfeier
des Vertrags von Verdun. Im der UniverfitätssKirche zu Goͤt⸗
tingen am 6. Xuguft 1843 gehalten. Göttingen, Vandenhoeck
und Ruprecht. Gr. 8. 3%, Nor.
Meyer, W. v., Reifen in Suͤd⸗Afrika während ber
Sabre 1S40 und 1841. Beſchreibung des jegigen Zuſtandes der
Solonie des Vorgebirges der guten Hoffnung. Nebft Abbildung
einer Löwenjagd. Hamburg, Erie. Er. 8. 1 Zpir. 10 Nor.
Müller, W., Bettler Gabe. Taſchenbuch für 1844.
10ter Jahrgang. Mit dem Portrait bes VBerfaffers. Berlin,
Deutidhe Veriagsbuchhandlung. KL 8. 1 hir. 20 Nor.
@L.:Werty, Steh Eiiuhcf, oder die nordiſchen Yebdkts
in —& Baͤnde. Leipzig, Mtentra ae. 1844. le 2 Thlk,
Didelop, X. v., Geegraphie bes ruffi Rei
—* Aruellen beatbeitet. Peterabuc; Hr —X Fon
Yo
— — Srammatitaliſche Interhaltungen. Suffifche S
Petersburg 1842. @r. * 1 Fr i Bade
Ponfarb, Lucretia. Tragödie in fünf Aufzägen. Im
Bersmaße bes Originale verdeutiiht von Stolle. Münden,
Palm. Gr. 12. 10 Rar.
peägel, 8. G., Reue Maurer⸗Gebdichte. Hamburg 1842.
Gr. 12. Thlr.
Princes Smith, J., Über Handelsfeindſeligkeit. Kb
nigöberg, Theile. Gr. 8. 15 Nor.
Rabe, M. F., Forſchungen im Gebiete ber Vorzeit.
Iftes Heft: Das Grabmal des Kurfürften Johannes am
von Brandenburg in der Domkirche zu Berlin, ein Kunſtwerk
von Peter Vier dem Xttern in Nürnberg, beenbigt von fei-
nem Sohne 3. Bifcher. Mit vier Kupfern. Berlin, Luͤderit.
Gr. 4. 1 Thlr.
Reimnitz, F. W., Über die Brechung der Vokale
i, u, iu im Hochdeutschen. Guben, Berger. 4. 5 Ngr.
Roswitha. Almanach der Schönheit und Tugend geweiht
von Ehlobwig. ster Jahrgang. 1844. Mit ſechs colorirten
Kupfern. Guben, Berger. Gr. 16. 2 Thir. 15 Ner.
J. ' Sheifttice Predigten. Königsberg, Theile.
. gr.
Sander, 3. 8. &., Der Romanismus, feine Zenden:
zen und feine Methodit. Mit befonderer Beruͤckſichtigung des
Köiner Greigniffes. ine Apologie der evangelifden Kirche.
Eſſen, Vädeler. Gr. 8. 17%, Aor.
Schefer, 8, Göttlidde Komödie in Rom. Novelle. ?te
underänderte Auflage. Gottbus, Meyer. 8. 1 Thir.
Shüding, L., Ein Schloß am Meer. Roman. Zwei
Theie 3 Thlr.
ch
Leipzig, Brockhaus. 12.
Schuur, H. W. A., Die Sonntagsfeler. Ein Wort us
feine Zeitgenoſſen. Königsberg, Theile. Gr. 8. 10 Nor.
‚_Geig, A., Die Negation in der frangöfifchen Sprache.
Wiffeniaftlich abgehandelt. Emden, Rakebrand. 8. 11%, Nor.
Souveſtre, E., Der Menſch und bas Geld. Frei nad
bem Branzöfifchen von A. Rofas. Zwei Bände. Altena, Hams
merid. 8. 2 Thlir. 10 Nor. \
Hiſtoriſches Taſchenbuch. Herausgegeben von F. v. Rau:
mer. Neue Folge. Ser Jahrgang. Leipzig, Brockhaus. Gr. 12.
2 Thir. 15 Ngr.
Tiltier, A. v., Gefchihte ber helvetiſchen Republik von
ihree Gründung im Zrühjahre 1798 bis zu ihrer Auftöfung im
Frühjahr 1803, vorzuͤglich aus dem helvetiſchenn Archiv und an
dern noch unbefannten handſchriftlichen Quellen bargeftellt. 2er
und Ster Band Bern, Fiſcher. Er. 8. 2 KEhir. 22%, Nor.
„ teinte, 8.8, Samuel Hahnemann’s ) Verbienfte um
die Heilfunft. Gin Wortzag in ber Berfammiging homdopathis
fher Ärzte am 10. Auguft 1843 in Dresden gelhalten. Reipsig,
Schumann. 8. 5 Nor.
Dramatifches Vergißmeinnicht auf das Jaͤhr 1844, aus
den Gärten des Auslandes na Deutfchland } verpflangt von
=. eilt. 2lſtes Bändchen. Dresden, Arno. 1844. 8.
r.
Werfer, A., Quintin Meſſis. Ein Gesicht in zwölf
Gefängen. Augsburg, Wolff. 8. 10 Nor.
Wittmann, 3.6, Geographie von Würdtemberg. um,
Heerbrandt und Thaͤmel. 8. 11, Nor.
3euß, Die freie Reicheſtadt Speier vor ihrer Zerftörung,
nad) urkunblien Queen örtlich geſchildert. Mit \altem Plane
und „aiten Anſichten der Stadt, Speier, Neidhard. Br. 4.
gr.
Verantwortlicher Herausgeber: Heinrich Brokhaus. — Drud und Verlag von F. A. Brochaus in Leipzig.
TE
Blätter
für
littrariſche. Unterhaltung.
Karl Gutzkow.
Vermiſchte Schriften. Bon Kari Gutzkow. Drei Baͤnde.
Lkeipzig, Weber. 1842. 8. 4 Thlr. 15 Nor.
Diefem Buche gegenüber befinde ich mich als Kritiker
in einer in der That kritiſchen Lage. Das Buch bildet
naͤmlich feine compacte Maſſe, keine geordnete und zu:
fammenhängende Truppenaufſtellung; es hat kein Centrum,
alfo auch Beinen rechten und linken Flügel; wo foll man
es angreifen? Soll id das Gentrum fprengen? den rech⸗
tn Fluͤgel in die Flanke nehmen? den linken umgeben?
mi) auf die Opsrationsbafis werfen *_ Aber das Alles
febtt, an eine concenteirte Stellung, an eine Operations⸗
bafis iſt gar nicht zu denken. Man bat nur eine Zirall:
leurlinie vor ſich, von einigem nachdrüdlichen Geſchuͤtzfeuer
gedeckt und unterftügt, Guerrillas und tiroler Schügen,
die im Buſche oder Gekluͤft verſteckt Liegen und mit ſcharf⸗
gezogenen Büchfen gut zu zielen wiſſen, gewandte und ges
übte Leichte Meiterei, die bald da bald dort anfprengt,
tiftige Freicorps, parthifche Reiterei und Kofadenfchrodrme,
meiche felbft im Fliehen noch dem Feinde Abbruch zu thun
und ihm den Sieg ſtreitig zu machen wiſſen.
Aber bin ich denn ein Gegner dieſes Buchs oder will
und muß ich e8 mit Gewalt fein? Ich glaube nicht. Ich
bemerte unter den bier aufgeftellten Truppen aud Bun:
destruppen, für die ich und die mit mie ſympathiſiren,
mit denen ich lieber als gegen die ich zu Felde ziehen
möchte. Mit einem Worte: ich babe an diefen Miſch⸗
fohriften beinahe mehr zu loben als auszufegen. Scheint
mir dee eine Auffatz unbedeutend, unerquicklich, unwahr,
fo Iöfcht der folgende Auffag duch Inhalt und Form den
unangenehmen Eindrud wieder aus; fcheint mir jegt eine
Anfiht gewagt, einfeitig und unhaltbar, fo übertafcht mid)
die andere wieder um fo mehr durch ihre treffende Pointe
oder durch geiſtreiche Faſſung. Ja, es ift kaum ein noch
fo unbedeutender oder veralteter Aufſatz im Buche, der
nicht durch irgend eine geiflveiche Wendung frappirte und
den Leſer einigermaßen entfchädigte. Gutzkow's Geiſt iſt
ſeiner Geſammtthaͤtigkeit nach aͤußerſt vielſeitig, indem es
kaum eine Erſcheinung im Gebiete des geiſtigen, politi⸗
ſchen, religioͤſen, ſocialen und literariſchen Lebens gibt, an
weicher ſich ſein Witz nicht uͤbte, welche fein Geiſt nicht
in feine Kreiſe bannte; aber er hat auch eine nur ihm
eigenthuͤmllche Manier, ben Gegenſtand feiner Betrachtung
17. Dctober 1843.
fo lange hin und ber zu wenden, hin und ber zu fchieben,
zu nähern, zu entfernen, bis er die Seiten an ihm here
ausfindet, die feiner eigenthuͤmlichen Geiſtesrichtung oder
jeweiligen Abfichten entfprechen, bis er ihn in das gehörige
Licht und an die Stelle feines Geſichtskreiſes gebracht hat,
two er feiner individuellen Sehkraft am bequemften gegen
uͤbergeſtellt iſt. Das Ding hat zwar noch manche andere
Seiten, aber diefe eine Seite genügt Gutzkow, um barans
auf das Kotale der Erfcheinung einen falfchen oder ſtich⸗
haltigen oder der Wahrheit fit anndbernden Schluß zu
machen. Gelingt ihm das Erperiment nicht, der Erſchei⸗
nung innerhalb feines Sehkreiſes eine Stelle zu geben,
bleibt fie vielmehr außerhalb feines Geſichtskreiſes, fo ſetzt
er fi) wol eine gefchärfte oder getrübte Brille auf und
meint nun: er fähe das Ding doch im rechten Lichte,
Umfange und Wefen. Daher die große Vielſeitigkeit Gutz⸗
kow's bei aller Einfeitigkeit, daher feine merkwuͤrdige Eins
ſeitigkeit bei aller WVielfeitigkeit, daher fein keckes, Leichtfers
tiged Abfprechen über Dinge, die ſich ihm von ſelbſt nicht
nähern wollen, die er aber gewaltfam an fich heranzieht,
die fih ihm auf Tod und Leben ergeben müffen. Es if
wie wenn man ein Weib, das ſich ans freier Meigung
und in natürlicher Herzensinnigkeit nicht ergeben will und
kann, aus bloßem Ehrgeiz fo lange heftig und zudringlich
beftürmt, bis es müde und matt und verwiret fi) dem
Werber zum Opfer bringt; an ein natürliches und offenes
Verftändnig und inniges Ineinanderſchmelzen iſt in fols
hen Fällen freilich nicht zu denken; hier iſt die Scheidung
zur Ehe geworden, folglich muß die Ehe auch wieder zur
Scheidung werden. Gutzkow's Geift kommt häufig zum
Ziel, aber nicht wie die Kugel, welche in gerader Richtung
durch die Luft fliege, fondern wie bie bunte glitzernde
Schlange, die fi in liſtigen Windungen am Boden hin⸗
ringelt und fich jest in fich felbft zufammenrollt, um fi
im nächften Augenblicke aufzufchnellen und ihren Raub zu
faffen; aber kaum weniger felten ſchießt fein Witz über bie
Beute hinaus oder gar diefer felbft in den Rachen. Ydy
fehe freitich nicht ein, warum Gutzkow über Alles und
Jedes fprechen muß, obgleich ich ein Dauptmotiv in der
eigenthuͤmlichen Stellung finde, weldye der Medacteur einer
deutfchen belletriſtiſchen Zeitſchrift zu diefer wie zu felnew
Publicum einnimmt. Sein Publicum {ft efm vielgefräßfe
ges nafchhafte® Ding; es will von ‚Allem wiſſen, über:
462
Alles benachrichtigt und belehrt fein; mer ein Concert ges
geben und fogar ein Freibillet geſpendet hat, will darüber
fo gut wie die Befucher etwas leſen; die legte neue Oper,
das letzte neue Trauerſpiel, das legte neue Luſtſpiel wol:
len Menfaiih befppochen fein; der Tifdy liegh voll einiges
ſandter Blicher, die um fo mehr recenſict werden muͤſſen,
weil der Erlös daraus zu den Mevenuen des Redacteurs
gehört ; eine Literarifche Streitfache, ein politiſches Ereig⸗
niß, eine religiöfe Wirre, eine Kunftausftellung — jedes
noch ſo geringe Tagesbegebniß, jeder nocd fo geringe
Künftier. oder Schriftfteller ftgecdt flehend die Hände aus,
bittet, beſchwoͤrt, fleht und heult um Belprehung, um
gütige Berucfichtigung — und der arme Redacteur muß
über dieſe taufenderlet Dinge wohl oder übel fein Urtheil
abgeben; er muß. Über Ppilofophie und Theofogie, Über
Politit und Staatswirthichaft, über Kunfk und Handwerk,
über, Gemälde und Statuen, über Bocal: und Inſtru⸗
mentalmufit, über Schaufpielee und Sänger zu fprechen,
auch wol bei eintretendem Mangel eine Novelle zu fchreis
ben wiflen, und da, fein Honorar in ber Meyel nur. gee
sing und nicht hinreichend iſt, um viele Mitarbeiter bag:
tem zu koͤnnen, fieht ex fich gezwungen, biefe Menge von
verfihiedenen Speifen, von deren Zubereitung er früher
nicht die geringfte Kenntniß hatte, felbft zu kochen und
dem PDublicum- aufzutifchen. Daher die Menge von Speis
fen, die aber alle mit einem und bemfelben Gewürz, mit
einer und derſelben Brühe zubereitet find! Daher diefe
wunderliche Vielſeitigkeit der jüngern beutfchen Schrift⸗
ſteller! Daher diefes apodiktifche, anmaßende Urtheil, das
ſich in allen Sätteln gerecht, jede Branche für fich zuge:
eitten meint! Gutzkow bat zwar eine gewiffe Selbfländig-
keit des Urtheils vor Vielen voraus, aber jene einfeitige
Vielſeitigkeit, jene Anmaßung find bei ihm in hohem
Grade ausgefprohen. Er menge fi in Alles, er gudk
in alle Töpfe, ee muß über jede neue Erſcheinung jederlei
Ast fein entfcheidendes Urtheil abgeben; ec drängt ſich faſt
gewaltfam jeder Thatſache, jeder Zagesmeinung, jedem
Autor als fchmetternde Eritifche Poſaqune des juͤngſten Ge⸗
richts auf. Gutzkow laͤßt fih in der That mit. einem
Koſackenhaͤuptling vergleichen; es ſteht ihm eine ganze
Harde leicht berittener, mit fpigen Lanzen verfehener Ge:
danken zu Gebote; nur theilt er fie in einzelne Schwärme;
ſprengt bald da bald dort an, macht bald da bald dort
einen Angriff; ein Hurrah, ein Stoß mit der Lanze! ber
Feind ſtutze; aber raſch vertheilt fich dee Schwarm wieder
nad alien vier Winden, um dies nicht gerade imponi⸗
sende, aber doch ſtimulirende und irtitirende Kriegsſpiel
au einem andern Punkte des großen Schlachtgetuͤmmels
umfereg Zeit in gleicher Weife zu wiederholen. Es ift
Mar, daß eine folche Kriegsführung, wenn auch nicht im:
mer. von Mugen, doch ſtets von großem Intereſſe an ſich iſt.
Es if mit Recht bemerkt worden, daß Gutzkow in
ſeinen kritiſchen Auffügen mehr oder weniger von perſoͤn⸗
lichen Zwecken ausgeht, wennſchon er geiflseich und yes
wendt genug iſt, allgemeine Tendenzen vorzufchreiben und
dadurch dem gewöhnlichen Lefer zu taͤuſchen. Möglich, da
fi Gutzker dahri ſelbſt uͤberredet, er habe nichts Perſoͤn⸗
lidyes, fondern nur das Allgemeine zum Zweck; eine ſolche
Selbſtverblendung und Selbftüberredung iſt gar nichts Un⸗
erhoͤrtes, befonders wenn Geiſt und Kenntniffe, eine von
ber einen Seite. faft fpftergatifch überfütterte, von, deu. ans
dern Seite vickſach und oft ungerecht: verlage irefkeic,
dann aber. auch wirklih das echte und vechte Bewußtfein,
etwas Tuͤchtiges geleiſtet zu haben, zur Bildung eines lite⸗
rariſchen Charakters zuſammenſchießen. Es hat kaum Je⸗
mand mehr unfertige Gegner, aber auch kaum Jemand
mehr unbeſonnene oder auf des Gefeierten Sympathie ſpe⸗
culirende Lobredner gehabt als eben Gutzkow, in welchem
einer feiner Partiſane eine Vereinigung von Voltaire und
Rouffsau finden. wollte. Ob er. dies Complinent neit- Mider⸗
willen oder als eine ihm von rechtswegen gebührende Hul⸗
digung aufgenommen babe, meiß ich wicht, glaube jedoch
zu Ehren Gutzkow's das Erſtero. Er gehörte zu den we⸗
nigen Juͤngern, welche von der abfurden und halb peffen-
haften Erfindung Menzel's, einzelne Namen in einem
rplogeapbirten. Korberdrange über feinem Literaturblatte aus⸗
zuftellen, Nugen zogen; auch fein Name wurde auf diefe
Weiſe geehrt, eine Ehre, womit hoͤchſtens din fleißiger und
geſitteter Schulbube zufrieden fein. kounte, nicht. ein Schrifts
fteiler, der über bloße Schulprämien und deutſtch Beinlichen
Firlefanz hinaus fein ſollte. Aber Aufſehen erregen, Auf⸗
fehen um jeden Preis, wurde nun Gutzkow's Wahiſpruch
und er ſchrieb die „Wally“, Über welche der kritiſche Stab
bereits gebrochen iſt. Jetzt begann der Skandal mit feis
nem feuern Meiſter und Deren, mit Wolfgang Menzel;
jegt der pompbafte Aufruf an die deutſche Jugend, der
beghfichtigten „Deutſchen Revue‘ Manwfeript. zu liefern;
jest die halb unfreiwillige Theilnehmerſchaft am jungen
Deutſchland; jetzt das Verbot feiner Schuiften, feloft der
zukünftigen, freilich eine Maßregel, die, wie Einige bes
haupten wollen, in einem wirklich gebildeten, gefitteten
und mit echtem. Rechtsgefuͤhl ausgeflatteten Lande. nicht:
wohl vorlommen kann, eine dazu nutzioſe Maßregel, ba
fie ſich nicht auf die Damer durchführen ließ, eine Maßs
regel endlih, welche nur dazu diente, die Betroffenen mit
einem Märtyrer: und Heiligenfcheine zu umgeben und ih⸗
nen hoͤchſtens für den Augenblick Verlegenheiten zu bereis
ten. In diefem augenblicklichen Embarras aber verloren
‚ die Herten Mirglieder des Jungen Deutfehlauds, die Gert
weiß wer zu Gollegen geprebe hatte, den. Kopf und allen
Takt, allen Sinn. für Anftand und Ordnung; fir fielen.
plöglich Über und untereinanker her und führten für ihre
Gegner und Verfolger «in ſeltſam ergoͤrliches Schaufpiel
auf, einen Hahnenkampf, bei welchem Jeder an dem Ans.
bern fich die. Sparen zu. verdienen. trachtete und Jeder auf
ben Anden bimweilen zu wollen ſchien: Cehtl bes Seſel
ba. ift am, dem ganzen Ungtäd ſchuld; ich babe nichts ges
mein mis ihm; ich dande bir, Gott, daß ich micht bie
veie diefee! Während Wienbatg, feinem: bein, männlichen
und uneigennügigen Charakter gemäß, die nebelfte Pastie
erwählte und ſich in. ein beredees, vielſagendes Schweigen
huͤllte, that beſenders Gutzkom das G |
daß er den Partifamen eines beuiiner, — de fie
lich auch mit. dieſem bald. zerfallen ſind) allerdings durch
(melde frei⸗
deren Gorreſpondenzen provocirt, bie Rlpfe wuſch; fo ve:
dere er ſich auch ein, in Leipzig beftehe eine Verſchwoͤrung
gegen ihn, und begamn ploͤtzlich, einen leipziger Literaten
nad) dem ande, was man fo nennt, abzumuden. Son:
derbar! Chriſtian ſieht Hans, Chriftoph, Gottlieb, Michel.
häufig miteinander verkehren, weil ihre Gehöfte mehr bei:
einander liegen; er bildet fich ein, fie verabredeten etwas
wider ihnz boshafte Menſchen beftätigen. ihn. in. feinem
Wahn; ploͤtzlich fälle Chriſtian heute den Hans, morgen
den Chriſtoph, uͤbermorgen den Gottlicb und. überkber:
morgen den Mfchel an, und num wundert er ſich, daß die
Leute gegen ihn auffiehen, während er doch felbft erſt die
Clique geſchaffen hat. Man weiß, daß damals Gutzkow
mit gang umkiterarifhen Leuten, die ganz unliterariſche
Skandalblaͤtter fchrieben, in Correſpondenz fland und die:
fen heimifchen Zwiſchentraͤgern Alles glaubte, was feinen
offenbar nicht bößherzigen, ſondern blos hypochondriſchen
und eiteln Wahn beftärken konnte. Dabei mar ihm je:
des Blatt, jeder neue Femilletonift, die fid) irgendwie ſei⸗
nee Intereſſen annahmen und gegen feine wirklichen oder
vermeintlichen Feinde zu Felde ruͤckten, willkommen; er
ermunterte fie durch eine oder die andere leicht hingewor⸗
fene Schmaeichelei, waͤhrend er die übrigen Journale, die
zu feiner Fahne nicht gefchworen hatten, von feinem Stand⸗
punkt zur „ſchlechten Preſſe“ zählte. Am übelften waren
hierbei Diejenigen daran, welche in feinen und feiner frü:
hern Genoſſen Beftrebungen einen Fortſchritt der deutfchen
. literatur überhaupt zu ertennen meinten und ſich Ddiefer
Richtung im einer ober ber andern, nähern oder entferns
teen Weiſe anfchloffen. An Wen follten ſich diefe, ba
alle Bande gelöft waren, nun halten? Wem follten fie
die Achtung zollen, die man verlangte und deren man
fih doch fo wenig würdig zeigte? ‚Wem follten. fie ſich
mit der Dingebung opfern, die zu fodern gerade diefe Par:
tel, wenn überhaupt bier von einer Partei die Rede fein
kann, ſich für berechtigt hielt?
Laſſen wir auch die Inconfequenzen Gutzkow's nicht
unerwähnt , die ebenfalls perfönlichen Motiven ihre Ent
ſtehung verdanken. Es gab eine Zeit, wo er bie
Bühne aufzugeben anrieth, weil mit ihre ein ehren:
volles Verhaͤltniß anzufnüpfen fei, während er jet das
Theater zur Arena feines Talents erwählt hat; wo er
die Directionen und Regiſſeure und Kümfiler mit Born
und Spott verfolgte, während er ihnen jest die zartefte
Aufmerffarnkeit widmet; wo er gegen die thraͤnenreiche
Sentimentalität zu Felde zog, während ex fie jegt in ſei⸗
nen Dramen häufig als Hebel und Thraͤnenpreſſe in Be⸗
wegung fegt. Und doch muß ich geſtehen, daß mir Gutz⸗
kow gerade in feinen Dramen am: lebflen geworden, weil
er ſich im diefen. beſonnenen, oft pifanten und hoͤchſt in:
tereffanten - Gompofitionen, deren Maͤngel ich übrigens gar
nicht verfenne, am meiften -objectintrt hat, manche Spuren
gemuͤthvoller Auffaffung darlegt und fidy zu einem —
freitih oft Eimfleinden — Kuͤmſtler durchgebitbet hat. Es
gab ferner eine Zeit, mo er ſich ſelbſt das Zeugniß ſtellte,
der Spercher und- Herold jeder freien Entwidelung, na:
mentlich dee Preßfreiheit zu. fein, während er jetzt offen
v
ausgeſprochen Hat, wit ſeien für ‚eine. unbedingte : Sinchifiei
beit. nickt: reif. Demit. hitchei. Gnpiem. an, die; Senzmtsle
und Sournaliften, die fih an feinens Litensrifihen Eharak⸗
ter zu vergreifen wagten, am die in Beug auf. ihn
„ſchlechte Preſſe“, die er, wenn er die Macht: dazu haͤtte,
ohne: Zweifel felbft duch Gewaltmaßtegeln unterbrüden.
würde? Oder fiebt er ein, daß bei Gewährung der Preß⸗
freiheit größere Intereffen das Echo feines Namens, dab
in fo vielen Journalen ertönt, verdrängen wuͤrden? ie.
viele kleine Journaͤle — die belletriſtiſchen insbeſondere /
den „Telegraph“ mit eingeſchloſſen — wuͤrden von den
groͤßern politiſchen Journalen verſchlungen werden, wie viele
kleine Journaliſten und Feuilletoniſten, die jetzt ſelbſt die
Freiheit der Preſſe begehten, und nicht ahnen, daß die Gen.
waͤhrung derſelben ihre eigene Exiſtenz gefährden muͤßte,
nicht mehr zu Worte kommen, weil ſie kein Organ mehr
für ihre zerſtuͤckten Anſichten hätten! Und bier haben uns
fere Regierungen einen Zingerzeig! Ale die Heinen Prices
leien und Sticheleien, welche jet am meiflen geniren,
würden ein Ende nehmen durch die ‚großartigere: Organi⸗
fation der politifyen Zeitungen, zumal da dann der Haupts
ftoff des Argerniffes, wovon eine fo große Anzahl von
Jounaliſten zehrt, ausgerottet wäre. Iſt man aber dee
Anſicht, die allerdings viel für fich hat, daß die Gewaͤh⸗
rung der Preßfreiheit fo lange unthunlich ift, fo lange das
conftitutionnelle Leben nicht auf jedem oder wenigſtens ben
meiften Punkten des bdeutfchen Waterlandes zu Blut und
Fleiſch der Nation geworden iſt und fchöpferifcy alle Ele⸗
mente des Staats durchdringt und beherrfcht, fo ſchweige
man und fpreche wenigftens nicht gegen diefen mächtigen
Sactor, man lege wenigftens nicht einen Hemmſchuh vor
die Mäder des Wagens, weil man fürchtet, er möchte zu
ſchnell laufen; man gebe wenigitens dem Gegner nicht
felbft die Waffe in die Hand, die er gerade in biefem
Falle fo vorzüglih zu gebraudhen weiß. Und nun am
Schluſſe diefer allgemeinen Betrachtung nod Eins. As
Gutzkow feinen komifhen Roman „Bater Blafebom ‘
fchrieb oder ehe er ihn noch gefchrieben und nachdem er
ihn gefchrieben und Boz mit feinem komiſchen Roman
ein ausgebreitetes Publium in Deutſchland gefunden
hatte, war dag Ceterum censeo, Bozium esse delen-
dum! fein Aufruhrfchrei, fein Kelegsruf. Und wer das
mals in Deutfchland ſich im komiſchen Roman verfudhte
— mas vielleicht gerade in der Zeit lag —, von dem ſag⸗
ten Gutzkow's Partifane: er habe ſich erfreche, mit Gutz⸗
kow concurriren zu wollen, oder Vater Gutzkow felbft.
fagte: das habe idy mit meinem „Vater Blaſedow“ nicht
gewollt! Und Gutzkow hat den jungen dramatifchen Dich:
tern die Bahn gebrochen, und Gutzkow hat in Deutfche
land den komiſchen Roman gefchaffen, und Gutzkow hat
da® moderne deutfche Drama begrundet umd Gutzkow hat
den Deutfhen die Augen über Ludwig Philipp geöfftter,
und Gutzkow hat Dies gethban, und Gutzkow hat Jenes
offenbart! So rief, fo Ereifchte, fo ſchnurrte und burrte-
es aus diefem und jenem Winkel der ihm zu Gebote fer
enden „guten Preſſe“!
h „3 ? Ne. Börtfepung folgt.)
1164
Collection des principaux €ecomomistes. Tome I: Les
&eonomistes financiers du I Sième siecle, par Zug.
Daire, Paris 1843.
Vorliegender erſter Band einer umfaflenden Sammlung
der widhtigften Schriften über Nationaldkonomit enthält dies
jenigen Abhandlungen von Vauban, Boisguillebert, Lam, Melon
und Dutot, die auf finanzielle Fragen Bezug haben. Sie
fallen alle in die erfte Haͤlfte des vorigen Jahrhunderts, denn
feibft die „Reflexions politiques sur le commerce et les fi-
nances”, die den Gcytuß biefes Theils bilden, find ſchon 1738,
alfo feft 20 Zahre vor der Bildung der phyſiokratiſchen Schule
Quesnay's erſchienen. Diefe Sammlung nimmt in mehr als
einer Beziehung ein lebhaftes Intereffe in Anfprud. Der
erausgeber bat ſich nicht begnügt, die Werke der angeführten
griftftellee nach den beften Ausgaben, die oft fehr felten find,
abdruden zu laſſen, fondern er hat die Mühe nicht geicheut,
wo noch DOriginalhandfchriften vorhanden waren, ben Jert, ber
oft bedeutende Gntftellungen erlitten hat, nach denfelben zu bes
richtigen. Auf diefe Art ift es ihm gelungen, oft ganz neue
Stellen zu geben, bie in allen bisherigen Ausgaben fehlten.
So erhalten wir in der Schrift von Bauban („Projer d’une
dime royale’‘), die befonders um deswillen von fo großer Wich⸗
tigkeit ift, weil man in ihr einen Blid in das Gienb bes
Volks thun Fann, das in den Werken feiner Zeitgenoffen mei:
ſtens vom Glanze des prächtigen Hofes überftraplt und verdedt
wird, ein neues Gapitel, das bis jetzt ganz unbelannt geblieben
wer. Sehr dankenswerth ift ferner der Abdruck der „Memoires
sur les monnaies‘ und der „Lettres sur le nouveau systöme’'
von Law, da biefelben ſehr felten geworben find und in der
Sefammtausgabe von 1790 gänzlich fehlen. Der Werth diefer
Sammlung wird durch bie biographifchen Einteitungen und bie
eriäuternden Anmerkungen, in benen ber Verf. ftets das rechte
Maß zu treffen weiß, nicht wenig erhöht. Gr entfaltet darin
eine große WBelefenheit und einen praftifchen ruhigen Blid.
Wenn es überhaupt intereffant und beiehrend und für den
Srationatdfonomen unerlaßlich ift, die Werte der angeführten
Publiciſten, von denen faft jeder in ber Wiſſenſchaft Epoche
macht hat, zu berädfichtigen, fo gewinnt das Studium ders
eiben noch an Bedeutung, wenn man fte in chronologiicher
Reihenfolge, wie fie in biefee Sammlung geordnet find, über:
blickt. So allein befommt man einen wahren Begriff vom
Entwidelungsgange, den die Wiſſenſchaft durchlaufen hat. In
diefer Beziehung verdienen die Kinanzichriftfteller des vorigen
Jahrhunderts befondere Beachtung. Gie find es, die in Frank⸗
reich zuerft den Nationalreichthum zu fichern gefucht haben.
Aber ihr Blick war noch beſchraͤnkt und fie konnten nur eine
Beine Reihe von Thatſachen überfchauen. Indeſſen erheiſchten
die finanziellen Schwierigkeiten, bie Ludwig XIV. feinen Rach⸗
folgern als Erbe hinterließ, ſchleunige Abhuͤlfe und wirkſame
Maßregeln. Neue Verſuche wurden noͤthig, und wenn ſie auch
in der Wirklichkeit nicht ſelten fehlſchlugen und ihren Zweck
verfehlten, ſo hatte die Wiſſenſchaft doch wenigſtens immer
einen Gewinn davon. Wenn auch jetzt, wo der Staatsoͤkonomie
ganz andere Ausfihten eröffnet find, uns die Ideenkreiſe der
Theoretiker des vorigen Jahrhunderts fehr beichränkt vorfommen
mögen, fo darf man doch nicht aus dem Auge verlieren, daß
die Wiffenfchaft diefe engern Kreife durdjlaufen mußte, um bei
dem Standpunkte anzulanaen, den fie jegt erreicht bat. Vauban,
Boisguillebert, Lam u. A. mußten erft die Bahn brechen, ehe
Quesnay und Smith kommen Eonnten.
Wie Hoffen, daß die Sammlung, die auf cine fo würdige
Weife eröffnet ift, auf gleiche Art fortgeführt wird und daß fie
die Beachtung finden möge, die fie verdient. Bereits find
außer dem erften Bande auch einige der ſpaͤtern Theile erfchienen,
die beſonders umfaffendere Werke enthalten, weldye zwar fdyon
meiner befannt find, aber deffenungeadhtet in diefer Bibtiothet
nicht fehlen durften. So enthält der vierte Band den erſten
Theil von dem beräßmten Were von A. Guich über ben
Nationalreichthum, zu dem Blanqui eine intereffante Einleitung
gegeben bat. Der achte, neunte und zehnte Band, bie gleich:
faus die Preffe verlaffen Haben, umfaſſen den ‚Cours complet”
und den „Trait6 d’Sconomie politique‘ von Cay. 6.
Notiz.
teriltograpphie.
Wie gute und umfaflende lateiniſche Lerifa wir auch be=
figen, fo iſt es doch Eeinem Philologen unbelannt, daß au auf
biefem Gebiete noch gar viel zu leiſten ifl. Aber dieſe Arbeiten
find I: und nehmen ſchon wegen ihres Umfangs faſt ein
ganzes Menichenalter in Anſpruch, weshalb denn audy verhält
nißmäßig nur wenige Philologen ihre Ihätigkeit der Lexikogra⸗
phie widmen. Um fo erfreulider iſt es, dab ein, durch feine
Bearbeitungen ber Citeroniſchen Reden, des Juſtin unb anderer
Claſſiker hintänglicy bekannter, gründlicher Latinift, der Pro⸗
feffoe Dr. Benede zu Poſen, nunmehr im Stande ift, die Fruͤchte
eines zwanzigjährigen Fleißes auf diefem Gebiete bem philolo:
giſchen Publicum vorzulegen. Bon biefem Gelehrten wirb nam:
lich naͤchſtens ein großes kritiſch⸗-lateiniſches Lexikon erfcheinen,
das an Umfang alle vorhandenen derartigen Werke übertrifft
und ſich von allen andern wefentlidy unterfcheibet. Abgefeben
von dem Reichtum des Materials, welches ber Verf. durch eine
swanzigjährige forgfältige Sammlung gewonnnen, hat fi
derfelbe in der That die hoͤchſte Aufgabe der Lexikographie
geftellt und allen Glementen berfelben vollftändig zu ge:
nügen geftrebt. ef. hat das Manufcript in Händen gehabt
und kann dem Fleiße des Autors feine hoͤchſte Anerkennung
nicht verfagen. Jeder einzelne Artikel enthält die vollftändige
Gefchichte des vorliegenden Wortes von den früheften Zeiten bis
zu den fpäteften herunter. Dabei ift ber Verf. den Angaben
feiner Vorgänger niemals auf Treu und Glauben gefolgt, for:
dern überall feibftprüfend zu Werke gegangen, und hat an
zweifelhaften Stellen immer die beffeen Handſchriften zu Rathe
gezogen. Rach Feſtſtellung feiner urſpruͤnglichen Bedeutung ift
jedes Wort nach feinem eigentlichen und uneigentlichen Ge:
brauche forgfältig entwidelt, mit genauer Angabe des Kebens:
alters, mit Darlegung ber grammatifchen Verbindungen unb
Conſtructionen, mit Angabe des poetiſchen und proſaiſchen Ges
brauch und mit Angabe ber fononymilchen Unterfchiede. Zu:
glei ift bei den einzelnen Theilen der Entwidelung überall
auf die Interpreten zu den einzelnen Stellen verwiefen worden.
Ref. macht daher alle Phitologen auf dies wichtige Werk, das
fi) einmal wieder ald ein Denkmal beutichen Bienenfleißes be
währen wird, aufmerffam, und glaubt voraußfegen zu dürfen,
daß es bei feinem Erſcheinen fi) bes allgemeinen Beifalls zu
erfreuen haben werbe. 83,
Literarifhe Anzeige.
Jutereſſaute Neuigkeit!
In meinem Verlage iſt neu erſchienen und in allen Buch⸗
handlungen zu erhalten:
Canean
eines deutſchen Edelmanns.
Zweiter Theil.
Gr. 12. Geh. 1 Thlrx. 24 Ngr.
Der erfte Theil erfchien 1841 zu demſelben Preife,
Eeipzig, im October 1843.
F. %. Brockhaus.
Berantwortlichet Heraußgeber: Heinrih Brodhaud. — Druck und Verlag von B. X. Brodhäus in Letpzrig.
Ä
a‘
Blätter
für
literariſche Unterhaltung.
Mittwod,
Karl 6 to w.
(Vortfegung aus Fr. 290.)
Dies das allgemeine Bild von Gutzkow, das, wie ich
denke, in ziemlich fcharfen Umriffen bervorfpringt. Sollte
dad Portrait nicht vollkommen aͤhnlich fein, fo trage ich
nicht die Schuld, fondern Der, der mir dazu gefeflen bat.
Es ift eine alte Erfahrung, daß ein Portrait in der Me:
gel ein ernftered und möürrifcheres Anfehen bat als bie
dargeftellte Perſon, weil diefe während des langen Sitzens
unwillkuͤrlich eine ernfihafteree Miene macht, ald etwa bei
Zafel, im Geſpraͤch oder einem geliebten Gegenftande ges
gentber. Ich kann nun nicht dafür, daß Gutzkow wäh:
rend feines ziemlih langen literarifchen Lebens mir ſtets
fo hypochondrifh, gallig, von unerfättlihem Ehrgeiz ge:
nagt erfchienen iſt; vieleicht mag er gemürhlicher fein ale
er ſich gibe. Ich verkenne nicht, daB man dafür mancher:
fei Entfchuldigungsgründe aufbringen kann. Ein deutfcher
Literat führt in Deutfchland allerdings kein fo herrliches
Leben als Gott in Frankreich; daher ift es wol auch zu
erftären, wenn Deine, obgleich nicht gerade ein Gott, nad)
Frankreich gegangen iſt, um menigftens wie ein Gott in
Frankreich berrlih und In Freuden eben zu koͤnnen. Die
deutfchen Literaten find von Haus aus unzweifelhaft meift
ſehr gemüthliche Menfchenz wer feine literariſchen Angeles
genheiten aber ernfter nimmt al& der bloße Spaßmacher,
wer fich im die politifche,, religiöfe und literarifche Tages⸗
debatte einlaͤßt, wer fich zugleich zur Productivitaͤt gedrängt
fühlt und doch gezwungen ift, von der Kanzel eines Jour⸗
nald kritiſche Sermone und Strafprebigten zu halten, und
dabei — jegt ein fait unmöglicher Fall — nicht das les
benstuftige und humoriftifche Chriftenthum eines Abraham
a Sancta Clara befige, der kann auf die Dauer einem
griesgrämigen Mismuth, einer verbitterten Stimmung nicht
entgehen, oder man nenne mir Einen, der zu der bezeichs
neten Gattung von Literaten gehört und dieſer Verbitte⸗
rung gänzlich entgangen wäre; ja, es ift dies jegt in
Deutſchland gerade ein Symptom für diejenigen Literaten,
die etwas Edleres wollen, nad etwas Höherm ftreben
ald die große Mehrzahl, welche bloße Unterhaltungs: und
Spaßmacherkuͤnſte treibt und fo vergnügt ift mie ein wohl⸗
genährter Kattunhändfer in feiner Bude, wenn feine
Waare guten Abfag findet und die Stunde naht, wo er
mit Seineögleichen im Wirthshaufe ein Schoͤppchen Bier
fhlürfen und eine geiftreiche Partie Schafekopf fpielen
kann. in deurfcher Literat der bezeichneten noblern Gat⸗
tung bat, außer mit fidh, noch mit der Gefellfchaft, dem
Staat, der Kirche, den Senforen, den Verlegern, der Flau⸗
beit des Publicums und Gott weiß noch womit zu kämpfen;
fo entfieht, fo wählt die Verbitterung, und die Kolge das
von iſt Eritifche Unfriedlichkeit, Zank mit feinen Collegen,
wofür man ihn wieder bedient, Zerfallenheit mit fich, mit
Gott und der ganzen Welt. Ich will dies Gemälde nicht
weiter, nicht bis ins Detail ausmalen; die Mehrzahl met
ner Leſer würde mic) doch nicht verfiehen noch verftchen
voollen; aber wer ein wahres und erfchätterndes Gemälde
eines Literaten von gutem und edlem Kern haben will,
der leſe die betreffende Stelle in Carlyle's „Leben Schil⸗
ler's“; was der einfichtsvolle und warm fühlende Brite
dort Über die Machtfeiten des Literatenthums fagt, wird
doppelt auf ben fo fehr ifolirt ftehenden, mit den Nothduͤrften
des Lebens ringenden, vom Staat beargwohnten, von der
Societät bemitleideten, von dem Volk unbegriffenen deut⸗
[hen Literaten paſſen, der im eigentlichen edlen Sinne
des Worts Literat ift. Ohne zu den Zerriffenen zu gehören,
wird man fi) doch, wenn man gegen ſich aufrichtig fein
will, diefe im Kreuzfeuer fo vieler feindlichen Gewalten
feftzuhaltende Stellung nicht verhehlen können. Allerdings
mag ed dem gewöhnlihen Sinn auffallen, daß Die
Schriftfteller felbft, ſtatt fich gegenfeitig in ihren Vorthei⸗
(en und Zwecken zu fördern, eher davon das Gegentheil
thun und ſich einer den andern unter der Schere einer
oft nur zu bittern und ruͤckſichtsloſen Kritik halten. Wie
wir aber die Dinge überhaupt ernft, oft nur allzu ernſt
nehmen, fo nehmen wir auch Einer den Anden ernſt;
hierzu kommt eine gewiffe reizbare, empfindliche, bis zum
Meide ſich fleigernde Stimmung, die den Deutfchen eigen
ift, etwas aus unfern kleinlichen Verhältniffen überhaupt
hervorgehende® Kiatfchfüchtiges, wie es namentlich bei dem
Franzofen nicht heimiſch tft, die ihrer Bitterkeit hoͤchſtens
in einem pilanten, gefälligen Bonmot oder Galembourg
Luft machen, wo wir, oft um eine Müde wegzufcheuchen,
ganze Batterien des fchwerfälligften und bitterftien Ernſtes
fpielen laffen. Dem Engländer Hilfe über ſolche Ärgerniſſe
leicht und fchnell fein gefunder Humor hinweg, der uns
im Leben und Schreiben, menigftens jest, faſt gänzlich
fehlt. Der Eine fpricyt einen leifen Tadel aus, ber Au⸗
1166
dere antwortet empfindlich, Jener replicitt nun ſchon be:
leidigend, Diefee wird hierauf nachdruͤcklich grob, und fo
waͤchſt, was erft eine Schneeflode war, zur Lawine an,
fo wird ein Riß, der erſt mit der Hand zugebedt werben
kannte, zu einer Kluft, welche ein ganzes Menfchenleben
sicht mebe auszufüllen vermag, Wo eine Rakete, «ine
Leuchtkugel des Wiges ausreichen würde, werfen wie Bom⸗
den und Sranaten des Zoms und Ingrimms. Doc hat
auch diefe nachdrüdtihe Manier ihe Gutes, und ohne
feine handgreifliche ruͤckſichtsloſe Grobheit würde 5. B. Lu⸗
ther ſein Reformationswerk ſchwerlich ſo vollkommen durch⸗
geſetzt haben. Verkennen wir daher bei Gutzkow nicht,
daß er, leidenſchaftlich, wie jeder Schriftſteller von Haufe
aus, ehrgeizig, wie jeder Autor fein darf und fein muß,
anf der Angriffslinie fland und ſteht, wo jeder Gegenan⸗
geiff bis zu einem Grade erhigen fann, daß die Schlacht
zu einem Dandgemenge Einzelner wird und der Feldherr
ſich plöglich in eine Lage verfegt fieht, wo nur noch feine
perſoͤnliche Tapferkeit, nicht fein taktifches Talent, das
Treffen, wenn aud nicht mehr zu feiner Feldherrnehre,
Doch halbwegs noch zu feiner Soldatenehre entſcheiden
kann. So ift es häufig geſchehen, daß ein General im
Getuͤmmel wie ein Grenadier und gemeiner Soldat gefoch⸗
sen bat. Die Kriegsgefchichte freilich erkennt diefen Mo:
ment gerade nicht fire feinen glängendften an, aber der ge:
meine Mann bewundert ihn dafür.
Ich babe mir in diefen „Vermiſchten Schriften” Gut:
kow's eine große Menge Stellen angezeigt, bald da bald
dort eine Seite eingekniffen, eine geoße Zahl Gutzkow'⸗
ſchet Gedankenſpaͤne zur Beſprechung zurechtgelegt, bie
theils dazu dienen konnten, das oben aufgeſtellte Charak⸗
terbild durch Beweiſe zu rechtfertigen und zu gloſſiren,
theils aber und der groͤßern Zahl nach mir von Intereſſe,
Bedeutung und beherzigenswerther Wahrheit zu ſein ſchie⸗
nen. Aber ich habe mir durch meine allgemeine Betrach⸗
tung den Raum verengt, hoffe jedoch, daß ſie fuͤr den
Leſer von groͤßerm Intereſſe ſein wird als eine detaillirte
Kritik der einzelnen Aufſaͤtze dieſer Sammlung, worin der
Verf. oft auf wenigen Seiten Gegenſtaͤnde und Erſchei⸗
nungen abfertigt, über die man, wollte man fie erſchoͤ⸗
pfen, oft ebenfo viel Bände ſchreiben könnte. Kurz ges
fogt, der Verf. hat hier feinen: „Telegraphen“ im Wefent:
lichen noch einmal abgedrudt; und warum nicht? iſt doch
auch der alte „Moniteur” in Frankreich wieder abgedruckt
umd neu aufgelegt worden, und der „Telegraph“ iſt we:
nigftene ein „Moniteur” für die innere Geſchichte Gutz⸗
tow’s. Wer Gutzkow's Verehrer ift, möge fi alfo aus
Freundſchaft die Mühe nochmaligen Lefend nicht verbries
Sen laſſen. Sch kann Gutzkow für diefe Sammlung nicht
«adein, obgleich ich weiß, was fi gegen eine ſolche Buͤ⸗
chermacherei einwenben laͤßt, indem dazu entweder eine bes
deutende Eitelkeit oder ein ausgeſprochener pecuniaicer Ge:
werbsſinn oder beide zugleich gehören. Aber man muß
billig fein! Geld verdienen ift überhaupt der Wahlfpruch
unſerer Zeitz Geld ift Talent, Geld if Bildung, Geld
aiſt Sittlichkeit, Geld iſt Ruhm und Ehre. Mit der län:
gen Dauer des Friedens, ber den Sinn für Aufopferung
und Selbſtentaͤußerung tilgt, waͤchſt natürlich die Neigung
zur Bequemlichkeit und zum Bewinn. Jeder fpeculiet
auf feine Gaben und mit feinen Gaben; wie man er
worben, danach fragt man nidht mehr, wenn e6 nur
nicht in gar zu auffallend gegen Sitte, Recht und Geſth
verftoßender die geſchieht; man ſchilt Denjenigen einen
Narren, der zum Erwerb zu unpraktiſch oder zu redlich und
geroiffenhaft ift, Denienigen einen Lumpen, der nicht zu
erwerben gewußt hat, Der Erwerbefinn iſt das Talent,
ift das Genie unferer Tage; alles Übrige ift untergeordnet.
Fragt, da wir bier bei einem fpeculativen Schriftiteller
ſtehen, manchen reihen Buchhändler, wodurch er den
Reichthum erwarb, der ihn zu einem geachteten Bürger
gemacht, fein Haus zum Glanze erhoben hat! Vielleicht
bat er nichts für die deutfche Literatur gethan, vielleicht
ihr wefentlidy gefchadet, vielleicht reducirte fih das Prin⸗
cip, auf dem feine Verlagsthaͤtigkeit berubte, auf die elende
Anſicht, nur Spectakelſchriften, nur Laͤrm machende Schrif⸗
ten verſpraͤchen einen eintraͤglichen Gewinn; vielleicht ſpe⸗
eulirte er, gegen oder wenigftens ohne feine Überzeugung,
auf den Tages: und Mobdeliberalismus; vielleicht half er
mit einem Wufte von Überfegungen feichter, lasciver, un:
ſittlicher franzoͤſiſcher Romane den Geſchmack des Publis
cums verderben, das Gedeihen der national sdeutfchen Li⸗
teratut erdrüden — aber ee iſt ein guter pünktlicher Zah⸗
fer, erfüllt getreu feine bürgerlichen Pflichten, er zahlt im
die Armenkaſſe, ec tränkt und fpeift an feiner Tafel Sol⸗
he, welche Trank und Speife aus eigenen Mitteln be=
freiten Eönnen, er ift ein liebenswürdiger, geachteter, ge⸗
feierter Mann; aber fragt um Gotteswillen nicht die
Schriftſteller, die Überfeger und Überſetzerinnen, befucht
fie nicht zur Nachtzeit in ihrer flillen Klaufe, fragt nicht,
wie und wo fie heute getafelt haben, vole und wo fie
morgen tafeln werden, fheltet fie nicht um den vergnuͤg⸗
ten Abend, ben fie ſich beute machen, um die heitern
Stunden, deren fie fo fehr bedürfen — fie werden fie mor⸗
gen fhon mit Reue und boppelt angefttengter Arbeit buͤ⸗
Ben, fie werden, wenn fie einen Tag gefhwelgt, drei Tage
dafür darben, wenn fie heute Herr ihrer felbft geweſen
find, morgen und übermorgen und überlibermorgen doppelt
£eibeigene fein müffen! Frage nicht die großen Kaufleute,
die großen Fabrikherren, die großen Maͤkler und Epecu:
lanten, wie fie durch Schweiß und Blut der in ihrem
Solde Stehenden zu Anfehen und Reichthum gelangt find
Fragt den Diplomaten nicht, auf welche Welfe er zu feinem
großen Grundbeſitz gekommen ift und wie er ihn ver-
mehrt! Ale Höhen, alle Ziefen find von diefer Erwerbs:
luft, von diefer weidhlichen Neigung zur Pracht und Be
quemlichkeit durchdrungen. Wo gibt es jest noch einen
Staatsmann, einen Feldherrn, umeigennügig wie Ariftides,
Phocion oder Epaminondas, der nur Einen Rod hatte
umd zu Hauſe bleiben mußte, wenn er ausgebeffert wurde!
Wo gibt es jetzt noch einen Superintendenten, General:
fuperintendenten oder Conſiſtorialrath, der fein Chriſten⸗
thum nicht mit dem Princip des Wohliebens und des
Gewinns zu verbinden wüßte, ber nicht im der Kirche Die
Lente ermahnte, fein mäßig zu leben und geobe Kleider
ju tagen, während eine teichbeflellte Tafel zu Haufe ſei⸗
ner wartet, der mit den Amgang mit einem Apoſtel
Chriffi vermeiden würde, weil fein Gewand fo aͤrmlich,
feine Lebensart fo einfach, fo niedrig, fo gar nicht vors
mhm? Es ift fo umd kann nice anders fein; und wer
wollte diefe Sperulanten darum beneiden, bie von dem
Dämon der Erwerbs⸗ und Gewinnſucht täglich und ſtuͤnd⸗
lich geſtachelt, deunrubigt, dis zu Ihren glänzenden Tafel⸗
feeuden verfolge, durch jeden drohenden Verluſt geſchreckt,
durch jeden im Ausſicht gefteliten zu einer krampf⸗
haft unruhigen Thaͤtigkeit getrieben werden? Iſt das Geld
der Gott, ſo iſt es auch der Teufel unſerer Zeit, und der
Himmel, den der Reichthum gewaͤhrt, wird von den dun⸗
kein Schlagſchatten der Hölle verduͤſtert. Wer verargt es
aber nun einem Schriftſteller, wenn er einen Miſchmaſch
von Auffägen dem Drucke übergibt, ſobald er einen Ver⸗
Irger dazu gefunden und vielleicht auch die Ausſicht bat,
dazu ein Pubfkum, wenn auch ein nod fo geringes, fo:
gar in diefem oder jenem Journale Anerkennung, in die
ſem oder jenem Derzen, wenn auch nicht bei der Nady:
weit, Anklang zu finden? Unſere genialften Mater ſchaͤ⸗
men ſich nicht, auf Beſtellung und Bezahlung für Ka:
Inder und Jlluſtrationswerke Zeichnungen zu fertigen, bie
mit diefen Schriften bald verloren und vergeffen fein wer:
den, und der lange nicht fo gut bezahlte und belohnte
deutſche Schrifefteller ſolte Bedenken tragen, Sammel:
ſchriften wie biefe Gutzkow'ſche ſich honoriren und druden
u laſſen, blos um der Anklage der zu ſpeculativen Bü:
hermacherei zu entgehen?
(Die Fortſetzung folgt. )
Zur Statiftit der parifer Kunftfammlungen.
Das Kupferfiihcabinet in der koͤniglichen
Bibliothek.
Das genaue Verzeichniß der Blaͤtter aller Art, welche die
Kupferſtichſammlung in der koͤniglichen Bibliothek zu Paris
ausmachen, iſt ein überaus verdienſtliches und nügliches Werk,
allein md i über
wodurch es wird, eine zu
die unermeßtichen Reichtbümer, welche diefe Sammlung enthält,
und über die unendlichen Hütfsmittel, die fie der Wiſſenſchaft,
Kunft und Induſtrie barbietet. Diefe unlängft vollendete Arbeit,
die der Worfteher des Gabinets, Hr. Duchesne der Altere, bie
Güte hatte, uns zur Cinſicht mitzutheilen, ift wingig in ihrer
Art und bedarf keines weiteren Commentars; die Zahlen fpres
Sen bier mit der ihnen eigenen Beredtſamkeit. Bios einige
geſchiſtiiche, auf die Anlage diefer Sammlung bezüglidhe Data
und einige eriäuttrnde Bemerkungen in Betreff des veränderten
Gtaffificationsfgftems wollen wir vorausſchicken.
An ber erften Hälfte des 16. Jahrhunderts bewirkte die
autſchließlich dem —— — von a en —— en
jugewanbte Liebhaberei, man aus Kup wenig
VDeder Bembo noch ber Cardinal Miboifi, berühmte
damalige Garmmıler, verbanden dergleichen mit ihren Medaillen⸗
bachern und Handſchriften, bie fie mit großem Koſtenauſwand
anhäuften, umb die koſtbaren Blaͤtter von Masc Anton und Al⸗
Dürer gi fortwährend wur Kuͤnſtlern dur die Hände
und famen bin In Künfieruerikätten herum, ohne in ben Lieb⸗
babertabineten legen zu bielben. Gegen Ende bes Jahrhun⸗
Werts werben nur drei Sammlungen von namıbaft
gemalt: bie Sammlung
' des Baſari , das Gabinet
Kup. Praun in Nürnberg und —— bet
Mougis zu Paris. Begtere wurde das Worbilb
hierzu in 24 Bänden die Merle
Glaube
ber koͤniglichen
Awpferſtichſammlung in ber Bibliothek zu Paris. Giaube Mau⸗
gis, Abt von BaintsAmbreife, MWuichtoater der Knigin Tui
von Lothringen, der Gemahlin Heinrichs HI., und fpäter Al:
mofenier ber Königin Maria von Medici, wer zu feiner Zeit
der eifrigfte Kupferflichliebhaber, und da er wenig Mitbewerber
hatte, fo gelang es itm in einer Seihe von 40 Zahren durch
unausgefegte Muͤhen und weitverzweigte Verbindungen eine herr⸗
liche Sammlung zu bilden, mit deren autgeſuchteſtem und fels
tenftem Beflande ſich nad, feinem Tode das Gabinet bes Jean
de U’Orme, Leibarztes ber Königin, i . Dieſes Gabinet
kaufte Michel de Marolles, Abt von Willelain, für 1000 Louis-
bor, eine damals ziemlich erheblidye Summe, und vereinigte bas
mit fo Bieles, was er felbft an Kupferftichen beſaß, daB die
bebeutendfie Sammlung zuſammenkam, die je ein Privatmann
in biefem Fache befeffen und bie zu damaliger Zeit nidyt Ihree⸗
batte.
Im 3. 1667, ats Golbert bie Sammlung bes Michel de
Marolles aukaufen ließ, beſtand biefetbe aus 133,400 Stichen
nie
Schaͤtze blieben den
gebrudten Büchern einverieibt, ohne ein beſonderes Anhängfel
der koͤniglichen Bibliothek autyumachen. Sm 3. 1 famen
ber großen f fifchen Ku⸗
ferftecher des 17. Zahrhunderts, eines Anton Maflon, Robert
Ranteuil u. A. und fpäter bie Werke von Drevet, Audran,
Dorigny, Edelinck, Leclert u. A. Im 3. 1711 wurden 8000
Blaͤtter aus der Sammlung des Hrn. von Clairembaut ange⸗
kauft. Noch in demſelben Jahre vermachte Hr. von Gaignieres
feine werthvolle Kupferſtichſammumg an das Cabinet des Kös
nigs, und ſchon im Igege Jahre brachte ein Legat des Hrn.
Ciement wieder 18,000 Blaͤtter Hinzu. Im 3. 1731. wurde
das mehr als 80,000 Stiche enthaltende Gabinet des Marſchalls
von Beringben von deſſen Sohne, dem Biſchof von Puch, ges
kauft und 1753 die 80 Bände ſtarke Sammtung des Marfchalis
von Urelles eingetaufht. Im 3. 1765 erhielt die königliche
Sammlung durch das Vermäachtniß des Wrafen Caylus einen
anfehnlidden Zuwachs, und zu allen diefen Grwerbungen kamen
werthuolle Ankäufe aus freiee Hand 1770 bei Hrn. Begon unb
auf dem Auctionewege bei der Werfleigerung von Mariette's
Sammlung 1775. 8 beige that bie anhaltende Färforge
ber Directoren, bie fett 150 Jahren diefem Gabinete vorflanben
und keine Gelegenheit verfäumten, daſſelbe gu beseichern.
Eange befolgte man in biefem Gabinet die Giaffification
nach dem Heinecke ſchen Syftem, weiches jedoch wegen ber Menge
der vielerlei Blaͤtter und bei den mannichfaltigen Zufluͤſſen ni
mehr ausreichen wollte. Das Heinecke ſche Soſtem zu Grunde
legend, vermehrte Gr. Duchesne bie alten 11 Glaflen auf 34
mit einer Reihe von Unterabtheilungen und bezeichnete jede Claſſe
mit einem großen Anfangsbuchflaben, jede Iinterabtheilung mit
einem kleinen Buchſtaben und jebes Blatt mit einer Nummer,
worunter e6 in der Unterabtheilung, zu weicher es gebdrt, eins
eiragen i
achſtehendes Verzeichniß wurde nach der neuen Claffifica⸗
tion aufgenommen; die Unterabtheilun ſind ben,
weil ihre Zahl, bie ſich auf 122 beläuft, gang wi .
Am 1. Ian. 1841, gur Zeit ber legten Inpentariumsaufe
nahme, befanden ſich im Kupferſtichctabinet ber koͤniglichen Bi⸗
bliothek zu Paris:
Gtäde.
A. Saleries und Cabinetswerke in 507 Winden . . 36,198
B. Kupferfiiche nach den Malerfäulen des Gübens,
aim und Spaniens, in 21 ge 000. 19507
n den Unterabtheitungen diefer Gtaffe finbeb man:
das Merk des Leonardo da Bin IST Gehde.
® vs Michel ngele . 8
⸗ = fall . . .. ‚TE
5 8 tan's oe ee 0. 7713 |
⸗ ⸗Balvator Roſas m ⸗
c, Kupfer neh ben Malerfäuten des Raten,
Deutichlands, Hollands, Englands
In den tnterabtheilungen bieler ðiaſſe it einges
das et des Albredgt Dürer . . 1,480 Stuͤche.
⸗ s bed Lukas van Senden 400 ⸗
Rembrandt's, Driginal⸗
ſtiche 1, s
⸗ ⸗ Hembrandt' 6, ECopien . 7167 ⸗
⸗ ⸗des P. P. Rubns . . 1000 ⸗
⸗ ⸗ des Ban Dvd > -» 1,056 N
Die Werke ber deutichen, nieberlänbifchen und enge
lifchen Schule begreifen 255 Bände
D. Kupfreitihe mas nach Meiftern der feansffiden Schri⸗
In den unterabtpeilungen biefer Stoffe beträgt:
das Werk des Nicolas Pouffin . 907 @täde
das Wert Watteau’s 062 ⸗
E. Kupferſtiche, nach Stehen verfiebenee Schulen,
Zeiten und Länder georbnet, in 741 Bänden .
In den Unterabtheilungen dieſer unerweßlich reichen
Claſſe bemerkt man folgende Poften:
die Sammlung der Niellen beläuft
ih auf
das Werk des BBaccio Balbini .
des Meifters von 1466
Martin Schongauer’® .
Israel's von Mechein
Marc Anton’d . .
des Agoftino bi Benaia
des Bonafoe -
des 3. Smith . -
des Eſtienne be goöne,
Voeriot u. ſ. w.
des Thomas be Leu und
Leonard Gautier . .
des Jacques Gallot, Ori⸗
ginate und Gopien . ⸗
bes Abraham Boſſe . 1, Kr
F. Butter 2 @culpturen in 9 Bänden .
G. Alterthämern in 203 Bänden
H, 5 ch Bauwerken in 358 Bänden
1. vr ctaum und mathematifche Wiffenfaften in
148 Bänden . .
J. Raturgefchichte i in 350 Bänden . -
K. Werke über Unterriht im Beichnen, im Bechten,
Tanzen, Reiten u. ſ. w. in Bänden . -
Kartenfpiele zaͤhlt man bier 1504.
L. Werke über verfchiebene Gewerbe in 193 Bänden
In diefer Claſſe findet. man über :
Beugfabrilatin . - . ., 4,040 Stuͤcke.
Goldſchmied⸗ und Auwelierarbeit . 2,937 s
M. Encyliopäbien in 202 Bänden .
N. Horteaiis aus allen Zeiten und dandern in 40
An biefer Abtheilung fi fi nd vorhanden an
Bilbniffen von Heinrich IV.
65 Stuͤcke.
* 8
959 ⸗
2,498
⸗ von Ludwig XIv. 931 s
⸗ von Rapoleon 433 s
O. Trachten aller Art, in 486 Bänden .
Die er den Trachten belaufen fi ch auf
P. Bitoriice Hälfemifenfäafeen, 5 Ralendermappen x.
Q. Algemeine Profangefchichte in 171 Bänden
der &
EEE are ee ie
188
32,755
. 182,06
36,973
26,327
. 24,118
R. Heilige⸗ unb Betr im in 174 Bänden .
8. Mythologie in 9
T Br ng — —*5— [71% Städe.
tungen, Romaniliu en, Gedichte ego⸗
— —— Bananen dar
ie Untera der aricaturen
7831 Stuͤ ung 0
U. Maleriſche Neifebefchreibungen in 165 Bänden .
V. Topo raphie in in 664 Bänden . .
X. Atlafle in 103 Bänden . . . .. 7013
Y. Di — Waisciographien, Soraioge x. 9815
Summa 900,516
Diefe ungeheure Kupferſtichſammlung wird in einem ſehr
niebrigen und unfcheinbaren Sncifihenge efchoß des koͤniglichen Bir
bliothefgebäudes aufbewahrt. Sehr loͤblich iſt bie feit ber erften
Revolution aufgelommene ie, eine Reihe ber wichtigften Blaͤt⸗
ter der größten Kupferftecher aller Schulen und Nationen, von
der Erfindung biefer Kunft bis auf unfere Zage, unter Stas
und Rahmen an ben Wänden aufzuhängen und zu biefem Bes
huf die fhönften und befterhaltenen Abbrüde herauszuſuchen, ſo⸗
daß dadurch jeder auch nur neugierige Beſucher in Stand ge
fegt ift, die vorzüglichiten Leiſtungen ber Kupferftechertunft ken⸗
nen zu lernen. Die Sammlung if. für die Fremden und Gin
beimifchen zwei Zage in jeder Woche, für ben arbeitenden Kuͤnſt⸗
lee und fludirenden Kunftfreund aber alle Tage offen. Jedem
Zeichner, jedem Liebhaber wird das verlangte Werk ober einzelne
Kupferblatt ohne Umftänbe mit der größten Bereitwilligkeit vor⸗
gelegt, und dabei zur Wohlerhaltung derfelben alle Vorſicht ans
gewendet, Jedem ift es geflattet, auf ben zum Arbeiten ange-
brachten Yulten Befchreibungen und Zeichnungen davon zu ma⸗
en, wozu Rahmen mit Glas und fonftige Erfoderniffe in Bes
seitfchaft fleben, um die gefoderten Blätter darunter zu legen
und vor Beichädigung zu fchügen. Wer bie Werke ber befanns
ten großen franzöfifchen Kupferftecher bes 17. unb 18. Jahr⸗
bunberts in ihrer vollen Schönheit ſehen win, muß fie bier fe
ben, und bier fann fi jeder Kunſtkenner leicht überzeugen, daß
es die Franzoſen im Kupferftechen ben Engländern weit zuvor
gethan haben, fo gern ich diefen auch in ihrer bis zur bödhften
Vollkommenheit gebrachten Schab⸗ und Schwurzkunft alle Ge⸗
reqhrigtei widerfahren lafſe.
(Der Beſchluß folgt.)
11,527
112,059
Literarifche Notizen aus England.
Die Sollier’fche Ausgabe von Shalfpeare’s „Plays and
poema’’ ift nunmehr mit bem achten Bande, welcher „Antonius
unb Kleopatra’”, „Sombeline”, „Perikles“ und bie ———
enthält, deſchloſſen. Die Anmerkungen des Deraudgebers,
übrigens einen correcten Text forgfältig herzuſtellen fich bemüht
bat, geben für eine „Volksausgabe“ (popular edition) zu fehr
in das Detail bes Eritifchen Apparats ein, an beffen Statt man
mehr hiſtoriſches Material zur Erlaͤuterung ſchwieriger Stellen
wünfchen follte
Unter dem Zitel „Puritan discipline tracts‘’ iſt ein Wieder
abbrucd der wilden Pamphlets begonnen worben, welche gegen
Ausgang bes 16. Jahrhunderts ben Beginn bes heftigen Kampfes
zwiſchen ben Diffenters und der Kirche bezeichneten, der mit dem
Umflurge von Altar und Thron endete. Das erfte Heft ift ers
fhienen und enthält einen Tractat des Martin Mar« Prelate:
„An epistle to the terrible priests of the convocation house.‘
Bon Ehaucer’s „Poetical works” hat Hr. Moron eine
fehe genaue und faubere Ausgabe in einem Bande, Abdruck ber
Tyrwhitt'ſchen, beforgt. 48,
Berantwortlider Herausgeber: Deinrig Brodhand. — Drud und Verlag von 5. A. Bro@daus in Leipzig.
Blätter
ehr
literarifde Unterhaltung.
8tom.
(Yortfegung aus Nr. 201.)
Aber die Sammlung biefer Gutzkow'ſchen Auffäge hat
auch ihren eigenthuͤmlichen Werth; es iſt darin viel Geil
zerſtreut, der bald da bald dort wie entzlndetes Pulver
erplodirtz es iſt mancher beherzigenswerthe Auffag aus den
bereitö vergeffenen Nummern des „Telegraphen“ für eine
längere Dauer in biefe an mannichfaltigen Stoffen Über:
flug habenden Bände binübergerettet und translocirt wor:
den, wie man wol -auf einer Auction von altem Meub:
lesgeruͤmpel immer noch Brauchbares genug findet, um
damit ein Wohn:, wenn auch gerade Fein Pracht: und
Staatözimmer, leidlich hüͤbſch auszuftatten. Cine ganze
Reihe merkwürdiger Erſcheinungen aus den letztvergange⸗
nen Jahren wird unferm Gedaͤchtniß wieder zue Verfuͤ⸗
gung geftellt, und hierbei iſt es mir nur auffallend, wie
fo mandyes Ereigniß, fo mandye Perfönlichkeit, fo manche
Schrift, die uns damals wichtig und hoͤchſt bedeutungs:
voll erfchien, jetzt faſt vergeffen iſt, fodaß wir uns Die
Augen verwundert reiben wie bei dem Anbli einer Per:
fon, die uns bekannt vorfommt, obne daß wir wiſſen,
wo wir fie zuerft gefehen umd in welchem Verhaͤltniß fie
damals zu uns geflanden. Wie viele Erfcheinungen leben
fih doch jegt in vier oder fünf Jahren ab, weil fie ohne
eclatant nachwirkende, charakteriftifch hervortretende Kol:
gen blieben!
Dee erſte Band, um doch Etwas vom Inhalt des
Buche zu fagen, trägt den Titel: „Öffentliches Leben im
Deutihiand. 1838— 42.” Die erften Auffäge betref:
fen die koͤner Wirren, die Hermes'ſche Lehre, die Streit
ſchriften zwiſchen Leo und Goͤrres, Leo und die Hegelianer.
Hierauf folge Gutzkow's befanntes und diplomatiſch gut
geſchriebenes Sendfchreiben an den Fürften zu Solms⸗Lich.
So weit iſt noch Alles gut. Was fol, was will, was
bezweckt aber jegt noch ber 30 Seiten lange Bericht über
das Gutenberg s Album von Daltaus, welcher die Eeinfte
Bagatelle oft in mehr Beilen befpricht, als die Bagatelle
Zeilen enthielt? Es laufen dabei manche Maivetäten uns
tee, 3. B. wenn Gutzkow bie Ehre der Belletriſten den
Philologen gegenüber dadurch gerettet glaubt, daß Echter⸗
meyer ein paar .artige lateinifche Verſe beifteuerte. Als
ob Echtermeyer Das wäre, was wir im engen Sinne
Belletriſt nennen, oder ale ob Dermann und Boͤckh deshalb
19. Dctober 1843,
Reſpect vor den Belletriften befommen müßten, well «is
ner von ihnen durch einige huͤbſche Inteinifche Verſe dar
that, daß er eine gelehrte Schulbildung genofien und in
Prima den Gradus ad Parnassum tuͤchtig zu Mathe ges
zogen bat. Das Gefchnatter von Gaͤnſen rettete zwar das
Capitol, aber das Gefchnatter einiger Lateinifcher Verſe
wird das Capitol des Belletriftentyums, wenn es in Ges
fahre kommen follte, nicht retten koͤnnen, wenn wir felbft
ale wahfame Soldaten und Bertreter des Volksgeiſtes
unfer Heiligthum nicht hüten. Merkwuͤrdig bleibt noch,
daß Gutzkow feine intimern Freunde von damals. bei Dies
fer Gelegenheit in dichte Lorbern huͤllt, fo Dingelftedt,
Wihl, Beurmann, Uffo Horn, von dem es heißt: „Uffo
Horn läßt Gutenberg dramatifh auftreten und legt ihm
Worte vol Schwung und Erhabenheit in ben Mund.
Horn hat für flammende Gedantenmalerei ein feltenes
Talent; es weht in feinen Worten wie Sturmmind, feine
Verſe find Melodie, nicht gerade claffiich wie bei Mozart,
aber voll Mark und Leidenfchaft wie das Trema Bizan-
zio Donizetti’d.” So fpriht man allenfalls Über die Kos
ryphaͤen der Poefie, über Goethe oder Schiller, nicht über
Ufo Hom; man fördert dadurch einen jungen talentvollen
Schriftfteller nicht und fchadet ihm nur bei dem Publi⸗
cum, vie ein Marktfchreier zulegt feinen Pillen, die er
als ein Arcanum ausruft, während fie doch nur aus uns
fhuldigem Kuchenteige beſtehen. Ganz anders dagegen
lautet Gutzkow's Urtheil über die Beiſteuer derjenigen Aus
toren, mit denen er gerade damals auf einem gefpannten
Fuße lebte, fo über Munde, Kühne, Varnhagen von Enfe
u. 4 Ein ziemlich weitläufiges Tagebuch aus Berlin
beſchaͤftigt ſich vorzugsweiſe mit dortigen Theaterzufländen.
Ich fürchte, daB das Buhlen um das Theater der Ehas
rafterentwidelung vieler unferer jüngern Autoren und Dich⸗
tee weſentlich gefchader hat, und mehr noch in der Bus
unft fchaden wird; ich nenne hier Gutzkow felbft, ofen,
Laube, in jüngfter Zeit Kühne. Wie viel feines inneren
Kerns und Welene muß man ber Bühne aufopfern !
Welche Rüdfichten nehmen! Welche Schlangenwindungen
in dee Kritik einfchlagen! Welche Lammgeduld dee Zaͤhig⸗
keit der Directionen entgegenfegen! Welche Rundreifen bei
den Bühnen, weiche höftiche Viſiten bei den fogenannten
darſtellenden Kuͤnſtlern und Künflierinnen, welche Zuges
ftändnifie den Hofbühnen machen! Um die gefunfene
1176
Buͤhne emporzuheben, haͤlt Gutzkow mit Eduard Devrient
die Einrichtung einer Theaterakademie, einer ABC: Schule
für die Schaufpieler, für das geeignetfie Mittel. Ich
aweifle, ob es fo probat fei, al6 man annimmt; aber «6
wünde bier zu weit führen, ‚meine Zweifel auscinanderzu⸗
ſezen und mit Grhnden zu belegen. Gutzkow aͤußert:
„Serteggio befuchte allerdings feine Akademie, aber er
hatte, ehe er Bilder malte, Töpfe gemalt.” Gut! ber
Schauſpieler malt auch im Beginn feiner Laufbahn Töpfe,
wenn er erſt Roten, Bediente, Trabanten, Bauer⸗
tüpel u. f. w. fpielt. Der legte Auffag dieſes Bandes
„Deutſchlands Gegenwart erſcheint mir, trotz der fpielen:
den Eintheilung der deutfchen hervorragenden Geiſter in
Broden: und Alpengeifter, ziemlich unerheblich.
- Von geringerm Intereſſe iſt der zweite Band, der
zum größten Theile aus leichthin gemworfenen kritiſchen
Skitzen beſteht. Welches Intereſſe follen „Strickſtrumpf⸗
kritiken“, wie der Verf. eine Portion derſelben ſelbſt nennt,
der betaillicende ‚‚Beriche über den Muſenalmanach für
1841”, das „Sendfcgreiben an Ufo Hosn” u. f. w. für
uns noch haben? Es find eine Menge Gerichte hier auf:
getragen, viele bavon find würzhaft und pilant, aber fie |
fättigen weder im Einzelnen noch in der Geſammtheit,
und oft, wenn es uns gerade am beften ſchmeckt, wird
uns die Schüffel vor dem luͤſtern gemachten Munde bins
weggezogen. Mus einige Bemerkungen! Gutzkow fertige
in einem Artikel mit der Überfchrift „Veritrungen“: Will:
komm's „Europamübden” und Clemens' „Bei Nacht und
Trebel” in einer Weiſe ab, welche ben Kritiker in der
ſchreckenden Geſtalt eines Nachrichters und Abdeders er: |
fcheinen läßt. Ich mag, befonders bei dem perfönlihen
Verhättniß, in dem ich zu dem Verf. der „ECuropamuͤden“
ſtehe, diefen Roman nicht rechtfertigen und vertheidigen,
aber einmal fcheint e8 hart, wenn Schriftſteller, die im
&. 1842 vielleicht weit über ihre Verirrungen vom J.
1838 hinaus find, plögli den über fie ergangenen Ur:
theils ⸗ und Verdammungsſpruch noch einmal in einem
Buche abgedruckt finden müflen; es fcheint ferner Hart, |
wenn man diefe zwei aus einer Menge Verirrter auf
Gerathewohl herausgreift, gerade wie ein Schullehrer an
einem Schulbuben ein Erempel zu flatuiren pflegt, um
sine ganze Claſſe zu ſchrecken; endlich frage ich, ob fol:
gende Stelle einen Eritifchen Takt, Ton und Geſchmack
beweife: „Willkomm ift mir wie Einer, der noch nie ges
liebt bat, den aber ein unbändiger Reiz verzehrt, dem er
wieder den Muth nicht bat, den Bügel [hießen gu laffen.
Sehne Phantafien haben Ähnlichkeit mit denen feiner
Mönche, die ihren Geſchlechtstrieb unterdrüden muͤſſen.“
Diefen Ton nenne id, nach meiner innigſten UÜberzeu⸗
gung, unkeitifh gemein. Bei einem kritiſchen Fragment
Strauß überrafchte mich bie Vorfielung, zu der ich
mich veranlagt fühlte, wie ſchnell unfere Gelebritäten im
Laufe weniger Jahre in den Dintergrund gedrängt, vers
gefien, wie ein Blatt, weiches der Herbſtwind vor fich
in den Erdboden der Zeit eingewühlt find. Das
mals, als Gutzkow feinen Auffap ſchrieb, wurde Strauß
als der zweite Luther ausgerufen — und was iſt er jest?
sine ‚Revolution von der
Er Hat fi wie Sulla von ber Zummelflätte ber Debatte
zurücdgezogen und kann zu feiner Gemahlin, der frühen
Sängerin Schebeſt, mit demfelben Rechte wie Sulla fas
gen: „Weib, tyu mir die Blätter meines Lorberkranzes
an den Braten!” Nicht weil bie „ R Ichrbuͤcher
von ihm abfielen, nicht weil nach der Meitzung derſelben
Jahrbüher Bruno Bauer, nebſt Bruder, und Feuerdach
ihn überflügelt, überboten, befeitigt hatten, nicht well er
von Gelehrten widerlegt, von Belletriſten angefeindet, durch
wviricher Untverfität verdrängt
wurde, nein! nicht darum iſt Strauß in den Hintergrund
getreten, nicht darum find feine Beſtrebungen obne erficht:
liche Folgen geblieben, fondern -weil ex, kritiſch und gelchez,
ohne leidenfchaftliche Aufwallung, ohne begeifternde Wärme,
ohne binreißende fchöpferifche Kraft, nur in der ariftofra:
tifhen Intelligenz wurzelte und der ſyſtematiſche und kri⸗
tifhe Ausdrud ihrer Anfichten und Meinungen war.
Xhoren, welche ba glauben, eiste politifche Mevolutien,
eine religiöfe Reformation Lafje fi) in der gelehrten Welt,
im Salon, auf dem fonnigen, aber eiskalten und vegeta-
tionslofen Gipfel der Gefellfhaft abfpielen; nein, ihr müßt
die Faͤden weiter unten anlegen, mit der populaiten Be:
redtſamkeit, mit der furchtloſen Tapferkeit, mit der charak⸗
tervolien Entſchiedenheit eines Meformators wie Luther auf
die Maſſe wirken, zum Herzen des Volks fprechen, es er:
wärmen, entzünden, eine neue Welt entdecken oder mit
genialer Kraft heraufbeſchwoͤren, ſtatt einfady zu fagen, bie
alte Melt tauge nichts, ſtatt die bloße Negation als Met:
tungeboot in bie ſchwankende, geheim gährende Woge der
Zeit hinabzulaffen. Und ein folder Reformator thut uns
wahrlich noth! Bleibt vornehm, bleibt kritiſch, bleibt ne:
gativ — ihr koͤnnt ja nicht anders ſein —, aber ruft nur
nicht in eitler Selbſtverblendung, daß, weil ihr euch eini⸗
germaßen mit Anuſtand von Seite der ariſtoktatiſchen Kris
tik ans Ufer gerettet habt, die uͤbrige Welt auch nicht
mehr im Naſſen ſitze; und um diefe zu retten, werdet ihr
nicht die Finger naß machen, aus Furcht, es koͤnne da⸗
ran einiger plebejiſcher Schlamm und Schmuz ſitzen blei⸗
ben! Das Strauß'ſche Drama hat fich, wie man voraus⸗
fehen tonnte, ganz modern Luftfplelartig abgewickelt. Es
war durchaus modern, daß er nicht, alien Gefahren Trotz
bietend, nad) Zürich ging, daß er fogar ein Abſtandsgelb
in Empfang nahm, daß er ſich ſchließlich in den winds
ſtillen Dafen einer gemüthlihen Ehe mit einer liebens⸗
würdigen Sängerin zurückzog. Wie ganz anders erſcheint
uns Luther, wenn er feine Theſes auſchlug, bie päpfitiche
Bulle vecbrannte, in Worms auf Ted und Leben vor
Kalfer und Reich fprad und mit klihnem Entfchiuf ge:
vade eine Nonne zu feinem ehelichen Weibe wählte. Ich
table David Strauß an ſich in keiner Weife und in Leis
ner Rüdficht, ich beſchuldige ihn duschaus nicht einer uns
qeriſtlichen Lehre, eines muchrifitichen Wandels, ich finde,
daß er, wenn auch fein ganzer Mann, doch ein ganz mo⸗
besuer Wann iſt und auf dem Mivenm feiner Beit ſteht;
aber man hätte und nur nicht von ihm Gott weiß weis
che Dinge prophezeien follen, waͤheend man um6 die zwei,
deei oder vier Luther und Lucherchen, weiche auf ihn ges
en. ev ——" m «en —— R
folgt And, nicht propheteite. Sub dieſe ganze haudroi
Luther that ſich im Laufe weniger Jahre auf, während es
faft eines ganzen Jahrhunderts bedurfte, um nad) Huf
einen Martinus Lucher bervorzubeingen. Nun zweifle
man nody, wie weit wir wenigſtens in ber Dererei ber.
GSefhwindigkeit vor frühern Jahren voraus find !
(Der Beſchluß felgt.)
Zur Statiſtik der parifer Kunſtfammlungen.
(Boſchlud and Nr. Mi.)
Untängft find zu biefen unermeßlichen Schägen noch 36 Stüde
von dem alten Meifter hinzugekommen, welcher feine Biätter mit
den gothiſchen Buchftaben E. 3. bezeichnete und unter bem Ras
men ded Meifters von 1466 bekannt tft. Diele Wiätter, alte
Spielkarten ‚vorfteltend, meiſtens Unica und noch nicht befchrieben,
find fehr wichtig und merkwuͤrdig. Sie kommen aus England,
wo fie für Rechnung der franzoͤſiſchen Regierung angelauft und
mit 3000 France bezahlt wurden. Der jeßige Vorfteher des Gas
dinets, Dr. Duchesne der Ältere, hat eine ganz befondere Liebha⸗
berei an dem alten beutfchen Meifter, dem einige Kunfthiftoriter
vie Erfindung der Kupferftecherfunft zufchreiben wollen. Gr
flieht dem Maſo Finiguerra ſicher am naͤchſten in Zeit und
Praris, wenn er ibm aud in Schönheit der Zeichnung weit
nachſtehen muß. Seine vorzüglichften und feltenften Blätter
find die beiden Marien von Gin fblen, weiche fo wegen ber In:
ſchriften, die Fe tungen, genannt werden. Diele Infchriften bes
weifen, daß es ein Deutfcher war, der biefe Blätter ſtach; doch
ift es noch Keinem gelungen, den Namen biefes Meifters zu
entbeden; benn für ben Ramen Engelbrecht ift Fein hinreichen⸗
der Grund vorhanden. Die große —*— von Blaͤttern, welche
dieſem Meiſter sugefhrteben werden (im biefigen Kupferftichcas
Winet iſt er mit 130 Blättern befest), die Yeindeit der Schraf:
firungen und bie ganze technifche Fertigkeit, von ber fie zeugen,
fegt eine vieljäprige Übung voraus. Vergleicht man bie vom
Meifter €. 3. mit 1466 bezeichneten, ſchon in einer gebiegenen
Vollendung bearbeiteten Blätter mit mehren von ihm, bie ſich
in einem weniger ausgebildeten oder felbft noch rohem Zuſtande
&rfinden, fo muß man wenigftens 10 — 13 Zahre zurüd anneh⸗
men; „rechnet man hierzu die noch rohern Arbeiten von dem
Meier, den Ducheöne in feinen „Voyage d’un iconophile ”
unter dem Namen des Maitre aux banderolies aufführt *),
und einige aͤhnliche Blaͤtter alter beutfcher Meifter, die zwar
ohne Jahrzahi find, allein wo eine gewiffe Robeit ober Unbe⸗
bolfenheit der Behandlung, die nicht durch ſcharfe, fondern durch
flumpf übereinandergelegte Striche erfcheint, ferner die fihtbaren
Merkmale, daB ber Abbrud durch Reibung und nicht bu
Walzen oder andere Preflraft hervorgebracht fei und endli
aud der ganz rohe Stil der Zeichnung ber Formen unb des
Charakters ganz beutlich eine frühere Periode als bie vielen
Arbeiten des dem Finiguerra gleichzeitigen Meiſters von 1466
beweiſen, deſſen Geftalten im Ausbrud ber Geſichtszuͤge ſchon
einige Anmuth, und durch ſchickliche und ergreffive Stellungen
Sinn und Kunftbilbung zeigen; nimmt man bie Alles zuſam⸗
men, fo fleilt ſich die zeugung leicht dar,- daß für Deutſch⸗
Iand eine weit frühere Periode für den Abdrud von geftochenen
Metallplatten auf Papier vorhanden war, als in Italien; zus
mal auch Abbrüde von Holgplatten, wie ber heilige Chriſtoph
in der Sammlung bes Grafen Spencer zu Attthorp**) (und ein
*) Bogen ber den Figuren aus dem Munde gehenden anfgerellien
Syrubyettet mit Infäriften vgl. „Voyage d’un issmephile” von Du;
Grüne d. Tit. iPoris 152. Dieſe Neifebefgreibung enthält, auber
mehren topographiſchen Nachrichten von bed Werf. Meife in Deutfe
Ind, Holland und England, viele lehrreiche Notizen Aber Kupfer
Ale wertwärbiger Seraulungen jener Länber.
) Diefed feltene Blatt war ſonſt in. bes Karthaufe zu Burheim
in Weltfelen und wurbe von Heineccke dort entbeit. In Heller
is ber pariſer kAniglichen Bibtiethek vochanbeius Ürenwtar,
was jedoch mehre Kenner als echt begweifen) *) mit dem Jahr
1423 begeichnet, und mehre andere Drude von Dolgpiatten im
Verein mit ber batb darauf e ſcheinenden Wuczbeuctertunft bie
ſicherſten und deutlichſten Beugen befhr find. Gnbtih mochten
auch die vielen Arbeiten deutſcher Weifter des 15 Jahrehunderts
im Vergleich gegen dic in weniger Zahl vorkommenden italleni⸗
ſchen Meiſter jener Periode den Beweis geben, daß eine alige⸗
meinere fruͤhere Ausabung des Eingrabens in Metall und Ab:
druck beffeiben in Deutſchland Mattfand, Denn ber in der pas
rifer koͤniglichen Bibiiothel aufbewahrte und von Zani entberkte
Abbrud eines von Finiguerra in Niello gearbeitrten Kımftbitdes
(Pax - Patene), bie ung ber Maria vorftellend, wovon ſich
bie Platte im Kirchenſchag G.: Giovanni zu Florenz befindet
(jest in der Sammlung des Großherzoge) und eine Notiz,
Biniguerra biefes Merk 1452 vollendet babe, bie in dem b
gen Archiv gu finden ift, gibt, da auf der Platte felbft und auf
dem Abbrud weder Rome noch Jahrzahl ift, nicht die völlige
Gewißteit, daß biefes Blatt von Yiniguerra ber erſte Abdruck
einer gravirten Detallplatte auf Papier fei. Es entftchen viel
mehr gegen dieſen Papierabbrud erhebliche Zweifel, die nur
buch einen unmittelbaren Vergleich mit ber noch in Florenz
befindlichen Platte völlig gehoben werben Könnten. Außerbem
kennt man von biefer weltberühmten Rieloplatte noch zwei Ab⸗
„Geſchichte der Holzſchneibekunſt⸗ iR bavon tin Wachimile; beöglels
Gen in Ditley’s „Origin of engreving”.
) Dibdin („Biogrephical tour’) erBiärt das pariſer GEremplar
für unecht und fpäter nachgemacht. Dafſelbe behauptet Dr. Léon
be Laborde in ber franzäfifchen Zeitſchrift „L’artiste” vom October
1689, wo Durchzeichnungen bed altthorpſchen Exemplars nad Dtts
ley's Bachmile und des parifer Abdruds nad) der Abbildung des v.
Murr ſchen „Journal beigegeben find und bie Anſicht geltend ges
macht wird, daß bad parifer Cremplar mit jener Abbildung im v.
Murr'fhen „Sournal” ganz ibentifh und ein auß jenem Journal herz
ausgeriſſenes, in Kaffeefarbe getauchtes Blatt fei, welches S. Roland
zu Nürnberg im J. 1775 nad) dem Unicum bed Lord Spencer ans
gefertigt. Hr. Ducheſsne (‚Notice des estampes exposdes à la Bi-
biiothöque royale’', dritte Ausgabe, Paris 1887, ©. 2) fährt bages
gen bad parifer Exemplar ald alt und et auf. Dr. Waagen
⸗Kunſtwerke und Känftter in England und Paris”, II, ©. 086)
erflärt ebenfalls, daß ber Abbruck der Löniglichen Bibliothek zu Pa;
ris in allen Theilen dad Gepräge der Echtheit verrathe und baf,
allem Anſchein nad, das Beſtreben, den Werth des alttborper
Eremplars als eined Unicums noch zu erhöden, auf Dibbin’s Ur⸗
theil Einfluß gedadt habe. Was nähfk ber Autorität eines fo gros
Ben, fo bewährten Kunfllennerd, ein ſtarkes Gewicht zu Gunften
diefer Meinung in die Wagfihale Iegt, if folgender Umftand: Im
I. 1817, während eines Veſuchs in Paris, befad Lord Gpencer das
Eremplar des St.⸗Ehriſtoph auf der Yefigen Königlichen Bibliothek.
Sehr yilirt daräber, daß man feinem Unicum ben Werth ſchua⸗
lere, bewog er Dibbin, nad England zurädzureifen und feinen Abs
drud nach Paris heruͤberzuholen, um mit dem Eremplar des koͤnig⸗
len Kupferſtichcabinets einen Vergleich anzuftelen. Es wurbe
entſchieden, daß beide Abdruͤcke alt, aber von zwel verfälebenen
Holzbloͤken abgezogen fein. Im folgenden Sabre machte Dibbin
feine bibliographiſche Reife und in feinem vierundzwanzigfien Briefe
erhob er Zweifel und Bedenken iu Betreff des parifer Eremplard,
welches, ungeachtet ded Datums, gegen 1400 zu fegen fei und übers
Haupt verdaͤchtig erſcheine, das aber na feinem Überfeger Crapelet
(„„Veyage de Dibdin’, II, 100, Anmerkung a) alle Kennzeichen des
Alters und ber Echtheit an fi trägt. Hr. Sotzmann in dem Aufs
fage ‚Über die ältefle Geſchichte der Zylographie und ber Drudkunf”
in Raumer’s „Slortfgen Taſchenbuche⸗, Jadrgang IEBT, Täßt vie
beiden Eremplare ded St.⸗Chriſtoph ebenfalls für alt gelten. mit
iänen aber keinen döhern Werth bei als vielen audern alten Holz
(ünittbiipeen, bie MG in Öffentiidhen Gamunlungen von Kopferſtichen
vorfinden, und verlegt ihren lLnfsrung in bie zmette Pälfte be
16. Ichrhunberts.
deacde auf Schweſel. Dex eine, ein Vrobeabbrud, welcher bie
Platte unvollendet wiebergibt,, befindet ſich in ber vortrefflichen
Sammlung von Niellen des Grafen Durazzo in ; der
andere, welcher erſt nach gänzlicher Beendigung ber Platte ge
nommen worden if und bas Original mit den feinften Einzel⸗
beiten auf das genauefte reprobuciet, war Tonft im Befig des
@enators Seratti in Livorno, gelangte nach befien Tode in bie
Bände des Ionboner Kupferſtichhaͤndlers Colnaghi und ging aus
beſſen Befis in die große Kupferflihfammiung bes Herzogs von
Budingham»Ghandos über, weicher ihn mit 250 Pf. St. ber
Ite. Bei der VBerfteigerung biefer Sammlung zu London
834 wurde er für Rechnung des Britiſchen Muſeums anges
kauft, wo man ihn gegenwärtig aufbewahrt. Sin Vergleich der
Abbildung bes parifer Yapisrabdruds in Zant’s „Materiali per
servir alla storia delle incisione in rame” (&. 201), bie nadı
der Berfiherung bes Verf. von ber größten Treue fein fol,
mit dem Schwefelabdruck im Britiſchen Muſeum Hat fein güns
ſtiges Ergebniß für jenes Blatt geliefert und bie Anſpruͤche deſ⸗
felben auf Originalität bedeutend herabgeſezt. Dibdin („Deca-
meron‘'‘, I, &. cxrı) verfichert, baß jene Abbildung von dem bes
wundernswuͤrdigen Ausdruck der Köpfe in dem Gchwefelabbrud,
der wie ein Kupferftich auf Eifenbein ausfieht, nur wenig wies
dergibt. Gicognara („Memorie‘, &. 43) erzählt, daß Zani,
der erſte Entdecker jenes Papierbruds, vor feinem Tode felbft
ſehr zweifelhaft über die Echtheit und Wichtigkeit feines Bundes
gewozden ift, und ber Prof. Vitali in Parma eine Zeidmung
diefer Par, welche Mariette befaß und auf weicher ſich eine
handfchriftiiche Bemerkung von ibm befindet, von Zani’s Erben
an ſich gebracht und mit Huͤlfe berfelben in einer noch unedir⸗
ten Schrift dargethan bat, der parifer Abdrud fei nidht von
dem Original in Florenz hergenommen. Waagen („Kunftwerte
und Künftter in England und Paris”, IN, 68T) laͤßt es un⸗
entidhieben, ob biefer Abdruck wirklich von jener Nielloplatte in
Florenz genommen worden, hält aber bafür, daß er ein fehr
alter Abdrud von einer hoͤchſt vortrefflidhen und mit jener
Platte fehr nahe übereinftimmenden Nielloplatte ift.
Diefes Blatt, das feither von Vielen für ben erften unb
diteften aller Kupferfliche gehalten wurde, ift gegenwärtig Fein
Unicum mehr, da ganz neuerdings in der parifer Bibliothel des
Arſenals ein zweiter Papierabdrud bes von Kiniguerra In Niello
gearbeiteten Kunftbitdes, die Krönung der Jungfrau vorftellend,
aufgefunden worden. Diefer Abdrud ift fchöner als ber bis jegt
bekannte. Gin breiter Rand geftattet die Platte genau zu mefs
fen, die, nach oben gewölbt, in ihrer hoͤchſten Höhe 133 Millis
meötres und 95 Millimdtres in ber Breite hat. Chriſtus auf
einem hoben Throne zur Linken figend, der mit Guirlanden ge:
ſchmuͤckt ift und hinter bem Gebäude im florentinifchen Stil des
15. Zahrhunderts emporragen, fest eben die Krone auf das
Haupt der Zunafrau, die in feiner Hähe geftellt ifl. Unter dem
Thronſeſſel Halten Engel aufgerollte Spruchzettel mit Infchrifs
ten folgenden Inhaits: Assumpta est Maria in coelum. Ave,
exercitus angelorumi. Zu jeder Seite ſpielen andere Engel vers
ſchiedene Inftrumente, und unten links find die Märtyrer, rechts
die heiligen Zungfrauen. Dan bemerkt unter Andern ben heili⸗
gen Zohannes, aufredyt ſtehend, und die Enieenden Heiligen Aus
Kit und Ambrofius, bie Heiligen Agnes und Katharina. In
infiht auf Compofition, Zeichnung, Formenverſtaͤndniß und
rl haͤlt fich diefes Werk auf gleicher Höhe mit ben bes
n Leiftungen ber gleichzeitigen WBilbhauer und Maler. Die
Druckerſchwaͤrze iſt grau; ber Abdruck felbft fegt eine große
Bolllommenheit ber Preffe voraus und ift von der Gegenfeite
der Driginalplatte, zeigt mithin auch die Schrift verfehrt. Das
Papier hat endlich ein fehr altes Anfchen. 27.
Notizen.
Shakſpeare kein Papiſt.
Es hat Jemand unternommen, durch Stellen aus Shak⸗
fpeare’s Gtuͤcken zu. beweiſen, daß der große Dichter kein Papiſt,
vielmche ein Antipaptiſt geweſen und als guter, orthodoxer (
Proteſtant geſtorben ſei, und er führt feinen Beweis aus er
len wie 3. B. jene, wo König Johann dem Garbinal Pan⸗
dulph Tage:
Kein Nam’ IR zu erfinnen, Garbinat,
So leer, unmwärbig und ſo laͤcherlich,
Mir Antwort abzufobern, als der Papſt;
ober aus Heinrich VI:
Der Gerbinal ii freier ass ber Teufel
uf. w. Wie ber Mann auf fein fonderbares Unternehmen
gekommen iſt? Er erzählt es ſelbſt. „Als ich Stratford upon
Avon befuchte‘‘, fagt er, „ſah ich ein großes befchriebenes Blatt
in einem vergolbeten Rahmen recht augenfälig aufgefleilt und
für eine Gopie von Shakſpeare's letztem Willen ausgegeben,
aber anfangend mit den Worten: ‚Im Namen Gottes bes Bas
ters, bes Sohnes und bes heiligen Geiſtes, ber allerheiligſten
und gepriefenen Jungfrau Maria, Mutter Gottes, ber Erzengel,
Engel, Patriarchen c. Ih, Will. Shalespzare, unmwürbiges
Mitgtied der heil. Eatholifchen Kirche.“ ,,Diefes Blatt‘, fährt
der Erzaͤhler fort, „war doch offenbar dazu ausgehängt, um bie
Welt zu beträgen und Shaffpeare als einen Papiften barzuftellen.”
Deshalb befchioß ex auf der Gtelle, zur Ehre Shaffpeare's, ber
reformirten Religion und ber göttlichen Wahrheit klaͤrlich zu
beweifen, daß dieſes Teftament ein Falſum fei. Bald hätte ich
ben Zitel feines Buches vergeffen anzuführen (ber Lefer würde
freilich nichts dabei verlieren): „Religious and moral sentences
culled from the works of Shakspeare compared with sacred
passages Jdrawn from holy writ.” Der gute Berf. will
nicht nur beweifen, daß Shalfpeare kein Papift, fondern auch,
daß er „ein wahres unb würbiges Mitglied der englifchen
Kirche” gewefen, und flellt zu dem Ende auf 140 Geiten
Stellen aus Shakſpeare's Dramen mit Stellen aus der Bibel
und ber englifchen Liturgie zufammen. Es muß auch ſolche
Kaͤuze geben!
Englifhe Decenz.
„Wie rathen“, fagt ein englifcher Kritiker, „jedem Familien⸗
vater ernftlich, die englifche Überfetung bed Rabelais fern von
feinem Haufe, ober wenigftens ſicher unter Schloß und Riegel
su halten. Das franzöfiiche Original iſt nicht fo gefaͤhrlich,
weil es in den veralteten Formen der GSchreibart und Recht⸗
fchreibung unberufenem Lefen ein natuͤrliches Hinderniß entgegen:
ſtellt. Die Überfegung anlangend Tönnen wir uns Fein furcht⸗
bareres Ere'gniß denken, als ein zufaͤlliges Aufſchlagen berfelben
im Schoofe einer reſpectabeln Familie. Der GSchred, wenn eine
Bombe mitten in einer friedlichen Theegeſellſchaft plaste, ober
wenn ein nur „bei Geite‘ mögliches Wort von einem fcharfs
börenden Kinde Yaut nachgefprochen würde, ober wenn das
kleinſte Bübchen in einer evangelifchen Borbereitungsfchute einen
Fluch ausftieße, ift nichts gegen den, ein junges Daͤmchen in
weißem Mouffelin Urqhard's Rabelais auffchlagen gu fehen.“
Der Mann bat Recht, aber wie charakteriftifch ift die Ausmas
lung des Echrediens !
Correſpondenz bes Herzogs von Mariborougb.
Der „Times“ zufolge ift kuͤrzlich bie Correſpondenz des
Herzogs von Martborough aufgefunden worden. Wan unter
fuchte einige Kiften, weldge, wie man vermuthete, Papiere und
Documente bezüglich auf bie Marlborough'ſchen Güter enthalten
follten und entdeckte in denfelben bie vollftänbige Gorreſpondenz
und die Depeſchen des Herzogs, weidye ber Beit des Erbfoigekriegẽ
angehören. Gin großer heil derſelben (die Briefe an Prinz
en, bie fremden Souveraine, Bürften, Generate) ift frans
pt ch — — den George Murray bat dieſe Intereffanten
ocumente vom jehigen Dergoge von Mariboro Duckhficht
und Bewahrung erhalten. u 48,
Berantwortlicher Herausgeber: Heinrih Broddaund — Drack und Werlag von U. A, Brodbanß in Leipzig
u ü — — — ü—
A _ u ie n
Bläfter
für
literarifhe Unterhaltung.
Freitag,
Karl Gutkow.
(Beſchiuß aus Nr. 202.)
Der dritte Band ift von erheblicherm Intereſſe, we⸗
niger durch Gutzkow's Notiz Über Prof. Meyer, Meidins
ger's franzoͤfiſche Grammatik, einen Beſuch bei Bettina, |.
einen Befuh Immermann's bei Gutzkow, weniger durch
feine eigene Reifen: und Novellenfkiszen, obgleich darunter
manches Dübfche, als durch zwei Reliquien von Georg
Büchner, und um diefer Reliquien willen würden wir,
fetbft wenn Gutzkow's Auffäße gar nichts bedeuteten, dies
fem die Derausgabe diefer Sammlung gern vergeben. Die
erſte derfelben trägt den Titel „Renz, eine Art Novelle,
weiche den flrasburger Aufenthalt des ungluͤcklichen Dich⸗
tes und fein Verhaͤltniß zu dem bekannten pietiftifchen
Pfarrer Oberlin in Steinthat zum Gegenftande hat. Hier
ift wahrhaft poetifhhe Anfhauung, die Sprade und Ma:
lerei dichteriſcher Empfindung, Durchgeifligung des Stoffe
und DBefeelung des bios Körpertichen; dabei hat die Er:
zaͤhlung ſelbſt ſo etwas wuͤſt Traͤumeriſches, fo etwas
Halbwahnſinniges, ſie waͤlzt und wuͤhlt und kugelt ſich ſo
unheimlich durch ſeltſame bald knapp abgebrochene, bald
traumhaft verlängerte Wortwindungen und Satzverſchlin⸗
gungen, das Thun und Treiben und Weſen ſchleudert ſich
und draͤngt, treibt und ſtoͤßt ſich ſo willenlos daͤmoniſch,
fo unruhig abſichtslos von rechts nach Links, durch Licht
und Dunkel, kopfüber, fopfunter, im Gange, im Hüpfen,
im Sprunge, im wilden athemloſen Laufe, daB es dem
Lefer faſt erfcheint, als leſe er bier nicht die Novelle eines
Zroeiten über einen Wahnfinnigen, fondern habe es mit
dieſem ſelbſt zu thun, fei wol gar von ihm angefledt, als
fi Büchner Lenz und Lenz Büchner und er, der Lefer
felbft, Beide zugleih. Die zweite Reliquie befteht aus
Bruchſtuͤcken aus einem Luflfpiele „‚Leonce und Lena”,
vol gefunden Witzes und echten Humors. Nur ein Bei:
ſpiel für viele:
König Peter und ber Staatsrath.
Peter. Meine Lieben und Getreuen, ich wollte Euch hier:
mit fund und zu wiflen thun, fund und zu willen thun — denn
entweder verheirather fich mein Sohn, ober nicht (legt den Zins
ger an die Rafe) entweder, ober — Ihr verfteht mich doch?
Sin Drittes gibt es nicht. Der Menſch muß denken. (Steht
eine Zeit Lang finnend.) Wenn ich fo laut rede, fo weiß ich
nicht, wer es eigentlich ift, ich ober sin Anderer, das aͤngſtigt
EEE m nm m I —
20. October 1848.
mich. ( Nach langem Befinnen.) Ich bin ich. — Was halten
Sie davon, Präfident ?
Präfident. (Gravitätifch Iansfam.) Cure Majeftät,
vieleicht iſt es fo, vielleicht iſt es aber auch nicht fo.
Ja, vielleicht
Peter. (Mit Ruͤhrung.) O meine Weiſen! Alſo von was
war eigentlich die Rede? Von was wollte ich eigentlich ſprechen?
Praͤſident, was haben Sie ein fo kurzes Gebaͤchtniß bei einer fo
feierlichen Gelegenheit? Die Sitzung ift aufgehoben !
Man kann nicht leugnen, daB diefe beiden Rekiquien
etwas Hervorftechendes in dieſer Sammlung find, und daß
ſich der Eefer, geägt, gepridelt und geftachelt von fo vielen
Gutzkow'ſchen Verflandeswigen,, in diefen romantifdhen
Zwifchenpartien gern erholt. Was man aber auch gegen
diefe „Vermiſchten Schriften” mit Recht fagen und an
ihnen im Ganzen wie im Einzelnen ausfegen Tann, fie
bilden immer eine intereffante Sammlung, ſowol durch
ihten mannichfaltigen Stoff als durch die meift geiſtreiche
Behandlung des Stoffe. Schon auf die fo forgfam ges"
arbeitete, nuc hier und da zu gedrechfelte Sprache, die fich
jedoch in ſpaͤtern Auffägen, namentlich in dem Tagebuche
aus Berlin, natürlicher bewegt, wie auf feine Kunſt, eine
Menge treffender Gteihniffe und Bilder zu fehmieden und
zu nieten, feines und zarte® Gefchmeide, womit er jedoch
feine Auffäge häufig nur zu flitterhaft und kokett aufpust,
darf fi der Verf. etwas einbilden. Obgleich ich durch
die Länge diefer Betrachtung, durch die Bemuͤhung, dem
Autor nach jeder Seite hin gerecht zu werden, die Ach⸗
tung bemwiefen zu haben glaube, die ich im Allgemeinen
für das Talent, den Geift, den markitten literariſchen
Charakter Gutzkow's hege, fo wird diefer doch im Bewußts
fein feiner überall Quos ego .. . „! gebietenden Größe
nicht zufriedengeftelle fen, indem er wol liebt, Andern bie
Wahrheit zu fagen, aber nicht ſich die Wahrheit fagen zu
laffen. Ic wäre in mancher Hinficht gern unglimpflicher
mit ihm verfahren; aber es widerfpriht meiner Natur;
ih babe non der Manier Gutzkow's, Jemand abzufertigen
und die Vorzüge eines abzufertigenden Autors über deſſen
Mängel zu vergeffen, noch nicht genug gelernt.
Der Verf. hat auch eine kurze Vorrede zu biefen
„Bermifhten Schriften” gefchrieben; er ift aber niche
gladtich in feinen Vorreden, weil er darin — der Salt!
— gewoͤhnlich gemuͤthlich wird, ber Verf. der „Wally”
und der „‚Lebensffizge des Mar Scotty‘ gemuͤthlich!
Der ganze Staatsrath im Chor.
iſt es fo, vielleicht iſt es aber auch nicht fo.
1174
Über nichts ſteht ihm ſchlechter und unnatuͤrlicher als bie
Gemuͤchlichkeit, wo er fie nicht wie an einigen Stellen
feiner Dramen objectiviet, fondern als Thraͤnenerguß feiner
innerften Perföntichleit in das Schnupftuch eines fubjec:
tiven Raifonnements, und ein folches iſt eine Vorrede im:
mer, feucht und warm entfchläpfen läßt, damit mohlwols
lende Seelen und barmherzige Schweftern ausrufen: Seht,
weich ein Menfch! oder gar eine andere heilige Veronica
im Schweißtuche fein thränenreiches Geſicht abdrüdt. Auch
in der Vorrede zu diefen „Vermiſchten Schriften” ſpukt
eine gewiſſe gemachte Gemüthlicykeit, eine empfindeinde
(hönthuende Suͤßlichkeit, deren auf das große Publicum
berechneten Zweck ich wohl einfehe. Aber, guter Sreund!
wir Eennen uns beffer; wer über Mar Schottty fo fchreis
ben konnte wie du, wer noch in diefen „Vermiſchten
Schriften” über Willkomm und Clemens fo lieblos und
hart urtheilen Eonnte wie du, deffen Thränen können keine
andere als Kunftthränen fein, die ein Schaufpieler weint,
um auf die große Menge zu wirken, und Gutzkow hat,
feltdem er Bühnenitüde fchreibt, immer nur ein Theater:
publicum vor Augen. Alles was du wiuft, Gutzkow! -—
erſchrecken Sie nicht über mein vertrauliche du; es iſt
mie entfchlüpft wie Ihnen die Thränen — Geiſt, Wie,
Schärfe, ſelbſt Lieblofigeeit, nur Beine Sentimentalität !
Sa, wahrlih), Gutzkow vergießt fogar während des Pro:
ducirens Thraͤnen. In der Vorrede zu feinen dramati⸗
(hen Werken heißt es woörtlid wie folgt: „Es find um
beide Stuͤcke (‚Savage‘ und ‚Werner‘) in Deutſchland viel
Thraͤnen gefloffen. Wer rein und edel fühlt, fühlt viel:
leicht auch, daß um fie welche gefloffen find, noch waͤh⸗
tend fie gefchrieben wurden. Abermals eine Phrafe für
die barmherzigen Schweſtern Deutſchlands! Lefling würde,
ſelbſt wenn er bei der Abfaffung feines „Nathan“ Thraͤ⸗
nen vergoffen hätte, es nie eingeſtanden haben, und Gutz⸗
kow nimmt ſich je fonft Leifing fo gern zum ‚Mufter !
Er fließt: „Das Talent, Gemachtes vom Gefühlten zu
unterfcheiden, befigen Wenige: am meiften die Frauen,
am wenigften die Kritiker.” Da Gutzkow ein Kritiker ift,
fo wird er nicht unterfcheiden Binnen, ob gegenwärtige Re:
cenfion gefühlt oder blos gemacht ſei; er möge daher ein
Weib zu Rathe ziehen! Hermann Marggraff.
manuel Kant’8 Briefe. Herausgegeben von Friedrich
Sm Wilhelm Schubert. ,
Durch dieſe Briefe des großen koͤnigeberger Philofophen
Immanuel Kant an bie literarifchen Notabilitäten feiner Zeit
werden wir in eine laͤngſt verſchwundene Zeit zurüdverfent,
die, obgleih nur um 50 — 60 Jahre von ber unfern entfernt,
dennoch bereits faft zu einer fagenhaften, zu einer für uns
räthfelhaften unb in vieler Beziehung fogar völlig unerklaͤrlichen
geworben if. Wir fehen hier einen ber größten und ausgezeich«
netften Denker vor uns, der mit der allergrößten, fefteften
und inn Überzeugung ein unerſchuͤtterliches Gebaͤude für
die Ewigkeit gebaut und gegründet zu haben glaubt; denn er
verfichert in einem Briefe an Reinhoid mit der größten Zuver⸗
) Smmanuel Kant’s fämmtiide Werke. Gilfter Theil.
. 9 eben von %. WB. Schubert. Leipzig, Bob.
mu. Gr 8. 23 Ablie.
ſichtlichkeit, „daß ex, je er auf ſeiner Bahn fortgehe, um
fo unbeforgter werde, es koͤnne jemals ein Widerſpruch ober
Alianz feinem Syſtem erheblichen Abbruch thun‘, und dennoch
mußte er felbft es noch erieben, daß gerade ber Wann, ber ihm
die allergrößte Verehrung und Grgebenheit betheuert, ber ihm
wiederholt feine ganze und volle Überzeugung von ber Wahrheit
feines Syſtems und fein vollfommenes Ginverflandenfein mit
demfelben im Ganzen wie im Ginzelnen verfichert hatte, die
Brandfader in fein vermeintlich die Ewigkeit gegründetes
philoſophiſches Prachtgebäude warf, daß es von Grund aus
verbrannte und davon nichts übrig geblieben iſt als eine hiſto⸗
rifche Erinnerung, ein bohler Klang. Und biefer Dann war
Fichte! Es hat in der That etwas wahrhaft Zragifches, aus dem
Briefwechfel diefer beiden ausgezeichneten Männer zu feben, wie
Kichte dem großen Eönigeberger Denker mit den ungweifelhaft
aufrichtig gemeinten Berficherungen und Betheurungen feiner ins
nigften und hoͤchſten Verehrung für ihn, mit der dringenden
Bitte um Belehrung entgegenfommt; zu lefen, wie er in einem
Briefe an Kant betheuert, „von dem Gedanken burdiglüht zu
fein, die Aufgabe der Kritik der reinen Vernunft zu löfen”, und
wie Kant feinerfeits dies Entgegenfommen, diefe Betheuerungen,
Berficherungen und Erklaͤrungen Fichte's mit all der Genüge und
Befriedigung eines Hobenpriefters im Tempelheiligthum zu Gais
fo entgegennimmt, als ob dies gar nicht anders fein könne und
fi) ganz von ſelbſt verfiehe, und wie dann body diefe Freund⸗
ſchaft mit einmal in die unverföhntichfle Gegnerſchaft umſchlaͤgt.
Die „Wiffenfdhaftstehre” war das Kriegsmanifeft, bas Fichte wiber
die Eritifhe Phliofophie und ihren großen Schöpfer Immanuel
Kant ergeben ließ. Als ein foldyes erfannte und erklaͤrte es
Immanuel Kant auf den erften Bid und vom erften Augenblid
an. Das war nit die von Fichte ihm verfprocdhene „Loͤſung
der Aufgabe der Kritik der reinen Vernunft”; das war Empoͤ⸗
rung wider biefelbe, Losfagung von derfeiben, Umſturz und Ber:
nichtung berfelben, und ber frühere Verehrer und Freund mußte
nothwendigerweife dadurch in Kant's Augen ein Gegner werben,
mit dem er nichts weiter zu fchaffen haben mochte. Rod im
Jahre 1797 bittet Kant Xieftrunt in feinem Briefe, „feine
hypokritiſchen Freunde Fichte und Reinhold zu grüßen”. Alſo
hypokritiſch war ibm bereits fein ,reund Fichte“ vorgekom⸗
men! Gin Jahr darauf (1798) fchreibt er an Tieftrunk: Was
balten Sie von Herrn Fichte's allgemeiner Wiffenichaftes
lehre?“ Gr habe fie, äußert ex ferner gegen Denfelben in dem⸗
felben Briefe, beifeite gelegt und Eenne fie nur aus einer Re
cenfion in ber „Zenaifchen Allgemeinen Literaturzeitung“, die mit
vieler Vortiebe für Hrn. Fichte abgefaßt ſei. Sie ſehe ihm
wie eine Art von Gefpenft aus, das, wenn man es gehaſcht
babe, einen Gegenftand babe, fondern immer nur ſich ſelbſt,
und zwar hiervon auch nur die Hand, bie danach haſcht, vor
fih babe. „Schon ber Titel („Wiffenfchaftslchre”) erregt, läßt
er fi in einem fpätern Briefe vernehmen, wenig artung
für den Gewinn, weit fie eine Wiſſenſchaftswiſſenſchaft und fo
ins Unendliche anbdeuten würde.” Hierin hatte in ber That der
große Denker ben faulen Filed ſchlagend bezeichnet, an bem bie
„Wiſſenſchaftslehre“ nothwendig zu Grunde geben mußte, unb
wirfiih zu Grunde ging: ndmlid ben nie enbenben und abs
fließenden Kreis des Wiſſens von Sich feibft, in ben das Ich
nothwendig bineingetrieben warb, ohne jemals zu Sich ſeibſt
kommen, ober Sich Selbſt finden zu können. In einem Briefe
an Kiefewetter belobt es Kant gar fehr, daß er der Fritifchen
Philoſophie treu geblieben fei, was ihn fidher nicht gereuen werde,
indeß Andere, bie ſich gleichfalls anfangs derſelben gewidmet
hätten, buch zum Theil „laͤcherliche Neuerungsfucht zur Drigi⸗
nalität, nämli wie Hudibras aus Sand einen Strick drehen
zu wollen”, nur um ſich her Staub erregten, der fi body in
furzem legen muͤſſe. Aber als von verfdiebenen Geiten die
FBichte’fche Philoſophie für ein Kind und Günftting der kritiſchen
Philoſophie erklaͤrt wird, ba fühlte ſich ber gekraͤnkte und in
feinem Heiligthume bedrohte Greis zu einer entſchledenen öffent:
lichen Erklaͤrung herausgefobert, Eraft weicher er ſich von allem
RS
Antheile an ber Fichte ſchen Phileſophie auf das beitimmtefle
lodfagt. und zwar ficher nicht blos aus Weforgniß, wie der Or.
Herausgeber meint, in die Anlagen mit verwidelt zu werben,
die wider Fichte von verichicdenen Eeiten ber wegen feines ans
geblidhen Atheismus erhoben wurden, fondern aus der vollfien
und innigften Überzeugung, daß dieſe Philofophie die allerärgfte
Besirrung fei, die jemals im Gebiete der Philofophie vorges
mmen.
Er habe Fichte gerathen, heißt es in dieſer Erklaͤrung,
flott der feuchtiofen Spisfindigkeiten feine gute Darflelungsgabe
zu cultiviven, bie fi in der Kritik der reinen Vernunft mit
Rugen anwenden laffe, fei aber von ihm mit ber Erklaͤrung,
„er werde das Scholaftifche nicht aus ben Augen ſetzen“, höflich
abgewiefen worden.
Den Schluß biefer merkwuͤrdigen Erklaͤrung glauben wir
aber wörtlich mittheilen zu muͤſſen, weil daraus bie tiefe Ber:
legung, gleichfanı die innere (Empörung, bie ber Water über den
verlorenen Sohn empfand — benn allerdings war bie Eritifche
Phitofophie, an deren Schöpfung Kant fein ganzes Leben gefeht
batte, das Vaterhaus, aus bem bie Kichte'fche Phitofophie ber:
vorgegangen war, und wider das fie nun bie Morbwaffe lehrte
— ganz unverhoblen hervorleuchtet:
„Sin italienisches Sprichwort fagt: Bott bewahre uns vor
unfern reunden ; vor unfern Keinden wollen wir und wol felbft
in Acht nehmen. Es gibt nämtich gutmüthige, gegen uns wohl⸗
gefinnte, fig verkehrt benehmende (tölpifche) aber auch bisweilen
detrügerifche, hinterliftige, auf unfer Verderben finnende, und
dabei doch die Sprache des Wohlwollens führende, fogenannte
Freunde, vor denen und ihren ausgelegten Schlingen man nicht
genug auf der Hut fein EZanne Aber befienungeachtet muß bie
kritiſche Philofophie durch ihre unaufhaltfame Zendenz zur Bes
friedigung ber Vernunft ſowol in theoretifcher als in mora⸗
liſch praktiſcher Hinſicht uͤberhaupt fühlen, daß ihr fein Wechſel
der Meinungen, keine Nachbeſſerungen, oder ein ander geform⸗
tes Lehrgebaͤude bevorſtehe, ſondern daß das Syſtem der Kritik
auf immer befeſtigt und auch fuͤr alle kuͤnftige Zeitalter zu den
höchften Z3wecken der Menſchheit unentbehrlich ſei.“
Eine fo feſte, unerfchütterliche Überzeugung hatte der ehr:
wuͤrdige Greis von ber Umumſtoͤßlichkeit und von der für bie
Ewigkeit berechneten Dauer feines Syſtems, und ficher würde
es bie denkbar furchtbarfte Erfahrung gewelen fein, die ber große
Denker am Rande des Grabes nur irgend in fich hätte machen
koͤnnen, wenn er hätte einfehben und erkennen müflen, daß er
fein ganzes, langes, arbeitvolles Leben einem Nichts, einem lee:
sen Dirmgefpinnft zu Liebe bergebtich bingeopfert habe. Fichte
beantwortet biefe geharniſchte Erklaͤrung feines großen Lehrers
und Meiftere durch ein Schreiben an Schelling auf eine ſeht
milde und fchonende Weile. Gr fühle ſich am meiften und vor
Allem gerieigt, Kant’s Rath zu befolgen, immer auf eigenen Yüßen
zu ſtehen, laͤßt er fi) vernehmen. Wer möchte aber mol
hierin die raͤchende Nemeſis verkennen, daß er bie an Schel⸗
King, gerade an den Mann fchreibt, ber, obgleich er ihn an feis
nem Bufen gepflegt hatte, nur zu bald bie Fahne ber Empoͤ⸗
zung wider den Bater und Freund aufpflanzte, und bem er in
fhmerzlicher Entrüftung zuzurufen genöthigt warb: „Auch bu,
mein Sohn Brutus!” Und audy biefem erftand wieder ein ‚Hegel,
der vatewmörberifche Kreund. Und dies entfegliche Schaufpiel
bat fi in dem Gebiete der Philofophie von Anfang bis zu
Ende unzählige Dale wiederhott.
Wie fehr übrigens Kant in feiner eigenen Anſchauungs⸗
weiſe gebannt war unb wie wenig er fremde Anfchauungswei-
fen aus ihrem eigenen Gtanbpunfte zu würbigen wußte, geht
am deutlichften und klarſten daraus hervor, wie er ſich in einem
Briefe an Marcus Herz mit Bezugnahme auf bie von Galos
mon Maimon in einzeinen Punkten wider fein Syſtem erhobes
ne DOppofition über Leibnig's Lehre von ber vorausbeflimmten
‚Sarmonie (Harmonia praestabilita) ausfpridt. Darunter
babe Leibnie wol ſchwerlich, ſchreibt er nämlich, die Harmonie
zweier verf Welen, nämlich Sinness und Berflanbeswes
fen, fonbem zweier Bermögen chen befieiben Mäefend, in welchem
Sinnlichkeit und Verſtanb gu eines Grfapeungserfenntniß gu
fammenftimmen, verſtehen können. .
Und doch geht gerade aus der ganzen Structur des Leibnig’-
ſchen Syſtems, aus der Ratur bes Problems, deffen koͤſung es
fi; zu feiner Aufgabe gemacht hatte, nämlich das Zuſammen⸗
fein, Zufammenwirten und Ineinandergreifen von Leib und Seele
zu erklaͤren, fowie ferner aus ben wieberholten unb ſehr pofitl-
ven Erklaͤrungen und Grläuterungen Leibnig'® in Beziehung
auf bie präftabilirte Harmonie ganz klar und unzweifelhaft her
vor, daß Leibnig darunter bad Verhaͤltniß und bie räthfelhafte
Wechſelwirkung zwifchen Leib und Geele verftanden wiſſen will,
unb es würde in der That ganz unbegreiflich fein, wie ein fo
großer, tiefer und fcharffinniger Denker, wie Kant es war, in
eine ſolche ganz grundlofe und irrige Annahme und Erklaͤrung
verfallen Eonnte, als die feine es ift, wenn man nicht etwa
wüßte, baß gerade große Männer fi) am erften und meiften
in ihre eigene Vorſtellungs⸗ und Anfchauungsweife allzu fehr
vertieben,, als daß fle leicht den richtigen Maßſtab zur Wuͤrdi⸗
gung fremder Vorſtellungs⸗ und Anfchauungsweifen zu finden
und anzulegen müßten: es hängt biefe Beſchraͤnktheit mit bem
Egoismus der menfhlihen Natur zufammen.
Die meiften Briefe übrigens, entweder an Geiſtesverwandte, wie
Mofes Mendelsfohn, oder an Schüler, Anhänger und Freunde, wie
Reinhold, Tieftrunt, D. Marcus Herz, Stäudlin, Kiefewetter, Bos
rowski, oder auch an Verehrer, wie Profeffor Engel in Berlin, Schuͤt
in Jena, Jacobi in Pempelfort, Lichtenberg, Meierotto, Erhard,
oder endlich an —EV Perſonen gerichtet, ſind im Ganzen
und Weſenttichen nicht von ſehr erheblichem Intereſſe; denn ent:
weder find es reine Gefchäfte: und Höflichkeitsbriefe, oder fie ges
ben uns wenigftens kein neues Licht über die Lehre des großen
Denters, felbft wenn er ſich, Freunden und Anhängern gegen⸗
über, wie namentlih D. Marcus Herz, Reinhold, Zieftrunf, in
Erlaͤuterungen und Betrachtungen einzelner Partien und Punkte
derfeiben einiäßt, die von jenen nicht gehörig und vollitänbig
aufgefaßt und verftanden mworben find. Nur infofern find fie
allerdings von einer gewiffen Hiftorifchen Wichtigkeit, inwiefern
fie einmal Zeugniß von ber großen und allgemein geiftigen Bes
wegung geben, bie der große Tönigsberger Philoſoph in ganz
Deutſchland hervorgerufen und die ſich über alle Elaſſen und
Stände verbreitet hatte, und inwiefern fie zweitens einen fpres
enden Beweis von der Verbindung und Beziehung geben, in
die Kant nicht nur mit den Rotabilitäten feiner Zeit, ſondern
auch mit allen edeln, gebildeten und ausgezeichneten Köpfen
berfelben getreten war, und wie Immanuel Kant in gewiflee
Beziehung der Pharus, ber Mann feines Jahrhunderts, und
feine Philoſophie Bolksfache geworben war. Und nun nad kaum
einem halben Jahrhunderte ift fie zu einer blos hiſtoriſchen Re⸗
miniscenz zufammengefchrumpft! Und daſſeibe Schickſal haben
in diefem kurzen Zeitraum Fichte, GSchelling, Hegel nacheinans
der erlitten.
Wol mag bier die Brage erlaubt fein: worin mag biefe
befcemdende Erſcheinung, bie das Intereſſe an der fpeculativen
Philoſophie und für biefelbe ganz unverkennbar gaͤnzlich zerftört
bat, ihren Grund haben? Worin kann es liegen, daß die Phi⸗
Iofophie tobt ift und wodurch allein wird fie wieder zum Leben
erwachen können?
Wollten wir biefe Frage genügend beantworten und gehoͤ⸗
zig erörtern und beleuchten, fo müßten wir ein Buch fchreis
ben. Ebenſo haben wir bei dem jetzigen Stande ber Dinge
für ben Augenblid wenig Ausfiht, Das, was wir über
biefen Gegenſtand niebergelchrieben haben, zu verdffentlichen.
Was wir alfo bier in biefer Beziehung zu bemerken haben,
wird allerbings unvermeidlich, wie wir feibt fühlen, den Cha⸗
rakter einer Behauptung annehmen, was man aus den ange:
führten Gründen entfdyuldigen wolle.
Die Phllofophie ift, fagten wir, und das laͤßt fich ſelbſt
von ihren eifrigften Anhängern nicht in Abrebe flellen, tobt,
1128
d. h. fie hat Isinen Anklang mehr im ber Seit, iM nicht mehr
. Mir fagten ferner, und bie Geſchichte bee Philofos
phie beftätigt dies, daß alle philofophifchen Schulen von Gartefins
bis auf Hegel fih in Rauch und Dunuft aufgelöfl haben, und,
ohne irgend eine bleibende Spur und Frucht zu binterlaffen,
gleichlam ſpurlos verpufft find, Dee Grund von biefer gar
nicht wegguleugnenden Erſcheinung ift nun in nichts Anderm zu
ſuchen als in der antichrifttichen Richtung, die die neuere Phi⸗
ioſophie von Anfang an genommen hat, und in dem Wiberfprud)
und Gegenfag, in ben fie baburch mehr ober weniger beftimmt
mit dem Chriſtenthum geratben if. Nun kann nur Gins von
Beiden fein: entweder das Chriſtenthum ifb eine göttliche Inſti⸗
tution und Wahrheit, unb dann kann bie Philofophie in ihres
abſolut antichrifttichen Tendenz nicht wahr fein, fich folglich
auch nicht haltens oder die Philofopbie in ihrer antichriftiichen
Richtung ift wahr, dann kann das Chriftenthum keine goͤttliche
Snftitution und Wahrheit fein, was wir gleichwol anzunehmen
nicht umhin können. Worin befteht aber, wird man vermuth⸗
lich fragen, die antichriftiiche Richtung der neuern Philofophie ?
Hierauf antworten wir: In dem Pantheimus, den fie mehr
ober minder beflimmt und unverhüllt lehrt, d. i. in ber Identi⸗
ſcation des göttlichen Welturgrunds mit dem Weltbafein, wor
gegen das Chriſtenthum ſehr beftimmt die Perſonlichkeit Gottes
lehrt und zu feiner Vorausfegung hat, und Gott ben Schöpfer
der von ibm und dur ihn erfhaffenen Welt gegenüberftellt
und von berfeiben Tonbert.
Die Aufgabe der Phitofopbie ift ſonach nothwendig bie, ſich
in Übereinftimmung mit bem Ehriftenthume zu fegen, d. i. ſolche
Grundbegriffe in und aus fid) zu entwideln, bie in Übereinftim«
mung mit ben Grundwahrheiten und Grundlehren bed Ghriftens
tbum fteben. Denn dadurch allein wirb und kann fig wieder
zum Leben erwachen, baß fie ſich zu Demjenigen belennt, ber
da ſpricht: „Ich bin das Reben, das Licht und die Wahrheit.”
Nicht alfo von der Notwendigkeit der Cinführung ber Phi⸗
lofophie in die Theologie und in das Chriftentgum kann bie
Rede fein, wie ein namhafter Theolog unferer Zeit behauptet,
fondern vielmehr kann nur von ber Sinführung bed Chriſten⸗
thums in die Philofophie die Rede fein. 21.
Giblingraphie.
Ankuͤndigung ber kirchlichen Fürbitten für Spanien in der
Dibgefe Bresiau, nebſt den dabei vorgefchriebenen Gebeten.
Bredtau, Aderholz. 8. 2%, Ngr.
Buſch, ©. F., Der Burggeiſt. Gine Ritter s und Gei:
fteegeichichte aus den Zeiten Kaifer Heinrich's IV. Norbhaufen,
Fuͤrſt. 8. BY, Nar.
Suftine, Marquis v., Rußland im Jahre 1839. Aus
dem Franzöfifhen von A. Dieszmann. Drei Bände. Leipzig,
Zpomas. 8, 4 Thir. 15 Rar.
Das geographifche Element im Welthandel, mit befonderer
Ruͤchſicht auf die Donau, Münden, 3. Palm. Gr. 8, 5 Nor.
Frantz, C., Specwative Studien. Ifies Heft: Über die
Freipeit. Berlin, Hermes. Gr. 3. 20 Ngr.
Grün, K., Über Weſen und Einfluß des Geſchichtsunter⸗
sites auf höheren Lehranſtalten, namentlich auf Reatfchulen.
Weilburg, Lang. Gr. 8. 5 Nor.
Klemm, 3 E., Die magyariſche Sprache und die ety
mologiſche Sprachvergleihung. Preßburg. Ler.:8. 20 Nor.
Ledderhofe, K., Srinnerungen aus dem Leben Joh. Ge:
org Kaltenbach's, Pfarrers zu Moͤnchweiler auf bem Schwarz
walde. 2te ftarf vermehrte Auflage. Heidelberg, Winter. 8.
8%, Nor.
— — Züge aus dem Leben Joh. Zac. Mofer’s. Hris
belberg Winter. Gr. 12. 71. Nor.
ittermaier, C. 3. A., Die Gtrafgefehgebung in ih⸗
rer Bortbilbung geprüft nach den Forderungen ber Bilfenfart
und nad den Erfahrungen Über den Werth neuer Gefeggebun:
gen, und über bie Schwierigkeiten der Sodification, mit v ⸗
licher Kuͤckſicht auf den Gang der Berathungen von —ã
der Strafgeſetgebung in conſtitutionellen Staaten. Bei⸗
trag. Heidelberg, Winter. Gr. 8. 1Thlr. 20 Nor.
Dbermayer, J. R, Teuton, ober die gemeinfame Ab:
flammung bee germanifchen, gallifchen und gothifchen Wölker
vom Urflamme Stanbinaviens. Aus den Quellen nachgewieſen.
Yaffau, Puſtet. Wr. 8. 15 Nor.
Dettinger, ©. M., Rarrenalmanach für 1844. Zweiter
Band. Leipzig, Ph. Reclam jun. 1844. Gr. 16. 3 Thir.
, 23 Fur A —— über die Res
sierung arl's V. hiſtoriſch⸗ beleuchtet. Leipzig, En⸗
gelmann. Er. 8. 25 Near. i a
Pland, 8. ©:, Die Geneſis des Judenthums. 1m,
Bagner. Gr. 8. 15 Nor.
Die preußifche Preßgeſetzgebung. Vollſtaͤndige Sammlung
aller jest gültigen Gefege, Verorbnungen und Beflimmungen.
Für Schriftſteller, Buchdrucker, Buchhaͤndier und Genforen.
Berlin, Hermes. Gr. 8. 10 Ner. "
fonderer Rüdficht auf den Bang der Literatur. 2ter Band, bis
um allgemeinen Frieden um 1763. Ite durchaus verbefferte
uflage. ‚Heibelbere, Mohr. Gr. 8. 3 Thir. 10 Nor.
Steub, 2, Über die Urbemohner Rätiens und ihren Zu:
fammenhang mit den Etruskern. Münden, Liter.sartift. An:
ſtalt. PR 8 26%, Nor.
tolle, $., Rapoleon in Egypten. Hiftorifch » roman«
tifches Gemälde. Drei Theile. Leipzig, Thomas. Kl. 8.
4 Thlr. 15 Nor.
Sydow, Wilhelmine v., Die Berirrten. Ein Ros
man für die Gegenwart. Zwei Theile. Gonbershaufen, Eupel.
Gr. 12. 1 Thir. 15 Ner.
Rheiniſches Taſchenduch auf das Jahr 1844. Herausge⸗
geben von Dr. Adrian. Mit acht Stabiſtichen. Frankfurt
a. M., Sauerländer. Gr. 16. 23 Thlr. 15 Nor.
Zemme, I. D. H., Kritit des Entwurfs des Strafge⸗
ſetzbuchs für die preußifchen Staaten. 2ter Theil. Berlin,
Mäder u. Puͤchler. Gr. 8. 2 Thir. 10 Ror.
Zieffenbad, E., Anti⸗Herwegh. Eibing, Neumanns
Hartmann. 16. Nor.
Urania. Taſchenbuch auf das Jahre 1844. Neue Folge.
Ster Jahrgang. Mit dem Bildniſſe K. Foͤrſter's. Leipzig,
Brodyaus. Kt. 8. 1 The. 20 Nor.
Verhandlungen ber fünften Verſammlung deutfcher Philos
logen und Schutmänner in ulm 1842. Um, Wagner. Gr. 4.
1 Thlr. 3%, Nor.
Bor und Hinter den Gouliffen. Almanach erprobter Buͤh⸗
nenfpiele, bumorifcher Polter Abend» Masken, Theater⸗Myſte⸗
rien, GchaufpielersRovellen und Anekdoten. Fuͤr 1844. Her
ausgegeben von 8. Adami. Erſter Jahrgang. Mit einem
Coſtuͤmbilde. Berlin, Foͤrſtner. KL. 8. 1 Thle. M Nor.
Beill, A., Rothſchild und die Europaͤiſchen Staaten.
Stuttgart, Franckh. 1844. 8. 15 Nor.
Wuttke, H, Königs Friedrich's des Großen Befigergreis
fung von Schleſten und bie Entwidelung ber öffentlichen Ver⸗
bältniffe in diefem Lande bis zum Jahre 1740, Zter Theil. —
Auch u. d. T.: Die Entwidelung der oͤffentlichen Werhättniffe
Schleſiens vornaͤmlich unter ben Haböburgern. 2er Band.
Leipzig, Engelmann. Gr. 8. 2 Thlr. 15 Nor.
Berantwortliher Deraudgeber: Heinrich Brokhaus. — Drud und Verlag von F. A. Broddaus in Leipzig.
Blätter
für
literarifde Unterhaltung.
Sonnabend,
Borwärts! Volkstaſchenbuch für dad Jahr 1843.
Unter Mitwirtung von Johann Deeg, Dets
mold, Georg Herwegb, 4 A. Hoffmann
von Falleröleben, Sahmann, Johann Jacoby,
Zulius Mofen, R €. Prutz, Walesrode,
C. Th. Welder u. A. herausgegeben von Ro:
bert Blum und Friedrich Steeger. Leipzig,
Friefe. 1843. Gr. 12. 20 Near.
Motto.
Partei, Yarteil Wer follte fie nicht nehmen,
Die no bie Mutter aller Giege war?
Wie mag ein Dichter ſolches Wort verfehmen,
Gin Wort, das alle Herrliche gebar?
Nur offen wie ein Mann: für ober wider!
Und die Parole: Sklave oder frei!
Gelb Soͤtter ſtiegen vom Olympe nieber
Unb kaͤmpften auf ber Sinne der Partei!
Diefes Motto und die obigen Namen überheben uns
der Muͤhe, die Tendenz dieſes Taſchenbuchs zu erforfchen.
Wir wiffen von vornherein, daß der Inhalt dem Titel
„Borwärts!’ nicht mwiderfprehen wird und daß dieſes
Buch mit der gewöhnlichen Almanachliteratur nichts ges
mein bat. Das ift fchon kein geringer Vortheil, und
wenn alle Schriften mit einem fo beitimmten Signale:
ment in die Welt träten, fo wären bie Käufer vor vie
im Taͤuſchungen und die Berichterftatter vor dem Zeit:
verlufte gefichert, den das Aufdeißen hohler Nüffe erfodert.
Nun, dem Himmel fei Dank! hier haben wir es mit
einem recht tüchtigen Kerne zu thun; fchmedt er Diefem
oder Jenem bitter, fo enthält er doch kein fchleichendes
Gift; im Gegentheil ift er ſehr geeignet, Geſunde zu er:
-quiden, angefangene Heilungen zu befördern und fchwache
Conſtitutionen zu flärfen. Pur gegen veraltete Schäden
und organifhe Leiden wird er fehwerlih in Aufnahme
fommen ; folche Kranke werden ihn, weil er ihrem verzärs
teiten Gaumen nicht behagt, von ſich ſtoßen und wahrſchein⸗
lich fortfahren, ſich von gefälligen Quadfalbern mit ſuͤßen
betäubenden Traͤnkchen fo lange überfüllen zu laffen, bis
fie unter den Symptomen einer allgemeinen Dygskraſie
davongehen. Daß uns ein paar Bilder aus ber Patho:
logie unterlaufen find, wird man freundlich emtfchuldigen ;
IR doc die Welt ſchon fo Häufig mit einem großen La:
zareth verglichen worden, und Überdies gehören krankhaft,
ſiech, uͤberreizt, fieberhaft u. f. w. zu den üblichflen Aus:
druͤcken, wenn von ben Tageserfiheinungen bie Mebe iſt.
Jede Partei hält die andere für einen Patienten, zw befe
fen Deilung man ſich verpflichtet glaubt, die verſchieden⸗
artigften Mittel anwenden zu mäflen, wobei es charakte⸗
riſtiſch iſt, daß die renctionnaite Schule ben narkotiſchen
Mebicamenten zugethan ift und Überhaupt meift palliativ
verfährt, während die Partei „‚Worwärts’‘ der draſtiſchen,
biutreinigenden, radicalen Methode huldigt. Welches Mers
fahren in den mannichfachen Unpäflichkeiten des deutichen
Michel und bei feiner Neigung zum Waſſerkopf ame
zweckmaͤßigſten ift, Laffen wie für jest unrntſchleden weh
wenden ums obne weiteres zu unferm Buche. Es gern
faͤlt in die Rubrilen: „Vorrede“, „Geſchichtliche überſicht“,
„Deutſche Nationalgeſetzgebung im Jahre 1842, „Bus
ſtand der deutſchen Prefie”, Ruͤcktritt des Oberpräfidens
ten Staatöminifters v. Schön aus dem preußiſchen Stantös
bienfle”’, „Lebensbeſchreibung Pollmann e von Fallersleben
und Dr. Johann Jacoby's“, ‚Uber Gemeindeweien und
Semeindevesfaffung” und „Gedichte“.
Waren wir Über die Tendenz biefes Taſchenbuchs Int
Klaren, noch ehe wir «6 aufgefchnitten, fo vermodhten wie
doch nicht mit derſelben Gewißheit vorherzufehen, wie
deſſen Grundton ſein wuͤrde, ob finſterer Unmuth uͤber
getaͤuſchte Hoffnungen oder freudige Zuverſicht auf eine
beſſere Zukunft die Oberhand haben würde; um fo wohl⸗
thuendber war ed uns, auch in der Darſtellung ber umers
freulichſten Ereigniſſe und Zuflände unverfennbare Zei⸗
hen diefer Zuverficht durchleuchten zu fehen und ſchon
in folgender Stelle der Vorrede ausgedrückt zu finden:
Wohl behaupten manche Eleinmüthige Seelen, es fei Herbſt
im Vaterlande und ber Winter nahe, weil die Stürme braufen
und eö finfler wird am Horizont. Laßt es flürmen! Es ift ber
Kampf des fcheidenden Winter: Eyrannen mit bem jungen Voͤl⸗
ferfrühlinge, in welchem ber legtere fiegen muß. — Was in
fhweren und bdrangvollen Zeiten gefdet wurbe in bie Herzen
bes Volks, was gebüngt wurde mit bem Blute von Zaufenden,
bas entleimte in dem milden Thau eines langen Friedens und
an der Sonne der allmächtig fortfchreitenden Bildung eines kraͤf⸗
tigen, fittlicden Volle — das vernidhtet Fein Sturm,
dagegen ift das finftere Unwetter einer augenblidtich mächtigen
Reaction wirkungslos. Veſchraͤnkt, daͤmmt, unterbrüdt, verbies
tet, confiscirt, bevormundet die Schrift unb das Wort, verfolgt
und verdammt die Borkämpfer der Zeit, wirkt auf die Öffents
liche Meinung burd die Heucheleien unb Lügen ber „guten“
Preſſe, Laßt die Männer des Fortſchritts ar und verleum⸗
den nach Herzensluſt, beſchraͤnkt und beauffichtigt ben Lehrſtuhl
1178
unb bie ewährt feine von allen Woberungen ber Ge⸗
nwart ——* Euch ab, Tag und Naht das Rab der Ge⸗
chichte gurädzubsehen, ben Beift ber Zeit zwingt Ihe
nicht! Gr bereitet ſtill und geräufchlos, aber unaufhaltſam bie
beffere Zukunft, die fein ift, und blidt mit laͤcheindem Trium⸗
pbe auf Eure vergeblichen Mühen! Richt den Keim könnt Ihe
mehr erreichen und zerftören, nur die jungen Wlätter bewegen
und erfchättern und hin und wieder ein ſchwaches Zweiglein
breden. Zwar ift e8 auch Schade um jeden hoffnungsgrünen
Zweig, der zum Leben und zur Entwickelung berufen war. Aber
das Werden in ber organifdhen und phyſiſchen Ratur ift mit
Serftörung verbunden, und wer ſich geſtaͤhlt fühlt zum Kampfe,
muß auch den Opfermuth in ber Bruſt tragen; nur dann hat er
gerechten Anſpruch an bie 74 des Sieges.
In der geſchichtlichen UÜberſicht wird von ſtreich ge:
ruͤhmt, daß es ſich auf einer Bahn befinde, welche das
Haus Habsburg ſeit den Tagen Joſeph's II. nicht mehr
betreten hatte — auf der Bahn des Kortfchritts. Die
großartige Idee, nach ben wichtigſten Punkten des Lan⸗
des auf Staatskoſten Eifenbahnen zu führen, habe Öft-
seich im eine gänzlich verämderte Stellung zu Deutfchland
gebracht und müffe noch toeitere, wichtigere Solgen nad)
fi) ziehen. ſtreich babe die unzweideutigſten Gcheitte
getban, aus feinem Iſolirungsſyſtem herauszutreten, wie
außer den großen Eifenbahnen die Poftverträge mit Baiern,
Sachſen und mande andere Mafregein in den Gebieten
bes Handels und der Induſtrie berveifen. Gern flimmen
wie der Anficht bei, daß ſtreichs Iſolirungsſyſtem in
materiellen Betracht Vieles von feiner Zaͤhigkeit verlieren
wird; doch fürdten wir, dab fi hieran nur geringe
Hoffnungen für einen baldigen Durchbruch ber geifligen
Sreiheit Iintıpfen laſſen, gegen welche ſich Oſtreich mittels
feiner Unterrichts: und Erziehungsorganifation und feines
engbegrenzten Literarifchen Verkehrs wol nocd lange Zeit
abgeſchloſſen halten wird.
Hinfihtlid Preußens werden wir daran erinnert,
daß e6 dem neuen Jahre (1842) als Geſchenk ein wohl:
meinendes Geſetz über die Ausuͤbung der Cenfur zubrachte.
Es regten ſich daher natürlich viele Hoffnungen , bie leiber
nur zum allerkleinſten Theil in Erfüllung gehen follten. Die
lange zuvor verkündete Berufung der ändifcer Ausſchuͤſſe, das
gleichfalls Monate vorher beſprochene Preßgefeg, von bem Sans
guiniter wol gar Preßfrciheit erhofften; bie Gefegrevifion unter
Savigny’s Aufpicien, Rochow's Austritt aus bem Minifterium
u.f. w. hatten keineswegs den Erfolg, den man erwartet hatte.
Im Ganzen machte fih ein merkwürdiges Schwanken auffallend
bemerkbar. Dan ſchien das Gute und Rechte nur zu wollen,
um auf halbem Wege ſtehen zu bleiben ober wol gar einem
Punkte zuzufteuern, der dem anfangs geſteckten Ziele gerabe ents
egengefegt war. Die Verurtheilung Jacoby's, die Amtsents
43 Witt's und Hoffmann's von Fallersleben, die ſtrengen
Genfurmaßregeln gegen die Königsberger und die Rbeiniiche
Zeitung, bie policettiche Berfolgung, welche bie freie Wiffenfchaft
in der Perfon Bruno Bauer’s erfuhr, bie Beguͤnſtigung bes
„hiſtoriſchen Ehriftus” und ber gefammten pietiftifchen und
orthoboren Richtung , bie beabfichtigte Sonntagsfeier, bie Hin⸗
neigung zur anglicaniichen Kirde und das Ghefcheldungs:
geriet geben zufammen ein trübes Bild der Zuſtaͤnde Preußens
im Jahre 1842, das durch einige wenige Lichtpunkte nicht hin⸗
reichend nufgehellt wird. Deutſchland ift freilich feit langer
Zeit gewohnt, die feeubige Hoffnung, die es auf Preußen ge:
fegt, von Jahr zu Jahr vertagen zu müffen; aber biefes Mal
waren fo beftimmte Grwartungen erregt, daß bie abermalige
Taͤuſchung eine doppelt ſchmerzliche iſt.
In kurzen und kraͤftigen Zügen werben febaun bie
Hauptereigniſſe, welche im J. 1842 vorgekommen find,
dargeſtellt: die Reiſen bes Königs, bie Ernennung Sa:
vigny's zum Juſtizminiſter, das Eheſcheidungsgeſetz, bie
kirchlichen Angelegenheiten u. f. w. Diefe letzteen veran-
lafjen zu einer Parallele zwifhen Preußen und Wär
temderg: |
In Würtemberg führte das Bewußtſein ber Kraft, bie Rom
gewonnen hatte, zu einem zweiten Angriffe gegen einen protes
ftantifchen Staat. Diefer Angriff mislang ſchmaͤhlich, unb das
Meine Würtemberg erwehrte ſich mit leichter Mühe einer über⸗
macht, der Größere unterlegen waren. Diefe anſcheinend auf:
fallende Erſcheinung if leicht zu erklaͤren. Würtemberg kaͤmpfte
mit den Waffen des Rechts, nicht mit policeilihen Maßregein,
Würtemberg concentrirte die Kraft feines Wibderflandes in ber
Volkskammer, nicht in der Schreiberftube, Würtemberg verbot
dem Feinde nicht das Wort, fonbern flellte fi iym kaͤhn unb
offen in ber Kammer gegenüber (die Prefle war man leider
verblendet genug auch bier zu bekämpfen, indem man bie Blaͤt⸗
ter ber katholiſchen Partei einer Eingangécenſur und häufiger
Beſchlagnahme unterwarf), Finfterniß mit Licht, Lüge mit Wahr:
beit befehdend. Als der Beamtenftaat Preußen nad jahre⸗
tangen heimtichen Verhandlungen ben Erzbiſchof Drofte v. Bir
ſchering nicht zur Nachgiebigkeit hatte bewegen können, lie er
Kanonen auffahren, Soldaten aufmarfdhiren und ben greifen
Geiftlihen wie deſſen Kaplan bei naͤchtlicher Weile aufheben
und hinter den Wällen ſtarker Feſtungen verwahren. Go war
der Anfang des Gtreits, und ber Fortgang entſprach einem fols
hen Beginn. Nur einmal legte Preußen in wärbiger, männlis
der Sprache dem Volke dar, um mas es ſich handele, dann
zog es fich wieder ſcheu vor der Öffentlichkeit zuruͤck und fuchte
ben uralten Kampf, ber feit ben Zeiten der Guelfen und Ghi-
bellinen in Deutſchland nie geraftet hat, auf eine neue, origi-
nelle Weife durchzukaͤmpfen — auf dem Berwaltungswege,
durch Verordnungen aus ber Gchreiberfiube. Anders in dem
conftitutionnellen Staate Würtemberg. Dort fuhr man
£eine Kanonen auf, ließ keine Soldaten marſchiren, denn die Wacht:
poften, die vor dem Ständehaufe zu Stuttgart ſchildern, genügs
ten volllommen. Auch bemmte man ben Fi durchaus nicht,
fondern ließ ihm volle Freiheit, feine Sache auszufedhten, von
allen Seiten, woher er nur vermochte, - fi Bundesgenoſſen zu
holen. Diefe verſchiedenen Verfahrungsweiſen beiber Staaten
beftimmten den verfchiebenen Ausgang. Das Meine Wuͤrtem⸗
berg errang einen fo volllommenen Sieg, daß es den Feinden
großmuͤthig Bruͤcken fchlagen konnte, um ihnen ben g zu
erteichtern. Auf fo verfdhiebene Weile hatte in Preußen bie
Policei, in Würtemberg die Verfaflung gewirkt.
Mit befonderer Lebendigkeit und Ausführlichkeit iſt
der Kampf zwifchen Kammer und Minifterium in Bas
den gefchildert; von allen übrigen deutſchen Staaten wird
ein intereffanter Überblick der vorjährigen Ereigniſſe dar»
geboten, fo z. B.:
Hamburg begann das Jahr 1842 mit Bostfegung feiner
alten Kämpfe gegen bie geheimen Verbindungen ber urers
gefellen. Dann folgte das Project, beutiche Anſiedler, die leicht:
finnig genug fein würben, ihr gutes Selb den hamburger Spe⸗
culanten zuzuwenden, auf den Shathaminfeln anzufiedeln. Der
große Brand ließ dies Alles weit in ben Dintergrund treten.
Wir wollen bie vielen —— dieſes graͤßlichen Ungluͤcks
nicht noch vermehren, und beſchraͤnken uns auf wenige Bemer⸗
kungen: Es hat ſich in der Folge gezeigt, daß die große Aus⸗
dehnung des Ungluͤcks lediglich verkehrten Maßregeln der Behoͤr⸗
den zuzuſchreiben iſt. Energiſche Maßregeln, zu denen man zu
ſpaͤt ſchritt, wuͤrden bie Verwuͤſtung auf einen verbättnißmäßig
kleinen Raum beſchraͤnkt haben. Aber die Greiſe, die Hamburgs
oberfte Behörden (man möchte faft fagen, nad ausdruͤcklicher
1%
der Geſete) flets bilben, fanden in ſich nicht jene
Kraft, die man in gut georbneten Republiten fonft body gerabe am
wenigſten vermißt. Da fomit eine tüchtige Leitung fehlte, und
auch die Einhelt des Handelns, an die Hamburgs Bürger durch
öffentliches Zuſammenwirken nie gewöhnt wurben, nicht erreicht
werden konnte, mußten bie rohen Raturfräfte bie unbebingtefte
übermacht gewinnen, bis die Gunſt des Wetters mehr noch als
die endlich aus dem Schlummer auffahrende Thatkraft ihnen
zulegt ein Biel ſezte. Hamburgs Wohlſtand ift durch biefes
Zngli keineswegt zerftört, jedoch ſchwer erfchüttert, denn die
3,310,000 Thaler, bie vornehmlich Deutfchland, zum Theil auch
feanzöfifche ,_englifche und andere fremde Städte bis Ende bee
Jahres 1842 fteuerten, Tonnten wol den dringendſten Nothſtand
mildern, nicht aber den ungeheuern Schaden erfegen. Leider
bat Hamburg — wir fprechen hier von den oberften Behörden —
die eindringliche Lehre nicht verftanden. Die dringendfien Bit⸗
ten der Buͤrgerſchaft um Reformen der Berfaffung find vom
Senate zuruͤckgewieſen, weil Zeiten ber Aufregung Veraͤnderun⸗
gen in der Verfaffung nicht günftig fein. Da ber hamburger
Senat aber überhaupt jede Zeit, in der man an Reformen
denkt, für eine Zeit der Aufregung hält, fo wirb bie Ruhe,
weiche biefe Behörde für eine Vorbedingung jeder Verfaflungs:
veränderung hält, wol nie eintreten.
In dem hiernächfi folgenden Auffag über deutſche
Mationalgefeggebung iſt die trefflihe, Mare Be:
leuchtung unferer Rechtsverfaſſung anzuerkennen. Dit
ſtarken Gruͤnden werden bier die fortbauernde Geltung
des roͤmiſchen Rechts, der Inquiſitionsproceß und bie
Heimlichkeit des Verfahrens bekämpft.
Die Abſchaffung der Zortur hat keineswegs bie größte Grau⸗
ſamkeit des Inquifitionsproceffed aufgehoben, nur das Verfah⸗
zen {ft geändert, die Sache felbft nach wie vor geblieben. Mit
andern Worten — es ift an die Stelle der koͤrperli—
den Zortur bie geitige Marter getreten. Die firenge
Äbfonderung bes Angellagten von der Außenwelt, bie eins
fame Daft in einer bloß mit Oberlicht verfehenen Zelle, die
gaͤnzliche Sefhäftsiofigkeit, die oft vafch aufeinander
folgenden, dann wieder Wochen lang unterbrochenen Verhoͤre, in
denen der Gefangene jede mögliche Geiftespein zu erleiden hat,
alle diefe und noch viele andere Misftände mehr haben ſehr
häufig zu falfchen Geftänbnifien, ‘oft zum Wahnſinn, zum Gelbft-
morb geführt. Es iſt Thatſache, daß der Wahnfinn bes
Gefangenen zuweilen mitten im Verhoͤr auögebroden ift, wie
es ja auch aus frühern Zeiten Beiſpiele gibt, daB ber Körper
der Gemarterten auf ber Folterbank bradd. Sonach entfcheidet
aber oft bie Stärke oder Shwäde der Nerven, ganz
fo wie früher, über Schuld ober Unfchulb, denn nur der
Rervenftarke wirb der Folter trogen, ber Schwache aber feine
Leiden durch ein Geſtaͤndniß, wenn nicht durch Gelbfimord,
Heendigen.
Din Scidfalm bee Preffe, welche im vorigen
Sabre merkwürdige Wechſel erfahren haben, iſt ein
befonderer Abfchnitt im Taſchenbuch gewidmet. Deutſch⸗
lands Einheit, die immer nur in abfonderlihen Er⸗
fheinungen bemerfbar wird, hat fi in allen 38 Ba:
terländern durch das einträchtigfie Zuſammenwirken be:
hufs Schärfung der Genfur recht deutlich offenbart.
Selbſt in dem Beinen Oldenburg erfchien, als daſelbſt
eine neue Beitfcheift angelündige wurde, bie dem Hort:
ſchritt huldigen follte, und der Herausgeber fich be
mühte, Abnehmer zu finden, bie Verordnung, daß
De Befege gegen das Hauſiren der Troͤdler, Lumpen⸗
fommier, Keſſelflicker und Probenreiter auch auf bie
Sammlungen von Subferibenten und en von
r Geiſteawerken, namentiih Dem: und Deisiepelften, aus
wenbbar feien.
So ſtehen wir am Gchluffe des Jahres 1842 armer an
echten für bie Preffe als am Anfange bes Jahres, Ärmer an
Doffnungen auf ein baldiges Beſſerwerden, aͤrmer an Ausficht,
daß fich die Regierungen ber gefeffelten Preffe annehmen wers
den, aͤrmer an Einfluß und Bedeutung für das Ausland, weis
ches das moralifhe Gewicht nothwendig nach dem Bertrauen
abmeflen muß, weldyes die eigenen Regierungen ihm gewähren;
weldyes bie durchaus cenfirte Weinungsdußerung eines Volkt
unmöglich für eine freiwillige und felbfländige anerkennen kann.
Aber wir fliehen auch reicher da an mannichfadger Erfahrung,
reicher an Wertrauen zu bem Alles befiegenden Geiſte der Zeit,
reicher an Übergeugung, daß der jegige verworrene und redhtiofe
Zuftand der Prefle fih trog aller Kuͤckſchrittsmaßregeln nicht
halten laͤßt. Und fo arbeiten wir freudigen und getroften Muths
durch die gefeffeite Preſſe ſelbſt für die freie.
In dee Mittheilung über bes Minifters v. Schön
Rüuͤcktritt aus dem preußiſchen Staatsdienſt werden feine
Verdienfte um die Gefeggebung von 1808—15 nur kurz
erwähnt; bier bedurfte es aber auch keiner mweildufigen
Auseinanderfegungen. Das Berhältnig Schön’s zu dem
Freiherrn v. Stein und das Zuſammenwirken beider Maͤn⸗
nee ift allgemein befannt; minder der Sonflict, in welchen
Beide geriethen, als es ſich darum handelte, vuffifche Ans
maßungen zurüdzumelfen.
Daß Schön’s Beſtreben nicht das befchränkte eines preußts
(hen Beamten, fondern ein felbftändiges, auf Überzeugung ger
gründete dbeutfches war, beweift feine Stellung gegen ben
Freiherrn von Stein, ber früher fein Worgefegter, @önner und
nd war. Als nämlich Gtein 1812 nach Rußland gegangen
war und mit ber fiegenden ruſſiſchen Armee nach Deutichland
zuruͤckkehrte, ernannte ihn ber Katfer Alexander zum Präfidenten
der Verwaltung aller eroberten und fogenannten berrenlofen Laͤn⸗
der. Als foldyer wollte Stein auch die oflz und weftpreußifchen
Provinzen betrachten und fie einfhweilen im Namen des Kaifers
Alerander regieren laffen. Was im Hintergrunde fland — bie
wirkliche Beſignahme jener Bänder, Rußlands bamaliges wie
beutiges Biel — erfah man bald deutlicher, indem der ruſſtſche
General Paulucci, als er mit feinen Truppen einrädte, offen
erklärte: „die Einwohner würden binfort unter rufs
fifhem Scepter ruhig, ſicher und glucklich leben”.
3u viel batten jene Länder gelitten unter ben Dranofaten des
Kriegs, zu groß war die Freude über die enbliche Grlöfung, zu
—— die Beſorgniß vor ber Ruͤckkehr Napoleon’s, als daß
man erwarten burfte, daß jene verberblichen Abfichten bie rich⸗
tige aan am Dn hätten; ja eine große Mafle mußte
in dem Anſchluſſe an ben mächtigen Nachbar fogar ein Gluͤck
fehen, indem dadurch die nächte Zukunft der Provinzen went
gefährlichen Wechſelfaͤllen ausgeſetzt war. So wäre wah ns
U) Rußlands Abficht gelungen und Deutſchland hätte gleich
beim Beginn feiner Befreiung einige Provinzen eingebüßt.
Schön allein erkannte die Gefahr, warf ſich ihr kuͤhn und ente
fchieben entgegen unb erhielt dem Vaterlande jene Laͤnderſtriche.
Er erklaͤrte dem Freiherrn v. Stein, „er werde durchaus keine
fremde Sinmifhung dulden; Alles, was in Preußen geſchehen
fole, muͤſſe durch Preußen, müffe im Ramen und mit Willen '
des Königs gefchehen, widrigenfalld werde er fofort das Bolt
zum Aufftande gegen bie Nuflen aufrufen”. Gtein Tannte ſei⸗
nen Mann; er wußte, daß diefer Erklaͤrung bie That folgte,
und änderte in Kolge bdeffen feine Anfiht. Gr handelte nun
wieder in Bereinigung mit Schön, fie verbanben fich mit bem
Grafen Dobna s Schlobitten unb dem General Yord, bewirk⸗
ten die Surüdrufung Paulueci's und wandten ihre Sorgfalt auf
—— m er ©
t, in welge un aatöverwaltungen-
noch ihre Handiungen und beren Gehnbe und Urſachhen Hüllen,
1180
iR 6 ummndaihh, den Burhdittitt Schoͤn's nach alten Geiten hin
gehoͤrig zu beleuchten. Wenn unfere Eefer aber einen Blick zus
shchwerfen auf fein amtliches Leben, und das Gtreben erkennen,
weldyes fo klar daraus herporieuchtet; wenn fie fidh ferner er
innern, daß nach Schön’s Entfernung die Genfur ber Könige:
berger Zeitung bis zu dem Grade verichäcft wurde, daß fie faſt
keine felbftändigen Artikel mehr bringen kann, daß der Lehrer
Witt wegen der Rebaction biefes Blatts feines Amts entieht
wurde, daß der pietiftifhe Denunciant Profeflor Hävernid in
jeder Weife begänftigt, dagegen ber freiftanige Garnifonpredis
ger Dr. Rupp als Director des Gymnaſtums nicht beftätigt,
wol aber wegen feiner Anficht über ben chriſtlichen Staat zur
Verantwortung gezogen wurbe — wenn file biefes und mandke
Andere zufammenftellen, fo werben fie einflimmen in die Anficht,
daß der Zuruͤcktritt Schön’s wohl ats ein Pulsichlag zu betrach⸗
ten ift, von dem fih auf den Geſundheitszuſtand des Btaats
fehließen laͤßt.
(Der Beſchluß folgt.)
Literarifche Notizen aus Frankreich.
Immer nody über die „Mysteres de Paris“.
Ze mehr fi) Eugene Sue in feinen vielbefprochenen „Mystöres
de Paris’, von benen das Keuilleton des „Journal des debats”
jest den achten und legten Theil bringt, dem Ende nähert, befto
unwiderſtehlicher feffelt er den weiten Kreis feiner Lefer. In
Ber That aber hat auch dieſer Roman mit jebem Theile an Ins
terefie und an Gehalt zugenommen. Schon in feinen frühen
Schoͤpfungen hat Sue es verflanden, das Interefle bes Leſers
fletö rege zu erhalten; aber ber Eindrud, ben ihre Lecture zus
südtieß, war meift unbefriedigend und peinlich. Der erfindungs:
zeige Dichter beruͤhrte faft in jedem feiner Werke die wichtigften
ragen des Lebens, aber immer nur, um aufzuregen und um
feurige Brände in unfere Seele zu werfen. In ben „Mysteres”
aun macht er fi an die Grörterung der fociaten Interefien, bie
bier zur Sprache kommen, mit ungleich größerer Reife. Gr
will nicht blos zerflören, wie in feinen früheen Werken, fonbern
auch aufbauen. So verrathen einzelne Partien biefes Romans
ernfte Studien, unb es ift uns fchon eine ungewöhnliche Er⸗
fiheinung in einem Romane, ber von einem zabliofen Publicum
verſchlungen wirb, eine Menge rein wiffenfchaftlicher Werke
citirt zu feben. Dies geſchieht namentlih da, wo Sue das
wichtige Gefängnißwefen berührt. Der GSchriftfteller deckt hier
die Mängel und Gebrechen ber gegemvärtigen Inftitutionen auf
und weift bie Vortrefflichkeit der Cellutargefängniffe nach, die er
an die Stelle des beftehenden Syſtems ſetzen will. Die ernfte
und würbige Art, mit ber bie wichtigften ragen bes fociaten
Sehens behandelt werben, fichern biefem Romane ein Publicum,
wie es kein anderer Roman in unſern Tagen gefunden hat.
Staatsmaͤnner, Ärzte und Gelehrte haben bem Berf. ihre Theil—
nahme dadurch bewieien, baß fie ihm entweber Belege für aufs
geftellte Behauptungen ober einzelne Berichtigungen haben zus
fließen laffen, von denen Sue in ber Regel Gebrauch gemacht
bat, In diefem Sinne kann man fagen, daß fein Roman vwifs
ſenſchaftliche Discuffionen angeregt hat. Unter biefen Umftänden
wisd man es erfiläctich finden, daß biefem Werke eine Theil
nahme geworben tft, wie kein anderer Roman ſich ruͤhmen Tann,
gefunden zu haben. Nachdem bie einzelnen Partien bereits im
„Journal des Debats’’ erfdhienen waren, und biefer Zeitſchrift
Zaufend neue Abonnenten zugeführt hatten, find in
ſchneller Folge mehre Auflagen von befonderm Abbrud vergriffen.
Erſt noch ganz bat der Buchhändler Goffelin, der Sue
ein Honorar von 28,000 Fr. bezahlt haben fol, eine iduftriete
Ausgabe davon veranflaltet, beren erſte Lieferungen binnen went«
gen Tagen vollftändig erfchöpft waren. Auch im Ausiande has
Den bie „Mysteres” das größte Auffehen erregt. Go leſen
wir, baß in Holland allein außer mehrfachen Abbräden bes
Kertes ſelbſt drei dene überſegungen erſchienen ſind.
Deutſchland iſt natuͤrlich, da es ſich um überfegen —8
nicht zuruͤckgeblieben. Mer indeſſen das Merl nur in ber
Diezmann'ſchen Bearbeitung Tennen lernt, Kann eben feinen
fonberlihen Begriff vom Ganzen befommen. Befonders miss
lungen find dem beutfchen Überfeger die Partien, denen Gue
durch Anwendung der Volksſprache und namentlich bes pittos
resken Argots eine eigenthuͤmliche Färbung gegeben hat. Wie
es heißt, wird ber unerſchoͤpfllche Sue nach Beendigung feiner
„Mysteres’’ einen neuen Roman „Le juif errant” beginnen,
der zuerſt im Beuilleton der Presse’ erfdheinen wird. Zus
nähft aber wird Sue feine „Mysteres de Paris’ für bie
ı Bühne bearbeiten, und er fol bereits mit dem ‘Theater der
Porte St.- Martin, auf dem biefe Bearbeitung zur Auffühs
rung kommen wird, einen Contract gefcdhloffen haben. D, wie
| biefe Herren es verfiehen, ihr Talent auszumünzen !
Philoſophiſche Beſtrebungen in Frankreich,
‚ Wir haben in d. BL. bereits der „Bibliothöque philoso-
von Charpentier gedacht, und wollen bier einmal einen
erblick Über die einzelnen Bände geben, welche von biefer vers
bienftoollen Sammlung bis jest erichienen find. Der Heraus
geber wollte „ar einen correcten Abdruck folder philos
ſophiſcher Werte liefern, weiche bisher nur in koſtſpiriigen Ause
gaben zu haben waren, wurde aber durch den Beifall, den fein
Unternehmen glei anfangs fand, vermocht, auch ſoiche philo⸗
fophifche Werte des Auslandes feiner Bibliothek einzuverleiben, bie
bisger noch fm keiner franzoͤſiſchen Überfegung exiſtirten. Dahin
regnen wir die gelungene lberfegung Spinoza’s von Gaiffet,
über bie wir das fchmeichelbafte Urtheil Goufin’s in d. BL. an:
geführt ha'en. Nicht minder verdienſtvoll ift die von dem ndms
then jungen Gelehrten beforgte Ausgabe der phlloſophiſchen
Werke Guter’, die mit belehrenden Ginlettungen verfehen ift.
Erwaͤhnt zu werben verdienen vorzüglich auch die von X. Simon
beforgten Sammlungen ber phitofophifchen Schriften von Descartes,
Matebrandye und Boffuet, die von ebenfo gelehrten als ſchoͤn
fgriebenen Einleitungen und @riduterungen begleitet find.
. Gimon gehört zu den ausgezeicnetften Schülern Goufin’s,
deſſen Suppleant er, wenn wir nicht irren, an der Sorbonne ift.
Er hat ſich durch eine Reihe gehaltvoller Auffäge in der „Revue
des deux mondes‘, fowie durch mehre ſelbſtaͤndige Werke (4.8.
„Btudes sur ia Theodic&e de Platon et d’Aristote” und „Du
commentaire de Proclus sur le Timée de Platon‘) bekannt
gemacht. Pelle Riaux, Lehrer zu Rennes, ber gleichfalls feine
philofophifche Bildung Coufin verdankt, hat ſich in Sharpentier's
„‚Bibliotheque’ mit der Herausgabe ber philofophifchen Werte
von Bacon befaßt. Bon feinen fruͤhern literarifchen Eeiflungen
erwähnen wir einen „Essai sur Parmenide d’Elee” unb
feine Übertragung ber „Ribelungen”. Die phitofophifchen Schrife
ten von Lelbnig und Fenélon bat Charpentier von Amebée
Jacques, Profeſſor der Ppitofophie an der Ecole normale, bes
forgen laſſen. Endiich ift in diefer Sammlung eine von Bouiller,
dem Berf. ber „Histoire et appreeiation de la rövolution
carlesienne‘‘, veranflaltete Ausgabe von Buffier's intereflantem
„Trait& des verites premieres ’' erfchienen. Zunddft werben
nun die philofoppifchen Abhandlungen des Pater Andre, der ben
Sefuiten ſeiner Garteflanifchen Grunbfäge wegen verbädhtig
wurbe, an die Reihe kLommen. Wie es heißt, haben wir dabei
einige intereffante Dittheilungen aus der umfaſſenden Gorrefpon-
benz biefes Philofoppen von Coufin zu erwarten. Zu gleicher
Zeit hat noch ein anderer pariſer Buchhändler eine Sammtung
ber wichtigſten philoſophiſchen Werke u. d. X. „Bibliothäque
des temps modernes’' begonnen. Bis jetzt find davon erfchienen :
l) bie rg ar Schriften von Arnauit mit Ginleitung
von Jourdain; 2) bie philoſophiſchen Werke von Boſſuet, ımd
3) eine Überfegung der „Anfangsgründe der Ppilofophie bes
menfchlichen Geiftes” von Dugalb Stewart. 2.
Berantwortlicher Deraußgebtr: Heinrich Broddaub. — Deud and Betiag von 9. X. Broddaus in Leipzig.
= — En ij
Blätter
m
für
literariſche Unterhaltung.
Sonntag,
22. Dctober 1843,
¶Beſchiud aus Nr. 29.)
Einen fehr willlommenen Beitrag zu diefem Taſchen⸗
buche bilden die Lebensbefchreibungen Hoffmann's v. Fallers⸗
leben und Dr. Johann Jacoby's. Hoffmann wurde am
2. April 1798 zu Fallersleben, dem Hauptorte des gleichna⸗
migen lüneburgifchen Kreifes, geboren. Seine Jugend war
den wechſelndſten Eindrüden preißgegeben und die Scenen
des Kriegs wirkten ſtark auf fein Eindlihes Gemuͤth.
Im dreizehnten Jahre machte er mit feinen Ältern eine
Reiſe und fah bei diefer Gelegenheit Göttingen und Kaf:
fel, wo ihn befonders die Maffe trefflich gekleideter und
ſchoͤn geuͤbter Soldaten ergöste, das Kettengellicc der —
zum heil politifhen — Gefangenen, welche die Straßen
fegen mußten, aber auch einen unauslöfchlidy tiefen Ein:
drud auf ihn machte. Ein Jahr fpäter wurde er auf
das Pädagogium zu Helmftedt geſchickt; hier blieb er den
Zeitereigniffen nicht fremd, wandte vielmehr feine ganze
Aufmerkſamkeit darauf, wenn Über Tiſche die augsburger
and berliner Zeitung vorgelefen wurde, legte ein Tages
duch an, in welches er die Begebenheiten feines Schul:
lebend ſowie bie der Meltgefchichte verzeichnete, und ers
fattete feinem Mater über Alles Bericht und zwar in
einee Art, daß er mehrmals den DVernehmungen und
ernften Verwarnungen ber Policei ausgefegt war. Als
das Kriegsgeritter nah und näher beranzog, kehrte Hoff:
mann im Frühjahr 1813 nah Haufe zurüd, wo er
fih bald mitten im Getümmel befand und Zeuge der
Verheerungen war, welche zuerft das Davouſt'ſche Corps,
dann die ihm folgenden „Rettungsbeftien”, wie
man die Kofaden allgemein zu nennen beliebte, anrichtes
ten. Hier verlebte er den Sommer und Herbft, fah als
Folge der Siege der deutſchen und ruflifhen Deere das
Koͤnigreich Weſtfalen verfchwinden und das Körigreich
Hanover wieder erfiehen. Ende 1813 kam Hoffman
an daB Katharineum zu Braunfhweig, wo er Primaner
wurde Hier entwidelte fich fein Charakter entſchieden
und fchuell. Begeiſtert für den Freiheitskampf und ans
geregt durch die Bedichte Theodor Körner’s, die er zum
Theil fhon in Helmftedt verfhlungen und auswendig
gelernt hatte, verfuchte er fich felbft im einigen Gedichten,
die Freiheit und Vaterland priefen, erfannte aber auch
ſchon damals, daß ihm Hanover keins von beiden zu
bieten vermoͤchte. Das echte hanoverfhe Weſen, bie
Adels: und Beamtenwirthſchaft, die halb Lateinifche halb
barbariſche Kanzleifchwerfälligkeit und die Unterdrädung
aller Volksrechte machten reißende Sortfchritte. Dabei
trat an bie Stelle des befiegten Franzoſenthums eine wi⸗
derliche Nachäfferei englifcher Sitte, Sprache und Tracht.
Das Alles war dem jungen Hoffmann unerträglich, er
befämpfte e6 bei jeber Gelegenheit mit Wis und Spott
und faßte den Entfchluß, das Land zu verlaffen auf im-
mer. Cedamus patriae! fchrieb er feinem in preußifche
Dienfte getretenen Bruder und fandte ihm bas folgende
Sonett mit:
Rechtſchaffenheit erliegt der ſtolzen Schande,
Sie darbet in der laͤngſt erfehnten Zeit
Und trägt des Hochmuths Hinterlaßnes Kieibz
Die Bosheit prunkt in feidenem Gewande,
Da alte * datyte neue Bante b breit
u ie Freiheit weit un ;
Den Allen Bür ee tt ber Großen Reid
Und freche Herrſchſucht wird zum Baterlande.
Hier fann wol nie dereinft mein Sluͤck erbiähen,
Wol nie mein Muth in diefen Feſſeln glähen, -
Drum will ich dieſem ſchnoͤden Land entflichen.
Gott gab der Reiche viel auf diefer Erde,
Gr wandelt audy in Freude bie Beſchwerde,
Drum lobre meine Shut auf fremdem Herbe. .
Hoffmann's Vater gewahrte die „gefaͤhrliche“ Nich⸗
tung ſeines Geiſtes und ermahnte ihn erw und oft gar
Maͤßigung. „Die Schwaͤchen der Nebenmenſchen aufzu⸗
decken“, fchrieb er am 15. Det. 1814, „wozu men weg
dem funfzigften Jahre nicht einmal in dee Republid und img
Contret social Befugnis hat, iſt kein Verdienſt.“ Uber⸗
haupt war der Vater beforge um bie Zukunft bes ‚‚Nes
turgenies“, wie er feinen Heintich nannte, und drängte
zu ernfien Studien.
Du ſprichſt mit Vorllebe — ſchrieb der Vater: am 1. Yan.
1815 an feinen ditern Sohn — von Heinrich's Talenten; ide
table das nichts aber mo will es hinaus mit ihm? Die Poe⸗
terei raubt ihm die Zeit zum Brotſtudium, er lernt nur bie
tatsinifche und griechiſche Sprache, um die Dichter zu verfteben,
und wenn er ſagt, ih will zu Birgit’ Landbau neue Noten
ſcheeiben, fo iſt das eine Tollheit. Dichte iſt eine feine Außer
liche Zucht, aber wenn man babei alle Rebenwiflenfiheften vers
nachlaͤſſigt, fo bleibt der angehende‘ Gelehrte doch immer eih
N ’ 1108 3
fekopf, bee entweber als Hofpoet fi von Schranzen zum
Karren machen laſſen, ober wie weiland Günther verhungern
und befoffen unter dem Tiſche flerben muß.
Gab fih nun auch Heintih, den väterlichen Mah⸗
nungen folgend, wit allem Ern
wahlke die Landung Napoleon’s (März 1815) doch wie:
dee gewaltfam den Sinn zu ben politifhen Ereigniffen
zuruͤck. Das gewaltige Leben der Gegenwart ergriff auch
die Schüler, fie fangen vor dem Beginn einer jeden Vor:
leſung ein Koͤrner'ſches Lied, ohne daß die Lehrer etwas
bagegen einmwendeten. Hoffmann fchrieb Gedichte, in
we ee das Micbsrerfcheinen Napoleon's als eine
Strafe fhilderte, die der Himmel gefandt, weil die Für:
ſten ihre Verſprechungen nicht erfüllten, und declamirte
fie zur allgemeinen Erbauung in ber Claſſe. Im Som⸗
mer ließ er fogar „Vier deutfche Lieder“ bdruden, Die
großes Aufſehen machten, obgleih fie nichts Gutes ent:
hielten, als eben die frifhe jugendliche Begeifterung, fonft
aber gefchraubt und bombaftifh waren. Mit veißender
Schnelle ward er nun gefuchter Poet, Gelegenheit: und
Katendergedichte wurden verlangt von allen Seiten und
fein Schriftſtellerruhm ſtand unerfchütterlih feft, d. h. im
Kreife feiner Schulgenoffen und Familie, ald er 1816
die „koͤnigl. geoßbritannifch: hanoverfche’‘ Univerfität Goͤt⸗
tingen —J Die fernern Schickſale des Dichters bis
zu feiner Abſetzung, eine Erwaͤhnung feiner Schriften
und eine Charakteriftid feines Innern und Rußern be:
ſchließen dieſen Lebensabriß.
Aus dem hierauf Folgenden erſehen wir, daß der
Dr. Johann Jacoby zu Königsberg am 1. Mai 1805
geboren wurde. Sein Vater, ein allgemein geachteter,
ſtreng rechtlicher juͤdiſcher Sefchäftemann, gab ihm bie
befte Erziehung, bei der beſonders auf bie felbftändige
Geiſtesentwickelung, auf die Ausbildung des Charakters
Ruͤckſicht genommen wurde. Sm J. 1823 bezog er bie
Univerfität Königsberg, ſtudirte zuerft Philofophie, dann
Medicin und war bei vollſter geiftiger und koͤrperlicher
Geſundheit einer ber ‚‚flotteften‘ Studenten ber Doch:
ſchule, jeder vitterlihen Übung hold und befonders mit
der Klinge fletö bei der Hand. Rachdem er 1827 Doctor
der Medicin geworden und ein Jahr darauf fein
Staotereramen in Berlin gemacht, dann ein greßes Stud
won Deutſchland und Polen bereift hatte, kehete er nad
Königsberg zuruͤck. Die Kunde der Julirevolution fuhr
wie ein elektrifcher Funke in feine Seele; er träumte be
geiſtert von ber Freiheit ECuropas und glaubte, daß Die
Some, de ia Paris eimen Thron vernichtet Hatte, ald
ber Morgen eines neuen ſchoͤnen Tags über unfern Welt⸗
theil aufgegangen ſei. Wie wenig fich auch von diefem
Traum verwirklichte, fo gab doch der Einbrud, ben die
FJulſirevotution auf Jacoby machte, ihm bie politiſche
Riheumg; er entſchloß fih mit Were und That, mit
allen feinen Mitteln und Kräften für die Freiheit zu
wirken, und if, troß des fpätern mächtigen Wachsthums
ber Roͤckſchrittsbeſtrebungen feinen Fuß breit von diefem
hluffe abgewichen. Der polnifhe Aufſtand fleigerte
Jacobys Begeiſterung fuͤr Freiheit und Voͤtkergluͤck. Als
dan Studien bin, fo |
daber der Krieg in dem umgikdiicken Nachbatlande ent⸗
brannt war, aus Rußland ſich immer neue Scharen zur
Vernichtung Polens bervormälzten, deren Vortrab, bie
entfegliche Cholera, wie ein flammendes Wahrzeichen des
Himmels ſich auf das verblendete Eugopa und zuwächft
auf Rußlands getreuen Besbündeten, das „neutzale“
Preußen flürzte, da erwachte Jacoby's ganze Thatkraft
und er bot dem furdtbaren doppelten Feinde kühn bie
Beuft dar. Er eilte hinüber nach Polen, theils den Lei:
denden the Hand zu bieten, theils die gräßliche
Seuche genau kennen zu lernen, um mit ben erlangten
Kenniniffen feinem Vaterlande zu nügen Steine Gefahr,
feine Mühfeligkeit, keine Entbehrung ſchreckte ihn zurück
in der Erfüllung feiner ſchweren Pflihe. In der Pro:
ving Angujtowo, die Krieg und Cholera zugleich verheer⸗
ten, war er unermüdet und aufepfeend thätig, bis die
Gefahr des eigenen Vaterlands ihn zurüdkief. So ers
fhien er im Spätfommer 1831 wieder in Königeberg,
der erſte oftpreußifche Arzt, der die gefürdhtete Krankheit
aus Erfahrung kannte. Er legte das Ergebniß feiner Bes
obachtungen in einer Vorleſung ber Medicinifhen Gefells
(haft vor und eiferte nun mit aller Kraft wiſſenſchaftli⸗
her Überzeugung gegen die unfeligen, das Eiend unend⸗
lich vergrößernden Sperrmaßregeln Preußens. Unterflägt
von dem ihm befreundeten Oberpräfidenten v. Schön unb
den tüchtigften Arzten Königebergs, gelang es ihm auch,
die Abfperrungen zu befeitigen.. Während ber ganzem
Dauer der Krankheit war Jacoby der gefuchtefte, aber
auch der unermuͤdlichſte, tiebevolifte, forgfamfte und glüd-
lichfte Arzt in Königsberg. Stredfuß” Schrift „Über
das Verhäftniß der Juden zu ben chriftlihen Staaten‘“
entgegnete er mit ber Flugſchrift „Über das Verhaͤltniß
des koͤniglich preußifhen Oberregierungsraths Streckfuß
zu ber Emancipatlon der Juden”. (Schon auf der Uni⸗
verfität und glei zu Anfang feiner alademifchen Lauf⸗
bahn hatte Jacoby die veraltete Einrichtung geftlirzt, daß
bei den im Winter flattfindenden Etubentenbällen fein
Jude mit an der Spige ſtehen durfte; Kraft, Beredtſam⸗
keit und Energie verfchafften ihm den Sieg über feine
ältern und im Vorurtheil befangenen Genoffen.) Auch
bei dem fogenannten Schulſtreite, den Lorinſer 1836 an=
regte, nahm Jacoby in zwei Flugſchriften ruͤſtigen Ans
theil und ſchrieb weiterhin einen „Beitrag zu einer kuͤnf⸗
tigen Geſchichte der Genfur in Preußen”. Dee maͤchtige
Aufſchwung der Volksftimmung in Preußen bei der Thron
beftelgung des jegigen Königs, das Aufleben afer Hoff:
nungen, die längft zum Schweigen verdammt waren, bie
fteiere und muthigere Sprache der Prefie und ber bald
darauf folgende ſchmerzliche Eindru@ der Gabinetsorbre
vom 4. Oct. 1840 riefen die Schrift, die Jacoby vornehm⸗
lich berühmt machte, hervor. Die naͤchſte Folge des Er:
[heinen® der „Vier Fragen” war, daß fie die ganze ge
bildete Melt aufregten; eine weitere Folge war das Ver:
bot und die Befchlagnahme dieſer Schrift und die gericht:
liche Verfolgung des Verfaſſers, Verlegers und Druders.
Wie Jacoby der ſchwerſten Verbrechen, nämlid des Hoch⸗
verraths, der Majeſtaͤtsbeleidigung und des frechen un⸗
sperchistigen Tada der Bnndrtuniste anaridmidiet, in
arſter Iuftans zu Iuissehaib Iabe Jeſtung mb Weriufl
ber Natiomleocarbe veructheils, in zweiter Inffanz gänz
lich freigefprochen wurde, iſt allgemein befannt. Geben
wir hierzu noch das Bild, welches in dem Taſchenbuche
von ihm entworfen ift:
Jacohy ift mitte
und ſchlank; fein Geſicht hat einem
edein orientalifchen
nitt, freundlich milde Züge, bie leicht ein
gefälliges Lächeln Hberfliegt; fein Auge ift dunkel, groß und
tief; mit dem Ausdrucke eines unverſiegbaren Wohlwollens paart
üb auf feinem Autiig das Gepraͤge befkändiger edankenthaͤtig⸗
tet. As Gefellfehafter iſt Jacoby überonsd kiebenswäuhig, bei
ter, geiſtreich, ſatiriſch, wigig und gemütblic, nie verlegend,
immer unbefangen und wahr, treu und herzlich wohlmeinend, aber
euch in ber Rüchtigften Unterhaltung noch ben bebeutenden Geiſt ofı
fenbarend. Wer ihn bdennt, fühle fi umwiberitehlich an ihn ger
feffelt , feine Freundſchaft ift ein koſtbares Gut für dem n
von Bildung und Geſinnung. Jacoby iſt vermoͤgend und noch
unverheirathet, alſo durchaus unabhaͤngig
Naͤchſt der hierauf folgenden, ſehr tuͤchtigen Abhand⸗
lung Über Gemeindeweſen und Gemeindeverfaſſung, worin
unter Anderm die Pflicht der regen und thaͤtigen Theil⸗
nahme an ihren oͤffentlichen Angelegenheiten allen Buͤrgern
aufs nachdrucklichſte eingeſchaͤrft wird, machen politiſche
Gedichte von Johann Deeg, Georg Herwegh,
Hoffmann v. Fallersleben, J. Moſen, R. €. Prutz
und Ludwig Zuͤllig, den Beſchluß des Buchs, welches,
„getroſten Muths durch bie gefeſſelte Preſſe für bie freie
arbeitend“, uns hoffentlich durch fein Wiedererſcheinen im
nächften Jahre erfreuen wird. . 28.
Die griedifhhen Tragiker in Deutfchlanb.
Man hat fi in neuefter Zeit virlfach bemüht, die gries
chiſche Zragddie beim deutſchen Publicum einzuführen. Die
Sache laͤßt ſich von verſchiedenen Seiten anfeben. Was die
Üderfegungen betrifft, fo find fie jebehfatis als aͤußerſt erfreu⸗
tihe Zeichen einer Ausbildung unferer Sprache zu betrachten,
wie fie nodh keine andere errcicht hat; auch werben fie, wie fie
von den Berf. zunaͤchſt in dem Beduͤrfniß unternommen fein
mögen, ihnen felbft die alten Werke in die vertraulichſte Nähe
zu rüden, das Eunfthiftorifche Berftändniß berfeiben, bei beren
Ldeſung in der Urſprache man fi) durch die Schwierigkeiten oder
das gelehrte Sntereffe des Einzelnen gar leicht im Überblick
über das Ganze gehindert findet, bei den Sachkennern in bes
deutendern Grabe befördern. Diefen muß aud die Aufführung
der „Anstigone” ſehr erwuͤnſcht geweſen fein. Denn während
die ſceniſche Darftellung beim neuern Drama nicht viel mehr ale
ein Huͤtfemittel für die Phantaſie ift, ſich Das, was uns fehon
auf dem Papiere als in fich abgefchloffenes Werk vorliegt, es
bendiger zu vergegenwärtigen, weshalb wir au, weil wir es
uns doch vorher fchon vorgeftellt hatten, in beſtaͤndigem Kriti⸗
fixen begriffen find, und uns, wenn wir ehrlich fein wollen, mit
dem beften Willen nicht von der Selbſtaͤndigkeit ber heutigen
Schauſpielkunſt überreden können, war bei den Alten ein dra⸗
matifches Werk ohne fie gar nicht denkbar; es wurde fogleich
in Rüdfidyt auf die gegebenen Bedingungen der feftftehenden
Bahneneinrichtungen geſchrieben, fowie von dem Dichter ſelbſt
in Scene geſetzt; ja ausgezeichnete Geiſter verſchmaͤhten es nicht,
t Motive von der befondern Perfönlichkeit ber jedesma⸗
Ugen Schauſpieler herzunehmen; auch trat die Aufführung da⸗
durch in den Vordergrund, daß fie nur an befkigimten Lagen
als Yen ige Feſtfeier ſtattfand. Man darf behaupten, daß
nur bei Tortwähtendem Bemüben, die grischifchen Sragäbien bei
bes Lecture ale wirklich in Disfer beſtimmten Raͤumlichkeit bes
bei ihnen unheimlich
en —— it *
Buße, zaeht es mio . onzußchanen, .
wahres Set dniß derſe . t werben 5*
Hierxju hatte man bis jegt dan Weg mannichfaitiger Stu⸗
bien zu betveten; die Männer, welche biefes Biel. in gemügen
bem Grabe erreicht baben, mögen — man ficht es aus dem
Erſcheinen von Schriften, melche, bei bedeutender Kenntniß hey
Sache, body nicht zum Sinn derſelben durchgedrungen find —
in Deutſchland zu zählen fein. Es würde ohne Zweifel ihnen
Kor ewänfht fein, wenn das Refultat ihrer Bemühungen
ich ohne weiteres zum Gapital ber allgemeinen Bildung fchlas
gen ließe. Allein die Möglichkeit davon moͤchte noch ziemlide
entfernt liegen. Wir mein hier nicht auf bie Maffe von my
ſcher Kenntnig hinweifen, die auch nur
thologifcher und antiquari
zum Berfländniß des Guripides erfoderlich if; es iſt brfannt,
daß die mythologiſchen Ginfichten der meiſten Nichtphilologen
noch durchaus auf roͤmiſchem Standpunkte ſtehen. Auch werbe
nur mit einem Worte erwähnt, daß felbft in den fließendfteg
Überfegungen die Wortſtellung und ber Gebankenzufammenbang
für Den, welcher nicht eine ausreichende Kenntniß der Urſpra
befigt, bei einmaligem Anhören oftmals vollfommen unerfaßtic
fein muß. Wir befchränfen uns auf das Kunſtverſtaͤndniß an
und für ſich; wie follte es möglich fein, die Wirkung von Kunſt⸗
mitteln aufzufaffen, mit welchen man kaum befannt ift, füz
weiche man fich alfo noch gar kein Gefüpt gebildet bat? eg
wirb bie Macht ber großartigen xhpthmifchen —5 Aſchy·
leiſcher Chorgeſaͤnge empfinden, wenn es ber Überfegung, welche
er lieſt, vielleicht zuerſt gelungen iſt, ſie auf lebendige Reife im
Deutſchen nacyzubilden? Die Ghorgefänge kommen jebem mo⸗
bernen Leſer undramatiſch, die kommatiſchen Partien operabaft
vor, wie wird er nun den wunderbaren Rhythmus ihrer in
jedem einzelnen Stüde mit tieffter Kunftabficht grorbnsten Abs
wecpfelung zu erkennen willen?
Die griechiſchen Tragoͤdien find nun einmal in bie Gegen⸗
wart bineingefchleubert; vielleicht wird biefe fi an ihnen ſelbſt
für fie heranbilden: dann bringen fie mit der Beit vieleicht
wirklich, wie man gehofft bat, eine Kräftigung bes aͤſthetiſchen
Sinnes hervor; jedenfalls wird auch dies Wildungsmonent zu
irgend einem neuen und nicht vorherzuſehenden Stefuitate vom
arbeitet werben. Nas das eigentlich Schlimme waͤre: daß ba
Anhören griechiſcher Tragoͤdien Mode würde, daß Gitelkeit oder
weibliche aͤſthetiſche Raſchiuſt fih auf ihre Lecture capricionise
ten, haben wir nicht zu be . Die tiefe Mahchaftigkeit,
weiche in jeber Beite berfelben liegt, wird fich bagegen empören,
zur Büge misbraucht zu werden; es wirb den unberufenen Leſern
werden, und der befonnenere Zheil bei
größern Publicums wirb ih, wie er ja feibft Merle wie Bon
the's „Iphigenia“, bie body nur eine Färbung bes Antiken bat,
mit kalter Anerkennung beifeite legt, Leicht barüber orientiren,
bag es ihm zum Berſtaͤndniß dieſer Werke zunaͤchſt an allem
Borausfegungen gebreche.
Wie könnte dem auch anders fein! Der Afthetifche Sinn
eines Publicums iſt kein leerer literarhiſtoriſcher Allſinn, in ben
man nur jebes beliebige Product irgend einer Zeit ober Nation
bineinfüllen koͤnnte. Wie die Bandlung ber griedhifchen Bühne
wegen ber geringen architektoniſchen Tiefe biefer legtern nicht
Unfpruc darauf machte, für einen felbftändigen Vorgang zu
gelten, fondern in wnperfpectinifcher Reliefartigkeit entfchichen
auf den Halbkreis der Zufchauer bezogen war, fo iſt das Kunſt⸗
wert durchaus nur für das Bewußtſein da, in welches es aufs
genommen zu werden beftimmt ift; die Kunft tft nur vorhanden,
wo fie genoflen zu werben vermag; bad f
davon ift die Weſentlichkeit der Öffentlichen Aufführung der grie⸗
chiſchen Aragoͤdien gevabe das einieuchtenbſte Beiſpiel, gar nichts
Anderes als das Publicum ſelbſt, welches ein bedeutendes Mo⸗
ment ſeiner eigenen Exiſtenz in gluͤcklicher Ausfuͤhrung grmahe
wird. Man kann von einem Publicum kein reine Kunſturth
erwarten. Wenn ein folches über irgend ein Product gefällt
wird, fo ſetzt «6 die Faͤhigkeit voraus, auch alle andern, welche
fıbl
Derfeiben Kunft angehören, rein aufufäffens es ift offenbar,
daß dies, da ber Menſch einer praßtifihen Beziehung auf bie
Gegenftände nicht entbehren kann, bei Denen, welche nicht ein
Beruf an die Sache feffeit, zur Blaſirtheit führen würde. Die
Griechen, von denen das Hoͤchſte in der Kunft gefeiftet worden,
aben fich mehr als irgend ein Volk gegen das de auf:
kicker verhalten; auf ähnliche Weiſe wird jede gefunde BVolks⸗
Emeinfchaft an den Erzeugniffen ihrer Kunft einen vorwaltend
offartigen Antheil nehmen.
Man kann nicht darüber Hagen, daß dieſes Moment bei
diefer Gelegenheit nicht genug zur Sprache gebracht wäre; im
Gegentheil haben mandye, während das kuͤnſtleriſche Interefle
feinem Weſen nach zunächft von einer inbivibuellen Borlicbe aus
geltend gemacht iſt, welche abwarten mußte, ob fle eine aͤhn⸗
lichen in andern begegnen würde, von biefer Seite her ber Sache
eine allgemeine Wichtigkeit beilegen wollen. Weil nämlich bas
athenifche Volk vor allen andern ein ausgebildetes politifches
Bewußtfein gehabt Habe, follte die lebendige Auffaffung feiner
Tragoͤdien, als des fchönften Ergebniſſes kuͤnſtleriſcher Selbſt⸗
beſchauung, uns zur Gewinnung eines ähnlichen foͤrderlich fein
Binnen. Man kann biefen Gedankengang, welcher zahlreichen
Grörterungen zum Grunde Liegt, nicht genauer ausfprecdhen,
ohne fogleich feinen innern Widerſpruch aufzudecken. Gchon
wenn man zu dem Naͤchſten greift, jenes kuͤnſtleriſche Selbſt⸗
bewußtfein der Griechen als ein Schema zu bezeichnen, nad
weichem fich bei uns ein politifches zu bilden haben follte, Tpringt
es in die Augen, wie gänzlich heterogene Dinge hier vermengt
worden. Das politiſche Bewußtſein ift einerfeitd auf die Ins
tegrität und dußere Würde, den Ruhm unb die gefchichtliche
Bedeutung bes Volkskoͤrpers gerichtet, deſſen Seele es iſt; man
kann es nach dieſer Seite mit dem Ehrgefuͤhl des Individuums
vergleichen, welches ohne beſtimmten Inhalt nur auf die gei⸗
ſtige Selbſterhaltung des Subjects geht. Sodann iſt es zwei⸗
tens ein Feſthalten ganz beftinnmter politiſcher Inſtitutionen,
fet es, daß das Volk fi in ihrem Beſite gluͤcklich fühlt — wo
ſich dann dieſes Element mit bem erftern etwa darin verbindet,
daß gerabe in biefem Beſitze ein Vorzug vor andern Völkern
begruͤndet fei —, ober daß fie, als allgemeine Wenfchenrechte
oder befiimmte ZBeitfoberungen, nur erſt angefirebt würben:
immer alfo eine volllommene Verſenkung in die Unmittelbarkeit
einzelner gegenwaͤrtiger ober als gegenwärtig gedachter Lebens:
formen. Mit beiden bat das Gelbftbewußtfein, aus welchem
die Kunft hervorgeht, nichts zu thun. Der Beweis ift, daß bie
Gegenſtaͤnde, weiche fie darftellt, mögen ſich auch hinterher mans
cheriei finnige Betrachtungen über fie anftellen laſſen, für fie
ſeibſt mit dem Mittelpunkt bes nationalen Bewußtſeins in kei⸗
nem Berhäitniffe flehen, fondern als zufällig aufgegriffen er⸗
feinen können. Die Kunft richtet ſich auf die allgemeine fitts
liche Grundlage bed Lebens, welche als foldye natürlich feinen
Bogen praen andere Nationen zuläßts vielmehr wird biefelbe
auch ausländifchen Stoffen, wenn dergleichen aus einem beſon⸗
bern Grunde gewählt werben, in volllommen unbefangener Weiſe
fupponirt; auf dem Hintergrund biefer Grundlage ftellt fie die
einzelnen ſittlichen Werhältniffe des Lebens dar, und wenn bier
felbe ihrer Natur nad ein Standpunkt ber Indifferenz if,
weiche fich zu beflimmten Formen eben noch nicht ausgebildet
batte, fo liegt das Beſeligende der Kunft vor Allem darin, baß
aus ihr das Leben, wie aus jenem Götterteiche die Königin bes
Himmels in immer ceneuter Iungfräulichkeit hervorgeht.
(Der Beſchluß folgt.)
Literarifhde Notiz aus England.
Der Roman „Oakleigh, or the minor of great expectations”’,
von W. H. M. Holmes (3 Bde., London 1843) fpielt in Ir⸗
land zur Zeit der Rebellion von 1788, und da er jegt
erſcheint, wo taufend uns abertaufenb Augen in ber bortigen
Stepealbewegung den Anfang eines Apakidgen blutigen Errignifies
ſehen, könnte ex leicht für eins Art politifgen Romans gehalten
werben. Daß iſt er jedoch wenigftens inſofern nicht, als eine
hierauf Bezug habende Tendenz nirgend aus dem Buche hervor»
tritt. Soll indeffen eine hineingelegt ober herausgelefen, dem
Berf. eine politifche Abſicht beigemeffen werben, fo kamm es nur
eine Warnung für Irland fein, die Repealfrage nicht bis zur
Schaͤrfe des Schwerts zu treiben, ſogi⸗ eine Enttaͤuſchung
Derer, die von Irlands Sieg eine üthigung Englands
hoffen, und in biesfallfiger Muticipation, ſei es, — 2 n in
der Taſche ſchlagen sber auf offenen Markte guubiren. Die
präfumtive Meinung des Verf. bleibt allerdings eine inbtoibucke,
fetbft wenn fie von noch fo Bielen getheilt wirb. Da fie fi
aber aus gefchichtlichen Ihatfachen, aus einer Vergangenheit, in
welcher fi bie Begenwart abipiegelt,. unb als Refultat ber
englifchen Politik und des iriſchen Volkecharakters herausftelt,
dürfte fie jedenfalls beachtenewerth fein. übrigens ift das Bud
gut gefchrieben, natürlich, einfach und unterhattend, bie Liebes⸗
geſchichte geſchickt in die Hauptbegebenheiten verfiochten md —
completer Mangel an Unwahrſcheinlichkeiten. Die Schilderung
ber wilden, maleriſchen Scenerie, der Rebellenverfammtung bei
Mondſchein, des Landens der franzöfiihen Truppen, des Sons
traſtes zwifchen ihnen und ihren iriſchen Werbündeten, ber Ges
fechte mit den Engländern und des endlichen Weichens ber
Franzoſen kann häufig für meifterhaft geiten. Wer fi
Irland intereffirt und Kühne’s „Rebellen von Irland““, ſowie
Mabden’s ‚The united Irishmen’' gelefen hat, ſollte „Oakleigh”
nicht ungelefen laffen. F
Literariſche Anzeige.
In alten Buchhandlungen iſt zu erhalten: -
Hiſtoriſches Taſchenbuch.
Herausgegeben
von
Friedrich von Raumer.
Rene Folge. Füufter Jahrgaug.
Gr. 12. Cartonnirt. 2 The. 15 Nor.
nbalt: I. Der Beeibere Dans Katzianer im Tuͤrkenkrieg.
Bon Soigt. — II. Die lesten Zeiten des Johanniter⸗
ordend. Won SCifeen Beumont. — III. te run
Don K. G. Facob. — IV. Leibnig in feinem Berpättniß
zur pofitiven Theologie. Akademiſche Rede, am Leibnigi
Gedaͤchtnißtage den 6. Juli 1843 vorgetragen von Of. Ms ' ki
V. Die Gründung der Univerfirät Königsberg und deren Eds
eularfeier in ben Jahren 1644 und 1744. Gin Beitrag zur
bevorftehenben dritten Säcularfeir. Bon Eb. Gervais. —
VI. Prinz Leopold von Braunfchweig. Won G. W. Keller.
Die erite Folge des Hiſtoriſchen Taſchenbuchs befteht aus
sehn Sahrgängen (1830— 39), die im Labdenpreife 19 Thlr.
20 Nor. koſten. Ich erlaſſe aber ſowol den erſten bis fünften
(180—34) als ben ſechſten bis zehnten Jahrgang (183539)
ufammengenommen für fünf Thaler, fobaß die ganze
olge gehn Thaler koſtet. Einzeln koſtet jeber biefer Jehn
abgänge 1 — 8 Ente brütte und Sierte Jahr⸗
gang der Neuen Folge jeder 2 Thlr.
zweite (1841) 2 hir. 5 Ne. J Die. der
Eeipzig, im October 1843.
$. A. Srockhaus.
Berantwortlicher Gerauögeber: Heinrich Brokhaus. — Drud und Berlag von B. X. Brodyaus in Eripzig.
Blätter
für
literarifhe Unterhaltung.
‘
Montag,
1. Srinnerungen an Johann Konrab Maurer. Bilder aus
dem Leben eines Predigers (1771 — 1841), größtentpeits nad
deffen binterlaffenen Papieren herausgegeben. Rebft Briefen
I. von Müllers, I. G. Müllers, Heyne's u. A.
Schaffpaufen, Hurter. 1843. Gr. 12. 1 Thir. I0 Ror.
2. Aus meinem Leben, in amtlicher, literarifcher und bürgerlicher
Beziehung. Von G. Frie derich. Erſter Band. Religion
und Kirchenthum. Gießen, Heyer's Verlag. 18942. Gr. 8.
1 Zhir. 15 Nor.
Diefe beiden durchaus ungleihartigen Schriften, deren
zweite nur durch ihren Titel berechtigt, mit der erflern
unter gleiche Rubtik gebracht zu werden, flellen wir hier
zufammen, als in Geift und Wefen entichiedene Gegen:
füge. Das einzig Verwandte tft, bag die eine wie die
andere fi auf das Leben eines evangeliſchen Geiftlichen
bezieht. Befreunden konnten wir uns nur mit dem Ef:
nen, deſſen ganze anfpruchslofe und liebenswuͤrdige Per: |
ſoͤnlichkeit von tüchtiger Hand Mm einem amfchaulichen
Bilde uns vorgehalten wird, während der Andere nur
einige Bruchſtuͤcke aus feinem amtlichen Leben in zierli:
her Hütte barbietet.
Der mannichfachen Genuß und Gewinn, weichen die
„Erinnerungen an Maurer’ gewähren, möchte Ref. gern
recht Vielen zuleiten.
gottinrigen und fegensreihen Menfcheniebens lange und
immer wieder anzufhauen, kann nur wohlthätig, wenn
öfter beſchaͤmend, um fo heilſamer immer erwediend und
ermunternd fein.
J. 8. Maurer, geboten 1771 zu Schaffhaufen, wo
fein Batr, Johannes Maurer, franzöfifcher Prediger
war, erwuchs in defien pebantifch firenger Zucht und im
mildern Lichte der zärtlihen, aber nicht verzärtefnden Liebe
feiner feommen Mütter (aus dem altpatricifchen Ge:
fhlechte dee Meyer von Scaffhaufen) für feinen früh:
gewählten Beruf.
In der lateiniſchen Schule feiner Vaterſtadt, befon:
ders unter värerlicher Leitung J. Georg Müllers, des
trefftichen Bruders des Geſchichtſchreibers ber Schmelz,
gründlich vorbereitet, bezog er im Herbſt 1791 gegen bie
Gewohnheit der jungen fchweizerifchen Theologen, die nur
eine der beiden reformirten Univerfitäten Gießen oder
Marburg zu befuhen pflegten, das damals in voller
Biuͤte ſtehende Goͤttingen. Wie verfländig und zweck⸗
Das Bild eines ſo reichbegabten,
maͤßig, obwol nicht ohne manche in ſeinem leicht beweg⸗
lichen Gemuͤth und in dem Verkehr mit Docenten und
Studiengenofien begründete Abfchweifungen vom Ziel er
bie akademiſche Zeit und die reihen Bildungsmilttel, bie
fih ihm darboten, benußte, davon geben die der Biogra⸗
phie eingewebten Bruchftüde aus feinem Briefwechſel mit
dem treuen Lehrer und Freund J. G. Mütter ſehr er:
freulihe und belehrende Zeugniffe, den entſcheidendſten
Beweis aber die Leiftungen feiner reifen Fahre. Jener
Briefwechſel enthält Selbftbefenntniffe und Erfahrungen,
beren Betrachtung und Beherzigung befonders jungen
Studirenden angelegentlichft zu empfehlen ifl. Die da:
malfge Theologie, von Pland, Eichhorn, Scleusner und
Stäudlin repräfentict, konnte feinem aufftrebenden Stifte
und febenswarmen Gemuͤth Eeine Befriedigung gewähren ;
nur an Pland ſchloß er fefter fih an, und fand an Heyne
einen wohlwollenden Gönner und weifen Berathet. Her:
der's Wahlſpruch: ‚Licht, Liebe, Leben!’ war dem wadern
Juͤngling ein Leitftern, den er felten aus ben Augen
verlor.
Im April 1794 aus Göttingen fheldend, Lehrte er,
nachdem er einen Theil Deutfchlands burchwandert, im
Juni zur Vaterſtadt zuruͤck, befand bald darauf das
theologifhe Gandidateneramen, und verweilte dann bis in
den Frühling 1796 zu Neufchatel, um in der franzoͤſi⸗
ſchen Sprache ſich ſolche Fertigkeit zu erwerben, daß er
in das durch freiwillige Refignation feines Vaters erle⸗
digte Predigtamt an der franzöfifchen Kirche einjutreten
tlchtig war, als er im Nov. 1799 dazu erwählt ward. .
Eine Einladung zu einem größern Wirkungskreis und
einem reichern Einkommen in Luzern lehnte er entfchlof-
fen ab. Dagegen eröffnete er im J. 1800 eine franzöft:
fhe Schule, die erfte Öffentliche der Art in Schaffhauſen,
und fah fi durch den Erfolg in den Stand gefegt, einige
Monate fpäter mit feiner Verlobten, einer Enkelin bes
trefflihen Antiſtes Oſchwald, fich zu verehlihen. Schon
1806 ward ihm die geliebte Gattin durch frühen Tod ent:
tiffen, nachdem fie mit ihm den Druck einer ſchweren Zeit,
die Laft ſich ſtets erneuernder Einquärtierungen, oft peins
liche Sorge um das tägliche Beduͤrfniß, Mangel und
Noth unter den Beſchwerden eines Langen Siegthums
getragen. Mit drei unerzogenen Kindern allein ftehend,
von häuslicher Noth bedrängt, und doch mannichfachen
1186
Anfprüchen an feine Mildthaͤtigkeit ausgefegt, gelangte er
felten zu einem heitern Lebensgenuß, und in Folge feiner
häuslichen und amtlichen Verhältniffe, auch durch ermun⸗
ternden und befefedigenden Umgang felten erquidt, ſah
er in oft trauriger Einfoͤrmigkeit, aber unter regelmäßiger
und treuefter DBerufsthätigkeit, feine‘ Tage dahinfließen.
Da er ſich bewegen ließ, feine franzöfifhe Schule, bie
ſehr blühend geworden, mit dem Gymnaſium zu verbins
den, fo verlor er einen großen Theil der Einnahme, die
ibm feine Lage erleichtert hatte, und fo ward er von
häuslichen Sorgen und Berlegenheiten nie ganz frei.
Über fein Eifer und Fleiß. in dem zweifachen Lehramt
ermüdete nicht, die Liebe zu feinem Beruf und zu feinen
Zöglingen erfaltete nicht, unter manderlei Bekuͤmmerniſ⸗
fen und Belchwerden bemwahrte er ſich eine reine und
Ichhafte Theilnahme an den damals tiefjerrütteten Ange:
Iegenheiten des bedraͤngten Vaterlandes.
Sein Hausſtand bedurfte einer weiblichen Leitung.
Am 3. 1809 verehelichte er fih mit Judith Stodar,
und trat burch fie mit einer angefehenen Familie in Ver:
bindung, vornehmlidy mit dem trefflihen Schwager, Bal⸗
thaſar Pfifter, Bürgermeifter zu Schaffhaufen. Aber aud)
dieſes Verhaͤltniß blieb nicht ungetruͤbt. Es traten zwi⸗
ſchen der Tochter erſter Ehe und der Stiefmutter man:
cherlei Misverftändniffe ein, die den Vater belümmerten;
jene Tochter verfant in unheildare Schwermuth, in der
fie fich felbft den Tod zu geben verfuchte; fie ward ges
gettet, flarb aber 1824. Schon drei Jahre früher war
auch die zweite geliebte Gattin nach langen Leiden entfchla:
fen, und Maurer fand wieder allein, da feine beiden Söhne
entfernt von ihm ihres Berufs lebten.
Unter fo mannichfachen endlofen häuslichen Leiden
blieb Maurer nicht ungebeugt, aber gottvertrauend, und
immer in gewiſſenhafter Thaͤtigkeit feines Berufs einge:
dent, in feinen Studien nie ermübend, Wie fehr auch
das Pfarr⸗ und das Schulamt feine Zeit in Anſpruch
nahm, er gewann doch Stunden dee Muße, in denen er
beſonders auch mit der englifchen Literatur eifrig ſich be:
ſchaͤftigte. Immer bereit, Anden nuͤtzlich zu fein, unter
zog er fi mit großem Zeitaufwande ber Mühe, eine
hoͤchſt fehlechafte corrumpirte Abfchrift von Johannes v.
Muͤller's „Histoire universelle’ aufs forgfältigfte zu revi⸗
diren. Sein Wirkungskreis erweiterte fih, da er 1815
Profeffor der Rhetorik am Collegium humanitatis warb,
und die Sorgfalt, mit der er die Arbeiten der Zoͤglinge
corrigiete, die Theilnahme, die er den Studien und felbft
den Erholungen derfelben mwibmete, ließen ihm nur felten
eine freie Stunde, duch Bewegung und in dem An:
(hauen der Natur, zu deren Genuß er fi bingezogen
fühlte und ber ihm Beduͤrfniß war, ſich zu erholen.
Eine Reife nad Bern und nad Yverdun, und die dort
gervonnene perfönliche Bekanntſchaft mit Peftalozzi, den
ex fehr lieb gewann, und mit Niederer gehören zu den
fparfamen Erquidungen, die ihm zu Theil wurben.
Auf andere Weife ward er durch die Bekanntſchaft
mit Frau v. Kruͤdener und deren Gefährten, ſowie durch
die veligiäfe Bewegung, welche biefelbe während ihres
Vermweilens in der Schweiz bewirkte, angezogen und an:
geregt. Mit der ihm elgenthümlichen Empfaͤnglichkeit
und Erregbarkeit gab er ſich den Eindrüden bin, welde
biefe ausgezeichnete und reichbegabte Frau, die einer außer-
ordentlichen Miſſion fi bewußt mar, bei gemuͤthvollen
Menfchen nicht leicht verfehlte; aber er ließ feinen Geift
durch fie nicht unterjochen, fondern bewahrte fidy ein be-
ſonnenes Urtheil über die mancherlei Ercentricitäten, in
weiche Frau v. Krüdener und ihre Anhänger verfielen.
Die religiöfe Schwärmerei,.bie überhand zu nehmen drohte,
konnte ihn nicht mit fortreißen, und fchmerzlich beklagte
er die Ausſchweifungen, zu welchen die Schwarmgeifter
im Canton und in der Stade Schaffhaufen, befonbers
in Wilbenfpruch fich felbft und Andere verführten. Aber
er verfügte Dem, was in dem Eifer und in der Wirkſam⸗
keit jener Bußprediger und Glaubensherofde loͤblich war,
die gerechte Anerkennung nicht, und freute fi) der Erweckung,
die von ihnen ausging. Die Briefe, weiche er Damals an
feinen Freund Keller fchrieb, find ſchaͤtzbare Denkmäler feines
Seiftes und Herzens und ein fehr Iehrreicher Beitrag zu feis
ner Biographie. ’
Der dürre, geiftesarme Rationaliemus, der in Goͤt⸗
tingen fih ihm aufgedrungen hatte, konnte weder fein
tiefes Gemuͤth befriedigen, noch feiner ganzen Eigenthüm⸗
lichkeit zufagen; je mehr und mehr befteundete er ſich
mit der evangelifhen Wahrheit, wie die Kirche aller Zei:
ten fie aufgefaßt und das chriftliche Leben fie bewährt
bat; er ward mit den Jahren orthodorer, ohne rechthabe⸗
riſch, eifernd, verfolgungsfüchtig zu werden, und fo vor:
herrſchend Gemüth und Dhantafie in ihm waren, konn⸗
ten fie doch fein gefundes Urtheil nicht überwältigen. In
weltlichen Verhältniffen oft unficher, ſchwankend und uns
beftändig, ward er im feinem religiöfen Leben nie vom
Winde mancherlei Lehre leicht hin⸗ und hergetrieben, ſon⸗
dern erbaute auf feſtem Grunde das Gebäude feines
Staubens und Bekenntniſſes, welches zu verleugnen oder
auch nur zu verheblen ihn nichts verleiten Eonnte.
Eine faft grenzenlofe Gutmuͤthigkeit hatte es ihm zur
Gewohnheit, ja zum Beduͤrfniß gemacht, Allen, mit denen
er in Verbindung trat, etwas Angenehmes, Schmeichel⸗
haftes zu fagen; er war in Höflichleitgerweifungen, Er⸗
gebenheitöverfiherungen oft unerſchoͤpflich; entſchiedene
Charaßterfeftigkeit gewann er nicht. Aber er war nie
falſch noch heuchleriſch, fondern fprac auch da, wo er
Andere zu ſehr erhob und fich felbft zu tief beugte, feim
augenblickliches Gefühl, feine gegenwärtige Meinung aus.
Bei feinem vorherrfchenden Gemuͤths⸗ und Phantafieleben
erſchien er oft unfhlüffig, wie allzu nachgebend, wozu fich
auch einige Indolenz gefellte; er war fidy deffen wohl⸗
bewußt, aber er kaͤmpfte vergebens, weil nicht muthig
und bebartlih genug, dagegen an. Diefe Charakter
fhwäche ward durch einen reichen, unerfchöpflichen Schat
von Geduld und Sanftmuch, Beſcheidenheit und Des
muth, Steundlichkeit und Güte aufgewogen; fein Glaube
bewährte ſich in der Füͤlle chrifllicher Liebe, die ſelbſt
feine Gegner kaum verkennen tonnten, und durch bie er
feine Lehre bekraͤftigte. Wer irgend ihm einiges Wohl:
117
wollen bewies, ber durfte ber bankbarflen, durch bie auf:
richtigſte Anſpruchsloſigkeit geſteigerten Anerkennung vers
chert ſein.
Er haͤtte wohl ein guͤnſtigeres Loos ſich bereiten koͤn⸗
nen, wenn es nicht ſeiner Geſinnung widerſtrebt haͤtte,
fi) hervorzudraͤngen, feinen wirklichen Werth und' ſeine
Verdienſte vor Andern geltend zu machen. Jede Aus⸗
zeichnung aber, die irgend ihm zu Theil ward, war von
ſeiner Seite voͤllig ungeſucht. So namentlich ein glaͤn⸗
zender Ruf nach Rußland, der 1822 an ihn erging, aber
mit faſt allzu beſcheidener Würdigung feiner Leiftungsfähig:
feit entfchieden von ihm abgelehnt ward. Dagegen nahm
er die Stelle eines Katecheten an der Kirche St.Johann
1826 an, obwol fein Einkommen dadurch keineswegs ges
mehrt, fondern fogar gemindert ward, zumal er im fol:
genden Jahre fowol das Amt eines Lehrers ber franzoͤfi⸗
fhen Sprache und die Profeffur der Rhetorik am Col-
legium humanitatis niederlegte, nachdem er zehn Jahre
lang in diefens Berufe mit ausgezeichnetem Erfolge wie
mit unermübdlicher Treue gewirkt hatte. Dagegen ward
er in demfelben Jahre zum Borfteher der flädtifchen Maͤd⸗
chenſchule und zum Religionsiehrer an derfelben ernannt.
Daß die Öffentliche Meinung ihm günflig war, beweiſt
das Vertrauen, mit welhem er zum Präfidenten des
Hülfsvereins für die Griechen fowie zum Vorſitz in der
Bibelgeſellſchaft gewählt ward. Erit 1835 warb ihm
die Beförderung zum Prediger am Münfter und Zrium:
vir der fchaffhäufer Geiſtlichkeit zu Theil, als feine Kraft
ſchon gebrochen und durch anhaltende Kraͤnklichkeit fo:
wie durch Sorge und haͤusliche Noth fallt erfchöpft
war. Wenn es ihm zur Freude gereichte, daß fein aͤlte⸗
fee Sohn als Prediger an der franzöfifchen Kirche fein
Nachfolger ward, fo brachte er felbft doch auch darin ein
Opfer, daß er in jener bewegten Zeit als Prediger an
der zweiten Hauptkirche und befonders als geiftlicher
Triumvir neuen Sorgen, Beichwerden und Mühen fich
unterzog.
Zum Predigtamt hatte er ohne Zweifel den wahren
innern Beruf ſowie vorzuͤgliche Anlagen; ſeine Vorttaͤge
waren Dee Ausdruck feines Glaubens, feiner Überzeugung ;
weh daB Herz voll war, deß ging der Mund über. Sein
Biograph, an deſſen Darflellung allein Ref, ſich halten
muß, weil er Maurer nie fah noch hörte, vermißt an
ihm rebnerifche Bildung, die allerdings der Beredtſamkeit
des Herzens bie Krone aufgefebt haben würde. War
feine Stellung als Triumvir um fo fchmwieriger, je mehr
unter Den zum Gonvent gehörenden Geiftlichen ein bekla⸗
genswerthes Parteiweſen überhand genommen zu haben
ſcheint, fo gereicht es ihm um fo mehr zum Ruhm, daß
er, wie fein Biograph verfichert, ‚‚nach feinem erleuchte⸗
ten chriſtlichen Gewiſſen ſich gedrungen fühlte, feſt und
offen zu Denen fi zu halten, welche durch eine die pro⸗
teftantifche chriſtliche Freiheit gefährdende Sinnesart in
ihrem eigenften Wefen gekraͤnkt, beſchraͤnkt und gehindert
wurden, nach ihrer Beſtimmung, d. h. weder pauliſch
noch kephiſch, ihre Kräfte der Kirche, der fie angehörten,
zu widmen”. Die Streitigkeiten der fchaffbäufer Geiſt⸗
*
lichkeit mit dem Antiſtes Hurter ſind gemeint, wenn von
Maurer geruͤhmt wird, daß er durch die Gegner deſſelben
ſich gezwungen gefehen, mit aller Wärme und Hingebung,
deren er fähig war, ſich feiner als College, Freund und
Mitarbeiter im Weinberg anzunehmen. In zwei gedruds
ten Zuſchriften an die [haffhäufer Geiftlichkeit trat er zur
Berföhnung der entzweiten Gemuͤther, wenn nicht mit
befriedigendem Erfolg, doch mit der achtbarſten Gefin-
nung auf.
(Der Beſchluß folgt.)
Die griehifhen Tragiker in Deutfchland.
¶ Beſchluß and Ne. 286.)
Die griechiſche Tragoͤdie lebt gänzlich in der Deroenweltz
das Selbſibewußtſein, weiches buch fie dem Bolke zu Theil
wurbe, war mithin cin Bewußtſein, nicht feiner Gegenwart,
fondern feinee Vergangenheit, ja mehr ald das, feiner Urs
geſchichte. Es ſchaute atfo feine eigene fittliche Grundlage als
etwas Entferntes an, als etwas, das, trot biefer feiner Ber
ziebung zu der Gegenwart, durchaus ein Anberes fei als biefe,
ganz in berfeiben Weile wie die Platonifche Idee, obgleich fie
nichts als das Weſen der Wirktichkeit ift, doch als etwas Jen⸗
feitigeß, das am „himmliſchen Orte” aufzuſuchen ſei, betrachtet
wird. Es mag Denen, welche durch ftaatswiffenfchaftiiche Stu⸗
dien bazu befähigt find, überlaffen bleiben, zu entfcheiden, ins
wieweit dieſes Verhaͤltniß geeignet fei, unferer Zeit zum Vor⸗
bilde zu bienen, falls es nämlich überhaupt unter ganz andern
geſchichtlichen Bedingungen erneuert werden kann; in Bezug
auf die Griechen mag nur bie Bemerkung angetnüpft werden,
daß, wenn auch das politifcdye Interefle das vormwaltende war,
und fich, nach dem Goethe'ſchen Spruche, in Einem Menſchen⸗
finde Manches vereinigen mochte, doch ihre Praris bie „Wers
ſchiedenheit der Gewerbe” niemals verleugnete.
Zwar treffen wir auch hierin charakteriftifche Abweichungen
.an. Es ift befannt, daß die „Perſer“ des Aefchylos eine bes
fimmte gefchichtiiche, feine „„Eumeniden” eine noch beflimmtere
politiſche Bedeutung haben. Aber bie politifche Farbe dieſes
Dichters erklärt ed, wie bamit eine kuͤnſtleriſche Vollendung bes
fiehen konnte. Indem er ber Partei angehörte, welche in ber
gemeſſenen Geformtheit althergebrachter Inſtitutionen eine Ges
währ für bie ungefchmäterte Wohlfahrt des Gemeinweſens fa,
traten ihm biefe in ein unmittelbares Verhaͤltniß zu jener fittlidhe
mythiſchen Grundlage und erſchienen ald eigene Geftaltungen
derſelben; der Areopag, deſſen Anfeben er zu erhalten wünfchte,
follte in unmitteilbarem Auftrage der Goͤtter den grellſten ſitt⸗
tihen Zwiefpalt, von welchem bie Deroengefchichte erzählt, ges
fhlichtet haben. Aber die Athener wußten es bereits, baß bie
Bühne nicht zur Rebnerbühne heftimmt ſei; fie erkannten bie
kuͤnſtieriſche Intention durch Ertheilung des Preifes an, aber
ben politifchen Wink vernachiäffigten fie. Die Trilogie der
„Perſer“, welcher das uns unter diefem Zitel erhaltene Stuͤck
angehört, beruht auf berfeiben Anſchauung, mit welcher Heros
bos feine Geſchichte einleitet: der Mediſche Krieg wird als Glied
eines großen Kampfes zwifchen Orient und Occident aufgefaßt,
welcher im heroiſchen Zeitalter durch Zeus ſeibſt, welcher die Europa
entfuͤhrt hatte, begonnen worden. So erſcheint die Gegenwart
ſelbſt als unmittelbare ſittliche Conſequenz der fernſten Ver⸗
gangenheit: ein ungemein großes Motiv, zumal da es nicht aus
geſchichtsphiloſophiſcher Conſtruction, ſondern aus urpoetiſcher
Anſchauung hervorgegangen war. Aeſchylos verherrlichte in der
That fein Selbſterlebtes, aber in ber oben angegebenen Weiſe,
dadurch, daß er es in den Organismus jenes olympifchen Reiche
eines höhern Sachzuſammenhanges einreihte.
Ganz anders verfährt Euripides. Beine Anfpielungen auf
Einzelnheiten aus bem politifcyen und wiflenfchaftlichen Treiben
feiner Zeit find beruͤchtigt: wer kennte nicht den Streit des
Theſens mit dem Herolde ber Thebaner über bie beſte Staats⸗
1188
welche ex, abweichend von den Anbern, dem Mythus untertegt,
tn kaͤnſtleriſcher hung gerechtfertigt. Schon Golger hat
bemerkt, baß er ed ſei, welcher zuerſt bie Melt bes Bemüths
erſchloſſen Habe; dieſes weiß in das Ginzelnffe eine unendliche
Wredeutung zu legen; bie politifcien Andeutungen bes Euripides
find arfo dafuͤr anzufehen, baß fie barauf ausgingen, von biefer
tn ſich abgeichtoffenen Sphäre aus tcher er die mythifche
werrffung? 35 dies durch die Grundlage des Lebens,
n
‚mit we
tbentifieirte, feinen Witbürgern bas Eine, was noth fei, ans
Herz zu legen. |
„Man darf behaupten”, fagt Droyſen (Aeſchylos, &. 547),
„daß die griechifche Tragoͤdie diefen paränetifchen Charakter eigent:
lich nie ganz aufgegeben hat; body gehört dies mit zu ben wes
ſentlichtken Eigenthuͤmlichkelten bes —* daß er mehr als
Aeſchyios und Euripides aus den allgemeinen kuͤnſtleriſchen Im⸗
pulſen herausgearbeitet hat.“ Im Wiberfpruch hiermit bat
gleichzeitig Schoͤll bie Tragoͤdien deſſelben in eine Menge von
beſtimmten Bezuͤgen auf zum Theil ganz einzelne und obfcure
Beitereigniffe egt. Abgeſehen bavon, ob es babei ohne mas
terielle Irrthuͤmer abgegangen tt, worüber competente Richter
ihre Vota abgegeben haben, ift fein Unternehmen geeignet, alle
Kunftfeeunde, welche nicht zugleich bie genauefle Kenntniß ber
griechiſchen Geſchichte befigen, mit Unruhe zu erfüllen. Denn
wenn es ohne Zweifel ſchon einer feibfithätigen Beſchaͤftigung
mit berfelben bedarf, um die einzelnen Anfpielungen auch nur
hiſtoriſch aufzufaffen, wie foll Der, welcher fidy nicht gaͤnzlich
biefen Studien gewidmet bat, bdiefelben in fich zu ſolcher Lebens
digkeit der Anfchauung erbeben können, daß für ibn, wie es
für die Beitgenoffen der Fall gewefen fein mußte, aus ihrer
Gruppirung ein Kunfteindrudt hervorginge?
Natürlich lebt der Dichter durchaus in feiner Begenwart ;
nie bat ein Werk einen andern Inhalt gehabt, ats den biefe
darbot; follte eine vergangene Zeit oder eine frembe Nationalis
tät gefcgiidert werben, fo wurden diefe entweber zum bloßen
Rahmen, oder man findet nicht fie felbft, fondern, wie es 3. B.
bei ben romantiſchen Bearbeitungen mittelalterlicyer Stoffe ein⸗
getreten ift, ihre Abfpiegelung in ber heimatlichen Gegenwart
bargeftellt. Allein das Verhaͤltniß ber Dichter zu biefer lektern
iſt ein anderes als das ber übrigen Zeitgenoſſen. Diefe mögen
ihre Stelle am Gteuer ober auf den Maſten baben, oder etwa
ia unteriedifher Pygmaͤenexiſtenz der Maſchinenheizung obliegen,
werden dem Sturm, wenn fie ihn nicht vielleicht über dem
Hämmern ihres täglidien Treibens ganz überhören, entweder
entgegenzuarbeiten oder zur Verfolgung ihres Curſes zu ber
nuten fuchen; ber Dichter dagegen flebt auf dem Verdeck und
ſchaut dem Kampf ber Menſchen und Elemente in theilnehmen⸗
der Ruhe zu. Gr wird ale Menſch darauf zu ſehen haben,
daß er es nicht an fich fehlen lafle, wenn es in gefahrvollen
Augenblicten darauf anlommt, baß Jeder Hand anlege; als
Dichter find ibm die Greigniffe des Lebens nur, was für den
bildenden Künftter die Stubien nach der Natur find. So wird
es denn Fein Bedenken haben, daß 5. B. Sophokles, wie K.
F. Hermann nachgewieſen hat, das Motiv zu feinem Odipus
vom Perikles bergenommen habe; wie follte er es fidy haben
entgehen Laffen, die bebeutenbfte Gricheinung feiner Zeit mit
tünftlerifchem Blicke zu ſixiren; aber in der Tragoͤdie, welche
uns vorliegt, haben wir nicht mehr Perikles, fonbern Odipus
vor uns, deſſen Griftenz in biefen beftimmten Verhaͤltniſſen zu
Jokaſte, Kreon, Zixefias gänzlich beſchloſſen ift; biefe find je-
dem Lefer, weicher bie fittlidge Bedeutung einer hervorragenden
Begebendeit aus jener Sphäre in ſich zu reprobuciren vermag,
für fi volllommen verftändiich; daß ein Perikles eriftirt habe,
tönnte ibm dabei zunächft ganz unbelannt bleiben. So macht
e6 beim Kunfturtheil über eine Landfchaft Leinen Unterfchied,
ob fie, oder wie viel in ihr, aus ber Natur entnommen fet; |
freilich kann e6 etwa zum Verſtaͤndniß derfelben beitragen, wenn
man in Bezug auf irgend eine befondere Lichtwirkung an bie
atmofphärifhen Verhaͤltniſſe einer beſtimmten Gegend erinnert
wird; body werben biefe, wenn das Bild Kunſtwerth haben fol,
an ſich ſelbſt ir ihm genügend angedeutet fein mäffen. Die Un⸗
te Schou's, welcher befondere Binfland bife oder
jene Außerung des Sophokles, ober biefe ober jene Menbung
eines Mythus veranlaßt habe, gehen das Verfländniß ber Zra:
göbien ald Kunſtwerke nidhts-an, wenn fie auch das Gntitchen
berfeigen im Indloiduum bes Künfkiere vielfeitig zu erläutern
ignet fein mögen. Im biefer Beziehung find fie ats eine Ge—
altung bes in unfern Sagen in mannichfaltiger MWeife auf:
tauchenden bens, den kuͤnſtieriſchen Genius in feiner Bert:
ftatt zu belau hen, hochzuhalten; es iſt zu erwarten, daß der
zweite hell des Wuchs, welcher die Kunſt des Sophokles be
bandeln ſoll, den von ums geitend gemachten Gefichtspuntt in
Anwendung fegen wird. Wilhelm Danzeı.
Literarifhe Notizen aus Frankreich.
Der Thee.
Der Thee macht jetzt in Paris viel vom ſich reden. Kuͤrz⸗
lich las in einer Sidung der Academie des sciences Hr. Ye:
ligot eine Abhandlung über dhemifche Anatyfen ber fi argen
und grünen Blätter, wie fie zu uns gelangen, und der Aufgüfle.
In bderfelben Zeit erihlen eine Geſchichte des Theegebcauche
von I. ©. Houflaye: „La monographie du the.” Wan
wuͤnſcht bie Zpeeconfumtion in Frankreich zu fleigern, man
verfpricht fih große Vortheile für das Land von einer birecten
Handelsverbindung mit Ghina, die freitich noch erft zu fchaffen
iR, noch größere Vortheile von der Zunahme bes Zuckerverbrauche,
bie mit der Zunahme des Theeverbrauchs eintreten würde. E⸗
wurbe bie in die neueſte Zeit ver aͤltnißmaͤßig wenig Thee in
Frankreich conſumirt. Im 3. 1 wurden noch nicht mehr
als 88000 Kilogramm eingeführt. Seitbem ift die Gonfumtion
bedeutend geftiegen, hatte ſchon 1842 eine Höhe von 332,000
Kilogramm erreicht; aber man wuͤnſcht mehr, man läßt es fi
— Ay ‚ ir aue ei are Nugen bes Theetrinkene
madyen. Hr. Hou führt zwei wiſſenſchaft⸗
liche Berichte an, dem ſchon fruͤher erwähnten en —
einen vom Dr. Trouſſeau, von denen der erſtere ergibt, daß eine
Taſſe Thee ein — nahrhafteres Getränt tft ale eine Taſſe
Bouillon, der letztere alle mediciniſchen Tugenden des Thees auf⸗
zählt. Übrigens Liefert die Schrift von Douffaye nicht nur eine
Veſchichte des Theegenuſſes, ſondern auch eine ausführliche Be—
ſchreibung der Gutturmethoden und der verſchiedenen Bereitungs:
und ‚Benugungsarten. Man erfährt unter Anderm, was wol
wenig bekannt ift, daß das Theebiatt gebrannt wird, wie man
die Kaffeebohne brennt, ba6 ber grüne Thee nicht, wie man
gewoͤhnlich meint, buch Trocknung auf Kupfer feine Farbe er
halte, daß er vielmehr mit bem ſchwarzen Thee von einer und
derſelben Pflanze herkomme, nur ſchwaͤcher gebrannt ats der
leßgtere und in ganz unfdulbigem Indigopuiver gewälst fei.
über die Benutung des Thees in Frankreich als Medicament
erzählt Dr. Eug. de Lanneau in einer Anzeige der Oouſſaye'ſchen
Schrift, daß man daſelbſt nur heimlich und verſchaͤmt von birfem
Heilmittel Gebrauch gemacht habe, weil man es als einen Ber:
raͤther ber Unmäßigkeit im Genuß von Speiſe und Trank an-
zufeben gepflegt. Erſt die Cholera babe dem Thee zu allge
meinerer Berbreitung verholfen. Endlich nun feit zehn Jahren,
fagt Hr. de Eanneau, ift der Thee „bie Freude des Abende am
FT a — — der modernen Ge⸗
ellſchaft, der Hebel des Gei r Die, welche kei be
der esprit für alle Welt‘ geworben. ı (weiche keinen haben,
BPayrcal.
Die Literatur uͤber Biaiſe Pascal (deſſen Lebensgeſchichte
auch in Deutſchland und England neuerlich ee en
ift auf Veranlaſſung ber frangöfifchen Akademie, außer zweien
„‚Eloges”, das eine von Borbass Demoulin, das andere von
Taugere, mit einem „Rapport“ von ®. Goufin „Des pensees
de Pascal’ bereidyert worden, welcher legtere manches neue
aus Familienpapieren geſchoͤpfte Material beibringt. .
Berantwortliger Herauſgeber: Heinrich Brodhaus. — Drud und Verlag von F. X. Brodhaus in Leipzig.
DE EEE an
Bläafter
für
literariſche nuterbaltung.
Sienſtas,
Biographiſches.
(Beſchluß aus Nr. 296.)
Die Zerwürfniſſe ber —* Geiſtlichkeit und
die Entzweinng mit dem Antiſtes Hurter ſind in der
Biographie, von einem Freunde des Letztern (oder von
ihm ſelbſt?) ziemlich umfländlih und doch nicht durchs
ſchaulich dargeſtellt. Wir können bier um fo weniger
darauf eingeben, da die Acten zum Spruch noch nicht
reif find und der Kampf mehr in der Nähe beobachtet
werden müßte, wenn das Urtheil hinreichend motivirt
werden follte. Der arme Mauser, von Krankheit Donate
lang an fein einfames Zimmer gefeflelt, mußte auch Dies
fen bitten Kelch eines je mehr und mehr fich verwircens
den kirchlichen Parteikampfes noch Ieeren, nachdem er
Sabre lang nicht blos muͤßiger Zufchauer, fendern patrio:
tifch theilnehmenber Zeuge der politiſchen Wirren feines
Boterlandes geweien.
In das einfame Landhaus, das nicht fern von der
Stade im Spätfommer und Herbſt 1840 Maurer unter
empfinblichen koͤrperlichen Leiden bewohnte, verfolgte ihn
die Bitterkeit jenes theologiſchen Kampfes, den er zu ſtil⸗
In vergeblich fih bemühte. Auch Häusliche Sorgen und
Bedrängmifle wichen nidyt von ihm und er fehnte ſich
oft um fo mehr nach ermunterndem Umgang, fand aber
auch manche Ercheiterung in der Erinnerung an ſchoͤnere
Tage, die er einft mit iugendfröhliher Dingebung und
reinem Sian genofin. Noch warb ibm die Freude zu
Theil, feinen jüngern Sobn zum Diakonat am Münfter
befördert und fo ihm mahe geflelt zu feben. Aber feit
dem Anfang bed 3. 1841 gefellten fich zu feinen alten
koͤrperlichen Gebrechen,, die ſchon längft Gefahr drohten,
neue Übel, denen die erfchöpfte Natur unterlag, während
fein Geift fi noch immer empfänglich umd thätig erwies.
Am 25. März 1841 entſchlief ber müde Dulder, unter
Zeichen frommer Geifteöfrendigkeit.
Es durfte an feinem Grabe laut, der Wahrheit ges
mäß ansgefprochen werben, daß, wie fein Leben eine Kette
von Aufopferangen, ber Iebendigmachende Geiſt fein Theil
geweſen. Man kann nicht obme lebhafte, oft wehmuͤthige
Thellnahme die Geſchichte dieſes fat immer mühfeligen
und beiadenen, aber treubewährten und fegenbringenden
Sehens leſen, das im Feuer manmichfacher Prüfung ge:
läutert ward zu einem velfommensen Deafein. Das dem
Buche beigegebene Portrait Maurer's fcheint mohlgetroffen
zu fein; wenigftens flimmt fein Ausdrud mit dem geiſti⸗
gen Bilde, welches ber Biograph entworfen, volllommen
überein. Die hohe, nicht forgenfreie, aber keineswegs
finftere Stirn, die freundlichen Augen, die Milde, melde
fich über das ganze Antlig ergießt, iſt gewiß ein tesuer
Spiegel der Seele, die man liebgewinnt, indem man fie
theifnehmend beobachtet. Das reifere Leben des Mannes
entſprach freilich nicht den heiten Hoffnungen, mit denen
der Süngling nach Göttingen zog und dort zu einer kraͤf⸗
tigen Wirkſamkeit fich bereitete; aber ex täufchte die Er⸗
wartungen nicht, die damals 3. G. Müller und Andere,
welche die Geiſter zu prüfen und zu erkennen vermoch⸗
ten, von ihm begten.
Wir empfehlen dieſe Biographie mit wohlbegruͤndeter
Überzeugung Allen, die ein reiches, vielgepruͤftes und
durchlaͤutertes Menſchenleben gern beobachten, infonbecheit
jungen Theologen, denen es mannichfache Anregung umb
Belehrung gewähren wird. Der Verf. bat ſich bemüht,
den Gang des innern wie bes aͤußern Lebens mit pſycho⸗
logifcher Kunft zu entwideln und barzuftellen, und was
er geleiftet, verbient Anerkennung. Um fo mehr ift zu
beklagen, daß die Anordnung des Materials nicht durch⸗
bachter und augemefiener fich zeigt. Es wird Manches
anticipist, Anderes nachgetragen, je nachdem es dem Biss
graphen eben in ben Sinn kam; während er bisweilen
der Zeit, von ber eben die Rede ift, vorauseilt, kommt
ee anderwärts auf Vergangenes zur Unzelt zuruͤck, und
ſtoͤrt dadurch den Genuß, welche feine übrigens tächtäge
Auffafjungs> und Darſtellungsweiſe gewährt.
Die mannichfachen Beilagen find eben nicht nothwen⸗
dig der Biographie angehoͤtig, verbreiten auch durchaus
kein Licht über Maurer's Eigenthuͤmlichkeit, und erſchei⸗
nen infofern als ganz willkuüͤrliche Anhaͤngſel; body erre⸗
gen fie ein fo mannichfaches Suterefie, daB man ihre
Aufnahme nur mit Dank anerfennen kann.
Herr Dr. Friederich mag und verzeihen, wenn wir
geftehen, daß fein Buch einen fo wohlthätigen Eindrud
wie das vorerwähnte nicht zuruͤcklaͤßt. Man fehle von
voruberein ſich recht unangenehm getäufcht. „Aus mels
nem Leben”, umd zwar „in amtlicher, literarifcher und
bürgerlicher Beziehung”! So lautet der Kite. Was
1890
ann man anders erwarten als Biographiſches? Manche,
denen des Heren Doctors Leiftungen und Verdienſte eben
nicht bekannt geworden, wundern fidy vielleicht, daß er
feine Geſchichte für wichtig genug bielt, um fie unter
demfelben Zitel, unter weichem Goethe fein Leben bar:
ſtellte, der Welt vorzulegen; aber fie. ſchlagen das Buch
doch auf, vielleicht um fo begieriger, zu erfahren, was
fi in dem Friederich ſchen Leben begeben, und wie «6
fi und was es geflaltet hat. Es liege aber nur bet
erfte Band vor uns, und diefer trägt das Schtid „Re:
Kgion und Kirchenthum“. Wie fügt ſich da6 in dem
Titel „Aus meinem Leben”? frage man bedenklich, und
eilt Aufſchluß fuchend um fo mebe, das Blatt umzuwen⸗
den. Da findet man wieder einen Zitel, welcher lautet:
„Ausgewaͤhlte chriftliche Feſt⸗ und Caſualreden, nebft eis
nem Anbange religiöfer Poeſien“. Alſo geiftliche Neben
und Lieder! Nun freilich dee Here Verf. kann fagen:
„die find auch aus meinem Leben’; aber er wird ges
fiehen, daß man unter biefem Titel etwas Anderes er:
wartet und daß einige Weranlaffung zu dem Argwohn
gegeben tft, es habe unter folcher Aufichrift eine Waare,
die nicht fo fehr geſucht iſt, an Mann gebracht werden
foten. Eine Taͤuſchung mar gleichwol keineswegs beab:
ſichtigt. Denn der Here Verf. zweifelte gewiß nicht, daß
er die ausgewähltefte, echtefte, gediegenfte Waare dar;
biete, und daß auch der Here Verleger diefe Meinung
theitte, das beweiſt die hoͤchſt anftändige, zierliche, faft
prächtige Ausftattung des Buchs. Man fieht alebald,
es follten die vorausſetzlich goldenen Apfel in filberner
Schale dargeboten werden. Die filberne Schale kommt
wohlgelungen uns freundlich entgegen; aber, ehrlich ge:
fagt, die goldenen Äpfel ſuchten wir vergebens, vieleicht
weil wir nicht hellſehend genug find. |
Der Here Verf. hat uns ber Mühe überhoben, viel
Loͤbliches von feinem Buche zu fagen, denn er felbft fagt
davon In bem „Bor: und Fuͤrwort“ genug, und beruft
fi zudem auf die „,vorzüglichften kritiſchen Blaͤtter
Deutſchlands“, und die nicht minder ehrenwerthen Stim⸗
men feiner Zuhörer, die über den Werth feiner Leiftuns
gen fich ausgefprochen haben. Es wäre um fo überflüf:
figer, noch mehr Ruͤhmens von Gelflesproducten zu ma:
hen, die ihren Lohn fchon dahin haben. Wir zweifeln
wicht, daß Reben, die großentheil6 In einer gewaltig auf:
geresten Zeit und mit Ruͤckſicht auf die damals herr:
ſchende Stimmung und Richtung gehalten worden, Ein:
gang, Beifall, auch Auszeihnung gefunden haben; aber
das ift der nüchternen Kritik noch Bein enticheidendes
Beugniß für bie Gediegenheit des Inhalts und der Form,
obwol es den Redner verleitet haben mag, den Werth
feiner Reben höher anzufchlagen als fi gebührt. Wir
bergen nicht, daß die Eitelkeit und Selbfigefälligkeit, in ber
das Buch bervortritt, und bie einem chriftlichen Pfarrer
am wenigften woblanfteht, uns gegen dem übrigens une
ganz unbelannten Verf. etwas eingenommen hat. Das
hindert uns vieleicht, alle die Vorzuͤge wahrzunehmen,
die feine guten Freunde, Gönner und Genoſſen in feinen
Arbeiten gefunden haben mögen. |
Das Buch, dem auch das gierliche Portrait bes Herrn
Dr. Friederich voranſteht, iſt Sr. Majeflät dem Könige
Wilhelm 1. von Würtemberg „im froben, ja begeiftern-
ben Erinnerungsgefühl an den 18. Oct. 1815 und 25.
Sept. 1841 ehrfurchtsvoll geweiht”. - Am Abend jenes
Octobertags hörte ber damalige Kronprinz won Wuͤrtem⸗
berg mit feiner Gemahlin des Verf. Feierrede, und jener
Septembertag iſt bekanntlich - durch die Verkündigung ber
unbedingten: Amneſtie für politifhe Vergehungen ausges
zeichnet. Einem Könige bringt man, wenn man mit
freiwilliger Gabe ihm huldigt, das Beſte, das Koͤſtlichſte
dar, was man bat. Das wollte, das that auch Herr
Dr. Frieberich; aber was fubjectiv das Welle ift, das
kann objectiv fehr mangelhaft fein, und fo erfheinen uns
die vorliegenden Reden und Poeſien. Es iſt darin viel
su wenig gediegener Gehalt und viel zu viel Wortgeklin⸗
dei, Flitter und Raufchgold, als daß wir daran als am
echter Beredtſamkeit uns erbauen könnten. Da aber ber
Herr Berf. offenbar das Bewußtſein in fi trägt, baf
feine Arbeiten von gediegenem Werthe find, fo wundern
wis uns um fo mehr, daß er mehre Blätter, die er aus
feinem ohne Zweifel reichen Vorrath ausſtatten konnte,
mit überflüffigen Auszügen aus fremden Schriften füllte,
wie er denn einer Pfingfpredige über ,, göttliche Begeiſte⸗
rung‘ ein ſechs enggedruckte Seiten langes Fragment aus
dere Schrift „Menfhen und Gegenden”, vom Karoline
von Woltmann, „über die Örter, wo Huß verhört warb,
gefangen faß und ftarb”’, als eine uͤberfluͤſſige Zugabe anhing.
Es entfpriche dem Zweck db. BI. nicht, Predigten zu
recenſiren; es genügt an einigen Andeutungen zur Cha:
rakteriſirung der vorliegenden. Der Standpunkt des Berf.
ift der des Nationalismus, des inconfequenten, der zwi⸗
[hen Stauden und Unglauben behaglich hindurchzuſchiffen
trachtet, weil jener ihm zu ſchwer, diefer doch allzu weit:
gehend fcheint, ein bodenlofes Schaukelfuften, bas, indem
es fich fanft bins und herwiegt und bie Anmäherung an
einen der beiden Pole fcheut, dem rechten Indifferenzpunkt,
die gerechte Mitte, den Stein der Weiſen gefunden zu
haben wähnt, und weder alt noch warm iſt. Da hätt
man fich kluͤglich in den engen Grenzen einiger fogenann:
ten praftifchen Lehren, und berührt nur fchüchtern, mit
leiſem Finger, das tiefere Dogma; indem men bafjelbe
fein oberflächlich auffaßt, überredet man fi umd Andere,
es hinreichend aufgeklärt und erfhöpft, bie Quinteſſenz
Daraus gezogen zu baben.
Seftpredigten find überall der befle Probirflein zur
Prüfung der Geiſter der Theologen; man leſe bie,
welche Herr Dr. Friederich, gewiß als die auserwäblteften
und vollendetfien in der Sammlung „Aus meinem Leben‘
mittheitt, und man wird ſich leicht Überzeugen, wie fo gar
wenig in ben tharfächlichen Gegenfland ber Feier eins
gedrungen, wie oberflächlich gerade das Weſeuntlichſte auf:
gefaßt iſt, und wie gefliffentlich das Meifte darauf berech⸗
net fcheint, es Allen mundrecht zu machen, um Alter
Beifall zu gewinnen. Dieſes Haſchen und Jagen nad)
Beifall, nach Effect iſt im den meiften Reden zu fehe in
die Augen fallend, als baf wir fuͤrchten dürften, bem
Verf. Unreche zu thun, inbem Wir 06 Öffentlich. sügen.
Er darf verficdert fein, daB wie ihm damit nicht wehe
thun, fondern nur auf eine ſchiefe, dem höhern Zweck
der geiftlihen Rede unvermeidlich hinderliche Richtung
ihn aufmerkſam machen wollen, um fo ernfler, je gewif:
ſer er mit feinen Talenten und Erfahrungen, mit feinem
Fleiß und Eifer Beſſeres zu leiſten vermöchte, wenn er
nicht feine Ehre und der Welt Beifall, fondern vor Al:
lem Gottes Ehre und das Heil der Gemeinde fuchte,
nicht duch) Gchönrebnerei, fondern buch die fiegreiche
Gewalt der Wahrheit die Herzen zu gewinnen firebte.
Wir müffen es theologifchen Zeitfchriften uͤberlaſſen,
die Breite und Schwerfaͤlligkeit manches Themas (eine
nimmt fieben Zellen ein), die Willkuͤr und Mangelhaf⸗
tigßeit mehrer Dispofitionen, die Dürftigkelt der Ausfüh:
ung fehe vieler Dauptfäge nachzuweiſen, und begnügen
uns mit einer einzigen Probe der Auffaffung und Be:
handlung evangelifcher Lehren. Am Dreieinigkeitsfeſte
prebigte Here Dr. Friederich „uͤber die Erkenntniß und
den. Werth der heutigen Feſtlehre von Gott, Vater, Sohn
und Geiſte“, und kündigte an: „In dem erflen helle
meiner Predigt werde ich mich mit der Anficht des Chri⸗
ſten von der innern Erkenntniß diefer Lehre befchäftigen,
in dem zweiten Theile aber mit einer Schilderung bes
Werths derfelben für Geiſt und Gemüuͤth beichäftigen!”
Wenn nun fon bdiefe wunderliche Anklındigung befrem:
det, fo ift noch viel verwunderlicher die Ausführung, bie
auch den maͤßigſten Anfoderungen nicht genägt. Die
ganze inhaltichmere Aufgabe des erſten Theils nimm!
faum ein Deittel der Predigt ein, und der Eurzen Rede
kuͤrzerer Sinn iſt der, daß wir eigentlich von der Sache
nichts wuͤßten noch fagen koͤnnten, auch thöricht ſei, das
nach zus fragen. Abgefehen davon, daß hier wie überall
das liche Ich des Redners allzu felbitgefällig hervortritt
(faft jedes Thema kündige fih an: Sch will, Ich werde,
Nachdem ih, oder etwa: Meine Rebe foll u. f. w.
Loft mich u. ſ. w.), ba er doch nicht fih und feine Weis:
beit, fonbern Geſetz und Evangelium zu prebigen berufen
ward, fo iſt auch Das, was er hier aus feinem eigenen
Schatze fpenbet, fo unzureichend, dag man kaum begreift,
wie diefe Predigt Eine der auserwählten „Aus meinem
Leben‘ fein follte, da ber Verf. doch zu geößern Erwar⸗
tungen und Anfprüchen berechtigt, zumal er ein micht
unbeliebter Schriftfteller zu fein fcheint, wie er benn be:
reits 33 auf dem Umfchlage bes Buchs ausführlih auf:
geführte Schriften hat ausgehen laſſen.
Hier möchten wir enden; aber einige Proben feiner
Beredtſamkeit find wie dem Herrn Verf. und den Leſern
noch ſchuldig. Der erſte Theil feiner, übrigens wirklich
begeiſterten und nicht unkraͤftigen Rede am Abend des
18, Oct. 1815 beginnt:
Was wir erfuhren? Ah! das ich fie austilgen koͤnnte aus
der Grinnerung aller Deutſchen jene Gchredensiahre, die
mit dem Prunknamen ber Freiheit bei dem Nachbarvolke begans
nen, in rafendem Mord und Hohn bes Heiligften fortwütheten
und mit der ſchaͤndlichſten Knechtſchaft für uns und Guropa zu
enden drohten
Das Mingt wol fehe beredt und patriotiſch, aber «6
Pi
*
iſt doch nicht wohlerwogen; denn jeur E ande‘
tigen hieße ja vergeffen marhen, was uns zur Warnung,
zur Züchtigung dienen fol; vielleicht weniger zierlich, aber
gewiß richtiger, angemeſſener hätte er gefagt: O daß ich
recht Mar Euch vor Augen ftellen, vecht tief ins Herz
prägen koͤnnte u. f. w.
In derielben Rede Heiße es:
Bücher, dem greifen Helden mit dem Himmelsfeuer für
König, Vaterland und Freiheit, und feinem erhabenen Freunde
Wellington war es im fchönften Bunde vorbehalten, am 18.
Zunft d. 3. auf den Höhen von BellesAlliance den Sturm zu
beſchwoͤren und das Heil ber zagenden Menſchheit abermals zu
begründen. (!—?) |
Die Rede am Abend bes 18. Det. 1816 beginnt:
Sahrhunderte hat die Ewigkeit verfchlungen, und wieber
Jahrhunderte koͤnnen entfliehen, ohne daß Frankfurts Würger
ein folches Feſt wie das heutige in ihrem Gebiete feiern, das
Doppelfeft deutſcher und fädtifcher Freiheit. (I—?)
Es war der Tag der Verpflichtung des Magiſtrats
und der VBürgeefchaft auf die Verfaſſung. Am Weib:
nachtöfefie hebt der Redner an:
‚ Überall auf ber weiten Erde, mo bie Religion bes Kreuges
mit ihrem Lichte und ihren Segnungen die Menſchheit begluͤckt,
Kan bie “ Geburtöfeft ihres göttlichen Stifter in biefen
en. (!—
Überalt ? Die morgenländifhen Chriften feiern es be:
kanntlich fpäter.
Es wäre noch Manches an diefem Buche zu ruͤgen;
wir wollen aber lieber des Herrn Berf. warme Theil
‚nahme an ben hoͤchſten Angelegenheiten ber Menſchheit,
den wenn auch nicht vorurtheil6freien, dach gewiß redlichen
und wobhlmeinenden Ernft und Eifer für diefelben aner
tennen, und. öffentlich bezeugen, daß manche Reden, ab:
gefehen von ihren rhetorifhen Schnörkein, fih ruͤhmlich
auszeichnen, und daß uns in den meilten Gutes und .
Tüchtiges entgegenlam. Und da denn Herr Dr. Krieberich
begabt genug tft, um Beſſeres zu leiften, fo follte er um
fo mehr vor unehtem Redeſchmuck fi hüten, zu dem
wie auch die vielen ber profaifhen Rede eingemwebten
Derfe, eigene und fremde, rechnen, mit denen er allzu
freigebig gewefen iſt, und die nur bei fparfamem Ge⸗
brauch am rechten Drte bie rechte Wirkung hervorbrin⸗
gen. Die im Anhang beigefügten groͤßern und Beinen
Gedichte find eben nicht von reichem poetifchen Gehalt,
aber in der leichten und gefälligen Hülle nicht ohne gus
ten Kern. Wie wünfchen auftichtig, im zweiten Bande,
welcher „bei wiffenfchaftlihen und Buͤrgerfeſten gehaltene
Reden“ mittheilen fol, bes Guten und Köblichen mehr
als bes Tadelnswerthen auszeichnen zu können. 81.
Literarifhe Notiz.
Der homme de rien über deutſche Literatur.
Der geiftveihe Verf. der „Galerie des contemporaias
illustres; par un homme de rien’ ift bereits beim fünften
Bande angelangt. Mit jedem neuen Hefte entwickelt er ein
größeres Talent zur Charakterzeichnung politifcher,, literarifcher
und anderer Rotabilitäten. gibt uns nicht etwa nur ein
trockenes Gerippe von ber Außern Biographie ber Perfonen, die
er uns vorführt, fonbern er weiß das Gange mit ebenfo pikanten
als Lehrreichen achtungen zu beleben. Dabei zeigt ſich nicht
Die Spur von —— Parteinahme für ober wiber.
Der ftſteler, des aus Weidiwibenheit Härter
der Fred * birgt I fogar faft alle natio⸗
nalen Borurtheile ab und huͤtet ſich namentlich in der Darſtel⸗
tung der Sommitäten des Auslanbes vor dem Fehler, in den feine
Landeieute nur gar zu oft fallen, die bei der Beurtheilung fremder
Zufände leicht Alles über ihren Leiften fchlagen. Dieſe Unpars
teilichkeit zeigt fich unter Anderm in dem Portrait, das ex von
A. S. v. Schlegel entwirft (45. Lieferung). Diefe Charakteriſtik
uͤberbdies eine fo große Vertrauiheit mit den deutſchen
literariſchen Zuſtaͤnden, wie man ſie in Frankreich nur ſelten
u finden gewohnt iſt. Diefer homme de rien weiß von beut-
cher Literatur mehr ald die Herren Marmier, H. Blaze u. ſ. w.,
die ſich dieſelbe als „specialit#” erwählt haben, zuſammenge⸗
nommen. So bebt er namentlich In feiner erwähnten Biographie
gel's bie verfchiedenartige Webeutung bes Romantiſchen
in Deutſchland und Frankreich hervor.
geiftige Herrſchaft Frankreicht über Deutſchland und bie natürs
liche Reaction, d. i. den Ginfluß deutfcher Literatur auf die franz
zöftfche,, Tagt, fann man unbedingt unterfchreiben. Intereſſant
ift die Vergieichung, die M. de Lomeny (fo heißt der homme
de rien) zwifchen dee Vorrede zum „Cromwell’ von B. Hugo,
dirlem berkhmten Manifeſte des romantiſchen Gchmle in Frank⸗
reich, und ber erften, zweiten und bdreisehnten Vorleſung uber
duamatifche Literatur anftelt. Dan kann es ihm nicht als Un⸗
parteilichkeit auslegen, wenn er bie Angriffe Schlegel's auf
Molitre zuruͤckzuweiſen fucht und zugleich einige andere Unge⸗
rechtigkeiten Schlegel's in ihrem rechten Lichte barflellt, denn
wer wollte noch jept deſſen Ausdeud, daß Mtolitre, von
dem Goethe fagt, daß ein Gebilderer wenigſtens jedes Jahr
einmal etwas von ibm lefen follte, nur Talent für die Poffe
bt babe, rechtfertigen? In den politiſchen Gharakteris
des komme de rien tritt feine Unparteilichkeit ebenfo
—— auf 6 in ben literariſchen Partien fein
6. .
Bibliographie.
Zehn Actenſtuͤcke über bie Amtöentfegung des Prof. Hoff:
menn von Falleroleben. Wankim, Baffermann. 8. 2’, Nor.
Bremer, Frederike, Die Rachbarn. Aus dem Schwe⸗
diſchen. Mit einer Vorrede der Verfaſſerin. Zwei Theile. Ate
verbeſſerte Auflage Leipzig, Brockhaus. Gr. 12. 20 Nor.
Buͤhrlen, F. L., Die Prima Donna. Theater⸗Roman.
33 Tele. Ay dem Bilde bes Verfaſſers. Gtuttgart, Franckh.
. 8, Ip,
Debatten des rheiniſchen Landtags über bie Smancipation
der Juden. Mit einer Ginleitung von einem Staatsmanne.
Berlin, Voß. Gr. 8. 7%, Nor.
Drobiſch, T., Iduna. Poefien uͤber Gott, Unfterblich:
Te und Tugend. Leipzig, Hunger. 1844. 8. 1&hir.
Gersporf, 3., Das Bolkeſchriftenweſen ber Gegenwart.
auf den Verein zur WBerbreitung gus
iften zu Zwickau. Altenburg, Pies
@äcilia, in drei
5 Nor.
Gefängen. M „Sentner. Er. 10,
Sie yo ann
ner, J. S., Beitsäge zur Geſchichte ber koͤnigl. Stadt
Eger und des ebbee Gebietes. Aus Urkunden. Prag,
Salve. Gr. 8. Y% Nor.
Handbuch für Reisende auf dem Maine, von 8. Hänle
und K. v. Spruner. Nürnberg, Stahel. Gr. 12. 1 Thir.
Höhne, F., Wahn und Überzeugung. Reiſe über Bre:
men nad) Nordamerika und Texas in den Jahren 1839, 1840
und 1841. Gchilderungen der Bremer Geelen : Transportiruns
gen, ber Schickſale beutfcher Auswanderer vor, bei und nad)
ber überfahrt; KReifefcenen zu Waſſer und zu Lande und auds
fuͤhrliche Rathflgläge für Anſiedler in Bezug auf den Charak⸗
ter, die Sitten und conflitutionellen Verhättniffe dee Amerika:
Das, was er über bie |
ES am Mira
# $
gen. Weimar, Hoffmann. Gr. 16. 1 Thlr. *
., Die Feierabende in Mainau. 2te verbeſ⸗
tahlſtichen. Leipzig, Dyk. Gr. 16.
Lamb, K,
‚enäptungen. Userfegt von 9.8.
Dralte. Stuttgart, . Be. 8. 1 Kbir.
Berliner Lichtbilder und Schattenfpiele. Herausgegeben von
J. Lasker. Iftes Heft. Berlin, Plahn. 12. 3 Ber.
Maltzahn, F. v., Einige Worte an meine Landsleute.
Sacobs, 8
ferte Auflage. Mit drei
1 hir. 17% Nor.
Roſtock, —— 8. 3%, Ner. ein
tagtemaͤnner. Anſichten eines oͤſter⸗
reichiſchen Staatsbuͤrgers über ſterreichs Fortſchritte feit dem
Jahre 1840. 2ter Band. Leipzig, Reclam jun. Gr. 8. 2Abir.
Ponſard, Lucretia. Zrauerfpiel in fünf Aufzügen. Mes
triſch überfest von A. Schrader. Hamburg, uberth und
Comp. 184. 7% Rer. zu
Die jetzige —— Preußens. GSogſematiſche
fammenftellung ber ſeit dem 24. December 1841 ergangenen
Cenſur⸗ und Preß⸗Geſetze ſowie Miniſterial⸗Reſcripte. Ber⸗
lin, Deutſche Verlagsbuchhandiung. 8. gr.
Reiſe eines Norddeutſchen durch die Hochpyeemien in ben
Jahren 1841 und 1842. Won W. v. SR. Zwei Theile.
zig, Brockhaus und Avenarius. Gr. 12. 2 Ihlr. 20 Nor.
Rottels, I. J., Kritik der Bildung in unferer Zeit.
Luzern, Meyer. Gr. 8. 1 Zhlr. 5 Net.
Sainte Roche. Bon der Berfafferin von „Godwie⸗Gaſtle“.
Drei Theile. ste verbefierte Auflage Mit einer Abbilbung
bes Schloſſes. Bresian, Mar und Somp. 8. AXpir. 22%, Nor.
Schloß Wildon. Drei Theile. Leipzig, Eiſenach. 8.
4 Thlr.
Spohn, J W. A., Predigt zu Deutſchlands Jubelfeier
am 6. Auguſt 1843. Berlin, Springer. Gr. 8. 2%, Rgr.
Süß, J. J., Erſter Schuß auf die im Juni 1843 in
Elberfeld erfchienene Beleuchtung ber Schrift: „Über ben Frie⸗
ben unter der Kirche und den Staaten von dem Erzbiſchofe
Stemens Auguſt.“ Rebſt einem Beiwagen für blinde Paffagiert-
Köln, 3. und W. Bolflere. Gr. 8. TY, Nor.
Swift’s humoriſtiſche Werke. Aus dem Engliſchen über
fegt und mit ber Geichichte feines Lebens und irkens bereis
dert von $. Kottenlamp, Drei Bände. Gtuttgart, Scheible,
Nieger u, Sattler. Kl. 8. 2 Thir. |
Taschenbuch zu Verbreitung geographischer Kenntnisse.
Eine Übersicht des Neuesten und Wissenswürdigsten im
Gebiete der gesammten Länder- und Völkerkunde. Heraus-
gegeben von J. 6. Sommer. Für 1844. 2Bster Jahrgang,
Mit sechs Stahltafeln, Prag, Calve. 8. 2 Thir.
Zouffeint, 4 2 G., Gefammelte Novellen. Aus bem
Hollaͤndiſchen überfegt von 8. &. Mofeler. Ifteer Band.
a 8 1 hi rad n
Urtheit in ber Unterfuchungsfache gegen ben Bürger:
meiftee Dr. GScheffer, 2) den Dr. 2, Eichelberg, 3) den Prof.
Dr. Zorban, 4) den ©. v. Breitenbad, 5) ben Univerſitaͤts⸗
Beichneniehrer Dr. Hach, 6) ben Hutmacher G. Kolbe, 7) ben
Schuhmacher C. Bamberger, 8) den Regierungs sProbator G.
K. Wagner, 9) den Buchhändier C. Garthe, 10) den Tuch⸗
macher 3. Häring, 11) den Scweiner B. Gtetefeid, 12) den
Rector 3. ©. Moͤhl, 13) den Fruchthaͤndler K. Kröder, 14) ben
Metzger WB. Brauer und 15) den Kaufmann 3. H. Mojerus,
wegen verfuchten Hochverraths, beziebungsweife Beihuͤlfe zu
bochverrätherifchen Unternehmungen und fonftiger Vergeben,
nes ben Sntfckeidungsgründen. Warburg, Eimert. Er. 8.
% gr.
Wittich, A., Srinnerungen an Liffabon. Gin Gemälde
ber Stadt nebft Schilderungen portugieflicher Zuftände, Beftre
bungen und ortfchritte der neueften Seit. Berlin, Reimer.
Gr. 8 1 Thir. 7%, Nor.
Berantwortlicher Serausgeber: Heinrid Brokhaus. — Drud und Berlag von 8. A. Broddaus in Leipzig.
Blätter
für |
literariſche Unterhaltung.
Genovewa. Tragödie in fünf Acten von Friedrich
De bb a, Hamburg, Hoffmann und Gampe. 1843.
Die Nichtung unſers Zeitnlterd fcheint der dramati:
fen Poefie nicht gimflig zu Teiln. Wir leben im Zeit:
alter dee Sontemplation und der Discuffion; die großen
Charaktere offenbaren fich weniger in Thaten ale in Buchs
flaben und Zahlen. Wir leben im Beitatter des Friedens;
unfere hoͤchſten Intereſſen find die Zolfrage, die Muͤnz⸗
"frage, die Bergwerkéfrage, die Colonifationsfrage, die Ges
fängnißfeage; die Eiſenbahnen zeugen von dem friedlichen
Verkehr, und die Dampfſchiffe von der Bluͤte des Com⸗
merzes; role haben viel Zeit, Monumente zu errichten,
Walhallas und Freiheitsfimpferhallen zu begränden ; bie
irchlichen Differengen werden in den Gabineten und auf
den Scheeibftühlen der Gelcheten und der Publickften vers
fochten; wir find zu zahm und zw gut gefchult, um uns
tee der Herrſchaft großer und gewaltiger Leidenſchaften zu
fiehen. Wie fcheinen fo etwas in idealiftifcher Richtung
und zu bewegen; darum gilt‘ oft die gut zugeflugte Rüge
mehr ats die einfache Wahrheit, Redensarten mehr als
Worte, Morte mehr ald Thaten. Vielleicht hängt es mit
dem Allen zufammen, daß auf ber Bühne die franzoͤſi⸗
(den Luftfpiele fo viel Beifall finden. Bor allem rem:
den, namentlich vor dem Franzoͤſiſchen hat man im vor:
aus eine Met von Mefpeet, wenigſtens fo lange man es
noch nicht kennt; dagegen zweifelt man gar gern an der
Tuͤchtigkeit namentlich deuffcher Drigmmaldichtungen; unfer
Publicum macht es jetzt wie Friedrich der Große damals:
wie follte denn Der und Der ein gutes Drama dichten!
Dazu kommt: tft der Stoff eines Dramas aus der Be:
ſchichte unfer® deutſchen Bolks entiehnt, fo ſchlaͤgt es we⸗
nig ein, weil wir zu wenig mit der Geſchichte unſers
Volks — es iſt ſchmaͤhlich zu ſagen — bekannt find.
Ich erinnere an Raupach's „Hohenſtaufen“. Obwol man:
ches Schoͤne, Poetiſche darin iſt, ſo hat doch ein berliner
Spaßvogel recht, wenn er auf die Raupach'ſchen „Hohen⸗
ſtaufen“ den Verd anwendet: |
D web, fo mußt’ es ja vertaufen!
Das ih war niemals: mit den Hohenſtaufen!
Doch Raupach hat manderlei Antipathlen erregt; ich
waͤhle darum noch ein anderes Beiſpiel, und zwar den
„Kalſer Otto“ von Julius Moſen. Der Stoff ift doc
er aus dem Volksebewußtſein heransbichtet.
poetiſch; ein Dichter ift es auch, der ihn behanbelte; aber,
wirkt das Drama auf das Volk? Nein. Und des allge⸗
meinſte Grund ift der, wir ſſehen nicht Im Bufamınen-
hange mit der Geſchichte unfers Votks. Diefe Zuſam⸗
menhangẽloſigkeit wirft ſowol auf den Dichter als auf
das Publicum; auch der Dichter iſt mehr Dichten, we:
As Beiſpiet
dazu führe. ich die griechlfihen Dramen und ihre umgehen
en Wirkungen an. Als die Nachricht von der Mioder⸗
lage des Nicias nach Athen kam, fpielte gerade, wie Plu⸗
tacch erzähle, Degemon feine ‚‚Bigantomachle”; das Bub,
dieſes bewegliche, pelitifchsregfame Volk von Achen, tt»
fuhr die Nachricht, aber es wich nicht von feinen Eigen,
bie Komödie mußte awögefpiele werben.
Ferner: Unſer gegenmwärtiges fociale® Leben bat feine
eigenthämilichen teagifchen Momente; aber wo find Die,
welche Sinn dafuͤr haben? Liegt nicht in diefer unheil⸗
vollen fogenannten Macht der, Berhätmiffe, deren Despo⸗
tie frühere Perioden gar nicht in der Weiſe Eannten, ein
echt tragiſches Moment; ferner in diefer unbedingten Übers
macht aller materiellen Intereſſen über bie ſpirituellen,
des Phyſiſchen über das Moralifche, der Maſſe uͤber dem
Einzeinen, liegt darin nicht etwas Tragiſches? Geier
weife darin, daß wir jetzt jedes Individuum auf einen
Cuiminationspunkt von Bildung binauffchrauben, waͤhrend
doch der Einzelne viel weniger ais Einzelner denn in Maffe
in Betracht kommt; ja, wir Iöfen dem Geifte alle Feſſein
des Denkens, des Philoſophirens, der Religion, det Wrede,
und der ganze Menfh, dad Leben feldft, ſchmachtet im.
der tiefften Sklaverei der Geburts⸗ und Standesvortechte,
bevorzugter Kaften im bürgerlichen Kieinfeben wie Im
Stantshaushalt. Die Fonds, das Geld dominirt Aber
alles geiftige Gut und Intereſſe; wir haben fo lange über
unfere deutfche Gemuͤthstiefe ſelbſt gewigelt umd jeden
kump ungefteaft darüber wigeln laflen, daß das tiefere
Intereſſe an den tragifhen Momenten unfers Lebens
ganz erlofchen zw fein ſcheint. Ich nehme zum Beifpirk
ein Gutzkow'ſches Drama, etwa „Welt und Herz” oder
„Ein weißes Blatt“ — geht einmal hin und fragt unfer
vornehmes und fich für vornehm haltendes Publicum, was
es fügt: es fpÖttelt, es rimpft- die Naſe; eine Erzieherin
aus „Welt und Herz“, oder eine Beate aus „Ein weißes:
Blatt“ find gar Beine Perfonen, die im der hoͤhem Gefells
194:
ſchaft Zutritt Haben würden, wenn fie kaͤmen; alfo man
bat für ihre Schickſale, für ihre Tendenzen, für ihre Con:
flicte keine Intereſſen; die allgemeine Verflachung geht fo
weit, daß man ſich gar nicht einmal die Mühe nimmt,
ſich einem Gedanken darüber hinzugeben. Man hat- oft
daruͤber gefpottet, wenn. behauptet iſt, daß wie arm an
Stoff wären ; allein nah Allem, was ich oben gefagt
babe, wird man die Klage nicht unbegründet finden. Die
großen hiſtoriſchen Charaktere und Situationen find wirt:
lich bedeutend ausgebeutet ; und, was ſehr ſchlimm iſt,
einzelne verfehlte Productionen, unreife Verſuche neuer dra⸗
matiſcher Dichter nehmen den nachkommenden den Eredit.
Ich führe Laube's „Monaldescht” an; ja, und wenn
Jemand Laube's Bufenfreund ift, fo wird er nicht fagen,
daß das eine geniale Schöpfung fei. Ich führe ferner den
Bart von Bourbon” von Pruß an; das iſt doch eins
dee undramatiſchſten Probucte, die ſich jemals auf bie
Vahne gedrängt haben, blos nach dem handwerfämäßigen
Plane hergerichtet, daß jeder mitagirende Schaufpieler auch
eime Scene bekommen muß; allerdings bat in dem „Bour⸗
bau’ jeder Acteur feine Scene, und wenn der (cute bie
feine abgemacht Hat, fo tft das Stud aus. Solche
Eyercitin verlegen den wirklich bramatifchen Dichten
ben Weg gar fehr; zuerft beim Publicum, deſſen Er⸗
wartungen durch vorbergegangenes Lob bedeutend ermedt
find; ferner bei den Künftiern. felbft, denen die ungeheuere
Arbeit des Studirens ihrer Rolle mit nichts als mit zwei⸗
maligem Durchfallen des Stuͤcks gelohnt iſt.
Man hat nun der dramatiſchen Poeſie und Kunſt da:
durch neuerdings aufhelfen zu koͤnnen gemeint, daß man
die altgriechiſche Tragoͤdie auf unſere deutſche Buͤhne brachte.
Die Aufführung alter, namentlich roͤmiſcher Komödien von
Plautus und Terenz greift in bie Altefte Zeit der drama⸗
tiſchen Kunft in Deutichland zurüd, wo dergleichen all:
jährlich von den Schülern der Gymnaſien zur Darſtellung
gebracht wurden; in England, namentlich in der Schule
zu Eton, gefchieht es noch. Ob die dramatiſche Kunſt das
durch etwas gewonnen habe, das heißt, ob ihr dadurch
vorgearbeitet fei, wiſſen wie nicht; in Frankreich foll Tal⸗
ma auf diefem u zum Bewußtfein feines Talents ges
kommen fein. In Deutſchland iſt inzwiſchen das Intereffe
für die alte griechiſche Tragoͤdie namentlich den Gelehrten
geblieben; auf den Kathedern der Schulen und Univerſi⸗
taͤten erklaͤrt man fie, ohne fie zu genießen; Tieck, der
auch das Intereſſe für. das altenglifche Theater wieder er:
weckt bat, ift der Ucheber des Gedankens, fie jetzt in Scene
zu fegen. Aber das hat feine große Schwierigkeit, zunächft
für die Acteurs; der Schritt, den fie zur antiken Ruhe
und Einfachheit zuruͤckthun müffen, gelingt nicht Jedem;
ferner: die Verbindung dee Mufit mit den Worten, nas
wentlich mit dem Chor, iſt fo wenig bekannt; die In⸗
firumente feloft, die Einrichtung bes Orcheſters, ja die Ein:
sichtung ber Scena, über das Alles Lafien fih nur Ver⸗
mutbungen ausfprechen, fobaf wir, was auch Tieck, was
auch Mendelsfohns Bartholdy, was auch die Kuͤnſtler lei⸗
ſten mögen, doch nimmermehr das alte elaſſiſche, fondern
nur ein zutechtgemachtes neuantikes Drama haben. Das
zu kommt noch die Schwierigkeit, eine Überſetzung auszu⸗
arbeiten, oder eine von den aͤltern zu wählen. Da hat
man. 5. B. die vortreffliche Überſetzung des ÄAſchylus von
Deopfen; aber wie ſchwer iſt die zu ſprechen umd alfo wie
ſchwer zu ˖verſtehen; diefe Langen Woͤrter, melche eden -gries
chiſchen Compoſitis nachgebildet find, dieſe aft ſchwierigen
Satzfuͤgungen, an welche das Ohr und bie Auffaſſungs⸗
kraft unſers Publicums gar nicht gewoͤhnt iſt — das
Alles iſt wirklich gar fchwer zu überwinden. Die Vers
fuche, die man mit der altgriechtſchen Tragoͤdie gemacht
bat, find demnady eben nur Verſuche geblieben, und has
ben, als etwas Einzelnes, Abgeriffenes, kein Reſultat ges
ben koͤnnen. Viel wichtiger ifl, was in der neueflen Zeit
einzelne deutfche Dichter verfucht Haben, und ba ſteht Fried⸗
rich Hebbel in der Reihe ber kuͤhnſten und edelſten.
Die „Genodeva“, die neueſte Tragoͤdie Friedrich Heb⸗
bel's, iſt ganz und gar Tragoͤdie im Sinne bes Ariſtoteles.
Ariſtoteles naͤmlich, der die Foderung aufſtellte, daß der
Geiſt ſich immer mehr und mehr reinigen ſolle und bes
freien von den Begierden des Irdiſchen, behauptete, die
Tragoͤdie habe den Zweck, eine ſolche Befreiung oder Rei⸗
nigung, Kosdapoıs, hervotzubringen. Die Tragoͤdie hat
alſo nach der Ariſtoteliſchen Theorie einen durchaus mora⸗
liſchen Zweck; fie ſoll das Gemuͤth reinigen dadurch, daß
ſie Mitleid und Furcht erregt; Mitleid und Furcht ſind
ihm bie Elemente des Tragiſchen. Diefes Mitleid aber
ift nicht blos das Gefühl des Leids beim Leid Anderer;
das gewoͤhnliche Mitleid ſchlaͤgt nur nieder; das Mitleid,
von dem Ariſtoteles fpricht, iſt der tiefere Autheil an den
Beftrebungen, Schickſalen, Tendenzen und Planen ber
handelnden Perfonen, es läßt uns in ihrer Beſchraͤnkung
auch die unfere ahnen, und erhebt zugleich. In gleicher
Weiſe ift die Furcht nicht bios das Gefühl dee Bangigs
keit, ſondern es ift bie Ahnung, das Vorausſehen aller
der Übel, des ganzen Misgeſchics, welches der Übermuth,
der Grevelmuth, der Trotz, das Widerſtreben gegen bie
Idee, treffen wird. Diefe Artflotelifhen Anfoderungen an
die Tragoͤdie erfüllt Hebbel’6 „Genoveva” durchaus; fie
erregt Furcht und Mitleid und durch Beides reinigt fie das
Gemuͤth. Allein dieſer reinmoraliſche Geſichtspunkt kann
unmoͤglich ber richtige für die Beurtheilung der Tragoͤdie
fein, abgefehen davon, daß ber Gegenſtand ber antiken
Tragödie ja ein ganz anderer war, als der der modernen
iſt; in der antiken Tragödie herefcht vor das Familien⸗
recht, das Recht des Volks, das Macht des Staats; im
der modernen durchaus das Subjective, die Religion, die
Ehre, die Liebe. Darum kann auch der Maßſtab zur
Beurthellung einer modernen Tragoͤdie nicht von einem
antiken Xheoretiler hergenommen werden. Wenn man
fagt, die Tragödie flelle einen Kampf der Freiheit mit der
Nothwendigkeit bar, fo tft auch dieſe Beſtimmung unges
nügend ; benn, ift bie Nothwendigkeit eine vernänftige, fo
muß derfelben Jeder, der Held fo gut wie ber gewöhnliche
Mann, ſich unterordnen; iſt aber die Mothwendigkelt eine
fataliftifche, fo muß dee Einzelne. ſich eugeben, ober ſich
zermalmen laffen. In ber Hebbel ſchen Genoveva“ iſt
auch Manches, mas an die Macht des Fatums erinnert;
badg man bugf bee biefen Aucſpeuch nicht am einem von
Malnee’6 poetiſchen Eriminalfaͤllen fich erinnern laffen ; in
dee Dichtung Hebbel's Lebt ganz entfchieden ein poetiſcher
Geift, derſelbe poetiſche Geiſt, der: fi ſchon in feiner
„Subith” mianifeftirte, bier aber im Fortſchritt erfcheint,
ſchon weil der Stoff der „Genoveva“ ein deut⸗
ſcher iſt.
Die Tragoͤdle als ſolche ſtellt nicht eine Handlung,
ein Ereigniß des gewöhnlichen Lebens dar; die Handlung
dee Tragödie muß einen erhabenen, großartigen Lebens:
zweck verfolgen. Der tragifche Held muß als freier Menſch,
als felbftändiger Urheber feiner Handlungen erfcheinen, er
muß Repräfentant einer fittlihen Richtung, einer fittlichen
Soderung fein. Diefem tragifhen Helden muß ein Ge⸗
genfag gegemübertreten, und zwar ein erhabener, das heißt
ein ſolcher, der ebenfalls eine fittliche Berechtigung enthält.
Gerade in dieſem Gegenſatz zu der tragifchen Perſon iſt
die antite Tragoͤdie fe groß. Go tritt zum Beifpiel in
der „Antigone” des Sophokles bie Samilienpflicht mit gleis
her fittlicher Berechtigung der Pflihe für den Staat ges
genuͤber; im Gegentheil iſt «6 gar nicht in antikem Geiſt
gedacht, wenn in Schiiler's, Wallenſtein“ die Heldenſeele
mit ihrem Drang nach Ruhm und Groͤße in Gegenſatz
ſteht zu Queſtenberg, welcher die Idee des Staats als
gar zu untergeordnet, als nicht in gleicher ſittlichen Be⸗
rechtigung, erſcheinen laͤßt. Nun kommen die Gegenſaͤtze
in der Tragoͤdie natürlich in Kampf, und es entſteht eine
Verlegung des Sittlichen, welche doch Ausgleichung ver:
langt; Die Tragödie aber fodert eine poetiſche Auflöfung,
oder mit andern Worten, die fittlihen Anſpruͤche beider
Gegenſaͤtze muͤſſen ſich in einem Höhern aufloͤſen; fo kann
es geſchehen, daß der Held der Tragödie Außerlih zu
Geunde geht, erliegt, aber das Höhere, worin die Gegen:
füge ſich auflöfen, tritt entichieben hervor; zum Beiſpiel
im Tode des Sokrates. Sokrates unterliegt, ee ſtirbt,
aber eine höhere Glorie umſtrahlt ihn.
Was nun die Hebbel’fche „Senoveva” betzifft, fo moͤ⸗
gen Einige behaupten, Genoveva trete viel zu wenig han:
deind, viel zu wenig felbiländig, viel zu wenig als Sch:
pferin ihrer Verhaͤltniſſe, viel zu wenig bie Umflände bes
beerfchend hervor, und ſei alſo kein tragifher Mittelpunkt.
Dagegen macht aber Mef. aufs entfchiedenite geltend, daß
in der modernen Tragödie, ich Bann auch fagen in ber
romantiſchen oder in bee chriftlichen Tragödie, der Held
auch als Dulber erſcheine; ein Beiſpiel dazu gibt Caldes
ron in feinem „Standhaften Prinzen”, eine Tragödie, des
ven fi) Viele aus dem J. 1818 erinnern werden, wo
fie in Berlin, fuellich unter siniger Oppoſition, zur Aufs
führung Sam. Und wenn mm aud des Dichter diefe
Analogie nicht für ſich Hätte, fo muß jeder Unbefangene
zugeben, Genoveva erfiheint als Weib; ihre feſte, uner⸗
ſchuͤtterliche Treue zeige ſich hier niche in SHelbenthaten;
aber in der tiefflen Intenfitaͤt wird ihre Kraft erprobt,
und wenn biefe Figur In einiger Beziehung mehr epifch
als dramatiſch gehalten iſt, fo erfobert das die ganze Idee
der Benoveva. Der Golo iſt kein Heros im gewöhnlis
den Sinn des Worts; aber er wird gleich im Anfange
als ein m Muri, eingefuͤhrt, als ein eye:
Ritter. Dee Dichter zeige in feinem: Wolo, wle die Kidt
den Menſchen zum Gott machen kann, wie fie-aber auch
fobald fie in ihrem Gegenſtande fehl greift, iret, benfelben
Menſchen, der durch fie ein Bott getworden wäre, zu eis
‚nem Teufel macht, gegen den Satan felbft, mit feinen,
: ganzen hoͤlliſchen Fr
otte, ein elender Stümper iſt. Die
Partien der Tragödie, wo wie Golo im Kampf gegen Ti
fetbft, gegen feine Leidenichaft fehen, find van wunderbarer
Schönheit und Wahrheit; diefes Fluten, dieſes Brauſen,
diefes Schwanken und Sichzuſammenraffen, diefe Selig:
keit und diefe Höllenpein, diefer helle Blick und dieſe Vers
blendung, das ift Alles mit einer Wahrheit, mit einem.
Takt, mit einer Zartheit gehalten, daß jedes Herz einen
Nachhall der Stürme, bie es ſelbſt beſtanden bat, fühle.
Der Gemähl der Genoveva, Siegfried, ift durchaus Mits
ter; die Eräftigften Elemente vereinigen ſich mit ben zars
teften; ex zieht hinaus in Kampf und Tod fürs heilige
Kreuz, und fein Der; iſt daheim bei dem ihm betrauten-
Weide. Wie tief er eins iſt mit Genoveva, das fühlt
man in der wunderbar fchönen Abfchiebsfcene; und als er
fi) überzeugt zu haben glaubt von feines Weibes Treu⸗
loſigkeit, da dauert fein Leben zwar noch fort, aber er iſt
wie ein Geflorbenerz er iſt nicht mehr Graf Siegfried,
der mit Genoveva fo fellg war, es iſt nur fein bieicher
Schatten, wie bei Homer die Schatten in der Unterwelt
einhergehen, blutloß, kalt. Diefes Ende des Siegfried iſt
ebenfo tief poetifch wie gewaltig erfhüttend. Was nun
die Auftöfung betrifft, fo erfcheint nicht ein Höheres, wo:
rin fich alle Gegenfäge und Widerfprüche auflöfen ; ber
Dichter ſelbſt ſcheint das in feinem etwas mpflerid6 ‚ges
haltenen Vorworte anzudeuten; er meint, felbft Golo's
Ende folle den tragifchen Donner nicht verftärken; Golo
beftimme fein eigenes Schickſal dahin: |
Die Augen bier, bie viel gu viel auf fie
und viel gu wenig auf den Herrn gefchaut,
Sind auszuftechen ; biefem fäumigen Arm,
Der, ale mein falſches Herz ihr Bild ſich ſtahl,
Es nicht ſogleich durchbohrte, leg’ ich auf,
Die Strafe an den Augen zu vollziehn.
Iſt das gefchehn, fo führft den Blinden bu
Ans Innerfte des Waldes, reißeſt ihm
Die Kleider ab, und bindeſt nadt und bloß
Mit Striden ihn an eine Eiche feſt,
Damit der Eber und der zorn'ge Bär,
Die Schlange, die von unten flicht, ber Aar,
Der aus der Höbe ſchießt, fich in fein Fleiſch
Mit Bahn und Kralle theilen. Wenn der Baum,
Vom Wind durchrauſcht, auf den Verhungernden
Bon feinen Eicheln eine nieberwirft,
&o darf er fie nicht fangen mit dem Mund,
Doc, wenn er feine Zunge eſſen will,
So jei es ihm vergönnt. °
Genoveva wird fammt ihrem Kinde buch den Knecht
Balthaſar gerettet und flieht in den dunkelſten Wald. So
iſt der Schluß der Tragoͤdie weniger dramatifch als epiſch;
die Handlung verfließt, verläuft ſich, aber fie wird nice
geſchloſſen. Daher tritt auch im Herzen des Leſers oder
des Hörers Beine Berubigung ein; unſer eigenes Leben,
wenigſtens unfer Grfhhisieben, iſt aus dem Gleichgewicht .
aohehens win haben mais geiliten, mis gehsbet, eben valı
rongen wicht zur Ruhe; wir koͤnnen dem rechten Som is
dog Melodie des Lebens nicht gleich wiederfinden,
(Dee Beſchiud folgt.)
De ia diplomatie frangaise sous Louis XIV, par A. Filon.
Paris 1843.
Man wird diefen Euren Überblick über den Gtand der
- wärend der Regierung Ludwig's XIV. mit Inter
efüe tchien., obalsich gerade über biefen Gegenſtand eine meiſter⸗
bafte Arbeit, bie von einem ber bebeutendften frauzoͤſiſchen Hiſto⸗
rißee herruͤhrt, bereits vorliegt. Wir meinen bie ausgezeichnete
nteitung , welche Mignet der umfaffenden Sammlung ber auf
diE ſpaniſche Erbfolge bezüglicdyen Staatspapiere beigegeben hat.
Er beſchraͤnkt ſich dabei nicht a ——
an die Darſtellung Mignet's anzulehnen und zuweilen gerabezu
auf feinen berühmten Vorgaͤnger Bezug zu nehmen. Trotdem
ift fein Werkchen, wenn man bie verfchiedenen Faͤden verfolgen
wid, welche „der große König” Enüpfte und mit geſchickter Hand
leiten wußte, nicht ohne Nutzen gu gebrauchen. Kür die Ge⸗
dichte ber Dipfomatie ſelbſt ift die Negierumg Ludwig's KIV.
gerade ber wichtigfte Zeitraum. Die eigentliche Kunft der Uns
terhandlungen gewinnt eigentlich erft im 15. Jahrhundert wähs
rend der italieniſchen Kriege eine wirkliche Bedeutung, und bie
Ague von Sambrai kann als dee Ausgangepunft ber modernen
Dipiomatie betrachtet werben. Aber erſt in der zweiten Pälfte
ber 17. Jahrhunderts wind fie eine wahre Macht und kann es
agen, der militairiſchen Gewalt ben Borrang fireitig zu mas
de Wenn man ben Sharakter der Diplomatie in dieſer Per
siöbe näher ins Auge faßt, fo ſieht man zunaͤchſt, daß auf dies
fen Gebiete die Geiſtlichkeit, die bis dahin alle wichtigern Ge⸗
ſchaͤfte geleitet hatte, allmälig in den Hintergrund gedrängt
war. Auf dem Gongreß zu Muͤnſter wurde dem päpftlichen
Legaten Fabio Chigi zwar noch alle aͤußerliche Ehre erwiefen,
im G©tillen aber mußte ex ſich felbft Tagen, daß man ihm bie
Gewalt aus ben Händen gewunden hatte. ine andere charak⸗
teriftifche Eigenfchaft der franzöfifhen Diplomatie in diefer Zeit,
welche Filon mit Recht befonders hervorhebt, tft, daß fie durch⸗
aus monardifch erfäheint, d. h. daß fie einzig und allein vom
Könige ausgeht, der nach Guiduͤnken Verhandlungen anknuͤpft
und abbricht, Verträge ſchließt und wieber auflöft, während bie
übrigen Regierungen, die mit ihm in Unterbhanblung flanden,
mebr ober weniger einer Art von Controle unterworfen waren.
Dadurch ſteht Rubwig XIV. den andern Mächten gegenüber in
einem wefentlichen Bortheile, denn man braucht eben fein gros
Ber Verehrer der abfoluten Monarchie zu fein, um doch zuzuges
ben, baß ein König, der nur feinen eigenen Gingebungen zu
folgen braucht, dem Auslande gegenüber mit mehr Gneryie aufs
treten und namentlich feinen Maßregeln eine ungleich größere
Schnelligkeit geben Tann als ein Mann, der unter der Con⸗
teole irgend eines Staatskoͤrpers fteht. Diefer Vortheil war
befonder® groß in einer Zeit, wo ſich die Diplomatie in eine
Wolke von Geheimniffen einhuͤllte. Außerdem befam Frankreich
bet den Wiploniattfgen Verhandlungen noch einen gewiſſen mos
relifihen Einfluß durdy ben Immer allgemeiner werbenden Bes
br ber franzöfifchen Sprache, weiche um biefe Zeit das far
teiniſche zum größten Theil wenigftens ganz perbrängt hatte.
Man Tann indeffen die große Gewalt, welche Frankreich
im Austande ausübte, nicht biefen Umſtaͤnben allein zufchreiben,
fonbern ber größte Theil davon iſt auf Rechnung der Männer,
Werantwortlicher Heruuögeber: Deinzih Brokhauns. — Drud und Verlag von F. 7.
hatte 46 — 2 *8
Angelegenheiten zum Theil auf ———* der Innern m |
mit großer Worliebe trieb, zeigte ſich wenigſtens auf viel
Bere am Ten würbiger folger. XIV., ber nad
des Sardinatt Wobe bie Leitung ber erg ab
Reffourcen zu Gebote fanden. Lionne war
aller atifchen Werhanbiungen, ebalek
Anſchein geb, zur nad)
Er entfaltete Dabei eine ungeheure A
wir z. B. aus Mignet, daB der größte Theil ber f
Zuftructionen und fonftigen Staatspapiere, weldye auf auewaͤr⸗
tige Berhaͤltniſſe Bezug hatten, von feiner Hand gefchrieben
war. Filon, ber in feinen Werkchen Über bie Perfonen im ls
gemeinen mit Unparteilidgbeit urtheüt, fcheint uns den bedeuten⸗
den Einfluß biefes Mannes nicht gehörig gewürdigt zu baben.
kiterariſche Notiz.
Thue nach meinen Worten, aber nicht nach meinen Werten,
ober Ballen und Gpiitter, gilt factiſch von dem Buche eines
amertlanifchen Reiſenden, wie er fich ſeibſt nennt, ober eimes
reiſenden Amerikaners, wie er wel richtiger ſich neren follte:
„Notes of a tour through Tarkey, Grooce, Egypt and
Arabia petraea, to the Holy Land etc.; by E, Jay orrie,
an American traveller.“ Den Splitter aber nicht den Ballen
fiebt er, fo oft ex von ben Fehlern und Mängeln anderer Bänder
ſpricht und dagegen fein Nerdamerika Herausfiusicht. Und thue
nach meinen Worten, aber nicht nach meinen Werken, follte bie
Überfchrift des zweiten Capitels fein, in welchem er unter An«
derm von den Sklavenhaͤndlern zu Konftantinopel fagt: „Ihre
ſtoiſche Gleichguͤltigkeit gegen ben Zuſtand der Gkladen und bie
Art, wie ſie von ihnen nur wie von einer Waare rebeten unb
fie demgemaͤß behandelten, erregte min einen fo tiefen Abſchen,
baß ich mich freute, einen Ort zu verlaffen, wo ber Menfch dem
Vieh gleichgeſtellt wird.“ Gin Act ber MWicbervergeitung if
das in Neuyork erfgienene Buch In London nachgebrut worden
— prügelft du meinen Paffagier, prugle ich deinen —, und ber
Nachdrucker macht zu jener Stelle folgenbe Anmerkung: „Wie
kommt es, daß der Berf., nachdem er bie an einer Kamiäie eis
vitifirter ariechiſcher Ehriſten verübte barbariſche Grauſamkeit
aus fuͤhrlich erläutert hat, gerade hier keinen Vergleich zieht mit
feinem Vaterlande, für bie dortige nicht minder niedertr qrige
Behandlung des Afrikaners kein einziges Wort dat?“
Literariſche Anzeige.
Im Verlage von F. MC. Brockhaus in
ſchien ſoeben ierr Kuflage. Reipsig cs
Die Nahbaen.
n
Srederike Bremer.
Mir einer Worrede den Wertatterin.
Zwei Theile,
Gr. 12. Geh. 20 Ngr.
Die übrigen Schriften von Freberike Bremer : Die Xödter
bed Yröfitenten. Dritte Aufinge. — Rian. Braelte.Nufiuge. 2 Che.
— Dad Haus. Dritte Auflage. 2 Thle. — Die Semitte 9. —
Kleinere Erzählungen. — Streit und Friede. Zweite Auflage,
find fortwährend zu dem Preife von 10 Rgr. für den Theil zu erhalten;
die vollſtaͤndige Ausgabe in 10 Theilen koſtet 3 Thir. 10 Nor.
so@hand in Leipzig.
Bläfter
Liz
literarifpe Unterhaltung.
Donnerstag,
26. October 1848.
Genoveva. Tragoͤdie —7— —J— Acten von Friedrich
(Befchtuß a 24 28.)
Es iſt eine oft ausgefprochene Bemerkung, daß der
Dichter mit feinem Gedicht eins fei, weil der Dichter in
kin Gedicht Die kraͤftigſten Zropfen feines Deesblute gießt;
indeß der Dichter und fein Gedicht müſſen doch aud ges
Kolben werden. Der Dichter iſt rin ganger Menſch; das
Gedicht, und wäre es noch fo umfangreich, iſt doch nur
ein Theil des Dichters. Darum kann in dem Gedicht
Einzeines verfehlt, mangelhaft erfcheimen,, der Dichter if
dennoch wirkfih und wahrhaftig Dichter, ein Berufener
und kein Gemachter. So offenbart fi in Hebbel's „Ge:
noveva“ ein echt poetifcher Geiſt, voll Erfindungskraft, voll
Kraft zu poetiſcher Ausführung Der Stoff diefer Tra⸗
gaͤdie Liege theilwelfe auf dem Gebiet des Phantaftiſchen;
das phantaſtiſche Colorit hat der Dichter gelaffen und ges
geben, wo es nöthig war; aber feine Menſchen find wirks
lich Menſchen von Fleiſch und Blut, mit denen wir den:
in, empfinden, trauern und jubeln. Die Figuren der Wars
garetha und der Katharina hätten wirklich unfern Lichter
in die Gefahr bringen können, im Phantaftifchen zu weit
zu gehen, den Boden der Wirklichkeit zu verlaffen; aber
er weiß fich geſchickt und leicht Liber dieſe Gefahr hinzu⸗
helfen. Von der Erfindungskraft des Dichters zeugt fers
ner die Scene des Ritters Triftan, welcher der Genoveva
einen Brief vom Grafen Siegfried bringt. Daſſelbe Lob
verdient die Figur des tollen Klaus, der nicht bloß eine
zwiſchengeſchobene Figur iſt eder etwa nur dazu dient, das
vohfte Trekben der Dienerfchaft in Siegfriedi's Burg noch
mehr zu veranfchaulichen, fondern er iſt nothwendig, weil
duch fein Dazwiſchenkommen der Genoveva und ihrem
Kinde das Leben erhalten wird. Und fo zieht fich durch
die ganze — dieſe sihdtiche und reiche Erfindungs⸗
gabe des Dichters, welche die am ſich einfache Begebenheit
mannichfach und ſchoͤn ausſtattet. Was die Ausfuͤhrung
betrifft, ſo zeigt ſich auch darin des Dichters ungewoͤhn⸗
liche Begabung. Mr hat einen gluͤcklichen Griff darin, die
Perſonen durch Schlaglichter zu charakteriſſren; zum Bei
ſpiel als der Bitter Triſtan die —* welcher er Bots
[daft von em Gatten bringen rolf, erdlickt, ſagt er:
Ein echteg deutfchesMeib. or jcem Bid
Aus eines Mannes Aug’ wird fie Tu nu
Bar Jungfeau, und verjchtießt ſich In fh Test
Wie vortrefflich wird der alte Diener Drago gezeichnet,
wenn Golo ihn fragt:
Ben Uebſt du wol am meiſten?
Drag».
Immer Dan,
Fuͤr den ich juſt pas Meiſte thun kann.
Solo.
wie?
Dee
Ja, darin bin ich ſchwach. Wer mich nicht braucht,
Mir meinen Dienfl ertäßt, mich feitwärts ' tebt,
Mir fagt: „Geb, ruh iR aus”, den Lieb’ ich nicht.
Der macht mich ja zum Richts. Doch wer mid plegt,
Wer mix ven Edweh aus allen Poren ee,
Mer mid fo muͤd' macht, baß bie
Sin Himmelreih mir ſcheint, ben lieb Pr}
big
Und ohne dies * hatt’ ich's nicht aus.
Andy die Ausführung kleiner Zwiſchenſcenen iſt fo huͤbſch;
z. B. in Strasburg, wo Graf Siepfried keank liegt, vers
—* fi fein Edelknabe in ein ſchwarzaͤugiges Maͤdchen,
und in dem Unmuth, daß er mit feinem Seren fort fol,
fagt ee: „Ich wont', er würde kraͤnker als er —F *
mit er bliebe.” Was den Dialog betrifft, fo
durchweg aus der Situation herausgebildet, er tale
fih aus der Gemuͤthslage, aus der Gemuͤthsbewegung,
und ruht auf dem Charakter,
Durch das Alles manifeftirt Hebbel ſich als dramati⸗
ſchen Dichter. Hebbel dichter, er fchreibt nicht Theater⸗
ſtuͤcke; Hebbel dichter, weil er muß, nicht, weil re
feine Dramen auf ben Bretern fehen wild. Darin legt
des Unterfchied zwiſchen Hebbel und, um den Erſten
des GBegenparts zu nennm, Gutzkow. Gublow wii
durchaus buͤhnenrecht fchreiben; er bat das Buͤhnenrechte
ftudirt; wir hoffen aber von ihm, er treibt diefe Conceſ⸗
flon nicht zu weit. Indeß man wäre entſchieden im ers
ihum, wenn man glaubte, Hebbel's Dichtungen wären
nicht dramatiih. Ste find «6 darch und durch; und im.
dieſem Bewußtſein liegt die Kuͤhnheit begründet, daß Heb⸗
bei nicht zum Theater binabfteigen, ſondern daß er daſſelbe
zu fi) Heraufziehen will. Nur fo tft eine Megenerntion
der dramatiſchen Kunſt zu erwarten; diefe Conceſſionen,
weiche man dem Schlendrian bed Theaterherkommens, Deus
fadın Geſchmack des Publikums macht, dringen bie dra⸗
“4 UBS X
> . F
matiſche Kunſt in einen immer tiefern Abgrund. Nur
wenn die dramatiſche Poeſie ſich frei und ſelbſtaͤndig ent⸗
faltet, iſt Hoffnung zu einer Regeneration. Hebbel ver⸗
dient bie größte Theilnahme, weil er dieſe anzuſtreben
ſcheiat. Doch, wit wollten ia ein paar Welege dazu ge:
ken, daß Hebbel's Dichtungen wirklich dramatifih wären.
Wir erinnern zum Belege dafür an den Anfang der „Su:
dich” von Hebbel, an die Scenen zwiſchen Dolofernes dem
Dberpriefter, dem Hauptmann und der Gefandten der
fremden Völker. Auch die Volksſcenen in der „Indith“
find echt dramatiſch; und was wäre großartiger, gewalti⸗
ger, als die Scene zwiſchen Mirza und Judith, ale die
Letztere aus des Holofernes Kammer tritt; wer darin
nicht die größte dramatifche Kraft und Wirkung erkennt
und fühlt, der fcheint uns durchaus unfähig, über dergleichen
zu urtheilen. Kommen wie nun zur „Genoveva“ zurück.
Es ift wahr, was der Dichter in feinem Vorwort fagt,
das Ganze ſchwankt zwiſchen That und Begebenheit.
Daſſelbe hatten wir ſchon, ehe der Dichter es ausſprach,
bei der „Judith“ bemerkt; die Dichtung bekommt dadurch
einen epifchen Charakter, was auch in dem Vorworte, freis
lich nur ſehr leiſe, doch aber angedeutet zu fein fcheint.
In dem Drama felbft ift Alle® wunderbar ſchoͤn indivi:
dualifirt; das Ganze iſt eine poetifhe Geſchichte ber Leis
denfhaft mit ihrer Sturmflut, mit ihrem Meeresleuchten,
mit ihren Sonnenbliden; und Alles echt dramatiſch; es iſt
nicht Decorationsmalerei mit groben Zinten und Kleckſen,
aber es iſt auch nichts Verwiſchtes, Verblaſenes darin;
Altes menſchlich, fchön, plaſtiſch. Wollten wir das Dra:
matifche in den einzelnen Scenen nachmeifen, fo müßten
wir mit der erften beginnen und mit der legten aufhören;
maß ein Einzelnes herausgerifien werden, fo leſe man
(S. 95) dit Scene, wo Golo die Genovera um ihr Bild
bittet, das fie für Siegftied bat malen laſſen; welche
fhönen dramatifchen Lichter, welches Schwanfen und Din:
überfhwanten mit fleter Richtung auf einen Moment —
wirklich das iſt eine Scene, die wir den ſchoͤnſten dra⸗
matifchen Momenten unferer Claſſiker an die Seite fegen
fien.
Nah bdiefem Allen dürfen wir Friedrich Hebbel freus
dig begrüßen als Einen, an deſſen Namen ſich die geredy:
teften und fchönften Hoffnungen für die dramatiſche Poefie
und für bie dramatifhe Kunſt knuͤpfen. 29.
Die Entwidelung bed Voͤlkerrechts ſeit dem Weſt—⸗
faͤliſchen Frieden.
Es hat nie ein Voͤlkerrecht gegeben, ia welchem Sinne
man auch das Wort Recht verſtehe. Es iſt weder Das, was
man satürliches Voͤlkerrecht nennen koͤnnte, irgendwo anzutref⸗
„fen, noch ein poſitires Voͤlkerrecht. Hugo Grotius, von wel⸗
chem ſich bie theoretiſche Behandlung dieſer Materie herſchreibt
bie man Völkerrecht, droit des gons, law of nations nennt,
pi feine Theorie ber gu feiner Zeit vorhandenen Praris bes
oͤlkerverkehrs entgegengeftellt, unb bie Brunbfäge, benen bie
Rationen in ihrem Verhalten gegeneinanber folgen ſollten, aus
der Vernunft zu beſtimmen geſucht, nämlid aus ber Voraus⸗
fegang, daß ber Menſch bermänftigerieife geſellig Lebe und aus
dee Natur und ben Bebuͤrfniſſen ber Geſelligkeit fich bie Regein
d
des gefelligen Lebens mäßten folgern Laffen. ) Gr hat aud
geglaubt, daß ein pofitives Hecht unter ben Voͤlkern bereitä vor-
handen gewefen fei, und zwar Im Xltertbume bei Griechen unb
Römern, baber er claſſiſche Autoritäten in Waffe beibeingt.
Der letztere Irrthum liegt auf der Hand, ber erflere ift ver-
deckter. Wenn man auch unten Bedhe nicht Die Subſtanz wirk⸗
li anerkannter und gegen bie Verlegung aeficherter, von irgend
welchen Organen gehandbhabter Gelege, fondern ein turdy ben
allgemein gebietenben Geiſt feftgeftelltes und gewahrtes Herkom⸗
men verftebht, fo würde man doch im Alterthume nichts Anderes
von Rechten des Voͤlkerverkehrs auffinden koͤnnen als hoͤchſtens
die Helligung der Perfonen von Abgefanbten und Unterhänbiern.
Was aber bie vernünftige Baſis des Voͤlkerrechts betrifft, To
ift eben bie Sonderung der Menſchen in Bölker oder vielmehr
in Staaten felbft ſchon bie Bereinigung bes Socialprincips; es
t daher aus diefem legten feine Segel für pas richtige
Verhättnig der Staaten untereinander entnehmen. Jeder Staat
ruft dem anbern zu: Ich bin ichs und gönnt dem andern nur
fo viel Gutes, als er für ſich ſelbſt vortheilhaft findet. Da
man dies wohl fühlte, fo bat man in neuerer Beit das Voͤlker⸗
wohl oder das allfeitige Beſte, d. b. bie möglichft wenig jeden
einzelnen Staat benacptheiligende Ausgleichung der Intereffen
zum Princip des internationaten Verkehrs gemacht. Kurz, ber
Zuftand, in welchem ſich bie Staaten gegeneinander immer be⸗
funden haben und nod befinden, tft der Zuftend der Gewalt,
und das Recht, das unter ihnen gilt, ift gang eigentlich das
Bauftreht, von welchem jedoch unter Unftänden, bes eigenen
Bortheils wegen, von Einzelnen ober Allen, bie gerade in Be⸗
ziehung zueinander finb, abgeftanden wird. Daß das Ghriften-
thum einen Einfluß auf bie Feſtſtellung ber Wölkerverhältnifie
gehabt hätte, kann man nicht fagen; vielmehr bat die Ausbrei⸗
tung bes Chriſtenthums zu Kriegen gegen unchriſtliche Bölfer,
Bekehrungen mit Waffengewalt, blutigen Religionsfriegen und
ahllofen Barbareien geführt. Das Chriſtenthum muß man
echaupt aus dem Gpiele laflen, wo es ſich um politifche
Verhaͤltniſſe handelt. Das Chriſtenthum hat gar. nichts mit
ber Politik gu thun: es ſetzt das Heil theils in das Innere des
einjeinen Menſchen, theils in ein zulünftiges und jenfeltiges
Reich. Und von ber erften Zeit feines Entſtehens an hat es
alles Staatöwefen geradezu verneint, wie denn im apoftolifchen
Heitalter von ber Ghriftengemeinde das Privateigenthum befeis
tigt und Gütergemeinfhaft eingeführt wurde, fpäter aber bie
Kirche den Verſuch machte, die ganze Menſchheit zu vereinigen
und zu beherrſchen, wobei bie einzelnen Staatewefen nur aus
Roth von ihr gebulbet waren. Wenn nun ſchon das in Brauch
gebrachte große Stichwort „Chriſtlicher Staat” ein Unding ifl,
weit Staat und Gpriftlichkeit einander widerfprechen, fo if
noch viel weniger bad Ghriftentyum beim Verlehr der Staaten
untereinander betheiligt. Die Grunbfäge, nach benen bie Re:
gierungen der eucopäifchen Staaten in den legten Jahrhunder⸗
ten gegeneinander verfuhren, find, ungeachtet einiger allgemeinen
Anfiiten, welche von Beit zu Beit herrſchend winben, immer
nicht allein höchft wandelbar, ſondern auch, fo lange fie eine
Art Geltung hatten, dennoch, fo oft e6 ben Betheiligten vor:
theilhaft fchten, fidy darüber hinauszufegen, unmwirkfam gewefen.
Gine öffentliche Meinung hat fich in Bezug auf Das, was fid
unter Rationen gegiemt, niemals mit hinlaͤnglicher Sicherheit
gebitdet, unb wean fie b, noch weniger jebesmal im ein-
zelnen Falle ben Maßſtab für das Werfahren der Stegierungen
abgegeben. Die vorhandenen Documente des internationalen
Verkehrs, Tractate, Schiedsurtheile, Kriegemanifefte, Inter
ventionsredhtfertigungen u. dergl. fpreihen felten bie wahren
Beweggruͤnde des in ihnen eroͤrterten Verfahrens aus mad geben
ebenfo wenig von ben herrſchenden Anfigten über Das, was
ur Moralität bes Voͤlkerverkehrs A ren Zeugniß.
enn daher von einer Geſchichte des Boͤll t8 bie Rebe fein
*, Recht ik. was cum ipea natura rationali ei social osarenii.
(De jure beill et pac., I, 1, 10.)
fol, fo hat man daruter tur zu werfichen eine Geſchichte ober
Aberſicht Deffen, mas unter den Etaaten verbanbeit und gegens
einander vorgenommen worden ift, nebfl Angabe ber Beweg⸗
ünde, welche in den einzelnen Faͤllen geitend gemacht wurden.
as neueſte Werk, weiches diefe Materien behandelt, ift Wheaton’s
„Histoire des progrös du droit des gens en Europe de-
puis la paix de Westphalie jusque au congrds de Vienne”,
welches 1841 in Leipzig erſchien.) Das Refultat, welches ber
eat ferot aus feiner Arbeit am Schluſſe des Buchs zieht, iſt
olgenbes :
„Daß Teit dem MWeftfälifchen Frieden mehr die von Gros
tius und ben Juriſten feiner Schule aufgeftellten Grundfäge
weiter entwidelt und zur Klarheit: gebracht worden find, ale
daß man neue Regein für den internationalen Verkehr aufgefuns
den hätte.’
„Daß bie Ginführung feftfichender Gefanbtfchaften zur
Wahrung der gegenfeitigen Intereffen und bie Anerlennung biplos
matifher Privilegien allgemein geworben.”
„Daß das Juterventionsrecht zwar oft in Anwenbung ges
tommen, entweber zur Aufrechterhaltung des allgemeinen Gleich
geräte, ober zuc Verhütung von Gefahren, mit benen ein
taat durch die innere Politil eines andern bedroht wurbe, baß
aber feine gemeingültigen Regeln fich berausgeftellt haben, zur
Beurtheilung der Fälle, in welchen und des Umfangs, in wels
dem von ihm Gebraudy gemacht werben dürfte.“
„Daß die ausſchließliche Beherrſchung irgend eines einzel:
nen Meers als eine barbarifche Anmaßung erkannt, das allge
meine Net, den Dcean für Schiffahrt, Handel und Fifchfang
zu benugen, allgemein zugeftanden und das Durchſuchungsrecht
auf Kriegszeiten befchräntt worden.”
„Daß das gemeinfame Recht zur Benutzung ber Scheide,
des Mheins und der übrigen großen Fluͤſſe Europas für bie
Schiffahrt anerfannter Brundfag geworden.‘
„Daß bas Golonialmonopot faft ganz verfhwunben und mit
ihm die Frage über das Hecht ber neutralen Mächte, in Kriegs⸗
zeiten einen in Wriebenszeiten verwehrten Handel zu betreiden.’'
„Daß der Sklavendhandel allgemein als ein Schandfleck ber
Menſchheeit verurtheilt, obgleich nicht überall thatſaͤchlich und
feib nicht überall geſetzlich aufgehoben worben.”
„Daß die Geſetze für den Krieg verbeſſert und unter ben
civilifirteften Nationen humanere Kriegebraͤuche angenommen
worden; unb daß durch ein übereinkommen, weiches ben Oan⸗
det der in Frieben lebenden Mächte vor Beeinträchtigung durch
die Eriegführenden ſchuͤzt, ein bei ber herrſchenden Ungewißheit
der Rechte neutraler Waͤchte fehr wichtiger Fortſchritt gemacht
worben.’' "
„Daß ber Bereich, innerhalb deſſen voͤlkerrechtliche Grund⸗
füge en, buch den Zutritt ber Staaten ber weftlichen Ges
miſphaͤre, durch die Geneigtheit bee Türkei, ſich den Bitten der
chriſtiichen Staaten zu näbern und durch das fich immer mehr, auch
unter den minder civüifirten WBölfern verbreitende Gefühl ber
Moethwendigkeit, gegenfeitige echte und Pflichten anzuerkennen,
hetroͤchtiich erweitert worden.”
- „Daß bie wiffenfchaftiiche Bearbeitung des Volkerrechts mit
. Bortfehritten der Philofophie und der Geſchichtekunde forte
eſchritten.
⸗ „Daß endlich das Voͤlkerrecht mit dem Wachethum der
Cipiliſation, unter deren Erzeugniſſen es eins der ſchaͤtbarſten,
zu einem wirklichen Syſtem poſitiver Beſtimmungen geworden iſt.“
Das Lestere iſt im Allgemeinen ſchon in den obigen eins
ltitenden Bemerkungen geleugnet; es ift aber faſt keiner ber
Wiraton’fchen Säge, der nicht der Widerlegung oder wenigflens
bedeutender Ginfchränkung bebürfte. Da eine ausführliche Er⸗
dterung jedes einzelnen Punktes, welche und tief in bie Ge⸗
{dichte der legten Jahrhunderte einfähren würde, bier nicht
möglich iſt, fo möge es genügen, einige triftige Bemerkungen,
N) Bot. einen ausfährlien Bericht daräber in Nr. 333 — 817
d, u. f. 1088, D. Keb.
welche das „Mdinburgh review” dagegen gemocht Hat, bier
fur; und auszugerbeife mitzetgeilen. GSogleich wie ee
daß bie Grundſaͤde, welche Grotins aufgreſtelt yar, tm Vefenc⸗
ticyen beibehatten unb zu weiterer Eatwickelung gefühet werben
wären, it in fi, men man, nur einige der wichtigtten
Punkte ind Auge faflend, bedenkt, daß das Interventionsredkt,
weiches Grotius eins für allemal verwirft, in ſehr aus⸗
gedehnter Geltung iſt; daß die Zulaſſang von fremden An
tern auf unbefegten Landſtrichen, falls die Wremben ſich me der
Couverainetät des befigenden Staats unterwerfen wollen, welche
Zulaffung Geotius unbedingt fobert, jegt nidgt anerkannt wird;
daß das Durdyzugscedht durch neutrale iete, Gr
tius allen Eriegführenden Mächten zuerkennt, jest nicht ohne
weiteres zugeflanden wird; daß bie Auslieferung ober wenig
fiens die Seſtrafung gefiädhteter Verbrecher, welche Grotims
von jebem Gtaate fobert, jegt verabfcheut zu werben pflegt u. f. w.
In Betreff des Interventionsrechts if die Gleichſtellung
ihrer Ratur nach fehr verfchiebener Fälle anzufcchten, nämlich
bes Falls, wo zur Aufrechterhaltung des Gleichgewichts, - ober
eigentlich zur Beſchraͤnkung ber Wacht irgend eines Staats,
und des Falls, wo zur MBerbütung angeblich von der Innern
Politif eines Staats dem andern ober mehreren andern Staaten
drohender Gefahren eingefcheitten wird. Die Intervention,
weldye gerade einer ber wichtigſten Punkte in den internationas
ien Berhäitniffen ift, zeigt am deutlichften, wie von Recht und
Rechten im Umgange der Staaten miteinander gar nicht die .
Sale fein ae ce ce —— iſt in dem einen
a echt des ern, ſich vorzuſehen und
im andern Falle das Recht des Ar Pan ua A —
u ng
Defien, was ihm gut ober zwedimäßig fcheint, d fe
Es handeit fih hier entweder um das Mein und A —
archen, wobei bie Voͤlker und deren Intexeffen nicht gefragt
werben, ober um Principien, und im legtern Falle, wenn men
etwa bie Interventionen ber franzoͤſiſchen Republit absechnet,
wiederum um die Au haltung eigentlich nur Eines Principe,
bes monarchiſchen. Zwar haben Fürften in vielen Faͤllen ſich des
Unterthanen gegen feinen Oberherrn (mie Belgiens gegen Leo⸗
pold II.) angenommen, dann aber in ihren Manifeften fs woht
gehätet, bie Frage zu einer principiellen gu maden: es bieß
dann immer nur, die Ginfcjreitung werbe zur Erhaltung des
Gleichgewichts und ber Rube Europas gefodert. Wenn es aber
galt, einem Souverain beizufichen, fo swurbe immer offen aus⸗
gelprocgen, daß man bie Prärogative ber Kronen nicht bürfe
wankend werben laffens in ber Piüniger Sonvention erfiärten
der Kailer und der König von Preußen: die Lage des Könige
von Frankreich fei ein Gegenſtand der Bekuͤmmerniß für alle
Souveraine Suropas, und man hege das Vertrauen, baß keine
der Maͤchte es unterlaffen werde, bie wirkfamften Mittel anzu⸗
wenden, um ben König von Frankreich in Stand zu fegen, bie
Grundlagen ber monarchiſchen Herrſchaft ben Rechten des Sou⸗
veraine gemäß in volllommenfter Breipeit ſicher zu flellen. „Es
ift kaum nöthig”, bemerkt das „Edinburgh review”, „unfere Les
fer zu erinnern, daß das Gollegenthum ber Souveraine von
em ftärfern Ksprit des corps befeeit iſt als irgend eine an»
dere gleich zahlreiche Claſſe In der Welt. In Kolge bes beſtaͤn⸗
bigen Deirathens untereinander find fie durch Bande bes Bluts
und ber Verwandtſchaft bergeftait miteinander verknuͤpft, daß
über alle Throne Europas fich eine einzige Kamille. verbreitet:
ihre abgefonberte unb unzugängliche Stellung enträüdt fie ber
Geſellſchaft und fie haben ihres Gleichen nur in ihrer Gpbäre.
Sie vernehmen Feine anbere Sprache als die ber unbedingten
Ergebenheit in ihre Intereffen und felbft ihre bloßen Wuͤnſche,
und was noch wichtiger ift, fie haben alle einen gemeinfamen
Beind vor Augen, ben wachſenden demokratiſchen Sei Geit
dem 16. Zahrhundert, wo bie vereinigten Provinzen Philipp’s LI.
Joch abfiüttelten, bat jedes folgende Zeitalter ſtets wichtigere
Siege der Volkemacht über bie Penigliche Madıt herbeigeführt.
Die engliſche Revolution bezeichnete das 17. Jahrhundert, b
und
nordamerikaniſche und bie franzoͤſiſche das 18. Jahrhundert
0 | |
Literarifge Notizen.
Werke aus Brafitien.
eine
ur der Rhetorik am Collegium Pedro II. zu Rio Janeiro
ae Er beginnt feine Belhicte Wortugals, mit einer Uns
hrt fie dann von den erſten @infällen der ae bis zur
echs Bücher
getdeitt, von benen das lehte von ben Gortes, den Befegen, dem
derbau, der Inbuftrie, dem Handel und dem Zuſtande der
Känfte und Wiſſenſchaften in Portugal handelt. Gin Anhang
von 47 Seiten gibt einen überblick Über die Vorgänge während
der Sabre 1823 — 33, welche die Wiebereinfegung der Donna
Maria da Gloria auf ben Thron Ihres Waters zur Folge hatten.
Bei Abfaffung bes erften Buchs Hat der Berf. namentlich
die wichtigen Memoiren der koͤniglichen Akademie zu Liſſabon
zu Hathe gezogen, bie vorzüglich für bie Ältere Periode der
„In Seinem Gtaate feheint es für edit zu gelten, daß | portugtefifchen Geſchichte eine wahre Fundgrube bilden. Bon
men ſich in die anern Ingelegenpeiten des Rachbarſtaats eins | den übrigen Quellen, die der Merf. mit vieler Umficht benust
milde, um die Unterthanen gegen Bedruͤckungen ihres Bomves | Hat, find vorzüglich bie „Denkwuͤrdigkeiten Aber des gows
sind in Schut zu nehmen; dem Beſtande des anerkannten | des Dom Pedro in Portugal” (2 Bde, Rio Janeiro 1833) u
Bbtterecches nach erſcheint es zweifelhaft, ob ein Volk irgend | erwähnen, welche den verftorbenen brafitifchen Marfchall Dom
ein Beiht gegen feinen Souvetain habe, und gewiß, daß wer | Gunba Mattos zum Berf. haben. Graveiro iſt in der Anord⸗
auswärtige das Reit habe, ein ſoiches, nung und der Werarbeitung des Stoffe gleich giädlich geweſen.
— *. —— 8 ee an cs N Bein Stit ift Klar, einfach und nicht ohne Heiz.
v Oftreihe Dreupen * Schriftſtellereigenthum in Italien.
Rochte eines Souverains gegen feine Unterthanen Lediglich durch Mlancimi, Arposat und Miitglieb
insbefondere einen Aufſetz über das literariſche Eigenthasrecht
Sum ben eigienen Der Berf IHRE
t dem einen, erſchienen if. : Verf. bebar i ß
* sche Fetten — — fei a cit — — "reben. fe, ber gerabe gegenwärtig in Neapel vielfady in Ancegung ‚geboms
das Abrige Curopa zu lenken (to gevern the rest of Europe),” | MEN Pia vom Augtmeinen haben fid) die italienifchen Regieruns
Gegen den Gay, daß der Kriegsbrauch humaner regulist | MR FR ’ Be it t, dem reiht fasbinifchen Bertrage
worben fe, ſpeicht unfer Kritiker feinen gerechten Zweifel aus. | FM } Aug bi erarifhen Gigenthums beigupflicten, nur
Die Eprade der Gkhriftenverfaffer ift hrifkticher gemors | ii a beider Sicitien nimmt no Anftand, ſich biefems
ben, als fie es zu Srotius und feiner nädften XRachfoiger Zeit | mans dt. Rır eh een, elek 6.508 Bolt ſetbſt dringend
war; aber es liegen wenige Beiſpiele por, daß Regierungen, ſchluß ausgeſ chen. Dieſen be
ober nationale Zribunale bemüht hätten, dem Kriege et Auffat mit eben — Geh als — —
was von ſeiner Scheußlichkeit zu rauben. Ja, wir fuͤrchten, fh ‚Thon duch m —* * pn a Ra bat
daß es Beiſpiele gibt, denen zufolge bie Kriegsgefege barbarifcher emadht und iR * mit feiofnenbigen Arbeiten slannt
geworben find, wie benn bie fehönen Känfte und Miffenfchaften, | 9 Perke ‚gegen —5— Bollenhung, von mei me
denen Friebrich II. noch Müdtficht zollte, in ben franzöfifchen faflenden erken beſchaftigt, von bemen das «ine sine pikkofes
Kriegen idres Borrechts vertuftig gingen. Und dann bie —* dertan —— — Das andere einen Ciemen⸗
n Beifpiele: die Branzofen in Algier und die Briten in arſe allgemeinen Rechts geben wird.
N Production des Golbdes.
Gegen die Behauptung, daß das Durchſuchungsrecht auf Die wichtigen Berhandlungen in ber franzöfffden Deputirten⸗
Rriegegeiten beſchraͤnkt worden, ſtellt unfer Reiten ben Sag | kammer Über das Umfchmelzen gewiffer Dear Morten haben in
auf, daß baffelbe im Segentheil feit ber Zeit des Weftfäliichen | diefem Jahre nicht zu Ende geführt werben Können, werben aber
edens auf Friedent ausgedehnt worden, indem ehemals ſicherlich in naͤchſter Seſſton wieder aufgenommen werben.
gar Fein Grund in Priedenszeiten vorlag, ein fremdes Schiff | Wei dieſer Gelegenheit haben einige feanzöfffe Journale ſich
zu burchfuchen, vielmehr erſt durch die britifchen Zractate zur | auf einen intereffanten Auffag bezogen, den Dumboldt in ber
Unterbehdtung des Sklavenhandels ein foldyer Grund gefihaffen | „Deutfchen Vietteljahreſchrift“ über die Production des Goldes
worden iſt. Aber es tft Mar, warum ber Gefandte der nord» | mitgetheilt hat. Gegenwärtig erhalten wir nun ein neues Wert,
amerikaniſchen Freiſtaaten es für einen Grundſat bes Bbiker⸗ was biefe wichtige Brage naͤher beleuchtet. Es führt den Titel
zehts gi daß ten Schiff u „Brieden er —E 33 > 3 F production en *53 au Mexique”, von
den : man brambt nur an die legten 3wi n n t⸗Clair Duport. Der . hat feine Beobadı n
der Nylon mb Großbritannien zu denken. u Ort und Stelle gemacht. Bei Hung, a
Der⸗aniweortiicher Derauägeber: Heinrich Broddand. — Drud und Verlag von F. X. Broddand in £eipsige
”., 21
.. frur
literariſche
Blätter
Unterha
‘
tung.
Freitag, 0 — Kr. 300. ——
Die deutfche poetifche Literatur feit Klopftod und Xefs
fing. Nach ihren ethifhen und religtöfen Geſichts⸗
. punkten., Bon Heinrich Gelzer. Leipzig, Weid⸗
mann. 184]. Gr. 8. 2 Thlr. 15 Ngr.
Der Verf. diefer Schrift hat in Baſel vor einem ge:
mifhten Publicum Vorleſungen über die neuere Geſchichte
der deutſchen Literatur gehalten und auf Antrieb der
Verlagshandlung biefelben zu dem gegenwärtigen Buche
umgeformt. Er wuͤnſcht, daß feine Sefer, wie es der
größte Theil feiner Zuhörer gewefen, mit feiner religiöfen
Weltanfhauung bekannt fein möchten, weil auf dieſer
feine Auffaffung ber Literatur beruhe. Er will bie ſitt⸗
lihe Grundlage in ber neuern Literatur auffuchen oder
vielmehr er beabfichtige eine Gegenüberftellung der chriftlicy:
ethiſchen Weltanſicht mit derjenigen ber modernen deut:
(dem Bildung. Dabei hegt er weder vor Denen Scheu,
die das chriſtliche Glaubensleben zu heilig achten, um es
zu befprechen, noch vor Denen, die dem modernen äfthe:
tiſchen Paganismus zugetban find; er. hofft vielmehr, daß
fein Buch puritanifcger Enghetzigkeit wie atbeiftifcher Herz:
loſigkeit gleich fehr zum Argerniß gereiche, und er legt es
Denen an das Herz, die aus der Wahrheit feien und in
der Wahrheit die Freiheit gefunden.
: Der Standpunlt des Verf. ift demnach ein neuer.
Das äftherifhe Maß ift ihm ebenfo fremd wie das lite:
rarhiſtoriſche; er handhabt dasjenige der Moral. So in:
tereffane es nun aud fein mag, die bekannten literari:
(den Perſoͤnlichkeiten vor dem chriſtlichen Beichtſtuhle zu
finden und ihrem Belenntniffe zu laufen, fo muͤſſen
wir doch gleich von vornherein bemerken, daß der Verf.
eine falſche Behandlungsweiſe gewählte bat. Die Poeſie
wird, wenn fie echt iſt, allerdings immer eine ſittliche
Grundlage haben, aber daß bdiefelbe nun durchaus eine
riftliche, eine dogmatiſch reine fein muͤſſe, leugnen wir,
Domer ift ein größerer Dichter als alle Diejenigen, von
denen bier im Buche bie Rede ift; es iſt bis jege nur
wenigen Traͤumern eingefallen, ihn deshalb geringer zu
achten, weit er nicht chriftlih, weil er nur ein armer
Heide war. Er kannte das Chriſtenthum nicht und kann
für diefe Unmöglichkeit der Kenntniß fo wenig verant:
wortlich gemacht werden wie das Alterthum Überhaupt.
Wiewol er nun vom chriftlihen Standpunfte aus be:
trachtet zu nichte wird, fo bleibt er dennoch ein großer
Dichter, ja der Dieter ſchlechthin. Daraus geht denn
die einfache Lehre hervor, daß ein Dichter und eine Did:
tung mit anderm Maße als dem der chriſtlich⸗ ethiſcheu
Weltanficht gemeffen werden muß, mit einem Maße, das
‚überall und immer gilt, entweder mit dem hiſtoriſchen
oder mit dem aͤſthetiſchen. Die Poefſie hat, wie das
feit undenklichen Zeiten anerfannt tft, nicht den Geſetzen
der Moral, fondern dee Schönheit gebient, und wir bee
Eennen auf die Gefahr bin, von Hm. Gelzer für einem
modernen Spbariten gehalten oder.gar zu den atheiſtiſch
Herzlofen geworfen zu werden, daß eine Beurtheilung ber
Erſcheinungen der Literarur im Zuſammenhange und im
Einzelnen nad religidfen Principten nur in krankhaften
Zeiten und von krankhaften Geiftern gelibt werben kaun
und geübt worden iſt. Ein Gedichte fol fo wenig eine
Predigt als eine Deduction fein.
' Wir find meit entfernt, an dem Werke des Verf. ein
rgerniß zu nehmen, fondern betrachten es mit jenem
rubigen Gleichmuthe, der uns den hochmüthigen Erſchei⸗
nungen gegenüber immer erfüllt, die gegen die feſtgegruͤn⸗
dete Drdbnung der Dinge mit ebenfo viel fubjectiver Si⸗
cherheit ale objectiver Ohnmacht fi auflehnen. Wir
behalten unfer chriftliches Glaubensbekenntniß ftil fir uns
und maden uns das Vergnügen, an dem Beichtſtuhle
des Verf. ein wenig zu Saufen. '
Die wenigen einleltenden Worte ſtellen den Satz auf,
daß an Frankreich die politifhe, an Deutſchland die gels
flige Role ausgetheilt und daß es fpeciel dem Letztern
jur Aufgabe geworden fei, Religion und MWiffenfchaft su
tragen. In der Vereinigung beider Liege die wahre Be⸗
deutung der Miffion des bdeutfchen Geiſtes. Die Klaͤg⸗
lichkeit diefer Anficht leuchtet von felbft ein. Unfer Va⸗
terfand, mit feinem „Volke von Dichtern und Denkern“,
fol ewig bie befcheidene Rolle des Dichtens und Denkens
der Frommen und Wiffenden fpielen, und alle Hoffnung
auf eine Zeit, wo Dichten und Denken dem Handeln un⸗
tergeordnet oder mit der That in fehönen Einklang ge⸗
bracht fein werden, ift uns für alle Folgezeit benommen!
Werfen wir aber einen Blick zuruͤck auf das weite Be:
biet unferer taufendjährigen Literatur, fo ſtellt fich die
Sache ganz anders dar. Wo ein Auffhwung und eine
Blüte der Literatur zu treffen, da iſt auch eine große
politifche Regung im Wolke zu treffen. Die ſchwaͤbiſche
Te: * 1902° :
Zeit mit ihren großen Kämpfen und ihrem thatkräftigen
Volke trug den fhönften Schmud mittelalterlicher Poeſie;
ohne den großen politifchen Kampf der Reformation würde
bie deutſche Literatur gicht jenen majeſtaͤtiſchen Anlauf
agusmmen, haben, der feider allzu bald in ber Ohnmacht
und politiihen Erdaͤrmlichkeit der folgenden Zeiten vers
fiechte.” Aber als im vorigen Jahrhundert die Literatur
fich wieder ermannte, da that fie ed nur mit dem Auf:
ſchwung des politifchen Lebens Hand in Hand. Sollen
wir,.gn, die Bewegungen „esinnern, bie durch die legten
Kämpfe in die Literatur kamen, an das gewiß rege Le:
ben der jüngften Zeit, deſſen Anftoß wieder nur ein poli⸗
ſtracte Kenntniß bes Schönen, die zur egoiſtiſchen Wer:
‘feinerung des Lebens hinreicht, fondern das ganze Alte:
thum mit feiner ewigen und Maren Schönheit, die mäds
siger und reiner zur Veredlung des menfchlichen Befchlschte
gewirkt hat als pieriſtiſthe Kopffingt —53 —
Hochmuth. Wo die Macht der Schoͤnhäit id eindr Geel⸗
waltet, wird das Vorkommen von Fehlern nicht unmoͤg⸗
lich gemacht fein, aber dieſe Fehler find nicht die Folge
iener Herrſchaft des Bewußtſeins und des Dienſtes der
reinen Schoͤnheit, ſondern ſie kommen vor, weil die Seele
eine menſchliche, keine gelaͤuterte iſt. Der reine Dienft
der Schoͤnheit bewahrt aber vor dem ſittlichen Sinken
tiſchet war! Wo Großes hei uns aufgewachſen, da iſt es gewiß ebenfo ſicher nie zelokfcher fee und: fehnmneinde
anf einem von politiſchem Leben befruchteten Boden ges
ſchehen, und die Hoffnung iſt aus den ſtatken und ge:
fanden Geiſtern nicht zu verbannen, daß unfere Literatur
in Zukunft duch, Verfchmelzung mit den politifhen Ele⸗
wenten eine neue Geſtalt und eine würdige und große
Rolle annehmen muͤſſe. J
Die Ahdandlung begirint, mit Klopſtock. Es iſt rich⸗
tig, daß Klopſtock'e Bedeutung eine hiſtoriſche if. Er
gilt. in Ruͤckſicht auf feine, Zeit, der er ein neues Ele:
ment zuführte,. in Ruͤckſicht auf feine Vorgänger, die er
durch Selbfländigkeit iberwand, Aber wenn diefer Werth
Klopſtock's nur der Behandlung eines veligiöfen Gegen:
ſtends beizumellen waͤre, fo würde er heute und gleich
damals nicht an. Gewicht haben verlieren können. Der
Stoff erfüllt noch heute und in alle Ewigkeit die Men:
ſchen, aber ex war zu heilig für die Form, er war voll:
kommen disparat, er. wollte erbauen und die Poefie lieh
fih nicht zum Werkzeuge det Erbauung machen. Der
Stoff, deilen ſich Klopſtock bediente, iſt uns, von ber
Form, in welcher er ihn gab, abgelöft, vertrauter und
näher und darum, hat Deutſchland die ganze Dichtung
fallen laffen, ohne dem Dichter das Opfes- eines from:
men und ehrenden Andenkens zu verfagen. — Ähnlich iſt
es mit Gellert bewandt. Während feine religiöfen Dich:
tungen als Gellert’fhe fo ziemlich verfchollen find, leben
feine auf praktiſcher Weltweisheit beruhenden Fabeln eroig
jung unter und fort und fein Name iſt dabei nicht wie
hei feinen Oben verloren gegangen. — Armet Windelmann!
Wie gering wird, er hier abgeſchaͤzt! Er hatte nur eine
Sehnſucht: die Schönheit zu erkennen; er war ein Menſch
nur nad einer Seite hin lebend, „Die natlrliche umd
die kuͤnſtlexiſche Schönpeit hat er erkannt; bie hohe Schön:
beit der fittlihen Weltordnung, die das Chriftenthum of:
fenbart, ift ein verfiegelted Buch für ihn geblieben.”
Hätte er doch Lieber fromme Morgen: und Abendopfer
ſtatt feiner Kunfigefhichte gefchrieben, oder über die fitt:
liche Weltordnung wie ein Laie ftatt Über die ewigen
Geſetze der Schoͤnheit wie ein Wiffender geredet! Die
Unzulängsichkeit ‚des ethiſchen Maßſtabes kann nicht deut:
licher hetnortaeten als in dieſem Abſchnitt über Winckel⸗
mann. Ein Menſch, der nur dem Princip eines ver⸗
feinerten, Sinnengenuſſes — wird nie die geſchichtli⸗
hen Wirkungen hervorrufen, die Winckelmann hervorge⸗
rufen hat. Er gab unſerm Volke nicht blos die ab⸗
Unduldſamkeit immerhin. u _
Leſſing's Verdienſte wetden bereimelitig arteefannt.
Ohne ihn keine deutſche Kunſt. Aber was die freigebige
Rechte dargereicht, nimmt die kargende Linke ſofort zu⸗
ruͤck. Leſſing ſchuf die Kritik und befreite fein Vaterland
vom fremiden Joche. Das wird ihni zur Ehre geſchrie⸗
ben. Da aber, wo er mit der ſchoͤnſten Blüte ſeines kriti⸗
(hen Wirkens, mit feinem „Nathan“ auftritt, ſtoͤßt er auf
Miderfpruh. Die Tugend if, nad dem Berf., fein
freied Gewaͤchs auf dein Boden jeder Religion: Niche allein
ohne pofitive, fondern auch ohne hriflliche Religion keine Zus
gend. Er wird — in einer Ercurfion durd feine thes⸗
ogifchen Streitigkeiten — bebauert, weil feine Lebensan-
fiche sich nie chriſtilich gereinigt und erhoben habe, aber
ihm gefchikht die Gerechtigkeit, daß der Eifer feines Gere:
dens über die träge Indolenz der flumpfen Gemüthsruhe
geſtellt wird. Eine traurige Gitechtigkeit! — Hamann,
Leſſing's größter Zeitgenoffe (S. 39) habe die Richtun⸗
gen Klopſtocks und Leffing’S ſowol beſchraͤnkt und ergänzt
ald vertieft. Er wird den Erſten und Gtößten umter
denn chriſtlichen Denken der neuen Zeit beigefilt. Nach
Are wahrhaft großer Menfchen habe er In feinem Geifte
ben dichteriſchen Schwung Klopfiod’E und die alffeitige
Forſchungskraft Leffing’6 in feinem Geiſte vermählt und
an religiöfem Tlefſinn Beide weit übertroffen. Er babe
den Zwieſpalt zwiſchen Gtauben and Wiffen überwunden.
In allen feinen Schriften fei Ein Sinn: die geiftige
Vertrerung des Chriſtenthums gegen Widerfacher, unter
denen er wie Shnfon unter den Philiſtern erſcheine. Er
fi ein Mann der Zulänft geweſen, begeiſtert dom Bei⸗
fall eines fpätern al des 18. Jahrhunderts. War Has
mann’s Einfluß ſchon im 18. Jahrhundert gering und
auf einen Pleinen Freundeskreis beſchraͤnkt, fo iſt er im der
Folge auf und unter Null geſunken. Die Charakteriſtik,
die Gerdinus von diefem Manne entwirft (IV, 436) if
fo treffend und tichtig, daß wir auf diefelbe verweilen
koͤnnen, um das Gerede Hen. Geljer’s zu wibderlegen.
Wie Winckelmann uͤbet wegkommt, weil er nike m
Sinne diefee Schrift des Den. Gelzer fittlih war, fo
kommt Damen zu dem unverdienten Palmenktange, weit
er zufällig mic ber Auſchauungsweiſe des Verf. zu har
moniren fcheine, und fo wirb aus fubjeetiven Gruͤnder
die ganze Literatur und die Beurtheilung derſelden auf
den Kopf geſtellt.
— —
Dev - Weinen: irrt: Wieland ie crefflich. Hier kam
dem Bf, fein: Priucip gut zu ſacten. Wir wollen
damit aber miht gebtuigt Haben‘, daß Wieland und ſein
Mieken Wine den! mworntifchen: Kamm geſchoren werden.
Es gibt eins andere‘ Seite der Auffaffung und vor dieſer
hätt Wieland gleichfalss nicht Stich. Es iſt die aͤſthetiſch⸗
hiſtoriſche. Me Wictand if das Meiſte veraltet, weil eo
von Anfang an auf fchwaͤchtichen Grunde beruhte. Seine
erſte Periode iſt charakterloſe Schwaͤrmeret für Dinge, dee
nen feine ganze Natur widerſprach/ Er wollte die Mu:
fen zu Aufwaͤtterincen der Tugend machen, aber Die
Mufen ließen ibn im Stich. Er zog gegen die Dichter,
die ſchwaͤrmenden Anbeter des Bacchus und der Venus,
zu Felde umd gefellte ſich dann fetbit ihnen bei; er fühlte
von allen Dingen, ja von fich ſelbſt entbiäßt, nur Gott,
und ſchien fpäter nichts zu kennen als Lüfieenheit und
Genuß. Der Eräftige männliche Charakter fehlt feinen
Dichtungen; Alles iſt greiſenhaft und hinfällig, Wir find,
firenger als der Verf., aber aus amderm Grunde, nicht
einmal in Stande, den „Oberon“ von diefem Urtheile
auszunehmen. Mag die ethiſche Grundidee reiner und
geläuterser fein als in Wieland's übrigen Werken: die
ganze Art und Weiſe der Formgebung iſt undeutid und
nur das Fremdartige diefer roſazauberiſchen Blendwerke
kann die Jugend mit Glut erfüllen, dem reifen Ge:
ſchmack wird dies gemachte Maͤrchenweſen, Hinter dem
überall die Stepfis hervordugelt, dem Blick des Geſchichtskun⸗
digen wird dieſer Vorpoſten franzoͤſiſcher Poeſie misfallen.
Es folgt ein Abſchnitt über die Dichter des Hain⸗
bunds, denen Bürger angereiht if. Wir koͤnnen uns
bie kurz faffen, da He. Gelzer ſelbſt nue collectiviſch und
inapp zu Werke geht. Buͤrger wird bemitleidet. Fried⸗
licher und seiner ſtimmt der Blick auf Hoͤlty, der gewiſ⸗
ſermaßen ein einziges früh abgebrochenes Gedicht geweſen.
Seine Sehnſucht nach Einfachheit und Natur, nad) Frei⸗
heit und Seelenfrieden war das ſtille Gebet ſeiner Zeitgenoſſen.
Seine religidſe Sehnſucht wird nie ſchwaͤrmeriſch, feine Lebens⸗
freude nie uͤppig.
J. G. Jacobi findet zur Klage die verſoͤhnende Auf:
loͤſung. Ihm ift die Natur, in deren Genuß er feine
Freude fucht, Offenbarung eines Unſichtbaren, Hoͤhern,
dem er ſich ahnend nähert.
Frig Stolberg ift Enthuſiaſt für die Ideen von Frei:
heit und neuer geiftiger Erleuchtung, ihm find die Namen
eines Tell, Brutus, Hermann, Cato, Timoleon Triumph⸗
gelang, er verfpottet die Verehrer der Pfaffen, und im
Bertranen auf feine claſſiſche Bildung ironifirt er den un⸗
fehlbaren Papft; ee ſchilt die Fuͤrſten, Väter ihres Das
tetlands, die fich vor dee Wahrheit fürchten, die Rechtes
gelehtten, die das Beleg wie Wache kneten, die Hof⸗
fhrangen, die gruͤnen Fliegen um das todte Aas des
Staats ſummend. Aber ald die Sugenbideale zerrannen
und feine religioͤſen Beduͤrfniſſe ſich mit der herrſchenden
Zeitrichtung entzweiten, wurde er ein Unfreier.
Der Übertritt wird gebilligt, wenigftens fo, daß bie
Gegner beffelben (Beim, Voß) als Fanatiker der Ders
nunft gejsichwer werden. (Der weitlaͤufige Excurs i
diefen Gegeuſtand gehört weniger der Darſtellnug der Ei:
teratur, ale der Befriedigung. eines Lieblingthemas des
Bf, an, Wir übergehen ihn, da er meiſtens nur, Wies
derholung Defim If, was. man in Schott's Buche finder,
wenngleich die tendemziöfe Anordnung dem Verf. gehört.)
Bei der Chaxtalteriſirung Voß' erfahren wir die
Stiftung des Hainbundes, jmed Bundes natürlicher Un⸗
gezwungenheit zur Zeit einer gezwungenen Unnatur, Voß
iſt der Träger Deiln, „was man moraliſchen Vernunft:
glauben genannt hat‘. Ä
Über das Verhaͤltniß von Religien und Moralität und üb
die Stellung bes Chriflenthums zu ben übrigen Religionen i
ee wol nie zu einer fihern Einheit gelommen. Wahres, Dalbe
wahres und gang Gchiefes hat er in ber verwirrenden Art ge
mengt und gemifcht, bie noch jegt in vielen Köpfen ihr Welen
treibt (SG. 147).
Doch babe in ihm, fobald ihn der Parteibaß nicht
verfchlungen, eine tüchtige, vedlihe Natur, ein treues
Mohlmeinen gewaltet, dem man einen berzlihen Antheil
wicht verfagen könne (S. 151 fg). Seine Gedichte —
gereimte Zeitungsartitel — feine verdienflliben Gr-
klaͤrungen und Überfegungen des claffiichen Alterthums ges
hören nicht in den Bereich der Darftellung !
Seltfamerweife tritt gleich neben Voß — unter der
Rubrik des Hainbundes! — Geßner, der Dichter ber
Empfindfamteit und bes idealiſirten (!) Maturlebens,
„Was follen uns Menſchen, deren Beſtimmumg bei aller
Unfdyuld denn doch am Ende in Ziegenheerden, in Lie
beserklaͤrungen und in Hirtenflöten aufgeht?” (&. 156.)
Diefe Idyllik fei aus der Sehnfucht nad) einer unges
jwungenern Natur hervorgegangen. Aber Indem er der
Biererei der Zeit ein Begenbild idealer Natur entgegen:
halten wollte, fiellte ex nur ein ander coflumirtes Geis
tenftüd auf. Von feiner ethifchen, feiner chriftlichen Seite
wird nicht geredet.
Bern flimmen wir in Das ein, was über Claudius
beigebracht wird, „einen Mann, aus deſſen Schriften und
wie aus einen Kindedaugen ein tiefer klarer Himmel von
Unfhuld und Liebe, von feligem Gotteöfrieden und lau:
tem Wahrbeitsfinne anfhaut”. Er faßte früh das be:
flimmende Wort feines Lebens und mußte es in allen
Tonarten für jedes Ohr vernehmlich, faſt für jeden Sinn
begreiflich zu machen. Als Volksſchriftſteller iſt er in dee
Höhe des Strebens, in der Einfalt der Form, in dem
fihern Gepraͤge des innen Gehalts nie wieder erreicht
worden. Anfangs war e6 ihm darum zu thun, das Vor⸗
bandene zu vereinfachen, zu beleben und mit den Zeithe⸗
duͤrfniſſen auszuföhnen. Später fuchte er das Vorhan⸗
dene in confervatives Weiſe gegen eine auflöfende Zeit zu
rechtfertigen und zu behaupten. Nach der religiöfen Seite
bin if er am wirkſamſten geweſen; er trat anfänglich
reformirend auf, ohne ſich ängfllih an ein vorhandenes
bogmatifches Spftem zu binden. Kin hohes Gefuͤhl menſch⸗
licher Beſtimmung und die klare Einfiht in die Unzuläng>
lichkeit alles in der Zeit Errungenen liegen in ibm nebens
einander, „Claudius' Politik ift ein chriſtlicher Libes
ralismus“ (©. 173). Er erwartete das Heil von einer
über Hmoralifchen, und die Revolution, der gegenüber er mehr
1864
conſervativ wurde erwartete er von einer poltiſchen Um⸗
ehr. Er vertraute ewigen unvergänglichen Dingen und
— im Valet an den Lefer fagt er es — hatte auf dleſer
Erbe den Fuß in Ungerwitteen und das Haupt in Sons
nenſtrahlen, er war hier unverlegen und immer größer als
was ihm begegnete. „Nur die enangelifche Kicche, nur
die deutiche Nation konnte eine fo einzige Geſtalt hervor
bringen.’ (&. 186.) | '
Bei Stiling und Lavater wird die Dauptbedewtung
auf dem religiöfen Gebiete gefucht, und mit Recht. Die
tiefere Quelle ihrer Wirkſamkeit wird aber nicht in ihren
Schriften, fondern in ihrer Perföntichkeit gefunden (leider
nicht ausgeführt). Bei Stilling wird verfucht, das Außer:
oxbentliche feines ganz felbiländig entfalteten Charakters
von den Misgriffen feiner oft irre gehenden Perfönlicykeit
zu unterfheiden. Das Thema feiner meilten Schriften
tft dee Gedanke: daß der auf Gott fich flügende Menſch
auch auf die unmittelbarfte göttliche Fuͤhrung bauen dlrfe,
dag alle Umftände unſers Lebens zu einem großen Gewebe
gehören, deſſen legte Fäden in den Händen der göttlichen
Weisheit felbft liegen, und daß, je unbedingter unfer
Vertrauen, um fo fichtbarer und munderbarer auch Die
göttliche Durchhülfe fei (S. 191). Es wird zugleich aber
eingeftanden, daß in der Art, wie Stilling fein Verhaͤlt⸗
niß zur Barſehung ausſprach, geltend machte, Manches
mislich und bedauerlich, ja geradesu krankhaft geweſen.
Nicht Überall, wo er Gottes Stimme zu hören meinte,
hatte er Ohr und Herz rein genug geftimmts nicht immer kann
man bie Gchlüffe zugeben, bie er aus feinen Kührungen zieht,
und nicht immer ift er den Klippen des Selbſtuͤberſchaͤzens und
des ermuͤdenden Reflectirens über ſich fetbft entgangen. (&. 192.)
Sein fpäterer Pietismus wird mild und fchonend ſtatt
Aus einer Überfpannung nur aus einer Spannung feiner reli:
gloͤſen Ideen abgeleitet. Bei der Befprechung feiner Schriften
(S. 197 fg.) wird mit Fug das erfte Bändchen bes Lebens
Ausgezeichnet. In feinen Romanen find Anklaͤnge an den
Charakter feines Jugendlebens. Später machte er es ſich zur
Rebensaufgabe, die „Aufklaͤrung“, in der er die Verdrängung
alles bibliſchen Chriſtenthums und am Ende die Befeindung
alles Chriſtlichen ſah, zu bekaͤmpfen und die zerſtreute Gemeinde
der Zreugebliebenen zu befeftigen. Durch feine Schriften
aus dieſer Periode zieht fih der Gedanke, daß ſich die
Naͤhe des Antichriſts und die Wiederkunft Chriſti ankuͤn⸗
dige. Dagegen hat er im „Theobald“ mit bewunderungs⸗
wuͤrdiger Menſchenkenntniß und Seelenerfahrung die wid:
tigſten Klippen religioͤſer Begeiſterung und Überſpannung,
die meiſten Abwege der Sekten und Separationen mit
einer Nuͤchternheit und Klarheit aufgefaßt, die Niemand
bei ihm ſucht, der ihn nur oberflaͤchlich kennt.
Lavater's Element und das Medium, durch das er
feine Zelt maͤchtig beruͤhrte, war feine Religioſitaͤt.
Was ihn hierin einzig machte, war die Intenfitaͤt,
mit welcher er in der Religion lebte und aus ihrer in⸗
nern Lebensfuͤlle heraus die umgebende kranke Welt an⸗
faßte und erhob. In der Idee eines lebendigen, dem
glaubenden Gebete innig nahen Gottes und in der Auf:
faffung des perfönlichen, der Menfchheit, wo fie fich zu
ihm wende, noch Iıisıer mmumilteiher inalenden Erloͤ⸗
ſers, wird der Mey feiner Religiefisit: atkannt. Go
fuchte ex das Börtlihe ins Sichtbare hinelmgugishen und
er geriech mie Stilling ins Baufchen msch Wunden, nach
Bliden in das Geheimniß der Gelſtenwelt, nach ſtanlich
betatllicten Ausſichten in bie Ewigkeit (8.203). (Nun
folgt eine mehre Selten lange Erinnerung an Zinzendorf.)
(Die Sertiegung felgt.) .
Notizen.
Der mpftifhe Sinn ber „Dbalfee”.
Cooper's eben erſchienene englifcye Überfegung ber „Dbnflee”
ift mit einem fortlaufenden Commentar ausgeftattet, in welchem
der mystic sense des Gedichts dem glaͤubigen Leſer mıfgufdhtofien
wird. Man erfährt ſehr merkwürbige Dinge. Homer ſchitdert
in feinen Irrfahrten bes Helden von Ithaka im Grunde nichts
Anderes als bie Übel der modernen Givilifation und ſogar bis
ins Detail hinein. Proteus ift nichts Geringeres als ein Schmugg:
ler, der nach Bedürfnis die Flaggen aller Rationen aufhiät;
Menelaus wird nur uneigentlich als ein König und Heros vor:
geſtellt, eigentiich ift ze nichts weiter als ber Kanzler der Unis
verfität Argos, der feinen Einfluß und fein Anfehen benugt, um
fih ein gemaͤchliches und mohlhäbiges Leben in der Aurüdges
zogenbelt auf feine alten Zage zu ſichern. Die Seyllä macht
dem gelehrten Gommentator viel Noth, fie- Tarfn den’ Preßgang
(dad Matrofenprefien) bedeuten, fie kann auf @usienvertäufer,
Gtiavenräuber u. dgl. zielen, fie kann fogar bie Policei eines
Seehafens meinen; nur leiber enthält bie Schilderung in der
„Odyſſee“ Züge, die auf alles Das nicht recht paſſen wollen.
Aber das Wort Cratalis (Konıaıtk; die übergewaltige, fo hieß
bie Mutter der Scylla) ſcheint unverkennbar auf bie Peſt an:
zufpielen, vor weicher dem Odyſſeus angerathen wird, feine Leute
durch einen Schup, eine Duarantaine zu wahren x. c. 48.
Schut des literariihen Eigenthams in. England.
Die erfie Anwendung ber in voriger Parlamentsfigung
erlaſſenen Bil zum Gchuge des Eigenthums an literarifchen
Werken ift im Mai tur einen Kanzleibefehl erfolge, welcher
Drud und Vertrieb von Summertn’s „Handbook for Hampton
Court’' dem Verleger Henry Green Glarke in Sonbon und
allen feinen Leuten, Agenten zc. bis nad) ausgemachter Sache
verbietet Es iſt nämlich Klage dagegen erhoben wegen uner:
laubter Benugung von Artikeln eines andern Fuͤhrers zu den
Sehenswürbigkeiten von Hampton Court und von zwei im
vorigen Sabre vom „‚Athenaeum‘ „über benfelben Gegenftand
gebrachten Auffägen. Derfelbe Clarke ift es übrigens, auf beffen
Hterarifche Piraterle ſich die Amerikaner den Vorwürfen des
„Quarterly review’! gegenüber bezogen, indem er des Ameri⸗
kaners Muzzy ,‚Young maiden” und „Young wife‘ unter
dem Zitel „Tbe english maiden’ und ‚The english wife”
nachgedruckt habe.
Kartevon China.
Das Landfartenbepör ber koͤnigl. Bibliothek in Paris er:
hielt vor einigen Monaten durch den von der Regierung vor
zwei Jahren nad China gefchidten Hrn de Jaciguy eine
Karte des ganzen chineſiſchen Reichs in acht Blättern eingefandt.
Der chinefiiche Titel bezeichnet fie als verbefierten und berich⸗
tigten Abbrud ber unter Khang-hi's und Khiensloung’s Re:
gierung ausgeführten, was die von den katholiſchen Miſſto⸗
naren im 18. Jahrhundert entworfene tft; adein davon ſchweigen
bie Chinelen wohlweislich. Die Revifion diefer Karte begann
1822 und wurde 1832 beendigt; es find bios Namen berichtigt
und veränderte Abgrenzung der Diftricte eingetragen worben,
im Übrigen aber gleicht fie völlig jener ber iffonare wie
eine Rotig von Ed. Biot im „Journal asiatique‘ vom Monat
März machweift. 80.
Verantwortlicher Herausgeber: Heinrich Brodbaus. — Drud und Verlag von F. A. Broddaus in Setpgig.
_ u in m —— — —
Bldtter
für
literarifhe Unterhaltung.
Sonnabend, — Rt. 301.
Die deutſche poetiſche Literatur feit Klopflod! und Leſ⸗
fing. Nach ihren ethifchen und religiöfen Geſichts⸗
punkten. Bon Heinrich Gelzer.
(Bortfegung aus Mr. 200.)
Was eine gefunde und unbefangene Auffaffung der
Riteraturgefchichte an Goethe und Schiller ſtets geruͤhmt,
daß fie naͤmlich die Poeſie von allem Nebenwerk befreit
und eine Bildung angeftrebt haben, ‚die ganz felbftändi:
gen Geiſtes ihren Maßſtab und ihr Geſetz In fich ſelber
tragen und dem Menfchen eine von Kirche und Staat (?)
unabhängige Eriftenz erringen wi” (S. 211), wird bier
im Sinne des zaghaften Vorwurfs ausgeführt. Diefe
Unabhaͤn gigkeitserklaͤrung menfchlicher Bildung von jeder
Autoritde der Religion wie der Politik wird als die dfthe:
tifhe Weltrihtung der Literatur Deutſchlands bezeichnet.
Das Reue beider liegt nit in Dem, was ſie verneinen,
fondern im Dem, was fie geben, indem fie es nämlich unternah⸗
men, dem böher gebilbeten innern Sinn eine Befriedigung
zu gewähren ohne die Hülfe einer geſchichtlichen Religion und
eines befondern Baterlande. (!) (&. 212.)
Schiller's Jugendzeit ſchon hatte mit dem innern
Widerſpruch der religiöfen und philofophifchen Überzeugung
und dem aͤußern des innern Berufs mit ber Lebensſtellung
ju ringen. Fuͤr den verlorenen pofitiven Glauben fuchte er Er:
fag in dem Pantheismus, welchem die Natur ein unendlich
getheilter Sort war. Auch hiervon fam er zuruͤck und in
neuer Ungewißheit des Suchens ſchuͤtzte ihn nur die Kraft und
Reinheit des Herzens. Sein Erkenntnißtrieb ergab fich bald
in die von der Kant'ſchen Philofophie gelehrte Refignation, der
zufolge ihm Thätigkeit und nicht das Erkennen bes Über⸗
finnlihen die irdiſche Beſtimmung ausmachte. Dadurch
gelangte er zugleich, als auch die gefpannte Unruhe feines du:
gern Lebens einem geficherten Zuflande zu weichen anfing,
ju einer fittlihen Beruhigung. In diefer moralifirenden
Weiſe werden Schiller's Werke betrachtet. Der revolu:
tionaire Zuftand der Seele des Dichters wird in ben
„Raͤubern“ wiedergefunden ; von ber Abfpiegelung der Zeit,
in der fie entftanden, und von ihrer prophetifchen Bedeut⸗
famfeit verlautet nichts. Dagegen aber ein „verſtimmtes
oder mitleidiges Wegwenden“ von diefen Elementen einer
wildgaͤhrenden Jugend und ein beflommenes Überfhauen
des Umfangs fittliher und geiftiger Verwuͤſtung, die m
Schiller's Seele vorausgegangen fein müffe (8. 210).
Der ungeheure Beifall, den die „Räuber” fanden, leitet
ben Verf. nicht auf ein näheres Eingehen in bie Urſa
chen deffelben bin, fondern dient nur zu einer Anklage
jener Beit.
Für die Umwandlung Schiller's in feiner gweiten Periode
haben vorzüglich drei Umftände zufammengewirkt: die Gründung
eines häuslichen Lebens, feine gefchichtlichen und feine philofophis
fhen Studien (&. 221).
Die Ehe habe ihn in ein neues näheres Verhaͤltniß
zu den Menfhen als Individuen, nicht ale Begriffen
gebracht, die Geſchichte ihm die Kenntniß des wirklichen
Lebens vermittelt, und die Philofophie ihm die Grund⸗
füge gezeigt, die den Geift im Erkennen und Darſtellen
leiten follen. Diefe Momente werden umftändlich ausge⸗
führt. Bei Goethe wird darauf verzichtet, feine Bedeu⸗
tung für die Literatur, fein unermeßliches ſchriftſtelleriſches
Verdienſt für Sprache und Bildung zu erörtern, wol
aber fol mit: aller Sorgfalt verfucht werben, über dat
Mefentliche feiner Weltanficht ins Klare zu kommen, im:
fofern fie feine Stellung zur religiöfen, geffligen und fites
lichen Welt beftimmte. Damit werde zugleich Aber bie
Unzähligen aufgellärt werden, denen bie auf ihm been:
bende moderne Gultur ihre Religion geworden und bie
folgerichtig in ihm ihren aͤſthetiſchen Religionsflifter zu
verehren haben würden.
