Skip to main content

Full text of "Blätter für literarische Unterhaltung"

See other formats


Google 


This is a digital copy of a book that was preserved for generations on library shelves before it was carefully scanned by Google as part of a project 
to make the world’s books discoverable online. 

It has survived long enough for the copyright to expire and the book to enter the public domain. A public domain book is one that was never subject 
to copyright or whose legal copyright term has expired. Whether a book is in the public domain may vary country to country. Public domain books 
are our gateways to {he past, representing a wealth of history, culture and knowledge that’s often difficult to discover. 


Marks, notations and other marginalia present in the original volume will appear in this file - a reminder of this book’s long journey from the 
publisher to a library and finally to you. 


Usage guidelines 
Google is proud to partner with libraries to digitize public domain materials and make them widely accessible. Public domain books belong to the 


public and we are merely their custodians. Nevertheless, this work is expensive, so in order to keep providing this resource, we have taken steps to 
prevent abuse by commercial parties, including placing technical restrictions on automated querying. 





‘We also ask that you: 


+ Make non-commercial use of the files We designed Google Book Search for use by individual 
personal, non-commercial purposes. 





and we request that you use these files for 


+ Refrain from automated querying Do not send automated queries of any sort to Google’s system: If you are conducting research on machine 
translation, optical character recognition or other areas where access to a large amount of text is helpful, please contact us. We encourage the 
use of public domain materials for these purposes and may be able to help. 


+ Maintain attribution The Google “watermark” you see on each file is essential for informing people about this project and helping them find 
additional materials through Google Book Search. Please do not remove it. 


+ Keep it legal Whatever your use, remember that you are responsible for ensuring that what you are doing is legal. Do not assume that just 
because we believe a book is in the public domain for users in the United States, that the work is also in the public domain for users in other 
countries. Whether a book is still in copyright varies from country to country, and we can’t offer guidance on whether any specific use of 
any specific book is allowed. Please do not assume that a book’s appearance in Google Book Search means it can be used in any manner 
anywhere in the world. Copyright infringement liability can be quite severe. 






About Google Book Search 


Google’s mission is to organize the world’s information and to make it universally accessible and useful. Google Book Search helps readers 
discover the world’s books while helping authors and publishers reach new audiences. You can search through the full text of this book on the web 
alkttp: /7sooks. google. com/] 














Google 


Über dieses Buch 


Dies ist ein digitales Exemplar eines Buches, das seit Generationen in den Regalen der Bibliotheken aufbewahrt wurde, bevor es von Google im 
Rahmen eines Projekts, mit dem die Bücher dieser Welt online verfügbar gemacht werden sollen, sorgfältig gescannt wurde. 

Das Buch hat das Urheberrecht überdauert und kann nun öffentlich zugänglich gemacht werden. Ein öffentlich zugängliches Buch ist ein Buch, 
das niemals Urheberrechten unterlag oder bei dem die Schutzfrist des Urheberrechts abgelaufen ist. Ob ein Buch öffentlich zugänglich ist, kann 
von Land zu Land unterschiedlich sein. Öffentlich zugängliche Bücher sind unser Tor zur Vergangenheit und stellen ein geschichtliches, kulturelles 
und wissenschaftliches Vermögen dar, das häufig nur schwierig zu entdecken ist. 

Gebrauchsspuren, Anmerkungen und andere Randbemerkungen, die im Originalband enthalten sind, finden sich auch in dieser Datei — eine Erin- 
nerung an die lange Reise, die das Buch vom Verleger zu einer Bibliothek und weiter zu Ihnen hinter sich gebracht hat. 


Nutzungsrichtlinien 


Google ist stolz, mit Bibliotheken in partnerschaftlicher Zusammenarbeit öffentlich zugängliches Material zu digitalisieren und einer breiten Masse 
zugänglich zu machen. Öffentlich zugängliche Bücher gehören der Öffentlichkeit, und wir sind nur ihre Hüter. Nichtsdestotrotz ist diese 
Arbeit kostspielig. Um diese Ressource weiterhin zur Verfügung stellen zu können, haben wir Schritte unternommen, um den Missbrauch durch 
kommerzielle Parteien zu verhindern. Dazu gehören technische Einschränkungen für automatisierte Abfragen. 

Wir bitten Sie um Einhaltung folgender Richtlinien: 


+ Nutzung der Dateien zu nichtkommerziellen Zwecken Wir haben Google Buchsuche für Endanwender konzipiert und möchten, dass Sie diese 
Dateien nur für persönliche, nichtkommerzielle Zwecke verwenden. 


+ Keine automatisierten Abfragen Senden Sie keine automatisierten Abfragen irgendwelcher Art an das Google-System. Wenn Sie Recherchen 
über maschinelle Übersetzung, optische Zeichenerkennung oder andere Bereiche durchführen, in denen der Zugang zu Text in großen Mengen 
nützlich ist, wenden Sie sich bitte an uns. Wir fördern die Nutzung des öffentlich zugänglichen Materials für diese Zwecke und können Ihnen 
unter Umständen helfen. 





+ Beibehaltung von Google-Markenelementen Das "Wasserzeichen" von Google, das Sie in jeder Datei finden, ist wichtig zur Information über 
dieses Projekt und hilft den Anwendern weiteres Material über Google Buchsuche zu finden. Bitte entfernen Sie das Wasserzeichen nicht. 


+ Bewegen Sie sich innerhalb der Legalität Unabhängig von Ihrem Verwendungszweck müssen Sie sich Ihrer Verantwortung bewusst sein, 
sicherzustellen, dass Ihre Nutzung legal ist. Gehen Sie nicht davon aus, dass ein Buch, das nach unserem Dafürhalten für Nutzer in den USA 
öffentlich zugänglich ist, auch für Nutzer in anderen Ländern öffentlich zugänglich ist. Ob ein Buch noch dem Urheberrecht unterliegt, ist 
von Land zu Land verschieden. Wir können keine Beratung leisten, ob eine bestimmte Nutzung eines bestimmten Buches gesetzlich zulässig 
ist. Gehen Sie nicht davon aus, dass das Erscheinen eines Buchs in Google Buchsuche bedeutet, dass es in jeder Form und überall auf der 
Welt verwendet werden kann. Eine Urheberrechtsverletzung kann schwerwiegende Folgen haben. 





Über Google Buchsuche 


Das Ziel von Google besteht darin, die weltweiten Informationen zu organisieren und allgemein nutzbar und zugänglich zu machen. Google 
Buchsuche hilft Lesern dabei, die Bücher dieser Welt zu entdecken, und unterstützt Autoren und Verleger dabei, neue Zielgruppen zu erreichen. 
Den gesamten Buchtext können Sie im Internet unter|'http: //books .google.comldurchsuchen. 
































Blätter für literarische Unterhaltung. 


Vahrgaung 1943, 


Zweiter Band. 








* 
3 3 
\ 
° 
a 
® h 
1 
6 "> 
.‘. “ 
m" , 
4” 
4 . 
® 
. . 
% x” 
[ ‘ ‘ 
"> 
’ v 
* 9 
. 
% 
77 . . 
’ 
y 
2 ' 
3 
® 
« 
»,.» 
, . 
. ⸗ > 
“ 
. {7 


— Blätter 


für 


literarische Unterhaltung. 


Vahrganug 18413. 


Zweiter Sim. 


Juli 58 Deääben 


(Enthaltend: Nr. 182— 365, Beilage Nr. 2, Literarifche Anzeiger Re. XV — KXXIV .) 





Beipyie: 
% %. Brodhbaus. 
‚1843. 





s 
⸗ 





» . 
. u. 
® 4” . 
w° 
. on 
u ‚ ’ 
1 > PL _ ” 
v . . 
.oe 
. > ur 
.. 
.. 
u al Yu 
. ã 
* 
„... . 
0 X 
Yon, .: 
a “oo,, “> 
‘ .. 
“ 0 ieg,,, ... . . 
U} . ® ® [3 
. “. . . . 
u DR Y | LE 
.. ‘“. 00%. 
» .. ‘ o Pa w 
' 2. RL; 
.,.®. “0 .. ®. 
r [55 2 Pa P . 
° °. Pi ... & 
. “oo... » 
®. ⸗ 
..*. ® „... . 
‘ ° ° ..® 24 
1 . °. “oo... .. “_ ..0 
LU} ® . 
°“... — sts 
2 ser. ° — 
. © 
t ..., de. 
H ...,, .. 2, 
[} 
® 
» . ’ ° . . 
“= 
j l 
ar . 
e 
D 
’ "u... 
’ ‘ 
” “ 
n 
y D 
‘ ’ 
%n . 
. » r 
= 
5 u 
. 0 
’ at } 
e 


| Blätter 


für 


literariſche Unterhaltung. 


Sonnabend, 


— Kr. 182. — 


1. Zuli 1843. 


3 
Ä |  Bur Nachricht. Ä 
Bon biefer Zeitfchrift erfcheint außer den Beilagen täglich eine Nummer und iſt dee Preis für den Jahrgang 


13 Thlr. Ale Buchhandlungen in und außer Deutfchland neh 


men Beftellung darauf an; ebenfo alle Poftämter, 


die fich en die Tönigl. faͤchſiſche Zeitungserpebition in Leipzig ober bas koͤnigl. Peubiiae Srenzpoftamt in’ 


Halle wen 


Die Verfendung findet in Wochenlieferungen und in Monatsheften 





Bittoria Kolonne. 

Le Rime di Vittoria Colonna, coorrette zu i testi a penna 6 
pubblicate oon la vita della medesima dal cavaliere Pietro 
Ereole Visconti. Bi aggiungono le poesie ommesse nollo 

enti edizioni e le inedite, Rom, 1840. (Erſt Ende 
842 publicirt.) . 
Kraͤnze und Kronen verfchiebener Art find dem Haufe 

Golonna zu Theil geworden und Gluͤck und Unglüd in 

rihem Maße. Seite im Kampfe des Papfichums mit 

dem Rothbart von Hohenflaufen das römifche Volk dem 

Oddo Colonna die Wohnungen niederriß und feine fefte 

Burg Patefirina vergeblich angriff; feit, im J. 1167, 

Alexander II. den Bann der Kirche über das Geſchlecht 

ausfprah, find, das ganze Mittelalter hindurch und bie 

jur Zeit, wo bie großen Seudalfamilien ihre politifche 

Bedeutung verloren, die Colonnefen von Kampf zu Kampf 

gegangen, von Niederlage zu Sieg, von Vernichtung zu 

Größe. Eine an wichtigen Creignifien, an Schickſals⸗ 

mechfeln, an Bewegung fo reihe Samiliengefchichte wie 

die ihre gibt es wol nicht. Wenn ganz Rom guelfiſch war, 
fafen fie, hartnaͤckige Ghibellinen, auf ihrer quicinalifchen 

Burg, dem Volke trogend wie dem feindfeligen Adel, und 

fdauten von der Warte von Pränefle, wo fie das ſchon 

duch feine Lage fa unangreifbare Gaftell ©. s Pietro 
durch ſtarke Befeſtigungen noch mehr gefichert, hinab auf 
die roͤmiſche Ebene, bie fie durch ihre Reiſigen ebenfo 
leicht beunruhigten, wie fie die am Monte Gaffino vor: 
über nach Neapel führende Straße, durch die Lage ihrer 

Burgen begünſtigt, duch bie Scharen ihrer Vaſallen 

ſperren tonnten. Dem vielfachen Kriegeruhm, dem Ruhme, 

der Kirche zahlreiche Cardinaͤle und, nad) vieljährigem 

Schisma, den erſten von der gefammten Ehriſtenheit wies 

ber anerlannten Papfi gegeben zu haben, ward auch der 

Rum der Wiſſenſchaft und Dichtung zugefellt. Nach⸗ 

dem der Auguſtinermoͤnch Egidio Colonna, welcher 1316 

in Avignon ſtarb, durch fein Buch „De Begüunine prin- 


eipum“ und feine Steeitfhriften über die Colliſionen 
zwiſchen ber geiftlichen Mache feinem Namen große Vers 
ehrung, fich felber vielen Haß und viele Liebe erworben; 
nachdem, durch Petrarca’s Dichtungen und Briefe, und 
die Freundſchaft, die den großen Dann an mehre Glie⸗ 
ber des Haufes Colonna nüpfte, dieſes letztern Name 
mit dem der ſchaͤnen Sen von Avignon gleichſam vers 
ſchwiſert. morden! wotteifirte im 16. Jahrhundert eine 
Colguneſin mit dem’ Sänger Laura's. Won ihr fagte 
eddonica Aslafto: -. 

Vitoria #1 Home ; & ben conviensi a nata 

Fre le-vittorie od a chi o vada o stanzi 

, Di wolei ı re o di trionfi ornata, 

“.ba-tittoria abbia seco o dietro o innanzi. 

Vittoria Colonna wurde zu Marino am Albanerges 
biege, einem Leben ihrer Familie, 1490 geboren. She 
Vater war Fabrizio Colonna, ihre Mutter Agnefe von 
Montefeltro, bie Tochter des ruhmwuͤrdigen Herzogs 
Sriedrih von Urbino. Die Zeit, in der fie das Licht 
dee Welt erblickte, war die lepte Zeit der Ruhe für Ita⸗ 
lien: nicht lange barauf brach der Krieg aus, welcher 
Fremden die Hälfte bes Landes geben folte und bie nas 
tionale Unabhängigkeit vernichtet. Die meiften italifchen 
Grafen wurden in den Strudel der gewaltigen Ereigniſſe 
bineingegogen: Peiner mehr denn Vittoria's Water, der, 
eine kurze Zeit auf der Seite Frankreichs, den Reſt ſei⸗ 
nes Lebens hindurch für Spanien kämpfte, bei Ravenna 
Gaſton de Zoig gegenüber fand, Julius IT. srogte, 
indem er dem bedrohten Herzog von Ferrara aus Rom 
fliehen half, und nad vielen Wechfelfällen und kriegeri⸗ 
ſchen Thaten, bie er, urfprünglic zum geiftlichen Stande 
beftimmt, gegen den Willen feiner Familie mit ber Theil⸗ 
nahme an ber Vertreibung der Türken aus Otranto ers 
öffnete, als Sroßconnetable von Neapel (eine Würde, bie 
in feinem Haufe erblich ward) 1520 zu Averfa flarb, 


mit ſolchem Ruhme der Kriegtkunde, daß Macchiavell iq 


feiner „Arte della guerra” ihm die Hoffe des unterwei⸗ 


fenden Rebners bei den Zuſammenkuͤnften in den Rucel⸗ 


lai'ſchen Gärten in Florenz zutheilte. Im Kindesalter 
wurde Bittoria mit Ferrante d'Avalos, dem Sohn des 
Marquis von Pesiara, verlobt; politiſche Verhaͤltniſſe 
waren Hauptveranlaſſung zu dem Buͤndniſſe, welches erſt 
dann feſter geſchloſſen ward, als der Zweig des aragoni⸗ 
ſchen Koͤnigshauſes, der damals den Thron Neapels beſaß 
und das Geſchlecht der Colonneſen immer mehr an ſein 
Intereſſe zu Inlpfen ſuchte, laͤngſt zu regieren aufgehört 
hatte und das Land eine ſpaniſche Provinz geworben 
war. Am 27. Dec. 1509 fand die Vermaͤhlung ſtatt, 
auf ber Inſel Sohle, bie ben d'Avalos gehörte, und 
wohin Vittoria von Marino gekommen war. Zwei Ins 
tereffante Documente aus dem Archiv des Hauſes Co: 
lönna, welche in dem obenangezeigten Buche mitgetheilt 
find, geben von der Ausflattung Vittoria's Kunde. Wir 
finden darunter ein Bert „nach franzöfifcher Mode’ mit 
Vorhaͤngen und fonftigem Zubehör von Carmoifinfeide mit 
blauem Taffet gefüttert, mit breiten Streifen von geweb⸗ 
tem Bold und goldenen Franzen, dazu drei Matragen, 
Dede von Carmolfinfelde von gleicher Arbeit, und vier 


Kopfliffen derſelben Art mit Franzen und Knöpfen von | 
Gold. Drei Obergewänder (camorre) von violettem Sammet | 


und carmolfincothem und ſchwarzem Brocat. Eine Dede 
und 
tbier. Die Mitgift betrug 14,000 Dukaten. 
ben Klelnodien, die der Bräutigm ſchenkte, ‚befanden fich 


ein Kreuz von Diamanten am'Anet gasbanen Kerze, "2000 


Dukaten im Werth, gefaßte Diamanten, Ribiue? And | 
Smaragde, zwölf goldene Armbänder; Jibetbled: ehe Menge | 


Tollettegegenflände von Sammet,,. Brote: uad':Geibe. 
Bittoria brachte gluͤckliche Tage An ˖ N 
beſaß die Familie ihres Gatten die ſchoͤne Villa Pietralba, 
von der man auf Stadt und Golf und Juſeln ſah; am 
beitebteflen war aber bee Aufenthalt auf Jsochia, wo Fer: 
vante’s Tante, Coflanza d'Avalos Marquife von Franca⸗ 
via, welche die obere Leitung ber Angelegenheiten der 
Familie hatte, Haus hielt und wo ein glänzender Kreis 
von Kriegen und Staatsmännern, von Dichten und 
Frauen ſich zu vereinigen pflegte. Dies bezeichnet Ber: 


nordo Tafſo, Torquato's Vater, in einem anmutbigen | 


Sonett an die Infel: 
DL lame & in te dell’ armi: in te s’asconde 
Casta beltà, valore o cortesia, 
Quanuta mai vide il tempo, o diede il cielo. 
Aber fo gluͤckliche Zeiten follten nicht lange währen. 
Die unrubige Regierung Sulius’ IL ließ Italien nicht 
genießen: der große Papft wollte das Land von 
der Fremdherrſchaft befreien, aber er vermochte es nicht 
etoß der gewaltigen Hälfsmittel feines Niefengeiftes, und 
mehrte nur Noth wie Unordnung. Im obern Italien 
wurden die entfcheldenden Schlachten gefochten: bei Ra⸗ 


niſche Macht mit Ihren Bundedgenofien, und Fabrizio 
Colonna und Ferrante d'Avalos, weiche dem Vicekoͤnige 


Zaͤumung u. ſ. w. von gewebtem Gold für ein Maul: | 
Unter }. 


: fpel’Ju:::An dem |: 
Dügel, den jetzt das Caſtell von’ S. @ikw. :dnrdimmt, | 





Neapel, Ramon be Carbona, ber großentheils bie Nies 
derlage verſchuldet, wach den fumpfigen Niederungen des 
Po gefolgt waren, geriethen in feanzöfifche Gefangenſchaft. 
Vittoria war auf Ischia zurhdgeblieben: einen Theil ih⸗ 
ver Zeit Verwandte fie auf die Erglehung bes jungen Vet⸗ 
ters ihres · Gemahls, Alfonſo dAvalos, Marguis dei Vaſto, 
ber nachmals eine fo bedeutende Rolle ſpielte und deſſen 
Name leider mit ber GBefchichte der Unterdruͤckung Ita⸗ 
liens durch die Spanier eng verbunden if. Niemand 
batte auf den talentuollen aber heftigen, trogigen, rach⸗ 
füchtigen Juͤngling fo vielen Einfluß wie Wittorla: fie 
konnte ihn zur Milde umflimmen, ja den Geſchmack an 
Porfie und Kunft flößte fie ihm ein, und wenn in fpd- 
tern Zeiten von ihrer Kinderloſigkeit die Rede war, pflegte 
fie zu fagen: „Unfruchtbar kann ich nicht genannt werben, 
denn aus meinem Geiſte babe ich biefen geboren.” Aber 
während der Abweſenheit des Gatten und Waters flofien 
ihre Tage in Unruhe und Zrauer bin. Sie ſchildert ih⸗ 
ven Buftand in bem ſchoͤnen Briefe, den fie an Pescara 


. während feiner Sefangenfchaft fchrieb: 


"Sempre dubbiosa fü la mente mia; 
Chi me vedera mesta, giudioava 
Che m’ offendesse assenza o gelosia. 
Ma io, misera me! sempre pensava 
L’ ardito tuo valor, l’animo audace, 
Con che s’accorda mal fortuna prava. 
Altri chiedeva guerra; io sempre pace 
icendo : assai mi fia se il mio marchese 
Meco quieto nel suo stato giace. 
Non nuoce a voi tentar le dubbie imprese; 
Ma a nei, dogliose, afflitte, che aspettando 
Semo da dubbio oe da timore oflese! 
Vol, epiati dal furor, nen ripensando 
Ad alıro che ad onor, contre al periglio 
Solete con gran furia andar gridando; 
Noi, timide nel cor, meste nel ciglio, 
Semo per voi; e Ja sorella il fratre, 
La sposa il sposa vuol, ia madre il figlio, 
Die Pflicht der Gattin, dem Gatten ſtets zu folgen, 
Gluͤck und Ungluͤck uͤberal mit ihm zu theilen, druͤckt 
fie dann in unäbertrefflihen Verſen aus: 
uir si dere il sposo e dentro co fora, 
‚s’egli pate affanno, ella patisca: 
Se lieto, lieta; e se ni more, mora, 
A quel che arrisca l'un, l’altro s’arrison ; 
gwali in vita, eguali siano in morte; 
Ei ciö che avrviene a lui, a lei sortisca. 


Aber die Gefangenſchaft des Colonna wie Pebcara’s 


| war nicht langwierig noch hart: dem Einen half naments 
lich die Freundſchaft des Herzogs von Ferrara, dem er 


bald darauf feinen Dienſt vergelten konnte; bes Anbern 


: die Theilnahme feines Verwandten, des großen Marſchalls 


Trivulzio. Go wurden Beide bald befreit. Pescara war 
verwundet in die Hände ber Feinde gefallen: während er 


; im malländer Caſtell feine Deilung abwartete, ſcheieb er 
ein Geſpraͤch Über die Liebe, das er feiner Sattin ſandte. 
venna unterlag, wenn auch ſehr kurze Zeit nur, bie [pas 


Endlich ward biefer das Gluͤck, ihn wiederzuſehen: in einem 
Sonett, das fie lange darauf in ſchmertlicher Erinnerung 


an beſſere Tage ſchrieb, gedeukt fie feine „‚beile ferite”“, 


unb Iſabela Vragona, bie vom Cıhielfal hast gepehfte 
verwitwete Herzogin von Mailand, fagte zu Pescara: „Ich 
möchte ein Mann fein, Ders Marcheſe, wäre es auch nur, 
um Wunden im Geſicht zu erhalten wie Ihr, und um 
zu ſehen, ob fie mich fo gut kleiden wuͤrden wie Euch.” 
Bange währte die Ruhe nice: mit feinem Schwirgervater 
und mit Prosper Golonna, dem erflen Taktiker feiner 
Beit, nahm Pescara von neuem Antbeil an den itall⸗ 
ſchen Feldzugen, sing 1517 als Abgefanbter des neapoli⸗ 
aragentfchen Adels nach Flandern zum Könige Kal, 

war mit Wittorie in Rom, wo Leo X. regierte, zog mit 
Drosper in jenen großen Krieg, wo Karl V. und Kranz. 
zum erfien Mal die Macht ihrer Reiche miteinander 
— und das unglüͤckliche Herzogthum Mailand wies 
derum ber Kampfplatz ward. Auf des Kaiſers Seite 
landen der Papſt und die Eidgenofien. Der Marſchall 
von Lautrec, muthiger denn gluͤcklich, commandirte das 
frangdfifche Here in der Lomibardel und verlor Mailand 
im Nov. 1521. Nicht lange barauf flach Leo X., aber 
der Krieg währte fort unter feinem Nachfolger Hadrian VI.: 
Prosper Colonna und Georg von Frundsberg ſchlugen 
Lautrec bei Labicocca in Mailande Nähe (27. April 
1522), Pescara nahm und plünderte Genua. Der lebte 
Sforza, Franz II., erhielt fein väterliches Erbe wieder; 
nur das Gaftell von Gremona war 1523 im Beſitze ber 
Srangofen geblieben, die kurz vorher bie ganze Lombardei 
inme gehabt. Aber fie fliegen wieder mit großer Heeres⸗ 
macht herab in die lombarbifche Ebene; ihr oberfier Fuͤh⸗ 
ver, ber Admiral de Bonnivet, belagerte Malland, wo 
Drosper Colonna am 30. Der. flarb; Pescara, der Con: 
netable von Bourbon, welcher feinem Vaterland als Feind 
gegenüberftand,, des Niederländer Charles be Lannoi be: 
fehligten bie Lalferlihen Truppen. Das GSluͤck war ih: 
nen hold, Bonnivet zog ſich zurkd, beim Übergange über 
die Seſia ereilte ſchlug ihn Pescara. Es war der 
Tag, an wei Bayard fiel (30. April 1524). Das 
Baiferliche Heer folgte den Geſchlagenen: Bourbon und 
Detcara fielen in bie Provence ein und lagerten vor 
Marfeille, weiches durch zwei Staltener, Renzo ba Geri 
aus dem Daufe Orſini und Federigo da Bozzolo aus 
dem Hauſe Genzaga, vertheidigt ward. Die Belagerung 
zog fich in die Länge: Krankheiten und Verluſte nöthig: 
ten bie kalſerllchen Feldherren zum Ruͤckzuge. König 
Stanz rüflete von neuem, während zwilchen dem Papfl 
(Clemens VIL) und Karl V. Uneinigkelt ausbeady und 
Erſterer fi dem frangöftichen Intereſſe zuwandte. Gin 
Inteiguenſpiel, wie kaum irgendwo ein ähnliches gefchen 
worben, begann: Clemens VII, ſtets wankelmuͤthig in 
feinen Entſchluͤſſen außer da, wo fie idn dem Verderben 
juführten, war ganz in feinem Element: fein Datar, 
Siovan Matteo Giberti, hielt bie Faͤden In ber Hand. 
Dee Herzog von Mailand, wegen der zurüdgehaltenen 
tue dem Kaiſer ſchon grollend, lleß fich durch 

die paͤpſtlich⸗franzoͤſiſche Partei betbören: fein vornehm⸗ 
Rer Rathgeber Girolamo Morone wandte alle feine Klug: 
beit umd —— auf, die kaiſerliche Faction zu 
ſchwaͤchen. Bor Allen fuchte men ara zu gewin 


bie Krone Neapels felite der Bahn feines Abſalls ſein. 
Der traurige Zuſtand, im welchem ſeit dem Rüdkzuge aus 
bee Provence das kaiſerliche Heer, ungeachtet der Ans 
ſtrengungen feiner Kührer, fi befand, wurde von den 
Unterhändlern vorgefhoben. Inwieweit Pescara fich auf 
die Vorſchlaͤge einließ, die Ihm von mailaͤndiſcher Geite 
gemacht, von paͤpſtlicher unterftügt wurden, iſt nicht ganz 
gewiß; fel es, daß Ehrgefühl ihn abhielt, vom Kaifer ab: 
zufallen; ſei es, daß die Sache ihn zu gewagt vorfam: 
er weigerte fi * den Lockungen Gehoͤr zu geben. Koͤnnen 
wir Dem, was Paolo Giovio ſchreibt, Glauben beimeſſen, 
ſo wußte Vittorla um den Antrag und war dagegen. 
Denn bei jenem Hiſtoriker meldet fie ihrem Gemahl: er möge 
feines angeflammten Hochſinns eingedenk fein, durch ben 
er an Ruhm und Ehre vieler Könige Gluͤck und Ruhm 
übertreffe. Nice durch die Größe der Reiche und durch 
pruntende Titel, fondern durch Tugend erlange man die 
wahre Ehre, welche mit ſtetem Lobe auf die Nachkom⸗ 
men übergebe. Sie verlange nicht, Gemahlin eines Koͤ⸗ 
nigs zu fein, wol aber die Gemahlin bes großen Felb⸗ 
beren, welcher im Kriege durch Tapferkeit, im Frieden 
durch edle Geſinnung die größten Könige zu beflegen ge: 
wußt habe. Vielleicht war es in jeder Hinſicht in Ges 
winn für Pebcara, daß er jene Vorfchläge abgelehnt. Das 
Gluͤck wandte Frankteich den Rüden: bei Pavia fiel der 
glänzendfle Theil des franzöfifhen Adels und, ein Ge 
fangener Lannol’6, wurde König Franz nad Pizsiobettne 
und dann nad Spanien gebradht.*) Einige Jahre ſpaͤ⸗ 
tee beendigten die Erftürmung Roms und die Crobes 
rung von Floren; (1527 und 1530) das verhaͤngnißreiche 
Drama. 
(Die Bortfegung folgt.) 





Die ſaͤchſiſche Ständeverfammlung , beurtheilt von 
einem Engländer. 