Schon in feiner Werther: Periode ſchied fich Goethe
mit vollem Bewußtſein von dem geſchichtlichen Chriſten⸗
thum aus; „ben tiefern Lebensinhalt des Chriftenthums,
feine auch im Menfchenbebürfniß ewig gegründete Wahr⸗
beit bat er nie erlannt, nie den im Dogma verhüllten un⸗
vergänglichen Lebenskeim zu entfalten gewußt” (S. 258).
Er war fhon im Beginn feiner Wirkſamkeit mit einer
pantheiftifhen Anficht befreundet. Heftige Schwankungen
zwiſchen religiöfen Hingeben und Losfagen füllten fein
Inneres; der reinere kindliche Ton, der ſich troß derſel⸗
ben noch nicht verloren, wurde durch das Leben in Meis
mar aus ihm verdrängt. Er aͤußert den beflimmteften
MWiderfpruch gegen den Glauben an die gefchichtliche Wahr⸗
heit des tdealen Chriſtus. (Diefen legten Punkt, der auf eine
Splitterrichterei hinausläuft, indem er feine andere Begruͤn⸗
dung bat als die, daß Goethe an Lavater gefchrieben habe:
Dein Chriſtus, womit Goethe außsfpreche, baß er ſelbft
feinen Chriftus Habe — koͤnnte man zum Nachtheile der
Darſtellung Hrn. Gelzer's gründlier beleuchten, allein
wer unbefangenen Auges ben betreffenden Brief an La:
. MR
vater, im „Briefwechſel“ (&. 130) nachlieſt, wird leicht
einſehen, daß Goethe mit dem Dein. nur bie Geſtalt
oder das Bild bezeichnet, das fidy Lavater entworfen, und
wenn Goethe die Lavater'ſche Auffafjung nicht für die
fetsige nmahm; fo folgte ee darin nus dee Berechtigung,
Die de ſelbſiändige Natur einer andern Natur gegenüber
in Anfpruch nehmen darf. Zu fodern, daß zwei Men:
ſchen fich über eine gefchichtliche ideale Erſcheinung diefel:
ben und nur diefelben Vorftelungen machen follen, ift fo
unbillig als es unvernünftig Il.) Seine zweite Periode
wurde durch fein Studium der Natur und Kunft Yorbes
reitet und zur Meife gebracht. Beide betrieb er mit ders
ſelben Andacht, mit der der Religioſe feinen Blauben
hegt. „Kunſtbetrachtung wurde ihm feine Religion und
Kunfifinn feine Sittlichkeit“, S. 278.) So mußte er fich,
wie er that, ganz gegen feine frühen Freunde, Lavater,
Staudius und Jacobi feindlich flellen. Damit zuſammen
ſteht Goethe's Lebensverhaͤltniß in dieſer Periode. (Mit
entſchiedenem Ernſte aber leiſer Andeutung wird auf ſein
Anknuͤpfen und Brechen von Verhaͤltniſſen hingewieſen
and über leichte Productionen dieſer Zeit „kein anderes
Urtheil gefunden, als ſich wegzumenden mit Summer und |
Unwillen“, ©. 280.) Die dritte Periode, feine 25 leg
ten Lebensjahre umfaſſend, zeigt ihn als einen gereiften, |
auf sin reiches, bewegted halbes Jahrhundert finnend zu: |
ruͤckſchauenden Geiſt. Die jugendliche Glut kehrt als tief
in fi gekehrter Ernſt des Alters zurüd, das ſtolze Sich
gewähren lafien weicht einer Innerlichkeit, die fih ber
Welt verhaͤlit, aber für jede tiefere und reinere Regung
dee Menſchheit ſich erweitert. Auch feine veligiöfe Sefins
nung wird von diefer Umſtimmung berührt, denn obwol
er zum gefchichtlichen Chriftenthum noch dieſelbe Stel:
lung wie in ber Jugend einnimmt, fo ift ihm die Ange
legenheit Doch wieder eine heilige geworben,
Wie Goethe Ratur und wirkliches Leben, fo vertrat Schil⸗
ler Freiheit und Idee.
Leben erft aus dem aͤußern natürlichen hervorgehen laſſen, im
welchem ex ficher zu flehen glaubte. Im dem Leptern entwickelte
fih nie fo mächtig das ber Verwandtſchaft mit Leben
und Natur; frkb fon trennte ex ſich vom natürlichen Leben
durch das Grgreifen des ibeellen, in dem ex lebte. Beide Riche
tungen find tief im Menfchen begründet. Das Wahre uud Blei⸗
bende in beiden Richtungen ift laͤngſt in der chriftlichen Lebens:
anſicht vereinigt. Daß der unermeßliche geiflige und ſtittliche
| jener reiägidfen Weltanſchauung wieber als der tieffte
Aufſchluß alles Streben begriffen werde — darum war es
ben gzößten Zalenten unferer Literatur beftimmt, auf ihre
Weile den Umkreis menfchlicy möglicher Leiftung zu burchmeffen,
ben felbftändigen Berſuch durchzumachen, ob von ibrem Stre⸗
* 38 N wahrer Mitteipundt des Lebens ſich finden laffe.
Herder tritt als ber Mepräfentant einer großen unis
verſell⸗ veligiöfen Tendenz auf, die durch ihn in unfere
Bildung und unfer Leben eingeführt worden und an des
sen Fortbildung und allſeitiger Begründung feitdem die
verfchiedenften geiftigen Kräfte gearbeitet haben. Mit Ha:
mann hatte er religiöfe Tiefe und Innigkelt gemein, mit
Reffing den allfeitig anregbaren und anregenden raſtloſen
Bildungstrieb. Religiofitaͤt und Poeſie im tisffien Zus
fammenbhange wurden das pulfisende Herz feines Lebens.
Der Grftere wollte das innere ideelle |
In die Religion und ihre ſoſtematiſche Auffeffung, die
Theologie, brachte er eine poetiſche Erfriſchung und Ges
gänzung, und bie Lebeneluft feiner Poefie war durchweg
eine religiöfe. Seine Religiofitdt war Intuition. Her
der's Seele ſtand bei dem damaligen Emtartungen der Res
ligion, der Alles benagenden Zweifelſucht und dem vom
Geifte verlafjenen Gewohnheitsglauben, gleich fern. Durch
den Reichthum individuellen Lebens, den er beſaß, wurde
er zu einer unentbehrlichen befeelenden Macht fuͤr feine
und bie fpätere Zeit. Der einen gemeinfchaftlichen Cha⸗
rakter bezeichnende Ausdruck feiner Schriften dürfte der
fein, daß Herder den Glauben nicht ſowol gelehrt als ge:
zeigt, daß er bis Religion nicht bewiefen, ſendern den
Sinn für fie gewedt und genaͤhrt babe. Auch das
Chriſtliche beſtrebte er fih, auf feine urſpruͤngliche Abt,
feinen erften thaͤtigen Sinn zurbdzuführen. Den Gef
des Chriftenthums fegte er weniger im irgend eine Lehre
als in ein liebevoll thaͤtiges, ſich ſelbſt vergeffendes Da:
fein. Die überaus verbreitete Gemeinde der im dieſem
Sinn Handelnden war ihm der eigentliche Zweck der
Weltordnung. Er denkt ſich fogar die Fortdauer dei
Chriſtenthums wmabhängig vom Verhältniß zu feinem
Stifter, und berührt dadurch eine Grenze feines Bewuft:
feine, wo Hr. Geizer von ihm abweicht. Die Verände
rung, die fpäter mit ihm vorgegangen, indem feine hohe
ahnungsvolle Sprache oft einer verſtaͤndlichen aber under
beutendern Entwickelung Plag gemacht habe und feine
Religioſitaͤt ermattet fei, wird daraus erklaͤrt, daß jene
Gefühl, dem ex vielmehr als der Erkenntniß feine Religiofi:
tät verbandt babe, ihm nicht fein ganzes Leben hindurch
unangefochten geblieben ſei. Den Gegnern umd ber eign
nen Bildung gegenfiber habe er feinem Ahnen und in:
nern Schauen eine Unterlage von Begriffen und Gedan⸗
Een bauen müflen.
Was Herder in der Theologie, mar Jacobi in ber Ph
ſophie: die freie (2) Bewegung des Geiſtes gegen die Abgeſchloſ⸗
jenheit der Syſteme, die Rechte des Herzens gegen ben Despo⸗
tismus der Demonftration (!) und bie Tieblofe Kälte der Selbſt⸗
fucht beſchirmend (&. 337). — Durch feine Schriften geht das eim
ihn nie verlaffende Streben: Gott im Menfchen aufufuden, ia
unferm Innern die Staͤtte nachzuweiſen, aus welcher im Glan
ben und Danbeln der Sinn bervorgehe, welcher, der Weit fremd,
allein Emwiges im Irdiſchen, Bemwußtfein Gottes in ber Menidr
heit zeige (8. 341). — War ihm Glauben die Quelle der religite
fen Gewißdeit und Liebe bie bes fitttichen Lebens
für bie Berfünbigung dieſer chriſtlichen Ideen beim Unglauben
und Verftandeöglauben entgegen, während er felbft zum geſchicht⸗
lich und kirchlich Chriſtlichen niemals in ein gang zufagenbed
Verhältniß trat (8. 34l).
Auf Jean Paul ging Herder's poetifche und Jacobs
phitofophifche Erfaſſung und Beleuchtung der Religion
über. Seine tiefe Wirkung und die begeifterte Aufnahme,
bie er fand, berubte darauf, daß ein mit der Macht des
Denkens vertrauter, mit poetifcher Schöpferkraft reich be:
gabter Geiſt wie der feinige bie reinere Welt eines reli⸗
gioͤs gehobenen Daſeins hervorgehen ließ (5. 355).
Aus den Deengungen feinee Jugend erwuchs ihm das
nie erloͤſchende Beduͤrfniß und Streben, den innern Sinn,
die Freiheit der Seele und die hoͤhere Hoffnung vor der
4
Unterraurfögßeis des aͤußern Lebens, vor der Gewalt des
Schickſalo und der keibenſchaft zu reiten (S. 356).
Neben dieſer Erweckung und Verherrlichung des religidſen
and ſittlichen Sinnes geht ihm die Humoriſtik als ein
freies das Leben belichelndes Spiel her (S. 367). In
Bezug auf das geſchichtliche und kirchliche Chriſtenthum
wird bemerkt (S. 373 fg.), daß er ſchon ſeit der Jugend
davon Lodgeriffen. Ex ſcheint micht einmal das Beduͤrf⸗
niß des Zuſammenhangs mit der pofitiven Religion em:
pfunden zu haben. In diefem Verkennen der Kirche und
der in ihr ruhenden Kräfte erwartete er eine Wieder:
erweckung der Religion nur von ber Porfie und For⸗
ſchung (&. 376),
Die Religiofisät Herder's und die Humoriſtik Sean Paul's
wird in Hippel gefunden. Durch das mannichfaltigfte
Detail des von ihm gefchilderten wirklichen Lebens blickt
ein durch alles Sichebare nicht gefättigter Sinn hervor.
(Der Beſchluß folgt. )
Skizzen aus Srland.*)
Gewiß muß Irtand das Intereffe des Reiſenden in Ans
fprudy nebmen, da e6 von allen europäifchen Ländern wol die eis
genthümlichften Zuftände aufzuweifen, und durch feine politifche
Stellung nad) außen wie burdy manchen Micklang ber innern
Einrichtung, der natürlichen und feciaten Berhättniffe, und mehr
noch durch den Charakter ber Bewohner, einen zeichen Stoff
zu ber abwechſelndſten Bildergalerie des Volkslebens bietet.
Jener elafkifche Rationaldyarakter, der zu allem Guten und zu
allem Boͤſen gleich fchnell bereit ift, fowie die Phantafie in Aufı
regung gebracht wird; der Zitanenflolg, womit der fchlichtefte
Bauer dem Schillelah ſchwingt; die edle Freigebigkeit, womit
der Better den Bilfen mit dem noch aͤrmern Bettler theiit;
vie Anhaͤnglichkeit der Eheleute, die dis zum Grabe hinaus
reiht, fobaß zweite hen nur felten gefchloffen werben; bie
Keftigkeit der Familienbande überhaupt bis in das entferntefte
Gliebz der Gontraft der Hier und da fo reichen Natur gegen die
arme Menſchheit; bie Lumpenhuͤlle der Wettier, und dabei beren
poetifdge Reden beim Fiehen um eine Gabe; der beinahe orien⸗
tatifche Bilderreichthum der Sprache im Verein mit ber ger
wöhnlichen Sprachverftümmelung, die man als irish broque
hezeichnet: — alle diefe Eigentbhuͤmlichkeiten verleihen ben gewöhn:
lien Lebensereigniffen eine gewiſſe Eocalfärbung, bie kein ande⸗
red Land aufzınveifen hat. Die beiden Verf. des vorliegenden
Budys haben Irland mit großer Vorliebe bereift und den Cha⸗
after des Volks und des Landes mit vielem Geifte aufaefaßts
fie gehören zu jener Partei, weldhe an bie fidy täglich beſſernden
Umftände Irlands glaubt, und in der fortbeſtehenden Bereinigung
mit England beffen Heil fucht. Hauptſaͤchlich fchreiben fie das
Etend des Landes der f der Bewohner zu, und mei
nen, daß jegt dusch den Mäßigleitöverein des Water Mathem,
der mittels einer Fleinen Medaille von Blech die Einwohner
Irlands zu Tauſenden des Trunks entwöhnt hat, ein Haupt:
ſchritt zur Verbeſſerung der Lage Irlands gefchehen ſei. Diefe
Anficht ſpricht ſich ſchon in ben erſten Seiten der Reife aus:
„ine Neife nach Irkand iſt jegt etwas ganz Anderes als
damals, wo die Anwendung det Dampfes noch nicht befannt
war und Die Schiffahrt von Wind und Wellen abhing. Man
bediente ſich eines Meinen Kauffahrers oder Schooners als Packet⸗
boot; die ziemlich Feine Kajuͤte war mit Lagerflätten umges
ben, wovon nur bie für die Frauen beflimmten eines Vorhangs
fi) erfreuten. In der Mitte fland ein Tiſch, der inbeffen fels
ten benußt wurde, da man fi nur felten bie Mühe nahm
*) Ireland, its scenery, character etc, by Bir. and Mrs, 8. C. Hall
(Tonden INN.
förmiih Mittagstafel zu halten, indem jeher Paſſagier feing
eigenen Vorräthe mitgenommen hafte, deren ee fi) bebiente,
fo oft und wann eben Punger oder Durft bei ihm einkehr⸗
ten, und welche er oft bei der Ruͤckkehr feiner Eßluſt bedeus
tend vermindert fand, weil irgenb ein der Seekrankheit nicht
unterworfener Reifender ohne viele Umftände der Fremden Biſſen
ſich bemaͤchtigt hatte.”
„Der Schiffsaufſeher war gewoͤhnlich ein ungeſchickter Bur⸗
ſche, deſſen einziges Verdienſt in der Gelenkigkeit beſtand, womit
er die ungluͤcklichen Seekranken bediente. Die ahrt felbft
glich einer Art von Yurgatorium, dem man fi) denn natürlich -
auch in aͤußerſter Roth unterzog, um fo mehr, da aller Mangel
an Bequemlichkeit und Comfort diefe Reife unerträglich machte
und überdies oft flatt der herkoͤmmlichen drei bis vier Tage
ebenfo viele Wochen babei verloren gingen. Einmal faben wir
und gezwungen, einen gangen Monat zwifchen den Häfen von
Briftot und Cork zu verweilen, wiederholt nad) dem eienden
Dorfe Pill surüczufabren und dabei noch ſtets die Angft aufs
zufteben, daß ber Wind fich drehen und das Packetboot forttreis
ben könnte. Indeſſen waren wir dabei nicht fo übel daran, wie ein
Offizier, deſſen zweimonatlicher Urlaub gerade an dem Tage endigte,
als das Fahrzeug an der heimatlichen Küfte von Irland landete.”
Unter ſolchen Verpältniffen wundert fi) wol Niemand bars
über, daß in jener Zeit der Verkehr zwiſchen beiden Rändern
fehr unbedeutend geweien, und England und Irland gegenfeitig
ſich fo fremd waren, als ob der zwiſchen ihnen firömende Kanal
ein gänzlich unfahrbarer Ocean wäre.
Die Erfindung der Dampfihiffe bat nun beide Infeln beis
nahe in ein einziges Land umgewandelt, und eine Reife von Li⸗
verpeol nad) Dublin, oder von Briftol nach Waterford und Cork
iſt viel bequemer und minder ermübend als eine Fahrt nach
Hort. Hieraus erwuchs denn natürlich die Folge, daß Vor⸗
urtpeile und Nationalirrthuͤmer beider Länder mehr und mehe
ſchwanden, daß beide gegenfeitig ſich kennen und ſchaͤten lernen,
und daß die auf egenfeitigen Sntereffen beruhende Union ſich
mebr und mehr befefligen wird.
Die zahlreichen Dampfſchiffe zwiſchen den beiben Ländern
haben in der That ben Verkehr beider fo ſehr erleichtert und
befözbert, wie kaum eine Bruͤcke über den Kanal von St.⸗Georg
ed vermocht hätte, und die Gieganz diefer Fahrzeuge, die Wohle
felheit einer ſolchen Fahrt und die zarte Verüdfichtigung bes
Somforts für die Reifenden haben die früher fo langwierige,
langweilige, theure und gefahrvolle Reife in eine angenehme
Spazierfahet verwandelt. Dennoch find damit noch beimeitem
wichtigere Vortheile verbunden, indem dadurch die Hülfäquellen
beiber Laͤnder bedeutend vermehrt, bie moralifchen und focialen
Zuftände beider Völker fehr verbeffert wurden:
„Bor 16 Jahren errichtete die Dampfichifffahrtsgefellichaft
von ©t.: Georg zwifhen dem Hafen von Gorf und ben ‚Häfen
von Dublin, Liverpool, Briftol und fpäterhin auch von London
eine Padetbootfahrt, und von jenem Augenblid an flieg auch der
Werth des Bodens bei dem armen Irlaͤnder. Fruͤher war er
das Opfer der Zwiſchenhaͤndler gewefen, weiche alle feine Pro:
ducte auf den Landmaͤrkten zufammenkauften und ihn zwangen,
für ben von ihnen feflgeftellten Preis zu verlaufen, ober oft 20
Meilen Wege feine Waaren weiter hineinzufchleppen. Das ir⸗
laͤndiſche Spruͤchwort: ‚Das Schwein bezahlt bie Rente!‘ traf
wörtlich ein; denn der Marfttag war der Zag, wo bie Renten
bezahlt werden mußten. ”
„Jetzt iſt ber Landmann felbft Händler geworben und vers
führt .feioft feine Schweine, fein Federvieh und feine Gier
nad) England, um fie dort theuer an ben Mann zu bringen.
Dort fammelt er auch Kenntniffe von Menſchen und Sitten,
bean er if} von Ratur neugierig und klug und fieht ſich überall
gern um, erkundigt ſich nah Allem unterwegs, unterfudht alles
im andern Lande ihm fremb Erfcheinende, und bringt dann allerlei
Verbefferungen und Senntniffe in feine Heimat zurüd, woraus
er Nugen zieht, der ſich fchnell bei feinen Nachbarn verbreitet.”
„Demnach ift man zu ber Borausfekung einer materiellen
1208
Verbefferung in Irland beredptigt, wie foldye denn auch vorzäg:
ih in der Umgebung der Gechäfen ſehr augenſcheinlich ſich
kundgibt. Beſſer gekleidet ericheint ber Bauer, beffer gebaut
feine Hütte, civilifirter fein Benehmen und ganzes Wefen, als
ſonſt. Mag immerhin die niedrigſte Claſſe der Wohlthaten bier
fer großen Veraͤnderung noch nicht -theithaftig geworden fein, fo
haben doch alle hoͤhern Claſſen ſchon weſentliche Kortichritte ges
macht, und das irlaͤndiſche Volt wird nach und nach in jeder
Hinficht dem engliſchen ſich gleichftellen.’
„Daß dieſe wohlthaͤtige Veraͤnderung durch die Erfindung,
ben Dampf als Locomotiv zu benutzen, veranlaßt worden, kann
Niemand mehr bezweifeln; aber ebenſo wenig darf geleugnet
werben, daß auch andere Umftänbe dazu mitgewirkt haben.“
„Wie unternahmen im 3. 1838
eine zweite 1840, und fanden die Kortichritte während dieſer
zwei Jahre fo außerordentiich, daß Mandyes davon unglaublich)
erſcheinen dürfte, laͤge es nicht thatfächlich vor, während wir
bei allen unfern frühern Beſuchen an Land und Leuten nur un:
bedeutende Veränderungen wahrgenommen und folche während 20
Jahren Immer wieder gang auf berfelden Stufe gefunden hat:
ten. Ja, wachen die Fortfchritte in gleihem Verhaͤltniſſe wie
in den beiden legten Sahren, fo kann das Refultat diefer Der:
änderung für das Land und für gang Großbritannien nicht hoch
genug angefchtagen, kaum ermeffen werden.”
Irland ift rei an Volkstragoͤdien. Welches Elend bie⸗
tet nicht der Bettierſtand mit feinen Lumpen, dem ftums
men und berebten Flehen, ber jedem Diſtrict eigenthümtis
chen Weife des Bittenden. Welche Scenen des Kummers ftellen
bie Gefängniffe dar, die fo mandyes Opfer, das fidy, durch Man:
gel und üble Behandlung angetrieben, gegen die Autoritäten
vergangen, umfchließen. Und nun bie Ausmwandernden, dem
fhönen Irland, dem geliebten Vaterland Entfagenden, bie in
ferne Länder zieben, um fremden Boden zu bebauen, während
noch im eigenen Baterlande fo viele taufenb Ader unbebaut liegen.
Cork ift ber Einſchiffungshafen für die Auswanderer im
ſuͤblichen Irland, und die auftralifhe Auswanderungsgefellfchaft
bat bort einen Agenten. $Derzerreißende Scenen wiederholen
ſich dba von Beit zu Zeit auf dem corfer Quai, und in Irland,
wo die Familienbande fo innig find, muß das Zerreißen derfel:
ven, das Trennen noch viel ſchmerzlicher als anderswo fein.
Ein anderer tragifcher Charakterzug in Irland find die herab:
gelommenen Familien :
„Das Schickſal bes einft fo mächtigen Clans Mac Carthy
ift das der meiften alten Bamilien in Irland, deren Nachkom⸗
men in gerader Einie man. oft als Zagelöhner arbeiten fieht,
in ber Nähe ber Ruinen von Schloͤſſern, wo einft ihre Voraͤl⸗
tern geberrfht. Da in vielen Fällen kaum ein Jahrhundert
aifhen ihrer Größe und ihrer Erniedrigung liegt, fo ifl es
ein Wunder, wenn fie zuweilen dem Glauben ſich hingeben, daß
der Beſitz, der durch die Flut der Eroberung hinweggeſchwemmt
worben, durch bie Ebbe der Ereigniffe wieder zurüdtommen
Tonne. &o fahen wir ben Iegitimen Erben der alten Beherr⸗
fher und Inhaber von Weftcarbery, der, als er den Boden
grub, einen Augenblick mit Arbeiten inne hielt und auf feinen
Spaten gelehnt, nach den Bergen und Thaͤlern fo weit, als fein
Auge reichte, deutete, und von dem großen Diftricte, deffen Bes
berrfcher feine Großväter gewefen, ſprach, als gehörte er ihm
noch immer an.“
Der jegige Wefiger eines Theites der Mac Carthy » Güter
fand einft in feinem Bezirke, am Fuße eines alten Baums,
einen alten Mann, welcher ſchluchzte, als wollte ihm das Herz
brecdyen. Als er ihn nach dem Grunde feines Kummers fragte,
erhielt er zur Antwort: „Ich bin ein Mac Carthy, der einftige
Befiger diefer Länderrienz; biefen Baum babe ich gepflanzt und
kam hierher, um ihn mit einer Thraͤne zu negen. Morgen
fegte ich nach Spanien, wo ich feit der Revolution als Ver:
bannter und Geächteter gelebt habe, und jest Tage ich das Ichte
Lebewohl dem Orte meiner Geburt und ber Heimat meiner Ahnen.’
eine Reife nach Irland,
Man ſieht in Irland ebenfo viel „‚derwirkte Ränberein‘
als alte irlaͤndiſche Namen; manche waren den ˖ Parteigängern
bed triumphbirenden Gromwell im Ganzen zugefallen, andere un:
ter fie vertgeilt worden. In der Geſchichte der Grafſchaften
findet man häufig folgende vielbebeutende Worte: „Er ſchlug
ſich zu den Irlaͤndern und ward feiner Güter verluſtig erklärt";
oder: „Withelm's III. englifhe und hollaͤndiſche Porteigänger
theilten das Gigenthyum der aiten Irlaͤnder.“ Und im gan
Sande findet man feine von ber anglosnormannifchen Inbaßon
berftammende Bamitie, deren Nachkommen einen einzigen Adır
von ben einft fo großen Gütern ihrer Vorfahren befäßen. Ohne
Zweifel hat die Zeit viel dazu beigetragen, die Ungluͤckichen
mit ihrem Schickſale auszuföhnen, und bie Grinnerting an ver:
gangene Größe ſchwindet täglich; doch iſt noch immer gen
davon vorhanden, um von Übelmollenden zur Aufwiegelung dei
Volks benupt zu werden:
„Unter dem Protectorat warb Maurice Biscount Rode gr:
Achtet und feine Güter unter die Soldaten Cromwell's vertheilt,
defien Borfchiag eines Vergleichs ber loyale Verdannte vermei:
gert hatte. Später erhielt er ein Regiment in Flandern und
duldete jede Entbehrung, um feinen Gehalt mit dem Khnia
Karl II. zu theilen. Dann mußte Lord Roche feine Stelle ver
kaufen, um feine Scuiden zu bezahlen, und hoffte natürıid
bei der NReftauration, mit feiner Ehre auch feine KBefistki:
mer wiebererftattet zu feben. Kart wollte indeß fidy nicht de
treuen Freundes im Ungiüd erinnern, und obne die Wohltha⸗
ten des Herzogs von Ormond wäre Lord Roche in Mangel ge:
fiorben. Die Undankbarkeit Karl's IL. gegen feine irtändifcen
Anhänger und die Nachkommen Derer, welche im Kampfe gegen
den Ufurpator gefallen waren, ift einer ber fehwärzeften Fleden
feiner Regierung. Viele von ihnen hatten — wie Lord Rohe —
nicht nur Entbehrungen, fondern fogar Mangel erbuldet, um
feiner Sache zu dienen, und ats er die Mittel in Händen hatte,
fie wieder in ihre fruͤhern Veſitzungen einzufegen, behandelte er
fie mit Gleichguͤltigkeit und Vernachlaͤſſigung. Zwei Beilpiee
mögen bier den traurigen Schluß ber Gefchichte des Lord Node
barthun. Zwei oder drei alte Leute erinnerten fich nod recht
wohl einer Lady Roche, welche in zeriumpten Hofkleidern in
den Straßen von Cork bettelte; fie war nahe an ben Siebzig
und wahrſcheinlich biefetbe, welche der Erzbiſchof Buller dem
Herzog von Dorfet zur Nenfion vorſchiug. Im Anfange dieſes
Zaprhunderts kehrte ein Reiter bei einem gewiffen Herrn Ge
ter, in ber Grafſchaft Tipperary, ein; beim Abfteigen vom Pf
trat ein großer, ungeſchickter Menſch, der halb ald Knecht, halt
ale Jaͤger gekleidet war, vor, um bas Pferd in den Stall zu
führen, und ward von Heren Croker als, Mylord angerekt.
Der erftaunte Fremdling erfuhr nun auf, da diefer Stallknech
wirktich ein Lorb Roche fei, der fih um Pferde und Bunde ver:
dient mache, mit der Dienerfchaft in der Küche lebe, doch im
Stolz auf feine Geburt ſich nicht entfchließen koͤnne, Köhnung
anzunehmen.
(Die Fortſetzung folgt.)
Literarifhe Anzeige.
Soeben ift in meinem Verlage erfchienen und in allen
Buchhandlungen zu erhalten;
Ä Die Liebekunſt.
Drei Bücher. Ä
Dem Publius Spidins Mafo
nachgedichtet
von
CH F. Adier.
Gr. 12. Geh. 1 Thlr. 6 Mor.
Reipzig, im October 1843.
| FU. Brodbaus.
Verantwortlicher Deraußgeber: Heinrich Brockhaus. — Drud und Verlag von F. U. Brodhaus in Leipzig.
Blätter
für
literarifde Unterhaltung.
Sonntag,
Die deutfche poetifche Literatur feit Klopftod und Leſ⸗
fing. ad ihren ethifchen und religiöfen Geſichts⸗
punkten. Bon Heinrich Gelzer.
(Beſchluß aus Nr. 801.)
Wie das Gloffifche dem Verf. an unzähligen Stellen
und ausdruͤcklich (S. 385) als heidniſch gilt, fo flieht er
ebenfo ausdruͤcklich die Romantik als chriſtlich und
germanifh an. Die fchönfte Eroberung, bie unfere Lite:
satur machte, als fie im vorigen Jahrhundert das claffi:
fhe Element m fih aufnahm, wird als ein Ausfcheiden
von chriflticher und deutſch⸗ natlonaler Geſinnung hinge⸗
flelt, und das Herabfinken von jener reinen Höhe wird als
Fortſchritt aufgefaßt. „Naturphiloſophie, religioͤſe Myſtik,
Geltendmachen der romantiſchen Literatur” wird als ges
meinfamer Charakter der neuen Schule erkannt. Mo:
valis’ Streben war es, bie Natur durch die Poeſie zu
verklaͤren. Meben dem Reinſten und Hoͤchſten feiner
Schriften bricht in einzelnen Äußerungen eine verwerfliche
Myflit hervor. Er wird nad) doppeltem Maßſtabe ge:
meften, nach den Äußerungen, zu denen ihn feine gewagte
Speculation und feine Phantafie hinrifien, und nady den
DOffendarungen feines edeln und tiefen Gefühle, die in
feinen geifttichen Liedern niedergelegt find. Die erflern
werden als unreife Erfcheinungen der Jugend, die legtern
als das wahrhaft Bleibende in ihm angefehen. Sein
Hinneigen zum Katholleismus und fein unrelfes Abur⸗
tbeilen über bie Reformation finden ihre Misbilligung.
Er vermochte nur in einer Ruͤckkehr zur Religion die
Möglichkeit zu erbliden, wie Europa von „den politifchen
Seuchen” genefen koͤnne und habe hierin (&. 394) die
bedeutfamfte Lofung des neuen Jahrhunderts ausgefpro:
hen. Aber ‚‚nirgend findet fi eine Spur, daß ihm der
Sinn für das Gefchichtlihe des Chriſtenthums wahrhaft
aufgegangen fei. Ihm floſſen Chriftentyum, Religion
und Mpftit unbeſtimmt ineinander.” (S. 396.)
Wie bei Novalis die romantifche Poefte, fo bildet bei Wacken⸗
oder die romantiſche Kunft den Mittelpunkt feines Strebens.
Ratur und Kunf find in feinen Augen der Spiegel, in welchem
menſchliche Sinne das Göttliche erblicken. Er betrachtete es als
Aufgabe der Kunft, begeifternder Ausdruck Deffen zu fein, was
im Herzen der Gläubigen lebe. Die Weihe der Innern Empfins
dung feste er hoch über alle Vollendung der Form Go
wurde er Borläufer und Kanon jener deutſch⸗romantiſchen Kunft:
fhule, die in Rom, Düffelvorf und München verwirtiicht, was
er erfehnte. (8. 404.)
As wiffenfhaftlihe und kritiſche Vertreter ber Ro⸗
mantik werden die Schlegel aufgefaße. Des Altern
Schlegel Bedeutung beruhe viel minder auf felbfländiger
tiefer Begrändung der romantifhen Grundideen als auf
Beſprechung und Verkündigung der Romantik. Geine
nähere Würdigung dürfe daher in eine Afthetifche Literas
turgefchichte verwiefen werden (5. 409). Friedrich Schle⸗
gel (dev Adel wird hartnädig ignoriet) fei dem Bruder
in Gehalt und Ernft der Gedanken, in der Tiefe urſpruͤng⸗
lichen Lebensgefühls ohne Vergleich überlegen. Anfangs
in Kritik und Philofophie ein Sproß des Fichte'ſchen
Idealismus und einer Vermiſchung mit pantheiftifcher
Naturvergötterung, ftolz herabblickend auf pofitive Religion
und fittlihe Anfoderungen, im Leben und Denken nur
den Öffenbarungen des genlalen Ich unterthan, befreun:
dete er fich, feit dem parifer Aufenthalte, darauf mit ber
katholifchen Faſſung des Chriſtenthums und trat dann,
„nicht aus der lebendigen Gemeinfchaft der evangelifchen
Kiche, fondern aus einem äftherifhen Heiden⸗
thume“ (8.413) zum Katholiciemus über. Er theilte
nun (feit 1808) feine Kräfte zwifchen Vaterland und
Kirche, Politik und Religion. Hiftorifches Recht, chriſt⸗
licher Staat ward feine Loſung. Der Gedankenmittel⸗
punft, von welchem aus er die Gefchichte und das eigene
Leben zus verftehen fucht, bildet die chriftliche Grundidee
einer Zerrüttung des göttlichen Ebenbildes im Menfchen und
einer Wiederherftellung deffelben im Chriſtenthume (S.417).
Übrigens war er Katholik doch nur in feiner Weife. Er
betrachtete den Katholiciemus für das befte, ja für das
einzige Gefäß flır ‚ein höheres mpftifches Chriſtenthum“.
In Tieck, dee mit befchaulicher Phantafie die Lühifte
Zwelfelfucht verbinde, habe ſtets der Keim einer hoͤhern
religioͤſen Gewißheit gelegen, und zu bedauern fei es nur,
daß diefer nie die Sefammtheit des Lebens fiegreich durchs
leuchtet habe. Alle Unterfuhungen, alles Denken fol
ihm, eigenem Geſtaͤndniß zufolge, nur den Glauben und
die unausloͤſchliche Liebe beftätigen.
Das Geheimnigvolle, überirdiſche ber Religion weiß er fi
mit Liebe anzueignen. Ihn aͤngſtigt nur die Möglichkeit, daß
eine ascetifche Richtung des Chriftenthums, gegen Kunft, Poefie
und Wiffenfchaft fih wendend, die harmlofe Freude an der uns
umgebenden Welt Gottes zerflören koͤnne. Er fcheint unents
ſchieden über den verſchiedenen Kirchen zu ſchweben oder allen
gleichmäßig anzugehören. (&. 424.)
“3810
Dee Verf. kennt die Vorrede zu „Evremont“ nicht,
in der dies geradezu eingeflanden wird. Die Belegſtellen
für diefe Säge find ſehr unglüdlic gewählt, indem die
Ausfprüche, die der Dichter feinen Noveliengeftalten gibt,
für’des Michtees eigene Anficht genommen werden. Da⸗
husch veruith ſich der Mangel eines Sinnes für die Auf:
faffung objectiver Poefie und zugleich eine Willkür, bie,
confequent fortfchreitend, jebe Außerung einer Dichtung
fuͤr den ſelbſteigenen Herzenerguß des Autors anſehen
koͤnnte. Überhaupt iſt dieſer Abſchnitt über Tieck — auch
vom Standpunkte des Verf. — in einer Weiſe mangel⸗
haft, daß wir eine Erklaͤrung daruͤber nur in der An⸗
nahme eines beſchraͤnkten Studiums ber Tieck'ſchen Werte
finden.
Zacharias Werner ſteigerte fih die Romantik ins
Excentriſche und verkehrte fi) zum Berrbilde. Alle Fa⸗
milienzuͤge der Romantik find ihm entflellt eigen; die
Sinnlichkeit zerflöste, die Mpftik betäubte, der Katholicis⸗
mus übeswältigte ihn. Erſchuͤtternd führt fein Leben, wie
Kum ein anderes, den traurigen Beweis, wie weit felbfl
zeligtöfe Anlagen verwildern können, wenn fie mit bem
Icieb nach ſittlicher Vollendung nicht auf das innigfte
verwachſen (S. 431).
Eine Kleine Abfchweifung, neben Hoffmann, H. v.
Kleift, Brentano vorüber, nennt mehr die Namen A. Mül-
ker, Haller, Jarke und Goͤrres, als daß diefe Männer
gewürdigt werben. Doc wird Haller volllommen preis⸗
gegeben (S. 438 fg). Kurz und hoͤchſt ungenägend wird
über Arnim gerebet; in aͤhnlicher Weife ſteht der Name
Schenkendorf uͤber einigen Lörnigen Lobſpruͤchen, ohne
nähere Ausführung. Überhaupt werden die Unterfuchun:
ben (feit Werner) immer [mächtiger und haſtiger und
die Augenpunkte find mehr politiſch⸗patriotiſche als chriſt⸗
liche. In dieſer Weiſe wird über Arndt Dürftiges, über
Fichte etwas Ausführlicheres, Ungenlgendes wieder Liber
Goͤrres und Steffens beigebracht. Kaum mehr als ge:
nannt werden Fouquéè, Eichendorf, Chamiſſo. Ebenſo cur-
jorifh wird „der geſunde friſche Nebenzweig, welcher
‚ber Romantik in Schwaben erblühte”, abgethan. „Hei⸗
Ag iſt ihnen (Uhland, Schwab, Pfizer, Kerner u. A.) je⸗
des religioͤſe Gefühl, darum auch das des Mittelalters”
2 f. w. (S. 459). Nebenher wirb Lenau’s. „Savona:
sofa’ ,,als Vorbote einer neuen chriftlichen Poeſie“ bes
gruͤßt. Am Schluſſe dieſes Abſchnitts teitt dann neben
Spitta und A. Knapp noch ein gepriefener Reigen mit:
telmäßiger Poeten hervor, als da find Albertini, Garve
(Ludwig Garve?), Moͤwes, Lange.
weil fie geiftliche Lieder Dichteten.
Ein Anlauf wird noch einmal bei Ruͤckert genom:
mm. Durch bie fittliche Unſchuld feiner Poeſie erinnert
er an Herder; In diefem Punkte mit Goethe verglichen
„kann er in den Augen Derer, die Rein und Unrein zu
unterſcheiden wiflen, nur gewinnen” (©. 465). Bei
ihm iß, wis bei Lied, Sinn und Ausdruck für jede
Sprache und jede Form bes religiöfen Gefühle ba, dage⸗
gen tritt das Unterfcheidende des poſitiv Ehriſtlichen nur
fetten hervor. Bel Platen, dem Schlußſtein des Buchs,
Berühmt werden fie, |
wird nichts ausgezeichnet als ‚bie wunderbare Wem:
dung der Korm” (©. 469). Im Übrigen fol were
Sedankenfülle noch Reife der Geſinnung feflhalten. Vie:
mehr bilde der Inhalt meift zu der Ruhe und Gehjegeg:
heit feine Tora einen peinlichhen⸗Gegenſatze ein Gemuͤth,
das, vom Darf nad Nihm geſtachelt, vom Zorn geym
Gegner und Neider verfolge, von ber Luft der Met
bald ſchluͤrfen, bald ihren Becher mit Ekel von fic ſchleu⸗
dern wolle — ein Seufzen des ewigen Menfchen, der weder
in fi noch im Leben fich heimiſch fühle. Die ihm
nöthige Gemeinſchaft religioͤſer Freunde ſei ihm, feine
VBerficherung zufolge, nicht vergönnt geweſen. Wir mir:
ben auf biefe Diatribe nichts erwidern, wenn nidıt ge
rade am Schluffe eine wahrhaft bösmwillige Snfinuation
egen den Dichter ſich hinſtolte. Die Frage, weſſen
huld es geweſen, daß ber Dichter wicht mehre als
Einen Frommen gefehen, folle lieber unterdruͤckt werben;
fie fei zweiſchneidig (S. 470), Nice Platen gab
jene Klage, daß wur Ein Krommer gu ſehen geweſen ſei,
fondern er laͤßt fie eine feiner fattrifchen Perſenen im
„Dedipus“ ausſprechen. Hr, Gelzer begeht hier wieder den
ſchon bei Gelegenheit der Tieck ſchen Beleuchtung verſchul⸗
deten Fehler, die objectieirte Seimme bes Dichters mit
der immediaten deſſelben zu verwechſeln. Und dieſer Feh⸗
ler kommt im Buche urnzaͤhlige Make vor, hauptſaͤchüch
in der Charakteriſtik Goethes. Geſetzzt aber auch, Piaten
hätte wirklich felbfleigen jene Klage ausgeſprochen, war |
es denn der chriftlichen, der ſittlichem Denlart, die Dr. '
Gelzer fo oft in feinem Buche in Anfpruc nahm, irgend
angemseffen, den Vorwurf gleich unmzudrehen, und nun
Platen gfeich für einen Unfrommen zu erklaͤren? Gewij
Platen war nit in dem Sinne fromm, in welchem nah
Hrn. Gelzer es zu ſein allein möglich iſt; wer aber eine
hohe ſittliche Würde in dem Dichter verkennt, hat ihn
entweder nicht geiefen ober nicht verfianden. Welden
diefer beiden Bälle Dr. Gelzer vorziehen möge, ber ein
it für ihn fo nachtheilig ala der andere.
Nach. diefer ausführlichen Beleuchtung bes merbwür:
digen Buchs, die nichts Weſentliches defjelben uͤbergangen
bat, überlaffen wir den Leferm zu emtfcheiben, wie weit
der Berf. feinem Vorſatze getren geblieben if, nidt Us
theile, fordern Aufſchluͤſſe zu geben (©. 86), oder, wie
er fih ein ander Mat aubdruͤckt:
Richt ein Individuum zu beurtheilen, fonkern an dem er
dividuum die Gefege des Ganzen, die Bedingungen bes Lebens
zu erforfchen, fleht als Ziel vor ung. (5. 2307
Zum Schlufſe bemerken wir noch, dag Hr. Oele
zueft (S. 257) bie von ber Keſtnet'ſchen Famille in
Hanover, und fpeciell von dem Legationsrarh Keftner in
Rom mit echt hanoverfcher Publicitaͤtsſcheu bisher geheim
gehaltenen Goethe'ſchen Werther: Briefe inhaltsweile mit:
theilt. 8. Goͤdeke.
Skizzen aus Irland.
(Zortſegung aus Nr. MI.)
Seit mehren Jahren waren alle Zeitungen mit ben Bib
bern des irlaͤndiſchen Elends angefüllt, und wir Lafen die eat:
feglichften Schitberungen der durch Trunk unb Unordnung herbei:
Mi
fuͤhrten Arczuch, ſowie amd bie zettwichee Unruhen, thoits
Empoͤrungen gegen bie Autoritäten, theild Schlaͤgereien über
——— welche m Whiekyrauſch bie zum axauſam⸗
Mrs. Hau gibt uns dagegen
Bilder des jegt nad) und nach ſich wieder euhebendgn Wohiftans
des: ben Schiffer, ben fie ein Jahr zuvor ats unnerbefferlichen
n Morden getrieben wurden,
Trunkenbold vertieß, findet fie als ordentlichen Hauspater wieder;
die Hütte iſt reinlich, bie Kinder gekleidet, und er trägt auch
woͤchentlich Geld in die Sparkafle: Ale Das, weil er dem
Vater Mathew ben Moaͤßigkeitseid geleiftet und bie Medaille ges
nommen bat. Es wäre ſchwer, ein Wort oder Zeichen auf die⸗
fer Mebaille zu entdeden, wogegen man irgenb eine ECinwen⸗
dung machen könnte, und mit diefer Mah an den Eid ift
burhaud fein Aberglauben verbunden, obgleich ſich wol auch
‚abergläusbifche Ideen Hineinmifchen mögen, Ba die Meiften, weiche
den Eid geleiftet haben, überzeugt find, daß ein Bruch beffelben
ihr Unglüd herbeiführen werde. Sie gehen noch
glauben, daß Herz Mathew bie Macht beſite, alle Krankheiten
beiten und feine Anhänger vor allen geiftigen und phufifchen
Sefapren zu fügen, gegen welchen Irrthum Herr Mathew
ſehr ankaͤmpft, obgleich er nichts gethan hat, ihn herbeizufuͤh⸗
ren. Wer die irlaͤndiſchen Bauern kennt, muß wiſſen, daß es
unmoͤglich iſt, fe buch Vernunft zu leiten, und überbies haben
fie von jeher abergläubifche Begriffe an ihre Priefter geknüpft.
‚Diefe feit zwei Jahren eingeführte Maͤßigkeit, weiche bei
Sahrmärkten und andern Gelegenheiten flatt der Whiskybuden
Kaffeehäufer veraniaßt, hat auf alle Volksvergnuͤgungen und
Samtiienfefte großen Einfluß. Die D
feiern geben jegt ruhig ab, und die irlaͤndiſche Gaſtfreiheit waltet ob,
ohne die Unmäßigteit gu beförbern. Die Todtenwachen, bie fonft
einen Auftritt des Greuels und ber Trunkenheit boten, ſind jegt ganz
der urfprünglichen Poefie diefer Sitte wieder anheimgefallen.
Dem irlaͤndiſchen Bauer Liegt während feines ganzen Ees
bens nichts fo am Herzen als der Gedanfe an feine Todes⸗
feier, und er wird gern die höchfte Armuth ertragen, wenn er
nur genug zufammenfparen kann, um eine ſchoͤne Todtenwache
und ein enfändiges Begräbniß zu erhalten. lm diefes Zweckes,
doch um keines andern willen, wird er fparen, und man fieht
häufig Familien, welche in Lumpen gekleidet find und im größs
ten Elende leben, einige unberührte Meibungeftüde zum Bes
gräbnißtage beifeite legen. Der Irlaͤnder denkt babei nicht allein
an fich fetbft, Tondern wuͤnſcht auch ſehnlich, daß die Freunde
fi) bei feiner Todtenwache etwas zu gute thun mögen, und
wenn feine Umftände auch nod fo aͤrmlich waren, fo können
doch feine Nachbarn auf einen Schmaus nad) feinem Tode rech⸗
nen, und feine legten Anordnungen betreffen weniger das künftige
Schickſal der Bamilien als die Geremonien und Vorbereitungen
der nahen Todtenwache.
Diefe Formalitäten beginnen beinahe fogleich, nachdem das
Leben entfLoben ift; bie Leiche wird ausgeftellt und die Todten⸗
wahe fängt an. Zuerſt wird der Priefter gerufen, welcher eine
Mefle für die abgefchicbene Seele lieſt, was gewoͤhnlich in dem
3immer, wo ber Todte ruht, flattfindet. Die Breunde bes Wer:
ftorbenen balten es für eine heilige Pflicht, bis zur Grablegung
bei dem Körper zu wachen, und nicht weniger heilig ift bie
Pflicht, ihn zu Grabe zu begleiten.
Dicht neben der ausgeſtellten Leiche fegt man Schuͤſſeln
mit Rauch⸗ und Schnupftaback und angezünbete Lichter, ges
woͤhnlich gibt man auch Salz. Die Frauen des Haufes flellen
fi auf beide Seiten, und dann beginnt die Gaoine oder ber
Todtengefang. Die Sängerin der Caoine wird gewöhnlich f
ihre Mühe bezahlt und erhält eine Krone ober ein Pf. St.,
je nach den etteln ber Famitie; und folche Krauen leben von
diefer teten Darftellung bes tiefften Wehe.
. DE gefchiebt es inbeß, daß eine Freundin ober Werwandte
Ned Verfkorbenen die Gabe der Poefie befigt und dann aus Liebe
zu ihrem Verwandten deſſen Andenken umfonft ein Klagelied
weiht. Die irlaͤndiſche Sprache, welche kuͤhn, verftändlich, reich
meiter und.
achgeiten und Zobtens.
an zaͤrtijchan Denennuagen unb aigeathaͤnlthen Schönkelten ft,
eignet, (ig gang befonbert für bob oder Satire: sin Sogen iſt dich⸗
send und ergreifend, und ein Fluch außerorbenttich fort, kibten umb
beißend Die Schnelligkeit und Reichtigkeit, womit beide audgefpues
hen werden, und bie enigvammanife Kraft jeder Ciußkiunge
der Caoine ermangeln nicht, deu Augen des gleicgäitiäften IH:
ſchauers Thraͤnen zu entloden, und regen bie ganze Gefekiheft
außerorbentiih auf. Diefer Auftritt maß ‚einen dramatiſchen
Effect hervorbringen: die Dunkelheit des Todtenzimmers, wei:
ches nur von ben bie Leiche belenchtenden Lichtern erhellt if,
bie Art und Weiſe des Geſangs, das tiefe umterbrüdte Gdgad
‚aan ber nähern Bexwanbten, Alles erhoͤht Die Wirkung bez Ganine
noch mehr. In der freien Buft aber, wenn ein Wriefier oder
eine ſehr geachtete unb geliebte Perfon zu Grabe getragen wich,
uud der Zug ſich durch irgend einen Bergpaß winbet, if bie
Gaoine, bie von taufend Stimmen gefungen und von bee do
weiter getragen wird, außerordentlich ſchoͤn.
Eine fehr alte Caoine, die häufig gefungen wird, ſoll, gu⸗
folge einer Tradition, von einem Shore unfidhtbarer Geifter über
bem Grabe eines der eriten Könige Irlands gefungen worden
fein. Wenn die Vorfängerin eine Stange der Caoine geendigt
‚bat, dann fängt fie das Kiagegefchrei an, worein alle Anweſen⸗
ben einflimmen. Hierauf erfolgt eine momentane Stille, bis Wie
neue Strophe anfängt, bie abermals in Klagen endigt. Die
Caoine beſteht gewoͤhnlich aus einer Anrede an bie Leiche, als
3 B.: „Warum ſtarbeſt du?” u. |. w.; ober in einer Schilde⸗
zung des Todten, feiner Eigenſchaften oder Reichthuͤmer u. f. w.
Sie wirb meift extemporirt, und es ift oft ewfkaunlich, mit wel
her Leichtigkeit die Saͤngerin bie Verſe zufammenftellt und
ihre poetifchen Gteichniife und Bilder der Leiche anpaßt. Nur
ber die Sprache Verſtehende Tann das beurtheilen, da bei ber
Überfegung das Verdienſt diefer Sompofition verloren geht.
Das Klagelied muß nicht allein von ber Magefängerin gefuns
gen werben, auch jebe anbere gegenwärtige Perfon, weiche bie
Babe ber Poefie befist, kann ihren Vers anbringen, was auch
öfters geſchieht. So vergeht die Nacht umser Kingen usb
Echweigen, da jeber neue Ankoͤmmling das Signal zur Wieder⸗
bolung . ber Gaoine gibt. Wir ſahen indeß Leute eintreten,
weiche, anftatt fich neben ber Leiche niederzulaſſen und dadurch
anzubdeuten, baß fie in bie Caoine einftimmen wollen, ſchweigen
niederfnieten und ein flilles Gebet für die Ruhe der Serie dar⸗
brachten. Die Paufen der Gaoine find indeß nicht immer ſtill,
oft werben fie mit Kleinen Spielen von den jungen Leuten aus⸗
gefüllt, und von dem ditern, ernfleen mit Erzaͤhiungen von Ge⸗
ſpenſtergeſchichten. Auch ift 28 nicht ungewöhnlich, diefe Beit
mit veligiöfen Gefprächen auszufüllen, da meift unter einer groͤ⸗
dem Geſellſchaft ſich einige Protefkanten befinden.
„Die Gaoinefängerin iſt gewbbnti eine alte Frau, und
wenn fie auch noch ziemiich jung fein follte, fo gibt doch Bie
Ausübung ihres Berufs ihr den Anftrich des Alters. Nie werde
ich ein foldyes Weib vergeffen, das ich einft bei der Leiche eines
Junglings, des Sohnes wohlhabender AÄltern ſah, der eine gute
Todtenwache hatte. Er war von bee Pollesi getödtet worden,
als er fich dem Arrefibefepl widerfeste. Als wir das Zimmer
beraten, faß die Frau auf einem niebrigen Schemel neben
ber Leiche, lange, ſchwarze, ungelämmte Locken Bingen auf ihre
Schultern herab. Gie hatte das tiefliegende, graue Auge, das im
Lande fo gewöhnlid und jedes Ausdrucks fähig iſt, vom bittere
fen Haſſe, ber ache, bis zu den fanfteften, waͤrm⸗
zu
ſten Gefuͤhlen. Dex große blaue Mantel war an den Hals ges
ſchloſſen, doch barg er nicht die Umeriffe ihrer langen’ hagern
JſGeſtalt, als fie gleichſam in piöglicher Begeifterung auffprang,
ect bie Hände über die Leiche hielt, und fie dann wild über Ihe
Haupt ſchwang, indem. fie mit tiefer, monotoner Stimme ihr
Lied fang und bann und wann in lebendiger Weife einfiei. Sie
wußte die verfchiedenften Stellungen anzunehmen, um ihren
Worten nody mehr Ausbrud zu verleihen, und bie Beſchreibung
ber guten Eigenfchaften des Berftorbenen noch überseugenber gu
machen. ‚Schnell und leicht war fein Buß‘, Tagte fie, ‚auf Berg
122
und Thal; fein Schatten erfuͤllte die Feinde mit JFurcht.
Ochnell und furchtbar ſchwang er die Waffen in der Luft; Über
-Auß berrichte in des Waters Hauſe, und der Neifende vertieß
e8 nie mit leeren Händen. Doch die Zyrannen haben fein Als
les genommen, bis auf das Hergblut, und am Ende auch biefes.
Die Mägblein der Berge mögen weinen am ftrömenden Fluffe
und die Blume des Landes betrauern, denn er kehrt nicht wie
der. Er war ber Letzte feines Waterhaufes, doch feine Leute
waren viel auf dem Berge und im Thale, und fie möchten ſei⸗
nen Tod rächen.“ Dann Eniete fie nieder, ballte ihre Hände und
Huchte Dem, der die Kugel abgefchoffen, und diefes Fluchen zeugte
nur allzu fehe von dem euer des irländifchen Hafles. ‚Möchte
doch das Licht deiner Augen ſchwinden, damit bu nie fäheft,
was bu liebfl. Moͤchte dad Gras vor beiner Thür wachfen;
mödgteft du zu nichts werben wie der Schnee im Sommer;
möchte das eigene Blut fich gegen dich erheben, und der Keldy
des Leidens dein ſuͤßeſter Labetrunk ſein; möchteft du ohne Wels:
"fand des Priefters fterben!‘ Auf jeden biefer Fluͤche erfolgte
ein tiefes Amen, und bie Gaofnefängerin hielt inne, um Diefes
ya vernehmen, dann begann fie wieder ihre Verwünfchungen.”
As ein weibliches Mitglied der Familie Mac Carthy More
in Armuth farb, ward ed von Bauern zu Grabe getragen; ihr
Sarg ruhte auf Stangen, ein altes Weib, Namens Mary Riorban,
welches berühmt war wegen ihrer Gaoinengefänge, ſprach bei
diefer Gelegenheit folgende Klage:
„D, mein Lieb, mein Derzenslich,
Du Sprößling von Fürften,
Dem blondgelodten Mac Carthy,
Die ind weite Exil zogen,
Du Kind, dab eine Gräfin gebar,
Die Gräfin Muskerry,
Du wir auf armen Stoͤcken getragen
Durch deine eigenen Befitungen.”
Gin armer Fremder, ein herumziehender Kaufmann, ftarb in
einem Pachthauſe, und bie Nachbarn befuchten feine aͤrmliche
Zobtenwadhe, und unter ihnen auch diefe Mary Riordan. In
der Nacht fagte man zu ihr: „Es ift nicht recht, ihn hier lies
gen zu laffen wie eine Kub ober ein Pferd, fteh auf, Mary,
und fage etwas über ibn. Was kann ich jagen, antwortete fie,
ic) weiß nichts von ihm.” Man überredete fie indeß doch und
fie ſprach alfo:
„gerbei, ihe rauen,
Wenn ihr au nicht Hagt um den, ber bier Liegt,
So habt ige doch gewiß Freunde verloren,’
Und auf diefe Weife fuhr fie fort, die Gefühle und ben Kum⸗
mer jebes Einzelnen anzuregen, indem fie an ben Verluſt von
Gatten, Geliebten und Water mahnte, und Alle fo zu Thraͤnen
sührte, daß bei der Leiche des Fremden Jeder den eigenen
Schmerz beweinte,
Außer dieſen Gaoinen ober ertemporirten Compofitionen
über die Todten verdienen bie Thirrios oder gefchriebenen Ele⸗
gien auch der Erwähnung; dieſe werben meift von Männern,
die Saoinen von Frauen gedichtet, und viele zeugen von Genie.
Zm Haufe eines jeden Landmanns, der die Sprache feines Va⸗
terlands cultivirt, findet man Manufcripte von ſolchen, welche
aur durch forgfamere Rüdfiht auf Versmaß ſich von den Gaois
nen unterfcheiben.
(Der Beſchluß folgt.)
Literarifhe Notizen aus Franfreid.
Societ& encyclopedique des bords du Rhin,
Die freundliche Berührung, in weiche der franzoͤſiſche wiffen-
fehaftliche Verein zu Stradburg im J bie Gelehrten ber
verfchiedenften Voiker, namentlich deutſche, ſchweizeriſche und
franzöfifche Gelehrte, brachte, machte ben Wunſch vege, daß fort:
dauernd ein innigeres Geiſtesbuͤndniß insbefondere zwifchen bem
GEifaß und ben Städten des rechten Rheinufers beftehen möchte.
Der Erſte, welder biefen Wunſch und ben BSorſchlag zu einer
allgemein wiſſenſchaftlichen Berbinbung zwiſchen beiden Syeinufern
Öffentlich autſprach, war Hr. Prof. Buß aus Freiburg im Breisgau
in der Sitzung ber fecheten Abtheilung des Wereins am 6, Okt,
1842, Aber in Strasburg ift die Stimmung getheilt; der deutſch
geſinnte Theil, als deſſen Hauptkaͤmpfer der ruͤhmlichſt bekannte
Prof. Eduard Reuß gilt, ergriff mit aller Wärme dieſe Gele
gende, fih enger an Deutfchlanb anzufchließen, während der
anzoͤſiſch gefinnte Theil der Strasburger die Bränbung des
Vereins zu hindern ſuchte. Daher trat, noch ehe jener Plan
in der allgemeinen Sitzung zur Sprache gebracht wurde, einer
ber Hauptredner der feanzöftfch Geſinnten, Hr. Boͤrſch, in ver
allgemeinen Sigung am 7. Oct. mit dem Vorſchlage hervor,
eine Bociöts generale d’&mulation für bie beiden Kezirke det
Sıfaß (Ober: und Niederrhein) zu gränden. Es wird bagegım
hervorgehoben, daß ſchon Tags vocher in ber fechäten Abtheilung
der Borfchlag zu einem umfaffendern Verein gemacht morden
fei; ein heftiger Kampf beginnt; Br. Boͤrſch, auf das Überge:
wicht bes franzoͤſiſchen Theils vertrauend, dringt endlich auf
Abftimmung, allein Deutfche, Schweiger, beutfchgefinnte Eifafler,
ſelbſt einige Franzoſen halten zufammen und es wird die Gründung
einer Boci6ts encyclopedique des bords du Rhin mit Stim:
menmebrheit durchgeſezßt. Der aus allen Abtbeilungen bes
franzöftfchen wiſſenſchaftlichen Vereins erwaͤhlte Ausſchuß (au
Hr. Boͤrſch war mitgewählt worden und fdheint nicht ohne Eins
fluß gebtieben zu fein) bat nun am 20. April db. 3. eine vor
laͤufige @inlabungsichrift erlaffen und an die Theilnehmer de
ftradburger Vereins verfandt. Die neu zu begrünbende Geſell⸗
haft ſoll ſich über alle Zweige des Wiſſens erfiredten und alle
Städte der beiden Rheinufer von Baſel bis Koͤln umfaffen, ohne
ſich jedoch auf dieſe Städte allein zu befchränten. Der Gi
ber Verwaltung iſt Gtradburg, wo auch die herauszugeben
Zeitſchrift ausſchließlich in franzoͤſiſcher Sprache erſcheinen ſoll;
eingeſandte Aufſaͤze in andern Sprachen werben baher ins
Franzoſiſche Überfegt. Vorlaͤufig tft beftimmt, daß jährlich in
ber Oſterwoche in einer der Rheinftäbte eine vier bis ſeche Tage
dauernde Sufammenkunft ftattfinden fol. Im Aug. b. 3. fol,
ten bie Satzungen feftgeftellt und die Gefellfchaft eigentlich be:
gründet werden. 8,
Unterrigtswefen.
Die blinden, leidenſchaftlichen Angriffe der Jeſuiten gegen
dad gefammte Unterrichtswefen in Frankreich haben wenigftens
das Gute zur Folge, daß einſichtsvolle Männer dadurch veranlaft
werden, die Misbraͤuche und Mängel, die fich hier eingeſchlichen
haben, fowie die Mittel zur Abhütfe derfeiben ins Muge zu faffen.
Wir haben ſchon Gelegenheit gehabt, mehre neue Schriften über
biefen wichtigen Gegenſtand zu beiprechen, die in Folge diefer hef⸗
tigen Discuffionen, wo innerhalb und außerhalb Jlions gefündigt
wird, erſchienen find. An biefelden reiht ſich ein Werk an, dab
ganz im praltifchen Sinne „geföriesen if. Wir meinen: „L'in-
struction publique au 1Bieme siede’ von Hrn. Gaſi. Der
Verf. legt in ſeiner Schrift bie Tangjährigen Beobachtungen und
Erfahrungen nieder, die er als Chef einer ausgedehnten Erzie
bungsanftait gemacht hat. Er handelt zuerft von der Erziehung
im Allgemeinen, von den verfdhiedenen Syſtemen, die bis jeßt
verfucht worden find, und geht dann auf bie Jacotot'ſche Me
thode ein, die trog mannichfacher übelſtaͤnde doch immer noch
zahlreiche Anhänger hat. Dabei wirb die weibliche Erziehung,
die befonders noch großer Reformen fähig ift, näher beleuchtet.
Gaſi widmet unter Anderm auch der wichtigen Frage der liberis
de l’enseignement — eins don den Worten, mit denen bie
Jefuiten die öffentliche Meinung zu irren fuchen — ein eigenes
Sapitel. Er weift das Zrügerifche nah, mas in ben Ber
fprechen biefer zweizungigen Partei liegt, ohne bie beftehenden
Snftitutionen als das doͤchſte Ziel alles Strebens zu halten.
Überal aber, wo ex Mängel aufdeckt, hat er auch ſchon erprobte
Mittel zu ihrer Abhuͤlfe bereit. 2.
VBVrerantwortlicher Heraußgeber: Heinrich Brockhaus. — Drud und Verlag von F. A. Brothaus in Leipzig.
Blätter
für
literarifhe Unterhaltung.
Mit Goethe mäüflen wir beginnen, wenn es ein ers
ſchoͤpfendes Wort gilt über die Kragen und Intereſſen,
welche, als der neueſten Zeit und Literaturepoche aufs
innigfte angehörig, der gegenwärtige Auffag mehr anre⸗
gen als erichöpfen fol. Mit Goethe fehen wir ſich er:
fhließen die Selbſtaͤndigkeit und Zülle des beutfchen Mo:
mans, der ſich unter diefem Vertreter fogleich in verfchie:
dene Michtungen theilt, im „Werther, im ,, Wilhelm
Meiſter“ und in den „Wahlverwandtfchaftn”. Es find
dies reine Nomane, die zugleich Gattungen bilden. Denn
in ihnen erfcheint das menſchliche Gemuͤth in feiner Bit:
dung und Verwandlung, in Irrthum, Leidenfchaft, Kampf
und Zweifel, und durch dies Altes, Guͤnſtiges und Wider:
wärtiges, ſich fürs Leben erziehend. Wo nicht erzogen,
doh von ihm unablösbar;z das menſchliche Individuum
in feiner Fluͤſſigkeit, hingeriffen entweder und verfchluns
gen vom Leben, befien Macht und Bedeutung es doch
erfannt hat, oder fein Wirrſal beflehend, zuletzt gereift
und mit ihm ausgeföhnt.
Die dreifache Gattung des Goethe'ſchen Romans ift
aber diefe: im „Werther“ bie Leidenfchaft des Leben:
digen, im „Meiſter“ Zucht und Sitte, in den „Wahl:
verwandtfchaften” die Macht bee Verhältniffe. Im erflen
efelt das Leben, im zweiten erzieht und reinigt «6, im
dritten erdrifiden feine Beziehungen. Dort fchaler, unbe:
friedigender Inhalt, Hier Feudaltyrannei der Formen, In
der Mitte Heindliches und Freundliches. Vom einen ge:
nug zue Zucht, vom andern genug zur Erhaltung ber
Lebenden und Lernenden. Bei Zucht und Sitte muß
es aber allmege verbleiben, und fo iſt „Meiſter“ als das
Gentrum des Goethe’fhen Romans zu betrachten. Das
richtige Verhältniß des Einzelnen zum Leben ift gefunden.
Denn wo «8 für diefe nicht zur Zucht und Sitte wird,
da ift es ein verlorene. Mit ber richtigen Formel find
aber zugleich die Ertreme ausgelegt, wohin man fich ver:
irren fann. Das Leben in feiner Flucht und Breite ift
geöffnet.
Wie nun aber Vorwärts die einzige Lofung ift, bie
im Himmel und auf Erden gilt, fo beginnt es fi nun
in und mit dem beutfhen Roman gewaltig zu regen, zu
reden und zu flreden. Er ſtrahlt in alle Richtungen,
Breiten und Weiten, bi6 er zum Tendenzraman wieh,.
und das ifk in der That feine ſchwaͤchſte Seite, wo m
abgelebt, feine Friſche nicht mehr im Leben ſelbſt findat,
fondern in den „Tendenzen““, die als bie mäßigen Ideale:
des Lebens neben dieſem herlaufen. ber fuͤrd erfle. ver:
langen Herz und Berfland und die Sinne ihr Recht,
und fo fehen wir die dreifache Gattung der ſchoͤnen
Seelenromane, der philoſophiſchen und der Kunſtromane
fi ausbilden. Dabei faugt der Roman, was er felbfk
kaum Wort haben will, aus dem philoſophiſchen Syſte⸗
men Nahrung und Gehalte. Man merke es dem deut⸗
{hen Roman gar deutlich an, wo auf Kant Fichte folgt,
wo Schelling diefen abloͤſt. Reben der Myſtik des Her⸗
zens entfaltet ſich eine Myſtik des Verſtandes. Bei aͤußerm
Sturm und Drang zehrt der innige beſcheidene Deutſche
noch immer an ſeinem eigenen Gemuͤth, an der innern
Bett ſeiner Romantik oder nüchternen Verſtaͤndigkeit.
Es wirft ein wunderliches Licht auf das deutſche Volk,
wenn man flieht, was in feiner Literature für Lappalien
curficen, in ben Beiten, wo unter Blut, Brand unb .
Schlachtendonner die Weitgefchichte ihre umgeheuern Bes
mälde vor uns auf: und niederrolt! Nun fladen ſelkß
die Tendenzen; Die beutfche Phantafie fchlüpft in die Kel⸗
ler und fuͤrchtet ſich vor Pulver. Draußen in ber weis
ten Welt fliegen die Adler des Kalfers von Meile zu
Melle und der gebildete Deutfche verkriecht ſich unter
feine Bettdecke. Statt die Propheten und ben Plutarch
zu leſen, behilft er fich mit dem Abhub feiner Literatur.
Es iſt als 0b er es nicht ledern genug bekommen koͤnnte.
Das war jene glorreiche Zeit, wo die „Recenſenten“ ihre
Ernte hielten. Denn bes deutfche Philiſter ſetzt füch felbſt
über die Kofaden hinweg, wenn er nur vecenfiren kann.
An der Möge durfte er die Socarde nicht teagenz er.
klebte fie alfo auf den Avers der Litsraturzeitungen. Die.
Policei des großen Kaifers hatte gewiß einen. langen Arm
umd ein weites Wiſſen, aber um ben beutfchen Roman
von 1813 und feine ‚„‚Recenfenten” ließ fie fich doch un⸗
befümmert.
Nah dem Jahre 1815 gab es auch für deu Denk.
ſchen keine Gefhichte mehr. Mit ben ausgedorrten Ten⸗
denzen war nichts mehr anzufangen. Die Kunft, der.
Katholicismus mußten noch einmal herhalten unb wur⸗
den vollends ausgebentet. Die „ Schwaͤrmerei des Her:
1814
zens“ feierte ihre lezten Triumphe. Nun war Stil:
fland, dem gefnechteten Individuum fehlte die Kraft, fi
durchs Leben durchzuleben. Woher folten die Romane
kommen? Alte Poeſie verſteckte fih in den Demagogis⸗
mus und das iſt ihr uͤbel genug bekommen. Ein blei⸗
ches Geſpenſt tauchte doch empor aus den pontiniſchen
Suͤmpfen deutſcher Poeſie, es nannte ſich Epos und
ſprach nur in der achtzeiligen Stanze. Aber in dem
winzigſten Vorpoſtenſcharmuͤtzel ſteckte mehr von einer
Ilias als In dieſem Epos ſtak. Das war die Trans⸗
fubftantiation des deutfhen Romans; er fpielte Wer:
fiedens in Reimchen, aber es waren nicht mehr die
dunkeln ahnungsvollen Affonanzen unferer Romantifer.
Das Leben im Großen zu durchleben vermochte Nie:
mand mehr. Aber body-war fo gar Vieles erlebt wor:
den! Man brauchte nur um fich zu bliden, und das Le:
ben als Bilderbuch war aufgeſchlagen. Erlebniſſe! Bild⸗
chen! Keine Geſchichte — aber Geſchichten!
Der Deutſche iſt immer befliſſen; er macht ſich gern
zu thun. Die Weltgeſchichte hatte kraͤftig genug an ihm
geruͤttelt, aber er machte doch nur Geſchichten! Aber ſo
aͤußerſt viele Geſchichten, daß man das Ende durchaus
sicht abfehen konnte. Ganz verteufelte Geſchichten, Spuk⸗
und Kriegsgefchichten. Don einem Poftmeifler und von
eimer Graͤfin, von einem Gauner und von Michael Kohl:
band. Aventuren aus aller Herren Ländern; lange Ge
ſchichten in Briefen, kurze in Verſen mit eingelegter Profa.
Geſchichten, die eigentlich nur aus Ihren Titeln beftanden.
Aber die Kupfer in den beutfhen Zafchenbüchern fingen
am ſich zu mobdernificen, die Taillen wurden länge. Man
lachte Chodowiecki aus. Der alte Lafontaine und fein
Verleger legten Trauer an.
&o fland es mit ber deutfchen „Erzählung, bis bie
zu früh begrabenen Tendenzen gereist erwachten. Bon
dieſem Augenbiid an nannte man bie beutfche Erzählung
Movelle. Wie es auf dem Felde der Heilkunde der Ho⸗
möopatbie gelungen ift, die ungeheuern Medicinflafchen
zu verdrängen, bei deren Anblid ber Kranke regelmäßig
ktaͤnker wurde, fo gebührt der fchlanken, zierlichen Mo:
velle der Ruhm, jene Unthiere aus ber Literatur hinaus:
gefpottet zu haben, über denen uns Hören und Sehen
verging, gebruckte Weſen, die ber Buchbinder eingebunden
batte und die das Entfegen Romane nannte, um ihnen
doch einen chriftlichen Namen zu geben; der unfterbliche
Ruhm, die Gottesgeißel der ‚„‚Belenntniffe” von uns ab:
gewendet zu haben, die uns gewiß ums Leben befannt
bitten, wenn fie alle belannt geworden wären. Aber
auch jene unendliche Salbaderei ber deutfchen „Erzähler“,
die, wie der Bandwurm fich in unendliche Glieder theilt,
jebes Jahr um ein Elichen wuchſen, immer mit einem
neuen Köpfchen und einem neuen Schwänzchen, welches
beides nicht todt zu machen war — auch biefe erreichte
durch bie Movelle ihre Endſchaft, aus dem einfachen
Grunde, weil, wenn auf ber einen Seite der Verſtand
gaͤnzlich ausgegangen iſt, der Menfchheit für die andere
keine Wahl bleibt.
Die Novelle, um viele Stufen tiefer als bee Roman
wiſſen.
geſtellt, hat nicht das Werben bes Lebens zum Juhalt,
nur das gewordene Leben, nicht des Lebens rollenden
Amazonenſtrom, auf deflen flutender Wellenhoͤhe das
menfchliche Individuum fein Leben abwärts ſchwimmt,
fondern die eimgefriedigten Teiche und Baffins des Mi:
niaturlebens, huͤbſch und rund, in marmorenen Beden,
befäumt .mit Blumen und Grün. Auch die Nadıt fleigt
auf über diefen Waſſerbecken und ber Mond fpiegelt ſich
in ihrem ruhigen Naß. Sturm und Wetter rollen auch
darüber, aber die winzige Flut ſchaͤumt nicht über. Es
bleibt, wenn es aus if, beim Alten. Denn bes Lebens
Berhaͤltniß, die Sefelligkeit, der Lebensmoment find nicht
das Leben felbfi, fondern nur etwas von ihm und mit
diefen Losgeriffenheiten des Lebens hat es bie Novelle zu
thun. Diefe abzurunden ift ihre Kunft, darum muf in
ihe Alles gefchloffen und fertig fein, felbft die Charakter.
Herrſcht auch darin ber Gedanke, fo herrſcht er nicht als
großer Werdeact, als Revolutionsgefchichte der Zeit und
des Individuums, nicht als Träger und Fackelſchwinger
einer Epoche, fondern nur als die belebende Seele biefer
abgetrennten Momente. Darum bedarf es, um daß fe:
ben in ber Breite feiner Verhaͤltniſſe auszulegen, einer
Reihe von Novellen.
Daß Tieck der Schöpfer ber deutſchen Novelle fei, iſt
fo unzählig oft gefagt, daß es die Knaben auswendig
Man darf jedoch, um einen erfchöpfenden point
de vue auf diefe bedeutende Gattung zu gewinnen, nicht
bei Tieck fichen bleiben. In Hoffmann, Brentano, Arnim,
H. v. Kleift zeigen fich bedeutende Phafen, deren Straf:
ien, für ſich felbft einzig und wunderbar, die bemußtern
Schöpfungen Tieck's ergänzen. Aber Tieck iſt ber Sofle
matiker der deutfchen Novelle. Er bat fie in alle erdenk⸗
lie Breite entfaltet und fo bis an ihre aͤußerſte Grenze
geführt, daß er mit gleichem Recht ihr Vernichter wie
ihe Schöpfer heißen Tann.
Das Mächtigfte und wahrhaft Ewige in der Movele
Tieck's iſt aber die Jconie, von welcher gleichfalls viel
geredet if. Sie ift das Salz dieſer Schöpfungen, das
fie feifch erhält. Es war ein Unrecht von Hegel, das et
an Zie beging, daß er biefe Ironie durchaus nur als
da6 ganz Nichtige und Mefultatlofe gelten lief. De
wahre Unterſchied iſt aber der, daß in ben engen Umriſſen
und Verhältniffen der Novelle die Ironie ſich nicht zum
wahren objectiven Inhalt bes Lebens ausbilden kann.
Wo Alles fertig ift — keine Entfaltung im Großen —,
da ann bie Ironie nur fubjectiv fein. Dan fieht fie,
weil ale Kreife zu eng find, zu deutlich in den Dichter
fallen. Das Drama, der Roman in feiner wahrhaften
Vedeutung , wiſſen freilih von einer andern Ironie.
Diefe Unterfchiede ergeben ſich fo deutlich, daß man nur
einfach etwa Tied’s „Semälde” mit „Lear“ und „Don
Quixote“ zu vergleichen braucht, oder, um beutfche Art
nicht zu verlaffen: mit Hippel’6 ‚‚Zebensläufen in auf
fleigender Linie”.
(Der Beſchluß folgt.)
— ——— —— — ——— EEE
|
1310
Skizzen aus Irland.
äi Veſchiuß aus Mr. MR.)
Der Gtabt kimerick widmete bie WBerf. einen großen Theil
ihres Werkes, als bedeutend wegen Handel, Fabriken, Öffentlicher
Anftalten und hiftorifcher @rinnerungen, und der Widerſtand,
den bie Stadt Wilhelm III. geleiftet, und ber gebrochene Ver⸗
trag, der dir Übergabe folgte, möchte wol das Intereffe ber Le⸗
fer d. Bl. in Anfpruch nehmen:
Die Schlacht von Boyne war gefchlagen und Jakob IT.,
der in Irland zu Kinfale am 12. März 1 lanbete, verließ
feine Parteigänger und fchiffte fi in Waterforb ein. Im Aus
1690 foderte Wilhelm die Stabt zur Übergabe auf, ber
anzöftfche General Boileau, der bie Barnifon commanbirte,
geb eine abidhlägige Antwort, worauf bie Belagerung begann.
ie Stabt war reichlidd mit Truppen und Propifton verfehen,
und ihre natürliche Feftigkeit durch Wälle, Batterien, Mauern
bedeutend vermehrt worden; fie warb vom Schloß unb von ber
Sitadelle vertheibigt. Die ganze Feftung beftand aus ber eng:
liſchen und irifyen Stadt, welche erftere auf einem Kelfen ges
baut und von allen Seiten mit Moräften umgeben war, bie
fogar unter Waſſer geſetzt werden Eonnten, und wenn auch bie
weniger fefte iriſche Stadt verloren ging, fo Fonnte doch bie
englifche fich noch halten. Die Bluͤte der englifchen Armee war
in ben Mauern eingefchloffen, und die Braffdyaften von Clare und
Galway flanden br offen, um Lebensmittel zu beziehen, wäh:
rend eine franzoͤſiſche Flotte triumppirend den Shannon beiciffte.
Die Garnifon war indeß wenig geneigt, gemeinſchaftlich zu hans
dein, unb bie @iferfucdht der franzoͤſiſchen und iriſchen Anführer
hatte fi auf die Truppen erſtreckt, und ber zwiſchen ihnen
berrfchende Haß verkündete wenig Gutes in Betreff des Wis
derftands gegen die mwohlbisciplinirten Streitkräfte Wilhelm's.
Die Armee des Letztern war indeß an Zahl herabgefommen,
und fland unter dem Nachtheil, in einem feindlichen Lande opes
ziren zu mäffen. Wilheim mußte ſich inbeß Artillerie von Was
terford zu verfchaffen, und fo gelang es ihm, eine Breſche zu
fhießen, und am 27. Auguft ward der Befehl zum Sturm ge
geben. Die beften Soldaten ber Armee, die britifhen @renas
diere, eilten nach ber Brefche, und eine große Abtheilung vers
mochte einzubringen. Da fie aber nicht gehörig unterftügt war,
wurde fie niedergehauen. Die englifhen Truppen kämpften
tapfer, fanden aber auch tapfern Widerſtand. Die Irlaͤnder
kehrten ebenfo oft wieder, als fie zurüdigetrieben wurben, und
ihr angeborener Muth warb noch durch die Frauen und TJoͤch⸗
ter angeregt, welde an bem biutigen Kampfe Theil nahmen
und fi der Waffen bes tobten Feindes bemädhtigt hatten.
Rach einem vierftündigen Kampfe waren bie Belagerer gend»
thigt, fi in Ihre Verſchanzungen zurüdzuziehen, nachdem fie
mebr ale 1000 Wann verloren hatten. Wan bob bie Belages
rung auf, und am 30. Auguft begann die Armee Wilhelm’s den
RKäͤckzug; ber König ſchiffte ſich bald darauf nach England ein
und übertrug die Fuͤhrung des Kriege den Generalen Solmes
und Ginckle.
kimerick galt indeß für fo wichtig, daB Binde einen neuen
Verſuch zu beffen Eroberung unternahm, und nachdem er nad
biutigem Kampfe Athlone eingenommen, bie Irlaͤnder in ber
berühmten Schlacht bei Aughrim geſchlagen hatte, vereinigte ber
kuͤhne, liſtige Holländer feine Streitkräfte abermals in ber Um⸗
gebung der Stadt, welche iegt ber einzige Zufluchtsort in Ir⸗
land für die geſchlagenen Anhänger Jakob's geworden war. Die
zweite Belagerung fand im Herbſte 1601 flatt und dauerte un⸗
gefaͤhr ſechs Wochen, ohne daß bie Engländer irgend einen wich⸗
tigen Vortheil errungen ar trog Lauzun’s flolsem Wort, daß
er fie mit gebratenen In einnehmen wolle. Endlich warb
die Garniſon des Kampfes müde, und auch die Welagerer hats
ten wichtige Brünbe, um bas Ende beffelben gu wünfden. Am
BB. Sept. ward ein Waffenftiliftand zwiſchen den zwei Armeen
geſchloſſen, und man kam nach kurzem Zögern über die Friedens⸗
artikel uͤberein.
Der Vertrag wurde am 3. Oct. 16001 unterzeichnet und
beſtand aus zwei Theilen, einem baͤrgerlichen und einem mill⸗
tairiſchen. die militairiſchen · Artikel verlangten bie. Übergabe
von Limerid® und den andern in den Bänden ber Irlaͤnder bes
findtichen Feſtungen, und verhießen der Garniſon freien Abe
marfch mit allen Shren des Kriege, fowie, wenn eb verlangt
würde, die Überfchiffung nach Frankreich auf Koften bes britis
fen Gouvernements. Der bürgerlichen Artikel gab es drei⸗
sehn — und der erfle und neunte waren biejenigen, welche fo
viel Streitigkeiten verurfachten; ber neunte nämlich beſchraͤnkte
die Römifch Katholifchen blos auf den Hulbigungseid, und ber
erfte verhieß, daß:
„Die Roͤmiſch⸗Katholiſchen von Irland ſich aller mit den
Gefegen von Irland vereinbaren Privilegien freier Religionde
Übung, wie dieſelben unter Kari IT. beftanden, erfreuen follten,
und Ihre Majeftäten, der König Wilhelm und die Koͤnigin
Maria verfpradhen, bdiefe Angelegenheit vor bem Parlament in
Irland zur Sprache zu bringen und fi) zu bemühen, ben befags
ten Roͤmiſch⸗katholiſchen alle weitern Sicherheiten auszuwirken
PR vor jeglicher Stoͤrung in Betreff ihrer Religion zu
n.
Daß ſowol der Buchſtabe als auch der Geiſt dieſes feierli⸗
hen Vertrags gebrochen wurde, wird jeder Unbefangene zu:
gefteben, und die Behauptung, daß der König feine Macht
gehabt habe, um diefen Bertrag, den er durch feine Agenten ges
ſchloſſen und mit feinem Siegel von England beftätigt, zu hal⸗
ten, {ft ungegründet. Gr ward in ber Ihat vom trländifchen
Parlament eingegangen und ſtillſchweigend während der Regie
rung Wilhelm’s und Maria's gehalten. Deren Nachfolger hielt
ihn indeß nicht für bindend, fondern gab Gefege, welche für
die Roͤmiſch⸗Katholiſchen noch viel druͤckender als bie fruͤhern war
ven. Man darf nicht Überfehen, dab bie Artikel ausgemacht
und unterzeichnet wurden in einem Augenblid, als die contras
birenden Parteien ſich unter gleichen Verhaͤltniſſen gegenüber:
fanden, und nicht von einer ſiegreichen Armee den Beſiegten
vorgeichrieben wurden; denn es ift entfchieben, daß die Stadt
Limerick in beſſerm Stande war, um eine Belagerung außzus
halten, als bamals, wo Wilhelm III. feine geſchlagene Armee
abführte, und außer den eigenen reichtichen Hülfsquellen der iri⸗
ſchen Armee flündlich neue Hülfstruppen von Frankreich erwars
tet wurben, welche auch einige Tage nady ber Sapitulation eine
teafen, wo eine Flotte von 18 Linienfchiffen mit Mannfchaft,
Waffen, Lebensmitteln und Gelb im Shannon vor Anker ging.
Dagegen war bie Lage von Wilhelm’ Generat fehr bebränge,
da der Winter fo nahe war und ber Zuftand feines Herru
ihm nicht erlaubte, die Streitkräfte in Irland zu vermehren,
während ber Kern ber englifhen Armee ſehr zufammengefchmols
zen war. Der König hatte fie verlaffen, und fie wußten faum,
für was und für wen fie kämpften. Man fpricht zwar von einer
geheimen Proclamation des Lord: Oberrichters, welche ben Ir⸗
ländern noch vortheilhaftere Bebingungen als bie von bem Ges
neral gebotenen verfprochen habe; diefe Proclamation war zwar
gebruct, doch nicht publicirt. Indeß ift gewiß, daß biefe Artis
tel von beiden Parteien als eine Garantie für bie Zuſage der
bürgerlichen und religiöfen Freiheit der Koͤmiſch⸗Katholiſchen ans
gefehen wurden. Auf ber einen Seite hatte man erhalten, wos
für man gefämpft hatte, während auf ber andern Seite Wils
beim III. den Beſit der neuerlangten Krone bes Königreichs
gefihert fah, und alle Mittel und Kräfte gegen feine Feinbe
auf dem Gontinent wenben Eonnte, wo gerade bamals fein Städiss
ſtern nicht im Steigen war.
Diejenigen, welche alle Parteien befriedigen wollen, Gaben
in Irland von jeher das Loos gehabt, allen zu misfallen. Dee
Bertrag von Limerick ward von ben Anglo« Iren ale „unver⸗
nuͤnftig günftig” bezeichnet, ba er bie Beftgthämer der Nömifche
Katholifchen, welche bis jegt ber Gonflscation entgangen, unb
nach denen fo viele habfüchtige Hände ſich ausſtreckten, vor dies
fem traurigen 2008 rettete. Die Icländer empörten fi gegen
eine Übergabe in dem Augenblid, wo fie am wenigften gu ent
fyulbigen war, dba Wilhelm erihöpft und Limerid mit allem
IRB
war, und ich war entrüflet über bis
rei des Allürten, benen es gro gebradht Hatte,
während land feine Anfichten durch bie Zögerung beim Aus:
f& z Bruch beijelben unter
der ben Regierung an ben Sag legte.
De en ndee t kann man uam id in Zweifel ftellen, daß
das Refultat der Belagerung vor Limerick in ber That auf das
ei allein in Irland, fondern in allen britiſchen Gebieten
und in gang Europa, und daß das vom Reſultat bes Kampfes
am meiften beeinflußte Land nidyt Irland und England, fondern
ich wäre erfüllt worden, fo wärden Englanb und der Pros
teftantiemus viel mehr dabei gewonnen haben als Irland und
der Katholicismus. Gleich nach dem Einmarſch ber Truppen
der englifchen Geſchichte feines Gleichhen gefunden hat. Ginckle
begte die —* — aber zum Übertritt in die Armee ſei⸗
nes Deren oder zum Auseinandergehen und zur Ruͤckkehr nad)
bemühte, fie zum Dienft Frankreiche zu werben, wo, wie
ihnen zu verfteben gab, den Offizieren, je nad der Quan⸗
tität von Truppen, die fie ben Beanzofen zuführten, ein Rang
Soldaten der irlaͤndiſchen Armee, worin er ihnen bie Vortheile
feiner Vorſchlaͤge auseinanderfegte, während die andere Partei
ihnen vorflellte, wie ihr rechtmäßiger König die Krone wieder:
Baterlande zuruͤckkehren würden. Auch bie irfändifche Geiſtlich⸗
keit warb u Huͤlfe gerufen und mußte an der Spige der Re:
gimenter prebigen. &ie deutete nad) Frankreich, als nad) der
xend es den Kampf für die wahre Religion mitten in einer
verberbten Welt durchfuͤhre, und bezeichnete ben König Wil⸗
beim als den großen Anführer und Apoſtel des fürchterlichen
fanden, und drohten allen fih unter feinen Bahnen Berfammeln:
den mit der ewigen Verbammniß.
Am 6. Oct. zogen alle britifchen Truppen, an der Zahl
nebſt allen Generalen des britiichen Lagers trafen da zufammen.
Letztere ritten langſam an den Reihen dabin, und die fonft feind:
then Truppen empfingen fie mit Muſik und präfentirten das
daß, nachdem fie beibe Theile der Mannfchaft gehörig baranguirt
ätten, fie vor einer an einer gewiffen Stelle aufgepflanzten
ahne voräbermarfchiren, und Die, weldye ſich für England en:
reich entfchieden, weiter marfchiren folten. Sarsfieid gab das
Wort Marſch — tiefe Stille herrſchte, und man vernahm kei
nen Laut, ausgenommen die Schritte der Truppen, bis die Beier:
Menge unterbrochen warb, als das Eönigliche Regiment, bie
Garde, 1400 Mann ſtark, die Flagge erreichte, und alle, ausges
nommen 7, daran vorübermarfihirten. Bon ber ganzen Armee
Mittel, um na
gen nach Frankreich eingefchifft wurden, wo fie die berühmte
irifche Brigade gründeten, welche in den fpätern europaͤiſchen
bren des Vertrags, und durch offenen
al der zeformisten Religion in Irland Ginftuß hatte,
a und Deutſchland waren. Wenn gifo der Vertrag
peubeim fab man einen Auftritt, ber vielleicht noch nie
ihrer Heimat zu dereden, während auf ber andern Geite man
angewiefen würde. Ginckle erließ eine Proclamation an Die
erlangen und fie dann mit Ehre und Ruhm bededt nad ihrem
großen, ruhmwuͤrdigen Nation, die ihre Dienfte verlange, wähs
Ketgerthums, das in den legten Sahrhunberten in der Kirche er:
14,000, beim Yomondthor auf, und ber hohe Rath aus Dublin
Gewehr. Die Anführer waren untereinander übereingefommen,
zoliren wollten, abfallen, während Die, welche fih für Frank⸗
Licheit des Auftritts durch ben Breudenruf der verfammelten
ſchlugen ſich nur 3000 zu den Engländern, ober erhielten die
Kriegen noch eine fo große Rolle fpielte.
Die Ehrlichkeit, Munterleit und Gutmuͤthigkeit des Volks
verleiht der Reife durch Irland einen in andern Ländern oft
nexmißten Reiz. Schiffer, Kutſcher, Kellner, Wegweifer, Alles
bemüht ſich, freundlich zu fein.
„Wer nicht in Irland reifte, Tann ſich keinen Begriff von
dam guten Humor ber iständifhen Fuhrleüte machen; fie find
meiſt gedankenloſes, freifinniges Volk, die das Leben fo leicht als
ihrer Heimat zurüczufehren, während die uͤbri⸗
neuen Roman „
möglich nebmen unb von’ i
Bde als —— n *
als jenes un li mpengemiſch, weldges fie am
Eeibe haben. Sie find in jeber Ginfäht bas —— der
engliſchen Poſtillone, welche ihre Pflicht vollbringen, ohne ih⸗
ren Kunden nur den Kon ihrer Stimmen vernehmen ya laſſen.
Der irlaͤndiſche Kutſcher im Gegentheil will während der Fabrt
wiffen, woher man komme? mohin man gehe? und audy oft,
warum man reife? Ihm ſtehen unzählige Wege ins Bertrauen
Gebote, und man kann fi) darauf verlaffen, daß er bei je
r Gelegenheit fein Wörtchen anbringt, ohne daß man ibn der
unver mu anklagen Eönne. Es if baupt eine $igens
thuͤmlichkeit ber niedern Claſſen, daß fie trautich werden, ohne
anmaßend, und Dienfle leiften, ohne zubringlich zu fein. "
Es tft no immer nicht ausgemacht, ob bie Irlaͤnder Sie
Walter Raleigh wegen Ginführung ber Kartoffel Dank ſchuldig
find, da Viele fie eine „fluchwuͤrdige Wurzel”, nennen und fie
als bie Urfache der irlaͤndiſchen Armutb anklagen. Defjenunges
achtet ſieht man wol nicht Leicht einen fchönern, kraͤftigern Den
fhenfdlag, und wenn auch bie Leute in fruͤhem Alter ſchon ents
fräftet find, fo kann man body den rungsftoff der Kartoffel
nidht ableugnen. Doch mag wol die Leichtigkeit, dieles Rab:
rungsmittel zu probuciren, Gchaben gebracht haben, indem ein
Kleines Stud Land, wenige Tage Arbeit, nebft geringer Duͤn⸗
gung, eine ganze Bamilie das ganze Jabr hindurch ernähren
fonn. Beinahe Teder Boden bringt Kartoffeln hervor, der Fels.
fen, die Bergfeite und der Sumpf, jedes ‚Häuschen bat feinen
Garten oder feinen Ader Land, ber mit Kartoffeln bebaut wird,
und da die Pflege beflelben nur wenig Zeit im Sabre einnimmt,
fo gewöhnt fi Wer Landmann oft an Müfiggang. Gr kann
mit dem einen vom Ertrag feines Bodens leben, und bad
Schwein, das er auch von derfelben Nahrung füttert, bezahlt
die Binfen. Nun mag wol Zufriedenheit ein Gluͤck fein, aber
fie ift nicht die Befärderin ber Gipilifation, unb wer keine Be
dürfniffe hat, wird wahrfcheinlich Feine Kortfchritte in der focias
lien und moralifhen Stellung maden. Deshalb ift die allge
meine Berbreitung ber Kartoffel in Irland allerdings zu bekla⸗
gen. Seht wird indeß Alles befler, unb mam fieht fchon in dies
ien ‚Hütten bie Kartoffel mit Fleiſch und Brot auftragen, da
Bäder und Fleiſcher jest dad für Whisky fonft vermendets
Geld einnehmen. 12,
Literarifhe Notizen aus England.
Neuer Gegenſtand für den Maͤdchenunterricht.
Bekanntlich muͤſſen junge gebildete Englaͤnderinnen Allet
gelernt haben und noch einige Kieinigkeiten darüber. Jndeſſen
ift ein Gegenftand bisher überfehen geblieben, der nun endlich
nachgeholt wird: die Architektur. Es find ſoeben erfchienen:
„Aunt Elinor’s lectures on architecture, dedicated to the
Ladies of England”. Zum Überfegen übrigens, wie es ſcheint,
nicht anzuempfehlen, benn es fol ein trodenes Compendium
ein. er weiß jeboch, was nun in unferm Lieben Kater
lande gefchieht, wo fogar bie Hegel’fche Philoſophie bereits für
Damen bearbeitet ift!
Cooper's Wpandottd ober Hutted Knoll.
„Ihe Hutted Knoll’ (Süttenbägel) ift der Name, ber
einem Plage am Susquebannah beim Ausbruche ber amerikaniſchen
Revolution gegeben wurde. Auf biefem, ganz in der Wildniß,
im Urwalbe gelegenen, aber fehr fruchtbaren Flecke fiebelt ſich
ein britifcher Offizier, Capitain Willoughby mit feiner Familie
an. Die Schickſale dieſer Anfiedier erzählt Gooper in feinem
iandott6”, der keine exfchütternden Ereigniſſe,
Stürme, Walbbrände, Kämpfe, Indianerfcenen, wie andere Ro:
mane des Verf., fondern nur anmuthige Bilder einge Familien
fliltebens in der Wildniß vorführt. 48.
Berantwortlicher Herauſsgeber: Heinrich Brockhaus. — Druck und Berlag von %. U. Brockhausé in Leipzig.
Blätter
für
literarifhe Unterhaltung.
Dienflag
Deutungen aus Deutfchlands poetifcher Gegenwart.
(Beſchluß aus Nr. 308.)
In der Novelle hat der Deutſche feine Emfigkeit,
feine Detailſeligkeit, ſein minutioͤſes Weſen am glänzend:
ſten bewieſen. So viele Formen in dieſer vielgeſtaltigen
nur moͤglich waren, ſo viele hat er ausgepraͤgt. Und
wenn das Leben nicht blos in ſeiner ſtroͤmenden Gewalt,
fondern auch in feinen gefchloffenen Kreiſen poetiſch iſt,
fo ift vom Deutfchen in diefer Gattung das Schönfte ge:
leiſtet, was eine Nation aufwelfen kann. Die Novelle
hat fich drei Decennien behauptet. Jetzt iſt es vorbei
mit ihr. Man kann in biefen Kormen nicht mehr Schoͤ⸗
pfer fein. Überdies iR uns das Leben Längft über den
Kopf gemahlen. Die Novelle iſt — wie groß auch die
Fülle von Poeſie fein mag, welche echt bichterifche Geifter
in fie zu legen gewußt, wie unbeflritten auch ihre Epoche
in deutſcher Literaturgefchichte — , mit dee Aufgabe
der gegenwärtigen Zeit verglichen, nur nocd eine poeti-
ie Spielerei. Solche Liebhabereien erfhöpfen aber nicht
den Beruf, die Zukunft, die Aufgabe der gefunden Kräfte
der Begenwart. Doc gibt es noch Begabte genug, die
nach wie vor mit Vorliebe in diefem Felde arbeiten, und
fo dürfte erft ein ganz neues Geſchlecht entftehen müffen,
bevor die Novelle ganz verfchwinde. Der Deutſche iſt
auh in der Poeſie zu ſehr Spießbürger. Auch darin
find wir Epigonen. Es dauert lange, ehe wir entbeden,
noch laͤnger, ehe wir lookommen.
Scharf, faſt widrig, deutet die Zeit der deutſchen No⸗
velle wiederum nach dem Auslande hin. Daß wir doch
alle Impulſe von außen haben muͤſſen! So große Ber:
gangenheit, und doch kein Hiftorifcher Roman! Selbft bie
Idee dazu kommt uns über den Kanal berüber. Der
deutiche Poet ſchreidt Novellen, die Niemand lieſt, wäh:
vend das deutſche Publicum den großen Unbekannten ver:
ſchlingt. Der beutfche Aſthetiker fchimpft auf die fran-
zöfifhe Romantik, und manches deutfhe „Herz“ hätte
damals Gore gedankt, wenn Deutfche hätten zu fchreiben
gewußt wie V. Hugo und Balzac.
Schon in Bocthe’s „Wanderjahren“ liegt bie Zer:
fplitterung des deutfchen Romans, der Übergang zur No:
veile. Der Drang hinaus in die Welt, die Luft zu
wandern iſt zwar bebeutend, aber auf dieſer Wanberfchaft
verfhwindet eben das .geoße, einige Bild des Lebens.
— ⸗ Nr. 304. —
3l. October 1843.
Das Individuum verliert fich in beffen Einzelheiten
und in die für die moderne Zeit fo charakreriftifch gewor:
denen „Buflände”. Deffenungeachtet Liegt ben „Wander:
jahren“ Die große wahrbaftige Idee des Romans zum
Stunde: der Gedanke, daß die moderne Dichtung, Alles,
was zur Welt gehört, in fi aufnehmen, in mikrokosſsmi⸗
[hen Kreifen deren allfeitige makrokosmiſche Bewegung
wiederfpiegeln fol. In Hinſicht auf diefen Inhalt fowol
wie auf ihre Form fliehen die „Wanderjahre“ der unmit⸗
telbaren Gegenwart und ihrer poetifhen Aufgabe näher
als alle jene Novellen und die darauf folgenden Halb:
romane. Dean um freie Kormen für jedwede Dichtung
bandelt fih es auch jest, und der kuͤmmerliche Inhalt
unferer gegenwärtigen Romane kann nicht mehr genügen.
Die Sedanten, die in der Zeit ſchlummern und wachen,
wollen auch poetifch vertreten fein.
Auf die gebrochene bdeutfche Movelle folgte fürs
eefte der deutfhe moderne Halbroman, ber ſchon mit beis
den Süßen in der modernften Zeit flieht. Seine Vertre⸗
tee find: Steffens, Scaͤvola, W. Alerts, Sternberg, Reh⸗
fues, Chamiffo, Posgaru, Wiefe, Duller, Spindler n. f. w.,
befonders aber der Verf. der ‚‚Transatlantifchen Reiſe⸗
ſkizzen“. Diefen Romanen, fo trefflihe darunter, hänge
allen eine gewiſſe Halbheit an. Bei vielen ift bie Faſ⸗
fung noch durchaus novelliftiih, bei andern tft es auf
Zeitſpiegelung abgefehen, die doch nicht ſiegreich durch:
bricht. Scaͤvola fixirt ſich in der Verdorbenheit der So⸗
cietaͤt, und ihm ſelbſt fehle die wahrhafte Idee der
Menſchlichkeit. Sen Weib ift die ſociale Greatur ber
Gegenwart. Andere legen ein buntes Allerlei von Ge:
fhichte aus. Aus bem einfachen Helden des Romans
werden Figuren und Nebenfiguren ins Unendliche. Wiefe
tft unklar und unreif (Halbideen). Dies Alles hindert
ben freien Verlauf der menſchlichen Perſoͤnlichkeit und je
nen gewaltigen Parallelismus zwifchen Welt und Menfch,
ohne den der Roman nun einmal nicht beftehen ann.
Mit einem Wort, wir zeigten uns unfelbfländig, epi=
gonenhaft, und zehrten, in ber Meinung, neu zu fein,
nur noch vom Alten. Wäre es wenigſtens nur das Uns
ſerige geweſen! Jenſeit de6 Kanals zeigte Alles eine
beflimmtere, Eräftigere, einfachere Richtung. Hier folgt
im Roman Gattung auf Gattung: Scott, Irving, Bul-
wer, Marryat, Boz. Dan machte ebenfaus das Leben
#18
in reifen durch, aber es war doch das ganze Le⸗
ben. überhaupt bietet der englifhe Roman das einfache
Bild ungerheilteer Gattungen ſeit Richardfon dar. Das
hiftorifche, das ſociale, das Familienelement, das komiſch⸗
buͤrgaliche, neuerdings das politiſche in ſeiner ſocialen
Sr har er ſcharf ausgelegt, während bei uns ſich Alles
durcheinander wirrte. Selbſt der franzoͤſiſche Roman hat
eine viel klarere Entfaltung. Sanin, E. Sue, ®. Hugo,
Soulid, P. de Kod, G. Sand find nicht blos Kategorien,
fondern fcheiden ſich ſcharf von aller Novelliſterei dadurch,
daß bei ihnen Ereigniſſe und Intereſſe immer an ein
Individuum geknuͤpft find. Dies Perfönliche im Roman
vertäßt der Franzoſe fekten, und feine geiſtreichſten Drodmete
find oft die, wo er fich fogar bis zur Einfeitigkeit zufpigt.
Kür den Deutſchen mar inzwifchen eine andere Zeit
gekommen. Und ein Mann, der Saum noch deutſchem
Bewußtfein angehört, wurde Prophet und Traͤger dieſer
Epoche: Heinrich Heine. Heine iſt nicht der Erfinder
des Liberalismus, wozu Ihn feine Schule bat machen
wollen, aber er war dere Dann, der in feiner Iprifchen
Sansfaconnerie nur freie Elemente verteug. Er zeigte
fich aus Temperament liberal, nicht aus Befinnung. Das
iſt der gewaltige und einfache Unterfihied zwifchen ihm
und Boͤrne. Mebenbei war Deine der Mann des Ta:
lents, und fo fand fich die Ungenirtheit diefes Talents
von ſelbſt. Sein flüffiges Weſen hatte von Allem, was
noth that, etwas. Aller: leichten Formen mächtig, bewies
er, daB man neben dem Dichter, überhaupt neben jedem
beſtimmten Beruf, noch etwas Anderes fein kann, was
alle diefe beftimmten Eriftenzen auf eine flächtige Manier
reſumirt. Ein Stk von Jedem, und nebenbei noch et:
was Allgemeines und doch Beſonderes — ein Schrift:
ſtelletr. So murde Heine der Stifter des beutfchen
„Schriftſtellerweſens“ und legte zu dieſem hafbefoterifchen
Orden den Grundflein durch feine „Reiſebilder“. Die
flüffige Form für allen und jeden Inhalt war alfo jest
gefunden, und es Fam nur darauf an, Die _maffiven
Elemente der Zeit in diefem ſeichten Welienfpiel fort
zurollen.
Wenn der Dichter zum Schriftfteller geworden, dann
iſt an eine Selibſtaͤndigkeit des Romans, überhaupt der Poeſie
nicht mehr zu denfen. Es kamen alſo jest Romane“,
und allerki, was man fo und auch nicht fo nenmen
kann. Liberaliemus war Mode, nicht Gefinnung; Libe:
ralismus in allem Möglichen, aber fchlotterhaft, vagirend.
Frankreich, Polen, Belgien, die Jahre 1830 und 1831
waren bie hiſtoriſchen Zeithebei diefer talentvollen Liberali-
fie. Man kam auf Ale. Es war eine Epidemie. Es
war eine Luft, fo den deutfchen, franzöfifchspotnifchzbelgifch
angehauchten Liberalismus auf alten Höhen und Lebens⸗
Rationen flattern zu fehen. Schöne übermüthige Zeit,
wo nichts Beſtehendes vor dem Anfechtungen und Necke⸗
seien der Talente ficher war! Defienungeachtet danken wir
Bett, daß fie vorüber iſt!
Wie ſich alle diefe flüchtigen Geifter nach Ablauf je:
ner Burgen Epoche wieber um bie trauliche Feuerſeite der
Derfie ſammelten, wie fie, fliller geworden, halb und
ganz bekehrt, auf den Roman zurüdtamen, Studien
machten, aufs Drama kamen und wieder auf den Ro:
man — iſt bekannt. Aber dem Eritifchen Bewußtſein,
das biefem Talent volle Gerechtigkeit angedeihen laͤßt,
entgeht nicht das Willkuͤrliche dieſer Beſchaͤftitungen. Der
neueſte Roman, der mit dieſer Schule, tin man fie
fo nennen will, zuſammenhaͤngt, iſt ein ganz willkuͤrliches
Weſen. Man fucht nach Stoffen und findet fi. Wan
haͤuft Begebenheiten und legt Ideen und Tendenzen un:
ter, die freie Perföntichkeit des werdenden Individuums,
ohne die der Roman nichts ift, fehlt, der Spieget der
Welt des Lebens im Großen. Beitintereffen werden aus
dee Zeit gerifien und dafüe die entſprechtaden has
raktere erfunden. Dan conterfeit Epochen — da ha:
ben wir gleich wieder das fchleichende Geſpenſt der No⸗
velle, da8 aus dem Roman nicht zu bannen iſt. Es ift in
diefen Romanen fo viel dee Rede. Aber die. Geſchichte
des Individuums, das große allmächtige Geſchick der
Menfchheit, die Zeit als gegenwaͤrtigſter Lebenspuis, das
Eco ferner Zukunft, die Geiſter der Vergangenheit, die
aufs und abgährenden Gedanken der Gegenwart, die uns
geduldig der Erlöfung harren, der fchneidende himmelftür:
mende Gegenfag Defien, was die Zeit mit Nothſchrei
fodert umd was fie, hohl und verworfen, an fich fcheitern
und verbalen läßt — diefe großen Mächte, die das Le:
ben in gewaltigen Wellenſchlaͤgen auf: und abfluten, diefe
ſollen reden, nicht bee Kriegsrath und die Gräfin und bie
Kammerjungfer, und Better Michel und bie Courtifane.
Unteugbar will etwas entfiehen. Wie koͤnnten fonft
in heutigften Zagen Kräfte wie Mundt, Komig, Gutzkow,
Laube, Willkomm, Auerbach, Mügge u. f. w. im succoes
ausgeſtochen werden duch eine einzige Damel Frau von
Paalzow ift die Romankoͤnigin des Augenblicks, das mäf
fen wir, galant odet ungalant, zugeſtehen. Was will
aber entfliehen? Diefe Frage möge hier ſchließlich in aller
Kürze ihre Beantwortung finden.
Hier die Antwort in einem Wort: die Freiheit
will entfliehen. Die Freiheit in allen Dingen: im Leben,
im Denten, in Schrift und Rede. Noch einmal: die
objective Freiheit, wohl unterfchieden vom der Frechheit
und Zügellofigkeit der unberechtigten Perſoͤnlichkeiten! Die
menfchliche Perföntichkeit will ihr angeſtammtes Recht. Sie
will, daß ihre Zwecke um ihrer felbft wilten geehet werden.
Sie will, daß man ihr eigenſtes Weſen in diefen Zwecken
erkenne und ehre. Von Allem, was nicht fie ſeibſt,
geiftige Perſoͤnlichkeit, tft, will fie los. Sie rüt:
telt an ihren Banden, Ketten, Riegeln, Palifjaden, an
jedem Hemmniß. Sie will nicht mehr frembes Geſetz, das
von außen kommt. Sie wit ſelbſtaͤndig fein, nicht bios
in Dem und Jenem, was man ihr etwa grofmäthig eins
räumt, nein, in jeder ihrer Formen. Es gibt In Dies
ſem Augenblide gar wicht, was nit anf dem Punkte
dee Wiedergeburt flände Hegel hat gefagt: „Was
wirklich iſt, iſt vermünftig, und was verwänftig ift, iſt
wirklich.“ Daruͤber bat man viel gehoͤhnt. Run hoͤhnt
die Zeit die Höhner. Denn fie ſelbſt Die Zelt hat ihr
Schwert gewegt an biefem Satze und ber Augenbiid if
da, we fie das Unverhünftige nicht mehr als wirklich
buldın wii. In dieſem Gedanken erzittert jegt bie
Menſchheit. Wo er nicht frei und ſelbſtbewußt in Wort
und That tritt, da waltet ec doch als. trüber Inſtinct.
Hat aber defjen keine Noch. Fuͤt das geiflige Thierreich
fommt ſchon die Stunde der Menſchwerdung. Mitter⸗
macht ift uͤberſchritten. Wie ſoll der Zeiger anders ale
vorwärts geben?
Da aber liegt ed. Diefelbe Beit, die vorwärts will,
geht ruͤckwaͤrts. Diefeibe, die nach Freiheit jagt, . vers
Inechtee fi in Tand und Trug. Diefelbe, die den Tag
begruͤßt, umgibt ſich mit künfttiher Naht. Schlecht,
ohnmächtig und gedankenlos ift die fittliche, denkende
Zeit, Die vor Trieb und Kraft bebt. Wie deute ich das?
Hier iſt die einfache Deutung in einem einzigen Wort:
das ift der Krampf der Krifis. Sie gibt der Zeit ihr
doppelt Geſicht; die ſchoͤne Haͤßlichkeit, die edle Verwor⸗
fenheit. Wir find nicht hier thöricht, dort Elug, nicht
hier gut, dort ſchlecht, nicht hier krank umd dort gefund,
fondern dies Alles find wir in Einem. Dem ganzen
Leib der Zeit durchdringt dies Alles. aricaturen unferer
ſelbſt, haben wir freilih Parole und Keldgefchrei, aber
unfere Natur, die Natur des Zeit, ſteht zwiſchen Gott und
Teufel. Wir find Epigonen und ſchauen doch oſt waͤrts.
Auf die Poefie und ihre neueſte Geſchichte angewen:
det, Läßt fi nun leichte beflimmen, was es mit dem
Vormärtsftreben der Zeit, mit ihrem Drange zur Freiheit
und Vernünftigkeit für eine Bedeutung habe Wir ha:
ben den deutſchen Roman, die Novelle, den Halbroman,
wie haben auch das deutfche Drama in neueſter Zeit ſich
verlaufen fehen. Wir haben aber auch in diefem Allen
nicht das Eine gefehen, was der Zeit\noch iſt, den Geiſt
in feiner freien, feifchen, jugendlichen Lebendigkeit. In
allen jenen poetifhen Formen des 19. Jahrhunderts
ſteckt noch unendlich mehr von ber alten Perüde, vom
alten Geiftesdespotismus, als ſich mit der freien Bewe⸗
gung des menſchlichen Gedankens in die Zukunft hinein
vertragen will. Wie haben uns gleich unfählg gezeigt,
von den alten Formen loszukommen und neue zu ers
fhaffen. Den Roman, das Drama, die Novelle, Alle
haben wir ſich bis auf die Haut abzehren laſſen. Don
Klagen hat der deutfhe Parnaß widergehallt, daß es kein
Drama mehr gibt and doch — wer fand fi, ber ein
neues wiedergeboren hätte? Wir ließen die Afterpoefle
fi in ekler Breite auf den Bretern entfalten. Ihrem
hohlen Pathos laufchten wir. Ganze Bühnen, ja bie
Schaufpieltunft felbft. fahen wir daran zu Grunde geben.
Wer half? Wo blieben die Reformatoren? Man wird es
im neuen Saͤculo nicht glauben wollen, aber wir f[ahen
fie ja mit feiblichen Augen, die Muͤllner, die Houwald,
die Raupach; wir fehen und erleben fie noch jede
Stunde, und unter dem ſchalen Komödienfpiel find Ge⸗
ſchmack, Gefuͤhl, Erhebung, ſittliches Bewußtfein, Kritik
und Urtheil laͤngſt roͤchelnd verendet. Unter den Haͤnden
iſt uns der Geiſt abhanden gekommen, und was und von
den Bühnen herab angrinft, iſt nur fein ſchrumpfliges
Wachsbild.
In der neueften Zeit ſchien es ſich am mel der
Poefie zu röchen. Eo ſchien. Wenn Ye um zue
Schriftſtellerei, zur Literatenwillkür geworden, dann hört
fie auf Poefie zu feit. Da ift kein Drängen und Stre⸗
ben beitimmter, berufener Kräfte nad beſtimmten Zies
ten. Ausgelöfht find die göttlichen Smpulfe. Ban wirft
fih auf Alles, made Alles. Es war nur eine ganz fors
melle Reftauration, die Reftauration durch die Xafente,
denn der Geiſt wird nur durch dem Geiſt erſetzt. Be⸗
flimmtes, Nichtdageweſenes, Großes, Unvergänglides that
noch, eine Wiedergeburt ber (poetifchen) Gedanken, wie
fie die Wiffenfchaft erlebt hat. Aber die poetifchen Bes
banfen fehlten eben, und fo war die Wiedergeburt nur
ein formeller Hohn gegen das Beſtehende. Auf den
Tehmmern des alten hätte die Poeſie ſich ihren neuen
unfterblichen Leib anerfchaffen ſollen; aber die Macht des
poetifchen Geiſtes reichte nicht aus zu dieſer Schöpfung.
Und barum, eben darum iſt die Aufgabe des zukuͤnf⸗
tigen poetifchen Geſchlechts eine um fo größere, ſchwerere
und koͤſtlichere. Die Geifter der Poeſie find es, die der
Freiheit bedürfen, und nur echte, nur berufene Dich⸗
tee koͤnnen ihnen diefe Freiheit verfchaffen. Daß die
Poefie nicht mehr nur ein geputztes, geſchminktes, ges
tuͤnchtes Vehikel ſei für allerlei fremden, nicht ihr
ſelbſt gehörigen Inhalte — das müfſen deutfhe Dich⸗
ter erſtreben, oder ſie ſind keine Dichter. Wir wollen
nicht Tauſenderlei (mas hin und wieder wol ergoͤtzen
und unterhalten mag) in der Poeſie; wir wollen nicht
Salongeſchwaͤtz, Politik, Philoſophie, religiöfes oder ſonſti⸗
ges Allerlei umwickelt mit poetiſchem Flitterſtaat, ſondern
die Poeſie ſelbſt wollen wir: ganz, voll, leibhafs
tig. Zeigt fie uns in ihrer angeborenen göttlihen Schöns
beit, dann wollen wir euch auch als ihre Emancipatoren
und Befreier begrüßen. Zunaͤchſt laffet uns noch reuig
Defien gedenken, daß nicht fremde Thrannen, fondern
der eigene Sklavenfinn uns fo unfrei gemacht. Man
kann freilich viel über Knechtſchaft und Freiheit politificen
und Ihwägen — wahrhaft frei ift doch nur der ſchoͤ⸗
pferifche Geift in der ordnungsvollen Harmo⸗
nie feiner angeſtammten Schönheit! 82,
Literarifhe Rotizen aus Frankreich.
Sine toloffale Literaturgefhichte von Frankreich.
+ Allen Denen, die ben Franzoſen vorwerfen, fle feien nicht
gelehrt, nicht grümdiih genug, wünfchte ich nur, daß ſie edie
9 Bände der „Histoire litteraire de la France” durchleſen
müßten. Wahrlich fie würden anderer Meinung werbin. Wels
her Wuſt von Gelehrſamkeit ift nicht in dieſem ungebeuern
Werke, das trotz feines großen Umfangs doch immer noch nicht
beim Ende des 13. Jahrhunderts angetommen iſt, zufammenges
tragen. Bimen kurzem wirb nun ber 20. Band erfcheinen.
Wir hatten es deshalb nicht für unpaffend, hier einen kurzen
Blick auf die Geſchichte dieſes Werks zu werfen, bem Teine Ra⸗
tion etwas Ühntiches an die Eeite zu fteilen hat. Bekanntlich
waren ed Benedictiner, welche es im vorigen Sabrhundert (1733)
begannen, und Dom Rivet, von dem bie neun erften Bände faft
ausfhlieglich verfaßt wirden, hatte bis 1783 ſtets nur Rache
folger, weiche diefem geifttichen Deden angehörten. Im 3.1763
wurde bie ungebeure Arbeit, deren Ziel gar nicht abzufehen iſt,
unterbrochen. Erſt 1907, wenn wir nicht irren, wurde fie vom
Institut de Franoe — und ſeit ber Zeit ohne neue
naterbrechung fortgeführt. Das thätigfte Mitglied der Commiſ⸗
fion, welche von der Alabemie zur Herausgabe biefes Werkt
eigens ernannt ift, war der verflorbene Daunou. Diefer ver
diente Gelehrte hatte, irren wir nicht, in feiner Jugend ſelbſt
dem Benebictinerorden angehört. An feine Stelle ift Victor Le
Siere, durch fein „Des journaux chez les Romains’‘ und andere ges
lehrte Arbeiten belannt, erwählt. Ihm zur Geite ſtehen Fauriel,
der verdiente Geſchichtforſcher, Lajard und ber treffliche Paulin
Yäris. Es ift unmöglich, ſich eine Worftellung von ber maſſen⸗
baften Gelehrſamkeit zu machen, die hier aufgefpeichert iſt. Das
wichtigfte wie das unwichtigſte Werk, gleichuiel, ob gebrudt
ober noch im Manuſcript, wirb bier anatyfirt. Dabei barf
nicht die unbedeutendfte Notiz über bie Schriftſteller und ihre
Werke unberücdfichtigt bleiben. Sieben Quartbände, von benen
aft jeder mehr ale compacte Seiten umfaßt, find der Ge⸗
chichte der Literatur in Frankreich — bier kann faum von
franzöflfcher Literatur bie Rede fein — bis zum 12. Iahrhuns
dert gewidmet. Grft mit dem 21., deſſen Herausgabe man vors
bereitet, wird das 13. Jahrhundert abgefchloffen fein. Die
Ginleitung zum 14. Jahrhundert, wie "jeder größere Abfchnitt
deren befommen fol, wird Le Slerc, von dem man ſich etwas
Gebiegenes verfprechen Fann, zum Verf. haben. Die allgemeine
Tberficht, die dem 13. Jahrhundert vorausgefchict ift, rührte von
Daunou ger. Wie viete Bände werden noch nöthig fein, um
das Wert nur bis auf das siecle de Louis XIV zu führen!
Der Abbrud des „Moniteur’ beenbigt.
Die verdienftvolle Arbeit bes Wieberabbruds vom „Moni-
teur” aus ber Revolutionszeit ift nun mit dem 32. Bande abs
geſchloſſen. Es ift dies ein Werk, das ſtets die Dauptquelle
bieiben wird, aus ber alle Diftoriker ber neuern Zeit zu Tchöpfen
haben werben. Der erfte Band gibt eine hiftorifche „„Introduc-
tion‘, die „Assembl6e constituante‘”’ wirb in neun, die „As
aemblée l£gislative” in vier ſtarken, boppelfpaltigen Großoctav⸗
bänden abgethan. Die „„Convention nationale” umfaßt zwölf,
und das „Directoire ex&cutif’' vier Bände. Den Schluß bilden
zwei Bände Regifter, bie den Gebrauch biefes wichtigen Werks fehr
erleichtern. 2.
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traigues. WVeröffentiicht durch ben Herausgeber der Briefe an
3.9 Müller. Scaffhaufen, Hurter. 8. 25 Nor.
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fophie ale vorläufiger Verſuch einer Zuruͤckfuͤhrung aller Theile
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gen und Unterweifungen, in frühern Zahren gehalten. Münfter,
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geſeſgebung und fein Berhalten zum Rheiniande Par Juriften
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Raeltaheufi. u. 8, 10 Br. '
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lin. 1844. 8. 3 Thir. 15 Nor.
Drei ragen in Sachen bes evangelifchen Vereins ber
Buftav = Adolph = Stiftung. Frankfurt a. M., Saucrlaͤnder.
Gr. 8. I Ngr. -
Halilmann, E., Die Geschichte des Ursprungs der
beigischen Beghinen nebst einer authentischen Berichtigung
der im 17. Jahrhundert durch Verfälsch von Urkunden
in derselben angestifteten Verwirrung. it Abbildungen
auf drei Tafeln. Berlin, Reimer. Gr. 8. 1 Tblr.
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Hamburg, Hoffmann und Gampe. Gr, 8. 3 Thlir.
bei Lan FR i 8, ©., en beim Lefen ber
iligen mit iehung au enwaͤrtige Zuſtaͤnde.
Riga 1842. 8. 26%, Nor. eo ve a
Link, H. F., Vorlesungen über die Kräuterkunde,
für Freunde der Wissenschaft, der Natur und der Gärten,
Ister Band. Iste Abtheilung. Mit zwei Kupfertafeln in 1.
Berlin, C. F. Lüderitz. Gr. 8. 1. Thir. 7Y, Ngr.
Mittheilungen aus bem Leben eines Richters. Iter und
igter Band. Hamburg, Hoffmann und Gampe. 8. 1Thlr.
gr.
Niendorf, Emma v., Aus ber Gegenwart. Berlin,
A. Dunder. * « —F 9 *
Pocci, F. Graf, Dichtungen. ffhauſen, Hurter. 8.
1 Thlr. 1% Nor. .. ’ ®
Royer, A., Die Janitſcharen. Überfegt von Emilie
Wille Zwei Theile. Leipzig, Kollmann. 8. 2 Ihr. 20 Rar.
Schellenberg « Biedermann, E., Grinnerungen an
Ulrich Hegner. Zürich, Eiterarifches Gomptoir. 16. 1 Ihir.
Über die gegenwärtige Lage bes Aderbaus, ber Gewerbe
und ded Dandels im Regierungsbezir?e Minden; mit befonderer
Berüdfichtigung des phyſiſchen und möoralifchen Zuftandes ber
arbeitenden Claſſen; von dem Verfafler der gefammten gewerb:
lichen Zuftände u. f. w. (G. F. v. Guͤlich.) Hinten, Böen:
dahl. Gr. 8. 15 Nor.
Bogel, W., Das Duell⸗Mandat, ober: Ein Zug
vor der Schlacht bei Roßbach“ Drama in fünf Aufzuͤgen.
Wien, Wallishauffer. Er. 8. 18%, Nor.
Wintergrün. Taſchenbuch auf 1844. Herausgegeben von
G. Log. Hamburg, Beroid. 1844. 8. 1 Thir. 10 Nor.
Berihtigungen.
In dem Auffage „Zur Gefchichte bes weibiichen Geſchlechts“,
in Rr. 282—285 d. Bl., Geite 1130, Epalte 1, I 233 von
oben, ft. wichtige I. wizige; &. 1130, Sp. 2, 3.15 v. o., ſt.
weiblichen 1. göttlichen; S. 1133, Sp. 1, 3.5 v. o., fl. Damos
janti I. Damajanti; ©. 1133, Sp. L, 3. 14 v. u., ft. beruhigen
I. beunrudigen; &. 1134, &p.1, 3. 31 v. o., ft. Göttin l.
Gattin; ©. 1134, Sp.1, 3. 40 v. o., ft. einbuͤßt I. einläßt;
®. 118, &p. 2, 3. 3 v. u., ft. fnnierig 1. treigs ©. 1199,
Sp. 2, 3. 17 v. u, I. Weiber mögen alfo
Berantwortlicher Herausgeber: Heiarich Broddaus — Drud und Verlag von 8. A. Brodhaus in Leipzig.
Blätter
literariſche
fr
Unter hal tum g.
Mittwoch,
Bar Rabride —
1 November 1843.
Bon diefer Zeitfchrift erfcheint außer den Beilagen täglich eine Nummer und iſt der Preis für den Jahrgang
12 Thlr. Alle en — in und außer Deutfchland nehmen Befillung darauf an; ebenfo alle Pofkämter
- bie fih an die Eönigl. ſaͤch
Halle wenden,
iſche Beitungderpebition in Leipzig ober bas
Die Berfendung findet in Wochenlieferungen und in Monatsheften ſta
nigl. Prußifüe Grenzpoſtamt in
Taſchenbuͤcherſchau fir das Jahr 1844.
Erſter XZetiten.
1. Urania.
Bei ber beifpielloß magern Ernte, die in biefem Sabre
das Feld der beiletriftifchen Literatur getragen hat, neh⸗
men die Taſchenbuͤcher diesmal offenbar einen weit wich
tigern Plag ein als fonfl. Waren fie früher, wenigftens
ber großen Maſſe nach, unter den Eernigern und folidern
Erfcheinungen etwa Das, was die Seldblumen unter dem
Roggen und Weizen find: huͤbſche, bumte Dingerchen,
denen Reber gern einen flüchtigen Blick ſchenkt, aber ohne
Werth und ohne Bedeutung, fo find fie diefes Jahr
zwar ‘auch nur Kelbblumen, aber Feldblumen, die durch
ein Getreide In den Schatten geflellt werden, Feldblu⸗
men, bie faft den einzigen Ertrag des Ackers ausmachen,
Feldblumen, ' die dabucch zu Wieſenblumen avanciren.
Ste präfentiren fi) auf diefe Weife ordentlih als ein
namhaft zu machender Ernteartikel, fie vindiciren fich eine
Art literarifcher Bedeutung, fie‘ dienen uns in gewiſſem
Sinne zum Maßſtabe, nad welchem wir bie gefammte
fhöngeiftige, namentlich novelliftifche Literatur zu beur⸗
theiten haben. Es muß daher dieſes Jahr ordentlich von
einem Refultate der Tafhenbücherliteratue geredet wer⸗
ben, es ift die Frage aufjumerfen: Was haben fie gelei⸗
ſtet? Was tft durch fie erreiche? Meichen Kortfchritt hat
bie Literatur ihnen zu danken?
Man fieht hieraus, daß es keine kleine Aufgabe iſt,
den Ri PA Bericht Über die Taſchenbuͤcher des folgen:
den Jahrs zus liefern. . Es iſt ein Geſchaͤft, das mit Ernſt
erwogen, mit Bedacht ausgeführt fein will. Mef. iſt gang
von der tiefen Bedeutung feiner Obliegenheit durchdrun⸗
gen, und indem er e6 für eine umnverjeipliche Pflichtverlegung
balten wuͤrde, irgend ein voreiliges Urtheil zu fällen,
drängt er bier am Eingange jedes allgemeine Urtheil zu:
ru und wird daſſelbe erfli abgeben, wenn er zuvor mit
gewifienhaftefter Unparteilichkeit bie einzelnen Spenden bes
leuchtet hat. |
Manchem miag biefe Religiofitdt, mit welcher Ref.
ans Merk geht, faſt ſpaßhaft erfcheinen.. Wir haben
nichts Dagegen. Nur die Berficherung ſei allen Ernſtes
gegeben und aufgenommen, baß bie Urania”, feit Jah⸗
ren bie Prima Donna unter den Taſchenbuͤchern, volls
tommen eine ernflere Beruͤckſichtigung verdient, und baß
bie Literatur ſich Gluͤck wuͤnſchen könnte, wenn es ſich
ale neun Muſen hätten angelegen fein lafſen, fie mit
gleich trefflichen Producten zu bereichern. Der diesmal
zu befprechende Jahrgang bringt uns fünf Gaben, ſaͤmmt⸗
ih von Verfaſſern mit Namen beſten Klangs: von
Gutzkow, Sternberg, Moſen, Alexis und Schuͤcking.
Sind auch nicht alle gleich vollendet, ein paar ſogar nicht
ohne ſehr merkliche Mängel und Auswuͤchſe, fo tragen
fie doch ſaͤmmtlich beit Gefchlechtszug einer höhern Abs
flammung und koͤnnen, wenn auch als Kinder des Leicht:
finne und der Fluͤchtigkeit fich präfenticend, doch den nob⸗
len Vater niche verleugnen.
Die beiweitem vortrefflichfie von allen iſt bie, welche
auch Außerlich den erſten Platz einnimmt, eine Movelle
von Karl Gutzkow: „Die Wellenbraut.”” Ich fage
nicht zu viel, wenn ich fie ein Meiſterwerk nenne; denn
nur ein Meier kann feines Stoffs fo Herr wer⸗
ben und ihn mit folcher Leichtigkeit und Sicherheit ges
falten. Was den Stoff felbft betrifft, fo iſt er nicht
gerade neu. Der Dichter behandelt vielmehr ein Thema,
das ſchon unzählige Mal behandelt iſt, das aber darum
immer gleich Intereffant bleibt und aus feiner Allgemein-
heit eine Reihe immer neuer und befonderer Erſcheinun⸗
gen entfaltet, wie ja auch bie Erde aus einem und bem:
feldben Boden die mannichfachften und verfchiedenartigfien
Kinder zur Welt bringt. Diefes Thema iſt der Conflict
bes Herzens mit der Welt, der Natur mit der Sitte,
des nicht zu berechnenden Falle mit der berechneten Regel.
1222
Die Welt, die Sitte, bie Megel wollen das Herz mit
feinen individuellen Wuͤnſchen und Neigungen, die Na:
tur mit ihren ewig neuen und originellen Xrieben, den
Fall mit feinen ſtets willkuͤrlich und planlos erfcheinenden
Gombinationen nicht gelten laffen, und mo und wie auch
Herz, Natur und Zufſall den Verſuch machen, ſich zu
emancipiren und fich frei und dem eigenen, innen
Drange gemäß zu entwideln — jene Mächte, bie ein
mal die Herrſchaft in Händen Haben, zwingen fie zulegt
ſtets wieder in die kaum abgeworfene Uniform hinein, oder
im Nothfall fpinnen fle gegen die aufruͤhriſchen Vaſallen
eine Centrerevolution an und fprengen bie Pulververſchwoͤ⸗
sung mit einer Contremine in bie Luft. Diefes Drama,
bals als Luſtſpiel, bald als Trauerfpiel endigend, pielt an als
fen Orten und Enden: in dem Streit der Elemente, in den
Kämpfen ber Sefchichte, in den Wirren und Zermürf:
siffen jeder einzelnen Dienfchenbruft — nur daß die Bühne
wicht Aberalt eine Öffentliche iſt, daß nicht jedes einen
Dichter und Begiffeur findet, die es mit fünffüßigen
Jamben, Lampenlicht, Coflumen und Eouliffen decorieen
und den verhliflenden Vorhang davor hinwegziehen. Mas
novelliftifche Drama, das uns hier von Karl Gutzkow vorge:
fuͤhrt wird und das — beiläufig gefagt — weit Höher ſteht ale
eins feiner wirklichen Dramen, ift in kurzem folgendes:
Spaline, die Hauptfigur befjelben, befindet ſich auf
einem Balle, den Graf Eberhard, ihr Oheim, auf feiner
vor dem Petersthore gelegenen Villa gab. Es heißt
von ihr:
ei war bie fhönfte Säle, die nur je für das Bewußt⸗
fein: ich fühle, ich empfinde, ich bin Menſch! gebacht werben
konnte. Ob biefes Bewußtfein in jener Hülle lebte, bezweifeite
man. Man verglich fie einer Muſchel, deren Perlenfloff ganz
in bie glänzende Schale übergegangen wäre. Sie war vollen:
det ſchoͤn. Das Ebenmaß ihrer Bormen überrafchte ſelbſt ben
Kuͤnſtier. Aber in ihrem ſchwarzen Auge lag eine Strenge,
bie, ftatt anzuziehen, abftieß, eine ‚Doheit, die verwunbete, ohne
auch nur die Leffefle Ahnung von Heilkraft zu verrathen. Bon
ihrem Gemuͤthe wußte man nichts und von ihrem Herzen nur
fo viel, daß fie Braut war,
Trotzdem bilder fie überall den Mittelpunkt ber Ge⸗
ſellſchaft.
Die Maͤnner ſuchten ſie nicht, aber konnten ſie auch nicht
vermeiden. Unwillkuͤrlich mußte ſich die Geſellſchaft um ſie her
gruppiren. Es waren lebendigere weibliche Geſtalten in der
Rähe, sehfeligen. Diefe Sprachen, aber Idaline gab ben Auss
flag. Sie redete wenig. Gin Ealtes Lächeln, ein fpöttifcher
Zug um ihren Mund, der durch den Spott, feiner weißen Zähne
wegen, nur noch fehöner wurde, ein ſtummes Nicken ober Ver:
neigen mit bem lodtenfchweren Baupte, das war all ihre Spradıe.
Und mit biefer ſtummen Sprache Eonnte fie berebtfam fein. Sie
ſchuͤrte das Feuer der Unterhaltung und erflidte es, fie ver
uüpfte und trennte, fie galt fogar für die geiftreichfte in ber
Geſellſchaft, und fo oft fie fich entfchließen konnte, zu fprechen,
war fie es auch wirklid.
So auch auf diefem Balle, der mit einer nächtlichen |:
Sondelfahrt befchloffen wird. Beim Einſteigen in die
Fahrzeuge verfpätet fih Sdallne und kommt zufällig mit
einem jungen, ihr unbelannten Manne allein in einer
Gondel zu figen. Ale andern Gondeln begrüßen biefelbe
ale Admirtalſchiff. Sie nimmt dies als eine gewohnte
Huldigung bin, zieht fih in Ihe Faltes Schweigen zurüd
"ten Lenker ihres Schiffe.
SFremden liebt.
Grafen Waldemar, eines [hönen, in jeder Hinficht be=
und kuͤmmert fi auch lange Zelt nicht um ben geſchick⸗
Diefer aber iſt feinerfeits ebenfo
fchweigfam und dies lenkt endlih ihre Aufmerkfamkeit
auf ihn Hit. Sie fühle fi wunderbar von ihm ange:
gogen. Es regen fih in ihrem Bufen Gefühle, bie fie
nie gekannt. Endlich briche er doch das Schweigen.
Will die Dogarefje fih mit dem See vermählen? fragt
er fie, als fie gerade ihr Auge auf ihren Ringen ru-
ben läßt.
Da bob fie das Haupt empor, wie fie fonft gewohnt war.
Berwunbert blickte fie den Sprecher an, der über ihre Ringe
zu fpotten ſchien. Ruhig und mit einem unendlich tiefen See⸗
lenausdruck erwiderte ex ihren ſtrengen Blid. Und dieſe Ruhe
entwaffnete, dieſe Tiefe verwirrte ſie. Mechaniſch, ohne Beſin⸗
nung, in einem jener ihr eigenthuͤmlichen bizarren Einfälle zog
fie einen ihrer Ringe vom Finger und warf ihn in das feuchte
blaue Element. Wie fie das that, das thun Eonnte, was fie
damit fagen wollte, wußte fie nicht. Es war ife aber fo leicht,
fo unendlich Leicht, fie athmete fo frei, fo triumphirend auf, daß
fie mit dem alten Stolz wieder um ſich blicken unb einen Aus
genblicd glauben konnte, biefem Bremben imponirt zu haben!
Diefer eitie Gedanke durchriefelte fie gan. Gie war erregt,
froͤhlich, ja fie hätte Lachen koͤnnen und lachte auch innerlich.
Der Fremde, Theobald mit Namen, redet fie hierauf
noch mehrmal an, aber — er erhält keine Antwort.
Idaline war wieder bie ſchoͤne, reihe, vornehme, ſtolze
Idaline. Aber fie blieb es. nicht. Der Eindrud iſt ihr
ins Herz gedrungen, fie kann ihn nicht wieber verwifchen,
und immer Barer wird ihe zum Bewußtfein, daß fie dem
Aber fie ift bereits Braut, Braut eines
deutenden Mannes. Er war der Erſte gewefen, ber ſich
um ihre Hand bewarb, und fie hatte ihm diefelbe bewil-
ligt, blos weil fie einfah, es war nichts gegen ihn ein»
zumenben, weil es ihrem Stolz fchmeichelte, gerade folchen
Mann zu befommen. Der Bund fchien der pafjendfle
von der Melt, Jedermann fand, daß es einer fei, wie
er fein müffe — aber aus Liebe war er nicht geknüpft.
Nun tritt dee Conflict ein, der Conflict des Der:
zens mit dee Welt. Er ift in trefflihen, innern und
Außern, Zügen dargeſtellt. Wir heben hier nur eine Stelle
‚aus. Idaline bat Theobald zufällig in der Kunſtausſtel⸗
ung twiebergefehen, ihe Oheim, ein Gemäldenarr, hat ihn
zum folgenden Tage um elf Uhr in feine Galerie gela-
den — benußt fie diefe Selegenheit, wieder mit ihm zu⸗
fammenzutreffen? — Man höre:
Am folgenden Morgen gab fie den Befehl, anzufpannen,
in aller Frühe, ſchon um Halb elf Uhr. Sie wollte fort. Wo:
hin? Zum Onkel? Sie wagte nicht, es fich zu geftehen. Sie
war in voller Toilette. Die Bruſt wollte ihr zerſpringen vor
frembartigfter Aufregung. Sie elite in den Garten, fie brach
Blumen, die fie zerknitterte. Sie ſprach mit dem Gärtner, fie
zeigte Antheil an Dingen, die ihr fonft entfchieben fremb waren.
Da flug es breiviertel auf elf! Dee Wagen fuhr eben aus
dem Hofe vor das Portal bes Haufe. Um fein Rollen nicht
zu hören, trat fie in bie Treibhaͤuſer ein und fuchte Zerfireuung. Da
waren jene wunderbaren Orchideen, jene fübamerikanifchen Schlinge
pflanzen, bie ohne Erbe, in der Luft wachfen, ihre Wurzeln hin⸗
legen, wo fie einen feften Gegenftanb finden ımb in ihren Ver⸗
fhlingungen und Verrenkungen faft ein animaliſches Ecben zu
verratben ſcheinen. Diefen Orchideen verglich fie ihre Liebe.
Sie hatte Feine Erbe, auf ber fie einwurzeite, eine Luftpflanze,
— — — 6 —— — oo
ängend in phantaſtiſcher Bere, ohre andere Anknuͤpſung als
I dad Unbeflimmte, Schwebende. Sie brach einige Bluͤten ab
und erſchrak, braußen ben Jäger zu finden, ber ibr den vor»
gefahrenen Wagen melbete. Noch fünf Minuten! Sie malte fi
die Scene jenes fcheinbar zufälligen Begegnens beim Dufel
and. Du koͤnnteſt mit ihm reden, zum erſten Male bich ihm
wie ein Wefen von Gefühl, ja nur wie ein Wefen, das mit
Sprache begabt it, zeigen. Da ſchlug es eif. Sie wintte
dem Jäger, zu folgen. Sie durchfchritt entfchloffen die Boskette
und Alleen, hatte fchon die Thür des Sartenfalons in der Hand,
der in ihre Zimmer und von bort an den Eingang bes Haufes,
wo ber Wagen harrte, führte — da verließ fie wieder der Muth,
fie blieb leben, raffte fih zu dem Entſchluſſe zufammen, ben
Wagen abzufagen, und fanl, als der Jäger ging, auf einen ber
Divans, die rings an ben Wänden des Gartenfalone flanben,
mit weinendem Auge nieber.
Den Tag über blieb Idaline zurückgezogen. Am Abend
ließ fie fih einen Augenblick feben. Wie abforbirt du bifl,
fagte die Mutter. Abſorbirt! Idaline trug zwar nicht den Tod
im Derzen, aber doch war eine erfchütternde Umwaͤlzung in ihr
vorgegangen. Die Gefellfehaft fand ihre leidende Miene natuͤr⸗
lich, denn in einigen Sagen follte die Vermaͤhlung fein.
Kommt diefe Bermählung wirklich zu Stande? Ja,
fie kommt! Zwar tft es der Verlobungsring gewelen, den
Idaline unbewußt und willenlos in den See geworfen;.
aber Waldemar hat ihr einen neuen machen laffen und
die Wellenbraut muß einflweilen noch ber Braut Wal:
demar's den Pla einräumen. Zwar ift fie nahe daran,
die Bande der Sitte und Etikette energifch zu zerreißen
und ganz dem Drange des Gefühle zu folgen,
Geliebten! was ift Liebe? — fchreibt fie, fie, die früher
fo Stolze, Kalte — Eiche ift Gehorfam, Demuth, Vernichtung.
Nichts fein in fih, Alles im Andern. Durch ihn leben, durch
ihn empfinden. Fodere von mir! Berlange! Verlangel Vers
lange ein Opfer! Nahe mir ald Sieger, ich Fülle meine Ketten!
Lehre mich beten in deinem Glauben! Verzagen will ich wie
du, zweifeln wie bu, leben und flerben wie bu!
Aber indem fie eben diefe ihre Empfindungen und
Wuͤnſche auf das Papier ausſchuͤttet, raubt fie ſich, wie
das fo oft gefchieht, die Thatkraft, ihnen gemäß zu hans
dein. Ste läßt den glüdlihen Moment der Aufregung
vorübergeben, fie wirft fih erfchöpft auf ihr Lager und
entfhläft. Am andern Morgen hat fie nur noch die
Thränen des Schmerzes, der Refignation.
Sie wollte reden, aber Alles erftarb ihr auf ben Lippen.
Schon wogtten die lärmenden Vorbereitungen des morgenden
Tages um fie ber, Gäfte kamen und gingen, Gluͤckwuͤnſche flat:
terten in hundert Formen an fie heran, fie hatte Feine Zeit
mehr, einen Maren Willen in ſich auszubilden. Wohl war der
Brief zufammmengefaltet, aber ein Verſteck bes Schreibtiſches barg
ihn. Der Zag ber Vermählung war ba. Mechanifch gab fie
fih den gefchäftigen Händen hin, die fie ausfchmädten. Mitten
in diefen Surdftungen ſchrie fie einmal plöglich auf, rannte an
ihren Schreibtifch, wollte Hingeln und Alles unmoͤglich machen,
was heute mit ihr vorgehen follte — eine Stunde darauf war
Idaline Gräfin Waldemar.
Hiermit feheint das Drama gefchloffen; aber nein, e6
ift nur der erfte Act. Das Herz beginnt den Kampf
aufs neue, Natur und Zufall kommen ihm zu Huͤlfe —
ſchon fcheint es die Welt, die Sitte, die Regel uͤberwun⸗
den zu haben — da bricht es am Ende dennoch zufam:
men und jene Mächte feiern einen traurigen Triumph.
Es würde zu meit führen, auch diefen zweiten und legten
Act des Dramas in feiner concreten Geſtaltung zu ſtiz⸗
ziren. Die Geſchicht⸗ ift uͤberbies zu innerlich, als baf
fich mit gluͤcklichem Erfolg ein Auszug machen ließe.
Mir uͤberlaſſen daher die weitere Verfolgung der Novelle
ganz dem Lefer und verfihern ihm nur, daß die Hand
bes Dichters von Anfang bis zu Ende nirgend erlahmt
und daß feine Stelle gefunden werben dürfte, in ber
nicht das Gemüch ebenfo fehr wie der Geſchmack befrie:
digt würde. Die Darftellung ift mit Übergehung einiger
graciöfer Nachlaͤſſigkeiten vgliendet zu nennen. Es ift in
ihr eine Ruhe, eine Gebrungenheit, eine Claſſicitaͤt, wie
mon fie heutzutage hoͤchſt felten finder. Die Novelle iſt
in dieſer Dinfiht, tie auch in Betreff bes Stoffe, am
treffendflen mit den ‚‚Wahlverwandtfchaften” zu vergleis
hen. Und bei dieſer Ruhe athmet fie durchweg ebenfo
viel Wärme ale fie Geiſt ausftreut. Als geiſtreich zeich-
nen fi namentlih die Briefe Theobald’8 aus, Ste
find voll von ſehr feinen und pifanten Bemerkungen
über die heutigen focialen Verhältniffe vom Standpunkte
‚eines tiefen und reichen, aber zerrifienen und vom Weit⸗
fchmerz erfaßten Gemuths aus. Seine Charakterzeich-
nung fteltt fi der Idaline's würdig an die Seite, und
nicht minder vortrefflich find die des Grafen Waldemar,
des Oheims und des Vaters. In der Schilderung des
Letztern liegt eine bittere Ironie gegen bie Bureaukratie.
Man höre, wie fich berfelbe iiber Theobald ausfpricht, als
er vom Oheim, der ihn empfohlen, gefragt wird, wie er
ihn gefunden habe.
Unbraudhbar! Was kann bie Verwaltung mit Männern
beginnen, bie felbft das Ungläd nicht gewigigt bat? Ich nahm
den Mann, der dem Staat fo viel Arger verunfacht hat, deiner
Empfehlung wegen wie einen Freund auf. Da ich in der Frühe
meinen Brunnen trinke, fo nahm ich ihn an der Hand und
fagte: Herr von Theobald, kommen Sie herunter in den Bars
ten. Ich freue mid, Sie bei mir zu ſehen. Ich führte ihn
durch die Zimmer, zeigte ihm einige Gemälbe, unter andern die
Portraits der Familie. Sr fand fie fehr gelungen, mich foger
in Wirklichkeit jünger ald im Bilde, was ſich hören laͤßt. Bor
deinem Bilde, Zdaline, verweilte er mir zu lange. Der Vater
kam ins Huſten und bie Mutter bat ihn, fi vor Gräten in
Acht zu nehmen. Idaline war zu Muth, als follte fie entſchwe⸗
ben. Er in ihrer Nähe, vor ihrem Bilde! Sie Fam fi wie
ein Luftweſen vor.
Die Ercellenz fuhr fort: Von ber offenftehenden Thuͤr des
Gartenfalons kam ein heftiger Zugwind. Ic mochte mich meis
nes Rheumatismus wegen nicht aufhalten, ihn über jedes Bild
zu befragen. Herr von Theobald, begann ich im Garten, es
wird zu meinen erflen Nerbienften, bie ich mir um den Staat
erworben habe, gerechnet, daß ich die Gefahr entdeckte, die dem
alten bewährten Patrimoniatftaate von Ideen drohte, zu welchen
auh Sie ſich mit einer Reidenfchaft bekannten, die eines Adeli⸗
gen doppelt unwuͤrdig war. Jakob, der mit dem Brunnen
folgte, ſchenkte mir das erfte Glas. Was befam ich zur Ant:
wort? „Ich bin nicht freifinniger als Kriebrich ber Große, und
Friedrich war ein König!’ Ich geftehe, Lieder Schwager, daß
ih einen ſolchen laͤcherlichen Widerfpruch, ſchon fo früh Mor⸗
gens, während ich ben Brunnen trinke, nur um beinetwillen ers
tragen habe. Der junge Mann heftete mit gleichalitiger Kälte
feinen Blick auf die Fenfter bes Haufes zurüd. Eben wurden’
bei dir, Idaline, die Vorhänge aufgezogen. Ich fürdhtete eine
üble Wirkung meiner Eur und zwang mich zur Ruhe und
Nachſicht. Während ich Friedrich's Zeit und bie unferige vers
glich, ſchenkte mir Jakob das zweite Glas ein. Sie wünfden
angeftellt zu fein, fuhr ich fort; im Poftfach iſt cin huͤbſches
Amtchen eriebigt. „Ums Himmels willen, fiel ex mir ins Wort,
fo lange unfere Poflbeamten Uniformen wie Bedienten tragen,
nimmermehr!“ Ich war außer mir. Die Wirkung meiner Cur
ſchien fuͤr heute verloren. Ein Gluͤck, daß ich in der Raͤhe des
Pavillons war und ihm mit ſtummer Handbewegung winken
tonnte, einzutreten. Jakob wollte mir das britte Glas einſchen⸗
Ten, ich mußte es aber noch refuſiren, weil ich erſt einer etwas
freieen Stimmung bedurfte. Um mic zu zerſtreuen, fagte ich:
Die Ausſchmuͤckung biefes Eleinen Pavillons ift das Werk meiner
Tochter. Die Stasmalerei an ben Fenſtern ſchenkte der Sohn
des Finanzminifters, Graf Waldemar, ihre Werlobter. Es find
wirklich echte Malereien aus ben fecularifirten Kıöftern, deren
Ertrag bekanntlich großentheild zu unfern vortreffiichen Chaufſée⸗
bauten verwanbt wurde. Kennen Sie Graf Waldemar? Gin
ſchoͤner Mann, nicht wahr? Ich hielt ihm meine Dofe hin, auf
deren Deckel mein Schwiegerfohn fo unnachahmlich wahr in Mis
wiatur gemalt worden if. Ich trank jest das dritte Glas,
denn es war mir erfreulich, baß er wenigſtens dem Grafen feine
Verdienſte Lied. Ich ſchlage Sie bem Grafen als Hülfsarbeiter
in feinem Bureau vor, fagte id. Er fhüttelte den Kopf. Ich
Laffe Ihnen eine vorläufige Summe anmeifen, bis Sie irgendwo
eingefchoben werden Eönnen? Gr hörte kaum. Sein Auge ftreifte
gedankenlos in bem Pavillon umber. teinte jegt nur noch
drei Bläfer bes Morgens. Die Zeit, bie ich ihm widmen Tonnte,
war abgelaufen. Ih ftand auf, ex firid wie mechanifd die
Daare feines Hutes glatt, murmelte etwas von Vergebung,
Nachſicht mit einem Manne, der in ber Bluͤte feiner Jugend
die eifige Hand des Schickſals — Ideale — verfehlte Anknuͤpfung
ans Leben. Er ruͤhrte mich, ich gab ihm mit Wohlwollen die
Dand und nahm mir vor, nädftens über ihn mit dem Fuͤrſten
zu fprechen. Da befam ich heute von ihm einen Brief. Um
die zu zeigen, Schwager, daß ich auf beine Empfehlungen et⸗
was gebe, will ich ihn bir vorleſen. Jakob! die Lichter! Lies
bu ihn, Idaline!
Nur durch die aus dieſer und ähnlichen Stellen hervor:
blidende Sefinnung wird man an den alten Gutzkow ers
innert; übrigens iſt die Novelle in Ton und Haltung
ganz ebenfo ariftokratifh und vornehm wie bie Sphäre,
in der fie ſich bewegt.
(Die Bortfegung folgt. )
Geſchichte der Verwaltung auf Steilien.
Der Berf. der „Geſchichte bed neapolitaniſchen Finanzwe⸗
ſens“, Lodovico Btanchint, hat nach einem amtlichen Aufenthalt
auf Bicitien (1837) nunmehr als Portfegung des genannten
Werks auch eine aus theils acbrudten Werken theild noch uns
druckten Documenten und Mittheilungen ber Eingeborenen ges
öpfte „Storia economico-civile di Sicilia” (2 Bbe., Neas
pel unb Palermo 1841) erfcheinen laſſen. Obwol dieſes Bud
an guter Orbnung, Überfigtiichkeit und bewußter Methode, an
Zweckmaͤßigkeit ber Auswahl und Vollſtaͤndigkeit bes Wiſſens⸗
werthen viel zu wünfchen übrig läßt, iſt es boch immer eine
Fundgrube von intereffanten Notizen. Der erfte Band umfaßt
die Geſchichte Siciliens vom 12. Jahrhundert bis zum Jahre
1735, ber zweite Band bie folgende Zeit bis jeht. Jeder Band
zerfällt in vier Abtheilungen, von denen bie erfte eine überſicht
der politifchen Greigniffe gibt und ein allgemeines Bild der po:
litiſchen SInftitutionen und bes Ganges der Verwaltung zu ent⸗
werfen verfuchts die zweite behandelt die Gigenthumsverhältniffe
und darauf bezügliche Rechtspflege, bie britte bie Staatsein⸗
Fünfte und Steuern, die vierte das Muͤnzweſen und ben Zuſtand
dee Induſtrie. Die biftorifchen Überfichten geben ein ſchauer⸗
liches Bild von Gewaltthaten, Bebrädung bes Wolle, Ausfaus
gung bes Landes. Den unden bes Feudalweſens wäre das
tubium ber ſiciliſchen KVerhältniffe von Ruggero's Tagen an
biß auf die neuefte Zeit zu empfehlen: wer durch biefe Ge⸗
fhichte nicht zur WBefinnung Tommt, an dem ift Dopfen und
Malz verloren. Ron den 1973 Sommunen Siciliens waren im
16. Jahrhundert 1904 Lehen und von den 206 Städten im 17.
Jahrhundert 248. Erſt durch das Decret bes jegigen Königs
vom 19. Dec. 1838 wurde bie ehensperfaffung, wie befannt,
aufgehoben; allein baß die gefeslichen Beflimmungen wirklich
ausgeführt wären, bazu fehlt noch viel. Das Wild, welches ber
Verf. von bem gegenwärtigen Zuſtande der Infel entwirft, tft,
ungeachtet feiner Bemuͤhung, Alles, was der regierende König
angeordnet und für das Land gethan hat, in das günftigfte Kicht
zu ſtellen, body nichts weniger als erbaulich. Die Schilderung,
weiche ber Verf. diefer Anzeige in Nr. 52, 89, 115 d. Wı. f.
1840 aus eigener Anſchauung Lieferte, findet ſich durch Bian⸗
chini's Wert in allen Stuͤcken betätigt. „Ausgebehnte Beſit⸗
thuͤmer⸗, fagt ber Verf., „liegen in einem ſolchen Zuftande, daß
man weinen mödhte, wenn man bebentt, daß unter einem fols
chen Himmel, in einer fo verfchwenderifchen Natur ber Boben
zur Unfruchtbarkeit verdammt iſt. An Walbungen iſt Mangel,
die wenigen vorhandenen finb verwilbert, überall fieht man
baumlofe Gteppen und Pelder von Bergſtroͤmen verwuͤſtet.
Die ungeheuern Maſſen Landes, welche bradh liegen, geben nicht
ſowol Zeugniß von einem trägen Volkecharakter ald von ſchlech⸗
ten ober ſchlecht ausgeführten Geſetzen. Richt einmal bie herr
liche Waflerfülle der Inſel ift zum Nugen bes Aderbaus und
des Kunflfleißes ausgebeutet, Fabriken nun gar find theils ſehr
felten, theils faft ganz unbekannt.“ SWBefonders in Bezug auf
öffentiiche Arbeiten und Straßenbau rühmt der Verf. die vaͤter⸗
liche Fürforge der Regierung. „Außer der Wieberherftellumg
und Erhaltung alterthuͤmlicher Denkmäler, außer ber Renovi⸗
rung und Grriditung öffentlicher Gebaͤude, außer ben Unterneh⸗
mungen zur Bonification vieler Landſtrecken, ift der Bau von
37 großen Straßen und mehr als 60 Communalwegen anbes
fohlen und zum Theil in Arbeit genommen.” Non —* in
Arbeitnehmen fand Ref. 1840 kaum eine Spur und freute ſich
ſchon berzlih, als er bie angeführte Gtelle las, vermuthend,
daß feitbem, wie ber Verf. vielleicht Nachricht hätte, etwas
gefchehen wäre. Zu feiner Betrübniß aber mußte er einige Zei-
len weiter das Folgende lefen: ‚Ich Tann Über bie neuen Stra⸗
en in der That Teinen detaillirten Bericht geben, denn eines:
theils find fie noch in ben erften Anfängen ber Arbeit, andern⸗
theils find die Projecte noch nicht fertig.” Ref. erinnerte ſich
babei Deffen, was ihm auf dem Wege nach Zaormina ein
Bauer fagte: „O wir haben wol eine ſchoͤne Straße, aber fie
fteht noch auf dem Papiere.‘ 78.
Literarifhe Anzeige.
Bonftänbig tft erſchienen und durch alle Buchhandlun⸗
gen zu erhalten:
MDenkwürdigkeiten
Bermifdte. SHriften,
®
8. %. Barıhagen von Enfe.
Zweite Auflage.
Sechs Bände,
Gr. 12. Geh. 12 Thlr.
Die erften drei Wände enthalten „Deukwürbigkeiten
bes eignen Rebens‘, ber vierte bis fechete Band „Mer
miſchte Sepriften‘‘ und wich jebe biefer Folgen gefondert
für 6 Thlr. erlafien. Bon ber erfien Auflage find nod
einzelne Bände zur Gompletizung vorraͤthig.
S. A. Brockhaus.
Berantwortlicher Herausgeber: Heinrid WBrodbaus. — Drud und Berlag von F. X. Brodbaus in geipzig.
Bl aͤ
tter
für
literarifhe Unterhaltung.
Donnerötag,
Taſchenbuͤcherſchau für das Jahr 1844.
Erfter Artikel.
(Bortfegung aus Rr, 36.)
Die zweite Gabe: „Phyſiologie der Geſellſchaft“, von
A. v. Sternberg, ift feine Novehe, ſondern eine Reihe
von Briefen eines Vaters an feinen Gohn über den
Umgang mit Menſchen, ein Seitenftüd zu dem befanns
ten Werke. Knigge's. Sternberg zeigt ſich in benfelben
ganz als der feine, mit dem Tone höherer Gefeligkeit
Ännigft vertraute Mann, als ben wir ihn ſchon aus fel:
nen Novellen kennen —, nur daß, was bort mehr oder
weniger zerſtreut oder zwiſchen den Zeilen zu leſen if,
hier in engerm Gonner und beflimmter ausgefprochen ges
funden wird. Der Standpunkt, von bem aus bie Le—
bensregein gegeben werden, ift durchaus ber der Lebens:
Uugheit, ber ſocialen Politik, des liebenswuͤrdigen Egois⸗
mus. Den idealen "Standpunkt verſchmaͤht er. Ex
teibt:
ſa Wenn ich mir die Sache leicht machen wollte, koͤnnte ich
dir gerufen, Ziebe in die Winfamfeit, bebaue beinen Acer,
teinfe aus der Quelle, nähre dich mit den einfachften Mitteln,
Ihlafe gut und bu wirft auch fagen tönnen, bu feift in keiner
Stunde deines Lebens ungiädlic gewefens allein fort bamie!
Hierin liegt feine Kunft. Reinz du fol unter Wenſchen les
ben, bu folft trefflichen Bordeaur trinken, du ſollſt Aufterpaftes
ten effen, auf Polftern ruhen und dennoch ſollſt bu in diefem
bunten DSurcheinander, wo Tauſende zerbrüdt werben, wo Huns
berttaufende an einer Degenfpige oder einem buhleriſchen Laͤ⸗
deln verbiuten, wo taufendmal Tauſend vor Langeweile ums
finten, dich kraͤftig oben erhalten, und wem bu inft ben
Arzt am Krontendette hoͤflich bie Achſein zuden fichft, ſoüſt du
fagen tönmen: Ich erhebe mich von der Tafel, fie war gut beſett
und ich Habe Feine ihrer Gchüffeln ungeloftet vorübergehen laflen.
Aus dieſen allgemeinen Grundfägen heraus ſpricht er
über eine Weihe von Fragen, bie im gefelligen Umgang
befonders won Wichtigkeit find: „Über jugendliche Neiguns
gen”, „Über Greundfchaft”, „Über Geift, Wis, Perfiflage”,
Über das Urthell der Weit”, „Über Standesvorurtheile”,
über de grobe und feine Smpertineng”, „Über die Ehe
und das Wpififpiel”” „Über die gefelligen Kormen”, ‚Aber
die Verleumdung”, ‚Älber die Meinen Grimaffen, Kokette⸗
tim und Capricen ber Gefellfchaft” und „LÜbre die Schmei⸗
Gele”. Nicht alle Weiefe, in denen biefe Fragen behans
delt werden, find gleich werthvoll, einige wenige erheben
fich kaum über das Niveau des Gewoͤhnlichen oder Oft⸗
gehörten; beitoeitem bie melſten jedoch find voll von neuen
Überrafchenden Bemerkungen, zeugen von einer feinen Be
obachtungsgabe und einem ſchlauen gefeligen Takt und ers
gögen nebenbei durch eine pikante, launige Darftellung.
Es fei mir erlaubt, einige Stellen, wie fie mir gerade ins
Auge fallen, zur Probe mitzutheilen. Höre man, welche
weibliche Weſen ex für den feinſten Liebesgenuß — den
nad) feiner Anſicht immer die zweite Liebe gewährt —
empfiehlt.
jtaten inbem ‚fie ber ern;
Km, die Geraufienöften und —E Geht Teen,
poetifcer Schluß. Bried 5
Bon Auen, bie über ben Umgang mit Frauen geſchrieben
haben, hat Niemand, fo viel ich weiß, eine ſolche Verbindung
“ nz; ich will andy zugeben, daß bieles Bild auf ben
d etwas &eltfames, Zurüdfoßendes hat. MBit, ei
[} pe Geliebten erwählen, das den Tod im Buſen
= ic ſpreche nicht von dem Beſit, nicht für das
'ür praktifche kebentzwecke, nicht von der Ehe, ich
ra der Liebe als Ingredienz unfers feinften Lebensger
nufles. Warum den Duft einer Hofe verſchmaͤhen, blos weil
wir wiffen, daß fie über Nacht nicht mehr fein wish? Warum
deshalb an bie derbe gerudjlofe Kulpe ſich halten wollen, weiß
fle die kaͤhle Nacht überbauert und ihr feſter Organismus bie
1226
orgennebel nice zu ſcheuen hat? Gewöhne did; fräßzeitig,
Dis zu He Kat ee auf kurze Zeit geliehen ift.
über die Bereitung einer Dammelkeule ſchreibt er:
Es kitzelt mid 7 dieſes Be dicht on bas der gieb *
d egen, ich hoffe, damit ber von mir gehaß⸗
der Freundſchaft zu ——
ten Gentiuyat eich zu fpieem In meinem Ro⸗
tizenbuche eig angemerkt, daß man in England, wo man
Veen Artitei eine befondere Aufmerkfamtelt ſchenkt, die gemds
fteten Hammel in kurzen Tagereiſen auf einem mit Gtahlfebern
verfehenen Wagen zur Hauptſtadt ſchafft. Dann bringt man
die Antömmlinge in anfländigen Localen unter, wo fie fi) von der
Erhitzung der Reife erholen koͤnnen, unb mo wibrige Ans
deutung auf ihren naͤchſten Beruf ihre Gemuͤthsruhe erſchuͤttert.
DiE eiftere Bau des Schickſalg faßt fie volllommen umvorbes
geitet, und Das ift es gerade, was das Gefeg der Kuͤche wil.
Man kann einem Hammel, ber uns ein gutes Dines verfchafft,
nicht genug Aufmerkſamkeit erweilen.
Intereſſant iſt es, Ihn, einen Ariſtokraten, über bie
Zulftofsaten phantafiren zu hoͤren:
Wie man Saprtaufende nach ben Stürmen ber Urwelt, in
Eisttumpen verfäloffen, ein Mammuth auspadte, fo wirb man
unter der Krufte der Formation der gefillichaftlichen überreſte
ein Ding auspacken, das man einen alten Ariftefraten nennt.
Man wird aus bdiefem feltenen Eremplar die ganze unterges
gesgene Organiſation ber Urwelt zufammenjegen, und aus ben
Zähnen bes alten Ariftofraten und ebenfo aus feinen ſtarken
Hufen wird man,” ohne viel Scharffinn zu verrathen, ſchließen,
daß es ein Thier war, das viel Schlaͤge austheilte, und dabei
es fraß. Aber diefe Notizen befriebigen bie Phantafle nur
halb, das Derz bebarf mehr, bie Sehnſucht verlangt ibeale
Blibers; da treten die Dichter hinzu und fehaffen neue Yerrliche
Yalmbäume unb Platanen, Blumenkelche, groß genug, daß eine
Pariſerin darin ihr Wochenbette halten kann, urweltliche
get, die lange, bewegliche, farbenblägende Schweiſe ringen,
wıalle, Berge, ein Himmel, Altes zauberhaft, buntſchimmernd
und —58 erquichend. In dieſe Welt ſetzen fie den alten
gluͤcklichen Ariſtokraten und laſſen ihn nach Herzensluſt darin
umhertraben und junge Palmbaͤume wie Diſtelkoͤpfe umbauen.
Es tönt um den Alten das ewige Lieb feiner Jugend, bie Un⸗
terjochten fingen ihm Preis, bie ganze Welt iſt eine Hymne
auf feine Stärke und Kraft. Da taumelt ber Alte fiegess
trunben uab ſchlaͤft im Drangenwälbdgen ein, von einer ur⸗
weitlichen Nachtigall eingelullt. Während er ſchlummert, kom⸗
men die Fluten.
Nun ſchildert ex weiter, wie die Stellung dee Geſtirne
plöglich eine andere wird, wie bie Jahreszeiten gleich vers
wirrten Kindern durcheinander flammeln, wie alle Raturz
kraͤfte zevolutionireu, wie die Roſe plöglih vom Zroft
Kberrummpelt wird, und der Eiszapfen fich gedrungen fühlt,
eiligſt in Thraͤren wegzuſchwimmen, tie die Waffer auf
Reifen gehen und fih aus den Mufeen der Refidenzen
Schäge boten; wie fih aus allem Diefen endlich ein neuer
Zuſtand entwidelt und eine neue Welt geboren wird, wels
cher der Fruͤhling ſchon von der Wiege eine goldene Zus
Zunft vorplaudert und ber die Sonnenftrahlen wie gefchäf:
tige Engel bie legte Thräne von der Wange kuͤſſen. Uns
serdeflen fchiäft der alte Ariſtokrat noch immer fort, er hat
von Allem nichts gemerkt, und „als er endlich ſchlaftrunken
die Augen öffnet, fieht er, daß er in einer Kryſtallhuͤlſe
ftedt, umd, durch diefelbe erblickt, erfcheint ihm die Welt ums»
ber ſehr wunderlich. Ihn friert und er ift verdrießlich!“
Die dritte Babe: „Das Heimmeh’, Novelle von
Sulius Mofen, ſteht an Werch den beiden vorigen
bedeutend nah und if} hinter den Erwartungen, mit
denen wir im Andenen an Moſen's fenflige Leiſtun⸗
en darangingen , zurüdgeblieben. Die Novelle zerfällt
hter Anlage und Ausführung nah in zwei Hälften,
bie mahrfcheinlicherweife zu verfchiebenen Zeiten oder we⸗
nigftens unter verſchledenen Umftänden gefchrieben find.
Die erſte ſcheint mit Luſt, bie zweite mit Unluſt gene
beitet. Dort wird dee Knoten zwar einfach, aber doch
Spannung erwedend gefchürzt, hier dagegen auf ziemlich
langweilige Welfe gelöft. Won Seite 200 an ift die Ge-
fchichte genau genommen ahne allen Inhalt, wenigftens
find durchaus Beine anziehenden, unterhaltenden Momente
darin. Die darin agirenden Perfonen Haben einerſeits un⸗
fer Intereffe verfcherzt, andererſeits es noch gar nicht ges
wonnen, und fo iſt e8 kein Wunder, wenn uns die end»
liche Löfung, die überbies ein menig verbraucht iſt, durchs
aus kalt laͤßt. Nicht viel mehr befriedigt die Charakteriftit
der verfchiedenen Figuren. &ie find urfpränglic gut an:
gelegt, aber fie bleiben mehr ober weniger unentroidelt, ober
ihre Entwickelung deutet nicht auf den Keim zurüd. So
iſt namentlich Notham, ein reicher Dandelöherr aus Ame⸗
rika, in der Mitte ein ganz anberer als zu Anfang, und
gegen das Ende wiederum ein Anderer als in der Mitte.
GStellten fich diefe verfchiedenen Manifeflationen als vers
f&iebene Entwidelungsphafen veined und deſſelben Grund:
charakters dar, fo waͤre nichts dagegen zu fagen; fo aber
machen fie nur den Eindruck von Inconſequenzen und
reißen uns die Perfönlichkeit zu einer Figur ohne Halt
und Mittelpunkt auseinander. Auch Johanna, dem Titel
nach) die Hauptfigur, trägt einen nur ſchwach vermittelten
Widerfpruch von Leichtfertigkeit und Sentimentalitaͤt in
fih, und fo tft der Rittmeiſter der einzige Charakter, der
fh von Anfang bis zu Ende treu bleibt. Trotz der ers
wähnten Maͤngel bietet die Novelle manches Schöne dar
und fie enthält Stellen, welche andeuten, daß der Verf.
mehr kann als er hier geleifle. So find namentlich bie
Briefe Johanna's, in denen fie nad und nad ihr Diss
fallen an Amerika und Ihe Heimweh an den Xag legt,
zum Theil recht wohl gelungen. So fihreibe fie z. B.
über bie Menfchen in Neuyork:
Sie laufen Aue herum wie Roten, die mit ben fünf Liz
nien nicht zufrieben find und bafür einen Strich durch ben
Kopf befommen.
Und über ihren Gemahl Notham:
Ich bin fein Papagei, ben er mit Zuckerwerk füttert unb
mit bem er ſich Spaßes halber unterhält, wenn er aus feinem
Comptoir a nbden bexeinfommt! Er laͤßt fi kraden an
beißen, ich hlpibe doch immer fein Joli!
Und ein andermal: |
Denten Sie nur, Papa, bie Qual! Ic darf gar nichts
arbeiten als naͤhen, mit ber Raͤhnadel fol ich mi durch bie
fien kann ich, fo viel ich will,
ee immer freundlich, wie Hirfemuß mis zerlaflener Butter und
Dfefferluchen barauf. ur
.. Eine huͤbſche Stelle iſt and) das Geber des alten Ritt:
meifters neben der Leiche feiner Frau:
- Barmbenziger Gott, bier liegt vene hir ein altes yerisbofle
ner Kriegsknecht und dankt bir für af: @uape, welche bu ie
188)
in Standquartier und Campagne gelenkt haſt. Ich hatte
mit meiner Bravour, bie ich zu verſchiedenen Malen zu beweis
fen Selegenpeit hatte, nur meine Pflicht gethan, du aber haft
mir das Alles, ja felbft die Sünde meiner Jugend, aum ındrite
angerechnet, und mein Lebensgläd mit der feligen Maria The⸗
reſia fo recht grundgut an ben Hals geworfen, und ba ich bei⸗
nahe an ihr ein Hallunk geworden wäre, mir das Bein weg:
fhießen faffen und mich armen Srüppel hierher nach Leimnuͤt
commandirt, um Weib und Kind zu finden und auf meinen
Lorbern mit gloire und pension auszuruhen. Lieber Gott, mein
allmäcdhtigee Sommanbeur, warum haft bu mich nur den Meinen
al8 Quartiermeifter nicht vorangehen laffen? Bedenke ich ba in
meiner Niebrigkeit, daß bei bir mein Bischen alter Adel und
mein Offigierpatent dbummes Zeug fein mag, wie denn auch
dem Hauptmann von Kapernaum nur fein Glaube half, fo
wirft du es wol auch jegt mit dem Rittmeiſter von Leimnig
gut gemeint haben; denn ich habe wol nech in meinem alten
Mantelſack ein Padetchen altır Sünden, die du mit beſtem
Willen mir nicht ganz vergeben kannſt, es müßte denn gine fo
gute, reine Seele, wie meine felige Maria Thereſia, mir hinter
dem göttlichen Kriegsrecht Faiferlichen Parbon auswirken. So
gebe denn hin, meine Maria Therefia, und bitte nur das Eine,
daß der alte Rittmeifter von Leimnitz bei bir fein darf; benn
bu haft doch beine Stätte im Paradies. Kannſt bu für mid
bei Petrus, ber, am beften weiß, wie es fommt, baß man bas
rein haut, ein Übriges thun, fo laß mich im Leben nur noch
einmal unfere Johanna fehen! Und hilft das Alles nicht, fo
mag mich mein Herrgott lieber ein Bischen in die Höfe Or⸗
donnanz reiten laſſen, wenn nur das liebe Kind dabei glüds
lich wird.
(Der Beſchluß folgt.)
Die Entftehungsgefchichte des Jeſuitenordens, nebſt einem
Schlufworte über die neuen Sefulten. Nach den Quel:
Ien Dargefteilt von Friedrich Kortum. Manheim,
Baflermann. 1843. Gr. 8. 20 Por.
Während in Frankreich Worlefungen von Michelet und
Auinet gegen die Sefuiten erſcheinen, find wir in Deutfchland |
nicht unthätig, die Peft des Jahrhunderts, die mit der Bulle
vom 7. Auguft 1814 wiederum über die Völker der Erbe ges
tommen ift, aus der Vergangenheit felbft, und für die Gegen»
wart, als Das, mas fie ift, darzuftellen. Wir haben noch in
vielen Ländern Quropas Mauthen, Schlagbäume, Contumaz⸗
anftalten und bergfeichen wider die Peft, wider accisbare Ge:
genftände u. f. w., aber bie Jefuiten dürfen frei umhergehen,
ohne, wie einft die Zuden in Sachſen, einen Leibzoll zu ents
rihten; benn das Haupt der römifch: Latholifchen Kirche hat
fie repriftinirt, und man läßt fie frei gewähren, wo nicht, wie
in ber Verfaſſungsurkunde bes Königreichs Sachfen, beftimmt
worden ift, daß Jeſuiten im Lande niemals aufgenommen wers
den dürfen, ober wo man ihnen fonft die Wege gewielen hat,
wie in Rußland. Es ift daher immer Höchft verdienftiich, in
fortwährender Anerkennung. Deffen, was am 21. Juli 1773
Siemens XIV., der damalige infallible Papft in Rom, über
den Orden der Jeſuiten ausgeſprochen dat, und unter gefchichtlich
treuer Auseinanderfegung Deffen, was biefer Orden früher ge:
weſen ift, und was er nad feiner Repriftination fein kann,
gegen den offenbaren Ruͤckſchritt offen und nachdruͤcklich zu pros
teftiven, der das Jahr 1814 nach der erften Beſiegung Napos
leon's, wo man eine auf den Grundlagen „der Gerechtigkeit,
Eiche und Friedfertigkeit“ beruhende Reorganiſation ber geſtoͤr⸗
ten Verhäftniffe der Staaten und Biker zu erwarten berechtigt
war, als Anfangspunft reactionairer Maßregeln auszeichnete.
Eine ſolche Proteftation iſt num auch, die vorliegende Schrift,
ein würbiges Seitenſtuͤck zu der Jordan's, die vor einigen Jah⸗
zen erfchien. Mit dieſet Proteftation follte fort und fort die
Preſſe, follte immer wieher von neuem bie Journaliſtik vor bas
4 ben fiichen zu koͤnnen.
Yublicum und vor ale Diejenigen treten, bie Ohren haben zu
hören; mit ihr follten die würbigen Volkevertreter in ben Kam
mern dor ben Miniftern der einzelnen Staatöregierungen erſchei⸗
nen, und, was nur an ihnen if, und mo fie es nur vermögen,
die Regierungen aufflären über bie Sefniten, über Das, was
fie gewefen, was fie fein wollen und was fie find, über Das,
was fie der Kirche, dem Staate, ben Mölfern unb ber Gegen⸗
wart der Welt nicht fein Eönnen, und was fie nur dem geiſt⸗
lichen und weltlichen Deöpotismus, was fie der roͤmiſch⸗katho⸗
liſchen Kirche fein follen, fein wollen und find. Gine fol
Proteftation iſt namentlich in der vorliegenden Gchrift
8. 71 — 94 enthaltene Schlußwort über „die neuen Sefuiten’’,
eine Proteftation, bie jeder wahrhaftige Chrift, jeder gute
Staatsbürger unbedenklich zu unterfchreiben fich gedrungen führ
(en muß. Denn in diefem Schlußworte wirb, nachdem bie Bes
[hichte des Sefuitenordens im 18. Jahrhunderte, vor und nad
dem 21. Juli 1773, fowie zu Anfang des 19. bis zum
7. Auguft 1814 und feitbem in kurzen Umriſſen angegeben
worden, die Sefuitenfrage, gegenüber dem laufenden Zeitalter,
ohne Daß und Vorurtheil zu Iöfen verſucht. Der Verf. ſtellt
ſich dabei theils auf den kirchlich⸗religioſen, theils auf den wife
fenfchafttich « pädagogifchen, theils auf den flaatsrcchtlichen, theils
auf den flaatswirthichaftlidden Standpunkt, und aus diefen vier
verfchtedenen Stanbpunften bemweift er, überzeugend für Ale,
die Augen haben zu ſehen, und Ohren zu hören, daß bie
Aufnahme und Pflege des Zefuitenordens in allen Beziehungen
bem Wefen und Gelfte des Zeitalters entgegen fei. Wende man
nicht ein, baß ber Jeſuitenorden nur ein revenant, nur ein
Geſpenſt fei, von bem man nichts zu fürdpten habe, und var
dem ſich nur Derjenige fürchten könne, ber daran glaube. reis
lich ift der Iefuitenorden wie ein Gefpenft, das nur bei Rack
umgeht, und das den Zag in Nacht verwandelt, um im
Daß verftcht der Orden wohlweislich
und gar fein; und was babei gewonnen wieb, außer für Ver⸗
bummung ber Völker und für die Zwecke der roͤmiſchen Hierarchie,
liegt am hellen Zage mach allen ben Lehren und Grunbfägen,
und nach der ganzen Gefchichte des Jeſuitenordens, und es er⸗
gibt fih aus dem reiben der neuen Zefuiten und aus ben
Fruͤchten, die ba geerntet worden find, wo fie gefäet haben,“
Die Regierungen find doch fonft gar eiferfüchtig genug auf jeden
Schein einer fremden Gewalt und Macht in ihrem Bereiche;
und wie laffen fie ſich durch die Iefuiten um Anfehen, das ih⸗
nen, den Regierungen, gebühet, um Bilbung, bie fie, die Res
gierungen, mühfam unter dem Volle zu verbreiten fireben, um
Geldſummen, die ihnen und den Staatszwecken entzogen unb
ihren Feinden, den Zeinden der Regierungen, zugeführt werben,
offen und insgeheim betrügen! Cine Gontrole der Sefuiten von
Seite der Regierungen iſt kaum möglid; man barf fie nicht
dulden, oder man muß, wenn man ffe duldet, fi ihnen auf
Discretion ergeben, und bies Alles — in majorem dei gloriam}
Das thut man aber auch und man duldet dies Alles, wie uns
begreiflich es auch ift, daß dies geduldet wird. Indeß iſt dies
in der Geſchichte der Jeſuiten in der That nicht das einzige
Unbegreifliche; ihre Gefchichte wimmelt im Einzelnen, möchte
man faft fagen, von Unbegreiflichleiten auf Seite der Regierums
gen, und ſelbſt nichtlathofifcher, ſelbſt proteftantifcher und grier
chiſcher Regierungen. Friedrich IT. von Zyußen behielt die Je⸗
fuiten auch noch nach dem 21. Juli 1773 einige Jahre lang
bei; desgleichen Katharina II, von Rußland; und ihrem Nach⸗
folger, Paut J., gelang es, bei Pius VII. die foͤrmliche Wieder⸗
herftellung der Geſellſchaft Jeſu Im zuffifchen Reiche durchzuſetzen.
Diefem Beifpiele folgte Ferdinand IV. von Neapel: Gicitien,
indem er, weit „chriſtliche Froͤmmigkeit und Sitte gefährdet und
verfolgt’’ feien, in der Ruͤckkehr der Jeſuiten nach Neapel u
Sicitten „das Unterpfand befferer Zeiten’ erblickte, und 5!
ihnen erwartete, daß fie „ven Schulen und jugendlichen Gemuͤ⸗
thern Wottesfurcdht und Wiffenſchaft zurädbringen wuͤrden“.
Anberwärts wirkten dergleichen Beiſpiele nicht vergebens, bie eB
danach um fo Leichter erfchien, abne den argen Widerſpruch zu
1228
beachten, welchen die päpftliche Unfehlbarkeit ſchon dadurch bes
— daß ſie die von dem verdammenden Vorgaͤnger einzeln er⸗
obenen WBefchwerben und Anklagen gegen ben Orden mit kei⸗
nem Worte berührte, ohne an bie gänzlich veränderte Lage der
Bölfer und Staaten zu denken, obne den Bohn zu erwägen,
der darin Iag, daß man bie felbftändigen Befchtüffe Portugals
(179), Frankreichs (1764), Spaniens (1767) und anderer
—8 Regierungen mit Einem Federſtriche tilgte, die Re⸗
nation bes Zefuitenorbens tur die Bulle vom 7. Auguft
814 vor ben erflaunten Völkern auszuſprechen. Man wollte
fi der Jeſuiten, wie früher als einer kirchlichen Waffe, ale
„ruſtiger Ruder im Gchifflein des heiligen Petrus‘, zunächft
gegen die Reformation, jo nunmehr als williger Werkzeuge zu
eichung theils hierarchiſcher, theils politifcher Zwecke bedie⸗
nen, und mit ihnen Glaubensfreiheit und buͤrgerliche Freiheit zu⸗
gleich bekaͤmpfen. Unerwartet war es ba wieder, daß Ruß⸗
land im J. 1820 die Jeſuiten, feine anfänglichen Schuͤtzlinge,
als fie durch Profelgtenmadherei, Ungehorfam und Habfucht bas
Gaſtrecht verlegten, in kluger und ehrenbafter Entruͤſtung für
immer aus dem Reiche verftieß und dadurch einen Hauptquell
laͤhmender Unduldſamkeit und Zwietracht verftopfte. Rußland
that dies, aber es fand keinen Nachfolger. Waren die Zefuiten
etwa nur in Rußland Profelptenmacher, nur dort ungehorfam
und babfüchhtig? Hat nur Rußland es erkannt, daß die Gefell
ſchaft Zefu mit ben Aufgaben und Bebürfniffen des Zeitalters
unverträglich fei? nur Rußland es erkannt, baß biefes Inftitut
entweber hemmend ober geradezu feindfelig bazwifchentritt und
mit feinem rafchen und doch Ieifen Schritte felbft männliche Ges
muͤther mit unheimlicher Beforgniß erfüllt? O! mie viel hat
unfere Zeit noch zu lernen, wenn fie hierin von Rußland nichts
gelernt hat! Zu diefen und ähnlichen Betrachtungen drängt das
Schlußwort ber vorliegenden Schrift. Leſe es ein Jeder, ber
es mit feiner Beit wohl meint! Auch ohne bie vorhergehende
Betrachtung, die füich mit dem Leben und Wefen Loyola's, mit
ben erften Generalen der Jeſuiten, mit der Conftitution bes Je⸗
fuitenorbens und mit beffen raͤumlicher Ausbreitung im 16. Jahr⸗
hundert befchäftigt, Tpricht diefes Schlußwort durch fich ſelbſt
und für fich fethfl. Man böre nur aufmerffam auf bie Lehren
der Gefchichte und beachte die WBebürfniffe der Zeit, damit man
wifle, was zu thun und was nicht zu thun fei! 31.
Literarifhe Notizen aus Frankreich.
Periodiſche Schriften in ber Provinz.
Je feltener irgend eins von ben in ber Provinz erſcheinenden
periobifchen Blättern nach Deutfchland verfchlagen werben mag,
deftlo mehr Halten wir e8 für unfere Pflicht, wenn wir ein
ſolches Zournal finden, das wirkliche Beachtung verbient, zur
Berbreitung deſſelben fo viel als möglich beizutragen. So wollen
wir noch einmal auf bie treffiide „Revue du midi” zuruͤck⸗
kommen, obgleich wir ihrer fchon früher einmal in db. Bl. ges
dacht haben. Bon biefer Zeitſchrift, die Achille Zubinal, ber
verbiente Forſcher franzoͤſiſcher Alterthuͤmer in Montpellier mit
vieler Umſicht leitet, find uns vor kurzem das vierte und fünfte
Heft zugelommen. Um einen Begriff von der Manntchfaltigkeit
diefer „„Bevue’’ zu geben, wollen wir aus dem reichen Inhalte:
verzeichniffe die Titel einiger der intereffanteften Auffäge aushes
ben. Wir rechnen dahin eine höchft geiftreiche Notiz über Mad.
de Sevigne von Armand de Pontmartin aus Avignon. Es war
nichts Kleines nach Waldenatr, Walfh, Aubigne u. A. über
dieſes iIntereffante Weib noch etwas Neues zu fagen. Wiſſen⸗
ſchaftliche Bedeutung bat eine Skizze ber „Philosophie du droit‘
von Maffot, Generaladvocat. Sin Eteiner intereffanter Auffag
Eher bie Befchichte der Muſik („Etudes historiques de la mu-
sique’‘) rührt von Laurens, einem ber erften Organiften von
ganz Frankreich Her. Am meiften angefprocen bat uns bie
4 Philosophie de Rabelais’, ein hoͤchſt geiftweicher Auffag aus
der Beber von Renouvier, dem Verf. einiger brauchbaren philos
an „Lsettres sur la Russie, la
ſophiſchen Handbücher, die in Frankreich ſehr verbreitet find.
Mir übergehen einige andere intereffante Nummern, und erwaͤh⸗
nen nur, baß biefer Revue, die zwar ein hauptfächlich wiſſen⸗
ſchaftliches Interefle hat, aber doch auch einige dichterifche Beis
träge (unter Anderm von dem Maurergefellen Poncy in Toulon)
enthätt, ein recht reiches und werthvolles bibliographiiches und
kritiſches Bulletin beigegeben ift.
Über die Byrenden.
Ohne der zahlreichen engliſchen und franzöfifchen Heifer
banbbücher und Schilderungen aus den Pyrenaͤen zu gebenten,
ließe ſich eine anſehnliche biftorifche und geographiſch⸗topogra⸗
phiſche Literatur über dieſe intereſſante Wölkerfcheide, bie Frank⸗
reich von Spanien trennt, anführen. Noch vor kurzem haben
wir einige brauchbare Werke, die hierher einfchlagen, erhal:
ten. Zunaͤchſt reinen wir hierzu bie „Histoire des popu-
lations pyr&endennes du Nebouzan et du pays de Comminges,
depuis les temps les plus recules” von D. Saftillon, eine fleis
ßige Arbeit, von ber Eürzlich ber zweite Band die Preſſe verlaffen
bat. Mehr darauf berechnet, um als Leitfaden zu dienen, in:
defien auch für den Geographen von Fach nicht ohne Intereffe,
{ft das ‚„Tableau des Pyrenees” von Arbanere, das foeben in
ben Buchhandel gelommen tft. Wir wiffen nicht, ob der Verf.
dieſes Werkchens berfelbe tft, ber eine etwas fchmälftige ‚‚Ana-
lyse de Y’nistoire romaine” (4 Bde.) hat erſcheinen Laffen,
Auch der vielbelannte Baron von Taylor, der bei einer Menge
literarifcher und artiftifcher Unternehmungen bethefligt ift, hat
vor kurzem eine intereffante Schrift über bie Pyrenaͤen heraus⸗
grgesen. Er hat in berfeiben das vorhandene Material recht
gluͤcklich verarbeitet und überbies einige anziehende Blaͤtter aus
feinen Reifetagebüchern gegeben.
Philoſophie ber Hebdrder.
Couſin fagt in einem ber legten Berichte, die er von den
neueften Erſcheinungen auf dem Gebiete ber Philoſophie erftat-
tet, die Zeit feheine dieſer Wiſſenſchaft befonders günftig. In
ber That find niemals fo viele philofophifche Werke in Frank:
reich erſchienen als gerade jegt. Und darunter befinden ſich
mebre, bie ein wiflenfchaftiiches Intereffe in Anfpruch nehmen
koͤnnen und die von ben Gelehrten des Auslandes nicht unbeach⸗
tet gelafien werben bürfen. Wir rechnen dazu vor Allem die
Schrift eines jungen Philofophen, auf die vom berühmten Ge⸗
lehrten, deffen Namen wir angeführt haben, aufmerkfſam gemacht
if. Ste führt den Titel: „La Cabbale ou la philosophie re-
ligieuse des Hebreux”, von X. Franck. Der Verf., weldyer,
irren wie nicht, ber Sorbonne als aggregirter Profeffor beige:
geben ift, hat ſich ſchon durch frühere Eeiftungen befannt ges
macht. Wir erwähnen von ihm eine „Esquisse d’une histoire
de la logique, „präcsdee d’une analyse etendue de l’Organum
d’Aristote”. Adolf Franck iſt Iöraelit von Geburt und der
orientalifchen Sprachen maͤchtig, fobaß er bei feiner Arbeit über
bie religiöfe Philofopbie der Hebraͤer überall den Quellen bat
nachgehen koͤnnen. Seine Darftelung ift Har, bündig und dem
Gegenſtande angemeffen.
Marmier über Rußland.”
Man bat dem armen Marmier in Deutſchland manchmal
gar zu arg mitgefpielt. So lange er unfere Literatur Iobte,
wurde ein Auge zugebrüädt, aber fobald er an eine unferer
Größen rührte, hob man den Stein gegen ihn auf. Wenn bodh
manche unferer Überfeger und Kritiker in ihren eigenen Bufen
griffen! Wir wollen die vielen Überfegungsfünden, die Marmier
ih hat zu Schulden kommen Yaffen, übrigens gar nicht rechts
fertigen; fo viel aber fleht feft, daß er eine gefällige, anfprechende
Darftelungsgabe bat, um bie ihn viele unferer gefeiertfien
Schriftfteller beneiden Eönnten. Dies „ae fig aud in feinen
ande et la Pologne”
Bi). - 8
VSerantwortlicher Deraubgeber: Heinrig Brockh ans. — Druck und Berlag von J. A. Brodbaus in Leipzig.
Blätter
für
>
literariſche Unterhaltung.
Freitag,
r. Z07.
3. November 1843.
Taſchenbuͤcherſchau fuͤr das Jahr 1844.
eſter Artikel.
(Beſchluß aus Nr. ME.)
„Der Wilddieb“, von W. Alexis, iſt durchaus ko⸗
miſchen Charakters und entfaltet im Einzelnen außeror⸗
dentlich viel Wis und Laune mit gutmuͤthig⸗ ſarkaſtiſchen
Anſpielungen auf die ſchwachen und laͤcherlichen Seiten
unſrer Zeit. Auch iſt der Hauptinhalt der Erzählung:
daß ſich ein junger Mann, der von Kindesbeinen an ſtets
ein Wildfang gervefen tft, als Wilddieb engagiren und in
diefer Qualität wirklich einfangen läßt, echt komiſch und
bietet viel ergögliche Momente bar. Trotzdem macht das
Ganze nicht den befriedigenden Eindrud, ben man bier:
nach erwarten follte, und bleibt hinter ähnlichen Probucten
des Verf. zurüd. Der Grund davon liegt abermals da⸗
ein, daß in der Gefchichte kein evidentes Entfalten aus
einem Punkt heraus, ein organifches Wachfen und
Fortbilden iſt, daß an die Dauptideen fo Mancherlei an:
gefickt und angeklebt iſt, von deſſen Dafein man durch⸗
aus keinen Grund einficht. Dies gibe dem Witz nicht
felten den Charakter des Gemachten, ja Koreicten, und
das Ganze ſtellt fich demzufolge mehr als ein planlos zu:
fammengewärfeltee Schwänt als ein mit feinerer Komik
angelegtes Kunftwerk dar. Möglich iſt, daß wir dem Verf.
mit dieſem Urtheil Unrecht thun. : Manche der gefchilder:
ten Perfonen und erzählten Vorfälle beuten offenbar dar⸗
auf hin, daß fie der Wirklichkeit entnommen find; andere
tragen einen mehr allegoriihen Charakter — und fo kann
es fein, daß ſich das Ganze auf ein dem Ref. unbefann:
tes Ereigniß bezieht, wodurch Das, was ihm willkuͤrlich
und planlos zufammengemwürfelt ſchien, Nothiwendigkeit und
inneren Zufammenhang erhält. Mag fih nun dies vers
halten wie es will — jebenfalld wird der lachluſtige Lefer,
der es mit ber Lünfklerifchen Geftaltung und ciaffifchen
Maͤßigung nicht allzu genau nimmt, bei diefer Erzählung
feine Rechnung finden. Beſonders gelungen iſt ſogleich
zu Anfang das Gefpräh über die Erziehung und muth:
maßliche Carriere bes Wildfangs zwiſchen beffen Kitern
und feinem Oheim, der eine gluͤckliche Parodie des trotz
aller Fortſchritte nicht vorwaͤrtskommenden Zeitgeiftes ift.
Schen in diefem Gefpräh wird ihm das Prognofliton
geſtellt, daß aus ihm nichts werben könne; fpäterhin wies
erholt ihm daſſelbe fein Repetent Ulrich, der ihm eröff:
net, daß er von wegen feiner Romantik und Ironie zu
nichts weiter tauge al6 zum Ins: Wafler : [peingen oder
sum Kohlbauen. Die Scene biefer Eröffnung iſt ein
Kohlader. Sch will mittheilen, wie er felbft den Eins
druck diefer Erklärung ſchildert:
Der fuͤrchterliche Redner — ſchreibt er — hatte mir ben
Rüden gekehrt und ich fand da wieder allein, verlaffen, geaͤch⸗
tet, wie ein von ber Peſt Befallener. Ringsumber im Gonnens
fein lachten viel taufend Koplköpfe hoͤhniſch mich an. „Boll
ih alle meine Bildung aufgeben”, rief ich, „meine Eoftbaren
ſchweren Studien wären umfonft, und zu euch follte ich zus
ruͤck!“ Da raufchte der Abendwind in den breiten Blättern eis
ner Pflanze, deren Wurzel in Geftalt einer rothen Rübe, licht⸗
verlangend, halb aus bem Boben vorgulte. Es war bie freund:
liche Bermittelung der Runkelruͤbe, die mich wieber mit bem Les
ben ausföhnte. Die Zeit, meine werthen Zuhörer, verzehrt viele
Ideen, preoducirt aber ebenfo viele, um was zum Verzehren gu
haben. Das Troͤſtliche ift bemgemäß, baß der Beift, der bier
eine zugefchloflene Thuͤr findet, wo anders anklopfen kann.
Barum verzweifeln, wenn man noch fpeculicen kann? Warum
emeinen Kuͤchenkohl bauen, wenn man Runkelruͤben cultiviren
ann? Die Inbuftrie hat den Vorzug vor den Mythen und
phitofophifchen Syſtemen ber alten wie der neuen Welt, daß fie
den geringften Aufwand von Geiſt fobert. Es braucht nämlich
nur ein Leithammel dba zu fein, fo finden bie Schafe den Meg.
Man kann mit ber Guropamüdigkeit, mit der Ironie, mit bem
Weltfchmerz, ber Demagogie und dem Pietismus noch fo ſehr
bebaftet fein, das hindert nicht, daß man aus ber Kartoffel den
Geift zieht, ben die Zeit braucht. Der meinige ſchwankte, ob
er der Runkelruͤbe oder ber Locomotive den Vorzug geben follte.
Ich bekenne, es ruht für mich in ber Runkelruͤbe etwas unges
mein Erhebendes. Die Koliage ift nicht ſchoͤn, dennoch ſpringt
und erhebt fie fich wie ber Vorbote, bie Verkuͤnderin von etwas
Ungewöhnlidem. Und nun mit einem Male fehießt die dicke,
runzelige, ebenfo unfchön angefärbte übe, d. i. die Wurzel,
aus ber Erbe, mit dem volleen Theile nach oben, gleihfam um
auch ihrerfeits bie Weisheit unferer Wäter zu Schanden ge mar
Ken, bie ba fagten: „Das bilde Ende fommt nad.” ie bes
wußt ihrer Kraft, ihres Innern Gehalts, entringt fie fi) dem
fetten Boden, nadt, ohne Vermittelung, ohne Schoͤnheitstinten,
ohne andere Sehnſucht ats die, fortzuwirken durch Selbſtauf⸗
opferung, Hingebung und Berwanblung ihrer Subflanz in ben
raſtios fortfchreitenden und arbeitenden Weltgeiſt. Wahrhaftig
die Rünkelrübe ift die wahre Repräfentation des troßigen Selbfts
bewußtſeins, aus dem unfer ‚Heil entfpringt. Das ariftofratis
ſchere Zuckerrohr iſt zu fehe vom Duft der tropiſchen Fremde
und Poeſie ummwoben, die Seufzer ber gebrochenen Negerhergen
fläftern in feinen Halmen, ein Mangel, der dadurch nicht gang
ausgeglichen wirb, daß die tobten Regerflimmen uns das Lob⸗
lieb ber Danbdelsfreiheit fingen. Auf der andern Seite, verges .
genwärtigt uns nicht die Runkelruͤbe das Bild der vaterlaͤndi⸗
12%
keit? Hätten wir n um Runkelruͤbenzucker
a en was —8 EA in feinem neuen @ins
Heitögefühte dann noch von ber Fremde! Vertruͤge ſich — beis
Läufig geſagt — nicht die Buderhutform mit dem gotpifchen
Strebepfeiler? Man follte an ben Zierrathen des Fölner Doms
Das, was bie Zeit gebieterifch fobert und fie bewegt, nicht ver:
geffen. Deutſche Eicheln, eine deutfche Runkelruͤbe!
Ähnliche mit gleich vedfeligem Humor fliefende Stel:
fen ließen ſich noch manche mittheilen, doch müffen wit
bier abbrechen, um noch einigen Raum für die legte Spende
der „Uranla”: „Nur Eeine Liebe”, Novelle von Kevin
Shüding, übrig zu behalten, welche nächft der von
Gutzkow die befte des Taſchenbuchs ifl. Die Erzählung
bat folgenden Verlauf: Sie beginnt mit dem Herzoge von
Hebendorf: Maſſenbach, dem das Regieren außerordentlich
ſchwer wird, weil nämlich feine Untesthanen ſo außeror:
dentlich zahm find, daß eigentlich alles Regieren überflüflig
iſt. Der Herzog verfällt darüber alles Exuſtes in Melan:
Holie, und aus Sehnfucht nach einem Ereigniß, das ein:
mal feine ganze Thatkraft in Anſpruch nehmen möge,
faßt er den Beſchluß, ein Tyrann zu werden und dadurch
felbft zu einer Mevolution Veranlaſſung zu geben. Er
zichtet zu dem Ende auch eine chambre noire ein, worin
alle Briefe, die auf dem Hetzendorf⸗Maſſenbacher Poſt⸗
amte aus⸗ und einlaufen, heimlich erbrochen und gelefen
werden. Sein Cabinetöfecretair Peter von Alcomtara, Ba:
von von Hartung, ein junger, befähigter, intereſſanter
Mann, den nur der Drang der Verhaͤltniſſe in die Hein-
liche Stellung genoͤthigt hat, waͤſcht zwar hierbei feine
Hände in Unfchuld, verfchmäht es jedoch nicht, felbft die
Briefe zu durchblättern und findet endlich einen von Adris
enne, feiner frühern Geliebten, worin diefelbe ihren jegi-
gen Geliebten oder vielmehr ſchon Verlobten in Vergleich
mit Hartung fehr hervorhebt. In diefem Briefe liegt zu:
gleich ein zweiter von Salentin, Adrienne's Bräutigam,
fetöft, worin biefer einem Freunde gefteht, daß er feine
Braut durchaus nicht liebe, und außerdem ein anderes
junges Mädchen, Annchen, erwähnt, das er in einem ber
Mefidenz nahe gelegenen Pfarrhaufe unterzubringen gedenkt.
Hartung, um Salentin zu entlarven und fich zugleich für
die Zurückſetzung zu rächen, vertaufcht die Adreffen und
ſpielt auf dieſe Weiſe Satentin’s Brief in Adrienne's
Hände. Obſchon ſich nun ergibt, daß die ganze Verlo⸗
bung zwifchen Adrienne und Salentin eigentlich unter dem
gegenfeitigen, Geitändniß gefchloffen iſt, daß Keiner von
Beiden den Andern liebe und zu lieben nöthig babe, fo
ift doch Adrienne Über biefen Brief empfindlich und es
erwacht zugleich in ihr eine Eiferfucht auf das im Briefe
erwähnte Annchen, die fie veranlaßt, fich wieder mit Har⸗
tung in Beziehung zu fegen, der ihr verfprechen muß, fie
mit Annchen bekannt zu machen. Umgekehrt wird nun
Satentin wieder auf Hartung eiferfüchtig, und aus diefer
Eiferfucht heraus entwidelt fi endlih in Beiden Die
wirkliche Liebe und das Bedürfniß, wieder geliebt zu mer:
den. Hartung hat unterdefien Annchen Eennen gelernt,
urfprünglich im der Abficht, fie als Zeugniß für Satentin’s
Treulofigkeit zu benugen, fehr bald jedoch herausgebracht,
daß fie zu Salentin im allerreinften Verhaͤltniß ſteht, und
!
fie fo lieb gewonnen, daß Adrienne gänzlich in den Hin⸗
tergrund geflellt wird. Alles Dies kommt in einer glüd-
lichen Scene an den Tag und fo fehließt das Ganze das
mit, daß jenes Paar, welches ſich mit dem Grundfage eis
ned blafirten Herzens „Nur Leine Liebe’ verlobt hatte,
zärtlichft feine Liebe geſteht und daß fi) Hartung, ber
auch fon dem Misbehagen und der Lebensmüdigkeit
verfallen zu fein ſchien, mit Annchen verheitafhet und
in ihrer Natürlichkeit einen Quell friſchen Lebensgenuffes
findet. Bei der Hochzeit ſcharen fi die Bürger der
Refidenz vor dem Schloſſe. Der Herzog ift gluͤcklich und
auf Alles gefaßt: denn er meint, die Revolution gehe los
— aber das Volk ift nur erfhienen, um den Neuver⸗
mählten und dem Herzoge troß aller tyrannifchen Edicte
ein Vivat zu bringen, und Seine Durchlaucht muß auf
die Entfaltung feiner ſchon gefpannten Thatkraft Ber:
zicht leiſten.
Schon in dieſer Skizze merkt man einige Mängel
berauß, 3. DB. daß bie Lomifche Figur des Herzogs, die
mit der eigentlichen Gefchichte in gar zu lockerm Gonner
fteht, zu bedeutfam in den Vordergrund geftellt ift und
daß ber Anfang der Movelle infofern etwas Anderes ers
warten laßt als der Zortgang bietet. Auch die Entwicke⸗
lungsſcene wird man in ihrer dußern Anlage ein wenig
verbraucht finden. Nichtsdeſtoweniger macht bie Novelle
einen guten Eindruck, benn ſaͤmmtliche Perfonen treten in
fihern und cdyarakteriftifchen Umriſſen hervor, ihre Bezie⸗
bungen zueinander find wenn nicht durchaus neue, doch
interefjante und fpannende, der Fortgang der Gefchichte
bietet einen angenehmen Wechfel der Scenerie, bie einge
fiochtenen Reflexionen und Geſpraͤche find größtentheils
treffend und geiftvol und die Darftellung leicht und fe
bendig. Als Probe fei zum Schluß die Schilderung des
Grafen Salentin gegeben:
Graf Satentin Guolfing war ein Mann, wie ihn gewoͤhn⸗
lich Thriftftelernde Damen mit Vorliebe zu ben Helden ihrer
Erzählungen benusen. Die dazu nothwendigen Cigenfchaften
find vor Allem eine große imponirende Geftatt, bunfie Locken,
ein Favori, in bem Fein einziges vöthliches Saar fein darf —
um Alles in ber Welt nit — dieſes eine Haar würfe bie
ganze Herrlichkeit um, wie ein Sporn des Roland den fchöniten
und ſchlankſten Ritter — und ein edles griechiſches Profit, fo
ſchoͤn, wie es nur ein Canova zu bilden verfteht. Ein folcher
Held zeigt eine ſchwaͤrmeriſche Melancholie in feinen Zügen; er
bot nie in feinem Leben einen Zluch ausgefloßen, ober feinem
Sagbhunde einen Fußtritt gegeben — fondern in allen Verhaͤlt⸗
Hiffen und auch einem ſchlechtdreſſirten Zagbhunde ober einem
ftörrifchen, bodenden Gaul gegenüber die innere Seelenhoheit bes
bauptet. Er hat fi einmal duellirt und trägt bavon eine
Narbe an der Stirn, bie ihm unvergleichlich ſteht. In Gefelk
haften ſteht er einfam in einer Fenfterbrüftung, ober an ein
Kaminfims gelehnt und wird bier immer am Ende einer Der
batte um feine Meinung gefragt, weldye jedesmal hoͤchſt über:
rafchend ebenfo viel Geiſt als Gemuͤth verräth. übrigens bält
ion die holde Schwermuth feiner unergründlih tiefen Seele
ebenfo wenig, als bie unermeßliche Höhe feines denkenden Geis
fles, der nie durch ein Examen gefallen ift, ab, in irgend eine
Dame, bie natuͤrlich aber auch ganz ungewöhnliche, engelhafte,
himmliſche Künfte Fann — am Ende fo verliebt zu werden wie
eine Kage, was er ihr durch bie ungeheuer vielfagenden tiefweh⸗
müthigen Blicke feines dunkeln Auges, welche beftänbig auf ihr
zuben, zu verfiehen gibt. Trotdem muß ex eine Belt lang ben
Graufamen zum Bortheile eben biefer feiner vielfagenden, tiefe
wehmäthigen Blicke fpielen, die auch exiflicen wollen. Sie zap:
peit an ber Angel feiner unmenfchlichen Tiebenswürdigkeit wie
ein gefangener Goldfſiſch — bis cr endlich bie Loͤwenhaut ab»
wirft und die Dame beruhlgt, wie ber Clown im Mittfommer:
nachtstraum bie Damen verfichert, dag er wirklich und ganz
wahrhaftig Fein rechter Löwe fei und daß gar Tein Grund da,
Angft zu haben!
As Titelkupfer ift dem Taſchenbuche das Bildnis
Karl Foͤrſter's beigegeben, das um fo willfommener
it, als neuerdings Tieck die Aufmerkfamteit auf ihn ge:
Int hat. Mach ber Verfiherung Derer, die den Dichter
kennen, fol das Bild fehe aͤhnlich fein. 87.
Kronika Wiganda z Marburga. Chronicon seu Annales
Wigandi Marburgensis, equitis et fratris Ordinis
Teutonic. Primum ediderunt Joannes Voigt et
Eduardus Comes Raezynski, Poſen, Neue Buch:
handlung. 4. 1842. 2 Thlr.
Die hoͤchſt merkwuͤrdige Chronik des Ordensritters ober
DOrdensprieftere Wigand von Marburg erſcheint hier in der
Geftalt, in weicher fie uns noch aufbehalten ift, zum erſten Mal
im Drud und wir glauben gewiß zur Freude aller ernften
Forſcher im Gebiete der preußifchen, polniſchen und Lithauifchen
Geſchichte. Range Zeit wurde diefe hoͤchſt wichtige geſchichtliche
Quelle für verloren erachtet, denn ſeit Kaspar Schuß zu Dan:
zig fie in der Mitte des 16. Jahrhunderts zur Vervollſtaͤndigung
feiner Chronik benugte, war fie faft völlig vergeflen; Riemand
batte fie ſeitdem wiedergefeben. Wer fie kannte, Taffıte fie nur
aus den dürftigen Auszügen, bie uns Schuͤtz aus ihr geliefert
bat. Aber felbft diefe regten die Sehnfucht und bas Verlangen
des Gefchichtöforfchers nach Wiederauffindung des ganzen Werks
flet8 von neuem an, denn außer ber Wichtigkeit des Inhalts,
den man in ihre vermuthen durfte, war die Lücke, welche fie
unter den gefchichtlichen Quellen Preußens und Lithauens auss
füllen Eonnte, immer nur zu fühlbar. Die fpärtichen Nachrichten,
weiche über die erfte Hälfte des 14. Jahrhunderts der alte
DOrbenspriefter Peter von Düsburg lieferte, und bie unvollftäns
digen und fragmentarifchen Mittheilungen, bie man aus ben
erften Anfangsjahren ber Jahrbücher Johannes Lindenblatt’s
(feit 1360) durch dieſen erhielt, ließen unmöglid ein treues
Bild der Zeit gewinnen, welche mit zu ben intereffanteften und
wichtigſten Epochen der Orbensherrfchaft gehört. Wie ſchmerz⸗
ih man die Dürftigkeit und das Meangelhafte ber Kenntniß
diefer großartigen Zejt, in der ein Winrich von Kniprode feine
großen Tage verliebte, zu fühlen ſchien, beweiſt felbft der literas
riſche Betrug (in Becker's Verſuch einer Geſchichte des Doch:
meifters Winrich von Kniprode”’), zu dem man feine Zuflucht
nahm, um ein Bild von dem Eeben diefer Zeit zu gewinnen.
Kür diefe Zeit tritt nun eben in bie Reihe der gefdichtlichen
Duellen die Chronik Wigand’s von Marburg ein. Wieder auf:
gefunden wurde fie von dem koͤnigl. Schulrathe, Profeffor und
Direetor Dr. Lucas, auf einer ihm hoͤhern Orts aufge:
tragenen @efchäftsreife im Bernharbinerkiofter zu Thorn, und
dad Manufeript auf höhere Verordnung dem Geheimen Archiv
N Königsberg einverleibt. über die Handſchrift ſelbſt gab
r. Lucas nähern Bericht in der Abhandlung, welche er zuer
in den „MBeiträgen zur Kunde Preußens’ (Bd.6, &. 465506)
druden tie. Es kam zunaͤchſt darauf an, mit fehlagenden und
überzeugenden Gründen zu bemweifen, baß das Wieberaufgefunbene
feinem fachlichen Inhalte nach wirklich die verlorene Chronik
Bigand's von Marburg fei, und biefen Beweis hat Dr. Lucas
aufs buͤndigſte und gruͤndlichſte geliefert. Was aber wieber auf:
gefimden worden, r nicht die alte Reimchronik Wigand's von
Marburg ſelbſt, denn dieſe ſcheint entweder für ewig verloren,
ober" fie ſteckt noch irgendwo verborgen in einer entiegenen Wis
bliothek, ſondern es iſt ihr weſentliches geſchichtliches Material,
ihr wichtigſter ſaͤchlicher Inhalt, im Auftrage bes polniſchen
Geſchichtſchreibers Johannes Diugoß zur Benusung für fein ges
ſchichtliches Werk von einem feiner Freunde aus ber „Deutfchen
Reimchronik“ ins Lateinifche uͤberſegt. Wir Lönnen daher nu
in biefer und vorgeführten Geſtalt vor dieſer Chronik fprechen.
Die alte Form alfo, und Manches, was fih an biefe Form
Enüpfte, ift freilich noch für uns verloren. Gaͤbe es noch eine
Zauberfunft, fo möchten wie fie gern kennen und aus dem
Dunfel der Jahrhunderte in den Lebenskreis der Beldichtfors
fhung hervorrufen. Über den Verluſt der Form indeffen müffen
wir uns tröften, es ift für uns ſchon von größtem Werthe, daß
ber wefentlichfte Inhalt, ihr wichtiger Sachbeftand, ihr reiches
gefchichtliches Material erhalten, vom Untergange gerettet worden.
ift und jegt zu Zage gefördert werden Tann. Der Gefchichte
Preußens, Polens und Lithauens waͤchſt badurch felbft ein
außerordentlicher Schatz zu, und es wird durch ihn Licht und
hell in einer Zeit, die früh von einer ſchmerzlichen Dunkelheit
bedeckt war. .
Diefe neue geſchichtliche Quelle tritt num zuerft wieder in
ber gegenwärtigen Geftalt and Tageslicht, late ini ſch von dem
berühmten Hiſtoriker Prof. Voigt in Königsberg, polniſch von
dem nicht minder berühmten, um bie @efchichte Polens hochver⸗
bienten Grafen Eduard Raczynski herausgegeben. Schon bie
Namen ber Deraudgeber bürgen für den Werth bes Werke.
Sie fagen felbft, daß die Handfchrift, aus welcher fie ben Text
entnommen, die einzige vorhandene fei, eine Eritifche Wergleichung
mit andern Handſchriften fomit nicht hat flattfinden koͤnnen.
Nur an einzelnen Stellen find einige Emendationen eingetreten,
die ſich als durchaus nothwendig aufdrängten. Keider ift bie
Handſchrift mit einer Unzahl von Abbreviaturen gefchrieben, welche
zu enträthfeln nicht wenig Zeit und Muͤhe gekoftet hats dennoch
ift an einigen wenigen Stellen alle Dechiffrirkunſt gefcheitert.
Zum Sluͤck hat jedoch ber Sinn und Zufammenhang ber Saͤtze
barunter wenig oder gar nicht gelitten. Die Handſchrift ift
überdies mit fihtbarer Gilfertigkeit gemacht, und, wie ber Verf.
am Schluſſe derfeiben ſelbſt fagt, in 22 Tagen vollendet worden.
Daß dieſe Eile der möglichen Volllommenheit des Werks Eins
trag gethan, fühlte der Verf. felbft fo fehr, daß er ſich am Ende
der Arbeit deshalb zu entfehutdigen für nöthig fand. Er fagt:
„Anno vero 1464 (Chronica) translata est in latinum rude,
ut patet legenti, et in 22 diebus completa, primo aspectu
exemplaris ct imo ne miretur quis minus bene eam esse
translatam et in latino corruptamı propter cxemplaris imper-
fectionem et quorundam vocabulorum varietatem, quae merito
debent translatorem excusare”. Dies ift freilich in Beziehung
auf Sprache und Schreibart leider nur zu wahr, benn in beiden
finden fich bei unferm Chroniften eine Menge von Abnormitäten
aller Art. Bald verwechfelt er das Genus, bald verirrt er fidy
in einen falfchen Caſus, oder gebraucht ein unrichtiges Tempus,
bald fteht der Indicativ flatt des Sonjunctiv oder umgekehrt,
balb fällt er gang aus der Sonftruction. Kurz, bie Schreibart
ift ſehr nadläffig und regellos. In der Sprache finden fi
viele latintfirte Germanismen, 3. B. das fo oft wiederkehrende
Wort Reysa, und andere ähnliche. Die Derausgeber haben aber
Alles fo gelaffen, wie es die Dandfchrift gab, denn zur Gorrectur
ber Schreibart de8 Chroniften fanden fie, wie fie ſelbſt fagen,
fi) nicht berechtigt. Indeſſen fo oft auch das Ohr durch diefe
Abnormitäten in ber Sprache verlegt wird, fo erfreut und ers
quickt andererſeits wieder der treuherzige, einfache, oft Herodo⸗
tifche Zon der Erzählung. Es iſt ein wahrer Ehroniftenftit, in
weichem der Spitomator feine Schilberungen bingibt: mitunter
fhreibt er raſch, friſch und lebendig vor, mitunter wieder ſchleppt
er ſich langfam und £räge fort, wie nicht felten die erzählte
Kriegsreife felbft, die, durch Wind und Wetter geftört, nicht nad)
Wunſch gelingen wollte. Wie er aber auch erzählen mag,
nirgend finden wir das raft: und ruhelofe Kriegegetümmel ber
Heidenfahrten ber beutfchen Orbensritter, ben ungeflümen, wilden
1232
Kampf um Blauben und GBötterbienft, das wuͤſte Leben auf dem
Sattel und aus der Fauſt lebendiger und treuer geſchilbert, nir⸗
gend wird uns das Bild diefes Ritters und Heidenkampfes, wie
er in dieſer Zeit zwiſchen den „Herren in Preußen” und dem
Eräftigen Lithauer⸗ Volke beftand, im folder Friſche und Kraft
der Karben vor Augen geführt, als wir es bei unferm Chroniften,
dem Theilnehmer ober wenigftene Augenzeugen bed Kampfes
ſelbſt, hingeſtellt ſehen. Dieſer Kampf hat aber für ihn fetöft
eine hohe Bedeutung, in feinem Glauben waltet Bott mit in bies
Kampfe. Aus GBottes Gnade kommen bie Siege feiner Ritter
über die Heidenſcharen. Darum ift e8 nur Gottes Werk, wel:
ches die Hochmeiſter, Gebietiger und Ritterbruͤder zur Begrüns
dung und Befeſtigung des Chriftentyums im heibnifchen Lande
vollbringen-.
Der Text des Ghroniften ift von ben Herausgebern mit
einzelnen Anmerkungen verfehen worden; namentlich werben bie
häufigen Hinweifungen auf Voigt's „Geſchichte Preußens‘ allen
Freunden der Geſchichte doͤchſt willkommen fein, weil fie baraus
die Wichtigkeit diefer Chronik ale geſchichtliche Quelle für eine
beftimmte Zeit am beften erfennen werden. Auch zur Bezeich-
nung bes Hiftorifchen Zufammenhangs und zur Berichtigung ber
&hronologie find einzelne Noten kinzugefügt. Auch die Ortho⸗
graphie hat vielfacher Erlaͤuterungen beburft, namentlich bie
Hechtfchreibung der Orts⸗ und Perfonennamen. Nichts deſtowe⸗
niger enthält das Buch eine fehr dankenswerthe Aufklärung für
die alte Geographie Lithauens und Samaitens. In jeder Ber
giehung wird biefe Jahrhunderte (ang vergeffene geichichtliche
elle allen Freunden ernfter Geſchichtforſchung hoͤchſt willkom⸗
men fein, und wir mäffen «8 ben gelehrten Herausgebern Dank
wiſſen, daß fie berfelben eine ſolche Sorgfalt gewidmet haben.
Die polnifche Bearbeitung vom Grafen Eduard Raczyuͤski iſt
ein wahres Meifterftüd, indem er den urfprünglichen nalven
Chroniftenton treu wiebergegeben bat. 83.
Notizen.
Eine gefaͤhrliche Situation.
Sames D. Korbes erzählt in feinen „Reiſen durch bie
favoyifchen Alpen” ꝛc., er habe bei Gelegenheit eines Ausflug
nah dem Mer⸗de⸗glace das wilbe und ganz vereinzelte Bor:
gebirge Trélaporte beſucht. Sein Führer Auguft, ben er nad)
Wafler ausgeſchickt, blieb lange aus und kehrte endlich mit zwei
Jungen Burfchenzuräd, fie alle brei einen völlig exfchöpften Mann
in ganz zgeriffenen und zerfetzten Kleidern führend. „Dieſer Mann
war ein amerikaniſcher Reifender, welcher ben vorigen Morgen
allein ausgegangen und über den Charmoz zu den einfamen
Abgründen bes Zrklaporte gelangt war, wohin ſich nur felten
ein Hirt und noch feitener ein Semsjäger verirrt. Nachmittags,
fo erzähite er felbft, war er von einem Felſen abgeglitten und
‘binadgeftärzt; ein Gebuͤſch aber Hielt im Fallen feinen Roc feft
und er gewann Fuß auf einer Eleinen, rings von furdhtbaren
Abgruͤnden umgebenen Klippe. Auf biefer brachte er bie ganze
Nacht zu, die zum Gluͤck nicht kalt war, und am Morgen ges
lang es ihm, durch fein Geſchrei einige junge Knaben von Cha⸗
mouni, bie zufällig tief, tief unter ihm über das Eisfeld gingen,
aufmerffam zu machen. Die zwei Küpnften erfletterten auf
‘einem gewundenen Wege mit vieler Schwierigkeit die Bergmand
und erreichten einen Punkt gerade über der Kippe, auf welcher
fi) der Verungluͤckte befand; allein ihre vereinigten Anftrengun:
gen würden nicht auögereicht haben, ihn zu reiten, wenn ich
nicht gerade an bemfelben Worgen mit meinem Fuͤhrer in biefe
entlegene Gegend gelommen wäre. Bei feinem Guchen nad
Waſſer entdeckte Auguſt die beiden Knaben, welche fich vergebens
anftrengten, ben Fremden emporzuziehen.
tönen, und durch Muth und Leibesftärke gelang es ihm, ben
erifaner beim Arme hinaufzureißen. Auguft erzählte, daß
er, während er felbft auf einer fchlüpfrigen Klippe ſchwebend bie
Auguft gefellte ſich
ganıe Laft des Mannes zog, feinen Fuß gleiten fühlte und ſich
elbft einen Augenblick für verloren hielt. Ich gab dem Bei:
fenden und den Übrigen Wein und Effen, und lobte befonbers
die Knaben für ihre Menfchlichleit und ihre Kuͤhnheit. Giner
von ihnen führte den Neifenden, deſſen Nervenfuftem fo ange
griffen war, daß ich ihn anfangs für geftört hielt, nach Cha⸗
mount zueücd. Ich befuchte no) mit Muguft ben Ort bes
Abenteuers; man fann fi) kein fchrediicheres Gefaͤngniß denken.
Es war eine mit Gras und Juniperus bewachſene Felsbank,
ein paar Fuß lang und meiftene einen Fuß breit, weiche fidy
auf der einen Geite, wo fie am breiteften war, an bie fteile
Felswand lehnte, ſich aber fogleich von biefer abwendete, fos
daß zwiſchen dem Ende ber Bank und ber Beltwand ein Ab⸗
grund lag. Die überhängende Klippe, von welcher aus der
Reifenbe gerettet wurde, befand fich gegen 10 Fuß oberhalb ber
Banf, es hätte fie daher Fein Menſch ohne Hülfe erfteigen koͤn⸗
nen. Den Drt feines Falle zeigten die an einigen Juniperus⸗
bäfchen hängengebliebenen Besen feiner Bloufe an. Er war
gerade an derjenigen Stelle gefallen, wo die Bank ſich am wei-
teften von ber Felswand entfernte, fein Fall muß alfo über
den Abgrund hinweg durch ein wahres Wunber auf die Bank
gelenkt worden fein. Der Gipfel des Sranitfelfens, an ben fi
bie Bank lehnte, erhob fich wol 20 Fuß über ihr, keine Katze
bätte hinaufklimmen können, und der Abgrund mochte eine
Ziefe von 200 Fuß haben, fobaß, wenn er hineingeſtuͤrzt wäre,
die Eaffenden Riffe des Gletſchers ben zerfchmetterten Körper
aufgenommen hätten und jede Spur von ihm verloren gervefen
wäre. Man kann ſich feine in jeder Hinficht wunderbarere
Rettung denken. Wären nicht die Knaben im glüdlichen Au⸗
genblid über den &letfcher gegangen, fo würden wir, mein
Führer und ih, auf unferm Wege, 50 Fuß über ihm, ruhig
vorübergegangen fein, ohne baß er von uns ober wir von ihm
irgend etwas gefehen hätten.’
Sir 8. Charles Morgan.
Indem bad „Atkenaeum” Morgan's Tod anzeigt, gibt es
einige kurze Notizen über fein Leben. Gr war Sir Sohn
Morgan’s Sohn, wurde in feinem 18. Jahre nach Cambridge
geſchickt, wo er fi im Griechiſchen befonders bervorthat. Gr
wurde zum Doctor promopirt und beirathete balb barauf eine
Miß Hammond, die er in kurzer Zeit durch den Tod verlor,
nachdem fie ihm eine Tochter geſchenkt. Er begleitete hierauf
den verftorbenen Marquis von Abercorn nad Irland, heirathete
daſelbſt Miß Owenfon (bie berühmte Laby Morgan) und ließ
fih in Dublin nieber. Dit dem ganzen Ernſt feines Charakters
umfaßte ex bie Sache feines angenommenen Baterlandes, wid:
mete vereint mit feiner Gattin Zeit und Talent ben Sntereflen
Irlands und befonders ber katholiſchen Emancipation. Außer
den Abfchnitten über Wiſſenſchaft, Politit und Statiſtik, weiche
er zu Lady Morgan’s „Frrance‘ und „Italy“ lieferte, gab er
heraus: „The philosophy of life‘ und „The philosophy of
morals”, Werke, welde ihm bittere und heftige Anfechtungen
zuzogen. Gr ertrug die Wuth feiner Gegner mit heiterer Ges
laffenheit und fand auch einigen Troſt in dem Beifall, welchen
feine Arbeiten im Auslande fanden. Dee Graf de Tracy bat
bie ‚genannten Schriften ins Franzoͤſiſche übertragen. Im 3.
1337, da Laby Morgan, ben Verluft ihres Gefichts fürdhtend,
Iondoner Ärzte zu Rathe zu ziehen wünfchte, und außerdem noch
wegen anderer Verhältniffe, 208 Morgan nach London. (St
fehrieb dort noch Einiges, 3. ®. „The Mohavwka”, ein fatiri-
riſches Gedicht, lieferte auch einigen ber angefehenften Zeitfchrifs
ten einzelne Aufſaͤge. Gr wirb als einer ber Liebenswürdigften
Menfchen geſchildert, fanft, gefällig, dienftfertig, unfähig, Je⸗
manden zu kraͤnken ober gu beleidigen, empfänglich für alles
Gute, Edle, Große, und wie eine rau theilnehmend und ges
fuͤhlvoll, freigebig und ſtets bereit, Andern Freude zu machen —
a scholar and a gentleman in the largest sense of those
comprehensive words. 48.
VBerantwortlicher Heraudgeber: Heinrih Broddand. — Druck und Werlag von FJ. U. Brockhaus in Leipzig,
W Blätter
| für
literariſche Unterhaltung.
Sonnabend,
Nah J. O. Hallivell’8 „Nursery rhymes‘'
von A. Hoefer.
Ein junger engliſcher Gelehrter, ber fi durch ſeinen Anlaß gegeben Hätten. Es kam ihm zunaͤchſt nur auf
Fleiß und Eifer auf dem Gebiete hiſtoriſcher und anti⸗
quariſcher Forſchungen bereits einen Namen erworben,
J. O. Halliwell, gab im vorigen Jahre unter dem
Titel „The nursery rhymes of England, collected
principally from oral tradition“, aß fiebzehnte® Bändchen.
der Schriften ‚printed for the Perey society‘, eine
Sammlung von Proben der Ammen = oder Kinder:
flubenpoefie heraus, die dem gleichartigen Zweige ber‘
deutfchen. Volkspoeſie fo innig verwandt find, daß bie:
Vergleichung nicht ohne Intereſſe fein kann.
England fiheint an biefem Zweige der Literatur bes.
ſonders reich zu fein, und einige Proben ſtreifen nahe an
Romanzen und Balladen, bie in der englifchen Poeſie
immer ein überwiegendes Dafein gehabt haben. Der
Herausgeber verfichert, er babe noch eine fo große An:
zahl überall im Wunde der Leute vorgefunden, daß er
ohne Mühe, und im ber Eurzen Zeit von drei Jahren.
beträchtlich mehr als taufend einzelne Stückchen fammeln
konnte, von denen er etwa 300 ausgewählt und in
dem genannten Buche”) mitgeteilt hat,
Den Urfprung foldher Gefänge und Dichteleien ber
englifchers Kinderwelt, fagt der Herausgeber, können wir
nicht mehr nachweifen; bie meiften aber leben feit etwa’
zwei Jahrhunderten in allen Theilen Englands in den
Kinderftssben fort, und einige laffen ſich bis in eine fehr
frühe Periode verfolgen. So 3. B. erinnere fich jedes
Kind gerwiß der Zeilen von Bryan O'kin:
Bryan D’Ein, fein Weib und Ihre Mutter
Die gingen allzufammen über eine Brück;
Die Brüde war lofe, fo plumpten alle ein;
Da rief Jung Bryan: Himmel, ein koſtbar Geſchick!
die aber mit geringen Mobificationen fon um 1560
gedruckt feien.
Der Herausgeber hat. fih nicht bie Mühe genom⸗
men, über Alter und Urfprung weitere Unterfuchungen
*) Das Intereffe, welches biefe Sammlung auch in England ges
fanden, laͤßt fi daraus abnehmen, daß, ehe noch ein Jahr vergans
gen, bereits bie zweite vermehrte Audgabe bed Wuchs erſchien,
bie und leider weh nut zu Grfihte gekommen If.
3)
4. November 1843.
anzuftelen; auch in den Noten befchränßt er ſich darauf,
hier und da eime andere Lesart ober einen Zufatz zu ge
ben, während die kleinen Reimereien oft zu allerlei Iches
reichen Bemerkungen für Sprache und Culturgeſchichte
bie Sammlung ſelbſt an, die feinem Eifer alle Ehre
macht; die Engländer find in biefer Beziehung wol weit
beffer daran als wir, bie wie eine ähnliche und in ſol⸗
cher Vollſtaͤndigkeit nicht befigen, und daher bei den Aud⸗
ändern in den Verdacht kommen, als wären wir arm
an einem Zweige ber Literatur, der feinem eigenften Cha=
takter nach body keinem Volke mehr eigenthuͤmlich zu ſein
ſcheint als eben den Deutfchen, und auch bei den Eng⸗
ländern weſentlich dem deutſchen Elemente biefer Ration
entflammt iſt. Wo fich ber Vergleich bei den folgenden
Proben aufdrängt, wird er nicht felten zum Vortheile ber
entfprechenden deutfchen Sachen ausfallen, oder feheint es
eben nur uns fo, daß fie im Englifchen oft, etwas farb⸗
los find, ohne Ziefe des Gemuͤths und, mit Ausnahmen,
fetöft ohne den kernigen Humor und bie ſprudelnde Laune,
bie von einem Theile ber englifchen Volkspoeſie fo unzer⸗
trennlich ifl.
Ohne, was freilich auch ſchwer gewefen wäre, eine
feſte Ordnung ſtreng durchzuführen, theilt der Heraus:
geber feine Sammlung in 14 Abfchnitte. ‚Er. beginnt
mit Hiftorifchem. Dann kommen 2) Tales, ober Erzaͤh⸗
lungen, Geſchichten, die einen größern Raum einnehmen;
ngies, d. h. etwa Geklingel, Wortſplelereien u. ſ. m;
4) Riddles, Räthfel; 5) Spruͤchwoͤrter; 6) Lullabies, d.$.
Wiegens und Schlummerlleder; 7) Charms, Beſchwoͤrun⸗
gen und Zauberformein; 8) wieder in größerer Anzahl
Games ober Spiele verſchiedener Art; daran fchließe ſich
9—11) was paradox, literal und sholastick genannt iſt;
12) Customs; 13) Songs und 14) Fragmentariſches.
Dance dieſer Claſſen find fehr dürftig ausgeſtattet,
vieleicht nur, weil bee Herausgeber Ungedrucktes geben
wollte? So bie erfte Claſſe, Hiftorifches, wo wir nur
15 Nummern finden, in denen das Hiſtoriſche fich ohne:
bin oft nur auf einen bedeutenden Namen befchräntt,
mit bes die Phantafie oder, wie in Nr. I, der Magen -
ber Leute allerlei Curioſa in Verbindung gebracht hat.
Die erftm beiden Nummern betreffen König Arthur amd
Robin: Hood, bie Helden weitwerbreiteter Balladenchllen.
4234
Das erſte, boppelt national, welches auch und zumellen
mündlich vorgekommen iſt, lautet etwa fo:
As König Arthur dies Land regiert,
Gin König lange felig,
Gr Luft eineh Pubding zu baden. verfpärt,
und ſtahl drei Metzen Mehl fi.
Einen Pubbing groß er zu baden begann,
und ftopft’ ihn wohl mit Pflaumen,
That große Klumpen Fett daran,
So groß wie meine zwei Daumen.
und König und Königin aßen mit Macht,
Und die Erften bes Lands und die Groͤßten,
und was fie nicht verzehrten mehr diefelbe Nacht,
That Morgens drauf die Königin fich röften.
Das auf Robin Hood bezüglihe Ammenlliedchen ift
etwas einfacher, bildet aber einen Nachtrag zu der kuͤrz⸗
lich unter Smith's „Standard library” erfchienenen „Col⸗
Iection aller auf den genapnten Helden bezüglichen Ge:
fänge und Balladen” (224 Spalten, London 1840).
Daß Liedehen, die wir ganz ähnlich befigen, auf einer
gemeinfchaftlichen Altern, zumeilen auf bekannter Grund:
lage beruhen, verfleht fih von ſelbſt; dahin gehört Nr. 3,
welches an das bekannte „Der Here ber ſchickt den Jochen
aus, er follt den Haber ſchneiden“, ober role es anderswo lau:
set: „Den Jäger, er ſollt die Pflaumen ſchuͤtteln“ erinnert.
Dee Derausgeber gibt bier vier verfchiedene Recenfio:
nen oder Seftaltungen diefer Beinen Geſchichte, die ur⸗
fprünglih aus dem Hebraͤiſchen flammt und dann man-
nichfach variirt iſt, und hält die folgende für bie getreuefte
und urfprünglichfte Form:
Eine Ziege, eine Biege, bie mein Vater kaufte
Kür zwei Stüde Geldes:
Eine 3ieg, eine Btege.
Dann kam bie Kay und aß die Zieg,
Die mein Bater kaufte
Kür zwei Stüde Geldes:
Eine Bieg, eine Ziege.
Da kam ber Hund und biß die Ka 2.
Da kam der Stod und fchlug ben Hund ıc.
Da kam das Feuer und brannte ben Stock ꝛc.
Da kam das Waffer und Iöfchte bas Feuer ıc.
Da kam ber Ochs und trank das Waffer ꝛc.
Da kam der Schlädhter und fchlug den Ochſen ıc.
Da kam ber Zobesengel und töbtete den Schlaͤchter xc.
jebesmal mit ben ganzen Wiederholungen in der obigen
Weiſe, bie das Ganze fo ſchließt:
Da kam der heil'ge Eine, geſegnet ſei er,
Und toͤdtete ben Todesengel,
Der toͤdtete den Schlaͤchter,
Der ſchlug den Ochſen,
Der trank das Waſſer,
Das loͤſchte das Feuer,
Das brannte den Stock,
Der ſchlug den Hund,
Der biß die Katz,
Die aß die Zieg,
Die mein Vater kaufte
Fuͤr zwei Stuͤcke Geides,
Eine Zieg, eine Ziege.
Nach der alten hiſtoriſchen Auslegung bezeichnet die
‚Ziege, als eins der reinen Thiere, Die Hebraͤerz ber Va⸗
ter, der ſie kaufte, iſt Jehovah, und die beiden Gelb:
flüde Moſes und Aaronz bie Katze bie Aſſyrer, ber
1 Qund die Babylonier, der Stock die Perfer, das Feuer
die Griechen, das Waſſer die Römer, der Ochſe die Sa⸗
razenen, ber Schlächter die Kreuzritter und der Todes⸗
engel die Türken. .
‚In den Moten (S. 161) finden wir dann erſtlich
eine tünftlichere Form mit mehren Reimen, die fo
Dies iſt das Haus, das Jakob baute,
beginnt; und zwei profaifche in größerer Übereinflimmung
mit dem obigen, von benen wie noch eine mittheilen wollen :
Eine alte Frau Eehrte ihr Daus und fand einen Heinen
verborgenen Sixpence. Was, fagte fie, fol ich mit diefem Girs
pence thun? Ich will zu Markte gehen und ein Eleines Schwein
taufen. Als fie wieder nach Haufe ging, fam fie an einen Steg
(stile): aber Schweinen wollte nicht uber ben Steg gehen.
Sie ging ein wenig weiter unb begegnete einem Hunde.
So fagte fie zu dem Bunber Hund beiß das Schwein, Schwein:
den will nicht über ben Steg neben und ih werde nicht vor
Nacht nad) Haufe fommen. Aber ber Bund wollte nicht u. f. w.
Die alte Frau ift fomit immer gezwungen, ein wenig
weiter zu gehen und findet nacheinander den Stod, das
Teuer, das Wafler, den Ochfen, den Schlächter, die aber
‚alle „nicht wollen”.
Sie fand dann einen Strid und fagte: „Strick Strid,
hänge den Schlächter; Schlächter wollte den Ochfen nicht
tödten, Ochſe“ u. f. w.; aber ber Strid wollte nicht.
Hierauf werden dann die Matte, bie den Strick zerna⸗
gen, und die Rage, die die Matte tödten fol, eingeführt.
Aber die Kage ſprach zur Grau: Wenn bu zu jener Kuh
geben und mir einen Zeller Mitch holen willft, will ich die
Ratte töbten. So ging bie Alte dann zur Kuh. Aber bie
Kuh fagte: Wenn bu zu jenem Heuhaufen geben unb mir eine
Handvoll Deu holen wit, will ich bir bie Mitch geben. So
ge bie Fe Frau dann zu dem Heuhaufen und. brachte der
as Heu.
Sobald die Kuh das Heu gefreffen hatte, gab fie ber alten
Frau die Milch, und die Alte ging mit berfelben in einem Tel⸗
ler zur Kage. Und als die Kate bie Milch aufgeleckt Hatte,
begann fie die Ratte zu töbten (sic! began to kill); die Ratte
begann den Gtrid zu jerna en, — und fo nun fort, bis bes
Schweinchen in Angft über den Steg fpringt und bie alte Frau
noch die Nacht nach Haufe gelangt.
Wir fürchten, und indeffen ſchon zu lange bei dem obigen
alten Stuͤckchen aufgehalten zu Haben und wenden uns zu ei:
nigen andern, gleichfalls Hiftorifch genannten Neimereien.
Nr. 7.
Mieskatz, Mieskatz, wo bift bu gewefen?
Ich war in London, bie Könfgin zu fehn. .
Mieskatz, —— was thatft du denn dort?
Ich fchrechte ein Mäuschen unter dem Stupl.
Dee Herausgeber meint, das alte Spräcdhwort „A cat
may look at a king” ſei hier aud auf eine Königin
angewendet, ober ber Vers beziche fich, wie der folgende,
auf bie ruhmvolle Queen Bess, den wir mit geringen
"Änderungen fo wiedergeben:
Die Ro iſt roth und gem bie Au!
Schutz Königin Beß, bie edle Kraul
Kitty der Spinner
Zum Gffen fest ſich Hin er,
und füheet ein Froſchbein zu Runde.
Über den Thurm weit
_ Sehen die guten Leut, -
Wie die Kae ſpielt mit dem Hunde.
1886
Den Beſchluß macht Re. 15:
a König von Frankreich ging auf die Hoͤh
Mit zwanzig taufend Mann,
Der König von Frankreich kam von ber Hoͤh,
Stieg niemals wieder hinan.
(Die Bortfehung folgt.)
Eines Dichters Bazar von H. C. Anderfen. Aus dem
Danifhen von W. 2. Ehriftiani. Zwei Bände,
Leipzig, Kummer. 1842, 8, 2 Xhle.*)
Beutzutage, wo man eine Reife faft ebenfo leicht und
raſch madıt als eine Beſchreibung davon durchlieft, geht man
an bie Werke bee Reifetiteratur immer mit einigem BWiderwil⸗
ien. Bieten fie doch in der Regel weiter nichts als ein Wie:
derfäuen von Genüflen, die wir felbft ſchon genoffen haben, ober
ein Borkäuen ſolcher, die wir naͤchſtens genießen wollen. Daß
Eine verbirbt uns die Verdauung, das Andere ben Appetit, zus
mal wenn unfere Vor⸗ und Racıeffer, wie bie jegigen Zouriften,
ſelbſt überfatt und appetitios, ſtatt friſchweg zu genießen, maͤ⸗
kelnd in den Speiſen herumſtacheln und ihren uͤblen Humor
daran auslaflen. Anfangs zwar faben wir dem oft bis an
Tollheit grenzenden Humor mit ziemlichem Behagen zu unb
hatten unfere Luft daran, wenn bie europamüden Weltgänger und
jemitaffen Bergnüglinge mit den leckerſten Gourmandifen Bangs
ball fpielten; nach und nach aber ift uns das Spiel langıveilig
geworden, der paffive Mitgenuß überhaupt genügt uns nicht
mehr, und wenn wir ja an Vorkoſtern oder Nachſchmeckern noch
Gefchmack finden ſollen, verlangen wir vor allen Dingen Zehr⸗
träfte, die noch mit gefunden, unverborbenem Magen ans Wert
geben und ſich mit Begeiſterung und Dingebung in bie aufges
tiſchten Vorraͤthe bineinarbeiten.
Ss freut uns, der Leſewelt Herrn Anderſen als einen
ſolchen empfehlen zu Eönnen. Er legt noch eine Empfaͤng⸗
lichkeit, einen Enthuſiasmus, eine Naivetät an ben Zag,
die heutzutage in der That bewunberungswürdig find. Allee
zieht ihn an, Alles ergögt ihn, Alles ſcheint ihm bemers
kenswerth. Es grenzt oft bis ans Ruͤhrende und man muß
unwillkuͤrlich an Sean Paul's Walt in den „Flegeljahren“
denten, der auf feiner erften Meife bie feine Bemerkung
macht, daß in Franken die Milchtoͤpfchen bie Dülten dem Hen⸗
tet gegenüber, in Sachſen dagegen zur rechten Geite haben. So
geht's au ihm. Es begegnet ihm, bei Lichte befehen, blitz⸗
wenig, was nicht jedem Andern auch begegnen koͤnnte, aber er
ieht e8 mit ganz andern Augen an, und fo befindet er ſich
berall in eimem gewiſſen romantifchen Dufte und fieht fi von
intereffanten Zufällen und Perfönlichkeiten umgeben. Wer ach⸗
tet auf einer Reife durch halb Europa auf ein zerlumpt beklei⸗
deted Weib mit einem fchlafenden Kinde auf dem Schooſe? —
Er weiß ein hübfches Genrebildchen daraus zu machen: „Wir
waren in Modena; wie ein feltfamer Zraum, vom Monbe
beleuchtet, fteht noch dieſer Anblid vor mir. Alte Gebäude
mit Bogengängen, ein praͤchtiges Schloß mit Vorplatz zeig:
ten fih, aber Alles mar menfchenleer und flil; nicht von
einem einzigen Benfter ſchien Lichtglanz zu uns heraus; nicht
Gin lebendes Weſen bewegte fich in biefer großen Stabi, — es
war ganz feenhaft. Wir hielten an auf einem kleinen Platz;
mitten darauf ſtand eine gemauerte Säule, deren oberfter Theil
eine Art gläferne Laterne bildete, eine Lampe brannte darin; —
‚die ewige Lampe‘ nennt| man einen Altar. folcher Art, Nacht
und Tag muß die Lampe unterhalten werden. Die Flamme er⸗
ſchien in dem hellen Mondlicht nur wie ein roͤthlicher Punkt,
eine gemalte Flamme; ein Weib, in einen. zerlumpten Mantel
gehüllt, ſaß daneben und ſchlief; fie lehnte ihren Kopf an bie
falte Mauerwand ber Säule; ein fchlafendes Kind lag auf den
2) Gine andere Überfegung biefer Schrift. ift bei Friedrich Vieweg und
Sohn in Braunſchweig erſchienen (8 Ihle., 1 Zhlr.) D. Red
‘
Snieen, feinen Kopf auf ihrem Gchoos. Ich flanb Lange und
betrachtete diefe Sruppe; des Kieinen Hand lag halb epteffnet
in der Mutter Schoos. Ich legte ganz leiſe einen Schilling
hinein, das Kind öffnete die Augen, fah mich an und fchloß fle
fogleig wieder. Was träumte ihm wohl? — Ich wußte,
wenn es erwachte, hätte der Mondfchein ihm Silber in bie
Hand gelegt.” Man höre, mit weichem naiven Enthuſias⸗
mus er bie Eiſenbahn ſchildert: „Ermuͤdet kam ich in
Magdeburg an, und eine Stunde fpäter follte ich wieder fort
mit dem Dampfimagen. Ich will nicht leugnen, daß ich vorher
eine Smpfindung hatte, die ich Eiſenbahnfieber nennen will,
und biefes war am ftärkften, als ich in das großartige Gebaͤude
trat, wovon aus die Wagenreihe fahren ſollte. Bier war ein
Bebränge von Reifenden, ein Laufen mit Koffern und Racht⸗
fäden, ein Saufen und Braufen der Mafchinen, aus weichen
der Dampf hervordrang. Man weiß zum erſten Mat nicht
vet, wo man ftehen barf, daß nicht ein Wagen oder Dampf:
keſſel oder eine Lade mit Reifefachen über uns ſtuͤrze; freitich
ſteht man auf einem vorfpringenden Altan ficher; die Wagen,
in welche man foll, liegen in einer Reihe bis dicht hinauf, glei
den Gondeln bei einem Quai, aber unten im Hofe kreuzt, glet
3auberfäden, die eine Eifenfcyiene die andere, und dies fin
auch Zauberfäden, die der menfchliche Scharffinn gezogen. An
dieſen follten fig unfere magifchen Wagen halten; kämen fie
aus diefem Zauberbande heraus, ja, dann gelte es Leben und
Stieder. Ich flarrte auf diefe Wagen, Locomotiven, lofe Kars
ren, wandelnde Schoriffleine und Gott weiß was Alles! Sie
liefen durcheinander wie in einer Zauberwelt; Alles fehlen Beine
zu haben! Und nun diefer Dampf, diefes Saufen, vereint mit
dem Gedränge, einen Platz zu erhalten, biefer Geſtank von
Zalg, der taktmäßige Bang der Maſchinen und das Pfeifen
und Schnauben bes ausgelaffenen Dampfes verftärkten den Eins
druck. Iſt man nun, wie gefagt, zum erflen Male hier, dann
glaubt man umzumerfen, Arme und Beine zu brechen, in bie
Luft gefprengt, oder durch Bufammenftoßen mit einer andern
Wagenreihe gequetfcht zu werden; aber ich glaube, daß man
nur beim erſten Date daran denkt.“
Dean glaube nicht, als fei diefe lebendige Auffaffung blos durch
den erſten Eindruck mgtivirt. Wir wiffen durch feinen „Improvifas
tor, daß er ſchon einmal in Italien war, und doch nimmt er auch hier
Alles, Bebeutendes und Undedeutendes, mit berfeiben Empfaͤnglich⸗
teit, derfelben Brifche und Begeiſterung auf; ja wir glauben, er
tönnte diefelbe Reife noch zwanzig Mal machen und fein Ens
thufiasmus würde ſtets der nämfiche bleiben. Nicht alfo ber
Zauber des erften Ausflugs ift es, der ihn beraufcht hat. Die
eöfung der heutzutage faft räthfelhaften Erſcheinung liegt fies
fer: in feinem kindlichen, bichterifhen Gemüthe. Darum hat
er recht, feine Ausftellung den Bazar eines Dichters zu nen⸗
nen. Gr ift ein folcher, wenn nicht von activer, doch von
paffiver Geniatität. Er befigt die Poeſte der Frauen, ber
Kinder. Sie iſt vorzugsmeife concipirend, empfangenb, unb
erft hinterher bildend und geftaltend. Er weiß ſich Alles, was
fih ihm zufällig darbictet, fo zurecht zu legen und zurecht zu
ftellen, daß etwas Schönes baraus wirb, wenn es an fly auch
noch fo alftägtih, noch fo unbedeutend fein follte. Auf bie
Dauer freilich koͤnnen dergleichen ins Poetifche übertragene Bas
gatellen nicht vollfommen genügen. Man fehnt fi, wenn man
Seiten lang dergleichen gelefen, einmal nad etwas wirklich
Außerorbentlihem, nach einem objectiven Ereigniß, bas bem
fubjectiven Enthuſiasmus dquivalent iſt. Diefe Sehnfucht wird
nun leider zu felten befriedigt, und daher rathen wir, bie beis
den Bändchen nicht etwa uno tenore hintereinander leſen zu
wollen, fondern fich beliebig einzelne Bruchftüde daraus auszus
wählen, in welche ber Dichter ſelbſt das Ganze zeriegt hat.
So wird man ben Deangel an eigenthämlicy hervortretenden
Erlebniſſen kaum empfinden und fich theils durch bie Wärme
der Auffaffung, teils durch das Interefie, das die burchreiften
Localitäten felbft barbieten, flarf genug angezogen fühlen. Im
letzterer Beziehung gehört die Reife nicht zu den gewöhnlichen.
bo
Der Dichter reift als von Kopenhagen, geht über Hamburg,
Magbeburg, eeipnig, Nuͤrnberg, Münden und Zirol nach Ita;
lien, berührt dort Berona, Mantua, Mobena, Bologna, Bio:
renz, Perugia, Spoleto, Zernt, Civita⸗Caſtellana, Rom, Ti⸗
voli und Reapel, nimmt im Bluge Sicitien und Dalta mit,
fegt nach Griechenland hinüber, wo er befonders zu Athen vers
weilt, gebt von ba über ben Archipelagus nach Kieinafien und
von ba über den Dellespont und das Marmormerr nad) Kon:
ſtantinopel; verweilt hierauf einige Zeit in ben Gegenden des
Schwarzen Meeres und der Donau und kehrt endlich durch Ser:
bien, Ungarn und Deutfchland zurüd in feine Heimat. Daß
es bei einer ſolchen Reife nicht an Stoff zu den mannichfaltig⸗
ſten und reihften Schilderungen fehlen kann, veriteht ſich von
felbft, und daß ein Dann wie Anderfen diefen Stoff gehoͤri
auszubeuten und zu verarbeiten weiß, ebenfalls. So ſtellt fi
bas Ganze in der That wie ein großartiger, Tonftantinopolitas
nifcher Bazar dar, deſſen Lebendige Schilderung zum Schluß
ale Probe mitgetheilt werden möge:
„Der Fremde muß vor allen Dingen in Konftantinopel bie
Bazare befuchen, denn das heißt zugleich in die ungeheure Stadt
eintreten. Man wird durch den Anblid, bie Pracht und das
Getuͤmmel überwältigt; es ift ein Bienenftod, in ben man tritt,
aber jede Biene ift ein Perfer, ein Armenier, ein Agypter, ein
Grieche. Drient und Dccident halten hier großen Markt. Ein
ſolches Gedraͤnge, eine ſolche Verſchiedenheit der Coſtumes, folche
Menge von Handelsartikeln bietet keind andere Stadt bar.”
„Wenn man von Pera in einem Boot über den Golf nach
Konftantinopel gefebt ift, führt die Straße zu ben Bazaren bes
fändig aufwärts, eng, krumm und wintelig. Das Erdgeſchoß
dee Däufer an jeder Seite gleicht ben hölzernen Buben unferer
Mörkte, man ſieht gerabe in die Werkſtaͤtten der Schuhmacher
und Schreiner. Man glaubt mitten durch Küchen und Baͤcke⸗
reien zu geben, fo kocht, badt, dampft und buftet ed auf dem
erbe und in den Öfen ber offenen Haͤuſer. Brot und Spei⸗
en alles Art find ausgeftellt."
„Run ftehen wir vor dem großen Bazar, um welchen fi
fchmale, haibbedeckte Straßen verzweigens eine Abtheilung bier
bietet Kräuter und Brüchte aller Art dar, ſowol frifche als eins
gemachte; eine andere Abtheilung hat Schalthiere und Fiſche in
n verfchiebenften Karben und Formen s von Boutique zu Bou⸗
tique find über die Straße große Stüde Segel oder Teppiche
als ein Dach gezogen. Das "Straßenpflafter iſt ſchlecht und
mitten in ber Straße fließt die Goſſe.“
„Sine lange Dalle, größtentheils aus Bretern unb ganz
mit Pfeifenföpfen, Pfeifenröhren und Mundftüden aus Bern:
flein angefüllt, führt in die Bazare, bie mit dicken, feuerfeften
Mauern aufgeführt find. Es iſt eine ganze Stadt mit einem
Dache darüber; jebe Nation hat hier ihr Quartier, bie Juden
ihres, die ÄAgypter ihres u. ſ. w.; jeder Handelszweig feine
Straße, jedes Gewerbe feine, die Schuhmacher eine, bie Satt⸗
Ier eine und fo fort bis ins Unendliche. Jede Straße iſt ein
Gewölbe mit Blumen und Infäriften aus dem Koran bemalt;
das Eicht faͤllt von oben herein. Boutique ift an Boutique ges
klebt und ſcheint eine umgekehrte Lade zu fein, in deren Hinter:
nd in der bien Dauer eine Öffnung gehauen ift, welche
ie Waaren aufnimmt, die nicht zur Schau gelegt find.”
„Das Auartier der Ägypter, Miffestfchars = huffi, fcheint
eine ganze Apotheke durch procl Straßen ausgedehnt; alle Spe⸗
cereien Indiens und Arabiens, heilende Kräuter und koſtbare
arben en bier einen vermiſchten Duft aus. Gin gelbs
auner Agppter in langem Talar fleht hinter dem Tiſche, er
fiept aus, wie man das Bild eines Alchymiſten gibt.‘
„Sine andere Woͤlbung bat das Ausfehen, bie Bor:
balfe der Rüftlammer für die ganze zu fein; bier iſt der
WBogengang der Sattler: Gättel und Zügel aus Saffian und
Büffeleber, won den ausgearbeitetiten und Länftlichft genähten
8 zu den einfachften und faft Blogigen, hängen bier an ben
Wänden und liegen auf Tiſchen und bem Bußboben ausgebreitet.‘
„Sin anderer Bogengang iſt der ber Juweliere, Goldketten
blinlen, Armbänder funkeln, koſtbare Ange, theure Juwelen
bienden bas Auge.’ ide a
„Run gelangt man zwiſchen lauter Parfume, bier buftet
ed von Roſendl, bier werben Wofchusbentel verkauft, Räuders
wert und buftende Rattenſchwaͤnze. Dir gehen in bie nächften
Bogen und fehen lauter Gtiefeln und Schuhe, in allen Farben,
allen Formen, Pantoffein, die mit Perlen und echten Gtide:
reien prangen. Gin Bogengang kreuzt bier dicht vorbei, ia
diefem find lauter Manufacturiwaaren, Mouffeline, Taſchentaͤ⸗
der, geftidt mit großen Golbblumen, praͤchtige Stoffe; das
naͤchſte Gewölbe blinkt von Waffen, Damascenerflingen, Dols
chen, Mefleen, Gewehren und Piſtolen.“
„Es ift hoͤchſt intereffant, bie charakteriſtiſche Weiſe zu bes
obachten, in der jede Ration fich zeigt. Der Türke fipt ernſt,
gravitätifch mit der Tangen Pfeife in feinem Munde, ber Zube
wie der Grieche find gefchäftig, rufen und winken. Inzwiſchen
bewegt ſich das bunte Menſchengewuͤhl durch diefe einander Treu:
genben Wölbungen, die Perfer mit rauhen, fpigen Dtüsen, die
rmenier mit umgekehrten, tegelförmigen, ſchwarzen Huͤten,
bie Bulgaren in Schafspelzen, bie Juden mit zeriumptem Shawi
um ben ſchwarzen, hohen Zurban, gepugte Griechen und ver:
ſchleierte Weiber; bier ift ein Gebränge! Und mitten durch
dieſes reitet wol fo gravitätifch ein vornehmer Tuͤrke, der we
ber zur Rechten 4 zur Linken ſieht.“
„Auf ein des Abends gegebenes Signal entfernen ſich Ki
fer und Verkäufer. Cine Art Wächter, ber es übertragen if,
in ben Bazaren zu wachen, fließt alle Gingänge und öffnet
fie erft wieder am nächften Morgen zu einer beflimmten Zeit;
bie Verkäufer finden dann ihre Laͤden ganz fo, als da fle fie
verließen. Am Tage wirb die einzelne Bude nicht anders ver
ſchloſſen, als daB der Eigenthuͤmer ein Res vorhaͤngt, oder ein
paar Binbfaben kreuzweiſe vorzieht; Keiner wagt dort zu fehlen.”
„Die prächtigen Boutiquen bes Palais zoyal find gegen
Konftantinopels Bazare nur eine reich gefhmädte Grifette ge
gen bie Tochter bes Orients in ihren reidgen Stoffen, das Baar
von Rofendt und Myrrhe duftend.“ DR.
Literarifhe Notiz.
Neue Ausgaben ber Memoiren von Comines.
Son ben anziehenden Memoiren -von Gomines haben wir
vor kurzem zwei verfhiebene Ausgaben, erhalten. Die von
Belin bitdet einen Theil der „‚Bibliothdque varise”, bie unter
und Heft fo ſicher auf bem Gtunde ber Seele eines WRenfchen,
daß ihm ihre Handlungen eine natürliche, nothwendige und uns
ee Bolge ihrer Innern imb äußern Sufkänbe gu giein
Berantwortlicher Geranögeber: Heinrich Brockhaus. — Drud und Berlag von F. U. Broddaus in Leipzig
Blätter
J für
literarifäe Unterhaltung.
Sonntag,
5. November 1843.
Aus der englifchen Ammen- und Kinderflubenpoefie.
Bon A. Hoefer.
(Bortfetung aus Mr. ME.)
Nr. II, Die Tales find ſehr verſchiedenartiger Natur,
theils ernſt, theils komiſch, einige auch anfcheinend ganz
unfinnig, obwol ber Unfinn erſt fpäter umb auf dem
Wege alimäliger Gorruption hineingefommen fein dürfte,
wenn die Veranlaffung vergefien, und Urfprung und oft
felbft der Sinn einzelner Ausdrüde nicht mehr verflans
den werben. Wir laſſen die Anordnung bes Herausges
ber& bei ber Unswahl unferer ¶toben unberuͤckſichtigt.
Es war einmal ’ne de ran, hatte drei Söhne,
Jerry, und James und Sohn :
Jerry war gehenket, James war ertraͤnket,
Sohn war verſchwunden ımb nie wieder funden,
Und das war bas Ende ihrer brei Böpne,
Serey, und James und Sohn. ,
Nr. 18.
Aus ich ein Junggeſel war ba lebt ich allein, \
und ſtellte Brot und Kaͤſe in das Bret hinein.
Die Magen und Katzen bugannen ſolch ein Staufen,
Daß ich ging nach London mie ein Weib zu laufen.
Die Gaffen waren eng und alfo ſchlecht bie Wege,
Daß ty mußt mein Weib in einen Schiebkarren legen.
Der teblarrın brach, mein Weib that einen Ball,
Der Zeufel hol den Schiebkarren, Weib und all.
Die Bachelors oder SSunggefellen erhalten denn auch
In Mr. 41 eine Anweifung, wie fie fi bei ber Wahl eines
Beides zus benehmen haben, Darin heißt es, man möüfle
vorfichtig fein, denn die Weiber feien mannichfach wie
Gilde in der Ger, oder zehnmal mehr veraͤnderlich als
ein Winter: oder Sommertag, Weiter aber audy: „You
must not stay to pick them, but take them as
come,’ Dee Schluß biefes längern Gedichtes iſt fo:
Ein Schlachtopfer faß in einem Karren
Sins Zags, gehängt zu werben;
und Gnade war gewährt ihm,
—— ie
, ein ’ ’
Lund wette die bein Beben!“
⸗ mein Leben verkuͤmmern ?’'
n
—*7* e dat MD pfer.
„Eine — Weile if berfamm met bier,
Warum ben Spaß verberben rt
Der Gase iſt ſchlecht, hier wie
Das Weib iſt das fi he, oh fort" -
Mehr lieb: and gefangartig find Nr. 25 und Ne. 235
vergl. mit ©. 1
Das dien vom kleinen Freier.
Es war einmal ein Männlein, das warb um ein Bolulche
und fagt: Keine Magd, wilft du frein, frein, frein?
Ich hab nichts mehr zu fagen, ale Ja? ober Rein? zu fragen
Denn wenig gefagt, mag ſchnell gebeffert fein.
Dann fpradh bie kleine Magd: Ihr Heiner a i
* —— — ne r wenig fagt,
m wenig mehr jagen, etwas But auch zutra
Eher ich für immer Fi Beben mag fein. 9 yuteagen,
Der Kleine ſprach zur Frauen: Laͤßt du Ye antrauen,
So Tann die Liebesnoten ich etwas höher ſetze
id audy nur wenig, bin ich an Eich ein Könier
Thaͤt ber kleine Liebsgott * Feuer mich doch jeden.
Das Maͤgdlein ſprach im Eqerun: Den ‚dar iſt gut
Doch was follen wir thun, davon MM pn;
Wird deinen Liebesflammen auch Küchenfeu’c entfiammen
Unb dreht ber Feine —** ben Bratſpieß unterdeſſen?
Dann warb ber Kleine traurig, ud . ein wenig,
aub i
Und all fein Feines Herze warb groß on Sorgen
„Ich will bein Kleiner Knecht fein, und wire r nicht ges
Das Wen’ge, was ich habe, Hein FE will ich borgen.“
Zwei Voͤglein ſaßen auf einem Stein,
@, la, la, lol,
Eins flog hinweg, und eins blieb de,
8a, la, la, Ia, Ial, be.
Das andre flog dahinter, und eins blieb da,
Fa, la, la, la, lal, de.
und ber arme Stein war nun ganz allein,
Sa, la, la, la, Tal, de.
Das Meerfhweindhen. Nr. W.
’s$ war ein ein kleines Meerſchwein,
Das war ni roß A Reh wer Heinz
Auf feinen Hr
Und af eb, war's aa — nehr.
unb rann’s von einem ODrte en,
Da war’s nicht mehr an dieſem Ort
Und wenn es rann, ba macht's nicht Halt,
Wie man mir fagt, vor —* noch Alt.
weil t's
um at. Fe, —X ’s nicht er Hei
* belehrt von keiner Kap,
Ein Mäuschen, wußt es, war por Kap.
a. 5
Tages hat's eine Brille gefaßt,
und Perhene fi koört man, fs ehlakt.
Und — nad) gar weiſer Leute Lehr —
Gelebt Hat es feitbem nicht mehr.
Wir laffen hier eine Reihe kleinerer Reimereien fol:
en; zu ei
5 — 3* wie wir ſolche gleichfalls mit Kin⸗
zu treiben pflegen, bie gern Geſchichten hören, indem
auf einen pomphaften Eingang gleich das Ende ober ein
überrafchender oder trivlaler Ausgang folgt:
Gagt Aron zu ofen,
Schneiden wir ab unfre Rafen.
“ Sagt Mofe zu ron,
»s ift Mode fie zu tragen.
Als Beſſy Brooke und Tommy Snooks
Spazieren gingen am Sonnt
Er Tommy Snooks zu — — Brooks,
Morgen, vermuth' id — iſt Montag. '
„Es war ein altes Weib das fpann”, —
&o die Geſchichte begann.
„Das hatte ein Kath” —
Hier iſt fie halb.
„Das nahm fie dann beim Schwanze,
Und warf ed über bie Wände” —
Bo ift das Ganze zu Enbe.
Lucie Laſche verlor ihre Taſche,
Kitty: Fifcher fand fie.
Bar nichts drinnen, gar nichts brinnen,
Nur ein Faͤdchen umband fie.
Der kleine Conrad Flecke
Saß in der Ede
Bet feinem Weihnachtskuchen, felig Im Sinn.
Dann fleckte er ken Daumen ein,
Anb ein Pflaume fein,
ed Was ein Allerweltsjunge ich doch bin!
Der alte Peter. Schraber
Geht niemals wie ein Grader,
Wout Ihr wiffen warum?
Er folget feiner Nofen,
Doch die ift verwafen,.
Das heißt, fie fleht ihm krumm.
Unter den mancherlei Privatleusen, bie gelegentlich
vorkommen, wird auch bes Dr. Kauflus erwähnt. Der
Herausgeber meint, ohne Noth, daß dafür Foſter zu leſen ſei.
Dr. Fauſtus war ein guter Mann,
Dee feine Kindes prügelt dann und wann.
Wenn er fie fchlug, dann ließ er fie tanzen
Bon ben Schotten hin zu den Franzen,
Und von den Kranzen zu ben Deutfchen,
Um fle wieber zuruͤck zu peitfihen.
Das wir, des Reimes wegen, die Namen zumellen
verändert häberi, wird ber Entfchuldigung bei einer Art
von Poefie nicht bebirfen, bei der der Reim ohnehin
einen fo tyrannifchen Einfluß ausübt, daß ihm zu Liebe
nicht blos Namen gebildet, fondern, wo es auf: beflimmte
gegebene Namen zu reinen gift, ſelbſt Wörter und Wort:
geklingel geſchmiedet werden, denen doc nur ein unge:
fähe zu errathender Sinn Innewohnt, Beiſpiele dafür
Legen uͤberalß vor umd ließen fih auch aus der beutfchen
x
/
*
eckereien, wie es atich das vorheche⸗
Volkspoefie leicht beibringen. Der Reim, tm ber Volke⸗
dichtung, ſteht oft no über dem Gedanken, waͤhrend
ber wahre Dichter ſeiner allzeit Herr wird und ſich ſeiner
nicht wie eines Leiters, ber Ihm Gedanken zufuͤhrte, ſon⸗
bern mie eines Ders bedient, in w dis, 9. h.
fine Gedanken ſanft und geregelt, Dan ich zuweilen
mit Heinen Seitenbiegungen, dahin gleffen. "
Wir müͤſſen namentlich bemerken, daß in dem Texte
bes legten Stuͤcks für Deutſche, Spanier ficht, fo:
wie von den erflern nirgend bie Rede iſt; dagegen öfters
Welſche und Franzoſen erwähnt find. Auf die erftern
bezieht fich das folgende Stuͤckchen |
Bon den welfhen Zägern.
Es waren einft brei weiſche Leut,
Die gingen, nad) Den poe
u jagen aus in Heiter
s Ya Conti Da Tage.
Sie jaaten beinah zu Tod,
und an bo 2 t6 finden
Als gang zuleht ein Gegelboot
Das floß dahin mit ben Minden.
Der eine fagt: Ein Schiff i
Der Mr e fagt: ie ee
Der dritte fagt: Ein Haus if das,
Den Schornftein nur vermiß ich.
Und jagten noch bie ganze Nacht,
Und konnten body nichts finden
Als den Mond, ber eben aufgemacht,
Und glitt dahin mit ben Winben.
Der eine fagt: Der Mond iſt bas,
Der zweite fagt: Gewißlich
!
Der britte ſagt: Ein Kaͤ bad,
Die Häufte nur ——e—
Saft alle von dem Herausgeber mitgetheilten Proben
: fheinen uns in einer ober ber andern Hinſicht merkwuͤr⸗
big; wir wählen zunaͤchſt ein größeres. Gedicht.
Von der alten Frau bie ſich ſelbſt verliere.
Es war einmal ’ne alte Frau, fo geht bie Gage,
Die ging zu Markt, ihre Gier gu verhandeln;
Die ging zu Markt, vecht an "nem. Markttage,
Bis unterwegs fie einfchlief, mühe bon dem Mikanbein.
Da kam bes Wegs ein Scrämer, Staut geheißen,
Der fpürte Luft, ben Rock ihr gu entreißen,
Und ſchnitt ihn rund um ab, bie an das Pair. binon,
Darob bie alte rau zu frieren denn begann. -
As dann bies Meine Weib fich aus bem Schlaf gerüt
Da bat fie ſich zuerft geſchaudert und Mer geruttelt,
Und dann begann fe alſo verwundert aufzuſchdein:
Barmherz'ger! wer iM dies hier, dies kann ich nicht ſein?
It es, wie ich hoff' ich bin's, iſt es wirklich ich,
So hab ich Heim ein Huͤndchen das wich Imınen mid.
Sein Schwaͤnzchen wird er webeln, iſt es, wirklich ich,
Doch bellen wird er grimmig, ift es nicht mehr ic.
Heim ging bie alte Frau nun ganz im Dunkeln;
Auf fprang ber Hund alsbald und ließ bie en funkeln,
Und bellte laut fie an: Die Frau begann zu fdhr
Barmperziger, alfo kann ich's doch nicht fein!
Als Probe der ernſtetn Gattung, die nicht ganz un:
vepräfentirt geblieben, boch ſelten iſt, diene das folgende:
Es war einft eine Dame, ganz Haut und Anochen,
Wie niemals noch eink:gefehh,
Die ging zur Kirchen in einer Wochen,
Zur Kirchen, ſich Pit zu erflehn.
und eis fe ——— un
Und als fie ging zu — Hofe — ale,
Da lauſchte den Glocken fie wirber.
und als fie nahe ber Kicchenthür Fam,
Vuͤnſcht ein Bei
Bis m fie den Breger — —*ð&
Der ſprach gegen ſuͤndiges F
Sie blidt’ empor, ſah her und
Einen toben
Bedeckt mit Barmern und Fliegen.
Dann ſie hin 3 dem Prediger ſagt,
Werd auch ich fo fein, wenn Le tobt?
D ja, o ja, ber Prebiger fagt, .
&o wirft auch du ſein, wenn todt.
Es iſt wunderbar, daß nirgend mehr Anſpielungen
auf alte heidniſche Vorſtellungen vorkommen. on ber
Thierwelt iſt, wie ſich erwarten laͤßt und wie wir auch |
fon oben gefehen haben, ziemlich. oft: die Rebe; mitun⸗
ter vielleicht eine Erinnerung am alte Thierfabel, in der bie
Thiere perfonificiet erfcheinen.
Robin und Jenny, zwei Vägel.
Sprach Robin zu Ienny: Wilſſt bu meine fein,
&o effen wie Kirſchkuchen unb trinken Johann’sbesrwein.
Jenny war’s zufrichen — beflimmt ward bie Stund,
Und der Hahn that ben Freunden bie frohe Botſchaft kund.
Die Kraͤhe und die die kamen bar,
a eine war ber —5— F Ira ber Wotar, (clerk)
Goldfin Braut
Die Reis gehorchen wollt des Mannes Wort.
Lüfte geficberte Bewohner gaben
en jeber zu bem Feſte ihre Gaben.
Die einen brachten Korn, bie andren brachten Fleiſch,
Die einen ſchoͤnes Raͤucherwerk, die. andren Zudespert,
Und weil es lieblich Wetter, das Gefleder
Geht in Gemeinſchaft zum Diner ſich nicher.
Robin und fein —* bie lebten To
Im Theſtande lang unb froh,
Bis eines Tages, ſchrecklich zu beruͤhren,
Gin Habicht that 6 bie —* ihm entfuͤhren;
Auf Robin ſelbſt ei ing Bam geflogen
Und ſchoß ihn maufetodt, mit Pfeil und Bogen.
Dieſelben Voͤgel, Little Jenny Wren und Mobin
Red⸗breaſt genannt, betrifft au Nr. 80, ©. 48: Robin
pflegt der erkrankten Jenny mit Brot und Wen, und
erwartet dafuͤr ihre Liebe. Aber fie, beſſer geworden, fagt:
I love thee not a bit, und ber getäufchte Liebhaber ver:
läßt mit Sport und Fluch die Undankbare. Drigineller
find, und auch formell bedeutender bie. Geſchichte von
ders Hunde, der feine Herrin Mis. Hubbard, zur Naͤr⸗
rin macht, ©. 60; die Brautfahrt des Krofches, ber um
die Maus, die Nichte be Ratte, wirbt, S. 70, und bie
Geſchichte des Fuchſes, S
Dre Fuchs und fein — bie hatten aroßen Streit,
Sie aßen niemals Moſtrich in: ihres Lebens Zeitz
Sie aßen ohne Babel und Meſſer allezett,
—* tiebten ein Beinchen zu nagen, e⸗oh!
De Fu uchs ber fprang auf in ˖ einer Mondlichtnacht,
terne erglaͤnzten in ihrer vollſten Pracht:
FR fagt ber Buche, eine wundervolle Nacht
Fuͤr mich durch die Stadt mich zu wagen, e⸗oh!
De Yudgs_alg ex Tam auf ben Verg fe fiel,
AT
Y a eine iu
Bon bier bis in zu bem Dagen, eo oh.
Der Buchs als zum dere des Bauern er kam,
Men anders er wol bo — * Ente vernahm?
us liebe dich gar fehr, bu iebſte Damm,
Unb verlange bein — wu nasen, e⸗ahl“
Die Ente bie lief ben Heuhaufen rund
De fagt der Fuchs, du bift ſehr feet. und und!
Du fſchwierſt mir den Bart und ritttings zur Grund
Bil ich dich zu ber Stadt dort tragen, es ob!
Die Frau mm bes Bauern aus dem Bette fprang,
und te buch das Fenſter den Kopf fo weit und langz °
„Oh Dann, all die Enten find tobt, mir iſt ban ng,
Der Fuchs hat gefaßt fie beim Kragen, e: 08!
Der Bauer der lud die Piftole mit Blei
und ſchoß dem alten Schurken das Haupt zur Brei:
ab, bat fagt ber Bauer, nun denk ich, ifl’ö vorbel
Und ftörft ung nicht ferner deu Hagen, es oh!
Zum Beſchluß dieſer Abtbeilung noch eine Probe
| von den Recerrian, denen auch hier die Schneider aus⸗
rue
—* Ansträhe ſaß auf einer Eiche
und Pielte dem Schneider allerlei Streiche.
„Beidt⸗, rief bee Schneider, „die Flinte mir ſchnell!
Und du da hochoben, dir gerb' ich ſchon das Fell!“
Der Schneider zielt' und ſchoß, verfehlt je 3
Sodaß im Hof —5 — die alte Fl ed a ſein Bike
7 ‚MBetbt; rief der Schneiber, „einen Löffer mit etwas Rum,
Denn unfee alte Gau fiel vor Ohnmacht eben um!"
(Der Beſchiaß folgt.)
Erinnerungen an G. Ch. Lichtenberg.
Ghriftoph: Richtenberg fchrieb am 15.. Ort. 1785
einem Im Erran über feine Studien ic in Göttingen : „Gottingen
‚ift ein ſehr theures Pflaſter, und. Sie wiſſen, ich
hatte dom Sanbgrafen *) ag * aͤdtiſches Geld und einen
und e6 Loftete mich Muͤhe, burchzulommen. Ich be
‚zahlte freitich alle meine Eollegia, aber meine Mutter gab mie
auch etwas unterweiten und ich repetirte anfangs und gab end⸗
lich feibft mathematiiche Stunde und machte ha auf die .
resterwahlen, corrigirte für bie Buchdrucke m. ne
andere, ebenfalls noch ungebrudte Stelle am benfeiben Freund
vom 5. M 84 lautet: ‚Der Wann, ben Ste mir zu⸗
geſchickt haben, Here Cordier, ſcheint ein vortrefflicher Dann
zu fein. Seine gute Deiene hat mich ſogleich für ihn eingenoms
men, und einen beaven Mann, der zwiſchen zwei Freunden, die
einander nicht feben können, aufs und abgeht, fehe ich immer
einen Spiegel an. Ich glaubte 5 2 ‚game um 8 ſehen, ale
Per von Ihnen ſprach.“ über die B udiums be&
Sohnes feines Freundes ſchrieb —E 11. April 1785
Legserm: „Wenn der ‚junge Menſch Anlage zur Naturkunde
hat, fo Laffen Sie ihn Medicin fludiren, daran fehlt es net
in der Welt, umb-man ſieht fehr — Ferner, liebſter
Freund, gla ube ich Ihnen verſprechen zu können, Ihrem Seren
Sohne alte Sollegia frei zu verſchaffen. Eben wegen meiner
mkeit in dieſen Angelegenheiten. Nur ein einziges Dal
habe ich in meinem Profefforieben einem Menfchen, der es von
Seiten bes Genies ſowol als bes Beutels werth war, fo durch⸗
geholfen, daher greift meine Bitte mehr ein. Ich hingegen
habe jegt auf meiner Lifte in ber Phyſik, ba fih bereits 82 aufr
gefeheieben haben, ob ich gleidy erſt in brei Wochen zu leſen
anfange, fon fieben, bie ich auf Empfehlung frei dunchgeben
*) Landgraf Eubwig VI. von Deffens Darmfadt.
laſſe. Laſſen Sie uns alles Dieſes wohl überlegen. Es if jekt
Zeit das Ich gebe die Parole: Sprachen und Medicin;
hoͤch z! — Ja, ja feine Theologie! Leidet aber bie
Anlage wit anders, aläbann in Gottes Ramen aud) Theologie.”
Der Autor und fein VBerteger.
6 Lichtenberg hatte feine Wohnung im Haufe
bes —ãS — Göttingen und lebte in [ehr freund⸗
—** Becpäiniffen ai om. beide geht außer Anberm
Dieterich
lieferant und Freund D n Chriftien Dieterich, der
eine unglaubliche und für mid) ſehr hmeihabafte Begienbe bat,
alle meine Freunde kennen zu lernen, wenn er ihnen auch nur
auf ein paar Meilen nahe koͤmmt, und er bat mich deswegen
um einen Brief an Sie gebeten. Da er dieſen alfo ſelbſt Aber:
beingt, fo wird er nicht ermangeln, felbft zu fagen, was er
Tonft noch iſt, und beswegen brede ich hier ab, ba ih an Hals⸗
und Ohrenmweh laborire.” Dieterich vergalt biefe freundlichen
Gefinnungen mit einer ebenfo been als ehrerbietigen Liebe.
Ya einem Hriefe, ber uns von ihm Abrig gebtieben ift, ſchrieb
er am 9. Juli 1784 an einen gemeinfchafttidhen Welannten:
„Unfee lieber Profeſſor Lichtenberg befindet fidy jego Gott lob
recht wohl, und biefer Mann figt jegt oben auf, und hat all»
bier in feinem Fach den allergrößten Beifall und eine allgemeine
Liebe. Sr bat mich an Ihnen ein groß Sompliment aufgelras
gen, in feinem Namen abzulegen. „ ch jest lebt G. Gh. Lich:
tenberg’s Witwe im Dieterich'ſchen Haufe, das fie Tomi 1 feit
ungefähr 60 Jahren bewohnt.
Bibliographie.
bad, B., Schwarzwälder Ze feeſchichtes. Zwei
She " anbeim, Baffermann. 8. 328%
Backhaus, %., Die Sagen ber rose keipzig. Nach
En Überisferunge mitgetheilt. Leipzig, Hunger.
h, $, Warum nimmfl du bas Zeugnis Sweden⸗
gt nit an? Gine Schrift wider bie neue ſwedenborgſche
— 2 zur Begründung der Gemuͤther in der ewangelifchen
Lehre und Kirche. Reutlingen. Gr. 8. 5
afti, ©., Die en Shiere, ein epifches Gedicht.
Nebſt einem zufäglichen Ge fange: Über den urlprung bes Wer⸗
tes. Aus dem Sralienifhen überfegt von 3. E. X. Stiegler.
Zwei Bände. Zadıen, * ayer. Gr. 9. 42 Thir.
Felice de, Zuruf eines Chriſten an die Schriftſtel⸗
ler des — Volks. Ein Spiegel auch für bie deutſche
Schriftſtellerweit. Aus dem Franzoͤſiſchen uberfegt von K. Dies
lieg und mit einem Vorwort ger nögsgeben von J. E. Hitzig.
Berlin, Dehmigke. Kl. 8.
Frangtz, A., Blicke in bie Schattenſeite unſerer Zeit.
Ein Beitrag zur Wuͤrdigung unſerer Zeit und zur Beurtheilung
ihrer Erſcheinungen. Brandenburg, Müller. Gr. 8. 10 Nor.
Bervinus, „Geſchichte ber poetiſchen National⸗
Literatur der Deutfdien, Aer Theil: Bon Gottſched's Zeiten
bis zu Goethe's Jugend. 2te Auflage — A. u. d. T.: Neuere
Se V ſ. w. ifter Theil. Leipzig, Engelmann. Ger. 8.
Nor.
Grünewald, E. F., Der Herzog von Bordeaux. Poſſe
in zwei Aufzuͤgen. fei nai nu E. M. Dettinges's Erzaͤhlung.
Darmſtadt, Kern.
Sabnı Bahn, ba Sn, Sec. Zwei Bände. Ber
lin, &. Dunde. 8. 4 Thlr
Hartmann, C, ae rüge der Geologie in allgemein
fasslichem Vortrage. "Mit, 107 Abbildungen, Leipzig, We-
ber. Gr. 8. 23 Thlr. 20 Neger.
Ju sale Begegelun, euftipiel in brei Auf;
CE Vort ce Drama! Gine Er:
wiberung an Profeſſor Heiber
a —
eine, 2. ider. 2t L te &
‚ Doffmenn um Gampe. 8, “ —— * se dam
R G., Rovellen. eeipuig, Hunger. ®r. 12.
1
; Julius, Em g., ——— ee Serenpeiltunde,
au nen n ungen wet lithogras
phirten Tafeln. Berlin, Enslin. 1844. j
Kleinpaul, 8, Die |
Unterricht, ein Wort an Alle, die ben
tät wuͤnſchen. Nebft einem Anbange, betreffend bie außerhalb
ber Paͤdagogik liegenben Behlngungen des Semeinfinns und eine
über die allgemeine Schule hinausgehende. Wr ⸗politiſche
Volkẽbildung. oh D. Wiganb. .
Lenau, R., Gedichte. Zwei Baͤnde. Stuttgart, Cotta.
8 3 hie. aig Rar.
Mey, K. G., Jugendbilder. Eiſenach, Baͤrecke. Gr. 8.
Thic. io Nor.
Ninon de lEnclos, ober das Geheimniß der ewigen Jugend
des Körpıze —— ee Brie en alten Art % an feine
usgogeben von asker. Berli
I Kı. 8, 10 A r “r
Yyrkers, e. .‚ fammtlihe Werke, Neue, durchaus
berbeflerte Au —* Zafgenformat. Drei Bände. Gtuttgart,
Botta. 1 Thlr. 10 Re.
ra} u, E., beamatiihe Berk erafier Gattung.
I € Ban, Hamburg, Hoffmann und Gampe. 8. 1 Zpir.
gr.
Das taufenbjährige Reich. Webicht at pr uc spuffeise 1843,
Hamburg, Hoffmann und Campe.
Rofen und —— 2 ‚ —8 * Fahre 1844,
Mit fieben Stahiftichen. Leipzig, Beo. Gr. 16. 2 Zhir. 10 Ngr.
Rüdert, 8., Geſammelte Gedichte. After Theil. Frant⸗
furt a. M., „ Gamer Gr. 12. 1 Ihe. 10 Ror.
Schwart, 3 ©, Wanberblider von den en des
— bis vun Aheinfalke. Schaffpaufen, Hurter. 8, 1 Zhir.
Nor.
Siegm mund, ©, Gegen den Abfolutismus in der Phi⸗
loſophie. —— Biterarifches Gomptoir. &. 8, 11Y, *
Sigriſt, G., Des ſeligen Nikolaus von ber Sie ehr:
veiche und wundervolle Eebensgefchichte. Luzern. 8.
Smith, Adam Brown, der Kaufmann. ar dern
Engliſchen Überfegt 0 von W. X. Lindau. Brei Bände. Leips
zig, Kollmann Ir. 15 Rar.
Gteinmenn, * Zum Tode verurtheilt. Vollsdrama
in brei Acten. Muͤnſter, Erpedition bes Deftofeien. 12.1 Thr.
Umbreit, 4. E., Ü Eigenhändigkeit der
Ne tes Hefichen. Leipzig, R. Weigel,
Gr.8. 11, N
Bogel, —* Ein Danbbillet Friebrich's bes Pweiten, ober
gen. Wien,
— BWitigungen, oder tt 5
Eufffplel in drei Aufz — 2 — —* Gogiiden. Be
ee und Bretbet in
o t und t, in der tat liſchen, oder in der
proteſtantiſchen Kirche? Auf br tie bes Reformationss
eftes in an eg „on einem der Osna⸗
bruͤckſchen D ppenrath. 6%, Rer.
Wauſten et, %. —— daß bie Feuer « Vers
figerungs » Bant für Deutſ in auf durchaus uns
g fügen beruht und ihrer Aufloͤſung entgegenfehen
ann, fofern beren wefenttächfte Berfaflungspuntte nicht abgeäns
bat —&& ——— u. pr Bu 3 don gelonberma Suter:
e für Diejenigen, welche eine ald die nittee
prämie zahlen. Rinteln „Boſendahl. Gr. 8. 7%, u
ulebauſſer
VBerantwortlicher Heraukgeber: Heinrich Brokhaus. — Drad und Verlag von F. A. Brockdaus in Leipzig.
Blatter
für
literariſche Unterhaltung.
Montag,
6. November 1843.
(Beſchtuß aus Ar. 309.)
Ne. IL. Die Städchen der dritten Claſſe, Jingles,
find einestheils fehr ſchwer voleberzugeben,, anberntheils
ganz unverſtaͤndlich geworben, gerade fo wie die Meinen
Reimereien, welche bei uns bie Kinder beim Spielen zum
Abzählen zu gebrauchen pflegen. Es ift ganz ficher an:
zunehmen, daß manche eben diefen Zweck hatten. *) Wir
befchränten uns auf wenige Proben:
Fiedel di di, Fiedel bi bi
Der Brümmer freit die Biene;
Sie gingen zur Kirche, Frau war fie,
Der Brümmer Dann der Biene.
Hei diedel diedel,
Die Kay und die Fiedel.
Über den Mond fprang die Kuh,
Der Eleine Hund lacht bazu,
Die Schüffel lief hinter dem Löffel.
Such ein Ding, gib ein Ding,
Des alten Mannes Goldring;
Liege innen, liege außen
Wo die Zobten haufen.
Die vorlegte Zeile des letzten Stuͤcks heißt im Texte
Lie butt, lie ben, worin wir unfer niederbeurfches buten
und binnen wiederfinden; ber Ausdrud but an’ ben tft
ohnedies aus dem Schottifchen befannt, 3. B. bei Robert
Burns, wo es gemöhnlich durch kitchen and parlour
erklaͤr wird. Das Wort but iſt natuͤrlich Daſſelbe mit
dem Abverb but, welches man aber nur nicht durch aber
überfegen muß, um feine Identitaͤt mit bäten, aufer, zu
begreifen.
Mr. IV. Wie ſchließen bier einige Beiſpiele ber vier
ten Stoffe an, weiche Rächfel enchält, S. 91—97:
Lange Beine, krumme Schenkel,
Kieinee Kopf und keine Augen.
a) B. 8. Nr. 118:
Intery, Mintery, euteey- eota,
Appio seed and apple them;
Wine, brier, limber -lock,
Five geess in a flock,
Bit and sing by a opriag,
0O-U-T, and In ageln.
Bel. weiter unten dab ledte Stuͤk aus der Glaffe der Games.
Eliſabeth, Elsbeth, Betſy und Bes,
Die gingen alleſammt ſuchen ein Reſt.
Sie fanden ein Neſt, fuͤnf Eier drin,
Nahmen jeder eins, — ließen vier darin.
Zweibein ſitzt auf Dreibein,
In ſeinem Schooſe Einbein.
Herein kommt Vierbein,
Und rennt hinweg mit Einbein.
Auf ſteht Zweibein,
Nimmt auf Dreibein,
Wirft ihn hinter Vierbein,
Der laͤßt zuruͤck Einbein.
Ich hatt' ein kleines Schloͤßchen, gelegen an dem Strand
Eine Hälfte Waſſer, bie andre Hälfte Sand.
Er öffnete die Thür, — und vathe mas ich fand?
Ich fand ’ne fhöne Dame, 'ne Zaff in ihrer Hand,
Die Taſſe lautres Boldes gefüllet war mit Wein, —
Trinke ſchoͤne Lady, du ſollſt die meine fein.
Gemacht vor langer Zeit, und doch gemacht auch heut nodh,
Gebraucht wenn alle ſchlafen;
Gar Wen'ge möchten es an Andere verſchenken,
Und Keiner moͤcht's doch hüten.
Humpty Dumpty faß auf der Mauer,
Humpty Dumpty fiel von der Mauer:
Drei Stiege Dann und drei Stiege mehr,
Konnten Dumpty Dumpty nicht fegen: wie vorber.
Mit dem legten foll denn ein Ei, das entzweifaͤllt,
gemeint fein. Das Beine Räthfel findet fi im Nieder⸗
beutfben, 3. B. in Neuvorpommern, ganz aͤhnlich, we
es heißt:
heiß Ente potente sat-up de benk,
Ente potente f@l von de benk,
Do k&men de herren von Akel Dörschäkel,
Wull’n Ente potenten wedder hele mäken,
So wird es in Pommern gefproden, aber aucd wol
nicht mehr verftanden. Erſtlich: Po-tente (fo theilt
man es) iſt fiber Putsente, und foll alfo hier wol
Entenei anbeuten. Zweitens: Die Herren von Akel fol
(en doch wol die Hähne fein, die ſich um das zerbrochene
Ei verfammeln. Drittens, was iftaber Dörschäkel, zu
Akel geweimt? während mäken: Dörschäken erheifchen -
würde. ‚Dre-schaken aber wäre vielleicht brei Schock,
und ich denke das englifhe three score in bem obigen
dient dieſe Conjectur gu beflätigen. Das Weitere daruͤber
1942
[- in dem, Neuen Jahrbuch dee berliner deutſchen Ge⸗
jeuſchaft“, Bd. 5, ©. 252 - 254.
Me. V. Zu den Sprüchwörtern gehören z. B.:
Siehſt du eine Nadel und nimmfl fie buͤbſch auf,
o haft ven gangen Tag du Gtuͤck vollaufs
u du eine Nabel und hebſt fie nicht auf,
o kommt bie Ungläd leicht zu Kauf.
Ein Bienenfhwarm im Mai
sft eine Fuhre Heu werth.
Ein Bienenihwarm im Sunt
3% einen Süpertöffel werth.
in Bienenfhwarm im Juli
IR nicht eine Fliege werth.
Nr. VI. Bon bee fechsten Gtaffe, den Lullabies, ei:
nem ſehr charakteriſtiſchen Worte, das, mit Iullen, im
den Schlaf Iulfen verwandt, aus lull baby erklärt
wird (!), gibt der Verf. nur fieben ganz Eleine Reime:
relen, die fih der Mühe der Überfegung nicht zu verloh:
nen fcheinen. Wir ſetzen indeſſen eine im Original her: [
Bye, o my baby,
When I was a lady,
O then my poor baby didn't cry;
But my baby is weeping,
For want of good keeping,
Ob, 1 fear, my poor baby will die.
Nicht viel beffer ſteht es mit ber fiebenten Claſſe, den
Charms; die drei erfien Beiſpiele follen gegen bem foge:
nannten Schludauf gut fein; fie beftchen aus lauter mit
demſelben Buchſtaben beginnenden Wörtern, die dreimal
in einens Athem gefprochen werden follen. Das leichtefte
and kuͤrzeſte ließe fich ungefähr fo wiedergeben:
Robert Raule rollte eine runde Rolle rund,
@ine runde Role Robert Raule rollte rund.
Wohin rollte die runde Role, die Robert Raule vollte rund?
Üpntiche Wortſpielerelen find uns aud aus dem Nie:
derdeutfchen bekannt; fo viel ich mic aber erinnere, bes
dient man fich ihrer außer in ber angegebenen Bedeutung
auch als Aufgaben, die man raſch und ohne fid zu
verfprechen, herfagen fol. Intereſſant ift feiner Alliteras
tion wegen das unter ben Games als Nr. 234 aufs
geführte Stud, im dem jede Belle gleichfalls aus laus
- tee mit demfelben Laute beginnenden Wörtern befteht,
von dem toliften Inhalte, z. B. „Ein alter Oxrford
Ochſe, der Auftern Öffnet”; oder „Drei große Tiger,
die Zehnpfennig⸗Thee fhlürfen”; „Eif Elefanten elegant
equipirt”; und vorher ſchon: „Vier fette Mönche, die
ohnmächtige Stiegen faͤcheln“, — «6 geht nämlich nad)
den Zahlen 1— 12, die das erfte Wort bilden und dem
feftenden Laut der Zeile beſtimmen.
Eine Zauberformel gegen Fußkrampf iſt fo:
Matthäus, Markus, Lukas und Johannes,
Ich fiche, erbarmet euch mein:
ee Teufel hat geichlagen
Ohen Race in mein Bein.
zei Kreuze f machen wir uns zu befrein,
Zwel für die Räuber und einen für Jeſu mein.
Wir ehren nun zur achten Claſſe, dem Kames,
Spielen, von denen ſchon die Hide war, jur, und
didauern zunächft, daß der Herausgeber, fehe wenige Ans
deutungen abgerechnet, es an ben nöthigen —
und Angaben hat fehlen laſſen, ohne bie, bem Auslaͤn⸗
der zumal, Vieles unverfländiich bleiben muß. Am deut:
lichſten und nieblichften zugleich iſt Nr. 225.
A als Mutter vor den andern SDEEb ihren
tern. Bin Freier, redet fie an: 9“ * 20.
B. Tripp Trapp über das Gras!
Beliebt es, edle Dame, laß
Bon beinen Töchtern hold und ſchoͤn
Eine mit mir tanzen gehn.
Ich will Topf und Pfannen geben,
Ich will blankes Meſſing geben,
Sc will geben groß und Kein
Für ein feines Sunsfräufein.
A fagt: Nein!
B (fährt fort) : oo .
Ich will Gold und Silber geben,
Derien auch und Edelſtein,
Ich will geben groß und Plein
Zar ein feines Iungfräulein.
A. So nimm dir eine, nimm bir eine,
Nimm das allerfchönfte Kind.
B. Das ſchoͤnſte Kind,
Das ich mir find‘,
SM Nancy ſchoͤn,
Rancy wit du mit mir gehn?
A führt fie fort und fagt weiter:
Eine Ente fotft bu haben,
Einen Entrich auch, mein Lieb.
Und ein junger Dann als Lehrling —
Wär’ dir auch wohl Lieb?
Die Kinder fingen barauf:
Sollt diefer junge Mann einft ſterben
Und bie junge Frau als Witwe ihn beerben,
Die Glocken follen Elingen,
Die Vöglein alle fingen,
Und wir mit Haͤndeklatſchen wollen luſtig Tpringen.
Üpnlicher Art und Beftimmung HE offenbar Nr. 183,
das Lied von den. drei Brädern aus Spanien, in im
jedoch ſchon einige Confufion herrſcht, die wir nicht zu
befeltigen vermögen. Kin anderer Gang, zu einem
Tanze gefungen, erinnert an unfer:
Bimm, Bamm, Below,
. De Klocken gän in Strelow etc.,
naͤmlich Reimereien auf 14 Glocken Londons, die unuͤberſeh⸗
bar find, weil die erfte Zelle immer auf bie Namen der
Kirchen reimt; es beginnt:
Gay go up and down.
To ring the bells of London tom,
Bull’s eyes and targets,
Say the bella of St. - Märg’ret's etc,
Es kommen dann OGefänge zu den ſiecben Woher
tagen, zu den fünf Fingern u. f. w., Spielereien, wie
unfer: „Dies ift der Daumen, der fchuͤttelt die Pflau⸗
mau f. w.“ 3. B.:
1. Diefes kleine Sawein ging zu Markte fein,
2. Diefes Eleine Schwein blieb zu Haus allein.
3. Diefes Beine Sqwein aß ein Stuͤckchen Butterdrot.
4. Dieſes Kleine Schwein Yungerte zu Tob.
5. Diefes kleine Schwein fagt weh, weh, weh!
Daß ich meinen Weg nah f nicht fh‘.
ee U +
Connobend NRacht mein Weib mir Fach,
So beatub ich fie am Sonntag.
Macht' nad) der Kirch ihrer Schweiler den Hof
Und frtiete fie mir am Montag.
Dienftag ſtahl ih mir ein Pferd,
Mitt n warb ich gefangen,
Donnerflag ftand ich vor Gericht
Und Freitags war ich gehangen.
Das folgende Spiel ift ein game of the confessie-
nel, ein Beichte⸗ oder Küffefpkel, wie es mit Ziguren
im Schatten am der Wand gezeigt wird. Ähntich bei
uns, die wir gleiche Verſe, aber auch beim Pfaͤnderſpiel
gebrauchen:
Ders Pater, Herr Pater, ich komme zu beichten.
„Wohl, meine Töchter, das ift loͤblich!
Seftern that die Kap eine Beſtie ich nennen!
„Sine Sünde, meine Töchter, die groͤblich!“
—— Herr Pater, weiche Buße?
mic !’
Dia, 0 nein u. f. w. ad libitum.
Ferner Gefänge, zum Abzählen gebraucht, 3. B. beim
„Bide and Seek-Gpiel, i. e. Verſtecken.
Hickory (1), Didory (2), Dod (3),
Die Maus lief auf die Stod (4).
Die Stod Eins Hang (9),
Die Maus fort fprang (6),
a (7), u (8), 8 (9), heißt Aus!
das Kind, auf welches die legte Zahl fallt, ift „aus!
Diefelbe Anwendung finden auch wol die Stüde der
zehnten Clafſe, Literal genannt, z. B.
l, 2, 3, 4 5
Ich fing einen Iebenben Dafen.
Ich lied ihn viede graſen.
In der Clafſe der ſogenannten Customs finden wir
leider nur ſieben Stuͤcke und darunter etwa nur zwei, die
eine Mittheilung verdienten.
weil wir aͤhnliche Stuͤckchen haben; es lautet:
Schneck, Schneck, heraus aus deiner Hoͤhl,
Oder ich ſchtag dich ſchwarz wie Kohl.
Der Herausgeber meint, es ſei wahrſcheinlich Ge⸗
brauch geweſen, unter Wiederholung dieſer Zeilen die
Schnecke einem Lichte nahe zu bringen, um fie ſo zu
zwingen, aus dem Haͤuschen zu kriechen. In ber Nor:
mandie, fügt er hinzu, fei es Sitte gewefen, daß Knaben
zu Weihnachten um Fruchtbaͤume mit angezundeten Fackeln
Sinon vous brulerai et ia barbe et les os.
Das andere lautet etwa fo:
au Heil dem Mond! AU Heil bir!
Ich bitt dich, guter Mond, fag mir,
Wer einft als Gatte heim mich führ.
In diefer Weife, beißt «6, veden unverheisathete Damen
im Noebden den Mond an. *)
Wir befchliefen unfere Anzeige endlich mit einigen Lie
dem, bie ſich in dem legten Abſchnitte auspeichnen:
) Des Moiterse bee diefen Gebeauch ſ. in Beaub% ‚, Popular
astiquitioo”, od. A. BiNe, We. 2, ©. 72a um Ib.
Das erſte, von bee Schnede,
Das Lied vom Birpence
Ich liebe Sirnence, ſchoͤne kleine Supence,
Ich liebe Sixpence mehr als meinen Leib.
Ih gab einen Penny aus, ih gab einen andern aus,
und nahm Vierpence nach Haufe für mein Miris.
D meine kleinen Vierpence, ſchoͤne kieine Bierpence,
Ich liebe Vierpence mehr als meinen Leib.
I gab einen Penny aus, ich gab einen andren aus,
Und nahm Zweipence nach Haufe für mein Weib.
O meine einen Zweipence, ſchoͤne Beine Zweipence,
Ich liebe Zweipence mehr als meinen Leib.
Ich gab einen Penny aus, ich gab einen andren aus,
Und nahm Sarnichts nach Haufe fir mein Weib.
D mein eines Garnichts, ſchoͤnes Kleines Garnichts,
Was fol für Garnichts ich kaufen meinem Weib?
Sch habe Garnichts, ich geb’ aus Barnidhta,
Und tiebe — Garnichts mehr ald mein Weib.
Bom alten König Koͤhle.
Der alte König Köhte
War 'ne luſt'ge Seele,
und eine alte Iuflige Seele war er.
Der alte König Koͤhle
Saß in feiner Höhle
und rief feine drei Pfeifer daher.
Der erſte war ein Müller,
Ein Weber war der zweite
Der dritte war ein Schneider,
Sie alle böfe Leute.
Der erfte ſtahl das Korn,
Der zweite ſtahl das Garn,
Der dritte ſtahl das breite Tuch,
So waren fie alle warm genug.
Den Müller thaͤt man drauf im Muͤhlenteich erfäufen,
Der Weber ward am Webſtuhl aufgelnüpft;
Den Schneider aber thät der Teufel bald ergreifen
Und war mit ihm und fammt dem breiten Zudy entfchlüpft.
Auch von dem letzten Gefange gibt es verfchiedene
Lesarten, bie ber Herausgeber in den Noten aufges
führt hat.
Die mitgetheilten Proben werben inzwiſchen hinrei⸗
hen, den Reichthum und die Mannichfaltigleit des in
Rede ſtehenden Zweige der englifhen Volkspoeſie ine
Licht zu ſtellen, die gewiß auf unfere Theilnahme Ans
fprüche hat.
Les colonies frangaises, abolition immediate de Pes-
clavage, par Victor Schoelcher. Paris 1848.
Der geiftreiche Berf. diefer Schrift, ber feinen
an Ort ımd Stelle fiubirt hat, macht kein Hehl daraus, daß
ee ald Vertheidiger ber Rechte ber Sklaven in die Schranken
teitt. Ja, wie man ſchon aus dem Titel feines MBuches ficht,
ift er ein Freund von halben Waßregein, fonbern will Das,
was er für gut erachtet, mit Energie durchgeſegt wifſſen. Eman⸗
eipation bee Gflanen”, fagt er glei am Anfange feiner Gins
leitung, „iſt unfer erſter Wunſch; Verbeſſerung ber Golonien
das Zweite, was wir verlangen. Das Eine fobern wir im Mas
men ber Menſchlichkeit, das Andere im Namen unferer Ratios
alttät alles Beides im Namen ber Gerechtigkeit.”
Ginteitung einige Winte in Beyug auf
die eine orcteherun in ter
19344
werben koͤnnte; aber ber Gedanke, welcher alle übrigen in den
Dintergrund drängt und ben der unermuͤdliche Yublicift zur Aufs
gabe feines Lebens geſtellt zu haben ſcheint, it die Emancipa⸗
tion ber
An biefer Beziehung fteht ihm namentlich Granier de Gaflagnac
gegenüber, der ſchon in feiner „Geſchichte der abeligen Claſſen“
eine gewiſſe Blutsverfchiebenheit annimmt; neuerdings aber in
feiner „Voyage aux Antilles” und namentiid) in feinem von ben
Sotoniften Tubventionirten Journale „Le globe'' bie Rechtloſigkeit
der Sklaven noch erbitterter verfochten hat. Ganz befonders hat
ex fich an die Kerfen Schölcher’s geheftet und dies beweift eben,
baß er in bemfelben einen der unummundenften Streiter für bie
Sache der Schwarzen fieht. Gr Läßt cd weder an Sophismen
noch an den gröbften Perſoͤnlichkeiten fehlen, um feinen uner
ſchrockenen Gegner aus dem Felde zu fchlagen.
Schoͤlcher beginnt feine neue Schrift damit, daß er die ges
genwärtige Lage der Neger unterſucht. Gr führt die verſchie⸗
denen Phafen ihrer bisherigen Criſtenz an uns vorüber und
fucht namentlich bie Vorurtheile zu vernichten, welche bie Greos
len in Bezug auf die Schwarzen hegen. Die Abfchnitte, in be:
nen ex biefe verſchiedenen Punkte berührt, bilden gewiflermaßen
den Grund und Boden, auf dem er fein Gebäude ber Sklaven:
emancipation zu erbauen beabfichtigt.. Das ganze Problem
ſcheint ihm gelöft, fobalb man ein Mittel gefunden bat, bie
freie Arbeit zu organifiren, denn, wie Schoͤlcher an verſchiede⸗
nen Stellen feines Werks fagt, es ift eine grundfalfche Anficht,
zu glauben, daß die freie Arbeit, d. h. eine Arbeit, bie nicht
von Stlavenhänden verrichtet wird, für die tropiſchen Länder
ein Unbing fei. Den Schlußſtein des ganzen Werks bilbet ein
„Eassai de lögislation propre & faciliter l’&mancipation en
masse et spontanee.’ Der Verf. ift weit entfernt, in Dem,
was er gibt, etwa ein befriebigendeß, volftändiges Geſegbuch
für die Golonten, in denen mit einem Sclage aus Sklaven
freie Männer gemacht werben follen, zu ſehen; aber er Tann
doch nicht verhehlen, daß er „feſtes Bertrauen in bie Mittel und
Mafregein beat, die er in Worſchlag bringt, um die Colo⸗
nien von ben Flecken zu wafchen, bie fie verumreinigen, obne
aber die Gefenfchaft in Gefahr zu bringen und um ohne Stoͤ⸗
zung, ohne, Stockung in den Geſchaͤften oder wenigftens ohne
Gewaltfamkeiten an bie veräctlide Lage ber Sklaven einen
glänzenden Zuftand ber Freiheit zu ftellen.” 6.
Literarifhe Notizen aus England.
Dr. Thomas Gartwright, Bifhof von Ehefter.
Die Camden society hat herausgegeben: ‚The diary of
Dr. Thomas Cartwright, bishop of Chester, commencing
August 1686 and terminating October 1637. Dr. Gartwright
war zum Lohn für den Eifer, mit welchem er bie bem Hofe
wohtgefälligen Doctrinen vom paffiven Gehorſam und Nicht:
wiberftande ftanbhaft vortvug, von Jakob II. auf die Biſchofsbank
erhoben worden; ex blieb feinem Herrn auch im Ungluͤck getreu,
begleitete ihn nach Frankreich in bie Verbannung, nad Irland
Ins Feld, wo er ftarb und zu Dublin in ber Chriſt⸗Church bes
graben liegt. Gr war ein guter englifcher Proteflant, denn
wärend feines Grits hielt er in feiner Wohnung benjenigen
roteſtanten, bie hören wollten, Vorleſungen über bie engliſche
Liturgie, und noch auf feinem Zobtenbette in Dublin ſprach er
feine unuͤberwindliche Abneigung gegen bie roͤmiſche Kirche aus.
Dennoch ift er wegen feiner Anhaͤnglichkeit an Jakob II. und
„weit ex mit Katholiken freundlichen Umgang gepflogen, auch
mit ihnen über veligiöfe und politifche Fragen offen biscuriet”,
von den Freunden der Revolution und auch nody von ben Gifes
rern bee fpätesn Zeit hart getabelt werden. Gein
wit Katholiken nennt fogar ber gegenwärtige „hochehrw ei
@ecauägeber feines Tagebuchs „unziemlich für einen proteflantis
Shave. Es ift dies fein oeterum censeo u. f. w.
ſchen Biſchof““ (unseem!y in a Protestant bishop). Bas Tage⸗
buch ſelbſt iſt kaum von irgend einigem ntereffe. Proben
geiftichen Hochmuths und orthoboren —*z finden ſich ge:
nug darin.
Sereneinfperrung.
Dr. W. C. Taylor las in ber British association für Veförs
derung der Wiffenfchaft eine Notiz über Behandlung unbemits
telter Ieren in Irland, deren Material vom Carl von Devon
geliefert war. Bor 1817 gab es im Lande außer einigen we⸗
nigen Zellen in Gefängniffen und Arbeitshäufern keinen Ort,
wo Wahnfinnige untergebracht werden konnten; nur in gewiſſen
Segenden, befonders in Kerry, hatte man mit ftillfchiweigender
Genehmigung der Bauernfchaften abgefonderte Räume, Tolldaͤuſer
(Madmen’s glens) genannt, eingerichtet. Seit 1817 find Irren⸗
anftalten unter obrigkeitlicher Aufficht eingeführt worben; da
jebo die Anftalten nicht für das Beduͤrfniß zureichten, wurden
bei einigen ber alten Arbeitshäufer Zellen für Irre beibehalten;
aͤrztliche Behandlung tft in diefen nicht zu erlangen. Der Verf.
ſprach ſich ſehr ſcharf gegen die Methode aus, Gemuͤthskranke
in Arbeitshaͤuſern ober, was noch ſchlimmer iſt, in Gefaͤngniſſen
einzuſperren. Durch eine Acte, welche in der erſten Seſſion unter
der gegenwaͤrtigen Regierung durchging, kann die Einſperrung
eines Menſchen, deſſen Gemuͤthszuſtand bie öffentliche Sicherheit
bedroht, durch zwei Friedensrichter unter Zuziehung eines Medi⸗
cinalbeamten verfuͤgt werden. Dieſe Anordnung ſcheint nun
eine weitere Ausdehnung erhalten zu haben, als von ben Geſet⸗
gebern beabfichtigt fein konnte. Der fechszehnte Bericht der Ge⸗
neral s Gefängnißinfpection ergibt, daß 1837 nur 37 Irre in
irlaͤndiſchen Befängniffen verwahrt wurben; im 3. 1840 dagegen
war die Zahl derfelben fihon auf 110 gefliegen und gegenwärtig
bat fie ſogar die Höhe don 240 erreicht. Außerdem befinden ſich
jegt in 69 Arbeitspäufern ATL Wahnfinnige.
Montaigne in englifher Überfegung.
‚ Zuerft 1603 erſchien eine engliſche überſezung des Mon
taigne; fie war von Florio, der den Prinzen Henry im Italieniſchen
unterrichtete. Dann folgte 1680 die berühmte Überfegung von
Charles Sotton. Lord Halifax (der Marquiſe von Halifar war das
Werk dedicirt) fagte dem Überfeger: „Ich habe wigige Schriften
bisher für unüderfegliih gehalten und noch jest halte ich von
biefer Anfiht fo viel feft, daB ich glaube, fie find es für Jeden,
beffen Seift nicht an den des urſpruͤnglichen Verfaflers reicht.
Ihre Überfegung gibt die Kraft des Originals fo volllommen
wieder, daß man verfucht wird, an bie Seelenwanderung zu
glauben und ficheinzubilden, daB bes Autors Seele, die an Berg:
hoͤhen gewöhnte, dennoch in das Marſchland berübergelommen fei,
um uns bafür zu belohnen, daß wie ihr bier in England mehr
Gerechtigkeit widerfahren Laffen, als ihr das eigene Vaterland ers
—* wird. Von dieſer allgemein anerkannten überſetzung er⸗
ienen neue Ausgaben 1776 und mit Zuziehung ber franzoͤſiſchen
Ausgabe von Pierre Coſte 1811, worin der Stil vielfältig mo⸗
derniſirt und dadurch eines Teils feiner Kraft und Gchönpeit
beraubt iſt. Um folchen Diängeln abzubelfen, hat Hr. WB. Hazlitt
eine neue Ausgabe veranflaltet, weiche unter dem Xitel „Ihe
works of Montaigne‘’ (£ondon 1843) erfhienen it. Montaigne's
Reifen durch Italien, die Schweiz und Deutſchland find beige:
fügt, zum erſten Mal Äberfegt von dem Herausgeber, welcher
auch eine kurze Biographie vorausgeſchickt hat.
Ranke ins Engliſche überfest.
n uf überfenu „Ben unb ift eine vollſtaͤndige
engliſche etzung von W. K. ienen unter dem
Zitel The Ottoman and Spanish Ai in the 16th
and 1’Tch cent.“ unb „The history of the Popes in the
16th and 17th cent.” 4.
Berantwertiigee Heraudgeber: Heiarich Broddeus. — Drud und Verlag von J. A. Brochaus in Sripgig.
Stäafter
Für
literarifbe Unterhaltung.
Ein Spaziergang mit Caͤſar's „Commentarien“ in
ber Taſche.
Wer bat die Auvergne, jenes an munderbaren Cons
traften fo reiche und dadurch fo merkwürdige Land durch:
reift, ohne daß er, nach dem Blide auf die ihre Bewoh⸗
nee zum alljährlihen Exile verdbammenden Wüfteneien des
Gebirges, feine Augen mit Wohlgefallen auf den üppigen
Fluren der Limagne hätte ruhen Laffen, und wer hat felbfl
£urze Zeit in jenem durch feine Natur fo anziehenden
Lande vermeilt, ohne daß fi für ihn an das Wohlge⸗
fallen der oberflächlichen Anfchauung Fragen der mannich⸗
faltigften Art geknüpft hätten !
Die Limagne ift eine in der nördlichen oder hasse
Auvergne mit einer Breite von 8 und einer Länge
von 12— 15 Lieues ſich ausbehnende, von den Gebirgen
des Forez und des Puy=des Düme umgrenzte, mit Schlöf:
fern, Dörfern und Städten gleihfam befäete, mit Frucht:
daͤumen, Weinbergen, Kornfeldern bededite Ebene; ſchon
im 4. Jahrhundert unferer Zeitrechnung fagte Sidonius
Apollinaris*) von bderfelben, daß fie den Meifenden fein
Vaterland vergeffen machte, und, nad) Gregoire de Tours
entriß fie dem König Childebert, als er fie an einem nes
beligen Tage durchreifte und deshalb nicht gebührend bes
wundern konnte, Ausdrüde des lebhafteſten VBedauerns. **)
Diefe herrliche Ebene nun bildet in ihrem mefllichen Theile
eine in das Gebirge des Puy-de-Doͤme hineintretende
Bucht, in welder auf einem vollftändig ifolirten Hügel
ſich amphitheatralifh Clermont, bie alte Dauptfladt der
Auvergne, exhebt. Nie hat eine finfterere, fchmuzigere,
winteltgere Stabt im einer lachendern, glänzenbern, reizen⸗
dern Umgebung gelegen. An allen Höhen um die Stadt
feigen Weinberge mit Gartendäufern, Schlöffer mit ſchat⸗
tigen Parks, Felder mit wogendem Korn empor, von allen
Thaltaͤndern fchauen freundtiche Dörfer einladend in das
Thal herab, das von dem gigantifchen Kegel des Puy⸗de⸗
Düme und feiner Kette voneinander abgefonderter Gipfel
wie von einem mächtigen Hüter und feinen Trabanten
überragt und gleihfam überwacht wird.
*) Quod hujns moli est et semel visup advenis, multis
patriae oblivionem saepe persuadeat.
*) Dicere enim erat solitus rex, velim ünguam arvernam
Lemanem, quas tanta jucunditatis gratia refulgere dicitur,
ecalis cornere.
Das nördliche Ende des die Stadt Clermont umfafs
fenden Hufeiſens von Bergen wird durd die Höhen von
Champ turgues und Les cötes gebilbet, an welchen dee
befte Wein des Landes unter den Strahlen bee Dorgens
und Mittagsfonne reift, das fübliche Ende ber Thalbe⸗
grenzung um die Stabt lduft in dem eine Stunbe von
derfelben entfernten Bergrüden und Plateau von Gergos
via aus; hierhin wandte ich am Tage nach meiner Ans
kunft in Clermont zunächft meine Schritte.
Sergovia ift ein Name, in weichem ſelbſt die Trabi⸗
tion der Zeit getrogt und dem umliegenden Lande ein ins
tereffantes hiftorifches Denkmal des Alterthbums erhalten
bat; denn ber Bauer bdiefee Gegend nennt den Namen
der Längft von der Erde verfhmundenen Stadt Gergovia
nicht weniger, als bie „Commentarien“ Caͤſar's ihn ber
Nachwelt aufbehalten haben; nur fagen uns diefe bis in
die kleinſten Einzelnheiten und in ber anziehendften Weiſe,
wie es fam, daß die Strahlen des bis dahin Überall fiegs
reihen Genies des römifchen Feldherrn bei Gergovia einen
Augenbli vor dem Kriegsglücde der für ihre Selbſtaͤndig⸗
feit ringenden Gallier ſich zu verichleiern fchienen.
Es mar ein herrlicher Sommermorgen, an welchem
ich die dunkeln Straßen von Glermont verlich und in bie
(achenden Umgebungen der Stadt hinaustrat. Mein Weg
führte mid zunaͤchſt nad dem mit feinen Daͤchern kaum
über den Stand feiner Rebenhügel hervorſch menden Dorfe
Beaumont hinauf. Mein Reiſegepaͤck beftand in einem
Cäfar’s „Commentarien” enthaltenden Duodezbaͤndchen, weis
ches duch die fleibigen Studien verfchiedener Schüler des
College royal oder des Petit seminaire feiner ſaͤmmtlichen
Eden beraubt worden war und welches ich, umter ander
literariſchen Schäßen, Tags zuvor bei einem Antiquar ers
flaxden hatte. Es war noch früh und die Sonne hatte
kaum Belt gehabt, den Thau von den in voller Blüte fies
henden umd die ganze Gegend mit dem lieblichften Dufte
esfültenden Weinbergen zu trocknen. Zur Rechten erhobene
meine Bilde fi) an den fchroffen, mit kurzem Rafen bes
deckten Flanken des Puy⸗de⸗Dome bis zu den Wolken
oder fie [chweiften über die ganze Gruppe abenteuerlichſt ges
flafteter vulkaniſcher Kuppen bin, welche von jenem Haupt⸗
berge ber Kette den Namen empfangen haben unb nicht uͤbel
dee von dem Profeſſor eines Vortrags in der Stercome⸗
trig neben dem Katheder aufgefleiten Sammlung von Pys
1846 ° .or
ramiden, Kegeln und Kugelabfchnitten gleichen; vor und
neben mir mwölbten ſich mit Landhäufern und Hütten ges
ſchmuͤckte Weinberge, links und ruͤckwaͤrts erweiterte ſich
mit jedem Schritte, den ich aufwärts an einer durch el:
nen Lavaſtrom gebildeten und durch die Zeit mit Erbe und
draͤftiger Vegetation bedeckten Erhebung bed Bodens that,
die Ausfiht auf bie Limagne, auf Glermont mit feiner
alle Gebäude überragenden folgen Kathedrale und auf die
in anmuthigen Linien den oͤſtlichen Horizont begrenzende
blaue Gebirgskette des Forez und auf die näher gelegenen,
bie Ufer des Allier bezeichnenden Berge; über dies ganze
Bild aber breitete fich ein Himmel, deffen tiefes Blau an
Stalien erinnerte.
Das Buch in meiner Taſche rief mir die Jahre der
Kindheit zuruͤck, deren Begleiter es geweſen war. Welch
langer Zeitraum lag zwiſchen ihnen und dem Angenblide
der Gegenwart! Und doch, wie traten die ernflen, dunkeln
Räume des Gymnaſiums, die eng zufammengerüdten mit
ben Erzeugniffen des fhaffenden und vermwüftenden Taſchen⸗
mefierd der Schüler, mit Namen und Zerrbildern bedediten
Tiſche und Bänke der Schuicaffen mir lebhaft wieder vor
die Seele! Wie oft hatte ich damals, die Wachſamkeit
des geftvengen Profeſſors täufchend, ber den ad margi-
nem mit Portraits meinee Schulgenoffen, mit Pferde:
und Kagenköpfen verzierten Cäfar hinweg febnfüchtig ver:
ſtohlene Blicke nach dem Fenſter gerichtet, wo, glücklicher
als ich, die Ranken eines Weinſtocks fidy frei und träge
in der Sonne fihaukelten, und mit wie andern Empfin:
dungen war id) jest, nach faſt zwanzig Sahren, zu dem
damals oft fo herzlich verabfcheuten Buche zurückgekehrt, mit
weichem Intereſſe verfprady ich mir, den Bericht des td:
mifchen Helden mit dem Schauplage feiner Thaten zu
vergleichen und wie beflügelte meine Schritte die Ungebuld
nach dem Ziele meiner heutigen Wanderung! So wird
alle Miffenfchaft immer erſt dann recht Lebendig, fo ent
wickelt fie erft dann ihren ganzen Reiz, ihre ganze Herr:
ſchaft, wenn fie zu der Welt außerhalb der Studirſtube
des Gelehrten in Beziehung tritt.
Ich hatte nach Verlauf einer halben Stunde Beau:
mont und von da aus in ebenfo kurzer Zeit das in einer
mit Gebuͤſch, mit Wiefen, Feldern und Weinbergen er:
fuͤllten Schlucht verborgene Dorf Romagnat erreicht und
in dem Klange diefes Namens eine erfte Andeutung auf
ben nahen, durch die roͤmiſchen Waffen claffiich geworde⸗
wen Boden gefunden. Hinter Romegnat fand ich am
Zuße der Höhe, auf welcher die alte galliihe Stadt Ber:
govia lag, am Fuße eines langen, faft völlig ifolirten
Bergrücens, welcher in Norden, Oſten und Weiten fleite
Abfälle und am denfelben einige wenige hier und da her:
vorbrechende Felſen zeigt, nur im Suͤdweſten durch einen
weniger fchroffen und weniger hoben Abhang und mittels
eines ſchmalen Bergruͤckens mit der ſich nach diefer Seite
hin ausbreitenden Hochebene zufammenhängt und im Suͤ⸗
- ben zwar tief, aber weniger jaͤh als auf alien andern
Seiten nah einem engen Thale abfällt. Die Höhe von
Gergevia ift trog ihrer bin und wieder bedeutenden Steil⸗
heit überall volkommen erſteigbar; ich folgee dem Wege,
welcher, nachdem man Romagnat paffiet hat, an ber
Weſtſeite des Berges zu dem darauf befindlichen Plateau
hinauffuͤhrt.
Ale Phänomene des Wetters tragen in ber Auvergne
den Charäkter einer wahrhaft convulſiviſchen SHeftigkeit
die Stimme des Donners macht dowt die Erde erzittern, der
Wind wirkt floßweife und mit der Kraft des Orkans und
der Himmel ſchickt den Regen gewöhnlich in uͤberſchwem⸗
menden Strömen auf bie Erde herab; baher find benn
auch rechts und links von dem Wege, den ich eben be⸗
trete, durch den Gervitterregen tiefe Spalten in ben Berg
gerifien, in welchen bald die horizontalen Schichten des
duch Anfhwenmung und Niederſchlag entſtandenen Ter⸗
rains, bald die den Kern der Höhe von Gergovia, mie
faft aller Höhen der Auvergne bildenden vulkaniſchen Er:
jeugniffe zu Tage liegen. Überall fleigen ferner an den
Abhängen von Gergovia, wie Riſſe oder Adern, lange
Anhäufungen lofen Gefteins herab, welches ber Fleiß ber
Bebauer diefes ungerwiffen Bodens auf den moͤglichſt Hei:
nen Raum zu befchränten geſucht hat; durch die Anle⸗
gung von Xerraffen ift jenes erſte Mittel der Urbarma:
chung vervollftändigt worden und diefe Einrichtungen geben
dem Berge von Haus aus ein eigenthlumliches Anfehen.
Anfangs fleigen Weinberge und Obftbäume neben dem
Manderer nach der Höhe hinauf; bald aber macht dieſe
Art der Cultur magern Kornfeldern und endlich einer
dürftigen Rafendede Pag. Auf dem ande des Pix
teau von Gergovia angelangt, vergißt der Meifende vie:
leiht im erſten Augenblide den Hauptzweck feines Be
ſuchs, fo herrlich iſt die Ausficht, Die feiner dort oben
wartet. Bu feinen Füßen hat er das liebliche Romagnat,
über das Dorf hinaus die auf einem Eegelförmigen hohen
Gipfel thronende Ruine von Montrognon, aus allen Faltın
des vom Puy⸗de-Doͤme nach der Ebene abfallenden Ge
birgs Fugen maleriſch gelegene und bie dahin verborgen
gebliebene Dörfer hervor, im Norden tritt Glermont auf
dem Hintergrunde der Höhen von Champ turgues und
Les cötes hervor, weiter rechts breitet die Limagne ihren
Reichthum in unabfehbare Kerne hin, während im Diten
die Gebirge des Forez, das Flußgebiet des Allier, im Eis
den ein bunter MWechfel von fonderbar geflalteten vulkani⸗
fhen Kuppen, von Ebene und Thal ſich darftellt, und im
Suͤdweſt die, troß der vorgefchrittenen Jahreszeit, noch
mit Schneeftreifen durchwebten Gebirgsmaſſen des Mont
d’or das Panorama fchließen.
Doc wenden wir nad diefer unwillkuͤrlichen Abſchwei⸗
fung unfere Blicke wieder dem Plateau, dem Gegenſtande
unferer befondern Betrachtung, zu. Daſſelbe dehnt ſich in
ovaler Form und in einer Länge von mindeftens 2000
Schritt vom Weften nah Oſten aus und mißt in fein
Breite oder vom Norden nad Süden ungefähr 900
Schritt; feine Höhe Über dem umliegenden Xerrain fol
1050 Fuß betragen.
Fruͤher war dies Plateau mit fpärlihem Graſe über:
zogen; feit zwanzig uhren erft ift es dem Anbau eröffnet
worden; die Befiger diefer Ländereien, die Bauern der ums
liegenden Ortfchaften, haben natürlich, um den ſchon an ſich
umbankbırten Boden ber Elke zugaͤnglich gu machen, die
Waffen von lofem Welten; das bis dahin den ganzen
Berg bedeckte, zur Geite räumen müfien. So find denn
über das ganze Plateau von Gergovia bin lange, mauer⸗
ähnliche Steinhaufen entſtanden; man iſt verfucht, aus
der Richtung der legtern, welche fich melft unter rechten
Winkeln fchneiden, auf die Richtung früherer Straßen zu
fhließen, denen, ald den natürlichen und bedeutendften Ans
baufungen der Steine, die ſpaͤtern Befiger des Grund und
Bodens beim Aufräumen des letztern gefolgt waͤren. Doc)
widerlegen die Refultate einiger im 3. 1765 angeftellten
Nachgrabungen die obige Aur auf ben Schein ſich grün-
dende Annahme; denn Münzen, Fundamente von Gebaͤu⸗
den, breite Pflaſterſtrecken, eine Wendeltreppe, die zu eis
nem Keller binabführte, In diefem Keller ein Brunnen,
in welchem man noch 12 Fuß tiefes Waſſer fand, Fin:
geringe mit gefchnittenen Steinen, Hausrath, Waffen von
Kupfer und von Eifen, alle diefe Gegenflände wurden nur
am füdöfllihen Ende des Berges aufgefunden und ſtellen
«8, bei der Armuth der übrigen Theile des Plateau an
ſolchen Schägen, außer Zweifel, daß die Stadt Gergovia
nur jenen Theil des Berges einnahm.
Auf jener Seite der Höhe find überdem bie Steine
größer und weiſen durch ihre oft regelmäßigen Formen auf
ihre frühere Verwendung als Baumaterial hin. Einige
ziemlich breite Wege, welche von Mauern aus lofen Stei:
nen eingefaßt werden und Über das Plateau in der Rich⸗
tung von Norden nah Süden binüberführen, find wol
auf die fpäteen Generationen vererbte Communicationen
der. alten Stadt; denn nichts burchfehreitet fo unangefochs
een die Jahrhunderte, als ein feinem Zwecke entfprechender
Weg, wenn niche befondere Sründe ihn unterbrüden, oder
feine Richtung verändern; was für Gründe aber hätten
jene urſpruͤnglichen Verbindungen über einen unter Truͤm⸗
mern begrabenen DBergrüden verändern follen, Verbindun⸗
gen, durch welche den Anwohnern auf beiden Seiten des
Berges eine wuͤnſchenswerthe Erleichterung Ihres Ber
kehrs erwuchs?
Aufgefallen iſt es mir, daß man an den zu Tage lie⸗
genden Steinen auf dem Borge keine Spuren des Moͤr⸗
tels findet. Sollte Gergovia, der Zradition und gefchrie:
benen Geſchichte zum Trotze, nur ein duch Mauern von
loſen Steinen befeftigtes Lager gerorfen fein? Oder, follten
die Wirkungen des Wetters im Laufe von faft zwei Jahr:
taufenden nicht die Spuren früherer Verwendung zu Bau:
ten an den Steinen verwifcht haben können? Die Äuße⸗
rungen Caͤſar's in feinem Berichte über Gergovia, die Er:
gebnifie der angeftellten Nachgrabungen und die zahllofen
Bruchſtuͤcke von Ziegeln und von Hausrath aus gebranntem
rothen Thon, welche man bei jedem Schritte unter den
Steinhaufen ‚findet, fprehen für eine dauernde Anfiebelung.
Mahrfcheintiche Überbleibfel ehemaliger Befeftigung find
die in faft gerader Linie den ganzen füdlihen und zum
Theil auch den ſuͤdweſtlichen Rand des Plateau beglei⸗
tenden Anhäufungen von Mauerſteinen, ferner ein das
ſuͤdoͤſtliche Ende des Plateau umgebender fünf bis acht
Fuß hoher Erdwall, dann eine mit wenigen Unterbrechun⸗
‚und öftlihen Seite binlaufende
nahme erſt einmal auf Menſchen
gen am Abhange des Berges, iwa 46 — 50 Ka unter
halb feines obern Randes, auf feiner weſtlichen, fuͤdlichen
ereaffe, welche, mit eis.
nee Ringmauer umgeben, ‚eine paflende zweite. Vertheidi⸗
gungslinie der Stadt bilden konnte. Sollte dort vlelleicht
die Mauer geftanden haben, von ber Caͤſar im fiebenten
Buche und ſechsundvierzigſten Gapitel*) fagt, daß fie etwa.
auf dee Mitte des Abhangs entlang lief und dem auf
diefer Seite zwiſchen ihr und der Stade fich ausbreitenden
‚Lager als Schugmehr biente ?
Das iſt die heutige Geſtalt des Berges von Gergovla,
von dem aus wir, mit dem Berichte Cafar’s in der Hand,
jeder Bewegung des vor der Stadt erfcheinenden. roͤmiſchen
Heeres folgen können. | 7
Die Beſchaffenheit des Terrains, d. h. die faſt unzu⸗
gaͤngliche Steilheit des Berges auf der Nord:, Oſt⸗- und
Weſtſeite und die fanftern Abfälle auf feiner Suͤdſeite
würden allenfalls allein darthun, baf gegen biefe letztere
der Angriff gerichtet wurde und daß das römifche Heer’
in biefer Richtung lagerte; die der Beſchreibung der Be:
lagerung treu entfprechende Form des Terrain flellt diefe
Annahme außer Zweifel.
Segen wir uns denn auf einem der großen Steine
nieder, welche auf dem füdlichen Rande de6 Berges übers
einander geworfen liegen und fuchen wir Caͤſar's Schll⸗
derung der Creigniffe vor Gergovia dem vor uns ausge⸗
bereiteten Schauplage anzupaffen. in doppeltes Intereſſe
feffett bei dieſer Beihäftigung unfere Aufmerkfamteit, das
ung mie Wirklichkeit nahe tretende MWiederaufleben jener
für da8 Leben eines ganzen Volks Hochbedeutenden Bege⸗
benheit einestheild, und die Prüfung des großen Heer⸗
führer als gewifienbaften Gefchichtfchreibers anderntheils.
(Dee Beſchluß folgt.)
Großes und Kleines.
„Die Stelle, wo ein Liebling der Götter einſt in Begeiſte⸗
rung geweilt, iſt uns auf immer heilig, aber welches Schickſal
vors und nachher .biefelbe Stelle berührte,: ift der Nachwelt
durchaus gleichgültig.” Diefe Worte, durch welche die Behaup⸗
tung gerechtfertigt fein foll, daß wir uns für bie fernen Schich⸗
fale der von Goethe begluͤckten und unglädiidy gemachten Fries
‚berfte Brion nicht intereflices müßten, lefe ich foeben in einer
ältern Nummer d. Bl. (Ne. 137), welche mir zufällig in bie
Bände fällt. Ich pflichte dem Deren, weicher bie ‚erwähnten
Worte geſchrieben hat, darin bei, daß „weder bie Literatur
noch bie Pfychologie merklich dabei gewinnen, weun wir erfah⸗
ren, was aus Prieberife geworden, nachdem Goethe fie verlafe
fen’, wie ich ihm auch darin beipflichte, daß „bie Bemühungen,
Spuren Goethes in Irrungen bed Herzens und Jugenderleb⸗
niſſen aufzuſuchen, uner quicklich“ feien, obgleich ich dieſen
Bemähungen beshatb doch nicht ihr. Intereſſe abſprechen mag;
denn es iſt allerdings ber Mühe werth, den WVerirrungen bes
Herzens nachzuforfchen, und Niemand gibt uns dazu volllommes
nere' Gelegenheit ale ber bebeutende Menfch, deſſen Leben, uns
Alten wichtig, offen bor uns baliegt. If aber umfere Theül⸗
worden, von been
wie allerbings wahridgeiniich nichts wiflen würden, wenn ihnen
nicht ihre Berührung mit einem bedeutenden Menſchen Bedeu⸗
"#) A medio fere colle in longitudinem, ut natura montis
ferebat, ex grandibus saxis sex pedum murum qui nostro-
zum impetum tardaret, praoduzmerant Galli.
tung für uns gaͤbe, ſo iſt es dann unmöglich, daß biefe. Theil⸗
nahme da ende, wo bie Berührung Jener mit bem bedeutenden
Menichen endet. Nicht Leicht wird Jemand „Wahrheit und
Dichtung‘ leſen, ohne bei ber Geſchichte des Berhältnifies zu
Zreicherite Goethen zu vergeffen und feine Theilnahme Friede⸗
site zuzumwenden. IR ihe aber ft unfere Theilnahme zuger
menbet, fo wibmen wie ihr biefe nicht mehr um Goethe's wüs
len, ſondern um ihrer felbft, um ihres Gluͤcks und Unglüds
widen, um bes menfchlichen Selbſt und menfchlichen Schickſals
wien, das ſich in ihr uns darſtellt. Es ift uns nicht mehr
eheiheättig, zu erfahren, was aus ihe geworben, ober — wir
müßten kein menfchliches Gefühl haben. Es Elingt fehr ſchoͤn,
ſehr — geiftreich, febr großartig — wie fol ich Tagen? — ſehr
beroffch, den gewaltigen, großen Menſchen in feinem Gieges:
wagen ftoly über bie taufenb Kieinen dabinfahren zu Laffen, die
er fühlios unter. den Rädern feines Wagens zermalmt. Aber
menſchlich, menſchlich ift es nicht, und in Wahrheit auch nicht
Denn bie wahre Größe achtet nichts klein. Man barf
mol anerkennen, daß die Größe Größe bleibt, ungeachtet ber
Zehler, weiche fie entftellen, wie die Sonne ungeadjtet ihrer
Flecken Sonne bleibt; aber bie Fehler und Flecken bleiben des
wegen body au was fie finb, Flecken und Zehler, unb man
darf fie nidht, wenn man nit umhin kann, fie zu feben, zu
Schoͤnheiten ftempein wollen. Man darf fig nicht über ben
Schmerz, den ihr Dafein hervorruft, mit einem Gemeinplag
binweghelfen, man darf nicht fagen, die Stelle, wo ein Eich:
ling ber Götter unhellig geweilt, bleibe uns heilig. Wenn bie:
Siehlinge der Götter fehlen, fo hören fie barum noch nicht auf,
Das zu fein, was fie finds aber ihre Zehltritte find dach nicht
das Göttliche an ihnen, nicht Das, worin fie ſich als Lieblinge
der Bötter zeigen. Nur die wilde Natur hat urfprüglich das
Recht Kr zerftören und im Zerftören groß zu fein.
unvernaͤnftige Bits ams ber Wolle herniederfährt, fo trifft er,
wohin er trifft, und es fällt uns nicht ein, mit ihn harüber
zu rechten, daß ex flatt etwa eines morfchen, unnügen Baums
vielleicht einen mit Gefühl und Geiſt begabten Menſchen gefälltz
wenn ber Sturm das Schiff zertrümmert und taufend lebende,
denkende Weſen in den Wellen begräbt, fo koͤnnen wir nur uns
dumpf entfegen und uns beugen vor ber blinden Bewalt. Wenn
aber der Eroberer, der gewaltige Sieger, das Süd zahllofer
und Menſ ellfchaften zertxetend, Länder mit Blut
dungend und die Fruͤchte menichlichen Fleißes und menſchticher
Kunft mit wilden Feuer verheerend feine Zwecke erreicht, fo
werben wie, wie ſehr wie feine Größe, bie Übermadht fein
Geiſtes, die Kraft feines Willens bewundern, uns nicht entha
ten koͤnnen, ibn zu baflen, und feine Thaten, bie bienbenben
umb großen, trufliſch ⸗boͤſe Thaten zu nennem. Und doch wirb
unfer Gefuͤhl auch in dieſem Falle nicht unbedingt berbammen.
Wir arten nicht auf das Gewimmer der Gterbenden, wir
fohen wicht ben Sammer der Leidenden an, wir haben nichts
ver Augen als bie große That und ihre großen Felgen: das
ungluͤck der Einzelnen wer bie natürliche Bedingung ſolcher
That. Wenn Krieg und Sieg fein follte, fo mußte Blut flier
Sen und Werberben wuͤthen; bas Ginzeine verſchwindet in ber
Groͤße des ganzen Greigniffes. Aber in bem Weſen bes Dichters
geiſtes liegt dieſes verheerende Element durchaus nicht. Wohnte
nicht in bem poetifch begabten Menſchen bie tiefere Glut der
Leihenſchaft, bie heftigere Grreabarkeit, fo kboͤnnte er freilich
Das nicht fein, was er iſt. Daher find wir geneigter, ihn zu
entfehuidigen, wenn er in „SIrrungen des $erzens” verfällt,
aber preifen, mit Liebe und Genuß betrachten, Heilig achten
tönnen wir, um feiner fonftigen Tugend, feiner Größe willen,
feine Werirrungen nicht; und nicht einmal überfehen, vor dem
Auge unfers Geiſteg verſchwinden laſſen können wir bas Weh,
das er gefliftet, denn es iſt Leine nothwendige Folge feiner
Groͤße. NRopoteon konnte nicht Rapoleon fein, ohne zu wuͤrgen
und Maffen Volks zu jeteeten, wie man Gewürm, das nicht
der Beqchtung werth iſt, unter feinen Fuͤßen zertritt; aber
‚Mir wuͤhlt
enn der ‘
GSoethe Konnte vollkommen Gagtho fein, alsms Fuickerile von
Seſenheim um ihren Frieden zu bringen. Ein Menfdenker
ift nicht eine „Stelle“, die, um heilig zu fein, eines Lieblings
dee Götter warten müßte, ber, wenn er fie betritt, auch wenn
ee ſie mit ſchmutigen YAßen beteitt, auch wenn er fie ihrer
Bierhen beraubt, Be dennoch jenes Vorzugs tbelibaft made:
ein Wenſchenherz iſt an ſich felöft Heilig. Es iſt dem fühlenden
Menſchen nicht gleichgültig, was aus einem Menſchenherzen, in
bas er einmal einen Blick gethan, noch weiter wird. Vielmehr
it es gleichgültig, wenn eine foldde Blume geknickt if, ob
Goethe fie geknickt bat, ober ein Geringerer. Das Menſchen⸗
berg mit feinen Leiden und Freuden iſt unferer Theilnahme ger
wiß. Setzet ja nicht die Blumen, die Goethe zerpflüdt hat,
weil er ein Menfch war und ebenfo fehr ſchwach als ſtark, ſetzet
biefe nicht als auch geheiligte mit in feinen unverwelklichen
Kranz. Er ſelbſt würde das nicht bulben, Goethe, ber das
arme Waldhlümchen „mit allen Wuͤrzlein außgrub und an das
Gartenhaus verpflanzte”, um es nicht tniden und wellen
zu machen; Goethe, ber auf bie heroiſche Bemerkung dei
Mepbiftopheles: „Sie ift die erſte nicht!” feinen Kauft antwors
ten läßt: „Bund! abfcyeuliches Unthier! ... die erſte nidt!...
ed Mark und Leben durch, das Glend dieſer einzi⸗
gen; du grinſeſt gelaffen über das Schickſal von Tauſenden
bin! ... Mir ekelt's! — Großer, herrlicher Geiſt, der bu mein
Herz kennſt und meine Seele, warum an ben Schandgefellen
—* in, ber fi) am Schaden weidet und am Berderten
ich legt?’
Ich bitte um Verzeihung wegen fo vieler Worte um eine
Sache, bie fi fo ſehr von ſelbſt verſteht. Aber ich habe, als
ih die am Cingange angeführten Worte las (die baͤßlichſte
Entftellung jener Goethe'ſchen, daß die Stätte eingeweiht fei,
bie ein guter Menſch betrat), der Enträftung, die mich zum
Reben zwang, nicht widerſtehen koͤnnen, und ich weiß wenig⸗
ftens gewiß, daB ich in ber Sache felbft Vielen aus ber Geede
geſprochen habe. G. Zulius.
Literarifhe Anzeige
Schriften von H. Koenig.
Bon Herrn Friebrich König in Banam habe id mit
Verlagsrecht übernommen und iſt en Buchhandlungen
von mir zu beziehen: '
William's
Döchton nad Sradten.
Ein Roman
yon
HH. Rovenig.
Zwei heile.
&r. 8. 1839. Geh. 4 Thir.
Bon $. Boenig exfglenen bereit in meinem Verlage:
Die Hohe Braut. Gin Roman. Zwei Theite. 8. 183.
Sch. 4 Thlr.
Die maidenfer. Ein Roman. Zwei Theile. 8. 18%.
. r.
wie ugtebet. Zrauerfpiel in fünf Aufzägen. 8. 1886.
e “ Te
Beginn. Gine Herzensgefcichte. Gr. 12. 1843. Geh.
1 Zr, 6 Nor.
Eeipzig, im October 1848.
SB. U. Brockhaus.
Berantwortligee Yeranögeber: Heintih Brodhaud. — Diud u Merlag von Fi A. Broadband in Leipyie
Blätter
fer
literarifdhe Unterhaltung.
Mittwoch,
Ein Spaziergang mit Caͤſar's „Gommentarien” in
der Taſche.
(Beſchluß aus Nr. Sl.)
Waͤhrend Caͤſar in Italien buch die Angelegenheiten
Roms in Anfpruch genommen worden war, batte ganz
Gallien ſich auf’ die Stimmen feiner Fuͤrſten erhoben, um
die römifche Herrſchaft abzuſchuͤtteln; Wereingetorig war
zum Dberhaupte biefee Schilderhebung ernannt worden.
Caͤſar hat auf die Kunde von folchen Ereigniſſen fofort
bie Alpen überfcritten und mehre Städte des im Auf
ftande begriffenen Landes find, uͤberraſcht durch das uner⸗
wartete Erſcheinen bes römifchen Heeres gefallen, no
ehe bie galifche Armee ihnen hat Hülfe bringen können; ' .
Vercingetorirx bat ſelbſt Avaricum, das heutige Bourges, a Verfolgung und zu einem Gefechte zu geben.
eine ber blühmdften, fchönften und volkreichſten Haupt: :
fläbte des alten Galliens, biefem Schickſale nicht entzie -
ben Lönnen; er bat ſich mit ſeinem Heere nach Gergovia
zurüdigezogen und bort verfchanzt. Mit der Belagerung
diefee Stadt beginnt der entfheibende Kampf, welcher,
nach der fpätern Einnahme von Aleſia und ber Gefangen:
nehmung des Bereingetorix, die vollſtaͤndige Unterjochung
der Salliee nach ſich ziehen fol. Caͤſar war, nach ber
Einnahme von Avaricum, am Ufer ded Allier hinaufmar⸗
fhirend dem gallifchen Desrführer gefolgt; Im der Gegend
von Gergovia angelangt, findest er ſaͤmmtliche Bruͤcken
über dem Fluß abgebrochen; ein gefchidtes Mandeuvre,
durch weiches er die Gallier über die Wahl des Über⸗
gangspunktes täufcht, laͤßt ihn dieſes erſte Hinderniß be⸗
[sen und wir finden alsbald das roͤmiſche Heer auf
m linken Ufer bes Alter wieder.
Wenn wir bier einen Blick auf das ſechsunddreißigſte
Capitel des fiebenten Buche werfen, leſen wir, daß ber
roͤmiſche Feldherr vom Aller aus erfi in fünf Lagern oder
Zagen wech Gergovia gelangte. *) Der Punkt, an mel:
dem Gäfar über ben Fluß ging, iſt nicht zu ermitteln;
bob muß man annehmen, daß berfeibe moch fche weit
unterhalb der heutigen lbergangspunfte ber Umgegend
von Gergovia lag, wenn nicht anders bie Ruͤckkunft der
jur Taͤnſchung des Vertingetorix am Fluſſe hinauf ent-
ſendeten Truppen den roͤmiſchen Feldherrn lange aufhielt;
denn der Allier iſt in gerader Linie nur zwei Stunden
*) Caesar ex 00 looo quintis castris Gergeviam pervanit,
Weges von Gergovla entfernt; das Städtchen Pont⸗bu⸗
Chateau ferner, das felt undenklichen Zeiten eine fleinerne
Brüde befaß, iſt vier und die Beine Stade Maringues,
ebenfalls «in Hauptuͤbergangspunkt, etwa acht Lieues von
Bergovia entlegen.
Ein durch den Gontremarfch der am Aller entfendes
ten Zruppen berbeigeführter Zeitverluſt ſcheint die natuͤr⸗
lichſte Erklärung des durch die Entfernungen fo wenig
begründeten Verzugs in der Bewegung des roͤmiſchen
eer6 gegen Gergovia; denn, als Cäfar fpäter von diefer
tadt aufbrach, flellte er die Bruͤcke Aber ben Aller
ſchon am britten Tage wieder her, obwol er feinen Marſch
moͤglichſt langſam ausführte, um bem Feinde Gelegenheit
kaſſen wir indeſſen diefen ſchwer zu erklaͤrenden Umftand,
da er den Begenfland unferer befondern Betrachtung nur
mittelbar berührt, beifeite, und richten wir unfere Blicke auf
bie enge Thalfchlucht, welche fih zu unfern Süßen, im
Süden von Gergovia, nach dem Flußgebiete des Aller
binabwinbet. Hier fällt uns zunaͤchſt ein von Wieſen
unb Se umgebener Edelhof in die Augen, deſſen
Name Julia uns, wie ein Erbtheil grauer Vorzeit, eine
Tradition, bedeutfam anfpricht.
Doch nehmen wir unfer Buch wieder zur Hand, um
bier, auf einem mit beftimmten Linien gezeichneten Schau:
plag, den Kampf zwifchen ben beiden ern aus dem
Dunkel der Vergangenheit heraufzubefchwören. ' u
Vercingetorix hatte fein Lager oben auf dem Berge
von Gergovia aufgefchlagen und an bie Stadt angelehnt,
auch die mit dieſem Berge in Verbindung flehenden —*
hen beſetzt, ſodaß ſein Heer in dieſer Stellung einen Ehr⸗
furcht gebletenden Anblick dacbot.**) über den Piag,
welchen das roͤmiſche Lager einnahm, gibt uns Cäfar_
feine fo beflimmte Auskunft; wie wiflen nur, daß bie
Lage des erflern den Galliern zwar geflattete, es einzuſe⸗
ben, daß fie aber der Entfernung toegen dennoch nicht
mit Sicherheit unterfchelden Eonnten, was in demſelben
*) Buch 7, GSapitel 53. . .”. castra morit. Ne tum gui-
dem insecutis hostibus, tertio die ad flumen Elaver pontem
refecit atque exercitum transduxit,
+) 7, Cap. W. Vercingetorix castris prepe oppi-
dum ——* sitis atque omnibus ejus jugi —*8* ocen-
patis qua despici poterat herribilem apeciem praebebat. _
1850
vorging. *) Nichtsdeſtoweniger teilen bie milltairiſche
Beurtheilung des Terrain und die Vorgänge ber Bela⸗
gerung dem roͤmiſchen Lager ziemlich fiher feinen Platz
an; daffelbe kann nur ſuͤdlich von Gergovia, von woher
der Angriff gegen die Stadt gerichtet wurde und, nach
den Srundfägen der Lagerkunſt, nur jenſeit des noch
heute im Thale hinabfließenden Wache Laufon und zwar
am Zuße der Gergovia gegenüber befindlichen Höhen des
Dorfes Creſt und des Pup = bes Monton gelegen haben.
Münzen, Truͤmmer von Krügen, ſelbſt Reſte von Waf:
fen, welche. im biefer Richtung nod Immer aufgefunden
werden, beftätigen diefe Annahme.
E86 lag im Angeſicht der Stadt und dicht am Fuße
des Bergs derfelben ein mohlbefefligter und nach allen
Seiten bin ſcharf abgegrenzter Hügel, berichtet Cäfar.
Wenn biefen, fährt ex fort, die Unferigen in ihrem Befige
hatten, fo ſchien es, daß fie dem Feinde einem großen Theil
feines Waſſer⸗ und Futterbedarfs abfchneiden konnten. “)
Diefer Högel liegt, durch feine Form noch heute ber
Beſchreibung Caͤſar's ganz entfprechend, wie ein Bollwerk
vor den Berg von Gergovia vorgefhoben; auf feinem
Sipfel fteht ein runder Thurm, den die Bauern nad
dem Plage auf dem Hügel La tour de la roche blanche
nennen; doch fol ihm früher auch der Name La tour
de Julia beigelegt worben fein.
Gegen den bezeichneten Hügel nun richtete Cäfar in
ber Stille der Nacht feinen erften Angriff und er hatte
die gallifche Beſatzung vertrieben, bevor biefelbe noch von
der Stadt aus hatte unterflügt werden koͤnnen. Zwei
Regionen ficherten als Beſatzung den von den Römern
eroberten wichtigen Punkt und ein doppelter Graben von
13 Fuß Breite, welcher das große und das neue Kleinere
Lager verband, geftattete felbft einzelnen Soldaten den
ungefährbeten Verkehr zwifchen beiden. ***)
Ein Verrath der Äduer ward in der eben unternom:
menen Belagerung von Gergovla Veranlaffung zu einer
Epifode, in welcher Caͤſar's Feldherrneigenſchaften größer
und glänzender als je hervortraten. Bemerken wir in
Beziehung auf diefen fih von unferer Aufgabe mehr ent:
fernenden Iwifchenact des vor Gergovia ſich entwidelnden
Dramas nur, daß Säfar, nachdem er mit dem größten
Theile der Belagerungstruppen in Eilmaͤrſchen die als
Feinde anrlidenden Hülfstruppen der Äduer erreicht und
zum Gehorfam zurüdgeführt hat, eben zur rechten Zelt
wieder vor Gergovia erfcheint, um feinen durch die Über:
zahl des Feindes faft erdruͤckten Unterbefehlshaber Fabius
zu retten.
*) Buch 7, Gap. 45. Haec procul ex oppido videbantur,
ut erat a Gergovia despectus in castra; neque tanto spatio
certi quid esset explorari poterat.
*#) Erat e regione oppidi collis sub ipsis radicibus montis
egregie munitaus atque ex omni parte circumcisus. Quem
si tenerent nostri et aquae magna parte et pabulatione libera
prohibituri hostes videbantur.
+) Buch 7, Gap. 36. Fossamgue duplicem duodenum pe-
dum a majoribus castris ad minora perduxit, ut tuto ab re-
pentino hostium incursu etiam ingali commeare possent.
Antereffant iſt es, ein bei Gelegenheit biefes Auf:
flandes der Äduer von Cäfar ausgefprochenes Urtheil uͤber
die Gallier auf ben Charakter der heutigen Kranzofen
vollſtaͤndig annendbar zw finden.
As die erſte Nachricht vom Wufftande bes Heeret bee
Übuer im Lande ber Iestera befannt wird — fagt der roͤmiſche
Feldherr — erwarten fie weiter keine Beftätigung einer fo wid:
tigen Neuigkeit; theils reißt fie die Begierde ſich zu bereichern,
theils das Ungeſtuͤm ihres Charakters, theils der Leichtfinn
fort, welder diefem Volke in fo hohem Grade ei:
gen iſt, daß es das unverbürgteſteSeruͤcht für eine
ausgemakhte Wahrheit nimme*) (ut levem auditionem
habeat pro re comperta).
Kann man etwas Treffenderes über die jegigen Fran⸗
zofen fagen!
Obgleich die Äduer zum Gehorſam zurückgekehrt wa:
ten, bielt Caͤſar diefen doch für fo wenig zuverläffig, daf
er die Belagerung von Gergovia aufzuheben beſchloß. Er
glaubte aber, zur Erhaltung des guten Geiſtes in feinen
Truppen und zur Vermeidung aller Misdeutung jenes
Schritts von Seiten der Gallier der Ausführung eine glän:
zende Waffenthat vorhergehen laffen zu müffen.
Weſtlich von der Höhe de la roche blanche, auf dee
Cäfar, wie oben erwähnt, fein neues Lager eingerichtet
hatte, befindet fich ein anderer Hügel, welcher bedeutender
an Umfang und höher als jener iſt; eine ziemlich tiefe
Schlucht trennt beide und endet oben an bem fchmalm
Bergrüden, durch welchen Gergovia mit ber Hochebene
im Welten zuſammenhaͤngt. Caͤſar hatte von feinem
neuen Lager aus bemerkt, baß jener zweite Vorberg von
Sergovia, nachdem er während mehrer Tage mit feindli—
hen Truppen förmlich bedeckt gewefen, plöglich von bie
fen faſt ganz entbloͤßt war. Durch üÜberlaͤufer und den
Rapport feinee Patrouillen bört dee roͤmiſche General,
wie ſehr die Gallier für den Beſitz biefes Punktes fürd
ten, defien Verluſt fie aller Sreiheit der Bewegung nah
außen beraubt und durch den Zuſammenhang ber Höhe
mit dem Plateau von Gergovia Stadt und Lager ſelbſt
gefährbet haben würde. Solche Gruͤnde hatten Bereinge:
torix veranlaßt, den betreffenden Punkt moͤglichſt ſchnel
befeftigen zu laſſen — daher die ſich anfangs darauf
brängende Menfchenmenge und die fpätere Abnahme ber
felben nach beendigter Befeftigung (f. Buch 7, Cap. 44 fe.).
Auf die Kenntniß diefer Umftände baut Caͤſar den Plan
eines Scheinangeiffs gegen ben von ben Galliern mit ſo
vieler Beforgniß im Auge behaltenen Huͤgel. Während
die Gallier nun, in Folge der Bewegung des Feindeé,
nach dem vermeintlich bedrohten Punkte in Maſſe bir
firömen und Lager und Stadt von Truppen enibloͤßen,
brechen die roͤmiſchen Legionen aus dem kleinen Lage
des Hügels de la roche blanche hervor und flürmen an
dem Berge von Gergovia gerade zu nad) ber Stadt bin:
auf. Die Gallier hatten in ber ganzen Länge des Ber
ges, und zwar auf dee Mitte des Abhanges, aub über:
einander aufgefchichteten Feloſtuͤcken eine fehe Fuß bed
Mauer errichtet. (Won derſelben iſt heute keine Sput
übriggeblieben, wenn nicht anders die den Abhang des
”) Bud 7, Gap. 43.
ai
auf biefee Seite bebdeckenden Truͤmmer bie Reſte
jener Conſtruction ſind.)
Im Laufe haben die Roͤmer das oben bezeichnete
Hinderniß erreicht und überſtiegen; ebenſo ſchnell iſt das
fi) dahinter ausbreitende Lager genommen und bie Stadt⸗
mauer beruͤhrt. Vergebens wird jetzt, da der Zweck des
Feldherrn erfuͤllt iſt, von dem kleinen Lager aus das
Zeichen zum Ruͤckzuge gegeben; eine tiefe Schlucht zii:
ſchen dem Lager und den Stürmenden (offenbar bie,
weiche wir unter uns zwiſchen dem Dorfe Merdogne und
dem Hügel de la roche blanche feheh) verhindert bie
Römer, den Ruf der Tuba zu hören, oder Kampfluſt
und Trunkenheit des Siegs haben die Disciplin erfchütz
tert. Miele haben bereits die Stadtmauer erfliegen; aber
die Gallier find ihres Irrthums gewahr geworben, bie
Zahl der herbeifenden Vertheidiger waͤchſt mit jedem Aus
genblide, während bie Römer, ſchon vom Laufe unb
Kampfe ermattet, ohne Unterflügung bleiben. So wer;
den denn die in die“ Stabt Eingedrungenen von ber Höhe
wieder hinabgeftürzt und 700 der Tapferſten büßen ben
kurzen Triumph mit dem Leben.
Nachdem Caͤſar noch während dreier Tage den Gal:
liern Reitertreffen geliefert hatte, brach er fein Lager ab,
um fich in das Gebiet der Äduer zu begeben, wo feine
Gegenwart dringend nöthig ward.
Ich hatte die durch ihre Klarheit und bramatifche Le⸗
bendigkeit fo unnachahmliche Schilderung der Ereigniffe vor
Gergovia, wie diefelbe der römifche Held in feinem Be:
richte uns vererbt, zu Ende gelefen; ich hatte den Kampf
der Heere in jede Schlucht, auf jede Höhe des vor mir
fliegenden Terrain verfolgen innen; ich hatte das Klir⸗
ven der Waffen, den Ruf ber Befehlshaber, den Huf⸗
flag der Pferde, den Klang ber das Toben der Schlacht
beherrfchenden Hörner zu hören geglaubt; jetzt ſchloß ich
mein Buch und der Zauber, der die Gräber zweier Jahr⸗
taufende einen Augenblick belebt hatte, wich den Erſchei⸗
nungen dee Gegenwart. Da lagen im Sonnenſchein
blühende, volreiche Dörfer um mid) herum, deren Plab
damals noch Fein Auge auserfehen hatte; auf den Kup:
pen, deren dicke Wälder einft die Bewegungen eines Deere
dem Feinde verbedit hatten, wogten jegt Kornfelder, prang⸗
ten Schlöffee und neue Städte, und von allen den Kraͤf⸗
ten, Leidenfchaften und Intereſſen, die fich bier einft fo
mächtig geregt und bekämpft hatten, bleiben als einzige
Spur nur die ſchwarzen, verworrenenen und formlofen
Trümmer einer von der Erde verfchwundenen Stadt
übrig. Und daſſelbe Schiefat, fagte ich mir, wird ſich
über alle Dem, was ich jest fo räftig und ficher um
mich entwidelt fehe, erneuern und abermals erneuern.
D wie klein ift Alles, was uns bier fo groß erfcheint,
wie wenig einer Thräne oder eines Laͤchelns werth. Ja,
nirgend fühlt der Menſch fo eindringlich und erfhütternd
feine Nichtigkeit als unter den Truͤmmern, in welchen
Welten fih auf Welten häufen, nirgend fühlt er fo
wie da das Bebürfnig, feinen Blick nad einem Höhern
zu richten, bad dem Innern heißen Drange nach Fort:
dauer Erfüllung verfpricht. Und wohl uns, biefer und
Zeiten bie Welt bededt.
vergönnte Blick, der unfer ſchoͤnſtes Eigenthum, ber
ſicherſte Buͤrge unferer ewigen Seele ift, —* kalt
und ruhig Zeugen der vernichtenden Gewalt des Geſetzes
der Natur ſein; er macht uns groͤßer und ſtaͤrker um
die ganze Maſſe der Ruinen, mit denen der Gang der
W. v. R.
|
Literarifhe Notizen aus Frankreich.
Sapefigues Gharakteriſtit berühmter Diplomaten.
Eeſer dee „Revue des deux mondes” werden eine Reihe
eingelner Aufläge aus der fruchtbaren Feder Gapefigue’s bemestt -
haben, die durch einige Jahrgaͤnge biefer trefflichen Zeitſchritt
hindurchlaufen. Capefigue gab in denſelben zum Theil recht
gelungene Portraits und Gharakterifiiten verſchiedener Gtaats«
männer. Mir erhalten gegenwärtig biefe einzeinen Skizzen in
einem Werke vereinigt, das den Zitel führt „Les diplomates
europeens”. Zu den beften Partien rechnen wir Pozzo di Borgo,
mit bem ber Verf. in häufige Berührung gekommen ift, Riche⸗
lieu und Caſtlereagh. Weniger. befriedigt haben uns bie GCha⸗
rakteriſtiken Metternich 6 und Hardenberg's, doch mag dies
Sache eines individuellen Urtheils fein, das wir Niemandem
aufbringen wollen. Außerdem werben in biefem Werke noch
Talleyrand, Pasquier, Wellington und Neffelrobe gezeichnet.
Wir wilfen nicht ‚ weshalb Kapefigue nicht auch Ancillon, dem
er in einem früheren Jahrgange der „Revue des deux mendes”
einen recht leſenswerthen Artikel gewidmet hat, hier mit er⸗
ihn —— , daß F den Inaen Erzieher des jetzigen
igs von Preußen mehr als ehrten und Philoſo
als Diplomaten gelten läßt. ’ Philoſephen denn
Artiſtinſches.
Es iſt uns vor kurzem die erſte Lieferung eines großen
Kunſtwerks zu Geſicht gekommen, auf das wir ung. beeilen
wollen, aufmerffam zu maden. Wir meinen eine „Galerie
complete des tableaux des peintres les plus celäbres de
toutes les epoques’‘. Dieſes großartige Werk fol, wie ber
Zitel fagt, das Wichtigfte aller Schulen und aller Zeiten ums
faſſen. Man kann fich einen Begriff von feinem Umfange mas
Ken, wenn man erfährt, daß allein 1300 Kupfer gegeben werben
follen, von benen jebes mit erläuternden Notizen und biographi⸗
hen Angaben "begleitet fein wird. Für die gute Ausflattung
bürgt der Name ber Buchhandlung, von der das Unternehmen
ausgeht. In ber That ſcheint Dibot, nach biefer erften Lieferung
zu uctheilen, die erften Künftter für bdiefe Arbeit gewonnen zu
haben. Auch der Zert hat uns, fo viel ſich aus einer flüchtigen
Durchſicht entnehmen läßt, zweckmaͤßig und genügend geſchie⸗
nen. 8.
Bibliographie.
Alt, H., Der hriftliche Gultus nach feinen verſchiedenen
Entmidelungsformen und feinen einzelnen Theilen hiſtoriſch dar⸗
eftells. Mit zwei Nachträgen über das chriſtliche Kirchenjahr
und über den Firchlichen Bauftyl, fowie mit ausführlichen Ins
baltswerzeichniffen und Regiſtern verfehen. Berlin, G. W. 8.
Mulkr. Gr. 8. 2 eh 2 Nor.
uerswalb, X. v., Der Preußifche Huldigungs⸗Landta
im Jahre 1840. Königsberg, Gebr. Bornträger. — 10 Nor
Bechflein, L., Shüringen in ber Gegenwart, Gotha,
Berlags:Somptoir. Gr. 8. Nar.
Siſchoff⸗Widderſtein, China, ober überſicht der vor⸗
zuͤglichſten geographiſchen Punkte und Beſtandtheile des chineſiſchen
Reichs; nebſt einer kurzen Beſchreibung der Naturerzeugniſſe
der vorzuͤglichſten Staͤdte und ihrer Merkwuͤrdigkeiten, bed Cha⸗
rakters, Gewerbfleißes und Handels, ber Kuͤnſte, Sprache, Wie
ſenſchaften, Religion und Gebraͤuche des Volks, auch einer kur⸗
zen Schilderung der Geſete, der Regierungsverfaſſung und der
Görifioterpe.
das Zahr 1844. Herausge
And. v. U. Knapp. Wit 2 Kupfern
ter. 81.8. 1 Ihie. 22%, Nor.
Dombaufleine. Ron einem Bereine deutſcher Dichter
und Künfller. Als Beitrag zum Ausbau bes Kölner Doms.
Karlsruhe, Artiftifches Inſtitut. Gr. Ler.d. 4 Thirx.
Ehret die Frauen. 1844. Mit 12 Stahlſtichen. London,
Aſher und Comp. Lex.B. 4 Ahlr.
Grasmus Agricola. Roman in drei Buͤchern. Liegnitz,
Strempel. 8. 2 Zhlr.
Erdmann, F. v., Muhammed’s Geburt und Abrahah’s
. Zer Feier seines 3öjährigen Dienstjubiläums als
erdentlicher Professor der arabischen und ischen Sprache
seinen Freunden gewidmet. Berlin, Logier. Gr.8. 10 Ngr.
-Borfter’s, &., ſaͤmmtliche Schriften. Heransgegeben von
defien Tochter unb begleitet mit einer. Charakteriſtik Forſter's
von &. ©. Gervinus. (In 9 Bänden.) Ate Lieferung. (2ter,
Ster u. ter Band.) Leipzig, Brockhauts. Gr. 8. 3 hir.
Frauen⸗ Album. Wit Beiträgen von Ph. v. Wet:
tingh, SH. Livonius, Mary Rubrea, Ida dv. Merkei
und Janny Tarnow. IfterBanb. Kaffel, Hotop. 8. 1Thir.
Nor.
Fäsıll, W., Die wichtigsten Städte am Mittel- und
Niederrhein im deutschen Gebiet, mit Bezug auf alte und
neue Werke der Architektur, Sculptur und Malerei charak-
terisirt. Fortsetzung des Buches: „Zürich und die wich-
Ugsten Städte am Rhein‘, oder 2ter Band über rheinische
Kunst, enthaltend Behilderungen von Mainz, Wiesbaden,
Wrankfert, Coblens, Bonn, Cöin, Aachen und Düsseldorf,
, Literarisches Comptoir. 8. 2 Thir. 28%, Ner.
Girardet, Prebigten. Aus deſſen Handfchriftlichem Nachlaſſe
ansgewählt und mit einer Vorrede biographifchen Inhalts begleitet
von E. B. Kohlſchuͤtter. Dresden, R. u. W. Kori. Gr. 8.
1 Str. WO Nor. ,
- Ber, 3. A., Die eiſerne Jungfrau im rothen Spuzme
e
Wien, ober das Macheopfer ber geheimen Richter.
uergefchichte verfloffeneer Jahrhunderte. Mit Stahlſtich.
Wien, Bauer und Dirnböd. 8. 20 N
Gruppe, D. F., Garl Friedrich Finkel und der neue
Derliner Dom. Rebſt Schinkel's Bildniß und einem Grundriß.
Berlin, E. G. Eüderig. Gr. 8. 1 . 3% .
Bopp, F., Doctor Fauſt's Hauskaͤppchen, ober: Die
Herberge im Walde. d e mit Geſang in drei Aufjügen.
Bien, Wallishauffer. Br. 8. 15 Nor.
Irving, 8., Biographie ber jungen amertlanifchen Dich⸗
Wein Margarethe M. Davidfon. Aus dem Engliſchen. Leipzig,
VBrockhaus. Gr. 12. 18 Rear.
Zäger, A., Das Leben des Fuͤrſten von Puͤckler⸗Muskau.
H dem Mitte des Fuͤrſten. Stuttgart, Metzler. Gr. 3.
‘ gr.
rbuch deutſcher MWähnenfpiele. ausgegeben von F.
* Pr Berlin, Bereins:
Jenny. en ber Werfeffnin von ‚„Altmenting”. Zweil
Theile. Leipzig, Brockhaus. Gr. 12. 3 Thlr. 15 Re
Subilars Album der Univerfität Grlangen. ausge⸗
geben von Th. Koch und K. Koͤler. Auch unter dem Titel:
Mittheilungen aus dem. Stubententeben. Mit 3 Lithographien.
Erlangen, Bläfing. Wr. 8. 33% A
Läpplinger, Chriſtiane, Seſchreibungen über bas
Welen ber Gottheit, der menfhlichen Ratur und der criſtlichen
Religion. Gewidmet allen chriftlich gefinnten Freunden unferer
Beit. Zwei Zheile. Heilbronn, Ciaß. 8. 1 Thir. 30 Rear.
Rohlraufd, 8. , Die deuffche Geſchichte für Schule und
Haus. Läte verbefferte und ſtark vermehrte Auftage. In brei
een. Iftes Heft. Leipzig, Friedlein und Hirſch. GEr. 8.
gr.
dangenberg E., Das Weſen bes Sages und beſſen
Theile. Leipzig, O. Wigand. Gr. B. 6 Wer.
Löffel, H., Wort und Leben. Betrachtungen a bem
Evangelium St.» Mattpäi. Berlin, Thome, Gr. 12. 1 Thir. MW RRgr.
‚.. „Maiblumen des jungen inaviens. Aus dem Schwe-
dischen übersetzt von U. W. Dieterich. Stockholm. Gr. 12,
gr.
Norwegiſche Romane und Novellen. Ins Deutfdye über
tragen von Iulins Babricius. After bie Iter Band ı Pos
lytarp's ſupplirte Manufcripte oder eine Familiengeſchichte von
M. 6. Danfen. Drei Theile. Leipzig, Kollmann. Gr. 16.
3 hir. 20 Nor.
Sarahaga, ©. v., Vollſtaͤndige Darftellung ber Streits
ſache zwiſchen Freih. 3. G. v. Ravensburg und Hrn. ME.
v. Daber, fowie des daraus entſtandenen Duelld bes Erſtern mit
HOrn. v. Wereflin, wie fie vor Bericht niebergelegt wurbe. Mit
erläuteenden Documenten. Ate Auflage. Karlsruhe, Madtot.
r. 8. 7% Ror.
Das of Limburg, ober bie beiben Befangenen. Luſt⸗
fpiel in zwei Aufzügen. Nach dom Franzoͤſiſchen des Hrn. Dar:
ul er 17h „gearbeitet, 2te Auflage. Wien, Ballishaufler.
r. 8. gr.
Schneibawind, 3. 3. A., Der Krieg Öfterreich® ger
gen Frankreich, beffen Alliirte und ben Rheinbund tm 3. 1809.
‚ Ober ausführliche Befchichte der Feldzuͤge in Deutſchland, Ita:
lien, Polen und Holland; der Infurrectionen Tyrois und Bor
arlbergs; der Aufflände in ber Altmark und in Heſſen und ber
Züge des Herzogs Wilhelm von Braunſchweig und bes Majors
B. vg & in 3. 1809. Iter Band. Schaffhaufen, Hurter.
r. 8. r.
Schoͤnhuth, O. F. H., Geſchichte Rubolph’s von Habe⸗
bunt , Anis. ber Deutichen ‚ —— nad —— — und
meiſt g eitigen Quellen. Flei⸗
ſcher. 1844. Gr. 16. 2 Thlr. 85
Sähwend, 8, Die Mythologie der aflatifchen Voͤlker,
ber Ägnpter, Griechen, Römer, Germanenund Slaben. IfterBanb:
bie anptpologfe per —* fuͤr ae und bie flubirembe
ugenb. i ographirten Tafeln. ankfurt a. IR
Sauerländer. Gr. 8. I Sir. 10 Rgr. Geanttur ”
‚ Softmann, Wilhelmine, Freund und Bruder: ober:
die Deren von Beauvours. Roman in zwei Bänden. Braun:
ſchweig, Meyer sen. Gr. 12. 2 Thir. 15 Nor.
„Suppläments au Peintre- Graveur de 4. Bertsch, re-
oueillis et publies par R. Weigel. Tome 1. Peintres et
dessinateurs neerlandais. Leipzig, R. Weigel. Gr. in-12.
2 Thlr. 20 Neger.
VielsGaftel, Graf d., Albert von Et. Pouance. Ine
Deutſche übertragen von Fanny Tarnow. Zwei Zeile.
kelpug Kollmann. 8. 2 Ahlr. 7% Nor.
ogt, &., Am Gebirge und auf ben Gletſchern. Solo⸗
thurn, Ient und Gaßmann. 8, 1 Zhle. 71, War.
Wirtd, 5, Der Heliokon und das eftliht ober Das
mirg: Phänomen von 1849. Wuͤrzburg, Wolgt und Worker.
@r. 8 12% Nor.
Berantwortliher Derauögeber: Deinzih Broddaud. — Drud uud Werlag von J. A. Brochaus in Leipzig
Blätter —
“für
literariſche Unterhaltung.
Donnerstag,
nn nr aber nn er rung Ga rn en en nn rn a ar m er m 4 m Me RT m no. Ben ann rn
Über den Urfprung des Theaters in Italien.
Wenn irgend eine Sefchichte, eine Kunft in Hinſicht
auf die gänzliche Entfernung derfelben von ihrem ur:
ſpruͤnglichen Weſen umd ihrer Beſtimmung eine merk;
würdige genannt werden kann, fo iſt es bie Geſchichte
der dramatifchen Kunfl. Das Theater hatte feine Wur⸗
zel in der Religion, es diente bei den Griechen lange Zeit
ausfchließlid, der Religion, und war ein weſentlicher Theil
des Cultus. Dod in dem Maß als fich die dramatifche
Kunft ausbildete, emtfernte fie fich von ihrer urfpränglii:
chen Beflimmung, und wenn in der legten und fhönften
Zeit griechiſcher Culture noch Göttergefchichten auf der
Bühne dargeftellt wurden, fo geſchah die® nicht fomol
zum Dienft der Religion, fondern im Gegentheil die Mes
Ugion diente mit ihrem mannichfaltigen böchft plaſtiſchen
und dramatifchen. Stoff dem Schaufpiel. Bon den Rd:
mern, die früher ber dramatiſchen Kunft ganz fremd wa⸗
ren, iſt es bekannt, daß fie dieſelbe zuerſt durch den Bots
tesdienft kennen lernten, indem. fie bei einer Peſt, die
allen andern weltlichen und geiftlihen Mitteln nicht weis
chen wollte, zulegt die Hiſtrionen aus Etrurien kommen
tiefen, um durch ihre Darfielungen den Gottesdienſt zu
verotelfältigen und dem Zorn der Götter zu befänftigen.
Auch bei ihnen trat die Bühne nach und nach ganz aus
ihrer urfpränglichen Bahn heraus, und die Luftfpiele des
Terenz haben fhon nicht die geringfle Beziehung zum
Sultus mebe. Die Italiener hatten alfo fhon in ben
älteften Zeiten Theater gehabt, und waren bierin nebft
den Griechen Lehrer der Römer geworden. Diefes heid⸗
nifche Schaufpiel und Überhaupt der Sinn dafür wurde
mit der Ausbreitung des Chriſtenthums nad) und nad
völlig aus der Cultur ausgemerzt, und aus bee Heftigkeit,
mit welcher die Kirchenväter gegen den Beſuch des Then:
ters eiferten, läßt fi abnehmen, welchen Einfluß dieſes
auf die Richtung der Volksbildung gehabt habe. Die
chriſtliche Cultur mußte alfo von diefer Seite von vorn-
anfangen, und obgleich fie die vollendeten Muſter ber
dramatifchen Kunft vor Augen hatte, fo befolgte fie doch,
eben wegen diefer gänzlichen Lobfagung vom Heidenthüm,
denfelben langſamen und alfmäligen Gang, den das Theater
auch bei den Griechen durchgemacht bat. Wie bei diefen
entwickelte es ſich nad und nach aus den Firchlichen Auf:
zuͤgen, Proceffionen, man nahm nad) und nach die Mi⸗
. weniger Philofophen.
ren daher nichts Gemachtes, nichts Abfichtliches, zu einem
Zweck Vorbereitete® oder Verabredetes, fondern der na⸗
tuͤrliche und ungezwungene Ausdrud eines allgemeine
Gefuͤhls, das Alle zugleich erhob und begeifterte, un®
9. November 1843,
mik zu Hülfe, und gab lebendige aber ſtumme Gemaͤlb⸗
aus ber biblifchen Geſchichte oder aus dem Leben ber
: Heiligen. So trat diefe Kunſt für eine lange Zeit in
diefelbe Bahn, und befofgte dieſelbe Beſtimmung wie bei
den Griechen. Sie gab dem Gottesdienſt eine gewiſſe
Pracht, befchäftigte die Phantafie, diefem mächtigen Hebel
des Willens, ungemein durch religiöfe Borftellungen, nährte
und belebte bie Andacht, und diente als Ausbrud der all⸗
gemeinen Sefinnungen bed Dante, der Kreude und Ver⸗
eherung gegen einen Heiligen. Es läßt ſich dabei ein ges
wiſſer Unterfchied zmifchen der alten umb neuen Entwides
‚lung nicht verfennen. Die Griechen. hatten einen Cul⸗
‚tus der Natur, in den jebes Individuum auf gleiche Art
eingeweiht war. Sinnlichkeit war bie Grundlage und
das Gefühl der Leiter diefes Cultus; der gelftige Antheik
blieb ausgefchloffen und wirkte nur in den Geheimnifſen
Die religioͤſen Darftellungen was
wie fih aus biefen ſymboliſchen BDarftellungen nad und
nach das Schaufpiel entwidelte, fo ging auch das ganze
Volk in feiner Entwidelung mit fort, bie bramatifche
Kunſt blieb fortwährend allgemeines. Eigenthum, iber .
Ausbildung war ein Theil der nationalen Ausbilbung,
und in bdemfelben Zeitpunkt, wo die Tragiker ihre Mei⸗
ſterwerke in den Olympiſchen Spielen vorlafen, war auch
ſelbſt das gemeine Volk an derſelben Stelle feiner hoͤch⸗
ſten Cultur angelangt und konnte in dem: poetiſchen
Wettſtreit zu Gericht ſitzen. Das Chriſtenthum war dage⸗
gen ein rein geiſtiger Cultus, der alle Vorſtellung und
Thaͤtigkeit in das höhere Gebiet der Abfktactionen hinauf⸗
309; feine Dogmen, in die nur wenige Gelehrte einges
weiht waren, entfernten es ganz von dem Volk, deſſen
finnlichee Natur man doch zuletzt durch eben jene allego⸗
sifhe Datſtellungen die Kehrfäge nur fehr unvollſtaͤndig
beibringen konnte. Diefe finntihen Anfhauungen muß⸗
ten bald misverftanden werben, da bee Schlüſſel dazu
nur einer geringen. Elaſſe gehörte, die noch dazu, durch
unreine Nebenabfichten verleitet, mit unbebingter Macht
die Wolfsbifdung nieberbielt. Als daher ber Zeitpunkt
gelommen war, wo nach dem nathriihen Bang, den bie
1254
griechifche Kunſt befolgte, das Schaufpiel ſich durch jene
Darftelungen entwideln follte, fand es fi, daß bie
gleichmäßige Höhe nationaler Bildung, jenes weite Geld
einer allgemeinen Denk: und Gefuͤhlsweiſe, eines gemein⸗
ſchaftlichen Sehnens und Strebens, worin allein ein
Genie aufleimen und fih zum Schaffen zeitgemäßer na:
tionaler Werke begeiftern und nähren kann, gaͤnzlich fehlte.
Das Volk ergögte fih an Poffen und an Darflellungen,
die durch ihre Beilage, duch Pomp und frembartige
Zwecke ganz ihre urſpruͤngliche religiöfe Natur verloren
hatten, und bie Gebildeten waren ganz aus ihrer Zeit
und Sphäre geruͤckt, und Bammerten ſich aͤngſtlich an
die Alten, oder brachten, wenn fie original waren, ganz
wunbderliche Werke hervor, woran weder ihre Zeit noch
ihr Volk zu erkennen war. \
Tiraboschi gibt fich eine ganz unnoͤthige Mühe, um,
genau zu ermitteln, wann das regelmäßige Schaufpiel
feinen eigentlichen Anfang genommen hat. Es entitand
eben nach und nad aus den Dialogen ber allegorifchen
Aufzüge, in fo unmerklichen Abftufungen, und bie reli⸗
gioͤſen Darfellungen dauern dabei immer noch fort, daß
kein eigentlihes Merkmal die Abgrenzung beider genau
beſtimmt. Der Geſchmack an Aufzlgen war durch den
pomphaften, Cultus immer wach gehalten; leichter Sinn,
Meichthum und Lurus hatten bdiefen Geſchmack immer
mehr befördert, und viele heitere, ſelbſt ausgelaffene reli⸗
giöfe Hefte entweder noch von den Römern angenommen
oder hinzugefügt, wie das Garneval, eine italienifhe Er:
findung, das Nareenfefl, von bdeffen Feier in Konſtanti⸗
nopel die Nachrichten bis ins 10. Jahrhundert hinauf:
zeichen, das Eſelsfeſt, das Feſt der Unfchuldigen u. ſ. w.
Als aus dem Chaos ber Völkerwanderung fich eine regel:
möäßigere Politik gebildet hatte, und eine gewilfe Ruhe
und Ordnung in das gefellfchaftliche Leben gekommen
war, erwachte ganz befonder6 dieſer Geſchmack an Aufzuͤ⸗
gen, und die Kirche, weiche fi) damals jeder Richtung
bemächtigte, führte diefelden in den großen Proceffionen
an den Sefttagen der Heiligen ein. Diefe Aufzüge bei
den großen Proceffionen waren zuerft blos flumme mimi⸗
ſche Darftellungen aus dem Leben der Deiligen, und fie
haben fich als ſolche lange erhalten, ſelbſt als die Blüte
des italienifchen Theaters längft vorüber war. So bes
ſchreibt Riccoboni (‚‚Reflexions sur les differents theätres
de l’Europe”, S. 73) eine ſolche Procefjion, bie er am
Frohnleichnamsfeſte in Genua aufführen ſah. An ver
ſchiedenen Pläpen der Stadt waren in den Straßen,
duch welche der Bug ging, Theater aufgebaut, in wels
hen in dem Moment des Vorbeiziehens von Prieftern
oder Schuͤlern oder andern Perfonen eine Scene aus dem
Alten oder Neuen Teftament aufgeführt wurde. Auf
einem von ben Fiſchern errichteten Theater zeigte ſich das
Meer; Chriftus befahl duch Mimen den Apofteln ihre
Tepe auszumwerfen, und in dem Augenblid, als das Sa⸗
crament vorbeigetragen wucbe, zogen die Apoſtel ihre
Netze heraus, die mit einer Menge vorher in das Meer
geioorfener Fiſche angefllit waren. Riccoboni führt noch
äbnliche mimiſche Darflelungen an.
Bei diefen Aufzuͤgen konnte der Lebendige Geiſt ber
Italiener leicht auf den Gedanken kommen, den allegori=
fen Figuren audy Dialoge zu geben, die ſich zuletzt zu
einem abgerundeten Ganzen zufammen reihten. Wenn
man bie Proceffionen, die die Leidensgefchichte Chriſti
vorftelen, in ihrer langen Folge von Bildern mit einem
Epos vergleihen könnte, fo lag die Idee ſehr nahe, ih⸗
nen in der Form des Drama mehr Anfchaulichleit und
fomit mehr nachdrüdtichere Wirkung zu geben. So ent:
fanden, abgeſondert von ben Proceffionen, die dramati⸗
fhen Darftellungen verfchledener Gegenflände aus der
biblifchen Gefhichte und den Legenden, welche man im
Allgemeinen Myſterien nannte. Dan fcheint die Sache
anfangs ſehr ernfl genommen und als gutes Mittel ber
Belehrung für das gemeine Volk betrachtet zu haben,
dem darin von feinem Chriſtenthum fo viel beigebradyt
wurde, als ihm zu faſſen erlaubt war. Daher wurben
fie von den Prieftern, Minden ober Pilgrimen in Kir:
hen oder auf Kirchhöfen aufgeführt, und zwar in lateis
nifcher Sprache, die man damals zu allen Werken ges
brauchte, die ein aufrichtiger Ernft ins Leben gerufen hatte.
Die Gegenftände der Darftellung waren fehr verfchieben,
und nad ihnen erhielten auch bie ‚Darftellungen ſelbſt
verfchiedene Namen. Die Myſterien aus dem Alten
Teflament hießen Figure, die aus dem Neuen Vangeli,
bie Slaubensartilel wurden mit dem allgemeinen Namen
Misteri benannt, einzelne Thaten aus dem Leben der
Heiligen wurden in Esempü, ihr ganzes Leben aber in
Istorie oder Commedie spirituali vorgeftellt. Doch kom:
men alle diefe Benennungen nicht auf den Titeln, fondern
erft im Lauf des Sthds vor, und vorn ſteht nur der
allgemeine Name Rappresentazione.
In der Zeit, da fich die italienifche Sprache geltend
machte, und folglidh der Nationalcharakter felbfländiger
bervortrat mit feiner Leichtfertigkeit und Oberflächlichkeit,
konnte der bloße Ernſt nicht mehr der einzige Volkslehrer
fein. Das Latein flüchtete fi in die gelehrten Gefell-
fhaften, und die vulgäre Sprache, bie fih in dem Ideen⸗
Preis ber Provencalen gebildet hatte, diente einer niedri⸗
gen Sphäre biefer dramatifchen Kunfl. Die Myſterien
erhielten neben ihrer frühern ernfien Beflimmung nun
auch den Namen und Charakter von Farcen, worin be:
fonder6 die Beluſtigung des Volks bezwedit wurde. Zwi⸗
fhen den Geſpraͤchen fchaltete man Geſaͤnge ein, und bes
fonder6 erhielt der Teufel die Rolle des Poffenreißers.
Diefer Hang zum Poflenhaften trat fpaier immer mehr
hervor, und machte ſich neben der heiligen Tendenz fo ſehr
geltend, daß man nicht nur nad) der ernften Darfielung zue
Abfpannung bes gefleigerten Gefuͤhls eine Poffe zum beften
gab, fondern auch In den Myfterien felbft das Trivialſte
mit dem Heiligen ohne Sinn und Geſchmack vermiſchte.
Einige ſolche burleske Farcen von Pietro Antonio Garacs
ciolo, welche in Neapel zur Zeit des Könige Ferdinand L
aufgeführte wurden, bat Napoli Signorelli befchrieben
(„Vicende della coltura nelle Due Sicilie”, Th. 2, 8.364).
(Die Bortfetung felgt.)
1285
Leben und Sterben. Mittheilungen aus dem Tagebuche
eines Geiftlichen. Herausgegeben von Ambrofius.
Erſtes Baͤndchen. 1839. Zweites Bändchen. Heraus:
gegeben von C. A. Wildenhahn. Leipzig, Gebhurd
und Reisiand. 1843. 8. 1 Xhle. 7'% Nyr.
„Rachfolgende Blätter enthalten Erlebniſſe aus dem ſpe⸗
ciellern Wirken eines Landgeiſtlichen!“ verfichert der unbefannte
Herausgeber des erften Baͤndchens in ber kurzen Borrede. Diefe
Griebniffe find einfach, wie fie im Tagebuche des wadern Pfars
rers niedergefchrieben worben, mitgetheilt, und werden nicht
blos jungen Geiſtlichen, fondern auch andern Belehrung und
Grbauung fuchenden Gemäthern eine fruchtbare Unterhaltung
gewähren. Bier genügt eine kurze Anbeutung des Inhalts.
Die 17 Abſchnitte des erften Bändchens find von fehr uns
gleihem Gehalt. 1) Zreubigkeit im Zode. Gin junges Weib,
eine gluͤckliche Gattin flirbt mit bewundernswuͤrdiger Freudig⸗
keit, an der die Sehnſucht nach ihrem vorangegangenen einzi⸗
gen Kinde nicht geringen Antheil hat. 2) Das gebrochene Herz.
Eine Witwe, von ihrem Verfuͤhrer ſchmerzlich getäufcht, flirbt
im bitterften Elend, aber Gott eraeben. 3) Was muß ein
Mutterherz tragen! Gine Mutter verliert in Cinem Jahre ihre
drei Kinder. Iſt doch nicht das Schwerſte, wad manches
Mutterherz zu tragen hat! 4) Die zu fpäte Huͤlfe. Parabel
mit überflüffigee Deutung. 5) Das Geſtaͤndniß. Eine Ster:
bende kämpft mit Gewiffensangft, flirbt aber, ohne dem Beicht⸗
vater das Verbrechen, deſſen fie verbächtig geworben, zu beken⸗
nen. 6) Das Geiſterſchiff. Phantafie eines Träumers. 7) Die
Mahnung zur Ruͤckkehr. Ein Trunkenbold wird durch eine
Parabel, welche der Geelforger ihm ans Herz legt, zur Sin⸗
nesänderung bewogen, flirbt aber, bevor er biefe auf die Dauer
bewähren Tann. 8) Die 16jährige Mutter. Das arme betros
gene Mädchen ſtirbt, ohne ihren Berführer zu nennen, weil fie
feinen Namen zu verfchweigen gelobt hat. 9) Die koͤſtliche Perle.
Eine ‚Reflerion — unbedeutend. 10) Der Traum. Bon dem
Zräumer des Geiſterſchiffs, mit Betrachtungen über Träume.
11) Die Rache. Einer der intereffanteften Abfchnitte. Ein uns
vorfichtiges Wort eines Pfarrers hat einen boshaften Menſchen
zu unverföhnticher Rache gereizt; er verführt erft die jüngern,
dann die Altern Glieder der Gemeinde zur Verachtung des Pfar⸗
rers, Vernachlaͤſſigung des Gottesdienites, zu Unglauben und
Sittenlofigkeit. Der ungluͤckliche Pfarrer muß weichen. Der
liebreihen Milde und NBeisheit feines Nachfolgers gelingt es
— auffallend ſchnell — die Berführten auf den rechten Weg
zurüdzufäbren. 12) Liebe im Tode. Zwei Sreundinnen flerben
bald nacheinander, als eben zwei junge wadere Männer um
ihre Liebe ſich bewarben. - 13) Die Werke bes wahren Glau:
bens. Ein fonft waderer Mann trübt feine glüdtiche Ehe durch
grundlofe Eiferſucht und verfinkt dann in pietiſtiſche Thorheit,
in der, wie feine Che, fo fein Lebensgluͤck völlig zerrüttet wird.
Die beigefügten Bemerkungen ermangeln der nöthigen Klarbeit.
Der Verf. meint: „Der Pietiemus und noch mehr der Myſti⸗
cismus, der ſich eines befondern Vorzugs vor andern Menſchen
rühmt, zerreißt das Band ber allgemeinen Menfchentiebe, fchließt
fi) von ihrer Gemeinfchaft aus und nennt fich Lieblinge, Guͤnſt⸗
iinge Gottes.” Abgelehen von ber Gonfufion in der Bildung
dieſes Satzes ſcheint der Begriff des Myſticismus noch confufer
zu fein. 14) Die Hochzeit bed Armen. Gin armes Weib ehe⸗
licht einen drmern, durch bas Herabfallen von einer bebeutenden
Höhe Tindifch geworbenen Mann, dem fie ihre erfte Liebe treu
bewabrte. 15) Die Glieder der Ärgerniß. Auslegung ber Worte:
„So beine Hand oder dein Fuß dich Argert u. f. w.” 16) Die
Weihe zum Zobe. Gin junger Mann empfängt in unheilbarer
Krankheit, bei ſcheinbarer Bereitſchaft zum Sterben, das heil.
Abendmahl und Flammert fi) dann an bie wiedererwachte Liebe
zum Leben fo krampfhaft an, daß er, jeden Gedanken des Los
des verbannenk, ben Arzt am Bette feſthaltend, drei Tage feis
nen Iehten Kampf verlängert. IT) Die Engelwache, Geſpraͤch.
Das zweite Vaͤndchen, von bem ſchon durch andere Schrif⸗
ten vortheilbaft befannten Herrn P. Wildenhahn, iſt eigents
lich nur in den zwei erflen Abfchnitten eine Kortfegung bes er»
fien. Dr. W. berichtet in der Vorrede, daß er durch ben Hrn.
Verleger zu diefer Arbeit veranlagt mworben fei, daß er, was
man an des Ambrofius Sammlung getabelt, infonberheit bie
allzu große Kürze der Erzählungen, nach Kräften zu verbeffern
gefucht, und daß biefe Mittheilungen keineswegs ein Beitrag
zur Paftoratkiugheit fein follten. „Dazu find die Worfälle feibft
zu unbedeutend, und das Benehmen des Seelſorgers babei ift
vielleicht nicht immer das richtige.” Seltene Befcheidenheit
eines Schriftftelere! Was theilt ee mit aus feinem Vorrath?
1) Die Angſt ums Brot. Ein armer, aber boch nicht ganz
dürftiger Dann, ber in feinen Verhaͤltniſſen bei Erdftiger Ge⸗
fundheit, unterflügt von einer thätigen und ordentlichen Haus⸗
frau, an dem Unentbehrlicäften keinen Mangel litt und zufrieden
mit feinem Looſe leben Sonnte, gab ſich der aͤngſtlichen Sorge
um das tägliche Brot fo Eleinmüthig hin, daß er gelähmt unb
wahnfinnig ward, bis ein früher Tod ihn aus allem Sammer
eruöfte. 2) Die doppelte Hülfe. Gin talentvoller und gebilde⸗
ter junger Mann ließ fich durdy grengenlofen Leichtfinn, ber feine
Amteentfegung herbeiführte, zu mancherlei Betrügereien verleis
ten und wird durch die freundliche Aufnahme und Hülfe, die
er bei einem wuͤrdigen Landpfarrer findet, zu einer gründlichen
Sinnesänderung bervogen, kurz zuvor, ehe feine Berbrechen ent»
deckt und mit der wohlverdienten Zuchthausſtrafe vergolten were
den. Nach feiner Entlaffung fegdrt er dem wohlthaͤtigen Pfar⸗
rer mit dem empfangenen kleinen Darlehn die Bekenntniffe ſei⸗
ner Verirrungen und feiner Belehrung, und ſchifft fi dann
nad Amerifa ein, um dort ein neues Reben zu beginnen. Die
Erzählung ift anziehend, und bie eingewebten Geſpraͤche unb
Reflerionen find meift treffend. 3) Die Weihe zum Prebiger.
Iſt laut ber Vorerinnerung (wie das Nachfolgende) eine Zugabe
von dem Herausgeber biefes Buchs feibft und ruht mit feinem
gefchichtlichen Grunde auf dem eigenen Beuaniffe bes Mannes
(naͤmlich des chrmürdigen P. 3. Spener), ſowie auf dem Zeugs
niffe aller über ihn erfchienenen Schriften. Es fol „durch weis
tere Ausführung dieſes Zuges aus der Kindheit die ungewoͤhn⸗
liche Wirkfamteit des Mannes verftändlicdyer werben”. Und bas
zu ift allerdings dieſe Mittheilung einigermaßen geeignet, wies
wol der Herausgeber don dem Eigenen etwas zu viel hinzuges
than und bie geſchichtliche Thatſache zu romanhaft ausgefponnen
hat. War Spener au früh reif und zeitig auf das Cine,
was North ift, gerichtet, fo Tpricht der zwölfjäprige Knabe dech
faft zu altklug. Die Geftalten, die fi um ihn gruppiren, find
anziehend und anſchaulich bargeftellt und das Ganze gewährt
eine recht erbauliche Unterhaltung.
Diie „Achrentefe aus des Herrn Wort” enthält fieben ſinn⸗
reiche, anſprechende Betradytungen über biblifche Worte. Sie
-entiprechen allerdings dem Titel „Leben und Gterben”, ber
weitfchidhtig genug ift, um alles Moͤgliche darunter zu fubfus
miren, aber „Ertebnifle”, wie bie Vorrede verſprach, find fie
nicht, wenigſtens nur innerliche. Cie füllen jedoch ihren Plag
würdig aus und verdienen es fehr, mit Aufmerkſamkeit gelefen
zu werben; fie find lehrreich und erbaulih, zum Theil vecht
aus der Tiefe hriftiicher Erkenntniß geſchoͤpft. Es ift wol eis
nige Spreu unter dem guten Weizen zu finden, aber des letz⸗
tern ift weit mehr und fo viel, daß jene vielleicht nur von eis
nem tritifhen Auge, das von Amtswegen danach umfchaut,
entdeckt wird, ohne die gerechte Anerkennung der löblichen Babe
zu hindern. Der Verf. ſteht ziemlich, faft auf feftem Grunde,
und bat aus feinem guten Schatze von Einſicht, Kenntniß bes
Menſchenherzens und Erfahrung, Altes und Neues mit vers
fländiger Auswahl, in entfprecdhendem anftändigen Gewande mits
getbeilt. Und fo dürfen wir beide Bändchen, vornehmlich bas
zweite, zur Grbauung empfänglicher Semüther aus Überzeugung
empfeblen. 8l.
Nordamerikaniſche Miscellen.
(Kubzöge aus den Öffentlihen Blättern ber Wereinigten Staaten
‚vom Jahre 1842.)
Die Deutſchen in Amerika.
In einem Artikel eines Deusfchen, den bie beutfchen Zei⸗
tungen in Philabelphia im Monat Mai mittheilten, waren Er⸗
mabnungen an die Bürger beutfcher Abkunft enthalten. „Es ift
allerdings erfreulich”, wird in demielben bemerft, „daß In neus
erer Zeit dad Streben, bie Zuflände bes deutſchen Vaterlandes
in ihrem Fortgange dem hieſigen deutſchen Publicum zeitweiſe
darzuftellen, von mehren Seiten erfichtlich wird. Die in Phi⸗
lodelphia von Deutichen gehaltenen dffentiichen Vorträge bes
@unden dies. Das Gerdienſt folder Unternehmungen befteht
nicht allein in ber Befriedigung des Intereſſe, das denn doch
die meiften Deutichen in Amerita nod an ihrem alten Vaters
Iande nehmen, fondern fie können auch dazu bienen, Intelligen
und höhere Bildung zu befördern. Hauptgrundſat muß jedo
dabei, foll befonder das Legtere dadurch erreicht werben, getreue
Darftellung ber Ereigniffe ohne Phantaſieſchmuck, und unpars
teiifche Würdigung, fomit Ausfhluß aller unftätigen Anfichten
fein. Deutfchtand ſteht in intellectuellee Hinſicht jegt auf einer
Stufe, deren Bröße nicht würdigen zu koͤnnen nur ber craffeften
Jgnoranz gelingen Tann. Wer befonders in ber neueften Zeit
die geiftigen Kortfchritte dort beobachtete und das gemeinfame
Streben ber Ehelften und Würbigften diefes Landes, die Jahre
des Friedens durch Gefittung und Bildung h einem emigen
Dentmate des Gieged ber gefftigen Kraft über die rohe zu
flempein, kennen zu lernen Gelegenheit hatte, ber wird gern
zugeben, baß Deutfchtand in biefer Beziehung vielen andern
Staaten ald Mufter vorleuchten Tann, wenn ed auch noch nicht
ein Staat iſt. &o geht Deutſchland ruhig unter dem Olzweige
des Friedens einer neuen Periode mit Sicherheit entgegen, einem
Ziele, dem wuͤnſchenswertheſten, indem es durch die Bermehrung
feiner intellectuellen Kräfte ſich vorbereitet, nicht nur, wenn der
wichtige Zeitpunkt gelommen, ben Namen eines freien Volks zu
führen, fondern auch geiftig ſtark genug zu fein, ihn glorreich
ebaupten zu innen! Diefe Anſicht widerſtreitet freilich ber
dicher, welche fi) bemühen, das jegige Deutichland als ein
unmündiges Kind barzuftellen, ihm wol gar Krebsſcheeren ans
hängen und dort ein retrogrades Leben erbliden. Aber nicht
immer beftebt das Gluͤck der Reformen, huldigen fie aud) den
beften Principien, in ihrer gewaltfamen Ausführung, und daß,
wenn audp edle euer einer enthufiaftifchen Jugend für bie
gute Sache erreicht das Biel oft nicht fo bald wie das bedacht⸗
fame und planvolle Handeln des reifern Alters. Jedes augen
blitihe Unternehmen, Deutſchland zu einer Republik conftituiren
zu wollen, würde für baffelbe nur das Grab biefer beflen und
naturgemäßeften Verfaſſung fein.
in Deutſchland beftrebt fein, erft geiftige Muͤndigkeit in der
vollen Bedeutung bes Worts für einen neuen Zuſtand der Dinge
bervorzurufen. Ich kann mich nicht enthalten, diefe Bemer⸗
ungen zugleich mit einer Ermahnung an bie jet in Amerika
anfäffigen Deutſchen zu begleiten, naͤmlich ber, daß fie über bie
mehr oder minder ihnen doch entfremdeten Zuftände in der alten
Melt die eigenen In ihrem neuen Vaterlande nicht vergeffen und
vernadhläffigen mögen! Zu dem Lande, das und geboren, zieht
und noch die Sympathie, die holbe Erinnerung, die Jedem eigen
bleibt an den Drt, ber die erſten @inbräde in ihm hervor
gerufen. Die Zeit, die die trüben Bilder gern aus dem Ge⸗
dachtniffe der Menſchen verwifcht, hat in manchen Deutſchen,
die aid Werfolgte den Boden ber neuen Welt betraten, wol nur
die Erinnerung an die heitern in ihrem Geburtsiande verlebten
Stunden noch zurüdgelaffen, und gern vernehmen fie noch Kunde
von dort, ein natürliches, theiinehmendes Gefühl zu befriedigen.
Inſofern möchte das Intereffe für ihr deutfches Vaterland bei
den meiften Deutfchen in den KBereinigten Gtaaten noch rege
fein, ſeibſt bei denen unter ihnen, weichen auch jenfeit des Dceans
Geiftige Reife ift die einzige”
ſichere Grundlage der Freiheit und vor Allem muß man baper |:
noch eine gewiffe Witterleit gegen ihr voriges Vaterland eigen
geblieben. Dieſes Intexeffe iſt gleichwol für bie Mehrheit nur
ein allgemeines; ein viel näher liegendes, ja ein dringenderes
follte für die Deutfchen in Amerika das ihrer Gtellung im
neuen Baterlanbe fein.
£ens, hier wollen ‚wir bie Fruͤchte unfers Thuns ernten und die
Art und Weife, wie wir Hier wuͤrdig baftehe
größerm Intereile, follte e6 wenigftens
die Zuftände eines Landes, bie aus fo weiter Ferne mehr oder
minder genau und richtig beurtheilen zu koͤnnen oft ſehr ſchwierig
if. Gin weit verbienflvolleres Unternehmen, ja ein dringend
zu wuͤnſchendes wäre e&, unter allen Deutfchen in Amerika der
Sinn für das politifche Leben ihres neuen Vaterlandes zu bes
leben, fie anzufeuern, die Inſtitutionen diefes Bandes genau
Eennen zu lernen, damit fiz eine gleich Eräftige Stimme mit
Yen Gingebosenen in den politiſchen Angelegenheiten erlangen
und ihr Einfluß fi in allen den Dingen vermehre, bei denen
es fi um ibe Wohl fo gut handelt wie um bas Andere.
Warum halten die Deutfchen nicht, wenn es auf politifche Lebens⸗
fragen ankommt, überall nad Zeit und Umſtaͤnden Berfomm-
Bier iſt jeht dee Boden unfers Wir
| n, iſt von weit
n, als bie Kritik über
(ungen, um ſolche Bragen zu beisuchten, dadurch eine allgemeine,
Jedem in diefem Lande fo nothwendige Verttaͤndlichkeit hervor
zurufen, und fo das Intereffe am politifchen Leben unter fid zu
befördern? Der daraus entipringende Nutzen iſt einleuchten
und die Achtung der Deutſchen bei den Anglos Amerikanern kann
dadurch nur gefleigert werden. Seien wir auftichtig und ges
fiehen es nur frei, eß berrfcht unter ben Deutſchen in Amerika
im Allgemeinen nicht jene rege Theilnahme an bem politifchen
Leben diefes Landes, welche ihr eigenes Interefle verlangt. Rur
zu Biele können fi von der Gleichguͤltigkeit dagegen, bie ihnen
die Werhättniffe der monarchiſchen Staatsorbnungen in ber alten
Heimat eingeimpft haben, nicht trennen. Diefer Mangel on
thatträftigem Intereffe muß bei republitanifcgen Bürgern weg:
fallen. Wer in einer Republik unterläßt, Theil an ben polis
tifhen Bewegungen in berfelben zu nehmen, wer fidy mit den
Snftitutionen ihrer Verfaſſung nicht ſoviel es die Verhaͤltniſſe
und Umſtaͤnde erlauben — denn wir wollen nicht etwa zu po⸗
litiſcher Kannegießerei auffodern — belannt zu madyen, um
fein Urtheil barüber zu bilden zu fuchen, ter erfüllt bie Pflichten
eines republikaniſchen Bürgers nicht. Pflicht und eigenes Inters
effe aber erheifchen es von Denen, bie durch höhere Bildung
und Talente befähigt find, den Minderbegabten auf biefem
Wiege durch öffentlicge Vorträge entgegenzutommen, und das als
gemeine SIntereffe der deutſchen Bewohner dieſes Landes wir
durch öftere Werfammlungen der Art nur gefördert, werden.‘
Im Laufe des Monats Mai 1842 find in ben Häfen der
Vereinigten Staaten 24 Schiffe, 10 Barken, 4 Briggs und
— ———
en. ve brachten 32, S und
Ka Faͤſſer Walfiſchoͤl mit. Säle Spern
In Neuyork muß die Liebhaberei an Eich hoͤrnch en groß
fein. Der „Cleveland Herald‘ meldet, daß neulich Jemand
die Speculation madıte, 1500 lebendige Gichhörnden auf dem
Dampfſchiffe General Scott einzufchiffen, um fie auf den Markt
nach Reuyork zu bringen. 3.
Literarifhe Anzeige.
Bon F. U. Brockhaus in Re iſt durch alle
—* zu ne in pas in dur
An Bremens gemeinen Mann.
Bon befien Mitbürger
Vohaunnes Köfing.
Gr. 12. Geh. 2a Nor.
Berantwortiiher Derauögeber: Heiarich Brokhaus. — Drud und Werlag von J. U. Brochaus in Seipziiß
— —e— — —w es ⸗
Blätter
für
literarifbhe Unterhaltung.
(Bortfegung aus Mr. 312.)
Die älteften Nachrichten von Darftelungen ber My⸗
flerien reichen bis in die erfte Hälfte des 13. Jahrhun⸗
derts. Nach einigen alten Chroniken wurbe in Pabua
zu Oſtern 1243 im Prato bella Valle ein ſolches Schau⸗
fpiel aufgeführt. Auch In Friaul war an den Pfingft:
tagen 1298 eine große Vorſtellung der Leiden Chrifti,
ber Auferflehung, dee Himmelfahrt, der Ausfchättung des
heiligen Geiſtes und des jüngften Gerichts, die in dem
erzbifchöflichen Hofe von der Geiftlichkelt aufgeführt wurde
(‚, Muratori Script. Rerum ital.”, ®b. 24, ©. 1205).
Noch früͤher, ſchon 1264, wurde fogar in Rom eine
eigene Bräderfchaft gegründet, die Compagnia del Gon-
falone, welche die jährlich in ber Charwoche im Golifeo
aufzuführende Paſſton leitete. Bon Ihrer Amtsthaͤtigkeit
eriftire noch ein Zeugniß in der großen und feierlichen
Auffährung bee Paffionsgefchichte am Charfreitag (das
Jahr iſt ungewiß, fällt aber in bie Mitte des 15. Jahr:
bundert8): ‚La rappresentazione del Nostro Signor
Gesu Cristo, la quale si rappresenta nel Colliseo di
Roma il Venerdi Santo con la SS. Ressurezione isto-
riata”, am welcher brei Verfaſſer gearbeitet haben, Giu⸗
liano Dati von Florenz, Bernardo bi maſtro Antonio
von Rom und Mariano Particappa. Die Borftellun:
gen diefer Bruͤderſchaft dauerten in Rom bis gegen bie
Mitte des 16. Jahrhunderts, an andern Orten aber
auch länger. Hierher gehört wol auch die von Billani
berichtete große Vorſtellung ber Hölle auf dem Arno zu
Florenz im 3. 1304, bei weicher Gelegenheit die Bruͤcke
ala Caraja mit einer Menge von Zufchauern zufammen:
brach und In ben Fluten verſank. Aus dem 15. Jahr:
hundert führt Maffei (‚Verona illustrata”, Th. 2, &. 202)
eine lateiniſche Tragoͤdie von der Paſſion Chriſti von
Bernardino Campagna an, und eine andere Iateinifche
über denfelben Gegenfland von Tommaſo da Prato aus
Teeviſo wird ebenfalls in dieſes Jahrhundert verfegt.
Dee größte Pomp und Aufwand wurde aber im 15.
Jahrhundert in ben italieniſchen Farcen in Florenz ent:
faltet. Dort hatte der blühende Handel und ber fleigenbe
Wohlſtand bie Wergnägungsfucht und den Lurus aufs
hoͤchſte gefleigert, und nicht ſowol ber Inhalt bes Studie
als vieimehr die größtmögliche Pracht der Aufführung
10. November 1843.
wurde nun dem ſchauluſtigen Publikum die Hauptſache.
Sie wurden theils auf Öffentliche Koſten, theils von Pris
vatperfonen gegeben, die dabei ihren ganzen Reichthum
zur Schau trugen und fi vie bie Römer mit ihren
ludis circensibus damit um bie Bunft bes Volks bewar⸗
ben. Jeder ber vier Difkricte der Stadt feierte an vier
Tagen im Jahr das Heft feines Schushelligen, die ganze
Stadt gemeinfchaftlih aber das Johannisfeſt zu Ehren
bes allgemeinen Schutzpatrons. Diefe Vorftellungen wur:
ben, wie ſchon gefagt, meift in ber Kirche gegeben, und
babei fand eine Verſchwendung und ein Prachtaufwand
in den Decorationen, bem ganzen Apparat von Mafchls
nen, Feuerwerk, ber Anordnung von Taͤnzen, Gefängen
und ganzen Schlachten flatt, wie fie wol im Verhaͤltniß
bei keiner Aufführung ber neuen Zeit gefehen wurde.
Zu ben älteften italienifchen von Ziraboschl angegebenen
Darftellungen in Florenz gehört dee „Abraham und Iſaak“
in Dttava Rima von Feo Balcari, zuerft in ber Kirche
Santa: Marla Mabdalena im J. 1449 aufgeführt, foroie
auch die Rapprefentation bes „Barlaam und Joſaphat“ von
Bernardo Pulci und eine andere von des Letztern Gattin.
Allein fo wie die übrigen Dichtungsarten, fo verdankte
auch biefe im 15. Jahrhundert bem großen Lorenz von
Mebich ihre Regeneration, Veredelung und bie Regel⸗
maͤßigkeit, welche denn nad und nah zum eigentlis
hen Drama führen konnte. Diefem univerfellen Geift
und feinen Kunſtkenner war es vorbehalten, den oft ges
ſchmackloſen Vorſtellungen eine befiere Richtung, edlere
Zenbenz und würbige Form zu geben. Dadurch, daß er
in feinee Rapprefentation griechiſche und römifche Gott⸗
heiten an die Stelle der chriftlichen Heiligen und Märtys
ver einführte, laͤßt ſich die Abſicht erfennen, bie bramatis
[he Compofition duch Annäherung an das Antike zu
verbeffeen; und wenn er allerdings durch biefes Mittel
auf einen falfhen Weg gerathen ift, ber leider durch feine
vielen Nachahmer immer fefler getreten wurbe, fo machte
er doch durch diefe ganz in. feiner Zeit liegende Herauf⸗
befhwdrung bes Alterchums auf biefes und feine Muſter
aufmerkſam, die unter andern Umfländen und bei einem
freieen Studblum ohne Zweifel das italienifche Theater
zu weit hoͤhern Reſultaten gebracht hätten als zu Triſſi⸗
no's „Sofonisba“ und Rucellai's „Rosmunba”. Lorenz
von Medici fchrieb eine „„Rappresentazione di S.- Gio-
1258
vanni e 8.- Paolo” in Ottova Rima, mit eingelegten Ge:
fangftheten (herausgegeben mit einer Einleitung vom Cie;
nacci mit andern Rime facre von Lorenzo, Florenz 1680).
Gionacei vermuthet wol mit Recht, daß Lorenzo mit dies
fer Myſterie die Hochzeit feiner Tochter Magdalena mit
Hranz Eibd, Nepoten des Papftes Innocen; IL, feiern
: wollte und daß feine eigenen Kinder Rollen darin Über:
nahmen. Ginguene (in feiner „Hist. litt. d’Italie”,
Br. 4, Cap. 22) glaubt fogar, daß die Holle des alten
Konftantin d. Br. von Lorenzo felbft gefpielt worben fei.
Diefe Vermuthung, welche wenigftens von Niemandem
widerlegt iſt, gibt dem ganzen Drama ein beſonderes
Interefſe und den Worten des alten Konſtantin eine
‚große Bedeutung, die gewiß damals bei ber öffentlichen
Geier, die zugleich ein Familienfeſt war, ihre Wirkung
auf die Zuſchauer nicht verfehlte, wenn ber alte Kaifer
feinen Scepter nieberlegte, und feinen Söhnen nachdrück⸗
liche Lehren gab und ihnen bie Orundfäge einzuprägen
fuchte, denen er und feine Vorfahren ihren Rang und
ihr Anfehen zu verdanken hatten (f. befonders die Stange
98 fg. und 133 fg). Der Inhalt des Stüuͤcks iſt das
Miärtprerthum der beiden heiligen Brüder Giovanni und
Paolo (nicht der Apoftel), Eunuchen im Dienſt der Toch⸗
fer Konflantin’s d. Gr., Konſtanza. Diefe iſt trank am
Ausſatz, wird aber von der heiligen Agnes durch ein
Wunder geheilt, was ihre beiden Diener Johann und
Haut bewegt, zum Chtiſtenthum äberzutreten. Der alte
Raifer wird unterdeffen des Regierens überbrüßig, und
übergibt mit Auseinanderlegung feiner Regierungsprinci-
pien die Bügel der Herrſchaft feinen Söhnen, auf welche
aber bald, immer in demfelden Stuͤck, Julianus Apoflata
folgt. Dieſer will die beiden Eunuchen zum Deldenthum
belehren, laͤßt fie aber, da fie ſtandhaft bleiben, hinrich⸗
ten. So wenig bramatifchen Werth, nach unferm Maß:
ftab, dieſes Stuͤck haben mag, fo merfwärbig iſt es durch
die verſchwenderiſche Ausflattung, mit ber es gegeben
wurde. Die Pracht dee Couliffen, die Menge der auf:
tretenben Perfonen, bie Aufzüge bes kaiſerlichen Hofes
und zwei große Schlachten entfchäbigten die Menge, bie
überdies nur fehen wollte, für den Mangel an Handlung
und intereffanten Situationen. Die heilige Agnes er:
ſcheint Überdies ber Konſtanza und verrichtet Ihr Wun⸗
ber, die Madonna ſelbſt laͤßt fih auf das Grab des Mär:
tyrers San: Mercurto nieber, und beide fleigen einmal auf
einer Mafchine in Form einer Wolle vom Himmel herab.
Am Ende erhebt fih Mercurius aus dem Grab, um in
dee Schlacht ben Kaiſer Jullanus aufzufuchen und tödtlich
zu verwunden. Die Geneſung ber Konflanza aber wird
durch Schmäufe, Tänze und Geſaͤnge gefeiert.
Ungefähr im diefelbe Zeit fallen drei andere große
Darftelungen bei Gelegenheit eines Beſuchs, den ber
Herzog Galeazzo Maria Sforza von Mailand mit feiner
Gemahlin Bons, Schweſter des Herzogs Amadeus von
Savoyen, im März 1471 bei Lorenzo de’ Medici abflats
tete. Die Reife dieſes malländer Fuͤrſten, bie ex mit
einem reich equipieten Gefolge von 2000 Mann machte,
unb bie Ihm 200,000 Dukaten gekoſtet haben fol, gibt
eine Vorſtellung von bem umngeheuern Reichthum der
italienifhen Großen damaliger Zeit, aber auch von ihrer
unfinnigen Oftentation und Verſchwendungsſucht. In⸗
befien da ee zum heil gefommen war, um bie Säge
der Slorentiner kennen zu lernen, und ihre prachtvollen
Sefte einmal mitzugenießen, fo war feine Anweſenheit
für diefe eine. Veranlaffung zu ähnlicher Verſchwendung.
Unter andern Luftbarkeiten wurden ihm und feinem Ge:
folge zu Ehren drei große Myfterien aufgeführt ; das eine
flellte die Verkuͤndigung der heiligen Jungfrau, das zweite
die Himmelfahrt Chriſti und das britte die Ausgiefung
des heiligen Geiſtes über die Apoftel vor. Bei dem letz⸗
ten, welches in ber Kirche San: Spirite aufgeführt wurde,
ereignete fih ein Ungluͤck. Durch das viele Seuer naͤm⸗
ih, das dabei gebraucht wurde, gerietb bie Kirche in
Brand und wurde gänzlich zerſtoͤtr. So warb der Se
ſchmack an folhen Myſterien babucch immer mehe befe
flige, daß man fie ſowol für jegt zeitgemäßer einrichtete
als auch überhaupt ihnen eine Form gab, bie ſich nad
dem jedesmaligen Zeitgeift und Geſchmack erweitern ober
verengern ließ, In bie Fußſtapfen Lorenzo’ trat in Flo⸗
renz zunaͤchſt Antonio Alamanni mit feiner „Conwersione
di Santa-Maria Maddalena‘,
Auch andere Städte blieben nicht in dem Jutereſſe
an folhen Schaufpielen hinter Florenz zuruͤck, wie bie
feierliche Vorſtellung von ber Auferfiehung Ghrifli in
Mailand 1475 beweiſt, die nach einer alten von Tira⸗
boscht angeführten Chronik vor mehr als 80,000 Zu
ſchauern gegeben worden fein fol, fowie in Modena bie
Aufführung dee Mirakel bes heiligen Geminlano bert
auf oͤffentlichem Plag gegeben wurde. Ganz befenders
nahm fich aber der Cardinal Pietro Riario in Roms der
prachtvollen Ausflattung diefer Myfterien an, unb bie
Durchreiſe der Prinzeffin Eleonora von Aragonien, welche
zur Vermählung mit Hercules L von Efle 1473 nad
Serrara ging, war eine erwänfcdte DVeranlaflung zu fol:
hen Runflausfichungen. Nach einer Menge anberer Luk:
barkeiten, fo fagt ein altes Diarium bei Xiraboscht, lieh
| der Cardinal den ganzen Platz der SS. Apostoli bedecken,
und ringe umher Logen von gewirkten Tapeten und
Gaͤnge aufsichten, und über dem Portal der Kirche eben⸗
falls eine reich gefchmüdkte Loge, und lief von einer fie
rentiner Geſellſchaft die Myſterien des heiligen Suſanna
aufführen. Darauf am Dienſtag, fo fährt die Chronik
fort, wurde bie Paffionsgefchichte, am Mittwoch die My⸗
flerien von Johannes dem Zäufer und von St⸗Jakobus
gegeben, dann am legten Juni eine große allegoriſche
Vorſtellung von dem Tribut, ber den Römern, als fie
noch die Welt beberzfchten, entrichtet wurbe, wobei wsster
Anderm aud 70 mit verfchiedenen Dingen beladen Maul:
eſel vorkamen, alle mit tuchenen Decken hedeckt, wacauf
das Wappen des Cardinals geſtickt war. Und ver dieſer
Darſtellung war bie große Mpſterie von bee Gebuet Chaſti
mit den Magiern und von ber Auferſtehung.
Aus den Myſterien entwickelten fi die Morelitäten,
die im 15. Jahrhundert im Stollen ſehr Abli wars,
und dort Fausti genannt wurden Es weree meiſt Alles
..
ı
genen, in weidhen bie aus den Myſterlen geitonsmenen
allegoriſchen Perſonen, wie Glaube, Hoffnung, Tod n. ſ. w.,
beſonders aber die mythologiſchen Perſonen agirten. Das
15. Jahrhundert bewegte ſich allgemein in ſeiner Kunſt
ins Gebiet der Allegorie.
umb rämifchen Alurthums übte eine tyrannifhe Herr⸗
fchaft ans, und man mußte ich der Mpthologie bei ben
ebenfo firengen Foderungen des Chriftenthums nicht an⸗
ders zu erwehren, als daß man fie zu lebendiger Dar:
ſtellung chriftlicher Rugenden anwendete. Während aber
bie nur buchſtaͤbliche Darftellungen aus ber
bibliſchen Geſchichte und Legende waren, fo brachten die
mptholosifchen Perfonen fchon eine Art Charakterzeichnung
und ihre bei den Alten fo mannichfaltig verflochtene Ge:
ſchichte eine gewiſſe Verwickelung oder Art von Pan in
die Moralitäten. Nach der allgemeinen Tendenz des Zeit:
alters und Volks mußten aud Ihre Darſtellungen einen
burleſken Anftrih haben und bie Lafter erhielten barin
die Nolte der Luſtigmacher. Eine ſolche Moralität findet
fih in den Gedichten des Notturno Napolitano, unter
dem Zitel ‚„„Fausto di virtä”, von einem gewiffen Gio⸗
vanni Gerofolimitano von Siena verfaßt, in welchem brei
Philoſophen zulest von der Tugend, der fie bei allen An⸗
fechtungen ber Lafter flandhaft treu geblieben waren, mit
NRuhm gekrönt wurden. Diefe Art des Drama fcheint
beſonders hei Dochzelten fehr ‚üblich geweſen zu fein, und
dahin mag wol das von Quadrio (Th. 5, ©. 62)
angeführte, von Ferbinando Silva von Cremona verfaßte
Gedicht in italieniſchen Verfen, „Der getreue Liebhaber”,
gehören, welches bei ber Hochzeit ber Blanca Maria Bis:
sonti mit Stanz Sforza aufgeführt wurde. Kiner aͤhnli⸗
hen viel prachtoollern, faft monftröfen Darflellung er:
wähnt Tiraboschi, welche von Bergonzo Botta in Tor⸗
tona 1489 bei der Durchreiſe ber Prinzeffin Iſabella von
Aragonien, Gemahlin bes Herzogs Giangaleazzo Sforza,
verfaßt wurde. Hier erfchienen auf der Bühne zuerſt
.Drpeus, Amor und die Grazien, bie eheliche Treue, Mer:
eur und bie Kama, nad ihnen ziehen herein Semiramis,
Helena, Medea und Kleopatra, welche versufene Weiber
won ber ehelichen Treue hart angefahren, im Wettftrelt
beflegt, zum Schweigen und zur Flucht gebracht werden;
ach ihnen treten als entgegengefegte Tugenden auf Pe⸗
nelope, Lucretia, Tomiris, Judith, Parzla und Sulpitia,
welche natuͤrlich den hohen Zuſchauerinnen manches Schmei⸗
chelhafte ſagen, und den Zug ſchließt Silenus. In die⸗
ſer ſowie in den meiſten dramatiſchen Darſtellungen wa⸗
ven mach dem Geiſt ber Zeit und zur Erhöhung des feſt⸗
Sichen Eindruds mehre Geſangſtuͤcke vertheift (wie uͤberhaupt
die Rufik einen Haupttheil des katholiſchen Cultus macht),
daher man fie fälihlih für die erſten Verfuche der Me: |
Sodranıen ober gar ber Opern gebaften hat. Auch tm
den fruͤhſten italleniſchen Komödien, bie doch nur gefpro-
Gen wurden, waren zwiſchen den Acten einige Lieder oder
» Mobrigale unter der Aufſchrift Coro eingeſchaltet. Den-
ſelben Irrthum in Hinſicht auf Sannazar's Farce zur
Feler ber Eroberung von Grauaba, worin mehre Ballete
vorkommen und einige allegoriſche Perfonen ſich zu Ihrem
Das Studium des griechiſchen
Geſang auf Juſtrumeunten Bepfeiten, hat: Navell
Mguo⸗
relli („Vicende della celtura nelle Due Sicilie“, Ip, 3,
©. 371) bekämpft. Selbſt in ben Alteſten regelmäßigen
italleniſchen Tragoͤbken kommen Muſikſtuͤche in Gefängen
vor, daher zum Beiſpiel Poliziano'sOrfed“ für eine
vollſtaͤnbige Dper gehalten wurde, ſowie des fchen erwaͤhn⸗
ten Neapolitaners Rotturno Tragödie „L’error femineo“,
‚in Ottava und Terza Rima, worin einige Stanzen von
vier Muſikern gefungen wurden. Im 16. Jahthundert
war biefe Manier noch gewöhnlicher und wurde ſelbſt
bei den profaifhen Dramen angewendet.
Solche Vorfteliungen der Myſterien gingen bem eigents
lichen Drama voraus, und biefes entiwidelte fi) ganz
unvermerkt aus ihnen und beftand eine lange Zeit neben
ihnen. Denn in faſt allen diefen Byflterien und Mora⸗
litäten hertſchte zuletzt eine ſolche Vermiſchung bes Pros
fanen mit dem Heiligen, ein -folcher Üübermuth des Tei⸗
vialen und Burlesken, daß es ohne dieſe Beziehung auf
ben Cultus, der doch bei ben meiſten noch ſichtbar iſt,
kaum moͤglich wäre, fie von de erſten bramatifken Vers -
fuchen zu trennen, welche ja ebenfalls entweder zur Feier
von Thaten ber Könige und Zürften ober zur Werberr:
lichung eines Siege ber heiligen Sache verfaßt wurden,
und wobei berfelbe bichterifche Apparat, befonders die alle⸗
gorifhe Einmiſchung antiker und moderner Götter und
Heiligen, zu bemerken iſt. Auch dee dußern Form wach
nähern fie fich ganz den Myſterien; fie find entweder gar
nicht in Acte, damals Tempi genannt, oder in ſechs ab⸗
‚getheilt, ihre Zwifchenacte find mit Mufitftüden und Ge⸗
fängen ausgefüllt, und die Perfonen, welche auftreten,
find ebenfo gemifchter Art wie bei den Myſterien, Götter
und gemeine Menfchen, Poſſenreißer und Fuͤrſten. Sie
wurden gewöhnlich Frottola, Farsa, Tragicommedia ge:
nannt. Der ältefle merkwuͤrdige der befannten berartigen
Tragiker, obgleich fie diefen Namen gar nicht verbienen,
ift der berühmte Hiſtoriker Albertino Muſſato von Pas
dua, ein Zeitgenoffe Dante's. Er fchrieb zwei Tragoͤdien,
bie „Achilleis““, wovon Achilles ber Hauptheld ift, und „Ec⸗
cerimis”, wozu bie zu feiner Zeit noch ganz neue Geſchichte
bes Tyrannen Ezzelino von. Padua daB Argument geges
ben bat. Die griechifchen Tragiker waren damals noch
ganz unbekannt, und Muſſato nahm fi den Seneca
zum Muſter, den er in einigen unglüdlichen Stellen «rs
reichte, in andern aber nur verzerrte. Seine, Eecerimis“,
bie biee am meiſten intereſſirt, weil fie, obgleich in einem
fraftlofen und wenig eleganten Stil abgefaßt, bo einen
nationalen Gegenſtand behandelt und badurch immer einige
Originalität des Verf. beurkundet, ift in fünf Acte eins
getheilt, berem jeder mit einem Chor endigt. Im erſten
Aet erzähle die Mutter ihren beiden Söhnen, Erzelino
und Alberico, wer ihr Exzenger fel, und biefer, von wel⸗
hem ein mattes Bild entworfen wird, if der Daͤmon.
Der zweite Act dreht fi) um die Erzählung eines Werten
von dem Ungläd des Baterlande und dem GBiht des
Tprannen. In dem dritten unterhält fich diefer mit feis
nem Bruder von den ſchon gluͤcklich volfährten Planen
und von neuen Unternehmungen. Die Einnahme von
J
O
Dadua wird ihnen gemeibet, und fie gehen mit ihren
Truppen ab, um biefe Stadt wieder zu gewinnen. So⸗
gleich erzaͤhlt der Chor Ezzelino's Zug und Sieg, ſeine
Rücktehr nach Verona und die ſchreckliche Metzelei ber
Gefangenen. Nun häufen ſich die Begebenheiten, denn
im vierten Act erzählt ein Bote den ganzen Krieg des
Torannen in der Lombardel, die gegen ihn gebllbete Ligue
and feinen Tod. Den ganzen fünften, Act nimmt bie
Erzählung von dem Tod feines Bruders Alberico ein
(Bingumd, VIU, 16). Auch Petrarca verfuchte ſich
in diefer Gattung und fchrieb die Komoͤbie „Philologia“,
wie er felbf in einens Brief fagt, zur Belaſtigung feines
Goͤnners, des Cardinals Johann Golonna. Er fah aber
ſelbſt ein, baß fie nichts taugte und wollte fie nicht ein
mal feinen Freunden mittheiten, fodaß eine Copie ber:
felben mehr übrig if. Auch Giov. Manzini dalla Motta,
ans der Lunigiana im 14. Jahrhundert geblirtig, ſchreibt
in einem feiner Briefe von einer Tragödie, die er über
den Fall des Antonio della Scala in Verona gedichtet
"babe, und theilt einige Verſe aus derſelben mit, die ſelbſt
den unermüdlichen Ziraboscht von ber weiten Belannts
ſchaft abgefchrecdt haben. Auch Pierpaolo Vergerio ſchrieb
in feiner Zugend eine Komoͤdie, betitelt ‚Paulus Co-
moedia ad Juvenum mores corrigendos”,
(Die Fortſetzung folgt.)
Citate.
Bei einer Irland betreffenden Debatte im engliſchen Unter⸗
.haufe wenbete vor kurzem ein Mitglied auf O’Sonnell die zwei
Bellen an:
For he that fights and runs away,
May live to fight another day.
Bald nachher wurde im NReftaurationszimmer bie Frage aufge:
worfen, wer denn eigentiich Verfaſſer diefes wohlbelannten Cou⸗
piet fel. Die Meinungen waren getheilt; das führte zu einer
Wette, und bie Wette wurde durch ein Citat entfchieden. Col:
let erzählte nämlich in feinem von Allerlei handelnden Buche
„Ihe relics of literature’, daß baffelde Couplet eines Ta⸗
ges in Bootte's Clud Gegenftand einer beträchtlichen Wette ges
weſen fel. Die meiften Stimmen und barunter fammtliche Ges
lehrte ‘von Profeſſion erktärten e8 für sine Stelle aus Butler's
, bras⸗. Das brachte bie Wette auf zwanzig gegen eins.
Der im &ufe literarifcher Allwiſſenheit ſtehende Verlagsbuch⸗
händler und Schriftfteler Dodsley wurbe zum Schiedsrichter
gewaͤhlt und Dodsley Lachte über den Einfall, ihn deshalb zu
fragen. „Jeder Rare weiß ja”, antwortete er in ber ihm eiges
nen berben Manier, „daß das Gouplet von Hudibras iſt.“
„Ganz gut’, verfegte George Selwyn (auch ein befannter Rame)
„wollen Sie alfo wol bie Güte haben, einen alten Narren, ber
—5 Dero hochweiſer Gelahrtheit ergebenſter Diener iſt,
kuͤrzlich zu belehren, in welchem Santo das Couplet vorkommt?“
Dodsley holte das Buch, blaͤtterte vor» und ruͤckwaͤrts, konnte
aber die Stelle nicht finden. „Morgen“, fagte er. Allein ba
mußte der weife Bibliopole gefteben, daß man ben Berfafler
jenes wohlbetannten Couplet nicht zu wiflen brauche, I
gerabe ein Narr zu fein. Die Wahrheit ift, jene Zeilen flehen
in einer Heinen, obfcuren Sammlung gemifchter Gedichte eines
Sir John Mennes, ber fie unter ber Begierung Karls HI.
herausgegeben hat. Inzwiſchen findet fich bei Butler allerbings
„eine ähnliche Gtelle. Sie heißt:
For those that fly may fighi again, -
Which he can never do that's slaim,
Vas Dobsiey und Anbern begegnete, daͤrſte ſich bei mans
chem beutfchen Philologen wieberhoien, wenn er ſagen follte,
von wem ber lateinifche, unfer beutfchess Aus bem Regen uns
ter die Traufe kommen, bedeutende Vers berrühre: „Incidis
(auch Incidit) in Scyllam, cupiens (auch qui vult) vitare
Charybdim‘. Dee Gewifienhaftefte 17 vielleicht hoͤchſtene
zwiſchen Virgil und Dvib ſchwanken. „7 -gil ober Dvid, kein
Anderer. Und doch ſteht der Vers weher im Virgil noch im
Ovid, fondern ift das Eigenthum eines lateinifchen Werfifer aus
dem 16. Jahrhunderte, Ramens Philipp Gualtier, ein Franzoſe.
Sollte diefer nicht Eigenthuͤmer fein, jo kommt wenigftens ber
fragliche Vers bei ihm zum erften Dale vor.
Wie oft iſt dee herrliche Gedanke aus Benjamin Sranktin’s
Grabfchrift citirt worden, der Sterbende gleiche einem Buche,
nahe daran, von feinem großen Autor neu aufgelegt zu werben.
Aber Franklin war nicht der Erſte, ber biefes ſchoͤne Gleichniß
gebrauchte. Es exiſtiren zwei viel dltere engliſche Gpigramme
oon ante Verfaflern, bie es folgendermaßen ausdruͤcken.
as Erſte:
The world’s a book, writ by th’ eternal art
Of the great Author; printed in man’s heart;
’Tis falsely printed, though divinely penn’d,
And all the errata will appear st the end.
Das Zweite: u
The world’s a printing heusse; our werds are thougkta;
Our desds are characters of several sizes;
Each soul’s & oompositor, of whose faulte
The Levites are corresters; and heaven rovises;
Barth is the common press, from which being drives,
We're gather’d, shoot by sheot, and bound fer hoarem,
14,
Literarifche Notizen aus Frankreich.
Belletriſtiſches. |
Wie wenig doch bie meiften Schriftſteller ihren Vor⸗
theil verftehen und nicht felten ihren eigenen Gredit zu Grunde
richten! sDeleciufe hat fih durch feine Darflellungen aus der
Geſchichte von Florenz („Florence ei ses vicissitudes”, 2 Bde.,
Paris 1837) und feine Arbeiten über Dante nicht unvortheilhaft
befannt gemadt. In feinen’ Kunftkrititen der „Debats” iaͤßt
fi weder tiefe Bildung noch ſonderliche Kenntniß, aber doch
wenigftens guter Wille und Redlichkeit ertennen, ber in ber
heutigen Preſſe fchon ein feltenes Erbtheil iſt. Diefe neueren
achtbaren Leiftungen Deldclufe's hatten bereits feine fruͤhern
poetifchen Probuctionen vergeffen laffen, namentlich hatte man
ihm bie abgeſchmackten Romane und Novellen vergeben, bie er
von früherher auf dem Gewiſſen hatte und die er nun, Gott
weiß warum, mit einem Dale wieber ans Licht zieht. Wie er⸗
feinen unter dem Titel „Romans, contes et nonvelles” in
einer fogenannten Charpentier : Ausgabe. Das, befte Stuͤck bes
ganzen Bandes ift noch „„Mademoiselle Justine de Liron”,
eine Novelle, der offenbar eine Geſchichte zu Grunde liegt unb
die vom aͤſthetiſchen Standpunkte aus betrachtet einen fonders
lichen Werth hat; ganz platt aber ift feine „Premiere com-
munion“ (Paris 1836), eine Erzählung, in der kein Fuͤnkchen
‚poetifcher Srfindung zu entdeden if.
Über oͤſtreichiſche Zuſtaͤnde.
Das ausgezeichnete Werk eines ruſſiſchen Staatsmanns
Tegoborski über das dftreichifche Sinanzwefen („Des finances
et du credit public en Autriche”, 2 Bde., Paris) ift bereits in
unfern politifchen Blättern befproden mworben. Wir erwähnen hier
beffelben nur noch, weil wir aus einigen gelegentlichen Bemerkungen,
bie darin vorfommen, fowie aus bem ganyen Stil des Werks
vermuthen zu tönnen glauben, baß es mit einer Reihe leſens⸗
werther Auffäge des parifer „‚Moniteur universel’ einen und
ven [een Verfaſſer hat. Diefelben betrafen das Unterrichteweſen
in ſtreich und follten aus der Feder eines angefehenen ausidns
bifhen Diplomaten berrühren. 2.
Berantwortlicher Orrauögeber: Heinrich Brokhaus. — Drud und Berleg von $. U. Brodpaus in Beipzig-
a
Blätter
für
literarifche Unterhaltung.
Sonnabend, — Sr. 315.
Über den Urſprung bes Theaters in Italien.
(Bortfegung aus Nr. 216.)
Sm 15. Jahrhundert erwachte eine große Aufl an der
bramatifchen Kunft, wozu einestheils die nun mehr aus⸗
gebifdete Myſterie führte, befonbers aber das allgemeine
Studium der altem Dichter beigetragen hat. Tragoͤdien
und Komödien kommen nun häufiger vor, und felbft
Akademien befchäftigen ſich mit der Ausfuͤhrung derfelben,
fie wurden aber deswegen auch bis weit über die Hälfte
dieſes Jahrhunderts In lateiniſcher Sprache als der einzig
würdigen dee Gelehrten abgefaßt. Gregorio Eorraro, ein
venetlaniſcher Patrizier (geſt. 1464), ſchrieb in feinem
achtzehnten Jahr bie Tragoͤdie, Progne“ in lateiniſchen
Verſen. Leonbattiſta Alberti ſchrieb in lateiniſcher Proſa
feine Komoͤdie, Philodoxeos“, welche zehn Jahre lang
für das Werk: eines alten Schriftſtellers gehalten und als
folches fehr bewerndert wurde, bi man wußte, daß fie
von ihm war. Leonardo Bruni von Areszo verfaßte die
„Polyxena” und Ugolino von Parma bie „Philogenia”.
Merkwürbiger, weit fie über einen Begenfland aus ber
nenern Geſchichte verfaßt SE, iſt die Zragödie „De cap-
tiritate Dueis Jacobi”, von Laudivio von Neapel, Mit:
glied dee Panormitaniſchen Akademie. Der Held des in
fınf Acte mit Chösen eingetheilten Stade iſt der be⸗
kannte General. Jacopo Piceinnino, welcher von dem
Kinig Ferdinand dem Katholifchen gefangen und nachher
auf deffem Befehl ermordet wurde. Der vierte Act gibt
eine Unterredung Ferdinand's mit dem Scharfrichter über
die Behandlung des Generals, der fih dem König im
Bertrauen auf feine Zufage übergeben hatte. Dee Den;
ker dringt mit feinen Gründen für die Ermordung duch
und vollzieht diefe in einer andern Scene vor den Augen
des Publicums. In Bergamo befindet fih in einem
alten Codex noch eime Iateinifche Komödie, „‚Armiranda”,
von Giammichele Alberto von Carrara, auf deren Titel
ganz beſonders angemerkt iſt, daß fie aufgeführt wurde
Ludis Megulensibus Calixto III. Sacerdote Max, Fride-
rico 11}. Oaesare, Francisco Foscareno Venet. Dace
Benedieto Vieturie et Leonardo Contareno Patavii
Praetoribus: Secco Polentone von Padua (im Ans
fang des Jahrhunderts) ſchrieb eine lateiniſche Komödie
in Profa, „Lusms- Ebrierum”’, welche fpäter 1483 im
Ttient ind Ita e Werſetzt und unter dem Titel
” Catinia“ als bie erſte gedtuckte ttatienifähe Komäble ber
trachtet wurde.
Beſonders aber war in Rom um das Jahr 1480
‚eine gluͤckliche Periode fir das Theater, und dort wurden
zuerſt die alten Muſter hervorgeſucht und fo der Ge⸗
ſchmack auf einen beffern Weg gebracht. Dort mennt ſich
ſelbſt Giovanni Suipizio von Veroll, welcher unter In⸗
nocenz VIII. Profeſſor der ſchoͤnen Wifſenfſchaften war,
als den Erſten, welcher nach langem! Zwiſchenraum Rom
wieder eine lateiniſche Tragoͤdie gezeigt habe; es iſt aber
von dieſer nicht einmal mehr der Titel uͤbrig. Der eigentliche
Ernenerer des römifchen Theaters war ber berühmte Pom⸗
ponio Leto, der Stifter der Academia Homasa, deren
Mitglieder er mit gleichem Eifer befeefte und ihre Eins
übungen und Vorſtellungen leitete. Und zwar iſt er
(don deswegen ber Regenerator der Bühne, weil er De
‚alten Mufter, vornehmlich den Plautus und Terentius,
ben Dichtern wieder vor Augen fleite, obgleich unter ſei⸗
ner Leitung auch neuere Producte aufgeführt wurden.
Als die erfte In der Reihe dieſer Darftellungen wird Plau⸗
tu6’ ‚„‚Asinaria’” genannt, wozu die Bähne auf dem Quti⸗
rinaliſchen Hügel aufgebaut war. Bald darauf im Car⸗
neval 1484 "war die Gefchichte des Kaiſers Konftantin
in Reime gefegt, und in bem Vorhof des päpftlichen Pas
laſtes, wo fonft gewoͤhnlich bie nach Hof rritenden Car⸗
binäfe von den Pferden fllegen, aufgefihrt, während ber
Papſt ſelbſt aus einem Fenſter zuſah. Das Stuͤck ſcheint
einen außerordentlichen Eindruck gemacht zu haben, denn
Derienige, welchet die Rolle des Konftantin fpielte, behielt
naher bid an feinen Tod den Namen biefes Kaiſers
(Muratori „Script, Rer. ital.”, Bo. 23, &.194). Ganz
befondere verdient um das Wiederaufieben des Theaters
in Rom machte ſich der Cardinal Rafaello Riario, Bruder
des ſchon erwähnten Pietro. Aus einem Brief des Sul⸗
pisto von Veroli erzibt ſich, daß er fi mit den Akade⸗
mikern des Pomponto Leto in Verbindung feßte und ihre
Darſtellungen auf alle Art und ſelbſt mit großem Aufs
wand feines Reichthums befärberte, fobaß fie neben den
glaͤnzenden Darftellungen der Mofterien beſtehen konnten.
‚Bald ließ er fie vor einer ausgefuchten Geſeliſchaft und
in Gegenwart des Papftes Innocenz VII. im Gaftel
&.: Angeto, bald in feinem Palaſt, bald auch oͤffentlich
vor dem ganzen Bolk auf dem Forum, das er gang meit-
0
Thchern gegen bie Sonne fügen ließ, fpielen und forgte
freigebig für Schmud umd äußere Ausflattung der Bühne.
Auch für die Aufführung eines großen Schaufpiels von
Carlo Verardi ließ er in feinem Palaſt eine prachtoolle
Buͤhne errichten und lub dazu ben Papfi uud das ganıe
Gollegium der Cardinaͤle ein. Der Begenfland des Schau:
fpiels war der Sieg bes Könige Ferdinand bes Katholl:
fchen bei Granada, wodurd die Macht der Mauren in
Spanien gänzlich gebrochen wurde, eine Begebenbeit, bie
in ganz Italien einen großen Jubel erregte und befon=
ders in Rom buch eine Menge Feftlichkelten gefeiert
wurde. Das Scaufpfel felbft in Lateinifcher Profa bat
den Titel „Historia Boetica”, und ift auch in ber That
weiter nichts als bie Erzählung der Belagerung in Ge:
fpeäche gefegt. Übrigens fo wie diefes zeige auch ein an-
beres Stuͤck von Verardi, wie weit die dramatiſche Kunſt
bei den Stalienern in biefer Zeit noch in Ihrer Kindheit
zuruck und wie wenig fie für den rechten Einfluß ber
altım Muſter reif war. Diefes andere iſt eine Tragi⸗
Lomödie ebenfalls aus dem Leben des Könige Ferdinand
unb zwar über feine glüdliche Rettung von einem Morb:
attentat. Der Titel ift „„Ferdinandus servatus”, Verardi
verfaßte es in Profa und fein Neffe fegte es in lateini⸗
ſche Derameter, theilte e8 aber ebenfo wenig wie das vo:
tige in Acte ab. Der König wird von einem Mörder
verwundet und buch ein Mirakel bes heiligen Jacobus
geheilt. Die handelnden Perfonen find Pluto, Alekto,
Tifiphone, Megdre, Ruffo (dee Mörder), die Königin,
die Amme, St. : Jakob, der Carbinal Mendoza und der
Chor. Piuto. gibt in einem Athem fein Urtheil über
ChHriftus und Mohammed, und fpricht zugleih von Piri⸗
tous, Caſtor, Dreftes und Hercules. Auch in Neapel,
deſſen Hof mit dem fpanifhen verwandt war, erweckte
die Eroberung von Granada große Feftlichkeiten. Unter
Anderm verfertigte der berühmte Dichter Sannazaro eine
Farce, worin zuerſt Mohammed auftritt, über feine Nieber-
lage Elagt und vor der chrifllihen Armee flieht, darauf
der Glaube und die Freude in angemeffenem Coſtume
über die Vertreibung der Heiden triumphiren und eine
große Maskerade mit Ballet den Schluß macht. Diefes
Stuͤck, welches vielmehr zu den Allegorien als zu den
Dramen gehört, und mit vie Gefängen und Taͤnzen
durchflochten ift, wurde am 4. Maͤrz 1492 in Gegenwart
des Herzogs Alfons von Calabrien in Neapel aufgeführt.
Doh war man In Rom ungeachtet des Aufwands
in den Bühnen noch nicht auf den Gedanken gekommen,
ein fländiges Schauſpielhaus zu bauen. Dieſer Ruhm
gebührt dem Derzog von Mantua, fowie auch derjenige,
daß dort das erſte italienifche Trauerfpiel zus Aufführung
Sam. Die Sonzaga, und befonders der erſte Herzog
Friedrich, zeichneten ſich durch fürfiliche Beguͤnſtigung des
Theaters aus, welches bei jeder Feier eine Hauptrolle
ſpielte. Und ſo geſchah es, daß bei einem Feſte, das dem
Cardinal Franz Gonzaga zu Ehren veranſtaltet wurde,
der gerade anweſende beruͤhmte Gelehrte und Liebling des
Lorenz von Medici, Angelo Poliziano, auf Bitte bes
Cardinals In zwei Tagen mitten in dem fefllihen Tu⸗
mult fein Xrauerfpiel „Orfeo” ſchrieb, welches in ber
Geſchichte der italieniſchen Literatut als das erfie Stuͤck
von eleganter Diction und aud einigermaßen regelmäßis
ee und intereffanter Handlung Epoche made. Dan
je diefes Stk, in deſſen Drud: und Herausgabe übri-
ns der Dichter ſehr ungern willigte, verſchieden beur⸗
theilt, weil es, "wie Tirabosſchi nachgewiefen bat, von ums
wiſſenden Abfchreibern und Serausgebern ſehr verſtuͤm⸗
melt worden if. Nah einem in Reagio aufgefundenen
alten Goder iſt aber bie Tragödie ganz regelmäßig in
fünf Acte getheile, und fehle dort bie fo bitter. getadelte
lateinifhe Ode in fapphifchem Versmaß zum Lob des
Garbinais, weiche Orpheus bei feinem erſten
auf der Bühne außer allem Zufammenbang fol herges
fagt haben. Der Inhalt der: Teagoͤdie iſt einfach die
Geſchichte des Orpheus, wie er in die Unterwelt ſteigt,
feine Gattin zu befreien, fie aber durch unvorſichtiges Um⸗
fhauen verliert, darüber troſtlos allen Freuden ber Liebe
entfage und zur Strafe für biefen Entſchluß von dazu⸗
kommenden Bacchantinnen getöbtet wird. Fuͤr die Schau:
luſt ift auch durch Decoration geforgt, indem z. B. im
vierten Act, wo Orpheus unter die Erbe hinabſteigt, das
Theater getheilt ift, und auf ber einen Seite die Schwelle
der Unterwelt, wo der Sänger ankommt, auf ber andern
fie ſelbſt zuerſt in der Kerne zeigt, dann aber die Scene
ſich öffnet und Orpheus nun mitten unter den Schrei:
niffen des Zartarus flieht. Es kommen aber auch einige
meifterhafte lyriſche Geſaͤnge darin vor, wie ber Hirten:
gefang des Arifläus im erflen Act, dann ber Geſang des
Orpheus, um bie Götter ber Unterwelt zu bewegen, und
beſondors die unübertreffliche und wahrhaft claffifche Di:
thyrambe der Bacchantinnen, welche ben Schluß bes
Stuͤcks ausmacht.
Das Belfpiel von Mantua erweckte in vielen Stäk
ten Nadeiferung. Der Herzog Ludwig Sfor ließ in
Mailand ebenfalls ein Theater errichten und der Herzog
von Ferrara reifte oft mit großem Gefolge bin, um bie
feſtlichen Darflellungen zu ſehen. Im Venedig wurde
1494 eine italienifhe Komoͤdie von Sacope Nardi,
„Jamicizia”, aufgeführt, welche Mercure mit einem Pre:
(og eröffnete. Mirgend aber fand die dramatiſche Muſe
beffere Aufnahme und eigentlichere Pflege als an dem
prachtliebenden und reihen Hof in Serra. Der Her:
530g Hercules I., welcher in Prachtliebe mit den mächtig:
ſten Königen wetteiferte, ließ in dem Sof feines Palaſtes
ein Theater errichten, wo eine lange Zeit bie bramatifchen
Selle flattfanden. Sein Eifer in Beförderung des Thea⸗
ters hätte einen beſſern Erfolg verdient, und daß deſſen⸗
ungeachtet nur fo wenige Originaldramen ‚an biefem Hof
and Licht traten, und diefe wenigen kaum bie nachfictigfte
Kritik befriedigen, während im Epos fo Werzügliches ges
leiftet wurde, follte uns faft ben Beweis liefern, daß bie
dramattfche Kunſt nicht zu dem Geiſt der Itallener paßt.
Der Herzog nahm daher zu den lateiniſchen Kemikern
feine Zuflucht, und ließ fie eiftig theils von ben am ſei⸗
nem Hof lebenden Gelehrten, theils von Fremden Über:
fegen. Die erſte Aufführung war am-25. Sen. 1486
die der „Menaͤchwmen“ 626 Mautus am deren Übesfegung
er felbft geholfen hatte umd beren wirbige Ausſtattung
er ſich 3000 Dukaten koſten lief. Sie fol aber auch
die Bewunderung von ganz Stollen erregt haben, und
von weiter Gerne, von Mantua, Bologna, felbfl von-
Florenz waren bie Fuͤrſten und Herren mit großem Ge:
folg gelommen, um Zeugen dieſes Schaufpiels zu fein.
Die zweite Darſtellung gefhah am 21. San. des folgen:
den Jahrs, und dazu hatte der Fuͤrſt Niccolo von Cor:
teggio ein Driginalftüd, eine Art Dirtendrama, „Cefalo“,
in fünf Acten in Ditava Rima, geliefert, welches er ſelbſt
aber im Prolog nicht recht zu beftimmen wußte, baber
er jedem nach feinem Ermeffen überließ, es Komödie oder
Tragödie zu nennen. Fünf Tage darauf war wieder ein
großes Zeit in Ferrara und wurde der „Amphitrio“ von |’
Plautus gegeben. Die Iateinifchen Komödien fanden fols
hen Beifall, daß man fie öfters bei Feſten wiederholte,
4 B. 1491 bei der DVermählung des Alfonfo von Eſte
mit ber Anna Sforza, 1493 bei dem Beſuch des Lub-
wig Moro. Den „Amphitrio‘ hatte Pandolfo Collenuccio
in Terza Rima uͤberſeht, berfelbe fchrieb aber auch eine
Drlginaftragddie, „Zofeph”, für daffelbe Theater. Noch
eine Menge anderer Gelehrter waren fortwährend mit
Überfegen des Plautus und Terenz befchäftigt, wie Gua⸗
zint, und alle diefe Stücke gefielen fo gut, daß in einem
Monat, im Febr. 1499, drei derfelßen ‚‚Trinummus” und
„‚ Poenulus” von Plautus und „Funuchus“ von Terenz
zwei⸗ und breimal wiederholt wurben. Unter den Origi⸗
nalfchaufpielen bemerken wir nur noch zwei Tragoͤdien
von Antonio von Piſtoja in Zega Rima und mit
Sefaͤngen (die eine „Filostrato e Pamfila”, die ans
dere ‚‚Demetrio”), fund den ‚, Timone’ bes Bajardo
(Berf. des „Orlando innamorato ”) in fünf Acten
und Terza Rima, ben diefer auf Verlangen des Herzogs
von Ferrara gebichtet hatte, und der gewöhnlich für den
erfien Verſuch im italienifchen Luftfpiel angefehen wird.
Diefee „Timone“ iſt übrigens nichts Anderes und der
Berf. gab ihn auch für nichts Anderes als eine verfifi:
cirte Vberfegung des Geſpraͤchs von Lucian unter dem:
feiben Namen. Denn ber Titel heißt „Timone, com-
media tradotta da um dialogo di Luciano, a compia-
cenza del ill, Sgr. Ercole Estense Duca di Ferrara”.
Ziraboschi theilt zwel für die Geſchichte des Theaters zu
Ferrara wichtige Briefe mie. Der eine iſt vom Herzog
ſelbſt an den Franz Gonzaga von Mantua, worin der
erſte ſich entfchuldige, dem andern nicht die gewänfchten
Copien det aufgeführten Plautinifhen und Terenziſchen
Luſtſpiele ſchicken zu koͤnnen, weil die Schaufpieler, wel⸗
che ſie auffuͤhrten, ſich mit ihren einzelnen Rollen nach
allen Laͤndern hin, beſonders nach Neapel und Frankreich
zerſtreut haͤtten, woraus alſo erhellt, daß hauptſaͤchlich
von Ferrara aus ſich die dramatiſche Kunſt nach den ans
dern Laͤndern hin verbreitete. Der andere Brief iſt von
dem Prior des Benedictinerkloſters an den Herzog Her⸗
cules vom Jahr 1503, und begleitet einen Pack Schau⸗
fpiele, die in Florenz gegeben wusden, und bie ber Prior
ao Ferrara ſchickt, nicht damit ber Herzog von ben
Steruntimeme bie Schauſpiekeenft lerne, ſenbern bant «er
ſehe, wie groß der Unterſchled zwiſchen feinen umd den
florentiniſchen Schaufpielen fei, in welchen letztern bie
Pollen unter die heiligfien Dinge gemifcht fein.
(Der Beſchluß folgt.)
Friedrich Stapß. Erfchoffen zu Schönbrunn bei Win
auf Napoleon's Befehl im October 1809. ine Bios
graphie aus den Papieren feines Vaters Fr. Gottl.
Stapß. Nebſt den Zeugniſſen feiner Zeitgenefien. —
Kart Johann Friedrich Schulz, Kämmerer zu
Kyris. Erfchoffen dafelbft am 8. September 1807 auf‘
Befehl des franzoͤſiſchen Gouvernements. Berlin, Lefes
cabinet. 1843. 8. I Thlr.
„Nur im Vorbeigehen“, ſagt Buͤlau in feiner „Geſchichte
Deutſchiande von 1806 - 30" (S. 120), „gedenke ich des Atten⸗
tats bes Friedrich Stapß, ber Rapoleon zu Schönhrune am 12. Det.
zu ermorden ſuchte und bald barauf erſchoſſen wurde. Ein fols:
her Verſuch konnte nur aus aͤußerſter Verblendung und mora⸗
liſcher Verirrung hervorgehen und wuͤrde, wenn er gelungen
wäre, bie Annalen bes deutſchen Volks befleckt haben. Ein:
Bolt, das feine andern Mittel wäßte, fid von feinen Unter
brädern unb Feinden zu befreien als den Mord, verbiente nicht
frei zu fein. In der That würbe das Attentat Deutfchland -
aller wohlthätigen Ginflüffe, bie der Befreiungskrieg body uns
leugbar in feinem @Befolge gehabt bat, beraubt haben. Es ent⸗
fprang nur aus einer ganz vereinzelten Stimmung.”
Uber biefe von dem genannten Gefchichtichreiber mur Burp
erwähnte Angelegenheit gibt bie vorliegende Schrift bie ause:
führlichften Nachrichten. Mehre Jahre hindurch war die Sache
fo gut wie unbelannt in Deutfchland geblichen, nur dunkle,
unbeflimmte Gerüchte waren verbreitet, bis feit bem Anfange
bes 3.1813 in Kotzebue's „Ruſſiſch⸗deutſchem Volksblatte” (m. f.
S. 58 fg. ber vorliegenden Schrift) das Attentat auf Napo⸗
lton genauer erzählt und dann aud) im „Allgemeinen Anzeiger‘
ber Deutfchen” mehre Anfragen und Beantwortungen in dieſer
Sache gefchapen. Mehre Jahre fpäter erfchienen nach Napo⸗
leon's Tode die Memoiren von Gavary, Rapp und Bourrienne,
vor ihnen warb noch das „Memorial von St.⸗Helena“ bekannt
gemacht, und man konnte aus biefen Schriften zu ziemlicher
Gewißheit über die einzelnen Umftände des fchönbrunner Attens
tats gelangen. Aber noch fehlte es an glaubmürbigen Auffchlüfs
fen über Stapß felbft und über die Beweggründe feines Unter
nehmens. Diefem Mangel wird allerdings durch die vortiegendei
Schrift abgeholfen. Denn ihr Herausgeber bat fi in ben
Beſitz einer Biographie zu fegen gewußt, weldge ber Bater des
erfchoffenen Stapß, ber zu Raumburg am 28. December IS4L:
(nicht vor einigen Jahren, wie wir auf &. 8 ber Worrede le⸗
fen) verflorbene Prediger Stapß für feine Familie verfaßt hatte
und deren Berdffentiihung ihm geftattet worben ift. Mit FRecht
hat ber Herausgeber dieſelbe ganz in ihrer urſpruͤnglichen Ges
ftalt erfcheinen lafien. Denn als die Stimme eines jo nahe ber
theiligten- Mannes unb als ein wngefchminktes Beugniß ber
Wahrheit bedurfte fie feiner Umarbeitung und keinens Commen⸗
tars, um gleichmäßig belehrend und ergreifend zu fein.
Friedrich Stapß, geboren zu Raumburg am 14. Maͤrz 1702,
war in ber einfaden Bitte einer proteflantifchen ſaͤchſiſchen
Prebigerfamitie aufgewachſen. Er wird als ein durchaus guter -
Cohn geſchildert, fleißig, betriebfam und mit Geſchick file aller»
band technifche Fertigkeiten. Im Mat 1806 trat ex feine Lehr⸗
jahre in der Rothſtein'ſchen Fabrik in Erfurt an und erwarb
ſich Hier durch Fleiß und Treue bie Liebe feines Principals. Die
Zuſammenkunft der Kaiſer Napoleon und Alexander in Grfurt,
dann ber ber idyer bei Afpern machten großen Eins:
druck auf ihn, er meldete es feinen Ältern, fo oft er cine
Bi
Gkrgtuadkidgt versah, und onf wie Sintestiogang. ber Gumpagnte naffauiſcher Nupyen nebſ einem
an,ofen ni asoßem @ifer. — Zeit, barz vor feinem | nach Kyrit, um bie Schuldigen u verhaften und
nge aus (Erfurt, ſprach er zum erſten Male gegen’ zwei
ute Freunde Aber feinen Plan, den Kaifer der Franzoſen
zu ermorden, flelfte ſich aber, als dieſe ihm alles Ernſtes ab⸗
riethen und es dem Bater zu ſchreiben drohten, als fei es nur
ein vorübergehender, unreifes Gedanke gewefen. Um fo mehr
waren feine Freunde und das ganze Haus betroffen, ald er am
ZA. Geptember 1309 piöglih Erfurt verließ und Alle glauben
mußten, ex habe dies gethan, um Soldat zu werben. Die Als
teen erfchraten über biefe Nachricht, die Mutter wollte gleich
nach Erfurt, fand aber ſchon unterwegs bei einem Verwandten
den Brief ihres Sohnes, der bier ©. 29 fa. abgedruckt ifl.
Uns Viefem fpricht bie inntgfte kindliche Liebe und tiefer Schmerz,
den er feinen Atern buch diefen Schritt zufügen würde, aber
fein Gewiffen riffe ihn mit Nicfengewalt zu feinem Schickſale
bin, deffen Laufbahn balb vollendet fein mürbe und wo ihn
dann die ewige Herrlichkeit erwarte, bie ihm Gott verbeißen
. Denn ber Water habe. ihm ja gelehrt, für das Gluͤck
mb für das. Leben der Nächten ben Tod nicht zu feheuen.
Eine beſtimmte Anbetung Deſſen, was ex zu thun entſchloſſen
fei, enthält. ber Brief nicht. Alle Nachforſchungen ber Altern
biteben ohne Erfolg, und erſt als Anfragen von Münden und
Deimar aus nach den Altern eines gewiflen Stapß kamen, als
ver Bates über feinen Sohn vernommen wurbe, abnete nam,
daß etwas Außerocbentliches mit bemfelben vorgegangen fein
möchte. Sin namenlofer Brief aus Hamburg enthielt am Schluß
die. Worte: ‚Run ift wieber ein Deutfcher weniger, und ein
anderer theilte unter dem Giegel der tiefften Verſchwiegenheit
mit, daß ein junger Menſch aus Erfurt in Wien erichoffen ſei,
man wiffe aber durchaus nichts Raͤheres. Won Dreiben aus
mard dem Water auf bie Bitte um einen begiaublgten Todten⸗
ſchein nur die Antwort: „man fpreche nicht gern von ber Sache,
es fei —— für alle Theile, fie ruhen zu laſſen“.
&
elamat Öffentlich zeigen busften, weit bie In
gſtuichkeit der Be
hoͤrden itmen bie Außern Zeichen ber Trauer unterfagt hatte.
Dagegen foll Napoleon bei feinem Aufenthalte in Münden im |
J. 1809 die Abficht gehabt haben, dem Water bed Fr. Stapf
eine Unterftägung zukommen zu laflen, es ift jedoch eine folche
micht erfolgt. Nur erft während ber Befreiungskriege empfingen
die Ättern bie fichern Nachrichten und erfahen fpäterhin aus ben
n Memoiren die Berichte des Napoleonifchen Generale.
Es fchlieht diefe Biographie mit ber Warnung des Baters
an alle Idmglinge, daB fie fich durch den Tod feines Sohnes
möchten bebeuten laffen, fich nicht größere Laſten aufzubuͤrden,
* FR im Stanbe wären, unb nicht in den Gang
AIm Anbange hat der Herausgeber eine ſehr Bielen ‚gewiß
kannte WBegebenheit aus ber Zeit ber Napoleoniſchen Zwing⸗
herrſchaft mit allem Rechte der —— entziffen. Die
Sache war fölgende. Am 30. Maͤrz 1807 erfchienen in ber
GSetabt Kyritz in der Priegnig ein Commando Schill'ſcher Huſa⸗
rm von Kol aus, um fich der noch vorhandenen preußifchen
Montirungs zu bemaͤchtigen. Die Buͤrger nahmen die
Huſaren gen in ihre Haͤuſer auf, Alles ging in Ruhe vor ſich,
nur bemädhtigten fidy die Reiter ber Kaſſe eines durchreiſenden
Jaden, der bei dem Gaſtwirthe Kerfien wohnte, und ben man
franzoſtſchen Gommiffae bielt, ober. ber es aud wirds
üch war, Durch diefen warb ber Generalgouvernsur Glarke in
Bertin- von bem Vorfalle benadzeichtigt und fenbete: ſofort eine
‚der Negociatiönen eingedrungen.
Den Kämmerer - Schul; als Mitglieb ber ſtaͤdtifchen —* 5
erer
bewegen laſſen, —e— Kaum dreihundert Schriti
vom Thore ließ der naſſauer PHauptmann Kergefroid ben Was
‘gen von der Straße abfahren und eröffnete den beiden ſchuld⸗
Iofen Maͤnnern, wie fie fofort follten erfcyoffen werben ımb er
'ignen nur wenig Seit laſſen koͤnnte, ihre One Gott zu befchs
len. Nach wenigen Minuten lagen Beide durch bie n
ihrer deutſchen Bruͤder getroffen todt auf dem Acker.
ſtarb mit der maͤnnlichſten Faſſung.
As am 3. Mai 1814 General Starke in Paris dem Kd⸗
nige Friedrich Wilhelm III. vorgeftellt wurde, wandte fich dies
ſer mit harten Worten zu ihm und hielt ihm feine Braufames
‚beit gegen die Märger von Kyrig vom
Dem ‚Herausgeber ift biefe Geichichte eines ebein Märtyrers
durch den noch lebenden Bruder beffelben, Beledrich Schulz, ben -
von Goethe einft fo ausgezeichneten Kritiker des berliner Thea⸗
:ters, ben vieljährigen Freund und Hausgenoffen Stägemann’e,
zur Belanntmachung. mitgetheilt worden. Alfo gewiß eine volls
Tommen lautere Quelle. Und doch bat ein aachener Badegaſt
aus der Gegenb von Kyrit in Nr. 265 der „Aachener eitung”
Berichtigungen bazu mitgetheilt, bie wir in. unfere obige Er⸗
zaͤhtung mit aufgenommen haben, dba man uns überbies vers
ſichert hat, daß diefe Rachricht gang den Srinnerungen der Bes
wohner von Kyrig entiprädge. Das Berbienkt bes Derausgebers,
b6 ben
"zwei Begebenheiten aus der trübften Zeit
Jetztlebenden zur feudhtbaren Ermahnung bargeftelt zu haben,
ir durch eine ſolche Berichtigung ganz und gar nicht ver⸗
kuͤmmer
ebten die AÄAitern in tiefer Bekuͤmmerniß, die fie nicht |.
Literarifhe Notizen.
oe hiaiännigen Kriege.
er‘ eine Überf des „Drei
jährigen Kriegs” von Schiller und bes —— — —*
‚von Woltmann, begleitet mit Anmerkungen, herausgegeben:
„Histoire de la guerre de Trent- Ans, * Schiller, et de
la paix de Westphalie, par Woltmann’ (ABde.). Ein frame
zoͤſiſcher Recenſent vergleicht eine ältere framoͤſiſche Arbeit kber
den Dreißigjährigen Krieg und die Schiller ſche wie folgt: „Der
Pater Bougeant iſt aͤngſtlich in feiner Diction, behutfam im
feinen Urtheilen, aber in Dem, was die religiöfen Intereffen
betrifft, iſt er, obwol Iefuit, ehrtich und fogar tolerant. Gr
hat _forgfättige Studien gemacht und feine Erzaͤhlung iſt ge⸗
meflen, ex gebt weniger darauf aus, die Menſchen zu ſchüdern,
als ihre Intereflen zw entwideln, woburd fie allerdings auch
gefchildert find. Niemand iſt beffer als er in die Geheimniſſe
Schiller dagegen ſcheint nur
gtänzenbe Portraits, lebendige Tableaux vor Augen gehabt zu
haben. Er ſchreibt Gefcdyichte, wie man fir das Theater dichte,
indem ev bie Soenen vorbereitet, anorbnet und die Effecte derech⸗
net. Er denkt, er ſchreibt als ein Dichter.”
Puſeyiſmus in Amerika.
Eine Abhandlung: „A statement of facts in relation te
the recent ordination in 8. Stephen’s Church, New York”,
von Dr. Smith und Dr. Anthon, enthält die Nachricht, dag
tro& ber Einſprache ber beiben genannten Herausgeber und Mit⸗
glieder bes Presbyterencallegimus der Biſchef von Nework,
. Onberbonf, im GEinverſtandniß mit den übrigen ſecht Preo⸗
byteren, einen gewiſſen Wr. Carey zur Drbination gelaſſen
babe, weldyer nad) ber Meinung der Herren Smith und Anthon
tomaniftifche und ber Lehre der proteftantifih = episkopalen Kirche
Dee ſchnurſtrackt zuwiderlaufende GBrunvfäge enfgeßsät
VBerantwortlicher Derauögeber: Heintih Brodpaud. — Drud und Berlag von F. J. Broddaus in Leipzig
“= (GEHEN ————— — ⏑ — EEE
Biefter
literarifche
far
Unterhaltung.
Sonntag,
¶(Beſchiuß aus Mr. 315.)
Zu Row war bie glaͤnzendſte Zeit für das itattenifche
Theater die Regierung bed Papflis Leo X.; doch fehlten
beſonders dort alle Elemente für bie tragiſche Kunfl.
Diefee Mediceer liebte allerdings bie Poeſie, und bie ums
ermeßlichen Reichthuͤmer, die ihm Dummheit und Aber
glaube aus allen Ländern Europas fammelten, floſſen
zum großen Theil an feine Tafel, die täglich von luſtigen
Reimern und Poffenreißern belagert war, und er nahm
Ale an, wenn fie ihn nur durch ihre Verſe beluſtigten.
Diefe Vorliebe fir die komiſche Dichtung unterdruͤckte je:
des ernfte Genie, was ohnebies in SStallen eine Selten⸗
beit war. Um auch bie Komödie in Rom zu heben, ließ
der Papft die Akademiker von Siena an feinen Hof
kommen, welche fich die Geſellſchaft der Roben, Congrega
de’ Rozzi, nannten und fich fchon laͤngſt in Siena durch
"ihre burlesken Darſtellungen einen Ruf mworben Hatten.
iefe machten auf einer im Vatican (Rom hatte noch
Zein beftändige® Theater) errichteten Bühne die römifchen |
Prälaten und Großen mit ben Luflfpielen des Plautus
und Terenz und mit ihren Originalpoſſen bekaunt. Un⸗
ter den von den Rozzi in Siena aufgeführten Komoͤdien
iſt nur eine demerkenswerth, und zwar hauptſaͤchlich wegen
ihres Inhalts, weil benfelben auch Shakſpeare in einer
Korasdie bearbeitet bat, wie man fogleich aus dem In⸗
balt erſehen wire. Dies iſt die „Wirginia”, oder auch
olme befondern Titel die Komödie des Bernardo Accoltt
von Arezzo, ber wegen: feiner beliebten Sonette PUnico
Aretino genannt wurde. Die Fabel biefes Sthds if
aus ber neunten Movelle ber dritten Giormata beö „De-
camerone” von Boccaccio genommen. Virginla, die Toch⸗
ter eines Arztes und in der Heilkunſt erfahren, verliebt
fi) in einen Fuͤrſten. Dee König, der auch Lehnsherr
diefes Sürften if, liegt gefährlich. krank. Virginia unters
nimmt die Heilung beffelben und verlangt zum Lohn Die
Hand eines ber Fuͤrſten. Der. König wird geheilt, und
der Fürft ; der eine gewiffe Eainilla mit ber größten Leis
denſchaft Lebt, muß wider feinen Willen der Retterin
feine Hand geben. Er weiß fih ober wicht in fein
Schickſat zu ergeben und entferne‘ ſich gleich nach ber
Trauung. AHe feine Freunde ſuchen umfonft die Sache
zu Sunften der Virginia zu vermitten. Er roliigt end⸗
| aͤchlichem
voruͤbergehenden, abwechſelnden Eindrüden und
Inhalt oft uͤberſahen.
lich, von ben Fuͤrbitten ermuͤdet, ein, die Tochter des
Arztes als ſeine Gemahlin anzuerkennen, unter der Be⸗
dingung, daß fie ihm einen koſtbaren Ring, den er nie
vom Singer zieht, und zweitens einen Sohn bringe, ben
er ſelbſt mit ihr erzeugt bat, und feßt darauf feine Be⸗
werbungen bei der Camilla eifrig fort. Virginia folgt
ihm nun verffeidet und weiß die Camilla und deren
Mutter In ihre ISntereffe zu ziehen. Dort wird nun bie
Intrigue fo eingeleitet, daß der Fuͤrſt mit feinem Ring
eine Nacht bei der Camilla erfaufen muß und daun Vir⸗
ginia ihrer Freundin Stelle einnimmt. Auf diefe Art
werden "beide Bedingnifſe erfüllt und Virginia die aner⸗
fannte Gemahlin des Fuͤrſten. Die Aufführung diefer
Komoͤdie zeugt freilich noch von der Kindheit der drama⸗
tifchen Kunft, aber auch von dem laͤhmenden Einflich
ben die Petrarchiſche Sonettenwuth auf bie itattenifcht
Poefte außgehbt hat, Inden auch dieſes Zufifpiel, wie faſt
alte übrigen Compoſitionen diefer Art, ſich nicht über die
Igrifche Sphäre erheben kann.
Wir find num Über den Urſprung des itafienifchen
Theaters hinaus an der glänzenden Periode beffelben ans
gelangt, welche mit Arioſt's „Saffatia”, Bibbiena's „Gas
landra” und XZeiffino’s „Sophonisba“ anfängt und uns
alfo zum Schluß mahnt. Die gefchichtlfche Überficht jes
ner Anfänge führt uns nur noch zu einigen Bemerkun⸗
gen. Es ſcheint vorerft im Allgemeinen, daß die Italle⸗
ner zur ernflern Tragödie nicht organifirt find und darin
nie etwas Ausgezeichnete® Leiften werden. Ihre ganze
Natur, ihe Hang zu oberfl Sinnenreiz, zu *
enuͤſſen,
ließ fie mit beſonderer Vorliebe immer mehr das Außere,
die Form vervollkommnen, moräber fie den tieferliegenden
Daher warf fi) in den früheften
Zeiten ihr dramatifches Talent nur auf bie Mimik, worin
fie Meiſter und Lehrer ber Römer waren; bei dem Wies
dererwachen ber Kunſt erhielten bald die Opern, Ballete
und aͤhnliche theatralifche Ergöutichiuiten die Oberhand,
wobel die dramatiſche Webeutung gaͤnzlich untergeordnet
war; und felbft bei dem Tragiker Alfieri Liege der tragi⸗
'fche Ernſt oft nur in der Form, im ber energiſchen, oft,
- |; auch gezwungen abgefchnittenen, gepseßten
die
ee fidy eigens dazu gebiiber zu haben ſcheint, eineh:
aber iu dem Sinn und dee Handlung. Wie fehe‘ die’
ij77
Italiener an der Form haͤngen, zeigt ſich In ihrer ähgft-
ũchen filavifchen Nachahmung ber Formen ber alten Ko:
mödie und noch in ber flarren Feſthaltung ber lateini⸗
ſchen Sprache, bie fie in jenem Jahrhundert für jedes
Gaſtes
werk audſchleßlich wählten, das ihrer Meinung
nach auch im Ginte un der Bibkıtung bey altzn gleich⸗
kommen ſollte. Ale Werke jener Zeit aber, die echt na:
tional in italieniſcher Sprache abgefaßt waren, ſtreiften
in das Gebiet des Leichtfertigen oder Komiſchen. Diefer
befondere Hang zum Oberflaͤchlichen, zur Außern Form
binderte benn auch das tiefe Eindringen in ben Charak⸗
ter, und ließ fie deswegen die eigentliche Piaftit, das voll⸗
kommene Herausarbeiten eines Charakters vernachläffigen,
wovon fich auch in ihrer ganzen dramatifchen Literatur
wenig Spuren finden. Daneben bemerkt man bei ihnen
Die Usmöglichkeit, fich für isgend ein Werk einen erhabe:
nen Standpunkt zu einer großartigen, allgemeinen Auf:
faflung zu gewinnen, wozu freilich aud) ihre völlige Un:
kenntniß frember Zuftände und Nationalitäten und bie
dadurch erzeugte Einfeitigkeit gewirkt hat. Diefer Man:
gel zeigt Gch in ihrem noch immer ſpukenden Localpatrio⸗
tiamus, ec zeigt fich auch in ihrer Geſchichtsliteratur, die
meiſtene eine unüberfehbare Reihe fehr fleißig gearbeiteter
Municipalgeſchichten gibt. Was dagegen in der drama⸗
tifhen Kunft in die niebere Sphäre des blos Foͤrmlichen,
des fihnellen vorübergehenden Genuſſes gehörte, wurde
von ihnen mit beſonderer Vorliebe erfaßt und ausgebildet.
Sowie fie daher früher ihre poffenhaften Atellanen hat-
, fo bildete ſich in der neuern Zeit vorzugsweiſe Die
vieler Beziehung gang ähnliche Komödie aus dem
Stegreif aus, in deren Pofjen eben ber enge Bleinliche
Municipalgeiſt die Hauptrolle fpielte. Aus jenem ange:
führten Charakterzug erklärt fi im 15. Jahrhundert die
merkwuͤrdige ausfchließliche Aufführung der alte Komödie,
da man doch die griechifchen Tragiker ebenfo gut kannte.
Es war derfeibe Zug, ber fich auch zu den ungereimten
Poſſen hinneigte, womit man die heiligften Dinge wür:
zen zu müffen glaubte. Obgleich daher die Staliener in |
den bramatifchen Beſtrebungen unter allen neuern Voͤl⸗
fern am. thätigften waren, fo waren doch wegen ber an:
eführten Urfachen die Erfolge dieſer Beſtrebungen bei
Chnen gm geringften. | €. Ruth.
Eimmdzwanzig Bogen aus der Schweiz. Herausgegeben
von®eorg Herwegh. Zürich, Literariſches Comptoir.
1843, r. 8. 1 The. 15 Mor.
Wir erflaunen it! mit Recht, wie einft bie Kluge Politik
der Kirche und ber beſchraͤnkte Fanatismus der Kirchenparteien
fi das abfolute Recht der Wahrheit vindictren und jeben Kris
tiker tiefer, priallägirten Wahrheit, jeben anders. Denkenden und
Slaybensen. mit Feutr, und Exil verfolgen fonnten.
Die Seiten, jagen wir ſtolz und feöplich, haben fi
ber Proteflantismus hat die Macht ber Geiſtestyrannei gebros
hen und es iſt wahr: Niemand wird mehr gefpieft und gebras
ten, will ex an feinen Gott auf feine Weiſe glauben wil.
X went aber ee daß —A *
bentzatrichte a | Der Munich hat tage
aux einen xetigiöien Glauben, ber frei ſein En, es bat auch —
objectiven Geiſte einninamt
anſprucht hat und noch beanſprucht?
‚jede Philoſophie muß Aber ihre Zeit hin
futtate d
geaͤndert;
sr
bie Cigenthar OERER feiner Zeit — das Beboͤrfniß beö Denkens
und Willens, des Denkens und Wiffens über den Staat, bie
Beſellſchaft, ſelbſt über die Religion und Kirche, kurz über Als
led, was ben Inhalt bes modernen Lebens ausmacht, und bie
ahre Geifteöfreipeit Ruß ſich auch über ben Gedatzken, über
8 ganze G des Menſchen erſrecke *
Beſitzt unſes Beitölter das Reche dieſtr imerm Fraheit?
Niemand, ſelbſt In Deutſchland, wagt recht offen das Wegentheit
zu behaupten; Jeber, wenn er nicht gerade ein Römling, fpricht
bie Freiheit des Geiftes als ein hohes But aus, felbft die Par:
tei, die ruͤckwaͤrts marſchirt, zeigt Entrüflung, wenn ihr Feind⸗
thaft gegen bie Freiheit bes. Gedankens vorgeworfen wird; und
dennoch müflen wir an biefer Freiheit, zumal in unferm lieben
Baterlande, zweifeln. r fi denten, das iſt wahe, kann
heute noch Jeder, was er nur will: dieſe Freiheit mußte gr
ui Rizde 4 Diele Vruͤferia ber ı 72
fen. Allein das Recht, die Übergeugung, bie uns auf bem Her⸗
zen brennt, der Welt mitzutheilen, dieſe Freiheit, in der das
Denten erſt 3wed und Kung hat — bie beflgen wir noch
nicht.
Bias wuͤrde aus ber Religien werben, wenn fie bein Ur
theile Jedes preißgegeben wäre? fragte bie Kirche oft, menu fie
Bluturtheile oder eine harte, geiftestöbtenhe, bie Vernunft und
bie Menſchlichteit empörende Maßregel befchönigen wollte. Wie
kdante, fragt ihre Nachfolgerin, die Staatögetwalt, der Staat,
die Affentliche ‚ bie Kirche, beflchen, wenn wir den
Geiſt in Miſſenſchaft und Literatur nicht feſſelten, der über bie
Gegenwart hinausgreiſen und fie in Miscredit bringen will!
Ehen diefe Brage, bie fo väterliäy und unſchutdig Klingt, beweiſt
es, wie wenig bei uns das Recht ber Geiſtesfreiheit und bie
Macht des Geiſtes begriffen wird, fie beweiſt, daß man
immer noch nicht uͤberzeugt iſt, wie bie Vermunft kein Privile⸗
gium Eingelner, fondern der allgemeine menſchliche Geiſt fei, fie
eweift, diefe Srage, mit einem Worte, daß unter uns bie Frei⸗
heit des Geiſtes nicht exiſtirt. Der Katholicktmus, das Prindp
der Außerlichen Autorität, fist uns noch immer im Ratten.
Dem dad unmwahr duͤnkt, der erinnere fi an das Schick⸗
fat ber vorliegenden Schrift und an bie Stellung jenes ofer
phiſches Ciberalidmud, aus dem fie hernorgegongen· Die @
zwanzig Bogen wurben in bem einen Staete vesboten, che fie
gedacht waren, in dem andern confläcirt, als fie ans Licht tra⸗
ten, und da bie Sonfiscation nicht gänzlich gefangen, von eis
nem ober mehren Staaten wiederum verboten. ie wollen
glauben, baß alle Gaumen bes P nges, bie Beſchruͤnkung
der Lehrfreiheit, die Manifeſtationen einer officiellen Wiſfſcaſchaft.
zum Heile des Staate,
Chellung 5
mt, als ber Papfl
ie Staatögewalt hat
mit ’ biele m ander an Finden m derzeit vn
regeln wi a es m durchhauen, denn |
eine 6 diqhtung als ein Unwanı2B, als Lüge und
fi nicht der Wilfenfchaft |
endeng. Gin neuer
Wiſſenſchaft, wenn te nicht tobt fein Toll, Hat eine Zend
er
seifen und
En ln
lautet
das Geihgsfgi —*
| Bi aut deg ATi anne mis —
——
— — — — ——
|
—— —XRWMWW
Republikaner Bluntſchti zur Zuͤtich, der ftomme Protector des
frommen Rohmer, ein Dann, ber vor einigen Jahren durch
eine reactionnaire Umwälzung In Züri and Staatsruder Fam,
hat ums forben ben Schneider Weitting als ben verkörperten '
Gommunismus bargeftelt. Es Teuchtet durch jenes Verfahren
viel zu viel Parteihaß und Rancune gegen ben
ralismus burg, die Dftentation mit jenem übergefchnappten
Menfchen bar ii viel zu fehr als der Verfuch einer Verleum⸗
dung der freifinnigen Schrei
als dag wir in biefen Enthällungen etwas Anderes ats die fana⸗
tiſche Geſtalt des Herm Bluntſchli erkennen mödhten Man
kann unb muß, beduͤnkt uns, das Princip bed Sommanismus
als ein wahres Princip anerkennen, ofne daß man zu ben Aus⸗
Schmeifungen und Schwaͤrmereien der fogenannten Communfften
in Frankreich und ber Schweiz ſchwoͤrt. Das Princip bes Goms
mmmismus Halten wir für fo att als die moderne Giviltfation
ſelbſt, es iſt die Bafis der bürgerlichen Geſellſchaft. Gemeinfam-
Zeit der Mittel, ber Zwecke und ber Refultate, diefer Grundſat
hat den gefelffihaftlichen Organismus hervorgetrieben, bedingt
alle focialen Lebensgüter, und unferer Zeit fcheint es namentlich
gugewiefen, biefen Grunbfag mit Bewußtfein zur freien vollen
Anwendung zu bringen. Die großen Affociationen für inbuftrielle
Zwecke bis auf die Rentenanftatten und Grebitvereine herab, zu
denen das confervative Clement, ber Grundbeſit ſelbſt, zuſam⸗
mentritt — Alles huldigt dem fo fehr gefürchteten Princip des
Gommunismus, nur nicht burchgreifenb, fondern vereinzelt.
Menn nun aber das Princip in gewilfen Streifen der Ge⸗
ſellſchaft eine drohende und ertreme, bie freie Perſoͤnlichkeit an⸗
greifende Geftalt annimmt, wo wirb benn das Übel zu fuchen
fein, im Princip oder in der Geſellſchaft! — Die moderne
Geſellſchaft, wie fie in Frankreich und England zu Zage tritt,
trägt, wer Eönnte ſich das verbergen, bie Elemente eines furcht-
baren Zwieſpalts in ihrem Schoofe. Auf ber einen Seite ſte⸗
sen Befigende, auögerüftet mit allen Rechten ber freien Perſoͤn⸗
üchkeit, im Genuffe aller ſocialen Lebensguͤter und bevorrechtet,
ihr gemeinfames Intereffe durch Gorporationen und Affociationen
und dem Staatsbegriffe entgegen zu finden, D
artennen ja gang brfonders auch unfere confervatinen Politiker
durch Wie Liebe zur väterliden Policei an, fol nicht nur eine
Nechtsanflalt fein, fonbern er ſoll dem ganzen vollen Menſchen
au feinewe fitttidgen Daſein verhelfen; umb es ift demnach Diels
mehr eim Benguiß von ber intenfivem Kraft deu germanifdgen
Race, daß Keiner, nicht der Arme, auf feine menfchliche
Geſammtoeſtimmung, auf die allgemeinen Güter verzichten wilk,
und Haß er auf Abhülfe feines bes ent, anfatt fein
Schickſal in dumpfer Verlan
——*— Lage, iſt han ein ftftichen Berlangen.
Die Nidgebefigenden, bie modernen Proletarier, wie man
fie nennen kann, ahnten längft fen, daß bie Vereinzelung
der Interefſe beſenders lich ſei und
a ———
* ihrer Gage eins andret, fobbee Mefait. Arben mie,
es eigentlich das Princip ber
ganzen Geſellſchaft iſt.
entſtanden nnten diaſem erxwachenden Bewußtſein in Guglaud unb
Schutbuͤndniſſe gegen
Frankreich die ſogenannten Arbeitervereine,
4; bi Air ad bad Jeder Wiſſtar ber 8 . |
auf ai {8 fragen. Der. —* eine 558 Do
olitiſchen ber
eller Deutſchlands herausgeſtellt,
Die andere dunkele Seite der Geſellſchaft aber
Jverdammen das Gtenb und den Wunſch der Grrsttung, fie yeb
aus
Ä | ine we⸗
ſeutliche Verbeſſerung der oraliſchen unb meterictlen Rage. ber
Arbeitermaſſen daͤtten hexvorgehen koͤm / wenn die *
Arbeiter nicht ihrer eigenen Koheit un ——— —
geblieben wären, wenn die Regierungen den Schut bie Leitung
wnb die Ausbildung biefer Vereine übmuommen. hätten. Statt
deſſen festen bie Regierungen wie bie reichen Prinsten- biefen an
ſich vernünftigen uns billigen Beſtrehungen Verachtung,
und —— — entgegen, zwangen bie Bexeine in ein
liches Dunkel zurüdgutreten, behandelten die gedruckten Arh
wie ihre Feinde und bildeten einen Haß und eine dumpfe Wen
zweiflung aus, bie allerdings zum Außerfien trieb. Ser Iie
ichte biefer Bewegungen nerfoigt bat, wirb dies nicht I
nen. Mit den nefürtigen Gemüthern eigenthuͤmlichen En ’
und Schwaͤrmerei wurbe bald ber ganze gefellfchaftliche Zuſtand
in Zweifel gezogen, bie Perföntichleit bes Beſiges wit feinen
Gonfequenzen als bee abfolute Feind eines glüdtichen und ven
nünftigen Geſellſchaftezuſtandes — und das Princip
des Communismus in ein Ertrem geführt, das bie Perſoniich⸗
keit und die fubjective Freiheit anſtatt zu heben und zu Ehren
su bringen,. vernichtet. Die Ideale und Schwaͤrmereien ber
Gorialiften, St⸗Simon, Zourier, Owen, vollendeten bie Ben
wirrung, ben Fanatismus und bie Spaltung.
Weicher befonnene Mann, ber begeiffen hat, wie ung bie
Perföntichkeit det Beſitzes mit ber Kreigeit sufanmenbängt un
dem Rechte bes verwänftigen Menſchen, wird dieſe Gpoentrichtde
ten anerkennen ober wol gar dafuͤr ben Propagator ſpielen?
Sewiß Niemand, am wenigften deutſche Pubticiſten und Gelehrte
Aber ebenſo roh, abgeſchmackt und grauſam iſt es, ſei es num
aus Beſchraͤnktheit ober Cgoiemas, fen Herz und feinen Ver⸗
Wand dem gefellfehafttichen Liber zu veofchließen, ben Yatientum
om ben Pranger zu flellen, anftatt Pflicht und Gewiſſen
an feiner Deitung zu arbeiten, ihn ber Sinnlichkeit und
ſucht gu zeihen, a
pel geführt wurden, tragen etwas Unmoralifckes an ſich, fie
en ben ganzen tiefen Parteihaß und bie Zerrättung ber Bes
Ein dentſcher Schriftfteller, ©. Scein,
das Verdienſt erworben, wiffenfegafttich
reich hetausſtellt, gefunden. Die Abhandlung, ber in dieſem
Bude der Communiemus zur Saft gelegt wird, beſchaͤftigt
wit der Schrift von Stein; der ungenannte Verfaffer -eliniut
zwar unter manchetlei Ausfegungen die Richtigbeit des Kudganges
punttes bei Sein an, tadelt aber denſelden 4, daß er den
Wideripruch zwiſchen dem Btechte ber d
Gefangen fet und ben Bernunftfta
Bürgern zu gleicher Verwirklichun ſtttlichen
verheife, nicht kenne ober nicht kennen wolle. Dieſe Anſp
au Wefen Iopten und hödften flaattigen Buftend mieberio
Abyanklungen.: Mas der
handelt wird viel bornirter Parteihaß dazu, um darin
den Syke und ten Meitlings, wie man und glauben
machen wollte, zu erfennen. |
Die Abrigen Auffaͤge der Elaundyo: Bogen haben nedh
viel vorne ——— Tendenz; Keen kritiſch die poli⸗
—— an; fe find mit GSeſinnung und Sachkenntniß ge⸗
zwar wenig Neues, haben aber den
fie bei aller Mäßigung die Dinge ohne lm»
fotgende Oaup
m Kendt’s bis zur Abfegung Wauer’s’s eine pet inters
ante und freifiunige Kritik aller preußifden Reg ngsmaß«
regein dieſer Zeit, beſonders berjenigen, weiche die Politik der
Vegierungsgewalt in Bezug auf die geiſtige Richtung des
Gtaats betreffen. Gine andere Abhandiung, nicht minder wichtig
J die Zeitgeſchichte iſt „Der badiſche Landtag von 1842” übers
dgrieden. Das Minifterium Blittersdorff und befien politifches
Softem M mit einer Offenheit, Gruͤndlichkeit und Schaͤrfe bes
Yeuchtet,, daß fich die dabiſche Regierung, wenn wir nicht irren,
remaßigt gefunden hat, das Buch dieſer durch bie Zeitungen
früher nur angedeuteten Charakteriſtik wegen zu verbieten. Bir
Yoeifein nit, daß der Verfaſſer audy weniger dem badiſchen
Ike wie dem übrigen Deutſchland die Sache im Zuſammen⸗
Yange vorſtellen wollte. über die „Faͤhigkeit dev heutigen Ju⸗
den und Chriſten, frei zu werben”, hat Bruno Bauer gefährieben.
Das Refultat lautet: daß der Chriſt und der Jude mit feinem
ganzen Seſen brechen muß, daß aber biefer Bruch dem hei:
fen näher liegt, da er aus ber Entwicklung feines biöherigen
efens unmittelbar als feine Aufgabe hervorgeht; ber Zube das
gegen hat nicht nur mit feinem jüdifchen Weſen, fondern auch
mit ber Entwidelung der Vollendung feiner Religion (dem Chri⸗
flenthume) zu bredgen, mit einer Gntwidelung, bie ihm fremd
geblieben und zu ber ex nichts beigetragen hat, ſowie er au)
die Vollendung feiner Religion als Jude weber herbeigeführt
noch anerkannt bat. K. Nauwerck erwirbt ſich das Verdienſt,
das bekannte Buch des Grafen Gurowski, in welchem derſelbe
feinen Landeleuten mit goͤttlichen und menſchlichen Gruͤnden raͤth,
ihre Nationalitat vollenb® aufzugeben und ſich naturgemaͤß und
mach dem Millen der Vorſehung Rußland in die Arme zu wer⸗
fen, in ein beiles Licht zu flellen; bie kleine Kritik iſt ein Mur
Her von Abfertigung ſolcher dharakterlofen ‚Herren.
zer Aufſat dedit, indem ex mehre Jeſuitenſchriften, namentlich
die Predigten derſelben zum Grunde legt, das Treiben der Heis
Ha Bäter im der ungihditchen Schweiz auf. Es if freilid)
deichten, dieſe Aufklaͤrungen zu confisciren als fie zu widerlegen.
„Die deutfche Rechtswiſſenſchaft in ihrem Werhältniffe zu unfe
xte Zeit” von einem ungenannten, aber ebenfo patriotiſchen als
untereichteten Wann, ift wol bas Klarfte, mas über diefen Ge:
genftend für ben Laien je gefchrieben worben if. Bor allen
aber bat unfer. Intexefje erregt die „Kritik preußiſcher Zuftände”,
eine Reihe von Auffdgen, die durch ihre ungewohnte Sreimüthige
Zelt und gängliche Umgebung verletzender Perſoͤnlichkeiten übers
raſchen. „Die orientalifhe Frage der deutfch s evangelifchen
Kirche“ Halten wir für das Lebrreichfte dieſer Abhandlungen,
abſchon bie Kritik des preußiſchen Beamtenſtandes auch nicht
wenig intereffante und neue Gefichtepunkte baxbietet. Unter
den Rrititen von Büchern möchten wir „Friedrich Ballet”
als die erſchoͤpfendſte bezeichnen; fie ift ein ſchoͤnes Chrendenk⸗
mal füs den bingefchiedenen Dichter. Die von Herwegh einge:
ſteeuten Gedichte indeflen dürften weniger anſprechen; ungeach⸗
tet der Kraft und Schoͤnheit der Diction leiden fie, wie meiſten⸗
16 dis politifchen Bebichte, die ſich nicht an ein befkimnıtes
reigniß halten, am Raifonnement.
Die Macht des Geiſtes, wieberheten wir mit bem Werf.,
wirb auch diefen Sturm beftehen und ſiegreich über den Truͤm⸗
mern der Gelbftfucht ihr neues Reich aufbauen ! 22.
oder lehnen fi an rein wiffenfchaftiiche |
ef. | Krbeit felbft leiden unter ihrem Joche zu fichtbar.
Sin länges |
Literarifhe Rotizen aus Frankreich.
Drganifation der Arbeit.
Das Befte im ganzen Syſteme Fourier's ift offenbar bie
Idee, daß die ganze Inbuflrie neu organifict werden muͤſſe.
Die unbeſchraͤnkte Concurrenz bebroht die Production zu fehr,
als daß es länger fo dauern koͤnnte. Der Fabrikant und bie
s Die Drgas
nifation ber Arbeit (l’organisation du travail) ifl die Aufgabe
unferer Zeit und bie Lölung biefes wichtigen Problems ift im
zahliofen Schriften verſucht worden. Wir erhalten gegenwärtig
—J— Werke, bie beide daſſelbe Thema behandeln. Das erſtere
ft ein „Plan d'organisation disciplinsire de l’industrie’’ von
Felix de La Farelle, das andere „Des tendances pacifiques de
la soci6t6 europsenne et du röle des armees dans l’avenir”
von Berdinand Durand. Der Verf. der erſten Schrift, Depus
tirter des Gard, will bei feinen Reformen auf vernünftige Weife
zu Werke gehen und nicht, wie bie meiften ter modernen So⸗
clalzeformatoren, von allem Beftehenden abfehen. Gr fucht
feinen Plan vorzüglich badurdy ins Leben zu fegen, daß er ci»
nige von ben Gefegen und Gebräuden, bie früher in Wirkſam⸗
keit waren und bie jest ber Vergeſſenheit anbeimgefallen find,
wieder zur Anwendung bringen will, fo namentlidy bie Regulirung
des auswärtigen Handels, wo fonfl bie Regierung kräftiger ein-
ſchritt aldgegenwärtig. Wir glauben, daß manche ber von La Fa⸗
relle vorgefchiagenen Maßregeln nicht one Erfolg verfucht werben
konnte. Durand, der ſelbſt Militair iſt, will bei ber Induſtrie
eine Art militairifher Organifation einführen. Anzuerfennen
ift, daß er gerade als Offizier die fegensreichen Folgen bes Zries
dens anzuerkennen weiß und die Überzeugung ausfpricht, baf
die Kriege, die fonft ganze Länder verwäfteten, mit zunehmender
Givitifatton immer mehr von der Erde verſchwinden werben.
Er ftrebt daher dahin, den Armeen eine andere Beflimmung zu
eben. Seiner Überzeugung nah würden fie ſich mit großem
ortheile bei den großen Öffentlichen Bauten und großartigen
Unternehmungen anwenden laffen, obne daß, wie manche Offis
ziere wol fonft behaupten, dadurch bee militairiſchen Ehre im
entfernteften zu nabe getreten wird. Im Gegentheil glaubt
Durand, daß bie Armeen keinen ſchoͤnern Beruf haben koͤnnen,
als auf dieſe Weife zur Ausbreitung der Civiliſation beizutragen.
Diefe Meinung iſt ſchon in einer vor einigen Monaten erſchie⸗
nenen Schrift von ©. Yecqueur „Des armées dans leurs rap-
ports avec l’industrie” ausgeſprochen worben.
Louife © een —Sæe Gone
uiſe Collet rzensſfreundin Couſin's, bie on
Karr mit feinen Wespenftichen fo gepridelt hatte, * *
die Preſſe verlaſſen bat, it manche anzlehende
Die Schrift —— bie Ein ; re re
I rung im &üben Frankreichs in ihr zurädigelaffen bat. 2,
Werantwortiitger Gerawögeber: Heinzih Brodhaus. — Drud und Verlag von J. U. Brodpaus in Leipzig.
N
ia
“
ir bi a «.
IK u Sn
Blätter
für
literariſche Unterhaltung.
Montag,
a nn 1
Die neuefte Zeit in der —— Kirche des preu⸗
ßiſchen Staats. Ein praktiſcher Verſuch von Karl
Bernhard semig. Braunfchweig, Vieweg.
1843. &. 8. 10 Ngr.
Erfter Artikel.
Es iſt in Deutfchland von jeher fo geweſen, baß die
religioͤſe Idee und die Kragen, die Anliegenheiten, welche
aus derfelben ihren Urfprung nehmen und entfernter oder
näher mit ihre In Verbindung flehen, die Geiſter und Ge
mäther der Nation febhaft, und von Zeit zu Zelt felbft
am alleriebhafteften befhäftigten und erregten. In einem
gewiffen Maße iſt eben jegt ein folgger Moment eingetre:
ten oder ſcheint doch bevorzuftehen. Eine ungewoͤhnlich
ſtarke Bewegung auf dem Gebiete des Eirchlich= religiöfen
Lebens tft nicht zu verkennen. Sie greift hinüber in die
polttifche, die bereits zugleich eine theofogifche und kirchliche
geworden ; fie tritt wol felbft vor der politifchen in ben
Vordergrund, ſcheint in den Mittelpunkt der ganzen Ent:
widelung ber Gegenwart treten zu wollen. So ift «8
wenfgftens In Preußen. Denn freilih ann man es von
andern deutfchen Ländern weniger, von einem oder dem
andern Lande oder Ländchen vielleihe gar nicht fagen.
Wie felten und wie ſchwer war es ſtets, daß die ganze
Nation mit demfelben Gedanken fich befchäftigte oder gar
gleich ſtark befchäftigte, Fire dieſelbe Richtung, daflelbe Ziel
fih in Bewegung bringen ließ! Koͤnig's Heine Schrift —
denn fie enthält nur menige Bogen — ift ein Ausfluß,
ein ausdrucksvolles Zeichen jenes Zuftandes, jener Erregt:
heit auf dem kicchlich= religiöfen Gebiete in Preußen.
Oder vergisichen wir fie einem Schmerzen: und Noth:
ſchrei, wie foldye vernommen zu werden pflegen, wenn eine
widrige druͤckende Lage, das Beduͤrfniß der Abhütfe, ber
Befferung in Kirche oder Staat Iebhaft empfunden wird.
So verhält es ſich aber mit der evangelifchen Kirche in
Deutfchland. Weithin iſt feit geraumer Zeit von Geift:
Küchen und Richtgeifitichen, von Neglerenden und Megier:
ten, ein Reldenssuftand, manches ſchwere Gebrechen und
die Nothwendigkeit einer weſentlichen Reform derſelben ge⸗
fuͤhlt und erkannt: und dies Gefuͤhl iſt lebendiger gewor⸗
den, die Erkenntniß hat zugenommen, die Klage ertoͤnt
vielfaͤltiger und lauter als je eben jezt. Und welcher Un⸗
befangene koͤnnte es leugnen, daß das proteſtantiſche Kir⸗
chenthum ſtarke Schatten zeigt, fo heil feine Licht: und
Slanzfeiten ſtrahlen? Daß es — gerade wie
das deutfche Reich — bei allee inwohnenden Kraftfülle,
nach innen und außen nur zu ſchwach und rathlos fidh
ermeift, während e8 nad) außen und im SInnem vielleicht
zu Beinen Zeit feiner ganzem Kraft und deren voller Ent⸗
widelung, deren freieften Gebrauchs mehr bedurfte als «ben
jegt, wo eine gefunde, flarke, reirkfame und geachtete Kirche
auch dem Staatsleben, dem focialen Zuftänden überhaupt,
fo heilfam und nöthig fein bürfte wie jemals.
Allein, fo laut und vielfach bie Klage ertönen mag,
das Gefühl, die Erkenntniß der Kirchennoth iſt doch auch
noch nicht fo allgemein, fo heil und klar als zu wuͤnſchen,
und noch größer iſt die Meinungsverfchiedenheit bei der
Stage, was zu thun? bei den Hülfs: oder Beſſerungs⸗
rathſchlaͤgen, Verfuchen — Erperimenten. Denn über bie
Worte find wir ja Längft hinaus. Man tft wirklich ſeit
ein paar Jahrzehnden zur That vorgefchritten, oder bat
doch ſchoͤne Antäufe dazu gemacht und an und mit der
Kicche erperimentirt, und zwar fo, daß es mehrfach gar
fein Spiel oder Spaß gewefen, daß es, wo nicht geholfen,
doch ins innerſte Leben eingefchnitten hut. Indeß ift das
Gute und Verdienftliche bei biefem Erperimentiren gewe⸗
fen, daß feine Unruhe und fein Gerdufch, fein Geſchick
und befonders fein Ungeſchick, feine wenigen gluͤcklichen
und feine vielen unglüdtichen Griffe, feine Meinen Erfolge
und feine Vergeblichkeit im Ganzen und Großen weſent⸗
(ich mitgeholfen haben, die Apathie aufzurüttein, das kirch⸗
liche Bewußtſein zu erregen, Diele zur Befinnung und
zum Nachdenken, die Zrägheit, den flillen Unmillen in
Bewegung und den Nothſtand recht an den Tag zu brin⸗
gen. Vergeblich aber mußte das ganze Erperimentiren fen,
weil weder das zunaͤchſt zu befeitigende Grunduͤbel noch
da6 Heilmittel deutlich und allgemein genug erfannt war,
und noch mehr, weil man darauf kam, das Heilmittel,
wo es fammt dem Grundübel erkannt worden, nicht ans
wenden zu wollen, und fich daher über das eine und das
andere täufchte, das eine wie das andere anzurähren
mied und zu verfteden fuchte.
Das Grundübel jeder befferungsbebrftigen — pollti⸗
fhen oder religioͤſen — Gemeinheit liegt ſtets im Inner⸗
lien, dem Gefammtgeifte, nicht im Außerlichen, der Ver⸗
faffung. Wol aber kann biefe in jenen Verberbuiß bins
einbringen, gefunde Kraft und heilſame KRichtung nmieder⸗
1370 r
halten, jede wahre Beſſerung hindern. In biefem Halle
iſt die Verfaffungsfehlechaftigkeit oder Verderbniß von ben
Übeln das am Erften zu befämpfende, kann fie ihrerſeits
das Protonpfeudos genannt werben. Diefer Fall Liegt
bier aber vor und in Wefem Sinne reden weit, wenn wie
fagen: Das Grunbübe der deutſchen evangelifchen Kirche
ift ihre urſpruͤnglich mangelhafte, ſtets proviſoriſch belaſſene
und obendrein im Laufe der Zeit principwidrig geänderte
und wefentlich verfchlechterte Einrichtung, was freilich, fo
ſehr es auf der Hand Liegt, Dieienigen nicht
wollen, die ein Intereſſe, und wäre es nur eins der Bes
quemlichkeit, dabei haben, daß Alles bleibt wie «6 if.
Rein Papſt⸗ oder fonfliges Hertſchthum geftcht fo leicht
ein Reformbebürfniß, läßt fo leicht eine Reformation an
Haupt und Gliedern zu. Ohne Trage kommt in ber
Ktcche zuletzt Alles auf den chriftlichen, vom ber Reinheit,
Kraft und Innigkeit des Glaubens abhaͤngenden Gemein:
finn an. Er allein kann Gebrechen und Gefahren gruͤnd⸗
fig heilen und ficher abwenden. Ohne ihn ift in der
Rice Bebeutendes. nie, und kann Bedeuten⸗
dos nicht gefchehen. Aus ihm, aus innerm Le:
ben und Antrieb muß fie erbaut, nicht bloß
von Selten bed Kirhenregiments geleitet
werden, wenn fie ein gefundes Erdftiges Leben führen,
wenn ihe wahrhaft und bauernd geholfen wer:
den foll. Nur. von ihm, alfo von der Vereini:
gung gemeinfamer Kräfte, von der Gemeinde
felbſt kann die gründlide Hülfe und Beffe:
sung ausgeben, nicht von der anordnenden
und leitenden Thätigkeit der Kirchenbehoͤr⸗
den; ja bie letztere vereitelt jede wahre Hülfe, hindert alle
achte Beſſerung, macht fich felbft unmwirkfam und vergrös
fest und vermehrt die Übel, wenn fie jene Viel: und Als
leinthätigkeit ift, die der Gemeinde nichts Überläßt, den
Semeinfian, wenn nicht. tödtet, doch feſſelt und laͤhmt.
Sie ift aber da, und ihr Dafein, der, dies ihr Dafein
eben bedingende Mangel eines Organs für den Willen, das
eigene Leben, die Mitthaͤtigkeit der Gemeinde, iſt das große
Gebrechen der Drganifation oder Unorganilation der lu⸗
therifchen Kirche. Sie war und iſt gewiſſermaßen auch
da in der katholiſchen Kirche; fie iſt gleihfals und aber:
mals ba, potenziet und befonders mobificht in bee lu⸗
theriſchen. Der Unterfchied iſt bios der, daß jene hierar⸗
chiſch, diefe von Staatsmegen beherrſcht wird, Herr⸗
fen von Häuptern und Behörden und das Beherrſcht⸗
werben der Gemeinde ift der gemeinfame Charakter beider
Kirchenregimente, des priefterliden und politifchen, und je:
des bat feine eigenthuͤmlichen Nachtheile.
Die deutfche Reformation wollte die Kirche auf Ihre wahrs
hafte urſpruͤngliche chriftliche Geflalt aus der biecarchifchen
Miegeſtalt zurudführen, und da fie hierbei ausging vom
Gegenfag gegen eingefchlichene Beherrſchung der Gemeinde,
eine Beherrſchung, welche die Selbſtbeſtimmung des leg:
tern ausſchloß und die juͤdiſch⸗ heibnifche Miſchung des
Religioͤſen und Politiſchen *) wieder zuruͤckgefuͤhrt hatte,
9) Aeſea qualyiel des Teufela“ nannte Rutper belannt⸗
— * „Vermingung bes heiden Regiments”.
ſo beſtand ihre Aufgabe darin, nicht blos bie Lehre in ber
urfprünglihen Reinheit, fandern auch die urchriſtliche,
zwar nicht abfolute, doc; infoweit zu bewirkende Trennung
des religioͤſen vom weltlichen Elemente im Staate wieder
berzuftellen, als es die freie Bewsgung und Wirkſamkelt
beider erfodert; der Gemeinde demnach die Selbftbeftims
mung zurüdzugeben,. fie zu organiſiren zu eigenem Wollen,
der Kirche eine genügende Mepräfentation zu fchaffen, mit
andern Worten, Presbpterien und Synoden oder wie man
bie Ausihüffe und der Gemeinde mit ih:
ven Geiftlichen fonft nennen will, anzuordnen. Indem
dies nicht geſchah, blieb fie unvollendet, und fofeen fie eis
ner neuen Kirchenbeberrfhung Raum gab, gerietb fie in
einen argen Selbſtwiderſpruch, der um fo greller erſcheint,
und aus welchem um fb größere Unfuͤglichkeiten und Ver⸗
wirrungen hervorgehen mußten, weis fie von ber kauͤhnſten
Selbftbeflimmung erſt eines, dann vier, d. h. aller ber
Individuen ausgegangen war, welche von bee doͤmiſchen
Kirche ſich losfagten und zur preoteflantifchen zuſammen⸗
tratenz weil in dieſer die Selbſtbeſtimmung der Individuen
zum Princip erhoben und das Iegtere auch wol auf die
Spige getrieben wurde, während die Gemeinde nicht bios
nicht zur Selbſtbeſtimmung gelangte, ſondern obenein in
ihr dermaliges Verhaͤltniß der MWillenlofigkeit gerieth. Es
geſchah dies aber, wie bereits angedeutet ift, dem Sinn
und Geiſte ber urfpzünglichen Ordnungen zuwider, unb
zwar indem die Anſchauungen und Grundſaͤtze der Mefors
matoren über die Stellung und bie Berechtigungen der
weltlichen Regenten, der Geiſtlichen und der Gemeinde in
Glaubens⸗, Lehr: und Kirchenfachen mehr und mehr vers
geſſen, misdeutet, misachtet und die Verfaſſungseinrichtun⸗
gen der Reformationsepoche in Folge davon theils aufges
hoben, theils und noch mehr beim Fortbeftehen der äußern
Formen fo gänzlid umgewandelt wurden, daß das fürfts
liche Kicchenregiment und die Gonfiflorien jegt faſt das
gerade Gegentheil won Dem genannt werden koͤnnen, mas
fie urſpruͤnglich waren und fein follten (wir werden bar
auf zurüdtommen); daß Das, was urfpränglih Leitung,
vermöge Zuſammenwirkens geiftlicher und weltlicher Perſo⸗
nen und Behörden im Dienft der Kicche und unter Zus
ftimmung der Gemeinde war, in Beherrſchung von Sei⸗
ten des Staats, ein politifches. Kirchenregiment umfchlug,
welches bis zu dam Punkte ſich ausbildete, daß die welt⸗
liche Macht die ganze der Kirche eignemde, ihe von Chriſto
I gegebene Kirchengewalt an fih nahm und mehr oder mins
der nad) eigenem Urtheil ftatt nach dem Urtheile der Kicche
übt; daß die kirchliche Regierung, flatt unter der Lehre
und dem. lebendigen Glauben Allee zu fliehen, womit fie
dem Brundfage nach in fteter Übereinftimmung fich zu
halten, worin fie ihre Norm zu erkennen bat, nicht felten
fi) daruͤber erhebt und ſel bſt die Lehre und bie Richtung
des Glaubens beflimmen will; daß die Kirche Chriſti in
den meiften beutfch = evangelifchen Rändern, vorzüglich im
Preußen, als Policeianſtalt des weltlichen Staats erfcheint,
ja, man Eönnte fagen, ben Proteflanten unter der Hand
gleichſam unverfehends abhanden gekommen if. Denn
wenn" man auch, fofern man ein gutes Dialektiker iſt, be⸗
old
mweijen kann, daß im: den deutſchen Sindern proteſtantiſchen
Bekenntniſſes eine evangeliſche oder proteflantifche Kirche,
oder wenigſtens proteflantifche ‚ und zwar in den
nach Territorien getrennten Geſammtheiten der vielen eins
zelnen edangeliſch Betauften, vorhanden feien, fo laͤßt ſich
doch auch aus dem Begriffe der Kirche als eines lebendi⸗
gen Organismus mit Seibſtbeſtimmung, einer echten Glau⸗
ben s und Lebensgemeinſchaft zur Verwirklichung bes Got⸗
teteeiche,, das Nichtmehrdaſein einer evangelifchen Kirche
ober auch evangelifcher Kirchen in Deutfchland darthun,
ſodaß die. Eriftenz derfelben, nicht eben zum Ruhme ihrer
Glieder, mindeſtens disputirlich geworden.
Luther, in feinem. großartigen Aufrufe an die Haͤupter
und Vertreter ber Nation, die kirchliche Reform zuc Ma:
tionalfache zu machen („An ben Saifer und chriftlichen Adel
beutfcher Nation, von des chriſtlichen Standes Befferung”,
1520), ſtellt die geiflliche Herrſchaft als eine Verfhanzung
durch Drei Mauern dar, die Säge, daß die geiftliche Ge:
walt die größere fei, daß nur der Papft die Schrift aus:
legen und ein Concil berufen und leiten koͤnne. Diefe
Mauern ‚zu durchbrechen, begründet er die Behauptung
vom chriftlichen, der Gemeinde zukommenden Recht der
Selbſtbeſtimmung. Um Berufung auf das Gemeinderecht
dreht ſich der ganze Angriff, defien Biel Befreiung von
dem römifchen Joche, in weichem die Kicche, die deutfche
Kirdye und Nation intbefondere, gefangen lag, und die
Beſſerung des Kirche war. Zur letztern war nur duch
Zertruͤmmerung des erflern zu gelangen. Derfelbe Gedanke
leitete ihn bei der Derausgabe einer andern Schrift aus
derfelben Zeit, die das Seitenftüd zu der an den Adel
bifdet und bdiefelbe ergänzt, bie Schrift von der babyloni⸗
fyen Gefangenſchaft der Kirche. Er ſtellte darin das
Papftthum als das Reich Babylon und die Unfreiheic
und MWillenlofigkeit, In welcher die Kirche durch das römis
ſche Lehrſoſtem, die Priefterfchaft, das Papſtthum an. der
Spitze, gehalten wurde, als eine „babylonifche Gefangens
haft” dar. Wie er in jemer anderm den Plan einer voll:
ftändigen gründlichen Reformation vorlegte, durch ergreis
fende Schilderung der geenzenlofen Entartung ihre drin⸗
gende Mothwendigkeit ans Licht ſtellte, und zur Ausfuͤh⸗
sung derſelben mit flammenden Worten mahnte, zunaͤchſt
aber auf das Hinderniß hinwies und zur Zertruͤmmerung
der roͤmiſchen Mauern aufrief: ſo enthuͤllte er in dieſer
mit nie erhoͤrter Klarheit und Kuͤhnheit den Trug, der in
dee verübt wurde, brachte den Zwang, welcher ber
Chriſtenheit angethban wurde, aufs Deutlichfte und Leben:
digfte zum Bewußtſein, und weckte und ftärkte bis zu
unwiderfichlicger Entfdsloffenheit in der Nation ben Mil
In, das Gefängniß zu fprengen.
(Die Dortſetung folgt.)
Notizen.
Seidenmanufactur in. Irland,
der ſtatiſtiſchen Section der British association for the
FIR Ri m 2 las Aid 8 Aug.) Dr. W. ©.
Zaylor eine Abhandlung über bie lriſche Beidenmanufactur,
wegen. deren die Ciqung ungewoͤhnlich ſtark befudht war. Von
‚welchem die Tonmuſter beliebig verändert werben E
heftigen Begenguß, welcher am 28, Aus
benmanufactur na FIclanb a 3*
(welde wegen ber Zuruͤcknahme des Ebicte non Nantes iso
Baterland veriaffen hatten) eingeführt. Der eitpunft der Ein⸗
führung iſt Nicht mehr mit volllommener Genauigkeit zu gung
mittel, e8 wirb gewöhnlich angenommen, baß ein orfabe ber
gegenwärtig noch erifticenden ‚Kamilie Latouches die Tabinet⸗
weberei zuerſt um 1693 in Dublin unternommen habe. Die .
Coloniſten begingen gleich anfangs den Gehler, daß fie es
zur Regel machten, keine Irlaͤnder ale Eehrlinge anzunehmen
um im Alleinbefig ber Handgriffe, Vortheile und Berbefferungen
zu bleiben, deren Kenmtniß. Be mitgebracht hatten.
nun in der That mit diefem Induſtriezweige fo langſam dor⸗
waͤrts, daß 1733 die irifchen Seidenfabeikanten den zbiſchof
Boulter angingen, ihnen zur Durchbringung eines Geſetzes zu
verhelfen, welches das Tragen oſtindiſcher Waaren in Irland
verbieten ſollte. Erſt 17 ging eine Acte durch, weiche den
Seidenpandel in die Bewalt der Dublin society lieferte, derge⸗
ſtalt, daß diefe ermächtigt war, alle Gefege und Beftimmungen,
die ihr zur Aufsechthaltung deſſelben nöthig ſcheinen möchten, zw
erlaflen. Es ift behauptet worden, daß unter dem Ginfluffe
dieſes Schutzſyſtems die dubliner Geibenfabrifation zu ho
Blüte gelangt fei. Allein die ſtatiſtiſchen Tabellen Liefern Re⸗
futtate, wie folgendes: In den 13 Jahren von 1752—64 betrug
bie durchfchmitttiche Seideneinfuhr in Zeland 15,760 Pf., an
Robfeide 48,132 Pf. In den Jahren 1765—77: verarbeitete
Seide 18,200 Pf. und rohe nur 45,990 Pf., b. h. die Einfuhr
von auswärts fabricirten Waaren hatte sugenommen, währenb
ber Verbrauch des rohen Materials und alfo die einheimiſche
Babrifation abgenommen hatte. Cs Scheint, daß diefe Abnahme
fpäter noch immer bebeutender wurde, wenigftens ergibt ſich aus
Parlamentspapieren, daß 1784 nur 800 Geibenwirker in Dublin
thätig waren und auch nicht einmal alle beflänbig Arbeit hatten
Es ging
‚(während IT75 einem Bericht zufolge 3400 Stühle fortwährend
im Gange waren, was aber wol übertrieben it). Dur bie
‚ Snfurrection don 1708 wurde ber ganze Handel unterbrochen,
und man fand 1800 noͤthig, ihm durch einen Schutzzoll von
10 Procent auf bie Einfuhr fremder und britifcher Seide
Hülfe zu kommen. Bald barauf wurbe bie Geibenmanufactur in
Lancafhire und Sheſhire begründet, während bie trifhe durch
Gombinationen und Handelsvereine harte Stöße erlitt; geſchickte
Serkleute, weiche bie willkuͤhrlichen Anorduungen diefer Koͤrper⸗
ſchaften nicht ertragen mochten, überficbelten ih nach England
und in biefem Augenblick find mehr Irlaͤnder als Engländer in
Macclesfield mit der Seldenweberei befchäftigt. Die Schutz zoͤlle
hoͤrten mit 1826 auf, und da die dubliner Geidenwirker durchaus
nicht von ihren eigenwilligen Geſehen abſtehen und fi den vers
änderten Zeitumſtaͤnden —*— wollten, ging der ganze Sud
zweig für Irland zu Grunde. Die Zabinet« (ober Poglin⸗)
wirkerei hat indeſſen noch Fortgang und liefert Producte, die
im Auslande ſehr geſchaͤgt find, da bie franzoͤſiſchen Stoffe
diefee Art Baummolle flatt der Wolle enthalten. Es find in
Dublin jegt etwa 240 Stuͤhle in Tätigkeit. Herr Taplor legte.
auch fhöne Proben von biefer Induftrie vor.
| Muſikmaſchine. |
Ein lvoner Journal berichtet, daß ein Getvenfahrikant ge⸗
dachter Stadt, ein Herr Mariabeau, ben Verſuch gemacht hat,
:bie Grundfäge, die bei ber Gonftruction bes Socquaxdfiubls in
"Anwendung kommen, auf die Gonftruction von’ Spielwerken an⸗
zuwenden, und zwar bat er zuerſt ein Accorbion bergufhri, ur
nnen, w
die Wickmufter des Webfluhle. Ob wir nicht balb eine Merte
hoven’ihe Symphonie von einem Jacquard⸗ Orchefler ausgeführt.
bören werben?
Froſchregen.
„W ter - ahire chronidle e t einem
Dem oroes re ae ale |
17
von Bedfchen herniebergelommen. Tauſende follen zwiſchen Abend
und Morgen aus ber Luft gefallen fein. In Etourbridge und
der Nachbarſchaft, weit entfernt von jebem Plage, wo fie zur
Weit gelommen fein könnten, hat man fie in unzählbarer Dienge
wahrgenommen. Ein Mann ging mit einem Knaben im Sturm
von Mrettellane nad) Gtourbribge und der tegtere machte ben
erſtern darauf aufmerffam, daß ihm ein Froſch auf ben Mantel
gefallen; da fie nun auf das Phänomen Acht hatten, fahen fie
noch mehre herabfallen. 48.
Biblisgraphie.
Eiselein, J., Jacob Grimm's Grammatik der hoch-
deutschen Sprache unserer Zeit. Für Schulen und Privat-
unterricht bearbeitet. Belle-Vne bei Constanz, Verlags-
handlung. Gr. 8. 1 Thlr. 3 Ner. 8 Pf.
Die Kommuniften in der Schweiz nad ben bei Weit⸗
ling vorgefundenen Papieren. Wörtlicher Abdrud bes Kommiſ⸗
fionatberichtes an bie 9. Regierung des Standes Züri. (Bon
Dr. Bluntſchli). Zürich, Drell, Fuͤßli u. Comp. 8. 11 Nar.2 Pf.
Koͤrroglou's, des Raͤubers und Dichters, Abenteuer
und Gefänge. Gin perfifher Volksroman. Aus dem tuͤrkiſch⸗
perfifchen Original wörtiih in das Engliſche Überfeht von &.
€ —V Deutſch von O. 8. B. Wolff. Jena, Croͤker.
Gr. 16. 1 Thir
Kothe, H., Der Rebelrieſe. Buntes für Freunde der
Laune. Mit 6 Federzeichnungen von Burch. Gieſewell.
Hannover, dwing 8. 1 Ihe. 10 Ngr.
Lasaulx, K. v., Prometheus, die Sage und ihr Sinn.
Würzburg, Voigt und Mocker. Gr. 4. 10 Ngr.
Lavater's, 3. K., ausgewählte Schriften. Supplement.
band: Zweihundert hriftiiche Xieder. Neue durchgeſehene Auds
gabe. Zürich, Orell, Fuͤßli und Comp. Gr. 16. 20 Nar.
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in ihrer en Entwidelung betrachtet. Kiel, Schwers.
U} . 8 r.
Gr. 8
Mefiftofeles. Revue der deutſchen Gegenwart in Skiz⸗
zen und Umriſſen. Won Fr. Steinmann. Ater Theil. Muͤn⸗
den, Expedition des Meſiſtofeles. Kl. 8. 1Thir.
Mmickiewicz, A., Vorleſungen über ſlawiſche Literatur
und Zuftände. Gehalten im College de France in ben Jahren
von 18401842. Deutfche, mit einer Vorrede des Verfaſſers
verfebene Ausgabe. After Theil. 2te Abtheilung. Leipzig,
Brodhaus und Avenarius. Gr. 12. 1! It.
— — Derfelbe, ter Theil, 2te Abtheilung. Eben⸗
daſelbſt. Sr. 12. 1 The. 5 Nor.
Muͤgge, Th, Belammelte Novellen. Ater bis Gter
Shell. Leipzig, Brodhaus. Br. 12. 6 Thir.
Nagel, 8. G., Briebrih Wilhelm III. der Feſte und
Milde, König von Preußen. Nach feinem Reben und feinem
Charakter für das preußifche Volk treu und wahr geſchildert.
Ifte Lieferung. Grfurt, Müller. 8. 21, Nor.
Drtlepp, J. K., Für den deutſchen Landmann. Gine Pre:
digt zur Bedächtnißfeier der taufendjährigen Seibftändigkeit bes
bentfen Baterlandes. Berlin, Eichier. Er. 8. 2 Rear.
Peter, C., Beleuchtung bes Ruthardtſchen Vorſchlags und
Planes einer Außern und innern Verpollftändigung der grammas
tllalifhen Lehrmethode. Leipzig, ©. H. Rectam. 8. 10 Nor.
Quix, ©h., Die Kapelle zu Melaten. Das Landhaus
Sufen. Ausgaben der Stadt bei Anwefenheit von Kaiſerinnen
und bei der Krönung Wenzeslaus zum römifchen Könige. Aachen,
Roſchuͤg. Sr. 12. 10 Nor.
Reden, Frei. F. W. v., Allgemeine vergleichende Ban
deld⸗ und GBewwerbss Geographie und Statiſtik. Sin Handbuch
fr Kaufteute, Yabrilanten und Staatemänner; auch Grundlage
ffentlicher Korträge in gewerblichen Lehranſtalten, ſowie zu
banbelspotitifcden und vollswirtbfchaftiichen Beſprechungen. Zu⸗
nachſt für die Eönigl. Hanbeisstehranftalt zu Berlin. Ifte Abs
thellung. Berlin, Erötin. Er. 8. 2] |
0 Ans H- * Preis der volifkänbigen Verks
Retzsch, M., Gallerie zu Shakspeare’
Werken, in Usorissen. Tte Lie :s Di '
ber von Windsor. 13 Blätter. Mit Erläutern von
Prof. H. Ulricl. Deutsch und in englischer Uebersotzung.
Leipzig, BE. a ı ar qu. 4. 5 Thhr.
oberi ' und 1815. Hiſtoriſe Homan.
Diel Tell Kafl 88 8. 4 Xhkr. % Kant
udolphi, ie freien Schuͤtzen. ei Theile.
zig, —— und Bernau, *. * 2 Tolr. Er . vi
irge ., Zwei Gräber. Leipzi .
a1 au 18 Nor. piig, Srochaut. St.
mid, U. R., Keime unb Kuospen einer Weltanfchaus
ung. ers, S- & Becam. 8. ' Fri Y% Nur.
. B. „Grundſaͤtze der Nationaloök
Tablrgen Basen —* jr 2 En 10 Rer. non.
eger, F gemeine tgeſchichte das beutf
Volt. Ifte gieferung. Leipzig, Mayer und a 8. Erg
tor, &., Der ger Sängerbund unb fein erftes
Liederfeſt zu Molsborf den 16. Auguft 1843. Blaͤtter ber Gr⸗
innerung. Gotha, Verlags:Comptoir, Gr. 16. 5 Ner.
Taſchenbuch, Gothaiſches genealogifches, auf das Jahr 1844.
81. Jahrgang. Gotha, 3. Perthes. Ki. 16, 1Thir.
p ud * Rei! . Herauegegeben von Bi. E.
Jahraan 9 igand.
3. I zhie. O Ran rn keipri/ DIEB ”.
Tetzner, Preußen. Geſchichte feines Volkes und feiner
rung. Leipzig, Naumburg.
Thiele, H., Sechs zehn Predigten, zu Rom gehalten. Mit
— Liturgie. Zuͤrich, Meyer und Zeller. Gr. 8.
gr.
"Ueber den römischen Ursprung der französischen Spra-
che. Von A. Rein und H. Kopstadt. Crefeld, Funcke,
4 Tr —ã |
ater, Unterfudgungen über bie drama Poeſte
der Griechen. Srftes Heft: Recenſion ber —
von Welcker, Schoͤll und Bode uͤber die Tragoͤdie der Grie—
Gen. Berlin, ae. Gr. 8. 10 Rer.
ogel, Ch. W., Wie lange wirb Deutfhland n
* Dr Zubm —— t zur Bi des ar
rigen Zubiläums ber iglei i
Ich: A eutſchen Gelbflänbigkeit. Schleiz, Wag⸗
ulliemin, &., Geſchichte ber Cidgenoffen während
16. und 17. Jahrpumderte. Aus dem Fade Hal Zwei Fr Aa
Auch unter dem Zitet: Joh. v. Maͤller's, R. Glutz⸗Blotzheim's:
a ee a a
on 2. Bulliemin, Bter Zuͤri i
und — —* ge © Fi Thlr. 15 . 0. Dich,
aagen, ©. F., Kunftwerke und Künftter in Deutfchland..
Ifter Theil: , Kunftwerte und Künftter im Erzgebirge —8
Franken. Leipzig, Brockdaus. Wr. 12. 1 che. 15 Nor.
Was ift es mit den Geifterericheinungen ?
Gr. 8* Nor.
eil, &, Mohammed ber Prophet, fein Leben und fei
Lehre. Aus handfehriftlichen Quellen Aa Ai Koran —2
Du ragen und einer Stammtafel. Gtuttgart, Megler. Sr. 8.
r.
Wenckſtern, O. v., Sie ipzi
O. Sgzart. 16. 2 Nor. vengepa Polealleter. Ecipsig,
irth, 3.8. A., Die Geſchichte der Deu . 1
Ste Sieferung. Emmisgofen,- rl Sahne R, Reste
eiefrrung Y, Nor.
islicenus, E. Columbus über bie Entdeckung vom
Amerika. Cine Schrift für das deutſche Bolt. Mit 1 Karte
bie beiden Halbkugeln barftellend. Leipzig, DO. Wigand. 1844. 8.
gr.
Zürften von der früheften bis auf di eit. 1 2
RE oe
Verantwertliger Herauögebers Heinrig Broddaus. — Drud und Verlag von F. U. Brodbaus in Eeipsig.
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RR ——————————————— ————— nn un...
Blätter
für
tereeite nuterhautat.
Dien Ras,
18. November 1848.
Die neuer Zeit in. der enangelifihen Kirche bes is
(herr Staats. Ein —* * —
Bernhard Pirna
&rfter Ertifen
(Bortfegung aus Nr. 37.)
Auch jegk, weinn die evangeliſche Kirche reformiert wer⸗
den fo, kommt es vor: allen. Dingen: darauf an, daß bie
Mauern überwunden werben, binter welchen der Wider⸗
wille gegen die Reſorm ſich verfhanzt, und daß in ber
Lirche das Bewußsfin ihrer Gefangenſchaft allgemein er
wacht. Das politiige Kirchenregiment iſt feeilicy nicht
wie das Papſtihum jener Zeit mit dem Reiche Babylon.
zu vergleichen, ſchon deswegen nicht, weil es diefen Ver⸗
gleich zu übel nehmen wuͤrde; wof- aber: fan: man mit
Beziehung auf die dermalige wieder eingetvetend. Gebun⸗
bessheit: der Gemeinde, auf’ ihren dermaligen Zuſtand, nach
welchem fie kein Organ ihrer Willensaͤußerung und Be⸗
thaͤtigung beſitzt und ohne Zuſtimmung von ihrer, ohne
Verantwortlichkeit von Regierungsſeite, regiert; viel- regiert
wird, und wmicht ſelten ditect und indirect noch mancherlei
andern Zwang und Gewalt zu leiden bat, — wol kann
man in diefen Beziehung. vom ihr fagen, daß: fie ſich aber⸗
mais. in einer Gefangenſchaft befinde, wie denn auch in
Folge ihrer Gebundenheit durch bie: Staatögewalt, eben wie
eu in der hierasihifchen Vormundſchaft, Verweltlichung
md Laͤhmniß des Geſammtgeiſtes eingetreten if, fo mans
cheriei Unterſchiede dabel: übrigens flattfinden mögen. -
Und diefe neue, diefe politiſch⸗ policeiliche Gefangenſchaft
der eummgelifchen Kirche iſt inſofern deren Grunduͤbel zu:
mennen, als ohne ihre Aufhebung keine gruͤndliche und
daurrnde Reform unternommen, fein Beſſerungéverſuch ges
lingen oder weſentliche Abhuͤlfe bringen. kann, gerade wie
im 16. Jahrhundert die Reform nur begonnen werden und
fiegen konnte nach Zertrummerung der roͤmiſchen Mauern,
nach Befreiung der Kürche aus ihrer Gefangenſchaft. Noch
einal: nicht als wenn mit dens Aufhoͤren der Gehunden⸗
beit der Gemeinde und der Aufrichtung von aͤußern Ord⸗
mungen, wodurch die Selbfibeflimmang der Gemeinde: zu:
chdigegeben und geregelt wird, die Beſſerung vollemdet wäre
— fie kann dann vielmehe nur ent beginnen; nicht abe
ob die Corruptian ober die Laͤhmniß des Geſanmmucqgeiſtes
bes kirchlichen Bewußtſeins fofort aufhören würde, wenn
mean .bie Gemeinde organificte, der. Kine Vertretung gäbe
— aber die guten und heilſamen Koäfte koͤnnen fi dann
regen in natärlicher Richtung, in ungehemmter Äuserung,
und. eben hiervon muß man die wahre Mefornsatiom ees
warten, ober den chriſtlichen Glauben mad mie ihm bie
Kirche aufgeben.
Die Entferwung. des Übels, das wic im angegebene:
Sinne als das Grundübel bezrichnet, ift indeß aus mehr
fachen Gruͤnden fehr ſchwierig. Es bat einmal bie Kraft
eines beitehenden, lange hergebrachten, durch — wenn audy
noch fo rechtsunguͤltiges — Derlommen den: Schuß: eines
legitimen und durch die Kunſt der Sophiflen ten: Schein-
eines rechtlichen Zuſtandes. Die: Gewinde iſt ihn ges
wohnt ımb die —— bat bet ihr das: Gefühl feiner
Verwerftichteit deu Ühelſtaͤnde, welche erı mit ſich fuͤhrt; abe
geſtumpft. Zumeiſt im. Folge davor, daß: fie ven’ dei:
N Beirchtigkeit ausgefchloffen, Dal die Lehe, der Cultub,
‚überhaupt die Kirche in eine Richtung, eine Geftalt ges
bracht ift, bie dem lebendigen Bereußtfein fo Bieler ‚oder
der Meiſten zuwider — im Folge hiervon iſt fie großens
theils entfremdet, gleichguͤltig geworden; geſchwaͤcht iſt in
ihr das Intereſſe an der Kirche, von welchem doch die
lebendigſten Antriebe’ zum reformiſtiſchen Beſtreben aus⸗
gehen, in welchem ſie ihre beſte Kraft finden muͤßten.
Wo aber durch das. ftille Fortwirken des: Geiſtes des klrch⸗
lich⸗ religioͤſe Sinn lebendiger in. ihe iſt, oder, etwa durch
Misgriffe, offenbare Gewaltthätigleiten ber Behörden, durch
irgend weiche fchroff hervortretende Unzutraͤglichkeiten oder
Verderbniſſe ſtaͤrker als gewöhnlich erregt wird; wo mit
Einem Worte der Wunfch: der Beſſerung und ſelbſt der
Mille entfteht, dazu zu thum: da fehlt es eben an einem
[Digane, dee Form, dem abgemefjenen Rechtsboden, und
ſelbſt am Geſchicke des Redens und Thuns.
Bei den Regierenden und Hertſchenden rohede bie Beſ⸗
ſerung ſo viel ſein als Aufgeben eines Theils ihrer Ge⸗
walt, Zulaſſung einer Beauffichtigung von Seiten der Ge⸗
meinde, die Nothwendigkelt, bei der Firchlichen Gefeggebung
und Verwaltung die Übereinftimmung mit: dem lebendigen
Bewußtſein Alter lets: im: Auge zu haben umd vom
Durchfahren zu lafen, und das wird Vielen ſehr ſchwer;
fie haben dazu die Fähigkeit, die Bildung, die Selbſibe⸗
herefhung und Humanitaͤt nicht. &ie haben off nur ſich
Ins Auge und fühlen insgeheim ihre Schwaͤche; dadenken
hidpt, daß da, wo bie Gemteinde vertreten. wied und mit⸗
2,
. N
redet durch ihre fählgften Glieder, nur Tüchtige ober bie
Tuͤchtigſten ins Regiment gelangen, oder in bemfelben ſich
halten innen, und daß da das Meyieren nicht an und
für fih, fondern nur für die Untüchtigen ſchwerer iſt.
Sie denken nur daran, daß es für fie ſchwieriger und
umbegttemer werden, daß fie es mol, gar aufgeben müßten.
Sie fühlen wol, daß fie entweder Widerſpruch nicht zu
ertragen oder Einreben nicht zu beantworten wiſſen wuͤr⸗
den. Oder fie fühlen ſich ſtaͤtrker, fie glauben leicht, daß
Alles ins Chaos zurüdfallen würde, wenn fie eben nicht
mehr Alles regierten, wenn fie die Zügel aus der Hand
gäben. Naturgemaͤß liegt ihrer ganzen kirchlich⸗bureau⸗
keatiſchen,
der Begriff einer kirchlichen Gemeindeverfaſſung und we⸗
nigſtens theilweiſen Selbſtverwaltung fern, oder iſt ihnen
gar ein Gegenſtand der Furcht oder des Widerwillens.
Naturgemaͤß ſind ſie, wenn nicht herrſchſuͤchtig, doch
Freunde eines „aufgeklaͤrten wohlmeinenden Despotismus”
in der Kirche. Wenn dieſe vertreten waͤre, ſo koͤnnten ſie
die Glaͤubigen nicht mehr mit ihren undankbaren Bemuͤ⸗
hungen plagen, denſelben ihre religioͤſe Richtung, ihre Lieb⸗
lingsmeinungen aufzudringen, womit ſie Gott oder der
Politik einen Dienſt zu thun meinen. Oft haben ſie von
den Leiden und Beduͤrfniſſen der Kirche in ihrer Stellung
— ſelbſt Die (im Staatsauftrage mitregierenden) Geiſtli⸗
chen — aus ihrer Ferne im hohen Sitz des Regiments oder
bei ihrer Eigenliebe (kirchliche Gebrechen erſcheinen ja leicht
als Vorwuͤrfe gegen ihre Verwaltung, als Beweiſe ihrer
Ungulänglichkelt) nur unvollkommene Vorſtellungen; oft
genug wohnt ihnen — ben mweltlihen Geſchaͤftomaͤnnern
— von ber Kirche eigentlichen geiftigen Wefen und Leben
eine Ahnung oder doch feine deutlihe Kunde bei, woher
denn bie nicht feltene ungeiſtliche Behandlung geiftlicyer
Dinge kommt. Staatsmänner oder Derrfcher von abfo-
Intiftifcher Gefinnung fürchten oder haflen die felbftändige
Kraft, die mit einer felbftändigen proteftantifhen Kirche im
Staat lebendig werden wärde, und mögen des Hebels der
Herrſchaft nicht entratben, den fie wirklich oder vermeint:
li in dem, nach politifchen Tendenzen ausgenutzten Kies
chenregiment befign. Daher denn, daß Diejenigen, von
welchen die Reform eingeleitet werden müßte, deren Zu⸗
flimmung niche blos nicht zw entbehren ift, fondern die,
wie die Dinge liegen, allein die legitim Berufenen find,
am wenigften geneigt oder auch befähigt zu fein pflegen.
Nicht geneigt, benn fie haben die Jahre daher den Ruf
nach Reform überhört, oder gar fehr übel vermerkt; nicht
befähigt, denn fie haben Reformen eingeleitet und aud)
wol ducchgeführt, die zum Theil den Zuftand verfchlim:
meet, überhaupt aber Beine Abhülfe gebracht haben.
Endlih die Diener des göttlichen‘ Worts, die beim
Kirchenregiment nicht betheiligten Geiftlihen, follten frei:
lich das Befferungsbedurfniß am lebendigften fühlen und
die Reform am eifrigften betreiben; und fo ift es aller
dinge bei ihrer Vielen. Alein wenn e6 bei ihnen der
Fall iſt, fo mangelt ihnen in ihrer vereinzelten Stellung
ebenfo wie den Gemeinden ein Drgan des Handelns.
Aber Synoden haben andere Zwecke, find dazu nicht da,
ariftofratifchen oder abfolutifiiihen Anfchauung -
» t
nicht geeignet, dürfen nur benutzt werden zu einer hoͤhern
Orts angerwiefenen, fireng bemeſſenen Thätigkeit. Die Die
ner des göttlichen Worts gehören gleich den Gliedern ber
Semeinde zur großen Menge Derer, welche regiert und
nicht gefragt werden, ‚Pe ſtehen ohne rechten Werlind mis
‚ber Gemeinde in biefen da, werden auch wol Son -derfeiben
bei etwanigen Reformbeftrebungen,, bei etwanigem Wider
flande gegen Gewalt, im Stich gelaffen, während fie als
Untergebene Denen gegenüber ftehen, an welche fie die Re
formfoderung richten müffen und bie natuͤrlich Elüger zu
fein und es nicht dulden zu dürfen vermeinen, daß Im—
pulfe von Andern als ihnen felbft ausgehen; Denen als
Untesgebene gegenuͤberſtehen, gegen ige Mibderſtaud
gerichtet ifl. ie Laͤhmniß, die Erkaltung, weiche im
ganzen kiechlichen Körper um fih gegriffen, konnte auch
fie nicht underuͤhrt laſſen. Ihre Stellung macht fle zum
Theil knechtiſch; aͤußerliche Vortheile, Auszeichnungen, ir⸗
diſche Furcht und Hoffnung ſind es nicht ſelten, wodurch
fie ſich deim Thun oder Nichtthun beſtimmen faflen. Für
die Gefinnungsiofen find Zeiten der Gewaltuͤbergriffe die
beften. Sie heucheln jede Richtung, die eben von oben
begänftigt wird, geben ſich zu Allem ber, ſtehen fich gut
dabei und kuͤmmern fi nicht um bie nothwendige Folge
davon, daß die Kirche verachtet und gemieden wird.
Manche find ſtumm oder veden dienetiſch als Miethlinge
oder weit Päpfteleigellifte In ihnen verborgen find, weit fie
zur Thellnahme am Herrſchen zu gelangen deuten. Sie
praͤpariren füch durch Servilitaͤt auf geiſtlichen Hochmuth
und Herrſchthum. Keine größere Seligkeit für Manche,
als Mandarinen zu werben mit dem Knopfe und ber
Pfauenfeder — federleichte Saͤulen der Kirche, nichts tra⸗
gend als ihren Knopf.
Der Buftand hat manche Ähnlichteit mit dem Zus
ftande vor der Meformation des 16. Jahrhanderts unb
bei ihrem Beginne. Won erfter Wichtigkeit ift jege wie
damals die allgemeine Anertennung des UÜbels, des Mes
formbedürfniffes ; ift es — noch und noch einmal gefage
— jest wie zu jener Zelt, dag in den welteſten Kreiſen
die Sefangenfchaft der Kirche ſammt ihren Folgen em⸗
pfunden werde, zu beutlihem Bewußtfein komme. Der
Scriftfteller, der dahin zu wirken ſich berufen fühlt, muß
ausgerüftet fein mit genauer Kunde, mit Dffenheit, Ge-
walt der Rede, Muth und Mannheit. Wer damit aufs
teitt in der Sache, verdient gehört zu werben, befien Wort
bat Bedeutung, und wir legen diefe dem oben benannten
Schriftchen von König vor vielen umfangreichen und weit
größere Anfprüche erhebenden Drudwerken bei, weil es ber
zeugt, daß der Verf. von dem Allen ein gues 26 Theil bes
ſitzt. Es iſt Freilich niche tief, niche kunſtreich.
lobt noch viel zu viel, er fchneidet Im dus anne des
Schadens noch lange nicht genug ein; bei feinem hellen
Blide macht er ſich nicht immer von jener Befangenheit
los, die an freifinnigen Preußen oft fo wunderlich hervor⸗
tritt, feine Sprache iſt nicht immer ganz edel, feine In⸗
dividualitaͤt, wie fie fich gibt, flreift bier und da an das
Barode. Indeß zeichner ee ſich vor Hunderten durch gute
Beobachtung der Dinge wie fie find, durch naiven Frei⸗
wüth, teiuherzige Mohemeinung, kim Ihcheige Doſis ge⸗
fanden Menſchenverſtanbes durch gemuͤthliche Wärme und
ſelbſt durch einen Funken jener Leidenſchaft fuͤr die Sache,
als deren Fuͤrſprecher ee auftritt — jener Leidenſchaft aus,
weiche die Kleinmeiſter überall tadeln und ubine welche
doch die Menge — vom Poͤbel natürlich ganz abgeſehen
— nie hoͤrt, nie erwacht, ohne welche die Weiſen nie fo
ug werden etwas zu thun, ohne welche nie eine Mauer
gebrochen, eina Gefangenſchaft zerſtaͤrt morden iſt noch je:
mals werden wird. Rue daß die Üderhochverſtaͤndigen und
die ruhigen Leute’ freilich darin ganz Recht Haben, daß es
ſeht ſchoͤn, ſehr viel befler wäre, wenn man die Leiden:
fchaft mit da Ele meflen und zuſchneiden koͤnnte, wie
der Schneider ein Stud Zeuch. Wan ran zugeben, daß
dies auch bei unferm Verf. recht gut gewefen wäre. Su:
deß ift fein Zornfeuer nicht das fchlechtefte Element feiner
Darſiellung. Was die Hauptſache iſt, er zeichnet das
£icchliche Übel fcharf, greift es von vislen Seiten täüchtig
an, fchildert «6 wie man es felten geſchildert findet, und
zwar indem er die Gabe beflge, verſtaͤndiich und‘ eindring:
lich in die Gemeinde hinein, gu den Nichtweifen zu reden,
wo es eben am nöthigfien, mo trotz alles Unbehaͤglich⸗
keitögefühle, aller Klagen, aller Erkenntniß im Einzelnen,
die Einficht in die Tiefe. und den Umfang des Übels noch
ebenfo feltem iſt mie bei der ganzen großen Maſſe bevor
Luther ſprach und Sturm läutete und die Leifetreter zur
Seite ſchob, die den Antichriſt im Dofton angereder, den
Greuel an beiliger Stätte mit Baumwolle angegriffen und
die Sache bei den Gelcheten und Haͤuptern gelaffen wiſ⸗
fen wollten. Gluͤcklicherweiſe iſt jegt kein Sturmlaͤuten,
wol aber verftändliche weckende Rede zur Gemeinde noth,
und König verfieht fih darauf. Genug um eine Ems
pfehlung ber Lecture feines Schriftchens zu begründen, und
bei diefem noch ein paar Augenbiide zu verweilen.
Man wird nicht überfehen dürfen, ber Verf: ift Preuße
(ein Geiſtlicher in der Provinz Sachſen) und eingefleifch-
ter preußifcher Patriot. Er weiß es, feine Schrift ift ein
Wagniß, doch — „im Schweigen iſt Gefahr für die hei:
ligſten Intereſſen des Waterlande, ohne Kampf kein Sieg,
es kann im Kirchlichen nicht länger bleiben wie «6 gewe⸗
fen, ruckwaͤrts wollen wie nicht, fo habt den Much, euer
Borwärts auszuſprechen, das Verſteckenſpielen muß ein
Ende nehmen, die Welt muß jest erfahren, wer ruͤckwaͤrts
und wer vorwärts wid!” Sehr wahr, fehr lobenswerth.
Aber trog dieſer Entichiedenheit dem Wollen, dem Grund»
foge nach, ill feine Rede zwar fcharf, Manche werden nes
theiten oft zu ſchatf, aber dennoch nicht volllommen offen,
was er ſelbſt gar nicht zu willen ſcheint: fo fehe iſt das
Verftedenfpielen, das nur Loben und Bewundern, das
Verclauſuliren, das Abfüßen jedes leiſen Tadels durch
Loyalitaͤtsbe zeigungen, die Begleitung jeder Rüge, Wars
nung, Mahnung mit einer devoten Verbeugung zur Ge:
wohnheit geworden. Doch muß hier ber Miderfpruch um
fo gewiffer Eindruck machen, da er von einem Manne er
hoben wird, auf welchen auch nicht der Schein unpreußi⸗
ſcher oder unumterthänticer Geſinnung fallen fan, der
vielmehr offenbar von Wohlmtinung, Loyalität und Preu⸗
ent · n·durchvruugen IR. "Or haben Dicfenigen
welche bie Sciflige bekommen, die Benugthuung, Daß e
von Freundes Hand geſchieht, wie .Diaußen aber koͤnnen
uns um fo ficherer: darauf, varlaſſen, daß. ſie Diefelben. nach
Verdienſt und Wuͤrdigkeit schalten. .1
(Die Yorsfegung folgt.) '
Held eine alte Here Fa
Ger iſt wirktich eine alte Hexe. Schon die clafilfchen Dra⸗
kel antiter Weisheit hat es dermaßen behert, daß da gar
nit klug werben Tann, was fie eigentlich vom Gelde halten.
Im Allgemeinen fcheinen fie fi der Anflcht zuguneigen, sus
ein moberater Beſth irdifcher Güter volllommen genuͤge. „,
Ratur gewährt, was die Natur fehlechterdings erfodert”, fagt
Eeneca. „Der ift nicht arm“, fagt Horaz, „der fo diet hat al
er braucht.“ „Mit Wenigem leben bie Menſchen am beſten“,
fagt Claudian. Juvenal hegt nicht den entfernteften Zweifel‘
baß „bie Berwaltung eines großen Vermoͤgens eine fehr laͤſtige
Sache“. But. Run find aber biefeiben Weltwelfen der Mei⸗
nung, daß es vielleicht noch beffer, gar nichts zu befigen. „Nackt“,
fagt Horaz, „gehe ich in das Lager Derer, bie nichts begehren.
' Wer viel bedarf, wirb immer mehr bedürfen.” Juvenal ver’
fihyert ganz glaubhaft: „ber Reifende ohne Boͤrſe lacht dem
Räuber ind Gefiht”. Und fo anzüglid, daß man vermuthen
möchte, Iuvenat ſei ſchlecht bei Kafle gewelen, fegt er hinzu:
„sehr feiten finden ſich unter ben reichften Männern welche mit
gefundem Menfchenverftande”, woraus er folgert, daß nue
geldreihe Dummeöpfe im Stande feien, über die abgetragene
und zerriffene Hofe, über den fettfledigen Roc und bie zeridckers
ten und gerieten Schuhe des geiftreihen Mannes ſich zu mo⸗
quiren. gen den Geiz dußern fi) genannte Herren nicht‘
minder fiveng. Der Geizhals gilt ihnen inmitten feiner Schaͤte
ein armer Wicht, , ein unglädticher Menſch, der, was er hat,
ebenfo nöthig braucht als was er nicht hat, und deſſen Laſter
in dem Maße zunimmt, in welchem er es befriedigt. Auch ans’
dere Schriftitellee bedauern enorm reiche und ſparſame Menfchen,
weit fie ihr Leben gar nicht genießen. „In der Jugend fparen
fie fürs Alter, im Alter für den Tod“, fagt Labruyere. Ad
Cowley fingt: „Wozu fparft du dein Gelb, das bu verlaffen'
mußt, oder, was noch ſchlimmer, das dich verlaͤßt?“ Nur
Horaz ift ehrlich genug, zu vermutben, baß das Sparen dody
wol dem Sparer Vergnügen gewähre. Er läßt Jemand fagen:
„Das Bolt ziſcht mich aus, ich aber gebe nad) Hauſe, befehe
meine Goldftäcde und applaudire mir.” Berner haben die alten,
Stafftter fi das Wort gegeben, allen Befig für eine hoͤchſt un⸗
gewiffe Sache zu erfiären. „Das Gluͤck⸗, fagt Geneca, „bleibt'
Niemand treu.” „Bortuna”, fagt Horaz, „freut ſich ihres graus
famen Geſchaͤfts, und wahrhaft erpicht, ihr perfides Spiel zu
treiben, nimmt fie den Kranz vom Haupte bed Ginen, ibn auf.
ba Haupt des Andern zu Tegen, und läßt ihre werthoollften,
Gaben von Hand zu Hand fehlüpfen.” „Fortuna ift fo blind’
wie wen fie führt, wechſelt oft die Farbe mehre Male in einer
Stunde, wendet den Kopf bald hier» bald borthin, lacht jegt
und wird im nächften Augenblidle grinzen.” So Drayton, ber
Engländer. Und ein altbeutfcher Mann fagt: „Fortuna iſt eine
betrüglicde Krämerin; fie handelt mit Zufagen und fätfche die’
Waaren. Wer ihr traut, ber baut lofe Brüden, ſieht in den
Wind, fliegt auf dem Meere und greift nach Schatten. Gie
deckt Zantalus’ Tafel und fpeift mit Schaugerichten; an das’
euer unſerer Wuͤnſche legt fie Holz, das mehr raucht als
flammt; — fie verſpricht goldene Berge und loͤſt ihr Ver⸗
ſprechen gewoͤhnlich mit Bleikugeln.“ Moberne Autoren blafen
in daſſelbe Horn, und gebören auch ihre Töne nicht in gegen»
wärtige® Concert, fo gewinnt es body beinahe den Anſchein, als
wolle bie gefommte Autorenſchaft fih an ber armen Fortuna
revandhiren wegen — wegen ihres bebauernswerthen Mangels an
ber Tugend. „Alles Lob des Reichthums unb ker nheit.
Galluſt, „iſt hohl und vergaͤnglich; bie Tugend allein bat vol⸗
Ken Klang und währt ewig.“ Zuruͤck zur Hauptfache, ber Ver⸗
Meinerung des Beides, fo xufen cine Menge claſſiſche Stellen:
das Geld hemmt nicht bie Hand des Todat, verminbert nicht
einmal den Schmerz; viele Krankheiten Tann es nicht heilen
und über das Grab hinaus kann Keiner es mitnehmen; es regt
den Neid auf, verlockt gu und Laſter, iſt Seelen⸗
tod und ewiges Verderben „Wohlſtand“, ſagt Horaz, „verbuns
kelt oft die guten Gigenfchaften, welche Remuth ans Licht
Bet.’ „Verfluchte Geidgier“, ſchreit Birgit, „wog treibft du
nicht das Menſchenherzl Und Geneca madjt die auferorbents
Ti Eluge Bemerkung, daß Gift meift aus Gold getrunken werde.
Kehren wir nun ben Schub um und — Gelb iſt wirklich
eine alte Hexe. Derfelbe auguftäifche Sänger, ber fo kuͤhn fein
wollte, nadt in das Lager Derer zu gehen, bie nichts begehren,
ibt an eingr andern Stelle ben mohlgemeinten Rath, wo mögs
2 „ auf ehrliche, jedenfalls in aller Weile Wermögen zu er⸗
woerben, erſt fi um Geld, dann fi) um Zugend zu bemühen,
und das aus bem einleuchtenden Grunde, weil alle göttlichen und
menfälichen Dinge, Tugend, Rubm und Ehre, unterm gebie⸗
tenden Einfluffe des Reichthums fländen. Er fagt: „Geburt
und gute Aufführung, wenn nidt von Reichthum unterflügt,
find werthloſes Geftrüpp” — „Mer ſein Geid verlosen hat,
dee: Neben ber Ce ara Vobes ſaht Ya Sah
at
wirb Alles thun, was du verlangfl’’ — „Venus und bie Goͤt⸗
tn der Beredtfamkeit ſchmuͤcken den geldbegabten Freier. Er
wird fogar engliſch, indem er es eine ande nennt, arm zu
in, und deutet feineswegs verblümt an, daß Armuth ein. Zus |.
and fei, der Unreblichkeit und Gemeinheit implicire Die Be:
auptung in Wetreff Deffen, der fein Gelb verloren, tritt dem
runde. entgegen, aus welchem Suvenal den Reilenden ohne
Börfe für einen gluͤcklichen Menfchen erfiärt. Aber aud dem
wuten Juvenal hat dad Geid bie Konfequeng abgebert. Cr
* es komme nichts darauf an, woher man fein Gelb
abe,. wenn man ed. nur habe, und fagt in Haven Worten:
„Sebermaun genießt genau fo viel Gredit und Geltung, als ex
Geld, im Bentel bat” — „Der Eib eines armen Mannes wirb
nicht angenommen, weil man vorausſetzt, daß er keinen relis
dfen Sinn hat und ben Göttern unbekannt iſt“ — „Milt vies
Muͤhe arbeiten Die ſich empor, deren Tugenden unb Tas
Lente von Armuth niebesgebalten werben’ — endlich, „Mer foll
mit ber Tugend befaffen, wenn man ihr ben Lohn nimmt!‘
was nichts Anderes heißen kann, als daß einträgliche Amter
md fette Penfionen. ber Tugend folgen müffen, wenn bie Zus
jend fi) von der Menge gefolgt fehen will. Das wiberfpricht
erdings den im engliſchen Driginal herrlichen Zeiten Thom⸗
'33. „Der Zugend ebler Stolz mag nicht den Lohn erwäs
de u. fe w, aber Juvenal fagt ferner: „Der Verluſt bes
eldes wird mit echten Thraͤnen beweint“ — „Armuth muß
immer ſchwer zu ertsagen fein, da fie die Menſchen laͤcherlich
nacht” — „Tapferkeit, Triebe, Zugend, Glaube und Eintracht
ben ihre Zempel, das Gold hat keinen, und doch if, Bold
die mächtigfte aller Bottheiten.” Anafreon — unb wer. möchte
im Punkte ber Liebe Anakreon's Autorität bezweifeln? — nennt
Gold ven beften Freund der Liebe. „Nicht vermag edle Geburt,
nicht Würdigkeit und Wig bie Bewerbung bes Freiers zu förs
dern, Tobald ihm das glänzende Metall fehlt.” Auch Horaz,
trog feiner Iutention, nadt zu geben, räumt unbebingt ein,
daß bie Gewalt bes Geldes größer als die des Donners, baf
ed ich Bahn bricht durch wachende Hüter und feſte Mauern,
und die, wildeflen Menſchen zähmt. „Wer Gold hat”, ſagt Per
troniuß Arbiter, „mag fih. getroft enfhifen; das ſchoͤnſte Maͤd⸗
chen bekommt er zur Frau; ſeine Verſe gelten fuͤr Wunderwerke;
(sine oratorifchen Vorträge find unwiderſtehlich; jeder feiner,
ünfche findet Befriedigung, und kurz und gut, wer Gold hat,
Bravbais; Auserdem bemerken wir noch
wir Bellart, ben erbitterten
der Reſtauration, ber feinen: Gegnern wenigſtens das Geftändniß
ei. 2.
; ober „he Keen“, bemae u Anten kie
—— Ans fern.’ „Das Geld riecht gut, komme eb, wohen
ed fei”, antwortete Vespaſian feinem Bohn Titus, als biefer
tn wegen einer gemwiffen WBerbraudysfteucr tadelte. Und ferbf
jene einfache, giädliche Zeit, von welcher die Dichter traͤumen,
daß fie «iu auf Erden geßläpt, wis nemuen fie tiefe Zeit?
— 696 golbane Beitelten. Schlleßlich läßt Gihakipegre uns darqh
Zimon fagen, baf Golb
— — — ml make
Black, white; foul, fair; wrung, right;
Base, neblu; oki, young; euwardis, valliaty;:
— — — bien Ihe sooumed,
Make tha hear leproay adered; place thieves,
And give them title, knee, and approhation,
With senstors on the beach.
So Lange es Menfchen gibt, wird das Gerd eine Der
bietben. Und das fage ich. 14.
Literarifhe Notizen aus Frankreich.
Handbuch der Meteorologte.
Das trefftiche Handbuch
Sc bereits
durch eine Reihe eigener Werke, namentlich durch einige leſens⸗
werthe Auffäge befannt gemacht, in benen er bie naturwiffens
ſchaftlichen Verdienſte Soethe's ausführlich würbigt, Unter ben
Anm und en, bie ber Aberſetzer feiner Arbeid bei⸗
gegeben Hat, bemesten mir ner; e: Mittheilungen ven
| ügitde einig
der nach dem Norden geſchickten wiffenfchaftlichen Srpebitien, ſowie
verſchiedene werthvolle
Beobachtungen uͤber das Klima und die
Lufterſcheinungen der Alpenwelt. Wan verdankt dieſelben einem
rühmlidy bekannten Profeſſor der Aſtronomie zu Eyen, Namens
einige Zufüge von. La⸗
lanne, einem tuͤchtigen Ingenieur, die ins Anhanga mitgetheitt
ı werben, Die Überſetzung if fo, wie man fie von einem Gelehrten
[wie Martins, ber feine Kenntniß der beutfchen Literatur bereite
Hr verſchiedenen Abhanblangen an ben Tag gelegt hat, erwarten
| ann. '
Bur Gefdidte bes franzdfifhen Barreau.
Dar Abvocatenftand in Ftankreich Hat feit den älteſten Zeiten
bie ehreuwertheſten Charaktere aufzuwelfen, die nicht felten von
! wahren Benie gefangen wurben: Die Bef@iägte bes. formgöffichen
Barreau bat. wahrhaft erbebende Nartien,. bie auch wei im
Deutſchland befanut zu werben verdienten. Ginen doͤchſt anzie⸗
henden Beitrag dazu bilden bit Memoiren vom ättern Bervyer,
bem Water des großen legftimiftifchen Redners. Indeſſen lag e®
„in ber Natur dieſes Werks, daB nur einzelne Züge aus biefem
reichen Gemuͤlde Heuvorgeboben werben konnten. ix: freuen ums
beshalb, jeht ein anderes Werl antünbigen zu Bönaen, das uns
| die heruorragenbften Mitglieder des franzöffchen Warreau vor:
ı führen wird.
ans“, von M.Pinard, Abvocat am koͤnigl. Gerichtshof zu Paris:
Aus ⸗der reichen Galerie, die der Verf. hier eroffnet, treten me zu⸗
Ca führt den Titel: „Le barreau depuis 50
naͤchtt ber .„golbraunbige” Ghais-b’SE> Ange, die beiben Dupin,
' Berayer, Marie u. ſ. w. entgegen. Unter den aͤltern Gerichts«
ezeichnet “finden, bemerken
rednern, bie wir in dieſem anerhe
olger der Preffe während
bat Zupiter im Beutel.” „Reichthum erlangt Ehre und Freunde”, abzwang, baß er ein außerordentliches Watent f
ran
".
" Bpeontwortlicher Geraufgeber: Heinrih Broddaud, — Drus und Belag von 8. A. Brodhans in Eeipaig
Bläfter
für
literarifhe Unterhaltung.
Mittwod,
Erſter Artikel.
(Yertfogung aud Ar. 228.)
Der Verf. bringt eine große Menge und Mannichfais
tigkeit von Gegenliänden zur Sprache, die er nirgend ers
ſchoͤpft, meift nur ganz kurz berührt, und zwar fe, daß er
vom einen zum andern ziemlich ſprunghaft übergeht. Wir
müflen uns um fo mehr darauf beſchraͤnken, eine bloße
fogar unvollfländige Skizze de6 Inhalts gu geben, nur
auf das Wefentlichfie deſſelben hinzudenten, das ſtets um
den leitenden Gedanken ſich dreht, wie gaͤnzlich die evan⸗
geliſche Kirche die zu ihrem gedeihlichen Leben notbiwendige
Selbſtaͤndigkeit an Mächte verloren, die alle und jede ihrer
Bewegungen regulicen wollen, von den unbedeutendſten
Angelegenheiten der einzelnen Gemeinden bie zu den wid:
tigften der Gemeinde im Ganzen und Großen, bis zu den
teligiöfen Richtungen, zur Theologie, zum SPrincip ber
rt
irche.
Bor 25 Jahren (hiermit wird eingeleitet) wer bie
evangeliſche Kirche im preußiſchen Staate nahe daran, voͤl⸗
tig umgeſtaltet zu werden. Der Entwurf der neuen Pres⸗
byterial⸗ und Synedal⸗freien Gemeinde⸗) Verfaſſung
war ſchon uͤberall verbreitet — die eingeleitete Reform
wurde als bedenkliche Neuerung ſuspendirt; die Periode
der polisifchen Reaction trat ein. Thelnahme der Ge:
meinde an der Kirche verträgt fich nicht mit Untheilnahme
der Bürger am Staat; foll hier blos regiert und gehoccht
werben, freie Rede nicht fein, fo kann nicht dort denfelben
Indwiduen volle Freiheit eingeräumt werden, die kirchll⸗
hen Angelegenheiten zu berathen und zu ordnen.
Wir bemerden dazu, einmal, daß der Verf. von jener
Zeit vedet, wo der Proteftantismus, das evangelifche Ehri⸗
ftens und Kichenthum in den Verdacht gerieth, revolu⸗
tionnaire Elemente in fi zu tragen; einen Verdacht, der
auf der einen Seite aͤngſtliche und beengende Maßregeln,
auf der andern eine ebenfo aͤngſtliche und engherzige Ver⸗
theidigung veranlaßte.
That nur dee wahre, der — nach Form und Inhalt —
vernünftige Staat, und ber ein gutes Gewiſſen hat, bie
deifliche Lehre und Kirche, Chriſtenglauben und Leben
wülmmm fer walten und wirken Saflın, allen Kirchen:
Wir bemerken weiter, daß in der
deu und Zwang aufgeben, volle Kischenfreiheit zulafien
— auf der andern Seite die Rechte des Staats mit vol⸗
lee Kraft und Sicherheit geltend machen — kann, N
in dem Maße dann es ber unechte, als ex dem wehren
ſich nähert und naͤhern will. Go mußte der beidnifche
und juͤdiſche Staat entweder ſich aufs und dem Chriſten⸗
thume bingeben oder den Verſuch maden, es gewaltſam
zu erdruͤcken. So Sonnte der deutſche Staat im Beginn
der Reformationsepoche die Freiheit der Predigt des Evans
geliums nicht zulaffen, wenn ex bleiben wollte wie er war
mit feiner Abhängigkeit vom vömifhen Einfluffe, feinen
geiftlichen Herrſchaften, feiner Herabwuͤrdigung der unten
ften Gtoffen. Das feanzöfifhe Regierungs⸗ und Verfaſ⸗
fungefoftemm unter Napoleon und den Bourbons wor uns
haltbar, wenn die Kirche nicht von Staatswegen beherefcht
werden konnte. In ber Richtung befonders des 18. Jahr⸗
hunderts auf Unumfchränttheit der Regierungsgewalt der
deutſchen Fuͤrſten gingen die Elemente der GSeibfländigkeit
ber Iutherifchen Kirche unter, wurbe auch die letztere uns
tes ben ſtaatlichen Abſolutismus gebeugt, in ein Werkzeug
der Staats: oder Megentenzwedde umgewandelt, und «6
konnte nicht wohl anders fein. Es wird oft und sft uns
verftändig vom Chriſtenthume geruͤhmt, daß es fi mit
jedem Staatethume vertrag. Das iſt wahr, ſofern +6
bie verichiebenen Staateformen als ſolche unberührt laͤßt
und unter keinen Umſtaͤnden zu Spieß und Stangen greis
fen lehrt. Aber mit einem unfreien verdorbenen Staats⸗
thume verträgt es fich nur, .fofeen es gefeflelt oder feibf
verborben iſt; im andern Galle macht es ihm Krieg und
bereitet ihm den Untergang, und das if eben fein echter
Werth und Ruhm. Man hört jetzt oft, man darf ſagen
und e6 wird gern vernommen, die Doffnung ſei auf die
flet6 vegenericenden Kräfte des chriftlichen und des germas
niſchen Elements zu fegen. Gewiß diefe Elemente find
tegenericend, aber nur nicht fo, wie Manche fich einbilden,
daß fie fügen ober wiederherſtelen, was Manche geſtuͤgt
oder wiebechergeitellt wiſſen möchten, fondern ats lrmaupe
der Freiheit, die da das uncheifttiche und unbentfche Herr⸗
(hen und Bevormunden in Kirche und Staat zerfegem,
Doch zuruͤck. |
Es folgt fodann eine (beilaͤufig ſehr ungenuͤgende) Werts
gleſchung der der Kirche vor 25 — 27 Jahren zugedachten
neuen und ber Alten bis dahin gültigen Verfaſſung. Der
2,
Verf. beruft fich hierbel auf Schleiermacher's bekannte Au:
ferungen, daß die Confiftorialverfaffung nur als ein Durch⸗
gangspunkt betrachtet werden koͤnne, auf welchem ſich bie
evangelifche Kirche in den meiften Ländern für ihr wah⸗
res Wohl ſchon allzu lange verweilt; daß mit eimer blopen
Beinigung und Verbefferung derfelben fo gut als nichts
zu gewinnen fei u. f. fe Die Darftellung nimmt fodann
folgenden Gang: Man befferte indeß die alte, dem Sturze
nahe Gonfiftorlalverfaffung nicht aus, fondern vernichtete
den legten Schein der Selbſtaͤndigkeit der Conſiſtorien;
der letzte Meft der Kirchengewalt ging auf die Krone über
— die bisherige Entwidelung ward auf die Spige ge:
Wacht; das politifche Kirchenregiment vollfländig ausge⸗
bildet. Aus beflen Abfichten follte der Kirche darauf durch
eine Agende geholfen werben. Der Berf. rühmt bier ge:
wiß mit Recht die perfönlihen Tugenden, dad Wohlmei⸗
nen des legtoerftorbenen Königs, hebt jedoch nicht hinlaͤng⸗
lich hervor, daß jedes perfönliche Kirchenregiment evanges
Hicher Regenten bem Principe und des Form des prote⸗
ſtantiſchen Kirchenrechts ſchnurſtraks zumider läuft. Auch
überfieht er in feinem Enthuſiasmus, daß gerade ein pet:
föntiches ‚Regiment, welchem Verttauen und Kiebe in ho:
hem Maße entgegentommit, für Kirche und Staat nad
einer gereiffen Seite hin gerade das unheilvollſte und ge;
füßelichfte fein ann, wenn es bie Gemeinde, die Bürger
des Thuns, bes Denkend entwöhnt, die Thatkraft, das
Urtheil ſchwaͤcht, wenn es einfchläfert, erichlafft, von ber
Einrede zuruͤckhaͤlt, wo Gewiſſen, Rüdfiht auf Gemein:
wohl und Ehre gebieten, ben misleiteten und irrenden
hoͤchſten, ob auch reinften Willen an ben rechten Weg,
bas Mecht der Unterthanen, den wahren Inhalt der Res
gentenpflicht zu erinnern. Gerade der Zwang iſt dee ver-
derblichſte, ber wohlmeinend geübt und aus Ergebenheit
und in ihr leicht .ertragen wird. Nichts geundverderblicher
insbefondere für das religiöfe Leben, ale wenn Eingriffe
in daſſelbe, obwol ats ſelche empfunden und erkannt, aus
Wert — alfo doch immer aus irdiſchen Rüdfichten —
erduldet werben. Nichts kann die überzeugungs⸗ und (Be:
wiſſenstreue mehr ſchwaͤchen, als wenn Überzeugung und
Gewiſſen „ber Macht der Liebe unterliegen”, ſodaß dieſe
das Gefühl der Verlegung jener in eine unfittlihe und
feveligiöfe Refignation auflöfl. Nicht fo fhlimm iſt offen
Sare Glaubenstyrannei, gewaltfame Verfolgung, bie im
Stauben und in der Treue eher ſtaͤrkt, edlen Muth,
männliche nnd religisfe Tugend hervorruft, die moraliſche
Kraft ſtaͤhlt. Die Bemerkung macht der Verf. indep,
daß ein Fürft nichts Gefährlicheres für feine Ruhe (mir
fegen hinzu, und für Religion und Kirche) untermehnen
ame als den Verſuch, feine eigenen Lieblingsanfichten in
Sachen ber Religion durchzufuͤhren, welche dann ohne ſei⸗
wen Willen zu elenden Parteizwecken misbraucht werben.
Aus herzlicher Verehrung gegen ihn (den letztverſtorbenen
Koͤnig) haben Viele bei feinem Leben ein Auge zugedruͤckt“,
fagt er. Aber was ift der Sinn nad dem vorbergehen: -
den Gabe? Aus Verehrung gegen ihn haben Vielt bei
ſeinem Leben wider überzeugung und Gewiſſen gehandelt
aber gefhwiegen, d. h. der Verehrung, Liebe und Pflicht ;
die höhere, die fie. ber Kirche fehulbeten, hintangefeßt, und
das war herzlich ſchlecht. Er fagt weiter, im Kampfe des
Pflichtgefühls und der Liebe Hätten viele bis dahin Be:
währte, duch die Iegtere und — duch Verſprechungen,
Einfhückterungen, Beförderungen, Ehrenzeichen fich bes
flimmen laſſen: weich dn „rührendes Schaufpiel!” ruft
er, freilich ironifch, aus; welch eine entfegliche Corruption!
muß das gefunde fittliche Urtheil lauten. Er fährt fort:
Und aud nad feinem Tode mögen aus Pierät fie in ben
Yulten verfchloffen- bleiben die zahllos vorhandenen Beweiſe ba:
für, daß, um ihres Könige Wunſch und Willen durchzuführen,
damals gas mande feiner Diener zu ben jaͤmmerlichſten Mit⸗
teln ihre Zuflucht nahmen, und daß in jenen Tagen häufig ber
Schein des Verbituſtes glänzenden Eohm empfing.
Welch eine verirete, ob wolgeſchulte Pietät! Als ob
nad einem erzroungenen Schweigen, wie wir es erlebt,
I nah fo langem Herrfehen der vagen Gerlichte, fo vielem
und nicht erfolglofem Bemühen, die betreffenden Thatum⸗
ftände zu entftellen und das öffentliche Urtheil irre zu lei:
ten, nicht endlich die Geſchichte ihr Recht foderte und zu
fodern befugt wäre, als ob Leine Geſchichte fein müßte,
ats ob eime ohne Wahrheit, ohne offene Enthuͤllung des
Thatſaͤchlichen fein könnte; als 06 das Schweigen von je
nen Sachen und nit vielmehr das Reden von ihnen
nuͤtzlich und nöthig wäre, wo noch ähnliche wenn auch nicht
gleiche Umftände und Gefahren vorhanden; als 0b es die
Pietaͤt gegen einen Setäufchten und ſchlecht Bedienten verlegte,
wern bie Taͤuſcherei, Wohldienerei, Heuchelei und Feigheit
ans Licht geſtellt wird! Es iſt nicht bios eine Kunft,
ſondern auch eine Pflicht, Gefchichte zu fihreiben; nicht
zwar von Jedermann ımd jeder Beit zu üben; aber Rüd-
ſichtelei darf in keinem Falle bavon zuruͤckhalten.
Der Berf. kommt dann auf das Inſtitut der Gene
talfuperintendenten, das er als folches lobt, umd auf das
ber evangelifchen Biſchoͤfe, die er aus triftigen Gründen
für uͤberfluͤſſig erflärt. Er beruft fid dabei auf fein
Recht als evangelifcher Pfarrer, und gibt, ohne es eben
zu beabfichtigen, durch diefe Berufung ein paar gute
Pinfelftrihe zum Bilde der Gefangenſchaft der Kirche, ber
Macht, welche diefe gebunden hält und ber Art, wie die
fegtere gelbe wird. Er ſpielt darauf an, wie auch ihr
Name der Kirche regulirt werben follte; er ſcheint, indem
er freie Mede führt, nicht zu fühlen, welch unfreie Zu⸗
fände es vorausfegt, daß ein evangelifcher Pfarrer, wenn
er erflärt: „Wir brauchen keine Biſchoͤfe“, gegem ülbel⸗
— ſich ausdruͤcklich verwahren zu müflen glaubt.
r fagt:
Ich bin getauft als ein Intherifches
ift mir's verboten, ik eutheraur: zu a
hierin gern. Als Züngling war mein Stolz, ein Proteftant
zu fein, body wurde diefer Proteflantenname gleihfalls mit In⸗
terbiet belegt, und ich gehorchte ungern. Gegenwärtig geflattet
man mir, bis auf weiteres mich als evangeliſch zu bezeichnen,
demnach) bin ich, fo lange als Feine Gontreorbre kommt, ein
Evangeliſcher. Aus meinem Lutherthume aber und aus meinem
Proteſtantismus klebt mir Das noch an, daß ich uͤber Alles, was
meinen Glauben und bie Kirche angeht, ohne Ruͤckſicht meine
Meinmg fage- Hier fiche ich naͤmuch als verbotener lutheri⸗
fer und unterfagter proteſtantiſcher, gegenwärtig gnäbigft cams
eeſſionirter erangeliſcher Geißlicher auf "dem
und Boden, anf weidem Luther Hand. War er für Wahrheit
bielt, das hat er vexrfündigt, und was wäre benn aus der Res
formation geworden, wenn man ihm zu ſchweigen geboten hätte?
(Oder vielmehr, wenn er fih an das Verbot geehrt hätte.)
Freilich ſtehen hierbei fi zwei Theile fehroff entgegen. Die Eis
nen, welche Thon ziemlich unverhohlen die Reformation, wie die
Schlacht von Navarin, ein heklagenswerthes Ereigniß nennen,
und die Andern, welche verſichern, es fei bie hoͤchſte Zeit, ſich
mit Händen und Füßen zu fträuben, um nicht, halb mit Bitten
und halb mit Smang, unter das römifhe Joch zurüdgeführt
zu werben. Das aber ift ber aͤrgſte Fluch der franzöftfchen
Herrſchaft in meinem Vaterlande, daß ein policeiliches Syſtem
in ihrem Gefolge war, welches die freimütbigen Außerungen
patriotifcher Männer uͤberwachte und nur die Mittheilung Def
fen zutieß, was in den feligen Paiferlihen Kram paßte. Die
Unterdrüdung ber Rede freimüthiger Männer ift bie aͤrgſte
Schande, weiche eine deutfche Verwaltung treffen kann.
Eben darum wäre es aber auch fo arg, wenn ein
evangelifcher Pfarrer nicht fogen dürfte: Wir brauchen
keine Biſchoͤfe! Doc ift es Immerhin ehrenwerth, wenn
ein foicher fo fpricht im Gefühl, daß Gefahr dabei fet.
Es kommt fodann daß „aus den Wolken gefallene
evangelifhe Bisthum gu Jeruſalem“, das Gerücht zur
Sprache, daß die englifhe Kichenverfaffung in Preußen
eingeführt werden folle. Da Hebt denn dem Verf. abers
mals aus feinem SProteftantismus nod ein gutes Theil
Unummundenhelt an. Er befchließt feine Einwendungen
rund und grob, nicht ohne Anklänge Luther'ſcher Sinnes:
und Redeweiſe:
Wir deutfche Proteſtanten wollen Feine bifchöfliche Verfaſ⸗
fung und brauchen fie nicht, wir finden bie Würde unfers pro:
teftantifchen Gottesbienftes in feiner @infachheit, wir verlangen
von unfern Geiftlichen keine Achfelträgeret zwiſchen Kirche und
Staat, Leine jefuitifche Verſchlagenheit, ſondern fchägen an ih⸗
nen ein ſchlichtes, maͤnnliches, freimüthiges Auftreten vor Huͤt⸗
ten und vor Fürftenthronen. Gollte jedoch mitten im glaͤnzen⸗
den ‚Hofftaate ſich der einfache proteſtantiſche Pfarrer zu ſchlecht
ausnehmen, fo mögt Ihr Euern Hof⸗ und Dompredigern im⸗
merhin noch ein weißes Hemd uͤberziehen und es mit ſeidenen
und goldenen Troddein verzieren, moͤgt Ihr immerhin zu ihrer
Seite zwölf wunderſchoͤne Kleine Balletsänger, als Chorknaben vers
eidet, niederfnicen laffen, mögt Ihr immerhin zum Rauchfaſſe
und zu den kunſtgeuͤbteſten Sängern Cuere Zuflucht nehmen, —
uns im Volke verfchont mit folcher Schnörkeleit Dreißig Iapır
kampften unfere Väter den blutigften Kampf, um nicht zuräd:
zukehren zum Geremoniendienfle. Wir find ihre Enkel, und bit
ten, das bei allen Planen zu beachten, bie man binfichtlich der
Kirche hegen möchte.
Reiter werden die Tendenzen beleuchtet, ein firenges
Feſthalten am alten Lirchlichen Lehrbegeiff, Ruͤckkehr zu
den Glaubensſaͤtzen der fombolifchen Buͤcher zu bewirken,
wiederum ohne die Gemeinde zu fragen, offenbar genug ge:
gen den weitaus vorherrſchenden Sinn und Willen ber-
felden. Diefer Weg führt nah Rom, fagt der Berf.
„teauernd aber furchtlos als deutfcher Proteftant”, Dann
"unter Anderm :
. &o viel iR gang gewiß, daß es wenige Umftänbe gibt,
weldhe sine Bergleigung unferer Tage mit der Zeit zulaflen,
wo ein ernfter Kampf losbrach. Luther erkiärte bekanntlich bie
Plee Schrift zur hoͤchſten Kichterin in Glaubensſachen, und
te fie hoch Aber Tradition und Kirchenlehre; er verlangte,
ot zu werden aus bee Schrift oder durch deutliche
Ge Agenbe und fombo Bücher der heiligen
an — zu ſtaller, und wüll von Bernunfigrtuhm nichts
widerle ver⸗
nänftige Gründe. In unſern Tagen macht man ben WBexhud,
Schrift
ten. Die Reformation erklaͤrte bie Einxichtung des Moktes
ftes für Menfchenwert, und flelte, bei möglichfter Einfachheit
wiffen. Ganz wis in jenen Zagen fell der blinde Glaube “
des Gulus, die Verkuͤndigung bed göttlihen Worts an 5
Spite. Wir brennen Lichter am hellen Zage, und gehen offen
darauf aus, noch mehr Formen einzuführen, bie mit ber Anbe⸗
tung im Geiſt und in der Wahrheit nicht viel zu thun haben,
Eine Verwechſelung ber Kirchlichkeit mit ber Religiofität, ein
Aufgeben: du mußt in bie Kirche geben, wie dort: du mußt
Meffe Hören, wird ſchon häufig gefunden. In jenen Zeiten war
bäufig das. geifkliche Regiment mis dem weltlichen vermiſcht.
Davor warnten die Neformatoren und fußten auf ben Aus
fprudh: „Laßt Bott was Gottes und dem Kaifer was bed Kais
ſers iſt.“ Bei uns findet bie nämlidhe Verwirrung ftatt, nur
umgekehrt, fobaß das weltliche Regiment vom geiftlichen nicht
laffen will. Jener Lehren nahm man mit Freuden an, denn man
erbte Bisthümer, Stifter, Pfränden in Menge. Unſere Mah⸗
nung will man nicht gelten laffen, denn wir haben nichts zu
bieten als das Wort der Wahrheit: daß ein weltlicher Papft
weit ſchlimmer fei als ein geiſtlicher Papft, und daß bie Relis
gion mit der Politik nichts zu ſchaffen habe.
(Der Beſchluß folgt.)
Archaͤologiſche Mittheilungen aus Griechenland nach Kart
Otfried Müllers binterlaffenen Papieren herauf:
gegeben von Adolf Schill. Eeſter Theil, erſtes
Heft. Athens Antitenfammiung. Franffurt a. M.,
Hermann. 1843. Gr. 4. 2 Thlr. 15 Nor.
‚Das vorliegende erſte Heft des erſten Theis der Archaͤo⸗
logiſchen Mittheitungen aus. Griechenland“ ift bie erſte Frucht
ber Reife Difried Muͤller's nach Griechenland und nach bem
Lande, in bem er Iebend ſchon heimiſch gervefen, und in dem
er feinen frühen Tod gefunden bat. Was durch biefen frühen
Tod ber Wiſſenſchaft entzogen worden if, mag man mehr
aynen, als daß man es willen fann; wohl aber wiffen wie,
daß Das, mas uns noch etwa aus feinen binterlaffenen Pas
pieren mitgetheilt werden wird, nur etwas Unvolllommenes und.
faft noch weniger als etwas Oalbes, dem Müller’s lebendiger
Geiſt fehlt, fein Tann Es iſt nicht au leugnen, daß dies vor
liegende Heft an ſich einen intereſſanten Gegenſtand behandelt;
daß es über dieſen Gegenſtand gar vien Licht verbreitet und daß
daraus fuͤr die Kenntniß der altgriechiſchen Kunſt Manches ge⸗
lernt werben kann; wie es denn auch von nicht geringem Inter:
eſſe ift, von bem engen Standpunkte ber Gegenwart aus über
ben Auftand und die Menge der einzelnen, in hem heutigen
Griechenland erhaltenen Alterthuͤmer ſich belehren zu laflen.
Allein, was von alle Dem, was bier aus D. Muͤiler's him
terloffenen Papiesen mitgetheüt wird, Müller feibft augehoͤrt,
und was von dem Herausgeber herruͤhrt, weicher 1840 Müllss’s
Begleiter auf deffen Reife in @riechentand war, darüber ſchweigt
ber Herausgeber fetbft, und man Tann es foigtich nicht wiffen.-
Sieht man deshalb hiervon ganz ab, und halt mar ſich
nur an Dad, was uns bier geboten wirb, fo wieberkolen mie
bad oben im Allgemeinen hierüber bereits Bemerkte. In ber
Sauptfadhe enthält diefes erſte Heft ein Verzeichniß der in Athen bes
findtidgen Antiken, an Gculpturen u. f. w., nebft Beſchreibun⸗
gen des Einzelnen und bin und wieder mit Ercurſen über ein⸗
seine ardyäolegifche Kunſtgegenſtaͤnde allgemeiner und kefonkerer
Tendenz. Diefem Verzeichniſſe fleben zwei einieitende Aohanke
Iumgen voraus, die nad) S. v von dem «Derausgeber ven,
und die ſich theils über die Anſchaulichkeit des griechiſchen Alter⸗
tbums in dem Lande un» in feinen Überreften, theils über bie
% ungen und Sammlungen in Griechenland Bis - ins
3. 3840 verbreiten. Mit dem in letzterer Hinſicht gegebenen
Uberblicke wollte der Herausgeber bem Leſer einen Begriff ges
ben, woher die neuen Sammlungen Athens ihre Verraͤthe ers
1280 _
rte der Aufftellung der Sammtungen, hat übrigens das Vor⸗
andene und bier Ausgezeichnete nicht nach ben Eocalen der Auf⸗
fteilung, ſondern nach einer fachlichen Eintheilung geordnet und
zugleich Das mit beruͤckſichtigt, was im Privatbeſitze su Athen
fid) befinder. Won einem befondern Intereſſe tft die erſte Ab⸗
andlung fiber bie Zn fchautiggfeit bes griechiſchen Alterthums
u dem Lande und in feinen überreſten. Was hier ber Heraus⸗
eber — übrigens in einer, hin und wieder etwas ungefäfligen
prachtichen Darftelung — auszuführen ſich bemüht, verdient
ur Innigern Würdigung ber althellenifchen Kunft, und um
nne zu werben, welcher Charakter in diefer Beziehung dem
geiechtfchen Sande ſelbſt, ber dortigen Natur, dem Klima u. f. w.
gieihfam aufgedruͤckt iſt, wohl beachtet zu werden, kommt übris
ens in der Bauptfache ungefähr auf t ,
reunde des Alterthums bietet das heutige Griechenland in ges
wiffem &inne weit weniger dar als Italien (mol au weniger
als er denkt), in andern viel mehr als Italien (wol auch mehr
als er zu finden glaubt). Nur der gelehrte Veſucher Griechen⸗
Yande, nur Der, ber vorbereitet biefe veröbete, einft fo geifts
vole Welt betritt, fuͤhlt fich lebhafter und tiefer ine Alters
thum zurüdverfegt als unter dem reichern Genüffen der italie⸗
niſchen Monumente und Sammlungen (bie übrigens, was ber
fonders die Sculpturen beteifft, mehr ober weniger nur aus
dem alten Griechenland herrühren); und es ſcheint faft, daß
fi) ber alte Begenfab von Rom und Griechenland noch in ber
Radsigattung erhalten habe: dort die imponirende Größe und
Me, bier das finnvolle und ſchoͤne Maß. Das Land, das In
alten zu einem Bilderbuche fo vieler Zeiten geworden ift, ges
währt in Hellas vor Allem ben Eindruck einer großen Bühne
der Grinnerung nor an bie claffifche Zeit. Was vorzügtich dem
Sinn einnimmt, bie Betrachtung mit ben erhabenften Zügen
deſchaͤftigt, Das gerabe ift noch ganz das Alte, bad Ältefte, der
worbildende Grund, von bem das fittenreiche , bilbfame Leben
Ser Hellenen umfangen war, biefe Natur, die in ihrer Ber
wandtfdjaft zum aiten Volkegeiſte die Erinnerung an ihn fo
mächtig hebt und wieder von ihr belebt wird. Am Bilde ber
Eur und fi vermehrt Habens er fpricht da zugleich über bit
Landſchaften mit ihren Weften alter Stadt⸗ und Dafengebiete |
erkennt man noch den Pian und Vorzug der innen Welt ber
Sriechen; aus dem Charafter des griechifchen Landes und ber .
Friechiſchen Natur einerfeitö, und dem davon getragenen Volle:
gelfte der alten riechen andererſeits, mit ihrer
erklaͤrt es ſich, daß das alte Griechenvott, wie kein anderes,
am Volt der Kunft werben mußte und ward. Der tief Lichte
-Kcher des griechifchen Himmels; diefe Klarheit ber durchſonnten
Luft, die das Auge bes Griechen fc feinfinnig werden ließ: bazu
Ye großen Accorbe, die die Natur mit beſchautichen Bergformen
und Meeresflachen bildet, erſchließen ein unmittelbares Verſtaͤnd⸗
naiß der helleniſchen, vor Allem der attiſchen Architettur. Man
faͤhlt es, wie fle für dieſen Himmel und für dieſe Erbe ge⸗
hört, in deren Umfaffung fie aufgewachſen tft, und wie dieſer
Helle, ſchoͤn umfchriebene Horizont für fie gehört. Die Truͤm⸗
ner des alten Gricchenlands find unglaublich vebend auf ihrem
Boden („auf ihrem Boden!” wen fällt bier nicht Schiller's
MAebicht: „Die Antiten zu Paris”, ein?), weil man immer.
umher in der Natur den Voikscharakter und die Geſchichte ans
gebentet fleht, deren Erzeugniß und Ausprägung fie waren.
Das Anfehen der griechiſchen Natur iſt plaſtiſcher ale bei uns.
Ihr iſt ber Gharakter diefer Architektur verwandt. Sie will
nicht durch das Ungeheure imponiren; fie ſtellt ſeibſt ihren
Sinn im reinen und vollendeten Korper bar, ſodaß fie einem
anfchautichen Organismus aͤhnlich und hierin plaſtiſch if. Die
Schönheit und Bebeutung der plaſtiſchen liberrifte auf griechi⸗
Ichem Boben ift fo & ‚daß ſelbſt Ser ganze: reiche Antiken⸗
fand des italiſchen Bovens teinen Gray für ‚fie gewaͤhren
Elomtes fie kommen an Werth für die Geſchichte des Suftems .
olgenbes hinaus. Dem
Sinnlichkeit :
und ihrem Verſtande, ihrer Phantaſie und ihrem Berußtfein,
der griechifchen Tempelplaſtik dem Edelſten gleich, was bie fir
teratut der Griechen uns von ihrem Dichten und Denken tr
halten hat; und ber In Athen vorhandene Worrath von Über:
reften architektoniſcher Scuipturen aus ber größten Epoche der
Piaftil_erfegt, was ihnen an Zahl abgeht, durch die Schönheit
der befier erhaltenen Fragmente, durch den Werth aller für die
Mieberherftellung ihres Gangen in der Worftelung, und durd
ihre Wichtigkeit für die Erkenntniß dee Stilunterſchiede, in weis
hen bie attifche Scutptur ſich bewegt hat. Was in Athen zu⸗
ſammengebracht iſt, macht im Ganzen eine betraͤchtliche Samm⸗
lung aus; und neben der Akropolis von Athen wird auf der
ganzen Erde kaum ein zweiter Punkt zu finden fein, auf wei
chem, wie auf dieſem Burghügel, durch To anfchaulice, ver
Natur heimgefallene Schriftzüge ber Geſchichte ſich ber Wan
derer verfegt fieht in einen fo großen Moment der Menfchbeit,
dee einzig geiftvoll, laͤngſt überwunden und body noch fo wohl
verſtaͤndlich iſt. Es gibt wol größere Ruinen, aber nicht von
fo klar gebiegener Schoͤndeit; es gibt reichere Archive, aber
nicht von fo anſchaulich ſinnigem Bufammenhangs und ed gibt
nirgenb ein Grab, das in der Bage fo ‚großartig, im Anfehen
fo heiter wäre, wie dieſer Hügel mit dem bingefireuten ebein
Schmud eines Volks, das vor Jahrtaufenden gelebt hat.
So viel Über biefes erfte Heft. Die Leſer erfehen hieraus
zur Senüge,, was fie im Ailgemeinem barin finden; das Gin
seine gehört nicht hiertzer. Ein zweites Heft wich ebenfalls
den Antilenvorrath von Athen umfaflenz dagegen ber zweite
Theil die architektoniſchen Denkmale von Athen, nebſt ben ihnen
angehörigen Sculpturen, ein britter die Wanderungen in Morea
und in Rumelien umfaffen Toll. 31.
Literarifhe Notiz.
Huber's „Seſchichte der engliſchen Univerfitäten"
im Engliſchen.
Bon Huber's „Geſchichte der engliſchen Univerfitäten” if
eine abgekuͤrzte englifche Ülberfegung von F. W. Newman ers
fehtenen (‚The english universities;. from the German of
V.A. Huber. An abridged translation”). In einer engliſchen
Anzeige biefer Überfehung heißt es: „Wir Haben uns zu ſchaͤmen,
day bie erfle zufammenhängenbe Darftellung des Urfprungs und
Fortſchritts unſerer Hniverfitäten uns durch ben Fleiß eines
deutichen Gelehrten geboten wird. In der That haben wir
urſache, dankbar dafür zu fein, daß uns, bie wir noch immer
nicht Euft bezeigen, unfern teutonifähen Nachbarn in ihrem for
ſchenden Eifer und in ihrer Geduld nachzuahmen,, wenigftend
das Gluͤck zu Theil wird, die Fruͤchte ihrer Anftrengung mit
genteßen, wiewol nicht ohne ein Kächeln über die unermübli
Beichäftigkeit, der wir faft jedes Werk verdanken, welches bie
Bibliothek des der claſſiſchen Studien befliſſenen Englaͤndert
ziert; denn alle Breter deſſelben ſtehen voll von ben Arbeiten
eines Wunder, eines Klauſen, eines Niebuhr, eines Müller, eines
Nitter, eined Schlegel. Aber fill mit unfern Sagen, bie, wit
wir guten Grund zu glauben haben, body nichts Fruchten werden."
Übrigens gibt der Ref. nur Auezüge aus dem Bude und behält
ſich vor, fpäter die Anſichten des Verf. und feines Überfegerszu
beiprechen. Er nennt Huber's Arbeit mit Sorgfalt und Betit
| (care and ability) gemacht.
Literarifche Anzeige
Durch alle Buchhandi i .X. Brockhant
in Reipgig * — ** ungen iſt von ð ieh
Der Haudelsverkehr, die Serie des Staatslebens.
Herausgegeben von Edward Ganswindt. Gr. 13.
Seh. 12 Nor.
Berautwortticher Herangeber: OHelarich Broddans. — Druck und Werlag von J. A. WBroäfans In Leipzig.
. Blätter
für
Unterhaltung,
literarifche
Die neueſte Zeit in der evangeliſchen Kirche des preußi⸗
ſchen Staats. Ein praktiſcher Verſuch von Karl
Bernhard Koͤnig.
Erſter
(Beſchluß aus Nr: 919.)
Wenn der Verf. tiefer eingedrungen wäre, fo würde
er haben erklären koͤmen, wie es komme; daf man und
indbefondere daß die meltliche Macht auch noch in neuern
Zeiten die Bekenntnißfchriften, obwol fie den lebendigen
Stauden der jetzt Lebenden nicht mehr vollſtaͤndig aus:
drüden, zur Norm gemacht miffen und babei mit Schein
fib auf ihre Pflicht mie auf ihr Recht detufen mochte.
Ste fol allerdings "die Kirche nicht nad) eigener Anficht,
fondern nach dem chrifftichen Bewußtſein der Gemeinde
vegieren. Diefes aber iſt juridiſch oder daß wir fo fügen
officiell nicht erkennbar, weil bie letztere es bei mangelnder
Bertretung officiell nicht auszudruͤcken vermag. Ebenſo
wenig hat fie officiell erklären koͤnnen, daß und wiefern
fhre chriſtliche Anfchauung nicht mehr mit ber in den Bes
kenntnißſchriften niedergelegten Übereinftimme. So ſchwankt
mit dem Anſehen der Tegtern das Kirchenregiment, findet
den tebendigen Glauben ber Gegenwart und theilt ihn,
oder das Gegentheil iſt der’ Fall, und es greift dann,
wen es altglaͤubig, auf die fpmbolifchen Bücher zurüd,
als wären biefelben maß fie zur Zeit ihrer Entftehung
waren. Nur Berufung ber Gemeinde Tann aus diefem
ſchweren und bedenklihen Irrſal herausführen.
Mehrfach iſt davon bie Mede, wie das weltliche Res
giment, wenn es in das geifttiche ſich einmifcht, am Ende
doch jedes Mal Werkzeug einer Partei werde. Eine Hins
deutung Hierauf kommt var, wo das befürchtete Sonntage;
ebict beſprochen wird. | -
Artiker.
ten, daß man in
ſchiebt, die Thaͤtigkeit der Partei zu erkennen glaubt, welche uns
Verdachts, bes Spotts und hin und wieder fogar lebhafter
achtung iſt. Denn man nennt- fie geradezu bie Zefuiten
in unſeren ». Ihre Ram liebt man nicht: und ihre
Es wird der "Wibeigefeilfchaften gedacht, und abermals
bie Thaͤtigkeſt: janer Partet, das üdedall fich geltend ma:
—
| unveränderter Überſetzung zu verbreiten.
chende hemmende Eingreifen der weltlichen Macht vor Aus
gen geführt. Daß die Bibelverbreitung allgemeinerer Zus
ſtimmung ſich nicht erfreue, liege wefentlid an dem Prins
cipe der WBibelgefellfchaften, nur die ganze Bibel und nad
Die Bibel eigne
fih fo namentlih für die Schulen nit, und ein Re
feript der weltlichen Macht verbiete obenein alle Auszüge
aus derfelben beim Volksunterrichte.
Daß aber auf ſolche Weife die erfolgreichfte Thaͤtigkeit pro«
teftantifcher, für ihe Amt und das allgemeine Wohl begeifterter
Geifttichen gehemmt werden kann, bleibt höchft beflagenswerth.
ie Br ne 35
zu { ahllo N
auf unfern Schultern, das in mancher Hinſicht unerträglich iſt.
Für biefe „allerdings: Schwere” Beſchuldigung liefert
ber Verf. darauf einen Beweis, „ber aud den Blinden
die Augen Öffnen müffe”, indem er einen flagranten Fall
aus dem Fuͤrſtenthume Halberſtadt erzählt, wie da vor
längern Zeiten das Beduͤrfniß einer Geſangbuchreform
empfunden worden, wie man an Ort und Stelle ſich über
diefelbe geeinigt, und fett 20 Fahren an ihrer Einfüh-
tung von oben gehindert fel. |
Welcher Menfch in der Welt will uns proteftantifche Chris
ſten im Fuͤrſtenthum Halberſtadt gwingen, geifktiche Sieber
fingen, die wir nicht mögen? Wer finb die Männer, we
Schutd tragen an biefer, der überall ausgezeichnet prompten
preußiſchen Verwaltung völlig fremden, beifpiellofen Verſchlep⸗
pung? Wer Übernimmt denn die Verantwortlichleit dafür, daß
die Bewohner der Stadt ſich feit Jahren in ihrer Erbauung
ſonntaͤglich geftört finden, und daß bie Lehrer außer Gtanbe
find, vom Geſangbuche zur Belebung des religidfen Sinnes ih⸗
ser Schüler Gebrauch zu machen? Fehlt nicht der Schule eins
ber vorzüglichften Mittel zur Wedung des religidfen Sinns
unferer Jugend, wenn fie fein Gefangbuch hat? Iſt es bei ſol⸗
chem Zuſtande der Dinge ein Wunder, wenn die Theilnahme an
ber kirchlichen Gemeinfchaft erkaltet; find wir proteftantifche
Spriften wirklich fo willentofe Werkzeuge, daß wir zur Bele⸗
bung unfers seligiöfen und kirchlichen Ginns gar nichts unter⸗
nehmen duͤrfen und immer auf Reſcripte warten muͤſſen? Das
iſt der Fluch der Gentralifirung, ber Bureaukratie, ber Helms
lichkeit, dab folche fehreiende Thatſachen unterbrüdt und bemäns
telt werden.
Der Geſangbuchzwang, in ber Provinz geübt von der
Refidenz aus, führt auf die „Freien“ in Berlin, indem
ndmlich deren Zufammentreten nicht von Hegel, ſondetn
von Denen verurfacht und verſchuldet fei, die der Kirche
(don fett längerer Zeit Gewalt anthun, die bie freie For⸗
4
ſchung hemmen oder unterdruͤcken moͤchten. Den Freien
wird der Text geleſen, aber bedingterweiſe werden fie in
Schug genommen. So wird ihnen darin beigeflinmt,
daß, wie jeder Menſch, das ChriftenthHum von feinen un:
nd Freunden am meiſten zu Jejden hahe.
bedan flaht hier das abgedroſchene Ei vom bey wehtlächen
s und Schirmherrſchaft der Kirche. Wenn Laͤſar Viefer
ein paar Thaler ſchenkt, wenn er fie beehrt mit einem Teppich,
oder wol gar ihr einen zaͤrtlichen Brief fchreibt, fo fegen ſich
taufend Kehlen in Bewegung und fingen den ambrofianifchen
Lobgefang dem Schutz⸗ und i i Du liche
Kirche, muß dich Gäfar halten, fo pade lieber morgen ein.
Doch den Freien kommen die Reſidenz, ihre religiöfe
und wiſſenſchaftliche Richtung, die Hoftheologen und Hofphi-
tofophen, ber Ehegeſetzentwurſ, die Judenfrage zur Sprache;
dann folgt der Schluß, die Beantwortung der Frage:.
Was wir wollen? Ste wird in kurze Worte gefaßt:
Mehr Freiheit für Wort und That. Derfelbe
Drud, der feit Jahren auf der weltlichen Rede gelaftet, -
defchmere auch bie geiftliche, und habe hier wie bort die
ſelben Nachtheile gefhaffen: ſtatt aufrichtiger Freunde
Schmeichler und Lobhudier in Menge; ſtatt innigen Wohl:
gefalfens an den vaterländifhen Zuftdnden Berftimmung
und Mistrauen ; ſtatt der Fortſchritte Stillſtand und
Verwirrung; die Gewohnheit des Verhuͤllens der wahren
Meinung in zweideutige Worte, das Verſtummen mann:
Lcger Rede, der Beflern und Bellen, das Emporkommen
Ger. wmutergeordneten Geiſter und ſchlechten Subjedte in
der Preſſe.
A freie Mort Tann neueh Echen in uufern Auſtand
der Brllarrung bringen. Unſere jegigen kirchlichen Verhaͤltniſſe
serlangen bie frejeſte Discuſſion, und ſollte fie nicht geſtattet
werden, ſo wird man alsbald mit Schrecken gewahren, was
** folgt, wenn „Zuon Dan KA Fr
an Die nach eigenen en n
—— buch hren ſucht.
Anlangend bie Freiheit für die That, fo fei die gegen⸗
wärtige Zeit jedoch zur gründlichen Aufrichtung einer Kirs
chenverfaſſung die denkbar ungünftigfte, weil bie Staats:
verfaſſung in volles Entwidelung und Gaͤhrung fich bes
finde. Der Staat mäfle bier den Vorteitt Haben. Erſt
wenn feine Zuftände geordnet, dürfe die Kirche der Beach:
fung unterliegen. Das Geiſtliche und Weltliche zu glei:
cher Zeit oder bunt durcheinander ergreifen, wuͤrde fo viel
fein, als beide Theile undollendet laſſen.
aͤtten wir eine durchgaͤngige buͤrgerliche repraͤſentative
——** ſo wuͤrbe a N a * ale und
Synodalverfaſſung das Wort reden. Unfere Provingialftände
aber ſtehen neben ber reinen Monarchie noch auf fo niedriger
Stufe da, daB fie auf meine Plane für die Kirche feinen Eins
flug Haben. Darum flimme ich in diefem Augenblicke lediglich
für eine Ausbeflerung der bisherigen kirchlichen Berfaflung, der
Eonfiftorialverfaffung nämlich, abftrahtre von allem Idealen und
beſchraͤnke mich allen darauf, das Mögliche, das Wuͤnſchens⸗
werthe, das Rothwenbigfte gu bezeichnen.
Es folgen ſodann Vorſchlaͤge und ſchließlich nach dem
Schluſſe ein „Pro aris et focis” überfchriebenes Ca-
pitel. Der . verwahrt ſich darin gegen den Vorwurf,
als hätte er den oberften Landesbehörden wehe thun, eine
Dppafition hervorrufen oder Händel anfangen wollen —
und man muß gefiehen, daß Verwahrungen gegen Ans
1283
(huldigungen biefer Art jedem Abwelchenden, Widerſptuch
Echebenden in Preußen, wenn auch dort nicht allein, noch
immer fehr nothwendig erfcheinen können. Sie find aber
eine fehr leidige Nothwendigkeit.
Ich vebe, meh ich meinen König und mein Ba
Alles liebe und tr mir wein Amt ſeilig if.
fefte , vielgeprüftg bergugung , welchs die achtbarften Männer
mit mir theilen, daß, ohne die empfindlichften Nachtheile für bie
Krone, den Staat und die Kirche herbeizuführen, auf dem bit:
her bei Drganifation unferer kirchlichen Zuftände eingefchlagenen
Wege nicht fortgefahren werben barf, Die ergiebigſte Quelle
aller Roth ift hierbei das maßlofe Negieren, Refcribiren und
Deczetiven ber welttichen Macht in ber qͤriſtlichen Kirche. Wie
fern das Verfügte aber häufig dem Leben und bem Beduͤrfniſſe
and über
babe We
Bi wiffen Die am beilen, weile als Bi dab Verge⸗
ſchrlebene auszuführen haben. Anfangs galten bie Beſtrebungen
dem aͤußern Gottesdienſte, und es hielt ſhwer genug, fih Se
horſam zu verfchaffens jest umterkiegt die chrifftiche Lehre ſelbſt
einem fermidartigen Minfiuffe, weichen abzuwehren und gegen
welchen offen und nachdruͤcklichſft ampulkmpfen‘ wie Pflicht jedes
echten Proteflanten ift.
Meiter erneuert der Verf, feine Einwendungen wide
feffeinde Lehrbeſtimmungen, Hierarchie, Bilhöfe. Dann
folgt eine Erörterung über ben Begriff des „chriſtlichen
Staats”, die mit der Bemerkung eingeleitet wird, [o we
nig man den Bettler für einen chriſtlichen Bettler erklaͤ
ven Eönne, ber mit ben Morten: „Chriſti Blut, Gerede
tigkeit” u. f. fr zur Thuͤr hereindringe, ebenſo wenig werk
der Staat ein chriflicher genaunt zu werden verdienen,
welcher feine Geſetzgebung auf gewiſſe Bibelſtellen gründe
oder von dem Lehrbegriff ber herrſchenden Kirche abhängig
made. Ein Gegenſtuͤck zu dieſer Begriffsbeſtimmung des
chriſtlichen Staats iſt eine andere Stelle über die „hiſto⸗
rifhe Grundlage”, welche „das Brlüfl fein ſcheint,
neue Misbräuche auf bem Grunde alzer Misbräude ein⸗
zuführen”. Den legten Seiten ſieht naan es vielleicht am
meiften an, daß das Schriftchen unter dem ſchmetjlichen
und aͤngſtenden Eindrucke gefchrieben ift, melchen ber An
fhein unb die Gerüchte ber mancherlei Reactionstendenzu
und Werfuche hervorbracdhten, die das Publicum vor ein
paar Monaten fo lebhaft befchäftigten. Da klagt denn
der Verf. wol:
Vor 25 Jahren waren wir dem Biele ber Drganifation
unferer kirchlichen Zuftände näher als jest. Damals fing mas
unten an, und diesmal ſitt das grüne Holz auch wirklich unten.
Damals wollte man hoͤren die Stimme bes In feinen Preiby⸗
terien vertretenen Volks, damals geftattete man freie Werathung
nach unten hin und erweckte bie —— daß für Beförberung
bes Eirchlichen Lebens unten ein freier Spielraum geboten, unb
Drtsgewohnheit und oͤrtliches Beduͤrfniß beruͤ t würben.
Damals wollte man hoͤren und genehmigen. Jett will man
lehren unb anorbnen.
Nicht die berliner Theologen, ſondern bie beutiden
Theologen und ba6 beutfche Publikum müßten vernom⸗
men werden, fobert er. Micht von ber ferien Berathung
möge man fürchten, bag Alles guseinander falle. Die
Freiheit führe zur Einheit, denn wo Freiheit fel, da walte
der Gelit, der lebendig mache, und dieſes Leben ſei baum
bie Einheit umd die Hauptfache; wo dagegen Zwang berts
fche, da regiere die Form und der Buchſtabe, welcher töbte.
Wir Alle glauben an Gott und am Jeſum, unb erkennen
fig freudig an, bie beſeligende Kraft hisfed Miaukens, Dar
in Yinfer allgemeinen Waprheit: finh win einig. -
fo oder fe
goängen wii in Worte und Nebenbarten, fo ninunt dee Sim
die Formel an, der Anbere werwirft fie, unb ber Streit iſt her
sorgerufen. Darm fagen wir, nur in ber Freiheit if Ein
heit. Wie felten aber find die Beiſpiele, daß die dem Geife
der Freiheit huldigenden Geiſtlichen die Lehrfreihtit gemisbraucht
haͤtten, und wie bald haben fie eingelenkt! ß die Anhänger
des Buchftaben® aber verfegern und verſſuchen, anftoͤßig werben
in ihrem biinden Cifer yab- Streit entguͤnden, dafür
wein beutfches Vaterland, leider die zahireichſten Belege.
Bu alleriegt beantwortet der Verf. die Frage, warum
ge nicht geduldig warte, bis bie Dbern die nothwendige
und begonnene Drganifation durchführten. Sein Vater
fei 25 Sabre lang darauf: verteöflet worden, ex. ſelbſt habe
ſchon feit 2% Jahren gewartet, und bie Diuge hätten ſich
mehr verwirrt als geordnet; auch peinige ihn bee Ge:
danke, daß bie ganze kirchliche Reform Kber dem erflen
beften politiſchen Zwiſchenfalle wieder in Stoden getathe,
was nicht ber Fall fein würde, wenn man es obm
aufgeben wollte, Alles, auch das Kleinfte, unten Telbft
m orbnan.
Mir werden biefer Anzeige und Überficht einige Bemer⸗
tungen in einem zweiten Artikel nadyfenden. *) 85.
Die Mlegorie vom weſtlichen Blümchen in Shakſpeares
4 geliebtee Freund, Graf Southampton, vermählte, wol gar erft
„Sommermnachtstraum“.
Oberon........ Weißt du noch wol,
te ich einſt ſaß auf einem Vorgebirge
Und ’ne Sirene, die ein Delphin trug,
So füge Harmsoiten hauchen hörte,
MDaßp vie empörte Ger gehorfam warb...
o,... Bur felben Bett ſah ich
Eupido zwiſchen Mond und Erbe fliegen
Sa voller Wehr; er gilt’ auf eine Kolbe
Bera! im Wellen thronend.....
Tueia ich ſah das feurige Gefchoß
Im keuſchen Strahl des feuchten Bonds verloͤſchen,
Die koͤnigliche Prieſterin ging weiter,
.... boch ber Pfeil
Er ſiel gen Weſten aufein zartes Blümchen,
Sonft milchweiß, purpurn nun durch Amors Wunde,
Und Maͤbchen nennen's Lieb’ im Mußlggang.
Warburton und aubere Commentatoren Shakſpeare's haben
dekanntlich in dieſer Allegorie (denn den allegoriſchen Charakter
der Stelle erkennen ſie alle an) die Veſtalin auf die Koͤnigin
Eiſſabeth, die Sirene (the mermaid) auf Maria Stuart ger
deutet. Lied laͤßt die Eliſabeth gelten, aber im Bezug auf bi
Maria meint er, „es wäre ungiemiid, bier bei Spiel und Feft
on das tragiſche Schickſal jener Unglüdtichen zu erinnern”.
Gewiß! Und außerdem paßt bie in der Allegorie befchriebene
Handlung gar nicht auf Eliſabeth und Maria, unb das zarte
weſtliche ih hen geht leer aus. Dies fol Fein allegorifches,
fondern ein wirkliches Blümchen fein. Tieck meint nun, es fei
Alles nur eine ganz allgemeine, beziehungslofe Phantafie, in
welcher nur gelegentlich bie Königin ein Kompliment erhalte.
Allein wie feltfam wäre es ausgedacht, wenn ed nicht Anfpies
langen auf beftimmte Perfonen und Ereigniffe enthieltes Gupibo
weifhen Mond und Erde) Das Geſchoß ini Strahl bed Monde
erldſchend Und die Sirene auf dem Deiphin! Wozu biefe
Inter? Nun Hat Herr Boaden duch Walter Scott's
nKenilwortä " zu einer neuen Deutung veranlaßt gefunden.
*) Wir tpeilen benfelben im naͤchften Menat mit. D. Red.
Wie mom aber '
uns zwingen will, Abe das Berhaͤltniß bes Waters zum. Sohne
denten, wie man jemen unfeen einigen. Mauben
tiefexft du,
ovber waren dorthin eingeladen.
"| wied nicht gefehlt haben.” Um nody
"I wie Appart des dpaux, Arbi
s”
Des bewaffnete Gupido iſt feiner Moinang nach dee Gert of Bsicefber,
bie gange Scene, weldye Oberon ſchildert, bezieht fi) auf eine
der Pantomimen ober Aufsäge, die auf Schloß SKenikvueth ber
Königin zum Beſten gegeben wurden. Daß beicheisene ildachen
ſod Am Robſart fein. Diefe jebdoch ſtarb ſchon funfzehn Daher
vor ben Heflichdeiten in Kenilworth, alſo wieder eine Unmoͤg⸗
lichkeit. Endlich bat jegt eben Br. NR. I Halpin ein Schrift⸗
chen herausgegeben: „Oberon’s visiomin. the Midsummernightis-
dream.’ Er nimmt Boaden's Erklaͤrung an, beutet aber das
Blümchen flatt auf Amy NRobfart auf die Gemahlin bed Grafen
von Ser, Lady Lettice; die Erbe auf die Witwe bed Earl of
Sheffield, Lady Douglas, von ber Eorb Reicefter bereits ein Söhns
chen hatte, den Weinen Dublen, ohne daß birfen Umflanb weber
die Gräfin Sffer noch bie Königin erfahren barften; ven Mond
auf Königin Eliſabeth. „Ohne Zweifel⸗, fagt Halpin, „beglel⸗
tefen die vornehmſten Damen bie Königin nach Kenilworth,
Die Frau eines fo hochgefteklten
Barons wie Eſſer, die außerdem dem Weftaeber fo theuer war,
zu zeigen, was bem Weite
Shakſpeare's biefe Intrigue fo nahe gebracht Haben mochte, er⸗
zaͤhlt Halpin, daß Edward Arben von Parkhall in Warwidihire,
der als dortiger High Sheriff vermuthlich ebenfalls den Feſten
beitwohnte (nad des alten Dugdate Bericht), ſich weigerte, Th
der Librée des Lords Leicefter gu erfcheinen, außerdem aber die
| Inteigue bes dorde mit Laby Effer emtbeite und heim Eorb Habe
tes barüber fagte, wofür er fpäter (1583) dem Haſſe des Lorbs
| erlag und auf Anklage von Hochverrath hingerichtet wurde.
Diefer Arden war ein naher Berwandter’der Mary Shakſpeare,
beu Mutter bes Dichters.
Taeck ſegt bekanntlich die Abfaflung bes „Sommernachts
traums“ in eine fpäte Zeit, nad) 1308, wo fi Ghalipeam’s
in denſtiben Sabre 100, wo es zuerſt gedruckt erſchlen. Iſt
num aberrbie Anfpielung auf bie Kenitworty : Hefte wirklich in
Oberon's Schitderung zu Fuchen, fo muß man wei ben aͤitern
ne beifimmen und die 3— de 5* in eine
eit verſehen, wo das Andenken an jene n ul)
war, ale in das Jahr 1575 ober 1576. ⸗ —
Literariſche Notizen aus Frankreich.
Juriſtiſche Encyklopaͤbdie.
Merlin's großes furiſtifches Repertorium in 17 Baͤnden,
fo brauchbar es auch zu feiner Zeit war, iſt jetzt ſchon laͤngſft
veraltet. Ein Theil der Gefetze, die es enthaͤlt, if gan aus
dem Sebtauche gefommen, während auf ber andern Seite eine
Maffe von Berorbnungen erfchienen find, die man noch nirgenb
überfichtlich zufannmengeftellt findet and bie fi Jeder aus
dem unfbflematifäyen Bulletin des lois herv muß. Das
große Wert von Merlin ben Beduͤrfniſſen ımferer Zeit anzupaffen
würde eine ungeheure Arbeit fein, für bie kaum bie Kräfte einch
Einzetnen dinreichten. Nur zu loben iſt eb deshalb, daß I. Bous⸗
net bei feinem Rechtslexikon („Nouveau dictionnaire de droit,
esum6 gendrai de la kEgislation, de ia doctrine et de la
jurisprudence‘‘) ſich beſcheidenere Grenzen geftedtt hat, Bel der
Anlage biefes Werks hat dem Berf. bie Idre Yorgefdrmebt, je
mögtichft wenigem Raume moͤglichſt viel zu geben. Der
Band, der ums davon bis jegt zugekommen iſt, zeigt, dab ihm
dies in einem hohen Grabe gelangen iſt. Wir finden in biefem
ulphabetifch geordneten Werke Alles vereinigt, was im juriftifchen
Geſchaͤftsgange vorkommen Tann. In der Definition der Kunfts
ausdruͤcke ift der Verf. fireng logiſch und klar; befonbers gluͤck
tidh ift er aber darin, mit wenigen Zügen das Wichtigſte aus
einem weitſchweifigen Belege hervorzuheben. Auch die hiftoriſchen
Entwidelungen, die wir einem großen Theile von Artikeln vors
ausgeſchickt finden, verbiemen Beachtung. Alle Diejenigen, welche
fich einen Begriff von der Klaren, einfachen und zweckmaͤßi
Methode des Verf. maden wollen, verweilen: wir auf Xxtit
itsage, Amusanes maritime, As-
o
juranee terrestre, Bail, Chemin vicinal, Code eiril, Cours
d’eau,Donations et testaments”’ u. f. w., bei.benen ſich überall
mehr ober minder große Schwierigkeiten darboten. Vortrefftich
gearbeitet find auch bie auf den religidfen Gultus und bas
Kanon
ee —— und einen freien Blick, fobaß man fi) von
einer „Geſchichte der Geiſtlichkeit“, die er vorbereitet, etwas
Züchtiges verfprechen Tann.
Dihter inder Provinz
Das Loos der Posten in der Provinz ifl, mit wenigen Aus⸗
. nahmen, nicht eben heneidenswerth. In Paris werben ihre
Productionen wie abſichtlich ignorirt; der einzige Sohn, ber ihnen
gu Theil wird, ift der Beifall irgend einer Eleinen poetiichen
Alabemie, bie in Frankreich faft in jevem Winkelſtaͤdtchen beſteht
und bei denen bad Spruͤchwort „Eine Hand wäfcht bie andere‘
befonders gilt. Dabei iſt es bewunderungswuͤrdig , mit welcher
Ausdauer diefe Reimhelden oft endlofe Gedichte namentlich epifchen
Snhalts fpinnen. Gelten einmal findet ein foldyes Epos auch
außerhalb der Mauern des Orts, wo ber Dichter wohnt, bie‘
Anerkennung, bie ben „Derniers jours de l’empire‘' von
Maſſas, einem Mitgliede der Alabemie von Lyon, zu Shell ges
worden iſt. Bon biefem Gedichte, deflen Berfification nicht ohne
Werth ift, Haben wir vor kurzem eine zweite Ausgabe erhalten.
Freilich nach einem Zwifchenraume von 15 Jahren! 2.
Bibliographie.
Becker, W. A., Handbuch der römischen Alterthümer,
asth den Quellen bearbeitet. Ister Theil. Mit vergleichen-
dem Plane der Stadt und 4 andern Tafela, Leipzig, Weid-
menn. Gr, 8. 3 Thir. 15 Ngr.
Böttcher, 3. E., Der Seebade⸗Ort Boppot bei Danzig
in geſchichtlicher, topographiſcher, ſtatiſtiſcher, naturiiffenfchafte |
Sicher und forialee Hinſicht, fein Sagenkreis und feine Wirk:
famteit als Ganitätss Anftalt. Mit Karte und eriäuternden
Zeichnungen. Danzig, Gerhard. 8. 25 Nor.
Srufenfloipe, 3. M. v., Dee Mohr ober das Baus
Holftein » Bottorp in Schweden. Ster Band. Aus dem Schwe⸗
difchen. Berlin, Morin. 8. 2 Thir.
Spaniſche Dramen, uͤberſetzt von ©. 4. Dohrn. ter
Theil. Berlin, Nicolai. Gr. 8. 1 Thir. 20 Rgr.
Der Bortfchritt und das converfative Princip in Öfterreich.
In Bezug auf die Schrift: „Oſterreichs Zukunft”. Bon ©,
eeipaiß, eclam jun. . Gr. 12. 1 Ihlr.
er ſchoͤnen Geſchlechtes. Taſchenbuch fuͤr das
| Beeund des
Jahr 1844. Alfter Sahrgang, Mit 7 Kupfern. Wien, Riedl's
fel. Wwe. und Sohn. 16. 1 Thlr. 5 Nor.
Bottfhald, F., Geneatogifches Taſchenbuch für bas
IE 4, l4ter Jahrgang. Dresden, Gottihald. Gr. 16.
r.
Hermance, oder ein Jahr zu ſpaͤt; Schauſpiel in drei
Aufzuͤgen. Frei nach dem Franzoͤſiſchen ber Madame Ance⸗
a t bezz eitet durch L. V. ©. Karlsruhe, Macklot. Er. 8.
r.
2
Hepden, F. v., Das Wort der Frau. Eine Feſtgabe.
Mit Titelbild. Leipzig, Einhorn. Gr. 16, 1 Thir. ss Nor.
Iduna. Taſchenbuch für 1844, 24fter Jahrgang. Cbeln
Ba und Mädchen inmer: Mit 7 Kupfern, Wien,
iedls ſel. Wwe. und Sohn. 16. 1 Thir. 5 Nor.
. Jean Charles, Die Marquife von E***, Roman in
brei Bänden. Berlin, Dunder und Humblot. 8. 3 Thlr.
Zungfrauen, Die Tyroler efftatifchen, Leitfterne in dem
dunkeln Gebiete ber Myſtik. Zwei Bände. Regensburg, Manz.
&r. 8. 3 Thilr.
Kannegießer, 8. 2, Ifenbart, ber erſte Graf von
Sobenonen. Drama in fünf Aufzügen. Berlin, Nicolai,
8 gr.
Hecht bezuͤglichen Artikel. Dee Verf. zeigt Hier eine
Klänge aus dem Reden: Men Bpeophiie Grimm
.e..... % Dresden ] Amolſh. 16. 10 ’ »
Der Kommunismus in feiner praktiſchen Amvendung auf
das ſocialt Sehen. Nebft einem Anhang: Die Kommunifien in
ber Schweiz, din Beitsag zur genauern Kenntuiß der jehigen
Parteiverhaͤltn im Canton Hurich. Schaffhauſen, roh:
8, 3%, Nor.
mann.
um BEE Sie m Di au m
nie Lavo ‚ eg und .
Gr. 8. 2 Zylr. 15 Mar. 9 e
Laing, S., Reiſen in Sgweden wnb RNorwegen. Rad,
dem (Englifchen bearbeites mit Bufägen und Anmerkungen von
WB. &. Lindau. 2ter Theil: Reife in Norwegen. Weit einem
Anhange: Geſchichte bes norwegiſchen Grundbgefehet. Dresden,
Arnoid. Gr. 8. 2 Thir. 15 Kor.
eibuffa. Jahrbuch für 1844. Herausgegeben von P. X.
Klar. Iter Jahrgang. Mit 1 Stabiftich ımd 1 Lithographir:
ten Anſicht. Prag, Balve. 8. 8. 2 Sir. 19 ER
- Die Liebe am Abend. Luflfpiel in drei Nufzügen. Fri
nady dem Franzoͤſiſchen bearbeitet von 2, V. G. Karlörupe,
Madlot. Er. 8. 7 Rear.
Marbach, D., Pabft und König, ober Manfred ber
sig, Franke
Hohenſtaufe. Zrauerfpiel in fünf -Acten.
Æ. 8. ad Seit. Ein S e u
— — Unfterbiichkeit. Gin Sonettenfranz. Leipzig, Franke
&r. 16. 3 Nor. y “
Otto, E., Reiseerinnerungen an Cuba, Nord- und
Südamerika, 1838—4l. Mit 2 Yithographirten Tafeln,
Berlin, Nauck, Gr. 12, 1 Tblr. 10. Ner,
Ramshorn, E., Geſchichte ber merkwuͤrdigſten beutf
r em. Uſter Band. Leipzig, Eindorn. Gr... 16, 1 Wir.
gr. ...8.1i⸗ J
Rank, J., Bier Bruͤder aus dem Bolke. Gin Roman
aus Öfterreich® jüngften Tagen. After Theil. Leinpig, Gin
born. 1844. 8, Wollftändig in zwei Theilen 2 Ihie. 15 Kar.
Rellſtab, L., Paris im Fruͤhjahr 1843, Briefe, Be
richte und Schilderungen. Ifter Band. Leipzig, Köhler, 184.
8. Bollſtaͤndig in zwei Bänden 4 Thlr. ou
Satori, J., HofsIntrigum. Gin hiſtoriſcher Roman
aus ber Zeit der Katharina von Medici. Zwei Theile. Dans
zig, Gerhard. 8. 3 Thlr. 5 Ngr.
Geidemann, I. 8, Die Leipziger Diaputetion im
Sahre 1519. Aus bisher unbenusten Quellen hiſtoriſch dar
fa „und durch Urkunden erläutert, Dresden, Arnold. Gr.b,
3 HE h
Gtella ober das Geſpenſt von Oriol. Drama in fünf Auf
zuͤgen. Nebft einem Borfpiele: bie Katafomben, in einem Aufı
zuge. rei nah dem Sranzöfifchen bearbeitet von 2. 8. 6.
Karlsruhe, Macklot. Br. 8. 12% ner.
Suringar, W. H., Chriftliche Beſuche im Gefaͤngniſſe.
Vorträge und Anſprachen zum Heile der Gefangenen. Aus dem
Holländifchen frei überfegt, mit Zufägen vermehrt und einer
Einleitung herausgegeben von J. NR. Müller Karlsruhe,
Macklot. Er. 8. 1 Thtr. 3%, Nor. '
Geneatogifähes Taſchenbuch der deutſchen gräfjichen Häufer
auf * Sabt 1844. 17ter Jahrgang. Gotha, Perthes. Kl. 16,
ir. gr. ’ I
Das Veilchen. Ein Taſchenbuch „fer Berunde einer ge
muͤthlichen und erheiternden Lecture. 2Tfter Jahtgang. 184,
Mit 7 Kupfern. Wien, Riedl's fel. Wwe. und Sohn. 16.
1 The. 5 Rgr.
Dirie Benbetta ober bie korſikaniſche Rache. Poffe in einem
Aufzuge. Rady dem Beanzöftfäien bearbeitet von 8. 8. ©.
Karisruhe, Macklot. Br. 8. TY, Nor. '
Zaharid v. Lingenthal, K. S., Biograppifcher und
juriftifcher Rachlaß. Herausgegeben von beifen Sohne 8. ©.
Bagarid v. Lingenthal. ttgart, Cotta. Gr. 8. 1 hr.
ge ·
-.- Berantwertiicher —— — Heiarich —— Druck und Verlag von F A. Beoddant in —
Blätter
7
eat u
li terariſche Unterhaftung
Breitas,
17. Rovember 1883.
Gancan eined deutſchen Edelmanns. aweier Theil.
— Brockhaus. 1843. Ga 12. 1 Thlr.
Referent findet das Urtheil, welches uͤber den erſten
Theil dieſes Buchs in d. BL”) ausgeſprochen worden,
durch den vorliegenden zweiten im Allgemeinen beſtaͤtigt.
Auch diefer zweite Shell bildet wie der erfte ein humo⸗
eiftifches Quodlibet, worin Wis, Spaß und Laune mit.
den ernfteften Betrachtungen über die ernfteflen Dinge
abwechfeln und bee Humor, wie Lear's Narr, Häufig nur
darum fo boshafte Geſichter und poſſirliche Grimaſſen
fehnefdet, um Andere und ſich ſelbſt über den Schmerz
zu täufchen, ber feine Grundſtimmung if. Und dod)
gibt es auch in dem Buche einzelne fo leichtfertige
vie. zifchende Schlangen auf der Oberfläche des fashione-
bein Klatſchens hinfchlüpfende raifonnirende Partien, daß
man wieder meinen möchte, der Verf. babe vor dem
Ernſte des Lebens gar Beinen Refpect und es ſei ihm
böchftens um ein bloße Salongeträrfh zu thun. Im
nädhften Augenblicke aber und fo ſchnell wie man die Hand
umdreht erfchiießt ſich Fe Pe fo warm, fo rührend,
fo inntg, erklingen die Sa
fo ohne allen Miston, daß man an dem Verf., feinem
Charakter wie feiner Tendenz, ganz irre wird. Ebenſo
feltfam fich wiberfprechend, oft echt poetifch, reizend und
ſchoͤn find Darſtellung und Stil, und dann wieder fo
nachlaͤfſig ungenirt, fo abfichtlich teitfal, fo unſchoͤn. Ein
ſolches Buch laͤßt ſich — gar nicht kritiſiren, und
der Verf. feibft würde über eine Recenfion von gewöhn-
lihem SDanbwerbscharafter Kodttife genug deu Mund ver⸗
ziehen; er weiß felbft am beiten, in weichem Sinne und
zu welchem Zwecke er fein Buch zufammengeftelte, wie
ein zufällige Bouquet aus Diſteln und Roſen, Neſſeln
ab VBergißmeinnicht, Stinkblumen und Machteioien,
Belladonna⸗ und Drangenbiäten; er weiß das fehr gut,
dem er nennt fein Buch in ber Vorrede ſelbſt ein par
lambeaux gefchriebened Werk, welches er keineswegs zu
denjenigen ——— gezählt wiſſen wolle, deren aus⸗
geſtreuter Game, wie bie verdortte Zwiebel in der Hand
einer —* Mumie, erſt nach Jahrhunberten auf
ſchicßt; er hoffe vielmehr, daß es wie ein Schwefelfaden
#) Mr. 190 und 181 f. 1849. D. Red.
iten feines Gemuͤths fo zart,,
.febne Speiteufel gleich anzönden und nach dem Ausipch-
ben weiter Beinen kaͤrm im ber Welt machen werde. Der
Schluß der Worrede gibt einen ungefühern Verſchmack
von ber oriainellen Art, wie der Verf. ſchreibt, und bie
wieder mit ſeiner originellen Art zu denken ins eure
Bufanmmenhange fteht.
Wenn und — fagt er — nur bie nüchternfte Profa y
gibt in den obligaten Stopfanftalten und Armenfänberftuben
bes Lebens; wenn jedes freie, Eräftige Wort in der Eenfur, jes
bes zarte Gefühl untergeht im Spott; wenn ber Gebanfe einer
feits zuſammenkriecht im Zwange einer engherzigen Dogmatik,
anbererfeit verfluͤchtigt im brutalen Paganismus moderner
Shriftenverfößger ; wenn ſchon das junge Gemüth eine antomatis
ſche Rechenmafcjine und Alles auf ber Weit Dunft und Dampf
wird; wenn im Poltern des Raͤderwerks bei all dem Haͤmmern
und Klopfen das Wort eines eblern Geiſtes und die Klage eines
ſchoͤnen Herzens ungehoͤrt verhallen, wenn wir bie beſten Rp
nur für den Beierabend werben unb fin journatiſtiſche Yu
bäume und Baja ofpäbe: wird da noch Jemand fragen, warum
in neuefter pet o wenig Driginelles vom Gtapet ber Bidet
meſſe läuft? ’
Die befte Art, über dieſes Buch zu referiren, iſt wol
bie, Auszuͤge daraus zu geben; auch beſteht das Bub
eigentlich nur aus Auszuͤgen, wie man fie etwa’ in einen
Zettellaften wirft, nur daß fie Originalauszuͤge aus der
Individualität der fchreibenden Derfon eh find, lauter
Stüde und Brüche und Bruchſtuͤcke, die in ein
gar nicht zuſammengehen wollen. Diefen Vorzug wenig⸗
ſtens hat das Buch, daß man überall fo im Blaͤttern
einen bübfchen geiftreichen Gedanken findet, und daß man
es in jedens Augenblick wieder zufchlagen und erſt nad
längerer Zeit bie. Lecture wieder fortfogen kaun, ohne au
dem Bufammenhange zu gerathen, ‘aus dam einfachen
Grunde, weil das Buch gar keinen Bufammenhang hat,
Hier fiegt das Fragment eine® vollendet fchönen Kopf,
dort ein Fragment eines plaſtiſch gerundeten Arms oder
eines ſchwellenden Schenkels aber sinds prachtvoſlan Rumpfs,
—— —* wird doch nice barandz gas
interefficen eben nur durch ihre feagmmsstinuiidhe
Schönheit.
Es iſt kaum eine ſociale, polltiſche ober eligidſe Fragt,
bie‘ ber Verf nicht in den I
Ep ı,
Berf. eigentlich uͤber die fragliche Frage denk. Wenn
er den Aberglauben ironiſch feiert, fo iconifirt er auch in -
demſelben Satze Die, welche das Portifche des Aberglau:
bens verfennen, ebenſo wie Die, welche am, Altare
ET ‘die me
de6
Ichliche Wimnunßt am —*
jegt if ex cbenſa zädtlich, wie gleich därauf gratz
gegen das weibliche Geſchlecht; bald hechelt er Dft:
ceich, mit dem er ſich vorzugsweiſe befchäftige, witzig duch,
bald vertheidige er es gegen feine zu einfeitigen Gegner;
bald ſchwoͤrt er zum Banner des Abfelutismus, bald zur
Jakobinermuͤtze des Republikanismus, bald zur Tucelore
des Conſtitutlonalismus; er If eben ein geiſtreicher Hann,
dem fich überall die Schwächen ebenfo wenig verbergen
tönnen als die Vorzlige und Tugenden; und während er
fetbſt die Salonklatſcherei und die BRedifance det Greme
vekaͤmyft und verfpottet, klatſcht und fpettet er doch in
derſeiben faſshionabein Manier wohlbehaglih wit. Aber
die Pfeile, die er gegen bie veredelte Schafwole ber
hoͤchſi vornehmen Geſellſchaft richtet, find an der Spitze
häufig arg und biffig vergiftet. Hier eine Probe:
. Das. Hauptbedingniß, ohne welches man ſich ſelbſt im Arms
ten abeligen Gafino nicht fehen laffen darf, if, daß man ſich
von allen Bürgercloffen, wie durch einen Peftcorbon, fireng abs
fonbert und in Eeinem andern Verkehr mit ihnen fteht, als um
fi Stiefel zu beftellen ober die Ausarbeitung eines Procefles;
um Gelb von ihnen außzuleihen, wie Guard II. von feinem
Barbier, und hoͤchſtens eine ihrer Töchter — figen zu laffen. Die
zweite nothwendige Eigenſchaft ift ein über allen Schimpf erha:
denes, durch kein Buͤrgerblut beflecktes Pergament; ferner die
Sprache, naͤmlich die franzöfifche, denn auf deutſch iſt man ein
Dummiopf, und kann dielen nicht verſtecken hinter all ben Gas.
lembourg8 und, einer gewiflen routine d’expression. Wer fid
baber feines plumpbeutichen Verſtands nicht leicht entiebigen
Ffonn, der darf ihn nur zum franzoͤſiſchen Wig umgießen, wo
aller Geift früherer Heroen nach und nach zu Phrafen rectificirt
wurde und felbft derbfräftige Satire in graziöfen Tournuren
rät; deshalb iſt auch das Deutfde die einzige todte
@orade, die man in der Eleganz kennt. Thut man nun noch,
als verſtuͤnde man Engliſch, und beweift feine Anglomanie, indem
man fi auf ber chaise longue bei jeder Gelegenheit als ein
ebratenes sucking-pig anrichtet, inden man die Racht im
bee erfäuft, mit der Ringelblume beim erften Strahle der
GSonne ſchlafen geht und nur Shampagnerflafher ben Hals
bricht, ober ben eigenen bei einem Barriereſprunge, fo nähert
‚man fi) ſchon der Eleganz, und töchtergefegnete Mamas com:
manbiren: richt’ euch! Hat man aber ebenfo viele Güter als
"Ahnen, verleugnet man öffentlich feine ärmern Freunde und tritt
man alle Unbekannten auf die Zehen, ohne durch ein voreilig
besausgeftoßenes „pardon” wieder Alles zu verberben, fo figt man
‚mitten in der cräme, d. b. im Perihellum einer Eonne, von
welcher bie Strahlen aufwärts nad Hofe und hinunter nad
allen Arten und Abarten der Societät bringen, bis ſich endlich die
‘testen bämmernden Streifen in die höhere Buͤrgerclaſſe verlie⸗
ren, unb alfo die Bankiers entre chien et loup u. |. w.
Wie im erſten Theile begegnet man auch in biefem
yasıtın dem breiligen Reiſetagebuch des Rammerbieners Ra:
faet Sendetmaier, unter dem Titel „BRemerial eines le:
berkranken Diplomaten”. Dies Tagebuch iſt jedoch nur
‚tür männtiche Lofer genießbar; die lichen fentimentaten
dentſchen Weiber- mit ihren himmelblauen Gudaugen
end ihren. ſchwaͤrmeriſch geordneten biomben Loͤckchen, die
dentſchen Bränte, Bräutigamgbebäcftigen, Brautjungfern
md ſeliden Hauumuͤtterchen haben keine Cuffaͤnglichkeit,
kein Verſtaͤndaiß für Humor und derben lg
Meiber find päcfens (dmippifch, aber wide wäh, om
Quippiſ m
allerwenigften humoriſtiſch; dagegen bat der Empfindfame
bei ihnen gewonnenes Spiel, und fo rathen wir ihnen,
Sendelmaiers Tagebuch zu überidiagen: und folgende
Stelle und anllegende Partgen zu leſen, die wie zum Be:
welfe, daß der Verf. des „Cancan“ auch zart fein kann,
bier mitthellen:
Wer enträthfelt die fanft wehmuͤthigen Züge einer jungen
Brau, bie, wie ein Vorhang ihrer Seele, fo viele vermeinte
Nächte und erflorbene Gefühle und dennoch die heißefte Sehe:
ſucht verhällen? Gin unnennbarer Reiz fpricht ſich aus in dem
ſittſamen Ronnenblick und dem weltlichen Lächeln; die einge
ſperrte forgfam verborgene neue Eiche bückt aus ben Augen wie
mit Engelskoͤpfen durch Kerkerfenfter.
Schon in dem Worte Jungfrau kiegt ein unendlich jarter
Gebanke: bie ins Leben getvetene Reinheit. Gin Wort, ein
Bid, ein Hauch träbt ihren füßen Stanz, und ihr fröhliches
Der; weiß es kaum, baß es .mit feiner Liebe Alles verſchen⸗
ten kann, was feine Thraͤne, Feine Reue zu erfegen vermag.
pud 09 bat fie mehr noch zu verlieren, aber vielleicht erft in
er
Wenn ihr Welt und Gegenwart in ber Seligkeit des Un
gehoͤrens verſiaken; wenn fie in Gefühlen - end gebrochen
am Halſe des Geliebten hängt, und fie Herz und See,
Breipeit und Gewiſſen gibt, da weicht nur ige ſchoͤnſter Geniut,
nicht die Tugend; aber wenn j das heilige Kleinod ihrer Ehre
Eirchenrduberifch entwenden 1Aßt; wenn die Liebe wie ein Sturm
der B den Grund ihres Innern gerruühlt und die wilde
Sehnſacht einer Pentheſilea bie Vingläcticge von Arm zu Arm
wirft; dann exit fliehen alle ihre Engel und weinen um das
arme Weib, das Alles verloren hat.
Das Herz De6 Banned delcıt wird, weit er miäk pre,
an das Herz es gelegt wird, er
das Verhaͤltniß ber Ehe ebenbärtig zu machen einer jugendlich
zarten Eiche, weil er nur ber Verfuͤhrer feiner Frau und ik
erfter Lehrmeifter in ber Schule des Laſters iſt.
Man kann Feine zu hohe Ibee von der Ehe haben: eine Art
Eraltation iſt ihr Geiſt, die zärttichfte Eiche ihre Seele, das
Reich der Sinne aber ihr Körper. Wer ſich nur einer bielr
eng verſchwiſterten drei. es ‚ müßte ein woabnftaniger Schwar⸗
mer, ein thörichter Schwaͤchling ober ein Thier fein, und doch
machen fie zufammen bie durchgeiſtigte, befeligende, verkörperte
Liebe aus, wie fie uns Gott geſchenkt hat als Morgen » unb
abenbficen unferer kurzen Wanderung zwiſchen Himmel und
Bean banz bie Sraltation in ber Folge ſchwindet, wie bie
Blüte vom Baume fält, fobald die Frucht treibt; wenn endlich
die heißen Sinne erflerben mit bem Lältern Blute des Alters;
daun zerfließt die Liebe im die treuefte Innigkeit, und diefe ge
leitet das Paar bis an das Ende des Eebens und zieht mit ih
nen hinüber in jene Welt.
Es muß ſchoͤn fein, wenn einft nady Jahren — wenn das
Leben zwar keine Fruͤhlingebluͤten, aber doch noch Herbſtblumen
bietet — ein liebes Weib an das Gerz feines Mannes finft und
fagt: du Haft mich ganz gluͤcktich gemacht!
Ja, die Erbe ift ein Feenort und bas Sehen ein Himmel,
aber nur in ber Ligbe — und wer eine warme ‚Hand in ſeine
faffen kann, bis fie erkaltet, der fpiegie beim Gonnenglan
des Gluͤcks freudig fein Auge in bem geliebten, und ſchlinge ſich
beim Froſtſchauer der Leiden feft an das treue oft fo ſchwer er⸗
rungene 8 bleibe bir bis zum Zobe, was bu Lieb, ge⸗
neigter Leſer! Der Menſch ahnet sa nicht — uminbelt von ges
iebten @timmen — wie balb er fein Deh im bie Einfamteit
reit, und Kein größeres Elend ber Gegenwart gibt es al6 di
innerung unwiderruflich entſchwundener Seligkeit.
Nun ſchnell noch Etwas fır Männer. Der un
bereit and beme erſten heil durch feine axaentriſche
Wildheit beſanut wurd ' Imreflant' gewordene Manuel
eibt::
Was tft denh dies folge Leben, dieſe farbig gefchliffene
Stastugel, die du mit einem Fußſchlag zerträmmerft; dieſe
weite Sahara voll Luftfpiegelung und Glanzgegaukel; biefe
Ephemerenwallfahrt, auf der ſelbſt die Luft mit pfeilfpigen
Blumen nad uns ſchießt? was tft der Tod, der endlich das
Gas verzehrt, das den Atroftaten hebt; der das Uredlement ums
fers Seins, das unruhig fladdernde Feuer piöglich ausloͤſcht; der
ſchon feit der Geburt ber Gaſt unfers Körpers tft und uns ber
Verweſung in die Arme wirft, weit wie ihn nicht mehr aus⸗
hauchen Eönnen? was bebeutet ber ungeflüme Drang, jenes fees
Ienzwingende Hinftü nach einer geifterhaften Ziefe, in ber
wir als Nichts verfinten? zifcht doch in unferm innerften We:
fen die alte Paradieſesſchlange noch, die fich einft ber hoͤchſten
Kraft ars ebenbürtig entgegenbäumte.
Schlich nicht etwas durch das Zimmer?
Ihr abgezehrten beftäubten Sangfchtäfer unter dem Raſen,
‘es iſt Mitternadht vorüber, werft eure Sargdeckel ab, ſtoßt mit
den hirnloſen Schaͤdeln die Hügel durch, fehüttelt da8 Gewuͤrme
aus den Knochenhöhlen und fleigt herauf beim Pfeifen ber
Windsbraut, wie es Geiftern geziemt! Kann Siner den Schleier
von dem Ienfeit Lüften, ſchickt ihn zu mir al® Sprecher; mein
Baar fol fich nicht emporfträuben, der Zob iſt ehrwürdiger als
das Leben. Nur das Auge öffne er nidt, das ihm vielleicht
eine liebe Hand gefchloffen! Im ftieren, gläfernen, glanzloſen
Blicke liegt das Grauen.
Sag mir, Leichnam, der in zwei Welten ſchaut und tn
feiner tebt, wohin flieht denn das heiße, lebendige, leuchtende
Giement, wenn die Kohle verglommen iſt? Heißt athmen —
träumen ? unb iſt der Tod das Leben, ober iſt der fechzigjährige
Angſtſchrei des zwiſchen dem Leichenfteine ber Erde und dem
Markfteine der Ewigkeit gequetfchten Menſchen nur das fchmerz-
Giche Erwachen aus einem zeittofen unbemußten Schlafe? Wird
ums das ab zur Wiege für einen andern Stern und muß
Vie Seele im Kreislauf jagen, bis fie athemlos und lebensfatt
wieder auf die Erbe wandert, oder ift das Licht für immer er:
Yofyen, der Geiſt verendet mit dem vertrodneten Gehirn, ein
Menf nur der Dünger des andern, und Zeit und Raum und
Bewegung und Gedanke verweht, geſchwunden, verfunfen in ein
unnennbares, bobentofes, ewiges Nichts?
kacht Jemand Hinter mir?
Sprich, Leichnam, wird uns ber Quäler im Innern, bas
ſtolze tyranniſche Ich denn abfterben, wenn ihm die Haut von
dee Geele gezogen ift, ober müffen wie auch drüben noch mit
ihm kämpfen und ihm unterliegen? Wer ift Das, der es fidh fo
bequem gemacht hat in mir, dem ich einen Altar aufbauen und
ihm raͤuchern muß umb ber fo hoͤhniſch veraͤchtlich auf mich
ſchaut? Iſt das Ich denn Bott? Trepanire mit deinen geil:
Schädel, Leichnam! fpäbe in dem butigen
o
den Knochenfin
tlum; du gibſt nicht Antwort, obmmädhtiges Wurmfutter ! fo
will ih kaͤmpfen mit ihm — — —
Mit diefen drei omindfen Gedankenſtrichen bricht
Manuel's Nachlaßſchrelben ab; was aus ihm geworben
if, erfahren. wir aus dee folgendau originellen Nachſchrift:
Erſchreck Sie nicht, liebe Mamſell, aber ber jungs Kerr,
m ich feit flag ein helles Zimmer mit froßmüthiger
Ausfiht ſammt Kol vermiethet habe, hat geſtern Abende noch
mit mir und ber Piyani und bem a De ber ſtatt meinen fells
gen Dann mit ne Schu 8 hund ki dann 35
tig und ſchaffig zum Schreiben hingeſegt. Um zehn Uhr, als ihm
bie Plunni die Stiefeln ausziehen wollte, hat ex ihr den Brief
übergeben, daß fie ipn follte in ber Frühe, wenn fie zum Bas
benwirthe nad Schaffhaufen um alten Wein ginge, auf bie
Pot tragen, er müfle noch ein wenig am Fall berumpantoffeln.
um halbzwölf Uhr hat er ben Marder wieder berausgeliopft,
weil er etwas am Briefe dazuſchreiben wolle, und bann hat ber
Marcher wieder fortgeſchnarcht. In der Fruͤh geht die Plunpt
binuber wegen bed Briefes, fo liegt er mit fammt bem Sf
fteif und biaß am Boden, wie ein Zodtebaum. Ich und ber
Marcher legten ihn mit der Plunni ins Bett, wo ex noch föRt
trümlig ifl, daß man Fein honettes Wort aus ihm berausbringt.
Am Simſe neben dem Tiſch ſteht eine faft Isere Klafche und
Gognac barauf,; wenn das nur nicht Ragengift iſt! Der Mars
her hats verfucht, bis nichts mehr darin war, unb flucht alle
Zeichen, daß es der beſte Branntwein fei im ganzen Ganton.
Ic meine, ob der junge Herr nicht etwa ein Kraufaftelind if,
da ift ihm heilig bie Rheinalte erfchienen. Weil er aber nun
doch verbächtig krank ift und wir gedacht haben, daß der Brief
an feine Liebfte gefchrieben fei, denn wir Alle mögen die Auf⸗
Schrift nicht Lefen, obmwol ber Marcher immer fagt, daß er frans
zöfffch Tann und von ber Schlacht bei Leipzig erzählt, fo haben
wis ihn wieder zugefiegelt und die Plunni bat ihn ehrlich auf
bie Poft getragen, ohne hineinzuguden,, damit Sie ſich nidgt
forgen fol, liebe Mamfell, über feine Krankheit.
Ihre Dienerin Barbara Wetzin
ehemalige Echulmeiftere Wittib zu Lauffen.
(Der Beſcuuſß folgt.) ’
Alpenrozen door G. H. van Senden. Zwei helle.
Amfterdam. 1842 — 43. Gr. 8.
Biel, ſehr viel iſt über die Schweiz gefchrieben werben.
Die geoße Zahl von Werken über biefes naturhiſtoriſch und ge
ſchichtiich fo merkwuͤrbige Band, welche Schweiger felbft zu Verf.
haben, wird alljährlich durch neue Schriften vermehrt, in denen
Deutſche, Engländer unb ragefen um bie Wette, nach einer
beenbigten Schweizerreife, eobachtungen und Bemerkungen
nieberiegen. Indeſſen möchte, wie viel Wtittelmäßiges und Wors
zuͤgliches auch über das Land ber Tell in Profa und Werfen
in bie Wett gefbrbert tft, ſchwerlich ein anderes, auf Belehrung
und Unterhaltung beredunetes Werk mit dem vorliegenden des
hollaͤndiſchen Gelehrten, Bittere G. H. van Senden, was Plan
und Ausführung betrifft, eine Vergleichung aushalten koͤnnen.
Der Zitel gibt das Wort Alpenrozen ſehr finnig auf einem
aus Blättern und Blumen des Rhododendron ferrugineum bes
ſtehenden, ſchoͤn gezeichneten Grunde. Statt der Borrede findet
man ein liebliches Gedicht, welches bie Alpenroſe befingt, unb
dann folgt das Werk felbft In 24 Abtheilungen, welche zuſam⸗
men ein organiſches Ganzes bitben. Jede Abtheilung trägt eine
kurze Aufſchrift, allein meift enthaͤlt fie weit mehr, ats die ber
ſcheidene Angabe erwarten laͤßt. Go findet man 5. B. in der
fetten: „Der WBierwaibfiätter See”, nicht blos eine Befchesis
bung biefes Sees, fondern auch ſebr interefiante gefchichttidge
Mittheilungen , weldye in ber fiebenten Abtheilung: „Unteewal:
den“, in gleich anziehenber Weife fortgefi
ufanımen und nimmt man bie zweinndzwanzigſte: „Bern““, wo
Berf. die Tagſatung verfammelt fah, binzu, fo hat man
das Intereffantefle aus der Geſchichte der Schweiz, von den dis
teften bis auf bie gegenwärtigen Zeiten herab, in ziemlich volls
Ränbiger Darftellung vor fi&. | |
ie zehnte Abtheilung: „Der Birte auf der Scheibe‘,
umfaßt das ganze Hirtenteben,, fowie bie funfzehnte: „Der We
y. ⸗
%
er auf den Alpen“, das ganze Sagerieven der Glweiger in
—* ——2 Die eifte führt die Aufſchrift: „Die
Qungfrau”, verbreitet fich aber auch in beinahe erichöpfender
"Darftelung ‚ mit Berhdfihtigung ber neueften Oypothefen, bes
ſonders des’ Prof. Agaſſiz, über die Gletſcher und ihre Erſchei⸗
mungen.‘ In ber dreigehnten Abtheilung: „Die Zwillingsfsen”,
“findet man eine lebendige, hoͤchſt anziehende Beſchreibung ber,
Nationalſpiele der Genner, wozu ber Anblick des Boͤdeleins bem
Berf. eine ungefuchte Veranlaſſung bot. Die vierzehnte: „Gemmi’,
gibt intereffante Mittheilungen aus ben Bolksfagen der Schwei⸗
zer; die neungehnte: „Der Montblanc und de Gauffure”, eine
biftortiche üÜberfiht der Reifen nach bem Gipfel des weißen
Berges und theilt bie Refultate mit, weldye dieſelben für bie
Wiffenſchaften hatten. Der zwangigfte Abfchnitt: „Der Leman’',
enthält außer der Schilderung herrlicher Naturfcenen treffenbe
Parallelen von berübmten Männern und rauen, deren Ramen
an den Ufern des Gerd gefeiert finds; der dreiundzwanzigſte:
Der Bodenſee“, ift ein wuͤrdiger Pendant dazu. Unter ber
Kubrit „Der Jura und Freiburg“, iſt Alles, was die ſchwei⸗
zer Induſtrie Ausgezeichnetes hat, mit Genauigkeit dargeſtellt.
Man glaube nicht, daß dieſe Mittheilungen abgeriſſenes
ick⸗ und Stickwerk find; im Gegentheil, fie find leicht und
A an die Gegenftände angefnüpft, weidye ſich dem fcharf
beobachtenden Berf. darboten, der in faft feinem Wache bes
menfchtichen Wiffene fremd zu fein ſcheint und die feltene Gabe
beffgt, die Fülle feiner Kenntniffe ohne Oſtentation und unge⸗
fucht jebem Gegenſtande anzupaffen.
Der reiche Inhalt, welcher Alles umfaßt, was bie Schweiz
Merkwuͤrdiges bat, ift in eime blühende Sprache gekleidet und
ſchreitet in anziehender Darftelung fort. Gin vorzüglicher hiſto⸗
riſcher Stil, wie man ihn bei feinen Landeleuten nicht leicht
findet, zeichnet den gefchiähtlichen heil, ein gefälliger Erzaͤh⸗
iungston den Gang ber Reife — wo der Verf., was er aber nur
felten thut, über diefen und über ſich ſelbſt Tpricht — eine kern⸗
bafte ‚ bie von einem fleißigen Studium ber Alten
wugt, bie &h eichnungen aus. Nicht felten iſt ber Stil
arafterz
ſch bluͤhend; bie Feder wird zum Yinfel; fie malt Natur⸗
Geheimniß der Technik dieſes Werket. Das Ganze wird duch
‚eine ih geftochene Karte, welche bie Phyſiognomie der
Schweiz zur Anſicht bringt, geſchloſſen. Bu ihr gehört als Bes
ſchreibung bie legte Abtheiluna: „Das Berggebäube der Schweiz”.
Das Xitelblatt des weiten Theils fteilt die relative Höhe ber
° &pigen der drei Alpenketten und bed Jura in
einee Zeichnung dar, weiche Driginal zu fein fcheint, „während
das auf dem Kulm bes Rigi genommene Panorama, weiches ben
‚Kite des erſten Theils ziert, eine Nachahmung bes befannten
Haller ſchen Tein duͤrfte.
Zum Schluſſe glaubt Ref. das Publicum aufmerkſam mas
chen zu durfen, daß eine deutſche Wearbeitung bereits im Werke
riſt und baldigſt erſcheinen wird. Ob fie denſeiben Genuß ge⸗
währen kann, den Der bat, welcher das Werk in ber Original⸗
ſprache Left, muß der Erfolg lehren. 8. Treoff.
Notiz.
Obrſaͤle nach afufifhen Brundfägen.
Go ift bekannt, wie fäywierig es ift, einen Raum, in wel⸗
‚gem zw einer großen Werfemmlung gerebet werben ſoll, beige:
I in beträchtlichen Höhe liegen.
| betrifft, fo bat man ihn cirkelrund und auch vieleckig anzulegen
5 8
Aal! eiageriten, Meß ale Ador: en Bid oBlEmdn m
wernih
ber British association für Verbreitung nüglicher Kenntniffe ei
am 17. Aug. d. I. eine Sigung, ie welcher Or. Scott Rufen
einen Vortrag ve über bie Anwendung unferer Kenntnif der
Schallgefege auf bie Sonftruction von Saͤlen, bie zum Hirm
beftimmt find. In dem erflen Theile biefes Vortrags wurden
die befannten Geſetze des Schalls auf die Verhaͤltniſſe bes Res:
nerd zum ‚Hörer und umgelehrt im Allgemeinen angewendet;
der wichtigere zweite Theil entwickelte gewiſſe neuerlich entbedte
und nicht allgemein befannte Geſetze und enthi esled Bor:
fhläge zu deren Anwendung auf praftife Bmedt, Coplih
in der Einleitung befchrieb der Rebner eine Ginrichtung eins
Hoͤrſaals, weldye fidh zu bem Zwecke, baf alle Anweſenden ven
Kedner beutlich und bequem ſehen unb vernehmen können, be
währt haben foll, indem naͤchſt einigen Verſuchen im Kleinen
yuleet der edinburger Architekt Hr. Goufins große Saͤle, bie
500 — 3000 Menfchen fallen, nad Kuſſell's Grundfägen aus
geführt babe, weile Saͤle allen Anfoberungen entipzeden.
Dr. Ruſſell fagte, er zweifle nicht, ba man ebenfo gut Räume,
die 10,000 ‚Hörer faflen können, bequem nach feiner Methode
einrichten werde. Dieſe beruht darauf, daß er eine Curve cos
ſtruirt, welche ee die gleihhörige ober iſokuſtiſche Curve nennt,
und in beren Brennpunkt fich ber Redner befindet. Diele Cume
kruͤmmt fich im Aufriß des Gebäudes nach oben. Es it ſchwer,
obne Zeichnung eine Vorſtellung davon zu geben; indeffen denke
man fich einen verticalen Durdfänitt des Raumes, und tbeile
deſſen Grundlinie in lauter gleiche Theile nach dem Maße der
Entfernung, in welcher man Gisbänke häntereinander anzu:
bringen pflegt. In jedem Theilpunkte erräcdhte man lothredke
Linien und denke fi nun von dem erhöhten Gtandpunfte des
Nebners (bem Brennpunkt ber Curve) aus einen Radius nad
dem Sitzyunkte bes vorberften Hoͤrers gegogen; biefen Radun
verlängere man bis zu ber nächftfolgenden Iothrechten Linie und
meffe auf derfelben von bem Durchſchnittepumnkte aus nad oben
9 Bol, fo erhält man ben Sitzyunkt des Hörer& in zwei
Einie. Jetzt zieht man nad) biefem neugewonnenen unfte
wieder einen Radius und verlängert benjekben bis zur britten
Lothrechten Linie, ſchneidet auf legterer abermals nad) oben
9 300 ab und man hat ben Sitzpunkt deu Hoͤrers in bitter
Reihe u. f. f. bis an bie hintere Wand, wo bie Site natuͤrlich
Was den Grundriß des GSaalts
verfucht, und bat durch beiderlei Form jeinen Zweck mei
Literarifche Anzeige.
in meinem Verlage Sscheint saeben und ist darch alle
Beohharndlungen zu begiehen :
Phycologia generalis
Anatemie, Physiologie und Systemkunde
der
Tange.
Bearbeitet von
Mir 80: fanbig gräruckten TE
gezeichnet und gravirt. vom Verfasser.
Gr. 4. ia Corona. 40: Thir.
Leipzig, im November 1843,
| MBE A. Brockkaus.
Werantwortiiper Derausgede: Deinzih Bro@baus. — Drne und Werlog von B. U. Brodhand in Leipzig.
— rn
Blätter
für
literarifde Unterhaltung.
Sonnabend, .
Cancan eines deutſchen Edelmanns. Zweiter Theil.
(Beiäiuß aus Nr. 2.)
Die zarteſte Partie im Buche find gegen den Schluß
bin Arthur’ „Mitternachtöftunden”, aus denen wir nur
ein kleines inniges Lied mittheilen:
Ady! werd’ ich endlich fiegen
In meinem tiefen Seide?"
und manchen leifen Kuß
„&eb wohl,
" Indeffen ruht allein
Der Leib im flummen Harren,
Sie wandert traurig ein,
Ins Grab fid zu verſcharren.
„D bis ich einft verſcheide,
Mögft niemals bu erfahren
Bon meinem tiefen Leibe.”
Wie der Verf. im Allgemeinen über den Charakter
der Zeit denkt, davon folgende Probe:
J Bie hat fo Vieles geändert, fo ganz anders ger
Matter a a de Botalihen Augen vor yahıf Jahren I Sen
Ungewittern lafen! Liberalität war bamals ber Hort der Ginen
und ber Popanz bee Anbern, Revolutionen um und um, Throne
erbebten und bie dreifache Krone wadel en
Haupte. Alles rang bie Hände oder | nd
Wimmern und Kampfgeſchrei erfüllte G ae
ein grauenhafter, durch Mark und Bein —
die Euft, da wich’e Ri! — Mas Eocar 7
heran, und oben fleht „das Beldäft“, bi. up» =, EN
der ae Ha in den n RA N
fo demuthevoll, fo mächtern ſeil olz.
Ft Fi eat —c voruber und bie gaffende
Menge jubelt nad}
Und an einer andern Stelle:
Bulegt erfceint das filberne Zeitalter, und fo ſprechen bie
Bücher der Sibylle: Wenn die Erbe mit metallenen Reifen bes
lagen ift, ſchreitet der Beitgeift ſchwerfaͤllig vorwärts mit
Geldfaͤcken an den Füßen; die Harpyen der Lafter breiten ges
waltiger als jemals ihre Fittige über Gidon und Tyrus; der
.| Hohmuth fährt aus den Pergamenten in bie SRedenbüder und
die Elle gibt bie drei Nitterfhläge mit ber Devife: reich müde
tern und feige! — Dann fit der alte Abel mit verhältem
Haupte auf Earthagifcen Ruinen und-feine Töchter tanzen die
Sachucha vor den Eorgnetten gieriger Laffen und tragen Blus
men in bie Paläfte generdfer Warone.
Ref. hat den Verf. des „Cancan“ mehr als ſich
ſelbſt fprechen Laffen, indem er der Anficht iR, dab «6
überhaupt zweckmaͤßiger wäre, wenn man in Mecmfionen
die Bücher mehr duch Auszüge dem Publicum bekannt
machte, als ducdy eigenes Urtheilen und Aburtheilen dem
Urtpeile des Publicums vorgeiffe, wobei bie Sucht, den
eigenen Beift feuchten zu Laffen, Cinfeitigkeit und Liteas
tiſche Antipathie fo häufig eine blutige Criminaljuſtij
üben, wo ein blos fdpled6richterlicher Spruch hinreichen
würde. Bei einem fragmentarifchen Buche wie gegen ⸗
waͤrtiges vollends iſt eine fortlaufende Kritik wenn nicht
unmöglich doch beſchwerlich und wenig rathſam. Ge
viel fi an dieſer Schrift auch ausfegen läßt, fo wird
man doch aus den mitgetheilten Auszügen erkennen, daß
der Autor, trog mandyer Anfänge au Jean Paul, aus
fi ſelbſt zu ſchoͤpfen und ſelbſt Altes in neuer Weife zu
geben weiß. Der Verf. iſt auch productiv, nur im feiner
Art und im Kleinen, vieleicht productiver als manche
angefehene Romanfgriftfteler, deren Romane allgemein
für Productionen gelten, obgleich fie nur Werke hands
—e Virtuoſitaͤt, aus keinem tiefern Gedauken⸗
und Gemuͤtheleben geſchoͤpft und hoͤchſtens gluͤcliche Be⸗
nutzungen von Memoiren, Manifeſten, Schlachtberichten
und geographifden, hiſtorlogtaphiſchen und ethnographis
fhen Schilderungen find. Dee Verf. hat freilich biäfer
nut bunte Lappen zum Senfler feines Wuchs Berausflats
ten laſſen, aber wir glauben, daß er auch Zeuch genug
dazu befigt, eine zufammenhängende ganze Production zu
liefern. Eins müffen wir aufs entſchiedenſte an ihm tar
dein: ben abſcheulichen Gebrauch auslaͤndiſcher Worte uud
Phraſen, womit er freilich häufig den fashienabeln Bes
ſeaſchaftston verfpotten will; aber er hat fi in dieſe
Manie, theils aus Bequemiichteit, theils aus wiffentlis
1380
qer Koketterie, theils aus unwiſſentlicher. Gewohnhoit, fo
bineingelebt, daß ſich dieſer Misbrauch durch das ganze
Bud) hindurchzieht und dem nicht ſprachgewandten Lefer
zwingt, ſtets ein Dictionnaire bei der Hand zu haben.
Gegen diefen Barbariemus kann man jet nicht ernſtlich
genug eifern. 8. Marggraff.
[, 7
Notices et memoires bistoriques par F. A. A. Mignet.
Zweiter Band. Paris 1843.
Diefer fpäter ausgegebene zweite Theil des neulich von und
neigten Werks”) enthält verfdiebene überaus intereffante
und gehaltreihe Abhandlungen über wichtige Ausſchnitte aus
der euzopäifigen Cultur⸗ und Staatögefchichte- Das erſte Mes
moire über „Deutfland im 8. und 9. Jahrhundert, feine
Belehrung zum Chriſtenthum und feine Ginführung in bas
opaiſche Staatenfpftem‘’ ift eine trefflihe Arbeit. Mignet
Sehanbele feinen Gegenſtand mit großer Gachkenntniß; bie Dar:
flelung ift gebiegen, einfach, gedrängt Mar, und bie hiſtorl⸗
jche Betrachtung bie eines Mannes, ber für den bewegenden
Impuls des abenblänbifi Boͤlkerlebens in den erften Jahres
hunderten unferer Zeitrechnung ein ſcharfes Auge und- heilen
Berſtand hat. Gr wirft zundchft einen Blick auf bie erften
Gulturanfäge Europas, wobei er bie geographifche Configuration
- als eim bedeutendes Moment anſchlaͤgt. Griecheniand, Italien,
Spanien, ſelbſt Frankreich, durch Gebirge und Meere beffer
und ſchaͤrfer unfchrieben als anbere europäifche Ländertheile,
find für die Aufnahme und Sntwidelung der Gutturverhältnifie
sünftiger gelegen; darum faſſen hier auch zuerſt Voͤlker feften
Steh. Grft wo das Boll feſten Stand bat, entfteht der
Staat; erſt im Staate wirb dee Menſch aus der Bormund:
daft der Natur entlaffen und wandelt fortan feine eigenen
. — Mitteleuropa dagegen, nach Oſten offen und beſtaͤndigen
Eindruͤchen afiatiſcher Horben ausgeſegt, kommt nicht fo fruͤh
"pe feſter Geſtaltung; das dortige Volkerleben zeigt ſich bis zur
‚Beh‘ des Voͤlkerwanderung noch nicht gm Staate gegliebert und
ie Menfchen felbft auf einer tiefen Stufe der Bildung. Dieſe
Stufe ift das Hirtenleben. Daſeibſt bringt der Menſch bie
Thierheit, zu ber er auf einer noch tiefern Staffel der Cultur
im Berhaͤltniß der Feindſchaft Rebe, zur Unterwerfung und bil«
: Werkzeug feines Willens durch, mit dem er fortan
Ye Kräfte der Ratur nach Keinen Abficten
zu beſtimmen vers
‚mag. Hirten bilden eigentlid noch kein Volk, das ber freien
Beftimniung feines Führers folgt, wie bie durchgebildeten Glie⸗
der der Seele, fondern nur Horden, bie, aͤhnlich ihren Heer⸗
"Yen, durch die noch nicht zur Freiheit bes Gingelnen- entfältete
Subftanz zufammengepalten werben. Das Bleiben und Treiben
der Hirtenboͤlker iſt im Kleinen und Großen durch bie Raturs
verhältniffe beſtimmt. So ericheinen audy einige Jahrhunderte
hindurch in Mitteleuropa und bie weſtliche Abdachung Aſiens
. hinauf deutfge, ſiawiſche, mengolifche Voͤlker in fländiger Rich:
-Zung nadg dem Weſten wie magnetiſch fortgegogen und doch
uubewegt. - Heumend fand in der BVoͤlkerſtroͤmung der flolge
Eeaat der Roͤmer, der feine Grenzen und die Borpoften ber
olten Welt bis an den Rhein und bie Donau vorgefchoben, aber
weiter ‚gegen Norden über Dacten hinaus feine Macht nicht
auszubehnen wagte. Die Stämme oͤſtlich vom Rhein und nörb:
U von der Donau bis an die Küäften ber Nord⸗ und Oſtſee
kleben unberübet von roͤmiſcher Groberung und Bildung.
Deutſchland war das Schlachtfeld, wo von- zwei entgegengefeg:
"ten Seiten ber Cuitur und Barbarei aufeinander fließen und
"am bie Weltherrſchaft rangen. '
om müßte in biefem Kampfe unterliegen. Sittliche Saft
‘as wericher dem eingelatn Menſchen, wie dem ganzen Bolke,
——— —
9) Bol, Nr. 26 6. BL D. Ren.
| ,
DU de ee
dee Wurm des La
ſchen Groberer vertraten, und, von heifi Gifer hir ihren
Glauben getrieben, in fremde Länder auf Geelenunteriodimg
auszogen. In jener Zeit bed Dranges und ber Dunkelheit, wo
es auf Erben vielleicht finfterer ift als je, wo ber lehte Funke
geiftigen Lebens zu erloͤſchen ſcheint, bieten uns bie frommen
Männer, die voll Demuth bei den Deiden umherwanbeln, um
Lit anzuzünden, einen‘ wahrhaft erhebenben Anblid dar und
treten wie freundlich glänzende Geſtirne aus dem bunten Ge
woͤlk eines ſtuͤrmiſchen Nachthimmels hervor. Gie flehen in ei⸗
nem feltfamen Gontrafte mit einem Zeitalter voll Trug und
Mord, Unzuht und Waffengetds, dieſe ftillen Lehrboten mit ih:
ver Religion der Liebe, Gittfamteit und Barmherzigkeit.
Die heidniſchen Barbarenhäuptlinge, für bie höhere Kelb
gions⸗ und Staatsform gewonnen, wurden die willigften Wert:
zeuge und mächtigften Hebel ber neuen Eroberer. Der erfe
Anſtoß ging von Wallien aus; ſchon am Ende des 4. Jahrhuns
berts hatte ſich Patrick von da nach Irland begeben, weldes,
feit dem 6. Jahrhundert zur chrifttichen Religion bekehrt, den
neuen Glauben weiter über einen heil Schottlands, bes öfii
Ken Galliens und ber deutfchen Schweiz verbreitete. In Eng
land erwadhte ber Eifer für Heidenbekehrung erſt fpäter, jedoch
ebenfo mächtig, und mit Unterfkügung ber Frankenkonige ge⸗
wannen irländifche und angelfächfifche Miſſionnaire im 7. und 8.
Jahrhundert der neuen Bildung und Gefittung bie längft ver
lorene Rheins und Donaugrenze wieber. Dem unermuͤdeten
Wirken diefer frommen und gugleich todesmuthigen Männer ge:
lang es, die chriſtliche Religion oder vieimehe die chriftliche
Kirche in einem beträchtlichen Theile Deutſchlands einzuführen.
Denn, wenn der Name nicht für die Sache geiten fol, kanı
man wol keineswegs fagen, daß mit ber chriſtlichen Kirche audı
die chriſtliche Religion bei ben Deutichen eingeführt ifl; man
würde in einem großen gefchichtlichen Irrthume befangen fein,
wenn man in ben getauften Heiden des 7, und 8. Jahrhuns
derts, die den alten oerglauben vielfältig beibehielten, von ver
neuen Religion nur das Außere auffaßten und durch das Wun⸗
derbare, Geheimnißreiche derfeiben mehr der Phantafie als dem
Denken nach angeregt wurden, wahre Chriſten finden, wenn
man überhaupt meinen follte, die Geftalten einer Religion ie
Sen ſich augenblicklich in die Gemuͤthswelt eines Volks einführen.
Die erhabene Religion der Ghriften, deren Weſen darin befteht,
Sott als Geik im der Weltgeſchichte zu offenbaren, fegt, um in
ihrer lautern Wahrheit aufg zu werden, ben hoͤchſten Grad
der Gemuͤthsbildung voraus; -felbft unter Chriſten bedarf es
ganzer Sabre der Bildung, des Beiſpiels und bes Unterricht,
is der Einzelne fähig wird, ſich auch nur zu einer unvollkom⸗
menen Erkenntniß der Wahrheiten diefer Religion zu erheben
und fein Gemuͤth den mwohlthätigen GEinflüffen derfelben zu Öff:
nen. Was aber für den Einzelnen Jabre find, das find für
ein Bolt Menfchenalter. Ganze Befchlechter muͤſſen untergehen,
ebe das Neue, das von außen kommt, in das Bewußtſein er
nes Bois aufgenommen wird und Jahrhunderte lang gaͤhrt und
wirkt der alte Sauerteig in ber Gedankenmaſſe fort. Wie folte
man Alfo bei einem Wolke, das gar nicht belehrt worben und
feinen Kriegsanführern auf Sommando, wie in bie Schlacht, fo
in die Taufe gefolgt war, chriſtliche Religion erwarten? Hl
1291
*
wahr, es hat auch ſelten ſchlechtere Beiden gegeben als biele
—⏑
Sorm, aber ſehr wichtig und bedeutſam als ſolche; denn gleich
pie wol der in des Lebens heiligem Schooſe ſtumm webende, -
‚wirkende Geiſt Formen bricht und bildet, jo läßt er fih auch
duch Formen in feiner Richtung und in feinem Biden beftim:
men. : In dem des: Bewußtieins wie in dem ber Ratur '
gibt es ewige Geſetze, nach denen die Borfehung wirkt und wal«
ft. In der Geſchichte wie in der Natur geichieht alle Ent:
widelung von innen heraus, wirb aber in ihrer @eflaltung
durch Aufßere WBerhättniffe bedingt. Die Knofpe muß fein, da=
mit die Blüte werde; wann aber bie Bluͤte iſt, fo prote⸗
kirt fie gegen das Gen ber Knoſpe, die nun zu einer gewes
fenen wird. Alſo mußten auch die Formen des mittelalterli-
den Kirchenthums fein, damit der von ihnen verhülte Geift
‚des Chriſtenthums fich in ber Reformation als —* entfalte,
Hiermit find die Borberfäge zu einem geſchichtlich richtigen,
durch feine Parteitiche getrübten Urtheile über bie Verfaſſung
der paͤpſtlich⸗ roͤmiſch⸗katholiſchen Kirche und eines ihrer wid:
tigften Wüdungsinftitute und wunberbarften Groberungsinfiru-
mente gegeben, — ich meine das fehr verfchiebener Anficht aus⸗
gefegte Eoͤnchsthum. Diefe Anftalt wurde aus dem Morgen:
lande nad) bem Weſten der Erde verpflanzt und gerieth fo in
ein Kliinn, das fie, als Natur wenig angemeflen, zur Ent:
artung führen mußte. Der Morgentänder iſt bei feiner durch
die Noturverhätmiiffe bedingten Erregbarkeit fehr Leicht in eine
Spannung aller Kräfte und in einen Kauſch ber Seele zu ver»
fegen , in der die Entfagung auf die gröbern Genuͤſſe bes Lebens
wenigen Kampf koſtet; bei der farbenreichen Glut feiner Phan-
tape if ſelbſt ein befchauliches Leben nur ein fletes Grgögen an
dem MWilderfpiet feiner Serie. Beiſpiele von Menfchen, die aus
Der Geſellſchaft ſchieden, um Wurzeln und Kräuter zu eflen, bie
Jahre lang auf einem Bein flanden, kurz, ‚unfinnige Handlun⸗
gen, bie von falfhen Anſichten veranlaßt waren, können uns
Sort weniger durch ihre Erfcheinung befremben. Der Abend»
Länder aber, aus zäberm Stoffe gebübet, kalt, befonnen, von
Ser Ratur zum Handeln berufen, langweilt ſich leicht bei den
Peeuden ber Beſchaulichkeit; er bedarf irbifcher Nahrung. Gebr
aetirti wurben darum die Kiöfter, ats fie aufhoͤrten, thätig
ein ſchreitende Inftitute für Ackerbau, Gewerbe, Volksaufklaͤrung
and allgemein menſchliche Bildung zu fein, zu Anſtalten, von
Sonen im Allgemeinen weiter nichts gu fagen iſt, als daß da»
Feibft viel gebetet und wenig gethan, oft gefaftet und baneben
Zut gegeflen und brav getrunken, und bie gewaltfam unterbrädkte
Ratur auf Abwege gedrängt wurbe. Aber ans ben Culturver⸗
haͤutniſſen des chriſtlichen Alterthums und durch die von ihnen
ausgegangenen Vortheile und Wohlthaten laſſen fi bie Kıöfter
ehr wohl vechtfestigen. Sie wurden mit tiefblidtendem Geift
dem BZufammenhange ber Zeit eingefügt; fie waren bie tüdhtig-
fen Haltpunkte des eben eingeführten Chriſtenthume und nicht
Blogs befondere Kirchen⸗, fonderm allgemeine Bitvimgsanftalten,
denen der Norden von Guropa größtentheils feine Boden⸗ und
Geiſtescultur verdankt. - Die banlkligen Kiöfter waren zugleich
Zufluchtsörter, tten, Muſterwirthſchaften, Kunft:, Dorf:
und Hochſchulen. Richt genug, baß barin viele Unterbrüdte
‚Zuflucht , viele Pilger Labung , zerriffene Seelen Hellung, ar:
beitfame Bände Beſchaͤftigung und die legten Reſte der antiken
Bildung Aufbewahrung fanden, wurden auch noch durch die
‚Bände der Moͤnche Waldungen gelihtet, Suͤmpfe ausgetrocnet
und Ländereien für neue Bewohner angerodet. Die Barbarens
einfätle waren in fländiger Richtung nad) dem Süden gegans
gen ; die Kiofteranfiedelungen rädten, biefen verheerenden Strom
‚aurdchbeängenb, immer weiter gegen Norden vor. Um bie Kits
chen und Kloͤſter bildeten ſich Dörfer und Städte, in benen bie
Wendtterung mit dem Boden verwuchs; endlich erhoben ſich un:
bezwingliche Beftungen, kaiſerliche Pfaizen und Burgen, beren
zahl fremde Beſatungen die Gingeborenen fo firenge im
Zaume hielten und die_Berbindung berfeiben untereinander fo
Icharf abfegnitten, daß fie fortan nit mehr an gemeinfchaftlis.
dien Mäiberftand denken Eonnten und baher unterworfene Chriften
blieben, und beren Anlegung Karl der ‚ ver ⸗
führer der Abſichten und Überlieferungen ſeiner glörreihen
gän e “ Fa Wärtel und Pi das mühfame Gültut-
wet a ß in feinen wefentt rgebniſſen noch n
taufend Jahren für bie Menſchheit beſteht. gebniffen noch e⸗
Überhliden wir den Zuſtand Deutſchlande nach ber Befeſti⸗
gung des Ghriftentgums unter Karl dem Großen, fo finden wir,
daß Wieles anders geworben, daß eine gänztiche Umaͤnderun
in Werben if. Die alte Herrſchaft umd Freihett des Volks
meift bapin, dem Odin wird an ben Ufern bes Maine und ber
Donau nieht mehr geopfert; koͤnigliche Beamte ſprechen Recht
in den Gauen und an vielen Orten ſtehen ſchon bie Kirchen des
unſichtbaren Allvaters und bes Peitands am Kreuz. Auch Seftnnun
und Gefittung des Wolks haben fidy geändert und werben f&
ändern; denn Gefege, fittliche und religidfe Einrichtungen find
Mitte für die Erziehung ber Völker. Wir ſtehen an ber Schwelle
einer Zukunft, deren Geflaltung anders fein wird als bie Ber
gangenbeit, die vor unfern Blicken Liegt. Die einzelnen Er⸗
fheinungen, die uns auffloßen werben, koͤnnen wir im voraus
nicht berechnen ‚denn ber Einzelne iſt zufällig, unſicher, ver⸗
gaͤnglich, und feine Handlungen find freis wol aber vermögen
wir den Gang des Ganzen im Geifte zu entwerfen, da die Ent⸗
widelung der Gattung an nothiwenbige Gefege gebunden ift und
die Dandiungen der freien Geiſter durch einen ewigen Plan ber
Borfehung geregelt find. Die Idee des Staats, da der Ein⸗
seine, gleich dem Sliede des Leibes, zwar ein Gein für fich,
aber nur in dem Leben des Ganzen haben, da ber Einzelw
unter das Geſet, als ben ausgelprocenen Allwillen, gebunden
fein ſoll, if in Deutſchland noch nicht verwirklicht. Roch hat
ber Freie das Recht der Selbſthuͤlfe; noch vermögen es Ein⸗
zelne, den Geſetzen zu trogen und nur für fich zu fein. Alles
Leben aber, und fo auch das des Staats, bat zum Duell einen
unerſchoͤpflichen Bildungstrieb, der raſtlos fchaffend und heilend
wirkt, das Gliederthum zu feiner Voliendung zu entfalten und
bem Willen, der im Staat das Gefen ift, nelmeibig su bes
wahren. Demnad) ift es die Aufgabe der folgenden Zeit, in un⸗
ermüblichen Reibungen und Krifen bahin zu führen, daß Einer
Herr fei in ben ranken bes Geſetzes und bie Ginzeinen folg:
fame Glieder in bem ſchoͤnen Bau bed Ganzen.
In der That zeigt fih, ſeit Karl's des Großen Zelten, bei
ben bis dahin getrennten und unftät herumfchweifenben beutfchen
Stämmen immer mehr das Beſtreben, ſich zu einem Volksgan⸗
gen in fefler Gliederung zu verſchmeizen. Krieges und beutge
luſtig dehnt die chriſtliche Cultur ihre Streifzüge bis über die
Oder und Weichfel aus. Kaum find die Deutſchen getauft und
su einem Votke vereinigt, fo bemaͤchtigt ſich eine faft ſchwaͤr⸗
merifche Wegeifterung für die Verbreitung des neuen Glaubens
vieler Köpfe und werben ſogleich Verſuche gemacht, das Chris
ſtenthum bei ben flandinaviſchen und flawifchen Bölkerfchaften
einzuführen, bie allmälig vor Millionen deutfcher Anfiedier aus
ihren Sitzen weichen und einer compacten, bichtgebrängten Bes
bölferung ben Theit des enropaͤiſchen Feſtlandes raͤumen müffen,
welcher den Ginfällen am meiften ausgefeht if. Nach der Bin
digung und Bekehrung ber Dänen und Rorweger im 9. Jahr⸗
Polen bi nach Sch
feine 200 — N —ã—a—ù́ Me Sem an ber Donau.
„@o wurben”‘, ſchließt Wignet, „bie deutſchen Stämme einer
—* he ben Worten 3 etc der au, und ihre Laͤn⸗
e andererſ Schutzman
————
cta inen nun aller mit dem franzoͤſi
Geſchichtſchreiber dahin zu ſchueßen, daß die fo viele Jahrhun⸗
derte hindurch zwiſchen der Warbarei und Gultur anhängige | dung mit dem Ganzen
.@treitfrage — fuͤr immer zu Gunſten dieſer et 1 Rundung und Ginbelt,
‚Guropa und demnady in ber ganzen Melt entſchieden iſt.“ Ins
deffen dürfte Deutſchlands Rolle in biefer Beziehung, allem Ans
fcheine nach, nicht ausgeſpielt fein. Die Angelegenbeiten der
"Wenfchen unterliegen wunderlichen Wechſeln des Schickſals. Uns
tee den Römern war bie Bildung bis an den Khein und bie
-Donau, unter Karl dem Großen und feinen Nachfolgern, den
deutſchen Kaifern, bis Aber die Seichfel gebrungen ; in neueſter
‚Zeit trugen fie die franzöfffchen Waffen einen Augenblid bis
nad) Moslau. Seitdem ift es, als ob ſich, alles Umſichgreifens
‚tiberaler Ideen ungeachtet, das Blatt plöglih auf die Seite der
Uncuttur gewendet. Immer drohender waͤchſt im Norden ein
‚gefährliches Reich, das, nach einer feltfamen Beflimmung, bie
rohen Geluͤſte und Mittel barbarifdher Zeiten zugleich mit den
feinen Kniffen der raffinirteften Bildung verbindet. Univerfals
erbe ber Tataren, oberfter Schiedsrichter der Slawen und wahrs
ſcheinlicher Thronfolger der Osmanen, gebietet dieſes unges
heure Reich von der Dſtſee bis zum Schwarzen Deere über die
‚Kräfte und Mittel eines unermeßlihen Theile von Europa und
Aſien, reicht mit der einen Hand an bie berühmte, ohnmaͤchtige
chineſiſche Mauer und Iangt mit der andern bis nach Wien und
"Beriin. eine Verfaſſung und Kirchenform, feine Grundfaͤtze,
Sinrihtungen und Bitten, Alles ift im Widerſpruch mit der
europäifchen Civiliſation und befonders gefährlich) für Deutſch⸗
"Iand, zumal wenn biefes Länger die große Aufgabe ber Zeit mis⸗
"deutete und aus Furcht vor Revolutionen verfäumte, burd Ver⸗
"mäplung mit ber Civiliſation bie Revolutionen unmöglich zu mas
hen. Heutſchland hat Demnach ein großes Iutereffe, gehörig
zu überlegen, ob es rathfamer if, im Weſten bie von der Givis
‚Ufation eroberte Bogefengrenze zum Nutzen ber Barbarei ober
‘im Often die der Gultur verlorenen Eänberftriche zum Schutze
der Civiliſation wieder zu gewinnen.
(Der Beſchluß folgt.)
Kim mm
(Ungtüd) über uns, denn ber Odaun⸗Roſch ——
(viſitiren, Hausfudung Halten) bucch feinen Gaufer“ u. ſ. w.
Aus Eugene Sue's „Mystöres de Paris’ hätte bee Berf. ler⸗
nen können, oͤkonemiſcher mit dem Gaunerwelfdh umzugehen.
Run noch ein paar Worte über bie Idee, durch foldke
Schriften „das Bott zu belehren und durch Darftellung von
an oerhet n das Safe fürchten zu machen⸗ nmittel-
ar na tungen wird gewöhntidg bie Lebentgeſchichte
armen Geraͤderten ober — >
"Die jdifche Saunerbande. Criminalgefchichte aus neuerer
Zeit. Bon Ladislaus Tarnowski. Leipzig, ki:
terarifches Muſeum. 1843. 8. 1 Thlr.
Wer an actenmäßigen Criminalgeſchichten Gefallen findet,
wird „Die jädifchen Sauner in Deutſchlaud⸗ von X. 8. Thiele
"gewiß mit Befriedigung gelefen haben. Bei bem Bericht über
diefes Buch in Nr. 73— 75 d. Bl. baben wir die Anficht aus⸗
geſprochen, daß daſſelbe nicht blos für Griminals und Policeis
beamte von Interefle fein dürftes Hr. Tarnowski, weldger das.
gegen der Meinung it, Thiele habe eigenttich ein Letzrbuch für
"Männer von Fach geliefert, bemühte fi, wie er in ber Schluß
bemerkung fagt: „dieſen Stoff dem großen Publicum zugäng-
lich zu madyen, indem er bie intereflanteften Ecenen heraus:
eichen Erwartu i .
Und Hr. Zarnoweli foüte m —ã —— ——
Hauptimpuls zu feiner Schrift geweſen fein. W.
nahm und fie mit Huͤlfe eigener Phantaſie novelliſtiſch, fo weit
dies bei einem folchen profaifchen Begenftande möglich iſt, bes
"ganbelte.”” Hr. Tarnowski verfidert, daß bie Idee, bad Votk
re beiehren und durch Darftellung von Griminalverbredyen bad
‚Zafter fürdyten zu machen, der Hauptimpuls zur Abfaffung feis
ne vift gewefen ſei. Wir glauben indeß, ohne ‚Den. Tar⸗
"nomwsti’s fonftige Verdienſte ſchmaͤlern zu wollen, daß fein Haupt:
impuls bei diefem Unternehmen kein anberer geweſen ift, als
‘mit mögtichft geringer Muͤhe ein Buch zufammen gu fereiben.
Er Hütte es ſich in der That ‚nicht leichter machen können. Das
Bud, zerfällt in neun Gapitels im erſten und vierten werben
uns einige Auftritte aus dem Familienleben einer jübifchen Gau⸗
nerfippfchaft vorgeführt — und darauf beichräntt wi bie novel⸗
:Aftifche Zuthat; das übrige iſt ein größtentgeils woͤrtlicher Aus⸗
zug aus Thiele's Werk. Eine Verſchmelzung ber Actenſprache
"mit dem Ion der Novelle iſt durchaus nicht gu erkennen und
"die beiden erwähnten Capitel entbebrm ber organiſchen Verbin⸗
Notiz.
Berluft des Haars durch Angfl.
In einer Gigung der britifchen Gocietät zur rberu
ber Wiffenfaften trug D’Eonnor einen Fall vor, ———
ein Knabe ſaͤmmtliches Haar in Foige von Angſt und Ent—
fegen verloren habe. Die Phyſiologen feien ber Meinung,
ſagte er, daß das Haar in Folge von Kummer, Angft, Schreck
ergrauen oder auch ausfallen Tönne, indeſſen feien con⸗
ſtatirte Beiſpiele uͤberaus ſelten; —28 er he on
meilen, ben von ihm eriebten Kal ber Societät vorzulegen. Der
Bau ift diefers Ein gefunder Knabe, 12 Jahr alt, erwachte
ſchreiend aus einem ſehr Iebhaften Traume, in welchem er er=
mordet zu werben geglaubt hatte; am nädflen Tage b
fein Haar auezufallen und in 14 Tagen war fein Kopf Bölig
kahl; auch hat er in mehren Jahren, die feitde
find, fein Haar wiebererhalten. been, Die ſeitdem vertfen
Berantwortticher Hrrandgeber: Heintih Wrodband. — Drud und Verlag von F. U. Brochaus in Eeipzig.
⸗
Blätter
für
literariſche Unterhaltung
Bonntas,
— Mr. 323, — |
19 November 1848.
Gedanken uͤber Recht, Staat und Kirche von P. A
Dfiger. 8Zwei — se, Hallberger.
1842. Gre. 8. 4 Thlrx. 1
Unter den gegenroärtigen —* wo die gedan⸗
kenmaͤßige —— und Begruͤndung des Staats, des
Rechts, der Kirche nicht eben große Aufmumerung er⸗
führt, iſt ein Bud, das wie das vorllegende in dieſen
Dingen die Fahne des Denkens ethebt, ſchon an ſich
eine erfreuliche Thatſache, denn es gibt wenigſtens Zeug⸗
und dem unaus⸗
niß von dem undertilgbaren Mut
eiſtes.
weichlichen Drange des denkenden
Auch der Name des Verf. gewaͤhrt hier ein beſonde⸗
res Intereſſe. Pfizer iſt ſeit 1880 einer der edelſten
Vorkaͤmpfer in dee deutſchen Freiheitsſache gewefen; feine
— Geſinnung, feinm feſten Charakter muſſen ſelbſt
achten, welche feine polittſchen Anfıhauungen nicht,
oder doch nicht immer getheilt haben. Als Abgeordneter
der wohrtembergifchen Kammer bat er niit Aufopferung
und Ausdauer fieben Sabre hindurch die conflitutionnehen
und nationalen Intereſſ
ſolutiſtiſche Polltik vertreten. Er iſt zwar, nachdem er
an dem Schickſale ſeiner freiſtanigen Motionen erfahren,
daß der Kampf auf dieſem Felde fhe jetzt vergeblich ſei,
enttaͤuſcht, faſt entmuthigt ins Privatleben zurüͤckge⸗
treten; allein die Haͤnde bat er darum nicht in ben
Schoos gelegt, ſondern feine Weflrebungen nach beſten
durch wiſſenſchafeliche Thaͤtigkeit fortgeſetzt.
Eine Frucht feiner Muſe iſt nun dieſe Arbeit. Pfizer
bewaͤhrt in berfelben herrlicher als je feine unbeflochene
Geſinnung für Recht, für innere und aͤußere Freiheit,
ſowie Muth, Geiſt und Lebenserfahrung in der Kritik
umferer zeitigen Zuſtaͤnde. Die Vernunft als bie fichere
Duelle aller Erkenntniß foR im Rechte, im Staate, in-
allen Kreifen des ethlſchen Dafeins zum Princip erhoben
werben; gegenuͤber dem pelitiichen Abfolutiemus wird Die.
Volksefonvderainetaͤt muthig als der Urfprung aller Staat:
gewalt bezeichnet; dem bdeutfchen WBateriande, feiner Kreis
heit, feine Geoße IR eine umfaffende Ashandlımg ge⸗
widmet, in bee mie Wärme Alles ausgeſprochen wird,
was anf den Lippen der aufgeklaͤrten Patrioten brennt.
Indeſſen bildet allerdings die praktiſche Auffaffung
a die Geſinnung nach dem muthmaßlichen Plane des
Werko gende wur dit cine Seite deffeiken; eine andere,
en gegen eine beſchraͤnkte und ab⸗
wvickelt.
die ebenſo mol in Betracht kommt, iſt das philaſophiſche
Element, aus welchem heraus ſich der Karf. über dam
—**— verbreitet. Und in dieſer Ruͤckſicht duͤeſte ſich
ber toiffemfchaftliche Liberalismus der Gegenwart Dutch
Pfiger nicht ganz befriedigt fühlen. Zeigte ſich naͤmlich
Pfizer in deme, VBriefwechſel zweier Deutschen” ber ph
————— Richtung nach nicht ganz emtfchieben, fo enigt
er bier zwar ſehr beſtimmt, aber eigentlich — fo eruſt —
ihm immer auch um die Sache ſelbſt zu thun ſein
mag — alo Meaesisumaire in der Wiſſenſchaft herner, dem
die ganze lange Arbeit des deutſchen Geiſtes während der
sten brei Decennien bedeutungelos geworben if. ie
Sreiheit exiſtirt fe ihn nur ihrer ſubjectiven Geſtalt nach;
er begreift das Freiheioprincip allein mb ausfchließend im
Sinne des alten Aufliärungbepodye. So gern er auch ſai⸗
nen twiffenfchaftlihen Denken eine originelle und feikfiäs
dige Wendung geben moͤchte, gelangt er nach diefer Voe⸗
ausfepung bach nicht ber den Formaliamus der Kamel:
hen Philoſophie hinaus: es find und bleiben die Pins
eipien und Anfchauungen der Kant'ſchen Rechtsphilq⸗
fophie, die und bier, aft in ihren Außerfien Cemfequm
yon und ohne Müdfihe auf die ſpaͤtere Wuſſenſchaft,
entgegentreten.
Es iſt wahr, das Werk iſt fo eine charaktervolle ur
umfaffende Darſtellung der fubjectiven Freiheitsidee, wie
fie Kaut ins vwwifienfchafttiche Bewußtſein erhoben hat.
en, um biefes Bewußtſein und dieſes Princip Hier,
wo er ſich um bie volle Begriffsentwickelung der fietlichen
Idee handelt, in feiner Ausſchließlichkeit nicht am rechten
DOrte zu: finden, braucht man weder die Bebentung dor
—— — in der Geſchichte des Geiſtes noch
die Wirkfamkeit und die praktiſche Aufgabe zu Verden,
die der ſubjective Freiheitsgedanke in ber ganzen germa⸗
niſchen Welt vollbringt und vollbracht hat.
Wir
in dee Wiffenfchaft- wei auf den Schultern Kant'o;
die Abſtractionen der praktiſchen Vernunft haben ſich *
Die, welche dem Kortfihritte des Geiſtes ohne Eichen und
Voruetheil gefolgt find, zur concreten Erfennmiß, bie Flui⸗
beit zum nhaltsvollern Begriffe dee Sittlichkeit ſelbſt ents
Auch in ber gefchichetichen Wirklichkeit it 08 die
Kraft und die Energie des fubjecttven Freihetesgedaukeet,
des uns Ye Bahn zum neuen Leben gebrochen, der Mi:
mer noch bie Maſſen beledt und ben Kampf weit Din
200. 299
geſchichtlichen, und den Prätenfionen eines erkünftelten
Egoismus erfolgreich macht; allein ſchon die Geſchichte
der franzöfifchen Revolution, im welcher dieſes einſeitige
Princip zu feinem freieften und fchärfiten Ausdruck ges
famgte, zeigt auch, daß eine tiefere Geſtalt des Bewußt⸗
feine dazu gehört, wenn das Princip aus der Negation |
und dem Kampfe zur pofitiven und organifchen hat
übergeben fol. Und mas die Philofophie theoretifh, die
Geſchichte praktiſch dargethan, beweift auch bie Arbeit
Pfizer's auf allen Punkten, wo fi) ber ſubjective Frei⸗
heitegedanke der objectiven Geſtaltung zuwenden will.
Die Form der Freiheit kann fi des fubflantiellen In:
Halte nit nothwendig tigen: Die Freiheit und ihr
Weſen bleiben dualiſtiſch gefchleden; und felbft auf bie
Weiſe ber Darfielung muß diefer Umſtand feinen zerſtoͤ⸗
senden Einfluß üben.
Indem wie dem Verf. in der Kürze durch feine phi⸗
Tofophifhe Betrachtung Aber Recht, Staat und Kirche
felgen, wird fich die Eigenthuͤmlichkeit feines Stand:
punkts und fein wiſſenſchaftliches Bewußtſein genugfam her:
anstellen. Freilich kann uns dabei leider wenig Raum
abrigbleiben, auch das Verdienſt der Gefinnung, der prak⸗
‚tifchen Auffeffung und der hoben Vaterlandeliebe gehoͤcig
‚Hervorzuheben, bie ber Verf. allenthaiben, beſenders aber
in feiner Abhandlung über das Vaterland bekundet, und
wodurch das Werk für alte Stände und Richtungen bes
‚beutfchen Volks erſt vecht fruchtbar wird.
Das Buch hebt mit einer einleitenden Abhandlung
ou. Die Gefchichte, ſagt Pfizer, weit drei verfchiebene
Anfihten über das Recht nad: bie willkuͤrrechtliche,
bie muftifche, die vermunftrechtliche Anſicht — die man
as Meturalismus, Supransturalitmus und Rationa⸗
Hömus begeichnen kann. Diele Glaffification, bie ſich
ſpaͤter mehrfach wiederholt, fcheint ſowol der Geſchichte
wie dem Begriffe nach zu unbeſtimmt. Der Naturalis⸗
mus, der den frühen und feüheflen Rechts⸗ und Staat
vechättniffen zu Grunde Liegt, ift keineswegs die Willkür
mad das Recht des Stärken; wenn auch Naturgewalt,
ſe ift es doch immer eine höhere als die menſchliche Au⸗
orität, die in der alten Welt auf allen ihren vielen
Durchgangsſtufen als die abfolute, das Leben geflaltende
. Mache auftritt. Dem Begriff nach fällt ferner die na⸗
ueolifiifche Anſchauung in die Kategorie der Vorſtellung:
der Menſch phantafiet und dichtet, anflatt zu denken;
‚De. Rechts⸗ und Gtaatsprincipien aber, welche ſich auf
unmittelbare, dußere Dffenbarungen, überhaupt auf
Das gehnden, was der Verf. bie myſtiſche Rechtsanficht
‚nennt, nehmen ihren Ausgangspunkt auch im Reiche der
Vorſtellungen und müffen demnach von diefer Seite mit
Mm Naturalismus. zufammenfallen.
Deſſenungeachtet hat die Einleitung ihren großen Werth.
Der Verf. weift den unzulänglichen Standpunkt jeder my:
ſtiſchen Rechtsbegrümdung freimüthig nach, und flelit jene
(vous nadten Varſtande, nicht von der Geſchichte erfun⸗
deuen) Doctrinen: vom echte des Stärken, van der
Herrſchaft der mumerifhen Mehrheit, vom . Rechte:
‚Weineipe des Nupens, von jener hiſtoriſchen Schule,
welche den Rechtsbegriff in empiriſchen Einzelheiten unb
biftorifchen Kußerlicgkeiten findet, unummunden in bas
belle Licht. Er vindiciet endlich der denkenden Vernunuft,
dem Rationalismus allein die Fähigkeit, das Recht m
begreifen und wahrhaft gu begründen.
Der erfte Abſchnitt handelt uum vom Rechtsbegriff
ſelbſt. Der Menſch, beißt es, bedarf zur Erfüllung des
Sittengeſetzes nicht allein nad innen, fondern audy nad
außen, des freien von fremder Nöthigung unabhängigen
Wiens: denn wäre fein Wille niche frei und Anden
gegenüber nicht gültig, fo hätte er kein Willensgebiet, auf
dem er feinen fittlidden Zweck verwirklichen Tönnte, und
ee müßte auf feine praktiſche verzichten. Die
Freiheit des Menſchen iſt alfo fein abfolutes Recht und
zugleich ſelbſt ein Theil des Sittengefeget. Um Das zu
tönnen, mas er foll, muß dee Menſch die Willensfrelheit
der Außenwelt gegenüber fogar fobern, noͤchigenfalls er:
zwingen koͤnnen; er ift nur fo rechtsfaͤhig, «in echte:
fudject, eine Perfon. Diefes Recht aber bes Einzelnen
auf -erzwingbare Willensfreipeit kann fich nur infoweit
erficeden, als dies die gleiche Geltung der nothwendigen
Freiheit ber Mitlebenden nicht veriegt, bean Alle haben
ein Recht auf gleiche Willensgeltung für ihre ſittlich⸗
menſchliche Beſtimmung. Es kann demzufolge nicht das
ganze Sittengefen, fondern nur ein Theil deſſelben er-
zwingbar fein, und dieſer erzwingbare Theil if das
Rechtsgeſetz, oder das Recht im obiertiven Sinne. Das
Rechtögefen iſt näher zu definisen „als das ergwingbare
Sefeg dee wechfelfeitigen Geltung Alter, fo weit ſolche
vereinbar ift mit der vernünftigen Beſtimmung jedes
Einzelnen‘.
Aus biefem Rechtsgeſetze, das eine Foderung ber ver:
nünftigsfittlichen Natur tft, leitet der Verf. (Abfchnitt 11)
bie angeborenen Menfchensechte (das Recht im fubjecti-
ven Sinne) dee. Es gibt naͤmlich Rechte, bie fich
von dem Begriffe des Menfchen nicht trennen laſſen;
man kann dieſelben unter dem einen Urrechte begreifen:
das iſt das angeborene und unverdußerlihe Recht, unter
ben Rechte zu fliehen. Naͤher legt fich diefes Recht in
das auf Leben, Ehre und Freiheit auseinander. Wenn
dieſes dreifache Urrecht aber auch angeberen und umver⸗
aͤußerlich (das heißt ein abfolutes unbebingtes) ift, fo ift
e6 doch nicht immer unbeichränkbar, fondern kann in
Bezug auf die gleiche Geltung Allee beſchraͤnkt werben.
Das angeborene Recht zerfällt darum in ein beſchtaͤnkba⸗
res und ein unbeſchraͤnkbares Gebiet. Die Beſchraͤnkung
kann theils mit, theils ohne meinen Willen erfolgen.
Ohne meinen Willen ift das angeborene Recht befchräntt,
wenn ſich fchon in einem beflimmten Gebiete der Wille
eines Andern geltend gemacht bat, aus dem ich den Ans
bern nur mit Verlegung der Willensgleichheit verdrängen
koͤnnte. Mit meinem Willen wird mein angeborenes
Recht befchränft, wenn ich auf einem Theil meiner rechts
mäßigen Sreiheit duch Willenseinigung (Verttag) ver⸗
zichte. Die Beſchraͤnkung iſt jedoch nur: zuläffig, wenn
ber Vertrag eine Eigenſchaft, Kraft, Vermoͤgen betrifft,
mit deſſen Hingabe zugkih mein vernünftig⸗ ſittliches
\
Wien, mein Selbſtzweck aufgehoben wird. Feener muß
bie Befcheäntung der Natur der Dinge nad) erzwingbar
fein. Unbeſchadet der Rechtsgleichheit darf jedoch die
Sreipeitöbefchränkung innerhalb bes beſchraͤnkbaren Ge:
biet6 bei dem Einen weiter geben als bei dem Andern.
Indem nämlich die Mechtsgleichheit nur im ber freien
Geltung des Menſchenwillens befteht, fo kann fie nur
formell, nicht aber materiell fein. Die materielle Gleich⸗
heit iſt ein zerfiörender Despotismus, der das freie Wal:
ten der Perfönlichkeit völlig vernichten müßte. Mur die
formelle (ideeile, dynamiſche) Gleichheit, die für alle Men⸗
ſchen nicht nur die gleiche Bedingtheit (als Regel), fon:
den auch (unter gleichen Ausnahmeverhältniffen) die
gleiche Unbedingtheit in der Willensgeltung feſtſetzt, die
zwar Säle kennt, in denen ber Wille des Einzelnen mehr
gilt als der des Andern, aber nicht Menſchen, deren Wille
an fi) dor Andern mehr gälte, das iſt die wahre Gleich⸗
heit, welche die Freiheit (das Heißt: die formale) zu ihrem
Inhalte hät. |
Aus diefer Mechesgleichheit nun laͤßt ſich alles Ambere,
was man unter dem Namen der erworbenen Rechte zu
begreifen pflegt, herleiten. Zum angeborenen Rechte ges
hört nämlih auch das Recht der Zuelgnung und
Verträge. . Dusch das Zueignungsrecht entſteht das
Eigentbum, infofeen der Menſch durch Beſitzergretfung
oder Kormengebung die Dinge außer ihm zum Traͤ⸗
ger feines Willens und zum Werkzeuge feiner Zwecke
macht, ſodaß e6 eine Verletzung der freien Perföntichkeit
and Aufpebung bee Willensgleichheit fein: würde, wollte
4 ein Anderer ber ſchon ergriffenen Sache bemaͤchtigen.
Das Eigenthum iſt alfo fein angeborenes, noch urſpruͤng⸗
ih duch Vertrag entitandenes, obwol es durch Vertrag
von Einem zu dem Andern übergeht. Die Vorſtellung
von welprünglicher, der ganzen Menfchheit angeborener
Gemeinihaft der Güter, woraus erft das Sondereigen:
thum dee Einzelnen duch Theilung und Vertrag ent:
ftanden fein fol, hat vielmehr ihren Grund in einer
des Allen angeborenen Mechts der Zueig⸗
sung mit dem unmöglicd angeborenen Rechte auf mate:
zielle Steichheit des Befitzes. Die Bermögensungleichheit,
welche unfere Geſellſhaft und unfere Staaten fidet, fchreibt
Dee Verf. vornehmlich dem ausgedehnten Erbrechte und
den gegenmärtigen Weiſen der Beſtenerung u. Das
Erbrecht verlangt er fireng auf die Famille eingeſchraͤnkt.
Der Bertrag aber, die andere Art der Nechtserwerbung,
iſt die freie Willenseinigung zweier oder mehrer Perfonen
über eine Leillung ober Unterlaflung, wogu zwar feine
Berpflichtung vorhanden geweſen, die aber darum bindend
wird, weil eine einfeitige Aufhebung die Willensgleichheit
der Gontrahenten verlegen würde.
Aus diefen Erklärungen gehen: weſentliche Folgerun⸗
gen hervor. Zuerſt: wie «6 kein amgeborenes Eigenthum
gibe, gibt «6 auch keine angeborene Rechts⸗ oder Leiſtungs⸗
pfliche, fondern nur angeborene negative Rechtspflichten,
Dflichten der Unterloffung gegen das angeborene oder er:
worbene Willensgebiet des Anden; denn das einzige Mit
201 zur Begtuͤndung poſitiver Leiftungepflichten iſt bie
. Wilienteinigung im Vertrage, der in letter Entwidelung .
auf dem Staatsvertrage beruht. Werner erhellt daraus,
daß es auch Peine erblichen Leiftungspflichten oder erb:
liche Verträge gibt, indem Vertragspflichten nur für Den
| vorhanden fein können, der den Vertrag eingegangen.
Inſoſern ſich endlich das Mechtsgefeg nicht felbft ver⸗
wirklicht, kein Willkuͤrgeſetz wie das Sittengeſetz, ſondern
ein erzwingbares Geſetz iſt, auf deſſen Vollziehung jedes
rechtsfaͤhige Weſen ein angeborenes und unveraͤußer⸗
liches Recht hat, ſo muß auch der Menſch ein Recht auf
Rechtsverwirklichung durch Zwang haben. Dieſe Partie
nennt dee Verf. im Gegenſatze zu den angeborenen Men⸗
ſchenrechten „ Dülfsrechte”‘. Die Deduction ift (Abſchnitt LIT)
folgende: der Zwang kann ein Zwang zu Reiftungen (zur
Erfühung unerfüllt gebliebener Werträge, zur Wiederher⸗
flellung eines rechtswidrig geftörten Zuſtands) aber aud)
ein Zwang zur Unterlaffung von rechtswidrigen KBers
fegungen fein, und darf ohne Rüdficht auf die Größe des
zu [hügenden Gutes. fo weit gehen, als es für den Zweck
ber Rechtöbehauptung oder Erlangung nothwendig iſt:
Was tft aber zu thun, wenn auf diefem Zwangsgebietr
bedingte und unbebingte Rechte in Colliſton gerarhen ?
Würde es fih um die Rechtskraft folher Verträge han:
dein, durch welche Einer auf unveräußerliche Rechte ver:
zichtet, fo kann von Erfüllung foldyer bie fittliche Be⸗
flimmung des Menfchen aufhebenden Verträge nicht mehr
die Rede feln, fobald der Verpflichtete diefelden nicht meht
halten will. Allein die Colliſion iſt da wirklich vorhan⸗
den, wenn unveräußerliche Mechte nicht anders als mit
pofitiver und unmittelbarer Verlegung fremden Rechts bes
bauptet werden koͤnnen. In diefem Falle tritt das Norh:
recht ein. Das Nothrecht iſt nicht allein im Kalle der
Nothwehr, ‚fondern fogar im Falle des Notbflande anzu:
wenden, und wie gerechtfertigt das Nothrecht bei dem
Einzeinen iſt, zeigt der Staat (dem nämlich der Einzelne
nad dem Berf. feine Rechte nur Übertragen hat) täglich
buch die Todesſtrafe, Krieg, Militaireinrichtungen.. In:
deſſen darf das Nothrecht nur in Anwendung kommen,
wo das Recht nicht andere bewahrt werden kann; auch
kann e6 nur Dem erlaubt fein, der ſelbſt das Rechts⸗
gefeg befolgt, nicht aber Dem, welcher für eine Rechts⸗
verlegung gefeglichen Zwang erleibet.
(Die Sortfegung folgt.)
Notices et memoires historiques par F. A. A.
Zweiter Band.
(Beſchluß aus Nr. 222.) |
zweite Memoire ſucht darzuthun, wie Frankreich, ſeit
Mignet.
Das
der Erhebung ber Gapetinger auf den fraͤnkiſchen Thron, gegen
Barbarcnkberrumpelung gefichert, aus dem Feudalſyſtem
lg zu monarchiſcher Staatöform, aus ber Aufiöfung und Vers
einzelung nad und nach zur Feſtigkeit und Ginpeit gelangte.
Mignet ſchildert zunaͤchſt jene unfeligen Zeiten bes Kampfes, ber
Berriffenpeit, -Zweiung und Berwirrung, beren unterſcheidenbes
Beichen if, daß das ſociale Leben ſich krampfhaft zuſammenzietht
und alle Geſellſchaftsorgane ſich zerſplittern und nach fragmen⸗
tariſchem Fuͤrſichſein ſtreben. Nirgend iſt freundliches —*
anderwirken und Inehnanbergreifen, uͤberall Starrheit und Ges
genfag. Der Minch kehrt Hinter ben Bapäfleen des Kſers,
der Adel in feflen Burgen, der Kaufber und Gewerke in wm
mauerten Städten. Biederum fcheiden ſich die Mönche nach
verſchiedenen Regeln, bie Ritter thun fich im Verlauf ber naͤch⸗
Ken Zahrhunderte in Orden und Bänden, die Bürger in Zuͤnf⸗
ten und Güben, die Kuͤnſtier in Bruͤderſchaften und Genoſſen⸗
feften gufanımen. Die Könige kaͤmpfen gegen den Wapfl, ges
gen die Könige lehnt ſich der Abel auf, gegen ben Abel treten
die Städte in Gegenfag und Spannung. Wenn nun Gefunds
heit eines Staats nur da iſt, wo die Kräfte gehörig ineinans
der wirten und bie Gtrömung bes Lebens ungehemmt durch alle
Glieder geht, Krankheit aber, wo ein lied, durch ein frembes
@isment aus der Einigung mit dem Ganzen gebracht, in eige⸗
nem Thun für fich zu fein trachtet, fo koͤnnen wie dab Leben
8 Jeudalzeit durchaus nur als ein tief erkranktes anſehen.
aber wird es fich in den folgenden Wenfchenaltern entweber
in Anardhie auftöfen, bie der Lob des Staats tft, oder ed wer:
ven im Verlauf der Benefung und Heilung die fremben Ele⸗
mente ausgefegieben und die wirkenden Kraͤfte in (iinkieng ge
bracht werden.
Mignet weift nach, wie biefe Ausicheibung und Bufammens
flimmung vor fich geht, wie unter den vereinigten Einflaͤſſen
der vömifchen Kirche und des Dienftmannenmwefen® bie vereinzels
ten, ben Feudalſtaat bildenden Elemente mit bee Zeit ben ya
meinfamen Ideen von Recht, Ordnung und Unterorbuung fd)
fügen und im MH. und 12. Jahrhundert einer mehr zufammens
hängenden Rang: und Gtanbesorbnung weichen. Diele ſchon
einigermaßen vernünftig gegliederte, aber immer noch ſehr man:
gelhafte Staats⸗ und Kriegsverfaflung erzeugte die Befreiung
der Staͤdte und die Bildung bes Bürgerthums, vermoͤge welcher
armen Elemente die Centralmacht bie unabhängig gewordenen
soßen Bafallen wieder unter ihre Botmaͤßigkeit brachte. Ge⸗
Geeaebung, Verwaltung, Gefittung waren leider noch nicht reif
far die Einheit bes Staats. An die Stelle dev großen Lehns
hater traten Die großen Krongäter, bie fogenannten Apanagen,
die jedoch inſofern ein weſentlicher Fortſchritt waren, als bie
varfchiedenen Nebenzweige des Capetingiſchen Regentenſtamms,
welche die alten Provinzialdynaftien verbrängten, durch Ver⸗
wandtfchaft, Sprache, Sitten und Erbfolge mit ber Eentralges
walt näber vereinigt wurben. Was Philipp Auguſt, kudwig
Ber Heilige und Philipp der Schöne gegen bie großen Lehnäträ
ger duckpgefegt, unternahm endlich Ludwig XI, mit Gluͤk ges
die auffägigen Kronträger, und erit dieſem Könige gelang
es, aus dem unlängft noch engliſchen, deutſchen und —**
Frankreich einen compacten, einigen Staat zu bilden, ber alsbalb
Sin Gewicht im europaͤiſchen Staatenſyſtem merktich fühlen Lie.
Mignet uehnmiet mit ungemein gelehrter und gebrängier
Kürze diefen pragmatiſchen Gatwidelungsproreß des frauzöfiichen
Staate, ber vom Ende des 11. bis zum Schluſſe des 18. Jahr⸗
hunderts bauerte. Die verfchledenen Phaſen des Kriegs ber Tür
niglihen Gewalt gegen bie Peubalariflofratie, ben Papft und
England, die Gründung der Gommanen, bie Einſetzung ber bes
ſtaͤndigen Parlamente und übrigen Krongerichtsbarkeiten an bie
Stelle der beweglichen Parlamente und Beudalgerichtsbarteiten,
be abminiftrative Auskehnung bes koͤnigl. Kiscus — — Kron⸗
domainen, die Einführung der Generalſtaaten und feſtſtehenden
Steuern, bie Anftellung befoldeter Truppen, bie Bulaflung bes
Tiersetat zur Verfammlung der Reichsſtaͤnde, bie ſittliche Wir⸗
Sung der Stadt Paris, die fteigende Cultur unter der auwach⸗
$enden Macht bes zechtiprechenden, gewerb » und heubeltusis
benhen Buͤrgerſtandes, bie Fortſchritte und endiihe Befeſtigung
der centeaten Gtaatögewalt — find bie Hauptgegenflände, bie
Mignet in einem Memoire von nicht gang hundert Seiten abs
Jandelt. Es if wirklich zum Erſtaunen, was biex fuͤr Verdich⸗
tung des hiſtoriſchen Stoffe geieiftet worden und wie es möglich
wewefen, eine ſoiche Maſſe von Facten und Ibesm mit biefer
Bunbigkeit, Genauigkeit und Klarheit auf eine fo geringe Be⸗
genzahl zufammenzubrängen.
Verantwortlicher Herausgeder: Heinrich Brokhaus. —
Der Raum dergonut uns
bes Galvinismus in Genf’ näher fi beleuchten. Dieſes wein
den, befonnenen ‚. unbefangenen Seſchichtſchreiber gefan
ſes Memoire ift um fo angiehender, ba es als ein )
aus ber größern Geſchichte ber Reformation und der Ligue zu
betrachten, woran ber Verf. feit langen Jahren arbeitet.
Ebenfo wenig können wir uns tei der „Einleitung in bie
Geſchichte des ſpaniſchen Erbfſolgekrieges⸗ aufhalten, bie bereits
volle Anerkennung gefunben und am Gchiuffe diefes zweiten Ban⸗
bed * Bragment aus at großem Quartbänden über bie
nterhandlungen wegen der [pani rbfol i
wieder abgedruckt —** an Sun ar unter eutwis KLY
Die Ausdehnung und Mannichfattigkeit bet in ben anges
zeigten zwei den enthaltenen Wotigen und Memoirun fehe
ten eine feltene, von einer unecmeßlichen Sedture genäbete lites
rariſche Geiſtesthaͤtigkeit voraus. Rur wen: ganz vorzäglidh
von der Natur ausgerüfteten Geiftern re 66 gegeben fein,
die Saft einer fo breiten Beleſenheit und —— ſo lei
und anmuthig zu tragen, die Schachte der Bergongenteit 6
wmeabrofen zu vbefahren, fo viele 40. Tage
zu, förbern und babei fo Auͤhend friſch und geſund gu blai⸗
ben, in bie Schattenwelt ber Geſchichte hinabz und, was
man bort gefhaut, in ber Weife großer Geſchichtſchreiber unb
mit der Eleganz feiner Weltteute wieder zu erzählen. Mignet
geigt ein wahres Univerfaigenies bie Mille und Mannidfeltigs
keit von Kenntniſſen, die Kiacheit und beit ber Dar
ſtellung, die Gefchmeibigleit und Geſchliffenheit der Werbun
kann man in biefen fo verfchledenartigen, dabei fo viel umfaflens
den und ſtreng abgefchloffenen' Abhandlungen nicht genug ruͤhmen.
Es gewaͤhrt ein eigenes Sntereffe, im dieſen zwei Bänden bem
Berfafler in feinen ſchnell aufeinander folgenden Verwanbiungen
3 was er auroͤbet, erhallt, belebt, erwaͤrmt und bes
fruchtet er. Ein er Proteus nimmt er alle Geftalteri unb
eignet ſich mit Geſchmack alle Gewandungen an; jede Zeit unb
jeder Repräfentant dieſer Zeit, der einft auf der wechfeinden
Seltbuͤhne glänzende Lebensvorflellungen gegeben, meint man,
‚ig fein Seichwort unb Seheimnuiß ins Die gerammt un»
gs müfle etenfo gut Aber ein politiſchas und phoſtologiſches Weo-
blem als über einen Fieberanfall und Gewillenscafus Beides
geben koͤnnen.
Literarifhe Notiz.
Erinnerungen aus bem Kürchtaftaate.
Wir haben vor kurzem eine treffliche Beſchreibang bes Sam⸗
poone von Rom aus der Geber bed gemambten liſten
KCharles Didier angeführt, die ſich namentlich dur ge⸗
lungene Naturſchüderungen auszeichnet. Gegenwärtig efhalten
wir nun ein anderes Wert über die Umgegend von Rom und
bie p&pftlihen Staaten im Allgemeinen, in dem wie es mehr
wis dem Menfhen als seit der Natur zu thun haben. „Mir
weinen die „Quinze ans d’exil dans dos dtats romeins”, nom
Srafen de Chatilon. Der Werf., ber in feinen anfpruchslofen
Memoiren obne bie geringft Spur von ſchriftſtelleriſcher Eis
telkeit auftritt, hat während feines funfzehnjährigen ntbalt®
in dem Kirchenſtaute bie ſonderbarſten Abenteuer Eins
mal wurbe er von der ‚Bande ‚des be Binberhaunb
manns Desafaris gefangen genommen. Wan hielt ipn für
grcian Bonaparte, in beflen Umgebung er zu leben aflegte.
hatilfon fpielte die gefährliche Rolle bes Pridzen, damit bicfer
Diefe Partie feiner Erin
and ehne Sutereffe leſen. 2.
tu@ und Berlag von B. A. Broßtaus fe Bripzig. '
Seit gewinnen folle, zu entkommen.
nerungen wird Miem
Blätter
fir
literarifhe Unterhaltung
Montag,
Gedanken über Recht, Staat und Kirche von P. A.
Pfizer. Zwei Theile.
(Bortfegung aus Ar. 328.)
Außer den Faͤllen des Nothrechts hat das Geſetz der
Mechtögleichheit feine volle Anwendung, und jeder Menſch
bat bei Rechtöverlegungen Anfpruch auf ein unveraͤußer⸗
fies Zwangsrecht. Diefes Zwangsrecht umfaßt 1) das
Recht auf Schadenerſatz, 2) auf Strafe. Die Übertre⸗
tung des Rechts kann nämlich einen doppelten Schaden
herbeiführen, einen fichtbaren, thatfächlichen, materiellen,
dann einen Innerlichen, ideellen, indem der Verleger eigen:
mächtig feinen Willen über den des Verletzten erhebt.
Bei bürgerlichen Rechtsſtreitigkeiten, die Irrthum oder
Rechtsunwiſſenheit zum Grunde haben, kann nur von
äußerlicher Verlegung, und folglih nur von Schadenerfag
die Mede fein. In jedem andern Falle (nf! Ausnahme
mancher Injurien) iſt die Wieberherftellung des Rechts
eine geboppelte, wie es die Verlegung war, denn zum
Scadenerfag tritt die Strafe hinzu, die den unfichtbaren
Schaden, ber durch MWillenshberhebung entflanden, aus:
gleichen muß. Das Strafrecht iſt aber ſonach nur ein
Mecht des Einzelnen, das derfelbe dem Staate (dev Vers
tragsgefellſchaft, wie ſich fpäter zeigen wird) übertragen
dat. Der Staat befigt die Strafbefugniß mithin als
ein Recht, nicht aber urfprünglich als eine Pflicht und
Rechtsverbindlichkeit. Aus diefem Verhältniffe wird auch
gefolgert, daß der Staat über den Willen ſelbſt keine
Strafbefugniß habe, fondern nur über thatfächliche Rechte:
verlegungen. Mas der Verf. Hierauf über Tendenzver⸗
brechen, über politifhe und religiöfe Inquiſition Tagt,
darin wird ihm Leder, follte er aud andere Anfichten
über die Strafbefugniß des Staats haben, Recht geben.
Übrigens Tann fon der Mine wahrhaft keiner Bes
ſtrafung unterliegen.
Die Strafe nun barf aber fo weit gehen als ihr
Mechtögrund und der dadurch bedingte Zweck der Strafe reicht.
Rechtgrund, und deshalb rechtsmaͤßiger Zweck der Strafe
iſt die nad dem Mechtögefege erlaubte Ausgleichung des
vom Berbrecher verurfaihten unfichtbaren Schadens. Die:
fee Schade jeboch zerfällt wiederum in einen unmittelba:
ren und einen mittelbaren, In wirkliche Verlegung und
in bloße thatſaͤchliche Gefaͤhrdung; demnach nimmt auch
Die Strafe einen doppelten Charakter an. Die unmittel:
der Bergeltung”.
bare Verlegung ber innen Rechtsordnung befteht naͤrilſch
darin, daß der Verbrecher feinen Willen gewaltfam über
ben bes Andern ſtellt. Erſt nachdem ber Verbrecher ein
gleichgroßes Übel, einen gleichen Eingriff in feine Willens⸗
fphäre von rechtswegen erlitten (oder indem der Berletzte
auf Senuthuung verzichtet), wird diefe unmittelbare Vers
letzung aufgehoben. Alfo — Wiedervergeltung. Indem
aber die verbrecherifche That zur Hortfehung und Nach⸗
ahmung in der Geſellſchaft aufreizt, macht fich der andere
Strafgrund geltend: die Geſellſchaft muß zu ihrer eigen
nen Sicherſtellung das Verbrechen durch Strafe unters
druͤcken, fie muß abfchreden. Die Strafe wird darum
befinirt als „die Wieberherflellung der durch den tie
berrechtlichen Willen innerlich geſtoͤrten Rechtsgleichheit
an deren DBerleger mitteld genugthuender und abſchrecken⸗
Zu den Huͤlfsrechten gehört enblich
auch die Rechtsbeſchraͤnkung ber Unmändigen und Gelſtes⸗
kranken. Hierbei wird eine Anwendung auf unmändige
Völker gemacht, die gefährlih und auch unzuldfiig fein
dürfte; die Voͤlker haben In der Weltgefchichte einen gang
andern Standpunkt als das Individuum im Staate.
Es fei uns erlaubt, zu biefer Ausführung einige Be⸗
merfungen zu machen. . Das Rechtsprincip des Verf. iſt
der Wille, der frei fein muß, weil fonft das Sittengefeg
nicht verwirklicht werden kann. Das iſt alfo ganz und
gar das Poftulat der praktifhen Vernunft und das
Rechtsprincip der Kant'ſchen Philoſophie. Um diefte Ko:
derung des fubjectiven Geiftes nun einen Inhalt zu ges
ben, ben fie für ſich keineswegs befigt, ſagt unfer Berf.
zwar, daß die Willensfreiheit ſelbſt ein Theil des Sitten⸗
geſetzes fel; allein ungeachtet dieſer Kuferung hat dee
Freiheitsbegriff immer noch Peine concretere Faſſung er
halten, denn die Willensfreiheit bleibt das Inſtrument,
das Medium, wodurch erſt die allgemeine, objective Sitt⸗
lichkeit verwirklicht merben fol. Allerdings würde wenig
auf dieſen dialektiſchen Sprung ankommen, wenn auf
dem Kant’fchen Standpunkte das Sittengefes ſelbſt nicht
eine ebenfo formale Koderung bes praktifchen Geiſtes
wäre, welche ihren Inhalt außer fih bat. Der Menſch
ſoll frei fein, weil er ſittlich fein fol; welches aber bie
objectiven Geſtalten ber Sittlichkeit find, dieſe Haupt⸗
ſache bleibe für die ſpeculative Erkenntniß des fubjecttven
Geiſtes ein Problem. Soll darum, wie in ber votlle⸗
genden Arbeit, mit der fittlichen Wirküchkeit Ernſt ge:
macht werden, fo tritt an bie Stelle der philoſophiſchen
Dialektik ein ſehr aͤußerliches Verfahren, die Analogie,
ber fogenannte apagogiſche Beweis, oder das Wort „Es
gibt”, womit die ſittlichen Geſtalten des wirklichen Lebens
hereingezogen werden. |
Um nun aber die fubjective Freiheit für alle einzelne
Subjecte zu retten, das heiße Ihr eine gewiffe Allgemein:
beit zu geben, erklaͤrt Kant, daß die Freiheit ihre Schran:
ken und ihre Bedingung an dem Geſetze ber Coeriitenz
babe: alle Menſchen, alle Subjecte wollen und müflen
ibeer Beſtimmung nad) frei fein. Kant ſagt geradezu,
daß Feder nur fo viel frei fein koͤnne, als fi) mit der
Freiheit aller Übrigen verträgt. Da diefe Allgemeinheit
jedoch nicht nothwendig aus dem Princip ſich entwidelt,
fondern auf rein Außerlihe Weiſe durch das Naturgeſetz
der Coexiſtenz zu Stande kommt, fo ift die Beſchraͤnkung
der fubiectiven Freiheit auch kein höheres Moment, fon:
been ein Aufheben derfelben. Das Abfolute, Unbedingte,
wird ein Bedingtes und finder feine Grenze an einem
Rußern. Zudem Kant und feine Nachfolger die Freiheit
fo zu einer relativen machen und unter Alle gleihmäßig
vertbeilen, um wenigſtens einen Reſt individueller Frei⸗
heit zu retten, fo ift die allgemeine Gleichheit wohl be:
gründet, aber die abfolute Freiheit zerſtoͤrt.