Das „Athenaeum’ enthält feit einiger Seit auch Correſpon⸗ 
denzen aus Karisbad, weiche ſich mehr, als fonft bei Auttaͤndern 
Braudy * mit ben politiſchen Zuſtaͤnden Deutſchlande beſchaͤf⸗ 
tigen. mentlich verbreitet ſich eine ber jängften Correſpon⸗ 
benzen Frei die ſaͤchſiſche Kammer. Der Berichterflatter ieitet 
feine Correſpondenz damit ein, daß er meint, es fei Vrauch, 
die beutfche Beſcheidenheit und — —— su ſehr zu 
ruͤhmen; er Babe von diefer Veſcheidenheit und Gelbfiverkäugnung 
nicht eben viel gefunden ; aber dies fei * daß die —** 
von ihren "Ständeverfammlungen gering dädıten, daß fie 
4: B. fi ganz uͤderraſcht geftcät Hättes en, wenn er, der Weridite 
erfkatter, den | trefftihen mb Achtung gebietenben Charakter dee 
ſaͤchſiſchen He: beiobt Habe. Und doch habe eu 
ſich wirt in ber Tächfiihen Deputirtenfammer fo heimlich 
(homelike) gefühlt, wie feit langem nicht, unb mit 
Intereſſe —8 und zugeſchaut. Der Correſpondent gibt nun 
ein Biid von ber Raͤumlichkeit ber Kammer, von ihrer innerw 
Drganifation und ihren Beftandtheilen. Daß bie Mitgliedes 
jbesmal, wenn ein Winifter einträte, fidh in Waffe erhösen, 
nennt ex ein ſehr unſchuldiges berbleibſel wus der guten alte 


*) PYescara’s Sntfhioffenheit, womit er den Durchzug buch 
ben Park von Mirabello mit dem fpanifdden Fußvolk beverks 
—— um eine ine ara eien Die —** Aura * He 

feindlichen en 
Fr ven Fr von Pose j 


als die Miniier noch Stegen und Geuneufühein 

—* . Die Galerie, ſagt er, ſei mit einem aufmerktſamen, 
meih aus jungen Maͤnnern beflchenden Yublicum gefällt geweſen; 
von Frauen hätten ſich auf der Galerie linke oben ein Halb: 
dugend befunben. ierbei ſei die in England geltende Regel 

rauen wol zur Zweiten, aber nicht zur Erſten 
Kammer zugelaffen würden, obgleich er für feine Perfon ben 
VBeſchiuß, daß Frauen in das Haus ber Gemeinen — 
werben bürften, niemals habe bewundern koͤnnen, fo gleichgültig 
aud) das Factum fei. Ginige Mitglieder, fährt er fort, hätten 
oratorifche® Talent gezeigt, eine Geitenheit in Deutſchlaud, we 
danach feine große Nachfrage ſei. Gine Grenze bafkr, wie 
viel mal ein Mitglied reden dürfe, fcheine nicht beftimmt zu fein, 
denn einige Deputirte hätten ſehr oft geſprochen. Herr von 
Lefchau (Zeſchau), Minifter des Auswärtigen, habe an bie Kams 
mer das Anfinnen geftellt,, daß fie bie Regierung nicht mit den 
auswärtigen Mächten in Gollifion bringen möge. Dierbei läßt 
fi) der Brite auf ganz vernünftige Betrachtungen ein, weiche 
übrigens jeder denkende und wohldenkende Deutfcye machen kann. 
Er fagt unter Anderm: „Ss ift ebenfo rührend als entmutbigend, 
denken zu müffen, daß bie beften Abfichten des beften der Könige 
gegen feine eigenen Unterthanen fo durch fremde Einmiſchung 
controlirt und bebrobt werden dürfen” u. f. w. „Der Charak⸗ 
ter des Königs”, fährt er weiter fort, „iſt der Art, daß er 
auch den wildeften Jakobiner entwaffnen müßte; die Einfachheit 
des Hofes ftebt in Harmonie mit ben frugalen Gewohnheiten 
des Bolks; es ger feine drädende Ariftokratie im Lande.” Daß 
eine fo ſtarke Majorität, wie die bei der Frage über OÖffentlich⸗ 


keit und Muͤndlichkeit, von 72 gegen 4 Stimmen, keinerlei 


Reſultat gehabt, darüber wundert ſich ber Brite freilich, der 
in folchen Faͤllen an ganz andere Dinge gewöhnt ift. 13. 





Literarifche Notizen aus Frankreich. 


Zur Geſchichte ber franzöfifhen Bühn«. 
In Frankreich gibt es einige von den fparfamen Überreften 
aus dem vorigen Jahrhundert, für bie das Theater noch eine 


wichtige Angelegenheit ift und die von den Triumphen einer 


Etairon, einer Rocourt, eines Talma mit ebenfo großer Begei⸗ 
flerung fprechen, wie ein alter Invalibe der kaiſerlichen Garde 
‘von den fihönften Siegen Napoleons. Das Theätre francais 
namentlich zaͤhlt noch einige diefee wahren Verehrer ber bramas 
tifchen Kunft unb wir haben vor kurzem erft die Denkwuͤrdig⸗ 
teiten eines berfeiben unter dem Titel ,„Soixante ans du 
thöätre frangais“ erhalten. An biefes geiftreiche Schriftchen, 
das aus ber Feder eines ber erften Advocaten von Paris ber 
rühren foll, ſchließt fich ein anderes Kleines Werk an, das fochen 
die Preffe verläßt. Daflelbe führt den Zitel: „Etudes retro- 
Spectives sur l'éêtat de la scäne tragique depuis 1815 — 36°, 
von Germain Sarrut (Paris 1843). Wir finden in diefer klei⸗ 
nen Brofchäre nicht nur einige ſehr gelungene Charakteriſtiken 
ber erſten tragiichen Schaufpieler und Schaufpielerinnen, fonbern 
auch zum Theil fehr treffende Bemerkungen über die wichtigften 
Zragödien, bie während des Zeitraums, dem bie Edhrift ger 
wibmet ift, zur Aufführung gefommen find. Germain Sarrut 
hat ſich ſchon durch andere Literarifche Arbeiten, namentlich durch 
mehre Schriften hiſtoriſchen Inhalte, belannt gemacht, von 
beuen wir nur. an die umfangreiche ‚, Biograpbie des hommes 
du jour’, die er mit feinem Freunde Saint s Eome herausges 
geben bat, erinnern. Gehr Intereffant dürfte auch das foeben 
erſchienene Werichen „„Epoques de l’histoire de France en 
zapport avec le théatre frangais‘ fein. 


Die Sefhiäte ber franzöfifhen Revolution vom | 


tegitimiftifhen Stanbpunkte. 
Das bidleibige Wert von Thiers über die Geſchichte der 
feanzöfifgen Srevoiution fol von einem hochgeſtellten britifchen 


Staatemanne ein fein, Vahbeſchein⸗ 
lich bat man dadurch fagen wollen, dieſes berähmte Merk fei 
in ber Leidenſchaftlichkeit des Parteigeiftes gefchrieben. In dieſem 
Sinne aber könnte man ben größten Theil der Werke, we 

von den franzöflichen Hiſtorikern der Geſchichte der Revolution 
gewidmet find, in bie. Ka der Jugſchriften werfen. Go 
fteht auch Welle de Gonun, der ganz Füryiidy feine „„Histeire de 
la revolution de France’ mit dem achten Bande gu Ende ges 
bradyt hat, „auf ber Binne der Parteien”. Er iſt Legitimiſt 
und zwar eine von den altgläubigen Seelen, denen alle vevos 
Iutionairen Ideen ein Gräuel find und welche bie KReactions⸗ 
verfuche, burch bie ſich bie Reftauration zu Grunde gerichtet hat, 
in Schug nehmen. Ya, Sonny war fogar ale Rebacteur bes 
„Conservateur” einer von Denen, die am thätiaflen waren 
— wie eine gemeine Rebensart fehr bezeichnend fagt —, ben 
Karren wieber in ben Dred zu fahren. Man kann ſich daher 
bei diefem Werte, das übrigens fehr gut gefchrieben tft, auf eine 
einfeitige Auffaffung ber Revolution gefaßt machen. In der That 
ift der Blick des Verf. bei jeder Gelegenheit durch feine politiſchen 
Anfichten getruͤbt. Aber eben beshalb bildet fein Werl gerade 
ein Gegengewicht zu denjenigen Schriften über die Revolution, 
in denen ſich ber entgegengefeäte Geiſt gar zu fehr geltend macht. 
Dan belommt ein ganz amberes Bild von biefem großartigen Er⸗ 
eigniffe, deſſen Zolgen bis in bie Gegenwart hineinreichen, wenn 
man zwei fo ſchroff ſich gegenüberftehenbe Dorftellungen, wie 
die von Sonny und von Ahlers, zufammenhält, ald wenn man 
fih einzig von einem Werke, und wäre es das unpartelifchfte 
deutfche Werk über biefen Gegenſtand, leiten laͤßt. 2 


Literarifhe Anzeige. 


Neu erſcheint bei mie und iſt durch alle Buchhandlungen 
zu erhalten: 


Die göntlide Nomsdie 
Dante Alighieri. 
Aus dem Stalienifchen überſetzt 


von 
A. $. Kannegießer. 
Bierte, fchr veränderte Auflage. 


Drei Theile. 

Mit Yante's Pilpniß, geometriſchen Planen ver Hölle, Des Fege- 
feuers und des Yaradiefes und einer Karte von Gber- umn 
Mittel - Italien. 

Gr. 12. Geh. 2 The. 15 Nor. 
en Die diefem Merke gehörigen Rupferdeilagen, 
weiche edenſoſol für die Beliger des Drigiuais als and 
anderer Weherfegungen von Buterefle Teiln Dürften, wer- 

den befouders für 16 Agr. erlaſſen. 

Fruͤher erſchien bereits in meinem Verlages 

Dante Alighieri, Das nette Leben, Aus dem 
Stalienifhen Üüberfegt und erläutert von M. Förster. 
1841, Gr. 12. Geh. 20 Nygr. 

— —, Æyriſche Gedichte, Überfegt und er⸗ 
klaͤrt von R. K. Kannegiesser und M. Witte. Zweite, 
vermehrte und verbeflerte Auflage. Zwei Theile. 1842, 
Gr. 12. Geh. 2 Thir. 12 Nor. 


E ig, im Juni 1843. 
aipris, in Sun .%. Brochaus. 


Beraatwortlicher Herausgeber: Heinrich Brockhaus. — Drud und Verlag von F. A. Brodhaus in Leipzig. 


Blätter 


für 


literarifche 


Unterhaltung. 





Sonntag, 





Vittoria Colonna. 
(doetſequng aus Rx. 188.) 

Serrante d'Avalos, im deſſen Hände, dem Anfcheine 
nach, in dem oberwähnten Moment das Schickſal, das 
Wohl und Wehe Italiens gegeben waren, follte dieſe letz⸗ 
tern Ereigniſſe nicht mehr erieben. Gele 1521 fah Vit⸗ 
totia ihn felten: nur 1522, wo fie ihre Mutter, bie eine 
Pitgerſchaft nach Loretto unternommen, auf dem Heim⸗ 
wege von derfelben durch ben Tod verlor, war er auf 
kurze Zeit in Neapel. Bei Pavia war er ſchwer vers 
wundet worden und die Heilung war unvolllommen. Im 
Sommer 15235 nahmen feine Kräfte rafh ab: man 
ſprach, gewiß ohne Grund, von Gift, das ihm beis 
gebracht worden ſei. Sein Verhalten bei jenen Intri⸗ 
guen hatte zu mancherlei Verdacht Anlaß gegeben, wenn 
auch für ihn feine Bortiebe für Spanien fprach, bie ſich 
namentlich in feinen legten Jahren Außerte, wo er [pas 
niſche Tracht anlegte, fpanifch ſprach, und wol fagte, er 
moͤchte lieber Spanier ſein denn Italiener. Als Vittoria 
von der lebensgefaͤhrlichen Krankheit des Gatten vernahm, 
eilte fie nach der Lombardei, aber In Viterbo erhielt fie 
die Rachricht feines Todes. Pescara verfchieb zu Mai: 
land am 25. Nov. 1525, In jugendlichen Jahren (er 
war nicht Alter als Vittoria), aber mit dem Ruhme, ei⸗ 
ner der erfien Felbberren und Taktiker feiner an großen 
Kriegemännern reichen Zeit geweſen zu fein. 

Der Schmerz ſchien Vittoria anfangs zu uͤberwaͤlti⸗ 
gm. Sie wünfchte fi In, das Clariffenkloſter S.: Sit: 
veftro in capite in Rom zurückziehen zu können; der Papft 
ertheilte ihr dazu feine Erlaubniß mittel eines an bie Ab⸗ 
tiffin und Nonnen gerichteten Breve vom 7. Dec., welches 
von dem berühmten Sadolet abgefaßt warb. 

Da wir erfahren haben — heißt es darin —, daß unfere 
geliebte Tochter Bittoria Colonna Drardyefa von Pescara, vor 
turgem ihres zupnimärbigen Gemahls beraubt, von Tage zu 

nie m 

ber infamteit irgenb eines Gott geweihten Ortes ſich 
fehbnt, dort dem Herrn ungeftörter dienen unb dem Gebete für 
bie Seele ihres Gatten ſich bingeben zu innen, fo haben wir 
in jener liebevollen Berüdfichtigung, die wir Allen Ichuldig find, 
und in Gemaͤßheit des befondern und väterlichen Wohlwollens 
gegen bie Genannte und ihren Bruder ben ebeln Herrn Ascanio 
Tolonna, Euer Klofter ihr zum Aufenthalt angewiefen, welchem, 
wie wir vernommen, bie gefammte Solonnefifche Familie eine 
beſendere Berehrung zollt. 


Schmerz und den Thraͤnen ſich hingibt und 


Nachdem nun ben Kloſterfrauen anbefohlen worden, 
Bittoria mit ihrem Gefolge ehrenvoll aufzunehmen, ſchließt 
das Breve folgendermaßen: 

Damit nicht, ihrem Schmerz eher Gehör gebend als reifli⸗ 
der Überlegung, die Gedachte ihr Witwengewand mit Nonnen⸗ 
tracht vertaufche, verbieten wir Euch, bei Strafe der Crcommu⸗ 
nication im firengen Sinne, ſolches ohne unfere befonbere Ge⸗ 
nehmigung zu geftatten. 

In der Ruhe und Abgefchiebenheit des Kloſters ſcheint 
Vittoria vorzugsweife jener ernften und frommen Poeſie 
ſich zugewande zu haben, die ihe Troſt in ihrem Schmerz 
und unvergänglichen Ruhm verfchaffte. Aber nicht lange 
folte die Ruhe währen. Elemens VII., den Franzoſen 
geneigt, konnte mit der kaiſerlichen Partei nicht in Eins 
tracht bleiben. Was die alten Päpfte an Widerſetzlich⸗ 
keit und Trotz in ihrer eigenen Hauptflabt erfahren, warb 
ihm in reihen Maße zu Theil. Eine Zeit lang fanden 
bie Gegner, heimlich grollend, aber noch duferlich ruhig, 
einander gegenüber: doch hielt Ascan Colonna es für ges 
rathen, feine Schweſter nach Marino zu bringen. Am 
20. Sept. 1526 plünbderten die Golonnefen mit ben von 
ihren vielen Lehen im Kicchhenflaat und im Neapo⸗ 
litaniſchen herbeigezogenen Vaſallen unb mit Laiferlicher 
Mannfhaft den Vatican und nöthigten ben Papft, nach 
der Engelöburg zu fliehen, wo am folgenden Rage ein 
foͤrmlicher Vertrag abgefchloffen ward, bei dem indeß der . 
Kaifer beſſer bedacht warb als feine römiihen Bundes⸗ 
genofjen, denen eine ziemlich Large Ammeflie zu Theil 
wurde. Diefes Ereigniß war nichts als der Vorlaͤufer 
dee Pluͤnderung Roms durch das wilde Here des Con⸗ 
netable von Bourbon. Bor diefem beflagenswerthen Vor⸗ 
fa Hatte Vittoria den Kirchenſtaat verlaffen und fi 
nach Jochia begeben, nachdem fie es durch ihre Bitten 
und Vorſtellungen nicht zu hindern vermocht hatte, daß 
Dompeo Colouna des Cardinalshuts verluftig , ihr Bru⸗ 
dee Ascan und alle Angehörigen in die Acht erklaͤrt, 
fämmtliche Vaſallen des Hauſes ihres Lehnseides entbun⸗ 
den worden waren. Als nun das große Ungluͤck geſche⸗ 
hen war, als Rom von zuchtloſen Horden gepluͤn⸗ 
dert, der Glanz und Reichthum der Stadt und ber Fa⸗ 
millen auf Jahre vernichtet, dee Papſt in der Engels: 
burg gefangen gehalten, viele Cardinaͤle und Praͤlaten 
in Seindes Hand Mishandlungen umb den größten (des 
fahren preißgegeben, alle Huͤlfomittel erfchöpft waren: bes 








wu 


nuste Wittoria den Einfluß, den fie bei ben Ihrigen umb 
bei ihrer Partei hatte, dies harte Geſchick zu mildern, 
ſchrieb an den Garbinal Golonna, der bald das Elend 
beweinte, welches über feine Heimat herbeizuführen er fels 
bee mitgewirkt, an Dei Vaſto, an Audere, gab waß fie 
beſaß willig her, Gefangene zu loͤſen, bie Habſucht der 
Spanier, die Bier der Deutfchen zu befriedigen. Daß 
ihe Wirken nicht fruchtloß war, zeige unter Anderm ein 
Schreiben des ſchon genannten Biſchofs Biberto, der bes 
ſtimmt war, zu der Zahl dee vom Papſt gefteliten Gei⸗ 
feln zu gehören. 

Ich möchte wuͤnſchen — fchreibt diefer am 20. November 
4537 —, daß ich nicht früher ſchon ber Zuneigung unb bes 
WBohlwollens, welches Ew. Excellenz mir geſchenkt, fo gewiß 
geweſen wie es bei mir ber Ball war. Denn wenn die Beweile 
bavon, die ich erhalten und die mit jedem Tage ſich mehren, 
mir neu unb unerwartet wären, fo würben fie mich mit folcher 
Zreude erfüllen, daß alle überflandenen Leiden mir wie Süd 
erſcheinen müßten. Ader auch jett find fie mir ein großer 
Zeoft, und mid bünkt, die Ketten, bie ich getragen, erwerben 
mie Die Hochſchaͤgung Aller, welche fehen, wie lieb Euch meine 

reiung if. Ich babe gefehen, was Ihr dem Garbinal Gos 
lonna gefchrieben, der bisher fo gegen uns alle ſich betragen, 
daß wir ihm verpflichtet find, und ber uns hoffen läßt, unfere 
Angelegenheit zu gutem Ende geführt zu fehen. — — IH wuͤrde 
Ev. Gxelen für das Anerbieten ber eigehen Beſitzungen als 
Pfand für mich danken: wie foR ic; aber banken, ober was foll 
iqh noch verfprechen, da ich mich Guc Ton ganz zu eigen ge» 
geben und Euch jept mehr denn je verpflichtet bin? 

Sm Sabre fand Vittoria von neuem Ges 
legenheit, einflußreiche Verwendung eintreten zu laſſen, 
als ihre Bruder Ascan und der Marquis dei Vaſto in 
jener blutigen Seeſchlacht, welche am 28. Mai 1528 
Sitippino Doria, Neapel von der Seeſeite angreifend wie 
der Marſchall von Lautrec auf ber Landfelte, dem Vice⸗ 
Einige Ugo de Moncada lieferte, in des Feindes Hände 
fielen, waͤhrend Moncada felbft im Kampfe den Tod fand. 
Während diefer langwierigen Belagerung, bie, unter gläns 
zenden Ausſichten begonnen, mit bem Untergange be6 
Manzöftichen Heeres und dem Tode feiner Fuͤhrer embete, 
lebte Vittoria meift auf Jechia, von wo fie, als bie 
Seuche, die in Folge der Einfchliefung und des Mangels 
bie Stadt verbeeste, auch nach der Inſel brang, nach ih: 
com Lehen Arpino ſich begab und von bort nad Rom, 
wo fie längere Zeit verweilte, 5i6 fie den reizenden Golf 
Meapeis wieberfah. Damals ſchon war fie nicht mins 
der dur ben Glanz ihres Geſchlechts und durch bie 
Stellung bie fie einnahm, als durch das treue Andenken, 
weiches fie ihrem verſtorbenen Gatten bewahrte, und ihr 
feltenes Dichtestalent berühmt. Verſchiedene Anträge, eine 
zweite Ehe zw fchließen, wurden ihe gemacht: fie lehnte 
fie ab, trug immer Witwenkleider, feierte in fchönen Vers 
fen den Ruhm und die Thaten Pescara’6 und blieb unges 
troͤſtet Aber feinen Verluſt. Im fiebenten Jahre nad 
feinem Tode beweinte fie ihn wie im erfien. Dann aber 
ward fie buch jene Hand, die den Himmel gebildet 
(‚‚quella mano che formö il cielo”) über den irdiſchen 
Schmerz emporgeboben, und ihr Geiſt und ihre Poeſie 
wandten fi immer mehr ben uͤberirdiſchen Dingen zu. 
Ihren geiftlichen Gedichten verdankt fie den größten Ruf. 


Allee, was Italien damals an ausgezeichneten Maͤnnern 
sählte, ſcharte fih um fie: Bernardo Zaffo, Luigi Ala⸗ 
mann, Teiffino, Giberti, Annibal Gare, Giovio, Bio. Gui⸗ 
biccioni, Franc. Maria Molza u. A., und unter ben Gar 
dinäten ‚Pietro Bembo, Gaspare Gentauiai, Reginald 
Poole, Zac. Sadoleto, Federigo Fregeſo, zu besen Erhe⸗ 
bung fie zum Theil mitwirkte. Diefe allgemeine Be: 
wunderung fpricht ein ſchoͤnes Sonett Bembo's aus, weis 
ches beginne: 
Alta colonna e ferma alle tew 
Del ciel terbato, a cui chiaro onor fanno 
Leggiadre membra avvolte ia nem ‚paano, 
E pensier santi e ragionar celeste; 
E rime si soavi e si conteste 
Ch’ alla futurg etA solinghe andranno, 
E schermiransi dal millesim’ anno; 
Già doloi e liete, ora pietess © meste, 
Im 3. 1536 war fie wieder in Rom, wo Paul IH. fie 
aufs ehrenvollſte empfing und Kaifer Karl V., der bie 
Weltſtadt befuchte, fih zu ihr und ihrer Schwägerin 
Slovanna d’Aragona verfügte. Eine Zeit lang lebte fie 
in Ferrara und dachte ernſtlich an eine Pilgerfahet nach 
denn heiligen Grabe, aber die Morflellungen der Kremmbe 
und ſchwache Geſundheit hielten fie davon ab und fie 
kehrte von neuem nah Rom zurüd. Dies begann ihre 
Bekannefchaft mit Michel Angelo Buonarroti — zwei 
Hohe Geiſter erkannten fi, und der große Kuͤnſtler, deſ⸗ 
fen edler Stolz vor icbifhem Glanz fich zu beugen ver 
ſchmaͤhte, hat in feinen leben⸗ und charaktervollen Dichtuns 
gen ausgefprochen, was er Vittoria verbanfte. Wie uster 
ber Hand bes Bildhauer aus der ‚‚umil’ materia’ bas 
Model entfiche, welches ſodann ber Meiſel aus cbeim 
Stein von neuem besvorrufe, fo fei es ihm ergangen: 
Simil, di me model, naoq' io da prima; 
Di me model, per op’ra piä 
Da voi rinascer poi, donna o degma, 
Be il men riempie, o'l mio soperchio lima 
Vestra pietä, qual peniteaza aspetia 
Mio cieco e van pensier se la disdegna ? 

Noch aber warteten neue Stürme bes fon mehr: 
fach Geprüften und von neuem fah fie „batter la sum 
colonna entro ed intorno”. Denn wegen ber erhöhten 
Satzftener, die Paul III. 1540 ausfchrieb, die fo großes 
Misvergnügen im Kirchenſtaat erregte und Perugia zu offes 
ner Rebellion trieb, entfland arge Mishelligkeit zwifchen 
dem Papfte und ben Colonnefen: Ascan wiberfegte ſich 
dem Befehle des Papſtes, das Salz für feine Lehen in 
Rom zu kaufen, aber feiner Burgen eine nach ber andern 
wurde duch Pier Luigi Farneſe genommen, über ihn bie 
Acht ausgefprochen. Im Königreich Neapel fand er Auf⸗ 
nahme, Vittoria aber ging nach Drvieto in das Kloſter 
S.⸗Paolo, wo fie indeß nicht lange blieb, fondern noch 
im Laufe des Jahres nad Rom zurückkehrte. Es war 
uns biefe Zeit, wo bie Lehren ber beutichen und ſchweize⸗ 
rifhen Reformatoren in Italien einzubringen anfingem, 
und manche talent: und geiſtvolle aber unruhige unb ers 
regte Männer, in ihrem Misvergnügen über die Mie- 
Bräuche, die fich in die Kicche, namentlich in bie Disciplin 





ciageſchuchen, zu Meinungen 14 Yinzumeigen begannen, 

welche endlich Ihren völligen Abfall von der katholiſchen 

Kiche zur Folge hatten. Daß biefe reformatorifchen 

Principien in Serrera bei dee Herzogin Menke von Da: 

leis Schutz uud Beguͤnſtigung fanden, iſt bekannt; in 

Flerenz zeigten fie ſich; tn Rom machte eine Zeit lang der 

Kapuzinermoͤnch Fra Bernardino von Siena (Ochino) 

durch feine Bußpredigten Aufſehen, bis er, feiner dem 

Papftthum immer fchärfer entgegentretenden Grundſaͤtze 

wegen verdaͤchtig, entfloh und ſich zum Prtoteſtantisnus 

bekannte. Mit ihm, mit Pier Martire Vermigli, der 

aus einem Auguſtiner⸗Chorherrn zu Fieſole einer der einfluß⸗ 

reichſten proteſtantiſchen Theologen und Profeſſor zu Or: 

ford ward, mit jenem talentvollen Florentiner Carauſecchi, 
der endlich durch Cosmus 1. der Inquiſition ausgeliefert warb 
und Andern, die benfelben Meinungen hold waren, fand 

Bittoria wenigſtens eine Zeit lang in Verbindung: gegen 

die Anfhuldigung, daß fie ſelbſt ſolche Meinungen getheilt, 
if fie vielfach, und wie es ſcheint mit Recht, vertheibigt 
worden. Ihre eigenen Äußerungen berechtigen wenigſtens 
nicht zu einer folhen Annahme. Wie dem auch fel, 
nach jener Zeit fcheint fie namentlich ber Leitung des 
Sarbinal Poole in chen ſich amvertraut zu ha⸗ 
ben. Im Det. 1541 war fie im ©. = Katharinenklofler 
zu Viterbo, wo Poole und andere ihrer Freunde fidh be: 
fanden. Buonarroti ſchrieb ihr wiederholt und überfandte 
ihr Poefien; fie erfuchte ihn einmal, es weniger häufig zu 
hun, fonft werde fie verabfäumen, die Abendandacht in 
der Kapelie zu halten, er, die Morgenſtunden in der Pe: 
terskirche zugubringen. Uber fie bewahrte Ihm eine ſolche 
Zuneigung, daß fie nie in die Nähe Roms kam, ohne 
nach der Stade zu gehen ihn zu befuchen, wie Michel 
Angele’s Schhier, Condivi, in feiner Lebensbefchreibung er: 
zählt. Ste wurbde gefährlich krank; der berühmte Fra⸗ 
caftoro, den man um Rath feug, gab von Verona aus 
Heilmittel an, fügte aber hinzu: es thue noth, ihr einen 
zu finden, ſonſt werde das fchönfte Licht dieſer 

et eriöfchen. She Leben währte noch einige Zeit, aber 
ihre Gefundhät flelite fich nicht wieder ber. In Biterbo 
verwellte fie bi6 zum 3. 1543, dann begab fie fich nach 
Kom in das damalige Benebictinerklofter S.⸗ Anna de’ 
Sunarti, weldyes jept in ein Waiſenhaus umgewandelt ifl. 
Sier ſchrieb fie ihre letzten Dichtungen und Lateiniiche 
Gebete, hier hatte fie den Schmerz, den Tod Dei Vaſto's 
gu vernehmen, bee 1546 flach, mitten in ben glänzend: 
ſten en und Ausſichten, als Feldherr hochge⸗ 
ruhmt und eine ber Stuͤtzen feiner mächtigen Partei, der 
aber feinen Namen durch Härte und Habſucht befleckte 
und eins der geſchickteſten "Werkzeuge in des Spaniers 
Hand zur Knechtung Stalins war. Als fie das Ende 
eines Lebens, das „Fra poche dolci e assai lagrime 


amare” verfirichen, herannahen fühlte, ließ fie ſich in 


die Wohnung Biuliano Ceſarini's bringen, der eine ihrer 
Berwandten gebeirathet hatte, und machte dort am 15. 
Febr. 1547 ihr Teflament, in weichen fie unter Anderm 
jedem der vier Kloͤſter, in denen fie gelebt, ein Vermaͤcht⸗ 
nig binterfieß und die Cardinaͤle Poole, Sadolet und Mo: 


vom zu’ Gtulieschänusen enamete. Mas Teſtameunt 
bie eigenhändige Unterfähtift: Ita testavi ego Vietorn 
Columna. Wenige Tage darauf flarb fie, im 57, 
Jahre ihres Alters. Buonarroti ſah fie noch als. 
Leiche. Ihrer eigenen Verfügung zufolge wurde fie dm 
der Gruft beigefent, im welcher die Nonnen von S.⸗ 
Anna begraben liegen. Kein Stein bezeichnet den Ort, 
wo ihre irdiſche Reſte ruhen. Aber fon zu ihren Lebs 
geiten wurden ihr Name und ihr Bildnis duch Denk⸗ 
mönzen ber Macwelt überliefert: zwei derfelben zeigen fie 
in der Jugend, als glüͤckliche Gemahlin eines gefeierten 
Helden, eine als trauernde Witwe nach Pescara's Tode, 
noch eine andere endlich in vorgerüdterm Alter, auf dem 


KRevers ein Phoͤnir, der in den Flammen wieder auflebend 


mit ausgebreiteten Slägeln zue Sonne emporfhaut. Dies 
fen Revers und eine Nachbildung bes Portraits in fers 
genblichen Zahren gibt eine neuerdings von P. Birometti 
in Rom gearbeitete Medaille. Ihre Buͤſte, nad den 
vorhandenen Bildniſſen mobellist, wird gemäß kürzlich ge⸗ 
faßtem Beſchluſſe der Akademie dee Arcadi die fogenammee 
Protomoteca, Roms neues Pantheon auf dem Gapitof, 


bereichern. 
(Der Beſchluß folgt. ) 





Die Niederlaffung am Mosquito⸗Ufer. 

Bor ungefähr fünf Jahren bitbete ſich In London eine Ger 
feafgaft unter dem Namen British Central American 
Company, die eine NRicderlaffung am Mosquitor Ufer beabſich⸗ 
tigte, einem Landftriche ſuͤdlich vom Mericaniichen Meerbuſen, 
nahe der Gegend, wo vor 24 Jahren Poyais den verungiädten 
Berſuch einer Golonifation machte. Die Directoren ernannten 
einen gewiffen Thomas Young zum Biceauffeher und beauftrag⸗ 
ten ihn, „in Begleitung einiger Anbern fi nad) dem Wob- 
quitos Ufer zu begeben, um am Schwarzen Fluffe, etwa 80 Mei⸗ 
len vom mittelamerifantfdhen Hafen Zrurillo im Staate Bons 
duras, Voranſtalten zu einer Niederiaſſung zu treffen und mit 
ben umwohnenden Bötferfchaften in freundlidden Verkehr zu tres 
ten, damit fpäter ein Tauſchhandel gegen enalifhe Waurın 
flattfinden Fönne. Das Reſultat diefer Miffion bat Thomas 
Young in einem Werkchen veröffentiiht („Narrative of a re- 
sidence on the Mosquito Shore, during the years 1838, 
1840 and 1841, London 1842), deſſen vielfaches Intereſſe Tele 
der durch mangelhafte Darftellung, namentlich durch eine, de 
Geduld des Lefers bisweilen ſchwer prüfenbe Confuſton beeins 
—X wird. Doch verdient es deshalb nichtsdeſtoweniger 

eachtung. 