Pfizer, der diefen Widerfpruch des Principe ſehr wohl
gefühlt und auch erkannt bat, daß die Kant'ſche Freiheit
eigentlich nur die Willkür fei, nimmt eine andere Men:
dung. Er identificirt mit der Freiheit die fittliche Be⸗
Rimmung des Menſchen; allein da er defjenungeachret
bei Dem fubjectiven Bewußtfein verharrt und Freiheit und
Sittlichkeit nicht als die allgemeine Subftanz, ſondern
in ber Geftalt des Einzelweſens begreift, fo kann er in
Wahrheit über die Kant'ſche Rechtsphiloſophie nicht Hin:
austreten. Den vollfländigen Beweis dafür hat er gege:
ben, indem er nur urfprüngliche Unterlaffungspflichten
im Rechte anerkennt, aber Leine Leiftungspflichten, bie
eben erſt möglich fein Binnen, wenn fi die formale
Willensfreiheit felbft zur concreten Sittlichkeit fortbe:
ſtimmt. Der Standpunkt der fubjectiven Freiheit mit
ihrer Foderung abſtracter Willensgeltung entbehrt des⸗
halb ein fuͤr alle Mal und trotz aller Verſicherung auch
bei Pfizer des wirklichen, reellen ſittlichen Inhalts.
Was nun die weitere Ausführung des fubjectiven
Princips bei Pfizer betrifft, fo umterfcheider fie fih von
dem firengen Kantlaniemus allerdings dadurch, daß in
the die Subjectivitde dee Freiheit in ihre Außerfte Spige
ausläuft und Hiermit vollkommen fich felbft aufhebt.
Kant vertheilte die Frelheit an alle Subjecte, Alle wur:
ben gleich frei und umfrei. Pfizer erklaͤrt aber, daß
das Mechtögefeg nur fo viel Freiheit für Alle fobere, „als
mit der nothwendigen Freiheit jedes Einzelnen beflchen
kann“. Zuvoͤrderſt if das Wort „nothwendig“ hier wol
ungehörig, denn es gibt feine unnothwendige Freiheit:
das Eönnte nur die Willkuͤr ſein. Dann aber gibt er
duch diefe Erklärung dem einzelnen Subjecte, dem In⸗
dividuum, eine höhere Berechtigung als allen übrigen
lichen ober ‚, materiell” zu madıen.
we x.
Subjecten; er muß bamit jene Allgemeinheit, bie burch
das Geſetz der Coexiſtenz begruͤndet wurde, aufheben. Denn
wenn bie fubiective Freiheit und das Tubjective Recht nicht
unter alle Einzelne gleich vertheilt find, fondern ber Eins
»zeine mis feinen abfoluten Zwecken vorangefleht wich, fe
find Goltifionen möglich, die zum Machtheil der Rehhhahl
der Kbrigen Individuen, entfchieden werden‘ müffen. »
Conſequenterweiſe enticheidet auch Pfizer fo; er rei
tet in feiner Darftelung bie fubjective Freiheit bes Ein:
jeinen auf Koften ber Übrigen. So gründet er das Eis
genthumsrecht außer dem Vertrage auf Beflgergreifung
und verwirft das gleiche Anrecht Aller auf Wecheifichtis
gung bei Austheilung der Lebensguͤter. Wir find davon
auch volllommen Überzeugt; aber im Principe ber Sub⸗
jeetioität Liegt, wenn es fich nicht ſelbſt zerſtoͤren fol,
eine ganz andere Anficht, die, feitbem das Princip ſich
im Leben zu verwirklichen fuchte, allenthalben zu Rage
tritt. Auf dem Standpunkte fubjectioee Freiheit, wo
auch Pfizer das Geſetz der Coeriftenz zugeben muß, haben
alle Einzelne einen gleihen Anfprudy auf die äußern Er⸗
dengüter, und um biefem Anſpruche zu genügen, Tann
die Befigergreifung und das Beſitzrecht im Sntereffe At:
(er nicht mehr von dem zufälligen Vorgreifen Einzelner
abhängig fein, fondern die Erdengäter müffen gleichmaͤßig
vertheilt werden, bamit Jeder fein natürliches Anrecht
auszuüben vermag. Um diefer gefährlichen Gonfequenz
mit Grund zu entgehen, und dody auch auf der andern
Selte der Mehrzahl einen Schein fubjectiver Freiheit zu
retten, wird num freilich ber ſpitzfindige Unterfchied zwi:
ſchen formelle und materieller Freiheit gemacht: nur bie
formelle Freiheit und Gleichheit fol die allgemeine fein.
Wie duch das Begriffsfpiel von „‚befchränkt” und „une
befchräntt”’ der obige MWiderfpruch nicht gehoben ward, fo
ift auch bier dur eben dieſes Spiel die Freiheit und
Gleichheit des allgemeinen Subjects im Gegenfage zum
Individuum nicht gerettet. „Kormell” und ‚materiell‘
find Berftandesbeflimmungen am Begriffe der Freiheit,
die nicht für ſich gedacht und zuertheilt werden Binnen,
ohne den Begriff felbft aufzuheben; eine Bellimmung
enthält auch die andere. Wenn ich darum auf Befigs
ergreifung und Eigenthum ein formelles Recht haben fol,
fo iſt diefes Recht ein Wort, eine Chimäre, ift mie zugleich
nicht die Möglichkeit mitgegeben, diefes Recht zu verwirk:
Kann aber diefe
Verwirklichung des materiellen Befigrechts eintreten, wenn
Einzelne ein abfolute6 Befigzecht durch Vorgreifen erlangen ?
Noch ſchaͤrfer tritt dieſes Aufheben der Freiheit Aller
duch Geltendmachung individueller Berechtigung im Ga:
pitel vom Nothrechte hervor. Pfizer. geftatter nicht allen
die Nothwehr, fondern er fanctioniet audy den Angriff
anf die Rechte und die Eriftenz Anderer in der auge:
behnteften Weife im Nothflande. Ich kann nach biefer
Anficht jeden Dritten niederftoßen, der fich zufällig mel:
ner Lebensrettung entgegenſtellt. Die Confequenzen, die
cafuiftifh aus dieſer Art Nothrecht auf die Kreibeit, das
Leben, die Ehre, auf alle Rechte und Güter der Übrigen
abgeleitet werden innen, der Kriegszuſtand, der unter
ten Inbiwidnen fontmähuend.
wenn bes Einzelne praͤponderirend jeime fusbiectiuen echte:
fo geltend machen dürfte — muͤrſten ohne weiteres bie
gteiche Werechtigung Aller auf unangetaſtete Freiheit, auf
Leben und Ehre aufheben.
Nur in einem Falle, wo freilich das Princip ber
Subiectivität zu ſchreiend wit der fittlichen Wirklichkeit
ſtreiten wuͤrde, kann man Pfizer eigentlich einer Abwei⸗
chung vom Princip, einer Conceſſion an ben objectiven
Geiſt der Sittlichkeit, zeihen: dieſer Fall iſt ſelne Explica⸗
tion uͤber die Strafe des Verbrechens. Abgeſehen von
dem Schadenerſatz, den ber Verbrecher dem Verletzterr zu
leiſten, und von der Steafdefugniß, die ber Staat zur
Abſchreckung von Verbrechen haben foll, hat der Einzelne
das Recht, die Beſtrafung des Verbrechers auszuüben
ober vom Staate ausüben zu laflen, weil der Verbrecher
rechtlos feinen Willen über ben des Verletzten erhoben
hat; der Wille des Verbrecher muß um fo viel herabge:
drächt werden, als er feinen Willen gegen das Mecht des
Andern geltend gemacht. Das Strafrecht iſt alfo nicht
ein echt, weiches der allgemeine, abfolute Geiſt ber
Sittlichkeit fodert, fondern ein Privatrecht, das der Ein:
zeine zur Rettung und Anerkennung feiner Willensfrei⸗
Heit geltend macht, oder (in der Begnabigung) auch nicht.
Da nun aber der Staat im Intereſſe der Geſellſchaft
das Verbrechen unterbrädt und ben Verbrecher unfchäbs
lich macht, da der Verbrecher uͤberdies den verurfachten
Schaden ausgleihen muß, fo duͤnkt uns, die Willens:
freiheit des Verletzten wäre nicht allein gefichert, fondern
durch bie materielle Ausgleichung, bie bie ideelle mit in
ſich ſchließt, vollkommen hergeſtellt. Eine fpecielle Be⸗
ſtrafung wegen Willensverletzung haͤtte dann keinen an⸗
dern Grund mehr als Privatrache, die Pfizer ſelbſt tief
verabſcheut. Warum, muß man fragen, geſteht der Verf.
die Strafe als Wiedervergeltung einer unſichtbaren, ma⸗
teriell unausgleichbaren Verlezung zu, warum macht er
ſie zu etwas Hoͤherm und Allgemeinem, da er nach ſei⸗
nem Princip kein allgemeines, objectives Recht aner⸗
kennt? Ks iſt eben nur eine Conceſſion, die er aber
nethwendigerweife alsbald zurüdnimmt, indem er dus
fert, daß mit ber fortfchreitenden Humanitaͤt und Clvili⸗
fation an die Stelle der Wiedervergeltung die fittliche
Brfierung des Berbrechers treten muß. Die fittliche
Nothwendigkeit der Strafe iſt hiermit voͤlllg wieber auf:
gehoben.
(Die Bortfehung folgt.)
Die neuern Straf⸗ und Beflerungsfofteme. Erinneruns
gen aus einer Reiſe durch bemerkenswerthe Gefängniffe
in Algier, Spanien, Portugat, England, Frankreich
und Holland. Bon Julius Rudolf von M—.
Mit vier radirten Zeichnungen. Berlin, Veit und
Comp. 1843. Gr. 8. 1 XThle. 22° Nor.
Der Berf., den nad feiner Äußerung „das Antereffe für
Armenpflege, Gefaͤngnißkunde und Straf» und Befferungsprins
en Seit neben feinen Berufsarbeiten beidyäftigte,
ber vorliegenden Schrift die Grfabrufigen mit, bie er
faͤngnißweſen Brauchbares enthält.
auf einer von ibm alfa bezeichneten Seife „b |
Gefängniffe” zu machen Gelegenheit fanh. Forint *
dabei auf ein ſehr einfaches Referiren, das von Zahlen
und Gitaten und leider oft von einem tiefern Eingehen in die
Sache fern hält, dagegen aber auf mandyerlei nicht zur Sache
ie
gehörige Schilderungen der gefihenen Völker und Länder ſowie
ber erlebten Reifefata erftredt, ſodaß fich das Wange recht gut,
lieft, aber verbältnigmäßig wenig für Griminalpolitit und Ge⸗
Wir laffen Alles weg, was’
ſich nicht auf das eigentliche Thema bes Wuchs bezieht und her
ben von dem Refle Folgendes aus:
&. 1—37 Yandelt über den Zweck der Strafe und bie,
Mittel jur Erreichung deſſelben: etwas flüchtig und nur für
Enten geichrieben. Nach der Außerung des Verf.: „Ich will bier
nicht über bie Theorie des Strafrechts fprechen, fondern von’
ber Nothwendigkeit, ben unmittelbaren Zweck der Strafe in der
Beftrafung des MWerbrechers zu erblicken, in ber Verpflichtung,
ihn unſchaͤdlich zu machen, ihm für das begangene Unrecht, Pi
die Verlegung fremder Perfonen oder fremben Eigenthums einen
ihm unangenehmen Zuſtand ber Entbehrungen ald Wiedervergels
‘tung zuzufügen, um nicht allein ihn für die Zukunft von Wie⸗
derholungen, fondern auch Andere, die noch Fein Werbot übers
treten haben, von Verbrechen abzuſchrecken“, muß man biefen
Abfchnitt aber auch als von einem Laien gefchrieben betrachten.
Der Verf. kommt dann auf das Auburn’fhe Syſtem (nächtliche
Trennung und ſchweigendes Beifammenfein am Tage) und das
philadeiphiaſche Syſtem (einfame Beſchaͤftigung) und gibt dem
legtern ben Vorzug, wobei er indeß fobert, daß bei ben vr
längere Zeit als ein Jahr Sondemnirten bie einfame Haft na
Verhaͤltniß der erreichten Beſſerung abgekürzt und ber Straͤf⸗
ling nach ausgehaltener Strafzeit nicht in Freiheit gefeht, ſon⸗
dern hierzu erft durch Detention in einer Smangsarbeitscolonie
(wie in Holland in den Zwangs⸗ und Armencolonien unb in
England im Model prison bei London) vorbereitet werbe. Hieran
knuͤpfen fi) Vorſchlaͤge zu Anlegung foldger Colonien für Preus
Ben in ben Daibeftreden der Provinzen Preußen und Pommern.
Bei alle Diefem läuft die Idee einer Straf: und einer Gorrecs
tionsanftalt zufammen. In eigentiien Strafanftaiten kann
man gar nicht annehmen, daß eine moralifche Befferung — uns
tee welchem Ausdrude man weiter nichts verſteht als bie Ge⸗
wöhnung an ein arbeitfames und ordentliches Leben — bei als
len Gträflingen zu beabfichtigen fei, weil man nur eine einzelne
That beftraft. Man kann daher nicht auf eine vollgogene Preis
beitöfteafe, rein um ben Beſſerungszweck zu erreichen, noch eine
zweite, in der Zwangscolonie zu vollziehende folgen laſſen. Die
Dauer beider Pönnte ſich nur nad dem Grfolge bei ber Er:
reihung des Befferungssmedes richten und wäre durch ein richs
terliche® Urtheil gar ide abzumeflen. Der Verbrecher muß bes
ſtimmt voraus willen, wann feine Strafe endet, ſonſt enthält
biefe eine unverhältnißmäßige Grauſamkeit. Man könnte daher
nur in befondern Faͤllen ben Verbrecher fpäter im Wege ber
Abminiftration als Gorrigenden in eine VBefferungsanftatt ſchaf⸗
fen, und bergleichen Anftalten beftehen bereits mit gutem Er⸗
folge an manchen Orten. Daß man Swangscolonien anlege,
die den Sandbau zum Zwecke haben, ift durchaus nicht räthlich.
Solche Colonien koͤnnen ſich ohne die enormften Geldzuſchuͤſſe
von Seiten bes Staats nicht Halten. Guten unb einträglichen
Ader hat man für fie nicht disponibel, man muß alfo wuͤſte
Streden nehmen, und hier werben durch ben Ertrag bie Koften
nicht gebedit. Deshalb find bie belgiſchen Armencolonien eins
gegangen.
Was die Notizen des Berf. über einzelne Strafs und Cor⸗
rectionsanftaiten betrifft, fo iſt das uͤber den Bagno in Toulon
Gefagte bereits aus manchen andern Relationen befannt. Nicht
fo bekannt find die Ginrichtungen der Prison militaire in ben
Safematten ber Porte de la ravine zu Algier. Daſſelbe ent«
ifchen 13 — 1500 Gträftinge, deren Beſchaͤftigung
in öffentlichen Arbeiten an Bauten, Kandien und Bartenanlas
gen je nach bes Faͤhigkeit der Ginzelnen beftcht. Der Verluft
1466
der militairiſchen Ehre iſt mit der Detention in dieſer Anflaft,
die bie zu ſecht Jahren dauern Tann, nidht verbunden: das Bes
mertenswerthefte dabei ift aber die firenge Disciplin und banes
ben wieder die Sorge für allerlei aus andern Gefaͤngniſſen ver:
bannte Lebensannehmlichkeiten.. Das ‚Gouvernement bezahlt für
die Arbeiten eines jeden Sträflinge täglih 100 Gentimes, wor
von ein Drittel für den Unterhalt, ein Drittel für Adminiſtra⸗
tionstoften bereihnet, das letzte Drittel aber bei Sträftingen,
die Verbrechen an fremden Gigenthume begingen, zur Entſchaͤ⸗
digung der Damnificaten, umd bei andern für dieſe felbft ber
flimmt wird, fodaß fie ſich bei „guter Aufführung dafür Eß⸗
waaren und Lurußartifel in zwei am Apellplage befindlichen
Buden Faufen dürfen. Bei der Belöftigung, bei der Adminiſtra⸗
tion und der Ginnahmes urd Ausgabeberechnung affiftire eine
Deputation der Gträflinge, die dieſe unter ſich wählen. Außer:
dent befindet fi im Befängniffe ein Theater, auf welchem bie
Sefangenen Sonntags um ein Entree von lo Centimes Bors
ftellungen geben. Bei des Verf. Anwelenheit warb gerade
„Das Glas Waffer und „Lucretia Borgia“ einftudirt. Die
Disciplinarftrafen find dagegen ſehr ſtreng. Man hat drei Abs
flufungen : zuerft Ginfperrung in dunkle Safematten, dann in
Heinen Cachots, die fo eng und fo conftruirt find, daß ber
darin Wefindliche feinen Körper in eine nicht zu verändernde
fpiratförmige age bringen muß, um fi) überhaupt nur zu plas
ciren. Der britte Brad beſtedt in zwei⸗ bis dreimonatlichem
ununterbrochenen Feſtliegen auf einer Pritfche in einem bunteln
Raume, wobei bie Fuͤße in einen Biod gefpannt find. Die
Gefangenen find nach dem überſtehen dieſer Strafe längere Zeit
völlig gelähmt. Die Grauſamkeit diefer Procedur entſchuidigen
die fen ofen damit, daß doch die Ehre confervirt bleibe, weiche
durch Schläge verloren gehen würde.
Bemerfenswerth tft ferner die @inrichtung des großen, 6— 700
Detinizte faffenden Unterfucdyungsgefängntffes zu Barcelona. Das
Gebäude war früher ein Kiofter und bildet ein vier Stockwerke hohes
Auarre. Den Gefangenen wirb nach dem Princip bes fpas
nifchen Criminalproceſſes, vor ber Berurtheilung Niemanden als
Verbrecher zu behandeln, alle irgend mögliche Freiheit gelaffen:
fie behalten Geld und Waffen und dürfen Beſuch a:
men u. f. w., und eine Abfonderung findet nur in den wid»
tigften Fällen flatt. Mitten auf der, dem Bauptgebäude gegen:
überftehenden großen Dauer befindet ſich ein Blashäuschen,
weiches von allen Zenftern der @efärigniffe gefehen werben kann,
und zum fonntägtichen Meffelefen dient. Die Zahl ber Bes
föngenen war 6/8, worunter 22 Frauen: ein Verhaͤltniß ber
Männer und Weiber (1:30), weiches ſich in allen fpanifchen
Gefängniffen wiederholt. In Valencia befuchte ber Verf. das
Zuchthaus, weiches im 3. 1835 in dem fchönften und größten
Ktoiter ber Stadt, dem ber Auguftiner, eingerichtet wurbe.
- Das Gebäude zeichnet ſich durch Reinlichkeit und aͤußere Ele⸗
ganz aus und enthält 1121 Straͤflinge. Seine innere Disciplin
it militairiſch. An der Spige ftehen ein Oberſt und ein Major
mit zwei Adjutanten, ein Kourier, ein Kaplan, ein Arzt und
ein Chirurg. Je bunbdert Gefangene flehen unter einem Cor⸗
poral, dem fünf aus den Gefangenen genommene Unterauffeher
behälftich find. Die Sträflinge werden mit großer Regelmäßig:
keit zu allen möglichen Arbeiten angehalten. Der Verf. fand
Schuhmacher, Schneider, Sattler, Tiſchler, Klempner u. f. w.
in voller Thaͤtigkeit. Der Erloͤs wird in drei Theile getheilt:
den einen belommen bie Sträflinge, um fidy dafür Meine Bes
uemlichkeiten zu verſchaffen, der zweite wird ihnen bis zur
ntlaffung aufgefpart und ber dritte zu ben Abminiftrationes
toften genommen, weldye dadurch faft ganz gebect werben. Das
Verhaͤltniß der Rüdfälligen betrug etwa acht Procent. Eben⸗
falls vortrefftiich eingerichtet fand der Berf. bie Gefängniffe ber
Galeerenfträftinge in Alicante und das Weibergefaͤngniß in Gars
tagena; das Policeigefaͤngniß in Malaga war dagegen im al:
Iertraurigften Zuſtande. CEbenſo abſchreckend find bie Schil⸗
derungen der Gefaͤngniffe zu Liſſabon. Die Regierung hat die
ganze Sache in Entrepriſe gegeben und zahlt einer Geſellſchaft
Berantwortlicher Deraubgeber: Heinrich Broddaus. — Drud und Berlag von 8. U. Brodhaus in Leipzig.
Anterefient iſt die
Kuſſel's Angaben angeleg
follen die Verbrecher gebeflert und nicht geſtraft werben; man
wählt daher ans ben zur Deportation Verurtheilten Dies
jenigen, welche Hoffnung zur Beſſerung erweden, aus, und
fie fi) im Medel prison bewährt
D
ap, fenbern nach den fen Goionien in Amelie
und Auſtralien. Die Beſſerung foll im Model prison durch vdi⸗
liges Iſoliren, Arbeit als. Belohnung, Umgang mit Geiſtlichen
und Mitgliedern von Wefferungsvereinen und Unterricht und Recz
ture heuveigeführt werben. Das Gebaͤude ift völkig zweckmaͤßig
eingerichtet und es laͤßt ſich gegen das Ganze nichts weiter eine
wenden, als was überhaupt gegen ein Syſtem der völligen Ifos
Iirung einzuwenden ifl. Xortrefflich find die Ginrichtungen bes
Gefängniffes Roquette zu Paris, welches 545 Sträflinge ent⸗
hielt, welde am Zage zufannmen arbeiten und Nachts ifoltrt
werden. Daß übrigens, nad) ber ng bes Fährers
bes Verf., jeder Straͤfling, ber einmal in die Roquettr geben
men, nicht wieder, wenigftens nicht auf Lange Zeit, hinaus
tomme, und daß das Verhaͤltniß ber Rüdfälligen 7U Procent
betrug, liegt wohl im gefellfhaftiichen Zuſtaͤnden, gegen welde
Gefängniffe nichts helfen. Die berühmte Prison des jeunes de-
tenus in Paris, weiche bee Verf. ferner befcheeibt, biibet ein
Sechseck, von defien Winteln Geltengebäude auf ein Sentrals-
haus laufen, und enthält 4— 500 verwahrloſte —A oder
auf Antrag der Altern eingeſperrte Knaben von IO— i8 Jab⸗
ren. Die innere Einrichtung iſt auf voͤllige Abgeſchloſſenheit in
a berechnet, und bie Detinicten werden burch Arbei⸗
ten beſchaͤftigt und von ben GSorridors aus, auf weiche bie mit
Klappen, verfehenen Thuͤren ber Zellen führen, unterrichtet.
Daß das Ausjehen fämmtlider Gefangenen bleich und elend if,
baß ihnen jugendliche Regfamkeit und Brifche fehlt, mag dem
Jfolirungsfofteme zugufchreiben fein. Am luffe liefert der
Verf. noch einige Notizen über bie hollaͤndiſchen Armencolonien.
In diefen, von bem General van den Bold im 3. 1818 enger
legten Colonien finden fi drei Claſſen von Bewohnern: im
Ommerſchanz Bettler und Vagabunden, in Veenhuyzen Waifen
und Zindlinge und in Zreberitsort freie Anſtedler, welche Acker⸗
bau treiben und im Winter in Fabriken arbeiten. Die Summe
ſaͤmmtlicher Gotoniften betxägt 11,480. Die Beidkftigung einer
fo großen Anzahl von Menſchen, welche ohne diefed der Gefelle
ſchaft laͤſtig und gefährlich würben, ift für Holland eine große
Wohithat, leiber geht aber bad ganze, von einer Sompagnie
unternommene Werk feinem Untergange entgegen, feitvem bie
Zufchuͤſſe der Regierung und die frehwilligen Beitrd
NO
die Fünumttichen —2
—
ben und das Deficit an den Einnahmen unb bie bereits über-
500,000 Guiden betragende Schuldenlaſt in fortwährendem Gteis-
gen begriffen find. 4,
Literarifche Anzeige.
In meinem Verlage erſchien ſoeben und ift in allen Buch⸗
banblungen zu erhalten:
Der dritte September 1843
Ath en.
Bon einem Augenzengen beschrieben un» mit der
betreffenden Actenstücken begleitet.
Bu 8. Geh 12 Mer.
Reipgig, im November 1843.
" F. A. Brockhaus.
iträge aucblei⸗
— —— — ee VE 411
Blätter.
ehr
literariſche Unterhaltung.
Dienſtag,
Gedanken uͤber Recht, Staat und Kirche von P. A.
Pfizer. Zwei Theile.
(JZJortſeung aus Nr. 32.)
Die zweite Hauptabtheilung des Werks handelt vom
Staate. Hier tritt der Standpunkt der Subjectivitaͤt
mit befonderee Schroffheit hervor, denn der Verf. ift
überdies ein zu felbfländiger und überzeugungstreuer Cha:
after, als daß er die Gonfequenzen des Principe nicht .
geltend machen oder viel Fremdartiges aufnehmen follte:
er würde der Kreiheit feiner Anficht nach etwas vergeben,
mollte er dieſelbe nicht in Form des Einzelwillens durch⸗
führen. Der Staat ift ihm darum nicht die Wirklich:
Zeit des allgemeinen, objectiven Geiftes, nicht die Lebens:
geftalt, der Jeder angehören muß, wenn er zur vollen
Sreiheit gelangen will, fondern ber Staat iſt ihm bie
willkuͤrliche, hoͤchſtens nur Außerlich bedingte Willenseint:
gung der Einzelnen — der Staat ift ein Vertrag. Der
Selbſtzweck des Staats iſt fo aufgehoben; fein ganzer
Inhalt fälle in das Einzelmefen zurüd, der zufällig mit
dem Willen aller übrigen Einzelnen übereinftimmt.
die Stelle des Staats treten fo In Wahrheit bie perföns
lichen Zwecke, die buͤrgerliche Geſellſchaft, mit ihren ver:
ſtaͤndigen Inftitutionen.
Der erfte Abſchnitt entwickelt den Begriff des Staats.
Daß der vernunftmäßige Staat auf dem Vertrag beruht,
foll die Rechtsordnung beweifen, die Gehorſam fodert.
Da e6 nämlich) feine angeborenen, urfprünglichen Leiſtungs⸗
pflichten gibt, weil Feine urſpruͤngliche Willensgleichheit
unter den Menfchen flattfindet, fo kann bie pofitive Ver:
bindlichkeit zur Leiflung und zum Gehorfam auch beim.
Staate vernunftrechtlich nur durch Vertrag gefchehen. Der
Staatsvertrag ift weiter vernunftrechtlich nur ein Geſellſchafts⸗
vertrag, kein Dienſtbarkeitsverhaͤltniß, denn der Staateblirger
will und erfüllt im Staate feine eigenen Zwede, während ein
Diener auf das Geheiß und für die Zwecke feines Herrn -
allein thätig ifl. Der Stautsbürger, als Mitglied einer .
Gefellſchaft für ſelbſtgewollte Zwecke, kann darum nur der :
Gefammtheit oder deren Vertreter Gehorſam ſchuldig fein,
und die Stantsgewalt (das Recht, zur Erreihung bes .
ſtaatsgeſellſchaftlichen Zwecks das Erfoderlihe ins Werk
zu richten) iſt, wie jede andere Geſellſchaftsgewalt, für
den Gewaltträger nichts Eigenes, fondern ein anvertrau:
16. Demnach gilt das Staatsoberhaupt gleich jedem
| r. 325. —
abgewieſen.
An,
21. Rovember 1843.
Y
Geſellſchaftsvorſtande blos als das Haupt und der Bevoll⸗
mächtigte der Geſellſchaft, und der Patrimonialfiaat und
beffen verfchledene Theorien find damit vernunftrechtlidh
Pfizer macht Überdies auch einer andern An⸗
ficht eine fcheinbare, Conceffion, indem er die Naturnoth⸗
wendigkeit des Staats zugefteht und das Clement der
Mationalität gelten läßt; allein es ergibt fich bald, daß
er nur die äußere Naturnothwendigkeit, und den Inſtinct,
den frühern Socialitätstrieb, verftanden wiſſen will.
Um dem Wefen der Staatsverbindung näher zu kom⸗
men, wird nun unterfudt, wie fih die Staatsgefellfchaft
von allen andern Gefellfhaftsverbindungen unterfcheidet.
Dee Staat — heißt es — ift die Urgefellfchaft, die Grund⸗
lage, aus der alle andern Gefammtleben ihren Urfprurig
nehmen; er iſt mithin nicht allein ein Rechts⸗ und Kies
densverein, obgleich diefer Zweck natuͤrlich obenan ſteht,
ſondern er kann (wenigſtens eventuell) als der Inbegriff
aller Lebenszwecke auch die Erreichung aller andern Ges
fammtzwede betreiben. Inſofern aber die ganze Summe
denkbarer Gefammt = und Sonderzwede nur auf einer
allgemeinen; und nothwendigen Ordnung und Gliederung |
des menfhlihen Beiſammenlebens gegründet fein kann,
fo tft der erfle, zwar nicht ausfchließende, aber Alles bes
dingende Zweck des Staats — die Rechtsverwicklichung.
Jede andere Gefellfhaft verwirklicht nothwendig nur ir
gend ein befonderes Recht ihrer Mitglieder: die Ehe das
Recht der Gefchlechtsverbindung, bie Kirche das Recht
der Gottesverehrung; allein nur der Staat verwirks
licht nothwendig alle Mechte feiner Angehoͤrigen und
macht dadurd die friedliche Coexiſtenz und den Berfolg
aller übrigen Geſellſchaftszwecke erft möglich. Aus dieſem
hoͤchſten und erften Zwecke des Staats als eines Rechte:
vereins folge nun 1) daß er als unabänderlihes und
endgültiges (fouveraines) Organ des Geſammtwillens nur
die Stimmenmehrheit als maßgebend anerkennen muß.
In der Staatsgefellfhaft nämlich, welche bie Verwirkli⸗
hung des Rechtögefepes zum Zwecke hat, muß die Stimme
des Einen fo viel als die Stimme des Andern, mithin
die Stimmenmehrheit mehr gelten (melde Solgerung wir
eben nicht einfehen) als die der Minderheit, fonft wäre
die Gleichheit verlegt und der Staat kein Rechtsverein.
Wollte man meinen, daß ſchon bie bloße Unterordnung
des Einzelnen unter die Mehrheit gegen das Hecht fireite,
fo wärbe man bie natürliche Gleichheit, die im außerge⸗
ſellſchaftlichen Zuſtande beſteht, mit der geſellſchaftlich⸗
ſtaatsbuͤrgerlichen verwechſeln, die nur bei Unterwerfung
unter Stimmenmehrheit beſtehen kann. Wollte ein Staat
auf die Stimmenmehtheit Heine Ruͤchſicht nehmen aber
darauf verzichten, fo wiude er feine Rechtsanftelt, feine
Glieder keine Rechtsfubjecte mehr fein; der Eintritt in
einen folhen Staat würbe mit dem Preisgeben der Wil:
Iensgeltung und dem Verluſte aller Menfchenrechte er:
Lauft werden. Wenn nun aber die vom Rechtsgebote
ber Gleichheit unzertrennliche Geltung der Mehrheit zum
Begriffe und Weſen jedes Staats als eines Rechtsver⸗
eins gehört, fo ift diefe Gleichhelt ebenfalls auch ein un:
veräußerliche® Recht des Staats oder der Staatögefammt:
beit felbft: und darum iſt der Staat 2) die einzige mit
unveräußerlihen Rechten ausgeftattete Geſellſchaft. Das
Recht eine Familie zu gründen, das Recht auf die Mit:
gliedfhaft einer kirchlichen Gemeinſchaft — das Alles
konn ber Menſch unter Umfländen ohne Selbſtvernich⸗
tung aufgeben, aber dad Recht in einer Rechtsgemein⸗
fhaft zu fichen, eine Perfon, ein Rechtsfubject zu fein,
befien kann fi ein Menſch und unter keiner Bedin⸗
gung entäußern. Nach diefen feinen hoͤchſten Gigenfchaf:
ten befigt aber ber Staat das hoͤchſte Recht auf Leben,
Sreipeit und Ehre wie keine andere Geſammtperſoͤnlich⸗
keit, und er kann nur aufhören durch einen rechtsguͤlti⸗
gen Entſchluß dee Geſammtheit, vefpective Diehrheit, oder
in Kolge von Rechtsverletzungen, die feine Aufhebung
durch andere Staaten aus Nothwehr fodern.
Ein zweiter Abfchnitt fest die Staatsgewalt näher
auseinander. Wie jeder Verein, muß auch der Staat
ein Organ bes Gefammtwillens haben, und dieſes Drgan
kann, wie ſchon gefagt, im Staate, ber zuerit Rechts:
verein iſt, nur die jeweilige Mehrheit fein; jedes andere
Verbältnig iſt gegen die rechtliche Gleichheit. Diefes
Princip der rechtlichen Gleichheit wirb auch nicht aufge:
hoben, wenn ſich der Staat zum Wohlfahrtöverein, Cul⸗
turverein u. f. w. erweitert, Denn jeder andere Zweck ift
ja erft auf den Rechtsverein gegruͤndet. Allein auch bie
Mehrheit kann die Staatsgewalt nicht als ein ſchlechthin
Eigenes, fondern infofern als Anvertrautes ausüben, als
fie auch die Minderheit und die Nachkommenſchaft ver:
tritt. Der durch die Mehrheit ausgefprochene Geſammt⸗
wille ift deshalb auch nur formell allmaͤchtig, materiell
unterliegt er erheblichen Beſchraͤnkungen. Was bie Thaͤ—⸗
tigkeit und Wirkſamkeit diefer Staatsgewalt betrifft, fo
kann ihre wefentlihe Sunction nur die Erlaffung von
Sefegen (im weiteften und nicht blos technifchen Sinne)
fein, denn die vollziehende Gewalt iſt die praktifche Seite
der Geſetzgebung und fällt, obfhon an verfchiedene Sub⸗
jecte vertheilt, mit derfelben zufamınen. Die Frage aber
nach den Rechten und Pflichten der Staatögewalt ift fo:
mit ganz gleich der Frage, wie die Staatsgefege vernunft-
rechtlich befchaffen fein muͤſſen. Die Antwort liegt in
der Vertragsnatur des Staate. Nach berfelben kann
I) im Staate nichts als Geſetz gültig fein, was als
Vertrag ſchon ungültig iſt; II) aber kann kein Gefeg zu
Recht beflchen, welches bem vernünftigen Staatewed
widerfprihe, wenn bie Sade auch an ſich Begenfland
eines Vertrags fein koͤnnte. Aus biefen beiden Grund⸗
fügen ergeben fich folgende wichtige praktifche Folgerungen:
1) Da die Verwirtikhung bee. Rechtszeſetzes erfier
Staatszweck (das heißt des vernünftigen Staats) if, fe
muß dem Staate und frinem Zwecke jedes Gefeg zuwiderlaus
fen, welches die Minderheit der Staatsgenofien gegen ihren
Willen nad) anderm Rechte behandelt als nach dem der Mehr⸗
heit ſelbſt. Mur wenn die Minderheit ſelbſt mit dieſer Un:
gleichheit einverflanden, mithin bie gleiche Willensgeltung
nicht verlegt ift, find materielle Ungleichheiten dem vernünfti:
gen Rechtögefege nicht zuwider. Vollſtaͤndige Stimmenein⸗
heit iſt hierbei nicht nothwendig, denn auch in der Minderheit
gilt die Mehrheit. Auch kann die UÜberrinſtimmung durch
Stillſchweigen ſchon angenommen werden. Ferner kann
es nicht als Unrecht gelten, wenn einzelne Claſſen der
Staatsgenoſſen, wie die ganz Armen, Bildungsloſen u. f. w.
ohne ihre Einſtimmung von der Staatömehrheit in ihrem
Rechten aus dem Grunde befchränkt werden, weil fie
keine oder nur geringe Leiftungsfähigkeit befigen. Enb⸗
lid) verlegt die Mehrheit die formelle Rechtsgleichheit im
Staate keineswegs, wenn fie im Staatsintereffe einer
Minderheit mehr Rechte als den übrigen Glaffen verſtat⸗
tet, denn felbfigewollte und ertheilte Bevorzugung ift kein
Unceht; nur wenn die Mehrheit zum Nachtheile einer
Minderheit Borrechte in Anſpruch nimmt, findet das pri-
vilegium odiosum ſtatt. Nach diefen Grundfägen ent:
feier fi) die Judenfrage, die Ausfchließfung mancher
Individuen und Claffen von der Gefeggebung von felbfl.
2) Jeder Staatsbürger hat einen Anſpruch auf Schus
und Erhaltung feiner nach den beftehenden Gefegen ein»
mal erworbenen Rechte, fodaß als rechtsverlehzend und
dem Staatszwede widerfprechend tuͤckwirkende Gefege an⸗
gefehen werden müfjen; denn der Vernunftſtaat hat die
Sewährleiftung der Einzeleehte übernommen, und ſelbſt
Strafgefege dürfen nicht rüdwirken.
3) Muß dem Einzelnen das Recht des Austritts
ober der Auswanderung aus dem Staatsuerbande zu⸗
ftehen, weil der Staat als Rechtsverein alle Rechte,
auch das des Zuruͤcktritts in den Stand natürlicher Frei⸗
beit und Gleichheit übernommen bat. Selbft der Wie-
bereintritt muß freifteben. Freilich darf dabei das Staats:
gebiet felbft keine Werlegung erleiden, fonft würde bie
Eriftenz des Staats gefaͤhrdet fein.
4) Mie jedes Gefeg, fo darf befonders das Verfaf-
ſungs- odet Örundgefeg, durch welche das Drgan der
Staatögewalt beftimmt wird, dem vernünftigen Staats-
zweck nicht widerſprechen. Die Erlaffung ſolcher Geſetze
kommt vernunftrechtlich nur der wahren fouverainen Macht,
ber Volksgeſammtheit, vefpective der Mehrheit zu; ver=
möge der conflituirenden Gewalt entfcheidet biefeibe, ob
fie die Staatsgewalt durch das Organ der Mehrheit aus-
üben, oder mit deren Ausuͤbung einen Einzelnen oder
eine Regierungsbehöcde betrauen will. Wollte die Ge:
fammtheit diefes ihr hoͤchſtes und weſentliches Recht uns
widerruflich übertragen, fo müßte die Mehrheit für immer
aufhören, freies Qugan des Meſammewillens zu fein, bie
Stoatögefellichaft Wirte ihre Perſoͤnlichkeit verloren um
wäre vernichtee. Mithin kann die Gewalt, weiche dem
Einzelnen oder einer Behoͤtde von der Gelammtheit Fibers
teagen wurde, nur ein widerruflicher Auftrag fein. Ob:
ſchon nun aber der Geſammtheit das unverdußerliche
Recht zuſteht, über alle Ungelegenheiten zu entſchei⸗
den, fo iſt doch die Widerruflichkeit, die fie aushden
kann, niche unbeſchraͤnkt und willkuͤrlich, man würde
ſenſt Unveraͤußerlichkeit mit Unbeſchtaͤnkbatkeit verwech⸗
fen. Wie beim Individuum, unbeſchadet der Unver⸗
außerlichkeit feiner angeborenen Mechte durch rechtogüͤltig
eingegangene Verpflichtungen ber verfchiedenften Art, diefe
Rechte befchränkt werden können, fo kann auch nothwen:
dig der Staat befchränkende Verpflichtungen ſowol gegen
Auswaͤrtige als gegen. Stantdgemoffen eingeben, ohne fein
Mecht zu vergeben. Diefe Verpflichtungen einer Staats⸗
gefammtheit innen erftlih in Verträgen mit Einheimi:
Shen oder Fremden beflehen, die einzelne in der Staate:
gewalt begriffene Handlungen betreffen; zweitens kaum
die Werpflichtumg eine zeit: umb theilweife Übertragung
der Staatsgewait zu flellvertretender Ausuͤbung un ein
anderes Subject al& die Mehrheit, weiches audy ein frem:
der Regent oder Staat fein kann, enthalten. Fragt man
aber nach der Zeitdauer einer foldyen libertragung unbe⸗
ſchadet des unveräußerlichen Rechts, fo läßt fidy dies nur
aus der Analogie des Staats mit einer Einzelperfom be:
antworten. Die Einzelperfon darf ein ſtrenges Dienft:
verhaͤltniß nicht auf das ganze Leben ausdehnen, alle
auch der Staat nicht für die ganze Dauer feiner Eris
ſtenz. Am nataͤrlichſten iſt daher für das Staatsrecht
die Beſtimmung, daß nad dem Ableben bes durch die
Mehrheit gewählten Staatsoberhaupts die Staatsgewalt
amd das Recht der mweitern Verleihung an die Geſammt⸗
heit wieder zuruͤckfaͤlt. Eine ſolche linterwerfung einer
anfterbiichen Gefammtheit bis auf die Dauer eines Men:
ſchenlebens, auch wenn die Unterwerfung unauflündbar
fein ſollte, ift darum wol eine Beſchraͤnkung ber Ge:
fammtfreipeit, aber. keine Veräußerung derſelben. Wol
‚aber iſt es eine Veräußerung der Geſammtfreiheit (be:
ziehungsweiſe der fouverainen und conflitufrenden Gewalt
der Mehrheit), wenn die Sefammtheit ſich unwiderruflich
einer wie fie ſelbſt unfterblichen Geſammtheit unterwirft,
einer Geſammtperſon, Kirche, Gemeinde, einem auswaͤr⸗
tigen Staate. Im dieſem Falle gilt die Übertragung am
natärlichften Bis zum Heranwachſen einer neuen Gene:
ration, die dann ihre Recht wieber in Anſpruch nimmt;
oder wenn man ja fein Vertragsrecht verlegen wollte,
muß die Oberherrſchaft mit dem Tode des letten Mit:
glieds, das zur Zeit des Vertragsabſchluſſes ſchon am Les
ben war, erlöfchen. Im Gegentheil wäre das unverdußer:
liche Recht der Geſammtheit und mithin der Staat ſelbſt
vernichtet. Wenn aber nicht eimmal eine wirkliche, wahr
baftige Gefammtperfon ein unmidereufliche® Recht auf
Ausübung der Staatögewalt vernunftrechtli erlangen
ann, fo iſt dies noch viel weniger ber Kal bei fogenann-
ten und nur vermeintlihen Gefammtperfonen, wie die
\
Foaͤrſtenhaͤuber mid Dynefiten find. Eine Doywafie -iE
feine Sefammtperfön, denn fle hat keine Geſammtzweck
Mintel u.f.w. Kein Stammveter kann daher bie Ciranebs
gewwalt im voraus für ale feine Nachlommen erwerben,
fondeen jede Nachfolger in der Regiernug ſetzt eine neue
Übertragung der Staatsgewalt und eine befondere Ertvess
bung burch dem Nachfolger voraus, und zwar durch Ber⸗
trag. Moͤglicherweiſe kann allerdings auch der Threufol⸗
ger ſchen bei Lebzeiten ſeines Vorgängers ein Necht auf
die Nachfolge erwerben, wenn ihm vor zingetretener Thron⸗
erfedigung die Geſammtheit die Nachfolge’ zuſpricht; auch
voird- nicht gelengnet, daß die Gtaatsgefelfehnft auf Aus
besung oder Widersuf des Thronfolgegeſetzes flilifchweigend
verzichten fann. Allein aus der bei Lebzeiten ded Bons
gängers nicht erfolgten Zuruͤcknahme des Gefehes kaun
ein im Augenblide feined Todes ſchon erworbenes Reche
auf die Nachfolge niemals abgeleitee werden. Gin Recht
auf die Regierung erhält alſo der jedesmalige Thromfobe
ger erſt durch einen, mit der fonverainen Geſammtheit
(ausdruͤcklich, oder vermoͤge canclubenter Handlungen) abs
gefchleffenen Vertrag, und die Wirkung eines die Ehren»
folge beftimmenden Gefetes kann nur die fein, daß die
Geſammtheit {hen ihre Zuſtimmung fr gegebew erklaͤrt,
wenn fie die Huldigung und die Ihrenbefieigung ohne
Einfpruch vor fich ‚geben Lift. Die Beis der Thronbes
fleigung ift daher der Zeitpunkt für den möglichen Wis
derruf, auf den die Staategelelifchaft ein Recht hat wie auf
ide Dofen. Go gewiß nun aber ber Unveraͤußerlichkeit
dee Staatsgewalt wegen Alles, was bie Verfaſſung eines
Staats betrifft, Sache des Volks oder der Geſammtheit
iR, fo felten übt doch das Beil in der Wirklichkeit feine
verfaffungsmäßige (conflituirende) Gewalt unmittelbar.
Vielmehr wird die conflituirende Gewalt gewähntid, be⸗
fondern Behörden, manchmal au, mas weniger get,
den actmellen Staatsbehoͤrden übertragen, umd dieſe über
dann die übertragene Vollmacht fir das beftimmte Werk.
Indeſſen kann jede Verfaffungsänderung niche nur durch
aus druͤckliche, fondern aud durch ſtillſchweigende Zuftim⸗
mung der Geſammtheit angenommen werden. Demmach
kann ein zwiſchen dem Fuͤrſten und einer von dem Fuͤr⸗
ften betiebig zufammengefegten conſtituirenden Verfumm⸗
kung abgeſchloſſener VBerfeffungsvertrag das geſammte Volk
nur infoweit binden, als Grund zu der Annahme vor:
banden ift, die Verfaſſung babe bie aligensetne Zuſtim⸗
mung des Landes und Volks wirklich, erhalten. Endlich
ift die Eingehung einzelner unmiderruflicher Staatsver⸗
pflihtungen, mit denen feine Übertragung oͤffentlicher Ges
malt verbunden, 3 B. Abſchluß von Handelsverträgen
u. ſ. w., keine Veräußerung, fondern nur eine Beſchraͤnkung
der unverdäußerlichen Freiheit.
5) Schließe fi aber auch an biefe oben aufgeftellten
Grundfäge die hochwichtige Frage: Hat denn das Volk
oder die Staatsgefammtheit auf eine ſolche Staatsgewalt
und auf folche Gefege ein erzmingbared Recht? Es
if, fage der Verf., eine fehr gewöhnliche Behaup⸗
tung, daß das Volk nicht befugt ſei, duch Zwang
zu feinem Rechte zu gelangen, und daß es durch pofitive
Wuflefaung gegen die Obrigkeit ein Verbrechen begehe.
Damit iſt abet and) das Moll der Staatsgewalt gegen:
ihre für rechtlos erklaͤrt, denn ein Recht, das nicht er:
zwingbar if, if kein Recht, fondern eine Gnade; die Er⸗
Jeingbarkeit iſt das unterfeheldende Merkmal des echte
im Gegenſatte von bios motaliſchen Anfprüden. Dem
Volle Rechte zugeflehen, aber bei Verletzung derſelben
es auf den fogenaunten gefeglichen Widerſtand vermeifen,
nicht die Nothwehr der Staatsgeſammtheit gegen eine ges
fegtefe Staatsgewalt gefhatten — heißt den Grundcharak⸗
ter des Rechts verkennen und vergeffen, daß zwifchen dem
Bolke und feinem Staatsoberhaupte ein Vertrag errichtet
iſt. Wertragsveriegungen, fie mögen auf Nichtwollen ober
Michtkonnen beruhen, heben in conſtitutionnellen tie ab⸗
ſeiuten Staaten den Vertrag zwiſchen Volk und Staats⸗
gewalt auf. Was indeffen von der Sefammtheit, teſpec⸗
eine Mehrheit glit, darf nicht auf den Einzelnen ange⸗
wandte werden, deſſen Widerfland gegen die Staatsgewalt,
wenn fie im ‚Wolke weder Grund noch Anklang hat,
ſtrafbare Empörung if. Dagegen ſteht dem Einzelnen
gegen gefeg: unb ordnungswidriges Verfahren artiver und
yaffiver Widerfland zu, nicht allein gegen die Staatsge⸗
wait, fondern auch gegen bie Mehrheit; denn der Menſch
dat unveraußerliche Rechte, die er ſich von keiner Macht
rauben Laffen darf. Beſonders iſt aber Gewalt vernunft:
zechtlich erlaubt, wenn die Staatsgewalt oder gar bie Mehr⸗
Yet gewiffen Clafſen von Staatsblirgern, oder ganzen Pro:
vinzen und Boͤlkerſchaften eines Reichs geradezu bie unver:
Außerlicgen Menfcyenrechte abfpricht, oder wenn fremde Ab⸗
Bammung, Sitte, Sprache, Religion, die Vereinigung mit
dem Staate unmoͤglich machen. Hier geht beſonders der Verf.
auf das Mecht und ben Begriff der Nationalitäten ein
und begeichwet den Nationalſtaat in felnen Elementen als
den Normaiſtaat. Wenn übrigens ein Bolk von feinem
Mechte und feiner Selbſtherrlichkeit nichts wiſſen wil, fo
bat der Einzelne nicht das Mecht, ſich mit Gewalt dage⸗
gen aufzuichnen; er mag dann aus dem Staatsverbande
treten; jedes Volk aber, das erwacht, hat feine Rechte mit
Necht zu fobern, denn es war bisher rechtsunkundig.
. (Die Yortfegung folgt.)
Die Angriffe der Jeſuiten auf das Unter:
rihtswefen. I
Es iſt unbegreiflich, wesbalb die franzoͤſiſche Regierung den
Anmaßungen der Jeſuiten, die mit unerhoͤrter Frechheit ihr
Haupt wieder erheben, nicht kraͤftiger gegenuͤbertritt. Als die
Saint: Simoniften zufammentraten, um an der Verwirklichung
ihrer feltfamen Reformationstdeen zu arbeiten, wurde gleich da®
Geſetz, welches jede Aflociation von mehr als 20 Perfonen ver
bietet, gegen fie in Anwendung gebracht. Jettt aber können ſich
die Jeſuiten ungeflört zufammenrotten, um mit vereinter Kraft
das gefammte Unterrichtsmwefen anzugreifen. Vergebens haben
die Journale darauf bingewiefen, wie diefe Schleicher das Land
wieder durchziehen; die Regierung drüdt nicht ein Auge, fondern
beide Augen zu. Der „Constitutionnel” hat die Straße und das
Haus bezeichnet, wo in Avignon mehr als 150 Iefuiten ihr Wefen
treiben und wo die Bomben gefchmiedet werden, mit denen man
bie beſtehenden Inftitetiänen über dm Baufen zu werfen hofft.
Bis jest find von @eiten ber Regierung‘ mach deine Gcheltte ge
than, um das ganze Reſt aufzuheben und bem Unweſen ein Ende
u maden. Dies muntert bie tollgeworbene Geiſtlichkeit nur
immer mehr auf zu den unverfähämteften Angriffen gegen tins
zeine Profefforen und gegen bie Univerfität im Allgemeinen. WE
weit Die Jeſuiten hierin bie jetze ſchen gegangen finy, Weiß nen
‘aus politiſchen Blaͤttern, die mit Ansnahme des ‚„„Liaivere‘‘ u
einiger legitimiſtiſchen Journale faſt alle die Plane ber. Berlin
fterer bekaͤmpfen. Gar poffirlih und dharakteriftifch ift, was
der „National” von einem jungen Abbe erzählt, der ploͤtzlich in
eine Borlefung des befannten Barthiiemn St.« Hiloire ber its
gend einen griechiſchen Glaffifer hineingeſtoͤrmt kommt und "ven
Profeſſor mit den heftigen‘ Worten wuterbridgt: „Ich proteſtire
gegen alle Behauptungen, bie Sie aufzufellen wagen.” Das
ganze Auditorium legt feinen Unwillen und zugleid fein Staus
nen über diefe gewaltfame Unterbrechung an den Tag. Der
junge Eiferoe merkte ed enbtich, erfundigte ſich, ob vr denm nicht
einer Vorleſung bes gottiofen Quinet beiwohne und muß, als
er fieht, daß er in ein unzechtes Auditorium gerathen ift, mit
Schimpf und Schande wieder abziehen. Go lange bie Regies
rung, bie doch eigentlich Hier in ihren wichtigften Intereffen bes
droht wird, zum Schutz ihrer Diener nichts thut, müffen bie
Yrofefioren fi ſelbſt "Ihres Leides wehren... Michelet und Qui⸗
net, gegen bie man bie Augviffe mit der größten Erbitterung
gerichtet bat, thun dies in einem gemeinſchaftlich gebes
nen Werke „Des Jésuites“, von dem unfere politifden Zeitun:
gen bereits berichtet haben. Diefe Schrift, in der die Stellen
aus den WBorlefungen diefer beiben Profefforen,, vie ſich auf das
Weſen und reiben der Schüler Loyeta’s beziehen, zufemmens
geſtellt und erläutert find, bat vorzüglich im fühlidgen Srant-
reich, wo ber Jeſuitismus noch mebr ſpukt als in Paris feibfk,
bad größte Auffehen gemacht. Drei oder vier Auflagen davon
find binnen wenigen Wochen vergriffen. Mittterwelie bat fi
denn aber aud) der Erzdiſchof von Paris bewegen laffen, in eis
ner Act von Pirtenbrief, ten bie Zeitungen mitgetheilt haben,
wenigſtens einige von ben Anmerkungen eineg Theils der Geiſt⸗
lichkeit Öffenttih zu misbilligen. Es ift dies eine Conceſſion,
weiche die Regierung erſt nach langen Unterhandlungen durchge:
fegt hat. Indeffen find manche Partien dieſes Sendſchreibens
fo zweidentig auẽegedruͤckt und es laufen fo unhaltbare Saͤte mit
yater, daß eine Entgegnung von Geiten ber in ihren Rechten
bedrohten Profefforen zu erwarten fland. Diesmal tft es Qui⸗
net ollein, der in feiner „Reponse a M. V’archeveque de Pa-
ris” den Handfhuh aufnimmt. Seine Antwort ift ebenfo wär:
dig als ſchlagend: man fieht es ihr an, daß ihr Verfaſſer aus
Überzeugung und für das gute Recht kämpft. - Aue biefe Au⸗
geiffe gegen den Jeſuitismus ſchaden inbeflen demſelben nicht fa
ſehr als eine einfache Geſchichte dieſes lichtſcheuen Treibens.
Wir erhalten ſoeben einen intereſſanten Beitrag dazu, naͤmlich
einen Abdruck der Conſtitution, die dem ganzen Jeſuitismus zu
Srunde liegt. Dieſe Broſchure fährt den Titel: „Les comsti-
tutions des J&suites ayoc les decdarations; texte latin d’apras
l’edition de Prague; traduciion libre.” Gegen folhe Waffen.
beifen alle Schliche und Raͤnke nichts. Es iſt ein für allemaf
aus mit dem Jefultismus und Leute, wie der Kanonikus Des:
garets (Werf. des „„Monopole universitaire’’ und anderer Schand⸗
ſchriften) und ber Abbe Vedrine geben ihm fetbft in ihrer Ver⸗
blendung den Todesſtoß. Wenn man ſchon früger dieſem geiſt⸗
lichen Orden vorwerfen konnte, daß er wol eine Menge Lifliger
und verſchlagener Köpfe, aber nicht einen einzigen wahrhaft aus⸗
gezeichneten Mann vorgebradht hat, fo kann man doch jegt mit
mehr Recht als jemals das Wort Pascal's auf ihn wieder ans
wenden, ber ben Jeſuiten ſchon zurief: „N’entreprenes plus
de faire les maltres; vous n’avez ni le caractere ni la sufüi-
sance pour cela.‘
Verantwortlicher Herausgeber: Heinrih Brockhaus. — Druck unb Verlag von 8. a Brockhaus m Leipzig.
Blätter
für
literariſche Unterhaltung.
nt
Mittwoch,
— Nr. 326. — 22. November 1843,
Gedanken uͤber Recht, Staat und Kirche von P. A.
Pfizer. Zwei Theile.
(Jdortſequng aus Nr. 386.)
Wer es mit der politiſchen Freiheit aufrichtig meint,
wird gewiß alle die Reſultate anerkennen, die der frei⸗
muͤthige Verf. durch feine theoretiſchen Beſtrebungen ver:
folgen will. Es ift die Volksſonverainetaͤt, die bier ale
die urfprüngliche, wahre und einzige Souverainetät geks
send gemacht wird; das Einzelintereffe fol ſich dieſer
allein vernünftigen und rechtmäßigen Macht unterordnen;
aus ihr fließt die Staatsgewalt, die ihr Recht und ihre
Kraft verliert, wenn fie ihr Verhaͤltniß zum ſouverainen
Volke vergißt. Allein was wir vorhin an der Rechtes
entwickelung ausfegten, muͤſſen wir hier wiederholen: das
fubjective Princip dient dem Verf. zue Verwirklichung
feiner Abfichten und feiner Sefinnung nicht volllommen.
Der Staat, verlangt Pfizer fogar ſelbſt, foll ein Orga⸗
nismus, alfo etwas Lebendiges, Subftantielles, mit einem
gemeinfanten Zwecke und Willen Ausgeſtattetes fein. Diefe
Koderung fleht im Widerfpruche mit dem Princip ber
Subjectivität, das rin Aligemeines, keinen Selbſtzweck
des Staats anerkennt. Der einzelne Menfh tritt in
die Vertragsgeſellſchaft, um vermöge der Rechtsanſtalt
feine Sonderfreiheit zu bewahren; Alte flimmen zwar zus
fällig und willkuͤrlich in diefen Zweck ein, aber ber Zweck
ſelbſt ift ein leerer, abflracter, weil das Recht ein ab:
ſtractes iſt: denn ber ganze Inbegriff des erhifchen Les
bens fällt nad diefem Rechte als eine Privatfache des
Individuums außerhalb des Rechts und hiermit auch
außerhalb des Staats. Das iſt eben die Freiheit des
Individuums. Wenn alſo Pfizer meint, fein Staat ſei
nicht allein Rechtsſtaat, fo hat er Unrecht. Der einzige
nothiwendige Zweck der Vertragsgeſellſchaft ift die Garan⸗
tie der fubjectiven Freiheit und bes fubjectiven Rechts;
alle andern Zwede, welche erſt den inhalt und die Fülle
des fittlichen Daſeins ausmachen, find Privatzwecke, zu
denen man ſich innerhalb der Rechtegefellfchaft verbinden
Tann, oder auch nicht. Weiter aber wird in der Der:
tragsgeſellſchaft, wie im fubiectiven Rechte, gerade bie
Subjectivität der Freiheit, die beitchen fol, aufgehoben,
denn die Subjecte müffen im Intereſſe Aller ihre Kreis
heit beſchraͤnken, welches ein Verluſt der Freiheit ifl.
Dfizer wird fogar durch dieſen Widerſptuch des Principe
zu einem neuen Widerfpeuche getrieben, denn er meint,
e6 gebe auch außer dem Staate eine Freiheit, bie natkes
liche, und auch ben Genuß diefer natürlichen Frecheit gms
rantire der Staat dem Einzelnen als ein ˖ Recht, inbem
er ihm den Austritt zugefleht. Der Staat beſchützt atſe
feine eigene Auflöfung, um dem Menſchen zu feinem zw
ſpruͤnglichen Rechte zu verhelfen. Ferner iſt in dieſem
Geſeliſchaftsſtaate, der nichts ale eine welative Freiheit
des abfiracten Willens verwirklichen kann, in dee Wirb⸗
lichkeit auch kein anderes Unrecht vorhanden als die Wen
kegung diefer abflracten Willenofreiheit. Wenn bie Mehr⸗
heit nichts Dagegen hat, daß Einzelne Vorrechte genießen,
das heißt, die concrete Freiheit und das fittlihe Darlehen
dee Andern verlegen, fo ift dies nach bem eigenen (es
ſtaͤndniß des Verf. kein Unrecht, mithin nichts Unſittlͤches
Die furchebarfte Tyrannei, die gremzenlofefte Ausbeutung
eines [wachen und kindlihen Willens, Wette, tft hiermit
möglich und erlaubt. Endlich muß «6 ale Widerſpruch gelten,
daß Pfizer feine Wertragsgefelifchaft als die Urgeſellſchaft er⸗
Härt; er hat-zwar hiermit dem Staate ein natuͤrliches, uni⸗
verfelles, Aber den Willen und den beſtimmten Anfang. eu
babenes Moment beigelegt, aber gerade dies ſtreitet gegen
die Natur des Vertrags, dee Willkuͤr und freie Entſchließung
vorausſetzt. Kant war hierin ſcharffinniger. Das Schlimmſte
an dieſem Geſellſchaftsſtaate ift aber nun, daß er nie exiflirt
bat, daß er nie eriflicen wird, daß er ewig «in Sollen, ein
Ideal der fubjectiven Bernunft bleiben muß. Die Wick
lichkeit zeigt und Staaten, die ein allgemeines, fubſtan⸗
tielle& Daſein haben, denen das Subject als Einzelweſen
verfällt, Die fich von den vohelten Anfängen organiich glie⸗
dern und ausleben, und derem fittliche Größe und Frei⸗
heit eben darin beftehr, daß die natürliche Willkuͤr und
die fubjectiven Zwede des Individuums vor einem allge
meinen Dafein, einer böhern Freiheit verſchwinden. Dee
fo lebendige Staat müßte ſich tünftich und mit Bewußt⸗
fein auflöfen, er müßte fein Leben aufgeben, um durch
die Desorganifation die Fiction eines Geſellſchaftsvertrags
zu verwirklichen. Leugnen wird freilich, ungeachtet biefer
Einwendungen, Niemand, daß das fubjeetive Bewußtſein
in der Entwidelung des Rechts wie des Staats feine
Bedeutung, feine gefcdyichtliche Arbeit und Aufgabe zuges
theile hat. Als eben das allgemeine Leben der euzopäl:
ſchen Voͤlker in Staat und Geſellſchaft die Beute eines
: 6 :
einzeinen Subjects oder einer Minderheit der Staatsége⸗
noffen geworden war, erhob fid in dee Wiffenfchaft wie
in dem populairen Bewußtfein der fubiective Freiheitsge⸗
danke und warf im Intereſſe aller Subjecte die gefchicht:
lichen Schranken wieder, dis Einzelne zu ihrem Pribat⸗
wortheil für immer gezogen hatten. Diefe große univer⸗
felle That, in welcher die Völker eine neue Stufe des
gefchichtlichen Lebens und Fortſchritts erſtiegen, iſt die
feanzöfifche Revolution; das erwachte Princip der Sub:
jectivitaͤt hat fie voltbracht und vollbringt die That der
Befreiung vom gefchichtlihen Egoismus immer noch, wo
fi derſelbe hartnädig der tebendigen Bewegung ent⸗
k-
Ein dritter Abſchnitt der Abtheilung iſt nun bie
EStaatatunſt uͤberſchrieben. Pfiger bekennt felbft, daß
die „Urgeundfäge”, die ex ferben über Recht und Btaat
entwickelt, nicht fähig find, das Organiſche des ſtaatlichen
Sehens (das er für feinen Geſellſchaftsſtaat doch chen in
Anſpruch nahm) aus ſich hervorzutreiben, daß das Geſetz
ven Volksherrſchaft und der Stimmenmehrheit, „welches
nur auf matbhematifchen, aͤußerlichen“ Verhaͤltniſſen bes
suohe,, wei der Anfang bes vernuͤuftigen Staats, aber
wicht dee Ausbau ſelbſt ſei. Um feflere Formen zu ges
winnen (mit andern Worten: um zur Wirklichkeit zu
gelangen) ſell nun für das arithmetiſche Verhaͤltniß das
qualitative, dynamiſche eintreten, es follen „die organiſchen
Belege geiftig > ſinnlicher und geifliger Lebensentwidelung
maßgebend‘ werben. Dieſe Willenichaft, die Das vermag,
IR die Potitit. Sie has e6 zu thun mit den Maturgefegen
uud Naturbedingungen bed Staates und Voͤlkerlebens; fie
iſt im Gegenſatze zum Rechte eine rein „empiriſche“ Wiſſen⸗
ſchaft. Diefe Politik ſtellt ein Muſterbild von Staat auf
und lehet den Weg zur Annäherung ans Ideal.
- Damit bat unfer Verf. freilich ſelbſt befannt, daß
fein phlieſophiſcher Standpunkt eine Abſtraction fei, die
nicht faͤhig, die ſittliche Mothiwendigkeit des lebendigen
Dnsankämut, wie er am Staate hervortreten fol, zu bes
greifen mund zu entwideln. Indem es die Speculation
laͤßt, muß es die Erfahrung, die finulicdye Abſtrac⸗
fallen
sion, ein rein Äußerlihes Moment, zu Hülfe zufen, um |
An Staatsgebaͤude zu couſteuiren. Welcher Widerſpruch!
Warum, kann man frngen, bat der Verf. überhaupt erſt
ꝓhiloſophlet, wenn das Mefultat fo rofllos ift! warum wies
ex ben Vorwurf eined atomiſtiſchen Staats mit Unmillen zus
che und vindieirte fi) den wahren organifchen, wenn er das
Denken feiner Macht entfegen und die Zuflucht zur Äußerlich⸗
keit, zum Mechanismus, nehmen muß. Alle Geſtaltung iſt
mit diefer Wendung ins Zufällige, Vage geftellt; dem will⸗
Eixiichfien Ratfonnement wird Thor und Riegel geöffnet.
Eime ſolche Politik if das Geſtaͤndniß, dag Beine Ver;
wunft in der gefchichtlichen Weit, keine Idee im Staate
fei: die Staatsform wird dann bedingt durch eine größere
oder geringere Gabe von Klugheit.
Pipe fagt ſeldſt, daß das Feld feiner Erfahrungs:
wiſſenſchaft, die dem Gedanken aufbelfen fol, unermeßlic
fel: und er bar Recht. Das erfahrungsmäßige Raifonne:
went Über die beſte und ſchlechteſte Stantserdunng iſt
nnerſchoͤpflich; bie Sachen Einnen ſich ſehr vielfältig ver
' halten, da Einer biefe, ber Andere eine andere Erfahrung
bat. Er faßt deshalb den Entfchluß, Hier nur von ber
Drganifation der Gtaatögewalt zu verhandeln; aber auch
bei diefer freiwtlligen Beſchraͤnkung iſt ex feines Wiſſen⸗
ſchaft gemäß. dem Unbeſtimmten, Zielloſen, ſowol nad
Form wie nach Gehalt, nicht entgangen, weil er an der
Hand eines Princips nicht mehr geleitet wird.
Aus der unſpſtematiſchen, ſchwankenden Darfielung
wie heran. Die Volkomaſſe kann um;
möglich in allgemeinen Volksverſammlungen ale Verrich⸗
tungen der Staatsgewalt unmittelbar beforgen,- fie muß
fih entfchließen, die Staatögewalt ganz ober theilweile
duch Bevollmaͤchtigte auszulben, welche als „kuͤnſt⸗
liche Organe’ des Geſammtwillens bie Stelle des „nu:
türlihen Organs‘ dr Mehrheit in der Volksverſamm⸗
[ung vertreten. Überträgt Ecaft ihres fouverainen Willens
bie Mehrheit nun die ganze Staatsgewalt, ohne fich ei:
nen Theil vorzubehalten, einem Einzigen, fo entſteht bie
reine Monarchie, Wenigen, fo ift dies die reine Atiſto—
Erätie. Diele beiden Staatsformen haben den Nachtheil
an fi, daß mit ihnen die Staatsgewalt leicht als ein
Eigenthbum und Privatglüd amgefehen wird, wobei ale
Selbfigeltung der Mehrheit verloven geht; doc iſt Die
reine Monarchie, oder die Alleinherrſchaft, fowie die Arifto:
kratie, die erſprießlichſte Staatsform bei Völkern, die auf
der niedrigften Stufe der Cultur fichen, und bie eine
ober mehrer tüchtiger Leiter (Schulmeiſter) bedürfen,
Immer aber werden auch diefe Völker das Recht haben,
ich diefe Form felbft zu wählen (was freilich fhon einen
Grad von Weisheit und Reife vorausfegt). Lberträgt
bagegen das Wolk feinen Statthalteın unb Vertretern
aus einen fo geringen Theil der Staatsgewalt, oder ift
deren Gewalt auf fo precaite Bedingungen geftellt, daß
fie vom Willen ber Volksmehrheit ſtets abhängig bleiben,
fo entfteht die demoktatiſche Verfaffung. Diefelbe wird
nicht felten für die vernünftige und natuͤrlichſte, ja fo-
gar für bie allein rechtmäßige erkannt; allein fie fegt nur
die mündigfte Vernunft im Volke voraus, das Volk muf
veif fein, um vernünftig zu denken und zu handeln”;
we das nicht des Kal iſt, da kann die Volksherrſchaft
auch eine ſehr unvernuͤnftige fein. Freilich muß uns bei
dieſer Äußerung die Frage aufftoßen, warum der Verf.
die Demokratie, die allein die Vernünftigkeit zur Nor:
ausfegung hat, nicht an der Epige des Vernunftſtaats
als das Ideal aufgeftellt hat, dem die Menſchheit ent:
gegenzeifen fol und muß. Auch nimmt es uns Wun:
ber, wie er im der langen Abhandlung unzählige Male
Gelegenpeit nehmen kann, bie demokratiſch⸗ Verfaſſung
als einen wahren Popanz vom politiſcher Geſtaltung zu
ſchildern, wenn ſie doch nach dieſer Verſicherung eigent⸗
lich die hoͤchſte, vernunftmaͤßigſte und darum ſchens⸗
wertheſte iſt. Dieſes Schwanken und Widerrufen iſt
eben der Mangel des Principe und bie. Folge des erfah⸗
rungsmäßigen Raiſonnements. Nachdem aber Pfijer bes
merke, daß bie demokratiſche Verfaſſung nicht die allein
sechtmäßige fei, weil das Volk zw jeder Zeit das Recht
beige, ſich balichig dis Uerfaffungkfeum zu wählse: (melde
Abſtraction ber Sreigeiti), führe er adfe fort: Noch woit
ensfchiebeter muß widerfprodgen werden, daß ‚reine Gleich⸗
berefchaft‘’, oder unmittelbare Selbſtherrſchaft des Volks
auf dem Fuße volltommener Gleichheit Aller (alfo die
reinſte Demokratie) die „natürlichſte“ (zwecmaͤßigſte)
Verfaſſung ſei. Waͤre fie dies, fo muͤßte man fie in bee
Wirklichkeit viel haͤufiger finden. Dieſelbe bietet — fügt
er hinzu — das Unnatuͤrliche dar, daß in einem Staate
die Minderheit der Beſten durch die Mehrheit unterdruͤckt
wird. (Warum bier Unnatur, wenn ſonſt nach dem Prin⸗
eip des Verf. die Mehrheit das abſolute, vernünftige
Recht hat!) „Natuürlich“, beißt es zuletzt, iſt bie
reine Volksherrſchaft nur bei Voͤlkern, die entweder die
hoͤchſte Bildung errungen, oder die zufolge ihrer Einfach⸗
heit und Unſchuld einer eigentlichen Regierung gar nicht
bedürfen. Da nun aber die Culturzuſtaͤnde, welche zwi⸗
fen den zwei Endpunkten uranfänglicher Roheit und
vollendeter Bildung liegen, bie Regel bilden, fo folgert |
Dfer,- daß „ohne Zweifel” die gemiſchte Staatsform, bei |
der die Staatögewalt zwiſchen dem Volke und einer arifto:
kratiſchen oder monardifchen Gegenmacht getheilt iſt, die
beſte ſei; dieſe gemiſchte iſt die conſtitutionnelle.
Der Verf. iſt durch dieſen Sprung bei ſeinem Ziele
angelangt, naͤmlich: bei der conſtitutionnellen Monarchie.
Er conſtruirt dieſelbe nicht etwa als den Schlußſtein der
suropäifchen Staatenbildung, ſondern feinem Ausgangs:
punfte gemäß als die zweckmaͤßigſte Form unter den bes
wandten Umfländen; obfhon er keine höhere Geſtaltung
in Ausficht ſtellt und faſt auf allen Seiten ber langen Abs
Handlung von dem demokratiſchen Princip (das doch eigents
lich das hoͤchſte fein follte) Schlechte® ausfagt. Und doch
ſucht er auf der andern Seite dem conftitutionnellen Syſtem
wiederum eine tiefere, wefentlichere Begründung zu geben,
indem er die Nochwendigkeit des ariſtokratiſchen Elements,
allerdings nur duch Analogie, zu beweiſen firebt. Durch
Die Natur, fagt er, geht das Geſetz des Gegenfages, auf
dem alles Leben beruht, das Gefeg von body und niedrig,
reich und arm, groß und klein; zugleich aber auch ber
Kampf diefer Gegenfäge. Im Menfchenieben iſt es nicht
andere.
Gleichheit ringe, firebt diefen Gegenſatz zu vernichten;
feine Anfttengung (die. doch eigentlich vernünftig, wenn
auch nicht natürlich wäre) iſt aber vergeblich, denn dieſes
Gefeg ift unuͤberwindlich: ed gibt eine urſpruͤngliche Ariſto⸗
Sratie, Menſchen von höherer Beflimmung — das ift die
Ariſtokratie des Talents. Um dieſem ariſtokratiſchen Mo:
mente, das das demokratiſche befchränken, und damit das
wahre, natürliche Leben ficherfiellen foll, zu feinen Rechte
und feiner Wirkſamkeit zu verhelfen — dazu iſt der Con⸗
flitutionatismus die befte Staatsform. (Indbeſſen könnte
man immer einwenden: warum nicht auch die reine De:
mokratie, da fie den Gegenfag nicht uͤberwindet?) Jedoch
wendet dee Verf. bald ein, daß bdiefe wahre Ariftokratie
des Talente leide im Staate ein Demagogenthum bes
gründen könnte; er geflattet darum, ohne weitern Grund,
auch eine Ariftofentie der Geburt und des Reichthume,
Das demokratiſche Element, das nach abfoluter |
welche im conſtitutionnellen Staate bie erſte Rammer
bilden ſollen. Die Geiſtesariſtokracia wird der Volks⸗
fammer zuertheist. In wehdhen nochwendigen und ins
nern Zufammenhange aber die dritte Potenz, das Königs
thum, ftebt, ift uns bef der ſchwehenden und ſchwanken⸗
ben Darfiellung nicht eben recht klar geworden; es fcheint
von Pfizer als ein der europaͤiſchen Welt eigenthimliches
Sdeal, als ein Gebild germanifcher Poefie begriffen zu
werden. Trotz dieſes ungenügenden Ausgangspunkts,
dieſes Mangels am Princip, dieſer Widerſpruͤche und
Unbeſtimmtheiten, die garade hier, wo die Bewegung dee
Gegenwart fo fehr eingreift, fo uͤbel empfunden werben,
enthält der Abſchnitt eine Reihe. von Epiſoden, in wei
hen die tapfere Geſinnung, der fcharfe kritiſche Geiſt
und das große Darfellungstalent des Verf. glänzend
hervortreten und das Herz und das Intereſſe des Leſers
mächtig gewinnen. i
(Die Fortfegung folgt.)
Leflingiana von Gottlieb Mohnike. Nach dem Tode
des Verfaſſers gefammelt und herausgegeben von feine
Sohne. Leipzig, Cnobloch. 1843. 8. 1 Thir.
Mit einer Genauigkeit der Detailkritit, wie fie in der er
| gel nur in philologiſchen Unterfuchungen über griedhifche und roͤ
mifche Schriftfteller zu Daufe ift, find hier mehre Punkte aub
beffing's riterariſcher Thaͤtigkeit erdrtert. Wir betrachten z uvoͤr⸗
derſt das Einzeine. 1) Leſſing's Beiträge gu den „Ermunt erun⸗
gen‘, ‚vergtichen mit dem Abbrude verfeiben bei Lachmann. Groͤß⸗
tentheils Barianten zu einzelnen Liedern. 2) Leffing’s Beiträge
zu der von Chriftlob Mylius herausgegebenen phyſikaliſchen Mor
chenſchrift „Der Raturforfcher”, auf bie Jahre 1747 und 1748
(mit Kupfern; Leipzig, Grull, gr. 8.) Zu biefer jest fehr
| felten geworbenen, auch Lachmann nicht zugänglichen Beitfchrift
lieferte Leffing namenttich poetiſche Beiträge; Hr. Mohnife gibt
nike berfelben neu, andere verändert gegen Lachmann. Es find
meiſt ſcherzhafte Gedichte, ſichtiich Jugendproducte; eine etwas
längere Ode: „Die lohnende Aſtronomie“, ift ziemlich ascetiſch ge⸗
halten; hinfichtlich zweier Briefe aͤußert Dr. Mohnike nur bie
Bermuthung von Leſſing's Autorſchaft. In dieſer Jeitſchrife
ſtanden auch bie hier 3) mitgetheilten epigrammatifchen Anmer⸗
kungen Leſſing's zu einem Gedichte eines Andern. Leſſing ver
theidigt in ihnen die Alten gegen einen Laudator temporis novi,
Der vierte Auffag: „Iſt Eeffing als Epigrammatiker ein Par
giarius zu nennen?’ tft eine „Rettung” bes Dichters gegen die
von Haug im „Neuen teutfchen Merkur" 1793 erhobene Anſchui⸗
bigung , baß berfelbe „Im Jache des Sinngebidts großentheils
nur Uberfeger feit. Haug bat dort nachgewiefen, daß vom
Leſſing's Spigrammen, deren ungefähr 200 find, 54 thells aus
der „Anthologie‘', theild aus Martial, theils aus neuern Lateini-
fhen und frangöfifchen Dichtern entiehnt find. Br. Mohntke
tut nun, namentlich aus brisflichen Äußerungen Lefing’s, dar,
daß berfelbe diefe Benuhung fremder Gedanken keineswegs ges
lwugnet babe, und macht auch noch gegen eingeine von Haug
behauptete Nachbildungen befonbern Ginwend. Ginen Haupe⸗
theil des Buchs büden 5) die „Griäuterungen zu einigen @inn«
gebichten Leſſing's, in denen: theild nach Bang die Originale mit⸗
getheilt, theils befondere. Erklaͤrungen in Betreff der durch dieſe
Spigramme berührten Perfonen und Verhaͤltniſſe gegeben werben.
Daran ſchließt ſich 6) „Sinngebichte von Lefling, die ſich unter
feinen Sinngebichten in keiner Ausgabe feiner
Raben! un an der Kr —* Fünf J ber Lachmann ſchen
gabe ich i ades, dort beſinduche
Stammbuchoiait Sefling’s: wi ’
.
’ 34.
Die Chre dat mie nie aefat,
Ste haͤtte mich au nie gefunden.
Wählt man in zugesählten Gtunden
Ein prägtig Feierkleid zur Blucht?
Aub Schaͤtze hab' ich nie begehrt.
Was Hilft ed, fie auf kurzen Wegen
Juͤr Diebe mehr ald fih zu hegen,
Bo man das Wenigſte verzehrt?
Wie Lange waͤhrt's, fo bin ich Hin
Und meiner Nachwelt untern Füßen,
Was braut fie, wen fle tritt, zu wiſſen?
Weiß ich nur, wer ich bin.
Ge wid hierauf 7) erörtert: „Von wen flammen die (vier)
@innfchriften auf das fogenannte Heldengedicht Hermann, bie
Lachmaunn feiner Ausgabe den Leffing’ichen Schriften einver⸗
teibt bat?’ Zwei davon werden Käftner vindicirt, von ben
beiden andern laͤßt es der Verf: unentfchieden, ob fie von Kaͤſtner,
Mylius oder Leffing felbft herrühren. Es knuͤpft fich hieran eine
Iterarifche Charakteriftit My’. Endlich find unter der Ru:
heit 8) Wermifchtes, eine Partie literarpiftorif—er Notizen über
den eben Genannten und effing gegeben, die zum großen Theil
nur das Gepraͤge fluͤchtiger, vorläufiger Notate tragen.
Das Verdienſt diefes Schriftchens ftellt ſich ſonach nur ale
ein fecunbaires heraus; es wird für den Literarhiſtoriker beach:
tenswerth bleiben, infofeen er darin Vorarbeiten und theilweiſe
Ausführungen in Betreff der literariſchen Charakteriſtik Leffing’s
und einiger feiner Zeitgenoffen findet. Aber an ſich hat es nad)
Anhalt und au nach Form — die häufig ohne allen Anfprud)
auf aͤſthetiſche Bedeutung erfheint — ber vielen Wiederholun⸗
gen, ferner der häufigen Mikrologien nicht zu gebenten, keinen
dhern Werth. In weichem Verhaͤltniſſe es zur Lachmann'⸗
hen Ausgabe ſtehe, darüber enthält zwar bie Vorrede bed Her»
ausgeberd die Bemerkung, daß ein Theil der Bufäge und Vers
befferungen, welche Lachmann dem 13. Bande feiner Ausgabe
von Eefling’d Schriften angehängt habe, von dem NWerf. biefer
Schrift herruͤhren, und daß der lettere jenem auf fein Verlan⸗
en einen Theil des Manuſcripts (ber vorliegenden Schrift) ger
—* babe; allein es findet ſich auch durchgehende auf die FR
mann'ſche Ausgabe hier Bezug genommen und einmal (S. 15%)
ift fogar eine Anmerkung mit ber Bezeichnung „„‚Mittheilung dom
Heren Profeffor Dr. Lachmann’ begleitet. Es fcheint hier ſo⸗
nad eine Wechfelwirtung anzunehmen zu fein. 56.
Nordbamerilanifhe Miscellen.
(Auszüge aus den Öffentlichen Blättern der Wereinigten Staaten
vom Sabre 18, )
Sn Amerika gibt es cbenfo wol militairifhe Schau:
fpiele wie in Europa, mur daß fie dort von Freimilligen aus den
Milizen ausgeführt werden: Der „Inquirer“, ein pennfpivanifches
Biatt, berichtet: „Das libungsiager, weiches im Monat Mai bei
Neabing gehalten wird, ift eins der glänzendften, das man je
bier gefehen hat. Die Lage deſſelben auf der Flaͤche von
Penn's Berge ift ganz zu dem Zwecke geeignet, da nicht nur
eine hoͤchſt reine Atmofphäre daſelbſt herrſcht, ſondern auch
Überflug an koͤſtlichem Quellwaſſer vorhanden iſt. Der Zuſam⸗
menfluß der Menſchen iſt ſehr groß; aber dad Terrain iſt nicht
aus.alle aufzunehmen im Stande, fondern bietet auch Raum
enug dar für bie größten Felbmanoeuvres. Generalmajor John
bis, ein erfahrener Offizier, wird den Befehl im Lager fühs
sen. Ieden Tag wirb bie gehörige Beit auf praftifche Waffen:
Übung ‚verwendet und zwar fowol einzeln in Eompagnien al6
in Bataillonen unb größern Waffen. Daneben werben taͤglich
. ben übrigen weftiichen Staaten 200,000
zwei Workefungen Im Lager aehatten über miitatrifühe en⸗
Rinde ats: Befeitigungstunft, Peſchatuste Angeiff und
theidigung von feflen Plaͤgen, allgemeine Taktik und Bewegunges
lehre von Heeren, Schladhtorbnung, höhere Taktik und Feld⸗
herrnkunſt. Am 21. Mai hielt der Gouverneur von Penus
fotvanien Hr. Porter als Oberbefehlshaber der Armee diefes
GStaats eine große Muſterung, und Benerat Scott, Oberbefehls⸗
haber ſaͤumtlicher Truppen der Vereinigten Staaten, wird ſp⸗
ter in Gemeinihaft mit dem Kriegeſecretair der Bereinigten
Staaten ebenfalls eine Heerſchau halten. Montage den 23,
wird nach der Scheibe geſchoſſen und diejenigen ber Compagnien
von PBreimilligen, weiche fic als bie beften Schuͤten bewähren,
erdatten ein in Gold gefaßtes MWiniaturgemätde ald Preis.
Außerdem wird Unterricht im Stehen und Schlagen mit bem
Schwerte eilt, Abende wird ein glänzendes Feuerwerk abs
gebrannt. ie Ragerbebärfniffe, wie Stroh und Feuerung,
werben den Truppen unentgeltlich verabreicht und die Freiwilli—
gen haben daher nur ihre Reifekoften und bie Gpeifung zu bes
zahlen. Die Mabigeit koſtet im Lager nur Gentt. Die
Readinger Eifenbahngefellfchaft verfauft Paflagierbillets an bie
Milizen von Philadelphia für 1 Doll. 25 Gents unb verlangt
ebenfo viel für die Ruͤckfracht. Diefe Billets werben während
der ganzen Zeit des Lagers ausgegeben.”
Die „Ute und Neue Welt‘, eine deutſche Seitung aus Phi⸗
ladelphia, vom 14. Mai bemerkt: „In der voriegten Woche biele
ten die Temperanzleute zu Reuyork eine große Generalver⸗
fammtung, bei welcher 6000 Perfonen zugegen geweſen fein
follen. Gr. Thomas Marſhall, ein Kentuckyer und befehrter
Saͤufer, hielt eine begeifterte Rebe und erntete großen Beifall.
Der Gecretais ber Berfammlung las Hierauf einen Bericht vor,
worin bie Anzahl aller in ben Vereinigten Staaten umgewans
beiten ehemaligen Trunkenbolde anzugeben verfucht ward. Dies
felbe fol fi nad) dieſer Angabe fhon auf eine halbe Million
belaufen. In Kentudy follen ſich 30,000, in Ohio 60,000, in
| ‚in Maine 50,000, in
Bofton allein 30,000, in ber Stadt Neuyork 16,000, in der
übrigen Theilen des Staates 50,000, in Philabelphia und ber:
Umgegend 20,000, in Pittsburg und der iimgegend 10,000 bekehrte
Saͤufer befinden.” Dieſe Zahlenangaben fcheinen indeffen aus
der Euft gegriffen zu fein. So viel aber ift gewiß, daß die Ge:
ſeilſchaft nur fehe wenige ober faft gar keine Deutfchen unter
ihren Mitgliedern zähle. Die Unſitte ſich zu betrinken iſt nidt
burch Deutſche in dieſem Lande eingeführt worden. : Bornehmii
find es bie eingervanderten —ãA dieſem Laſter an
find. Wenn wir fo Manche jegt fih mit der Ablegung bes
Lafters der Trunkendeit brüften fehen, fo koͤnnen mir uns nicht
enthalten, biefeiben mit eben den Augen anzufehen wie einen
Lügner, Verlaͤumder ober Wolläflfing, wenn ein foicher ſich
rübmen wollte, d 8 TR
nem Safer tosjumadıen, es fchrifttich verſprochen, ſich von ſei⸗
Zwiſchen den Straßeniungen in Bofton undden Studenten
dee benachbarten Univerfität Gambridge war ein Krieg ausgebro⸗
Sen. Den Studenten war e6 eingefallen, bie eumben Düte ale:
opfbedeckung abzuſchaffen und flatt berfelben vieredige Muͤten
wie die Studenten zu Orford in England zu tragen. Die liebe
Gtraßenjugend in Boſton aber fand diefe Tracht fo lächerlich,
daß fie bie Otudenten verhöhnte, und ba dieſe die Beleibigung
nicht rubig hinnehmen weiten, fo kam es zu einer Straßen⸗
fhlägerei, wobei indeſſen die Stubenten ben Kuͤrzern zogen.
Eine Anzahl boftoner Straßenbuben zog hinaus nad Cambridge:
und warf dort einige Fenſter ein, wobei aber mehre verhaftet
wurben. „In einem freien Rande”, bemerkt eine amerikaniſche
Zeitung * ee wantaffung, —* man doch billigerweife
nu n enten, u die t waͤhlen
die ihm am beſten gefällt.” * Fl
Verantwortlicher Derausgeber: Helnrich Brokhaus. — Drud und Berlag von F. X. Brodhaus in Leipzig.
ade"
literariſche
— —
Donnerstag,
Gedanten- über Net, Staat und Kirche von P. A.
Dfizer. Zwei Theile,
(Zortfegung aus Pr. 336.)
Im vierten Hauptabſchnitte wird „die Kirche” bes
tradhtet, und zwar zuerſt „Das Kirchenrecht”. Außer ber.
häuslichen und bürgerlichen Geſellſchaft gibt es noch eine
dritte in dee menſchlichen Natur begründete: dies iſt die
Kiche. Das Abhängigkeitsgefühl führt den rohen und
gebildeten Menfchen auf Gott und Relidion, worin eben‘
die Kirche Ihren nothtwendigen Grund bat. Die kirchliche
Gemeinde ober Geſellſchaft wählt darum mit der bürger-
lichen zugleih, und Staat und Kirche zeigen entfprechende
Bildungen und Entwidelungen; wie ber Rechtsbegeiff'
und der Staat auf dem Naturgefeb, dem Glauben, ber.
Vernunft beruht, fo gibt es auch eine natürliche, geoffen=!
barte und vernünftige Rellgion; wie es monacrchiſche,
ariftofratifche, demofratifhe und gemiſchte Staatsverfaf:
fungen gibt, fo auh Kirchen.
Mas aber die Duelle und das Princip des Glaubens
und der Rellglon bettifft, fo kennt Pfizer eigentlich nur
zwei Hauptformen religioͤſer Anfhauungen: die natürlide:
oder finnlihe und die geiflige oder vernünftigsfittliche.
Nicht die theoretifche, fondern nur bie praktifche Vernunft,’
weiche durch das Gewiſſen unmittelbare und erfahrungs⸗
maͤßige Gewißheit von dem Daſein eines Unbedingten‘
(naͤmlich der ſittlichen Freiheit) gibt, iſt die Quelle des
vernünftig = ſittlichen Religionsbegriffs. Da fich aber bie
wenigften Menſchen und Völker über die finnliche und’
verfländige Betrachtungsweiſe zu erheben vermögen, umd
den hoͤchſten Vernunftwahrheiten bie legte Probe, naͤm⸗
lih der Augenſchein, fehlt, fo werden einzelne ausgezeich⸗
nete Geifter die Stifter von pofitiven Religionen, bie auf
Mittheilung und Überlieferung beruhen, und an die Stelle
des reinen Vernunftglaubens tritt: der Dffenbarungs-
glaube, eine dritte Hauptform.
Die durchgreifende Analogie zwiſchen Staat und
Kirche und ihren Verfoffungsorganiemen — bie nur.
daß in ber.
in dem einen Kalle nicht flatefinder,
Kirche die Mehrheit nicht ale nothwendig, hoͤchſtens
als natdrlih gilt. — gründet fih auf bie gemeinfame
Wurzel beider, auf bie firslihe Natur des‘ Menfchen
ſowie auf die Einheit ihres festen Zwecks und End⸗
ziets. Auf den Glauben eines heiligen und umverbrüchs
Blätter
für
Unterhaltung
fi | Duke 7 en Ze ⸗
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‚P
2
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)
Vernunftglaubene — vorausſetze. Wie nun aber Staat
und Kirche duch gemeinfamen Urfprung verbunden find
und zufammengehören, fo haben Glauben und Recht,
Religion und Politke eben dieſe Verwandtſchaft in Ihres
legten Iwede, im Endziele. Das Recht wäre für ib
nar ein Mittel ohne‘ Zweck; es iſt dem Menſchen r
verllehen zur Errrichung aller menſchheitlichen Zwecke, bie In
feiner vernuͤuftig⸗ſittlichen Beſtimmung llegen; bie Staate⸗
kunſt ſoll nicht blos das (abſtracte) Recht verwirklichen,
ſondern fie ſoll durch daſſelbe "für die hoͤchſten Menfch⸗
heitszwecke thaͤtig ſein. Aber auch Religion und Kir
haben keinen andern Zweck als die hoͤchſtmoͤgliche Bi
edlung und Heiligung des Menſchenlebens. Was der
Staat will — bie Vollendung des menſchlichen Dafelns,
"die Realiſirung dee hoͤchſtmoͤglichen Gluͤckſeligkeit — das
will auch die Kirche. Nur unterſcheiden ſie ſich in dieſer
ihrer Einheit etwa dadurch, daß der Staat mehr das
aͤußere Wohlergehen bezweckt, die Klrche iſt die Anſtalt
fuͤr das innete, das Seelenheil.
. Diefe Einhelt von Urſprung und Biel mache’ min
"aber begreiflicg, wie ſich Staat ynd Kirche in einem
ganismus verkörpern können, und wie da, wo fie nide
zufammenfallen, die Wege beider ‚fo aneinander laufen,
ba bie Frage nach ber Stellung "ber Kirche zum Staate
entfteht. Die Geſchichte zeige uns ſchwankende Zuſtaͤnde
auf, die das Intereſſe beider gefährbeten; : die" Wiſſen⸗
ſchaft der neuern Zeit hat das Verhaͤltniß beiber philofes
phiſch unterſucht (4) und ken Grundfag vom Coorhings
tion als den allein richtigen und für beide heilſamen aufs
geſtellt. So, meint auch Pfizer, kann nur Eins aus
dem Andern Vortheil ziehen; fo ift nur bie Exiſten; beis
der gefichert, benn Eins befteht und, wirft nur durch und
für das Andere. Allein die Wirklichkeit entfpricht bee
vernünftigen Theorie, zumal In ber proteftantifchen Kirche,
3
TR:
ganz und gar nicht. Wenn auch beit pr ſch Traͤge geiſtigen Lebens und der geiffigsfitstichen In⸗
Staatshaͤuptern nach dem Begriffe bes Rechtsſtaats das
ſogenannte Reformationsrecht, die Oberaufſicht mit bem.
Placet, das des Rechtsſchutzes der Kirche und der Glieder, der
Antheil an ber Befetzung geiftlichee Ämter zußeht, we
Keime: offer: elibe Foul,
® te Unſeftig AAfzubeden, "To muß der Nechte⸗
)
ufland ber Kirche doch fo lange ein precaiter, und ihre
Stellung zum Staate eine einfeitige bleiben, als feine
Gegenfeitigkeit ſtattfindet, al8 immer nur der Staat. bie
Kirche, die Kirche aber nirgend den Staat überwacht.
Bei Staat iſt gegeuwaͤltig bei jedem-Sechlichen Muſlicte
artel und Richter zugleich; er übt der Kirche gegenüber
Mecht der Selbſthinfe im Ausgebehnteften Umfange
mus, und iſt dadurch in hen Stand geſetzt zu hexrſchen
iend zu heſchraͤnken. |
,. „a6 freiwillige Kicchenfpftem, tie es in Nordamerika
„fastfindee, und nach welchem die Kiche und religioͤſes
„Leben gang in das Privatleben der Geſellſchaft gewieſen
‚i Felt eine Loͤſung biefed Widerſpruchs zu fein; allein
19 — Loͤſung iſt mehr ein his jetzt noch nicht erprobtes
yr hapen bes, Rantens. Unter biefem Verhaͤltniſſe iſt
„e Kid ber Sefpliterung ausgefegt, der Staat muß:
‚auf ‚die Eipwirkung veligiöfer Triebfedern in. feinem Ge:
„biete verzichten, er kann den Religionsunterricht, der ein
weſentlſcher Fell der Volksbildung, nice Überwachen, er
‚muß bie Ehe ihrer veligidfen Weihe entkleiden, er kann
u ‚dem relgiöfen Fanatismus fein Biel fegen. Der
e (abſtracte, porhin beduciete) Rechtsſtaat kann dies
enfalls thun; der Vernunftſtagt, der die Geſammtbe⸗
immung dee Menfhen umfaßt, darf Religion und Kir:
anthum aus dem Bereiche feiner thätigen Fuͤrſorge nicht
Kusſchließen: er würde dann den edelſten Zweck menſch⸗
, fihen Zuſammenlebens, die Pflege. bes religidfen, ſittlichen
die geiſtigen Lebens, dem Bufalle überfaffen — die
3
1
—— am nicht allein Mittel, ſondern auch weſent⸗
?wec. ER oo
Sie Kann aber die Selbſtaͤndigkeit heider ſo hergeſtellt
„pushen, daß Keins das Andere hindere, daß beide bie Au⸗
onopale haben, und doch auch, ihrer Natur gemäß, ihre
.gemeinfanmen Zwecke verfolden innen? Bis jest, fagt
fizer, kennen Wiſfenſchaft ‚und Leben nur einen wirkſa⸗
men Schut gegen Misbraͤuch ber oberſten Staatögewalt,
Bi: e —— an der Staatsgewalt und deren
KWEkeichilitg. Das, was dem Volke ſein Recht und ſeine
organifche Thellnahme am Geſammtleben ſichert, muß
—3 Kirche Schug geben und fie zu einem ſelbſtaͤn⸗
digen Gliede des Sthatsorganismus machen. Sie muß
’eln. Zwelg der Staatsgewalt werden und bie Mitwirkung
72 —— Geſetzgebung erlangen. Durch dieſe Ver—
—— et Kirche ins heutige Repraͤſentativſyſtem
"würde es der Kirche, als einem ſelbſtaͤndigen Factor der
Beſgmmtſtaatsgewalt, nie an Rechtsſchutz fehlen, denn
fi wuͤrde bie Gefege ſelbſt machen helfen" und fich auf
"bit petit: Becantmbctichtei der Voͤllzlehenden ſtuͤtzen
koͤnnen. Mit biefer Thelinahme an der Staatsgewalt
"taürbe ‚aber auch bfe Kirche, Gelegenheit Haben, ale die
‚würde das ethiſche Element, die Seele, das Her
.ben. Daß Seſe Stellung ber Kirche ch if,
Geiſtlichkeit Del ſegendreiche ——
zeigt bie Si te ‚bes Ditttelaite, g
terefjen die hoͤchſten Fragen bes Staats zu loͤſen: fie
in den
Staatskörper bringen und ihm die hoͤchſte Weihe ge
daß Bi
fünde,
irche
große und gluͤckliche Staatsmaͤnner hervorgegangen find.
Und nicht dieſe Stellung hat zu jener Zeit den Staat
bedruͤckt und iſt ihm uͤber den Kopf gewachſen, ſondern
allein der Papismus, der vom Episkopalſyſtem wohl zu
unterfcheiden. en ü
In einem zweiten, „Der Kirchenſtaat“ überfchriebenen
Abſchnitt gibt ſich nun Pfizer diefer frommen Hhpothefe ferner
bin. Er ſagt, daß dieſe Wiedergeburt ber, Mucter aller
geiſtigen Intereſſen, der Kirche, zuvoͤrderſt der Staats⸗
kunſt einen neuen Geiſt einhauchen wuͤrde; die Politik
müßte von der Klugheit dann zur Staatsweisheit Über:
gehen, ber Rechtsſtaat wäre dann erſt Wernüuftſtaat,
oder das Mittel zur Erfüllung einer veraimftigzfitstichen
Beſtimmung. Mit diefer Rädkehr bes 5* u ſeinem
Ausgangspunkte in der ſittlichen Natur des Menſchen
wäre der Staat ſomit ferner in ſich ſelbſt vollendet und
hätte für ‚feinen Beftand bie fiherfle Buͤrgſchaft; denn
die ſittliche Kraft iſt nämlich die einzige, welche ihrer
Natur nach ſich felbft beherrſcht und fich Ihre Grenzen
fest. Die Staatskunſt allerdings bat zwei Wege, ben
Staat zu conflitufren und zu lenken. Sie kann entwe⸗
der die natürlichen Elemente aller Macht im Staate fo
durcheinander zügeln, daß fie.zu einem vernuͤnftigen Ge:
brauche der Gewalt gewiſſermaßen gezwungen yrcden, oder
fie muß, wie dies mit Erfüllung der Hopotheſe geſchehen
würde, eine wahrhaft fittlihe Macht, eine Adelsherrfchaft
bes Gelfles, d. h. der hoͤchſten firtfichen, gemüthlicen
und geiftigen Intereſſen ſchaffen. Die meuzeittihe Poli⸗
tie hat bisher nur den erſten Weg eingeſchlagen und ik
durch dieſes Syſtem des Kampfs und ber ——* faſt
zur Abnutzung und Überwaͤltigung des confltarionnelen
Syſtems ˖durch die Volksgewalt gelangt. Aus der Volks⸗
macht aber, welche die bämmienden Elemente durchbricht,
kann nur bie Alleinheriſchaft oder die Adelshiridſchaft
entſtehen. Die durch die Kirche geſchaffene hoͤtherr oli⸗
tik wuͤrde Hingegen als eine geiſtigſittliche Macht einen un:
begrenzten Fortſchritt ohne Seibfizetſtoͤrung Sewhten. Die
Wiſſenſchaft, die Kunft, der Unterricht, die‘ mit ber
Ergründung, der Darftefung und BVeroreitung: des geiſti⸗
gen Lebens befaffen, wuͤrden in dieſem heusn Kicchlichen
Verhältniffe ihren Mittelpunkt voiederum im’ ber Kirche
finden, vom der fie, wie die Geſchichte' des Wilttelalters
‚geigt, ausgegangen find und ihre Erziehung erhalten ha⸗
en. Doc wird freilich kurz vorher auch zugeſtanden,
daß ber Staat an der. Wiffenfhaft eine Häfe hätte,
wenn ſich die num ebenbürtige Kirche ettoa Übergriffe ers
lauben wollte. ‚Diefe ,, Theokrarie ” "des Gehtes num,
‚In der Staats- und Kirhenthum zufammienfaften fol:
fen, well jener entwidelte Zuſammenhang iwiſchen Recht,
Sittlichkeit und Glauben "be eht, wird, up Der Hand
el!
a a ae Dee
teſtantiemue heraus, der’ dem Rotisnakfänmis huldigt,
eine nee Aeche bilden, welche im Beanpe iſt, alle Sau⸗
benspartilen in eine große Gemeinde zu vereinigen. Auch
muß bh aus ben ſchroffen Syſtemen der Philoſophie
ein, Miderſchlag“ ablagern, damit alle die Richtungen
wegfallen, ‚bie zu fehe von Bott abfähen”. Die Kirche
- wird damit he Wurzet im Vernunftglauben“ haben.
Endlich wird durch einen folchen neuen Zuſtand, wa
Net, Stauden, Willen zufammenfallen, auch die Ent⸗
widelung der materiellen und rein irdiſchen Interefien eine
höhere Richtung schalten. —
Dieſe gluͤcktiche Zeit iſt nun freilich noch fern, und
unſerer Gegenwart ſcheint für jegt nur die Aufgabe zuer⸗
theilt, die Kirche dem. Staate gegenüber felbfländig zu
Halten. Allein es fehle, wie Pfizer fagt, nice an
Vorboten einer: ſolchen neuen Zukunft. Es regt ſich im
Reiche der irdiſchen und weltlichen Beſtrebungen mancher
Keim der Art, der nur entwickelt zu werben braucht.
Etwa die reactionnairen Befltebungen umser dem Schilde
des chriſtlichen Staats? Auch gibt «6 einzelne Vereine
und Einzelne, welche die Kraft zum Guten mehr üben
als das Talent. Etwa bie Pietiftenconventikel, die Froͤmm⸗
Leraffociationen? In der Philofophie wird ein Um:
ſchlag ſchon jeht ſichtbar; es bahnt ſich die Einigung von
Vernumft und Offenbarung. Etwa in Schelling?
Wir zeigten oben, wie jener Staat ein inhaltlo⸗
fer, wie die Politik, welche dem Staate auf die Beine
Helfen fol, eine ‚Außerliche, der Innern Nothwendigkeit
bare Kunſt ſei. Pfiger legt in diefer Betrachtung jest
ſelbſt das Bekenntnis dieſer Unzulaͤnglichkeit ab; er will
der Schattengeſtalt Inhalt und Vernunft geben, indem
er ihr die Kirche aufpfropft. Die Intention werden
wir gewiß billigen, aber das Mittel, die Meile und das
ypothetiſche Refultat halten wir keineswegs geeignet.
Die Wahrheit deö fubiectiven Bewußtſeins iſt die Wales
heit in bee Geſtalt von Religion, und wenn wir Pfizer
auch nicht ‚zugeben können, daß in Wahrheit eine Vers
aunftreligien, ein Vernunftglaube, mit andern Morten
«An Wihbderſpruch moͤglich fein koͤnnte, fo bat er doch ganz
Recht, daß er auf feinem Standpunkte uͤberhaupt die He-
ligion und Ihre Anſtalt, die Kirche, ald ben Träger des
Abſoluten und Allgemeinen faßt. Indem er aber bie
Kirche als die Bewahrerin der abſoluten Wahrheit faßt,
Hat er einen Dualismus geſetzt, dee unuͤberwindlich iſt,
der nur in der That mit der völligen Megation bes
" Staats enden kann, wenn man ſich nicht eben mit ber |
sein Außerlihen Verfühnung begnügen will. Die Kirche
bat den Inhalt des Welms und ber Wahrheit, bie |.
dem Staate, dein Producte bes natuͤrlichen Dafeins, ein
Jenſeitiges iſt; der Staat, das geordnete menfchliche Das
fein, das Product der Natuͤrlichkeit iſt ohne die Kirche
nichts, ein Mittel ohne Zweck. Die wahre Confequenz
dieſer Ant geht aber dahin, daß ſich die Kirche mic
dem Inhakte des Görtlihen und Wahren an die Stelle
Nichtigen ſeht / und die au
des Staats, des Ni
"mahıt, ober Bloßer Gang zum Üyflificzen
‚bie wir ung auch Desufen, zeigg. daß,
— ober die —* " Beh wii, 1b
folute Inhaberin des objattiven Geiſtes galt, hen Einat
in We Kirche Aberging uud zum Prieſter⸗ und Kirchen ſtaate
wurde. Erſt als in Deutſchland und-fir Dittekaltet das
Volksbewußtſein ein anderes wurde, ein Inferlicheres, dis
die Wiſſenſchaft und das Licht des Denkens exwgchte
und man einfah, daß die Kirche nicht das Privilegium
des Abfolnten beftge, änderte ſich das Verhaͤltuth der
Kirche zum Stadte; ‘der Letztere wurde felbfländig, weil
er nicht mehr geiftesverlaffen, nicht mehr unfittlich waͤr.
Es war dies keine Verbeflerung eines üblen, verworfen
Zuſtandes, nicht das Aufheben eines übergriffs; es. war
ein Fortſchritt der Menfchheit: der Gelft war ein Inner:
cher geworden. Pfizer kann darum, ungeachtet er Ver
Kiche Alles zuſpricht, nur ein Außerliches Aufgehen bei⸗
der ineinander beanfprwchen: die Kirche fol dem taste
als eine ebenbuͤrtige Macht beigeordnet fein, bas Alam:
Ufche, Jenſeltige ſoll das Irdiſche und Bergängiiäye als
ebenbürtig anerfennen. Das kann die Kicche in Wahr:
heit nicht; fie mit einem beflimmuen und, wäre er auch
noch geläutert, pofitiven Glauben van der Aundſchließlich⸗
teic ihrer Geltung, kann weder den Staat noch die Miſ⸗
ſenſchaft und die Kunſt in ihrem Selbſtzwecke und’ In
ihrer Selbſtbeſtimmung anerkennen, utid der Kampf müfte-
in ber Form von Übergriffen bei einer factiſchen Bechei⸗
Ugung der Kirche am ‚modernen Staateleben, das ſeine
Vernunft im fich felbft tragen will, von neuem: begkunen
und würde bald mit einer witderhoften Ausſcheidung 'Ker
Kicche, ober mit bem Untergange des vernünftigen Staats,
mit feinem. Bewußtſein ‚und feinen Werken, mden. - Was
wir an der ganzen ſchwaͤrmeriſchen Beerachtung Pftzer's
als das wahrhaft Bedeutungsvolle finden, iſt, daß er den
Rechtsſtaat aufgibt und den Vernunfiſtaat mit ſeinen
univerſellen und abſoluten Zwecken fodort. Seine a:
tention und ſeine Überzeugung faͤllt darum mit der Wiſ⸗
ſenſchaft und dem Liberalismus der Gezenwart zufam⸗
men; die Hegel'ſche Philoſophie iſt es, bie, alletdings
nicht vom kirchlichen, ſondern vom ſpeculativen Stand⸗
puntte aus, dieſe Foderung zuerſt gethan, und ihre Eo⸗
fung begonnen bat, bie Philoſophie, auf bie er. mit
Spott und Geringſchaͤzung herabzuſehen fi bemliht.
Möchte fih doc Pfizer mit diefem Gedankenkrelſe wenig⸗
ſtens gründlich befannt machen!
(Dex Beſchluß felgt.).
Erdichtete und eingebilbete Krankheiten.
Das ‚„, Athenaeum’ zeigt ein Buch von Dr. H. Gavin an:
„On feint and factitious diseases sc.” Sowol bie baraps
mitgetheilten Stellen als bie Überfichten, welche der Ref. *
ſcheinen uns fo intereffant, daß wir. glauben, 7 ausführliches
ver Auszug werbe unfern Eefern willlommen ſein. Bon dem
fauten Schulfnaben an, bis zu dem Weteran, ber nad, Entlaſ⸗
fung. ober Penfion ſtrebt, werben unendlich mannidfältig: Spe⸗
culationen auf bie Unmiflenheit. oder Beichtgläubigkeit'"bp& ünters
ſuchenden Arztes gemachtz unb als ob es an diefen ſchlechten
Bemeggründen 10 nicht ‚genug wäre, treten gar häufig
ein, in benen eine Art Monomanie ihre Opfer au Betzögen
ohne fonfligen
*
fi 244
iisie
alle
. ein
: unb bee ERebieinaibeamien, und die Taͤuſchungskuͤnſte find oft
..39 ſolcher Bolllammanheit gebracht worden, daß og Bohere für
„sbenfo ſchwierig erklaͤrt, einen verſtellt Kranken gu entlarven
als einen wirfiih Kranken zu heilen. Den umgelehrten Betrug,
vaß wirklich vorhandene Übel verheimlicht werben, entweber um
meine Anftellung za erhalten ober die Gefundheitspotiset zu "bins
. wrgegen, hat der Verf. weniger beleuchtet. In ben. Fallen,
ii er befpricht,, find, feinen Gintheilung zufolge, eutweber
die, Krankpeitäfomptome ganz unb gar erdichtet, ober es if
wirklich eine Krankheit durch kuͤnſtliche Mittel hervorgebracht ;
: ober endlich, es wird ein vorhanbenes Übel übertrieben, nämlich
Antweder birch falfche Angaben größer dargeſteut als es in. ber
„Kpat in, oder durch Fünfkliche Mittel gefteigert. Außerdem gibt
es eingebilbete Kranke, weiche damit anfangen, fich Leiden beis
"‚zumefien, die ihnen blos ihre Phantafle vorfpiegelt, dann aber
"sur den Einfluß ihres lebhaften Vorſtellungsvermoͤgens eine
wirklich Branthafte-Dispofition hervorbringen und endticdh wirder
wenig Sombinetion ober gefliffenttiche Erdichtung Manches, was
ſchmerzhafte Euren, welche die Krankheit, wenn ſie wirklich vors
” handen wäre, nöthig machen würde, das Aufgeben der Ber:
-ftelfung zu ergwingens aber auch dieſes Mittel ift gefährlich,
‚ denn die Scheu vor der Eur Tann den Kranken bewegen, eine
“ Gemüthsaffection zuruͤckzudraͤngen, ohne daß er von biefer ges
heilt iſt. Dergleichen Srwägungen zeigen ſchon hinreichend, wie
ſo ſtehen ibm alle möglichen Krankheiten allerbings zu
' allein es
nor Krehllaute hören; alle Gefangenen waren a
' ben flehen. Er
. conduitez ru 8,
befam. Gin Matroſe an. Bord ber: Fregatte
' ben, um ben Mitleibigen ober .b
. weeflens aber bie Faͤlle, daß ihn Werbrecher
fGmierig es für ben unterfuchenden Arzt if. einen Weg Br
Leichtfinn ober falſcher Menſchlichteit auf ber -einen
und einer firafliauen Gier nach Aufbedkung von Meiuug, cu keſte
was ed wol, und nach bem Ruf eines beſonders ſcharfbliden⸗
den unb geſchickten Grperten auf ber andern Geite, zu finden.
Wenn Jemand einmal Beweggründe hat, ran zu cc,
bote,
nden fi} dennoch g Srenzen, welche die gegebe:
nen Unsflände. vorgeicdgnen, nad: mofern fie feftſtehen, bie Unter:
el ein engeres Sebiet zuruͤckfahren unb erieidhtern.
Will ſich der betrügerifche Kranke einer Pflicht ober Strafe ent:
ziehen, fo wird er eine acute Krankheit vorfhügen muͤſſen; geht
er auf Dienflentlaffung aus, fo wird ihm eine dhronfiche Kranfı
beit. den Dienft teilen und bie Cutdeckung des Wetrugs mod) ev
fhweren. Berner wird eine Kranßpeit gewählt werben, wit
welchen ber Unternehmer eines foldyen Wetrugs gut bekannt iſt;
Soldaten machen in biefer Hinſicht ihre Studien gewöhnlich im
Lazarett. Endlich wird der ſchlaue Betruͤger nd am liebſten
einer Krankheit bedienen, welche moͤglichſt wenige durch bie
Sinue wahtnehmbare Symptome hat und ben unterfuchensen
Arzt nöthigt, ſich auf die Wabrheiteliebe bes ichte gu
verlafien. Xerftellte Taubſtummheit begegnet daher ben amtlis
hen Ärzten befonders häufig. Dr. Gavin erwähnt eines Ber
trügers, ber vier Jahre lang zahlreichen Unterfuchungen, weiche
Experte in Fraukreich, Deutichland, in der Schweiz, in Spe—
nien und Italien mit ihm auſtellten, hartnaͤckig trote, bis ihn
bee Abbé Sicard durch die Beobachtung entlarote, daß er nad
bem Gehör, nicht nach dem Geſicht ſchrieb. Er hatte fich naͤm⸗
Ic thoͤrichterweiſe für einen Schüler des AbbE Sicard ausges
geben. Den allerflärkfien Proben hatte er bis Bahn twiberftan-
den; man hatte ihn Ausch ein funges, ſchoͤnes Märlb, das ihm
feine Hand anbot, wenn es bie Wahrheit geſtehen wolle, in
Verſuchung geführts man ließ in bem Gefaͤngniß von Rochelle
einen Gefangenmwärter bei ihm fchlafen und flets um ihn fein;
man weckte ihn oft plöglicdh aus dem Schlaf, aber er gab feine
Furcht nur duch Wimmern zu erkennen und ließ im Schlafe
rt, auf
ign genay, zu achten und Miemanb Eonnte bie Spur
entdecken, welche auf Betrug ſchließen iieß. Von feiner Rechte
ſchreibung, welche ihn endlich verriety, moͤgen bier einige Pro
rieb: Je jar de vandieux; guhondalt fir
ogoret u. f. ı., woraus Sicard flo, baf
er nicht dem Xuge folgte, ſondern ne Gehoͤr ſchrieb,
3. B. inte er c mit qu vertauſchte. Auch Dr. Chevne erwaͤhni
eines Soldaten, der fünf Jahre lang ben Taubſtummen mit ber
größten Selbſtbeherrſchung fpielte, fetbft Erin Wort‘ ausftieß, als
ihm ein ungefchieter Rekrut ins Ohr ſchoß und erft, nachdem
er aus dem Seenſt entiaſſen war, Gehoͤr und Sprache wicher:
sie 0 te
taubſtumm; ber Arzt, welcher Betrug vermuthete, er *
umſtaͤndliche Vorbereitungen zu einer Operation an feiner Kehie,
um ihn dadurch, wie dies oft gelingt, zum Geſtaͤndniß zu brin⸗
- gen, und wäßrend bie Aufmerffümfeit bes Menſchen ganz hier
.auf geliitet war, kreadıte i
er plößiih ein brennendes Eid an
befien Fingerſpite; aber auch dieſem Schreck wibesflanp ber Gers
mann (ber Arzt, wurbe übrigens wegen dieſer Graufamkeit ab⸗
fest), und erſt als ee fa, daß bie Lift ihm Keinen Vortheil
achte, gab er fie auf. Auf verftellten Wahnſinn tft neueriich
| t diefer
«die Aufmerkſamkrit vielfaͤltig geleitrt worden; die
Irt von Taͤuſchung dat viel Furcht erregh daB fie haufig
beautt
werden moͤchte, um große Verbrechen gegen die —5* Ge⸗
ſellſchaft fraflos zu maden. Dr. Banin malht ——
Punkt intereſſante Bemerkungen. Verſtellter Wabnſinn if feit
den aͤlteſten Zeiten von Vettlern als ein Mittel angewendet wor⸗
ben Furchtſamen Ämoſen F
um
Strafe zu entgehen, ſind immer aͤußerſt ſelten gewefen.
(Der Beſchluß folgt.)
Verantwortlicher Heraußgeber: Heinrih Brodhaus. — Drud und Verlag von $. X. Brodbaus in Leipgig.
Blätter
. .
fi *
für Ä
literariſche Unterhaltung.
Freitag, |
Pfizer. Zwei
( Beſchtuß aus Mr. MT.)
Der Verf. ſchlleßt nun fein Werk mit einem Ruͤck⸗
blick anf unſer deutſches Vaterland und beffen gegen⸗
waͤrtige Geſchichtslage. Ex ſelbſt behauptet, dieſe Schluß⸗
betrachtung enthalte die Anwendung ſeiner philoſophiſchen
Grundſaͤtze und Reſultate; allein wir moͤchten ſagen, daß
er die Theorie mit ihren Widerfprüchen ziemlich zuruͤckge⸗
faffen und nun freier und feiner ganzen geifligen Conſti⸗
tution angemeſſener athmet. Der tüdhtige praßtifche,
durch Wiffenfchaft und Leben gebildete Verſtand, die uns
beftechliche und warme Geſinnung, der männliche, edle
Muth, mit dem er fi unſers Vaterlands annimmt,
überdies der Reiz und die Schönheit der Sprache und
Darftellung, verleihen der Abhandlung einen hohen Werth
und dad ernftefte Intereſſe, fodaß wir unfern Leſern we⸗
nigſtens den Gedankenzug andenten wollen. Jeden Deut:
fhen, dem fein Vaterland nicht gleichgültig iſt, ober viel
mehr gerade — dem es gleichgültig iſt, fodern mir
auf, dieſes Schlußwort Pfizer’s zu lefen, zu prüfen und
zu beherzigen. Eine der deutſchen Geſchichte entnommene
Charakterſchilderung unſers Volks geht der Betrachtung
voraus: — das eigenthuͤmliche Weſen des Deutſchen, heißt
es, laͤßt fi) mit einem Worte bezeichnen: Allſeitigkeit — All⸗
feitigkett des Geiſtes, der ſich über jedes Gebiet des Wiſſens,
Erkennens, Schaffens verbreitet — Altfeltigkeit dee Ems
pfindung,, die jeden dufern wie Innern Eindrud willig
‚und gleihmäßig aufnimmt — Aüfeitigkeit der Gefinnung,
die durch immer regen Antheil am Geſchick der ganzen
Menfchheit den Deutihen zum geborenen Weltbürger
und das beutfche Volt zum Weltvolk flempelt. Schon
die deutfche Sprache zeugt dafür. Unmittelbar ans biefer
Allſeitigkeit entfpringt auch das deutfche Gedankenleben,
die Univerfalität des Geiſtes, fowie ber Begenfag des
Untoerfellen, die Richtung und der Sinn des Deutfchen
für das Einzelne und Einzelnſte, das fi durch feine
ganze Geſchichte und beſonders im der Ausbildung bes
Rechts zeigt. Dagegen fehlt aber auch dem Deutfchen ver
möge diefer die Gegenſaͤte mäßigenden und verfehmelzenben
Aufeitigkelt das glänzende und ſcharfe Geprüge anderer,
befonders füdlicyer Nationen; die Deutſchen find, weil
abgefchtoffener in ihrer Individualität, auch minder leicht
..
Gedanken über Recht, Staat und Kirche von P. A.
Theile.
24. Rovember 1848.
in Maſſe gleichförmig zu bewegen, jeder Dioment eines
allgemeinen Auffchwungs will in den Gemäthern vorbes
reitet fein.
Das Ausland verkennt ums darum umb fpricht un®
jeden Einheitsſinn, jeden organtfchen Zuſammenhalt ab.
Der Vorwurf ift in einer Dinfiht ganz falfch, denn wie
befigen allerdings eine geiftige Einheit wie kein anderes
Bolt; kein Volk hat Philoſophen, bie im allgemeine
Bewußtſein der Nation wutzeln, tote wir; auch bie pol
tifche Geſchichte Deutfchlands zeige vom Bunde der Che⸗
rusker bis auf den Zollverein Trieb nah Einhelt unb
Zuſammenſtehen. Allein wie haben feine politifche Eins
beit, keinen politiichen Zufammenhang mehr, ber beutiche
Bund verbindet nur loſe die Dynaſtien, aber nicht bie
Stämme, und dies ift allerdings der Punkt, um welcher
fich jede politiſch⸗ nationale Würdigung drehen muß. Was
ift der Grund diefer befremdenden, beim erſten Anblicke
unglaubttchen Erſcheinung, bag bei einem Rechtsvolke,
wie das deutfche, der öffentliche Rechtszuſtand in foldem
MWiderfpruche mit ben erften Koderungen des Rechts IE?
Dfizer geht fehe gruͤndlich in dieſes Problem ein. Ce
findet zuerſt: die große Ehrfurcht der Deutfchen vor dem
biftorifchen, dem erworbenen, pofitiven Rechte, auch we
es nur ein verjährtes Unrecht war; dann: die naturwi⸗
drige Geſchiedenheit des innern und bes äußern Lebens, die
fid) bei den Männern der Wiffenfchaft in Ideologie und
Lebensabgefchloffenheit äußert, bei dem Praktiker in Ges
niefucht, bei Allen im literarifcher und aͤſthetiſcher Kritik;
die Deutfchen erwarten von dem Reichthume bes intellec⸗
tuellen Lebens das ganze Heil der Zukunft und gefaͤhr⸗
den durch die politiſche Lebloſigkeit ſelbſt das Reich des
Geiſtes. Endlich: die Verfaſſung des Bundes; dieſelbe
hindert gerade Das, was ſie als Nationalverfaſſung foͤr⸗
dern ſollte, fie zerreißt uns nad innen, laͤhmt dur das
verſchiedene dynaſtiſche Intereſſe die politiſche Fortbildung
und gibt uns dem Auslande preis.
en Bundes
die Zwie⸗
Gedanken eines europaͤiſchen Kriegs erbangen, weil bei ber erſten
unglädtichen Wendung der Dinge eine ganze Saat ber Zwie⸗
Ile
t kommen Wär se * uten —* entfpinnt
* der Schlauheit 3 n * Wanken
— —ãð wien 38 Need. für
€ ra rden,
FLO ig © rt. einen Derfelt Kranfen zu enklarven
"8 einen wir anken zu heilen. Den umgekehrten Wetrug,
“ya wirklich vorhandene Übel verheimlicht werben, entweder um
1 "eine ee zu erhakten ober bie ‚Befunbgeitäpoher: zu ‚pin:
hat bes Verf, weniger .b . In den Ballen,
Ihe er beipricht,, find, feines Gintheilung nufolge, entweber
F Keantpeitäfgmptome gang und gar erbichtet, ober es iſt
mike eine Krankheit durch kanſtliche Mittel beroongebtadi
I oder — es wird ein vorhandenes übe bei überteioben, n ämtich
Trgsströgber Angaben groͤßer as .ch in. ber
SXShat if, oder durch kuͤnſtiiche Mittel —** Außerdem gibt
.. 8 eingebilhete Kranke, welche damit anfangen, ſich Leiden beis
umeflen, die ihnen blos ihre Phantaſie vorfpiegelt, dann aber
Fre den Einfluß ihres lebhaften Borftellumgebermbgene eine
vwirkiich krankhafte Diepoſttion vervordringen und endtich wirder
ai, —— air * —— Kr ——
Wahrh vorhanden if, Ing un, um ihren Klage
mehr Sache zu eben. Suche Bermilchun os Wahren
und Falſchen entfpringt nicht felten auch aus noch einer andern
eh ook unferer Natur: wenn kaͤmlich empfindfame Kranke,
eriſche Irauen und hypochondriſche Maͤnner, welche
irre un allerlei hoͤchſt außerordentliche wmb, ganz un⸗
n-übeln befallen glauben, von ihren ärztlichen Rathge⸗
Yan ber Unrichtigkeit ihrer Angaben überführt werben, find fie
: ck geneigt, bie nicht anerkannten Leiben kuͤnſtlich hervorzurufen,
iin Bas, was ſie von ſich ausgeſagt —8 wahr zu machen.
Hieraus erwaͤchſt für -die Autübımg bex Heitkun de, eine eigen⸗
thoͤmliche Schwierigleit. Die Sadhe iſt nicht —* abgethan,
daß der Arzt dem Betruge auf die Spur komme; denn die Mit⸗
tel, welche der eingebühete Kranke anwendet, um Recht zu bes
Yalten, Eönnen ihn wirklich krank machen; ſchon die bloße Nach⸗
ahmung —— Acker bann damit uben, daß bie
de dieſe Art grosuhbe Kronkheit ſich wirklich einſteſlit. Da⸗
ber Arzt ai blog das Grbichtete vom Wahren zu
“ m: Mi: Tauſchungen zu wWe bringt. Die melßen
He
a"
in 56 fe beider Porteien. an hafen Ant
— Peer gefährlichen Antbeil nimmt.
ige Kiaenflan auf ber einen Seite erweckt Sigenfinn auf der andern,
° and es kann dahin Tommen, daß es zulegt nur gilt, 'wer am:
Aangſten auspälf: Der Arzt moͤchte, indem er betrügtiche Ab⸗
‚ihr ——— verſucht fein, darf aber nicht die Aufdeckung
der Schuld durch Mittel herbeizufuͤhren fuchen, welche, wenn
“auch gerechte Strafe Aw den Ehuligen, doch gegen den Uns
fyutdigen bloße Grauſamkeit wären. Er darf um fo miniger
zum Behufe dee Entdeckung ein Verfahren, weiches einer Strafe
geichfonmen tönnte, einfdylagen, ats ſelbſt wirklicher Betrug
nt eine flrafbare ir vorausſetzt.
Bisiweilen, jagt Dr. Gavin, find, auch Soldaten eingebildete,
„ nicht verflellte Keane; ‚alle Mititairärzte, welche über biefen Orgen
: land gefchrieben haben, führen Erfahrungen ſolcher Art an; es
" tegt ber Berſtellung fogar in manchen Yallm bios eine Art Wuth,
die Offiziere, Ärzte, Kameraden zu täufchen, zum Grunde, eine
Berirrung des Verſtandes, eine fire Idee. Am meiften ſcheint
noch der Arzt in ſolchen Fällen berechtigt, durch läftige oder
ſchmerzhafte Euren, welche die Krankheit, wenn fie wirftich vor⸗
“ Banden wäre, nöthig machen würde, das Aufgeben ber Bers
‘ ng zu erzwingen; aber auch dieſes Mittel tft gefährtich,
: denn bie Scheu vor der Sur kann ben Kranken bewegen, eine
“ Gemüthsaffection zuruͤckzudraͤngen, opne daß er von biefer ges
heilt iſt. Dergleichen Erwägungen zeigen ſchon hinreichend, wie
Verantwortlicher Herausgeber: Deinrih Brockhaus. — Drud und Verlag von F. XBrochaus in Leipsis-
- gen, und "während die Aufmer t des
ir an
—*
mann (ber it wurde ubrigens wegen dief
| kei nen
feht), und ect ale e ag, dag. die eift 3 Be
. dio Aufmerffarnteit Stelfättig getgiter worbens iR
Art von hing Yat, viel **— de X.
*8 t
Bi 43 fie den Iafdr 8 teefächen Kat * Kin Bey wis N Be pi
und einer firafiinsen Gier neh x uk
dinger] Bruder Barren runde
m ale mögli
——
den bg i
den un .
Wem —** en hat, * at Ir
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Gebist zuräctäh erleichtern.
Will 5* * 3. Kranke einer ober Strafe ent:
— o wird er eine acute Krankheit vorſchuͤtzen muͤſſen; ut
hroniſche Krantı
uftentlaffung au, 1 fo wird ihm eine
in ae — ————
chweren. Ferner wird eine — senhhlt werben,
weicher ber Unternehmer eines feichen Betrugs gut bekannt #
Soldaten machen in diefer Hinffcht ihre Studien gewöhn
Lazareth. Endlich witd der lau © Betrüger fl —* le
einer Krankheit ebienen ‚ welche moͤglichſt —* "durch bie
Sinne wahrnehmbere Symptome bat und ken unterfuchenten
rzt noͤthigt, ſich auf die Wahrheittliebe des Berichtenden zu
Ic Verſtellte Taubſtummheit begegnet daher ben amtib⸗
hen Ärzten beſonders häufig. Dr. Gabin erwähnt eines Be
trügers, der vier Jahre lang en untere Unterfuchungen, welche
—— —— — —— ——— — — "he
nien un ufkellten, bis ihn
bee Abbe Sicark Sk die Beobachtung enflarn te, daß er be
bem Gehör, nicht nad) dem Geſicht Ichrieb. Er hatte ih ndm:
lich thoͤrichterweiſe für einen Schüler des AbbE Sicard ausges
geben. "Den allerflärkften Proben hatte er bie dahin wibderſtan⸗
benz man hatte ihn durch ein junges, ſchoͤnes an das Im
feine Hand anbot, wenn es bie Wahrheit g
Berſuchung gefuͤhrt; man ließ in dem Sc . von —X
einen efangenwaͤrter bei ihm ſchlaſen und ſtets um ihn ſein;
man weckte ihn oft — aus dem Schlaf, aber er gab feine
Burdt nur dur Wimmern zu erkennen und ließ im Schlafe
nur Kehllaute Hören; alle Gefangenen waren a au
ihn genau zu achten und Riemand konnte bie geriagſte Spur
enkbeden, —* auf Betrug ſchließen ließ, Won feiner Recht:
fhreibüung, weldhe ihn endlich verzieth, mögen hier eini rt Pre
ben ſtehen. Er ſchrieb: Je jur de vandienx; qukondait
"oenduites ru 8..Honoret u. f. w., woraus Eikarh * E
ee nicht dem Auge folgte, fondern nad feinem Gchoͤr fihcib,
3. B. indem er c mit qu vertauſchte. Auch Dr, Gheune t
eines Soldaten, ber fünf Jahre lang den Zaubflummen mit Dr
‚größten Selbſtbeherrſchung Tpiette, | Bi: kein Wort‘ au
ihm ein ungeſchickter Rekrut Ins Ohr ſchoß und. exfl, *
er aus dem Deenſt entlaflen war, Old unb Erache wire:
befam. Gin Matroſe an Worb ber: Fregatte AHtile ee
taubflumm; ber Arge, welcher Betrug dermuthete, MG =
umſtaͤndliche Vorbereitungen zu einer Operation ‚in —*
um ihn babe, wie dies oft etingt L zum
auf geleitet brachte er in —
— grsfpite,; aber auch 4 —2** bar ber |
achte, gab er fie auf. "Auf verftellten
—— —— a or ud ..
8 ma
Yun t —* — —e—— KR 8— oe
den älbeften Zeiten von ‚Betttern als ein re ge
Decken: aber aber bie Bälle bag ihn esse Aa: um de
Strafe zu entgehen, find immer äußexft. Fe
(Der Beſchluß folgt.)
Blätter
für
literarifhe Unterhaltuek
— Ar. 328. —
Freitag,
Vedanken über Recht, Staat und Kirche von P. X. | in Maſſe — Bei
Pfizer. Zwei Theile — — — — —
(Befhta) and Pr. 0.)
Dee Verf. fließt nun fein Wert mit einem Räd:
blik auf unfer deurfces Waterland und beffen gegen: | jedrn Einpeirsfm Tr zummrimr *
wärtige Geſch ichtslage Cr ſelbſt behauptet, dieſe Schluß: | Der Voumuf E m mr Zumir — —
betrachtang enthalte die Anwendung feiner philoſophiſchen n
Srundlge und Refultate; allein wir möchten fagen, daß
Sr vie Theorie mic Ihren Widerfprüchen ziemlich zurüciger | Versufefeim
Faſſen und nun freier und feiner ganzen geifligen Conftis | cifdye Gefgite Pumkie ==.
Custion angemeffener athmet. Der tlchtige praktifde, | ruster bis amt au zum Da. —
duch Wiffenſchaft und Leben gebildete Verftand, die un: | — Zee zu aM” —
beſtechliche und warme Gefinnung, der männtidye, edle | heit, — —
Muth, mit dem er fih unfers Waterlande annimmt, | Vumd ——
überbies der Reiz und die Schänhelt der Gprade und | time, zu: = ih um =
Darftellung, verleihen der Abhandlung einen hohen ZBerth | fid jehe ——ii —
und dad ernſteſte Intereſſe, fodaß wir unfern Lefern mes | ik der Ber = —
nigften® den Gedanfenzug andeuten wollen. eben Deut: | unglautet* m
fen, dem fein Vaterland nicht gleichgültig Ift, ober viel: | wie Det m — *
mehr gerade — dem e6 gleichgültig if, fobern wir | Wien — -
auf, dieſes Schlußwort Pfijer's zu lefen, zu prüfen und | Bi: = —" — — —
zu deherjigen. Eine der deutſchen Seſchichte eatnemme⸗ Im: ar 7 — ⸗ ME
Eharakterfhilderung unſers Volks geht ber Betrachtung | — i —⸗
voraus: — das elgenthuͤmliche Weſen des Deutſchen, ki u — — — —
es, iãet ſich mit einem Worte bezeichnen: Aufeitigkeit — ZB — — — —
feitigkeit des Geiſtes der ſich über jedes Gebiet des Wiens. Mr "er — — —
— — —
Ertkennens, Schaffens verbreitet — Allſeitigkeit der E —
pfindung, bie jeden aͤußern wie innern Eindruf wäik — — ——
—
und gleichmaͤßig aufnimmt — Aufeitigkeit der Gef: * — ⸗ — —
die duch immer regen Antheil am Geſcue Der um "un — En ⸗
Wenſchhei —
amd das .
Die deutſch -
Anfeitigkeii —
die Untve
Untverfetin
für das ( —
ganze el -
Keches zeig —
möge Diefer 7
-
‘
1814; ,
tracht und des undeils aufzu
auch dem deutſchen Wolfe die Bahn zus nationaler Größe, Macht
und Ehre zugeſchloffen. Der deutſche Bund, der an brei Meert
ndt befigt fein Kriegafchiff, und während andere Rationen ih⸗
sem Handel nah und fern neue Straßen Öffnen, ſieht Deutſch⸗
Lana bie Münbungen feiner zwei Hauptſtroͤme under fremder
Bolmsisipkeit, und auf dem Meere, wo ein feine Flotten herrſch⸗
ten, wohin ſich alle großen und ſtrebenden Nationen drängen,
bängt jegt die deutſche Schiffahrt von ber Gnade und Dulbung
des Auslandes ab. Ja man
(eben einen Erben, und es wird Rußlands künftige Weltherr⸗
ſchaft, zunaͤchſt die Unterjochung ober Vernichtung des germanis
Shen Weit durch die ſlawiſche, balb wie ein unabwendbarer Schick⸗
faldfhtuß mit feufiendee Grgebung, bald aud im Zone bed
Triumphs verfündigt. Wo deutſche Mächte jept die Friedens⸗
der ZFarcht und dem Ge⸗
arme hoͤren ‚wie immes de
fühl der Schwaͤche ein größerer Antheil zugeſchrieben als ber
Wäbigung und Gerechtigkeit. Auch zeugt es wol von allem
Anbern eher ald von Achtung bes Auslands gegen die deutichen
KHegierungen, wenn in Frankreich alle Parteien einig find, einen
Theil des WBundesgebiets, bewohnt von Boͤlkern diteften und
zeinften gecsmanifchen Biuts, aid das natürliche Gigenthum Frank⸗
reiche zu detrachten, das im naͤchſten Kriege Deutſchland ent⸗
ziffen werden müffe; wenn in Frankreich und England der Dan
delsbund, zu dem deutſche Staaten ſich en. Bi
n Für
Eigenmächtigfeit behandeft wurde, bie man ben deutf
Ben nicht hätte geflatten ſollen; wenn Rußland ben vormatigen
*57 des Kheinbundes feine Schuttherrſchaft gegen Preue
fen und
fireich darbietets wenn bes roͤmiſche Stubl gegen bie
zäcfichtsoolten beutfchen Regierungen fo gang andere auftritt
als gegen Rußland, das der kathotifchen Kirche feine Kraͤnkung
fpart; wenn feibſt ein Staat, wie Holland, durch deutſche Dülfe
heegeſtelt, den Deutſchen die bebungene freie Schiffahrt auf
Mn erfien deutſchen Strom unter ben nichtigflen Vorwaͤnden
zu verkuͤmmern wagt.
Von Unterwerfung unter eine Staatsgewalt, ſagt
Pfizer, wird man nicht hören wollen; auch wäre das
mehr leidende als thätige Freiheit. Allein die Deutichen
find keins Sklavenſetlen; fie haben fich nicht ſelbſt, fon:
den die Eiferfucht und das Intereſſe der Fuͤrſten dat fie
zerriſſen, und darum müſſen fie wenigſtens nad) einer
delitiſchen Drganifation ſtreben, welche mit bem Zuge
ud dee Zoderung ber Gegenwart uͤbereinkommt; diefe
Dpganifation ift die Volksvertretung, fie muß Deutſch⸗
land zu erringen ſtreben. Die Schmeichler, die Schwa⸗
&en, die Optimiſten und die Faulen führen zwar eine
Menge Gründe dagegen an, die Pfizer ſehr erfhöpfend
aufjäblt und mit unmilligem Spott behandelt. Die
Mächtigen und Cinflufreichen wollen eine folde Vertre⸗
tung nicht; die Frage fei ungeitig und müßig; Die deut⸗
ſhe Nation fei fir eine politiiche Rolle und Verfaſſung
sicht empfänglich, ihre Beſtimmung ſcheine bie vorherr⸗
ſchend geiftige Richtung; bas Stud der Gegenwart liege
im langem Frieden und ber Entwidelung der materiellen
mtereffen; das natuͤrliche Verhaͤltniß der deutfchen Stämme
weife jede Repräfentativverfafjung zuruͤck; bie Volksver⸗
tretung ſei überhaupt etwas Undeutſches, waͤhrend doch
fruͤher der freie Mann feine Familie, ſpaͤter der Grund:
here feinen Hinterſaſſen, ber Lehnsherr feine Vaſallen, ber
Sandeöhere fein Land auf dem Meichbtag, die Stadtobrig⸗
Belt die Burger vertrat. Berner weiſt man auf bie
fschte ber einzeinen Lanbesverfaffungen. Es iſt ein
angel von politifher Bildung, entgegnet Pfizer, wenn
geben droht. Dadurch iſt aber”
fegt Deutſchland ſchon bei Leibes⸗
man von Ständen, denen alle conſtitutlounele Waffen
fehlen, conftitutionnelle Leiflungen erwartet, die angeklagt
und verleumbdet twerben, denen man revolutionaire Be⸗
ftrebungen beilegt, wenn fie nur wagen in Oppefition zu
treten, die uͤberdies noch den abſeluten Zürßeubgnd über
und gegen ſich Babes.
Auf welchem Wege fol nun aber Deutfchland zu
einer gemeinfamen Repräfentativverfaflung, auf die es
ein unverbrüchliche® Recht befigt, und die ihm noch thut,
gelangen! Freilich richtet hier der Verf. feine Augen nad
Preußen; er ift, wie fchon befannt, ein Verfechter der
preußifhen Hegemonie. Hätte Deutſchland aber eine ges
meinfame Werfaflung und ein gemeinſames Qugan, fe
fehen wir freilich nicht ein, wie dieſe Degemonie aus in⸗
nern oder aͤußern Gruͤnden gerechtfertigt ſeis follte, Vor⸗
erſt muß jedoch Pfizer ſelbſt geſtehen, daß Preußen mit
dem Princip des politiſchen Abſolutismus und in feiner
Abneigung gegen das conſtitutionnelle Deutſchland der
Einheit und einer neuen Organiſation des Geſammtvater⸗
lands ſehr geſchadet und ſich die Abneigung des Verfaſ⸗
fungsflanten zugezogen bat. Der Widerwille gegen das
fi bruſtende Preußenthum, befennt er, iſt größer als
gegen ſtreich, weil das Erſte den Liberalismus öfter zur
Schau getragen. Hierzu kommen nocd eine Menge ge
(äufiger und täglich verbreiteter Behauptungen, z. B.
daß Landflände, welche mehr als einen guten Rath er
theiten, der Vergangenheit angehören; daß die Unfreiheit
überhaupt für höhere Freiheit ausgegeben wird; daß preußi⸗
fche Bildung und Intelligenz Über Alles hinaus fei u. ſ. w.
„Mau denkt ſich Preußen als ein Land, das einer uner:
meglichen Gaferne gleiche, mit feinem andern Xriebrad
als mit Suborbination und die Gedanken felbft bem
Volke wie eine Parole vorgefchrieben.” Diefes Miss
trauen kann nur fchrwinden, wenn fih Preußen felbft
sum conftitutionnellen Staat macht, und biefer Fort
ſchritt müßte dann nothwendig zur Folge haben, daß die
conflitutionnellen Staaten, Preußen an ber Spike, mit
gemeinfamen. Intereſſen und gemeinfamer Politik, zu ei
ner Bereinigung der beutfchen Völkerflämme und zu einer
allgemeinen Repräfentativverfaffung gedrängt würden. Weil
aber dieſes vereinte Deutſchland doch einen materiellen
Schwerpunkt haben müßte, fo will Pfizer Preußen in
dem neuen Bunde eine fogenannte „Bunbeshauptmannz
ſchaft“ ertheilt willen, die dann aber wol nicht leicht
Semand nothwendig finden dürfte, da ein Organismus
feinen Stugpuntt in fi felbft tragen muß. JIn diefem
verfaffungsmäßigen Bunde fol aber ſtreich ausgeſchloſ⸗
fen fein, denn Oſtreich entbehrt ſchon an ſich ber natio
nalen Einheit, und muß, um eine kuͤnſtliche Einheit zu
erhalten, fortwaͤhrend und von jeher Sorge tragen, daß
die verſchiedenen Voͤlker ſeines Scepters nicht zu politi⸗
ſcher Muͤndigkeit gelangen. Blos ein Buͤndniß mit die⸗
ſem Deutſchiand fernen ſtreich haͤlt unſer, durch den
Lauf der Gedanken etwas ins Hypothetiſche fortgeriſſene
Verf. für nuͤtziich Er zeigt durch dieſes Ausmalen
einer beſſern Zukunft, daß er ein echter Sohn unſers
Vaterlandes iſt.
N
MR
* tim wis eine Bemerkung nicht nuter⸗
drucken. bekannter! Kritiker ſprach fi nor kurheca
über eine Beurtheilung des vorliegenden Werts, die dem
Anfiheine nad) von oben den theorcciſchen Aufichten, wie
die unfere, awögegangen war, wit Gatrünftung aus, an⸗
geblih: weil darin Pfizer das Princip der Unftttlichkeit
vindiciet worden fei. Gegen eine foldye einfältige Beſchul⸗
digung, die nur blinder Parteihaß eingeben kann, wollen
wir biemmis ansdrüdiih proteſtiren. Die Anficht von
dee Unzulänglichkeit eines philoſophiſchen Standpunkts ifl
feine moralifche Beſchuldigung, die auf ben Charakter eis
nes Schriftſtellers zurädfallen kann. Wenn wir auch
die theoretifhen Anfchauungen Pfizer's nicht theilen, fo
achten und verehren wir ihn doch als einen jener an
GAR und Charakter ausgezeichneten Männer, deren un:
fee Vaterland nicht zu viel befigen, auf die Deutfchland
wahrhaft flolz fein kann! 22.
Erdichtete und eingebildete Krankheiten.
Beſchiuß aus Nr. 827.)
Dr. Gavin ift der Anſicht, daß bie Leichtigkeit bes verfteilten
WBahnfinns keineswegs fo groß fet, um den Srfahrenen einer ans
haltenden Taͤuſchung auszufegen. Es ift merkwürdig, fagt er,
daß die Äberaus zahlreichen Schliberungen von Wahnfinnigen in
Gedichten und Rovellen meiftens fehr auffallende Verſtoͤße gegen
die Ratur enthalten. Shakſpeare, Goethe und wenige Andere
machen eine Ausnahme, indem ber von ihnen gezeichnete Wahns
finn jebe Prüfung aushätt, aber faft alle Übrigen haben fehlge⸗
griffen. Auch Dr. Cheyne Hält es für überaus ſchwierig, dem
Wahnfinnigen fo zu fpielen, 'baß ber mit ben Phänomenen ber
Gemuͤthekrankheiten Bertraute baburd, bintergangen werben koͤnnte;
dennoch iR er dee Meinung, daß die Gefahr größer fei, wirktis
den Wahnſinn für Verftellung zu halten, als verftellten Wahns
fian für wahr zu nehmen. Wenn Raferei ſchwer nachzuahmen
ift, fo iſt es Monomanie, nady der Behauptung faft aller
Schriftftellee Aber dieſe Materie, in noch weit höherm Grabe.
Derjenige, weldyer Wahnfinn heucheln will, iſt nicht leicht ver
traut mit den grundlofen Xbneigungen und unerklaͤrlichen Zuneis
gungen, weiche dem Wahnfinnigen eigen finds er ift nicht leicht
fähig, die feierliche Wuͤrde nachzuahmen, welche den Tollen cha⸗
rakteriſtrt; er kann ſich den eigenthümtichen Blick des Auges
nicht geben, ber dem erfahrenen Beobachter die Verruͤcktheit ſo⸗
gleich verraͤth; fein Gefühl kann nicht fo concentrirt fein, daß
ed allen Gindrüden, die nicht mit den Begenftänden feiner Ein
bildu —— unzugaͤnglich bliebe u. ſ. w. Bel
Gemuͤthskranken liegen die Erſcheinungen ihrer Krankheit nicht
auf ber Oberflaͤche, vielmehr oft tief verſteckt und treten nur
hervor, wenn fie durch befonbere Umſtaͤnde geweckt werben: dies
fer umftand fleht den Zwecken des Betruͤgers entgegen, ba er
feinen WBahnfinn feiner Umgebung auffallend machen will. Der
wirklich Wahnſinnige ift unbeforgt um den Zufammenbang feis
ner eingebildeten Ideen mit den wirklichen, für weiche er ein
Urtheit dat, während der verftellt Wahnſinnige fich gu bemühen
pflegt, bie fire Idee mit andern aͤußerlich angeregten in Ber:
bindung und Zufammenhang zu bringen. Der WBahnfinnige iſt
für feine fire Ider Leidenfchaftlich eingenommen und wirb beftig,
wenn man biefer wiberfprichts biefen Umſtand uͤberſieht Derjenige
leicht, welcher nur weabnfianig ſtellt, beſonders wenn ber
Witerfpeuch geſchickt angebracht wirb. *)
*) Dieſer zulett angeführte ſehr zichtige Bug laͤßt fi übrigens
nicht allein am Wehnfienigen beobachten, fondern bei jedem Mens
ſchen von Lebhaftens Weiße, der. feine Georienträfte auf irgend einen
Gegenſtand entweder unwillkuͤrlich oder gefiffentiih firizt, fo im
Dis moraliſchen Zersüttungen, welche man &
des Wohnfinns zu fegen pflegt (moral — utenict Wr.
Gavin eitier befondern Beleuchtung. (Eine Serrüttiing ber mos
salifchen Fähigkeiten kann, vielen Autoritäten zufolge, da vorhan⸗
den fein, wo man den. nollen des Urtheils und
aller geiſtigen Kräfte findet. Dies iſt der Punkt, der bei Gris
minalunterfuchungen fo oR zur Giprade kommt. Bekanntlich
kommen Yälle vor, daß Individuen von einer unwiderſtehlichen
Wuth zu morden, Feuer anzulegen u. dgi. befallen find. Die.
englifchen Richter find nicht bereitwillig, das Vorhandenſein von
moral insanity zuzugeben. Dr. Gavin hält ihnen eine Menge
von Autoritäten vor, Dtto, Esquirot, Ball, Spurzheim, Brouſ⸗
fais, Orfila, Andral, Mare, Beorget, Miu, Guislain, Ray,
Ruſh, Reil, Plattner, Denke u. f. w.; in England felbft Pris
hard, Elliotſon, Burrow, Pagan, Gombe u. f. w. Goffbauer,
Reit und Heinroth tadeit er, daß fie das Geblet der entſchieden
krankhaften Dispofitionen zu Verbrechen zu eng zögen. Biete
von den angeführten Autoritäten heben ausbrädlid hervor, daß
gewiß nicht felten Wahnfinnige auf dem Schaffot geftorben find,
daß Menſchen Strafe gelitten haben, die nichts ald Mitteid vers.
dienten. Dr. Gavin unterfcheibet zwei Formen der Mordwuth.
Die erfte bezeichnet er als eigentlidde Monomanie, partiellen
Wahnfinn: der Wörber wird von einer ſtarken, aber deliriren⸗
den Überzeugung, daß ſeine That unvermeiblich fei, von exhigter
Sinbildungsfraft, von Wangel an gefundem Urteil, von wahns
finniger Leidenſchaft angetrieben; fein Beweggrund ſteht ihm
feſt, iſt aber unvernünftig; er handelt unter dem Ginfluß einer
beftigen Selbſttaͤuſchung. Die andere Form bezeichnet er als
conftante fire Idee: ber Mörder überlegt nicht, hat keinen Be
weggrund, läßt fi) von einem blinden Inftinct leiten, von einer
Idee, einem undeutiichen Gefuüͤhl; kein Delirium, Feine Aufres
gung, feine Leibenfchaftiihe Hitze; ein unmwiderftehlicher Trieb
wirkt; Überlegung, Befinnung, Urtheil find augenblicklich durch
bie Gewalt des Hanges verdrängt. Um nun den Mordwäthigen
von dem überlegten Verbrecher zu unterfcheiden, führt Dr. Gas
vin eine Reihe von Merkmalen an, die jedoch theils einem gu
unfihern Charakter haben, um hier befondere Erwähnung zu
berbienen theils ſich aus der Natur der Sache fehr einfach er⸗
eben. '
„„. Man fieht hieraus fon, daß das Werk ſich nicht auf ers
bichtete und eingebitdete Krankheiten befchräntt, fondern einen
großen Theil ber medicina Torensis umfaßt. Diefer hängt mit
einer der tiefften Schattenfeiten unſers Staatelebens fo eng zu:
ſammen, daß fich einzelne Eritifche Bemerkungen nicht machen
laffen ; man müßte die ganze Sphäre angreifen. 3. 3. einen
armen Kerl, der durchaus nicht Soldat werben oder zur See
dienen will, weil er für nichts Sinn hat als für die Veſtellung
feines Aders ober weit ihn dad Heimweh foltert, oder ſelbn
aus fogenannten ſchlechtern Beweggründen, einen foldyen Jahre
lang zu quälen, zu torquiren, felbft wenn man ſich dabei aller
augenfäligen Grauſamkeit enthält, felbft wenn man ihm nicht
bie Binger verbrennt und ihn nicht mit Operationen ängftigt,
ift es nicht an fich eine furchtbare Grauſamkeit? Ginen Mens.
fhen zu tödten, bei bem ber expertefte Experte am Ende doch
nit weiß, ob Das, was diefen zum Verbrechen getrieben hat,
ale Wahnſinn zu claffificiren fei oder nicht, ja wo biefe ganze
Unterfcheidbung auf einem unhaltbaren Princip beruht, ift e#
lebhaften Streite. Man wird in foldem Sale umglaublich feinfühs
lend für ben verfiedteflen Widerſpruch, welcher deu Nerv ber eliges
nen Behauptung berührt. Wer fögar wiffenfchaftlihe Diöputatios
nen, bie fehr ernſt geführt wurden, im Detail verfolgt bat, 3. B.
den Gtreit ber Iutherifhen und reformirten Theologen Über bie Zerts
werte ber Abendbmablbeinfegung, wird dies beflätigen; noch mehr den.
aufmerkfame Beobachter an fih unb Andern. Überhaupt find allg,
Erſcheiauagen bei Wohnfinnd ſolche, die ihre Grundtypen fan im
geſunden Zuſtande finden, und ber Unterſchied befieht nur in bee
einfeitigen Birirung und Lodseifung einzelner Phänomene aud dem
: Bufammenhange ber geiſtigen Kräfte,
1810
nicht jedenfalls ein homicidium, ein Wenfdienmorb? Pier ger
värh man aber in bie tiefen ragen über ba8 Veſen unferer
Griminaljuftig, über Tobesftrafe u. ſ. w- Hiac illae lacrymae!
— — — — — — — —
Wiblisgrap hie.
Art, M., Dee Bertrag von Verdun. ine Rebe zum
1000jährigen Zueifefte Deutichlands im Saale des Gymnaſtums
zu Kreuznach gehalten. Kreuznach, Kehr. Br. 8. 3%, Rgr.
Belant, 9. &. R., Joſephine. Geſchichtlicher Lebens⸗
zomn. Drei Theile. Leipzig, Frieſche. 1844. 8. 4 Thlr.
gr.
Bellarmins, R., Hauptwerk uͤber den Papft. Über:
ſetzt von 8. 9. Gumpoſch. Mit bem Bilbniffe des Berfafs
fers. Augsburg, Rieger. Br. 12. 2 Thir.
Beniden, 8. W., Wie und warum heißen wie Preus
Gen? Quedlinburg, Bafle. Gr. 8. 20 Nor.
der 5ten, bebeutenb vermehrten und mit neuen Anmerkungen
von Arago, E. de Beaumont, 2. Brongniarb u. 2.
bereicherten. Ausgabe des franzöfifchen Driginals für das Be
darfniß deutfcher Leſer frei bearbeitet von P. d- Maack. Mit
5 GSteindeudtafeln. Kiel, Univerfitäts Buchhandlung. 1844.
Gr. 8. 1 TIhir. 15 Nor.
Bibliothek der gesammten deutschen National - Litera-
tor, von der ältesten bis auf die neuere Zeit. AGter Band:
Heinrich’s von Meissen des Frauenlobes Leiche, Sprüche,
Streitgedichte und Lieder. Erläutert und herausgegeben
ron 1 Eitmäller. Quedlinburg, Basse. Gr. 8. 2 Tbir.
gr.
Bötticher, W., Erinnerung an bie 1000jäHrige Feier
des Vertrages von Verdun, in Beziehung auf bie beutfche Kirche
unferer Zeit. Berlin, Wohlgemuth. Gr. 8. 3%, Nor.
Das Buch der Gefchichte unferer Tage. Ifte Lieferung.
At dem Portrait Abd el Kader. Grfurt, Expedition ber
Thüringer Chronik. Br. 8. 5 Nor.
Deutfche Burſchen⸗, Volks» und Kriegdlieber. Auswahl.
Erlangen, Ente. 5 Nor.
onversations-Lexicon für bildende Kunst. Illustrirt
mit über 3000 Holzschnitten. Iste Lieferung. Leipzig,
Romberg. Lex.-8. 15 Ngr.
Grebner, K. A., Das neue Teſtament nad) Zweck, Ur:
fprung, Inhalt für denkende Lefer der Bibel. 3ter heil.
Biegen , Ferber. Br. 8. 1 Thlr. 0 Nor.
Engel, Laurence Stark, a family picture. Translated
by T. Gaspey. Heidelberg, Groos. Gr. 12. 15 Ngr.
Fries, 3. J., Letzte Worte an bie Stubirenden in Jena.
ine für den Antritt des Prorectorats entworfene Rebe über
den freien Geift im deutſchen Univerfitätsieben. Jena, Doch:
haufen. 12. 3%, Nor.
Gavarret, J., Allgemeine Grundsätze der medicini-
schen Statistik oder Entwickelung der für die numerische
Methode gültigen Regeln. Aus dem Französischen ins
Deutsche ‚übertragen von S. Landınann. Erlangen, Enke,
1844. Gr. 8. 1 Thlr.
Sottlieb, 5 — Taſchenbuch. Iſte Lieferung.
gr
Eros, 2. Freih. v., Geologie, Geognofie und Petrefacten:
Amde. Wit 500 Abbildungen der bie Bebirgsformationen cha:
ea Detrefacten. Weimar, Boigt. 1844. Gr. B.
Ir.
Hirschel, B., Geschichte der Medicin, in den Grund-
zügen ihrer Entwickelung dargestellt. Dresden, Arnold.
Gr. 8. 3 Tbir.
Hoffmann, J. G., Sammlung kleiner Schriften staats-
wirthscheftlichen Inhalts. _Berlia, Nicolai. Gr. 8. 3 Thir.
Holtzmann, A., Über den Umlaut. Zwei Abhend-
ungen. Karlsruhe, Holtzmann. 8. 12', Ngr.
Te een ee
Werantwortliher Gerauögeber: Heinrich Brodbaud. — Druck und Verlag von F. U. Broddaus in Esipzig.
Haͤffell, ©., Weſen und Weruf des evangellſch⸗chriſt⸗
lichen Geifltichen. ee ee ei
Gießen, Geyer. Gr. 8. 3 She. 10 Mer.
Daeanafen, R., EOcdichte. Beingig, Einhorm. IB,
Zolowicz, H., Der fegenvolle Beruf israelitiſcher Beif-
lichen und die Pflichten der Gemeinden gegen fi. Ma =
en, © ft ai —
ap ec, of
1844. 8. 24, See. Erinnis, Einhorn
Kanal, ©., Zionsharfe. GWeiftliche Lieder und Gonette.
3te vermehrte Auflage. Berlin, Wohlgemuth. Br. 12. 15 Nor.
Köhler, B., Patriotiſche Phantaſien zur Joͤrderung der
Maͤßigkeita⸗RKeform. Dibenburg, Sonnenberg. Gr. 8. 10 Ragr.
Kolb, G. F., Das Leben. Napoleon's. Unter kritiſcher
Benugung ber vorzuͤgtichſten frauzoſiſchen, deutſchen md engli-
fhen Werke über benfelben, in Kürze — voltäthümlich umd
moͤglichſt wahrheitsgetreu — geſchildert. Mit Napoleon's Wild:
niß im Stahlſtich. Zte vermehrte Ausgabe. Speyer, Bang.
@r. N. 10 Rex.
eöbener Kunftzuftände. No. I. Molerei, mit näherer
Beruͤckſichtigung ber diesjährigen Kunſtausſtellung. Allen Kuͤrſt⸗
En gewidmet von &..* und D..*. Dresden, Arnotb. 12.
gr.
Mand, 3. E., Herz und Kopf. Eine bumori Bor
leſung. Prag, Borroſch und Andre. 16. TUR Pilde
Mann, K., Was thut unferer Kirche noth? Mit Rück:
fit auf die Schrift: „Zuſtaͤnde ber evangeliſch⸗ proteftantifchen
Kirche in Baden, von K. Zittel”, zu beantworten verſucht von x.
Karlöruhe, Holgmaan. Gr. 8. 11, Rgr.
Müllers Strübing, 9., Diiver Gromwell. Trauer⸗
fpiel in fünf Acten. Berlin, Raud. Gr. 8. 1 Zhlr.
Niemcewicz, 3. U., Meine Gefangenſchaft zu St. Pe
tersburg, in den Zapren 1794, 1795 und 1796. Rachgelafjes
nes Werk, nad bem eigenhänbigen Manufcripte des Berfaflers
herausgegeben auf Veranlaffung des polnifchen hiftorifchen Ge:
mc au ri Deutſch von &. Eichler. Leipzig, Thomas.
. r.
Notizen für Dirigenten von Leſezirkeln un ibli
Bautzen. Kl. 8. 3% Kar ſe dvethtibiorheten
Perſonalſtand ber Friedrichs Alexanders⸗Uni aͤt Erlan⸗
gen Kar ihrem erſten Jahrhundert. Griangen, "ae ®r. 8.
Yudıta ©. R. H., Morgens und Abenbandbacht i
lichen Yausaltar in Gefängen. Erlangen, —— ie
r.
Rama. Ein indiſches Gedicht nach Walmiki. Deutſch von
a Helt mann. 2t
man. si a j A beie Auflage. Karlsruhe, Holke
mitthenner, FJ., Zwölf vom Staate,
ſyſtematiſche Encyclopaͤdie der ee aldefen * Bart,
Ifte Lieferung. Gießen, Heyer. Ger. 8. 1 Thlr. 15 Nee.
a a m 18 je Athen. Bon einen Augen
zeugen sieben und mit ben betreffende Rüden i
tet. Leipzig, Brockhaus. Gr. 8. 10 oe. Acten ai
tors Kurt Free Irre @. 8 Siebelis, Bes
u iffin,
Bautzen, Weller. 8. *. Nor. von Timm Fe verfaßt.
Die ſchoͤnſten und wichtigiten Stellen aus Krauſe's Urbilb
der Menſchheit. Schaffhauſen, Brodtmann. 8. 24, Rar.
‚ br ng al sWBrimborium, ober: Dis Tonne
er € . angegeben . .
bis Stes Heft. Berlin, Bee 8. . mt If
BWiſſel, 8. v., Intereffaute Kriege: Erei der
zeit. Veleuchiet und mit 2 —* —— —
ga Pia Mit 1 Plane. Hanover, ing. Ge. 8.
⸗
. Blätter
fr
literariſche unterh
altung.
Sonnabend,
Die letzten Stunden und der Feb in allen Giaffen
der Geſellſchaft aus ben Geſichtspunkten ber Hu⸗
manitdt, der PMyfiologie und der Religion betrach⸗
tet von H. Lauvergne. Brei nach dem Franzoͤ⸗
fifchen —* Zwei Baͤnde. Leipzig, E. Flei⸗
fiber. 1843. Gr. 12. 3 Thlr. 15 Nor.
Ein guter Titel iſt wie ein geiftreiches Geſicht, zu
dem ſich der Beſchauer Thon beim flüchtigen Hinblick mit
einer gewiſſen Zuverficht bingezogen fühlt, oder wie der
grünfeldene Vorhang Über einem werthvollen Gemälde,
den man neugierig weggezogen wünfdt, um frin Auge an
den darunter verborgenen Herrlichkeiten zu weiden. Wie
das geiftreihe Geſicht und wie ber feidene Vorhang kann
zwar aud der Titel trlgen, aber unterfcheiden wir bier
nıre zwiſchen dem äußern Prunk und dem eigentlichen Ge:
balt, der uns daraus entgegentritt, fo werben wir in der
Regel finden, daß Der, welcher mit dem Zitel bie Wahl
eines geiftreichen Stoffs zu bezeichnen mußte, biefen ge:
woͤhnlich auch geiftreich zu behandeln verſteht.
Truͤgen uns unfere phyfiognomifchen Erfahrungen über
Büchertitel nicht, fo erwartet uns auch hinter dem dee
vorliegenden Buchs eine neue Bekanntſchaft, die wir will⸗
tommen heißen und Ihr gern in freien Stunden ein Plaͤt⸗
hen an unferer Seite elürdumen mögen. Ohne daß un:
fee neuer Bekannter noch den Mund zur Rede geöffnet,
haben wir ihm fhon Mandyes an den Mienen abgelaufcht.
Er muß von einem erfahrenen Vater abflammen, benn
um über die legten Stunden und den Tod berichten zu
tönnen, muß man viele Menfchen haben fterben fehen;
diefee Vater gehört wahrſcheinlich dem geifllichen der Arzt:
fihen Stande an, denn außer Krankenwaͤrtern, die aber
gewoͤhnlich Leine Blcher fchreiben, hat man nur in diefen
Ständen Gelegenheit, Sterbende zu beobachten; wir dürs
fen vielleicht in ihm eine gemüthliche Richtung voraus:
fegen, wozu uns theild die Wahl des Stoffe, theils bie
Worte „Humanität” und „Religion’’ berechtigen; er wird
uns endlich viel von den Iegten Stunden der unglüdlid:
ften und fictlih verdorbenften unter den Menfchen zu er:
zählen wiffen, denn, toie wie beim Weiterleſen finden, ift
er Arzt des Hoſpitals am Bagno zu Zoulon. Etwas
anftößig erfcheine uns der Bufag „In allen Glaffen der
Geſellſchaft“, denn bis jegt It uns immer der Tod als
ein Kouverain vorgefommen, in deffen Reiche alle Rang:
Sr. 329. —
25. November 1843.
ordnung aufhört und wo ber in der urmfeligen Huͤtte wer
fcheidende Bettler noch Das vor dem Fuͤrſten in der ia
beſtimmten Gruft voraushat, daß fein Ltd der Alles in
fich vereinenden Mutter Erde fchnelter wirder zucheigegeben
wird. Doch fehen wir zu, inwiefern ſich unfere Titelphy⸗
fiognomik an dent Buche ſelbſt bewaͤhren wird.
Das Sterben eines Menſchen iſt ein ſo ergreifender
Aet, daß ihn wol jeder nicht alles Sefuͤhls Berauble
treu in ſeinem Gedaͤchtuiß bewahrt, wem er zum erſten
Mate in feinem Leben Zeuge davon geweſen if, und Der:
der bat wol Recht, wenn er fagt, daß er ſich wenig von
einem DMenfchen verfpredye, der bei der eriten Leiche, die er
gefehen, nichts fühle. Unſere Theilnahme und unfere Ruͤh⸗
rung bei diefem Acte wird aber am fo miele gefleigert, je
näher der Sterbende unſerm Derzen fland und je mehr wir
ihn im Leben wegen feiner geiftigen und gemäthlichen Ei⸗
genfchäften zu adyten und im lieben Urfache hatten. Seibſt
für den befchäftigten Arzt, der den Tod unter allen Gans
men und Geftalten zu fehen gerechnet iſt, hat der Anblick
eines Sterbenden noch etwas Ergröifendes und ſtimmt
feine Seele zu ernften Betrachtungen. Keinem Andern
wie ihm fit es aber auch fo nahe gelegt, auf die Ber:
ſchiedenheiten im den phyfiſchen und pſychiſchen Erſcheinun⸗
gen aufmerkſam zu werden, bie das Sterben bei verſchie⸗
denen Menſchen in feinem Gefolge hat. Wie dad Rebeh
jedes Einzelnen fein befonderes Bepräge trägt and neben
den Sefegen der Entwidelung feiner Gattung noch eigen:
thuͤmlichen unterftete tft, fo auch der Tod. ne
Über die Verfchiedenheiten in den phyſiſchen Erſchei⸗
nungen liegen bereits mannichfaltige Beobachtungen vor,
wicht fo aber über die pfochifchen, obwol Beobuchtungen
daruͤber die hoͤchſten Intereſſen des Menſchen berkähren
und nicht allein für den Arzt, ſondern für jeden Gebilbe⸗
ten von geoßer Wichtigkeit find. Um fd mehr muß man
fi wundern, daß noch Niemand darauf gekommen Äft,
diefen Gegenſtand einer genauern Betrachtung zu unters
werfen; am wentgften aber hätte man ermatten ſollen, daß
dee Gedanke daran in der Seele eines Franzofen und un⸗
ter einem Volke aufleinen würde, bei dem das Leben mit
allen feinen Genuͤſſen und weltlichen Intereſſen die Erin:
nerung an den Tod bis an die Äußerfte Grenze verweiſen
muß. Der Berf. ſteht aber auch zu feinen Landslenten
in vollkommener Oppofition, ja, feine ganze Schrift fheine
„nn *.
aus dem Beſtreben hervorgegangen zu ſein, dem "eiteli
Treiben feines Volks entgegenzutreten und feiner Genuß:
ſucht, feinem Jagen nad zeitlichen Guͤtern und Ehre, fels‘
nem Leichtfinn und feiner Frivolitaͤt als Revers das Bild
der letztan Stunden und des Todes vorzuhalten, ein Strer
den, dem man feine Hochachtung nicht verfagen kann, das
jedoch, von einem höhern Standpunkte betrachtet, der roif:
fenfhaftlihen Behandlung des Gegenftandes großen Ein:
trag gethan hat.
Betrachten wir den Berf. als Menſch und von feiner
gemätblichen Seite, fo erſcheint er uns hoͤchſt achtenswerth
und liebenswürdig; er hat, wie es fcheint, auf fehr ver
Faledenen Berufswegen und unter verſchiedenen Himmels⸗
ſtrichen frin Lieblingsthema ſtets treu vor Augen gehabt
ww jede Belegenbeit benust, die Summe feiner Erfah:
ungen darüber zu bersichern. Ohne gerade tiefe pſycholo⸗
giſche Blide in die Herzen der Menſchen zu thun, hat er
doch hauptlächlich ihren Charakter und ihre Neigungen zu '
arfotſchen fi angelegen fein laſſen und die Beziehungen,
welche zwiſchen ihrem Tode und ihrem feühern Leben flatt:
finden, aufzufinden geſucht. Seine Korfchungen nad die:
ee Seite hin find nicht ohne Ausbeute geblieben und
ſein Buch tft fo reih an Charakterzeichnungen , daß es
Fi ſchon dadurch viele Freunde machen wird, Dabei be:
gleitet das religioͤſe Element allenthalben ſeine Unterſu⸗
«hung; feine feſte überzeugung iſt, daß nur ein frommes
Leben zu einem feligen Sterben führt und gern möchte er
ale Menſchen zu jenem patriachalifchen Leben zurüdfüh:
zen, wo .man im feiten Glauben an Gott und Unfterb:
lichkeit allen Lodungen der Welt und der Sinnlichkeit
entſagte umd Im Vertrauen auf ein gutes Gewiſſen ruhig
and ergeben feiner Leuten Stunde entgegenfab.
: &o tange bie Voͤlker noch in ber Kindheit find, erhalten .
fie ihren Glauben von den Gefeggebern und Weilen überliefert
‚und dieſe erbauen ihn auf die unerſchuͤtterliche Grundlage des
Daſeins eines hoͤchſten Wefens, wie ſehr auch fonft alles Übrige
voneinander abweiche und damit bie Verſchiedenheit der Religio⸗
nen entſtehe. Arfo .nur in den Perioden, wo die Menſchen ans
fangen in sine gemeinichaftliche Bereinigung zufammenzutreten,
‚haben fie wahrhaft einen gemeinfchaftlichen Glauben, fterben fie
mehr ober weniger veitrauend auf cine und diefelbe Hoffnung
‘der Fortdauer. An dem Maße aber, wie die Sultur eines Volks
ftelgt, wie es erwaͤchſt in der Bervolllommnung feiner Bezie⸗
bungen zu den Dingen bes Weltalls, aͤndern ſich feine Vorſtei⸗
lungen durch die Eindrüde, die ed von den neuen ihm geläufig
gewordenen Gegenftänden empfängt; es fteilt Betrachtungen bar:
ber an, und es macht fie zu den Gottheiten, bie es verehrt.
Dieſe Bet gänzlidger Umgeftattung tft genau biefelbe, welche
an MPevsorbringung der Künfte, des Luxus fo reich iſt, bie die
Queilen taufendfader in dem Weltall verborgen liegender Ges
nüffe eröffnet, und, was Daffelbe ift, die Seele von dem Borne
der Urwahrhelten ablentt. Wo einmal biefe Abwege eingeſchla⸗
gen find, da gibt es feinen Stillſtand mehr, bis bie dußerfte
Diye aller denkbaren Eivilifation, dad Ghaos der Intelligenz er
zeicht. if. Jeder nach feinem Vermögen zicht an dem Triumph⸗
wagen der neuen Lehren; Diefer beweift der Maſſe, daß die Rüge -
Wahrheit fei, Jener ringt nach Macht und Anfehen, ein Dritter
ſucht die Kunft zur Vollkommenheit zu fleigern, und da zuletzt
Gold es ift, das jeden Genuß gewährt, fo brängen fick Alle, :
von dem glaͤnzendſten Genie bis zum beichräntteften Kopfe, auf
den * der ſie zum Beſitz fuͤhren ſoll. In dem durch und
durch kuͤnſtlichen Daſein, welches das Erzeugniß sine uͤbertrie⸗
i
PR i
benen ln it, muß der nle
‚allen Zeiten ber fittliche Werth eines —— en Fo
benswanbels geruht hat, der an den Xod, nothwendig feinen
urſpruͤnglichen Sinn einbäßen. Denn Genießen kann nicht bae
Handeln fein, weldyes zum rechten Sterben vorbereitet; die Ach
ven aber, welche Lohn uhd Gtzafe in * kuͤnfchgen Leben
leugnen, find nur bie Zugabe einer Gpoche, wo das" materiche
Wopibefinden bis auf die dee Menſchheit möglice dußerfie
Schranke ausgedehnt worben ffl.
So ift alfo dem Verf. bie Eivilifation, das Ringen
nach höherer Erkenntniß, die Ausbildung menſchlicher Faͤ⸗
higkeiten und Kraͤfte die Wurzel alles Ubels. Sie fuͤhren
den Menſchen von dem Glauben an Gott und Unflerb:
lichkeit ab und bringen ihn um die Ruhe feiner legten
Stunden. Dies ift der rothe Faden, der fich durch das
ganze Buch zieht und das Leben und das Sterben des
Einzelnen wird nur gewogen nad) dem größern oder ge
ringen Antheil, den er an jener allgemeinen geiftigen Aus⸗
bildung nimmt. Es wäre ſchlimm, wenn e8 fo in der
Welt ſtaͤnde, ja, es könnte kaum ſchlimmer ſtehen! Aller⸗
dings iſt es nicht zu leugnen, daß mit zunehmender Civi⸗
liſation und mit zunehmenden Bedürfniffen auch die Ver:
fuhungen zur Übertretung göttliher und menſchlicher Ge
fege wachſen, daß der Menfh im Werfolgen materieller
Intereſſen nur zu leicht ſich ſelbſt, feine eigentliche Be:
fimmung und den wahren Zweck feines Dafeins vergißt,
daß er feldftfüchtig, gleihgüftig gegen feine Nebenmenfchen
und gegen das Moralgefeg wird und daß die Sucht nad
Genuß, Größe, Gewinn leicht alle Regungen der De:
muth und der Liebe in feinem Herzen erſtickt; aber wer
möchte deshalb die Civiliſation als die Quelle diefer Ent:
ſittlichung anklagen, allen Fortfchritten in Kunft und Wil:
fenfhaft, alem Streben nady höherer Erkenntniß den Krieg
ankündigen? wer möchte mit dem Verf. behaupten, die
Civilifation zerſtreue und vertilge den Glauben wie ben
Aberglauben, oder mit J. 3. Rouffeau, mit jedem Sch
Aberglauben, den man dem Volke nehme, raube man ibm
einen Theil feines wirklichen Gluͤcks? Die Civitifation
deshalb verdammen, weil in ihrem Gefolge manche die
Sittlichkeit bedschende und den Menſchen vom wahren
Weg zur moralifhen Vervollkommnung ableitende Eins
flüffe auftreten und ſich die Verfuhungen zum Böfen
fleigern, heißt cbenfo viel, als die Kunft des Meſſerſchmie⸗
dens verdammen, weil dad Meſſer in der Hand des un=
vorfichtigen Kindes zum verlegenden Werkzeug wird. Niche
Alle, die ein ſolches Werkzeug gebrauchen, find Kinder und
auch das Kind wird duch feinen Schinerz den beffern
Gebrauch lernen. ine Civiliſation, die bloß die geiftige
Ausbildung der Völker ohne die fittlihe Im Xuge hätte,
der es blos um Vermehrung und Steigerung materieller
Kräfte zu thun wäre, würde freilich zur Sörderung ber
Humanitaͤt wenig beitragen; aber mo thut fie dies? Al—
lenthalben unter civllifirten Völkern gibt es Kirchen, Schu⸗
len, Geſetze und Wächter Über diefelben und felbft die einz
feitige geiftige Ausbildung ſchließt die fittliche und teligiöfe
Dervolllommnung nicht aus; denn je mehr der Menſch in
das Wefen der Dinge eindringt, je mehr ſich der Kreis feiz
ner Kenntniffe erweitert, defto mehr wendet fi auch feine
n —X
——— se: voh ni
m ni dr ex den Aberglaubep ab
1 Alles, was die
Hang uhd lot leicht Thraͤnen in dab KRuge.
faßt auf dumm Geblete des Glaubens fellen Fuß. Sons
deitet ſich auch in dem Kräften des Menfchen der über: '
treibende Misbtauch mit der Zeit zum guten Gebrauch
um, verkruͤppelnde Keime am großen Baume der Menſch-
hit find. Deshalb für diefe nicht verloren und jede gute
Kraftaußerung des menfchlichen Geiſtes, wenn fie. auch ge:
ade nicht die moraliſche Vervollkommnung zu befördern
ſcheint, muß nothmwendig einmal die Humanität befördern,
jeder der unendlichen Kreife, die die Menfchheit durchlau⸗
fen muß, fie eine Stufe höher nach dem Siele geiſtiger
and ſittlicher Bildung heben.
Wir können es dem Berf. vergeben, daß er diefe.
Sache in fo truͤbem Lichte ficht, denn er gehört einem
Lande an, wo freilic bei einer großen Zahl von Men:.
fhen das Streben mad) den Bögen diefer Erde, Gold und
Ehre, und der Hang an finnlichen Senüffen alle edlern
Megungen der Seele verſchlungen und die Frivolitdt ihren
Gulminationspuntt erreicht hat, und er mußte vermöge
feiner Stellung als Arzt des Hoſpitals am Bagno zu
Toulon freilich Gelegenheit genug haben, d daruͤber Beob⸗
achtungen zu ſammeln, wie der Menſch im eiteln Ringen
‚nad jenen Goͤtzen endlich dem Laſter und einem traurl:
gen Tode —* Aber Gottlob! gibt eg unter allen Claſ⸗
fen der menschlichen Geſellſchaft noch Individuen, welche,
im unabläffigen Streben nad) wiſſenſchaftlicher Erkenntniß
und nach Beförderung materieller Intereſſen, ja im Schooſe
alles irdifchen Güde, dennody ihre Seele jenen Goͤtzen
nicht verkaufen, ihre Menfeenmwürbde und ihren fittlichen
Standpunkt nicht verfennen und deshalb auch ihrer To⸗
desſtunde fo ruhig entgegen fehen kaͤnnen als Jene, welche.
im Glauben oder Aberglauben ihrer Väter erzogen daran
bis ans Ende feftbalten und an den Berfuchungen der
Welt keinen Theil genommen haben. Sa, der Verf.
fheint uns in einem großen Irrthum befangen, wenn er
meint, dee ruhige Tod fel nur der des wahren Ghriften
und nur von dem Sefthalten an eine pofitive Religion
abhängig, denn auch der Acheiſt (wiewol wir die Eriftenz
eines ſolchen im ſtrengen Sinne des Worts nicht zugeben
mögen, da auch die fchärffte Abſtraction am Ende auf ef:
nen Punkt führt, der Anfang und Quelle alles Werdens
ift und das abfolute Sch, von dem der Philofoph feine
Gonffrusstion beginnt, ein unbekanntes Etwas vorausſetzen
muß, von dem e6 felbft bedingt iſt), wenn er fonit dem
in feine Bruft gefhriebenen Sittengefeg gemäß gelebt und
fih in Harmonie mit einer höheren Weltordnung zu fegen
gewußt hat, vermag ruhig u ſtetben. Daß dergleichen
Menſchen, welche früher in Oppofition mit den gewoͤhn⸗
lichen religiöfen Anfichten ftanden, fich in fpdtern Jahren
dem Glauben in die Arme warfen, wovon wir ſelbſt Bei⸗
iptefe anzuführen wuͤßten, fteht damit niht in Wider:
ſeruch, denn es Itegt im Gange des. menſchlichen Leben,
daß die Verſtandesſeite mehr im jugendlichen, die Gefühle:
ſeite mehr im Greifenalter die Oberherrſchaft behauptet.
Ziweifelfuche und Sreigeifterei entfpringen immer einem ju:
mung Platz, dad derz iſt
endlichen Gemuͤt
die Stren
edankens, die
abe Me
Ba * ul) —*7
—* Sn eh
aiten bes "Semäthe berührt, finder A
Leicht fin:
den daher auch in dieſem Alter die -Vorftellungen von vis
nee alumfaffenden Liebe, Demuth, Verföhnung, vor es
nen Miederfehen nach dem Tode u. f. w., wie fie uns
die chriſtliche Religion fehrt, mehr Eingang als die ohne
’
Schärfe und Conſequenz des Gedankens nicht zu faffen:
den Lehren der Philoſophie.
Überhaupt geht die Natur anders zu Werke als um
fer Verf, wenn er die Verichiedenheiten des Sterben auf
die verfehiedenen Claſſen der menſchlichen Geſellſchaft und
auf die verſchiedenen Beſchaͤftigungen, Beſtrebungen und
Intereſſen zuruͤckfüͤhrt, die fie im Leben verfolgten. Der
Trunkſuͤchtige, der Wolluͤſtling, der Spieler, der Wucherer,
der Geizige u. ſ. w. zeigen im Sterben ſelten noch das
Bild von Dem, mas fie fruͤher waren. Weder die Reue
über ihr vergangenes Leben noch cin Feſthalten an ihren
im Leben vorherrfchenden Neigungen find immer die Grund:
züge ihrer legten Stunden. Wie das Leben im fletm
Wechſel befteht, und die Wuͤnſche, Befchäftigungen, Ge:
finnungen der Menfchen mit den Tagen und Stunden
ſich ändern, fo iſt e8 auch mit den legten Stunden und
dem Tode. Wie die Vorfehung im Leben die Menſchen
nicht immer nad Ihren Handlungen richtet, den Lafters
baften nicht immer duch Unglück und Leiden flraft, und
den Guten es wohlgehen läßt, fo auch im Tode. Da
wo wir ein ſchweres, durch die Qualen eines mit Wor⸗
wuͤrfen belafteten Gewiffens getruͤbtes Hinſcheiden erwar⸗
teten, naht der Tod mit ſanftem Hauche und befreit die
Seele im Schlafe von den Banden ihres Körpers, waͤh⸗
rend eine fanfte, tiefgeprüfte Seele mit Ungeduld und Ber:
drug uͤber ihr Lange amhaltendes Leiden aus dem Leben
[cheidet. Richt immer alfo, ja felten find die letzten Stun:
den der Spiegel des vorangegangenen Lebens. Mannich⸗
fache Umftände, Charakter, Zemperament, Erziehung, Be:
ruf, Alter, Krankheiten, ihre Verſchiedenheit und Daude
u. fe w. geben dem Sterben eine ganz verfihiedene Faͤr⸗
bung und Andern oft feine Erſcheinungen auf eine Meife,
wie man es zuvor nimmermehr gedacht. Beſonders Has
ben Krankheiten darauf den bedeutendften Einfluß und es
ift gar feine ungewöhnliche Erfcheinung, daB dadurch die
ganze Sinnesart und der Charakter des Menſchen gaͤnz⸗
lich umgeſtimmt und in das Gegentheil verkehrt werden.
Aus dem Muthigen wird ein Ängſtlicher und Zaghafter,
aus dem Ruhigen und Gottergebenen ein Ungeduldiger
und Zwelfler, aus den Lebenßfrohen ein Mifanthron, aus
dem Ängſtlichen, um fein Leben Beforgten ein Gteichgäl-
tiger u. f. w., und wer dbemnad aus den Reben umd
Handlungen eines Sterbenden Schlüffe auf fein vorange⸗
gangened Leben und feine moralifche Tuͤchtigkeit oder Une
tüchtigkeit ziehen wollte, würde in den wenigſten Källen
dad Mechte greifen. Irren wir nicht, fa find dieſe »fychl-
ſchen Bezlehungen zu ben verfchiedenen fomatifchen Stoͤ⸗
nungen, denen der menſchliche Organismus untırliegt, der
15%
— von dem alle Unterſuchungen uͤber die letzten
tunden und den Tod beginnen muſſen. Die letztern
find es hauptſaͤchlich, von denen bie verſchiedene Seelen⸗
und Gemuͤthsſtimmung des Sterbenden abhaͤngt, und Cha⸗
rakter, Lebensweiſe, Erziehung, Gewohnheiten u. ſ. w. mas
chen nur inſoweit ihren Einfluß geltend, als ihnen jene
noch einiges Feld zu ihrer Wirkſamkeit uͤbtig gelaſſen ha⸗
ben. Die groͤßte Seele kann klein werden, wenn die laͤh⸗
mende Gewalt det Krankheit ihr materielles Werkzeug in
Feſſeln geſchlagen hat und ein mittelmaͤßiger Kopf unter
Fieberdelirien fein Leben aushauchen, deren geiſte und
phantaſiereicher Gedankenflug die Zuhoͤrer in Erſtaunen
verleßt.
(Die Fortſetung folgt.)
⸗
Der Tara⸗Hügel.
Die Zeitungen haben von der maͤchtigen Repealverſammlung
berichtet, die unter O' Connell's Vorfig in Irland auf dem Tara⸗
—* ſtattgefunden, und wer Moore's Gedichte kennt, erinrert
ch wol, daß in vergangenen Tagen Tara bie Reſidenz ber iri⸗
ſchen Koͤnige geweſen —
Tho harp ihat once through Tara’s halle
The soul of music shed,
New haugs as muto on Tara’s walls
As if that soul were filed. *
Doch war das nicht die einzige Erinnerung, die jenem Ber:
fammiungsplage ein eigenthuͤmliches Intereffe gab. Zara ober
Teaghmore bedeutet im Iriſchen ein großes Haus und der Hi:
gel wurde fo genannt, weil bier bis gegen Ende des 6. Jahr⸗
hunderts die Generalſtaaten Irlands alle drei Jahre zufammens
traten, theild um geiftiihe und weltliche Angelegenheiten zu
ordnen, tbeild um einen Häuptling zum Fuͤrſten über ganz Ir:
land zu wählen und mit ber hoͤchſten Gewatt zu bekleiden.
Mährend ber bdiesfallfigen Geremonie ſaß der Yürft auf dem
Lia Ball, den Schickſalsſteine, von welchem ſchottiſche Beichicht:
ſchreiber zuerft erzählt haben, daß er zu aͤhnlichem Zwecke (zum
Behuf der Krönung bes erften Königs aus Dalreabifchen Ges
ſchlechte, Fergus Mac Ere) nah Schottland und von da durch
Shuard 1. ats Giegstrophäe nach kondon gebracht und in der
Wirftiminfterballe nicdergelegt worden ſei, wo ee noch jegt zu
feben ift, Sonderbar genug haben iriſche Gefchichtichreiber dem
erſt beigeſtimmt, als die Nachfolge bes Haufes Stuart auf dem
englifchen Throne die an den Schickſalsſtein gefnüpfte, den Uns
tergang don Irlands Selbftändigfeit betreffende Prophezeiung
‚wahre zu machen ſchien. Denn ber Erfte, ber es that, war Kea:
ting, der babıi zugleich den offenbar zu Legalifirung von Karl's J.
Thronrecht gebichteten Vers bei Boethius citirt:
Ni fallat fatam, Scoti quoounque lotatum
Inveniont lapidem, regnare tenentur ibidem.
‚Das Irrige der ſchottiſchen, iriſcherſeits angenommenen
Erzaͤhlung, bat jetzt ein Herr Petre in feinen „„Transactions
“ of the Royal irish academy ’’ darzulegen geſucht. Außer daß
er den gedachten Umftand von ber fo fpäten Beiſtimmung irtfcher
Hiftoriler gebührend geltend macht, heit ev namentlid bas Ab⸗
weichende der ſchottiſchen Beſchreibung jenes Eteins von ber iris
fhen hervor, dadurch mindeftens beweifens, dab bie Schotten
entweder bie irtfhen Angaben nicht gekannt oder nicht beachtet
haben. Nachdem er dirfe ausführlich mitgetheilt, fährt er fort:
„Enblich ift es auch im böchften @rade unwahrſcheinlich, daß
bie Iren, um ben. Wunſch einer Eolenie zu erfüllen, fich von
einem Denkmale getrennt haben follten, das fie wegen feines
Alterthums verehrten und für bie legitime Succeſſion ihrer ei⸗
genen Könige unbedingt noth nbig glaubten.’ dem num
wie ihin wolle, merkwaͤrdig iſt es Äcbenfalts Eine große,
umgerworfeitt, obelisfäßhrtiche; Meinerne Garie auf gel
Sara bis in bie Bet
irifgen Chroniten aus dem I0., 11. und 12,
ia Wall geftanden hat. Duß biefer aber’ ein ibfel des
Heidenthums — die Ehroniken nennen ihn ein fleinernes Idol —,
fheint bie Beſchreibun feiner Geftatt volkommen gu derbürgen.
Demnädft fehtt es nicht an andern Reminiscenzgen, welche ben
Hügel Zara den Iren intereffant maden. Bon isn aus foll
der heilige Patric die Lehren bes Chriſtenthums vechpeitet bes
ben. Hier erlitten die ‘Dänen 80 eine vollftändige Niederlage.
Hier verfammelte Roderich, Tester König über Irland, das Heer
feiner &ttreuen, fie zur Belagerung von Dublin zu führen.
Hier mufterte D’RIA 1539 feine Scharen, bie das Land ringe
um mit Feuer und Schwert verwüftet. Bier murbe 1798 ein
ſtarkes Corps Rebellen von ben eigenen Landeleuten überfallen
und vernichtet. Bier find die Gräben und Wälle noch fidhtber,
auf welchen einft tie Vertheidiger eines heiß geliebten Wahns
geblutet und geftorben. Bier hat nun D’Connefl „die &achien“
vor den Richterſtuhl bes Ewigen gefobert und bat heilige Ber:
fpeechen gegeben, daß, ehe zwölf Mal der Mond fich erneut,
ein irifches Parlament in Gollege Green verfammielt fein werke.
Nous verrons, 3.
—
Literarifhe Anzeige.
Neue Romane,
im Berlage von F. A. Wrodfans in Reip erſchie⸗
nen und durch alle Buchhandlungen zu beziehen: vs erſchi
Ein Schloß am Meer.
Noman
von
Revin GSchäcking.
Zwei Theile.
Gr. 12. Seh. 3 Thle.
Zwei Gräber,
Georg Schirges:
Gr. 19. Geh. 1 Thlr. 18 Mor.
HERRY.
Bon der Berfaferin von „Clementine“
Zwei heile,
Gr. 13. Geh. 3 Thlr. 15 Near.
Im Sabre 1838 erfhien ebendaſelbſt:
lemenfine,
Gr. 12. Ge. 1 Thlr.
Viratenleben.
BSeefſeenen und Sharakterfſtigzzen.
Zwei Cheile.
Gr. 12. Beh. 2 Thlr.
Verantwortliher Herausgeber: Heinrich Brokhaud. — Drud und Berlag von F. U. Brodhaus in Leipzig.
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literariſche Unterhaltung,
Sonntag,
Die letzten Stunden und ber Tod in allen Claſſen
der Geſellſchaft and den Gefichtöpumkten ber ‚Du:
—— 15 Ba Fi
von DH. ZAuverame. ei na
bearbeitet. Awei Bände, ’
(Bortfegung aus Mr. 328.)
Über die Art und Weiſe, wie die Seele von dem Koͤr⸗
per in den verfhhtedenen Krankheitszuſtaͤnden beſtimmt wird,
wie fie ihr bald bier die Zügel laſſen, während fie ihr
Dort nur die engflen Grenzen zu ihrer Wirkſamkeit geftat: |
ten oder the im Fiebertraume zu einer ungewöhnlichen
Steigerung gewiſſer Vermögen und Kräfte den Impuls ge:
ben, davon wiſſen wir nur ſehr wenig und es wäre das
her ſehr wimſchenswerth, wenn gute Beobachter diefem in:
tereffanten Segenfland ihre Aufmerffamkeit zumenden woll⸗
ten. - Unfer Verf. fcheint dazu der Dann nicht zu fein,
weniaftens If Das, was er und in dem legten Gapitel
feines Werks über bie leßten Stunden und ben Tod nad)
der Natur der Krankheiten gibt, gerade die ſchwaͤchſte
Partie beffelben.
Abgeſehen von diefen Mängeln hat das Buch aber
auch) 'feine guten und intereflanten Seiten. Infofern das
Sterben mit dem vorangegangenen Leben noch in einiger
Beziehung ſteht und die legten Stunden davon das Ge:
präge annehmen, liefert e6 und manchen beachtenswerthen
pſychologiſchen Beitrag, und da der Verf. feine Erfahrun:
gen meift ſelbſt aus: dem Leben und aus allen Claſſen
der menſchlichen Geſellſchafk gtnommen hat, ihm aber be:
fonder8 eine reiche Gelegenheit zu Gebote fland, das Le
den und bie letzten Stunden der durch eigenes Verſchul⸗
den und Demoralifation verfommenen und verunflalteten
Glieder dieſer Geſellſchaft näher zu beobachten, fo lohnt
«8 fi wol der Mühe, ihn in der Beſchauung der Mus
ſterkatte menfchlicher Eharaktere und der daraus entiprins
genden guten und ſchlimmen Folgen zu begleiten. Frel⸗
lich darf man ſich dabei durch einen oft ermübend breiten
Vortrag, durch Wiederholungen und durch ein zu weit.ge
triebenes theoretiſches Raiſonnement niche floͤren Laffen.-
Sogleich fm erſten Capitel, das phrenologiſchen und
moraliſchen Vorbetrachtungen gewidmet iſt, finden ſich Be:
hauptungen, deren Beſtaͤtigung durch die Erfahrung man
Billig ‚bezweifeln muß; fo z. B. ſpricht der Verf. von ei⸗
nem · Mogan · des Überfinntichen oder der Offenbarung "und
von ſeinem Einfluſſe auf die letzten Stunden und das
Sterben und behauptet, wer dieſes Organ ſehr ausgepraͤgt
befige, bei dem, ſei feine Bildungsſtufe uͤbrigens welche fie
wolle, dürfe man immer auf ein erbauliches und frierll⸗
ches Ende rechnen. Bedenkt man, wie mannicfaltige
Umftände auf die Verſchiedenheit des Sterbene influte
ven, weld eine Menge von Erfahrungen gehört dazu, um
zu beflimmen, was wahr oder falfh an foldyen phre⸗
nologifchen Traͤumereien iſt! Wenn wir Übrigens auch
ein ſolches am Schädel nachweisbares Organ, fo leugnen
wir doch Leineswegs einen Sinn für höhere Offenbarung,
der fich zuweilen bei Sterbenden zu einem wahren Diels
wationsvermögen fleigert, wofür ſich in der Geſchichte mans
nichfache und ungleih mehr Belege Auffinden laſſen «ats
die von dem Verf. angeführten, ohne deshalb allem und
jedem Aberglauben die Thür zu Öffnen oder mit dem Verf.
an die Wunder des Fuͤrſten Hohenlohe zu glauben.
Im zweiten Capitel wird der Einfluß der, Rellgionen“
und der „Regierungen” auf die legten Stunden und ben
Tod, mit befonderer Dinficht auf Islamismus, Proteſtan⸗
tismus, Katholicismus, namentlidy in Stalien, auf das
Sterben ber Päpfte u. f. w. betrachtet. Der Verf., der
ſich übrigens immer als eifriger Katholik erweiſt, zeige fich
bier wenigſtens ſehr tolerant. Einen auffallenden Scot⸗
cismus beweiſt der Araber noch in den legten Lebensmo⸗
menten. Der Berf. fah mehre derſelben Kant auf einem
elenden Lager fterben, aber ihr Etolz blieb ihriem felbft In
den Ketten, mit welchen fie die franzöfifche Polltik in den
Bagnos von Toulon belafte. Als er einem die Seifen
abzunehmen befahl, fagte er: „Ich danke bir fire deine
Freundlichkeit, aber ich mag fie nicht: Laß mich, bie Kette
kann eine Seele, welche Sort zu ſich ruft, nicht gefangen
zuruckhalten.“ Ein anderer Araber trat zum Sterbenden,
nahm zum letzten Mate die geheiligten Waſchungen mi?
tm vor, fagte Ihm einige Worte, worauf er nur durch
Mienen antwortete, darauf wickelte fi der Kranke im
fefne Deden und war nur erfl tobt wieder zu ſehen.
Mohammed, der Araber, der ihm beigeftanden hatte,
fagte, als er ihn kalt und fleif wieder erblickte: „Er iſt
es nicht mehr; es iſt nur ſein Kleid; er iſt nun: ſtel
und im Himmel.”
Im dritten, der’ „Zeunmffucht“ gersidmeten Gapitel gibt
uns der Berf. manches Teagifche Weifpiet von Menſchen,
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die in Felge dieſes Laſters ihr Erben endigten. Unter
mehren nuc eine:
Ein Zagelöhner aus ber Nicbernormanbie kommt eines
Tages nach Paris und holt fich, wie es nach dem Kunftaus:
drucke beißt, einen Dieb. Beil er ſich nicht fiher auf den Bei⸗
nen fühlt, will er der Schwaͤche beilommen, geht in ee Mukipe,
feintt noch einmal tüdptig, und geht dann feines Wegs, hoc)
viel wantender adf den Beinen und. noch viel brebender im
Kopfe. Sr ſtreckt fih auf ein Stuͤck Raſen vor ber Mauer ber
Morgue, und das Unglüd will, daß er dort 12—15 Stunden
in einem Xobtenfchlafe Liegen bleibt. Was ihm während deſſen
widerfuhr, gibt den Schredien bed Grabes nichts nad. Maden,
bie, von dem faulenden Fleiſch in ber Worgue &@ näbrten, kro⸗
den ihn an, und fraßen ſich in die Daut des chaͤdels, der Aus
gen, ber Ohren, ber Nafe, des Mundes, kurz des genen Kör:
pers bes lebendigen Tobten ein und legten ihre Gier in bas
warme, von Wein dunftende und in jeder Hinſicht ihrer Ver⸗
mehrung günftige Fleiſch. Kaum hatte ex ausgeſchlafen, als die
entiche Brut an das Tageslicht wollte. Myriaden fchmus
ziger, Keiner, ekelhafter grauer Würmer bohrten fich Langfam
aus den Augen, den Nofenlödern, ben Ohren, ber Stirn und
Kopfhaut hervor; mit dem Huſten wurden fie maſſenweiſe aud
dem Munde ausgeworfen; fo ging es am ganzen Körper; über:
au Würmer und ein entieglidher Zuftand. Der Mann flarb nad)
ainiger Zeit, langfam gerfreffen yon ben Maden und Infekten,
nachdem er Geſicht, Gehör und Geruch eingebüßt hatte. Als
bie Mitter, welche ſolche Parafiten tödten, ihre Wirkung gethan
Yatten, biteben in ber Haut lange ſchmale Furchen zurüd, bie
Ach mit Eiter und Jauche fuͤllten; diefe mußten aufgefchnitten
nub gereinigt werben, fobaß die Oberfläche bes Körpers wie ein
gepfluͤgtes Feld ausſah.
Unter den Folgen, welche gewoͤhnlich dieſes Laſter zu
begleiten pflegen, vermiſſen wir eine eben nicht ſeltene,
naͤmlich die verſchiedenen, haͤufig in Bloͤdſinn endigenden
Serlenſtoͤrungen. |
Das vierte Capitel handelt von den „Verirrungen des
Geſchlechtstriebes“. Der Verf. fpriht hier aus einer rei:
hen Erfahrung und volllommen beiflimmen muß man
ihm darin, daß hier die Civilifation, die Steigerung menſch⸗
licher Bedürfniffe und das Jufammendrängen großer Men:
fchenmaffen auf einzelnen Punkten der Sucht nad ſinn⸗
lichen Genuß die Mege gebahnt und die Gteichgültigkeit
bee Menſchen gegen das Unmoralijche, was in der Unbe:
ſchraͤnktheit dieſes Genuffes liegt und gegen feine phyſiſch
und moraliſch nachtheiligen Solgen auf eine Weife geftel:
gert bat, die mit der Vorſtellung einer fortfchreitenden
Bildung zur Humanitaͤt kaum zu vereinigen ifl. Dex
Verf. entwirft und ein trauriges Bild dieſes bacchantifchen
Lebenswandeld in großen Städten, befonder6 unter dem
weiblichen Gefchlechte, wo der Zod folhen Unglüdlichen
noch eine Wohlthat iſt, und fie, wenn das Theater .und
bie Liebhaber fie im Stiche laffen, Noth, Runzeln und
din verwuͤſteter Körper auf das armliche Krankenlager wer:
fen oder ins Hofpital führen, wo ſich die Geſellſchaft gar
nicht um ihr 2008 befümmert und fie kaum der Arzt be:
achtet, „als bie legten verlorenen Segen der großen bunt:
ſcheckigen Jade, Societät genannt, umd fie wieder an dies
felbe anflidt, wie die Bravourarien zufammengeflidt wer:
den”. „Lieber Sort”, fagte eine ſolche Unheilbare, eine
allgemein gefchägte Schaufpielerin, zu dem Verf., „wenn
ich ruhig und fatt bin, da würde ich Sie wahrlich dauern.
Was kann ich denn dafür, wenn ic, fo lange mich mein
| fie unten die bleiche Dängelamge dea Gemacht nk
y
unvertilgbares Fieber brennt, nach meiner China verlange?
Stauden Sie mir, bie Luft in einer freim Nacht iſt für
mich unentbehrlich, wenn ich gefund fein und etwas Drs
dentliches leiſten fol. Wenn mid bie nicht begeiftert,
müßte ich. vor Hunger ſterben.“ Ku weichen femdeubaren
Anomalien zumellen dieſe Sucht nad) Änniüherk Genuß
führt, beweift der Abtiß aus dem Leben einer Gräfin in
Paris, welche, gut erzogen, aber ohne Altern, im Beſit
eines Heinen Vermögens und von Niemand abhängig,
von Bewerbern umlagert, frmmer traurig, aͤngſt⸗
lich und verlegen fchien und fich in Gefellfchaften, wo
Männer waren, nur felten erbliden li. Man zerbrach
fi den Kopf Uber diefen ſtillen melancholifchen Charakter;
fanatiſch⸗ religiös war fie nicht, irgend einen Mann zeich⸗
nete fir auch nicht aus; zu Leiden fehlen fie volleuds gar
nicht. Ihr Ruf war bis daher ein Spiegel ohne Hauch
und Flecken. Aber bei allem Auſchein vun Tugend ließ
fie der Teufel nicht aus dem Sau. War e8 naͤrnlich
Nacht geworden, fo Bleibete fie fich aid gemeines Maͤd⸗
hen, begab fi in die verrufenften Stadttheile, und Mi⸗
nerva wurde zur Bacchantin, die ſich in ben ſchaͤndlichſten
Haͤuſern preisgab. Nach zwei bis drei Jahren daͤmpfte
ſich das Feuer etwas, und nur dann und wann machte
ſie noch einen ſolchen naͤchtlichen Ausflug. Ein Abend,
ein letzter, ſollte dieſer abſcheulichen Liederlichkeit fuͤr im⸗
mer ein Ende machen. Als ſie um Mitternacht, erſchoͤpft
und geſaͤttigt, nach Hauſe geht, nennt eine ihr wohlbe⸗
kannte Stimme fie beim Namen und fügt ein ſchreckli⸗
hes Schimpfwort hinzu, Die Stimme gehörte einem
Verlobten, der fich bi6 dahin für den glüdlichfien Men—⸗
{den gehalten, und den fie, befiegt durch feine Liebe und
duch feine unwiderfichliden Vorzuͤge, ‚begünftige hatte.
Belhänı und für immer entehrt, verließ fie mit ihrer
Gefelifhafterin Paris und verbarg fich im einer großen
Seeftadt des ſuͤdlichen Frankreichs, feste bier, in ein my⸗
fifches Dunkel gehülft, ihr ausſchweifendes Leben fort und
farb endii an den Folgen eines ekelhaften Skorbuts.
AÄhnliche charakteriſtiſche Züge finden fih auch in dem
fünften Capitel, die „Spielwuch”, dem echten, der
„Wucher“, und dem fiebenten, der „Geiz“ überfchrieben,
Don den in dem achten, dem „Selbſtmord“ gewibs
meten Capitel mitgetheilten Beiſpielen führen wir nur
eins am:
Kermerec, ein Matrofe, in jeder Bezi ein gutmuͤthi⸗
ger Menfch, wurde von — en one ee eh,
blos weil biefer einen Wiberwillen gegen ihn hatte, gemishan:
beit. Gines Tages iſt er ber Quaͤtereien fatt und fagt bem
Patron ganz Lalt, er folle ihn nicht ſchlagen. Umſonſt; doech
diesmal vergilt er die Mishandlung mit: einem Meſſerſtich, den
er dem Angreifer in den Leib gibt. Kermerec wurde arretixt
und in das Gefängnig des Maärinehofpitals zu Breſt gebracht.
est überlegt er, was er gethan hat; er ficht bas Blutgerüft
aufgtrichtee und. feinen Kopf vom Rumpfe getvennt. ‚Rein‘,
fagt er, „von Herberſshand will ich nicht flrsben.” Gr ſteht
von feinem Lager auf und greift unpermerkt in bie Taſche ei:
nes neben ibm Liegenden, um eın Meſſer zu fuchen, das er bei
biefem während ber AMbendmahlzeit gefehen hatte. Man eilt
binza, um ibn an bem Gebrüude zu verhindern; gu fpdt, er
flicht blind um ſich Her. San .er ſich fret get, Red er
en —
Yen wall
t we: ‚ABln sn
ww führt fort, ſich auf bie per a
den Lelb zu ſchen. Endlich, ermübet Son ben Verſuchen,
ſich auf der € zu töten, padt er die aus dem Leibe her
vorgetretcen Ehtgervelde, dteht fie wäthend zuſammen, ſchnei⸗
det ein Bimdet ad, und ſinkt dewußtlos um. Dieſer entſetzliche
Menſch lebte noch drei Tage.
,Micht immer aber find es dunkle Farben, In die der
Verf. ſeinen Pinſel bei ſeinen Sittengemaͤlden zu tauchen
pflegt, auch liebliche und mit der Menſchheit verföhnende
Wider weiß er vorzufähren; fo das des Todes einer guten
Frau und Mutter im neunten Capitel, mit der Überfchrift
„Letzte Stunden und Tod beim weiblichen Geſchlecht“.
Nicht minder intereſſant ſind in dieſem Capitel die Schil⸗
derungen der Dame nach der Mode, der Emporgekomme⸗
nen, dee in Myſtik Verſunkenen, der Emaneipirten, der
Dimen. Merkwuͤrdig ift die Beobachtung, daß unter 200
der Legtern, deren Lebenswandel der Verf. genau verfolgte,
fih auch nicht eine winzige befand, die, indem man ihr
ihre Verworfenheit vorhielt und fie auf das künftige Le⸗
den hinwies, fich nicht aufrichtig nach den Tagen zurüd:
geſehnt hätte, wo fie noch unfchuldig und reinen Sinnes
ihren Herzendfrieden befaß. Nicht eine fpielte die Ungläu:
bige; jede dachte noch manchmal, daß ihr Gott und die
Heiligen wol: in der Todesſtunde beiftehen möchten, waͤh⸗
rend jene eleganterr Phrynen, bie aus Kofetterie den ab⸗
gelchliffenen Materialismus zur Schau tragen, und ſchon
feit lange vom Liebhaber oder durch ihre Lecture die Vor:
urtheile, die Furcht vor einem rächenden Gott, vor dem
andern Reben, vor der Vergeltung abzufchltteln gelernt
haben, gewiß niemals zur Sittlichkeit zuruͤckkehren und,
finden fie einen Gatten, immer bleiben, was fie waren.
Kin ſolches armes Mädchen, wenn es durch eine gluͤckliche
Ausnahme Gattin und Mutter wird, führt Hundertmal
gegen eins einen untadelbaften Wandel und erfüllt fireng
ihre Pflichten gegen Mann und Kinder, und gegen Gott.
In einem Lande der neuen Welt kam eine Ladung fol
«her Sreudenmäbchen der zweiten und dritten Claſſe an.
Die erftern hatten ihre Gewerbe mit den reihen, jungen
oder alten, bigigen oder abgelebten Männern fortyefekt;
dieſe, weniger zugefluge in dem Treiben der großen Melt,
Hatte fich jede nur gu einem Manne gehalten, mit ihm
mufterhaft wie In der Ehe gelebt, waren al&dann von Die:
fm Männern geheitathet worden und gelten heute für
Vortreffliche Weiber. Die Zeit ihrer Unzucht war für fie
«ine fernliegende, faſt verſchwundene Erinnerung, wie die
an eine Hungersnoth, wo man, um zu leben und nicht
zu ſterben, Alles ißt, was man haben kann, ohne zu fra
gm, was «6 für Nahrung fei.
Eine diefer Ungluͤcklichen wurde durch Erbſchaft Wefigerin
eines Guts in der Provence. Cie bezog incognito das anges
nehme Landhaus und ging nur Sonntage aus, um bie Kirche
eines benachbarten Dorfes zu befuchen. Dort hörte fie einmal
in dee Predigt von einer äguptifchen Marie, die nach 17 Zah:
ten bes unzüchtigften Lebens fich gebeffert hatte und eine Heilige
von großem Rufe geworden war. Unfere Belehrte hieß eben:
false Marie, und fie faßte eine fo große Verehrung für jene
Dellige, die fie irrig, weil biefelbe nur in der griechifchen Kirche
gefeiert wird, für ifte Schugheilge anfah, daß fie dreimal jebe
—— — De Nein lit |
. Bob ſcheei
bin ln, ag un Made, Über Mey ib. yut: a
e ⸗ Deaume, echte halbe Stuude Vant⸗ Oiapinfn, bi,
derte, wo bie heilige Magdalene der Legende nach begraben fein
fol. Nachdem fie dieſe Monderungen fünf Jahre fortgefent,
batte fie berausgeredynet, daß fie ihr fräberts Leben, und —*
jeden einzelnen Fehltritt deſſeiben, durch ihre Faſten, Gebete, Geb⸗
ßelungen, Wanderungen abgebuͤßt habe. ann ſtarb fie als
Märtyrerin ihres Glaubens und three harten Bußäbungen. Das
War ohne Zweifel religiöfer Yanatismus; aber ihre wirkliche
Kreömmigtelt bewies fie durch ihr Teſtament, In welchem fie eine
Stiftung für vier Perfonen ihres früheren Gewerbes machte, die,
fobatd fie für unheilbar erfiärt würden, in einem bezeichneten
Sofpitale bis zum Tode untergebradht werden follten. -
(Die Bortfegung folgt. )
De la pnissance americaine, origine, institutions, es-
prit politique, ressources militaires, agricoles, com-
merciales et industrielles des Etats- Unis, par Guil-
laume Tell Poussin. Zwei Bande. Paris 1843.
Diefes intereflante Wert gibt ung, wenn ed auch in eiäs
zelnen Punkten noch ber Ergänzung fähig ift, im Ganzen ein
vollftändige® Bild ber jungen amerikanifhen Staaten. Der
Berf. hat feine Beobachtungen an Ort und Stelle gemacht und
theilt eine Menge beiehrender Bemerkungen mit, für bie wir
ifm Dank wiffen, nur hätte cr feinem Werke einen böhern
Werth geben koͤnnen, wenn er die Echriften früherer Reifender
4 3. bie ausgezeichneten „Lettres sur l’Amerique du Nord”
von Michel Chevalier, Tocqueville's bekannte „Democratie en
Amerique‘ u. ſ. w., mehr berüdfichtigt hätte. Nur wenige Auss
länder baben ſich in einer fo günftigen Lage, um Land unb
Leute Eennen zu lernen, befunden als Pouffin, der an ben
ben Bauten, welche in den Vereinigten Staaten während bef
legten 20 Jahre zur Vollendung gelommen find, thätigen Ans
tbeil genommen bat. Er fland als Major im amerilanifchen
Genieweſen und war zu gleicher Zeit Adjutant bes trefflichen
Generals Bernard, der feinen Ramen durch die Anlegung des
großen Ohiokanals unſterblich gemacht bat.
Am wenigften befriedigt find wir vom erften Band, wel:
her faft nichts als eine hiſtoriſche Ginteitung gibt, die weber
vollfiändig noch befonders überfichtlich if. Der Verf. entwirft
bier die Geſchichte jeder einzelnen Kolonie, aus benen fpäterhin
fi) die Union gebildet hat, mit großer Ausführlichkeit, flatt une
mit dem Geifte der nordamerikaniſchen Snftitutionen, wie bie
Vorrede erwarten läßt, bekannt zu machen. Dies war unenbs
lich wichtiger unb fland mit feiner eigentlichen Aufgabe in viel
engerer Beziehung als die langen hiſtoriſchen Eroͤrterungen, bei
denen er von ben erften nordiſchen Geefahrern, welche vor Ger
lombo fon an der Küfte der Neuen Welt angelegt haben fols
len, und von der noch pröblematifhern Entdeckungsfahrt eines
gewiffen Madoc, eines Fürften von Wales, anhebt. So werden
wir, flatt eine vollftändige Darfiellung der politiſchen Einrich⸗
tungen und ber ſocialen Verhaͤltniſſe, in benen bie Kraft der
amerifanifchen Demokratie begründet iſt, zu erhalten, mit einer
Überfegung der Unabhängigkeitserfiärung und der Confoͤdera⸗
tionsacte abgefertigt. Auch in den einzelnen Gapiteln des zwei⸗
ten Bandes, ber den militairiſchen, commerciellen und indu⸗
ſtriellen Intereſſen gewidmet iſt, ſind wir zum Theil auf man⸗
che fuͤhlbare Luͤcken geſtoßen. So uͤbergeht Pouſſin z. B. das
wichtige amerikaniſche Bankweſen ganz und gar, aus dem allein
ſich größtentheils die finanziellen Schwankungen, unter denen
Amerika zu leiden gehabt hat, erklären laffen. Die Eiſenbah
und Kandle betrachtet er ferner zu ausfchlichlich vom militairi⸗
ſchen Standpunkte aus, wie man dies fhon aus dem Umſtande
fehen kann, daß er fie in der Eintheilung feines Merle der
Landesvertheidigung unterorbnet; aber ohne z. B. ben Gifens
bahnen den hohen Werth flreitig zu machen, ben fie im Kriege
haben mögen, glauben wir doch, daß Jedermann - benfelben
u ommereicler Pinfiht und als unk Mefbeheres ie
*** im Allgemeinen «ine viel Bereutung beile⸗
a Yus der Fuͤlle von Bemerkungen, die fih uns beim Durch⸗
blättern dieſes inhaltsreichen Werks aufbrängen, können wir nur
einzsine Punkte bervocheben. Recht inte t iſt das Capitel,
weiches der Verf. dem amerikaniſchen Kanalıvefen widmet, obs
ſehr zu bedauern if, daß Pouſſin Teine Notiz von ben
a — Unterfuchungen bes unermüblidden M. Ghevalisr ges
nommen bat, beffen „Description des voies de communication
anz Etats- Unis’ ats ein Meiſterwerk betrachtet werden Tann.
Sn keinem Lande der Welt Haben die Kandie eine ſoiche Bedeu⸗
tung erlangt und nirgend hat man ihnen eine ſolche Ausbehnung
gegeben ald in den WBereinigten Staaten. Die ungeheuern Vor⸗
theile, welche dem ameritanifchen Handel daraus entfproflen
“find, haben die Abrigen Länder auf die Waſſerwege, bie zur
Beförderung ber Waaren am wichtigften find, wieder aufmerk⸗
fen gemacht. So fängt man’ in Frankreich feit einiger Zeit
on, der Kanallfation, die noch vor wenigen Jahren mit aller
Schiäfrigkeit und Nachlaͤſſigkeit betrieben wurde, einen neuen
Aufſchwung zu geben. Es kommt uns jest faft unglaublich vor,
wenn wir aus einem vor kurzem erfchienenen franzöflfchen
Werke erfahren, daß bie Steinkohlen, welche FA aus einer
Entfernung von 86 Lieues bezieht, noch vor Fahren auf
diefee kurzen Strecke nicht felten ein Jahr unterwegs waren,
während man in Amerika noch bebeutenbere Diſtanzen mit ges
wöhnlichen Schiffen in wenigen Zagen durcheilt. Wie ungeheuer
aber auch in Amerika bie Schnelligkeit des Perfonen : und Waa⸗
zentransportes binnen wenigen Jahren zugenommen bat, ba=
von führt Pouffin einige ſchlagende Beifpiele an. Go er
zählt er, daß er bei feinen Reifen im 3. 1817 von Neuyork
nah Wafhington auf einer Entfernung von 100 Lieues noch
5—6 Tage gebrau t babe, während man jest die ganze
Streede in 10 — 11 Stunden zurädtest. Es fpringt In
die Augen, wie ſegensreich biefer Seitgewinn für den Wohls
fland des ganzer Landes ift, denn in Amerika befonders ſieht
man bie Wahrheit des befannten britiſchen Spruͤchworts „Time
is money”. Sogar die Schnelligkeit der Dampfſchiffe hat Teit
ihrer erften Amwendung bebeutenb zugenommen. Das erfte
Dampfihiff, weiches 9 in Amerika in Bewegung geſetzt hat
war auf Anregung eines gewiſfen Robert Zulton im . 1807
von den beiden englifchen Ingenieur Bulton und Watts er-
baut. Die Mafchine war nur von einer achtzehnfachen Pferdes
kraft, und man brachte auf ber Überfahrt don Albany nad)
Neuyork, die man jest gewöhnlich in 9, zuweilen felbft in
T Stunden madıt, 18 volle Stunden zu. Iegt find in Ames
rifa alle Ströme mit Dampffchiffen bededt und wohin fie nur
fommen, erftehen Städte und biüht der Wohlſtand auf. Im
J. 1830 gab es, nach Pouffin’s Angabe, 13, Dampffciffe.
Rad) genauen Unterfuchungen hat fi) ergeben, daß fett ihrer
erften Einführung, alfo während 30 Jahren, etwa 253 Ungläds:
fälle mit Dampffchiffen vorgelommen find, die gegen 2000 Den:
ſchen das eben getoftet haben. Die Zahl der Verletzten beläuft
3 43. Die meiſten Unfälle kommen auf den großen
kn vor, deren Bett noch nicht überall von ben ftarfen
ummurgzeln und ben gewaltigen Böden gehörig gereinigt ift.
Wir haben deshalb zu unferm Staunen in ben neueflen Zeitungs⸗
berichten gefeben, baß ber Kongreß in Bolge der Einfchräntun:
gen, weldye von ben finanziellen Verlegenheiten nöthig gemacht
find, bie für den Unterhalt der Waflermege ausgefehte Summe
um ein Beträchtliches, wenn wir nicht irren um mehr als bie
Hälfte, herabgeſetzt Hat.
Aus den Berechnungen, welche Ponffin mitteilt, ergibt fich,
daß die Gefammtlänge aller Kanaͤle, bie in Amerika vollendet
find und bereits ber Handelsthaͤtigkeit offen flehen, 1620 Lienes
a 4000 Metres ausmacht, bie mit einem Koftenaufmande von
450 Millionen France zu Stande gedracht find. Die Unterhats
tung der Kandte berechnet er mit 1800 — 3350 Francs das Kir
cher ſteigt, waͤhrend fie in Uankeeich,
erſte Anlage mehr ala bad Doppelte fo visi als ia Amerika kofet,
im Durdafchnitt nur 1500 Srancs auf eine gleiche be
— Die. —⸗ Ausbdehnung ber Eiſenbahnen betrug im
J 13 Aomttres ober‘ 2188 Lieuess davon wurden
5265 Kilometres hereits befabren, 3247 weren ihres Wellen
dung nahe und 320 exiſtirten zwar erſt im Project, foliten
aber doch bald zur Ausführung fommen. Wir erfahren ferner,
daß die Koften der Anlegung von Eifenbahnen in England mehr
als das Sechsſsfache von Dem betragen, was fie in Amerika ko⸗
ten, und dabei werben jühetich neue MWeittel und Wege ger
funden, weſentliche Erſparniſſe möglich gu machen. Dod wir
beschen hier ab, um ſchließlich das Werk noch einmal ſowol als
len Denen, die bei den großen Arbeiten, bei benen Deutſchland
jegt ben freien Bereinigten Staaten fo wuͤrdig nadhelfert, ale
auch dem größern Yublicum, das ſich einen MWegriff von ber
herrlichen Entwickelung dieſer jungen Macht machen will, brine
gend anguempfehlen. -
Mibcellen:
Thomas Ferrarius, weicher 1SIL „Cautelas jaris“ heraus:
gab, erzählt (cast. 24), gu PYabua fei ein wegen
des Mordes zum Tode verurtheilter Zube nach langer von ben
angefebenften Rechtslehrern gepflogener Berathung von ber
Todesſtrafe zulegt freigefprochen worben, weil er ſich vor er⸗
gangenem Urtheilsſpruche hatte taufen lafim. Die, welche bef
ber Berathung anderer Meinung waren, hätten aber biefem
Ausipruche den des Dvibius (Fast. 2, 45, 46) enigegengefett:
Ah nimium faciles, qui tristia orimins caodia
Fiuminea telll pouse putatis aqua,
Auch einen Licheöbrief findet mar in ben Pandekten. Der
römifche Rechtsgelehrte Scaͤvola hat ſolchen, wie ihn eine Sein
ihrem Lucius Titius ſchickt, in der L. 61. 5. 1. D. de obligat.
et action. zum Beften gegeben, und zwar ganz in bem erbaͤtm⸗
lichen Stile, deſſen ein ungebildetes Maͤdchen, das an ihrer
Liebhaber fchreibt, ſich zu bedienen pflegt. Mehvres hierüber tanz
man in Keokhardi hermeneut. jur. ed, Walch. (p. 182) Iefen.
Des Königs Ludwig XIII. von Frankreich Wruber, Herzog
von Orleans, war, im Zwielpatte mit dem Könige, 1634 zunr
Herzöge von Lothariugen geflüchtet, deſſen Schweſter er wiber
bes Könige Willen geheirathet hatte Der König unb fein
Minifter Richelien waren darüber ſehr aufgebracht, wollten
aber, um den Schein der Ungefepmäßigkeit zu vermeiden, Teinen
Schritt thım, obne vorher ein Gutachten don Rechtögelchrten
eingeholt zu baten. Diefes fiel nun dahin aus, „baß ob crimen
raptus Klage geführt werben müffe“. Die Klage wurde auch
wirklich angebracht vor dem Parlamente in Paris und zwar,
wie Leyſer (Sp. 593, m. 8) bemerkt, mit Erfoig.
Weil neh 23 F. 8 et 7 dem Maſallen wegen einer bes
Lehnherrn zugefügten Injurie (weiche aber nach 3 F. 24, 8. 2
eine ſchwere fein muß) das Lehn von biefem eingezogen werben.
Kann, beſchuldigte noch 1719 ein Reichägrafeinen feiner Vaſallen
der Belonte deswegen, weil: letzterer in einem an ben Grafer
eriaſſenen Schreiben bie gewöhnlichen Ghrentitel „„Gaäbiger-
Herr” und „Euer Gnaben” ausgelaffen une ihn nur. „Doch
geehrteſter Here Graf” benannt, auch zu dieſer Zitulatur fich
bin und wicber bloßer Abbreviaturen bedient habe.
kucius Gary, Biscount Falkland, Staatäferretair König
Karus I. von England, der in der Schlacht bei Newbury (20 Sept.
1643) blieb und ein gefchägter englifcher Dichter war, befaß
eine vortreffliche Bibliothek. Diefe vertaufchte fein Sohn, Hein:
rich, nach des Vaters Tode für — ein Paar de. Hab
sua fata Hbelli! . fur Paar Pie a
Berantwortiiher Perauegeber; Deinrig Brodhaus — Drud und Berlag von E. X. Bredbous in Leipsig.
Bıllter
für
fiterarifge Unterhaltung.
Montag,
Die Ieaten Stunden und der Tod in allen Claſſen
der Gefellſchaft aus den Geſichtspunkten der Hu:
manität, der Phyſiologie und der Religion betrachtet
von H. Lauvergne. Frei nad) dem Franzoͤſiſchen
bearbeitet. Zwei Bände.
(Bortfegung aus Mr. 330.)
Im zehnten Gapitel: „Letzte Stunden und Tod beim
männlichen Geflecht”, Legt der Verf. eine Eintheilung
nah den verfchiedenen Stufen geiftiger WBefäbigung zum
Grunde, die, wenn man dabei von andern zufälligen, die
Art des Sterbens beftimmenden Einwirkungen abfieht, al
Lerdings dabei nicht ohne Bedeutung find. Demzufolge
zerfallen die Dienfchen in bloße Inſtinct- oder Thier⸗, in
Verftandes: und geniale Menfchen. Die erftern ſterben
gewoͤhnlich ohne Zeichen von Empfindung und Theilnahme,
wie fie gelebt haben. Bei der zweiten Claſſe muß man,
neben den verfchiedenen Berufsarten unterfcheiden: 1) den
einfachen Menſchen, der an dem allgemeinen Aufſchwung
der Civiliſation nicht hell nimmt, in feinem Glauben
an Gott unerfhätterlich bleibt, und in der ihm gelehrten
Weligtonsübung lebt und ftirbt; 2) den Geſchaͤftsmann,
der unaufhoͤtlich den zeitlichen Gütern nachjagt und nie
mit etwas Anderm beſchaͤftigt iſt als mit den Zahlen fel:
nes Gewinnes oder Verluftes, dabei aber in feiner Seele
einen Reſt von Glauben, auch wol von Aberglauben be:
Hält, den er weder leugnet noch bezweifelt, aber auch ebenſo
wenig für feinen Tod nugbar macht; 3) den Gelehrten
und Denker, der durd feine Forfchungen über die ſinn⸗
fiche und überfinnliche Welt in religiäfer Beziehung ent:
weder zum überlegten Atheismus, oder zum Zweifeln über
einzelne Punkte, ober auch zur innigen Überzengung der
Mahrheit der geoffenbarten Religion kommt; 4) Denje⸗
nigen, der fi) ausdrüdtich der Betrachtung und dem Um:
gang mit den himmliſchen Dingen und ber Losfagung von
allen irdifhen gerdidmer hat. Wenn ber Verf. dem Le⸗
ben und dem Sterben ber Legtern, namentlich der Anas
horeten, eine fo hohe Bedeutung beilegt, fo werden ihm
wol nur Wenige beiflimmen, denn wer follte nicht ein
thätiges, dem Wohle der Menſchhelt gewibmetes, zugleich
aber der Stimme des Innern Gewiſſens genugthuendes
Leben Höher flellen als die Ruhe umd ben beichaulichen
Muͤßiggang ?
Mertwärbig find des Verſ. Mittheilungen br das
In dem Kriege von 1813 erwacht ber M
an dem Tage feines Todes mit der beflimmten | —A—
daß es heute fein leſgter ſei. „Mi nimmt heute eine Kan
nenkugel mit; nüchtern fol fie mich nicht treffen.” Er Lieft bie
Briefe feiner Frau noch einmal dur und wirft fie dann ins
euer. Gine Grunde darauf fteigt der Kalfer zu Pferde unb
Et Meffizes
folgt ibm. Das biafle und traurige
Beffieres Ausiehen beB
Marſchalls fällt Jedem auf.
Hr. de Baubus, fein Abjutant
und Bertrauter, fagt zu Denen, die es bemerkt haben: „Bekom⸗
men wir heute eine Schladht, fo wird der Marſchall getöbtet.”
Das Treffen beginnt, und fehr bald reißt eine Kugel den ebeln
Degen bes Katlerreihs in zwei Städen. Geine Uhr war ſte⸗
ben geblichen, ohne daß fie. auch nur berührt worben wäre.
. Wie Beffitres, fo wußte auch Lannes feinen nahen Tod
voraus. Als 1800 der Krieg mit Öftreich ausbrach, nahm‘ Lane
nes von feiner Frau und feinen Kindern Abſchied mit der fehlen
Überzeugung, daß er fie nicht wieber fehen werde. Am 322.
Mai fand er auf dem Schlachtfeide von Eßlingen feinen Xob.
An dem Tage vor der Schlacht bei Marengo fagte Deſaix
u feinem Adjutanten: „Es ift Lange her, baß ih in Europa
ine Schlacht mitgemacht habe, die Kugeln kennen mich nicht
mehr; heute begegnet mir gewiß etwas.” Und am folgenden
Tag lag Deſaix ale Sieger auf dem Lorberbette.
Ebenſo warf fich der General Eafalle in einer Nacht, wo
es nicht ſchlafen Tonnte, mit der Borahnung feines Todes bers
um. Es war vor der Schlacht bei Wagram. Gr ſchrieb noch
‘an demfelben Tage an Napoleon, um ihm feine Frau und feine
Kinder zu empfeblen. Sonſt ein Mann wie von Gifen, Tonnte
er ſich jest der Heftigften Bewegung nicht erwehren und äußerste
unaufhoͤrlich gegen feine Fremde: „Morgen bleibe ich.” Und
das Geſchick der Schlachten hielt Wort.
Bor der Schlacht bei Bautzen führte Duroc gegen ben Kal⸗
fer eine ganz fonderbare Sprache. Napoleon Eonnte ihn nur
halb berubigens ſelbſt abergläubig wie ein Gosfe, wurde ex nen
der Gröffmung, bie ihm Duroc machte, betroffen. Während bes
Gefechts beachte man ihm die Rachricht, daß fein Freund ge
follen fei; und die Augenzeugen erzählen, daß Napoleon fi
vor die Stirn geſchlagen und ausgerufen habe: „Deine Ahmun⸗
gen trügen niemals!“
Auch von Ahnungen, durch die ſich Sterbende festen,
"mit ihnen in Sympathie flehenden Perfonen mittheilen,
weiß der Verf. Beiſpiele anzuführen.
Rapolcon’s Tobesſtunde wußte man gleichzeitig auf dem
en von ©&t.s Helena und in einem Gaflpofe Badens. Graf
6 Caſes war auf einer Reiſe in Deutfchland, voll Gram Aber
feine Trennung von bem Gefangenen und über feine vergeblichen
Verſuche, die Theilnahme Quropas für ihn gu gewinnen. Am
hellen Tage Aberfänt ihn ein lethargiſcher fj im Tramıie
ht er Napeoleon gm
| fi
win. —2 es feiner Panik fogleicy an, daß ber Kaifer ges
Malt, eh’ fr font hal dor j su
n ihre Gei em voran,
J ae Bruns wandeit ſchon das Morgen.
Unter dan ganialen Menſchen unterſcheidet ber Verf,
Diejenigen, die in verſchiedenen Zweigen der Induſtrie be⸗
zus leuten Dingen neue Vegiehungen abzugewinnen
ud ſie gu Etßndangan zu verwenden willen, dabei aber
nach Gewinn und nach Beifall und Ehre ringen, von
Don wirklichen Bentes, die einen Funken des göttlichen
Keuers vom Himmel empfingen, den Gottbegabten, bie
durch Ihre Thaten und Werke ihrr Sendung erfüllen und
als «ine von Sort gewollte durch ein ihm gefälliges Les
don und durch eins religiöfe Gefianung bewährten. ‚Der
Enſtuß der Erſtern auf das wahre Gluͤck der menſchlichen
Gefellſchaft wird von ihm ſehr in Zweifel gezogen. Sie
vermehren nur maßlos und fuͤr den Genuß viel zu wohl⸗
feil die unendlichen Huͤlfs⸗ und Steigerungsmittel des ge:
ſellſchaftlichen Lebens, und die Schnelligkeit, mit der ein
Volk feinem Verfalle — nimmt um ſo mehr zu,
je mannichfaltiger feine Mittel werden das Leben hinzu:
bringen, je aͤtzender und entnervender fie auf das Mark
fees Dafeins einwirken. Die Wunder der Induftrie
bringen es mehr und mehr dahin, feinen phyſiſchen Tod
durch das Üdermaß jeglicher morafifcher Üüberreizung gu be:
ſchleunigen. Man möchte fagen, daß eine zu body culti:
Dinge Nation unter einer Atmofphäre von Sauerftoff ath:
met, und, wie die brennbaren Körper, die man unter eine
mit dieſem Gas gefühlte Glocke bringt, ihe Leben verpufft
und in Funken verfprüht inmitten einer Helligkeit, vor der
die Augen erblinden.
verzugsweiſe an fein zum großen heil demoraliſirtes
Bere richtet, die ſich aber auch jedes andere gelagt fein
Aaflen ſollte, Hegt eine große nicht zu verfennende Wahrheit.
Geſtehen wir es nur, der außerordentliche Aufſchwung, den
Kuͤnſte und Wiffenfchaften in neuern Zeiten genommen,
die marmichfachen Erfindungen und Erweiterungen der In⸗
duſtrie, die die großen Menfchenmaffen nach allen Mich
fangen ausbeuten, haben fie nicht glüdlicher gemacht. Eine
Menge Bedürfniffe, Verlodungen zum Genuß und Lafter,
aller Art haben fih in ihrem Gefolge eingefchlihen und
In diefen Worten, die der Verf.
unter feinem Bolke und ein marnender Wäcker und Ber-
treter des wahren Humanitqaͤt, ulht nerhalisg ! nei au
unferm Wolle moͤcheen wir un Mar kim! zur
Im elften Capitel: „Letzte Stunden und in ver
fhiedenen Gtafien der Gefeufchaft”, erzählt der Verf. eine
Reihe von Zodesfällen, die aus dem Geſichtspunkte der
der And der Meligion ihr Merk:
wuͤrdiges haben. Es ſind nur fernere Belege fuͤr den
Satz, daß, wie der Menſch lebe, fo fterbe er auch. Ob⸗
wol wir nun oben die Allgemeinheit dieſes Satzes beſtrit⸗
ten und zu beweiſen geſucht haben, daß auf die Art des
Sterbens eine Menge anderer Umſtaͤnde Einfluß baten
und daß deshalb dieſer Satz keine algemeins Suͤltigkelt
Habe, fo ſiad wir doch weit davon omfernt, ihn gerade⸗
hin abzuleugnen. (Er iſt ebanfo wahr, als es die meiften
Spruͤchwoͤrter ſind, d. h. es liegt ihnen eine gewiſſe Wahr⸗
heit zum Grunde, die der Menſch beherzigen ſoll, ohne
daß fie deshalb auf alle Faͤlle anwendbar find, Am we
nigften aber find wir gemeint, die Wahrheit umzuftoßen,
daß ein chriftlichee, gottgefäliges Leben zum ruhigen Ster:
ben nöthig ſei. Schon Rouffeau fagt: „Die Vordberei⸗
tung zum Tode iſt ein gutes Leben, von einer andern
weiß ich nicht”, und Spinoza's [höne Worte: „An Nichts
dent der freie Mann (dev das Gute unbedingt will) we:
niger als am den Tod; feine Weisheit forfcht mehr nad
Dem, was Leben als was Tod iſt“, ſtehen damit nicht
im Widerſpruch, denn Forfhungen nad) den hoͤchſten Sins
tereſſen des Leben, die darunter verflanden werden müffen,
find ja auch die würdigfte Vorbereitung zum Tode. Sa,
ed gibt Arten des Todes, wo dem Menfchen ein Ruͤckblick
auf fein ganzes vergangenes Leben verfiattet ift, und da
Keiner weiß, in weicher Geflalt und wie fruͤh oder fpät
ihm der Unerbittlihe nahen wird, fo fuche er fih den
Weg zum Grabe moͤglichſt fledenrein und den Rüͤckblick
aufs Leben frei und heiter zu erhalten, damit er ruhig
feine Augen ſchließen koͤnne. Sind daher auch die von
dem Verf. beigebrachten Beiſpiele nur zu Gunften jenes
Satzes ausgewählt und biefer nur bedingt wahr, fo find
fie doch aller Beherzigung werth, und gern wird man den
Verf. auf feiner Todtenfhau und an das Sterbebette des
Geizigen, des Verſchwenders, des Arztes, des Materialis
fen, des Deiften, des Juriſten, des Pantheiften, des
Mathematifers und Afteonomen u. ſ. w. begleiten. Das
legte Wort unfers Goethe, deffen hier gleichfalls gedacht
wird, hat aber auf feiner Reife nach Frankreich einige Zus
füge und Verfchönerungen erhalten. Es wird nämlich ers
Ang⸗buͤrgert und ben Menſchen feiner eigentlichen Beſtim⸗] zaͤhlt, Goethe habe, als er die eifige Hand des Todes ges
mung als vernuͤnftiges und füttliches Weſen entfremdet. fühle, das Fenſter öffnen laſſen, fi den Sonnenftrahlen
Ein Vergleih des fchlichten zufriedenen Landmanns und.| .gegenübergefegt und gerufen: „Laßt noch mehr Licht her⸗
des ehrenhaften Bürgers der guten alten Zeit mit dem.
hentigen Induſtriellen Iehet dies auf eine nicht zu beflwis;
tende Weife. Freilich find es nie Künfte und Wiſſen⸗
ein!” Bekanntlich Hat er ſich aber nicht ans offne Fen⸗
ſter fegen Laffen und nur gefagt: „Mehr Licht!” wahr:
fheinli, weil er mit herannahendem Tode noch fo viel
ſchaften an fich, die ben Mienfchen demoralifteen, aber e6i Bewußtſein hatte, um zu bemerken, daß ſich fein Auge
Kar die Bebhrfniffe und Begehrungen, welche fie etwecken verdunkflite. W
x ar
Dun
digen Yarban zefchlipner,: daß welt. big, “die Hartze
umfern deſern nicht mithheiten 5 tonnen. Ya deu
Schilderugen tft der Verſ. Meiſter. Bei Nonnen "hat
der Weste. bie VBeobachtung gemacht, daß bie juͤngern Leber
lesben als Die alten, die, wann fie krank werden, gern
Ars -oammden, Die. beſten Äuzte deB Oets zu Mathe zie⸗
Me EN
ben, auch wol für ihre Herſtellung eine: Menge abergkaͤu⸗
biſcher Mittel verſuchen, da ugſeau ein ex voto, irgend
einem Heiligen hie neuntägige Andacht verſprechen, mit
einem Worte, ſich auf jede erdenklihe Weife an das Leben
anflammern. Bon dim Mdoe de& proteftantifhen Geiſt⸗
Sichern emewairft Der Verf., obgleich ſirenxger Katholit, ein fo
edles Bild, daß fich diefe bei ihm bedanken dürfen.
(Ber Beſchies folgt.)
Sraueuromanme.
1. In der Heimath. Bon der Berfafferin von Schloß Goczyn.
843. 8. 2 Thlr.
Breslau, Kern. 1
Die Verf. bezeichnet das porliegende Wal ale ein
Stuͤcchen aus bem Dichterleben. „Dichter ”’, ſagt fie, „baben
wirklich Gedanken. Ich ließ die meinigen immer Jo kommen
mb geben, wie bie Wellen im Fluſſe, mie fie wollten und wo⸗
bin fie wollten, nur wenige nahm i
eben fchrieb, in Briefe, die ich eben zu fchreiben hatte. Da
fiet mie einmal ein, «8 fei ſchade, daß ich fo virle vergäße.”
„I hatte bisher immer nur gebichtet; jegt fiel mir ein,
ob ich wol noch Wirklicges ſchildern könnte. Mein ſtilles Leben
daͤmmerte um mich her, mir fielein, ob ed nicht etwas Poefie fei?”
„Aus diefen Ginfällen wurde Sinnen, aus dem
Schreiben, und fo wurden biefe Briefe gefchrieben, und es wurbe
sin Buch aus diefen Briefen. Es enthält die Gedanken der Tage
und bie Empfindungen der Stunden. Gie find fo verſchieden
und einander fo fremd wie die Blumen des Frühlings. Jede
Stunde ift anders als die porangegangene, und der Menſch iſt
anders in jeder Gtunde.’’ ,
Die Verf. bat in biefem Buche ihre ganze Individua⸗
tität, die fie uns in ihren frühern Werfen fon fehr deutlich
ahnen ließ, eingerapmt. Auf den erfien Seiten verfihert man
ige mit einge Reve
machen — und auf ben legten reicht man ihr die Hand zum
——*8*— und ſpricht ihr aus, daß man ſich freut, die Bekannt⸗
ſchaft gemacht zu haben; man iſt mit ihr befreundet und ſtimmt
ibe bei, wenn fie zu mehren Malen behauptet, „daß fie eine
Dichterin feit. Das will indeß nody nicht fagen, daß man uns
bedingt ihre Producte für das Yublicum geeignet hält. Cie hat
ein poetifcges» Herz, welches alle Eindrüde auf poetiſche Weile
verdaut And verarbeitets es gebt beftänbig in ibrer Seele eine
Ast von chemiſchem Proceß mit den dußern Erlebniſſen vor, fie
werben alle in ihr zu Berfen; Sterne, Bluͤten, Wollen, Baͤume,
Luft, Glocken, ein abgebrochener Zweig, Regen, Sonnenſchein,
geoße und Leine Gefühle, Alles wird zus Liedern; huͤbſche, nette,
innige, jeelenvolfe, allerlichkke Lieder, aber meiff unbedeutend.
Auch :Die Profa iſt gut, die Briefe gehaltvoll, Tprudelnd vom
Denken, anmuthig in Scherz und Eruſt; bunt wie Schmetters
linge und ſchillernd wie Geifenblafen; wohl den Freunden, bie
folge Briefe erhalten; doch fie find nichts für das große Publi⸗
cm, bieles wirb ihnen J— noch Fein Intereffe abgewinnen koͤn⸗
nen — fpätes vieleicht, ſpaͤter, wenn bie — ellerin.. bes
zähmt gemarden ift, was fie nicht für ganz unmöglich zu hal⸗
ten er Auch wir halten «8 ni
znn‘ ſpricht an, umb „Marie hat bei vielen wächen doch
auch Zuntenz „namit. folge, abeeriſſent Mittbeiiungen, dem Pu⸗
ch in das Bud, das ich
Sinnen’
„daß man fi freue, ihre Bekanntſchaft
für unmoͤglich; „Stoß.
bättn
weil
7
geachtet
He
ur Seite geftellt werden — ja, ich möchte fagen, denen ’y
rauen; denn in Ieaiger Zeit gibt es unter Hundert gebildete
wol zehn, welche ſoiche Mrtefe ſchreiden können, und wo
banfentiefe. Deshalb koͤnnen fie nicht als unbedeutend‘ bezeichndt
‚werden, wenngleich fie auch feineawegs bebeutend genannt wer⸗
den dürfen. Bebeutend erſcheint mir aber der Charakter d
iſt, ihre Zreude daran hat, wie auch an der Schriftftellerim;
man begreift, daß es allen Breunden ber Berfafferin ein w
thes Andenken iſt; und da bedeutende Frauen zahlreiche Freun
zu haben pflegen, da deren Zahl mit der Zeit immer mehr bers
anwaͤchſt, wird es auch nicht nur die Erfcheinung eine Ms
ments fein, fondeen noch Jahre lang von Einzelnen gefudjt and
oelefen werden, felbft wenn die Autorin nicht berähmt werden
ſollte. Es ift ein Spiegelbild ihres frommen Lebens, und wer
fih für fie ſelbſt intereflirt, wird gern bineinfhauen. Dann
haben fogar Tändeleien, als z. B., baß fie die Boten gehende
Hanne Hans nennt, fi frlbft einmal als Mäifelägchen bezeich⸗
net und andere Kleine Localſcherze ihren Werth. Ir. den PMits
theilungen über Dresden werben Lied, Tiedge, Karl von Nacht:
mann, Karl Falkenſtein, Julius Mofen und ‚andere mehr oder
minder bekannte Namen genannt; die gefchilderten Perſenen,
Gegenftände und Verhaͤltniſſe werden aber auch nur als fi ‚zur
Berfaſſerin begiehend ober als Bilder in ihrem Geelenfpisgel
aufgeführts ihre Schilderung, nicht die Perfonen find bie Sn
face. Mit ibrer Beſprechung von Büchern, bie fie lisft,
Ref. meiſt einverfanden. Die Woyelle ,„„Deöwig”’ ift unbebeufeahs
die Heldin derfeiben, weiche als „friſch wie Quellwaſſer“ Hezei
net wird, konn der Autorin dieſes Gompliment mnhdachen.
Da denn die Autorin der Hauptmoment bes Werks if,
ich zwei Stellen hereusheben, die mir fie beſonders zu charabte⸗
eileen Ken ihre Anfichten über Zreipeit und über Kolatte⸗
re namlich
‚Beute ift Pfingften, das Feſt bes Geiſtes, das Feſt ber
it, denn ber Geiſt t frei.’
n .
„Freiheit — dehnt Ihre Bruſt fi nicht aus, athmen Gie
‚wicht in einem langen Zuge durſtig Gottes Fuft und fagen:
Bar
heit! Ich thue es. Freibeit iſt meine Sehnfadht — wie. is:
gefeffeltes Volk, fo drüdt mich jede Kette.” u * m
„Brei fein, das ift Gluͤck; frei fein von fich feider, von dee
Welt, von der Hoffnung, von ben Menfchen, von Klem, nur
nicht von Bott und von ber Liebe. Wollen wir e8 nicht wer
den? Ich denke. Wir werben ja wol bie Kraft haben; un
die Freiheit ift ein herrlicher Kampf.
„um Liebe und aus kiebe Alles than und Alle buiden, aber
aus Knechtſchaft nichts — das ſei unfer Wahlſpruch. Me
werben vielleicht Manches aufgeben müflen, was bie |
uns geben koͤnnten — vielleicht manchmai felbſt unfern Biken =
nämlich ba, wo er gegen einen andern tyranniſchen zu ſchwach
iſt. Gut, geben wir ihn dann auf, woflen wir pie länger, is
eine Stunde, was wir nicht können; die Freiheit iſt Jeder ER
ſagung wer. “ J a
„Es gibt Keine größere Ernledrigung für "den Minfäch,
ale Hartherzigkeit anzuflehen. Das Elend des Bittras —— »,
ed Menſchen Recht; aber bitten follte der Menfi enfchen
zur um Verzgeihung; bie Bitte gehört Gott.”
„SGo hatte ich eben Gedanken über Kofetterie, dieſes Wort,
non dem bie Meiften ebenfo wenig wiflen, was es heißt, wie
von Beſcheidenheit. Um bei biefen beſcheiden zu beißen, muß
man durchaus nicht ahnen, was. man iſt, und jebem Lob:
ad, ich bitte recht fehr!‘ antworten. Und kokett fein heißt
bei ihnen eine Loreley fein, welche die Menſchen erſt durch fü-
Sen Belang lodt und dann jaͤmmerlich ertrinken laͤßt. Kokett
ſein iſt allerdings, das eigenſte Weſen zu einer Lockung fuͤr An⸗
dere machen; aber es kommt Alles darauf an, wie, wann und
gegen wen die Frau es thut. Thut ſie es mit Abſichtlichkeit
‚und mit Ernſt gegen mehre Maͤnner, fo iſt fie unwuͤrdig; thut
ſie es gegen alle Maͤnner, ſo wird ſie albern; thut ſie es aber
gegen alle Menſchen, ſo iſt ſie allgemein liebenswuͤrdig, und
thut fie es gegen den Geliebten ober gegen den Mann, fo thut
fie nichts ale ihre Pflicht.”
„Gegen ben Geliebten thut es jebe Frau, die es kann, uns
bewußt, aus Liebe, wie fie aus Zreube laͤchelt. Die es gar
nicht kann, Wie kann auch nie lichenswärbdig fein, fondern ges
hört unter die Zahl der Frauen, aus denen bie gewöhnlichen
Schriftfiellerinnen ihre Unverftandenen nehmen, ungluͤckliche Ge:
ſchoͤpfe, die ich immer angähnen muß.”
„Eine ſolche Frau kann gebeirathet, aber niemals mit et
was Wahnfinn geliebt werden — ich bedaure fie herzlich. Eine
Beau, bie nicht geliebt worden tft, die ift ein Diamant, piels.
leiht von feltenem Werthe, aber nie an das Licht der Sonne
gelommen, um zu glänzen und zu bienden. Könnte fie liebens⸗
würbig fein und fehlt e8 ihr nur an ber Gelegenbeit, fo ift es
eins der tragiichen Krauenfchicfate.”
3. Walbemar Klein. Rovelle von Emilie KiygaresGars
IEn. Aus dem Schwebifchen von G. Eichel. Leipzig, Kolls
mann. 1843. 8. 1 Xbdir. 15 Rgr.
Die Verf. des vorlieginden Romans fcheint am Ende
ihrer Phantaftevorräthe zu fein, fie bringe weber Neues noch
Driginelles mehr: es find diefeiben leicht ſtizzirten Charaktere,
He fie uns vorführt, wie tn ihren frühern Büchern; berfelbe
- Beidstyam an Männern, ſodaß jedes Maͤdchen einen bekommt,
und auch dieſelbe Moral; denn immer gcht es den guten, fanfı
ten, geborfamen, innig Lebenden rauen gut und fie werben
giädtih, während die koketten, kaltbluͤtigen und hartherzigen
ungluͤtklich werden. O, wäre bus doch fo in der Welt! Bei
diefer Verfaſſerin ſchließt auch nicht der Roman mit der Heirath
ver zahlreichen Heiden und Heldinnen, der Borhang fällt nicht,
wie im Luflfpiel, zu biefem Moment, fondern bie Erzählung
fpinnt fi fort. Am unglüdtichften ift diefe Autorin in den
Schilderungen einer vornehmen Wefelligkeit, und die @aftrollen
in der großen Welt gelingen ihr durchaus nicht. Neulingen im
Romanleſen kaun man „Waldemar Klein‘ empfehlen; keinem vers
wöhnten Leſer aber, einem, der nur im geringflen mehr Ans
fprücye macht als die ganz gewöhnlichen.
% Das apulifhe Kind. Hiftorifcher Roman von Branzisfa
von Stengel. Leipgig, Melzer. 1343. 8. 1 Ihr. 15 Nor.
„Sr aber tiefen Kummer fühlend, blieb dennoch ungebeugt
im Handeln; unbeziwungen ftand er da, Deutſchlands größter
Kaifer, der größte von ber ruhmgekroͤnten Zahl der unfterblichen
Hohenſtaufen.“ Go enbigt bie Erzählung, welche die Jugend
. und Thronbefteigung Friedrich's IT. vorträge und romantifch dar⸗
äuftellen fich bemüht. Gin Stuͤck bearbeiteter Hiftorie ift indeß
‚noch nicht ein hiſtoriſcher Roman, und das hier vorliegende Wert
‚zaubert eine Menge Geftalten, welche theils in ber Geſchichte
genannt, theild von ber Phantafie erfchaffen find, herauf, denen
Es jedoch allen an Wahrheit und Leben gebridt. Gie find
Schauſpieler, die eine Epiſode ber Geſchichte vorfpielen muͤſſen,
das fühlt. der. Leſer und vermag nit fi zu interefliren.
1328
Herz muß unter biefes Dal erben! Hüfe Fi Re iR
Die weiblichen Tharaktere Ä
Then bare —
fie kea
—— dab ale
dere; keins fpiegeit ſich a 58
Schilderungen von Gemuͤtheͤbewedungen find —
wird ein Pater „gall⸗, wuth⸗, ha t und ſchaͤumend dars
GI dR vistahähe und BIP auf Dicken Brenn ana a
dem Talent aber läßt fid nicht gebieten. DO
(Der Aſchiaß feigt.)
Notiz.
Prelsaufgaben der franzoͤſiſchen Akademie für
1844 und 1849.
Die Alabemie arbeitet gewaltig aus bem Groben. für bie
Iehte Goncurrenz hatte die politifhe Section nur bie Aufgabe
geftelt: „Die Theorie und die Principfen des Affecuranz Ber
trag6 (conträt d’assurance) feftguftellen, bie Seſchichte beffelben
su entwerfen und aus ber Lehre und ben Thatſachen die weiten
Entwidelung berzuleiten, welche dem Affeeuranzwefen zu geben
fein möchte” u. ſ. w., und die Section beklagt ſich, daß keine
genügenbe Abhandlung eingelaufen ſei; man hat den Preis auf
das naͤchſte Jahr ausgefegt. Wer wird ſich indeſſen entmuthigen
laffen? Fur 1844 ift eine sücage von ſpeciell franzoͤſiſchem Ju
tereſſe geſtellt, aber für 1845 keine geringere ald dieſe: „Die
Shatfachen feftzuftellen, nach weldyen fidy das Verhaͤltniß zwiſchen
bem Gewinn und bem Arbeitstohn regutirt (les rapports entre
les profits et les salaires).” Bei dieſer Gelegenheit if zu m
mähnen, daß die Akademie audy von den 25 eingegangenen Br
antwortungen ber um ben Beaujour’fdhen Preis für diefes Jahr
geftellt gewefenen Frage „Weiche Methode die zweckmaͤßigſte ſei,
das Princip ber Affociation zur Erleichterung des Elende anzu
wenden?” eine einzige preiswärbig gefunden dat. Nunmehr
bat die moralifche Section für 1849 zwei Fragen aufgemorfen.
1) „In welchem Berbältniß ſteht die Moralitaͤt der aderbauenden
Bolkeclaſſen zu der Moralität der im Dienſte der Indufrie be
ſchaͤftigten ?’ 2) „Weichen Einfluß übt das Kortfchreiten des ma:
teriellen Wohlſtandes und die wachſende Neigung, ihn ſich zu
verfhaffen, auf bie Moralitaͤt eines Volkes 7% Ginen außeror⸗
bentlichen Preis hat endlich die Alabemie auf das Jahr 184
ausgefegt für bie befte Abhandlung über die deutſche Philo⸗
fophie. Es follen bie vornehmſten philoſophiſchen Syſtemt
geſchlldert werden, welche in Deutſchland feit Kant, ihn einge
ſchloſſen, bis auf die lehte Zeit aufgetreten find. Kant's Phile:
ſophie, als bie Grundlage ber übrigen, fol befonders ins Auge
gefaßt werben. Es foll die allgemeine Bedeutung und Gültig
keit der beutfchen Philofophie getoürbigt werben. Die Irrtpümer
und Wahrheiten der verfdhiebenen Soſteme follen aufgebedt und
es foll als Refultat feftgeftelt werben, was von ber jüngften
philoſophiſchen — Deutſchland unter einer ober ber
andern Form in Ichter ftanz als ftandhattend und berechtigt
gelten müffe (ce qui, en deraiere analyse, peut lögitimement
subsister, sous une forme ou sous une autre, du mouvemeit
philosophigue de l’Allemagne moderne). Richt genug! Fir
d. 3. 1845 harrt der Preis des Gluͤcklichen, welcher das große
Problem der Gewißheit Läfen wird, weicher unmiberlegiic ent
fheiden wirb, ob es Gewiſſes geben kann und gibt, ober ob flatt
des Bewiffen nur das hoͤchſt Wahrſcheinliche uns erreichbar if, od
die Wahrheit die Gewißheit ſelbſt ift, Indem bie Natur der
Dinge vom Menſchen erkannt werde, ober ob fie nur ein
Schein, ein Product unfers Vorſtelungsvermoͤgens ift (une
apparence, une conception, arbitraire ou möcessaire, de
notre esprit). 48.
Werantwortlider Oerandgeder: Heiarich Broddaus. — Vru@ und Berlag von F. &. Brodhans in Seipjig.
‚Blatter
literariſche
fü:
Unterhaltung.
Dienflag,
Die Sirmden ımb ber Tod in allen
letzten Claſſen
ber Geſellſchaft aus den Geſichtspunkten der Hu⸗
manität, der Phyſiologie und der Religion betrachtet
von H. Lauvergne. Brei nad) dem Franzoͤſiſchen
bearbeitet. Zwei Bände.
(Beſchluß and Nr. 331.)
Dreizehntes Capitel: „Leute Stunden und Tod des
Soldaten und des Seemanne.” Hier ift unfer Verf. fo
recht eigentlich in feinem Elemente, denn er iſt nicht al
lein Oberarzt ber Marine, fondern bat auch feibft mehre
Seereiſen mitgemacht. Man fieht, feine Schilderungen des
Seelebend find aus dem Leben gegriffen und ein Sof.
Bernet kann nicht fchöner malen als er. Wir können
e8 uns nicht verfagen, unfern Leſern wenigſtens eins von
Diefen lebendigen Bildern mitzutheilen.
Das Seetreffen laͤßt fich mit keinem andern vergleichen; es
vereinigt Alles in ſich, was der Menſch Schreckliches und Erbar⸗
mungstofes hat erfinden können. Keine Schitberung tft im Stande,
die Hölle zu befchreiben, weiche ein Schiff aus 320 Keuerfchlüns
den zugleich bonnernd ausfpeit. Kein Pinfel malt die Zerſtoͤrung,
den Schreiten, das Ylutvergießen und ben unbezwungenen Muth,
die auf dem Meere, unter dem lautiofen Schweigen bes Men⸗
ſchen, unter bem Zoben aller Gtemente ſich entfalten.
Zwei Klotten mit feindlichen re ſegeln heran, um fidy
zu befämpfen. Das Gommanbo „Hangematten herunter!” ruft
die Mannſchaft auf ihre Poſten. Den Ehrenpoften nimmt ber
Befehlshaber ſelbſt ein: es ift ber, ber ihn feinen Freunden und
feinen Gegnern am meiften ſichtbar madt. Die Watrofen wer:
den vertheilt je nach ihrer Brauchbarkeit und ihrem Dienft.
Diele figen in den Waftlörben, um ‘die Beſchaͤdigungen ber Mar
effern; jene bleiben auf dem Berdeck und
tee den Menfchen balten wird.
Unterdefien kommen bie
ander Immer uhr
tten in tiefem Schweigen ein»
Gerungeheuern,, bie einen
gleich gen
ginn
— Nr. 332. —
28. November 1843.
fen, um frei fchlagen zu koͤnnen. Ge iſt der feierliche, ah⸗
nungsvolle Augenbli im Leben des Kriegers. mag ſchu⸗
dern, was Alles diefe Menfchen in der Tiefe ihrer Seelen bes
wegt? Wer kann ſich eines eigenthuͤmlichen, von dem ber Natio⸗
nalehre ganz verſchiedenen Gefuͤhls erwehren, in dieſer Stunde,
wo man ſchweigend und geſammelt, unwillkuͤrlich feine Stellung
‚an einem Mordwerkzeuge uͤberdenkt? Die Gedanken an bie Pas
milie, an Religion und Tod fteigen wechfelöweife in ber Geste
bes Kämpfers für die Ehre auf, bis zu dem Augenblide, wo
feine Einbilbungskraft, aufgeregt durch die erfchätternden Ereig⸗
niffe Deffen, was begonnen hat, nur noch auf den Kampf fi
richtet. Der befonnene Muth des Befehlshabere, ber die Mittel
angibt, um ben Sieg bavonzutragen, muß ein ganz anderer
fein als der des Matrofenz; jener ift muthig mit feinem Kopfe,
biefer mit feinem Herzen. Menfchen, bie auf einem Schlacht⸗
felde Kopf und Herz zugleich haben, find außerorbenttich feltens
Rapoleon, der fi auf feine Leute verftand, nannte fie „von
unerſchuͤtterlicher Srundfefte”.
Die Batterien eine® Schiffs, das forben bie Schlacht exs
Öffnen will, geben einen ganz beſonders erhebenben Aublick
Wer den Menſchen in Augenblidden beobachtet, wo Ceben unb
Tod fo nahe aneinander vüden, muß gefteben, daß ber Menſch
nur dann wirklich ftolg auf ſich if, wenn er im Angeſicht einer
Entſcheidung, die fein Seiſt herbeiführen oder abwenden fell, ſei⸗
nen Körper gänzlich vergißt und ein Ichiglich überfinntiches Les,
ben lebt. Diefe Aufgabe wird nirgend beſſer geloͤſt als am
Bord eines Schiffe, wo ber Krieger am allermeiften von Allem
abgetrennt ift, von Allem, was bie Liebe zum Leben hervorrufen
könnte. Zwiſchen dem Himmel und dem Ocean gibt es Teine
Wahl, er muß fliegen oder fterben.
Stat) — der Capitain burdhfchreitet die Batterien, fein
Blick iſt befriedigt; bie Kanoniere an ihren Stuͤcken ‚verfichen
ihre Pflicht. Ja, er iſt zufrieden: „Kinder, ihr habt Kanonen,
Pulver und Muth. Bielt gut, nehmt euch Zeit; mit braven
Zungen, wie ihr, bin idy des Siege gewiß!”
Das Gignal if gegebens eine raube hehle Stimme, big
von ber Ehrenbank, auf welcher der Commandeur bes
thront, durch ein langes Sprachrohr ſchallt, ſchreit in die Bat⸗
terien hinein: „Feuer!“ Sept iſt es an der Beit, dieſ
Matrofen zu bewundern und zu bebauerns niemals find fle ges
ſchaͤftiger, linker, Alles rührt fich unter ihren eifeenen Haͤnden;
fie bedienen ihre Kanonen mit ber Regelmaͤßigkeit und Schnei⸗
ligkeit, als wenn es von einer Dampfmaſchine geſchaͤhe
euer, Flammen, pfeifenden und einfhlagenden Kugetn und dem
fürdgterlichfien Sturm ſtehen hier Menſchen, wie man fie nic
gend weiter fiebt.- Was auch um fie herum vorgeht, fie finb fr
—— pfinbiih. Die feinblichen dur bie
‚aus ⸗
a a 3
f5anmaten Obhle d bedrohen fein Leben. Ren ale
Dem 83.8 et re 8*0 Ri fein Schiff gefeffete
. folgt er deſſen Evolutionen; er fliegt ober flirbt. Aus bent }-
Kreife, in welchen ihn bie Ehre gebannt hat, um mit dem Tode
zu wuͤrfein, kann er nicht heraustreten.
Zur einem Schiffe find am Tage des Gefechte die Gefüge
für be MWefehlenden wie für den Gehorchenden ganz gieich;
man kann fagen, es iſt dort für nichts weiter Platz als für das
gu, welches verzehrt, und das Meer, weldyes verichlingt.
n der glühenden Atmofphäre, in dem bieten betäubenden Yuls
verbampfe fcheint der Seemann eine andere Katur zu werden;
er erinnert an bie erſten aus bem Chaos hervorgegangenen Be⸗
wohner ber Erbe, bie, noch ein einziger Bullen, für keine ans
bern Wefen einen Aufenthalt bot als für die fabethaften Sa⸗
lamander und Drachen.
Jedoch während das Schiff in Plammen und Hauch einge
taucht ift, während taufend toͤdtliche Gefchoffe in feinen Einge⸗
weiben wüblen, haben wir noch nicht die Opfer biefes Todten⸗
tanzes gezaͤhlt. Er dauert erſt eine Stunde, unb wie viele
Helden fchlafen bereits den ewigen Schlaf! Auf taufenderlei
Weife führt bier der Tod feine Sichel; kein Theil bes Mens
ſchenleihes bleibt von ihr unberührt; in ber ſcheußlichſten Ent:
Bellung und Verftlümmiung liegen bie Leichen in dem Sumpfe
son Blut, das aus ihnen hervorrinnt, und das ift die Stelle,
auf weicher die rafenden Löwen fich herumtummeln, um ihr
Grob einem Beinde flreitig zu maden. Der Tod, der Helfers⸗
helfer beiber Parteien fliegt hinüber und herüber, um jebes
GSchiff, um jede Stelle deſſelben flattert er in allen Geſtalten
und mit bee Schnelligkeit des Blizes. Beſſer ala ber Matrofe
verſteht kein Menſch bie Kunft zu tödten; aus dem Maſtkorbe
oder vom Verdeck trifft er mit feinem Gewehr das feftgefaßte
Ziels und flieht er ald Artilleriſt in den Batterien, fo hält er,
der legte don allen feinen Kameraden, auch bei bem Stüde aus
unb bedient es allein; Zimmermann, Kalfaterer, Segelaufzicher,
Alles ift er, was von ihm verlangt wird, und dies unter dem uns
unterbrochenen Jeuer von taufend Kanonen. Haͤtte ex einen Bund
mit dem Geſchick geichloffen, er könnte nicht furchtiofer und nicht
erbarmungslofer fein. Eine Nation von lauter Matroſen wäre uns
beſiegbar. Mit ben Worten Ehre und Vaterland hat vielleicht nie
ein ‚Befehlshaber das Recht über Leben und Tod feiner linterges
bewen fo ficher ald Der, der in einer Schlacht foiche Menſchen gut
führen verfleht. Und wenn nun erft das Schiff in Flammen
‚ wenn bie Kugeln es durchloͤchert haben, daß es anfängt
zu finten, nun erſt wich der Matroſe ein Menſch, der größer ift
as alle Gefahr. Warum? weil er eine Seele bat, die fähig
it, in einem erhabenen Enthufiasmus aufzulodern, weil er in
einer Welt von Umgebungen lebt, bie dem gemeinen Sterblichen
zu betreten verſagt ift, weil ber Unterricht, ben ihm fein Dafein
giht, fo großartig, fo erhaben, fo fehrediih if. Kampf nnd
Gefahr find die Quellen feiner Begeifterung. Der Ausgang ber
GSchlacht liefert vielleicht den Beweis. Sein Schiff ſinkt ihm
unter den Füßen; aber bat er nicht Pas für fich an Bord des
feindlichen ? „Vorwärts Kinder, an Worb!” Und jegt, wo er
bewaffnet bis an bie Zähne ſich gang feiner Friegerifchen Reis
gung überlafien fann, wo er gan; unabhängig von dem. Chef
mb von ben Banden der Disciplin ſich nur in feinem natürlis
chen Muthe zeigt, jetzt ſehe man ihn auf dem feindlichen Ver⸗
bed. Die beiden Schiffe liegen Bord an Bord; trotz bes Wal⸗
ded von Langen, ben der Feind den Stuͤrmenden entgegenftrect,
beingen diefe body gewandter als die Löwen durch die feindlichen
eigen, gewinnen oben, und wuthſchaͤumend, feuerfchnaubend
innen fie nun ben Kampf, Dann gegen Mann bis aufs
und obne Grbarmen. Kein Dolchſtoß gebt in biefem |-
farchterlichen Handgemenge veristen; bie Hand, die drauf zus
flicht, der Zahn, der beißt, das Piſtol, das eine Kugel entfenbet,
has Bell, das einen Schlag führt, Alles ſtreckt ein Opfer tobt
bin ober macht es wehtles. Hier verleugnet ber Menfch feine |'
Ratur, er vergift, baß er Gottes E its ee bat nur
Arallen zum Uugsiff und Krallen zur Vertheidigung; ber Ge⸗
ie
y 4
Kuh) des Minutes loet tritt
—— De ee Dun
noch übrigen der Beſiegten verfchonen.
Über das wenig Befriedigende des vierzehnten und Ip:
ten Gapitels: „Letzte Stunden und Tod nach der Natur
Krankheiten‘
ber
", haben. wir oben ſchon unfere Meinung
gefagt.
8. Hohnbaum.
Ersusnromwane.
(Beſchluß aus Nr. 221.)
4, Sobrecht Wins. Ein hiſtoriſcher Soman in fee Ab—
Tnitten von Ida Frick. Zwei Theile. Dresden, Arnoib.
1843. 8. 2 Thlr. /
Trot ber beſcheidenen Vorrede ber Autorin, welche vorlie
gendem Werke nicht die vollen Rechte eines hiſtoriſchen Roman
zugeſtehen will; muß Ref. ihm die waͤrmſte Anerkennung ange
deinen laffen. Die hiſtoriſchen Charaktere find treu geſchildert,
‚die Färbung der Zeit ift a U wiedergegeben, die Geſchichte
gründlich flubirt. Daß die Entwidelung der Frauendaraktere
als Hauptfache behandelt wird, ift durchaus nicht flörend, fon
dern erhöht noch das Interefie des hiſtoreſchen Gemaͤldes. Die
fhon oft bearbeitete tragiſche Geſchichte der armen Diveks,
Shriftian’s TIL. Geliebte, bildet ben Hauptinhalt des erſten
Theils; Duͤvecke's echt weiblicher Charakter ift mit großer Eich
und Zartpeit geſchildert, und bie biftorifchen Daten find darin
mit großem Talent abgefpiegelt. üÜberhawmpt fieht man, daß ei
. ebler Geiſt bie verfchiebenen Frauenchar aktere beleuchtet hat;
ſelbſt Sybrecht Willms, das teuflifche Weib, das ihre Tochter
ber MWolluft bes Königs hinopfert, bas zu allen Grauſamkeiten
bereit ift, wird in ihrer misverſtandenem Zärtlichkeit für die
Tochter in manchen Momenten nicht fo ganz teufliſch dargeftllt
als die Geſchichte fie gibt. Auch die MBuhlerin Emmerentis
Brahe ſteht nicht ganz ſchwarz da, und der edlen Königin fa:
bella ift in den Stunden des Wehs und des Gluͤckt ber unend⸗
liche Zauber einer echten Weiblichkeit beigeegeben, der fie bis zum
Ende nicht verläßt. Die Verf. bat ſich die Aufgabe geſtell,
das Herz bes Weibes mit feinen Raͤthſelfrragen und Abirrungen,
das Eabyrinth der Leidenfchaften und bie auf fo mannichfache
Weile fi) dußernden Regungen des Gewifſens zur Griceinung
zu bringen, und fie hat in dem vorliegenden Werke einen Teil
diefer Aufgabe würdig geloͤſt. Ref. kann mit gutem (Bewiffen
' diefen Roman ber Lefewelt empfehlen, ba er Gefühl, Leben und
biftorifches Intereſſe vereint, belehrt und unterhält, und alk
Anfprüce an einen guten Roman erfüllt.
9. Der —8 des Fi Ein Roman von mil
mine Softmann. Braun . ©... Meyer. 1843.
8. 2 Tolr. 15 Nee. iis,
wird durch deſſen Verſ⸗
—— —— — Krankheit in Die
ten befundet bat.
6. Ein Phantafleleben und feine Folgen.
ria Feodora Kreifrau von Dalberg. Zwei Theile. Frank
Roman von Ma⸗
furt a. M., Sauerländer. 1843. 12. 2 Thlir. 15 Nor.
Der Fluch bes Genies wird dem Lefer bier auf fehr breite
Weiſe zwar, doch mit aller Ausfhmüdung wahrſcheinlicher Wahr:
beiten dargethan. Wer einige Zeit in der Welt gelebt bat,
wird erkennen, daß die meiften Menſchen an ihren fchönften Ei⸗
genſchaften zu Grunde gehen, daß das Übermaß geiftiger und
törperlicher Gaben meiſt die Sippe bildet, woran man fcheis
tert; der gewöhnliche Menſch betritt bie betretene Straße und
gebt fiher, und baß ber ungewöhnliche diefe betretene Straße
nicht verlaffe, nicht auf Irrwege gerathe, dahin foll diefes Buch
wirken. Es ſoll lehren, daß das Stud, welches die Frauen in
Der angeborenen Sphäre am häuslichen Derbe finden und fidg in
natuͤrlicher Weile felbft bereiten, das einzige wahre ift, ben dus
ern Glanz überwiege und felbft dem Ruhme vorzuziehen fei.
ie Denken im Berlauf der Geſchichte find mit vieler
Kenntniß des Lebens, ber großen und kleinen Welt erfunden und
sneinanbergereibt, und man fcheidet trauernd von der Heldin
des Romans, die bad Phantafieleben und beffen Zolgen in uns
säblige traurige Lagen gebracht bat, die als geſchiedene Gattin,
als Braut eines Kürften, bem fie entfagt, als tugendhafte Breuns
din eines Lords, von bem fie verlaffen wird, als Künftierin,
Buplerin, ein unbefriedigtes Dafein führt und als Boeur grise
ihre Irrthuͤmer erkennend und reuig ihr Leben beſchließt.
7. Die Verhrten. Gin Roman für die Gegenwart, von
Wilhelmine von Sybomw, genannt Iſibore Brönau.
Iwei Zeile. Sondershaufen, Eupel. 1843. 8. 1Thir. 15 Ngr.
Da dem Kritiker das Perfönlichwerden in der Kritik uns
vLerſagt ift, ſollte auch der Autor fo viel ale moͤglich feine Pers
ſonlichkeit aus dem Spiele Laffen. Die Berf. ergriff, wie
De Vorrede fagt, Me Feder, um nad Vermoͤgensverluſten ih:
rem Gatten vie Rahrungsforgen für die Jamilie zu erleichtern 5
das iſt verdienſtlich und gereicht ihr als Frau zur Ehre; ber
r des Buchs darf es aber nicht in Erwaͤgung ziehen.
Die heilung eines Wuchs iſt weine Werftandesfaches das
gedruckte Wort ift abgelöft von Den, ber es ſchrieb; es ift ein
Semeingut geworben wie ber Staatömann, deſſen Anfichten
und Wielen man auch wicht mehr nach der Erziehung, bie er
in der Kinderflube genoſſen hat, beurtheilen darf. &o können
wir auch mit aller Hochachtung für die Verfaſſerin den Roman
nicht loben, nicht, weil eine Frau geſchrieben, nicht, weil
er ein Mittel zu Gelberwerb ift, fonbern weil er, trotz vieles
Guten und nen in Worten und Bteflerionen, bie Anſprüche
au einen -unterhalienden Boman nmicht erfüllt; man fähtt bie
Abſichtlichkeit in ‚der, fremden Staffage ., fie,zicht den Gang ber
Sammlungen und Auctionen von Autographen. *)
Das Wort Autograpbum war im Anfange bei 18.
Jahrhunderts ſchon in Gebrauch. Jamet fihrieb 1733 in We:
zug auf ein Bruchflüc eines von dem Regenten Ppilipp veg
Drieans eigenhändig gefchriebenen Briefes, welches ſich untee
altem Papier gefunden hatte: „Ich erinnere mich, daß mir
Lancelot für dieſe Guriofität einen diden Sauche; mit Noten
von ihm felbft anbot. Lancelot befaß fchon eine Anzapl Briefe
von berühmten Perfonen, unter anderm ein Liebesbriefchen bog
Ninon be Lenclos an ben Marquis: de Ia Ghatre und einen
Brief von Bicent be Paul. Solche Manie hatte Lancelot für
Autographen.” De Bethune, Lomenie von Brienne, Golbert,
Louvois, Huet u. X. fammelten dergleichen. Ihre Sammılunte
gen find größtentheild von ber koͤnigi. Bibliothek in Paris ame
gefauft worben, und es wurden Nachſuchungen in ben E&taatbe
archiven angeftellt, um ben Handfchriftenfchog der Bibliothek zu
vergrößern, bis die Revolution ausbrach. Wie viele Autogra⸗
phen wurden nun zerftört. Gin Decret der Rationatverfamme
lung vom 5. San. 1793 befahl, alle in ben alten chambwew
de comptes, in ben öffentlichen Depots. und fogar in den Pb
satbibliotheten vorhandenen Pergamente zu vernichten. Gi
ungeheure Sammlung von Urkunden ber alten Könige von Kranke
reih wurde dem Marineminifter zur Verfügung geftellt und
angewendet, um Stuͤckpatronen daraus zu machen. Die wit
ber Xusführung bes Decrets beauftragte Sommiffion ſtand uns
ter ber Leitung des Hiſtorikers Amilhon und entiebigte fick ih⸗
res Auftrags mit einem empörenben Bandatiemus. Endlich gs
hob fi eine hochherzige Stimme, freilich etwas ſpaͤt (denn die
Geſchichte Hatte bereits unerfepliche Verluſte erlitten); die or
con bes and Gregoire wurde angenommen und bie Berftörung
rte auf.
Einige befcheidene Gelehrte, einige Literaten, bie im Stil⸗
len über biefe Verheerungen gefeufjt hatten, machten ſich for
glei; an das Wert, um die noch vorhandenen hiftorifchen Dir
sumente, die größtentheild nad dem Gewichte verlauft werben
waren, ber Vergeſſenheit zu entreißen. An ihrer Spige Bille⸗
nave. Diefer Gelehrte erzählt, daß er, ald bie Papiere -des
Hauſes Bouillon auf Verfügung der Seine⸗Praͤfectir verkauft
wurben, volle 14 Tage damit zugebracht habe, biefe intereffan⸗
ten Archive durchzuſehen und Papierflöße auszuſondern und gps
——— bie ihm für fo und fo viel ber Centner zuge⸗
lagen wurden, ba nur bie Epiciers ihm Handſchriften ven
dem Marſchall und dem Cardinal von Bouillon, Turenne, Bas
Inge u. f. w. ſtreitig machten. Zu biefen Beiten wurden foldge
Sammlungen von ben Meiften noch als unnüge Spielereien ae
gefehen, es dachte faft Niemand an die Nichtigkeit handſchrift⸗
licher Documente für bie Gefchichtsforfchung.
Im 3. 1801 wurbe ber Verſuch gemadt, eine Same
lung, welche von bem Marſchall Richelieu herrührte, äffentiich
zu verlaufen. Es fanden ſich Feine Käufer und doch waren bie
Papiere nicht ohne Interefie. Es waren Handſchriften von
Pamphlets, Neuigkeiten, Chanſons u. dgl., welche ſich auf bie
Beit Eubwig’s XV., alfo won 1723 — TA bezogen. Ginige
ber Nachrichten waren von des Marſchalls eigener Hand unge
merkt. Ferner waren unterzeicgnete und nicht unterzeichnete
Briefe an Herren von Richelieu dabei, gefchrieven von Dans
9) Bol. einen Aufſat In Nr. 356 d. BL: Autographiſche Samm⸗
lungen.” D. Red,
n vielen Sammlungen, bie ſich ſeitbem ges
idt und fo bes Werthes beraubt, den fie
Pandfgeiften von großem geſchichtlichem Intereffe, unter Nr.
KW des
Gegenftände der chriftlichen Lehre mit der befcheibenen Summe
von 3 Br. Die Verkäufe der Sammlungen von Hrn. von
Shatabre und ber Gräfin von Caſtellane fegten 1833 und 1834
ale Liebhaber in Bewegung. Die Kataloge waren mit Gorg⸗
falt angefertigt, und wenn die‘ Preife manchmal nicht der Wich:
Agkeit der Briefe entfprachen, fo kam das daher, daß manche
der angekündigten Stüde, befonders in ber Gaftellane’schen
Gammlung, entweder apokryph oder nur eigenhänbig unterzeich⸗
at waren. Die vornehmften Sammler jener Zeit waren bie
Deren Aimé Martin, Barritre, Berard, Boutron, de Chaͤteau⸗
giron, de Dolomien, Delort, H’Arcoffe, Feuillet, Lalande, Leber,
Lucas de Montigny, Montmerqué und Billenave. Und da all:
maͤlig die Preife der Briefe fliegen, fo wurbe eine große Ernte
da Privatarchiven und bei den Gewürzfrämern gehalten. Im
3. 1837 machte Serr von Diontmerque feinen Katalog bes
Tannt, bee einiges Grflaunen erregte, denn außer einem Briefe
von Taſſo (dee fpäter für unecht erflärt wurde), einem von
ndion und einem von Safontaine fanden ſich Feine jener bes
sähmten Namen, weldye jet die Sammlungen zu ſchmuͤcken
pflegen. Ludwig XIV. und Napoleon, die jegt fein Sammler
von einiger Bedeutung entbehren möchte, figurirten barin nur
seit bioßen Umterfchriften. Der Katalog, weldgen 1840 der Bis
Hophfe Yacob herausgab, ift bad Muſter eines Kataloge die:
fer Art, rei an intereffanten Unterfuchungen und geiftsollen
Bemerkungen. Gehe gut verſtand die Sache auch ein ſehr aus:
EHE
—*
J
T-
Ri»
f
⸗
ge von
merkwuͤrdigen Stuͤcken beſigt er unedirte Manuſcripte
n von bedeutendem geſchichtlichen SWerthe
eine Reihe von Briefen Heinrich's IV., eine Seide von
Lubwig’s AVI. vom Beginn feiner Begierung bis 1791 u.
Raͤchſt Hrn. Feuillet find bie Herren Lalande und Libri zu nen
nen, dann die Herren Boutron, Baron von Ghaffiron für das
\
Feet
nn }
5
Haus, Goufin für Philo
neuve für die Geſchichte Lothringens, Graf von Auffay für vie
Normandie, Marquis von Ghätsaugiron, von Biancourt, Bere
zog von FitzeJames, Corby, be Eacarelle, der Deputirte Denis,
Dberft Naubet, Alter. Martin und endlich Charon, der Autos
graphenhändler, wie er ſich felbft nennt, der redliche gewiſſen⸗
bafte Dann, bei dem bie Liebhaber täglich mit größtem Ruten
„fammeln” gehen. Unter ben Ramen, welche ſich ernfthaft für
Autographen intereffiren, ift in erfter Linie zu nennen die Ks
nigin Victoria, fodann bie Baronin James Rothſchild und Mar
demoiſelle d’Henin.
Eine große Anzahl von Liebhabern befigt England. In
London finden alljährlich viele Verkäufe ſtatt, wobei bie Preife
ſehr variiren. Auf ber Auction des Herzogs von Budingham
wurde ein Brief Colombo’s über feine Reiſe nad) ber
Neuen Welt bis auf 825 Fr. getrieben, ein Brief Luther's auf
500, ein Brief Mitton’s auf . Briefe Heinrich’s VEIT. tie
ber Buchhändler Thomas Thorpe Tpäter für 100 — 150 Er.
das Stuͤck ab, und eine Quittung Michel Angelo’s für 60 $r.;
einen Plan ber Peterskirche in Rom mit Anmerkungen von
demfetben Meifter für 310 Ir. Die eigenhändfgen Manuferipte
Walter Scott's von frinen Romanen wurben 1881 zu nicht fehr
boden aber fehr ungleidyen Preiſen zugefchlagen : Ivanhoe 300 %r.,
„Braut don Lammermoor‘ 367 Zr. 50 Gent., „Antiquar” plößs
ih 1050 Fr. und „Rob Roy“ 1250 Er. Man kann nidt
genug den Verluſt eines autographifchen Albums beklagen, wel⸗
des Napoleon feinem Bruder Iofeph anvertraut hatte und weis
yes alle eigenhänbigen confibentiellen Briefe von ben verſchit⸗
been Souserainen Europas an ben Kalfer enthielt. Diele
koſtbare Depot wurbe bei der Überfahrt über den Kanal verlo
ren oder geflohlen. und die einzelnen Briefe wurden in London
den Geſandten ber verfchiedenen Mächte für 700,000 Fr. abge
laffen. Rah D’Meara zahlte ber ruffifche Gefandte für die
Handſchriften des Kaifers, feines Herrn, 250,400 Fr.
In OÖſtreich, befonders in Wien, find veiche Sammlungen,
unter denen die des Grafen Szernin, bed Hm. Aloiſius Fuchs
(bei der Kriegslanglei), des Baron von Hardenberg, bes Grafın
von Dffolinski und des Herrn Franc. Zimoni Erwähnung ver
dienen. Der Buchhändler Gräffer übernimmt gewoͤhnlich bie
Aufträge der Autographenfammler. Eine Auction, welche er
838 veranflaitete, brachte fehr intereffante Sachen, ;. B. ei⸗
nen Brief von Luther, einen Brief von Gwgbenberg, mit fer
nem Blute in feinem Kerler gefchrieben,
Die itatienifhen Sammtungen find zahlreich und gehe
lich intereſſant. Eine Überſicht derfelben verfpricht ber Verfaſſer
sines Artikels im ‚Journal des debats’‘, dem das Obige entnom⸗
men ift (H. de F.), in einem größern Warke über Autegraphen⸗
fommlungen, welches ex unser. der Faber habe, zu liefern. 78
Berantwortlicher Deranigeber: Deinzih Brockhaus. — Drud und 'WBerlag von F. A. Drochaus in Beipzig.
‚Biätter
fir
lite r ariſch e un te r ha ltung—
Mittwoch,
29. November 1848,
Died Buch gehört dem Koͤnig. Berlin, Schroeder.
1843: 8 4 Ihe.
Man weiß eigentlich nicht officil, welchem König
dies — nach einer unvollfiändigen Debication betitelte Buch
gehören fol. Da es aber in Berlin gedruckt ift, und
Hier. auch die vermuthete Verf., bekannte Frau Bettina,
lebt, fo wird es wol dem König von Preußen gehören. |
Doc ift es aucd dem unterzeichneten Koenig zugelommen,
ber vielleicht eher al& jener weiß, was er mit dem Buche
machen fol, — er fol es nämlich recenfiren.
Ich möchte mid kurz faffen und fagen, daß mir fel:
ten ein geiftreiches Buch nady und nach fo ermüdend und
widertoärtig geworden iſt wie diefes. Anfangs nur feßte
mich die frankfurter Staffage und das frankfurter Deutſch
der Frau Rath Goethe, die das ganze Buch ſpricht, in
die befte Laune, und id befam Luft, meine Recenfion
ebenfalls der Frau Rath, und zwar als Befchwerde der
verfiändigen Alten über die Tollheiten ihres verwoͤhnten
„Kindes in den Mund zu legen. Allein neben andern
wichtigen Dingen unterfcheiden wir ordinairen Menfhen
uns von den genialen auch burin, daß wir uns erſt be-
finnen, ob wir einen närtifhen Einfall auch ausführen
wollen oder nicht. Und fo hate ich meinen unterdrückt,
während Frau Bettina den Titel ihres Buchs ſtehen ge:
taffen hat. In bdiefem Buche fehlt es nun durdaus
nicht an tiefen Gedanken und an ſchoͤnen Anfhauungen,
bie nachgedacht und geprüft zu werden verdienen. Allein
man verzeibt fo viel Geiſt einee Dame nur, wenn er
mit Takt und in rechter Form erfcheint. Takt und Form
ift ja befonders der Krauen Sache. Beides 'vermißt man
nun ſehr aa den Smprovifationen der Frau Bettina, und
muß fich dafür an ihre unverwäfllihe Tugend hal:
tm. Es tit auch Beine Kleinigkeit, noch ale Matrone
die Purzelbaͤume zu fchlagen, die einſt am „Kind‘ im
kurzen Roͤckchen fo entzüct haben. Und mas diefen Pur:
jelbäumen an ihrer frühen Anmuth fehlt, gewinnen fie
an Seltfamteit, da fie diesmal großentheils in dem ho⸗
ben Gebiet der Staatsweisheit gefchlagen werden, wo wir
nur gewohnt find, ernfihaften Männern in geftidten Krä:
gen mit großen Actentafhen zu begegnen, Männern, die
wol ihre Kniee beugen, aber nicht in der Luft balanci⸗
ren können.
Das game Duch If, wie gefagt, der Frau Rath
Goethe für das Jahr 1807, alfo für das Jahr vor dem
Tode Diefee 77 Fahre alt gewordenen Mutter des Dich
ters, in den Mund gelegt. Die tapfere Frau "fängt ohne
weiteres zu erzählen an, und thut beinahe die zwei Theile
hindurch den Mund nicht mehr zu, ausgenommen mwähs
senb, bei einigen Stellen, die zu Befuch gelommenen Pfars
rer und Bürgermeifter den wildeften Behauptungen ber ehr⸗
würdigen Greifin zu widerſprechen wagen. Frau Bettina
hat aber beiden franffurter Herren Peine langem und tiefeit
Widerſpruͤche zugetheilt, vermuthlich aus zärtlicher Liebe
zu ihrer Stau Rath, damit diefe — Zeit zum Sprechen
und überall Recht behalte, wie es alte Leute gern haben.
Hätte, wie wir es anfangs erwarteten, Die Verf. ihre
Frau Rath in der drofiigen, treffenden Welfe, die wir
aus den Briefen diefer genialen Frau kennen, die Einla⸗
dung der Frau Bethmann „ins Kirfchewäldche” und jene
ber Königin von Preußen nad Darmflade erzählen, und
an diefe Erlebniffe begügliche Bemerkungen knuͤpfen laffen,
fo ‘hätte viel Intereffantes dabei herauskommen koͤnnen.
Kernhafte Gedanken wären wie faftige Früchte an biefen
Lebensbäumen gewachſen und reif abgefallen. Allen die
Erzählung, die fo munter anfängt, erftidt ganz unbedeus
tend in dem Schwall von Ausfprühen, Behauptungen,
Meinungen und Schmwärmereien, welche bie Frau Rath
ausfprudelt, und die felten ihrer bekannten Perfönlichkeit
angemeffen oder den Umftänden angehörig find. Seibſt
die Königin von Preußen kann nicht zu Wort kommen,
und findet kaum den Augenblid, um der unruhigen
Sreifin eine goldene Kette umzuhaͤngen. Diele. ganze
Erfindung bezieht fi wol auf den goldenen
den einit Die verfiorbene Königin Luiſe der Mutter Goe⸗
the's geſchickt hat, in huldvoller Erinnerung an die feſt⸗
lichen Tage der Kaiſerkroͤnung im Juli 1792, da ſie mit
ihrer Schweſter Friederike, beide noch als mecklenburger
Prinzeſſinnen, bei der Frau Rath einlegirt geweſen,
Speckſalat und Eierkuchen mit ihr gegeffen und im Hof
des Hauſes Waſſer gepumpt hatten. Dieſe goldene Kette,
mit der die Krau Rath von Darmſtadt zuruͤckkehrt, und
halb Frankfurt bis auf die Hebamme Ahlever in Alarm
fegt, it ihr auch fo lieb, daß fie mitten aus ihren hoben
Gedanken Über Geiftesfreiheit, mitten aus Ihren Biftonen
über Natur und Menfchheit fi) mit der Fuͤrſtenkette ins
Bert legt.
x : ©
Wald wird aber ber Gebankenkreis, In bem ſich bie | Brau katein reden? Jene Derte bedenten meie Ihrem
im Leben fonft fo praktifhe Frau Rath Hier im Buch | Schnitzer nicht mehr, daß Im Weine Wahrheit liege, fon
binauffchreindelt, fo erhaben, daß fie bie Antnüpfungen 1 bern, daß die Wahrheit zu viel in den Wein gegudt Habe,
an das fo tief unter ihr liegende Erlebte ganz aufgibt, | daß fie beraufcht ſei. Doc laſſen wir dieſen Bock, nad
und fogae ihe liches frankfurter Deutſch nicht mehr gut altteſtamentlichem Opferbrauch, als Suͤndenbos in bie
geaug findet, fondern fih einen Druckbogen lang um | Wildniß laufen, und fuchen mit unferm Opfermeſſer das
den andern in fo erhabener Sprache ausdrüdt, daß eö | reine Fett des zu kritiſitenden Buchs! Zu flreng dür-
ihren großen Sohn, den Wolfgang, wenn er eb in Wei: | fen wir dabei nicht zu Werke gehen; denn — wie man
mar hätte vernehmen, ober jegt noch leſen können, in bet, Hat der König, dem das Buch gehört, ſolches aus-
Staunen und — Verlegenheit geſetzt haben würde. nahmsweiſe von der geſetzlichen Beſtimmung einer policel:
Staun an den Muth eines Weibes, und ihre Heldenkraft lichen Einfihtnahme vor der Berfendung freigegeben.
PR Fr (e. rw Frl wie A ai en —* ben Er fürchtet das Unheil nicht, das die Mauſerfeder einer
e er efahr nwegtt
Ctreiterin; nermeßtihe Stärke geneußt fe von feiner Furcht —— Wert 2* 2 So bürfen wis
die Seele beftürmt. Wer von den Unfterblidyen erzeugte fie, die rau Bettina hinter dieſem Buche her nennen; deun
josgeriffen von furchtfamen Banden bes Schweigens das Ge | RE man es ihr recht machen weilte, müßte fehr Vieles
Häft durchſchreiet mit Gefcgmetter des Zreiheitsrufst Die ſchlaue in Staat und Kirche, was jegt vlelleicht auf ſchwachen
Beinen ſteht, geradezu auf ben Kopf geflellt werben.
Suada iſt's, o Phöbus !
So ſehr laͤßt Bettina die ehrliche Katharina Elifaberh | Wenn dies Bud nun hauptſaͤchlich für Preußen geſchrie⸗
Textor, verheicathete Goethe, — Vater und Dutter | ben iſt, fo mag fid ber König mit bem lieben Gott
vergeſſen! troͤſten, deſſen ſieben Schöpfungstage auch angefochten
Diefe Art von Ergießungen, die ſich um feine Ans | werden. S. 60 heißt es naͤmlich:
knuͤpfungspunkte und um feinen —— Baden mehr ch u — a von ben eben, Sapfungat m; *
Sefümmmern, werben im zweiten Theil des Buchs — eine i glauben wollt, einen Grund habe naͤmli
Sokratie genannt. Soll das bedeuten, daß die Frau ae elae 15 Akte Bub nit — Bpeentation leitet
, . zu treten Anlaß
Math fi mit dem Pfarrer und Buͤrgermeiſter, die gleich | gap, wenn ich nidt ganz ein Ochs bin.
anfangs ohne weiteres bei ihr find, in bes Sokrates Weile ©. 70:
unterhalten will, fo iſt auch diefe berühmte antite Fotm
dee Gonverfation auf den Kopf geftellt. Sokrates wußte
befanntlih Das, was er lehren und behaupten wollte,
aus feinen Gegnern als ihr eigenes Zugeſtaͤndniß heraus
zufragen. Aber wie ſokratiſirt, wie fragt die Frau Rath?
Sie fragt nichts, und fragt nach gar nichts, nichts nach
König noch Staat, ſondern überfpeudelt ihre Gaͤſte und
Zuhoͤrer mit fo endlofen wilden Behauptungen, daß bie:
felben am Ende fogar des Kopfihüttelne müde werben.
Dabei läßt Bettina die gute Frau fo grob gegen Ihren
Beſuch werden, daß man wol einfieht, bie rau Rath
Sat näher an Sacfenhaufen als an Athen gewohnt,
wofür bie beiden Herren ſich auch wieder gegen bie alte
Dame eine Ironle herausnehmen, die mehr mad) der
Conſtablerwacht als nad der Akademie buftet.
Bon biefer Seite haben wir die freundliche, weltftohe
Mutter Goethe's noch gar nicht gelannt, — Diele ruͤh⸗
sige Frau An, wie fie auch am weimarer Hof genannt
wurde, bie fo gern ausgeſuchte Weine oder gute Trauben
von Frankfurt beſorgte, Geld für ihren Sohn in Empfang
nahm, oder Lederbiffen an die Herzogin Amalia ſchickte.
Da wied «6 ſich denn wol in ber That fo verhalten, wie
bie Frau Rath ſelbſt zu Bettina fagt (S. 290):
Was das vor Biätter find! Nun wirft bu mir man:
gen en da hinein geflickt haben, ber nicht von meinem
Indem wie daher nicht bie gute Frau Rath, ſondern
Frau Bettina ſelbſt für den Inhalt ihres formlofen Buchs
in Anſpruch nehmen, ſtoͤßt uns ©. 238 ein böfes Vor:
yihen auf. Dort laͤßt Bettina die Frau Kath fagen:
vinum veritas. Worum muß benn auch bie gute
Aber jept wii ich auf bie zweit uns viel einleuchtendere
uUrſach kommen, bas iſt nämlich, weil ich einen Begrif hab, da
Gott zwar einen fiebenten Ruhetag hätte haben können, naͤmli
wenn er phleginatifcher ift geweſen, wie ich, denn ich hab mi
meiner Lebtag nicht Hineinfinden koͤnnen.
Und S. 79:
Da geb ich euch alle miteinander gu bebenten, ob das eime
Sach ift für einen Gott, baß ber gelten die Arbeitsfchürze
(denn er bat viel in Thon gearbeitet) an ben Nagel hängt, fi
die Händ abwäfcht und fein Sonntag hält.
(Der Beſchluß folgt.
Notes sur ma captivit€ & Saint-Petersbourg, en 1794,
1795 et 1796. Ouvrage inddit de Jıudien Ursin
Niemcewics, publi€ d’apr&s le manuscrit aufographe
de Yauteur, par Pordre du Comite historique polo-
nais & Paris. Paris 1843. "
„C'est une scöne detschee de o6 drame terrible eh
use nation entidre ve debat sous le poidu de malhcarn
qui sombient infinis, eü chagus neble «flert surre wm
ebime, chaque vente roste sans effet, ou une fatelisd
implacable arrache le glaive des malns du vaiaqueur,
et des blasphömes de la bouche d'un chr „“
Wenn bie Polen je auf dem parlamentarifchen Wiege etwas
Sutes für ihre Land zu Stande gebradht haben, fo war es bie
Gonftitution vom 3. Mai 1791. Die Abſchaffung des liberam
veto und der Gonföberationen, bie Ginführung einer geregelten
Gerichtsverfaſſung, die Aufhebung ber Gewalt ber Gtaroften
über die Städte, die Erblichkeit der Koͤnigswuͤrde waren uner⸗
meßliche Kortfchritte im polnifhen Staatsleben. „Und dieſe
Berfaffung hatten ſich die Polen gegeben ohne Raub, Mord,
Biutvergießen oder Berletung bes Cigenthums. Gie vereinig⸗
ten die zartefte Ehrfurcht für ale irgend erhaltbaren periöntis
den und binglichen Lechts mis der Kutpotiumg aller Geumbübel,
.
. et
ac gewiß eine leidenſchaftliche Parteinahme —A
4
„Babrlich”, fagt von Raumer, „die Polen waren
u als diejenigen Voͤlker, die in offener, einfacher
zwungen wurden. Man ſuchte ihre Freundſchaft, um
: zu werleugnen, machte ſich ein Wergnügen baraus, felerlich
wit ihmen geichloffene Vertraͤge zu brechen, trieb fie zu Schrit⸗
ten, weiche man nachmals verbamnıte und legte ihnen Gefins
nungen bei, die fie nie gehabt hatten. Nur blindes Vorurtheil,
vorfägtige unwiſſenheit ober boshafte Verleumdung fann bie
Urheber ber Besfaflung vom 3. Mat 1791 als ſtraͤfliche Revo⸗
Intionnaire anklagen.‘
Die zweite Epeitung erfolgte und es blieb ein Laͤndchen mit
3Y, Milionen Einwohnern übrig, welches man bie Republik
Polen nannte. Indeß erzeugte ber rohe Übermuch der Ruſſen,
weiche in Warſchau dominirten, eine dumpfe Gaͤhrung, deren
Ausbrud und naͤchſte Folgen, fo weit Niemcewicz dabei bethei⸗
ligt ift, ben Inhalt bes vorliegenden Buchs ausmachen.
Anfangs begänftigte das Kriegsgluͤck die von Kosciuszko
angeführten Polen, bis in der entſcheidenden Schlacht bei Ma⸗
ciejowice (10. Oct. 1794) das polnifche Heer von dem General
Ferſen gänzlich geichlagen und Kosciuszko, ſtark verwundet, ge:
fangen genommen und nach Peteröburg trangportirt wurde.
@in leidet Schickſal hatte defien Freund, der Dichter und po:
vieifehe Schriftſteller Riemcewicz. Ginige Jahre nach beider
Keritaffung fchrieb der Letztere zu Eliſabeth⸗Town in den Ber»
einigten Staaten die Geſchichte feiner Gefangennahme und feis
nes Kerkerlebens nieder. Grwägt man bie pfydgifchen und koͤr⸗
perlichen_ Leiden, welche während biefer Gefangenſchaft auf Niems
„ſo erregt 06 Bewunderung, baß das Gift
grimmiger Erbitterung aus ſeiner Feder geſloſſes iſt. daß er
vielmebr feine traurigen Schickſale einfach, groͤßtentheils leiden:
ſchaftsios, oft fogar mit einem Anfluge von Humor befchrieben
hat. Gelb in den Ausſpruͤchen Aber feine politifchen Feinde
und Bedruͤcker überfchreitet er nur ſelten die Grenzen der Maͤ⸗
$igungs getinde genug drüdt er aus, wenn er bei eclatans
ten Erfahrungen über bie Unwiſſenheit und Roheit hochgeftellter
Kuffen nur fagt: „Et voll l’empire oü selon Voltaire les arts
et les sciences se sont vofagiis! "
Gine lebendige Schilderung der Schlacht bei Maciejowice
bitdet das erfle Capitel. In wenigen Stunden war der Bieg
der Kuſſen vollftändig entfchieben; geilden 4 und 9 Ubr Abende
brachte man einen halb tobten Mann auf einer Bahre ins
Hauptquartier: es war Kosciuszko. Das Blut, welches feinen
Kopf und Körper bedeckte, ſtach graßlich gegen die blaͤuliche
ae feines Gefichts ab. Gr hatte einen etgieb über ben
Kopf und einen Lanzenftich in den Hüden befommen. Erſt am
foigenben Morgen erwachte Kosciuszko wieder zum Bewußtſtin
% Potkendo Untergang”.
63.3 7 ke war feiner
u
u fehen. Dir oberftd Rationalrath erklärte fich egen ben
— ber bereit, zum Tauſch für Kosciuszko ſaͤmmtliche ua
den Polen gefangene ruſſiſche Generale, Offiziere und So
3000 an ber Zahl, herauszugeben. Das Anerbicten wurde
bep nicht angenommen und Kosciuszko, Niemcewitz und
andern Gefangenen nach Rußland weiter transportirt.
K
Die Beſchreibung, weiche Riemcewicz von dieſer Reiſe en
minft, bietet eine bunte GScenerie, in weicher bauptfäciide wm
Jfiſche Brutatität und Haubfucht gegen bie Banbhewehner ab
gegen bie Gefangenen hervortritt. Lehtere mußten von dem
zuffifchen Major Titow, bem bie Göcorte übergeben war,
Nedereien erbulden; fortwährend fdgimpfte Titow auf die Pos
ten. Niemcewic, trat ihm anfangs kraͤftig entgegen und marf
igm feinen Mangel an Gerechtigkeit und Zartgefübl vor; da ee
aber endlich einfah, daß es nicht lohnte, mit einem Barbaren
m n, fo fchwieg er, nahm ein Buch vor ımd lief den
Auften fhimpfen fo viel er wollte Dieſe Gleichgoͤlti >
feste Titow in den beftigfien Born und um ſich zu , Geh
er fämmtlide hölzerne Fenſterklappen des Magens ſchießen
Gluͤcklicherweiſe war in ber Dede ein kleines Lo, durch wei
des ein Lichtfirahi eindrang und bie Kortfegung ber Lecturt
möglich machte. „Außer ſich vor Wuth über meine Hartnaͤckig⸗
9, erzählt Niemcewicz, „wollte er ſich wenigſtens einmal
b einen hoͤchſt wigigen und gelehrten Ausfall zädgen, indem
er fagte: ‚Und wenn Sie noch fo viel fiubisen, fo gelehrt mie
Pogmalion werden Sie niemals werden‘ — ‚Pygmalien ein
Gelehrter!‘ rief laut lachend mein Begleiter Fiſcher — ‚Daw
über wundern Sie ſich?‘ fagte ber Major, ‚da fehen Sie, wie
unwiſſend Sie bei allen Ihren Büchern ſind; Sie willen alfe
nichts won unferm griechiſchen Seligiensgenofien Pogmallon, bar
fo gelehrt war, daß er ein Frauenzimmer von Warmor, bad sE
bei fi tm Haufe hatte, ſprechen, lefen und ſchreiben Lebete?*
„Ad, nun erinnere ich mich‘, verfepte Wilken, „ganz recht, es
war ur sat * —7* — Gefa
m ec. langten ngenen in Peterhuug
an; Niemcewicz wurbe nach ber Petro⸗Palowskeſchen Gitabelle
gebracht, wo er 26 Monate in einem fehr engen Zimmer ein⸗
geſperrt blieb. Der Generalprocurator (Miniſter des Innern)
Samoilow nahm ihn ſelbſt ins Verhoͤr, um Geftändniffe über
die geheimen Triebfebern des polniſchen Aufſtandes von ihm zu
erhalten; Niemcewicz antwortete, daß in biefer Revolution nichts
vorgegangen ſei, was nicht nur das ruſſiſche Gabinet, ſondern
auch ganz Europa wiffe. Mit diefer Erklärung nicht gufrisben
ſtieß Samollow die heftigften Drohungen aus, und de auch weis
tere Verſuche und ſeibſt aroße Verſ, Riemcavicz *
prechungen
vermochten, die verlangten Aufſchluͤ geben,
Generalprocurator die feſte ——“ gegen —XR8 daß er
nie wieder
aus dieſer Gefangenſchaft toslommen
e in ihrer
Das Gefaͤngniß, in weichen Riem
von Peter bem Beoßen erbaut worden; ber erſte Gefangene in
bemfelben war Peter's Sohn, ber ungluͤckliche Alexis; auch Ben;
por bat bier einige Rage vor feiner Abfuͤhrung nach Sibirlen
en.
Kosciuaglo war Anfangs im Haufe bes Feſtungscamman⸗
banten untergebracht worden; beib aber hatte man ihm ben
Palsft Driow zur Wohnung angewieſen; ein Wagen fland gu
feiner Verfügung und er konnte, fo oft ee wollte, in Begleitung
eines ruſſiſchen Beamten ausfahrens auf einem Rollſtuhl wurde
ee im Garten berumgefabsen und man gab ihm fegar einem
Drechs lermeiſter, um ibn dies Handwerk, zu welchem er große
Luſt hatte, zu lehren. Was Falkenſtein über —
ir einem engen und ſeuchten Kerker tft atfo mi
V
Geriägtigen. Kosciuszko war unter allen polniſchen Gefangenen
der **— von der En mar Beguͤnſtigte; gern mochte man in
ihm eher ein unfehutbiges und paffives Werkzeug fehen, als eis
nen Baupturheber der Revolution; man beftagte ibn als das
Opfer gefäprlicher Menſchen, womit Niemcewicz und Andere
t ware
n.
Die in der Feſtung eingefperrten Gefangenen faßen abges
ſondert jeder für fidy; doch gelang es ihnen, ſich durch verfchies
Vene Kriegẽliften in Werbindung miteinander zu fehen. Die
wefenttichfte Erleichterung gewährte ihnen die Bectures es war
men geftattet, ſich gegenfeitig mit Büchern zu verforgen und
obgleich der wachthabende Offizier Blatt für Blatt in benfelben
Surdfuchte, fo fanden fie doch Mitter, bei Selegenheit des Bu⸗
cherwechſels Nachrichten miteinander auszutaufchen. As Riem:
weicz nad} einigen Monaten Zinte und Feder verflatiet wurde,
Ing er an, feine Zeit mit literarifchen Arbeiten zu verkürzen.
@r dichtete unter Anderm Etegien auf bie Schlacht bei Macies
ice, auf Polens Ungluͤck, überfegte die, Indianiſche Hütte” von
arbin de St.» Pierre, Racine's „Athalie““, Pope’s „Eodens
samb”, ſchrieb zabtreiche Erzaͤhlungen und Fabeln. Das Erfängniß
wer Hein, bie Luft in demfelben ſchlecht und niemals bekam
Siemcewic; Erlaubniß, ins Freie zu gehen, obgleidy feine Ges
ſundheit fchon fichtbar gelitten hatte. Dagegen war bie “Tafel
wicht fchtedht und wurde aus derfelben Küche beftritten, aus wels
cher Koeciuszko gefpeift wurde. Die Kaiferin wollte, daß bie
Hetoſtigung vorzügiich fein ſollte und in Betracht ber ungeheus
ven Rechnungen, weldye allmonatlich eingereicht wurden, hätte
fe fürftiih fein können; das ruffifche Raubſyſtem wußte «8
aber fo einzurichten, daß von jenen bedeutenden Summen viel
defeitigt wurbe und nur ein guter bürgerlicher Tiſch uͤbrig blieb.
„Endlich ſchlug die Wefreiungsftunde für die ungluͤcklichen
Yolen. Katharina farb am 17. Nov. 1796. Zehn Tage ſpaͤ⸗
ter begab ſich Paul I. ſelbſt zu Kosciuszko, um ihm feine Frei⸗
faffung unzulündigen. Auch der gefangene Marſchall Potocki
erhielt einen Beſuch vom Kaiſer, welcher ſich hierbei fehr gnaͤ⸗
Dig bewies und über Polens Zerſtuͤckelung folgende denkwuͤrdige
Worte ſprach: „Ich bin der Theilung Polens immer entgegen
geneien! es war ein ebenfo ungeredhter als unpolitifcher Act.”
ini
ge Tage ſpaͤter wurde auch Niemcewicz aus dem Kerker entlaffen.
Katharina 11. flarb befanntiih auf einem Orte, ben man
ker Geſundheit wegen täglich zu beſuchen pflegt. Nachdem fie
wie gewoͤhnlich die Nacht mit Zubow zugebracht hatte, war fie
am 16. Rov. beim beften Befinden ‚und wohlgelaunt aufgeftans
den, hatte zwei Taſſen Kaffee getrunken, mit ihrer Kammer
frau gefcherzt und ſich dann jum Schreiben niebergefegt, als fie
pꝓloguch ein dringendes Wedürfniß fühlte und in Ihe Gabinet
ng. Es war ımgefähe 7 Uhr Morgens. Einen Augenblid
tee kommen die Minifter mit ihren Portefeuillch zur Arbeit,
und da fie die Kaiſerin nicht finden, fo warten fie Cine Stunde
vergeht, fie erfcheint nicht. Ihe Kammerbiener ſucht fie aͤngſt⸗
Gh in allen Zimmern und da er fie nirgend findet, Öffnet er
endlich die Thuͤr ihres geheimen Gemachs. Gr ſtoͤßt einen
Schrei aus, die Minifter eilen berbei. Weich ein Anblick!
„L’immortelle Catherine, la maftresse du tiers du globe ha-
bite, renversee sur sa chaise percte, ses jupons dans le plus
grund desordre, et presentant aux spectateurs étonués ce
‘is m’avalent jamaiss vu.” Der Großfürft Paul wurbe
—*— benachrichtigt und eilte zu feiner Mutter,. die er ſchon
leblos fand; fle tag unbewegiich da, nur ber Unterleib wurde
dann und wann noch von krampfhaften Budungen erſchuͤttert.
Geverin Potocki, welcher an biefem Tage die Wadye im Palaft
Hatte, erzählte, dab dieſer unvollftändige Tod bie Hoͤflinge in
De größte Verlegenheit feptes fie befanden fi in Gegenwart
© Potentaten, ohne zu wiffen, für meiden. fie fich ents
n follten; die alte, ſchwer erkrankte Kaiferin, bie noch
vor wenigen Stunden Aber ihre Leben und Bermögen herrſchte,
tonnte ſich mögticherweife wieder erholen, benn noch war Bewe⸗
Kraft und berährte ſchon mit ben Pingerfo Steyr
Gleich gefährtih war ber Eifer wie die haha für die
eine oder für ben andern. In biefer peinigenden Ungewißheit
warb für fie der Untertelb der Kaiferin zum Gompaß ihrer
Dandlungen und Gefühle: bewegte ex ſich ſtaͤrker, fo eilten fie
Br Bert und fliehen Liägliches GBefchrei aus; Liefeh tie Er
hütterungen nad, fo ftüxzten fie noch fchneller Halb freudig
und ehrfurchtsvoll zum Thronfolger. Diefe Manoeupres ber Furche
und Schmeichelei dauerten 30 Gtunden, bis bie Bewegungen
bes uUnterleibs gaͤnzlich aufhörten und bes Tod wirklich einge:
treten war.
Der an feinen Wunden nody immer leidende Kosciuszfo
vermochte Riemcerwicz, ihn nach Amerifa zu begleiten; nachdem
fie noch einige Wochen in Petersburg verweilt, das Leichenge⸗
pränge ber verftorbenen Kaiferin und des ausgegrabench Pe
tee ILL mit angefeben und der kaiſerlichen Familie vorgeſtellt
worden waren, reiften fie am 19. Dec. 1796 über Schweden
und England nach den Vereinigten Staaten ab. Vorher aber
mußten Kosciuszko, der Marfchall Potocki, Niemcewicz und die
andern freigelaffenen Polen in die Hände bes Generalprocura:
tore Samoilow einen feierliden, von einem katholiſchen Prieſter
dictirten Kid ablegen, daß fie dem Kaifer nicht nur treu und
gehorfam fein wollten, fondern auch ihre Blut für feinen Ruhm
v vergießen bereit waͤren; daß fie Alles entdecken würden, was
e Sefährliches für feine Perfon oder fein Reich zu ihrer Kennt⸗
niß käme; endtich mußten fie verfpredyen, daß fie, im weicher
Gegend der Erde fie fi) auch befinden mödten, auf ein eins
ges Zert bes Kaiſers Alles verlaſſen und ſich zu ihm verfügen
würden,
As im 3. 1830 die Polen fib zum Testen Male ers
hoben, nahm Niemcewicz lebhaften Antheit an diefer Revolu⸗
tion; während er im Auftrage der NRationalregierung nach Eons
don gegangen war, um dort Hülfe zu ſuchen, erfolgte Wars
haus Gapitulation. Niemcewicz vermeilte noch einige Zeit im
England, begab fich dann nach Paris, wo er in ruͤhmlicher
Thaͤtigkeit als glühender Patriot bis an fein Ende wirkte und,
84 Jahre alt, am 21. Mai 1841 verfchieb. _
Bon feinen nachgelaffenen Werken, unter denen ſich mans
ches Wichtige befindet, find diefe Intereffanten Memoiren das
Erfte, beffen Herausgabe das Polnifche hiſteriſche Somit zu Pas
ris unternommen bat. Die Weröffentlihung des übrigen fleht
zu erwarten. 28.
Literarifhe Anzeige.
Neueſtes und volftändigftes
Fremdwörterbuch,
zur Erklaͤrung aller aus fremden Sprachen entlehnten
Woͤrter und Ausdruͤcke, welche in den Kuͤnſten und Wifs
fenfhaften, im Handel und Verkehr vorkommen, nebſt
einem Anhange von Eigennamen, mit Bezeichnung der
Ausfprache bearbeitet von
Dr. 3. $. Saltschmidt,
Gr. 8. 2 Tyler. 12 Nor.
(Auf in 9 Heften zu 8 Nor. zu beziehen.)
Leipzig, bei F. A. Brockhaus.
Diefes Wert zeichnet fi vor allen bisherigen de
wörterbüdern durch Molftändigfeit, 38
graphiſche Einrichtung und ungemeine B
wung in ibes der Großfuüͤrſt dagegen ſtand bier in ber Fuͤlle der | gleich vortheilhaft aus,
Berantwortlicher Herausgeber: Deinrih Brokhaus. — Drud und Berlog von F. A. Brockhaus in Leipzig.
81, 17)
te
m ‚miPo mb, mern: —RT—
iu et, —
literarifche Unterhaltung
Ietter
nd sah
Eu rn
0
un De 23,5 Pin vg anne. 4
Donnerstag,
Dies Buch gehört dem König.
(Beſchiuß aus Nr. .)
Man fieht, daß Frau Betting, wenn „ibs Seelen;
infinct fie zur Speculation leitet”, ‚doch manchmal über
einen — „Gaͤnſedreck geführt wird”. Ein Ausdruck, bem
fe ſelbſt &. 84 im br Später kommt fie
jedoch wirklich in die diteflen Tieſen der Gpeculatiom.
Man weiß, was es den diteften Religlonsſtiftern und ben
neueften Philoſophen gekoſtet hat, den Urfprung des Boͤ⸗
fen in ber Welt zu erkläcen. Schon im alten Perfien
hat man zwei Srunbdprincipim oder Urweſen angenom:
men, ein gutes umd ein böfes, weil man Sünde und
Übel mit dem Weſen ber Gottheit nicht vereinigen Eonnte.
Stau Bettina gebt mit At themzügen Hegel'ſcher Schüler
leichter an dies Problem. S. 506
Nun was ift bavon das Geheimniß, ale daß Gott den
Teufel in fih faßt! Was wär feine Unendlichkeit, wenn er ben
Anfang des Guten, ben Urbeginn deſſelben, nice in ſich flatuis
zen woßit! MDo iſt der Anfang des Guten, als wo er negirt
wird. Drum ift der Zeufel der Anfang aller Dinge, well er
das negirende Princip if.
—2*— fie denn Das nicht, daß der er aus bem Zeufel
hervorgehen muß, wenn bie Gottheitsibee verwirklichen fon!
Und baß die eben darin befteht, daß der Teufel Bott werben
muß, und daß dies das Rund der Schöpfung confteuirt u. f. w.
Ehe Bettina dies Gebiet der Speculation betritt, hat
fie, wie es eines deutſchen Philoſophen Schuldigkeit iſt,
den Zoll in eigens geptaͤgter Blechmuͤnze der Sprache
richtig. bezahlt. S. 368 ſagt fie Hegel⸗VFeuerbachifch:
„Das Suchen nad) Sottbegreifen tft das Schfelbſterzeu⸗
gen des Menſchen.“
Natuͤrlich kann man fo hoch nicht hinauf und ſo
tief hinab, ohne freien Geiſt, und die Verhanblungen
über und” für Geiſtesfreiheit fünen einen großen Theil
des Buche. Woher der Geiſt ſtamme, fagt uns Bettina
ne, fe, | naͤmlich mm der ati, und wohin er
pe
‚Aller fan Bewwegung —* dann au
Rr. 334. — —
30. November 108.
4 0da8 Khöne — zu Stande, auf das Bettinb
135:
fo viel Werth legt. ©.
Je näher das Volk feinem Fuͤrſten, je größer iſt beffen
— er quast wie ein elektriſcher Schiag ur alle Herzen.
Der wird fein Lebtag nicht gewahr werden, — —
daß jett dein goldgeſchmuͤckter, mit —2** aus dem Meer
gefaͤrbter Purpur und nicht bie Perle aus. dem Wagen deß
Haififches in bes Krone ihm noch Ehrfurcht einprägen kann,
ſondern nur der Glanz, der von der Geniusſtirne auf das Bolt
herableuchtet und es mit verklaͤrt.
Denen aber, die den Menſchengeiſt fo rigenmädtig
regieren wollen, wird ©. 84 mit er Unſterblichkeit deſſel⸗
den gedroht: Das irdiſche Leben wind nur für bie Bi
ſchale erklärt, aus der fich der Beift herauspicken Teil
Aber in dieſem Beruf muß man den Geiſt gewähren
laſſen, und wenn etwa der Staat ein Andividuum aus
feinee Schale picken will, fo entrüfter fi Bettina hoͤchlich.
Ste geſtattet naͤmtich die Todesſtrafe nicht, ja fie wiß
überhaupt Feine Beſtrafung der Verbrecher zulaflen. -
Iſt das ganze Staatögebäu nicht ein ſchlecht eingerichtetes
—x — fagt Bettina S. 203 — wo eigennuͤtzige ober chi
chtige eingebitdete Beriegenbeiten ihre Scheimſtreiche für wahl
thätige Sejammtwwirkung wollen dem armen Menfigengefeteit
anfihlagen ?
S. 456:
Dimmlifche Weisheit braucht's nicht erft zu entdecken, we
bie Verbrechen nur krankhafte Crfcheinungen bes Staats find.
Sine ganz krankhafte Erſcheinung iſt Schon bad Grafen und
Eohen ehn om bie Befähigung dazu, das heißt ohne bie Weisheit?
Der * Staat mus und hat nichts anders zu thun, au
zu retten und ſeine Heilung zu bewirken. Das
iſt meine neue Moral, und meine neuen Goͤtter werben days
ihren Segen geben.
Wer diefe neuen She film, kann ich nie pm
then, aber ihre Segen möchte wol Tehr noͤchig file, da
der Staat, nach Bettina's Behauptung (I. 383), ſelbſt
zu „malade” tft, um: ben Verbrechen zuvor zu kommen,
und da der Verbrecher nur hingerichtet werbe, weil dis
AR allein alle Energfe des geſundniachenden Lebenefiagie
ecke, was der kranke Saat einnial mit. verdngeil
eönne. Daß hiernach ber Verbrecher darum Verbreche
TR, weil er allein gefund MM, muß indeß fo ernſttich nicht
gemeint fin. Denn Wettina bringt doch wieder ‚Mars
— ie der Staat en Brteeden weten Alam
tr PP
1.
Dieb Gingige wäne ya derſuchen, menu man ihn (beit mas
dei 8 der ⸗
——un bewegen ee großen —— . —*
fittiiche Auferſtehung
—*
kennen, und würden am Ende mit Ruhm bebeckt hervofragen.
Auf Ehre! ich Habe gamı But
richtig: abgefiheiehen?
tina will alfa bie Strafanſtalt in eine Hellanflalt ver:
wandelt wiffen; fie will (S. 387)
durch Sicht ben Geiſtesphosphor or diren, fein Duedfilber abſon⸗
dern. Das Geiſteslicht als chemiſches Agens wirtend, wodurch
das Medium, die Wiffenſchafi, nur erleuchtet zu fein braucht,
um ben leidenfchaftlichen Stoff zu zerfegen in Pottafee, in Kob⸗
Yenftofiga® , Kohlenleber, in um Koblenfäuee, eigentlich
Diomantfäure, wie denn alles Seidenfchaftiide ‚Diemansfioff if
im Verbrecher. — — Vieles wird als Knallgas fig entwideln —
Hier habe ich, des Knallgaſes wegen, meine Singer
von Bettina’ Buch hinmweggethan, und rathe dem keſer,
dae Ubrige über dieſes Mapisel ſelbſt nachzuſchlagen. Wir
wel. wur, ehe Frau Bettina vielleicht ſelbſt in eine
Deanſtait geht, goch hören, was fie vom Kirchlichen
Sk klagt S. 471:
unten ifk die Begeifterung für das perſoͤnlich Goͤtt⸗
nciht. im Ghriftentbum. — — Die Zempel
d zerträmmert mit ihren Gödtterbildern, — Zeugniß kirchenvaͤ⸗
er Barbaret, ober find mit Gewalt in qriſtuiche Vorſtel⸗
en verwandeit worden, — Zeugniß ihrer Gchmupeit. le
um WBelfpiel die drei Grazien als bie brei Serbinaitugenben,
u, Sofmumg und Lieb, in ber Sacriſtei der Paulskirche zu
Em .von den Sarhindien höchtich verehrt werben. Giner Be⸗
uns waren verfihiehne Aiterthumsforicer auf der Spur, daß fie
ie Ci. sLorette als Jungfrau Maria Wunder thue.
Wie aber, follte der Sohn der übergetretenen Venus nit
der Gotterknabe Amor fein, der To viel oihmpiſche Wunder vers
tete an Göttern und an Menfchen, die ex zufammenbrachte,
at die Menfchennatur durcherungen hat mit Goͤtterkraͤften?
Er war ber Erſte, der unfer Heil begründete, indem er den
ia mit der Gottheitshefe in Gaͤhrung bradhte.
. u A —8 a ſe ruft Kae Ber Pfarrer bed
ee Abends. — Ja, Krau Rath, Sie gehen aus allen
en? — fest ber Bürgermeifter hinzri.
* Und ich frage, was wuͤrde wol Here Clemens ren:
tano rufen, wenn er da6 Buch der Schweſter noch er:
lebt Hätte ..er, dam. {9 fun gamarden war, feine ſchuld⸗
Schew Dorfims gu vdangmean
Deu Sm des Verfalls aller Religlofität im Volke
findet Bertina in ‚den Predigern, denen fie durch die
Bram Rath ins Angeſicht des in ihrer „Sokratie“ anme:
Geiſtliam den: Text lieſt, aachdem fie heraus bie
it:em6 Prebigers mit elgem — Maikäfer vach⸗
Dir bahn fo. vie! —* aus dem Buche mitge⸗
thutät, weil wir onfangẽ: alaubtan, Viele würden, das Bug
aubdptcieien, dm dan Aieimnms, ‚sh; sahne dem, Koͤnig. „Allein
Der König fcheint es weggeſchenkt zu baden, und ſo if
*1
tee Erd. a h
So iſt xde. big güte, eh
J Wie ein Kobold ſpringt fie dazwiſchen, Hi
06 in bad Yablicum seen, Jebem affan, ber füdh
— ergögen wil. Dies Buch bat nmoch eine feommme
edentung. S. 293 fagt bie Frau Rath:
Es ift meine Unfterblichleit, daß ich in deinem Seren fort
Bi wenn I 2 ſchon lang besraben bin unt frantfugs
Ak desdach hie
wachlen!
Am richtigſten foßt man, glaube id, bie Bettina’:
fhen Probuctionen, wenn. man fie als die Opfer einer
großen Andacht der Verf. zu fi ſelbſt begreift. Im
Belefwechlel eines Kindes’ iſt die Fcay *
| über das Wunberkind Bettina; in dir A Zee
un
Sue Beiftäie ‚ umb
im gegenwärtigen Due get dee Prediger außer ſich
ede
über die erſtaunlichen Reden ber Frau ‚das heißt
alſo, über die Gedanken, die: Bettina der Frau Rath
lecht, um fih Am Wiberſchein ——— ſpie⸗
geln. S. 284 14ßt ſich: Bocina im Rama de Fran
NRath ſagen: J
Ba Sie nt eine auſerorbentuche Kram. ie find gewiß bir
mertmitehige Bau. guſexs Jahrhunderts z3. ia ihahen einen
männtien ‚Se, ben haben Big, meine Weroyaherung ‚geht ins
‚ Darum mußte freilich Bettina ſich auch einmal an
die jebigen Fragen des öffentlichen Lehens und, auf das
Feld wagen, wo bermal Strauß, Feuerdäch "Bruno
Bauer u. A. den ſcharfen Pflug der jr ' füßren.
, 7a
auf, was ihe gefällt, und wirft es der N ath, Ri
eine alte Geſchichte von 1807, in die Schärze, fo unge:
gefähe wie fie ihr damals Obſt brachte. &. 141:
WMyo komm du per, Maͤdchen, fo erhiett — Ich wer
Bun bem Bodkeimer Thor und hab Bira geftebfen. in einem
Geſtohlen? Die ſchmecken am beftm. .
Am Schluffe des Buchs, dee aber am
*
das literariſche Publicum gehört, und. beim
wenigziten für
Sippe wie
ein — Kr —* un⸗ Verf, de für po
erwunde ans, daß ſie nicht, bigs ſon⸗
dern in Druck gegeben A ie figd —— auf
der Wanderſchaft durch die —** im ſegenann⸗
ten Vogtland nor dem Hamburger Thor Berlin. Und
gewiß bat fie ale diefe in Mach und Kind nefugfsuen
Menfchen, deren Sammer fie uns — los aus
ſtatiſtiſchen Abſichten ſo ausgefraqt, ge A
and. zu ſpenden. m wir ‚rechten
fi
Rd |
Srauenwegen gARig
Reime und Kloepen einer Weltauſchauumig. ——X —*
eiprig, „Reclapı nie. POS,
Ar
— Er
* So ‚gühletet, ee hr het | Ha 83 6 —
—— en a * Su ne et ——— ee
nicht Sn von —S— — udn — ae itofoppie nur — oder a gar — am
Drama ee uns in den ame — m N. ae
die AufmerMembrk ber Banfı
=: auf Nik fi einigen Be —
lato,
Be Sie, ac acid —— N fü ne =E
bon —E a auf Auguftus, unb ai
Hauptete Feten Jain Xnfeben alg =. s * —
den — Phlophen in Kom, ige Mufeumsppil
in Aupandria, ja fogar, wenngleich in ring gem Grade,
vend det. Gere ft bed Gpeiftenth üptigften Erpege
find nah den vorhandenen CR ten Ti —* un * ig
Beite
tbum verfepen; aber der, Verf. auch diefgn Begenftand
von außen Pal von ingenz feing ya ar,
man glaubt nicht an Hi Üibergüugl 2er —— intteltte
’ander, aber man glaubt, on — I, rt fühle man
aud kein Intereſſe für ſie. Beer fi aus den Cha⸗
ralteren abfrapiven follte, Bas ia, det Werf. allemgt vorher
an, bamft "man e6 body erfahre. Ausgang des Stüds fi “
ein blinde Ungefähr und die e phpyſiſche Ken
gibt aber Yeine poetiſche Werföhnung, unp fie Ma
Drama im Himmel fließt, MR die poetifch eins
nicht bergeftellt werben. Bir rathen dem
eimnat Eiffing’s nRathan’, nicht tefe, fonbern ee,
Sehen, in welcher Beife ein fo abftracter Stoff bjldti u
Andfoiduell geftalten” Wk. Bon einer Gharakteriftit [3 ‚Yerfön
lichteiten iſt in Hrn. mid's u nichts zu —
kommen nur Gollectiv » Menſchein, ni Gnoiolbuaikäten
Fr vor. te glfagt,, beffee alß alle Kritif wird den Berf.
KR —— daß ex mit ſeineng.Akboſia
Fr oh t hal
rauf * {on Reden über das Chriftenthum ".
Das Hft adır del logifc, gefprodjen, denn hiefe Reben per;
er
— — wo wir pr ae
ab Be ungen des Atterthums erw Het malen,
auch — — gar Manches — — [17
ee en A fee en Ki
für das Ait und für feine Fr
Fr 3 3— br mp! dan ala Kern ehr —ã— Gais;
enſo geſcha ten Abhandi
— —— den Gun ve 55
fe Boltevermehrung im Altertt " gelefen Hat, mı
ie, A 08 |
Hreiten ſich nicht das Serikenttum, fondern über einzelne ne
ehren der chriſtilchen Dogmatik, und find nichts als was
man fonft fÄlehtweg Predigten nennt, befimmter cloffü eivens
mößte a fagen Homilien. De nah N, de
efle
eee I da der Bf. © —288 R l 3 — —7 * dem
ve fi ur man en
vi dee zu —* — Fr inag Perfonen geben, tn Anfehen zu ve r ah daß er u
Pr ſich burd) betgle A m und. harmoniſch berührt
fahlen, und denen mag jerf Teine „Reime und Knos-
en einer — zum Prafent maden; ef. aber
fire Er bereditigt,, dem Verf. einen boppeiten Rath zu ge
erſtens 1“ Dre n weit L ei wem
er ferner folge Predigten ſchreit aicht
ar loſſen· req *
bon‘
tue, der Glaat und one Ein der dei
er haben * Untergang ag de din Sr Yo Sign
Ana a Yarallelen nd ne neuen ER *
— über verſchiedene Berpältniffe
wie über die keit in Kom, in See
erften Briten be de JH riftentpumd, über bie
Die Dhitsfopkie auf ber Uninerfität Athen
im Alterthume,
er Freund ee Bitte und Bildung das
— a nu dig Dem
iejer im!
het be len a u
STEGE * —5 u 5
fa. fein, Ammens; us. des Kagben Täunberkorn.
dee Wefchie dit Solzfegnii Dre daer Khnfiı
ES te man Best a tr
zum follte man biele a Graudgar) nick
in ve ken in Kg
4 wie
Bei nun —X usb Knie ven —
und @%:
Bandes and Bu abe a Dananır ſche ———— dom n hart
abt, von den ve 1:42 ‚Amt! Bericht, Aber din
Daß f fo wi ber age immer sellschaft deutscher Naturforscher und — 2
fondesn vorzugew⸗iſe grewde in dieler Bepteisber von den Geeiltäßslährern
Soir . wufieben » leffen, fo aud 3
——— *
ar Matze Kupfartgg.. 9. de, I Tier
den Blättern
Beilage zu
WE literariſche Unterhaltung.
Kr. 2 80. Hovember 1843. | 0
[4
Rapoleon und Canopa..
Am 12. October 180 wurbe Sanova durch den Marſchall
Duroc dem Kaiſer vorgeſtellt. Napoleon war im erften euer
der Anhaͤnglichkeit un Marie Louiſe, bie: er im Aprit geheirathet
hatte unb bie fich in guter Hoffnung befand. Gr faß mit ber
Salferin am Fruͤhſtuͤk. Rach ven erſten Befpectöbezeigungen
dankte Canova den Kaiſer, daß er ihn babe nach Paris kom⸗
men laffen, fm mit ihm über dic fchönen Kuͤnſte zu verhandeln.
Er erklärte ſich bereit, des Kaifers Befehle entgegen zu nebmen,
damit er dann na Rom zurüd und wieder an feine Arbeiten
gehen könnte. Napoleon: „Aber Paris ift die Hauptſtadt.
Sie follten hier bleiben und würden wohl baran thun.“ Gas
novas „Sire, Gie find Here über mein Leben. Allein wenn
es dem Kaifer gefällt, daß es feinem Dienft zueigen fei, fo
müffen Sie mir bie Rüdkehr nach Rom erlauben, wann id) die
Arbeiten. vollbradyt Haben werde, wegen deren ich gekommen bin,
Man hat mir 'gefagt, ich foll das Wild ber Kaiſerin machen;
ich werde fie in der Geflalt ber Goncordia darftellen.“ N. laͤ⸗
cheite wohlmollend. Dann fuhr er fort: „Hier in Paris iſt der
Mittelpunkt. Bier find alle antitın Meiſterwerke. Cs fehlt
nichts als der Rarnefe'fche Hercules, aber wir werden ihn auch
haben.“ 6.: „Laſſen Em. Maj. Italien wenigftens etwas.
Diefe alten Denkmäler bilden eine Sammlung und ein Ganzes
mit unzähligen andern, bie füch nicht wegfähren kaffen, weder
von Rom noch Reapel.” R.: „Italien Bann feine Verluſte
durch Rachſuchungen erfegen. Ich will fagleih in Rom Nach⸗
fucyungen vperanflalten. Sagen Sie mir, hat ber Papſt dafür
viel Geld ausgegeben?" GE.: „Der Papft ift nicht ſehr reich,
indeß ift es ihm doch bei unenblicher. Liebe für die Künfte und
durch weile Ginficht gelungen, ein neues Mufeum zu bilden.”
: „Sagen Sie mir, bat bie Familie Borgheſe große Sume
men auf Nachſuchungen verwandt?” G.: „Es war nur eine
mäßige Summe. Der Fuͤrſt unternahm bie Nachfuchungen zur
Hälfte mit Anbern, benen er bei dere Abrechnung ihren Antheit
abkaufte.“ Ganova ſuchte nun zu beweilen, daß das römifche
Bolk auf bie in ben Eingeweiden des rundes und Bodens der
ewigen Stadt entdeckten Denkmäler ein Recht babe, daß fie ein
mit bdiefem Beben innigft verbunbener Beſitz feien, den weber
die vornehmen Wamilien noch der Gouverain felbft veräußern
tannten, daß das Erbtheil des Siegs ber Altvorbem des koͤnig⸗
lichen Bells nimmermehr bemfeiben entfremdet werben bürfte.
Napoleon fuhr Sarauf fort: „Willen Sie, daß id, 14 Millionen
für die Statuen Borgheſe besahit habe? Wie viel verwendet
der Papft für die Künfte? Verwendet er 100,000 roͤmiſche Tha⸗
kr3" G.: „Sa viel nicht, bean er iſt zu wenig reich.“
N.: „Alſo auch mit Wenig kann man große Refultate erzielen 34
@.: „Gewiß, Sire!“ Run kam vie Mede auf bie koloſſate
Statue des Kaiſers. Rapolson bedauerte, daß fie nadt fei.
C.: „Sire, Sort ſelbſt hätte nichts Schönes ſchaffen können,
wenn er hätte Kin. Mai. in enger Kteitung und franzöfifchen
Stiefeln darſtellen wollen. Wir, wie alle fchöne Künfte, haben
unfere erhabene Sprache. Die Sprache des Bildhauers ift das
Nackte, zuroeilen mit einer unferer Kunſt eigenthümlicdyen Dras
perie.“ N: „ warınn machten Sie bie Eoloffale Reiter⸗
fkatue niht au nackt?“ E.: „Diefe muß das Deldencoftume
haben. Sie darf nicht nackt fein, weil fie Em. Maj. zu Pferde
darſtellt ala Fuͤhrer des ganzen Deere. &o haben es die Alten
gehalten und die Neuen. Ihre alten Könige von Frankreich,
Sire, und zu Wim Ihr Joſeph II., Madame, find auch fo zu
Pferd abgebitbet. Bei bisfer Grmähnung der Könige von Frank⸗
reich, als deren Nachfolger ſich Rapoleon in biefem Augenblicke
fühlte, und Joſeph's II., des Großoheims ber Kaiſerin, lächelte
Rapoieon wieder. Br fuhr fort: „Sie haben bie Statue des
Generals Defais in Bronze gefehen. Sie fcheint mir fchlecht
gemacht mit biefem Tächerlichen Gürtel.’ Canova wollte big
Gründe des franzoͤſiſchen Künftters erklären, aber Napoleon I
ion nicht audreden. Er fragte lebhaft: „Werben Sie meing
Statue in Lebensgröße aichen?" C.: „Sie if. ſchon gegoſſen.“
MR. machte ein Zeichen der Zufriedenheit. „Ich werde nach
Rom reifen.” G.: „Diefes Land verdient von Ew. ‚Maj. ges
feben zu werden. Ihre Einbildungskraft wird ſich erwärmen
am Anblide des Capitols, des Korum Trajan's, der Heiligen
GStraße, der Saͤulen, ber Bogen, ber Waſſerleitungen, der
NRingmanern, biefer biflorifchen Huͤgel, all biefer roͤmiſchen Herr⸗
lichkeiten, der Appiſchen Straße, bie bis nad Brindifi führe
und ganz befest ift mit Grabmälern, der andern conſulariſchen
Straßen, Pompeii’s R.: „It das ein Wunder? bie Roͤmer
waren die Derren der Welt! SG: „Ach! das if nicht allein
die Wirkung der Macht, das war die Wirkung bes italienifchen
Geiftes und unferer Liebe für bie großen Dinge. Schauen
Sie nur, Sire, was die Zlorentiner mit ihrem fo Keinen Staate
teifteten, obere was bie Benetianer allein in den Lagunen bau⸗
ten” u. ſ. w. Canova verabfihirdete ſich Hierauf für einige
Tage vom Kaiſer. Es konnte ihm nicht entgehen, er hatte
einen lebhaften Eindruck gemacht auf den Herrfcher Italiens.
Am 15. October begann Canova die Züge ber Kaiferin zu
mobdelliren. „Sagen Sie mir”, bob Napoleon an, „wie ift din
Luft in Rom? War fie auch fchon ſchlecht und ungefund ig
alten Zeiten?“ &.: „Sie war fo, glaube ich, nach der Ben
ſchichte. Die Alten trafen Vorfichtsmaßregein hinſichtlich dieſen
Wälder, welche fie heilig nannten, und dann bedeckte eine un⸗
ermeßliche Bevölkerung bie ganze Stadt und ihre Umgebumg.
Ich erinnere mid, im Tacitus gelefen zu haben, baß bei A
kunft der Truppen des Vitellius Viele Trank wurden, weil fie
unter freiem Dimmel auf dem Vatican gefchlafen hatten.’
N. Mlingelte. Man mußte den Zacitus bringen. Aber der zu
flächtige Kaiſer und der mit einer andern Arbeit befchäftigte
Künftier fuchten diesmal vergebens. Späterhin fand ©. big
Stelle. N. fuhr fort: „Zruppen, die man fchnell aus einem
Klima in das andere verfegt, werden im erften Jaore Trank,
erholen ſich aber im folgenden.” &.: „om bat übrigens an⸗
dere Schmerzen. Diefe Hauptftabt iſt feit der Entfernung bes
Dapftes veroͤdet. Ohne Ihre Macht, Sire, Tann dieſes Land
nicht deſtehen. Es hat feinen Fuͤrſten verloren, 40 Gardindie,
die fremben Minifter, mehr als 0 Prälaten, eine Menge
Selftlihe. Das Gras wählt in den Straßen. Ihr Ruhm ers
kaubt mir, frei zu Sprechen; ich flehe, helfen Sie in biefem Un⸗
giuͤck! Das Gold firömte nad) Roms jest ift es damit vorbei.’
N.: „Diefes Gold wollte in bee letzten Zeit nicht viel beißen.
Pflanzt Baumwolle! Das wird mehr Vortheil bringen.“
&.: „Faſt keinen. Ihr Bruder Lucian hat es verfucht: Alles
fehlt in Rem, wenn Ihr Schutz fehit.” NR. fah.den. Künflter
freundtih an und ſprach: „Wir werben Rom zur Hauptſtadt
Italiens machen und Neapel mit verbinden. Was fagen Gie
dazu? Sind Sie damit zufrieden" G.: „Die Künfte könnten
den Wohlſtand zurfidführens aber mit Ausnahme der don Em.
Maj. und der kaiſerlichen Familie angeordneten Arbeiten made
Niemand Beftellungen. Der religiöfe Geift, der die Künfte ber
günftige, wird immer ſchwaͤcher. Bei den Agyptern, den Gries
cqhen und Römern hat die Religion allein die Künfte erhalten.
Die unermeßlihen Summen, die das Parthenon, die Statuen
des olympiſchen Jupiter und ber Minerva zu Athen gekoſtet,
die eigenen Bilder, welche bie Sieger bei den Kampfipieten den
Böttern weihten, ich nehme nicht einmal die Bilder der Buh⸗
ferinnen aus, al Dies vierdankte man der Reigion. Die Rös
mer baben es nicht anders gehalten. Ihre Werke fragen ben
Stempel der Religion, der fie ehrwürbiger und berrlider macht.
Diefer heilſame Ginfluß der Religion hat die Künfte zum Theil
vor ben Verwuͤſtungen der Barbaren gerettet. Soll id bie
St.⸗Markuskirche zu Venedig, die Dome zu Piſa und Drvieto,
den Campo fanto, fo viele mit den koſtbagſtuan Marmorwerken
gefühlte Wunder nennen? Alle Religionen ind Wohlthaͤterinnen
der Künfte, aber ihre defondere und N i
unfere wahre, roͤmiſch⸗katholiſche Kirche. Die Proteſtanten,
ire, begnügen ſich mit einer einfachen Kapelle und einem
euz und geben feine @elcgenheit zu Werfertigung
Runfgegenftände. Die Gebäude, bie fie befigen, find durch bie
andern errichtet.” N., gegen die Kaiferin gewandt, fiel ihm
Ins Wort: „Er bat Recht! Die Proteftanten haben nichts
Schönes." Eanova's Zwe war, die Unterhalfung auf bie
traurige Rage des Papftes, feines Wohlthaͤters und Freundes,
tenfen. &o fing er denn ein anderes Mat, während er
ine ganze Aufmerkfamkeit auf bie Kaiferin und die fanften und
zarten Linien ihrer Geftait zu richten ſchien, plöglid von bem
heiligen Vater an. Die erſten Bemerkungen, die ihm entfuhren,
waren fo ſtark, daß er faft über fich ſelbſt erichrat. Doch des
Kaifers Brauen batten keinen Sturm verfündigt. Er börte
achtſam bie Vorwürfe, die, odwol energifch und mit dem Aus
druck einer beftimmten Abſicht, in einem fo feinen, vefpectvollen
Son vorgetragen waren, in welchem fo etwas von bem Zauber
des venetianifchen Mignard lag, in einer Sprache, in ber das
eigenthämtiche Wort nicht immer das Ziel erreicht, ohne daß
gleichwol der Bedankte an Kraft, an unwiderſtehlicher Schärfe
derliert. Die Kaiferin ſah Ganova an mit einem Blick Halb
der Überrafchung, halb bes verhaltenen Vergnügens. Dadurch
Mihn gemacht, fuhr er in feinem Erguß fort. Er überredete
Eh, daß die Seele des Kaiſers nicht tyrannif fein muͤſſe und
Saß ibm blos Gchmeichler die Wahrheit verbärgen. Wieder
nad einer diefer Wervegungen des Künftters, der keinen Gedan⸗
Bei zu haben ſchien als für das Studium feines Modells, griff
ee den Naben wieder auf: „Aber warum verföhnt fih nicht Ew.
Mai. auf irgend eine Art mit dem Papfit! N.: „Beil bie
Priefter überali befehten wollen und Alleinbers
sen fein, wie Gregor VI.” G.: „Mid duͤnkt, Sire,
daß man das jest nicht zu fürchten Hat, ba Cw. Maj. Meiſter
von gan Italien if." N.: „Die Paͤpſte haben die italieniſche
Nation immer fehr niebergehalten, ſogar wenn fie wegen ber
etionen ber Golonna und der Orſini nicht einmal in Rom
waren. G.: „Gewiß hätten die Päpfte, wenn fie bie
Küpnheit Ew. Mai. befeffen hätten, ſchoͤne Gelegenheit gehabt,
ih ganz Italiens zu bemaͤchtigen.“ R.: „Dies braucht man,
mein Herr!" fagte R., indem er feinen Degen berührte, „bies
draucht man! — Indeß — Sie haben Recht. Wir haben ger
feben, bet längerm Leben Alexander's VI. hätte Borgia, Herzog
von Batentinois, keinen äbeln Anfang gemacht. Auch Julius II.
and deo X. legten gute Proben ab. Allein in ber Hegel waͤhlte
man alte Sardindie zu Päpften, und wenn einer diefer Päpfle
anternehmend war, fo liebte wieder ber andere bie Ruhe. Man
braucht den Degen." G.: „Nicht den Degen allein, fondern
auch den Lituus. Mackhiavell felbft in feinen Discorfi wagt es
nicht, zu entfcheiden, was mehr zur Vergrößerung Rome bei⸗
tragen, ber Degen des Romulus oder ber Lituus des Numae.
o viel iſt wahr, Sire, diefe beiden Mittel muͤſſen vereinigt
fein. Haben ſich die Päpfte auch nicht duch Waffenthaten here
dorgethan, was bei ihrem geiftiichen Charakter nicht ‘anders fein
durfte, fo haben fie uns fo ſchoͤne Dinge geſchaffen, daß fie all,
gemeine Bewunderung erregen mäffen. Sie haben uns bie
Breüde von Givita Caſtellana erbaut, bie noch ſchoͤner iſt als
die Römerbrüde bei Jvrea, Ihrem erften Hauptquartiere vor
Marengo.” (Gin Kopfaiden des Kaiferd banfte Ganova.)
.t „Bere Canova, diefe Römer waren ein großes Volk!“
&.: „Sie waren groß bis zum zweiten Punifcen Krieg.‘
R: „Säfar, Säfar, der war ein großer Mann!" G.: „Ridt
Caͤſar allein, Sire, fondern noch einige andere, wie Situs,
Zrojan, Marc Aurel R.: „Rein, mein Herr, die Römer
waren immer groß bis auf Konftantin. Die Päpfte thaten übel
daran, daß fie ſtets die Zwietracht in Italien unterpietten und
immer bie Erllen waren, wäde bie Franzo fen ober bie Deuts
fen berbeiriefen. Die Päpfke waren nicht im Otaude, feibft
Paten a m —* —— — m
ire, naddeni Sie zu diefer Er n s
um im, fo erlauben Sie TR, 7 N
mit und werde. Ich fage Ihnen, wenn Sie Rom nicht balten,
fo wird es, was es war, als bie Wäpfte in Abignon lebten.
Man mußte den gelben Ziberfdlamm trinken.’
ſchien uͤberraſcht von biefer Thatſache. Er fagte mit Nachdruck:
„Aber men if mir überall im Beg. Mie! ich bin Here vom
FJrankreich, von ganz Italien und von drei großen heilen
Deutſchianda, ich bin ber Rachfolger Karl's "des Großen!
Wenn die heutigen Paͤpſte wären wie bie einſtigen, fo wäre
Alles im Meinen. Ihr Venetianer, ihr ſelbſt habt euch mit bem
Päpften uͤberworfen.“ G.: „Richt auf ben Grab wie Ew.
Da). Sie find fo groß. Sie koͤnnten wei dem Papft ben ans
gemeilenen Ort zurhdgeben, wo er unabhängig teben und frei
fein Amt verwalten könnte. M.: „Aber in Statien iſt der
Papfl ganz Deuticer!" Napoleon ſah hierbei bie Kaiferin an.
Diefe fiel ein: „Ich kann verſichern, als ich in Deutſchland
war, fagte man, der Yapft fei ganz Branzofet!! M.: „Er hat
mweber die Englaͤnder noch bie Schweben aus feinen Staaten
fortjagen wollen, — deswegen haben wir fein @cepter zerbros
den.’ ©. drang auf eine Annäherung. Er ſchloß: „Maden
Bir, daß man Sie lieber anbetet-ald färdtet!” N.: „Wir wols
3 wiöhte Anderes!" Und Hiermit brach er bie Unterhaltung
el a
Bei einem neuen Geſpraͤch nahm Ganova An breift
über die alte Veranlaſſung von Senedig zu — —
hörte aufmerkſam zu, beſonders fo oft Canova das Wort Ari
fofratie aus ſprach. „Rach der Erſcheinung ber Werke Macchia⸗
vellis“, ſagte ©., „Hätte ich nicht geglaubt, daß Senedig fallen
müßte. Dieſer große Staatsmann fagte: „Mir ſcheint, bie Bes
netianer verftehben ihre Sache. Gie Haben Gt. Marcus mıit
dem Degen gemalt: Das Bud ift nicht genug.‘ Aber aus
Zucht, ein Gäfar möchte unter ihnen erfichen, haben biefe
mistrauifdgen Ariſtokraten feinen großen Nationatfelbheren auf
dem feften Lande haben wollen. Haͤtten fie einen gehabt, fo
hätten fie mit mehr Erfolg dem Sriegsfchaupies behauptet.“
R.: „Da haben Sie Recht! Die Verlängerung bes Oberbefehls
iſt aber ſehr gefähriich. Ich fagte den Mitgliebern bes Direc-
toriums, wenn fie immer Krieg fährten, fo wuͤrde ein General
Fe ’ ber am End — ige Gebieter würde."
in a ste R.: „Wo iM Aufieri’s Brab?”
C.: „In ber heiligen Kreuzkirche, neben ben Denimaͤlern Mi
Angelo's und Macchiavellis.“ M.: „Wer Hat es bezahle?“
&.: „Die ‚Sräfin von Albany.” R.: „Und wer bad Brad
Machhianelli’6?"" &.: „Eine Gefelfchaft Subſctibenten. R.: „umb
Galilei's 2 6G.: „Seine ten, wenn ich nicht irre.
Aber ach! bie bemunberungswürbige Creuzkirche iſt gegenwärtig
in ſchlechtem Zuftande. Es regnet hinein unb auf allen Geiten
fobert fie Ausbeſſerung. Es wäre ruhmvoll für Em. Maj., bie
Ihönen Monumente zu erhalten; und wenn bie Regierung bie
Einkuͤnfte genommen bat, fo ift es billig, buß fie für die Ges
bäude forgt. Auch ber fhöne Dem zu Wtoreng iſt im Zerfall,
Sire, weil kein Gelb zu Unterhaltungsoften angewieſen if.
Auf Beranlaffung biefer Meiſterwerke beſchwoͤre ich Ew. Mai,
nit zu geflatten, daß fo viele Kunfigegenftände, die wir bes
figen, an die Juden verkauft werden. RR. „ie? verkauft?
Wir laffen Alles Hierher bringen.” ©.: „Ad nein! Laſſen Sie
fie in Florenz, mo fie an ben Fresken, die man nicht fortfchafs
fen kann, eine paflende Geſellſchaft haben. Ermächtigen Sie,
Gire, den Präfidenten ber florentiner Akademie, daß er ſich der
Fresken und ber Gemälde annimmt.” R.: „Ich will ee gern thun.“
&.: „Das wird Ew. Maj. um fo mehr zur Ehre gereühen, als
man mir verfidhert, Sie feien von einer edeln fiorentinifchen
Bamilie.” Die Kalferin unterbrah: „Mie? Sie find kein
— — —
,
4 Rt: 8 ” Rod
Ya, aber son Horentinifckene Urſ
&.: „Der Präfident der florentinifhen Akademie, Senator Alefs
fandei, iſt aus einem der vornehmſten Haͤuſer des Landes.
Eine ber Damen biefer Familie ift mit einem Bonaparte vers
mählt geweſen. Go find Sie ein Staliener, und wir find
darauf ol" N.: „Allerdings bin ich Einer!”
Am 9. Nov. ſollte die Vuͤſte enthält werben. Da fagte
R.: ,‚Zept no nie. Ich muß früpflüden. Ich bin müde.
SH babe bie ganze Racht hinducch bis zu diefem Augenblide
dictirt.” C.: „Wie können Ew. Mai. fo viele mühfame Ges
fhäfte nur ausholten 2” R.: „Ich, mein Derr, babe 60 Millionen
‚, 8— 900,008 Gotvaten, 100,008 Pferbe. Die
Römer ſelbſt hatten nie fo viele Streitkräfte. Ich habe AU Schlach⸗
ten getiefert. In ber Schlacht von Wagram Habe ich 100,000 Ka:
aonenfhäffe dethan, und biefe Dame (indem er ich gegen bie Kai:
ferin wandte) die damals Erzherzogin von Öftreich war, wollte
meinen Ted.” „Das iſt ganz wahr‘, erwibderte Marie Louife.
„Danten wie dem Himmel“, fiel 6. ein, „nie Sachen ſtehen ent
anders.
Memorabilien von Karl Immermann. weiter und
dritter Theil. Hamburg, Hoffmann und Campe. 1843.
8. 3 The. 10 Nor. *)
Nicht blos die fpeciellen Werehrer von Immermann's Mufe,
fondern alle Freunde der deutfchen Eiteratur überhaupt muͤſſen
ſich dem Derausgeber biefer beiden heile der Immermann’fchen
„Memorabilien” verpflichtet fühlen, ba fie nicht nur mehre in:
tereffante poetifche Reliquien des verewigten Immermann und
werthvolle Beiträge zur Geſchichte bes deutichen Theaters und
der deutfchen dramatiichen Dichtung veröffentiichen, ſondern noch
viel mehr jener gefunden, feinen, ebenfo von ber tüchtigften Ge⸗
finnung wie von dem reichiten Geiſte zeugenden Reflerionen,
Schilderungen und Beobachtungen über Leben, Politik, Wiſſen⸗
(haft und Kunſt enthalten, die trog ihrer aphoriſtiſchen Form
und bes lofen Zufammenhangs untereinander in ihrer treffenden
Schaͤrfe und geftaltenden Anſchaulichkeit gleich Tehr den Denker
wie ben Kuͤnſtier bewähren. Freilich koͤnnen ſich dieſe beiden
Theile weder an ſtofflichem noch an geiſtigem Intereſſe mit dem
erſten Theile meſſen, welcher die Zeit der tiefſten same
Deutſchlands und feiner Kiebererhebung, von den Zahren 180
und 1806 bis zu den Kreibeitelriegen zu feinem Gegenftand
hatte, und befonders bahurch fo anziehend war, baß er Das
jchüberte, was man in foflematifchen hiſtoriſchen Werken nicht
findet, ben Einfluß biefer großen 3eitereignifle auf die Jugend,
und bis große Umgeſtaltung, bie dadurch in bem Leben und
Treiben bexfelben hervorgebracht ward; der geiftreihen Bezie⸗
zu en und Ruganmwenbungen auf bie Gegenwart nicht zu ger
n, von bes fi Immermann nie und am allerwenigfien
in feine | Periode trennte, wie fo viele Dichter ber vos
mantifchen te, bie fibh aus der Wirkiichkeit in eine phans
taftifche Welt Flüchteten. Es ift daher ganz natärlid, daß die
Mittpeilungen der beiden vorliegenden Theile, die fich theils auf
Gegenftände von minderer Bedeutung beziehen, theils aus alltäg
licheen Verhaͤltniſſen hervorgingen und in einer berupigtern Zeit
fih bewegten, nicht an welthiftorifchem Intereſſe, Abrundung
und Energie ber Darftellung fowie an Großartigkeit in Auf:
faffung der Zeituerhältuiffe und Bedeutſamkeit der Gedanken mit
dem erſten Theile wetteifern Eönnen; eine Vergleichung, die und
den Berluſt, ben wir busch Immermann's Dinfcheiden erlitten,
doppelt empfinden läßt, da wir ohne daſſelbe wol nicht blos ber
verſprochenen Kortfegung ber im exflen Theile gegebenen Mer
moiren aus den Freiheits kriegen — beren Grinnerung eine Reife
zu den belgiſchen Schlachtfeldern in Immermann erſt noch auf
frifchen follte —, fondern wel auch anderer auf die fpätern gro⸗
*) Bol. Mittkeilungen über den erfien Spell in Wr, 11 — 45
d Du Mil D Res.
Sam Beltseacenbeiten kehasiken aus dem baue
ſchen Nationallchen und würben zu Den » Denn
Das eben if das Zeſſelade an Immermann's ganyer Büd
und Eatwickelung, der intellectuellen wie ber kuͤnilleriſchen u
fittligen, daß fie nichts Ifolirtes, Ercluſives iſt, ſondern
in der ganyen Bildung vnd Entwickrlung feines Wolks
und mit Diefer in immerwährender Wechſelwirkung fteht,
indem gr feine innern unb aͤußern Griebuille fchildert, «x
leid auch einen tiefen Biid in das Sehen und den Gintwides
gesgang ber Mationen werfen läßt
Doch vote gefagt, fieht man von dem erften, won Immer⸗
mann noch fetbft zum Druck vorbereiteten heile ber „‚Remiowd«
bilien⸗ ab, fo enthalten biefe beiden noch immer genug bes Aus
ziebenden. Bor Allem gilt dies von ben „Düffetsorfes Anfängen
und dem Auffas über Grabbe, bie von Immermann ſelbſt be⸗
reits veröffentiicht wurden, jene in ber jipandora‘, diefer in dem
„Taſchenbuch bramatifcher Originalien”. Da beide ſchon feit läns
gerer Zeit befannt find und in literarifchen Blaͤttern beſprochen
wurden, fo können wir bier von ihnen abfehen. Daſſelbe ift der
al mit der kleinen hier ebenfalls mit abgebrudten Schrift
mmermann’s: „Das Heft dee Freiwilligen zu Koͤin am Rheine
am d. Weber. 1838.” Es bleiben uns alfo aus beiben heilen
aur bie in benfelben mitgetheilten verſchiedenen poetiſchen Reli»
quien SImmermann’s, fowie die „Fraͤnkiſche Reife im Herbſt
837” und das „Tagebuch vom September 1836 bis Bebruar
1837. zur Beſprechung übrig. Der Inhalt des letztern iſt durch⸗
aus bramatmgifcher Natur unb muß, bei dem gluͤcklichen Zus
fammentreffen praktiſcher Buͤhnenkenntniß und dramatiſch⸗ dich⸗
teriſcher Thaͤtigkeit in einem kritiſchen Geiſte wie Immermanns,
für Jeden, der Theil am Theater nimmt, verzůglich aber für
Die hoͤchſt belehrend fein, die auf die eine ober bie andere
babei betheiligt find. Man wirb babei auffallend an Das, wa
man von Goethe's dramaturgiſcher Thätigkeit in Weimar weiß,
erinnert. Mit berfeiben Liebe zur Sache, mit benfelbeu gerin⸗
gen Mitteln — oder vielmehr noch geringern — hat Immer⸗
mann in Düffelborf Bedeutendes in bramaturgifcher Hinficht ger
leiſtet und würde, bei nur einiger Unterflügung, vielleicht von
dort aus umgeftaltend auf bas ganze deutſche Theaterweſen ein⸗
gewirkt haben; wenn bies nicht geſchah und es nur bei einem
vielverfpscchenben Anfang blieb, fo war dies nidgt die Schub
Immermann's, fondern Iebiglich die ber Umftände. Dan em
kennt aus vorliegendem Auffag deutlich, baß nur die Bereini⸗
gung von praktiſchem bramaturgifhem Sinn und von eigenem
bramatifch » poetifchen Geiſt, wie fie ich bei Immermann vor
fand, auf biefem Feide umgeflaitend und beffernd auftzeten kann.
und wenn Immermann an ſchaffendem Genius au
Goethe ſehr nachſtand, fo war er dafür weniger abgelcsloffen,
war vielfeitiger in feiner veceptiven Thaͤtigkeit, Hand dabei bem
Yublicum und dem Zeitgeifte näper und befaß eine merkwuͤrdige
praktiſche Wähigkeit, Perfonen und Sachen zu behandeln und
wm feinem Zwecke zu benugen. Außer biefem Bilde von Immen⸗
mann’s yraktilch= bDramaturgifcher Ahätigleit enthält der in Reby
ſtehende Auffag auch Beiträge aus dem dramatiſch⸗ poetiſchen
Felde, naͤmlich zwei Skizzen gu Theaterſtuͤcken, die Immermang
in Duͤſſeldorf zur Auffuͤgrung brachte. Die erſte betrifft ein
Selegenheitaſtuͤck „Das Mädchen aus ber Fremde’, das bei der
Anweſenheit des damaligen Kronpringen, jetigen Königs vom
reußen, in Duͤſſeldorf zur Ausführung gebracht wurde. So
ehr man auch das Geſchick und die Sinnigkeit anerkennen muß,
welche ſich in dem gangen Werkchen ausſprechen, fo ſteht ung
einestheils doch bie Veranlaſſung zu fern, um das Stuͤck um
in dem Lichte exfcheinen zw laffen, in weichem es den Theilneh⸗
mem an jenem Ereigniß erſchien; anberntheild war dieſes Op
sigaiß aber zu unbedeutend, am felbft einen bebeutendera Disks
is: als Immermann zu Größerm zu begeiſtern. Deſto anzie
benber if aber die andere Skitze, bie zwar nicht ein felbfige
fchaffenes Wert Immermann’s, fondern mur eine Bearbeitung
der Calderon'ſchen „„Zodhter bee Luft” gibt, bie aber ein oläm
genderes Zeugnis von Immermann's tiefer Einfiht in das We⸗
ua
des dramatififen Gedichie Oberhaupt und ded Gatberon’fägen
Denen fowie von feinem eigenen dramatiſchen Geiſt ablegt
ots mandhe feiner eigenen Schoͤpfungen. Außerdem bewährt fie
aufs ſchlagendſte, was wir oben im Allgemeinen von ber Biel⸗
feitigfeit der dramaturgifgen Sphäre Immermann's und von
feinem @ingehen in die Boberungen der Zeit und bes Volks ſag⸗
Die ‚, Bränkifche Reiſe“ im Herbſt 1837 beftebt, wie die
Borrede befagt, aus einer Reihe von Privatbriefen, die während
‚jener Zeit gefcheieben wurben und bie hier, nur mit Auslaflung
weniger Stellen, ganz fo erſcheinen, wie fie der Augenblick dic⸗
tiete. Wenn man auf dieſe Weiſe fehe häufig eine forgfältigere
NAedaction von Geiten bed Urhebers ſeibſt vermißt, fo erlegen
fig dieſen Mangel reichlich, wie ber Herausgeber richtig bes
merkt, durch die Friſche des Colorits und die Lebendige Schil⸗
derung bes unmittelbar Erlebten. W.
Denkwürdigkeiten aus dem Leben des Freiherrn ©. R.
von Schäffer, großherzoglich badifchen Senerallieutenants
und Präfidenten des Kriegsminiſteriums. Oder Bei:
träge zur politifchen und Kriegsgeſchichte unferer Zeit.
Von Georg Muhl. Mit dem Bildniß des Gene⸗
rals und den Schlachtplaͤnen von Medellin, Almonacid,
Meha de Ibor, Arenas und vom Gefechte bei Stras⸗
burg. Pforzheim, Dennig, Finck und Comp. 1840.
St. 8. 2 Thlr.
Eine ſehr werthuolle mititeirifde Monographie ober viel:
mebr nur das Materiat zu berfelben, da der Verf. die Denke
würbigfeiten bes Generals Gchäffer, welche biefer felbft zu
ſchreiben angefangen, aber, von einem töbtlidhen Schlagfluffe
etroffen, nicht vollendet hatte, mehr aus beffen hinterlaffenen
apieren zufammengereibt als zu einem Ganzen bearbeitet hat.
Mur wo biefe Papiere Läden ließen, bat der Verf. von dem
einigen gegeben. Größtentheils laͤßt er den General ſelbſt re
den. Schaͤffer's reihe Kriegserfahrung, vielfeitig gebildeter
Seift, praktiſche Tuͤchtigkeit und heller Blick machen biefe Schrift
zu einem ſehr ſchaͤtzbaren Beitrage ber neuern Kriegsgefcichte
und zu einem Dentmale ber Thaten des naffauifchen and badi⸗
ſchen Militairs, und feine Theilnahme an ben biptomatifihen Uns
Verhandlungen des 3 1815 in Paris und an den landftaͤndi⸗
ſchen Berhandlungen werden auch den Politiker und Prublieiften
und überhaupt die nicht militatrifche Lefewelt gewiß nicht ohne
Intereſſe laſſen. Als Beleg feines hellen Blicks möge die fol:
gende Stelle aus einem Briefe dienen, den er am 27. Tan 1814
dem Derzoge don Naffau ſchrieb: „Leider hätte der Frieden
fefter und bauerhafter gefchloffen werben follen; allein bie Groß:
muth des Kaifere von Rußland hat den Krangofen Mittel ge:
laſſen, welche fie ſchon jegt zu ben Eühnften Hoffnungen verlei⸗
ten, unb ſchwerlich bleibt Deutichland drei Zahre im Frieden.
Die Armee, durch eine Reibe fiegreicher Feldzuͤge verwöhnt,
kann bie Demüthigung nicht verfchmerzen, die fie betroffen hat;
nah Ruͤckkehr der Kriegsgefangenen iſt eine Armee von
370,000 Mann vorhanden, wovon der größte Theil dem ent
thronten Kaifer Rapoleon im Herzen gewogen ift. Werden biefe
unrudigen Köpfe nicht nochmals befchäftigt, fo figt Lubinig XVIII.
nicht ſicher auf dem Thron feiner Baͤter.“ Gebr intereffant ift
bie Erzaͤhlung der im 3. 1815 während des Waffenſtillſtandes
in dem Corps des Generals Rapp zu Strasburg ausgebrochenen
Smpdrung. Die Berantaflung dazu war ber den Truppen vor:
enthaltene ruͤckſtaͤndige Sol. in Gergeant ſtellte fi an die
ie derfeiben,, verhaftete den General Rapp und fuspendirte
übrigen Generate und Offiziere. Von einem aus Feldwe⸗
bein, Wachtmeiſtern und Gergeanten in ber Eile gebübeten und
elend beritten gemachten Generalftabe umgeben, handhabte er
Die oberfte Gewalt mit ebenfo vieler Ktugheit ale Kraft, buls
dete nicht die mindeften Unordnungen unb erhielt fi in einem
Anfepen, beffen ein redhtmäßiger Wefehlöhuber ſIeh oft nicht er⸗
freut. er von dem General Rapp die Auszahlung des
Soldes und bie Unterzeichnung einer völligen Amncſtie erwirkt
hatte, trat er befcheiden wieder in felne untergeordnete Gte:
tung zurüd.*) Dieſer Zug fpricht für die Anftelligkeit und ven
praktiſchen Geiſt der Franzoſen.
Weiteres anzufuͤhren verbieten die Beſchraͤnkcheit des Rau
mes und der Zweck d. Bi., und Ref. bemerkt nur noch, def
die Darftellung des Verf. ſebr blühend iſt, aber nicht immer der
einfachen Würde ber Gefchichte enifpricht. . 6.
Miscellen.
Mon findet in früherer Zeit befonders merkwuͤrdige Bei
fpiele von Adelſtolz. Der Freiherr Georg von Logan, Domperr
in Breslau (geft- 1593), wollte fein Geſchlecht durdans von
dem griechiſchen Heros Achilles ableiten. Ambroſius Moibanu,
Doctor der Theologie und Paftor zu Breslau (geft. 1554) fagte
daher zu ihm, als derfelbe fich deffen einmal gegen ihn berühmt:
„Est sane, ut dicis, Logorum familia vetusta, nam et Te-
rentio Logi noti sant.“ Terenz hat naͤmlich (Pharm., 3, 5, 8)
das Wort Logi für Poffen oder Maͤrchen gebraucht. — Ein
bochgeftellter Geiſtlicher in Paris im 17. Jahrhundert war fo
abelftolz, daß er, im Begriff, eine Lobrede auf ben heiligen Jo⸗
hannes zu fchreiben, auf der Stelle fin Vorhaben aufgab, als
er in der Rebensbefchreibung diefes Heiligen gefunden hatte, daf
derfelbe ein Bedienter geweſen. — Zur Zeit des Giebenjährigen
Kriegs berrfchte in Brestau, wie König Friedrich IT. von Preußen
in einem Briefe an Voltaire erzählt, eine anſteckende Krankheit,
an welcher täglich fieben bis zwanzig Menſchen flarben. „Gettlob',
fagte eine Gräfin, „ber hohe Abel bleibt verfchont, Alles was
flieht, iſt nur Poͤbel“.
Der auch als Schriftſteller nicht unbekannte Kanonikui
Karl Bautru in Angers im 17. Jahrhundert war ein Mann
voll Witz und Laune An einem Fafttage hatte er einmal en
großes Gaſtmahl veranftaltet. Der Koch, welcher dazu einkaufen
foute, fam vom Markte mit der Rachricht zuräd, daß keine
Fiſche mehr zu haben feien, außer ein einziger Salm, welchen
er aber zu kaufen ſich nicht getraut hätte, weil einer ber künig:
lichen Käthe ſolchen fchon in Beſchlag genommen habe. Bautrı
übergab alsbald dem Koch eine volle Börfe mit den Worten:
„tiens, reiurne ; achete moi le saumon et le conseiller!“
Thomas von Mempen, Prior des Auguſtinerkloſters zu
St.» Agnes (geft. 1474), dem das weit verbeeitete Buch „Deimi-
tatione Christi’ zugefchrieben wird, pflegte zu fagen: „Requiem
in omnibus quaesivi, sed non inven!, nisi in angello cum
libello.” Ein Ausfpruch, der ſich auf die Befolgung bes weile
Rathes gründet, den Horaz (Epist. I, 18, 08103) wohl⸗
meinend gibt und der, wie Alles, was dieſer Dichter in Bezie
bung auf Lebensweisheit ehrt, die Wahrheit des Urteils be
währt, das hiervon ein neuerer Gelehrter (D. Oswald) gefült
bat: „Die Philoſophie des Horaz loͤſt fo wenig ats die neuefle
Philoſophie das Raͤthſel der Welt auf; fie iM aber vermoͤgend,
den Menſchen gluͤcktich zu machen." 31.
*) Ref., welcher Im September 1815 einen het der ſtrasburget
Garnifon bis Eolmar escortirte, erfuhr bei diefer Gelegenheit man
ches Nähere über diefe Empdrung. Der Sergeant dieß Dalouft,
war ans Verfailled gebürtig und Rand Bei den Weltigeurs bed drit⸗
ten Bataillon deö fiebenten leichten Infanterie: Regiments. Ad et
den General Rapp, da biefer noch im Wette lag, verbaftete, rief
diefer ihm und feinen Begleitern heftig ‚„‚Belgande” entgegen; wis
ben Gergeanten aber nicht and der Waflung brachte, fonbern ihn
rubig antworten ef: „Mienn wie brigande find, fo bit bu unit
Chef.“ Gr gab Hierauf ald Parole, Feldgeſchrei und Eofung:
‚Rapp, Rapia, Ragine.”
Verantwortliher Herausgeber: Heinrich Brodbaus. — Drud und Verlag von F. X. Broddaus in Leipzig.
———— —— ——— — — — —
Blaͤtter
für
literariſche
Unterhaltung.
Freitag, — Kr. 335. ——
Die nachgelaffenen Papiere Guflav’s III. *)
Erfter Artikel.
Nachdem die der Univerfitätsbibliothet zu Upfala an:
vertrauten Papiere des Königs Guftav II, am 29. März
1842 geöffnet worden, erhielt der Prof. €. G. Geijer,
als Reichspiftoriograph Schwedens, vom damaligen Rector
der Univegfität den Auftrag, dem Katalog, welcher bei der
Snventirgag gemacht wurde und auf Befehl an den Kö:
nig gefendet werben follte, einen Bericht beizufigen. or:
liegender erfter Theil enthält nun erftend den verlangten
Bericht, zweitens hiftorifche Züge aus Guſtav's II. hin:
terlaffenen Papieren. Das Werkchen iſt zu gleicher Zeit
Üderfiht, Auszug und Vergleihung. in Über:
blick des Ganzen Eonnte nicht mitgetheilt werden, ohne dag
die Redaction zugleich eine Bearbeitung des Inhalts wurde,
und diefe konnte wiederum nicht fuͤglich ohne Vergleihung
mit andern Quellen 'gefchehen. Der Herausgeber hat, wie
er felbft fagt, hier daffelbe Verfahren wie bei feinen frühern
hiftorifchen Arbeiten beobachtet. Sie gründen fich alle auf
Ercerpte aus den Quellen, welche um Vieles ftärker find
als die aus ihnen entflandenen Bücher. Schon eine um:
ftändliche Vorbereitung geftattet kein voͤllig woͤrtliches Ab⸗
ſchreiben, bei welchem nicht nach dem einen oder andern haupt⸗
ſaͤchlichen Document gefragt wird. Schon das Excerpt iſt
eine Bearbeitung, eine Anzeichnung aller am meiſten charak⸗
teriſtiſchen Züge. Der gegenwaͤrtige Theil ſchließt mit der
Revolution von 1772. Die Fortfesung bis zu und mit
1788 wird noch im Laufe diefed Jahres verfprochen.
Die Papiere Guftav’s III. beftehen 1) aus einer zahl:
reihen Maffe Briefe, wovon der Eleinfle Theil vom Ko:
nig gefchrieben, die meilten an ihn gerichtet find; 2) aus
eigenen Auffägen deſſelben von hiſtoriſchem, politiſchem
oder fchöngeiftigem Inhalt, die meiften bloße Entwürfe,
*) Des Königs Guſtav III. nachgelaffene und funfzig Jahre
nach feinem Tode gedffnete Papiere. überſicht, Auszug und Vers
gleihung von E. 8. Geijer. Aus dem Schwediſchen. Erſter
Theil. Damburg, Perthes. 1843. Gr. 8. 1 hir.
faft alle in franzöfifcher Sprache; 3) aus Staatsſchriften
‚oder Acta publica von mehrfacher Art. Dazu gehoͤren
endlich eine Menge Papiere von gemiſchtem Inhalt, Be⸗
fhwerden von Privatperfonen, Proceßverhandlungen u. f. w.
Der Hauptinhalt der wichtigſten unter biefen Papieren
wird fchon im Bericht kurz angedeutet.
Zu den vorzüglichften von des Königs eigenen Auf:
fägen gehören: „Memoires de G. P, R. de $. (Gustave
Prince Royal de Suede) écrits par lui m&me, commen-
ces eu 1765, lorsqu’il &tait Age de 19 ans.“ Daß erfle
Stuͤck dieſer mehre Male abgebrochenen Arbeit geht bis
1750 und enthält eine Überficht der nächft vorhergehenden
Zeiten. Das zweite Stüd geht bis 1760. Der neunzehn⸗
jährige Prinz fagt im Anfang diefer Denkwürdigkeiten :
Man muß für die Nachwelt leben, nicht für die Liebe
bes Volks, welche vorübergehend tft, fondern für deffen Ach⸗
tung, welche oft nicht Daffelbe ift als feine Liebe. Dan muß
infonderheit für feine eigene Achtung leben. Sie iſt es,
weiche mich bisher aufrecht erhalten hat und, wie ich hoffe,
ſtets erhalten wird.
Guftav II, Sohn des Könige Adolf Friedrich und
ber Königin Luife Write, Schwefter Friedrich's II. von Preu⸗
fen, murde am 24. Jan. 1746 geboren. &eit länger
als 60 Fahren hatte das Meich keine Geburt eines Kron⸗
prinzen erlebt. Die Parteien fogar drängten ſich zu feiner
Wiege. Goupernante fir die königlichen Kinder wurde bie
Reichsraͤthin Wrangel, geborene Gräfin Strömfeldt, eine
vollendete Hofdame. Sobald der Prinz das vierte Jahr
erreicht hatte, murde er den Srauenzimmern entnommen,
und der Graf Teſſin wurde fein Hofmeiſter. Diefer war
zwar ein ſehr unterrichteter und fein gebildeter Dann,
hatte aber eine grenzenloſe Ehrbegierde und eine raͤnkevolle
Gemüthsart. Hofmeiſter unter ihm war der junge Graf
Nils Adam Bielke, der alle guten Eigenfchaften des alten
Adels und wenige von deſſen Fehlern hatte. Sein Ur:
theit mar ficher, fein Charakter rechtſchaffen. Er war
ohne Vorurtheile, flandhaft in MWiderwärtigkeiten, mild
und menfchlih, wenn feine Feinde in Unglüd geriethen.
re ZB:
Im 3. 1751 flarb König Friedrich J. ohne einen legiti⸗
men Sohn zu hinterlaſſen, und Guſtav's Water beſtieg
den Thron, aber der Reichsrath und die Parteien. vegierten.
Die Macht des Könige war Außerft beſchraͤnkt. Ein wäh:
rend des Reichstags von 1756 gemadger Verſuch, Die Es
algiche Gewalt zu ermeiteen, mislang "Die hersfhende
Partei im Meichsrathe nahm darauf dem jungen Prinzen
feinen Hofmeifter, Graf Stromberg, und feintn geliebten
Lehrer, Diof von Dalin. Dies betrübte ihn fo fehr, daß
er in eine Krankheit verfiel. Auch vergoß er viele Thraͤ⸗
nen, als er fi non feinem andern Hofmeifter, dem Gras
fen Bielke, trennen mußte Man fegte an ihre Stelle
Derſenan um ige, die zwar wicht ohne Wildung und bis
nöthigen Kenntniffe waren, aber das Vertrauen ihres Zoͤg⸗
lings nicht genoffen. So wie Alles aus Parteigeifl $&
ſchah, hatte man mit Fleiß Leute gewählt, weiche dem Koͤ⸗
nig und ber Königin misfällig waren, und fie gezwungen,
Diefelben anzunehmen. Die Kolge davon war, daß Die:
jenigen, welche den Kromprinzen verließen, indem fie ſich
von der Partei fortgejagt fahen, hun zum
voraus bie unvortheilhafteſten Begrifſe von den Perſonen
beibrachten, denen ſeine Leitung anvertraut werden ſollte.
Solche Eindruͤcke mußten nothwendig die beſte Natur ver⸗
derben und die Grundlage zerfiören, "welche von feinen vo:
tigen Lehrern herrührte. Sie hätten dies einfehen müfjen.
Aber fie merkten es nicht; fo groß iſt die Macht des
Parteigeiſtes. Guſtav fagt in feinen Memoiren :
SH war and) bis zu dem Grabe zum voraus gegen fie
eingenommen, baß ich mir ein Verbienft daraus machte, das ges
gabe Gegenteil von Dem, was biefe Herren mir fagten, zu
thun, und wer der Meinung, baß nichts meine Ergebenheit ges
gen den König beffer darthun könnte, als ihnen befländig zu
wo Dazu fam, daß zwei ber bei mir angeftellten
Perfonen ziemlich lächerlich waren; dieſe vertaufchte man daher
auch gegen andere, welche bem König weniger unerträglich wa⸗
zen. Die Beiden, welche fomit von mir entfernt wurden, was
ren die Barone Wrangel und Sitfwerhjelm.
Man fehte an ihre Stelle den Baron Lejonhufwud umb
den Grafen Bark. Der Erſtere, ein Mann voll Reblichkeit und
Ehrgefuͤhl, wohlunterricgtet und alles Deffen tunbig, was einem
Bann von Rang anfteht, war in feiner Art zu reben und zu
fein ziemlich pretids. Der Graf Vark hatte weber bie Talente
noch die Kenntniffe Lejonhufwud's; da er aber ſtets am Hofe
getebt hatte und mir feit meiner früheften Kindheit befannt
wear, fo genoß er allein ben Vortheil, mein Vertrauen zu ber
fen, weil er der Einzige war, gegen welchen man mid zum
oraus nicht hatte einnehmen Zönnen. Ich fage nichts von
meinem Hofmeifter, dem Reicherathe Karl Friedrich Scheffer.
Wenn er damals mein Vertrauen nicht befaß, fo habe ich ihn
dafuͤr in der Folge hinreichend ſchadlos gehalten.
Ich habe nicht, wie ich geſollt haͤtte, die Talente und
Kenntniſſe dieſer Perſonen benugt; aber ih muß dem Himmel
danken, daß mein Herz durch alle die Widerfprüche meiner Er⸗
ziehung nicht völlig verdorben worben iſt. Ich brachte meine
Freien Stunden bei meiner Mutter zu, welche, umgeben von allen
Denen, die fi) damals ale Hofpartei darftellten, das Geſpraͤch
blos dadurch unterhielt, daß das Unvortheilhaftefle von Denen
gevebet wurbe, welchen meine Erziehung anvertraut war.
Es läßt ſich leicht denken, welchen Eindrud foldye Ge:
fpräche auf das Gemüth des jungen Prinzen machen muß:
em. Doch fagt er zum Lobe feiner königlichen Mutter,
daß fie hinfichtlich feiner nie eine ſchwachherzige Nachgie:
bigkeit zeigte und allemal feinem Hofmeiſter und ſeinen
Savalieren, wenn fie fih beklagten, beiſtand. Da ae
fein Mistrauen gegen diefelben ſtets gewährt wurde, fo
machten ihre Derweife wenig Eindruck auf ihn und bie
verdienten Beſtrafungen Diensen mus daya, ihm zw erhittern.
Doc mußte die Vernunft die nachtheiligen Minkeüde, de
er empfangen, allmälig ſchwaͤchen. Ex merkte, daß er fih
in feinee Meinung von Denen, die ihn umgaben, geimt
hatte, und lernte fie hochachten. Überdies wurde Gufen
in feiner Kindheit und erſten Jugend durch Leine glängm:
den und leichtfinnigen Bergnügungen zerſtreut: die Ge:
fprähe am Hofe drehten ſich meiftens blos um enfe
Dinge, z. B. um | ber \ Gewalt.
Nach Karls XII. Tod hatte ſich beſonders der Adel der
Herrſchaft in Schweden bemaͤchtigt, an .beffen Spige bir
franzoͤſiſche Partel, unter der Benennung: bie Hüte, und
bie ruffifchsenglifche unser der Benennung: die Mäken,
ſich Relite. Rußland fuchte durch Beſtechungen bie Anacchie
in Schweden zu unterhalten, Frankreich durch Subfidien das
Land umd beſonders die Gewalt des Königs zu haben, |
Im Giebenjährigen Krieg mußte Schweden, als Frank⸗
reihe Bundesgenoffe, gegen Preußen fein; doch verhielt
fi) die ſchwediſche Armee darin faſt ganz paffiv. Als
ih die Stände 1760 verfammelten , mußte die Armee
faft aller Offiziere, welche durch ihre adelige Geburt u u
Sig und Stimme im Reichstage berechtigt waren, be
taubt werden. Der Reichsrath fchickte an die commaz:
direnden Generale ein Verbot dagegen im Namen vi
Könige. Darauf erklaͤrten aber alle Dffiziere, daß fie ni
fen würden und lieber, als fih daran bindern zu loffen,
Abfchied nehmen wollten. Hierzu gaben bie Mügen die
erfte Anregung. Guftav fagt:
Ich ſah fie pelotonweife nach Drottningholm kommen, m
fie ſich rühmten, die Armee gegen bie Befehle des Reichsrathe
verlafjen zu haben. Ich war erft 14 Jahre alt. Aber man
batte mir Grundfäge der Ehre eingeflößt; daß man bie Arme
in dem Augenbiide verließ, in welchem fie bem Feinde gegen
über fand, empörte mih. Bon der Zeit an begam id
Verachtung gegen Leute zu empfinden, welche das Intereſſe und
die Ehre des Staats ihrem perfönlidhen Haſſe aufopferten.
Das erfte Gefühl, weiches ich ruͤckſichtlich der beiden Par
teien hatte kennen lernen, war Freundſchaft für die Muͤtzen und
Haß gegen bie Hüte geweſen; mein zweites war Verachtung
gegen die Müsen und Achtung gegen die Hüte. Meine
Dee nee für bie Mügen wie mein Haß gegen bie Hüte be
chraͤnkte fih im 3. 1760 auf wenige Perfonen. Die beiden
Grafen Biete, Graf Düben und Herr von Dalin waren Die
jenigen von ihrer Partei, welche ich am miften achtete. Ga
Teſſin, der Reicherath Palmflierna und Herr Pechlin waren bit
drei Hüte, welche ich, und zwar die beiden Lettern vorzig
ih, am meiften verabicheute. Die Bösartigkeit des Freiperm
Palmſtjerna war allzu wohl belannt. Was ben Grafen
betrifft, fo hatte ich mich immer innerhalb gewifler Grenzen
gehalten und ibm auch bie Achtung bewahrt, weldye ein Kind
ftets für feinen feähern Hofmeiſter hegt. Aber die Königin
| hatte mix eine fchredliche Vorftellung von feinem Charakter bei:
gebracht und auch gefucht, mir ihren eigenen Haß gegen ibn
einzuflößen, welden fie doch, wenngleich fie gerechte Urſache
dazu hatte, nie fo weit hätte treiben tollen.
Der Graf Teffin hatte ſich naͤmlich in die Königin
ſterblich verliebt und ſich fogar erfühnt, ihr foͤrmliche Er:
' \
RR
D
: Bape venbehlte fie es dem Minig;
derungen zu machen
uber da der Graf immer zudringticher wurde, entdeckte Me.
endlich Ihrem Gemahl das Geheinmif. Eines Tags fand
ihn der König zu den Füßen feiner Gemahlin. ver:
dor Teſſin fein Hofmeiſteramt bei dem Kronprinzen und
wurde vom Safe entfernt.
Die Memdlren Guftee‘s IT. geben bis gegen ben
Schluß des Jahrs 1760. Vetſchiedene andere Auffäge,
Anzeihnungen oder Briefe vollenden jedoch die Überficht,
weiche er ſelbſt von den Pazteizeiten in Schweden binter-
fin hat. Sobald dee Friede mit Preußen 1762 ge
ſchlofſen war, wuͤnſchte der Kronprinz, unter ſeinem Mut:
terbeuder In der preußiſchen Armee dienen zu dürfen, wel:
ches ihm jedoch nicht geflatter wurde, Auf den verfuchten
Vergleich zwiſchen den Parteien beim Reichsſstage 1760
folgte die Umwaͤlzung deefelben auf dem Meichstage 2765,
durch welche die Muͤtzen, die frühere Hofpartei, zur Herr⸗
ſchaft gelangten, aber von diefem Augenblid an aud eine
Gehäffigkeie gegen die Koͤnigsgewalt zeigten, welche die
Berföhwung zreifchen dem Hofe und den Hüten vollenden
Half. Man befam einen neuen Rath, eine neue Politik,
welche die Verbindung mit Frankreich abbrach und flat
defien ſich an England und Rußland ſchloß; man befam
eine neue Dausheltung, im Ganzen ein neues Syſtem.
Unter folchen Umfländen trat der Zeitpunkt ein, in wel:
chem die fhon 1751 befchloffene Verlobung zwiſchen dem
Prinzen Guftav und der Prinzefiin Sophia Magdalena,
Tochter des Königs Friedrich V. von Dänemark, vor ſich
gehen ſollte. Guſtav hatte wenig Neigung zu biefem
Ehebuͤndniß and die Königin, feine Mutter, bezeigte eine
entfchiedene Abneigung gegen daſſelbe. Dennoch kam es
zu Stande: der Graf Teffin hatte des Könige und der
Königin Einwilligung zu erzwingen gewußt. Man hatte
früber den Plan zu diefer Vermaͤhlung ale eine Erfin⸗
dung ber Huͤte betrachtet, um ihre Partei zu verflärken.
Als aber die Müuͤtzen Liber die erftern gefiegt hatten, führ:
ten fie diefelbe Sprache, und ber daͤniſche Miniſter ließ
Geld bei ihnen fpringer. Der Kronprinz trat am 26,
Sept. 1766 die Reife an, um in Helfingborg feine Braut
zu empfangen. In einem Brief an den Grafen 8. Sr.
Scheffer beſchreibt Guſtav felbft diefen Empfang. on
feinee Braut fagt er in diefem Brief:
Sie ſiebt gut aus, ohne ſchoͤn zu. fein, iſt fehr gut ge
wachſen, ftellt fi mit Würde dar, tft etwas zu artig für ih
ven ang, aber hoͤchſt ſchuͤchtern, mehr als ſich für ein Frauen⸗
yimmer von ihrem Stande ſchickt. Sie iſt die Güte felbft, ſtil
und wild und, nad ihren Briefen zu ſchließen, nicht ohne Leb⸗
daftigkeit, obgleich ihre ungemeine teenheit fie binbert,
diefelbe bei der Unterhaltung blicken gu laflen. Mit einem
Werte, ich verfikere Sie, daß ich Im ihr eine Fran befommen
au haben glaube, welche für mich paßt. Sie befigt Schönheit
genug, um angenehm zu fein, nicht genug, um mir den Kopf
zu verdrehen; fie hat dinlaͤnglich Verſtand, um fich nicht dumm
zu betragen, und Ganftmuth genug, um ſich feine Gewalt über
A en, eine Sache, in weicher ich unenblich eifers
Die Kälte der alten Königin gegen die junge Kron⸗
prinzeffin machte diefer ihre Stellung am Hofe von An:
fang an unangenehm; die des Kronpringen ſelbſt in dieſer
Miskfit zwifchen ſeiner Matter uuh fe emahlin
war ebenſo dellcat als ſchwierig. Ce ſuchte fig über dieſe
Unannehmilchkeit hinwegzufetzen; aber der Zwang entfernte
ihn von Beiden. Cr beklagt ſich über den Widerwillen
feinee Mutter gegen feine Gemahlin und über alles Ges
ſchwaͤt, welches durch denfelben zwiſchen dem beiden Hoͤfen
und unter dem Publicum verurſacht ward.
Ich made mir nicht fo viel daraus für meine eigene Petr
fm — ſchreibt ee an ben Grafen Karl Friedrich Scheffer —
ats für die Pringeffin, welche noch immer bee Augapfel des
Poblicums iſt u. |. w.
(Die Vortfegung folgt.)
Falkenberg. Bon Thereſe. Braunſchweig, Vieweg.
1843. 8. 1 Zhle. 35 Mor.
Referent kannte weder „Briefe aus bem Suͤden“, noch „Ein
ebuch⸗ der Berf., hat aber den vorlisgenden Roman mit
r 8 an,
wir bie WBerf. für eine Frau von gewiflen Jahren und aus den
ariftokzatifchen Kreiſen der Gelellfhaft halten; aber wir ſchlie⸗
Ben es auß ihrer ganzen Anſchauunggweiſe, aus der Art, wie
fie in jene Kreife einführt, darin charakteriſirt und fo mandge
dort umlaufende frembe Worte braucht. Thereſe bat ſich viel
im Leben umgefehen: ihre Gedanken haben nidgt blos ein ſchoͤ⸗
ned Map, fondern auch eine humane Reifes ein beitexed Auge
kommt zu einem warmen Herzen. „Falkenberg“ if, befenders
in erſter Haͤtfte, ein edles Buch zu nennen: es erweitert ben
Blick und erhöht den Lebensmuth bes keſers, beides in einer ges -
fünden Atmofphäre. Diefem Gharafter des Buchs angemeflen
iſt der Stil — natuͤrlich, edel, vornehm⸗lebhaft und ſelbſt
geiſtreich; es ift eine feltene Krauenfchrift — feft und ungekrigelt.
Manche Wendung nur ift nicht fpradhrichtig, 3. B. „die Juwe⸗
ien zu Gold gemacht, erfuhr Falkenberg“ u. f. w., oder „os
geſchah Falkenderg, den Wii zu ſenken“. Manche aussänbifche
Berte find auch aufgenommen, wo fie nicht etwa charalteriſtron
foden. Zur hoͤhern Schönheit der Darftellung rechnen wir noch,
daß die Erzaͤhlung ſich auf den einfachften, leichteften Motiven
fortbewegt, und daß die Nebendinge fo kurz behandelt find, wie
man es fonft unter einem weiblichen Pinfel felren findet. Dies
fer verräth fi am eheften noch an den echten Farben ber
Garberobefkäde.
Die Sompofition dieſes Romans, ber übrigens auf keiner
zeuen und großen Grfindung ruht, ift einfach, aber von Be⸗
beutung. Die erfte Haͤlfte des Buchs iſt großartig gebacht unb
gebört bem höhern Roman an; bie zweite fällt aber in die ges
woͤhnlichere Romanfphäre herab, und hintergeht die Erwartung
des denkenden Leſers.
Jalbenberg, ein Bann von glaͤnzenden und einnehmenden
Gaben, hat den einfachern aber innigern Oskar in deſſen edler
Neigung zu Hertha uͤberholt, und ehrt diefe Tochter bes Ge⸗
heimrathe von Saldern, unter Warnungen, bie ihr der mit
ihrer Liebe unzufriebene Water zum Perlenfchmud ber verſtorbe⸗
nen Mutter mitgibt, in feine reich und geſchmackvoll eingeriche
tete Wohnung. Wit dem Hochzeitmorgen beginnt ber Roman,
und fchon am glädsötrunfenen Abende fangen bie raͤthſelhaften
Grfcheinungen an, bie uns über den Gharalter bes jungen
Mannes und das Gluͤck der liebenswürbigen Frau beforgt mas
hen. Er befennt ihr endlich Verlegenheiten durch ulben.
Wie freut fie fi, daß es nur Schulden find! Sie gebt ſelbſt
bettelnd zu ihren reichen Verwandten, borgend zum Ichmugigen
Juden Abraham. Falkenberg bat unbebingtes Vertrauen von
ihr verlangt, und fie gehorcht, fie dient ihm mit fröhlicher Dins
gebung, mit Einblicher Unbefangenheit. Nur zu Kancy Wer⸗
denfels will fie nicht mit in Sefellichaft geben. Ihr Vater bat
es ihr verboten. Doch ja, fie will dennoch; da ift der wüs
thende Gemahl ſchon allein fort. Bei diefem ſpannenden Räth:
fel bricht die Erzaͤhlung ab und Hoit Falkenberg's Vorgeſchichte
urosuuer
*
—
&
Mögen fodern Eann.
fe
a 106 fein, und fi
Tar’s Begleitung im
Partie des Buche iſt vieleicht die beſte im Soman.
Arabella erhebt fich bis ans Zragifce. In der Rat, da Bal-
gend gegen Waltenberg aufs dieſer innere Kampf w
Unterhaltung mit Zancy findet beim @intritte Detar’s, ihres
verfgmähten evein MWewerbers, feinen Ausgang in einer Dhn:
madıt. Ihr Inneres ift zerwühlt von Gchmerzgefüplen, aus
denen fie ſich endtich zu dem muthigen Gntfdyinß erhebt, Kiars
PN zu erringen. An biefe Aufgabe will fie al ihre Kräfte
fegen.
J Wer erwartet nun nicht, daß der Roman fih aus dieſem
Herzteim eines fo fräftigen poetiſchen Stammes fortentwidele?
Statt deffen waͤchſt er aus einem Geltenafte fort, aus der ehr
geisigen Giferfucht Baltenberg's auf Dstar, der beim alten Her
30g in @unft fteht und beim Gröpringen den, zum Zeil ſchiech
ten Abfihten Faikenberg's überall in den Weg tritt. Es ift
wahr, der Gprgeiz ift die herrſchende Leidenfhaft bes Romans
beiden Paltenberg, die Liebe nur eine misbrauchte Dienerin ders
felben. Aber der Roman felbft wurzelt doch im der entweihten
Liebe, in dem misbraudıten Vertrauen zweier edeln weiblichen
Herzen, und gerade aus biefer Schuid, aus diefem Zwiefpalt,
mußte ſich das Schidfal der Helden naturgemäß entiwideln.
‚Hertha, deren Liebevolles, hingebendes Vertrauen misbraudt
worden war, hatte Brunb genug gefunden, mietrauiſch zu fein;
mit dem Borfage, den fie gefaßt hatte, wuͤrde ſie nun felbfts
fändig gehandelt haben, was man ſchon fehr an ihr vermißt
hatte. Gtatt deſſen ſinkt fe auf dem Geitenwege, den der Ros
man einfhlägt, tiefer als ein edles Weib in der Dienfbasteit
eines unedlen Mannes finten darf. Sie tann fid über die
Shchlechtigkeit ihres Gatten nicht mehr täufchen, und verfteht
fid) dazu, Staatsurfunden aus der Bermahrung Dekar’s zu ſteh ⸗
ien, auf die @efahe hin, diefen ebein Mann zu Grunde zu
zihten, zu deffen reinem, Liebevollem Herzen fie fid doch in
diefen Tagen ihres Ungtüds fo fehr Hingezogen fühlt. Ja, als
ihr fhurkiiger Dann einen Mord an Oetat verfucht hat, laͤßt
fie fi von ihm an das Krankenbett deffeiben hegen, um durch
ihren Ginfluß auf das Herz des Ungtüdlicen den Verbrecher
der Hand der Gerehtigkeit zu entziehen. Der verbredperifche
Shrgeiy wirft enblidy Zaltenderg hinaus in die Welt; er wird
zum Gpieler, zum Sqchurken an rau und Kind, bis ihm
nicgte mehr übrig bleibt al6 die auf des Rebenhublers Berk
abgefchoffene Kugel, die ihm ber ſchuidios leidende Oskar nad
Nigga nadpträgt und auf dem Gpieltifcpe des Gienden einfegr.
Mit rien ne va plus enbigt Paltenberg.
j
&
!
—
B
Er
FH
HOauptirrthum daı
fi. Die frühere Leichtigkeit Ta han
dinge bringt nm mandje Unwahefcheintichteiten
Urfunden tönnen einem fo gewiflenhaften Wanne
nicht mehre Tage vom Arbeisätifhe entwendet
daß ex ed nur wahrnehme und dem Dieb auf bie
Fe a mit dem Herzoge von I
als ſolche Procefle zu gehen pflegen. Und wie Eonnte
Geoertung der KaiMfen Toriaäernd ae a
ng ſau auf J
rudig ſtehen bleiben, bis bie Kugel in —A—
dies I ielen eines i
Veen unge gie m Mannes wie Falkenberg if
Im gegenfate zu den Frauen, die ſich gern von
große des weibii
— le Ber. an erike dne Grau, De I Bermann
EP H
Bagger
ERTaRE
sE
[3
2*
3753]
itmatiomen verbankt, wir flde
foldhemn Berhäutnif vis
auf der Ein,
foitenfcoute fepwigt aud nicht immer gleich
!ommt. V. Koenig
wenn er ein wenig ins Gebräng
Literarifhe Anzeige
Antike Marmorwerke
ersten Male bekannt gemacht
von
EMIL BRAUN.
Erste und zweite Decade
Folio. In Carton. 8 Thlr.
Exsto Dooade. 1. Athene Agoraia. — 2, Ara
Soteira. — 3, Doppelkopf des Zeus. — 4. Zeus Dodonem. —
5. Zeus Jugend. — 6. Zeus und — 7. Belene. —
8. Selene und Endymion. — ®. Hektor's Bestattung. -
10. Des Piloten Heimkehr.
Zweite Deoade. 1. Hermes der Rinderdieb, — 3. Di-
nysos Dendrites. — 3. Demeter Thesmophores. — 4-
der Proserpina, — 5. Eros und Anteros. — 6. Meloager. —
7. Herakles der Löwenwärger. — 8. Pyrrhiche, — 9. Re
serharnisch mit Siegestrophäen. — 10. Kaiserharnisch mit
Roma, zu deren Füssen Erde und Mesr.-
Leipzig, im November 1843.
F
Brockhaus.
Drud und Verlog von 8. A. Brodgaus in Eripäie
Blätter
fir a u
literariſche Unterhaltun g—
Sonnabend,
Erſter Artikel.
(Fortſezung aus Nr. 35.)
Rüdfichtlich der Lage der Dinge im Allgemeinen fins
den wir in einem angefangenen, aber unterbrochenen Auf:
Tag folgende Reflerionen des Kronprinzen.
Der Hof — fagt er — hatte fich allgemeine Achtung durch
fein Benehmen nad) dem Neichstage 1762 erworben. Er hatte
ſich blos bamit befchäftigt, die Gemuͤther zu befänftigen, ben
Parteihaß zu mübdern, aber weder die guten Abfichten des Koͤ⸗
nige noch feine Feitigkeit, die Bedingungen wegen des während
des Reichstags gefchloffenen Vergleiche zwiſchen den Parteien
‚aufrecht zu erhalten, vermodhten ihn vor den unangenehmften
Srfahrungen zu fihern. Das dem Reichsrath Kalling gegebene
und von ihm, trog des auf die ausbrüdliche Erklärung des Or⸗
denscapitels gegründeten Verbote des Könige, getragene ruſſi⸗
fche blaue Bund war einer ber erften Beweiſe des Übelwollens.
Die Bermählung des Kronprinzen wurde ein reicher Stoff für
die Partei, um ihren Haß gegen ben Hof auszudrüden. Die
erbärmlichfte Knickerei zeigte fih in allen Burüftungen. Saum
erlaubte man dem Sönig den Gefandten, welcher die Braut abs
boten, noch die Reichsraͤthin, welche die Prinzefiin empfangen
-follte, zu ernennen. Während man es bergeftalt an der ſchul⸗
"digen Ehrfurcht gegen den König fehlen ließ, griff man zugleich
Heine Rechte an. Die Ernennung des Raths wurde jegt ben
&tänben zugetbeilt. Der Reichsrath Düben wurde ohne bes
Königs Einwilligung ernannt. Wan fdhied das Reich von feis
nem älteften Bundesgenofien (Frankreich), man entfernte fich
von dem politifhen Syſtem, welches Schweden feit Guſtav
Adolf befolgt hatte. - - . .
Am 18. März; 1767 hatte der damalige Kronprinz
angefangen, den Verhandlungen im Reichsrathe beizuwoh⸗
nen, und hat ein unter feinen Papieren aufbewahrtes
Tagebuch über die Worträge geführt, welches meiſt aus
kurzen Anzeichnungen der Rubriten der vorkommenden
Faͤlle befteht. Bisweilen hat feine Feder während des
Vortrags mit Zeichnungen, Rollenvertheilungen bei Hof:
fhaufpielen oder mit Verſen gefpielt, welche tegtern jedoch
immer Beziehung auf den eben vorgetragenen Gegenftand
haben, 3. B. am Dienflage, den 22. Dec. 1767 bei ei:
ner Berathfchlagung Über die hollaͤndiſche Anleihe, bei wel:
her ein Ratheherr ziemlich compromittict worden zu fein
ſcheint, fchreibt der Prinz die folgenden Verſe aus „La
prude” von Voltaire:
S’il faut opter, si dans ce tourbillon
N faut choisir d’&tre dupe ou fripon,
Mon choix est fait, je benis mon partage.
Ciel, fais mei dupe, mais rends mol juste et sage.
2. December 1843.
Die Anzeichnungen des Jahres fchließt er mit dem
folgenden Citat:
Le passe m’6&pouvante et le present m’aceable,
Je lis dans l’avenir: un sort &pouvantabie
Et les, malheurs partoat semblent suivre mes pas.
Oedipe de Volteire, Aste IV, Se. I.
Es war Wahrheit, nicht Dichtung, was diefe Worte
ausdrüdten. Die allgemeine Lage der Dinge, bie ber
Prinz fhon genau kannte, wurde immer betcübter. Am
11, Mär; 1768 fchreibt er:
Ich Habe vom 18. Januar bis zum 10. März ben Bere
bandlungen des Raths regelmäßig beigewohnt und bin während
der ganzen deit nur aus zwei Sitzungen weggeblieben; aber
haͤusliche und oͤffentliche Staͤnkereien und meine geſtoͤrte Ge⸗
ſundheit haben meinem Geiſt nicht Muße genug gelaſſen, um
mit der alten Genauigkeit mein Journal zu fuͤhren. Ich bin
ſehr verdrießlich daruͤber, indem gerade dieſe Zeit von wichtigen
Berathſchlagungen über den zerrütteten Zuſtand ber Finanzen,
und befonders üder bie Noth in den Bergmwerkögegenden einge-
nommen gemwefen if. Der König ſchlug ſchon im Februar vor,
daß binnen drei Monaten die Stände zufammenberufen wuͤrden;
aber, nachdem der Rath es Länger als eine Woche verſchoben
hatte, ſich darüber auszulaflen, erklärt er fchließtich, daß der ges
genwärtige Zuftand ded Reiche Eeinen außerordentlichen Reichs⸗
tag erhetiche.
Am 18. Aprit 1768: |
Aus Polen fpridht man von einer großen Sonföteration
in Kaminiec, um alle Beſchluͤſſe des letzten Reichsſstags abzuaͤn⸗
bern. Man bat deswegen in Warfchau zwei Gonfeils gehalten,
deren Refultat geworden ift, daB der König und der Senat der
Republik den Schug der ruffifhen Kaiferin anfleben foll
ten, um bie legten Befchlüffe aufrecht zu erhalten. Welche Ins
famie! Ach, Graf Poniatoweli, wie groß bift du’ mir erſchie⸗
nen! Ach, Stanislaus Auguft, wie haft du in meinen Augen
verloren! Du bift weder König noch Bürgers; flich,. um deines
Baterlandes Gelbftändigkeit zu erhalten, und unterwirf dich
nit unwürdbig dem Joche, um einen Schatten von
Macht zu bebalten, welder vor einem Befehl aus
Moskau verfhmwinden kann.
Im September diefes Jahres bereilte der Kronprinz
die Bergmwerksdiftricte ; während diefer Reife wurden ihm
eine Unzahl Bittfchriften um Abhülfe der durdy das Wuͤrg⸗
fpftem der Düsen berbeigeführten Verlegenheiten und Be⸗
drangniffe überreicht, die der König dem. Rath vorlegen
ließ. Als der Bericht des Bergcollegiums über den Zus
ftand im Rathe vorgelefen worden war, findet man im
Tagebuche folgende Bemerkung :
Man machte eine fehr haͤßliche Miene beim Durchlefen des
fogenannten Libells des Wergcollegiums gegen den Rath. Der
180- . -
Gpectatel begann heute, und wenn das Ende der Komödie eben⸗
fo ergögtich wird, fo wird man Urfache haben fi zu freuen.
Aber die Unklugheit und unbedachte Kühnheit des Raths laͤßt
mich fürchten, daß bie Gefahr für biefe ‚Herren tragiſch endi⸗
gen werbe.
‚Pierbe folgendes, Cidat aus dem Denkwuͤrdigheiten dee
Gazdinals de Meg: Ä
L’illusion en matiere d’etat n’est a son comble, que
quand ceux qui gouvernent ont perdu la honte; car c'est
alors que ceux qui obe&issent perdent le respect, et on ne
sort de cette lJethargie que par des convulsions,
Am 17. November 1768:
Dig Neuigksiten aus: Polen immer biefelben. Die Un:
ordnung und Beftehlichfeit zeigen uns unfer
Shidfal, wenn nicht bald durch fräftige und ent:
ſchiedene Maßregeln Hülfe fommt.
Am 24. November 1768:
Die Briefe aus Warfchau enthalten blos neue Details von
den Unglüdsbegebenheiten, weiche das arme Polen niederbrüden.
Der König von Polen erfährt, daß man nie von feiner Pflicht
abweidyen darf und daß auch das ſklaviſchſte Bott am Ende das
Joch abwirft, wem zur Haͤrte der Geſetze fig die Schande
fremder Gewaltherrſchaft gefellt. Die Krone wankt auf feinem
Kopfe, feine Unterthanen find aufgereizt, feine Freunde fern.
Hätte Stanisigus Ayguft fich diefen Sturm durch Feſtigkeit im
Bertreten der Geſetze feines Landes zugezogen, fo würde ich ibm
fein Loos beneiden; fein Kal würde ihn mit Ruhm bededen
und die Paläfte der Bürgerfönige wärden ibm in @uropa eine
Sreiftätte öffnen. Aber für jegt ift es faft aus mit ihm. Gr
wird die Verachtung der Ausländer und den Abſcheu feines Va⸗
terlande erfahren.
Wenige Sabre nachher erfolgte die erfte Theilung
Polens.
Die völlige Niederlage der Hüte und die Herrſchaft
der Mögen feit dem Reichstag von 1765 hatten eine
piögliche Veränderung der Politik herbeigeführt, welche
Schweden 25 Jahre geleitet hatte, und diefe Veränderung
ließ fih am unmittelbariten in allen innern Verhaͤltniſſen
erkennen. Die finanzielle Verwirrung, welche diefe Pes
riode binterlaffen, war allerdings fehr groß; aber die das
gegen angewandten Heilmittel hatten offenbar mehr die
Abſicht zu ſtrafen, als fruͤhere Verſehen gut zu machen.
Auf das Anleiheſyſtem der Hüte folgte das Wuͤrgſyſtem
der Muͤtzen. Das ungellüme Beſchraͤnken des vorher uns
vorfichtig vermehrten Papiergeldes echöhte das Geld auf
einmal um ein Drittel feines vorigen Werths, während
Guͤter und Waaren in demfelben Maße fanten. ie
Berlegenheit wurde fo allgemein, die Noth, befonders in
den Gebirgediftricten, fo groß, daß der König am 9. Febr.
1768 das Zufammenberufen der Stände verlangte, wel:
ches der Rath, in demfelben einen Vorlaͤufer des Falls
feiner Partei erblidend, verweigerte. Der König äußerte
in einem fchriftlichen Vorbehalt:
Daß, wenn die Herren Reicheräthe die Zufammenrufung
der Reichsſtaͤnde für unnoͤthig hielten, für ihn nichts weiter |
übrig bliebe, als ihrer Verantwortung alle die Ungelegenheiten
und unangenehmen Folgen zuzufchieben, welche fidy in der Folge
ereignen koͤnnten.
Die Klagen vermehrten ſich und wurden von der herr
fhenden Partei mit immer größerer Verdrießlichkeit em:
pfangen. Als der König am 12. December deflelben Jah⸗
res das Zufammenrufen der Stände, und zwar fo eilig
wie möglich, nochmals foderte, gab er zu gleicher Zeit fol⸗
gende Erklärung zu Protokoll: -
Uten wider alles Vermuthen die Herren Keichsraͤ
daffelbe auch jegt ablehnen, fo bin ich genoͤthigt, hierdurch ni
erklären, daß ich mid in dem Falle von einer Regierunggbürbe
Ioslage , 34 mir bei’deg Z 3 un R
und einer täglig zunehmenden ung ih gang ums
erträglich wird; —* mir vorbehatte, vwenn —— Yaeine
treuen Rathgeber, die Staͤnde des Reiche, vor mir werden vers
fammelt werden, biefen noch ferner alle Gründe darzulegen,
welche mid) veranlaffen, mi bis dahin mit ber Leitung des
Reichs nicht abzugeben. Ich verbiete auch hiermit ernftiich, daß
inzwifchen mein Rame in irgend einem Beſchluſſe der Ratbe-
kammer gebraucht werde.
Diefer Schritt war zufolge einer Berathſchlagung mit
dee Königin, dem Kronprinzen, dem franzöfifchen Gefand«
ten Graf de Mobdene, und den vornehmften Perfonen der
Hütepartei gethan worden, welche fid vereinigt hatten,
um auf dem fimftigen Reichstag zur Wiederherftellung
der Koͤnigsmacht nad) deren alten Örenzen in den ſchwe—
difhen Gefegen beizutragen, und das Geheimniß war fo
wohl bewahrt worden, daß die Erklärung des Königs mie
der ganzen Stärke der Überrafhung wirkte. Man finder
in den Anzeichnungen des Kronprinzen die innere Ge:
ſchichte der Plane, welche zu der Zeit von Denen gehegt
murden, die eine WBeränderung der damaligen Regierung
wünfchten. Diefe Plane waren zwiefacher Art. Eine
Beränderung durd die Stände felbft auf einem Reiche:
tage zu bewirken zu ſuchen, war Alles, was der alte Def
und deſſen gegenmärtige Anhänger hatten wagen wollen;
e6 war auch Das, was auf dem Reichstage von 1769
vergeblich verfucht ward. Aber den Ausgang hatte der
Kronprinz vorausgefehen, und drang deswegen fchon jest
auf sine Revolution. Der franzoͤſiſche Hof war in
beide Plane eingeweiht worden und hatte zur Ausführung
bed Plans des Kronpringen mitwirken wollen, wenn Sol:
ches unter ben damaligen Umſtaͤnden mit irgend einer
Hoffnung guten Erfolgs hätte verfucht werden koͤnnen;
bean fchon im I. 1766, nach der Niederlage der franzoͤ⸗
ſiſchen Partei und dem Siege der Muͤtzen, hatte der Her⸗
zog von Choiſeul erklaͤrt, daß die Befeſtigung der monar⸗
chiſchen Gewalt, waͤre es auch durch eine Revolution, das
Hauptziel der franzoͤſiſchen Politik in Hinſicht auf Schwe—
den fein müßte.
Wie nun eine Veränderung der damaligen Staats⸗
verfaſſung Schwedens 1769 verſucht wurde, Died wird,
aus den Papieren des Kronprinzen, Seite 55— 89 von
Seiler ziemlich vollftändig erzähle. Aus dieſer Erzählung
wollen wir nur ein paar Stellen heraus heben. Der Prinz
gibs unter Anderm eine Überficht der ſchwediſchen Werfaf:
fung zei Guftao I. Waſa, die fo lauter:
ejer König war in ber That unumfchr i in⸗
rich VIII. von England, Die Reictage —— —
drei Tage. Der König führte das Wort. Die Stände waren
in ein und demfelben Saale verfammelt. Der Adel kam im
Ganzen, der Priefterfland durch Deputicte; dazu kamen einige
Burgermeifter und Bauern. Die Beratpfchlagungen befchränt:
ten fi faft immer auf Ia und Rein. Nachdem der Thron
erblich geworben war, änderten aber bie Lehen, welche Guftav I.
feinen Söhnen ertheilte, das Syſtem unferer Geſetze völlig.
Schweden lernte alles Ungläd der Feudalherrſchaft Eennen, wels
ches Frankreich fo lange erfahren hatte. Dies endigte ſich durch
das Ablchen. des älteflin ntrigga vom Khaigkilien — kun
die Vertreibung des andern und durch die Mlurpation Kayts IX.
Erſt unter ibm, und befonders unter feinem Sohne, dem gro⸗
gen Suftav Adoif, nahm, kann man fagen, unfere Conſtitution
eine ehvanige Form an. Aber diefes großen Königs früher
Tod binderte ihn, die letzte in. an dag Werl zu legen. Die
Regierungsform von 3634 ift nur eine Vorfchrift, wie die Re:
gierung während einer Minderjährigfeit zu führen fe. Es fin:
det fig dort fein Wort von der königlichen Macht: Diefe Ge⸗
ſehe währten nur unter Chriſtine und Karl X. Guſtav, eine
Zeit von 30 Jahren hindurch. Während der Minderjährigkeit
Kart's Xl. riffen der Rath und der Adet einen fo großen Sins
flug an fih und wollten das königliche Praͤrogativ in fo enge
Grenzen einſchließen, daß Karl XI. deshalb beflimmt wurde,
durch die Revolution des Jahres 1680 die Macht ſeibſt an fich |}
zu nehmen.
Da Schweden ſonach niemals eine feftgeftellfe Eonftitution
gehabt Hat, To iſt auch nichts unbeflimmter als das Verfpres
den, die alten Geſetze wiederherzuftellen. Drei Gewalten
baben immer den Staat regiert, der König, der Rath und die
Stände; aber bei diefen unter ſich hat die Macht oft gewechſelt.
Ich hatte freilich dafhr, in dieſen drei Benennungen nichts zu
ändern; aber ich eradhte ed auch als nothwendig für eine wohl:
geordnete Monarchie, daß ber König Herr ſei, Gnade zu erzeis
gen und zu befördern, mit fremden Mächten zu unterhandeln,
die Reichseinkuͤnfte zu vertheilen; daß der Rath blos ein Gons
feit fei, beftehend aus Männern von Verdienſt, aber immer Uns
terthanen und das Gnticheidungsreht nur in den unter dem
König zur Appellation gebrachten Rechtsfaͤllen befigends endlich,
daß die Stände fi mit nichts Anderm befaſſen ale mit dem
Beroilligen oder Verweigern der Steuern und dem Unterfuchen
ihrer Verwendung. |
Fur Luiſe Ulrike, welche flolz darauf war, ihres Bru⸗
ders, des großen Friedrich Überzeugungen zu theilen, war
die franzoͤſiſche Philofophie, der auch fie huldigte, nicht
allein ein Mittel zu glänzen, fondern auch zu herrſchen;
und es iſt nicht unglaublih, daß fie diefelbe von dieſem
Geſichtspunkte aus ihrem Sohne dargeftellt habe. Neben ihr
betrachtet man mit einem eigenen Gefühle den Einfluß, wel⸗
chen der Philanthrop Karl Friedrich Scheffer und der Dich:
tee Creutz auf den jungen Prinzen als Dolmetſcher jener
Phitofophie austhten. Won wohlwollendern, man möchte
fagen unfchuldsvolleen Seelen konnten die Strahlen ber
neuen Aufklärung nicht zurückgefpiegelt werden. Irgend
etwas Arges zu denken war ihnen fremd; Prediger ber
Borurtheilsfreiheit waren fie — felbit in den Borurthei:
ien des Guten befangen! Der erfte Brief von Creutz an
Guftao in diefen Sammlungen iſt in Madrid gefchrieben,
wohin der Graf 1763 als Envoye extraordinaire geſen⸗
det war. Er hatte in Paris mit Hume Bekanntſchaft
gemacht.
Ich habe ihm eine lebhafte Begierde eingeflößt, Schweden
zu beſuchen, fagt der Dichter. Er wuͤnſchte eine Königin zu
fehen, weiche Philofophin ift, und einen jungen Prinzen, welcher
in einem Alter von 16 Jahren das Lefen mit Stärke gedachter
und lichtvoller Werke dem Erzeugniß der Eitelkeit und des
Leichtſinns vorzieht. Europas Augen find auf Ew. königliche
Hoheit gerichtet.
Voltaire beweift, bis zu weichem Grade Sie, mein Prinz,
die Theilnahme der Literatoren weten. Diefer berühmte Greis
vergoß Thränen bei der Nachricht, daß ©. 8. H. bie „Hen⸗
riade”’ auswendig wüßten.
Freilich hatte ich fie — fagte Voltaire — in ber
Abficht niedergefhrieben, daß fie zur Belehrung
58 io im. Nerden Srudt tragen märkıe, Dh.
t
der Könige dienen follte, aber ih hoffte nicht—
unrecht. Der Norden hat von jeher Heldan une
en ann eetandi te fi nad den E |
| i na i
H. betreffenden Uümfländen. gte ſich nad ben kleinſten E. K.
ch bin alt und blind — fährt er fort — aber
wenn Alles, was Gie mir ſagen, wahr ift, fo ſterbe
‚id mit Bergnügen; denn nad Jahren wird es,
‚feine Borurtheile mehr in Europa geben.
In einer Antwort an Greug ſagt Guflav unter
ters. Beifat ſſmeih |
ltaire's Beifall ſchmeichelt mir unbefchreibti
wuͤnſche ipn eines Tags zu verdienen, Far 1
‚; verfhönernde Schilderung, welche Ihre Freundſchaft von mir
a anfen, ihn mir mehr als mein eigenes Verdienſt erwor⸗
Der Briefwechfel wurde fortgefegt, ald Creutz 1766
als Einzoye extraordinaire nach Paris verlegt war. Er
theilt dem Kronprinzen alle Neuigkeiten des Tags, Lieder,
Romane von Voltaire mit, leitet einen Briefwechfel zwi⸗
ſchen ihm und Marmontel ein, ſendet die herauskommen⸗
‚den Bände der „Encyklopaͤdie“, und zeichnet für den Prin⸗
zen die intereffanteflen Artikel darin aus. Bisweilen
ſcheint der ſchwediſche Dichter und Staatemann über - die
immer tühnere Dppofition der franzoͤſiſchen Literatur ge:
‚gen die Religion beforgt zu werden.
Wir werden von Werken uͤberſchwemmt, welche die Reli-
gion angreifen — ſchreibt ee am 8. Nov. 1767 aus Paris an
Karl Friedrich Scheffer —; feit zwei Jahren ift die Religion
ein &egenftand fo roher Angriffe geworden, daß man faft fagen
kann, fie liege in dieſem Lande in ben legten Zügen. Dies güt
von ber großen Weit wie vom Volke.
Auch findet ſich Graf Scheffer veranlaßt, dem Prin⸗
zen einen Auffag gegen den Atheismus von Voltaire felbft
zu fenden. Guſtav's Bewunderung für diefen Legtern
war [0 geoß, daß er ihn auf feiner bevorftehenden auslän-
diihen Reiſe in Ferney bat befuchen wollen, wäre bie
Reife nit in Paris durch Konig Adolf Friedrich's Tod
unterbrochen worden. Er vertheidigte Voltaire offen gegen
deffen Feinde. Voltaire feierte nachher die Revolution von
1772 durch ein eigenes Gedicht zur Ehre des Könige,
Es nahte die Zeit, in welcher Guſtav das Land ber
fuchen follte, welches ein fo früher Gegenftand feiner Zu:
neigung und Bewunderung geworden war. Er trat die
Reife im Herbſte 1770 an. Über den Zweck derfelben
fchreibt er an 8. Fr. Scheffer::
Ich muß Ihnen Alles fagen und in Ihren Bufen mein
Herz ausfdhütten. Wir gehen nad) Frankreich mit den größten
Abfichten, eine dauerhafte Verbindung zwiſchen den beiden Rei⸗
den, nicht allein auf das wechfelfeitige Intereffe, fondern auf
eine perföntiche Freundſchaft gegründet, zu fchließen. Wir ges
ben, um die Befreiuung bed Staats zu begründen, ihn von
fremdem Einfluß und von der innern Zwietracht, durch welche
er zerriflen wird, zu erretten.
Nachdem der Kronprinz die Höfe zu Kopenhagen, Eu⸗
tin und Zweibrüden befucht hatte, Iangte er in Paris om
4. Febr. 1771 an und fand den Herzog von Choiſeul,
auf deſſen Beiſtand er bei feinen Planen viel gerechnet
hatte, nicht mehr als Minifter. Er war in Ungnade ges
füllen und vom Hofe entfernt. - Bei König Adolf Fried:
'
1 ee: io» 2
i .. 1. 5, —— y ,5.
135 J ⸗ ’ «
1} . [7 3: 24
8 Hy: ’
rich richtete fi; die Dankbarkeit nicht nad dem Gtuͤcke. |. des preufifcen Monarchen von 38, Juni 1775, ıu Gu⸗
Die letzten Worte, welche er an feinen Sohn ſchried (am
33. Jan. 1771), beauftragen Ihn, dem geftürzten int:
ftee für die Stuͤtze zu danken, melche feine Politit Schwes
dem allzeit gewährt habe. Am 12. Februar flach Guſtav's
Bater in feinem 61. Jahre. Der neue König erhielt am
1. März die Nachricht davon in Paris. Am 21. März,
drei Tage vor feiner Adreiſe von Paris, fchreibt Guſtav III.,
vermuthlich an Sinclair: '
Alle unfere Angelegenheiten find befinitio regulirt.
be Vergennes ift zum Ambassadeur extraordinaire ernannt
worden. Er ift der Mann, welchen wir braudyen. Seine In⸗
ftructionen find fo, wie ich fie verlangt babe, und drei Mil:
tionen find für den Reihstag beffimmt. Niemand hat,
feit der Kataftrophe des Herzogs von Choifeul, an uns gedacht.
Erſt der Tod des feligen Könige bat fie aus ihrem Schlafe er:
wedt. Alles ift feitdem arrangirt worden, und Alles nach Wun⸗
ſche. Sie können ſicher fein, daB die ‚Derrengewalt unfer ift,
und daß wir unfere Macht mit Mäßigung gebrauchen werben.
Ein anderes Concept enthält Folgendes :
Run haben wir die große Sache durchgefegt. Unfere Sub⸗
fivien werden bezabit und in Übereinflimmung mit der Decla:
ration vom 3. 1764. Ich habe mit dem König (Kudwig XV.)
dreiviertel Stunden lang unter vier Augen gefprocdyen, und wir
baben uns über alle Sachen mit der größten Aufrichtigteit und
Zärtlichkeit erklärt...» . Die Maitreſſe (Dubarıy) ift für
uns und des Königs Herz.
Die Heimreife gefhah über Berlin. Nach der An:
Bunft in Stodholm verkündete die „Poſtzeitung“ vom 3.
uni, daß der König beſtimmt am Montag, Dienftag
und Mittwoch, Nachmittags, von 4 — 5 Uhr allen Unter:
thanen, böhern und niedern, freien Zutritt geftatte, um
ihre Geſuche und Angelegenheiten in Unterthaͤnigkeit ſelbſt
vorzutragen. Diefe Audienzen erweckten den Argmohn der
Stände. Sie dauerten jedoch nicht lange und wurden
zulest Bettleraudienzen genannt. Die Etände waren
zum 13. S$uni 1771 berufen worden, und am 25. deſſel⸗
ben Monats eröffnete der König den Reichstag mit einer
Rede, aus welcher wir nur den Schluß anführen :
Ich habe mehre Ränder gefehen, ich habe die Denkart, bie
Negierungsweife, die Sitten und ben größern oder geringern
Wohlſtand mehrer Völker kennen gelernt. Ich habe gefunden,
daß weder unbefchräntte Macht, Pracht und Üppigfeit, noch
allzu ftrenge Sparfamfeit oder Geldfteuern da Gluͤck und Bus
friedenheit bringen, ‘wo bie Liebe zum Baterlande, wo die Ein:
tradht fehle. Es kommt deshalb auf euh an, das gluͤcklichſte
Bolt auf der Erde zu werden. Laft dieſe Reihöverfammlung
in unfern Gefchichtsbüchern ewig ausgezeichnet bleiben durch |
Aufopferung alles Haſſes, aller eigenen Rüdfichten, für das all
gemeine Befte. Sch werbe fo viel, als e8 von meiner Perfön:
lichkeit abhängt, dazu beitragen, eure getrennten Herzen zu bers
einigen, um in einer für das Reich gluͤcklichen Stunde diefe
Reicheverfammlung zu fchließen, zu deren Anfang ich euch den
Segen bes Hoͤchſten wuͤnſche.
Die Stände baten, daß die Rede in den Drud gege
ben und an alle Gemeinden des Reichs vertheilt werden
möchte. Einigkeit war alfo die Lofung des Tages. Die
Gemüther zu befänftigen, die Parteien zu verfühnen, war
auch das Ziel, welchem nachzuftreben Friedrich II. feinem
Schweſterſohne hauptfüchli gerathen hatte, wenngleich er
die Schwierigkeit einfab, daſſelbe zu erreihen. Ein Brief
Mr.
ftav III. zeige, wie Erſterer daruͤber duchte.
Gaͤbe es ſchwediſche Männer in Schweden — heißt eb ba:
rin —, fo wuͤrden fie alle einig bei der Frage uͤber das Wohl
des Vaterlands fein; aber die fremde Werborbendeit bat den
Geiſt der Nation allzu ſehr verkehrt.
(Der Beſchluß folgt. )
—A
JEin Album. Bilder aus unferer Zeit von Sidonie,
Baroneffe von Seefried. Erſter Theil.
Zaquet. 1843. 8. 18% Ag.
Die Verf. fagt, das Album enthalte Bilder aus eigener
Anfhauung, und Skizzen, übertragen aus fremder Literatur.
Für dieſes mixtum paßt ber Titel Album; denn ein Buch, wel:
ches doch immer einen einheitlichen Gedanken durchführen fol,
ift e8 nicht. Won Durchfuͤhren ift bier ohnehin keine Rede; es
ift Alles nur fluͤchtig hingeworfen und gibt den Eindruck, dm
München,
die Verfafferin im Vorworte andeutet, nämlich den der Anre-
gung durdy Leben und Gefpräd. Die Faſſung ift recht bübfch,
der Son anfpredhend. Die erften Nummern haben einen wenig
bedeutenden Inhalt, 3.8. das Zeft in der Villa negro, der Ein:
zug in Paris, das Divramaz die Herzogin von Abrantes iſt
fehr aphoriftif behandelt. Die zweite Hälfte des Albums, wor:
in über Victor Hugo, Samartine, George Sand, Chateaubriand
geſprochen wird, ift die inhaltreichere. 29.
Notizen.
Abrabam Raimbad.
Eine Selbftbiograppie des Kupferſtechers Abrabam Raim:
bach, der fich befonders durch feine Stiche Wilkie'ſcher Werte
berühmt gemacht hat, geſchrieben auf dringendes Anfuchen feines
ätteften Sohnes und mit langen und bis zur Überiaft zahlreichen
Roten auegerüftet, iſt erfchienen; „Memoirs and recollections
of the late Abraham Raimbach ; including a memoir of Sir
David Wilkie” (London 1843). %. Raimbach war ben
16. Febr. 1776 in Kondon geboren und ftarb dafelbft den 17. San.
1843. Das genannte Werk liefert beiber zablreiche Mrtheite,
Bemerkungen, Andeutungen über einzelne Gegenftände der Kupfer
ſtecherkunſt, Werke und Meiſter in derfeiben. Über den Verfal
ber Linienmanier fagt er: „Eine andere und fehr wichtige Ur-
ſache des traurigen Schickſals, in welches die gute, alte, legitime
Kunft des Linienſtichs cerathen iſt, darf nicht unerwähnt bleiben,
naͤmlich die ungeheuern Summen, weldye in der neueflen Zeit
von den Malern für bas Recht, ihre Werk zu copiren, in An⸗
ſpruch genommen werben. Die Verleger fudhten, indem fie diefe
Anſpruͤche erfuͤllten, ſich dadurch zu entſchaͤdigen, daß fie eine
geſchwindere nnd wohlfeilere Art des Stiche (Mezzotinto) zur
Anwendung brachten, welde, da fie auch auf Stahl ausgeführt
wird, fie zugleich in den Stand fegt, mehr Abzüge machen zu
laſſen, als Kupferplatten hergeben würden.” In diefer Beziehung
ift nun bie Anwendung ber eleftromagnetifchen Methode zur
Vervielfältigung von Kupferplatten außerordentlich wichtig, und
Kaimbach ſpricht auch von dieſem Verfahren mit vielem Lobe.
Die Denkſchrift über Wilkie iſt ſehr dürftig und zum XIheil
ungenau.
Sir Charles Belvs Witwe.
Da wir neulih (Nr. 241) der Mühfeligkeiten gebadhten,
unter tenen fih Sir Charles Bell durch das Leben kämpfen
mußte, und der Unmöglicjkeit, bie daraus für ibn entfprang,
feine Familie in geficherten Umſtaͤnden zurüdzutaffen, wird es
unfern Eefern angenehm fein, zu erfahren, baß bie Königin
auf Sir Robert Peel's Antrag ber Lady Bell eine Penfion
von 100 Pf. St. bewilligt hat. 48.
Verantwortliher Herausgeber: Helnrich Brodpausd. — Drud und Verlag von F. &. Brodhaus in Leipzig.
Blätter .
für
literarifhe Unterhaltung,
Sonntag,
Nr. 337. Im
3. December 1843.
Die nachgelaffenen Papiere Guſtav's TIL.
Erſter Artikel.
(Beſchluß aus Nr. 286.)
Die Vermittelung der Parteien war, wenigſtens um
Zeit zu gewinnen, im Anfang ein faſt nothgedrungener
Zweck dee Politik Guſtav's DII., um die von ihm beab⸗
ſichtigte Revolution vorbereiten zu koͤnnen. Doch gelang
ihm jene nicht. Nun folgte daher eine Zeit, waͤhrend
welcher er ſich wenig um die Reichsangelegenheiten zu be⸗
kummern ſchien; die weniger Scharfſichtigen erwarteten in
ihm ſchon einen blos dem Vergnügen ergebenen Schein⸗
koͤnig. Er beſchaͤftigte ſich mit theatraliſchen Übungen, mit
Heinen Hin: und Herreiſen zwiſchen den Luſtſchloͤſſern, er
zeichnete, brodirte, machte Entwürfe bald zu Theatercoſtu⸗
men, bald zu Orden und Orbensdecorationen. Auf dem
Reichstage nahmen unterdeffen die Unordnung, die Exbit:
terung und die Zänkereien der Stände immer mehr zu.
Sehe Monate hindurdy wurde zwiſchen dem Adel und
den bürgerlichen Ständen über die Ausdrüde in ber koͤ⸗
niglihen Zuficherung geftritten. Daß fie den König nur
an die Negierungsform von 1720 band, ohne die fpäter-
hin in diefelbe hineingebrachten Veränderungen zu erwaͤh⸗
nen, erwedte ohnedied Aufmerkſamkeit. Der Adel wünfcte
die neue Zuſicherung in völliger Übereinflimmung mit ber
von König Adolf Friedrich, 1751, gegebenen abgefaft;
die nicht adeligen Stände drangen dagegen auf Verände-
rungen und Bufäge. Über den ganzen Dergang auf die
ſem Reichstage werfen die Papiere des Könige das gehe:
rige Licht. Beſonders weiht uns Das, was ſich von der
Gorrefpondenz des franzöfifchen Sefandten, Grafen de Ber:
gennes, in diefen Sammlungen aufbewahrt findet, in bie
geheime KReichstagsgefchichte dieſes Zeitraums ein. Diefe
Briefe find theils an den König, theild an den Grafen
Axel Ferſen, theild an einen Herrn Beylon gerichtet. Letz⸗
terer, Vorleſer an Luiſe Ulrike's Hof, hatte ſich in dem
Grade das Vertrauen des ganzen koͤniglichen Hauſes er⸗
worben, daß man ihn als Mittelsperſon in allen ihren
wichtigſten Angelegenheiten auftreten ſieht. Bei ihm war
es, wo der Koͤnig ſeine geheimen Zuſammenkuͤnfte mit
dem franzoͤſiſchen Miniſter hatte. Aus den Briefen die⸗
ſes Legtern erſieht man auch, welche bedeutende Summen
von Frankreich zu Beftechungen und zur Foͤrderung von
Guſtav's Revolutionsplan gefpendet wurden. Wer dies
Alles näher Eennen lernen will, kann in dem hier beſpro⸗
henen Buche. feine Wißbegierde befriedigen.
- Am 29. Mai 1772 wurde Guftav I. endlich ges
Erönt. Die Krönung hatte fhon im September bes vor:
bergehenden Jahres fiattfinden follen, wurde aber durch
den die neue koͤnigliche Zuficherung betreffenden Streit fo
lange verzögert. Nicht der erſte Gedanke an eine Revo⸗
Iution, wol aber der erite Plan zu ihrer Bewerkſtelligung
unter den damaligen Umftänden fcheint vom Oberſten
Magnus Sprengtporten, beim Reichötage Chef des, mel:
ſtens aus jungen Offizieren beftehenden vopaliftifchen
Clubs, Svenſta Botten, ausgegangen zu fein. Dies
geht aus feinen eigenen Anzeichnungen, die fi) auf der
Bibliothek zu Upfala befinden, hervor. Geier bat das
Weſentliche derfelben bier aufgenommen, worauf wir un
fere Lefer verweifen. Er geht in fehe intereflante Details
ein, welche fludirt zu werden verdienen. Ein vollftändiger
Bericht Über die Revolution vom 19. Auguft finder ſich
unter Guſtav's II. Papieren nicht. Ein vom König ans
gefangener eigenhändiger Auffag Über fie ſchließt mit der
Einleitung, welche ein Gemälde von dem Zuſtande ber
Parteien enthält. Sprengtporten’d Bericht ermangelt auch
der Vollfändigkeit. Er gehört auch nicht den Guſtaviani⸗
[hen Papieren an. Dagegen findet man unter bdiefen
eine Abfchrift der Inſtruction Sprengtporten’s für den
Baron Salza, mit folgender eigenhändiger Bezeichnung
des Könige:
Des Oberſten, nachher Generalmajor Freiberen Hugo Her⸗
mann v. Salza’s Abfchrift von des Barons Jakob Sprengtpors
ten Project und Plan zur Revolution, welche jedoch nicht bes
folgt wurden, indem jene auf eine ſchnelle Weife am 19. Aus
guſt erfolgte.
Der Inhalt der neuen Gonftitution, welche Guſtav IH.
am 21. Auguft 1772 feinen Unterthanen octropicte, iſt
wefentlich folgender: 1) Die Stände follen verbfeiben wie
vorher; ohne ihre Einwilligung ſollen keine neuen Geſetze
gemacht, Feine alten abgefchafft werden. Aber der König
beftimmt, wie oft und wo der Reichstag gehalten werden
fol. Kein Reichstag fol Länger als drei Monate dauern.
Die Stände dürfen Leine andern Protokolle verlangen als
die, welche Gefchäfte betreffen, welche der König und die
Stände erwogen haben. 2) Der König wähle ſich felbft
die Reichsraͤthe, welche nur ihm veranttortfich find. Sie
%
[1
“haben nur zu cathen, aber bem König kommt es zu, zu
befhließen, ausgenommen im eigentlihen Geſetzfragen.
3) Der König hat das Recht, Frieden, Waffenftiliftand
und Bündniffe zu fchließen. Er darf, ohne der Stände
Eiawiligung Verthaidigungs⸗, aber Seine Angriffälgiege
ohren. 4) Der König führt deu Befehl Über die ganze
macht und ernennt alle böhern Beamten. Nach
diefer Regierungsform hatte der König die ganze aus:
übende Gewalt, außer der, einen Angriffstrieg anzufangen.
Die Stände Hatten das Steuerbewilligungsrecht.
und Stände hatten gemeinfam die gefeßgebende Gewalt
und der Reichsrath hatte, In hoͤchſter Inſtanz, die richter⸗
liche Gewalt, infofeen, daß der König zwei Stimmen
hatte in allen Rechtsfachen, welche nad, dem fchmedifchen
Sefes duch ein Endurtheil entfchieden werden Tollten.
In allen andern Tragen durften die Reichsraͤthe nur ra⸗
then, aber nicht befchließen.
Diefe Eönigliche Revolution vom 19. Auguft, bie in
wenigen Tagen ohne Blutvergießen vollendet wurde, ver:
ſchaffte Guſtav TI, auf einmal einen glänzenden Namen
in ganz Europa. Bei feinen Nachbarn, namentlich bei
dem ruffifhen Hofe, der bie Anarchie in Schweden wie
in Polen durch fein Beſtechungsſyſtem fo gern unterhals
ten hätte, erweckte fie ſtarke Beſorgnifſe. Sie war ein
Steg der franzoͤſiſchen Poli. Mean wußte nur allzu
wohl, daß fie ?riegerifcher Ratur geweſen und darauf hin⸗
ausgegangen mar, einen bewaffneten Bundesgenoffen, bes
reit, wann audy immer, fi) dem Intereffe Frankreichs zu
weihen, im Norden zu befigen. Dies war der Zweck des
franzoͤſtſchen Subfidienfoftems, welches man fürdhtete, ob:
‘gleich weder England noch Rußland dazu vermocht mer:
den fonnten, auf diefem Felde ale Frankreichs Nebenbuh⸗
ter aufzutreten. Keins von beiden bot Schweden jemals,
obgleich fie fonft Leine Koften fcheuten, um auf den
Keichstagen Ihren Einfluß aufrecht zu erhalten, Subfidien
an, umd die mar der Hauptgrund, aus welchem bie Par:
tei, welche der englifch=ruffifchen Partei huldigte, hatte fie
auch ab und zu das Übergewicht, dies doch nie behalten
Eonnte. Deswegen waren die Zeiten für das Übergewicht
der Mügenpartei ſtets nach einem Krieg eingetreten und
während deffen Folgen am fühlbarften. Die franzöftfche
Politik Herrfchte buch die Hüte von 1738— 65. Sie
Hatte Schwedens Krieg gegen Rußland 1741, gegen Preu:
fen 1757 dictirt. Diefe Politik hatte, ald die Hüte durch
unglüdliche Kriege endlich ihre Kräfte erihöpft hatten, und
von den Parteiummälzungen nichts mehr zu ‚hoffen war,
ber Verſtaͤrkung der Eöniglihen Macht in Schweden
das einzige noch übrige Mittel ergriffen, um fih in
Schweden, und Schweden duch Frankreich geltend zu -
machen. Was man, nad der Revolution von 1772,
von dem monardjifchen Schweden befürchtete, geht aus ei:
nem Briefe des Prinzen Heinrich von Preußen vom 10.
Sept. 1772 an feine Schwefter, die verwitwete Königin
von Schmeden, deutlich hervor. Er fagt darin: „Mit fei-
ner gegenwärtigen Regierungsart und einem zehnidhrigen
Frieden kann Schweden eine überwiegende Macht werden.”
Kür jegt bedurfte und wuͤnſchte es Ruhe. Meldyes die
Gefahren waren, bie daſſelbe ‚ und warum man
in Schweden faft nody mehr Friedrich IL, als Katha⸗
eine II., fürchtete, da6 kann man aus einem Briefe
des Grafen Ulrich Scheffer vom 16. Dct. 1772 an ben
ſchwediſchen Pheifter in Pass, Grafer Cs, ganz ge
nau erkennen, Diefer Brief, den Prof. Geijer hier im
Auszug mitgetheilt hat, enthält auch bedeutende Auffchlüffe
Über die erfte Theilung Polens. Wie Friedrich der Große
die Neuigkeit von ber Revolution in Schweden, von mels
er. Guſtav LI, ibm am 21. Auguft geſchrieben hatte,
aufnahm, davon zeugt die Antwort des Erſtern vom 6,
September: er iſt über biefelbe ganz enträflee. Auch mit
feiner Mutter zerfiel Guftav von diefer Zeit an in immer
böherm Grade. Die Darlegung des unglädtichen Ver⸗
haͤltniſſes zwiſchen ihm und ihr wird in dem bald zu er:
wartenden zweiten Shell der nachgelaffenen Papiere Guſtav's
gegeben werden. _
Das Wenige, was wir aus ben für die Geſchichte
Schwedens und ganz Europas fo wichtigen Papierm
Buftav’s IH, hier haben hervorheben dürfen, mag genuͤ⸗
gen, um die Leſer d. Bl. auf den Inhalt berfelben, ſoweit
ihn der berishmte ſchwediſche Geſchichtſchreiber Geijer bis
jegt mitgetheilt bat, aufmerkfam zu machen. *) 16.
Anekdoten aus dem Leben eines reiſenden
Arztes.
Ein Werk im drei Bänden: „The life of a travelling physi-
eian, from his first introduction to practice; including twenty
years’ wanderings threugh the greater part of Europe”, U in
London erfchienen, weiches im Ganzen nur geringen Werth bat,
aber an einzelnen Schilderungen von Localitäten, Charakteren
und charakteriftifchen Zuͤgen manches Intereffante darbietet. Der
Berf. — George kefevre geheißen, wie ein englifches Blatt im
Vertrauen mitthellt — wurde in Edinburg graduirt und nachdem
er lange eine Anftellung geſucht, 1819 von einem fdottifchen
Lord, der bruſtkrank ein miles Klima auffucken wollte, mit
nad Pau genommen, wo her Patient im nächfen Fruͤhjahr
farb. Ginige Jahre fpäter. wurde ber Verf. Hausarzt bei
einem Fuͤrſten, der in Paris lebte, und er nach fünf Jahren
mit biefem nach Polen, von da Aber Odeffa nach Peteröburg,
wo er 14 Jahre blieb. - Subem er diefe letztere —æã— —
gibt er eine Schilderung derſelben bei Nacht: „Wer Petersburg
nicht bei Mondlicht geſehen bat, Dem bleibt noch etwas m
fehen. Ia, wenn man den Mond Über den Kuppeln und Mi⸗
narets ber Stadt herauffteigen fieht, dann führt man ſich mit
der Berftellung eines verddeten Gtabt aus. Die Gonberun
Unbelebten von bem Lebendigen gibt
fchimmernd baliegen, dann bietet die
Zarenſtadt dem einfamen Beſchauer, bem kein d Gin
druck bie zauberiſche Wirkung der Formen rt, ein Shen
fpiel dar, das vielleicht nicht feines Glei bat. Es Liegt
dann etwas Antikes in ihrer Erſcheinung. Ihre riefenhaften
Sehäude treten durch bie Lichtwirkung des Mondes ſcharf aus
) Ein zweiter Artikel folgt fpäter. D. Reb.
lat hy gt während
—5 — Ac Rimmt man
Fin Standpunt u — fo erblickt man bie Stadt,
die, weit um den Porigont ausgefpgnnt und von maffiven Ge
bäuden in Elöfterlihex Foxrm begrenzt, wit ihren vergoldeten
Thoͤrmen und gläugenden Kuppein ſich aus der bene hebt.
Bei dem ſwaqhen Lichte des Mondes werben wir nice gewahr,
daß bie Zmifhenxäume zoifhen den gewaltigen Bauwerken
nicht ausgefüllt find. Die breiten, geraden Straßen verftatten
dem Auge nicht, den in des dämmernben Berne verſchwindenden
Gefiptepunkt zu erreichen. Irgend eine Brüde ober fonft ein
Segenſtand tritt dazwiſchen, bevor bie langen Bahnen in einen
Punkt zuſammenſchwinden. Die Bovenfilde iſt ein einziger
flimmernder Teppich. Der Strom flieht nicht fihtlich; man
hört Feine Stimme eines Sqhiffers, Keinen Ruberfclag. Irgend
eine einfame Glode ſchlägt die Stunden. Der Mond finkt und
bier und da hält fih ein Thurm in Schatten. Alles wirkt
zufammen, um die Bewunderung zu fleigern, ae mide das
Gemäth in diefer Stunde ohnehin geneigt iſt. Tag bricht
an und eine Taͤuſchung nad) der andern ſchwindet“ u. f. w.
Die Schill a von Bitten und bürgerlichen Werbältnifs
fen nenne a Dem überein, was andere Schriftſtelec,
3 B. Kohl, in neuerer Zeit berichtet haben; fogar mand) ein⸗
winss Greigniß ift hiechee gu vechnen, wie die Beſchreibung
eines _Brande&, der während des Gammevals flottfand und vielen
Menfchen das Leben koftetez auch Kohl hat biefen Unglüdsfal
ausführlich geſchiidert. Won der pünktlicen, ja, im bucfläb
— Giane bucfäbtichen Wefolgung obrigkeitlicher Befehle
gibt ber Verf. vericiebene auffalende Beifpiele, bisweilen mit
tragifchem Aı je, oft aber komiſch. Unter den legtern fols
gende: „Die ihnten Meinen Läden haben jede ein gemaltes
Schüd über der Thuͤr, worauf angezeigt it, was man innen
kann. Darunter des Verfäufers Rasse und unter biefem
die Rummer. Belogte Nummer fodert Erklaͤrung. Kaifer Paul
befaß Gchöpfermact. Wenn er ſyrach; das werde! fo ward ed.
Nun find die erwähnten Laͤden alle privilegirt, und Bequemlich⸗
keits und guter Ordnung halber ſprach der Kaifer: ‚Gie follen
fämmtlich numerirt werden mit Rx. I u. f. w.“ So ſtand
defoplen: Rr. I u. f. w. Zweifel, Muthmaßung, Deutung,
Beguguahme auf den Geiſt urfprünglicher Abficht if unerlaubt.
Der exfte Laden alfo dat Rr.Iu f.w., ber zweite Re. Im f.w.,
Der dritte und fo ein jedes Rr. I. u. f. w. Es wäre, wie ges
fagt, unerlaubt geweien, v fäliefen, daß jenes ‚u. f. m.‘ die
folgenden Rummern II, III, IV u. f. f. bebeuten follte, der ⸗
gettalt, daß jeder Laden eine andere Rummer erhielt ; denn das
au fdpließen, war, wie die Phrafe lautet, die der Ruffe beftäns
dig im Munde führt, ‚nicht befoplen‘”. „Bin engliſcher Kaufs
mann liebte eine ruſſiſche er Verbindung mit ihr
als Frewider it fand des Kaufmann es ſchwierig,
Ziceng zu eshalten. Gr hatte aber einen Freund bei Hofe und
bat Biden, ge lich beim Kaifer die Sache in Anregung zu
dringen. Gin gi Augenbiid fand ſich 66 war am Rad
. ‚Em, Wiek‘,
Be uahpniekihen in Kr
Wenw ich helfen kaun, rechnen Cie auf Bedarſ er Unters
tigung?‘ ‚Rein, Em. Mojeftät‘, verfepte der Andere; ‚aber er
wünfcht eine Kuffin zu-beisathen, und bie Geiſtlichteit will die
She wicht einfoguen.‘ ‚Was da? fagte ber Kaifer, ‚er foll ohne
weiteres verheirathet werben: ich werde unverzüglich Befehl
giben.“ In fünf Minuten war bie Baifertiche Heiratbaerlaubniß
ausgefertigt. Alfo um 5 uhr Racmittags iſt die Ordre unter
wihnet, daß Here A. und Präutein B. ohne weiteres getraut
werden follen. Um 6 lhe befindet fich bie Order in den ven ·
den der betreffenden Wehöste. Sie gelangt in das erſte Bureau,
wo fie eingetragen und weiter erpebirt wis. Um 8 übe befin ⸗
‚det fie ſich an der naͤchſten Stelle. um 10 Uhr etwa ift fie der
V exreidn *
he F ——— * 2
—2
—E z @acke als villa ——
sig & Unvermeidliche An muß fie vers
Pr Ei Gepolter an feiner Hausthür. (Ehe
.. m erholt hat, ſteht ein bewaffneter
Peine Ser wie) 1a Maße Ci ui Tai an
‚Beine w fer. wi LT m: bi
Policeibiener halten ihn ſeſt. Cie Haben einen Befehl mil
ihn, ber ohne weiteres vollzogen werden muß. Mr.
will fig ankleiden, und während er ben Grazien opfert, fängt
der Officient an vorzulefen. Man benfe fid einen Wann, ber
mitten in ber Nacht aus dem Gchlafe aufgeflört if, der über
und über vor Furcht noch mehr als vor Kälte zittert, der auf
feinem Bettrande ſigt und langfam einen Strumpf anzieht, ine
dem er bie Zeit auszubehnen fucht, denn er erwartet nichts Anc
deres zu hören als bie Welanntmadung feiner Verbannung.
„Wir von Gottes Gnaben u. f. m.‘ Weich ein Erflaunen, als
er vernimmt, baß die Sentenz ein Heirathsconfens if. ‚Wie
denn?“ zuft Here &.; ‚jegt mitten in der Nacht?‘ ‚Ohne weiter
ges!“ antwortete ber Offlclant; ‚e6 if befoplen!‘ ‚Run wenn
befobten ift*, fagte Der A., ‚dann weiß ich fon.‘ Er z0g
in Eile an und folge der Police zur Wohnung feiner Braut.
Wie nun der zu Muthe war, wie ihr die Sache vorgebracht
wurde, ob fie ſchlief oder machte, das Alles iſt nicht befannt
geworden; genug, Herr A. und Bräulein 8. folgten der Policei
vo die —ã die and Pa ae in der Nacht
vollzogen. unten hatten ihre Pflicht gethan; %.
that die feinige, infoweit nämlich als er Ordre FR man
f&üttelte ſich allerfeits die Hände, ging nach Haufe und legte
fi wieder fchlafen.”
18 einen eigenthümliden und ziemlich durchgehenden
im polnifhen Volkscharakter führt ve — die Funde ass
dem Tode an, welche nur bei leidenfhaftlicher GErregung in
8* Beratung amfehägt. ie „eipiee aus feiner Pas
wund genug. „Biel m", fagt er, „ mie
gu Nathe, nicht wegen irgend eines beſtimmten Geidene Tondern
ledigiih um meine Meinung über ihre wahrſcheiniiche Lebens.
dauer zu vernehmen. An einem ſchoͤnen Abend faß ich auf einer
Bank auf der Galerie eines Landhauſes, als ein alter Herr von
60 Jahren mit feiner Pfeife zu mix trat, mic höflich grüßte
und ſich neben mir nieberließ. Die Gonne ſtand fdyon tief und
übergoß Alles mit der gelbrötplicen Herbſtfarbe, weiche in dies
fer Jahreszeit unter nördlichen Vreiten ihrem Lichte eigenthüms
ich if. Alles war ſtill. Wir waren Beide in Bebanfen ver-
funten ; teiner von uns ſprach ein Wort: ich glaubte, daß er
ähnliche Betrachtun⸗ Da
fidenz des Gras
fen N., dem in der That beinahe bie ganze Stadt gehörte. Gr
war Eürztid den Meg alles Fleiſches gegangen und war in ftie
nem Bett geftorben, das er feit vielen Jahren nicht verlaflen
XX
atte. Er bildete ſich naͤmlich ein, daß er länger leben wuͤrde,
Yen er. ftets im Wette bliebe. Er huͤtete alfo wirklich eine
Reihe von Jahren hindurch nicht nur fein Zimmer, fondern fein
Bett, und fein größter Troſt beftand darin, in ben Zeitungen
Radjrichten zu lefen über Perfonen, die durch Sturz mit dem
Pferde, ober durch das Umwerfen von RBagen, oder beim Bar
den, oder in Wolge von Überhigung bei körperlichen RR
gen u. f. m. umgelommen waren. Er lachte ins Faͤuſtchen,
wenn er folcye Dinge las, und wuͤnſchte ſich Gluͤck, daß er auf
folge Art nicht ums Leben kommen fönnte. Gr nahm Beſuche
an wie in frähern Zeiten feines Lebens, denn feine koͤrperliche
Befchwerde hat ihm zu dem Entſchluſſe gebracht, im Bette zu
$leiben. Ex las, fehrieb, fpeifte und kurz lebte in feinem Bett,
gewiß gemächlicher als Diogenes {n der Tonne Er war kein
Syniter, kein Sektirer, kein Philoſoph; man nannte ihn nur
den Grafen, ber immer im Bette liegt. Er war nur eine
Spielart der Gattung. Es widerfube ihm auch, daß er in
feinem Bette farb, gerade in dem Augenblid, als er am voll:
Sommenften von der Nichtigkeit feiner Berfahrungsart über:
yeugt war.”
An foldhen individuellen Schilderungen ift das Buch reich.
Sogleich die Schilderung des Fuͤrſten, welchem der Verf. in
Paris diente, liefert uns ein Original. Es ſoll hier nur ein
Zruchſtuͤck als Probe mitgetheilt werben, welches die Lebend-
ordnung dieſes Heren befchreibt. „Seine Beichäftigungen”‘, muß
ich fagen, „waren hoͤchſt trivial. Gr pflegte um 5 Uhr aufzu:
og feine Robe-de-chambre an und fegte fi) an ſei⸗
nen Tiſch in feinem Studirzimmer, wo er bis 10 oder 11 Uhr
faß. Während diefer ganzen Zeit war er damit befhäftigt, Skiz⸗
en auf einem Blatt Papier zu zeichnen, die Zipfel feines Tas
chentuche zu kauen und Schnupftaback zu nehmen. Gr war
fo vertieft in dieſe WBefchäftigungen, daß er kaum dom Zifche
auffah, bis er zum Brübftüd gerufen wurbe. Jetzt offenbarten
fi feine ſchiummernden Faͤhigkeiten, und er pflegte während
diefee ganzen Mahlzeit mit feinem maitre-d’hötel oder mit dem
Koch zu converfiren, wenn er Feine andere Geſellſchaft Hatte.
Indeſſen war er feiten genöthigt, zu ſolchem Mittel gu greifen,
denn ba fein Zifch des größten Kufs genoß, fo fehlte es ihm
nicht leicht an Gaͤſten in Geſtalt von Vettern ober Neffen oder
auch intimen Freunden. Diefes Fruͤhſtuͤck, welches gemeiniglich
eine Stunde wegnahm, genoß er regelmäßig in ber robe-de-
chambre; dann zog er fidy wieder in fein Cabinet zurüd und
verweilte bafelbft, bis es Zeit war, fich für die größern Pflichs
ten des Tags anzukleiden, Pflichten, wie fie ein Mann mit
yielem Gelb und ohne Anftelung in der zerftreuungsfüchtigften
Stadt Europas zu erfüllen hat. Eine Promenade mit ber der
zogin von X., oder ber Gräfin von Y., vielleicht eine Aufwar⸗
tung bei Hofe, ober nod) wahrfcheinticher gar nichts füllte bie
Zeit bis zur Mittagstafel aus. Wenn nicht die Zeit vor diefer
wichtigen Epoche feines Zages (denn für ihn la vie c’&tait le
dtner) völlig barauf gegangen war, ließ er fih rubig wieder
ausziehen und legte fich ins Bett, wo ex fo feft fchlief wie um
Mitternacht, bis ihm fein Kammerdiener meldete, daß es Zeit
zum Ankleiden wäre. Dann erwachte feine Einbildungstraft
und erging ſich in Wermuthungen über bie Beſchaffenheit der
Speiſen, die feiner warteten, bis er endlich neben der ſchoͤnen
Herzogin ſaß und ihr alle erdenklichen Artigkeiten ſagte, oder
einem roſtuchen Biſſen von einem Lieblingsgerichte ſchmeckte.
Dies war ſein Element: hier glaͤnzte er als ein Stern erſter
Groͤße am gaſtronomiſchen Firmament; aber was kann mehr zu
feinem Lobe in dieſer Hinſicht geſagt werben, als was einmal
fein eigener Koch über ihn ſagte, der die unterfchieblichen Ber:
dienfte feines Herrn herauäftrich und damit ſchloß, daß es eine
Luft wäre ihm zu dienen, denn, fagfe er, Monsieur le Prince
est essentiellement caisinier.”” Auch diefer Koch und bie ſon⸗
flige Dienerfchaft des Haufee wird in ergöglichen Genrebildchen
vom Verf. noch naͤher geſchildert. Doch werden die ausgehobe⸗
nen Stellen als Proben ſchon hinreichend fein. 18.
| Bemertung.
Die „Geſchichte der poetiſchen Nationalliteratur ber Deuts
fhen” von Gervinus ift fo rei) an Inhalt, hervorgegangen aus
fo umfaffender Beleſenheit und deren fleißiger Zufammenftellung,
begleitet von fo fcharfeindringendem Urtheil — gefeht auch, man
wolle dies nicht durchweg zu dem feinigen machen —, daß man
mit Bedauern geftehen muß, das Wert Iefe fi) dennoch etwas
mübfam und unerfreufich. Abgefehen von Cinmengung franzöfls
ſcher Worte, welche unfere meiften Schriftfteller nicht vornehm
genug abweifen, ſcheint der Hauptfehler in einem unbeadhteten
ober übelgewählten Zonfall (numerus) ber Rebe zu liegen, ten
vielleicht nur ein befonders geübtes Ohr allentparben bemerkt
und vermeidet. Schreibft bu recht Enapp und enge im Worts
gebrauch und Periodenbau, fo geht gefällige Bindung und Ber
fchmelzung der Gedanken und Ausbrüde verloren, was 3. B.
bei Tacitus gerügt werben fann, und was bie befte Wirkung
bervorbringt, wenn der Gchriftftellee bitter und böfe wird;
fehreibft du mit weiterer Dehnung und Zülle, fo entfleht leicht
die gutmüthige Schweifigkeit eines Wieland oder F. Nicolai,
und der geneigte Leſer wird verdrießlich. Überhaupt weiß ein
geneigter Leſer felten, wie viel Mühe es macht, ihm zu gefals
lien und angenehm lesbar gu fein. An Gervinus ift nun weder
übertriebene Kürze noch Weitfchweifigkeit zu tadeln, allein es
fehlt meiftens ein gewiffer muſikaliſcher Kortgang ber Sehe,
welcher bei anerkannten Gtitiften, wie Leſſing, Sturz, Gngel,
nie vermißt wird, und für die leichte Aneignung beB Gedankens
fo viel beiträgt. Jeder burchgebilbete Schriftſteller macht ſich
dafür etwas Eigenes fertig, gleichſam ein profaifdhes Versmaß,
und Goethe unter Andern hat ein ganz eigenthümtliches, ihm bes
quemes, oft an Manier ftreifendes; bei Männern wie Gervk
nus folte man vermutben, fie Hätten gar keins. Auf gut Gluͤck
hervorgehoben biene folgendes Beifpiel (2. Th., &. 199):
„Das hiſtoriſche Lied und die Iyrifche Kritik des öffentlichen
Lebens hatte, wie ich gelegentlich erwähnte, fchon feit ganz
früher Zeit feinen Beftand in Deutſchland, und hat unter ir
gend einer Geftalt wol immer eriftirt. Die Volksthuͤmlichkeit in
beiden war zur Beit ber ariſtokratiſchen Cultur geringer, wo
fi) da® eine mehr zur umfaflenden Reimchronit, die andere
in die Sirventes der Minefänger zog. Wenn aud vereinzelte
Erſcheinung, wie das Lieb von Freiburgs Bunde mit Bern
(1243), das die Babel auf das Gemeinweſen anwendet, wie
auch Boner in feinen Nutzanwendungen in anderer Art tet,
beweifen, daß auch das vollsmäßige poetiſche Lied nicht ganz
ausging, fo erfcheint es doch in Zeiten der generellen Bildung,
die ich bezeichnete, offenbar im Bintergrunde, und erfi im 14.
Jahrhundert tritt es in erhaltenen Documenten wieder hervor.”
Fremdes in eigenen Zonfall umzuftellen ift immer ein mis:
liche8 Unternehmen, dennoch würde meinem Gehör Alles beffer
lauten, wenn es etwa hieße:
„Diſtoriſches Lied und lyriſche Kritik des oͤffentlichen Lebens
waren, wie erwaͤhnt, ſchon ſeit fruͤhen Zeiten unter verſchiede⸗
ner Geſtaltung in Deutſchland ſtets vorhanden. Waͤhrend der
ariſtokratiſchen Cultur hatten beide mindere Volksthuͤmlichkeit;
jenes verlor ſich in die umfaſſendere Reimchronik, dieſe in die
Sirventes ber Mineſaͤnger. Einzelne Erſcheinungen, wie das
Lied von Freiburgs Bunde mit Bern (1243) — eine Anwen
dung der Fabel aufs Gemeinweſen, derjenigen von Boner ähn-
lich — beweiſen zwar, daß ein volksſmaͤßiges poetiſches Lied
nicht ganz verſchwand; allein in jenen angedeuteten Zeiten all⸗
gemeiner Bildung trat es in den Hintergrund, und erſchien erſt
im 14. Jahrhundert, laut erhaltener Schriftwerke, in felbflän-
diger Faſſung.“
Vieleicht auch in folcher Art will fi) das Vorgetragene
nicht ganz fügen, und nädert ſich faſt einer Überfegung, weit
gerade bei Überfegungen die größte Schwierigkeit darin befteht, den
Sinn des Gchreibenden aus feiner Sprache in den verfchiebenen
Tonfall einer andern bineinzuräden, ohne bad Zwang unb
Härten fich und geben.
Berantwortiicher Herausgeber: Heinrich Brockkhaus. — Druck und Verlag von F. X. Brockhaus in Leipzig.
SB
ter
für
„48
literariſche Unterhaltung.
Montag,
Erlebtes aud den Sahren 1813 — 20, von Wilhelm
Dorow. Zwei Bände. Leipzig, Hinrichs. 1849.
&r. 8. 2 Ahlr. 15 Nor.
Man bat es In unfern Tagen wol beffagt, daß Ber:
öffentlihungen von Denfwürdigkeiten und wichtigen Briefen
aus dem jegigen Jahrhundert gu lange von ihren Be:
figern zurkdgebatten worden find und daß diefelben mei:
fiens erſt erfheinen, wenn ihr Rebensreis erloſchen, ihre
Zeugen oder forfitgen Betheiligten hingeflorben find und
ihr Werth alfo nothwendig verringert worden if. Es
fol dies dann auch ein Grundfehler der Deutſchen fein,
man nennt ed Schuͤchternheit, Scheu vor dem Öffentlichen
Leben, Ängſtlichkeit vor Enrhäktung von Geheimniffen und
wie fonft die Phrafen lauten, die ein jüngeres Geſchlecht
jegt gar zu gern uͤber aͤltere Leute ausſpricht. Zur Wi⸗
derfegung derfelben ſcheint uns jegt nicht der Ort zu fein,
da wir den Geyenftand auch fonft in d. Bl. behandelt
und erklärt haben, daß jene edle Zurkdhaltung und
zarte Scheu Lob verdiene, die Das für morgen oder
übermorgen auffpart, defien Mittheilung ber gegenwärtige
Tag nicht geflattet, und dabei höhere Zwecke vor Augen
hat als blos den Journalismus mit Butter zu verforgen
oder die Meugierde zu fpeifen. Die Derausgabe der
Stein’fchen Briefe war ein merkwürdige Beifpiel diefer
UÜbereilung, durch das das Andenken des Miniſters von
Stein felbfi nicht gewonnen bat, während drei andere be:
deutende Zeitgenoffen, Arndt, Varnhagen von Enfe und
Steffens, richtig ihre Zeit erfahen und den Widerſtreit
entgegenftehender Maͤchte zu befiegen gewußt haben. Dies
find Buͤcher großer Lebensauffaſſung und reicher Welt:
anſchauung, wichtige Beiträge zur Zeitgefchichte, und —
was ja nicht zu Tiberfehen tft — zuverlaͤſſige Nachrichten,
ohne Verlegung von Perfonen (mo nur etwa Arndt's
ungerechter Haß gegen Varnhagen von Enfe eine Aus:
nahme machen fonnte) und ohne Aufhuͤllung von Heim:
lichkeiten, an denen bie Katſchfucht und die Kleinmeiſte⸗
zei ihre Freude hätten haben koͤnnen.
Unter den Männern nun, die nach und neben jenen
Koryphaͤen großen Eifer und entfchiedenen Muth gezeigt
haben, mit ihren Erinnerungen in das Licht der Offent⸗
lichkeit zu treten, muß der Verf. des vorliegenden Buchs
ganz befonder& genannt werden. Br. Dorow kann auf
ein bewegte® Beben vol awögebreiteter Weltanſchauungen
4 December 1843.
= —— ———l ge _ —
mn nn
zurückſehen. Fruͤhe Verbindung mit intereffanten Min:
nern und Frauen, wie mit Reinhard, Schlabrenderf, der
Srau von Krüdener, die Theilnahme an bem Feldzuge
der Fahre 1813 und 1814, die befondere Liebe, mit der
ihn der Fürſt Hardenberg beehrte, die anfehntiche Weihe
von Belannıfchaften mit ben erften Feldherren und Staats⸗
männern Preußens und einiger andern Staaten — Alles
dies hat ihn begünftige und er hat fich bei fo glüdlichen
Verbindungen reiche Tagebächer und Sammlungen von
Briefen und Handfchtiften anlegen Finnen. Aud biefen
find num felt einigen Jahren von ihm vier Bände mit
Facfimiles berühmter Dinner und Frauen, fünf Bände
Denkfchriften und Briefe, ein Band Reminiscenzen und
die Biographie des Kriegsminifters von Witzleben beraus-
gegeben worden, durch welche, namentlich durch die Briefe,
mancher Strich der Beitgefchichte beleuchtet, manche Luͤcke
und Rise ausgefüllt iſt. Erhob fi nun gleich bei Ver:
oͤffentlichung folcher Briefe hier und da Widerfprudy und
er(hien ein folder Vorgang Manchen nicht nachahmungs⸗
werth, fo fanden doch wiederum die Auswahl und die
Sorgfalt des Herausgebers meiſtens Anerkennung und
ließen den eigenen Mittheilungen des Hrn. Dorom mit
einer gewiſſen Spannung entgegenfehen. Solche empfan-
gen wir nun in dem vorliegenden Buche, das ber Haupt⸗
ſache nad und Im erften Bande Auszuͤge aus Hrn. Deo:
row's Tagebuͤchern in den J. 1813—20 enıhält. Nah
feiner eigenen Werficherung finden die Lefer hier erſtens
nur Selbſterlebtes, fogar in Stil und Farbe oft da vor
Fahren Niedergefchriebene, fte finden zweitens Unparteilich⸗
keit und Wahrheit. Hören wir ihn ſelbſt hieruͤber in
der Dorredo zum erften Bande:
Nur auf dringendes Anfuchen feiner Freunde konnte er (dev
Verf. fpricht faft immer von fi in der dritten Perfon) ſich zu
diefee Berdffenttihung entſchließen: er that es erft jetzt, nad
dem er mit jeder Art von Dienfieben abgeſchloſſen hat und
allein nur noch in ftiller Zuruͤckgezogenheit feinem Lebensende
entgegenfehend, Rebe und Antwort geben kann über manche
vielleicht dunkel ſcheinende Stellen bes Bude. Es konnte alfo
weder das Streben nach Amt und Wuͤrden noch auch Haß und
Abneigmg die Veranlaſſung werben, parteiiſch über Menſchen
und Verhättniffe gu urtheilen: um fo notbwenbiger ſcheint es,
diefe Umſtaͤnde weit bemerfii hervorzuheben, als Maͤnner, bie
der Geſchichte angehören, in den nachfolgenden Blaͤttern ſehr
ea lienen von der bisherigen Darftellung ihrer Charaktere ers
einen.
”
Verweilen wie gleich bei diefen Worten des Hm.
Dorow, fo gelten fie wol ganz vorzüglich von den Nach⸗
tichten über den Freiherrn von Stein. Daß ber Letztere
ein Dann des unbiegfamen Willms und des leidenſchaft⸗
lien Eifers geweſen ift, werben and, feine wärmften
Berehrer zugeben; was nun He. Dorom von feiner pers
ſoͤnlichen Begegnung mit dem Minifter erſt in Könige:
berg (I, 12), dann in Chaumont (I, 38) und zuletzt in
Miesbaden (1, 179) erzählt, zeigt allerdings von Rüd:
fichtötoftgkeit in Worten und Handlungen, wie fie in ges
wöhntichen Lebensvechäftniffen nicht entfhuldige werden
fan, aber zum Theil wol in aufgeregten Zeiten und
bei einem Manne, der ein Held im größten Sinne dee
Worts war, eine Art Blücher im Civilftande, wie ihn
Varnhagen von Enfe („Denkwuͤrdigkeiten“, V, 711) pal:
fend genannt hat. Damit möchten wir felbft die aller:
dings unfreundliche Begegnung in Chaumont entſchuldi⸗
gen, wo doch der Minifter nachher gegen Dorow ſeht zu:
vortommend fich zeigte. Ebenſo ift gewiß Stein’d Aus:
bleiben auf dem erften naflauifchen Landtage 1818 und
fein Benehmen gegen den Herzog von Naffau nicht eben
das feinfte geweſen, aber trog alles Unmuths, der darüber
im Rande herrſchte, würden wir doch jegt nach fo langen
Jahren jenes Geſchichtchen von Stein’s orientalifcher Ab:
fammung unterdrüdt haben und die Äußerungen des
Praͤſidenten Ibell über „den kleinen, buckligen Minifter,
‚dem man es an feinen feurigen Augen und großer Naſe
‚gleich anfieht, daß er farazenifhen Urſprungs it’ (S. 182).
Auch daß ihn Hardenberg einen „harten, unhoͤflichen
Mann” gegen Hrn. Dorow genannt und daß Graf und
Stäfin von der Golg ihn ale einen „ungenießbaren, hef⸗
‚tigen Dann’ mieden und von feinen Schimpfreden über
den Zürften Hardenberg nichts hören wollten, ift leicht
glaublih. Aber ganz neu war es und, daß Stein an
des Tafel Hardenberg's demfelben immer gefhmeichelt und
ibm den Hof gemacht habe wie einer Geliebten, und ba:
bei unesfhöpflih reich im Erzählen von. Iufligen und
fcherzhaften Anekdoten geweſen ſei (S. 39). Die Urtheile
über die Gentralverwaltung Stein’6 und über die 1814
herausgegebene Schrift Aber dieſelbe ſtimmen nicht mit
‚gleichzeitigen Berichten, 3. B. mit dem Varnhagen's von
Enfe, dee jegt wieder im fünften Bande feiner „ Dent:
würdigkeiten” gedruckt iſt, überein, und fo müflen wir
auch die Stelle: „Als der aͤußere Feind vernichtet war,
dämmerte in Stein die Hoffnung zur alten, guten Zeit
mit Knechten und Burgen gar fröhlih auf, und daher
wol die grenzenlofe Abneigung gegen den Zürften von
Hardenberg, der ben Geift der Zeit ganz anders begriffen
hatte”, der Beurtheilung der Lefer anheim geben. So
viel fcheint gewiß, daß Hr. Dorow den Minifter Stein
foft nur in ſchwachen Stunden gefehen hat, wo dem
Menſchen Menfchliches begegnet if.
Weit größer noch als hier tritt die Verſchiedenheit
der Urtbeile in demjenigen Stellen des Buchs heraus,
wo Hr. Dorow von dem bairifchen Grafen Reiſach
ſpricht. Bekanntlich fteht im zweiten Bande von Lang's
„Memoiren“ eine wahrhaft graufenerregende Sharakteriftit
bes Grafen Auguf von Reiſach, und man bat dem Ref.
wieberholt verfichert, daß fie ber Wahrheit ganz gemäß
ſei. Jetzt tritt nun Hr. Dorow als deſſen
auf, nennt den Ritter von Lang einen ſchlimmen Ber:
leumber (Vorrede zu Bd. 2) und ewökirt fih zur Auf:
hellung feiner Lebensverhaͤltniſſe ganz.befonder& befähigt,
da er von dem Augenblide der Anlangung des Grafen
in den preußifchen Staaten nidyt allein den Vortrag über
deſſen Anftellungsfache bei dem Staatskanzler hatte, fon-
dern auch im Beſitz aller der Briefe und Berfügungen
Hardenberg's iſt, welche über Reiſach nur das Vortheil⸗
baftefle enthalten. Hiernach leſen wir alfo (ll, 27—56)
eine Beleuchtung ber Wicekſamkelt des Legtern in Baiern,
Tirol und Vorarlberg, feiner Verfolgung in Baiern durdy
das mit Montgelas eingetretene Zerwuͤrfniß, feine An-
ſtellung als General: Landesrommifiar in den Laufitzen
1813 und 1814 und feiner Beichäftigung im Archivwe⸗
fen, erft in Minden und Muͤnſter, dann in Koblenz, bis
zum 53.1838, wo er unter Bezeigung volllommener Zu:
friedenheit in Ruheſtand verfege worden if. In dieſem
Berichte findet fid) au die Erwähnung des unangeneh⸗
men Vorfalls zwiſchen Reiſach und Stein im Haufe bes
Generals von Borftell zu Koblenz; am 24. Sept. 1829,
wo Stein mit der größten Heftigkeit erklärte, daß er nicht
bleiben würde, wenn ſich Reifach nicht entfernte, worauf
fiy dann endlich Reiſach zurüdjog. Er erhielt zwar
keine perfönlihe Genugthuung, aber die angefehenfen
Staatemänner Preußens fprachen fi für ihn aus, na
mentlich der Oberpräfident von Binde, der Freund des
Minifters, nannte Stein’s Benehmen in einem Schrei:
ben vom 13. Dec. 1829 ein „‚empdrendes” und fehte .
binzu, daß das Benehmen des Grafen Reiſach nur ber
Vorwurf einer zu großen Mäßigung gegen feinen Geg-
nes treffen koͤnnte, wobei er der fiebzehnjährigen Dienft-
führung des Grafen im preußifhen Staate das unde-
dingteſte Lob ertheilte.
Wir haben geglaubt, dieſe vielleicht nur unbedeutend
ſcheinende Angelegenheit nicht übergehen zu duͤrfen, da fie
die Schwierigkeit, ein feſtes, ſicheres Urtheil über Perſo⸗
nen der letztverfloſſenen Zeiten zu gewinnen, in ein ſehr
helles Licht ſezt. Auf der einen Seite Hardenberg, Vincke,
Peſtel, Ribbentropp, Hormayr, Dorow, Ingersleben, der
Erzherzog Johann von O ſtreich — alle für Reiſach, auf
der andern Seite gegen ihn Montgelas, Stein und Lang.
Alſo auf beiden Seiten berühmte Namen und rechtliche
Männer. Wo ift nun die Wahrheit?
Die hervorfiechendfte Figur in dem ganzen Buche ift
der Fuͤrſt Hardenberg, der zu Dorow eine faft vaͤterliche
Sefinnung hegte und in allen flaatemännifchen wie haus:
lichen Beziehungen feine licbenswärbige, großartig vor:
nehme und doc fo anziehende Perſoͤnlichkeit bethaͤtigt.
So fehen wir ihn in Chaumont, voll Freude über bie
Fortſchritte, welche die Cultur bei den Negern macht,
und im WWechfelgefpräd mit Humboldt, aber au vol
Verdruß über die Auſicht eines feiner Raͤthe, der fie
„ſchwatze Thiere“ nennt und meint, fie wären nur zu
Sklaven geboren. „So kann nur ein Dummkopf oder
and
ein ſchlechter Menſch Ippeden”, waren die Worte des
fonft fo milden Künfien, nit denen ex. heftig aufſtand
und bie Tafel verlieh (S. 41). Große Sanftmuth zeigte
er gegen Goͤrres und das „Pferdegetrappel feiner demagogi⸗
ſchen Sreiheitsfpradye”, um einen Ausdruck E. Muͤnch's
zu gebrauchen („Denkwürdigkeiten“, l, 436), als ihm dieſer
die berüchtigte koblenzer Adreſſe uͤberreichte und der uralt
geborene Edelmann dem revokutionnairen Profeſſor erwidern
mußte: „Ihre Foderungen find nicht zu erfüllen, wie
koͤnnen bem Abel jest nicht mehr die Rechte einräumen,
die Sie verlangen, die Zeiten find vorbei.’ Weiter lefen
wir bier, wie Goͤrres zur Tafel geladen in fchmusigen
Stiefeln und im Oberrod erfchlen (gerade wie Jahn in
feiner ganzen Turndeutfchheit auf dem Wiener Songreffe),
fi gegen Fürft und Zürftin, zwiſchen denen er faß, auf
die ungefchliffenfte Weile benahm, die Namen der bekann⸗
teften Beamten, namentlich Rother, auf die unerlaub;
tefte Weiſe verunftaltete, mit dem Füͤrſten ſehr leiſe
ſprach, wohlwiſſend, daß er ſchwerhoͤrig war, zur Fuͤrſtin
aber wie cin Fuhrknecht ſchrie u. dal. m. (S. 174).
In einer Anzahl der freundlichſten Privarbriefe an Hrn.
Dorow ſchtieb der Staatskanzler über fländifhe Verhaͤlt⸗
niſſe und gab ſich Muͤhe, die oͤffentliche Meinung und
die Anſichten uͤber Preußen zu berichtigen; in andern
ſuchte er berühmte Männer und geſchickte Publiciſten wie
Weigel aus Wiesbaden, für Bonn zu gewinnen, um
dort die „Rheiniſchen Blätter ohne Cenſur zu redigiren;
an Brandis', Seiler's und Schelling's Berufung an die
genannte Univerfität ward im J. 1818 gedacht. Auch
von der naͤchſten Umgebung und Familie des Zürften
wird manches Pilante erzählt, die Fuͤrſtin fehr gelobt,
Koreff's Einfluß als hoͤchſt verdrießlic dargeftelle*), und
ſehr beklagt, daß er den Schoͤll'ſchen Intriguen habe wei:
chen muͤſſen. Bon des Verf. vertrauter Stellung zeugt
aber ganz befondess das Schreiben vom 6. März 1820,
in dem der Staatskanzler dringend gebeten wird, auf An:
Hagen wie die des Kriegsraths Borbſtedt und dergleichen
Herren keinen Werth zu legen (&. 219). Die offene
Sprache diefes Briefs ehrt den Schreiber wie den Em:
pfänger. In jener Zeit unglüdlicher Verdaͤchtigung hatte
nämlich eine Denuncation gegen Den. Dorow flattge:
funden, und wie feft Hardenberg auch von deſſen Treue
und Patriotismus überzeugt war, fo konnte er doc nicht
umbin, denfelben duch ben Geheimrath Grano ganz im
Geheimen vernehmen zu laffen. Dies Verhoͤr har der
Perf. mit vieler Heiterkeit befchrieben, die fid) bei dem
Lefer noch durch den lächerlihen Ausgang der Unterfus
hung echöhen wird, Denn ein von Hm. Dorow im
Nov. 1818 gefchriebener Brief, worin er, um den Kriege:
rath von J., einen fehr übelberichtigten Mann, mit dem
er eine Geſchaͤftsreiſe in Polen machte, zu erfchreden, von
einer heimlichen Feme und einem Tribunal, das im
Berborgenen über Hohe und Miedere richte, gefchrieben
hatte, war in andere Hände gerathen und 1820 die Ver:
2) Die mit Ruhe und Unparteitichkeit verfaßte Schitderung
bei Steffens („Was ich erlebte”, VIII, 329-3353) gibt freilich
ein anderes Reſultat.
anlaffung zu einer Unterfuchung geworben. Wie ſchwer
e6 dem Staatskanzler fiel, eine ſolche zu verfügen, er aber
doch nicht im Stande war, andern Einflüff,a zu wider
ſtehen, zeigt der faſt im Zone der Entſchuldigung am
Dorow gefchriebene eigenhändige Brief (S. 207). Einen
weit angenehmern Eindruck macht Die herzliche Erinne⸗
rung der Bewohner von Anſpach und Baireuth an bie
Verwaltung des Fürſten Dardenberg (li, 88 fg.), wg
Dorom’s Nachrichten durchaus mit denen in den Lang’s
(hen Memoiren übereinftimmen.
Bei dem bewegten Leben, welches Hr. Dorow in den
genannten Jahren geführt bat, mußten ihm eine Menge
intereffanter Perfonen begegnen, und menn ihre Bilder
auch nicht mit der Feinheit und Menſchenkenntniß eines
Varnhagen von Enfe gezeichnet find, fo erfreut man fidy
body an den bekannten Beflalten und mancher neuen
Notiz. So kommen Niebuhr, Zuftus Gruner, v. Witz⸗
(eben, v. Müffling, Jordan, hell, der Alte von Gauting
(Baron Hallderg), 5. Schlegel u. X. vor, nebenbei wird
manche Scherzrede und Kriegsſcene erzählt, wie vom $ür:
ften Primas und einer fhönen Polin (1, 94) und aus
dem Kriege 1815 vom General Thielemann und dem
Major v. Natzmer — ein Beitrag zur Gefchichte buch:
ſtaͤblicher Auslegungen (S. 150 fg.).
(Die Jortſetzung folgt.)
Von G.
Preis
Bilder aus Spanien und der Fremdenlegion.
v. Roſen. I. Kiel, Buͤnſow. 1843. 8.
für zwei Bände 2 Thlr. 15 Nor.
Es ift dahin gekommen, daß felbft unermuͤdliche Beobachter
der politifchen Durchgänge den Zuftand Epantens in feinem ewi⸗
gen Bürgerkrieg — der mit dem Dreißigjährigen Kriege unferes
eignen Vaterlands viel Analogie darbietet — für hoffnungslos
zu erflären anfangen und ſich gleichgültig von einem Schaufpiel
abwenden, das die Eigenthuͤmlichkeit hat, in aller feiner Mans
nichfaltigkeit monoton zu werden. Gin Räthfe, das Niemand
zu löfen weiß, hat auch für Niemand ein Intereffe; eine Frage,
die immer wieder aufgeworfen wird, nahdem die Greigniffe fie
eben erft beantwortet haben, läßt uns am Ende gleihgültig und
wenn fie auch noch fo wichtig ift, und ein Kampf, bei dem je⸗
der Sieg nur Signal und Anfang eines neuen Kampfes ift, er:
tödtet zuteßt auch die Theilnahme des ZTheilnehmendften. Dies
ift der Fall mit dem fpanifchen Bürgerkriege, der, fo reich er
an Wechſeifaͤllen, Ihaten, unerwarteten Umſchwuͤngen und ins
tereffanten Epifoben auch ift, eben weit kein Ende abzufchen ifl,
weil Eein Biel fichtbar wird, wohin alle dieſe Umſchwuͤnge ſtre⸗
ben, kein Ruhepunkt für bie oscillivende Bewegung, kein Schluß⸗
facit, fein leztes Reſultat, auch für den ausdauernden Beobach⸗
tee endlich feine Bedeutung einbäßt. Wir fagen, es fei faft
dahin gekommen, inzwiſchen rechnen wir uns immer noch zu
Denen, die mit Begierde jedes Mittel ergreifen, um in biefem
Raͤthſel Boden zu gewinnen, jede Schrift, um darin wo möge
lich Andeutung, neues Materfal zur Urtheilsziebung, jeden Reiſe⸗
bericht in der ‚Hoffnung durchblättern, barin etwas zu entdecken,
bas uns das merkwürdige Problem beffer zu erfennen, vielleicht
loͤſen zu können bätfreich fei.
In diefer ſtets vergeblidhen und ſtets getäufchten Hoffnung:
öffneten wir auch bie eben angezeigte Schrift; allein unfere Taͤu⸗
fhung war biedmal gar eine doppelte. Nicht nur, daß wir
von dem Gefuchten nichts fanden, fo trafen wir audy nidjt ein:
mal auf eine intereffante Lecture. Der Verf. hat etwas erlebt,
das ift Alles; feine Betrachtung ber politifhen Vorgänge, an:
denen er Antheil nahm, ift die eines Feldwebels, und er erhebt
Piss
2“ nicht über die Erlebniſſe feines engen Gefiätötreifes. Was
Neiy und Sieb ber Fremidentegion vorgeht, erzählt er gut
und Übel; zu lernen haben wir wenig ober nichts von ihm.
Grein Buch nimmt eigentlich gar keinen Standpunkt ein; ‚nicht
einmal den militairiſchen, denn auch auf biefem bleibt ex über
diemaßen fubordinirt. Was uns allein aus biefer Schrift
klar wird, ift die entſetzliche Principientofigkeit, der fchauderhafte
WBanteimutb, die herzzerreißende Tyrannei, Blut» und Gewalt:
Liebe, mit einem Worte, vie gaͤnzliche Verrenkung und Zerbroͤ⸗
ckelung allex ſtaatlichen Macht, die Willkuͤr, die tiefe Desorga:
nifation und zulegt die Hoffnungsloſigkeit der politiſchen Zuftände
in Spanien. Dies Bild ift nicht erfreulich. Won allen ben
&lementen, die einen Staat bilden, zufammenhalten und tragen,
tft nichts in diefem Sande übrig geblieben als perfönlidde Ta⸗
pferkeit und ein gewiſſer Rationatftolz, in ſehr unverflänbiger
Unmendung. Sin gewiſſes Einheitegefuͤhl nad außen bin iſt
ſchlechthin das einzige Bindemittel, das letzte Element, an bas
fi die Doffnung ftaatliher Wiedergeburt Enüpfen kann. Und
dennoch — an einem Wolfe darf man nicht verzweifeln! Wie
fland es um Deutſchland im Jahre 18127 Gchien nicht jebe
Hoffnung ein Unding, jede Erhebung ein Frevel, jeder Gegen:
druck unmöglich? Zwiſchen dem Deutfchen und bem Spanier
herrſcht Familienverwandtſchaft; das gothiſche Blut ift auch jens
feit der Porenden das geſetzgebende; die Verwandtſchaft beider
Bölker zeigt fih auch in ihrer Zaͤhigkeit nationalen Bewußtſeins,
in ihrer Langlebigkeit als Volker. Hoffen wir alfo aud für
Spaxien. Es bedarf dort, dürft ung, weniger eines Cromwell
oder Napoleon, wie eines Stein, Hardenberg und Münfler; die
Gemuͤther reifen tro& des entgegenftehenden Scheins der Zeit
entgegen, wo bie Saat der Vernunft Boden und Wachsthum
finden wird. Spanien hat, fo glauben wir, Beine September:
tage, feine Robespierre und Marat nöthig, und wird fie
und ibre Schaffote entbebren können.
feine Gonſequenzmacher, die fuͤrchterlichſte Race der Tyrannen,
bie biutgierigften Söhne jeder ideal:politifchen Ummälzung. Spas
nien befigt feine Ideologen — das ift unfere Hoffnung für dies
Land. Es bat Feine Parteien aus fogenannter politiſcher Über:
zeugung, fendern nur aus Leidenſchaft und SIntereffe; die Lei⸗
denfchaftlichen verzehren fich ſchneil, die Intereffen taffen ſich
beſchwichtigen; es kommt nur darauf an, daß cin Geift fi
finde, der fie zu verfchmelzen verfteht. Überzeugungen aber,
Syſtemſucht find unbezwinglich. Gluͤcklicherweiſe befigt Spanien
keine Sieyes, unter allen die Ichlimmften Feinde des Völferfriedent,
feine Robespierre, die aus Zugendliebe und um ein in ihrem
Kopfe ſpukendes Staatsideal zu verwirflichen, die halbe Menſch⸗
heit köpfen möchten, feine Srommell, die der Geiſt trieb.
Doch wir ehren gu unfern „Bilbern aus Spanien’ zuruͤck,
weiche freilich für eine ſolche Betrachtung ber Dinge wenig Gtoff
Sarbieten. Der Verf. landet mit ber franzöfifchen Freindenlegion,
weiche Ludwig Philipp in Algier nicht mehr gebrauden konnte
und bie er daher großmüthig als Iegion auxiliaire feiner Bun:
desgenoffin Chriſtine von Spanien abtrat, 0— 71000 M. ſtark,
in Zarragona. Diele Truppe wird merfwürbdig, je näher man
fie Eennen lernt. Herzog Bernhard's von Weimar Gorps im
Dreißigjährigen Kriege mag ein ähnliches Heerweſen bargeftelit
haben wie fie. Geſindel aller Völker, Polen, Deutfche, Fran⸗
zofen, Itatiener, faft jeder mit feinem Paͤckchen Schuld verfehen,
die Deutichen aber in überwiegendsr Anzahl, bilden dieſe bunte
und ſchwer zu lenkende Waffe, der ein Gore, Bernelli, als Chef
vorfteht. Nef. ſah dieſes Corps ſpaͤter größtentheild im jam:
mervollſten Zuftande nah Frankreich und Deutſchland zuräd:
kehren und kann beflätigen, daß es eine feltfame Geſellſchaft
war. Der Verf. ſchildert uns nun auf ſeine Weiſe die lebhafte
Handelsſtadt Tarragona mit feiner gewerbfleißigen bluͤhenden
Umgebung, ben reichen Garten Cataloniens, den Haß feiner
Bewohner gegen bie Zrangofen, den Reiz feiner ſchwarzaͤugigen
Denn Spanien beſitzt
» \ An .
Brauen, bie und Weiſe ei iiiteiielte, bie
was dergi naßeliigesbe Dinge weile: Uns;-
ſonderbaren Gbarafteren feine Gommanbeuui
minder. angiehenden @ecnen des Krisgexiche
Diefen für die Erkenntniß der politiſchen Zuff
nicht viel Ausbeute gewonnen werde, baden
geſchickt; inzwiſchen tefen fi einzeine Gapitel
Theilnahme und wir koͤnnen mit bem jungen Unde
roffizier von
Herzen ſompathiſiren, wenn er uns feine Gefühle beſchteibt, als
er zum erſten Male zu einer militairifchen GErecution comman-
dirt in Satfernung von ſechs Schritten fein Gewehr auf ei:
nen unglüdliden Kameraden anzufdglagen hat. Der Feidzug
ſelbſt beginnt, Maͤrſche und Gontremärfche, meiſtras forcirt
unb außerorbentlich erfchöpfend, Biponacs und zur Erquickang
Quartiere in ausgeleerten Ktöftern, beren Zahl Region iſt, kleine
Grpebditio:en, die in den pompbaften Bulletins als Dauptfchlad;:
ten bargeftellt werden, und bei welchen e8 den Verf wenig zu
kuͤmmern ſcheint, gegen wen er eigentlich kämpft — denn er
beiehrt uns hieruͤber faft niemale —, Artigleiten und Scheime⸗
veien feiner Wirthe; bier und da eins Stadt ober Meturfchilde
‚rung (Lerida, Balaguer, Barbaftro), Eleine Abenteuer aller Art
u. dgl. mehr bilden den Inhalt des Bandes, ber, machdem Gurt:
gue und Los: Eroled aus dem Felde gefchlagen find, mit bem
triumphirenden Einzug in Vittoria endet. Zu einem fÜberblid
der Ereignifle fommt es nirgend, wir orientiren uns nicht in
ihnen, und flatt eines Bildes jenes feltfamen Kriege müffen
wir uns an keinen Bruchſtuͤcken genügen laffen. Vielleicht, daß
der nädhftfolgende Band etwas foftematifdher ausfält und meyı
Befriedigung gewährt. 8.
Notizen.
Englifde Sammelwuth.
Es ift auf dem Eontinent befannt, wie gierig die Englaͤuder
nad) allen Arten von Raritätenfram, unter Anderm nadı An:
denken an berühmte Perfonen find. In Bezug auf diefe Eigen:
heit unterlaffen die engiifhen Journale nicht, bei der Todesan⸗
zeige irgend eines namhaften Mannes die Sammilir aufmertfam
zu madıen, daß ihr Weigen blühe. „Diejenigen, welche ſich für
die morgenlänbifche Literatur intereffiren‘‘, fagt ba® „Alhenaeum”,
„werden mit Vergnügen erfahren, daß Dr. Gefenius geftorben
iſt.“ Nein, ehrlich geftanden, fagt das Journal nidgt woͤrttich
Dies, aber was es fagt, kommt doch genan auf Daſſelbe hinaus.
Es ſagt naͤmlich: „Diejenigen, weiche fi für bie orienkaliſche
Literatur interefficen, werden mit Bergnügen erfahren , das fid
ihnen eine G.legenheit darbietet, nicht nur ſchaͤßbare Werke über
biefelbe zn erwerben, fondern zugleich Andenken an einen ber
Väter orientaliſcher Sprachforſchung, Dr. deſſen Bi:
btiothef am 16. Ian. umb folgende Tage öffenttih verſteigert
werden wirb.”
Samuel Butler’s Denkmal.
Samuel Butler, der Berf. des „Hudibras”, war ber Sohn
eines Paͤchters im Kirchipiel Otrenfham in Worceſterſhire, und
wurde daſelbſt am 13. Yeb. 1612 geboren. Begraben liegt er
in ber St.⸗Paulskirche (Govent«Garben).- Aber ber Befiger
von StrenfhamsPark errichtet Ihm jest ein Denkmal in feinem
Geburtsort. Es iſt faft vollendet und befteht aus einer weißen
Marmortafel mit folgender Inſchrift: „This tablet was erected
to the memory of Samuel Butler, to transmit to future
that near this spot was bern a mind so celebrated. In
Westminster Abbey, amoag the poeis of England, his fame
is recorded. Here iu his native village, in vencration of
his talents and genius, this tribute to hie memory has been
erected by ‚he posseisor of the place of his birkh — Sohn
Taylor. 8 am.’ AB.
Berantwortliher Herausgeber: Heinrih Brokhaus. — Drud und Berlag von B. X. Breodbans in Beipzig.
Ir pure
Bırter
Ba et Be dt. a Ar . . n 427° a. 0. [u sans»
BE Ta
literarifthe liuachatri
D Dienflag,
Erlebtes aus ben Iahren 33 von Wilhelm
Dorom. Zwei B nbe.
(Wetfegung aus Nr. 86, )
Menden wir uns zu Hrn. Dorow’s Geihäften und
perföntichen Beforgungen, fo ehrt es Fhn ganz vorzüglich,
daß er, durch eine Verwundung in ber Schlacht bei Lichen
unfähig zum activen Kriegsbienfte, daffır den grauenhaf⸗
ten Krieg, der hinter der Armee in fchleichenber Geſtalt
ausbrach, nicht [heute und in bie Mitte der Vermunbe:
ten als freundlicher, entfhloffener Helfer getreten iſt.
Freiwillig bot er ſich der Central: Hofpitalverwaltung in |-
Frankfurt am Main, der Graf Solms: Laubach und ber
treffliche Generaldirector von Voß vorftanden, zur Über:
nahme einer Commiffioen und Inſpection der Lazaretbe
in Baden, Whrtemberg, Batern und in einem Theile der
Schweiz an. Im April 1814 trat er In Beglektung
des Dr. Merrem (jegt Geheimer Medicinalrath in RUN)
diefe Reife an.
Was nun aus Acten, Denkfchtiften und aus eigener
Anſchauung bier mitgerheift wird, hat man moch in kei⸗
nen Memoiren gelefen. Und dae eiſte davon iſt umer:
freulich, es zeigt ein Ubermaß von Roheit, Graufamkelt
und Egoismus und verdiente vollkommen von Hrn. Derom.
an das Licht geftellt zu werben als ein Warnungsſpiegel
für Lünftige Zelten. Denn man kann bie Thatſachen
nicht ohne Schaudern Iefen, tote zu Neudingen m Baden,
der Commandant des Lazareths, ein ruffifcher Hauptmann,
nie in die Ktankenzimmer dam, wie der amgeftellte Regi⸗
mentsatzt vom Motgen bis zum Abend betrunken war,
und wie der Stabsarzt allen Kranken entweder einen
Baldrfananfguß mit Opfum uber ein Chinabecoet ober
eine Auflöfung bittere Extracte reichen MB, Arme und,
Beine aber ntitteld eines Zirkeffiynttts abloͤſte, wobei die
Knochen meift aus den Wunden hervorragten. In Ks:
lau in Baden fand die Commiſſton eimen Arzt, dem ven;
feiner Regierung wegen Unfählgkeit die nebicinifche Praxis
unterfagt war (S. 58), und als in Willingen in Baben
das oͤſtreichiſche Lazareth zu Überfliit war, weigerte fich
bie wuͤrtembergiſche —— beharuikd, bie freiftchendtn
Locate in dem benachbarten Rottweil einzuräumen. ’ Deu
öftreichlfche Commandant fchickee enblich ohne weldered Ks
nen Transport von 300 Mann nach Rome. Bin
ließ aber bie Ungluͤcklichen nackt and bloß auf ber Seraße
nur den aͤußerſten M
auf ſtand der alte Koͤnig van ſeinem Begehren ah, die
Uegen, der Xransportführer mechte fich mit Gewalt r
Beſitz einiger Locate fegen. Eeſt nach einigen Tagen
ward nothduͤrftiges Stroh verabreicht, die Geraͤthe mußten
aus Villingen herbeigefchafft werben md ben -Gioikdeiten
Yerbot die wuͤrrtembergiſche Regierung auf das firengfie,
die Spitäler zu beſuchen, ja felbſt dem Oriksgeiſtlichen
wurde wnter Bedrohung mie Feſtungsſtrafe im Namen
des Konigs unterſagt, den Sterbenden den legten
hen Droſt zu velchen. Aber trotz dlefer Deohun
ber Furcht vor Anftedung erfchien ber wuͤrdige 2
der Kirche — warum bat Hr. Dorow feinen Namen
nicht genannt — doch bei Nacht in der Wohnung des
menſchlichen Elends (S. 64 fo.). Dieſe Beiſpiele md
zwar von Badifhen Lazarechen entnommen, aber ber Werf.
erklaͤrt ausdriiih am mehren Stellen, daß der Geh:
bergog von Baden und feine Regierung ſtets den ebeiften
Willen bezeigt, geholfen haben, wo fie nur konnten und
die Arkeger aller Nationen ohne Unterfchteb wie ihre Un⸗
terthanen anzufehen pflegten. Die Hoſpikaͤler in Man⸗
heim namentlich waren muſterhaft eingerichtet.
Dagegen weigerte man ſich in Wuͤrtemberg, two ba>
mals Friedrich I. mit despotiſcher Gewalt herrſchte, bush:
aus und beharrlich, die Eommilfion als ſolche anzuerken⸗
nen oder Ihe eine Beſichtigung ber Lazazethe zu geſtatken.
Man muß bei Hm. Dorow felbft die von Ihm auf ſcheift⸗
lichem Wege eingefhlagenen Maßregeln nachſehen, feine
Gorrefpandenz; mit dem würtembergifihen Kriegsmini⸗
fer, die in Anfpruch genommene Verwendung ber frem:
den Geſandten — Alles blieb vergebens, die Commilfion
mußte MWürtemberg unverrichteter Sach⸗ verlaſſen, hatte
aber wenigſtens die —— zu erfahren, daß die
obern Behoͤrden ben Lazaͤrethen eine größere Sorgfalt
wendeten und vlele Maͤngel abſtellten. Der Koͤnig *
war perfoͤnlich gegen Dorow erbittert. Als er ihn daher tm
ſtuttgarter Theater in der erſten Logenrelhe erblickte, Tieß
er ihn auffobern fi in ben zweiten Rang zu begeben,
da er nicht hof» und courfählg fel. Dorow behgrrte
indeß auf feinen Plage, ließ fich in feiner Eigenſchaft ats
Sommiffarius einer hohen Behörde und als preußiſcher
Offizier durch keine Drohung einfchlichteen und erklärte,
egeln weichen zu mollen. Hier⸗
ganze Scene aber (S. 85—87) liefert einen eu Be⸗
12117910
weiß zur Charakteriſtik dieſes Fuͤrſten, der 1809 die th:
binger Profeſſoren zwang, einen koͤniglichen Verweis fig:
hend anzuhören und dem Pfarrer Pahl in den derbſten
Ausdräden feine Unzufriedenheit ‚mit deſſen „MNatlonals,
At B den” Ind Mit feinen Arten inffache
Th: , „uierinkein Be ee nichts zu⸗ſuchen Habe”,
zu“ertennen geben ließ. ”)
In Baiern hatte die Commiſſion kein beſſeres Schick⸗
fo. Wo fie auf ihrer Reife bis München Lazarethe fe:
ben und beobachten konnte, geſchah dies auf das genaueſte
und fie mußte die traurige Erfahrung machen, daß die
bairiſchen Soldaten forgfältig gepflegt, alle übrigen Krie⸗
ger der verbündeten Mächte aber unverantwortlich ver.
nadhläffige wurden. Die Berichte hierüber wurden dem
Miniſter Montgelas zugeſendet, aber trotz Beobachtung
aller Formen und. Vorßchtsmaßregeln erhielt die Com:
miſſion keinen Befcheid, ihre Zulaffung zu den Lazarethen
hetseffend-, ſondern der bairiſche Civilcommiſſar in Re:
burg ward angewiefen, der Commiſſion zu erklären,
daß die bairifche Regierung die „angeblichen“ Commiſſare
‚der „fogenausten’’ Sentralverwaltung nicht anerkenne.
In Münden, fuchte hierauf die Sommiffion Genugthuung
für sine fo widerrechtliche Behandlung, zuerſt vergeblich.
auf ſchriftichem Wege, dann in einer mündlichen Unter:
zedung mit dem Mimiſter Montgelas, zu der aber Hr.
‚Dogs nur ale preußifcher Offizier, nit als Commiſ⸗
far der Gentralverwaltung gelangen konnte. Dieſe drei:
ſtuͤndige Audienz, über die Hr. Dorow auf mehren Sei:
ten berichtet hat, ift in mehrer Hinſicht intereffant und
befonder& jegt, wo bie Aufmerkſamkeit durch die Lang’:
:fehen „Memoiren‘’ wieder auf den Minifter Montgelas
geleitet iſt. He. Dorom benahm fich bei ben nicht im:
mer würdigen Ausfällen des Minifters auf Hardenberg,
Solms⸗-Laubach und mehre preußifhe Beamte mürbig
‚und feſt, ſodaß er für ſich vollkommene Genugthuung
und Zuruͤcknahme des obigen, beleidigenden Befehle er⸗
hielt. Unwillkuͤrlich wird man ſich bier an die Worte
des Schiller'ſchen Wallınflein über den Schweden Wran⸗
gel erinnern:
Wohl wählte ſich ber Kanzler ſeinen Mann,
Er haͤtte keinen zaͤhern ſchicken koͤnnen.
Aber die Zulaſſung der Commiſſion zur Beſichtigung der
Lazarethe bewilligte Montgelas nicht und ließ deutlich
‚merken, daB er andere Zwecke als die genannten von
Doxow und Merrem befürchte. |
‚wiffen, meint ber Verf,, und ber Mangel an Treue ge:
gen bie deutſche Sache, die duch die unbedeutenditen
„Dinge und durch den entfernten Schein. aufgefchredt,
“wurden (8. 102). Jedenfalls hatte aber die Commiſſion
fi) des belohnenden Refultats zu erfreuen, daß Montge⸗
las fofort Unterfuhungen anorbnete und daß den Laza-.
.sethen fortan bie ‚größte Sorgfalt gefchenkt wurde.
„. In den norbbeutfchen Staaten zeigte fich dee Herzog
von Braunſchweig ſehr willig feiner Pflicht als deutſcher.
V VDies bezeugt v. Dreſch in feiner Kortfegung ber Schmidt'⸗
chen: / Goſchichte Son Deutihland‘! :{I, 313), und Pahl in ſtinen
— entwindigteiten (G. HP. W I IE N E
1
211 .
\ 1
Füͤrſt treu zu fein, das
-flertum in Hanever aber Curiaiſtit
es ab, fich ber Centralverwaltung anzuſchließen. Die klaͤg⸗
lichſten Fee A
dern.
Es war das böfe Ges |
ten die Hanſeſtaͤdte an und
mußten 86
innert weiben, De 1 baethen ee
falen und am Niederrhein im Ganzen zu loben, nament:
lich zeichnete fi die Stadt Bremen aus. Hr. Dorem
bat Überhaupt gern alle Lichtpunfte in dem traurigen Ge:
maͤlde herausgehoben und Männer, wie Jung in Man:
beine, Ullmann in Marburg, Rudolph in Frankfurt u. A.
welche ſich um die Lazarethe große Verdienfte erworben
haben, namentlich) ausgezeihne. Er felbft machte bie
Ergebniffe feiner Reifen und Erfahrungen in mehren
Druckſchriften und im „Rheiniihen Mercur“ bekannt;
einige dieſer Briefe find im zweiten Bande abgedrudt,
welche befonders „die Schredien einer ruchlofen, elenden
und von der Regierung verlaffenen Hoſpitalverwaltung
in den naffauifhen Hoſpitaͤlern“ im Frühjahr 1814 ſchil⸗
Diefe Lazarethe, heißt ed, wären wahre Peſthoͤh⸗
len, nirgend wären die Kranken unmenſchlicherweiſe mehr
verwahrloft, eine blutige Schlacht hätte dem preußifchen
Heere wenige Menſchen gekoſtet als bie unbrüberlicye,
an Krankenpflege in den nafjauifhen Landen
©. 82),
Nah dem :Ausbruche des Kriegs 1815 widmete ſich
Hr. Dorow fortwährend dem Militaie: Lazarethwefen und
blieb bis in ben Auguft bei ber Gentrafverwaltung ber
‚Hofpitäter, mo bie Geſchaͤfte derfelben aufgelöft wurden.
Vom Nov. dieſes Jahrs bis in ben Sommer 1817 if
eine Luͤcke in feiner Lebensgefchichte, die erſt fpdter aus:
gefüllt werden fol. Er beginnt die Fortfegung von der
Zeit an, wo ihn feine Krankheit zu den Heilguelien in
Wiesbaden geführt hatte. Dort leitete ex die im Naffauifchen
begonnenen Ausgrabungen roͤmiſcher Alterthuͤmer, war
literariſch befchäftige und wurde wm Staatölanzler Dar:
denberg zu verfchiebenen Aufträgen gebraucht, deren zum Theil
ſchon oben gedacht iſt. Vieles wurde begonnen, was aber
‚nachher unterblieben iſt, es war jene Zeit heimlicher Des
nundationen ‚und trauriger Verhaftungen. Dr. Deorow
aber langte im Anfange des J. 1820 in Bonn an, um
einen neuen, für ihn durch Hardenberg gefchaffenen Wir-
kungskreis als Director dar Verwaltung für Alterthums⸗
tunde . in den rheinifdpweftfälifchen Provinzen anzutreten.
Unter den Kinzefbeiten dieſes exften Bandes glau⸗
ben wie noch auf die Mittheilungen uber das ruffi:
fhe Generalgouvernement in Sacfen 1813 unb die
‚Spannung, in welcher baffelbe mit preußifchen Behörden
lebte, ſowie auf die Urtheile über einzelne in Sachen be-
‚beutende Dännss, als Gerber, Dppel, Miltig aufmerkfam
machen zu müffen (©. 30—36),.
Allerdings tragen dieſe
Erinnerungen dig Farbe ber Zeit und da jetzt Vieles bef-
ſex it als. damals, fo hat. auch Hr. Dorow Manches
‚muterdzücdt. Aber ſchen Das, was bier ficht, verbunden
mie ben. ruhigen Bemerkungen, die wir forben in Stef:
fent Buche „Was ih lebte” (VU, 124 fg.) finden,
daef nicht hei qquur Darftellung. jener Zeit unberückſichtigt
nme ee — —————— — — — — — — a
WER: ana Men.
DIA: au
dert iſtꝛ Das erteeidige. 2
Goa! (S. 36) WR man: mar Jarereſfei
meint in’ diefen, iin Der 1914 geſchriebenen
ter Anderm, man folle für jeden Preußen, der |
angefielis wicht, uwei Sachſen in bie Hunter. dax dltern Novin⸗
‚gun eintreten" taffen. ‚Daranf if zu erwöterm, daß uam. leicht,
eine große Anzahl thchtigee Naͤnner aus Dem. i
Sachſen nennen koͤnnte, die von preußifcher Seite nicht
blos in allen Faͤchern des Staatsdienites anſtellt, ſondern
auch bis zu deu böchflen Ämtern befördert worden find.
Wo nur guter Witte ſich zeigte, iſt die preußifche Regie⸗
zung fehe gern entgegenlommen and hat das Talent und
die Dienfktreue nach Verdienſt geehrt. Aber Viele wollten
gar nicht in die diteen Provinzen übergehen.
Bon den Documenten und Actenſtuͤcken bes zweiten
Bandes find die Über Reiſach und Über die Centralver⸗
waltung der Hofpitäler bereitd namhaft gemacht. Außer
ihnen finden fi noch:
1) Ein von Hrn. Dorow und Theodor Körner entwor⸗
fener ‚‚Beriche Über. dem Überfall des Luͤtzow'ſchen Corps
bei Kigen am 17. Zuni 1813, der fhon um der Per⸗
ſoͤnlichkeit Koͤrner's willen intereffant iſt, noch mehr aber
weit bei der nur oberflächlichen Behandlung jener Frevel⸗
that in Eifelen’s „‚Sefchichte des Freicorps“ die Schilde:
rung eines Augenzeugen von befonderm Werthe fein muß.
Daher hat fie auch der Verf. „mit allen ihren Schroff:
heiten und Haͤrten“ abdruden laffen.
2) „Polen unter Friedrich U. und Friedrich Wil⸗
beim I1.”, von demfelben Kriegsrath von J., mit dem
Hr. Dorow feine Gefchäftsreife in Polen gemacht hatte.
Hardenberg urtheilte über diefen Auffag im Nov. 1816:
Trotz vieler Härten, feindfeliger und unwahrer Angaben
ift derſelbe doch ein glorreiches Beiſpiel unferer jehigen Herwal⸗
tung und ber Srunbfäge, nad) wei bie Regierung jet hans
deit, und deshalb verbiente er als ein zurechtweiſendes Veiſpiel
für die ſtets unzufriedenen Schreier über Alles, was bei uns
gefchieht, nicht verloren zu geben.
3) „Die beabfichtigte Ermorbung des Könige Friedrich.
Wilhelm's III. duch den Galatravaritter von Sahla In
Mien 1814.” Über diefe beabfichtigte Greuelthat waren
zwar allerlei dunkle Gerüchte verbreitet, aber Hr. Dorow
ift der Erſte, der dieſelben aus der eigenhändigen Dand:
fhrift des Grafen von Roß berichtigt und durch mehre
Briefe Hardenberg's ergänzt bat. Es iſt dies berfelbe
Baron von Sahla, von dem Bonrrienne („Memoiren“,
VIIL, 234) Hat druden laflen, er ſei vom Miniſter Stein
zur Ermordung des Strafen Montgelas aufgefodert wor⸗
den,. woruͤber ſich der Exflere in der ,, Allgemeinen Zei:
tung” (1829, Nr. 341) auf wuͤrdevolle Weiſe ausſprach,
und der der Kaiſer Napoleon während der Hundert Tage
mit Knaufilber in bie Luft fprengen weilte, ſich ſelbſt
aber Babei auf das jaͤmmerlichſte verfiämmelte und im
Herbfle 1815 in einem parifer Hoſpital geflorben if
(Dorop, 1, 160). Den König von Preußen wollte er
ertworkend 2 Worth ein heit feines fächfifchen Vaterlandes an
—Prenpem abgetreten werben. follte, Graf Roß aber wußte
— — 0
— Hann da a ——
|
vorntaligen; I _
? el J
ſinen; Miteldeit: zufagien, dahin zu bingen, *
Guunwort gab, Berm Könige nicht: nach Dani‘ Leben trach⸗
„uns. | ten zw’ woten. Hardenderg dewies dem Brafen hieckwr
Sachen: | die groͤßte Dankbarkeit; ob der Mordanſchlag dem Körtige
bekannt geworden ift, erwähnt Hr. Dorom, nicht. n
on , (Da Beisiuf folgt.) W RER 4
"Einige Oden des Horaz in humoriſtiſchem Gewande;
grammatiſch, kritiſch, hiſtoriſch und philoſophiſch erlaͤu⸗
tet von Carlo des Re. Erſtes Heft. Berlin,
Springer. 1843. 8, 7% Nor. 1—
In Berlin gehört es zu den Tagesfragen, bie aufé Tebhafı
tefte biecutirt werden: „Lateiniſch und Briechifch, oder nur eins
— oder gar feine.” Die Überzeugung, daß das Studium ber
Iebenden Sprachen nüglicher fet als das ber tobten greift ber
beutenb um fi, und bei dem Borherrſchen des Nuͤtzlichkeits⸗
princips und des materiellen Intereflen iſt das ganz begreifiidh.
Indeß, da unfere moderne Bildung in einem organifdden Bus
fammenhange mit der Claſſicitaͤt des Alterthums ftebt, fo laͤßt
ſich die angeregte Frage nicht fo leicht erledigen. Wenn. bie
Gelehrten fich indolent gegen die Frage und ben es
regten Streit zeigen, fo beweift Das Mangel an Einficht in die
Berhältniffe und Koderungen der Begenwart. So wenig uns
Männer, die mit philologiſcher Gelehrſamkeit ſackvoll geftopft
find, delfen können, fo wenig würben wie wuͤnſchen, baß bie
Gediegenpeit deutfcher Bildung fich in die Oberflaͤchlichkeit hohl⸗
koͤpſiger Mobdernität verlöre; eine Vermittetung muß fidy finden
laffen. Wir haben bie Überzeugung, daß bas beutfcye Volk auch
ohne den Zufammenhang mit den Römern, alfo ohne die elaffi=
ſche Bildung, bie wir von ihnen befommen haben, gluͤcktich fich
würde entwidelt haben; ja, wir haben es fchon oft ausgeſpro⸗
den, es würbe ſich viel freier, viel gefünder, viel fel iger
entwidelt haben. Jetzt aber, wo die Elemente jener uns ars
ſpruͤnglich fremden Biidung fo tief in unfer beutfches Leben ein⸗
gedrungen find, ift gar nicht abzufehen, ob wir uns derſelben
noch wieder entäußern koͤnnen. Wenn wir aber in Deutſchland
weder Griechiſch noch Lateinifch mehr lernen wollen, fo thun
wir einen Schritt dazu.
Das vorliegende Bud ift offenbar eine Satire auf die Ins
terpreten und @tloffatoren ber alten Staffifer, auf die Manu⸗
feriptenjäger und Variantenſammler, auf die ganze Legion jener
verfteiften und vertrockneten Philologen, bie aus ihren Staffitern
— wer weiß Alleb, was? herausquetſchen. Indeß dieſe Sorte
von Leuten ſtirbt Thon nad) und nach aus; unfere mebernen
Phitologen würden von ben alten Stockphilologen, wie man fie
nennt, vielleicht gar nicht für ebenbärtig anerfannt werben.
Der Verf. diefes ‚Deftes ſchlaͤgt eigentlich den todten Eſel noch
einmal tobt. Biel geiftreiher war Friedrich Wagenfeld's Ga:
tire, der vor einigen Jahren mit feinen eigenen Probuctionen,
die er für ciaffiiche Werke audgab, die Philologen, Interpreten
und Hiſtoriker foppte. Der Berf. ded Worliegenden behanbelt
den Horaz, ald wenn er maccaroniſches Latein geſchrieben hätte,
und führt einen Schuͤter und einen Hofmeiſter eim, weiche: bie
' Open erfiären. Das will num Bef. gar nicht gefallen, daß der
Schuͤler der Dummkopf iſt, dem der Lehrer vorinterpretist ;
unferm Decennium, wo jeder Gchüter feinen Lehrer tsitifiet,
-bätten diefe Sombinationen auch dem Schüler In den Mund
gelegt werden follen. Um einen Begriff von "der Manier des
Hrn. Verf. zu geben, legen wir dem Leſer bie erſten Worte der
erfien Ode, im erften Bud, vor:
Maeoenas, atavis edite regibus! Diefe Worte werben
verbrebt in Mecoenas, at avis ot ite regi bus, und. ber Hof⸗
meifter belehrt feinen Schauͤler ungefähr in folgender. Welle:
Der Dichter ſchlldert eine Berfammlung, Unjufihene, weiße |
vetathſchiagen, auf welche Weiſe fle der hoͤchſten Gewal
entledigen wollen. Mit dem Schluß der Berathung betiant bie
ft: Die. Mecsenhs ift Rame bes Pokfkenten der Barfemm-
Ihe , unb heißt auf. Deutſch, fo viel wie Frißmich; nad bem
te Mecoenas iſt ansögelaffen inquit, alfo Hr. Präftdent
Frißmich fügt: at avis, daB heißt: aber dee Wogel, naͤmtlch ber
Juiuk, oder wie wir im Deutſchen fagen: aber yanı Kukuk;
et ftebt für etiam und erfien Komma, welches
wehözt yum |
nun in Deuti& heißt: Hr. Präfldent Frißmich fagt: Aber zum
Kukuk audi Ite regi fleht für ite ad regem, geht zum Kö-
nig, nämlich mit euren Klagen und Bittſchriften; bus iſt eine
contrahirte, dem Sriechiſchen nachgebildete FJorm für boves,
woraus bods und büs ebenfo gebilbet find, wie dem aus deo-
zum; alfo bus beißt Dchfen, ihr Ochſen. Demnach: ‚„Mecoc-
nas at avis et ite regi bus”, heißt: Der Präfivent Frißmich
t: ber zum Kukuk au; geht zum König mit euren Bitt⸗
Schriften, ihr Ochſen.
In biefer Manier führt der Hr. Verf, feine Arbeit durch;
wir glauben, daß der Witz geſucht und gezwungen iſt; bazu
kommt, daß Moͤnche und Scholaſtiker im Mittelalter Sinnrei:
cheres geliefert haben.
Das Heften enthält Odarum Iib. I, I, v. 1—6, unb
verheißt eine Fortfegung; wir hoffen aber, daß diefe Verheißung
nicht in Erfüllung gebt. 2,
Literarifhe Notizen aus Frankreich.
Reue Schriften über Agricultur.
Michel Chevalier ftellt es in feinen trefflichen Vorleſungen
über Nationaloͤkonomie als eine anerkannte Thatſache hin, daß
kreich, was Aderbau betrifft, fi) von den übrigen Staaten
weit hat überflügein laſſen. Trotz feines fruchtbaren Bodens
unb troß des vortheithaften Klimas, das ihm zu flatten kommt,
hat Yiefes Land nämtich noch unermeßtihe Gtreden, die fait
ganz und gar brach Liegen ober wenigfiens nicht fo benugt
werben, wie ihre Bebauung am ergiebigften iR. Indeſſen fcheint
es doch, als wolite ſich jegt bie franzoͤſiſche Agricuttur aus
ihrer kethargie aufraffen. Man fängt vorläufig wentgften® an,
Vie Sache tbieoretifch ind Auge zu falten. Es iſt ganz unglaub⸗
u, wie viele Schriften in ber legten Zeit über die Agricultur
in Frankreich erfchienen find. Jedenfalls fann dies als ein Ba:
zometer betrachtet werden, was darauf deutet, daß ſich das In⸗
tereſſe an biefem wichtigen heile der praktiſchen Wiflenfchaften
in Frankreich bebeutend gefteigert hat. Wenn wir bier einige
von den Werten, die in dieſes Fach einſchlagen, zufammenfteiten,
: fo ®önnen wie uns nur auf ſolche befchränten, die auch, für
das Ausland Bedcutung haben. Zunaͤchſt verdient hier bie
Kortfegung einer wichtigen periodiſchen Schrift erwähnt zu werden,
die wenigſtens unfern theoretiſch geblideten Landwirthen mol
ſchon bekannt fein wird. Wir verfiehen darunter bie „Annales
de l’sgriouitare frangnise”. Diele reichhaltige Zeitſchrift ift
jegt bereits beim 46, Zahrgangeangelangt. Außer einer Menge
der verſchiedenartigſten Auffäge enthält fie namentiidy ein aus⸗
fahrtiches Bulletin der Königligen Gefellſchaft für Agricultur in |
Frankreich, die es ſich zur befondern Aufgabe gemacht hat, auch
die FJortſchritte ver Wiſſenſchaft im Austanbe und Zwar ganz
befonwes in Deutſchland zu verfotgen. Bon den Werken Ein:
zeiner wollen wir vor Allem bie „Meweires. d’agräcultore‘
(3 Be.) von A. de Gasparin anführen, ber fi um bie Wer:
Yeelfang einer vernunftgemäßen Agricultur in Frankreich bie wes
ſentlichſten Berdienſte ermorben hat. Noch vor kurzem bat dieſer
Schriftſteller, der zugleich Oeputirter ift und mehre hohe Staats:
ämter dekleidet — er iſt, wenn wir nicht irren, Praͤfect oder
es wenigſtens geweſen — in der „Revue des deux mondes“
einen liberblict uber den jaͤmmerlichen Stand bes Aderbaus in
Frankreich gegeben, ber gewiß vorzuͤglich mit dazu beigetragen
t, bie Xufmerffamlett ber Meg des
—— gu Linfen. Eee Mech Be
TE m ea (hei —emwA o r rre
RN a nn
erben Merurtbeilen Iotusifen. d zu Beraͤn ——
neuen Berſuchen verſtehen koͤnnen. angeſchwollen
iſt die diteratur der Seidencultut. e_erinänen von den
Werten, bie —— haben, nur zwei Beisfiheiften,
wet ee * Fr m ehe
er | bie® i
societ6 söricola”, Die feit 1837 erfcheinen, und ber „„
teur de Findustrie de Ia soie en Fratice“, ats deffi
teuer Amans» Garrier genannt wird. Wir führen Bief:
fügen Schriſten Gier nur an, weil Ihr Sahalt wenigſtens
mit ber eigentlicyen Agriculture in Besbindung ı Die Werte
deutſcher Gelehrten gelten im Gebiete ber Ackerbaukunde beſon⸗
ders für Autoritäten. Die Zahl der Überfegungen deutſcher
Werke über Agricultur ift fehr gruß. Mir erwähnen davon nar
eine recht gute Bearbeitung eiter befannten Schrift yon Schwer;
ung rührt vom Deputisten Schauenburg her. Zu
den wichtigften Werken indeffen, bie-über bie Agricultur exfchienen
find, gehört unflreitig das Traité theoretique et pratique de
l’irrigation” von Nadault be Buffon, von dem kürzlich ber crfte
Theil die Preffe verlaffen hat. Wir beeiien uns um fo mehr,
dieſes Wert gur Öffentlichen Kenntniß in b zu bringen,
da es, wie ber Titel ſchon fagt, eimen Gegenſtand betrifft, der
gerade jetzt worzüglich in Preußen vielfache Erdrterungen hervor:
gerufen hat. Auch in Frankreich iſt diefe wichtige Frage neuer:
dings in Anregung gelommen. So hat unter Anderm v. Ange
ville in der Deputirtenfammer bad italieniſche Riefelungsfoften
zur Sprache gebracht. Die Reglerung hat die Wichtigkeit dieſer
Bewäfjerungsanftaiten eingeieben, und es find deshalb in den
legten Jahren verſchiedene Agriculturiften nach Ztalien ge:
ſchickt, um die dortigen Anlagen an Ort und Stelle zu fludiren.
Die Schrift von Nadault iſt ein Groebniß diefer Linterfu
dungen, bie don einenr jungen Gelehrten, der ſich vor kurzen
nach Florenz begeben bat, noch weiter foztgefegt werben fodlen.
Franzoͤſiſche Überfegung von Sellinis Memoiren,
Wir haben in d. Bl. einer trefflichen Bearbeitung bes be:
kannten kunſthiſtoriſchen Werks von Wafari gedacht. Der über:
feger deſſelben hat fich gegenwärtig am ein anderes italienifches
Wert gemadit, das außer dem artiſtiſchen Imtereffe auch
großen flitiſtiſchen Werth Hat, und me es bem Bearbeiter nicht
genügen burfte,. nur ben etwanigen Sinn wieberzugeben. Mir
meinen bie inhaltöreichen Denkw keiten von Benvenuto
Gellini, die in unferer Literatur durch die meifterhafte über:
tragung Goethe's eingebürgert find. Ldopord Leclanchk bat aud
Fa „item neuen Werte fein ausgezeichnetes Überfegertaient
hrt. 2.
9—
Ri
Literarifhe Anzeige
Bon bem forben in Bonbon nen erfhienenen Werke:
History of the conquest of Mexico,
with a preliminary view of ihe ancient mexican civi-
lization, and the life of the congueror, Hernando Corte».
By William H, Proscot.
wird in meinem Berlage eine deutſche überſegung durch be
Überfeger von des Werfaflers „„Befchichte Ferbinands aan
bella's‘ erſcheinen.
Eeipzig, am 21. November 1843.
Verantwortlicher Herausgeber: Heünrih Brodhaus. — Drud und Verlag von F. 4. Brodyaus in Leipzig.
—.u—.——unmn — — — ——
7 DD un mr v
Blätter
literarifche
[dr
Unterhaltung.
Mittwoch,
Dorow. Zwei Baͤnde.
(Beſchluß aus Nr. 338.)
4) „Napoleon in Erfurt und in Mainz.’ Diefe
Sconen aus ber Zeit des Waffenfliliftandes 1813 und
nach der Schacht bei Leipzig find aus ben Papie⸗
em des erfurter Kammerpräfldenten von Retſch ent:
nommen, der zweimal an ber Spige einer an ben Kai⸗
fer abgefendeten erfurter Deputation fland. Es ift in der
That der Bewunderung werth, wie ſich Napoleon im
Gedränge der größten Staatsangelegenheiten mit folder
Genauigkeit um die Noth des erfurter Landes befümmern
£onnte, und ebenfo lobenswerth, daß er die Erfurter vor
empoͤrender Mishandlung von Selten feiner Generale und
Intendanten ſichergeſtelt wiſſen wollte. Freilich hätte
das Mittel, welches auf des Kaiſers Befehl der mainzer
Praͤfect Jean Bon St.-André der Deputation an die
Hand geben mußte, wol ſchwerlich ein deutſcher Beamter
wagen duͤrfen; es zeigt ader zugleich, wie feſt und ſicher
ein franzoͤſiſcher Präfect gegen Marſchaͤlle und hohe Offi⸗
ziere auftreten durfte und durchaus keine Bevorzugung
des Militairs in ſolchen Angelegenheiten zu fürchten hatte.
Das Mittel ſelbſt iſt ziemlich cyniſch: denn der Präfeet
Dem Marſchall zum Schur und Graus
Gtredte feinen — zum Bette 'naus. ,
um Gotter’s Worte aus feiner Epiftel an Goethe nad)
Überfendung des „Goͤtz von Berlichingen’ (Werke,
XLVI, 68) mit geringer Abänderung zu gebrauchen.
5) „Eine Anzahl Briefe Joh. Weitzel's an Do:
cow aus dem J. 1820.” Gie beziehen ſich vorzugsmeife
auf die vom Fürften Hardenberg gemünfchte Verſetzung
Weitzel's nach) Bonn, die aber nit zu Stande kam,
und enthalten daneben manche gute Bemerkungen über
Derfonen und Verhältniffe der damaligen Zeit. Eine jest
zuerſt gedrudte Denkſchrift Weitzels (S. 151 fg.) über
Rheinpreußen im Dec. 1818 tugt mit edler Freimuͤthig⸗
keit einzelne Misgriffe, die in der Verwaltung jener Pros
vinzen während der erften Jahre nad ihrer Beſitznahme
begangen wurden, und verbreitet fich Über die Mittel, durch
deren Anwendung die neuen rheiniſchen Provinzen mit
den altlaͤndi feſt und unauflösbar vereinigt werden
ynen. Manches feiner Morte dürfte auch noch, jetzt
mit Nutzen Fhr beide Theile vernemmen werden, nur.
— Kr. 340. —
Erlebtes aus den Jahren 1813— 20, von Wilhelm
.aber auch bios eine dee, die auf die
6. December 1848.
ſollten die heutigen Rheinlaͤnder dann auch bie richtige
Bemerkung ihres Landsmanns auf S. 160 beherzigen,
bag fie ſelbſt bei folhen Misftimmungen nicht weniger
verſchuldet haben als Die, denen fie gern ale Schuld
allein aufbürden. Eine fo foflematifhe Oppoſition wie.
die des diesjährigen duͤſſeldorfer Landtags wird bie Kluft
zwiſchen ben alten und neuen Provinzen, die man vor
sehn Jahren als faſt ganz gefchloffen betrachten konnte,
nur wieder erweitern und die MWünfche echter Patrjoten
auf fehr bebauerliche Weiſe hintertreiben.
6) „Briefe der Gräfin Lichtenau an ben Baron von
Eben”, über deffen Lebensumftände die Vorrede zum
zweiten Bande ausführliche Nachricht gibt, und drei
Briefe Juſtus Gruner's an Varnhagen von Enfe: die
legtern voll innigee Wehmuth über Arndt's Verhaftung
und über die unfeligen Unterfuchungen ‚in der alten
Bonapartifhen Form, wo man in den 3. 1808 — 19:
zu leben meint”.
7) „Der Proceß bes Dr. Jahn wider ben Wirklichen
geheimen Oberregierungsrath von Kampg.” Ein um der
dabei betheiligten Perfonen willen gewiß für Viele fehe
anziebender Auffag. Kamptz und Jahn ale, Parteien,
der bekannte E. T. A. Hoffmann als Decernent im Kam:
mergerichte, Kicsheifen als Juſtizminiſter — Alles befannte
Namen. Durch die Cabinetsordre vom 13. März 1820.
ward die Injurienklage Jahn's als nicht begründet bes
geichnet und der Proceß niebergefchlagen.
8) „Über eine Pflanzſchule beutfcher Juͤnglinge in.
England.” Es iſt dies eine Idee bes Generals v. Gneiſenau,
Überzeugung einer.
nothwendigen, recht Innerlihen Verbindung zwiſchen Eng»
land und Deutſchland begründet iſt, nach welcher ein Auf:
enthalt in England für deutſche Juͤnglinge an bie Stelle
einer Reife nach Paris, Lyon ober nach andern auslaͤn⸗
diſchen Städten treten follte. Wie gern wir auch aum
jedes Wort des herrlichen Gneiſenau, deſſen Liebenſswur⸗
digkeit und Adel der. Sefinnung aus ben beiden neueſten
Bänden, von Steffens’ Memoiren wieber in den ſchoͤnſten
Zügen uns entgegenleuchtet, vernehmen, fo glauben wir doch,
daß durch diefe vorliegende Miietheilung fein verdienter
Ruhm keinen großen Zuwachs erhalten wird. Dr. Dos,
row hätte daher beffer gethan, dieſen Auffag unter ſeinen
Popiewn ‚surkduubebalten. ..
166 °
Dee Verf. deutet an mehren Stellen feines Buche
an, daß er demfelben noch mehre Bände folgen zu laffen
beabfichtigt. Wir zweifeln nicht, daß eine für Belehrung
und Unterhaltung ergiebige Ausbeute alsdann erfolgen.
wird und verfehen uns auch zu Den. Dorow's Takte,
daß er nice blos gefellige Werhältniffe berühren und bie
Beinen Geheimniſſe des Privatlebens enthüllen wird, da
bei einer folhen Behandlung auch der reihhaltigfte Stoff
oft ohne Wirkung bleibt und man ihn ohne den rechten
Dank für folhe Mittheilung genießt. 9,
Über 8. Vogels Methode bes geographi—
fhen Unterrichts.
1. Schulatias der neuern Erdkunde mit Randzeichnungen. Für
Gpmnaflen und Buͤrgerſchulen nach ben Foberungen einer wil:
fenfchafttichen Methode des geogranhiſchen Unterrichts bearbeis
tet und erläutert von Karl Vogel. Vierte verbeflerte Aufs
lage. In 15 Biättern. Leipzig, Hinrichs. 1843. Kol.
1 Ihle. 3 Nor. .
2. Über die Sec, Ausführung und Benugung des neuen „Echul⸗
atlas’’, nebft Eurer Erklärung der dazu gehörigen Randzeich⸗
nungen. Gin Huͤlfsbuch für Lehrer und Schüter. Bon Kari
gel. Bweite, verbeflerte und ſehr vermehrte Auflage.
Ebendaſelbſt. 1843. 8. 10 Nor.
3. Naturbilder. Gin Handbuch zur Belebung bes geographifchen
Unterrichts und für Gebildete überhaupt; zunaͤchſt als Erklaͤ⸗
zung zum Schulatlas ber neuern Erdkunde von Karl Bo:
gel. Ebendaſelbſt. 1842. 8. 1 Thir. 15 Nor.
Solchen Werken zu begegnen, ift für ben Rec. ein jehr
erfreutiches Greigniß, weldyes gerade in unfern Tagen um fo
mehr geichägt und mit Dank anerkannt werden muß, als das
Gintreffen deſſelben nicht eben fehe oft mehr vorzukommen pflegt.
Eine literariſche Unterhaltung mit diefen Arbeiten gewährt aber
ebenfo intereffante Belchrung, als fie innige Vefreundung ers
zeugt. Auch ift bei näherer Prüfung gar bald bie Überzeugung
gewonnen, daß biefe Leiftungen gang vortiefflihe Lerns und
Lehrapparate für einen gründlichen —— Unterricht auf
Schulen abgeben müflen. Gin fo günftiges Urtheil iſt übrigens
gar nicht mehr neu; ſchon an andern Orten haben ſich viele bes
währte Männer von Fach, fowie die den Unterricht und die
Erziehung uͤberwachenden hoben Behörden mehrer deutfcher Staa:
ten in gerechter Anerfennung aller guten Gigenfchaften dieſer
Werke Öffentlich lobend und empfehlend barüber vernehmen laffen.
Das gluͤckliche Fortkommen biefer anerkannt geſchickten Wande⸗
rer in den menſchenfreundlichen Gebieten der Paͤdagogik darf
alſo nicht mehr in Zweifel gezogen werden. Ref. glaubt nun
auch, eingeben? ber bereits vorhandenen guten Aufnahme der
Werke und in völliger Übereinftimmung mit den darüber aus:
gefprochenen beifälligen Urthellen tüchtiger Sachverſtaͤndigen, fich
um fo türger faflen zu koͤnnen in der eigenen Beurtheilung ber
felben , alö die neuern Auflagen ihre uriprüngliche Tendenz faft
ganz unverändert im Auge behalten haben und bie neu hinzu:
etommene Schrift dieſelben Grundfäge nur durch ermeiterte
Kusführung in ein anfprechendes klares Licht zu flellen fehr
beſtrebt geweſen ift.
Die Zahl der Schulatlanten iſt in neueſter Zeit ungemein
raſch zu einer bedeutenden Groͤße emporgeſtiegen. Eine ſolche
Regſamkeit kann wol gefallen, ſelbſt dann noch, wenn ſie auch
kein edleres Intereſſe als Ehrgeiz beſeelte; nur darf dann den
Hang Ablaufenden und Überbietenden eine höhere Begeiſterung
für das ideale, wiſſenſchaftliche und kuͤnſtleriſche Biel nicht fehlen.
Daß diefem indeß nicht immer fo geweſen iſt, zeigt bie gewal⸗
tige Menge mittelmäßiger, ja ſogar ſchlechter Leiftungen, weldye
Zeinem andern Impulfe ald ber Gewinnſucht, als dem bloßen
Aberbieten in des Wohtfeitpeit ihr Dafein zu danken hat. Dies
fe kleinlichen Mitlaͤufer wollen wir aͤbrigens gang unberkdifidge
tigt laffen und unfere Blicke nur auf foldde Werke ridgten, in
deren Raͤhe die Wiffenfchaft ſich heimiſch fühlt, wenn fie and
nicht immer dad ge werben follte. Da gewahren wi
denn zunaͤchſt Stieler, der in einer melunbganpigmaligen
. Berjüngung vielen billigen Anfoderungen ber Zeit zu gemügen
verſtand. Wird ihm nun au die früher fo x
gene alleinige Geltung, fein Wonopol, um ein Webeutenbes ge
fymälert, fo ift —* nicht zu verkennen, daß er ſich maͤchtig
geruͤhrt hat und daß er unter ſeinen juͤngern Strebgenoſſen im⸗
mer noch nicht der legte iſt. Glaſer bat uns in Hinſicht ber
kunſtgerechten Beihmung recht wohlgefällige, leicht aufzufaffende,
Mare Abbildungen der Erdoberflaͤche gefchenkt. Sr hat vielfach
für fich gewonnen, aber doch beftänbig nur ba, wo man es gern
mochte, daß den Karten ein Reichtyum von Ortöbeflimmungen,
an biftorifchen und flatiftifchen Notizen und Andentungszeichen
nicht fehle. Beide gehören mehr oder weniger der neu gehebe⸗
nen alten geographiſchen Schule an und möchten wol bie vor
züglichften Repräfentanten berfelben fein. Platt hat ſich fireng
von ber neuen Wiffenfchaftlichkeit der Erdkunde allein leiten
laflen. Er Hat fein Licht bei Ritter und Berghaus angezündet.
Das ift eine gewaltige Empfehlung und fein Anhang iſt ficher
nicht unbebeutend ; indeflen tragen feine Arbeiten doch gar
fehe den Stempel flächtiger Eile, als daB fie gerechte Anfprü
machen dürften auf dauernden Beifall. Auch find die gebrudten
Randnoten, ſelbſt abgefehen von einigen Unricktigleiten, nicht
eben für einen Gewinn bes Unterrichts zu achten, ba fie ben
Schüler leicht von dem Vortrage des Eehrers abziehen und eine
getheilte Aufmerkſamkeit bewirken können. Gybow leiſtet in
yend erruns
In ber mit wenigen Gtementen hier nur angebeuteten gro⸗
fen Reihe treffliher Leiftungen nimmt nun der VWogel'ſche
Atlas einen hervorragenden Ehrenplah ein. Es find davon
in verbhäftnißmäßig kurzer Zeit drei bebeutende Auflagen vers
griffen. Gin fo ſchneller Verbrauch des Werks Iäft bier um
fo ficgerer auf wirklich vorhandenen hoben Werth zuruͤckſchtießen,
als bie vielfache Möglichkeit zu einer andern Wahl wol ſchwer⸗
(ih in Abrede geftellt werden ann. Die jest vor uns liegende
vierte Bearbeitung iſt nur um zwei Jahre jünger als ihre
Vorgängerin, trägt aber dennoch in eben dem Maße merkt
Spuren ber Berbeflferung in fi, als feit biefer Zeit
Fortfchritte in der Wiffenfchaft zu erfennen geweſen find. Das
neben zeigt diefe neue Auflage einen vorurtheilsfreien, wachſa⸗
men Blick des Verf. auf die Leiftungen aller feiner Strebgenoſ⸗
fen. Man fieht, er hat es nicht verfhmäht, Anderer Berbienfte
zu würdigen und in fich zu verarbeiten. Indeſſen ift dies Alles
bo immer nur inſoweit geſchehen, als es ber methodologiſchen
eigenen Richtung bes Berf. keinen Abbruch thun konnte. Gerade
das Driginelle und wahrhaft Praktiſche in der Methodik der
Erdkunde auf Schulen hat Hrn. Vogel einen Namen von gu⸗
tem Klange erworben, und er thut ſehr wohl daran, feine ganze
Kraft auf den weitern Ausbau biefer ihm eigenen v
weife zu concentriven. Er bat bie Schule für fi, weil er fie
in feinem Unterrichtögange nicht einen Augenblick aus dem Auge
und aus dem Herzen verliert. Er hat auch die Anhänger der
neuen Grofunde für ſich, weil er von Ritter, Berghaus, Rouge⸗
mont lernte, in ihrem Geiſte für bie Schule zu wirten, ohne
von ihrem gewaltigen Ruhme überwältigt u einer blinden Nach⸗
abmung verleitet zu werden. Und die An
fhafttich verbefferten alten Unterrichtsweife find
abhold, weil er auch ihre guten Geiten ge
gen derſtand und nicht in ben Hochmuthefchter
°
1861
Schulgeographen verfiel, welche mit den bloßen LRitter'ſchen und
Berghaus’ichen Benennungen — worunter „vergleichende Erd⸗
tunde‘’ das Beliebteſte tft — ſchon ein Großes, ſchon Alles ges
than zu haben vermeinen. Vogel wei, was der Schute Noch
thut und weiß ihr wirklich — reel — zu beifen; davon gibt fein
Attas den Überzeugendften Beweis. Als Ref. diefeh Atlas nicht
lange nach feinem erften Erſcheinen zu Geſicht befam und die
Eräftigen, wahren Worte der Einleitung dazu gelefen hatte, fo
war derfelbe ganz für biefes Wert und bie bamit in Verbin⸗
dung fiehende Methode gewonnen. Und biefe Befreundung iſt
von Fahr zu Jahr inniger geworden, weil das längere Zuſam⸗
menfein mit der Schule die Überzeugung immer klarer bervors
treten ließ, daß bdiefe neue Methode den reichflen Segen über
die geographifche Bildung der Jugend zu verbreiten im Etanbe
fei. Wer der Jugend diefe Mar und ſcharf geformten treuen
Bilder unferer Erde in fo anziehender Weile mit ber wiſſens⸗
würbigften Kunde über Menſchen, Thiere und Pflanzen zu bes
leben verſteht und fo anfchaulid vor Augen ftellen kann, ber
meint es ebenfo aufridhtig gut mit ihrer Ausbildung, wie er
fetbft hochbegabt und wahrhaft berufen fein muß zum Wegwei⸗
fer für Alle, die an dem erbabmen Werke der Jugendbildung
zu arbeiten haben.
Fuͤr Schulen hat diefer Atlas den befondern großen Vorzug
vor vielen andern, daß er ausichließtich nur in ihrem. Intereffe
angefertigt worden if. Nur wenige, nur die allerwidtigften
Städte, Fluͤſſe, Gebirge find mit Namen angegeben, wodurch
allein zu verhüten iſt, daß der Schüler in den ſehr nachtheilis
gen Fehler verfalle, bloße Namen zu fuchen, ohne ben darunter
zu begreifenden Gegenſtand gehörig zu beherzigen. Nur fo wird
es dem Auge dee Jugend möglich, ein naturgetreues Bild von
der Zotalfigur ber Erdtheile und Länder, fowie von ber Boden⸗
plaftit und der dadurch bebingten Flußgebiete klar in ſich auf⸗
zunehmen. Bild und Wort muͤſſen ſich im Unterrichte der Erd⸗
kunde gegenfeitig ergänzen, das iſt allerdings ſehr wahr, aber
ed darf diefer Gay ja nicht zu einfeitig bios auf das Auge des
Schülers berechnet, fein. Man fieht leicht, daß foldye Karten
den Beitungelefer wenig befriedigen koͤnnen; das ſchadet aber
audy nichts; ja es ift fogar ein gar nicht Ki entfchuldigendes
unrecht von ben Leuten, weldye für die beſcheidenen Verhaͤltniſſe
der Schule zu arbeiten vorgaben, und den Anfoberungen biefer
Politiker zugleich mit zu genügen firebten. Kür Neifende, Ges
werbtreibende und Bureaubeamte, für Statiſtiker, Zeitungsfchreis
ber und Beitungsiefer, überhaupt für geographiſch durchgebildete
Erwachſene muß in ganz anderm Maßſtabe geforgt werden ale
für Schüler. Ref. hält es übrigens auch no für eine wefents
lich gute Eigenſchaft des „Schulatlas”, wenn darin die allmäligen
Übergänge vom Leichtern zum Schwerern, vom Einfachen zum
Zufammengefegten recht ernſtlich berädfichtigt worben find, da⸗
mit den Behärfniffen der Stementars, Mittels und Oberclaffen
auf Schulen einzeln fireng genügt werben könne. Dem vorlies
genden Vogel'ſchen Atlas geht diefe Eigenſchaft nicht ab, obs
gleich derſeibe in ber Kleinen Rebenausgabe ohne Namen und
ohne politifche Grenzen noch eine wichtige Unterftüsung findet.
Diefe Abftufung ift hr das Gedeihen eines planmäßigen Unter:
richts von großer Wichtigkeit. Sydow hat Togar die ideale Abs
fit gehabt, feinen „ Methodiſchen Handatlas” für jede der drei Als
teröftufen befonders bearbeitet aus drei Atlanten beftehen zu Laffen.
In Hinſicht der Manier des Gituationszeichnens hält der
Hr. Verf. nody an bem alten hodhgefchästen Lehmann. Wer
wollte es in Zweifel ziehen, daß auf diefem Wege von gefchid:
ten Künftlern Ausgezeichnetes geleiftet worden ift, daß diefer auf
fireng wiſſenſchaftliche Principien zurüdgefährten berühmten
Manier aus eben bem Grunde ein bedeutender Vorzug vor allen
andern gegeben werden muͤſſe, wonach mit dem Grabſtichel durch:
geführte Kupferwerke beimeitem höher gefchägt werben als
Werke der Schwarzen Kunft, ber Radir⸗ und Atmanier auf Ku⸗
pfer oder Stein. Jener Borzug hört indeſſen auf einer zu fein,
fobald man die Anfoderungen und Leiſtungsmoͤglichkeiten ber
Säule nicht unberüdfichtigt laͤßt. Das eigene Handanlegen ber
Eehrer und Schäͤler an das Zeichnen der geographiſchen Karten
auf ber Giaffentafel md dem Papiere kann nit —* empfoh⸗
len werben; e6 iſt dies ein böchft wirkſames Deittel für fchnelle
und gründliche Wortfchritte in der neuern Erdkunde auf Schulen.
Jedoch bat hierbei auch wieder die Erfahrung gelehrt, daß dieſe
Rachbildungen immer nur elende Stümpereien geblieben find,
und das aus bem einfadhen Grunde, daß die Manier des ges
nialen Sachſen, welche ſich fo bewundernewuͤrdig ſchnell einer
ganz allgemeinen Geltung zu erfreuen gehabt hat, weder fuͤr den
Lehrer noch für den Schüler der Geographie auf Schuien zur
Radjahmung tauge, daß fie Schwierigkeiten in ſich trage, weiche
nur von ber vielgeübten Band eines wirklichen Künftlers ihre
Überwindung finden fännen. Sydow iſt in biefem Punkte zus
erft auf Abbülfe bedacht gewefen. Er führt feine Band: und
Wandkarten in einer fo naturgetreuen, leicht nachahmbaren Zei⸗
dyenmweife auß, daß er fich gerade auf Schuien eines großen Ans
hangs verfichert halten Tann. Die neuern Zortfchritte in der
Kunft, mit Hülfe ber Steinplatten -olörict zu drucken, hat ber
Sydow'ſchen Manier erft Halt und Beben gegeben. Die hierzu
nöthigen technifchen Geſchicklichkeiten find aber noch ſelten; fie
laſſen ſich auch nicht überall mit gleichem Gluͤck und gleicher
Sicherheit verwenden. WVogel iſt gewiß der neuen Methode Sy⸗
bow’s nicht abgeneigt; er wird dieſelbe wahrſcheinlich ſchon eins
geführt haben in feinen Schulen, wenn es ihm auch noch nicht
möglih war, in dieſer neuen Auflage feines Atlas davon (Ges
brauch zu machen. Dagegen bleibt er aber gang neu und oris
ginell in feinen Randzeichnungen. Beine Abbildungen der Erd⸗
obexfläche werden dadurch mir Abbildungen über das Erdenleben,
über charakteriftifhe Großthaten ber Menfchen in Bewerben,
Künften und Wiffenfchaften, im Fricben und im Kriege zu eis
nem innigen @anzen vereinigt. Gin ſolches Bilb feffelt das
Auge und fpannt das Obr der Jugend, und ift dabei wohlges
fällig leitend für den beiebenden Vortrag be Lehrers. Was
vor etwa hundert Jahren auf ben geographifchen Karten, 3. B.
im großen, von den Homann'ſchen Erben Nürnberg verans
laßten Schulatlas, nur beildufiger Schmud des Künfklers war,
ift hier die Grundlage zu einem foftematifchen Lehrgebaͤude ges
worden, ein gefundes grundfeftes Gebäude in der anmuthigften
Borm, ein heiterer Wohnftg zur behaglichen Verarbeitung ern⸗
ſter Zwecke. Außere Anfhauung zur Erweckung innerer Bilder
vom wahren Leben auf Erden iſt Vogel's Lofungswort, ein be⸗
Deeitumgevoller er Fi nicht dringend genug allen Lehrern
et jedem Unterridgtögegenftande zur gewifienhaften Beherzigun
empfohlen werden ann. zur gewiſſenheſt herzigung
Die urſpruͤnglich dem eben beſprochenen Atlas ſelbſt vorge⸗
druckten Verſtaͤndigungsworte uͤber Plan und Zweck der dazu ge⸗
hoͤrenden neuen Methode des geographiſchen Unterrichts auf Schu⸗
ten fowie Über die richtige Benugung und Erklärung der Rand⸗
zeichnungen find im 3. 1830 zu einem felbftändigen Hülfsbuche
erweitert und fo für Lehrer und Schüler zum ankörtraude
bequemer eingerichtet worden, wovon jegt in Nr. 2 eine zweite
Bearbeitung vor uns liegt. So weit das Bedürfniß ber Schü:
ler reicht, fehlt es übrigens dem Atlas felbft in der neucften
Auflage noch nicht an der nötbigen Erklaͤrung und Ausweiſung;
daher ift auf) in biefem Buͤchelchen vorzugsiweile das Intereſſe
der Eehrer im Auge behalten. Und in bdiefer Dinficht ift das
Abfondern um fo mebr zu loben, weil dadurch dem Belannts
werben der neuen Methode zugleich eine Leicht zugängliche Quelle
eröffnet wird, weiche in Form eines ausführlichen Profpects ein
recht vorthelihaftes Licht auf den Atlas zurüdwirft. Dem Um⸗
fange nad) haben wir hier ein WBüchelchen vor uns, bem Ins
halte nad) aber ein Wert von Gewicht. Ref. glaubt baffeibe
im Allgemeinen hinreichend bezeichnet zu haben, wenn er aus⸗
fpricht, daß es eine methobologifche Skizze von ſtark anregenden
Kerngebanten ſei, welche in feuriger Begeifterung für die Schule
über das hier Mar und fcharf erkannte Wahre und Nothwendige
ſich Luft macht, und auf ehrlich deutfche Meile wicher zu ger
winnen, zu begeiftern fucht für die heißgeliebte, gute Sache. Man
fühlt bei bem Leſen des Wuchs, daß ber Verf. einen tiefen Schat
£ MWelefengeit uchen einem großen Teichttzume ſelbſtaͤn⸗
—5 — Varen Willens in ſich bewahrt und daß er fi
mit flarker Gewalt zügeln muß, um in ber Mittheilung bie
engen Grenzen des Allernoshwendigften nicht zu überfähreiten.
Doc überall, wo es die aphoriſtiſche Behandlungsweiſe nur eis
nigermaßen bat zulaffen wollen, bligen Bolblörner feiner Be⸗
redtſamkelt hervor, wodurch er feine Lefer recht warm für ſich
zu intereffiren weiß.
Das Buch zerfällt in fünf Abſchnitte. Der erſte entbält
„Ankündigung und Plan’ der dem Atlas zum Grunde liegenben
neuen Methode ber Erdkunde auf Schulen. Der zweite dient
„But Berfländigung“ zwiſchen den Grunbfägen bes Verf. und
denen anderer Männer auf ähnlichen Wegen. Im britten wer⸗
den „Winke zur Benupung‘’ des neuen Atlas beigebracht unb
zwar in der Beantwortung ber beiden Fragen: 1) Wann oder
mit welchen Schülern fol der Atlas gebraucht werben? 3) Wie
fol ihn der Lehrer benugen und verarbeiten? Der vierte gehört
vorzugsmweife ben Schülern, er bient „Zur Erklärung ber Rand⸗
—288 des Atlas. Der letzte heißt „Anhang” und macht
einige von ben Werken nambaft, welche zur Belebung bed Uns
terrichts in der Erdkunde im Allgemeinen und zur Förderung
ber Anfchaulichkeit im Sinne des neuen „Gdyulatlad” im Be⸗
fondern mit Nusgen zu gebrauchen find.
In Nr. 3 haben wir ed mit einem Lieblinge bes Publi⸗
cums zu tbun. Es ift ein ſchon volllommen bekanntes Bud),
über deſſen Wortrefflichkeit nur eine Stimme herrfcht. Won als
len Seiten mit Liebe aufgenommen, überall von ſtimmberechtig⸗
ten Männern bewundert und vorurtheilöfrei beurtheilt, möchte
es ſchoer fallen, jetzt nocdy irgend etwas Neues zu feiner Em⸗
pfehlung beitragen zu koͤnnen. Grund genug, das Urtheil bare
über gan allgemein zu halten und nur auf wenige Worte zu
befchränfen.
Zur vergleichenden Erdkunde, foweit biefelbe im Intereſſe
und im Geifte der Schulen durchzuführen ift, legt die vorliegende
Schrift einen hoͤchſt wichtigen Grund. Und wenn auch ganz
und gar nit in Zweifel zu ziehen, daß dies Buch von jedem
Gebildeten überhaupt mit ebenfo großer Freude als Nutzen ges
lefen werben kann, fo ift daſſelbe doch hauptſaͤchlich in der Hand
tüchtiger Lehrer, welche von des großen Ritter Geifte durch⸗
derungen und für deffen Erdkunde als wahre Wiſſenſchaft begeis
flert worden find, erſt fo recht eigentlich an feinem Plage. Den
wahrhaft für bie Schule berufenen Männern iſt es ein wuͤrdi⸗
ges Mittel zur Debung ber Schule.
Vereinfachung, Bereinigung und gegenfeitige Durchdringung
aller verwandten Unterrichtösweige der Schulen zu einem inni:
gen Ganzen ift einer der wirkfamften Hebel in bem Auffchwunge
der heutigen Pädagogik, und die „Naturbilder“ Vogel's find edle
Fruͤchte diefes treffiichen Grundfages.
Es war ein bebeutungsvolles Zeichen bes Vorwärtsfchreiteng,
als man bie Geographie von ber zufammenhangstofen überfuͤlle
bunter Zufälligkeiten zu befreien und diefelbe auf den Grund der
einfachen Natur und firengen Wiffenfhaft zurüdzuführen bes
gann. Das begeifterte Etreben nach dem vorgeftedten fehönen
Ziele brachte anfangs nur ben Hochflehenden Naturforſchern von
Fach und ihrer nächften Umgebung einen reellen Gewinn; bie
Schule ging noch ziemlich leer aus, weil ihre Geographen zu
wenig von ber Natur wußten und die Lehrer ber Naturwiſſen⸗
fchaften wieder zu wenig Geograpben waren. In neuefter Zeit
bat man es ſich aber ernftlich angelegen fein Laffen, aud bier
bis in die unterften Sphären hinab zu helfen und nach Kräften
zu beffern. Und gerade die vor uns liegenden Naturbilder zwes
den weſentlich dahin, dem Lehrer der Erdkunde auf Schulen
das erfoderliche Wiffen in der Natur auf eine ebenfo anzgiehende
und leichtfaßliche als gründliche Weiſe darzubringen.
Der Name „Naturbilder“ eignet ſich fo recht paſſend für
das Werk, ba daſſelbe mit fein gewählten Wortfarben bie Ehas
ralterzüge der belebten Natur auf den Baupterbtheilen weiter
auswalt und mehr ins Licht flellf, wie dazu in den befannten
Randzeichnungen des Berf. fon vos Jahren ein [iszirter Grup
gelegt worben if. Cs if fo eine Mappe von gemälden,
wovon jedes Gapitel ein naturgetreues Gharakterbid ber eh
in fi abgefchloffenen Erbgangen — Europa, Aſien, Afrite,
Nordamerika, Sudamerita und Dceanien — barftellt. Auf die
fem Wege leuchten dem Verf. Humboidt, Ritter, Lichtenfels,
Berghaus, Rougemont und Anbere als Kenner und Zeichner der
Erde mit dem erhabenften Meiſterglanze voran. Und ei ift ein
ſehr wohlthuendes Zeichen dev Beſcheidenheit unfers Verf. wenn
berfelbe in der gerechten Anerfennung ber Groͤße biefer Maͤnner
an mehren Stellen feines Werks die eigene Durchführung gerake
zu unterlaffen und bafür bie gelungenen !eiflerpartien ihrer
Hand unverändert wieder dargebracht hat. Ya, wenn in diefer
Hinſicht der Berf. felbft vermuthet, daß man feine Raturbiber
mit einer muftvifchen Arbeit in Vergleich bringen werde, fo gibt
bas ebenfalls einen Beweis ber anfpruchlofeften Beurtheilung fr
ner Leiftung und es iſt ihm dafür der Lohn wahrlich nicht aus
geblieben, da Männer von Bach in feiner vermeinten Mofait
berall nur echte Edelſteine auf meiſterhaft richtiger Zeichaung
in fein bercchneter Beleuchtung und Zufammenftellung erblidt
und bewundert haben. @iner unferer gefelertfier Herden auf
dem Gefammtgebiete der Naturmwifienfchaften — Xlerander von
Humboldt — fagt von biefen Raturbildern, daß im ihnen ein
ſchweres Problem gelöft worben fei, baß fe ein anmutsige
und bei fo großer Vielſeitigkeit ein überaus correctes Buch bil:
eten.
Möchte dee Hr. Verf. doch Neigung haben zur baldigen
Bortfegung diefer fo anziebend beiehrenden Naturbilder“, und für
die Ausführung einer ſolchen Arbeit die erfoderliche Muße finden!
D. 9. Birnbaun.
Miscellen.
Vicentius Placcius, Profeflor der Philoſophie und Werekt:
famfeit auf dem Gymnaſium zu Hamburg (geft 1609), gab
1708 ein „Theatrum anonymerum et pseudonymorum" her
aus, welches Wert, ald bloße Compllation, feinem Verf. keinen
fonderlichen Ruhm brachte, dafür aberbeffen durch Milzbeſchwerden,
Kolik und Pobagra ohnehin ſehr mitgenominenen phyjfiſchen Kräfte
auf eine fo nachtheilige Weife in Anfpruch nahm, daß er zuicht
blos von Mitch zu leben gezwungen war und babei bis zum
Skelett abmagerte, daher er felbft von fidy und feiner Geftalt
folgendes traurige, Voltaire gleichende Wild gab:
Sunt solls obducta tenerrima pellibus ossa,
Exstautes tall, plantse ealx longfor. Et pes
Et tergam — serram quod possin dicere. Lumbi
Elambes; pro veatre locus, neque musculas omhi
Corpore, vel satarum qui possit pascere miurem.
Die im gemeinen Leben oft vorkommende Rebensarl
„Jeder iſt der befte Ausleger feiner Worte” wird gewoͤhnlich
ſehr misbraudht, am meiften dann, wenn burdy die Auslegung
irgend ein Vortheil erhaſcht ober ein Nachtheil abgewendet
werben fol. Hiervon ein paar Beifpiele. Es wurde Jemand
vor Gericht zu Wittenberg (1744) beſchuldigt, daß er ſich mit
Unrecht den Dectortitel beilege. Dagegen erklärte berfelbe, &4
fei zwar richtig, daß er feinem Namen das Wort Doctor. bei
gefegt babe, aber, was nicht zu überfeben, hierzu ein Punctum
gemacht habe, zum Beichen, daß er nicht Doctor fei, fondern
Doctorandus. Dem wäre au fo, indem er demnoͤchſt bit
Doctorwürbe ſich zu verfchaffen gebenke. — Ein aus Gaalfeld
in Thüringen gebürtiger Diakonus feste, um im Auslandt ber
fonders für einen Doctor ber Theologie zu gelten, feinen Im
Drud herausgegebenen Schriften bie 3*— inter feinem
Ramen bei 8. Th. D. Desgalb gerichtilch zur Rede geſtell,
gab er jedoch vor, dieſe Abkürzung fei anders nicht zu leſen
ala: Saslfeldia, Thuringus, Disconus. Sg,
WBerantwortliger Herauögebet: Deinrih Broadband. — Deud und Berlag son E. A. Bro dhaus in Seiptit
Blätter
für
literariſche
Unterhaltung.
Donnerstag,
— Nr. 341.
7. December 1843.
Dante's Briefe.
Epistole di Dante Allighieri, edite e inedite, aggiuntavi la
Dissertazione intorno all’ acqua e alla terra, e le traduzioni
respettive a riscontro del testo latino, con illustrazioni e
note di diversi, per cura di Alessandro Torri, Verenese.
Eiooeno 1842. (Auf dem Umfchieg 1843.) Gr. 8.
° Die Nummern 149— 151 d. Bl. f. 1838 gaben
Nachticht von einer: Anzahl neu entdeckter Briefe des
Dante Allighieri. Ein ruͤhmlichſt bekannter deuticher
Philolog hatte es bereitwillig übernommen, mir über Die
Handſchriften der Werke jenes Dichters, weiche fi in
den roͤmiſchen Bibliotheken finden, Nachricht zu ertheilen,
unb unter den 23 Blättern mufterhaft genauer Mit:
tbeilungen, die er fo gefällig war, am 21. Juli 1837
an mid) abzufenden, fand fi nach einer ausführlichern
Angabe über den fonfligen Inhalt der Palatiner Dands
ſchrift, Ne. 1729, wörtlich folgende Notiz:
Darauf eine Sammlung lateinifcher Briefe des Dante:
4. Epifteln ad Henricum Caesarem Aug.; dann Oberto et
Guidoni comitibus de Romena (Ravenna); dann Maroello (fo)
marchioni malaspine; und Epla Dantis in Florentinos.
Meine fofort nah Empfang jener Blätter auf ver:
fhiedenen Wegen dringend ausgefprochenen Bitten um
Abfchrift der bezeichneten Briefe Eonnten nicht ohne
Zögerung erfüllt werden. Erfi am 15. an. 1838 ging
die Arbeit von Rom ab, und im Mai 'erfhien mein
obenerwähnter Auffag. Anfangs September wurde mir
indeg auf einer Reife, im Frankenwalde, ein Portefeuille
entwandt, welches unter Anderm auch jene Abdfchrift ent:
hielt. Xrog aller von Freunden unterftügten Bemuͤhun⸗
gen follten mehr als zwei Jahre verflteichen, ehe ich eine
zweite, und nicht einmal vollftändige, Eopie erhielt. So
wurde ich gehindert, den Fund in würdiger Geſtalt ſelbſt
zu. veröffentlichen.
Inzwiſchen hatten jene Nummern der „Blätter für
(fterarifche Unterhaltung” ihren Weg Üiber die Alpen ge
funden; eine franzöftfche Überfegung des Auffages, deren
Urheber ich nicht anzugeben weiß, kam in Umlauf und
mehrfache Nachfragen auf der Vaticana machten die Biblio:
thefare mit der merkwürdigen Reliquie befannt, die fie
befaßen. Einer der dort Angeftellten, der Scrittore Maſſi,
nahm eine Abſchrift und räftere ſich mit ziemlicher Um:
‚ Röndtichkeit zur Herausgabe. Nicht nur wurde nun Des
‚nen, bie das Manufeript, zum Theil In meinem Intereſſe,
benugen wollten, ber Zugang zu demſelben verweigert, ſon⸗
dern in Öffentlihen Blättern Beſchwerde geführt über ums
befugte Veruntreuung nicht gedrudter Schäge ber Biblio⸗
thek, deren wir uns ſchuldig gemacht hätten. Als indeß
der Drud beginnen ſollte, konnte Hr. Maſſi in der geiſt⸗
lichen Hauptſtadt des Buelfenthums die Erlaubniß zur
Herausgabe der Briefe des ghibellinifchen Dichters nicht
erlangen. So glaubte denn $raticelli, als er 1840 eb
nen, mit italieniſchen Überfegungen und einigen andern
Zufägen verfehenen Abdruck meiner im 3. 1827 erfchles
nenen Ausgabe der ſchon damals bekannten Briefe her⸗
ausgab, für die neuentdediten nichts Anderes thun zw
können, als daß er meinen Auffag aus dem Kranzöfl-
fhen ins Stalienifche, freilich zum Theil gar fehlerhaft,
übertrug. Ebenfo iſt er, meines Wiſſens, auch in ber
zweiten Ausgabe vom J. 1341 verfahren.
Hr. Maffi hatte ſich inzwiſchen mit dem Dr. Ateffandeo
Torri in Piſa, der ſchon feit Fahren Dante's kleinere
Schriften zu ediren verſprochen, uͤber die Abtretung der
in der Vaticana genommenen Abſchrift geeinigt, und
Letzterer kuͤndigte um die Mitte des vorigen Jahrs die
Herausgabe an. Endlich iſt denn vor wenigen Wochen
dieſe Ausgabe erſchienen, obwol ſchon im Juli eine piſa⸗
ner Cotreſpondenznachricht der augsburger, Allgemeinen
Zeitung” (Ne. 201, S. 1604), die feitdem in eine große
Baht von Journale übergegangen ift, damals mit Unrecht,
dad Buch als ein vollendetes bezeichnete. Seltfam iſt es da⸗
bei, daß, während jener Correfpondent die Ehre der Ent
deckung dem oben angedeuteten gefälligen Vermittler vin⸗
diciren will, der italienifche Herausgeber in Abrede fteite,
daß uͤberall von einer Entdedung gefprochen werden koͤnne,
wo in dem handſchriftlichen Kataloge der Vaticana der
Inhalt des Manuferipts ſchon feit lange richtig einges
tragen ſei. " i
Torri verfpricht auf. dem Titel, Dante's Briefe (und
demnaͤchſt deſſen übrige kleinere Schriften) con note di
diversi zu geben. So ift denn die Arbeit nah Art der
Ausgaben cum notis variorum zugleich übertrieben bieit und
vielfach dürftig geworben. Kür die fchon früher befanus
ten Brieſe, deren jeden ich in meiner Ausgabe mit einer
geſchichtlich Kterarifchen Einleitung verfehen hatte, iſt nit
nur diefe und. Fraticelli's jedesmaliges Proemio, das im
Wefentlihen Daffelbe auf Italieniſch zu wie cholen' pflege,
n “ 7% ’
wieder abgebrudt, ſondern auch ein Argomento vor:
ausgeſchickt, welches oft nicht vermeiden kann, bdiefelben
Fragen noch einmal zur Sprache zu bringen. Ja felbft
gu einer vierten Beſprechung bietet die 18 Selten lange
Prefazione valsunses Gelegenheit.
Im Ganjen find dar Briefe 14, unser denen einer (am
Guido von Polenta) wol fiher unecht iff. Won den Übrigen
waren ſechs (einer aber, von dem erſt jegt das lateiniſche
Driginal erfheint, nur in einer ſchlechten aͤltern Übers
fegung) in meiner Ausgabe und fodann von Fraticelli
bexeits gedruckt. Einen achten hatte ich in meinem. Com⸗
hentar zu Dante's „Lyriſchen Gedichten” (HH, 235) mit
Wahrhaft zum erfien Male gedrudt find bier
alfo ſechs, von denen zwar nur zwei mit Dante's Mas
men bezeichnet find; einer aber mit ziemlicher Gewißhelt
und die drei übrigen mit großer Wahtſcheinlichkeit von
ihm berühren.
hr die Ausflattung der ſchon früher bekannt geweſe⸗
nen Briefe ift außer dem vollfländigen Wiederabdrud mei:
wer Anmerkungen wenig mehr gefchehen, als daß dem
lateiniſchen Xerte num überall eine italienifche Überfegung
beigegeben iſt. Zu dem Briefe an Heinrich VII, deſſen
Driginal ich aus einem venetianer Manufcript zuerft her
ausgegeben hatte, bot bie vaticaner Dandfchrift zahlreiche
Derichtigungen. Die Mehrzahl berfeiben hat Torri zwar
mitgetheilt; manche jebocy überfehen, und in eingeinen
Hätten den richtigen Text faͤlſchlich verändert (5. B. wenn
er ©. 56, den nach Virgil Aen. IV, 248 eben aus dem
Wolken [a nubibus] gekommenen Mercur in den Anubis
verwandelt), Wölig unbegreiflich iſt es dagegen, wie
Torrt den berühmten, mindeftens ſchon fiebenmal gedrud:
ten Brief an Cangrande wegen 35, auf 17 Seiten ver:
eheilter und zum heil ſehr bedenklicher, zum Theil nicht
nennenswerther Veränderungen, die er einer mebdiceifhen
Haudſchrift entlehnt, als ungedrudt hat bezeichnen
Unnen, während in meiner Ausgabe, bei einer mehr als
Doppelt fo großen Zahl, auch von Torri als treffend an-
arkannter, Berichtigungen, an eine folche jedenfalls Lächer-
liche Bezeichnung nicht gedacht iſt. Die Erläuterungen,
die ich dieſem aͤußerſt ſchwerverſtaͤndlichen Briefe aus
Ariſtoteles und ben Schriftſtellern des Mittelalters beige:
geben, find zwar wieder abgebrudt; fo fehr fie aber auch
einer Vervollſtaͤndigung bedurft hätten, iſt leider für. eine
ſolche nicht das Kleinſte gefchehen.
Die Herausgabe ber noch ungebrudten Briefe, zu
denen auch das Lateinifche Driginat bes Sendfchreibens
an ven SKalfes und, da Torri meinen vor anderthatb
Jahren erfchienenen Gommentar über die lyriſchen Ge⸗
Dichte noch nicht Bannte, der Brief an Maroello Ma:
Infpina gezählt werden kann, war in ber That kein ber
fonberö fchwieriges Unternehmen. Keiner unter biefen
Briefen kann dee Schwierigkeit bes Verſtaͤndniſſes nach
mit dem an Cangrande entfernt verglichen werben, und
wenn bie Handſchrift auch mande Fehler bietet, fo iſt
tigung
nicht eben (dwmm. Buben g
Dem Kaiſer die. alte, Filelfo augeihsichene, Überiegung bie
befte Huͤlfe, und für die übrigen hatte ich In ben Aus
zügen, weldye der mehrerwähnte Auflag mittheilte, mande
Verbeſſerung ſtillſchweigend angedeutet, und zugleich den
geſchichtllchen Hintergrund in dem wichtigſten Zuͤgen ge
geben. Um fr mehr wär zu —5 daß Hr. Ton
dieſen Haupttheil feines Bud befriedigend Meacheiten un
bemüht fein werde gu zeigen, daß der Zufall, der mich
an der Herausgabe gehindert, diefen Vorzug würdigen
Händen übertragen habe.
daß der Abdrud ein vil:
Zuvoͤrderſt war nothwendig,
lig treues Bild des Manuſcripts biete. Wo Verbefle
rungen noͤthig ſchienen, mußte dev banbfchrifilihe Te,
wenigfiens in ber Anmerkung, genau mitgetheilt werden,
um Andere in den Stand zu fegen, bie Richtigkeit ber
erftern zu prüfen. Leider fehlt es gaͤnzlich an einem ſo
geriffenhaften Verfahren. Wo der Herausgeber in dm
Manufceipte Fehler oder Lüden zu fehen glaubte (deren
er indeß gar manche überfehen bat), da aͤndert er gewoͤhr
lich ſtillſchweigend mach Gutbuͤnken, und nicht wur guet
er dabei nicht felten fehl, fondern er ändert auch md,
wo die Handſchrift vollkommen Hichtiges bot. Yon im
Briefe an den Kalfer hatte ſich der Graf Torrichi ia
Foſſombrone eine zweite Abſchrift verſchafft, und nah
diefer ihn in der dortigen „Antologia” (October 184)
herausgegeben. &. 151 nnd 15% heile nun Hr. Teni
die Abweichungen dieſes Abbrucks von dem ſeinigm mi
und fieht fich dabei ſiebenmal zu dem Geftandniſſe qui
thigt, daß es in der Handſchrift anders (und faſt bei
richtiger) ſtehe als Im ſeiner Ausgabe. Das eine Mil
fagt er: ‚Il codice ha veramente nequam, ne sapri
come siami avrenute di stampare il sesonde gredı,
cio® il comparativo.” Leider iſt mur ber geringfte Thel
der aus der Dandfchrift zu entnehmenden Berichtigung
in diefee Weife nacygetragen, und für die übrigen Brit
fehlt «6 am ſolchen Nachtraͤgen gänzlich. Der im Re
men ber vertriebenen Weißen an den Cardinal von Dfin,
Nicolao da Prato, vermutblih von Dante, gefchriebr
Brief bezeichnet fi felbft als herruͤhrend von A. a.
conscilium et universitas alboraum u. ſ. w. Der Abdıed
gibt Dagegen ohne weitere Bemerkung Alexander capila-
zeus, consilium u. f. w. Allerdings halte ich dieſe, mei
nem Auffage fliufchweigend entiehnte, Aufloͤſung ber Bu;
flaben A. ca. auch jegt noch |
iſt fie fo unzweifelhaft, daß fie nicht einmal ber Emil:
nung bedurft hätte. Ebenſo nennt die Handichrift I
ber Anrede den Cardinal paͤpſtlichen Sriedensflifter für
Toscana, Romagna „et mar. t. et partibus circum ad
jacentibus“, In dem Abdrucke lieſt man ohne alle Be
merlung: „et Marchise, terris et partibus” u. |. #
während es. doch minbeftens ebenſo wol heißen koͤnnu
„et Maritimae et part.”
Bon dem argen Verſtaͤßen, bie der Seramögeber, ot
der Copiſt, auf den er fich. verließ, abwol es nach ©. "I!
rn nad Dom gereiſt un be —ã 7
8 ‚ | augen, W 8
gm ein pass Weifpiele anguführen. In dem. Beiteibäbriet
an bie Grafen Oberto wand Gulde von Remena bil
füe richtig, keineswegs abe
—4
es, ihr. Ohehn Aleſſanhen ſei in. die Heimat, ven
er dem Geiſte nad) (secundum spiritum) gekommen, ſter⸗
bend zurxückgekehrt; beim Abdrud iſt die Abkürzung spm
misverflanden, und daraus finnloferweifle secundum
spem gemacht. Gleich darauf beißt es, die Großmuth
babe den Namen des Verſtorbenen Über die Derdienfte
anderer italienifcher Helden verherrlicht (prae titulis Itz-
lorum heroum). In der Dandfchrift fleht allerdings
ereum, doch lag die Berichtigung nahe genug und war
in meinem oft erwähnten Auflag angedeutet, aus dem
auch bei Hrn. Torti S. xıxuı abgedrudt iſt: „‚sopra
degli altri eroi del Italia.” Dennoch heißt «6 im
Texte aereum, fobaß alfo die Großmuth dem Alejandro
fonach den Beinamen des ehernen verfhafft hätte!
In dem zundchfi folgenden, wie gefagt in den Anmerkun⸗
gen zu Dante's Iprifchen Gedichten ſchon gedrudten Briefe
an Maroello berichtet Dante, feinen auflchauen-
den Bliden (meis auspiciis) fei ploͤtzlich ein herrliches
Weib, gleich edel an Sitten und an Geftalt (undique
meribus et forma ‚confermis) efchirum. Genau ebenfo
finden ſich diefe Worte im dem SWeiefe, in welchem Boc⸗
«actio fich ganze Phraſen des Dante'fchen Briefes an:
geeignet bat (vergl. meine Einleitung zum „Dekame⸗
son”, ©. xıx und xx). Xorel druckt indeß: „meis au-
spiciis undique moribus et fortunae conformis’ und in
Der gegenüberfichenden liberfegung heißt es „di costumi
€ di fortuna a me per ogni perte somigliante‘ (au Sit:
ten und an Gluͤcksguͤtern mir völlig gleichend); welch
dächerliches Wort im Munde bes bdürftigen Verbannten!
Bon dem Briefe en die Florentiner, fihher dem Ju⸗
wei der ganzen Sammlung, befindet ſich Die Abfchrift Des
vaticaner Manuſeripts jegt nicht mehr in meinen Haͤn⸗
den; einige Sehlgriffe leuchten indeß, auch ohne daß es
. der Vergleichung wit einer folchen bebürfte, von felbft
ein. Im zweiten Paragraph beißt «6, meiner frühen
Mittyeitung: (, Blaͤtter für literariſche Unterhaltung ”,
S. 613) zufolge:
Machen Euch nicht bie Schrecken bes zweiten Tobes (Df:
fenbarung Johannis, xx, 6 und 14) erbeben, daß Ihr. . . ges
gen den Ruhm bes roͤmiſchen Fürften.. . .. » auf das Recht
der Verjährung Euch berufend (jure praescriptionis utentes)
vorgezogen habt, der ſchuldigen Ergebenheit Pflichten zu vers
weigern.
Hier find nun wieber effenbar die beiden Abkürzun⸗
gen scde umb pseriptionis misverflanden und es iſt, alles
vernänftigen Sinmes ermangelnd, gedruckt: „monme terror
sedem meortis exagitat und jere proscriptionis utentea.”
Letzt erer Fehlgriff wiedechott ſich ſogar gleich darauf noch
einmal. Wie wenig uͤberlegt uͤbrigens bei dem Abdrucke
dleſes Briefs verfahren iſt, ergibt ſich noch aus einer am:
Sem Stelle: zu den Worten bie Ip im meinem frühern
Auffage mitgetheilt Hatte: „Die Leiden, weiche, in ber
Treus verharrend, Sagunt für bie Freiheit zu ewigem
Ruhme getragen, bie zur Schande in der Untrene für
Ye Au
8: „id
gu erbußden if Euch beſtimmt“, bie freilich:
Yello genug in® Italleniſche uͤberſetzt find, macht Torri die
Venerkun & contrario alla storia, e diverso dal
ꝓerto latino.“ In dieſem lateiniſchen Texte, wie Tor |
felpft ihm abbruckt, ſteht qber deutlich: „igpominiose vos
in perfidia yto servitute sußire necesse est”, obtwol HR
gegenüberftchenbe Überfegung eben die curflogedruckten
Morte auslaͤßt. Duß unter —* Umſtaͤnden bie eigene
lich verderbten Stellen großentheils entweber unbemerkt,
oder doch unberichtigt geblieben find, bedarf kaum einer
Erwähnung.
Reichlichere Mittheilungen aͤhnlicher Axt wuͤrden, ob⸗
wol es an Stoff dazu nicht ſehlt, dem Zweckt d. BE.
ſchwerlich entſprechen; zu prüfen iſt aber noch, inwin
weit Hr. Torri für die Erläuterung des nes Edieten
Sorge getragen. Weine, ihrem ganzen Inhalte nach bi
wiedergegebene Ausgabe leftete das Verſtaͤndniß jedes Brise
fes gefchichiti ein, und bemühte fi im Anmerkungen
zufammenzuftellen, was immer bazu dienen Ponnte, daß
Einzelne dem Lefer verftändlicher zu machen. Schon. bie
Gleichfoͤrmigkeit erfoderte alfo, daß auch die neu aufgefun-
denen Briefe in ähnlicher Ausſtattung erfhlenen. Auch
fagt der Herausgeber ©. vmı:
Nen mi parve di mandar tali opistole, di somma impon-
tansa per la filologia © per la storia, del tuuo iguude nel
semplice dettato latino, ma vestite di fedel volgariszamenteo,
di chiose e d’argomenti, che aggiungesser loro sufficiente
chiarezza.
Die Überfegung durchzufefen habe ich mich noch nicht
entſchließen Finnen; fchon bei fluͤchtigem Hineinblick indeß
haben ſich gar manche Verſtoͤße ergeben. Ein paar derſelben
wurden bereits gelegentlich erwaͤhnt. Einige andere zeu⸗
gen nicht von der Sachkunde des Überfegers. In dem
Briefe an die Fürften und Voͤlker Italiens beißt es von
Heinrich VII.: der friedfertige Titan werde nun wieder
erfichen, und die Gerechtigkeit wieder grünen, die ohne
ihre Sonne gleich Pflanzen um die Zeit der Winter:
fonnenwende (heliotropium) erſtorben geweſen. Vollkom⸗
men richtig hatte dies Marfilius Ficinus, oder von wem
fonft die alte Verfion herruͤhrt, mit „la quale era senze
luce al termine della retrogradazione impigrita’’ wiebers
gegeben; der neue Interpret bagegen denkt unbegrelflichet⸗
weife an die, zu Dante's Zeiten feäwerlich bekannte, Blume
Heliotrop, und überfegt: „illanguidita, quasi fior d’elitro-
pio privo del aole.” In dem Sendſchreiben an bie Flo⸗
ventiner wird bie apostolica monarchia gar durch ospitale
mon. tolebergegeben.
Die Argomenti find fo gut als inhaltslos und bezfes -
ben ſich regelmäßig auf die Vorrede und ben Bagguaglio,
db. 5. die Uberfegung meines Auffagee. An Anwerkun⸗
gen fehlt «6 fo gut als gaͤnzlich; die wenigen aber, bie
gegeben find, verdienen theilß eher den Namen von Er⸗
curſen (3. B. wenn zum bdeitten Briefe die ganze Can⸗
sone „Amor, dacch& convien” mit Varianten aus einge
vaticaner Handſchrift abgedrudt wird), als von Erklaͤrun⸗
gen, theild enthalten fie trog ihrer Duͤrftigkeit manches
Unrichtige. Unrichtig iſt es 4 B. meiner Überzeugung
nah, wenn &. 13 die curia, von ber gefchieden zu feln
Dante bedauert, flatt auf den Hof des Marcello, auf
das florentiner Priorat gedeutet, — unrichtig, wenn
&. 15 unter dieſem Maroello flatt des Sohnes des Man⸗
frebi Lancia ber des Alberto nerflanden, — unrichtig fess
ian
ner, wenn S. 43 Dante's Kunde des Griechiſchen bes
hauptet, ober ©. 117, aus Mangel an Bekanntſchaft
mit den neuern Korfchungen, bie alte Meinung wieder:
heit verfochten wird, daß unter den Gommentatoren ber
„Söttlihen Komödie” der fogenannte Ottimo älter fei als
Jacopo della Lana.
ie Stillſchweigen übergebe Ich, wie manche Berichs
tigungen meinen frähern Arbeiten hätten hinzugefügt
werden koͤnnen, und zwar vorzugsweiſe von einem Her⸗
ausgeber, der in der Mitte des gelehrten Italiens woh⸗
amd nach den verfchiedenften Seiten in reger literarifcher
Verbindung ſteht. Nur einen Punkt will ich erwaͤh⸗
nen, weil er mir Gelegenheit gibt, der umfaflenden For⸗
{ungen eines hoͤchſt untereichteten Amerikaners zu ge:
denken. S. xxıvı in der Anmerkung wird Hr. Richard
Henry Wilde erwähnt, der bie flosentinee Archive mit
umhberteoffenem Fleiße duschforfcht hat. Don diefem er:
hielt ich ſchon vor ein paar Jahren eine Mittheilung Über
eine Stelle des befannten Briefs, in dem Dante mit
edlem Stolze die Anträge eines aͤltern Freundes, durch
Begenftand if bie uns freilich ſehr feltfan vorkommen
Stage, ob das Waſſer (Meer) in feiner Rundung (Sphäre)
irgendwo höher fei als das Land, die Dante naturllch
verneinend entſcheldet. Die aͤußerſt ſeltene Ausgabe des
Buͤchleins (Venedig 1508) hatte ich vor einer Reihe von
Jahren bei dem verflocbenen hochverehrten Mardyk
Trivulzio durchlefen, und damals, mit Foecolo, ftark m
ber Echtheit gezweifelt. Allerdings find die referitten X
gumente der Gegner groͤßtentheils herzlich albern; dad
baben fich meine Zweifel jegt bei erneutem Studlum ke
beutend gemindert, und Mandyes, mas Über die Biung
und Geftalt des Feſtlands gefagt wird, iſt für die Mile
anſchauung ber Zeit, vermuthlich für die eigene Dante,
fehr Iehrreih. Der Zert ift bis auf einige naheliegende
Berichtigungen ziemlich correct. Karl Witte,
Notiz.
Beitrag zur Geſchichte der Märtyrer für de
. BWiſſenſchaft.
einige Demüthigung die Helmkehr nad Florenz zu er⸗J- gichts iſt erhebender ais wenn man ſieht, wie ein Ein
kaufen, ablehnt. Dabei heißt e8 in der einzigen uns er:
baltenen Handſchrift: „Absit a viro Philosophiae do-
zmestico ... . . ut mere cujusdam cioli et aliorum infa-
mium quasi vinctus, ipse se patiatur offerri.”’ Ich hatte
nun geglaubt, cioli in scioli verwandeln zu muͤſſen (fern
fei es von mir, daß ich nad Art eines Nafeweifen u. ſ. w.),
und aud in Torri's Ausgabe iſt diefe Veränderung noch
beibehalten. Inzwiſchen hatte fchon der trefflihe Graf
Gefare Balbo in feinem „Leben Dante's (1839, II, 352)
zu dieſer Stelle bemerkt: „Nome probabilmente di qual-
che famigerato a quel tempo.” Die Mittheilung des
Hm. Wilde, die vom 7. Nov. deſſelben Jahrs herrührt,
lautet nun im Wefentlihen folgendermaßen:
Ich Habe flets dafür gehalten, daß Cioli ein Eigenname
fei, und eine ermübdende und anftrengende Nachſuchung in den
Archiven ber Zlorentiner Riformagioni gehalten, um zu ermits
teln, 06 nicht vielleicht und wann ein folches Individuum unter
den angedeuteten Bevingungen Verzeihung erhalten habe. End⸗
U iſt es mir gelungen zu entbeden, daß am 11. Dec. 1316
Lippus Lapi Giote nebfl einigen Andern unter der Bedingung
wieberaufgenommen warb, daß er binter dem Garroccio mit ei:
ner Schandmuͤtze bekleidet (with the mitre on his head) ein«
bergebe, und den fonft übtichen Beftimmungen genüge. Gein
Name findet fi nahe an dem Enbe einer langen Provisione
in dem Buch Nr. 16, Distinz, II, Class. 2, p. 36 des Archivs
der Riformagione; das Datum aber fiimmt mit Dem überein,
was in dem Briefe von Dante's faft funfzehnjäbrigem Erit gefagt
iſt; denn die Daten der Berbannungsfprüdhe wider ihn find,
“wie ich ermittelt habe, ber 27. Zan. und der 10. März 1302,
von Chriſti Geburt angerechnet.
Noch. ift Schließlich zu erwähnen, daß Hr. Torri ale
‚eine bankenswerthe Zugabe einen Abdruck des Lateinifchen
Berichts über eine von Dante am 20. Jan. 1320 (der
- beigefegte Wochentag zeigt, daß das Jahr von Chriſti
. Geburt, nice nach Florentiner Gebrauch von Marid
PVerlündigung, an. gerechnet if) zu Verona gehaltene
Disputatlon mit. italienifcher Überfegung beigefügt bat.
entwicelte ex einen Scharffinn und cine
Verantwortliher Herausgeber: Heinrich Brodbaus. — Drud und
ner mit Bintanfegung aller perfönlichen Intereffen und Kid
ſichten, ja mit Gefahr feines Lebens, ſich ganz dem Dienfte der
Menfchheit widmet. Wer kann ohne bie tieffte &Rührmg an
bie aufopfernden Bemühungen eines Lad Cafes und ander
Menfchenfreunde benten? Ganz vor kurzem hat Frankreid,
bat die Welt zwei Ärzte verloren, bie mit berfelben aushaltn
ben Begeifterung bis zu ihrem legten Athemzuge das gefährlie
Studium der beiden Krankheiten verfolgt haben, von denen der
Menfhheit namentlich im warmen Klima die größte Gefotr
droht. Die Namen Bulard und Chervin verdienen mit Ehe
furcht genannt zu werden. Wasder Erſtere für die Viſſenſcheft
geleiftet, weichen Gefahren er ſich ausgefegt hat, um ber Natur
ber Peſt auf die Spur zu kommen und um bie Mittel zur de;
lung fowie bie Präfervatiomaßregeln zu erproben, tft bekannte
als Das, was Ehervin für bas Studium des Gelben Fiebers ge
than bat. Bier zeigte es ſich vecht deutlich, wie ein Dann, a
dem fonft nicht eben der Funke des Genies glüht, wenn ex mit
unausgefegtem Eifer eine große Sache verfolgt, wie von eine
großen Idee getragen erſcheinen kann. Won dem Augenblide
an, wo Chervin zum erften Male über das Weſen der heftigen
‚Krankheit, die vorzüglich in der heißen Zone Amerikas ihre Opfer
binrafft, nachgedacht hat, bis zu feinem Zobe hat diefer eine be
ſchraͤnkte Punkt einer weiten Wiffenfchaft alle feine Gedanken
in Anfprud genommen. Nachdem er adıt Jahre hindurd ein:
sig und allein zur Beobachtung des Gelben Fiebers Amerika in
allen Richtungen burchftreift hatte, Lehrte er in fein Vaterland
zurüd, um bier das Grgebniß feiner Unterfuchungen zu verif
fentlihen. Die Übergeugung, bie er in den tropiſchen Enden
gewonnen Hatte, war die, daß biefe Krankheit nicht anſteckender
Natur ſei Diefe Anſicht wurde von dem größten Theile der
ärztlichen Welt und namentlich von einer mebicinifchen Sommif
fion befämpft, weldye von der Regierung den Auftrag erhaltm
hatte, das Gelbe Fleber in Barcelona, mo es ausgebrochen wat,
zu beobachten. Chervia fah ſich dadurch veranlaßt, gleichſal
nad) Spanien zu geben, um bort feine Unterfudungen fortzu⸗
fegen. Diele neuen Stubien beftärkten ihn nur in feinen frübern
Annahmen. Nah Frankreich zuruͤckgekehrt wurde er Mitglied
der Akademie, nahm’aber fafi nie am: ben Wergandiungen diefer
gelehrten Verſammlung hell, außer, wenn bie Rebe auf dad
Thema kam, dem er fein ganzes Reben gewidmet hatte, dann
egeiſterung, bie maR
bei ihm fonft nicht vermuthet hätte... - . 2.
erlag von F. U. Brodhaus in Eeipsig
Blätter
fü ee
literariſche Unterhaltung.
Zreitag,
—— N. 342.
8. December 1843.
Reiſe eines Norddeutſchen durch bie Bochpyrenden in
den Jahren 1841 und 1842. Won W. v. R. Zwei
Theile. Leipzig und Paris, Brodhaus und Avena⸗
rius. 1843. Sr. 12. 2 Zhle. 20 Ngr.
Nichts iſt aͤrgerlicher, als wenn wir eine Erfindung
von uns, einen Gedanken, den wir zuerft gehabt, von
Anbern ergriffen, gefördert und mit Gluͤck entwickelt fe:
hen. Ganz ähnlich diefem unbehaglichen Gefühl iſt das,
ein Land, eine Gegend von Andern gefchildert zu fehen,
zu dem wir zuerft den Zugang geöffnet, das wir zuerft
befchrieben haben. Der Ref. iſt mit der vorliegenden
Keifefchilderung in diefem erceptionelien Fall. Die Pyre⸗
nden waren vor {hm unter uns fo gut wie unbelannt;
kein Deutfcher hatte je eine Schilderung diefes herzlichen
Gebirge verfucht, da6 Heute zu den gewöhnlichen Reife:
zielen des reichen Muͤßlggangs gehört; nur Wenige hat:
ten e6 betreten, al& er im J. 1824 feine Reife durch die
Hochgebirge der Pyrenaͤen erfcheinen ließ. Es war da⸗
mals eine mühevolle, reich belohmende, aber anflrengende
Ausfluct ; heute Häpft die Jugend an Stellen dahin, die
er mit Lebensgefahr erklommen, trabt über Pfade hin-
weg, bie zu feiner Zeit den eifenbefchlagenen Gebirge:
ftab nöthie machten und dejeunirt an Stellen, wo er
zur Erquidung kaum ein wenig Biegenmilh und ein
Stud Serftenbrors fand. Das iſt das Wirken der Beit,
der Vorzug der jüngern Generation vor der ditern. Aber
fie follte nicht vergeffen, was von biefen Vorzuͤgen fie
eben der Altern Generation verdankt. Des Ref. Schil⸗
derung der Pprenden gab das Signal zum Beſuch dieſes
Gebirge, das bis dahin fo unbekannt in Deutfchland mar
als der Himalaja; feitdem hat zwar nicht die ewige Na⸗
tur felbft ſich geändert, aber die Mittel und die Weiſe,
ſich ihre zu nähern und fie zu genießen, find anders ges
worden. Der Ref. Eann ſich es fügen, daß es ihm mit
zu danken ift, wenn der junge Meifende jegt Guiden,
Gebirgsroſſe, Wirthshäufer, gute Pfade und fihere Stege
nun da findet, wo er dies Alles entbehren mußte. Der
Verf. des vorliegenden, lobwürdigen Berichts hat Unrecht,
mit keiner Sylbe feines Vorgängers als Defjen zu geden⸗
ten, ohne den vielleicht auch er aller diefer Behaglichkei⸗
ten zu entbehren gehabt hätte
Doch dies Altes iſt weit entfernt, unfere gute Laune
zu teüben oder ihm einen unfreundlichen Seitenblick zu⸗
zuziehen. Iſt es drgerlich, unfere Erfindung von Andern
gefördert zu ſehen, fo tft e6 auch wieder eine eigenthuͤm⸗
lich wohlthuende Empfindung, den Wachsthum unferer
eigenen Ideen zu betcachten, und zu fehen, was im Lauf
der Zeit aus Gedanken wird, die wie felbft zuerſt ange:
regt haben. Und fo mollen wir denn dem unbelannten
Verf. dieſer Arbeit fhon um deswillen unfern ‚Dank er:
ſtatten, weil er nicht ohne Gleichſtimmung wit uns
fetbft auf unfern eigenen Pfaden mehr wie Andere fort⸗
gewandelt ift. |
Auch bei dem WBerichterflatter iſt bee Beſuch .bes
herrlichen Pprendengebirge wie bei uns aus einem Ma:
turbedürfniß hervorgegangen; nicht aus Modefucht, Neu:
gier und müßigem erlangen, fondern .aus ber Neth:
wendigkeit, Seele und Geiſt an Naturanfchauungen zu
ftärfen, an ihrer Größe ſich ſelbſt aufzuerbauen und zu
erheben. Dies iſt der rechte Quell, der rechte Urfprung,
der richtige Gedanke bei einer Reiſe wie. die in die Hoch⸗
berge der Pyrenaͤen. Luft, Much und Ausdauer, wie fie
zur Überwindung von Schwierigkeiten nöthig find, un-
verftimmtes Gemüth, freier, undbefangener Bid, Kraft,
die vor Erfchöpfung fichert, alle diefe fließen nur ans bie
fem Quell ab. Zeit und Wetter haben ihre Gunft .bin-
zugebradht und dem rüfligen Reiſenden bier und da zu
fehen erlaubt, was uns ſelbſt unerreichbar blieb. So
tönnen wir ihm die Erflimmung des Vignemale benei⸗
den, der zu unferer Zeit noch unerfteigbar war, umb zu
dem es keinen Führer gab. Doc es ift Zeit, dab mie
uns der genauern Anficht des Inhalts dieſes dankens⸗
wertben Berichts zumenden.
Der Berf., ein vielfeitig gebildeter, wenn auch nicht
gerade ein wiſſenſchaftlicher Meifender, naht fich fei=
nem 3iele, wie wir felbft, über Toulouſe, allein von
hier voendet er fich weſtwaͤrts, nad Tarbes und Pau,
wozu wir nicht rathen können. Es iſt jedenfalls mehr
zu empfehlen, daß der Meifende, bevor er diefe Gebirge:
melt betritt, ſich eines Überblicks der gefammten Kette von
der Zerrafje von St.Gaudens her, und näher, von dem
eöftlichen Obſervatorium des Pic du Midi von Bigoere
verfichere, und fo vorbereitet in bie Mitte diefer Bergrie⸗
fen trete, als daß er von Pau her zuerft mit einer Sei:
tenanſicht beginne, welche die Gradation der Gebirgsſchoͤn⸗
heiten nicht gewährt, die der Eintritt von St.⸗Gaudens
\
/
der darbietet. Die erſten Gapitel, Tatbes, Pau gleichen
Vorbereitungen umd enthalten, außer den merkwärbigen,
Prophezeiungen des Bauers Bug von Milhas, und eis
ner Sefchichte der Geburt Heinrich's IV., von dem «6 hieß:
Milagro, ia vaca hijo un lione (die Kuh hat, o Wun⸗
der, einen Löwen geboren) nichts Neues ober Bemerkens⸗
werthes. Im vierten Capitel iſt eine geſchichtliche liber:
ficht diefee Landſchaften, obwol etwas troden, eine dans
kenswerthe Zugabe, da fie zur Deientirung dient. Don
Pau ab beginnt die Bebirgsreife mit Eaux bonnes, Eaur
haudes und dem Thal von Oſſan. Das Beine Thal
von Arudy iſt das erfle, das von hieraus ben nicht zu
ſchildernden Reiz der Pprendenthäler vor dem Reiſenden
entfaltet. Diefer unausfprechliche Reiz ift gerade die erfle
und charakteriftifche Eigenthuͤmlichkeit dieſes Gebirge, mit
dem «6 die Alpen und den Apennin weithin befiegt, in
dem es einzig und unververgleichlich daſteht. Der Wei:
fende thut wohl, wenn er ſich bemüht, über diefen ganz
eigenthümlicyen Reiz ine Klare zu kommen, von feinen
Elementen ſich Rechenſchaft zu geben. Der Verf. aber
verfäumt die Gelegenheit zu einer folhen Analyſe. Mag
fein, daß der Charakter von Dürre und Zrodenheit, der
dem fhdlichen Frankreich beimohnt, uns in höherm Grade
empfänglich macht für die faftige und volle Schönheit der
genen Welt In den Porendenthälern — Alles iſt hier:
mit doch nicht erflärt. Der fanfte Reiz der legtern be:
ruht, außer der Fuͤlle und Üppigkeit der Vegetation, noch
auf etwas Anderm, nämlih auf den, wie möchten fagen,
beruhigten, fertigen und abgefchloffenen Bergformen, welche
dieſe Thaͤler bilden. Hier ift kein Erdſturz mehr möglich,
jede Höhe hat ihre richtige Bafis gefunden, Alles erfcheint
weich, rund, beruhigt, Peiner neuen Umwandlung unter:
worfen wie in dem jlngern Gebirge der Alpen. Die
Ordnung iſt hier feit langer Zeit fertig, in den Alpen»
thälern iſt fie meiſtens noch herzuftellen; bier ift das
Schoͤpfungswerk vollendet, abgeſchloſſen, nicht mehr zu
ändern. Daber diefe fanfte, beruhigende Schönheit der
Berge, welche die Thaͤler bilden; daher der um deſto
größere und gewaltigere Eindrud der SBergriefen, welche
dieſe Thäler überragen, uͤberwoͤlben; daher die unbegrenzte
Kraft der Vegetation und der unvergleichliche Blumen:
ſchmelz in diefen Thalgruͤnden.
Wir haben bier mit wenig Pinſelſtrichen die charakte⸗
riſtiſche Schönheit oder beffer, den Charakter im der
Schönheit der Porendenmelt gezeichnet, und folgen dem
Berf. nun nad) Lourdes und Bagnieres de Bigorre, an
defien Quellen bekanntlich der im Trojaniſchen Kriege ver:
wundete Sort Mars ſchon Heilung fuchte, während Des
nus ihm bei diefer Badecur den bekannten Beſuch abftat-
tete! Das Thal von Campan ift in der That eines fol:
chen göttlichen Beſuchs werth. Wer fchildert feinen Reiz
nad) Sean Paul, defien der Verf. bei dieſem Anlaß frei:
lich nicht gedenkt: — die junge Welt iſt fo vergeßlicher
Natur! In Grip angekommen, bofften wir, der Verf.
werde fich dem nahen Pic du Midi zuwenden, dem fchön:
ſten Beobachtungspunkt für die gefammte Pprendenwelt;
umerbärlicherreife aber fleigt er durch die Dourquetta in
4374
die Bierthaͤler und zuerſt in das von Aure hinab, um
uns die tragiſche Geſchichte des legten Armagnıc u m
zählen. Es laͤßt fi dies nur aus einer gewiſſen, ihn
noch beherrſchenden Bergſcheu erklären. Das Thal ven
Argelts findet dann feine verdiente Bewunderung, chef
wir in feiner Schilderung den BDiligence-Reifenden erlen
nen, der freilich) dem Fußwanderer nichts Neues berichten
kann; biernady wenden wir uns dem Kern der Pyrmir
weit, bem Thale von Luz und Gavarnie zu. Bon bie
ab wünfchten wir dem Verf. etwas mehr Ernſt und eine
der Natur, die uns umgibt, entiprechendere Stimmung.
Leichte Bemerkungen, Wise und Küchenzettel geflattm
wir leichten und muͤßigen Reiſenden; wer echtes Gefuhl
für die Natur und ihre Schönheit Hat — und wir rechnen
den Verf. zu den fo Begabten — , follte in foldyer Um:
gebung Madame Gazaur und ihre Gaſthofsſcenen wer:
geffen können! Der Ref. war darin glücklicher; zu feine
Zeit begegnete man feinen reitenden Engländerinnen hie:
tee St:Sauveur und Cauterets. Doc, die Zeiten haben
ſich geändert, der Pic de Bergonz ift jege mit Zragfänf:
ten bebedit, deren Ref. ſich nicht erinnert, eine einzige in
den Pprenden gefehen zu haben. Die Civiliſation hat
auch ihre Schartenfeitel Aber der Verf. verfleht, von
dem herrlichen Panorama, das der Pic de Bergonz dur:
bietet, ein fo lebenvolles, farbenreiches und naturgetus
Bild zu entwerfen, daß wir nicht blos diefer Schatten
feiten vergefien, fondern, indem wir une mit ihm in di
Schönheiten diefer Bergwelt vertiefen, ihm zu lebhaften
Dank für feine warme und geſchickte Schilderung wr:
pflichtet werden. In der That bat feine Darftellung an
feiner andern Stelle einen fo wohlthuenden und befriedt:
genden Eindrud auf uns gemacht als gerade hier, m
Stil und Ausdrud der Größe und der Schönheit dei
vor uns entfalteten Naturbildes ganz entſprechen. Es if
zu ruͤhmen, daß der Verf. auf Schönrebnerei eben nicht viel
Gewicht zu legen fcheint umd ein Beſtreben danach fd
nirgend kund gibt. Um fo wirkungsvoller wird eine ne
türliche Erhebung der Sprache. Daß ihm das Vermo—
sen des ſchoͤnen Ausdrucks jedoch nicht mangelt, jest
mehr als eine treffliche Stelle. |
Wer nie einen Wald gefehen — fagt er z. B. — in web
chem die Natur, unentweiht von ben eigennügigen Angriffe
dee Menfchen, Sahrtaufende lang vielleicht ungeftört gewaltt
hat; wer für jene großartige Vernachlaͤſſigung Sinn und Zug
bat, welche nur in der Hand der Ratur Eünftierifche Harmonk
wird, der bringe ein in die Waldungen der Abhänge bes halt
Lutoue . . . Über Zelfen, über Bitumen und Kräuter hing
ſtreckt liegen vermodernd die alten Riefen des Waldes, nad dem
Raturgefeg einer neuen Generation Pla& machend, ihr zur Ruf
rung dienend, und fo fi in ipr verjüngend. Und welches ke
ben durch das Chaos dieſer Vegetation hin! Welche Unendiid
feit der Srfcheinungen in biefem Raume, von der Schlange al
die mit klugem Auge erft die ihr in dem Beobachter nabende
Gefahr prüfen zu wollen ſcheint, bevor fie flieht, von dem in
Farbenftaub gehüllten, regelmäßig gezeichneten Gchmetterling,
dem Käfer, der Müde aufwärts. Wo ift der Zweifler, der nad
dem aufmerkfamen Blicke in diefe wunderbar reiche Welt von
Weſen noch den Zufall Schöpfer fein Laffen möchte und von fer
ner Betrachtung nicht das Gefühl einer neuen Überzeugung mt
fih fortträge?
m. N wien ben
vu ur
- Ed
“ah B —
48
Mach dieſer Btilprobe durſen wir amd Das lebend an
dem Berf. hervorheben, daß er Empfänglichleit genug bes
ſizt, um das Hi in den Pyrenaͤen in feinem Reiz
und feinen Schredniffen lebendig aufzufaffen, in man
nihfahm Bildern vor uns hinzulegen und das in felnen
Mepräfentanten lebende warme Naturgefühl, ihre dichteri⸗
fche Auffaffung der fie umgebenden Scenen und die oft
merkwürdige Zartheit der Geſinnung und Empfindung
bei diefen Naturmenfchen nur in einzelnen Zügen, wie
in der ‚‚Befchichte zweier Brüder“ gefchieht, darzuftellen.
Durch das Thal von Prayndres, von dem der Verf.
ſchoͤn ſagt, daß es wie ein Blumenkorb aus ſeiner
ſtarren Umgebung hervorſchimmerte, dann durch das
Baſtanthal, wild und rauh, in dem ſo zartfuͤhlende
Menſchen wohnen wie die Brüder Ramon und Antoine,
geht der fernere Weg nach Bareges, dem Badeort, der
im Sommer den wundenktanken Bereranen, im Winter
den Lawinen, den Bären und Wölfen des Hochgebirge
angehört. Der Verf. ſchlaͤgt vor, diefen Drt zum De:
portationsort flr Srankreich, das nach einem ſolchen fucht,
zu beflimmen!
Der Weg nach dem Circus von Gavarnie, einem der
großartigften Werke, welche je aus der Hand ber Natur
hervorgingen , ift jetzt faft fo bekannt wie die Strafe von
Paris nad) Verſailles. Der heilige Schauer, welcher dies
fen Pfad noch vor 20 Fahren bedecte, iſt verſchwunden,
eine ebene Bergſtraße führe nun zu dieſem Wunder hin.
Allein ein Wunderwerk if} der Circus noch immer und
ein ſolches wird er bleiben, fo lange diefe 1400 Zuß bo:
ben Felſenmauern nicht in ſich zufammenflürzen. Ref.
bat diefe Scene feinen. Landsleuten vor 20 Jahren zuerſt
gefehlidert und er kann fi) nicht entfchließen, während
das Bild lebendig vor ihm fleht, die Schilderung eines
Andern wiederzugeben, wie warm und lebenvoll diefelbe
auch fonft fei. Ein Bild, das nad 20 Jahren in ber
Seele fo treu: und glänzend wieder erwachen kann, muß
etwas Großes und Ungemeines in ſich fuffen. Alpen
und Apenninen bieten nichts dem Circus von Gavarnie
Ahnliches dar, wenigftens was die Größenvechältniffe bes
trifft. Die Ringgebirge des Monde mögen von derfel:
- ben $ormbildung fein wie der Circus von Gavarnie
und gleichen Urfprung mit ihm haben.
Am zweiten Theile feſſelt zunächft die Wanderung
durch das Zelfenmeer von Heas, eine verunglüdte oder
eingeſtuͤrzte Circusbilbung, und wol die wildefte Scenerie
des ganzen noͤrdlichen Pytenaͤenabhangs. Der Reifende
gelangt dann endlich zw dem Pic du Midi de Bigorre,
den er zu unrecht früher umgangen bat. Diefer herr:
tiche Standpunkt, der uns das Gefammtgebirge allein zu
vollftändiger Anfhauung bringt, kann nicht genug em:
pfohlen werden; Ref. befuchte ihn dreimal, mit immer
wachfender Befriedigung.
auch nur Maler, er würde dieſen Beſuch weder fo lange
aufgefchoben noch fo flüchtig behandelt haben, als es ge:
ſchieht; feine Begegnungen mit fpanifchen Parteigängern,
Chriſtinos und Karliften, koͤnnen uns für diefe Entbeh⸗
zung nicht ſchadloshalten, obwol fie von gutem Blick
Wäre der Verf. Geolog oder
und gluͤcklichem Reiſenaturel Zeugniß geben. Cauterets
und der Lac de Gaubé bilden hiernaͤchſt die anziehendſten
Gegenftände feines fernern Reiſeberichts, der durch Die
Srfteigung des Vignemale eine befondere Bedeutung ers
hält. Der Vignemale, der hoͤchſte Punkt der franzöfls
[hen Pyrenaͤen — denn Daladetta und Montperdu lies
gen auf fpanifhem Gebiet und geben kaum einen Über:
blick der eigentlichen Kette — galt lange Zeit für bie
Sungfrau der Pyrenaͤen; er blieb dem Ref. unerreichbar,
weil zu feiner Zeit kein Führer gefunden wurde, der die
Zugänge des Rieſenbaus erforfcht hätte; feit 12 Zahren
iſt er erobert und vielfach befucht worden und nach dem
Berichte des Reiſenden fcheint feine Erfleigung nicht eben
ſehr fchwierig, da fie mit dem Opfer einer Nachtruhe er:
langt wurde. Der Vignemale ift bie hoͤchſte Erhebung
des Urgebirgs in den Pprenden, deſſen hoͤchſte Spigen
bekanntlich die Anomalie darbieten, faft fämmtlich jünge:
ver Sormation zu fein und auf dem Urgebirge aufzula⸗
gern; im Vignemale tritt der Granitgrat des Gebirge
Elar hervor, im einer Erhebung von 10,068 Fuß. Der
Überblick von diefee Warte her wird uns herrlich gefchil:
dert und muß dies in Wahrheit fein. Die umlagernden
Schnee: und Eisfelder koͤnnen fo bedeutend nicht fein ale
fie vom Thale von Esſsplumeau aus erfcheinen. Von bem
koͤſtlichen See von Gaube erzähle der Verf. die tragifche
Geſchichte des jungen englifhen Paare, das auf feiner
Hochzeitsreiſe begriffen, im 3. 1832 hier einen fchönen
Tod fand. Ein Gedenfflein verewigt das ergreifende Er⸗
eignig und nennt den Namen Patiffon. In uͤbermuͤ⸗
thiger Laune zieht der junge Gatte feine Neuvermaͤhlte
in den einzigen zecbrechlichen Kahn des Lac de Gaube —
fie rudern dahin im Spiel — ſcherzend — der Schiffende
verliert da6 Übergewiht und gleitet in den eiskalten,
flilen klaren Gletſcherſee. Er ift ein guter Schwimmer,
aber die Kälte des feuchten Grabes tödtet ihn. Sie
ſtarrt über den Bord gebeugt dem Verſchwundenen nah —
willig, willenlos gleitet ſie ihm nach, ſchwimmt eine Zeit
lang auf dem alten Elemente und verfchwindet dann
gleich ihm. Kaum Eräufelt ſich der ſeelenloſe Waſſerſpie⸗
gel ein wenig über dem Doppelopfer — fie ruhen bei:
fammen! Es liegt etwas Dichterifches in diefer einfachen
Begebenheit; die Tuͤcke der Natur, wenn fie groß oder
lieblich ift, iſt ein hochpoetiſches Element.
Der Beſuch von Bagneres de Luchon und die Aus:
flucht nah dem fpanifchen Thal von Aran, in beffen
Hauptſtadt, Viella, der Reifende mit dem General van
Dalen, dem derzeitigen Gewalthaber diefer Lande, zuſam⸗
mentrifft und einer Revue beimohnt, gibt dem fernern
Bericht ein neues Intereſſe. Wir können dem Berf.
dahin nicht folgen, aber wir dürfen diefen Theil feiner
Darfiellung als den gelungenften und befriedigendften bes
zeichnen. Auge und Urtheil des Erzählers find ſtets wach
und er weiß von dem Gefehenen und Erlebten Dasjenige
auszumählen, was dem Lefer ein ähnliches Intereſſe wie
ihm ſelbſt darbietet, und dies In mannichfaltiger und bes
lebter Darfiellung ihm vorzuführen. Mag des durchaus
Neuen, das er bringe, auch nur wenig fein, möge ibm
1376
und feinem Buche auch ber wiſſenſchaftliche Stempel feh⸗
len, und die Befriedigung des gelehrten Leſers nicht uͤberall
fein Bemühen kroͤnen, fo bleibe feine Arbeit doch ein
bantenswerther Beitrag zur Kunde des Pprendengebirgs,
feiner Reize und feiner anziehenden Schauer und er darf
auf eine höhere Anerkennung rechnen, als fie feinen jüng-
ften Vorgängern in diefem Verſuch gebührt, deren Schritte
Frivolitaͤt und müßiger Überdeuß in diefem ſchoͤnen „Stud
Erde’ geleitet haben.
Die Beigaben über die Hellquellen der Pprenden und
die fprachlichen Fragmente find unerheblich, der beigefügte
Entfernungsweifer aber ift dankenswerth. Wir wollen
Buch und Verf. daher dem wohlwollenden Lefer beftens
empfoblen haben, ber in der Anfhauung großer Naturwerke
feine Befriedigung findet. W. von Lüdemann,
Bibliographie |
Arndt, G. M., Maͤrchen und Zugenderinnerungen. ?ter
Theil. Mit 6 Kupfern. Berlin, Reimer. 8. 1Thir. 2 Rer. |
Blafius, 3. H., Reife im Quropäifchen Rußland in den
Jahren 1840 und 1841. In zwei Zheilen. Iſter Tpeit: Reife!
im Norden. Braunfchmweig, Weftermann. 1844. Gr.8. Preis,
beider Theile 5 Thlr.
Boden, %., Vertbeidigung des Hrn. Prof. Dr. Solv.
Sorban wider das in erfter Inftanz von dem Criminal: Genat
des Kurfuͤrſtlichen Obergerichts zu Marburg am 14. Juli 1843
gegen ihn. gefällte Erfenntniß, und Widerlegung ber Gründe,
biefes Erkenntniffes. Frankfurt a. M., Sauerländer. Er. 8.
Rgr.
Bröder, 3.9. C., Der evangelifchs chriſtliche Gemeinde⸗
gottesdienft aus der Schrift entwidelt. Hamburg und Gotha,
5. und &. Perthes. Gr. 8. 15 Nor.
Bruͤckbraͤu, F. W., Ehriftoph der Kämpfer, Berzog
von Bayern, ober: Der Loͤwenbund. Hiſtoriſche Erzaͤhlung.
Mit 1 Stahlſtich. Augsburg, v. Jeniſch und Stage 8.
36, Nor.
Beigifche Sompagnie zur Golonifation bes Diftrictd Santo
Thomas, Staat Guatemala. Dresden 1842. Gr. 8. 10 Ngr.
Dietfh, R., Das Leben Herzog Albrecht's des Beherz⸗
ten. Als Einladungsfchrift zu der 40hjaͤhrigen Feier feiner Ge:
burt im Schloſſe zu Grimma am 27. Zuli 1843. Grimma,
Berlagscomptoir. Gr. 8. IV Nor.
Erath, ©. 3., Der Scuimeifter in der Klemme. Cin
Schwank in Verſen in einem Acte. Wiefenfteig. 16. 72 Ngr.
Keine Folge von Briefen zwifhen K. Schil dener und
T. Schwarz. Berausgegeben von einem beiberfeitigen Freunde.
Pamburg und Gotha, F. und A. Perthes. Gr. 8. 15 Nor.
Geſchichte des Feldzugs von 1814 in dem oͤſtlichen und
noͤrdlichen Frankreich bis zur Ginnahme von Paris, als Bei:
trag zur neuern Kriegsgeſchichte. Iter Theil. Ifte Abrheilung.
Mit 3 Plänen. Berlin, Mittler. Gr. 8. 3 Zhlr.
Goͤrres, G., Marienlieder zur Beier ber Maiandacht ges
dichtet. Münden, Eentner. Gr. 16. 21% Nor.
Heller, R., Der Prinz von Dranien. Hiſtoriſcher Ros
man. Drei Bände. Leipzig, Gebr. Reichenbach. 8. 4 Zhir.
15 Ror.
Hinrichs, H F. W., Politiſche Worlefungen. Unfer
Zeitalter und wie es geworden, nach ſeinen politiſchen, kirch⸗
fichen und wiſſenſchaftlichen Zuſtaͤnden, mit beſonderm Bezuge
auf Deutſchland und namentlich Preußen. In oͤffentlichen Vor⸗
traͤgen an der Univerſitaͤt zu Halle. Zwei Baͤnde. Halle,
Schwetſchke und Sohn. Gr. 8. 3 Thir. 20 Nor.
Keferstein, ©., Über die Halioren, als eine wahr-
scheinlich keltische Colonie, den Ursprung des Halle’schen
Salrwerkes und \dessen technische Sprache. His V,
Halle, Heynemanı, Gr. 8 W Neger. —
Kehrein, J., Geſchichte der
Rgr.
„„gentner, J. F., Ritter und Bauer. Roman In vie
nüden. Drei Bände. Magdeburg, Baenſch. Gr. 12. 3 Tu
gr. \
Luben, 9., Hauptmann von Merlach (Beneral van
Grolman) 1819 Gtudent in Jena. Aus ben ung: * „Rül:
bliden in mein Eeben‘. Jena, Luden. 12. 7%, Ror.
Maufhmwig, ©. v., Über Strafgefangene und Straf—
anflatten im Geifte ber Seit, nebft einem Anhange über Ber:
mehrung und Berminderung ber Berbrecher. Berun, Diem:
(tr. 8. 10 Roer.
Mein letter Wille und Nachlaß. Aus ten Papieren eins
fdeintobtbegrabenen Rechtsanwaltes. Leipzig, Zaucnig Jun.
Gr. nn t —F Page '
ofen, 3., Gedichte. Ate vermehrte Auflage. Leimi
Brockhaus. Br. 8. 1 Toir. 18 Nor. Ber TE
Mofer, 5. ©, Die fünzigjährige Amtsjubelfeier dr
Geh. Eonfiftorialrathe Dr. Chr. Er. Böhme in Luckau. Erin
rungsblätter für die Kreunde und Verehrer des Jubilare. I:
tenburg, Helbig. Gr. 8. 8 Ror. .
Der neue Pitaval. Bine Sammlung der intereffantcken
Seiminalgefhichten aller Länder aus aͤlterer und neuerer det.
Derausgegeben von J. E. Hitig und W. Häring (V. Aluis
dter Theil. Leipzig, Brockhaus. Br. 12. 2 Thir.
Platen, ded Grafen v., Gefammelte Werke. In fünf
Bänden. Ifte Lieferung. Stuttgart, Cotta. Br. 16. 1 2.
Quendt, 3. ©. v., Vortraͤge über Äſthetik fir bildenk
Känftter, in der Kiniglihen Akademie für bildende Künfte m
Dresden gehalten. Leipzig, Hirfchfeld. 1844. Gr. 8. IAkt.
Raumer, F. v., Geſchichte Europas feit dem Ende de
15. Jahrbunderts. Tter Band. Leipzig, Brockhaus. Gr. 8.
2 She. 15 Nor.
‚ HRobmers, $., Lehre von den politifchen Parteien. Ihn
Theil: Die vier Parteien. Durch I. Rohmer. Frauenfeh,
Bepel. „1844. Ler.s8. 1 Thlr. 15 Nor.
Rüdert, F., Geſammelte Gedichte. Zwei Theile. Frank
furt a. M., Sauerländer. Gr. 12. 1 Zhır. 10 Nor.
— — Liebesfruͤhling. Frankfurt a. M., Sauerländen
1844. GEr. 16. 1 Thlr 10 Nor.
Scheidler, 8. H., Deutfcher Stubentenfpiegel. Au
Beitrag zu einer Reform bes deurfchen Studentenlebens in
Geiſte unferer Zeit und unferes Votksthums ans Licht geftelll.—
&. u. d. T.: Beiträge zu einer inneren, von ben Gtubirenin
feibft ausgehenden Reform des deutſchen @tudentenlebens. |.
Jena, Bran. 1844, 1 Tolr.
Spaziergänge eines zweiten Wiener Poeten. 2te Auflag.
Damburg, Hoffmann und Gampe. 8. 1 Thir.
Taſchenbuch für die vaterlaͤndiſche Gefchichte. Herausgegeber
von 9. Freih. v. Hormayr. 33ſier Zabrgang. 1844. Bi
4 Bildniſſen. Berlin, Reimer. Kl. 8. 2 Thir. 15 Rot.
Ulrich, 3. B., Boterländifche Bluͤthenieſe in Gedicten
und Erzählungen. Luzern. Kl. 8. 12% Nor. Bu
Voigt, 3., Handbuch der Geſchichte Preußens bi zu
Zeit der Reformation. Iter und letter Band. Königsberg
Gebr. Bornträger. Gr. 8. 2 Ihr. 10 Nr.
Walther's von der Vogelweide Gedichte. de
Ausgabe von K. Lachmann. Berlin, Reimer. Gr.8. 1 Thr.
Wette, W. M. de, Die Liebe als bas Merkmal u)
wahren Ehriſtenthums. Predigt zur Nachfrier der Verfammlaz
bes evangelifchen Vereins ber Guſtav⸗Adolph's⸗ Stiftung: Grant
furt a. M., Schmerber. 8. 3%, Nor.
Zeune, &. %., Gottlieb Köpler, der Soldat. Zwidht
8. 4, Nor.
Berantwortiiher Deraudgeber: Heinrich Brockhaus. — Drud und Berlag von F. A. Brockhaus in Leipzig
Blätter
für
literariſche Unterhaltung.
Sonnabend,
— N Nr. 343. ö— —
9. December 1843.
I U nn
Doefie und Profa.
So heißt man gewöhnlich bie beiden Dauptformen,
worein die menſchliche Sprache zerfaͤllt. Erſtere zunaͤchſt
aus Gefühlen emporſteigend, leztere mehr auf Gedanken
berubend, wandelten fie lange ſchweſterlich Hand in Hand.
Den gemeinſchaftlichen Stamm verfündigten die Natur:
laute beider. Aber im Laufe der Zeit flörte der Drang
nad Selbſtaͤndigkeit und eigenthuͤmlichem Wefen die Ein:
tracht der Schweftern immer mehr. Die Profa machte
Anſpruch auf bie ſchoͤne Klarheit des Diamanten, ohne
barum deſſen anmuthiges Farbenſpiel entbehren zu wol:
len, und die Poefie, obſchon mit den hoͤchſten Reizen der
Erde und des Himmels ſich zu ſchmuͤcken trachtend, mochte
deshalb Ihre Anfprüce auf reine Diamantenklarheit eben:
falls nicht aufgeben. Immer mehr erhigte ſich der Streit
zwifchen ihnen, bis fie zulegt eine wahrhaft feindliche
Stellung gegeneinander annahmen. Da fchlug fich die
Kritik ins Mittel und ſchloß fie ab voneinander, ſodaß
fie beide als felbftändig betrachtet wurden. Aber die
wechfelfeitigen Übergriffe der beiden Schweſtern in die
Scranten der voneinander gefchiedenen Gebiete dauerten
fort. Gleichwol werden, obſchon, feltfam genug, das
Unvcltommene und Widernatuͤrliche einer Scheidung der
Sprache in diefe zwei Formen zur immer allgemeinern
Anerkennung gelangte, foldye dennoch in allen die Sprache
betreffenden Abhandiungen als wirkliche Gegenfäge auf:
geführt.
Weit richtiger als durch die Worte Poefie und Profa
liege ſich der Unterfchied durch die ebenfalls gebräuchlichen
Ausdrüde: gebundene und ungebundene Rede be:
geihnen. Denn da6 Gebundene durdy Metrum und Reim
und Die ganz ungebundene Rebe bilden allerdings eine
weſen tliche Verſchiedenheit. Doc würde biermit ebenfo
wenig ein ausfchließendes Terrain für die zwei kriegeri⸗
fhen Schweftern gewonnen, da dieſe Gebundenheit nicht
nur keineswegs mit Dem, was man Poefie nennt, iden⸗
tif tft, fondern fogar bei gänzlihem Mangel an letzte⸗
ter flattfinden kann, die Profa aber durch die von ihr
behauptete Freihelt das Recht nicht verwirkte, ebenfalls
in den Räumen der Poefie nach Lorberfrängen zu ringen.
Seitdem mit Goethe und der hauptſaͤchlich von den
Strahlen feines Alles uͤberwiegenden Geiſtes angeregten
zoma ntifchen Dichterſchule eine neue Ara der Literatur
begann, dürfte ber Profa biefes Mecht kaum noch zu bes
freiten fein. Won der Kritik war ihr ſolches bis dahin
einzig im Dramatifchen und zwar nur flillfchweigend zus
geftanden worben. Hatte aber Goethe durch das Weſen
feiner Scaufpiele wie „Goͤtz von Berlihingen‘, „Cla⸗
vigo’’ und „Egmont“ dieſes Zugeftändniß feierlich fanctios .
nist, fo wies auch die feuer- und anmuthreiche Seele
feiner Lyrik zuerſt auf die Mängel und Schwächen der
gebundenen Mede in Deutfhland bin. Seit Opig und
Flemming, bis zu dem durch Prug recht verdienftlich dar⸗
geſtellten Goͤttinger Dichterbunde und deſſen einzelnen,
wahrhaft poetifhen Xheilnehmern , fowie einigen wenigen
andern, tfolirt dem Fortfchritte zuftrebenden Dichten, was
ven im Allgemeinen Metrum und Reim zu porfleleeren
Schalen geworden, daher das laut ausgefprochene Vers
langen der Romantiker nach poetiſcher Poefie, beffen
Triumph zum Gluͤck durch Bein Achfelzuden und Naſe⸗
rümpfen der im Schlendrian der damaligen Zeit befangenen
Poeten und Kritiker zu bintertreiben war. Den größten
Einfluß auf diefen Triumph hatten namentlich die von
der romantiſchen Schule ausgegangenen lehrreichen Fin⸗
gergeige auf die Werke Goethe's und die glanzvollen prak⸗
tifhen Beweiſe eines neuen Aufſchwungs duch Tieck's
romantifche Dichtungen. Wie aber zufolge der immer mehr
Eingang findenden veränderten Anfihten Mettum und
Reim, ohne wahrhaft poetifchen Inhalt, allen Werth verloren
hatten, fo gefchahen nun auch gleiche Angriffe gegen bie
Profa. Diefe misbrauchte nämlich ihr Recht auf den Zus
teite in die Räume der Poeſie dadurch, daß fie ſolchen
mit Hälfe einer Unnatur fich erfchlicd), welche unter dem
Namen der poetifchen Profa eine ziemliche Zeit beſtand.
Ohne das Verbienft mancher dergleichen, namentlich der
finnreih ausgefhmüdten ländlichen Schilderungen des
Schweizer Salomon Geßner, zu verkennen, erfcheinen
ihre Geſtalten doch nur wie ſchoͤn geformte und mit als
tem Weiz der Farbe ausgeftattete — Wachsfiguren, denen
gerade die unentbehrlichfte Eigenfchaft, das naturgemäß
fich vegende Fieifh und Blut des Lebens, abgeht.
Aber wie Goethe's Schaufpiele der Aufnahme drama:
tifcher Werke ohne Reim und Metrum in die Räume
der Poefie zw mehrer Belräftigung dienten, fo brachen
auch feine Romane fi) von felbft Bahn in diefe Räume,
auf keinem Wege, wie der von Geßner eingefchlagene,
fondern auf einem, ber bald nachher von allen Sachkun⸗
digen nicht nur für vechtmäßig anerkannt wurde, fondern
auch jedem biefelbe Bahn verfolgenden Romanverfaffer
offen ſtehen follte. Diefer Weg aber ift bie Dichterifche
Anlage und Ausführung des Werks.
e Die nächte Frage wäre num wol bie: Worauf bes
ruht der Unterfchied der gemeinen von der dichteri⸗
ſchen Anlage und Ausführung? Zwifchen den mächtigen
Namen Kant und Hegel flattert eine ſolche Fülle von
Deftinctionen des Worte Poefte, daß Feder, der in dem
Ausſpruche, mit dem Sean Paul feine ‚‚„DBorfchute der
Aſthetik“ beginnt: „man kann eigentlich nichts real befl:
airen als eine Definition felbft‘‘, keine 9 fins
det, darüber in Verzweiflung gerathen möchte, vodre nicht
Die große Mehrzahl der den Gegenſtand betreffenden Deft:
aittenen im Wefentlihen über einen Leiften gefchlagen.
Dhne bie Büte der Auswahl unter ihrer Menge vor dem
Elgenfinwe der Kritik vertreten zu wollen, möge nur
die, welche das im %. 1843 erfchienene „, Etymologiſch⸗
Beitifche Wörterbuch der dfthetifchen Kunftfprache‘‘ von
De. Hebenfireit als die allerneuefte bier aufgeführt ſte⸗
den. Sie lautet:
Poeſie ift die Darflellung bes Schönen, durch bie Sprache,
d. i bie Kunft, das Schöne durch eine in fich gefcdhioffene Reihe
anſchaulicher Gedanken in der Sprache inbivibuel barzuftellen.
Vielleicht füge fi übrigens bie Antwort von felbft
an obige Frage, wenn man bie Poefie für eine Ver:
klaͤrung der Wirklichkeit annehmen will. Daß fie dies
(ei, darin ſtimmen foR alle Compendien überein. Deſto
weniger aber freilich dürfte man fich über die ſpecielle
Veſchaffenheit einer ſolchen Verklaͤrung vereinigen, weil
dieſe von der Individualitaͤt und dem Uestheilsvermägen
jebes Einzelnen abhängt und das wahrhaft Schöne, was
bean doch den Hauptbeſtandtheil ber Verkidrung ausma⸗
den muß, fogar vielen der Verſtaͤndigſten und Fein⸗
fühlenpdften ein ewig unbegeeiflihes Myſterium bleiben
wird. Wenn man deshalb auch davon ganz zu abfira>
biren bat, einem poetiſchen Meiſterwerke, das vielleicht
wach dem Urthelle der competenteflen Kritik feines Glei⸗
chen nicht findet, denfelben allgemeinen Beifall zugekehrt
su fehen, der einem mathematiſchen, in gleichem Grabe
vollommenen Werke von Sachkundigen unmöglich ent:
gegen werden Eönnte, fo wird man fich in biefem Kalle
mit dem Ausſpruche bee darüber anerkannt Urtheilfaͤhig⸗
en zu begnügen haben.
Wie fonady bie unter dem Namen ber poetifhen
Proſa bebannte unnatürliche Aufblähung der ungebunde:
wen Mede den Einlaß in das Gebiet der Dichtkunſt durch:
aus nicht erwerben kann, fo kommt legterer jener Rede
von ſelbſt zu, ſobald ihrem Inhalte bie poetiſche Werkid:
zung beimohnt, welche, namentlich in dem Roman und
der Movelle, aus dee Gonception und Geſtaltung des
Ganzen und Einzelnen bernorieuchten muß. Und zwar
kann der Gegenfland des Werks ebenfo gut dem Gebiete
des Verſtands als dem des Gefuͤhls entlehnt, mithin.
«benfo gut komiſch als tragifch fein, wie Cervantes mit
feinem ber altes Ähnliche hoch hinanscagenden „Don
—
ſchen Zwe
Qui.
dings Velzwerkes und ‘dessen technische -Mprache. Hin Versuch.
fachſten le, Heynemann, Gr. 8. 2» Ner.
er 2 n bon der aͤlteſten bis zu meneften Zeit. Gin
19 sus allgemeinen Siterasusrgefchichte. Zwei Wände Re⸗
— 9, Manz Gr. 8. 3 Thir. ZU Nor.
„in derytner, 3. F., Ritter und Bauer. Roman in vier
erwachfen, laͤß Drei Bände. Magdeburg, Baenſch. Gr. 12. 3 Thu
feine dee befanhı..
größern Fülle von
gen bereitwilliger entge
Hauptmann vo Gerlach (General von
t in Jena. Aus ben un een RU:
a, Ruben. 12. 1% Nor.
Pi deutſche. Recht an Wer ——— ung Out
Mangel eichheit umd einem Anhange
zum Vorwurfe. Aber, nicht zu gederis@gedher. —
ben Papieren eines
8, — jun.
neuerlich zu mancher Berbeſſerung gelang.
für aud) eine Energie zu Gebote, mit ber
mancher andern hochausgebildeten Sp
außer Stande find. Ebenſo ift es mit de
[haffen, daß der deutſchen Sprache in vielen
Beſtimmtheit des Ausdrucks abgehe und daß
meilen in ein undurchdeingliches Dunkel verlier
gereicht vielmehr diefer Tadel unferer herrlichen
su befonderm Lobe. Gerade das Stereotypiſche d
drucks befonders in der franzoͤſiſchen Spra
eine Menge Dinge und Fälle, beurkundet eine
ber gegenüber der Reichthum der unferigen erſt ve
Licht tritt. Mährend die deutfche für manche Sa
Erſcheinung unter einer Fuͤlle von Abflufungen, Kap
und Nuancen die Auswahl hat, tft der Franzoſe m Wie
tee auf einen einzigen Ausdruck befchränkt, ſodaß
befanntlih im gewöhnlichen Leben bei recht gangbdi
Wetter⸗, Geſundheits⸗ umd fonftigen Gonverfationsfra d
vorausfehen kann, In welche Worte gefaßt feine dara a.
folgende Bejahung oder Verneinung erfcheinen muß. U
jenes Dunkel, das undurchdringlich gefcholten wird, iſt i
der Regel ebenfalls nur das Dunkel einer Haren Ste
nennacht, welche die Phantafie des Deutihen ihm au
erhebenden Fingerzelge auf eine Ewigkeit geflaltet, wor-
an die große Mehrheit der Franzoſen zu glauben‘ ganz
unfähig geworden. Überhaupt frebt, wie der ganze deuß
[he Charakter, fo auch die deutſche Sprache mehr
die Sprachen vieler andern Nationen, deren Beſtr
gen hauptſaͤchlich nach äußerer Cultur, Abrundung
Stabilität gerichtet find, nad innen, den tiefften
men der Gemuͤthewelt, mit ihrer allerdings oft
verzagenden Hoffnung zu, in ihr moͤchte body viel
endlich der Schlüffel zu dem großen Gehelmnifie
Univerfums zu finden fein. Mit dieſem Hauptſtre me
bürfte aber das Streben nah Stiliftand fi nie Der
einigen laffen, weit folder nur als eine bie ihr zu wolaz
ſchende weitere Fortbildung und Vervollkommnung 5
bernde Verknoͤcherung zu betrachten wäre. Wenn bat
aber auch jene andern Sprachen und namentlich &
franzoͤſiſche vermöge ber auf ihr laſtenden Begrer
und Stabilitaͤt der Diplomatie von vorzuͤglichem Werthe
fein muͤſſen, fo ſtehen fie doch unſerer an Gleichniffen '
und Bildern durch die Fortdauer ihres Perfectibilisse im
81’
ıf
ı Gipandge im Gebice ba
. Unter Auderm iſt es bes
des mehrfachen uneigent⸗
N hnung ber Gegenſtaͤnde, wel:
N t N t | | ‚uber über die aͤußere Poetik
| % häufige Ermangelung, nament;
Hinſicht hoͤherſtehende franzoͤſi⸗
de der Dichtkunſt, in offenbaren
(hriſchen Meifterwerke ſelbſt ber
akreichs, fo boch fie duch ſorgſame
Sonnabend, Stätte, wie beſonders auch durch ben
hantemus de Ganzen beinahe die ge:
ine Lyrik uͤberragen, muͤſſen doch im Allge⸗
at ihrer, wie unter dem Commando des Tanz⸗
Y feufjenden Grazie vor den Liedern und Roman:
So heie rer Goethe und Schiller zuruͤckweichen, deren ma:
werein die ntlänge, obſchon fie einzig aus ben Tiefen reinſter
aus Gefohlchennatur frei hervorquellen, aus überirdifhen Räumen
beruhend, zugeſendet erſcheinen. Ohne Zweifel hat das er:
e Den gemite, duch ben CEigenſinn ber patiſer Akademie er:
n ppte beiagene Stillſtehen der franzoͤſiſchen Sprache die meiſte
drgg Sould an, jenem Nachtheile der letztern, wenn man fie
made, ; dieſer vergleicht, und es überſteigt fall allen Glau⸗
ae My, daß der ungeheure Irrthum des Stabilitaͤtsbeſchluſ⸗
fee fo lange bei Kräften zu bleiben vermochte. Die
Sa prache, den Körper, der zur Fortpflanzung aller geiſti⸗
en, Ham Bewegungen einer Nation nicht ‚zu entrathen ift,
jofe mleichfam in Spiritus fegen zu wollen, worin doch alles
ſodaß aben erftiden muß und nur der Tod aufbewahrt wer:
gangban Bann !
tionsfra Mit Eintritt ber Revolution hörte indeſſen bie fran:
ine daratfche Sprachtyrannei von felbft auf. Eine Maffe, zum
muß. Unit Auferfi übelgerathener, neuer Wörter nahm fich
wird, if Freih eit, umter der Herrſchaft ber Freiheit umd Gleich:
Haren Stet ebemfalis profperiven zu wollen. Männer, deren
n ihm zunriotismus ſich hauptfächlich auf die Handhabung der
fatter, wor⸗ Totine gelegt hatte, gaben fih mit der Schöpfung
zuben ganpr Sprachartikel ab, und wie groß auch ber Abfcheu
ganze deut franzoͤſiſchen Akademie wor dem Ausdrude „bougre-
mehr ent patriotique” fein mochte, fo wagte fie doch ſchwer⸗
einen Laut dagegen, ba einer, der fpäterhin ber
illotine mit größerem Rechte verfaltende, ſchmutzige
reorift, Bürger Debert e6 war, der feinen Briefen des
Pere Duchene”, einer damaligen Zeitfchrift, dieles Lob
f dem Titel ertheilee. Im Stillen litt gewiß mandyer
adensiter an Wörtern, wie das von den parifer Ges
upilängnißemeorden zu Anfang September6 1702 hergefeitete
‚ni WBeptembrifiren nicht wenig, wenn er auch viel:
‚jolwicht aus Beſorgniß, daß an ihm felbſt das Erempel ei:
mm Fer Geptembrifation flatuirt werden, oder man ihn
aus dem großen Fenſter fhauen*) Laffen mddhte,
‚ia Meine Gefühle dabei ganz unterdruͤckte. Kurs, im blutigen
np @Befolge des Revolution durchbrach eine ſolche Dienge zum
9 30 Thell ganz rohes, gehaltioſes Geſchmeiß von Worten und
ich ein I vergeffenee Ausdruck, mit weichem bie
u —* des one —— — durch. die —&
jcherzhaft derelchnete.
Veſt
md
eſſten
he
imaift
ſene Kraft zu faffen
Vedentarten ben dagıgen dangge Bahıe- ſergf ete
balsenen und bewachten akadeniſchen Damm, daß ua
ber: feicher gegen jche Neuerung diefer Aut gelmd: gemach⸗
ten Pruderie des ſogenaunten feinen in der
Sprache keine Rede weiter fein und foger der aͤngſte
Jan Hagel von nenen Woͤrtern und Redeformen ſich
ohne Widerſpruch in der Hauptſtade der Welt naturaliſi⸗
vom konnte. In der Folge wındee freilich eine
eiptzeten und manche Hefe wieder wegfallen. Es if aben
doch bei aller Mühe, weiche die frangdfifche Akadewit fich
von neuem gibt, als abfelute Sprachheerfcherin aufzutre⸗
ten, ſolches mehr für eine leere Demonſteation als für
eine Sache von Gewicht zu achten. Vielleicht Ing: «A
blos an dem fortdbauernden politifchen Sturme und Um⸗
fgwunge, daß die franzöfifhe Pocfie, wenn man ihren
unfruchtbaren Kampf der Claſſicitaͤt mit einer ſogenean⸗
ten Romantik abrechnet, bis jetzt, auch in Folge des
neuen Sprachzuwachſes und mancher früher ganz verpdat
geweſenen Bilder und umeigentlichen Ausdrüde, keine we
fentliche Abänderung erfahren bat. Dream aufer dem ha⸗
ben, leidenſchaftlichen Glanze der begeiflerungswollen und
in jeder Dinficht wichtigen Marfeillerhpymne herrſchte
in Diefer Poefie noch immer bie ganze regelrechte, eintoͤ⸗
nige Nuͤchternheit des Verſtands nme allzu ar, um ber
Phantaſie nicht allen Schwung zu benehmen, bis Alfons
de Lamartine zuerſt einen Weg einſchlug, der feinem Na
men gewiß eine weit feſtere Dauer fichern wird als bie
Yuldigungen, bie er neuerlich für dem Augenblick wait
weit größerm Erfolge ber Politik darbrachte. Denn dieſer
außgezeichnete Dann war es, deflen ebenfo kraftrolle nie
melodiſche Töne fogar einen großen Theil derjenigen feiner
Landsleute, die Das, was in Frankreich für claffifch gilt,
abgoͤttiſch verehrten, mit feinen wohldurchdachten Verſtoͤßen
gegen. dieſe Claſſicitaͤt amezuföhnen wußte; ee war eb,
weicher die au friſchen Bildern, Gefühl und Innigkeit
faſt ganz vermahrlofte Profa des franzoͤſiſchen Verſes
duch fo manchen kuͤhnen Eingriff in bie Sprache großen⸗
theils mit einem poetiſchen Gewande zu beffeiden und
fie fo aus der frofligen Müchternheit des Verſtands im
‚die warmen, bluͤhenden Regionen ber Phantafie uͤberzu⸗
' führen umd ben vorbeiflatternden irdiſchen Erſcheinungen
durch Vermählung mit der unvergängligen Semäthswelt
Dauer und Bildung zu geben verfiand. Möge ſawol
ee ſelbſt fortfahren, fein gelungenes Werk vorwärts zu
treiben, als die im Steigen begriffene Zahl feiner Jünger
ſich immer vermehren. Möchten dieſe nicht irre werben
durch die Widerſpruͤche mancher ihrer im alten Vorur⸗
theile umtergehenden Landéleute, des Meiſters Kuͤhnhait
und deſſen Beſtrebungen wo möglich noch zu überbieten!
Hat body eine gleiche Kuͤhnheit unferer beiden Kuuſt⸗
beroen, Goethe und Schilier, audy uns Deutſche im Reiche
der Poeſte erft auf die hohe Stufe gebracht, deren wir
und num erfreuen. SBefonder& war. es ber Letztere, defſen
erhabener Genius die ihm beimohnende Fülle guoßer Ge⸗
fühle und Gedanken in eine ihm eigenthuͤmlich zugewach⸗
wußte, deren Glanz Alles zauberiſch
an fich zog. Leiche möglich aber, daß er, allzu blendend,
da der Fotze bie deutfche Poeſte auf denſelden Abweg ges
ſehet Hätte, Der ihr ſchon im 17. Sahehunderte einmal
durch Überfpanntheit und Monfrofität, in den Dichters
werken Lohenſtein's und Hofmannewaldau’s eine eigenthuͤm⸗
che, von der Einfachheit der Natur abweichende, Rich
tung gegeben, wäre Schiller's gewaltfamer Anfpannung,
welche namentlih die mächtigft hinreißenden (Gedichte
„Berigeifterel der Leidenſchaft“, „Reſignation“ (beide naͤm⸗
lich in ihrer urfprünglichen, keineswegs in der nachheri⸗
gen fogenannten verbefferten Geftalt) und auch zum Theil
fein koͤſtliches, Lied an die Freude” darthun, nicht Die
Betrachtung in den Weg getreten, baß ſolch eine raſt⸗
loſe Anfpannung ein unnatlrlicher Zuſtand fei. Als
das unfchäsbare Refultat diefer Betrachtung liegen Schils
Ser’s fpätere, hauptſaͤchlich ſeit dem 3. 1793 entflandene
Deamatifche und lyriſche Productionen von Sie find
ein klarer, ruhiger Spiegel, aus dem uns, innig vers
ſchmolzen, Natur und Kunft und Himmel und Erde,
mie ihrem unerſchoͤpflichen Geſtaltenreichthume und ber
frifcheften Farbenpracht wahrhaft besaubernd anfchauen
und wie mit liebenden Armen felthalten. Und bie eben
erwähnte Betrachtung, welcher eine fo mächtige Veraͤnde⸗
rung entquoll, wen verdanten wir fie, als ber Schickſals⸗
gunft, die ihn mit dem größten Dichtergeifte nicht nur
Deutſchlands, fondern der ganzen gebildeten Welt zufams
menführte? Nach Allem, was über das Verhaͤltniß zwi⸗
fen Goethe und Schiller in Hinſicht auf Leben, Wiſſen
und Kunft bekannt worden, iſt dieſer denkwuͤrdige genaue
Bertin überhaupt ale ein wahrhaft großes, europäifches
Ereigniß zu betradhten. Die gegenfeitigen geiftigen Er:
giefungen der zwei Dichtergrößen, wie nicht jedes Jahr:
hundert eine einzige bervorzubeingen vermag, find für bie
weitere Ausbildung beider von ber erfreulichften Folge ges
wein. Ruͤhmt doc Goethe felbft die geiſtige Anregung
durch den hohen Mann, ohne voelche unter Anderm na⸗
mentlich feine in den Schiller’(hen ‚„Mufenatmanachen’’ zu:
erſt erfchienenen lyriſchen und romantifhen Wunderklaͤnge
Ach nicht zum Dafeln würden emporgefchwungen haben.
Ebenſo wenig ohne Zweifel der zweite Theil des „Fauſt“, der,
wenn er auch allerdings in Auffaffung und Ausführung hinter
dem erften offenbar weit zuruͤckſteht, doch gewiß ein Wert ift,
defien Höhe, befonders in den mitunter ganz unvergleich⸗
fichen einzelnen Partien, fchwerlich ein Dichter ber jetzi⸗
gen Periode zu erreichen im Stande wäre. Beide Kunft:
heroen fchienen berufen, einander wechfelfeitig zu berichti:
gen und zu ergänzen, um in ihren Werfen dem ganzen
Europa als Literarifche und poetifhe Meiſter vorzuleuch⸗
ten. Nichts bemeift wol auch beffer ihre Anerlannıfein
son den gebildeten Nationen als die faft überall unters
nommenen Berfuche der Überfegung ihrer Schöpfungen.
‚(Die Jortſetzung folgt.)
Humoriſtiſche Vorträge. Geſammelt von 2. Weyl. Berlin,
* Berliner Berlagsbuchbandlung. 1843. 8, 15 Mer.
Aus diefem Buche erfahren wir, nicht theoretiich, fondern
an Beifpielen, was ber Hr. Herausgeber für humoriſtiſch hält.
Ge mas feine —— * et Se ie kung bed Wer
greife bumori n ER
nicht fo Leicht als das Zufammenlefen und ——*
ſolcher ſich für geiſtreich ausgebender Artikelchen. Unter benſa
ben finden wir forcirte Wort⸗ und Bitzſpielereien, z. B., die
Ziſchreden“ von €. Schneider, „Die Entſtehung des Carnedal⸗
von Boͤrnſtein und Ähnliches; ferner eine geburt der
Saphir'ſchen Aftermufe, betitelt „Die Gifenbahn‘‘. deef. findet
ben Humor weder in dieſen genannten, noch in Dettingers
„Saufendgülbenkraut‘‘, noch in Weyl's „Bildergalerie, noch in
deſſen „Der Zeufel und der Bafhionable”’, noch in Gubig’ „Ric
besfibel‘‘ und „Ich bitte, noch im Ungluͤck und Pedy" von Rats
ter; naturwahr iſt Glaßbrenner's „Erdbeben“, aber für kums
riſtiſch wird dieſe fowie alle andern Nummern ber Brofdrire
Niemand halten. Man begreift wirklich kaum, wie mande
berliner Literaten fo wenig Gelbftkritit exerciren, daß fie ſolche
flache Unbedeutendheiten, die in der That nicht werth find,
daß fie gebrudt werben, bem Publicum übergeben mögen. Das
Getvägtichft im ganzen Buche iſt noch: „Bedenken * von
Muͤhler. ,
Literarifhe Anzeige.
Der neue Pitaval.
Eine Sammlung der intereſſanteſten Criminalgeſchich⸗
ten aller Laͤnder aus aͤlterer und neuerer Zeit.
Herausgegeben von
Dr. J.E. Hitzig und Dr. W. Häring (W. Alexis).
Erfier bis vierter Theil.
Sr. 12. Geh. 7 Thle. 24 Mer;
Inhalt des erfien Theile (Preis 1 Chir. 24 Ygr.):
Kari Ludwig Sand. — Die Ermordung bes Fualdes. —
Das Haus der Fra® Web. — Die Ermordung des Pater Tho⸗
mas in Damaskus. — James Hind, der ropaliftifche Strafen:
räuber. — Die Mörder als Reifegefrllfchaft. — Donna Maria
| Bicenta de Mendieta. — Die Frau des Parlamentsrath Tiquet. —
Des falfhe Dartin Guerre. — Die vergifteten Mohrruͤben.
Inhalt bes zweiten Theils (Preis 3 Thur):
Fonk und Hamader. — ‚Die Warquife von Brinvillier. —
Die, Seheimräthin Urfinus. — Anna Margaretha Zwanziger. —
Gefhe Margaretha Gottfried. — Der Wirthfchaftöfchreiber Tar⸗
now. — Die Mörderinnen einer Gere. — Die beiden Ruͤrn⸗
bergerinnen. — Die Marquiſe de Gange.
Inhalt des dritten Theils (Preis 2 Chir.):
Struenfee. — Lefurques. — Der Schwarzmüller. — Der
Marquis von Anglade. — Jacques Lebrun. — Der Mord ut
Eord Williom Ruſſell. — Nickel Eift und feine Gefellen —
Berthelemy Roberts und feine Flibuftier.
Inhalt des vierten Theile (Preis 2 Chir):
Sim — Admiral Byng. — Der Pfarrer Riems
bauer. -- Magifter Zinius — Gugen Aram. — De
Maͤdchenſchlaͤchter. — Die Kindesmörberin und bie Scarfrids
terin. — Jean Calas. — Jonathan Bradfort. — Der Ziegel:
brenner als Mörber. — Der Herr von Pibardiere. — Klara
Wendel, oder der Schuitheiß Keller’fche Mord in Luzern.
Eeipzig, im December 1843.
$.%9. Brockhaus.
Berantwortliher Deraubgeber: Heinvih Brokhaus. — Drud und Verlag von 8. A. Brodhausb im Leipzig. '
Blätter
für
literarife Unterhaltung.
Sonntag,
Doefie und Profe.
(Bortfegung aus Wr. 8.)
Wirklich gab es zu Anfang des legten Deeenniums
vom 18. Jahrhunderte in Folge der jugendlichen Lyra:
länge unferd Schiller eine Periode, in welcher der vorer-
wähnte, durch Eodenftein’s und Hofmannswalbau's poeti:
ſche Überfpanntheit herbeigeführte Irrthum Miene machte,
fi) zu wiederholen. Die beiden hier nochmals genann:
ten Dichter hatten zu ihter Zeit, vermöge einer oft in
leeren Wortfhall und Unnatur ausarteriden Zufammen:
drängung der Sprache fo große Senfation gemacht, daB
man durch fie alle andern deutfchen Poeten, namentlich
ihre um wenige Jahre aͤltern Beitgenoffen Opig und
Slemming, weit übertroffen zu feben glaubte, wie unter
Anderm ein damals in großem Rufe gemwefener Äſthetiker
Namens Männling in einer feiner mancherlei verfchieden:
artigen Schriften, deren Titel mic entfallen ift, mit gro:
Ben Pomp verkündigte. Ihr Ruhm erhielt fih im Ber:
bältniß zu ihren Übrigens urtleugbaren Verdienſten län:
ger, als man hätte glauben follen. Noch lange nad ih:
rem Zode erfhien unter bem Titel: „Die allerneuefte
Art zur reinen und galanten Poefie zu gelangen” 1707
eine ÜÄftherit von Menantes, in deren Vorrede fie unge:
mefjene Lobſpcuͤche erhalten, während jener ander zwei
och immer mie Recht im bichterifchen Lorber prangenden
Zeitgenöffen, Martin Opig’ und Paul Klemming's,
nicht einmal Erwähnung gefchleht. ben wie zur Zeit,
wo man die laͤngſt völlig vergeſſenen Lohenſtein und
Hofmannswaldau vergoͤtterte, war auch das Heer ber
Bemunderer Schiller's immer mehr angewachſen. Ihre
Majorität fühlte ſich jedoch offenbar nicht fowol durdy die
wahre Größe feiner Etſcheinung, als durch den auffallen:
den Abftih, in der Art, wie foldhe von der minder rau:
ſchenden Poefie der Zelt ſich unterfchied, elektrifirt. Ge:
rade daB mitunterlaufende Milde, Formloſe und Überla:
dene, ja wol genau betrachtet, zumeilen der Sinntofigkeit
Berwandte, gewährte Ihnen den hoͤchſten Reis. Die Nach⸗
ahmung war bald bel ber Hand. Das Original fland
in feinem ganzen, zum Theil völlig ungeregelten, abnor:
men Wefen, als eine mächtige Kraft da, befjen reichge:
fhmüdter Harniſch mit der darin waltenden Seele ein
einziges Leben ausmachte. Wenn aber auch der Nach:
ahmung in der Regel die Seele ganz abging, fo wußte
344. ö—
doch oft der Schmuck eines ſchillernden, leeren Harniſches,
den ſie als Sprachrohr benutzte, der kurzſichtigen Menge
ein dieſer wohlgefaͤlliges Leben vorzuluͤgen und fie damit
nach und nach dergeſtalt zu bethoͤren, daß ihr die lebloſe,
durch groͤßere Verſchrobenheit und ſonſtige Übertreibung
zuweilen mehr behagte, als des Urbildes ſich ſpaͤter im⸗
mer tiefer in die Schranken des Maßes und des Schoͤ⸗
nen zurückziehende Poeſie. Das war denn auch Urſache,
daß eine große Zahl, ſogar der Gebildeten, Schiller's waͤh⸗
rend ſeines Aufenthalts in Jena entſtandene Werke lyri⸗
ſchen und dramatiſchen Inhalts, die ſich uͤber die fruͤhern
Productionen deſſelben großentheils weit erheben, eine Zeit⸗
fang für offenbare Mürkfchritte ſeines Geiſtes und den,
dns Wilde und Mablofe in feinen Erzeugniffen bekaͤm⸗
pfenden Einfluß Goethe's auf ihn, deſſen hohen Dichder
genius für nachtheilig und verderblich zu Achten ſchien.
Aber die fortdauernde Vervollkommnung Schiller's, cheils
durch Goethe's Bemlhungen, theils durch das Kernhafte
des eigenen Innern, verſcheuchte in kurzem doch die bis
an daB Unglaubliche flreifenden Nebel vom Auge des
Publicums. Letzteres, welches nicht lange zuvor vielleicht
lieber gefchen, wenn Schiller die Extravaganzen feiner
erfien Periode noch Überboten, als feiner Poeſie durch
Reinigung von benfelben die Krone aufgefegt Hätte, be:
geiff immer beffer das Bersunderungswerthe der geifligen
Höhe, welches fih namentlih in dem zuerſt unter dem
Titel „Das Reich der Ecyatten” in der Zeitfchrift ‚‚Tite
Horen’’ gegebenen Gedichte auffpricht, das fpäterhin „Das
Reich der Formen“ geheißen warb und zuletzt die Auf⸗
ſchtift „, Ideal und Leben” erhalten bat. \
Welch ein herrlicher Sinn geht durch daſſelbe, welch
eine Fuͤlle erhabener Gedanken ſchmuͤckt das Einzelne aus
und wie lieblich rundet fih das kryſtallklare Ganze ih
feiner hochgebildeten Sprache ab! Wie laut fihreit dage⸗
gen ihm gegenüber der Gontraft eines unter dem Titel
„Rouffeau” in der ‚Anthologie auf bas Jahr 1781”
abgedruchten Gedichte des damals angehenden Dichters
befonders in folgenden zwei Berfen auf:
Und wer find fie, die den Wellen richten ?
Geifterſchlacken, die zur Tiefe fluͤchten,
Vor dem GSilberblicke des Genies,
Abgeiplittint von bem Gchöpfungsuwerte,
... Gegen Riefen Rouffeau kind'ſche Zwerge,
Denen nie Prometheus’ Feuer blies;
\ 1B
VBruͤcken, vom Inftincte zum Gedanken,
Angeflicket an der Menſchheit Schranken,
Wo ſchon groͤbre Luͤfte wehn,
In die Kiuft der Weſen eingekeilet,
Wo der Affe aus dem Thierreich geilet
Und die Menſchheit anhebt abzuſtehn.
Zu noch mehrer Heraushebung des Gegenſatzes zwi⸗
ſchen beiden Schiller'ſchen Producten ſei es erlaubt, fol⸗
gende zwei Verſe aus dem Gedichte „Ideal und Leben”
daneben zu flellen:
Wenn ihr in der Menſchheit traur'ger Bloͤße
Steht vor des Geſetzes Größe,
Wenn dem Heiligen die Schuld fi) naht,
Da erblaffe vor der Wahrbeit Strahle
Eure Tugend, vor dem Ideale
Fliehe muthlos die beſchaͤmte hat.
Kıin Erſchaffner hat dies Biel erflogen,
Über diefen grauenvollen Schlund
Traͤgt kein Nachen, Feiner Brüde Bogen,
Und kein Anter findet rund.
Aber flüchtet aus der Sinne Schranken
In die Freiheit der Gedanken:
Und die Furchterſcheinung iſt entflohn,
Und der ew'ge Abgrund wird ſich fuͤllen;
Nehmt die Gottheit auf in euren Willen
und ſie ſteigt von ihrem Weltenthron.
Des Geſetzesſtrenge Feſſel bindet
Nur den Skiavenſinn, der es verſchmaͤht,
Mit des Menſchen Widerſtand verſchwindet
Auch des Gottes Majeſtaͤt.
Sollte Jemand, wuͤßte er es nicht zuvor, wol fuͤr
moͤglich halten, daß beide Gedichte die Klaͤnge der naͤm⸗
lichen Lyra wären? Und doch! Fehlt auch den erſten zwei
Strophen Alles, was die befondern Vorzüge feines im
hoͤchſten Reize innerer und äußerer Poefie (dev Handlung
und des Stils) ftrahlenden fpätern Gedichts ausmacht, fo
blickt doch aus dem bis zur vollen Lächerlichkeit gehenden
Bombaſt feines unverkennbar gänzlichen Gontraftes allent:
Halben ein zu großen Dingen berufener Geiſt hervor.
Keiner der feelenlofen Harniſche, von denen wie fprachen,
wuͤrde auch nur ſolcher Klänge fähig geweſen fein, wie
Schillers „Rouſſeau“ fie darbietet.
Beitäufig bemerken wir hier, daß vielleicht noch einige
dieſer ſchillernden Harnifche ihe Dafein bisweilen fund:
thun, daß fie aber ſchon lange vor dem Hinſcheiden des
großen Dichters, fogar für ihre früheren Bewunderer, al:
fen Schein völlig eingebuͤßt hatten.
Dan darf ficher behaupten, daß gerade Schiller's vor:
malige, zu gewaltfame Zuſammenraffung gigantifdyer Ge:
danken und Bilder und die ihm im Dichten zur Ge:
wohnheit gewordene Scheu vor allen trivialen und durch
die Alltagsrede Ihm für die Poeſie zu profan erfchienenen
Ausdruͤcken und Wendungen eine Vollkommenkeit mehr
verlieben habe, als ſogar Goethe's, auch rüdfichtlich der
Aufern Vollendung in der Regel unvergleichliche Geiſtes⸗
erzeugniffe im Einzelnen bisweilen darthun. Denn «6
tommen in manchen der außgeichnerften Poefien dieſes
Meifters Stellen vor, denen Schiller ſchwerlich den Zu:
triet in die eigenen metrifhen Werke verftartet haben
würde. Ein Beifpiel, da6 Sonett in dem bei Eröffnung
des neuen Schaufpielhaufes zu Lauchftäde im J. 1802
aufgeführten Getsgenheitsfihtte kann ſolches vieleicht c-
‚Lläutern.
Adam Meter dat irgendwo in feinen Werken fi
ber die Vollkommenheit diefes Sonetts ganz enthuſiaſtiſch
ausgeſprochen umd er war wol der Dann, deſſen Campe
tenz hierin kein Sachkundiger bezweifeln wird. Das Ge
dicht lautet:
Natur und Kunft fie fcheinen ſich zu fliehen
Und haben ſich, ehe man es dent, gefunden;
Der Widerwille ift auch mir verfchwunden
und beide fcheinen gleich mich anzuziehen.
Es gilt wol nur ein redliches Bemühen !
Und wenn wir erft in abgemefl’nen Stunden
Mit Geift und Fleiß uns an die Kunft gebunden,
Mag frei Natur im Herzen wieder gluͤhen.
So iſt's mit aller Bildung auch befchaffen.
Vergebene werben ungebunbne Geifler
Rad) der Vollendung reiner Höhe fireben.
Wer Großes will, muß fich zufammenraffen.
In der Beſchraͤnkung zeigt fich erſt der Meifter
Und das Geſetz nur kann uns Freiheit geben.
Sollte die deurfhe Kritik, wie ſolche häufig geüht
wird, nie an Manchem darin großen Anfloß nehmen
und befonder& die zweite Hälfte des erften Quartetts, fo:
wie die erften Zeilen des erſten und des zweiten Terzetts
fir durchaus proſaiſch erklaͤtn? Wenn Schiller audy bei
dergleichen Gelegenheit vermuthlich einer ſolchen Ausdruckt⸗
weife fi) enthalten hätte, fo würde das unftreitig nur
von der ihm zur andern Natur gewordenen Sitte, in fe:
nen poetifchen Erzeugniffen dem Ausdrude des gemeinen
Lebens immer einen höhern zu fubflituiren, aber ſchwer⸗
lih davon hergeruͤhrt haben, daß ihm die von feinem
großen Freunde bier der gewöhnlichen Rede entlehnten
Worte in der Poeſie geradezu als unangemefjen erfchie
nen wären. Der Mann, deſſen feltener Univerfalitäe ia
Kunft und Wiffen er felbft feine von ber frühern Ein:
feitigkeit und Überfpannung zu allgemeinen, hoͤhern An:
fihten &bergeführte Ausbildung verdantte, hatte, Das wußte
Schiller, überhaupt zu viel ſichern Takt, um ber Natur
der Poefie unmürdige Redensarten aufjubürden. Obſchon
die Poefie allerdings den unelgentlihen Ausdruck in der
Regel dem gewoͤhnlichen vorzuziehen pflegt, kann dem
Dichter doch kein Vorwurf über den Gebrauch des leg:
tern, felbft in der Poeſie, gemacht werden, ſobald nur
der von Ihm angewendete nicht gegen ihr inneres Weſen
verftößt, wie nahe auch vielleicht die Möglichkeit der Auf:
findung eines mit diefem nody mehr barmonirenden Aus:
drucks gelegen haben koͤnnte. Eine Freiheit diefer Art
(die ohnehin der Dichter bei größern Werken in gebun-
dener Mede nicht entbehren ann) ift ihm auch ſchon
darum im Allgemeinen zu vergönnen, da nicht felten bie
Vermeidung des gewöhnlichen profaifhen Ausdrudis nur
duch unnöthigen, noc viel weniger mit ber Poefie ver-
träglihen Wortüberfluß viel zu theuer zu erfaufen fein
würde. Nicht die Eritifhe Kunft, fondern nur das
auf Herkommen, Vorurtheil und Schiendrian beruhende,
gemeine Recenſirhandwerk, das den Kunſtrichter⸗
ſtuhl mitunter ufurpiet, koͤnnte einem ſolchen Kaufe Ge
nehmigung ertheilen.
ei” — vB GER — nn:
Te
So bat und deun bier unſere dargelegte Überzeugung
von den Borzügen der deutſchen vor vielen andern Spra⸗
en, und dee Höhe, zu weicher die beiden großen Dich:
ter, Goethe und Schiller, der Poeſie in ihr verholfen, un:
vermerkt darauf bingeführt, unter welden Umfländen der
Docfie auch der Gebrauch foldyer Wörter und Wendun:
gen, welche fait ausfchließend in das Gebiet der Profa
gehören, nicht verfagt werden darf.
Mir befigen einen Schrififteller, der häufig vom Un:
verflande Eanonifirt, von der Kritik noch viel zu wenig
ins Licht gezogen und gewürdigt wurde, er beißt Sean
Paul Friedrih Richter. Durch die Innigkeit feiner Theil⸗
nahme an dem mitunter in der That nur allzu graufa:
men weiblihen Schickſale und feine heldenmuͤthige Ver:
theidigung des Frauencharakters gegen Ungerechtigkeit und
free Berunglimpfung, mit Recht ein Liebling des zar⸗
tern Geſchlechts, verfündeten nicht nur deſſen Stimmbe⸗
rechtigte das Lob feines Geiſtes und Herzens, fondern «6
tief ihn auch die durch ihn ſich geſchmeichelt fühlende
Hpfterie, feine finnvollen Ausfprüche dem wahren Weſen
nad) großentheils gar nicht fafjend, zum wirklichen Hei⸗
land und Sortmenfhen aus. Ihrer Meinung nad
konnte neben der genialen, durch eine Überfülle von Witz
und Komik hinreichend gerechtfertigten Verſchrobenheit des
Stils, der Stil keines andern deutſchen Schriftſtellers,
als hoͤchſtens der, vermöge feiner Sentimentalität ihr zu⸗
gaͤnglich gemachte unfers Schiller, mit Ehren beftehen.
Gerade an der krankhaften Zhränenfeite der im Ganzen
fo ſtarken, gediegenen Natur Jean. Paul’s, eines gehei:
men Aufammenbanys mit der ihrigen, einer unverkenn⸗
baren Spmpathie fich erfreuen zu dürfen wähnend, über:
täubten defjen hyſteriſche, ihm durchaus nicht ebenbürtige,
Sönnerinnen das allgemeine Ohr mit der Verkündigung
feiner unerreichbaren einzigen Größe fo lange und leiden:
ſchaftlich, daß die anfänglidien Bedenken gegen mandıe
Irrthuͤmer des großen Mannes kaum nod, laut zu wer:
den magten und fogar die wichtige Stimme, welche fi)
gegen das Ende des vorigen Jahrhunderts, zugleid un:
ter Anerkennung und Tadel, in den berühmten „RXenien“
über ihn erhob, wegen Beimiſchung des allerdings mit
ungerechter Härte ausgefprochenen Tadels, des gewaltigften
Srevels befhuldigte wurde. Diefe Ungerechtigkeit war un:
verkennbar die leidige Frucht des Unmillens, daß die Kri⸗
tie fogar fi von der unbedingten Lobpreifung unfers
größten Humoriſten durch die Hpfterie hatte anſtecken
laffen. Wenn aud Jean Paul’s Romane, fhon wegen
ihrer fo reichen Ausflattung mit dem lebendigften Humor,
ſich als einzig in der deutſchen und vielleicht in allen Litera⸗
turen bewaͤhren — denn ſogar dem Engländer Sterne bleibt
fein Geift in mehr als einer Hinſicht Überlegen — , fo läßt
doch die Individualiſitung der verfchiedenen Charaktere und
die Geſtaltung des Einzelnen in feinen am meiſten zur
Sentimemtalität ſich binneigenden Lebensgemälden zu eis
nem Ganzen noch Manches zu wünfchen uͤbrig. Nur
diejenigen, in denen das Komifche vorherrfht, wie im
„Siebentäs”, „Schmelzle”, „Katzenberger“ und andern,
rigen ihn im diefer Gattung von einem Range, ben wol
kein anderer deutſcher Schriftſteller ihm Preitig machen
dürfte. Die Kritik hat auch nicht unterlaffen, das her⸗
vorzubeben, und wenn hier behauptet wurde, fie babe ihn
noch zu wenig in das Licht gezogen und gewürdigt, fo
bezieht ficdy dies keineswegs auf feine Romane. Die Kl:
tie ließ fogar feinen nicht in dieſes Fach einſchlagenden
Schriften, wie der „Levana“ und der „Vorſchule ber
Aſthetik“, Gerechtigkeit widerfahren. Gteihwol ſcheint
fie auf das legtgenannte Werk noch immer zu wenig
bingedeutet zu haben und noch hinzudeuten. Und doch
iſt daffelbe feit dem Erſcheinen deffen zweiter Auflage vor
nun [don mehr als dreißig Jahren ungeachtet der Menge
der binnen dieſes Zeitraums erfchienenen, denfelben Ges
genftand nach Verfchiedenheit der Syſteme und Parteien
von allen Seiten beleuchtenden Schriften bis jegt als ein
wahrhaftes Schagkäftlein für die deutfche Literatur zu bes
trachten. Jeder, der Unbefangenheit genug befigt, um
aus der Partei, zu der er ſich befennt, für einen Augens
blid ganz berauszutreten und Sean Paul's „Vorſchule“
von einem allgemeinen Geſichtspunkte ind Auge zu fafs
fen, wird dies eingeftchen müffen. Es ift ein vollſtaͤn⸗
diger Inbegriff der gründlichfien und der Praxis am
meiften in die Hand arbeitenden Theorien. Eogar dies
jenigen Anfichten diefes Äſthetikers, mit denen wir uns
nicht vereinigen Bönnen, zeugen gewöhnlih von feinem
raſtloſen Nachdenken und Studium, von einem Scharf:
finne, wie er bei folhem Übermaße des Witzes fonft gar
nicht vorzufommen pflegt. Kein angehender Stitift follte
verfäumen, dieſes ducc feine gewoͤhnlich mit den treffend:
fin Beifpielen erläuterten Regeln verfehene Buch zu Ras
the zu ziehen. Hierbei fann man faum umhin, der zu
großen Strenge zu gedenken, welche gegen Schiller im
dritten Theile vorfommt und befonders bie bis in das
Minutiöfe flreifenden Ausftellungen an einigen einzelnen
lyriſchen Pretiofen des Dichters zu misbilligen. Alles Das
wird jedoch durch die tiefe Ehrfurcht entfchuldigt, welche
Jean Paul diefem Unfterblihen im Allgemeinen beweift.
Dem Ausfpruche des Tadels aber, den der Kritiker uͤber
die, auch von Andern viel angefochtene, harte Stelle in
Schillers ‚Lied an die Freude”, wo ber Ungluͤckliche,
der nie ein. theilnehmendes Herz auf Exden finden Eonnte,
aus dem Bunde der biefes Lied fingenden Sreunde ver:
wiefen wird, muß man [don darum feine volle Zu:
flimmung ertheilen, weil der Kritiker durch die Veränderung
der Spibe aus in die Sylbe in daran eine Berbefferung
fnüpfte. Sean Paul wünfcht nämlich, daß die beiden Zei:
len, welche jenes aus mit enthalten, alfo beißen möchten:
Unb wer’s nie gekonnt, der fehle
Weinend ſich in unfern Bund.
Unftreitig verdiente diefe ungemein wichtige Verbeſſe⸗
rung von allen Gefangvereinen bei dem Vortrage des
fo mächtig erhebenden Hymnus adoptirt zu werden. *)
*) Ein $reund des Verf. gegenwärtigen Auffages aͤußerte, es ließe
ſich wol audy annehmen, daß Schiller unter dem Armen, ber
nie eine Seele fein nennen konnte, einen Solchen verflanden, der die
rechten Wege dazu einzufchlagen verfäunt, ober auf irgend eine
Art diefes Ungluͤck feibft verſchuldet Hätte. Der Verf. ſtimmt
u
Ein einziger Vorwurf iſt viellelcht Jean Paul’ Aſthetlt
nicht zu erlaſſen, daß er naͤmlich in denſelben Fehler ver⸗
faͤlt, den er Im erſten Theile (S. 322) an Kotzebue
ruͤgt, weil das Unerſchoͤpfliche des Flillhorne ſeines Witzes
einen nachtheiligen Einfluß auf die Werke dieſes Schrift⸗
ſtellers, namentlich auf deſſen Dramen, aͤußere. Bei
Jean Paul teitt, vorzuͤglich in der „Vorſchule der Äſthe⸗
tie’, ganz der nämlihe Fall ein. Auch keinen Augenblick
ruhen in feinem Vortrage die Ergöglichkelten der Laune
und des Witzes, durch welche die Aufmerkſamkeit bes Le:
ſers getheitt und fo ihm das Verſtaͤndniß, worauf es an:
kommt, fortbauernd erfchwert wird. Sean Paul verfährt
erade wie ein Seuerwerket, wenn er während der ganzen
auer feiner Kunfterploflon nebenher noch duch Aus:
werfen von Leuchtkugeln und Schwärmern den Zufchauer !
zu beluſtigen fuchen wollte. Bel alledem findet man Die
ähnliche Beluſtigung in feinem Bude an ſich zu erfreu:
lich, als daß der damit DBelanntgewordene fie, num fie
einmal vorhanden ift, Daraus wegwänfcen möchte.
Was Über deurfhe gebundene und ungebundene Rebe
zu fagen war, ift duch den trefflihen Humoriſten in die: |
fem Werke gefagt worden und des in demfelben vorfom:
menden Irrthums fo wenig, daß es gegen die aus bem |
Buche zu ſchoͤpfenden Koftbarkeiten gar nicht in Anſchlag
gebracht werden kann. Möge biefe Hinweifung auf eine
fhon vor einer fo langen Reihe von Jahren flattgefun:
dene literarifche Erfcheinung in jegiger Zeit ihren wohlge⸗
meinten Zwed nicht ganz verfehlen !
(Die Zortfegung folgt.)
Notizen.
Norbpolerpedition der BubfonbaysGompanyp.
Belanntli wurde Gapitain Bad 1833 von der Britifchen
veographiſchen Gefellfchaft abgefendet, um den Capitain Roß aufs
zuſuchen, ber vier Jahre zuvor auf Privatkoften eine Norbpot:
erpedition unternommen und im Mat 1832 fein Schiff verloren
hatte. Sir &. Back machte bei diefer Gelegenheit ben Berfuch,
durch Wagers Inlet oder Repulfebay in das Polarmeer vorzus
bringen. Dies war bie legte Unternehmung bdiefer Art vor benen
der Hudſonbay⸗Company. Die von der britifchen Regierung
mit ungeheuren Koften ausgerüfteten Expeditionen liefen unge⸗
achtet des Eifers und Muthes der damit beauftragten Perfonen
immer ungluͤcklich ab, weil es ben Lettern an Erfahrung in
der Polarfchiffahrt fehlte. Die Hudſonbay⸗Company befchloß
deshalb, mit ihren im Betrieb des Pelzbandels geübten und der
Nordmeere kundigen Seeleuten eine Expedition zur Entdeckung
eines Theiles jener faft unzugänglichen Küften zu unternehmen.
Im Juli 1858 erhielten die Herren Deafe und Simpſon von
der Company Befehl, im folgenden Jahre die Expedition zu bes
men, ben Madenzie hinunter zu fahren, dann weſtlich nach
etuen Reef, dem aͤußerſten Punkte, den Sir 3. Franklin 1826
erreiche hatte, die Küfte von dort bis Point Barrow, meldyes
Herr Elfon bei Beechey’s Srpebition erreicht hatte, zu erforfchen,
dann im norböfttichen Winter des Großen Bärenfees zu über:
sintern, im folgenden Sommer ben Aupferminenfluß hinab zu
fahren und die öflliche Küfte bis zur Mündung des Großen Fiſch⸗
fluffes, den Back 1834 entdeckt hatte, im Verlaufe von zwei
Sommern zu befahren und aufzunehmen. Diefe Unternehmungen,
diefee Meinung vollkommen bei. Die fragtiche Stelle möchte
besbalb dem Sinne bes großen Dichters dadurch virlleicht noch
näber zu bringen fein, wenn das Wort gekonnt in gewollt
umgeänbert würde,
Wie wit ebenfo viel Winfidhe und Stwohl an Ri, um m,
einen einzigen erpeblichen umfat bucchguhäkrt wincben, hakın ya;
bie genauese geogtaphiſche Wetanntichaft einer Gtrrde von 14
Längengraben oder, wenn man ben Windungen der Küften folgt,
mehr als 2000 englifchen Mellen verſchafft. Gine Befcheeibtn
der Expedition iſt foeben in Eondon erſchienen umter dem Ze
„WNarrative of the discoveries on the nerth const 4f Amerke,
effeoted by the offcers ef the Hudsons Bay O,
during the years 1836—30.', herausgegeben von Serra Simſen
Bruder, Thomas Simpfon. Herr Gimpfon ſelbſt iſt naͤmlich,
als eben bie Hudſonbay⸗Company fein Anerbieten angeriommen
batte, eine neue edition nach der Fury⸗ und Hekiaftrafe m
fühen, im Iunt 1340 noch in Amerika unter Umfländen, br
aicht aufgehellt worben find, eines gewaltfarmen Zodes geforce.
Gr war zwar dem Range nad) nur der zweite Offizier (dena
an der Spige fland der alte erfahrene Deafe, der fchon an
Franklin's Expedition Theil genommen hatte), war aber doch ei⸗
gentlich die Seele der Unternebmungen und auch der Einzige,
welcher den wiſſenſchaftlichen Aufgaben berfeisen gewachſen wer.
Wie begnügen uns, folgende Schilderung aus obiam
Werte mitzutheilen: „Die Eskimos, welche die Rorbüßen
Amerikas bewohnen, haben ſich ohne Zweifel von Groͤnland aus
verbreitet, weiches ferbft von Nordeuropa aus bevoͤlkert worken.
Ihre Nachbarn aber, die Loucheur vom Mackenzie, haben ein
deutliche Tradition, daß ihre Vorfahren über einen Meerrare
vom Welten hergekommen feien, Die Sprache ber kLouchan ik
gaͤnzlich verfchieden von der Sprache der übrigen bekannten Stämme,
welche bie weiten Diftricte bewohnen im Norden einer Eine,
die man fih von Churchill an der Hubfonday über bie Roch
Mountains nad Nıucaledonien gezogen denkt. Diefe Littern
naͤmlich, d.h, die Chippeways, die Kupferindianer, die Biberin
dianer vom Kriedengfluffe, die Hundsripp⸗ und Hafenindiane
vom Madenzie und vom Großen Bärenfee, die Thöcanier, Re
fanier und Dahadinnies von den Rockybergen, nebft den Gar:
riern von Neucalebonien, ſprechen allefammt Dialekte ver
naͤmlichen Grundſprache. Naͤchſt Diefen bewohnen die Gr,
weiche eine gang andere Sprache fprechen, ein großes Stüd dei
Sontinents, welches von dem Kleinen Sklavenſee durch das Vald⸗
revier nördlich vom Saskatſchewan Über den See Winipeg nah
der Bactorei York und von dort um die Küften der Huber:
und der Jamesbay ſich zieht. Die Garrier von Reucaledonie
hatten noch neueriich wie die Inder den Gebrauch, ihre Todten
zu verbrennen; die Witwen wurden zwar nicht wie bei Senm
mit verbrannt, hatten aber doch eine nicht angenehme Rolle ki
der Ceremonie zu Übernehmen, fie mußten mit ihren Händen bit
Bruft der Leiche fo fange ſchlagen, bis diefe ganz zu Aſche ver
brannt war, wobei fie fich natuͤrlich oft die Hane röfteten.”
Die Esfimos, mit benen bie Reilenden zuſammentraſen, betrad«
tet Herr Simpfon ald den norbamerifanifchen Indianern wit
userlegen an Berftand, Vorausfiht und Kunftfertigkeiten. Eie
gehörten nicht zu jener Elein gewachſenen flumpfen Race, at
die wir bei diefem Boltänamen zu benten pflegen, ſondern warn
wohlgewachſene, kraͤftige und gewandte Eeute, unter denen einig
bis ſechs Fuß groß waren. 8,
Die „Alte und neue Welt”, die in Philadelphia erfcheint, fast:
„Die in englifger Sprache erfcheinenden nordamerikanifchen Zeitun⸗
gen machen zuweilen herrlichen Unfinn, wenn fie ein paar Worte aut
einer ihnen fremben Sprache citiren. So lad man neulid im
„Ledger‘: Das zartefte Sompliment, das man in ben deutſchen
Anftedelungen einem jungen Brauenzimmer am Montag: Morgen
fagen Fann, ift: ‚Geld der fight fchleiferifch den Morgen!‘ E—
ve unmoͤglich, dieſe beutfchfeinfollenden Worte zu verſteben,
wenn nicht die engliſche Überfegung mit den Morten baruntır
fände: „I guess you’re sleepy this. morning‘. Deutſche Zei⸗
tungsſchreiber in Amerika würden fich ſchwerüch erfühnen, einen
Sag aus einer fremden Sprache in ihren Blättern zu cltiren,
wenn fie nit von ber Gorrectheit des Eitarb übern
warten. »
Verantwortlicher Deraudgeber: Heinrih Brokhaus. — Drud und Verlag von F. X. Broddaus in Reipsie
.
En
- Blätter
für
literariſche Unterhaltung.
Montag,
Doefie und Profa.
(Bortfekung aus Wr. 34.)
Ehen aus den Singange dieſes Aufſatzes ergab fich
die Untauglichkeit der Worte Poefie und Profa als
Gegenfäge, da nicht einmal eine firenge Abgrenzung
zwifchen ihnen zu ermöglichen iſt. Sodann ward ange:
nommen, daß jede Sprache um fo günftiger für bie
Poeſie ſich erweife, je reicher Ihe Woͤrterſchatz an bildli⸗
chen oder wenigſtens uneigentlihen Ausdrüden fei und
daß baher die deurfche in dieſer Hinficht einen übermie:
genden Borzug vor den meiſten andern Sprachen be:
haupte, die franzöfifche hingegen wegen der feften Bes
ſtimmtheit in ihren Ausdrüden, wenn fchon In fonftiger
Hinſicht mande Vorzüge, hingegen der Porfle- vielleicht
das dürftigfte Material für deren Geftaltungen bdarbiete.
Mir fahen, daß die Schuld hauptſaͤchlich an dem Rigo⸗
rismus der franzoͤſiſchen Sprachgelehrſamkeit gelegen, der:
ſelbe aber durch die Revolution vom J. 1789 eine totale
Niederlage erlitten, wie ſeitdem befonders der Dichter Lamar⸗
tine dieſes für feine portifchen Schöpfungen benugt und zu⸗
vor ganz unerhörte Sprachneuerungen gemagt habe, welche
ſich eines großen Anklangs fogar In Frankreich erfreuten.
Unftreitig bat diefer Dichter fomit wefentlidy beigetra-
gen, feinen Landsleuten Empfänglichkeit für die poetifhen
Droductionen des Auslandes und unter Anderm für die
deutfche Lyrik und Romantik beizubringen, auch den Über:
ſetzungen vorzügli unferer und der diefen dem Geile
nad) am meiften verwandten englifhen Dichtungen in
feinem Vaterlande eine gänftige Aufnahme zu verfchaffen.
Die Frucht diefer Überfegungen, vereint mit den Beſtre⸗
bungen Lamartine's und deflen immer zahlreicher werden⸗
den Anhangs, kann nur von den mwohlthätigften Folgen
für den fo lange ſchon zum Sklaven herabzewürdigten
Genius der franzöfiihen Sprache fein. Ze tiefer die
Franzoſen auf dieſem Wege in die ihnen aus dem Aus:
Sande zufließenden poetifchen Genüffe hineingerathen, defto
mehr werden fie fih auch alimälig von der abfoluten
Nichtigkeit ihres Stolzes auf manche, vor kurzem noch
von ihnen für die hoͤchſten Blüten des Menfcengeiftes
geachteten Werke einheimifcher Poefie Überzeugen, bis fie
zulegt vieleicht ebenfalls zu der Erfenntniß gelangen, daß
überhaupt mit unferm Goethe, nad) langer Dämmerung,
ein neuer Tag fr die poetlſche Literatur von ganz Eu⸗
ropa angebrochen ſei. Offenbar ſcheint das in ber Peche
weit höher als Frankreich ſtehende Großbritannien fchon
hiervon eine beftimmte Ahnung zu haben und Schiller
als einen treuen Mitſchoͤpfer des neuen Lichts anzuſehen,
das ſich hoffentlich Immer weiter über die Welt werbreis
ten und dem allgemeinen Körper des menfchlichen Bes
dankens, der Sprache, mag fie franzöfifch oder deutſch,
englifch oder italienifch heißen, duch immer zunehmenden
wechfelfeitigen Austaufh ihrer Schäge einen hoͤhern ges
meinfchaftlihen Charakter ertheilen dürfte. Strebt body
überhaupt der Menſch in Allem mehr als jemals aus
jener unfeligenz feindlichen Abgefchloffenheit der verſchiede⸗
nen Länder und Volksſtaͤmme heraus einer allen feinen
geiftigen und phyſiſchen Kräften Beförderung verhelfens
den bruͤderlichen Semeinfchaft zu. Wer weiß, ob hierdurch
nit am Ende gar bie jegt noch fo große Verſchiedenhett
der Sprachlaute ihe Biel in einer einzigen univerfellen
Sprache finden koͤnnte? Bis dahin — wenn es ndms
ih in der That die ſpaͤte Nachkommenſchaft je dahin
bringen follte! — werden die verfchiebenen Idiome Beit
genug behalten, fi durch gegenfeitige Mittheilung ihrer
Reichthuͤmer und lobenswerthen Eigenheiten möglihfl zu
vervolllommnen. Es darf aber diefe Verkommnung kei⸗
neswegs nur auf eine der beiden bisher allgemein mit
dem Namen Poefie und Proſa bezeichneten Haupt⸗
formen der Spradye befchränke werden, fie muß vielmehe
nothmendig die Geſammtheit ihres unter dem Namen .ber
ſchoͤnen Redekunſt befannten Gebiets umfaflen, ba beide
teog der feindlichen Stellung gegeneinander ald ganz ums
jertxennlich zu betrachten find.
Die Poeſie, hieß es, fei eine Verklärung ber Wirk:
lichkeit, wenn aber auch bie ihr gegenüberftehende Proſa
ale Wortgeberin oft einzig die nadte Wirklichkeit res
präfentirt, fo wird fie doch ebenfo oft durch die the vom
Dichter eingebauten hohen Gedanken, Befühte
und Bildungen in den Kreis der Verklärung hinauf:
gehoben, während die an Metrum oder Reim oder beide
zugleich gebundene Rede, falls, tote folches häufig vors
kommt, derfelben jener Verklärungsfhimmer abgeht, nicht
einmal auf das Leben der Wirktichkeit Anfpruch machen
ann, fondern gleich der Unnatur der fogenannten poes
tifhen Profa geradezu dem Tode verfallen iſt. Nicht
zu gedenken, daß die gute Profa, wie deren 3. B. der
1376
und ſeinem Buche auch der wiſſenſchaftliche Stempel feh⸗
len, und die Befriedigung des gelehrten Leſers nicht uͤberall
ſein Bemuͤhen kroͤnen, ſo bleibt ſeine Arbeit doch ein
dankenswerther Beitrag zur Kunde des Pprendengebirg,
feiner Reize und feiner anziehenden Schauer und er darf '
auf eine höhere Anerkennung rechnen, als fie feinen juͤng⸗
ſten Vorgängern in diefem Verſuch gebührt, deren Schritte -
Frivolitaͤt und muͤßiger Überdruß in diefem ſchoͤnen „Stüd
Erde’ geleitet haben.
Die Beigaben über die Hellquellen ber Pprenden und
die (prachlihen Fragmente find unerheblich, der beigefügte
Entfernungsmeifee aber ift dankenswerth. Wir wollen
Buch und Verf. daher dem wohlwollenden Lefer beſtens
empfohlen haben, der in der Anfhauung großer Naturwerke
feine Befriedigung findet. W. von Lüdemann,
Bibliographie
Arndt, G. M., Maͤrchen und Zugenderinnerungen. 2ter
Theil. Mit 6 Kupfern. Berlin, Reimer. 8. 1 Spir. WRNgr.
Biafius, I. H., Reife im Quropäifchen Rußland in den
Jahren 1840 und 1841. In zwei Zheiten. After Theil: Reife,
im Norden. Braunfchmweig, Weftermann. 1844. Gr. 8. Preis
beider Theile 9 Thlr.
Boden, A., VBertbeidigung bes Hrn. Prof. Dr. Solv.
Jordan wider das in erfler Inftanz von dem Criminal: Senat '
des Kurfuͤrſtlichen Obergerichts gu Marburg am 14. Juli 1843
gegen ihn. gefällte Erkenntniß, und Widerlegung der Gründe,
biefes Erkenntniffes. Frankfurt a. M., Sauerländer. Gr. B.
gr.
Bröder, 3.9. C., Der evangeliſch⸗chriſtliche Gemeinde:
gottesbienft aus der Schrift entwidelt. Hamburg und Gotha, '
5. und &. Perthes. Gr. 8. 15 Nor.
Bruͤckbraͤu, F. W., Chriftoph der Kämpfer, Herzog
von Bayern, oder: Der Löwenbund. Hiſtoriſche Erzaͤhlung.
3 1 Gtapifiih. Augsburg, v. Jeniſch und Stage 8.
+ Nor. '
Beigifche Sompagnie zur Golonifation bes Diftrict® Santo:
Thomas, Staat Guatemala. Dresden 1842, Gr.8. 10 Ngr.,
Dietfch, R., Das Leben Herzog Albrecht's des Beherz⸗
ten. Als Einladungsfchrift zu der 40Djährigen Feier feiner Ge:
bert im Schloſſe zu Srimma am 27. Zuli 1843. Grimma,
Verlanscomptoir. Gr. 8. IV Nor.
Erath, ©. 3., Der Schulmeifter in der Klemme. Gin
Schwank in Werfen in einem Acte, Wiefenfteig. 16. 7, Ngr.
Kleine Folge von Briefen zwifhen K. Schildener und
J. Schwarz. Herausgegeben von einem beiberfeitigen Freunde.
Hamburg und Gotha, F. und A. Perthes. Gr. 8. 15 Nor.
Geſchichte des Feldzugs von 1814 in dem oͤſtlichen und
nördlichen FZrankreih bis zur Einnahme von Paris, als Bei:
trag zur neuern Kriegsgeſchichte. Zter Theil. Ifte Abtheilung.
Mit 3 Plänen. Bertin, Mittler. Gr. 8. Thlr.
Goͤrres, G., Marienlieder zur Beier ber Maiandacht ges
dichtet. Moͤnchen, Lentner. Gr. 16. 24%, Nor.
Heller, R., Der Prinz von Dranien. Hiſtoriſcher Ro⸗
man. Drei Bände. Leipzig, Gebr. Reichenbach. 8. 4 Zhir.
15 Nor.
Binrichs, 9. F. W., Politifche Borlefungen. Unfer
Zeitalter und wie ed geworden, nad) feinen politifcyen, kirch⸗
lichen und wiflenfchaftlichen Zuftänden, mit befonderm Beruge
auf Deutfchland und namentlich Preußen. In Öffentlihen Vor⸗
tröägen an der Univerfität zu Halle. Zwei Bände. Halle,
Schwetſchke und Sohn. Gr. 8. 3 Thlr. 20 Nor.
Keferstein, C., Über die Halioren, als eine wahr-
scheinlich keltische Colonie, den Ursprung des Halle’achen
Sälzwerkes und ‘dessen technische ehe. Mia V
Halle, Heynemanı. Gr. 8. 38 N und.
Kehrein, I., Geſchichte der bathottſchen Kangeiberbtian:
feit dee * "von er * * su neueſten Zei. Ya
Beitrag zur allgemeinen Literaturge te. Zwei Binde K:
gensburg, Manz. Gr. 8. 3 Zhir. 20 Nor. Rah. ie
gentner, J. F., Kitter und Bauer. Roman in vie
Drei Bände. Magdeburg, Baenſch. Gr. 12. II
Luden, H., Hauptmann von (Gerlach (General zn
@rolman) 1812 Student in Jena. Aus ben un en „Ruf:
bliden in mein Leben‘. Jena, Euben. 12, 7%, Rar.
Maufhwig, ©. v., Über Strafgefangene und Straf—
anftatten im Geifte ber Seit, nebft einem Anhange über Ber:
mehrung un Berminderung ber VBerbrecher. Wertin, Diem:
. 8. r. | |
Mein letter Wille und Nachlaß. ‚Aus ben Papieren eins
ſcheintodtbegrabenen Rechtsanwaltes. Leipzig, Tauchnitz Jun.
sn —F te. " |
ofen, J., Gedichte. Zte vermesrte Auflage. Rei
Brockhaus. Gr. 8. 1 Thir. 18 Ror. “ My
Mofer, 8. S., Die fünzigjäbrige Amtejubelfeier W
Geh. Konfiftorialrathe Dr. Chr. Kr. Böhme in Luckau. Erin:
rungsblätter für die Sreunde und Verehrer des Jubilare. X:
tenburg, Helbig. Er. 8. 8 Nor. .
Der neue Pitaval. Bine Sammlung der intereflanteken,
Griminalgeſchichten allee Länder aus Älterer und neuerer Jar.
Derausgegeben von 3.6. Higig und W. Häring (V. Alit.
Ater Theil. Leipzig, Brodhaus. Gr. 12. 2 Thir.
Paten, des Grafen v., Gefammelte Werke. In füsgdı
Bänden. Ifte Lieferung. Stuttgart, Gotta. Br. 16. 1 Zei
Quendt, 3. ©. v., Wortraͤge über Äfihetik für bideny
Kuͤnſtier, in der Koͤniglichen Akademie für bildende Künfk },
Dresden gehalten. Leipzig, Dirichfeld. 1844. Gr. 8. 12h.
Raumer, F. v., Geſchichte Europas feit dem Ende ir
15. Jahrbunderts. Teer Band. Keipzig, Brockhaus. Gr. M
2 Zhle. 15 Nor. ten
Kohmer's, FJ., Lehre von ben politiſchen Parteien N
Zheil: Die vier Parteien. Duch I. Rohmer. rauen f
Beyel ‚1844. Ler.;8. 1 Zoe. 15 Nor. |
Ruͤckert, F., Geſammelte Gedichte. Zwei Theile. Ftanb—
furt a. M., Sauerlaͤnder. Gr. 12. 1 Thir. 10 Nor.
— — Liebesfruͤhling. Frankfurt a. M., Gauerlände.
1844. ®r. 16. 1 Thlr 10 Rer.
Scheidler, K. H., Deutſcher Studentenſpiegel. I
Beitrag zu einer Reform des deutſchen Studentenlebens im
Geifte unferer Zeit und unferes Volksthums ans Licht geftellt.—
&. u. d. T.: Beiträge zu einer inneren, von ben Gtubirenden
fetbft ausgehenden Reform des deutſchen Studentenlebens |.
Jena, Bran. 1844. 8. 1 Thir. '
Spaziergänge eines zweiten Wiener Pc-:en. 2te Auflage. ,
Damburg, Hoffmann und Gampe 9. Thir. —
Taſchenbuch für die vaterlaͤndiſche Geſchichte. Herauẽgegeen
von J. Freih. v. Hormayr. 33ſter Jahrgang. 1844. Bil
4 Bilbniffen. Berlin, Reimer. Kl. 8. 2 Thir. 15 Kor. H
Ulrich, 3. B., Vaterlaͤndiſche Bluͤthenieſe in Gedich 9
und Erzählungen. Luzern. Kl. 8. 12%, Nor. 3
Voigt, 3., Handbuch der Geſchichte Preußens bis 1 |
Zeit der Neformation. Iter und letzter Band. Könige |
Gebr. Bornträgerr. Gr. 8. 2 Thir. 10 Nor. 2
Walther's von der Vogelweide Gedichte. 45
Ausgabe von K. Lachmann. Berlin, Reimer. Gr.8, I Tih.
Wette, W. M. de, Die Liebe als bad Merkmal bi’
wahren Chriſtenthums. Predigt zur Nachfrier der Berfammlung
bes evangelifchen Vereins der Guftan = Abolph's⸗ Stiftung. Fraub⸗
furt a. M., Schmerber. 8 „ Nor.
Zeune, A. A., Gottlieb Koͤhler, der Soldat. Zwideu }
8. 4, Nor.
11
Verantwortliher Herausgeber: Deinrih Brockhaus. — Drud und Berlag von 3. A. Brockhaus in Leipzig. {
mer werſchaͤntucher mendeuben. Gipandee: im Bebinte bis
Diprtunf er re nad. Unter Auberns iſt es 6er
ſonders gerade der Gebrauch des mehrfachen uneigent:
lichen Ausdrucks zu Bezeichnung ber Gegenſtaͤnde, wel⸗
cher einen vorzuͤglichen Zauber uͤber die aͤußere Poetik
(den Stil) ausgieht, deſſen häufige Ermangelung, nament⸗
lich bie in mancher andern Hinſicht hoͤherſtehende franzoͤſi⸗
ſche Sprache, auf dem Felde der Dichtkunſt, in offenbaren
Nachtheil fest. Die Iprifchen Meifterwerke feibft ber
größten Geiſter Frankreichs, fo hoch fie durch ſorgſame
Stiederung und Glaͤtte, wie beſonders auch durch den
kunſtreichen Mechanismus des Ganzen beinahe die ge:
fammte deutſche Lyrik uͤberragen, müffen doch im Allge⸗
meinen mit ihrer, wie unter dem Commando des Tanz⸗
meiſters ſeufzenden Grazie vor den Liedern und Roman⸗
zen unſerer Goethe und Schiller zuruͤckweichen, deren ma⸗
giſche Klänge, obſchon fie einzig aus den Tiefen reinſter
Menfchennatur frei hervorquellen, aus überirdifchen Räumen
uns zugefendet erfcheinen. Ohne Zweifel bat das er:
wähnte, duch ben Cigenfinn der parifer Akademie er:
zwungene Stiliftehen der franzöfifhen Sprache die meifte
Schuld an jenem Nachtheile der legtern, wenn man fie
mit dieſer vergleicht, und es Kberfleigt faſt allen Glau⸗
ben, daß ber ungeheure Irrthum des Stabilitätsbefchlufs
fe6 fo lange bei Kräften zu bleiben vermodte. Die
Sprache, den Körper, der zur Zortpflonzung aller geifti-
.. gen Bewegungen einer Nation nicht ‚zu entrathen If,
gleihfam in Spiritus fegen zu wollen, worin doch alles
Leben erfiiden muß und nur ber Zod aufbewahrt wer:
den kann!
Mit Eintritt der Revolution hörte Indeffen bie fran:
zoͤſiſche Spraqchtyrannei von ſelbſt auf. Eine Maſſe, zum
Theil aͤußerſt uͤbelgerathener, neuer Wörter nahm ſich
wdie Freiheit, unter der Herrſchaft der Freiheit und Gleich⸗
eheit ebenfalls proſperiren zu wollen. Maͤmner, deren
458*— ſich hauptfaͤchlich auf die Handhabung der
Guillotine gelegt hatte, gaben ſich mit der Schoͤpfung
neuer Sprachartikel ab, und wie groß auch ber Abſcheu
der franzoͤſiſchen Akademie wor dem Ausdrude ‚‚bougre-
ment patriotique ” fein mochte, fo wagte fie doch ſchwer⸗
lich einen Laut dagegen, da einer, der fpäterhin ber
Guillotine mit groͤßerm Rechte verfallende, ſchmutzige
Terroriſt, Buͤrger Hebert es war, der ſeinen Briefen des
„Pere Duchene”, einer damaligen Zeitſchrift, dieſes Lob
auf dem Titel ertheilte. Im Stilen litt gewiß mancher
Akademiker an Wörtern, wie das von den parifer Ge:
fängnifmorden zu Anfang September 1702 hergeleitete
Septembrifiren nicht wenig, wenn er aud viel:
leicht aus Beſorgniß, daß an ihm felbft das Exempel el:
ner Geptembrifation flatuirt werden, oder man ihn
aus dem großen Fenſter fhauen*) Laffen mächte,
feine Gefühle dabei ganı unserdrhidte. Kurz, im blutigen
Befolge der Revolution durchbrach eine ſolche Menge zum
Theil ganz rohes, gehaftiofes Geſchmeiß von Worten und
*) Auch ein an vergeffener Ausdruck, mit welchem bie
Fühttefigleit des die Hinrichtung duch die Guillotine
, TWerstaft begegnete.
Vebendarten ben degegen Bauge Jahre: fengfäligfi unten’
baktenın und bewatbten alademiieu Damm, daß une
der feicher gegen jche. Neuerung diefer a gelund 52
ten Pruderie des ſogenaunten feinen
Sprache keine Rede weiter ſein und foger ber oda
Jan Hagel vom neuen Woͤrtern und Redeformen fide
ohne Widerſpruch in der Hauptſtade der Welt naturelifie
vom konnte. In der Folge mußte freilich eine Bäbeung
eintreten und manche Hefe wieder wegfallen. Es iſt aben
doch bei aller Mühe, welche die frauzoͤſiſche Akadewit fide
von neuem gibt, als abfelute Spoachherrfcherin aufzutre⸗
ten, ſolches mehr für eine Leere Demonſtration als fir
eine Sache von Gewicht zu achten. Vielleicht lag: «8
blos an dem fortbauernden politifchen Sturme und Um—⸗
ſchwunge, daß die franzöfifche Poefie, wenn man iheen
unfrudhebaren Kampf der Glafficitdt mit einer fogemamıs
ten Romantik abrechnet, bis jeht, auch in Folge des
neuen Sprachzuwachſes und mancher früher ganz verpoͤut
geweienen Bilder und uneigentlichen Ausdruͤcke, keine we
ſentliche Abänderung erfahren bat. Dean außer dem bes
ben, leidenfchaftlichen Glanze der begeiſterungsvollen umb
in jeder Hinficht wichtigen Marſeillerhpmne herrſchte
in diefer Poeſie noch immer die ganze regelrechte, einta⸗
nige Nuͤchternheit des Verſtands nur allzu Mar, um ber
Phantafie nicht allen Schwung zu benehmen, bis Alfons
de Lamartine zuerſt einem Weg einſchlug, der feinem Na
men gewiß eine weit feflere Dauer fichern wirb als hie
Yuldigungen, bie er neuerlich für den Augenblich weit
weit größern Erfolge der Politik darbrachte. Denn bisfer
ausgezeichnete Mann war es, deffen ebenfo kraftvolle als
melodifche Töne fogar einen großen Theil derjenigen feine
Landsleute, die Das, was in Frankreich für claffifch gilt,
abgöstifch verehrten, mit feinen wohldurchdachten Verſtoͤßen
gegen biefe Claſſicitaͤt auszuſoͤhnen wußte; er war eb,
weicher die an friſchen Bildern, Gefühl und SInnigkeit
faſt ganz verwahrloſte Profa des frauzoͤſiſchen Verſas
durch fo manchen kuͤhnen Eingriff in bie Sprache großen⸗
theils mit einem peetifhen Gewande zu bekleiden und
fie fo aus der froſtigen Nuͤchternheit des Verſtands im
die warmen, blühenden Regionen ber Phantafie uͤberzu⸗
' führen und ben vorbeiflatteenden irdiſchen Erſcheinungen
‚buch Vermählung mit der unvergaͤnglichen Gemuͤthswelt
Dauer und Bildung zu geben verſtand. Möge. fawei:
ee feibft forefahren, fein gelungenes Werk vorwärts zu
treiben, als bie im Steigen begeiffene Zahl feiner Juͤnger
ſich immer vermehren. Möchten dieſe wicht irre werben
durch die Widerſpruͤche mancher ihrer im altan Vorur⸗
theile untergehenden Landsleute, des Meiſters KRühnbaie
umd befien Beſtrebungen wo möglich noch zu überbieten!
Hat doch eine gleiche Kuͤhnheit unferer beiden Kanſt⸗
heroen, Goethe und Schiüer, auch uns Deutfche im Reihe
der Poeſie erſt auf die hohe Stufe gebracht, deren wir
und nun erfreuen. SBefonders mar es ber Letztere, daſſen
erhabener Genius die ihm beiwohnende Fülle großer Ber.
fühle und Gedanken in eine ihm eigenthumlich zugewach⸗
fene Kraft zu fafien wußte, deren Blanz Alles zauberiſch
an fich zog. Leiche möglich aber, daß er, allzu bienbend,
Ki dee Die deutſche Yorke auf denfelden Abweg ge⸗
faͤhrt ae ber ihe fon im 17. Sabehunderte einmal
ver Überfpanntheit und Monftrofität, in den Dichters
werken Lohenſtein's und Hofmannswaldau's eine eigenthuͤm⸗
tiche, von der Einfachheit der Natur abweichende, Rich⸗
tung gegeben, wäre Schiller's gewaltſamer Anfpannumg,
welche namentlih die maͤchtigſt binreißenden Gedichte
„Berigeifteret der Leidenſchaft“, „Reſignation“ (beide naͤm⸗
Kch in ihrer urfprünglichen, keineswegs im der nachheri⸗
gen fogenannten verbefferten Geftalt) und auch zum Theil
fein koͤſtliches Lied an die Freude” darthun, nicht die
Betrachtung in den Weg getreten, daß foldy eine raſt⸗
loſe Anfpannung ein unnatürlicher Zufland fei. Ale
das unſchaͤtzbare Refultat dieſer Betrachtung legen Schil⸗
ler's ſpaͤtere, hauptſaͤchlich ſeit dem J. 1793 entſtandene
dramatiſche und lyriſche Productionen vor. Sie ſind
ein klarer, ruhiger Spiegel, aus dem uns, innig ver⸗
ſchmolzen, Natur und Kunſt und Himmel und Erde,
mit ihrem unerſchoͤpflichen Geſtaltenreichthume und der
friſcheſten Farbenpracht wahrhaft bezaubernd anſchauen
und wie mit liebenden Armen feſthalten. Und die eben
erwaͤhnte Betrachtung, welcher eine ſo maͤchtige Veraͤnde⸗
rung entquoll, wem verdanken wir ſie, als der Schickſals⸗
gunſt, die ihn mit dem groͤßten Dichtergeiſte nicht nur
Deutſchlands, ſondern der ganzen gebildeten Welt zuſam⸗
menfuͤhrte? Nach Allem, was uͤber das Verhaͤltniß zwi⸗
ſchen Goethe und Schiller in Hinſicht auf Leben, Wiſſen
und Kunft befannt worden, iſt diefer denkwuͤrdige genaue
Vertin überhaupt ale ein wahrhaft großes, europaͤiſches
Ereigniß zu betrachten. Die gegenfeitigen geiftigen Er:
gießungen der zwei Dichtergrößen, wie nicht jedes Jahr⸗
hundert eine einzige hervorzubringen vermag, find für die
weitere Ausbildung beider von der erfreulichfien Folge ges
weien. Ruͤhmt doch Goethe felbft die geiftige Anregung
durch den hohen Mann, ohne welche untere Anderm na⸗
mentlich feine in den Schiller ſchen, Muſenalmanachen“ zu:
erſt erfchienenen Iprifchen und romantiſchen Wunderklänge
Ab nicht zum Dafeln würden emporgefhwungen haben.
Ebenfo wenig ohne Zweifel der zweite Theil des, Fauſt“, der,
wenn er auch allerdings in Auffaffung und Ausführung hinter
dem erften offenbar weit zurückiteht, doch gewiß ein Werk ift,
defien Höhe, befonder6 in den mitunter ganz unvergleich-
Uchen einzelnen Partien, ſchwerlich ein Dichter der jegi:
gen Periode zu erreichen im Stande wäre. Belde Kunft-
heroen fchienen berufen, einander wechfelfeitig zu berichti⸗
gen und zu ergänzen, um in ihren Werken dem ganzen
Europa als literarifche und poetifhe Meiſter vorzuleuch⸗
ten. Nichts beweilt wol auch, befier ihr Anerkanntfein
Son den gebildeten Nationen als die faft überall unter
nommenen Berfuche der Überfegung ihrer Schöpfungen.
‚Die Bortfegung folgt.)
Humoriſtiſche Vorträge. Geſammelt von &. Weyt. Berlin,
" Berliner Berlogebuchhandlung. 1843. 8. 15 Mer.
Aus diefem Buche erfahren wir, nicht tbeoretifh, fonbern
an Beiſpielen, was der Hr. Herausgeber für humoriſtiſch hält.
— ————
8 n ein BR; , |
nicht fo Leicht als das Zuſammenleſen und Zufammenfteilen
ſolcher fich für geiſtreich ausgebender Artikelchen. unter denfels
ben finden wir forcirte Wort» und Wigfpielereien, 5. B. „Die
Zilchreden‘’ von L. Schneider, „Die Entftchung des Gernevals“
von Boͤrnſtein und Ähnliches; ferner eine Schwergeburt der
Saphir’fchen Aftermufe, betitelt „Die Eifenbahn”. ef. findet
den Humor weder in biefen genannten, noch in Dettinger’s
„Saufendgütbentraut”, noch in Weyl's „Bildergalerie, noch in
deſſen „Der Teufel und der Faſhionable“, noch in Sudig’ „Ries
beöfibel‘‘ und „Ich bitte, noch im Ungluͤck und Pech” von Las⸗
ter; naturwahe iſt Btaßbrenner’s „Erbbeben”, aber für humo⸗
riſtiſch wird biefe fowie alle andern Nummern der Brofchüre
Niemand halten. Man begreift wirklich kaum, wie mandhe
beriiner Literaten fo wenig Selbſtkritik exerciren, baß fie ſolche
flache Unbebeutendheiten, die in der That nicht werth find,
daß fie gedruckt werben, bem Publicum übergeben mögen. Das
Ertraͤglichſte im ganzen Bude iſt no: „SBebenlen ‘ von
Müpler. 29,
titerarifche Anzeige.
Der tete Pitaval.
Eine Sammlung der intereffanteften Griminalgefchich-
ten aller Länder aus Älterer und neuerer Zeit.
Herausgegeben von
Dr. 3.€. Hitzig und Dr. W. Häring (MW. Alexis).
Erfier bis vierter Theil.
®r. 12, Geh. 7 The. 24 Ngr.
Inhalt des erften Theils (Preis 1 Epir. 24 Ugr.):
Karl Ludwig Sand. — Die Ermordung bes Fualdes. —
Das Haus der Fra® Web. — Die Ermordung bes Pater Tho—
mas in Damaskus. — James Hind, der royaliſtiſche Straßen
räuber. — Die Mörder als Reifegefefchaft. — Donna Maria.
| Bicenta be Mendieta. — Die Frau des Parlamentsrath Tiquet. —
Des falfche Martin Guerre. — Die vergifteten Mohrruͤben.
Inhalt des zweiten Tpeils (Preis 2 Thir.):
Fonk und Hamader. — Die Marquiſe von Berinvillier. —
Die, Gebeimräthin Urfinus. — Anna Margaretha Swanziger. —
Gehe Margaretha Gottfried. — Der Wirthfchaftöfchreiber Tar⸗
now. — Die Mörberinnen einer Bere. — Die beiden Rürns.
bergerinnen. — Die Margnife de Gange.
Inhalt des dritten Theils (Preis 2 Chir.):
Struenſee. — Leſurques. — Der Schwarzmüller. — Der-
Marquis von Anglabe. — Jacques Eebrun. — Der Mord des.
Lord William Ruſſell. — Nickel Lift und feine Geſellen. —
Berthelemy Roberts unb feine Flibuſtier.
Inhalt des vierten Theils (Preis 2 Ehlr.);
Siam — Admiral Byng. — Der Pfarrer Rieme
bauer. -- Magifter Zinius — Eugen Aram. — Der
Maͤdchenſchlaͤchter. — Die Kinbesmörberin und bie Scharfrich⸗
terin. — Jeon Calas. — Jonathan Bradfort. — Der Ziegele-
brenner als Moͤrder. — Der Herr von Pivardiere — Klara
Wendel, oder der Schuitheiß Keller'ſche Mord in Luzern.
Reipzig, im December 1843, 0
$. 9. Brockhaus.
Berantwortlicher Herausgeber: Heiarich Brodhaus. — Drud und Verlag von F. U. Brodhaus in Eeipgig.
Te
elne
Blätter
für
literarifhe Unterhaltung.
Sonntag,
Doefie und Profa.
(Bortfegung aus Nr. 3.)
Wirklich gab es zu Anfang des letzten Decenniums
vom 18. Jahrhunderte in Folge der jugendlidhen Lyra⸗
Eänge unſers Schiller eine Periode, in welcher der vorer:
wähnte, durch Lohenſtein's und Hofmannswaldau's poeti:
ſche Überfpanntheit herbeigeführte Irrthum Miene machte,
fi) zu wiederholen. Die beiden bier nochmals genanii:
ten Dichtet hatten zu Ihter Zeit, vermöge einer oft in
leeren Wortf[hal und Unnatur ausartenden Zufammen:
drängung der Sprache fo große Senfation gemacht, daB
man duch fie alle andern deutfhen Poeten, namentlich
ihre um wenige Fahre Altern Beitgenoffen Opig und
Flemming, weit übertroffen zu fehben glaubte, wie unter
Anderm ein damals in großem Rufe gewefener Äſthetiker
Namens Männling in einer feiner mancherlei verfchieden:
artigen Schriften, deren Titel mic entfallen iſt, mit gro:
dem Pomp verkündigte. Ihr Ruhm erhielt fih im Ber:
haͤltniß zu ihren Übrigens unleugbaren Verdienften län:
ger, als man hätte glauben follen. Noch lange nach ih:
rem Tode erſchien unter dem Titel: „Die allerneuefte
Art zur reinen und galanten Poefie zu gelangen” 1707
fihetit von Menantes, in deren Vorrede fie unge:
meffene Lobſpruͤche erhalten, während jener andern zwei
noch immer mic Recht im dichterifchen Lorber prangenden
Zeitgenoffen, Martin Opig’ und Paul Klemming's,
nie einmal Erwähnung gefchieht. Eben wie zur Zeit,
wo han die längft völlig vergeffenen Lohenftein und
Hofmannswaldau vergötterte, war auch das Heer ber
Bewunderer Schiller's immer mehr angewachſen. Ihre
Majoritaͤt fuͤhlte ſich jedoch offenbar nicht ſowol durch die
wahre Größe feiner Etſcheinung, als durch den auffallen⸗
den Abſtich, in der Art, wie ſolche von der minder rau⸗
ſchenden Poeſie der Zelt ſich unterſchied, elektriſirt. Ge⸗
rade dad mitunterlaufende Wilde, Formloſe nnd Überla⸗
bene, ja wol genau betrachtet, zumeilen der Sinntofigkeit
Derwandte, gewährte ihnen den hoͤchſten Reis. Die Nach⸗
ahmung mar bald bei der Hand. Das Original ftand
in feinem ganzen, zum Theil völlig ungeregelten, abnor:
men Weſen, als eine mächtige Kraft da, deſſen reichge:
fhmüdter Harniſch mit der darin mwaltenden Seele ein
einziges Leben ausmachte. Wenn aber au der Nach:
ahmung in der Regel die Seele ganz abging, fo tußte |
10. December i843.
Sn mn — — — — — — —— —
doch oft der Schmuck eines ſchillernden, leeren Harniſches,
den ſie als Sprachrohr benutzte, der kurzſichtigen Menge
ein dieſer wohlgefaͤlliges Leben vorzuluͤgen und fie damit
nach und nach dergeſtalt zu bethoͤren, daß ihr die lebloſe,
durch größere Verſchrobenheit und ſonſtige UÜbertreibung
zuweilen mehr behagte, als des Urbildes ſich ſpaͤter im⸗
mer tiefer in die Schranken des Maßes und des Schoͤ⸗
nen zurückziehende Poeſie. Das war denn auch Urſache,
daß eine große Zahl, ſogar der Gebildeten, Schiller's waͤh⸗
rend ſeines Aufenthalts in Jena entſtandene Werke Ipri-
ſchen und dramatiſchen Inhalts, die ſich uͤber die fruͤhern
Productionen deſſelben großentheils weit erheben, eine Zeit⸗
lang für offenbare Ruͤtkſchritte feines Geiſtes und den,
das Milde und Maßiloſe in feinen Erzeugniſſen bekaͤm⸗
pfenden Einfluß Goethe's auf ihn, deſſen hohen Dichter
genius fuͤr nachtheilig und verderblich zu achten ſchien.
Aber die fortdauernde Vervollkommnung Schiller'd, theils
durch Goethe's Bemühungen, theils durch das Kernhafte
des eigenen Innern, verfcheuchte in kurzem doch die bis
an das Unglaubliche flreifenden Mebel vom Auge des
Publicums. Letzteres, welches nicht lange zuvor vielleicht
lieber gefehen, wenn Schiller die Extravaganzen feiner
erften Periode noch Überboten, als feiner Poefle durch
Reinigung von bdenfelben bie Krone aufgefege hätte, be
griff immer beffer das Bewunderungswerthe der geiftigen
Höhe, welches fih namentlih in dem zuerſt unter dem
Titel „Das Reich der Schatten’ in der Zeitfihrift „‚Dite
Horen“ gegebenen Gedichte ausfpricht, das fpäterhin „Das
Reich ber Formen’ ygeheißen ward und zuletzt die Auf⸗
fhrift „Ideal und Leben‘ erhalten hat.
Welch ein herrlicher Sinn geht durch daſſelbe, welch
eine Fuͤlle erhabener Gedanken ſchmuͤckt das Einzelne aus
und wie lieblich rundet fih das kryſtallklare Ganze ih
feiner hochgebildeten Sprache ab! Wie laut fehreit dage⸗
gen ihm gegenüber der Gontraft eines unter dem Titel
„Rouffeau” in der ‚Anthologie auf das Jahr 1781”
abgedrucdten Gedichts des damals angehenden Dichters
befonders in folgenden zwei Berfen auf:
Und mer find fle, die den Weiſen richten ?
Geiſterſchlocken, die zur Tiefe flüchten,
Bor dem Silberblicke bes Genies,
Abgeſplittert von dem Gchöpfungswerfe,
... Gegen Riefen Rouffeau kind'ſche Zwerge,
Denen nie Prometheus’ Feuer blies;
\ usa
aufgeführten Gelegenheiteſtuͤcke kann ſolches vielleicht er⸗
Bruͤcken, vom Inſtincte zum Gedanken,
Angeflicket an der Menſchheit Schranken,
Wo ſchon groͤbre Lüfte wehn,
In die Kiuft der Weſen eingekeilet,
Wo der Affe aus dem Thierreich geilet
Und die Menſchheit anhebt abzuſtehn.
Zu noch mehrer Heraushebung des Gegenſatzes zwi⸗
ſchen beiden Schiller'ſchen Producten ſei es erlaubt, fol⸗
gende zwei Verſe aus dem Gedichte „Ideal und Leben”
daneben zu flellen:
Wenn ihr in der Menfchheit traur'ger Bloͤße
Steht vor bed Geſetzes Größe,
Wenn dem Heiligen die Schuld ſich naht,
Da erblaffe vor der Wahrheit Strahle
Sure Tugend, vor dem Ideale
Zliebe muthlos die befchämte That.
Kıin Erſchaffner Hat dies Ziel erflogen,
Über diefen grauenvollen Schlund
Trägt kein Nachen, keiner Brüde Bogen,
Und kein Anker findet Grund.
Aber flüchtet aus der Sinne Schranken
An die Freiheit der Gedanken:
Und die Yucchterfcheinung ift entflohn,
Und der ew’ge Abgrund wirb fich füllen;
Nehmt die Gottheit auf in euren Willen
Und fie fleigt von ihrem Weltenthron.
Des Geſetzesſtrenge Feſſel bindet
Nur ben SHavenfinn, der es verfchmäht,
Mit des Menſchen Widerſtand verfhwindet
Aud des Gottes Majeftät.
Sollte Jemand, wüßte er es nicht zuvor, wol für
möglich halten, daß beide Gedichte die Klänge der naͤm⸗
lichen Lyra wären? Und doch! Fehlt audy den erflen zwei
Strophen Alles, was die befondern Vorzüge feines im
hoͤchſten Reize innerer und Außerer Poefie (dev Handlung
und des Stils) ſtrahlenden fpätern Gedichte ausmacht, fo
blickt doch aus dem bis zur vollen Lächerlichleit gehenden
Bombaſt feines unverkennbar gänzlicyen Contraftes allent:
Halben ein zu großen Dingen berufener Geiſt hervor.
Keiner der feelenlofen Harniſche, von denen wie [pradyen,
würde auch nur folder Klänge fähig geweſen fein, wie
Schiller's „Rouſſeau“ fie darbietet.
Beiläufig bemerken wir hier, daß vielleicht noch einige
dieſer ſchillernden Harnifhe ihe Dafein bisweilen kund⸗
thun, daß fie aber ſchon lange vor dem Hinſcheiden des
großen Dichters, fogar für ihre frühern Bewunderer, al
ien Schein völlig eingebüße hatten.
Man darf ficher behaupten, daß gerade Schiller's vor:
malige, zu gewaltfame Zufammenraffung gigantiſcher Ge:
danken und Bilder und die ihm im Dichten zur Ge:
wohnheit gewordene Scheu vor allen trivialen und durch
die Alltagsrede ihm für die Poefie zu profan erfchienenen
Ausdrüden und Wendungen eine Vollkommenkeit mehr
verliehen babe, als fogar Goethe's, auch rüdfichtlid der
Aufern Vollendung in der Regel unvergleichliche Geiftes-
erzeugniffe im Einzelnen bisweilen darthun. Denn «8
kommen in manchen ber ausgeichnetſten Poefien dieſes
Meiſters Stellen vor, denen Schiller ſchwerlich den Zu:
teitt in die eigenen metrifchen Werke verftartet haben
würde. Ein Beiſpiel, das Sonett in dem bei Eröffnung
des neuen Schaufpielhaufes zu Lauchfläde im J. 1802
$
läutern.
Adam Mütter hat Irgendwo in feinen Werken ſich
über die Vollkommenheit diefes Sonetts ganz enthufiaſtiſch
ausgeſprochen umd er war wol der Mann, defien Coympe
tenz bierin kein Sachkundiger bezweifeln wird. Das Ge
dicht lautet:
Natur und Kunft fie fcheinen ſich zu fliehen‘
Und haben ſich, ehe man es denkt, gefunden;
Der Widerwille tft auch mir verſchwunden
und beide fcheinen gleich mich anzuziehen.
Es gilt wol nur ein rebliches Bemühen !
Und wenn wir erft in abgemeff'nen Stunden
Mit Geift und Fleiß uns an die Kunft gebunden,
Mag frei Natur im Herzen wieder glüben.
So iſt's mit aller Bildung auch beſchaffen.
Vergebens werden ungebundne Geiſter
Rach der Vollendung reiner Höhe ſtreben.
Mer Großes will, muß fi zufammenraffen.
In der Beſchraͤnkung zeigt fich erft der Meifter
Und das Geſet nur kann uns Freiheit geben.
Sollte die deutſche Kritik, wie ſolche häufig gelbe
wird, nicht an Manchem darin großen Anfloß nehmen
und befonders bie zweite Hälfte bes erflen Quartetts, fo-
wie die erften Zeilen des erſten und des zweiten Terzetts
für durchaus profaifch erklären? Wenn Ediller audy bei
dergleichen Gelegenheit vermuthlich einer ſolchen Ausdrudke:
weife ſich enthalten hätte, fo würde das unftreitig nur
von der ihm zur andern Natur gewordenen Sitte, in fei:
nen poetifhen Erzeugniffen dem Ausdrude des gemeinen
Lebens immer einen höhern zu fubflituiren, aber fchwer:
(ih davon hergerührt haben, daß ihm die von feinem
großen Freunde bier der gewöhnlichen Rede entlehnten
Worte in der Poefle geradezu als unangemeſſen erfchie
nen wären. Der Dann, deffen feltener Univerfalitdt in
Kunft und Wiffen er felbft feine von der frühern Ein:
feitigeit und Üiberfpannung zu allgemeinern, hoͤhern An-
fihten &bergeführte Ausbildung verdantte, hatte, das wußte
Schiller, überhaupt zu viel ſichern Takt, um der Natur
der Poefie unmwürdige Redensarten aufzubürden. Obfchon
die Poefie allerdings den uneigentlihen Ausdrud in der
Regel dem gewöhnlichen vorzuziehen pflegt, kann dem
Dichter doch kein Vorwurf über den Gebrauch des letz⸗
tern, felbft in der Poefie, gemacht werden, fobald nur
der von ihm angemwendete nicht gegen ihre inneres Wefen
verftöße, wie nahe auch vielleicht die Möglichkeit der Auf⸗
findung eines mit dieſem nody mehr barmonirenden Aus:
druds gelegen haben koͤnnte. Kine Freiheit diefer Art
(die ohnehin der Dichter bei größeren Werten in gebun⸗
dener Mede nicht entbehren kann) ift ibm auch fchon
darum im Allgemeinen zu vergönnen, ba nicht felten die
Bermeidung des gewöhnlichen profaifhen Ausdruds nur
duch) unnöthigen, noc viel weniger mit der Poefie ver:
träglihen Wortüberfluß viel zu theuer zu erfaufen fein
würde. Nichte die Eritifhe Kunſt, fondern nur das
auf Herkommen, Vorurtheil und Schiendrian beruhende,
gemeine Recenfirhbandwert, das den Kunftrichters
ſtuhl mitunter ufurpire, koͤnnte einem folhen Kaufe Bes
nehmigung ertheilen.