Mit jener etwas weitſchichtigen Inſtruction ſchiffte ſich ber 
Verf. im Juti 1839 zu Graveſsend am Bord der Roſe ein und 
erblickte nach einer Häßlich- ftärmifchen Fahrt über ben Atlane 
tiſchen Dcean das ſuͤdamerikaniſche Borgebirge Cape Gracias 
& Dios, in deſſen Nähe die Golonie gegründet werden ſollte. 
Ge näher das Schiff feiner Beſtimmung kam, befto heißer 
wurbe das Wetter, und das Land erfchien fo miebrig und mit 
ſchwarzgruͤner Wegetation bergeftalt bedeckt, daß es allerbings 
ein vortreffiicher Aufenthalt das perfide Infekt fein mußte 
nach welchem es genannt worden. Bei feiner Landung fah fh 
der Verf. von einem Haufen halbnadter Eingeborenen umringt, 
die eine Art Engliſch radebrechten, das fie bei ihrem Verkehr 
mit Balize aufgelefen, und die uͤber bie antunfe bes Berf. und 
feiner Leute mehr Freude bezeugten, als biefe über bie Beſchaf⸗ 
fenheit des Landes empfanden. Dagegen freute fie der herzliche 
Willlommen eines Sngländers, ber fi in ber Gegend 
angeſiedelt. Englaͤnder überall, fo weit die Erbe rund und der 


Quamci blau if. Wach oma mhhfeigen Mackie dech Dickies, 
wit ſtark riechenden Yflanzen verwechſenes Unterholz gelangt 
der Verf. zu dem für ihn eingerichteten Wigwam und bafist 
von hier feine Beſchreibung bes Landes ımb der Einwohner. 

Das fogenannte Mosquito⸗Ufer ift derjenige Theil der Käfte 
Anerikas, ber in ib des 10. und 15. Grads noͤrblicher 
Sreite liegt, genau ſuͤdlich von ber Halbinſel Jucatan und eine 
Seite der Carribeiſchen See zugekehrt. Ob es zum Areal einer 
der neuen amerikaniſchen Republiken gehört, dürfte ungewiß 
fein. De facto ift es ein unabhängiger Gtaat unter rinem 
eingeborenen Könige, halb Barbar, halb Angtos Kreoie, ber 
id Nobert Eharles Preberic nennt, in Jamaica erzogen wor⸗ 
den iſt, eine engliſche Warine Offizier Uniform trägt und ben 
Englaͤndern freundlich gewogen Icheint. Der Verf. behauptet, er 
ſehe in ſich einen großbritannifchen Unterthan. Ich geſtehe, daß 
ih das aus den beigebrachten Beweiſen nicht habe herausfinden 
Eönnen. Bleimehr halte ih dafür, daß Seine Mafeftät ſich 
hochſtens als Schaͤtling der englifchen Regierung betrachtet und 
dies am liebften, fo oft bie benachbarten Spanier ein Gelüfte 
nach feinem Lande blicken laffen. Es iſt wunderbar, wie diplo⸗ 
matifch klug Noth und Gigennug ſelbſt einen Wilden machen. 
Außerdem mögen auch bie englifdgen Nieberlaffungen zu Balize 
und an einem ober zwei andern Punkten ber Küfte von Hon⸗ 
duras das Ihrige beitragen, dem Beherrſcher der Mosquitos 
das Bortheilhafte eines guten Vernehmens mit ber Krone Eng: 
land vor Augen zu ftellen. Sei dem indeffen wie ihm wolle, 
wenige Zage nach der Ankunft des Verf. und feiner Gefährten 
Rattete ter König, von einer Zahl Soldaten gefolgt, feinen 
Beſuch ab. „Nachdem wir ihm vorgeflellt worden und unfere 
Bestaubigungsfchreiben fammt Geſchenken überreicht, ſchien er 
ſehr gluͤcktich, nahm jeben von uns der Weihe mach bei ber 
Sand und fagte langfam und beutlih: ‚You are my very 

ood Griend. Gr machte im Ganzen einen boͤchſt 
indeud. 

Ein paar Tage fpäter wurde Bericht gehalten über einen 
Gingeborenen, Namens Deverin, ber eine Zante bes Königs, 
Namens Lyndia, ermorbet. „Fruͤh am Morgen begann bas 
Berhoͤr vor drei Richtern und dem Könige. Die ganze weiße 
Bevölkerung des Cape unb mehre Eingeborene waren zugegen. 
Der König trug Eivilkleider, hatte jedoch fein Marinefchwert 
und feinen But bei fih. Er hörte aufmerkſam zu und brüdte 
wieberholt fein Wohlgefallen aus, daß der Gefangene auf eng⸗ 
liſche Manier gerichtet werde. Eine Jury war —— 
Jemand, der die Sprache vollkommen kannte, zum Dolmetſcher 
beſtellt worden, und mehre Zeugen bewieſen vouſtaͤndig, daß der 
Gefangene die Tante des Königs, Lyndia, meuchlings erſchoſ⸗ 
ſen habe. Er ſagte kein Wort zu ſeiner Bertheidigung. Alſo 
wurde er nach ruhiger Unterſuchung in der freien Luft im 
Schatten einiger Kokusnußbaͤume von der Jury einſtimmig für 
ſchuldig befunden und zum Strange verurtheilt. Kein Zeichen 
von Misbilligung oder Unzufriedenheit gab fidy unter den Gin: 
geborenen zu erkennen. Auch der Gefangene blieb rubig unb 
bat bios, baf das Sookeah Weib (eingeborener Arzt), bas ihm 
gu ber That geraten, berbeigeholt werde. Boten wurben uns 
verzüglich abgeſchickt und kehrten bald mit dem elenden Weibe 
surüd, das durch feinen Rath den Gefangenen zu einem vor- 
zeitigen Tode bradyte. Nachl langem Geſpraͤch fprang ber Koͤ⸗ 
nig auf und rief zornig: ‚Laßt bas Weib geben! Schafft den 
Mann fort — morgen flirbt er.‘ Demgemäß fanb am folgen: 
den Tage bie Hinrichtung flatt. Zugleich ließ der König aus⸗ 
zufen, baß männiglich in feinem Volke, ber Unrecht thue, ge: 
henkt werben, und maͤnniglich ſich hüten folle, dem fchlechten 
Kathe der Sookeahs zu trauen, oder ihn zu befolgen.” Jeden⸗ 
falle ein Beweis, daß der König Sinn für Gerechtigkeit hat, 
und was die Jury und das öffentliche Gerichtsverfahren anlangt, 
fo ift e8 beinahe ärgerlich, kann fein auch kraͤnkend, baß bie 
Wilden am Mosquitosufer vor civilifirten Voͤlkern etwas, und 


ſtigen 


bie Modquitos als einen muthigen, für Cultur ——ã— 
indianiſchen Stamm, ber jedoch in Folge zunehmender Zrunk: 
fucht moralif und phyſifch ausarte. Dagegen lobt er die Ka 
riten, einen fremben eingewanderten Stamm, wegen ihrer 
Sriebfertigkeit,, ihres Weißes unb ihrer Kingheit; fie haben 
tpeils Zucer⸗ und Kabadplantagen, theils treiben fie näg 
liche —— — R “ 
einer Inſtruction gemäß nahm der Verf. den Weg na 

bem Schwarzen Flufſe längs der Hüfte, bie mit Keinen. * 
Theil ſehr fruchtbaren und bewohnten Inſeln beſaͤet iſt. Er bes 
ruͤhrte dabei Poyais, jeht Provinz Victoria, ein Landſtrich, 
welchen bie Geſellſchaft vom König Robert durch Kauf erwor 
ben, und machte einen Abſtecher nach der ungefähr 40 englifchen 
Meilen langen Infel Roatan ober Rathan, wo er ebenfo übers 
raſcht als erfreut war, einen Schotten zu treffen, ber mit ſei⸗ 
ner zablreichen Bamilie ſich hier niebergelaflen und fcheinber 
— comfortable lebte. Balb nach ber Ankunft am Schwarzen 
Fluſſe fand der Verf. es im Jntereſſe feiner Aufgabe, ſowol 
biefen Fluß als ben Polyer Fluß hinaufzugehen, um die Polyer 
Indianer kennen zu lernen. Der Beſchreibung zufolge ift das 
eine ſehr romantifche Zour geweien. Am neugierigften war ber 
Berf., die indianifhe Stadt zu fehen, von weicher er viel gehört. 
„Du meinem nicht geringen Grflaunen beftand die ganze Gtabt 
in einem einzigen ovalen Haufe, vielleicht 85 Fuß fang und 35 
tief, wo ſaͤmmtliche Eingeborene wahrhaft patriardhatifcy beis 
fammen wohnten.‘ 

Eocalverhältuiffe und unberechenbare lnglädsfälle vereitel⸗ 
ten den Zwed ber GSrpebition. Daſſelbe if, auf weichem 
ber Verf. die Überfahrt gemacht, landete zwar im 3. 1841 
37 neue Goloniften und eine Menge fehntichft erwarteter Beduͤrf⸗ 
nifie. Aber ein böfer Typhus raffte einen nach dem andern weg, 
bis die wenigen Übriggebliebenen ſich nach Truxillo wenbeten 
und von da nad) England gelangten. Unter ihnen ber Verf. 
Das Fehlſchlagen des Unternehmens ſchmaͤlert das Jutereſſe ſei⸗ 
ned Buchs keineswegs. 14, 





Literarifhe Notizen aus England. 

Neuerdings find folgende Merle an digt worden: 
„The Rhone, the Darro, and the Guad ivir a summer 
ramble in 1342”, von Mrs. Romer, Verf. bes „Sturmer“ 
(2 Bbe.); „Egypt and the Holy Land in 1842; with sketches 
of Greece and the Levant”, von W. Drew Stent (2 Bde.); 
„History of the revolutions,, insurrections and censpiracles 
of Europe‘, von WB. ©. Zaplor, Werf. der „Romantic bio- 
graphy of the age of Elizabeth’ (2 Bde); „Travels in the 
great western prairies, the Anahuac and Rocky mountains 
and in the Origon territory”, von Th. 3. Farnham (2 Bde); 
„The false heir”, ein Roman von G. P. R. James; „The 
Wrench govemess, er the embroidered kandkerchief”, ein 
Roman von 3. Benimore Cooper; „Ihe last of the O’Mahonys, 
and other tales of the English settlers in Munster ”, 


Miß Ellen Yidernia, Verf. von „Nan Darreli‘”, ‚The 
frigbt” u. f. w., gab in drei Bänben heraus: „Friend or foe?”; 
und die Verf. von „A summer amonget the boccages and the 
vines”‘, Miß Goftello: „Gabrielle, or the pictures of a reign”, 
ebenfalls drei Bände. Berner erfdhien: „Ben Bradshawe, the 
man without a head” (3 Bde.), mit SHuftrationen; „Memoirs 
of a Brahmin” (3 Bde); „The amnesty; or the duke of 
Alba in Klanders”, ein zweibändiger gefchichtlicher Roman von 
3. 8. Slerman; ferner aus bem Dänifchen des Ingemann 
von 3. F. Chapman überfegt: „King Eric and the outlaws; 
or the throne, the church and the people, in the 13th 
century” (3 Bde.), und „The smagglers, a chronicle of th 
coast Guard”, von %. Higginſon. 18. 


Berantwortlicher Deransgeber: KHeinrich Brodhaus. — Drud und Verlag von 9. X. Brodhaus in Leipzig. 





Blätter 


für 


literarifhe Unterhaltung. 





3. Juli 1848. 





Vittoria Colonna. 
(Beiiub aus Nr. 188.7 

Bittoria's Poeſien find, mit fehr geringen Ausnah⸗ 
men, aus der Zeit, welche dem Tode Pescara's folgte, 
und wie fie fürber ſtets die Witwenkleidung trug, fo 
herrſcht auch im ihren Dichtungen eine trübe Stimmung 
vor: Schmerz über den unerfeglihen Verluſt, Trauer 
über die Veroͤdung, wehmüthige Erinnerung an vergan⸗ 
genes Gluͤck, dabei aber gewiſſermaßen ein Schwelgen im 
Sedanten der glänzenden Cigenfchaften und glorreichen 
Thaten des Garten, und ein Sichkräftigen am wärmen: 
den Strahl diefer ihrer Sonne, wie fie d'Avalos nennt, 
deren Licht nicht Zeit nicht Tod verbunkelt und bie in 
voller Glorie zu fehen Leine irdiſche Hülle mehr fie bin: 
dert. Was von frühern Porfien Vittoria's vorhanden 
war, zum Theil an ihren Gatten gerichtet, ſcheint mit 
Ausnahme bed Briefes nach ber Ravenna » Schlacht, den 
man eine echte Deroide nennen darf, verloren. Petrarca 
ift angenſcheinlich Vorbild bei jenen Sonetten gewefen: 
aber es ift keine weichliche Nachahmung; es iſt nicht alle 
Harmonie und Zartheit und Abwechslung bed Trecenti⸗ 
fien, wol aber ein Eräftigerer Geiſt, wenn auch der eines 
Beides. So ift der erſte Theil dee Dichtungen; ber 
zweite, meiſt religiöfen Inhalte, dürfte Vittoria's Ruhm 
am ficherfien begründen. Denn hier fpricht ſich in wohl: 
tautenden Berfen eine tiefe Froͤmmigkeit aus, ein feites 
GSottvertrauen, eine nicht wankende Zuverficht, eine frohe 
Hoffnung, ein inniges Duchdrungenfein von den Wahr: 
beiten des chriſtlichen Glaubens. So ſchoͤn auch in den 
fruͤhern Gebichten die Sprache iſt, in den ſpaͤtern ſcheint 
fie mit dem Segenftande zu größerm Reichthum, größerer 
Mannichfaltigkeit der Form, größerer Praͤciſion und Würde 
fih zu erheben. In Vittoria's Dichtungen leben wir ihr 
Leben mit: in ihnen legt der Kreislauf ihrer Empfindun: 
gen vollendet und abgefchloffen da. Ste fagt uns, wes⸗ 
batb fie dichte: „Serivo per sfogar l’interna doglia“ 
(Theil 1, Sonett 1); als Rechtfertigung müfjen ihr dies 
nen „La pura fe, l’ardor, Pintensa pena; ihre Gedichte 
feien „Amaro lagrimar, non dolce canto — Foschi so- 
spiri, e non voce serena”, ie gedenkt des Gluͤcks der 
vergangenen Xage: „Oh che tranguillo mar, oh che 
chiare onde — Solcava gia la mia spalmata barca” 
(Son. 6); fie gedenkt der Heimkehr bes ruhmgekroͤnten 


Gatten nad Jechia und ber wehmäthigen Erinnerung, 
die ber Ort ihr erweckt: „Quanta pena or mi dä, gioia 


mi dava!” (Son. 75.) Nachdem fieben Jahre ſeit Pes⸗ 
cara’8 Tode verfloffen, war ihre Schmerz noch lebendig: 
„Sperai che P tempo i caldi alti desin — Temprasse 
alquanto” (Son. 115); denn Alles auf der Welt war 
ihr verloren: „Quant' io di vivo avea ne’ sensi, acerba 
— Morte in un giorno col mio sol mi tolse’ (Rime 
ined, Son. 1). Aber fie findet endlich Troͤſtung im 
Hinblick auf das Jenſeits und macht fich immer mehr 
(08 von den icbifchen Banden und Wünfchen: „Il cieco 
amor del mondo un tempo tenne — L’alma di fama 
vage’ (Th. 2, Son. 1); andere Gegenftände wählt ihre 
Mufe: „Altra cetra, altre muse, ed altro monte — 
Scopre la viva fede all intelletto” (Son. 3). In biefen 
Empfindungen und Gefinnungen findet fie Troſt und 
Beruhigung: „Beata Palma che le voglie ha schive — 
Del mondo e del suo vil breve soggiorno !” (Eon. 13); 
aus dem traurigen, Oben Winter gebt fie in den blühen 
den Frühling ein: „Di gioia in gioia, d’una in altra 
schiera — Di dolci e bei pensier, l’amor supeno — 
Mi guida fuor del freddo arido verno — Alla sua 
verde e calda primavera” (Son. 17), Das Dunkel, 
das ihre Seele umfing, hat der Himmelsſtrahl durchdrun⸗ 
gen: „— sgombrö quante al mio core — Erano folte 
nebbie avvolte intorno” (Son. 131). Voll geiftiger 
Befriedigung ruft fie endlich dus: 
„Beata lei, che’l frutto e la radice 
Sprezzö del mondo, e del suo Bignor ora 
Altra dolcezza e sempiterna elice!’’ 
(Trionfo di Cristo.) 

So war im Leben und in ber Dichtung bie Colons 
nefin, ein reiner großartiger Charakter, ein Gemüth, 
das weibliche Zartheit und Dingebung mit Manneskraft 
vereint, ein reiches und in feiner keuſchen Strenge den⸗ 
noch anmuthiges Dichtertalent. 

Zu ihren Lebzeiten noch wurden ihre Poefien mehr: 
mals gedrudt, mehrmals nach ihrem Tode, zueft in 
Parma 1538, zulege in Bergamo 1760. Keine diefer 
Ausgaben iſt genau und vollfiändig zu nennen. Bet der 
neuen, welche der jungen Fuͤrſtin Donna Tereſa Zorlos 
nia, geborenen Colonna von Pallano gewidmet iſt, hat 
bee Herausgeber namentlich zwei Danbfchriften verglichen, 





eine in ber Corſiniſchen Bibliothek, eine andere in ber 
Gofanatenfifhen (im Dominikanerkloſter Sta Maria fopra 
Minerva). Legtere mit, wie es ſcheint, eigenhänbdigen 
Verbefjerungen Vittoria's, gibt eine Menge neuer Ledar⸗ 
ten, ja ganze ÄÜlberarbeitungen ſchon bekannter Gedichte, 
“und enthält Manches, was In ben Ausgaben fehlt. Mit 
Huͤlfe dieſer Handſchriften, durch forgfältige Vergleichung 
der aͤltern Drucke und mittels gewiſſenhafter Kritik hat 
Hr. Visconti jetzt einen Terxt geliefert, ber die fruͤhern 
an Correctheit weit uͤbertrifft, außerdem daß feine Aus⸗ 
gabe den Vortheil hat, ungleich vollſtaͤndiger zu ſein. 
Einzelnes, was Vittoria mit Unrecht beigelegt war, iſt 
ausgeſchieden; eine Reihe an ſie gerichteter Dichtungen 
findet fich beigefügt. Die Lebensbeſchreibung ber berühms 
ten Stau, in gefhmadvoller Darftelung, geht dem Werte 
voraus, welhem ein Bildniß Vittoria's, nach einem dem 
Muziano zugefchriebenen Gemälde, welches einft in ber 
Colonnefifhen Burg zu Gennazzano, gegenwärtig im Fa⸗ 
milienpalaft zu Rom aufbewahrt wird, und Abbildungen 
der zu ihren Ehren geprägten Denkmuͤnzen beigegeben 
find. Aus der Vergleichung dieſes echten Bildnifjes er: 
gibt fih, daß die Meinung Derer, welche in der foge: 
nannten Sornarina der Zribune zu Slorenz die Colonna 
erkennen wollten, gänzlich unbegründet tft, wie auch, daß 
das hübfche Beine Bild des Marcello Venuſti in der Ga: 
mucelni’fchen Sammlung eine andere vorftellen muß. In 
jeder Hinfiht alfo bat der Herausgeber der Literatur wie 
der Gefchichte einen wefentlichen Dienft geleiftet und auch 
durch eine akademifche Vorleſung über die von der Dich: 
terin angenommenen Devifen (,‚Lezione intorno ad un 
sonetto di Vittoria Colonna sopra una sua impresa‘’ etc. 
„Giornale arcadico”, T. 93) fih Dank erworben. Die 
prachtvolle Äußere Ausftattung des Buches aber hat man 
Don Aleffandro Torlonia zu verdanken, ber es in einer 
kleinen Zahl Exemplare, die nicht in den Handel gekom⸗ 
men, bruden ließ, bei Gelegenheit feiner Bermählung mit 
einer Tochter des Haufes, zu deſſen glänzendften Zierden 
Vittoria gehört. Alfred Reumont. 





Zwei Reden über die Erhebung der niebern Volksclaſſen. 
Sei nach den Vorträgen des Herrn Channing, ge 
halten im Sabre 1840 in ber Halle des Belehrungs⸗ 
vereind zu Bofton in Nordamerika. Zürich und Win: 
terthur, Literarifches Comptoir. 1843. Gr. 5. 9 Ngr. 


Im Kampfe zwifchen der ariftokratifchen und ber demokra⸗ 
tifchen Partei bat die letztere zur Erreichung ihrer Zwecke kein 
ebleres und zugleich wirkfameres und ungefährlicheres Mittel, 
als die in England und Amerika bereits beftebenden Vereine 
zur Belehrung der unteren Volkeclaſſen. In dieſen Glaflen eine 
Macht bes Geiſtes zu gründen, welche ber ariſtokratiſchen und 
hierarchiſchen übermacht die Wage zu halten vermag, ift das 
Ziel jener Vereine. „Lehret bas Volk denken, ihr Weifen, und 
ihr habt die Artftofratie mit ihrem Gelde und ihren Ziteln, bie 
Prieſterſchaft mit ihren Höllenftvafen und Anweifung auf ewige 
Seligkeit aus dem Felde geſchlagen. Lehret bas Volk denken, 
ihr Vernünftigen, dann werden zugleich die WBernünftigften bie 
Maͤchtigſten fein.’ 

Channing's erfte Rebe handelt über bie möglichkeit ‚ bie 
Art und die Mittel einee Erhebung der niebern Volkeclaſſen. 


. 


Diefe Moͤglichkeit ift in England und Amerika factiſch bargethan, 
dadurch, daß Tauſende von Arbeitern, flatt nad) bes Tages 
Laft der Ruhe zu pflegen, oder auch ber WVöllerei zu fröhnen, 
fih verfammeln, um Borteäge über allerlei Wiſſenſchaften oder 
über die wichtigften Angelegenheiten des öffentlichen Lebens gu 
vernehmen. Has iſt ein Bewels von einer Umwaͤlzung in ven 
menſchlichen Verhaͤltniſſen, deren unabfehbare Folgen zu ben 
fühnften Doffnungen bes Menſchenfreundes berechtigen. „Ich 
fehe darin’, ruft Ehanning, „ben Widerruf eines Urtheils, mit 
welchem bie Geſchichte Jahrtauſende hindurch die große Maffe 
bes Menſchengeſchlechts zur Grniebrigung verbammt bat; id 
fehe darin bie Worgenröthe einer neuen Zeit, in deren Harem 
Lichte es als erſter Zweck der menſchlichen Geſellſchaft erkannt 
werden wird, daß allen Mitgliedern dieſer Geſellſchaft die Mit: 
tel zu ihrer Ausbitbung gewährt werden mäflen; ich ſehe darin 
bas Anzeichen des herannahenden Siege der geiftigen Büter bes 
Menfchen über die Leiblihen. An dem Dunger und Durſt nad 
Erkenntniß und geifligen Genuͤſſen, weiche durch dieſe Reihe 
von Vorträgen auch in Denen bervortreten, die meift nur mit 
törperlicher Arbeit befchäftigt find, fehe ich, daß der menſchliche 
Geiſt nicht immer durch die Sorge und Mühe für bie Bebuͤrf⸗ 
niffe des thierifchen Lebens und das Werlangen nady thierifhen 
Genuͤſſen ſich niederbräden läßt. Ich halte diefe Verſammlung 
für außerorbentiich wichtig, nicht ſowol um ihrer felbft und 
igrer unmittelbaren guten. Folgen willen, als vielmehr , weil fie 


‚ein ſicheres Zeichen eines neuen und mächtigen Anftoßes it, 


weldyes der menfchlichen Gefellfhaft durch alle ihre Glieder ges 
geben wird.” Um ſogleich Misverftändniffe abzuſchneiden, gibt 
ber Redner zuerſt an, worin nad feiner Meinung die Hebung 
der untern Volkaclaſſen nicht beftehen Tann. Die Arbeiter fol: 
len nit in eine Lage verfegt werden, bie fie der Arbeit über: 
bebt: es ift keineswegs wünfchenswerth, daß fie ihre Werkitatt, 
ihr Bauergut verlaflen, ihre Werkzeuge aus der Hand legen 
und aus dem Leben einen langen Beiertag machen. Die menſch⸗ 
liche Natur iſt auf eine Welt eingerichtet, in welcher die Arbeit 
zur Grhaltung des Lebens nothwenbig ifl. Die Mafle der Ar 
beiter fol durch ihre Weiterbildung nicht von der Arbeit befreit 
werden. „Ihre Erhebung foll nicht darin beftehen, daß fie mit 
ben fogenannten höhern Ständen auf eine Stufe geftellt wer⸗ 
den. Sie ſollen nicht in Herren und Damen verwandelt, nicht 
mit künftlichem Rang und neuen Ziteln angethan werben. Ihre 
Beränderung foll eine innere, ihre Debung eine foldhe fein ‚bie 
wahrhafte Achtung gebietet. Haben fie durch die Kraft ihres 
Willens, durch ausdauernde Anftrengung eine höhere innere 
Würbe erreicht, fo werben fi alle dußern Abftände leicht aus: 
gleichen. Aber nichts würden fie gewinnen, nur tiefer ſinken, 
wenn parifer Schneider an ihrer Srhebung arbeiten, wenn bie 
Sitten der Tanzmeiſter ihre Weiterbildung befördern follten. 
Allerdings follen ihnen gefellige Erholungen, gemeinfame Feſtlich⸗ 
keiten einen gemeinfamen Lebensgenuß gewähren, aber nicht in« 
ben ihnen Zutritt zu üppigen Gelagen gegeben, nicht, indem 
ihr Geſchmack an Eoftbarem Hausgeräth, an prachtvoller Ein 
richtung für das wahrhaft Schöne und Edle des Lebens verdor⸗ 
ben wird. Das Geſchick, welches bie große Menge dazu vers 
urtheilt, einfach zu effen, zu trinken, zu kleiden, zu wohnen, 
ift nicht graufam, befonders wo fein Sprud fo mild ausgeführt 
wird wie jegt in manchen Ländern.” Auch ift es nicht Ghans 
ning's Meinung, daß bie arbeitenden Claffen durch ihre Erhe⸗ 
bung zur politiſchen Obermacht gelangen follen, fobaß fie durch 
Stimmenmehrheit die Regierung zu Maßregeln nöthigen können, 
welche ihre befondern Vortheile begünftigen, die der übrigen 
Gtaffen verlegen. Keine Claſſe, kein Stand foR regieren; alle 
Theile der Geſellſchaft follen in ber Regierung gleichen Schut 
finden; ihre Gefammtzwede follen auf gleiche Weiſe vertreten 
fein. Keineswegs aber fol die große Menge die Politik uns 
beachtet Laflen. Sie fol viel und namentiih in ben Ber 
lehrungsvereinen mit politifhen Fragen befchäftigen, um zur 
Einfiht in die oͤffentlichen Rerbättniffe, in die gemeinfamen 
Zwecke, für welche ber Staat zu forgen bat, zu gelangen, aber 





7 


nicht um biste Berhaͤltniſſe leiten zu wollen, fonbern vielmehr 
um fid 8 gen, welche e, welche Arbeit, welche 
ok Geſchicklichteit, weiche umfaffenden Kenntniffe und tiefe 

inſicht es erfobert, die Öffentlichen Angelegenheiten zum Wohle 
Aller zu verwalten. Die Menge foll mit Eraft und Gifer das 
Gemeinwogl kennen lernen, übır die Grundfäge der Verfaflung, 
über den Zweck und die Wirkſamkcit Öffentlicher Maßregein 
nachdenken; daraus erwaͤchſt keinem Staate Gefahr, fondern 
Kraft und Sicherheit. Der Grund zu Befürchtungen ift darin 
zu ſuchen, daß das Volk ohne Einſicht in die Öffentlichen Ans 
gelegenheiten, obne bie Fähigkeit, über das wahre Gemeinwohl 
nachzudenken, dennoch nach Mitteln greift, ſich zu helfen, wenn 
ihm feine Lage unerträglih wird. Zu einem Bewußtſein, daß 
feine Müpfeligkeiten und Entbehrungen nicht länger zu ertragen 
find, kann es aber ebenfo leicht gebracht werden, als es ihm 
ſchwer fallen muß, die rechten Hülfsmittel dagegen zu wählen 
und nicht ſolche, bie feine Lage noch verſchlimmern, dabei aber 
das Bemeinwohl gefährden. Wenn das Volk feine politifche 
Blindheit abgelegt bat, werden feine politifchen Handlungen 
nicht mehr zu fürdhten fein. 

Nachdem Shanning gezeigt hat, worin bie Erhebung ber 
arbeitenden Glaffen nit beſtehen kann, fährt ex fort: „Ich 
tenne nur Gine Erhebung, Eine Veredelung bes menfchlichen 
Welens, das ift die Erhebung des Geiftes: die Befreiung def 
felben aus den Banden der Unwiffenheit und Unmuͤndigkeit, aus 
der Knechtſchaft des Glaubens an fremde Autorität durch Geis 
ſtesbiidung. 

Die eindringliche, kraͤftige, nicht ſelten erhabene und im⸗ 
mer populaire Sprache, in welcher Channing dieſen Satz wei⸗ 
ter ausführt, nöthigt uns zur aufrichtigſten Hochachtung für 
fein ebled Streben und fein ausgezeichnetes Talent als Nolte: 
redner. Wir bebauern, daß der Raum es nicht geftattet, Stellen 
aus biefem Theile feiner Rede anguführen. 

In der zweiten Rede Ipricht Channing über. bie wichtigften 
Gimvürfe gegen die Erhebung der niebern Claſſen durch geiftige 
Bildung. „Grfilih wird man mir einwenben, bie Mafle der 
Arbeiter könne ſich nicht die verfchiebenen Bücher verfchaffen und 
hinreichende Zeit auf Lefen und Lernen verwenden, um jene 
Kraft des Denkens zu erlangen, um jene großen Gedanken zu 
erfaffen, von weldyen ich in meinem Vortrage geſprochen habe. 
Dieſer Einwand geht aus der fehr gewöhnlichen Anſicht hervor, 
nach weicher zwifchen Kenntniß und Ginficht kein Unterſchied 
gemacht wird. Ich habe biefen Irrthum ſchon durch frühere 
Bemurlungen widerlegt, doch ift es gut, ihn noch genauer zu 
unterfudgen. Kenntniß beftcht in dem Wiſſen von Thatſachen, 
mad wenn biefe vorzäglich in Büchern zu fuchen find, beißt fie 
Gelchrfamteit. Dazu gehört eine Kenntniß der Sprachen, ber 
Literatur, der Geſchichte und Geographie, zu deren Erlernung 
allerdings viel Zeit auf Bücherlefen verwendet werden muß, und 
ig bin weit bavon entfernt, bie große Wichtigkeit einer folchen 
Beſchaͤftigung berabzufegen. Allein die Ergebniffe, bie Früchte 
der unfaglidyen Mühe, welche gelehrte Männer ſich gegeben har 
ben, um aus der unerfhöpflien Fülle von Thatſachen bie 
wahre Ginfiht in das Wefen der Menfchbeit zu ziehen, wer: 
den in Schriften von immer kleinerm Umfange niebergelegt. 
Solche Schriften werben nie fehr zahlreich fein, und je vorzuͤg⸗ 
licher fie find, deſto verſtaͤndlicher werben fie für Alle, bie fich 
die Mühe geben, ernfttich nachzubdenken. Der große Swed ber 
Buͤcher if, uns zum Nachdenken zu veranlaffen, uns auf Fra: 

zu führen, an deren Beantwortung große Männer feit ben 
—2 Zeiten gearbeitet haben; uns mit denjenigen wichtigen 
Thatſachẽn bekannt zu machen, die unſer Urtheil ſchaͤrfen, un: 
fere Ginbifbung erheben, unfere Gefuͤhle ergreifen, unſere Geſin⸗ 
nung verebein, die in uns den Geiſt und das Leben von Menfchen 
baudyen , die größer find als wir; und einen foldhen Rugen aus 
Büchern koͤnnen auch Diejenigen ſich verfchaffen, welche nicht 
viel Zeit zu umgeftörtem Lefen haben. Mit folchen Büchern 
aber follen die Bereine ihre Mitglieder verforgen und in biefem 
Sinne für ihre wiſſenſchaftlichen Bebärfniffe forgen. Darin und 


n der perſoͤnlichen Belehrung beſteht bie Hauptaufgabe ber 
eine. " 

Gin zweiter Einwand gegen bie Erhebung ber untern Claſ⸗ 
fen durch geiftige Bildung begründet fi in dem Vorurtheii, 
daß bie Menge nicht berufen fei, felbft zu denken und ihren 
Geiſt auszubüden, weil nur wenige vom Schickſal Begünfiigte 
auserwäpit feien, für fie zu denken. Gegen biefes Vorurtheil 
proteflirt Channing. Mögen Dichter, mögen Künflier, mögen 
Menſchen von großem Charakter, Helden, wie Wafhington, 
vor den übrigen Menfchen begabt fein, die Fähigkeit zu denken 
kommt allen Menſchen zu. Channing verlangt durchaus nicht, 
baß bie Arbeiter bie Entdecker großer Wahrheiten werben fols 
ten (obgleich bie tieffinnigflen Wahrheiten bem Kopfe manches 
Arbeiters entfprungen find); aber Das verlangt er, daß die ars 
beitenden Claſſen nicht ferner in einem Bildungszuftande vers 
harten, in weldem fie ohne alle Prüfung annehmen mäffen, 
was man für Wahrheit ausgibt; fie follen bie jedem Menſchen 
angeborene Faͤhigkeit zu benfen gebrauchen lernen, um über 
bie Wahrheit ein eigenes Urtheil zu haben. 

„Zuweilen hört man fagen, daß bie große Menge zwar 
über bie gewöhnlichen Angelegenheiten des Lebens denken möge, 
fo viel fie wolle, aber nicht über höhere Gegenftände, wie Wos 
zal unb Politik, befonders nicht über Religion. Diefe müffe 
mit unbebingtem Glauben empfangen werben, ba die Menf 
überhaupt Fein eigenes Urtheil über biefelbe fi) bilden Eönnen. 
Aber die Religion iſt gerade berjenige Gegenftand, über welchen 
Jeder am wenigften fein eigenes Urtheil aufgeben und fich ber 
Sorgefchriebenen Dieinung eines Andern überlaffen follte. Nichts 
ift dem Menfchen von größerer Wichtigkeit, als bie in ben res 
ligiöfen Formen und Bildern offenbarte Wahrheit. In nichts 
folte fein @emütb tiefer betheiligt fein, an nichts follte fein 
Geiſt einen lebhaftern Antheil nehmen, in nichts liegen ihm 
bie Mittel näher, um zur wahren Grfenntniß zu gelangen; fie 
liegen in ihm, er ſuche nur über fein eigenes Wefen fi immer 
Elar und bewußt zu werben unb er wird fie finden. In nichts, 
wie die Geſchichte zeigt, kann ber Menſch leichter irre geleitet 
werben, und zwar von Denjenigen, weldyen er das Geſchaͤft 
überlaffen hat, für ihn zu denken.” Das flimmt nun freilich 
mit unfern gewöhnlichen Seligkeitslehren nicht überein unb 
wärbe von der unermeßlichen Mehrzahl ber Beifklichen als ein 
verbammungswürbiger Gas bezeichnet werben; Channing, felbft 
ein Geiſtlicher, geht jedoch hierin fo weit, zu behaupten, es fei 
eine laͤcherliche Ungereimtheit, bie Religion als etwas hinzuſtel⸗ 
len, worüber bie große Menge nicht nachdenken dürfe, 

Gegen eine weitere Einwendung, nämlich, „daß ein Untere 
fchied der Stänbe für bie geſellſchaftliche Ordnung weſentlich fet, 
baß dieſer aber verwilcht werbe, fobalb der Gedanke in Allen 
gewedt und in Allen gepflegt wird‘, hätte Shanning in Europa - 
allerdings einen harten Stand; in Amerika jedoch, wo biefer 
unterſchied faſt eriofchen iſt, bedurfte es einer weitiäufigen Ars 
gumentation zur Widerlegung. Ghanning erflärt es für eine 
Verfündigung am Menfchengeifte, wenn angenommen wird, dies 
fer felbe Geiſt müffe in einem Theile bes Menfchengefchiechts 
unterbrüdt werben, bamit er ſich fin dem andern, kleinern 
Theile deſto volfländiger entwideln koͤnne. Wollte man noch 
einwenden, baß der Mangel an Bartfinn und feinen Sitten bie 
niebern Gtaffen nothwendig im gefelligen Leben von ben höbern 
abgefondert erhalten müfle, wenn auch alle politiſche Ungleich⸗ 
beit befeitigt wäre, fo gibt ber Redner diefen Mangel an feiner 
Sitte in der größern Menge zu und gefteht ein, daB er ein 
Dinderniß für den Umgang mit den Gebildeten ift, obgleich ein 
oft übertriebenes. „Aber biefe Schranke muß fallen vor ben 
fich ſtets vervielfältigenden Bildungsmitteln. Roheit ber Sitte 
ift kein Ubel, das nothwendig mit ben Lebensverhältniffen irgend 
eines Standes verknüpft wäre. Wir brauchen nicht Jahrhun⸗ 
berte zuruͤckzugehen, um einen gefelligen Umgang unter ben 
hoͤchſten Ständen in Europa zu finden, der fih durch Scham⸗ 
lofigleit und ungebundenes wuͤſtes Weſen auszeichnete; aber die 
Beit bat jene verunzierenden Flecken wenigftens aͤußerlich abge 


240 


dieſe 
muthigen. „Ein ‚du 
* der allgemeinen Achtung ſteigt, wie ein traͤges, 
Genuß gewidmetes Leben immer mehr als bes Menſchen unwuͤr⸗ 
dig und als veraͤchtlich betrachtet wird. Die altabeligen Vor⸗ 
urtheile, daß der Haͤnde Arbeit den Menſchen erniedrige, außer 
wenn ihr Zweck iſt, Menſchenblut zu vergießen und ſtatt Nutzen 
Zerſtoͤrung zu bewirken, ſpuken nur noch in wenigen verruͤckten 

Köpfen. Der Grund dieſer heilbringenden Meinungsveränberung 
iſt in der fortfchreitenben Aufklärung ber Begriffe und dem aus 


langt, weldge bie größten — ertragen und doch zu⸗ 
gleich der Geſellſchaft die nüßl 


der arbeitenden Glaffen! f 
daß die niebern Claſſen bes Volks fich geiftig erheben werben, 
und vielleicht der entſcheidendſte, iſt bie are Entwickelung ber 
Grundfäge des Chriſtenthums. In den legten Jahrhunderten 
bis au diefer Zeit iſt die chriſtliche Religion hauptſaͤchlich als po⸗ 
utiſches Mittel benugt und zu dem Zwecke verdreht und verftüms 
meit worben, den @eift ber Völker zu unterbrüden. Aber bad 
wahre Wefen bes Ghriftentbums, geiftige Freiheit, Gleichheit 
der Menſchen vor dem Geſetze und allgemeine Menſchenliebe, 
wird jegt durch die Macht des freien Gedankens von feinen Feſ⸗ 
fein und aus dem Schutte verfallener Zeiten ſiegreich befreit. 
Die Frucht des Chriſtenthums, der Geiſt der Wahrheit, iſt die 
einzige Lebensbebingung der neuen Bildung; wenn er nicht ſiegt, 
werben die materiellen @üter die oberften Gefege geben, nad 
weichen Zeber nur danach tradhtet, durch Beſitz äußerer Güter 
ſich über Andere zu erheben. Die norhivendigen Bolgen einer 
folgen Anordnung ber menfchlichen Geſellſchaft nach der Groͤße 
DB Reichthums find: Verachtung der Menſchenrechte, Unters 
brädung der arbeitenden Glaffen, Betrug und Schwindelei im 
Bandel, woburd der Erwerb ein Gluͤcksſpiel wird, gemagte 
Speculationen, und zulegt ein allgemeiner Vermoͤgenskrieg, ein 
Buftand commerciellen Fauſtrechts, der nur in algemeinerm Ber: 
fall enden Tann. Hülfe muß kommen und kann nur kommen 
von einer neuen Macht, der Macht des Gedankens, melde bie 
geiftige Würde des Menfchen ats oberftes Gefeg hinſtellt, und, 
die gefelligen Einrichtungen nady allgemeiner Menſchenliebe und 
den von ihr anerfannten Menfchenrechten ordnet. Der Anftoß 
zur Werbefferung ber Geſellſchaft wird ſchwerlich von ben obern 
Stiedern, fondern aus dem dunklern Schoofe der Menge kom⸗ 
men. Unter biefer fiebt der Menfchenfreund mit Freude neue 
geiftige Bedürfniffe, geiftige WBeftrebungen und Grundfäge ſich 
entfalten. Was ſchon gewonnen ift, fol uns Muth geben. 


Endlich, vertrauen wir Gott, vertrauen wir dem Wenſchengeiſte 
{n uns, und bem guten Shiefal, das feiner Eutwickelung und 
Verherrlichung auf biefer Erde noch bevorfteht. Und follten uns 
fere Bemühungen tn der naͤchſten Zukunft vereitelt werben, was 
ich mir nie ernſtlich in den Stan kommen laffe, fo troͤſten wir 
ung mit bem Gebanfen, daß wir bem Wohle künftiger Ge⸗ 
ſchlechter vorgearbeitet und unfere hoͤchſte Pflicht gegen unfern 
Schöpfer gethan haben.” B. 


Literariſche Notizen. 
Shakſpeare in Frankreich. 

E. Roger gab heraus „Beautss morales de Shakapeare“ 
in verfificirter Überfegung, mit gegenüberftebendem Driginaltert. 
Roger hielt — im vorigen Jahre vielbeſuchte Vorleſungen 
über engliſche Sprache und Literatur, in denen er viel Geſchmack, 
Geiſt und Kenntniß befundete; auch ſchrieb er vor mehren Jahren 
einen Roman „Oléar““, ber allerdings bizarr, feltfam und uns 
vollkommen war, ber aber zugleich ein gewiſſes vulkaniſches 
Feuer, eine originelle Auffaffung, kurz eine Menge Spuren von 
entfchiebenem Talente befundete. eine Überfegung Shaffpeare's 
ſcher Schönheiten und Kraftflellen zeugt für das Talent bes 
Verf, aber ebenfo fehr auch für die Unfähigkeit ber franzöfl: 
fyen Sprache, Shalfpeare in gelungenem Abbrude wiederzu⸗ 
geben. Shakſpeare erfcheint mir bei biefen Franzoſen immer 
wie ein Wachsbild, welches nach einer Marmorftatue gearbeitet 
ift: giängend, glatt, regelmaͤßig gegliedert, aber leblos, kalt, 
mit hohlen, unheimlich flarren Augen, dabei hofmäßig coflumirt, 
in Schnallenfhuhen, Racine's wohlfrifirte Perruͤcke auf dem 
Haupte, den Galanteriebegen an ber Geite. Und biefer ſteife, 
hoͤckerige, weitfchweifige Alerandreiner, der durch feine Länge zu 
einer überreichlidyen Anzahl von verunftaltenden und ungehörigen 
Sinfchiebfeln verführt oder zwingt! Man höre folgende Berfe 
Roger's aus der berühmten Anrede Lear's an bie Elemente: 

Foudre gut fonda sur moi, tu n’es pas Gonerlile; 

Blömente,, oe n’est point lä haut qu’est ma familie; 

Vous ne me deves rien. Je me vous oonnais pas, 

Je ne vous al jamais partagd mes dtats; 

Vous plaire ne fut pas mm seule et douse dtade; 

Je ne vous taxe polat non plus d’ingratitude,. 
Die Worte Romeo’s: „Hang up philosophy! Unless philosophy 
can make a Juliet’’ erfäuft Roger in folgender Umfchreibung: 

Au dieble la ralson! A moins qu’elle ne pulsse 

Renverser cet arröt, ma rage et mon supplice, 

Ou deplacer Verone et ne rendre & 1a fois 

Juliette et le bonheur, je m’entends pas sa voix. 
Roger hat biefe moraliſchen Schönheiten allein aus ben Tra⸗ 
gödien Shakſpeare's gezogen, „denn“, wie ein frangöflfcher Kris 
titer bei diefer Gelegenheit fagt, „die Zrauerfpiele find die eins 
zigen Stüde Shakſpeare's, welche einen moraliſchen Zwech, 
einen moralifchen Sinn haben; feine Euftfpiele haben, wie man 
weiß, davon nichts”. 
tikers, &. Alloury, tft ebenfo kurz und entfchleden als albern. 


Neuere Erfcheinungen auf dem Gebiete ber Poefie in 





England find: „Orion‘‘, ein epifches Gedicht in drei Büchern, 


von R. H. Dorne, Verf. des „Cosmo de Medici”, „Gregory” 
u. f. w.; „The foil”, ein biftorifches Gedicht in drei Gefängen, 


von Robert Hughmanz „Poems“, von Zhomas Whytehead; 


„Ihe Styrian lake and other poems“, von F. W. Faber; 
„The Cherwell waterlily and other ppems“, von Demfelben; 
„The baptistery‘, vom Verf. der „Tihoughts in past years” 
und „The catbedral”; „Eingland’s trust and other poems”, 
von Korb John DWanners; „Poems”, von 3. &. Hope; „Nature 
a parable’‘, von 3. 6. Morris; ‚„„Ecclesia”, von 8. ©. Hawker; 
„Sacred gem von J. Gorle; „Sacred puems. from subjects 
in tbe Old testament”, von Edmund Reader, Verf. von 
„Italy. Man flieht, daß in England befonders bie religiöfe 
Poeſie angebaut wird. 18, 


Verantwortliher Herausgeber: Heinrich Brodhaud — Drud und Verlag von F. A. Brockhaus in Leipzig. 
C — — — — ————— —— — —— ——— —— 


Dieſe Bemerkung des franzoͤſiſchen Kris 





Blatter. 


de 


literarifche Unterhaltung. 





Dienfag, 





Streitſchriften über die Hegel'ſche Philofophie. 


1. Die Hegel'ſche Philoſophie. Beiträge zu ihrer richtigern Bes 
urtheilung und Würbigung. Bon Ghr. Anbe. @abter. 
u . Dunder. 1843, &r. 8, 1 Xple. 

3 


2. Die age in Hegel's Syflem. Zwei Streitfchriften. 
Bon lie Bra en dege ee ? en 1843. 
3 Die Pipdelnde ber Hegel'fchen Schule beustheitt on ® 
Grauer. Beipäig, 8. Fieiſcher. 1842. Gr. 8. 

Obgleich nur bie zweite ber genannten e— ſich 
ausdrudtih als „Streitſchrift“ ankuͤndigt, fo paßt doch 
dieſe Bezeichnung auf ale drei gleichmaͤßig. Gleichwol 
find fie ſaͤnnutlich ein allgemeineres Intereffe in Anſpruch 
zu nehmen berechtigt, ſchon deshalb, weil ſie ſich auf die 
wiſſenſchaftliche Haltbarkeit der Hegel'ſchen Philoſophie be⸗ 
ziehen, welcher Niemand einen großen, immer noch in ſehr 
verſchiedener Richtung und Geſtalt auf die Meinungen 
des Zeitalters fortwirkenden Einfluß abſprechen kann; und 
es iſt jedenfalls nicht gleichguͤltig zu ſehen, wie ſich der 
Kampf gegen ſie wendet, und welche Punkte hier der 
Gegenſtand des Angriffs oder der Vertheidigung find. 
Eine Kritik dieſer Schriften, ja- ſelbſt eine bloße Relation 
über fie findet fich aber in dem Kalle, daf fie unmoͤglich 
auf Zuflimmung von beiden Seiten vechnen fann; wo 
das Urtheil Über die Hegel’fche Phitofophie für oder wi: 
der ſchon feftiicht, werden diefe Schriften ohnedies nur 
ale Symptome eines, in jenem alle als gaͤnzlich unbes 
rechtigt, in dieſem als überfläflig erfcheinenden Kampfes 
betrachtet werden. Nur auf diefe Weife laͤßt fich erklaͤ⸗ 
een, daß die Schrift von Exner, fo viel dem Ref. be: 
kannt iſt, bis jegt noch von keinem Anhänger Degel’6 ber 
Erwähnung, geſchweige eines Verſuchs der MWiderlegung 
für werth geachtet worden iſt; und doch iſt ihr Inhalt von 
der Art, daß fie widerlegt werden mußte, wenn nicht nur 
die Hegel ſche Pi, fondern das ganze Syſtem vor 

dem Richterſtuhle einer ernſten und uͤber bloße Partei⸗ 
2* erhabenen Unterſuchung auch nur einen Schein von 
Haltbarkeit fell behaupten können. Unglücklicher — ober 
fellen wie fagen gluͤcklicher? — iſt Trendelenburg geweſen. 
Durch bie kritiſche Analyſe, ber er in feinen „Losifchen Une 
terfachungen” das Hegel'ſche Syſtem ruͤckſichtlich der Vor⸗ 
ausfegung feiner Vorausſetzungsloſigkeit, feiner Methobe 
und deren Aumendung, des dialcktiſchen Auſammenhangẽ 


feiner Daupttheile und ber darauf ſich gründenden Halt⸗ 
barkeit feiner Behauptungen unterworfen hatte, bat fi 
bekanntlich einer der älteften Schüler Hegel's veranlaßt 
gefunden, dieſem Angriffe mit großer Ausführlichkeit im 

den „Berliner Jahrbuͤchern“ zu entgegnen. Ob bie bebett- 
tenden Ehrenbezeugungen gegen das Hegel'ſche Syſtem, 
mit welchen Trendeienburg feinen Angriff eröffnete und 
begleitete, nicht zum Xheil dadurch veranlaßt worden find, 
daß er zu der Zeit, wo fein Buch gefchsieben wurde, es 
in Berlin für nöthig erachtete, fich über die runde zu 
techtfertigen, aus welchen es ihm unmöglich fei, die Wohb⸗ 
thaten diefer Philoſophie fidy anzueignen, ob ebeiio die 
Entgegnung nicht unterblieben fein würde, wenn der Ans 
geiff nicht gerade von Berlin ausgegangen wäre, ob affe 
nicht, wie ſchon H. Ritter gefagt bat, bie ganze Frage 
eine blos Locale fei, mit der ſich die Wiſſenſchaft gar 
nicht fo Lange aufzuhalten Habe, kann man auf ſich beras 
ben laſſen; wie geringen Eindrud der erfte Artikel der 
Entgegnung auf den Gegner gemacht habe, ſprach dieſer 
kurz darauf in einem Artikel unter bee Überſchrift 
logiſche Frage in Hegel's Syſtem“ in ber „Neuen Yertald 
[hen Aligemeinen Literatur: Zeitung” aus. Gabler ließ 
darauf noch zwei Artikel in ben „Berliner Jahrbuͤchern“ 
folgen, denen Trendelenburg abermals «ine, wie es ſchäut, 
definitive Erwiderung entgegenſtellte. Aus dieſen Fünf 
Artikeln find mit einigen Ermelterungen von Selten: Gab» 
let's die obigen beiden Schriften entſtanden. 

Überblickt man die ganze Reihe der Verhandlungen, 
zu denen aber freilich ber betreffende Abfchnitt in Treude⸗ 
lenburg's „Logiſchen Unterſuchungen“ fehr weſentlich weils 
gehoͤrt, fo verhehlt es ſich zuvoͤrderſt Gabler ſelbſtniche, 
daB die Hegel ſche Miloſophie aus der Difenfive in die 
Defenfive gedrängt iſt; aber er thut dies in eimer Melle, 
die faſt Verwunderung erregt, wenn wan fi an bei 
hochfahrenden Ton erinnert, mit welchem fonft die Hegel⸗ 
ſche Schule Diejenigen abzufertigen pflegte, die daB ganze 
Soſtem für einen Irrthum zu erklaͤren ſich erklhnten. 
Nicht, als ob es in ſeiner Schrift an ſarkaſtiſchen Wen⸗ 
dungen fehlte; außer ſolchen Interjeetlonen, wie Aha! Ei? 
u. f. m. erinnern wie nur an bie :mit vieler Liebe audge⸗ 


fuͤhrte Vergleichung des Gegners niit jenem in des Bit 
.ter6 von Rang „Demmelburgee Reifen” erwähnten Ta⸗ 


ſchenſpieler, der dem gaffenden Publicuim verfprädy, den 





0. a 


Rheinfall in eine Schu fe zu zaubern; gleichwol 
kommt ber Verf. auf die bermalige Stellung der Hegel’ 
ſchen Philoſophie mehr als einmal in einem Zone zurüd, 
der beinahe Mitleiden erregen koͤnnte. Er nennt fie eine 
„vesurtheilte, gebrandmarkte, geaͤchtete, werrufene, verleum⸗ 
dere”, er pricht von Auklagen und Verdaͤchtigungen, bie 
man gegen fie ſchmiede, von rohem und abſichtlichem 
Misverſtehen, welches ſich Alles für erlaubt halte, wenn 
e6 nur zu SParteizweden fromme, von dem ſchweren und 
mislichen Kampfe ihrer Vertheidiger u. ſ. w. im ſehr verfchies 
denen Wendungen, bie zum hell einen Pläglichen Eins 
druck machen. Ja er iſt fogleich in der Vorrede (S. v) 
fa beſcheiden, zu fagen, 
daß er gegenwärtig nur darum kaͤmpfe, die Hegel’fche Phi⸗ 
ie als eine 8 inzuſtellen, welche in ihrem guten 
ewußtfein, daß fie für Religion und Gtaat mindes 
flen nichts SGefaͤhrlicheres oder Bedenklicheres enthalte als jede 
andere geltende philoſophiſche Lehre, auch vollkommen das Recht 
jedenfalls: neben ben andern und in 
Piat und Standpunkt in Aue 





Das „wo nicht mehr“ kann nun freilich ſehr ver 
{dieveme Anipeüche einfließen; aber wer wird denn fo 
Hoͤricht fein, des Hegel'ſchen Philoſophie ihren Platz im 
der geſchochtlichen Reiha der übrigen Syſteme nehmen zu 
meſlen? bat etwa Trendelenburg ihre hiſtoriſche Exiſtenz 
geteugnet? oder hat er ihre wiſſenſchaftliche Haltbarkeit 


angegriffen? oder iſt endlich, nach dem Sage: was wit | 


Uch iS, IR vornanftig, Beides einerleis Niemand glaubt 
hautaitage am bie Haltbarkeit des Ptolemaͤiſchen Weltfpe 
fema; wird man ihm: deshalb auch feinen hiſtoriſchen 
Platz in den Reihe der aſtronomiſchen Hyopothefen beſtrei⸗ 
us walten? 

Was den Inhalt ſowol des Angriffe ale der Bass 
theidigung anlangt, fo kaun ef. nicht umhin, fich bem 
fen vom den verſchiedenſten Seiten ber ausgeſprochenen 
Werheile amzufchließen, bei bie Vertheidigung durchaus 
nicht zu einer Misberlage des Gegners geführt hat. Er 
femme in dieſer Hinſicht beinahe ohne Ausnahme alle 
Dem kei, was Trendelenburg ſeibſt in feinem zweiten Ar⸗ 
tibeh in einen foſten, ruhigen, dev Willenichafs würdigen 


Zone ausfprihe Wis Gabier's erſter Artikel erfchien, | 


mmäte es ſogleich auffallen, daß bie Entgegnung auf den 
aiganilichen Punkt des Angriffs ganz. und gar nicht eine 
sing Dieſer Punkt: was. die Dieiaktiihe Methode am fich 
wur in ihrem Verhaͤutniß zu dem, lediglich durch fie zu 


aeugenden abfeolusen Willen, welches, als ibentifch mit |: gefagt und 


den Sacht in dem angeblich. nothwendigen Rhythuus der 
Gadankenbeſtimmungan den immanenten Proceß der Sache 
darſtelle. Stats deſſen ſuchte Gabler auf gueßen. Umwe⸗ 
gen. dem Gegner zu Gemuͤth⸗o zu führen, daß diefer eben 
ein Wiſſen von dem Abſoluten, von Gott und dem 
gaͤttlichan Geiſte hate. Der zweite Artikel (5. 83) 
nme dies ſelbſt ein „Beitiiches Manorumes”, welches bem 
Krieg in das feindliche Band zur [pielen ſucht. Gin ſol⸗ 
eb: Manoeuvre mußte. aber, feine Zuläffigfeit verausge 
ſant, jedenſalla ummirkfans ſeia; das Gewicht und des 
Merdianſt bes. Trendelenbarg ſchon Angriffs beſtand gerabe 


‚nad Seins. Die weitere Xu 


darin, daß er Die Hegel ſche Philoſophie nicht in ihren 
Reſultaten über Gott, Religion, Staat u. ſ. w., fon 
Bern, ganz unbefümmert um die teligiöfe und politiſche 
ärbung, welche biefe Reſultate haben ober nicht haben, 
n ihren Gründen traf Uber auch. Die Geiden ſpatern 
Artikel enthalten durchaus nicht eine ſelche Wißerlegung 
dee Einwürfe bes Gegners, daß dadurch eine puͤnktliche 
Unterfuchung fich befriedigt finden könnte. Während ber 
Gegner den Stiederbau des Syſtems im Einzelnen ana: 
tofiet, während er ihm in feinem Wendepunk⸗ 
tea Spruͤnge und Erſchleichungen zur Laſt lege, laͤßt ſich 
ber Vertheidiger auf die Haltbarkeit diefer einzelnen dia⸗ 
lekt 





Bewegungen gar nicht eis, ſondern begmiszt ſich, 
über Das, was er die Grundfrage der Philofophie nennt, 
und über die Art ihrer Loͤſung fi gang im 
zu verbreiten. Daß mit biefen Eroͤrterungen Trendelen⸗ 





' burg: widerlegt fei, hat Ref. nicht finden koͤnnen; vielmehr 
WM die Art, wie hier bie Aufgabe, ebanfo wie das Reſul⸗ 
- tat bee Philofopbie beftimme wird, ſehr charakteriſtiſch für 
: den Grad von Schärfe, den die Hegel'ſche Philoſophie 


von fich felbft fodert. Nachdem (S. 119) der Phitoſophie 
die befunmte Veſtimmung vindicirt werden ifl: daß fie die 
Wiſſenſchaft deu Principien, und daß, fig mit dem Em⸗ 
pirifchen ohne weiteren, wie es iſt, abgeben, Umphilefophie 
N rincioien aber felbR Goanken ober Gebundenverhäite 

i oder 
niſſe, 8* bie eigentliche r feib und bes Be 
fentiiche bes verhältniffes, wo es immer in ber Erſcheinung 
fi darbiete, auf eine burkbgreifende und allgemeine Weile auds 
drucken, ftellen ſich damit bar als bie en alles Denkens 


sen Loͤſimg auch dad B 
nach 


iſt, was alle Welt Bott nennt.... und bie 
Abfolute. Daß ein foldes Eins fet, i 

befonders beweilen zu wollen; denn jedes Denten bat es fon 

und vermag es nicht von fi abzumweifen .... Alles kommt 

aber baranf an, wie das: Eine als das Erfte und Urſpruͤngliche 

als was es nach folder Faffung beitinmit werte, 

wuruits 


d. h. der abfefute Inhalt, den dee Geiſt ſchon in 


‚teibaree Gewißheit babe, mäfle für das Deuken und durch 
das Denken vermittelt werben. Echen bier draͤngen ſich 
: cine Menge Fragen auf, über weiche dis Erpoſttion des 
Berf. mit merkwuͤrdiger Leichtigkelt binmwegfehtüpft. Worin 
liegt denn fo ohne weiteres die Bargſchaft, daß bie Pens 
cipien, die ſecbſt „Gedanken uud Gedanben verh älts 
nifſſe“ ſind, zugieich die eigentliche Sache und das We⸗ 
ſenckiche des Sachvechaͤltniſſes auf eine durchgreiſende und 
denn 


allgemutue Weiſe autrrickut Moher Die Verſchie⸗ 
denheit und der Stwit die Meinumen, Auſichten, Dppes 






, Emenr Worin ir Anderen daf 
dh w ſich für glattweg als Hrincipien des Den: 
end und des Seins darſtellen? Wenn dee Verf, ©. 111 
dem Empisismus die „Meinung uud Worausfegung‘‘ vor 
wirft, „al® ob die Peindpim des Denbens und Gent 
nie ſchen wefprünglich im Denken felbft gegeben waͤ⸗ 
ren” (eine Borausfenung, die Übrigens der Empiriss 
mus, des die Erſcheinungen gedankenlos fo, wie fie fich 
ihm darflellen, für wahr nimmt, gar nicht macht) — ifl 
dann die entgegengefegte Behauptung fo, wie fie auftritt, 
nicht sbenfalls eine bloße Vorausfegung? Indeſſen gefent, 
ed verkände ſich ſo einfach von ſelbſt, daß die SPrincipien 
des Denkens aud) die ded Seins find, worin liegt ferner 
die Berechtigung des Triebes nah Einheit für 
das Denken? Darf diefer angebliche Trieb nach Einheit 
fo einfach befeblen, „es nicht bei der Vielheit der Princi⸗ 
pien bewenden zu lafjen?” und wie verwandelt fi benn 
ploͤtlich Die Vielheit der Principien in Eins, aus 
weiches Alles feinen Urfprung und feine Erklärung hat? 
Etwa durch ein bloßes Gebot? oder durch einen Zauber 
flag, der die, wenigſtens moͤglicherweiſe Ser Vereini 
widerſtrebende Natur der Principien verwandelt? aͤre 
es denmach wirklich fo uͤberfluͤſſig, zu beweiſen, daß Eins 
und nur Eins ſei? Mit weichen Rechte wird ferner 
biefes Eine fegleich mit Gott ibentiicht? Wenn „bie Dias 
lekue bis zu den hoͤchſten und lehten Gegenfaͤtzen auffleigt, 
und dann deren Einheit fodert, in welcher das Unter: 