18
So hat uns deun bier mufere dargelegte Überzeugung
von den Vorzuͤgen der deutſchen vor vielen andern Spra⸗
den, und dee Döhe, zu welcher die beiden großen Dich
ter, Goethe und Schiller, der Poeſie in ihr verholfen, un:
vermerkt darauf bingeführt, unter welchen Umfländen ber
Poeſie auch der Gebrauch foldyer Wörter und Wendun:
gen, welche fait ausfchließend in das Gebiet der Proſa
gehören, nicht verfagt werden darf.
Wir befigen einen Schrififteller, der häufig vom Un
verflande Eanonifirt, von der Kritik noch viel zu wenig
ins Licht gesogen und gewürdigt wurde, er heißt Sean
Paul Friedrich Richter. Durch die Innigkeit feiner Theil
nahme an dem mitunter in der That nur allzu grauſa⸗
men weiblihen Schickſale und feine heidenmürhige Ber:
theidigung des Frauencharakters gegen Ungerechtigkeit und
free Verunglimpfung, mit Recht ein Liebling des zar⸗
tern Geſchlechts, verfündeten nicht nur deſſen Stimmbe:
rechtigte das Lob feines Geiſtes und Herzens, fondern es
tief ihn auch die durch ihn ſich gefchmeichelt fühlende
Hyfterie, feine finnvollen Ausfprühe dem wahren Weſen
nad) großentheils gar nicht fallend, zum wirklihen Hei⸗
land und Bortmenfhen aus. Ihrer Meinung nad
konnte neben der genialen, durch eine Überfülle von Wi
und Komik hinreichend gerechtfertigten Verſchrobenheit bes
Stile, der Stil keines andern deutſchen Schrififtellers,
als höchitens der, vermöge feiner Sentimentalität ihr zu:
gaͤnglich gemachte unfers Schiller, mit Ehren befteben.
Gerade an der Erankhaften Tbränenfelte der im Ganzen
fo flarten, gediegenen Natur Jean Paul's, eines gehei⸗
men Zufammenhanys mit der ihrigen, einer unverfenns
baren Sympathie ſich erfreuen zu dürfen wähnend, über:
täubten deſſen hyſteriſche, ihm durchaus nicht ebenbuͤrtige,
Goͤnnerinnen das allgemeine Ohr mit der Verkuͤndigung
ſeiner unerreihbaren einzigen Größe fo lange und leiden:
ſchaftlich, daß die anfänglidhen Bedenken gegen mandıe
Irrthuͤmer des großen Mannes kaum nod) laut zu wer:
den wagten und fogar die wichtige Stimme, melde fi)
gegen das Ende des vorigen Jahrhunderts, zugleich un:
tee Anerkennung und Tadel, in den berühmten „Xenien“
über ihn erhob, wegen Beimiſchung de6 allerdings mit
ungerechter Härte ausgefprochenen Tadels, des gemaltigften
Frevels befhuldige wurde. Diefe Ungerechtigkeit war uns
verkennbar die leidige Frucht des Unmillens, daß die Kri⸗
tie ſogar fi von der unbedingten Lobpreifung unfer®
größten Humoriften duch die Hpfterie hatte anfteden
laffen. Wenn aud Sean Paul's Romane, [don wegen
ihrer fo reichen. Ausſtattung mit dem lebendigften Humor,
fi) als einzig in der deutſchen und vielleicht in allen Litera⸗
tuten bewaͤhren — denn ſogar dem Englaͤnder Sterne bleibt
fein Geiſt in mehr als einer Hinficht Überlegen —, fo läßt
doch die Individualiſirung der verfchiedenen Charaktere und
die Seflaltung des Einzelnen in frinen am meiften zur
Sentimentatität fi binneigenden Lebensgemälden zu eis
nem Ganzen noh Manches zu mwünfchen übrig. Nur
diejenigen, in denen das Komiſche vorherrfht, wie im
„Siebentäs”, „Schmeljle”, „Katzenberger“ und andern,
zeigen ihn in diefer Gattung von einem Range, den wol
kein anderer deutſcher Sqchüftſteller ihm fireitig machen
duͤrfte. Die Kritik hat auch nicht unterlaſſen, das her⸗
vorzuheben, und wenn hier behauptet wurde, ſie habe ihn
noch zu wenig in das Licht gezogen und gewuͤrdigt, fo
bezieht ſich dies keineswegs auf feine Romane. Die Kri⸗
tie ließ fogar feinen nicht in dieſes Fach einfchlagenden
Schriften, wie ber „„Zevana” und der „Vorſchule der
Üftperit”, Gerechtigkeit widerfahren. Gleichwol fcheint
fie auf das legtgenannte Werk noch immer zu wenig
bingebeutet zu haben und noch hinzudeuten. Und doch
iſt daffelbe feit dem Erſcheinen deſſen zroeiter Auflage vor
nun ſchon mehr als dreißig Jahren ungeachtet der Menge
der binnen dieſes Zeitraums erfchienenen, denfelben Ge:
genftand nach Berfchiedenheit der Syſteme und Parteien
von allen Seiten beleuchtenden Schriften bis jest ale ein
wahrhaftes Schagkäftlein für die deutfche Literatur zu be:
trachten. Jeder, der Unbefangenheit genug befist, um
aus der Partei, zu der er fi befennt, für einen Augens
bli@ ganz herauszutreten und Sean Pauls „Vorſchule“
von einem allgemeinen Gefichtspunkte ins Auge zu faf:
fen, wird Dies eingeftchen müffen. Es ift ein vollſtaͤn⸗
diger Inbegriff der gründlichflen und der Praris am
meiften in die Hand arbeitenden Theorien. Eogar die
jenigen Anfichten dieſes Äſthetikers, mit denen wir uns
nicht vereinigen können, zeugen gewoͤhnlich von feinem
eafllofen Nachdenken und Studium, von einem Scharf:
finne, wie er bei ſolchem Übermaße des Wiges ſonſt gar
nicht vorzukommen pflegt. Kein angehender Stitift follte
verfäumen, diefes durch feine gewöhnlich mit den treffend:
fien Beifpielen erläuterten Regeln verfehene Buch zu Ras
the zu ziehen. Dierbei kann man kaum umhin, der zu
großen Strenge zu gedinken, welche gegen Schiller im
dritten Theile vorkommt und befonders die bis in das
Minutiöfe flreifenden Ausftellungen an einigen einzelnen
lyriſchen Pretiofen des Dichters zu misbilligen. Alles Das
wird jedoch durch die tiefe Ehrfurcht entfchuldige, welche
Jean Paul diefem Unfterblihen im Allgemeinen beweifl.
Dem Ausfpruche des Tadels aber, den der Kritiker über
die, aud von Andern virl angefochtene, harte Stelle in
Schiller's „Lied an bie Freude”, wo ber Ungluückliche,
der nie ein theilnchmendes Herz auf Erden finden konnte,
aus dem Bunde der biefed Lied fingenden Freunde ver:
wiefen wird, muß man ſchon darum feine volle Zu:
flimmung ertheilen, weil der Kritiker durch die Veränderung
der Sylbe aus in die Sylbe in daran eine Verbeſſerung
fnüpfte. Sean Paul wünfcht naͤmlich, daß die beiden Zei⸗
len, welche jenes aus mit enthalten, alfo beißen möchten:
Und wer’s nie gekonnt, der ftehle
Weinend fih in unfern Bund.
Unftreitig verdiente diefe ungemein wichtige Verbeſſe⸗
rung von allen Gefangvereinen bei dem Vortrage des
fo mächtig erhebenden Hymnus adoptirt zu werden. *)
*) Ein Freund des Verf. gegenwärtigen Aufſatzes dußerte, es ließe
fih wol auch annehmen, daß Schiller unter dem Armen, ber
nie eine Seele fein nennen konnte, einen Soichen verflanden, der die
rechten Wege dazu einzuſchlagen verfäunt, ober auf irgend eine
Art diefes Ungluͤck ſeibſt verſchuldet hätte. Der Verf. flimmt
ian
ner, wenn ©. 43 Dante's Kunde des Griechiſchen bes
hauptet, oder ©. 117, aus Mangel an Bekanntſchaft
mit den neuern Forſchungen, die alte Meinung wieder
beit verfochten wird, daß unter den Commentatoren ber
„Böttlihen Komödie‘ der fogenannte Ottimo älter fei als
Jacopo della Lana.
Mie Stillſchweigen übergebe Ich, wie manche Berich⸗
sigungen meinen frähern Arbeiten hätten hinzugefügt
werden koͤnnen, und zwar vorzugsweiſe von einem Der
ausgeber,, der in der Mitte des gelehrten Italiens woh⸗
amd nach den verſchiedenſten Selten in reger literarifcher
Verbindung ſteht. Nur einen Punkt will ich erwaͤh⸗
en, weil er mie Gelegenheit gibt, dee umfaſſenden For⸗
{dungen eines hoͤchſt untereichteten Amerikaners zu ges
denken. ©. xxıvı in der Anmerkung wird Hr. Richard
Henry Wilde erwähnt, der die florentinee Archive mit
müberteoffenem Fleiße ducchforfcht bat. Won diefem er:
hielt ich ſchon vor ein paar Jahren eine Mitcheilung über
eine Stelle des befannten Brief, in dem Dante mit
edlem Stolze die Anträge eines Altern Freundes, durch
einige Demüthigung die Helmkehr nad Florenz zu er .|-
taufen, ablehnt. Dabei heißt es In der einzigen uns er:
baltenen Handſchrift: „Absit a viro Philosophiae do-
zmestico . . . . ut more cujusdam cioli et aliorum infa-
zium quasi vinctus, ipse se patiatur oſſerri.“ Ich hatte
aun geglaubt, cioli in scioli verwandeln zu müflen (fern
fei es von mir, daß ich nach Art eines Nafeweifen u. |. w.),
und auch in Torri's Ausgabe iſt diefe Veränderung noch
beibehalten. Inzwiſchen hatte fchon der treffliche Graf
Sefare Balbo in feinem „Leben Dante's (1839, II, 352)
zu bdiefer Stelle bemerkt: „Nome probabilmente di qual-
che famigerato a quel tempo.” Die Mittheilung des
Hm. Wilde, die vom 7. Nov. deſſelben Jahrs herrührt,
lautet nun im Wefentlichen folgendermaßen:
Ich babe ſtets dafür gehalten, daß Gioli ein Eigenname
fei, und eine ermüdende und anftrengende Nachſuchung in ben
Archiven der Florentiner Riformagioni gehalten, um zu ermits
tein, ob nicht vielleicht und wann ein folcdyes Individuum unter
den angedeuteten Bedingungen Verzeihung erhalten habe. End⸗
Ub if es mir gelungen zu entdecken, daß am 11. Dec. 1316
Lippus Lapi Ciole nebft einigen Andern unter ber Bedingung
wiederaufgenommen warb, baß er hinter bem Garroccio mit eis
ner Schandmuͤtze befteidet (with tbe mitre on his head) ein:
bergebe, und den fonft üblichen Beſtimmungen genüge. Gein
Name findet fi nahe an dem Ende einer langen Provisione
in dem Buch Nr. 16, Distinz. II, Class. 2, p. 36 des Archivs
der Riformagione; das Datum aber flimmt mit Dem überein,
was in dem Briefe von Dante’s faft funfzehnjährigem Erit gefagt
tft; denn bie Daten ber Verbannungsſpruͤche wider ihn find,
wie ich ermittelt habe, der 27. Zan. und ber 10. März 1302,
von Ghriftt Geburt angerechnet.
Noch iſt fchließlich zu erwähnen, daß Hr. Torri als
‚eine dankenswerthe Zugabe einen Abdruck des lateinifchen
Berichts über eine von Dante am 20. Jan. 1320 (der
beigefegte Wochentag zeigt, daß das Jahr von Chrifti
. Geburt, nicht nach Florentiner Gebrauch von Marid
Verkündigung, an gerechnet it) zu Verona gehaltene
Disputation mit .italienifcher Überfegung beigefügt bat.
Berantwertliher Derausgeber: Heinrich Brodhaus. — Drad und Verlag von F. 4. Brodhaus in Eeipiig
Gegenftand iſt bie uns freillch ſehr ſeltſam vorkommende |
Frage, ob das Waſſer (Meer) in feiner Rundung (Sphin)
Irgendwo höher fel als das Land, die Dante natkrlid
verneinend entſcheldet. Die Außerfl felteme Ausgabe des
Buͤchleins (Venedig 1508) hatte ich vor einer Reihe von
Jahren bei dem verflorbenen hochverehrten Machefe
Trivulzio ducchlefen, und damals, mit Koscoto, ftart am
ber Echtheit gezweifelt. Allerdings find die referitten Ar:
gumente der Gegner größtentheil® herzlich albern; dech
baben fich meine Zweifel jegt bei erneutem Studium ke:
deutend gemindert, und Mandyes, was Über die Bildung
und Geſtalt des Feſtlands gefagt wird, iſt für die Web
anfhauung ber Zeit, vermuthlich für die eigene Dante‘,
fehr Iehrreih. Der Text ift bis auf einige naheliegend⸗
Berichtigungen ziemlich correct. Karl Witte,
Notiz.
Beitrag zur Geſchichte der.
. Wiflfenfhaft.
Nichts if erhebender als wenn man fieht, wie ein Ging:
nee mit Dintanfegung aller perfönlichen Intereffen und Rüb
ſichten, ja mit Gefahr feines Lebens, ſich ganz dem Dienfte der
Menfchheit widmet. Wer kann ohne die tieffte Rührung an
bie aufopfernden Bemühungen eines Las Cafes und anderet
Menfchenfreunde denken? Ganz vor kurzem hat Rranfreid,
bat die Weit zwei Ärzte verloren, die mit berfelben aushalten
den Begeifterung bis zu ihrem legten Athemzuge das gefährlide
Studium ber beiden Krankheiten verfolgt haben, von denen der
namentlid im warmen Klima die größte Gefaht
roht.
furcht genannt zu werden. Was der Erſtere für die Wiſſenſchaft
geleiftet, weichen Gefahren er ſich ausgeſetzt hat, um der Katur
der Deft auf die Spur zu kommen und um bie Mittel zur Kt
lung fomwie die Präfervativmaßregein zu erproben, tft befanntır
als Das, was Chervin für das Studium des Beben Fiebers ge
than bat. Hier zeigte es fich recht deutlich, wie ein Dann, in
dem fonft nidyt eben ber Funke des Genies glüht, wenn ex mit
unausgefegtem Eifer eine große Sache verfolgt, wie von eine
großen Idee getragen erfcheinen kann. Kon dem Xugenblidt
an, wo Chervin zum erften Male über das Weſen ber heftigen
Märtyrer für die |
t
Die Ramen Bulard und Ghervin verdienen mit Gr
‚Krankheit, die vorzüglich in ber heißen Bone Amerikas ipreäOpfe
binrafft, nachgebacht hat, bis zu feinem Tode hat dieſer eine be
ſchraͤnkte Punkt einer weiten Wiſſenſchaft alle feine Gedanken
in Anfprudy genemmen. Nachdem er acht Zahre hindurch ein:
zig und allein zur Beobachtung des (Gelben Fieber Amerifa in
allen Richtungen burchftreift hatte, kehrte er in fein Vaterland
zurüd, um bier das Ergebniß feiner Unterfuchungen zu veröf
fentlihen. Die Übergeugung, bie er in ben tropifchen Bänden
gewonnen hatte, war bie, daf biefe Krankheit nicht anftedender
Natur ſei Diefe Anſicht wurde von dem größten Theile der
ärztlichen Weit und namentlich von einer mebdicinifchen Gommil:
fion befämpft, weldye von der Regierung den Auftrag erhaltet
hatte, das Gelbe Fieber in Barcelona, wo es ausgebrochen war
zu beobachten. Chervia ſah fich dadurch veranlaßt, gleicial
nad Spanien. zu geben, um bort feine Unterſuchungen forte
fegen. Diele neuen Studien beftärkten .ihn nur in feinen frühen
Annahmen. Nah Frankreich zuruͤckgekehrt wurde er Mitglied
der Akademie, nahm aber faft nie an: den Verhandlungen dieſer
gelehrten Verſammlung Thell, außer, wenn bie Krde auf bed
Thema kam, dem er fein ganzes Reben gewibmet hatte, DAMM
- entwidelte er einen Scharfſinn und cine Begeiſterung, bie man
bei ihm fonft nicht vermuthet bätte.,. 2.
Blätter
für
literariſche Unterhaltung
Freitag,
8. December 1843.
Reiſe eines Norbdeutfchen durch die Hochpyrenden in
den Jahren 1841 und 1842, Von W. v. R. Zwei
Theile. Leipzig und Paris, Brockhaus und Avena=
rings. 1843. Gr. 12. 2 Thlr. 20 Ngr.
Nichts iſt ärgerlicher, al& wenn wir eine Erfindung
von und, einen Gedanken, den mir zuerft gehabt, von
Andern ergriffen, gefördert und mit Gluͤck entwickelt fe:
hen. Ganz ähnlich diefem unbehagfichen Gefühl ift das,
ein Land, eine Gegend von Andern gefchildert zu fehen,
zu dem wir zuerfi den Zugang geöffnet, das wir zuerft
befchrieben haben. Der Ref. tft mit der vorliegenden
Reiſeſchilderung in diefem erceptionellen Fall. Die Pyre:
nden waren vor ihm unter uns fo gut wie unbelannt;
ein Deutfcher hatte je eine Schilderung dieſes herrlichen
Gebirge verfucht, das Heute zu den gewöhnlichen Reiſe⸗
zielen des reichen Müßiggangs gehört; nur Wenige hat:
ten es betreten, als er im J. 1824 feine Reife durdy die
Hochgebirge der Pyrenden erfheinen lief. Es war da⸗
mals eine mühevolle, reich belohnende, aber anſtrengende
Ausflucht ; heute Häpft die Jugend an Stellen dahin, die
er mit Lebensgefahr erklommen, trabt über Pfade bin:
weg, die zu feiner Zelt den eifenbefchlagenen Gebirge:
ftab noͤthig machten und dejeunict an Ötellen, wo er
zur Erquidung kaum ein wenig Biegenmild und ein
Stud GSerftenbrots fand. Das iſt das Wirken der Zeit,
der Vorzug der jüngern Generation vor ber Altern. Aber
fie follte nicht vergeffen, was von dieſen Vorzuͤgen fie
eben der ältern Generation verdankt. Des Ref. Schiis
derung der Pprenden gab das Signal zum Beſuch diefes
Gebirge, das bis dahin fo unbekannt in Deutfchland mar
als der Himalaja; feitdem hat zwar nit die ewige Na⸗
tur felbft ſich geändert, aber die Mittel und die Weife,
fi) ihr zu nähern und fie zu genießen, find andere ge⸗
worden. Der Ref. kann fi es fügen, daß es ihm mit
zu banken ift, wenn der junge Reiſende jegt Guiden,
Gebirgsroffe, Wirchöhäufer, gute Pfade und fichere Stege
nun da findet, wo er Died Alles entbehren mußte- Der
Verf. des vorliegenden, lobwuͤrdigen Berichts hat Unrecht,
mit keiner Sylbe feines Vorgängers als Defjen zu geden-
ten, obne den vielleicht auch er aller diefer Behaglichkei⸗
ten zu entbehren gehabt hätte
Doch dies Alles iſt weit entfernt, unfere gute Laune
zu trüben oder ihm einen unfteundlichen Seitenblick zus
zuziehen. Iſt es Argerlih, unfere Erfindung von Andern
gefördert. zu feben, fo iſt es auch wieder eine eigenthuͤm⸗
lich mohlthuende Empfindung, den Wachsthum unferer
eigenen Ideen zu betrachten, und zu fehen, was im Lauf
‚der Zeit aus Gedanken wird, die wie felbft zuerſt ange:
vegt haben. Und fo mollen wir denn dem unbelannten
Verf. diefer Arbeit ſchon um deswillen unfern Dank er-
ftatten, weil er nicht ohne Gleichſtimmung mit uns
felbft auf unfern eigenen Pfaden mehr wie Andere forts
gewandelt iſt. |
Auch bei dem WBerichterftatter ift der Beſuch des
herrlichen Pyrenaͤengebirgs wie bei uns aus einem Na:
turbedürfniß hervorgegangen; nicht aus Modefucht, Men:
giee und müßigem Verlangen, fondern aus ber Neth:
wendigkeit, Seele und Geiſt an Naturanfchauungen zu
ftärfen, an ihree Größe ſich ſelbſt aufzuerbauen und zu
erheben. Dies ift der rechte Quell, der rechte Urfprung,
der richtige Gedanke bei einer Reife wie. die in die Hoch⸗
berge der Porenden. Luft, Muth und Ausdauer, wie fie
zue Überwindung von Schwierigkeiten nöthig find, un:
verſtimmtes Gemüth, freier, unbefangener Bid, Kraft,
bie vor Erſchoͤpfung fichert, alle diefe fließen nur ans die:
fem Quell ab. Zeit und Wetter haben ihre Gunft .bin-
zugebracht und dem rüftigen Reiſenden bier und da zu
fehen erlaubt, was uns felbft unerreichbar blieb. So
tönnen wir ihm die Erflimmung des Vignemale benei:
den, der zu unferer Zeit noch unerfteigbar war, und zu
dem es keinen Führer gab. Doc es ift Zeit, daß wir
uns der genaueren Anficht des Inhalts dieſes dankens⸗
werthen Berichts zumenden.
Der Berf., ein vielfeitig gebildeter, wenn auch nicht
gerade ein wiſſenſchaftlicher Reiſender, naht Mich. Tei-
nem 3iele, wie wir felbft, über Toulouſe,
hier wendet er ſich weſtwaͤrts, nach Tarbe
wozu wir nicht rathen können. Es ift igbenfall® mehr
zu empfehlen, daß der Meifende, bevor ey diefe Gebirge:
welt betritt, ſich eine® überblicks der gefapımten Kette von
der Terrafje von St.Gaudens her, und näher, von dem
koͤſtlichen Dbfervatorium” des Pic du Midi von Bigoere
verfichere, und fo vorbereitet in bie Mitte biefer Bergrie-
fen trete, als daß er von Pau her zuesft mit einer Sei:
tenanfiht beginne, welche die Sradation der Gebirgsſchoͤn⸗
heiten nicht gewährt, die der Eintritt von St.⸗Gaudens
x
!
der barbietet. Die erfim Gapitel, Tarbes, Pau gleichen
Vorbereitungen und enthalten, außer den merkwuͤrdigen
Drophezeiungen des Bauer Bug von Milhas, und eis
ner Geſchichte der Geburt Heinrich's IV., von dem es hieß:
Mölagro, la vaca bijö un lione (die Kuh hat, o Wun⸗
der, einen Löwen geboren) nichts Neues oder Bemerkens⸗
werthes. Im vierten Gapitel iſt eine gefchichtliche Über:
fit diefee Landfcyaften, obwol etwas troden, eine dans
kenswerthe Zugabe, da fie zur Drientirung dient. Von
Dan ab beyinnt die Gebirgsreife mit Eaur bonnes, Eaur
haudes und dem Thal von Oſſan. Das eine Thal
von Arudp ift das erſte, das von hieraus den nicht zu
ſchildernden Reiz der Porendenthäler vor dem Reiſenden
entfaltet. Diefer unausfprechliche Reiz iſt gerade die erſte
und charakteriftifche Eigenthuͤmlichkeit dieſes Gebirge, mit
dem es die Alpen und den Apennin weithin befiegt, in
dem es einzig und unververgleichlich dafleht. Der Wei:
fende thut wohl, wenn er fi bemüht, über diefen ganz
eigenthuͤmlichen Reiz ins Klare zu kommen, von feinen
Elementen ſich Rechenſchaft zu geben. Der Verf. aber
verfäumt die Gelegenheit zu einer folhen Analyfe. Mag
‘fein, daß der Charakter von Duͤrre und Trockenheit, der
dem füdlichen Frankreich beimohnt, uns in höherm Grabe
empfaͤnglich macht für die faftige und volle Schönheit ber
grünen Welt In den Pyrenaͤenthaͤlern — Alles ift hier:
mit doch nicht erklärt. Der fanfte Reiz der legtern be:
ruht, außer der Gülle und Üppigkeit der Wegetation, noch
auf etwas Anderm, naͤmlich auf den, wir möchten fagen,
beruhigten, fertigen und abgefchlofjenen Bergformen, welche
dieſe Thaͤler bilden. Hier ift kein Erdſturz mehr möglich,
jeve Höhe hat ihre richtige Bafis gefunden, Alles erſcheint
wei, rund, beruhigt, keiner neuen Umwandlung unter:
worfen wie in dem jlngern Gebirge der Alpen. Die
Ordnung iſt hier feit langer Zeit fertig, in den Alpen»
thälern iſt fie meiſtens noch herzuftellen; bier ift das
Schoͤpfungswerk vollendet, abgelchloffen, nicht mehr zu
ändern. Daher diefe fanfte, beruhigende Schönheit der
Berge, welche die Thäler bilden; daher der um befto
größere und gewaltigere Eindrud der Bergrieſen, welche
dieſe Thaͤler Üüberragen, uͤberwoͤlben; daher die unbegrenzte
Kraft der Vegetation und ber unvergleichliche Blumen:
ſchmelz in dieſen Thalgründen.
Wir haben bier mit wenig Pinſelſtrichen die charakte:
riſtiſche Schönheit oder beffer, den Charakter in ber
Schönheit der Pyrenaͤenwelt gezeichnet, und folgen dem
Berk. nun nach Lourdes und Bagnieres de Bigorre, an
defien Quellen bekanntlich der im Zrojanifchen Kriege ver:
wundete Gott Mars ſchon Heilung ſuchte, während Ve⸗
aus ihm bei diefer Badecur den bekannten Beſuch abftat:
tete! Das Thal von Campan iſt in der That eines fol:
chen göttlichen Beſuchs werth. Wer fchildert feinen Reiz
nad) Sean Pau, defien der Verf. bei diefem Anlaß frei:
Eich nicht gedenkt: — die junge Melt ift fo vergeßlicher
Natur! In Grip angelommen, hofften wir, der Verf.
werde fi) dem nahen Pic du Midi zuwenden, dem fchön-
ften Beobachtungspunkt für die gefammte Pprendenwelt;
unerBlärlicherweife aber fieist er durch die Dourquetta in
die Vierthäler und zuerſt in das von Aure hinab, um
uns die tragiſche Geſchichte des legten Armagnat zu m:
zählen. Es laͤßt fi) dies nur aus einer gewifien, ihn
noch beherefchenden Bergſcheu erklären. Das Thal von
Argelis findet dann feine verdiente Bewunderung, obnel
wie in feiner Schilderung den Diligence-Reifenden erken⸗
nen, der freilich dem Fußwanderer nichts Neues berichten
kann; biernady wenden wir uns dem Kern der Porenin:
welt, dem Thale von Luz und Gavarnie zu. Von bier
ab wünfchten wir dem Verf. etwas mehr Ernft und eine
der Natur, die uns umgibt, entfprechendere Stimmung.
Leichte Bemerkungen, Wise und Kuͤchenzettel geftatten
wir leichten und mäßigen Reifenden ; wer echtes Gefühl
für die Natur und ihre Schönheit hat — und wir rechnen
den Verf. zu den fo Begabten — , follte in folder Um:
gebung Madame Cazaur und ihre Gaſthofsſcenen ver:
geften können! Der Ref. war darin glücklicher; zu feine
Zeit begegnete man feinen reitenden Engländerinnen bie:
tee St.:Sauvene und Cauterets. Doch die Zeiten haben
ſich geändert, der Pic de Bergonz iſt jege mit Zraglänf:
ten bedeckt, deren Mef. ſich nicht erinnert, eine einzige in
den Pyrenaͤen geieben zu baben. Die Givilifation hat
auch ihre Schattenfeitel Aber der Verf. verfteht, von
dem herrlichen Panorama, das der Pic de Bergonz bar:
bietet, ein fo lebenvolles, farbenreiches und naturgetreun
Bild zu entwerfen, daß wir nicht blos diefer Schatten
feiten vergeflen, fondern, indem mir uns mit ihm in die
Schönheiten diefer Bergwelt vertiefen, ihm zu lebhaften
Dante für feine warme und gefchicdte Schilderung ver:
pflicytet werden. In der That bat feine Darfiellung an
feiner andern Stelle einen fo wohlthuenden und befriedi
genden Eindrud auf uns gemacht als gerade hier, mo
Stil und Ausdrud der Größe und der Schönheit dei
vor uns entfalteten Naturbildes ganz entſprechen. Es ii
zu ruͤhmen, daß der Verf. auf Schönrednerei eben nicht vid
Gewicht zu legen ſcheint und eim Beſtreben danach fih
nirgend Fund gibt. Um fo wirkungsvoller wird eine na
tuͤrliche Erhebung der Sprache. Daß ihm das Bernd
gen des ſchoͤnen Ausdrucks jedocdy nicht mangelt, peigt
mehr als eine treffliche Stelle.
Ber nie einen Wald gefehen — fagt ex z.B. —, in web
chem die Natur, unentweiht von dem eigennägigen Angriffen
bee Menfchen, Sahrtaufende lang vielleicht ungeſtoͤrt gewaltet
hat; wer für jene großartige Vernachlaͤſſigung Sinn und Xug
bat, welche nur in der Band ber Natur kuͤnfileriſche Harmont
wird, der bringe ein in die Walbungen der Abhänge des Zyald
Zutoue . . . Über Felſen, über Bitumen und Kräuter hinge
firedt liegen vermobernd die alten Riefen des Waldes, nach dem
Raturgefeg einer neuen Generation Ptag machend, ihr zur Ras
zung dienend, und fo fi in ihr verjüngend. Und welches tr
ben durch das Chaos biefer Vegetation hin! Welche unenblich⸗
keit der Erſcheinungen in dieſem Raume, von der Schlange a
die mit klugem Auge erſt die ihr in dem Beobachter nabende
Gefahr prüfen zu wollen ſcheint, bevor fie flieht, von dem iR
Barbenftaub gehüllten, regelmäßig gezeichneten Schmetterling.
dem Käfer, der Muͤcke aufwärts. Wo ift der Zweifler, der nad)
dem aufmerkfamen Blicke in biefe wunderbar reiche Welt von
Weſen noch den Zufall Schöpfer fein laſſen möchte und von ſer
ner Betrachtung nicht das Gefühl einer neuen Überzeugung
ſich fortträge?
Mach dieſer Btilprobe dürfen wir auch Das lobend an
dem Berf. hervorheben, daß er Empfänglichkeit genug be⸗
figt, um das Hirtenleben in den Pyrenaͤen in feinem Reiz
und feinen Schredniffen lebendig aufjufaffen, in mans
nichfachen Bildern vor uns hinzulegen und das In feinen
Repräfentanten lebende warme Naturgefühl, ihre dichterls
ſche Auffafjung der fie umgebenden Scenen und die oft
merkwürdige Zartheit der Gefinnung und Empfindung
bei diefen Naturmenfchen nur in einzelnen Zügen, wie
in der „Geſchichte zweier Bruͤder“ gefchieht, darzuftellen.
Durch das Thal von Prayntres, von dem der Berf.
ſchoͤn ſagt, daß es wie ein Blumenkorb aus feiner
flarren Umgebung hervorfhimmerte, dann duch das
Baftanthal, wild und raub, in dem fo zartfühlende
Menfchen wohnen wie die Brüder Ramon und Antoine,
geht der fernere Weg nach Bareges, dem Badeort, der
im Sommer den wundenkranken Beteranen, im Winter
den Lawinen, den Bären und Wölfen des Dochgebirgs
angehört. Der Verf. fchlägt vor, diefen Drt zum De:
portationsort für Frankreich, das nach einem ſolchen fucht,
zu beflimmen!
Der Weg nach dem Circus von Bavarnie, einem der
großartigften Werke, welche je aus der Hand der Natur
hervorgingen iſt jetzt faſt fo befannt wie die Straße von
Paris nach Verſailles. Der heilige Schauer, welcher die:
fen Pfad noch vor 20 Fahren bededte, ift verfhwunden,
eine ebene Bergftraße führt nun zu diefem Wunder hin.
Allein ein Wunderwerk if} der Circus noch immer und
ein folche® wird er bleiben, fo lange diefe 1400 Fuß bo:
ben $elfenmauern nicht in ſich zufammenftürzen. Ref.
hat diefe Scene feinen. Landsleuten vor 20 Jahren zuerſt
geſchildert und er kann ſich nicht entfchliegen, während
das Bild lebendig vor ihm ſteht, die Schilderung eines
Andern wiederzugeben, wie warm und lebenvoll Diefelbe
auch fonft ſei. Ein Bild, das nad 20 Fahren in ber
Seele fo treu: und glänzend wieder erwachen kann, muß
etwas Großes und Ungemeines in ſich fallen. Alpen
und Apenninen bieten nichts dem Circus von Gavarnie
Ähnliches dar, wenigſtens was die Groͤßenverhaͤltniſſe bes
trifft. Die Ringgebirge des Monde mögen von berfel:
- den Kormbildung fein wie der Circus von Gavarnie
und gleichen Urſprung mit ibm haben.
Im zweiten Theile feſſelt zunaͤchſt die Wanderung
durch das Felſenmeer von Heas, eine verungluͤckte oder
eingeftürzte Circusbildung, und wol die wildeſte Scenerie
des ganzen noͤrdlichen Pyrenaͤenabhangs. Der Reifende
gelangt dann endlich zu dem Pic du Midi de Bigorre,
den er zu unrecht früher umgangen bat. Diefer herr:
liche Standpunkt, der uns das Sefammtgebirge allein zu
voliftändiger Anfhauung bringt, kann nicht genug em:
pfohlen werden; Ref. befuchte ihn dreimal, mit immer
wachfender Befriedigung.
auch nur Maler, er würde diefen Beſuch weder fo lange
aufgeſchoben noch fo flüchtig behandelt haben, al6 es ges
ſchieht; feine Begegnungen mit fpanifhen Parteigängern,
Chriſtinos und Karliften, können uns für diefe Entbeh⸗
zung nicht fehadloshalten, obwol fie von gutem Blid
Tod fand.
Wäre der Verf. Geolog oder
und glüdlichen Reiſenaturel Zeugniß geben. Gantertts
und der Lac de Gaube bilden hiernaͤchſt die anziehendflen
Gegenftände feines fernern Reiſeberichts, der durch bie
Srfteigung des Vignemale eine befondere Bedeutung ers
hält. Der Vignemale, der hoͤchſte Punkt der franzöfl:
[hen Pprenaen — denn Maladetta und Montperdu lie:
gen auf ſpaniſchem Gebiet und geben Baum einen Über:
blick der eigentlichen Kette — galt lange Zelt für die
Sungfrau ber Pprendenz er biieb dem Ref. unerreichbar,
weil zu feiner Zeit Bein Führer gefunden wurde, der Die
Zugänge des Niefenbaus erforfcht hätte; feit 12 Jahren -»
ift er erobert und vielfach befiucht worden und nach dem
Berichte des Neifenden ſcheint feine Erfleigung nicht eben
ſehr fchmwierig, da fie mit dem Opfer einer Nachtruhe er:
langt wurde. Der Vignemale ift die hoͤchſte Erhebung
de6 Urgebirgs in den Pprenden, deflen böchfte Spigen
befanntlich die Anomalie darbieten, faft fämmtlich jünge:
ver Sormation zu fein und auf dem Urgebirge aufzulas
gern; im Vignemale tritt der Granitgrat des Gebirge
klar hervor, in einer Srhebung von 10,068 Fuß. Der
Überbli von diefer Warte her wird uns herrlich gefchil:
dert und muß dies in Wahrheit fein. Die umlagernden
Schnee: und Eisfelder können fo bedeutend nicht fein als
fie vom Thale von Esplumeau aus erfheinen. Bon dem
koͤſtlichn See von Gaubt erzähle der Verf. die tragifche
Geſchichte des jungen englifhen Paare, das auf feiner
Hochzeitsreiſe begriffen, im 3. 1832 hier einen ſchoͤnen
Ein Gedenkſtein vereroigt das ergreifende Er:
eigniß und nennt den Namen Patifion. In übermü-
thiger Laune zieht der junge Gatte feine Neuvermähkte
in den einzigen zecbrechlihen Kahn des Lac de Gaube —
fie rudern dahin im Spiel — ſcherzend — der Schiffende
verliert da6 Übergewicht und gleitet in ben eiskalten,
ſtillen klaren Gletſcherſee. Er iſt ein guter Schwimmer,
aber die Kaͤlte des feuchten Grabes toͤdtet ihn. Sie
ſtarrt über den Bord gebeugt dem Verſchwundenen nah —
willig, willenlos gleitet fie ihm nad, ſchwimmt eine Zeit
lang auf dem kalten Elemente und verfchwindet daun
gleich, ihm. Kaum Präufelt fich der feeleniofe Waſſerſpie⸗
gel ein wenig über dem Doppelopfer — fie ruhen bei:
fammen! Es liegt etwa Dichterifches in dieſer einfachen
Begebenheit; die Züde der Ratur, wenn fie groß oder
lieblich iſt, iſt ein hochpoetifches Element.
Der Beſuch von Bagneres de Luchon und die Aus:
flucht nad dem fpanifhen Thal von Aran, in deſſen
Hauprftadt, Viella, der Reifende mit dem General van
Halen, dem derzeitigen Gemwalthaber diefer Lande, zuſam⸗
mentrifft und einer Revue beimohnt, gibt dem fernern
Bericht ein neues Intereſſe. Wir können dem Berf.
dahin nicht folgen, aber wir dürfen dieſen Theil feiner
Darftellung als den gelungenften und befriedigendften be=
zeichnen. Auge und Urtheil des Erzähler find ſtets wach
und er weiß von dem Gefehenen und Erlebten Dasjenige
auszuwählen, was dem Lefer ein ähnliches Intereſſe wie
ihm ſelbſt darbietet, und dies in mannichfaltiger und be
lebter Darſtellung ihm vorzuführen. Mag des durchaus
Meum, das er bringt, auch nur wenig fein, möge ihm
1376
und feinem Buche auch der wiſſenſchaftliche Stempel feb:
len, und die Befriedigung bes gelehrten Leſers nicht überall
fein Bemühen trönen, fo bleibe feine Arbeit doch ein
bantenswerther Beitrag zuc Kunde des Pprendengebirgs,
feiner Reize und feiner anziehenden Schauer und er darf
auf eine höhere Anerkennung rechnen, als fie feinen jüng-
ſten Vorgängern in biefem Verſuch gebührt, deren Schritte
Frivolitaͤt und muͤßiger Überdeuß in diefem ſchoͤnen „Stud
Erde’ geleitet haben.
Die Beigaben über die Hellquellen der Pprenden und
die fprachlihen Fragmente find unerheblich, der beigefügte
Entfernungsmeifer aber ift dankenswerth. Wir wollen
Buch und Verf. daher dem wohlwollenden Leſer beftens
empfohlen haben, ber in der Anfhauung großer Naturwerke
feine Befriedigung findet. W. von Lüdemann.
— — — —
Bibliographie. |
Arndt, G. M., Märdyen und Zugenberinnerungen. 2ter,
Theil. Mit 6 Kupfern. Berlin, Reimer. 8. 1Thir. 2 Rgr.
Biafius, 3. H., Reife im Quropäifchen Rußland in ben '
Jahren 1840 und 1841. In zwei Theiten. Iſter Theit: Reife!
im Norden. Braunfchweig, Weftermann. 1844. Gr. 8. Preis,
beiber Theile 5 Thlr. '
Boden, A., Vertbeibigung des Hrn. Prof. Dr. Sylv.
Jordan wider das in erfter Inftanz von dem Criminal: Senat‘
des Kurfuͤrſtlichen Obergerichts zu Marburg am 14. Juli 1843
gegen ibn. gefällte Erkenntniß, und Widerlegung der Grüne,
biefee Erkenntniſſes. Frankfurt a. M., Sauerlaͤnder. ®r. B.,
Kor.
Bröder, 3.9. C., Der evangeliſch⸗chriſtliche Gemeinde⸗
gottesdienft aus der Schrift entwidelt. Hamburg und Gotha,
5. und A. Perthes. Gr. 8. 15 Near.
Bruͤckbraͤu, F. W., Chriftoph der Kämpfer, Herzog
von Bayern, oder: Der Loͤwenbund. Hiſtoriſche Erzaͤhlung.
Mit 1 Stahlſtich. Augsburg, v. Jeniſch und Stage. 8.
236%, Ner. '
Belgifche Sompagnie zur Golonifation bes Diftricts Santo
Thomas, Staat Guatemala. Dresden 1842. Gr. 8. 10 Ngr.
Dietſch, R., Das Leben Herzog Albrecht's des Beherz⸗
ten. As Eintadungsfchrift zu der 40hjaͤhrigen Feier feiner Se:
bert im Schloſſe zu Grimma am 27. Zuli 1843. Grimma,
Verlapscomptoir. Er. 8. IV Nor.
Erath, ©. 3., Der Schulmeifter in der Klemme. Ein
Schwank in Berfen in einem Acte. Wiefenfteig. 16. 7%, Nor.
Kleine Folge von Briefen zwiſchen 8. Schilvener und
I. Schwarz. Herausgegeben von einem beiberfeitigen Freunde.
Hamburg und Gotha, F. und A. Perthes. Gr. 8. 15 Nur.
Gefchichte des Feldzugs von 1814 in dem öfttichen und
noͤrdlichen Zrankrei bis zur Einnahme von Paris, als Bei:
trag zur neuern Kriegögefchichte. Iter Theil. Ifte Abrheilung.
Mit 3 Plänen. Berlin, Mittler. Gr. 8. Thlr.
Goͤrres, G., Marienlieder zur Feier der Maiandacht ges
dichtet. Muͤnchen, Lentner. Gr. 16. 214 Near.
Deller, R., Der Prinz von Dranien. Hiſtoriſcher Ros
man. Drei Bände. Leipzig, Gebr. Reichenbach. 8. 4 Thlr.
15 Rar.
Bintidhs, 9 F. W., Politifche Vorlefungen. Unſer
Zeitalter und wie ed geworden, nad; feinen politifchen, kirch⸗
lichen und wiffenfchaftlichen Zuftänden, mit befonderm Bezuge
auf Deutfchland und namentlih Preußen. In öffentlihen Vor⸗
trägen an der Univerfität zu Halle. Zwei Bände. Halle,
Sqhwetſchke und Sohn. Gr. 8. 3 Thir. 20 Nor.
Keferstein, C., Über die Halloren, als eine wahr-
seheinlich keltische Colonie, den Ursprung des Halle’schen
Salzwerkes und dessen technische - eh
Halle, Heynemanı, Gr. 8. 38 N Ma Ve
Kehrein, J., Geſchichte der bathottſchen Kamgelberehtian:
keit der Deutichen von der dlteften bis zu aeueſten —
Beitrag zur allgemeinen Literaturgeſchichte. Zwei Bände u:
gensburg, Manz. Gr. 8. 3 Thir. 20 Nor.
„„gentner, I. 8., Ritter und Bauer. Roman in vier
Rüden. Drei Bände. Magdeburg, Baenſch. &r. 12. 3 Thu
gr. .
Luden, H., Hauptmann von GMerlach (General ve
Geolman) 1813 Gtudent in Jena. Aus ben un * uRül:
bliden in mein Leben‘. Jena, Euben. 12. 7Y, Kar.
Maufhmwig, ©. v., Über Strafgefangene und Gtraf:
anftatten im Geifte ber Seit, nebft einem Anhange über Be:
mehrung und Serminderung ber Berbrecher. Verun, Diem:
tr. 8. 10 Rer.
Mein Iehter Wille und Nachlaß. Aus ten Papieren eis
fdeintobtbegrabenen Rechtsanwaltes. Leipzig, Tauchnitz jun.
sn — Beriäte. 3
ofen, J., Gedichte. e vermehrte Aufiage. Reim
Brodhaus. Gr. 8. 1 Tolx. 18 Nor. Br TEN
Mofer, 5. S., Die fünzigjährige Amtejubelfeir ds
Geh. Sonfiftorialraths Dr. Chr. Er. Böhme in Luckau. Grin:
rungsblätter für die Sreunde und Verehrer des Jubilars. A:
tenburg, Belbig. Gr. 8. 8 Ror. .
Der neue Pitaval. Bine Sammlung ber intereflanteken
Stiminalgefchidgten aller Länder aus Älterer und neuerer Zei.
Derausgegeben von 3. E. Hit ig und W. Häring (B.Xci) .
dter Iheil. Leipzig, Brodhaus. Gr. 12. 23 Thir.
Platen, des Grafen d., Gefammelte Werke. Im fünf X
Bänden. Ifte Lieferung. Stuttgart, Gotta. Er. 16. I Zpr. v
Quandt, 3. &. v., Borträge über Äſthetik für bilden
Künftter, in der Königlichen Akademie für bildende Künfle m
Dresden gehalten. Leipzig, Hirſchfeld. 1844. Gr. 8. 1 Xkı.
Raumer, F. v., Geſchichte Europas feit dem Endes
15. Jahrbunderts. Tter Band. Leipzig, Brockhaus. Cr. 8.
2 Thir. 15 Nor. :
Robmer's, F., Lehre von den politiſchen Parteien. kit a
Zpeit: Die vier Parteien. Durch I. Rohmer. rauenfıh, ||
Beyel. „1844. Ler.:8. 1 Thlr. 15 Nor. |
Ruͤckert, F., Geſammelte Gedichte. Zwei Theile. Frank
furt a. M., ee inber. ®r. 12. 1 Thir. 10 Nor. aa
— — Liebesfruͤhling Aran a. M., Gauerlaͤnder
1844. Sr. 16. 1Thlr 10 —
Scheidler, K. H., Deutſcher Studentenſpiegel. A
Beitrag zu einer Reform des deutſchen Gtubenteniebene im
Geifte unferer Zeit und unferes Volksthums ans kicht geftelt.—
&. u. d. T.: Beiträge zu einer inneren, von den Studitenden
ſeibſt ausgehenden Reform des deutſchen @tudenteniebens. | _
Jena, Bran. 1844. 8. 1 Thlr.
Spaziergänge eines zweiten Wiener Poeten. 2te Auflag.
Damburg, Boffmann und Campe 8. I Thir. !
Taſchenbuch für die vatertänbifche Gefchichte. Herausgegehen
von I. Freih. v. Hormayr. Idfter Zabrgang. 1844. Bi {
4 Bildnifſen. Berlin, Reimer. Kl. 8. 2 Thir. 19 Rot.
Ulrich, 3. B., Baterländiiche Bluͤthenieſe in Gedichten
und Erzählungen. Luzern. Ki. 8. 12%, Nor. 43
Voigt, 3., Handbuch der Geſchichte Preußens dis ut
Zelt der Reformation. Iter und legter Band. Koͤnigibetg
Gebr. Bornträger. Gr. 8. 2 Thir. 10 Nor. *
Walther’s von der Vogelweide Gedichte. rn
Ausgabe von K. Lachmann. Berlin, Reimer. Gr.S. I Th ’
Wette, W. M. de, Die Liebe ats das Merkmal de
wahren Chriſtenthums. Predigt zur Nachfrier der Verſammmn
Pi a reine der Suſtar s Abolph's « Gtifiung- Grant
urt a. M., erber. 3%, Nor.
Zeune, &. &., Gottlieb Köhler, der Soldat. Zwicar
8. Ay, Nor.
u.
Verantwortlicher Deraudgeber: Beinrihd Brodbaus. — Drud und Verlag von J. X. Brochaus in Leipaie
=
1
mer wueichänßikher menbeuben. Soeache im Bebiete has
Disrtunß wmferorbetlich wach, Unter Anderm iſt es bes
fonder6 gerade der Gebrauch des mehrfachen uneigent⸗
lien Ausdrucks zu Bezelchnung der Gegenſtaͤnde, wel⸗
cher einen vorzuͤglichen Zauber über die aͤußere Poetik
(dem Stil) ausgießt, deſſen Häufige Ermangelung, nament⸗
lich die in mancher andern Hinſicht hoͤherſtehende franzoͤſi⸗
ſche Sprache, auf dem Felde der Dichtkunſt, in offenbaren
Nachtheil ſetzt. Die lyriſchen Meiſterwerke ſelbſt der
groͤßten Geiſter Frankreichs, ſo hoch ſie durch ſorgſame
Gliederung und Glaͤtte, wie beſonders auch durch den
kunſtreichen Mechanismus des Ganzen beinahe die ge:
fammte deutſche Lyrik uͤberragen, muͤſſen doch im Allge⸗
meinen mit ihrer, wie unter dem Commando des Tanz⸗
meiſters ſeufzenden Grazie vor den Liedern und Roman⸗
zen unſerer Goethe und Schiller zuruͤckweichen, deren ma⸗
giſche Klaͤnge, obſchon ſie einzig aus den Tiefen reinſter
Menſchennatur frei hervorquellen, aus uͤberirdiſchen Raͤumen
uns zugeſendet erſcheinen. Ohne Zweifel hat das er⸗
waͤhnte, durch den Eigenſinn der pariſer Akademie er⸗
zwungene Stillſtehen der franzoͤſiſchen Sprache die meiſte
Schuld an jenem Nachtheile der leztern, wenn man fie
mit dieſer vergleicht, und es überfleigt fall allen Glau⸗
ben, daß der ungeheure Irrthum des Stabilitätsbefchlufs
ſes fo lange bei Kräften zu bleiben vermochte. Die
x Sprache, den Körper, der zur Sortpflanzung aller geifti-
&
gen Bewegungen einer Nation nicht ‚zu entrathen ift,
gleihfam in Spiritus fegen zu wollen, worin doch alles
Leben erfiiden muß und nur der Tod aufbewahrt wer:
den kann!
Mit Eintritt ber Revolution hörte indeſſen bie fran⸗
y zöfifhe Sprachtyrannei von felbft auf. Eine Maffe, zum
\ heil aͤußerſt Übelgerathener, neuer Wörter nahm fich
\ Die Freiheit, umter der Herrſchaft der Freiheit umd Gleich:
*. —— u
—
g heit ebenfalls proſperiren zu wollen. Anner, deren
| Datriotiemus fi hauptſaͤchlich auf die Handhabung der
Guillotine gelegt hatte, gaben fi mit der Schöpfung
neuer Sprachartikel ab, und wie groß auch der Abfcheu
der franzöfifhen Akademie wor bem Ausdrude „bougre-
ment patriotique”’’ fein mochte, fo wagte fie boch ſchwer⸗
ih einen Laut dagegen, ba einer, der fpäterhin ber
Guillotine mit größerem echte verfallende, ſchmutzige
Terroriſt, Bürger Hebert es war, der feinen Briefen des
„Pere Duchene”, einer damaligen Beitfchrift, diefes Lob
auf dem Titel ertheitte. Im Stillen litt gewiß mandyer
Akademiker an Wörtern, wie das von den parifer Ge:
fängnifmorden zu Anfang September 1792 hergeleitete
Septembrifiren nicht wenig, wenn er aud viel:
deicht aus Beſorgniß, daß an ihm felbft das Erempel ei⸗
ner Geptembrifation flatuirt werden, oder man ihn
aus dem großen Fenſter fhauen*) laſſen möchte,
feine Gefühle dabei ganz unterbrüdte. Kurs, im biutigen
Gefolge der Revolution durchbrach eine ſolche Menge zum
Theil ganz rohes, gehaltloſes Geſchmeiß von Worten und
*) Auch ein A Bergeflener Ausbend, mit welchem bie
Fühttefigfeit des Pobels die Hinrichtung ducch die Guillotine
‚ Ihpergpaft begelägnete.
Vedendarten ben bagıgen Bugs -Bahıe- fongfäliei mten'
baktının und bewachten akademiſcher Damm, daß un
der frliher gegen jehe. Neuenung Diefer Aut gelund Krane
ten Pruderie des ſogenannten feinen
Sprache Leine Mede weiter fein und foger ber 3
Jan Hagel von neuen Woͤrtern und Redeformen ſich
ohne Widerſpruch in der Hauptſtadt der Welt naturaliſi⸗
ren konnte. In der Folge muſcee freilich eine Gaͤheung
eintreten und manche Hefe wieder wegfallen. Es iſt aben
doch bei aller Muͤhe, weiche die frauzoͤſiſche Akademit fich
von neuem gibt, als abfelute Sprachherrſcherin aufjurmes
ten, ſolches mehr für eine leere Demonſtration als fr
eine Sache von Gewicht zu achten. Vielleicht lag es
blos an dem fortdauernden politifchen Sturme und Um⸗
ſchwunge, daß die franzöfifche Poeſie, wenn man iheen
unfrudhtbaren Kampf der Claſſicitaͤt mit einer fogenamm-
ten Romantik abrechnet, bis jetzt, auch in Folge bes
neuen Sprachzuwachſes und mancher früher ganz verpoͤut
gewelenen Bilder und umeigentlichen Ausdruͤcke, keine we
ſentliche Abänderung erfahren hat. Denn außer dem ha⸗
ben, leidenſchaftlichen Glanze der begeifierungswollen umb
in jebee Hinſicht wichtigen Marſeillerhpmne herrſchte
in dieſer Parfie noch immer die ganze regelrechte, eintoͤ⸗
nige Nüchternbeit des Verflands nur allzu Elar, um ber
; Phantafie nicht allen Schwung zu benehmen, bis Alfons
de Lamartine zuerft einen Weg einfchlug, der feinem Na⸗
men gewiß eine weit feflere Dauer fichern wird als bie
Yuldigungen, bie er neuerlich für den Augenblick mit
| weit geößerm Erfolge der Politik darbrachee. Denn dieſer
ausgezeichnete Dann war es, defien ebenfo kraftvolle abs
| melodifche Töne fogar einen großen Theil derjenigen ſeiner
Landsleute, die Das, was in Frankreich für claffifch gilt,
abgöstifch verehrten, mit feinen wohldurchdachten Verſloͤßen
gegen dieſe Claſſicitaͤt audzuſoͤhnen wußte; ec war eb,
welcher die au frifhen Bildern, Gefühl und Snnigkeit
foft gang verwahrloſte Proſa des franzoͤſiſchen Verſas
durch fo manchen kuͤhnen Eingriff in die Sprache großen⸗
theils mit einem poetiſchen Gewande zu bekleiden und
fie fo aus ber froſtigen Nuͤchternheit des Verſtands in
‚die warmen, blühenden Regionen der Phantafie uͤberzu⸗
' führen und den vorbeiflatternden irdiſchen Erſcheinungen
durch Vermaͤhlung mit der unvergängliden Gemuͤthswelt
Dauer und Bildung zu geben verſtand. Moͤge ſawol
ee ſelbſt fortfahren, fein gelungenes Werk verwärte zu
treiben, als die im Steigen begriffene Zahl feiner Juͤnger
fi immer vermehren. Möchten bdiefe nicht irre werben
durch die Widerſpruͤche mancher ihrer im: alten Vorur⸗
theile untergehenden Landsleute, des Meiſters Kuͤhnheit
und deſſen Beſtrebungen wo maͤglich noch zu uͤberbieten!
Dat doch eine gleiche Kuͤhnheit unſerer beiden Kunſt⸗
— Goethe und Schiller, auch uns Deutſche im Beide
ber Porfte erſt auf die. hohe Stufe gebracht, deren wir
uns nun erfreuen. Beſonders war es ber kLetztere, daſſen
erhabener Genius die ihm belwohnende Fuͤlle grober Be
fühle und Gedanken in eine ihm eigenthuͤmlich zugewach⸗
fene Kraft zu faflen wußte, deren Stanz Alles zauberiſch
on fich zog. Reicht möglich aber, daß er, allzu biendend,
vo» ; 1890 : J a
fer, mittelalterficher und moderner Dichtergroͤßen buch
$.9.Bob, A. W. Schlegel, Tied, Gries, Streckfuß u. A.
faͤut noch in Goethe's Lebensjahre.
Er hätte es unfehlbar als einen nicht unbedeutenden
Benian fir Deutſchland genchtet, daß meuertih and)
Werke des Auslandes vor minder hohem Maße uns ans
geheime werden. Könnte er doch unbeftreitbar bei man:
chem dieſer Werke feine deutfche Bearbeitung vom Bol
taire ſchen, Mohammed“ und „Tancred“, als die erfte
Aufmunterung zw bergleihen betrachten. So las man
vor wenig Wochen die Ankündigung einer foeben erſchie⸗
nenen Verdeutſchung der „Henriade“ dieſes franzöfifchen
Dichters, einer Epopde, in Frankreich zwar noch vor nicht
langer Zeit durch die Stereotppie zum Range der ewig
dauernden Werke erhoben, für Deutfchland hingegen
wegen völliger Verkennung de Werths dieſes Gedichte
fo gut wie ganz aus der Reihe der Dinge ſchon damals
verihwunden, als Goethe die auch bei uns zu jener Zeit
wenigftens noch im Megifter der eriftirenden fortgeführ-
ten Voltaire'ſchen Trauerſpiele unter feine gewichtvolle
Bormundfhaft nahm.
Unftreitig entging es dem Überfeger der „Hentiade“
nicht, daß auch diefem Heldengedichte noch manches Gute
vorzugsweife vor ähnlichen einheimifhen Producten
eigen fei, das bdiefen künftig zu flatten kommen koͤnne,
weshalb er fih auch zu dem ſchwierigen Unternehmen
aufgemuntert fühlen mochte. Wenn, wie wol zu vermu:
tben, das Werk auf dem Gipfel der heutigen Überfegungs:
kunſt fi befindet, fo kann ſolches ohne Zweifel um fo
mehr auf den Beifall aller Leſer von Bildung Rechnung
machen, da es für die meiften mit dem Meize der Neu:
beit geſchmuͤckt erfcheinen wird.
Möchten diefe zunaͤchſt der thunlichſten Beförderung
des Fortſchritts der deutſchen Profa und Poefie gewibme:
ten Bemerkungen und Wünfche befonder6 auch barauf
mit aufmerffam machen, daß unfere für ihre beiden eng:
verſchwiſterten Hauptformen fo gluͤcklich organifirte Sprache
durchaus nicht im Stolze auf diefes Gluͤck vornehm auf
andere minder begünftigte Sprachen herabzufehen habe,
fondern vielmehr nichts verfäumen dürfe, Die jenen bei:
wohnenden Vorzüge, role gering ſolche vielleiht mitunter
auch ausfallen möchten, ebenfalls dankbar zu erkennen
und ſich anzueignen. ‘
Trotz des, wie wir fahen, fo innigen Zufammenhangs
der beiden Sprachformen, welchen der Auffag feine Über:
fchrift entlehnte, würden dieſen zwar bie durch uralte
Derjährung zu ihrem igenthume gewordenen Zitel:
„Poeſie und Proſa“ ſchwerlich zu entziehen fein. Als
Gegenfäge aber kann man fie doc faum gelten laſſen,
ohne eines bie anerfannte beutfche Gruͤndlichkeit ſtark
compromittirenden unlogifhen Irrthums ſchuldig zu
werben. 35.
La Russie en 1839 par le marquis de Custine. Bier
Bände. Paris 1843.
Diefes Werk des franzoͤſiſchen Autors if ein europäifches
geworden, ba Überfegungen beffeiben ſchon in den meiſten eu⸗
ropäifden Sprachen erfdhienen find und das allgemeine In⸗
tereſſe fig ihm einftimmig zuwendet, und zwar mit edit. Stuf:
iqnd liegt, trog der Alles beieuchtenden Kerzen des 19. Zabes
bundertö, noch wie ein große® Geheimniß an unferer Grenze,
und nur Abnungen, Vermuthungen, dunkle Gerüchte bringen
zu uns heruͤber, da Auge, Feder und Bunge der Maeiffen Neiſen⸗
ben durch taufend Röckſichten gebunden find. Gufline hat fidy
über diefe Ruͤckſichten himveggefest. Das Genie hat Flügel, unb
wenn es auch nicht die ganze Wahrheit enthüllen kann, fo gibt
es doch Wahrheiten. Ob Guftine’s Berichte über Rußland nun
wirftih ganz wahr find, wagt ef. nicht zu entfcheiden; ihm
fehlt der Mafitab für ruſſiſche Zuftände, und er fürdhtet, dem
Autor Unredt zu thun, wenn er behauptet, daß berfeibe oft
in feinen Schilderungen übertreibt. Dan ift leicht mistrauifdy
gegen die Urtheile der Franzoſen, und Cuſtine tft ganz Franzoſe.
Er ift Ariſtokrat und bigoter Katholik, und das religibſe und
politifche Glaubensbekenntniß, womit er fein Werk eröffnet, läßt
ahnen, daß er bie ruflifcgen Zuflände nicht ohne Worurtheit bes
obachtet und beſchrieben hat. Er bebauptet zwar, ein franzöft:
fher Ariftofrat fei in Rußland ein Nitraliberaler; das mag wol
fein, doch if jebes beflimmte, ereiufive Glaubensbekenntniß in
Politik und Religion, gleich einer farbigen Brille, wodurdy man
fremde Lanbeszuftände nicht in ihrem eigenthuͤmlichen Licht be⸗
obachten kann; man muß mit bloßen Augen ſehen, ganz ohne
mitgebradgte Vorurtheile urtheilen, frei fein im eigentlidyften
Sinne bes Wortes, um die Dinge ganz zu fehen wie fie find.
Wo findet man aber ben Sceiftfleller, wo ben Menſchen, ter
foren Anfprüden gendgt? So müffen wir einftweilen mit dem
von Guftine uns überlieferten Werk zufrieden fein und c8 unter
die geiftreihften und hervorragendſten Erfcheinungen unferer Lite:
ratur rechnen. Der Lefer darf auch nicht vergefien, daß es vom
Franzoſen und für Franzoſen gefdhrieben ift, bei denen eine ges
wiſſe Unmwilfenpeit über bie Angelegenbeiten fremder Länder
berrfcht; es werben manche hiftorifhe Thatſachen der älteften
und neueften Zeit mit großer Wichtigfeit erzählt, bie jeder nur
einigermaßen gebildete Deutfche weiß und wiffen muß. Als Be
weis bavon bieme bie Frage: „Weiß das katholiſche Curopa, daß
es feine Unitarier mehr in Rußland gibt, weiß es benn übers
haupt, was Unitarier find?” In Deutſchland weiß man «es.
Cuſtine fcheint ber franzöfifchen Zuftände, bes liberalen Trei⸗
Gens ſehr müde zu fein; die fogenannte Freiheit, die in den
Straßen ausgerufen wird, ber Naifonirton ber Zournale unb
alle Auswuͤchſe ber jegigen Zeiten und Verhaͤltniſſe finb ihm zu=
wider. Gr reift nach Rußtand mit bem Wunfche, Alles, was
das Gegentheil dieſer Misftände ift, zu bewundern; er hat ben
beften Willen, Alles groß und herrlich au finden. Auch wird
ee gut aufgenommen, ſowol in ber Eaiferlichen Bin wie auch
in andern Kreiſen; was er fehen fol und darf, wird ihm ges
zeigt. Die Kuffen bemühen fih, ihn zu gewinnen, ihm zu ges
fallen; nicht verlegte Eitelkeit erzeugt alfo feinen Tadel; man
fühlt, wie er von Zag zu Tag von ber vorgefaßten Meinung
zu Gunften Rußlands zurädtommt, und fein Schauber vor bem
Lande der Willtür und Tyrannei flelgert fi mit jedem Brief
und begleitet ihn nach ber Heimat.
Die vier Bände konnten leicht in zwei verfchmolgen werben,
benn bie Briefe bringen viel Worte und die Grgebniffe, bie Urs
theile muß man oft aus einem unnöthigen Redeſchwall heraus⸗
fuchen. Stine viermonatliche flächtige Reife konnte unmöglich ats
tein zu den vorliegenden Refultaten verhelfen; Guftine muß wobls
unterrichtete Belannte gefunden haben, und es fleht zu fürchten,
daß mancher derfelben durch fein Buch compremittirt iſt
Bei dem großen Intereffe, dad das vorliegende Werk bars
bietet, erlauben wir une, durch einige Auszüge den deutfchen Le⸗
fer näher damit befannt zu machen.
Die Religion in Ruflamb.
Man kann fig kaum einen richtigen Begriff von ber tiefen
Intoleranz ber Ruflen margens biejenigen, weiche geblibeten Gei⸗
fles find und mit dem Decident in gefchäftlicher Berbinbung fies
ben, ſcher ale ihre Kun daran, ihre-
verbergen, welche in ihrer Idee mil der ruſſi
bedeutend if. Man glaubt 5. B., daß bie Berfolgungen in Pos
len aus einem perfönlichen , be Kaifers hervorgegangen find, —
fie find das Nefultat einer tiefen und kalten Berechnung. Diefe
Thaten der Grauſamkeit find in den Augen des Rechtglaͤubigen
verdienftlich; es ift der Heilige Geiſt, welcher ben Herrſcher ers
feuchtet und ihn befähigt, feine Seele frei von jeglichem menſch⸗
lichen Gefuͤhl zu exheben, und Gott fegnet dad Werkzeug großer
Abſichten. Von diefem Gefichtspunft aus betrachtet find Rich⸗
ter und ‚Denker um fo heiliger, je barbarifcher fie find. Unfere
legitimiſtiſchen Journale wiflen nicht, was fie wollen, wenn fie
in den Ruffen unfere Alliirten fuhen. Wir können eine Revo⸗
{ution von ganz Europa erleben, ehe ber Kaifer aufrichtig einer
tatholifchen Partei zu Hülfe eilt; die Proteftanten find wenige
ftens offene Gegner; audy könnten bie Proteflanten fid) eher der
Satholifchen Kirche vereinen ald der griechiſchen; Rom und bie
zdmifche Kirche hat Leinen Ärgern Feind als ben Autofraten von
Moskau, das fihtbare Oberhaupt der Kirche; demzufolge find bie
Hoffnungen einer Partei kegitimiften auf Rußland nur Illuſionen.
Man bat immer fehr wenig in griechiſchen Kirchen gepres
digt, und in Rußland hat die politifche und religidfe Autorität
fi mehr als irgendwo der theologifhen Disputation widerfegt.
Sowie man anfangen wollte, die Streitigkeiten zwiſchen Rom
und Byzanz audeinanderzufegen, wurde beiden Parteien Stils
ſchweigen auferlegt. Der Grund des Streits ift fo geringfügig,
daß man den Streit nur in der Unmiffenheit weiter fortführen
Zann. In manden Mädchens und Knabeninſtituten wurde auf
Anftiften der Zefuiten einiger religioſer Unterricht ertpeilt; doch
ward diefee Gebrauch nur gebulbet und von Zeit zu Zeit einges
ſtellt. Die Religion wird in Rußland nie Öffentlich gelehrt,
woraus eine Menge Sekten entfliehen, aus beren Exiſtenz bie
Regierung ein Geheimniß macht. Cine ſoiche Sekte tolerirt bie
Polygamie, eine andere die Gemeinſchaft der Frauen und Mäns
ner. Den Prieftern ift das Schreiben felbft von Chroniken nicht
erlaubt. Alle Augenblide legt ein Bauer eine Stelle der Bibel,
die er aus dem Zufammenhang herausreißt, auf feine eigene
Weiſe aus und gibt fo die Veranlaffung zu einer neuen Ketze
zei, meift catoiniftifer Art. Wenn der Propft deffen gewuhr
wird, bat bie Irrlehre fchon einen Theil der Gemeinde ergriffen,
oft au ſchon die Nachbarſchaft. Macht der Propft Lärm, fo
werben die Bauern nad Sibirien gefhicdt, was den Derrn zu
Grunde richtet, welcher, wenn er einigermaßen vorſichtig ifl,
Dem Propft Schweigen auferlegt, wozu mehr ale ein Mittel
ihm zu Gebote flebt. Und wenn dann, ungeachtet aller dieſer
Vorſichtsmaßregeln, bie Ketzerei boch vor den Yugen der oberften
Autoritäten ausbridht, dann ift die Zahl der Parteigänger fo be:
deutend , daß man nicht mehr eingreifen kann; Gewaltthaͤtigkeit
würde das Übel vergrößern, anftatt es zu erflidien. Die Übers
zeugung würbe die Pforten ber Beſprechung Öffnen, welche das
Schlimmfte für eine abfolute Regierung if. Es bleibt alfo
nichts als das Schweigen, welches das Übel verbirgt, ohne es
zu heiten, und es noch begünftigt.
Durch religiöfe Streitigkeiten wird Rußland einft fallen;
das war das Urtheil eines der gefcheiteften und aufrichtigften
Ruſſen, bem ich je begegnete. Gin Reiſender erzäplte mir, daß
ein Kaufmann in Peteröburg, der ihn zu Mittag einlud, drei
legitime Frauen hatte; er gehörte heimlicherweile zu einer neuen
Kirche; vielleicht wurden die Kinder biefer drei Frauen nicht alle
als rechtmäßige vom Staat anerkannt, doch fein Gewiſſen als
'Shrift war rubi
hritt s· Der Kaiſer.
Ich komme aus der kaiſerlichen Kapelle, wo ich ber Hoch⸗
geitsfeierlichleit der Großfürfin Marie und bes ‘Prinzen von
Leuchtenberg beigewohnt habe. Der vorberrfchende Ausdrud der
ſchoͤnen, regelmäßigen Züge des Kaifers ifl eine unzuhige Strunge.
Berantiwortlichleit ift die Strafe des abfolnten Herrſchers. Dann
and wann mildert aber ein Bauch ber Ganftmuth ben herriſchen
Bild, dann tritt bie Schönheit feiner antiken Züge um fo deut⸗
n Politi lei
Ucher derer. Das.
angenommenen Grnft tes
ige € “ . —
te —* —— —
geöber als andere Maͤnner; bie Gewohnheit, fi in ber Taille
eitzufchnallen, ſchadet feiner Geſtalt und mache feine Bewegu
dell, Gang und Gtellungen find impofants er weiß, daß 7
immer angefehın wird, und vergißt es nie, ja men ſieht ik
an, daß er gern der Brennpunkt aller Blicke iſt; er if} viel im
Freien, ſowol bei Revuen als aufReifen. Bei genauer Beobach⸗
tung bemerkt man, daß er nit mit Mund und Augen zugleidp
lächelt; er ft immer der Mann, ber Gehorſam verlangt. as
fiept, baf er nie vergefien kann, was er it; er ſteht
gleihfam ald Modell da, deshalb ift er auch nie natürlich, ſelbſt
wenn er es aufrichtig meint. Sein Geſicht hat drei verichiedene
Phpfiognomien, feine davon trägt den Stempel ber Gutmuͤthig⸗
keit. Der gewöhntichfte Ausdruc iſt Strenge; ein anderer if
Geierlichfeit, der dritte ift Höflichkeit, und in diefem legten wohnt
etwas Anmuth und verwiſcht wieder das kalte Staunen, weiches
die andern beiden hervorgebracht haben. Dann aber ſchadet et⸗
was dem moraliſchen Sinfluß des Mannes: keiner diefer nach
Willkuͤr kommenden und verfchwindenden Ausdruͤcke Yinterläßt
eine Spur in den Zügen. Es ift eine Art von Decorationse
wechſei, den Fein Übergang vorbereitet; eine Art von Maske,
die man ablegt oder vornimmt, wie es beliebt. Die Phyfiogaos
mie des Kaifers ift nit natürlih, und das Wehe von gang
Rußland, ber Mangel an Kreibeit nämlich, ift fogar in beme-
Angefiht des Kaifers zu finden. Wer den Menſchen bei ihm
ſucht wird immer nur den Kaiſer finden. Dieſe Eigenthuͤmlich⸗
keit kann ihm auch zum Lob gereichen; er übt fein Handwerk
mit Gewiſſenhaftigkeit. Er iſt immer Oberhaupt, Richter, Ge⸗
neral, Admiral, Kürft; und weiter nichts? Er wird einft ans
Ende feines Lebens fehr ermübet fein, aber er wird von Bolt
und von der Welt hochyeftellt werden, denn die Menge lobt die
Anftrengungen, die es anflaunt, und ift ſtolz auf die Mühe, bie
man ſich gibt, um fie zu gewinnen. Der Kaifer Alerander war
ganz das Gegentheil vom Kaifer Nikolaus; in biefem Lande wirb
das Andenken bes verflorbenen Kaifers niemals geehrt, jett aber
liegt es in der Politik, bie vorhergegangene Regierung vergeffen
zu machen; Peter I. fland Nikolaus näher als Alerander.
Der jegige Kaiſer vergißt nur feine hoͤchſte Majeftät im
Scyoofe feiner Familiez; ats Gatte und Vater zeigt: * er er
ein Herz bat. Seine Gefuͤhlloſigkeit iſt weniger ein angebore⸗
ner Fehler als das Mefultar feiner Stellung, bie er nicht ges
wählt hat und bie ex nicht verlaſſen kann; eine abfolute Macht
en ae Feigheit.
er Kaiſer nahm uns mit einer geſuchten und zarten Höfe
lichkeit, auf; man erfannte gleich, daß er gewohnt war, uf be
Gigentiebe der Menfchen zu wirken. Jeder fühlte, daß er in
dem kaiſerlichen Verſtand eine gewiſſe Claſſe einnabm. Um mir
su zeigen, daß er e& gern fähe, wenn ich fein Reich bereite,
rieth ex mir, wenigftens Moskau und Riufi zu fehen. „Petere⸗
burg iſt ruſſiſch, es iſt aber nicht Rußland”, fegte er hinzu.
Und dieſe wenigen Worte waren mit einem Zone gefprochen,
ben ih nie vergeffen werbe, es lag unendlich viel Autorität,
Ernft und Fefligkeit darin. Dan hatte mie von feinem impos
fanten Grfcheinen, von feinen edlen Zügen, von feiner hoben
Geftalt gefprodyen, niemand aber von der Gewalt feiner Stimme;
fie iſt die eines zum Befehlen Geborenen.
Er fprady über eine Viertelſtunde mit mir von intereffans
ten @egenfländen, denn dieſer Fuͤrſt fpricht nicht wie andere
Fuͤrſten, nur um zu reden. Er ſagte erſt einige Worte über
die ſchoͤne Einrichtung des Feſtes, ich antwortete, „daß bei ei⸗
nem fo thaͤtigen Leben ich bewundere, wie er Zeit für Alles um»
ſelbſt für das Bergnügen finde.‘
„Gluͤcklicherweiſe“, enwiberte er, „ift die Maſchine ber Ads
miniftration ſehr einfady in meinen Staaten; denn ruͤckſichtlich
der erſchwerenden Entfernung würbe bei einer complieirten Bes
eierungsform der Kopf eines Mannes nicht ausreichen. Wenn
ich Ihnen das fage, fo gefcyieht es, weit ich weiß, daß Sie mich
verftehen können; wie arbeiten weiter an dem Wert Peter’s I.
Er it. nicht todt Wer, ſein Gente und fein TEItie herr⸗
- Wen uodh immer in Rubland."
” Diefen Wille IR fehe ſchwer in Rusführung zu dringen:
arfigkeit gibt Ihnen ben Glauben an Einförmigkeit
und, barin irren Sie Mb; in feinem Lande gibt es fo viel
Verſ⸗ heit der Voiksſtaͤmme, Bitten, Religionen und Cha⸗
vattere als in Rußland, die Verſchiedenheit bielbt auf dem
ande, bie Einfoͤrmigkeit herrſcht nur auf ber Oberfläche, Ste
füben hier 0 Dffigiere um meine Perſon; unter biefen find mır
zwel Ruffen, ferner drei Polen, andere find Deutfche, Togar
Wie tfcherkeffiichen Khans führen mir ihre Söhne zu, um fie
As Cadetten zu erziehen, bier iſt eine.“ Er zeigte mit dem
Finger auf einen Meinen chineſiſchen Affen im wundertidyen &o:
fiume von goldgeflidtem Sammet. „Mit biefem Kinde werd
0,00 Kinder auf meine Koften erzogen.” j
„In Außland wird Alles ins Große getrieben‘, fagte ich,
„Aues ift koloſſal hier."
„Ba Toloffal für einen Mann‘, erwiderte ber Kaifer.
An dem Tage von Nikolaus’ Thronbefteigung brach bie Res
bellion in der Garde aus; bei der erften Nachricht begaben ſich
Kaiſer und Kaiferin allein in bie Kapelle, Enieten vor dem
Altar nieder und ſchwuren einander vor Gott, als fouveraine
Herrſcher zu ſterben, wenn fie nicht über bie Emeute triumphis
ven koͤnnten. Der Kaifer wußte, daß das lübel ernfler Art fei,
denn man hatte ihm gefagt, daß der Erzbiſchof ſich ſchon vers
gebens bemüht habe, die Soldaten zu beruhigen. Nachdem ber
Kaifer das Zeichen des Kreuzes gemacht hatte, begab er ſich
vor das Schloß, um durch feine Gegenwart bie Rebellen zu bes
figen. Er dat mir diefen Auftritt felbft erzäbit, und zwar in
den befeheidenften Ausdrüden. Ich habe Fine eigenen Worte
vergeffen, denn idy war zu fehr von der Wirkung des Geſpraͤchs
überrafcht, ich will es aber wiedergeben, fo viel ich mich davon
erinnere.
„Sure Mojeftät hatten Kraft an der wahren Quelle ges
ſchoͤpft“, fagte ich.
„Ich wußte in dem Augenblick nicht, was ich fagen und
was ich thun würde”, verfegte er.
„Um ſolche Intpiration gu haben, muß man fie verdienen.”
.Ich babe nichts Außerordentliches gethan“, erwiberte
der Sailer, „ich fagte zu den Goldaten:
Reiben zurlc! und in dem Augenbli, als ich das Regiment
die Revue pafficen ließ, rief ih: Auf die Knie! da gehorchte
Alles. Was mid fo ſtark gemacht, war, baß einen Augenblick
vorber ich mich auf ben Tod vorbereitet hatte. Ich bin banks
bar für den gluͤcklichen Ausgang, nicht ſtolz, denn ich habe kein
Verdienſt dabei.”
In diefen edlen Worten erzählte ber Kaiſer bie Tragoͤdie
feiner Throndeſteigung. Man kann fi) daraus eine Vorſtellung
machen von den intereflanten Geſpraͤchen, die er mit ben Krems
ben, denen er feine Huld zulommen läßt, führt
Augenzeugen verfichern, daß es gefchienen habe, als fei ex
mit jedem Schritt, den er ben Aufrägrern entgegen gethan,
größer geworben. Im feiner Jugend war er ſchweigſam, f
mütbig, Eleintich, als Herrſcher wurde er ein Held; er iſt darin
das Gegentheij von manchen Fuͤrſten, bie mehr verfprechen ale
fie halten. Diefer ift fo mit feiner Rolle verwachlen, daß ber
Thron für ihn Das ift, was bie Bühne für einen. guten Schau⸗
fpieter. Seine Haltung vor der rebelliſchen Garde war fo im⸗
pofant,, daß einex der Werfchworenen viermal ſich ihm. näherte,
um ihn zu tödten, während er. bie Truppen bie Revue pafliren
ließ, und. viermal. nicht den, Muth dazu fand.
Man bat die Bemerkung gemacht, daS, während ber Kai⸗
fee vor den Troppen voruͤberritt, er nicht einmal fein Pferd in
“ @alopp fehte, fa viel Ruhe hatte er. Gin foiher Mann barf
nicht nach dem Maßſtab anderer Menſchen gemeffen werben ;:
feine Stimme iſt ernſt und vol Autorität, fein Bick magne⸗
tif; und ruht feſt auf den Dingen, die er feiner Aufmerkſam⸗
keit würdig erachtet: er iſt kalt Durch bie Gewohnheit, feine Reis
Tretet in eure.
deaſchaften m unterbrikfen,, mehr noch als um dir Gebanken
zu verbergen, denn von Natur iſt er aufrichtig. Geine Stirn,
feine Zuͤge, welche an Apollo und an Jupiter erinnern, feine une
ı bewegtiche, impofante, ernfle Phyſtognomie, fein Geſicht, weidyes
| mehr edel als einnehmend ift, mebr flatuenartig als menſchüch,
; übt auf Jeder, der ſich ihm nabt, die Gewalt des Herrſchers
aus. Sr wird Herr des fremden Willens, weil er feinen eigenen
beherrſchen kann.
Ich nannte ihm im weiten Sefprä als ein Hauptmotiv
I meiner Reife nach Rußland den Wunſch, mid einem Yürften
zu naben, welcher fo große Macht über dic Menſchen auszuüben
: vermöge.
„Die Ruſſen find gut”, erwiderte ex, „doch muß man fi
erft würdig machen, um ein ſolches Boik zu regieren.
„Ew. Majeftät hat mehr ats irgend einer feiner Borgän=
ı ger erratben, was Rußland zufagt.“
„Der Despotismus eriftist noch in Rußland, denn er if
das eigentliche NBefen meiner Regierung, aber er ftimmt mir
dem Geift der Nation überein. Ich liebe mein and und glaube
es verftanden zu haben. Ich verfiere Ihnen, daß, wenn ich
überdrüffig bin bes Elends unferer Zeit, ich dann das übrige
@uropa zu vergeflen fuche, indem ip mid; in das Innere von
Rußland zurüdziehe.”
„Niemand ift mehr von ganzem Herzen Ruffe als ih. IH
will Ihnen etwas ſagen, was ich keinem Andern ſagen wuͤrde;
ich fühle, daß Ste mich verſtehen.“ Dabei ſah mich der Kaiſer
feſt an. „Ich begreife eine Republik, es iſt cine aufrichtige und
' beftimmte Regierungsform, fie Tann es wenigftens fein; ich bes
greife die abſolute Monarchie, weil ich das Haupt einer ſoichen
bin, aber ich begreife nicht die repräfentative Monardie. Diele
ift die Rıgierung der Lüge, des Betrugs, der Berberbtheit, und
ns lieber nach China mid; zurüdzicehen, ats biefe anzu=
nehmen.”
„Ich babe”, erwiderte ich, ‚immer das repräfentative Sou⸗
: vernement als einen unter gewiffen Berbindimgen und zu gewiſ⸗
fen Epochen unvermeidlichen Vertrag betrachtet, welcher, wie
alle Verträge, keine Frage Löft, fondern die Schwierigfeiten
‘vertagt. Gie iſt ein Waffenftillftand zwiſchen der Demokratie
‚und der Monarchie, unter den Aufpicien zweier Zyrannen, der
Furcht und des Intereffes nämtih. Der Stolz der Verftandes,
welcher fich in der Redekunſt gefällt, und die Volkeeitelkeit, die
ſich an Worte hält, erbatten dieſe Norm einige Beit aufrecht.
Sie ift die Ariftolratie des Wortes, welche an die Stelle ber
Ariftofratie der Geburt tritt, denn dad repräfentative Gouverz
nement iſt die Herrfchaft der Advocaten.“
„Sie ſprechen, mein Herr, ſehr wahr”, fagte der Kaifer,
mir die Hand drüdend; „id bin repräfentativer Herrſcher ges
: wefen und die Welt weiß, was es mir gekoftet hat, daß idy
mich nicht diefer infamen Regierungsform bequemen wollte (es
find des Kuaifers eigene Worte); Stimmen erfuufen, Gewifſen
beftechen, Einige verführen, um Andere zu betrügen; ich habe
alle diefe Mittel verſchmaͤht als ebenfo entwürdigend für bie
Gehorchenden ats für bie Befehlenden, und ich habe meine Auf:
ı richtigkeit theuer bezahlt. Aber Gott ſei Dank, ich habe es auf.
‚immer mit biefer verhaßten politiſchen Maſchine zu Ende ge:
bracht; ich werde nie wieder ein conftitutionnelfer König fein...
Ich babe zu fehr das Beduͤrfniß, zu fagen, was ich denke, um
je durch Sift und Intrigue über ein Boik herrfchen zu mollen.‘*
Die armen Polen, die wol uns Beiden vorfchmwebten, wur:
ben indeffen nicht genannt.
Nach diefem Geſpraͤch erinnerten uns Cuſtine's fernere Be:
merkungen Über Rußtanb und ben Kaifer. an die Lafontaine'ſche
Jabel vom Eichhorn und Leoparden; vom ficdern Aft herab,
vom fernen Frankreich Laffen fich Fühne Wahrheiten fagen, und-
wetchen Eindruck diefe auf bie nicht an Wahrheit gewohnten
Ruſſen hervorbringen werden, möge der Leſer des nachſtehenden
Uberbiids von Euftine’s Retſe ſeidſt beurtheilen
Die Wontkegum: folgt.)
Berantwortliber Herausgeber: Heünrich Brockhaus. — Drud und-Verlag von F. A. Brodhaus in Leipzig.
— —— — ———r ö
Blälter
. *
gr,“ 3: "$ J
L
für. | u
literariſche Unterha tung.
Mittwod,
Kinder von Plattöburgh.
1. Poetical remains of Lueretia Davidsen, oollected and ar-
ranged by her mother; with a bivgraphy by Miss Sedywick.
London 1843.
2. Biographie der jungen amerikaniſchen Dichterin Wargarethe.
M. Davidfon. Aus dem Gnglifhen es Waflbington
Sroing. Leipzig, Brodheus. 1843. Gr 12. 18 Ror.*)
Die Dichter : Rinder — fo nennt ihr Geburtsland,
Amerika, die zwei fruͤh geftorbenen Schweſtern David: -
Lucretia, die Ältere, hat in Miß Sedgwick, Mar:
fon.
garet, die jüngere, in Waſhington Irving Biographen
und Serausgeber ihrer Sedichte gefunden. Hinreichende
Bürofchaft, daß ihr Leben die Beſchreibung, ihre Gedichte
bie Herausgabe verdienen. Der Vater, Dr. Dliver Da:
viofon, war Arzt in Plattsbutgh, die Mutter eine Frau
von. ungewöhnlih weichem und tiefem Gefühl, Beide
1841 noch am feben.
Lucretia, 3808 geboren, Eonnte kaum leſen, ats bie Buͤcher
fie von den Spielen der Kindheit abzogen. Beſtaͤndig faß fie
über den kleinen Bändchen, die ber Vater ihr ſchenkte. Eines
Tages wollte die Mutter fehnell einen Brief fchreiben, fand
aber kein Papier. Gin ganzes Bud, war fpurlos vom Schreib:
tifche verſchwunden. Die Mutter ſchmaͤlte. Da kam das kleine
Mädchen und fagte beſtuͤrzt: „Rama, ich hab's verbraucht.‘
Das Kind hatte noch nicht ſchreiben geternt; fo wunderte ſich
die Mutter und fragte, wozu fie es verwendet.
Dis Geheimniß kam ſchnell heraus.
andere horizontal, fehräg und verkehrt.
ttifhe und gerelmte Erklärungen dee umflehenden Bilder.
Ihr erſtes, einigermaßen regeltechte® Gedicht war bie
Grabſchrift auf ein geliebtes Rothkehlchen. In ihrem
zwoͤlften Jahre begleitete ſie den Vater zur Feier von
Waſhington's Geburtsnacht.
Am folgenden Morgen traf ihre aͤltere Schweſter fie am !
Schrefbtiſche. Sie Hatte eine Urne gezeichnet und zwei Stan⸗
gen baruntır geſchrieben. Die Schweſter beredete fio, es ber
Mutter zu zeigen. Hochroth und zitternd that fie es. Die
Mutter lag krank zu Bett. Dennoch druͤckte fie ihre Freude
aus. Da verwandelte der Zweifel auf dem Geſichte des Kindes
fi in Entzuͤcken; fie nahm das Papier, lief fort und fügte
unverzüglich die Schlußverſe bei. Als fie damit fertig, küßte
*) Titel des Driginaid: Life nad peetical remsins ef Margaret
M. Deridren, by Weskingten Irving. Tonten 1813,
Auf bie eine
Seite jedes Blattes hatte Lucretia etwas gezeichnet, auf:
die andere fateinifche Buchflaben gekrigelt, manche gerade, .
Das waren me: '
bie Mutter fie, meinte vor Freude umb verfpradh ihr jebe möge
liche Unterftägung. Das Kind brach in Thraͤnen aus. „Und
wünfcheft bu, daß ich ſchreibe Mama? Und wirb ber Water es
gut heißen? Und iſt's auch recht, daß ich's thue?“
In ihrem dreisehnten Sabre wurde bie Schreibeluft
unwiderfiehlih. Die Gedanken flogen aufs Papier, und
Lucretia wuͤnſchte fi oft vier Hände, um fo ſchnell ſchrei⸗
ben zu können als fie dichtete. Bis dahin hatte fie eine
Schule in Plattsburgh beſucht. Wegen ihrer ſchwaͤchli⸗
hen Geſundheit wurde fie zu Freunden nach Canada ges
bracht. Die Neuheit der Scenen flärkte fie und gab
ihrem Geifte frifche Elaſticitaͤt. Doch nahm dieſe eine
teligiöfe Michtung. Die Bücher Hiob, Beremias und bie
Dfalmen wurden ihre Lieblingslecture. Dabei blieb fie
aber ein unfchuldiges, einfaches, befcheidenes Kind, und
ihre perfönliche Liebensrwhrbdigkeit gewann ihr allgemeine
Bewunderung. Nur litt fie an Schüchternheit. Diefe
zu befeitigen, beeilte die Mutter ihren Kintritt In
die Welt. So nuhte das midtige Ereigniß, ber
erſte Ball. Mit mädchenhafter Freude nahm Lucretia
die Nachricht auf und beſprach ihren Anzug. Als aber
gegen Abend die Schweſter ihre das Haar flechten wollte,
fchrieb die junge Dichterin an moralificenden Verfen über
die fogenannten Freuden diefer Welt. Bald nachher trafen
zwei Begebenheiten zufammen, die ditfte Schweſter hei⸗
rathete, und Margaret wurde geboren. Seht wich Lucre⸗
tia’8 Liebe zur Dichtkunſt der Liebe gu ihrer Mutter. Die
Mutter war lebensgefährlich Frank und Lucretia ihre une:
müdete Pflegerin. Ecſt als die Gefahr vorüber, las fie
wieder und ſchrieb und zeichnete. Nach einem in ihrem
funfzehnten Sommer der verheiratheten Schweſter ges
machten Beſuche vokendete fie ihr größeres Gedicht
„Amir:Khan’, und begann ein erzählenbes Gedicht, das
fie den „Einfiedfer von Saranac” nannte.
Amis: Kahn” — fagt Mid Sedgwick — ift der Leferweit
Iängft befannt, bat aber von dem ziemlich allgcmeinen unb Leicht
erflärlichen Mistrauen gegen frühzeitiges Talent Nachtheil ger
habt. Der Versbau iſt voll Grazie, die Geſchichte gut ent
widelt, ber Orientaliomus paffend hurchgefätrt. Das Ganze wärbe
meines Beduͤnkent keinem unferer beiiebteften Dichter im Zenith
feined Ruhms Schande gemacht haben; als Product eines fünfs
sehnjährigen Mädchens Hrenzt es ans Wunderbare.
Ein vertrauter Hausfreund glaubte in Lucretia's Dich
tungen ein Talent zu erfennen, das nur der Ausbildung
bebürfe, um weite Strahlen zu werfen, und erbot ſich
?
far ihre fermere Erziehung zu forgen. Die Altern wil:
lgten «ein und am 24. Mov. 1824 vertaufchte Lucretia
das vÄterliche Daus gegen ein Penflonat, das im Staate
Meupork bedeutenden Ruf genießt. Anfangs athme⸗
ten ihre Briefe nur Frohſinn und Lufl. Bald ſtellte
j 2 Heimweh ein und ihre Briefe trugen eine trübe Farbe.
eunody konnte fle, wenn auch nicht heiter fein, doch
heiter dichten. In jenem Inſtitute galt es, wie auf den
meiften deutfchen Schulen, die Feuerprobe öffentlicher Prüfung
zu beftchen. Jeder gemefene Portenfer, Aftaner und Grim⸗
mianer erinnert fich des Kreuzes der dem Examen voranges
benden Woche, und jeder wird finden, daß, mutatis mu-
tandis, das nordamerilanifche Mädchen die Leiden und
Steuden dieſer Kreuzwoche in folgender Weiſe humo—
riſtiſch richtig geſchildert hat:
One has a headache, one a cold,
One has her neck in flannel rolled ;
Ask tho oomplaint, and you are told,
„Next weck’s examination.’
One frets and scolds, and laughs, and cries,
Another hopes, despairs, and sighs,
Ask but tbe cause, and each replier,
„Next wceek’s examination.’
One bans her books, then grasps them tight,
And studies morning, noon, and night,
As though she took some strange de.ight
„im these examinations,’
Tbe books are mark’d, defac’d and tbumb’d,
Tbe brains with midnight tasks beuumb’d,
Still, all in that account is summed,
„Next week’s examination.’’
Lucretia ging rühmlich durch die Prüfung. Dann
wurde es nur zu fihtbar, baß fie eine von Denen, Die
‚im Morgenthau der Jugend” fterdben. Ein kaum Iefer:
licher Brief veranlaßte die Mutter, Ihe Kind unverzögert
abzuholen. Älternliebe und die Luft der Heimat ſchienen
die Krankheit aufzuhalten, aber fhon im Zul. 1825
zubte die begabte Dichterin „in der Erde trautem Schoofe”.
Über ihr poetiſches Talent gibt es keine Meinungsverfchie:
denheit. Southey dußerte im „Quarterly review”;
Die Gedichte der Eucretia Dapibfon haben fo viel Driginelles,
zeugen von fo viel Streben, ſich bewußter Energie und zuneh⸗
mender Kraft, daß die warmbluͤtigſte Erwartung ihrer Vereh⸗
zer, Freunde und Aeltern eine geredhtfertigte ift.
Außer mehren kurzen Gedichten enthält die rubricirte
Sammlung den zweiten Theil einer hoͤchſt poetifchen Schitde:
rung des ameritantfch-indianifchen Kampfes, „Chicomico’,
Um, wenn aud nur eine Kleine Probe — aus gebotener
Ruͤckſicht auf Kürze nicht das Beſte — von den gediege:
nen Leitungen der jungen Dichterfn zu geben und ba:
dur das Erfcheinen einer Tberfegung von derfeiben ge:
wandten Feder, welche die Biographie der Schweſter
geliefert hat, recht wuͤnſchenswerth zu machen, wähle ich
eine Mouwdfcheinfeene aus ‚Amir s Khan”.
Brighily o’er spire, and dome, and tower,
The pale moon shone at midnight hour,
While all beneath her smile of Might
Was resting tirere in calm deligbt; -
Bvening wih robe of stars appears,
Bright as repentant Peri’s tcars,
m,»
%
Änd o’cr her turban’s fleecy feld
Night’s crescent streamcd its rays of gold,
While every crystal cloud of heaven
Bowed as it passed the queen of even.
8 Beneath w calm Cashmere’s lovely vale
reathed perlumes to $he sighing4gale;
The ameranth and —E
Convolvulus in: deep repose,
Bent to each breeze which swept their bed,
Or scarceiy kiss’d the dew and filed;
The bulbul *), with his lay of love,
Sang’ mid the stiliness of the grove;
The guinare **) blushed a deeper hue,
And trembling shed a shower of dew,
Which perfum’d ere it kiss’d ıhe ground,
Bash zephyr’s pinien hovering round,
The lofty plane-tree’s haughty brow
Giitier’d beneach the moon’s pale glow;
And wide \he plantain’s arms were spread,
The guardian of its native bed,
Zur Zeit von Lucretia's Tode war ihre am 26. Min
1823 geborene Schweſter, Matgaret Miller, kaum zwei
und ein halbes Jahr und mit dem elften führt Waſhing⸗
won Irving fie ein.
Bei Gelegenheit einer Unterrebung mit ihrer Mutter (1833)
in Betreff einer neuen Ausgabe von Eueretia’d Schriften, ber
merkte ich — heißt e8 in den Worten ber Überfesung — ein juns
ars Mädchen, dem Anfchein nad nicht diter ale elf Jahre, bie
fih ſtil um fie bewegte, indem fie manchmal ein Kiffen ordnete
und zugleich ernſthaft unferm Geſpraͤch zuhoͤrte. Cine geiftige
Schoͤnheit prüdte in dieſem Kinbe ſich aus, die mir auffiel und
noch mehr, als fie furchtſam erröthete, da Miſtreß Davidſon fie
mir als ihre Tochter Margaret vorſtellte. Kurz nachher, als
fie das Zimmer verlaffen, erzählte ihre Mutter, da fie ſah, daß
fie meine Aufmerkfamteit erregt hatte, wie fie daffelbe frühe
poetifche Zatent zeige, welches ihre Schweſter ausgezeichnet hatte,
und zum Beweis zeigte fie mir die Abſchriften einiaer Gedichte,
bie von foldy einem Kinbe merkwürdig waren, Bei weiterer
Nachfrage fand ich, daß fie ungefähr diefelbe moraliſche und
phyſiſche Sonftitution hatte und zu berfeiben fiebrifchen Erregung
des Gemuͤths und Entzündung der Phantafle geneigt war, welche
fo mächtig auf ben zarten Körper ihrer Schwefter Aucretia ges
wirkt hatten. Ich warnte ihre Mutter beöhalb, ihre poetiſchen
Anlagen zu nähren, und rieth ſolche Studien und Beflrebungen
an, weide ihre Beuztheilungstsaft flärken, ihre Empfiotungen
beruhigen und regeln, und jınen gefunden Verſtand erweitern
ie der allsin bie ſichere Grundlage aller geiftigen Ausbil=
ung ift.
Leider vermochte die Mutter nicht, diefen Mugen Rath
volftändig zu befolgen. Das gerue Weſen de Heinen
Mädchens widerſtrebte — die Begeifterung ungerechnet,
mit welcher fie ihrer geftocbenen Schweſter anhing. ‚Die
Seele verzehrte den Körper”, und fchon fich6 Jahre nach⸗
ber „wurde eine Anzahl Manufcripte, Alles, was von
ihe geblieben war”, mit zahlteihen, von der Mutter bei-
gegebenen Anmerkungen in W. Irving's Sande gelegt,
der daraus, oft unter Beibehaltung des Originalma⸗
auferipts, die veröffentlichten ‚Einzelheiten enwähle und
geordnet har”.
(Der Beſchluß folgt.)
*) Bulbul, dig Nachtigall.
*") Gulnare, die Rofe.
[LU | ——— — — — Sg nen
La Bassie en 1839 per le marguis: de Cuotine.
Bier Bände,
(dortſezuag ab Nr. 6.)
In Rußland berichte überal und in dien Dingen eine
furchtbare Regelmäßigfeit, und der diefe Symmetrie beobadhtende
Heifende fähıt ſich von dem Gedanken beängftigt, daß diefe der
Natur des Wenfchen fo gänzlich zumwiderfaufende Einfoͤrmigkeit
nicht ohne Bewaltthätigteit beflehen kann. Die Imagination
ſehnt ſich vergebens nad Abwechſelung. Bier kann der Menfch
am erſten Zage feines Lebens willen, was er bis zum lehten
feben und cerieben wird; diefe Tyrannei nennt man „Riebe zur
Drdnung”, und biefe bittere Frucht des Despotismus ſcheint
Manchem nicht zu teuer erkauft. In Frankreich war ich auch
dirfer Meinung, feit ich aber unter der Difciplin, welche ein
ganzes Kaiferreich dem militairifchen Reglement unterwirft, ge:
lebt, flimme ich mehr für eine Kraft vertündende Unordnung,
als für die volllommene Ordnung, welche das Leben koſtet.
Zn Rußland beherefht das Goupernement Alles und bes
lebt Nichte. In diefem ungeheuren Reich ift das Volt ftumm,
wenn es auch nicht ruhig iſt; ber Tod ſchwebt über allen Haͤup⸗
teen; man koͤnnte veranlaßt werden, an ber hödhften Gerechtigkeit
zu zweifeln; der Menfch hat hier nur zwei Särge, die Wiege
und das Grab, und die Mütter müßten mehr über die Geburt
ihrer Kinder ats über deren Tod weinen. Ich glaube nicht,
daß der Seibſtmord bier allgemein ift, mun leidet zu viel, um
fih zu töbten. Auch würde man bie Zahl der Gelbftmorde in
Rußland nie erfahren und wenn fie noch fo groß wäre; denn
Zahlenermittelung tft einzig und allein ein Privilegium der Pos
Licei; ich glaube kaum, daß fie dem Kaifer fetbft zu Ohren kom⸗
men. Go viel weiß ih, daß fein Ungtüd ohne feine Einmilli:
gung veröffentiicht werden darf. Der Stolz des Despotismus
it fo groß, daß er mit der Allmacht Gottes rivalifirt. Damit
der Kürft mehr als ein Menſch fein könne, wie muB es da mit
dem Volke fleyen? In einem Sande, wo Goͤtzendienſt der Grund:
pfeiter der Gonftitution ift, wer kann da die Wahrheit Lieben
und vertheibigen? Gin Menſch, ber Alles kann, iſt eine gekroͤnte
edge. Ich Tpreche jet nicht vom Katfer Nikolaus, fondern vom
Kaifer von Ruftand. Man fpricht viel von ben beftehenden Ge:
bräuden, welche feine Macht befchränten, ich babe nur deren
Misbrauch bemerkt, nicht das Heilmittel dagegen. Der wahre
Staatsmann weiß, daß nicht ſowol die Gefeße, als bie Art und
Weiſe ihrer Ausübung über das Leben der Voͤtker entſcheidet;
das Leben ber Ruffen ift aber trauriger ale das irgend eines
europäifchen Volks, und ich ſpreche hier nicht nur von ben an
die Schollen gebumdenen Bauern, ſondern vom ganzen Reich.
Ein Goupernement, welches bei jeber Gelegenheit feine
Kraft fühlen laͤßt, muß bie Menfchen elend machen; in eincm
Geſellſchaftskoͤrper kann Alles dem Despotismus dienen, fowol
dem monarchiſchen als dem demolratifchen. Die Menge Pleintis
er, uͤberfluͤſſiger Vorfichtsmaßregein erzeugt in Rußland eine
Bevoͤlkerung von Unterbeamten, deren jeder mit Pebanterie,
Strenge und Wichtigkeit feine Geſchaͤfte verrichtet, um denfelben
eine größere Wichtigkeit beizutegen. Er fagt Sein Wort, aber
man ſieht, ba6 er ſich für ein Btieb in ber großen Staatsma⸗
fhine hätt. Diefes Glied handelt nach einem Willen, welcher
nicht der feinige ift, und hat ebenfo viel Reben als dag Räder:
wert cinee Uhr. Der Anblick biefer freiwilligen Automaten flößte
mir Furcht ein. Es liegt etwas lidernatürliches in einem Men:
fen, der zur Maſchine gemacht wird. Wenn in den Rändern,
wo der Mechanismus vorherrfcht, Holz und Metall Seele zu
baben fcheinen, fo ift es unter dem Despotismus, als feien die
Menfhen von Holz; man fragt fi immer, was fie wol mit
ihrem überflüffigen Denken anfıngen mögen, unb man fühlt fi
unheimlich bei dem Gedanken an die Gewalt, die Man anwen⸗
den mußte gegen fuͤhlende Menſchen, um fie in bioße Gegen⸗
fände umzuwandeln. In BRußland fühle ich Bedauern mit den
Perfonen, wie in England mit den Mafdyinen. Dort fehlt den
Menfchenwerken nur die Gabe der Rebe, bier iſt das Wort ben
Sreaturen des Staats verfagt.: — — —
Damit bad neue Dinterpalais zu der vom Kaiſer feflger
fegten Epoche fertig wurde, mußten ungeheure Kräfte angewens
bet werden. Man fegte waͤhrend der Winterkaͤlte die innern
Arbeitin ſortz 6000 Arbeiter waren immer bifchäftigt und es
ftarben deren täglich eine bedeutende Zahl; fie wurde foglich
wieder erfegt; bei 23—30 Brad Kätte mußten biefe 6000 Märs
tyrer eines unfreiwilligen blinden Gehorſams in Eälen, welche
bis zu 30 Grad Die geheizt waren, damit die Mauern ſchnell
trodineten, arbeiten, und ihre Runge batte beim Gin « und Aus⸗
geben SO—60 Brad Warme Unterichied zu beſtehen. Die Ars
beiten im Ural find auch lebensſchaͤdlich, dort arbeiten aber nur
Verbrecher, bier waren es keine Verbrecher. Manche mußten
immer Kappen von Eid aufjegen, um nur in der glühenden
Dige Meijler ihrer Sinne zu bleiben.
In diefem von allen andern Laͤndern fo berfchiebenen Sande
fheint die Natur feisft die Launen der Menſchen zu tbeilen,
welche die Frriheit getödtet haben, um die Einheit zu vergöttern.
Auch fie ift überall dieſilbe. Sie hat in jenen Gegenden nichts
für den Menſchen gethan, und was hat der Menſch für fich?.
Er führte ein Wunder ber Welt auf, Petersburg nämlich; und
auch Moskau ift fchön; aber die Provinzen? Em übermuß der
Einförmigkeit entfieht aus bem Misorauch der Einheit. Ein
einziger Dann im ganzen Reiche bat dus Recht, einen Willen
zu haben, daher kommt, daß er allein ein eigenes Leben beſiht.
Der Mangel an Seele geht aus Allem hervor; bei jedem Schritt
fuͤhlt man, daß das Volk der Ungbhaͤngigkeit entbehrt. Die
wenigen Städte an den Landſtraßen find ſich alle gleich. Die
geraden, breiten Gaffen und niedern Haͤuſer entſprechen nicht
den Betürfniffen dee kaltın Alina, wo die Menſchen ſich gern
wie bi uns im Mitteluiter zuſammendraͤngen. Als Peter 1.
von der Zatarei bis nad Lapo!and ſeine Givilifationgebicte er:
geben ließ, waren die Schoͤpfungen des Mittelalterd nicht mehr
an der Mode, und die Ruſſen — felbft diejenigen, denen men
das Beimort Grup gewährt, konnten 5108 der Mode folgen.
Diefe Neigung zur Nachahmung ſtimmt nicht mit ihrem Ehr⸗
geiz zu dominiren überein; doch Alles ift bei diefem oberflächlie
hen Volt Widerfprud. Vor Allem zeichnen fie fi duch Mans
gel an Erfindung aus; um zu erfinden, muß man unabhängig
fein; überall, fogar in den Paffionen ber Ruffen, flößt man
auf Nachaͤfferei. Wenn fie eine Rolle auf dem Welttheater bes
gehren, fo ift es nicht, um ihre Fähigkeiten zu entwideln, fon»
dern um bie Geſchichte anderer berühinten Geſellſchaftskoͤrper
auch zu beginnen, Ihr Ehrgeiz iſt nicht eine Macht, fondern
eine Prätenfionz fie haben keine ſchoͤpferiſche Kraft, ihr Talent
befteht im Bergleih, ihre Genie im Nichahmen. Die Ruffen
werben immer in der Geſchichte fein, was in ber Eiteratur ge-
ſchickte Uderfeger find. Sie habın den Beruf, die europäifche
Sivilifation für die Aſiaten zu üderfegen.
Das Nachahmungstalent kann bei Nationen nüglich umd fos
gar bermunderungswürdig werden, wenn es ſich erſt ſpaͤter ent⸗
widelt; wenn es indeflen früher auftaucht als die übrigen Ta⸗
iente, muß es diefelben aufheben. Wer nur nachahmen kann,
verfällt leihr in die Caricatur.
Seit vielen Schrhunderten ſchwankte Rußland zwiſchen Eu⸗
ropa und Aſien und wer noch nicht im Stande, ſich durch feine
Werke in der Gefchichte des menſchlichen Verftandes zu marki⸗
ren, weil der Nationatcharafter unter erborgten Eigenſchaften
zu runde ging. .
Vom Dccident duch feine Anhaͤnglichkeit an bie griechiſche
Kirche getrennt, foberte es von den duch den Katholiciemus
gebildeten Rationen jene Civiliſation, die cine nur politifche Re⸗
ligion ihm geraubt hatte. Dieſe byzantiniſche Religion, weiche
aus einem Palaft hervorging. um die Ordnung in einem Lager
aufrecht zu erhalten, entfpricht durchaus nicht dem hoͤchſten Be⸗
dürfniß der Seele. Sie Hilft der Policei, die Nation zu der
trägen. Sie hat fon im voraus biefes Volk des Grades von
Kultur, wonach es firebte, unmürdig gemacht. Die Unabhäns
gigfeit bee Kirche iſt der veligiöfen Regung nothwendig, bean
bie Entwickelung der ebeiften Faͤhigkeit ber Wölfen, bie Faͤhig⸗
teit zu glauben, hängt von ber Würde der Kirche ab. Wo die
Hirten Sklaven find, kann die Heerde nicht frei fein. Gin
Propft wird der Ration immer mur lehren, vor der Gewalt nie:
ulnicen. Und follte man ſich noch wundern, wenn die Ruffen
nichte Neues erfinden und nur nachahmen, ohne zu vervoll⸗
tommnen? Ahmt man die Form einer Gefellfchaft nad), chne
den Geiſt, der fie belebt, zu verftehen, holt man fich die Lehrer:
der Civiliſation nicht von ben atten Lehren bes Menſchenge⸗
ſchlechts, fondern von Fremden, beren Keichthuͤmer man benei⸗
bet, ohne ihren Charakter zu ehren, wirb die Nachahmung von
der Feindſeligkeit geleitet, nimmt man von einem Nachbar, ben
man zu verachten vorgibt, feine Art fich zu Beiden, zu woh⸗
nen, zu fpredhen an, bann tft man ein Echo, ein Abdrud, dann
eriftirt man nicht mehr durch ſich ſelbſt.
Die Geſellſchaften des Mittelalters, welche In ihrem cr:
neuerten Giauben Ichten und in ihren eigenen Beduͤrfniſſen fich
ftar® fühtten, Bonnten das Altertum ehren, ohne Gefahr zu
laufen, e8 zu parodiren; benn wo die Schoͤpfungskraft wirklich
eriftirt, geht fie nicht vrrloren, an welchem Gegenfland ber
Menfch fie auch verwendet. Die Achtung für edle Vorbitder ift
der Stempel eines fchöpferifchen Geiſtes; deshalb hat das Stu⸗
dium der Claſſiker im Decident zur Zeit der Renaiffance keinen
Einfluß auf Wiſſenſchaften und Künfte gehabt. Die Entwide:
Iung ber Induftrie, des Handels, der Raturwiffenfchaft und ber
technifchen Kuͤnſte find das Werk des mobernen Europa, welches
in diefen Dingen Alles aus ſich ſelbſt entwidelt hat Trogt fei:
nee an Aberglauben grenzenden Bewunderung für die heidnifche
Literature bat es feine eigene Politif, Religion, Philoſophie
und Negierungsform beibehalten, ſowie auch feine eigene Krieg:
führung , feine Anfichten von Ehre, feine Sitten, feinen @eilt
unb feine focislen Gewohnheiten.
Rußland aber ward durch die Ungebuld feiner Zürften bei
feiner fpätern Civiliſotion der Gaͤhrung aus eigener Tiefe her:
aus, der Wohlthat einer langfamen und natürlichen Gultur be;
raubt. Ihm febite das innere Vorfchreiten, welches große Voͤl⸗
er bildet. Es fiel mir oft auf, daß in diefem Rande bie Ge⸗
fellfchaft einem großen Zreibhaufe gleicht, mit ſchoͤnen auslaͤn⸗
difchen Pflanzen, jede Blume erinnert an ihr Vaterland, aber
man fragt vergebens: mo ift Leben? wo ift Ratur? wo find
die inländifchen Pflanzen in dirfer Sammlung, welche eher von
der mehr odır weniger glüdtihen Auswahl einiger nıugierigen
Reifenden, als von dem erften Werk einer freien Nation zeugt.
Rußland wird ewig den Mangel bed eigenen Lebens im
Augenbtic® feines potitifchen Erwachens fühlen. Es ift um bie
heranreifende Jugend, um jenes thätige Kebensulter, wo ber
menſchliche Werftand die ganze Berantmwortlichkeit feiner Unab⸗
bängigkeit äbernimmt, gekommen; feine Derrfcher und nament:
lich Peter der Große haben es von ber Kindhrit ſchnell ins
Mannesalter gebradt. Es mar kaum dem fremden Joch ent:
angen, und fo erſchien ihm Alles, mas nicht mongotilche Herr⸗
Pat war, ale Freiheit; es hielt in feiner Unerfahrenheit die
Knechtſchaft für Befreiung, weil legitime Herrfcher fie ihm auf:
eriegten. Das entwürbigte Volk fuͤhlte ſich gluͤcklich, wenn bie
Ayrannei nur flatt des tatarifchen Namens einen ruſſiſchen trug.
_ Die Wirkung biefer Jlluſion ift noch nicht voräber. Die
Driginalität if geflohen von dem Boden, deſſen Kinder zur
Gklaverei aufgewachſen, bie jegt nichts ernft genommen haben
als Furcht und Ehrgeiz. Kür fie ift bie Mode nur einr elegante
‚Kette, die man Öffentlich trägt. Die ruſſiſche Höflichkeit, fo
‚aut fie auch gefpieit wird, ift nicht natuͤrlich; denn die wohl⸗
wollende Hoͤflichkeit kann nur auf dem höchften Gipfel des fo:
«iaten Stammes gedeihen; fie wird nicht gepfropft, fondern ift
ſchon in dem Krim enthalten, welcher die Wurzel. bildet.
Die wahre Höflichkeit it ein Erbſtuͤck; die erſte Erziehung
auß fie ſchon entwideln; Sklaverei erzeugt niedrige Geſinnung
mad bannıt die Höftichkeit. Diefe ift der Ausdruck der hoͤchſten
und zarteſten Smpfindung. Unb nur wenn die Böfiichkeit ges
solffirmaßen bie im Umlauf ftebenbe Muͤnze bei einem Volke ges
worben if, dann warn Yiefes Vor als eiviliſtet bemicguen.
—E rer Stobelt, „die i
men n Ratur n von Miege an verwiſcht dur
die Lehre, die jeder in feiner Familie empfängt. Der Menſqh
ift nie von Natur mitleidig, und wenn man feine angeborene
Grauſamkeit nicht abfchleift, wird er nie höflich fein. Die Hoͤf⸗
lichkeit ift der auf die täglichen Beziehungen ber Geſellſchaft an:
gewendite Gober bes Mitleids. Gr lehrt befonders Mitieid mit
den Eeiden ber Gigenliebe, und iſt audy zugleich das befle Mit:
tel gegen ben Sgoismus.
Alle Verfeinezungen, weiche das natürliche SRefultat ber
Beit find, blieben den jegigen Ruſſen fremd. Sie gleichen ſchlecht
gemalten Bildern, welche gut überfiruißt find; bemit bie Döf:
lichleit wahr fei, muß man lange, che man höflich wurde, hu:
man geweſen fein. .
Peter der Große bat aus Europa bie gereiften Fruͤchte ber
Civiliſation gehoit, anftatt den Samen in ben eigenen SBoben
zu fleden; das Gute, weiches jenes barbarifche Genie geftifter,
war vorübergehend, das Böfe ift wicht wieder gut zu machen.
Bas bift Rußland das Bewußtſein, Europa zur Laſt zu
fein und feine Poutik zu beeinfluffen? Es find nur fdyeinbare
Intereſſen, eitle Leidenſchaften. Viel wichtiger wäre es, wenn
es felbft das Princip des Lebens befäße und entwidelte Dean
eine Nation, welche nichts Eigenthuͤmliches bat als ihren Ge⸗
horſam, hat-kein Leben. Man hat fie ans Kenfter geheilt und
fie fieht zu und hört zu; fie ift nicht thaͤtiger als die Zufchauer
eines Scaufpield; wann wirb diefes Spiel zu Ende fein?
Dan müßte einhalten und wieder von vorn anfangen ; wär
das möglih? Kann man cin foldyes Schäude wieder von Grund
saus aufbauen ? Die Kiv:lifgtion des ruffifchen Reiche, obgleich
fie erfi von fo Eurzer Zeit berfiammt, hat body ſchon wirkliche
Refultate gehabt, die Feine menfchliche Wacht zu nichte madyen
tann. (Se ſcheint unmöglich, die Zukunft eines Volks zu leiten,
wenn man feinen gegenwärtigen Zuſtand für nichts rechnet; aus
einer gewaltfamen Zrennung ber Gegenwart von der Vergan⸗
genheit kann nur Unheil entfteben. Und die zur Regierung bie:
fes Landes Berufenen haben die ſchwierige Aufgade, ihm diefes
Unheil zu eriparen, inden fie es awingen, die Greignifle, bie
das Refuitat feines urfprünglichn Charakters finb, anzuerkennen.
Das fo praftifdye und ganz nationele diente des Kaiſers
Nikolaus hat diefe Aufgabe begriffen, wird es fie Löfen können?
Ich glaube es nicht, er vertraut zu viel auf ſich felbft, zu we:
nig auf andere. Auch reicht in Rußland der abfolutefle Wilke
nicht zu, um das Gute zu tun.
Nicht aegen einen Iyrannen, fonbern gegen die Kprannei
baben die Menfchenfreunde bier zu kämpfen; man wäre unge
recht, wenn man den Kaiſer des Unglüdd feines Landes ınd
der Fehler ber Regierung anklagen wollte. Die Kraft cines Men⸗
ſchen reicht nicht zu für die Aufgabe eines fouperainen Herrſchere.
welcher ein inhumanes Volk mit Dumanität regiereu möchte.
Man muß nad Rußland kommen und in der Raͤhe feben,
was dort vorgeht, um zu ternen, was ein Menſch, der Alles
fann, vermag, wenn er daß Gute fliften will.
Peter 1. und Katharina IL. haben da Weit eine große
Wahrheit gelehrt, welche Rußland theuer bezahlt hat. Sie da⸗
ben gezeigt, baß der Desporismus nie fo furchtbar ift, als wenn
er Gutes zu thun vorgibt, denn dann kann er feine empoͤrendſten
Thaten mit guten Abſichten entfchuldigen, und das Boͤſe, dei
fi als ein Heilwittel aufwirft, bat keine Grenzen. Das ent:
hüllte Verbrechen triumphirt nur einen Tag, bie falfdgen Xu:
genden aber derwirren ganze Nationen. Die erklaͤrte Zyrannei
ift nichts gegen ben unter ber Liebe zue Drbnung verborgenen
Drud. Die Kraft des Despotismus liegt hauptſaͤchlich in der
Macke der Despoten. Wenn man den Herrſcher zwingt, nicht
mehr zu heucheln, dam iſt das Volk frei. Es gibt Kein über
in ber Welt als bie Lüge, unb wer die offene und anerkannte
Willkuͤr haft, der gehe nad Rußland, um zu lernen, wie man
die heuchleriſche Ahrannei fuͤrchtet.
(Die Lortſetzuns folgt.)
VDerantwortlicher Heraugeber: Oeinrich Brockhaus. — Druck und Berlag von 8. A. Brodpand ia Leipzig
—
.. Blätter -
‚fir
literariſche Unterhaltung.
Donnerstag,
Dome. -- - vom... - En - on a un — —
Lucretin und Margaret Davibfon, die Dichter:
Kinder von Plattsburgh.
(Behind aus Nr. MT.)
Mrs. Davidfon verzögerte Margaret's Lefeumterricht.
Sobald fie aber leſen konnte, gehörte jeder freie Augen»
blick den Büchern. Am frübeften zeigte füch ihr poetifcher
GSharakter, und zwar „In den Empfindungen der Sthön-
beit der Maturfcenerien. Der ‚belle, vonsme Sonnen:
ſchein“, dee „kuͤhlende Megenfchauer‘, ber „blafle, kalte F
Mond‘, die Sterne, die ‚wie Engelsaugen leuchteten“ —
das war ihre Sprechweiſe. Dann erwachte das Gefuͤhl
für Religion.
Ginfames Gebet wurbe ihr in frühem Alter zur Gewohn⸗
heit; es wurde beinahe ein unwillkuͤrlicher Ausdruck ihrer Ges
fühle, das Athmen eines zaͤrtlichen, entzudten Herzens.
ihrem festen Jahre wurbe an ihr eine Reigung, „in Reimen
zu lispein“, bemerkt. Sie machte häufig Heine Improviſato⸗
zien in Heimen, obne baß fie in diefer Gewohnheit etwas Be
fonderes zu finden dien.
Demmaͤchſt trat da6 ‚Talent fuͤr ertemporirte® Ge⸗
ſchichtenerzaͤhlen“ hervor, und nad einiger Übung Eonnte
Rs eine Erzählung ganze Stunden lang fortführen, ohne
Die ihren Perſonen beigelegten Charaktere zu vermifchen
oder wider bie Wahrſcheinlichkeit zu verſtoßen.
Diefe Gabe veranlaßte, daß ſie von einigen der Nachbarn
gefacht wurbe, weiche fie, ihr ſelbſt unbewußt, zur Ausübung ihrer
Fähigkeiten brachten. Nichts wurde von ihr aus Eiteikeit ober aus
einer Neigung zu prablen gethau, ſondern ſie wurde d ihre. Auf⸗
merffamtiit und durch das Vergnuͤgen, das ihre Srzählungen
ihnen zu machen fchlenen, angeregt. In folder Erregung
tonnte fie einen ganzen Abend mit einer ihrer Geſchichten aus⸗
füllen, und wena der Diener kam, fie nach Haus zu bringen,
fo bemerkte fie in ber Redeweife der Journale: „Die Befchichte
wird das naͤchſte Mat fortgefegt. ”
Bei alledem wurde fie größer und flärker, und ſah
fie auch ſchwach und zart aus, war fie doch immer fröh:
ich und lebendig. Die Einförmigkeit ihres Lebens zu
unterbrechen, von dem fie zu viel im Krankenzimmer ih⸗
ver Mutter zugebracht hatte, und um ihren Geiſt friſch
und elaſtiſch zu erhalten, wurden für fie kleine Ausflüge
in bie Umgegend ausgedacht. Die folgenden Zellen,
weiche bei einer diefer gelegentlichen Trennungen an ihre
Mutter gerichtet waren, mögen als eine Probe ihrer Com:
pofitionen im achten
den Stromes ihrer Befkble dienen:
—- 2 mo _— —
Sn Neudvork. Man weilte Komödie ſpielen und Margaret
Jahre ihres Alters und des liebrel: |
Leb’ wohl, o Mutter; wenig Tage
Entflieh' ich deiner fanften Klage.
ums Lager foll'n die Engel ſchweben
Und ew'ge Freude dich umgeben.
Ad denk', o Mutter, immer mein,
Wie ich mit ew'ger Liebe dein,
Auch wenn der Tod mit Falter Hand
Berreißt der ird’fchen Liebe Band.
O Dutter, koͤnnt' ich mit Bir fliehn
Und durch den weiten Himmel ziehn
Und zählen dort in blauer Ferne
Des Abends taufend golbne Sterne.
Leb’ wohl, o Mutter; wenig Tage
Entflieh' ich deiner fanften Klage.
ums Lager ſoll'n die Engel ſchweben
Und ew’ge Freude dich umgeben. *)
Im Mai 1833 beſuchte Margaret Verwandte im
folte das Stud ſchreiben. Sie ſchrieb in zwei Tagen
„Alethia, eine Tragödie”.
Das Drama war zwar nicht ſehr umfangreidh, enthielt
. aber — fo fagt W. Iroing — genug von erhabenen Charakte⸗
ren und außerordentliden biutigen Vorfaͤllen, um ein Drama,
fünf Mat fo groß, auszuftatten.
Trotz folder und ähnlicher von verftändigen Verwand⸗
ten gebotenen Unterhaltungen fehnte ſich Magaret nach
ihrer Heimat am» Saranac, und bie folgenden Zeilen, is
jener Zeit gefchrieben, brüden ihren Gemuͤthszuſtand aus:
Die Heimat.
D, laßt bie flolge Stadt mich fliehn,
Din zu der Heimat Blumen ziehn,
Zum Fluß, von Bäumen kühl umkraͤnzt,
In dem’der blaffe Mond erglängt,
Und vor dem alten Daufe ftehn,
Das mid, als frohes Kind gefchn.
Kür einen Zag, dort zugebracht,
Laff’ ich die Stadt mit aller Pracht.
Und hab. ich auch liebe Freunde hier,
Dody ift die Heimat das Liebſte mir.
Dort Siegt die Schweſter in fliler Ruh’,
Dort lebte und ſchloß fie bie Augen zu.
Dort weilt der Water, ben Seinen fern,
D feine Stimme, die kuͤßt' ich gern,
*) In ber bier gegebenen Überfehung fehlt zwiſchen ber erſten
und zweiten Strophe folgende des Originals:
May ihe Almighty Father apremd
Hlis. ahaltering wings above thy hand!
lt is net long that we must part,
Thea choer thy dewacast, dresping heart.
j 1398
“ U,
’.
“
Drücte das graue Haupt an'mein Herz, i
Weg alle Thränen und aller Schmerz.
und wenn id auch hier fo gluͤcklich bin,
Doch zieht’6 mich zur liebſten Heimat hin.
Während Margares zu den fhönften Erwartungen
tigt; Renmtigfe Aller Art zinfanunehe, auch Fran⸗
a und etwas Sateln lernte, fing fie an zu kraͤnkeln.
Dopdelt ſchmetzlich wurde fie da duch die Nachricht vom
Tode ihrer in Canada verheiratheten Schwefter ergriffen.
Er erinnerte fie aufs neue an Lucretia's Tod, und in
diefer Stimmung ſchrieb fie, elf Sabre alt, Kolgendes:
"üben Eos meiner Schweſter Anna Eliza.
Als wir an bem Grabe weinten,
Wo die theure Schweſter ruht,
Dacht' ich nicht, daß fie auch ſtuͤrbe,
Die fo jung noch, ſchoͤn und aut.
Dachten nit am ftillen Hügel,
Den ber grüne Rafen ſchmuͤckt,
Daß auch du bald fcheiben follteft,
Die noch lieblich uns entzädt.
As fie unferm Blick enteilte,
Die To zart, fo ſchoͤn und licht,
Das auch du bald folgen wuͤrdeſt,
Das, Geliebte, dacht' ich nit!
und im Schmerz bie Xttern fanden
Einzig füßen Troſt in dir;
Gpraden: Sie ift uns geblieben,
Kinder, warum einen wir?
O in dir nun all ihr Hoffen
Und ihr einzig Gluͤck beftand,
Daß von ihr, der Heil’gen oben,
Die Erinn’rung faſt verſchwand.
Biel gu ſchoͤn für biefe Erbe
Gingſt fo fruͤhe bu von Hier.
Unfer Schmerz muß ſich ergießen,
Ewig fließen Thraͤnen bir.
Dft hab’ ich dir meine Lippen
Auf die weiße Stirn gebrüdt,
Und in beine Engeldaugen
Die fo felig oft geblidt.
Us in deiner Todesſtunde
Angft den Körper bir durchbebt,
War ſchon beine reine Geele
Auf zu Gottes Thron entſchwebt.
Unb in leichten, heilen Wollen
Flog dein Geiſt zur Heimat bin,
Und was wir in dir verloren,
Ward dem Himmel ein Gewinn.
. Die uns noch von bir geblieben,
Zarte Blüte, gleiche bir,
Sud’, und ob du fie nicht finbeft,
Finde doch den Himmel hier.
Aber Ihm, der alle Freuden,
Allen Schmerz mit dir getheilt,
Weichen Troſt Tann ich ihm geben?
Niemand biefe Wunde heilt.
Zeit nur kann den Stachel nehmen
Solchem bangen, tiefen Schmerz,
Kann bie bittern Thraͤnen flillen,
Gießen Ruh ins arme Herz.
Margaret’ Krankheit ſchritt fort. Kein aͤrztlicher
Math, kein Wichfel der Luft brachte Genefung Im
Herbſt und Winter 1836 — 37 durfte fie fechs Donate
keine Feder, ein Buch anruͤhren. Das machte fie ſehr
traurig. Endlich gewann da6 Verlangen nad ihren früs
bern Belchäftigungen die Oberhand. Eines Tages, wie
fie bei der Mutter faß, vief fie:
„Mama, ih muß fSreiben Ich kann t Auger
aushalten! Ich will zu meiner Beer, mein Biſtift und
meinen Whchern zuruͤkkehren und wieder gluͤ m...
Das Herz der Mutter widerſtand biefen Bitten nicht . .
Margaret wurbe wieber ihren eigenen Anregungen überlaffen.
Die Folge blieb nicht aus. Im nädften Winter 1837 — 38
hatte fie mebre Anfälle von Lungenbintungen, die fie augen-
fcheinlih Angftigten, obgleich fie nichts fagte und fich bemühte,
jeden Ausdrud ihrer Gefühle zu unterbröden. Bei rinem plöß-
den Anfall begab fie fih aufs Sopha und fuchte durch große Ans
e 0 zu
ſchloſſen, ihre Lippen zuſammengedruͤckt und ihre duͤnne, biafe
Hand in der ihrer angflvollen Mutter ruhend, fdhien fie den
Ausgang abzuwarten. Kein Murren entfloh ihren Lippen, noch
klagte ſie je über er. Oft ſagte fie als Troͤſtung zu ih⸗
rer Mutter: „Mama, ich bin fehr beguͤnſtigt. Ich weiß kaum,
was Schmerz bedeutet. Gewiß, ich habe, fo weit ich mich er:
innern ann, nie welchen gefühlt.” Sobald fie, nach einem bie
fee erfchredienden Anfälle, fähig war aufzufigen, mußte jede
Spur eines Krankenzimmers entfernt werben. . . . Ihr fchönes
dunkles Haar mußte über iheer breiten, hohen Stirn gefdgeiteit,
ihr Anzug mit derfeiben Sorgfalt und Bierlichkeit geordnet fein,
wie wenn fie volllommen gefund war. . . . Sie hatte in ber
That einen innigen Wunfch zu leben; unb die Urfacdhe zu biefem
Sunſche zeigt ihren Gharalter. Bei all ihrer großen Beſcheiben⸗
beit hatte fie einen beißen Wunſch nach Ltezarifcher Auszeichnung.
Das Beifpiel ihrer Schweſter Lucretia fand unaufpörtich vor
ihr; fle war ihr Leitftern, und ihre ganze Seele ſuchte ihr Auf:
fireben in ben hoben Regionen der Poeften nachzuahmen. Shre
Furt nun war, daß fie, ehe ihre Kräfte ſich noch entwidelt
hätten, flerben muͤſſe.
Am wahrften beweiſt das ein Gedicht: „An meine
Schweſter Luceetia”, von welchem W. Irving urtheilt:
„Wir moͤgen in ihrer kuͤnſtleriſchen Form vollendetere,
aber nie in ihrer Eingebung wahrhaft froͤmmere Poeſien
geleſen haben.“ Zur Einſchaltung iſt es zu lang. Wem
aber das Buch zugaͤnglich, ſehe es dort nach. Bei allem
Krankſein vollbrachte Magaret in jenem Winter, was
für Viele die Arbeit von Jahren geweſen fein würde”,
ohne Haft, ruhig und immer heiter. Am Neujahrsabende,
Eurz vor Mitternacht, fchrieb fie in Gegenwart ihrer Mut:
ter: „Beim Scheiden des Jahrs 1837 und dem An:
fange de Jahre 1838" — ein hertliches Gedicht, von
welchem bier einige Strophen:
Hört die Glocken braußen fchlagen,
Rufen fie mit ernflem Klang “ les
„Laßt das Jahr zur Ruh uns tragen,
Singet ihm ben Grabgeſang!“
Sehft Hin, wo die Brüber alle
Ruhn in der Bergangenpeit,
Bis einft, beim Poſaunenſchalle
Alles wacht zur Ewigkeit.
Welche Schönheit, weiche Freuden
Ruhn an beiner Ealten Brufl.
Mit die gehen Thraͤnen, Beiden
Lieb’ und Lächeln, füße uf,
Wohl, dein Lauf tft nun vollendet,
Und was immer du gebracht,
Freud' und Schmerzen find
Rube nun in fliller Nacht!
ech! Die Glacke ik yerliungen, .
Die gin ernſter Maßner war,
Und das Grablied iſt gefungen.
Heil, ja Heil dem neuen Jahr! -
VSoffnung ! Breite beine Schwingen,
Leuchte dell ber künft'gen Zeit,
md mit bunten, ſchoͤnen Dingen
Schmuͤck“ der Zukunft dunkles Kleid.
Ob fie nimmer wahr auch werben,
Bleiben Trug und flücht’ger Schaum,
Doch iſt reinſtes Blüd auf Erden
Ja der Hoffnung ſuͤßer Traum.
Laßt ins dunkle Grab denn ſinken
Alle Thraͤnen, alles Leid,
In kryſtallner Flut uns trinken.
Beil dem Jahr, ber neuen Zeit!
Mit dem Beginn des Frühlings ward Margaret mehr
und mebr erregt, und im Übermaß gluͤcklicher Gefühle er⸗
goß fie ſich wie ein Vogel in melobifhe Töne:
Ereude klopft in meiner Bruft,
Kann nicht fagen mein Entzäden,
San’ und außen fühl’ ich Luft,
Möchte AM gleich mir begläden u. f. w.
Aber mit dem Nahen des Winters empfand fie das
Nahen des Todes, und in ber legten Woche ihres Le⸗
bens ſchrieb fie ihre legten Zellen:
Nicht ewig leben, wo fündig ih bin,
Berlodung draußen, Verderben drin,
Die Seele bewegt von Boffnung und Schmerzen,
Mit Thraͤnen ringend bie Flamme im Herzen.
Am früben Morgen des 25. Nov. 1838 — heißt es in
einem tief ergreifenden Briefe ihrer Mutter an Mi Sedgwick —
fant ihr Haupt an meine Bruft und ihre ausdrucksvollen Aus
gen waren auf meine gerichtet. Nie werde ich dieſen Blid ver:
geffen; er ſprach: „Sage, Mutter, iſt das ber Tod?“ Ich bes
antwortete die Frage, als ob fie geſprochen hätte, legte meine
Hand auf ihre weiße Stirn, die kalter Schweiß näßte, und
fagte: „Ja, meine Geliebte, es ift bald vorüber; du wirft bald
bei Zefus fein.” Sie ſah mich noch einmal an, — zwei ober
drei kurze Athemzüge und Alles war vorüber — ihr Geiſt war
bei Gott — fein Kampf, kein Ächzen ging ihrem Scheiben
voran,
Die irdiſchen Reſte der jungen Dichterin ruhen auf
dem Kirchhofe des Dorfes Saragota.
Mehre hier umerwähnt gebliebene Briefe Margaret's
an Freundinnen können das Leid um ihren frühen Heim:
gang nur erhöhen. Die Verdienfte des Überſetzers laſſen
fi) aus dem Mitgetheilten ertennen. Aber es gebührt ihm
auch im Allgemeinen das Verdienſt der Treue. 14.
La Bussie en 1839 par le marquis de Custine.
Vier Bände,
(Bortfegung aus Nr. 547.)
Die Nuffen willen nicht, was Herzlichkeit ift, dieſe haben
fie nit von den Deutfchen angenommen; man fieht ihrer Hoͤf⸗
lichkeit an, daß fie für zuvortommend gelten möchten. Sie fur
den den Fremden zu unterhalten, zu zerſtreuen, zu abforbiren,
fie tyrannifiren ihn durch ihre Artigkeiten, fie bemaͤchtigen fich
feiner Beit, führen ihn von Feſten zu Feſten und verhindern
ihn das Land zu ſehen. Sie haben ein franzöfifdes Wort zur
Bezeichnung biefer Taktik gefchaffen : enguirlauder les &trangers.
Ale ermangelm ber Heiterkeit, boch in Petersburg
bet man nicht einnal/ die Erlaubaik lanenallen
Kaifer zu Befallen muß men ni —* ’ dm
Nas kann ich dafür, daß, ais ich in einem abfetufen Baus
Man betritt verfchtedene Haͤuſer /
findet aber immer denfelben Kreis, und in diefem Krelfe vers
fagt man ſich jebe intereffante Unterhaltung. Die Liebenswür:
digkeit ber rauen entfchädigt uns aber dafür; fie haben das
Zalent, errathen zu laffen, was fie nicht Tagen, die rauen
find überall die weniger unterthänigen Sklaven; ihre Macht
ruht in ihrer Schwäche, fle haben den Beruf, die indioföneie
Ereiheit zu retten, wo bie Öffentliche fehlt. -
TIrotz des geheimen Einfluffes der Frauen ift Rußland noch
weit von der Freiheit entfernt. Morgen kann man in einer
Revolte bei Morden und Feuerſchein bis an die Grenze Sibi⸗
riens Freiheit rufen, eine verblendete grauſame Bevdikerung
kann ihren Herrn toͤdten, ſich gegen bie Thrannen empoͤren und
die Wolga mit Blut faͤrben, und Rußland wird darum doch
nicht frei fein, denn die Barbarei iſt ein Joch.
Das befte Mittel, die Menſchen zu emancipfren, ift, bie
Dienftbarkeit unmöglich zu machen, indem man in den ‚Herzen
der Nationen das Gefühl der Humanitaͤt entwidelt. Diefes
fehlt den Ruffen. Es wäre ein Werbrechen, jest ben Kuſſen,
gleichoiel von welchem Stande, liberale Anfichten mittheilen zu
wollen, doch allen, ohne Ausnahme, kann man Bumanität pres
digen, das ift Pflicht. .
Die ruſſiſche Ration hat noch keine Gerechtigkeit. Bum
Lobe des Kaiſers Nikolaus erzählte man mir von einem Proceß,
ben ein geringer Privatmann gegen cinen großen Herrn gewon⸗
nen babe. Diefes Lob bes Kaiſers ſchien mir eine Satire auf
die Geſellſchaft und bewies, daß dieſe Billigkeit nur eine Aus⸗
nahme in Rußland ifl. Ich wollte auch Niemandem rathen,
fi) darauf zu verlaffen. Gin anderes Factum, woraus man
keine günftige Schlupfolgerung für die ruſſiſche Gerichtspflege
sieben tann, iſt, daß man in Rußland, wenig Proceffe hat; Je⸗
ber weiß, wohin das führt; man wuͤrde vielleicht öfters Gerech⸗
tigkeit verlangen, wenn bie Richter billig wären. So zanft
und prügelt man fi) auch nicht gern auf der Straße; man
fürchtet Ketten und Kerker, welche meift beiden Parteien zuer⸗
fannt werben, Gott weiß auf wie lange.
Trotz des traurigen Bildes, welches ich von Rußland ent⸗
werfe, gibt es doch drei Dinge, welche die Reife dahin werth
find, nämlich die Newa in Peteröburg während ber Tage ohne
Nacht, der Kremitin zu Moskau bei SRondenfchein und ber Kai⸗
fer von Rußland ; diefe repräfentiren das pittoreske, das hiſtori⸗
fe und das potitifche Rußland.
Der Kalfer Alerander nannte fi einfl wegen feiner phi⸗
lanthropiſchen Anfichten „einen glüdtichen Zufall in ber ruffifchen-
Geſchichte“. Die Ruſſen loben vergebens die Auge Umfächt und
Mäpigung ihrer am Ruder der Staatsmafchine fiehenden Min
nee. Die Willkür herrſcht und der Kaifer gibt und läßt Geſetze
beſtehen, welche dem Kaiſer erlauben, die rechtmaͤßigen Kinder
eines rechtmaͤßig verheiratheten Mannes vater⸗ und namenlos
zu erklaͤren und nur mit Chiffern zu bezeichnen. Wie kann ich
es unterlaſſen, vor das Tribunal Europas einen Fuͤrſten zu fos
dern, welcher regieren mag, ohne dieſes Geſetz abzuſchaffen!
Sein Haß iſt unausloͤſchlich, und mit fo heftigem Haffen kann
man wol ein großer Herrſcher, aber nicht ein graßer Mann fein.
Der große Mann iſt gätig, der Politiker iſt rachſaͤchtig; man
reglert darch Nachſucht, man beiedrt bundk Wergebung. Das
{ft mein letzitet Wort über einen
urtpeilen wagt, wenn man bad Land Eennt, über welches ex zu
uegieren verdammt ift. Denn bie Menſchen find dort fo abhaͤu⸗
gig von ben Umftänden, daß man nicht weiß, wie body, noch
wie tief man fich verfirigen muß, um Rechenſchaft über bie
Thatſachen zu fobern.
8 gibt eigentlich kein ruſſiſches Wolf; es gibt nur einen
Kaiſer, welcher Leibeigene bat, und Höflinge, welche auch Leibe
eigene befigen. Das ift noch kein Volk. Die Mitteicaffe, weiche
im Bergleich mit ben andern fehr gering iſt, beſteht größten
theild aus Fremden; einige durch ihren Reichthum freigelaflene
Bauern und die Heinen Angeftellten beginnen indeflen die Mit⸗
teiclaffe zu vergrößern. Rußlands Zukunft hängt von dieſen
neuen Buͤrgern ab und ihr Urfprung ift fo verſchieden, daß fie
Saum in ihren Beftrebungen übereinftimmen können.
Man bemüht ſich jest, eine ruſſiſche Ration zu gründen,
doch ift die Aufgabe ſchwer für einen Mann. Das Üble ift
Leicht getan und wird nur fohwer wieder gut gemadt. Die
Berlegenbeiten der Unterbrüder entſchuidigen indeffen nicht bie
Unterdrückung, und wenn ber Verbrecher auch Mitleid einflößt,
— das Böfe ift immer zu beflagen, — fo babe ich doch mehr
Mitleid mit den Unterbrüdten.
Im Allgemeinen erſchienen mir die Ruſſen mit vielem Takt
begabt; fie find klug, aber nicht gefühivoll; Empfindlichkeit mit
yiel Haͤrte gepaart bildet den Grund ihres Charakters; Gitels
keit, ſtlapiſche Pfiffigkeit und ſarkaſtiſche Klugheit, das find bie
Hauptzuͤge ihres Verſtandes. Die Nationen haben immer gute
Gründe, um zu fein wie fie find, unb der beſte ift, daß fie
nicht anders fein Eönnen. Diefe Entſchuldigung haben indeffen
die Ruffen nicht; da fie ein nachahmendes Volk find, hätten fie
nur bad Gute andern Voͤlkern nachzuahmen gebraudt. Gie
könnten anders fein und beshalb iſt auch ihr Gouvernement fo
mistrauiſch und eiferſuͤchtig. Die Ruſſen haben von jeher bie
Furcht vor dem Tadel gehegt, da bei der dußern Sicherheit fie
- tm Stillen bes Selbftvertrauens ermangeln; nach außen Selbits
friebenheit, im Imnern eine aͤngſtliche Demuth. Ihre Eitel:
eit, weiche nie ſchiaͤft, ift immer im leibenden Zuſtande; auch
ermangeln bie Ruſſen aller Ginfachheit. Die Raivetät, jenes
Vergeiten vebnexifcher Borfihtsmaßregein, jene WBilligleit im
Urtheil, jene unmilllürliche Wahrheit des Ausdrucks, jenes Ge:
nlaffen feiner ſelbſt zur Ehre der Wahrheit befigen fie nicht.
in nachahmendes Bolt wird nie naiv fein, die Berechnung
wird immer die Aufrichtigkeit verbrängen.
In einem Lande, wo man von ber Wiege auf an Vers
flellung und an bie Ummege einer orientalifhen Politik gewöhnt
wird, muß ein natürliches Wefen felten fein; und wenn man
einem ſolchen begegnet, fühlt man fich doppelt angezogen. Ich
ſah in Rußland einige, welche fi de Druds, unter bem fie
ſtehen, fhämen; diefe Männer fühlen ih nur dein Weinde ge:
genüber frei. Sie führen Krieg im Kaulafus, um ſich auszu⸗
ruhen von dem Joche ihrer Heimat. Diefed traurige Leben flems
peit fie frühzeitig mit einer Schwermuth, weiche einen Contraſt
mit ihren milltatrifchen Gewohnheiten und der Sorgloſigkeit ih⸗
res Alters bübet. Die frühgeitigen Kalten ihrer Stirn yeugen
von tiefem Kummer und erregen Mitleid. Diefe jungen Leute
haben dem Orient feinen Ernſt und bee Imagination des Nor:
bens ihr träumerifches Wefen entliehen. &ie find fehr unglüd-
lich und fegr Liebenswürbig ; kein Bewohner anderer Länder
gleicht isnen. , !
Da indeß die Ruſſen Anmuth befisen, muͤſſen fie auch eine
Art von Raturel haben, welches ich bis jept noch nicht aus⸗
findig machen konnte. Kein Charakter ift fo ſchwer zu befinis
sen als der des Ruſſen.
Ohne Mittelalter, ohne alle Erinnerungen, ohne Katholi⸗
cismus, ohne Rütterthbum im Bintergrund, ohne Achtung für
Das gegebene Wort, geſchmeidig wie Sriechen des Südens, hoͤf⸗
lc in ben Formen wie Chineſen, grob ober roh wie Kalmaden,
ſchmutzig wie Sappländer, ſchoͤn wie Sngel, unwiſſend wie Wilde
(mit Ausaapme iniger Frauen und einiger MWiyiematen), pfiffig
Fuͤrſten, ben man nicht zu der | wie Juden, intriguant wie Breigelaffene, fanft und ernit in
ihrem Meilen wie die Drientaten, granfem In ihren Gefühlen
wie Barbaren, ſarkaſtiſch und verachtend aus Werzweiflung,
moquant, zufolge ihres Charakters und im Gefühl ihrer Infe⸗
riorität, leichtfertig,, jedoch nur dem äußern Mufcheine nad,
find die Ruffen fehe zu ernſten Geſchaͤften geeignet; fie haben
alle den nöthigen Berſtand, um fi; einen gewiſſen Takt anzu⸗
eignen, aber keiner ift großartig genug, um fi über bie ges
wöhnliche Klugbeit zu erheben; fie haben ınie auch einen wah«
ren Widerwillen eingefiößt gegen biefe im Verkehr mit ihnen
fo nothwendige Eigenſchaft. Mit ihrer ewigen Gelbfibeobadh-
tung erfcheinen fie mir als bie beflagungsruäsbigfien Menfchen
der Erbe. Dex Takt, jene Policei dar ation, iſt eine
traurige Cigenſchaft, wodurch man immer bie eigene Anſicht ber
andern opfert; fie if eins negative Cigenſchaft, welche manche
pofitive ausfchließtz fie if der Broberwerb der Höflinge. Die
Ruſſen find ganz Takt; ber Takt ift eine maslirte Schmeiche⸗
tei, jene hoͤchſte Zugend der &ubalternen, weiche ben Feind,
d. 9. ben Deren fo lange ehren, als fie ihn nicht nieberwerfen
und mit Fuͤßen treten bürfen; ber Tat ift immer wit ciniger
Eift gepaart. Zufolge biefes Pirstentalents find die Ruffen nicht
zu durchſchauen; es ift wahr, man fieht immer, daß fie etwas
verbergen, aber man weiß nicht was, und das genügt ihnen.
Sie würden fehr gefährlich fein, wenn fie babin gelangten, ihre
Pfiffigkeit zu verbällen. Einige haben es ſchon fo weit gebracht;
biefe leben in ihrem Sande am hoͤchſten, fowot durch ihren Po:
ſten als durch bie Art, wie fie ihn beiteiden. Dieſe konnte ich
nur aus der Srinnerung beurtheilen, ihre Gegenwart begauberte
ai Wozu aber alle dieſe Umſtaͤnde, wozu dieſe ewige Ber:
ellung
Im Herzen bes ruffifchen Wolfe gährt ein Nbermächtiger,
ungezügelter Ehrgeiz, ein Ehrgeiz, wie er nur in der Seele ber
Unterbrädten feimen, mie er fi nur vom Unglüd einer gan:
en Nation nähren kann. Diefe durch Entbehrungen gereizte
atton büßt im voraus durch bie erniebrigende Unterwürfigkeit
die Hoffnung, einft bei Andern Tyrannei auszuübens bie Er:
wartung von Ruhm unb Reichthum tröften fie dr bie Schmady,
die fie erdulden, und um ſich von ben Opfern feiner öffentlichen
und perfönlicyen Freiheit rein zu wafchen, träumt der Enicende
Sklave von der Beherrſchung der Wett.
Im Kaifer Nikolaus verehrt man nicht den Menfchen, fon
dern den ehrgeizigen Herrn einer noch ehrgeizigern Nation. Die
Leidenſchaften der Ruſſen find nach denen ber alten Wölker zu:
geſchnitten, Alles erinnert bei ihnen an das alte Zeflament, ihre
Doffnungen und ihre Qualen find fo groß wie ihr Neid.
(Der Beſchluß folgt.)
Literarifhe Anzeige
Preisherabsetzung.
Gedichte
Hoffmann von Ballersichen.
wei Bändchen.
Ge. 12. 1834. Geh. 3 Thlir.
Herabgefehter Preis 1 The.
Die von bem Dichter im Einverſtaͤndniß mit mie veran-
ftaltete neue Ausgabe feiner Gedichte, weiche im SWerlage ber
Weidmann’ihen Buchhandlung in Leipzig erfchien, verans
laßt mich obige Sommiung im Preiſe herabzufegen.
„ tm December .
= x, Burdbant.
Berantwortliher Herausgeber: Heinrich Broddaus. — Druck und Werlag von $. U. Brodhaus in Leipgig-
Bli
literarifche
aͤtt er
für
Unterhaltung.
Breitag,
Hiftorifches Taſchenbuch. Herausgegeben von Friedrich
von Raumer. Sol
Leipzig, Brodhaus. 1844. 8. 2 Zhlr. 15 Nee. .
Die Überzeugung, daß es neben der Schule und über!
diefelbe hinaus noch befonderer Mittel zur Erziehung und
Fortbildung beduͤrfe, iſt bereits fo allgemein und feſtbe⸗
gruͤndet, daß man nicht mehr im Unterfuhhung zieht, ob
fie eine voͤllig richtige fei, fondem nur über jene Mittel
nachdenkt, durch welche der beabfichtigte Zweck am beiten
und ficherften erreicht werden koͤnne. Hat ja fogar in der
jüngften Zeit die kirchlich⸗ theologiſche Welt die Trage wies
derum in Anregung gebracht, ob es nicht rathſam oder:
vielmehr nothwendig erfcheine, für eine gewiffe Alterscläffe
niederer Stände die Schule In der Kirche gewiffermaßen
noch fortbeftehen zu laffen; die Sache ift allerdings nicht:
ganz neu, indem die proteflantifche Kirche früher fchon ein
derartiges Fortbildungselement befaß, aber wegen mangel-
hafter Einrichtung und Beraltung feine Auflöfung nicht‘
aufzuhalten vermochte. Dach dies nur beiläufig. So viel
ift außer Zweifel: in der Schule wird nicht Alles gelehrt
und gelernt, was man. braudyt oder gern wiſſen möchte,
und mit dem Austritte aus derfelben, welchen Namen fie
auch führen möge, ift beimeltem nod nicht Alles abge:
macht. In England und Frankreich, wo die Schulen
theils mangelhaft theils im Verhaͤltniß zur Bevoͤlkerung
in zu geringer Anzahl vorhanden ſind, wird dieſe Mangel⸗
haftigkeit nicht nur durch öffentliche Vorleſungen und Zeit⸗
ſchriften ſondern auch durch Volksbuͤcher, die beſonders
techniſche und politiſche Aufklaͤrung bezwecken, zum Theil.
wenigſtens aufgehoben; und es haben in dieſer Beziehung
Englaͤnder und Franzoſen ſich einen Takt im Laufe der
Zeit angeeignet, der den Deutſchen im Allgemeinen bis
jetzt abgeht, was gewiß ſeinen weſentlichen Grund darin
hat, daß die ſchriftſtelleriſche Ubung in dieſem Fache erſt
von jungem Datum iſt und das Beduͤrfniß in geringerm
Grade gefuͤhlt wird.
find unlengbar beſſer geſchult als Englaͤnder und Franzo⸗
fen, und ihre Schulliteratut iſt ungleich voluminoͤſer und
zuedimäßiger als Die der beiden Nationen.
liche Leben des Deutſchen bewegt ſich eine geraume Zeit
hindurch um die Schule und Die Theorie hat in der That
eimen bewunderungewurdigen Gcharffinn und Fleiß ent:
wickelt, um Materialien und Methoden ausfindig zu ma=
Dean die Deutfdyen werden und
Das jugend⸗
hen, welche bie ſittliche und intellectuelle Erziehung an
ein erwuͤnſchtes Ziel zu fuͤhren geeignet zu ſein ſcheinen.
Allein gerade dieſer Schuleifer, fo ſehr er auch in ber
neueften Zeit felbft von andern Nationen als mufterhaft
und nachahmungswerth gepriefen worden iſt, hat dem deut⸗
Then Volke den Vorwurf der Pedanterle, der zu großen
Verehrung eines angefchuften Schematismus und der Un
behuͤlflichkeit im praktiſchen Leben von denfelben Tobpreis
fenden Nationen zugezogen. Wir können hier keine Ber:
antaffung nehmen, zu unterſuchen, wiefern jener Vorwurf
egründet oder ungegrundet fi. Wir müflen aber die
Enge für eine offene erklären: welche Mittel und Metho⸗
den find. erfoderlidy und zweckdientich, daß neben der. Schule
und ‚über diefelbe hinaus gewirkt werden koͤnne? d. h.
welche Wege find einzufchlagen, damit Das, was bie
Scyule lehrt, vervoliftändigt und Das, was in der Schufe
angelernt worden ift, nicht nur erhalten, fondern auch vers
vollfommnet, mithin der erfoderliche Umfang der Bildung
erreicht werde? Die Mittel find im Allgemeinen leicht zu
erkennen: fie beftehen aus den verfchtedenen Materien und
Wiffenfhaften, wodurch überhaupt eine fittlihe und Intels
lectuelle Erziehung zu gewinnen iſt. Dabei komme «6
aber darauf an, daß die richtige Methode ausfindig ges
macht und gewählt werde, wodurch jene Erziehungs: utid
-Sortbildungsmittel in die Kreife des Volks gebracht wer⸗
den, auf melche gewirkt werden fol. Da aber die Die:
thode die Lebensfrage eines jeden Unterrichts iſt, To liegt
e8 auf der Hand, daß es 'in der That eine gleichguͤl
Sache fein koͤnne, welcher Weg zu jenem Bildungsziele
eingeſchlagen werde. Die bier in Betracht kommende Me:
thode kann auf dreierlei Weife ihren Zweck zu erreichen ſu⸗
chen: durch befondere Werke, durch Zeitfhriften und durch
öffentliche Vorleſungen. Diefe legtern enthalten aber’ je
denfalls eine Bildungskraft, die wir gewiß in Deutſchland
nicht nur zu wenig fchägen, fondern auch zu wenig‘ an⸗
wenden. Man folte keine Gelegenheit verabfäumen, diefe
Kraft zu empfehlen, auf ihre Stärke hinzuweiſen und aus:
einanderzufegen, was bei zweckmaͤßiger Wahl des Vortrags⸗
gegenſtandes, bei gut gewaͤhlter Methode und durch eine
befaͤhigte Perſoͤnlichkeit für eine Wirkung erzeugt werden
köͤnne, die Empfaͤnglichkeit des Gemuͤths und des Gtifies
iſt ungleich größer für das lebendige Wort als für das
Buch, dem die einfchmeicheinde Stimme und ſelbſt der
“
d * %
Blick des Auges fehlt. Der Raum erlaubt uns übrigens
nicht, den Gegenſtand, den wir im Allgemeinen jegt zur
Sprache gebracht haben, weiter zu verfolgen.
Zu den Bildungsmaterien aber, die auch über bie
Schule hinaus in jeden zu weiterer Erziehung . befähigten
Kreiſe Ihren Segen zu verbreiten im Stande find, gehört
nunmbeſtreitbar die Gefchichte, und Schriften, die durch ihre
Zweckmaͤßigkeit einer ſolchen Aufgabe gewachfen find, vers
dienen alle Anerfennung und moͤglichſte Beförderung.
Wer über die Vergangenheit in edler und belehrender
Weiſe aufllärt, erwirbt ſich ein Werdienft um die Gegen:
wart und verdient ihren Dank. Unter den wiſſenſchaft⸗
lichen Methoden, Geſchichtskenntniſſe unter gebildeten Volke:
"elaffen zu verbreiten, nimmt das „Hiſtoriſche Taſchen⸗
buch” fchon feit einer Reihe von Fahren einen fehr ehren:
wertben Pas ein, ſowol rüdfichtlih der Wahl der bi:
ſtoriſchen Gegenftände, als ruͤckſichtlich ihrer Auffaffungss
weife und ſprachlichen Darſtellung. Und fo oft wie fchon
in dem alle gemwefen find, über feine einzelnen Jahr:
gänge zu berichten, wir haben uns jedesmal dieſes Auf:
"tags mit befonderm Vergnügen entledigen können. Sehen
wir jest, was uns für das Jahr 1844 geboten wird.
Es ift Folgendes:
1) Der Freiherr Hand Katzianer im Tuͤrkenkrieg. Bon Jo⸗
bannes Boigt
e
N Die legten 3 ten des Zohanniterorbens. Bon Alfred
Reumont.
3) Goethes Mutter. Bon Kari Georg Jacob.
4) Leibnig in feinem Werhältnig zur poſitiven Theologie. Atlas
demiſche Rebe, am Leibnig’fchen Gebächtnißtage ben 6. Juli
1643 vorgetragen von Auguft Boͤckh.
-5) Die Gründimg der Univerfität Königsberg und beren Saͤcu⸗
Larfeler in ten Jahren 1644 und 1744. Gin Beitrag zur be:
vorftehenden dritten Gäcularfeier. Bon Eduard Gervais.
6) Prinz Leopold von Braunfhweig. Bon G. W. Keßler.
Buvörderft fei nur im Allgemeinen bemerkt, daß Nr. I
die ausführlichfie unter den gelieferten Arbeiten iſt, und
daß uns Me. 2, 3 und 5 am meilten angefprochen haben.
Das Leben des Kriegshelden Kaglaner, den uns Hr. Voigt
zum Theil nach wenig befannten Schriften und ſelbſt nad)
Urkunden im koͤnigsberger Archive fchildert, fällt in einen
Abſchnitt der Geſchichte Ungarns, der ſchweres Verderben
uͤber dieſes ſchoͤne Land brachte. Der König Ludwig, der
feste König Ungarns aus dem Haufe der Jagellonen, war
in der unglüdlichen Schlaht bei Mohacz 1526 gefallen.
Die Erledigung des Throns vergrößerte die ohnehin ſchon
eingerifiene Verwirrung und brachte die von außen dro⸗
henden Gefahren näher als je. Das benachbarte ‚Reich
der Türken ftand jest unter dem Sultan. Soliman II
am Benith feinee Macht; des Sultans Eroberungsluft
Erbanfprüche und geſchickt ge⸗
war auf Ungarn gerichtet.
leitete Unterhandlungen brachten den Habsburger Ferdi⸗
sand L (1526 — 63) auf den Thron der Magyaren, wie
kurz zuvor auf den der Böhmen. Allein mit Hälfe einer:
mächtigen Partei hatte der Fuͤrſt von Siebenbürgen Ba:
zolia gleichfalls die Eönigliche Würde von Ungarn erlangt,
Und biefer warf ſich dem Sultan in die Arme, um ſich
gegen Ferdinand behaupten zu Finnen. Innere Verwir⸗
aung, Krieg und Verwuͤſtung bes Landes mußten die noth⸗
: 1409 Yo:
wenbigen Folgen davon fein. Die beutfche Unterfiügung
war bei den damaligen Meichözufländen und ben politi-
ſchen Berwidelungn Karl's V. nur gering und langfam.
Da fid) auf diefe Weile Kerdinand größtentheils auf feine
Öftreichifchen Etblandbe und auf feine Anhaͤnger In Ungam
befchränft fah, fo mußte er nicht nur eine Reihe von
Jahren ſchwere Demüthigungen von Soliman ruhig bin:
nehmen, fondern beinahe ganz feinen Gegnern das Feld
räumen. Zu den Kriegsmaͤnnern, die mit aufopfernder
Zreue und mit Muth Ferdinand's Sache führten, gehört
der Freiherr Hans Katzianer. Über feine Abflammung, feis
nen Wohnfig und fein erſtes Auftreten theilen wir unfern
Lefern nach der Erzählung des Verf. Folgendes mit:
Das Gefchlecht der Kasianer rüdt in feinem Alter, foweit
es zu erfolgen iſt, bis über bie Mitte des 13. Jahrhunderts
hinauf. Wo e8 damals feinen Sig gehabt, ift unbekannt. Wir
nben aber, das es um biefe Zeit in der Umgegenb des Stifts
Dverberg Thon das Vogtrecht übte. Im. 3. 1254 rſcheint das
edle Rittergeſchlecht ber Katztianer ſchon hochgeachtet umb weit
verzweigt. Es war im legten Jahrzehnd bed 15. oder in den
erften Jahren des 16. Jahrhunderts, ald Hans Kapianer auf
der Burg Katzenſtein (in Krain) geboren ward. Wie fein Be:
ter gebeißen, wie lange ex ſich ale Knabe mb Juͤngling in ben
weiten fchönen Luſtgaͤrten, bie ſeit alter Zeit bie urwäterlide
Burg umgaben, berumgetummelt und in Luft und Freude mit
feinem Bruder Franz, der nachmals Bifhof von Laibach wart,
fi) mit Bogen und Geſchoß geübt, wie er feine erſte Bildung
gewonnen und bie Luft zum Kriegswerke in ihm erweckt worben
fein mag, das Alles hat bie Geſchichte, die feine Jugendzeit
nicht beachtete und feine einftige Bebeutung nicht ahnte, unbe
merft gelaffen. Aber der Menſch fleht da, wo er geboren wir
und fein geiftiges Wefen fi) zuerft entwidelt und heranreift,
I undewußt mit Natur und Schickſal feines Landes in fteter in⸗
niger Wahlverwandtſchaft; benn Menſchen erziehen nicht Men⸗
fen allein: auch Berg und That, Wald und Flachland, Stroͤ⸗
me und Meere, Klima und Natur in ihrem gefammten groß⸗
artigen Wechfel, und nicht minder die Zeit im Sturme ober im
friedlichen Verlaufe ihrer Creigniffe bilden und beſtimmen den
Menſchen zu Dem, was er wird und was er fein fol nad
Kraft des Geiſtes, der in ihm lebt. In ſolch buntem Miedhfel
der Natur und der Schickſale hatte auch Hans Katzianer feine
Jugendzeit verlebt. Auch bie Greigniffe der Zeit hatten das
Land und die Burg, in denen Dans Katzianer feine Jugendjahre
verlebte, mit ihren Stürmen nicht unberührt gelaffen. Gchon
als Kind und Züngling hatte er viel von den biutigen Raub⸗
und Verbesrungslriegen ber Tuͤrken gehört; er hatte feibft fchon
ben ſchreckhaften Chriſtenfeind in ber Nähe feiner Burg gefehen.
Wer will es fagen, ob nicht bamals fchon unter den angfivolien
Stuͤrmen ber Zeit in Hans Kayianer, dem kraft: und mutk-
vollen Zünglinge, der Gedanke erwachte und der Entſchluß zur
Reife kam, fein Schwert einft um Schiem ber Kirche und bei
Glaubens und zum Schute feines Vaterlandes gegen ben Hut:
gierigen Seind der Chriſtenheit zu wenden? Es war eine ernfe,
ſchwerbeſorgliche Zeit, in weldher Hana Kagianer feine Jugend⸗
jahre auf feiner Burg verlebte. Aber die gefahrvollſten Zage
fanden bevor, ats er in die etſten Eräftigften Wanne:
jahre uͤbertrat.
Und ale das Fahr 1527 große Rüfkungen von Seiten
Ferdinand's gegen die Tuͤrden machen fab „trat auch der
Freiherr Johann Katzianer zum erſten Mal auf bie Welt:
bühne. Er hatte dem Könige Ferdinand das Gtreimelf
aus Krain zugeführt.” Ob ſich Rapianer ſchon bei an:
bern Gelegenheiten ald Krieger ausgezeichnet mad nuf weis
che Weiſe er ſich im Kriegsweſen ausgebildet hatte, Demon
‚haben wir keine Kunde. Genug wir erſahren, daß er fü
— — — U 3%
ad | ‚üefhguge ala cin Achtiger Acegaa i
Per en ie & gewanu —** Kurs
am und fen Kriegsruhin verbreitete ſich über Die Gren⸗
- zen feines Vaterlandes hinaus. Selbſt auswärtige Fürs
ſten wurben feine Sreunde, wie aus der Theilnahme und
der eifrigen Voerwendung deutlich genug heworgeht, Die fie
ibm ſpaͤter, als ihn ‚die Ungnade Ferdinand'ée verfolgte,
angedeihen ließen. Denn ein Feldzug gegen bie Türken
unter dem Feldhauptmann Katzianer unternommen (1537)
Mef fo unglädtih. ab, Daß die nme faft gänzlich zu‘
runde ging. Die Schuid dieſer Kataſtrophe warb | die Gnade feines Königs entriß und ihn auf dis fhläpffige
den Feldhauptmann geworfen. Berdinand zog ihn yur
Rechenſchaft; die Vertheidigung ſowol fchrfftlid, al$ münds
Der erzumte König ließ ihn:
Lich geführt genügte nicht.
Deshalb gefangen ſetzen, und nergebend waren die Ders
wendungen theils von einflußreichen Verwandten theile
felbſt von auswärtigen Kürften für feine Befreiung Er
befreite ſich endlich felbft durch Liſt aus feiner Haft, als
ihn ein Todesurtheil zu bedrohen ſchien. est dachte Ka:
gianer auf Race an Kerdinand; er verband ſich mit Fer⸗
Dinand’s Feinden in Ungarn umd Kroatien. Bon einem
ſo angefehenen und entfhloffenen Feinde hatte der König
viel zu fürchten, um fo mehr, da der Bruch zwiſchen
Beiden unbeilbar geworden war. Der Graf Nikolaus
Zriny ermordete auf dem Schloffe Kaftbanowig den eben:
fo gehaßten als gefürchteten Gegner. Daß der König um
Katzianer's Ermordung gewußt, ja diefelbe wol gar befohs
Sen babe, dies läßt ſich nicht nur nach fhriftlihen Bes
weifen behaupten, fondern auch aus dem Benehmen ers
Lennen, welches Ferdinand gegen den Mörder und befien
Bruder an den Tag legte. Nur mit Mühe erhielten
Katzlaner's Kinder und Witwe die bereits eingezogenen
väterlihen Guͤter in Krain und Kämten zurüd, ein Be -
weis, wie heftig ber König uͤber feinen ehemaligen Feld:
hauptmann erzlmt gewefen iſt und welche Schuld er ihm
beigemefien haben muß. Übrigens trifft Katzianer die Ans
Mage, die oben erwähnte Niederlage herbeigeführt zu ha⸗
ben, nad) mehren Zeugniſſen aus jener Zeit hoͤchſt wahr⸗
fcheinlid mit Recht; aber ein Verrath tft bi6 zur Evidenz
weder erwieſen noch vielleicht auch überhaupt zu erweiſen
möglih: Mangel an Gubordinatioen, Unvollkommenheit
der Verpflegungsadminiftration, Unordnung in Ungarns ins
nern Verhaͤltniſſen, Überlegenheit eines kühnen und fanas
tifhen Feindes und Imtriguenfpiel find Erfcheinungen, bie
ſich nicht weglengnen laſſen, fobaß an einen verrätherifchen
Treubruch gar nicht gedacht zu werden braucht, um das
gaͤnzliche Mislingen des Feldzugs zu erklären. Allein Das
mußte ibm boch angerechnet werden, worauf auch feine
Anklaͤger hauptſaͤchlich fußten, daß er feine Truppen im
Augmbiide der größten Gefahr, mo feine Gegenwart allein
vielleicht nach Im Stande geweſen wäre, das Schlimmſte
abzuwehren, heimlich im Stiche lieh. Vielleicht hat der
ungariihe Geſchichtſchreiber Iſthuanfi fo Unrecht nicht,
wenn er ihm bei dieſer Gelegenheit vecordia und amentia
vorwirft. War nun aber auch Katzianer kein Mann er:
ſter Größe feiner Zeig Überhaupt, fo nimmt er doch unter
dee noch Heinen Anzahl ritterlicher Charaktere von altem
PR
‚fein Schwert gewibmet, für ihn unter jahrelangen
"Anbenten, vielfach uni den Verhaͤleniffen desto
—RX
Ungarns zu den Türken und zu ftreich verflochten, verdiene
der Nachwelt aufbewahrt zu werden; er war ein Ma
ber feit feiner Jugend Ferdinqnd flets in treufter Anbing keit
iegs
mit Opfern von Gut und Blut fein Leben aufs Epic gefegt
und für den Sieg der Rechte feines Königs in Ungarn mit eis
ner fo flandhaft ausharrenden Kraft und einem fo rittexlichen
Muthe gekaͤmpft hatte, baf feines Namens überall, wo er auch
nur genannt werden mochte, mit hoher Achtung und einbelligem
Ruhme gedacht wurde, bis ber Unftern feines Nisgeſchicks
Bahn hintrieb, auf der er ſeinen Untergang fand.
Schließlich bemerken wir nur noch, daß die Darſtel⸗
lungsweiſe des Verf. der eben beſprochenen Biographie
ganz als dieſelbe ſich zeigt, wie ſie der wiſſenſchaftlichen
Welt ſchon laͤngſt aus verſchiedenen Schriftwerken befannt
iſt: Einfachheit, Klarheit der Sprache und Gewandtheit
in der Benutzung von Quellen und Huͤlfsmitteln legen
fi auch bei dieſer Gelegenheit wieder an den Tag; wenn
wie bier und da eine etwas größere Gedrängtheit der Er⸗
zählung und eine befebtere Ausdrucksweiſe wünfchen moͤch⸗
ten, fo wollen wir darin nur eine individuelle Anficht,
Sein unbedingt maßgebended Urtheil erkennen.
(Der Beſchluß folgt.)
La Russie en 1839 par le marquis de Custine.
Vier Bände,
(Beſchluß aus Nr. ME.)
Hier iſt Alles grenzenlos, Schmerzen wie Belohnungen,
Opfer wie Hoffnungen. In Europa fieht Rußland feine ſichere
Beute, die Geſchichte Polens Toll wieder von neuem großartig
beginnen. „@uropa”, Tagen fie, „ſchwaͤcht ſich durch feinen
Liberalismus, während wir mächtig bleiben, weil wir nicht frei
find. Bebulben wir uns unter dem Zoch, Andere follen für
unfere Schmach büßen.” So duimärifcy diefe meine Behaup⸗
tung Ellingen mag, fo werben Ale, welche den Gang der
enropäifchen Angelegenheiten in ben legten zwanzig Jahren beobach⸗
tet haben und. einigermaßen in die Geheimniffe der Sabinete eins
geweiht find, mir beipflichten; dies ift der Schluͤſſet zu ber
großen Wichtigkeit, weiche ernfte Männer barein ſeten, von Krems
den nur bon der guten Geite gefehen zu twerben.
‚Die Entfernung, welche Rußland vom Decibent trennt, hat
bis jegt ben wahren Stand ber Dinge gut verhällt. Die gries
chiſche Politik ſcheut die Wahrheit, weil fie fo gut bie ige bes
nugen Tann. Was mich aber Wunder nimmt, ift, daß fich die⸗
ſes Regiment fo lange erhält. Ieht begreife ich die Wichtigkeit
einer Meinung, eines ſarkaſtiſchen Wortes, eines MWriefes, eines
Wortes, eines Lächeln, wie viel mehe die eines Wuchs in ben
Augen ber durch die Leichtgläubigkeit des Volks und durch die Ges
faͤlligkeit der Fremden begünftigten Regierung; ein wahres Wort in
Rußland kann ber Funke fein, weicher in ein Pulverfaß Fällt.
Was verfiglägt den in Rußland herrſchenden Männern bie
Blaͤſſe und das Biend ber Faiferlichen Solbaten! Diefe lebendi⸗
gen Gelpenfler haben bie ſchoͤnſte Uniform von Guropa. Was
verfchlägt ihnen der grobe Kittel, in welchen fih im Innern
ihres Cantonnements biefe vergoideten Phantome huͤllen! Wenn
fe nur arm und ſchmutzig im Geheimen find, und glängen,
wenn fie fidh zeigen, dann verlangt man nichts und gibt ihnen
nichts. Gin beapirtes Elend iſt ber Reichthum ber Büufien;
ihnen gilt ber Schein Alles, und bei ihnen trägt ber
Shen
‚mehr als bei Andern. Wer einen Zipfel bes Schleiers hebt, iſt
auf immer in Petersburg verloren. Das fociale Leben dieſes
dandes iſt eine ſtete Verſchwoͤrung gegen bie Wahrheit. Mer
-
a0
> wicht tönen nähe, it ais Berrachev; über eine Badcammabe
Inden, eine Usmvabupeit witziegen, eine. yolttifce Stubummebige
Zeit entiaxven, iſt ein Attentat gegen bie des Staats
und des Herrfchers, und zieht das Schickſal eines Revolutionnaire, ,
eines des der Drbnumg, eines Conſpirators, eines Majeſtaͤts⸗
ae hers na . über ſolche Em findtichkeit fann man
fi
nicht Lachen, ade kleinliche Wachfamkeit eines Gouvernements,
im Einverflaͤndniß mit der Eitelkeit eines Volks, wird furcht⸗
bar, nicht laͤcheriich. Man muß fi) zu allen Arten von Bor⸗
de verzeibt, Peine Art von Widerſtand verachtet, und bie‘
eine Yflicht Hält. Diefer Dann, ober vietnrehe biefe '
Bcake Drich bequemen, unter einem Deren, welcher Feinem
ache für
onffleirte Regierung , wird B ung für Apo Mitde
a toerge en, Sumanirdt eeheee —— Abtung
egen feine eigene Majeſtaͤt oder vielmehr gegen die eigene Goͤtt⸗
Derr genug, um erklären zu duͤr⸗
keit erachten: er ift nicht
fen, daß er nicht mehr angebetet fein wolle.
Die vuffifce Gioitifation ift no fo neh am ihrer Ent: | feeit
hung, daß fie der Barbarei giemlich glei; fommt. Rußland
Be
ift
@ebanten, fondern im Krieg, d. h. in Eift und Grauſamkeit.
mn 0 CEO U — — iu — mn GE GE —
Kacta find der Rohſtoff jeder Erzählung und Facta were
den in Petersburg als nichts gerechnet, wo bie Zukunft wie bie
Vergangenheit und Gegenwart dem ‚Herrn zur Dispofttion ge⸗
ftent if. Die Richtung des Verſtandes, die Leitung bes Urs
theils, die freie Anficht gehört allein dem
land ift die Gefchicdhte ein Domaingut ber Krone, fie tft ihr
moralifches Eigenthum, wie Menfchen und Land ihr materielles
Eigenthum find; man reiht fie mit ben kaiſerlichen Schägen in
der Schagfammer und zeigt nur, was gefehen werden foll. Die
Erinnerung der Ereigniſſe des vergangenen Tages iſt kaiferli⸗
ches But; er verändert nad Gutduͤnken die Annalen feines Lan⸗
des und theitt täglich feinem Wolke biftorifhe Wahrheiten aus,
welche mit den Fictionen des Augenblids übereinftimmend find.
So wurden Winine und Pojersti, die feit 200 Jahren vergeffes
nen Heldin, ausgegraben, als Napoleon in Rußland einmars
ſchirte. In diefem Augenblidde erlaubte das Gouvernement den
Enthuſiasmus.
Diefe außerordentliche Gewalt ſchadet indeß ſich ſelbſt;
Rußland wird ſie nicht immer ertragen. In der Armee keimt
ein Geiſt der Empoͤrung. Ich ſage wie der Kaiſer: die Rufſen
ſiad zu viel gereiſt, die Nation iſt wißbegierig geworden; die
Douane kann nicht Beſchlag auf Gedanken legen, und Gedanken
fuͤhren die Veraͤnderung der Welt herbei.
Aus allem Dieſen gebt hervor, daß bie von Ruſſen ertraͤumte
große Zukunft nicht von ihnen felbft abhängt. Wenn bie Leis
denihaften im Occident ſich beruhigen, ‚wenn zwiſchen Unter:
thanen und Regierung Friede geftiftet wird, dann werben bie
Doffnungen der Sklaven eine Shimäre.
Man bat mich in Rußland als Fremden oder vielmehr als
ſchriftſtellernden Fremden fehe gut aufgenommen; man bat mid)
mit Hoͤflichkeitsbezeigungen überfchüttet, doch hat man es bei
Berfprechungen beivenden laflenz Niemand verichaffte mir vie
Möglichkeit, den Stand der Dinge auf den Grund gu erkennen,
XX u — — —
- md es blieben mir eine Menge Geheimniſſe uneriloffen. Gins
beſonders quält mich, das ift der geringe Einfluß der Religion.
Trotz ber Unterwürfigleit der griechifchen Kirche könnte fie doch
einige moralifche Autorität über das Voik ausüben, und fie übt
keine. Woher ſtammt diefe gänzliche Bedeutungsloſigkeit einer
Kirche, welche Alles zu begänftigen ſcheint? Iſt es eine Eigen⸗
thuͤmlichkeit der griechifchen Religion, fi immer nur mit den
Außen Beweifen der Achtung zu beanügen? Sollte diefes übers
all das Refultat fein, wenn bie geifttiche Macht einer abfoluten
welttichen untergeorbuet iſt? Ich babe in Rußland eine chriſt⸗
liche Kirche geichen, die Niemand angreift, die Jedermann ehrt,
wenigſtens dem aͤußern Scheine nach, und body übt biefe Kirche
keine Gewalt über die Herzen qus, fie macht nur Heuchler und.
eine Geſellſchaft Eroberer, feine Kraft Liegt nicht in dem’
Herrſcher. In Ruß⸗
VMernaudea. a Biken, wo bie: |
fe andh wit verentweettidhs aber u a a
den Priefler in Wollgiehung feines MBeris umserftäg,
die Religionslehre weber durch
arbeiten, kann man der
p noch in werden
——— nicht Talent und Kraft * bat, durch Gedan⸗
u fiegen. "
Das wefttiihe Europa weiß nicht, wie viel rellgidſe Sn
toleranz in ber zuffiichen Politit enthatten Ik. Dex Guttus ie
vereinigten Griechen ift aufgehoben worden,
Bor einigen Jahren ſchrieb ein geiſtreicher Mann, ver
allgemein in Moskau geachtet, edel von Beburt und von Cha⸗
rakter, body ungluͤckt eiſe von der Liebe zur Wahrheit be—
war, in einem Bache, : gebrudt wurde daß die
katholiſche Religion der Entwickelung bed Geifteh und ber Rnfe
günftiger fei als die ruſſiſch⸗ griechiſche Kirche. Gr ſuchte dan
zuthun, baß fo mandyer Fehler der Nation, und unter andern
ber leichte Lebenswandel der Frauen, ans Mangel eines wahren
religidfen Unterrichts entkänden. Dieſes der Cenſur durch Bun:
der ober Lift entgangene Buch machte in Petersburg und Mit
kau viel Auffehen, und man erwartete bie ſchreckuchſte GStreſe
für den unglüdlihen Schriftſteller; man war auf Knute, Gi
rien, Bergwerke, Beftung, auf alles Mögliche gefaßt; doch der
Richterfpruch ließ ſich lange erwarten, als der Kaifer endlich
ertlaͤrte, daß kein Grund zur Strafe vorhanden fei, kein Ber
ee exiſtire, fondern zur ein Wahnwigiger, welcher da
zten überliefert werden muͤſſe.
Diefes Urtheit wurde auch fogleich vollzogen und zwar
auf eine fo ftrenge Welle, daß der. Arme nahe daran war, dm
urtheileſpruch des Ghefs der Kirche zu rechtfertigen; jetzt jmer
felt er ſelbſt an feinem Verſtand und erklaͤrt ſich für wahnwign.
In Rußland iſt der Zabel des Herrſchers, was im Mittelalis
die päpftliche Grcommunication war.
In Rußland ift das Leben ebenfo traurig wie es in Is:
daluſien ſchoͤn und heiter ifts das ruſſiſche Volk ift todeenfil,
das fpanifche voller Erben. In Spanien tft der Mangel einer
politiigen Freiheit durch bie perlönliche Unabhängigkeit aufge
wogen, während in Rußlanb bie eine fo wenig gelannt wid
als die andere. Der Spanier lebt von Liebe, der Ruffe vor
Berechnung; der Spanier erzählt Alles, und wenn er nichts zu
erzählen weiß, erfindet er. Der Ruſſe verbirgt Alles, und wenn
“er nichts zu verbergen bat, ſchweigt er aus Berechmung, ans
Gewohnheit, um bisczet zu feinen. In Spanien gibt es Rn
ber, body man raubt nur auf der Landſtraße; die Landfrafen
in Rußland find ficher, aber man wird in den Haͤuſern beflck:
len; Spanien ift voller @rinnerungen und Ruinen aus vergan⸗
genen. Jahrhunderten, Rußland flammt von geſtern; Spann
ift veih an Bergen, weiche bei jedem Schritie des Reiſenden
neue kandſchaften bilden, Rußland bat nur eine und diefelk
Landſchaft von einem Ende sum andern. Die Gonne erlenchttt
Sevilla und gibt der Halbinfel Erben; ein Nebel verfchleiert die
umgebung von ‚Petersburg, ſelbſt an den ſchoͤnſten Sommen
abenden; bie beiden Bänder find die vollkommenſten Gegenfätt;
ed waltet zwiſchen ihnen ber. Unterſchied wie zwiſchen Tag mb
‚Naht, Feuer und Eis, Süden und Norden.
Man muß in biefer zuhelofen Einfamkeit, in diefem Ge
fängniß ohne Mußeftunden, welches man Rußland nennt, ge |
iebt haben, um die Freiheit in andern europaͤiſchen Ländern,
"unter weicher Form fte ſich gibt, ſchazen zu lernen. Wer un
hufricden in Brankreidh iR” Der brands msi HRMIeL und SR
nach Rußland. MDiefe Reife wird jedem Jremben näglih fe;
denn wer biefes Land mit Aufmerkfamleit bereift hat, wird Rd
an jedem andern Ort wodl befinden. Es ift immer gut gu
wiffen, daß es eine Geſeliſchaft gibt, wo ein Güd gr gir
möglid IR.
Berantwortlicher Herausgeber: Heinrich Brokdaus. — Drud und Berleg von F. U. Brockhaus in Leipzig.
Blätter
+3
für
literariſche Unterhaltung.
Hifterifches Jaſchenbuch orezey von Frie drich
von Raumer. Neue Folge. Fuͤnfter Jahrgang.
| Beſchluß aub Nr. DW.)
Cine Monographie über die leuten Zeiten des Johan⸗
niterordens iſt ſchon darum geeignet, die Aufmerkfamteit
der Freunde geſchichtlicher Studien zu erregent, weit Alfred
Reumont al& Verf. genannt wird: einmal wegen feiner
amerfannten Befähigung zu dergleichen Arbeiten, dann
aber auch regen feiner diplomatiſchen Stellung, die ihn
in manche Berbindung bringt, bie feine Leiſtungen unters
ftüst, ihm zu manchen wiſſenſchaftlichen Schägen den Zu:
tritt eröffnet, den ein Anderer vergebens fuchen wuͤrde.
Auch an der vortiegenden Arbeit bewaͤhrt fi) Beides.
Zugleich müfjen wir die Wahl des Gegenſtandes ats eine
recht gluͤckliche bezeichnen, und zwar nicht blos aus dem
Grunde, weil in der fuͤngſten Bett eine Art Reftauration
dieſes Ordens flattgefunden hat, fondern meil die deurſche
Gefchichtsliteratur Uber diefen Punkte an felbfländfgen Ar:
beiten geradezir arm zu nennen iſt. Dagegen haben Sta:
liener und Kranzofen nicht nur die aͤlteſte Gefchichte diefe®
Ordens vielfady bearbeitet, fondern ihn auch in feinem drit⸗
ten Stadium*), feit der Befigergreifung von Malta 1530
bis zu feinem Untergangd, oder, wie der Berf. fih aus
druͤckt, bis zum Ende feiner chätigen Gefchichte 1799,
eine rege Aufmerkfamkeit gewidmet. Aber gerade die
Schriften, die fich auf diefe verhängnißvolle Kataſtrophe
beziehen, find in Deutfchtand nicht fehr befammt. Dem
Berf. fanden fie zu Gebote. Bringen wie damit moch
den gluͤcklichen Umſtand in Berbindung, daß ihm freund:
lfche Unterſtuͤzung durch handſchriftliche Motizen mancher
Art von Malta und Gortona fowie im Ordensconvente
ſekbſt zu Theil geworden tft, fo wird es keiner weitern
Lobpreffung bedürfen, um ımfere Leſer von dem wiſſen⸗
ſchaftlichen Werthe der in Rede flehenden Monographie zu
überzeugen. Eine Beilage enthält noch die merkwürdige
Berhandlung, die zwifchen der Deputation des Ordens
und Napoleon über die Unterwerfung Maitas untere frans
zoͤſiſche Hertſchaft auf dem Admiralſchiffe Orient gepflo:
gen murde. Napoleon's Ton und Urtheil uͤber die Jos
we Rachbem dit Johannſter aber‘ Marianer ſich gletch ben
gen
eroßerten fie 1310 Rhodus eSPhouffir), das
mm Fi. —* ging. et: 1530 heißen fie auch Multeſer
zfahrern im Orlfente nicht mehr halten konnten,
: 1922 an Soti⸗
16. December 1843,
baumniter war ziemlich herb, da er lediglich den franzoͤſi⸗
ſchen Geſichtopunkt feſthiett. Namentlich Yare ihn WW
nachgefuchte Einmiſchung und Protection Paul's von Rufe
land erzuͤrnt. Wenn uͤdrigens der Verf. am Schluſſe die
Außerung thut, nachdem ex ſehr richtig bemerkt bat, durch
Die Eroberung Algiers und Zerſtoͤrung der Barbaresken⸗
raͤuberei gebe es für den Orden im Mittelmeere kelne Be⸗
ſtimmung mehr:
Dan bat wohl daran gethan, ein Inſtitut, deſſen Name ab⸗
lein fo ſchoͤne Erinnerungen erweckt, nicht ganz untergehen zu
laſſen, ſondern, wenn auch nur durch eine Unterſtuͤtzung, die kei⸗
nerlei Misgunſt erregen kann, aus feinem Verfalle empor zu
heben. Bielleicht kommt die Zeit, wo ber Orden ſich wieder
j möglich zeigen kann. Durch die Ruͤckkehr aber zu dem urfprängs
'tihen Gedanken und Zweck der Gtiftung hat bie Regi
‚ deffelben an den Tag gelegt, daß es Eu darum zu thun tft, ſich
"von neuem, fo weit äußere Verhaͤltniſſe es zulaflen, einen anges, .
meffenen Wirfungekreis zu fchaffen — |
ſo möchte die Dicehrzahl der Urtheftenden eher geneigt feht,
darin eine ſchonende oder feine diplomatifche Wendung an:
zuerfennen, als den Gedanken ar eine ariſtokratiſche Ten⸗
ven bet der Wiebererweckung des Johanniterorbens auf⸗
zugeben.
Der Auffag Hin. Jacob's Über Goethes Mutter hat
uns im hohen Grade angeſprochen. Wir dürfen mit gr
tem Grunde denfelden Eindruck auch bei andern Leſern
erwarten. Denn wern die merkwuͤrbige Mutter einrs
merkwuͤrdigen und ſogar großen Sohnes von fo gewandter
Feder, als die des Verf. ift, gefchifdert wird, fo kam die
Wirkung auf das Gemuͤth nur eine erfrenfiche fein. Dieſe
Wirkung wird aber gewiß dadurch noch befonders ver:
ffärkt, dab die Natur⸗ und Charafteruerwandtfhaft zwi⸗
(hen Goethe umd felner Mutter em pfychokogiſches und’
paͤdagogiſches Intereſſe dachtetet. Der fharf und geiffreich
ausgeprägte Charakter der Mutter findet fih im Sohne
wieder, und der Letztere kann es nie verleugnem, daß die
fruͤheſte, man möchte fagen, zartefte Erziehung von Jener
ausgegangen fer, die tiefflen Eindruͤcke in ihm zurädger
laffen habe. Daher aber auch die beiderfeitige innige
haͤnglichkeie; daher die Wahrnehmung, daß fie fidy beibers
fetts ſelbſt als merkwuͤrdig erſcheinen: die Mutter iſt fFotg
und gluͤcklich zugkeich, einen Sohn geboren zu haben, dem
ihr Geiſt in maͤnnlicher Stärke inwohnt, in deſſen jugend⸗
lichem Gemuͤthe ihr eigenes Denken, Thum und mütter⸗
liches Walten fo unansloͤſchlich ſichtbar iſt, und vote fir:
„ . 16. »
fi ſelbſt für keine gewöhnliche Natur hält, To iſt ihr
auch der Sohn keine gewöhnlidye Erſcheinung. Und diefer
Letztere fühle ſich ebenfo glüdlich, von einer ſolchen Mut:
ter geboren zu fein, al6 er ihre dankbar iſt für die unver:
geßlichen und daueraden Anregungen, bie ihre gelftige und
fistliche Pflege in ſeiner Seele zu erzeugen im Stande ge:
wefen if. Wir können den Wunſch nicht unterdrüden,
daß gebildete Frauen, wenn fie Mütter find, die Biogra:
phie von Goethe's Mutter recht aufmerkfam leſen möchten.
Übrigens eröffnet Hr. Zacob feinen Auffag mit der ganz
biecher paflenden Bemerkung,
daß die größten Männer aller Zeiten einen weſentlichen Theil
ipree Berühmtheit der Auffit, Obhut und Bildung ihrer
zu verdanken gehabt haben. So wiffen wir, daß Karl
Augu von Weimar feine weltgefchichtliche Bedeutung nicht er»
halten. haben würde, wenn nicht eine Mutter von Amalia’s
Geift, Liebenswuͤrdigkeit und Heiterkeit feine Erziehung geleitet
bättes wir lefen es in den unwiderleglichften Zeugniſſen, daß
Walter Scott feine Sittenreinheit und Anmuth von der ebenfo
frommen als verftändigen Mutter geerbt hat; ja, man kann es
nicht leugnen, daß bie erften Keime von Napoleon's hochfahren:
dem, eifernem Charakter in dem Stolze und in ber Hartnaͤckig⸗
keit feiner Mutter Lätitia zu finden waren.
Daß auch Schiller's Mutter, Elifabetb Dorothea Kob:
weis, in ihrem Sohne die erften Keime feiner nachherigen
poetifhen und fittlichen Zrefflichkeit geweckt und gepflegt
habe, ift von feinem Biographen Guftav Schwab außer
Zweifel gefegt toorden.
Auf ein ganz anderes Feld verfegt uns bie vierte Ab⸗
handlung unſers Taſchenbuchs. Die Akademie der Wif:
fenfhaften in Berlin ehrt ihren Stifter, Leibnig, alljähr:
lich duch eine Gedaͤchtnißrede. Die Werfe dieſes ausge⸗
zeichneten Mannes und Unterfuchungen über die Stellung,
die derſelbe zur Wiffenfchaft und zu den damaligen Zeitver:
bältniffen einnahm, haben in der jüngften Zeit mehre Ge:
lehrte befchäftige: die Reiftungen Erdmann’s, Guhrauer's
und Pertz's find in wiſſenſchaftlichen Kreifen hinlaͤnglich
befannt. Der Stoff, den das überaus thätige Leben je:
nes Philoſophen den Gelehrten zur Unterfuchung und Be:
arbeitung darbietet, iſt aber noch keineswegs erfchöpft. Der
akademiſche Feſtredner, Boͤckh, wählte fi zu feinem Vor:
trage die Erörterung ber Frage, in welchem Berhältniffe
Leibnig zur pofitiven Theologie flehe, wobei natürlich vor⸗
zugsweife feine allbefannte „Theodicee“ ins Auge gefaßt
werden mußte. Leibnig iſt namentlih von zwei Seiten
angefochten worden. Einige meinten, feine vielfachen Ver⸗
bindungen mit den Höfen hätten ihn auch zu einer Art
Hofphiloſophie verleitet; Andere dagegen, die Theologen
insbefondere, fanden feine Philofopheme aus dogmatifchen
Gründen bedenklich. Um nun einem Gonflicte mit den
kirchlichen Dogmen moͤglichſt auszuweichen, gab der Kanz:
ler in Tübingen, Pfaff, in einer 1720 herausgegebenen
Schrift zu verftehen, habe Leibnig in der „Theodicee“ feine
wahre Meinung gar nicht ausgefprochen, fondern ber
Welt nur Sand in die Augen geflreut, wie er denn in
einem Briefe an ihn dies ſelbſt eingeſtehe (1716). Und
in der That find Manche der Annahme jenes Theologen
beigetreten, während wiederum Andere behaupten zu muͤſ⸗
fen glaubten, Leibnig habe den Kanzler Pfaff durch die
‚geteoffen”, nur zum Selten gehabt.
* Biograph, ber gründliche Guhrauer, entfernt von Leibnig
briefliche Verfiherung „Du haft den Maget auf ben Kopf
Auch fein neueſter
allen Verdacht eines Hofphiloſophen und Zurückhaltens
feiner wahren Meinung; fand. die vorliegende, eftfede fucht
gleichfalls den Bewels zu führen, Lednitz in der
„Theodicee“ nicht anders gefchrieben ald er gedacht habe;
doch firebe er nad einer Vermittelung zwifchen Theologie
und Philofophie, ohne jedoch beiden Wiſſenſchaften, ins:
befondere der leuten, etwas vergeben zu wollen. „Denn“,
fagt er, „die Philofophie mittelmäßig gefoftet, entfernt uns
von Bott, aber Diejenigen, welche fie ergründen, führt fie
zu ihm zuruͤk.“ Dos Übergewicht ber Gründe ift offen
bar auf der Seite Derer, die in der „Theodicee“ Beine
Ironie, ſondern die indididuelle Überzeugung ihres Urhe⸗
bers finden.
Die fünfte Abhandlung, deren Verf. Eduard Gervais
ift, bietet einen fehr dankenswerthen und gut gefchriebenen
Beitrag zur Geſchichte des deutfchen Univerſitaͤtsweſens und
feines Einfluſſes auf die fittlihe und wiſſenſchaftliche De:
bung unferes Volks. Wir müflen diefe Monographie in
ihrem Werthe um fo böher anſchlagen, je mehr wir be:
denken, daß diefer Zweig der deutſchen Geſchichtsliteratur
keineswegs noch zur Genuͤge gepflegt iſt; je mehr wir be
denken, daß ein weſentlicher Theil unfers fittlihen und
intellectuellen Nationallebens ein Ausfluß unferer Univer:
fitäten ift. Daß fie dem Proteſtantismus und feiner Ver:
breitung treffliche- Dienfte geleiftet haben, ift keinem Ge:
ſchichtskundigen unbekannt. Auch die Eönigsberger Univer-
fitat fpriht dafür. Das wußten die Gegner der Refors
mation recht wohl; daher die Schwierigkeiten, die man
ber Gründung einer neuen Univerfität, die im Dienfte des
Proteftantismus zu flehen beflimmt war, entgegenftelite;
und eine Beftätigung derfelben it weder vom Papſte noch
vom Kaifer erfchienen, trogdem daß man mehrmals und
ſelbſt unter freundfchaftlicher Vermittelung darum nad
fuchte. Daß der Stifter der koͤnigsberger Hochſchule, Al:
breht von Brandenburg, der letzte deutſche Dochmeifter,
ein ebenfo kluger als wohlgefinnter Fuͤrſt war, zeigt ſich
auch bei dieſer Gelegenheit, und unfer Verf. hat dies ſehr
gut hervörzubeben verſtanden. Und wie viel Melanchthon’s
Anfehen in gelehrten Sadyen bei Volt und Fürften ver
mochte, dafür gibt Albrecht's Verhaͤltniß zu ihm recht fpre:
chende Beweife: in gelehrten Dingen unternimmt dieſer
Fuͤrſt beinahe nichts ohne deſſen mündlichen oder ſchrift⸗
lichen Beirath. Übrigens offenbart ſich in der vorliegen-
den Arbeit eine gewiffe Misftimmung ihres Verf, wovor
wie fhon Spuren in feinem Werke über Lothar III, vom
Deutfchland wahrgenommen zu haben glauben. Wir thei=
len nur eine Stelle hier mit, die offenbar für unfere Vers
muthung ſpricht, befonders auch deshalb, weil das tout
comme chez nous gar Mandyem, vielleicht zum Troſte,
einfallen möchte:
Wie fehr könnte das Inflitut der Privatdocenten in feinem
Weſen und in feinem Wirken gefördert werden, wenn ibuen Die
Berechtigung unb ber Anſpruch auf Vermaͤchtniſſe erſtͤnde ig
weber der afademifhe Senat unter fi zertheilen noch eine |
Staatsbehoͤrbe einziehen dürfte Dann biiebe ben Südidgen
— u ‚is Aeou n! er -wün Ahr . 8
daß * Deik der 5 die —* eiſchwert 8 die
Lehrfreiheit erleichtert würde
Don Beſchluß unter den Abhandlungen des „Hiſtori⸗
Then Zafchenbuh” macht Keßler's Verfuch, nachzuweiſen,
daß Leopold von Braunſchweig, Neffe Friedrich's des Gro:
fen,. 1785 den Tod in den Kluten bee Oder zu Fran:
furt nicht gefunden habe bei dem Verſuche, Unglüdliche
zu retten, fondern um dem Triebe eines uͤberſpannten
Muthes Genuͤge zu leiſten. So fehr auc der Volks⸗
glaube duch Zradition noch für die erftere Annahme iſt,
fo fehr auch Schriften, Geſaͤnge und andere Denkmäler
an diefe Annahme erinnern mögen, die Sache bleibt def:
fenungeachtet hoͤchſt zweifelhaft, wenn man die Rocalität
und glaubwürdige Augenzeugen befragt. Und wie ber
Berf. die Sache darftellt, indem er felbft glaubwürdige
Derfonen als Gewährsmänner nennt, muß man allerdings
gu der Überzeugung kommen, daß die Volksuͤberlieferung
und die Schriften, die bisher biefelbe als echte Quelle be:
trachteten, im Unrechte find. Die Gefchichte wird dadurch
zwar um eine ſchoͤne Heldenthat demer, behält aber den
edeln Menfhen zurüd: denn daß dies der Prinz war,
daruͤber waltet Tein Zweifel 06, wiewol fein Oheim den
Srund des edelfinnigen Wirkens mehr in Überfpannten
Ideen als in reiner Derzensgüte und in dem Elaren Be:
wußtſein fittlicher Verpflihtungen zu fuchen geneigt war.
Mir fchließen unfere Anzeige mit dem aufrichtigen
Wunſche, daß auch der neue Jahrgang diefes Taſchenbuchs
fih als ein Mittel bewähren möge, wodurch neben der
Schule und über diefelbe hinaus Bildung und Aufklärung
befördert werden. Karl Zimmer.
Kinderbewabranflalten in Toscana.
Enrico Mayer aus Mailand, ber ſich gegenwärtig in Lon⸗
don befindet, las in der Societaͤt für Beförderung der Wiſſen⸗
ſchaften (Section für Statiſtik) einen Vortrag über die Kinder
bewahrs und WBefchäftigungsanftatten Toscanas. Die erften
Kinderafgle (wie fie dort heißen) wurden 1833 gleichzeitig in
2ivorno und in Pifa eröffnet, bald darauf ein drittes in Florenz,
worauf die Sache überall Nachahmung fand. Alle diefe Anſtal⸗
ten werben dur freimillige Beiträge erhalten. Es gibt ihrer
jegt in Zoscana 20 mit 2000 Kindern Die jähriiche Ausgabe
für ein Kinb beträgt durchſchnittlich (Localmietbe, Dienſtlohn,
2ehrerbefolbung, Suppe, Alles sufammengerechnet) gegen 7 Zhir.
Die Aufficht beforgen gewöhntich Damen « Gomites, deren Mite
glieder einander abiöfen. Monatlich finden einmal Beratbungen
der Somites ftatt, deren Stoff die in das Inſpectionsbuch ein:
geichriebenen Bemerkungen zu liefern pflegen. Die Afyle find
zum Beften ber Armen errichtet, und bie Kinder werden unent
geittiy aufgenommen. Sie zerfallen gemeiniglich in zwei Elaſ⸗
fen, deren jede ihren befondern Saal und ihre befonbere Vorſte⸗
herin bat. Die erſte Elaſſe enthält Kinder von 18 Monaten
bis zu 4 ober 9 Jahren; bie zweite Claſſe von dem letztern
Alter an bie zu 7 oder 8 Jahren. Zu jedem Aſyl gehört ein
Spielplag, auf welchem bie Kinder zu leichten gummaftifchen
Übungen angeiviefen werben und nad) freier Wahl fpielen. Es
iſt auch der Verſuch gemacht worben, Handarbeiten einzuführen.
In Fiorenz gehören Kaufleute und Handwerker zu dem Gomité,
weiche dafür forgen, den Kindern Befchäftigungen ihren Kräften
‚angemeffen zu geben und fpäterhin es über ſich nehmen, ihnen
ihr Kortlommen im thätigen Leben zu erleichtern. Handzeichnen
und die Anfangegruͤnde der Geometrie und Mechanif werden in
| un fe nie Fran als 2 Bierteiftunde fillfigen.
: gionsunterridt leitet der Pfarrer des Kirchſpiels, in w
"das Afyı befindet. ———
kann man fagen, die moraliſche Geſchichte des Inſtituts enthals
der skeen Elaſſe Bei ben Auptenkeiten wiciliien
dahin geſtrebt, bie Kinder einzeln ga beſchaͤſtigen; damit Ipmeiz
Det, was bie Grgichung in- ber Familie grwaͤhrt, exheiteseihleibe
und wicht die Werberbuiß, weiche den Fabrikarbeites amyu
pflegt, unter ihnen einreiße. Weniger Unterricht als Erziehung
ift das Augenmerk dee Directionens die Aſyle follen befanders
auf die ſittliche Ausbildung des Bolks binarbeiten mb zwar
durch die einfachften und mitdeflen Mittel einer mütterlichen:
Leitung. Im Schulzimmer machen bie Kinder eine Reihe vom
gen buch, welche barauf berechnet find, ihre geifkigen und.
leiblichen Fähigkeiten zu. entwideln, ohne fle zu ermüben. am.
Den Reli⸗
Die Vorfteherinnen führen Journale, melde,
ten und in weichen fich zahlreiche intereffante Thatſachen aufge
zeichnet finden, welche Zeugniß geben von: dem Arbeiten ber
geiſtigen und fittliden Kräfte in einem Alter, das von den Paͤ⸗
dagogen und Moralphiloſophen noch nicht viel be tet
Obgleich diefe Anftalten in Zoscana noch fo jung Pr iſt ii
Einwirkung doch icon in unerwartet hohem Grade füklsar.
Befonders auffallend ift es, wie fehr fi in den Aſylen der Ge⸗
fundheitezuftand der Kinder verbeffert bat. Die Unterfuchungen,
welche die Mebicinalcommiffionen in diefer Beziehung angeftellt
haben, ergeben böchft wichtige Refultate, nicht allein in Bezug
auf die Kinder ſelbſt, fondern fogar in Bezug auf ihre Fami⸗—
lien, und baber auf bie ganze arme Werdikerung des Städte
und ber Diftricte, in denen dieſe liegen. In ben Aſylen ſterben
nicht mehr als zwiſchen 2 und 3 Procent, während die gewöhne
tie Sterblichkeit der Kinder zwifchen 2 und 6 Jahren in Pos
renz fich auf 16 Procent belaͤuft. Daſſelbe Refultat ift in der
Lombardei beobachtet werden, mo bie Afpte zahlreicher find ale.
in Toscana. Guilten bie übrigen Ergiehungsanftalten des. Landes
in echt erziehender Wirkfamkeit auf gleiche Höhe mit den Kins
derafpien gebracht werben, fo müßte eine volftändige und durch⸗
gängige Reform des ganzen Erziehungsſyſtems in den Schuler
jeder Art eintreten. Die moraliſchen Einwirkungen der Afyis
find ebenfalls nicht auf die Kinder allein befchräntt, fonbeen er:
fiteden fi auch auf deren Familien. Cine große Angapl der
Kinder, welche das Aſyl von Florenz aufnimmt, kommt aus
dem Findelbaufe, naͤmlich unter 600 Kindern 400. Seitdem
aber das Inſtitut im Wolke befannter geworben ift, bat das
Ausfegen ber Kinder abgenommen; die diterliche Liebe hat wieber
die Oberhand gewonnen, und fo viele Hunderte, die ehemals
der Name eines Findlings brandmarkte, find ihren Familien,
ihrem Namen und ihrer bürgerlichen Stellung erhaliten.
Am Schluſſe feines Vortrags ſprach Hr. Mayer. über die
Vorzüge einer milden, menſchlichen und anleitenden. Zudhtweife
vor einer harten und fchredenden. - Er bemerkte: „Wer ſieht
nicht, daß ſchlechte Reitung des öffentlichen Unterrichts und vers
tehrte Ausübung der Öffentlichen Armenpflege zu einer Vermeh⸗
zung ber Gtrafanftalten führen müflen, welche legtern doch
ſichtlich unzureichend find, um Verbrechen zu verhüten! Und
wer iſt nicht gezwungen, umgekehrt zu folgern, daß wir ein
unterrichtsſyſtem haben, welches Feine Tugend lehrt, ein Wohl:
thaͤtigkeits ſyſtem, welches dem Elend nicht fleuert, und ein Strafe
foftem, welches den Verbrechen keine Grenzen ſetzt!“ 18.
Biblingraphie.
Bach, M., Die Sefuiten und ihre Miſſion Chiguitos in
Südamerika. Eine hiſtoriſch⸗ etynographifche Schilberung. Her⸗
ausgegeben und mit einem Vorworte begleitet von G. &. Kriegf.
Leipzig, Mittler. 8. 15 Nor.
Der beutfche Bauer. Ein Volksbuch auf das Jahr 1844.
Derausgegeben von G. Willkomm. Ifter 3a epeng- Mit
Thaer's Portrait. Leipzig, Kollmann. Gr. 16. .
Bentheim⸗Tecklenburg, M. Graf zu, Sandkoͤrnlein
Nur.
Beenkardi, R., EOprachterte wow Ooutſchland. Its
Mestuh. ataschen und eridnienk KR, Bohn«“ Wr. 8,
Ep. 15 Mor.
Brenngtas, A., Berlin wie es ifb and — trinkt. Ptes
De: Wante Ran töno, Ver legte Sonnenbruder, oder: Die
deu nordbautfiden — Hiſtortiſch⸗ romanttich·
en vagbok in fünf Aeten. Bus Darſtellung im ab»
Dpem
Eine, —4 Gr. 16
en * eolorirtem Aitecbiid
Charitas. Erflaabe fir 1844. Gefliftet yunıh E. v. Shen.
ee Beenan. ar 3 Stahlflichen. Regensburg,
Beutfihe Die —28 von Klopftock His auf bie neueſte Zeit.
ine Diuferfammimg bdewifcher 2 zum Gebrauch in den
mittlern unb obem Gtaffen daͤniſcher Lehranſtalten. Mit einer
riterarhiſtoriſchen berſicht und erklaͤrenden Anmerkungen heraus⸗
gegeben von J. Fürs und G. J. J. Rung. Kopenhagen,
£ @&. 8. 1 Io.
Jeohtich, U. E., Der junge Deutſch⸗Michel.
Zurvich, Meyer und: Seller.
beſſerte unb vermehrte Auftagr.
8 20 .
Grimm, J., Deutsche Mythologie, Ite stark ver-
mehrte und verbesserte Ausgabe, Iste Abthellung. Göt-
tingen, Dieterich, Gr. 8. 3 Tur.
Bass, R., Zur Geſchichte der ZIſchokkeſtiftung für Er⸗
wedung und Verbveltung volksveredelnder Schriften uns Bes
gründen von Volksbibliotheken.
M., Sauerlaͤnder. Gr. 8, nur.
Hamann Schriſten. Ster zo. 2te Aotpeitung, Res
. Me Hamann’s Bitbnif: Berlin, Reimer. 8. 2 Lhir.
Nor.
Johnſohn, 8. W., Dftindiens Gegenwart und Zukunft.
ine poiitiſche, gefenlihe, merkantiliſche, landwirthſchaftliche
und vollks ſittliche Darſtellung. Aus dem Engliſchen von C. Ri:
chard. Aachen, Mayer. 1844. Gr. 8. 2 Thir.
is. Taſchenbuch für das Jahr 1844 Herausgegeben
vr %. ne Maitäth 5ter Jahrgang. Mit 6. Stahls
ſtichen. Peſth, Heckenaſt. Gr. 13. 2 Thir. 25 Nor.
Die — vor Hamburgs erdgefeffener Bern.
Ben einem fremden Juden. Hamburg, Boͤdecker. Gr. 8. 10 Nur.
Koldberup:NRofenvinge, 3. & A., Sendſchreiben an
den Harn F. C. Schloffer, Geheimenrath "und Profeſſor ber
Geſchichte zu Heidelberg. Kopenhagen, Gyldendal. 8. I Nor.
one vang et 3 Bi Der Menſch und feine Erziehung. Jena,
T% }
Lätkia. Bine Novolle mit einer Parabel ale Rachwort.
Abonigẽderg, Voigt. & 25
Loge, R. H., Logik. Betpyig, WwWeibmann. Gr. 8. Ihre.
Mager, über Velen, Einrichtung und paͤdagogiſche Bes
dentung des ſchulmaͤßigen Studiums ber neuern Sprachen und
Eieraturen und die Mittel, ihm aufzuhetfen. Züri, Meyer:
und 3efker. Gr. 8. 9% Nor.
Martenfen, D., Die drifttfche Taufe mb die Mt
Zyagı. ones und Som, J. und X. Yerthes. Ge. 8.
Mayer, K. A. ß —— dichte. a 33
Sfbenburs, Sue 8 TUR
Mignet, F. A., ee Shriften und Abhandlungen.
Überfeet von 3. eis: Hiſtoriſche Abhand⸗
* Leipzig, — Gr. Föhr 22%, Ngr. ”
Mind, M. G., UnivezfalsSerilon deu Erziehungs⸗ und
Unterr ichta lere
zes, Ganitatzhrten, Geiſtliche und Erzieher. Augsburg, Sehloſ⸗
ſer . 1 Thyhlr. 15 Ngr.
Merard. P., Nourean Recueil giadrei de "Eraites,
Caurentisas: et, autres Transactione unhlea, sosvauı &
la conneissance des: relations: &trangäres. des Puinsamoes et
Verantwortilcher Herausgeber: NRelnrih
Ne ver⸗
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Site Zatredbergt, Srant: ‚Ein
rodhaus. — Diud und Birlap von E E. Brsddaus in Seiyzig
Miata Anus Yeiru raperäs üfkteuis. WEG Hi Ges copluz
authealigees a —— fa Mi.
Martens.) Tome 1. !’an 1840, avod des mu neu tens
—— oollantien: Gecttiague Gr. in8.
PR TUE 3, Gräfin, Some Gedichte. Peſtt.
eckena
Paganel, DM. C., Geſchtchte If F., Kaiſers vom
Deutfihli Yeampöffinden yon Ar Kbpiee. Due
Bände: i & 2 Ihn
Beitrag Rirden und Degmengefihläte, Jena —
&. 8° 1 Sm By Ro *
ſind Bettes Boll} Eine Land
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zum —E— ee Deutfchlande den 6. Augufl
gepalten und (are, bei deutſche Wort herautgegeben. keipzig, Be
gel.
s und ttiche zu Weimar gehalten
Wagner. 8.
Roſcher, W Ryrrundrif zu Borlefungen über die Staate⸗
em a gefehlchttidyer Metbobe. Eeringen, Dieteriäh.
Shab Schneoldchchen. Zafıkenpu
! heiterung eben, X. Stunden für das, Jahr er ss *
gel. 16. T Ei 15 Nor.
Schartmann, E , Biötifdhe Diftichen. Worte u Rt
: heit und der Gehebung in alle elın Berpätsuifien des Echens. Berlin,
| ! Athendum. Gr. 16. 15
Scheitlin, 9, al geſetzt meinem Zodtermane
3. Fruͤh, Pfarrer in Herisau. Grundzüge feines Lebens un»
i : Schidfals, nebft mehrern feiner Predigten. St.Gallen, Scheit⸗
mus Fr “ol De ati de eitſch⸗ Tutherfihen
mib, ogma r van s tut
Kirche bar ehe 15 unb re en Quellen belegt. ee Hey⸗
er r.
Schuber & Kragen wvei Ei
ante a ae 3 ade. Berlin, Hey⸗
mann.
— — Gſammelte Novellen. —— Binde. Berlin, Hey
mann. 1844 1.8. 4 Che 15 Kor. u
Stimmen aus Dänemark: über bie fchleiwigichen Berkäit-
niſſe. —— — von Auffügen aus dem daͤniſchen Wochen⸗
blatte. Ger en ben von 3. 3. Schouw. Kopenkagen, Gy
n gr.
ofdenbut der nun Se ſchichte.
G. Bacherer. Seſdich bes: Jahree 160. 004 8 Porz
Darmfladt, — F * Wir. 230
über den ber en Studien auf fittlichsuetigiäfe
Geſinnung, nebft einigen Be über Bereinfachung des
Symnafletunterrihts. Kaffe, Hotop. Ge. 8. 7% -Wer
Bathinger, I. &., Der Swedenborgianiemus und feine
neuefte Erſcheinung, nebfl dem Katechismus deu nenen Rinde,
beurtpeilt. Taͤbingen, Dfionder. 8. Tiy Nee
8 208% I. #:, Recke Digtungen. Feab Oecenaſt.
r.
Volle⸗Taſchen 1843, — von A. Stef-
fens. Bertin, ——— * 8.
Zoltikofer, $., Palınen und Gyperflen, auf die Geibes
utwadh
Heimgegangener. ae * A wu Kraueclidern umk-
—— &.: Scheitlia und Beilileer A. “
y
Blaͤtter
für
literariſche Unterhaltung.
17. December 1843.
Die neuefte Zeit in der evangefifchen Kirche des preu:
Bifchen Staats. Ein praktiſcher Verſuch von Karl
Bernbard König.
weiter und legter Artilet.*) '
Wir haben den Begenftand, welchen die oben benannte
Feine Schrift beſpricht — das politifche Kirchenregiment
und feine Wirkungen, die Gebundenheit der evangelifchen
Kirche, inebefondere im preufifhen Staate — zu eroͤr⸗
tern in einem früheren Artikel angefangen, und den In⸗
Hate der Schrift uͤberſichtlich dargelegt. Wir laffen jet
die Bemerkungen folgen, welche wir nachfenden zu tolle
am Schluffe ankündigten. "
Darin flimmen wir bem Verf. auf das volltommenfte
bei, daß es nicht lange mehr in der evangelifchen Kirche
bleiben kann und darf wie es if. Ihr jegiger Zuſtand
iſt nicht ohne mancherlei Gefahr, ift wider ihre wefent:
lichſten Intereſſen, Ehre und Anfehen, unhaltbar. Man
voird dieſer Meinungsäußerung jest nichts Kirchlich⸗
Demagogifhes mehr nachſagen können. Es iſt dahin
gekommen, wie einft im 15. Jahrhundert, daß das lange
verleugnete Ubel und Reformbeduͤrfniß wiederhoft felbft
officiel anerfannt wurde, fehr nachdruͤcklich noch vor ganz
kurzem von ber erſten evangelifchen deutfchen Regierung
ſelbſt, der preußifhen. Wir haben hierbei das wichtige
Höchft bedeutfame Minifterialausfchreiben vom 10. Juli
dv. J., unterzeichnet vom Cultusminiſter Eichhorn, im
Sinn, das zuerft durch die „Allgemeine Preußifche Zei:
tung ’ veröffentlicht wurde, und auffallenderweife von ber
Tagespreffe wenig beachtet zu fein ſcheint. Es bezieht ſich
im Eingange darauf, daß der König bereits vor längerer
Zeit Über den ungünfligen Zufland des kirchlichen Ge:
meindeweſens ſich geäußert und den Miniſter zur Einrei⸗
Hung folder Vorfchläge aufgefobert habe, die geeignet
fein möchten, den betreffenden Mängeln und Übelftänden
abzuhelfen. Der Miniſter gefleht zu, was der kirchlichen
Dppofition felt Jahrzehnden fo oft und hitzig und body
fahrend abgeſtritten ift, daß bie evangeliſche Kiche — er
fel je Länger je mehr zu diefer Überzeugung gekommen —
wenn ihr „mahrhaft und dbauernd’’ geholfen werden folle,
nit nur „von Selten des Kicchenregiments geleitet“, fons
dern vornehmlih aus eigenem Innern Leben und Antriebe
®) Bol. ven erften Art. in Ne. 317-3200.8. D. Red.
erbaut fein wolle, unb daß mithin „eine gründliche Ab⸗
bülfe der ihr beimohnenden Mängel nicht ſowol durch
die Darreihung von Staatsmitteln und durch eine ans
orbnende Thaͤtigkeit Seitens der Kirchenbehörden erwartet
werden koͤnne, als vielmehr von der allgemeinen Aners
tennung des Übels und von der Vereinigung gemeinfas
mer Kräfte, befonders aber von den Gemeinden ausgehen
mäfle”. Der Miniſterialerlaß ordnet fodann Synoden
ber Geifllihen zu dem Zwede an, daß bie letztern Ans
träge und Vorfchläge entwerfen und einreichen möchten,
welche geeignet, namentli die Gemeinden zu gewinnen
und den chriftlihen Gemeinſinn zu beleben, „dohne weis
chen nichts Bedeutendes in der Kirche Chriflt je gefchehen
ft und gefchehen kann”.
Das fagen und wieberhofen nun auch wir: allgemeine
Anerkennung des Übels iſt das Erſtnoͤthige, und wenn
je, fo ift es jest an der Zeit, mit allen Kräften dahin
zu wirken.
Sodann gilt e8 der Frage, was beim jetigen Stande
dee Sache gefchehen fol? Es iſt hundert Mal vorgeloms
men, daß man oben die von unten ausgehenden Reform⸗
wuͤnſche und Anträge vornehm ablehnte, den auf Drgas
nifation und Mepräfentation der Gemeinde und Kirche
amtragenden Geiftlichen fagte: thut ihe nur eure Schufs
digkeit in euerm Kreife, kuͤmmert eudy nicht um bie Lei⸗
tung, Stand und Wefen, Befferung oder Michtbeffes
sung der Kirche, das geht uns allein an. Man bes
bezeigte damit nur, wie wenig man auf Selten der Re
gierung und Gonfiflorien das übel kannte oder anzuer⸗
tennen geneigt, tvie weit man dort von den Anſchauun⸗
gen und Grundfaͤtzen der Reformatoren und ber Refor:
mationsepoche hinweggefommen war, tie tief man fich
dort mit Anfichten und Marimen, welche dem Principe
des peoteftantifchen Kirchenrechts und Weſens geradezu
widerſtreiten, durchdrungen hatte. Niemals tft damit ets
was ausgerichtet und jegt auch nichts mehr gefagt. Der
preußifche Guftusminifter bat ſich gerade an die Geifttfe
chen gewendet, fie aufgefodert, zuerft jene Dinge zu beras
then und anzufaffen, in welche ihnen fo oft verboten iſt ſich
einzumifchen ; ee bat es (in jenem Erlaſſe) laut und uns
vergeßlih in die Kirche hinelngeredet, es dürfe erwartet
werden, daß „bie Geiftlichen es felbft am tiefften empfins
den werden, mie fie unter ben gegenwärtigen Verhaͤltniſe
> gn
em auch bei der gewiſſenhafteſten Treue ſich außer Stande
eg ihr Amt auf eine den Anfoderungen deſſelben
entſprechende Art zu verwalten”, und „nicht von ber an:
orbnenden Thaͤtigkeit Seitens der Kirchenbehoͤrden könne
eins gruͤndliche Abhulfe erwartet werden”. ‚
: Bon ber andern Seite aber iſt zu erinnern, daß mit
muͤtßigen Klagen über die Kirchenbehörden, wie man
fie fo häufig gerade über diefe hört, und mit faulem Zus
warten nichts gethan ift. König fagt:
i a8 von und hören laffen und müffen ges
hoͤrt te ü nd vie weiſeſte —A nicht im Stande,
unfere Beburfniffe zu Befriedigen, wenn wir nicht unfere wah⸗
Bebürfniffe erfannt und an das Licht gezogen haben. Mit
Ertafen: fo ſoll's unten fein, ift nichts geholfen; wir bitten
vielmehr um Genehmigung Deflen, was die Beſten unter uns
ats das Beſte erkannt, berathen und empfohlen haben.
Aunlich redet der preußifche Miniſter im angeführten
Erlaſſe den Geiftlihen zu. Und ähnlich wie in den Zei:
ien vor ber Reformation fiegt auch jegt die Schuld der
kirchlichen Gebrechen nicht blos oben, fondern auch unten
und überall, Überhaupt weniger an einzelnen Perfonen
als im Gefammtgeift und in den Verhältniffen, die feine
Reinigung, Belebung und Berhätigung hinderten und
hindern. Sie liegt jegt noch viel weniger als damals
an dem etwa mangelnden guten Willen, Geſchick und
Fleiße der Kirchenhaͤupter, der Mitglieder der Regierun⸗
gen und Conſiſtorien, die ſich vielmehr nicht felten für
Die Kicche auf das gemwiffenhaftelle Tag und Nacht mit:
en und abs und todtarbeiten, mit einem Eifer, der eines
beffern Erfolgs freilich blos werth wäre. Selbſt in den
Beiten ber größten ntartung des Kirchenregiments —
8 war im J. 1518 — fchrieb Luther (im Urtheile über
bie Perfon allerdings einigermaßen irrend):
Wir haben jego einen fehr guten Papſt an Leone dem Zehn:
ten, an beffen Wohlmeinung und Gelehrfamkeit alle Redlichge⸗
fnnte, die bavon hören, eine Freude und Vergnügen haben.
Xber was kann dieſer fo angenehme und liebreie Mann, ba
bie Sachen fo fehe verwirret find, allein ausrichten? In keinem
Theile der Chriſtenheit fpielet man mehr mit den Päpften, als
in Rom u. f. w.
So koͤnnen wir noch viel mehr fagen: Wir haben
jegt ſehr gute Regierungen, Gonfiflorien, Kirchenhaͤupter,
Guitusminifer u. ſ. w., an deren Wohlmeinung und Ge:
lehrſamkeit alle Redlichgefinnte, bie davon hören, Freude
haben. Aber was innen diefe fo angenehmen und lieb:
zeichen Behörden und Männer allein ausıf ten, da bie
Sachen fo fehr verwirrt find? wenn auch noch nicht ein;
mal binzulommt, daß frommthuende Intriganten mit ihnen,
mit ihnen am meiften, fplelen u.f.w. Der preußifche Cultus⸗
minifter bat es zugeſtanden — er fo wenig als andere
Maͤnner des. Kirchenregiments ſollen angeſchuldigt wer
den — fie thun, was fie koͤnnen — nur eine Suͤnde
koͤnnte ihnen nicht verziehen werden, weil «6 die Suͤnde
idee dem heiligen Geiſt ifl, eine Sünde, deren ſich Papft
0 ſchuldig machte und nach ihm ned viele Däupter,
eine Sünde, die Miniſter Eichhorn eben meidet, die Sünde
ber Nichtanerfennung des Übels, obwol es Bar vor Aus
gen liegt, der tauben Ohren beim Rufe nad) Reforma⸗
3 *
Mlo
tion ber Kirche, des Hemmens und Hinderns, wo fie
wit gutem Grunde begehrt wird.
Aber noch einmal: was foll num geſchehen? König
und mit ihm nicht Wenige rathen zu einer , Ausbefle-
rung der bisherigen’ Pischlichen, der Gonfiftori fung”,
und biefe Ausbefferung fell dann in einer Ausbihung der
vorhandenen Kircheneollegien (was noch das Beſte) deſte⸗
ben und ſich Übrigens auf einige Anderung in den Ber:
bältniffen dee Superintendenten, Gonfitorien u. f. w. be '
ſchraͤnken. Wir erinnern und, König macht Schleier:
macher's Anficht zur feinigen; allein nach Schleiermacher's
Anſicht kann die Confiftorialverfaffung nur als ein Durch⸗
gangspunkt betrachtet werben, auf weichem ſich bie evan⸗
gelifche Kirche in den meiften Ländern für ihr wahres
Wohl ſchon zu fange derweilt, und iſt mit einer bloßen
Reinigung und Verbeſſerung derſelben fo gat als nichts
zu gewinnen. König geraͤth demnach In einen Widerſpruch
mie ſich ſelbſt. Überhaupt if er fich nicht Her über den
Unterfhied im Weſen und Charakter der proteſtantiſchen
Kichenverfaffung, wie fie urfprünglihd war und wie fie
iegt iſt, weshalb denn auch feinen Vorſchlaͤgen die
Klarheit und Sicherheit mangelt. Ihre Ausführung
würbe jedenfalls nur eine Verbefferung herbeiführen, mit
welcher fo gut als nichts zu gewinnen, von ber eine
ruͤndliche Abhuͤlfe beftimmt nicht zu erwarten wäre, weil
ie die Wurzel des Übels unangerährt laͤßt.
Man hat eben recht forgfältig zu unterfcheiden. Die
peoteftantifche Kirchenverfaffung iſt feit ihrer Gründung
almäfig eine ganz andere geworden, und zwar innerlich
faft noch mehr als äußerlich, keineswegs blos der Form, ſon⸗
dern der eigentlichen Grundlage, dem Princip nach, das
nut rechtlich noch befteht, an deffen Stelle thatfächlich ein
weſentlich verfchledenes, ein entgegengeſetztes getreten if.
Eden datum iſt es aber auch etwas ganz Anderes, wenn
man von einer Reform ber „bisherigen, der Confiftorial:
verfaſſung“ — richtiger des landesherrlichen Kirchenregi-
ments — redet, ob man im Sinne hat: ihrk Zuruͤckfuͤh⸗
rung auf ihre uefprimgliche Geſtalt und Weſen und ihre
Bollendung durch Ausfüllung der Lüden, welche ihr ba:
maltger Organismus ſchon zeigte, oder ob man ein, wenn
auch nod fo fleißiges und geſchicktes, Ausbeflern” der
„bishetigen“, der afaffung meint, wie fie ift.
Was urfpränglih Leitung der kirchlichen Angelegen⸗
beiten im Cinverfländuig mit der Gerneinde bei einer
großen Lebendigkeit des Bewußtſeins der Eirchlichen Ge
meinfhaft war, Leitung durch die angefehenften, eines
tur damals möglichen und wirkllchen Vertrauens in
Glaubens: und Lehrſachen genießenden, geiftlihen und
weltlichen Glieder der Kicche und unter Vorausfegung des
bewußten Gemeinderechts, über die wichtigſten Acte ber
Ausübung der Kirchengewalt in letzter Inſtanz, genehmi⸗
gend ober verwerfend, zu entſcheiden, — was landesherr⸗
liche Ausübung der Kirchengewalt durch kirchliche Behoͤr⸗
ben in bemeffenen Schranken und umter dem vorwiegen⸗
den Einfiuffe je nach dem Mathe der Reformatoren war:
Das iſt jegt den Wefen und dee That, großentheils ferbft
auch bes Form nad Beherrſchung der Kirche, fürſtüches
A) 2 Zu DE SE 2 SE, Ba
Bu
Sieuneeginns. hanh. Krugams. dar :€
kirchlich war, iſt politifch, was geiſtlich, weitlich geworben.
Die beruhte urſprienglich auf einem Zufam⸗
menwirken von Geiſtlichen und getehrten Laien zum frei⸗
Ich landeshertlichen, doch im Sinne det Kirche und kei⸗
neswegs mit abſolutiſtiſcher Machtvollkommenheit, fondern
nur mit beſchraͤnktem Antheile der weltlichen Regenten zu
führenden Kirchentegkment. Die Staatbbehoͤrden, die Eonfi⸗
ſtorien, die Theologen in und außer denſelben, die Fuͤrſten
und deren Beamten — Alle hatten eine andere Stel⸗
lung; als jegt und was noch mehr iſt, die Regenten und
die von denſelben zum Kirchenregiment verordneten geiſt⸗
lichen und weltlichen Perſonen lebten und uͤbernahmen
und überkamen die Leitung der Kirche in ganz andern
als den gegenwärtig fie meiſthin beherrſchenden Vorſtel⸗
lungen von ihrer Stellung und deren Rechten und Pflich⸗
ten, naͤmlich in den Vorſtellungen der Reformatoren, der
proteſtantiſchen Lehre, die aber ſpaͤterhin theils vergeſſen,
theils misverſtanden oder misdeutet wurden.
Die Reformation hatte begonnen mit Berufung auf
die Gemeinde und deren Recht der Selbſtbeſtimmung in
den Glaubensſachen, feierlichem Proteſt wider die ſtatt⸗
findende Beherrſchung der Kirche Seitens der Hierarchie,
welche die weltliche Macht heruntergedruͤckt und ſich dienſt⸗
bar gemacht hatte. Luther ruͤhmte ſich mit Recht, bie
(egtere wieder zu Ehren gebracht, von dem hierarchiſchen
Alp befreit zu haben; war aber meit entfernt, fie zur
Kirchen: und Glaubensherrin machen zu wollen. Bu der
Zeit, als bie proteftantifche Kirchenverfaffung begründet
murde, hatte er fih durch den Bang der Ereigniffe und
äwingende Verhaͤltniſſe freilich genoͤthigt gefehen, feine ur:
fprünglichen Ideen theilweis aufzugeben, 3. B. bie Fode⸗
rung für jede einzelne Gemeinde, von Rechtswegen felbfl
ihre Lehrer zu ernennen. Dagegen war er — und wa⸗
ren mit ihm die übrigen Meformatoren — feft geblieben
bei ihren religioͤſen geiftigen und nichts weniger als welt:
fihen und mechaniſchen Auſchauungen von der Slicche,
deren Regierung und Verhaͤltniß zum Staat.
Kein Deinrih VII. fand ſich unter den deutſchen
proteftantifchen Fitſten der Reformationsepoche, ber die
Herrſchaft Über dij Kirche ſich angemaßt oder das Refor⸗
miren angefangen daͤtte. Sie billigten und förberten mas
geſchah, und indem fie Mitgrunder der proteftantifchen
Kirchenverfaſſung wurden, gingen fie volllommen ein in
jene Anſchauungen der Reformagtoren, welchen zufolge das
weltliche Regiment ein Werk göttliher Ordnung ift, ges
fegt nicht bloß zur Erhaltung des dußern Friedens, fon:
dern zugleich zum Dienſt der Kirche als des Reichs Bor:
tes, welcher Dienft die Verpflichtung in füch fchließt, die
Kirche als deren vornehmfle Glieher alfo zu regieren,
bei Frieden und Freiheit zu ſchützen und zu vertreten,
daß diefelbe ununterbrochen: ihrem Berufe leben könne, als
Mittel ber. eriöfenden Thaͤtigkeit Chriſti das göttliche Wort
zu erhalten und zu verbreiten. So wenig dem Landes:
beren eine Gewalt über die Kirche, Lehre und Glauben
zukommt, 5— ri den Geiſtlichen, beAin- nur rin
Amt in dee —* gegeben iſt, weiches im Fortpflanzung
der Bahre und Mertens
keſneswegs nach ſubſectip den
‚ febendigen Bewußtſein ia
Mit diefem — das etwas ganz Anderes iſt als der..todte
| Dalieln in
ta, 10% ons ‚aaa, dem
mmelidger Mitglieden ber; Kirche»
Buchftabe ſymboliſcher Bücher aus laͤngſt nticwundeges
Zeit, die fein gerader Gegenfas fein kinnen — mit dem
lebendigen Bewußtſein fämmeliher Mitgfieder der Kirche
alfo bat fi das Lehramt wie das Kirchenregiment in
Ubereinſtimmung zu erhalten, Es ift für jenes wie für
‚ diefes das Beſtimmende und Legtenticheidenbde.
wiewol der Lehrſtand, was ihm betrifft, wegen ber bei
Denn
ihm vorauszuſetzenden Einſicht weſentlich berufen iſt, bei
allen Lehr⸗ und von der Lehre abhaͤngigen Entſcheidungen
mitzuwirken, fo ſtehen dach die letztern fo ſehr bei ber
Gemeinde, daß dieſer das volle Recht beimohnt, ſogar den
ganzen Lehrſtand zu verwerfen, fans feine Lehre als Str:
lehre fich zeigte. Die Form für die Ausübung des Ger
meinderechte, für die Kundgebung des Urtheils der Kirche,
iſt die apoftolifche der Spnoden, an welden bie Laien
Theil nehmen mit dem Lehrſtande. Sind fie nit vors
: handen, und if die Gemeinde nicht organifiet, fo müffen
mindeftens bei den Lehrentfcheidungen und davon abhaͤn⸗
genden Belhlüffen und Beſtimmungen Laien zugezogen
werden, fo fommt der Gemeinde mindeſtens ein Wider:
fpruchsrecht zu. Und bat der Landesherr, was ihn ans
langt, als oberfles Mitglied der Kirche nad) göttlichen
Willen den Beruf, das Kirchenregiment zu führen, fo
kann er doch feinerfeits nicht berechtigt fein, dies allein
und in beliebiger Form zu thun, fondern er iſt babei an
die Belenntniffe, den Ausdruck der Glaubens⸗ und Mil:
lensmeinung der Kirche, gebunden, iſt verpflichtet, Sachs
tundiger dabei ſich zu bedienen, und zwar nicht etwa
blos als willenlofer Werkzeuge feiner eigenen Beſtimmun⸗
gen. Die von ihm eingefegten Gonfiftorien find nicht
mechanifche Drgane feines Kirchenregiments , und da dies
fe8 ein Dienſt ber Kirche iſt, fo dürfen fie fo wenig zum
Mittel eines Kicchenbeherrfchung misbraucht werden, als
bazu ſich aufwerfen. Sie find nothwendig felbftändige
Behörden und mit geiſtlichen und weltlichen Beiſitzern zu
beftelen, damit durch Jene Buͤrgſchaft gegeben fei, daß
bie Thaͤtigkeit des Kirchenregiments ſtets im Einklang
nit dem Bekenntniß erhalten werde, damit biefe beurkun⸗
den, daß die Kieche nicht einen herrfchenden Priefterftand
anerbenne, fondern den gleichen Beruf aller ihrer Glieder
achte. Ein Mehres ſteht dem Kirchenregimente, Dem
Lehramte nicht zu, nur in dieſem Sinne iſt jenes wie
biefed anerkannt, und greift das Eine oder Andere weiter,
wird dad Eine oder Andere nicht in diefem Sinne geführt,
fo geſchieht es wider göttlihes und menfchliches echt,
fo iſt Zyrannei vorhanden, „der Kirche Feindin“, wie
Melanchthon fagt.*)
(Die Vortſegung folgt.)
9 Bol. Richter, „Die Grundlage ber Iutherifchen
verfaffung ”, in Reyſcher's und —88 — er
[ches Recht und Rechtswiſſenſchaft“, Bb. 4, wo die Beweisſtel⸗
ten aus den Schriften der Reformatoren und ben fombolifchen
Büchern in fehr guter Benugung zu finden.
nn —————— — — — —
ur
Miecellen aus dem Gebiete der GSeſchichte und Satire.
Bon Rudolf von Grotereutz. Berlin, Hayn.
’ 1843, Gr. 13, 1 The.
Ref. Hat ſchon mehrmals die Behauptung ausgefprochen,
DaB die Bufammenftellung von Auffägen aus ganz verfchiebenen
Gebieten, oder fogenannte Miscellen, durchaus nicht fürs ein
Buch gelten können. Ein Buch muß eine Sinheit des Gedan⸗
tens enthalten, muß eine innere Nothwendigkeit haben; Beibes
febit ſoichen ſogenannten Miscellen; fie find Zeugniffe von uns
ferer aphoriſtiſchen Bildung. Wehr als zwei Drittel des ganzen
Buchs werden von hiſtoriſchen Mittheilungen eingenommen s
Lord Gtive's Leben und Warren Haſtings find, wie Hr. von
Groscreutz ſchreibt, nach dem Englifchen, alfo wahrfcheintich Übers
fegungen. Dafür wird fih ‚Hr. von Groscreug natürlich eben
ein Verdienſt anmaßen wollen ; od die Überfegungen als foldhe
gut find, kann Ref. nicht beurtheilen, da der Überfeger die Ori⸗
ginale nicht nennt; das Deutſche iſt fließend.
Sm letzten Drittel des Bandes ſtehen ſatiriſche Miscellen
Der Verf. hat wol einige Anlage zum Humoriſten, aber er
ſchleppt an der Gelehrſamkeit ſchwer; populair iſt ſein Humor
nicht, und doch ſcheint er ſich disweilen ins Oberflaͤchliche zu
verlieren. Der erſte Artikel „Sin Geiſterbeſuch“ ſpinnt ein
einfaches Thema gar zu weit und zu wenig pikant aus. Wenn
man fatirifch zu Felde ziehen will gegen immobderne und moderne
Romanliteratur, jo muß man ganz andere Pointen herausfuchen.
Daffelbe müffen wir fagen von dem Artikel „Zur Literaturges
ſchichte des naͤchſtkuͤnftigen Decenniums“; ber Gegenftand hätte
viel univerfeller und tiefer gefaßt werben müffen, und wenn ſich
uch darüber fcherzen laͤßt, To durfte doch die furchtbar ernfte
eite nicht unberüdfichtigt bleiben. Der Auffag „Das Publicum,
Dere oder Knecht?" fcheint ung in einer zu befchränkten Sphäre
gehalten zu fein. 29
giterarifhe Notizen aus Frankreich.
Neue franzdfifhe Romane.
Zu Nus und Frommen unferer zahlloſen überſetzer, denen
ſich Gott fei Dank in der jüngften Zeit nun endlich auch bie
fEandinavifche Literatur erſchloſſen hat, wollen wir unter den
kuͤrzlich erſchienenen franzoͤſiſchen Romanen diejenigen hervorheben,
die wir mit beftem Wiſſen und Gewiſſen unfern immerfertigen
fberfegungsfabrilen empfehlen Eönnen. Wir rechnen dazu, um
wit dem belichtefien Autor anzufangen, ,‚‚Sylvandre‘’ von
%. Dumas. Mehre der literariſchen Blaͤtter Italiens haben
diefen fruchtbaren Schriftflellee mit einer Wuth und ciner Ers
bitterung angegriffen, die um fo unerklaͤrlicher iſt, da es ihnen
doch unmoͤglich unbekannt fein Tann. baß die von ihnen fo viel
fach angefeinbeten Skizzen aus Italien (z. 8. „Corricolo” etc.)
nicht von Dumas, fondern von einem jungen Italiener, dem ber
berühmte franzoͤſiſche Autor nach jegt beliebter Manier nur feis
nen lodenden Namen geliehen hat, herrühren. Ganz beachtens⸗
werth ift auch der Roman „La recherche de l'inconnu” von
A. Delavergne, ber nur dem Zitel nach an ein bekanntes Wert
008 Balzac erinnert. U. Delavergne bat fich in feinem hiſto⸗
sifchen Roman „La duchesse de Mazarin‘’, ber zuerſt in der
„Revue de Paris’ erfchien, als tüchtiger Zeichner hervorgethan.
Mehr um feiner Verf. als um feines wirklichen Gehaltes willen
erwähnen wir der „Ki&onore“ von der befannten Mad. Eopbie
Boy. Gleichfalls von einer Frauenhand verfaßt, aber ungleich
intereffanter iſt das „Chateau de Pinon‘’ von der Eräfln Dafh.
Die liebenswürbige Dame, die ſich hinter diefem Pſeudonym
birgt, beißt eigenttiih Gräfin von Ging: Mars und gehört zu
der bekannten alten Familie dieſes Namens. Diefe geiftretche Schrifts
fiellerin, bie ein rein artiftifches Leben führt, ſpukt in ber parifer
Tagesprefſe unter verfchiedenen Masten. Bon ihr rühren unter
Anderm bie brillanten Kunſtkritiken ber, weldhe das Journal „La
presse” unter ber Chiffre Daniel Stern bringt, und in denen bei |
Gelegenheit der vortekten Aunfiiköltekuls unferk wanpaftın
Landemann MBinterhafter fo arg mitgeipieit wurde. SIye vor
legter Roman „Les bals masqusa‘ hat allgemeinen Meist ge⸗
funden, und ihr neueſtes Werk, das wir oben angeführt haben,
wirb gewiß nicht minder anfpredien. Gegenwärtig arbeitet fir,
wie verlaufet, an einer Geſchi bee pariſer Salons, eine
Aufgabe, die von der Derzogin von Abrantes in ihrem befannten
Werke auf eine nur wenig befrichigende Weiſe gerät il. Ei⸗
nige anonyme Skizzen aus dem heutigen Befeliichaftsieben zu
Paris, bie vor furzem in einer verbreiteten beutfchen Zeitung
erſchienen find, follen, wie uns verfichert wird, Proben aus dies
ſem intereffanten Werke fein. Wir reihen hieran eine gemein
f&afttiche Arbeit von zwei jungen Dichtern, beren jeber füch bes
reits einen Ramen gemacht hat und bie auch beibe ſchon gemein-
fehaftlih aufgetreten find. Wir meinen „Milla et Marie‘ von
Jules Sandeau und Arfene Houffaye. Bir baben ber interef:
fanten Skizzen Bouffaye’s, die jegt unter dem Titel „Le 1Bicme
siöcle“ — 38 — erſcheinen, in d. Bl. bereits gedacht. Ber
turzem bat die „Revue de Paris” einige neue Sunftauffäge
aus feiner gewandten Feder gebracht, unter benen wir insbeſon⸗
bere eine ganz vortrefflidde Abhandlung über ben berühmten
Boucher und den Stand der Malerei unter Lubiwig XIV. ber:
vorbheben. Zum Schluß machen wir noch auf einen neuen Ro
man vom demolratiich gefinnten Verf. ber „Souvenirs d’ua
enfand du peuple” aufmerkfam. Derſelbe führt den Zitel
„L’bonneur du marchand” und ift ganz in bemfelben Geiſte
gefchrieben wie bie frühern Werke des naͤmlichen Verf.
Sammlung verfhiedener Schiffsmodelle.
Bon allgemein ethnographiſchem Intereſſe ift eine Sammlung
der verichiedenen Schiffsconftructionen aller außereuropäifdgen
Völker, die vor kurzem von Hrn. Päris unter dem Zite
„Bssai sur la construction navale des peuples extra - euro-
pen ou :collection des navires et pirogues oonstreits par
es habitants de l’Asie, de la Malaisio etc” herausgegeben if.
Dr. Paͤris ift ein Mann von Fach und befteidet in der franzd-
ſiſchen Marine einen ehrenvollen Poften. Wir wiffen nidyt, ob
ee mit bem befannten Archäologen und GSprachforfcher gleichen
Ramens zu Paris und dem Bruder beffelben, ber in ber Provinz
lebt und ſich gleichfalls durch gelehrste Werke, 5. B. über die
alten Zapiflerien, bekannt gemacht bat, verwandt iſt. Geiz
Werk ift auf Befehl und mit Unterflüsung der Regierung bers
ausgegeben und bat wirklichen Werth; denn wie eine Geſchichte
der verſchiedenen Waffenarten wichtige Beiträge zur Bölferkunte
liefert, fo verbreitet auch eine Darftellung der verfchiebenen
Schiffe, deren fig bie wilden Voͤlkerſchaften Aliens und me
rikas bedienen, Über die Kenntniß dieſer Nationen manches Licht.
In artiflifher Beziehung iſt das vorliegende Werk fehr gut
eneitet. Es umfaßt 130 trefflich gezeichnete Kupfer:
afeln. 2.
Literarifhe Anzeige.
In meinem Verlage iſt neu erſchienen und durch alle
Buckhandlungen zu erhalten:
Waagen (&. $.), Runftiwerfe und Künftler
in Deutfhland. Erfter Theil.
Kunfiwerte und Rünftier im Eezge bie
ur e un unsere erige e
und in Frauken. Sr. 12. Geh. te 15 —*
J ah li W fi ’ { t i n
Runfiwerke und Künftier in Ei Bed
verbreitet ſich ber Verfaſſer Hier über Kunſtwerke und Kuͤnftier
in Deutfchland. Die Schrift Bann Kunftfreunden befonbers auch
als ein nügliches afebanbbud) gapfoblen werben.
Eeipzig, im December 1
$. A. Brockhaus.
Berantwortliher Dreausgebers Heinrich Brokhaus. — Drud und Berlag von F. 4. Brodhaus in eipzig.
%
literarifcht Unterdettung
Bitter
ger, n....n.
. "im
une“ 0: 9
De
Zeit i in der evangelifchen Kirche des preußis
aats. Ein praftifher Verſuch von Karl
bare König.
gweiter Ka legter Artikel.
(Bertfegung aus Ar. BL)
Nun ift-aber die urfprüngliche proteflantifche Kirchen:
verfaffung ‚nicht blos fo unvoliendet geblieben, daß es zur
DOrganifation der Gemeinde, zur Repräfentation der Kirche
* kam, ja daß nicht einmal das Widerſpruchsrecht
gewahrt wurde, indem man nie ſeine
5 und Bedingungen feſtſetzte; ſondern fie iſt offen:
bar theils der Korm, noch mehr aber dem Weſen nad)
in eine Gäfareopapie umgefchlagen. Die Confiftorien find
luaͤngſt nicht mehr, was fie urſpruͤnglich waren, die Kir:
chengewalt wird großentheild durch die Organe der Staats:
gewalt und nad) einem, über das zugeflandene weit bin:
ausgehenden Maß grabt, und wo die urfprüngliche Ber:
foffung der. Form nach noch beſteht, da-find doch, man
wird es nicht leugnen wollen, bei ben das Kirchenregi⸗
went Ausuͤbenden an die Stelle der, der ganzen Verfaſ⸗
fung zur Grundlage dienenden Anſchauungen und Bu:
ſtaͤude, mindeſtens ſehr oft, ganz andere getreten, wodurch
‚ watwrgemäß und nothwendig der sung Charakter des
Airch ammgeändert wird. Es iſt ein charakte⸗
aiſtiſches Deichen des gegenwaͤrtigen Zuſtandes daß in
Freußen die Noth der Kirche, das Beduͤrfniß der Beſſe⸗
zung, die Einleitumg zur Reform bedacht, in die Hand
genommsen :wirb.vom Koͤnige und deſſen “Dinifier, ohne
daß Der Gonfiſterien auch nur Erwähnung geſchaͤhe; fruͤ⸗
derer Vorgaͤnge zu geſchwelgen, wo die tiefgreifendflen
Maßregeln geradezu aus dem’ königlichen Cabinet emanir⸗
cn. Wer kannte es leugnen oder die Daraus hervorge⸗
bende Gefahr Überichen, dag Die Kirche, Lehre und Lehr:
freihe it ſchon dadurqh der weltulchen Wade in die Hände
geliefert IR, wenn der Landesherr nach perſoͤnlichem Er⸗
meffen bie —* ‚ wm Umwiverfitätprofeffer dis zum
Dorffchulmeiſter, ernennt? Sind dann audy noch die
Behimmungen üͤber die PYreſſe von ihm abhängig u. ſ. w.,
ſe befigt er weis mehe Gewalt, als Kalfer Sultan nächte
m” —* glaubte, wen‘ das’ Heidenthum wiederherzuſtellen.
Dis. isthediihe Anuchenverfaſſung trug von ihtem Ent⸗
chen anı win. Krim der Eorruption, des Untergangs In
4, und ae. Infiuige dadon, jener. Eriakkatung zu einer
hfareopapie, traten ſchon in ihrer erſten Periode berder.
Anfhauungen, weiche in begeifterten Momenten entftehätt;
ſich feftfegen, Halten ſich doch auf Die Länge nie ganz von ſelbſt.
Edle Grundſaͤte des Rechts oder Regiments, anerkannt, ade
gefprochen von den Mächtigen, gleichen doch nur dem gus
ten Borfägen, mit denen „die Hölle gepflaftert It”, wenn
fie nicht in den Schug pofitiver bindender Ordnungen ges
flelie werden. Errungene Rechte wurden flets nur kurze
Zeit behauptet, wenn die Berechtigten nicht auf die Wacht
geftellt wurden, die Wehr und Waffe in der Hand,
fie zu fügen. Schon Lurher und Melanchthon Hat
ten Urfache zu ‘den häufigften bitterften Klagen über bie
Weiſe, wie die eingeführte Werfoffung gehandhabt wurde,
die Wendung zu weltlicher Gewalcherrfchaft, weiche fie
fo batd zu nehmen begann. Nach ihnen aber zn bie
Beiten des Abfolutismus der Staatsgewalt. Er brach
die Kraft der bergebrachten bürgerlichen und potitifchen
Rechte und der Landesvertretungen. Es würde ein Wun⸗
der geweſen fein, wenn das Recht der unvertretenen Kirche
fi) wider Ihn behauptet hätte.
Gleich bei der erſten Probe, welche die anfaͤngkiche
Drganifation der Kirche zu beſtehen hatte, beim Aubbruch
bee verhängnißvollen theologifchen Streitigkeiten in der
zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts *), bewies fie Fi
ungenügend und unhaltbar. Man dachte ſchon damals
und fpäterhin noch mehrmal daran, fie aufzugeben oder
doch durch Einführung von Synoden zu ergänzeh, zu
beffern, konnte jedody nicht zum Entfchluffe, zur Einigung
tommen. Ste wurde bios ‚‚ausgebeffert”, iſt off und
vieffacy ausgebeflert, nahm mehr und mehr einen andern
Charakter an, zeigte fi ſtets ungenhgend und wurde im:
mer unbaltbarer, immer fchlechter, indem fie fih Immer
weiter von ihrem urfprünglichen Wefen entfernte. Dan
wurde fich deſſen in verfchiedenen Perioden tebhaft be:
wußt; fühlte fo ziemlich zu allen Zeiten die Unna⸗
tur und Rechteverlegung, die Religions- und Kirchen-
gefaͤhtde, welche Darin lag. Zeugniß davon find bie
*). Über dieſe und die fpäteen —ꝛ —— — —
a de ——* m und Eutwvrigungen, welche
—e—— an, Kr *
—— „Siementine” in ‚Sr.
Eee un e. ihrer
b
—S weichen wir une hier in dieſer "Dinficht A
RMNa Te
enbiofen, mähfamen, fpläfiadigen und gezwungenen De:
ductionen und Sictionen, jene kuͤnſtlichen Gewebe fe
phiftiſcher Syſteme, durch welche das Beſtehende, wie
man es eben hatte, vernünftig, rechtlich und evangeliſch
ul. mit dei
und -Chriftenthums zu umgeben. Das fogenannte pro⸗
teftantifche Kirchenrecht war nie im Stande, dawider zu
(hügen, und wurde theilweife ſeldſt mitſchuldig baran,
daß mehr und- mehr eine
ſtatt der geiftlichen eintrat, von welcher man fi) lotge⸗
fe, ja daß felbft- die Hieracchifche in andern Formen
wiederkehrte. Denn wie oft haben geifllihe Mäthe, Pa:
foren, Univerfitätd: und Hoftheologen u. ſ. w. und theo:
fogifizende oder weltliche 2wecke hinter rellgioͤſen Zwecken
und Richtungen verfolgende Laien dermaßen bie Hietar⸗
chen in der proteftantifchen Kirche gefpielt, daß «6 ſehr
zweifelhaft erſcheint, ob nicht eine katholiſche Prieſterſchaft
den Vorzug verdient hätte. Alle Hierarchie war und blieb
princips und rechtswidrig, und dennoch hatte man fie
nicht felten, weit in der Verfaſſung kein Mittel lag, ſich
ihres zu erwehren — weil die Gemeinde fein Organ des
Redens und Handelns, die Kirche Feine Vertretung be:
ſaß. Eben dies ift dee Grund, daß das dermalige Kir:
chenregiment außer Stande ift, die Kirche zu leiten wie
es ſolite oder zu beffern, und daß es bei feinee Kicchen:
leitung und feinen Befferungsverfuchen fih nur endloſe
Verwickelungen und Verlegenheiten bereitet. Die Richt⸗
ſchnur jeder AÄAußerung des Kirchenregiments iſt und ſoll
das lebendige Bewußtſein ſaͤmmtlicher Mitglieder der Kirche
fein, und von ihm hat es und kann es keine ausreichende
Kunde haben. Die Bekenntnißſchriften genügen da theils
nicht, leiten auch wel irre, indem jenes Bewußtſein in
ihrem Buchſtaben gefucht wird, jenes Bewußtſein, bas
nur die organifirte Gemeinde fo zu erkennen zu ge
ben vermag, daß es zus Richtſchnur dienen kann. Und
weil jegt das Kirchenregiment nur ein unficheres fubjecti:
ves Gefuͤhl davon hat, es bald erkennt bald nicht erkennt,
fo ſchwankt es nothwendig ſteuerlos hin und ber, fo kann
e6, ob noch fo gelehrt, redlich und liebreich, nichts aus:
richten.
Hat fi nun bie hergebrachte Verfaffung in allen
Geſtalten und Entwidelungen, in welchen wir fie gehabt,
mit Vorwalten der Seiftlichen oder der Politicl, mit oder
ohne Biſchoͤfe u. f. w. ungenügend, unhaltbar und ſelbſt
gefährdend und verlegend für das veligiöfe und kirchliche
£eben gezeigt, fo muß fie wol, mie fie da war und iſt,
als hiſtoriſch gerichtet betrachtet werden.
Ehen deshalb kann aber auch eine bloße „ Ausbefie:
sung” berfelben zu einer wahren Abhülfe nicht führen.
Um zu einer gründlichen Beſſerung zu gelangen, bieten
fih, angeſehen das Weſen und die Bebürfniffe der pro:
teſtantiſchen Kirche, nur zwei Wege dar. Entweder die
evangelifchen Lanbeshereen geben bie Kirchengewalt gera⸗
dezn an bie Kirche zuriick, die fid ſodann durch eine
Röfterwählte Behörde, einen aus ihrer Vertretung Her:
Derswerhm Pilte, umd die dei böcftens Dapin?
Edeme der Veraunff, ds Matıs:
weltliche Beherrſchung der Kirche -
— alſo gaͤnzliche Trenmumg vom Gtaase, bie rein &,
wobalverfaffung. Dawider fprechen jedoch fowol fark
Vorurtheile wie Gründe, bie Ausführung wäre fhwier:
Ir. nur bie Wenigern haben ſich bisher dafuͤr erli
Man kanp ſagen, dieſer arg (begin
außer Frage. Der ander d focbeſſehen
dem landesherrlichen Kirchentegiment der Kirche gegeben
wird, was ihr von Anfang gemangelt, daß man die ar:
ſpruͤngliche Verfaſſung feftpäst oder vielmehr herſtelt un
fie- duch Organiſation und Mepräfentatien der Gemeint:
und Kirche aus ihrem provfforifhen Zuſtande hinausfüht
und vollendet. Dafür, wenn man das Geſentliche in
Auge faßt, hat fi felt einer Reihe von Sahın dir
überwiegende Mehrheit überhaupt, daflıe haben fih mit
wenigen Ausnahmen die angejsheuften Klechene und Ar:
chentechtölchrer ausgeſprochen, Röhr, Ammen, Pahl, Ber:
ſchneider, Puchta, Eichhorn u. f. w. Es Kama daburh
doch zum Erſten und Nothwendigſten, dazu, daß die Kirk
ſelbſt fid) ausfprechen könnte und verkommen würde, |ı
vieler anderer Gruͤnde nicht zu gedenken, aus melden fih
annehmen lößt, daß eime gruͤndliche Weilemmg daven zu
erwasten waͤre.
So wie wie nun aber den Mugen. einer hießen Au
befferung der Verfaſſung wie fie iſt verneinen mut,
ebenfo fielen wir die Stärke der Gruͤnde in Abrede, u
weichen man genöthigt zu fein meint, bei einer folden
für jetzt ſtehen zu bleibem.
Man ſagt: die (preußiſche) Staatsverfafſung ſei in
voller Entwickelung begriffen, und erſt wenn bie polkk
ſchen Zuflände geordnet worden, durrfe die Kirche der Be:
achtung unterliegen. Das Geiſtliche and eitlide ja
gleicher Zeit ergreifen hirße beibe heile unvellendet laſſen
Aber, ihe feid fo ungeduldig, ihr wollt keinen Ar
genblick verloren wiffen für die Reform Der Kirche, ve
doch wollt ihr, daß, bevor «6 dazu kommt, bie Stat
verfaflung geordnet fein, d. h. daß eine ganz umberechen
bare Zeit vergehen foll, in weicher für bie Kirche nik
gefchieht; denn eine Ausheſſerang bes vnrhandenm Sir
henverfaffung iſt zugefländtich eben auch nichts ech
gut als nichts, und es iſt handgreifliche Thorheit, cu
Reform beginnen, von weicher man weil, daß fie met
genügen wird, etwas fihlerhe machen, das man befier j8
machen wüßte, da- die. Dinge doch noch immer unvollken
men genug bleiben, wenn wan fie auch fo gut mel
als man nur Immer weiß und kann.
Weiter ſcheint die Eutwickelung der praußiſchen Statt
verfaffung auc von Zeit zu Zeit, daß, wir ſo fagen, ca
Schritt zu thun und Dann wieder Mitt zu fichen, ſodej
dazwiſchen zecht wohl an die Kirche. gedacht werben mafj
ia fie ſcheint eben jegt auf. eimems Lingen Stillſtans⸗
punkte angelangt zu fein und ‚die kirchliche Bewegung
die Frage der Kirchenreform,, gewiſſermaßen in den Der
dergrund zu treten. Warum ſellte Die ingtere nm idl
vor Die Hand genommen: werden koͤmmen? Mir meinc
es waͤre gerade matlclich und gmeilnifie, Citaet un)
Kirche zu gleicher Zeit gu aedıenz da die Diebaumgen bb
vorgehenden ſtaͤndigen Ausſchuß, zu regieren haben würde | der ineinander greifen, ſich aufeinander. hezichen. Dei
222 much, kelounıe neck Glan: uch Mapcheit
32 13 21.
vipeäfentatfie Dertaſſung To gern 1
byneri eflung bas Wert
55 inde aber erden neben ber reknen
Monarhit oh nich. auf fo niedriger Sr ba, daß fie auf meine
Pan für.die Kirche keihen Elinfluß %
Soll das heißen, es iſt —* jr in einetu abſon⸗
ten — einem. Staate, das Mitreden
und Handeln ber Bürger ausfchließt oder nur in fehr
deſchranktenn Maße zuikßt, der Kirche eine Verfaſſung zu
Theil werde, durch weiche Ge zur Sckbſtbeſtimmung ge:
langt, und es iſt dies viel deichter in einem Repraͤſenta⸗
doſtaate — darn Fesilich erklaͤren wir uns vollklommen
einverſtanden. Wir haben deshalb auch von jeher die
conftitäfionnelte Entwickelung, oder uͤberhaupt den politi⸗
ſchen Fortſchritt, als hoͤchſt wichtig fuͤr den kirchlichen
und dieſen von jenem großentheils abhängig gehalten.
Was liegt näher, als daß die im Weltlichen mitredenden
DStaacsbkierger auch im’ Geiſtlichen mitreden wollen, mit:
zureden lernen; als daß die conſtitutionnellen Regenten
und deren Miniſter und Behoͤrden, die im Weltlichen
mit Volksvertretern verkehren und Einreden derſelben ge
wehnt find, fich leichter darein finden, ihrem kirchlichen
Megtiment gegenüber mit Vertretern der Kirche zu verkeh⸗
ten, leichter eine folche Vertretung zulaſſen?
Es iſt leidig genug, daß die Wichtigkeit der Ausbil:
hung ber ſtaatlichen Ordnung aus bem geheimen Policei:
um Beamten: zum Öffenttichen Rechtsſtaat auch für bie
Kirche noch immer gar zu fehr überfehen wird, und zwar
ſeldſt von den Beifklichen, .die die Organiſation der Kirche
ale hoͤchſt mangelhaft erkennen, und eine Beflerung der:
fetben dringend‘ wimfchen. ‚Gonderdar genug, möchte man
fügen. Proteſtanctkſche, Freiffunige Geiſtliche wiſſen es doch
fo wohl, daß die religioͤſe Freiheit auch zur bürgerlichen,
die Unfreibeit im Staat zum Gtaubens: und Geiſtes⸗
druck führe: - Ste: ruͤhhmen es dem Proteftantismus nach,
daß er ein Priucip, eine Stuͤtze der politiſchen wie der
Meligienofceſheit ſeil. Ste wiſſen und muͤſſen es doch
ans der Gefchichte der Reformation, der Kirche uͤberhaupt
und ihrer Kirche insbefondere wiffen, wie fehr bie Schick⸗
fale der Kirche und zwar nathrlidhers und nochwendiger:
weiſe ſtets abhaͤngig von ber ſtaattichen Ordnung waren,
amd. wie verderblich Corruption der letztern auf das ſitt⸗
tiche und relfglöfe Leben zu allen Beiten zuchdwickte und
nothwendig zurkdwirken muß. Liegt es doch ar vor
Augen, daß die deutiche Reformation nicht durchhrang,
mawollendet blieb, weil die gleichzeitig verfuchte polltifche Des
foem mi@yiädkte, weit die Ratten fich zu einfeitig im die
religioͤſe Bewegung bineinwarf, und Insbefondere, daß «6
bem Siegslaufe ber reinern religiöfen Idee unendlich ger
Shader, daß ‚Luther. und ibechaupt die fächfifchen Refoss
matoren, welche vortoaltend In der fehtern lebten, ſo we⸗
wig gute Potitkker waren; bag Luther, um ihm vorzuge:
weiſe zu nennen, troß vieler hellerer Augenblide, keines⸗
wegs immer erkannte, daß bat Chriſtenthum eine bappeite
SAte hat; daß er wenigſtens in vielen wichtigen Mo⸗
menten nur. die eine Im Auge. hatte, nach welcher 06,
bie dermalige Deyapifatian und Stellung ber
“eG
des Welt fühese;, bei er —**8* in —*—
sa Die audate Saite Dat Chrifenthume, nach walden es
als Mottesreich Inu: freilich. wicht biesamchi (ch) bie MRstt
geſtalten will; Abesfah; ‚micht immer daran dachte, be
mar her Shift als ſolcher in ſeligem Gottesfrieden uͤber
ber Welt und ihren Haͤndeln und Verhaͤltniſſen ſtehen
mag, fich aber als Menſch und Bürger der Welt nicht
entziehen, nicht Mind; fein, nicht aufhoͤren ſoll, thaͤtiges
Mitglied des Geſellſchaft zu fein, fondern viefmehe af
ſolches, als chriſtlicher Staatsbuͤrger helfen, das in ihm
lebendige chriſtliche Leben, die gerechte Sefinaung, dem
Geift der Freiheit und. der Liebe auch im den Stant bins
überzuführen. Nie hat er die bürgerliche Freiheit ale ein
nothwendiges und eins der nothwendigſten fittliehen Ders
hältniffe, und das wiederum bie ganze Entreidelung zur
Sittlichkeit, zur wahren Menſchlichkeit, bedingt, deutlich
begriffen. Mehrfach zeigte er eine Gleichgüͤltigkeit gegen
bie Staatsformen und Gefege und bie auf ihnen ruhen⸗
den Inflitute und eine Unkunde brrfelben, die ihn bie
zur dußerften Härte und Unklugheit führte, wie im Bauern:
Eriege, in feinen Äußerungen über die Leibeigenfchaft. In
dem fruͤhern und wichtigſten Zeitraume feiner Wirkſam⸗
keit ſtellte er eine, aus den bibliſchen Begriffen vom Ge⸗
horſame gegen die Obrigkeit. gebildete abſtracte Theorie
auf, bei welcher er freilich an. fürfiliche Machtvollkommen⸗
heit im neuen Sinn weder dachte noch denken Eonnte,
eine Theorie, die zwar in feiner Auffaffung der bürger-
lichen Freiheit an ſich nicht unbedingt gefährlich, in der⸗
ſelben jedoch viel zu ſchwer zu fallen, überhaupt zu kuͤnſt⸗
dh, einen zu hohen Schwung vorausfegend, und dem
Misverſtaͤndniß und Misbrauch viel zu ſeht ausgefegt
war, ale daß fie nicht hätte misverflanden und miss
braucht werden follen, die Rechtsverhaͤltniſſe der deutfchen
Obrigkeiten und Unterthanen zu misdeuten, zu verbums
kein und zum Nachtheil des letztern umzumodeln. Sie
behercſchte die ganze proteftantifche Partei; die Fürften
lleßen duch fie ſich abhalten, im rechten Augenblicke und
in der einzigen, Erfolg verheißenden Weiſe gegen bie ka⸗
choliſche Reaction aufzutreten, ließen ſpaͤterhin darch fie
a beſtimmen, ihre Gewalt wider alles concrete Recht
auszudehnen. Jene futherifchen Begriffe wurden verhäng:
nißvoll für die Meformation, die Volksfreiheit. Als biele
Solge hervorzutseten begann, wo er denn über die neue,
von der alten beutichen Freiheit gamg abgehende Regi⸗
mentsart die heftigſte Klage erhob, als er ſich deutlicher
erklaͤrre, die deutfchen polttifhen und bürgerlichen Ber:
haͤltniſſe und Mechte einigermaßen kennen gelcınt hatte
und feine Thesorie mis ihnen in Einklang zu ſetzen ſuchte,
war 00. {em zu ſpaͤt. Wem wäre es entgangen, daß
evangelis
m ren gr erheben
im Uupeung Teftahafıe Wrkapiug Vrefiiben
Ymmalbiung zu cine Gifaweepupke Lauäate 16 ww Im
eines Muangeihafern: yeoilifljen Drbnung ad vor mad pe
lafonmätion elsigetzetenen yamıın ſtaaccichen · Encwicke
zuiin Abſolutis u⸗ — ii? Sind doch
in unfern Zelten die Eitchlichen Meormplaue wieder por
gegechen, wurde ddp and iin ber Siehe das .
Sprucfäpinnb ueft rect möyeblfost und Varchgufkter, IE Die
DHerlode der poikifden Neactien eintrat. Dog 6 M
at flem dee Ball, daß man gute "Renriewifle define,
ven wichtigen Wahrheiten durchdrungen ift, und fie ua)
gewiſſen Seiten bin wicht anmendet oder anzuwenden
wagt. Auch von Luther's Schwaͤchen hat die Geimich⸗
Seit des luthetiſchen Kische fi vielfach befiimmen laflem.
In von Ländern, wo flatt des faͤchſiſchen das zwingliſche
und caluinifche Bekenntniß obſtegte, wurde die Reforma⸗
tion deu buͤrgerlichen Freiheit welt foͤrderlicher, kam +6 zu
einer ſolchen Schwaͤche und Aufloͤſung der Kirche nicht,
zeigte die Geiſtlichkeit fo viel Setvilitaͤt gegen die welt:
sche Bewalt nicht. Das reformirte Bekenntniß hatte
Presbyterien und Synoden im Gefolge.
(Die Fortſetung folgt. )
An Bremens gemeinen Mann, von deffen Mitbuͤrger,
Johannes Roͤſing. Leipzig, Brockhaus. 1843,
Gr. 12. 24 Ngr.
Ein wohlgemeintes Schriftchen eines patriotiſchen Mannes,
das wol auch anderwaͤrts Nachahmung verdiente, jedenfalls aber
auch außerhalb Bremen der Beachtung werth iſt. Der Verf.
bezweckt darin, die aͤrmere, arbeitende Claſſe in Bremen uͤber
bremiſche Zuſtaͤnde aufzuktaͤrrn, indem er derſelben die Haupt⸗
benheiten der an Erfoguungen fo reichen intereffanten bremi⸗
Then Geſchichte von der. Zeit Karl's des Großen an bis auf den
heutigen Tag vorführt, namentlich Dasjenige, was in der Zeit
Teit 1815 für die Seftattung und Verbeſſerung der öffentlichen
Vethaͤltxiſſe des Kleinen. Freiſtaats gefchehen ift, zuſammenſtellt,
auch kin und wieber auf Das, was in biefer Beyiehung zus
u thun übrig if, aufmerkſam macht. Es fann aus-biefer Der:
Keitung nad) verfchiedenen Seiten bin Vieles gelernt werden,
theils infofren fie Das zu thun und ind Werl zu fegen verans
laßt, was Roth thut, theils infofern fie in dem „gemeinen
anne” weges Setvſtgefaͤhl und das rechte Selbſtbewußtſein her⸗
vorsuft, ohne ihn jedoch über bie ihm m gapgenen Grenzen bins
auszuführen. Denn wäre Letzteres, ſo waͤre damit ber Mugen
bes Chriftchens in der einen Hinſicht zugleich wieder vernichtet;
aber fo etwas tiegt durchaus nicht in der Abficht des mohlges .
finnten Verf., wie fehr es auch unfere Zeit liebt und wie ehr
Felbft veuftändige Maͤnner Fi dazu bingeben, bie arbeitenden
Gtoffen zu politifgen Zwocken zu benugen und. yı misbrauden.
Hier ift nichts von dergleichen communiftifch s focialiftifchen Wen:
bungen: guehannes Roͤſing, der mit den bremiſchen Truppen den
Krieg 1 15 ygen Napoleon mitfämpfte und namentlid in der
atetloo mitforht, wo er mit dabei war,'uld Re
polen’s Wagen erbeutet wurbe und bort daraus den zweiten
Theil des italienifchen „Orlando furieso/’ heite ( S. 6%), iſt ein
aufeichtiger Freund feines Waterlandes und hat, nit nad) Art
mancher jugendlicher Brauſekdpfe und ebenfo herz⸗ als kopfloſer
—— bie die’ mr Ihren Wortheit kennen, nur orte ’Siteitelt
febguen ‚- fondern mit Überkegmg nur am
Uertandes geſrieben (vergl. S. m. — * —
burg dieſe
ben sr
hre, 33 Ruben
Ahexiafien. wollen?
8
Lkiterariſche Notizen aus Acan læaia
SGeſchich te Dur varifer Porferi.
pariſer Polieri viniges
groͤßern Publicum flets das —
Memoiren eines
Intereſſe wenig ‚Scenes ,
uns einen Blick in das gewaltige Policei: und guifiweien
der Weltftade thun Iaffen. Das —— an dieſer ge⸗
* Speiſe Geſchmack 5* einem neuen Werke
eder eines
einen an⸗
VEigentlich
Htiger SEHR
—2*— Horace Raiſſon, der, irren wir "nicht, reis
then Yoften im parifse a uefen ‚beit
hiſtoriſches Intereffe Hat dieſes Merk,
in daſſelbe uns gezeigt bat, aicht.
allen verſchiedenen Verwaltungszweigen ber ſiſchen Min
fterien und fomft auch des gefommten Policchvefens gibt uns
ein kuͤrzlich erfihienenes Handbuch, welches bei Titel führt:
„De l’organisation des adnıinistrations eeuitiralen dies ae
ministenes et des devoirs des u ayan AMen Denen, bie
ſich einen Begriff machen wollen
den verſchiedenen franzoͤſiſchen —ã iſt Nm *237 zu
empfehlen.
—— Frankreiche währen ber Kreuzz ee
Ecidyeinwmigen in. der eftähihte,
Jutereſſe hen in Auſpruch nehmen, — u sie
zeitige Worgänge Bi ganz fpurlos voruͤ
während der franzd chen Revolution die Ge ei
Europa ganz and gar in den Bintergrund wird von der
großen ® — N gut · wie gar nicht beruͤckſtehtigt.
Im BRitteieiter fin ee Geſchichte der ge ein
ganz ähnliches —— PA Die. meiften
weiche diefen Zeitraum behandeln, mwibmen den igen forts
en Zee * ganzes ana ww. werfen auf ben Zu⸗
an andes nur einige ige — Daher komm
es auch, va. für d e Remtniß der damaligen’ B *
Buftdnde m m if. = mäflen bie
‚Ramım
* An Wet
der ——** sulausmenfafien, *
wird es dem. jungen Hiſtoruer Ba
bezuͤglicher Papiere, die allei d eo
Yarıs aufsepeihet find mt Feen n. * wi
vier Wände. umfaffen, von.beieh us ats
ne d ougttuͤndigt iin
Blätter
für
literariſche Unterhaltung.
Dienſtag
Die neuefte Zeit in der evangelifchen Kirche des preußis
fhen Staats. Ein praftifher Berfuh von Karl
Bernhard König,
Zweiter und legter Artikel.
(Bortfegung ud Nı. 332.)
Bon ber andern Gelte wird aber auch die Wichtig:
Leit der Entwidelung der kirchlichen Drganifation zu ei:
nem freien, den Gemeinſinn auch in dieſem Kreiſe und
fo überhaupt fläckenden, die Vereinzelung der Individuen
mindernden Gemeinderwefen ſelbſt von den Gonftitutions
nellen, den Freunden des politiſchen Fortſchritts, nicht
felten überfehen, bald weil fie von Begriffen von der Al:
gewalt des Staats bis zu der Verblendung erfüllt find,
daß fie nicht bemerken, wie. fehr fie der Regierungsmacht,
‘weiche fie doch befchraͤnken wollen, dadurch Vorſchub lei:
flen, daß fie die Kirche in der Gewalt bderfelben Laffen
‘oder gar fie niederhalten beifen; bald indem fie als Er:
gebniß der Kiechenfelbftändigkeit nur das Geſpenſt der
Hierarchie, ats ob dieſe nothwendig mit jener zuruͤckkeh⸗
ren müßte, vor Augen haben und nicht erkennen, daß «6
ein Drittes gibt, die kirchliche GSemeindeverfaffung, wie
die Reformatoren fie dachten, wie fie in der reformirten
(zwingliſchen, calviniſchen) Kirche eingeführt wurde und
beſteht; daß eben durch fie allen bierardifchen Gelüſten
und Tendenzen am ficherften begegnet werden kann, daß
einige Hierarchie, fo weit fie überhaupt noch moͤglich in
proteſtantiſchen Ländern, eben bei den Verhaͤltniſſen der
(utberifchen Kirche am erften möglich und der Gefchichte
und Erfahrung zufolge bis auf noch gar nicht fernliegende
Zeiten wirklich geübt if. Denn wenn evangelifhe Re:
genten oder Behörden aus religioͤſer Befangenheit oder
aus Politik die Theologie, die vollsmäßige Lehre, den
Cultus, die. Geiſter zu beherrſchen, einzuengen, in gewiſſe
Richtungen hineinzubringen fireben, fo flehen Ihnen eben
beim jegigen Zuſtande die reichſten Mittel und der be
drängten Seite nur [ehr unvolllonsmene Widerflandsmit:
tel zu Gebot. Wenn nun König meint, «6 ſei jetzt noch
ganz ungünftige Zeit füc den Verſuch, Presbpterien und
Synoden (gegenüber den Gonfiflorien, dem landesherrlichen
Kirchenregiment) für die Kirche zu erlangen, der Staat
fei noch viel zu weit zuruͤck in der politiichen Entwicke⸗
tung, fo mag ihm der Gedanke vorgeſchwebt haben, einer:
feits, daß bie Staatsmaͤnner, die, dem Fortſchritt im Staate
zur Mitthätigkeie des Volks abhold, fehr wohl wiſſen oder
fühlen dürften, wie fehe die Organifation und Repraͤſen⸗
tation dee Gemeinde und Kirche jenen Kortfchritt förbewe
Eönnte und müßte, daß eine felbftändige Kirche ein ben
Abfolutismus der Staatsgewalt weſentlich befchräntendes
Element fei, und andererfeits, daß die Freiſinnigen großen:
theils zu befangen wären, um hier entgegenzulomment,
das Streben der kirchlichen Kortfchrittöfreunde zu unter⸗
ſtuͤhen und die Gefangenfchaft der Kirche brechen zu
helfen.
Allein diefe Befangenheit wird ſich doch überreinden
laſſen. Die fortfchrittfeindtichen Staatsmänner find doch
in Preußen nicht allmaͤchtig. Die Periode der politiſchen
Reaction ift vorüber. Der König hat fi fir den Fort:
ſchritt im Staatsleben laut und Öffentlih erklaͤrt. Er
will ihn nur nicht revolutionnair, flürmifch und in dem
Sinne, wie er von Vielen verflanden wird. Go wäre
es doch keineswegs ausgemacht, daß die muthmaßlichen
Einwirkungen des kirchlichen Fortſchritts auf dem politis
[hen misbeliebig, ein Gegenftand der Beforgniß fein und
gar zu großen Miderftand finden rolirden. In jedem
Falle würden fie nur Indirecte und am wenigſten ſtuͤrmi⸗
fhe fein. Die Geſchichte, der thatfächliche Zuſtand bes
weift, daß Presbpterien und Synoden kein revolutionnafs
res Element in fid) tragen. Sie beftehen und haben fett
300 Jahren, wie überall in der reformirten Kirche, fo
auch felbft im der Iutherifchen in mehren preußifchen
Provinzen (Rheinland: Weftfaten) beftanden, und wohl zu
merden zum kirchlichen Gedeihen. Eben darin liegt ber
erfahrungemäßige Beweis des Werths der Presbyterial⸗
und Spnodalverfaffung, während die Firchliche Organiſa⸗
tion in den Provinzen, welche berfelben entbehren, zu
leicht befunden worden. Warum alfo follte fie nidyt bins
übergeführt werden koͤnnen von Juͤlich, Kleve, Berg in
die übrigen Provinzen oder aus ber reformirten Kirche,
mit welcher man ſich fonft geeinigt, in bie unirte, bie
Iutherifche, zum Gedeihen berfelben und ohne Staatsge⸗
fahr? Mas aber noch mehr iſt, es bleibt einmal offen;
bar gar nichts Anderes übrig, wenn man an eine gründs
liche Reform denkt, wie es in Preußen der Fall it, wo
die Nothwendigkeit einer ſolchen jezt fo lebhaft empfuns
ben wird, wo die Regierung fich unverkennbar etwas Durch⸗
greifendes zu thun genoͤthigt fühlt, wenn Auch freilich
3418 vn
keineswegs durch äußere Gewalt, fonbern durch die Troſt⸗
loſigkeit des kirchlichen Zuſtands, durch bie mehr und I.zu erweiſen.
keit erhlelte ein freies Felb eatwidin,
Es wäre nen End Baus a
mehr bervostretende Wahrheit, daß eine evangelifche Kirche] lche Begeiſterung, fi) zu entzuͤnden, zu bethaͤtigen; und
ohne Organiſation und Vertretung der Gemeinde und
KiEche geradezm ein Unbing venanut werden muß, durch
Die erkannte Erfolgoſigkeit der andan Weik — wie
reinen dahin felbft eine Ausbeflerung der dermaligen Ver:
faffung —, Abhülfe zu fchaffen und duch ihe Pflicht:
gefühl zu helfen.
Fragt man nun aber, was zunaͤchſt zu hun fel, fo
erwidern wir: das Natuͤrlichſte, das Gerechte, Billige,
Bernünftige, Evangelifche: daß die Gemeinde verfammelt
und vernommen werde. Die in ihren geifllichen und
weltlichen Mitgliedern vertretene Kirche muß am beften
iſſen, was ihr fehlt und wie zu helfen fei, über jeden
Bellerungeplan wuͤrde fie zuiegt doch, annehmend oder
ablehnend, zu enticheiden haben. Da ift König auf dem
rochten Wege, wo ex bavon fpricht, daß nicht fowol bie
wderliner Theologen, fonbern bie deutfchen ſammt dem deut:
Then Publicum vernommen werden müflen; nur baß der
Gedanke bei ihm nicht zur Klarheit gelangt.
‚ Denn «8 fragt fih nun weiter, wie das geſchehen
fol, «6 erhebt ſich dieſelbe Schwierigkeit, die man aud)
und namentlih im 15. Jahrhundert in der Kirche, ale
biefeibe zur Vornahme der allgemein begehrten Reform
verfammelt werden folite, fo fjhwer empfand. Wo und
wie find und waren bort bie zur Dertretung Geeigneten :
Berauszufinden? Die Kirhenverfammlungen find und was:
sen fo lange ſchon in Abgang gelommen. Wer fol, wer
follte dazu berufen werden ?
Wenn indeß nur der Wille nicht mangelt, fo ift bie
Aufgabe am Ende leichter zu loͤſen als man mol meint.
Zunaͤchſt würden in den einzelnen Bemeinden durch freie:
Wahl Kicchencollegien, Presbpterien oder wie man bie
Zocalvertretung ſonſt nennen wollte zu bilden fein; aus
ihnen ginge fodann die bie ganze Gemeinde tepräfenti:
sende Spnode hervor. Zum Anhalt bietet ſich etwas
ganz Praktifches, die rheinlaͤndiſch⸗ weſtfaͤliſche Kirchenord⸗
aung mit ihren betceffenden Beflimmungen dar. Der
norgeblichen und ohne Grund geflischteten Schwierigkeiten
bürften body die melften fein. Viele Gemeinden möchten
allerdings in Verlegenheit gerathen, wie fie wählen fol:
ten, ober verkehrt wählen. Es ift kaum möglich, eine
andere Wahlordnung jegt ſchon zu Stande zu bringen
als eine ungenuͤgende. Am Ende aber möchte im San-
befjer gewählt werben als Mancher glaubt, der dem
nichts zutraut. Geſetzt, der erſte Verfuch liefe un:
glüdlih ab, fo würde doch keineswegs die Gefahr eintre⸗
ten, daß die Gemeinde duch bie erſte Verſammlung
tyranniſirt würde, Die Beſchluͤſſe der legtern wären je
ner vorzulegen, bie dieſelben verwerfen und eine beffere
Vertretung wählen koͤnnte. Doch laͤßt fih gewiß auch
darauf rechnen, daß In ber Verſammlung eine binläng-
‚liche Anzahl von Solchen erfcheinen würde, deren Geift und
Befinnung die echten und rechten und flat. genug wären,
Die Übrigen zu gewinnen. Die ganze Maffe der in ber
Kirche vorhandenen chriſtlichen Intelligen, und Froͤmmig⸗
‚wollte man ihr umd ihrer Macht nicht vertrauen, fo
‚möchte man Aueh Nichhe um
Gehe Apr Lieber
ſogleich und Janz aufgeben. -
(Der Beſchluß folgt.)
Worte der Erinnerung, nad) ‚der Beſtattung Sr. Excel⸗
lenz de6 Wirklihen Geheimeraths und Oberappellations-
gerihhtspräfloenten Freiherrn von Ziegeſar, am Morgen
- des 9. November 1843 in der Kirche gu Drakendorf
gefprochen von Joh. CH. F. Schwarz Jena, From:
mann.
Ss eignet füh nicht für die Beſtimmung biefer Biätter,
Gelegenheitsreden zu befprecyen, zumal foldge, die nicht für das
große Publicum, fondern nur für den engen Kreis der näthften
Betheiligten gebrisckt wurden; aber es eignet fick wohl, auch bier
eines Mannes zu gedenken, der ſchon durch feine amtliche Stel
lung, als vieljähriger Regierungsbevollmächtigter und Gerator
einer berühmten Univerfität, und ebenfo fehr durch feine auöges
zeichnete Perföntichkeit auf wiſſenſchaftliches und titerariſches %s
ben einen bedeutenden Einfluß gewann.
‚ „Dazu tonmt, daß bie vortisgenbe Rebe in ihrer Art ein
in jeder Hinſicht gelungenes Meiſterwerk iſt, bei muſterhafter
Einfachheit voll Wuͤrde und Schoͤnheit, tief und kraͤftig. Cs
iſt die Beredtſamkeit des warmen, fuͤr feinen Gegenſtand begei⸗
ſterten Herzens, aber unbefangen, ohne Übertreibung, "buche
mahr, voll Geiſt umb Leben. flimmen ber Gefeiczte
ber Feiernde im fchönften ECinklang gufammen.
Der edie Entichlafene hatte in feinen letzten Leidendtagen
ausdrüdiid verordnet, baß an feinem Grabe keine Rebe gehals
ten, fondern allein der Segen von. dem farrer gefproden
werde. Bei dem redlichſten Streben und eitflußeeichften Wirken
in aufrichtiger Demuth feiner Maͤngel ſich bewußt, wollte er
nicht, dab er da gelobt werde, wo, was icdiſch an ibm wer,
ber Erbe übergeben ward. Man ehrte biefen feinen legten Bits
len; aber von der einfachen Feier an feinem Grabe eilte die
zahlreiche Schar der, Leibtragenden und SBegteiter in bie nahe
‚Kirche des vätezliden Ritterguts -Dralendorf. Es wer ein all
gemtin empfundenes Beduͤrfnis, an heiliger Gtätte aus ſprechen
zu hoͤren, was Aller Herzen bewegte, und der mit vielen Golle
gen, Freunden und Berehrern des Vollendeten aus Xena in
den Brühe des Herbftmorgens herbeigefommene Kirchenrath, Su—
Feiebipemfe —— ni (gfreundet, entfprady aufs bes
frie e dire en tungen unb nfchen
der Verſammelten. ® *
Es war ein ungemein gluͤcklicher, treffender Gedanke, bie
fen „Worten der Erinnerung“ einen bibliſchen Text su Grunde
zu legen, welcher in volltommenfter Wahrheit auf ben treubes
währten, alverehrten Ziegefar angewendet werben durfte. Es
fand gewiß in den Herzen aller Dörer Anklaug, als ber treff⸗
liche Redner nach den wenigen aber ergreifend einieitenden Wor⸗
ten ſprach : „@®ewiß nicht allzu Viele, auch unter Denen, wei⸗
hen das Licht des Evangeliums aufgegangen ift, folgen feinem
Gottes) Rufe, nachdem fie fo, wie er, bie Sauptfumme fei⸗
ner Gebote erfüllten, die da iſt Liebe von reinem D, von
gutem Gewiſſen und von ungefärbtem Glauben.” Die
Rebe beſteht in ber ebenfo ſinnreich wie beredt bu
Anwendung diefes apoftoliichen Ausſpruchs auf den vieibeklagten
Tedten, in deſſen harmoniſchem Leben ſolche Birbe ben tiefen,
nie —— —— bildete.
—X ſo ocdntten und abgeruabeten Gan
kaun mar nicht Ginzeines hetausheben, ohne den garten en
Lang aller Theile aufzuläfen. Mir müßten bie ganze Niede ab-
&
MORD
Suaeiben, feliten wir bes :tamse- Milh bes whrwärbigen Vollende⸗
ten wisbergeben, ‘wie Pr. Dir. Echwmarz es und vor Augen ges
flelt at. Diejenigen, weidge ihn fanaten unb- n, wer⸗
den nicht Sinen Zug in biefem Bilde finden, des nicht sief aus
dem Leben geſchoͤpft, volllommen wahr, vielfach bewährt, unbes
zweifelt waͤre; bie ihn nicht kannten, begreifen wenigflend, welch
ein buxdhläutertes, gebisgenes, mufterhaftes Erben dasjenige var,
von dem vor einer en Berfammiung von Hohen umd
Niedern, vor fo Vielen, denen eine vieljährige Beobachtung der
ſtets fich offen hingebenden Perfönlichleit vergonnt war, obne
Furcht vor einem auch nur leiſen Weiderfpruch gerähmt werden:
durfte, daB „Liebe von zeingm Herzen, von gutem Gewiſſen
und von ungefärbtem Glauben“ daſſelbe in feltener Kraft ex
füllt habe. Das iſt die Liebe, bie in einem tiefen und Klaren
Giauben wurzelt, als feine Wiäte und Frucht ihn bewaͤhrt,
Eins mit jener: felenvollen Froͤmmigkeit, bie ben edein Ziegelar |. gei
auszeichnete, und nicht bios in feiner eifrigen Theilnahme am
öffentlichen Bottesbienft und in feinen gemeinfamen Hausandach⸗
ten bervortrat, fondern auch eine höhere Weine über fein gans
ges Leben und Wirken verbreitete. Wenn er einmüthig ber hu:
manſte und menfchenfreunblichfte Mann genannt warb, fo er:
kannten Diejenigen, weldye ihm näher fanden, jene rein ausge⸗
bildete, das ganze Leben burdpbringende Bumanität, die im vor:
zuͤglichen Sinne eine chriftiiche zu heißen verdient. Ihm war
recht eigentlich nichts Menſchliches fremd, fofern es Theilnahme,
Bohlwollen, Anerkennung, gerechte Würdigung in Anfpruch
nimmt; es war ibm Herzensbeduͤrfniß, wohlzuthun unb zu ers
freuen. „Die Witwen und Waifen in ihrer Truͤbſal beſuchen
unb ſich von der Welt unbefledt erhalten‘, das war fein reiner
und beitändiger Gottesdienft. Go ift er auch „im Krieben mit
der Welt und mit fi felbft, weil tm Frieden mit Bott‘, von
Sinnen gefchieben.
Er flarb nicht jung, aber doch fruͤh; eben hatte er erſt
das fechözigfte Lebensjahr vollendet. Mas er in 36 Jahren,
feit er tn ben Gtastsdienft eintrat, in mannichfacdhen Ber:
haͤltniſſen gewirkt hat, das if, wie allgemein, nicht erſt
nach feinem Tode, auch da er noch lebte, feine unermuͤdliche
Berufstreue, feine einflußreiche Tuͤchtigkeit, feine hohen Ber:
Dienfte anerkannt wurden, doch nicht vollitändig darzuſtellen,
weil gar Vieles, was er geleiflet, Busch Wort und That, durch
Rath und Huͤlfe, durch freundliche Vermittlung und Ausglei⸗
«ung vor ber Belt verborgen geblieben iſt, wie er benn oft
am tbätigften war, wo er nichts zu thun, ganz paffiv fich zu
erhalten fdyien und am wenigfien Worte machte.
Weldge bewundernswuͤrdige Thaͤtigkeit er bis gu ben letzten
Zagen, ba er, mit ſchon erfchöpfter Lebenskraft, ſich noch ben
Geſchaͤften widmete, ununterbrodden entwidelte, das bezeugt,
aber auch nur zum Shell, ſchon der Umfang ſowie bie Gigen-
themlichkeit feines Berufskreiſes, und die Fruchtbarkit, mit der
er barin allen gerechten Anſpruͤchen genügte. As Chef des ge:
weinfchaftlichen —— uad herzogi. ſaͤchſ. und fuͤrſti. reu⸗
Ober⸗ Appellationſgerichts, deſſen weitem Geſchaͤfts⸗
bereich) er NMJahre lang mit anerfanntem Erfolge vorſtand,
unb als Gurator ber Univerfität, der er mit einer nie
alternden Liebe zugethan war, deren Angelegenheiten ihm wie
Die feines Hauſes und feiner Yamitie am Derzen lagen, gewann
sr in ver That nur karge Muße für bie Gtudich, zu welchen
fein eigenes Bebürfniß ber Fortbildung und feine amtliche Stel
lung ihn beflimmte, zur Schotung im Familienleben und in ber
@efelligkeit, der er fi nicht entgieen konnte noch wollte, und
für Beſorgung feiner häuslichen gelegenheiten. Und auch
diefe Muße ward ihm oft und viel beſchraͤnkt durch außerorbent-
liche Arbeiten und Gelchäfte, die man ihm übertrug, oder denen
er aus menſchenfreundlicher Theilnahme unb entgegentommenbem
Wohlwollen freiwillig ſich unterzog, durch eine weithin reichende
Gorrefpondeng, durch bie Menge Derer, welche von nah und
fern an ihn wendeten, Rath, Troſt, Huͤlfe von ihm zu em:
MT gen unb_ geldhäftege
ZucR Tanne untegeuinti genen, wie Einer fo Bet va
An, 8 l ſe b 4 ale
lee ie —8 en Bei be
driſchen ‚Anfecgiungen, die fonft den Muth und die Epatfraft
and empfindlich nbfpanatın aber fein
Anftvengung, His zur aͤußerſten Erſchoͤpfung, felnes Berufs war:
tete und jeine Beftimmung genz zu erfüllen firebte. Auf eine
fo gewiſſenhafte, raſtloſe, aufopferade, dem Wirken für . Andere
üb völlig bingebende und babei durchaus unrigemnägige, von
aller Selbſtſucht entlieidete Thaͤtigkeit mag billig als auf has
nadgahmungswerthefte Muſter hingewieſen werben.
Der reine Abel feiner Geele {pr fhon beim «
Anblid, und je näher man ihm trat, —— em een
ner dußern Erſcheinung aus, in dem männtichsfejönen,, ebels
ernſten, wilden und feeunblichen Xntlig, in ber hoben, Er&ftig
gehaltenen, echt ritterlichen Geſtait, die Achtung gebot und Mer
trauen einflößte. Gerade, offen, wahr, nicht nur ohne Balfdh,
auch ohne irgend einen Kitkhait, kam er Jedem entgegen; et
erfaubte ſich nicht nur nie ein Wert, bas feine Meinung und
Überzeugung verleugnet ober auch nur zweifelhaft gelaſſen, vor⸗
fichtig verhält Hätte, er haßte auch die Unentfchiebenheit der
Rede, bie mehr zuruͤckhaͤlt als ausfpridgt und mandyerlei Deus
tung zuläßt. Die diplomatifche Feinheit, die mit ſchoͤnen Res
bensarten, mit unſichern Andeutungen, mit halber Wahrheit
ſich abfindet und ber unmmmwunbenen Erklaͤrung aus dem Wege
geht, war ibm völlig fremd; Mancher bat vielleicht über feine
allzu firenge Wahrhaftigkeit geklagt, obwol biefe, auch wo fie
berb auftrat, nie ben Anftand verlegte, noch Jemand ohne Roth
wehe thun wollte. Es warb ihm ſchwer, irgend wen zu betr:
benz ed war ihm herzlich Leid, wo er @inen gekraͤnkt zu haben
meinte; aber es fehlte ihm nie an Entſchiofſſenheit, an Muth
und Energie, wo es galt, für Wahrheit und echt zu fireiten,
der Lüge und dem Unrecht Eräftig entgegenzutveten. Niemand
hat je ihn irgend einer Art von Falſchheit zu zeihen vermedt.
Erwaͤgt man dazu, wie mit ber Entſchirdenheit der reinſten
und reblichfien Gefinnung das aufridhtigfte Wohlwollen, vie
wärmfte Theilnahme an fremben Leiden unb Freuden, bie herz⸗
lichſte, nie ermuͤdende Geneigtheit zu rathen, zu helfen, zu ber»
mitteln, zu tröften, ſich verband, fo ergibt ſich Leicht, wie tief
begründet das allgemeine Vertrauen war, mit bem man feinen
Zugenden und Verdienſten hulbigte, die Achtung und Berehrung,
bie man nicht blos in feinen naͤchſten Wirkungskreifen ihm zollte,
endlich die fo unzweibeutig fich aͤußernde tiefe Trauer bei der
Kunde von feinem Tode.
Alle reife feiner amtlichen Thaͤtigkeit werben fein einfichtes
volles und wohlwollendes Wirken, das durch fein mohlbegrändes
tes und vielgeltendes Anſehen Eräftig unterfiügt warb, ſchmerz⸗
lid) vermilfen, am meiften die Untverfität Jena, bie, nach h
vielen empfindlicden Verluſten, weiche fie in dieſem er⸗
litten, auch noch ben Tod ihres allverehrten und aligeliskten
Curators beklagt. Für dieſe Stelle war er in jeder Begichung
ganz vorzüglich geeignet und er bat in berfeiben, kraͤftig unters
fügt von den höchften Behörden, welche biefer wiffenfchafttichen
Laudesanftalt treue Gorgfalt und jede moͤgliche Unterfkügung
widmen, einen Einfluß gewonnen, weicher weit über die Grens
gen feiner Lebensdauer hinausreicht. Gr durfte bes unbefcheänfs
ten, vielbewährten Vertrauens ber fuͤrſtlichen Grbalter ber
Univerfität und der Etaatsminifterien ebenfo ſehr, wie ber Aka⸗
demiker ſich getröflen. Die Profefloren ehrien ihn als ihren
anfpruchsiofen Goͤnner und redlichen Freund, bie Studirenden
als ihren väterlichen Berather, Bürfprecher und Beſchuͤger. Gin
Wort von ihm, eine Warnung, Ermahnung, Zurechtwei
war in manchen ſchwierigen und bedenklichen Fällen ——
von durchareifender Wirkung. So fland er auch in verwickel⸗
tem, gefabrdrobendem Berbältnis mit fiherm Takt und Lräftis
ger ‚haltung am Öteuerruber der blühenden . Anfiait, deren ai⸗
ten Ruhm und gelegnete Wirkſamkeit zu bewahren und zu fürs
(1088
\ Er btieb aber auch mit ber aufrichtigſten Liche
dem Lande, dem er feit feinem Gintritt ins dffenttiche und amt:
liche Leben angehörte und dem erlauchten nbhaufe ergeben,
unter beffen Schirm er fi) wohtgeborgen fühlte. Die vertraus
ensvolle Huld, die ihn oft erfreute, vergalt er mit der reinften
Pietaͤt und Dingebung. Die alte deutiche Treue war audy in
biefee Hinſicht fein inc Gigenthum. und diefe Treue befeelte
ihn in allen oͤffentli wie befondern Werhältniffen; fie gab
feinee Bateriandötiebe eine Tiefe und Energie, die im Eifer für
Die Staatewohlfahrt ihn nie erkalten noch ermüben ließ. Cs
war ihm ein heiliger Ernft mit feinem Wahlſpruch: „Bunt op-
timae curae de salute patrise.” Darin wie in fo vieler ans
dern Hinſicht, bewährte er fich recht als ber würbige Sohn eis
nes edein Waters, des herzogl. gothaiſchen Minifters ©. 8. X.
von Biegefar *), deſſen Andenken hier um fo tieber erneut wich,
je erfreutichen es ift, echt adelige Geſinnung, bochherzigen Gifer
und aufopfernde Thaͤtigkeit für das gemeine Befte in einer aus⸗
gezeichneten Jamilie fortieben zu fehen.
Wir können diefe Andeutungen aus dem Leben eines edlen
Mannes nicht beſſer fehließen als mit bem Zeugniß des treff⸗
iichen Redners, befien „ Worte der Grinnerung” dieſe Mittheis
lung veranlaßten: „Wir haben ihn gekannt. Uns Allen bat
er wohlgewollt; es ift wol Steiner unter uns, dem er's nicht
durch die That bewielen; für Manchen bat er in hoher Gelbft:
verleugnung ſich aufgeopfert. So laßt uns denn mit doppelter
Zreue und Dankbarkeit fein Bild bewahren und fefthalten in
Der Tiefe des Herzens. Was wir an ihm verloren, wiflen wir.
MWie er in den Kreifen, wo nad) dem Lauf der menfchlichen
. Dinge auf Erfag gebacht werben muß, erfegt werden fol —
wir wiſſen es nicht. Das aber fteht feſt: muß der Erſatz, bie
Sache nur aͤußerlich angefehen, ſchon ſchwer erſcheinen, fo wird
er's zwiefach in Beziehung auf Das, was er war, als Menſch,
als Shrift. Und welches Zeugniß ehrt mehr, welches wiegt ſchwe⸗
rer in Augenblichen wie diefe, wo Alles, was fonft bie Erbe
bat und rühmt, an dem Hügel des GBrabes wie ein fluͤchtiger
. Schatten zerrinnt. Es gilt auch drüben vor Gottes Thron.
Das legte Zeichen fürftlicher Huld und Anerkennung für lange
und treue Dienfle fam bier für den Berewigten zu ſpaͤt. Schon
an ber Schwelle bes Todes Eonnte er feiner fich nicht mehr
freuen. Ienes Zeugniß ftebt bei feinem Namen auch im Buche
des eigen Lebende. Es leuchtet im Ganze bes Pimmeisı“
Nordamerifanifhe Miscellen.
CAubzüge aus den Öffentlichen Blättern der Wereinigten Staaten
vom Sabre 1842.)
Gute Erziehbungsinftitute fürdas weibliche Gefchlecht wer:
den auch in Amerika immer mehr und mehr Bebürfnig. ine deuts
ſche Zeitung von Philadelphia rühmt ein folches, das zu Litiz In der
County Lancafter im Staate Pennfylvanien unter der Leitung
ges Hrn. E. X. Frueauff und deffen Gattin beftebt. Der Bes
: zichterflatter, der ſelbſt ein alter Erzieher ift, fagt darüber:
AKer Gelegenheit gehabt hat, diefe Maͤdchenſchule in Augenfchein
. zu nehmen, wer die Zöglinge diefer Anftalt ſowol in ihren Schuls
ats in ihren Freiflunden gefehen hat, wer die fröhlichen Geſich⸗
ter, die von Gefundheit blühenden Wangen berfeiben bemerkt
hat, der muß gefleben, das ift ein Ort, wo Geiſt und Leib
gieich gut verforgt find, wo durch forgfältigen Unterricht Herz
und Geiſt gebildet und dabei den Schülerinnen feine von ben
Grholungen und Freuden verfagt wird, welche das Eigenthum
And die Krone der Fruͤhlingszeit des Lebens find. Einen großen
3 Bol. deſſen Biographie in ben „Beitgenoffen”, Neue Reihe,
f Berantwertliger Drranbgeber: Deinzi Broadband. — Drud und Berleg von F. A. Breodhaud in Beipzig.
: ande.
und Mitwirkung feiner Frau, welche in jedem berfetben,
fo in —* Be ee Pt — —
Spra gelaͤufig ſpricht. Die in dem Inſtitute angefteliten
|
dyer und beuticher Spradye ab. Und wie
Mufit und gefelfchaftiicye Spiele den Zöglingen biefes Inſtitut⸗
in den Langen Winterabenden ihre Srholungszeit angenehm
ausfüllen, fo thun dies nicht minder in den fehönen Fruͤhlinge
und Sommermonaten bie Spaziergänge, weldye fie in die nahe
bei Litiz gelegenen fchattigen Wälder und einen von gervaltigen
Zrauerweiden befchatteten Brasplage mit einem Springärunnen,
dem fogenannten Spring, machen, um ſich mit fröhlichen Spielen
zu beluftigen. Gewiß wird manche giüdfiche amerikanifche Haut
mutter einft noch in fpäten Zahren mit freudigem Bergen
Eönnen: Der rund zu meinem Gluͤck warb in ber
Boarding School gelegt.’
Die 3. ©. Weſſelhoͤft'ſche Buchhandlung in Philadelphia
macht auf bie Erſcheinung des beutfchen Rationalwerks aufmert:
fam, das vom Dr. Firmenich in Berlin unter dem Zitei „Se:
maniens Bölkerftimmen, Sammlung aller deutſchen Mundartin“ |
Daordehn werden wird, und ladet die Herausgeber deutfcher
eitungen in Pennſylvanien ein, ihr Beiträge in pennſylvaniſch⸗
deutfcher Mundart zur Weiterbeförderung zuzufenden. In dieſer
Auffoderung beißt es: „A116 deutſche Gebiete, Landſchaften.
Städte und Orte haben bereits Beiträge in ihren Mundarten ein
gefandt, und unfere deutfchen Bruͤder jenfeit des Seltmeere find |
begterig zu wiſſen, wie ſich die Eräftige deutfche Sprache bier in
Lande gebildet bat. Die amerikaniſch⸗deutſchen Mundartes
fehten bis jegt noch dem Herausgeber bes Werks. Es eriſtire
mehre launige Erzaͤhlungen in pennſylvaniſcher Mundart, die
ſich zerſtreut in deutichr amerifanifchen Blättern Fapen und de
ven Mittheilung ſehr erwünfdt kommen wuͤrde.“ '
Am 14. Mär; Abends hielt Dr. 3. 3. ©. Sullivan
in der Julianſtraßenkirche zu Philadetphia eine Worlefung iz
englifger Sprache über bas Leben und den Gparafter Take»
Der Gintriftepreis war 12% Gents fhr die Perſea
und ber Ertrag dieſes Vortrags, nad) einer Öffentlichen An:
tündigung in den Zeitungen, zur (Errichtung einer Gdar
beftimmt,, frei von Sektengeiſt, und worin grändlicher Unter
richt in engliſcher und beutfcher Sprache ertheitt werden foä.
* —— dieſes Schulverrins iſt ein Deutſcher, He. Heiz
rich Vollmer.
Das in Philadelphia errichtete deutſche Theater bat guten
Bortgang, obgleich die Mittel deſſelben noch fdnoach find und
große Städe nicht aufgeführt werben können, weil fie bie Kräfte
der Schauſpielergeſellſchaft überfteigen. Mit Beifall wurden ins
deſſen ſchon gegeben: „Rari XII. auf Rügen”, „Bumpaci Bagı:
bundus’', „Die Beichte”, „Preciofa”, „Der Plagregen als Ehe:
procurator", „Die fieben Mäbchen in Imiform”. Das Baus wx
foft immer gut befekt. 2,
fagra
Lätits
Blätter
für
littrariſche Unterhaltung.
Mittwoch,
Die neueſte Zeit in der evangeliſchen Kirche des preußi⸗
ſchen Staats. Ein praktiſcher Verſuch von Karl
Bernhard Koͤnig.
Zweiter und letzter Artikel.
(Beſchluß aus Nr. 353.)
Mir kommen noch einmal darauf zurüd, daß man
damit beginnen follte, die Gemeinde zu organifiren. Nach
der guten alten proteftantifchen Weile und Ordnung fol:
lien die Laien bei den wichtigen Pirchlichen Angelegenheis
ten ſchon zur Berathung zugezogen werden. Gefchieht
es bei dem Reformwerke, fo wird das Ergebniß der Ar:
beit um fo allgemeinere® größeres Vertrauen finden; ja
fhon.von dee Mitarbeit ſelbſt find die heilfamfien An:
regungen und Eindrüde zu erwarten. Weshalb follte die
Gemeinde davon ausgefchloffen werden? Was gefchieht,
wenn es wahrhaft fürdern, helfen, Beifall finden foll,
muß hervorgehen aus bem lebendigen Bewußtſein der
ganzen Kirche, das vollkommen klar und hell ſich doch
nur in einer Verſammlung derfelben berausfiellen kann.
Eben darum iſt es mwenigftens niche ausgemacht, vielleicht
nicht einmal wahrfcheinlih, daß ein, etwa vom bermali:
gen SKirchenregiment oder auch ber verfammelten Geift:
lichleit ausgehender MReformationsentwurf der beite fein
würbe. Geſetzt aber er wäre es, fo wuͤrde doc) die Kirche
ihn annehmen, fo würde er fiher den Vorſchlag ihrer
Drganifation und Vertretung enthalten müffen, und man
wäre demnach doch wieder auch im beften Falle auf diefe
zuruͤckgewieſen.
Die preußiſche Regierung hat einen andern Weg für
den beffern gehalten und eingefchlagen. Sie hat fih an
die Geiftlichen allein gewendet, von ihnen allein Rebe
und Antwort über ben tbatfächlichen Zufland, das Be:
durfniß, die Mittel und Wege der Abhülfe gefobert.
Mag es darum fein, wenn das Alles nur Worberathung
und Vorbereitung fein fo, und wenn die Geiftlichen
das Bertrauen rechtfertigen, das in fie gefegt wird.
Sollten aber nicht mancherlei einfeitige Erklärungen und
Vorſchlaͤge von ihnen zu erwarten, follte nicht zu befors
gen fein, daß ihre Berathungen und Meinungsdußerun:
gen großentheils den Stempel der Unfreibeit tragen ter:
den? Dffendar traten Manche von ihnen nach einer
bieracchifhen Gewalt, nad Begründung eines dogmatis
(hen und kirchlichen Rigoriemus, wogegen die: Kicche
Proteft einlegen muͤßte und würbe, nach einer Verfaſſung,
Die mit oder ohne Biſchoͤfe den Geiſtlichen das volle Übergewicht
und nebenher eine Zuthat von Titeln, Würden u. dgl. gibt, ſei
e6, daß die hierauf hinauswollenden eine angefehene und wird:
fame Kirche ohne dußerliche Geberden ſich nicht denken können,
oder daß fie ehr= oder herrſchſuͤchtig find, oder bie allerkings
nicht geringe Schwierigkeit der Steliung ber Geiſtlichkeit bei
einer demokratiſchen Organifation fürchten. Andere duͤrf⸗
ten aus Interefie, Gewohnheit, Traͤgheit, Dieneret ode
Befangenheit für eine Pfeudoreform oder für Erhaltung
des Beſtehenden mit allen feinen Mängeln fein. In ber
geifterprhifenden Agendenzeit haben fich Viele nur zu ſchwach
bewiefen. Es mag fid) mit der großen Mehrzahl anders vers
halten. Aus der Mitte der Geiftlichkeit ift der Ruf nad
Reform zuerft vernommen. Bon Geiten des Lehramt
tft die Sache anhaltend, mit Eifer, Muth und Aufopfe
zung betrieben. Die angefehenften Theologen, bie meiſten
geiftlichen Schriftfteller haben ſich entfchieden für Gemein⸗
bevertretung erklärt, die Anfprüche der Laien gerade am
kraͤftigſten geltend gemacht: die einfchlägige Literatur bes
weit es. Die geiftlichen Verſammlungen, bie auf Ben
anlaffung des angezogenen Refcripts des preußifchen Mi⸗
nifter6 verfammelt gemefen find, haben ſich — fo meit
unfere Kunde in dieſem Augenblide (im Anfange des
Septembers) reiht — ohne Ausnahme für Presbyterien
und Synoden ausgefprochen, eben wie die berliner Sy⸗
node, bie zuvor ſchon ein Jahr lang Berathung gepflos
gen. Sie hat, wie man vernimmt, mit Energie ihre
Erklärung abgegeben, mit 59 Stimmen gegen die eine des
Hofpredigers Strauß, umd bat diefelbe zu abermaliger
Berathung aufgefobert, wiederholt. In biefem Gtane
haben die Synoden gemeint den Erwartungen bes Mb
niſters entfpredhen zu müflen, daß fie das Ihre thun
würden, bie Semeinden für den heiligen Zweck zu gewinnen.
Doch wie dem fei, noch ift das Endergebniß diefer
blos geiftlihen Verſammlungen unbetannt, und wie es
au ausfallen möge — man wird zuletzt doch die Ge:
meinde befragen müffen, ob ‘die Geiftlihen recht gerathen.
Es iſt Höchft erfreulich, daß die preußifche Regierung nach
fo vielen Maßregeln von oben, ber Kirche zu helfen, nach⸗
dem das weltliche Vielregieren in der legtern auf die Spige
getrieben worden, endlich erkannt bat, daß bem Lehramt
‚eine Stimme allerdings. gebikher, daß eine geimbliche Abs
bütfe nicht ſowol durch Darseihung von Staatewiitteln
und anordnende Thaͤtigkeit der Behörden erwartet werden
ann, ſondern von der allgemeinen Anerkennung be& Übeld,
von der Vereinigung gemeinfamer Kräfte, befonder6 aber
von den Gemeinden ausgehen muͤſſe. Auch Das emwedk
dhon die beſten Hoffnungen, daß fie wenigftens bie in
ihren Spnoden verfammelten Geiſtlichen befragt und auf:
fodert, ein Mares Bild von dem Zuſtande der Gemeinde,
verhältniffe zu entwerfen, die Gebrechen beffelben zu er:
wägen und Befjerungsvorfchläge und Anträge zu ſteilen;
was dann abermals barauf binzudeuten fcheint, baß «6
der Abſicht nicht gar zu fern liege, die Gemeinde felbft
n.
gu vemehmen, fie zu
Alein es entftichen doch dabei auch noch große Be:
denen, weiche die Hoffnungeluſtigkeit zu mäßigen fehr
‚geeignet find. Der Erlaß vom 10. Juli fcheint durch
ganz fpreielle Berhättniffe, Verlegenheiten, Ruͤckſichten ver
Anlaft, dee Blick der Regierung faft nur, ober doch ver-
‚waltend auf eine einzige beflimmte Seite, das feelforger:
Ude Amt und was damit in naͤchſter Beziehung ſteht,
‚gerichtet zu fein, und es iſt ſehr die Frage, wenn bie
Geiſtlichen in überwiegender Mehrheit den ganzen Zu:
ſtand der Kirche ſcharf ind Auge faffen und offen und
nacbrädtich für eine freie Semeindeverfaflung fid aus:
ſprechen, ob darin nicht «ine Taͤuſchung der Erwartun-
gen Liegt, die man minifteriellerfeitd gehegt haben mag,
amd ob die Anträge und Vorfchläge der Synoden fo will:
Conımen fein, fo viel Genelgtheit darauf einzugehen fin
Sen werben als Viele meinen. Sedenfalls iſt von ihnen
bie zu Ihrer Ausführung noch ein unendlidy großer Schritt,
amd der Anfang der legtern wuͤrde eben doch nichts An-
deres fein Finnen als Das, wozu man ſich bie jetzt noch)
wicht bat entfchließen mögen — bie Berufung der Ge⸗
weinde. Nichts kann natürlicher, vernünftiger, dem Rechte,
dem peoteflantifchen Princip, dem Evangelium angemeffe:
ar fein. Nur ift es, wo die Sachen „fo fehr verwir⸗
ver” find, ebenfo fchwer als preiswuͤrdig, zum Natüclis
“en zurückzukehren, nur ift es ebenfo fchwer als edel und
groß, eine Macht, welche man einmal befigt, ſelbſt zu be⸗
ſchraͤnken oder aufjugeben, auch in dem Kalle, wenn ihr
Befitz der unrechtmäßigfte und unzuträglichfie wäre. Möge
vor Allem das nirgend und nie wieder vergefien werden:
daß eine gründliche Befferung der Kirche nicht
von Staatsmitteln und VBehördenregiment
erwartet werden kann, fondern vor allen
Dingen von den Gemeinden felbft ausgeben
muß. 8. Jürgens.
Zur claffiihen Walpurgisnache im zmeiten ‘heile bes
Goethe ſchen Fauſt“. Won Salomo Cramer. Zu:
eich, Literarifches Comptois. 1843. Gr. 8. 15 Ner.
„Was ift die Idee eines Waldes? — Die Bäume.” Dies
ſes ſchoͤne Wort fest Hr. Cramer ald Motto über ben legten
Abfchnitt des vor uns liegenden Werkchens, welches ein Rach⸗
wort über die Idee des „Kauft“ enthält. Gr mochte es viel
in unmuth thun ber Solche, die fi über ein Werk der
tung nicht cher zufrieden geben, bis fie eine fogenannte
4483.
- Idee? Die De dei Kaffe iſt der Zaflo, and Min Mar auser
wählte Menſchen neben ihm.“ Sehr paflend bringe hie De.
Sramer am Gade jenes Grcurfes das Wort des Dichters an:
So fogt mir nur, was fäut euch ein, den alten Zauſtus zu
t
Der Jeufelſkerl muß eine Welt fein, am fo viel Wiberwaͤrtiges
ju vereinen.
Indeß muß doch in jedem Gedichte ſich ein Raben finden, ber
durch das Ganze läuft, der freitich ſehr loſe, fehr verftedt fein
4 Tann, ben aufzufinden ‚ber Dichter jedoch bier und ba Gelegen-
beit bietet.
Wir haben es in ber vorliegenden Heinen Gchrift allein
mit ber claffifhen Walpurgtsnacht zu thun, bie der Berf. in
ihr commentirt. Sewiß bedarf fie vorzugswelfe eines Tommen⸗
tars; benn vielleicht bietet Fein Dichtwert fo geofe, fo. gebäufte
Schwierigkeiten und Räthfel als dieſes Stuͤck des überhaupt fo
räthfelvollen „Kauft“; und was fo mandje Commentatoren Über
daſſelbe vorgebracht, will noch keineswegs befriedigen. Auch wir
wiederholen das Wort, bad wir vor einer Reife von Jahren
vorn in ein Sremplar bes „Kauft“ fchrieben:
Es glaube Keiner, daß mit allem Sinnen
Er je das ganze Lied entzäthfeln werde.
Hr. Cramer will auch buschaus nicht an biefem einen Acte bes
„Fauſt“ den Zufammenhang beffelben mit ben Ganzen nadyweifen ;
er will nur zeigen, daß auch dieſes Stück für fidh einen innern Zu-
fammenbang babe, daB es nicht, wie Einige gewähnt und ta
beind ausgefprochen Haben, etwas Zufammengewärfeltes, ein ber
jedesmaligen Laune des Dichters entfprungenes Quodlibet fei.
Durch die ganze Schrift hindurch fpärt er dem fich durchziehen⸗
den Faden nad, und oft, wie ed uns fheint, mit Süd. Was
er in der Ginteitung über feinen Zwed, fein Verfahren fagt,
ift vortreffiih, durchaus paflenb, wie jeber Wershrer bes Dich
ters eingefehen und empfunden haben muß; wir muͤſſen ihm beis
flimmen, wenn ee fpricht: „Die Stellung des Interpretm if
feine andere als bie des Sachwalters, deſſen Rede nicht auf bie
Willigkeit der feindlichen Partei, fondern auf daB geredjte Ge⸗
bör des unpartelifchen Richters berechnet iſt.“
‚ An einer feindlichen Partei fehlt es aflerbinge nicht; auch
wir haben gehört, wie man Die ſchalt, bie ſich um das Wer
ftändniß des zweiten Theils des „‚Zauft” bemükten, wm des
Verſtaͤndniß eines Werks, das ja befauntermaßen ein Beweis
fei, wie der einft große Dichter heruntergelommen. Man kann
fih faum eine ärgere — wie wollen nicht fagen Ympietät, eine
Thorheit denken ats bie Annahme, daß ein fo großer Menſch
wie Goethe ein Werk, das er fein ganzes beſonnenes Leben kin
durdy*) mit Fteiß und Eiche gepflegt, wit einer Thorheit folle
befchloffen haben.
‚Wie viel Anſprechendet, tiefer Cingehendes wir auch in ber
vorliegenden Schrift gefunden haben, fo hätten wir doch bie
Form derſelben, die hier fo eng mit dem Inhalt verknoͤpft iſt
anders gewänfdt. Es ift ein jogenannter Commentaries per-
petuus, ein fortlaufender Gommentar, von dem ber Philolog
Wolf zu fagen pflegte, er heiße deshalb fo, weil er einem unter
ben Haͤnden fortlaufe, wenn man feiner am meiften bebärfe.
*) 886 fei Bier bemerkt, daß Dr. Gramer in feiner „Ehromelogie
bed Bau“ den Anfang deſſelben im bie Jahre 172 — 74 fegt. Nah
einigen Worten in Briefen an Belter (vom 1. Suni 1891, und am
W. v. Humboldt (vom 17. Maͤrz 1888) muß man bie erfie Concep⸗
tion des Gedichts als früher annehmen. Jener Wrief fagt aus⸗
dracktich, der Jauſt fei im zwanzigſten Sabre coneipfet worden. Gir
ne ee (vom 1. März 1788) beutet für Die erſte Abfefung
an .
zei. har Aaben, va D Wenns
* ihn * feſthieiten; das Bedeutende wird You ven weniger
Berruiemden währt gehlriy. Manchmal euinnere Gin:
gelheiten ſogar an Den Loͤut Ichen onsarerisan, an dem man zei⸗
gen tönnte, wit ein Commentar wicht befchaffen fen fol. So
Arimaspen nımmehr
gen mit einer einzigen Benfteröffnung hatte; ober: MPlaſtron
— Pflaſter. Hei “ (was übrigens unrichtig: VDiaſtron ift
das Sruſtſtuͤck am Harniſch; Hier ſcheint es eine ausgeſtopfte
Figur zu bezeichnen, gegen bie man zur Übung rapirt); oder
wenn zu ben Worten des Sedichts: „Vergebens quälen fie den
Stein“, an ben beruͤhmten Torſo bed Hercules erinnert und ge:
fagt wird: ‚„„Diefer ‚Gtein® Hatte als Ktopfbiock einem Schuſter
‚gedient. (Bexgl. Goethe's „Italieniſche Reiſe“, die hier zu ei⸗
nem feltfamen Micverſtaͤndniſſe Anlaß gegeben hat.)
Doch abgefehen von ſolchen Miegriffen, ſolchem Ungehoͤri⸗
gen — geiſtreich und grünbtich hat Hr. Gramer dargethan, daß
in der cioffifchen WBalpurgisnacdht das Neptuniſtiſche Syſtem,
wie Goethe ſich daffeıbe geftaltet, dargeſtellt fei. Die vielen Gins |
iten, die in derfeiben vorfommen, find, wenn auch, wie
ſcheint, nicht alle, auf dieſen Punkt gluͤcklich zuruͤckgefuͤhrt.
Richt alle, ſagten wir mit Bedacht. So heißt es ©. 57
von den, „Pfellen und Barfen”: „Wellos — undeutlich, dun⸗
kei bei Älhplus. Nicht davon gu reden, daß Peilds wol all
und jebes lindeutliche und Geheimnißvolle bedeutet, tft zu fagen,
daß, wo die Marfen hinlommen, andy. die Pfellen Play haben
dürfen. Die Marſen aber kommen Hierher als Enter der Kirke,
der Meerinfelgdttin und Zauberin. Dies ‚Scheint uns ſehr ges
zwungen, und unflar Das, was weiterhin über die Borm Pud-
A0g gefagt wird. Die neueſte Ausgabe von Goethe's ‚Werten
bat wirklich Pſyllen und Marfen, vieleicht durch Weber's Com⸗
menter (S. 200 fg.) veraniaßt. Jedoch führen wir dies Alles
aus einem andern Grunde an. Die 8* dem ſo bedeutenden
Meeres feſte Verſammelten ſchtießen den Act mit dem Chor:
Sodogeferert ſeid all dier
Element' ihr alle vier.
Wenn wir nun den Homnmnculns als einen Feuerdaͤmon betrach⸗
n, der fi dem Waſſer vermähtt, wo follen wir dann bie beis
den —— ſuchen? Nicht wohl in ben Pſyllen und
Marſen? Die „in Cyperns Fra vom Meergott nicht bers
ütteten, vom Geitmos ui
I die rubig bleiben, „wie es oben wohnt und thront, fi
wechfeind wägt und regt, ſich vertreibt und todtſchlaͤgt, Saaten
und Städte niebesfchlägt”, die ſich weber um die Oerrſchaft
„des Adlers, noch des geflügelten Ebwen, noch bes Kreuzes, nod)
des Mondes kümmern. Und wenn wir in ihnen bas Clement
der Erbe finden, weifen nicht auf das ber Euft die Tauben hin?
Diefe Vögel der Semiramis, ber Tochter ‚der Luft, die einen
King um den Mond bilden, „ben ber naͤcht'ge Wanderer Mond:
hof, Lufterſcheinung nennt“
ragt man nım, was bie vier Elemente, auf die ber Dich
ter offenbar fo großes Gewicht legt, hier follen, fo antworten
wir, freilich mit Bedenken und Schuͤchternheit, Folgendes: Fauſt,
in mittelalterlidgee Truͤbe zu Jahren gelommen, foll zu einer
reinen Anfiht der Dinge, zu einer reinern Thaͤtigkeit gelangen,
und er ſelbſt fühlt dieſes Beduͤrfniß, die Sehnſucht es zu be:
friedigen, die freilich, indem er Helena verlangt, mit Sinnlich⸗
deit vermifcht ifl. Um aber ein neues Seben beginnen zu koͤn⸗
nen, muß alles Alte abgeftreift, er muß am von neuem
geboren werden. Dies ſcheint dadurch angebeutet, daß er, durch
die Erſcheinung der Helena paralyſirt, im fein altes Studir⸗
gimmer zurüd verfeht wirb, von wo ats der neue Lebenslauf
deginnen fol. Damit er Selena gewinne, das wahre Schöne,
Naturgemäße, war bie Aufgabe, aus unferer yerriffenen, nicht
folgerecht gebitbeten Welt derauszugehen und eine Schoͤpfung
‚von vorn herein anzufangen”. So nur konnte eine griechiſche
tete, alien, wo |
gerrütteten Höbleugräften wohs
ER regen. DR6 Met dazu M Gomunctkub, die Sehn⸗
Er Are bie zur Wirktiäleit zu werben trachtet. Der
Dilpter ſcheint fegar zu wollm, damit man bie griechffche
‚Schöngeit gewinne, nmäffe einem eine ganz neue Melt erzeugt
werden. Darum fehnt ſich Homunculus immerfort zu entftehenz
er made in der „Welpurgisnacht“ eine Reife durch allerlei
halbmenſchliche Naturen, bis er Gataten erreicht. Zugleich has
ben fi bie Elemente verfammelt; aus ihnen fall von neuem
eine Weit entfichen; wie denn in ihnen, fowie in dem Chaos
ber bichtenden Ppikofe anch Sred waite. Homunculus
hat in Galatea die merfhliche Bildung erreicht; ex, zugleich
ein „ loͤſt fi zu den üben berfeiben im Meere
auf, und eine neue Welt iſt entflanden, die den britten Act,
ben wir uns mit dem zweiten eng verbunden denken muͤſſen,
madıt.
Mit Redit legt Hr. Cramer Gewicht auf bie Scene, bie
der Dichter ſchuldig gebtieben ift, in der Fauſt ſich Helena von
Perfephoneien erbittet. Beine Bitte ift erhörtz Mephiſtopheles
als Phorkyade treibt fie ihm in die Arme; das Übrige, was
—* war, damit die alte Welt entſtehe, bat Homunculus
getban.
Noch manches Andere ift der Dichter ſchuldig gebtieben.
Bol wird Jeder, der ſich um den „Fauſt“ Mühe gab, eingeftes
ben, baß „es noͤthig war”, Mephiftopheles den Epilog zum
“ dritten Act halten zu laffens der Übergang zu diefem vom zweis
ten wird immer ein mächtiger Sprung bieibens; unb felbft ber
erfte Theil der Tragoͤdie hat noch Vieles von feiner fragmen⸗
tarifchen Art behalten.
Über bie Gpiegelungen, ober Seflere, wie fie Dr. Gramer
nennt, die zwilchen Galaten und Helena, wie zwiſchen dem
Knabenlenker und Euphorion, Hattfinden, hätten wir gern mehr
vernommen. Er durfte auch an Aphrodite erinnern, wie es
ber Dichter ſeibſt gethanz nur daß die Göttin freilich nicht in
dieſe Zaubernacht gehörte. *)
Was übrigens den Bauptswed ber Walpurgisnacht für
die ganze Tragödie hat, fo gibt uns Mephiftopheles Auffchluß
‚ wenn er (im Anfang bes vierten Actes) fagt:
Man merkt's, du kommſt von Deroinen.
Wie nun bie Walpurgisnacht des erſten Theils dem
Dichter Gelegenheit bot, manches Verkehrte unferer Bett fatis
riſch zu ſcheiten, fo audy die des zweiten. Und bier dreht ſich
das Meifte um Neptunismus und Bullaniemus, die Goethe
während feines Lebens fo ernftlich befchäftigtens dazu war ihm
jener fo bedeutend für das Entſtehen des Omunculus; und fo
{ft das Meerfeft ein wichtiges Moment. Weit aber das Ganze
doch eine Walpurgisnadht iſt, fo hätte Hrn. Cramer die bus
moriſtiſch⸗ ſatiriſche Behandlung der Kabiren nicht fo bedenklich
fein folen, ‚daß er fie abweift und ernſtlich genommen wiſſen
will. Wir koͤnnen nun und nimmer einen Exrnft barin finden.
Iſt doch auch der für das Entftehen des Homunculus fo nothe
wendige Proteus, iſt body auch Thales humoriſtiſch behandelt.
Wir gaben hier nur Andeutungen, und, es ſei wiederholt,
mit Bedenklichkeit. Moͤchte Dr. Cramer fie prüfen, und dadurch
zu Bortfegung feines ernften, geiftreichen Beſtrebens veranlaßt
werden! Manche Luͤcken find ohnehin in feinem Commentar
auszufüllen. So ift vom Proteus (die Rieſenſchildkroͤte mußte
ihm doch willtommen fein) kaum, von den Zauben gar nicht
bie Rede, von manchem Anbern auch nur fehr obenbin. Won
ben Zeldyinen hätte fi wol ein Bezug auf die Kunft, die ne
ben den Gtementen bier doch auch nöthig war, nachweiſen lafs
fen; auch werben fie gewiß nicht ohne Bedeutung „Geweihte
des Heliog” genannt.
Sollen wir unfer Urtheit über bie angezeigte Schrift kurz
zufammenfaffen, fo fagen wir, daß fie viel Dankenswerthes ents
*) Eucan, deffen „Erichtho⸗Goethe ohne Zweifel bei der feinigen
im Sinne hatte, fagt (Phers., 6, 430):
Supernis
Detestanda deis saororun arcana magorum.
daß fie einen ber Faͤden, bie bundh dad ——
en leiten möffen, barbietet, daß fie von Nachdenken
und liebevoller Beichäftigung mit dem Dichter zeugt; daß fe
aber doch nur einige Elemente bietet, aus denen bie aroße Dich⸗
tung entftanden ift, daß hier und da ber Dichter abisrte, eben
weil er nur einen Raben verfolgte, daß bie Form ber Schrift
nicht gluͤcklich gewählt worden. 92,
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liche Verſammlung deutfcher Lands und Forſtwirthe zu Alten
burg. Im Geptember 1843. Mit mehren Bufäten Gerausgegebra
von M. Beyer. Leipzig, Voigt unb Fernau. 8.8. 15
VBotho, 9. G., Geſchichte der deutfchen und nieberlänbi-
ſchen Malerei. Gine öffenttiche Bortefung an ber Konig Friebeik-
Wiikelms - Univerfität zu Berlin gehalten. Ater Band. — X. u.
d. T.: Öffentliche Vorleſungen über Gegenflände der Eiterarr
und Kunft. 2ter Theil. Berlin, Simion. 8. 1 Thir. 10 Rır.
Alte und neue Jägerlieber. Mit Bildern und Gingweifen.
Herausgegeben von 5. Pocci und F. v. Kobell. Lanbsket,
v. wege Br. 8. 5 Nor. |
ind, Roswitha, Gedichte. Leipzig, Lehmann. Gr. 8
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tod, 8. ®&., Lehte Greigniffe bes Weldzuges im Chine,
mit, Batijtifchen ———— Beobachtungen. Rachtrag
u dem „Krieg in China” vom Richard.
sa Gr. 8. 1 Ehe — u Faden, Wiege
‚gutteroth, H., Geſchichte der Infel Tahiti und
Beſitnahme durch die Franzofen. Frei aus bem ——
mit Anmerkungen und Zuſaͤßen von T. Bruns. Mit einr
Karte der Geſellſchaftsinſeln. Berlin, Schuitze. Gr. 8. 1 Thu
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Poltemarchen in fünf Acten. Darmſtadt, Beste. Gr. n.
gr. -.
Posselt, M. C., Peter der Grosse und ibnitz.
Monkanı Severin. Gr. 8. I Thir. 15 Ngr. Keibait,
uler, 8. J., Gedichte. 2te
Danke, Calker. —* Fri u Ir. vermehrte Auflage
ulelta, F., Erzaͤhlungen und sin gemifchter Anhang. |
Zwei — Beim, rar 1844. 8.7 Euer |
eidbel, H., Moſaik. Stuttgart Tger. |
Kl. 8 26 17 , gart, Oallberger. 1844
ophokles' Antigone. Deutſch von W. R. Grie =.
fer En —— —————— 1844. 8. 15 ie
a tafgefegbudy für das Königreich N 2. über
fegt von F. Thaulow. Chriſtiania, Dapı. Sr 8: 22, Nor
„Wachsmuth „W., Geſchichte Frankreiche im Revolutione
heitalter. ter Theil. Hamburg, A Pertbe. Gr.8. 3 Thir.
gu...
Be, 8. 18,
Verantwortlicher Derauögeber: Heinrih Brodbaus. — Drud und Verlag voa 8 4. Brodhaus in Leipzig.
Bldtter
titerarifche
fir.
Unterhaltung.
Donnerstag,
= — 2.2... - - m — ——— 20., — — —
Tafchenbücherfchau für das Jahr 1944.
3weiter Artikel.
2. Penelope.
21. December 1843,
Erfie iſt praktiſch genug, um die Brauchbarfeit des Zwei⸗
ten einzuſehen. Er will ihn daher für immer ar ſich
| feffeln und zum Manne feiner Pflegetochter machen, wäh:
„Penelope“ begrüßt und dieſes Jahr mis einem fehr
freundlichen, Auge, Gemüth und Geift gleich anfprechenden
Geficht, das dem fein und ſauber in Stahlſtich ausgeführ:
ven Bildnis der koͤniglich fachfiichen Hofſchauſpielerin Da:
tie Baper angehört. Es ift mol Jedem Lieb, unter den
‚vielen idealiſch fein follenden, charakterlofen Taſchenbuch⸗
phufiognomien auch einmal ein lebenskraͤftiges, naturmüch:
füges Sefiht, das den Stempel ber Wahrbeit trägt und
an Schönheit doch nicht hinter jenen zurüchleibt, zu fin:
den; für Mef. aber ift es doppelt angenehm, infofern es
ibm eine ſchoͤne Stunde ind Gedaͤchtniß zurüdtuft, in der
er vor mehren Sahren das Glüd hatte, mit des Beſiztze⸗
ein deſſelben bei Tieck zuſammenzutreffen. Die junge
“Künftterin war damals in ihrer erjten Jugendbluͤte und
machte auf Alfe, die fie ſahen, nicht nur durch ihre
äußere Erſcheinung, fondern vorzugsweife durch ihr weis
ches, klangvolles Drgan, durch die Beſcheidenheit und An:
Tpruchstofigkeit, die im ihrem ganzen Auftreten fag, und
durch die Keichtigkeit und Anſchmiegſamkeit, mit der fie in
Tieck's Ideen einging, einen durchaus mwohlthuenden Ein:
druck. Sie hatte damals unter Anderm die Julie in
„Romeo und Julie” gefpielt und Zie konnte nad ihrer
Entfernung nicht genug ruͤhmen, wie Treffliches fie, von
der Natur beguͤnſtigt, im diefer Mole ſchon jegt gefeiftet
und mie viel man fih, wenn fie ihre Studien mit gleis
chem Eifer fortfege, von ihre auch für andere Rollen ver:
fprechen bürfe. An dem naͤmlichen Abend hatte Ref. aud)
die Freude, bei Ziel Julius Mofen Eennen zu lernen,
und merfwürdigermeife findet fidy auch deffen Bildniß in
diefem Taſchenbuche, wie jenes trefflih ausgeführt und das
Charakteriſtiſche des originellen, in Schnitt und Goforit
etwas mautitanifchen Gefichts mit ziemlicher Treue wie:
dergebend. Julius Mofen hat die „„Penelope” auch
"mit einer Erzaͤhlung „Lebende Bilder” betitelr, erfreut.
Die beiden Hauptfiguren derfelben beftehen in bem Buch:
händler Alfgeler, einem praktifhen, und beffen Zeitungs:
redacteur Dingler, einem ſchriftſtelleriſchen Genie. Der
* Bot. den erften Artikel in Nr. 305 — 307 b. Bl.
D. Re.
L
rend feine leibliche Tochter einen reihen Compagnon hei⸗
rathen ſoll. Aber mitten in dieſer praßtifchen Genialität
überrumpelt ihn merkmürbigerweife der Geift der Roman⸗
tie, die ihm fo manchmal für feine profaifchen Iwede bat
dienen mäffen. Die Verlobung foll in uͤberraſchender
Weiſe bei einer Darftellung von lebenden Bildern vor eis
ner eigens dazu eingeladenen Befellfchaft vollzogen werden,
und die beiden Paare follen dabei als Romeo und Julie“
figuriren. Amor aber bat die Karen anders gemifiht,
und in Folge deflen gruppisen fidy die lebenden Bilder
wider Erwarten gegen bie praßtifche Anordnung. Dee noch
immer vom Kobold der Romantik vefeffene Vater merkt
das Qui pro quo nicht fogleih, die feierliche Vorſtellung
md Begluͤckwuͤnſchung der Paare geht vor fih, und fo
gefchteht e6, daß der alte Praktiker den zum Pflegeſchwie⸗
gerfohn defignirten Literaten als wirklichen Schwiegerſohn
in feine Arme fliegen muß. Man fieht aus biefer
Skizze, daß die Erzählung eigentlih auf einen Scherz
hinausläuft, umd etwas Anderes will fie auch in der That
nicht fein. Ohne tiefe und neue dern anzuregen, weiß
fie doeh von Anfang bid zu Ende den Leſer anzuziegen,
indem fie ihn mit verflohlenen ironiſchen Seitenbliden
zwiſchen Perfönlichkeiten und Eituationen bindurdpführt,
die im gluͤcktichen Conturen dem Leben nachgezeichnet find.
Wenn Dingter, um fih gegen den Vorwurf, daß er «6
mit der ſchlechten Preffe halte, zu vircheidigen, unter Ans
derm fagt:
Mit biutendem Herzen muß ich mid bier verlaunt fehen,
wo ih doch über mein Gewiſſen hinaus die fogenannte aute
Preffe zu vertreten gefucht habe. Während ich den guten Geiſt
der Zeitung immer fireng im Auge behalten habe, entfaltete der
verwegenfte Liberalismus in den Zeitungen, welche aller Orts
auftauchten, feine Fahnen, und unfere Abonnenten defertirten zu
Hunderten. Mit ihrer Genehmigung fuchten wir baber bie
Punkte heraus, welche eine liberale Befprehung zulichen, ale:
den Zollverein, bie Unbeftändigfeit des franzoͤſiſchen National⸗
charakters und den Panflamismus. Ebenſo waren wir in den
Stand der Nothwehr gegen bie jungen Zeitungen verfegts wir
mußten alle Mittel gebraudyen, ibre Zendenz unter dem Namen
bes fogenannten befonnenen Kortfchritte als verwerflid zu be⸗
zeichnen. Zugleich galt es, unfern alten, claffifchen Verlag ges
gen die moderne poctifcye Literatur in Schuß zu nehmen und
zwei Ziegen mit Einer Klappe zu ſchlagen. o babe ich in
‚8 X A
. # J
dem verzvichenen Dalbjahre die Ausartungen ber Literatur, bes
fonbers den politifchen Roman nach Kräften von einem veruns
lüdten Dramaturgen und misrathenen Chapon aus der Gentz'⸗
hen Schute feciven laſſen. Ja, leider muß ich geflehen, daß
mir felbft dabei zuweilen mein Metier perfid, faſt ehrlos vor⸗
tom. Es ift ein berbes Schickſal, ein Redacteur bei biefen
Zeitlaͤufen zu fein!
und Allgeier darauf amtwortet:
Lieber Freund, Sie laffen ſich noch zu leicht aufregen; jes
des Geſchaͤft hat feine eigene Morat, bei weicher bie einzelne
Derföntichkeit nicht in Brage kommen darf. Sie bemerken ganz
rihtig, daß wir im Stande der Nothwehr waren; eigentlich
fommt eine Rebaction aus ihm nicht heraus. Zeitungsſchreiber
find feine Gefchichtöfchreiber. Wir müflen und immer zwiſchen
der Partei der Bewegung und der Reaction mitten innenhalten.
Weihe gerade die berrfchende tft, macht ihren Einfluß auf uns
geltend. Sache der Klugheit iſt es, ſelbſt da noch einen Weg
zum Ruͤckzug frei zu echalten, um nicht befeitigt zu fein, wird
eine andere dee zur herrſchenden Mode. Wir müffen jegt mit
Guizot das Zumartefpftem aboptiren. Geben Sie ftatt aller lei⸗
tenden Artikel wieder einmal Berichte über Kurdiflan oder Hin⸗
doftan, über die Marquefasinfeln und Zabiti, über ben Nugen
der Phflotogie auf gelehrten Schulen, kurz Alles, nur keine
wirkliche Politik; denn früher oder fpäter will man doch wieder
etwas von ficy felbft hören, fei ed im Guten ober im Böfen.
fo liegt wol Keinem die Meinung fern, daß Ähnliche Ge:
fpräche in jegigen Zeitläufen in manchem dem Juſtemilieu
huldigenden Zeitungsbureau flattgefunden haben mögen,
Unter den übrigen Gaben verdienen vor allen bie
„Blätter aus meinen Erinnerungen” von W. Aleris her:
vorgehoben zu werden. Die Leſer der „Penelope“ werden
fi erinnern, daß W. Aleris unter demfelben Zitel fchon
im Jahrgang 1842 Mittheilungen aus feinem Leben ges
macht bat, die damals ſowol ihres ftofflichen Intereſſes
swegen wie um ihrer geiftvollen, pifanten Darſtellung wil⸗
len den allgemeiniten Anklang fanden. Auch die diesjäh:
rigen werden fich viele Sreunde erwerben, wenn auch un:
tee einem ganz andern Publicum. Bettafen jene feine
Beziehungen zum Theater, fo behandeln diefe feinen Marſch
nach Frankreich im Fahre 1813, den er ald Juͤngling von
16 Jahren im Corps der Freiwilligen mitgemacht bat.
Ref. aefteht, daß ihn die Erzählungen, Declamationen,
Lieder aus jener Zeit immer ziemlid) Ealt gelaffen haben.
Wenn wir im Herdft bei einer magern Ernte hungern
müflen, gerührt es eine geringe Satiöfuction, an den
biütenreihen Fruͤhling erinnert zu werden, zumal wenn
wir feine Farbenpracht nicht ſelbſt gefehen, feinen berau:
fhenden Duft nicht felbft eingeachmet haben. Jene Zeit
des vaterländifhen Enthuſiasmus wird in der Geſchichte
ftets einen merkwürdigen und fhönen Moment bilden;
wir aber ftchen im Verhaͤltniß zu ihr noch nicht auf dem
zuhigen hiſtoriſchen Standpunkte, wir beurtheilen fie nicht
an fi, fondern nach ihren Erfolgen, und weil diefe ung,
die wir zehntaufendmal mehr erwartet haben, fo lächerlich
ein vorkommen, fühlen wir uns fietd in einer eigen:
thuͤmlich peinlihen und gequälten Lage, wenn uns die
Zeit ſelbſt, die Mutter diefer Kleinen Ergebniffe, ald etwas
wer weiß wie Großes und überaus Derrliches angepriefen
wird, und mie müflen unmwilllüriih an den großen Berg
denken, der die kleine Maus zur Melt brachte. Je un:
behagliher aber folche Lobpreifende Darftellungen jener
ß
u‘
Jahre — und faſt alle, die mir vom Augenzeugen zu es
iht gefommen, trugen diefen enkomiaſtiſchen Charakter —
ets auf mich gewirkt haben, um fo angenehmer war es
mir, in den bier mitgetheilten Blättern einmal eine Schil⸗
derung zu finden, bie neben ben Lichtſeiten auch Die
Schattenfeiten aufdeckt und In die Nadhallg de iugend⸗
lichen Begeiſterung auch die männliche Stimme der tuhl⸗
gen Erwägung und die wenn auch fonft nur im Zeichen
rebende Sprache der Ironie mit einmifcht. Es ift interefjant
zu hören, wie er über jenen Aufsuf und Aufſtand von
1815 urtbeilt, wie er nachweilt, daß fchon damals fo viel
Spielerei, fo viel egoiftifhe Berechnung, To viel Seibſtbe⸗
trug mit im Spiel war, daß fihen Damals. das Feuer eis
nee reinen Begeiſterung zu verlöfchen begann, daß ſchon
damals die Überzeugung fich ausbreitete, «6 fei die Hoff:
nung auf Freiheit und nationale Sinheit nur ein Traum
geweſen. Die Tugend zwar fei noch voll und beraufdt
geweſen von Arndt und Zahn, Koͤrner und Schenken:
dorf, aber dennoch fei auch in fie bereits ein Misklang
gedrungen.
Gang — fehreibt er — mar es und nicht entgangen, daß
bie Diplomatie ber Rationalbegeifterung ein Schuippchen ge
Schlagen hatte, und daß Andere Das ernten wollten, was bat
Bolt duch Opfer und Zapferkeit errungen hatte. Aber wir
bervegten und noch in einem engen Formeikreiſe. Die gefpenftie
fhen Wörter: Ariſtokratie, Bureaufratie und Hierarchie, die
und feitdem erfchredten, lagen damals außerhalb deffelben; war
das Wort Zyrannei, bas geündlich gehaßtefle, kannten wir
zwar, aber wir waren viel zu loyal, um es auf Andere an
wenden als auf den Franzoſenkaiſer Napoleon. Unfere natuͤr⸗
liche Freiheitsliebe war mit dem Franzoſenhaß indentificirt. Ja
den Intriguen, die auf dem Wiener Congreſſe ſpielten, ſahen
wir nichts als eine Ruͤcktehr zu der alten franzöfifchen Diplo
matie, ber wir nicht fowol ihre Tendenzen als ihre uanoläg-
thuͤmlichen Formen vorwarfen. Mit hoͤchſter Entruͤſtung be⸗
trachteten wir Deutſche es namentlich, daß fo viel deutſches
Blut auf deutſcher Erde gefloſſen war, und doch wurde der
Friede in franzoͤſiſcher Sprache geſchloſſen. So viel der wun:
derbarſten Begriffe von Voiksthum hatten wir uns eingepfropft
— zu denen aber Fürften, Könige und wo möglich audy ein
Kaifer gehörten — unb body verhanbelte unb handelte man,
nicht aus einem Volksrath heraus, oder offen koͤniglich für das
Volk, ‚fonbern aus den Gabineten zu ben Gabineten, heimlich,
ſchriftlich und in franzoͤſiſcher Sorache! Wie paßte das zu ben
herrlichen, koͤrnigen Aufrufen an das Boll, zu den Prociama⸗
tionen, bie immer an Karl und Wittelind gemahnt hatten!
n. Trotz diefer aufleimenden Bedenklichkeiten ftrömen bie
Juͤnglinge aufs neue zu den Fahnen, Viele, wie der
Verf. weiter erzaͤhlt, freilich auch deshalb, weil fie in Na:
poleon's Ruͤckkehr von Elba, in der Zirfprengung bes
Wiener Gongreffes einen Singerzeig füahen, daß Gott mit
diefem Stieden in franzoͤſiſcher Sprache nicht zufrieden war,
und weil fie überzeugt waren, es muͤſſe noch ein zweiter
Friede in anderer Sprache, in anderm Geifte und mit
andern Bedingungen geſchloſſen werden. Aber die grofe
Mehrzahl wurde bereitd von niedrigen Motiven geleitet.
W. Aleris hatte, als er antrat, gemeint, es müßten Ale
[o empfinden und denken wie cr. Aber wie ſchwanden
feine Illuſionen!
Weshalb — ſchreibt er — ging Diefer mit, warum war
Jener nicht zuruͤckgeblieben? Der afpiriete auf eine Schreiber
ftelle in einem Bureau, aber er mußte vorher gedient Haben.
Ieyex ga o ji Keen Haufe nit aufhalten; cder er
battle aupt kein Daus und keinen Winkel, wo er hätte
bleiben Eönnen. Gin Anderer hoffte auf eine reiche Braut,
wenn er als Sieger heimkehrte. Alle waren voll Franzoſenhaß,
wie ich; aber ich leugne nicht, daß die Hoffnung Auf gute
Quartiere in Frankreich dei diefem Haſſe mitfpielte. Sle wolls
ten dort, wie die Brangofen in ihrem Haufe, wirthſchaften.
Rach feichen und aͤhnlichen Betrachtungen, die uns
ein ſehr treues und lebendiges Bild jener Zeit geben, geht
ee zur Schilderung des Marfches ſelbſt über. Auch diefer
tft für Den, dee es heraus zu leſen verfteht, von derfelben
ironifchen Betrachtungsweiſe durchdrungen. Die erzählten
Exeigniffe find an fich dürftig, fie beilehen in den gewoͤhn⸗
Uchen Beenden and Leiden, die mit dem Soldatenleben
nothwendig verbunden find. Mur der Umjtand, daB diefe
ſechszehnjaͤhrige Juͤnglinge zu ertragen haben, bie ſich, von
der Romantik verführt, vons Kriegsleben ein ganz anders
Bild entworfen baden, und auch deshalb meder zu der
Profa der Eriebniffe noch zu der Roheit der Kameraden
in das rechte Verhältniß kommen fönnen, ſtellt das Ganze
‚in ein eigenthümliches tragifomifhes Licht und gewährt
auch Dem eine erfreuliche Unterhaltung, der ſonſt an ders
artigen Schilderungen weniger Geſchmack findet.
Die übrigen Gaben der „Penelope“ find ſaͤmmtlich
ohne Bedeutung W. Seyffarth liefert eine hiſtoriſche
Erzählung „Das getheilte Brot, zur Zeit Heinrich's IV.
fpielend, die hinter Dem, was wir früher von dieſem
Schriftſteller laſen, weit zuruͤckbleibt. Verſchlingung der
Begebenheiten, Schilderung der Situationen und Charak⸗
tere, Handhabung des Dialogs und des Stils uͤberhaupt
iſt von der gewoͤhnlichſten Art und traͤgt das Gepraͤge ei⸗
ner ſehr flachen Auffaſſung und fluͤchtigen Behandlung.
Dies zeigt ſich am auffallendſten daran, daß er ſolche
Scenen, die wirklich der Zeichnung einen guͤnſtigen Stoff
dargeboten bitten, wahrſcheinlich um der groͤßern Schwie⸗
tigfeiten willen, mit ein paar Worten abfertigt, während
er andere, die kaum zur Suche gehören und an ſich durch⸗
aus leer und bedeutungslos ericheinen, lang und breit aus:
ſpinnt. Voͤllig ohne Anziehungskraft iſt „Fuͤrſtengunſt“,
eine dramatiſche Novelle von Tr. Paolo, und die dar⸗
auf folgende Novelle „Scenen aus Nord und Süd”, von
Alex. Wachenhuſen, ift einem unverbildeten Befhmad
gänzlich ungenießbar — fo bis zum Gallimathias aufge:
puftet und mit ſchoͤnen Phrafen und Tiraden aufgefchnörs
Belt ift die ganze Darſtellung. Höre man unter Anderm
den folgenden Paſſus:
Schaͤkernd verband Eeontine mit biefen Worten dem jungen
Mann die Augen mit der zarten Hand und bemühte fih, ihn
in den Salon zuruͤckzuziehen, den cr gemieden; mo Frohſinn
und Harmloſigkeit ſich freundlich die Hände reichten über und
neben der Opferſchale fremden Familiengluͤcks, verfannten in
Krmfünderkteider geſteckten Charakters, ja felbft des wichtigen
Staatswohls.
Und an einer andern Stelle:
Mädchen find Blumen, fie kennen beide ihren Tod und
wiffen ihn nicht zu meiden. Das Weib ift das Geſühl der
Gottheit, der Mann das Gepräge berfeiben; und das fanfte
Gefuͤhl einer waltenden. Gottheit in ber Bruft des Menſchen ift
eine Blume.
In gleicher Weife geht es feitenlang fort, ja fait
AR
jedes Punctum erfcheint mis ähnlichem Schwulſt aufge
polftert, ſodaß darunter der Gliederbau der Gefchichte fer
wie unter dem aufwattirten Wulſt eines Maskencoſtume
faft gänzlich) verfchwinder. Der Verf. ift gewiß nicht ohne
alles Zalent, aber wahrſcheinlich noch fehr jung und nord)
in ber Gaͤhrungsperiode begriffen. Gelingt es ihm ſich
abzultären, fo kann immer noch etwas aus ihm werben,
denn gar häufig bewährt fih das Goethe'ſche Wort:
„Wenn ſich der Moft auch ganz abfurd geberbet, es gibt
zulegt doch noch n’ Wein.’
Angenehm fticht gegen diefen Bombaſt die einfache,
natürliche. Schreibweife ab, in der eine Meihenfolge von
Briefen Fernow's abgefaßt iſt. In fofflicher Beziehung
bingegen bieten fie wenig Erhebliches dar und ihre Mit:
theilung iſt nur infofern dankenswerth, als fie einmal wies
der an Fernow, der fich durch feine „Römifchen Studien”
um Aſthetik und Kunftberrahtung manches Verdienfl er:
worben hat, zuruͤckerinnern und uns namentlich Aber den
erfien Eindrud, den Stalien auf ihn gemacht, unterrichten.
Auch mandye Notizen über damalige Zuſtaͤnde und Be⸗
merkungen über damalige Anfichten find nicht unintereffant
und deuten Manches an, was er in fpätern Schriften
weiter erörtert hat.
Die „Barmherzige Schweſter“, Ballade von Auffens
berg, trägt in Form und Inhalt einen maurifch:fpani:
fhen Charakter und ift mit Gewandtheit nnd Beherefchung
der metrifhen Formen gefcehrieben. Das Ganze durchweht
ein portifher Hauch, einzelne Stellen zeichnen ſich durch
Lebendigkeit der Darftelung und glüdliche Bilder aus —
aber dennoch ift die Wirkung Beine bedeutende, weil die
zum Grunde liegende Erzählung zu gewoͤhnlich umd bie
Ausführung für den Stoff zu breit if. Ein ganz ver-
unglüdtes poetifches Product ift „Der Rangſtreit“, eine
Phantafie von Wotoch v. R.. Es wird darin nichts
Anderes behandelt als der Wettſtreit der politifchen Poe⸗
fie mit der erotifchen. Jene wird anfangs durch eimen
Gactus, diefe durch eine Roſe repräfentirt; nachdem fie fich
aber eine Zeit lang herum debattirt haben, wird der Kampf
durch einen Band politifcher Gedichte und der Naturge⸗
fhichte von Cuvier fortgefegt. Warum gerade Cuvier zum
Kämpfer für die erotifche Poeſie auserfehen tft, leuchtet
nicht recht ein, wie denn Überhaupt die allegorifche Ein-
Eleidung fo troutronartig fi) Darftellt, daß fie überall die
nackte Profa hindurchſcheinen läßt und ganz den Eindrud
eines poetifchen Bettlermantels macht. Oder paffen Stels
len wie die folgende in eine poetifd angelegte, allegoris
ihe Phantaſie?
Du bedienft dich der poetifhen Schönheit als eines Mit:
tels, und fchaffft fie nicht um ihrer eigenen Schönheit willen,
was body der Stempel ift, wodurch eine wahre poetifche Schoͤ⸗
pfung fich unterfcheibet. Du empfindeft, daB bie poetifche Korm,
auch zum bloßen Mittel erniedrigt, noch genug des allmächtigen
Reizes befist, um mit ihr Gegenftänbe des bloßen Verſtandes
zu verzieren und Vielen ſehr reizend zu machen. Verzeihe mir
ed alfo, wenn ich es nicht nur für einen Fehlgriff, fonbern for
gar für einen [peculativen Misbrauch der Poefie erklaͤre, daß
man Schöpfungen, wie die deinen, flatt in ſchlichter ungebuns
bener Rebe, in tönenden Reimen binftellt.
Klingt das nicht ganz wie ein Bruchſtuͤck aus einem
Ai
kritiſchen Journal? Und ſteht Ihm das allegoriſche Ge:
wand nicht mindeſtens ebenfo ſchlecht wie die Elingenden
Reime den Zeitungsartiteln! Der Dichter ft alfo bier
ganz in bdenfelben Fehler gefallen, den er an der politifchen.
Dichtung befämpft und die Schärfe der Waffen richtet
ſich gegen ihn felbft. Dies ift um fo mehr zu beflagen,
ald er in der Sache größtentheils Recht bat; dieſes Recht
war aber vor dem Gerichtshof der Kritik, nicht in den
romantifhen Schranken eines Turniers auszufechten.
(Die Bortfegung folgt.)
Recept zu einem Erfinderleben.
Daß „Athenaeum“ enthielt unlängft einen Artikel über ben
gewoͤhnlichen Lebenslauf ber Erfinder, dem wir Bolgendes entneh:
men: „Die Lebensläufe der Erfinder find alle über einen Kamm
gefchoren. An merkwürdigen Umftänben und Abenteueen fehlt
es in felbigen Zeinetwegs; im Gegentheil, ergreifende Scenen
jagen einander vom Aufgange bes Vorhangs bis zu feinem
Niederfall. Aber es ift ftets diefelbe Kolge der Scenen, ſtets
diefeibe Anlage bes Plans, ſodaß der wohlerfahrene Zuſchauer
die Entwidelung mit Sicherheit vorherfagen kann, wie aud)
inmer die mitbandelnden Perfonen , der Dialog und die Deco,
zetionen gewechſelt fein mögen. In ber erften Scene finden wir
ein vielverfprechendes Kind, das etwa mit dem Dedel des Thee⸗
keſſels Spielt, kindiſche Verſuche mit mehr als Eindifcher Berech⸗
nung anftellt, und feiner licben Mutter den Erfinder der Dampf:
maſchine vorauszeigt. Der Knabe macht erflaunliche Fortſchritte.
Zum Unglüd ift er für ein Gewerbe beftimmt, das feinen Faͤhig⸗
keiten und Neigungen ſchnurſtracks zumiberläuft, denn er wird
zu einem Schneider in bie Lehre gethan, ober bei cinem Sach⸗
walter angebracht, oder, wenn fein Vater ein Präfentationsrecht
Hat, der Kirche zugeführt, lauter Dinge, für bie cr am allerwe⸗
nigften gemacht if. In ber naͤchſten Scene beginnt bie Ratur
ihre Herrſchaft zu üben, und ein unwiderſtehlicher Trieb treibt
unſern Helden in diejenige Lage, in welcher zuerft feine ſchium⸗
mernden Kräfte erwedt werden. Gin Apfel fällt zur Erbe,
eine Pumpe will nicht geben, ein altes Weib zieht muͤhſam
feinen flaͤchſernen Faden: ein Newton, ein Galilei, ein Watt,
ein Arkwright, cin Cartwright ift fertig — große Wirkungen
aus kleinen Urfaden. Vom Augenblid an treten und Gcenen
tiefer Einſamkeit und tiefen Sinnens vor die Augen, ſchlafloſe
Nächte und mühevolle Tage, Berechnungen, Verſuche, Anftalten.
Das Automat fteht endlich da, ber Zeitpunkt ift gefommen, da
es fi) bervähren fol. Jetzt muß es zu arbeiten beginnen. Doff:
nung, gefpannte Erwartung, Zittern vor Begierde, Sorge und
Ang! Es iſt der Augenbiid, weldyer über die Zukunft unfere
Helben und der Menfchheit entfcheidet, welcher Kolgen haben
Tann, die endlos find. Zuerſt aber muß der Anfang fein. Wie
gefagt, der Augenbiid ift da, das Zeichen iſt negeben, das Sie:
get ift geloſt, die Maſchine ift in Freiheit gefegt, fie kann, fie
ſoll ihre Bewegungen beginnen — fie verfagt, fie gebt nicht,
ſteht flodftil. Gelingen ift eine ſchoͤne Sache, Mislingen eine
lehrreiche. Unfer Erfinder forfcht, unterſucht, denkt nad, er:
kennt feine Irrthuͤmer, verbeffert feinen Plan, er bat Vortheil
von der Zäufchung feiner erften Hoffnungen, er ift ein reiferer
Mann geworden und ein befferer Maſchinenbauer. eine erfte
Mafchine war eilfertig gemacht und ſchlecht zufammengefcät;
ec fucht einen gefchiettern Handwerker, um ihm bei der Arbeit
behänftich zu ſein; fie machen fich ans Werk, tief unten im
Keller, bei Naht wird gefchaffen, das Kunftflüd muß geheim
gehalten werben. Unter ihren Händen waͤchſt das Ungethäm,
es kommt zu Kräften, ift vollendet, regt ſich wirklich, arbeiter,
erfüllt feinen Zweck. Wie es hier im ftillen Keller wirkt, wird
es wirken, ebenfo ober in verbeflerten Weifen, Jahre, Zahrhun:
berte lang, bis an das Enbe der Zeiten. Welitgeſchicke liegen hier
in ven Bänden biefer zwei ſchmutzigen Arbeiter. Iſt nun bie
feine Mitmenſchen gedacht, geaxbeitet, gefi
Berichte aus? D nein! Es if! nur erft der Anfang des Aut:
gangse. Den Sieg über das todte Material hat unfer Geld das
bongetragen, jest hat er das ſchwere Geſchaͤſt vor ſich, den Bicg
über bie Geifter der Menſchen zu erfämpfen. Reue Arbeit, neue
Mühen, neue Sorgen; Kummer und en Er bat für
fl; ee will ihr
Stud, ihr Beſtes, ihren Vortheil — fle erfennen ihn und feine
Beſtrebungen nicht an. Sie wollen nicht von ihm, durch feine
Zalente gefoͤrdert, begluͤkt und beſchenft fein, ihm zu EQuhien unb
Ehre. Die —— womöglich unterbrüden, fie ihm woridg⸗
lich ſtehlen, ihn womöglich kaufen und verfaufen, ja das Alles
ift ihnen recht; aber ein großes Gut annehmen und dankbar da⸗
fuͤr zu ſein, ſich vor dem uͤberlegenen Geiſte buͤcken, waͤhrend
deſſen Inhaber noch am Leben, arm, jung, unberähmt if, nein,
Das wollen fie nicht, and unter biefun Reik uf unfer Heib
feine Laufbahn beginnen, eifrig, begeiftert, glühend, arglos, ver:
trauenspoll, unkundig der argen, raͤnkevollen, tuͤckiſchen Weit.
Nun alfo der Reihe nad Ausfichten, Erwartungen, Bemühun:
gen, Taͤufchungen, Verdrießlichkeiten, Patente, Yatentverlenun-
gen, Proceſſe, Koſten, Gompagaonſchaſt, Siferſuchten, Streitig⸗
keiten, Schulden, Bankrott. Das war und iſt die Laufbacn
von neunundneunzig Erſindern der ſchaͤtzbarſten materiellen Hülfs:
mittel unſers civiliſirten Lebens, und nur der Hundertſte iſt ein
Arkwright mit ſeinen ſieben Millionen oder ein Watt mit ſeinem
Boulton.“ 78.