ſchiedene auch ein Nichtunterſchiedenes fein fol” (S. 127), | 


ik diefe aus der Altern Schelling'ſchen Schule alibefannte 
Identitaͤt des Nichtidentiſchen Überhaupt ein begreifltcher 
Sedanke, und wird er etwa dadurch begreiflicher, daß zu 
diefer „‚erfien Vorausfegung oder Hypotheſe eines ſolchen 
Einen” (&. 128) die zweite „Foderung“ hinzugefügt 
wird (S. 129, 130), das Eine ale ba6 Setzende feiner 
Gurk und des Verſchiedenen, als das in feiner Selbſt⸗ 
unterfcheidung feine Ibentitaͤt mit ſich ſelbſt nicht Verlie⸗ 
rmde, ſondern aus der Nichtidentitaͤt in die Identitaͤt ſich 
Zurücknehmende gebadht werben foll? Verſchwindet etwa ber 
Widerfinn im Begriffe der causa sui, ben ſchon Kant 
einfach darzelegt bat, dadurch, daß man ihn hinter die 
Analogie mit dem Selibſtbewußtſein verftedt? Iſt diefer 
Selbſtvermittelungsact etwas fo Heiliges und Ehrwuͤrdi⸗ 
ges, daß man in ihm ben adäquaten Ausbrud für das 
Weſen Gottes gefunden zu Gaben glauben darf? Mas 
foü namentlidy hier die Erinnerung am den Sag: Bott 
ift die Liebe (S. 16), da, wenn das Eine ind Unenbiiche 
bin fi nur mit fich ſelbſt vermittelt, bier, wie bei 
Spinoza, nur von einem unembliden Golipfiemus bie 
Here ſein Bunte? Die Wahrbeit if, daß diefe ganze Reihe 
WR und Foderungen“ fehr deuttich ihre 
Aftaunınmg von Spinoga, Fichte und Schelling verräch, 
weiche letztern beiden den zum mindeften fehr ſchwierigen 
und einer genauen Unterfuchung überaus beblisftigen Be⸗ 
geiff deu abfeluten Geibiithätigkeit nad bed angeblich im 
abfeluser Prowwetivithr [ich ſeid ſt fehenden Ich auf das 
„geſederte“ Eine übertrugen und das umverſtandene Phaͤ⸗ 
menſchlichen Selbſtbewußtſeins 


nomen des zum 











— — 


Berl dagegen 
dearch eine Aut⸗ 
wort, zucacwociſen, Die ee ſrubſo denn, Moſtiſcheu⸗ rd 
beeichit (©. 35). Die Identiraͤt der RNata⸗ 


des Denkens wit dee eigenen Ratur der Wahrheit wisd 


nämlich ſchlechthin vorausgeſetzt; 
wir haben die zu erkennende urſpruͤngliche Wahrheit ſchon in 
uns; es gibt urſpruͤnglich der Vernunft angeboͤrige Inhaltsbe⸗ 
ſtimmungen; die Idee Gottes iſt ſchon in uns, wir koͤnnen ſie 
hoͤchſtens nur auch für uns hervorbringen; vielmehr aber iſt 
fie- das ſelbſtthaͤtig, wie überall, fe audy in uns ſich Hervor⸗ 
bringende, eo fi in dee Weiſe bes Glaubens ober dao Deniens, 
fie felbft ſchon die darin wirkfame und leitende abſotute Thaͤtig⸗ 
feit, der wir nur unfer Organ nicht verfchließen müffen ... . 
und ift hier noch ein Rätbfel, fo hat es ber In dem Grunde 
feiner eigenen Wahrheit fidy erkennende Geiſt, der biermit fels 
eigenen WBwawiff findet, eben in feinem innerflen Zuſammen⸗ 
gehen mit ſich ſeibſt auch ſchon geloͤſt. (S. 15, 28, 63, 66.) ' 

Solchen Verfiherumgen gegenüber genügt es, ein paar 
Worte aus Trendelenburg's Erwiderung anzuführen, die 
fo lauten: 

Mer bie lange Unterfuchung des menſchlichen Denkens nicht 


gehen mag, thut den kurzen Sprung ins göttliche hinein, und 
UNG |: yoeiß darin nun beffee Welheid als in bem eigenen 34. 


er dann Prophet ober Philofoph, Aheofopb ober 


If 
Logiler? Mies‘ 
leicht in „biefen Partien keins von beiden; denn zum erften 


- hört Begeiſterung, zum zweiten Strenge. Aber man gibt fi. 


1 


den Schein metaphyſiſcher Tiefe, wenn man mit dem g Kiden 
Denken leicgter verkehrt als mit der naͤchſten finntichen ⸗ 
ſcheinung, zu deren Verſtandniß man erſt die ganze Phyftk Kubts: 
ren müßte (S 43.) 

. Im Zuſammenhange mit jeuer myſtiſchen Voraus⸗ 
ſetzung, daß eigentlich nicht. der Menſch, ſondern bie Ides 


das im Menſchen ſich ſelbſt Denkende oder Glaubende 


ſei, ſtehen nun manche unerwartete Conceſſionen an bie 
Gegner der Hegel'ſchen Dialektik, die an andern Scellen 
deutlich hervortreten. 

Die Dialektit des reinen Denkens — ſagt Gabler S. 107 fg, — 
wolle den Inhalt nicht Hafen und geftalten (alfo nicht einmal. 
geftaiten?), fondern dee Inhalt, mit welchem ſich das Den: 
ten zu ſchaffen mache, fei ſchon von Ewigkeit gefchaffens unfer 
Denten füge ihn nur, wie billig, auch für uns zu reprobuciren, 
was es freilich nicht anders als buch Wiederdenken thus 
koͤnne; bie Gelbfibewegung des Gedankens fei nicht die Selbfks 


erzeugung des Seins, bie Stadien des Begriffs feien nicht 


ebenfo viel Stufen des Seins, fondern Stufen des Gedankens, 
wobei das Bein fetb zu etwas Untergeordnetem, nur Geſetztem 
und Srfchaffenem, einem bloßen Momente herabgefegt werbe u. f. w., 
ja es It (&. vu) fogar von dem „Popanz des reinem 
Denkens’ die. Rede, womit man „andere ins Bockchorn 
jage”. Sole Beſtimmungen konnten den Verf. wor 
veranlaſſen, ausbrüdiich zw erklaͤren, daß er nme feine 
Auffaffung des Hegel'ſchen Lehre vertrete. Daß jedoch 
dieſe Faſſung durchaus nicht in dem urſpruͤnglichen Bine 
der Hegel'ſchen Dialektik liege, ja daß bei Gabler feihft 
fehe beftimmte Außerungen vorkommen, die mit ihr nicht 
zuſammenſtimmen, darüber hat ſich Trendeleaburg S. 40-fg. 
ſehr genügend erklaͤrt; namentlich muß in dieſer Hinſicht 
die ganze Erpoſition der dem abſoluten Einen immanenten 
Negativitaͤt (Gabler, S. 159) hervorgehoben werden, mo bie 
urſpruͤngliche Thaͤtigkeit der Selbitunterfcheidung, Seibſt⸗ 
ſetzung des Geins für ſich, der Gelbſtvermittelung im Uns 
teufchiedenen mit ſich u. ſ. w., mit einem Worte bie von 





gerabe fe, wie von dem Ma. au biefee |. 


Stelle ausgelegte Negatinität das Grundgefeg alles Den 
Bene und alles Seins, die allgemeine Form aller geifligen 
und natürlichen Eriftenz u. f. w. genamnt wird. 

So (nämlih weil die Erkenntniß in keiner andern 
als berjenigen ber Sache ihr Ziel erreigen Tann) wird die Form 
jener Thaͤtigkeit auch das Princip bes reinen fpeculativen Er: 
kennens, und das Bormprincip, aus welchem ſich die mit der 
Sache ſelbſt identiſche Methode ergibt. 

Befondern Unmuth erregt es dem Vertheidiger ber 
Hegel’ichen Lehre, daß Trendelenburg an vielen Beifpielen 
nachgewiefen hatte, baß die angeblich dialektiſche Erzeu⸗ 
gung der Begriffe bloßer Schein fei und daß die Logifchen 
reinen Beftimmungen des Seins, welche das reine, ans 
geblich voraudfegungslofe Denken aus fi felbft zu haben 
und berovorzubeingen behaupte, alle aus dem Boden der 
Anfhauung und finnlichen Vorſtellung flammen, und von 
da aus heimlich eingefhwärzt werden. 

Wie doch — ruft Gabler aus — ein praktiſch in biefen 
Dingen geübtes Auge es ſogleich durchſchaut, wo Barthel Moft 
holt. Warum ift biefe klare Entdedung nicht ſchon von Ans 
bern gemacht worben? (S. 192.) 

Diele Entdedung nun, daß die Hegel’fche Philoſophie, 
fortgerifien von dem gegebenen Schaufpiel der Veränderung, 
dieſes Anderswerden nur auf bie allgemeine Kormel ſei⸗ 
nes begriffsmaͤßigen Ausdrucks gebracht und dieſem rein 
empirifhen Begriffe die Frage nah der Denkbarkeit 
ber Veränderung aufgeopfert habe, daß alfo die dialektiſche 
Methode nur die Formel für bie Verzichtieiftung auf die 
Unterfuchung des Problems der Beränderung tft, indem 
fie fi besnägt, die Veränderung als abfolutes Werben 
einfach in das vorausgefegte Eine hineinzuverlegen, daß fie 
alſo in diefer Beziehung Empirismus, „natürlich nicht 
- gemeiner, unbefangener, wie bei Sammlern, Beobachtern 
und Srperimentatoren, fondern ſchuldbewußter, feine 
inneren Widerfprüäce laut und freimürhig be: 
fennender Empirismus” fei, diefe Entdeckung, wenn 
es anders eine ift, bat vor Länger als einem Jahrzehend 
unter Andern Herbart 3. B. in einer Recenfion der He: 
gel'ſchen „Enenklopädie” deutlich ausgefprohen. Aus diefer 
Ohnmacht des Denkens, welches den unvermeidlichen Kampf 
zwiſchen den Foderungen des Begriffs und den Kormen 
der Erſcheinungswelt burdyzuführen verzagt, und aus der 
in ihre wurzelnden WBorliebe für das abfolute Werden er: 
klaͤrt fih auch fehr leicht, warum die Hegel’fche Schule 
eine wahre Angſt vor dem Sein, ober beflimmter zu ſpre⸗ 
den, vor dem Selenden bat, bie ſich auch bier bei Gab: 
le (S. 130 fg.) verräth. Statt des Seins foll die That 
an bie Spitze geftellt werden; ale 06 That ohne ein 
Thaͤtiges, und ein Thaͤtiges, welches nicht fchon ale feiend 
gebacht würde, etwas mehr wäre als ein leerer Begriff! 
Eben deshalb ift hier vielleicht dee einzige Punkt, in wel: 
chem Gabler mit Erfolg feinem Gegner das Recht einer 
Polemik gegen Hegel von deifen eigenem Standpunkte 
aus hätte in Imeifel ziehen koͤnnen. Auch findet er wirk⸗ 
lich in dem von Xrendelendurg an die Spige geftellten 
Begriffe der Bewegung nicht ohne rund eine Verwandt: 
ſchaft wit dem Principe der immanenten Negativität. 


Be all und Thaugtet Werhent mb alles 
Werben, muß auch bieles für das Denken und das Gein ge 
meinfhaftlich angenommene Princip in bem, von der Bewegung 
unzertrennlichen, fortgehenben Anderswerden, worein auch biefeß 
falle, das negative Moment enthalten, wornadh in jebem 
Punkte das Segen eines Neuem ſchlechthin zugleich bas Aufbe 
ben des Bisherigen ift und umgelehrt, ober Megisen unb Ponis 
ren unzertrennlid in cinen Act und zwar in benfelben Punkt 
der Bewegung fallen. (&. 172.) 

Ob Das, was Trendelenburg hierauf (S. AT) erwi⸗ 
dert, genügt, kann bier nicht unterfucht werden; gewiß ift 
die Bewegung nicht minder al6 die Negativität ein weiter 
Mantel, um das Werfchiedenfte darin zu verfteden; auf 
feinen Fall liegt die Sache fo, daß man, wie Gabler 


(S. 87) andeutet, zu dem Dilemma gendthigt würde: 


entweder Hegel ober Trendelenburg; im Gegentheil ift ne: 
ben Beiden noch überaus viel Platz zu philoſophiſchen Un: 
terfuchungen übrig. 

(Der Beſchluß folgt.) 





Literarifhe Notizen aus Frankreich. 


Ein armenifhes Journal in Smoyrna. 

Seit etwa brei Jahren hat fi zu Smyrna eine Geſellſchaft 
von Armeniern gebildet, die den Namen ber Sunig führt. Der 
Zweck biefer Geſellſchaft iſt bie Verbreitung europäifcher Wiffen: 
[haft und Giviliſation. Wei der bekannten Thaͤtigkeit und 
Geblegenheit bee Armenier wird dieſes vereinte Wirken mehrer 
eifriger Verehrer abendlaͤndiſcher Bildung gewiß nicht verfeblm, 
gute Früchte zu tragen. Die Gefellfchaft der Gunis bat nun 
vor kurzem eine Art von Collegium gefliftet, in dem jüngere 
Leute, welche berfelben religioſen Sekte angehören, gebildet 
werben follen. Wie es Heißt, iſt dieſe Anftait, die erft kurze 
Zeit befteht, bereits im ſchoͤnſten Flore. Aber bie Gründer 
haben auch fein Opfer gefcheut, um ihrem Werke ein längeres 
Beftehen und eine immer größere Ausbehnung zu ſichern. Wie 
ed heißt, fol ſich inbeffen die türkifhe Regierung felbft für 
dieſes mwohlthätige Inftitut, das für bie Xuffiärum der Tuͤrkei 
und Kleinaflens von großer Wirkung fein Tann, iebhaft inter: 
eſſiren. So if es benn ber genannten Geſellſchaft von Armes 
niern leicht geworden, bie nöthige Autorifation zur Gründung 
eines Journals in armenifcher Sprache zu erhalten, das bei 
ber weitern Verbreitung dieſer Mundart in Kleinaſien eine 
große Bedeutung erhalten duͤrfte. Die BRebaction diefes neuen 
Blattes, von dem bereits einige Rummern erfchienen find, iſt 
einem gewiflen Lukas Kaspar Balthazarian anvertraut. iefer 
junge Gelehrte, der feine Studien in Europa ſelbſt und na: 
mentlich in Paris gemacht bat und mehrer moderner Spra⸗ 
hen vollkommen mächtig ift, bat feine Wefähigung bereits 
durch einige Bleinere literarifähe Arbeiten an den Tag gelegt. 
Das Journal, an befien Spitze er ftebt, führt ben Zitel 
„Morgenröthe vom Ararat”. 


Werke zur Charakteriſtik des frangdfifhen Volks. 


Unter den Eharakteriſtiken der verfchiedenen Bewohner und 
einzelnen Staͤnde von Frankreich, von denen wir in neuefter Zeit 
eine ganze Menge erhalten haben, iſt das prachtvolle Werk von 
Gurmer „Les Frangeis peints par onx-mömen’ jedenfalls bie 
ausgezeichnetſte. An baffelbe fchließen fich mehre andere als Ex: 
gänzungen an; wir erwähnen von denfelben namentlich „Les 
Frangais sous ia revolution” von Auguflin Challamel und 
Wilhelm Tennint. Diefes Wert fol für die Geſchichte der Ne: 
bolution etwa Das geben, was bie „Francais peints par eux- 
memes‘ für bie Geſchichte der Gegenwart find. Es iſt dies 
das unterhaltendfte, das beiehrendfte Bilderbuch gu jeder Revo: 
luttonsgefchichte. 2. 


Verantwortlicher Gerausgeber: Heinrih Brokhaus. — Driud und Verlag von $. X. Brockhaus in Leipzig. 





Blatter 


für 


literarifhe Unterhaltung. 





über Die Hegel'ſche Philofoppie. 
(Befhluß aus Nr. 186.) 

Zu bemfelben verwerfenden Refultate, welches Trende⸗ 
(emburg ansgefprochen hatte, gelangt nun auch die Exner’s 
ſche Kritik der Hegel'ſchen Pfpchologie, wie fie ſich in den 
Pſychologien von Rofenkranz, Michelet und Erdmann ale 
Ausführung der Lehre vom fubjectiven Geiſte darſtellt. 
Die Schrift von Erner hat den Vorzug, daß fie ein be: 
ſtimmtes Gebiet ausführlih durchmuſtert, und zwar ein 
ſolches, wo es fi um Thatſachen handelt, die jedem in 
feinem eigenen Innern zugänglich find, wo es alfo mög: 
sich ift, die Speculation vor dem Forum der Erfahrung 
zur Rechenſchaft zu ziehen. 

Die Wirktiichleit — fagt ber Verf. fogleidh im Eingange — 
laͤßt fidy nichts andisputiren, beugt ſich keinem Lieblingsſyſteme 
und keiner Leibenſchaft des Beſchauers. Die falſche Theorie 


Zommt nicht bis zu ihr; fie bleibt in luftiger Höhe ſchweben, 
wo fie es liebt, mit dunkeln Worten Iuftige Geflalten zu ums 
Bleiben. 


Der Gang des Verf. ift ganz einfach ber, daß er 
fragt, inwiefern es der Pfpchologie der Hegel'ſchen Schule 
gelinge, erſtlich die pſychiſchen Thatſachen richtig aufzufafs 
fen, und ſodann fie theoretifch begreiflich zu machen. Seine 
Kritik theilt ſich demnach im zwei auch dußerlich gleich 
ausführliche Abfchnitte. Die Prüfung der erften Frage 
führt ſchon (S. 39) zu dem Urtheile: 
daß die abfotute Wiſſenſchaft, weiche ſich To Hoch erhaben über ihre 
Borgängerinnen duͤnkt, uns nichts Beſſeres als Kantifdhe oder 
vielmehr Worffifche Pſychologie zu geben hat. Denn dieſe cha⸗ 
zofterifirt ſich dadurch, daß fie Gruppen von Beelenzuftänden 
zufammenftelt und ihnen einen Namen ober eine Namenerklaͤ⸗ 
zung gibt, ohne genauer zu unterfuchen, was in ber Seele vor⸗ 
geht, und aus welchen Beranlaffungen. So bringen die Verf. 
Scharen bekannter Namen und NRamenertlärungen, bie Erinne⸗ 
rung, bie Ginbilbungsfraft, ein Borftellunges und Bezeichnungs: 
vermögen, den Berſtand, die Urtheilsfraft, bie Bernunft und 
ähnliche Worte, die wie alte Scheidemuͤnze gangbar find, ohne 
Sa man ſich um Gepräge und Behalt viel künmert. Zweitens 
Sen fere Yrodolsgie, ndmiid, ein gebankentofes RBortgemenge 
Bol ologie, nam 29 n gemeng« 
ft, a Eur Kaliäee Verftand nie ſich bat zu Schulden 
kommen lafſen. 

Bon ©. 55 an wendet ſich dann bie Kritik zu dem 
angeblich unantaftbaren Heiligthume der dialektiſchen Me: 
thode, um fie nad) ihrem Wefen und ihrer Anwendung in 
der Pſychologie zu prüfen. Hier bringt der Verf. gleich ans 
fange eine Frage in Anırgung, die Trendelenburg nicht be> 









5. Zuli 1843, 








niß der dialektiſchen zur genetifchen Methode. Der ur: 
fprünglichen Intention Hegel's nach follte gewiß bie bias 
lektiſche Methode die wahre genetifche, ja bie Genefis, ber 
immanente Entroidelungsprocch der Sache felbft fein. 
Demgemäß müßte die Reihenfolge der dialektiſchen Mo: 
mente Überall der empirifch gegebenen Reihenfolge der Vers 
änderungen in ben verfchiedenen Gebieten des Geſchehens 


entſprechen, fodaß wenn 3. B. unter den Entwidelungss 


momenten bes fubjectiven Geiſtes der Somnambulismus 
und die Seelenkrankheit vorkommt, dann jedes Individuum 
nothwendig tenigftens einmal Clairvoyant u. f. w. fein 
müßte, überhaupt keine höhere Entwidelungsftufe bes geiftis 
gen Lebens erreichen koͤnnte, ohne die niedern ſaͤmmtlich 
und zwar in einer beftlimmten Reihenfolge durchs 
laufen zu haben. Da eine foldhe Behauptung der Er 
fahrung gegenüber fich nicht durchführen läßt, fo erklärt 
5 B. Erdmann bie dialektiſche Methode von der genetis 
fhen für weſentlich verſchieden. Daß nun hierbei wenig⸗ 
ſtens jede praktifche Brauchbarkeit der Methode verloren 
geht, bemerkt der Verf. ſehr richtig, läßt aber uͤbrigens 
die Wahl frei, in welchem Sinne man die Methode neh: 
men wolle, ſich begnügend, auf eine das Weſen und bie 
Bedeutung berfelben unmittelbar betreffende Disharmonie 
der Schule bingemwiefen zu haben. 

Ihn weiter ins Einzelne zu begleiten, muß ſich Ref. 
verfagen; außerdem gäbe die Meine, aber inhaltfchwere 
Scheift reihen Stoff zu ſehr unterhaltenden Auszügen. 
Es iſt Pflicht gegen die Wiſſenſchaft, zu fagen, daß der 
Verf. in den beurtheilten Schriften Dinge nachgemiefen 
bat, wie man fie von ben Bertretern einer Schule, die 
fo anfpruchsvoll bafteht und mit fo großer Verachtung 
auf ihre Gegner herabficht, nicht erwarten follte; mandyes 
erinnert "an den „Schallftoff”, den einer aus ihrer 
Mitte vor ein paar Fahren entdedt hat. Der Verf. geht, 
ohne wie Zrendelenburg vor Eröffnung des Kampfes vor 
dem Gegner ſich ehrfurchtsvoll zu verneigen, kalt und ru⸗ 
big unmittelbar an die Sache und gibt, nachdem er fie 
geprüft, mit fhonungslofem Ernfte der Entrüftung Worte, 
welche ein folches Verfahren mit voiffenfchaftlichen Aufga⸗ 
ben in ihm hervorgerufen hat. Das Gefammturtbeit, 
welches er (S. 106-109) uͤber den Werth ber dialekti⸗ 
ſchen Methode und ihre Anmwendungen fällt, iſt zu lang, 


um es bier 'mitzuthellen; das Aufnehmen der Begriffe 
von aufen, während man fie für felbftergeugte ausgibt, 
die ‚„‚Unfchuld‘ vieler angeblich dialektifhen Trichotomien, 
die Leichtfertigkeit in dem Zufammenraffen der Momente, 
die Willie in der Handhabung der Methode, die Verun⸗ 
Raltung der Erfahrungsbegriffe bis zur Unkenntlichkeit, 
ein loſes Spiel mit Begriffen, welches felbft zur Faſelei 
wird, — diefe Merkmale nennt der Verf. ale die diefe 
Werke weſentlich bezeichnenden. 


Diver ift es nicht Faſelei — fragt er — wenn man bes 


hauptet, Waffer und Feuer außer uns werbe dur Waſſer und. 


Feuer in uns wahrgenommen, ober ber Ton fei bie erfällte 
Seit? wenn man e8 eine finnreiche Erklaͤrung nennt, daß bie 
durdp bie Anziehung des Mondes auf den DA 
feftgebalten werben * wenn man es als ein Zeichen ſtiller Kraft 
anerkennt, daß deutfche Bauern ihren blauen ober grünen Rod 
zoth gefüttert tragen? u. ſ.w. — Wer bie Erfahrung verachtet, 
hält es nicht der Mühe werth, fie zu Tennen. So iſt es zu 
erfiären, wenn wir bier lefen, Sommer und Winter feien ons 
nennähe und Sonnenferne, ſolide Körper leiten den Schal nicht 
fo gut als die Luft, der Speichel fei aus der Zunge ergeugtes 
fpectfiiches Waſſer, was man bei Jedem, ber nicht abfoluter 
Philoſoph ift, nicht anftehen würde, grobe Agnoranz zu nennen. 

Und fchon vorher hatte er bei Gelegenheit der Art, 
wie die Hegel'ſche Pfychologie die Frage nach der Freiheit 
bes Willens behandelt, gefagt: 

Gewiß, wer in irgend einer andern Wiffenfchaft Solches 
wagte, ber wärbe für immer mit dem Male geiftiger Unfaͤ⸗ 
higkeit und ſchamloſer Anmaßung gebrandmarkt fein; nur in 
ber Philoſophie, der armen, gebrandmarkten Philoſophie, gilt es 
für erlaubt und ehrenvoll. 

In der ganzen Haltung feiner Kritik erfcheint der Verf. 
nicht als ein Dann, der von leidenſchaftlichem Eifer fort: 
gerifien mehr fagt, als er fih zu verantworten getraut; 
was er ausfpricht, meint er wol auch in vollem Ernſte. 
Wer daher diefe Ausdrüde zu ſtark findet, den muß Ref. 
ausdruͤcklich bitten, die Schrift felbft zu leſen, und den 
Verf. mit derſelben Genauigkeit Schritt für Schritt zu 
begleiten, die er fich felbft zur Pflicht gemacht hat. Auch 
eine flaunende Bewunderung, falls fie nur den Sinn für 
echte Forſchung noch nicht ganz Übertäubt bat, wird fich 
bier zu einem prüfenden Nachdenken angeregt finden; na: 
naentlich dürfte diefe Schrift folchen Lefeen zu empfehlen 
fein, die, gebiendet von den Anfprüchen und Verheißungen 
dee Hegel'ſchen Philofophie, fih ihr Halb unbewußt in bie 
Arme werfen, um nicht ber Ehre, mit auf der Höhe ber 
modernen Speculation zu flehen, verluftig zu gehen. Die 
Infallibilitaͤt der Hegel'ſchen Dialektik, fo axiomatiſch fie 
auch auftritt, iſt nichts weniger als ein Axiom; hat man ſie 
doch auch ſchon die Kunſt, „den Unſinn auf die kuͤrzeſte 
Formel zu bringen”, genannt. Dennoch iſt das Hegel'⸗ 
ſche Syſtem ohne dieſe Methode als Syſtem betrachtet 
gar nichts. Der Verf. hat an einem ſehr wichtigen Ge⸗ 
biete dee philoſophiſchen Unterfuchung gezeigt, daß das Sy⸗ 
ſtem auch mit ihr nicht den geringſten Anſpruch auf wiſ⸗ 
ſenſchaftliche Haltbarkeit hat, und Deutſchland iſt groß 
genug und hat noch zu viel wahren wiſſenſchaftlichen Sinn, 
um zu fürchten, Das, was die Hegel'ſche Schule zu igno⸗ 
tiven oder zu verbammen für gut findet, werde fpurlos 
und wirfungsios voruͤbergehen. 12. 


Über die legte parifer Kunſtausſtellung. 


Wenn die Hifkorienmalerei in bee neueften Zeit immer mehr 
Boben verliert, fo gewinnt dagegen die fogenannte Senremalerrl 
eine Breite im Leben, die Alles in ſich aufnehmen zu wollm 
Kheint, was nur irgenb in bie menſchliche Sphäre Kereingeze 
gen werden kann. Schon fängt man an, bie in — Faq 
gehörigen Gegenflände ihrer großen Magnnichfaltigkeit wegen 
nach ihrem verſchiedenen Inhalte in Claſſen zu orbnen. Die 


Kunft gewinnt, wie der Menſch, bei biefer Art Malerei; fie 
bilbet eine Art Übergangsflufe zu der böhern hiftorifchen Dar: 
flelung, wo bas Ideale als das Höhere unb Hoͤchſte erkannt 


wird. Sie ift dem Roman zu vergleichen und fucht daher aud 
feine Mannichfaltigleit und Breite zu gewinnen. Einmal ik fie 
für die Kunft überhaupt wichtig. Die Objecte drängen fi zu 
Zaufenden Herzu, wie bie Welle des vei Lebens eine 
nach der andern und mit der andern babinftrömt. Mon dem 
Unbebeutfamen wählt ber Kuͤnſtler endlich das WBebeutfamere; 
gleichſam nur Das, wo bie Idee, bie Poefle hervorſcheint, gilt 
ihm für einen ber Darftellung und ber ganzen übrigen Eünfkteris 
fen Behandlung werthen Moment. Bald ift es nicht nur das 
Sichtbare als ſolches, was ihn an fich zieht, es if visimehe 
bas bes menſchlichen Augenmerks Werthe, was er fich als 
Kunftfioff unterwirft. Hier wird zugleich der Stoff ein geifti: 
ger Stoff, der nicht mehr fpröde allem Beginnen und alle 
Mühe widerſtrebt. Die Eiche für Ihn weckt und hebt alle feine 
Kräfte und regt fie zu lebensvollem Spiele. Der Begenftand 
fcheint ſich unter der des Kuͤnſtiers von ſelbſt zu geſtal⸗ 
ten, fi) von allen feinen Fehlern zu reinigen und fich zu einem 
volllommenen unb vollendeten Kunftgebilde barzubieten. Dabei 
dringt ber Künftier in alle Tiefen ber Natur ein und lernt alle 
ihre Eigenheiten im Detafl Tennen. Kein Geberbenfpiel, feine 
Gontrafte, keine Farbe, fein Lichtgauber bleibt ihm unbekannt 
und verſchloſſen. Künflter tritt in feinem Schaffen an 
bie Stelle der Natur, jedoch ohne feine eigene höhere Beſtim⸗ 
mung zu verfennen, bie Ratur nur im Gebiete ber Kunft wies 
berzufinden. Wahr iſt es freilich auch, daß bei allen ben vielem 
Außerlichleiten der Ausführung und ſelbſt der mancherlei Ge 
ftattungen der mancherlei Figuren fich nicht felten die innere 
Dürftigleit und Geiſtesarmuth verräth. Gibt es doch Schlach⸗ 
tenmaler, bie in bloßen wilden Derumwerfungen von Gliedern 
bei Pferden und Menfchen einen Reichtbum ber Phantafte und 


eine Birtuofität des Vortrags zeigen wollen, und bie vielleicht 


keinen Dolzbauer, wie er mit der Art aus dem Walde kommt, 
naturwahr darftellen Gönnen. Zum Zweiten iſt bie Geuremalerei 
für den Menfchen als Beichauer wichtig. @ie gibt allen &ce 
nen des menfchlichen Dafeins und Wirkens in aller ibrer Vers 
Anglichkelt etwas Bleibendes, woran bie Keflexion haften koͤnne, 
de firirt das fonft leicht Verſchwindende in einem Momente 


günftiger Beleuchtung wie bes fchönen Farbenwechſels, und 


macht es fo bebeutfam für die Anſchauungz auch ber Beſchauer 
lernt das Wichtigere aus dem Leben hervorheben, unb es ift ber 
Ernſt wie ber erz, in faßlidhen Scenen ihm vor die Seele 
geſtellt, bis ſich auch hieraus das Ideale entwidelt, und an fein 


Herz die Mahnung geſchieht, nur das wahrhaft Schöne zu ſu⸗ | 


chen und es mit Liebe zu umfaflen. 