Literarifhe Notiz.
Balzacs neuefter dramatiſcher Berfug.
Balzac ift einer der unermühlichften Ringer, die man fid
benfen kann. Cr dat eine Ausdauer, die an das Heroifche
ſtreift. Dreißig bis vierzig Bände von ihm, die er in der feiten
Überzeugung geſchrieben hatte, er bereichere die undankbare Welt
mit Meifterwerten, ‚fieten ben unterfien Streifen der Beſerwelt
anpeim — „is avaient öt6 tuds sous lui“, fagt einer feiner
Biographen ſehr huͤbſch —, ohne daß das gebildete Yublicam
nur einigermaßen von ihm Notiz nahm: aber er ſchrieb und
ſchrieb immer zu, bis er endlich, Dank feiner Ausdauer und
Beharrlichkeit! auch wirklich durchdrang. est findet jeberfeiner
Romane einen unermeßlichen Leferfreis und macht in gan; Eu⸗
ropa bie Runde. So feheint Balzac aud auf dem dramatiſches
Gebiete den Beifall kraft feiner Hartnaͤckigkeit förmlich erzwingen
zu wollen, und wer weiß, ob ihm dies — fo jämmmerlich freir
lich fein erftes Auftreten auf dieſem Felde ausgefallen it —
nit am Ende in der That noch gelingen wird. &e ſchmahlich
feine beiten erfien Niederlagen auc waren („Vautrin“,
„Les ressources de Quinola‘), fo hat der unermäbliche Schrift:
ſteller ſich dadurch doch nicht abhalten laſſen, ben Tempel des
dramatiſchen Ruhms zum dritten Male zu erſtuͤrmen. Leider
iſt ſeine, Paméia Geraud”, das vor einigen Wochen auf tem
Theätre de la gatté zur Aufführung zekommen iſt, wieber
burchgefallen und Balzac muß fich nad einem neuen Stoff zu
einem vierten dramatiſchen Verſuche umthun, denn allem An:
fhein nach wird er es bei diefem dreimaligen Sturme nicht ber
wenden laffen. Balzac hat fi diesmal nicht perſoͤnlich von
dem ſchlechten Erfolge feines Stuͤcks uͤberzeugen Tonnen. Be:
kanntlich iſt er gerade gegenwaͤrtig auf einer Reiſe nach dem
Norden begriffen, auf der er gewiß Stoff für feine raftlofe Fer
ber fammeln wird. Watrſcheinlich hatte er die erſte Aufführung
feiner „Pamela Geraud” abſichtiich in diefe Zeit verlegt, weil
er fi) gedacht haben mag, man mwürbe während feiner Xbrwefen:
beit glimpfliger mit feinem vielverfprechenden Geiſtesproducte
umfpringen. Aber weder das Publicum noch die Preffe hat
fih dadurch abhalten 1affen, über. dieſes Stuͤck, beffen Erfolg
Balzac wahrſcheinlich ſchon nach Bantnoten berechnet harte,
den Stab zu brechen. Dafür wird der ergücnte Autor wieder
wie bei „„Vautrin‘ und den „Besseurces de Quinola” in einer
geharnifchten Vorrede an den f&händlichen „gens des lettres‘’
Rache nehmen. 2.
Berantwortlicher Deraudgeber: Heintich Broddaus. — Drud und Terlag von 8. &. Brodhaus in Leipzig.
B l arte r
fuͤr
literariſche Unterhaltung
Taſchenbuͤcherſchau für das Jahr 1844.
weiter Artikel.
(Bortfegung aus Mu 386.)
3 Immergruün.
Das alte, vom Bolkswitz, auf bie dichtgeſchlofſene
Phalany der Ariſtokratie abgefchoffene Spruͤchwort don der
Koähe, die der andern die Augen nicht aushadt, hat ſich
nun auch aberflumpft. Mag immerhin bie „Adelszeitung”
noch eine große Schar der Getreuen unter ihrer Ägide
fammeln und «ein hiſtoriſcher Thron fie als Bollwerk auf
feine Stufen berufen, mögen biefe immerhin Alle für Einen
und Einer für Ale fliehen und ihre Blige nur gegen die un:
ebenbüctige, hekatoncheitenartig gegen fie anflürmende Maffe
fehleudern — Einzelne find doch unter ihnen, bie ſich mit
der ganzen Stattlichkeit ihres tiefwurzelnden und hochauf⸗
firebenden Stammbaum und der ganzen Fülle ihres aus
ätteften Quellen ſprudelnden Volksbluts von dem gegens
feitigen Schutz⸗ und Trutbuͤndniß losfagen und fein Ar»
gemiß darin finden, gegen einen alten Stammverwandten
die Lanze einzulegen und ihn vor den Augen und zur Bes
Iuffigung des plebejiſchen Publicums auf den Sand zu
werfen. Wer es nicht glauben will, lefe das „Immergruͤm“.
Hier wird man einen Ritter finden. aus einem alten freie
herrlichen Gefchlechte, der ſchon feit Jahren Über die Par:
quees der ariſtokratiſchen Literatur mit cavaliermäßigfter Ge:
wandtheit dabingefhritten if, und wird ihn fich gegemüber:
fetten fehen einer Dame, die gleichfalls einem alten, felbft
geäflihen Stammbaume entfproffen iſt, und gleichfalls
auf den Etageren der ariſtokratiſchen Literntur als eine
dee ftofzeften Blumen prangt, und wird hören, wie er mit
aller Seelenruhe und der ganzen Liehenswärbigkeit und
Grazie feines Weſens dem gefammten Publicum, an das
die Karl Haas'ſche Buchhandlung m Wien ihr „Immer:
grün” abfeht, Dinge ins Geſicht fagt, die fich fonft hoͤch⸗
ſtens ehrliche Buͤrgersleute von Schrot und Korn unter
vier Augen miteheiten, die aber ein Edelmann einer edeln
Dome ſchwerlich jemals anderd als durch die Blume zu
verſtehen gegeben hat. Der Edelmann, der diefed gewagt
har, iſt kein anderer als der Freiherr A. v. Sternberg
umd die Dame, der diefes Malheur pafſirt tft, Peine ans
ven als Gräfe Ida — — bed Sternberg ift und
bleidt ein Cavalier, und obſchon Ref. darauf keinen An:
ſyeuch macht, will er doch am Zartgefuͤhl nicht hinter Ihm
Freitag, A Kr. 356. AT
22. December 1848,
zurücbleiben und niche mehr verratben, als eu ſelbſt füs
gut befunden. Höre mon, wie der Dichter ſelbſt feine
Dan vorftellt ;
Einige Jahre waren vergangen, als in ber Literarifchen
Welt eine neuauftretende Schriftftellerin Aufſehen machte. Die
Romane, bie fir herausgab, waren eigentlich nur unorbenttiche
und übereitte Skizzen; aber fie enthieiten die tveffliche ilde
rung eines Irau, die bie Genäffe ber Melt mit Leidenſchaftlich
keit koſtet, und fie dann mit Verachtung ſortſchleudert. De
feine Kenner und raftlofe Beobachter ** vor einer Feder,
bie fo haarfcharf den Nero zu berühren wußte; allein ben Lite
raten verdroß die falope Form, der Mangel an kuͤnſtleriſchem
Bildungsſinn. Es waren diefe Romane eigentlich Selbſtbekennt⸗
niſſe, eine Art Tagebuch, eine Selbſtſchau unter fingirtem Na⸗
men; aber ed war nicht die redliche Selbſtſchan, bie, Aber»
drüffig, überall geſchminkte Kügen zu finden, bamit anfängt, die
ſtrengſte Wahrheit‘ gegen ſich feibft zu üben, fondern es war bfe
Selbſtſchau, die fi im Pug der Sünde gefällt, bie es lachend
ausfpricht, daß fie fich und bie Wett aufgibt. Fuͤr den milen,
einfachen, an feiner Beſſerung arbeitenden Menſchen Bonmte ci
nicht leicht ein wiberlicheres Buch geben als einen Roman bie
fer eleganten Dame. Dennoch bewundert man fie; denn mas
bat man nicht einmal in der Welt beivundert !
Der Lefer wird fchon errathen haben, wer biefe net: auf⸗
tauchende Mobebame in ver Eitssatux war. Ida hatte Bis Pa⸗
lette mit dem Schreibepult vertaufht. Cie fhidte Paulinen
den erſten ihrer Romane, und die Witwe legte dad Buch mit
Widerwillen bei Seite. „Sie iſt jegt ganz unausftehlich”, fagte,
fie. „Nun fängt fie an, dem Publicum ihr eigenes thoͤrichtes
ben zu erzählen. D, wie das indiscret iſt! Jedermann
Recht zu geben, mit Fingern auf fie zu geigen! Wir verbaft.
ift mir dergleichen, und wie unglüdtich bin ich, daß gesabe- mie
eine ſolche Schweſter zufallen mußte, die unheilbar in ihren
Thorheiten ift.”
Hat Ref. noch etwas Hinzuzufügen? Der Lefer mich
ſchon errathen haben — meint ja der Dichter felbft und
ih glaube in der That, er wird es. Und wovon ich glefchs‘
falls feſt überzeugt bin, ift: der Leſer wird, nachdem er
diefe Stelle gelefen, nichts Eiligeres zu thun haben, als
die Movelle felbſt — die beiläufig gefagt „Ida und Pau⸗
line” betitelt iſt — von Anfang bis zu Ende durchzuleſen
“und vollends der Verwunderung nicht müde werden, wenn
er dabei die Überzeugung gewinnt, daß die ganze Gefchichte
eigen® darum erfunden und gefchrieben Hi, um das Le⸗
ben jener Gräfin — wahrſcheinlich zwar nicht in feinem
tenfen, aber doch Idealen Verlauf — durch alle Stadims
md Stufenjahre des Lebens hindurch zu verfolgen und’
fie zu ſchildern, wie fie als dreifähriges Kind fhon auf.
einer Kindermasterade ihren Triumph feiert, Ereifcht, einge‘
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berum ihre Zähne zeigt, ungenict bie beiten Biſſen von
den Tellern der Knaben holt und endlich die Finger in
eine rothe Sauce taucht und damit über die Pausbaden
eines Beinen Flachskopfs fährt; wie fie als dreigehnjähriges
Mädchen haͤßlich und ungefchicht If, wie fie nichts lemnt
und nichts treibt als dumme Streiche, bie ihr ſchlecht fie:
ben, wie fie fih von der Gouvernante allabendlidy ins
Bett tragen läßt und fie daflır zum Beſten hat u. ſ. w.;
wie fie dagegen nady abermals zehn Jahren, von einem
Kreife von Herren umlagert, in der ausgelafienften Stel:
lung auf der Dttomane liegt, kleine Augen macht, biin:
zeit, Blicke zuwirft, lacht, fpottet, die Bufennadel an dem
Halstuche eines Herrn betrachtet, auf die muthwilligſte
Meife von der Welt die Kokette fpielt; wie fie zwei ihr
verfobte Brüder nacheinander verabfchiedet und den britten
Selrathet, nur um ſich nach Purzer Zeit wieder von ihm
fheiden zu laſſen; wie fie im bdreiunddreißigften Jahre
fih in Rom befindet und die Kuͤnſtlerin fpielt, fich im
Atelier bewundern läßt, ihr Kind im Klofter erziehen läßt
und feit einiger Zeit viel über Religion nachdenkt; und
vote fie endlich nach abermaligem Zwiſchenraum bie oben:
befchriebene Schriftftelferin wird, und als foldhe das Un:
gluͤck hat mit einem Fremden einen Roman anzuknuͤpfen,
der ſich, nachdem fie ihm ziemlich deutlich eine Liebeder:
klaͤrung gemacht, als einen ihrer erbittertfien Recenjenten
zu erkennen gibt, ber fie in feinem Journal mit allen
Waffen eines ſtolzen überlegenen Maͤnnergeiſtes todtge⸗
[lagen bat. Die Geſchichte fpielt noch ein wenig weiter
— erzählt fogar, wie die Dame zwilhen Trieſt und Nea:
pel über Bord ind Meer geftürze ift — die arme Ida !
Hoffentlich wird der Freiherr von Sternberg nichts von
einem Propheten in fi haben.
Mef. üderläßt das Urtheil über diefe Verfahrungsmeife
ganz dem Publicum. Nur ruͤckſichtlich des aͤſthetiſchen
Waerths der Novelle muß er noch hinzufuͤgen, daß fie
ganz mit der Lebendigkeit und Gewandtheit gefchrieben ift,
die allen Producten Sternberg's eigen iſt, daß fie neben
der Perſoͤnlichkeit Ida's noch manche ebenfo originell er:
fundene als trefflich ſtizzirte Figuren darbietet, mehre ganz
neue effectvolle Scenen zeichnet und trog mancher Ertra:
vaganzen den Eindrucd einer geiftvollen und von fittlicher
Indignation eingegebenen Dichtung macht.
Die zweite Gabe: „Die Königswitwe”, Novelle von
Bernd v. Gufed, behandelt einen hiltorifhen Stoff
und zwar die Kämpfe, welche nad) dem Ausfterben des
echten burgundifhen Stammes zwifhen Portugal und Ga:
flitien flattfanden. Den Mittelpunkt diefer Erzählung bil:
bet Leonor, die Witwe des legten echten Königs Serdinand,
welche in allen ihren Handlungen von der unbegrenzten
Rachſucht geleitet wird, fi dadurch immer tiefer und tie:
fee ind Ungluͤck flürge und endlich den Ungeflüm ihrer
Leidenſchaft in der Zelle eines Klofters begraben muß.
Ihr Charakter ift, wenn auch nicht in überrafchenden und
genialen, doch lebendigen und wahren Zügen geſchildert,
es fehlt ihm aber das Eine, was zu tragifchen Charakteren
unumgänglich nothwendig ift: die Theilnahme erweckende
Groͤße. Daher kommt es, daß ſich unfer höheres Sn:
mi |
a7
U...
tereffe niche ide, bie doch bie Hauptperſen fein fol, fon
dern den andern Figuren zumendet, z. B. der Donna
Manoela, dem jugendlichen Helden Nuno Pateira und
dem Defenfor von Portugat, Don Soad, der die Unab:
hängigkeit feines Vaterlandes geym Iyen Mon -Baflilien
behauptet und durch den von Parelra erfochtenn Sieg
bei Albujarotta mit höchfter Uneigennügigkeit den unechten
Sprösling des buryundifhen Stammes, Johann L, auf
den Thron bringt. Auch unter den MNebenperfonen find
manche theils von bifterifchem, theils aͤſthetiſchem Inter⸗
eſſe, wie denn überhaupt die Erzaͤhlung, namentlich was
den gehaltenen Stil und die Behandlung bes hiſtoriſchen
Stoffs berzifft, zu den beflern der Almanachsliteratur gehdert.
Weit niedriger fleht die dritte Novelle: „Der Schein
trüst. Potpoueri aus dem Reiſejournal eines Unbedeu⸗
tenden. Bon Iſidor (v. M.). Die Erfindung ift ges
wöhnlih, die Anordnung bat dem Fehler der Einfchachtes
lung, und die Darftellung leidet an jener leeren Über:
(dwänglidkeit und faden Wis: und Sentimentshaſcherei,
welche mittelmäßigen, nur mit der Routine eines Biel:
ſchreibers bingefchriebenen Producten eigen zu fein pflegt.
Am gelungsnften ift nody die Erzählung, die Ernſt in den
Papieren findet, und in dieſer namentlih das Geſpraͤch
zwiſchen Ignaz und dem Minifter. Doc, fleht es für
die Entwidelung völlig unnüg da.
“Außer diefen drei Novellen bietet das „Immecgruͤn“
noch „Lyriſche Blätter” mit Gedichten von Seidl, Le:
vitfhnigg, Langer, Ziginger u, A., die größten
theils hoͤchſt mittelmäßig find; wenigſtens hat Ref. keins
darunter entdecken Eönnen, das einer nähern Beſprechung
würdig wäre. Die Kupferfliche hingegen, nach Originalen
von Rafael, van der Lumen, van Dyck, Aertiens, Schal⸗
Een, van Berghem ausgeführt, find ſaͤmmtlich intereffant
und dankenswerth, befonders anziehend find: La Forma-
rına, Rafael's Geliebte, hollaͤndiſche Rauchſtube und der
Hühnerkrämer.
4. Sedente mein.
Es ift immer ein misliches Ding, eine Novelle mit
einer Meflerion zu beginnen. Iſt fie ſchlecht oder mittel:
mäßig, fo verdirbt fie dem Lefer wie eine Rumford'ſche
Suppe von vorn herein den Appetit; iſt fie gut, fo reizt
fie den Gaumen zu Anfprücen, die nur in fehr feltenen
Fällen befriedigt werden können, da es befanntlich viel
leichter üft, eine gute Reflerion ald eine nur leidlide Mo⸗
velle zu liefern. Je fchwieriger es alfo iſt, nach einer re:
flectirenden Einleitung den Leſer zufriedenzuftellen, um fo
höher iſt es jedenfalls anzufhlagen, wenn ed dem Verf.
dennoch gelingt und noch dazu in fo hohem Grade, wie
es in der erflen Novelle des „Gedenke mein” dem bis jegt
mir noch völlig unbekannt gebliebenen Autor derſelben
Adalbert Stifter, gelungen ifl. Dieſe Novelle ver»
dient vor vielen andern der Aufmerkſamkeit des ſchon höhere
Anſpruͤche mahenden Leſers empfohlen zu werden, und
wir halten dies um fo mehr für unfere Pflicht, als einer:
ſeits die Geſellſchaft, in der fie fich befindet, leicht von
ihr zuruͤckſchrecken koͤnnte, andererfeits aber fie ſelbſt ſich
gerabe uufı den: erſten Mielkes: nut ·ciaer gewäffen Meike ter
Reflnionen, Erklaͤrungen und Sipflbeeungen ergeht, die
zwar audy ‘ihre Schönheiten haben umd fogar in gewiſſem
Einne als nothwendig und zweckmaͤßig erfcheinen, aber
doh am Werth hinter der eigentlichen Erzählung zuruͤck⸗
bleiben. Die Grundzüge derfelben jind etwa folgende:
Der Berf., oder wenigſtens der Dann, dem die Erzaͤh⸗
lung felbjt in den Mund gelegt wird, erhält eine Einla:
dung zu einem alten Major, der auf feinen Gütern in
Ungarn lebt. Er hat denfelben auf einer Reife in Sta:
lien tennen gelernt als einen ſchon funfzigjährigen Mann,
aber von außerordentlicher männlidyeer Schönheit und Ans
ziehungskraft für das maͤnnliche und weiblihe Geſchlecht,
dabei aber in dem Mufe ftehend, daß noch nie eine Frau
ihn dauernd zu feffeln vermocht habe. Der Erzähler lei:
ftet der Einladung Folge und macht fih zu Fuß auf den
Weg, um Ungarn fo recht in feiner Eigenchümlichkeit
Sennen zu lernen. Welchen; Eindrud das Land auf ihn
gemacht, erfahren wir am beften aus feiner Schilderung,
die es wohl werth iſt, wenigftens zum Theil hier mitge:
theilt zu werden.
Wenn Jemand glauben follte, ich fei darum in ganz geras
der Linie auf bie Beſigung bes Majors zugegangen, fo irrt er
r febr; fo wie mir fein Bild früher immer mit Italien zu
ammengefloffen war, fo webte ſich jegt nad) und nad) das Ant:
Lg diefes neuen Landes darunter, und es war, als fei dies noch
feltfamer nad romantifcher; ich war über hundert Baͤche und
Fluͤſſe gegangen, ich fchiief bei Birten und ihren großen zottigen
Dunden, ich hatte aus jenen einfamen ‚Daibebrunnen getrunfen,
die mit dem furdtbar hohen Gtangenwintel zum Himmel fe
Yen; id) aß unter dem tiefherabgehenden Rohrdache — dort
lehnte der Sackpfeifer, bort flog der ſchnelle Fuhrmann über
Die Haide, dort giänzte ber weige Mantel der Koßbhirten — —
oft dachte ich mir, wie benn mein Freund in diefem Lande aus⸗
fehen werde; denn ich hatte ihn nur in ber Gefelfchaft geſehen,
und im Getriebe, wo ſich alle Menichen wie die Bachkieſel gleis
den; dort war er ber glattefle, elegantefte Mann, bier war
Alles anders, und oft, wenn ich ganze Tage nichts fah als
das ferne violette Dämmern der Steppe und die taufend kleinen
weißen Punkte drinnen, die Rinder des Landes, zu meinen Kür
Gen bie tiefſchwarze Erde: fo viel Wildheit, fo viel üppigkeit,
To viel Anfang und Jungfraͤulichkeit, diefe Boiden, biefe Heer⸗
den, ein Boll, in einer uralten Verfaffung ftedend, aber To
Friſch laͤchelnd wie ein Kind im Rode feines Vaters; dieſes
Individuelle, dieſes Romadenhafte — ed war mir, als fei id
auf einmat in ein friſches Beginnen verfegt, als begoͤnne ich
ſelbſt, als börte ich den Hammer ſchallen, womit bie Zukunft
dieſes Volks gefchmiebet wird — alles Vergehende ift müde,
alles Werbende feurig — darum ging ich gern kreuz und quer
im Lande herum, fah feine Dienfchen, erfuhr viele hundert Züge
von Meivetät und Kraft, fab feine endloſen Dörfer, ſah feine
Weinhügel auffizeben, feine Suͤmpfe und Roͤhrichte, und weit
draußen frine fanftblauen Berge ziehen — — und fo nad) mos
natlangem Herummandern geſchah es endlich eines Tages, daß
ich au meinte, nunmehr ganz nahe an dem Hauſe meines
Zünftigen Saftfreundes zu fein.
Er ſieht nämlich in einiger Kerne ein weißes Gebäude,
das er für Umar, das Schloß feine® Freundes hält. Von
«inee mannaͤhnlichen Frau aber, die er auf dem Felde rei:
tend und den Arbeitern Befehle austheilend finder, erfährt
er, daß es nicht Uwar ift, doch erbietet fie Fi, ihm einem
Wegweiſer dahin mitzugeben und führt ihn ſelbſt eine
Steele lang durch ein Gebiet, das in dem üppigfien,
pphenoſten ufkurbe fich wefälder m‘ Sad Min Ye Gene
Namen Marosheht bezeichnet reftd. So“ langt er enbzich
in Uwar an, wo er Alles eigenihuͤmlich, national einge-⸗
richtet finder, Haus, Hof, Dienerfchaft und den Befiger
ſelbſt. Dielen bat fich gang der Wiethichaft gewidmet
und waltet in Derielben ats Geift der Ordnung und Gul«
tur mit patriarchaliſcher Einfachheit. Seine Perſoͤnlichkeit
exfcheint hier nnd) bedeutender als in den forialen Ber:
haͤltniſſen. Er iſt geliebt, angebetet und ruͤhmt ſeibſt, daß
er gerade hier das Gtuͤck gefunden, hier; von we er vor
30 Fahren ausgezogen, es zu ſuchen. Dennoch ift uͤber
fein Wefen eine unverkenndare Melancholie "ausgebreitet
und da6 Gerücht fagt, «6 fei, weil er früher über bie
grauen eine große Macht ausgeübt habe, num aber felbft
von einem alten haͤßlichen Weibe bezaubert ſei. Es
fcheint in der That fo, denn ex erklärt feine Machbarin
Brigitta Marosheli, daſſelbe Weib, das der Ergähler zei:
tend gefunden, für das bertlichfte Weib auf diefer Erde,
er verfpricht dem Saft, ihn mit ihre bekannt zu machen.
Ehe der Erzähler weiter berichtet, theilt er die Geſchichte
Brigitta’s ſelbſt mit. Wir Eönnen uns nicht enthalten
Manches davon wörtlich mitzutheilen.
‚„ Es ift wundernolles Ding um Das, was wir Schönheit
beißen, wir Alle find gezogen von der Güßigkeit diefer Erſchei⸗
nung, und wir Ale können nicht fagen, wo fie Liegt: jetzt tritt
fie uns aus dem Weltall entgegen, jest flammt fie aus einem
Auge, und jegt liegt fie wieder nicht in Zügen, die alle nach
der reinften Form geprägt find —, oft wird fie von feinem
Auge gefehen, bis das rechte kommt, oft wird fie vergöttert
und angebetet, und ift nicht da: aber fehlen darf fie nirgend,
wo zwei Seelen glühen, oder wo ein Herz in Inbrunſt und
Entzüden ſchlaͤgt, fonft find die Seelen tobt, und das Herz
ſteht flille. Aus welchem Boden aber diefe Blume bricht, ift in
taufend Fällen taufendmal anders — und wenn fie da tft,
nimm ihr alle Stellen des Keimens, und fie bricht an andern
vor, wo bu e8 gar nicht ahneſt. Wir Alle Enieen vor ihr, und
das Ginzige, weshalb ſich das Leben lohnt, gießt fie allein in
das zitternde, befeligte Herz Traurig für Den, der fie nicht
bat, ober nicht kennt, ober an dem fie kein fremdes Auge fins
den kann — felbft das Herz ber Mutter wendet ſich von dem
Kinde ab, wenn fie nicht mehr ob auch nur einen einzigen
Strahl dieſes Schimmers an ihm zu entdedien vermag.
So war es dem Kinde Brigitta Warosheli gefchehen. Im
goldenen Prunkbettchen, in ſchneeweißen Linnen lag es mit dem
verbüfterten widrigen Geſichtchen, als hätte es ein Dämon ans
gehaucht; die Mutter wandte das umflorte Auge ab, und hefs
tete e8 auf zwet Meine fehöne Engel, die auf bem reichen Tep⸗
pi fpielten. Wenn fremde Leute Tamen, tadelten fie das
Kind nicht, und lobten es nicht, und fragten nad) ben Schwe⸗
ſtern. Der Bater war trübe, die Mutter berzte in verzweife
lungsvoller Brünftigkeit die andern Kinder, und fah nit das
flarre, ſchwarze Auge Brigitta's, das ſich binheftete, al& vers
fände e8 die Kraͤnkung. Wenn fie weinte, half man ihrem
Bedürfniffe ab, weinte fie nicht, fo ließ man fie ruhig liegen,
und dann richtete fie die großen Augen auf die Vergoldung bes
Bettchens ober auf die Schnörfel der Wandtapeten. Später
fpielte fie in einem Winkel mit Steinchen, fagte Laute, bie fie
von Niemandem gehört, oder verbrehte bie großen wilden Augen
wie ein Knabe, der innerlihe, dunkle Thaten fpielt. Auf die
Schweſtern ſchlug fie, wenn fie ſich ihrem Spiele einmifchen
wollten, und wenn die Mutter in einem Anfalle von Liebe und
Barmherzigkeit das arme Heine Wefen in die Arme ſchloß und
‚mit ihren Thraͤnen benegte, fo zeigte baffelbe keineswegs Freude,
fordern weinte und wand fi aus den Bänden ber Mutter. \
cher 8 na werke —2* Abena und: Ms
, nie w ® ‚als
at a utterliche —
in den Felſen des eigenen Herzens ſchlagen mußten,
Dieeſen Keimen gemuͤß entwickett ſich Brigitta weiter,
in ſch eine Fuͤlle won verborgenen Schaͤten tragend, aber
von Keinem verſtanden, von Keinem begriffen, auch ale
Jungftan nicht, bis ploͤglich ein junger, ſchoͤner, bedeuten⸗
ver Daun, Stephan Mural, in den geſellſchaftlichen Kreis
ſen erſcheint und trog der vielen bienbenden Schoͤnhriten,
die fie unigeben, ihr feine Huldigung beingt. Zwar ſucht
ie dieſelbe abzulehnen, aber den tiefen Eindruck, den er
auf fie gemacht, kann fie nicht vermeiden, fie kommen fich
naher une näher und endlich im einem Momente, wo das
Herz uͤberwallte, ſchlingt fie den Arm um ihn und em:
pfaͤngt von ihm den Kuß der Liebe,
Der Borhang zwiſchen den Beiden war nun zerriffen und
das Schickſal fhürmte fort: in wenig Zagen war MBeigitta bie
erklärte Braut des gefeierten Mannes; fein Inſtinct, der ihm ||
an dies Weſen geriffen, hatte ihn nicht betrogen, denn erſt
langſam, dann in reihen Strömen floß ein Paradies aus
ihrer Seele in die feine, ein Paradies, das fie ſelbſt nicht
gekannt, das fo lange verhält und zurädgehalten war —
ee ſchwamm in Geligkeit; fie war ſtark und keuſch wie kein
anderes Weib, weit fie ihre Herz nicht durch Liebesgedanken
unb Liebeshlider vor der Zeit entträftet hatte, daher wehte
der Odem eines ungefchwächten Eebens in fein Herz —, und
weil fig, flers allein, auch allein ihre Welt gebaut hatte,
warb er in ein originelles, phantaflifch s naives Reid geführt —
und wie ihre einfame Phantafie nach und nach vor ihm zu
fpielen begann, fo erkannte er auch ihr tiefes und ihr heißes
Lieben, das wie ein goldener Strom in vollen Ufern quoll, in
vollen, aber auch in einfamen; denn wie das Herz der andern
Menfchen getheilt iſt zwifchen eine halbe Welt, fo war das ihre
beifammen geblieben, und da e8 nur ein Einziger erfannt, war es
auch nun Eigenthum bdiefes Einzigen. Und wie in ungemeſſe⸗
nem Stolze führte er feine Braut herum, vor aller Augen, daß
man ſich verdugt fühlte, und daß felbft Brigitta's Vater vor
ihr Achtung und Ehrfurcht gewann.
Die Zeit flog mit rofenfarbenen Slügeln, und das Schick⸗
fat mit finftern Schwingen daneben. Der Vermählungstag war
vorüber, und noch an demfelben Abende, da er fie entzüdt in
die Arme ſchloß, hatte er bie merkwürdigen Worte gefagt, es
fei gar herriih, daß es fo gelommen; das habe er gleich bei
ihrem erften Anbli gefühlt, daß er dieſes Weib unendlich werde
Heben oder haffen müffen — wie herrlich fei e8 nun geworben,
daß es die Kiebe fi — — ihr Bethörten, wißt ihr denn auch
. ganz gewiß, was es ſei? in heimlich Verhängniß hat fie ge:
führt, ihn der Natur bes Menſchenherzens, fie dem dunkeln
Geiſt in ihr entgegen, ber fie warnte. _
Das Schickſal ſtuͤrmte fort.
In gleicher Schnelligkeit flogen Tage, Wochen, Monde, das
erz lag noch heiß am Herzen — Brigitta brachte ihm einen
Sohn, und dies neue Wunder führte die unberwußten Gluͤcklichen
wieder eine Strede weiter auf dem Ocean: aber allgemady
ſtellte fi das Reich der Gewohnheit ein und das Recht bes
Tages — die Minuten wandelten nun gemeffener und langfas
mer — damals fing er an, fie gern in Geſellſchaft und öffent:
liche Orte zu führen, und mit noch größerer Liebe und mit noch
zarterer Verehrung behandelte er fie vor Menſchen, als ſelbſt
zu Haufe — Brigitta aber, wenn er ſich wegwenhete, beftete
das düftere Auge auf ihn: „Jetzt weiß er, badhte fie, was mir
mangelt.’ Noch hielt fie das erſtickende Herz — aber die Roth⸗
wendigkeit ſchritt langſam näher und näher.
“Das Herz des Menſchen wird don taufenb Gewalten ges
gen, Ale lien fi geyrin untı iihipfk fein, GIS vas shte
Sn len Kt on IR San Lam Iediepkase —
A oe ” Shänpeit barunter nicht bie legte der zauberi⸗
Mm erkennt aus dieſen Worten, wit fih die Se
fhfchte weiter wenden muß. Murai lernt im Walde Sa:
briele, ein wunderſchoͤnes Mädchen kennen. Die Schön:
beit macht ihre Macht geltend, Brigitta merke es, und
nach unfagliher Qual ernannt fie fi) und ſtark wie fie
war, nahm fie das aufgequoliene ſchreiende Herz gleichfam
in Ihre Hand und zerdrückte es.
Kalt, wie Eis, trat fie eines Tages in fein immer unb
trug ihm mit fanften Worten die Scheidung an. Da er heftig
erfärat, da er fie bat und beichwor, da ex alle Brände biefer
Erde erſchoͤpft hatte, fie aber mit berfriben Eiſeskaͤlte ſtehen
biieb, und nur bie Worte wieberholte: Ich habe geſagt, daß es
dich reuen würbe — ich habe es geſagt — fprang er auf,
bligte fie mit durchbohrenden Blicken an, nahm fie bei der Hand,
und fagte mit gepreßter inniger Stimme: Weib, ich haſſe dich,
ih bafle dich!
Wenige Tage nach disfem Varfall, ohne auch Gabries
len wiedergeſehen zu baben, reiſt er ab md Behrt micht
wieder. Er fendet den Scheidebrief, uͤberlaͤßt VBrigitta
auch den Bohn und man Hört nichts weiter wen ibm,
Auch fie bleibt nicht in der Hauptſtadt, wo fid) dies Alles
zugetragen, fondern zieht in ihr Haidehaus Marosheli und
“wendet bier Ihre ganze Aufmerkſamkeit auf die Erziehung
des Sohnes und die Gultivirung der oͤden Gegend.
Sie nahm Männerkieider, flieg wieder, wie einft in ihrer
Jugend, zu Yferde, und erſchien unter ihrem Geſtude. Wie ber
Knabe nur auf einem Pferde halten konnte, war er überall
mit, unb bie heifcyenbe, ſchaffende, thätige Seele feiner Mutter
floß in ihn — und immer weiter griff diefe Seele um fi, der
Himmel bes Grfchaffens ſenkte ſich in fie, grüne Hügel ſchwell⸗
ten fih, Quellen rannen, Beben fiäfterten, und em kraftvoll
mweiterfchroitend Epos war ins öde Steinfeld bingedichtet. Und
immer vworiter, über die Grenzen, über alle Nachbarn fehritt die
Dicgtung weg, man ahmte nad, man fliftete den Verein, An⸗
bere wurben begeiftert, und bier und ba auf der oͤden biinben
Palbe Kom fi) ein menſchlich⸗freies Walten, wie ein ſchoͤnes
uge auf.
So hatte fie 15 Fahre gewaltet, als der Major nad
zwanzigjaͤhriger Abwefenheit auf feine Güter zurückkehrte,
von ihre Thaͤtigkeit und Wirken lernte und zu ihe mod
im fpäterg Alter eine tiefe, immige Neigung faßte. Auch
fie hänge mit warmes Hingebang an ihm, aber dennoch
ſtehen fie fi mit einer gewiffen Zuruͤckhaltung gegenüber,
als ſchaͤmten fie fi, bei ihren Alter der Liebe noh Raum
——.
-
zu geben. Mur gegen den Sohn drüdte der Major auf
das unverhohlenfte feine Zärtlichkeit ans, und das Schick⸗
fat geſtaltete es fo, daß er fogar deffen Lebensretter wird.
Hierdurch wird zugleich bie Kataftrophe herbeigeführt. Im
' Drang der Gefühle verſchwindet die legte Zuruͤckhaltung,
Brigitta und der Major finten fih in die Arme, und
nun esft ergibt fih Für den Erzähler und Lefer, dag der
Major Sein anderer als Murai ift, der jetzt erſt, da bie
ſinnliche Schönheit keinen Anſpruch van ihn bat,
auf dem Punkte ficht, an ihrer Seite dag volllommene
auf Anfhauung geiftiger Schönheit gegründete Lebensgluͤck
zu genießen.
(Die Wortfegung folgt.)
Verantwortlicher Hrrauögeber: Heinrid Brokhaus. — BDrud und Verlag von F. U. Brodbaus in Leipzig.
Bitter,
för
literariſche Unterhaltung.
a a 812
—
ẽ
\
Sonnabend, Kr,
Taſchenbuͤcherſchau für das Jahr 1844.
weiter Artitet.
(Bortfegung aus Str. 366.)
Indem wir uns erlaubt haben, den Autor mehr ale
gewoͤhnlich felbft reden zw laffen, glauben wir einer weis
teen Beſprechung überhoben zu fein.
aus den Bruchſtuͤcken auf den Geiſt ded Ganzen fchließen
können und namentlich die Innigkelt und Wärme heraus:
fühlen, von weldyer die Darftelung durchdrungen ift.
Auch die Idee, die fi von Anfang bis zu Ende ald be:
lebender Odem himdurchzieht, daß neben der Innern Schin:
heit auch die aͤußere ihre Mechte habe und nicht unge:
ftraft verfeugnet werden dürfe, daß endlich aber doch der
Geiſt der Sieger bleibe, fobald er nur feine eigene Schoͤn⸗
beit und Buarmonte aus fidy heraus entfaltet und nun
fi zur finnlihen Anſchauung gebracht habe — diefe Idee
liegt fo offen und in ihrer Wahrheit fo überzeugend vor
Augm, daß fie Feiner nähern Befprechung bedarf. In⸗
dem wir daher nur noch einmal recht dringend anf die
Lecture diefee Novelle aufmerkſam machen, brechen wir ab
und geben zu den andermeitigen Gaben des Taſchenbuchs
- über. Leider find diefe faft fammtlich To ſchlecht und un:
bedeutend, daß fie nicht werth find, neben der erften Ro⸗
velle einen Play einzunehmen. Namentlich gile dies von
der zweiten Novelle „Dee Schauerman”, von 3. P. Ly⸗
fer, ein Machwerk der ordinairſten Sorte, defſen fich der
Berf. der „Kunſtnovellen“ fchamen follte. Weniger ge:
mein, aber voͤllig plan= und charakterlos tft „Der Spion”,
von A. v. Schaden, und michts weiter daran zu loben,
als daß fie wenfgftens in ihrer Leere mit rapider Schnel:
ligkeit. foetfchreitet. Die vierte Erzählung endlich „Schach
der Piebe””, von Walter Taſche, hat nur einen originel:
len Titel, der Stoff ſeibſt dagegen ift ein ſehr verbrauch:
tee und erimert an dfe Mythe von der Atalante, mur
daß das Wettrennen im bderfelben bier in ein Wettſchach⸗
fpiel umgewandelt if. ine tiefere Idee oder Neuheit
der Geſtaltung haben wir niche daran entdecken können.
Die lyriſchen Beiträge find faͤmmtlich unbedeutend, auch
die beiden Kieinigkeiten von Ruͤckert nicht ausgenommen.
Am intereffanteften ift noch „Bigenheit” von J. G. Seidl,
worin er fich gegen den Vorwurf vertheidigt, daß er ſich
nicht zu einer größern Dichtung concentrire, fondern feine
Kraft in 'einer Waffe von Beinen Gedichten zerfplittern
357,
— u — —— — —— — nn m — nn rn — — — —— — nn nn mm
Man wird ſchon
23. December 1843,
——— ——
laſſe. Unter den. Bildern find manche zute, namentlich
das Dilbniß von Seit und einige anſprechende Maͤdchen⸗
ı gefithter, ‘winter denen: befonders das von Maria herwvorge⸗
‚hoben zu werden verdient.
5. Lilien.
|
Der Herausgeber und Verfuſſer diefed Taſchenbuchs, E. v.
Wachs mann, ſcheint der Anſicht zu fein, daß es fich auch auf
geiſtigem Terrain bequemer bergab als bergaufgeht, wenigſtens
‚hat er die vier Erzählungen, mit denen er in dieſem Jahr⸗
gange feine Leſer erfreut, fo angeordnet, daß die erfle der»
ſelben den hoͤchſten, und jede folgende einen beträdhttiih‘
tiefen Plas einnimmt. Wir halten diefe Maßregel für
nicht politiſch: denn den festen Geſchmack behält man inv
Munde; und um mwenigfens gu verhäten, daß die Lefer
d. Bi. mit ımgünfligem Urtheil von den „lien Abs
ſchied nehmen, wollen wir. bei umferer Befprechung ders‘
ſelden den urigekehrten Weg einfchlagen und, wie em
Jude, der die fchlechteften Waaren zuerſt vorlegt, vom
hinten anfangen.
Die legte der Novellen iſt „Ahnungen“ betitelt und‘
rechtfertigt diefen Titel nur durch den Umftand, daß ein
‚polnifher Offizier auf Veranlaffung eines Traums, den:
er ſchon früher zroeimal gehabt und in Folge deffen jedes:
mal einer feiner Brüder gefallen ift, bei ſeinem von Guer⸗
eillasangriffen bedrohten Ausmarſch aus Spanien einem
deutſchen Kameraden mit Gewißheit feinen nahen Tod
vorausfagt und auch wirklich noch am naͤmlichen Tage
faͤlt, im gleichen Momente aber einem deutſchen Edelz
‚manne, der ihn einft an die Kofatten Hat verrarhen wol:
In und fi nad) feiner Flucht des von ihm vergeabenen‘
Schatzes bemaͤchtigt hat, als Geiſt erſcheint und ihm von’
dieſer Zeit an in feiner Nacht Ruhe laͤßt, bis jener deut⸗
ſche Kamerad, dem der polniſche Offizier den vergrabenen
Schatz vermacht hat, bei ihm anlangt, ihn zum Geſtaͤnd⸗
niß ſeiner Schuld veranlaßt, den Schatz von Ihm ausge⸗
liefert ethaͤt, und der Beſtimmung des Erblaſſers gemäß
ſich mit der Nichte des Edelmanns, die dem Polen einſt
zu der dereits erwaͤhnten Flucht geholfen, verheirathet.
Das iſt die ganze Geſchichte, in dee Ausführung fo lang⸗
athmig und ſchwer verdaulich wie bee Gas, im den wir"
fie eben zuſammengedraͤngt haben. Wenn der Verf. meint,
durch folche Erzählungen Intereſſe ober gar Gtauben für’
nr]
übernatlirliche Erfcheinungen ermeden zu koͤnnen, fo iſt er
fehe im Irrthum. Wenn dieſe Wirkung erfolgen fol,
müffen fie einerfeits weit pilanter fein, andererſeits den
Stempel einer kaum zu bezmweifelnden Beglaubigung an
fi tragen. Als Woße Erfindung erweden fie durchaus
Beine Spannung; es müßte denn hoͤchſtens bei ſolchen Le⸗
fern. fein, die jede Erzählung, die fie gebrudt vor ſich fes
ben, für eine wahre Gefchichte halten. Ein ſolches Publi⸗
.cum aber hat der Verf. wol ſchwerlich im Sinne gehabt. -
Die vorlegte Erzählung: „Dee Fremde“, ſteht wenige
ftens infofern höher, als fie ſich an einen beflimmter aus⸗
geprägten, mit eigenthuͤmlichen Nebenvorftellurtgen ” ver:
&uüpften Volksglauben anſchließt, nämlich an die Vam⸗
prrfage. Dadurch erhält fie etwas Charakteriſtiſches und,
inföfeen der Stoff noch nice gar zu oft ausgebeutet iſt,
Driginslieres, Wirkſameres, Feffelnderes, als d’e eben de⸗
fpsochene Erzählung. Im Übrigen hat fie ebenfalls kei⸗
nen befondern Werth, namentlich verdient e6 Tadel, das
die Scenerie gac zu fehr an die Romane der gewoͤhnlich⸗
fin Sorte erinnert. An Byron's „Vampyt“ darf man
natuͤrlich gar nicht denken, wenn man es noch irgendwie
lesbae finden fol.
Einen bedeutend höhern Rang nimmt die zweite Ers
sählung ein: „Haß und Liebe, die als eine wahre Be:
gebenheit bezeichnet wird. Sie fpielt in Nordamerika und
behandelt eine Griminalgefhichte. Ein junger Mann,
Charles Beauchamp, der fih auf dem Gute feiner Tante
ig Kentucky aufhält, lernt eine junge Dame — Anna —
von außerordentliche Schönheit, Bildung und Liebenswür:
digkeit kennen, bie fi, ohne daß man von ihren Verhält:
niffen etwas Näheres weiß, als daß fie eine treffliche Jaͤ⸗
gerin iſt und ſich namentlic, viel mit Piſtolenſchießen bes
f@äftigt, in der Nachbarſchaft angefauft hat. Er gewinnt
fie lieb, und da auch feine Zante die Wahl beguͤnſtigt
und er wiedergeliebt zu fein glaube, fucht er um ihre
Hand nad. Sie aber verweigert biefelbe-mit der Erklaͤ⸗
ung, daß fie feiner nicht würdig, daß fie eine Verworfene,
mit Schande Beladene ſei. Als er weiter in ſie dringt, er⸗
zähle fie, daß Oberſt Sharp, derſelbe Dann, den Beau:
champ als feinen Gönner verehrt hat, der allgemein ge:
achtet und ber allein im Stande geroefen iſt, durch
feine geiftigen und dem Schein nad) au moraliſchen
Vorzüge Anna's hohe Anfoderungen zu befriedigen, fie
verführt und darauf verlaffen und dem Schimpf und ber
Schande preisgegeben habe, und daß "fie nicht eher Ruhe
finden koͤnne, als bis fie fi an ihm durch feinen Tod
gerächt habe. Darum habe fie fih im Piſtolenſchießen
geübt und ihm bereit einen Zweikampf angetragen, er
aber habe dieſes Duell als eine für einen Mann unmwürs
dige und für eine Frau lächerlihe Sache aus Feighelt zu⸗
ehcgewiefen. Hierauf bietet fih Beauchamp ſelbſt als ih:
een Raͤcher an, und gegen dies Verfprechen gibt fie ihm
die Hand. Beauchamp reift nun wirklich zu Sharp und
bietet ihm an gelegenem Drte einen Zweikampf an, Die
fer aber zeigt ſich zerknirſcht, will nicht kämpfen, und
Beauchamp, ber die Reue für wahr Hält, vermag «6
nicht, ihn, der fich zu Seiner Gegenwehr verfichen will,
niederzuftoßen. Bald darauf aber entbloͤdet Ah Sharp
nicht, Anna öffentlich zu befchimpfen. Dies beweift, daß
ee nur aus Feigheit Reue geheuchelt, und fo wird ihm
aufs neue der Tod angedroht. Wirklich wird er unter
Umftänden, die ben Moͤtder „zweifsihafe laſſen, hald dar:
auf ermordet; der Verdacht Mut jedoh auf Beauchamp,
diefee wird eingezogen; und nun beginnt bie Unterfuhung,
die endlid mit einer Verurtheilung Beauchamp's endigt.
Diefer bat die That bisher ſtets geleugnet und erklaͤrt
noch je&t die Ausfagen der Zeugen, auf welche bie Ur-
theil gegründet iſt, für falfch; dennoch gefteht er die That
freiwillig ein und erleidet demzufolge Die Todesſtrafe. In
derſelben Stunde flirbt au Anna. Diefe Geſchichte, be:
fonder& die erfte Hälfte derfelben, iſt fo erzähle, daß man
an den beiden: Dattptperfonen lebhaften Autheil nimmt.
Der Stil iſt edel, Die Befchreibung der Scenerie leben⸗
dig, die Zeichnung ber Perfönlichleiten treffend, die Schil⸗
derung ber Geelenzuftände warm und an manden &tel:
len wirklich ergreifend. Gegen das Ende erlahmt die Kraft
des Verf. Das poetifche Element geht faft gänzlich im
juriſtiſchen und criminaliftifhen unter, und vom juriſti⸗
[gen Standpunkte betrachtet erſchelnt doch die Darftellung
wieder zu ungenau und oberflählih. Dennoch macht auch
der Schluß keinen übeln Eindrud, weil fi darin ein ge:
rechter und natürlicher Verlauf zu erkennen gibt. Dem
Berf. als moraliſchem Richter ift jedoch der Vorwurf zu
machen, daß er das ſittliche Unrecht, das in Beau:
champ's Handlung liegt, faft zu menig als foldyes hervor:
hebt und namentlich ihn von aller innern Unrube und
Gewiſſensangſt freifpricht.
Die vollendetite der bier gebotenen Novellen ift, wie
fhon gefagt, die erſte, „Die Mebenbublerinnen‘ betitelt.
Sie hat ebenfalls eine hiſtoriſche Baſis unter fi, und
fo bewährt fi, wos [chon fruher ein Berichterſtatter über
Wachsmann ausfprah, daB feine Productionen um fo
zweideutiger im Werthe würden, je mehr fie fih vom pos
fitiven Grund und Boden der Geſchichte in die Sphäre
der Phantafie verfligen, Der Stoff der „Nebenbublerin:
nen” ift dee Gefchichte Rafael's entlehnt, und zeichnet fi
für eine Novelle biefes Umfangs und Charakters durch
Reichhaltigkeit und Mannicfaltigkeit aus. Die meiften
Perfonen, die darin verwebt find, tragen einen geſchichtlich
berühmten Namen: außer Rafael und feinen Schülers
unter Andern Michel Angelo, Sehaſtiano dei Piombo,
Agoſtino Chigl, Leo X., Pietro Aretino, Francesco Neri
und vor Allen La Fornarina, Rafael's Geliebte, deren
Bild noch jetzt in der Galerie zu Florenz prangt, die ihm
aber auch als Vorbild zu vielen andern Gemälden, na:
mentlich! zur Madonna della Sedia, geſeſſen hat. Aulle
dieſe Perſonen treten ben Überlieferungen ober dem Cha⸗
rakter ihrer Producte gemäß mehr oder minder lebendig
vor die Augen bes Leſers und unterhalten ihn durch ins
tereſſante, ſtellenweiſe ſelbſt geiftreiche Geſpraͤche über kuͤnſt⸗
letiſche und ſociale Intereſſen der damaligen Zeit, beſon⸗
ders uͤber berühmte Gemälde Rafael's und anderer Mei:
fter. Unter Allen ſtrahlt natürlidy Rafael am glängendfien
hervor, jedoch nur als Künftler; als Menf iſt er keines:
wegs zum Iheel erhoben, mie 06.10 Hinfig mis Bemanı |: donch -ihız 'erik ußab eine Mörafkheumg
zwiſchen Kunſt und Giielichkeit herbeigeführt. " Diefe Abs
beiten gefihieht , auch erſcheint er buschans nicht ale ber
fentimentale, transparenete Schwarmer, zu dem ihn andere
Dichtungen geftempelt haben. Vielmehr iſt er ale ein hoͤchſt
finnlicher, genußfüchtiger, den Freuden und Wolluͤſten des
Lebens bingegebener Juͤngling gezeichnet, der ſchwach ge:
nug ift, fi duch eine zwiefache Neigung fortseiken zu
lafjen. Die eine derſelben iſt feiner alten Jugendgeſpielin
geroidmet, der Kornarina, einer finnlichen, feurigen Natur,
die aber einer Verheirathung mit ihm entfagt bat, weil
fie feinem Leichtfina erkannt hat und zur Überzeugung ges
langt if, daß der kuͤnſtleriſche Genius frei und ungebuns
ven fein müfle und in den Feſſeln der Ehe und Häus:
lichkeit nur untergehen könne. ‚Seine zweite Geliebte if
Marin, die Nichte eines Cardinals, bie ihn duch enthus
fiaftifche Bewunderung und kluge Beurtheitung feiner
Werke und durch ihre mehr Atherifchen ats ſinnlichen Reize
angezogen hat. Mit ihe hat er fih, mehr durch die du:
Sern Umflände als duch Innern Drang dazu getrieben,
förmlich verlobt — doch fo, daß nad einem Jahre Feder
von Beiden da6 Band wieder loͤſen kann. In der That
fühle er ſehr bald die Feſſeln, die ihm dur eine Verlo⸗
dung angelegt find, und noch mehr wird ihm dies Ber:
haͤltniß laͤſtig, als ploͤtzlich die alte Geliebte wieder erfcheint
und Altes, ja ſelbſt ihren Ruf und ihre Tugend daran
ſetzt, um ihn von der Verbindung mit Maria abzuhalten.
Maria erhält indeß eine Ahnung von dieſer feiner Liebe
und die Eiferſucht nimmt Ihe Der; gefangen. Unglüd:
Licherweife vereinigen fidy mehre Umſtaͤnde, diefe Eiferfucht
immer böher und höher zu fteigern, bis fie endlich durch
«ine Reihe gutgezeichnerer peinlicher Situationen hindurch
zur Fornarina ſelbſt gelangt, fi) von der edeln Natur
Derfelben amd der Wahrheit ihrer Anfiche über die Noth:
wendigkeit eines ungebundenen Künftterlebens überzeugt
und gleichfalls auf eine eheliche Verbindung mit Rafael
Verzicht leiftet. Doch hat fie nicht bdiefelbe Kraft es zu
ertragen, und ſchon nach wenig Wochen wird fie die Beute
einer verjehzenden Krankheit.
Fragt man nach der dem Ganzen zum Grunde lie:
genden dee, fo tft es offenbar der Srundfag ber Forna⸗
zina, daß der Künfkier nur im Zuflande einer völligen
Freiheit und Ungebundenheit das hoͤchſte Ziel, das ihm
vorgefiedt ift, erreichen könne und daß ſelbſt Tugend, Liebe
und Sitte fi) ihm zum Opfer bringen müffen. Es liegt
gewiß viel Wahres in diefem Gedanken. Unfere fublunas
riſche Welt iſt einmal von der Art, daß, wo eine Boll
2ommenbeit in.volifter Pracht ſich entfalten foll, eine ans
dere ihe Pag machen muß. Dennoch koͤnnen wie mit
der Art und Weife, wie ber Verf. diefen Gedanken hin:
geftellt hat, une nicht befriedigt fühlen. Es liege nam:
lich nach unferer Anfiht etwas tief Tragiſches in ihm.
Der Kuͤnſtler, indem er ein Derz zerbricht, wird nothwen⸗
dig dadurch ſelbſt zur teagifchen Perfon, und muß an eben
der Volllommenheit und Goͤttlichkeit, die er durch jene
Ruͤckſichtsloſigkeit und Ungebundenheit errungen bat, zu
Orunde gehen. Diefer Untergang bat nichts Beleidigen⸗
des, fondern er wirkt erſchuͤtternd und echebend zugleich;
B
fchließung feiner Idee hat der Verf. verfäumt und iſt mit:
bin auf halbem Wege fichen geblieben. Das iſt es, was
feine Novelle um den Namen einer wirklichen Dichtung
bringt, auf den fie fonfl, namentlich wenn audy dee Stif
überall den Stempel der Fabritarbeit abgelegt hätte, im
vieten Beztehungen Anſpruch machen koͤnnte. Ein paar
Bruchſtuͤcke aus Micyel Angelo's Reden mögen zeigen, mie
fih zwiſchen intereffante und treffende Mittheilungen fo
manche leere und wohlfeile Phrafen eingefchliiden haben.
Stolz muß der Künflter fein, rief Michel Angelo. Ich
denke, ich habe durch zu große Hoͤflichkeit unſerm Stande nichts
vergeben. Mit Papft Julius hatte ich oft harte Tänze. &o
fam er einft eines Morgens in die Sixtiniſche Kapelle. Gr
war gewaltig übel gelaunt, tadelte batd Died und Das, und
endlich auch, daß ich in den Gemälden bes Alten Teſtaments
an der Dede kein Gold gebrauchte, wie doch die alten Maler
bisher gethan. Nun warb ed mir zu arg. Heiliger Water,
ſchrie ih vom Gerüft berunter, ich male lauter geiftiiche Maͤn⸗
ner, und für dieſe ſchickt ſich Bein Kleiderprunk. Der gute Herr
war fo böfe, daß er u. f. w.
Bald darauf fährt er fort:
Da iſt Seine jegt regierende Heiligkeit ein ganz anderer
Her — ein wenig freigebiger koͤnnte er fein, ohne daß es ibm
etwas ſchaden wuͤrde — aber fanft ift er, und einen guten
Spaß nimmt er auch nicht übel. Da hab ich, wie ihr wißt,
in dem Gemälde über dem Attar, in dem legten Bericht, bie
fieben Zodfünden und eine ganze Legion Teufel angebracht.
Kommt da der Geremonienmeifter und tadelt, daß bie Figuren
für ein Kirchengemälde zu entbiößt und in unanftändigen Gtels
lungen gemalt wären. Was thue ih? Der Abbate hat eine
Pyfiognomie, die fo huͤbſch zu den fieben Zodfünden paßt, ich
male ihn alfo, und zwar in ber anftändigften Stellung, mitten
hinein. Der Menſch folte es mir Dank wiflen, er kommt fo
auf gute Manier, auf die Nachwelt. Statt deffen Läuft ex zu
Seiner Heiligkeit, erhebt ein fo gewaltige Gefchrei, daß der
gute Herr mir geftern zumutbete, ich folle den Geremonienmeis
ſter aus der Hölle heraustaffen. Ich aber fagte refpectvoll: Eure
Heiligkeit, das kann nicht fein, denn aus ber Hölle iſt Eeine Er
fung! —T ber —— Menſch ſoll mir darin bleiben,
ange die Farbe haͤlt, und das, denke ich, wird no
hundert Jaͤhrchen der Fall ſein. uw 9 ein paar
Die dem Taſchenbuche beigegebenen Stahlſtiche enthale
ten Bildnijje weiblicher Figuren, die in den Erzählungen
vortommen. Sie find techniſch gut ausgeführt und bis
auf Mathilde leidlich huͤbſch; es fehlt ihnen aber alles
Charakteriftifhe, und fo wäre es befjer gemefen, fie zu den
Erzählungen in gar feine Beziehung zu fegen. Am aufs
fallendften if dies mit dem Bildniß der Fornarina. Der
Kuͤnſtler hätte jedenfalls beifer gethan, ftatt feiner Erfin-
dung eine Nachbildung des Rafael'ſchen Portraits zu liefern,
wie es zufälligerweife im „Immergruͤn“ gefchehen iſt.
(Der Beſchluß folgt.)
Histoire des comtes de Flandre jusqu’a l’av@nement de
la maison de Bourgogne par Edward le Glay. Er⸗
ſter Band. Paris 1843,
Als die roͤmiſchen Legionen, Caͤſar an ber Spitze, in ben
nördlichen Theil von Gallien kamen, fanden fie ein and, wo⸗
bin Tein Strahl ber damaligen Bildung gebrungen war. Die
Römer behaupteten diefe Länder vier Jahrhunderte binburch
«aut — wenn men vom wstelngeiten Tberseften Aſtehl — wiirde)
Ude Gpuren ihrer Herrſchaft @ ve af
dem Ghriftentyume vorbehalten, die Bewohner dieſer Gegenden
u civiliſiren. Ungluͤcklicherweiſe wurden die WBeftrebungen ber
—28 , bie unter diefen ungebitdeten Bbikern den chrifttichen
uuben prebigten, gehemmt durch den Einſall ber Franken,
foraf der danderſtrich zwiſchen dem Nhein und der Nordſee erſt
dem Chriſtenthume gewonnen wurde, als Clovis ſich taufen Lich.
Erſt von jettt an fingen die Keime der Gtoilifation an ſich zu
entfalten. Sie verbreitete fih immer mehr, je mehr bas Chris
ftenthum am Ausdehnung gewann. Schon tm 7. Jahrhundert
werden überall Kitchen und Kiöftee gegründet, und nidjt lange
bilden fig uͤberall, wo ſich ein chriſtiicher Tempel befinbet, Gitäbte.
Machdem bie kleinen Könige (reguli), die bis dahin unabhängig
geherrſcht hatten, von Clovis unterworfen waren, verſchmolzen
auch die eingeborenen Belgier allmälig mit den Franken zu eis
nem Volle. Die zahlreichen Einfälle der Normänner machten
eine vollftänbige politiſche Organifation nöthig und nlaßten,
wie man wol annehmen kann, bie Einſetzung der flandriſchen
Grafen, deren Geſchichte ſich bis zu den Merovingern hinauf⸗
verfleigt und bie fi in der ungeheuren Monarchie Karl's V.
fieben Jahrhunderte ſpaͤter auflöfen. -
Dies find mit ein paar Strichen die einleltenden Betrach⸗
tungen, welche diefem neuen Werke von Le Glay vworausgeſchickt
find. Die eigentliche Geſchichte fängt bei ihm mit bem Jahre
an, wo Balbuin der Eifenarm, Sohn Ingelcan’s, von
Karl dem Kahlen, mit deffen Tochter er ſich heimlich vermaͤhlt
hatte, zum Grafen erhoben und mit dem Ränderftriche zwiſchen
der Schelde und dem Dcean belebnt wurde. Balduin nahm feine
Reſidenz in Brügge, ber Hauptflabt dieſes Gebiets, das ſchon
feit dem 6. Sahrhundert den Ramen Flandern geführt hatte.
Der erfte Band dieſes trefflichen Werks geht bis auf
die Schacht von Bouvines (1314) und umfaßt alfo bie
Regierungen folgender Srafen und Sräfinnen von Flandern:
Balduin Gifenarm und Balduin der Kable (862 — 919),
Arno von Wien und Balduin IN. (919 — 964), Arnold
der Junge und Balduin Schönbart (6 — 1036), Balbuin
von Eile und Balduin von Bergen (1036 — 70), Arnold IL.
und Robert der Zriefe (1070 — 93), Robert von Zerufalem
und Balduin mit der Art (1003 — 1119), Karl’ der Gute (1119
— NM, Withelm (1127 — 28), Thierry vom Eiſaß (1128 —
68), Philipp vom Elſaß (1108 — 91), Margaretha vom Els
faß und Balduin der Muthige (1191 — 85), Balduin von Kons
ftantinoper (1195 —1204), Johanna von Konftantinopel und ers
dinand von Portugal (1204 — 14).
Der Verf., belannt durch mehre fehr gehaltreiche Arbeiten,
vom benen ein Theil in den werthvollen „Archives littdraires du
Nord’ niedergelegt if, fiäste ſich bei Termem neueften Werfe auf
ſehr. umfaſſende und fehr gründliche Studien. eine Stellung
ale Sonfervator am Archiv zu Rille erlaubte ihm. überall aus
den Quellen zu ſchoͤpfen. Geine Schrift ift ein fchönes Seitens
ſtuͤck zu Barante's trefflicher Geſchichte der Herzoge von Burs
gund. Dffenbar bat ihm dies beruͤhmte Werk bei feiner Arbeit
auch vor. Augen geſchwebt, nur hat er die allzu große Breite, in
die Barante zuweilen fällt, möglichft zu vermeiden geſucht. 6.
Notizen.
Chriftliger Zeufelsglaube
Sn unfern Tagen, ba man fo erftauntich viel von Chriflens
thum und Chrifttichem, chriſtlich Germaniſchem oder germanifch
Thriſtuchem, hiftoritch Ehriſtiichem, echt Gäriftiichen, uxelt
Chriſtlichem, ewig Chriſtlichem u. dgl. mehr vernimmt; da men
jeden Augenblick belehrt wird, der Weift des Chriſtenthums wirke
found fo, das Chriſtenthum fodere Das und Das, ber chriſtliche
Staat habe die ober die Aufgabe — muß immer wieber und wieber
erinnert werden, baß es gar Fein fpechiich CEheifttiches gibt,
fondern daß in jeder Zeit was mean chriſtlich nannte nur der
. feinen Arm und’ verbrannte Deren.
"und ſchrieb ein Jaſten bis zum Abend ms.
Auen des Beltgeifles wut- Im 06. Jahthumert war ker
‚ Gaubs an ben Munfel und.am Keufeläwerke, am MBeiefienkeit
und Hexerei ein nothwendiger unb
unabtsennbenge Veßandt heil
bes Chriſtenthums. Der qhriſtliche Staat lich dieſem Glauben
Wie undefangen und zu:
verfichttich der Teufelsglaube gehegt wurde, wird man unter Ans
derm aus ſolgender Stelle ſehen, bie ich ben vor kurzem erfihienenen
„Zurich leattara“ eutnchme. Diſchof Parkhuck naͤmtich ſichreibt
(man bedenke, nach bereits geßalteter Glauheneverbeſſerung):
„Eine junge Niederlaͤnderin von 17 ober 18 Jahren, bie bei
einem Prediger in Norwich diente, wurbe während eine® ganzen
Jahrs jaͤmmerlich vom Satan geplagt. Jeboch unter allen
Berfudgungen und Bwadungen hielt fie ſtaudhaft im Blanben
aus und wiberftand dem Miderſacher zeit mebe ats männlicher
Kraft. Da endlich burch Gottes pälke ber Feufel uͤberwunden
war und fie verließ, fiel ee faft in dem naͤmlichen Augenblick
einen Senatorsfohn an, den er ebenfalls mehre Wochen lang
unglaublich plagte. Ich Heß im den Kirchen oͤffenttich beten
Der Herr erbarmte
fi) auch des Knaben und uͤbenwand den Feind. Der Kuabe
war 13 ober hoͤchſtens 14 Jahre alt und fir fein Alter wohl
bewandert in der Schrift, die er, flandhaft im Glauben, gegen
‘den Beind kuͤhnlich handhabte. Der Herr lebt, durch den biefer
Knabe und jenes Maͤdchen, beide übrigens von einer ſchwachen
Sonftitution, in ben Stand gefegt wurden, einen fo großen und
furchtbaren Gegner zu befiegen.”
Gin Brief von Grabbe an. Dr. Gartwrigbe.
Suni I843,
Jetzt, mein lieber Herr, fange ich zu glauben an, baf id,
auf gut Gluͤck, ein großer Wann bin; ein Mann, von dem ge:
fprodyen wird, nicht ganz fo viel als von Richoifon, der feinm
Heren todtſchuug oder von Peg:Wichelfon, bes Ge. Majeſtaͤt gen
todtgeſchtagen hätte, aber doch gelpaochen, gany anftänbig nab
gerade genug, daß mon es Ruf nennen kann, denn, fehen Gie,
ich erhalte Briefe, abreffirt an mich als Schriftfteller von Frem⸗
den und frembdartigen Bewunderern, unb iſt das nicht Ruf?
Nicht weniger als vier Briefe von Herren und Damen liegen
in dieſem Augenblicke vor mir, und ich praßle Damit Der Ihnen,
wie ich auch ver Sir Wolter Scott zu thun gebenke, degen
Brief vom 18. ich noch zu beantworten habe, und wahrhaftig,
er fol wiffen, was für ein Mann id bin. Gin Herr aus der
Stadt verlangt, ich fol mid; malen und in Kupfer geſtochen
vor meine Bücher flellen laffen. Berner, eine Dame (fie weiß
mein Alter nicht, noch ich das ihrjge) ladet mich zu einer Partie
ind Gebirge ein, damit ich bie bene Natur fehe und fie ber
fhreibe in meiner ſchoͤnen u. f.w. Gut. Drittens, eine andere
Dame offerirt mir einen Stoff für ein neues Werk, welches,
wenn ich ed ausarbeitete, in meiner pathetifchen u. f. w. Und
endlich ein junger Post bittet midy um mein Urtheil über feine
Berfe, indem er, wis Sie benten koͤnngen, allerlei dortrefftich
Sachen über die meinigen beimengt. 48.
Literarifhe Anzeige.
Im Verlage von F. 9. Arockhaus in Leipztiai
new erfchienen und .burdh alle — gu erhalten: iß
Gedichte
von
Anlins Moſen.
weite vermehrte Auflage,
Sr. 8: Geh, Thir 18 Ngr.
Verantwortlicher Deraudgeber: Deinrih Brodhaud. — Drud und Verlag von 8. X. Brodhaus in Leipzig.
a e e e
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81
k
T t er
" für 1 , ct
literarifhe Unterhaltung.
Sonntag,
Safchenbücherfchau für dad Jahr 1844.
Zweiter Artikel.
(Behind aus Nu. BE.)
6. Bertlers Babe.
Der vorliegende Jahrgang des Taſchenbuchs dringt vier
Erzaͤhlungen: „Die Blutrache, Epifode aus dem Tſcher⸗
keſſenkriege“, „Iramenmwerth”, „Der Besboßnoi“ und „Er
und feine Söhne”, ſaͤmmtlich von Wilhelm Müller,
dem Begründer und Herausgeber Diefes Almanachs, Da
fie wiederum ganz das naͤmliche düftere Colorit tragen,
das man an Ben Producten dieſes Schriftſtellers gewohnt
ist, fi abermals um Blutrache, Blutſchuld und ähnliche
Stoffe drehen, die er von jeher zum Gegenflande der Ver
handlung gemacht hat, überhaupt ganz Ddiefelben Vorzüge
und Fehler enthalten, die ſchon fo oft in feinen Erzaͤhlun⸗
gen antrlannt und gerügt find — fo hält es Ref. für
ubrflüffie, fich auf eine nähere Erörterung berfelben eins
zulafien, und begnügt fi damit, nur feine Verwunderung
darüber auszubrüden, wie fi) ein unverkennbar tuͤchtiges
Zalent fo ganz in die Anſchauung der Nachtſeiten und
Schreckenobilder des Lebens verfenten kann, welche, wenn
fie altein und ohne Abmechfelung unfere Blicke feſſeln, fe
wenig geeignet find, die Wirkung auf uns zu maden,
welche die Poeſie machen fol. Schwerlich kann es ſich
dabei innerlich wohl fühlen, ober es ift nur jenes Wohl:
gefühl, das auch ‚die tiefite Schwermuth, ja felbft die Vers
zweiflung durchdringt. Kinder er darin Beftiedigung, fo
follte ex wenigflens den Leſern der Taſchenbuͤcher nicht eine
gleiche Nase zutrauen, und ben duͤſtern Effert feiner Er:
zeugniſſe durch Aufnahme heiterer Erzählungen von andern
Verfaſſern zu mildern fuchen. Es fehlen aber diefes Jahr
auch die Iprifchen Beiträge von Cornelius u. A, die wenig:
ftens etwas Licht auf die finſtern Gemälde füllen ließen.
Müffen wir diefee Anordnung unfern Beifall verfagen, fo
Sönnen wir uns dagegen mit der Entfernung .der artiflis
ſchen Baben aus einem Taſchenbuche, das ats die Gabe
eines Bettlers bezeichnet wird, nur einverflanden erklären.
Nur ein Titellupfer, den Autor felbft darftellend, begleitet
dafjelbe, und wird gewiß Allen, die ſich für ihn intereffis
sen, willkommen fen. on
7. Sonnenblumen,
Der Vaerf. diefes ſchmuckloſen, rein novelififchen Ta⸗
ſchentachs iſt .brfanmelih Fraͤe dr ich Adami, sin routi⸗
aufzuſtacheln.
nirter Erzähler, der feine Stoffe theils ans geſchichtlichen,
theit8 aus gerichtlichen Quellen zu fehöpfen pflegt und mit
Hinzufügung von etwas mehr oder weniger 84 und Ge⸗
wuͤrz daraus in der Regel ein, wenn quch nicht ſehr fets
ned, doc fürs Haus genießbares Getränk zu brauen vers
fleht. Unter den diesmaligen Gaben ift 9 erſte die be⸗
deutendſte. Sie behandelt die Hinrichtung Egmont's durch
Alba, und die Copflicte, in welche dieſer mit ſeinem Ge⸗
heimſchreiber Don Juan, dem Grafen von Vargas, und
feinem Sohn Don Luis varwickelt wird. Als die Haupt⸗
figue und der intereſſanteſte Charakter der Geſchichte er:
feheint Ber Braf von Vargas. Kußerlih naͤmlich ſtellt ou
fi, als den eifrigften Anhänger: Alba's und den erprobsrflew
Feind der Niederländer dar, der fchon oft Alba zu bw
fhreiendften Midgriffen und bärteften Mafregeln verleitet
hat; innerlich aber iſt er der tzeuefte Niederländer, der
verkappte Artevelde und Water ded Don Luis und nimmt
nen Stanbpunft los ein, einerfeite, um non demſelben
am ſicherſten für das wahre Wohl des Vaterlandes mir
ton zu koͤngen, andererfeits wm die Miedesländer immer
heftiger gegen Alba und die fpanifche Herrſchaft überbaupt
| Dieſer Weg iſt freilich ein falſcher und
führt ihn dem Untergang gmtgegen; abar eben dadurch ges
winnt er ein paetiſches, namentlich tragiſches 3
deſſen Tiefe der Autor nur leider nicht gu erſchaͤpfen tes
Banden hat. Überhaupt iſt er glüdlicher in der En wer⸗
fung der Charaktere und Situationen als in der Aus⸗
faheung, ‚bie fir) Leiche mit einer oberflächlichen und dem
—— nicht techt ind Auge faſſenden Darſtellung
gt.
Die zweite Novelle nach Ducange führt den Titel:
„Die Sungfräuliche”, und ift eine ganz gemähnlihe Mair
teeffengefchichte aus der Zeit Ludwigs XV. ‚Ein junges
Edelmann erhält vom König eine Dffizieftelle und zu:
gleih eine reichautgeſtattete, fehöne junge Frau, Er muß
aber unmittelhar nach der Trauung abreilen und ein
Jahr lang auf alle Weites Verzicht leiften unter bem
Varwand, daß fie noch zu zart, zu jungfsäulic fe. Er
füge ſich. Ploͤtlich hört er, daß fie Iebensgefährlich krank
fi — er eilt beſtuͤrzt zu ihr und findet fie im —
Wochanbette.
Die dritte Norelle: „Ein Tochterherz“, behendelt
wicht ohne Gefchick wieder einem eraſtern Stoff: die and:
nu
Rs Du Ds Br ®
bauernde Liebe einer Tochter zu ihrem ungluͤcklichen Va⸗
ter; die vierte dagegen: „Auch eine Heirath aus der Kaiz
ſerzeit“, iſt komiſchen Charakters und dreht fih um einen
jungen Maler, der gewaltſamerweiſe mit einem in ein
Mägigen ⸗verkladeten Mann verhetraͤthet wie. Von den
weile das Taſchenbuch befchließen, iſt die zweite „Die
beiden Henker“ betitelt, die pilantere.
8 Blumenalbum.
Wer mag heutzutage, wo Alles nad Preßfreiheit
fchreit und feel von ber Leber fprechen will, noch durch
die Blume reden? Ah e6 mag es Keiner, aber Jeder
muß es, wenn er nicht ganz ſchweigen will. Daher
bleibt es immer noch dankenswerth, wenn uns Herr
Drärler: Manfred in dieſem Album mit einer Blu:
menfprache befchenkt, deren fih volle Herzen, wenn ber
Mund nicht übergehen darf, bedienen mögen. Wie be:
quem wird es 3. B. dadurch einem Plebejer gemacht, ei:
nem flolzen Ariſtokraten in aller Höflichkeit feine Meinung
fagen. Er braucht ihm nur eine Gamellie zum Prä:
ent zu machen und deutet ihm dadurd an: .
Dein Prunken trifft der Tadel,
Dein vornehmes Begehr;
Im Geifte ſteckt der Adel,
Und nicht im Stammbaum mebr.
Umgekehrt brauche der Ariſtokrat dem Piebejer nur ein
wenig Kümmel zu reihen, und er gibt ihm damit zu
verftchen :
Gar herbe kungt ber Kümmel:
Ver vor der Roheit Schimmel
Nicht garten Sinn bewahrt,
Bleibt lebelang ein Lümmel.
He können fi Beide ihre Herzensmeinung nicht offener
ausdruͤcken umd dennoch werden ſich Beide noch beieln-
ander bedanken muͤſſen. Schade, daß der Verf. an eine
Anordnung der Blumenſprache zu derartigem Zwecke, na:
mentlich zu einem Gebrauch auf dem Gebiete der Politik
gar nicht gedacht, fondern fie blos für erotiiche Tendenzen
eingerichtet hat. Kennt Hr. Drärlee: Manfred nicht das
Herwegh'ſche „Wir haben fang genug geliebt, und wol:
{m endlich haſſen“? Und was fol die erotifche Poefie
mit der Blumenſprache, fie, der noch kein Genfor das
Maut verboten bat? Eine politifhe, eine publiciſtiſche
Blumenfprache thäte noth, ber Liberalismus iſt es, der
der verblümten Redensarten bedarf und wenn Hr. Draͤr⸗
fer: Manfred das rechte Beduͤrfniß der Zeit begriffen hätte,
tohrbe er hier fein Rhodus erkannt, bier gezeigt haben,
daß er zw tanzen verfleht. Unter Dem, was er wirklich
gefeiftet hat, ift manches Zarte, manches Treffende, mans
Ges Pikante, — aber auch viel Seichtes, viel Mittels
mäßiges,, viel Mislungenes. Hohen äfthetifhen Werth
hat das Buͤchelchen nicht, aber für das praktiſche Beduͤrf⸗
niß der Liebenden bietet es reichlichen Stoff dar — für
jede Blume zwei Stnnfprühe, zwei in abendlaͤndiſchem,
zroei in morgentändifhem Gefhmad. Außerdem bringt
es eine Blumenfpmbolit der Zranzofen, einen Blumen:
Balender nebft Btumenuhr, eine Farbenſombolik umd eine
UÜberſicht der Empfindungen und Gedanken, bie durch
minalgefchkäten -au@ der berliner Vorpeit“ endlich,
Blumen bezelchnet werben koͤnnen. Auch colorirte, Win:
men darſtellende Bilder find beigefuͤgt, zum größten Theil
nicht übel ausgeführt, aber doch wenig Intereſſe gewaͤhrend,
weil zu befannte Blumen ‚gewählt find. ‚87.
t a 2 4. -
Fortſchritt der Nation.
Unter diefem bis zur Unverftänblichleit Eurzen und, wenn
erklaͤrt, infofern etwas folgen Titel, als zwiſchen „der und
„Nation“ die Beifügung des Worts „engliſchen“ für unnöthig
erachtet worben ift, erfhien 1836 in London ber erfie Thell ei⸗
nes Werts: ‚Progress of the Nation‘, von &. R. Porter,
das den Zweck haben follte, die Hortfchritte der englifhen Ro⸗
tion in fociater und oͤkonomiſcher Hinſicht vom Anfange des 19.
Jahrhunderts bis auf die gegenwärtige Zeit durch eine Reihe
ftatiftifcher Angaben darzulegen. Die zwei Xbfchnitte bes erfien
Theils hanbeiten ihrer Überf&rift gemäß von Population und
Production. 1833 erfchien ver zweite Theil und bebanbelte
WaarensAustoufch, Einkünfte und Ausgaben. Sept, 1843, hat
der dritte und legte Theil die Preffe verlaffen und befpricht Con⸗
fumtion, Accumulation, fittliche® Fortfchreiten und auswärtige
Verbindungen. Alle drei Theile zeugen für den Maren Biick
und die Unermäblicyleit des Verf., dem alterbings feine Auftel-
lung beim Sandelscollegtum das Erlangen ber nöthigen Daten
erieichterte, der aber auch keineswegs mit Zufammentragung fla:
tiftifcher Notizen ſich begnügt, fondern auf den Grund officieller
Zabellen die Urfachen zu erforfchen gefucht hat, weichen „Eng⸗
land fein dermaliges außerordentliches Übergewicht über alle ci⸗
vitifirten Rationen“ beizumefien habe. Sowol bie Möglichkeit,
baß der erfle unb zweite heil bereits in d. Bi. Erwähnung
gefunden, als das Unthunlicdhe einer ins Detail gehenden An:
zeige empfehlen das Ausheben einiger Notizen des dritten Theils
als Mittel, deutſche Aufmerkſamkeit auf das ganze Werk zu lenken.
Die feit Iahren aus England verbreitete Klage, daß eine
zue Bendtterung außer Verhaͤltniß ſtehende Menſchenmenge
fortwährend ohne Beſchaͤftigung fei, wird einigermaßen durch
die Bemerkung widerlegt: „Zur Zeit des S.nfus von 1831 was
ren don 9,812,276 Männern, bie 20 Jahre alt und darüber,
5,466,188 in irgend einem Berufe ober Handwerke thaͤtig, for
daß die Zahl ber unbefchäftigten ſich auf 346,088 ober auf wer
niger al6 ſechs Procent herausſtellt.“ Ginen Beweis für das
Wachsthum bed allgemeinen Woblftandes vermuthet ber Verf.
in dem gefliegenen Verbrauche der Badfteine, bekanntlich em
Hauptbaumaterial in England. „1802 betief fich die Befammt:
bt der in England und Schottland gemachten Backſteine auf
13,888,743. Diefe Zahl flieg bis 1841 auf 1,462,257,575,
und feit 1821 ift das Gteigen am bemerkbarften.” Fuͤr fer:
nern Beweis erachtet er, daß, während die Zahl der gehaltenen
männlichen Dienftboten 1812 in 86,093, fie 1841 in 109,814
beftand, mas allein in diefem Beige der Haushaitung für let⸗
teres Jahr einen Aufwand von 6,588,840 Pf. St. berechnen
loffe. „Bringt man hierzu im Jahre 1831 (dem einzigen, wie
ber Berf. fagt, wo bie amtlidhen Berichte ein ficheres Anhalten
gewähren) bie vermuthliche Ausgabe für 670,491 weiblidye Dienſt⸗
boten — als wie viet bamals in Großbritannien in Kohn ma:
ven — und verechnet für jede an Lohn und Koſt jährlich 35
Pf. St. —, fo ergibt fih in diefem Jahre für haͤusliche Bedie⸗
nung ein Aufwand von 29,575,665 Pf. &t., und Irland eingefchlof:
fen muß die Summe gegen 40 Millionen betragen.” (Gin
noch fidhereres Merkmal des vermehrten Woblftandes dürfte bie
bedeutende Zunahme eigner Equipagen fein. 1812 gab es 16,596
vierrädrige und 27, weirddrige Wagen; 1 von jenen
27,194, von biefen 42,132. Die Zunahme von 1831 — 40
beläuft fi) auf 40 Procent, und wenn fie in ben legten Jahren
minder groß war als in den vorhergehenden, fo findet der Berf.
ben Grund bavon nicht in minder progreffivem Wobtftanbe, fons
dern in der ungemeinen Verbeſſerung bew--Mffentäichen Wagen
Den @ Alßouk — 2** beiüchnet ee für
1840 auf 10,447,80U Pf. &t. Die Geſammtzal der. Pferde her
ſich 1840 auf 57,345, wonon 154,288 Keit⸗ und Zugpfrrde,
Dig dee Steuer unterwerfen; 163,005 Blinn-, Diiethbs und Bes
de, fowie Ponles, für werche keine Steuer begabit wich,
und ‚304 ebenfalls fenerfreie, hauptſaͤchtich zum Aderbau
vawendete Pferhe.
Bei dem vielfach documentirten Wachtthume der Wohlha⸗
benheit und bed Luxus wird es auffallen, wie der Verf. ſagt,
„daß waͤhrend der acht unmittelbaren Jahre vor dem Frieden
mehr Gold⸗ und Silbergeſchirr dem Gewichte nach im vereinig⸗
ten Koͤnigreiche fabricirt worden iſt als waͤhrend derſelben Reihe
von Jahren 1830 bis mit 1337. Während ber erſtgenannten
Periode, naͤmlich 1807 His mit 1814, wurden 50, Unzen
Gold und 8,280,157 Unzen Silber, in den acht Jahren von
1830 bis mit 1837 nur 48,433 ungen Gold und 7,378,651
Ungen Silber zum Gebrauch verarbeitet. Diefe Abnahme muß
um fo mehe uͤberraſchen, da In ben Jahren ber erfigenannten
Periode das ungemünzte Gold und Silber einen unerhört hoben
hatte, das ben Unterſchtedb im Geldbetrage beimeitem
gebßer macht als nach dem Gewichte.” Den Grund biefer feit-
famen Griceinung findet der Verf. theild in der Eugen Bor:
fit, das Papiergeld für den Kal eines Rationalbankrotts in
Dinge von reellem Gelbwertb umzufegen, theild in dem ver⸗
mehrten Gebrauche plattirter Sachen. Indeſſen ſcheint bie Bers
arbeitung ber edlen Metalle jetzt wieder fleigen zu wollen. 184
find dazu 6985 Ungen Gold und 1,029,363 Unzen Silber ent-
nommen worden.
In Betreff der vom Parlamente biscutirten Zuderfrage
bringt ber Verf. ſtatiſtiſche Nachweiſe, die bei einer kuͤnftigen
Debatte über denfeiben Gegenftand leicht ein anderes Reſultat
veranlaffen dürften. Es handelt fich nämlich, wie befannt, um
den Unterfchieb des Preiles, für welchen ber Englaͤnder brafili:
fhen Zucker haben koͤnnte, das Pfund für 2%, Pence, und
den er für den weſtindiſchen Zuder bezahlen muß, das Pfund 7
Dence. „Die 1840 für inländifchen Gebrauch behaltenen 3,764,710
Geniner Eofteten uns bucchfchnittiidy nad) den in ber ‚Gazette‘
verdfientlichten Preifen und mit Einſchluß des Zolls 9,156,872
Pf. St. Diefelbe Quantität und Qualität aus Brafilien ober
der Savana hätte und 4,141,181 Pf. Et. geloflet, woraus folgt,
daß die Übrigen Bewehner von Gurepa für biefelbe Quantität
und Qualität Zuder 5,015,691 Pf. St. weniger bezahlt haben wuͤr⸗
den als wir.“ Spaͤter im Capitel von den Colonien kommt
der Verf. hierauf zuruͤck, und nachdem er den jaͤhrlichen Verluſt
von 5,060,000 Pf. St. zu Gunſten der Zuckercolonien nochmals her⸗
vorgehoben, fährt er fort: „Der Totalbetrag unferer 1840 nach
den Zuckercoionien ausgefuͤhrten Fabrikate war unter 4,000,000
Pf. St. Hätte man alfo den richtigen Grundſatz befolgt, auf dem
wohlfeilſten Markte zu Eaufen, fo hätte die Nation ben Zucker⸗
bauen alle ihr abgenommenen Fabrikate ſchenken Tönnen und
würde immer noch eine Mikion Pf. &t. rein profitiert haben.”
Das erinnert allerdings an jenen verrüdten Krämer, der Jeder⸗
mann einen Thaler unter der Bedingung ſchenkte, daß er ihm
für 20 Srofchen Waare ablaufte.
3weil dem Buder verwandte Gegenflände find Kaffee und
Thee, und in beiden hat die Vermehrung bes Gonfumo mit der
Berminderung bed Zollfapes Gchritt gehalten. 1801, wo ber
Loffesgoil 18 Dence für das Pfund betrug, war bie Sonfumtion
750,861 Pfunde ober ungefähr eine Unze auf jedem um Lande
Wohnenden und fleuerte daher Jeder gu bem Zolle jährlich im
Durchſchnitte 1%, Penny. 1811 ber Zoll 7 Pence, die
Conſumtion 6,390,122 Pfund ober acht Unzen auf jedes Indie
eisaum und die Bollbeiftenerung jedes Bingelnen 4 Pence. Nadı-
her wurbe ber Boll auf 12 Pence erhöht und bie Gonfumtion
nahm im Verhaͤltniß zur Bevölkerung kaum merklich zu. End⸗
lich wurde der Zoll auf 6 Pence ermäßigt und 1841 war bie
Sonfumtion 27,298,322 Pfund oder 1 Pf. 7 Ungen auf bie
Perfon mit einem jährlichen Zollbeitrage von IUY, Pence. Glei⸗
es iſt mit dem Thee ber Ball geweien, wo bie Berminderung
der Bolt: deu Ahpktilgen inpi pueiien
weil eine Widerlegung der Vielen, weiche in der Tri
verſchluckte eine Bevoͤlkerung don kaum 6
Mita; Sun Yan
im Jahre 1801 auf’35 Peute im Yahre BEL ertzht ga. .-
Höchft intereffant und erfreulich, erfreulich u To mehr,
at des
englifchen Volks einen freſſenden Rrrbsfchaden —— die
Rachweiſe des Verf. daß die Sonfumtion fpiritudfer Getraͤuke
nicht blos im Berhaͤltniß zur Bevoͤlkerung vor hundert Jahren
betraͤchtlich größer geweſen iſt als jest, fondern auch in entges
gengefegtem Verhaͤltniſſe fich vermindert. 1736 hatte bie Trun⸗
Apnbeit fo überhand genommen, daß die Geſetgebung, um das
bei zu dämmen, bie Branntweinftener anf 20 Schillinge für
bie Gallone — 4 Quart — erhöhte. Das Tchabete mehr als
e6 half. Zaufende von Winkelkneipen etablirten fich und bimen
wenigen Bonaten waren in Eonbon allein 12,000 Menfchen der
Hinterziehung des neuen Geſetzes ſchuldig befunden worden. Als
aber 1743 die Sache im Parlamente zur Erörterung kam, ſtellte
fi) heraus, daß die Gonfumtion von 10,500,000 Gallonen 1733-
im 3. 1742 auf 19,000,000 geftiegen war. „Dieſe Quantität
Millionen, mithin
die Perfon 3%, Gallone. Hundert Jahre fpäter ift die Bedoͤl⸗
Eerung zu 16 Millionen angewachſen und trinkt 8,166,985 Gats
Ionen ober & Perfon eine halbe.” Und da dies weder eine Folge
gefunfenen Wohlftandes noch eine Folge erhöhter Beſteuerung
"it, fo muß es wol Folge zugenommener Intelligenz fein. Da:
von dürfte auch zum Theil der größere Papierverbrauch herräße
ven. Es erhellt aus den Tabellen, baß 1803, wo das Pfund-
Papier 3 Pence Steuer bezahlte, 31,600,537 Pfund vers
fleuert wurden, dazu jedes Individuum im Durdyfchnitt 5%,
Pence beitrug und der Schatz 394 8234 Pf. St. bezog. Nach⸗
dem bie Steuer um bie Hälfte ermäßigt worden war, belief fich
1841 die Papierconfumtion auf 97,103,548 Pfund, der Bei
trag des Gingelnen auf 5%, Pence und die Einnahme des Scha⸗
ges auf 637,255 Pf. &t. 1803 betrug die Quantität des far
bricirten Papiers 2°/,, 1839 faft 31, Pfund auf die Verfon,
und während anberwärte über die Bertheuerung des Papiers
geklagt wird, if e8 in England feit 40 Jahren immer wohlfele
ler geworben, Eoftet jegt 15 Schillinge, was 1801 nahe an 36
gefoftet hat. Der Papierverbraud erinnert unwillkuͤrlich an bie
Sonfumtion von DI und Lichtern, und da iſt e8 gewiß befrem⸗
dend, daß ungeachtet der Einführung des Gaslichtes ‚die Ges
fammtconfumtton von Walfiſchoͤl beträchtlich und ber Berbraudh von
eichtern, namentlidy von Wachelichtern, fehr über das Verhaͤltniß
zur Bevölkerung zugenommen”.
Der Erörterung in Betreff des geftiegenen Wohlſtandes laͤßt
ber Berf. bie Brage folgen, welche Wirkung das auf den fittlie
hen Zuftand der Nation gehabt, und fagt: „Nach Ausweis uns
ferer Sriminaltabellen ift in England und Wales bie Zahl ber.
zur unterſuchung gebrachten Perſonen gegenwärtig fuͤnfmal fo
groß wie beim Anfange bes Jahrhunderte. In Irland ift bie
Vermehrung nech ſchmerzlicher. Dort überfleigt die Zahl aus
dem Jahre 1839 die von 1805 — frühere Nachrichten find nicht
zuderläffig — um das Siebenfache. Wegen Mangels an fo weit
zuruͤckreichenden Unterlagen läßt fidy für Schottiand Fein aͤhnli⸗
her Vergleich ziehen. Aber in den 24 Sahren von 1815 —
39 haben die Unterfucdjungen fi) dort faft um das Sechsfache
vermehrt und fo erfcheint es prima facie als erwiefen, daß, wie
ſehr auch umfere Bevölkerung und unfer Wohlftand zugenommen,
ſolches body mit dem Verbrechen in weit böherm Grade ber Fall
iſt.“ Diefe prima facies truͤgt jeboch infofern, aus bie üder⸗
wachung ber Berbreihen gegenwärtig bebeutend firenger, ehemalt
Manches vom Bolfe abgıthan wurde, was jett vor den Stiche
ter fommt — wie man 3. B. ehemals ben ertappten Taſchen⸗
dieb zur nädften Pumpe fchleppte, ihn halb erfäufte und dam
laufen tieß — und bie Verbrechen, wenn auch mehr, gewiß nicht
efährlicher geworben find. Letzteres beftätigt der Verf. indem er
Past: „Wir brauhen nur aus frühern Jahren bie Berichte der
vom Parlament niedergelegten Comiteés und andere biervon
bandelnde Schriften einzufehen, um uns zu on, daß man
damals ebenfo viel Urſache hatte, über bie Zunahme der Berbre⸗
Bidgen wnb qu ſceien wie inpt, und Kinkien tınd dabei
u daß rotz ber jagt verhe Birgehungen
um wir doch vor perfönlicdker Gewaltthaͤtig⸗
weitem filyerer find als unſere Worältern.” Die biexs
f 3 babenten Tabellen weilen nad) daß in England 1905
30,380 Berurtbeilten
eruztpeitungen ſi nur
1841 bei Berurtheitungen blos 5 wegen
Schottland bietet zu folcher Bergleichung
Regiſter dort ext feit 183
gehalten werben. Nicht minber erfreulich ift die ftarte Abnahme
an
gebrachten 4805
2 760 “
18, in erſterm 29 Procent. Daſſelbe gilt von Irland, aber un:
gikelicherweife nicht von Schottland. Die find zwar im Ver⸗
hältniß zur Bevoͤlkerung Englands der Geiminalverurtheilungen
weniger, yageoen mehr Verbrecherinnen. In England und Wa⸗
168 fam 1841 auf 1565, in Schottland auf 1343 Frauenzims
mer eine Verbrecherin. Auch if Das betrübt, Daß im ganzen
vereinigten Königreicge und beſonders in Schottland feit 1
die Zabt der jugendlichen Verbrecher fortwährend fleigt. 1835
bis 1841 wurde in Gngland von 5564, in Schottland von 4405
und in Seland von 6244 unter 16 Jahre alten Perfonen eine
verurtheiit.
Schließlich verdient das ſich faſt gleich bleibende Verhaͤltniß be⸗
merkt zu werden, in welchem laut der officiellen Tabellen Ver⸗
brechen und Unwiſſenheit zurinander ſtehen Die Jahre 1836
und 1841 mögen Beiſpiele liefern. 1836 waren unter den Ver⸗
urtbeilten 5508 Männer und 1435 Frauen, die weder Icfen noch
fqhreiben konnten; 8968 Männer und 2015 rauen, die blos
iaſen oder ſchlecht laſen oder ſchlecht ſchrieben; 176 Männer und
15 Treuen, die eine quite Erziehung erhalten. 1841 waren uns
ter den Verurthrilten 3123 Männer und 1903 Frauen, bie mes
der ieſen noch ſchreiben Fonnten; 12,742 Männer und
uen, die blos Lafen oder ſchlecht lafen ober ſchlecht ſchrieben;
309 Männer und 214 Frauen, die gut lafen und gut ſchrie⸗
ben; 126 Männer und von den Frauen nicht eine, bie «ine gute
Erziehung erhalten. „In 20 Graffhaften von England und
Wales mit einer Bevoͤlkerung von 8,724,338 Menſchen wurden
55 wohl unterrichtete Perfonen oder eine auf je 147,870 Eins
wohner verurtheilt, während in den übrigen 32 Grafſchaften
bei einer Benölterung von 7,182,491 Menſchen unter den Ber:
urtheilten fich nicht Ciner befand, deflen Schulunterricht über bie
erſten Anfangegrunde hinausging-” 14.
Bibliographie.
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Gemätbe Brinnerungen und Bentwmäler Roms.
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Deutſch von P. Mäiser. Mer Band, Die Abcheitung.
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Hulbigung den Prauen. Taf abuc für das Jahr 1808
Perausgegehen von —— Aſter Jahrgang. Mit
nen. Wien, Tender und Cichdier, es Zhte-
| üther, S, Das heilige dend. Ein Hanke
Jung, X, Nortefungen über ſociales Beben
Geselligkeit. Danzig, Sata. Gr. 8. 1 Zyie. 10 Nee.
Katenber für alle Stände. 1844. eratagegeben Dom
G. 2. v. Eittzow. Wien, Gerolb. 8. T2Y, Roer.
Kirche und Schule, —— und Miſſenſchaft auf
n
beutfch snatienatem Stanbpunlt. ©. © Gdoffbaufen,
VDrodtmann. 8. I r.
Klemm, G., Ailgemeine Gulturgefchichte der Menſchteit.
Nach den Heften Quellen bearbeitet und mit xy hiſchen bs
bitvungen ber verfchiedenen —— — Gevaͤthe,
Waffen Trachten, Kunftprobucte u. ſ. w. verfehen. 3ter Band:
Die Jager und Fiſchervdiber der paſſiven Menfchheit. Mit
31 Alan —— ne &. 8. 3 Thir.
enau, R., Reuere ichte. Augabe. Statt
gart, Hallber ger. 16. 1 Zhlr. io
Mönnih, W. B., Das _ Turnen und der Kriegäbienfl.
Stuttgart, Lieſching. Gr. & 74 Ner-
Montanus, A., Ginige Anregungen zur Kritik ber hen⸗
tigen Raturwiſſenſchaft mit befonderer Ruͤckſicht auf ihr Ber:
haͤltniß zur Philoſophie. Leipzig, DO. Wigand. Br. 8. 8 Near.
Raumaunn, W., Paulus, bie erfien Giege bes Gheiftee:
thbums in Biſdern aus ber Apofkelgefchichte. Wit vieten rules
en Abbübungen. Leipzig, Teubner. 1844. 2 Aber
Olshausen, J., Die Pehlewt-Legenden auf den Mün-
zen der letzten Säsäniden, auf den ältesten Mänsen arsbi-
scher Chalifen, auf dem Mänzen der Ispehbed’s won Tabe-
ristän und anf imdo - persisshen Münzen des östlichen Iran,
2m en Maie geiosen und erklärt Kopenhagen. Gr. &
271% Ner.
Dtto, E., Alexei Petrowitſch, Ein Zrauerfpiet i
Aufzägen. Leipnig, Teubner. 8. 29%, Nor. eripiet in fünf
Peterfen, B., Die evangeliſche Kirche in three Gate
Lang 3 ben. —— — mit beſonderer Beruͤckſichtigag
ihrer Be nifſe in ußen betrachtet. Glogau, Piemmi
GB. Th Bar ei man, Biemmin
Pichler, Saroline mrntliche Werke. 52ſter Band.
ud 8: Berfireute Biatter aus meinem Schreibtifche
Pur Beim. Wien, Bar. 8. 1 Spie. 15 Bor.
ert, F. meite Gedichte. Iter Theil.
furt a. M, Gauertänder. Gr. 12. 1 Str. W Km. Bat
Schafarik's, 9. J., Slawiſche Alterthaͤmer. Deutſch
von M. v. Lehreufeld, herausgegeben von K. Wottke.
Zter Band. Leipzig, Engelmann. 1844. Gr. 8. IXQpir. 25 Wer.
Schraase, C., Geschichte der bildenden Kümste bei
den Alten. Ret Band: Griechen und Römer, Düsseldorf,
Buddeua. Gr. 8. 3 Thlr,
Deutiches Staattarchiv. Ster Wand. Herausgegeben
— Jena, Frommann. 1844. Br. 8. A Khitr.
Ngr.
Taſchen⸗Kalender auf das Jahr 1844, mit Gebichten unb
8 dazu gehörigen Kupfern. Herausgegeben von ber Königlich
Preußiihen Kalender» Depwation. Berlin. 16. 10 gr.
MWigieben, D. v., Über Ye Bauptguelen des Pauperis-
mus und über bie Gauptmittel zu feiner Ableitung. Leipzig,
D. Wigand. 1844. Gr. 8. Nor.
Berantwortlider Herausgeber: Heinrich Brodhaus. — Drud und Werlag von 8. &. Broddaus in Eeipzig,
——— — —— — — — EEE
literarifhe
Biktter
für
Unterhaltung.
Montag,
Sr. 8. 2 Zhle. 5 Rear.
Durch diefe Sortfegung iſt gewiß ebenfo der Wunſch
vieler Lefer der erflen Sammlung, wie die bei Anzeige
derſelben amdgeiprschene Doffuung des Berichterflattere, von
dem geiftvollen „Werftorbenen” in die neuen Kriege eins
geführt zu werben, auf gleich dankenswerthe Meife erfüllt
worden. Mit Liebe und Freude. ſetzt Mef, feinen Bericht
fort, wenn auch diefe Empfindungen nicht ganz frei von
dem Anfluge der Eitelkeit, nicht umbefkochen, nicht unbe:
fangen find. Denn der Herausgeber erklaͤrt die Beurthei⸗
lung, welche die erfte Sammlung in d. Bl.“) gefunden
bat, für ebenfo gründlich als geiftreih. Go etwas
kann Einen ſchon ſchwach und das neue Lob als einen
Ergwi Urerariſcher Gevatterſchaft verdächtig machen. Die
Schwaͤche will der Berichterftatter gern zugeben und fo
den geneigten und ungeneigten Leſer felbfi auf den Stands
punkt fielen, von dem aus er den folgenden Bericht zu
betrachten bat, ihm die Buͤrſte in die Hand geben, mit
weicher er denfelben von allem Barbenftaube reinigen kann.
Aber gegen die literariſche Gevatterfchaft muß er ſich und
den Deransgeber durch die anfrichtige Verficherung beider:
ſeitiger gänzlicher Unbekanntſchaft glei von vorn herein
zu verwahren fichen.
Nach der Verfiherung bes Herausgebers weicht dieſe
zweite Sammlung von der erften darin ab, daß der hiſto⸗
riſche Inhalt vorberrfchend oder, nach leidigem militairi⸗
ſchen Undeutſch, prädominirend und der Humor weniger
leichtfeetig und viel ernfler gehalten iſt. Diefes möge ins
deß die ſchoͤngeiſtige Schmetterlingenatur vieler Lefer von
dem Buche nicht verfcheuchen! Im Segentheil Binnen fie
dem Ref. aufs Wort glauben, daß auch dem ſchnellſten
Fluge ſich Blüten die Menge darbieten, Blumen, mit bes
nen fi ſchon ein ganzer Kranz geiftreicher Abendunter⸗
haltung mwinden laͤßt. Denn der lange Friebe droht das
rohe Kriegshandwerk immer mehr zu Geiſt zu werflächtigen
und wie zu Anfang ber militairiſchen Laufbahn des Mef.
*) Berg Av: 35238 f. 164, D Bet.
25. December 1843,
der Dienft die Lofung und das Stich⸗ und Schlagwort
der meiften Offiziere war, fo iſt es jegt der Geiſt. Das
ift natürlich In einer Zeit, im der geiftig gebildete Kam⸗
merzofen in Intelligenzblättern ihre Dienfte anbieten.
Jene Blumen haben aber au Dornen, Dormen,
weiche durch bie bie alten Stulphandſchuhe erfegenden daͤ⸗
mifchen Handſchuhe die zarte Haut unferer vergeifligten
Offiziere vermwunden,. Wie Heinrich von Bülow über den
damaligen Dienſt, fo ſchwingt unfer Werftorbener über
den Geift die Geißel der Satire, nur mit dem Unter⸗
ſchiede, daß jener damit auch auf Formen losſchlug, bie
an und für fid, keineswegs zu verachten waren, ſondern
nur geiftlofe Überſchaͤtzung laͤcherlich und ſchaͤdlich gemacht
hatte, Diefer aber gegen umnatürliche und daher wol gleich
unverfländige Vergeiſtigung des Kriegsweſens fich erhebt.
Jener hatte — um bie Parallele in einen der wichtigften
Punkte auslaufen zu laſſen — die öffentliche Meinung,
dad fogenannte gebildete Publicum und mit ihm die Las
her für fi, diefer muß fi), wenn ibm auch Eräftige
Arme vorgearbeitet haben, uͤber mächtige Verbündete feis
ner Gegner ben ſchwierigen, aber defto ruͤhmlichern Sieg
zu erringen ſuchen. Dazu genügt nicht die Kraft allein,
fondern es bedarf auch des guten Schwertes, welches ſich
unfer Verſtorbener vermöge feiner reichen Geſchichtskennt⸗
niß zu fchmieden verfianden bat. ı
Aber — hier muß Ref. die ſchwache Seite aller
Kriegsſchriftſteller (hdonungslos berühren —, wie Heinrich
von Bülow mit all feinem Wige gewiß nicht vermocht
hätte, da6 Gefpenft des Dienftes aus den Heeren zu ver
bannen, wenn ihm nicht der gewaltige Krieg zu Huͤlfe ges
tommen wäre: fo und noch weniger wird unfer Verſtor⸗
bener vermögen, bei einem langen Srieden den Spuk des
Geiſtes aus den Köpfen und der Einbildungstraft unferee
Militairs zu vertreiben.
‚Sehen wir nun zu den Bude» ſelbſt über. Die
Form deſſelben iſt befanntlid Die dialogiſche und obemfe
gluͤckuch für den Zweck des Verſtorbenen gewaͤhlt als fie
den Bericht feibft erſchwert. Denn dur die Geſpraͤche
beruͤhmter Kriegsmaͤnner, durch ihre oft ſchatfen Gegen:
ſaͤtze verſteht der Verſtorbene aus hiſtoriſchen und milltai⸗
riſchen Details gleichſam elektriſche Funken hervorzulocken,
jene an und fuͤr ſich oft dürren Einzelheiten zu beleben
umb nicht ſelten recht aumuthig zu ſchatticen. Dieſe Eums
. . T r
'. F
—
ken und Schattirungen wiederzugeben erfobert aber eine
geſchicktere Hand als die des Betichterſtatters.
Der achtzehnte Brief enthält eine Art witziger und hu:
moriftifchee Einleitung, oder, wie der in biefer Hinficht
unbekehrte Berftorbene fagt, Introduction“, auf wel:
de fieben Briefe (10 — 24) Aber Kart XII. folgen. ‚Die:
fer Held und wahre Kriegsfürft, an dem mancher Zögling
einer Mititairfchule mit feinen Heften über Strategie
zum Ritter gerworden zu fein meint, wird in diefen Brie⸗
fen, nach bes Mef. Anfiht, in fein rechtes Licht geftellt.
Karl wird von Kriegstheoretikern gewoͤhnlich als toller
Wagehals und eigenſinniger Eiſenkopf geſchildert; aber
wol kaum bat ein Kriegsfurſt vor dem gewattigen Napo⸗
leon den Krieg ſo ſehr in ſeinem innerſten Weſen erfaßt
als er. Davon zeugt die Antwort, welche er dem zu Unter⸗
handlungen mit Auguſt von Polen und Sachſen geneig⸗
ten ſchwediſchen Senate gab: „Ich habe beſchloſſen, nie
einen ungerechten Krieg zu führen, aber auch einen ge:
rechten Krieg nur durch den Untergang meiner
Keinde zu enden.” Buchſtaͤblich und oberflächlich ge:
nommen koͤnnte dieſe Antwort wol jenes Urtheil beftäti-
gen, wie denn auch der nordiſche Held gar nicht davon
freigefprochen werden fol, ein an und für fich richtiges
Princip, anftatt e8 nach außer ihm liegenden Umſtaͤnden
zu modfficiren, eigenfinnig feft gehalten, ja in feiner An:
wendung fogar auf die Spige getrieben zu haben. Allein
die Auffaſſung dieſes Princips verdient um fo mehr An:
ertennung, als er dabei feiner Zeit bedeutend vorausgeeilt
zu fein fcheint. Denn der Krieg hatte damals noch einen
ſchwankenden, mittelalterlihen Charakter, über welchen ihn
fpäter Friedrich der Große, wie durch einen höhern Im⸗
puls dazu getrieben — dem Anſcheine nach — nur pe:
riodifch zu erheben mußte, um ihn dann wieder in das
Spitem, nach welchem es auf den oft zweideutigen Ruhm
des Tedeums und auf die Einnahme einer Feſtung an:
zufommen ſchien, zuruͤckſinken zu laſſen; wobei freilich
auch ſeine durch blutige Siege und Niederlagen faſt gleich
erſchuͤtterten und geſchwaͤchten Streitkräfte und die große
Überlegenheit feiner Gegner billig in Anfchlag gebracht
erden muͤſſen.
Unfer Verſtorbener verſteht den nordiſchen Helden bef:
ſer, was er ſchon dadurch beweiſt, daß er ihn ſpaͤter mit
Napoleon ins Geſpraͤch bringt, und ſagt dei Gelegenheit
jenes Entſchluſſes:
Daß dieſe Verheißung nicht vollſtaͤndig in Erfuͤllung ge⸗
gangen iſt, hat weniger an Karl's Verfahren ats in Umſtaͤnden
und. pofitifgen Verhaͤltniſſen gelegen, denen er natuͤrlich nicht
gebieten Konnte; er felbft behielt biefes Ziel ſtets vor Augen,
und firebte mit Aufbietung aller ihm zu Gebote flehenden Kräfte
danach, es auch zu erreichen. Schon dies allein gibt ihm Ans
fprhdye auf unfere Bewunderung. (©. 19.)
ESpaͤter gibt er uns, den alten Feidmarſchall Renſchild
im Olymp redend einführend, nachftehende Charakteriflil:
Korı XII. ift. vielleicht einer der merkwuͤrdigſten Fuͤrſten,
hie jemals auf der Erde wanbelten, und das unerreichbare Mus
flex eines volllommenen Kriegers. Das heiße Waſablut feines
Vaters Hatte er frühzeitig beberrfchen gelernt, und er war Herr
über Reidenfchäften, denen auch der Stärffte oft unterliegt. Bon
dem Augenblicke an, wo eu, ein achtzehnjaͤhriger, feuriger und
\.
Iebenöiufiiger Jaͤngling, mit ber Far ran
zur Wertheidigung feiner Länder das Schwert
tbigt ward, ging in feinem ganzen Wefen bie großartigfie Ben
änderung vor. Geibfbegerrfänng war bie erſte Aufgabe für
fi ſelbſt, und große Herrſchaft über Andere die fdmelle Folge
davon. Krer Zerſtreuung fern bleibend, nur ni mit bem
wichtigſten Angelegenheiten feines Rede usb felites bes
ſchaͤftigt, erlangte er bald einen überblick ber verwideltften Ber
bältniffe, der es ihm möglich machte, alle feine Handlungen
fireng zu regeln. Sein Starrfinn war kein Gharakterfehler, fons
bern die Frucht einer Überzeugung, die, wenn auch mitunter ir
rig, dennoch Gntfcyutbigung verdient. Der König glaubte noͤm⸗
lich, daß, weil Niemand in feiner Umgebung den öffentlichen
Angelegenheiten ein größeres Intereffe abgewinnen koͤnne als
er, der ihnen fein ganzes Denken widmete, au Niemand ridy-
tigere Anſichten davon haben könne, und verfgmähte baber je
ben guten Rath. Nur Graf Piper und ich hatten einigen Eins
flug auf feine Sntfchließungen, fpäter: audy Graf Goͤrtz, bed
erft in den Tagen bed Ungluͤcks. Widerſpruch konnte ibn fehr
erbittern; wurbe er aber zum Zorne gereist, fo gewahrte man
doch nur eine höhere Roͤthe im Gefiht und ein leifes Zuden
mit den Rippen, unb er mußte fehr erzürnt fein, wenn biefes
Zuden dreimal hintereinander bemerkbar wurbe. Gleichwol
entſchluͤpfte dem Könige in folchen Momenten fein haͤrtes Wort,
und er pflegte es ftark zu rügen, wenn in Abweſenheit Derer,
die ihn erzuͤrnt haften, ungünftig über fle gefprodyen wurde
Ein Löwe im Kampfe, war er zu jeber- andern Zeit die Sanft⸗
muth felbft, in Gegenwart von Damen fogar figädgtern. Gr
machte bie firengften Boberungen an fich und feine Umgebungen,
wenn es galt bem Feinde Abbruch zu thun, fchlief auf nackter
Erde, den Kopf auf das Knie eines feiner Offiziere geftügt, be
gnügte ſich mit ber magerften Koft, bedeckte aber gleichzeitig
mit der liebenden Sorgfalt einer zaͤrtlichen Mutter einen jun
gen von ben Anftrengungen bes Tages erfhöpften Pagen mit
feinem Mantel, um ihn gegen bie naͤchtliche Kälte zu ſchuͤten,
und reichte ihm zur Staͤrkung bie beſſern, nur für den König
herbeigeſchafften Nahrungsmittel. Diefe unendliche Derzensgüte,
mit ber größten Seelenſtaͤrke gepaart, welche fig in den tühn-
ſten Thaten offenbarte, bie je ein Menſch vollführte, erwarben
dem Könige bie Zuneigung feiner Soldaten und des ganyen
Volks in einem Grabe, daß feine Widerwärtigkeit, Eein noch fo
großes Unglüd befien Treue wankend maden konnte. Diefe
‚ Gefühle und ihre Dauer find die unverdaͤchtigſten Beugen von
Karl's Liebenswärbigkeit, zumal wenn man erwägt, was er
von feinem KBolfe und von feinen Golbaten eine fange Reihe
von Jahren zu fobern gewohnt war. (S. 34 fg.).
Der Bergleih Karl's XI. mit Napoleon ift zwar
ſchon oft gemadyt worden, man hat aber dabei mehr ihre
äußern Thaten und Endfhidfale, und dieſe meift ober
flählih ins Auge gefaßt, als daß man auf ihren Geiſt
einzugehen fi die Mühe gegeben hätte, Hier (Brief 25)
findet man aber eine Parallele beider Feldherren und Kriege:
fürften, die gewiß eine der anziehendſten Partien diefes
geiftvollen Buchs iſt. Der VBerichterfintter kann es fid
und dem Lefer nicht verfagen, denfelben den Anfung die:
fe8 Briefs mitzutheilen, welcher den Beſuch Napoleon's
bei dem Koͤnige von Schweden erzaͤhlt.
Olymp, ben 3, Dec. 183.
Männer von fo geringer Dftentarion wie König Karl
machen wenig Umflände und halten fich immer nur an das We:
fen der Sache. Ich habe bir deshalb Leine Enpfangsfeierlich⸗
keiten ober Ahnliches über. die angekündigte -Aufammentunft
mitzutpeiten. Der Kaifer kam in Begleitung feines Aboptiv-
fohns, des Wicelönigs von Italien, und brachte außerdem nur
Berthier und Gaulaincourt mit. Alle Anwefenbe erhielten Gr:
laubniß zu bleiben, und bildeten um bie Monarchen einen gro⸗
fen. Halbkreis. Rad) einigen kurzen Gmpfangewerten, die Ro:
— — nn no.
‚vermögen wir jet der Melt noch zu nägen.
468
poleen ebenfo durz, ba Si: tiaufichte. Miſ erwiderte, begann
Der Herr vom Hauſe die Debatte mit folgender Anrebe am ſei⸗
nen boben Gaſt:
Mein Baifertiger MWeuber- hat fidh verketzt geglaubt, daß
einige Geſchichtſchreiber Feldzug in Rußland dem mei
nigen verglichen, und fein :Werfabren ebenfo ſehr getabelt
babens er bat dabei Antaß genommen, felbft eine Art Ber
gleich anzuftellen, der mir nicht ſonderlich zur Ghre gereicht,
und obfeyon ich nicht leugnen mag, daß mich mancher gerechte
Borwurf trifft, kann ich doch ebenfo wenig zugeben, ohne Plan
und Zweck in Rußland eingebrungen zu fein, ober weniger Aus:
ſicht auf Erfolg gehabt zu haben. Mich duͤnkt vielmehr, daß
unfere befiderfeitigen Abfichten, Borausfegungen und Schickſale
in der Hauptſache biefeiden, und daß nur die materiellen Kräfte
und Verhältniffe verſchieden gewefen find. Deshalb bin ich bes
gierig gu vernehmen, wie mein kaiſerlicher Bruber jegt über
die Sache denkt, und lade ibn hierdurch ein, ſich darüber aus⸗
aufpredien , zu Nug und Frommen ber Herren, bie ums bier
umgeben.
Rapoieon. Mein koͤniglicher Bruder wolle nicht glau=
Gen, daß Alles, was ich in meinem Exil auf ©t.s Helena ges
fagt, und meine Schiefatsgenofien in das Publicum gebracht
haben, von großer Wichtigkeit für bie Geſchichte unferer Kriege
fei._ Die Gemuͤthoſtimmung, in ber ich mi nur zu oft be
fand, erlaubte mir nicht; alle Lagen und Verhältniffe mit Unbe⸗
fangenheit zu betrachten, es lag mir viel daran, meine Unter:
nehmungen in den Augen ber Welt gu rechtfertigen, und in
dieſem Befireben erfchien mir Wieled anders als ich es nachher
gefunden. Überdies fühlte ich das Beduͤrfniß geiftiger Unter
haltung, ba jebes Feld ber Thaͤtigkeit mir verfchloffen blieb.
ze lege ſelbſt wenig Gewicht auf ben hiſtoriſchen Werth jener
Berungen und Mittheilungen, infofern fie ſich auf Eriegerifche
Thatſachen beziehen, nehme veshalb auch mit Wergnügen bie
Auffoderung an, meine Anſichten über unfere beiden Einfälle in
HRußlond auszufprechen, und hoffe mit neinem Eöniglichen Bru⸗
der mich leicht zu verftändigen. j
Karl. Es freut mich fehr, ſolche Äußerungen zu hören,
und ich bin aufs hödfte gefpannt, was mein Bruder darüber
fagen wird, da fein politifcher und militairifcher Scharfblick den
meinigen body überragt, und wir Weide jest nicht mehr in ber
age uns befinden, anders ſprechen zu muͤffen als wir benfen
und fühlen. Das Duch der Geſchichte Liegt offen vor Jeber:
mann, ber darin leſen will. Streichen wir felbft bie Jrrthuͤ⸗
mer darin aus, welche eigene Verblendung, Liebebienerei, Par⸗
teiſucht und andere kleinliche Motive hineingetragen haben, unb
fegen wir dafuͤr Wahrheiten hinein; Pr
Dre König bemerkt dem Kaifer, daß er, anftatt fich
an dem unterjocdten Preußen und an Oſtreich, mit ih:
rem vielen Zuͤndſtoffe, zweideutige Verbündete zu erhalten,
die oft gefährlicher wären als offentundige Gegner, Polen
Hätte wiederherſtellen follen, um jenen beiden Mächten,
wenn fie Luſt bezeigt, von ihm abzufallen, eine gefähr:
Lchere Nachbarſchaft zu geben und dieſes Heldenvolk feſter
an fi) zu’ ketten. Napoleon anfmwortet:
t in biefen Verhaͤltniſſen nicht ganz
verliehen, die euch allein befähigte, mit fo eier ri Huͤlfemitteln
ie
berwindung des
nem sruhme erfuͤllt; man dielt mich aͤberal fir imwider⸗
ftehlich. Auf Berbuͤndeten durfte ich mit vieler Sicher⸗
beit zählen. Die kleinern Fuͤrſten hatte ich in mein Jatereſſe
verflochten, hre Gontingente dienten mie gleichſam alb —*
Meraiche Reife: wur Ieiein Schuleherbiler · geworbeu dirb: Eunnte-
Dawithigung zur *
durch Außlanbe⸗ ng awinmn. ‚Des Abuig
Preußen hätte zwar gern ben Spieß umgekehrt, aber gr beſaß
—— nergie, um einen ſolchen Schritt zu thun, fo
Macht genug hatte, ihn dafür zu zuͤchtigen. Als‘
lerdings gab es unter feinen Miniftern und Generalen Gintge,
die zu einer ſolchen Schilderhebung riethen; -aber die Zahl Des
ver, welche für ein engeres Anfchließen. an Frankreich ftimmten,
war ungleich größer. Gin Eindify gewordener Felbmarfchail,
ein altes Weib von zweibeutigem Rufe, ein durch feine Stupie
dität fih bemerkbar machender General, ein Hofpfaffe und Ans
bere fchilderten dem Könige die Groͤße der Gefahren, welchen
fein Volk durch einen Abfall von mir ausgefegt fein würbe, mit,
den däfterften -Barben. Diefe Borftellungen wirkten, und meine
immer brohende Nähe that bas Übrige. War body Friedrich
Wilhelm, felbft nach meinen Unfällen in Rußland und nady
VYork's eigenmächtigem üÜbertritte zu ben Feinden, immer nody
ſchwer zu einem entfcheidenden Entſchluſſe zu bringen. Ohne
bie geheime Quadrupelallianz zwiſchen dem Miniſter Stein,
ben Generalen Scharnhorſt, Gneiſenau und Bluͤcher, die einane
der faſt unbewußt auf merkwuͤrdige Weiſe in die Haͤnde arbei⸗
teten, wuͤrde auch im J. 1813 der Abfall Preußens keine em
heblichen Folgen gehabt haben. Von dieſer Seite hatte ich alſo,
bei Ausbruch des Kriegs mit Rußland, nichts zu befürchten.
und die Mitfährung eines preußiſchen Gontingents von 20,
Mann erhöhte meine Sicherheit. Wit den eichern fand es
minder gut; denn mein Schwiegervater hatte zu wenig Ginftuß
auf die Politik feines Staats, die immer einen Anftrid von
Keindfeligkeit gegen Frankreich behielt, und fi hinſichtlich der
erzwungenen Theilnahme an biefem Kriege F eine Lauheit
manifeſtirte, welche mir in vieler Beziehung ſchadete. Aber
entſchieden feindliche Schritte waren auch von dort nicht zu be⸗
fuͤrchten, denn es fehlte den Leuten an Energie. (S. 155 -157.)
Hierauf zeigt der Kaiſer ebenſo den Nutzen als die
Schwierigkeiten der Wiederherſtellung Polens.
Über die Umgebungen des Königs von Preußen, wel⸗
che bier in mehr als dunkelm Lichte uns vorgeflhet wer⸗
den, laflen uns der Verftorbene und der Derausgeber in
gleicher Ungeroißheit, und dieſer erläct in einer Anmerkung,
daß es ihm nicht möglich geweſen fei, fie namhaft zu mas
hen. Diefe Ermittelung muß daher dem Scharfſinne dee
Leſers Überlaffen bfeiben, und Ref. erlaubt fih nur Die
Bemerkung, daß es ihm ſchmerzlich wäre, wenn der Ver-
ftorbene unter dem Eindifc gewordenen Feldmarfchall ben.
Grafen Kalckreuth verfianden hätte. Hatte diefer auch ein
gewiſſes faible für die Franzoſen und, als ein ergrauter
Veteran aus der Schule des großen Königs, von der in
Preußen fhlummernden Volkskraft weder Ahnung noch
ſelbſt Sinn für diefelbe: fo gehört er doc unbedingt zu
den worthies, de damaligen preußifchen Heeres und iſt
mit der Verteidigung von Dangig, die ihm bie ſoldati⸗
ſche Achtung des alten Lefeore erwarb, in einer ſchmach⸗
vollen Zeile, nicht ohne Ruhm abgetreten. Daß er Bin:
diſch geworden fei, ift dem Ref. nicht bekannt, wenn ber
Vertheidiger von Danzig auch kein Held in feinem Haufe:
geweſen fein foll.
Rapoleon wird gewoͤhnlich getadelt, den Krieg gegen
Rußland nicht in zwei Feldzuͤge getheilt zu haben und,
anftatt in Witebsk zu überwintern und fein mehr durch
Märihe und Mangel ats durch Gefechte geſchwaͤchtes und
etwas oder gewordenes Speer zu flärken und wieder zu
ordnen, mit weit zuruͤck gelehnten Stügeln auf einer.
Strafe nach Moslan vorgebrumgen zu fein. Dieſer Tas
feon’d in Feine — man geflatte den Ausdrud! — ge:
bei
waltigen Ganzheit, die ihm nicht erlaubte, auf halbıem |
Wege ſtehen zu bleiben und, wenn fie ihn auch zu Feh⸗
lern bimeiß, von denen bie ſpaͤtere Kritik ihr mattes Les
. friſtet, auch wieder Erfolge hervorbrachte, welche fie im
Otaunen verfegt. Schon Clauſewitz wehrte diefen Nadel
ob und unfer —5— rbener laͤßt —— Tagen: en ober
tte d vorzud Isihen o
Met Sehlers mine Mr ef Be
Innntniß meiner e Cdmäde oder UÜbereilung geweſen fein. Ste⸗
ben zu bleiben und die Ankunft ber aus dem üben und Rorden
—— ruſſiſchen Armeen abzuwarten, wuͤrde an Dummheit
7* baben, auch ſchuͤtten mich im Winter weder Fluͤſſe
nhoch Moraͤſte gegen Flontenangriffe. Ich mußte alfo die Ofs
fenfive foztfegen unb noch vor Ablauf des Jahres eine große
Fotſcheidung zu bewirken fuchen, was mich tiefes nad Rußland
führte ats mie lich war. (S. 108.)
(Der Beſchluß folgt.) "
Die Heinen Leiden des menſchlichen Lebens. Won Bits
nins dem Süngften. Suuftrirt von 3. 3. Grand⸗
ville. Leipzig, Weber. 1842. Ler.:8. 3 Thir. 20 Nor.
Papier, Drud und Alles, was aͤußere Ausflattung heißt,
laͤßt nichts zu wuͤnſchen übrig. Die Suuftrationen, 200 an ber
Baht, find alle ober doch die allermeiften besjenigen Effects
gewiß, den eine gute Garicaturzeihnung hernorbringt. Go
yo. esblidt Ref, das Buch aufs Gerathewohl hin aufſchlagend,
288 und 289 Angler, die, wie Kigaro mit Kopf und Ver⸗
— raſirt, den Fiſchen mit ſcientiſcher Gruͤndlichkeit nachſtellen,
dabei aber von einer Menge verſchiedener unangenehmer Zufaͤllig⸗
keiten empfindlich genug betroffen werden. Ridge ohne Rächeln,
ja Lachen hat er dieſe —** und Geberdungen anſehen koͤn⸗
nen und zweifelsohne wird Jeder, auch der ernſthafteſt Geſtimmte,
bei dem naͤmlichen Anblicke das naͤmliche Vergnuͤgen empfinden.
Daß Ref. auf ein ſolches Bergnügen zu wenig Werth legt, um
es weites als etwa im „Sharivari” aufzuſuchen, wenn ex diefen
an einem Öffentlichen Orte ausliegen fiebt, daß das weitperbrei«
tete Wohigefallen an ſolchen humoriſtiſchen Zerrbildnereien und
die Maffe, in ber fie producirt werben, eben nicht allererfreus
tichfte Zeichen für den Eünftterifhen Standpunkt unferer Tage
, Beſdes if kein Grund, abzuieugnen und nicht vielmebe hier⸗
mit dfentlich auszuſprechen, daß, wenn nun einmal foldyer Art
Probuctionen gelucht find, die in der angezeigten Schrift ents
baltenen in die Zahl der allgefuchteften aufgenommen zu werben
verdienen. Der Text ift blos um der Illuſtrationen willen nie
—— * worden; ſchon dadurch hat er Anſpruch darauf,
des Bereichs ber Kritik geſtelt zu bleiben. Zum
— vr Derjenige, welcher die Worte zu bem MBuche ger
die Kritit auch noch durch den Schluß feiner am Ende
des Werks befinbtichen Anrede an die Stecenfenten entwaffnet,
Er er — Es galt zu den gegebenen Zeichnungen des fran⸗
Känflert einen lesbaren und, wills Bott! a nang:
zu liefeen; es galt eine franzoͤſiſche Idee
ar Ein bei Wortes zu verbeutfchen. Wo alle das
nur auf —** Berpättniffe ich bes
— —* —X da habe ich es ganz weggelaſſen und
eues bafdr gegebens wo es aber allgemeine Verhaͤltniſſe bes
yanbelte, da babe ich «8 als Baſie berbehalten, Ba . mehr
nden a
‚ fo wisd es mic ſehr
55 — au das einzige Verdienſt, auf —* wege bei bies
' ben und zu freien.” Dies
fihtsvol] 5*8 ditſeiben fo biel wie ich zu ver⸗
ſchonen mit ben großen und ai ber u
ern bleibe es dem unbefannsen
Literarifie Notiz aus England.
Das Neuefte von ber —— —* Bieifington
if die e— Novelle „Meredich’’ ie erſcheiat in
einer Auteb Bere
Sharmant
Bu „ne Wunde und *7*
daran bier Pant wo er endlich ſtirb „oda Untexlaß
ge o88 und ver — un) ba has bie
ändert, heirathet ex fie, ſehr richtig bemertend: „Kun
—* nicht laͤnger Suͤnde, nice länger ein Verbrechen, zu
der Schiuß und Obiges der —*
das Ganze eine — Novelle, und die Hauptperſonen vom
boden Fluge. Gräfin Bleſſington keunt den hoben Bing wab
einige Charaktere find frappant gegeichnet. Go
if Lord Lymington das vollenbete Bin eines ſelbſtſuͤchtigen
Wollüftlinge, Aud) Lady Selina Mellingeourt if gut. Min⸗
ber „he en ie —— — Held, hat, wie
em Autobiogr ziemt, ter groͤßtentheils
für ſich behalten, ibm nicht hera ſſen, unb summea
summarum ift die Rovelle, wenn auch uidht Die befke, Ded>
ebenſo wenig bie fchiechtefte des Laufenden —5 3
Literarifche Anzeige.
a zu ne eeſchler und iR durch alle Budpant-
feit dem Ende bes 15. Jahrhunderts
don
Frievrich von Baumer.
Siebenter Baub.
Gr. 8. Druckpap. 2 hir. 15 Nge., Velinpap. 5 Thlr.
Der erſte
28 Sige., auf Belhpapler 38 Säle 3 Kar Ib ken Ile
erfcheinenden achten Bande wird das Werk geſchloſſen fein.
Beipsig, im December 1843,
F. U. Brockhaus.
eysutumtiiten Amanissben: Oeiasin Brodbauh. — Dept uns Bmlıg von U. A. Brodtand in Seippig:
BIil@tter
| für
1
littrariſche Unterhaltung.
Dienſtag,
(Beſchluß aus Nr. 369.)
Über die. Schlacht bei Borodino, oder Moſaisk, ober
an der Moskwa, kann kaum Beifivolleres und Grunde
licheres gelefen werden als wie in dem ſechſsundzwanzig⸗
ten Briefe finden, und Ref. muß bier befonders die Be:
ſchraͤnktheit des ihm zugemeſſenen Raumes bedauern.
Segur bat von dieſer Schlacht eine hoͤchſt anzichende,
aber mehr auf Lünflterifhe Wirkung als auf Wahrheit
berechnete Schilderung gegeben und von der Abnahme
Napoleon's geifliger Kräfte geredet, die durch beffen aus
Berordentlihe Thaͤtigkeit und die feltene Vorſicht feiner
Anordnungen, nah den Ausfagen des Fuͤrſten Ponias
towsky, genugfam widerlegt wird. Gleiche Widerlegung
findet der näher liegende Vorwurf des Nichtgebrauchs ber
Garden. Napoleon hatte die Rufen und ihre unglaubs
liche Zaͤhigkeit ſchon genug kennen geleent, um nicht ſei⸗
nen Berfuh, fie duch einen Schlag zu zer:
ſchmettern, in den zu verwandeln, fie nach und nach zu
zermalmen, oder vielmehr aufzureiben. Dazu bedurfte er
einer unverſehrt oder intact gebliebenen Meferve , deren
Kraft Kutufow gewiß zu feinem größten Nachtheile em⸗
pfunden haben würde, wenn er eine zweite Schlacht ge:
wagt hätte. Anflatt Eeinlichen Tadels verdient Napoleon
daher das Lob, gleichſam aus ſich feibft und feiner fieg-
gewohnten Krlegsmanier herausgetreten zu ſein, diefe den
Umfländen angepaßt und eine Ökonomie der Kräfte bes
obachtet zu haben, wie fie gerade ihm, nach fo außer:
ordentlichen Erfolgen und mit fo ungeheuern Mitteln, bes
fenders ſchwer werden mußte. So fehen wir den großen
Feldherrn bei Borodino, flatt unter, über fih und
flacher Leiftenkritit den Mund ftopfen !
Im fiebenundzwanzigften Briefe wird des Brandes von
Mookau erwähnt und derfelbe dem Grafen Roflopfchin als
kein zugeſchrieben.
Er hat feine Sache fo fein gemacht, daß es ibm Leicht
wurde, dieſe Ahat, zu welcher Alexander niemals feine Einwil⸗
gung gegeben haben wuͤrde, von fi) abzumälgen. Roſtop
Ken Dann von der ungeheuerflen Gnergie. Ihm lag Alles
daran, den Haß der Ruſſen gegen bie Franzoſen aufs höchfte
zu fleigern, wozu es gang ungewöhnlicher Mittel bedurfte. Zu
dieſem Zwecke mußte bie Sin der: Branbfliftung durchaus
auf die Brangeien. gewälgh werben, und: wenn ce auf ruſſijcher
26. December 1843.
Hände bedurfte, um bie Stadt auf eine Weile in Brand u
fteden, baß ihre Rettung unmoͤglich wurde, fo war er bod)
Menſchenkenner genug, um nicht mit Sicherheit darauf rechnen
zu koͤnnen, daß die von ihm inftruicten Worbbrenner, meift este
laffene Sträftinge, dabei ſelbſt auf dieſt ober jene Weiſe m
Grunde gehen wuͤrden. Man hat unrecht voxauszufegen, daß
der Brand von Moskau den Kaifer Napoleon um alle Früchte
ded Siege gebracht habe, denn die Franzoſen fanden immer
noch reiche Borrätpe darin, ind find um 10,000 Mann, bie
fi inzwiſchen aus den Hoſpitaͤlern u. f. w. wieber einfanben,
ftärker abmarſchirt. Aber die moralifchen W biefes
Brandes waren dennoch fehr groß, und mwurben durch Roſtop⸗
ſchin's Bemühungen, diefe That von ſich ab und auf bie Fran:
zofen zu wälzen, außerordentlich vergrößert. Der Rationalpaß
erhob erſt nach biefer Kataftrophe fein rieflges Haupt, und ber
maͤchtigte ſich auch der vornehmſten Wolksclaffen, von denen bes
kanntlich Die wefentlichften Mittel zur Bortiegung bed Kriege
ausgehen müflen. Raͤchſtdem vermwilberten die in Moskau ge⸗
bliebenen Truppen auf ſichtbare Weiſe; die ohnehin ſchon ſehr
loder gewordene Disciplin erſchilaffte immer mehr. Nur ber
Sinn für Tapferkeit und Eriegerifche Ehre war ben Franzoſen
geblieben; das bewieſen fie in den blutigen KRuͤckzugẽ
bei Malo⸗Jaroslawecz, bei Wjazma, bei Krasnoi und an ber |
Berezina. Aber diefe Gefechte zertrümmerten auch bie Über
refte der weiland großen Armee, deren friegerifhe Ordnung
glei nad dem Abmarſche von Moskau verloren ging und
F —B bee feindlichen Kugeln etwas beraerfbarer wer.
"In densfelben Briefe finden wir den Ruͤckzug ber
Franzoſen und deren Verfolgung duch Kutufow. . Die
anfcheinend große Mastheit diefer Derfolgung wird durch
die wenig befannte Schwäche der Ruffen erklärt. Denn
der euffifche Feldherr marſchirte mit 110,000 Dann von
Zarıtino ab und kam mit nur 40,000 Mann bei Wilne
an, und die außerordentliche Tapferkeit, welche die binnen,
noch kampffaͤhigen, feindlihen Scharen auf dieſem Rüds
zuge bei fo mancher Gelegenheit zeigten, mochte in dem
greifen Feldherrn wol den Entſchluß gereift Haben, feinens
Gegner goldene Brüden zu bauen, anflatt ihn zur Vers
zweiflung zu teigen und den mus feifchen Lorber fo auf
ein gewagtes Spiel zu ſetzen.
Im Gberrafchenden: Wechſel führt uns der Verſtorbens
ir dem naͤchſtfolgenden achtundzwanzigſten Briefe im des
alten Ziethen erſte Dienſt⸗ und Leidensgeſchichte, von dee
ee und manche wenig befannte Einzelheiten gibt und auf
die ſehr wichtige Frage Über die Grenzen der Dieufiges
walt des Höhern Über den Untergeorbneten und über Dies
ciplin und Suberdinatien alerhaupt übergeht. Mies Mis
« dv
Utair von Fach findet Hier hoͤchſt anziehende Bemerkungen
und Parallelen des Sonft und Jegt, und auch der Richt:
militair wird diefem Gegenftande, den ber unmittelbare
Übergang von dem ruffifhen Kriege mit feinen ungeheuern.
Erfibeinumgen nur noch trockener machen koͤnnte, bei deſſen
ler Behandlung Intereſſe abzugewinnen vermögen.
Vieles gleich Geiftvolles und Anziehendes uͤbergehend
und darüber auf da6 Buch felbft verweifend, flieht Ref.
feinen Bericht bei dem einundbreißigften Briefe, welcher von
Landesbefeftigungen im Allgemeinen und der Befefligung
von Paris. ins beſondere Jandeic Wenn der Berichterftat:
tee biee mit befonderer Vorliebe weilt, fo möge ihn der
‚def in diefem bie Ans
ſichten des Verſtorbenen mit der feinigen auf eine ihm
hochſt erfreuliche Welfe ſich begegnen. Gegen den Vor:
wurf des Autoritätsglaubens verweiſt der Berichterftatter
auf feine unten angezeigte, ſchon im Jahre 1841 erfchies
nene Meine Schrift. *)
Zu allen Zeiten haben ſich In Wiffenfhaft, Kunfl und
Leben Vorurtheile geltend gemacht, welche, nach ber
Wichtigkeit ihres Gegenftandes, nad) dem Maße ihrer Vers
beettung umd nach dem Grade, in dem fie in dieſes Le⸗
den eindrangen, mehr oder minder ſchaͤdlich wurden. Keine
Zeit iſt wol von ſolchen Vorurtheilen frelzufprechen und
e6 mag nur wenigen ihrer Kinder gegeben worden fein,
fie als ſolche zu erkennen. Gewöhnlich iſt dieſe Erkennt⸗
niß dem folgenden Geſchlechte vorbehalten, welches aber
fehr irren würde, wenn es, aus klarer Erkenntniß in ein
voraͤtterliches Vorurtheil und aus der Befreiung von
demfelben, auf Freiheit von eigenen Vorurtheilen ſchloͤſſe.
Wenn ein Geſchlecht immer auf den Schultern des vor⸗
hergehenden ſich erhoͤbe und erhielte, wie nahe ſtaͤnden wir
bern Himmel? Aber es iſt dafür geſorgt, daß die Bäume
nicht in den Himmel wachſen und „die Thorhelten der
Väter find für die Kinder verloren. Jedes Geſchlecht be:
gehe feine eigenen”, fagt ſchon der alte Frit
Zu ſolchen ſchaͤdlichen Vorurtheilen — denn es mag
wol auch nüsliche geben, von denen bier jedoch nicht bie
Rede fen kann —, gehört die nad) dem Slebenjaͤhrigen
Kriege ſich verbteitende Anſicht, daß Haupt⸗, Refidenz: und
Aberhaupt große Städte ſich nicht zu Feſtungen eignen.
Diefe Anfiht drang aus den Köpfen bioßer Kriegebaus
kanſtler Im die der Kriegefkrften und Staatsminlſter und
wurde bald eine des Volks. Go wurden, als habe man
St⸗Pierre's und Rouffeau’s eigen Frieden ſchon erlangt,
de halb verfallenen Waͤlle großer Städte völlig geebnet,
thre Gräben verfchättet umd die fo gewonnenen Esplana⸗
den in praͤchtige Werftädte und Gaͤrten verwandelt. Die
franzoͤſiſchen Kriege ließen zwar an einem ewigen Frieden
verzweifeln und, als der gewaltige Bonaparte, nach glücck⸗
ds ſtrategiſcher Berechnung, mit unerhoͤrter Schnelligkeit
ir die fremden Hauptſtaͤdte einzog, in ihnen die Herzadern
dee Gegner duschichnitt, die feindlichen Voͤlker mit feinem
Güde und Kriegerahme wie bezauberte und ſo die Frie⸗
"= denbedingungen vorſchrieb — da hätte wol der Glaube
0) Beck Mosate in Pas ( Deteden idatj.
an jene neue Lehre wankend gemacht werben koͤnnen. Das
geſchah aber nicht und felbft Napoleon mochte hier von
dem Einfluffe der Zeit fig nie ganz frei gehalten und
dem fintenden Boden entzogen haben: indem er wol Plaͤtze
einer duch Flußgebiete dezetchneten Operatkensbaſis (vie
4 B. Deesden), nicht aber ſolche Städte befeſtigen Lich,
welche, flatt Flußuͤbergaͤnge und Gebirgspaͤſſe zu ſchuͤtzen,
das politiſche und moraliſche Herzblut des Landes ein⸗
ſchließen. Da ließ er denn erſt an den Bollwerken von
Paris arbeiten, als die Verbündeten durch Vauban's drei:
fachen Feſtungsguͤrtel ungehindert in Frankreich eingedrun⸗
gen waren und durch ihren Kanonendonner faſt ſchon ſeine
Schangzgraͤber . Nur Carnot gebührt der Ruhm,
mehre Jahre vor dem erſten Falle von Paris und Napo⸗
leon's erſter Abdankung die Wichtigkeit befeſtigter Haupt⸗
ſtaͤdte mit fiegreichen Gruͤnden gezeigt und ſeine geſchicht⸗
vergeſſene Zeit auf Karthago und Wien, beſonders aber
auf Konſtantinopel verwieſen zu haben, welches Jathhrhun⸗
derte hindurch das byzantiniſche Kaiferreic, in feinen Mauern
einſchloß und vor den Barbaren erhielt.
Es ift ſchwer einzufehen, mas einer fo einfeitigen Thes—
tie eimfeitiger Kriegsbautinfiiee (Männer, nad Bülom,
mehr vom al6 von Genie) durch die gefunde Vernunft
und die Erfahrung von Yahstanfenden den Weg zu Kriegs⸗
fürfien, Diplomaten und dem Wolke felbit gebabnt und
fie zur herrſchenden dee erheben babe. Man dürfe, biek
es, die Meichthinmer einer Hauptſtadt nicht der Belage⸗
rung, Einaͤſcherung und Pluͤnderung ausfegen und berief
ſich dabei auf das Bombardement von Dresden im Gies
benjährigen Kriege. Da überließ man die Hauptſtadt Lie:
ber unverwahrt dem Feinde und mit ihr die Faden der
Verwaltung und Megierung. Und wenn man aud vor:
ſichtig genug geweſen war — was jedoch ſelten geſchah —
dieſe Faͤden durch Entfernung ber Staats⸗ und Verwal⸗
tungsarchive und der Beamten zu ſichern, fo waren fie
doch auf biefe Weife einestheils verwirrt, were nicht zer:
eiffen und anderntheils Bennte das Dlut des Staatskoͤr⸗
pers, ſelt Jahrhunderten In dem Kopf vereinigt, nicht
wie Regifteaturen und Beamte bei anwäbernder Gefahr
an einen ſichern Dre geleitet werden. Es befand fid in
dee Hauptſtadt und gab dem Feinde, nähft fo manchen
Mitteln einer prowiferifcen Verwaltung und Begierumg,
eine gemaltige moraliſche Überlegenheit. Man Batte neh
biefer Theorie, um die Mauern wmd Thuͤrme des Dale
füed vor der Beſchaͤdigung eindrechender Diebe zu ficken,
den gewaltianen Einbruch' duch Dffeniaffen der Thͤre
yerhindert !
Hat auch die Brit Aber diefe Thoorie gerichtet, fo iſt
doch ein einmal bart angefeflenes Vorurtheil nicht fo leicht
auszurotten. Es fpuft immer noch in ben Kipfen Wie
ler, die entweder im ihrer Nafeweisheit Die frangoͤſiſche
Regierung wegen ber Befefligung von Paris gevabezm ta:
bein ober fuperfing, als bieten fie im Gabinete Kudwig
Philipp's gefefien, ihr aflein den politiſchen Beweggrund,
die unzuhlgen Pariſer zu zaͤhmen, unterlegen, Da wen
den fie die Schwierigkeit des Wertheibigung dee großen
Stadt und die bay eceſedectiche angcherute Maſſe perſön⸗
1401
ticher und materieller Gtreinmittet ein. Als 06 jene
Schwierigkeit nicht durch die de6 Angriffs wenigſtens aus:
geglihen und jene Maſſe durch deu DBebarf der Streit
mittel des Angreifenden wicht hoch uͤberwogen werde, amd
ats ob endlich eime große Stade nicht Zaufende von Men⸗
ſchen einfchließe, welche, bei annähernder Gefahr, die ge:
regelten perfönlihen Streitmittel auf unglaubliche Weiſe
verftärken !
Bag endlih au in der Befeſtigung von Paris je:
ner pelitifche Beweggrund Antheil Haben, fo ift fie doch
auch in rein militairiſcher Hinficht völlig gerechtfertigt, aus
Leben und Erfahrung gefloffen, und wird, duch die Ges
fchichte von Jahrtauſenden unterflüge, in jedem Kalle jene
unreife Kritik überleben. Ja, es läßt ſich faſt mit Ge
wißheit vorausfeben, daß bei einiger Ausfiche kuͤnftiger
Kriege, in vielleicht einem halben Jahrhunderte, alle übri:
gen Hauptſtaͤdte gleiches Schickſal haben werden.
Unfer Verſtorbener laͤßt ſchon Vanban fuͤr die Befeſti⸗
sung von Paris, Billard aber gegen dieſelbe reden und
nach und nad Marlborough, Boufflers, Eugen, Batentini
und endlih auch Scharnborft an dem fo Intereffanten als
zeitgemäßen Sefpräche Theil nehmen. Die meiften diefer
Helden und Kriegsmaͤnner erklaͤren fi für die Befeſti⸗
gung und der Artillerift Scharnhorſt fagt mit der Kreihelt
vom Zunfts und Kaftengeifte, welche den geiftvollen Dann
bezeichnet, unter Anderm :
Was mid bei der ganzen Angelegenheit am meiſten be
truͤbt, iſt die Anſicht fo vieler deutſcher Militaire, daß bie
Befeſtigung von Paris eine fehr geringe Bedeutung für bie
Vertheidigung Srankreicye habe. Bon einfeitigen artilleriſtiſchen
oder technifchen Geſichtspunkten ausgehend fie zu bewei⸗
fen, daß jede Feſtung fallen mäffe, wenn fie nicht auf
Jatldigen Entfas redgnen dürfe, und weit entfernt fich ein Weis
ſpiel an Saragoſſa zu nehmen, leiten fie gerade aus dieſem
Beifpiele die Folgerung ab, daß dem geregelten Angriffe, deſſen
almäliges Borfchreiten fi faft von Tag u Tag berechnen
taffe, am Ende nichts zu widenflehen vermoͤchte. Es iſt eine
fehr üble Gewohnheit der Ingenieure und Artilleriſten, ihren
Blick felten über das Operationsfeld ihrer eigenen Thaͤtigkeit
Hinausftreifen zu laffen. Stolz auf die erworbene Geſchicklich⸗
Zeit, jede Art von Widerftand methodifch zu überwinden, erfens
nen fie nicht leicht etwas Höheres, weshalb die Sombinationen
des Kriens, als Ganzes betrachtet, ihnen zum großen heile
fremb bieiben. Sie erbliden daher in dem Widerflande einer
BeRun nur eine ifolirte That, und vergeffen darüber, daß bie
elagerung derfelben nur ein Ring in der großen Kette kriege⸗
rifcher Unternehmungen ifl, der dald mehr baid weniger Bedeu:
tung hat. (S. 341.)
Catinat's Meinung fließt ben Streit, aber Napoleon
entfcheidet ihn in einer folgenden Unterredung völlig zu
der Natur und Erfahrung.
—— Better eu babe * der Verſtorbene ihn
führung, weil es ndt ten gab. Auch befürdhtete ich,
di igung ris eilen, mir
un möge en fen * ne —8 Sremden
⸗
eine Feſtung erſten Ranges gemein. Maps
Seat fenem ma 6ias yert Dlige in eswanterang: vie Schlau⸗
der Zage den Sharalter ber Idealitaͤt verliert.
womit der König feinen kleblingewunſch zu erfüllen vers
be, und die Kurzfichtigfelt der vielen sol -disant „Eugen“
Leute, weldye nicht begreifen, daß eine große und volfreiche
Stadt nothwendig auch mehr Vertheidigungsträfte in ſich ent
baut, folglich ſchwerer zw erobern ift als eine Kleine. Es gibt
Generale, weiche den Betagerungskrieg recht gut zu leiten wife
fen und jede Feſtung bezwingen wärben, wenn man ihnen hier
vB die nöthige Zeit Heße. Aber dieſe Maͤnner, bie biß auf ven
ag berausrechnen, warn fie die Brefche geöffnet haben werben,
find obne Klarheit der Ideen, fobatb es barauf ankommt zu er⸗
mitteln: ob und wie eine Hauptſtadt an befeftigen fei.
fpecielles Talent macht ihre ganze Weisheit aus, und bie Krieges
kunſt im böhern Sinne ift für fie ein Problem, das fie vers
gebens durch einige Kormeln zu loͤſen ſuchen. Da fie nun nicht
gern geftehen —8 daß die Beantwortung ſolcher Fragen über
ihr Begriffen gen hinausgeht, fo entwerfen fie abenteuerliche
Operationspläne jur mittelbaven Deckung ber Hauptftabt, wo⸗
e 1, 65 gewoͤhnlich in ihren eigenen Schlingen fangen.
v 8.
Die folgenden ſieben Briefe muͤſſen des Raumes we⸗
gen uͤbergangen werden, obgleich ſie des Ganzen nicht
unwuͤrdig ſind. 76.
Helene. Ein Fehdebrief an die Geſellſchaft. Aus den Pa⸗
pieren einer Dame. Herausgegeben von Eduard Ma⸗
ria Detinge ro Leipzig, Philipp Reclam, 1843.
12. 1 Thlr. 15 Nor.
Die Gedanken, weiche biefer Novelle zum Grunde liegen,
find durch das Eeben der Gegenwart hervorgerufen; es erſchei⸗
nen in der Novelle Menſchen von heute, Borurtheile von heute,
Zendenzen von heute, Greuel von heute — und darin liegt der
Sharalter der Modernität des Buche. Daſſelbe foll ein Fehde⸗
brief an die Geſellſchaft ſein. Unſer fociates Leben fobert aller
dings dergleichen heraus. Die krampfhaften Aufmallungen bee
Zugend, die fi für Krafterplofionen ausgeben, die übermacht
des Reichtyums über Talent, Zugend und alles Große, die uns
enbliche Langweile, das Raffinement im Genuß, das Vorherr⸗
fhen der wiateriellen Intereſſen — das Alles find Momente, bie
darauf binwirken, daß Das entſtehe, was diefe Rovelle ald Grunde
übel andeuten zu wollen ſcheint, nämlich daß die Ehe im Lauf
Die Erzaͤhlung
{ft der Gefuͤhlsſchwaͤrmerei der Deutfchen angepaßt: wir Deut:
fhen verſtehen die Größe, die im Gntfagen liegt; mir haben
Sympathien für die Thraͤne der Einſamen und für die Fieber⸗
giut des Entfernten. Ein Kunſtwerk im eigentlichen Sinne bes
Worts tft die Erzählung nicht; der Gedanke, welcher dem Ganz
ken zum Grunde tiegt, tft keine poetifche Idee, bat Feine höhere
abrheit, fondern iſt eine ausgellägelte Sonderbarkeit. Delene
naͤmlich meint, der Geliebte des Weibes dürfe nicht auch ihr
Dann werden, weil bie Ehe die Liebe enthellige. Ein W
mit diefer Anſicht muß jebe Ehe verwerſen; bie Ehe ift ihr ja
der Urfprung des größten Ungluͤcks. Allein ‚Betene verſchmaͤht
die Hand des Mannes, der fie liebt und vermaͤhlt ſich mit ei⸗
nem ditern Berrn, ihre Lebensaufgabe darin fuchend, deffen
Zage zu erheitern. Und dieſe felbfigemähtte Aufgabe erfüllt fie
treu. Das iſt aber offenbar eine Gaprice und ihre ganze An
ficht erſcheint als barock; denn der Verf. gibt fih nicht einmal
Mühe, einen Fall auszufinnen, wodurch Öetenen Bermähtun
ale unabmweisbar notbwenbig erſcheint; es geht aus Helen
Sriebniffen nidyt mit Beſtimmtheit hervor, daß fie gerade zu
— Refultate und nicht zu einem betiebigen andern gefom:
men ift.
Wenn man man von biefer fehr ſchwachen Seite ber Et⸗
zäblung abfieht — und das kaͤßt ſich don dem gewoͤhnlichen Erfer
erwarten —, To lieſt fi das Bad recht angenehm; es kommt
darin vor eine Schiderung bed Getrenutfeind ber Licbenden, ein
Mr: ‚ eine Üebensrettung u. ſ. f. ei das auch gas
— Motive find, fo bat fie doch der Verf. recht hubſ
und natürlich zuflammengewebt. Die Nebenperfonen treten, nas
mentti zu Anfang des Stüds, gar zu ſehr als Gtatiften auf.
Die franzöflfche Gräfin mit ihrer Blut für ben ‚Helden bex Er⸗
zähtung Lord Lesly, und deſſen Geliebte Helene hätte noch ſorg⸗
ger behandelt werben müflen, das heißt, aus ben mitge:
beilten Schickſalen der Dame entwidelt ſich ihre Handlungs⸗
und Denkweiſe nicht mit Ratbwenbigkeit Wir fagen, fobald wir
erfahren, was fie that, nicht mit Überzeugung: „Ja, fo mußte
es fommen, das Weib Eonnte nicht anders’ — fondern es ſcheint
uns in ber Zeichnung dieſes Charalkters bie Willtür des Verf.
und ber Wunſch etwas Pilantes zu geben, vorzuwalten; ein
Weib von folhem Feuer, von folder Thaikraft, von foldem
Bewußtſein ber Überlegenheit müßte auf ganz andern Wegen
ihrem Biele zuftreben ale durch Gchredifcenen und Wer⸗
ng.
Wenn nun allem Dbigen zufolge die Novelle bedeutende
Mängel hat, fo muͤſſen wir doch bemerken, daB ber Verf. an
mehren Stellen kuͤnſtleriſchen Takt verräth; als Beiſpiel dazu
erwähnen wir, daß neben ber idealen Liebe Helenens und bes
Lord Lesly die ganz proſaiſche des Hauptmanns Heltjoͤr und
Eugeniens hinlaͤuft. Ferner iſt es von wohlthuender Wirkung,
daß, nachdem Helene und Lesly fo viel gelitten haben, im Leſer
die Doffnung aufpämmert, fie werden einander noch befigen.
Bon echt pfuchologifcher Wahrheit iſt es ferner, daß Lorb Kesiy,
nachdem er ‚Helene verloren hat, nicht in Sammer und Schwäche
untergeht; er wird ein berühmter engliſcher Staatsmann. Pin
- amd wieder find freie pſychologiſche Bemerkungen ausgefireut,
3. B. Seite 194, wo es kurz erörtert wird, daß nur dann Zwei
miteinander leben Tönnen, wenn Giner bes Anbern Fehler be:
gerife So fpredden wir zum Schluß ben Wunfch aus, daß ber
erfaffer oder die Verfaſſerin in ihrem nächften Werke ruͤckſicht⸗
tich des Grundgedankens weniger erperimentiren, fondern ihrem
Takte für das menfchlih Wahre folgen möges wenn dann zus
eig an das Einzelne mehr Feile gelegt wird, fo bürfte volle
nerkennung ihr Lohn werben. W.
Literariſche Notizen aus Frankreich.
Depping's neueſte Arbeiten.
. Der wuͤrdigſte Vertreter der deutſchen Gelehrſamkeit in
Paris, Depping, hat ſoeben eine neue ganz umgearbeitete Aus⸗
be feiner trefflichen „Hietoire des expéditions maritimes des
ormands et leur &tablissement en France au IOième siecle”’
ans Licht treten laffen. Diele fleißige Arbeit bildet bekanntlich
gewilfermaßen eine Einleitung zur vielgelefenen „Histoire de la
conqu£te de l’Angleterre par les Normands’’ von Thierry. Wenn
die Schrift Depping's dieſem berühmten Werke, von dem wol
ſchon acht Auflagen vergriffen find, an ftitiftifchem Ganze nach⸗
ſteht, fo Tann es fich mit demfelben, was folide Gelehrſamkeit
und kritiſchen Scharfblick anlangt, ficherlich meſſen. Wenn
unfer Landmann auch immer noch nicht, trotz wieberholter Vers
ſuche, von der Academie des sciences politiques et morales
zum Mitgliede aufgenommen ift, fo genießt er doch Längft ſchon
auch in Frankreich bei allen Leuten von Fach einen wohlver⸗
dienten Ruf. So ift ibm erſt vor kurzem wieber von Beiten
der franzöfifchen Regierung ein Auftrag geworden, beffen er ſich
ſicher mit gewiffenhafter Treue entledigen wird. Es handelt fich
naͤmlich um bie Herausgabe einer umfaffenden Sammlung ver:
Thiedenartiger Documente, bie fi) auf bie Gewerke, Gtänbe
und Gorporationen ber Stadt Paris beziehen und bie in die
großartige Sammlung hiſtoriſcher Documente aufgenommen
werden follen, von ber mit Unterflügung und auf Geheiß
der Regierung bereits eine beträchtliche Anzahl von Bänden er
>
ſchlenen it. Berner hat Depping für bie nämtidie Akgumiung
die Herausgabe wichtiger Papiere begonnen, welche auf eini
wenig belannte Punkte der Verwaltungsgeſchichte Fraukrei
unter Eubwig XIV. in neues ei garten. Dad Depping
twot biefer umfaſſenden. Aiheiten, hell. feiner
Beit in Anſpruch nehmen muͤſſen, ſich dennech auch bes beutichen
Leferwelt nicht entfrembet, davon zeugt außer feiner intereſſan⸗
ten fortlaufenden Gorrefponbenz für dad ‚„‚Morgenblatt”, bas
er nun ſchon feit dreißig Jahren mit feinen Beiträgen ziert,
auch eine kleine hiſtoriſche Arbeit, die er vor kurzem ia feiner
Mutterſprache herausgegeben bet. Es iſt dies ein Lefenswertber
Beitrag zur Geſchichte von Münfter, ber Vaterſtadt Depping’s,
für den er auf dem Kriegsminifterium zu Paris mehre wichtige
und biöher unbenugt gebliebene Materialien vorfand. Moͤge der
wackere Depping nochlange das fegensreiche Bermittieramt zwiſchen
deutſcher und franzoͤſiſcher Gelehrſamkeit verwatten !
Solontfationspiäne.
Die Coloniſten geben jegt feibft zu, daß, wenn bie Zucker⸗
production nur noch die Hälfte von dem ehemaligen Bewinne
abwerfen foll, dieſelbe auf einem gang neuen Fuße organifirt
werben muß. Die allmälige Abſchaffung ber Stievesei zwingt
fie, auf neue Mittel zu finnen, um biefen Babrilationsgweig un:
geftört betreiben zu können. Überdies bat die Induftrie, Die feir
einem Jahrzehnd mit Rieſenſchritten fortgeeitt ift, ſich neue
Bahnen eröffnet, auf denen fich bie Beſiger der Golomien vers
ſuchen muͤſſen, wenn fie nicht ia ihrem Schlendrian zu Grunde
eben wollen. Daher fehen wir täglich in Fugſchriften und
ournalen Projecte, dem ſiechenden Probuctionszweige in den
Golonien neues Leben einzuflößen, auftauchen. Den größten
praktiſchen Werth dürften die Vorſchlaͤge haben, bie ber befannte
General Louis Bernard, der fi in Nordamerika durch Hörde:
rung ber wichtigen Kanalbauten große Berbienfle erworben hat,
in einer befonbern Kleinen Schrift thut. Diefelbe führt den
Titel: „Projet d’un etablissement d’une sucrerie ceatrale
sur la riviere de Cayenne & la Guiane frangaise”, und zeigt
von ebenfo großer Umſicht als Sachkenntuiß. Irren wir
nicht, fo iſt der General bucch feine Befigungen in den frane
zoͤſiſchen Golonien in diefer wichtigen Angelegenheit ſeibſt lebe
baft intereffirt.
Die flawifhen Boͤlkerſchaften ver Zürkfei.
£efer der „Revuedes deux - mondes” werben ſich erinnern,
felt etwa anderthalb Iahren in dieſer reichen Zeitfchrift eine
Reihe treffliher Auffäge über bie verfchiebenen Nationalitäten,
die, wie Lamartine in einer Rede über bie orientalifche Frage
fagte, aus dem Schutte der Zürkei aufwuchern, gefunden zu
haben. Sie rührten aus der Feder eines jungen Franzoſen ber,
welcher den Orient. aus langjähriger eigener Anfchauung zu
kennen fcheint. Beſonders anziehend und bei ben neueften Be
megungen von befonderm Intereffe waren die Partien, in denen
ber Verf. die verwickelten Verhaͤltniſſe der Moldau und Wala⸗
hei ausfuͤhrlich und mit ebenſo viel Gelehrſamkeit als Klarheit
ſchildert. Wir erhalten gegenwärtig umter dem Titel „Les
Siaves de la Turquie’ eine Sammlung biefer Aufſaͤte, in der
einzeine Punkte * weiter ausgeführt find. Wir beeisen uns,
auf dieſes trefftiche Merk, das von ungleich) höherer Bebeutung
ift als die beſprochene Reife Blanquũs nach der eurapäifchen
Zürkei, aufmerkfam zu machen. Auszüge daraus gibt unter
Anderm bereits bas ‚Ausland‘, deffen wohlgeleitete Rebaction
keins der beſſern franzöfifchen Werke, welche auf Länder: und
Völkerkunde Bezug haben, unberädfichtigt laͤßt. Wahrſcheinlich
aben wie binnen kurzem ein gleichfaUs interefiantes Keifewert
ber jene Gegenden von E. Thouvenel, bem Verf. einer Reife
nad) Ungarn und Mitarbeiter an ber „Revue de Paris”, zu
erwarten. 2.
. Berantwortiicher Keranägeber : Heinrih Brodhaus — Drud und Verlag von 5. A. Broddaus in Leipzig.
Blätter
für
literariſche Unterhaltung.
Mittwoch,
Buͤlow⸗Cummerow uͤber Preußens landſchaftliche
Creditvereine. *)
Bon Allem, was Hr. v. Buͤlow⸗Cummerow bisher
aus feiner Feder unter die Preffe hat wandern laſſen, ift
die vorliegende Schrift ohne alle Widerrede das Vorzuͤg⸗
lichte. Hier ift der Verf. ganz auf feinem Boden, ganz
zu Haufe, bat fcharf und aufmerffam beobachtet und
fharf und eindringlich ertwogen, fodaß er den Sachen
tief auf den Grund gegangen und zu deutlichem Wer
fländniffe darüber gekommen if. Für den Sachkundigen
ift es ein wahrhaftes Vergnügen, feinen Wahrnehmungen
zu folgen und mit ihm daraus folgerechte Negeln zu
entnehmen.
Mit Recht führt er an, „daß während ber Aderbau
in der Cultur unendlich vorgefchritten ift, die Agrargefeps
gebursg die wefentlichiten Veränderungen erfahren hat, Dans
dei und Gewerbe eine neue Geſtalt erhalten haben, nur
die Inſtitutionen, deren Aufgabe es iſt, den Werth der
Srundftüde anzugeben, für den Credit ihrer Beſitzer zu
forgen und die Fonds zu neuen Culturen zu gewähren,
an alten verjäheten Grundfägen feſthalten und zu glauben
feinen, daß, weit fie in früherer Zeit ſich nütlich bewie⸗
fen, fie fi in der gegenwärtigen der Kryſtalliſation übers
laſſen können”.
Der Verf. beginnt nun feine Prüfung bes Beſtehen⸗
den, melde er zunaͤchſt an den Einrichtungen der pom⸗
merfchen Landfchaft anflellt, die er am genaueften Eennt,
und bei der großen Ähnlichkeit derfelben Einrichtung in
den andern Provinzen die Anwendung auf fich diefen ſelbſt
überläßt, mit einer allgemeinen Erwägung der Kolgen der
Verfhuldung der Immobilien und deren Einfluffes auf
die allgemeine Wohlfahrt. Die Betrachtungen, welche der
Derf. in diefem Abſchnitte vornimmt, find wahr und prak⸗
tiſch; aber fie find noch nicht erfchöpfemd und beimeltem
nicht geordnet und ausgebehnt genug. Sie find aus der
Erfahrung entnommen, aber nicht auf Grundfäge und all:
gemeine Regeln zurücgeführt. Es kam bier darauf an,
feftzuftellen, ob und umter weichen Maßgaben duch Real
verfhuldung ber Grund umd Boden dergeſtalt mobiliſirt
*) Über Preußens landſchaftliche Grebitvereine, die Reformen,
deren fie bebürfen, und über ein ridhtiges Syſtem bes Bodens
nutung und Schaͤgung. Bon v. Blow: Gummerom.
Beriin, .Beit und Gomp. 1843. Ge. 8. 36%, Par.
27. December 1843.
werden kann, daß bie wefentlichen Unterfchiede und Wir⸗
ungen des Immobiliar⸗ und Mobiliarvermoͤgens ganz
oder doch zu einem großen Theile ausgetilgt werden und
das erftere in Pleinen Theilen zu einer marktgängigen
Waare gemacht wird; ferner die natuͤrlichen Verſchieden⸗
beiten des Reals und Perſonalcredits zu beleuchten und
zu ermitteln, inwieweit eine Verbindung, Vertauſchung
und Bemächtigung beider flatthaft fei und. mit welchem
Erfolge; nicht minder die unmittelbaren und bie mittels
baren Wirkungen der Verſchuldung und des Credits für
ruhige und für widerwaͤrtige Zeiten zu unterfcheiden und
deren Erfolg auf die Wagfchale zu legen; endlich ganz bes
fonder6 die Folgen auf die politifche und bürgerliche Gtels
ung der Srundbefiger zu erwägen, je nachdem biefelben
als felbftändige Bodeneigenthuͤmer oder nur als Verwalter
des ihnen anvertrauten Eigenthums ihrer Gläubiger anges
fehen werben muͤſſen. Da würden fid) noch manche wich⸗
tige Ans, Auss und Rädfichten ergeben haben. Denn
nicht immer, fogar felten, ſtimmen die Erfolge in bios
finanziellen oder auch ſtaatswirthſchaftlichem Betrachte mit
benen in moralifcher oder politifher Erwägung überein;
und da die Staatswirthſchaft feibft nur eine Behälfin
und Dienerin der Politik iſt ımd fein foll, duͤrfen ihre
Belobungen nicht höher geehrt werden als bie ihrer Bes
bieterin. Wie oft wird diefe Grundregel aller Staatskunſt
unbeachtet gelaffen, wie oft mit Füßen getreten; wie viel
feichte Beurtheiler wähnen, die Sache fei damit entfchies
den, wenn irgend ein Vortheil oder Nachtheil bes Gelb:
beutel8 herausgeftellt worden ift, da doch dies in Betracht
zu ziehen oft gar nicht der Mühe verlohnt! Was der
Verf. (S. 16) über den Charakter des Grundbeſitzthums
beigebracht hat, iſt zwar ſchon von Belang, aber weder
ausreichend noch weiter verfolgt und angewendet.
Ganz richtig faßt der Verf. den Geſichtspunkt (S. 13),
daß das Ereditnehmen durch die nügliche Anlegung und
Dermehrung Deffen, worauf die Anleihen verwendet wur⸗
den, neue Capitalien erfchaffe, folglich das Vermögen ber
Einzelnen und des Staats nicht vermindere, fondern vers
mebhre, weil von vernünftigen Leuten nicht blos rechtlich
vorausgefegt werben muß, fondern es auch die Erfahrung
in der Wirklichkeit beftätigt, daß. melftencheil® zu dem an⸗
gegebenen Zwecke geborgt wird. Das Gegenteil iſt in⸗
beffen freilich nicht ausgefchloffen,, rechtfertigt aber fo
MR
wenig irgend eine Bevormunbungsmaßtegel felbflänbiger
©taatsbhrger, als der Misbrauc irgend einer Sache den
Gebrauch aufbebt. Nur fo weit es möglih if, jenem
vorzubeugen, ohne bdiefen zu beſchraͤnken, darf die politifche
ehung Seatpen zu ſolchen Zmecke anochnen.
EEbenſo wahr if, daß bie Einführung von Credſtan⸗
ſtalten oder wichtige Veraͤnderungen mit denſelben nur in
Zeiten der Ruhe vorzunehmen ſind, wo der Credit ange⸗
boten wird, folgleich Leicht zu haben iſt, nicht in untuhi⸗
gen und bedenklichen Zeiten, wo er gefucht wird und fich
um ſchweren Preis ſuchen läßt (S. 14). Die bloße Mög:
lichkeit des Misbrauchs derſelben zu leichtern Verſchuldun⸗
gun darf danan nicht abſchrecken. Da indeſſen eine maͤ⸗
dige und hohe Verſchuldung des Grundeigenthums durch
den Einfluß des Realeredits auf den Gredit uͤberhaupt und
auf die Stellung der Grundbeſitzer im Staate von ſo ſehr
unterſchiedener. Wirkung iſt, fo folgt daraus von ſelbſt,
daß die Beguͤnſtigung durch Greditanflalten nur bis an
die Grenze des mäßigen Verſchuldens gehen umd auf bie
hermäßige Verſchuldung mit ausgedehnt werden darf
(&. 15). Diefer Regel durchaus beipflichtend hätten wir
mur gewünscht, daß die Erkennungsmittel zur Auffindung
und Beſtimmung jener Scheidungsgrenze ins Licht geftellt
worden toren, Denn es fruchtet nichts, den Blinden zu
warnen, daß ee fig nicht floße, ſondern man muß ihm
fagen, von weicher Seite ihm Gefahr droht.
Die Zuverläffigkeit, Enedie zu bekommen, wenn er ge:
bracht wid, und zur Zeit der Noth keiner Kündigung
ausgeſetzt zu fein (S. 19), find allerdings zwei weſentliche
Bedingungen eines ihrer Aufgabe entſprechenden Creditan⸗
ſtalt, aber noch nicht Die allein erheblichen. Die Alles in
ſich ſchließende Auffafiung derfeiben ift die, daß fie nicht
bios den allgemsinfien und belebteſten Markt für ben Real⸗
credit, für den Austaufch des Creditnehmens und Credit⸗
gebens, fondern zugleich auch den ale Marktbeſucher gleich
Dienffertig und unparteitfch bedienenden allgemeinen Maͤk⸗
lee ausmacht, indem fie Die Geldhabenden wie die Gelb:
bedarfenden durch die Gerechtigkeit, Zuverfichtlichkeit und
Geeichmaͤßigkeit ihrer Behandlung ven beiden Seiten ber
anf dieſen Marke zieht und eben wegen dar Größe deſſel⸗
ben leicht im Stamde ift, ihre Machfrage zu befriedigen.
Ehen deswegen muß aber auch bie ganze Einzichtung von
dee Art fein, daß mit gleicher Sorgfalt alle Jutereſſen
beider Paeteien wahrgenommen und beforgt werden, Indem
jede Weghnfligung der einen ober der andern deu gleich
maͤßigen Bu > uud Abfluß des Geldes behindert, folglich
den Marktverkehr ſchwaͤcht und mit der Zeit fir Die
Fmerefien der Seldbefiger find prompte Zinfen, Sicherheit
des Capitals, freie Verfügung Über die daſſelbe reptaͤſen⸗
tirende Schuldyerſchreibung, größte Bequemlichkeit und
Moplfeitheit Hei der Erhehung der erftern, der Belegung
des andern und dem Umſatze bes dritten.
dee Grundbeſitzer Laufen. darauf hinaus, daß der wahre
Werth ihrer Befigungen als der Grundlage ihres Gres
dits ermittelt und folcher durch nichts geſchmaͤlert werke ;
daß fie zu der Zeit, wo fie e6 brauchen, darauf prampt
Geld und fo viel bekommen können als ihr Realcredit
Die Intereſſen
trägt; daß fie dabei in ber Bewirthſchaftung ihrer Gt |
unbehindert bleiben, fo lange fie ihre Obllegenheiten er:
füllen, welche in der richtigen Einlieferung ihrer Zinſen
und in der Vermeidung jeder Vermin bes Werths
Ihres Befitzt beßehen; wwdlig daß, & fie vor
Kündigung ficher find, fe doch noch ihrer Wequumlichkeit
allezeit durch Rüdzahlungen ihren Vermoͤgenszuſtand zu
verbeffern unbehindert find. Alles Dies läßt fi zu Stande
bringen, ohne daß auf einer von beiden Seiten eine Be
günftigung flattfinden darf. Zwei andere Umftände hin:
gegen,. wobei eine größere Gollifion der Jutereſſen ebzu:
walten fcheint, find bier abfichtlih übergangen worden,
die Kuͤndbarkeit ber muh bie
ie
des Zinsfußes. Allerdings würde es für die Gläubiger
noethrithaft fein, nach Belieben aufkuͤndegen za Sinnen;
allein dies widerfpridyt dem ganyen Endzwede der Anflalt,
indem dadurd dem Vortheile der Gläubiger das Beſtehen
der Schuldner gerade dann geopfert werden wärbe, ſobald
das Geld im Verkehrswerthe fleigt. Die Unausführbar:
keit diefer Anfoderung hat füh dadurch fon in der Ex
fahrung gezeigt, daß in den Zeiten ber Noth allenaal Su:
dulte bewilligt, alfo ein außerordentlicher Rechtszuſtand hat
eingeführt werden müffen. Es liegt baber im Weſen der
Pfandhriefe, daß fie nicht Schufdverfchreibungen, ſondern
abtretbare oder verdußerliche Rentenkaͤufe find, und daß
diefe ihre Eigenfchaft von vornherein aufgefaßt und durch⸗
geführt werde. Daraus folgt ganz von ſelbſt, daß die
Mente ſich immer gleich bleiben und ein für allemal ge:
fegtich feftgeftelle fein müfle, weil eben fie den Gegenſtand
ausmacht, welcher gekauft und verkauft wid, was zugleich
die wohlthätige Kolge hat, das allem Gewerbe fo nach⸗
theilige Schwanken des Zinsfußes wenigſtens in dem gro:
fen Bereiche des geſammten Realcredits zu verhindern und
dadurch mittelbarerweife auch für die übrige Mafle des
Credits zu ſchwaͤchen. Natuͤrlich kann dadurch die Wir⸗
kung des Geldzufluſſes und = Abfluffes nicht aufgehoben
werden, welche, da fie den Zinsfuß fell finder, den Preis
des zu kaufenden Gegenfiande® erniedrigen ober erhöhen,
alfo den Gurs, die Geltung auf dem Geldmarkte, beftim:
men muß, wodurch ſich mittelbarerweile von felbft der
Zinsfuß auch verändert, aber auf eine beimeitem unbe
merkbarere Art eben durch feime Übertragung auf dem Ga:
pitalſtock.
Es folgt hieraus nicht, daß der einmal eingeführte
Zinsfuß in alle Ewigkeit fortbeflchen muͤſſe. Dean de
nach der Erfahrung der Weltpreis des Geides ſich verän:
dert und deſſen Verminderung in großen Perioden ſich
allgemein bemerkbar macht, muͤſſen auch bie Grebitinfticute
diefer Einwirdung unterliegen und unter dem Schuge des
Geſetzes von einem allgemeinen Sinken bes Zinsfußes
durch Sonverfion der Pfandbriefe Gebrauch machen koͤnnen.
Nur darf die Gefeggebung ſolches nicht anders zulaſſen,
ald wenn biefe Bedingung unfeugbar eingetzeten iſt, fo wie
e6 die Gerechtigkeit erfodert, alsdann die Nüdschlung dert
jenigen Pfandbriefe, deren Beſcher ſich die bfegung
nicht gefallen laſſen wollen, nach dem Duchf
der legten zahn Jahre ehem darum zu leiſten, weil bene
nit suldfüg war. Domams. erhellt sugleidh,
daß bie. ung der Höe ſich nach br aligemeineh
Binsfuße zur Beit der Ginfüheung oder Musfchreibunng der
Pfandbriefe richten muß; daß Diefe alſo pur Zeit der Ruhe
und des Gelbüberfiuffes vorzunchmen, und daß in Be⸗
tracht dee großen Sicherheit und Vequewlichkeit, weiche fie
aͤhren, noch eine Derabfesung des ſonſt gewöhntichen
Binsfußes- unbedenklich daran zu knichfen if. Daß die
Dfandbriefe, außer den Kriegsiahren, noch immer fo Hoc)
im Gurfe geflanden haben, zeigt hinlaͤnglich, daß ihr Zins:
fuß noch immer zu hoch war. Verf. fchlägt die
Differenz der Pfandbriefözinfen gegen den Zinsfuß von
Privathypotheken (©. 21) auf /. Procmt an, wat
mit der Erfahrung übereingulommen ſcheint, aber nicht
den Schuldnen ganz zugute kommen kann, meil davon
die nothwendigen Koften der Auſtalt zu beftreiten find, ſo⸗
wie der Aufwand für die Unterhaltung und alimälige et:
gene Anſammlung eines Reſervefonds zur Erfüllung bes
Zwecks der Anflalt in unvorhergefehenen Zelten des Geld:
mangeld dadurch gededit werden muß.
Im zweiten Abſchnitte beleuchtet der Verf. nun die
dermalige Befchaffenheit der landſchaftlichen Greditinflitute
und ihre bisherige Wirkſamkeit mie dem Auge eines Kens
nerd. Wenn derfilbe bagegen eifert (S. 29), daß Diele
Inſtitute bisher ausfchlieglih für die Rittergutsbefiger bes
ftanden haben, kann ihm nur beigepflichtet werden, Da,
wenn deren Nugbarkeit anerkannt tft, eine Gerechtigkeit
der Ausfchließung aller dazu ihrer Beſchaffenheit nach ger
«igneten Grundbefigungen nicht abzufehen iſt. Allein bar:
aus folgt noch nicht, dag der Abſicht des Verf. entſpro⸗
chen werde, alles und jedes Grundbefisthum, namentlich
auch allgemein das bäuesliche, zuzuziehen, weil mit vollem
Mechte Dasjenige ausgeſchloſſen wird, deſſen verfchiedene
Natur. eine gleichförmige Behandlung nicht zuläßt. Hier⸗
nach müflen fofort alle die Meinen Beſtzungen außer dem
Verbande bleiben, deren Vortheil bei der Belegung mit
Pfandbriefen mit den Unkoſten ebenderſelben umd der Be⸗
auffichtigung außer allem Verhaͤltniſſe ſteht. Güter unter
6000 Thaler an Werth möchten ſchon deshalb ſich fchmer»
lich dazu eignen. Das Verhaͤltniß zwilden den Wohn⸗
gebäuden und der perfönlichen Arbeitsleiſtung einerfeitd und
dem Ertrage der Bodenbewirthſchaftung bleibt fich ferner
bei Berfchiedenheit des Umfangs der legten micht gleich,
laͤßt ſich deshalb nicht nach einen beflimmten Maßſtabe
angeben, fondern «6 wird das erflere Immer gemichtiger,
je einer die Stellen werben, und macht fie eben dadurch
immer unfähiger zum fellen Realeredit. Eben dies gilt
von allen Fabrikations⸗ und Gewerbeanlagen, wo dee Erz
trag theild durch das umlaufende Capital, theit6 durch bie
Induſtrie und Ordnung des Inhabers heils abhaͤn⸗
gig if. Der Verf. ſelbſt gibt zu, daß ſtaͤdtiſche Gebaͤude
andere Verhaͤltniſſe darbieten als „ fie mithin
nicht auf gleichem Fuße behandelt werden koͤnnen. Es
darf dieſe Bemerkung nur verallgemeinert werden, um die
Regel aufzuſinden, daß nur ſolches Grundbeſitzthum zur
Bepfandbriefung geeignet iſt, deſſen Ererag aus dem Boden
der Gegenſtand der ——2 tft, ſodaß Gebäude: und
fonfligen Zabentackan 005 mertußlide m da
Bewianung deſſelben ſogar im — Wok
ben miqſſen, imeleweit je mangein, TERM der nicht deu
Wetth des Pfandftucke erhöhen.
Daß die bisher defolgten Taraulensreglements ober Kaps
tienspvindipien, wie fie heißen, ganz principientes, ohne Fun⸗
dament und durchans umtidhtig find, wie der Werf. (S. 20)
fagt, amd daß Hiecin nicht allein eine große Ungerechtigkeit
und Härte liegt, fonden am das Gemrimnwohl dadırkd)
mehrfach angegriffen wird, mag Niemand ihr beflveiten,
ber fie kennt. In einigen Provingen, Preußen, Poſen,
Mark Brawbenburg, iſt auf deren DVerbefferimg fihon We:
dacht genommen worden, abee noch lange nicht in zufries
benftellender Art. In Weſtpreußen, Pommern und Sehle⸗
ſien hat man nicht einmal gewagt, an das alte baufällige
Serüfte Hand anzulegen, aus Furcht, daß, wenn irgend
Etwas geruͤhrt werde, das Ganze sufammenfalle, Inden
man aus Erfahrung weiß, daß jebt bie große Menge der
Unriptigkeiten häufig gegenfeitige Ausgtelhungen für das
Endergebniß Herbeiführt. Daß indeſſen hierbei weder Ge⸗
wißheit noch auch nur eine. annähernde Schägung des
Unterfchledes zwifchen dem wahren Werthe und dem Aus⸗
falle der Zaren ftatthaben kann, und daß ebenfo fehr die
Inſtitute ſelbſt als die faͤmmtlichen einzelnen Geundbeſitzer
dabei gar ſehr betheiligt find und mit vollem Rechte dar⸗
auf Anſpruch haden, daß der wahre Werth mit Zuver⸗
laͤſſigkeit ermittelt werde, bedarf erſt keines Bewelfes, ſon⸗
dern macht ſich von ſelbſt klar. Weil uͤberdies außer den
landſchaftlichen Taxprincipien und denen zur Veranſthla⸗
gung der Domainenpachte es keine andern gibt, auf wel⸗
de im Verkehre und zumal bei gerichtlichen Verhandtun⸗
gen, wie bei Cautionsbeſtellungen, Berlegungsermitteluns
gen, Abldfungen und Abfchreibungen, Erbtheilungen mb
Auselnanderfegungen, Subhaflationen u. f. w. zuruͤckgegan⸗
gen werden Bönnte, fo ruft der Verf. mit allem Grunde
dazu auf, und Legt es befonders dem neugeſtifteten Lan⸗
desoͤkonomiecollegium ans Herz, ohne weitern Verzug Dieb
Werk zur Hand zu nehmen und durch Ausarbeitung ge⸗
diegener Xargrundfäge dieſem dringenden Beduͤrfniffe ab⸗
zubelfen. Daß die wiſſenſchaftliche Ausbildung der Lande
wirthſchaft fo weit gedichen tft, um ans ihr die dazu wir:
entbebrlichen Materialien zu ſchoͤpfen, ift, wenn man hier⸗
bei nur da, wo die Erfahrungsfäge noch nicht wiſſen⸗
ſchaftlich begruͤndet werden konnten, ebenfo wie in der
Arzneiwiſſenſchaft, zuveeläffigen Erfahrungen nachgeht, voll⸗
kommen ausgemacht, und ebenfo gewiß, daß in praktiſchen
Dingen man ſich nirgend abhalten laſſen barf, das Beſ⸗
ſere einzufuͤhren und einſtweilen zu lgen, weil es noch
nicht das Allerbeſte iſt, was bei weiterer Verfolgung ber
Aufgabe demnaͤchſt erkundet werden mag. Etwas zu hei⸗
fdyen, was über den Stand des mienichlichen Wiſſens Yin
ausgeht, iſt ebenſo widerfinnig, ats fi mit Dem zufekeden
zu geben, was duch daſſelbe ald falle und verkehrt dar⸗
getban I (&. 82).
Der Verf. hebt als Geuudfehler ber jetzigen Vorſchrif⸗
ten heraus, daß, anflam den bleidenden, durch ben Boden
ſelbſt geſicherten Werth deffelben zu enmeittein, gegenwärtig
Der Ertrag nach dem Beſunde zur Beit ber Taxatien ge⸗
fhägt wird; daß dies Letztere fogar mach ſehr beliebigen,
gehaltiofen und zum Theil in Widerfpruch flchenden An:
fügen gefchiebt, nicht im Ginklange mit der Wirklichkeit
und Wahrheit; daß feichergeflait der Auefall der Taxen
meiſtentheils geradezu im umgekehrten Berhältniffe mit ber
Guͤte des eingeführten Wirthſchaftsſyſtems ſteht; und daß
das Ergebniß faſt überall zu fünf Procent capitalifirt
wird, da doch nur vier Procent Zinfen entrichtet werben.
Am meiften fpringt es bei den Korften in die Augen
(8. 33), wie zwedwidrig biefe Wefundstagen des eben
vorhandenen haubaren Holzes find, da doch nur bie Pro:
ductionskraft ded Bodens und die Ergiebigkeit des Nach⸗
muclet die Sactoren einer wahren Werthetare abgeben
können,
Nah biefen Erwägungen geht denn ber Verf. im
dritten Abfchnitte zu den Meformen über, beren die lands
ſchaftlichen Grebitinftitute bedürfen, um ihre Beflimmung
wahrhaft zu erfüllen. Diefelben gehen (S. 44 und 151)
2) den Umfang biefer Anftalten und deren Erfiredung
auf allen Grund und Boden an, ‚worüber wir uns [on
erftärt haben; ferner die innere Verwaltung und bie polis
tifche Stellung derfelden zu den Staatsbehoͤrden; b) bie
Aufftellung gediegener Abſchaͤtzungsvorſchriften, und c) die
Verwendung ber ihnen eigenthumlich zugehörigen Sonde.
Alles, was ber Verf. zur Verbefferung der Verfaſſung
der Greditanftalten, zur Vereinfachung des Gefchäfsyanges,
zur Verminderung der Koftfpieligkeit, und zur Beſchraͤn⸗
tung ber Willkuür, fo fie nach ihren Privilegien gegen
ihre Schuldner und gegen deren übrige Hypothekenglaͤu⸗
biger auszuüben die Macht erhalten haben, in Vorſchlag
bringt, muß für überaus angemeſſen erachtet werden.
Dennoch vermiffen wir auch bier noch die letzte Begruͤn⸗
dung. Es kommt darauf an, inwieweit diefe Anflalten
als bloße Privataffocistionen oder als Körperfchaftn ans
zufehen find, welde um ihres Einflufies auf das öffent:
liche Wohl willen Begünftigungen verdienen und bebürfen,
wie weit folglidy ihrer Autonomie Raum zu geben, oder
ine Gefchäftskreis unter die Oberauffiht, Controle und
Einwirkung der Staatsbehörden zu ftellen iſt. Bei der
erſten Einrichtung berfelben hielt man das ganze Unter:
nehmen für viel ſchwieriger als es gewefen iſt, und
glaubte fie um deswillen mit großen Begüunfligungen aus⸗
tüften und ihnen die ausgebehntefte Selbftändigkeit gewaͤh⸗
en zu müffen. Aber jene find eine Ungerechtigkeit gegen
die übrigen Einwohner, die darunter leiden und der legs
teen ſchutzlos preisgegeben find, wie folches ein Hemmniß
des Kortfchreitene dieſer Anflalten zu größerer Vervoll⸗
fommnung geworben if. Denn ba fie fi in ihrer Ge⸗
ſammtheit wohl befanden, wurde nicht daran gedacht, daß
biefe Wohlbefinden noch immer mit mandyen Verneinun:
gen eines Befierbefindens und mit vielen Befchwerden ein:
zelner Verbündeten oder Anderer verknüpft iſt, mit denen
Geſchaͤftsverbindungen flattfinden. Das Dauptübel if,
baß die Behörden der Anftalt den Schulbnern, beten an:
dern Hypothekenglaͤubigern und ben Sequeſtern gegenüber
vermöge der ihnen zugefiandenen Gntfcheibungsbefuguif
Partei und Elichter zugleich find, daß gegen ihre Anord-
nungen fo wenig abheifender Schutz zu finden iſt, daß im
Gallen, wo bie. Staatsbehoͤrden ſelbſt anerkennen mußten,
es gefchehe Unrecht, es doch wegen Mangels verfaffungss
mäßiger Einwirkungs uſtaͤndigkeit dabei fein Verbleiben
behalten mußte, umd daß folchergeflatt Willkuͤr, Unverftand,
Vorurtheile, Gewoͤhnung und Traͤgheit ein offenes Feld
haben, ein Wort mitzureden. Selbſt das Verhättniß bes
Einzelnen zur Geſammtheit iſt nicht Mar genug aufgefaft
worden. Denn, obſchon es einem Bedenken unterliegt,
daß in allen Gefelfchaftsangelegenheiten die Stimme jedes
Einzelnen dem Gemeinwillen und deffen Organen unter:
worfen fein muß, fo erfobert dies doch felbft eine ſolche
Drganifation, welche die Gewähr gibt, daß der Gemein⸗
wille ſicher das Gemeinbeſte zu erkennen umd zu foͤrdern
nicht blos den Beruf, ſondern auch das Vermoͤgen habe
und daß ſelbſt um des vermeinten Vortheils des Ganzen
willen die Gerechtſame der Einzelnen nicht gekraͤnkt, ſon⸗
dern beobachtet werden. Es darf in keiner Weife von
dem bloßen Butbefinden der Behörden abhängen, ob fie
ihm und auf wie hoch Credit bewilligen und ob fie ihr
in feiner MWirthichaftsführung ungehudelt laſſen wollen,
fondern ihrem desfallſigen Ermeſſen müfjen gemefjene Re
geln unterliegen, und der Einzelne, der ſich durch deren
Verletzung für beeinträchtigt hält, muß desfalis unparteii:
ſches Gehör finden innen. Er hat ein vollkommenes
Recht darauf, daß feinem Grundbefigthume der reglements⸗
mäßige Werth beigelegt und ber danach zu bemeffende
Credit gegeben werde, und bei einem -hierüber entflehenden
Streite darf Der, dem bie Ausführung des Reglements
obliegt, nicht ſelbſt daruͤber die Entſcheidung haben, ob er
demfelben gebührend nachgekommen ſei. Diefe Betrachtung,
wird tiefer und weiter greifen als ber Verf. gethan bat.
‚ Ganz reht urtheilt aber derfelbe (&. 42), daß, wenn
die Regierung eine Anſtalt durch Privilegien begünftigt,
ja ſelbſt mit Fonds ausftattet, fie auch wiederum wohlbe
fugt ſei, von ihr zu verlangen, daß dieſe Vorzüge nicht
zu Privatvortheilen verwendet, ſondern zur Foͤrderung des
Wohles der Anftalt felbft oder des Gemeinwohles gebraudt
werden, Beides im möglichflen Einklange. Die Fonde
der gefammten Creditanflalten betragen bereits Miiltionen
und häufen fi) immer mehr ohne andern Nutzen, ale
daß davon Prachtgebäude aufgeführt find, in denen einige
Beamte der Anflaiten fuͤrſtlich wohnen, und ba für bie
Beamten leichter Bewilligungen durchzubringen find. Eben:
fo wenig entſpricht die Verwendung zur Amortifation ber
Schuld der Einzelnen der obigen Beſtimmung, was ber
Verf. ſehr richtig tadelt und dagegen in Vorſchlag bringt,
Datjenige, was Über den Reſervefonds für eintretende Noth⸗
zuſtaͤnde, der nicht angegriffen werden darf, zuſammen⸗
tonımt, zur Inſtandſetzung vorgelommener Deteriorationen
und auf neue Culturanlagen anzulegen und dazu zum Bor:
theile des Ganzen in der Art zu benugen, daß dabei bie-
zweckmaͤßige Verwendung ſelbſt controlirt wird (S. 149).
(Der Beſchluß folgt.)
Bevxrantwortucher Oerausgeber: Deinzid Brodband. — Drud und Berlag vn F. A. Brodhaus in Eeipsig
Blidtter
für
literarifde Unterhaltung.
Donnerdtag,
m — — —— — — —— — — — — — — — — — — — mn ⸗— —
Bülow: Cummerow über Preußens Iandfchaftliche
ECreditvereine.
(Lelhlup aus Nr. 361.)
Der groͤßere und beimeitens der wichtigere und gründe
lichſte Theil diefes Buche, doſſen Werth eben deshalb hoch
zu veranfchlagen iſt, beſchaͤftigt fich endlich mit der Ver:
fahrungsart, um beflere Wertbsanfchläge und gediegenere
Borfchriften und Anleitungen dazu zu bakemmen. Es ifi
eine wahre Freude, abzunehmen, wie ber Verf., um feine
Aufgabe zu loͤſen, dieſelde immer weiter in ihre einzelnen
Beftandtheite zerlegt, für jeden derfelben mit klarem Be:
wußtſein darauf hinweiſt, worauf es dabei anlommt, und
daraus wieder zur Zufammenftelung altes Deſſen zuchds
kehrt, was bei. der Abſchaͤtzung berücfichtigt werden muß.
Vollkommen uͤberzeugend tft es, daß wicht eine Ab:
ſchaͤtzung mie bie andere vorgenommen werden fann,
menn fie Das in Zahlen angeben fol, was den Gegenſtand
der Wuͤrderung ausmacht (S. 54). Der Zweck der Ab⸗
ſchaͤtzung und der Inbegriff Defien, was dadurch als den
Werth des Ganzen beftimmend in Rechnung gezogen wer:
den foll, muß allemal die Art des Verfahrens und der
MWürderung ſelbſt bedingen. Es kommen ganz andere
Dinge in Botracht, ob es fi ums die Ermittetung des
gegenwärtigen Marktpreiſes einer Sache nach ihrer derma⸗
ligen Befchaffenheit und Verhaͤltniſſen, ober des fortdauern⸗
den Ertrags derfelben in Verbindung Deflen, was ihr
einverleibt worden ift, oder um das Verhaͤltniß des nas
thrlichen Bodenwerthes mit Weglaffung alles. Deffen, was
darin Einfltich verändert worden iſt oder werden kann,
handelt. Kauf, Pachtungs⸗ und Gredittaren und Steuer
catafter erfodern daher eine verfchiedene Behandlung und
verfehledene Mafgaben. Fuͤr bie. Eredittaren dürfen mur
folge aͤußere Werhaͤttniſſe, deren Veränderung aus feiner
vorhandenen Urſache abzufehen iſt, mit veranfchlagt werden,
wogegen vorübergehende oder von Perfönlichkeiten abhaͤn⸗
gige Beichaffenheiten dabei gar nicht in Vetracht zu zies
hen find. (&. 56). Der Form nad find Grundtapen ums
freitig die angemeſſenſten, das heißt folche Taxtabellen,
aus denen ber Bodenwerth in Folge der Angabe der Claſſe,
zu meicher er. feiner Guͤte und denjenigen befondeen Eigen⸗
ſchaften nach, die den Ertrag verändern, gehört, zu entneh⸗
mem iſt, indem darin für alle Slaſſen mie allen dieſen
Medifteationen Die Tarftze angegeben find, und es des⸗
28. December 1843.
um nn nn un — nn mr —
halb nicht in jebem einzelnen Schaͤtzungsfalle einer Wie⸗
derholung aller der Rechenerempel bebazf, durch welche bie
vorgefchriebenen Taxfäge herausgebracht worden find (& 79),
Aber. diefe Berechnung aller jener: einzelnen Saͤtze muß
des Anfestigung. folcher Tabellen allemal vorangehen, weis.
he das Ergebniß derfelben und nur dann richtig wwb-
brauchbar "find, wenn alle diefe Exempel nad richtigen
Anfägen au t und richtig ausgerechnet wurden, wobei
nichts Einfluß Habendes unberhdfichtigt bleiben darf. IM
dies aber geichehen, fo dienen fie dann den Taxatoren im
derſelben Axt zu einem Rechenknechte, wie die Logarithe
mentaofeln den Arithmetikern.
Ein ganz befonderes Verdienſt hat fich der Berf. das
durch erworben, daß er die einzelnen MWerhättniffe, welche
ins Auge zu faſſen find, theils ſeibſt aufgeführt, theilb
wenigfiend darauf hingersiefen bat, was deshalb zu bes
denken if. Natürlich kann das Einzefne Hier nice an⸗
gegeben werben; es finden ſich darımter aber viel Tcharfs
finnige und erhebliche Bemerkungen.
Ganz vorzügtic indeſſen verdient es angeführt zu
werden, daß ber Berf., an Thaer's Autoritäe ſich nice
bindend, den Dünger fowol als Beduͤrfniß denn ale Er⸗
zeugniß In Ausgabe und Einnahme befonder8 anſetzt und
zu deſſen Werthsbeſtimmung nach feiner eigenen und des
Gebrauchs Verſchiedenheit ſinnreiche Anleitung gibt, wobei
er die allgemeine Bemerkung nicht zuruͤckhaͤlt, daß, wenn
der Dünger richtig abgefchägt wird, man erſt zu der Übers
zeugung gelangt, tie ihm gewoͤhnlich ein zu hoher Preis
beigemeſſen wird, und wie dennoch auf der andern Seite
die Ausgabe daflır ein fehr Vedeutendes von Dem weg:
nimmt, was bisher als Meinertrag des Aderlandes veran⸗
ſchlagt worden iſt. Von jeher haben wir die Überzeugung
gehabt, daß eine Compenfation des Strohs und Miftes
ein ſehr oberflaͤchliches und willkuͤrliches Verfahren fei,
und daß eine genaue Bodenveranſchlagung ohne genaue
Werthébeſtimmung aller feiner Erzeugniſſe und aller auf
Ihn zu vermendenden Mittel und Koften, alfo and ohne
fpechetle Dimgerberechnung, gar nicht ausflhrbar fi. Uns
gefähr arbitriet der Verf. den Werth eines Centners Duͤn⸗
ger in dem Feuchtigkeitszuſtande, wie er. ans den Seaͤllen
verladen wire, auf 2 Gilbers oder Mugroſchen im
Durdfipnitte, alfo eine Ladung von 15 Centnern zut
ı Thaler (S. 94).
3 R
Mirgend ſtellt es fi, wie gefagt, fichtbarer heraus,
welch ein gewaltiger Unterfchied zwifchen einer Befunde:
und einer Grundtaxe obwaltet und zu welchen Verkehrt⸗
beiten jene behufs der Greditgebung führt, als bei den
Sorften (S. 35 und 1206). Der Nachwuchs und der Holz⸗
preis der Abfaggegend auf ber einen Seite, und auf der
andern die Beauffichtigungss, Cultur⸗ und Transportko⸗
ften liefern zwar die Grundzahlen für die Werthsberech⸗
nung, aber diefe wird noch dadurch modificket, welche Si:
herheit gegen Holzverwuͤſtung vorhanden, und ob der
Holzboden nicht noch zu einer einträglihern Benutzung
geeigenſchaftet iſt. Jenes bewegt den Verf. zu dem von
ber Vorſicht gebilligten Vorſchlage, bei der Abſchaͤtzung und
Bepfandbriefung der Forſten einen weſentlichen Unterfchied
zwifhen großen und in regelmäßigen Umtrieb gefegten,
oder kleinern unregelmäßig bewirtbichufteten Waldungen
zu machen. Doc, ift e8 darum nicht nöthig, zu den er⸗
flern nur Wälder von nice unter 6000 Morgen zu rech⸗
nen. Auch geringere Flächen laſſen fich in regelmäßigen
Umtrieb und unter zureichende Beaufſichtigung fegen.
Hierauf nur kann es ankommen.
Schließlich fuͤhren wir noch an, daß auch der Verf.
ſich durchaus gegen die geſetzliche Beſtimmung ausſpricht,
nach welcher die zu Eigenthum ihrer Beſitzer gewordenen.
Bauerguͤter nicht über ein Viertel ihres Werthes mit
Hypotheken befchwert werden bürfen, was er für einen
ebenfo ungerechtfertigten Eingriff ins Eigenthumsrecht ale
füc eine verkehrte Politik anjieht, die ihren Zwed ganz
verfehlt, indem fie ed unvermeiblicy macht, daß die Bauer:
güter aus Mangel an Realcredit bei Erbtheilungen und
überall, wo jener helfen koͤnnte, entweder ganz zu Markte
gebracht werden müfjen und ihre Beſitzer fleißig wechleln,
oder aber zerfchlagen und geſchwaͤcht werden. Gerade dies
Lestere iſt aber die Abficht jener Gefegbeftimmung gewelen,
deren DVerfaffer (der felige Scharnweber) noch den Roh⸗
ertrag ber Grundftüde für die Quelle des Nationalreich⸗
thums anſah und deshalb im $. 1 des Edicts vom 14.
Sept.. 1811 zur Beförderung der Landescultur nicht ge:
nug rühmen kann, wie die neue Gefeggebung auf die Ber:
ſchlagung ber Güter und Bereinzelung des Grundbefig:
thums hinarbeite. Wie aber hiermit die Erhaltung der
Bauergüter im erblihen Famillenbefige und, was damit
genau zufammenhängt, die Erhaltung eines begüterten,
Eräftigen, nationalen und mit dem Lande verwachſenen
Bauernflandes zu vereinigen fei, wie es mit der Vater⸗
landsliebe und der Müftigkeit diefes Kerns des Volks als:
- bald fichen werde, Das ift eine andere Frage. 59.
Histoire litteraire du Maine par Barthelemy Haurean.
Dier Bände. Paris 1843.
Wollte heutige Tags Iemand eine Geſchichte der franzöfi-
fen Departementalskiteratur ſchreiben, fo würde er glei von
vorn herein aus Mangel an Stoff fein Vorhaben aufgeben müfs
fen. Bergebens flieht man ſich in den Departements nach eis
uam Werbe von hoher WBebeutung,, nacy einem Autornamen von
ſtarkem Klang ums faft überall ift das wiſſenſchaftliche und li
terariſche Leben wie erftorben. Selbſt die Journaliſtik, deren |
. MU. ;
I u
Handhabung doch gerabe kein ausgebreitetes Mälfen unb kein
ausnehmendes Talent erfobert, hebt nicht einmal ihre Refruten
ie den Provinzialſtaͤdten aus, benen fie das tägliche Zeitungs:
brot einfäuert. Die flreitende Tagepolitik muß ſich i
Leute aus Paris verſchreiben, und wenn gegenwaͤrtig die Ge⸗
lehrten eigen Maine sinen Bef inden, fo
verdanken fie es dem zufälligen Umſtande, der einen parifer Eis
'"teraten nach ihrer Provinz verſchlagen hat.
Unftreitig eine traurige Thatſache, um fo trauriger, ba fte
mit Dem, was fonft war, in auffallendem Gontraft fleht- Der
Verf. dieſer Literaturgefchichte des Maine Liagt faft über den
Umfang feines Segenftandes und iſt einigermaßen verlegen, alle
literariſchen Kotabititäten einer einzigen Provinz in vier
Dctapbänden unterzubringen. Weshalb die jegige Dürre nad
foiher Bruchtbarkeit, der entfegtiche Mangel nad) ſolchem Übers
finß? Gewoͤynlich ſchiebt man die Schuld auf bie Eentratifation,
weiche bie Departements zu Leib- und Geifteigenen von Paris
gemacht. Die Provinzen von Frankreich find aber nicht erft
feit der Revolution in Geiſteigenſchaft gefallen, fondern waren
fhon lange vorher nicht mehr freie Herren in geiſtigen Angele⸗
genheiten. Schon im 16. Jahrhundert hatte Paris die Bor:
mundichaft über ganz Frankreich in Sachen der Belletriſtik;
fgon unter Franz I. hieit ſich diefe ſtoige Stadt für die bobe
Schule der Bildung, wenn fie auch erft unter Ludwig XIV.
allgemein und unbeftritten dafür anerkannt wurde. Won diefer
Zeit an lebten alle bedeutenden franzöfifchen Schriftſteller in Pa-
rit und fchrieben von da aus ber Provinz Geſetze und Regeln
des guten Sefhmads dor. Ein ſchoͤner Gifer für alle neuem
Srfcyeinungen und Bereicherungen im Gebiete der Künfte und
Wiffenfhaften und eine gewiffe Strenge und Reinheit tes Ge
ſchmacks bei einer gefälligen Gefchmeidigkeit und Eleganz der
Formen machten damals bie franzöfifchen Autoren zu fo anges
fehenen Mitgiiebern der beften und größten parifer Befellfchaft.
Diefe aus dem Hofe, dem gebülbeten Adel und den bebeutenbften
Schriftftelleen und Künfttern beftehenbe Gefellichaft hatte gar
kein hoͤheres Intereffe für ihre ganze Grifteng, als das Leben
durch ben Genuß und die Ausbildung der ſchoͤnen und angeneks
men Künfte möglichft zu verfchönern und zu bereichern. Aut:
gezeichnete, große Tatente galten ihnen für eine wohlthätige
Gottheit, und fie behandelten fie alfo. Wie den Göttern immer
geopfert wird, damit fle nur gnädig drein fehen, ohne auch wies
der eine reelle Gabe von ihnen auf der Stelle zu erwarten, fo
opferte Alles jenen Erbengöttern, bie das Lehen verfüßten und
erheiterten.. Gin foldher Kuͤnſtler ober Literator hatte weiter
feine äußere Sorge als bie für fein einfaches anfländiges Seid,
dad der zwang⸗ und prunktofen Geſellſchaft der Farm nach an»
gemeflen war. Alles Übrige war die Sorge Derer, bie feiner
erfreulichen Kunft und Rebe zu ihrem hoͤchſten Wohlfein nicht
entbebren konnten. Daher tonnte ein folcher Gelehrter und
‚Künftter mit allem Anftande täglich in ben größten und feinften
Geſellſchaften leben, ohne daß er nöthig hatte, an einen eigenen
anfehnlichen Hausſtand zu denken. Daraus erklärt es ſich auch,
wie d'Alembert einen Ruf der ruſſiſchen Kaiſerin Katharina mit
20,000 Rubeln Gehalt — die damals an 100,000 Franck be:
trugen — ablehnen und zu gleidher Zeit in Paris fi um eine
Elsine alabemifche Penfion von 2—30UV Livres bewerben konnte.
Sobald er fig in Paris durch feine leichten und anfländigen
akademiſchen Beichäftigungen fo viel verficherte, daß er fein ein:
fames Zimmer, feinen einfachen Ftausrod und treuen Hausdie⸗
ner bezabten konnte, fo war er der reichſte und unabhängiafle
Menſch in der Welt. Alles, was das feine und reiche &chen
Angenehmes , Grfrenliches und Wollüftiges hat, bereiteten Ans
dere für ihn, die alle ihre Güter und Schäge aur alddann gan;
genofien, wenn fie den angebeteten Wufen: und Minervenſohn
mitten unter ſich hatten. |
Jene ſchoͤne Zeit iſt für franzoͤſiſche Literatoren unb Känft:
lee nun voruͤber und kommt ihnen ſchwerlich je
es blühen Menſchengeſchlechter nicht periodiſch wie die wobitha⸗
tigen Fruchtbäume und Biumenſtauden; Haben fig einmat die
bag ae Blün errciht und es teifft fie ein piögliher
und oldeubruch, fo tft die herrliche bem gleichzeitigen
Gefdgteczte Yimweagefpätt auf immer. Haben auch Literatur und
Kuntt in mweter Zeit an ſoeialer Wichtigkeit verloren, jo find
biefeiben doch noch immer ein ſehr bebeutendes Moment im pas
riſer Leben, und Schriftſteller und Kunſtlet haben fogar an mar
terieller Unabhängigkeit gewonnen. Wer in Parts mit Talent
Gefchteklichkeit. vereinigt, für-den ann das literariſche und ars
tiftifcge Gewerb eine Duelle der Wohlhabenheit, ja feibft des
hams werden. Gorneille und Pouſſin waren arme Zeus
fel, Seribe und Dubufle find reiche Nabobs; ſonſt gingen die
gesfen Zragsdiendichter und Hiſtorienmaler beſcheiden ohne Livree⸗
begleitung-aus, jest fahren die unbebeutendften Baubeilliften und
PYortraitiften in Gabrioteten mit einem room hinter fi. Selbſt
Theaterkritiker, Überfeger, Federviehmaler und Garicaturzeich-
ner. verdienen ſich einen Praͤlatengehalt und machen reiche Par⸗
tien. Mit Ehrenbezeigungen ift man aud nicht fparfam gegen
Die Repräfentanten der Kunft und Wiſſenſchaft; jedes nur einis
germaßen ſich hervorthuende Talent wird gleich bis an den Him⸗
mel erheben und als ein glänzendes, fleabiendes Geſtirn gepries
fen, wenn es auch nur ein trügerifches Meteor fein follte. In:
telectuelle Vorzuͤge erkennen die jegigen Parifer immer noch
und willig an und huldigen den Inhabern berfelben ohne
felbſtiſche Nebenabfichten, wenn fie auch fonft im Durchſchnitt
heutzutage nicht leicht etwas thun, wobei fie feinen Rugen ba-
ben oder hoffen; umd es hat für den Künftter wie für den Ge⸗
lehrten in Paris etwas ungemein Wohlthuendes und Erheben⸗
des, Wiſſenſchaften und Kuͤnſte von allen Claſſen der gebildetern
Gefellſchaft in ihrer hohen Bedeutung anerkannt und bie Re⸗
präfentanten berfeiben als die Körberer und Träger ber wichtige
fen Gulturintereffen gewürdigt und auögezeichnet zu ſehen. Ja
man findet in Paris Männer und Prauen aus den böchfien
Ständen , wie die Fuͤrſtinnen Craon und Belgiofo, die Graͤfin⸗
nen Merlin, Agout, Dafh, die Herzöge von Euynes und Ta⸗
zentino, bie Grafen Pourtales, Espagnac, BVielcaftel, Baftard,
welche ſich auf eine ernfthafte Weife mit Kunft und Literatur
ꝓrattiſch und theoretifch befchäftigen. Das lebendige Intereſſe,
mit welchem die hoͤhern und hoͤchſten Claſſen ber Geſellſchaft
Alles, was die Kuͤnſte und Wiſſenſchaften neu belebt und berei⸗
„hert, beachten und als das Wichtigfte deö menſchlichen Treibens
Beherzigen, beftimmt auc die Form und bie Art der parifer
Seſeliigkeit. Die faft unbegrenzte Miſchung der Stände gibt
dem geiftigen Verkehr in Paris eine feltene Regfamkeit, Bedeut⸗
famteit und Mannicfaltigkeit und bewirkt, daß eine Mafle von
.Kenntniffen aller Art duch alle Giaffen verbreitet ift und ſich
feibſt beim mechaniſchen Geſchaͤftsmann häufig findet. Und wenn
«6 oft auch nur oberflädliche Notizen, nur eine Folge der Be:
tanntfchaft mit der in Paris mehr als irgendwo rüftigen Jour⸗
natiftit iſt, fo wiſſen doch die meiflen Mitglieder einer guten
Sefelfchaft, vielleicht alle, genug von ber willenfchaftlichen,
äftpetifchen oder politifhen Materie, die eben vorkommt, um
mit Antheit in bie Sache einzugehen. Hieraus entfleht ber
große Bortheit, daß jeder Neubinzulommende, der über eine
Mifſenſchaft oder Weltangelegenheit neue Erfahrungen und Ideen,
eigene Anſichten vorzutragen hat, mit Jntereſſe angehoͤrt und
dieſes nicht nach dem Rang oder Reichthum, ſondern ri nad
der Intelligenz und Sapacität des Sprechenden abgemeflen wird.
Ganz anders ifk dies Alles in ber Provinz. Dort fehlen
dem Künftter und GSchriftfteller ale Mittel und Möglichkeiten
zur Befriedigung geifiger Anſpruͤche und zur Sicherſtellung feis
ner materiellen Exiſtenz. Der Verf. bes vorliegenden Werks
bezeichnet diefen Mangel ald eine von ben Haupturſachen des
Literarifchen und intellectuellen Verfalls, zu welchem bie franz
fifchen Provinzen in neuefter Zeit herabgeſunken. „Die vielen
Ktofterfeguien in ganz Frankreich“, beißt es in der Vorrede,
„gewährten ehebem dem angehenden Schriftſteller nicht blos bes
‚queme Zuflucht gegen die Stürme der Welt, fondern auch fichern
Schut gegen die Schläge der Roth. Als Kioſterſchaͤler trug er
‚ein Kleid, vor welchem ſich die Laien achtungsvoll verbeugten;
batte er auch kein väterliches Wermögen, fo war er boch alle
NRahrungsforgen überhoben; wohin ihn aud fein Fe Mile
trieb ober der Befehl feiner Obern verfegte, überall war er ges
wiß, ein ehrenvolles Afyı zu finden; und keinen häuslichen Ver⸗
legenheiten ausgefegt konnte er bis zur legten Stunde un
geiftigen Arbeiten obllegen.“ Rach biefer gerechten Herdorhe⸗
bung ber in literarifher und wiflenfhaftlicher Beziehung mit
den alten Kıofterfchuten verbundenen Vorzuͤge zieht der Verf.
daraus cinen Schuß, der im Munde eines franzöfifchen Demos
traten von feltener Allgemeinheit bes biftorifchen Standpunkts
und von großer Unbefangenheit des kritiſchen Urtheils zeugt.
„Die Kıöfter”, fagt er, „haben eigentlich das plebejifche Genie
emancipirt. So dankbar wir aud das Befreiungswerk der Als
les antaftenden Philofoppie anerkennen, fo können wir ihr doch nur
einen billigen Antheil an der modernen Gultur zugefleben und
wagen zu behaupten, daß bie geiftlihen Drden zu dem großen
Umſchwung der Ideen, Sitten und Einrichtungen viel mehr bei⸗
getragen haben ats alle philofophifhen Schulen.” Die Mönche:
orden leifteten in der That dem Volke einen wichtigen Dienſt,
indem fie einen großen Theil ihrer Mitglieder aus allen Claſſen
der Gefellfhaft nahmen, allen ftrebenden Geiftern eine Bahn
anmwiefen, allen unbemittelten Schülern von Intelligenz huͤlfreich
entgegenfamen und fo die kehren der gleichen Berechtigung Aller
praktiſch ins eben führten, zu einer Zeit, wo fonft überall nur
Kaftengeift und Standesvorurtheite herrſchten. Bon biefem Ge⸗
fihtspuntte aus Laffen ſich die Moͤnchsorden vertheibigen, welche
in dem Ölauben, für fi) zu handeln, doch nur im Auftrage der
allgemeinen Bildung mirften. So viel iſt ausgemacht, baß die
chemals fo zahlreichen gelehrten Bruͤderſchaften in Frank⸗
reich dadurch, daß ſie von allen Seiten und aus allen Staͤnden
gutwillige Leute an ſich zogen und ſie in jeder Art durch den
mannichfaltigſten Köder zu ernſten und literariſchen Studien an⸗
ſpornten, auf die geiſtige Richtung der Provinz einen uͤberaus
heilſamen Einfluß aͤußerten. Auch herrſchte —* an vielen
Punkten von Frankreich ein recht fröhliches Griſtesleben. Heut⸗
zutage iſt überall Todtenſtille im Bereich der Kuͤnſte und Wiſ⸗
ſenſchaften außerhalb Paris; die Provinz zaͤhlt auf dieſem Felde
nicht mehr mit, da fie es nicht mehr anbaut und keine Geiſtes⸗
probucte mehr zu Markte bringt, ſondern ben geringen Bedarf
an geiffiger Nahrung aus den Buchfabrifen von Parts bezicht.
Eine andere weſentliche Urſache des literariſchen Verfalls
in der Provinz iſt, nach dem Verf., das geringe Anſehen,
welches die Repräfentanten der Kunft und Wiſſenſchaft dort ger
nießen. Wo Gitelkeit, Gigenliebe, Ehrgeiz und Gianzſucht feine
Nahrung finden, geben Künftter und Literaten nicht gern bin.
In den franzöfifhen Provinzen trifft der Kuͤnſtler oder Getehrte
weder Gönner noch Verehrer. Man huldigt und ſchmeichelt blos
dem Gelbe als der einzigen reellen Macht, vor ber Geburts⸗
und Geiftesadel fi in den Staub beugen müflen. Das beſte⸗
bende feanzöfifche Wahıfpften, weiches die politiſche Befähigung
aus ſchließlich im @eibe ſucht, hat nicht wenig dazu beigetragen,
den Finanzen diefes bominirende Übergewicht zu geben, indem
ed eine ſchmaͤhliche Herabſetzung jedes andern Verdienſtes, eine
abergläubifche Verehrung des Reichthums in fi fchließt. Das
Stimmredt ift ein Vorrecht; die Stimmgeber bilden eine regies
rende Kafte, und da 6106 Elingende Münze zu diefem Vorrecht
und zum Eintritt in die herrſchende, tonangebende Glaffe vers .
bilft, fo wird die volle Geldkaze auch im Verhaͤltniß zu ben
daran huftenden Genuͤſſen und Bevorrechtungen geichägt. Dee
ehemalige Geburtsadel hat einem Geldadel Platz gemacht, der
discontirt und in Umlauf gefegt wird; ein Patentichein von fo -
und fo viel hundert Francs ift ein Adelsbrief. eine Steuerquit⸗
tung über eine gewifle Maſſe directer Steuern macht ducfaͤhig.
In den Augen von Leuten, bie ſich mit foldyen roh materiellen
Vorzügen brüften, ift natuͤrlich geiftiger Befls ſchlecht anges
fgrieben. Wer viel weiß, eignet fi) weder zum Deputicten
noch zum Gommittenten; wer viel hat, paßt zu beiden, und
bie dickkoͤpfigen Wöotier, denen die abflracten Rechte und Ans
ſpruͤche der Intelligenz nicht recht eingehen wollen, bewundern
}
}
b
Fümls dee materistlen Intereffen aicht ſowol in Paris at& in
den Departements feinen Sit bat. u
drädt alle eblern Hegungen, erftiät jedes uneigennügige Gefühl
und dußert feinen verberbtidhen Einfluß auf Inftitutionen und
Jabividuen. Dos ift leider nur zu wahr. Kein Wunder alfo,
wenn bie Repräfentanten ber Intellectualmwelt aus einem Lande
fliehen, wo ber eingebürgerte mercantitifhe Geift die Fruͤchte
vom Baum der Wiſſenſchaft wie bittere Mandeln nady Pfunden
a rzeugniffe der Literatur gleich Kattunftüden nad)
der mißt, ihren Werth wie Zuder und Kaffeebopnen nach
dem Preiscourant der Waarenboͤrſe ſchaͤtt und Gelehrte und
Kanſtier mit Dügen: und Strumpffabrilantın in eine Wage
f&ate wirft. Wird nun irgendwo in den Provinzen von Grant:
seid ein Dichter, ein Künftter, ein philoſophiſcher Kopf oder
fonft ein entfciebener Feind des materialiſtiſchen Utilitarismus
geboren, fo haben biefe nichts Eiligeres zu tun als nad Par
zi8 zu ziehen. In unfern Tagen find fo Imbert Gallois, Elifa
Mercoeur, Hegeſippe Moreau, Ponfard dahin ausgewandert.
Der $rifeur Jasmin und der Backermeiſter Reboul würden ge:
wiß aud nice in Agen und Nismes bleiben, wenn fie nit
neben ihrem poetiſchen @ewerbe noch ein bürgerliched Handwerk
teieben, das fie mit rau und Kindern reblid ernährt. Begeg⸗
net e& den auögeflogenen Gingvögeln, melde bie Kiſchale des
ProvinzialsPpiliftertfums entzwei gepickt und fi kühn in ben
vollen Euftfirom ber parifer Eebensatmofphäre geworfen haben,
daß fie ſich die Piügel brechen und jämmerlich in einem Dach⸗
taflg enden, fo erregt das nur Achfelzuden;z die reichen Krämer
und Schneider des Orts werfen fich in die Bruft und fagen, fie
hätten es immer prophezeiht. @lüct es aber den Flüchtlingen,
mit ihrer Weber beinahe fo viel zu verdienen als ein großer
Ausfdmittwaarenhändler, fo findet das Anerfennungs bie Ma-
tanore der Stadtduͤrgerſchaft empfinden alsdann fogar einen ges
wiſſen Refpect vor dem ausgewanberten Stadtkinde und reden
von ihm mit berfelben Suffilance, wie von einem Kleinkraͤmers⸗
fohn, der arın feinen Geburtsort verlaffen und fi in Paris
an bie Gpige eines reihen Bandiungebaufes emporgearbeitet.
Sehrt ber berühmt gewordene Autor aus ber Hauptſtadt zum.
Befuch in fein Kraͤhwinkel zuräd, fo wird er von den Ortsbe⸗
böcden feftlich empfangen und bewirthet, mit Trinkſpruͤchen ge:
feiert und der „Stolz ber Stadt‘ genannt. Die Leute find
flolz darauf, daß ein milderes Klima ein Talent gereift, wels
qhes in ber diden Stickluft ihrer Umgebungen unfehlbar nicht
zur MBlüte gediehen wäre. Im 17. Sahrhundert fehrich Racine
als ganz junger Wenfdy von Uges: „Ich bin Hier in ein Land
verbannt, welches ungefelliger ald ber Pontus (Surinus, und
we gefunber Menfchenverftand gar wenig und Treue gar nicht
zu Hauſe if. Gine Wiertelftunde Unterhaltung reiht hin, um
einen Menfcen zu verabfcheuen, fo hartherzig und eigennügig
find Hier zu Lande die Bewohner; e& find Lauter Landoögte.”
Deute fängt des Pontus Gurinus vor den Thoren von Paris
bi
an und
Wir haben und abfichtti
Da herrſcht er und unter: |:
% oben au wichtigen Yaupts und Gtaatsactienen. Epell
unb gufbie allgemsine
je flarrköpfiger Keger, anbererfeits gegen bie fres
iger Gbeileue auszufediten hatte,
ie damaligen Wilddfe führten eim fehe
rem Sprengel, waren fie in biefer boppelten Gigenfcaft auch
beftändig doppelter Befabz ausgeſetzt. Hildebert's Leben Lin
einen ſchlagenden Beleg, weich ſchweren Misgefchiten und
ben Prüfungen das Biſcholsamt feins. Verweler unterwarf. Bon
dem König von England gefangen genommen, findet Siibebert
bei der Rügkehr aus der Grfangenfhaft feime. Kirdie nieberges
brannt und außgeplündert; kaum wieder eingefegt, wirb er heim-
tuͤctiſcherweiſe auf Befehl des Grafen von Martagne feſtgenom⸗
men und vier Jahre lang von feiner Stelle und feinen
Eindern entfernt gehalten; und glei wie ex den erzbifchöflichen
Stuhl von Tours befkeigt, muß ex die Rechte bee Kirche gegem
eudwig den Dicken verwahren, Wei allen diefen äußern Sorgen
und Plackereien veröffentlicht er nabenhez Lheniogifdge Sereit ⸗
ſchriften, in denen wichtige philoſophiſche Probleme abgehandelt
werben. Pr. Hauriau zergliedert äußert fharffinnig die Schrif
ten Hilbebert'd, an denen er eine ausge te logiſche Shacſe
und dialektiſche Präcifion rühmt; er will Descortes ſche Gddffe
Malebranche ſche Anſichten, Kaut'ſche Säge und Hegel’fde. Ars
gumente darin gefunden haben; allein .fo fergfam und finnzeich
auch die beweifenden Parallelſtellen zu dieſem Behuf angezogen
und beigebracht find, möchten wir doc) vermuthen, daß der ir
terarhiſtoriker des 10. Jahrhunderts dem Theologen und Merals
phiofoppen des IL. Wieled dom feiner eigmen Gelchrfamkeit und
Belefenpeit abgegeben hat.
(Des Beſchlus folgt.)
!
ss
f
giterarifhe Anzeige.
Most (Dr. G. F.),
Encyklopädie der gesammten Volks-
medicin, oder Lexikon der verzüglich-
sten und wirksamsten Haus- und
Volksarzneimittel aller . Länder. Nach
den besten Quellen und nach dreissigjährigen, im In-
und Auslande selbst gemachten zahlreichen Beobachtun-
gen und Erfahrungen aus dem Volksleben gesammelt,
Erstes bis drittes Heft: Aalsuppe —laft.
Gr. 8. Jedes Heft 15 Ngr.
Der Name des Herausgebers, der dem Pablicam durch
seine übrigen Schriften hinlänglich bekannt_ist, bürgt für
den Werth dieses populairen und gemeinnützigen Werke
Es wird aus fünf Heften bestehen und die übrigen Hefte
werden in kurzen Zwischenräumen folgen.
Leipzig, im Devember 184%
F. A, Brockhaus,
Berontwortliger Geranbgebers Heinzig Broddaus. — Drud und Berlag von F. X. Broddans in Leipzig
Bläfter
für
literariſche Unterhaltung.
Freitag,
Die dramatiſche Literatur der Deutſchen im
Jahr 1842.
Zweiter und letzter Artilel.”)
Leffing ſagt irgendwo: „Wer Über gewiſſe Dinge den
Verſtand nicht verliert, der hat keinen zu verlieren.“ Er
wuͤrde dies Wort wiederholen, wenn er jetzt wiederkaͤme
und das Bischen Literaturmacherei und Dramengeſchreib⸗
ſel ſaͤhe; er wuͤrde es wiederholen und — vermuthlich
den Verſtand verlieren! Gott Lob, daß der einzige große
Kritiker, den Deutſchland hervorgebracht hat, bei geſun⸗
dem Verſtande geſtorben iſt, die gegenwaͤrtige Menſchheit,
mag ſie nun kritiſiren, produciten oder blos raiſonniren,
iſt ſo indifferent geworden in Sachen der Kunſt und
Poeſie, daß ſie auch uͤber die abſcheulichſten Misgebutten
hoͤchſtens ein klein wenig laͤchelt. Und doch iſt es, um
den Verſtand zu verlieren! Es dauert mich unſer Volk,
wenn ich den Wuſt uͤberblicke, der da vor mir liegt und
fih deamatifhe Literatur nennt. Ich möchte verzweifeln,
wenn ich bedenke, daß diefe Kindereien und Sinnloſigkeiten
die Fruͤchte der Beſtrebungen find, für welche Schiller
und Goethe farben. Ic möchte grob werden und,
koͤnnte ich's, die ganze Gefelfhaft zum Tempel der Lite:
eatur binausjagen, denn fie gehört wahrlid nicht im diefe
geweihten Räume! Nur Eins tröftee mich einigermaßen,
dag nämlich gerade die beffern dramatifchen Producte nicht
fo leicht im Drud erfcheinen. Vielleicht ift auch bie
heiße Luft des Sommers 4842 ben dramatifchen
Dichtern befonders ungünflig gerwefen und bat dieſe tos
tale Misernte herbeigeführt. Sie iſt einmal da und
muß, übel genug, ausgedrofchen werden. Als ein gewif:
ſenhafter Wirth will ih das Meine thun und bie weni:
gen Körner, die ſich unter diefem zermürbelten Stroh
verloren haben, herausſuchen. Ein ſolches Watzenkorn
ohne brandigen Geruch ift:
12. Düvede. Dramatiſches Gedicht in fünf Aufzügen von
Briebrid von Riedhoff. Berlin, Gittenfeld. 1842.
Gr
Dies Drama iſt aufgeführt worden, irre ich nicht, in Riga,
und hat allgemein gefallen, weshalb ſich der Verf. bewogen fand,
es dem Drude zu übergeben. Die Geſchichte Duͤvecke's iſt dras
matifh wie wenige, und daher auch ſchon oft behandelt wor:
*, Den erfien Artikel theitten wir in Re. 192-— 185 d. Bi. mit
D. Neb.
29. December 1843.
den.
Die Palme aber bat zur Zeit noch Fein Bearbeiter bes
ſchoͤnen Stoffs errungen. Am berufenften dazu wäre wol Marge
araff, wenn er ſich entfchließen koͤnnte, fein „Taͤubchen von Am⸗
flerdam‘’, das fo viel Treffiiches enthält, nochmals ganz umzus
arbeiten und es buͤhnengerecht zu machen, ohne ihm den poetis
fhen Duft abzuftreifen. Ein tüchtiger Wille, eine recht fefte Aus⸗
bauer würben dieſe Arbeit gewiß gelingen laffen, und baß fie
ihm Fruͤchte brachte, das möchte ich ihm verfpredden. Here
Friedrich von Rieckhoff iſt ein Eluger Mann, der da meint,
was dem Ginen gutthut, kann dem Andern nichts ſchaden.
Diefer praktifhen Hegel huldigend bat er es nicht ver⸗
ſchmaͤht, dem Marggraff'ſchen Stuͤcke bie beften Gedanken
zu entlehnen und bei ſeiner Bearbeitung des naͤmlichen
Stoffe zu benugen. Solche Benutzung kann man nicht
ſchlechthin verdammen, noch weniger fie literariſche Saunerek
nennen, das woͤrtliche Abſchreiben ganzer Stellen aber iſt als
offenbares Plagiat zu bezeichnen, und da Herr Rieckhoff ſich
auch damit befaßt, wo es ihm dienlich ſcheint, ſo glaube ich
ihm nicht Unrecht zu thun, wenn ich meine, ſeine Gewiſſenhaf⸗
tigkeit ſei nicht recht flichhaltig. Ich koͤnnte eine Menge ſolcher
Stellen anführen, bie oft mwörtlidy, zuweilen mit unbebeutender
Wortumftellung genau fo in Marggraff’s „Taͤubchen von Am⸗
fterdam’’ zu lefen find, ich will aber die Lefer d Bi. nicht das
mit langweilen, da ohnebin fdyon ein anderes Blatt, „Der Kos
met’‘, dieſe Manier, Andere zu pländern, ſcharf gerügt und
mehre der betreffenden Stellen ausgezogen bat. Dies beifeite
gefegt hat Rieckhoff's Drama mandyen Vorzug vor dem Dar
graff'ſchen. Der Stoff ift befler zufammengefaßt, bie Verſchwoͤ⸗
rung der Edelleute, welche die Handlung fehr auseinanderzieht,
gang wrogelaffen, audy die nachmalige Gemahlin Chriſtiern's
nit mit in das Drama verwebt. Auf diefe Weile kommt
mebr Einheit in bie Handlung, die Charaktere können fidy beffee
entwideln und dem Dichter ift Spielraum gegeben zu geſchickter
Motivirung der Kataftrophe. Das Zufammentreffen Epriftiern's
mit Düpvede, die aus ihm raſch emporlobernde Liebe, feine Eis
ferfucht gegen Zorben u. f. w. ift mit ziemlichem Feſthalten an
das hiſtoriſch Beglaubigte geſchildert und recht wirtfam bramas
tifirt. Nur den Schluß hat Rieckhoff umgeftaltet, und zwar
meine® Grachtens mit gutem Grunde. Das Austunftsmittel,
weiches er ergreift, ſcheint mir volllommen tragifh. Gr läßt
Düvede durch vergiftete Beeren fterben, wie die Geſchichte es
berichtet. Diefe Beeren kommen aber nicht wirklich von Tor⸗
ben, fondern Sigbrit, welche glaubt, ein anderes Mädchen feſſele
Ehriſtiern und entfrembde diefen ihrer Tochter, fenbet fie durch
ihre Zofe unter Zorben’s Namen an Anna, Duͤvecke's ſcheinbare
Nebenbuhlerin. Durch Zufall kommt die Zofe mit den Beeren
zu Duͤvecke, als eben Ehriftiern bei ihr iſt und fich mit ihr vers
fländigt bat über Torben's Neigung. Gr bebätt die Beeren da,
gibt fie Düvede und es erfolgt, was wir wiſſen. Xorben eve
fticht ſich an Duͤvecke's Leiche und Gbriftiern wird der furcht⸗
bare Wuͤthrich, wie ibn die Geſchichte kennt. Die Charaktere
zeichnung der vorzägtichften Perſonen ift Rieckhoff recht gut ges
x
tungen, vor Allen Ghriſtiern, deſſen Leibenfchafttiche Liche ges
poart mit feinem Hange zur Grauſamkeit er gluͤcklich erfaßt
und wiedergegeben bat. Das Gleiche gilt von Sigbrit und Duͤ⸗
vecke. Eigenthuͤmlich, obwol nicht neu, iſt Niels gehalten. Aus
ihm dat Kieckhoff einen Narren gemacht nad) Shakſpeare'ſchem
Zuſchnitt des Lear ſchen. Er folgt Chriſtiern wie fein Schatten
und Bringt mit feinen gut gedachten Spruͤchen dem Leſer immer
die Moral Hei. Im Munde eines tuͤchtigen Schaufpielers md:
en diefe meift recht gelungenen Sentenzen von vieler Wirkung
ein. Was nun endlidy die Sprache anlangt, fo ift fie großen
theild Eräftia, ſchwunghaft, ohne Pomp und unnüge Phrafen.
Die Verſe find dramatifh, d. h. fie wollen gefprochen, nicht
bergeleiert fein, was freilich unferm gefhmadtofen Publicum
ebenfo wenig behagt als es hen Schaufpielern bequem if.
Nur zumeilen, wo der Dichter ben Reim anmenbet, fällt er
Mm Sch» und Todfeinde aller dramatifchen Poeſie, der Ly⸗
sit, in die Hände. So 5. B., wenn Düvede nach dem Bors
ganıe Maria Stuart’s jauchzt:
Seid mir gegräßt, ihr wilden Taruögänge,
Da Hille Laube, ſchattenreich verzweigt!
Dort bei den Menſchen wird das Der, mir enge,
Mur bier, da athm' ich wieder frei und leicht.
Dier, unterm Fluͤſterlaube grüner Bäume
&is’ finnend, Blumen werfend, ih am Badı
Und rufe Aill der Jugend goldne Traͤume,
Dee erſten Siebe Gluͤck mir wieder mad! .
O Maienzelt berzinniger Gefühle!
Warum fo fhön und doch fo fluͤchtig nur?
AH! Jetzt im Pruak und Glanz, im Weltgemwähle
Such' ich vergebens beine Wonneſpur!
Dia und wieder wird er gar trivial. So, wenn Ghriftiern bei
Divee'd Tode in hoͤchſter Grtafe ausruft:
Adgät’ger Gott, du kaunſt, du darfſt nit ſterben!
Bei meiner Seligkeit, du darf nit, nein!
Au wicht die Engel follen um dich werben,
Gott felb nicht, nein, mein bleibſt du, ewig mein!
13. Dramatifche Werke von Siegfried Schmid. Zweiter
Ey} Leipzig, J. Fleiſcher. 188. Gr. 12. 1 Thyix.
r
in möflen wir ſchon verfchiebene Staffeln herunterſteigen,
um uns einigermaßen zu orientiren. Giegfried Schmid gehört
zu denjenigen Menſchen, beren Zahl in Deutfchland ungemein
gzroß if, welche dafürhalten, die deutfche Literatur könne durch:
aus nicht fortbeftehen, wenn fie nicht ihre eigenen Producte dem
Borbandenen noch beifügen. Gchmid mag fehr viel geichrieben
haben, was ich aus der Kirma „Dramatifche Werke’ fchließe,
wenn er aber auch noch hundert Jahre forsichriebe, er würde
dech auf dem singeichlagenen Wege nie den Ramen eines Dich
tera ſich erringen! Das iſt fehr traurig, gelaat muß es aber
werden, wenn endlich einmal das nutzloſe Büchermachen ein
Ende nehmen fol. Ich möchte wetten, daß Schmid’ Werte
außer feinen Freunden, wenn er deren hat, Niemand Fauft.
Bom Lefen kann ebenfo wenig die Rebe fein. Man lief von
Dramen nur bie bereits mit Gtüd aufgeführten oder folche, bie
einen ſehr befannten Autornamen an ber Stirn tragen. Beides
ift hier nicht der Fall. Dazu kommt noch, daß Schmid uners
quictliche Stoffe wählt. In diefem Bande wird z. B. wieder einmal
eine Hermanneſchlacht geſchlagen. Das Zrauerfpiel heißt zwar
der Abwechſelung wegen „Varus“, die Suche ift aber doch ims
mer diefelbe. Auffuͤhrbar ift dies entfeglih lange Stud gar
nicht, ſchon der Scenerie wegen. Es feblte nur noch, daB ganze
Legionen gegeneinander flritten und ſich auf ber Bühne ganz
uud gar aufrieben. Den eigentlichen Kern bes Gtüds bilbet
4 Berrath, an den Varus trot aller „Beiden nicht
glaubt. In der Anorbaung mancher Scenen Tann man Spus
ren sinigen Talents entdecken, wäre nur nicht Alles fo ſchwer⸗
fa, 8 ganp unpraktiſch! Wunderlich bandhabt unfer Autor
dig Sprache: Miss erlaubt er ſich die ſeltſamſten und zweckloſe⸗
flen Gagverrentungen,, ja ex ſcheint fie für befonbers angemehm
zu halten. Hier einige Proben:
— SGewiß nid.
Du fragteſt m’ vorhin; und ihn erkenat' iS
An Wert, Geſtalt und Kıieibung alſobald.
—' Bart no
Erblichteſt du ihn (hf. Gr ging inB Zeh.
Ich wit ihm welben —
Hermann.
Nicht. Hier ihn erwart IM,
Varus.
Wie, Hermann, ſind bie Katten, die Gberuöter,
Die Brufterer von deinen Kriegern Yreunbe,
Sind Feinde fie? Du felbft, bift du noch Btomss,
Noch Freund von Barus bift bu?
An deiner Seite muß fie'd Varus fagen,
Was du, was er, ihr glauben folt,
Berus.
— Dort wäre Vala? Schrecklich! Idm
Ich Hält’ es ſelbſt Hefobien!
Berkünd' und ideen Aufenthalt, fo bir
Befehlꝰ ic.
Gine berartige Rebeweife iſt wenigftens nit Deutfch, und
wenn fie fo wie bei dem Verf. zur Manier geworben iſt, wird
fie geradezu unerträgiih. Das zweite Stüc dieſes Bandes if
ein Luſtſpiel in vier Aufstigen: „Das entbedte Gomplot.*
Wenn ich dieſen Luftipielverfuch verungtädt nenne, bin ich ned
überbiemoßen nachſichtig. Es fehlt Wis, Ge, Humor,
fpannende Handlung, feine Intrigue, kurz Allee, was ein Luſt⸗
fpiel zu Dem macht, was es fein fol. Das Complot beftett
darin, daß ein junges Mädchen ald Spion verkleidet ihrem Ge
lebten fotgt, der ein verftoßener Sohn bes Miniſters if. Dies
und was damit noch zufammenbängt, geſchiebt, um Bater unb
Sohn gu verföhnen und eine Heirath Gerbeizuführen. Da es
ein Luſtſpiel vorſtellt, verſteht es ſich von felbft, daß mit erlang⸗
ter Sopulation der Vorhang fällt.
Ya. Sänieriehen. gie — — mit Serien. In
nf Aufzügen. Bon Friedr yncker. ipzi
1843. Gr. 16. 1 Thlr. 10 Nor. ven Go
Ein Drama mit Genien! Was fol man fi dabei denken!
Schauſpiele mit Choͤren waren ehedem beliebt, weit fie an bie
antike Tragoͤdie erinnerten; mit Genien aber hat biäher no
Niemand ein Drama gefchrieben. Diele neue Erfindung gebört
Hrn, Eynder ganz allein, und wenn er irgend Urſache hat, ſich
etwas auf feine Productionen einzubilben, fo dürften es dieſe
„Genien“ fein. ragt man nun: was find benn @enten? fo
lautet die Antwort darauf: Genien find Chöre oder dhorartige
Phrafen, welche von herabſchwebenden Benien zu befferm Ber⸗
ſtaͤndniß eines an fich unverſtaͤndlichen Stuͤcks abgefngen wer:
den. Ich werde fogleich Gelegenheit nehmen, die Poeſie diefer
genialen Geniengefänge etwas genauer zu beleuchten. Zuvor
will ich ein paar Worte Über das Drama frtvft fagen. Ber
Verf. nennt es„Kuͤnſtlerleben“. Daß Künftier in der Regel
nit wie „Sevatter Schneider und Handſchuhmacher““ leben, iſt
moͤnniglich befannt, daß fie aber geradezu Narren fein müͤſſen,
tann ich nicht einfehen. Eduard, ein Componiſt, ber in uns
ferm Drama das Künftiergenus vertritt, ift aber ein fo gründe
cher Rare mit feiner ganz baltlofen Phantafterei, daß er uns
nirgend rührt, wol aber immer zum Lachen reist. Gr ik an
eine erzprofaifche Frau verbeirathet, der des Geldes Siiberfiang
natürlich tieber ift als der der Saiten. Sie veradhtet alfo ih⸗
zen fchwärmerifhen Dann, der feinerfeit® wieder eine andere
poetiſch geftimmte Frau liebt. Trotz mancherlei Intriguen , bie
angezettelt werden, um bie Verbeiratheten auseinanderzureißen,
bleibt doch Alles ganz ehrbar und loͤſt fich endlich mit Hülfe der
Genien in Wohlgefallen auf. Des lebhaftern Colorits wegen
{
!
tommt noch wiederholt: ker ee | daraus
—— ve er und & Ofimerb vor. was
Alles die mitdthätigen Genien durch ſchoͤne Geſaͤnge wierer ins
Gieiche bringen, Man fiebt, wir haben da ein ganz mobderu«s
Mufterbrama vor uns, das naͤchſtens der nationalen Bühne auf
die Beine helfen wird.
Soll ich .nun von ber Poeſie ſprechen, die in biefem
Stuͤcke enthalten ift, fo kann ich das nicht beffer als durch
einige Auszüge bewirken. Überhaupt fcheinen mir Auszüge
bei Dramen bie allerbefte und unträglichfte Kritik zu fein.
Ich hatte mich größtentheild an die „Genien“, weil in
ihnen der Berf. außerordentlich verſchwenderiſch mit feinen poes
tifhen Gaben umgegangen tft. Zuvoͤrderſt bei ihrem erften Er⸗
feinen fpredgen die Senien von fich felbft und ihrem Wollen.
Da heißt es denn:
&o find wir nun alle vereint,
Wo Sonnenlicht herniederſcheint.
Bir richten nicht den Weg nach oben,
Auch find wir nit herabgeſchwoben E),
Die Erde nur iſt unſer Thor,
Aus ihr geht unſer Weg hervor;
Es iſt im Mittelpunkt,
Wo reined Licht und prunkt.
In einer fpätern Scene, ber’einige graufige Kuftritte vor⸗
angehen, fingen bie Genien :
She Brüder,
Gin Leben
SR wieder
Gegeben
Zu richten.
So laßt und
Nach Pflichten
Die Reinheit
Doc Fichten !
D laßt und
Nach Sichten (?)
Den Meineid
Bernichten!
” Dreieinheit
Allein
Befrelet
Bum Gein,
Dem wir
Geweihet;
In ihr
30 Licht nur,
Sie bier
IR Riätihaur
Bum Spruch
Erloͤfung!
Zum Dluch
Verweſung!
Zuweilen werben bie Genien neben reizender Unverſtaͤndlich⸗
feit auch noch aͤußerſt tieffinnig. So ſagt 3. B. eine Genie:
Der Menſch ſoll fich das Außere innern;
Dech ſich zu aͤußern if die Art des Innern.
Wo die Geiſter in Toͤnen und Worten ſprechen, die wir
ordinairen Sterblichen nicht ganz faſſen und begreifen koͤnnen,
da iſt es gerade kein Wunder, daß ein an ſich uͤberſpannter Com⸗
poniſt, der von den Genien gleichſam beſeſſen wird, die ge⸗
woͤhnliche Art ſich auszudruͤcken nach und nach ſo ziemlich ver⸗
liert. Eduard, unfer Repraͤſentant des Kuͤnſtlerlebens, bet dies
fatale Ungluͤck. Er ruft einmal aus:
D töne Klaggeſang
Mit dumpfen Klang
An Desdur's Grabesſchrecken!
Dein Graufen hohl und bang
Sol aus ber Tobtengruft fi reden
Und allen Pomp des Schauberd weden! —
‚auf einen andern Gegner einhaut.
Da — daß mat. in m
Das dab’ Kb fen geisiumt —
sh da mın’d bob mmfiums
Bon Kranzen voller Zier —
Ib kann's ſchon faffen:
Und baid darauf, nachdem er ſich aucgetobt Hat in mark
durchſchuͤtternden Phrafen, und er den Frieden in ſich wirdes
cinkehren fühlt, druͤkt er dieſe Umwanbtung feines Weſens in
folgender eigenthuͤmlicher Weiſe aus :
Nun fort mit Mir, du dumpfes Detdur
3 höre ferner nur des Sieges Dedur!
Die Dämpfer von ven Violinen!
Ste follten nur dem Trauerchore dienen,
Triumph! Triumph! Teiumphgeſang!
IH ſere dich in dieſes Endes Rang! (7)
Ihr Liebesfloten ſchweigt mit eurem Sehnen,
Trompeten ſollen jest und Pauken tönen!
Ihe hellen Pieifen ſchwingt die Melodie,
Daß fie in ſchnellern Kreiſen durch die Laͤfte Mich’!
Und daß ihr Geigen nicht verſchnauft,
Das ihr die Bleiben ſchnell durchlauft!
So recht? Jetzt aber ſchneller fort !
Preſto IR jest das Loſungowort!
da — Geſchloſſen nun im langen Halt —
D Allgemwatt !
Dos Ende iſt zum Anfang durchgedrungen,
Das war bie Harmonie, die mir zuerit erfiungen !
Mit Vergnügen wende id) mich ab von biefem hyperpoeti⸗
fen Unfinn, um mo möglid noch tollerm ein paar Minuten
meine Aufmerkfamteit zu ſchenken.
{Die Bortfegung folgt.)
Histoire litteraire du Maine par Barthelemy Haurdau,
Vier Bände.
(Beſchluß aus Nr. 382.)
Ein in der Eiteraturs und Gulturgefchichte ıninder bekann⸗
tee, aber zu feiner Zeit in Frankreich fehr berühmter Dann,
Nicolas Corffeteau, nimmt in ber Literargefchichte des Maine
cine wichtige Stelle ein. Gr Ichte zu Anfang bes IT. Jahr⸗
bunberte, wo die kuͤhnen Predigten der Schüler Calvin's die
Autorität der roͤmiſchen Kirche angriffen und die tiefe Geiſteser⸗
fhütterung im franzöfiihen Voiksleben vorbereiteten, die ame
Ende des 18. Jahrhunderts als politifche und fcciale Revolution
hervortreten follte. Sotffeteau, Hofprediger Heinrich's IV. und
Prior des Jakobinerkloſters zu Paris, war aus Überzeugung
Katholik und als folher in dem großen Kampfe zwifchen der
alten Kirche und dem Proteflantiömus in Frankreich natürlich
auf Seiten der Papftfreunde. Er gerieth namentlih mit dem
berühmten franzoͤſiſch⸗ proteftantifchen Doctor Pierre Dumoulin
in eine hitzige Fehde, bie, nach der Verſicherung der Katholiken,
zu feinem Ruhme, nad) der Behauptung ber Proteftanten aber
zu feiner Beſchaͤmung ausfiel. Nachdem Goiffeteau ſich mit eis
nem fo flarten Gegner gemeflen, durfte er e& wol wagen, ge⸗
gen bie beteroboren Glaubenemeinungen eines gefrönten Theolo⸗
gen in die Schranken zu treten. Jakob T. aon England hatte
fosben feinen Aufruf an alle Fürften ter Chriſtenheit erlaffen,
wor n bie geiſtliche Oberhoheit des Papftes geradezu angetaftet
war. Der Salobinerprior griff zur Feder und vertheibigte bie
Eirchliche Autorität in einem Send» und Antwortsfchreiben an.
den König von England, ber nicht für gut befand, barauf zu
erwibern; aber fein Freund und Vertrauter, Pierre Dumoulin,
ließ diefe Gelegenheit nicht vorbei, ohne mit Gotffetenu wiedes
anzubinden, ber ſich auch ſogleich in Parade legt und dabei noch
Dan erklärt Sich nicht wol
die erfiauntiche Fruchtbarkeit der Gontroversfchriftfteller des 27.
1408
Jahrhunderts und begrefft nicht recht, wie fie fo viel unb fo
vieleriei Haben ſchreiben koͤnnen. Der Berf. muthmaßt, baß
jene dickleibigen Duartanten umd Folianten, wofür fich bie frei
tenden Religionsparteien bamals fo lebhaft intereffirten, größten»
theils nicht von einem ‚einzigen Autor berräbhren, fondern daß
bie Sauptwortfährer beider Sonfeflionen minder bekannte Mit«
arbeiter hatten, bie das rohe Material berbeifafften und ben
Meiftern das zeitraubende Nachſchlagen erfparten. Wie es ſich
nun auch mit diefer Hypotheſe verhalten mag, fo viel flebt feft,
daß Sorffeteau eine bewunderungswärbige Literarifche Thaͤtigkeit
entwidelt. Jedes Jahr erfhhienen von ibm eine oder Tan
Gtreitfähriften, die immer wieder neue Gontroverfen veranlaffen
und Gegenfchriften auf Gegenfchriften erzeugen. Man muß in
der Literaturgefchichte des Maine das refpectable Verzeichniß der
Werke Gotffiteau’s tefen, um ſich von feiner ausgebreiteten liter
rariſchen Gefchäftigkeit einen Begriff zu machen.
um bie Zeit, wo Gotffeteau anfing, als Parteifchriftfteller
berühmt zu werden, im 3. 1604, traten in das eben erſt er:
richtete Gymnaſium von Lafleche zwei neue Schüler ein, Namens
Marie Merfenne und René Descartes. Lesterer ift in der
Zouraine geboren und gehört daher nicht indie Literaturgefchichte
des Maine; aber die gemeinfamen Studien beider Zöglinge, ihre
Schulkameradſchaft, die fi ſpaͤterhin zum innigen Freundſchafts⸗
buͤndniß wiſſenſchaftlich firebender Männer geftatten follte, bes
wirken fo zu fagen einen Paralleligmus, den der Eiterargefchicht:
fchreiber des Maine fih natürlid zu Nuge gemacht hat. In
der That verdanken wir virllciht dem P. Werfenne die eigens
thümtiche Beiftesrichtung jenes feltenen Mannes, welcher, durch
ihn angeregt, fih zum Stubium der Philofophie wandte und
durch Aufftellung eines neuen Syſtems länger als ein Jahrhun⸗
dert den größten Einfluß auf die allgemeine Intelligenz geäußert
bat. Die beiden Schuͤler von Lafleche hatten ſich nad Been⸗
digung ihres Gymnaſialcurſus getrennt und aus dem Gefichte
verloren. Marie Merfenne war Francikcaner geworden und
fegte im Stillen feine erſten Stubien fort; Descartes, zum Sol⸗
datenftande beftimmt, hatte ſich in alle möglichen Zerfireuungen
geftürzt und einem üppigen Leben ergeben. Zrog dieſer gerade:
zu auseinanderlaufenden Lebenswege trafen fie body wieder in
Paris zufammen. Merfenne trug fein befcheibenes Ordenskleid;
Detcartes verrieth in feinem dußern Auftreten den vornehmen
Sunter. Ihre Lebensweife contraftirte noch mehr als ihre Tracht.
Die Zeit, die Merfenne der Andacht widmete, brachte Descar:
te8 am Spieltifh zus er fpielte leidenſchaftlich und gluͤcklich.
Merſenne nahm fi vor, biefe lodern Sitten feines Jugend:
freundes zu beffern; feine Vorftellungen fanden Gehoͤr und Ge:
borfam. Descartes ließ vom Spiel ab und Iegte ſich zum Seit:
vertreib auf die Wiffenfchaft; Merſenne's Freundſchaft, fein an:
genehmer und Lehrreicher Umgang entfchäbigten den Neubekehr⸗
ten reichlich für die frivolen Gefellfchaften und geiftlofen Unter:
baltungen geräufchvoller Zirkel. Die weifen Lehren des P. Mer⸗
ſenne enthüllten fomit Descartes feinen eigentlichen Beruf. „Es
tft freitich anzunehmen”, fagt der Verf., „daß biefer ihn nicht
verfannt und früher ober fpäter auch ohne Huͤlfe eines Dolmets
ſchers die innere Stimme feines Genius verftanden haben würde.
Aber fo völlige Gewißheit hat diefe Annahme nit. Groß ift
die Zahl gluͤcktich begabter Menſchen, die ſich über bie natürli«
Ken Anlagen ihres Geiftes täufchen und außerhalb der Bahn,
die fie einichlagen follten, vergebene fi abmühen und rathlos
zu Grunde gehen.” Ohne Übertreibung ſetzt der Verf. ben Ans
theit auseinander, ber dem P. MWerfenne an ber Begründung
der Gartefianifchen Schule gebührt. Ohne in den Fehler ber
Eebensbefchreiber zu fallen, die Alles auf ihren Koryphaͤen ber
ziehen und um bdenfelben rund laufen laflen, weiß er in einer
gluͤcklichen Dartegung alle Berbienfte bes befcheidenen Kloftergeift-
tihen hervorzuheben, der in ununterbrodyenem woiffenfchafttichen
Berkehr mit Descartes flanb und diefem feine Forſchungen, Bes
obachtungen, Anftchten und Entbedungen unverhohlen mittheilte-
Pr Goufin bat in feiner neuen Gefammtausgabe der Descartes’s
hen Schriften ben umfangreichen und anziehenden Briefwechſei
ber beiden Philofophen befannt gemacht. Es gewährt einen ei⸗
genen Reiz, in foldden vertrauten Wittheilungen das innerſte
Drängen unb Zreiben fo auserkorener, vom hödhften Wiſſens⸗
und @rfenntnißdurft geplagter @eifter, das fie ſelbſt bei ihren
Lebzeiten forgfam und fchambaft zu verhüllen pflegen, nach ib-
rem Zode aufgebedt zu ſehen. Man durchlebt mit ihnen bie
Angft und Zweifel, die Jeden befallen, ber an bie ſchwierigen
Probi.me des menſchlichen Bewußtſeins herantritt und in feine
Zugleich fehreddenden und erfreuenden Ziefen hinabſteigt; man
jubelt und frohlockt mit ihnen, wenn eine unverhoffte Loͤſung
fi darbietet oder ein dunkel geglaubtes Geheimniß ſich plöglich
erhellt. Der WBerf. laͤßt uns mit lebhaften Intereffe die ver:
ſchiedenen Phafen biefes vertrauten geiftigen Umgangs zwei fo
nahe verwandter und doch fo verfchledenartiger Männer verfol:
gen, bie im Verborgenen den Triumph ber Garteflanifchen Re:
volution auf dem Gebiete bed Denkens vorbereiten. Descartes
bat den Eohn feiner mühevollen Beftrebungen geerntet; feinem
Ruhme hat nichts gemangelts ber 9. Merfenne, nicht fo vom
Stud begünfligt, if nur von wenigen Gelehrten gefonnt. Der
Verf. der Eitsraturgefchichte des Maine ftiftet daher ein gutes
Werk, indem er Merfenne den Antheil zuftelle, der ihm an
bem Ruhme feines Mitſchuͤlers von Rechtswegen zuſteht. Ge
ift immer ſchon etwas, Descartes’ Freund geweſen zu fein, doch
mehr noch will es heißen, ihm in vielen Källen als Rathgeber
und in manchen als Wegweiſer gedient zu haben.
Hätte Hr. Haurdau nur Schriftſteller von ſolcher Beben:
tung wie der 9. Merfenne abzuhandeln, fo wäre feine Aufs
gabe nicht fo [wer und die Mühe des Nachgrabens über bie
Ergiebigkeit des Bundes leicht vergeffen. Allein der Verf., der
ed befonders darauf anzulegen fcheint, daß man feiner Arbeit
ebenfo große Vollſtaͤndigkeit als Gewiſſenhaftigkeit nachruͤhmen
ſoll, laͤßt keinen Namen weg, der nur mit einigem Fug und
Recht in feine Sammlurg hineingehoͤrt. Das Verdienfilichfte
an dieſer echten Todtengraͤberarbeit tft, daß die obſcurſten Ras
men mit der größten Mühe und Sorgfalt ausgegraben worden,
was gerade die meiſte Arbeit erfoderte; denn für berühmte Na:
men fehlt es nicht an Nachrichten und Documenten; aber wie
manche vergeffene Geltbrität muß aus dem Staube der Manu⸗
feripte hervorgewühlt und vom Schutt ber Vergeſſenheit gerei-
nigt werben! Bei ben Elcinen, kurzen biographiſchen Notizen,
die oft nur in wenigen Zeilen bie geringen Anfprücde eines obs
feuren Autors auf Erwähnung anführen, ahnt der Lefer ſchwer⸗
lich, welche Mühe und Zeit es Eoftet, um biefe undankbaren
Bruchſtuͤcke aus den Quellen zufammenzutragen. In unferm
Beitalter, das zum leichtfertigen Buͤchermachen und zum bafli-
gen Erſtuͤrmen einer vermeinten ſchriftſtelleriſchen Gelebrität fo
vielfache Veranlaſſung gibt, ift ein Buch wie das vorliegende
in Brankreid eine feltene Erſcheinung. Ein frivoler Geift bat
fi der Autoren und des Publicums bemädtigt, und die guten
Lehren und Überlieferungen geben unter in. einer Menge über:
eiiter Probucte, die in moralifder Beziehung unverfchämt und
in Lterarifcher unbebeutend find. Xür bie leicht probucirenden
Köpfe, die Feine andere Eiteratur anerkennen als die Feuille
tonss und Romanliteratur und gar feine Ahnung davon haben,
weiche Worbereitungen, Erfahrungen und Kraftanftrengungen
erfobert werden, um ein über das montentane Tagsinterefle bin
ausdauernde Werk aufzuftellen, — für ſolche Köpfe ift diefe
Eiteraturgefchichte des Maine zu fubflantiel und pebantifdh; für
ernfte Eefer und Forſcher iſt fie jedenfalls ein ſchaͤgenswerther
Beitrag zur bibliographiſchen Literatur, und für die Provinz
endlich, deren literarhiſtoriſche Geinnerungen darin niedergelegt
find, ein dauerndes Andenken, das volle Anerkennung verdient.
Verantwortiiher Heraußgeber: Heinrich Brodhaud. — Drud und Berlag von F. 4. Brockhaus in Leipzig.
8 BIarE er
ar
für
Sonnabend,
Die Drama Literatur Der Deutſchen im
Nahe 1882.
Zweiter und legter Artikel.
(Bortfegung aus Nr. 863.)
15. Die Schiacht bei Eſſegg. Hiſtoriſches Schauſpiel in vier
Aufzgen Kari Stegmayer. Wien, Stoͤckholzer von
Hirkhfeid. 1843. Gr. 12, 18%, Nor.
u des GStuͤcks iſt: Der Feldherr Ferdinand's,
„Johann Kagianer verliert burch Feigheit die
vi & egg, "wird deshalb vor ein Kriegögericht geflellt und ver⸗
urtheilt. Sein eigener Sohn Michael rettet ihn aus dem Ker⸗
Ber, obwol es ber Water nicht um ihn verdient hat. Katzkaner
ſucht fi hierauf zu rächen, confpitirt und unterhandelt mit
den Tinten, bemüht fi ben Wan don Beiny, mit
7 —** wu —* um ben Konig in een Dinterhaft zu
Idden mıd unmubringen oder gefangen zu mehmm, Zriny er
ſcheinbar darauf ein, ermorbet aber nebſt feinen Getreuen ben
ale er auf fein Schoß Szigeth kommt: Einiges
Geſchick Hätte diefem nid undankbaren Stoffe etwas Abgewier⸗
men und ihn weriaflens brauchbar Tür bie Buͤhne machen kön⸗
men. Br. Otegmayer ift aber koin wunberthätigee Magus; feine
Funk greift die Stoffe fo unſanft an, wie es fich seit Tine © cos
den, bomb Eprache verträgt. Das Hafdyen na
ungewoͤhmichen, das mih ſame Heraufpumpen unerhärter he
de vermitthlch nen und ſhoͤn F ſollen, verdirbt ihm auch Die
alevreinſachſten und ſten Gebanken nd macht aus dem
be ar Gelimathias, der Tamm: zu verliehen und nur
be gu Infen M. Green wie folsende bilden in engfler
Eiue birgt dad Krekobli,
Die :Beit, im MBäßenbopen dieſer Gebe,
Die, wenn fie nit des Menſchen Fuß yartudst,
Der Fakanft Glut zu Ungethümen veift.
Bei Dem, was ih ewib num zu fügen habe,
Go’ ich des Selmes "Bitter ſchlleßen, daß
Dre Vater meiner Braut nie ſich eadfinne,
Mbie feined Eidams Auttig ausgeſehen
Ya Wuderſchen ſchmachvoller Lade, bis
Sein Vater angefhärt, darauf als Denker.
Den Lignen Wappenſchild zu Staub zu brennen.
Und glei darauf:
Doc darf ich alcht ded Helmes Gitter fükießen,
Dep pe bed Taitligeb BriAadet erfapent,
Mo ie num Zugentträume Aegen,
BIS ja Unkeuntiiileit ontelite Beldıen,
Eikhtegen: tt, zecruchett vom GBefhiedr.
lies wo us yelpt eb:
ern ware Ghlige euren Worten gleithen,
Die fa dem Zremmelfilie Weuten ſchlagein,
Se soeben auf her Wabeſtaſt, wa ihr ſtanbet,
Die Geier Dante woh mid lectres a al
Mahr Shrkesbrti als Taͤrkenbaoches finden,
er bes ck eines M **
von- or ie ne — Er Sirorle die .
Wehen der Erde mitgetheilt wird.
— — Sürwahr, a6 vie Erde mehr?
Ein Saufe aus zufammgeballter Lache (?)
Sebilbet von ber Elemente vier.
Aus Seufjern, Thränen, Blut, Berweſungéſtaud;
Ein Baufe, der ſtracks auseinanderfiele
Würd’ Gold und Eiſen nicht's Berippe bilben,
Daß Gold den Saͤckel füllend des Betrugb.
Das Gifen, womit wilde Kraft ſich waffnek,
Wobdurch die Weiden Herrſcher Find der Menſchheit.
Altein fie fafein viel vom BZauder Geiſt —
Und laͤuulen mehr noch von der Bee Semärty!?
Im! Menfdengeit n’ unfihtbare Fiber
Die bon ded Mannes Jauſtſchlag ſchwer getroffen,
Bon einer Weiberthtaͤne allzu fehr
Erweicht, den Menſchen macht zum Warren,
Der laͤcherlich, wenn er nicht raſſt in Ketten.
Do dad Gemüth! — Da! Eine Thraͤnendruſe,
Die fie ergießt, wenn Eitelkeit fie kitzelt
und bie meift fehlt, wo jene Biber I! — —
re. — deutſcher Buͤhnenſpiele. Herausgegeben von 9. IM:
Subd ig. Srehund warrglefter eh fir 1848. en;
Bereits MBuchhaibtung. @. . WB NIr
Unter den dramatifihen Amanachen, brren Zahl von Sde
zu Sabe immer mehr zufammenfchmilzt, hat fi) das von nun
bie herausgegebene Jahrbuch ſtets vortheithaft. N —
Es fcheint aber wirktih, als fei die bramatifihe völlig
banfrott oder doch dem Bankrott nahe, denn heuer Ye bies
ſes Jabrbuch bürftiger denn je ausgeſtattet. Es entholt zwar
ſecht verſchiedene en don Deinrih —— Kaupach,
W. Alexis, von —* ed und &. S raber, allein
auch nicht eine ae" ift mebr als —ã u nennen,
„Zuan Maiquez” von Smidt, in ſpaniſche Kerſe gekleidet,
behanbelt die Eiebe eines Schauſpielers zu einer juhgen Oerzo⸗
gin, deren Mutter zu flotz fl, um ihr Kind einem Gaukler
freiwillig verheirathen zu wollen. ac ma nipertet Eimfllichen
Machinationen tritt Maiquez zuletzt ſelb jur, &, da ex erkennt,
daß auf dem Boden eines herzoglichen Pataftes ein Künftter nicht
Gedeihen und dauerndes Sluͤck fiiden koͤnne. Raupach
ein —3— ohne Titel“, das mit jener Routine gearbeitet I iſt,
roducten Haupah's das Xnfehen poetiſcher
bilde Frei Ä genaueser 3 —— —F man u a
Alles nur keihte BWaare und Stanz unecht * Fir⸗
nis iſt. Es meer sähe F ae an. En höheres ale
WB. rerts gefteckt in dem ehaus breit a
„Der —— De Es AR laut des rc
1.2
— — die he abte * 8 6 ie er
‚ gen von Dem, wa ⸗
mals Gtrebenden aus dem ter wolten. Es war
eben die überromantifche Periode, bie in Duft und Kiang allein
dae rein Poetifche erblickte, die Allegoxis, die Made höher ach⸗
tete «als Wahrheit und Perſonlichtit, unb daher nicht Gha-
y , Pndern Tbealftifche Geſtalten ohne echtes Fleiſch und
u ſchuf. Diefen
„Prinz von Piſa“. Der Eindruck, welchen das Gtüd auf ben
Leſer macht, ift kein angenehmer. Daß Zerfahrene, Unklare,
dos Pin» und Wiederfchwantende in ber Dichtung, das aus dem
ſteten Wandel und Wechſel der Perfonen, aus dem Vertauſchen
derfelben entfteht, quält den Lefer und wirst Alles dermaßen
durtheinander, daß man Mühe bat, ſich in biefer kunſtuch
und abfichtiich hervorgebrachten Verwirrung zurecht zu finden.
Aus demfelben Grunde möchte eine Inhaltsangabe nicht raͤthlich,
ja kaum thunlich fein, weshalb diefe wenigen Worte genuͤgen ee
„Frage und Antwort" von A. 9. iſt als dramatifcher Scherz
t artig. Munter, launig, ſchalkhaft, eine gewöhnliche Hei⸗
rathsgeſchichte in luſtiger Ginkteidung. Den bedeutendſten poe⸗
tiſchen Werth unter allen in dieſer Sammlung enthaltenen
Dramen bat unftreitig „Heinrich IV. und feine Söhne‘ von
Fr. Paolo. Das Leben des vierten Heinrich, des deutſchen
Kaifers, ift ein fo tief tragiſches, daß auch ſchwache Kräfte von
der Großartigfeit des Stoff3 bingeriffen nicht ganz Verwerfli⸗
es zu Zage fördern. Tuͤchtige Talente haben fi an diefem
Fieſenſtoffe verfucht, ohne ihn bewältigen zu können, und eben
das Niefige daran iſt die Klippe, an ber Jeder ſcheitern muß.
In Heinrich's IV. Leben kommt mehr zufammen, als fih in
die engen Grenzen eines Drama faflen läßt. Gin einzelnes
Moment, eine Scene aus feiner Geſchichte reicht nicht hin, ein
volles Bild von ihm zu entwerfen. Daher werden alle bramas
tifchen Werfuche, die diefe Hiftorifche Größe ſich zum Helden er
wählen, entweder zu wenig oder zu viel geben. In beiden Als
len ift ein gutes und wirffames Drama nicht denkbar. Paolo
weiß ſich noch ziemlich zu befchränten. Dennoch erdrädt ihn
der Stoff. Er ringt Eräftig mit ihm und gibt Dankenswerthes;
nur ein gerundetes, fertige Drama ift fein Product nit. Die
Geſchichte ift fo bekannt, daß wir fie umgehen fönnen. Den Mittels
puntt bildet der Berrath feines Sohnes, den Schluß bes Kalfers Tod.
Biele Sharaktere, wie Kaifer Heinrich, feine Söhne Heinrid und
Konrad, Biſchof Otbert, Adelheid u. A. find recht gut geſchüdert,
die Sprache ift wohllautend, voll Schwung und Kraft und Yeugt
von einem Talente, das der Aufmunterung werth if. Unter
don wenigen Dramen, die ein lobenbes Wort verdienen, ift dies
eins der beften. Vorzuͤglich gelungen ift ber Schluß des vier:
ten Acts, wo ber meineidige König Heinrich von feinem greifen
Baker die Reichskleinodien fodert und Heinrich's Ritter fie dem
Kaifer mit Gewalt entreißen wollen. Dem verrätheriihen Sohne
zuft der gekraͤnkte Kaifer zu:
Derab vom Throne!
Du machſt zu einer Kanzel Ihn, auf der
Dein Aberwig die Meffe Hält! Willſt bu
Mir predigen und bift der Predigt ſelbſt
Nur zu bedärftig? Sin armfel'ger König,
Der um ein Kleinod betteln muß! Denn wenn
Du deine Worte au mit Stolz und Hochmuth
Geſchmuͤckt, 's war doch nur Wettelei! Und ſtehſt
Du au dort unterm Baldachin und Id
Hier vor den Stufen, bin ich doch der Kalfer,
Und bu bif mein Vafall! Denn mir gebührt
Der Thron! — du gleißnerifer Knabe, glaub bu,
Die Tugend lieg’ im eitlen Klang bed Worts?
So wenig ald im Dom bie Heiligkeit,
Traͤgt fie der Sinn des Menſchen nit hinein!
Die eigene Seftanung ſchafft das Gluͤck,
Und bein Gewiſſen iR mein beſter Raͤcher!
Acs kurz darauf derſelbe verraͤtheriſche Heinrich dem
ſeiae Wasırh Moeif wit ber Reſchtacht droht, richtet —X
arakter trägt denn auch burdigängig ber |
Wertneibigert Spirit du mit meinen Gütern 3
Du weißt wit, web vie Acht bedeutet, Knabe,
un fp fie and? — D Stande Aber vi!
Im {bw Nite Wafltchten eo
Ein edles Wild; doch es uber bie *
Die du im Hochmuth ungeſchickt gezogen!
De bit viel ſchlechter als bein Bruter! — Gef!
‚Du bi für meinen Fluch zu ſchlocht! BWeratung
Kur laſſ ih dir zurüd, und in dem Buſen
Die freffenden Skorpione des Verbrechens,
Die die am innern Frieden gierig nagen.
Du wirſt verzweifelt einſt zum Grab des Baters,
Das vu ihm grubſt, die matten Schritte lenken
Und dich im Jammer winden dort! — Noch aber,
Noch leb' ich, und des Kaiſers Untergang
Gel bis zu feinem legten Augenblie
Den ibm fo fhndd’ geuaubten Thron erfchätterz,
Und wird mein Tod dir freie Herrſchaft geben,
Soll doch im Innerflen dein Derz erbeben !
Zum Schuß bringt das Jahrbuch ein Luſtſpiel in einem
Act von SI. Schrader „Der Hohlweg“. Die Pointe beffel
ben liegt darin, daß ein Hohlweg, in welchem ber Reifewagen
einer fchönen und berühmten Schaufpfelerin Schaden erteibet,
Urfache wird, daß der grämliche, abelöflolze Water eines jungen
Grafen, den die Schaufpielerin liebt, der Künftierin feibft feine
Dand anbietet.
17. Theater von Franz &. Werner. Fünf Bändchen. Leip⸗
zig, Kummer. 1842. 16. 7, ar vie
Der Dichtername Frauz Werner's it mir bisher noch unbe⸗
kannt geblieben. Der Rame feibft aber, der mich an Zacharias Wien
ner erinnerte, imponirte mir body fo fehr, daß ich Die Lecture bes
neuen Theaters begann. Ich fage begann, denn über den Anfang,
d. h. über das erfte Bändchen hinaus bin ich nicht gekommen.
Es ſchien mir, als fei der Geſchmack Franz X. Werner’s ein
totat anderer als der meinige, und da man fich befannttidg fei-
nen eigenen Geſchmack als eine Mitgift der Natur micht gern
verberben läßt, auch nach altem Spruͤchwort über den Geſchmack
ſchlecht fixeiten iſt, fe halte ich es für bas Beſte, wenn ich beſag⸗
ten Branz A. Werner nebft feinen vefpectiven fünf Baͤndchen
nicht weiter incommobire. Wir profiticen dabei gegenfeitig, ich
Zeit und der Verf. des Theaters eiwanigen Ärger, ber allır
Wahrfcheintichkeit nach nicht ausbleiben würde, da es mıiz nal
Lecture bes erſten Baͤndchens accurat zu Muthe it, als follte
ich dieſe dramatifchen Probucte unter aller Kritik ſchlecht nennen,
Das thut man begreiflidherweile nicht gern und derum will ich
ſchweigen. Die vorliegenden fünf Baͤndchen enthalten: „Wünf
Brautwerber um cine Braut’, Luftipiels „Das Bröuner Rad“,
Voltsmaͤrchen in drei Acten, nebft einem SBorfpiele unter bem
Zitel: „Die Unterfchrift”, Drama in einem Act; „Die Bogel⸗
ſcheuche“, Luflfptel in einem Act; unb „Liebe und Treue“,
Drama in einem Act; „Die Seeräuberbraut”, bramatiflges Ger
dicht in zwei Acten, und endlich „Der raum“, Scherzſpiel tn
zwei Acten. Die beiden legten Bändchen tragen überbfes noqh
die Bemerkung an der Stim, daß fie Eigenthum bed Berf. find.
18. Iphigenia in Delphi, in drei Acten, mit einem Borfpiele:
Iphigenia's Heimfahrt, und einem Radıfpiele: Iphigenia’s
Tod. Won Kart Enbwig Kannegieher. keipzig, Weods
gr.
haus. 1843. Gr. 12. 1
Bei diefem Drama f warn wieber Atem. Es if
vol
: un Deuts
| itet | bes | enia. am | -
e8 vun Yiee to mie dere Ehmeher Bike yufam |
Schweſter Elektra zufams
men, ohne daß Beide einander erkennen. Elektra hat das Weit |.
Krytenmeſtra ben Gatten ermordet, bass |.
in der Dand, womit
foäter Oreſt gegen die Mutter ſchwang. te will es im Tem⸗
pel zu Deiphl n ‚
mehr flifte, denn es ift, fagt Elektra zum Prieſter Medon, der
die Jungfrau nach ihrem Namen fragt und nach dem Geräth,
das fie führt:
Ein wanderſames Wertzeng, ſchau' es an,
Nicht blos durch feinen Stoff und Außre Form,
Bon den CEyklopen ſetber ſcheiat's gemacht, —
Mehr durch den Geiſt no, der im Stahle wohnt.
Denn, wer eb lang’ anfdaut, der TÜhit ein rauen,
Betybrung faßt und wilde Bier ihn an,
Unb wie von felber beut ed fi zur Unthat.
Elektra will ben von Zauris ruͤckkehrenden Bruber in Deipht
erwarten, erhält aber von Medon bie irrige Nachricht, daß fos
wol ee wie fein Freund Pylades von der Priefterin Diana's
getödtet worben feien. Entſetzt ruft fie aus:
" — da, mid faſſet Wahnfinn,
Wohin fol ich mich bergen? Wie mich ſchuͤtzen7
Da iſt bad Beil! Gib mir bie Waffe her!
Mein Beil, mein Beil! Mit ihm will ih mich ſchuͤtzen.
Vom innern Schmerz uͤberwaͤltigt ſinkt fie zu Boden, während
Prieſterinnen herbeikommen und fi} ihrer annehmen. Als Elek⸗
tra wieber zu ſich kommt, tritt Iphigenia im Prieftergewande
ein. Gie flieht Iphigenia an, fie zu tödten, was biefe vermeis
gert. Doc nimmt fie das Beil in Empfang. Im britten Act
erblidt Elektra Iphigenia ſchlummernd, das Beil in der Band.
Sie beſchließt fie zu tödten, da fich die Überzeugung in ihr feſt⸗
fegt, daß fie die Mörberin ihres Bruders ſei. Sie vaubt ber
Schlafenden das Beil, indem fie ausruft:
Und nun ſchwebt über ihr der graufe Morb.
Sie ruht fo ſuͤß! Sie Hat ein holdes Antlie.
Sie ſprach fo fanft! Die Stimm’ erquidte mid.
Wohl mir, daß fie die Augen jett geſchloſſen!
Sie ſchlaͤft. Sol ih im Schlafe fie ermorden?
Das that ſelbſt Klytemneſtra nit und nicht _
Aegiſth, als fie dın Water überfielen.
Sie erwedt bie Schlummernde und aus bem längern nun fols
genten Dialoge erfahren Beide, baf fie Schweftern find. Elek⸗
tra gibt das Weil an Medon und zuft:
Nun it wir wohl erſt! — Gelb gegräßt, Drefied
Und Pplabes? D Iybigenia!
i Gin füßer Sriede kommt auf mich Herab,
Wie ich ihn nimmer, akumer noch geſchmeckt.
Am Nachfpiele wird die Trage verhandelt, ob Ipbigenia heiras
then foll ober nicht. Pylades liebt fie, fie geſteht ihm ihre Ach⸗
tung und Zuneigung, weigert ſich aber entfcdhieden, ihm bie Hand
zum ehelichen Bunde zu reichen.
Ich tenne nicht die Liebe bed Geflecht.
Mir folfher Doffaung würben wir uns täufchen,
Und mein Befig dich, traun, nit giädli wachen.
—— dennt Arkas und melbet Theas' Tod. Das ven
fie Veit begehrt aus Griechentand einen Keaig und bat
fein Augenmerk auf Dreſt und Pylabdes gerichtet. Iphigenia
die —— ———— ——
nehmen ſell. Syhigenia =
ver Goͤttin aber. wil fie fih 1
Arkas als König. Bon
Nath ertolen. —X
zum Abſchied gruͤßend ruft ſie: b
—Xä “os de u... “ na“
damit es ferner$in keinen Schaden Diana mit ibren Ry mph en erſcheint, beſtaͤtigt Iphigenias Uns
Vollrabe iſt ee aber doch iumer
—— — —2— —
arerge ie ORT dars Neia; nr
* ip von der Belt auf ee. . .:
-aruen eu ein Lebewohl,
uten alle, Bruden Schweſter, Yerunbe,
6: und Gprodgeneffen, du mein Laub,
meiner Wäter, Baume, Euft uud bene,
bu and, Arkas, Taurier und. Kayıid!
öl war ib nie, Briäut find meine Waͤnſche.
a einz'ger aur iſt uͤbrig und ig frag’ ihn F
Gbttin vor im Tempel meiner Göttin. ..
bt wohl! Lebt wohl! Uad ſei gegräßt, Diana!
Rach kurzer Paufe Öffnen ſich die Thuͤren des Tempelg,
3323
THE
8
3595
2
ſpruch, der Arkas zum Könige von Taurien ernennt, und wer»
bindet Elektra mit Pylabes. Iphigenia erblickt man tobt im.
Tempel. Die Göttin hat den Wunſch ber Priefterin erhoͤrt.
Rach Art antik gehaltener Dramen iſt nach unfern jesigen Me:
griffen wenig Handlung in dieſem Schauſpiel, was die Moder⸗
nen ſehr tadelnswerth finden werben. Vom Gtandpunfte bes
Autors angefeben, möchte bei dem gewählten Stoffe gerade Vies
fer Mangel an geräufchs und effectvoller Handlung ein Vorzug
fein. Die Sprache iſt burchgängig edel gewählt und wohllaus
tend. Nur ein einziges ebenfo unpaffendes als zu niodernes
Bild iſt mir flörend gewefen. Elektra fagt nämlich einmal:
‘ Beub' Donner ſchweigt, doch nicht bie wilde Glut,
Die in des Buſens Feuereſſen kocht,
Um in ber Worte Lava auszuſtroͤmen,
Wenn fie mich nicht in Afıhe wandeln fol.
Dergleichen Geſchmackloſigkeiten follte ein fo claffifch gebildeter
Mann wie ber Verf. diefed Dramas doch zu vermeiden fuchen.
19. Dramatifche Gonturen von Auguft Schillin
Mebau. 1842. 8. 20 Nor. ö ’ Per
Bünf Eleine Stuͤcklein, von benen einige in Wien aufges
führt worden. find. Gin paar find in Alerandrinern, eins in
Samben, eins im Muͤllner'ſchen Schuld: Zone und eins in Profa
geſchrieben. Recht huͤbſch iſt „Die Gifenbapn‘. Cine gute
Soubrette mag mit Sluͤck darin auftreten koͤnnen. Aud „Der
Dann allein’’ lieſt ſich ganz behaglich. „Eöbeneg”, „Die RKacht
im Börftechaufe” und „Sean Jaques Rouffeau’s lehte Augen
blicke wollten uns weniger gefallen.
Es Liegen mir noch vier Driginalluftfpiele von deutſchen
Verfaſſern vor. Seit langer Zeit habe ich aufs Luftfpiel meine
Hoffnung gefegt für Wiederbelebung des deutfchen Theaters.
Nachdem ich aber diefe Normalſtuͤcke gelefen, iſt mir banger
geworden denn je. Flüchtet fi ins Drama der Bombaſt
und die bausbadige Phrafe oder die hypergenialſte Sentimen⸗
talitaͤt, fo geht in diefen Luflfpielen die Bornirtheit und
Geſchmacloſigkeit betteln. So hart dies Elingen mag, fo
wahr iſt es, wenn man Machwerke fieht wie j
30. Der ſchwarzt Kater, ober: 3wei Schneiber auf Reifen
Pofle in einen Act von Ludwig Wollrabe. Beipgig,
an Bra * DO Deiginartuftfpiet in vier Autza⸗
. ⸗ o ven. ie er
om von Demfeiben. Ebendaſelbſt. 1842. 8. 20 Wer.
Hr. Wollrabe hat als Mitglied des Leipziger Theaters, was
er zur Zeit nicht mehr ift, wenig gelernt, wenn er ſolche Stuͤcks
fhreiden und glauben kann, daß fie fi das Publlcum anſchen
wird. Unfer Publicum ift herzlich ſchlecht, was den Geſchmach
anlangt, aber fo ganz jaͤmmerlich i doch nid)
mit fo faber Koſt abfpeifen. ließe. Ich weiß nit, was
ya verwundern if, bie Keckheit bed Autecd, bie es wagt,
werke biefer Art der ffentlichkeit zu übergeben, ober feine.
orfältigleit, die bie. eigene Armſeligkeit nicht ahnt.
vabe ik ats Schauſpieler kein großer Wann, gegen
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enden, reonbe #6 —A —— ——
Allet n in dicfen Marken und Eumpen | fdimpfte uf — wah Bas —
hat ſich aber ein Biron von Maadhtäfiden vergifft, ein Kruuts | ten weilte; aber Beute, bie Amerike Tuupen, bebeuptene
junter ohne Bildung, dam Mtnen uhle ein Affe KURS mochmacht: || die relepe habe bie web — Rück un=
und ihn al® uuehbrvttefihhen Werkitd betealet. wma Dit Dupl: || glauttich- „„Mnaufheitfam fderitet Die Maahupaih” Wirides
Wis vice Weis ib He indiige Enkedkeun, depn da, win Fiencfen oem ber Sünolope? ve wänlihen :
vorge fi Bus tue, dem es euſt um allen n The bye in Amerign’ (3 Be, Smıben Bier
Iuteigen mängeit. | # Phliigune br Kernen, aim mal tip, anles: Maier.
: Euitıpla- Beet nach Goerpers | In Ihrem frpern Werte befcheäntte ih die Berf. fo zimmäidh
ht Ole Yeberjeidintingen. Sep | Suf das Anfztiehten. Je mem neue
ö Ror. I ften fäpneiden Die Hedeln tiefer, Bringen ins innesfte Gentfcy ftte
at ifk dieſer deamattfürte Gchey iicher erbniß. in Dem fühlidhen, Mkiauen Staaten.
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iramatifche Hufe Yeevorgebraiht |;
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h Bai incommodirt zu werden. Die Gel landet in Ras
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ir aufkomint. Sqhuldenmachen, die Mani bäns h or ben Zůgel einge:
gi man, ofen Pump anteen, Tahnlaitd) Tann | ToStene Befiähte M unbarutem. 14,
dell an det Kor berumführen und ben größten Lumpen Pr
Wald auß_beffen ‚Händen befreien, Daß ift der Lurhpige In: Miscellen
fee Rärtenspoffe. Die Zehbenz ber edrin Lumpia iſt Gonderbarer Eebeusiau
am concinneflen in dem Eieblein auegedruͤckt: „„Kadphr von Gtieler, geboren 1832 fubixte mb
Umb fo Iumpet fort der Eumbs trieb anfangd die Arzneikunft, zulegt zu , von we er ih
aber wegen einer Sdldgerei had) Königsberg begab. Bier war
Lebt uirb undt uud Mrbt Auf Pump!
Drum frei er wegen Mangels an Unterhalt gendthigt, bei einem pAniſchea
Dberjägermeifter eine Stelle anzunehmen, mit der die Dbliegene
heit verbunden war, alle Sonntage zu prebigen. Deshaib
*8 [2 ‚ur Abe ie u ward Prediger, bald nadper
at oldat, nachbem ex die eines Kriegeſecretatius und
Aubitors bei dem Dberften don Er
Lwwverri
Gets geitiefen feu
Dre tgebenen vier Federzeichnungen find etwas ıhläras”
VOR, pälkti Aber gerade deetwegen vedt get zu winer fo vor⸗
trefflich eingerichteten —e
(Dir Beſchluß folgt.)
j Miftre$ Trollope.
- Vlfizch Trollope/ deren auch d. Bl. ſchon einige Mate Ex
gethan toorden, {ft jedenfalls eine literariſche Merk
;, Denn uren ıdil, ein chriftftehtrines Pacadoren.
Um Anmut keſer verfichern neunuad neuczis Der Trou⸗
rer
et ii +, und vor dert Me
ge: Ei he Fe won, Kolmen, —e
in
aber verließ er den Doldatenſtand umd ging auf die
Holland umd Frankrelch onen er acht a auf Dr “in .
fangenfdaft gericth. Nady erlangter Zeeideit Ban er nad
Deutſchland zurkt und wurde Höfmeifter bei’ dem Grafen von
|
ef, woraaf Br gräfiich Wwarroeth » hohen,
merftcreteie and hernach hegegiik fähfiäer Kaitnker «Beten
und Verichteſeeretair in Eifmatjitodtd.: Didfe Secue tete er fees
willig nieder and ward Gepeiftleitet, die ig ber Decay von ol⸗
ſtein zu feinem Hofrath ernannte, IteBeit feines debras brachte
er in Erfurt zu, wo er dem -Behefache fich wihniete und 6i8 zu feis
nem 1707 erfolgten ode College über ber —eithäen WEIL Las.
Eine tbeotogifhe Dieputation.
das Neuefte don der Trolope’ nicht geiefen zu haben.
es nidt 608 in England, fo A es auch in Beutfchland,
wertigfkerie in bibenfen namhaften Gtähten. Woher biefer Lad
de ſaruch? uczweg daher; daß die Teollope mehr die Torue
ihrer Darftellungen als die Vorurtheite hrer Left berieffichtigt.
Rp Ohs Heiße? Niemand with ihr eine ungeroöhnlich Schnelle
Auffa ffüng bes Lädjertichen —2 ein ungewohniich fhecfes Auge
Bei einer zu %ı des vorii f
Fir die und Edwachpeiten des Gingelnen wie einer gans | gehattenen en een an “ Boten
un Mintie abfpordhen. Mäte legt fie das mun zu Tage? In | Kämpfer feinen Begner beftändig durch Betufüttg Au] AAne Menge
ae aa ee Be a ne von m u er Di, tie dr aber abe em Zus
n durqh fe Berfoi; 8 darch fammenhange, J Rück
GR Watzhaft granbiefe Vera: onveitiottellen, auf ihr Zufamthehpaffen anführte. - Da an ei “
umgeachtst bierton- nid abi fo . :
eher
Auf bie 6 wie DUB 3 füheter ber Mubine bie
mut, ©, sr nReins ‚ging‘ hin und. A”; ba
Wild Yen Die. Cinde au:206. 10; FT 4, Borgehe wien him
Bıarter
für
fiterarifde Unterhaltung.
Sonntag,
Die dramalifche Literatur der Deutichen im
Jahr 1842.
Zweiter und legter Artikel.
(Beſchiu aus Nr. 34.)
Gering iſt in dieſem Jahr bie Zahl Äberfegter Dra⸗
men im Vergleich mit fruͤhern, obwol die Überſetzungs⸗
luſt dee Deutſchen ſogar bis nad) Schweden gewandert
iſt. Und was faſt ein Troſt für uns fein kaun, ber
Werth auch bes beffern Productionen übertrifft die deut⸗
ſchen Driginaldramen diesmal nicht. Hoͤchſtens muß den
Franzoſen größeres Buͤhnengeſchick und mehr Virtuofität
der Gonverfation zugeflanden werden. Was Gedanken,
mas poetifhe Anfchauung, was Charaktergsichnung an⸗
langt, find fie uns Deurfchen um kein Haar breit wor
Dies gilt wenigſtens von den Leiſtungen, die vors |'
aus.
liegen. Ein Drama mit vielverfprechendem Xitel, ber
mich amzog, greife ich zuerſt heraus. Es heißt:
24. Rita, ober bie geheimnißvolle Maske. Drama in vier Ab:
theilungen. nad dem Franzoͤſiſchen des Desnoyer,
Boult und EhHabot von Bouin von Adolf Steppes.
Darmftadt, Pabſt. 1842. Gr. 12. 13%, Rar.
Der fleißige Bearbeiter, Hr. Steppes, ift nicht verantwort⸗
lich zu machen für den Stoff eines Gtüds, wol aber für die
Auswahl, die ex trifft, und wenn ich gendthigt bin, dieſe zu
tadein, fo bedaure ich dies um fo mehr, als eine frühere Gabe
deffeiben überfeger® Dank verdiente. Ich habe die „Beheimniß-
volle Maske” gelefen und auch barftellen, fogar gut darftellen
fehen. Beim ®efen mußte ich laut auflachen, bei der Auffühs
zung wurde das Gtäd ausgepfiffen, und zwar mit vollem Recht.
Ein Autor darf nicht mit dem Publicum fpielen, es nicht täus
ſchen wollen blos in ber Abficht, es zu fefleln und zu fpannen.
Nur der erfte Act fpannt, die übrigen find langweilig und laͤ⸗
derlih. Das ganze Stüd aber ift dazu ba, daß mit ſcheinba⸗
rer Handlung eigentlich gar nichts geſchieht, mit einem Worte,
daß Alles, was vorgeht, nur darum vorgeht, um am Schluß
es als nicht gefdyehen zu betrachten. Rita iſt eine reiche junge
ſpaniſche Witwe, die in Frankreich Lebt und von der eleganten
verdorbenen Dännerwelt mit Liebesanträgen umflattert wird. Sie
lehnt alle ab, auch die ernflliche Bewerbung Julius’ von Vaudray
eines jungen Mannes, ber ſich deshalb fo grämt, daß er
vor dem Palaft Rita's erſchießt in dem Augenblide, wo Rita
auf Bitten ber zu * —— fie von ber eh
däfterung ihres Gohnes enntniß fegt, eben im ri
ibm au Toißfahren. Bon diefem GEreigniß tief erfchättert zieht
ge A auf eins Ihrer abgelegenen Schid uruͤck. Bald aber
geigen ihr auch bieder die franzöfifchen Inge, water denen
fd als der ſte und Frivoiſte der Marquis von Sannois
Graf von Vaudray iR, fondern ein
31. December 1848,
agbehr
man ihn in Rita's Schloß. Er if ohnmaͤchtig, Mitg erblickt
ein Medaillon auf feiner Bruft, in dem fie ihr Portrait erkennt.
Sie n es, kommt Robert zu füh, er ihr fos
gleich feine hoͤchſt abenteuerliche Befchichte, wo von einer wun⸗
berlichen Liebe bie Rebe if. Das Bild ber Gelichten trägt er
auf der Bruſt. Er faßt danach, findet es nicht, ift gang, troſ⸗
(08 und will fogleich fort. Rita gibt es ihm zurüd, de ſieht
er fie er an, ertennt fie und Beide fallen einander um den
Hals. Im dritten Act ſict Robert in feinem Thurmzimmer.
Kite teitt braͤutlich gefchmädt einz fie will ihn zum Altar fuͤh⸗
ven. Da ändert Mobert auf einmal fein Wefen, wirft die Ere⸗
— 3. Rita zu i
ittet nochmals um ebung. Die ogin eröffnet ihm,
baß fie ihn nur —X mit Ehren a —E laſſen,
um ihn ganz zu vernichten. Gin Brief feiner Mutter nebft
Papieren, die in ihren Händen find, beweifen, baß er nicht ber
ndiing. Dies Geheimniß
will fie dem verfammelten Abel mittheilen und ben Betrogenen
damit befhimpfen. Robert gefteht ihr jett feine Liebe, Rita
gibt nach und verbrennt bie Papiere. Da wird Richelien ge
meldet. Bevor dies vorgeht hat Eita eine Maske an
bie ihr Haushofmeifter Perez bereitet hat und welche die
ſchaft t, das menſchliche Anttitz furchtbar zu entſtellen. Sie
bat dies gethan, um ben Herzog von ſich zu ſcheuchen. RE
35. Oskar oder der treulofe Watte. Luſtſpiel in drei Acten
nah Scribe und Duveyrier überfegt von Kari Bacar.
Berlin, Kiemann. 1842. 8. 5 Nur.
„Delar” iſt eine ber ſchwaͤchſten Arbeiten von Scribe, kaum
tt feinen letzten bedeutenditen Euflfpielen „Sin Glas WBafler
und „Zeflein” zu vergleichen. Moderne parifer Sittenlofigkeit
{ft netürlich wieder der Hebel. Oskar ift fi eines Fehltritts
bewußt, die Frau ahnt etwas davon und weiß das böfe Gewiſ⸗
fen ihres Mannes zu Erfüllung aller ihrer Wuͤnſche zu benutzen.
Erſt, nachdem ihre dies vollfommen gelungen ift, erfährt ber
Mann, baß er felbft der Betrogene und feiner Frau gar nicht
ungetreu gerwerben ift.
W. Dramatifches Vergißmeinnicht auf das Jahr 1843 aus ben
Gärten bes Auslanbes nach Deutfchland verpflanzt von Theo⸗
5 or u 1. Zwanzigſtes Bändchen. Dresden, Arnold. 1843.
. Ir.
Bon dem anhaltenden Fleiße und rafliofen Mühen eines
Mannes wie Theodor Hell wird zulett alle Kritik entwaffnet.
Unfer Gärtner bat während feiner literarifchen Laufbahn viele
Gträußhen und Befen gebunden von ben Blumen und Ru⸗
then bes Auslandes, deshalb kann ich feine literariſche Wirk:
ſamkeit nicht hoch anfchlagen. Gr ift aber dabei befcheiben und
nebenbei fo eifern beharrlich, daß man ihm body nicht gram fein
tann. Laflen wir ihn alfo gärtnern und verfegen, und machen
es immerdar, wie ich es mit diefem neugebunbenen Bergißmeinnichts
firäußchen machen werde. Ich babe es nicht vergeffen, mithin
dem Derausgeber feinen Willen gethan, ich fage aber auch weis
ter nichts, al& daß es enthält: 1) „Bob oder bie Pulververſchwoͤ⸗
rung’, Euftfpfel in zwei Aufzügen, nad Duportundde Forget;
N „Der Schutmeifter”, Pofle in einem Act, nad Cocroy und
Anicets und 3) „Zeffeln‘‘, Euftfptel in fünf Acten, nah Scribe.
Diefes ift bekannt und berühmt, auch ward es früher in d. Bi.
fon ausführlich befprochen, jene aber find nicht berähmt und
faum befannt, und ich finde, daß fie genau biefes Schickſal ver-
dient haben.
37. Dramatifche Bibliothek des Auslandes. In gewählten Über:
fegungen. Zünftes und fiebentes Bändchen. Wien, Tauer
und Sohn. 1843. 16 Ner.
Das fünfte Bändchen enthält das S cribe’fche Euftfpiel „Os
Zar’, über deſſen Inhalt bereits gefprochen worben ift. Im
fiebenten wird uns ein fpanifches Drama „Die neue Komddie ”
von Moratin, einem neuern Dichter, vorgeführt. Aus ben
Meifterwerken ber alten Spanier find wir gewohnt, in allen
fpanifhen Buͤhnenſtuͤcken die feinfte Gragie mit bem edein Stolz
jener Nation innigft verfchmoizen zu feben. Bon alle Dem ift
in diefer „Neuen Komödie’ nichts zu finden. Roheit ber Ans
lage, plumpe Ausführung, eine Gonverfation voller Fadheit —
Das find bie Gigenfbaften, durch welche fich diefes Luftfpiel aus:
zeichnet. Ob ber Überfeger, A. Schumacher, einen heil der
Schuld davon trägt, laͤßt fich nicht enticheiden. überfluͤſſig
bieibt die UÜberſezung fo ausgemachter Mittelmäßigkeiten auf
alle Fälle.
3. Schauſpiele von König Guſtav III. von Schweben.
Aus dem Schwediſchen überfegt von Karı Eichel. Leipzig,
. Brodhaus. 1843. Gr. 12. 1 Thir. 6 Nor.
Der liberfeger behauptet in ber Vorrede, König Guſtav III.
fei der eigentliche Begründer ber ſchwediſchen Literatur, eine Be:
Jetzt
verflucht fie den Geber der Maske und dieſe ſelbſt nat gewiß, daß König Guſtav III. bei allem Geiſt, der
doch ein hoͤchſt mittelmäßiger Dichter geblieben
29. Spanifche Dramen Überfest von C. A. Dohrn. Zweiter
Theil. Berlin, Nicolai. 1842. Gr. 8. 1 —8 8 Nor.
Schon der erſte Theil dieſer Sammlung brachte aus der
Zeit, wo die ſpaniſche Literatur in ſchoͤnſter Bluͤte ſtand, ſo
Ausgezeichnetes und wahrhaft Intereſſantes, daß wir die Fort:
fegung als etwas hoͤchſt Wuͤnſchenwerthes betrachten mußten.
Der gewandte und fenntnißreiche Überfeger gibt biefe in dem
vorliegenden Theile und es ſteht zu hoffen, daß nady der Theil
nahme, bie man biefem bantenswerthen Unternehmen ſchenkt,
noch mehre Thelle in Zukunft folgen werben. Überfegungen fo
geiſtvoller, grazidfer Buͤhnenſtuͤcke, in denen alle Eigenthuͤmuch⸗
keiten einer hochgebildeten Nation ſich abfpiegein, begrüßen wir
mit Freuden; nur das Mittelmäßige und die Fabrifation ver:
dammen wir unbarmberzig. Diesmal gibt Dohrn zwei altfpa-
niſche Euftfpiele, die beide denfelben Stoff, aber von zwei ver:
ſchiedenen Meiftern bearbeitet, behandeln, von dem fruchtbarften
wol aller Dramendidter Zope de Vega, und von Moreto.
Jener nennt fein Stüd „Los milagros «el desprecio ” (bie
Mirakel der Verachtung), biefer „El desdeu con el deaden”
Tred wider Trotz). Den Eefern d. Bi. ift das von Weſt für
die deutſche Bühne bearbeitete fpanifche Stüd „Donna Diana”
bekannt, das dem Bauptgebanken nach bei zwar vielfachen Xn:
berungen eine freie Überfehung des Moreto’fchen Stüds if.
Eope de Vega iſt ber eigentliche Schoͤpfer dieſes koͤſtüchen, fei⸗
nen kuſtſpiels, nur iſt ſeine Arbeit groͤber und ſtreift in ihrer
Natürlichkeit an eine Derbheit, die nach unferm Geſchmack mit
der Roheit zulammenfällt. Moreto, der fpäter Iebte, Bat Lo⸗
pe Idee feiner ausgebildet, die Intrigue vereinfacht und fie
doch fpannenber gemacht, und feine Sprache entwidelt unbebinat
weit mehr Gratie ald die Lope's, weiche ſich mehr durch Kraft
auszeichnet. Ich für meinen Theil ziehe vie Arbeit Moreto'e
unbedingt dos, ja ich halte fie für das .geiftig bewegteſte, in feis
ww ou ww. — — -u
nen Jormen voienbeifte Euibin, das es Mrhaupt Afbt. - Mei
Woreto Heißt DE Wlige Perfon md Don Garios’ Getegenheite:
macher Yolllla, Wet bet daraus einen Perin und Hausmeiſter
Donna Diana’s gemacht, wenn ich nicht irre. Dieſer Polilla,
Den Carte” Diner, führt ſich als Arzt bei ˖ Donna Diatrd ein,
Se ihn feines muntern Humors wegen bald lirb gewinnt. Bon
Amor fagt e:
Amor iR ein bittrer Schaden,
YA Verrath und Ayrannei;
Dur) die Zeit kommt man ihm bel,
Dur Gebet unb Limonaden,
Amor füurrt ben Werfkand,
Er verfäuert Schlaf und Reize,
Manchem Schopf dat Amor’s Belize
Alen Lockenſchmuck entwandt ;
Seiner Yriefterianen Chor
"Endet meiſtens mit dem fauren,
Ya Sauren und Rofauren
Schmeckt der pure Eſſig vor. .
An dem Wettkampf, den Don Carlos und Diana, fich ger
genfeitig verflellend, nunmehr beginnen, wird bei Moreto Wi,
Geift und Humor in Fülle verfchwenbet, Zope de Vega zieht
das Derbe vor und fucht mehr durch komiſche Situationen zu
wirken als durch feine Verflechtung ber Fäden. Er geht fogar
fo meit, daß er bie verliebte Juana in das abſcheulichſte Regen
wetter hinausjagt, um ſich von der Untreue Deſſen, den fie liebt,
während fie vorgibt, ihn zu verachten, mit eigenen Augen zu
überzeugen, was benn ihre endliche Beflegung herbeiführt. Her:
nando, wie bei Eope bie luſtige Perfon heißt, antwortet ihr,
als fie ihn fragt:
Sagteſt du denn nit zu mir,
Dein Herr wäre offenbar
Einer andern Frau gewogen?
DYernanmdo.
Darin hab’ ich dreift gelogen,
Weil's zu feinem Wellen war.
Denn ich ſah ibn albern ſchmachten
Usb vor Leidenſchaft ganz blind,
Darum ſagt' ich's, und dad find
Die Mirakel vom Verachten.
amd gibt damit dem Stüd feinen Namen.
Ein fogenanntes , Eatremes” ober ,Ziwifchenfpiel”’ von
GServantes, „Die wachſame Schildwache“ („La guarda
<uidadosa”), beſchließt diefen zweiten Theil. Als eine leicht bins
geworfene, kecke Arbeit des berühmten Verf. des „Don Quixote⸗
wird fie allen Verehrern dieſes Meifterwerts einiges Interefle
abgewinnen. Wir können auch diesmal nur mit dem Wunſche
fließen, daß der fleißiger Überfeger fein Unternehmen ruͤſtig
fortfegen möges für die Zukunft des deutfchen Dramas aber
reichten wie gern eine Petition bei allen neun Muſen ein, um
Bertilgung der viclen ſchlechten Dichter und um forgfame Pflege
der weniger beſſern, die etwa unbekannt auf beutfcher Gebe um:
herwandeln.
Antrag auf ein Geſetz zur Sicherung bed literariſchen
Eigenthums in Nordamerika.
ind die amerikaniſchen Verleger ploͤtlich tugendhaft ge
worden? Hat ein neuer Prediger in ber Wuͤſte ihnen das fie:
bente Gebot zu Gemuͤthe geführt und fie find in fidh gegangen
und thun Buße in Sad und Aſche? Ach nein! Aber feit bie
Zeitungsfchreiber das Kunftftäd erfunden haben, bie Diebe zu
beſtehlen, die Räuber zu berauben, die Plünberer auszupläns
vern, ſeit Tagesblätter gedruckt werben, die jeden Tag in ihren
‚Spalten einen breibändigen Roman den Abonnenten für ein
Spottgeld liefern, ſeitdem, wie es Tcheint, hat ber merbumesi:
xLaniſche Buchhandel endlich auf praltifchem Vege den Spruch
Barper eint fich ‘allein ausge [|
. zu haben) ein Bittfhreiben an ben Gongerß eri *
cebenſo wichtig als erſtaunlich iſt und —* wie — ”
gelltent: „TED vu Si bauß dein he,
— Semi 8, den acuen a a
Gebrider * Comp. —* ⸗ ur
„Die Unterzeichneten, Verleger und Buchhaͤndler in den
Vereinigten Staaten, machen Ihrer ehrenwerthen Koͤrperſchaft
die ehrfurchtsnolle Borftellung, daß fie bei dem ausnehmenden
Intereffe, welches fie nicht allein im Beſondern als Buchhaͤnd⸗
ler, fondern auch im Allgemeinen als amerikanifche Bürger am
der möglichft weiten Berbreitung von Kenntniffen und gebieges
ner Literatur haben, zu der vollen Überzeugung in ihrem Bes
triebe ald Buchhändler gelangt find, daß das beſtehende Beleg
in Betreff des literariſchen Eigenthums ernſte Nachtheile erzeugt,
ebenfowol für bie Kortfchritte ber amerikaniſchen Eiteratur, als
auch für denjenigen fehr ausgebreiteten Zweig der amerilanifchen
Induftrie, welcher den ganzen mechanifchen Theil ber Buͤcher⸗
verfertigung umfaßt. Diele Nachtheile treffen auf gleiche Weiſe
bas Berlagsgefchäft und die beften und wahrſten Jutereſſen bes.
Volks in Maſſe“.
„Ihre Bittſteller halten ſich nach ſorgfaͤltiger und reiflicher
Überlegung bes wichtigen Gegenſtandes für vollkommen überzeugt,
baß die großen Intereffen der Wiſſenſchaft und der Induftrie,
Derer, welche bas Publicum mit Stoff zum Eefen verforgen und
bed großen Iefenden Yublicums fetbft weſentlich gefördert werben‘
würden, wenn ein Gefeg burchginge, welches den Verfaffern jes
ber Nation das ausſchließliche Recht fiherte, üser die Ver⸗
öffentlichung ihrer Grzeugniffe in den Bereinigfen Staaten zu.
verfügen, mögen biefe Erzeugniffe bereits im Auslande veröffente
lit fein oder nicht; indem ſowol der Fall vorgefehen wird, da
bad Buch innerhalb einer gewiffen (durch bas Gefeg zu beſtim⸗
menden) Zeit nach feiner Veroͤffentlichung in einem fremden Lande
gebrudt werde, als au ber Fall, daß das Verlagsrecht für
Amerika auf in Amerika anfäffige Buchhaͤndler allein uͤbertrag⸗
bar fein ſoll.“ .
, Ihre Bittfteler find der Überzeugung, daß biefer billige
Schutz die Werleger in Stand fegen würde, ihre Mitbürger fos
wol mit auswärtiger als amerifanifcher Literatur in fol
Form und zu ſolchen Preifen zu verforgen, als wahrhaft den
Bebürfniffen ſowol als den Mitteln des Volks entſprechend fein
würde, während den Schriftftellern die gerechte Vergütung für
ihre Arbeit und Fähigkeit gefichert wäre, wo auch immer ihre
Bücher gelefen werben. Ihre Wittfteller find der Meinung, daß,
bie Intereffen der Echriftfteller, der Verleger und der Käufer
in Wechfelbeziehung zueinander fichen, wie bie ber Erzeuger
und ber Verbraucher in allen Faͤllen.“
„Ihre Bittfteller würden auch Bezug nehmen auf den Um⸗
ftand, daß Feine andere Maßregel als eine folche, wie fie dies
felbe fo chrfurchtsvoll als dringend wuͤnſchen, erfoderlich if, um'
gleichzeitig den amerikaniſchen Verfaſſern das Verlagsrecht für
ihre Werke in Großbritannien zu ſichern.“ |
„Ihre Bittſteller erfuchen daher Ihre chrenwerthe Körper:
ſchaft ehrfurchtsvoll, das beftehende Geſet über das Verlagsrecht
in Amerika in Erwaͤgung zu nehmen und ein ſolches Geſetz zu
erlaſſen, welches den Verfaſſern auswaͤrtiger Nationen das —
ſichert, uͤber ihre in Amerika durch amerikaniſche Buchbaͤndler
bekannt zu machenden Werke zu verfuͤgen, indem vorgeſehen
wird, daß ſolches Recht ſich nur auf die Schriftſteller ſolcher
Bänder erſtrecke, deren Regierungen gegenſeitig das gleiche Vor⸗
recht unſern Schriftftellern bewilligt baben oder bewilligen wer⸗
ben, und indem weiter vorgefehen wird, was Ihrer Weisheit
recht und erfprießlich Icheint.
„Und fomit ıc. 20.” 18.
Siblisgrephbie. |
Aschbach, J., Geschichte der Grafen von Wertheim
von den ältesten Zeiten bis zu ihrem Erlöschen im Manns-.
4
! . Lörteikein, K. Brdk
! grbud. IE je || östlichen pre en rn 8.
am Geibftübk
logie des ib jod. € Beichardt. Möller, W., Groß: Reimgoro!
& re * Aare und Sefod. Eelpa, Reihe gſchen Glamen. Gehattenbilber der MWergangenheit,
Dahimann, 8. &., Seſchichte von Dänemark. Iter | Deutfche Berlagsbuchandtun,
Ban. Hamburg, 8. Pertbes. Gr. 8. 2 Thir 5 Rgr. Riebuhr, ©. ©,
Eihhorn, 8. 8, Deuiſche Staates und Rechtsgefhicte. |; Schriften. 2te Sammlung. Bonn, Weber. 8, 135
Se verbefferte Ausgabe. 2ter Theil. Göttingen, Wandenpoed | Peterfen, E., Erinnerung an 9.
und Ruprecht. &r 8. 3 Qple. 10 Net. | Einfluß auf Siteratur, Biffenfia|
ledri E.,Der Gandidat. Erzaͤhdlung aus bem | gehalten an deſſen Geburtäta,
Belasihr . eye. ana ——
Sieh, S. Graf d., Anſichten über Staats⸗ und Öffente | Gebäude und Plaͤge in den Staͤdten
Yes — Me vermehrte Auflage. Nürnberg, F. Campe. | burg 1842, 8. 3%, Kor.
9
*
*
5
*
tagsverhandlungen über das Ehefcheidungsgefeg, bie Patrimonials | leitung.
und Öffenttiäjkeit des geiarigen Berfahrent, Seipilg,
gärtner. 1844, Gr. 8, 26%), Nor. R
burg. Altenburg, Helbig. Gr. 8. 5 Nor. &. 8. 17% Nor.
Hoffmann von Ballersleben, Allemanniſche Lieber. |: Schulz, I. 9, Die Beſtimmu
Rebſt Worterfiärung und einer allemannifhen Grammatik. 5te, | weibliden Geſchiechts. Gtuttgart, Gal
im WWisfentpale_verbefferte und vermehrte Ausgabe. Manheim, | KIY, Kan.
Bafermann. Kı. 8. 18%, Rot. | &outit, 8, Die Gsbeimniffe der Provinz, (Huit
Konftitutionele Jahrbücher. Herausgegeben von K. Weil. | au chätean.) Deutich von Louis Fert. Drei Wände.
1843. Iter Band. Gtuttgart, Krabbe, Gr. 8. 1 Thir. 25 Ngr. | sig, Literariſches Mufeum. 1844. K. 8. 1 hir. 15
Zuntmann, ®., Gebichte. 2te ſehr vermehrte Yufs |: Streifsreien des Kaiſers Aſching Zip. Cin di
lage · Möünfter, Deiters, 1844. Gr. 16. 1 hir. Roman, Rad der englifdgen Überfe
Keiber, I. ©., Der Apoftel Paulus an die Bekehrten | Schen verbeutfeht von IB. x Sinvau. wei Bände Leip
—8 1 Thir. Rer..
Franz Sternbatd’s
Berii⸗ *
und Unbelehrten. Gin Glaubenswort zur Glaubenseinigung und | zig, Kolmann, 8. 2
Staubensftärtung an feine Glaubensbrüder gerichtet. Nürnberg, Taſchenbuch beusicher
8. Sampe. 81.8. 15 Rar. 5 von ®. Benedir. Wefel, Kiönne.
Keller, A., Romvart. Beiträge sur Kunde mittel- Tied's, &, Gceiften. I6ter Band:
alterlicher Dichtung aus italienischen Bibliotheken. Man- | Wanderungen. (ine alttewtfde Gefdhichte.
heim, Bassermann. Gr. 8. 4 Tblr. 8 1 Zhrr.
Johann Keppler, kaiserlicher Mathematiker. Denkschrift Bafari, @., deben ber ausgezeichnetffen Maler, Bi
des historischen Vereins der Oberpfalz und von Regensburg | und Baumeifter, von Gimabwe bid
auf die Feier seines zehnjährigen Bestandes. Mit Keppler’s | Statienifcen. Mit einer Bearbeitung fümmtlier Anmerkungen
und dem Facsimile seiner Handschrift. | der früheren ‚Herausgeber ſowie mit eigenen Berii
Imp .d 1 Thlr, Rachweiſungen begleitet von &. Schorn und nad) deſſen Tode
jeiträge zur geologischen Kennt- | von E. Förfier. Iter Band, enthaltend ber Drigi
jensbi
Klipstein, A. v.,
miss. der östlichen Alpen. Mit geognostischen und petre- | 3ten Theil, Ifte Abtpeil
factologischen Tafeln. Giessen, Heyer. Gr. Imp.-4. 4 Thlr, | fen. Gtuttgart, Gotta. Gr. 8. 2 Thir.
Das Regifter zum Tahrgang 1848 ift unter der Preſſe und wird im Laufe des Monats Januar
nachgeliefert werden.
BWerantwertliger Herausgebers Heinrie Brodhans. — Drad und Berlaı
Rinia H Ik, Dee.
ER ETF
fee Ban. | dem Ohentiihen vr 6. Aiaen
. ur 8. 1xpte. 1 NRge. | mann. 8. 2 Up
gen über bie öf fichen
Alterthi Ham:
n befferen Würdigung bes Wefens
Gutachten der. Provinzfal « Landtage über den Entwurf des |. und der Bedeutung des Pufeyismus, durch Übertragung einiger
Otrafgeſetbuche für bie preußifhen Staaten. Rebſt den ande | der mißigften betreffenden engliſchen Echriften nebt
les Heft: Ginleitung und Brief Pufev’s an ben Eri⸗
gerichtsbarfeit, den erimicten Gerictöftand, die Mandiichteit bifhof von Ganterbury. Göttingen, Bandenhor und Ruprecht.
ar.
Petri, M., Beiträge zur
PR ommet, run bir on ter
5 Teil: nd. — A. ud. T.: ichte von . 4ten Theilet ate
— JW a keiprig, Engeimann. Gr. 8. 2 Thir. | Abtheitung ober Ster Band. Kaffel. &r.8. 3 Thir. 15 Kar.
Salomon, ®., Bruno Bauer und feine
3 jehaltlofe Kris
ki Frerte, G., Aus dem Leben des Schloſſets zu Alten» |; tie über die Judenfrage. Hamburg, Yerttes.Zeffe und Maufe.
us Grzi bes
8. ae rg
um Sabr 1867. Aus dem
. U. Brodpans in Leipjig
⁊
Literarifher Anzeiger.
1843. Nr. XV. u
Diefer Literarifche Anzeiger wirb ben bei %. A. Brodhaus in Leipzig erfcheinenden Beitfchriften „Blaͤtter für titerarifche
Unterhaltung” und „„Ifi6” beigelegt ober beigeheftet, und betragen bie Infertionsgebühren für bie Zeile ober beren Raum 2% Rgr.
ee,
Auf das am 1. Juli 1843 beginnende neue vierteljährliche Abonnement ber
Deutſchen Allgemeinen Zeitung
werden bei allen Poftämtern und Zeitungserpeditionen bes In: und Auslandes Beftelungen angenommen. Dee
Preis beträgt in Sach fen vierteljährlih 2 Thlr., in ben übrigen Staaten aber wird berfelbe nad Maßgabe der
Entfernung von Leipzig erhöht.
Hutünbigungen
Keipzig, im Juni 1843,
Bei Friedrich Fleiſcher in Leipzig ift erfchienen:
Publ Ovidii Nasonis
Mietameorphoseon, Libri XV.
Ad fid. vet, lib. recens. et emend. varlas script. cod. adhuc
. eollatorum, itemque ed. Saec. XV.apposuit, oomment, instruzit,
praefatus est et indioem addidit
Dr. Vitus Loers.
8, mei. 1843. Preis: 3'% Thlr.
Bei C. Derold & Sohn, Buchhändler in Wien, ift
erfchienen : .
ahbrbuder
8
Der LBiteratur.
Hundertunderſter Band.
1848. ,
Januar. Februar. März.
Inbelt bes hundertunderſten Baudes.
et. I. überſicht von neunzig Werken orlentaliſcher Litera⸗
tur. (Fortſegung.) — II. Der deutſche Zollverein in feiner
Fortbildung, von Guſtav Höfen. Stuttgart und Tuͤbin⸗
gen 1843. — 111. Naturſchiiderungen, Gittenzüge und wiflens
Ihaftlide Bemerkungen aus ben höchften Sqhweizeralpen in
Süd: Wallis und Sraubändten, von Ehrifiian Moritz En⸗
gelhardt. Baſel 1840. — IV. Geſchichte der goldenen Horde
in Kiptfchat, das ifl: der Mongolen in Rußland, von Hams
mersPurgflall. Mit neun Beilagen und einer Stamm⸗
tafet, nebfk Verzeichniß von vierhundert Quellen. Peſth 1840,
— V. J. E. Schlager: Wiener Skizzen aus dem Mittels
aiter. Wien 1835—42. BVier Bände. — VI. Iſchl und feine
Heitanftalten. Gin Handbuch für Ärzte und Laien, von Franz
be Paula Wirer. Wien 1842. — VII. Erinnerungen an
Johann Gonradb Mauren. Bilder aus dem Leben eis
nes Prebdigers, 1771 — 1841, Schaffhauſen 1843. — VII.
Danneders Werbe. In einer Auswahl Mit einem Le⸗
bensabriffe des Meiſters. Berausgegeben von Karl Gruͤn⸗
eifen und Theodor Wagner. Hamburg. — IX. Gedichte
von Ludwig Lied. Meue Ausgabe. Berlin 1841.
Anhalt des Auzeige⸗Blattes Re, CI.
Unterfuchungen über das dltefte Muͤnzrecht zu Liebing (im
3. 975) und Briefad (1015), wie auch ber falzburgifchen Suf⸗
aller Art, welche durch dies Blatt die allgemeinſte Verbreitung finden, werden
bee Raum einer dreifpaltigen Zeile mit 2 Ngr. berechnet.
F. A. Brockhaus.
fraganbifchöfe; über die Müngftätten zu Gt. Veit, Wöllers
markt, Laibach und Landestroſt; zu Villach und Griffen x. in
Inneroͤſtreich; endlich zu Neunkirchen am Steinfelde (vor 1136),
Enns, Linz und Freiſtadt in Öſtreich. Bom E. k. Guflos
Bergmann. — Anzeige bes architeftonifchen Werkes: Enev⸗
klopaͤdie ber neueften Architeltur, von Rafael von Rigel.
Die Wiederkehr
Eine Novelle.
Derausgegeben
von
» em Einfiedler bei Bt.- Johannes.
Drei Zeile,
Gr. 12. Seh. 6 The. 15 Nor.
Leipzig, bei F. U. Brockhaus.
Die innere und Äußere Befchichte eines reichbegabten Juͤng⸗
lings, ber in religiöfen und politifhen Wahn befangen' ausgeht
aus dem Baterhaufe, die wahre Kirche und den freien Staat
zu fucdhen, und heimkehrend, wenn nicht was er gefucht, doch
die koͤſtlichſte Perle gefunden bat, bietet eine Galerie von
landſchaftlichen und hiſtoriſchen Gemaͤtden und Portraits dar,
weiche das haͤustiche, kirchtiche und bürgerliche Leben in mannich⸗
fachen Geftalten abfpiegeln. Es find Biber aus dem Leben,
vol hiſtoriſcher und poetifcher Wahrheit, und bie wichtigſten
Gtreitfragen, Sontroverfen und Differengen unferer Zeit treten
in anmuthigem Wechſel ber Erzählung unb bes Dialogs anſchau⸗
lid) hervor. Altes und Neues wird hier geboten, aus bem Schatze
eines erfahrungsvollen Lebens, das den Kampf der Parteien unb
Spfteme mitgetämpft und für ſich durdhgelämpft, im Kampfe
aber gelernt hat, gerecht fein gegen Meinungen, wo bie Gefins
nung lauter und wahr, das Gtreben redlich ſich erweift. Rentiche
Zweifler werden bier über manche angefochtene Glaubensartikel
befriedigende Auffchlüffe, und was bie flreitenden Kirchen ents
zweit ins Licht geftellt finden, nicht aus bem Standpunkte einer
Partei ober Sekte, fondern aus den unserfäfchten Zeugniffen des
bibliſchen Chriſtenthums und dem gelduterten Bekenntniß ber
evangelifchen Kirche. Zur heitern Unterhaltung geſellt ſich man⸗
nichfache Belehrung und fo fleht zu hoffen, baß bie verfchiedens
artigften Lefer ſich befriedigt fühlen werben.
Heuo forst- und landwirthschaftliche Schriftgp
aus dem Verlage von
F. "A. Brockhaus ix Leipzig.
Forſtſtatiſtik
der den 18 che n Sundessianien.
| von ICH (Eder Banı .
Bel Thelle. Gr. 8. 3 Thlr.
Landwirthschaftliche Worheitung.
Herausgegeben unter Mitwirfung einer Gefellfchaft
raktiſcher Land⸗, Hauss und Korfiwirthe von ©. 9,
ffenurath und RE, Böbe, Mit einem Bei⸗
blatt: Semeinnätgiges Anterhaltungsblatt für
| Stadt und Land.
4. Der Jahrgang 20 Ngr.
Hiervon erſcheint woͤchentlich Bogen. Ankuͤndigun⸗
en darin werden mit 2 Ngr. für den Raum einer aefpal,
nn Belle berechnet, beſondere Anzeigen ze. gegen
Bergütung von 7, Ihle. für das Zaufend beigelegt.
Rakturgeſchichte
für Candwirthe, Gärtner und Technicker.
Herausgegeben von William Löbe.
Mit 20 tithographirten und illuminirten Tafeln.
Gr. 8. 3 Tble
8, bir.
(DE and in 5 Heften à 12 Stege. gu Beziehen.)
Schmal3 (Friedrich),
rfahrungen in dediete Der EZaudwirth⸗
haft geſammelt. Shebenter Theil.
1 Thlr. 21 Nor,
ee 1. vis 6. Zell der „Erfahrungen“ (1814 — 24)
Bolten im Herabgefegten Preiſe auftatt 6 Abir. 18 Mer.
uns 3 Tylr., dab ganze Mork haker 4 Zpir. 21 Ser.
Als ein befonderer Abdruck aus dem 7. Theile ift erfchienen :
Snleitung zur ut und Auwendung
eines nehen Ackerbanfyſtenns. Auf Theorie
und Erfahrung begründet. Gr. 8 Geh. 15 Nor.
Außerdem erfchien noch bei mir von bem Verfaſſer:
VDerſuch einer Auleitung zum WBonitiren
Sub Gieffifieiers Des —2 8. 1824,
gr.
In meinem Verlage erſchien ſoeben und iſt durch alle
VBuchbandlungen zu beziehen:
Perlen.
Eine Sammlung geiſtreicher Gedanken
aus den claſſiſchen Schriften
der
Englaͤnder, Brangolen, Spanier, Italiener und |
u utfchen.
Gr. 8.
Allen ver Wa unb ,
mit dieſer ma —— weollen, kaͤm Ar
mit Recht anpfohlen werden:
Prießnitzz und Bräfenberg.
Aus meinem Tagebuche zur Unterhaltung und Beleh⸗
rung aller Derer, welche auf bem Graͤfenberg getvefen
find, ober Solcher, bie ſich einer Waflercur hort ober
anderswo unterwerfen wollen.
Neb einem Anhanae, ber bie Behandlung einiger Srank
heiten und mehrer ber Ka dhPrgekommenen Krankheite⸗
Bon
von Robbe, |
8. Belinpapier. Geh. 1 Thlr. 724 Ngr. (1 The 6 gr)
Das Buch iſt durch ale Buchhandlungen zu beziehen.
Dibenburg, im Juni 184
Schulze'fche Buchhandlung.
Durch alle Buchhandlungen iſt von uns zu beziehen:
Exrbmann Eranz Rr Volftändige überſicht ber Altefien
türkifchen, tatarifchen Boͤlkerſtaͤmme. Reh
a :Nd»Din’s Borgange beacpriet 8. Kafen IBil.
2 Te.
— , Slide Beuttheilung ber von Sm.
Quatremdre herausgegebenen: Histwire des meugols de la
Perse. 8. Kafan 1841. . Ihlr.
—— , Herobot entnahm feine Erzählungen
ber alten perfifchen Geſchichte aus perſiſchen Geſchichtsſchrei⸗
at In ruſſiſchet Sprade. 8. Kaſan 1840,
r.
— — —, über einige Maänzen Tamertant
8. Kaſan 1837. % Ihe.
„Beipgig, im Iuni 1843.
Beodhaus & æcvenariuo.
Buchhandiung für deutſche und autlaͤndiſche Eiteratım.
Das Buch von unserm Könige
ober
Leben, Reifen, Reden, Trinkſprüche, Charakter
züge, Anekdoten und Pepe er. vv
Sriedrich Wilhelm
erfcheint jest in neuer Muflage in drei Lieferungen, jete
5 Nar. (4 4Gr.) Zu erhalten in allen Buchhandlungen. Ber
lag von C. hm in Leipzig. |
So beliebt überal bie Anekboten vom alten WPrig find:
nicht minder gern Tief man bie von feinem Rachfolger.
Bei BU. Brockhaus in Eeipzig ik erſchienen und
durch alle Buchhandlungen zu erhalten:
Gedichte
vom
Fürſten su Eynar.
Gr. 8. Geh. 1 The. 18 Rgr.
Früher erſchienen von dem Verfaſſer ebenbafelbk :
Der Bitter von Khodus, Trauerſpiel in vier
Acten. Ge 8. Geh. 20 Ror.
ig Mebiceer, Drama in fınf Acten. Gr. 8.
Geh. 24 Niere.
| PROBSPECTVES
>... Mined nenen, der Jugend gewidmeten Unternehmens,
unter dem Xitel:
Der neue Kinderfreund,
Mit 10 Zeichnungen von Th. Hoſemannm und vielen Vignetten.
Sn 10 Lieferungen. Gr. 8. Belinpapier. Im verziertem Umfchlage.
Gubferiptionsprris a Bief. Y, Upir.
Die unterzeichnete Buchhandlung bat ſich mit dem als Iugenbichriftfteller befannten Deren Dr: 9. Kletke zur Herausgabe
eines neuen Kinberfrumbes vereinigt, ber ebenfowel in der Bor
en unferer Zeit entfpr
von allen fräbern dadurch, daß er nicht wie jene für den Zweck
gefchmadvoller Ausftattung ben
Der neue Kinderfreund urterſch weſentlich
gZligeeit und Neuheit des Inhalts wie in eleganter und
en foll.
den Säule beſtimmt it, fondern außerhaulb berfelben In dem Kreiſe der Familie als ein echter Kinderfreund unterhalten
und belehren, das Gemuͤth erwecken
‚ ben Verſtayd üben, Kenntniſſe foͤrdern, chrifttiche Seſinnungen vorbereiten, fomtt in nach⸗
haltigſter Weiſe den Unterricht der Schule unterflügen und für ihn das jugendliche Gefühls s und Grfenntnißvermögen nach allen
Seiten bin anregen und beleben foll.
Der umfaffende Plan biefes Kinderfreundes macht ihn für bas ganze Alter von 7-14 Jahren, ebenfo für Mädchen wie für
Knaben, geeignet; doch
wird ihm bie Trefflichkeit feines Inhalts, für welchen eine Menge ber ausgezeichnetften Dichter und Pro»
bi benugt worden find, auch über jenes Alter hinaus feinen eigenthümlichen Werth bewahren.
— Dekan gefchieht in 10 Lieferungen, von beuen jebe (3 Bogen Zert mit eingebruckten Golsfchnitten und einer Zei
nung von Th. Bofemann) in eleganten Umſchlage nus Y, Thlr. koſten wird.
Abnehmer im Beſitz des Ganzen fein.
zugleich die Wte berechnet.
das complete Werl, ber
is gegen Ende bes Jahres follen di
Die beiden erſten Lieferungen werben in allen guten Buchhandlungen zue Probe aus⸗
liegen und am beften geeignet fin, 1 über das Werk bie gemünfchte Kenntniß zu verſchaffen.
*
Mit der Iten Lieferung wird
ſcheinen ber IOten Lieferung tritt anſtatt des Subſcriptionspreiſes von 2% Thir. für
Labenperis mit 3%, Thir. ein. Cartonnirte Sremplare werben um ein Geringes hoͤher berechnet.
In allen Buchhandlungen werben Beſtellungen baxauf angenommen. Gubfcribentenfammier erhalten auf 12 compiet befiellte
@rempiare 1- Yrei
Mit dem Bemußtfein, nichts verabfäumt zu haben, in biefem Buche ber heranwachſenden beutfchen Jugend einen
Schatz zu übertiefern, wirb es mich
freund allen Altern, allen Leitern bee. J
! ugend.
Berlin, ben 15. Juni 1843.
freuen, wenn es für fie bie fe
gensreichite Jrucht trägt. Und fomit empfehle ich den en
Alexander Duucker, kinigt. Hofouchpändter. _
Wohftänbig ift jeht bei mir erſchienen und durch alle
uchhandlungen zu erhalten:
Dns Shierreidhd
geordnet nad feiner Drganifation.
As Grundlage dee Naturgefchichte der Thiere und
Einleitung in die vergleichende Anatomie.
Bom ,
Baron von Eupvier.
Mach ber zweiten, vermehrten Ausgabe überfegt und
durch Zuſaͤtze exweitert von ..
3 G. Boigt,
Geheimer Hofraih und Profeſſor.
Sechs Bände Gr. 8. 1831 — 43. 18 Thir.
Der erſte Band dieſes ausgezeichneten Werkes ent
Saͤugethiere und Bogel (1831, 4 Thin n ber zweite —**
und Fiſche (1832, 2 Thle. 10 Ngr.); der dritte Mollusken
(1834, 2 Ahle. 30 Mar.)5 der vierte Anneliben, Gruflaceen,
Arachniden und ungeflägelte Infekten (1836, 2 Thlr. 10 Rar.);
der fünfte die eigentli Inſekten (1839, 3 Thlr. 10 Nor.)
und der fechste Band bie Zoophuten nebft einem vollftändigen
Regifter ber citirten Schriftſteller (1843, 3 Thlr. 10 Rgr.).
Reipzig, im Juni 1843.
3%. Brodhens.
Be TH. Ehr. Fe. Enslin in Berlin ift Torben er⸗
ſchienen und durch alle Buchhandlungen zu beziehen:
Dainos, oder litthauische Volkslieder;
gefammelt, überfegt und mit gegenüberflehendem Urtert
herausgegeben von E. J. Rhefa; nebft einer Ab⸗
handlung über die litthauiſchen Volksgedichte und muſi⸗
kaliſchen Beilagen. Neue Auflage, durchgeſehen, be⸗
richtige und verbeflet von Fe, Nur ſchaft. Sauber
broſchirt 1 Thlr. 15 Ser.
Im Berlage von F. WM. Brockhaus in Reipzig i
erfchienen und durch ne zu erhalten ip⸗ g iſt
Das
preus;ſce Familieurecht
em Allgemeinen Landrechte
mit
Rückoicht auf das gemeine und deutoche
dogmatiſch⸗ erieiich dargeftellt.
on
E. E. W. Schmidt,
Juſtiz⸗ Sommiflarius und Notarius.
Gr. 8. 3 Thlr.
Fruͤher exſchien bei mir:
bitte (MA.), Das preußiſche Inteſtat⸗Erbrecht, aus
dem gemeinen beutfchen Rechte entwidel. Gr. 8.
1838. 1 Thlr. 15 Nor.
⁊
Verlags- und CGommissionsartik
von '
Brockhaus& Avenarius,
Buchhandlung für deutsche und ausländische Literatur
in Leipzig.
1843. M. I. Januar bis März.
Echo de la litt£rature francaise. Troisiöme annde 1843.
52 Nra. Gr. 8, Leipzig, 5% Thlr.
Erscheint jeden Freitag in Nummern von 1—?2 Bogen und bietet
eine Auswahl des Besten und Interessantesten aus der gesammtien
franıösischen Journalistik, j
L’Angleterre, l’Irlande et l’Ecosse, Souvenirs d’un voya-
geur soliteire, ou Meditations sur le caractere national
des Anglais, leurs moeurs, leurs institutions, leurs 6ta-
blissements publics, lassocistion britannique, ainsi que
d’autres soci6t6s savantes et les inventions nouvelles en
fait de sciences et d'arta. 2 vols. In-8. Paris et Leip-
zig. 5% Thlr.
Annuaire de la pairie et de la noblesse de France et des
maisons souveraines de l’Europe, publis sous la direction
de M. Borel @’Mauterive. Annde 1843. In-12,
Parie. 2 Thir. '
Busset (F.-O.), De l’enseignement de mathsmatiques
dans les coll&ges, considere sous le double point de vue des
preseriptions röglementaires de l’universite, et des principes
ondamentaux de la science. In-8. Paris. 2%, Thir.
Discours prononces dans les chambres l&gislatives par M.
le baron P uler, chancelier de Fraace, I184—
36. 4 vols.. In-8. Paris 11 Thlr.
Wäcdlestand du Meril, Poösies populsires latinos an-
t#rieures au douzieme sidcle. In-8. Paris, 2%, Thlr.
Woelix, Trait6 du droit, international prive, ou du Con-
Hit des lois de differentes nations en matiere de droit
prive. In-8. Paris. 3 Thlr.
Les francais peints par eux-me&mes. T. V, I1—16, VI,
1-4. Gr. in-8. Leipzig. Jede Lieferung schwarz
1% Thir., oelorirt %, Thlr.
. @xanäville (3. 3.), Un autre monde. Transforms-
tions, visions, incarnations, ascentions, eXcursions, etc.
Livr. 1. ‘Gr. in-4. Paris. Y, Thir.
(Gulllaume Teil), De la Poissance ameri-
eaine, Origine, institutions, esprit, politique, ressources
militaires, agricoles, commerciales et industrielles des
Ktats-Unis. 2 vol. In-8, Paris. 5 Thir.
Prevost (3. J.), L’Irlande au Jdix-neuvieme siecle,
illustr6e par 120 gravures sur acier. Livr. 1. In-4.
Paris. 7%, Thir.
BMoccacele (Giovanni), I decameron. Lez.-8, Vol. I.
A 3 col. Firenze. 34, Thlr.
Beorghi (Gi pe), Salle storie italiane.dall’ anno
rimo delil’era christiana al 1840. Vol. I. Gr. in-8,
irenze, . 2’, Tulr.
Relasioni degli ambasciatori veneti al senato. Raccolte,
annotate ed edite da Rugenio Albert. ie J,
vol.2. Serie II, vol.2. 2 vol. In-8. Firenze. & 21, Thlr.
Tesoro della prosa italiana dai primi tempi della lingua
fino ai di nostri, novamente ordinato da Kugenio Al-
»eri. Edizione seconda. Lex.-8. A 2 col. Firenze.
8% Thlr.
Stawienin. Poszyt trzeci 1842. In-16. Paryi. % Thir.
@erecki (Antoni), Ktosek polski. Czyli nowy tomik
zyi, z dodatkiem uwag przez tego2 nad doktryng dzis.
apieza wzgledem Polski. Ia-12.. Pary2. 2 Thlr.
Drud
!
er * k emägrants ra rok 1843. In-16, Brüxelle,
12 .
Obras Polaköw, i Polski w XVIH wieku, czyli zbier pa-
mietniköw, dyaryussdw, 3. t. d., wydany z rg“ ism6w
rzez Edwarda Baczynskiego. T. 16, n- 12
ozna&. %, Thlr. ,
Nakwaska (Harolina), Dwör wieiski. Dzielo
po4wiecone gospodyniom pelskim, przydatne i osobom w
miescie mieszkajacym, przerobione 2 francuzkiego Pani
Aglaö Adanson. Z wielu dodatkami i zupeimed
zastosowaniem do naszych obyczaj6w i potrzeb. 3 tomy.
In-8. Poznas. 4 Thir.
Oredownik naukowy., Pismo czasowe. Rok A. 1843.
2 No, In-4. Pränumerationspreis jährlich 3 Thlr.
BIBLIOTHRQUR CHARPENTIER.
In-12. Jeder Band 1, Thir.
Neu erschien hiervon:
Miss Burney, Evelina. 1 vol. — Burns, Potsies com-
pletes, 1vol. — Euler, Lettres a une princesse d’Alie-
magne sur divers sujets de Kaysique et de philosophie. 1 vol.
— Fenelen, Ocuvres p tosophiquen, 1 vol. — Hel-
mann, Contes fantastiques. vol, — de Sevignd,
Lettres, 2 vol. — de Bta#l, Considsrations sur les prin-
cipaux 6v6nements de la revolution francaise. 1 vol.
Bei Wleganber Duucker, koͤnigl. (er i
Berlin, erfährt foeben: „ Eönigl. Oofbuchhaͤndler in
Emanuel Seibel
Gedichte.
weite vermehrte uflage,
8 8. Sc, 1" * e
Volkslieder und Romanzen
der Spanier.
Im Versmaße be Figlnals verdeutſcht
ur |
Smannel Geibel.
8 Geh. 1% Thlir.
Durch alle Buchhanblungen ift von F. R. BSrockhaus
in Leipzig zu beziehen:
Franz Paſſow's
Vermiſchte Schriften.
Herausgegeben
von
Ww. A. Passom.
Mit zwei lithographirten Tafeln.
Gr. 8. Geh. 2 Thlr.
Dieſe Sammlung der kleinen deutſchen Schriften eines der
ausgezeichnetſten deutſchen Philologen wird nicht nur den per⸗
ſoͤnlichen Freunden Paſſow's, ſondern auch allen Denen, welche
aus Beruf oder Neigung der Geſtaltung der Alterthumswifſen⸗
ſchaft in dieſem Jahrhundert mit Aufmerkſamkeit gefolgt find,
eine willkommene Gabe ſein.
und Verlag von F. A. Brockhaus in Leipzig.
Literarifher Anzeiger.
1843. Nr. XVI.
Diefer Steracifihe & wird den bel Wrodjaus in Eeipgi „Apiätter fr Hterarifche
Unterhaltung" und „ ——e— oder — un — die See Ihren für Fee ode’ Dem Rem 2, Nor.
42. Dante Klighpieri,
Ueuigkeiten und Fortsetumgen, "u sn Susann Ike mn KR Keneealee
—— —— u ar
F. A. Brockhaus in Leipzig Begfzumt und eb Paradiefes un cine: Karte zpn Dies
im Jahre 1843. ie Ruyerehagn * FR 15 Ro.
. . . er erflen m
A IE. Spril, Mai und Juni. a en toi jr * en Mn 58* Pelziten Bee
(Mr. 1 Viefed Meriäts, Wie Werfendungen vom Januar, Ber rs Aare
bruar und März enthaltend, befindet fi in Wr. KUEI und ZIV
des Biterarifien Anzeiger.)
3. Monaibi, Wir Gryähtung. Ans dem des
amszilanifcen Malers Miashiungtsn zu on uͤber ⸗
satte von Kapiderf. Gr. 12. Geh. 1 The.
Analekten für Frau: „ oder
—— der vorzöglichsten Abhandlungen, Monographien,
Preisschriften, Dissertstionen und Notizen des und
Auslandes über die Kraukheiten des Weibes und über die
Zustände der Schwangerschaft und des Wochenbettes,
Herausgegeben von einem Vereine praktischer Ärzte,
Vierten Bandes zweites Heft. Gr.8. Fa jedes Heft 20 N; 2
a schher erne biB dritte Sand, heben in 4 ‚Heften (188742),
37.Die Saͤhrchen ſammlung bes Somadeva Bhatta
aus KRafgmir. Aus dem Sanskrit ins Deutce „dbrefeot
von Hm. Bro dpans. Zwei Zelle. — a
Gamniun;
——
——
R ———
ut: und qweites Spell. Gr. 12. Geh. hy Eh.
38. Onsgewäßlte Riblistger ber Einfpter des
—— Mit biographiſch· literariſchen ne
puret c bis achtundzwamigſter Band. Gr. 1‘
Die bib jet eföleaenen Bände biefee Sammlung enthalten:
1.1. gi Die ben. Dultte 2u 2*5 UL 00
ER he I na
ine. .
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u
—
SE"
=
33*
). Das Belamssen,
t von 2 mitte ameltt
Apr ſerte — Drei Ge. 2 Thlr.
“ Eastern, * Gr. 12. un 2 Ror.
"ud dt —— vo un een or &, 12. a
* 2 E25 WARE —S Berge
4. ir e t 10) ie des
we ——e— 8332 J gie sd Ltr.
⸗ 6 (@. us“
ET un Bali — *
teeiftit von are #48. In neun
Er Se eieferung: &. 12. Geh.
in he nen Kinn, Nee erßen —e— —X
Bi er uf —X dem en ep Ba heit
Su Handbuch der Hiinderkrankheitem. Nach
Mittheilungen bewährter Ärste herausgegeben von Dr.
4. Behmitser wid Dr. B. Wolff.
ger fe et IR, ale ac
a7. —— * a? Mexne
voRftändigfies —— — **
ge von Gigennamen, _
en Dre BER
a foction.) &r.8.
Ss Heft 8 Bar.
4. Kannegi (KR) ji in Delphi.
jaufptel (7 — a —— —
—— und einem Rachſpiele: ori «a. Gr.
Nar.
a0 Wen (William), Die alteubur; e Bank
Pe — in ihrem gegenwärtigen ra bei
Nchtigung ihrer Brebengmeige po der A eg *
Geſetzgebung bargeftellt. Gr. 8. Gh.
Yrüber erfülen von Sen Berta
in mir
a a igihe, z ———
50. renbetsfepus (Mofes) gi
Rad den Originaldruden — Handfechrii herauds
"an von 8 B. Menbeisfahn. jeden Bäns
Erſte Ei ober bis [2
Mendelöfehn’s an. %. Fi Bed. 3 Str.
— —
—
5 andere
—— —8
tem
lichsten und
Nach den besten Quellen und nach dreissigjährigen, im in-
und Auslande selbst gemachten zahlreichen Beobachtun-
- gen und Ershrungen ans dem Yolkaleben gesammelt. In
Heften. Erstes Heft. (Aaleuppe — Breunnestel.)
Gr. 8. Jedes Heft 15 Ner.
‚Bon dem Berfafier erſchlenen unter Anderm bereits In meinem Werlage:
I 1
! ’
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52. Ott (Ar), Befdite Ber legten Kämpfe
esn's. evolution und Reftauration. Zwei Theile.
mi —— ind Gparakterfti; Zwei
feenen us rakterſtizzen. Zwi
Gr. 12. Geb. 2 Thir.
54. Ber nene Pitaval. Cine Sammlung der intereffans
uam en ‚dichten aller Länder aus älterer und none
Berausgeg jegeben von I. @. IH und W.
Er (8. Aleris). Dritter Spell Geh. 2
Datz: Giruenfe, = Srfurgusl, — Der 64 ——
Sn —— — Mertkelemg Raberib und feine
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gemeine ehigtfammii aus ben Werfen
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243* auer. Zweiter Ban. _ — d. &
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56. Puchelt (F. A. Bj.), Das Ven a
inseinenkr. ———
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£ Ban Ehe —ãa.i Bist
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NReunte, verbeflete und —* Bene rgo Driginal«
Bonftändig in 15 Wänden oder 120 Heften. Reuntes
Tehtueonens Be, #5 goelter and. (Balde—Buchhandel,)
E eg In 15 ae se ın ee IHR
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— das Werk zu 6 Iren
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8. Bellfiab IR.), Befammelte Schriften. Cu
is yoilfter Band. In bier irferungen, "Amelte Bitfe
— ailer bie {eier Bank, 8 1. A a0.
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60. ee Vote et Novi Testamenti versionis go-
thicae fragmenta guae supersunt, ad fidem codd. a
gata, latinitate donata, adnotatione eritica instructa m
glossario et !granmatica ia Iingune gothion 'thicae con;
— =. 0. de ie IE Locbe.
Zweiten Bandes erste Abtheilung,, u — des Tex-
tes und das Glossar enthaltend. Gr. 4. Geh. Drack-
papler 4 Tate. 161 Neon Hay 5 Thlr. 8 Ner.
Dir auß der —
—— — in mein
Ben — 5 —— — ei irn
Pier Traditiones, corbelenses. Herausgegeben von
P.Wigand. Gr.8. Geh. 24 Ngr. “e
Ha: Sal vn vn Beau va me, — gegen
———S— release. Gr. 6. ıaL
“ 2) 22 Senn gehen
ne ausfädrlihe Ankündigung IR in allen Buds
Das Werhätsnt
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gan * In —E m iR focben erſchienen und an alle Bud
Der Flurzwang
in seinen Folgen und Wirkungen
die Mittel zu defen Befeitigung
Prof. an der Dr. Bart Ehristien Anaus, Ps
Mit fieben Karten.
8. Velinpapier. Broſch. Preis 20 Ngr. (16. gGr.), oder 15
für ale
iden, in idteiter Brundbi idet, von
der Bien —eA — ee dr Bram
bebingungen eine zeitgemäßen Kortfe bes Landwirthicheftes
betriebes iſt. Der Vortrag ift fieben ‚Karten verfinnticht,
| Iren nie Se Werpee vr dam Berfafee giant fee
af
ienen Verfahrens zur Befeitigung des läftigen Frargmange eo
—— wird daher Niemand, bi bie Berbeffe
beider au —2— — — —
N in’ Sunt 1843.
8 . Eofta’iher Verlag.
Ion FR AR in eipris iſt erſchienen und in als
Pie. fhönsten Ze wengeſchichten des
Mittelalters.
Ih ren Sängern nacherzaͤhlt
Feerd. Kasten,
1. Die Eeithiofs» Sage. 74 Ngr.
3 unterzeichnetem iſt ſoeben und (a alle Belgien zu beziehen:
Sefhichte d d
auf vie
ang Menzel's
er Deutſchen
neuesten Tage.
Bierte ‚ umgearbeitete und vermehrte Huflage an Einem Bande
Mit des Verfaſſers Bildnig in Stahl und einem NRegifter.
Preis 5 Thlr., oder 8 FL. 45 Kr.
Wir glauben, zur Empfehlung dieſes der beutfchen Leſewelt bereits durch mehre Auflagen belannten Werks nur an
been
zu bürfen, daß die neue Auflage ale fruͤhern an Reichhaltigkeit des Inhaltes und Vollſtaͤndigkeit übertrifft (fie enthält
gen mehr), indem ber De Bertaffer unablaͤſſig bemäst war, bie Grgebniffe aller ber zahlreichen einzelnen Forſchungen und De
theilungen, durch welche er Beit, nament
net worben find, bie —XRXX
nen bat, in feine zuſammenhaͤngende Darſtellung einzutragen.
bis auf die neueften Tage fortgeführt und erft mit dem
lich feitbem viele bisher verfchloffene Staatsardhive den Gei@ihtsfreunden geöffe
che Geſchichte zumal die neuere vom Beformationspeitalter an, ungemein an Aufflärung
ig ea aus bat berfeibe d
a
ewon⸗
€ Entwickelungsgeſchichte des deutſchen —**
2 abgeſchloſſen. Die rein patriotiſche Tendenz bes Werks, di
unbeftochene Strenge bes urtheits und die Wärme ber Sprache find fich gleich geblichen.
Stuttgart und Tübingen, im Juni 1843.
Bei 6 s
[dienen un uk alle 8
Beilige
Geſchichten und Sagen,
Didhtungen
von
Deier Viſchbach,
mit mehren bildliden Darftellungen
von Math.. Fischbach, geb. Severin;
nebft andern Gedichten religiöfen und ethifchen Inhalts von
\ Demfelben.
8 Bogen in 8. Velinpapier. Gebunden. Preis 35 Nor.
handlungen gu beziehen :
Bei Marl Gerold & Sohn in Wien
ist soeben erschienen und daselbst, sowie in allen Buch-
handlungen Deutschlands zu haben:
Grundzüge
der
BOTANIRK.
Entworf en
Steph. Endlicher und Franz Unger.
m 1843,
Gr. 8 In Umschlag "brosch. Preis 4 Thlr.
Diese Grundzüge, in denen die Verfasser die Wis-
zenschaft, von der Pflanze in ihrer
einer den Umfang eines mässigen i
enden Form abzuhandeln sich die Aufgabe geseizt haben,
sollen nicht nur als eine Darstellung des
standes der Botanik dienen, sondern sind auch so einge-
richtet, um als bequemer Leitfaden beim Unterrichte und
_
I. ©. Verlag.
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4 ndige
FETT DOTORTADE | gun ——
Der —— a
nad ben ——— unb deßen
“Te. Sch. 2 34 Mor.
Ceipzig, bei $. 3. Brockhaus.
Dieles Sortteeg —— ſich vor allen andern Taſchen⸗
Voͤrterbuͤchern durch Wortreichthum, Töne Mus
tung und einen verhaͤltnißmaͤßig bifigen reis aus.
bie zwedimäßigfte und zaumerfparendfte enpogeaphifihe eig
tung wurbe es moͤglich, faft die boppelte Zahl ber
ähnlichen Werken enthaltenen Wörter au unehmen, aß Bub
hmibt 5.8. im Buchſtaben A über A000 verzeichnet, während
die bis Mi belannten Fe Wörterbücher been au 2000
le, en. Da es über an 70,000 Wörter
Atbum fetoft Thibaut —— und
frangais - allemand et allemand-
composd d’aprbs 3. smellleurs
ouvrages
—
In untergeichnetem find forben erſchienen und burch alle Muchhanblungen ya beyichen:
Gedichte
von
Sndwig
Uhland.
9 Auflage
in engliſchen Einband mit goldenem Schnitt und einem Stahlſtich.
Preis 3 Thlr. 22" Nar. (2 Thir. 15 gGr.), oder 4 ZI. 30 Kr.
D tet huͤbſche Ausgabe reiht bie 1 at unb in Ausftatt
@oiclonen von Ghethet, nn en oenas, Become Gehidlen Xr © eier Yosfattung dereite erſchinenen
Gtuttgart uns Tübingen, im Juli 1843.
I. &. Eotta’fcher Verlag.
Durch alle Buchhandlungen iſt zu erhalten:
Adam Miekiewiez,
Dorlesungen über slawische Aiteratur
und Zustände, |
Gehalten im
_ Collöge de Frauce in ben Jahren 1840— 42.
Deutfche, mit einer Boreede Beil Verfaſſers verfehene
* 12. Geh.
Iſten Theils Iſte und 2ten Theils Ifte Atheflung,
Preis jeder Abtheilung 1 Thlr. 5 Nr.
Das ganze Werk wird in vier Abtheilungen erfcheinen unb
naen kurzer Zeit im Druck beenbigt fein. Wir glauben uns
aller Empfehlun —— bei deſſelben enthalten zu koͤnnen, ba ber Name
bes — erfaſſers fuͤr den een Inhalt buͤrgt und
in fi —8 Grade —— a ns algemeine In
0
Reipsig 185,
‚im Zuli
S Ho
haus enarin®,
Buchhandlung für beutfche und ausländifche Literatur.
Bei G. D. Mähbeker in Eſſen iſt foeben erſchienen
und in allen Buchhandlungen zu haben:
Die allgemeinen Intereſſen
des
framösischen. Protestantismus |
Graf —2 — son Gas pariu,
Nequetenmeiſter und Mitglieb ber Deputirtenkammer.
Aus dem Franzoͤſiſchen
Br. Martin Runkel.
Erſte —— —
Auf feinem Maſchinenpapier. Er. 8. Geh. 20 Sgr.
Die ernſten und barum erfolgreichen Bemüpungen bes Brar
Saspar in für bie evangeli % Kirche er jebem evange⸗
bekannt. Gaine ber
n Gpei
tenta viel d ten
Bei Alexander
in Berlin, erschien soeben:
Klammengefaßt. Es find die ber evangelifgen Kirche im
gemeinen, und fo wenig biefe ſelbſt auf ein Land ober Voll
befyränft fein Tann, fo weni e6 ihre Intereflen. Die
Interelfen bes feansöfifäen Proteflantismus-find
bie des deutſchen, find die aller Proteſtanten! —
Alle werben in diefer Schrift mit großer Sachkenntniß und tie
for Cinſicht, mit chriſtlicher Eiche gegen Anbersdenkenbe, und
ernfter Ermahnung bargelegt und vertreten.
"Die zweite Haͤlfte wird In einigen Wochen ausgegeben.
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Bei Braumülee & n geidcı in Wien iſt erfchienen:
Orstreichischen militainchen Beitschrift 1843.
Inhalt dieſes Heftes:
I. über Vaffenuͤbungen and MWanoeupre in Friebenszeiten
— II. Der Feldzu ID am Oberrhein. ( Schluß bes erfim
Abfchnittes.) — Das Gefecht Hei Naumburg und Röffen
in Sachſen am 10. Dctober 1813. — IV, Biographie bed Gra⸗
fen Joh. Nep. von Brofit Sopienrt, = k. Feldmarſchall⸗Lieute⸗
nante. (Schluß.) — I. Neueſte Militair⸗
veraͤnderungen. — VII. rise und b Notizen ; Ar. 277—31,
Preis des Jahrgangs 1843 in 12 Heften 8 Thit.
SATBERIUNE NARZEZ
EXERCICES DE MEMOIRE.
Preuure
mie⸗ à, la porter des enfante,
8. Brosch. ’% Thlr,
Feine Ausgabe elegant broschirt % Thlr.
Die billigere A ist zur Einfühsmung in franzö-
sische Üsterrichtsanstn n, Mädchenschulen, Peuziomate etc,
bestimmt. Die feinere eignet sich durch ihre elegante Aus-
staktung vorashmlich zu Geschenken.
TR
Bochen erscheint bei F. A. Biroekhaus in Leipzig:
Treniakanburg (4 Adf, * ‚Die logische
Hegel’s System. Zwei
Stretschrifien, Gr. & Geh. 10 Nar.
Drud und Berlag von F. U Bro@ydans in Leipzig.
i —— ⏑
Literariſcher Anzeiger.
1843. Nr. XVIL
Diefer Literarifche Anzeiger wird ben bei F. A
Durch alle Buchhandlungen ift zu begiehen:
Veteris et Novi Testamenti versionis gothicae
fragmenta quae supersunt, ad fidem codd. ca-
stigata, latinitate donata, adnotatione critica in-
structa cum glossario et grammatica linguae
gothieae conjunctis- curis ediderunt
H. ©. de Gabelentz et Dr. J. Loebe.
: Vol IL Pars 7
- (Den Schluß bes Zertes und das Gloſſar enthaltend.)
Gr. 4. Seh. Drudp. 4 Thle. 15 Ngr.; Velinp. 5 Thlr. 8 Nor.
Dee erſte Band ift ans dem Verlage ber Gchnuſphaſeꝰ⸗
ſchen Buchhandiung in Altenburg in den meinigen uͤber⸗
gegangen. und ot auf Druckpapier 5 Thlr. 15 Ngr., auf
elinpapier. 6 Thir. 22 Nor. Die zweite Abtheilung des zwei⸗
ten Banbes (ie Srammarıt der gothifchen Sprache nthattent)
wird im Laufe des Fünftigen Jahres erfcheinen.
Eeipzig, im Zuti 1843. nn
F. A. Brockhaus.
In Untergelänetem (8 iſt ſoeben arſchienen und in allen Buch»
handlungen verfand
Die Si: Banmzucht
oder Anzucht, Cultur und Benutzung der in= und
auslaͤndiſchen Holzpflanzen des freien Landes
von
a. F. keny,
Eurtärft. Heil. Hofgästner und Mitglied mehrer gelehrten Geſellſchaften.
8. Velinpapler. Preis! —8 * Ngr. (1 Thlr. 20gGr.),
ob y
. 1 Bie ange 4 —* enpbyfioie Hör
FR Rd A ———
anzen, Ture —— — uud sie
e — )) Das Keimen der Eamen. — 3) Das Ernaͤhren
flanzen. — 3. Die von Ber Natur zur Hervor⸗
ung, Auobii wu. tung u".
vorhanhenen Mittel und ihre SCnwenbung. —
8 Klima. — Der Boden. — 4. Über Unterfudung ber
Heer unb Bartenerben. — 1. Das fpecifiiche Gericht.
— 2. Das Anfühlen, die Farbe mid der Geruch einer e. —
3. Die waflerfaffende und waſſerhaltende Kraft ber Erde. — Rea⸗
n. — E. Die Baum Im Em, _ „eilbbaum;
| und Schatten lieben. — 17.
Brodhaus in Leipzig erfcheinenden Zeitfchriften „Biätter für Titerarifche
Unterhaltung‘ und „Iſis“ beigelegt ober beigebeftet, und betragen bie Infertionsgebühren für die Zeile ober beren Raum 21, Rgr.
ü —— — —— —— —— —— ——
durch Anhänger. — D. Die Vermehrung auf na
türlihe Weife — E. Die Bermehrung aus Steck⸗
lingen. — bb. Cultur junger Pflänglinge. — Die Berebelung.
— A. Das Ablartiven oder Abfäugeln. — B. Das
Söopuliren. — C. Das Pfropfen. — D. Das Deus
liven. — Allgemeine Bemerkungen über bie Vers
ebelungsarten. — Die Bearbeitung bed Bodens. —
H. Allgemeine Regeln bei —* des Bodens. — De
Sgpie oder das Auspugen an ben Pflanzen. — IV. . Das Vers
— IE. Berzeichniß alter in: und ausiänd>
fen Heupfanen bes freien Randes, — NRadıtrag.
ee Fort: Nuphölger. — 3. Bor —— — 3,
äußere Eimatifche Einfluͤſſe. — 6. Die Höhe ber Gehoͤlze. —
T. Die Art des Wachsthums der Seoätze — 8. Pflanzen, die
auf teodenem Sande wachen. — 9. Auf trodenem, friſchem
oder auch feuchtem Torf wachſend. — 10. Pflanzen, bie au
n. fortlommen. — 11. Pflanzen, bie as trodenem aber
nabrhaftem, frudtbarem Boden gedeihen. — 12. Pflanzen, bie
einen mäßig feuchten oder immer frifchen Beben lieben. — 13.
Pflanzen bie feuchten aber nicht ganz fl
ben. — 14, Wirkliche Sumpfgehoͤlze. — 15. Gehölze für Rache
pflanzungen. — 16. Pflanzen, bie als Unterhofz d nen Tonnen
Ranker und Kiettere unter ben
Gehoͤlzen. — 18. Immergrüne Gehölze.
Stuttgart und Tübingen, im Juni 1843.
3 G. Cottaꝰſcher Verlag.
Bei G. Reimer in Berlin iſt eben erſchienen und in
allen Buchhandlungen vorräthig:
Shakspeare’'s
dram atiſche Werke
berſett
R. W. v. Sätegel und %, Viel.
Neue Ausgabe in zwölf Bänden.
Grfter Band,
Subferiptionspreis für jeden Band 10 Sgr. — y, Zhu
Auf feinem Velinpapier 15 Sgr. = Thlr.
Durch alle Buchhandlungen iſt von mir zu bezilhen:
Vhiloſophie des Staats
Allgemeine Zocialtheorie,
Dr. Buge Eifenhart.
Gr. 8. Geh. 1. Thir. 6 Nor.
Reipzig, im Zuli 1843,
Ä F. A. Brockhaus,
1
—A Boden lie⸗
NEUHÄUSER
STEINKOHLEN-VEREIN. Ä
VEREINS -
NS-CAPITAL:
220,000 Thaler Preuss. Court., oder 420,000 Gulden n Whein.
In 1200 Actien zu 200 Thaler
ss. Court., oder 350
ABWURF:
Fünf Procent feste Verzinsung und eine u sechs Procent veranschlagte Jahresdividende.
Abbauselt: Hundertundsechsuig Jahre.
Der Weuhäuser Steinkohblen- Verein (gegründet nach der statuferischen Bekanntmachung vom 15. Juni)
hat den gemeinschaftlichen Abbau des grossen und reichen Ste
zoglich Sachsen - Meiningenschen Bergreviere Neuhaus, mit einem geschätzten Kohlenvorrath von
men Centnern, zum Zweck.
oder
Die Astien lauten auf den Inhaber (au porteur). Bie sind über den Beirag von 208 Tiuanlerm Preuss.
Osuramt, Gulden im 34 Guldenfms ı 6 und mit Coupons für Zins und Dividende auf
wiernig Jahre verchen. Die Ceupons werden, sur Bequemlichkeit auswärtiger Actionnairg, ia Augsburg, Frank-
Suet und Merlin bei den nachgenannten Firmen
A. im ber-
achtuig Miklie-
Der noch dispenible Theil der Actien ist bei den Wechseikäusern
B. Metzler sel. Sohn & Co. in Frankfurt a. IL,
Joh. Lorenz Schäzler in Augsburg nd
Anhalt & Wagener in Berli
* Baersendung
Veponirt, von denen sie, ohne weitere Unkosten,
des Betrags von 200 Thalerı Preuss.
:Oparant, oder 350 Gulden im 24 Guldenfuss für jede Actie, oder gegen Remessen in Staatspapieren, weiche dem Ea-
wender zum Tagesoours berechnet werden, vor dem 1. September d. J. zu
erhalten sind.
Wach dem 1. September hört die Abgabe dor Actien al pari auf.
Mildkurghausen, am 15. Juli 1843.
Ber Henhünser Gteishehlen-Berein:
I. Meyer,
Director und Mielgentküner der Verdiaswerke.
Durch alle Buchhandlungen iſt von mir zu begiehen :
Die ® Asverus (Got.), ai
fehlaptlicper BEN Y Hemmenben — — wit Dem erffen
1 Pa 15 Nor.
Sr. 8,
Worniger (A. esse),
VYeovoestiono.
Bussi Beiträge zur Kunde
bes roͤmiſchen Staats : unb Rechtslebens.
Gr. 8. 1 The, 24 Por.
eissia, iu Zu lac. Y U. Brockhaus.
Im Berlage des Untergeichneten erſchien fochen :
Giecevbrecht.
Wendifche Geſchichten
aus den Jahren 780 — 1182.
Deitter Band. 2 Thlr. 10 Mer. (3 Thle. 8 g@r.)
Die „beiden erften Bände ber Wendiſchen Geſchichten fanden
nach rem a einen edrende Anerfennung (Preuß.
ei tung, Bo ; Siter. Zeitung, 1842, hin , und
) bie ———* des ganzen Werts ia Kt ſich erſt
—2* m uud das
—** a ee t, —— * Es iſt „gie
bedentenden Periode des n ine und
Abſtoßens deutſcher und ſlamiſcher Nationa und *
waͤhrt zugleich vieifach neue —*2 über weſentliche Yun
ber allgemeinen Gefchiäjte des ‚, zu beiben —2
Ditſee. und Freunde heimtſcher berg ia
—X — ———
duͤrfen daher auf das Bud ebenfo — aufmerkſam ges
macht werben als die M vollſtaͤndige Werk
N Bände, ar. 8.) ift für 6 —— a durch alle Buchhanblungen
— 1883,
Amelan a Sortiments. Buhpaniätung.