Der geiftige Bebalt in ben beiten Genremalereien der Krans 
zofen ift meift von fentimentaler ober wisiger Art. Mit Laune 
und Eharakter aufgeſucht, wirb das franzöliiche Genre zuweilen 
Caricatur. Intereffe der gewählten Gegenftände aber laͤßt ſich 
dem Gefchmacd der Franzoſen fat nie abfprechen; auch von jes 
nen eigentlichen Genrebilbern ber Niederländer, bie durch bie 
vollenbetfte Ausführung ober einen berb= naiven Humor Jater⸗ 
efle gewinnen, kommen gelungene Proben vor. Als Feinmaler 
in Art und Weile der Nieberländer iſt befonderd DReiffonicr 
ausgezeichnet, der fi) mit einem Male vor fünf oder ſechs Jat⸗ 
zen durch feine Eöfttichen Juuftrationen gu Bernarbin de Saints 
Yierre’d ‚‚Chaumiere indienne‘ bekannt gemacht und gleich in feis 
nen erſten 


| 


Dibitbern eine große, hoͤchſt achtbare Vollendung dis | 





Kunft gezeigt hat. Mit ber gruͤnblichſten Kamtniß bes Eslorits 
und ber dmferften Delicatefie der Ausführung vereinigt biefer 
jange Kuͤnſtier in feinen Beinen, niedlichen Leiſtungen eine treffs 
liche Zeichnung und eine bei feinen Landsteuten feltene Reinheit 
—— Tin Wander und fein Bahgtiger har 14 
i ‚sein in i alten 
neben ben beften niederländifchen Kunffäöpfungen biefr Art. 
Der Maler in feinem Atelier, den wir diesmal in ber Kuss 
fielung feben, ift ein auserlefenes GSabinetöftüd, bas neben eis 
nem Gerard Dow, Deu und Mieris mit Ghren beflchen 
würde. Man kann fich nichts Originelleres benfen als dieſe 
kleine Gompofition. Die verbeoffene Emſigkeit bes armen vor 
feiner Gtaffelei von zwei Goͤnnern gehinderten Känftters iſt 
hoͤchſt geiſtreich vorgeführt. Die Gtellungen ber beiden Bilder 
liebhaber, von benen ber eine mit verfchränfkten Beinen bafigend 
ein dummes Wohlgefallen an dem Bilde gu erkennen gibt, waͤb⸗ 
rend ber andere, auf die Rüdtebne feines Stuhls ıgeflügt, vors 
nehm dareinſchaut und mit mistrauifcher, wichtiger Kennermiene 
die Arbeit des Malers einem gebiegenen Examen unterwirft 
bilden einen Contraſt von fehr pilanter Wirkung. Die Abtoͤ⸗ 
nung ift von autgeſuchter Beinbeit, die Ausführung bis ins 
Kleinſte von unſaglichem Fleiße und dabei die Haltung trefflich. 
Im lannigen Genre zeichnet ſich diesmal Guillemin vorzuͤg⸗ 
lich aus. Sein Zahnarzt, ein kleines Maͤnnchen von ſehr ge⸗ 
rechlichem Ausſchen, eben im Begriff, den Schäffer anzufegen, 
um einem baumftarten, vor Angft laut brüffenden und ſich firäus 
benden Roßlamm einen hohlen Zahn auszureißen; fein Mufits 
Ihrer, der feinen Zoͤgling auf der Glarinette mit der Bioline 
begleitet; fein Troupier, der einer Bargotitre am Kochberde 
eine heiße Liebeserfiärung macht, die ein Schenkgaſt im ‚Dinter: 
grande ige ins Ohr Mläftert und bie Angebetete ohne von ber 
beit wegzuſehen mit großer Seelenruhe anhoͤrt; fein Don 
Dunizote, der, als ein hageres Geſpenſt im Bette aufgerichtet, 
dem wunbgefchlagenen , wimmernden Sancho Panſa bie wunder: 
fame, amgenblidliche Deistsaft feines Balſams auseinamderfegt, 
— find hoͤchſt gelungene Büber voll ergbglichen Pathos, heite⸗ 
zer Laune und echter Komik, bie jedem für Humor und Wit 
empfänglichen Beſchauer großes Behagen und innigen Genuß 
gewähren. Der Geiſt, ber bier zu Grunde liegt, if nicht nur 
urtheilend, ſchilbernd und ab, fondern mit 
wegt und mit Luft und Schalikheit in das Geſchilderte vertieft. 
Bei ihrem geifligen Gehalt haben biefe Biber noch das Ver⸗ 
bienft einer maleriſchen Feinheit, einer freien, geiftreichen Touche 
und eines trefflichen Impaſto. Zwei mehr fentimental gehaltene 
Genreftäde deffelben Künfttere, eine Mutter, bie nach geendig⸗ 
tee Meffe beim Derausgeben aus ber Kirchenthuͤr fi) und ihr 
Kind, indem fie das Zeichen bes Kreuzes ſchlaͤgt, mit Weib: 
waffer benekt, und ein alter Zifcher, der mit feinem Sohne 
auf den Fiſchfang aussieht und faft angſtlich nach dem ſtuͤrmi⸗ 
fen Himmel flieht, fi ebenfalls glädtich erfunden und in eis 
ner anziehenden Gemuͤths⸗ und Barbenftimmung geiſtreich durchs 
. Gin Militairſtuͤck von Charlet, ein Zug von Truppen, 
Rriegsgepäd und Verwundeten, ber einen Hohlweg paſſirt, ein 
figuren: und gruppenzeiches Bild, an dem die Ausführung nichts 
weniger als beiicat, fondern die Haupttheile mit wenigen und 
im Berpältnit zur mäßigen Größe ber Ziguren faft zw breiten 
Zagen bingefchrieben find, muß man in einer gewiffen Entfer⸗ 
zung mit Aufmerkſamkeit betrachten, um bebachte Motive und 
einzeine Geftatten von typiſcher Vortrefflichkeit gehörig zu 


Aboiphe Leleux, welcher bisher ausſchließlich Gegen ſtaͤnde 
aus ber bretagniſchen Bauernweit in hoͤchſt charakteriftiicher 
Deiſe behandelte, gab dies Jahr eine Scene des ſpaniſchen 
Betlsichens als flagenten Beleg, daß er fein Talent und feine 
eigentbämtiche Darftelungsweife auch in andern Sujets mit gleis 
dem Grfolge geltend zu machen verftehe. „Die vor ber Thuͤr 
einer Pofade fingenden mb Fi zu ihrem Gefange auf ber 
Mandoline und andern Inftrumenten begleitenden navarreſiſchen 
Lamdiente⸗ ind ein ſehr inteseffantes Bid, reich an hoͤchſt mas 


fuͤhlend bes’ 


leriſchen, ledendigen und Siguven, und bie Art, wie 
jeber Ginzelne fo gang ungetpeilt dem Spiele und Gefänge od» 
tiegt, ift in den Köpfen fehr fprechend ausgedrüdt. Die Jarbe 
it wahr und fchön, bie fonnige meiſterlich gegeben, 
der Bortrag in einem warmen, ldten Zone ſehr gediegen. 
Roehn's Wahrlager, Liebeserkiärung find recht gefällige fen 
timentale Genreſtuͤcke, klar und fauber in ber Farbe, etwas 
geleckt im Bortrage, doch von fleißiger Ausführung und gläds 
lichem Ausbrud. Die Wilder von Lepoittevin empfehlen ſich 
buch theils launige, theils gemuͤttliche, ſtets Lebendige Auf⸗ 
faſſung und geiſtreiche, paſtoͤſe Behandiung. Der Todten 
ber und feine Euler iſt mit tiefem Gefahi, dr Schenkwirth 
und der Maler mit jovialer Laune erfaßt, und jedes in einem 
Eräftigen, warmen, Blaren Zon von großer Raturwabrheit und 
fehr fleißig durchgefuͤhrt. Deſſelben Künftters Paul Potter, 
ber in der Umgegend vom Haag Biehſtudien nad ber Ratur 
macht, ift eine intereflante Bersinigung von Benre und Laud⸗ 
ſchaft. In dem Bübe herrſcht eine kraͤſtige Farbe, eine ſorg⸗ 
fältige Ausführung, fo der Landſchaft als der Figuren, eine 
trefflich gehaltene Waffe und Lichtvertheilung. Das vielfeitige 
Zalent diefes Künftters zeigt ihn außerdem als Geemaler in 
bem Wilhelm van ber Weide, ber eine Geeſchlacht nach ber 
Birklichkeit zeichnet. Gntfdiedene Beleuchtung, fleifige und 
folide Behandiung, wahrer und lebendiger Ausdruck in ben Kö⸗ 
pfen ber Figuren und in ber Bewegung des Waſſers machen 
diefes Bild fehe geltend; nur find bie Wellen ftellenweife gu 
ſchwer und undurdhfichtig. 

Gudin's Abweſenheit von Frankreich laͤßt in ber Ausftel: 
lung deſſen poetifche Seebilder vermiffens jeboch lieferten, * 
dem ebengenannten Lepoittevin, noch Iſabey, Morel⸗Fatio, 
Aug. Meyer u. A. gute Gemaͤlde der Art. Dieſe Kuͤnſtler 
find lauter tapfere, ausgezeichnete Offiziere in dem Seemaler⸗ 
Geſchwader, welches ber Admiral Gudin befehligt, dem jedoch 
feiner cn Bravour gleichkommt. Gudin ift ein Talent von 
einer, allen neuern franzöftfchen Malern, mit Ausnahme von 
Dorace Vernet, überlegenen, ungemein ruͤſtigen Werkthaͤtigkeit 
und Bravo im Bortrage, die alle Schwierigkeiten fpielend 
befeitigt ; Probuciren tft für ihn gleichſam eine Erholung; ex 
Laßt feine Kunftwerke an den Tag, wie die Ratur ihre Thiere 
und Pflanzen von ſich gelaffen, ohne peinliche Anftvengung s er 
fpielt mit dem Pinfel, wie die Kate mit dem Schwanze, ohne 
daß es ihm die geringfte Mühe koftel. Den erften Rang nach 
Gudin behauptet Eugene Iſabey, der, wenn er fo gefchict wie 
in ber legten Zeit fortmanoenvrirt, allen Anſpruch auf bie Abs 
miralswuͤrde hat. ine Anficht bes Seehafens von Boulogne, 
vom Meere aus aufgenommen, macht ſich durch feltene Vor⸗ 
zuͤge bemerklich und reizt fogleich durch eine Iebhafte Harmonie 
das Auge. Die Stimmung ift auf Effect angelegt; aber die 
Tageshelligkeit ift groß und Alles materiell und feinem Naturs 
ton gemäß dargeſtellt; unb dabei entwickelt fih unter einer 
energiichen Beleuchtung eine Fülle fpielender, giühender Toͤne. 
Der Borgrund ift in einem warmen Goldton mit einem treff 
lien Impafto meifterlich modellirt; die Farben find fett, koͤr⸗ 
perlich aufgefegt, zum heil wie Meine, unvegelmäßige Kryſtalle 
berausgearbeitets burcheinanbergetriebenes Pigment, Überftrichene 
Lafur und Zirniß, Alles hilft zufammen. Aber dabei hat man 
nicht den Eindruck des Übertriebenen, fondern des ſtark Berges 
genwärtigten, und das Ganze erfcheint ausführlicher als es tft, 
weil Das, was ind Auge tritt, durch lebhaft wahre Töne und 
feifche Reize illudirt; und das Reizende bleibt angenehm, well 
es zufammenftimmenb ein ppantafiemdfipee Bild gibt. Diefes 
Sechafenftüd macht, außer dem überwältigenden Gindrud ber 
Raruräpnlichkeit, noch den einer wahrhaften Poeſie. Mag fein, 
daß ein firenger Zeichner Einzelnes daran zu beffern finde, daß 
auch die Gonfequenz der Ausführung nicht ſtreng richtig fet; 
bas fümmert — mid wenigftene — nicht im geringften mehr, 
fobaıd ein Bild fo ſehr, wie dieſes, Macht hat, mich zu übers 
zeugen und den Träftigen Schein der Wirklichkeit als eine Mufit 
natuͤrlicher Töne in meine Phantaſie einurechen zu laſſen. Diefe 





Marine von Habey mit ihrer gawa VBeaveur alle 

andern —2* der Ausfellung tobt; — fie daher in 

Srieben ruhen. 77. 
Bibliographie. 


Yifon, A., Geſchichte Europas feit ber erſten franzoͤſi⸗ 
füen 9 Revolution. Deutfh von L. Meyer. Ater Band. keip⸗ 
sig, D. Wigand. a. 8 1Thlr. 15 Nor. 

Altmeyer, M . 3. 3., Der Kampf bemokratifdger und 
ariftofratifcher Prineipien zu Anfang bes 16. Jahrhunderte. 
Dargeftellt in drei Monographien. Zus dem Franzoͤſiſchen. Mit 
Fe a pre 6. 8. von Rumohr. Luͤbeck, Rohben. 
Gr 2 r 

Zeitgemaͤße, von jebem Deutſchen zu beherzigende Anſichten 
und Wuͤnſche, aus dem politiſch⸗militairiſchen Standpunkte be⸗ 
trachtetz oder: Was muͤſſen bie Deutfchen thun, um gegen jeg⸗ 

lichen Außern Beind, namentlich gegen Frankreich ftets geräftet 

—— Mitgetheilt von R***1. Ste umgearbeite Ausgabe. 
Deut ſchland im October 1842. Sr. 8. 5 Nor. 

Beiträge zur Verhütung der Thierquaͤlerei. Insbeſondere 
zum Gebraudy in | otteichulen. Berlin, Simion. 8. 5 Rgr. 

Biſchof, „Populaire Vorleſungen über naturwiſſen⸗ 
ſchaftliche —** aut ben Gebieten ber Geologie, Phyſik 
und Shemie, im 3. 1 3 gehalten vor ben gebilbeten Bewoh⸗ 
nern a Mit zwei Kupfertafein. Bonn, Marcus. 
Gr. 8. r. 

Bittcher, C. F. H., Pfoͤrtner⸗Abum. Verzeichniß ſaͤmmt⸗ 
licher Lehrer und Schuͤler der Koͤnigl. Preuß. Landesſchule Pforta 
vom 3. 1543 bis 1843. Eine Denkſchrift zur Säcularfeier ber 
Anftatt ben 21. Mai 1843. Leipzig, Vogel. Er. 8. 2 hr. 

Bleffington, Gräfin, Die Lebenslotterie.. Aus dem 
Englifhen von W. bu Roi. Drei Theile. Braunſchweig, 
keibrod. 8 4 Ihlr. 

Boccaccio, &., Das Delameron. Aus dem Italieni⸗ 

2te berbeiferte Auflage. Drei 


ſchen überfegt von 8. Witte. 
heile. Leipzig, Brockhaus. Gr. 12. 2 Ihe. 15 Nor. 

Boyle, Marie gouife, Der Foͤrſter. Ein Zeit: unb 
Sittengemälde aus dem 3. 1688. Nach dem Engliſchen bear: 
beitet von V. F. 8. Petri. Drei Theile. Braunſchweig, 
Leibrock. 8. 4 Thlr. 18%, Nor. 

Breitenberger, F., Auch ein Wort über bie in den 
Kammern befprochene Kniebeugung vor dem Banttiffimum. 
Münden, Binfterlin. Gr. 8. 2%, Nor. 

Briefe über die Badiſchen Landtage von 1841 und 1842, 
Aus dem Kranzöfifchen. Landau. Gr. 12. 7Y, Nor. 
Gederftolpe, T. v., Sagen von (eembung, poetifch 


bearbeitet. Luxemburg, Midaelie. 12. 

Celeſtina. ine bramatifche Novelle. Aus dem Spanifken 
überfest von ©. v. Bülow. Leipzig, Brodhaus. Gr. 12. 
1 Zhir. 6 Nor. 


China und bie Chineſen von Zrabescant Lay. Aus 
dem Engliſchen überfest von H. edirget. Zwei Theile. 
Hamburg, Hoffmann und Campe. 8. 4 Thlr 

Daniel, 2. d 4 Theologiſche Gontroverfen. Halle, Lip⸗ 

Aus dem 


. Gr. 8. gr. 
Dante lobt, Die göttliche Komoͤdie. 
Zeaaifäen überfegt und erklärt von K. 2. Kanneg ießer. 
Drei Theile. Ate fehr veränderte Auflage. Mit Dante’s Bild⸗ 
niß, geometrifchen Planen der Hölle, des Fegefeuers und bes 
Paradieſes und einer Karte von Ober: und Mittel: Italien. 
Leipaiß, Brodhaut. Gr. 12. 2 hir. 15 Nor. 
Göttliche Komödie, ins Deutfche übertragen und 
— — aͤſthetiſch und vornehmlich theologiſch erlaͤutert von 
K. Fraut Ifter Theil: Die Hoͤlle. Leipzig, Doͤrffling. 
Gr. 8. 2 Thlr. 
Delbrüd, F., Ergebniſſe ademiſqer Forſchungen. 


ifte 
Gammlung. Bonn, Marcus. Gr, 8. 


1 hir. 15 Ngr. 


Ei , Geblchte. Ae vom 
unb veninserne Kuflace. Berka, Glen, 8. 2 200 I 
PER Sohdchel ꝓ —2 Beißenfels, Wteufel. 


Kor. 
Das entbedite Geheimniß zur Wertreibung ber Langeweile. 
Eine Sammlung 100 der 3 und —* * 


Koͤln, Lengfeld. A. 12. 
in Dreizeilern. Leipzig, 


gr 
Graul 8. ndermerſchlage 
Doͤrffling. 8. 

Daim, F., > nur Adept. Zrone ſpie in fuͤnf Aufzuͤgen. 
3te Auflage. Kin ‚, Gerold. 8. 

Camoens. 2— Beige in einem Aufzuge. 
2e Kuflage. Bien, Gerold. 8. 10 Rgr. 

Jacobi, B., Die —ãâS — zunaͤchſt der deut⸗ 
ſchen Landwirthe: Thaer's Denkmal. Warum ſoll in Leip⸗ 
zig es errichtet werden? Weshalb beſtimmte man ihm bie 
plaftifhe Form? Leipzig, Schreck. @r. 8. 10 Ror. 

Koch, ©. F., Preußens Rechtsverfaſſung und wie fie u 


reformiren fein möchte. Breslau, Aberhol Gr. 8. 1 Zhlr. 


10 Nor. 

Kretfchmer, Springerzüge uf dem Schachbrete unferer 
Tage. Königsberg. Br. 8. — Nor. 

Luce de Lancival, 3. Eh. J., Trauerſpiel in fünf Auf⸗ 
zügen nach Nepoleon’s Plane. Überfept von 3. G. Seidl. 
Wien, Pfautſch und Eomp. Br. 16. 15 Rgr 

Motherby, W., Die Semperamente. ein anthropolos 
giſcher Verſuch. one, D. Wigand. Gr. 8 Ren. 

Mundt, T., Die Kunſt der deutſchen —* ſthetiſch, 
—— — geſellſchaftlich. 2te umgearbeitete Auflage. 
Berlin, Sim 8 1 Thlr. 20 Ror. 

Pinder, M., Die Beckerschen falschen Münzen, be- 
schrieben. Mit zwei Tafeln. Berlin, Nicolai. Gr. 8. 25 Ngr. 

Rau, H., Thaddaͤus Kosciuszko. Hiſtoriſcher Roman. 
Drei Theile. Stuttgart, Brandy. 8. 6 Thir. 

Schmieder, 9. E., Grinnerungs Blätter. Zur dritten 


Zubelfeier der Königl. Lanbesichule ete. ‚ 
en i u e De Preuß. ſchule Pfo Leipzig 


Seeger, 2., Der Sohn ber Zeit. Freie Dichtung. Zuͤ⸗ 
rich, Literariſches Gomptoir. kex.⸗B8. Thlr. rung. 
Smith, 3. 9., Über Genfur. Königsberg, Voigt. 8. 


et. 

Steinmann, 8, Defiftofeles. Revue der beutichen Ges 
genwart in Skizzen und Umtiffen. —* Theil. Muͤnſter, Ex⸗ 
pedition bed Meſiftofeles. KL 8. Thlr. 

Stimmen aus Ungarn, angerent durch ben bevorſtehenden 
Landtag. Mit beſonderer KRuͤckſicht auf die juͤngſt erſchienene 
Dad: „Hſtreich und deſſen Zufunft.” Erlangen, Palm. 8. 


ve Baplor, M., ae Saib, — Fa Aus 
m Engli von eger. ei Sheile. Braun , 
Seibrod. 8. 3 Ahle. 22%, Mar. weis 

Über oͤffentliches Rechtsverfahren. Gin Beitrag zur Wuͤr⸗ 
bigung biefer Frage. Berlin, Nicola. Gr. 8. 10 Nor. 

Über die Verwaltung bes Borftanbes bei A fhen Kunft: 
vereins. Leipzig, O. Wigand. Gr. 8. Ner. 

Volkslieder und Romanzen ber Ehanier, im Veremaße des 
Driginale perbeutfäht buch ©. Geibel. Berlin, X. Bunder. 


@r. 12. 1 She. 1 

Wolff, ©. iR Shronif bes Kloſters Pforta nach urs 
tunblichen Nachrichten. Iſter Theil: von get Gruͤndung bis 
1223. Leipzig, Vogel. Gr. 8. 1 Thir. 10 Rgr. 

Beitblüthen. Gebichte von Alexis dem —* A. Bube, 
K. Buchner, G. Gegenbaur, E. Geibel, A. Grün, 9. ‚Deine, 
Herwegh, Hoffmann von Kallersieben, Wolfg. Müller, Prus, 
a. Schults, W. Wagner u. A. Gefammelt von 3. Günther. 
Zlmenau. 8. 7% Ner. 

Die Zeitfragen. Gin Beitrag zur Würbigung berfelben. 
Neiße, Hennings. 8. 5 Rgr. 


Werantwortliger Herausgeber: Deinrih Brodbaud. — Drud und Verlag von F. X. Brocdaus in Eeipzig. 





Bläfter 


für 


literariſche Unterhaltung. 





Kohl uͤber den Verkehr und die Anſiedelungen 
der Menſchen. 
Der Berkehr und die Anſiedelungen der Menſchen in ihrer Abs 


bängigleit von der Geftaltung der Erdoberflaͤche, von 3. ©. 
738 Mit 24 Steintafein. Dresben, Arnold. 1841. Gr. 8. 


Der ſchon durch mehre intereſſante, die Laͤnderkunde er⸗ 
weiternde Schriften vortheilhaft bekannte Verf. hat ſich durch 
das obige Werk ein wahres Verdienſt um die Erdbeſchreibung 
erworben. Denn wenngleich auch ſchon ſeit alten Zeiten in 
allen, Laͤnder und Staͤdte ſchildernden Werken von der geo⸗ 
graphiſchen Poſition, don der Gunſt oder Ungunſt der Lage 
dieſes ober jenes Ortes für Anſammlung und Mehrung 
ſeiner Bevoͤlkerung, von den natuͤrlichen Hinderniſſen oder 
Foͤrderungsmitteln des Verkehrs und von den phyſikaliſchen 
Grenzen der Voͤlker und ihren Anſiedelungen geſprochen 
worden ift, fo hat man, wie der Verf. richtig bemerkt, 
doch diefe Dinge bieher noch nicht zum Ziel und Thema 
fpecieller Unterfuhungen und fpflematiicher Abhandlungen 
gemacht. Dice wird dagegen, wenn auch als erſter Ver: 
fudy dieſer Art, eine genauere und umſtaͤndlichere Se: 
leuchtung jenes Segenflandes, ber die Bafis alter politi= 
fen Geographie bildet, den Freunden der hiſtoriſchen und 
geographiſchen Wiflenfchaften dargeboten. 

Der Verf. zeigt, wie der Verkehr und die Anfiebes 
(ungen ber Menſchen von der Geflaltung der Erdober⸗ 
fläche mehr oder weniger abhängig find. Die Central: 
Iinien der Thaͤtigkeit gebilbeter Voͤlker find die großen 
ſchiffbaren Fluͤſſe, beſonders diejenigen, welche eine Menge 
ſelbſt auch ſchiffbare Nebenfluͤſſe aufnehmen. Gewoͤhnlich 
laufen ſolche Flüſſe zwiſchen zwei Hauptgebirgen fort, 
welche ihre Auslaͤufe gegen ben Fluß herab und zwiſchen 
diefen die Rebenflüfle ihm zufenben. Bft find biefe Aus: 
laͤufe ſelbſt beträchtliche Gebirge, welche anfangs gleihfam 
mit Widerwillen unter Felſenſpizen und Abgründen ber: 
abſteigen, ſich oft plöglich wieder erheben und endlich in 
Sadyenden Huͤgeln fich in der Ebene verlieren. Inmitten 
diefes Labyrinths fpringen hiee und da die Waͤſſer ber: 
vor, folgen getreu feinen Arkmmungen und ahmen feinen 
abmwechfeinden Charaktere nad, indem fie bald in ſchaͤu⸗ 
mendem Kalle dahinflürmen, batd in ernflem ‚und in 
fi felbſt comcentrirtem Laufe fon den Pflanzenwuchs 
verkünden umd endlich Fruchtbarkeit über den geſegneten 


Boden verbreiten. Endlich, nachdem die Waͤſſer von beis 
ben Seiten in dem niedrigften Theil der Ebene ange 
tommen, ftoßen fie in bem gemeinfchaftlichen Bette zu: 
fammen, und ſuchen nun länge den Bergen, aus denen 
fie berausgelommen, einen Ausweg ins Meer oder in 
einen inländifchen Ger. 

Aus diefem Wechſelverhaͤltniß der Gebirge und ber 
Waſſerlaͤufe entfpringen gemöhnlih zwei Hauptrefultate: 
I) daB das Bett des Hauptſtroms bucch ben ebenflen 
und fruchtbarfien Boden läuft; 2) dag «6 zwiſchen ben 
Endpuntten, wo die Nebenflüffe entfpringen, faft immer 
die Mitte Hält. Diejenigen, welche an dem Ufer wobs 
nen, haben alfo den doppelten Vortheil einer höhere Pro⸗ 
duction ihres Bodens, im Vergleich mit der Production 
dee weiter gegen ben Rüden der Gebirge zu gelegenen 
Landſtuͤcke, und einer Vielfältigkeit von Communications» 
Iinien, die von dem Mittelpunkt an.den Umkreis laufen, 


"und ihnen den Genuß der Probucte aus ben übrigens 


Provinzen auf das kuͤrzeſte und wohlfeilſte verfchaffen. 
Aber noch mehr: die großen Fluͤſſe haben faft alle ihren 
Ausgang ind Meer. Aber das Meer iſt der große Heer⸗ 
weg, auf welchem alle Voͤlker fi finden; bie große 
Vermittelungsbahn einer allgemeinen MWechfelwirkung uns 
tee den Voͤlkern des Erdbodens. Die Nationalinduftrie 
in Maffe drängt fid) gegen den Ausgang des Dauptfiroms, 
und fein Lauf ift die Linie, mittel® weicher alle Theile 
feines Beckens an die allgemeine Bewegung fich anfchließen. 

Alfo Diejenigen fowol, welche an ben Ufern bes 
Hauptſtromes wohnen, als Diejenigen, welche ſich an 
feinen Nebenflüffen niedergelaffen, finden in dem Laufe, 
des erſtern das vortheilhaftefle Mittel, miteinander und 
mit dem Meer in Verbindung zu treten. Sie fehen 
alfo natlrlicherweife ben ganzen Lauf des Fluſſes von 
dem Punkte, wo er fhiffbar wird, bis zu feiner Müns 
dung, als ein gemeinfchaftliches untheilbares But an, 
deſſen Befig ihnen weder phyſiſch noch moraliſch (db. h. 
politiſch) verfümmert werben kann, ohne ihren Wortheil 
zu verlegen, und zuweilen ihrer Xhätigkeis einen toͤdtlichen 
Stoß zu verfegen. Der freie Verkehr der Voͤlker ift für 
fie die wefentlihe Bedingung ihrer Entwidelung und ih⸗ 
res Gluͤckes. Der Ausdrud Flußbecken bezieht fich auf 
das ganze, von einem Hauptſtrom und feinen Neben⸗ 
flüffen bewäflerte Gebiet, bie zu dem Gebitgekamm, wel⸗ 


cher dieſes Wafferneg von ben benachbarten ſcheidet. Das 
Becken eines Fluſſes macht alfo ein untheilbares Ganze 
aus, ſobald diefer Fluß als Gentrallinie von Thaͤtigkeit 
und wechfelfeitigen Verbindungen erfcheint. Aber daraus 
folge wicht, weber daß alle große Blüffe wirklich in bie: 
fen Falle find, noch daß die Ausdehnung eines Fluß⸗ 
beckens der einzige Umftand ſei, welcher die Ausdehnung 
der Nationalgebiete oder bie Bildung ber Reiche beflimmt. 
Der große Vermittelungsweg des allgemeinen Ber: 
kehrs unter den Völkern ift daB Meer, und ale Wörter 
fuͤhlen das Beduürfniß, bis an daſſelbe zu gelangen. 
Penn man die Mittelpunkte der Bewegungen aufſucht, 
in der ‚ in der Ginisifasien, 

in ber Nationalthaͤtigkeit, in dem Verkehr flattfinden, fo 
wird man fie immer ba antreffen, wo fich folgende zwei 
Vortheile vereinigen: 1) der Leichtefte Verkehr mit ben 
meiften und wichtigften Theilen eines Nationalgebiets ; 
2) der leichtefte Verkehr mit dem Meer oder den Meeren, 
welche dem Nationalgebiet am nächften find. Solche Mittel: 
punfte, wenn fie bi6 zu einem gewiffen Grad von Größe 
und Glanz anwachfen, werben fehr mächtige Triebfedern, 


um die Induſtrie und Aberhaupt deu Geiſt eines Welke | 


aufzureigen; fie ſchließen eine große Intereſſenmaſſe in 
ihrem Umfange ein, und fenden, gleich einem Brennpunkt, 
die Strahlen ihres Einfluffes in allem Richtungen und 
. anf große Entfernungen auf eine ſehr nachdruͤckliche und 
erkennbare Weiſe aus. Darin liegt die Grundideer von 
Dem, was man heutzutage Abrundung nennt. 

Wenn man ben Einfluß der geographifc = politiichen 
Mittelpunkte und das Beduͤrfniß dee Wölker zum See⸗ 
verkehr überlegt, fo wird man leicht begreifen: 1) warm 
die Nationen, die fi in einem großen Flußbecken nie 
bergelaffen haben, auch gewöhnlich die ſchmalen Küften: 
fleiche beberefchen, welche mit bem Flußbecken parallel 
foufen und es von dem Meer abfchneiden, 2) warum 
mehre Meine Flußbecken, beren Totalumfang bi6 zum Meer 
ober bis zu ben hohen Gebirgsketten reicht, unter dem 
Einfluß eines gemeinfhaftlichen Mittelpunkts fallen und 
wur Ein politifches Gebiet ausmachen; 3) warum fogar 
mehre große Flußbecken, welche aber in ihrer Geſammt⸗ 
beit zwiſchen mehren Meeren liegen und unter fich nicht 
durch ſtarke Naturhinderniſſe gefondert, fondern vielmehr 
feicht zu verbinden find, einem gemeinfchaftlihen Einfluß 
gehorchen; 4) marum große Stüffe, obgleich beträchtlich, 
doch mehr zu Grenzlinlen als zu Gentrallinien geeignet find, 
ſei es, daß fie wenige fchiffbare Nebenfluͤſſe haben, fei es, 
daß die ungleiche Vercheilung der Gewaͤſſer ein zu une: 
gelmaͤßig geſtaltetes Flußbecken bildet, als daß es in dem⸗ 
felben einen Mittelpunkt geben koͤnnte, welcher im Stande 
wäre, alle Theile bes Beckens mit Nachdruck zu beherr⸗ 
ſchen und der Wirkung benachbarter, beſſer gelegener 
Mittelpunkte das Gleichgewicht zu halten; 5) warum 
Die langen und alſo flußaͤhnlichen Meerengen eben biefen 
Seſetzen folgen und daher bald Gentral:, bald Grenzlinie 
fen koͤnnen, je nachdem man von ihmen aus entweder 
große und feftfichende Intereſſekreiſe beherrſcht, ober blos 
einen Durchweg zwiſchen zwei ober mehren folcher Ge⸗ 





biete findet; 6) warum fogar bier und da ein und ber: 
felbe Fluß in einem Theile feines Laufe zur Grenzlinie, 
in dem andern zur Gentrallinie, wenigfiens im den unter: 
geordneten Verhaͤltniſſen, dient. 

Die großen Fluͤſſe kͤnnen nur infeferr als Central⸗ 
linien der Thaͤtigkeit umd des Verkehrs angeſchen werden, 
inwiefern ſie ſchiffbar ſind und ein culturfaͤhiges Land 
durchſtroͤmen. Aber eine andere Bewandtniß hat es mit 
den hohen Berggipfeln, von wo die großen Fluͤſſe nach 
alten Richtungen des Horlzonts Auslaufen. Dieſe Fluͤſſe 
inmitten jener Selsgewirre find nicht für ben Verkehr; 
die Gewohnheiten des Alpenlebens und der befondere 

ber fllften unter bisfen ein weit 
engered Band als die Intereſſen, welche an ben Lauf 
eines noch unbedeutenden Fiuffes gebunden fein können. 
Diefe legtern werden erſt von Bedeutung, wenn die Flüfle 
fhiffbar werben, was gewöhnlich erſt bei ihrem Austritt 


| aus den Secumdärgebirgen, welche den hoͤchſten Gebirge: 


kamm umgeben, geſchieht. Der mittelſte und hoͤchſte 
Theil der Centralgebirge eines Welttheils oder der Alpen 
bildet alfo ein eigenes Geblet, weiches durch ſeine Lage 
wiſchen den großen Flußgebieten und als nothwendiger 
bergang von dem einen zu dem andern einen ganz be⸗ 
fondern politiſchen Charakter erhaͤlt, welcher darin liege, 
durch Freiheit und menſchliche Nachhuͤlfe die dieſen Ge: 


bieten eigenen Naturſchwierigkeiten zu beſiegen. 


Nach Vorausſchickung dieſer allgemeinen Betrach⸗ 
tungen uͤber die politiſche Erdbeſchreibung wollen wir den 


Inhalt des Werks andeuten. Es zerfaͤllt in AB Gas 
pitel wit den folgenden Überſchriften: „Einleitung und 
Pan des Werts”, „Dee Verkehr”, „Die Erdober⸗ 
flaͤche“, „Beziehung der Erdoberflaͤchenzuſtaͤnde zum Ber: 
Lehr”, „Kunſtbahnen“, „Die Figuren der Erboberflädens 
: phafen und ihre Einwirkung auf Verkehr und Anfiebelung”, 


„Die Anfiedelung‘‘, „Das Bodenrelief ober die Unebenheiten 


der Erdoberfläche”, „Won den Infeln und Goutinenten“, 


„Bon den Binnenmeeren und Dosanen‘, „Bon ben Dalbin: 
fein und Meerbufen”, „Bon den Meerengen und Iſthmen“, 
„Die Zlüffe”, „Anderweitige Gegenfäge”, „Einflüffe po: 
litiſcher und moraliſcher Verhaͤltniſſe auf Verkehr und 
Anſiedelung“, „Einfluß bee Bodenproducte auf Concen⸗ 
trirung des Verkehrs und der Bevoͤlkerung“, „Veraͤnde⸗ 
rungen der Erdoberflaͤche während der hiſtoriſchen Zeit“, 


„Schlußbemerkungen“. 


Die Urſachen, warum die Bevoͤlkerung auf der Erdober⸗ 
flaͤche ſo ungleich vertheilt iſt, ſind theils moraliſche oder poli⸗ 
ciſche, teils phyſikalifche. Die moraliſchen oder politifchen Urs 


ſachen der verſchledenen Dichtheit der Bevoͤlkerung ſind in dem 


Culturzuſtande und beſonders in der politiſchen Verfaſſung der 
Bewohner der verſchiedenen Erdſtriche begründet. Jaͤgervoͤl⸗ 
fer brauchen größere Räume als Nomaden, dieſe größere als 
Aderbauer, und bisfe wiederum größere als manufacturi⸗ 
vende Mationen. In einer wohlgeordneten Staates und 


‚ Stabtcommmune befindet ſich die Bevölkerung wohler und 
vermehrt fich daher bedeutender als in einer anarchiſchen. 


Auch find viele verſchiebene Sitten der Boͤller als eins 
flußreiche Usxfachen der mehr ober minder großen Dicht⸗ 





heit ber g su betrachten. Die phrfibealiſchen 
Urſachen der Concentrirung der Bevoͤlkerung an gewiſſen 
Erdflaͤchen find thells ſolche, die von dem mehr oder 
minder großen Productenreichthum des Bodens, theils 
ſoiche, bie von der Geſtaltung der Erdoberfläche abhaͤn⸗ 
gen. Die Art ber Ums und Abgrenzung des Sefllanbes 
mit dem Plüffigen, der Gebirge mit den Ebenen und als 
ler der andern Terrainverſchiedenheiten untereinander 
bewirkt infofern eine Gondenfisung ber Bevölkerung an 
geroiffen Punkten, als fie dem menſchlichen Verkehre hier 
md da entweder Vorſchub leiftet oder ihm bindernd in 
den Weg tritt. Da wir bis jene kein Werk befitzen, 
weiches die Einwirkungen ber Bodengeftaltung volljtändig 
zu entiwideln und zu beurtheilen fich zum Zweck genom⸗ 
men hätte, fo bleibt Hrn. Kohl das Verdienſt, dies zu: 
erſt verfucht zu haben. 


Um eine deutliche Vorflelung von der Einwirkung 


der verfchledenen Zuftände ber Erxboberflähe auf dem 
menſchlichen Verkehr und von den durch ibm herbeige⸗ 
führten Anfiebelungen und Bevoͤlkerungsverdichtungen zu 
gewinnen, erklaͤrt der Verf, was er unter menſchli⸗ 
dem Verkehre verficht, betrachtet dann bie Erdoberfläche 
und ihre verfchiedenen Zuſtaͤnde, und beſtimmt hierauf, 
welchen verſchiedenen Werth jeme verfchiedenen Zuſtaͤnde 
für den Verkehr haben. Seime vorläufigen Eroͤrte⸗ 
rungen über Verkehr, Geſtaltung ber Erboberfläche und 
über Anfiedelungen machen ben allgemeinen Theil fel: 
mes Werkes aus. In dem barauf folgenden befondern 
Theile befjelben benriht ſich der Verf., die gewonnenen 
allgemeinen Säge in ihrer Anwendung auf alle die bes 
fondern, in ber Natur vortommenden Gliederungen ber 
Erdoberflaͤche nachzuweiſen. Well kein Gegenfas auf ber 
Erdoberflaͤche fo fehr alle übrigen bedingt wie der zwi⸗ 
ſchen Bebirge und Ebene, zwifchen dem geringer und hd: 
her „ weil davon nicht nur entfchieden die Abs 
grenzungdtoeife des Waſſers und Sefllandes, fondern auch 
unmittelbar in vieler Ruͤckſicht alle andern Gliederungen 
bedingt werden, fo hat er die Betrachtung der Gebirge, 
Ebenen und Thaͤler an die. Spige des Ganzen geftellt. 
Aber da kein Contraſt unmittelbar bedeutender auf Ver⸗ 
kehr und Anſiedelung hinwirkt als ber zwiſchen Fluͤſſi⸗ 
gem und Rigidem, zwiſchen Feſtland und Waſſer, fo hat er 
diefem Theile feiner Abhandlung eine befondere Aufmerk: 
famteit gewidmet. Anhangsweiſe handelt der Verf. von 
den Einfluß moralifcher und politifher Verhaͤltniſſe auf 
Berkehr und Anflodelung; von dem Einfluß der Bodens 
probucte auf Verkehr und Anfiedelung, und von ben Ber: 
änderungen der Erdoberfläche während der hiftorifchen Belt. 

Da es der Raum nicht geflattet, dem Verf. ins 
Detait zu folgen, fo wollen wie, nachdem wir den Inhalt 


deſſelben ganz im Allgemeinen amgegeben, ums barauf be: | 


ſchraͤnken, aus den legten Gapiteln Einzelnes hervorheben. 

Sm Laufe feines Buchs hat ber Verf. gezeigt, daß 
und inwiefern der Menſch von ber Natur und wie er 
insbefondere in feinem Verkehr auf diefer Erde von ber 
Geſtaltung der Oberfläche derſelben abhängt; ferner tie 
und wo die dem Verkehre wuͤnſchenswerthen und durch 


Hm veranlaßten Aufiebshmgen bei biefer unb immer Den 
flaͤchengeſtaliung hervorgerufen werden. Der Menfch If 
Indeß nie ganz Sklave der Natur, vielmehr, fo fehe 
er auch von ihre abhängt, doch auch in vieler Dinfiche 
fein und ihe Herr. Natur und Menſchen, Nothwen⸗ 
digkeit umd freier Wille, klimatiſche und moralifche Wer 
haͤltnifſe find es, die vereint alle Erſcheinungen in bei 
Menſchenwelt hervorgebracht haben, Der Verf. fagt: 

Zufall, Wiltkür, Laune, glädıihe Ideen, Wind 
und Wetter, Schidfal und natürlider Drang ge: 
falten in vielfahem Durdpeinandergreifen die 
menfhlihen Berhältniffe und fo insbefondere aud 
den menfhliden Verkehr und Städtebau. 

.Es laͤßt fi zuvdrderſt über diefe unmittelbar ober 
mittelbar vom Menfhen ausgehenden Cinwirs 
tungen auf Städtebau und Verkehr im XAllgemeis 
nen bemerten, baß fie beimeitem nicht fo bauernd find wie 
die natürlichen, weil der Menfch, der in dem einen Jahrhun⸗ 
berte gebildet, inbuftriös und regfam erfcheint, in dem andern 
roh, barbarifch und unbändig ſich zeigt, der bald biefe Sitte, 
bald jene annimmt und beftändig über bie alten Grenzen hin⸗ 
ausflutet, viel veränderlicher ift als bie Natur, die noch jetzt 
feit Jahrtauſenden in denfelben Betten ihr Waſſer ftrömt, noch 
immer mit benfelben Meeresarmen diefelben Länderformen ums 
faßt, ſtets dieſelben Bergmaffen zum Dimmel emportbürmt unb 
divar 1elle, langfam, aber fiyer, gleichmäßig, befländig und fies 
ig wirft. - 

Es greifen die Groberer mit_gierigen Händen unbelümmert 
um natürlihe Grenzen und um al das feine Gewebe und Ge⸗ 
täfel der Schaubühne ber Greigniffe, beifen Faͤden wir nach⸗ 
forfchten, in die Länbermaffen hinein, ballen zuſammen unb haͤu⸗ 
fen aufeinander, was ihnen gelüftet. Alte Städte werben ausge⸗ 
rottet und neue gegründet, wo die Launen ber Gewaltigen es 
gebieten. Man legt neue Wege auf den Befehl der Mächtigen 
an, und alte werben verlaffen, wie es eben ber Zufall will. 
Privilegien werben aufgemauert, bie eine Zeit lang ſtaͤrker wir⸗ 
ten als ein Strom, und Grenzmauthen errichtet, die oft ebenfo 
ſehr hem wie ein hohes Gebirge. Die Meere ſcheinen kein 
Hinderniß zu fein, Eisregionen, wie bie heißen Sandgegenden, 
werben burchfegt, die Zlußgdtter in Feſſeln gefchlagen und bie 
Nymphen aus dem Reiche ihrer Wälder verjagt. Wie braufende 
Ströme exgießen fi) die von politifhen Ginflüffen bewegten 
Maflen aus ihren Betten über bie Gefllde, ſtuͤrzen alle natürlis 
hen Grenzmarken nieder, vermifhen Bad, Teich und Meer, 
und es möchte bei ber Betrachtung ihrer heftigen Wirkfamteit 
faft alle die Mühe, die wir uns gegeben haben, ben Einwirkun⸗ 
gen ber natuͤrlichen Grenzen nadyufpüren, verloren feinen, 
wenn nicht biefe politifchen Ereigniffe, die wie Ströme berein- 
brechen, fih auch wieber wie ein hohes Wafler in den natürli- 
hen Kanaͤlen verliefen, ohne bie Umftände im Wefenttichen und 
auf bie Dauer zu verändern. ‚Diefelben Bergfpigen tauchen aus 
der Flut wieder hervor, das Waſſer fammelt fich in denfelsen 
Zeihen und Seen, bie Bäche und Quellen beruhigen ſich und 
bteiben in ben alten Ufern, und Alles zerfällt wieder in bie vo⸗ 
tigen Reviere und Quartiere. 

(Die Fortſegung tigt.) 


Lecebensbilder. 
1. Königsberger Skizzen von Karl Roſenkranz. Zwei 
Abtheilungen. Danzig, Gerhard. 1842. 8. 3 Thir. 15 Nor. 
2. Gittengemätde aus dem elfäffiihen Wolfsleben. Novellen 
von X. Weill. Stuttgart, Brandt. 1843. 8 2 S6. 
3. Wanderbuch von Franz Dingelftedbt. Leipzig, Eins 
born. 1843. 8. 2 Thlr. 
Jedes diefer drei Bücher gibt ein Bild des modernen Les 
bens in verſchiedenen Gegenden Deutfchlande, Frankreichs und 
Hollands. Alle brei rühren von Männern ber, beren Namen 


368 


in DE diteratur Anklang gefenben hat, freilich in verſchiedenen 
Kreiſen und in verſchiedenem Grade. Roſenkranz iſt mehr der 


Mann der ſtrengen Wiſſenſchaft, der Syſtematiker; Weill iſt 
Journaliſt im guten Sinne des Worts, Publiciſt, wenn man 
es fo nennen will, nicht ohne einige Khnlichkeit mit Voͤrne in 
dee Weile der Auffaffung ; Dingelftedt repräfentirt das moderne 
Literatenthum, etwas blafist, etwas mübe, bisweilen im Zus 
ande des Nihilismus, leicht faſſend, bisweilen probuctiv, über 
dad BVerfchiebenartigfte gut ſprechend. Ich glaube, jedes ber 
drei Bücher wird feine recht dankbaren Lefer finden. Roſenkranz 
mehr bie realiftifhen Leſer; er geht auch nicht eine Linie über 
das Gegebene hinaus. Weill fest feine Lebensbilber ſelbſt in die 
Reihe der Novellen; er erzählt gut, charakterifirt ſcharf, es 
wird Sinem ganz elfäffifch bei bem Buch. Dingelftedt gibt mehr 
ſich ſelbſt; er deutet Bieles nur an, laͤßt Mandıes erratben, ers 
ſcheint aber durchweg als ein liebenswürbiger Menſch. Roſen⸗ 
franz verwahrt fih in feinem Vorwort gegen moͤgliche Misbeus 
tungen feiner Abftcht und feiner Tendenzen, namentlich feiner 
politifhen, und ftellt fein eigenes Verhaͤltniß zum Leben des 
Bolks dar; er ftehe, fagt er, in unmittelbarer Sympathie mit 
dem Volksleben, und habe ein Beduͤrfniß, bie Poefle der Gr: 
ſcheinung zu genießen. Daß dem fo fei, davon liefert das Bud 
ben Beweis. Im gegenwärtigen Augenblid, wo bie Stadt 
Königsberg an Bedeutung für Preußens Staatsleben und bie 
Gegenwart überhaupt gewinnt, ift diefe Schrift von um fo grös 
Serm Intereffe, da, wie Roſenkranz felbft fagt, die Meiften 
von Königsberg nichts willen, als daß es eine große Handels⸗ 
Habt mit einer Untverfität fei, worin Damann, Hippel unb 
Kant gelebt haben. Alle Darftellungen bes Verf. ruhen auf deſ⸗ 
fen eigener klarer Anſchauung; ein gebiegenes Urtheil über alle 
Intereſſen bes Lebens macht die Echrift zu einer werthvollen. 
Einzelne Mittheilungen über Hippel und Kant waren für uns 
vom größten Intereffes kein Lefer wird das Buch unbefricbigt 
Seite legen. Die Sittengemätde von Weill find für ung 
Deutfehe fon deshalb von Intereffe, weil fie das Elſaß ſchil⸗ 
dern, unb wir wiffen es recht gut, daß man im Eifaß auf 
deutfch flucht und auf beutfch Tiebt. Die Erzählungen find eins 
fa, naturwahrs unferee Subjectivität fagt es freilich weniger 
zu, daß die Anfprüche des ‚Herzens in allen dieſen Novellen fo 
wenig befriedigt werten. Das Buch von Dingelftebt enthält 
Rhonefahrten, Briefe aus Paris, Tagebuch aus Oftende und 
holländifche Schildereien. Die Eigenthuͤmlichkeiten ber Länder 
und Voͤlker faßt Dingelftedt Leicht und ſcharf auf; Zopographie 
gibt er nicht, die Läßt fich in zehn Handbuͤchern nachfehen; er 
iſt ſelbſt flets der Mittelpunkt, und es ift uns in feiner Gefell: 
ſchaft ganz behaglid geworben, wenngleich wir feine Natur: 
fchitberungen in ben Rhonefahrten nicht plaftifch genug finden. 
An allen drei Büchern hat die perichifche Literatur ein 
guten Zuwachs erhalten. 22. 


Literarifhe Notizen aus England. 


Die engliſche Devotion ift ein auffallender Zug im Nas 
tionalcharakter dieſes ebenfo großartigen als kleinlichen Volkes. 
Dem deutſchen Proteſtanten, der in England reiſt, oder auf 
Reiſen mit Englaͤndern in genauere Berührung kommt, wird 
fie oft Idftig genug. Aber nicht nur im Leben bes Nolte, 
auch in feiner Literatur begegnet fie una überall. Dem gelesrten 
Sournalismus, ber literarifhen Kritik, gibt die immerfort 
durchblickende und oft bis zum Ekel zur Schau getragene fromme 
Pruderie ein wunberliches Anfehen. Ein Dr. Hampfon fchreibt 
3. B ein Compendium über mittelalterliche Chronologie (‚‚Medii 
aevi Calendarium ete.“, London 1841), ein Buch, das fchöne 
Serfungen enthält und mancherlei VBerbienfte hat, wenn auch 

rthümer und Übereitungen mit unterlaufen. Der Recenfent des: 
felben im „Quarterly review’ rügt die Fehler. Gut! das ift 
fein Recht Aber er geht weiter. Er unterfagt der ftubirenden 
Jugend, ben historical students, den Gebrauch des Buchs und 
empfiehlt ihnen dringend ein Alteres von Harris Nicolas (obgleich 


es weniger ausführlich it — though loss diseussive), Ba⸗ 
sum? Weil Hampfen’s Bud in einem „leichtfertigen unb uns 
ehrerbietigen @eifte” („a flipping and irreverent spirit”) geſchrie⸗ 
ben fei, wie er fi denn „über die Heilighaltung bes Tages 
des Herrn, ferner in feinen Artikeln über den Sonntag und 
über den Sabbath hoͤchſt tadelnowerth aͤußere. But! Auch das 
dem Recenfenten als sur Sache gebärig bin, daß er bie 
ugend vor bem flipping and irreverent spirit warnen will 
Aber er begnüägt fidy nicht mit Dem, was ihm als Recenfenten 
bes betreffenden Buches zulommt. &r nimmt zulegt Gelegenheit 
zu einer emphatiſchen Lobrede auf bie GBabbathheiligung, zu 
einer feierlichen Prebigt gegen die Veraͤchter bes dritten Gebots. 
„Was? laͤßt er den Muͤhlenbeſiger zulezt auszufen, „die 
Werte vierzig Tage des Jahres ruben laſſen?“ unb antwortet: 
„Allerdings! verlierft du nicht zehnmat mehr Zeit buch Belu⸗ 
fligungen und Ghartiftens Meetings, als durch allen Aberglauben 


der guten alten Beit? Aber nicht wirb der Tag bes Derra 
ſtrenge und pflichtmäßig und zugleich Lieblich und fröhlich gefeiert 


werden Eönnen, als bis ber Eirchliche Dienft in feinem ganzen 
Umfange wieberhergeftellt fein wird. Die, welche die Maflen 
durch Eröffnung von Mufeen, Bildergalerien und Bibliothefen 
Sonntage zn erquiden fuchen, geben zwar nichts von dem 
Shrigen, nehmen aber Das, was des Herrn if, hinwegz Die, 
weiche das Gebot pflihtmäßig erfüllen, geben auch nichts von 
dem Ihrigen, aber fie geben bem Deren, was bes Herrn ifl, 
und ohne daß es ihnen etwas koſtet.“ Wie ökonomifch zugleich! 
Das heißt praktiſch fromm fein und praktiſch vermahnen! &s 
geht in diefem Zone noch eine Weile fort und fchließt mit einer 
langen Stelle aus einer wirklich gehaltenen Prebigt. 


In der Anzeige eines Buches ‚Life of Jean Paul Frederick 
Richter”, welches in Boſton erſchienen und aus Sean Paul's 
Selbftbiegraphie und Spazier's „Wahrheit aus Jean Paul's 
Leben” compitirt ift, enträftet fich der englifche KRecenſent außer⸗ 
ordentlich darüber, daß Jean Paul feinem Sohne anftatt ber 
Gatisfactionstheorie und bes Dogmatismus überhaupt „das 
Chriſtenthum eines Herder, Jacobi, Kant” anempfichlt. Soicher 
gottlofen Ermahnungen natürliche Kolge wäre e8 geweſen, daß 


der junge Mann in Myſticismus verfiel und in Verzweiflung 
unterging. 


Der neuefte engliſche Kritiker Schiller’& (im „Foreign and 
colonial quarterly review) fagt über die Kindesmoͤrderin“ „Die 
fe Gedicht iſt auf die beften und heiligſten Gefähle unferex Ratur 
gegründet, diejenigen, weiche mit den Lehren der Buße und Ges 
nugthuung in Zufammenbang flehen, denn wenn je ein 
Menſch, To war Schiller ein wahrer Chriſt in Herz 
und Geift, wiewol dann und mann ‚von Leibenfchaft hinge: 
riffen“ ober feinee ganzen Bildung nach den dußern Formen 
des Glaubens entfremdbet durch ‚das Weteorlicht einer eitein 
Philofoppie‘. Der Sünder, der ſich felbft verdammt, tft nicht 
mebr ein Gegenfland ber Verachtung und Verwerfung für den 
wahrhaft empfindenden und vernünftig denkenden Menfchen. 
ketzterer wuͤrde fonft felöft eine gräuliche Sünde begehen, die 
ber Lieblofigkeit. Dies hat Schiller in den Thränen 
bes Henters veranfhaulihen wollen.” Echt engliſch! 

48. 





Literarifche Anzeige. 
Durdy alle Buchhandtungen ift von mir za beziehen: 


Sedidhte 


von 
Carlopage. 
Gr. 12. Geh. 25 Nor. 


Seipzig, im Zuli 1843. 
3%. Brockhaus. 


Berantwortlider Herausgeber: Heinrih Brodhaud — Drud and Verlag von $. 4. Brodbaus in Leipzig. 


Blätter 


für 


literarifbe Unterhaltung. 





Breitag, 





7. Zuli 1843. 





der Menfchen. 
(Bortfetung aus Nr. 161.) 


Die politifchen ober moralifhen Einflüffe auf den 
Verkehr theilt der Werf. in folche ein, bie von ber Na: 
tur des Landes abhängen und durch fie vermittelt wer 
den, und in folche, die nicht bavon abhängen, die alfo 
entweder von dem angeborenen Naturell des Volks, ober 
von der Erziehung, bie es fih durch feine großen Män- 
ner gab umd durch feine Nachbarn, Eroberer u. f. w. em⸗ 
pfing, . 

Die von der Natur des bewohnten Landes abhängen: 
den politifhen Einflüffe erfcheinen als mittelbare Ein: 
flüffe derfelben, treten mit der Natur zugleih auf und 
unterftügen fie, ſich mit ihr vereinigend, in der Regel der 
Art, daß fie der Natur helfen und in derſelben Weiſe, 
wie fie ſelbſt ſchon phyſikaliſch wirkt, moralifch welter 
wirfen, ſodaß Das, was in der Natur ein phyſikaliſches 
Hinderniß des Verkehrs wird, auch noch im Geiſte der 
Boͤlker ſich als ein neu hinzukommendes moraliſches Din- 
derniß aufthürmt, und daß Das, was ſchon ohnedies 
durch die Naturkraͤfte und die Befchaffenheit der Boden⸗ 
oberfläche dem Verkehre guͤnſtig war, auch noch außerdem 
den Geift der Völker gleichſam applanict, ebnet und zum 
Verkehre gefchidter made. Der Menſch lebt in ber Luft, 
fußt auf dem Boden und kann auf dem Waſſer verkeh⸗ 
ven. Alle nathrlichen Einflüffe, die auf feinen morali⸗ 
fhen Zuſtand wirken follen, können daher einzig und 
allein entweder von ber Belchaffenbeit der Luft, oder von 
den Befonderheiten des Bobens, auf dem er fußt, ober 
von den Eigenthümlichleiten des Waſſers, auf dem er 
verkehrt, herruͤhren. Bon allen phyſikaliſchen Einflüffen 
auf Charakter und Eigenthümlichkeit der Nationen find 
Diejenigen, welche burch die Luft vermittelt werden, ohne 
Zweifel die michtigften, und felbft ein großer Theil der 
Bodeneinflüffe macht ſich nur durch die Luft fühlbar, 
und ift daher unmittelbar als Luftwirkung und nur mit: 
telbar als Bodenwirkung zu betrachten. Außer dem Bo: 
den und Waſſer mit Allem, was darauf thätig ift, außer 
der vom Boden ausftrömenden Efektricität, außer dem 
Magnetismus, außer den Ausbünflungen des Waſſers 
und der Wälder, außer ber Erhebung bes Bodens. in die 


veinern Lüfte, außer den aus ihm aufftelgenden Wollen 
u. f. mw. wirken nun auch noch durch die Luft bas Licht 
der Sonne und der Geſtirne und mit ihm wahrfcheintich 
viele andere kosmiſche Einflüffe neben jenen telluriſchen 
auf ben Menfchen. Man unterfcheider jedoch gewöhnlich 
nicht die verfchiedenen Urfachen der Lufteinflüffe und ums 
faßt diefe ganze Betrachtung meiſtens nur unter dem all⸗ 
gemeinen Namen Klima, indem man darunter bie Eins 
wirkungen aller ber verſchiedenen Luftzuflände, die une 
umgeben, verfteht. 

Die Einflüffe unferer Sonne find unendlich mannid- 
fach, doch innen wir die Hauptfache bier auf Wärme: 
entwidelung und Lichtfuͤlle reduciren. Das Licht unb 
die Wärme find die wichtigften und gewaltigſten Kräfte, 
die von diefem Geſtirn auf die Menfchheit ausgeben und 
am meiften auf Seele und Leib einwirken; ihre verfchies 
bene Vertheilung iſt daher von der größten Wichtigkeit. 
Sie werden durch die Stellung der Erde zur Sonne, ferner 
durch die Art der Krümmung der Oberfläche ber Erbe 
und alsdann durch bie Lage eines Orts in Bezug zu 
bietet Krümmung, oder durch feine geographifche Pofition 

ebingt. 

Licht und Wärme nehmen hlernach im Allgemei⸗ 
nen von den Polen nad) dem Äquator bin zu, ſodaß 
fi viele Ringe oder Zonen danach rund um die Erde 
bin herumlegen, welche eine gleiche Lichtvertheilung und 
Märmeentwidelung genießen. Hieraus läßt ſich auf ein 
Ablagern aller geiftigen Mächte diefer Art in große Zo⸗ 
nen oder Ringe rund um die Pole herum und bem 
Aquator paraliel ſchließen. Es muß auf der Meife vom 
Aquator zum Pol eine beftändige Verfchiedenheit der Cha: 
raktere bemerkt werden. Dagegen muß in gleicher Ent: 
fernung vom Pole und vom Xquator auf der Reife um 
bie Erde eine gewiſſe Steichartigkeit der Sitten und Cha⸗ 
raßtere wahrgenommen werben, infofern fie von ber Licht- 
und MWärmemenge herrühren. Daraus geht hervor, daß 
das Kortfchreiten des Verkehrs von Norden nad) Süden 
wegen der Verſchiedenheit der Volkscharaktere und Sitten 
und ber nationalen Elemente, durch welche er fih Bahn 
brechen muß, mehr Hemmungen ald von Dften nad 
Weſten erduldet, wo in berfelben Bone immer wieder 
Homogenes nebeneinander zu finden iſt. Wie auf geeb⸗ 
neter Bahn muß hier Alles fortgteiten und wie im ges 


254 


wohnten Elemente unter verwandten und befannten Gei⸗ 
fern fich leicht bewegen. 