Freunde der fiteratur
werden auf den Verlags - Katalog von F. &, Brock-
haus in Leipzig aufmerksam gemacht, der soeben im
einem neuen, bis sum Jahre I 1883 fig Dortgeläbrten, mit einer
wissenschaftlichen Übersicht und renregister ver-
sehenen Abdruck erscheint. Durch inte Bar Buchhandiung sind
Exemplare gratis zu erhalten, sowie much ein Verzeich-
niss schönwissenschaftlicher, historischer ote. und
anderer werthvoller Schriften aus demselben Verlage,
welche zu bedeutend ermässigien (nur soch kurse
Kett geltenden) | Preison erlassen werden.
In miexam iſt ſacben exfhlenen und durch alle Mouse su beziehen:
„„feamzößte und Deutfee Ar
ducchgefehen und nem Auszuge herausgegeben von
.
ayer,
Lebrer in Strasburg.
8. Velinpapier. Preis 74 nat (6 gGr.), ober 24 Rr.
Die in ür hie Elementarſchulen beider
Giefem Gauptiädhtih f fu
Länder ten A d zi
ſtaͤnde, A auf sem ne nt q un
enthaltenen. mannichfaltigften emei
denſelben eine Sammlung ber für die erften Anfänger —— — Wörter vorangefchickt, umb de tin oͤnnen dazu dienen, mit dem
Geiſte und ben befondern Wendungen beider Sprachen in einer Redegattung befannt zu machen, bi ihre e dee —— —
er Die veranftalteten fieben Auflagen des groͤßern
Ginttgert und Zühingen, im Juni 1843,
Werks, und ber Beifall, welchen daflelbe bei fo man
verbürgen feinen Mugen und laffen uns hoffen, daß auch gegenwärtiger Auszug feine Brauchbarkeit bewaͤhren wird
Exheren gefanden
3 G. Estta’ fcher Verlag.
Durqh alle Buchhandlungen iſt vom mir zu beziehen:
Gedidäte
Carlopage.
Gr. 12. Gh WM Ner.
. ‚tm Su TR 5%. Beockhans.
Wissensohaftliche Graniosoopie,
Erschienen ist, und durch alle Buchhandlungen zu
Atlas
Cranloscopie
(Bchädellchre)
Abhildungen der Schädel - end Astiteformen berähm-
tar oder sanıt merkmärdiger Fersonen.
Dr. Mari Gästav Carus,
Hof- und Med.-Bath, Leibarst 3. M. des Könige von Bachsen, Ritter.
ä Abbildungen ü * Kostiermn id kai ——
e der rmen Sc ers, Talley-
rands, eines Grönländers, eines Oretin’s, —*
oleon’s, eines alten Skandinaviers, eines Kaf-
pre alaas Bali, sowie zwei
dieser Köpfe.
Mit Eu deutschem und fzanzösischem Text. Folio. Laden-
Preis 6 Tälr, 10 Ngr. (6 Th. 8 g6r)
. Nachdem es durch die neuen Fortschritte im Gebiete
der Physiologie miglich geworden ist; über die psychische
llbungen ya geben. als ca — von
weis . es die ngaben von
Sa ureheim, m, —æeS— vermochten. musste
ürfniss nach durchau
auch s genauen und allen An-
foderungen rechenden Abbildungen menschlicher "Kopf-
Sörmen immer fühlbarer werden. — Die hier gebotenen
es H |
Tafeln sind aus der 22 bekannten Anstalt
Franz ' ea und unter Leitung des
Herrn einnig riehtigen | Mutbode in
natürlicher Grösse ‚ sodass sie jeden Kenner aus
vollkommenste befriedigen inüssen.
Die zweite Lieferung dieses Atlas, dem wol keinsg
der seitherigen Werke ähnlicher Art an die Seite zu stellen
sein dürfte, wird unter Anderm die Kopfbildung von Kant,
den Schädel einer merkwärdigen Königsmumie aus den
Gräbern von Memphis, den Schädel eines alten Germanen
und den eines wei lichen Cretin’s in den genausten Ab-
liefern.
„ im Juli 1843.
Weichardt.
Durch alle Buchhanbtungen ift von uns zu beziehen:
monachi et presbytert
edita et inedita,
4lberts Dresset,
Smj, P t Li ı Thl
Reipsig, in Re pie “
Brockhaus S ven —
— für deutſche und auslänbifihe Eltern
I, Verlage von Sb. uhr. Barth in Leipzig
Dornan, J., Bergmann unb MSiTbpich, 6.
eh. 1 Thlr. TYı Nor. (1 Ehe. 6 gGr.)
Porioegen 18 we Pilterift "roman Ge
mälde von E. K. Geh. 1 Thir. 337% Nor.
Siambhe, er 18 PN
—— * B Pokejewnicke,
Durch alle Buchhandlungen ift von 8. ac. Beockhaus
in Leipzig zu beziehen:
Kannegiesser (. X.), Iphigenia in Delphi.
Schauſpiel in drei Acten, mit einem Vorſpiele: Ipbi-
gries Heimfahrt, und einem Rasfpiee: Ipgigenia's
Gr. 8. Sch. 12 Ngr
.
Shen iſt erſchienen:
Berrmanm, Dr. Gen,
Beiträge
Geſchichte des euffifchen NReiches.
1) Über die Verbindung Nowgorods mit Wisby und ber
Deutfchen mit den Ruffen. 2) Des Freiherrn Schoulz
von Afcheraden Geſchichte der Reduction in Livland.
3) Tagebuch des General: :Selbmarfhallß von Muͤnnich.
it Beilagen und Einleitung. Gr. 8 67 Bogen.)
Sein Velindruckpapier. 1843. Geh. 1’ Thir.
Deridan, BB,
Sinland
. und die
Bin iIdände 1
Aus bem MRuffifchen. 8. (VI und 132 &.) Beh. AXhle.
Warmer Sinn, richtige Zuffaffung, Beide und Lebendig⸗
keit des Ausdrucks charakterificen den Verf. dieſer Intereffanten
ungen jenes noch fehr unbelannten Landes und feiner
uft&
Biurichsſche Buchhandlung.
Bei F. A. Drockhaus in Eeipzig iſt neu erſchlenen
und durch alle Buchhandlungen zu beziehen:
| Traditiones corbeiesnes.
Derauegegeben
Dr. Paul "Wigand.
Gr. 8. Geh. 24 Nor.
rüber erfäjlen v don dem ——— ebendaſelbſt:
Die Corveyſchen Geſchichto quelleu. Ein
Nachtrag zur kritiſchen Prüfung des N Chronkon cor-
beiense. 1841. Gr. 8. Geh. 1 Thlr.
Eine für Juristen und jeden gebildeten Geschichts-
freünd gleich interessante, zeitgemässe Schrift ‚ist soeben
bei A. Wienbrack in Leipzig erschienen und in allen
Buchhandlangen zu bekommen:
Beiträge zur Völkerrechts-
Geschichte und Wissenschaft von
Dr. K. Th. Pütier. Gr. 8. Geh. 1% Thlr,
Inhalt: Über Begriff und Wesen des prakt/schen eu-
ropäischen. Völkerrechts. — Grundzüge des alterthümlichen
Völkerrechts. — Geschichte des mittelalterlichen Völkerrechts.
— Das Durchsuchungsrecht in Beekriegen.
"Be Oreli, Wüssil und Comp. in Zürich Ist er-
schienen und durch alle Buchhandlungen zu beziehen:
Satire di Ludovico Ariosto.
Edizione critica riveduta
da
’ Go. Gospoxe Oral.
Gr. 4. Preis 20 Ngr. (16 gGr.), oder 1 Fi. Rhein,
Überfegungs: Pnzeige.
In unferm Verlage erſcheint binnen kurzem eine beutfde
Überfegung ven
Thefrenchrevolution,ahistory.
y Thomas Carlyle. In three vo-
lumes. 7
weiches wir zur Vermeidung von Gollifionsfällen hiermit anzeigen.
Eeipzig, am 17. Zuti 1843,
Brockhaus & Avenartus,
Buchhandlung für beutfche und auslaͤndiſche Literatur
Bei
Bliegander Dunder,
Bönigl. Dofbuchhändler in Berlin,
erfcheint ſoeben:
Karl von Holtei
Die beſchuhle Katz.
Ein Märden in 8 Meten mit Zwiſchenſpielen.
8. Velinpapier. Eleg. geh. Thir.
Allgemeined
Lehrbuch der. Geographie
für Militairfchulen und Gymnaſien, wie zum Gelb:
ſtudium. rat einem Anhange, enthaltend die hiſto⸗
riſch merkwürdigen Örter Europas,
Bearbeitet von
W. Meiuede,
tönigl. preuß. Hauptmann in der britten Artillerie Brigade und
Director ber Brigadeſchule.
Be
Dritte Auflage, nad den neueſten Veränderungen,
fimmungen und Entbedungen umgearbeitet und —8
1836. XVI und 4002 Seiten. Gr. 8.
Preis 23%, Thir. (Auf 6, Gxemplare 1 Freiexemplar)
Ferdinaud Binbady in: Berlin.
«Ws
allen Pr Bene Deurfchiimie A u
kudwig (Sr.), eubahten über daſs Bebet
Des Seren, F 125 Ngr., ober 44 Kr.
— —, Bar —— Diqhtungen.
* oder 1 FL. 1 Ar. ..
8. Geh.
Bi J. X. Brockhaus in kei
unb in Er eher zu erhalten, ziis hy nen erfäjlenen
Pie altenburgifhe Ferdwicthfäen
in ihrem —— Zuſtand
Mit a an, ihrer —* und
er agratiſchen Geſetzgebung, dargeflellt von
Winiam Zöße, .
Gr. 8. Geh. 1 Thlx. 15 Nor.
: BDiefe auf viele officielle Mittheilungen Sofirte Schrift bärfee
gang befonberes Intereſſe für Dielenigen haben, wel
Berfammilung ber deutſchen Lands und Borkwlethe
die dies Jahr in Altenburg flattfindet, zu beſuchen gebenten.
Drud und Berlag von J. U. Brodpaus in Leipzig
Literartfder Anzetget.
14843, Nr. XVIIE
Diefer Eiterarifche Anzeiger ar ben bei
Unterhaltung” und „Ifis⸗ beigeltgt aber be
Verlags- und Comisissionsartikel
von
Brockhaus& Avenarius,
Buchhandlung für deutsche und ausländische „Literatur
in Leipzig.
1843. MIT. April bis Imi.
(Bir. -i dieses die V vom Januar bis März
enthaltend, befindet sich in Nr. XV des Literarischen „Auseigers.)
Echo de la täresure frangaise. Treisiöme anınde 1843,
Nos. 13 — 24. Gr. 8. Leipzig. 5%, Thlr.
„Erscheint jeden —— — In Nummers von 1-2 Bogen und bietet
—— den d Integessantosten sus der gesammion
Michtewice (Adam), Vorlesungen über slawische Li-
teratur und Zustände, Gehalten College de Frunce
in den Jahren 1840—42. Deutsche mit eiser Vorsede
des Verfassers versehene Ausgabe. Ersten Theils erste Ab-
theilung und zweiten Theils erste Abtheilung. 12. Leip-
zi Baris. Jede Abtheil LV. Thi
Word Io 3 Binden oder A — en.
de Beaument-Vassy
depuis ie oongres de’ Vienne, Belgique -
Paris. 23%, Tür.
Biklietheqgue du medeein-pratieien, eu BRisums gendrel de
tous les ouvrages de clinique mödicale et okisurgicale,
de toufes lea man etc,.ete, Par une societs
Hellande. i-8:
de medecins sous la direction du Docteur Fahre. T.L |
Maladies des femmes. Ice vr. IB, Paris. 44, Thir.
*X N: en on Balgazio pendant ’annde 1841. In-12,
Bami de „ds seograpbie medicale, ou
egraphique des ——e et ae leurs rapports topo-
graphiques ‚entre ellee. Leis o et d’anta-
gonisme. In-8. Paris. j7 Th.
Brensen (J.), Des fonds publick —* ot dtrangers et
des © dus de.la’ bemme de:Peris. "Biss #dii, In-12,
Paris. 1%, Thir.
)» Chont- del’eyil. 4-12. Paris, 1’, Thir.
Le Droit canon et son application a l’öglise 'protestafite.
Manuel traduit de allemand, ar ) Jouffrey.
valk hir,
Übersicht der älte-
chen 'Völker-
stämme. ach,
heet. B. Koman, 1 14,7
— Müsıen Taperlan's.
— —— ——
8 Kassa 189. %
— — — Kritische Benrtheilung is ‚VOR
Heyra ttomere ebenen Histoire.des Mon-
gols — 8. Karan. 3841. Thlr.
Ip Amar, Hpo.20T% 3aÄHETBOBA.AL CBOE IOBSCTBOBAHIEe
o AperHeü nepenaexoũ HCTopiü H3b HEPCHACKHII
BCTOTHÜKORE. (Erdmann, Hoerodot entnahm seine | -
-
4. Brodpaus in Leipzig erfcheinenden
beftet, und betragen bie-Bnfertionsgebühzen. für, &
„ Histoire des Stars europdens
eitfehriften „Blaͤtter für litera
Zeile ober dere ann 2, 4
Erzählung alten telnchen „Gesehishte, aus *
sehen Geschichschreb en) Kasan. 1888,
Les Francais ts par nen T. VI, livr. hr
Gr. n-8. zig: Jede Lieferung schwarz M Thir,
colorirt .
Gabet er Traite el&mentaire de la science de ’homme
Upngidehe sous tät les rapports; enrichi de figures, 3 vels.
Io-8. Paris. '6%, Thlr.
emte %. dei, Bien vi souvenirs de .
es de Vienne. Tableaux des salons, scänes anec-
—8 ues et portraits. 2 vols. In-12. Paris. 1%, Thlr.
„ir FF.) Cour d’ esiliätique , irgeit Ch.
2me ine partie . 30-8. Paris. 2%, T .
Humboldt (A. de), L’Asio centrale. Recherahes sük
les chafnes des montagries et la climatologie compävde,
3 vols. In-8, Paris. Thlr.
Heck (Paul de), Vamourenz transi. 4 vos. ui
Paris. 10 Thir.
Laboulaye (E.), Recherchen sur la condition eivile
et politique des femmes de nis les Ramains jusqu’a nos
jours. In-8, Paris. 3),
Meneval, Napoleon et Marie-Louise. Soevenim IR
storiquts. 3 vols. Ia⸗. Bari „BY, Thie.
Pheniz- Fuglen, et Angelsachsisk Krad. förstegang udgived
med Indledning, Fordansknin og Efterklang af N. T.
5. Gründtvig. Imp.-8. , Kiöbenhava. % TRIF.
| sera Ramayana, ‚em indiano di Yalmici, ' Festo
sanscrito secondo i codiei manoscritti della scuola Gi“
dana, per Gaspeire dosmepie, Vol. I. Gr. 8,
—XRX XEXX 2
ou du — Zi ses rapports avec Ia Dberts,
Vries (A\ de), Erlsiräuements sur Phistahi de Min-
vention de l’imprimerie, contenant, ete. Traduit du hol-
— J. V. F. Koonäuick. In8, ‚De Bali
dia usytku mia od 1
fi Seltena uloäon 18. a TR Ta
Listy \erfeyjekie, czyli "Korbiör krytyezny any —2 —
——** vichoci⸗ ‚Gelenk Buakowy
nstysut 2 — In-33, Sapresl. 1
Magnumewski (Be >), Nie —** w
p ge ne — 1 „eh. .
olska chrystusowg, mo paswiecone ob SPOLOcHEyUn,
wydaware staraniene 5 Br Zessyt
. waklego.
3%, "Thlk. ie
ehe in Seipaig iſt men erſchienen
| "Piratenlcben, |
Seeſcenen und Speräkterfkingen,
‚un. on 1 We:
U. In-8. ‚ Paryi.
Bei J.. &
und durch alle
Wiertdtjahes- art: 1833. TE
Su untergeiäpstem iſt ſoeben erſchienen und an -alle — arrnkt worbden:
Das Zte Heft der deutschen
Bierteljahrs-Schrift
für 1843.
uli— September.
Preis des Jahrgangs von 4 Heften 7 pie. 10 Nor. (7 Thlt. 8 gGr.), ober 12 BI.
Inhalt:
Aus em Briefwechfe eines nachgeborenen Prinzen. — Die verſchiedenen Methoden der geographiſchen Orts⸗
beſtimmung. — Die claſſiſche Philologle in ihrer Stellung zur Gegenwart. — Zur Geſchichte ber Communalver⸗
foffungsfrage in der preußiſchen Rheinprovinz. — Über die zwedmäfige Einrichtung tontinenartiger Rentenanſtalten,
mit Ruͤckſicht auf die In Deutſchland beſtehenden Auſtalten dieſer Art, namentlich die oͤſtreichiſche allgemeine Ver⸗
forgangsanftalt, die ſtuttgarter allgemeine Rentenanſtalt, bie badiſche allgemeine Verſorgungsanſtalt und bie preufi⸗
ſche — cherungsanſtalt. — Die neuere philoſophiſche und politiſche Poeſie der Deutſchen. — Die Erſteigung
ber Alpenhoͤrner. — Betrachtungen über den Frieden von Ranking. — Uber Drganifation und Wirkſamkeit fand:
—— — Vereine.
Kurze Nothzen.
Stuttgart mb Aubingen, im Jull 1843,
Be W. A. Brockhaus in Leipsig ist erschie-
au pad durch alle Buchhandlungen zu beziehen :
Handbuch
der Kinderkrankheiten.
- Nach Miikellengen b bewährter Ärzte
erausgegeben von
Dr. A. Schnitser ud Dr. B. Wolß.
Zwei Bände.
Gr. 8s 6 Tble.
Im Verlsge von MI, K. Brönnerr in. Fraskfurte.M. }
- ist erschlönen und in ellen ehandiungen au habon:
ENTSTEHUNG. "DER QUELLEN |
UND DIE BILDUNG DER
MINERALQUELLEN
J. BOBÖNER,
Dr. ed. u. chir. u. Director des Geogr. Vereine in Krankfart a. M.
6. Geb, 15.Ngr. (12 8Gr.), oder 48 Kr.
Für Jeden, der sich über die Natur und ihre Brschei-
nungen gern eine richtige Vorstellung erwirbt, ist der Ge-
genstand dieser Schrift ‘sieon an sich von hohem Interesse; |
er wird es aber noch mehr durch .den, wissenschaftlichen
Geist und die anziehendea Weise, womit der Verfasser seine
Mit befonderer Beziehung auf das
füömeftic Deutipland. — Die Kometen. —
3 &. Cotta’scher Verlag.
Aufgabe durchführt. Nicht blos für Gelchrte ist das Bäch-
lein bestimmt, sondern es kann mit Ü Jeden
empfohlen worden, der sich über das Wesen der Quellea
darq ale Buchtonblungen iſt zu erhatten:
Georg Forster's
(a umttiche S * itten.
Herausgegeben von deſſen Tochter
unb begleitet
wit einer Charakteristik Forsters
don
®. G. Gervrinus.
Qu neun Wänden.
Erste Lieferung: Band l, 6, 7.
U Gr. 12. Geh. 3 Thir.
Die übrigen Bände biefer * von
Der Verke eines
21
digen YEus-
en %
' In Verlage des Unierneichneien erschlint seoben:
R. Ve WEDELL,
IISTORISCH-GEDGRAPDINCHER TAND-ATLAS
6 Karten.
Mit einem Vorwort
Da. F. 4. PISCHON. .
Zum Gebrauch für höhere Bärgerschulen, &iymnasien- und Militair-Biläungsanstalten,
als Supplement zu den Geschichtewerken von Becker, Pischen, Rotteck etc.
iste Lieferung. Querfolio. In Umschlag geh. 1% Thlr.
’ Zur Beurtleilung dieses Atlas sei os erlaubt, aus der Vorredg des Herrn Prof. Dr. Pischon Einiges anzuführen :
„Der vorliegende Atlas ist mit grossem Fleiss und der gewissenhaftesten Benutzung des Raumes gearbeitet,
und verfolgt den auch früher von mir als wünschenswerth angegebenen Plan, so viel wie möglich alle Verände-
rungen einzelner Reiche, wenn auch nur auf kleinern Karten, welche doch immer in viel grösserm Masstabe er-
scheinen als ein einzelnes Land auf grössern generellen Karten, darzustellen. Demnach hat der Herr Verfasser ein
Werk geliefert, welches sowol für Schulen, namentlich auch für militeirische, als für das Selbstudium der Ge-
schichte ein höchst erfreuliches Hülfsmittel darbietet. Die Reinheit und Zartheit des Stichs entspricht guss dem
Fieisse, welchen der Verfasser auf die Zeichnung gewendet hat, und gewährt auch da, wo die Karte beim ersten
Anblick vol! erscheint, dennoch eine klare Übersicht derselben.“
„So empfehle ich deun mit voller Überzeugung dieses Werk für die angegebenen Zwecke als höchst brauchbar
und wünsche dem Herrn Verfasser, dass er sowol seine wühsamen Studien als den grossen Fleiss, weicher auf die
Ausarbeitung dex Karten gewendet ist, durch lebendige Theilnahme an seiner Arbeit anerkannt schen, vor Allem
aber sich belohnt fühlen möge durch die Hülfe und Erleichterung, welche durch dieses umfassende Werk der -
Jugend zu ihren historisch-geographischen Studien dargereicht wird.‘
Das Ganze wird in 6 Lieferungen, die in rascher Folge erscheinen werden, vollendet sein,
Bei Einführung in Lehranstalten sollen den unbemitteltern Schülern Erleichterungen in Bezug auf die Anschaffüng
ährt werden. | j
u Ia allen guten Buch- und Landkarten - Handlungen liegen Exemplare zur Ansicht bereit.
Alexander Duncker,
königl, Hofbuchhändler,
« tenbrack in Reipzig i b i
und Di lie Buchhandlungen zu sehlehen: R foeben erſchenen 5 chriften von B. Koenig.
—— penzbr⸗ ———8 Neu erſchien dei mir und iſt in allen Buchhandlungen zu erhalten: |
Een, Defonbers bes Mitteleiters, Mi Negina.
Erlaͤuterungen, audfuͤhr abellen, rechnun⸗
gen und — E— Hinweiſungen, zur Pruͤfung, Eine Herz enögefhigte
Beſtimmung und Mebuetion ber Daten hiſtoriſcher 5. Rom
Ereignifie, Urkunden, Diplome, Chroniken, Schrift &. i⸗ & 18 fe Par
ſteller ıc., von den fehheflen Beiten ber beglaubig- . 12. Geb. pie. 6 Ngr.
ten Gefchichte an. Bearbeitet von Dr. Ed. Brink Diefe Erzählung bildet das ss Bändchen einer Samm⸗
meter. Auch unter dem Xitel: Hiſtoriſch⸗ diplos —— bem Zitel: „Dentſches Beben in beutfgen
matifch = chronofogifche Anmeilung, nach welcher ſich —.
alle und jede Data und Epochen ber verfchiebenen Brüper erfchlenen von 9. Koenig in meinem Berlage:
Schriftſteller und Urkunden aller Beiten und Länder | Die hohe Braut. Ein Roman. Zwei Theile.
leicht und ficher beflimmen und nad jeder Aere und 6 1833. Geh. 4 The.
j Kaleabertunn aebrdden laſſen ıc. Leritonformat. | Die Raaldenfer. Ein Roman. Zwei Theile. 1836,
eh. 2% Thlr. | 8. Geh. A Thix.
dem uUrtheile fachverflänbiger Männer ift bies Bud
gang tefenders jebem Geichrten und Gefdhichtäfreunde um betr Die B „Breget. ae fpiet in fünf. Aufzügen.
— —— — und. —* — ee Sie Fein Beipsig, im Auguſt 1843.
—ã derartiges Wert beſiten. | | F. 3. Brockhaus.
—
—
Bildung ber Dfigiere. — IN. Melrgiog des k. k. Generals
tur. — VI. NReuefte Srflitatınerdnbenungen. — VI. Des Prins
Neu erſcheint bei mir und If durch alle Buchhandlungen Hierabgeretzte "Preise,
zu erhalten:
Dis göntlide Domshie | Handbuch der C ber Geſchichte
des
Dante Alighieri. abendlaudifchen Riteratuen
Aus dem Stalienifhen überfegt er und Spraden " ſ. w,
von tert b
KR. S. Kannegießer. Aüdr. . Im —ES wit (iterarifhen —2 —* |
und herausgegeben
Dr. £.W. Senthe.
Dei ei Theis.
ante’s Pinmiß,.gemnetrifthen Planen ver Höhe, den Sege- | IRee Sb. Ife Kryeil, tal. prof. Eit. 2898. 2240.
*7 und des —** um ie dr Korte * — 158 Bd. 2 Abtheil. Ital. port. Lit. 1834. 23, Thir.
Wierte, ſehr veranderte Wuftage. ·
ſte Abteil. Jrano prof Ei) 1883. * KEN,
®r. 12. Geh. 2 Zhlr. 15 Mor. — 32 Ladenpreis 6 is 6 Abux. 25 25 Nor. auf 2" Thle.
EI Die au diefem Werte gehörigen Aupferbeilagen |o
hen urbripengen von Beteene mie Dam wur | art Geidel,. Eherinomes,
046% 8 ß
zen befonders für 16 Nor. eriafſen. “ Beiträge zur gemeinen ae und Geſchichte der
_— nen Kün
Fruͤber erſchien bereits in meinem Verlage: Zwei Bände, Gr. 8. 18235 und 188.
Ladenpreis 5° Thlr. auf 2 Thu.
Dante Alighieri, Das une Leben. Aus dem
— über und on. von 4%. Sörster. Berbinont Rubad in Berlin,
t. Geh.
— —, — Gedichte. Überfege under
Etärt von 6. C Aannegiesser und A. Witte. Zweite,
vermehrte und verbefierte Auflage. Zwei Schelle. 1843,
Gr. 13. Geh. 2 Thir. 123 Nor.
Reipsig, im Auguft 1843.
R. &, Berayanb.
Bei Beaumäer * ri Ar Rie⸗ iſt erſchienen:
Orstreichischen mnilitafrfschen Beitscheist 1843,
Inhalt biefes Heftes:
I. Der Iag- der Alllirten ver Ehampagne im Januar
„I814. Zweiter Abſchnitt. — II. Ideen über bie Auswahl und
artung in Leipzig 1 r
—X zu ale: in Beipzig iſt erſchienen und In ol
Cartesii et Spinozae
praccipua opera ‚philosephica,
recognovit, nutitkas histortco-phälosophicas adycı
" Dr. Carolus Biedei.
2 Vol. 1 Thir. 15 Ngr.
Vol. I: Cartesii Meditationes ; Spinozae disserts.
22'/; Ngr
Vol. 1I: Spinozac Ethica, 32% Nor.
Denkwirdigheiten
Barm —DX Sherifien.
8%. Wacnbagen von Gnfe.
Susite A ,
an Tepe: Baͤnden.
Erker bi dritter Band.
Gr. 12, Seh. 6 Thix.
achten drei Bänke, ber zweiten Tuflage biefes intereſſa⸗⸗
Werbe enthalten „ mürbigteisen |
—* der vierte ß fechäte Band werben —
Schriften! enthalten und ebenfalls in kurzer Zeit erſcheinen
Bon der erſten Folge ber erſten Auflage (in vier Wänden) find
noch einzelne Bände zur ompletivung, owie der fünfte ab
fechöte Band in einigen Exemplaren ig. |
Reinzig, im Auguſt 1843,
B. A. Brockhaus.
gran von Barting. — IV. Krie sasfeenen. 1) Eroberung bes
Dorfes Rume, am 30. April 1793. 2) Meco tognotcizung ber
Gegend von Gopelle, am 30. uni 1793. 3) Vorpoſtengefecht
bei Zempleuve am 26: Auguft 1789. 4) Angeifl auf bie Vers
anpungen bei Gafttgnard, am 24: Deoember 1813. 5) Wer:
Deibigung ben roch Hmie von Loupit bis in, am 27.
Yugu Angti anzofen auf bie Öftreichifchen Vor⸗
poften bei Templenve , Hair September 1793. — V. Litera⸗
zen Eugen von Savoyen Wirken in den Jahren 1720 — 36.
— Beilagen. — VI. Miscellen und Rotizenz Nr, 32—36.
Preis des: Jahegaugs 1843 in: 12 Heften 8 Thle.
Eben if verſendet:
Erlebtes aus den Jahren 1813 — 1820, vum
Dr. Wilh. Dorow, E.pr. Hofrath ıc. 2 Theile.
Bainpapier. broſch. Leipzig, 1883,
2% Fr
WMer jene Zeit, wer die Bebensblider aus dem Befreiun
kriege, die Lang'ſchen Memoiren zc. Eennt, wird bief Hu
ai one, das größte Intereſſe Iefen. Das Ramenregifter ——
fet über 330 Herſonen nach, deren in dem Cewaͤh⸗
nung —*
Druck und Berlag von J. X. Brodheans in Leipzig
Literariſcher Anzeiger.
1843. Nr. XIX.
Diefer Literarifche Anzeiger wird den bei %. A. Brodhaus in Leipzig erfcheinenden Zeitfchriften „Blaͤtter für titerarifche
Unterhaltung” und „„Ifie’ beigelegt ober beigeheftet, und betragen die Infertionsgebühren für die Zeile ober deren Raum 2'/, Nor.
Mit dem eben verfandten 16. Hefte ift der zweite
Band dır
neunten
sehr verbesserten. und vermehrten Original-Auflage
bes
Sonverfations:Zeriton
vollendet worden. Diefe Auflage erfcheint in 15 Bänden
oder 120 Heften zu dem Preife von
5 Mor. für das Heft;
fie ann aber auch banbweife bezogen werden, und
es Poftet dann der Baud
1 Thlr. 10 Nor. auf Maſchinenpapier,
2 Thlr. auf Schreibpapier,
3 Thlr. auf Velinpapier.
Die Theilnahme des Publicums war noch bei feiner
Auflage fo groß wie bei der neunten, diefelbe zeichnet
fi) aber auch vor allen frühern Auflagen und allen
ähnlihen Werken durch Inhalt und aͤußere Ausftattung
in gleicher: Weiſe vortheilhaft aus. Da in der Regel,
inſoweit «8 die ſtarke Auflage geflatter, monatlich drei
Hefte erfheinen, fo vercheifen fi Die Auslagen für bie
Anfhaffung des Werks auf drei Jahre.
Alle Buchhandlungen kiefern das Conversa-
tions- Lexikon zu obigen Preisen, sowol in
Lieferungen als in Bänden. Sub-
scribentensammler erhalten auf 12 Exem-
lare ein Freiexemplar, auf einzelne Exemplare
ann aber kein Rabatt in Anspruch genommen
iverden.
Eeipzig, im Auguft 1843.
S. a. Brockhaus.
Neue Bücher,
weiche im Berlage von Duucker und Humblot in
Berlin erfhienen und dur alle Buchhandlungen zu
beziehen find:
Beauvais (KL. A.), Etudes historiques. Tome seconde,
Histoire du moyen Age, extraite des ouvrages de Guizot,
de Lacepede, de Robertson, de Michaud, de Daru, de
Capefigue, de Marmier, de Michelet, de Schoell, de La-
creielle, de Barante, d’Auguste Thierry, de Dufey, de
Du szoir, de Fauche, de ‚Friess. 12, 1%, Thlr,, cart.
/ r.
Daub’s pbilofophifche und theologifche Vorleſungen, heraus:
gegeben von Ph. Marheigete un Th. W. Dittenber:
am Yüpfter Baub, zweite Abtheilung: Syſtem der theologi⸗
den Moral, Zweiter Theil, zweite Abtheilung. Rebft einem
j ,
zwiefachen Anhange ber Lehren von ber Sünde und von ber Ras
tur bes Bien. Gr. 8. Gubferiptionspreis für Abnehmer des
Ganzen 1, Thlr., für Abnehmer einzelner Borlefungen 2 Thlr.
Sagemeifter (3. v.), Des Rohrzuckers Erzeugung, Ver⸗
braudy und Verbältnig zum Hübenzuder. Sin ftaatäwirth:
ſchaftlicher Verſuch. Gr. 8. Geh. °, Thlr.
Seinfins (Dr. 35.), Teut, ober theoretifchspraftifches Lehr⸗
buch der gefammten deutfchen Sprachwiſſenſchaft. Vierter Theil.
Auch unter dem befondern Titel: Gefchichte der deutfchen Eis
teratur oder der Sprach⸗, Dicht: und Redekunſt ber Deut:
ſchen, bis auf unfere Zeit. Gechste, durchweg verbeflerte und
mit vielen Zufägen vermehrte Ausgabe. 8. 1%, Thlr.
Heuffi (Dr. J.), Die Experimentalphyſik, methodiſch dar⸗
geſtellt. Erſter Curſus: Kenntniß der Phaͤnomene. Mit
108 in den Text eingedruckten Holzſchnitten. Dritte, ver⸗
mehrte und verbeſſerte Auflage. Gr. 8. 1, Thlr.
Piſchon (F. 3.) , Leitfaden zur Geſchichte der deutſchen
Riteratur. &iebente, vermehrte Auflage. Br. 8. Thlr.
— —, Dentmäler der beutfchen Sprode von ben früheften -
Beiten bis jest. Cine vollftändige Beifpielfammiung zu feis
nem Leitfaden der Gefchichte der deutfchen Literatur. Dritter
Theil, welcher die Zeit vom Jahre 1620 — 17720 umfaßt.
Gr. 8. 2%, Thlr..
Kante (Reop.), Deutfche Sefchichte im Zeitalter der Res
formation. Dritter Band. Zweite Auflage. Gr. 8. 3 Thlr.
— —, Daſſelbe. Vierter und fünfter Band. Gr. 8. 5%, Thlr.
Moon (3. v.), Grundzuͤge der Erd⸗, Voͤlker⸗ und Staaten⸗
kunde. Ein Leitfaden fuͤr hoͤhere Schulen und den Selbſt⸗
unterricht. Dritte Abtheilung. II. Politiſche Geographie. Erſte
Lieferung. Mit 11 Tabellen. Gr. 8. Geh. 1%, Ihlr.
Schweidler (Maria), Die Bernfteindere. Der intereffan-
tefte aller bisher befannten Hexenproceſſe; nad einer befecten
Handſchrift ihres Vaters, des Pfarrers Abraham Schmeibler
in Goferom auf Ufedom, herausgegeben von W. Meitt«-
Hold, 8. Seh. 1 Thlir.
Durch alle Buchhandlungen des In: und Auslandes ift von
FJ. A. Brockhaus in Reipzig zu beziehen:
Sefammelte Schriften
| zudwig ReUſab.
In Zwölf Banden.
Zweite Rieferung, oder vierter bis ſechſter Band.
. Gr. 12. Geh. 3 Thlr.
Die erſte Liefetung (Band 1—3) diefer Ausgabe enthält
die erſten brei Theile des in britter Auflage erfcheinenden his
ſtoriſchen Romans „I1812; die zweite Lieferung den Schluß
von „ASL®", „Sagen und romantiſche Ersäblungen’ .
und . Kunfinsveflen’s; bie dritte und vierte Lieferung wer-
ven Novelen, bramatifche Werke, Bedidhte, Skiz⸗
sen, kritiſche Arbeiten und vermiſchte Schriften
enthalten und in kurzen Zwiſchenraͤumen erfcheinen.
@inzelne Eie ungen Diefer Ausgabe Finnen
nicht getrennt werben.
otben exſchi
In Unterzeichnetem Bf n .esfhienen und buch alle
Buchhandlungen‘ zu
Boehmer, Joh. Friedär.
| (erster Bibliothekar der froien Stadt-Prankfust, ,
. Fontes rerum Germanicaram.
Geschichtsquellen Deutschlands.
Erster Band.
Johannes Vieteriensis und andere Geschichtsquellen
Deutschlands im 14. Jahrhundert.
Sr. 8. Brofh. xı und 488 ©. Auf fatinirtem Schreibp.
Preis 3 Thir. 5 Ngr. (3 Thlr. 4 gGEr.), oder 5 Fl. 24 Kr.
Dieſe Sammlung bat ben Zweck, Claſſiker aus den Ges
ſchichts ſchreibern des: deutfchen Mittelaiters, weldye bisher in
mangelhaften, unbequemen und obendrein feltenen Abbrüden
nur ſchwer zugänglidy und wenig befannt waren, den gebildeten
den und urkundlichen Zorfchern ber Vaterlandsgeſchichte in
ſolcher Weife vorzulegen, wie fie für ben Privatbeflg und den
HOandgebrauch fi eignen. Man war daher bemüht, moͤglichſt
richtige Texte zwedigemäß bearbeitet, in großem unb body com⸗
pactem Drud, überhaupt in fchöner Form und doch zu billigem
Dreife vorzulegen. Jeder Band biefer Sammlung fol nur
Schriftſteller einer beflimmten Periode umfaflen und dadurch
für ſich ein ſeibſtaͤndiges Ganzes bilden, weldyes, mit einem
von dem Hauptſchriftſteller bergenommenen befondern Titel
verſehen, auch einzeln £äuftich fein wird. Der vorliegende Band
beſchaͤftigt ſich mit ber erflen Hälfte des 14. Jahrhunderts, und
befonders mit den Zeiten Kaifer Ludwig's bes Baiern. Es ift
gegluͤckt mit Hülfe bisher noch nicht benugter Handſchriften der
Bibliotheken zu Münden, Wien und Würzburg, mehre Geſchichts⸗
fchreiber. jener Zeit hier zum erſten Dat vollftändig und in wer
fenttich berichtigter Lesart mittheilen zu können. Die Vorrede
gibt Hierüber genaue Nachweifungen und befpricht zugleich die
Perfäntichkeit und die Glaubwürdigkeit der verfchiedenen Verfafs
fer. Im GSingelnen find bier enthalten: 1) Monachi Fürsten-
feldensis (rules Volemari) Chronica de gestis principum vom
Jahr 1273—1326. Diefe wichtigfte Quelle für Kaifen Lud⸗
wig's Geſchichte von bem bairifchen Standpunkt ift hier zum
erſten Mat vollfkändig aus der Urſchrift des Verfaſſers abgebrudt.
2) Nicolai episcopi Botrontinensis Relatio de Heinrici sep-
timi imperatoris itinere italico 1310 — 13. Der Verfaſſer
war Mitglied bed geheimen Rathes des Kaiſers, und konnte
daher über deſſen Romfahrt die genaueften Auffchlüffe geben.
3) Chronica de ducibus Bavariae 1311— 72. 4) Vita .Lu-
dovict quarti ratoris 1312— 47. 5) Der Gteeit bei
Muͤhldorf 1322. Gleichzeitige beutfche Nachricht, hier buchſtaͤb⸗
. lich nach der beften, durch Carajan erft kürzlich aufgefundenen
Handſchrift. Notae historicae Veronenses 1325— 27, in
Deutſchland noch nicht benugtz fle ſchildern den Gintritt Lud⸗
wig’s in Italien. Albertini Mussati Ludovicus Bavarus
1337 — W. Die Romfahrt Ludwig's in ihren Wirkungen auf
Ktalien don einem vielerfahrenen italienifdhen Staatsmanne, bier
zum erflen Mal in berichtigtem Text. 8) Der große Hoftag zu
Kobteny 1338, nad) der franzoͤſiſchen Chronik Flanderns und dem
englifchen Befchichtsfchreiber Henricus Anyghton. 9) Reununds
swangig politiſche Briefe von Ludwig dem Baiern und an ihn 1315
MM. Hierbei zum erften Mat die Reichsbeſchluͤſſe von 1338
und mehre hoͤchſt wichtige Briefe aus ben Ardiven Mantuas
und der rheinifdgen Staͤdte. 10) Vita Caroli quarti impera-
toris ab ipse Carolo conscripta 1316 — 46. Diefe merkwuͤr⸗
digen Seibſtbekenntniſſe eines unferee alten Kaiſer über fein
bewegtes Sugenbleben, weiche bisher nur ſehr wenig. befannt
waren, find hier aus einer Handſchrift berichtigt mitgetheilt.
1) Johannas Victorlensis 1
ches die Geſchichte Deutſchtands und befonbers der oͤſtreichiſchen
Lande umfaßt, erſcheint Hier zum erſten Mal unter dem Namen
Berfaffers nach deſſen Urſchrift vollſtaͤndig und ohne ent⸗
- ftellende Zuſaͤge. Johann, Abt von Bictring bei Klagenfurt, er⸗
zählt darin, was er von mithandelnden Beitgenoffen erfahren
4211-1343. Dieſes edle Werk, wel⸗
un ſeut erlebt Yat, in ohlgenchastem Bantsog, wärhig bef
Jarſten, dem er «5 mit ſchrift gewibmet- Albrecht«
bes Weifen, percae vor Ufteeidh. — — du Leone
canonici Herbipolensis Annotata historica 1332 — 53, befons
ders zur Befchichte des Bisthums Würzburg. 13) Lapokdi de
Bebenburg Dictamen de modernis cursibus imperü -
rum. Die in poetifcher Form populair gehaltene Klage bes be:
—— — arechtlichen Schriftſtellers uͤber den Verfall
es Reiche.
Stuttgart und Tübingen , im Auguft 1843.
& ©. Eotta’fär: Verlag.
7 Bei E. Vernbad jun. in Berlin ift ſoeben erſchle⸗
nen und in allen guten Handlungen zu haben:
Ehirurgifche Dtagnofir.
Dr. M. 8. Kissing,
prakt. Arzt zu Betlin, Mitglieb ber Eaif. Leop. Karol. Alabemiz ber
Raturforfcher zc., Ehrenbürger von
Gr. 8. 45 Bogen, Ladenpreis 2° Thlr.
Gegemmwärtiges Werl bes Hesen Vexfaffers, ber dem medi⸗
ciniſchen Publicum durch feine frübern Leiſtungen hinreichend
empfohlen iſt, duͤrfte ſowol Ärzten als Wunbarzien, namentlich
auch den ſich zum Eramen vorbereitenden Gtubieenben, eine hoͤchſi
willkommene Erſcheinung fein, da etwas Ähnliches in biefem
Gebiete noch nicht vorhanden if. Drud und Ausflattung Laffen
nichts zu wuͤnſchen übrig, ebenfo ift der Babenpreis möglich
billig geftellt.
Dirch alle Buchhanbtungen iſt zu erbaften:
Der neue Pitaval.
Eine Sammlung der intereffanteften Criminalge-
ſchichten aller Länder auß älterer und neuerer Zeit.
Herausgegeben von
Dr. 3. €. HZitzig und Dr. W. Gäring (W. Alexis).
Erſter Bis dritter Theil.
Gr. 12. Geh., 5 Thlr. 24 Nor.
Inhalt bes erſten Theilts (Preis 1 Chir.-M Ngr.):
Kart Ludwig Band. — Die Grmerbung des Basibet. —
Das Haus der Frau Web. — Die Ermordung. des Peter Tho⸗
mas in Damaskus. — James Hind, ber royaliſtiſche Straßen:
räuber. — Die Mörder ald Reiſegeſellſchaft. — Donna Maria
Vicenta de Menbieta. — Die Frau bes Parlamentöraths Ziquet.
— Der falle Martin Guerre⸗ — Die vergifteten Mobrrüben.
Inhalt des zweiten Thetts (res 2 Eye):
Fonk und Hamacher. — Die Marquiſe von Brinvillier. —
Die Seheimräthin Urfinus. — Anna" Maͤrgaretha Zwanziger.
— 6 Margaretha Gottfeieb. — Dre Wirthichafwöfchreiber
Tarnow. — Die Mörberinnen einer Hexe. — Die beiben Rürne
bergerinnen. — Die Marquife be Gange.
Inhalt bes dritten Theils (Preis 2 Chlr.):
Streuenfee. — Lefurques. — Der Shyivarzmülr. — Der
Marquis von Anglabe. — Jacques Eebrun. — Der Mord des
Lord Willlam Auffel — Rider Eift und feine Geſellen — Ber:
thelemy Roberts und feine Flibuftier.
Der vierte Theil diefer intereffanten Sammlung wird
noch im Laufe diefes Jahres erfcheinen. j
Reipgig, im Auguft 1843.
B. A. Grockhaus.
&
gerdiuaud Mabadh
md zu haben’ in allen rin allen Buchhandlungen. zu
in Berlin
G. Milne-Edwwards
Handbud) der Boologie .
‘oder
Naturgeihichte der There
Nach der zweiten franzoͤſiſchen Ausgabe bearbeitet und mit Anmerkungen unb+Bufägen herausgegeben von
Dr. M. 9 Brüger.
Zroei Bände: 60: Bogen Medianformat.
der Preffe.) Preis 4 Thlr
Auch unter
bem Titel:
Sehges’s Yandbah der Watasgefiäts.
Diefes Handbuch, von einem ber vorzüglichften Beologen verfaßt, und Zoologen verfaßt, und nicht nur in Frankreich mit dem größten WBeifalle uf
genommen, fonbern auch bereits in viele ausländifche
Sprachen übertragen, darf in feiner deutfchen Bearbeitung um fo mehr ber
Aufmerffamteit des beutichen Publicums fich empfehlen, als daffelbe feiner ganzen Anlage nad) zwiſchen alle compenbidfer Kürze
und zu großer Weitläufigkeit die rechte Mitte hält und in ber Behandlung des Stoffes eine allgemeinsfaßliche und ausſprechende
Darflellungsmweife mit echt wiffenfchaftlicher Gruͤndlichkeit verbindet.
Verf, Mitgtieb ber Akademie der Wiſſenſchaften zu Paris, auch ſelbſt das Lehramt in dem Coll&ge de Henry IV. und in ber
Eeole centrale des Arts et Man
lift befannt, bat b
erhöhen gsfucht.
ufaotures baferhft
verwaltet. Der beutfche Bearbeiter, durch feine Literarifchen Leiſtungen ruͤhm⸗
urch reichhaltige Zufäge und Anmerkungen das Wert vervoliftändigt nnd feine Brauchbarkeit zu
Ss eignet fih daher daffelbe nicht nur zum Gebraud) beim naturgefchichtlichen Unterricht auf hoͤhern Lehrans
bebeutend
- falten, ſondern auch gend beſonder 3 Selbſtudium, Tone auch zu einer ebenfo angenehmen als lehrreichen Keckure für jeden
se
Referer uud
Freund
Der Naturgeſchichte.
Durch vlle Buchhandlungen und Postämter ist zu beziehen :
Neue Jenaisehe
Allgemeine Literatur - Zeitung.
Im Auftrage der Universität zu Jena redigirt von
Geh. Hofrath Prof. Dr. F. Hand, als Geschäfts-
führer, Geh. Kiechenrath Prof. Dr. L. V. O.Baum-
garten Orustus „ ©Ober-Appellationsrath Prof.
Dr. W. Francke, Geh. Hofrath Prof. Dr. D. &.
Mdleser, Geh. Hofrath Prof. Dr. «I. M Fries,
als Specialredactoren.
Jahrgang 1843. Jul:
Inhalt:
Oatsıberg: Grammatik der Isteinischen Sprache. Von
6. T. A. Kröger. (Sr. 156 u. 197 in) — Wilhelm Ernst
Weher: | Briefe aus Paris. Von A. Gutzkew. (Nr. 157, 158
E. Schmid: Annalen der Physik und Chemie.
, zu Berlin von J. —— Posgendort, Erster Artikel.
(Mr. 18) — EL v. Gohren A. Chomel’s Vorlesun-
gen über Preumeuie — —ã— und herausg. von F. Se-
stier. 3) Vorlesungen über die Krankheiten der Brust von
Ch. J. B. Williams. 3) Die gesammten Herzkrankheiten,
ihre Erkennung und Behandlung. Von Kallenbach. Zweiter
Artikel, (Nr. 182 u. 168) — : Umfassende Zei-
chentehre des Harnes im gesunden, besonders aber im kran-
ken Zustande, nebst einer ausführlichen Abhandlung über
die Bright’sche Krankheit in den verschiedenen Lebensaltern
von A, Beeguerel. (Nr. 173.) — Stein: Die Bündlosigkeit Jesu.
Eine apotogetische von C. Ullmann. (Nr. 108
u. 166.) — Lomler: 1) Evangelische Homiletik von CR.
Palmer. 2) Ideen zu einer technischen Caltur des Kanzel-
vortrages. Von F.: J. Früh. (Sr. 19 u. 10) — W. A.
Lafßsurio: Zur Kritik der Bcohellia Offenbarungr-
Pehosophie. Von Ph. Marheincke. (Nrimm.n. 166.) — Ernst
Geschichte der christlich hilosophie von B.
Bitter. (Ne. 188, 169 u. 176.) — V. A, Hiuber: Contes
pulaires des anciens Bretons ‚ pr6o6des d’un essal aur-
rigion des 6popses chevaleresques de la table ronde. Par
TA. de la Villemargue. (Nr. 170, 171, I0 u. 173) — Lübke:
Vollständiges Real - Lexikon der medicinisch- pharmaceuti-
schen Naturgeschichte und Rohwaarenkunde. Von E. Winkler.
(Nr. 13.) — G. E. Heimbach: Codex "Thoodosianss. Ad
sis, (Nr. 15, 18 u. 17.) — J. A
Eutwickelang der Stenerverfassung in Schlesien unter Thei-
nahme der allgemeinen Landtagsversammlungen. Ein Bei-
ehte der sohlesisohen Stände von K. GO. Kriles.
(Ne 18 a, 19.) —
Aud dürfte es nicht unwichtig fein zu vernehmen, baß ber. '
(Nebfi einem Zoologifchen Handatlas, noch unter
h a
+
ohaftlan; Begiräerungen
ng ———
FR br . .
Von dieser. Zeitschrift erscheinen wöchentlich sechs
Nummern und sie. wird wöochsstlich und monatlich ausge-
geben. Der Jahrgang kostet 12 Tbir. Ankln
werden mit 114 Ngr. für den Raum einer gespaltenen
berechnst, besondere Anzeigen etc. gegen eine
Vergütung von. 1 Thir. 15 Ngr. beigelegt.
L August 18 1
" FA. Brockbaus.
⸗
Socben ist in der Joh. Christ. Heismanm’schen Bachhandlung (E. E. Suchsland) in Frank-
(Ottfried Müllers letzte Heise.)
fert a, M. erschienen:
ARCHROLO
GISCHE MITTHEILUNGEN
aus Griechenland.
Nach
Mari Otlfried Müllers
-hinterlässenen Papieren herausgegeben |
vom
Professor Dr. Adolf Schöll ,
grossherzogl. sächsischem Hofrathe. .
v. Athens
Erstes Heft, .
Antiken-Sammilung,.
Mod 6 Doopfe - und 4 Seindsachtofel
4. Geb. Preis 2 Thlr. 15 Ngr. (2 Thlr. 12 gGr.)
Der erste Theil erscheint in 2 Heften, von welchen das erste mit den dazu gehörigen Kupfertafeln und
einer Lithographie bereits versandf isty;:Die 2 Hefte des ersten Theils werden den Antikenvorrath Athens
umfassen; der zweite Theil widmet sich den archlite
ktonischen Denkmalen von Athen nebst. den ihnen
angehörigen Sculpturen, der dritte Theil aber den beiden Wanderungen in Morea und Humellon.
Neu erfchien bei mir und ift durch alle Buchhandlungen zu
erhalten:
Eine Erzählung.
Aus dem Englifchen bes ameritanifchen Malers Washington
“ Allst berfegt von Mahlvorf.
&r. 12. Geh.
1 Thlr.
Reipzig, im Auguſt 1843.
Ä S. A. Brockhaus.
Bei Kari Groos in Heidelberg ift erfchienen und
in allen Buchhandiungen zu haben:
Zeitſchrift Für Phrenologie
unter Mitwirkung vieler Gelehrten herausgegeben
von
G. von Struve und Dr. E. Hirschleld.
Ersten Bandes erstes und zweltes Heft.
Mit drei Steindrüden. Gr. 8. Geh.
Preis für vier unzertrennliche Hefte 2 Thle., oder
u 3 51. 36 Kr.
QAubalt bes erfien Geftes: -
I) Die Grundlehren der Phrenologie. Won &. von Struve.
2) Über bie phrenologifhe Entwidelung ber Gottfried. Won E.
Hirſchfeld. 3) Über bie Eintheilung der Geiflesvermögen.
Bon ©. von Struve A) Die Vorlefungen von Deren ©.
Gombe aus Edinburg über, unb von Herrn Geheimerath
Ziedemann und Herrn Profeffor von Reihlin-Meldegg
gegen die Phrenotogie. Bon G. von Struve. 5) Bücher
—8 Bon Dr. G. Scheve. 6) Miscellen. Ben E. Hirſch⸗
eld.
. Fnhalt bes gweiten Heftes:
I) Über den Verfall der Geiſteskunde, die Entdeckung ber
Phrenologie und deren praftifhe Bedeutſamkeit Bon Sir
Beorg Madencie. 2) Über bie Grundvermögen ber Serle.
Bon F. I. Ball. 3) Beſchreibung einzelner phrenologifcer
Organe. Bon G. von Struve. Mit fieben Abbilbungen-
4) Die Phrenologie in ihrem Verhaͤltniß zum Wahnfinn. Won
G. von Struve. 9) Bemerkungen über die Srrigkeit ber von
Profeffor Tiedemann angeftellten Vergleichung des Behirns
und der Intelligeny ber Neger und ber Guropäsr. Bon An:
dreas Combe, M. D. Mit zwei Abbildungen. 6) Abwei⸗
fung ber von Flourens auf bie Phrenologie gerichteten Ans
griff. Bon G. von Gtrupe. Mittheilungen über bie
Phrenologie in ihrer Verbindung mit bem thierifchen Magnetis⸗
mus. Bon ©. von Struve. Buͤcherſchau. Miscellen.
Vellständig ist jetzt in meinem Verlage erschienen
und durch alle Buchhandlungen zu bezibn: -—
3. F. Herbarta
kleinere philosophische Schriften und Abhandlun-
gen, nebst dessen wissenschaftlichem Nachlasse.
Herausgegeben von Gustav Hartenstein.
Drei Bände.
Gr. 8. 10 Thlr.
Der .erste Band entbält zugleich eine ausführliche Ein-
leitung des Herausgebers über Herbart’s Leben und Schrif-
ten. Derselbe kostet 3 Thir., der zweite und dritte Band
jeder 3 Thlr. 15 Ngr.
Leipzig, im August 1843.
F. A. Brockhaus.
Druck und Berlag von 8. X. Brodhaus in Leipzig.
HERE EEG
v
Literariſcher Anzeiger.
1843. Nr. XX.
Diefer Literarifche Anzeiger wird den bei %. A. Brodhaus in Leipzig ef
enden Seitfchriften „Blaͤtter für literarifche
Unterhaltung” und „Ifi6” beigelegt ober beigeheftet, und betragen bie Infertionsgebühren für bie Zeile ober deren Raum‘ 2'/, Nor.
Most Dr.G&.F), _
Encyklopädie der gesammiten Volks-
medicin, oder Lexikon der vorzüglich-
sten und wirksamsten Haus- und,
Volksarzneimittel aller Länder. Nach
den besten Quellen und nach dreissigjährigen, im In-
und Auslande selbst gemachten zahlreichen Beobachtun-
gen und Erfahrungen aus dem Volksleben gesammelt.
Erstes und zweites Hoft: Aalsuppe—- Gewürze.
Gr. 8. Jedes Heft 15 Ngr.
Der Name des Herausgebers, der dem Publicum durch |
seine übrigen Schriften hinlänglich bekannt ist, bürgt für
den Werth dieses populairen und gemeinnützigen Werks,
Es wird aus fünf Heften bestehen und die übrigen Hefte
- werden in kurzen Zwischenräumen folgen.
Leipzig, im August 1843. W
F. A. Brockhaus.
Soeben ist erschienen :
Pathologiae
sermonis graecci
prolegomena
scripsit
Cie. N. " Luobech,
Gr. 8. 3 Thlr.
Leipzig, im Juli 1843. &
IWeidmann’sche Buchhandlung.
Eateiniſche Bibel,
‚oder:
Erfte Übungen in der lateinifchen Sprache
nach firenger Stufenfolge
von Sr. Kucas.
Preis 10 Ser.
Herr Lucas fchrieb im Jahre 1824 ein deutſches erftes
Lefebuch in firenger Gtufenfolge, welches gegenwärtig einer
elften Auflage entgegenfiebt. Als bem Herrn Verfaſſer der
Beruf wurde, bie Elemente ber Lateinifhen Sprache zu lehren,
drang fich ihm die Erkenntniß auf, daß diefe Stoffe einer ganz
vorzatichen methodifch tunftgemäßen Anordnung fähig, und
da fähig, als Lehrſtoffe auch bedürftig fein, gang mit derſelben
Gonfequenz, wie der deutfche erfte Lefeunterricht, für
deſſen richtige Auffaſſung und zweckmaͤßige Ausuͤbung zu wir⸗
ken und zu ſchreiben, die vornehmſten Paͤdagogen Deutfchlande
nicht unter ihrer Wuͤrde gefunden haben. Indeß fand der Ber⸗
faſſer auf dem Felde der deutſchen Literatur nirgend diejenige
Methodik, die er für den lateiniſchen Elementarunterricht ſuchte,
und. dies beſtimmte ihn feine lateiniſche Fibel abzufaſſen. Sie
ſoll dem Abcſchuͤler roͤmiſcher Lectionen Das fein, was dem Schuͤ⸗
ler der deutſchen Leſekunſt fein erſtes eeſtbuch if, elemene
tariſch in ihrem ganzen Weſen und dennoch Leſebuch, da⸗
el.
ber Fibel |
Zerdinand Aubad in Berlin.
Bei G. E. Fritzſche in Leipzig ift erfchienen und
durch alle Buchhandiungen zu haben :
Teitschrift für die geammte Istherische Thoc-
und Rirohe. Herausgegeben von Dr. A.
&. Hudelbach wid Dr. M.E. F. Gue=
rike. Vierter Jahrgang. Zweites Quartalheft.
Gr. 8. Brosch. Preis 25 Ngr.
Inhalt:
I. Abhandlungen und verwandte Mittheilungen. — Jesa-
Studien von Dr. C. P. Caspari. I. Jeremia
ein Zeuge für die Echtheit von Jes. c. 34 und mithin auch
. für die Echtheit von Jes. c. 35, c. 40-66, c. 13—14,
23 und c. 21, 1—10. Nebst zwei Excursen: I. Beweis
der Echtheit von Jer. 30, 10, 11 und 46, 237, 38.
II. Beweis, dass Zephanja Jes. 4066, 13—14, 23
gelesen hat. — Über einige, die Einleitung in
die Pastoralbriefe betreffende Punkte, von H. Böttger.
III. Artikel.
IL Kritiken. I) Christliche Ethik von Dr. G. C. A.
Harless. Rec. von L. Wolf. 2) Nenutestamentliches
Handwörterbuch zur Darstellung der christlichen Glau-
bens- und Sittenlehre für Prediger der evangelischen -
kirche von Dr. A. L. 6. Mrehl, rec. von A. G. Ru-
delbach.
SEE. Allgemeine Bibliographie der neuesten deutschen theo-
logischen Literatur. Bearbeitet von Rudelbach, @uerike,
Delitzsch, Caspari, redigirt von dem Erstern.
EV, Bibliographie der frauzösischen theologischen Literatur
von Dr. A. G. Rudelbach. .
V. Offene Erklärung einiger frühern Mitglieder der nord-
deutschen Missionsgesellschaft im Herzogtkhum Bremen
ũber ihren Austritt aus derselben.
Durch alle Buchhandiungen und-Poftämter ift zu beziehen:
Leipziger Reperterium für deutsche und aus-
ländische Literatur. Unter Mitwirkung der Uni-
versität Leipzig herausgegeben ‚von 0. hf.
Gersdorf. Erster Jahrgang. Siebenund-
zwanzigstes bis dreissigstes Heft. Gr. 8. Preis
des Jahrgangs von 52 Heften 12 Thlr. .
Dem Leipziger Hepertorium ift ein
Bibliographischer Anzeiger,
für titerarifche Anzeigen aller Art beftimmt, beigegeben. An⸗
— in demſelben werben für bie Zelle ober deren
Kaum mit 2 Nor. berechnet, und Beſondere Auzeigen 10.
gegen Vergütung von I Thir 15 Nor. beigelegt. j
Eeipzig, im Auguft 1843.
3. U. BVrockhaus.
S
In Unterzeiänetem iſt forben erſchienen und an alle Budy
handlungen verfandt worden:
Geschichte der Hexenprocesse.
Aus den Quellen bargeftellt
" v
on \
Dr W. 6 Golden,
Spymnaftalledrer zu Gießen.
Gr.8. Belinpapier. Preis 2 Thle TANgr. (2 Thlr. 6 gGr.),
oder 3 Fl. 45 Kr.
Eine Geſchichte ber Hexenproceſſe gebört unter bie längft
ausgefprocdgenen Bedürfniffe. Ihre Rothwendigkeit ift nicht nur
in verfchiedenen Zeiten anerfannnt worden, fondern es bat auch
nicht an vielfachen Beftrebungen zur Herftellung derſelben ges
fehlt. In allen bisherigen Sammelwerken ift indeffen dem Be⸗
dürfniffe noch nicht abgeholfen. Die Gegenwart will das Ganze
im 3ufammenbange begreifen; man bat ihr jeboch felbft bie
aͤußere Erfcheinung meift nur fragmentarifch vorgeführt und
laͤßt den Schluͤſſel zum Verftändniffe vergeblich fuhen. Mo
auf den Herenproceß bie Rebe kommt, burdfreugen fi die wis
derſprechendſten, oft ſehr wunderliche Anfichten, ja ſelbſt Hin»
fichtti der einfachen Thatſachen werden noch ‚täglich die irrig⸗
fen Boransfegungen lauf.
Bei dem gegenwärtigen Kampfe bes Alten und des Neuen
in der Theologie, wie in ber Strafgeſetzgebung, bürfte baber
eine Schrift, welche bie traurigen Ertreme, zu welchen theolo:
giſche und richterliche Befangenheit im Bereine mit bem Ins
quifitionsproceffe in ihrer Gonfequenz binzuleiten vermag , hiſto⸗
riſch vorführt, das Intereffe des Theologen und Juriften, wie
bes Zeſchichta freunde überhaupt, anzufpredhen wohl berech⸗
gt fein. 28
Stuttgart und Zübingen, im Juli 1843.
&. Eotta’fher Verlag.
. +
Durch alle Buchhandlungen und Postämter ist zu beziehen .
Neue Jenaische
Allgemeine Literatur - Zeitung.
Im Auftrage der Universität zu Jena redigirt von
Geh. Hofrath Prof. Dr. E. Hand, als Seschäfts-
führer, Geh. Kirchenrath Prof. Dr. I. A. Mase,
Ober-Appellationsrath Prof. Dr, BY. Francke,
Geh. Hofrath Prof. Dr. D.&. Hieser, Geh. Hof-
rath Prof. Dr. «I. Fi Fries, als Specialredactoren.
Jahrgang 1843. August.
Ä Inhalt:
Pranz Vorländer: F. Schleiermacher’s Werke. Von
L. Jonas. (Nr. 182 =. 188.) — K. G. Firnhaber: Kuripi-
dis Medes. Recognovit et in usum scholarum edidit A,
Witzschel. (Nr. 188, 184 u. 18) — BHiefiter: 1) Des Con-
rad Grünenberg, Ritter und Burger zu Costanz Wappen-
buch. 2) Alterthümer und Kunstdenkmale des erlauchten
Hauses Hohenzollern. Herausg. von A. Freih. v. Stillfrted.
3) Modumenta Zollerana. Quellessammlung zur Geschichte
des erlauchten Hauses der Grafen von Zollern und Burg-
fen zu Nürnberg. Herausg. von R. Freih. v. Stillfried.
9 Stammbuch der löblichen Rittergesellschaft Unserer Lie-
ben Frauen auf dem Berg bei Alt-Brandenburg, oder Denk-
male des Schwanenordens, Herausg. von R. M. B. Freih.
© Stalfı ried-Rattonites. (Nr. 185 u. 186.) — Kooh: Voyage
autour du Caucase, chez les Tscherkosses et les Abkhases,
en Colchide, en Georgie, en Armönie et en Ceimöde, Par
F. D. de Montpereuzs. (Mr. 188, 189, 19 u. 191) — Kari
Strookfuss: Charakterzüge und historische Fragmente aus
dem Leben des; Königs von Preussen, Friedrich Wilhelm II.
Von B, F. Bylert. (Nr. 191, 192 u. 198.) — Troxier: Laft-
—
elektricität, Erdmagnetismns und Krankheitsconstitutien. Von
L. Busorini. (Me. 8) — : U Der Brief Jakobi,
untersucht und erklärt ven F, H. Kern. 2) tatio thes-
logica inauguralis, de rTois adeAygoig et ale adelyeic roü
zuglov, quam...examini submittit A. H. Biom. Com-
mentar über die katholischen Briefe mit genauer Berück-
sichtigung der neuesten Auslegungen. Von K. R. Jackmann,
4) Jacobi et Judae epistolas catholicas commentariis ille-
stravit C. Aemil. Scharling. (Nr. 135, 196, 197, 22 u. 23) —
Die Epochen der Verfassungsgeschichte
der römischen Republik. Von C. Peter. (Nr. 197, 18 a
19) — A. L. J. wı : Runenliteratur. (Nr. 190 a.
200.) — EB. Klotz: Gedichte von H,v. MäAler. (Nr. 200.) —
v. Duhn: 1) Die Lehre von den Landständen nach gemei-
nem deutschen Staatsrechte, Kin publicistischer Versuch
von F. A. 2) Commentatio de veterum in Germania previn-
dalium ordinum erigine atque natura. Dissertatio inaugu-
ralis, quam gcripsit F. Krüger. (Nr. 203, 201 u. 25) — Bd
: Die geburtshülflichen Operationen. Von E Ross-
kirt. (Nr. 285, 206 u. 207.) — W. : 1) Bibliotheca
medico-historica sive catalogus librorum historicorum de re
medica et scientia naturali systematicus, Collegit ac digessit
L. Choulant. 2) Additsmenta ad L. Choulanui bibliothecam
medico-historicam edidit J. Rosendaum. (Nr. 1.) — Ge-
. Bröcker:
ichrte Gesellschaften, Schriften gelehrter Gesellschaften:
Beförderungen und Ehrenbeze gen; Chronik der Eym-
nasien; Literarische Nachrichten ; Iiscellen; Preisauf-
gaben; Nekrolog.
Von dieser Zeitschrift erscheinen wöchentlich sechs
Nummern und sie wird wöchentlich und monatlich ausge-
geben. Der Jahrgang kostet 12 Thir. Ankün
werden mit 11, Ngr. für den Raum einer gespaltenen Zeile
berechnet, besondere ete. gegen eine
Vergütung von 1 Thir. 15 Ngr. beigelegt.
Leipzig, im August 1843,
F. A. Brockhaus.
Im Verlage ber Kunft» und Buchhandlung vo
Mudbens in Düffelborf ehem ung von Qulius
Lieder und Bilder L Band,
Auch unter dem Titel:
Rieder eines Malers (R. Reinick)
mit Handzeihnungen feiner Freunde,
31 Platten mit eingebrudtem Text. Gr. 4. Eieg. geb.
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Lieder und Bilder H.Banp,
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Seutſche Dichtungen
mit Randzeichnungen dzutſcher Künftler,
. Band.
30 Platten mit dngorntum Zn Gr. 4. Eleg. geb.
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Schlint, Eommentar zur Eivil-Procef-Drb-
nung. 2ter Band. Subferiptionspreis 1 Thlt. 22%, Mor.
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Vierter Jahrgang. 4. 20 Rgr.
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Diervon erfcheint wöchentlich 1 Bogen. Aukuũn digun⸗
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Inhalt des Monats Juli.
Derfzeitung: Futter: Erhigung mit kaltem Wafler. —
Das Bikes ſche Geheimmittel. — Entgegnung auf den Aufſat
in Nr. 1.und 2 der Landwirthſchaftlichen Dorfzeitung: „über
die Gruͤnfuͤtterung des Klees⸗““. — Über den ſchaͤdlichen Kartof⸗
felbau. — Warnungen gegen großſprecheriſche Anpreiſungen. —
Können ſich feucht eingebrachtes Heu, Stroh, Streu ꝛc. von ſelbſt
entzuͤnden? — Anleitung zur Anpflanzung des weißen Maul:
beerbaums und Aufmunterung zum Betriebe des Seidenbaus. —
Mittheitungen des Landwirthſchaftlichen Vereins zu Poͤlbitz. —
Vorſchlaͤge zu Bereitung eines gefunden Futters für das Rind:
vieh. — Etwas über Kartoffelbau. — Düngerfurrogate. —
Gerbermifl. — Der in der Landwirtbfchaftiichen Dorfzeitung
empfohlene Dfen bes Landrath von Korf Hat fi bewährt. —
Gin erprobtes Mittel gegen ben verberblihen Stalldunſt. —
" Bertitgung des Hederichs. — Eandwirthzſchaftliche Neuig⸗
Zeiten, Wiscellen u. ſ. w. — Mnterhaltungsblatt:
Das Jenſeit. — Aus bem Naſſauiſchen. — Geſeilſchaftlich
Lebende Thiere — geſellſchaftlich Lebende Pflanzen. — Das Giub-
geſpenſt. — Gruppen englifchen Federviehs. Mit einer Abs
bildung. — Vermiſchte Mittheilungen von Louis Filß. —
Der Beifuß, ein bewährtes Mittel gegen die Epilepſie. —
Schreiben eines Bauers und Naturdichters an bie Redaction:
Die junge Saat. — WWollmärkte in Rußland. — Alte Res
gein. — Wie ſieht's aus? — Geſchichte der Gulturgewädhfe
Deutſchlands.
Soeben erſchien in meinem Vertage und iſt in allen Buch⸗
handlungen zu haben:
Danzel, W., Über Goethes Spinozismus.
Ein Beitrag zur tiefern Würdigung des Dichters und
Forſchers. Gr. 8. Geh. 25 Nor. (20 gGr.)
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Zuli 1843,
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pr res annedes de TEche au prix d’une
seule.
Sommaire. des Nos. 27— 30.
Une ascension au Sugar-Loaf. Par Philibert Aude-
| — Le monsieur au petit contenu. Par Gration.
— La semaine dramatique. Par Jules Jamin. — L’homme
incombustible, Par D. V. — Le locataire de jour et le
locataire de nuit. — Lintermediaire. — Rapport du ma-
r&chal Soult au roi sur l’avenir du tambour francais. Par
Jean-de-Dieu Soul
bunaux. — Le 37 nivöse ou la fete
Barridre,.
t. — Un bain &conemigue. — Tri-
des Rois. Par A.
— La rue Notre-Dame-de-Lorette. Par Alb6eie
: Second. — La dernidre soreiere. — Voyages d’un poulet.
Maoogn
Par L. V. — Un prince zmsse et son chef de |
cuisine. — Rossiniana. — Les aventures d’un farceur. Par
J.-L. — La lutte. Par Paul Fowal — Les grenouilles
de Grandvilie. J
Im Verlage von Graß, Barth & Eomp. in Bres⸗
lau und Oppeln iſt foeben erfchienen und in allen Buchhand⸗
lungen zu haben:
Vergleichende Zoologie
Dr. 3. €. £. Gravenhorst,
Profeſſor ber Naturgeſchichte an der Univerfität Breslau.
Br. 8. Preis 3 Thlr.
Biedbermann’s Monatsichrift (1843, TIT) berichtet dar⸗
über Folgendes: „So reiches Material übrigens ber Verf. bier
verarbeitet hat und von fo vieler. Gelehrſamkeit das Werk zeugt,
fo ift der Text doch fo logifch geordnet, fo Leicht verftändiidg
abgefaßt, daß biefe Zoologie auch vom größeren Publicum mit
Nusen gebraucht werben kann. Eehrern in Säulen Ei
nen wie aber Fein befleres Handbuch zu ihrem
eigenen Bebrauche empfehlen.‘
Soeben tft bei ben Uinterzeichrieten erfchienen und in allen
Buchhandlungen zu haben:
Der u
junge Deutsch - Alichel
von
€. Frohlich.
12. 7 Bogen [hen broſch. 20 Ngr. (16 gGr.), oder
1 $L 12 Kr.
Wir bitten, bies neue poetiſche Probuct des berühmten
Schweizerdichters, welches aus Spigrammen ober Xenien
beftept, nicht mit gewiſſen andern, von ganz entgegengefegten
Grundfägen ausgehenden Schriften aͤhnlichen Titeis zu ver⸗
n. °
wechſel
Meyer & Yeller
in Zürich.
Neueſtes und vollſtaͤndigſtes
Fremdwörterbuch,
zur Erklärung aller aus fremben Sprachen entlehnten
Wörter und Ausdrüde, welche in den Künften und Wiſ—⸗
fenfhaften, im Handel und Verkehr vorkommen, nebft
einem Anhange von Eigennamen, mit Bejeihnung der
Ausfprache bearbeitet von
Dr. 3. 6. Kaltschmidt.
In 9 Heften zu 8 Ngr.
Leipzig, bei F. A. Brockhaus.
Diefes Wert 48* ſich vor allen bisherigen Frembwbr⸗
terbüchern duch Sou ſtůnbigkeit, zwedmäßige typogrn>
phiſche Siurichtung und ungemeine MSitiigPeit glei
vortheilbaft aus, Des erite bis fiebente ‚Heft (A-—Btogastika)
find erſchienen und die Legten Defte werden binnen kurzem im
Drud vollendet fein;
[2
Ustrialow Geschichte von Russland nunmehr vollständig,
An Untergeichnetem ift foeben erfehienen und durch alle Buchhandlungen zu beziehen: “
Die. Gedichte Rußlands
von '
R. Nltrialomw
Aus dem Ruſſiſchen uͤberſetzt
Zweiter Band, dritte und letzte Abtheilung.
Gr. 8. Preis 15 Ngr. (12 gGr.), oder 48 Kr.
Inhalt: Alexander I. 1) Der Krieg des Jahres 1812. — 2) Befreiung Deutſchlande von Napoleon' Ferrſchaſt 1813. —
* Sturz Rapoleon 1814. — 4) Befeſtigung des allgemeinen Friebens und ber Ruhe in Europa 1815 — B. — Innere Ein
ichtungen — 2. -
Die Sefchichte des oͤſtlichen Europas, namentlich der verwidelten Berhältniffe zwiſchen Rußland und Polen, find uns dem We
fen nach bis jegt hauptſaͤchlich durch polnifche Schriftſteller bekannt, was auf bie Beurtheilung beffelben nothiwendig einen einfeiti- -
gen Einfiuß haben mußte. Länger ald man gewöhnlich glaubte, bauerte ber Antagonismus zwiſchen Polen und Rußland, und
vor WO Zahren war Polen nabe baran, in Rußland bielelbe Rolle zu fpielen, wie jest Rußland in Polen. Zur unparteitfchen
Würdigung der Befchichte ift darum die Kenntniß ruffiicher Werke unerlaßtich, und zur richtigen Beurtheilung ſelbſt der neneften
Gefchichte durchaus unentbehrlich. Karamfin’s glänzendes, aber vielfach der Kritik ermangelndes Werk wirkte hierzu vergleichungs⸗
weiſe wenig, und nach ihm ift Manches für Kenntniß der ruſſiſchen Geſchichte gefcheben, was gar nicht, ober nur fehr fragmen:
tarifch zur Kenntniß der deutſchen Lefewelt kam. Uftrialow hat das unbeftrittene Verdienſt, die mannichfachen Borarbeiten feiner
Landsleute fleißig benugt zu haben, und fein Werk if darum das Refultat der neuen Geſchichtsforſchung Ruflande. Schon in
diefem Sinne ift es hoͤchſt lehrreich, und Fein gleichgüttiger Umſtand 'ift ed, daß ber ruſſiſche Miniſter des öffentlichen Unterrichts
baflelbe zum Handbuch ben hoͤhern Unterrichtsanftaiten beſtimmte. So wird es durch ben Einfluß des Geiſtes in dem es gefchries
ben ift, felbft wieder zu einem nicht unbebeutenden hiſtoriſchen Moment , und verbient nicht gewöhnliche Aufmerffamteit.
Mit oben angekünbigter Abtheilung ift diefes intereffante Wert nunmehr vollftändig erſchienen und können compiete Gremplare
um den Preis von 4 Thir. 15 Ngr. (4 Thlr. 12 gGr.), ober 6 Fl. 54 Kr., durch alle Buchhandlungen bezogen werben.
Stuttgart und Tübingen, im Juli 1843,
368. Cotta ſcher Verlag.
i F. x. 8 in Zeipsig i r
und —ã a en. s iſt neu erſchienen | Uberfegungsangeige.
Zur Bermeibung von Collifionen zeigen wir hiermit an, baf
t:
48 ekameron binnen wenigen Tagen bei uns erſchein
. » Ä Die Jesuiten,
von
Giovanni Boecesceio. Borlefungen der Profeſſoren Michelet
Aus dem Stalienifhen überfegt und Quinet,
von uͤberſegt von
Aarl Witte. Professor August Stöber.
> Circa 18 8 in 8.
weite ze ir. Suflage. Baſel, den Iften Kuguft 1843. in
Schweigbanfer’rhe Buchhandlung.
Gr. 12. Geh. 2 Thir. 15 Mer.
Bei J. U. Brockhaus in Leipzig erfcheint forben:
Bei Weit & © + in Berlin i b i * *
und * alle Buchhandlungen yu besichen a ſoeben erſchienen Vortrag zur Gedächtuißfeier Rouig
e ’8 LEE. ⸗ gehalten
Des Sophocles Antigone, Friedrich Sithelm
am 3. Auguſt 1843 in der Univerſitaͤt zu Berlin von
ne de see von Feier Gr. 12. Geh. 8 Nor.
Nebſt zwei Abhandlungen über diefe Xragdbie im | Fr en ige aut Beier Der tanfenbjähri-
i en an er enpeine Stellen derfelben, m gen — 25— Deutſchlauds,
ve ‚1 %6le 9 ar. (1 Zhlr. 16a@k. am 6. Auguft 1843 in der Dreifaltigkeitskirche zu
a nein Wi En EEE) | Werlin vorgetragen von Dr. Dhilipp Marheineke.
Der griechifche Tert allein Ahlr. Gr. 12. Sch. 8 Nor.
Drud und Verlag von 9. X. Brochaus tn Leipzig.
Siterariſcher Anzeigen.
1843. Nr. XXL
Diefer Literarifche Anzeiger wird ben bei F.
Unterhaltung” und „Iſis beigelegt ober — und betragen bie Jaſertionsgeb
Heute wurbe ausgegeben:
Comversations-Lerikon.
Reunte Auflage. Reunzehutes Heft.
Diefe neunte —— erſcheint in 15 Bänden ober 120 Hef⸗
ten zu dem reife von . für das Heft in der Ausgabe
auf Mafhinenpap.; in Der Xusgabe auf Shreibyap.
Zoftet der Band 2 Ipie., auf Belinpap. 3 X
Ale Buchhandlungen liefern 4 Bert zu
dieſen reiſen und bewilligen auf 19 Ex. 1 *
e
er a aeBigungen auf en umfi en ber einzelnen ‚Hefte
des GSonverfationg : Leriton (Auflage 2 En Eremplare) werben
der Raum einer Zeile mit 6 Nor. berechnet.
Eeipzig, 31. Auguft 1843.
| F. A. Brockhaus.
Sur Goethe-Fiteratur.
Soeben erſchien und iſt durch alle Buchhandlufigen zu beziehen:
Goethe.
Zu deſſen naͤherm Verſtaͤndniß
von
C. G. Carus.
Beigegeben | iſt eine Reihe bisher ungedruckter Briefe
Goethe's an den Herausgeber.
Sr. 8. Preis 1 Thlr. 20 Ngr. (1 hie. 16 gGr.)
Der Gerz Verfaſſer, durch feine langjährigen freundſchaft⸗
lichen Beziehungen hierzu vorzugsweife berufen, liefert in biefen
Blättern eine treffende und geiftreihe Charakteriſtik der Indivi⸗
dualität Goethe's, feines Gerhäitnifee zur Außenwelt und gu
den eigenen Werfen. Unter ber großen Anzahl von Schriften
für und gegen Goetbe bictet vieleicht Beine eine, richtigere Wuͤr⸗
digung des großen Meifters und beffere Beiträge zum nähern
—— a 1843.
8, im Augu
Auguft Weichardt.
Bei E. A. Brockhaus in Lei
und durch alle Buchhandlungen zu beziehen
Handbuch
der Kinderkrankheiten.
Nach Mitthellungen bewährter Ärzte
herausgegeben von
Dr. A. Schnitzer ud Dr. B. Wolf.
Zwei Bände.
Gr. 8 6 Thlr,
* ist erschienen
Brodhaus in Leipzig erfigeinenben Zeitfchriften „Blaͤtter für literarifdge
hren für die Zeile oder deren Raum 3%, Nor.
Bei Ign. Jackewitz in Leipzig ist soeben neu
erschienen: “
Prosect. Dr. A. C. Book’s
&erichtliche ®Sectionen
menschlichen Körpers.
Zweite bedeutend vermehrte und verbesserte,
zam Gebrauch für Ärzte, Wundärzto und Juristen
bearbeitete Auflage
von
Prof. Dr. ©. * Bock
zu Leip
Mit 4. colsrirten Kup ertafeln.
Gr. 8, Elegant geh. in
Preis 1 Thir. 10 Ngr.== 32 Fl. "4. Kr. Rhein. N OFLCM.
Med. pract. C.D. Leiohsenring,
| Physikalische
Exploration der Brusthöhle
sichern Erkenntniss des gesunden sowol, als des
krankhaften Zustandes der
Athmungs- und Circulationsergane.
Bevorwortet von
Dr. Friedrich Julius Siebenhaar,
Stadibesicksarste und ansübendem Arste in Dresden, des Mesirks-
und gerlchtsärstlichen Vereins für die Staatsarzueikunde im König-
reiche Sachsen, des Vereins grossherzeg). bad. Medicinalbeamien für
Beförderung der Staatsarzueikunde, der Hufoland’sohen Gesellschaft
su Berlin, der Geselischaft für Natur- und Heilkunde zu Dresden,
und der Naturforsehenden Gesellschaft zu Leipzig ordeatlichem und
oorrespondirendem Mitgliede.
Mit 1 Lafel Abbildungen.
Gr. 8. Elegant geh. in Umschlag.
Preis 15 Ngr. — 54 Kr. Rhein. = 45 Kr. C.-M.
Gewiss ist diese Schrift den ausübenden Ärzten als ein
trefflicher Führer und Leiter, der ihnen das mühsame, Zeit
raubende und oft schwer zum Ziele führende Studium der
schon so umfangreichen Literatur der Pereussion umd
Auscultation nicht nur sehr erleichtern, sondern zu
ihren Zwecken wol gänzlich ersparen dürfte, angelegent-
lichst zu empfehlen.
SC. Srockhaus in Leipzig if neu erſchienen
Bi ®-
und durch alle Buchhandlungen zu erhalten:
Piratenleben.
Seefcenen und Charakterſtizzen.
Zwei Theile.
Gr. 132. Geh. 2 Thlir.
⸗
In Unterzeichuntenn if ſoͤeben erſchtenen und durch alle Duchhandluagen zu beriehen:
Reisen und Täanderbeschreib utgen,
26ſte Lieferung.
Auch unter dem beſondern Titel:
Reiſe Pur Rußland
nach deni kaukasischen JIsthmuts
in den Jahren 1836, 1837 und 1838,
Zweiter
Sr. 8. Broſch. Preis 2 Thlr. 25 Nor. (2 Thir. 20 8Ge.), ober 4 Fl. 48 Kr. |
Inhalt: Reife über den Kaulafus. — Hefe durch Karthli und Offen. — Oſſien unb feine Bewohner. — Die
ihre Gebräuche. —
ri und Ausfluͤge na
Reife durch Radiga und Imerien nach Kutais. — Beſchre wan⸗ Imeriens und ſeiner Haup
den naͤchſten Umgebungen. — Reife nach Mingrelien und Letſchkum. — Weile lan
nach Kutais. — Ruͤckreiſe nach ziftie. — Belgreibung von Gruſien. — Bel seibung bes
wichtigften Umgebungen. — Ausflüge in bie Umgebungen von Tiflis. — Reife
Dffen uns
Kutaid mit
ſiſchen Boll. — Tiflis unb feine
ch⸗Armenien nad Ant. — Beſchrei⸗
98 ber Meeresküfle und bu
durch Gru
Ani und Abog. — Neife dur Kuſſiſch⸗ Armenien nah Kulp. — Meine Krankheit und
bung von
Rüdreife Ring Daratiäitfiing nad Tiflis. — Aufenthalt in Tiflis. — Reife durch Kachien und Befchreibung Dageſtans. —
Rüdreife bis Stauropol, — KHeife längs der Norbküfte des Aſowſchen und Schwarzen Meeres. — Odeſſa; Ruͤckreiſe
Stuttgart und Fübingen, Zuli 1843.
Verlage ber Kunft: und Buchpanblung von Zulius
Buhbeus in Düffeldorf erfchien ſoeben:
Geschichte der bildenden Künste
Kart Shuaste.
Au unter dem *
Geſchichte der bildenden Künfte
bei den Alten.
.L Ban.
Die Möller bes PDrients.
30 Bogen. Gr. 8, Beh. 3 Thlr.
Der gweite Band, die Griechen und Römer enthal«
tend, erſ eint zur Micparlismeffe
Durch alle Buchhandlungen und Poftämter tft zu beziehen:
Das Pfennig⸗Magazin
für Belehrung und Unterhaltung.
Neue Folge. Erster Jahrgang.
1848. Naguſt. Nr. 31— 34:
Snhalt:
* Schottland. — Maͤßigkeitsvereine. — Eiſenbahnen. —
Die St Zerdinandekapele in Paris. — Kinderraub. — Mais⸗
ucker. — *Die Armenier. — Demoiſelle Lenormand. — Die
Vlucht. — * Samuel Hahnemann. — Folgen des letten Erd⸗
®. G. Cottatie Verlag.
bebens in Weſtindien. — Die Kunſt zu fliegen. — Kattun⸗
druckerei. — * Vorderindien. — —8 — Eine ——
zung Moskaus. — Holzbrot. — Ciarichtung der ruſſiſ
—J— Kirchen. — — in Braſilien. — —— ben
des Gewehr. — * Bewohner der Milgerris in Sorimbktier.
Die Anwendung ber Dampfkraft in Branfreih. — Das Ägups
tifhe Labyrinth. — Tollwuth bee Hunde. — * Der de
Brunnen zu a — — Balken — *38 und
fein Voik. — En Taucher. — Behand der Tobten —
* Diebitiy Sabalk — — Die yeue lan Shpauftralien, —
Die Ciſenbahnen Amerikas. — Das britifhe Kriegedampffchiff
Penelope. — *Gorfica. — Ein Rieden vom Rübezahl. —
ie Schminke. — Kopienreihtium um Saar. — Die traurige
Vergnägungspartie. — WMiseeien.
Die mit * bezeichneten Auffäge enthalten eine ober mehre Abbildungen
reis des Jahrgangs von 52 Nummern 2 Thlr. In:
Fünbigungen werden mit 5 Nor. für den Raum einer
gefpaltenen Zeile berechnet, beſondere Anzeigen ze, gegen
Vergütung von Y, Iplr. für das Kaufend beigelegt.
Der Preis ber erfien fünf Jahrgänge hei Ueunig:
Magazins, Rr. 1248 enthaltend, | 15
au z Ir. erm 30 nn to —23 biefer
Je 1 Thlr. 10 Nor; bie Jahrgänge —42 jeber
Ebenfalls i eife ermäßigt Schrifte
mit vielen —* fe vom Sis Rab folgende n
Sonntags: Drei Baͤnde. 2 Thlr.
ie ** - Ein Band. Nor.
R iss für Kind . Zün
—— ns er. Sf
Reipgig, im Auguft 1843,
BE. x, Brockhaus.
NEUHÄUSER
STEINKOBLEN-VEREIN.
VEREINS - NS- CAPITAL:
240,000 Thaler Preuss. Court., oder 430,000 Gulden heim,
In 1%6 Avtien zu 206 Thaler Preuss. Court., oder 350 Gulden R hein.
ABWURE:
Fünf Procent feste Versissung und eine zu sechs Procent veranschlagte Jahresdividende,
Abbauseit: Hundertundsechszig Jahre.
Der Neuhäuser Steinkohlen- Verein (gegründet nach der statutarischen Bekanntmachung 15. ji)
hafıli reichen 8
hat den gemeinse
chen Abbau des grossen and
teinkohlen »- Districts
zoglich Sachsen - Meiningenschen Bergreviere Neuhaus, mit einem geschätzten Kohlenvorrath von sehtzig re
men Centnern, zum Zweck.
Die Actien lauten auf den Inhaber Con pe porteur). Bie sind über den Betrag von 800
Courant, oder 350 Gulden im
uldenfuss ausgestellt und mit Oen
Thalern Prouss.
poms für Zins und Dividende auf
Augsburg, Frank»
vieraig Jahre versehen. Die Coupons werden, sur Bequemlichkeit auswärtiger Astionnairs, in
furt und Berlim bei den nachgenaonten Firmen zahlbar gemacht.
Der noch dispenible Theil der Actien ist bei den Wechselhäusern
B. Metzler sel. Sohn & Co. in Frankfurt a. IL, °
Joh. Lorenz Schäzler in Augsburg und
Anhalt & Wagener in Berlin ”
deponirt, von denen sie, ohne weitere Unkosten,
frankirte Baarsendung des Betrags von 300 Thalern Preuss.
segen
Couraut, oder 350 Gulden im 24 Guldenfuss für" jede Actie, oder gegen Remessen in Staatspapieren, welche dem Ein-
sender zum Tegesco«
rs berechnet werden, ver dem I. September d. J. zu erhalten sind.
Mach dem 1. September hört die Abgabe der Actien al pari auf.
‚ Mläburghäusen, am 35. Juli 1843.
Ber Henhä ünser Steinkohlen-Derein:
I. Meyer
Director und Mitelgenthümer der Vereinsweorke.
Durch alle Bachhandiungen und pofämte if zu beziehen Tür Leſecirkel und Leihbibliotheken.
HSIS. Encyklopaͤdiſche Zeitfehrift vorzäglich für
Raturgeſchichte, Anatomie umd Phnfiologie.
Bor Olten. 1848. Achtes Heft.
&r. 4. Preis des Jahrgangs von 12 Heften
mit Kuyfen 8 Sohle.
—ES— cc ee, fie
ee A er,
unb wirb darin der Raum einer gefpaltenen ie mit 2' 2 Nor.
berechnet. ondere Senzeigen ıc. werben ber Z is für
ef
1 Ihe. IR Moe bei
Bin, im u 1843,
uiterariſche un⸗
F. A. Brockhaus.
Bei mir iſt erſchienen:
‚Denkmäler bildender Kunst in Lübeck,
gezeichnet und herausgegeben von ©, «7. Mitlde,
Maler, und begleitet mit erläuterndem historischen
Text von Dr. Deecke. Erstes Heft,
enthaltend in Bronze gravirte Grabplatten. Grossfolio.
In Umschlag. S Dtionspreis 2 Thlr.
unb wurbe unterm heutigen age an alle Beſteller verſandt.
Bamburs, 7. Xuguft 1
"Sobenn baun Wuguft Meißner,
Bei &. R. in Leipzi
durch alle ra * —*8 vaio iR erſchienen und
Edelmann und Zude.
Roman
von
Julian Chownit;.
Zwei Bände. 8. Broſch. Preis 1’ Thlr.
Der von faft allen beutichen Journalen im Felde der No⸗
velliftit mit großem Beifall begrüßte Verfaſſer liefert hier ein
neues fociates Gemälde, in feiner befannten leichten und Lebens
digen Manter , bie ihm ven Ramen eines beutſchen Paul de
Kod verſchafft bat.
Durch ale Buchhandlungen iſt von mir zu beziehen:
Pbitofopbie Des Staats
Allgemeine Zorialtheorie.
Dr. Bugo Eifenhert.
8. Och. 1 Thle. 6 Nygr.
—*8 im Auguſt 1843.
F. A. Brockhaus.
Aenigkeiten des Yahres 1843
aud dem Berlage |
von
Alesander Dunden,
königl. Hofbuchhändler in Berlin.
Bauder,
tern Umſchlag.
— —— , Daffelbe.
In verziertem Umſchlag. Geb
Anhang und Zufäge zu Berne Vethode der Reitkunſt nach neuen Grundfägen. Zunaͤchſt für die Beſiher der Item Auf
Gr. 8. Belinpapier
Dasselbe.
"Ri endet,
" edel, MR. VoR, Historisch -
6 Lieferungen. Quer-Imperialfolio,
8. , Methode der Heitkunft nach neuen Srunvfägen. 2 Franzoͤſtſchen durch
Kieutenant von Bidiien, Commandeur bes 7. Küraffier- Regiments.) Mit 12 Abbildungen. ®r. 8,
ein Übergeugten. (
Belinpapier. ET —*
3
Aus dem
Geh. bir.
Dte WTuflage nad) der vierten des franzöfifchen Originals. Mit 12 Abbildungen. Gr. 8. re
Zhlr.
hie. Beiträge zu ihrer richtigern Beurtheilung und Würdigung. Istes Heft:
—W aller Philosophie bei Hegel im Uaterschiede von der Fassung anderer
1, Tale.
1’, Zblr.
14 Thu.
8. Belinpapier. Elegant geb.
8. —— —* geh. mit Bolbfchnitt.
. nt geb. hir.
eteait de Gräfin * GHapn:Bapn , —— von Fraͤulein von Meyern⸗Hohenberg, in Kupfer geſtochen von —
Y% Ah.
1, hir
5%, Tal.
eographischer Handatlas in 36 Karten, mit einem Vorwort von F. A. Pischon. In
liste und *2te Lieferung. In Umschlag. Geh.
a 1% Thir.
NB. Die mit einem * bezeichneten Artikel befinden fih unter der Preffe und werben im Herbſte audgrgeben.
Jede Buchhandlung ift im Stande die hier angezeigten Werke zur Anficht vorzulegen.
In meinem Verlage find erfchienen:'
Die ie Fläflinge cine Novelle von Georg kau.
e
Bebensinircen in atiſtokratiſchen Kreiſen. Drei Er⸗
zaͤhlungen: Das Duell, Der junge Graf, Die Pſeu⸗
donymen. 8. Geh. Thic. 15 Ngr. (1 Thlr. 12 gGr.)
Eliſabeth Stuart, Gemahlin Friedrich's V. von
e len vor Dr. Söltl. 2 Theile. Gr. 12. Geh.
Der Diamant. Ein Spiel der Phantafie, von €.
Serpen. Gr. 12. Geh. 1 Thlr 15 Mor. (1 Thir.
13
Hamburg, 1843.
Johann August Meissner.
Bei J. Hölfger in Koblenz ift erfchienen und in
allen guten Buchhandlungen zu haben:
Sloris, Eruft, Sagen und Lieder vom Rhein
und Fe der Mofel, Er. 12. Sn Umſchlas geh.
Daffeide mit 10 Stahlſtichen. Cart. 1 Thie 10 Ngr.
eu erſcheint und iſt durch alle Buchhandiungen zu erhalten:
Allgemeine Predigtsammlung
aus ben Werken ber borzüglichften Kanzelrebner; zum
Vorleſen in Landkirchen wie auch zus hi äusfichen
| auung.
‚Derauegegeben von -
Dr. Ednin Bauer.
weiter Band.
And unter dem Titel:
Epiftelpredigten auf ale Soun: und
tage des Rahres aus den Werken ber vorzüglich
fen Kanzelredner; zum Borlefen in Landkirchen wie auch
zur häuslichen Erbauung. Gr. 8. 23 Thlr.
Der erſte Band diefer Sammlung (1841), welchem von
Geiten der Kritik daB Präbicat eines Muſterbaches wen
Pe beigelegt warb, enthält Svangelien⸗
— —— le do ec aka
er
wird dieſes Werk geichloflen werben. s .
Reipsig, im Faguf 1843.
5 A. Brockhaus.
Drud und Verlag von F. X. — in Leipzig.
—
Lit er
Dieſer Biterarifche Anzeiger wird ben bei
Unterhaltung” und „Iſte veigelegt oder be
Durch alle Buchhandlungen ik zu erhalten:
Georg Forsters
Fammttiche Schritten.
Herautgegeb en von deſſen Tochter
wit einer Charakteristik Serster's
m} Sersinus,
Sn neun Bänden,
Erste Lieferung: Band 1, 6, 7.
St. 12, Geh. 3 Zhlr.
Aus⸗
Die Übrigen Wände dieſer erſten von aͤnud
gabe der —** eines unferer beſten 25
werden in kurzen Zwiſchenraͤumen folgen. Auf die dem ſie⸗
benten Bande beigebrudte Charakteriſtik Yorfters von Ser⸗
Sinus erlaube ich mir ganz beſonders aufmerkfam zu machen.
Beipgig, im Scpiember 1843.
S. 9. Grorkhens.
Handbuch für Auswanderer nach Amerika.
In Unterzeichnetem ift fosken erfchienen und an alle Budhs
bandlungen verfanbt worden :
BSaudbuch und Weg weifer
Auswanderer
nach den Vereinigten Staaten von Nordamerika,
enthaltend
bie für ſie wiſſenswertheſten Gefete, Sitten und Ge⸗
braͤuche. Mathichläge —* ungen gegen übervor⸗
1. Befchreibung Landſtriche.
Rathſchlaͤge in Bezug auf Geſundheit, Klima und Boden.
Reiferouten. Entfernungen der vorzägiihfien Plaͤte von
ben Hauptfkäbten der Staaten "und sen Wafhington.
Straßen, Kandle und Eiſenbahnen. Bevoͤlkerungen, Pro:
ducte, Klima und Boden einzelner Staaten; nebft einer
umſtaͤndlichen Beſchreibung aller in den Staaten Ohio,
Michigan, Indiana, Illinols und Miſſouri und in den
Territorien Wisconſin und Jowa gelegenen Grafſchaften,
einem ſtatiſtiſchen Anhang und einer illuminirten Karte.
0
Bon
Fraucis J. Brund.
8. Velinpapier. Broſch. Preis 1 Ehe. 7 Mar.
(1 Thlr. 6 gGr.), ober 2 Ju
Dad Bedorfniß eines Buches, welches den Auswanderern
ausführliche Belehrung über -jene Dinge und Verhältniffe von
arifher Anze
1843. Nr. XXH.
igepeftet, und betragen bie Infertionsgebühren für die Beile ober deren Raum 2), Rgr.
iger.
Amerika gibt, welche fie vor Allem zu wifim nöthig Sm,
und die fie zugleich gegen ortheilung, Behigriffe im ns
kauf von Ländereien und Berlufte aus Unfenntniß der
Bitten und Gebräuche ficher ſtellen, iſt ſchon lange in Deutſch⸗
land gefühlt worden. Obige Schrift toll -diefem angel abhei⸗
u. Ber Berfaffer Hat währtnd eines fichengehnkihrigen
Aufenthalts in ben Wereinigten Staaten und in hen beuichieben-
fien Stelungen, die ihn ‚mit allen Glaffen ver Geſellſchaft in
bie intimſte Berührung brachten, vielleidet mehr wie jeber anbere
Ginbeimrifche ober Fremde Gelegenheit gehabt, bie amerilanifigen
Buftände und bie Stellung ber eingewanderten Deutichen
en Miditungen Hin fennen zu iermen, und balt «6 habe kAr
feine Yriicht, das Ergebniß -feiner Mrfefrungen feinen gs
bern im beutfihen Baterlande witzutheilen.
Stuttgart und Zuͤbiugen, im Auguft 1043.
| V. ©. Cotta'ſcher Verlag.
Tr.)
Bei Braumülier & Beibel in Bien ift erſchienen:
"ltucna 00 Ober Beftdr ©
©estreichischen militairischen Zeitschrift 1843.
. Inhalt diefes Heftes: j
I. Etwas über Mititeirafademien im Allgemeinen. —
II. Gine Skizze aus dem Feldzuge des Jahres 1798. —
HH. Be 1200 am "
. . Abquitt. —
IV. Die Kämpfe der oͤſtreichiſchen Armee gegen Frankreich 1792
—1815. — V. Der Zug ber Aliteten nach der Shampagne im
Sanuer 1814. yageitter Abſchnitt. — VI. —— —
derungen. — ' es Prinzen ugen ven Sabogen Wirken
den Jahren 1721—36. ——————— Nr. 45—58.
Preis des Jahrgangs 1843 in 12 Heften 8 Thle.
En vente chez Brockhaus & Avenarlusä Leipzig:
Zum®
de Is Hltterature francaiee.
Troisieme annde. 1848.
” semaine — do. 1 —
x Bar 88 FR — | ‘ J
—** ot à us les bureaux de . == Los nouvoaux
abonnes pour Tannde 1843 pouvent se procurer les deux
premi, ann“es de Iniche am prix diune
seule.
Sommaire des Nos. 31-- 84.
. Tourterelle. Par Paul FevalL — Comment lameur
fuit en camsant. Par Marie .de Viipinay. — Bras-
de-Cuir ot le Houlan. Par Pam Foval. — Le eomdac-
teur de diligence. — Napoleon et Viotti Par I. Möhnl.
— Hosmd-ie-Pauvre. Par Lbom Genlan. — Sapplioe
d’une jeune Sciouse. — Les cinq pieces de win. — La fdte
die la Madone deli’ Arco. Par Paul de Minsset. — ‚Un
ealevement. Par G.B. — Un mamelek. Par X, —
Origine des moustaches, — Combat de Jaostia .Bieurier..et
de Mahuot Coequel, Par H. ©. — Trisunser. "
ı
Sandwirtkecheftliche Dortzeituns
Herausgegeben von
©, v. Pfaffenrath und Willtann Möbe,
Vierter Jahrgang. 4. 20 Ngr.
Leipzig, bei F. A. Brockhaus.
erſcheint woͤchentiich 1 Bogen. Mubünhigun-
gm vn perden mit 2 Kor. ben Raum einer gefpaltenen
eite berechnet, Befonbere Anzeigen re. gegen eine Ber:
gätung von %/, hir. für das Tauſend beigelegt.
Inhalt bes Monats Auguft.
Dorfzeitu Ihr Regierungen, gebt Gulturgefege! —
Bon den NRadıth ber Dreifelderwirthſchaft. — Das Cins
Hängen von Fenſter⸗ und Thuͤrfluͤgeln leicht zu bewerfftelligen.
— Über das Röften des Hafers. — Über das befte und nutz⸗
zeichfte Verfahren bei ber Schweinezucht. — Gute *eg und
Geradelegung derſelben. — Sollte ſich Herr Amtsrath Gump⸗
recht nicht irren? — Gchreiben bes — Generallieutenant
v. Roͤder an bie KRebaction. — Nutzen, welchen bie
uuns und Berbeſſerung der Beet ber Landwirtbichaft ge⸗
währt. — Noch einige Worte darüber J wie vortheilhaft es ſei,
die Domainen in Erbpacht zu — Nehmt Euch in Acht!
— Entgegnung auf ben uffat Oi Srfabrungen über
Yon Anbau bez aber in We «23 db. 3. — Etwas über
den — der — in Kurheſſen. — Von der
untern Rhön. — Die Errichtung von Serreibemagasiaen für
Zeiten ber Noth und des Wan — Refetrüdte, Mis⸗
eenen u. ſ. w..— Unter altungsblatt: Die Wachtel.
— Beſchreibung bes waringe Landes. — Die Cactusarten und
der VBunderbaum. — Die Zage der Woche. — WBenusung von
Stoffen geringen Wertpes. - — Der jegige Tanz.
In Unterzeichnetem ift foeben erfchienen und durch alle
Buchhandlungen zu beziehen:
Carl Sigismund Kunth
Enumeratio Plantarum
omnium hucusque cognitarum, secundum familias
naturales disposita, adjectis characteribus, differen-
tiis et synonymis.
Tomus IV etiam s. titulo:
Enumeratio Xyridearum, Mayacearum, ' Com-
melynearum, Pontederiacearum, Melanthacearum,
Uvalariearum, Liliacearım et Asphodelearum
omniam hucusgne cognitarum, adjectis, charac-
teribus, differentiis et synonymis. |
8.maj. 3 Thi. 22") Ngr. (3 Thir, 18 gGr.), oder
6 FL. 24 Kr.
Das Beitgemäße, M Nothwendige eines folchen Unterneh:
mens iſt laͤngſt und vielfeitig gefehit. Die Botanik bat in
newerer Zeit Wereicherungen erhalten, wie kaum irgend ein
. Zweig bes menſchlichen Biffens; täglich ſich haͤufende Entbedduns
gen in allen Welttheilen haben bie Reihen ber bekannten Bege⸗
tabilien ins Unabfehbare vermehrt unb verwirrt, bie vorbans
benen foftematifchen Werke durchaus luͤckenhaft unb ungenägend
gemacht und eine neue Aufzählung und Ordnung der gefammels
ten Bchaͤte, einen Ver er berblick über das ganze eich,
ellt
Dt tat er diefe muͤhevolle Arbeit übernahm
und ebenfo umfaflend als gediegen ausführte, erwirbt er ſich
%
‚gelegenbeiten Portugals.
——
un Kur 3 an
Theil wire
Jeder een belonbern
Zitel auch ein en Ai
ubingen, im ma 1843,
Catte ſcher Verlag.
In meinem Berlage ift foeben erfchlenen und in allen Bud
bandlungen zu haben:
Mühle, HMeinr. Graf von der, Bei-
träge zur Ornithologie Griechen-
® Gr. 8. Brosch, I Thlr.
Ze weniger bisher über das Leben der Voͤgel in Gäbruropa
— außer durch Savi's Ornithologia toscana und einzelne zer⸗
ſtreute Notizen — befannt war, um fo willlommener wirb bie
vorftebende Pleine Schrift eines eifrigen, mit tuͤchtiger Beobach⸗
tungegabe ausgerübeten und durchaus praftifchen Verfaffers fein.
eide beichräntt ſich darauf, nur Dasienige, was er auf
feinen zahlreichen Jagdexcurſionen während eines fänfjährigen
Aufenthalts in Griechenland fetbft beobachtet hat über Borko
men, Lebensweife und Eigenthuͤmlichkeit ber bortigen —
kurz und bündig, aber nicht ohne den Reiz einer lebendigen,
aus eigener Anfı (hauung beroorgehenden Darftelung zu fchilbern,
und deferiptiver nur bei neuen ober verfannten Arten zu ver
weiten‘, fobaß der Mann vom Fach ebenfo wie ber Dilettant
aus dieſen Beiträgen Gewinn und Geruß ziehen wird.
Zügen wir noch bei, daß das BBerteen in der Weife abs
efaßt iſt, wie , aber 6 Prodromus ber isländifchen Demicholoaie,
o wird für ben Kunbigen ber Standpunkt deffelben in der Lite
ratur hinreichend angebeutet fein.
Eeiptzig, im September 1843.
Erf Aleifiser.
Im Berlage ber Meß’ihen Buchhandlung in Berlin if
foeben erfchienen und in allen Buchhandlungen zu haben:
Bibliothek poutiſcher Reden
‚dem 18. und 19. Jahrhundert.
Erfter Band. Zweite Lieferung. Broſch. Preis 5 Sgr.
Inder „Belt: Vi. Pitt's Rebe über bie Angelegenheiten ber
amerifanifchen Solonien. VII. Sanning’s Mebe über bie An
VII. Mirabeau’s Rebe über den
Ramen und bie Bedeutung ber erfien franzöfifchen —— —
Berſammlung. IX. Robespierre's Rede über das Decret,
wodurch die Ausuͤbung bürgerlicher —*— von einem beſtinnaten
Steuerquantum abhängig gemacht wurde. Mit biogre:
phifhen Notizen diefer Redner.
Neu erschien soeben bei mir und ist durch alle Buch-
handlungen zu erhalten:
Das Venensystem
in seinen krankhaften Verhältnissen.
SF. A. Pr Pucheit,
Zweite Auflage.
In drei Teilen.
Erster Theil
"Leipaig, in Sepemb —*
‚im ember
F. A. Brockhaus.
|
In Unterseichnesem jet soeben exschienen und in alle Buchhandlungen versandt worden:
Lehrbuc ier N
— nach einem durchaus neuen auf
das Positive aller Disciplinen
anwendbaren Systeme.
Von
Marl Otto RBeventlow,
Eandidsten der Philologie.
8. Velinpapier. Brosch. Preis 1 Thir. 7'% Ngr. (1 Thir. 6 gGr.), oder 2 Fi.
Während fast alle bisjetzt bekannten mtemonischen Systeme, auf einer räumlichen Anschauung und sinnlichen Sym-
bolik beruhend, nichts als ostensible Kunststücke erzielten, hat der in den weitesten Kreisen rübmlich bekannte Herr
Verfasser dieses Werkes durch seine vielfach abgelegten öffentlichen Proben bewiesen, dass sein Verfahren nicht allein
eine allgemeine praktische Anwendung auf das Positive aller Discipliaen zulasse, sondern auch, dass die R®Sultate des-
selben Alles, was bisjetzt durch mnemonische Methoden geleistet wurde, beiweiten übertreffen.
Das Werk zerfällt in zwei Abtheilungen. Erste Abtheilung: Geschichte, Literatur und Kritik aller bekannten
mnemotechnischen Systeme. Zweite Abtheilung: Die Methode des Verfassers, Geschichte, Theorie, Anwendung
auf die Chronologie, Statistik, Physik, Chemie, Mathematik. Astronomie, Theologie, Jurisprudenz , Philologie, Medicin,
Botanik, Kameralwissenscheft u. 5. w.; auf Sprachen, Handelswissenschaften u. s. w., auf das Einprägen von Phyasio-
gnomien, auf das Schachspiel u. 5. w. |
Bei der Abfassung dieses Lehrbuchs hat der Verfasser nirgend eine Regel aufgestellt, deren Richtigkeit er selbst
nicht praktisch zu beweisen im Stande wäre. — —
Stuttgart und Tübingen, im August 1843.
“ J. &. Cottaseher Verlag.
Durch alle Buchhandtungen und Poſtaͤmter ift zu beziehen: mäßten dur ce ice a ole mechen, worin.
0. ⸗ entweder gleichfa orleſungen abge t ſind, od l
Leipziger Repertorium für deutsche und aus- | zurd isre Auefährlichkeit als Pand« ober Befehdcher —
ländische Literatur. Unter Mitwirkung der Uni- ebnnen, —e Be fer Mt aber, bie in neueen
20 XX eiten erſchienen ſin erſcheiden vo '8 ⸗
versität Leipzig herausgegeben von W. nf. gen gerade dadurch, daß durch fie gewiß "noch man un
Gersdorf. Erster Jahrgang. Einund- | Earen oh —* re oder _ gebe Ay „onfeiben
0. ii, eo gewonnen bat. rz, ich Tenne überhaupt Fein ‚dos ale
dreissigstes bis vierunddreissigstes Heft. Gr. 8. Eefebuch fo wie dieſes jebem Studirenden empfohlen Werden
Preis des Jahrgangs von 52 Heften 12 Thlr. Ebnnte A fett af ein sank — —— hat es aber
. - n ber Ausführung dieſes feines Plans die Eigenfchaft bewährt,
" Bibliographischer Anzei ger, | welcher Bi unten allen Sn größten Werth einräumen md te.
für literarifche Anzeigen aller Art beftimmt, beigegeben. An⸗ a en ——— a BA —** os
nbigungen in demfelben werben für die Zeile ober deren | geſchleppt wisd, um weichen feibfl beffere Schriftſteller oft. uns
Raum mit 2 Nor. berechnet, und Beſondere SCnzeigen re. kefümmert bleiben. Goöfchen verbient vor vielen Anbern bas
gegen Vergütung von I Thir. 15 Nor. beigelegt. Lob, daß er diefen nicht bei ſich geduldet, fondern i si
Eeipzig, im September 1843, wirkliche Gedanken zu vermanbeln vedlich und Zi dem
3. A. Brodhans. | Heiten Erfolge geftredt hat.“
Durch alle Buchhandlungen ift jest wieder von ſtaͤndig Durch alle Buchhandlungen iſt von mir zu beziehen:
zu beziehen: | G ur
Goſchen, J. F. R., Vorlefungen über das ge: eſchichte
meine Givilsecht. Aus den hinterlaſſenen Papieren ber
—5 — Dr. , Drei Bände. s
Berantgrgcen von Dr 2, Gorleben. Dei Bin. (Letzten Kämpfe Hapoleon’s.
Über den Werth des 8 t de Abfag d
FRR. « Im en 43 iche ve h age rn far * erhen Revointion und Reftanration,
8. inter Pr eins ei: undet ge einem Son
Schreiben an errn Derau alten lche
wir folgende @tete entnehmen hl ‘ * — 328— * -Rourad Ott.
e andern e zu feben, bie, i t . .
ihres Werthes, fonbern nur in ihrer Beftimmung und mög: Zwei Cheile.
lichen Baenugumgbart Rn dem vorliegenden Bierte auf gine Gr. 8. Geh. 3 Thlr. 36 Nor.
geſtellt werden nten. on den gangbaren Lehrbüchern Reipgig
kann dabei gar Feine Rede fein, neben Seen ſoll ja erft der ‚ Im Geptember 1849,
Vortrag deb Berfaffers Das keiften, wozu dieſes Werk unmittels ®- A, Bestand.
bar dient: Wollte man das Gleichartige zuſammenſtellen, fo — .
\
h der Mnemetechnik,.
Durch alle Bag m su beziehen:
Veteris et Novi Testamenti vexrsionis gothicae
fragmente uae supersunt, ad fidenm oodd. ca-
stigata, itate donata, Alkmomlione critien
instructa am glossario et grammatioa linguae
gothicae conjunctis curis ediderunt
'H. ©. de Gabeleniz et Dr. 3. Loebe.
Vol. I. Pars prior.
(Den Schluß bes Textes und das Gloſſar enthaltend.)
VGr.«a. Seh. Druckp. « Thir. 18 Ngr. ; Velinp. 5 Thir. 8 Rgr.
Der erſte Band tft aus dem Verlage ber Schuupha ſeꝰ⸗
chen Budpanblung in Altenburg in den meinigen Abers
a tz Moihetung bed wei
14
ten Bandes (eine Grammatik ber gothiſchen Cosa enthalten)
wird im vaufe bes künftigen Sabre erfcheinen
Meipgig, im Geptember 1843
$. A. Brockhaus.
In Unter — iſt ſoeben erſchienen und an alle Buch⸗
hanbiungen selfankt werben:
B
zu Dr. Dinglers
polgtechnischen „geurnal,
Bon Band I Me
Dr. Michael Stecher,
9, k. Untverfitätt - he und —— ber Landwirthſchafts⸗
ft
Sr. 8. Broſch. De 2 5 Mar (2 Thlr. 4 gGr.),
ober 3 30
Etuttgart und 23 im — erlag.
Im Verlage ber Unterzeichneter * soeben erſchienen:
Die be zweite Lieferung des zweiten Bandes
(Ber dritte Yand ist bereits ausgegeben)
Griechiſchen Sprache
Dr. w "Day,
Profeſſor am Berliniſchen Bomnaſium zum grauen Kloſter.
Lexikon⸗Octav.
einem dritten Bande von 27 Bogen, bie Griehifhen Eigen:
namen enthaltend. _
Supferiptinwspreife. u
gr das ganze Merk von brei Bänden . . = - - . 7% Thlr.
Für das ðriechiſch⸗Oeutſche Woͤrterbuch von zwei Bänden Bl.
‚Für das Woͤrterbuch ber Griechtſchen Eigennamen ... . 1’ Ahr.
Bon diefem Vorterouge⸗
wir Naͤheres aus dem dur
des 3
ve weiten mine ji
bar nad rt NS "=. ., und wird damit das ganze
Wert vollſtandig erfhienen fein.
Bu w nds
— * di L dentli 4 ‚Bet S
:benterten, ie außerordentli
ionspeik, noch noch bis ! 1844 beſte Si ae ie
Zwei Bände , ,jeder von 80 —- 90 Bogen; nebſt
uͤber deſſen Plan "und Tendenz
alle Buchhandlungen gratis zu
— tee "bilten, re 6 bie pe Liefes
e &illesung
* ce
Philologen und Imänner
Chu
der aus n Arbeiten aufmerklam unb
Eremplate 1 Sreieremplar —Se
Wraunfsweig, im Auguſt 1843.
Feriedrich Miieweg H Sohn,
Soeb in ber Kaͤmme Sortiments ‚Bud
lung in Ba Ki erfchienen : Pier imen *
Br. Wendt
Morgenklänge aus Gottes Wert.
. Em Erbauungsbuch
auf alle Tage im Zahre.
Elegant geheftet. 35 Rar.
Ausgewählte Bibliothek
der
Clafſiker des Auslandes.
Mit biographiſch teratiſchen Einleitungen.
Flervon sine en ‚erschhenen Der zur gwängbglte bis acht⸗
unbswanzigfie MBanb, welche mies:
XX—XXU Wprcaccin, Das Dekameron. Au
dem Statienifchen übsrfest von K. Witte. Zweite verbei
ferte Auflage. Drei Theile. 2 Ahlr. 15 Nee
XXII-—-XXV. DB ante Miighirri, Die 8ö
Komsdie. Aus dem Stalieniichen überfegt und erklärt von
K. 8. Kannegießer. Bierte, fehr veränderte Auflage
Di Theile. Mit Dantes Bildniß, den Piimen ber Höfe,
egeſeners und Paravieieh, uud eine Karte von Ober
* ⸗Italien. a 15 *r.
von Gutendere für 16 Rgr. erla am eragen wer:
XXVI. Geleflina. Cine dramatifche Novelle. us bem
Spanifchen überfeht von Ed. v. Bülow. 1 Ahlr. 6 Rar.
XXKVI. XAXVIN. Die Märkienfammiung be Bemabene«
Bhacta aus Kaſchmir. Aus bem Sanskrit ins Deutsche über
fest von Hm. Brodhaus Zwei Theile. 1 Thur. 18 Ror.
Die friyer erschienenen Bünve diecer Sammlung sind eben-
- falls en Bet einzein zu nm:
ud Btierte 2 Mer — I. — IH.
Fe * von tt 8 —
ig neue EIER * —536 D Rar. —— — Dir
er des Präfidenten. wei Auflage 10 'Er — YL vil. SSremer,
Zweite Aufl »s VIrE. ı%. Bremer, Des Hani.
Detite Auflage. Kr 6 iöte . 3. 10 Rer.
’ Mano t, gb t ven
geilen %o ant *
ärt von —— oteher un umb Witte. * — Überfept rn
1 al © — ——* A De x oerenbte Sims ats: von Kulh
pre. Stxelt' und Ku gie — —5 — = 5*— Ba
—8— * —45 — FAR Ei — —— ‚Ss Er.
Reipgig, im September 1843.
S. A. Brockhaus.
Drud und Verlag von F. A. Brochaus in Leipzig.
iD
—
\
Eiter arifher Anzeiger.
13843. Nr. XXIII.
Dieſer Litarariſche wird. ben dei F.
% Brodhans in Leipzig
en Seitfcheiften , ‚Blätter für ——
erf
Untsrhaltung‘' und —— beigelegt ober beigepeitet, und betragen bie a he für die Zelle be besen Raum Vs Nor.
Cafgenbuh auf das. Jahr 1844;
Hene Folge. Bester Vahrgaug.
Mit vem Bilsnisse Marl Hester's.
8. Auf feinem Velinpapier. Eieg. cart. 1 Thlr. 20 Ngr.
Aubait:. I. Die Wellenbraut. Bon A. Gutzkow. —
Myſiologie ber —— Bon A, p. Btermberg. —
Selmmeb. . Dee
I. Das: Novelle von Jul. Messen. —
Diubrieb. Bon W. Aleris. — V. Nur keine Liebe. ———
von Sein Aqudiuns.
Vom Jahrgaͤngen der pare nur noch ei
Byron vn BL ——
e a a en w on
— Pe e taften bi bie Sobaginge re und 1840 jeber
1 Zhte. 15 Nor, 1841 — 43 ee 1 Thlr. 20 Rer.
Keiysig, im September 184
.n “ EN Brockhaus.
Im Verlage von G. wir Müller in Berlin P
foeben erſchienen und in allen Buchhandlungen gu haben:
At, Dr. Sieinrich, Deu chriftliche Cultus
nach feinen verfchiedenen Entwidelungsformen und ſei⸗
nen einzelnen Theilen biftorifch dargeſtelt. Mit zwei
— e das chriſtliche Kirchenjahr und über
den kirchlichen Bauſtyl, forte mit ausführlichen In⸗
baltöverzeichniffen und Regiftern verſehen. 1842, Gr. 8.
Brofh. (40 Bogen.) 23-Thle. 10 Nor.
Indalt: I. Der Urfpenug der Sonntagsfetier. II. Der
Gouutag, ein Bupetag. ITI. Ber Gonutag. ein Tag der
Beiliguug, nud feine gottesdieuftliden Stunden. IV. Wie
Rirengioden. V. Der Airchendeſuch. Vi. Ber Ginteitt
ig das Gotteshans. 1) Dad Reigen bed Hauptes beim Gebet.
3) Das Falten der Hänbe. 3) Dad Beten mit vorgebaltenem Hute.
4) Das Beten des Waterunfer. 5) Das Weihwaſſer. 6) Das Zei⸗
den des Kreuzes. VII. Das: Gottsshans uud frine inmero
@insitung. 7) Die Kirchenſtüͤhle. 3) Die Kanyel. 3) Das
Kanzelpult. 4) Die Sanduhr. 5) Der Altar. © Die Nebenaltäre.
D Die Reliqulen. © Die Wilder in den Kirchen. 9) Die Weih⸗
gefchente in der Kirche, 10) Die Amtstracht des Geiſtlichen. 11) Die
Orgel. VIII. Der Gottespieuf uud feine liturgiſche Mn
srbnung. A. Der altägrifllihe Sonntagsgottesdienſt. B. Der
Gottesdienſt· der. morgenlãndiſch⸗ griechiſchen Kirche. CO. Die Tathes
liſche Meſſe. D. Der lutheriſche Getfeöbienk. BE. Der WBonntagd:
gotteöbienk der NReformizten. F. Dee Gotteäbienfi ber engtiſch⸗
biſchoͤftichen Kirche. G. Der proteftantifhe Gottesdienſt feit dem
Zeitalter der Reformation. IX. Bas Mtorgentieh.
Gäündentedenutnit. AT. Bas Ayeie. XI. Bas WEorie,
XIII. we aus HIV. Bes Herr fei mit End.
XV. Die Colleete. XVI. Das mem. XVII. Bas Gebe
au Sen. XVII Die Spiel uud das Ebaugelinum.
Nx Das Sallelujah. XX. Bas Slaubens dekenntuiß.
—— a ——— —— — — —
xxi. Die KRircheumuſtk. XXII. Das 353— XXII. Ser
XXIV. Die Vrediſst. XXV. Das Aigemeins
æirqᷣugedet. XXVI. Fe — XXVIL Des
Baterunfer, der Friedenswanſch, Die CTolleete und der Ge
ou. — Erſter Nachtrag: J. Die Wochentage in kirch⸗
licher Beziedung. II. Das Airchenfahr mit feinen Beten.
a. Die Welle des Herrn. DB. Die Marienfeſte. O. Apoſtel⸗ unb
Maͤrtyrerſeſte. D. Andere Fee. — Bweiter Nahtrag: Grand
riß einer alten chriftlichen Kirdde.uchE ErPlärung.
Im Verlage ber uUnterzeichneten ift foeben erſchienen:
Hellmuth’s
Glementar⸗Raturlehre.
Zehnte Auflage.
Kür Lehrer an Seminarien und gehobenen Volks⸗
ſchulen, fowie m Schul: und Se terricht, zum
dritten Dale bearbeitet
J. &. Bier.
Gr. 8. 30 Bogen. Velinpapier. Dit 243 in ben Tert ein:
gedruckten vortrefflichen Holzſtichen. Geh. Preis 1 Thlr.
Diefe zehnte Auflage eines weit verbreiteten Schulbuchs Hat
ſich abermals ber bedeutendften Verbeſſerung und Erweiterung
von Seiten bes Deren Verfaffers zu erfreuen gehabt. Audges
ftattet mit 243 vortrefftich ausgeführten Holzſtichen, iſt der
Preis dennoch, bei ſchoͤnem Drud und Papier, ein fepr bil⸗
liger — au A jede Buchhandlung in den Stand gefet,
auf 12 Cremplare ein Freiexemplar zu bewilligen.
Gin Drofpechus, mit Bezugnahme auf das Urtheil von
Behörden und bes Herrn Seminarbirector Diefterweg, tft in
allen Buchhandlungen gratis zu haben.
Braunfdweig, September 1843,
Griebeich Wietweg und Sohn.
Am Berlage von BP. A. Brockhaus in Reipsig er:
fchien ſoeben in Mn — Kuflage:
Die Rachbarn.
"Seederike Sremer.
Mit einer Borrede der Bertafferin.
Zwei Tbelle.
Gr. 12. Mb. 20 Nor.
Die übrigen Schriften von Frederike Bremer: Die Tödtee
vo Präffdenten. Dritte Auflage. — Nina. Bweite Auflage. AChle.
— Dad Hand. Dritte Auflage. 2 She. — Die Familie H. —
Kleinere Erzaͤhlungen. — Streit und Friede. Bmweite Auflage,
find fortwährend zu dem Preife von 10 Nor. für ben Theil zu er»
halten; die —* Ausgabe in 10 Theilen koſtet 3Cple. 10Rgr.
— —
| Schulbücher |
aus bem Verlage
von _
Alexauder Dunder,
hönigl. Soſbichhãudler zu Berlin.
Nachverzeichnete Werte find bereits in vielen Unterrichts:
md Witbungsanftatten, namentlich in preußifchken Gymnaſien,
Militair⸗, Reals und Toͤchterſchulen eingeführt: .
Dielig, Ah. (Oberlehrer a. d. koͤnigl. Fealſchule in
Berlin), Geographiſch⸗ ſynchroniſtiſche Überficht der
Weltgeſchichte. Quer 4. Geb. % Thle.
Dinarchi orationes tres.
tionem criticam et commentarios adjecit Kduardus
Mastsner. 8. maj. 'Y2 Thlr.
‘ Historiae romanae brevis epitome inferioribus Gymna-
siorum classibus destinata. 8. 's Thlr.
Kaliſch, E. RB. (Prof. a. d. koͤnigl. Realſchule in
Berlin), Deutſche Gedichte für Schulen. 3 Abthei⸗
lungen. &xæ ' The.
NWarbel, Cath., Exercices de Memoire. Premiere
partie mise à la portee des enfants. 12. Geh.
s Ihlr,. -
Wedell, BR. v., Historisch - geographischer Hand-
atlas in 36 Karten, nebst erläuterndem Text. Mit
einem Vorwort von F. A. Pischon. In 6 Lieferungen.
Quer-Imperialfolio. 1ste u. 2te Lieferung. & 1”% Tblr.
Zimmermann, Prof. Dr. SE., Geſchichte des bran-
denburgifch : preußifchen Staates. Ein Buch für Jeder⸗
‘mann. Lerilonoctav. Geh. 37%, Thir.
Direckoren, Lehrer und alle Sntereffenten, benen biefe
Bücher noch nicht befannt find und bie ſolche einer nähern
Pruͤfung zu unterwerfen wünfchen, werben folche durch jede
ſolide Buchhandlung mitgetheilt erhalten.
NB. Be Einführung in Schulen wird durch
Kreieremplare ben aͤrmern Schuͤlern Erleichterung
gewaͤhrt.
Durch alle Buchhandlungen und Postämter ist zu beziehen :
Neue Jenaische
‚Allgemeine Literatur - Zeitung.
Im Auftrage der Universität zu Jena redigirt von
Geh. Hofrath Prof. Dr. M. Hand, als Btschäfts-
führer, Geh. Kirchenrath Prof. Dr. I. A. Mase,
.Ober-Appellationsrath Prof. Dr, IV. Francke,
Geh. Hofrath Prof. Dr. D.&. Kieser, als Special:
ctdactoren.
Jahrgang 1843. September.
Inhalt:
K. G. Jaoob: Denkwürdigkeiten und Vermischte
Schriften von X. A. Varnhagenv. Ense. (Nr. 308 u. 310.) —
K. v. Decker: Geschichte des Feldzages von 1814 in
dem östlichen und nördlichen Frankreich bis zur Einnahme
von Paris, als Beitrag zur neuern Kriegsgeschichte. (Nr. 229
=.211.) — HL Ritter: Etudes sur la philosophie dans la
moyen-äge. Par M. X. Rousselot. (Nr. 2312 u. 213) —
: 1) Das gottesdienstliche Leben des Christen.
"MN. L. de Wette. 2) Üb
Recoguovit annota- '
Nachrichten; Miscellen; Nokrolog.
N —
—
Betrachtungen christlicher Andacht von Ab. Merkeincke.
2) Das Zeugniss der Sesle. Z Pred in der Ge-
1 meine zu Lodwigslust. Item von Th. Kllefagk. (Nr. 218.) —
Weisse: 1) Lehrbuch der historisch - kritischen Einleitung
in die kanonischen Bücher des Neuen Testaments. Von W.
er Johannes Marcus und seine
Schriften, oder: weicher Johannes hat die Offenbarung ver-
fasst? Eine ‚Abhandlung in Arei Büchern von F. Hitzig.
(Ne. 228, 291, 285 u. 28.) — W 2 1)
E. Curtii, deportabus Athenarum commentatio. 2) 6. Finlay’s
histerisch - topographische Abhandlungen über Attica. Her-
ausg. von S. F. W. Hoffmann. (Mr. 215, 2316 u. 217.) — G. A.
Stenzel: Beiträge zur Bereicherung und Erläuterung der
Lebensbeschreöbungen Friedrich Wilhelm’sI. und Friedrich’s
des Grossen, Könige von Preussen u. s. w. Herausg, von
K. H. S. Rödenbeck. (Br. Bl u. 28) — d. H. Käippel:
}) Vaterländisches Archiv des historischen Vereins für Nie-
dersachsen. Herausg. von A, Brönnenderg, W. Havemann
und A. Schaumann. 7) Die goslarischen Ber des
14. Jahrhunderts. Aus einem Codex des goslarischen Archivs
neu herausg. von A. F. @. Schaumann. 3) Diepholzer
Urkundenbuch. Herausg. von W. v. Hodenkerg: 4) J. H.
Pratje’s vermischte Bammlungen, Herausg. unter Leitung
des vaterländischen Vereins zu Stade. (Nr. 238 u. 28.) —
: Observationes criticae in Aristotelis
libros metaphysicos. Scripsit H. Bonits. (Nr. 218 u. 24.) —
Rosenthal: Beitrag zar Darstellung eines reinen einfachen
Basstils, von E. Kopp. (Nr. 211, u 22) — U. Sohmid:
Beweisfährung, dass die Lehre der neuern Physiker vom
Drucke der Luft und des Wassers falsch ist, nebst einem
Versuche, die Erscheinungen an flüssigen ohne
atmosphärischen Luftdruck zu erklären, von F. Freih. v.
Drieberg. (Nr. 6.) — J. W. Planck : Das deutsche
Notariat nach den Bestimmungen des gemeinen Rechts und
mit besonderer Berücksichtigung der in den deutschen
Bundesstaaten geltenden cularrechtlichen Verschriften,
geschichtlich und dogmatisch dargestellt von F. Österley.
(Nr. 28 u. 38.) — D. G. Kieser: Verhandlungen der
Kaiserlichen Leopoldinisch - Carolinischen Akademie der
Naturforscher. Gesammelt und herausg. von F. v. Wendt
und C. G. Nees v. Esenbeck. Erster: Artikel. (Nr. 228, 20
u. 231) — Ernst BSusomihl: Die Arthur-Sage und die
Märchen des rothen Buchs von Hergest. Herausg. von
San-Marte (A. Schulz). (Nr. 221 u. 238.) — Gele
Beförderungen und Ehrenbezeigungen ; Chronik
Chronik ; Literarische
Von dieser Zeitschrift erscheineg wöchentlich sechs
Nummern und sie wird wöchentlich und monatlich ausge-
geben. Der Jahrgang kostet 12 Thir. Amkün
werden wit 1% Ngr. für den Raum einer gespaltenen
berechnet, besondere ete.
Vergütung von 1 Thir. 15 Ngr. elegt.
Leipsig, im September 1843, Ä
' M A. Brockhaus.
eile
gegen eine
Allen Leihbibliotheken können wir als fehr intereffante
Lecture ganz vorzüglich empfehlen: _
us dem Reben. Novellen und Erzählungen
von ©. vom Ber. Inhalt: Der Handfhuhmadger.
Der Tobtenfinger. 8. 1% The
Schloß Rilienhof, oder die nordifgen Flücht⸗
linge, von St Uelly. Zwei Theile. 8. 2; Thir.
Beides erfchten foeben bei BE, Wiendrack in Leipzig
und tft in jeber Buchhandlung gu finden.
—
— — — — — — —
*
Das. Heldenbuch von Dr. Karl Gimrock.
In unterzeichnetem ſind ſoeben erſchienen und an alle Buchhandlungen verſandt worden: |
Gudrun.
| überfegt von
Dr. Karl Simrock.
(Des Seldenbudes erfter Zpeil.)
&r. 8. Velinpapier. Broſchirt. Preis 1 Thlr. 15 Ngr. (1 Thir. 12 gGr.), oder 2 Fl. 30 Kr.
| Nibel lied.
Ä as Wibelungenlied.
ab Überfegt von “
\ Dr. Karl Simrock.
Dritte Auflage.
(Des Seldenbuches zweiter Theil.)
| &r. 8. Velinpapier. Broſchirt. Preis I Thlr., oder 1 Fl. 45 Kr.
Das Heldenbuch ſoll die geſammte deutſche Heldenpoefie, wie fie ſich vom 6. bis zum 15. Jahrhundert bei une.
ausgebildet und wu einem großen bewunberungsmwürdigen Ganzen geftaltet bat, umfaffen, theits in Überfegungen des beften zu
diefem Kreiſe gehörigen alten Gedichts, theils in eigenen Dichtungen des Herausgebers, ber ſich ganz in unfere nationate Helben⸗
fage eingelebt, und fie im „Wielanb ber Schmied” und deſſen Kortfegungen, welche mit biefem bag Amelungenlied bils
den, im alten Geifte fortgeführt hat.
Die zwei erflen jegt vorliegenden Bände enthalten bie beiden Gebichte, von welchen Gervinus fagt, daß fie für die Nation
in ewiger Ruhm heißen dürften: das Nibelungenlied und die Gudrun. Das erftere hat fich, feit feiner Wiedererwedung,
welche mit der Wiedererweckung unferer Nationalität zufammenfällt, immer mehr als unfer Nationalepos, der größte Dort uns
ſers Volks geltend gemacht, und ben frühen, gleichſam prophetiſchen Ausſpruch Johannes von Muͤller's, daß es bie deutſche Ilias
fet, bewaͤhrt. Won der Gudrun, welche von der Hagen die wunderbare Nebenfonne der Nibelungen nannte, wäh«
rend fie Andere, in Bezug auf jenen Ausſpruch I. v. Müller’s, der Odyſſee verglichen, urtheilt Grimm, dies Gedicht ſtehe den
Nibelungen an inner Gehalt nahe, ja, was Anlage des Ganzen und regelmäßige, fortichreitende Entwidelung der Fabel betreffe,
über ihnen. „Es überrafcht durch Neuheit bes Inhalts, wie ber Charaktere, und zu bewundern ift ber eigenthümliche Ausdruck,
den jede der auftretenden Perfonen geigt und durch das ganze Gedicht behält.” Noch günftiger urtheilt Gervinus, daß bie Gudrun
eine viel kunſtmaͤßigere Feile erhalten habe als bie Nibelungen, daß poetifcher Ausbrud, fprachtiche Bewandtheit, Reichthum der
Gebanten, der Wendungen ber Reime, kurz Alles, was formel ein Gedicht auszeichnen Tann, weit vorzüglider fei als in ben Ni⸗
—* daß alle Situationen lebendiger, die Charaktere theilweiſe noch feſter gezeichnet, wenn auch nicht ſo großartig entworfen
en u. ſ. w.
Die Überfegung folgt dem Originale Zelle für Zelle und gibt es in einer Sprache wieder, bie volllommen neuhochbeutfch, doch
allen mobernen Anklang vermeidet, wodurch bie Taͤuſchung entfteht, als Läfen wir, ber ſprachlichen ‚Hinderniffe, die uns dies bis⸗
ber verwehrten, überhoben, das Driginal ſelbſt; diefe Eigenthuͤmlichkeit aller Überfegungen K. Simrock's aus bem Mittelhoch⸗
beutfchen hat Goethe treffend bezeichnet. Er fagt (Nachgelaffene Werke, V, &. 209), indem er beffen Überfegung der Ribelungen
in ber erfien Ausgabe als eine hoͤchſt willtommene begrüßt: „Es find die alten Bilder, aber nur erhellt. Ehen ale wenn man
einen verbunfeinden Firniß von einem Gemälde weggenommen hätte und bie Karben in ihrer Friſche und wieder anfpräden.” Gin
großer Vorzug ber Simrock'ſchen Ribelungen u. f. w. ift auch die genaue Nachbildung des Versmaßes, eine Aufgabe, welche vor
dem Erſcheinen beffelben noch ungelöft war. - |
Stuttgart und Tübingen, im September 1843.
I. ©. Cotta'ſcher Verlag.
x
Bei E. Aummer in Leipzig ift foeben erfchienen und Durch alle Buchhandlungen ift von F. A. Brockhaus
in allen Buchhandlungen zu haben: in Eeipzig zu beziehen:
D’Eonnell über Irland und die Irländer, | Der Haudelsverkehr, bie Seele des Staatslebens.
Aus dem Englifhen von Ad. Wättger. Crfter | Herausgegeben von Edward Ganswindt. Gr. 12.
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Im nateire chuntern HE fonlen erfäjlemen sub an alle: Bikhjeiungi verkaunt wubenr
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von den Zeiten römiſcher Herrſchaft,
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Inhaut: Einleitung. Das aͤlteſte mittlere Italien chorxographiſch und hiſtoriſch.
1) Etrusker und Unbrer. 2) 8
tiner. 3) Die Sabiner und die Sabelliſchen Stämme. Die Denkmale bes aͤlteſten Italien. — Die älteſten Staͤdtebaner
unb .bie
Befeftigungen alter
— Die Gräber. — Plaſtik und Malerei. Erurien unb
ihrer Technik und ihren @eiftungen. 1) Thonarbeit. 2) Meta
Die⸗Arbeit in Holz, Gifenbein, Bernftein. — Die Malerei.
Stuttgart und Subingen, im September 1843.
n Burgen: — Anlage und Bildung ber Städte. — Mauerbau. — Die Bogens und Gewolbconſtructi
taͤdte. — Hydrauliſche Anfagn., — GStääßben
richte und bes Verkehrs. Nachtraͤgliches Aber Brunnenhäufee“ und Gifternen. — Anlagen ber Boläsiuftb .
Umbgfen. — Latiuge und die Sobina. — en, mit Anſchluß
von Samnium und dem nördlichen Eucanien; die Bänder bes abriatifchen Meeres. — ülberſicht der in geuͤbten Känfte in
Uavhsit, — Die Glas⸗ und Schmelzarbeit. — Die Gteinarbeit
or. — Die
ten und öffentiiche Bauten bes Ge
arkit. — Die
uns Bruͤcken. —
J. &. Eotta’fcher Verlag.
Durch alle Buchhandlungen und Poſtaͤmter iſt zu beziehen:
HBUS. Encyklopaͤdiſche Zeitſchrift vorzüglich für
Naturgeſchichte, Anatomie und Phnfiologie.
Von Okten. Zahrgang 1843. Neuntes Heft.
Gr. 4. Preis des Jahrgangs von 12. Heften
mit Kupfern 8 Thlr.
Der und den Mlätt hr literariſche Un⸗
—— — — ————— ſo⸗
Eiterarifcher Auzeiger,
— HH EN:
nn ana mann a
Eeinzig, im September 1843,
' \ F. %. Brockhaus.
Im Verlage von G. SG. Æeuckart in Bresiau
ift foeben erfchlenen und durch alle Buchhandlungen bed In⸗
und Auslandes- zu beziehen:
Orammatifch geordnete Stofffammlung
zu lateiniſchen Memerirubungen
von Dr. 3. Spiller,
Eehrer am Gymmafium zu Gleiwig.
Dreis 7’ Sgr. netto,
Auf Anorbnung eines hohen Unterrichtäminifteriums werben
bie von Heren Dr. Ruthardt in Vorſchlag Meir⸗s⸗
rirũbungen auf allen preußiſchen Gymnaſien eingefuͤhrt.
Dieſem Zwecke wird keine Schrift beſſer entſprechen, als
die obige, welche wegen der ſorgfaͤltigen Wahl und methodiſchen
un bes Lernfloffes allen ähnlichen Arbeiten vorgus
ziehen ift.
Bon demſelben Berfaffer tft umlängft erfchtenen:
Quaestionum de Xenophontis his-
toria graeca specimen. 10 Sgr. netto.
Bei &. G. Rectam sen. in Leipzig ift erfchienen:
Stichert, J. D., Wegweifer in das Gebiet der
lateiniſchen Sprache, Grammatik und Üsungsbuch ver-
einigend, und gegen 2500 gleich von deu erfien Sprach⸗
elementen beginnende. Aufgaben“ zum üÜüberſchen ins
Deutſche und ins Lateinifche enthaftend; für höhere
Dürgerfchulen, Ptoghmnaſien, untere Symnafialclaffen,
Seminarien und Privatunterricht. 15 Bogen im gr. 8.
1839. Preis Thir.
Eine Beurtheilung dieſes ſehr ichen Buches ſ. in
tes Heft, S. 529 u. fe.
Gersdorf's Repertorium, 23fter Bb,
Antike Marmorwerke
ersten Male bekannt gemacht
Erste und zweite Decade,.
Folio, Ia Carte, 8 Thlr,
Birste Dooade. 1. Athene Agorais. — 2, Artemis
Soteira. — 3. Doppelkop! des Zeus. — 4, Zeus Dodonaeos.
— 5. Zeus Jugend. — 6. Zeus und Aegina. — 7. Selene.
— 8. Selene und Endymion. — 9. Hoktor’s Bestattung. —
10. Des Piloten Heimkehr.
z Decade. 1. Hermes der Rinderdisb, — 2,
Dionysos Dendrites., — 3. Demeter Thesmophoros. — 4. Raub
der Proserpina, — 5. Eros und Anteros. — 6. er. —
1. Herakles der Löweawürger. — 8, Pyrrhiche. — 9. Kai-
serharnisch mit Siegestrophäen. — 10, Kaiserharnisch mit
Roma, zu deren Füssen Krde und Meer.
Leipzig, im September 1823,
FE. A. Brockhaus.
Drud und Werlag von F. U. Brockhaus in Leipzig.
Sn
iterarifger Anzeiger.
1843. Nr. XXIV.
re — — —— —— — — — — — —
ODieſer Literariſche Anzeiger wird den bei F. A. Brockhaus in Leipzig erſcheinenden Zeitſchriften „Blaͤtter fuͤr literariſche
Unterhaltung‘ und Iſta⸗ beigelegt ober beigeheftet, und betragen bie Inſertionsgebuͤhren für die Zeile oder deren Raum 2, Rgr.
ee
Taſchenbuch auf das Jahr 1844.
Dee Folge. Sechdter Sahrgang.
ie den MWitsniffe Bart
Elegant cartomnirt. 1 The. 20 Ngr.
Bon A. Outskew. — II, Phyflologie der Geſellſchaft. Won A. v. Stem-
8. Auf feinem Belinpapier.
halt: I. Die Wellmbraut.
berg. a 1. Das Heimweh. Fern von Inl. Moſen. — IV. Der Wilddieb. Von W.
Leine Liebe. Novelle von Sein 8
orſter s.
Aleri⸗e. — V. Nur
Von fruͤhern Fr ber Urania find nur noch einzelne Exremplare von 1831 — 38 vorraͤthig, die im
fe zu 15 Ngr. der Jahrgang abgelaffen werden. Von ber Neuen Folge koſten bie Jahr⸗
een And en jeber 1 Xhfe. 15 Ngr.,
Eeipzig, im Dectober 1843.
1841 — 43 jeder 1 Thlr. 20 Ngr.
F. A. Brockhaus.
Im Bet de & chen Buchhandlung in DI:
m age — handlung
benburg tft ſoeben
"Vonfländige
Phraſetologie
franzöfifhen Converſation,
ſowol
für Anfänger als für Solche, welche ſchon Fortſchritte
im Sprechen diefee Sprache gemacht, und ſich darin vers
volllommnen wollen ; nebft einem Anhange von Einladungss,
Entſchuldigungs⸗ und Dankfagungsbilfätten ꝛc. Muftern
von Wechſelbriefen, PBerfpredungen, Quittungen ıc. ı
3: eg te®, |
SDrofeffor an einem franzöflichen 545 und am polymatiſchen In⸗
ſtitute gu Paris, Verfaſſer mehrer Schulbuͤcher.
Werte, vurchaus umgearbeitete, ſehr vermehrte Auflage.
Gebunden. Preis 26’ Nor. (21 gGr.)
Seren Fries' Methode bes Unterrichts Iebender Sprachen,
welcher in mehren beutfchen geachteten Blaͤttern, wie in ber:
Bäbagsallihen Beitfchrift yon Weimar, Münchener Te
eitung u. f. w., l’Helvdtie, Echo du Nord, Journal
debats, le Grand -Livre, la Revue Britannigne etc, aufs
vortheithaftefte vecenfirt und in allen Schulen, mo ee nur.
Befannt geworben, eingeführt wurde, kann allen Schulvorſtehern,
7 uab franzöftfchen Umgangsfprache aufs
befte und ——— es werben.
Bei Wraumülier & Geidel in Wien ift erfchienen:
Dos Ete Heft ber
©estreichischen militairischen Zeitschrift 1843.
Inhalt diefes Heftes:
Etwas Aber den Vortrag ber Lehre vom Zerrain unb
Sr g. Mit vier Planen auf einer Surſertate _
aug 1702 — — (Schluß. I — ne. Ir,
ufen am 1 A
ten X
ehe br am ge 1809. '3) Die €
Wocon am 11, Juli 18. 4). Der Überfall Lu ae
. Der Zug der Alliirten
pagne im Sanuar 1814. Vierter Abfehnitt. Das —8 bei
Bar⸗ ſur⸗Aube am 24. Januar. — V. Btwas Aber Golbatens
ausbildung. — VL Reueſte Miutairveraͤnderungen. — VII. Die
W6 der oſtreichiſchen Atmee gegen Frankreich
I7T02 - 1813.
Preis des Jahrgangs 1843 in 12 Heften 8 Thlr.
Durch alle Badigandlungen if von F. R. Bredtens
in Eeißnzig zu besiegen:
Bericht vom Jahre 4843 an bie Mitglieder der Deut:
[hen Gefeufhaft zu Erforſchung vaterlaͤndiſcher Sprache
und Alterthuͤmer in Leipzig. ——— — von dem
ı | Sefchäftsführer dee Geſeüſchaft DDr. A. X.
Ge. 5. Geb. 12 er.
Die Berichte vom Sabre 1835—42 haben denſelben Preis.
%
+;
In unterzeldinetem Verlage erſcheinen re &
Auguſt &
traf von. Platen’s, '
‚gefemmelte Werke.
— — in fünf Bänden.
weiter Band.
nB,
Die Abaffiden.
featre als e
loſe Brunnen,
Gefäicte bs Königreiche —8*
Parabaſe. Der grunk
" Rofenfehn.
Nationalinftitut. Über verſchiebene Begenflände ber Dichtlunft und Sprache.
8 ift babei unfere —2 Daten 8 Werke auch bei den Minderbegüterten eingubärgern, weshalb wir diefe Ausgabe im Wege
ber su eription herausgeben wollen, unb zwar zu einem Preife von 15 Nor. (12 9&r.), oder 48 Kr., für den Band.
ganze Werk koſtet mithin im Gubferiptionspreife 2 Thlr. 13 Rgr.
legten Sieferung eintretende Ladenpreis erhöht ſich auf 3 Thlr. 10 —X
ir machen durchaus keinen Anſpruch auf Vorausbezahlung, ſondern nur die
cheinen noch nach Vollendung des
bingung. Aus dieſem Grunde koͤnnen wir weder beim Erſ
Das
08) oder A EL De Berfenvung der
Thlr. 8 38), ober 5 Fi. 24 A
nahme der —8* Ausgabe zur Be
einzelne Bände ablaffen.
(2 Ey
Platen's gefammelte Werke in Taſchenformat werben noch vor Schuß bes Jahres in den Händen ber Subſcribenten fein.
Jede B
Stuttgart und Bübingen, im September 1843.
handlung iſt don uns in den Stand geſetzt, dieſe Taſchenausgabe gu ben obigen Bedingungen zu liefern.
J. &. Cotta'ſche Buchhandlung.
2 Durch alle —— und Poſtaͤmter iſt zu beziehen:
Blaätter
tür
fiterarifche Unterhaltung
Jahrgang 1848, September.
Inhalt:
Mer, BA. Leſſingieana. Won G. E. Guhrauer.
Nr. — — Fetes et souvenirs da congres de Vienne;
tableaux des salons, scenes anecdotiques et ortraite 1814—15,
par le oomte A. de la Pre u MR . Unterhaltungss
literatur. — Mr. BAT. Theodor Hoc. — Me.
Bolksporfie. — Mr. 849, Urtheil eines Briten über beutfche
Malerei. u Mr, 850, &
H. Laube. — Neue —— *
* —— be der Habe
Mr. 25. L’Eur
endant relution frangaise, B. H. R. Capefigue
ie und PA; Band. — ME. bus.
nad en von 2. v.
Sort. 3* 253, 254) um Mir, 254. Neue Din Mr. a4,
25.) mm Mr. BES. Nodiom et m6moires historiques par
F. A. A. Mignet, Grfter Band. == Mr. 356,
4 dns a ar. 257, Forſchung und *8*
Ken 3. Seel. Überfegt dur Hierunde. == Mr,
=. — Me. 359, GChriftoffel von Seimmels:
Meyern.
"haufen, ber Berfafler des ‚‚Abenteuertichen Simpticiffimus". Gin
zur © eſchichte Deutſchlands im 17. Jahrhundert
"von WB. X. Paffow. Re. 0-3.) Mr. BGB, Fidibus
eder von I. Basler. — ME. DEE. Studi critic
ommaseo, — Mr. BGB. Kabul. Gchüberungen
‚Monatöpeften ausgegeben. Ber Jahrgang koſtet
eine Reife biefer Stadt und bes Aufenthalts bafelbft im
ben Jahren 1836-38. Bon X. Burnes. Aus dem Engliſchen
von Th. Delkers. (Nr. 285, 266.) — Recherches sur la 78*
tion civile et politique des femmes, depuis les Romains j
nos jours, Ed. Laboulaye. (Rr. 265, 208.) — Br.
Überfid- ber neueften poetifchen Literatur. Dritter unb letter
L. (Mr. 27-20.) en + BB$. Entwurf finer Univerſal⸗
—5 für gebitbete Lefer. "Bon ®. Zacharias Neffel. Erſte
Torgeilung. (Nr. 28, 20.) — Mr. 270, La France sta-
tininne d’apres 8 documents oficiels les | pkıs r&oents par
oyt. — Mr. DIL. Die neueften Bewegungen auf bem
Gebiete ber —— loſophie der Geſchichte. Krauſe's Geiſt der Geſchichte
ber Menſchheit. Bon H. A. Oppermanu. (Rx. Mi, 2) —
Rubini in —2 — — Mr. 378, Aus dem Bihmenwalbe,
von 3. Ranl. Bon 3. 9. Jordan. — Mr. 373,
Delameron bes Giovanni Boccaccio. Aus dem Ztalienifdjen —*
von Karl a Zweite berbefferte Ua Kt Cariyle über
bie Gegenwart Englands vom anbpun re
beit — Schriftſtellerleben. — Motigen, X
liographie, Eiterariſche Auzeigen re.
Von dieſer Zitſhrin erſcheint taͤglich außer ben Beilagen
eine Rummer, und fie wird in Bodenlieierungen, ober auch in
2 Thle. Gin
Eiterariſcher Auzeiger
wird mit den Blättern für literariſche Unterha
und ber SHE von Den ausgegeben und für ben Raum einer ges
fpaltenen In 21, Roger. berechnet. Befonbere —— 28.
ergätung von 3 Thlen. den Blärtern für
32340 Unterhaltung beigelegt.
Eeiptig, im October 1843.
de $. PR recahan⸗.
Im Verlage ber unterzeichneten iſt ſoeben erſchienen:
Rateinifehe Syrachlehre
uͤr Schulen
von „ N. Madvig.
Sr. 8. Belinpapier. Geh. Preis 1% Thlr.
Bemertfungen
über verfchiebene Punkte des Syſtems ber Iateinifchen
Sprachlehre und einige Einzelheiten derfelben.
Als Beilage
zu feiner Tateinifchen Spragtehu für Schulen.
IN. Radvig g.
Gr. 8. Velinpapier. Geh. Preis Y Thir.
Beibe Werke duͤrften das lebhafteſte Intereſſe der Philos
und Schulmaͤnner in Anſpruch nehmen. — Um bie
—XR ber Grammatik thunlichſt zu erleichtern, iſt jebe |-
Buchhandlung in den &tand gefegt, auf 12 Gremplare ein
——— pi Sewitligen.
—— AR l. — 1843.
Vieweg und Sohn.
Allgemeines
Biücher-FZexikon «.
Bon
Wilhelm Heiufius.
Neunter Band, welcher die von 1835 bis Enbe
1841 erfhienenen Bücher und bie Berichtigung früherer
Erſcheinungen enthält. Herausgegeben von
Otto August Schuls.
® bis dritte Bogen 1— 30.
„Pr ——
Sr. 4. Geh. Jede Lieferung auf Druckpap. 25 Ngr.,
at Schreibpap. 1 Thlr. 6 Ne.
ben Bände des ‚Allgemeinen Büdhersterilon‘
von Pr 812 — 29) un, jegt sufammengenommen
im beradgefegten e für 20 pie. zu erhalten;
auch werben einzelne B ade zu verhaͤltnißmaͤßig erniebrigten
Preiſen etlaſſen. Der achte Band, weldyer die von 1828 bis
Gnade 1834 erfchienenen Bücher enthält, koſtet auf aprudpap.
10 Adtir. 15 Nge., auf Schreibpap. 12 Thlr. 20 Nor.
Reipgig, im Dctober 1843.
S. A. Brockhaus.
Im Verlage von ®. W. 8. Müller in Berlin ift
foeben erſchienen und in allen Buchhandlungen zn haben: .
Kisco, Fr. G. (Dr. theol. und Prediger an der St.⸗
Sertraubliche), Erbauet Euch auf Euern
allerbeiligften Glauben! Ein Andachtsbuch.
Mit einem Kupfer (Chriftustopf). Gr. 8. (43 Bos
gen.) 1843. 27% Thlr. (Beine Ausgabe 3 Thlr.)
Die wichtigſten Punkte der cheiftlichen Glaubens» unb Sit⸗
tenlehre bilden ben Inhalt ber Betrachtungen biefe® Buchs; ges
orbnet find fie nach ber Breipenfelnr dee Sonn: und „Befttage
bus ——— Kirchenjahrs, mit Beruͤckſichtigun
des Thriſten wichtiger "Zoe. Zweck —2 —E
dei. 10. Die
fi 1 den F in die Grtenntaif ber chriſtlichen —— und
11. Die ſeligm
fein Leiden. 13. Seh leidet aus Tr "14. Sefus das Lamm
Gottes. 15. Chriſtus für uns dahin gegeben. 16. Es tft voll
bracht. 17. Zefu Ruhe im Grabe. 18. Chriftus tft wahrhaft
tig auferflanden. 19. Wir werden auferfiehen. 20. Gelig
Freude des Wieberfehens.
In Unterzeichnetem ist neu erschienen und durch alle
Buchhandlungen des In- und Auslandes zu ‚beziehen:
Otto, Dr. E'rid. &., Commentarii
critici in codices bibliothecae academicae .
Gissensis graecos et latinos philologicos et
medii aevi historicos ac geographicoe. Cum
appendice critica variarum lectionum et quo-
rundam carıninum latinorum medii aevi nunc
primum e codicibas editorum. Kleinfolio.
Broschirt. 7 Thlr., oder: 12 Fl.
Von grossem Interesse, für Bibliotheken, Philologen
und Geschichtsforscher.
Giessen, im September 1843.
. F. Heyer’s Verlag.
Durch alle Buchhandlungen Deutfchlands iſt zu haben:
Banbdtles Schulatlas über alle Theile
ber Erbe. te Wuflage, 25 Blätter in
et Geheftet. Preis 15 Sgr., einzelne Karten
zu 1 N
Der befte Beweis für die Brauchbarkeit biefes unerbört
billigen Atlas ift, außer m vielen —— Beurthei⸗
lungen, ein Abſatz von uͤber Exemplaren feit den vier
Jahren ſeines Erſcheinens. Die Herren Lehrer, welche den⸗
ſelben noch nicht beachteten, erſuchen wir, ihm einige Aufmerk⸗
ſamkeit zu ſchenken.
In meinem Verlage erscheint soeben und ist durch alle
Buchhandlungen zu beziehen:
Phycologia generalis
Anatomie, Physiologie und Systemkunde
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Bearbeitet von
Friedrich Traugott Kützing.
Mit 80 farbig gedruckten Tafeln,
gezeichnet und gravirt vom Verfasser.
Gr. 4 In Carton. 40 Thk.
Leipaig, im October 1843,
Fi A. Brockkaus.
Beschreibung der Stadt Rom nunmehr vollständig.
In unterzeichnetem tft ſoeben erfchienen und durch alle Buchhandlungen zu beziehen:
BESEHREIBUHE
DER STADT ROM
B.PLATNER, C.BUNSEN, E GEBHARD, W.RESTELL uno L. URLICHS
Mit Beiträgen von
B. G. Niebuhr und einer geognostischen Abhandlung von F. Hofmann. Erläutert durch
Pläne, Aufrisse und Ansichten von den Architekten Knapp und Stier, und begleitet von
einem besondern Urkunden- und Inschriftenbuch von Eduard Gerhard und Emiltano Bar.
Dritter Band. Dritte und letzte Abtheilung.
Das Marsfeld, die Tiberinsel, 'Trastevere und der Janiculus, oder der Beschreibung sehntes und eilftes Buch,
Mit einem Plane des alten Marsfeldos.
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Mit di Abtheilung ist das umfassende Werk geschl und könn di esselben
Buchhandlungen für folgenden. Preis bezogen werden: en vollständige Exonplare d Gurch ale
Text in drei Bänden 24 Thir. 15 Ngr. (24 Thlr. 12 g6r.), oder 39 Fl. 45 Kr.
Zwei Bilderhefte dazu 12 Tblr. 20 Ngr. (12 Thir. 16 gGr.), oder 21 Fl. 36 "Kr.
—— geben wir noch die vorläufige Nachricht, dass, um allen Anfpderungen wu zn eeeigin, augen ein vell-
aus obigem Werke durch die Herren Velfasser selbst vorbereitet und gleichfalls in ner € Verlage ; in
—— jem Format erscheinen wird,
Stuttgart und Tübingen, im September 1843,
I. 61. Cotütischer Verlag.
BF ber Gerald’ichen Buchhandlung in Hamburg fi
Bosenb Kaufnänni *28
Go = wid
Bei IB, ner in Berlin if foeben erſchenen
md in allen Buchhandlungen zu haben:
Sämmtliche Tengöbien des Gophokles.
meter Aberfent ee di
mut en Gehalt und Genie, dab ae
Franz Seite Rechnungs: und Wechſelgeld, bie Werhfel: und Stauts
I Elektru. papfercourfe und die höhere Zinsrechnung, nebft Auf:
Gr. 8. Broſch. Abir. gaben uͤber alle dieſe Theile. 7 Bogen mis Faciten.
Gr. Majekät dem Könige von Preußen zugeeignet und von Gr. 8. Seh. % The.
B. Viel bevorwertet. Die ausfahrlichen Auftöfungen werben ſpaͤter erſcheinen.
Die vorliegende Bearbeitung der Tragdbien des Sophokles
—* net ſich von den bisher erſchienenen * —A biefet
8 befonders bab aus, baß ber
des Trimeters in den Reben ber nen bie de
Jamben wählte, für ben Chor aber die alten Sylbenmaße beis
behielt. Diefe Abweichung von der bisher üblichen Form ges
währte ein wahrhaft erfreuliches Refultat und Herr Geh. Rath
2. Ziel ſpricht fih darüber ganz unummunden in dem Vor⸗
worte dahdin aus, daß, obſchon anfänglich gegen eine ſolche
Neuerung eingenommen, er fich bei dem Vortrage biefee Bears
beitung doch bald überzeugt habe, wie es bem erfäffer
durchaus gelungen fei, die volle edle Sprache, den tiefen Ge⸗
danken, das Feidenfchaftliche der Rede in ben rn Berien
wieberzugeben, und daß bei einem Verſuche, bie ifterwerte
bee Alten. wörttih und genau, ohne willkuͤrliche Veraͤnderung
ebeatzalich barufkelen, es als ein Gewinn zu fei,
fe in einem Verſe vortragen zu hören, der bei uns feit lange
eingebürgert tft und an ben unfer Ohr ſich gewöhnt bat.
Bur Ansbilduns jedes Kaufmanns zu emcu
Soeben tft in meinem VBertage erfihtenen -ub in-
—— erhalten: vn a
‚Die fe,
Dem Publius Oridiis Mafe
nachgedichtet
en ia 6
g. N. Bretbens.
Druck und Berlag von 8. A. Broddeus in Beipzig.
— — — —
Literarifher Anzeiger.
1843. Nr, XXV.
Diefer eiterariſche
Unterhaltung‘ und ”
Neuigkeiten und Fortsetzungen,
verfendet von
FJ. A. Brockhaus in Beipzig
im Jahre 1843.
8 TEL. Juli, August und September.
(Nr. U biefed Serichts. wie Weriendungen vom Januar, Ber
bruar und März enthaltend, befindet fih ia iR. XI und XIV
98 Eiterarifchen Angeigerd; Nr. IL, bie Berfendungen vom April,
Mei und Juni, in Pr. XVI deffelden.)
ib den bei B. %.
©. 8. Geh. I ZH. 34 Rgr.
63. Werit vom 1843 an bie Mitglieder
Der Beutfgen *8 u
mer im
is; ‚Herausgegeben von K. U. Efpe. Ge. 5. Geh.
*
Die Berichte von iss — 42 haben denſelben Preid.
64. Antike Marmeorwerke. Zun —— be-
mu 5. Zous Jugend. —
Beiene und —
5 Heimkehr
Days
teros. — 6. Melcager. — — der
rhiehe. — 9. Kalssrharnisch mit Biegesiro-
7 Katserhernisch mit Roma, sa deran Passen E
beutien Chelmanns. Bmeiter
1 Zölr. 4 R,
eines
Gr. 12. Geb.
€:
a
Der erſte Theil erſchien 1841 zu demfelben Be
66. Banswindt (Edward)
verkehr, die Geele Des Etnadsie
Der ndels⸗
Bene.
Geh. 12 Rar.
61. iu s gengemeines Bäder Rezi
— aa — Fi ſchniß aller von 1700 bie Au
1841 erfhienenen Bäder, weiche in Deutfätand ua,
den durch Sorache und Literatur bamit verwanbten Ländern
gebrudt worden find. Rebſt Angabe der Drucorte, ber Vers
leger, des Grfheinungsjahrs, des Zormats, ber Bonemaht,
der Preife ıc. Reunter Band, weicher bie von 18:
Ende 1841 erſchienenen Bäder und bie Berichtigung früherer
—A— emepäte. ‚Beraten jegeben von SE san.
Dritte Biel (cl 55* 'rdmaon.) Seh.
Brudpapier, 3 al — ——— Val 6 * Rue,
u —* Et Erg
era Er ai
— we — — En
die von em u
En uf rat 1sWegr.. auf @hnainap- ——
— (Bat. 9Reu⸗eſt⸗⸗ und
„ Mur Grftärung
aller aus — Spradyen entiehnten Wörter und Ausbrüde,
welde in ben Künften und Miffenflaften, im Yagdel und
Berge 'onmmen, nebft einem Anhange von Cigennamen,
jeseignung der Ausfprache beaxbeitet. In neun Beften.
Brodpaus in size erfe
2 Beigeegt ‚ober beigeheftet, und betragen bie Infertiondgel
ben Zeitfe ‚Biätter für litevarit
TH
Giceans Bett, (Pekfotur—Btogmaike) Dr. 8. Io
or Nar.
—8 5* Trg., IPhyeols gen
Anatomie, Physio unde
der Tange. ale 80 farbig gedruckten Tataln -
net und gravirt vom Verfasser. Gr.4. In Cartan. Til,
———— Ge Ben
u e * an
1 Mast A 2. 16 Ay Neuvelles
“ —— en Le), ıyeiles
mes. Den Gr. 9 8, Brach. Sr. vn
&. Enoyklopädie der gosamm-
— —— vorzüglichsten
ten V:
und wirksamsten Haus - und Volksasznsimittel aller Länder.
Nash den besten Quellen und nach dreissigjährigen, im In-
und Auslande selbst gemachten zahlreich®n Beodachtun-
gen und Erfahrangen aus dem Volksleben gesammelt. In
f Heften. Zweites Heft. (Brennkrast — Gewürse.)
Gr. 8. Jedes Heft 15 Ngr.
— ** Ba — Bert zur Bebädt:
ilpelm’s HEN., gehais
7* “ k£ mal in ber Ken zu Berlin. 12.
m Meine Deutfge Seal⸗ Enchklspädie für
* 5 ibeten @tände, (Bonserfations:Begiton.)
eun! 8
perbefferte und fehr jgmehute Driginals Auflage.
15 Bänden ober 196 Ciehzeimtes bis
es 2 ‚Beft. (Buchholz — Christophori,) @r.8.
Seas
e A Bänden ober 1!
J ———
——— —
Bub ungen erg daß Wert qu, en
s 9 n — — 1 $reis
plar.
IERHTSEHRN ANC ————
—
uf den Umfchlä: Hefte werden Kutüns
IERTR R HER 3 ES
76. En —— gemeinen SR, ns Mann, Bon deſſen Mit
Röfing. Br. 12. Geh. 23%, Nor.
„es #ing A e om
78. Be Zafapenbuc —— — von
Rau mer. Reue Folge. Fünfter Jahrgang. Er. M
Car 2 She. 15 for. Taſchenbuchs bekeht aus zchn brgäns
_ gen pe —— arte oe F a ?3 erlaffe
aber Iemol den irten 3 fünften (180 — 34 * den Ei: bi int
zergang 835 Is. L
ie gende, Solse sehn ame koſtet jeher diefer sehn ahr⸗
10 Rer., der Ehe "deitte und vierte te Je va ng ber en
Bei on a0. 12, 125) 2 Xhle,, der zweite (1861) 2 Zhle. 15 Nar.
Srania. Taſchenbuch auf das Jahr 1844. Neue Folge
ri San Mit dem Bildniffe Karl Foͤrſter's. 8.
Era. ae % 2 ai u —*— find nur noch einzelne nr
n feübern gänge
San — ———— ag Fr der —— vn De —8—
9 und 1840 jeder 1 Ahlr. 15 Nar., 1040 —43 1 Ahlr.
50. MWarnbagen von Bnfe (8. x), Dentwär-
eiten unb ‚sermifgte Gchriften. Vierter bis
tee Band. — A. u. d. T: Berwiſchte Schriften.
Ka Schelle. Gr. 1a 6 h. 6 Tolr.
Der erſte dis dritte Band enthalten „De ‚nPwäzbigteiten bes
d often eben 6 Ahle. Mon der Auflage find n
eh ft heine —5 ne flage fi ine
en Wangen ), er bie Stelung, welche
— — a Bildhauerei uub Malerei
— Den itteln men chlicher BiTtung zu⸗
kommt. Vortrag, gehalten am 18. März 1843 im Wifs
PA En eine je Berlin. Gr. 1 Geh. 6 Near.
ed), Micherlänbifge Gagen.
nt ur ai Anmerkungen begleitet herausgegeben.
Mit einem Kupfer. Gr. 8. Geh. 3 Thir.
Preisormässigung des Pfennig- Magazins.
um bie Anfchaffung biefes Werts nad Möglichkeit zu ers
leichteren, babe ich mich entfchloffen, bie erſte aus 10 Bänden
beftehende Folge im Preife herabzufegen :
L—X. Band (1833-42) zufammengenommen 10 Thlr.
L—V. Baud (1833-57) zufammengenommen 5 Xhlr.
VL.—L Band (1838-42) zufammengenommen 5 Thlr.
" Einzelne Jahrgänge 1 hir. 10 Nor.
Zerner find zu Herapgefegten BWrelfen zu beziehen:
Pſennig ·Magaʒin für ——— Jahrg. (1834—38.)
Sonnta ag6 -Klagasin. 3 Bände. 2 Thlr.
National- Klagazin. 1 Band. 20 Nor.
Diefe 4 Wände zufammengenommen nur 3 Thir,
Aus dem Berlage des Herrn F. König in Hanau
babe ih mit Verlagsrecht kaͤuft A —* und iſt
„ven jegt ab aa von En iu Degie begieben
Royen m’s Trachten.
ein sis ie Theile. Gr. gr 1 + 4 Ihle.
ee —————— ———
Saintes, A.
Bisteire du ratiomalisme en Allemagne.
2de edition revue et beaucoup augmentee, Gr. in-8,
Broch. 2’ Tulr.
Cette dition, que l’auteur a beaucoup revue et cor-
rigee, est specialement augmentee d’un chapitre sur létat
actoel de la theologie catholique en Allemagne.
Hambourg, la librairie de Herold.
In unserm Verlage erscheint und ist durti alle Bach-
hasdlungen zu beziehen:
Naturgetreue Abbildungen
der vorzüglichsten
‚essbaren, giftigen und verdächtigen
Pilze
von
Karl Friedr. Aug, Harzer.
Bevorwortet
von
Dr. Ludw. Beichenbach,
königl. sächse, Holrathe, Prof. der Naturgeschichte ete. ete.
L bis EX, Heft.
Dieses Werk wird aus 12 — 16 Heften bestehen. Jedes
Heft enthält 5 colorirte Tafela und I Bogen Text in
Folio, Preis 1 Thir. 15 Ngr. (1', Thir.)
Da der Herr Verfasser das Talent des Beobachtens,
Zeichnens, Malens und Lithographirens in einer Person
vereinigt, so. sind diese Abbildungen mit einer seltenen
Treue, sowol in’ Zeichnung als Colorit, aufgefasst, und
dürften in dieser Hinsicht selbst von den kostspieligsten
Werken dieser Art nicht übertroffen werden.
ı Der in der Literatur der Naturwissenschaften allgemein
rühmlichst bekannte Hofraih Dr. Reichenbach stellt sie den
weltberähmten entomolischen Abbildungen eines Rösel von
Rosenhof zur Seite,
BDresden, im September 1843.
Eduard. Pietsch & Comp.
Beste Himmelskarten
unter dem Titel:
Mappa Coelestis
sive Tabulae quingue
Inerrantiun septimum ordinem non excedentiem et
usque ad Gradum decl. austr. ——
quas
pro medio seculo XIX stereographice construzit
&. Schwinck,
, k. preuss. Capitain der Artillerie.
Imperialfolio. 6%, Thlr., oder 10 Fl. Conv.-Münze.
find im größten Format fünf Karten erfchtenen, welche den in
unfern Gegenden ber Erde fihtbaren Theil bes Himmels auf
eine Art darſtellen, bie Alles vereinigt, um biefelben forwol ben
Aftronomen als jebem Gebildeten unb Freunbe der Aftronomie
werthvoll zu machen.
Bier dieſer Karten flellen den Gürtel der Dimmelöfugel
dar, ber fi von 30 Grab ſuͤdlich vom Aquator bis 50 Grob
nördlich erſtreckt, bie fünfte enthält bie Gegenb bes Norbpols
bis zu 46 Grab Sntfernung von ihm. Diefe Karten enthalten
wicht nur alle mit bioßen Augen ſichtbaren Sterne, fonbern auch
die exft durch das Fernrohr fichtbar werbenben — ber Tten
& fe. Die Entwerfungsart ber Schwinck'ſchen Karten if die
fiereographifche,, das Kartennes iſt mit bewunderungswinbiger
Regelmäßigleit und Gchönteit gezeichnet.
Diefes ſchoͤn autgeflattete er ik durch alle Buchhand⸗
lungen zu haben.
Eeiptig, im October 1843.
K. J. Köhler.
aud
I. ©. von Herders
gewählte Werke,
Audgabe in Einem Bande,
mit dem Bildniss des Verfassers in Stahl gestochen und einem Facsimile seiner Handschrift.
Das Bedürfni einer Ausgabe von Herber in Ginem Bande, mit welcher wir bie Reihe unferer compacten Ausgaben von
Goethe, Schiller, Platen, Leſſing, Ktopflod u. ſ. w. ergänzen, tft ſchon längere Zeit fühlbar geweien, um fo angenehmer ift es
uns jest, das baldige Erfcheinen biefer Ausgabe hierdurch ankündigen zu können.
Diefelben Grunbfäge, welche uns vor einigen Jahren bei ber Derausgabe von Goethe's Werken in zwei Bänden leiteten: in
eine compacte Ausgabe nicht ſaͤmmtliche Werke, fondern nur die Werte von allgemeinerm Intereffe aufzunehmen, haben wie
aud bei der Redaction von Herder's Werken feftgehalten.
Folgendes wird den Inhalt bilden: Herder's Leben. — Gedichte. — Der Cid. — Legenden, bramatifche Stüde
und Didtungen. — ——— — Geift der hebraͤiſchen Poeſie. — Älteſte Urkunde des Menfchengefchlechts. Ideen
a
zur Philoſophie ber Geſchichte. — Adra
Dcmitien.
. — Briefe zur Beförderung der Humanität. — Sophron, gefammelte Schulreden. —
Wir veröffentiichen dieſe Ausgabe in vier Lieferungen, von benen bie erfle im October biefes Jahres bie Preffe verlaffen
wird. Der Preis jeder Lieferung ift 2 Thlr., ober 3 Fl. 30 Kr.; der Preis des Ganzen 8 Thlr., oder 14 &. -
nm DOftern naͤchſten Jahres werden wir das Ganze beendigen. j "
Iede Buchhandlung ift von uns in ben Stand geſetzt, biefe Ausgabe zu ben angegebenen Bedingungen zu liefern.
Stuttgart, den 1. September 1843.
3. ©. Cotta ſche Buchhandlung.
Bei ID. Foͤr ſtuer
und in allen Buchbandiungen zu haben:
- Bor und binter den Conliſſen.
Almanadı
erprobter Bühnenfpiele, humoriſtiſcher Polterabend: Masken,
Theater: Myſterien, Schaufpieler: Novellen und Anekdoten.
Für 1844.
Berausgegeben von
Mit einem Coftümbilde. In farbigen Umfchlag cartonnirt.
1°, Thle.
Inhalt: Eord und Räuber. Tragikomiſches De:
lodrama von Ir. Adami. — Ber Onkel als Moben.
Pofſe in einem Act, frei nach dem Franzoͤſiſchen von J. Dos
rich. — Mathilde. Modernes
Acten, von Ir. Adami. — „Onumoriſtiſche Polterabend-Masten”,
von 3. Laster. — „Kotzebue“, von W. Müller. — „über
Scaufpielervereine”, von &. Schneider. — „Bruchſtuͤcke
aus der Biographie des penfionirten Schauſpielers 8. Schnei⸗
der.” — ‚„Künftler : Silhouetten”, von 3. Easter. — „Gine
Beneſizheirath.“ — „Fluͤchtige Skizzen der Mitglieder des
tönigl. Theaters in Berlin”, von Feodor Wehl. — „Anek⸗
doten: ABE ıc. ꝛe.
Bei Feiedrich Waffermann in Manpeim iſt er
ſchienen und burch alle Buchhandlungen zu beziehen:
Schwarzwälder Porfgefcichten
Berthold Aucerbac.
Zwei Cheile in Einem Bande.
In Umfchlag broſchirt. Preis 2 The, oder 3 Fl. 30 Kr.
in Berlin ift foeben erſchienen
amiliengemätde in fünf
Bei K. F. Köhler in Leipzig erſchien foeben und ift
durch alle Buchhandlungen zu haben:
Viographiſche Bilder
Sieyes, Böderer, Fivingſton, CTalleyrand, Brouf-
ſais, Merlin, Tracy, Paunon.
Nebſt mehrern Vorträgen der Akademie
von
4. A. Mignet,
Durch alle Buchhandlungen und Poſtaͤmter iſt zu beziehen:
ISIS. Encyklopaͤdiſche Zeitfchrift vorzüglich für
Naturgefhichte, Anatomie und Phyfiologie.
Von Oken. Sahrgang 1843. Zehntes Heft.
Gr. 4 Preis des Jahrgangs von 12 Heften
mit Kupfen 8 Thlr. _
ee
arte * edle mit DR
und wir n der Raum enen
berechnet. Beſondere —— werden * Ss *
1 Thir. 15 Nor. beigelegt.
Eeiptig, im October. 1843,
F. %. Brockhaus.
In Unterzeichnetem ift ſoeben erfigienen und durch alle Buchhandlungen zu begtehen:
a
uf.
Eine Tragödie
Ä | Gorthe.
Beide Theile in Einem Bande.
Nene wohlfeile Ausgabe in Kleinoctav.
Velinpapier. Broſchirt.
Preis 1 Thir., ober 1 Fl. 45 Kt.
Bei diefer Gelegenheit machen wir auch auf bie von Prof. Morig Reef gezeichneten und geftochenen Umriſſe zu Boethe's
gaut wiederholt aufmerkſam; dieſe Umriffe find allbefannt und unterlaffen wir daher alle Anehhmung. Der Preis für beide Theile —
Blatt in Querfolio cartonniet — tft
Stuttgart und Tübingen, im September 1843.
Thir. 15 Nor. (3 Thlr. 12 g@r.), oder 5 Fl.
3%. Eotta’foe. Verlag.
Soeben iſt nun m vonfäntig erfchienen und in allen Buch⸗
bandiungen zu haben
Deutſches
Riehenticherund
die Lehre vom Kirchengesang.
Praktiſche Abtheilung.
Ein Beitrag
zur dirderung der witlenfcjaftfichen und kirchlichen Pflege
des Kirchenliedes, ſowie ber haͤuslichen Erbauung,
von uge⸗
Dr. und orbentlichem Bro effor der Theologie an ber Univerfität
zu Sürt
8. Brofipiet 3 Thir. 28%, gr. (3 Thir. 21 6Gr.)
Diefes Wert, welches nicht nur Freunden und Stubirenden
ber Hymmologie, fonbern beſonders auch allen Erbauung
@u als ein aufs forgfältigfie ausgewählter und georbneter
Seit Rieberfaß zu empfehlen ift, zeichnet fich vor
enden Sammlungen aͤhnlicher Art noch vorzüglich durch geift:
aeiche, jedem Abfchnitte beigefügte Einleitungen und beur
theitende Anmerlungen aus.
Der Herausgeber obigen Liederbucht wird von
zwei fih ganz entgegengefegten Seiten um biefes
Werkes willen heftig angegriffen, dürfte aber
gerade deswegen bei Denen, welde in degmati—
fher und Hymnologifher Beziehung einer freien
. Tirgtihen Richtung huldigen, befto eher Anerten:
nung finden.
Ebenfalls ift nun bie Ehenretif he Abtheilung dieſes
Werks erſchienen, unter bem Di
kirch liche Komnologie
die Lehre vom Kirchengesang.
Einleitung in das deutſche Kirhenlicherbug,
Broſch. 15 Nor. (12 9
- Meyer und Zeller in Zürich.
Bi @. Enten in Hatte tft ſoeben erſchienen und in
allen Buchhandlungen zu haben:
Karte von Paläaſtina, nach Robinſon, Ey
m. Achunart baacheitet
Smith und 8. und. in Stein 98
ftocyen von C. elmutb, ne nebft mehreren Gartons,
bie deu nörbiien Theil des Blbanen, Die na
Here Umgebung Derufaleus, ben Wan von
‚ Die @inei- me und die Gr
gend von Rapira und Suez in vergrößerten Maß—
flabe darſtellen. Groͤßtes Landblartenformat.
Cartonnirt. Preis 1 The.
Der Plan von Nernfalem, befonbers abgedruckt,
wird cartonnirt zu dem Preife von 774 Bar. aut:
gegeben. -
En vente chez Brockhaus & Avenarlusi Leipeig:
KUN®O
de la Htterature francalse.
Ersisieme ande. 1843
a ee 2 fedllies. —
Il parait €
Y, Thir. === On s’abonne chez tous 1
—— — les bureaux de . == Les ——
abonnes pour l’anneo 1643 —2 ae len deui
premier
res anndes de FHche au prix d’une
Sommaire des Nos, 35—39. .
La redoute. —.Le faussaire, — Une reprise de Thetis
et Pole, Par Paul Smith. — Un debut. Par Ach..
— Voleur, mais amoureux. — Un coquin d’öncle. Par
— Paris au commenoemest du I Time
siecle, — Theätres de Constantinople, Par ..—
Kara -Oglou. — Les moustaches & la chinoise. Par le vi-
comte — Du nallwer d’Qtwe prince. —
M. de Bakzac en voyage. — La veuve —— Par Al
phonse Cerfberr de Nidelseim. — * — de
Scarron. Par Bıgöue Eutlia dt Dez flre qui seat
la fumee. Par Pierre Durand, — A bätons rom pus. —
Louis XIV a Rontainebleau. — Un prösent: Imperial. Par
J. Ku — Anecdotes.
Drud und Verlag von F. A. Brodhaud in Leipzig.
| EEE
Literarifher Anzeiger.
1843. Nr. XXVI.
Diefer Literarifche Anzeiger wird ben bei 8. A. Brockhaus in Leipzig erfcheinenden Zeitfchriften „Blaͤtter für Literarifche
Unterhaltung” und ‚„‚Ifis” beigelegt ober beigeheftet, und betragen die Infertionsgebühren für die Zeile ober deren Raum 2Y, Nor.
Verlags- und Commissionsartikel
von -
Brockhaus& Avenarius,
‚Buchhandlung für deutsche und ausländische Literatur
in Leipzig.
1843. M IH. Juli bis September.
(Nr. I dieses Berichts, die Versendungen vom Januar bis Märs
enthaltend, befindet sich in Nr. XV dos Literarischen Anzeigers;
Nr, II, die Versendungen vom April bis Juni, ia Nr. XVIII.)
Echo de la literature francaise. Troisieme annde 1843.
Nos. 25 —36, Gr. 8. Preis des ganzen Jahrgangs
Thir. ‘
rscheint jeden Freitag io Nummern von 1—2 Begen und bietet
eine Auswahl des Besten und Interessantesten aus der gesammten
französ Joarnalitsik.
Epiphanii monachi et preabyter! edita et inedita. Cura
Alberti Dressel. 3. Parisiis et Lipsiae. 1 Thir.
Jouffroy (Henri), Constitution de l’Angleterre. In-8.
Leipzig et Paris. 2 Thlr.
Reise eines Norddeutschen durch die Hochpyrenäen in den
Jahren 1841 und 1842. Von W. vw. EB. 2 Bände.
Gr. 12. 2%, Thir. _
Schweigl (Joseph), So wird man gesund, oder ge-
naue Auskunft über das Naturheilsystem des Franz
Thiel. 8. Leipzig und Paris. Y, Thir.
Delius (Eduard), Statistical Almanack for the year
1844. i6mo. Bremen. 1, Thir.
Dupuy (D.), Kssai sur les mollusques terrestres et
Suviatiles et leur coquilles vivantes et fossiles du depar-
tement du Gers. In-8. 1%, Thir.
Burand-Brager (Henri), Sainte-Helöne, Trans-
-lation du cercueil de I'tmpereur Napoleon à bord de la
fregatte la Belle-Poule; se rattachant au Memorial de
Sainte-Helene et à l'expédition da prince de Joinville.
“Live. 1. Gr. in-fol. Paris. 8 Thlr, VI. ber. 1316
Les Frangais peints eux-mömes. T. VI, livr. .
T. VI, iv 1 Gr. in-8. Leipzig. Jede Liefe-
rung schwarz Y, Thlr., colorirt 7/,, Thir.
Fries (Elias), Novitiae florae Buecicae,
sistens mantissam I, I], IIL, uno volumen comprehensas.
Accedunt de stirpibus in Norvegia recentius detectis prae-
. notipnes e maxime parte communicatae a Mi. N. Biytt.
8. Lundae et —— 2 Thir.
Geetke (I. ® ven), Faust; a tragedy in two
rts. The second part, translated into english verse,
ydonathan Birch, embellished with 11 engravings
on steel, by J. Brain after M. Retzsch, Roy.-8. London.
Bound. 8 Thlr.
d’Hauterive (Borel), Precis historique sur la mai-
son royale de Saxe et sur ses branches ducales de Wei-
mar, Meiningen, Altenbourg et Saxe-Cobourg- Gotha,
dequis l’origine des comtes de Wettin jusqu’a nos jours.
In-4. Paris. 2 Thir,
Niemcewiez (Julien Ursin), Notes sur ma cap-
Continuatio,
'
tivit6 & Saint-Pötersbourg, en 1864, 1795 et 1796
In-8. Paris. I, Thir.
Sainte-Allais, Tableau genealogique et historique de
la maison royale de Prusse. In-plano. Paris. 1%, Thir.
Sue (Hugene), Les mystöres de Paris. ition U-
lustree. Live. 1— 10. Gr, in-8. Paris. 1%, Thir.
Sur quelques points de zoologie mystique dans les anciens
vitraux peints. - Fragment extrait d’une monographie de
la cathedrale de Bourges par A. Martin et Ch.
Cahler, pretres. In-4. Paris, 2 Thlr.
Taylor (Baron), Les Pyrenees. In-8. Paris. 3 Thir.
Tegner (Esalas), Frithiofs saga, a legend of the
north. Translated from the swedish by &. 9. Revised
“ and illustrated. In-8. Stockholm. 54, Thir.
Leleweli (Joachim), Polska odradzajaca sie, czyli
Dieje polski potocznie opowiedzisne. W6ydanie Arugie,
pomnozone. In-12. Bruxella. 1 Thlr. ’
Siarczysnski (X. Franciszek), Obraz wieku pa-
nowania Zygmunta III. Kröla polskiego i szwedzkiego,
Fe ‚Obraz stanu, narodu i kraju. T. 1 In-8. Poznas.
Bei Rudolph Weigel in Leipzig ift erfchienen und
buch alle Buch⸗ und Kunfthandblungen zu bezichen:
Supplements au Peintre-Graveur de Adam Bartsch
.recueille&s et publies par R. Weigel. Tome L 8.
2° Thlr.
Rudolph Weigel’6 Kunftlagerfatalog. 14te Abtheilung,
u Megifter über die Ste bis 14te Abtheilung. 8.
lr
A. €. Umbreit, Über die Eigenhaͤndigkeit der Malerform⸗
ſchnitte. Ates Heft. 8. Thlr.
Rafael's Bilder in der Farneſina zu Rom. Gezeichnet
und geäst von F. Schubert, Maler. Ates Heft.
Fol. 2 Thlr.
Kataloge der leipziger Kunſtauctionen, deren bekanntlich
jaͤhrlich mehre hier abgehalten werden, ſind ſtets von Oben⸗
genanntem zu beziehen.
Neu erſchien ſoeben bei F. SE. Brockhaus in Eeipzi
und iſt il ale na zu he nis
Niederländiſche Sagen.
-Sefammelt und mit Anmerkungen begleitet
herausgegeben
bon
Johann Wilhelm Wolt.
Mi einen Kupfer.
&. 8 Geh. 3 Thlr.
Durch alle Buchhandlungen unb Poflämter iſt zu beziehen:
Das Pfennig⸗ M
fuͤr Belehrung und Unterhaltung.
Neue Folge. Erster Jahrgang.
1843, September, Nr 35 — 39,
> Inhalt:
Oberinnthal und Obervintſchgaau. — Pariſer Gerichtäfcene.
— Dos Schlangenthal im Kaufafus. — Über einige dem Land⸗
wirthe nügliche Thiere. — * Der Brand bes Föniglichen Opern⸗
hauſes ia Berlin. — Aus der Chronik bes —— Juli. —
Die Maͤrker ober Brandenburger. — Der ei Behler. —
Aderban in Rußland. — * John Adams. — — —
Die Pullafiſcher in Scind. — * Gtiesgefeht zu Malaga. —
Hvdrauliſcher Mörtel. — Ort und Zeit bed Vertrags von
Verdun. — Der elektromagnetiſche Aearap auf der Rhei⸗
niſchen Eiſenbahn. — Der Schmuggler. — Tugendpreiſt. —
Virkung ber k. — Filtrirung des Wa ing⸗
** — Luftdruckmaſchine in Schifffahrt. — Das fühle
ſche Luſtlager bei Zeithayn vom JO. Mai bis 20. Juni 1730. —
Sklaverei bei ben Ameifen. — *Maispflanzen. — Die Fang⸗
gruben. — Stiftung Illnau be in Baben. — Der Cars
nevel u Buenos Ayres. — * * oph Friedri don Kmmon.
Inſel Honglong. — Der blinde Mufi * Rürn:
berg. — Das Arbeiten dee Kinder unb jungen Eente ia den eng⸗
lifhen Bergwerten. — * Johann Sebaftian Bach's Denkmal u
Leipzig. — Der Lühne Parteigänger. — Die Korallenfiſcherei
in Dalmatien. — Die militekeifige Kriedensfeier in Wien zur
Zeit des Congreſſes — * Island. — Wlütenneltar. — Die
atmofphärifihe. Gifenbapn in Irland. — Ein Soncert im Serail.
— Fuͤztuchfabrikation. — Der Feuerfeſte. — Die Beſteigung
des Montblanc. — WMisceien.
Die mit * bezeichneten Auffäge enthalten eine oder mehre Abbildungen.
bes Jahrgangs von 52 Rımmern 2 Ahle. In:
Pündigungen werden mit 5 Nor. für den Raum einer
gefpaltenen Zeile berechnet, Defonkere Anzeigen re. gegen
ergütung von %/, Thlr, für das Tauſend beigelegt.
20 B
* Blume ogazins Se eoie im Merile e
L-X Baud baum) azufammengenommen 10 Thir.
L—V. 8263 zuſammengenommen 5 Thir.
VL-X, Baub (1837-42) zufammengenommen 5 The.
Sinzelne Jahrgänge 1 Thir. 10 Nor.
3u 75 ſind fortwaͤhrend zu beziehen
Dfennig - Alogesm für Kinder. anf Bände.
3 Thir.
National - Magasin. Ein Band. 20 Nat.
Sommiags- Ma azin. Drei Bände 2 Zotr.
Die legtern beiden Werke zufammengenommen nur 9 Ahlre.
Reipgig, im Dictober 1843,
8. ec. Srockhauo.
Das neuefte Werk ber
Bann Hahn⸗ Oahn,
ge8l,
Zwei Bände. 8. Elegant geheftet. 4 Thlr.
iſt nunmehr erfchienen und durch alle Buchhandlungen zu bes
zieben. Es nimmt dies Buch, voll tiefer pfodpologifcher Wahr:
beit, voll treffendfter Varalterzeichaung, in ſchoͤner Sprache
agazin
a
vorführend,
ber Literatur ein, als jebe
et — vorgeworfen, hier ver⸗
mieden iſt, und der wohithuende Eindruck en ſaon empfun⸗
denen Dichterwerks durch nichts geſchmaͤlert wird
Gleichzeitig wird ausgegeben:
Emma non Niendorf,
Aus Der Gegeuwart.
8. Elegant geheftet. 1 Thle.
Dies geiſtreich geichriebene Buch wird das Intereſſe ber
gebildeten Weit in hohem Grade auf ſich ziehen. Es enthaͤlt:
mertage mit: Glemens Brentano. — Gin wter Pil⸗
gu. — der —— — Das Kloftse dee barmher⸗
Kg Ode in Münden. — Dectoe Strauß in Sont⸗
— RE Atelier. — er. — Dagneta’s Seelenmärchen.
Thekla von Gr von Gumpert,
Der Fleine Bater und das Enkelkind.
Eine Erzählung für Kinder,
Mit Abbildungen. 8. Glegant gebunden 1 Ehlr.
Die verftorbene Dichterin, Agnes Franz, äußerte fi
über biefe anziehende EShrift, ‚ bie ihr im Manuferipte vor:
seig! wurde;
Stoff iſt angiehend Page muß big, heiinahme ber
Heinen Lefer bis ans Ende wach erhalten. ern und Lehrer
werben es gern in der Kinder Händen fehen, weil ein Kurhaus
guter unb frommer Geiſt buch daſſelbe meht, und ohne Abſicht
zu verrathen, mand gute Lehre daxin niedergelegt iſt.“
Merlin, ben 2. October 1843.
HWlegander Dunder,
koͤñigl. Hofbuchhoͤndler.
Bei Metzler in Stuttgart erſchienen ſoeben:
Mohammed Der Proſphet.
Sein Jeben und seine Jehre.
Aus hanbfchriftlihen Quellen und dem Koran geſchoͤp
und bargeftellt von Dr. Gufſt. Weil, —X
an der Univerſitaͤt zu Heidelberg und Mitglied der aſia⸗
tifchen Seenfänefe zu Paris. Mit Bellagen und Stanıms
tafel. Gr. 8. Seh. 3-Thle., oder 5 SL 12 Kr.
DaB Leben
bes
Fürſten von Pückler⸗Muskau.
Von Dr. ÆAuguſt Jager. Mit dem Bilde des Fürften.
Gr. 8, Geh, 2 Thlr. 10 Nor. xͤba. 8 gGr.),
oder 3 SL 54 K
Borcäthig in allen Buchhandlungen Doutfäkonht, Öftreicht
und bes Auslands.
Bon us in Beipgig if d alle
— ungen zu rien in derqh
agen (Gſt.), Üüber die Stekung, welche ber
ukunſt, der Bildhauerei und Malerel unter ben
—* menſchlicher Bildung zukommt. Wortrag,
gehalten am 18. Maͤrz 1843 im —— —
Vereine zu Berlin. Gr. 12. Geh. 6 Nier.
Dritte Auflage von Schwerz Herban,
In Untergeichnetem if erfcjienen und durch alle Buchhanblungen zu beziehen:
Anleitung
praktifden Ackerbau
von
Sob. Rep. von Schwerz.
Drei Bände.
Alit 15 lithographirten Sateln.
Dritte, mit dem Bildniffe des Berfaflers geſchmückte Auflage.
Preis 6 Thle., oder 10 81.
Der dritte Band fuͤhrt den befondern Titel:
nterridt
Anfänger in der Eandwirthſchaft
Natur, Wahl und Werth aller bekannten Feldfufteme oder Fruchtfolgen.
Es iſt gewiße überfläffig, bei der dritten Auflage biefer Schrift ſich über ihren Inhalt und ihren Werth zu verbreiten, da
diefe jedem gebildeten Landwirthe Deutfchlands bereit bekannt find. Auch außerhalb ber Grenzen unfers Vaterlandes finder fie
immer mehr Anerfennung. Befonders hat ber dritte Band, welcher die Feldſyſteme ober Fruchtfolgen umfaßt, bie wicht! A Ro
terie auf eine bis jegt unäbertroffene Welfe erfchöpft und ſich daher des allgemeinften Beifalls zu erfreuen; im Jahr 1831 ers
ſchien zu Met eine von E. und
J. Billeroy unternommene Überfegung beffelben ins Kranzdfifche und im Jahr 1
anftaltete die petersburger Landwirthfhaftsgefelfäaft eine Übertragung in die ruffifche Spra
Obgleich diefe dritte Muflage d
an topographifcher Ausftattung Übertrifft, fo haben wir doch, um bie Anſchaffung
9
diefes vortrefflidden Werkes mehr and mehr zu —ã eine abermalige Preisermaͤßigung eintreten laſſen.
Stuttgart und Tübingen, im September 1843.
3 ©. Cotta 'ſcher Verlag.
Soeben iſt bei den Unterzeichneten erſchienen und in allen
Buchhandlungen zu haben:
Metpobifger Feitfaden
unterricht in der Raturgeſchichte
höhere Sehranfalten
€ 75 elber
3 8 *3. der ae 8
Erster Theil.
Thiertunde.
Zweite, umgearbeitete, fehr vermehrte und doch
wohlfeilere Ausgabe.
8 Broſch. 10 Nor. (8 gr), ober 40 Kr.
Die vielen vortheilhaften Beurtheilungen, die dieſem Leit⸗
faben bis jest zu Theil wurden, entheben uns ber Nothwendig⸗
keit einen neuen Empfehlung, und wir erlauben uns einzig
noch ausdruͤcklich darauf aufmerkfam su machen, daß dieſe ſchnel
erfolgte zweite Auflage, obgleich um vier volle Bogen vermehrt,
dennoch einen niedrigern Preis erhalten hat.
Meyer * Zeller in Zuͤrjch.
Intereffaute Neuigkeit!
In meinem Verlage ift neu erfchlenen und in allen Bud
banblungen zu erhalten s
Cancan _
eines Deutichen Edelmanns,
Zweiter Cheil.
Gr. 12, Geh. 1 Thir. 24 Nr.
Der erſte Theil erfchien 1841 zu bemfelben Preiſe.
Reipgig, im October 1843.
F. A. Brockhaus.
Sandwirthschaftliche Worfeitung.
- Herausgegeben von
©. v. Pfaffenrath und William Möbe,
Vierter Jahrgang. 4. 20 Ngr.
Leipzig, bei F. A. Brockhaus.
Hiervon erſcheint wöchentlich 1 Bogen. Ankündigun⸗
en barin werben mit 2 Rgr. für den Raum einer gelpaltenen
eile berechnet, befonbere Auzeigen zc. gegen eine Ber
gütung von Thir. für dad Tauſend beigelegt.
Anhalt des Monats September.
Worfzeitung: Die Aufftellung des Getreides in Puppen.
— Die zwecmäßigfte Dunggrube. — Empfohlene neue Saͤme⸗
reien. — Der Wachholderbeerſtrauch. — Über das Aufeggen
der Saaten im Fruͤhjahre. — Erbſenbau. — Aus Draniens
burg. — Auffoderung zur Anlegung bäuerlicher Gemeinde : Ver;
fuchegärten. — ine verbefferte WBorrichtung zum Begießen
des Düngerhaufens mit Miftjauche. — Über Höhenabnahme der
Floͤtzgebirge Samburgs und beren verwitterte Erden als Däns
gungsmaterial. — Gicheres Mittel wider den Durchlauf der
Kälber. — Die landwirthſchaftliche Lehranftait in Regenwalbe.
— Hinweifung auf einige beachtungswerthe Flachs tiefernde
Gewaͤchſe, für denkende Landwirthe. — Eine Beobachtung über
die Schorfkrankheit der Kartoffeln. — Hornſpaͤne als vorzuͤg⸗
liches Duͤngungsmittel. — Über das Austheilen ber Gemeinde⸗
grundfiüce. — über die kuͤnſtlichen Dungmittel. — Bermehrung
der Koͤrnerfruͤchte — Benutzung der Haͤute von zahmen Schwei⸗
nen. — Glas, z. B. Lampencylinder, zu trennen, zu durchſchnei⸗
den. — Mefefrüchte, Miscellen u. ſ. w. — Unterhal⸗
tungsblatt: Außergewoͤhnliche Arten, ſich bei kalten Tagen
u erwärmen. — Friedmann's letzte Sage und bie Folgen
Feiner Bemühungen um Ausbreitung der Obftbaumzudt. —
Der Pilatusberg im Ganton Eugern in ber Schweiz. — Zei⸗
tungswefen. — Aus dem Naffauifchen. — Das Erntefeſt, ger
dichtet von Zacharias Kreffe, Bauer im Altenburgifhen. —
Der nationale Hochzeitsaufzug der altenburger Bauern bei
Gelegenheit ber fiebenten Verſammlung der deutfchen Sands und
Forſtwirthe In Altenburg.
Kür Schulanftalten und Rehrer der
englifchen Sprache.
Sm Berlage der Unterzeichneten find foeben erſchienen:
Wa ner, Dr. R. F. Chr.,
Geb. Hofrath und Profeffor in Warburg,
Theoretiſch⸗praktiſche Schulgram-
matit der englifchen Sprade für
| jüngere Tufauger.
Sr. 8. Stark Velinpapier. Geh. 25 Nor. (20 gGr.)
MDesselben a
nene englifche Spradlehre für Die
Deutſchen.
Erſter ober theoretiſcher Theil. Yünfte Auflage.
Gr: 8. 1Thlr.
Zweiter oder angewandter Theil, welcher Übungen über
die einzelnen Regeln enthält. Yünfte Stuflage.
&r.8. 20 Ngr. (16 gGr.)
Diefe Für die erften Anfänger wie für reifere Schüler bes
flimmten Sprachlehren dürfen wie angelegentlidhft denjenigen
Lehranftalten und Lehrern empfehlen, welche einen rationellen
Weg des Unterrichts verfolgen wollen.
Der Ruf und bie weite.
x
Verbreitung ber groͤbern Srammatik wirb auch bie ber kuͤrzern
für jüngere Anfänger ſichern.
Um die Einführung in Eehranftalten zu erleichtern, ieh auf
13 Exemplare ein Kreieremplar gegeben. 7
Braunfchweig, im September 1843.- .
Hrietrih Wieweg und Gehe.
- Bei Gebr. Belchenbach in Leipzig Suschier
POETAE LYRICI GR
Edidit
Theodorus Bergk,
| Prof. Marburg. Zn
1843. 8, maj. 56 Bogen. 4. 2
Diese erste vol I)
der griechischen Lyriker enthält ausser den |
Gedichten die Überreste von mehr als siebes Dich-
tern, die zum Theil zum ersten Male hier gesammelt:
sind, in vielfach verbesserter Gestalt, nebst einem fortlau-
fenden kritischen Commentar.
M. T. CICERONIS DE OFFIGIIS LIBRI DIL
Recensuit
Rud. Stuerenburg,
Phil, Dr. Gyma. Hildburgh. Dir. .
Accedit Commentarius.
1843. 8. maj, 1 Thlr.
Nach vollständig neuer kritischer Bearbeitung des Ter-
tes und mit kritischem Commentar begleitet, über-
gibt hiermit der Herausgeber dem philologischen Publicum
zum zweiten Male die Bücher DE OFFICIIBS.
Soeben if bei uns erfchienen:
Theodor Beza
na
bandfhriftlihen Quellen dargeftellt
Johauu Wae Daum,
Drofeflor in Strasburg.
Erster Theil.
mit Berges Bilduiß.
Gr. 8. Broſchirt. Preis 24 The.
Eeipzig, im October 1843:
Weidmaum ſche Buchhandlung.
Vollständig ist jetzt in meinem Verlage erschienen
und durch alie Buchhandlungen zu beziehen:
3. F. Herbart's
kleinere philosophische Schriften und Abhandlun-
gen, nebst dessen wissenschaftlichem Nachlasse.
Herausgegeben von &ustav Hartenstein.
Drei Bände.
Gr. 8. 10 Thlr.
Der erste Band enthält zugleich eine ausführliche Ein-
leitung des Herausgebersüber Herbart's Leben und Schriften.
Derselbe kostet 3 Thir., der zweite und dritte Band jeder
3 Thir. 15 Ngr. U
Leipzig, im Oetober 1843.
F. A. Brockhans.
PER
Druck und Verlag von $. U. Brochaus in Leipzig.
Te aaa nnd
un i ter
ariſcher Anze
i u " .
ger.
. “ })
.
it 4 ird den bei B. U. Brockhaus in Leipzig erfcheinenden Beitfchriften „Wiätter für lterarifi
ak ——— oder —*— und beruhen bie —S fuͤr die — deren Raum 2%, ag
Verzeichniss ner Vorlesnngen,
R =. weilde
an der Töniglich bairifhen Friedridh-Aleran-
der&-Univerfität zu Erlangen
im Winter⸗Semeſter 1843 —44 gehalten werben ſollen.
Der gefeglidie Mufang derfelben if am 19. Betoder.
Theologifche Facnität.
Dr. Kaifer: Übungen des eregetifchen Seminariums der
alts und neuteflament! (
Bud Hiob. — Dr. Engelhardt: Übungen bes kirchenhiſto⸗
rifchen Seminars, Kirchengeſchichte — Dr, Häftling: Übun:
gen tes homiletiſchen Batechetifchen Geminariums, Homiletik —
Dr. Harles: Shriftlihe Ethik, Brief Pauli an bie Römer. —
Dr, Zhomafius: Dogmatik, Entwickelungsgeſchichte des kirch
lichen Lehrbegrifft und ‚feiner wiſſenſchaftlichen Darftellung. —
Dr. Krafft: Paftoraltheologie. — Dr. von Ammon: Üblns
gen im Pafloralfeminar, Symbolik und Polemit. — Dr. Wie
ner: bibliſcher Lehrinhalt und neuteflamehtliche Exegeſe. —
Dr. &brard: den Prophet Jeſaias, theologische Encyklopaͤdie.
Unter ber Aufſicht und Leitung des Töniglichen Epborus
werben bie angeftelten vier Repetenten wifenfgaftig Repeti⸗
torien und Go rien in latetnifcher Sprache für bie Theo⸗
logie Studirenden in vier Iahrescurfen halten. .
Dr. Bucher: Inftitutt ne Bmifchen Rechts, Auf
Dr. Bucher: Inftitutionen bes zömifchen ere
und innere Geſchichte des roͤmiſchen Rechts, zömifcges
—. Dr. Schmidtlein: Encyklopaͤdie und Methobologie der
Rechtöwiffenfchaft, gemeimes und batrifches Criminalrecht, Difs
ferenzen bes gemeinen und bairifcyen Eriminalproceffee. — Dr.
Schelling: Theorie bes gemeinen beut ordentlichen Civii⸗
procefies, verbunden mit Ausarbeitungen, Sefcdhidhte und Quellen
bes bairiſchen Tivilproceſſes, fowie die Abweichungen deſſelben
vom gemeinen. — Dr. Briegteb: Encyklopaͤbie und Metho⸗
bologie der Rechtswiſſenſchaft, Eivil« Praktikum, ichte der
deutſchen Eivilproceßgebung. Dr. von Bcheurl: Dandeiten,
—3 des roͤmiſchen Rechts, das vierte Buch der Juſtitutio⸗
des Gajus. .
In Mediciuifche Farnltät, u
‚ Dr. Zleiſchmann: menſchliche pathologifche Anatomie,
menſchliche fpectelle Anatomie, mebiciniſch⸗forenſiſches Praktikum,
Secirübungen. — Dr. Koch: Anleitung zum Studium der krypto⸗
gamiſchen Gewaͤchſe Deutſchlande fpeciclle Pathologie und The⸗
rapie ber chroniſchen Kraukheiten. — Dr. Leupoldt: über eins
zelne Gegenſtaͤnde der Anthropolegie, Pſochiatrie, Geſchichte ber
Medicin in Verbindung mit der f̃ te der Geſundheit und
ber Krankheiten. — Br. Roßhirt: geburtshuifliche Kiinik,
Krankheiten des weiblichen Gefchlechts, Krankheiten neugeborener
Kinder, — Dr. yon Sieboid: Atflerarmeitunbe, mit befonbes
rer Beruͤckſichtigung ber Shierfeuchen und ‚dee von ‚den Hausthie⸗
zen auf ben. Menfcher: Überttägbaren Krankheiten, Yhnflologie
ber Metven und Sinneswerkzeuge — Dr. Heyfelder: Cht
rurgie, Alklsgie, chirmgifce Kuͤnik, Anleitungen zu dyirurgifchen
Berbänden. — Dr. Sanflatt: mediciniſche Kunik und Poli⸗
klinik, ſpecielle Pathologie und Therapie der innern Krankheiten.
ichen Abtheilung, Einleitung in das A. T.
rbrecht.
— Dr. Trott: Semiotik, Torikologie, materia. medien. —
Dr. Fleiſchmann: Dfteologie und Syndesmologie, pathologis
fhe Anatomie des Auges, Repetitorien über Anatomie und Phys
fiologie. — Dr. Ried: Krankheiten ber Haut, ſyphilitiſche Kranks
beiten, Graminatorium über. die pathologiſche Angtomie odct
eingelüe Theile der chirurgiſchen Pathologie. — Dr. ®itl: En⸗
cpllopädie und Methodologie ber Medicin, Naturgeſchichte des
Menſchen.
Philoſophiſche Facnltät.
Br. Köppen: Graminatorium, — und Metaphyſik,
Dr. Kaſtner: Encyklopaͤdiſche überficht der ges
ſammten Naturwiſſenſchaft, Geſchichte der Phyſik und Chemie,
allgemeine Experimentalchemie, phyſiologiſche Ehemie, durch Vers
ſuche veranſchaulicht. — Dr. Böttiger: ‚Gtatjftil, allgemeine
Seſchichte, Länders und Völkertundee — Dr. Döberlein:
Übungen des E. ‚philologifchen Seminars, miles glorioms bee
Plautus, Encyklopaͤdie der Philologie. — Dr. von Raumert
allgemeine Raturgefchichte, Kroftalllunde. — Dr. von Staubts
analgtifhe Geometrie, Differenzials und Integralrechnung. —
Dr. Fiſcher: Logik und’ Metaphyſik, das Degel’fche Gyſtem,
Peincipien der philoſophiſchen Gthil. — Dr. Drechsler: Ges
neſis, hebräifche Sprache, Sanskrit. — Dr. nägelabag:
Übungen bes philologiſchen Seminars, Platon’s Republik lib. VI
und VIE, Theorie bes lateinifchen Stils. — Dr. Fabri: Ras
tionalöfonomie, EntyElopädie der Kameralwiffenfchaften, Techno⸗
logie. — Dr. BWinterling: beutfche Literatur, Spalfpeare’s
Merchant öf Venice, englifhe und franzöfifhe Sprache —
Dr. Martius: über neue Beilmittel aus dem Pflanzenreich,
Anweifung bie
Güte, zu prüfen. —
fie, Aſthetit, Geſchichte der neuern Philoſophie von Sartefins
bis zur Gegenwart, über afabemifches Leben und Studium. —
Dr. Hevder: Logik und Metaphyſtt, Geſchichte ber neuern Phi⸗
loſophie von Garteflus bis Hegel, Entwickelung der Platonifchen
Philofophie und ihres Verhaͤltniſſes zur chrifklichen. — Dr. von
Raumer: gefdichtlihe Grammatik der deutfchen Sprache, Er⸗
klaͤrung gothiſcher und althochdeutſcher Sprachproben.
Die Tanzkunſt lehrt Hübſch, die Fechtlunft Quehl, die
Reitkunſt Flinzner.
Die Univerfitätsbtbliothek iſt jeden Tag (mit Ausnahme des
‚Sonnabends) vor L-— 2, bas mer in benfelben Stunden
yo —
und Montags und Mittwochs von I—3, das Raturaliens und .
Kunſtcabinet Mittwochs und Sonnabends von 1—2 upr ‚geöffnet.
In meinem Verlage erſchien foeben und ift in allen Budks
handlungen zu erhalten:
Der dritte September 1843
" n
Von einem Angenzeugen beschrieben und mit den
betreffenden Actenstücken begleitet.
ZZ &. 8. Geh. 12 War.
‚Keipzig‘, 28. October 1843, N
N " a 5 A. Brockhaus.
=
chemiſchen Arzneimittel auf ihre Reinheit und -
Dr. von Schaden: Logik und Wetaphy⸗
—
N F . ‚ v
In der —— — Beragtsucfanbtang ia Siegen und Mickkaben find trſaicren und in eisen foliben Bud
handlungen vowwäthig zu- finden
Sämmtliche Werke: von Zoſ⸗ eph Freiherr von Auffenberg.
Erſte vollſtaͤndige, von ber” Hand des Verfaſſers forgfältig revidirte rechtmaͤßige
Geſammt· Ausgabe in zwanzig Banden,
auf Velin⸗Maſchinen⸗Druckpapier, im Formate von Zalrs Werken.
Bubferiptionspreis (mit Verbind et auf alle zwanzig Wände) Be Banb A 12Y, Ggr. — AS Ar. Afsin.
ver Band umfaßt Murhihuittlig
i. Band, enthaltend: Auarıe, Krauerfpiel in | fünf Aufzügen, mit einem Vorſpiele. Die Spa Trauer⸗
ſpiel fünf Aufzuͤgen, mit einem Vorſpiele. Der schwarze Fritz, romantiſches a in fünf
Dirfer Band tft Ende Juli on alle foliben Buchhandlungen verfandt worben.
2, Wand, mihaltend: Wie Bartholomäusnacht, Trauerſpiel in fünf Aufzuͤgen. Die Nlibastier, romantiſches
Trauerſpiel in vier Aufzuͤgen.
Die Expebition dieſes Bandes in ben Geſammtbuchhandel bat Ende Auguft ſtattgefunden.
S. Band, enthaltmd: Ludwig der_ Elfte in Peronne, Schaufpiel in fünf Aufzuͤgen. Was böse Kaus,
Shaufpkel in fünf Aufjügen. Mer Ha a Kurdistan, romantiſches Schauſpiel in fünf oe
Dieſer Band fol Mitte September verfanbt werben.
Die, Vertagshanbtung hat im —— des literariſchen Publicums die Einrichtung getroffen ‚ bie bie Tuffender: nber gTüen
Werke in, brei, nicht getrennt werbenben Gectionen erfcheinen zu Laffen. Die I. Gection wirb ben
IL Section ven 8.—15. Band, bie HIT, Gection den 16.— 30. Band enthalten. Aus jeder Section werben in dieſem —e— —
2 — 3 Bände gedruckt. Rach dem B. Bande ſoll ber
©, Mand, oder Kipamben erfter Theil, enthaltend: Boabdil in Kordova, Vorſpiel in einem Aufzuge. Aben-
hamet und Alfeima, Trauerfpiet in vier Aufzͤgen —
erfheinen, der noch im September vollendet wird. Aus ber ne Section find bereits im Drud ber
28, und 27, Band, enthaltend: Wie Raketen des Teufels, 22 in drei Aufzuͤgen. Die Here von
Dultama, lyriſches Drama in vier Aufzuͤgen, nebſt novelliftifchen Beigaben.
Durch biefe Drudeinrichtung ſegen wie bad große Publicum in ben Stand, um fo raſcher bie große Rannichfaltigkeit
* Pr bes reichbegabten Dichters kennen zu lernen.
alten foliden Buchhandlungen Deutſchlands und ber benachbarten Länber werben auf bie
"hen Werke in der Schiller Sinsgabe fortwährend Subfcriptionen angenommen, und
h% reſp. — werben gerne an ſolche Iniereſſenten, welchen bie Werke des Dichters noch un⸗
bekannt find, den 1 und 8. Band zur Einficht Kiefern.
Bei Karl Groos in Betbeiseng hy ſoeben erſchienen Buͤcherſchau, von Dr. G. Scheve.
und an alle Buchhandlungen verſandt worde 10) Miscellen. Mit einer Abbildung.
eitſchrift Für zenolo ie Das vierte Heft befindet ſich unter ber Dreffe unb wich im
3 ierheift * oe hebt December ausgegeben.
Beben san Birane, 5 Neueſtes ——
"Dr. med. Giefäfeld. Fremdwörterbuch,
en Koran Aubitdangen. zur Erklärung aller aus fremden Sprachen entlehnten
Wörter und Ausdräde, welche in den Künften und Wiſ⸗
Erſter Band (1.— * —30). —** ‚ ober FF 36 Kr. ſenſchaften, im Handel und Verkehr vorfonmen, uebfk
Aufsuf zur Bildung einer de Seſell einem Anhange von Eigennamen, mit Bezeichnung ber.
2 —— Beweife ber — en Beten —R Ausfprache bearbeitet von
J) Das Denfvermbgen, bearbeitet von @. von Struve. Mit Dr. 2. $. Kaltschmidt.
Abbild
4) Dir Zulins Exhönderg, ein junges muſikaliſches @enie. Gr. 8. 2:EHtr. 12 Nor.
9 Bin tuts RD Roc, du — Fobilbung. (Auch in 9 Heften zu 8 Nor. gu.begichen.)
ankhafter || er ante, von Dr. . | ,
Nr) Tee san | - Aeipsig, bei F. A. Brockhaus.
ı 6) ee a De vbhrenologie, von &.v0n Struve. Diefes Wert pidnet 5 Ten bicheihen Kennt
einee ver. Et
Über Urchriftentbum, teflantismns mb Katholiciemus, drterbuchern buch Mokkänbigleit, zwrtmä
» don Grdeitnitun, Yes vier Abbildu zo srapbifde Glare un — — — und ungemeine ee ——
ngen,
Weitere M über tiemuß, nach eng⸗
3 Auuklee Meitpeiungen Aber ürrnomagmsiemmud, may enge | dieih vorpeigug ang.
Ju unerpähenten ab fen ehenen sah Sul) ale Bufenktungen ya Satan:
Seite
Micolans
Senan.
Zwei Theile.
8. Velinpapier. Mit dem in Stahl geflochenen es Deroffet. Preis 3 Thle. 11 Ngr. (3 Thle. 9 gr, r
" 43
enthätt fämmttiche Gedichte, weiche in unſerm erlag bereits fünf —— erlebten, der zweite Theil
Der erſte
bildet die vierte vermehrte
i u”
dichte ——
Gtusigert nd Bünugen, im September 1843,
Reclam sen. in Leipzig if erſchienen:
chmid, %. RB, Kindheit und Natur. Ge:
ſchichten, bitdfiche Erzählungen, Maͤrchen, Geſpraͤche,
Gefuͤhle, Betrachtungen und Raͤthſel für Kindheit,
Jugend und Alter. 6 Bogen in 16. Geh. Preis
Yı The.
— —, Keime und Ruofpen einer Belt
auſchauung. 8 Bogen in 8. Geh. Preis / Thir.
Im vorigen Jahre erſchien:
«er Hecam, GO Yabeln zur Belchrun
Unterhaltung für Die Qugend. 1842.
5 8 in 8. Sauber gebunden. Fe 24 Thlr.
de 8 franzoſtſche kritiſche Blätter haben dieſe Fa⸗
beln als ganz vorzuͤglich empfohlen; ſie ſind auch ſchon ins
Tranzoͤſiſche aberſett worden.
Bei C. G.
Bi €. Belt & Beben, Buhpäntier in Wien, iſt
erſchienen:
Jahrbücher.
der Biteratur,
Hundertundzweiter Band,
1843.
April Mai . Mai. Iuni.
Suhalt des Ipunbertunbgweiten Bandes,
Art. I Eder, Ye tuis Lats, Seauengen und eihe. Gin Bet
n ngweifen
Fa il und ber lee Gegen. ud Sue jeder
im Mittelalter, von Ga — Bolf.
Auflage ber im SBerlage ber Hallberger’fchen Bucht n DER
Der Beifal, ben biefe Gedichte voll eöhter € Romantik, Inoigksit, en u anbtung erſchienenen
Erwartung, daß gegenwärtige Gefammt-Au sgabe berfelben ſehr willlommen fein wird.
"leide * ———
Tr.
euern Bes
iefe, Blut und Slanz ber Phantafte ſiets
J. &. Cotta’fcher Verlag.
und erklaͤrt von Kari Lubwig Kannegießer und Kart
Witte Zwei Bändchen. Leipzig 1842. — V. Juvavia.
Eine archaͤologiſch⸗hiſtoriſche Darflellung ber Merfwürbigkeiten
ber an dem Plage bes jehigen Salzburg einft beftanbenen Gelten-,
Römers und römifchen Colonialftabt. Won Dr. Ignaz Schu⸗
mann von Mannfegg. Salzburg 1842. — VI. Archiv für
Gichte, herausgegeben auf ee der
. Srfter Band. Zuͤ⸗
angrenzenden An
ar Dritten Banbes zweite Abtheilung. Halle 1843. —
Mayr Das ehaufpietoefen. — auf bem —— ie
heim ebenen Wien 1843. gerthuwe. i⸗
Juhalt des Senzeige-Miattes Mr. CIL
Epigraphiſche EQxcurſe. Vom Guftos 3. G. Seidl.
R t in meinem Bert d iſt duch all ⸗
an m ren en un u te a
Enfifpiele ve. Srifiophanes,
Überfegt und erläutert
Hieronymus Müller.
| In drei Bänden.
Geher Ban. "
Geh. 1 Ihre. 24 un.
Dieſer erſte Bons einer neuen überſetzun
Gr.
IL Üüberſicht von — ** —* bie Bei cn 5 ne ——
—— — 30 J € dat. Ede Bam. * außer —— —— ter — —8
Kaiſer ch's IV. vor vor feiner wahl. Zwei⸗ * ——— ’
tee Band: Rai —— als RB s s und —E
Surg —** vn 1 ven ACH ——* * —* Im October 1843.
sare Balbo. Tom. J II. Terine 1838, 3) Histoire G F. A. Geschoss,
Dante rar M. le Cherslier Artaud de Montor,
5) Dante Aiighiers Wyeifäie Gedichte. Überfegs
En vente ches F. A. Brockhaus à Leipuig:
Nouvelles causes cAlehres
du droit des gens.
Redigedes
le ‘Baron Charles de Martens.
Deux tomes.
Gr. in-8, Broch. 5 Thlr. 10 Ngr. . -
Ouvrages du möme nuteur publi6s par in meme
übrairie :
Causos otlöhres du droit des gens. Deux .vo-
lumes. Gr. in-8. 1827. Broch, 4 Thir. 15 Ngr.
diplomatique. Contenant: 1° Considerations
sur Petude de la diplomatie. 2" Precis des droits
et des fonctions des agents diplomatiques. 3° Traite
sur le style des compositions en matière politique.
4° Bibliothöque diplomutique choisie, suivie d’un ca-
talogue de cartes de geographie moderne. 5° Re-
cueil d’actes et d’offices à Pappui du trait€ sur le
style des compositions en matiere politigue. Deux
yolumes. Gr. in-8. 1832. Broch. A Thir. 15 Ngr.
Sn unterzeichneten Berlage ift foeben erfchienen und durch
alle Buchhandlungen zu beziehen:
Dr. Friedrich Schwitthenner,
Zwölf Bücher vom Gtaate, ober ſyſtematiſche
Encyktopaͤbie der Staatswiſſenſchaften. UVter
Band (Ttes Buch).
Auch unter dem Titel:
Gruudlinuien des alUgemeinen ober idealen
Stantorechts. Iiſte Abtheilung. Gr. 8. Preis
1 Thir., oder 2 Fl. 42 Kr.
Die zweite Hälfte dieſes Bandes wird in zwei Monaten |
fpäteftens ausgegeben.
Der im Sabre 1839 erfählenene Ifte Band umfaßt das Ifte
bis Ste Buch und enthält außer ber Einleitung, Geſchichte
der Staatswiffenfhaft, Ethnologie, Naturrecht
und NRationaldtonomie Gr. 8. Preis 37, Thlr., ober
6 Fu 36 Kr. Rhein.
Der Ile Band, womit das ganze Werk geſchloſſen iſt,
kommt alsbald nach Beendigung bed Staatsrechts unter bie
Preſſe, ſodaß das verehrliche Publicum binnen Jahresfrift im
Beſit deffeiben fein wird.
Wir halten. es für überflüffig, uns über ben Werth ber
vorliegenden „Encyklopaͤdie“ hier lobend auszuſprechen, nachdem
die hohe Bedeutung des Werks in ber Literatur durch alle kri⸗
tifche Journale auf das rähmlichfte anerkannt if.
Bießen, im September 1843.
G. 3 Hener’s Verlag.
Bi Br. Bam. Gerhard in Danzig it erſchienen
und in allen Buchhandlungen zu haben: _
Schelliug. Borlefungn von Marl Koſen-
kranz, gehalten im’ Sommer 1842 an ber
Univerfität zu Königsberg. Gr. 8. Broſch.
Preis 2 Zhle.
—
nfammengenommen f r
Ja
9
Drud und Serlag von BE. &. Brodhauns in Leipzig.
‚Shakspere’s Plays.
K Zedes Städ if einzeln zu haben.
Soeben wurbe verfendet: ”
Shakspere dramatic Works, Part 239 — 37.
Leipzic, Brothers Schumann. 16, Dreis
jebes Baͤndchens 3 Ngr., oder 10'% Kr.
wodurch num in biefer neuen Schum an n'ſchen Ta
die fämmtlichen 37 Shakſyere ſchen une ee
geliefert find. Jedes Bändchen enthält ein Schaufpiel und wird
auch befenbers abgegeben zu IRgr., oder 10, Kr., ſodaß man
aud) jedes einzelne Gtück zu ſehr billigen Preife befons
ders kaufen kann. — Borrätbig in allen Buchhanblunges
Deutſchlands, Öſtreiche und bes Auslands.
Bei G. Wethge in Berlin iſt erfchienen:
Köstlin, K. R, Der Eehrbegriff des Gyangeliums
unb ber Briefe Yopannis und bie verwandten
Nenisfenmenttipen Eehrbegriffe. Preis 1 Thir.
gr.
Die Schrift gibt zuerft eine Darftellung des Lehrbegriffs,
ber Briefe und bes Evangeliums Johannis und fügt zu dieſen
bie verwandten neuteflamentlichen Eehrbegriffe, ben bes Paulus
(diefen nach den verfchiedenen Entwidelungsfiufen und Briefen
nebft einer genauern Bearbeitung des Hebraͤerbrieſs) und ber
——— ec Johannes ante elle und bebanbelt
up jebem Lebrbegriffe den pra n Theil mit glei
der Ausführtichkeit wie den theoretifhen. Der Zweck are
Schrift ˖ ift, eine durchaus objective Darflellung ihres
Gegenftandes zu geben, und dadurch zu einer wiffenfchaftlichen
Geftattung der neuteftamentlichen Iheotogie ——
In allen Buchhandlungen iſt zu erhalten:
iſtoriſches Taſchenbuch.
Herausgegeben
von
Friedrich von KHaumer.
Reue Folge. Füufter Jahrgang.
Gr. 12. Cartonnirt. 2 Thlr. 15. Nor.
nhalt: I. Der Freiherr Hans Katzianer im Tuͤrkenkrieg
Von- J. Meist. — Il. Die Ixgten Zeiten bes Sohanniter
orvent. Bon BEifeed Reument. — III. Goethes Mutter.
Bon K. &, Jacob. —. IV. ! ionig in feinem Verhaͤitniß
zur pofitiven Theologie. Akadenüſche Rebe, am Seibnisifchen
Gedaͤchtnißtage den 6. Juli 1843 voygetragen von SF. Bid. —
V. Die Gründung der Untverfität Königeberg unb deren Saͤ⸗
cularfeier in den Jahren 1644 umd 1744. - Gin Beitrag zur
bevorftehenden dritten Säcutarfeier. Bon Ed. Berpais. —
VL Prinz Seopoib von Brauuſchweig. Bon &, 5, Keller.
Die erſte Folge des Hiſtoriſchen Taſchenbuchs befteht aus
kenn Yahrgängen 330-0). bie im —* iv Ihlr.
0 Nor. Eoflen. Ich erlaffe aber ſowol den erſten bis fünften
(1830-34) als ben ſecheten bis zehnten Jahrgang (183539)
“ f , fobaß die ganze
ge gehn Thaler koſtet. Einzeln koſtet jeder dieſer zeha
a —
an uen Folge , 4
hiosite (1841) 2 Qpir. 15 Kor I been 2 pte., der
Reipgig , ini Dctöbes 1843.
SR. Brockhaus.
Literarifier Anzeiger.
1843. Nr. XXVIII.
Diefer Uterarifche Anzeiger wird den bei $.
Unterhaltung’‘ und „3
BSohnftändig iſt erſchienen Und durch alle Buchhandlun⸗
gen zu erhalten:
Denkwürdigkeiten
Werusſote Shriften.
R. U. Barnbagen von Enfe.
Zweite Auflage.
Ge Bände,
&:. 12, Geh. 13 The.
Die erften drei Bände enthalten , ‚DentwürbigPeiten
bes eigen Rebens", ber vierte Bis ſechtte Ban „SBer-
wird jebe biefer Folgen gefonbert
für 6 Thlr. erlaffen. Bon ber erften Auflage find nod
einzelne Bände zur Completirung vorräthig.
Eeipzig, im Rovember 1843,
EF. 9. Brocuhaus.
An «ie ſollden andlu lands und ber be⸗
nadjartyn Eänber in hen Derfanbe erden, den: *
Über bad fogmannte germanifche und das
fogenannte hriftlihe
Staatsprincip.
ERIK beionderer Beziehung auf
Maureubrecher, Stahl und Matthai.
EM. Rarove,
Dr. der Philoſophie und Ekentiat, der Rechte.
Biegen u. Wiesbaden, Friedrich'ſche Verlagebuchhandlung.
£ 1843.- XXXU und 432 ©.
27% Thlr., oder 4 Fl. 12 Kr. Rhein.
Dem auch in Deutfihland erwachten Streben nad) vers
nunfts und fahgemäßer Kortentwidelung bed Staates und
Rationallebens bat ſich in den legten drei Decennien eine Partei
entgegengeftellt, weiche 18 ihren Widerftand zu rechtfertigen verfucht 1-
hiſt oriſche e Princip, weis
jedoch nur darin Ic daß willkuͤrlich abſtrahirte frühere
fumgen des germanifchen Rechtelebens und Auffaffungen
des Chriſtenthums auch jest und für bie Folgezeit noch normar
tives Anfehen behaupten follen. In der vorliegenden Schrift
find die hauptſaͤchlichſten Praͤtenſtonen biefer Partei ſowol vom
hiſtoriſchen ats vom vernm ichen Standpunkte aus auf
gemeinverfländliche Weiſe beleuchtet, und wer nur irgendwie
Antheil nimmt an ber Grörterung und Loͤlung der eigentlichen
Lebensfrage der Gegenwart, wird bie hohe Bedeutung bieler
egeift nicht verlennen. Geinen Beruf zur Abfaffung derfelben
der Hr. Berfaſſer bereits hintängtic durch feine frühern
—E Arbeiten bewährt, unter denen wir nur zu ers
Brodhaus in Leipzig erſcheinenden Zeitfchriften „Blaͤtter für literariſche
fis‘' beigelegt ober beiechefiet, und betragen die Inferfionsgebühren für bie Zeile oder deren Raum 2%, Nor.
innern brauchen an beffen Säriften „Über alleinfeligs
machende Kirde" und „Über kirchliches Chris
ftenthum u. f. w.“, fowie an ben „Ruͤckblick auf bie
Urfahen ber frangdftifhen Revolution” unb bie vor
zwei Jahren erfchienene „Benefis ber Julirevotution“.
Sn untergeiönetem Verlage erfcheint und iſt in allen Burke
bandiungen zu haben:
Seitgemäße Auswahl
Surdeeie gwinsıvs
ns
Al - PREIS und aan ins Schrift-
deutsche übersetzt und mit den nothwennigsten geschicht-
lichen Erklärungen versehei..
Bis jege find erfchienen:
Iftes Bändchen: Bon der —R unb RAD bes
gdttlihen Wortes. 7% N —5 re NKr
— —B
3100 Bändchen: Der Hirt. 11% New. (9 g&e.), ober 36 Sr.
dies pam: Das Prebigtamt.
—X x Binden Die Heilige Taufe. 15 Rgr. (12 g®8.),
Pier Bändchen: Das heilige Abendmahl. 11%, Rar.
(8 g@r.), oder 36 Kr
7Ttes Bändchen: Eine Are Unterweifung,,
in guten Sitten und chriſtlicher Zu t erziehen und
folle. 3%, Rgr. (3 g@e.), ober 12 Kr.
77 Damit biefe hier zum erfien Male in allge:
mein verſtaͤndlicher Sprache erſcheinenden —— en
Schriften des großen Reformators und Morfämpfers des
zotekantismne ber Schweiz auf Doppelte Weiſe 3
erbreitung der chrifttihen Wahrheit beitragen, wirb ein de
bentenber Zpeil —— haıtene Unternehmens
ercin oder ber
Be Sheifs
lesen
* Verfuͤgung geſtellt werben.
Meyer & Zeller in Zuͤrich.
Im Verlage von F. M. Brockhaus in Leipzig iſt
neu erfchienen und durch alle Buchhandlungen zu erhalten:
Ein Schloss am Meer.
Roman
Levin Schücking.
Zwei Theile.
Gr. 13, Sch. 3 The. \
Ty Nor. (6 gBe),. _
wie man bie Jugend -
| Bei mir iſt erſchienen und in allen Buchhandlungen zu erhalten:
Das Aurchen
geſtiefelten Kater,
in den Bearbeitungen von
Bitraparola, Basile, Perrault and Ludwig Tieck.
Mit zwölf Radirungen
vn Dtto Spedter.
Kl. 8. Cartonnirt. 3 Thlr.
Durch die geiſtreichen Radirungen Speckter's erhält dieſe
Schrift außer ihrem literarhiſtoriſchen und poetiſchen zugleich
ein artiſtiſches Intereſſe. Auf eine ſchoͤne typographiſche Aus⸗
ſtattung iſt große Sorgfalt verwendet worden und es duͤrfte
dieſelbe hiernach —— zu Geſchenken ſich eignen.
Reipgig, im November 1843,
{ J. EU. Brodbens.
Ein Buch in drei Sprachen.
In allen Buchhandlungen ift zu haben:
Le mie Prigioni — Mes prisons —
Meine Gefängniflte. Bon Silvio Pellico.
Schöne correcte —** in 4., dreiſpaltig; italieniſch⸗
franzöfifch = deutfch nebeneinander gebrudt. Herabge⸗
fegter Preis nur 20 Ngr. (16 gGr.), oder 1 FL. Rhein.
Daſſelbe Werk italienisch = franzäfiih in 8 Broſch.
175 Nor. (14 gGr.), ober 54 Kr.
Daſſelbe Werk italienifch > deutſch Broſch. TA Near.
14 gGr.), oder 54 8
Daſſelbe italleniſch mit emerkungen und Wörterbuch
un 8 5. Poſſart. 25 Ngr. (20 gGr.), oder I FL
Die beutfehe Überfegung allein. Broſch. 19% Mar.
(10 gGr.), oder 36 Kr.
Verlag von F. H. Köhler in Stuttgart.
Soeben find bei Megler in Stuttgart erſchienen:
Shaffpere’8 Schaufpiele.
Treu überfegt und mit Einleitungen und Erläuterungen
von A. Keller und M. Rapp. Otes — I ates Bändchen.
Schillerformat. Geh. Preis des Baͤndchens 6. Ngr.
(5 gGr.), ober 21 Kr.
Den Werth biefer tängft vorbereiteten, neuen übertra⸗
gung von Männern, die das genaue Berſtaͤndniß des Dichters
und das Studium feiner Sprache zu einer Hauptaufgabe ihres
Lebens gemacht, iſt von ben geachtetften Zeitfchriften bereits
einftimmig anerfannt. Jedes Bändchen gibt ein Schaufpiel und
Werte das 101 110t 21 7Y, Rax.
Beten 6 gr. —* 7* — in dr ler 4
m entfalten | it ft mmit Ak 1 —— 2 Ronne und
ovellen vo ndig und To lr Ahle.
4 gGr.), oder 20 Fl. 6 Kr. a
Galerie su Bulwer’s Romanen
Ste (Ichte) Lieferung. 20 eh. 5 Ngr. (4 gGr.),
8 Kr.
‚nie Die jenes vollendete Galerie —* 14 vorzuͤglichen Stahtſtichen
je ne aus ben 14 groͤßern Bulwer'ſchen Romanen,
bie iu "Ziteibilbern beftimmt find, und tft complet nur
1 Ihlr. 3 Nor. (I Ahlr. A gGr.), oder 2 Fl. 6 Kr.
Same’ Momane,
in beutfchen Übertragungen herausgegeben von F. Notter
und &. Pfizer. 5aſtes — 69fe6 Bänden. 16. Geh.
Preis bes Bändegene 32 ‚Nr. (3 Or), oder 12 Rt.
| 6 Bänbehen.
Inhalt der 69: "Bänbeyen : Dee Zigeuner
be 1.—5. Bock.
weitere Menbehen ausgegeben.
Borräthig in allen Buchhandiungen D eutfchland®,
unb des Auslandes.
Bei E. Bersib & Sohn, Buchhändler in Wien,
ift foeben erſchienen und daſelbſt fowie in allen Buchhandtungen
Deutſchlands zu haben:
Neu erfundenes
Eiſenbahnſyftem,
nebst der Beseitigung aller bisher gefühlten
Mängel und Hindernisse
das mpflifche Raͤthſel der Bergfabrten mit gewoͤhnlichen
Eocomotiven in beliebigen Steigerungen bis zur mathe
matifch möglichen Grenze von 1:4, ſammt größerer Laſt
als bis jegt an ber Ebene möglich geweſen, vollſtaͤndig,
einfach und natürlich loͤſet.
Dar 8 e t ellt
Johaunm Seala,
Dr. der Theologie und Cooperator.
Erſtes Heft.
Gr. 8. Wim 1843. In Umcchlag broſchirt.
Preis 15 Ngr. (12 gGr.)
Im Verlage von J. Sf. Brockhaus in Leipzig if
iſt auch einzeln zu er gie. Etwa alle zwei Monate folgen-| neu erfchienen und durch ale Buchhandlungen zu erhalten:
zwei bis brei weitere St
Der Beste der. Baron⸗
von E. 8.8
Diefer neuefte Roman, ber auch —*2 letzter Ro⸗
man ſein wird, iſt nun in unſern beiden Taſchenausgaben Com⸗
plet ausgegeben. Von ver Sammlung der Romane in Schiller⸗
at bildet derſelbe den G6Often — 6 Iſten Theil (Preis ah.
— 1Thle. 8 gGr., oder 2 Il. 24 Kr.), von der der
Bwi Gräber,
Georg "Sejirges.
Gr. 12. Geh. 1 The. 18 Nor.
Riertchjahrs - Schrift 1843. Ates Heft.
In Unterzeichnetem ift foeben erfägienen und an alle Buchhandlungen verfandt werben:
Das Ate
Heft der deutschen
Bierteljahrs- Schri
für 1843.
Detober — December.
Preis des Jahrgangs von 4 Heften 7 Thlr. 10 Ngr. (7 Thlr. 8 gGr.), oder 12 Fl.
Inhalt:
Die Koͤrperuͤbung aus dem Geſichtspunkte der Nationalökonomie. — Der Unterricht in dee Mutterſprache, eine
Stage der Zeit. — Das philofophifche Princip in der Geſchichtsſchreibung. — Die Sefängnißreformen in Deutfch-
land. — Das deutſche weltliche Volkslied. — Eine kurze Betrachtung über die Befefligung von Paris, — Theues
zung der Lebensmittel in Folge von Miswachs, mit befonderer Beziehung auf das füdwefllihe Deutfchland. — Als
terthumsvereine. — Die VBerbältmiffe von Deutfchland zu Frankreich. — Amtliche Vielfchreiberei. — Ein Wort über
deutſche Belletriſtik. — Die Bedeutung bes Vertrags von Verdun. — Kurze Notizen.
Stuttgart und Bübingen, im October 1843,
J. G. Cotta’scher Verlag.
Bolt. Kalender von Gubitz.
Soeben ift an bie Buchhandlungen verfandt und überall
(Preis 12%, —* oder 10 gGr., ober 45 Kr. Rhein.) zu haben:
Gubitz „Volks⸗Kalender für 1344*
(mit 133 vorglglihen gehfänitten, zum Theil in
Barden -Bpppelbreud).
Schon ift es *8 anerkannt, daB biefer zehnte Jahr⸗
gang von Gubig „Volks-Kalender“ fi) noch vor allen fruͤ⸗
bern Jahrgaͤngen auszeichnet, wie denn bee Derausgeber immer
Neues zu bringen weiß, was Andere dann erſt nachzuahmen
verfuchen. Übrigens bedarf es Keiner weitern Anzeige als: er
iſt dat — denn wie bisher wirb bie Einwirkung biefes „Volks⸗
Kalenders” eine gefegnete und erfreuliche fein!
Berlin, im October 1843.
Wereins-Wuchhandlung.
Bei. 8. Saaud in Duͤſſeldorf ift ſoeben erſchienen:
Wladimir's Söhne.
Ein Traueripiel in fünf Aeten.
on
Karl Weichselbaumer.
142 Seiten in 8. Auf feinem Velinpapier. In far:
bigens Umfchlag geheftet. Preis 230 Sr.
Diefes Hiftorifche Trauerſpiel bekundet den
„Die Eongobarden”, ein wahres Kunſtwerk ift, das ſich durch
friebigende ee befannte Kataftrophe
ichte Ruplands „zu deſſen Alleinperricher
ſich im Anfange des 11. Jahrhunderts, nach dem Tode des
Großf Wladimir, Swaͤtopolk, fein ditefter Sohn, durch
Brubermorb machen will, aber als gerechtes Opfer der Nemeſis
faͤllt und in dem tapfern und tugendhaften Jaroslaw feinen
Nachfolger findet, iſt der Gegenſtand diefer Tragoͤbie. Jeder
Sharakter ift meiflerhaft gezeichnet und Gedanken und Ausdruck
wahrhaft poetiſch.
Shen iſt verfendet von Ginrichs in Leipzig:
Preusker, Ritter Karl, Slicke in Die na:
terländifce wargeit; Sitten, Sa
gen, Bauwerke, Trachten, Geräthe, aus
dem beidnifchen Alterthume und chriſtlichen Mittels
alter u. f. w. IIlter Band: Meifnifche und benach⸗
barte Gegenden. Iftes Heft mit 133 Abbildungen.
Gr. 8. 1843, ) Thle. (Drei Bände complet 3 Thir.)
Das Schlußheft diefes mit dem ehrenbften Beifall aufs
genommenen Werkes wirb bald möglich folgen.
Im Berlage von F. MC. Srockhaus in Leipzig ik
neu erſchienen und durch alle Buchhandlungen zu erhalten:
| enny.
Don der Verfasserin von „Clementine“.
Zwei Theile,
Gr. 12. Geh. 3 Thlr. 15 Mor.
Im Jahre 1842 erfchien ebendaſelbſt:
Elementine.
&. 12. Geh. 1 Thlr.
U
Bon dem binmen kurzem ericheinenden Werte: _
HISTORYOFTHR GONOUEST OFMEXICO:
‚ LIFE OF THE CONQUEBOR, ‚HEBNANDO COBTES;
WILLIAM HE. PRESOOTT,
wird uf —— — Verfaſſers durch den Überfeger
beffen „EB te Werbinands und Stabelia’s” eine
beutfche ne vorbereitet, was zur Vermeidung von Col⸗
Kifionen bierburch angezeigt wird
von
Soeben erfchien bei K. F. Köhler in Leipzig und if
in allen Buchhandlungen zu haben:
Paris
im Srühjahr 1843.
Briefe, Berichte und Schilderungen
von
%. Aellited.
Zwei Thelle. 8. 4 Thlir.
Die gewandte und intereffante Darftellungsweife des Ver⸗
faſſers iſt anerfannt genug, als daß der Verleger nöthig
hätte, dieſes neueſte Werk deffelben noch beſonders der Bunft
bed leſenden Publitums zu empfehlen.
Bei G. Sethhge in Berlin if erſchienen:
Mitſcherlich, Cehrbuch der Arzneimittellehre.
Iſter Band in drei Aötheilungen 3 y 4* Ser.
Uter Band, Ifte Abtheilung, 2 Thit. 5
Soeben ft nım voſtaͤndig arſchienen und in allen
Buchhandlungen zu haben:
Deutiched
Kirch en iederbuch
die Lehre vom Rirchengesang.
Praktiſche Abtheilung.
Ein Beitrag
zur —A— der — und —I Pflege
Kirhenlicbes, fowie der häuslichen Erbauung,
‘ ange,
Be. uw ordentlichen gprofeffor ber Kheoiogte an dpr Univerfitaͤt
su Zuͤrich.
8. Broſchitt. 3 Thir. 261 Nor. (3 Thlr. 21 gGr.)
Diefes Werk, welches nicht nur Freunden und Stubirenden
Enden da cn ſondern befonbers auch allen Erbanung
enden als ein fe ausgewählter und georbneter
geihlie er E ee. zu empfehlen ift, zeichnet ſich vor
andern et ähnlicher Art noch vorzüglich durch geift:
reiche, jebem Abfchnitte beigefägte Sinteitungen und beur-
" theilende Anmerkungen aus.
Der Herausgeber obigen Lieberbude wird don
gwei fih ganz entgegengefegten Seiten umbiefes
Werles willen heftig angegriffen, dürfte aber
Drud und Verlag von F. 4. Broddaus in Leipzig.
“
era de Deswegen bei Denen, welhe Im bogmati«
der und hymnologiſcher Beziehung ziner Feeten
Eestinen Richtung huldigen, befto eher Anerken⸗
nung ME finden.
Ebenfalls ift nun bie zeheoretife Abtheilung biefes
Bere einen unter dem
kirch liche Fomnologie
die Schre vom "Rirchengesang.
Einleityng in das deutſche Kirchenlieberbud.
8. Broſch. 15 Nor. (123 gr.)
Meyer und Zeller in Züri.
Bei Weichrich Fleiſcher in Leipgig erſchlen ſoeben:
Geſchichte Rudolf von Habsburg;
König der Deutfchen.
Nach urkundlichen mei gleichzeitigen Quellen
Pe teilt Hank uth
. F. 8. Sc
2 Bände. 12. Velinp. 2 The.
1842 erſchien in demſelben Verlage:
Geſchichte des Hauſes
Bobenzollern
Dr. G. Sailing.
Str. 8. Veh. 3 Khlr.
Bei Karl Gross in Qeibeiberg if loeben erſchienen
und in allen Buchhandlungen zu haben
Laurence Stark.
4 family picture
y
Engel.
Translated
by Thomas Gaspey..
8. In Umschlag geheftet. Preis 15 Ngr. (3 gEr.),
oder 48 Kr.
Eine wohlgeiungene ü Afers cl beu
Werkes: Engel, ee emſchen beutftgen
In meinem Berlage ift neu erſchienen und durch alle
aan (8. y ar
aagen ( ), Kunftwerte a KRünftler
ie Deutichland. Gefer Epell.
Audy unter dem Titel:
Runftwerke und Künftler im Erzgebirge
und in Frauken. Sr. 12. Geh. 2 Thir. 15 *
In aͤhnlicher Weiſe, wie in feinen „ Beieten üb
werde und er in England d Paris“,
verbreitet fi deu Berfafler * über Kunſtwerke Re und
in Deutſchland. Die Schrift kann Kunftfreunden befonders au
als ein mügliches Reifehandbuch empfohlen werben.
Reipgig, im November 1843.
F. A. Brockhaus.
eiterarifger. Anzeiger.
1843. Nr. XXX.
kiterariſche X teb ven Bei: A. Broc s in Lelpzi be tfi „Bi ei
— * Ha RR, and betragen bie — ren für * deren 55
5) lius in Stockzolm. Geh
Most s (Dr. &. F.), ee ——
Volke- ten, von Prof. BertHoTd. in Göttingen. Entwidelungss
Eneykio eramınten
—— oder, oder Lesikon der vorzüglich
sten und wirksamsten Haus«' und
Volksarzneimittel aller Länder. Nach
den besten Quellen und mach dreltsigjährigert, im In-
und Auslande selbat gemachten zahlreichen Benhachtun-
gen und Erfabrungen zus dem Nelksleben gonmusk,
Erstes bis drittes Heft: Aalsuppo— Left. .
Gr. ‚Jedes. Heft 13 Ngr. — —
dem daseh.
eine Arm — — für
den Werth dieses „Popalairen und gemeinnützigen Werks,
Es wird aus fünf Heften bestehen und die übrigen Hefte
werden in kurzen Zwischenräumen folge.
age ber Intergeidineten H foeden erſchienen und in
allen en su haben:
Fandworterbuch der Yhyſiologie
mit Ruückſicht auf phuſiologiſche Pathologie,
in Benmens mit mehren Gelehrten — von
Profeſſor der Phyfiologie an der Uniserfität Söttingen. '
Mit Kupfem und im den est gedruckten Holzſtichen.
Drei Bände von 50— 60 Bogen, größtes Ocrav, in
Lieferungen von 8— 12 Bogen. Preis der Lieferung
mit Hol chnitten und fertafeln seh: 1: Thlt.
chienen sind Kieferung 1-—
Diefes Handwoͤrterbuch bringt die phufiologifchen Lehren und
viete für Se eigene Re Pattotogie unb POL She wich⸗
tige Abſchnitte um ge ebrängter Monographien, nach alpha⸗
betiſcher —2 —* aͤnnern bearbeitet, welche dieſelben
um —— ſpecteller Forſchungen gemacht haben.
So trägt das Woͤrterbuch mehr den Charakter eines Hanbbuchs,
das Eh eines Berfaſſers deren mehre hat. Die Koryphaͤen
dieſes Zweiges deutſcher Wiffenfchaft haben für die Beurbeitung
der Artikel ihre Ritwirkung er —— und em Theil ſchon er⸗
faͤllt. Band I, Lieſerung b II, h
enthalten: Leben, —— von def Eope in
20. Abfonberung, Gleltricität der Thiere, €:
brung, Blimmerbewegung, Balvanismus (in
feinee Ginwirkung auf den thierifchen Körper), Gewebe bes
menfdlihen-und-thierifgen Körpers, von Prof. Bas
Lentin, ne 8 Atrophie, von Dr. Canſtatt in Ans
ern ung. bie. wel A —X er
tee unverlettem Thorax, von ef re.
ne in Eng SaO Biht, Chylus, von Def, en, in
3 a anne ee om, 35
von e en
Sieber, von a in öko. Galle, von
gef HALT on befonberer Berädfichtigung der Misbildungen,
. w. Biſchoff in. Beibelberg.: Dazu, von
Prof. ee acan in Seipzig. Haut, von Medicinalrath Perf.
Kraufe ——
chweig, im October 1
Friedrich Yineg & Sohn.
In der Balls’schen Buchhandlung zu Stuttgart sind
soeben: erschienen uml "können darch alle Buchhandlungen
. hezagen werden:
Die Gelenke und Bänder
menschlichen Körpers.
Friedr. "Arnold,
Professor der Austomie su Freiburg.
Mit 14 Tafeln Abbildungen und 7 Bogen Text, Grossfolio-
- Preis 4 Thhr., oder 7 Fl.
Dasselbe Werk mit —— Text unter dem Titel:
Icones articulerum et ligamentorum corporis humani.
Septem tabulae elaboratae et tofidem adumbratae,
( Tabulae anatomicae. Fase. IV. Pars II.) Fol. ma).
Preis 4 Thir., oder 7 FL
Bei uns if ſoeben Be und in —* Budheuunan
su haben:
französische Conin tion
? nebft Ha Eon; 8 a
Bildungsgeſetze der feanzöffäen Sprade,
. Geineich Kurs.
8 Veoſch. 20 Nor. (16 gGr.), ober 1 Fl. 13 Mr.
Meyer & Zeller in Zuͤrich.
a iogranbie
jungen amerikaniphen ih
Margarethe IR, Devidfon.
Aus dem Engliſchen
Washiugton Srsing.
Gr. 12. Geh. 18 Nee.
Leipzig, ei 3. %, ABM, Brräyen.
Rene Berlags. be pi
ul ã
Mittlere edihah
—*
Manen. Bivel Theile.
Weit, Sandbuch der W erheilhunde. Refultate pwoͤlf
jähriger in Graͤfenberg und Freiwaldan gemachten Er:
fahrungen. 174 2
— Ir. Wanderin Wenderbuh IL 1 Bi
—— — — Briefe aus Paris. — Tage⸗
baunfen
Gedich
ER, Hasifge —— — Y% Zhle.
Eine Sef-
A Kple.
—* ⸗ er ⸗ —8 —— Fir mai au
das weibliche — ee Auflage *
3 Stahlſtichen. Drei Thetle 2. Then
— — Des dentſchen Meeſte fu dire
feflichen Umrifen für Die reifere
ven Bwei Theile. 3 Thir.
Ahh., Seſemmelte Schriften, Morllen un
Vich A Bier Baub. 3°, Thir.
Rent, I, Vier rider aus Dem Wolke. Zwei Theile
A Bilde ass dem Pihmerweide. 1 The.
Per,
Schriften von H. Koenig.
* —— — —R je Samen en
von mir zu beziehen:
William's
DHL Und Trodten
Ein Roman
9. Roenig.
Bwei Theile.
&:.8. 1839. Geh. 4 Thk.
Bon B. Koenig erſchienen bereitö in meinem Verlage:
Bie Doßs Braut. Gin Roman. Zwei Theile. 8. 1833.
Beh. 4 Ahle.
Die eidenfer. Ein Roman. Zwei Theile. 8. 18386.
Gh 4 Ahle.
VBie Bu et. Trauerſpiel in fünf Mufzügen, 8. 1636
“. Sin Derzensgefhihte. Gr. 12. 1843. Geh.
Reipzig, im Rovember 1843.
J. A. Brockhaus.
— tr ea Arte
nen un ern aue uchhan ungen zu be en Ein
—28 * ——
r die Krätze
und —*— nach der onglischen!Hothode
Dr. 2m. "Yısin.
"kön. han. Hofmedicus.
2te Auflage. Gr, 8. Osnabrück 1843. Geh.
Preis 18°, "Ngr. (13 gGr.)
Diefe neue —— liefert —** wichtigen —*
wie die erſtere
in den en Ir 42, Se Kane, de ee in *
bis vier grande und ohne Nachtheil geheilt wurhen,
wie dies fr der Ball war, deshalb es wol 0 inet weiters
Empfehlung biefer cift bedarf.
"A önneokaschunzen: poychelogisch-gerichifiche He
uB 010
dein und Syphilis, " Aus dem Fisnss
mit
Anmerkungen von Dr. A. Droste. Wohlfeile "Aus-
gabe. Gr. 8. 7 Ngr. (18 g6r.)
Me ‚ Das bᷣritte der Ein
fü ing der Reformation in die Stadt Dine-
Beil, Br. 8. Geh. 15 Ngr. (12 gr.)
slüller, 5 2* Der alten Brafen von
Gr. 8. Geb. I Thu.
5 Ngr. (1 —* 8 gGr.)
Bei Benumälee & Geidel in Wien If erſchlenen:
Das Ste Geft der
ÖOestreichischen militairischen Beitschrift 1843.
anbalt biefes a peften:
L Die Schlacht bei Brienne 1. unb 3. $ebruar 1814.
mit bem — ehige Car eher . Einige 2 Worte über bie
allgemeine wedhfe a ns u ntenverficherungs:
Ankalt in Wien, vom —E des Militairs. — III. Der
idzug 1710 in Spanien und Portugal. — IV. Das Treffen
DE fat am 96. Suni Fi enge
derungen. — VI. Kartenankuͤndigung. — VI. Des Pri
Eugen von Savoyen Wirken h ben Jahren I
Beilagen (Bortfetung) Nr. 59 — 70. — VIH. Miscellen unb
Rotizen Rr. 3
Preis des Jahrgangs 1843 in 12 Heften 8 pr.
Ton J. x.
en Be —* aus in Eeiptis ik durch alle
An Aremens gemeinen Mann.
on befien Mitbärges
Begeune
Im Wuterpemeiem finb fochen eefäimen unb burd ale Bedanktungen zu Segichen: oo W8
Tohaun Eadie lav Yyrker’s
ſämmtlich
Reue durchaus verbefferte Ausgabe.
e Werke.
Drei Bünde im bekannten Taschenformat unserer sämmtlichen Classiker. “
Preis 1 Thir. 10 Ngr. (1 The. 8 gSr.), oder 2 FL 15 Me.
um ben Anlauf für Lehranftalten gu erie erleichtern, find wir bereit, bei 25 und mehr Gremplaren den Preis auf 1 Thlr.
5 Ron. (1 Spie. 4 9@r.), oder 2 Bi, zu
ermäßigen, wenn biefe Zahl auf einmal genommen wirb.
ßen Theu mehält: Qunisias. ter Theil: Rudolf von Habsburg. Iter Theil: Perlen ber heiligen Vorzeit:
Der ehrwürbige Sänger, ber in bem erſten biefer Heldengebichte die Groberung von Tunis durch Karl V. unb im zwei
ten bie Thaten Rudolf's von Habsburg in harmoniſcher Weife und Versart ungen bat, gehört zu ben ſeltenſten Dichtern
Deutſchlands wir koͤnnen ihn zu ruͤhmen nichts Neues hier ſagen, denn er iſt all
anerkannt und geprieſen.
Seine Form tft die claffiihe des Homer, bie er auf das gluͤcklichſte handh at, und weiche ſich für
unb epifche Landſchaftgemaͤlde als bie mufterhaftefte barbistet. Mit vollem Recht wird er daher ber erſte jept lebende epiſche
genannt.
In ben Perlen bes heiligen Vorzeit, bem allbelannt vortrefflichſten Werke biefer Gattung, deſſen Gtafficität in allen
Landen beutfcher Zunge, und, fo weit un cite Fe und Frömmigkeit wohnt, Iängft anerkannt iſt, befingt der Berfa
—— Auſerſtehung), Samuel (Gericht), Heine (Glaube, Eiche, Hoffnung)⸗
aftabder ( Troſt, Hingebung, Gieg
Abraham (Berbeifung), ofer (Got
erigg (Ab, unſterblichkeit)
ſſer?
erken muͤſſen wir noch , dieſe Werke faſt in alte europäifden Sprachen überfeat wurben.
Benttgert und Züßingen, im September 1843.
I. ©. Cotiaſſcher Verlag.
Reue ——— Werke.
5. Freih. v. Gross, Gerlogie esguofte nnb
Detrefactentunde, Mit An rkilvungen der
bie ——a —— — charakteriſirenden Petsefacten.
9 Xhlr., oder 3 ZI. 36 Ar.
Srieint foeben und zeichnet fi durch feine außerorbent« |
lich ſchoͤnen —— aus, —— en diefe Vinſenſchaſten
—— — Gonbbu dee Mi:
Dr. €. 5. %. Hartmann’s
neralogte. Mit viren in den Tert eingebrudten
Sohfenieen und 30 lithographirten Foliotafeln. Zwei
Bände. 7% Thir., oder 13 Fl. 57 Kr.
Diefes auf dem Standpunkte neuefter Seit ſtehende Wert
“ fett einer Reihe von Safeen m wieder ba ee er ent, volls
nobucı Dee bei guoßen
Mitteln , Apparaten und Gabineten aus — ——— — er⸗
erfrent es ſich bereits ber raͤhm —
—— —— —— — 30; Pr — *
Wiener Bufauts, 1843, Nr. 97.
£yell, Beunbfähe der Geologie, oder die
neuen Veränderungen ber Erbe und ihrer Bewohner
In Bestehungen zu geologiſchen Erläuterungen. Iſter
Band: Geſchichte und Zertfibeitte der Geologie und
Einleitung in die Wiſſenſchaft. 2 Thlr., oder 3 SL
36 Kr. — 2er Band: Veränderungen der unorganifchen
Weit, ober "die Einwirkungen des Waſſers auf bie
Geſtaltung der Erde. 2% Thle., oder 5 Fl. 6 Ar. —
3ter Band: Veraͤnderungen der organifchen Welt.
2%, Ihle., oder 4 Fl. 48 Kr. Preis aller Bände mit
— Saft 1% Thle,, 37 1 3 * 30.
auſerordentii plaus, womit dieſes en
Deiginal in England’ In Aurger Aeit eben Auflagen. eriehte
€. Cyell, Glemente der — Aus dem
Englifhen von C. Hartmann. Nebſt Atlas von
36 Tafeln. Eleg. cartonn. mit Goldſchnitt. 2°. Thlr.,
ober 4 Fl. 57 Kt.
Gartmann’s Taſchenbuch für zeifende Mi:
seralogen, Seologen, Berg: und Hhttenleute durch
die Hauptgebirge Deusfhlande und der Schweiz. Nebſt
Atlas von 14 lithograpdirten Tafeln mit illuminirten
Sebirgebuckhfchnitten und Karten. Eleg. in Wachs⸗
taffet gebunden in Soldſchnier und Futteral. 3% Thir.
ee Lobe beehrt in G Repert
it roͤßten ee ersborf's
1838, Kr. 21; geiftn De * — ae
Diem Sf, 1839, Heft 9; leſiſche Provinzialblätter, 1840,
c. 4%
(In allen Buchbandlungen zu haben.)
So wird man gefund, 2
ober genaue Auskunft uͤber das Naturhelifoften des Ye Beanz
Thiel und fein Berfahren jede chroniſche Krankheit ber Wiens
fen, infofeen fie nice ſchon durch Desorganifation
geworben iſt, ehne Mebieamente, one au klare Schwi
ohne den Gebrauch ber Sturz⸗ Voll⸗
und Wellenbaͤder, blos durch eine mn de, Ba, Kann in
swedmäßiger Being mit biätetifchen Ge auf eine
leichta Welle und nn von Grund ans heilen
—* 3. Geh. 15 Mar.
Feipzig, bei Brochhaus & Zenarin⸗
Cotton IR unlgegeben wochen
Das Koben Som...
Eine pragmatifche xſchichtsdarſtelleg
Werner Sahne end
Sr. 8. ° Elegant geheſtet. 15 Be. ’
Die des Verkes unter A krit I den in {um in ——
— a een und ihre S—— stein — 5 han ben, Gi =
neue wiſſen Peinsipien
Das aut i i le, in de ſchaftliche ruͤ du Unt enthau
md in den —— der die Durdfägrung veheiken liefert. &o ie ba de wiffäofüüße Begrlube f nie: a ernehment
In der Abſicht des Berfafſſers iſt es nur der erſte Theil einer fenden —— b for; "ganzen Dion chen Seblets
der Beiklichen ee ah gewit ber erſte Schritt zus einer neuen Begründung und winern Gehaifung ber. wankend ge
Eintertone esiguet in b
1 f ui ge te er ganzen ri
merkſam zu —
Berlin, den 22. Detober 1843.
ichen Melt, ſowie Bei den gebildeten Wekrnnern al-
wöhnlies Mu eben au erregen — erlaube ich mir hierdurch noch befonders auf:
Alexander Buucker.
. Bei C. Gerelä & Sehm, Buchhändler in Wien,
ist soeben erschienen und daselbst sowie in allen Buchhand-
lungen Deutschlands zu haben:
....®9am m lung
Formeln, Aufgaben
Beispielen
Cenlemeirle ebenen und sphärisehen
| Trigenometrie, Ä
ksseniungen anf die "Starcometito. und Pal
| ner Snrgegenen
Joseph Sa Iomon,
Sffenti, ordent). Professor der Elementar- und höhern Maihemaiik
äm k. k. polytechnischen Institute, Generalsooretair der allgeihci-
nes wechselseitigen Capitslien- und Renten- Versicherangsanstalt
in Wien, ü. 2. w.
Gr. 8: Wien 1843. Preis 2 Thlr.
”
Aus dem ber Greutg'ſchen Buchhandlung in
Wagbeturg BR. | ale Buchhandlungen zu beziehen;
Bus für die Jugend und ihre Freunde von
. Heinemann, fauber cartonnirt, Thir.
Ten Inhalt auch einzeln gar den Titeln: Das
Eichhoͤrnchen — Die Säule ber Leiden —
Der Dflegefohn, & Ye Thlr., zu haben iſt.
Wei G. Bethae in Berlin iſt erfchienen:
aphaen⸗ Schule non At on
Ein an im —A Verein zu
Bon A. Trendelenburg. Mit den Nmriſſen nah
Giorgio ee 10 Gar.
leifeger in Eeipyig ik zu haben:
Bei Friedrich
Aphorismen über die bildenden Pünfte
durch Beifpiele erläutert
— ©. Bubsianb,..
Maler,
nn .. Prüs sehifiet wu
Da eibe mit e ben in
Eye: ir r m „Kine all: Semi er * —*
von Jeruſalem.
Bei GBerhardb in Danzig tft foeben erſchlenen un in
allen Buchhandlungen zu haben
23* ke
Dr. %. Ju a Zinigtheng
über
Gr. 8. — 1 10
ke 8 gr) Thu. 10 Ser.
Einer von. Jung's Suhörern nennt biefe Vorleſ wein
, in
——ã— S das faule delſch der Zeit
Preoisherabsetzung.
Ged A] te
—R von #Ballersichen.
Bändchen. |
&. 12. are Geh. 3 The
nn erübgefekter nreiR 1, ht.
haltet neue " Yusgabe (einer Cor erid a Dee in ——
——— Buchandlum I bei 9 te ig Eef@ien, veranı
laßt mich obige er er
u sr. Werden,
Eeiprig, im Ro
Druck und Verlag von F. X. —XE in Seipzig.
Eiterariſcher Anzeigen,
1848, Nr. XXX
in Leipzig erſcheinenden EHE —— für ijterariſche
—AI
Unterhaltung” und ; BER“ vignt or ober Öeigeheftet, unb betvag
die Infertionsgebi
nn ee en m
Worifelle Ausgabe von Frederike Bremer’s nenom Roman.
Binnen AM Tagen erfcheint in meinem Veriage und wird in allen Buchhandlungen zu haben fein:
Ein Tagebuch.
Breberiee Bremer
Aus dem Schwediſchen.
Zwei heile.
Ge. 12. Geh. 20 Mgr.
Die übrigen Theille dieſer billigen Ausgabe der Schriften von Frederike Bremer:
it einer Vorrede ber Verfu
tzäblungen. —
Kleinere
Die Nachbem, Serfafferin. Vierte Kuflage.
— Ni ite A wei T — Dat ä. Oritte A Zwei T
Auflage. na. 3weite wage. Hr heile. a aus. r Auftane. Aufan. heile.
ei — Die Töchter des Yräffdenten. Dritte
Ziel Theile. e er de I Die Beni d
find fortwaͤhrend zu besh Preiſe vorn 10 Ngr. fhr ben Theil zu erhalten; die vollfländige Ausgabe in 12 Theilen koſtet 4 Thlr.
Eeipzig, am 15. November 1843,
Mei Vetedrjch Slezſcher in Leipzig iſt ericlenen:
Ges ch ichte
Öftensehgifhen. Kaiſerchums.
u) Jentel,
Doctor der RMechte und —* —— — Nathe bei dem
maͤhriſch⸗ ſchleſiſchen Appellationsgerichte.
eheftet 1 Thlr. 20 Mor.
Das oͤſterreichiſche Kaiſerthum als einer ber Bauptftaaten
von Europa muß ein Begenftand der Aufmerkſamkeit für jeden
gebilbeten Mann fein, welcher fich mit dem Stubium ber Poli:
ttE oder ber 1a chte bef ftigt und zwar beſonders in dem
jegigen — ‚in werden einerfeits die Verhandlungen des
ungariſchen es und das Hervortreten ſiab bens
gen in Metern kerreichifchen, Provinzen nette und wichtige,
ei allem Dem aber ene heinungen find, ande⸗
rerſeits aber jcoße ee Sntwidelung und bie Hoffe
nungen des —— — — Zollvereins wieber viele Öfterrekbff
—*58 beruͤhren. a Geſchichte der dfterreichifchen Mon
—E behandelt, —— — Tuffſchluffe, beſon⸗
— do Manne bargeftellt wird
19212 gehe 8 san lan mar enge ic
Gefegfammiun n bikannt iſt und Ag in feinem im Jahre 1840
zu Leipzig chienenen Werke uͤber Geſeggebung und Staats⸗
8
aͤrtigen Werke fireng wiffen: |
F. A. Brockhaus.
t Bewei {n 6 ten Barftellm
inte os eben Hat. f Die er —&& en, —*—*
norbdeu
n —— feinen Werken zu Theil wur⸗
den, buͤrgen dafuͤr, daß in dem gegenwaͤrtigen Werke nur
Butes geleiftet wurde
Bei Jules Renonuarb & Eomp. in Paris erfchien
und his dar alle Buchhandiungen des In⸗ und Auslandes zu
zieben :
ANNALES DE L’FMPRIMERIE DES ESTIENNE
0U HISTOIRE DE LA FANILLE DES BSTIENNE ET DE BES BOIFIORR,
paX A.-A. BENOUARD.
Deuzieme edition, corrigee et considerablement augmentde,
dedice à S. M. le Roi des Frangais.
1 beau vol. & 2 colonmes sur papier velm coll, avec
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ANNALES DE L’IMPRINERIE DES ALDE |
OU HISTOIRE DES FROIS MANUCE Ef DE LEURS KDIEIONR. -
PAR A-A, RENOUARD.
Troisieme edition, beaucoup augmentlde, imprimde en 1 sen '
volume in-®. à deur colonnes.
Prix: 5 Thlr. 77% Ngr.
Ra nde, Im Verlage von F. WE. Brockhaus in
RAN
Buchhandlungen gu
Gedichte
Bnitus Mosın.
Zweite vermehrte Kufiage,
&. 8. Geh. 1 Thir. 18 Mer.
Bde
bon
Kari TSyorkter.
Herausgegeben von Eubwig Lied.
Zwei Theile.
Mit dem Sildniſſe des Pi
Gr. 12. Geh. 3 Thlr,
Gedichte
yurften 3 Eynar.
Gr. 8. Geh. 1 Thir. 18 Nor.
Leben und Dichten Wolfram's von Eſchen⸗
bach, herausgegeben von San-Marte. Ifter Bd.:
Parclval, ins Hochdeutſche Übertragen; ter WBb.: Lie:
der, Wilhelm von Drange und Titurel von W. v. €.
und der jüngere Titurel von Albrecht in Überfegung
mb im Auszuge, nebſt Abhandlungen über das Leben
und Wirken W. v. E. und die Sage vom heiligen
Gral. Magdeburg in ber Creutz'ſchen Buchhand:
lung erfchlenen. Preis jeden Bandes 2'/ XThlr.
In Unterzeichnetem ift foeben erſchienen und an alle Buch:
handlungen verfanbt worden:
Biographifcher und juriftifcher
Rachlaß
von
Dr. Karl Salomo Zachariä von Lingenthal,
Derausgegeben
von deffen Sohne
Dr. 6. €. Zachariä von Lingenthal.
Gr. 8. Brofh. Preis 1 Thlr. 5 Nor. (1 The. 4 gGr.),
oder 2 51.
Inhalt: Erſte wbeheitung. Biogeap Bildes.
823. — von dem
I. Autobiographie vom Jahre 1
eber. 1) Ein Verzeichniß der Sariten bes Berflorbenen.
3) Sin von Demfelben verfaßter Dialog Über die Phrenologie. —
Zweite Abtheilung. Yuriflildes. 1.
Fe echt der Staaten bes rheiniichen Bundes. II. Über den
fire Hi entlichen Rechts und den bes Privatrechts. III. Won
ee tungögrunbe ber Rechtögewohnheiten. IV. Das
— Reät, eine Quelle des gemeinen Eatholifchen Kirchen:
rechts. V. Das Recht der Satholifchen Kirche iſt auch in dem
Binne cin beutfches ct, daß es auf ben fittlichen Zuſtand
I Zu Sehne. X. Über bie Frage: Kann ber
Über das Staates
ER:
* Pekomaiifis —— IX. e —* —* in *
Berleger
eine Zufliumung bes Ber:
faffers erben? XL. Über von Met yes Blunks, Sant:
Inngen, bie bios unflttlich find, gu befteafen.
-Gteuttgurt un * im Deteber 1868.
I. 6. Cotwiäer Werlas-
römischen Alterthümer
. nach den Quellen bearbeitet
von
Wilhelm Adolph Becker,
Professor an der Universität Leipeig.
Erster Theil,
Mit vergleichendem Plane der e der Stadt und vier andern Tafeln
Gr, 8. Broschirt. ‚Preis 3% Thlr.
Leipzig, im October 1843.
eidmann’ sche Buchhandlung.
Im Beriage Frieder. ierweg & Sohn
Brounfhweie PN focben erſchienen:
Entwicklungsgeſchichte des Kaninchen⸗Eies.
Gekroͤnte Preisſchrift,
ausgeſetzt von der phyſikaliſch - mathematiſchen Claſſe Der Ara
preufifgen Akademie der Wiffenfhaften im Jahre 1
Bom Prof. Dr. Ch. E. W. Biſcho ff in —
Mit 16 Sreintafeln Gr. 4. —— Velinpap. Geh.
Syftem der eci⸗ Eſteriden.
Don Dr. Joh. Müller und Dr. Fr. Herm. Troschel.
Mit 12 Kupfertafeln. Gr. 4. Feines Velinpap. Geh,
Preis 9 The.
Wonftändig it jest im Verlage von Brockhau⸗ 3 %ve:
*3 in sig erſchienen und durch alle Buchhandlungen
zu beziehen:
Mickiewicz (Adam),
Vorleſungen über flawifde Fiteratur
und Buftände.
Behalten im College de | France in den Jahren von
840 — 42,
Deutfe mit einer MWorrede bes ers ver
’ fehene Ausgabe. werten
In zwei heilen oder vier Abtheilungen.
Gr. 12. Geh. 5 Kehle. '
_
Bei Bunden & GumBist in Buztin:tä;imige erilimen-unb wech, alle Wudkbendiuugen gu: beziehen: .
Kegels9 hi asophie
„1 I rare Ausgũugen.
Zür Gebildete aus deſſen Berken aufantmnengefeit und mit einer Sinleitung beraudgegeben
. di —8 und er.
W 0.8, Preis 3 Ih.
stbildung zum Theile zu Refultaten gelangt, denen gegenüber fein Ber
die ufan ee das Yon ben Männern der
ie nicht. zur Sache des Stubiums machen
‚deu gegenwärtige Auszug aus Na Werten l
ben demnach ſolche Abſchnitte heraus ns denen ſich biefe am. tiefen ausſpricht
* N 4 a eine abgerundete, und für:
Die von ‚Hegel begrünbete Pñlolophle iſt bei ihrer
biſdeter mehr muͤßiger Zuſcheuer "bleiben kana. Ga iſt alfeo
Denen, welche bie Philo
Einen Beitrag hierzu
irgendwie zu erſetzen, ſondern bie ‚Herausgeber uchen
ſammenhang du blicken laſſen, anbeeee
aͤnde enthalten, die einer allgemein
—* nahıng angehören.
veitung ber Hegelfchen Anfang ( in i
villert.
in ein oͤglichſt klar *84 Auge aa
n em mögli en vor u legen.
—ã— Er —*88 keinen Anſpruch, die ———
Hegelſche BBeltanfean vor Augen zu Bi bringen, und hes
‚ und weldge einerfeits einen allgemeinen Zus
ſelbſt verftändtiche Betrachtung über Gegen⸗
Wenn fomit die Hauptabficht dieſer Schrift auf eine größere Bers
ven Grundzůgen gebt, fo ift fie auch geeignet zum tiefen Studium ber Werke bes Meis
ters felbft einzuladen und bie Zänger ber — in dieſe auf eine leichte und bequeme Art einzuführen.
Diefe Werte ſelbſt beſtehen aus folgenden. einzelnen Abtheilungen :
Philoſophiſche Abhandlungen. 3 Thir.
Phaͤnomenologie bed Geiſtes (2te Auflage), 3%, Thir.
Biſſenſchaft der Logik, drei Baͤnde (IAte Aulage). Thir.
Encyklopaͤdie ber päflofophifhen Bifenfäaften.. Ifter Band:
Die Logik (2te Auflage). 1%, Thi
Daſſelbe. Iter Band: Ratrrphilsfoppir. 3%, Thlr.
Phitofopbie des Rechtes ( 2te Auflage). 1%, Thir.
Die completen Werke (627 1/, Bogen) Eoften zum Subfcriptionspreis 39%, hir.
iloſophie ber ih (2te Auflage): Ei, Zhlr.
ee, dret B Auflage). r.
Reli n&philofe * Bände — Auflage 4%, Abir.
Grfe chte ber Hhitofophie, Ifter und 2er Fr (2te Auflage).
/ hl
ie te Auflage bes Iten Bandes beflgdet füh unter ber Preffe.)
Vermiſchte Schriften, zwei Bände. 6% The.
Philoſophiſche Propaͤdeutik. 1%, Thir.
Die Zeitſchrift:
Die Sreuzboten.
Eine Ventfhe Revue
vebiget von -
V. Aurauba.
beainnt ihren dritten Jahrgang. Mir laben das verebrliche
ZYublicum zum neuen Abönnement ein. on gröfern Auffägen
brachte ber Jahrgang 1843 unter Anderm folgende:
Beitungen unb d Aeitfehriften,
ſchen Preffe und ihre Aufgabe. — Münchens Kunft und Künfts
ler, geſchildert in zwölf Briefen. — Beſchauliche Briefe aus
Sſtreich. — Deutſche Belletriſtik im Jahre 1842 — Hiftorifche
aus Belgien. — Dramaturgiſche Streifzäge von einem
eunseutihen. — Die Sranzofen und ihre Berühmtheiten: Gui⸗
ot, Sand, Lamennais, VB. Hugo, Lamartine, Geribe
amt treffiiden Portraits). — Neue Bauftbichtungen. —
Die belgiſchen Städte und ihre Kunſtwerke. — Der Abel in
Öftreih. — ungariſche Zuſtaͤnde. — Preußifche Bors und —
ſchritte. — Irland und O'Connell. — Die * ber augs⸗
burger Allgemeinen Zeitung. — Schelling und Goethe. — Das
Haus Rothſchild und bie Süden in Deutfchland. — Aufzeichnuns
gen eines deutfchen Fluͤchtiings. — Der —æ— die
Polen. — Marie Louiſe, ein Sharakterbild. — Franzoſiſches
Theaterleben. — Deutſche Einheit. — Reiſeblaͤtter aus Hol:
land. — Der Rheiniſche Landtag und die Freiheit der Preffe.
aus der polnifchen Emigration. — Socalbilder aus Wien. —
2 lammänber und ihre Sprachlämpfe. — Sir Robert Peel. —
Dftende und feine Badegaͤfte. — Gommuniftifche Helden und
Helbinnen. — Die Deutſchen in Belgien. — Franzoͤſiſche Jour⸗
naliſtik im Sabre 1843. — Die Freimaurer in Belgien. —
Briefe von ber Eiber. — Literatur Über und aus Öftreih. —
Der König von Schweden, eine biographifche Skizze. — Frans
Zum Berftändniffe der deut⸗
zöfifches Deutſchthum. — Eine wunde Stelle unferer Literatur. —
eutfche Kriege im Frieden. — Thiers (fammt deſſen Pors
teait). — Die beiden Fürften Lichnowsky.
Das Tagebuch (Feuilleton) bringt Notizen und Kritiken
über die neueften Erſcheinungen in Politik, Literatur und Kunft,
Sorrefpondenzen aus Paris, Wien, Berlin, Leipzig, Frank⸗
furt a. M., Stuttgart, Köin, Weimar, Brüffel, Prag u. ſ. w.
Als Ertrabellage ericheint (außer den wöchentlichen
Heften der Revue) aller 14 Tage ein Heft Novellen, welche dann
am Ende eines jeben Jahres vier ſtarke Bände in gr. 8. bilden.
Die bisher erfchienenen Novellenhefte brachten febeiten von
H. Koenig, Laube, Woldemar GSeyffarth, Bert:
hold Auerbach, Baron v. Bülow, X. Weill, Guſtav
Kühne, 8. Diefenbad, H. Schiff u.X%. Borbereitet find
Novellen von Sternberg, Willkomm u. f. w
Der Xoonnementöpreiß I * 6 gone Jahr if 10 Ihle.
Daun abonnirt bei allen
ämtern.
In b
Fefzutrat u ere Bee Vie — a
Reipsig, ** Rovember 1843,
F. X. Herbig.
Im Berlage von F. A. Brockhaus in Leipzig iſt
neu erſchienen und durch alle Buchhandlungen zu erhalten:
Ein Schloss am Meer.
Roman
Levin Schücking.
Dei &heile
5 tn re MT2L 207
RN
LI77 — —R
.d
; ,: F
Schany Gottfrieh $ von Berder.
Yllustrirt durch 70
HoIxschnitite,
nach Zeichnungen von Eugen Heureuther
geſchnitten von don beſten engiifhen Hoizſchneidern:
Kyomyion, Drrein Wiwieund, Gray, Bright, —X vx.
Zweite, m nenn} Holsfänittin gezierte Anflüge.
| eine auf wei Ehe Der Preis
———— a a a
Gtuttgart und wäpingeh, im Detober 1843.
In unferm Verlage ft ſoeben erſchienen und durch alle
Buchhandlungen zu bezteden:
Sodphyrenden
Gehorn 1841 und 1042.
w. Vu.
Zwei Theile. Gr. 13. Geh. 2 Thir. 30 Rar.
Beine und Paris, im November 1843.
Brockhaus d Avenarius,
Buhhandtung für deutiche und auslaͤndiſche Literatur.
Soeben ist bei Meyer
schienen und in allen Buchbandlangen zu haben:
MONOGRAPHIEN
der Säugethiere.
Herausgegeben von
“ Dr. MH. RR. Schin®,
Prof. der Naturgeschichte und Mitglied vieler gelehrten Gesellschaften.
Mit Abbildungen much der Natur und den vorsäglichsten
3 ezeichnet von
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Gr. 4. 1 Thlr. 7% Der. A Tal. 6 gGr.), odek
| Fr
auf Schönheit als auf Wohlfeilheit kein anderes ähnliches
Unternehmen coneurrirt, werden jährlich circa 6 Lieferungen,
jede mit 6 illuminirten Kupfertafeln und Text, erscheinen.
die Lieferung za I Thlr. 7%, Ner. (1 Thir, 6 gGr.), oder
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& Zeller in Zürich er- |
— Bet, — ‚Bien, in
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öffentliden und gim Privatauterrichte.
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Profefſor am ©. k. polytechniſchen Jaſtktute.
Dritte verbeſſerte Auflage.
Gr. 8. Wien 1843. Preis 1 Thir. 20 Fer
(1 Xhle. 16 gGr.)
Im Berlage von “. Brockßaus in Eeipzi
new erſchlenen und — A zu beziehen: si
Geſammelte Novellen
von
Theodor Mügge.
Bierter Bis ſech ter Theit,
Gr. 12. Geh. 5 —
Anhalt: Eiche in alter Zeitz
_ Der geaͤhr liche
| Stoinemünde und KRügen; Jakobine; Herz und Melt; ‚88
Von diesem Werke, u — sowol in Hinsicht . &in
Medaillon; Der zum WMäd;
Das Gold der Pin 06; Bimon.
Die erfien brei Theile der gefammelten Res
vellen des beliebten Werfaffers (1842, 4 Zpir.
T5 Rar.) enthalten: Angelicas ie Emigranten ; Rofalie;
Zwei Bräutes Lebensmagie; Paul Jones; Neffe und Nichte.
Abenteuer in Holland;
Drud und VBerlag von F. U. Brodheus in Eeipzig.
en RU [‚‚ÜÜ used
Siterarifger An jeiger.
1843. Nr. XXXI.
Diefer-Literasifie Anzeiger wird den bei 8.
In allen Buchhandlungen iſt zu erhaltn:
Hiſtoriſches
A. Brochaus in Leipzig erſe
Unterhaltung” und „fie beigelegt ober beigeheftet, und betragen bie Infertionsg
ienden Zeitſchriften „Slaͤtter für titerarifce
ihren für die Zeile oder deren Raum 2%, Rer..
Taſchenbuch.
Herausgegeben von
Friedrich von Raumer.
Rene Folge.
Bünfter Jahrgang.
Gr. 12. Gartomnirt. 2 Thlr. 15 Ngr. \
Anpait: I. Der Frelherr Hans Katzianer im Tuͤrkenktieg. Won J. Soigt. — II. Die legten Zeiten des
Sohanniterordend. Bon Wifeed Beumont. —
feinem Verhaͤltniß zur pofitiven Theologie.
vorgetragen von IC. Roi
ten 1644 und 1744.
Zeopold von Braunfgweig. Bon G. W. Keßler.
III. Goethe's Mutter. Bon K. @. Yacsb. — IV. Leibnig in
Atademiſche Rede, am Leibnigifhen Gedächtnißtage den 6. Juli 1843
ee — V. Die Gründung der Univerfität Königsberg und deren Säcularfeler in den Jah⸗
Ein Beltrag zur bevorftehenden dritten Saͤcularfeier.
Von Ed. Gervais. — VI. Prinz .
Die erſte Folge des Hiſtoriſchen Taſchenbuchs beſteht aus zehn Jahrgaͤngen (1830 — 39), die im Eodenpreife
19 Thir. 20 Nor. koſten. Ich erlaffe aber ſowol den erſten bis fünften ( 1830— 34) als den ſechsten Eine
ten Jahrgang (1835—39) aufemmeng:
Reipgig, im November 1843.
Soeben ift im Verlage von F· 6. Köhler in Stutt ⸗
gart erfhienen und durch alle BWuchhandiungen zu erhalten:
Allgemeine
Geſchichte des großen Bauernhrieges.-
Nach handſchriftlichen und gedrudten Duden
don
Dr. W. Zimmermane,
Durei Bände. Größtes ‚Detauformar.: 80 Bogen flat.
Preis 4 Thir., oder 7 SI.
Mit, dem dritten Bahbe-iH:nun ein Merk beendigt, weis
os: in der Weite deutſcher jösbächer einen - dauernden
Shrenplag einnehmen wird, Gin Recenfent dußert ch barüber
nie folgt: „6 zeichnit ſich dies Geik zunächft durch viele
widtige völlig neue Ergebniffe über den Bauerntrirg
"aus, ald Refuttat — urchforſchung Fränifigee, ſchwadi⸗
ſcher rheiniſcher/ ſawelnriſcher und aiſaſſi her Archive , deren
unmittelbare Benutuͤng dem SBerfaffer geftattet war. Man
un despalb mit dollem Redgte fagen, baß,bucch die Erſchei⸗
"biefed Auellererkes über eine dey mestmüchigfen Spoden,
“ ie eutfchen Geſchichte ein ganz neues“ Alm verbzeitet" toied. —
Dbwol aus Lrfunden hervorgegangen, iſt der Stil nichts wer
niger ats troden, wie ‚denn des Werfoffers lebhafte und glän:
gende Darftelkungegabe ſich bierin wine ig. Die
niffe des Krieges werben nad} voraegegangener Ginuitang)
Pa und in ne ee — |
6 hervortreter pi finy wi em Gffect:
behandelt, daß fie hiſtoriſchen Gemälden zu vergleichen find,!
nommen für fünf Thaler, ſodäß bie ganze Folge gehn Thater
Einzeln Eoftet jeder diefer zehn Jahrgänge 1 Thlr. 10 Kar. ‚ ber erfte, dritte und vierte Jahrgang der Neue
(1840, 1842, 1843) jeder 2 Thle., der zweite (1841) 2 Thlr. 15 Mor.
Ei a ———
de
w
8
de
bi
° Gonstitntion-de-Fngleterre.-
'Meari Söuffrey!!
. In-8. Beoch, 2 Th.) °
— N
Ourrages de M. Jowffroy, gublide per ia inöme Uhrsikle:
"Science des finances, exposde theoriquement et. 1 et pratiquement,
et expliqude par’ des exemples tirds de l'histoire financiere
woderne des &tats de l’Europe. Ouvrage traduit .de
allemand de M. da Jaood. 2 vol. In-8. 184. 5 Täir.
Catöchinme de droit naturel, à Yusage des diudianfs en
droit, In-8. 1841. 4 Thir.
“| Manuel db litzerature aucienne, ou court apergu des anteurs
Snssigues de Farchöologio, de
aytbölogio et des =
des Grecs et Rom: Ouvrage tradalt‘
„Elend Ran 1842. 3 Thir.
ilosophie critique de Kant, exposte en vin, Er een.
Onvrage — de Vatlemand. Fine 8, 1842, In 'hlr,
Beamte.
Le droit: canpn ‚et sen application H P N
% Thir.
Mantel tradult do laltemand. In-
Sandwirthschaftliche Dorkeitung
‚Herausgegeben von
©, u, Pfaffenrath un Willianu Röbe.
Vierter Jahrgang. 4. 20 Ngr.
Leipzig, bei F. A. Brockhaus.
- die wöcentiich 1 1 Boge Hutünbigun
—— a at 2 Rer. ws für den Kaum einer geipaltenen
57 beſondere Senzeigen 26. gegen eine Vers
gütung von %, Thir. für das Zaufend beigelegt.
Inhalt bes Monats Detober.
orfzeitung: Das Diehierben der Schafe. — Über
die Biden! —— aftlicher Ortsvereine. — Benygung ber
Schweineborſten. — Abloͤſung bes Raeee der Fallmeiſter
von Seiten der Communen. — Flurzwang. — Sibiriſches
Heilkraut (Heracleum sibiricum). — Verſchiedenartige Ver⸗
wendung ber Kartoffeln. — Erbffnung bes Untetrichts im
ganbwirthfehaftlichen Inftitut zu Wiesbaden. — liber die Nach
theile ber Ackerraine und über ben Nuten bes Bufammentegens
der Gruudſtuͤckke. — Bu welcher Zeit fol bie Herbſtſaat beitellt
werben? — Über das Trocknen des Kleeheus. — Pflanzt
Baͤume ap! — Dofbkaftdaree. — Weintrefteen verbrennen? —
Miscellen u. ſ. wm. — Mnterhaltungeblait: Blorida
in Nordamerika. — Gruppen engliſcher Hunde. Mit einer
a u: ah rthſchaftli Bert In acfgpöningen. —
Leichenſchrift fuͤr einen —** old. — Die Bauern vor ber
fiebenten Berfammlın beutfäher Land» und Forſtwirthe in
Altenburg. — — Gin furdtbares Ungluͤck.
In Sommilften bei Jriedrich Fleiſcher in Leipzig
erſchien ganz nsu:
Oertel B. Dictionnaire Francais-
Busse redige d’apres les autorites les plus mo-
dernes. 2 Vol. complet, avec un Supplement, cont.
an. dictionnaire complet de zoologie et de botanique
en langues Te et latme. Gr. 8, St.-
Petersburg. 6 Thir
Didelop A. v. Grammatikaliſch⸗ Unterhaltungen
in der Ruffifchen Sprache. . Gr. 8. Ebendaſ. 1 The.
WDidekop TC. v. Geographie des Ruſſiſchen Reiches
nd ben neueften Quellen bearbeitet. 8. Ebendaſ.
1 Thlr.
Erſchienen iſt:
Wedell, R. von, Historisch -goographischer
Hand-Ätlas in 36 Karten nebst eriäüterndem
— Mit einem Vorwort von F. A. Pisch
In 6 Lieferungen, Quer-Imp. Pol. 2teLief. 1% Thir.
Bedarf dies ausgezeichnete und überaus praktiſche Werk,
über das mir von allen Seiten bie anezfennendflen Urtheile zu
gehen, erneuter Smpfehlung, fo mag bie
Annahme der Wedication von Sr. Maj. dem
Konige von Irrussen
fowie d
Gyr Seh Suttubminifetum der —E gt
gewiß ins Gewicht fallend fein.
Berlin, am 1. Rovember 1843,
Alerander PYuncker.
Keil S Bereit & Cohn, Bu in Wien, it
forsen erfienen “anb er —* ——
Deutſchlands gu babens
Metropol ltankirche
St.- Stephan in Wien.
Befchrieben
a 7 iſchk
ME fhifte.
Bweite, salurkunden umgearbeitete Ausgabe,
mit einer Diane vier Aupfertafeln md einem Grundrisse.
Wien 1843,
8. In Umfchlag broſchirt. Preis 1 Thlr.
Vorliegendes Wert, bas hier in allen heilen nach ben
betväbrtefien Quellen und Dxiginalurfunden von dem Berfaſſer
forgfättigft umgearbeitet und mit den neueflen Greigniffen bes
Domes und feines weltberühmten Thurmes ausgeſtattet erfcyeint,
hat den Zweck, dem Beſchauer beffelben als zuverlaͤſſiger, beich
render Wegiveifer zu bienen. Es erfheint demnach bie Bau:
und Ki ſchichte fireng abgefondert von der Befchreibung,
in weicher legtern Alles mitgetbeiit wurde, was nur immer an
alten unb neuen tmälern der Kunft und fonfligen Merkwuͤr⸗
digkeiten noch vorhanden iſt.
Soeben iſt bei uns erſchienen:
Vorleſungen
Wesen und Geschichte
Beformation.
Dr. SW. Husensam,
in Baſel.
Genster ÜIegter) Zpelı.
Auch unter dem cia
Kirhengefhiäte
18, um 19, Iatyhemderte
aus dem Standpunkte ns evangelifchen Proteſtantiemu⸗
etrachtet.
Zweiter Theil.
Gr. 8. (xzıv und 480 Seiten.) Preis 2% Thlr.
Eeripzig, den MW, Dctober 1
manche Buchhandlung.
Diograpbit
ver jungen amerikauifcden
margaretde ER Davidfen,
m Englifchen
——— Bring.
Gr. 12. Geh. 18 Nor.
Leipzig, bei 2.2.0 R. Brochaus.
In unfergelliten Anh foeben erſchienen und an alle Muchhanpiungen verfanbt worden:
‘
m 2
-
\ -
Gefammelte Werte
des Grafen
Senguft von Binten,
| Tafchenansgabe in fünf Bänden.
Gehe Lieferung vder erſter und britter and.
Mit des Usrfessee Bildniss in Stahlstich.
%
nyaLlt:
Eeſter Wand. Platen's Biographie. Lieder und Romanzen, Balladen. Vermiſchte und Gele zenheitsgebichte.
Dritter Band,
Rhampfinit. Der Thurm mit fieben Pforten.
. Bm. Platens
Geraus, und zwar zu einem Preis von
Subferiptionspreife 3 Thir. 15 Nor. (2 Thlr. 1
Die neuen Proffgeten
is erhöht 3 Thlr. 10 Nor. 3 Che. 8 ger), ber
prei * — keinen ud auf Wornusberahlung , fondern für den Gubfcribenten nur die Abnahme ber
marhen durchaus
gangen Ausgabe gur Bebingung. Aus diefem Grunde können wir weber beim Erſcheinen
einzelne Bände ablaflen.
arte auch bei bass Minderbeguͤterten ein;
15 Rot. (12 g&r.),
Gr.), oder 4 Fl.
MWathitde von Valoise. Mer glaͤſerne Pantoffel. Berengar. Der Schatz bes.
Irene um Treue. |
ubärgeen, geben wie biefe Ausgabe imı Wege bee Gubfeription
ober 4
Kr., für den Band. Das ganze Werk koſtet mithin im
* Berſendung ber letzten Eieferung eintretende Eaben
noch nach Vollendung des Werkes
Die zweite Lieferung, den zweiten, vierten und fünften Band enthaltend, wird in wenigen Mochen gleichfalls bie Preſſe
verlaflen.
Jede Buchhandlung ift von uns in ben Stand geſetzt, die Taſchenausgabe zu ben obigen Bebingungen gu liefern.
Stuttgast und Tübingen, im Dxctober 1883. .
I. ©. Eotta’fcher Verlag.
Im Verlage von F. Brockhaus in Leipzig ift
neu erſchienen und durch alle banbtungen gu erhalten:
Gedichte
von
' SIvr Uns Mofen.
Zweite vermehrte Auflage.
Gr. 8. Geh. 1 Thir 18 Ngr.
Bei Bundder 8 Humdist in Berti |
fchienen und durch alle Buchhandlungen zu — ſoeden en
Danb’s
philoſophiſche und theologifche Worlefungen,
herausgegeben von
Dh. Marheineke und Ch. W. Wittenberger.
5ter Band, Rte Abtheilung:
Oyftem ber theslogiſchen Moral.
2ter Theil, 2te Abtheilung.
Slebst einem gwiefachen Anhange der Kehren von der
Bünde und von der Natur des Bösen.
Br. 8. Gubferiptionspreis für Abnehmer des Ganzen
1’ Thle., für Abnehmer einzelner Vorleſungen 2 Thlr.
(Die Moral ze. in 8 Bänden 7 Tplr.)
Dieſer Band ber Daub'ſchen Vorleſungen enthält ben
Schluß der theologifchen Moral, empfiehlt fich aber durch bie
GSegenftänbe, welche in bemfelben behandelt werben, einem all»
Beineinen Sntereffe noch in einem höhern Grabe, als die beiben
bern Bände des Syftems der Moral. Die Sittlichkeit, wie
fie fih in der Familie, in ben verfchlebenen Staatsformen und
in der Kirche darſtellt, iſt es, was bier allfeitig exdrtert wird
und, wiewol Theil eines größeren wiſſenſchaftlichen Zuſammen⸗
hanges, fi body zu einem in fich gefchloffenen —— abrundet,
wie denn Daub mehrmals über dieſen Theil ber Moral beſon⸗
bere Vorlefungen hielt. Auch die Behanblungsweife ift geeignet,
biefem Bande Theilnahme in weitern Kreiſen zuzuwenden, ine -
dem die erwähnten praktiſchen Gegenſtaͤnde der Sittenlehre nicht
ſowol in firengen Sprache des Syſtems, als vielmehr mit
berfelben echten Popularität behandelt find, weiche der Anthros
pologie bes Verfaſſers fo zahlreiche Freunde erworben hat.
In. unterzeichnetem Verlage tft ſoeben erfchien
allen en zu baden, r " en und in
Weſen, Einrichtung und padagogiſche Bedeutung
des ſchulmäßigen Studiums
der neuern
Sprachen und Eiteraturen
die Mittel ihm aufzuhelfen.
Dr. Mager,
faͤrſiſich ſchwarzburg⸗ ſondershauſenſchem Cducationsrathe, Prof. ber
franz. Sprache und Literatur an ber Gantonsſchule in Aarau und
Mitalied vieler gelehrten Befehl
8. Broſch.
ſchaften.
In einer Zeit, wo mit Beziehung auf den Jug
18% Ngr. (15 gGr.), oder 1Fl. 9 Kr.
der Werth der alten claſſiſchen Sprachen mit demjenigen *
neuern Sprachen und Literaturen fo ernſtlich verglichen mich
dürfte obige intereffante Schrift des als Gen ode
mann allgemein geachteten Verfaſſers ganz beſonderes Intereſſe
erregen, weswegen wir uns erlauben, biefelbe nicht nur allen
Pädagogen, fonbern auch allen Erziehungé raͤthen und
Staatsmännern Überhaupt angelegentlich zu empfehlen.
Meyer & Zeller in Zuͤrich.
N
\
Freunden ber Seblrge umd b Weftigern ber —8 infonderd uud. als raſſendes Seſtae ſo⸗enr fuͤr wander⸗
Iuflige Junglinge, empfiehlt ſich das ſoeben erſchlenene Buch:
Zopograpbifche
Mittheilungen aus vom Alpengebirge
G. Studer.
Eingefügrt von Profeflor Bernhard Studer Mit einem Atlas. Auch unter dem Titel:
Die Eiswüften
und felten betretenen Hochalpen und Bergfpitzen des Cantons Bern und angrenzender Gegenden.
Nit Vignetten, nſtgt und einem Atlas von 8 großen Blättern, gemalter and ſchwarzer gehiegbansfichten und Profil.
8. Geb. in Etui. Preis 2 Thlr. 7% Ngr. (2 The, 6 gGr.), oder 3 Fl. 36 K
nBalt: Beſuch der Bebirge von Dberhasle. (1. Zriftgieticher. 8. Der Bang auf bie Gtrabied) @in Streif:
zug ae den If Vorl @letfäer nah Gaſtern. Eine Wanderung nad ben Gebirgen von Grindelwalb
und Dasle. (1. Grindelmalder Eismeer und Schwarzhorn. 2. Erſteigung des Suſtenhorns. 3. Die Steintimmi, bas Stein:
haushorn und bie Grimſel.) Befleigung einiger Bebirgehdhen und @letfer in den Hodhalpen von Bern
und Wallis. (1. Ausflug nach dem Aletſch⸗Eiſsmeer und Erſtei lgung der Jungfrau. 2. Das Äggiſchhorn am —* 3. Der
Bieſcher⸗Gletſcher und das Oberaarjoch) Beſteigung des Mahrenhornse, Engſtlenſatteli und des Titiis. — Die
mit größter Treue aufgenommenen und beigefügten Bergprofile und Gipfelausfichten find von weſentlichem Werthe für den Gebirge⸗
forſcher ſowoi als für den Raturfreund.
BSuber & Comp. in Bern.
"En vente chez Brockhaus & Avenarlusi Leipzig: | Für Sefecichel um Seil und Seihbiblistheken.
Bei S. E. Feigfge in Seipiig iſt erfchienen und
de 1a litterature francalse. in allen Buchfandlungen zu haben:
Troisieme arinde. 1843. | Joſep hine.
h main ero A feuilles. —
Fre a nd Til. == On * ci ta “ Geſchichtlich er ‚„kebensroman
raires 6 poste, oaux
A. zw Yaande te 1843 peuvent se procurer len deux 9. E. X Belani.
premieres anndes de E Eche au prix d’une Drei Bände. Brofch. Preis 4 Thir. 15 Mor.
sense, . .
Sommaire des Nos. 20 — 43. Heute wurbe ausgegeben:
Une noce dens un sidge. Par J. L. — Les enfants de ⸗ ⸗
la . Par Sir Paul Robert. — Sabine de Vill u
u Par Locise Coll. — Les aiglen — Par Arthur Eonversationg Lexikon.
Tribunauz. — In vie jons- marine, — Le een mar Par op Neunte Auflage.
— ts Adöie Hommalr
de Heil. — Impressions Ge lecture et souvenirs —— wBierundzwanzigtes Veft.
d’un inconnu, — Casanova de Beingalt. Par Old-Nick. — er Mi dieſem Bette iſt ber eirie Band
Petites plaies sociales. — Les fllusions. Par Z.... — | (Buchholz - Ossugrad) geſchloff
„Lermite de Bath. — Chevalier de la Jarretiere. — Anecdote. ı. VDieſe: neunte Auflage erfcheiht im: —* vber 120 Hef⸗
ten zu dem Preiſe von, 5 Ygr. für bad Beft in der Ausgabe
auf f Mafhinenpap; ß der Ausgabe au un reibrap.
&n der Gebauer'ſchen Buchhandlung aus Harıe if koͤſtet der Banb 2 Thir. auf Velinpap.
erſchlenen:
L F. Kacmtz, Lehrbach der Meteorologie. ie aruhen Veniligen tif 2 “ Ban
“ Ister Band. Istes Heft. Preis 25 Ngr. ( 20 .gGr.) eremplar..
Diefes als das ausführlichite und anerkannt gebiegenfte |' ntündiguagen auf ben umfelägen der tingefnen Hefte
Werk der Meteorotogie erfcheint in monatlichen Lieferungen à ‚bes, Gonverfationd: Leriton (Kuftage 25,000 , Speniptane) werden
DB Nor. Si % ©r.), deren jeder 1 Yithograpfirte Tafel beis | Her Raum einer Zeile mit AO Nor, bepedgnet. =
gegeben und in 9 Eirferungen volftändig fein wird. Nicht allein Reipsig, 3. KRovember 1843.
dem Raturforfcher, fondern jedem Gebälbeten dürfte dieſes Wert '8, |
von hoͤchſtem Intereffe fein. S. A. Brockhaus.
Drud und Verlag von F. A. Brodhaus in Leipzig.
Siterarifcher Anzeiger.
' 1845. Nr. XXXII.
Diefer Literariſche Anzeiger wird den bei PA. Brodhaus in Lei
Unterhaltung” unb „Iſta beigelegt ober beigeheftet, und betragen bie In
Bon dem in Paris erfchienenen Werke:
Manuel d’anatomie generale appliquee à la
physiologie et la pathologie p. L. Mandl.
ird inem Verlage due | eine beut
Bearbeitung vrfigeinene —— ieſſer ae deutſche
Dr. L. Mandl’s
Handbuch der allgemeinen Anatomie,
angewendet auf die Physi und Pathologie. Nebst
“einer Einleitung über den Gebrauch des Mikroskops,
Deutsehe nach dem französischen Original vom Verfas-
ser besorgte, mit vielen Zusätzen: versehene Ausgabe.
In zwei: Bänden. Mit zehn Kupfertafeln.
was id zur Vermeidung von Gollifionen hiermit anzeige.
Reipsig, am 1. November 1843.
F U. Brockhaus.
Bei under & „gumbist in Berlin hi foeben € ers
ſchienen und durch alle Buchhandlungen zu beziehen
Pie Marguife von £* vr
Roman
Sean Sharles.
Drei Bände, 8. Geh. 3 The.
In biefem Werke, das den BVerfaſſer in jener ihm von
mehren kritiſchen Organen angewiefenen, bebeutfamen Gtellung
zur neueften Literatur noch mehr befeftigen dürfte, iſt es wieder
vorzugsreife das Leben ber großen Welt von feiner Schatten⸗
feite, deſſen naturwahre Darftellung er ſich zur Aufgabe feiner
poetiſchen Wirkfamkeit gemacht bat. ine intereffante Hand⸗
Iung voll mertwärbiger Charaktere und feltfamer Gonflicte, ger
halten durch dichteriſche vein flitifiete Sprache, erhebt biefen
Roman zu einer jebem Gebildeten empfehlenswerthe Eecture.
des Biterar n Eomptsirs üs
rich * W —A iſt — et na
Der Bakobiner in Wien.
Oftreihif Memsiren
aus dem letzten en des 18, Jahrhunderts.
Zweite vermehrte uflage.
21 Bogen in Tafchenformat und engliſchem Band, . 1843.
1 Thlr. a, Nor. (1 Wir. 18-9@r.), oder 3 Fl. Rhein.
In großastigen Veltdrama ber legten funzig Jahre hat
Oſtrei id eine der dedeutendſten Mellm gefpielt. Wir
befigen jedoch von biefer Seite her noch wenig ausführlidye Dars
ſtellungen berfelben aus ambern. ats effielellen Quellen, unb die
innen. Zuftände der Monarchie während dieſer Periode find faft
ny unbeleuchtet geblieben. Die Memoiren, welche bier bem
Habt ubticum gebeten Gerden und ben Zeitraum vom Zobe Kailer
einende „Blaͤtt literari
Piiontgehlieen für bie Bee ober deren Bam 34 Re
Sofeph’s II. bis zum zweiten Kriege gegen Frankreich (1790)
umfaffen, füllen einen Theil diefer Eüde aus. Wie der Boppels
titel ondeutet, fuchen fie die Mannichfaltigkeit des gefchichtiihen
Stoffes, ber Ginheit eines poetifchen Intereſſes unterzuordnen,
indem in ihnen die Poefie als Traͤger ber Kr bient.
Was die Vermehrungen und bie Verbeſſerungen weiche
biefe zweite Auflage erfahren bat, jo find — Bath Beige
einer nochmaligen Fanftterifähen Umarbeitung bes Ganzen
einer weitern Ausführung einzelner früher —— —
abgebrochenen Partien, wodurch tie Schrift unſtreitig an kuͤnſt⸗
leriſcher Einheit gewonnen bat.
Soeben iſt bei den unterzeichneten erſchienen und in allen
Buchhandlungen zu haben:
Rethodiſcher Zeitfaden
Unterricht in Der "Ratnegefhiähte
bdihere Schranfalten
S 3 A. Eisclhers
Drofeffor der Naturgeſchichte.
Erster Theil.
Zhiertunude.
Zweite, umgearbeitete, fehr vermehrte und doch wohl:
feilere Ausgabe. 8. Broſch. 10 Ngr. (8 gr.)
Die vielen vortheilhaften Beurtheilungen, die biefem Leit
faben bis jegt zu Theil wurden, entheben uns ber Nothwendig⸗
teit winer neuen Gmpfehlung, und wir erlauben uns einzig
noch ausdruͤcklich darauf aufmerkſam zu machen, daß dieſe ſchneli
erfolgte zweite Auflage, obgleich um vier volle Bogen vermehrt,
dennoch einen niedrigern Preis erhalten hat.
Meyer 9 Zeller in Zürich.
In meinem Berlage erfchien und ift durch alle Buchhand⸗
lungen zu beziehen:
Geſchichte Europas .
feit Dem Ende des 15. Jahrhunderts
Gr. 8. Druckpap. 2 Thir. 15 Ngr., Velinpap. 5 Thlr.
Der erſte bis ſechete Band fallen o auf f Deudpapiex 17 Xhle.
28 Rgr., auf Belinpapier 35 Ihle. 25 Nor. Mit vom fpäter
erfheinenden achten Bande wird das Merk gefchloffen
Bripsig, im Rovember Mn
SF. A. I. Brachdens,
Sandwisthechafliche Morfeitung. |.
e von
®, v. Pfaffenrath und Kilftem Röbe,
Vierter Jahrgang. 4. 20 Ngr.
. Leipzig, bei P. A. Brockhaus.
Veele weker mie ken —
berechnet, DBefonbere Anzeigen 2c. gegen eine Ber:
gftung von y, Thlr. für das te beigelegt.
Anhalt des Monats November.
u orfgeitung: = Gutachten über bie Gem: und Dürsfät
ees. — Das Yuppen bes Getreides. — Anfragen
an re Löbtiche Hublkımn der Bandiwirthfchaftlichen D
— Mittel gegen das Aufbiähen bes Rindviehs. — Die
wirthſchaft der Öftlichen Schweiz. — Die häufigen Klagen über
* unregelmaͤßiges und oft zu ſpaͤtes Erſcheinen ber ——
zur Arbeit. — Verpflanzen ber Kartoffeln. — Die
aid obere). — Die Benuspung bes Kartoffelfraute u
een 3 tefendünger. — Was von ber in dem „Sewerbeblatt
tie Sachſen“ em nen milchfauern ſuͤßen Maiſche ats Fut⸗
—2 zu halten ſei. — Das Hoͤlbling'ſche Aderbaufoftem. —
Die Braunkohle und ber Torf ale * Dungmittel. —
gischen n. f. w. — Mnterhaltungsblatt: Der
Bernftein. — Boikeſagen aus dem Grindelmalbe im Ganton
Bern. — An den Mind. — Die kolumbaczer Müden im Banat.
—————— DD EEE EEE
Naturwissenschaftlicher Verlag
von
Em Meter in Leipzig,
. ehpemar, Die Revotutionen bed Meeres. Aus
dem Franzoͤſiſchen nit ziel Tafeln Abbildungen. Geh.
15 Nor
gr.
intereffanteften Erſcheiaungen im Gebiete der neuern
vuer pri —* een Raturfeeunde vielfachen
off zum Nachdenken geben wich.
, DB. E., Kurzer Abriß ber Entomologie, mit
Befonderee Kuͤckſicht auf Deutſchlands Käfer, nach dem
neuen Benennungen georbiiet. 22; Near.
Müller, Z- XNR., Verſuch eines huͤttenmaͤnniſchen 87
richtes uͤber einen ſehr vortheilbringenden Proceß, Sil⸗
ber und Blei aus ihren Lagern trocken zu ſcheiden.
Ss. 8. 2te L Xhle. 10 Nor.
über, F. A., Über Ernährung ber Pflanzen und
Statik des Landbaues in Bezug auf die gekroͤnte Preis:
fchrift des Dr. Hlubeck. 10 Mor.
Bei B. Sönig in Bonn if ſoeben eufchienens
OSaffen, Prof. Dr. Cho., Indiſche uenoumet nd·
Erſten Baubes erſte Hilfe. Br, 8. Geh. Preis i6
2 The. 15 Nor. (2 Thlr. 12 8*
ch, Dr. L., Antiquitates Virgilienae ad vi-
tam popali Romani descriptae. Gr. 8. Geh, Preis
ı Thir. 20 Ngr. (I Thir. 16 gGr.)
Mengt’, Kuten Hafael, faͤmmtliche hinterlaffene
Schriften. Gefammelt und nad den Üriginaltepten
eben von Pr. *. Schilling. Zwei Baͤnde.
Sr. 8. Geh. Preis 3 The.
ferang,
tung. |
jelen«
Wegikrelle ‚Weihnachtsgeschenke.
Wei dem Uutekzeilfniten-findıriffienek: -.
Denkmäler der Baukunst aller Zei-
ten und Länder. Von Jules Gailkabaud.
Nach Zeichnungen der an Künstler ge-
stochen vondæmaitre, ⸗ ie und Andern,
Boll Fi Ga Test von de —— Kugler
-Figeae, > d, ,
bois, A. Lenoir, G. de Pr ‚ Raouli-
Rochette, L. Vaudoyer etc. — Für eutschland
berausgegeben unter der Leitung vonDr. Franz
Mugler, Piof. in Berlin Iste bis 36ste Lie-
Gr.4. Jede Lieferang 15 Neger. (12 ed)
er ganze Wert wirb Ai 0 Di Pal — 7 F
mona we erfcheinen. co 0% er
ften eieferungen ſind in alten ——— einzuſehen.
Merculaaum und Pompejl. Vollstäu-
dige Sammlung der daselbst entdeckten Malereien,
Mosaiken und Bronzen. Gestochen von H. Rouæ ame.
Mit erklärendem Text nacı L. Barde, von Dr.
A. Kaiser und BU. ER". Sechs Bände mit
1740 Kupfen. I Cart. 42 Thke.
Bon diefem Werke A auch Grempiare in 186 Lieferun-
gen, zu 6%, Ngr. (5 gr.) jede, zu haben, und fleht es Pi
—— feei, dieſelben auf einmal, oder nach und nach ſich
anzuſchaffen.
Wei A. Jörſtner in Berli ſoeben ienen unb
in allen Buchhandlungen zu —* ai erfiiienen m
Die Tragödien des Sophokles.
Metriſch ertrasen
m. Zum; Fre ——
Gr. 8. Broſch. 7 Thir.
Saqherauetion. Im März 1844 wird durch den Um
terzeichneten bie vom verſtorbenen Herrn —— Pro
feſſor Dr. Gelenin! binterlaffene Bibliothek, fh im
Drientaliſchen uns Altteſtamentlichen auszeichnet, "pet der⸗
ſteigert. —2 find duch alle Buchhandiungen und Anti
—7x geſchaͤfte r beziehen.
HBalle, am November TB. .
3. 8. Pepe.
Reu erſchien Tocben bei I. W. Mroc9yaus N Beipzgig
und ift burd alle Buchhandlungen zu erhalten:
Wied erlaudiſche Sagen.
Geſammelt ur Baar it Anmerkungen Begleitet
außgegeben
Johaun "miete weik.
Ru einem incn Kupfer. ..
6x. 8. Geh.
Un 2 me.
20
auf San. Miheiage von
Alexander Duncher,
Föntgf. boſouchdaadler in Bertin.
+
Seäfin Ude Hahn: Hahn
neneſtfes und mit allgemeissflens Beifall aufgenommenes Werk:
Seel,
' Zwei Bände. Eleg. geh. 4 le.
—— — — —
alion. Thir. — nnerungen an Frau wei Bände. it. —
ee g —* — Die Rinder auf dem moenhberg. = 5b 'h; Sie — Der De
ei) - Reifebeich. ( Spanien.) Zwei Bände. 44 Thlr. — Ein Neiſevserſuch Oi Kar en.
1% Ehe. — Sigigmund Förſter. 1’ Thlr. — ut id ne Bände. 3% Thir.
Das wohlgetroffene Dorfenit ber Graͤfin. 7 Thle. Auf chinefifhem Papler 1 Thlr.
@manuel Geibel,
Gedichte. Spanische
Ste vermehrte Auflage. VBolkslieder und
| Eleg. geh. 1% Kür. Eteg. geh. 1% Thir.
Auguſt Kopiſch, Emma von Niendorf, Kerl un HAoltei,
a | Aus der Gegenwart. Die beſchuhte Katze.
Güg. sch. 1’ Ahle Eleg. geh. 1 Thlr. | Eieg. geh. 7% Zple.
or. Zimmermann,
Geschichte des brandenburgisch-prei -preussischen Staates.
ker. 8. Geh. 3% The. Schr dieg. — 4 Thir.
Dies intereſſante Volks gibt in anſchaulicher Darftellung die ganze Entwickelung bes Baterfanbes, und verwellt mit
ebührenden Ausführlichkeit, Bei ben weithiftorifchen Momenten und den Großthaten in der preußifchen Geſchichte. Es Eann —*
Sn an er Gewiſſen empfoͤhlen werben und wirb ber heranwachſenden Jugend namentlich ein fehr willlommenes und
el
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WEDEZLL, B. von, Historisch-geographischer Hand- Atlas
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Der nene 35 —— von A. Mit 10 Zeichnungen von Th. Hofemann und
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-
4
Eoerben haben wi an bie verchritchen Gertimentöpanblungen verfandt hie eehe site ber Vegöten Eiiferung von
Mozin’s
vortpändigem Wärterbuch
der dentfchen und franöfifsen Seraqhe, J
nach den neueſten und beſten W
über Sprache, Künſte und Pitenföaften; ;
enthaltend die Erklärung aller Wörter, die Ausſprache des ſchwierigern, eine Auswahl erläuternder Beifpiele zur
Verſtaͤndlichkeit ihrer verfchiedenen Bedeutungen, bie. hauptfächlichften finnverwandten Wörter, Spruͤchwoͤrter und
fprüchwörtlichen Redensarten beider Sprachen, die Ausdride des franzoͤſiſchen Geſetzbuchs, die Münzen, Gewichte
und Mafe der verfchledenen Staaten, ein De ber gebräudlichflen Eigennamen von Perfonen, Ländern, Sitäf:
fen ıc.
Mit Beiträgen von Guizot, Biber, Hoͤlder, Courtin und mehren andern Mitarbeitern.
Aufs neue ducchgefehen und vermehrt von Dr. A. Peſchier, Profeffor an der Univerfität Tübingen. Bier Bände.
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Jede Lieferung 1 Thlr. 174, Nor. (I Thlr. 1 gGr.), ober 1 Fl. 458
— Beobachter.
Die zweite Hälfte des fecheten Lieferung wirb noch vor Schluß des laufenden Jahres erföheinen,
Sintigart unb Tübingen im Detober 1843,
J. G. Cotta’fcher Verlag.
In unserm Verlage ist soeben erschienen:
Vollständiger Hand- Atlas
der menschlichen Anatomie.
SI N. " ass e:
Deutsch bearbeitet
Ä von
Dr. Friedrich Wilhelm Assmann.
Eirste und zweite Lieferung:
Tre, Einleitung und Taf I—X, ueber Texr S.1— 32,
8. In Umschlag eingelegt.
Das ganze Werk wird aus 20 Lieferungen bestehen,
“ deren jede fünf Kupfer der pariser Originalausgabe, nebst
einem sehr sorgfältig bearbeiteten Text enthält. Der Preis
einer Lieferung mit schwarzen Kupfern ist 11Y, Ngr.,
mit illuminirten Kupfern 17%, Ngr. Das Ganze wird
bis Ostern 1844 vollständig erschienen sein.
Leipzig, im November 1843.
Brockhaus & Avenarius.
Bei J. ©. aub in Düffeldorf ift foeben erſchie⸗
nen und in allen Buchhandlungen zu haben:
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Bon Karl NBeichfe mer.
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Umfchlag geheftet. Preis 22% Sgr.
Wladimir's Söhne.
Ein Teanestpiel in fünf Weten,
Weichselbaumer. In far
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bigem Umſchlag geheftet. Preis 20 Gar.
Der Verfaſſer, durch feine früheren dramatifchen Arbeiten
dem gebildet blicum vortheilhaft befannt, übergibt hiermit
ee Beide ee Geüdhe ind mit aleidh |
Awei neue Fruͤchte feiner Muſe
poetiſchem Talente als —— Treue gearbeitet, ſowie durch
meifterhafte Zeichnung des Gharaftere und ſchoͤne Einzelheiten
geſchmuͤckt; fie werben gewiß jebem Freunde ber bramatifchen
kiteratur eine willftommene Erſcheinung fein und bie allgemeine
Aufmerkſamkeit auf fich sehen.
Neue Romane,
im Verlage von F. . Mesdifaus in Keipsig erſchie⸗
nen und durch alle Buchhandlungen zu beziehen:
Ein Schloß am Meer.
Roman
Revin € —* Ading.
Gr. 12. * Thle.
Zwei Gräber.
’ Georg Schirges.
Sr. 12. rn 1 The. 18 Ngr.
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Yon der Berfafferin von ꝓCuementinen.
3w
&..12, Geh. 3: Fhle. 15 Rar.- :
Im Jahre 1842 erſchien ebendaſelbſt:
ü D
&. 1%. Geh. 1 ae
Piratenleben.
Seeſeenen und ‚Eheroktesfkigien.
Zwei Theile.
»
Ge. 12. :: Sch. Ar
Drud um erlag von J. X. Brodtend in Seipzig.
Eiterariſcher Anzeiger.
E 1843. Nr. XXXOL
Dieſer Literariſche Anzeiger wirb ben bei J. A. Brockhaus in Leipzig erſcheinenden Zeitfchriften „Biätter- für literariſche
Unterhaltung” und „„Ifle” beigelegt ober beigeheftet, und betragen bie Infertionsgebühren für die Belle ober deren Raum 2%, Rgr.
N —— — — — — — — — — — — — — — —— — — — ——— —— —
Eiterariſche Nachricht.
Der In Leipzig beſtehende Schillerverein dat in feiner Generalverſammlung am 9. December 1843 die
Errichtung einer.
Schillerbibliothek
deſchloſſen, die vorerft in Leipzig, und, wenn dereinft thunlich, in dem Schillerhauſe su Gohlis aufgeſtellt werben
- und RAes enthalten fol, was jemals in Beitfcheiften und Büchern von dem Dichter felbft und Über ihn und
(eine Werke gefchrieben worden iſt.
In Bolge der Im März db. J. ergangenen Auffoderung haben Buchhandlungen und Private bereit6 die nach⸗
folgende reihe Sammlung eingefmdet und damit die begruͤndete Ausficht eröffnet, daß es gelingen werde, biefe
wirklich nationale Bibliothek zu begründen. Indem wie nun das nachflehende „Vischervergeichniß” veröffent-
Sichen, bitten wir die Redactionen anderer Blaͤtter gefällig davon Notiz nehmen zu wollen und auf biefe Weile das
Ihrige zur Vervollſtaͤndigung ber Bibliothek beizutragen. . M
Ä Bücher-Berzeihni
der Schiller-Bibliothek zu Leipzig.
Angelegt im Sommer 1849.
A. Ausgaben Schiller'scher Werke. Die von Orleans. Gine romantifdje Zragöbie
von Gier. «Kalender auf Jahr 1802.) Berlin, Unger.
Ber Kenusmagen. Gedicht von Epilier. Düne Beriags: 1802. (Mit handſchriftlichen Anmerkungen von Kr. Fa v.)
ort und Jahr.
ſolel in fünf | Verfuch_über den Iufammenhang ber afur
Don Karlos, Infant 3 Spanien. Ein Trauerſpiet in fünf ai Inter en Ren j Kine Abpandlung,
Acten von Ye. von Geiler. die Bühne t er geiffigen.
bearbeitet kn Verf. Grraubgegehen von Dr. Beipreit. weiche in hoͤchſter Gegenwart &r. berzogl. Durchlaucht
_ Sambarg und Altona, Bollmer. PH — — Asbemiiten a cn
Dun € ach beffen urfprängtichem Entrourf gufammen: in der herzogl. Militatcafademie. Reue unveränberte Aufs
fie
° : 4 14 . l Wie ] W Ik DO 181 1. 8,
eif@-Hifweifhetetifigen Ginkitung. Ganove, Hetwing. 1840.12. | gr Beropte auf DaB Sape 1TBR. Gehrudt in der Bude
Dee * 4 druckerei zu Tobolsko abr
ee Bu 8. te Auſlage. 1842 We ZBerte von unb über Gier des 3. ©. Cotta ſchen
Don Carlos, Infant von panien, Bon Sr. Schiger. Berlags in allen Ausgaben und Auflagen.
B. Sammelwerke.
em, ———— — Ser Auflage. Zwei Bände. Zeitſchriften, Taſchenbücher u. f. w.
Gedichte von Gr. von Schitzer. Zwei Bände. Mit zwei | Thalia „Heratiägegeben von Geiler. Iftes bis 12te6 Heft.
E ulbigung” ber Shnfe. Gin ipeifäer Epie Mene Ehahln, Geraubenien or Geiler, Bier Binde
D ⸗ in i iel d Le) . a
ou ee. Zübingen, Cotta. 805. Fi no 8. Leipzig, Söfchen. 791 —9.
Schiterꝰs Meuterlich f mit ber weniger befannten vorlesten | Die Horen. Eine Monatsfchrift, herausgegeben von Schitler.
—— —E eulasfeier ge Schlacht bei Nürnberg Zwoͤlf Hefte in ſechs Bänden. Tübingen, Gotta. 179597. 8.
Kleinere yrofaifge Ghriften von die. von Sainer. zus diſteeiſher ner fir Damen für bad Abe 1IE:
- Da —— ee jeiof Arfammeit unk Sa Derfelbe Kalender für 1792.
. Wchifeile abe, After Thei ig, . am
8. — ter, 3ter und dter Theil. —5 — —— — 8. manch für das Jahr 1800. Herausgegeben von
eſchichte des Wfalls ber vereinten e von Schiuer. Mit Kupfern. Täubingen, Cotta. 8.
ber Paniſchen Iicng Von E47 Ghißer. Ifier | Schilter’s (und Soetheſs) Gentenzen und Tentenzibfe
und 2tex Shell. Leipzig, Cruſius. 1—18. 8. — Iter te. Als Aufgaben für Stitäbungen u. f. w. Mit einer
und dter —— — — 1800 unb 1610. (Bei ——— Pa Di Lange. Bertin, Schulze. 1842. 8.
dieſer Ausge en des Iſter Theil und des Giteee e, Meflerionen und I Ergüffe.
Aten Bandes Ifter heit.) arau unb —* a. 1831. Ki. grritse re
“
— en leide zus er
enze n Ausſpruche ꝛc.
Ci Ko von Dr: FEN Ad —— Duebtinbung
* Der — —— 228
a von 1 werfen "Berfafeen, ek geſammelt und *
von Ye, Sites. Iiſter Band. Leipzig, Cruſius.
enge
— Supplemente und ——
Gef: 8 gan
ber 63 zu art Sin,
fortgel wi von er kant Zw Bände. ee Bor
gel. 1823. 12. (Der arihe und 4te Band fehlt.)
Sefäiäte des Des n Krieges von Br. von SH:
ler, fortgefegt beeipiglährigen Rube an Briten.
Bier Bände. Ebendaſelbſt. 1823.
Bee borftepenbe Werte in Einem’ ande, Ebenbaſelbſt. 1831.
esilers ſaͤmmtliche Werke volftändig in allen Beziehungen
erflärt von Dr. Schlegel. Mit Buͤfie und Facſimile. Ate
. Leipzig, Polet.
Schiller's Werken.
. ._ Binder. —S Retter.
Nächleſe zu Pr. von Schiller's Tümintlt en Werken.
Beforgt —F Dr. Heinrich VBöoring. Bei, Webel.
U} rx. 3—
D. Uebersetzungen.
Schilleri Lyrica omnia. Latinis modis abtare tentavit
Gustav Feuerl&in. Stuttgardiae, Metzleri., 1831. 8.
(Mit dem deutfchen Text re due Seite.)
Wallensteini Oastra. no Be @. Grisinger. To-
bingae a ©. hard Ossiander. 1830. 8. (Mit deutfchem Texte.)
Campana. Latine reddita, metro archetypi ad-
jecti a Dan. P. Heine. Hameliae typis C. W. Haben vi
dose, rg interpretis. 1820.
Te. Tragedia di F. Schiller. Traduzione del
Cav. A. eat. glano pergli editeri degli aanali uni-
versali. 1835.
a Btuarda. Tragedia di F. Schiller. Traduzione del
A. Maffet. Beconda edizione riveduta dal Traduttore.
Milo. 1838. 8.
Semele e La sposa di Messina. Tra gedia di F Schil-
ter. Traduzione del Eav. A. Maffei. Milseo. 1837
soelto tradotto di Schiller. III. Don Carlo, In-
fante di Dpegnn . Poema drammatico di F. Schiller. "Tra-
duzione dei Pompeo Ferrario. Milano, Pirotta. 1819.
Mary Stuart. A trogedy from the german of. Schiller.
With other versiens of some of his best poems. By Wir
liam Peter, Esq. London, Ridgway, Piccadilly. Heidel-
berg, Winter, 1841,
Bbenda-
Wiülam Tell With notes and illustrations,
. selbst. 1839.
Digte af Friedrich von Schiller. Oversatte af Ochlenschlä-
' ger. Ingemann, Holst o. A., samlede af Frederik Schal
demose. Kjobenhavn, Salumon’s Forlag.
E. Bricte.
Geitei von & ifler's auserlefeue Briefe in deu
T81— R, —— De 6° s
“8. r vermehrte Ausgabe i e nden
Mebei. Siess. —* (Iſte Kutgabe f. "uam
er : Gllier'8, enthatten in ber Biograppe des Dr.
We B. don joven. Ruͤrnberg, Schrag. 1840. Br. 6,
F. Biographie, herein etc.
En Leben. on Buep Sawab.
—6 —— * Söilers. Aus dem €
— von ie eine imo ae.
Skizze einer Biographie und ein Wort
über —A und feiner Säriften Charakter. Leipzig, K. Tauch⸗
Schilleriana i. Leben, Charakterzuͤge, Begebenheiten und
Serie ven 58 —
Urkunden über Ei und fü Mit einem
Anhange und fünf neuen Briefen, worunter ein ungebrucdtee
Autographon. Zum Beſten bes Marbacher Denkmals geſam⸗
melt und herausgegeben von Guftav Schwab. Gtutt-
gart, Lieſching. 8.
G. Hesthetische und Kritische Schriften über
Schiller’s Werke.
in t auf griechiſ
— oͤble. — en Em. et ee
PL — nigl. ——— — in
5 8
—2* „Yen ‘©. Köcher. 5
Die Pia —E wie Soethe und Schiller daß
chickſal behandelt. En 3* nes Melt, An ber
Urania für‘ 1813, Amferbam Don Be —5 und
—— » Somptoir 12
Seite in In Fi —8 —— —
einem Regifter * aha em Brodhaus. 1837 *
.Allustrationen.
Maſftrationen ae ——— Werten. 1
Defte. — 8 Xhlographi ches * 1838, *
Or I. Moubletten.
enalmana 1800
zu 5 für
fa Dr. Nibrecht.
Die Goren. ee nen Ites Heft. u
Antike Marmorwerke
ersten Male bekannt gemacht
Erste und zweite Decade,
Folio, In Carton. 8 Thir.
„ Nnover , Pet 1
Erste Deoado. 1. Athene Agoraia. — 2. Artemis
Seteira. — 3, Doppelkopf des Zeus. — 4. Zeus Dodonasos. —
5. Zeus Jugend. 5 6. Zeus und A Ana. — T. den. —
8. Selene und Endymion. — ’s Bestattung. —
10, Des Piloten Heim Unkehr.
Zweite Dooade. 1. Hermes der Rindardjeb. — 2, Dio-
nysos Deudrites, — 3. Demeter "Thesmophoros. — 4.
der Proserpins, — 5, Bros und, Anteres, — 6. ereleager. — —
1. der —— Wü 9. Esrrhiche
serharnisch mit — en. — Kalserbargigch mit
Roma, zu deren Füssen erde und Me.
Leipaig, i im December 188.
1 ernekheun.
ru Sn Sue
| Preisherabsetzung des Pf ennig-Magazins.
T.-V. Vand (1833 — -37) zufammengenommen 5 Thlr.
VI.X. Baud (1838--42) zuſammengenommen 5 Thlr.
I.X- Band (1833 42) zuſammengenommen 10 Thlr.
@ingelne Jahrgänge 1 Thlr. 10 Ngr.
Der Jahrgang 1843, oder ber Reue Folge eriter Band, 2 Thlr.
Einer befondern Empfehlung des Pfennig: Magayins n wich es bei ber allgemeinen Verbreitung deſſelben nicht be⸗
duürfen. Die erſchienenen zehn Baͤnde enthalten einen großen Schatz von Belehrung und Unterhaltung über die ver⸗
ſchiedenſten Zweige des menſchlichen Wiſſens, und die vielen im Terte eingebruckten Holzfehmitte dienen ebenſo ſehr
zum Schmude wie zur Erläuterung des Inhalte.
Durd die vorfichende Preifermäßigung iſt den zahlreichen Be⸗
figern ber fchon früher im Preiſe herabgefegten erften fünf
Bände Gelegenheit gegeben worden, auf billige Weiſe bie
Fortſetzung zu erwerben und zugleich die Anfchaffung des ganzen werthvollen Haus: und Familienbuchs nah Moͤg⸗
lichkeit erleichtert.
Als ein hochſt paſſendes Weihnachtsgeſcheuf fuͤr die Jugend empfehle ich:
Pfennig - Magazin für Kinder.
5 Sahrg. 1834 — 38,
Herabgeſetßgter Preis 2 Ihe. 15 Nor.
und bemerke zugleich, baf von bem ebenfalls im Preiſe ermäßigten
Sonntags- Magazin.
Aational - Magazin.
3 Bände, 2 Thlr.
1 Band, . 20 Ngr.
Alle 4 Bände zuſammengenommen nur 2 Thle,
fortwährend Eremplare zu haben find.
Eeipßpzig, im December 1843,
3. A. Brockhaus.
Bei Meyer &
im allen Buchhandlungen zu haben:
Rrechiv für Schweizeriſche Geſchichte. Her-
ausgegeben auf Veranſtaltung der allgemeinen genise
forſchenden chaft der
8. Broſch. 2 Thlr., oder Fi * Kr.
Sottiuger, Dr. 3 D. (m der Geſchichte an
De —* im Züri),
Bensbratie
——— sub
in der alten Zeit, tee und
Gtaat In der neuen. Zwei akademiſche. Borlefungen.
1’, Nat. (9 gGr.), oder 48 Mr.
Sei Georg Franz in Münden iſt erſchienen:
Samregifter zu Rus Feriherru non Hormapıs
SGhronik von Gohenfhwangen
weichen & den äufern dieſes Werks gratis nadıgetiefert wurbe
noch niet empfangen haben fellte, betiabe «8 nur
bei 58 Buchhandlung zu reclamiren, von welcher das
De en Be RR Über weine bie shnftigften urthelle vov⸗
Zener in Z uͤ rich find erſchienen und | 7 empfiehlt hierbei ber Verleger jebem Geſchichtofreund
Der Preis iſt 4 — 15 Nor. (« Thlr. 12 gGr.),
oder 7 Fl. 38 K
Durch alle Guchhandlungen und Poſtaͤmter iſt zu beziehen:
ISIS. Encyklopaͤdiſche Zeitſchrift vorzüglich für
Naturgeſchichte, Anatomie und NYhyſiologie.
Bon Oken. Jahrgang 1848. Elſtes Heft.
Gr: 4. Preis des Jahrgangs von 12 Heften
mit Kupfern 8 un
x fie Blättern füs literariſche Un⸗
ieaßnitung — iſt ein
Riterarifcher Un Sngeigen
und wird darin der Haum eines gefpaltenen Seile mit 2°4 Nor.
beuechuet,. Beſondere B 2. werben ber ap
1 Ki 15 Nge. beigelegt.
eipzig, im December 1843, \
S. %. Brockhaus.
-
Im Verlage. von . WE. Brockßaus in Melpeis
ift neu erſchienen und durch alle Buchhandlungen zu erhalten:
Bwei Oriber
Bon ,
Georg Schirges.
Gr. 19. Geh. 1 Xhle. 18 Ngr.
Sn der ZHäger’ichen Buch, Papiers und Eandlartenhand« |
Iung in Frankfurt a. M. ift erſchienen und in allen Buch⸗
handlungen zu haben:
EICH
Die Mond
egenwast
@ine Nomsdie der
von
Heinrich Hoffmann.
Pteis 22 Nor. (18 gGr.)
Der Streit der GcheRing’icen und Hegel'ſchen Par
teien, der Begenfag bes materiellen Schwindeis gegen den intel:
Lectuellen in Deutfchland, iſt es vornehmlich, welchen ber Wer:
faffer Hier in einer modern Ariftophanifchen Komödie zu behan⸗
dein verfucht. bat. |
Bei Bricht. Bolckmar in Leipzig ift erfigienen und in
allen Buchhandlungen zu finden:
Geſchichte der Kreuzzüge
JO. SPORSCHIR.
Erscheint in 10 Lieferungen. Jede Lieferung ist mit einem
. geschmückt, weicher die wichtigsten Momente
bildlich darstellt. Preis einer jeden Lieferung 7, Ngr. ==
7 Kr. Rhein. — | 23 Kr. C.-M.
Erschionen sind die 1.-— 8. Lieferung. Bis Heujahr ist das
Werk vollendet.
eine von fo überwältigendem JIntereſſe wie die jener
kriegeriſchen religidfen Voͤllerwanderungen nad) bem Driente bar,
weiche in der -Gefchichte unter dem Ramen ber Kreuzzuge
fortieben. Das Land und bie Stadt, wo ber Erloͤſer gelebt
und gelitten hat, ben Händen ber Unglaͤubigen zu entreißen,
nur von diefer Idee war einige Jahrhunderte hindurch bas
chriſtliche Abendland befeelt und ergriffen. Groß und wunders
bar war dieſe Begeifterung in ihrem Gntflehen, und wunderbar
Das garıe Jahrtauſend des Mittelalters bietet doch nur |
09%
blieb fie auch in ben Xhaten, bie fie veranlaßte, In ben Wer
ken, die fie vollbrachte, in den neuen en, bie fie ſtif⸗
tete. Herr Gporſchil, deſſen hiſtorifche Arbeiten ſchon in
einem fo großem Kreiſe gekannt find, hat auch hier bewieſen,
daß er ber ſchweren Loͤſung jener Aufgabe gewachſen iſt.
CHRISTIAN KRUSE'S
ATLAS um TABELLEN
Wubefiht er — —
aller
enzopdifden Ränder und Staaten.
. I. vermehrte und verbesserte Auflage.
40 Tabellen in Folie. Miı IS iluminirten Karten. Preis 10 Chir.
Gef di chte
es
Entfiehens, des Wachsthums und del Große
J der
oͤſtreichiſchen Monardie.
SPORSCHIL.
Erscheint in 18 — 14 Lieferungen, jede 8 Bogen stark.
Preis eher jeden Lieferung 10 Ngr. == 36 Kr. Rhein. ==
30 Kr. C.-M.
Rrschienen sind die L.—5. Lieferung. Binnen Jahresfrist
. ist das Werk vollendet.
Aus dem Titel des Werkes, beffen 1. — 5. Pieferung
bereits dem Publicum vorliegen, ergibt ſich auf den erften Bid
bie hohe Aufgabe, welche ber Here Verfaſſer fich geſtellt hat,
gleichwie man aus dem Inhalte der erfchienenen Hefte erkennen
wird, daß feine Kräfte ihter Loͤſung gewachfen find.
Ein Bud) für alle Srcunds Der conftitutieuneien Werfafung
NRotteck Staatsreht ber eonftitutiounel:
len Mouardie. Ein Handbuch für Geſchaͤfts⸗
männer, fiudirende Juͤnglinge und gebildete Bürger.
2te Auflage vermehrt und verbeſſert von Kari ©.
Motte. Drei Bände. Gr. 8. Broſch. Preis 3 Thir.
18°%, M gr. . .
Die neue Auflage dieſes beweift und t feine
Brauchbarkeit. Dbiger Zitel Per den —* Veen er
lich aus, und es wäre überfiäffig von @eiten bes Veriegers
auch nur ein anpreifendes Wort da zu ſagen, wo Rotted'e
gefelerter Name an ber Spige fteht, und fomit lautes Zeugniß
gibt, was alle Freunde der conflitutionmellen Werfoffung hier
zu erwarten bevedytigt find.
Deutiche Allgemeine Zeitung,
Auf diefe in meinem Verlag unter der Rebaction des Profeffors F. Bülan erfcheinende Zeitung neh:
men alle Poſtaͤmter und Zeitungserpeditionen des In: und Auslandes Beſtellungen für das Jahr 1844 an;
diefelbe Eoftet in Sachſen vierteljährlih 2 Thlr., in Preußen 2 Thlr. 26'/ Sgr., in den uͤbrigen Staaten
aber wird ber Preis nach Maßgabe ber Entfernung von Leipzig erhöht.
Die Deutfche Allgemeine Seltung erfcheint täglich Abends in einem ganzen en in Hoch⸗4. Sie
ger aus den meiften in» und außereuropdifchen Staaten, jeboch mit befonberer Rü
Mit auf Deutſchland,
und
riginal= Gorrefpondenzen und ergänzt biefe aus ben beften und en Organen des In⸗ und Aus-
landed. Auch verfolgt fie neben ber Politik ebenfo die Be
Handels und der Induſtrie.
ber Literatur und Wiffenfchaft, forwie in dem des
Anungen im Gebiete der Kunft,
Juſerate aller Art finden. in der Deutfchen' Allgemeinen Zeitung bie weitelle Verbreitung, und wirb
der Raum einer Zeile mit 2 Ngr. berechnet.
Eeipzig, im December 1843.
3. A. Brodbaus.
Druck und Berlag. von FJ. X. Brocdaus in, Leipzig.
@iterarifger Anzeiger.
1843. Nr. XXXIV.
Diefer eiterarifihe Anzeiger wird ben bei 9. A
Unterhaltung” u
Brodhaus in Leipzig ef
enden Zeitſchriften „Blätter für —
nd „Iſta⸗⸗ beigelegt ober beigebeftet, und betragen bie Infertionsgebühren für die Zeile ober deren Raum 2Y/,
Bei mir ift erfhienen und in allen Buchhandlungen zu
ten: .
Das Klärchen
geftiefelten Kater,
in den Bearbeitungen von
Straparola, Basile, Perrauli ı Perrault und Ladwig Tieck.
Mit zwölf Kadir Radirungen
von Dftto o &pedter.
Kl. 8. Gartonnirt. 3 Thlr.
Durch bie geiſtrei Radi Speckter's erhaͤlt dieſe
ehrt De —e—n — —— zugleich
ches Intereſſe. Auf eine ſchoͤne typographiſche Aus⸗
— iſt große Sorgfalt verwendet worden und es duͤrfte
dieſelbe hiernach vorzugsweiſe zu Geſchenken ſich eignen.
Reipsig, Im December 1843.
3. U. Brockhaus.
meinem Verlage find foerben erfchienen und in allen
Buchhandlungen zu haben:
deutſche Neötfüreibung.
dan dbud
Cehrer und zum Zelbetgebrauche
8.8. Yang
Oberlehrer am — zu Dietefeib,
®r 8. Gh. 1 The. 10 Sor (1 Thlr. 8 gGr.)
Die Regeln
der
Deutschen uni
Ein Leitfaden,
für Schüler beſtimmt,
x» Fünget,
Dberlchrer am Gymnafltum gu Wielefelb.
-8 In ſteifem Umſchlag geheftet. 5 Sgr. (4 gr.)
Beide Buͤcher zuſammen gewähren nicht nur für den unter⸗
ech eine, — Aushülfe, ſondern das größere wird auch
leute Ieber Art — befonbers durch fein ausführ:
fer von 4—5000 Wörtern — ein erwünfchter Bes
m Te * eine oft get geräbtte Luͤcke ausfüllen. Man
Ile ſich übrigens bei dem erke nicht etwa eine Ans
Teltung zur eechtſchreibung En ee bhntiden Sinne bens
tens vielmehr wirb man, bei näherer Anſicht, das günflige Ur⸗
heil Sachverſtaͤndiger, "dem zufolge „feit langer Zeit
ein fo gutes und gebdiegenes Bert über deutſche
Sprache erfhienen”, beftätigt finde
Münfter, im November 1843, '
Friedr. Regensberg.
Physikalische Geographie und Geologie.
Im Berlage ber Buchhandlung vi von J. Balp in Bern
ift erfchienen und durch alle Buchhandlungen der Schweiz und
lands zu beziehen:
Leh bug
physikalischen Geographie und Geologie
- B. Studer, - "
Dr. und Srofeffor in "Sem.
Erſter Theil , enthaltend: Die Die ‚Eve im Berhältnig zur
chwe
Mit Abritdrngen und Lihsgaphirten Cafeln.
Preis 5 FI. 12 Kr.
Dem 1837 x ienenen Lehrbuch der mathematifchen Geo»
graphie fol f I ad ber phyfitalifchen nad ähnlichem Plane.
Beide f er Phyſik an, die
einen —* feſthalten, der ſich zwiſchen (der Kenntniß)
der hoͤhern Mathematik und dem einer populairen Behandlung
bewegt. Die Vorrede zum Werke ſelbſt wird die Freunde
ließen fich num denjenigen
| einer felbftändigen organ neuen Geftaltung des Stoffes auf
den Ri ig richtigen St
ndpunft der Beurtheilung in Form
und Inhalt hinleiten.
En vente chez Brockhaus & Avenarlusä Leipzig:
de la litterature francalse. .
Troisieme annıde. 1843.
sh an Y ge Er er tous les m
l’anneo 1843 parat se —— les deux
—— er ea — ‘er 1 Echo au prix d’une
Sommaire des Nos. 24—47. _-
Nany Schinkel. Par André Deirieu. — Franciscus
Columna. Par Ch. Modier. — Les gastronomes sous
le Consulat et l’Empire. Par Le seorötalre on
preuve des calmans, Par Le Guevel
Lacombe, - — Magiciens — te. ——
— Biographie des I rose vDn. — Le cars
Chambard, Par Alexandre —— — Un auteur dra-
matique. — Un diner à Saint-Domingue. Par
EM. — Petites pialcs nociales. — Tribunaus. -
7
Das
Durch alle Buchhandlungen und Poſtaͤmter iſt gu beziehen
nig Magazin
für Belehrung und Unterhaltung.
0 Mus Solge. Erster Jchegeng.
1848. MNopember,
Inhalt:
*Der Heilige Michael. — Die Vendetta. — Aus Lapp⸗
tand. — Schreckensnacht. — * Rettungsmittel von Schiffs
brädigen. — Zur Geſchichte der Blasmalerei. — Die große
Waflerleitung nach Neuyork. — Gin Uunglüd zur Ger. — Die
Gröffnung der Rheinifch» Belgifhen Gifenbapn. — * Die
chiſche Rice. — Das Lynchgeſez. — Die Verſuchung des
— * Schloß enſtein. — Der Kleiderluxus. — Die
Blut aus dem Gefaͤngniſſe. —
und ber
Mr 4 — AN.
Die Zigeuner. — Rapolson
Savoyarde. — Die Bultansgräber in Konftantinepel. —
‚ * Die Vereinigten Staaten von Norbamerila. — Cine Liebe iſt
der andern werth. — Die Zagb auf bie Kaimans. — * Birafs
fen und XAntilopen mit ihren nubifchen Waͤchtern. — Was ein
Menſch ertragen Tann. — Die parifer koͤſchmannſchaft. — Der
Zempel zu Ramiferam. — Beleuchtung der Schiffe auf bem
Meere. — Jobſt Sackmann und der falfche König. — * Paske⸗
witſch. — Das Bottesurtheil. — Die Gewinnung bes Acajou:
‘
LT. Band (1833-3
YL-Z,Banb (1837
ahagoniholzes in . — Die ſchuͤgenden Talismane Kon
fkantinopels. — Gin greilee Moͤrder. — *Der Stubent unb
der Büchertröbler. — * Der Delphin. — Aus dem Leben Zub:
wig Philipp’s, Königs der Franzofen. I. — Die. Seemanns⸗
probe. — Aus der Chronik des Monats October. — Mouffi-
rende Mainweine·— en.
Die mit * begeiäneten Aufſaͤtze enthalten
eis des Jahrgangs von 52 Nummern 2 Thlr. An⸗
Fin gungen werden mit 5 Nor. für den Raum .einer
defpaltenen Zelle berechnet, Befondere Auzeigen ze. gegen
Vergütung von ?/, Thlr. für das Tauſend beigelegt.
Die aus 10 ĩ end I
un Be Een eg
L--X.2Saud (1833-42) zufammengenommen 10 hir.
zufammengenommen 5 Thic.
Imuſammengenommen 6 Thlr.
eine Jahrgänge 1 Thir. 10 Ngr.
Zu ermäßigten Preiſen find fortwährend zu beziehen
Pimmig - Fila azin für Kinder. Fuͤnf Bände,
j . r
National - Magazin. Ein Band. 20 Nor.
Sonntags Flagazin. Drei Bände. 2 Thlr.
Die legtern beiden Werke sufammengenommen nur 8 Able.
Meiysis, im December 188.
$: RL, Brockhaus.
’
t voAffaudi
iſt bei oe IR rd art erſchienen $ in Drud u. Papier
vorzüglih ausgeflattete Broßoctavaugsgabe von:
eine ober mebre Abbilbungen.
er.
15 Bande. Er. 8. Geh. Subferiptionspreis 18 Thlr.,
ober 38 Fl. 15 &.
Wie Torben verfandten Bände 14 und 25 geben Bulwer's
neueften Roman, den „Legten ber Barone”, und es enthält
- vo en find,
De nahe d
LS
ehr dieſe a et ſchoͤne e ſammtliche 14
dire Romane ER —* Bender, de om Bafioer
vol % und liegt ſetzt wellendet vor.
hn es ganzen Werks bleibt ber Subſcriptionspreis
noch einige Zeit offen, einzelne Romane aber werden nur zu "
19, Thlr., oder 2 FL. 20 Kr. per Band abgegeben.
zur Aluſtration dieſer Ausgabe im
1-geigen — dem Kitel:
Balerie zu Wulwer’s Romanen
funfzehn vorzügliche Stahlſtiche, welche je eine Scene
aus jebem der 14.9 omäane n "dern Mühe ulm
darftellen, und. nur 1% Ihlr., oder 3 Bi. Bu Aitei.
ef
6 R 8 — 2 ⸗ .
allen Buchhandlungen Deut lands, — ——
In der T. Tonutweinſchen and kalien⸗
Haren * @uttentsg) —* if —— —
en:
Moriarty, E. RN., Leben und Wirken O'Connell's,
mif deſſen Denkſchrift an die Königin von England.
Mit einem Portrait. Gr. 8. Geh. 1 Thkr.
Frauke, J. F. (Dr. Hauthal), Chriftophorus.
Mit einer ODriginallithographie vom Prof. Begas.
4. Cart. 1 Thlr. 15 Nor. (1 Tu. 12 gGr.)
Fruͤher erſchien dafelbft in Gommiffion:
wei Briefe eines Pietiſten an einen Rationgliften,
nebft Eritifchen Anmerkungen, herausgegeben von einem
modernen Philofophen. Gr. 8. Geh. 7, Nagr. (6 gr.)
Soeben ift nun von ſftändig erfchienen:
KMirchhofer, Joh., Quellensammlung zur Ge-
schichte des neutestamentlichen Kanons bis auf
Hieronymus, herausgegeben und mit Anmerkungen
vorsüglich für 4 Tale, 29% N Th * 33 Be-
gen. Brosch. . , Ner. (2 .18 gGr.
oder 4 Fl. 48 Kr. ( g6r.),
Diefes Werk tft bereits von mehren theologiſchen Beitfchrif:
ten beider GSonfeffionen als für Katholiten wie Proteflar:
ten intereffant und nuͤtzlich ſehr empfohlen worben.
Meyer & Zeller in Zürich.
Preisherabsetzung.
Gedichte
von
Hoffmann von Fallersdeben.
Zwei Bändchen
Sr. 19. 1834. Geh. 3 Thir.
Herabgelehter Mreis 1 Thlr.
Die von dem Dichter im Einverſtaͤndniß mit mie veran-
flaitete neue Ausgabe "feiner Gedichte, welche im Berlage ber
Weidmann’fhen MWuchhanblung in Leipzig exfihien, veran-
laßt mich obige — a fe hexabzufegen.
Eeinzig, im December
I. Srockhaus.
—X
Ba dveageſcheut⸗un.
In Unterzeichnetem ‚ind fpeben erfchienen und durch alle Buchhandlungen zu beziehen:
Ein Traue
nont.
ſpiel in fuͤnf Aufzuͤgen
Goethe.
Elegante Ausgabe in engliſchem Einhanbe mit Goldſcnitt und einem Gtapifkic.
Preis 26% Nor. (21 gGr.), oder L RL. 24 Kr.
Seite
Augu von Platen. a
Elegante Ausgabe in |
eganie Ausgabe englifcem
nbande mit Goldſchnitt und einem Stahlſtich.
2 Thlr., oder 3 Fl. 30 Kr.
Diefe huͤbſchen Ausgaben reiben ſich an bie in gleichem Format und gleicher -Ausftattung bereits
chienenen Editionen
von Goethes Fauſt, Hermann und Dorothea, Schiller's Tel, Wallenftein und den. Gedichten von Goethe, Schiller, Lenau,
Uhland, Freiligrath, Hölderlin.
Srtretgart und Tübingen, im November 1843.
J. ©. Cotta’fcher Berlag.
Neu erfheint in meinem Verlage und iſt durch alle Buchs
hanblungen zu erhalten: u
Die
Butifpiele des Ariftophanes.
Überfegt und erläutert
.wT
Hieronymus Miller.
In drei Banden.
| Geder Band.
Gr. 8. Geh. 1 Zhle. 24 Mer.
Diefer erſte Band einer neuen Üüberfegung des Ariſtophanes⸗
bie ih Geltung neben Voß und Oroyſen zu ſichern wiffen
FE Ne
Dramas, lntse“‘, „Hösoien‘ und „Neöfcher.
Reipgig, im December 1843.
F. A. Brockhaus.
Bei Beprg Franz in München ift erfchieneh und
durch alle —— — beziehen:
Maltig, Freiherr —— Bon, Drama⸗
tiſche Einfaäͤlle. ter Band. Enthaltend: 1) Der
Nachlaß. — 2) Friederike und Gretchen. — 3) Sprung
und Ruf. — 4) Zaube, Rabe und Geift. 8. Broſch.
1 Shlr. 10. Ngr. (1 Thlr. 8.9@r.), oder 2 Fl.
Der früher erfchiegene und wit vielem Beifall aufgenom:
mene Ifte Band enthielt: 1) Der Korb und bie Portraits. —
2) Der Diäter und das Maͤdchen. — 3) Die beiden Phi:
Ioktete ober Die beiben Wifitenfarten. — 4) Des häuslichen
Swiftes Jahrestag. — 5) Silentium. — 6) Mignon. —
7) Der Boiſchafter und der Courrier. — 8) Dampfmafchine
und Ehrenwort.
In unserm Verlage erschien soeben und ist in allen
Buchhandlungen zu erhalten: .
Die
Einführung der Reformation
im Hiochstifte Merseburg,
össtentheils
nach handschriflichen Quellen dargestellt
Als. Fraustadt.
Gr. 8. Geheftet. 1% Thlr.
Diese Schrift ist keigeswegs von blos localem Interesse,
da die genauere Darstellung der einschlagenden Verhältnisse
als ein wichtiger Beitrag zu der Geschichte der sächsischen
Reformation und des deutschen Reiches in jener Zeit an-
gesehen werden darf.
Leipzig, im November 1843. |
Friedlein & Hirſch.
In unſerm Verlage iſt ſoeben erſchienen und durch alle
Buchhandlungen zu beziehen:
Beife eines Norddentſchen
durch die
Boch pyrenaäen
VJahren ‚1 ud 1812,
on
Mn R. .
Bwei Theile: Gr. 12. Geh. 2 The. 20 Rgr.
Eelprig und Paris, im December 1843,
Brockhaus. A
Buchhandlung für dentſche und ausiänbifcke Gitsratur.
x
Der nenne Pitaval.
Cine Sammlung der intereffanteften Criminalgeſchich⸗
ten aller Länder aus älterer und neuerer Zeit.
Herausgegeben von
Dr. 3. €. Hitzig und Dr. W. Häring (W. Alexis).
Erſter Bis vierter Theil. |
Gr. 13. Seh. 7 Thlir. 24 Nor.
Inhalt bes erften Theile (Preis 1 Chir. 34 Wgr.):
Karl Ludwig Sand. — Die Ermordung bes Fualbes. —
Das Haus der Frau Web. — Die Srmorbung bes Pater Tho⸗
mas in Damastus. — James Bind, ber royaliſtiſche Straßen⸗
zäuber. — Die Mörder als Reiſegeſellſchaft. — Donna Maria
Bicenta de Mendieta. — Die Frau bes Parlamentsrath Tiquet. —
Der falfche Martin Guerre. — Die vergifteten Mohrrüben.
Anhalt des zweiten Theils (Preis 2 The):
ont und Hamacher. — Die Darquife von Brinvillier. —
Die Geheimräthin Urfinus. — Anna Margaretha Zwanziger. —
Gele Margaretha Gottfried. — Der Wirthſchaftsſchreiber Tar⸗
now. — Die Mörbderinnen einer e. — Die beiben Nuͤrn⸗
bergerinnen. — Die Marquiſe de Gange.
Anhalt des britten Theile (Preis 2 Chlr.):
Struenfee. — Leſurques. — Der Schwarzmäller. — Der
Marquis von Anglade. — Jacques Lebrun. — Der Mord des
Lord William Ruſſell. — Nidel Liſt und feine Gefellen. —
Berthelemy Roberts unb feine Flibuſtier.
Inhalt des vierten Theils (Preis 2 Ehir.):
Singmars. — Abmiral Byng. — Der Pfarrer Riem:
bauer. — Der Wagifter Zinius. — Eugen Aram. — Der
Maͤdchenſchlaͤchter. — Die Sindesmörberin und die Scharfrich⸗
terin. — Sean Calas. — Jonathan Brabfort. — Der Biegel:
brenner als Mörder. — Der Herr von Pivardiere. — Klara
Wendel, oder der Schuitheiß Keller'ſche Mord in Luzern.
Eeipzig, im December 1843.
$. @. Brockhaus.
Im Verlage des Unterzeichneten ift erſchienen und“ durch
alle Buchhandlungen zu beziehen:
| Haundbunch
claffifhden Mythologie
nach genetifchen Grundfägen |
für höhere Lehranflalten und zum Selbſtſtudium entworfen
von
Dr. Gufi. Emil Surkhardt,
Rector in Lügen. |
Erſte Abtheilung: „Sriehifhe Mythologie.”
Erfter Band.
Auch unter dem Zitel:
Die Mythologie des Homer und Heſiod
für mittlere Symnafialclaffen
Zzugleich als
Somerifhe @inleitung.
Gr. 3. Preis 1 Thlr. 22 ANgr. (1 Thlr. 18 gGr.)
. Mater ben mannichfacden Hülfsmitteln, welche ber ſtudi⸗
xenden Sugend bei der Lecture ber alten Clafſiker geboten wer:
den, fehlte es bis jegt noch an einem Handbuche, welches bas
wirre Gebiet der griechifchen und roͤmiſchen Mythologie, deren
Studium auf Gelehrtenfchulen meift dem Privatfleiß überlaffen
7
“
bleibt, in feiner allmäligen Entwidelung Mar vor
Augen führte. Mit ben erften Quellen (Homer und Hefiod)
beginnend, wird ber Herr. er im zweiten Bande
bie weitere Ausbildung der griechiſchen Mythologie unter ſteter
Hinweifung auf bie Schriftſteller jeder Periode entwideln,: und
endlich in einem dritten und legten Bande die altita
liſche fowie die fpätere roͤmiſche Dichter --und Staatsmythologie
umfafien. — Wir machen Gchulvorfteber und jeden Freund
bes fen Alterthums auf den erichienenen erften Band
aufmerkfam, deſſen Brauchbarkeit überdies noch durch umfaf-
fende alphabetifhe Regifter vermehrt ift. .
Einige Worte
über das Verhaltniß
Kunſt krank zu fein jur Kunſt geſund
30 fein,
Bon
Karl Sultan Carus,
Hof⸗ und Mebicinalrath, —— S. M. des Könige von Sachſen,
tter ac.
Gr. 8. Preis 11. Nor. (9 gGr.)
Eeipzig, im December 1843.
Anguſt Weichardt.
Mignet!
alle Buchhandlungen zu beziehen: zis erſch ſ buch
Miguet, * A., Hiſtoriſche Schriften
und Abhandlungen. Aus dem Franzoͤſiſchen
überfegt von 3. I. Stols. |
Zwei Theile. Gr. 8. Broſch. 3% Thlr.
‚Dies Berk des berühmten Hiftorifers zerfällt in zwei
heile, wovon der erfte acht Biographien ausgezeichneter Män-
ner enthält, die fih in der neuern Gefchichte ald Staatsmaͤn⸗
ner oder Gelehrte berühmt und verdient machten. Der zweite
Band enthält drei hoͤ FR wichtige eben fo geiſtvoll aufgefaßte
als Plar dargeftelte Abſchnitte aus der europaͤiſchen Eultur
und Staatsgeſchichte. Germanien im 8. und 9. Jahrhumdert,
feine Belehrung zum Chriſtenthum u. [ w. Serritorial= und
politifhe Bildung Frankreichs vom Tl. bis 15. Jahrhundert.
Einleitung in die Gefchichte der fpanifchen Erbfolge. >
Die geachtetften ausländifchen und deutſchen Blätter haben
— ziert Figeete als a eos arbeit anerfannt. Die
arftelung ift-gediegen, einfach, gedraͤn ar, die hiftori
ibm de eines Mannes von — * Berftande un Mönchen
uge.
Im Berlage von F. X. Brockhaus in Beipzig
iſt neu erſchienen und durch alle Buchhandlungen zu erhalten:
Jenny.
Don der Verfasserin von „Clementine“.
Zwei Theue.
Sr. 12. Geh. 3 Thlr. 15 Mor.
Im Jahre 1842 erſchien ebendaſelbſt:
Clementine.
Gr. 12. Geh. 1 Thlir.
Su
Driud und WBerlag von J. U. Broddaus in Leipzig.
424
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