Die Bodeneinfläffe wirken auf ben Menſchen entwe: 
der ummittelbae oder mittelbar dur die Luft. Durch 
feinen Zuſtand, nämlich theils durch feine Fruchtbarkeit, 
theils durch ſeine Oberflaͤchenform, wirkt der Boden un⸗ 
mittelbar auf den menſchlichen Geiſt ein. In den Wuͤſten 
zeigen ſich nur Raͤuber und Nomaden. Mittelbare Bo⸗ 
deneinflüffe wirken nur duch die Luft. Der Boden 
hängt zum Theil felbft von der Luft ab, er wird durch 
die aus ihr ſich herablaffenden befruchtenden Stoffe mehr 
oder weniger befruchtet, von den Feuchtigkeiten befeuchtet, 
von der Trockenheit ausgedoͤrrt und von andern Eigen: 
thuͤmlichkeiten der Luft bedingt. Auf der andern Seite 
aber wird die Luft auch wieder vom Boden bedingt. 
Diefer gibt ihr feine Feuchtigkeit, wenn er fumpfig iſt, 
feine Katdausbänftungen und feine Trockenheit zuruͤck, 
und beide, Boden und Luft, bedingen fo in vereinter 
Wirkung und Gegenwirkung vielfah das Klima. In 
Bezug auf die Veränderungen ber Luft durch chemifche 
Eigenfchaften de6 Bodens läßt fih nur im Allgemeinen 
fogen, daß wahrſcheinlich jede Verfchiedenheit der Boden: 
oberfläche auch eine DVerfchiedenheit der Luft bedingt, und 
fomit auf den Menſchen verfchieden einwirkt, ohne daß 
man dach im Einzelnen nachweiſen Lönnte, wie 3. B. der 
Thonboden durch eigenthuͤmliche Ausdünftungen auf Luft 
und Menfchen einwirke, welche Geifteseigenfchaften ber 
Sandboden befördere, welchen Einfluß die Ausduͤnſtungen 
bes Sumpfes haben. 

In der Regel wirken bie Dünfte ber Suͤmpfe nad» 
theilig auf Conftitution und Charakter der Menſchen; fie 
machen fie kraͤnklich und untüchtig und erzeugen ein 
ſchwaͤchliches Geſchlecht: fo die volhpnifhen Sümpfe, fo 
die pontinifchen. Es vereint fich daher in den Sumpfge⸗ 
genden mit der ſchlechten Luft auch noch das gefchmwächte 
Menfchengefchlecht, um ben Meifenden die Eriftenz in ben: 
fefben zu erfchweren und den Verkehr in dieſen Gegenden 
kraͤnkeln zu machen. Daher haͤlt fich in der Regel viel 
Barbarei In ben Suͤmpfen. Daſſelbe iſt mit den großen 
Wäldern der Fall. Die Arbeiten darin find gewöhnlich 
nur grobe, rohe und wenig Kunſt und Wiffenfchaft er: 
fodernde. Dagegen iſt die Luft in ihnen rauher und das 
Klima wilder, fowie ber Aderbau fchwerer. Die Son: 
nenſtrahlen bringen ſchwer durch, und wie ſich daher das 
Eis und die Kälte des Winters länger in ihnen halten, 
fo weichen auch die Kälte und das Eis der geiftigen Ro: 
heit ſchwer von ihnen. Es gefellt ſich fo zu allen phyſi⸗ 
kaliſchen Einflüffen der Wälder auch noch biefe geiftige 
Roheit, um dem Verkehre Dinderniffe zu bereiten. 
Großer Mangel an Bäumen bewirkt wieberum Uncultur 
anderer Art. Einiger Bäume bedarf die Cultur, fowie 
einigen Schattens der Boden. Daher find die Länder, 
wo nur wilder Strauch⸗ und Graswuchs den Boden be: 
dedit, ebenfalls der Cultur nicht günftig und geflatten 
nur den Nomaden ben Aufenthalt, wie 5. B. die Steps 
pen Aftens und die Pampas Südamerikas. Die Berge 
find ſchon als Erhebungen durch bie Art ihrer Beſchrei⸗ 


tungsweiſe der Freiheit und eigenthuͤmlichen Entwidelung 
günflig. Noch mehr aber durch bie reinere Luft, im welch⸗ 
fie ſich erheben und deren Anhauche fie Ihre Bewohner 
ausfegen. Die frifche, freie Luft der Berge macht den 
Geiſt geweckter und unabhängiger. Die außerordentlichen 
Eigenthuͤmlichkeiten ber Berge geben den Bewohnern der: 
felben große Liebe zu ihrem Vaterlande und zu ihrem 
Brüdern; daher der Patriotismus, baher bie Freibeite: 
liebe der Bergbewohner. Dabei if aber auch das Mas 
lerifche und Poetiſche nicht gering anzuſchlagen. Die 
wunderbaren Ausfichten, bie herrlichen Thaͤler, die him⸗ 
melanfteigenden Höhen, die der Bergbemohner irgend als 
in feinen Gebirgen findet, laſſen ihm fein Land als ein 
fo eigenthämtiches Geblet erfcheinen, daß er nirgend fi 
beimifch findet als hier. 

Unter politiſchen und moralifhen Einflüffen, die nicht 
von ber Natur bedingt werden, verftehen wie folche Kräfte, 
foihe Volkstalente und Eigenehkmiichleiten des Charak: 
ter6, die nicht ber Boden, die Luft und das Klima dem 
Volke geben. So groß naͤmlich aucd die Gewalt dei 
Bodens, des Klimas und der Luft ift, fo ſehr die Ze⸗ 
nen, bie Gebirge, bie Suͤmpfe, die Wälder, bie Wüflen 
u. f. w. alle Bevoͤlkerung, die im ihre Gebiete fällt, auf 
einerlei Weife zu bilden und zu mobeln ſtreben, fe ſehr 
behaupten doch immer noch nebenher der urſpruͤngliche 
Charakter des Stammes und die Erziehung, welche das 
Volk fich gibt, ihre eigenen Rechte. Es exiſtiren beide 
Einflüffe nebeneinander, befchränten ſich gegenfeitig, aber 
fie heben fi nicht auf. Das, was nicht vom Baden 
abhängt, und was ein Volt auf jeden Boden, ben «6 
bezieht, mit hinbringt, iſt entweber etwas Angeborenes 
oder etwas Angenommenes. 

(Der Beſchluß folgt.) 





Hanſa⸗Album. Von A. Harniſch. Halberſtadt, Linde 
quiſt und Schoͤnrock. 1842, Gr. 8. 1Thlr. 15 Nge. 
Kein Brand hat wol ſo eigenthuͤmlich ungluͤckliche Folgen 
gehabt als der von Hamburg, aus deſſen Flammen — um ein 
in vorliegendem Album oft gebraudgtes Bild anzuwenden — ſich 
wol an die taufend Phoͤnixe von Gebichten erhoben haben, um 
wieber ermattet in die Flammen zuruͤckzuſinken umb ſich bie Ki 
gel zu verbrennen. Wo wäre ein Blatt ober Blaͤttchen im 
Deutfchland, welches nicht die Sprige der beutfchen Lyrik in Be 
wegung geſetzt hätte, um auch feinerfeits einen poetifchen Waſ⸗ 
ſerſtrom auf den gtühenden Schutt Hamburgs zu leiten unb zum 


Lbfchen beizutragen? In Konftantinopel haben oft gleich ver 


sende Brände gewuͤthet, ober wir haben nidyt daß die 
türkifchen Dichter ein StambulsAlbum veranflaltet hätten, um 
zum Wieberaufbau bed verheerten Stabttheild beizutragen unb 
von den tuͤrkiſchen Krititern für diefen guten Willen herunter: 
geriffen zu werden. Allerbings ift Zerflören, Rieber= und Her⸗ 
unterreißen eine leichtere Arbeit als Auſbauen; aber was fol 
man thun, wenn etwas überhaupt nicht erbaulich iſt? Und 
nl wir finden ein ſolches Album nicht ſehr erbaulich! 
r gen wir die erfle befte Seite aufl Wir floßen auf 
. N 


Nur Muth, nur Muth und Wagen kuͤhn 
Bei Eräftigem Vereinen, 
Dann wirb der Handel fröhlich blühn, 
Ded Wodiftands Sonn’ Euch feinen, 


Bahr i Jann die Poeſe denken , 
ausbrüden, ver Dichter bieles Be heißt K. * 
Straß, genannt Otto von Deppen. XUs das 


waltige Rom brannte, da fang body nur Giner, das war ber 
Kaifer Nero felbft, welcher dazu felig vergnägt Verſe Aber den 
Brand von Illum recitirte. Hier aber befingen über 60 deut⸗ 
fhe Didhter den Brand von Hamburg! Wie Wiele oder We⸗ 
nige berfelben mögen wol babei des Brandes ſelbſt gedacht Haben 
und von ber Größe des Ungluͤcks zu feierlicher Begeiſterung ans 
geregt geweien fein! Wie Mander mag bei feinen Werfen 
Blut und Waſſer geſchwigt und ben Brand wie fein Verſpre⸗ 
chen, einen Beitzag i liefern, verwünfgt haben! Aber mie? 
fein Name foll fehlen? wei ein Unglüd für den Dichter, für 
Deutſchland, für bie gefammte eivilifiete Weit! Unfehlbar ents 
ftände eine Läde in ber Weltgefchichte, die fo bald nicht wieder 
auszufüllen wäre! Alſo Stein auf Stein, Vers auf Bere! 
Die Ideen liegen ja fo nahe, wie bei dem Dombaue von Köln. 
Im letztern Falle Heißt es: Möge man den Dom ber deutfchen 
Zreipeit eher ausbauen als dieſes alte Geruͤmpel! ohne zu bes 
denken, daß die deutfche Freiheit, wenn man fo wie jeßt fort: 
fährt fie zu bereimen, bald auch nur wie ein Läftiged Gerümpel 
erfcheinen wird, indem man bie heilige uns Allen wertbe Sache 
in banalm Phrafen erftidt. And wie nahe Hegen nicht bie 
Beitibeen dem Brande von Hamburg, wie nahe liegt nicht bie 
Idee vom Phoͤnir ber —*2 — welcher ſich aus den Flammen 
glänzender und inigter erhebt! 
—— deuerſchein 
Morgenroth der Freiheit fein! 

So ſingt der gewaltige Prutz, einer ber Hauptmitarbeiter am 
Dom unferer politifchen Lyrik. Doc zum Henker! was hat ber 
Brand von Hamburg mit ber beutfchen Breiheit zu thun? Man 
wis — benn Gelb bat man genug dazu — bie in Aſche ges 
legten Straßen und Plaͤte ſchoͤner und geregeiter wieber au 
beuen, man wizb in Hamburg fortfahren zu handeln, zu mäs 
dein, zu verbienen, man wird auf die Börfe gehen wie früher, 
men wird die Thore fpersen wie früher unb im übrigen Deutſch⸗ 
land wirb men, troß allen Gefchreis um Freiheit und freie 
Preffe, fortfahren, Bücher und Journale gu unterdruͤcken, weiche 
men für unbequem ober gefährlich haͤltz man wird ſich barüber 
susraifonnicen und binnen fechs Wochen ift Alles vergeffen, 
kenn bas Boll hat ja noch fein Tages, Wochen und Intelligen 
bikttchen, bie Annoncen von Kuchen allexiei Art, von Tanzvergnuͤ⸗ 
gen unb Sagerbier, von rührenden Todes⸗ und Gatbinbungsfällen | 

Suchen wiz einige erhabene und neue Ideen bei bem 
großen Herwegh, ber bereits fein Gapua gefunden bat und 
st am ſchoͤnen Golf von Neapel fpazieren geht, um dort 
nagelneue neapolitanifche Bilder und Gleichniſſe für die deutfdye 
Freiheit aufzubringen , der vielleicht mit bem Gedanken umgeht, 
nach KÄAgypten überzufegen und dort von den Entwicklungen ber 


ägnptifchen Freiheit unter Mohammed⸗Ali Kenntniß zu nehmen. 
Derwegh’s icht auf ben Brand von Hamburg beginnt: 


Ein freies Wert in Hamburgd Flammen ! 

Denn in ben Flammen fiebt man's gern, 
Das IM eine heftige, Iururtöfe Phantafle: Ein freies Wort, das 
man in Ylammen gern flieht, in den Klammen Hamburgs! 
Ein ſchoͤnes, anſchauliches Bid! Gr fährt weiter fort: 

Es wird mid Luͤrſt und Volk verdammen. 


Auch das BI? Zu wen hält denn Georg ‚Derwegb? Aber 
fein Feuer ermattet ſchon; er ruft aus: 
Und doch — ich find’ kein Lieb, ihre Deren! 

Hierbei bat fi der Dichter gewiß gar nichts gedacht; er bat 
ſich nur in Verlegenheit gefegt, denn da ex gefegt hat, ex finde 
fein Lied, und das Lieb doch fertig werden muß, ift er in bie 
Rothwendigkeit verfeut, obige Berlegenheitsphrafe zu motiviren; 
er fährt oiſo fort: 

Kaum wil ein Laut ſich in mir regen, 

Gin Laut für den Philiſterſegen, 

Dre aus der beißen Aſche bricht. 


Cudge ſich Jeder dieſe Vhroſe Bas zu madgen! Ich, ver Mes 
richterſtatter, gehöre wol wicht gesabe zu ben Diimmflen, wenn 
ih aud fein Weiſer Griechenlands bin, noch an Dichterruhm 
mit Herwegh mic) meffen kann; aber offenberzig geftanden, ich 
weiß nicht, was das für ein Philiſt rſegen ift, der aus ber 
Aſche bricht, und für ben unfer Dichter Eeinen Laut finden 
kann. Zuletzt aber findet er ihn doch; er ruft aus; 

Laßt mi ein Spruͤchlein niederlegen: 

Bewahrt das Feuer und bas Licht! 


Und biefes zahme Wort foll nun das frrie Wort fein, für wels 
dies nicht blos bie Kürften, fondern au das Bolt Zerwegh 
verdbammen werben. Und biefe Phrafe ift, wie man richtig 
nachgewieſen hat, nicht einmal neu. Schon Fouque läßt im 
3. 1813 einen Rachtwaͤchter fingen: 

Bewahrt bad Jeuer in Eurer Bruft u. f. w. 


Sollen wir Herwegh noch weiter folgen? Nur no um ein 
paar Schritte. Er reimt weiter: 


Ihr wißt, ich bin ein ſchlechter Reimer. 


Überflüffige WBefeheibenpeit! Gerade im Heimen ſucht Herwegh 
Seinesgleichen, denn „Wafleseimer” ift ein fehe guter Reim 
auf „Reimer: 

Doch iſt mein Vers kein Waſſereimer, 

Don man zum Loͤſchen fällen mag. 


Wen ift es denn auch je eingefallen, einen Vers wie einen 
Waffereimer zum Loͤſchen zu füllen? Gin verfehites Bild auf 
das anbere, eine ſchillernde Phraſe auf die andere! Go heißt 
es in ber britten Strophe: 

Und giähend Hat dad Eis geleuchtet, 

Das ſtarre deutſche Gletſchereis. 


Iſt das Sletſchereis aber darum weniger kalt, weil es leuchtet? 
„Das ſtarre deutſche Gletſchereis iſt geſchmolzen“, wäre hier 
das richtigere Bild. Und weiter heißt es: 

Das Beuer hat und neu geboren, . 

Des Rheines Waſſer that es nicht. 


Abgeſehen von der proſaiſchen Wendung „that es nicht”, fo 
möchten wir doch wiffen, ob in ben Verhaͤitniſſen Deutfchlande 
fich feit dem Brande von Hamburg irgend etwas zum. Beflern 
gewendet bat, ob das Feuer, weldes Hamburg verheerte, auch 
bie Gemüther der Deutfchen in Brand feste. Nie bat fich wei 
bee Indifferentismus in ſchreckhafterer Geflalt gezeigt als ger 


rade jetzt. 
Nur Zeuer tilgt dad Mal der Ketten, 
Daß Feuer balte fein Gericht! 
Auf Beuer will die Kreiheit beiten — 


Bielleicht wie Montezuma, der auf Koblen gebettet war, umb 
feinen wimmernden Vinifter mit den ſchoͤnen Worten ermuthigtet 
„Liege ich denn etwa auf Rofen?” Allerdings liegen wir cher 
auf Kohlen als auf Rofen; aber Herwegh's revolutionair kün⸗ 
gende Phrafe wird jene nicht Löfchen, noch birfe aus dem ſtar⸗ 
ren gleihgüttigen Boden ber Gegenwart bervorloden. Gin ans 
ber Gedicht: „J—emanb”, von demſelben beruͤhmten Oerwegh, 
eginnt: 
Und wieder ob ben Landen 
Lag jüngft ein ſchwerer Bann, 
Da if ein Diesen erfianden, 
Ein ganzer beutfcher Mann, 
Ein Deutfber und ein Freier — 
Mer hätte dad gedacht ? 
Daß ſelbſt die deutfche Leier 
Aus Ihrem Schlaf erwacht. 
Ein Deutſcher und ela Freier, 
Was ihr wol felten ſchaut u.f.w. 
Ob ber Dichter hier wol fich felbft gemeint hat? Es fcheint 
faft fo. @itel genug ift er dazu; fein Ich fpielt in feinen Ges 
dichten eine beinahe glaͤnzendere Rolle als die Freiheit. 
Der ale Menſch und Schriftfteller höchft ehrenwerthe, aber 


«is Dihter ungweiftigeft überfhitte Guſt a Schwab ſchrieb 
folgenden Gtammbwdwers in bied Album: 
Mit LVexerſchrift ſchreibt Gottes Hand 
Die Selbſtanklag' in Menſchenweh, 
Und will, dab Menſchenmitleid fie 
Berwanbel in Theobdicee. 


Der anziehendfte Beitrag find vielleicht die mit feiner Iro⸗ 
nie gewärzten Zenien von Auguft Heffe, 5. 8. 
Der Gtaatömann. 

Lieber ſehn wir den Brand von ſaͤmmtlichen freien Stäbten, 
Denn daß dad einzige Haus Rothſchild in Aſche verfinkt. 
Sine Bähnenſqchriftſtellerin. 

Wären Mimen nur bier, bei Gott! ich ließe im Freien 
Gleich mein neuſtes Product über die Breter bier gehn; 
Viel der Schönheiten find und effectreihe Scenen im Gtäde, 
Leider nicht fol ein Brand. Herrliche Decoration! 
Die GSentimentale. 
Sqchiller8 Gebicht von der Glocke! o, Lied es mir vor, mein Ges 
licht — — 
AG, die entſetzliche Mär bricht mir fon blatend das Herz. 
Der Politiker. 
Mahriich, es iR bo ſchoͤn, was die deutſchen Zeitungen ſchreiben! 
Bletet der Krieg keinen Stoff, nicht auch bie Diplomatie, 
Hoͤrt man aus Schleſien nichts mehr von den Reifen des Könige 
von Preußen, 
Hört man aus Olterreih nichts vom Gedeihn der Caltur, 
Lie man vom Mhein nit mehr, fo kann man boch wieder 


jegt leſen, 
Bon dem erſchrecklichen Brand, ber fi in Damburg begab. 
Asmus. 
Frei aus der brennenden Stadt, fo zieh’ ich, ein Liedchen mir pfeifend, 
Siche,, von meiner Hab' fehlt mir kein einziges Städ. 


Die zweite Abtbeilung enthält Vermiſchtes, hierunter einige 
matte Reimfpielereien von Rüdert, aber auch manches Gute, 
. 8. DHoffmann’s von Kallersieben ſchoͤnes Lied „Mein 
ben’; die beziehungsreiche Ballade von Kutſcheit „Karol 
Magnus’ Kirchenbau“, und das tief empfundene Lied, eine echt 
torifche Bluͤte ‚„‚Bemeinfames 8008” von Emma von Nins 
dorf. Den Schluß bilden Unterhaltungen Goethe's mit 
Edermann, der vielleicht werthuollfte Beitrag biefes Albums. 
Goethes Mare, ruhige, wohlwollende Weisheit hat allerbings 
mit der pilanten aufgereizten Unruhe nichts gemein, welche bie 
Überklugheit der Gegenwart charakterijirt. Hoͤchſt intereffant 
find feine Anſichten über Napoleon. „Da war Rapoleon ein 
Kerl!“ fagte er zu Eckermann; „immer erleuchtet, immer Klar 
und entfchieben was zu thun fet, und zu jeber Stunde mit ber 
hinreichenden Energie begabt, um Das, was er als vortheilhaft 
und notbwendig erkannt hatte, ſogleich ind Werk zu fegen. 
Sein Leben war das Schreiten eines Halbgottes von Schlacht 
zu Schlacht und von Gieg zu Sieg. Bon ihm könnte man 
fehr wohl fagen, baß er fich in dem Zuftanb einer fortwähren: 
ben Grieuchtung befunden babe” u. f. w. Ebenſo intereffant 
find feine Bemerkungen über die Probuctivität der Thaten, bie 
er eben bei Napoleon in fo hohem Grade ausgebildet fand. 
„Wäre ich ein Kürft”, fagte er im Berlauf der Unterhaltung, 
„fo würde ich zu meinen erften Stellen nie Beute nehmen, bie 
blos durch Geburt und Anciennetät nach und nad) heraufgekom⸗ 
men find und nun in ihrem Alter im gewohnten Gleiſe langſam 
gemaͤchlich fortgehen, wobei denn freitich nicht viel Gefcheites 
zu Zage kommt. — Junge Männer wollt’ id haben! — aber 
e8 müßten Sapacitäten fein, mit Klarheit und Energie ausge⸗ 
rüftet und babei vom ebeiften Charakter und beiten Wollen. — 
Da wäre es eine Luft zu bereichen und fein Volk vorwärts zu 
bringen! — Aber wo ift ein Kürfl, dem es fo wohl würde und 
der fo gut bedient wäre!” Berner: „„Ieber außerordentliche 
Menſch hat eine gewiſſe Sendung, bie er zu vollführen berufen 
iſt. Hat er fie vollbracht, fo ift er auf Erben in biefer Ge: 


ſtalt nidgt weiter vonndthen, und die Worfehung verwendet ihn 
Da aber bienieden Alles auf natürlichem 

geſchieht, fo fielen ihm die Dämonen ein Wein nad; dem 
zulegt unterliegt. So ging es Hapoleon und 

- Mozart farb in feinem 36. Jahre. Rafael 
in faſt gleihem Alter. — Byron nur um Weniges älter. Alle 
aber batten ihre WRiffionen auf das vollkommenſte erfüllt un 
es war wohl Beit, daß fie gingen, bamit auch andern Leunten 
— auf eine ‚lange Dauer berechneten Welt noch etwas zu 
Bandes häbfche Gebicht, manchen guten Beitrag koͤnnten 

wir aus biefem Album noch anführen; bennoch muͤſſen wir zum 
Schluſſe unfer Gebet an den Himmel richten: daß er uns gnd« 
digft vor ähnlichen Unglüdsfälen wie der Brand von Hamburg 
bewahren wolle, damit wir auch vor einer ganzen Portion von 
Gedichten bewahrt werben mögen, welche unfere warme Theil⸗ 
nabme an dem Wiederaufblähen einer fo ſchwer heimgefuchten 
Stadt eher zu ſchwaͤchen als zu erhöhen im Stande find. 66. 


Literarifhe Notizen aus England. 

As Neuigkeiten werben angelündigt: „The life and 
adventures of Admiral Sir Francis Drake, compiled from 
various chronicles and original MS. sources in the State 
paper office, British museum and the archives of Ma- 

‚ never before published’, von John WBarrow; „Closing 
events of the campaign in China‘, vom Gapitain Grenville Loch; 
‚Australia and the ; being a narrative of a voyage to 
New South Wales in an emigrant ship, with a residence 
of some meuths ia Sydney and the Bush, and the route 
home by way of India and Egypt“, von John Goob ; „Memolr 
of the late Lord Sydenham, with a narrative of his admi- 
nistration of aflairs in Canada‘‘, von feinen Bruber, G. Ponlett 
Scrope und Thomas G. Murdoch. Werner find erſchienen: 
„Memoirs of the life and correspondence of John Lord 
Teigamouth”, von beffen Sohne Lord Teignmouth3; „History 
of the Sandwich Islands; embracing their antiquities, my- 
thology, legends, discovery by Europeaas in the 16th oea- 
tury, rediscovery by Cook, with their civil, religious and 
political histöry, from the earliest traditionary period to the 
present time’, von James Jackſon Iarves; „Ihreo month's 

estrian wanderings amidst the wildest scenes of the 
ronch and 8 mountaias, in the summer of 1842‘, 
von 3. Giifton Paris; „Political philosophy”, von Lorh 
Brougham, zweiter Theil: „Aristocracy, with an examination 
of the aristocratic governments in ancient and modern times”, 
Ihrer Mai. dee Königin dedicirt. 


Schriften äber bie Sklavenfrage. 

Über die Sklavenfrage erfchienen kurz nacheinander fol: 
gende Schriften: „History of slavery”, von 3. Bandinel; 
„Letters on the slave trade”, von 3. ©. Alerander; „American 
slavery‘, von James Graham; „Results of Negro emand- 
pation‘‘, von Sohn Jay. Auch ein Gingeborener von Haiti, 
Hr. L'Inſtant, ift mit einer franzöfifch gefchriebenen Schrift 
gegen bie Vorurtheile ber Weißen wider bie Schwarzen aufge: 
treten, weiche von ber franzoͤſiſchen Antifflaverei = Gefellfchaft 
den Preis erhielt. Seine Schrift iſt eine gelehrte und philo⸗ 
fophifhe Prüfung ber Urſachen, welche die Vorurtheile gegen 
die ſchwarze Race herbeigeführt haben; er weift nach, daß biefe 
Urſachen diefelben find, aus welchen die Spartaner, Athenienfer 
und Römer ihre Sklaven, die Türken die Griechen, die Nors 
mannen bie Sachſen, die Franken die Ballier haßten und ver: 
achteten; zugleich verfucht er das Vorurtheil zu widerlegen, 
baß bie Regerrace hinter ber kaukaſiſchen an intellectuellen Faͤ⸗ 
bigfeiten zurüdfiehe. Den flaatswirthichaftliden Geſichtspunkt 
bat de jedoch bei biefer wichtigen Frage zu fehr außer at 
gelaflen. . 


Verantwortliher Herausgeber: Heinrich Brokhaus. — Drud und Berlag von F. A. Brockhaus in Leipzig. 


Blätter 


für 


literarijhe Unterhaltung. 





Sonnabend, 


8. Juli 1843, 





der Menfchen. 
(Beſchluß aus Nr. ME.) 


Es gibt, wie die Geſchichte Iehrt, gewiſſe, jedem Volk 
angeborene moralifche Eigenheiten. Denn wir fehen zu: 
weilen bei einem und bemfelben Volke gewiſſe Eigenthuͤm⸗ 
lichkeiten dem Nationalcharakter feft ankleben und mit 
folher Dauer und Unzerſtoͤrbarkeit unter allen Umfländen 
fih auf gleiche Weiſe zeigen, daß bie dee nicht völlig 
abgerwiefen werben Eann, daß biefen verfhiebenen Charaks 
terbildungen verfchledenartige Urmifchungen oder Urtypen 
zum Grunde liegen. Es iſt im Ganzen fehr fehwer, das 
Anerzogene im Charakter von bem Angeborenen bei einem 
Volke ebenfo wie beim einzelnen Menfchen zu unterfchels 
den, ja das Eine geht fogar oft ins Andere über, ſodaß 
Das, was fhon von Natur in dem Charakter eines 
Volks Liege, dur Erziehung noch mehr eingeprägt und 
in ihm entwidelt und ausgebildet wird, und umgekehrt, 
daß Das, was ihm anerzogen wird, endlich fogar in fein 
Weſen bleibend übergeht, fi) nun in Kindern und Kins 
destinbern wieder erzeugt und, fich forterbend, Angebore: 
nes wird. Die Charaktergepräge der Nationen find Ge: 
bide, welche unter der Einwirkung unerforfchlicher viel: 
facher Einflüffe entſtanden find. 

Der Berf. theilt Alles, was von ber Willkür einer 
Nation ausgeht oder auszugeben ſcheint, in vom Staate 
Ausgebendes und in anderweitige moralifche Impulfe ein. 
Keine moralifche Kraft ift fRärker und bindender und feine 
befördert und hemmt mehr den Verkehr und regelt mehr 
bie geſellſchaftliche Bewegung als die mächtige, nur zu 
oft willkürlich gebletende Staatsgewalt. Die Staatsge⸗ 
walten beflimmen und veranlaffen oft ganz andere Ans 
fiebelungen und Verkehrsbahnen, als fie in den natuͤrli⸗ 
chen Dberflähenverhältnifien begründet find, indem fie 

als Blinde und Unmiffende auf biefe keine Nüds 
ficht nehmen, theils abfichtlich anderer Zwecke wegen Dies 
felben ckſichtigt laſſen. Es laͤßt ſich diefe, Verkehr 
hindernde oder foͤrdernde oder doch aͤndernde Einwirkung 
der Staatsverbindung, wie alle Thaͤtigkeiten derſelben, als 
eine doppelte, eine aͤußere und eine innere, betrachten. 


WMancher Staat if fo unvortheilhaft eingerichtet, hat 
fo ſchlechte Geſetze, fo ungerechte Berichte, unterhält fo 


unbrauchbare Landſtraßen, gewährt fo wenig Sicherheit ges 
gen Räuber und Beträger, daß fein ganzes Gebiet ganz dem 
Einfluß auf den Verkehr ausäbt wie ein Sumpf oder eine 
Müfte, oder überhaupt irgend eine unvortheilhafte, ſchwer 
zu paffirende Bodenoberflähe. Dagegen hat ein anberer 
Staat ſo weiſe Gefege, unterhält alle feine öffentlichen Anſtal⸗ 
ten in fo volllommenem Zuftande, bat fo gerechte Rich⸗ 
ter, fo huͤlfreiche Bürger, fo trefflihe Landſtraßen, fo zweck⸗ 
mäßige Poftanflalten, daB die Oberfläche, welche diefer 
Staat einnimmt, wie ein leichte zu befahrender See ben 
Verkehr anzieht und fördert. Es werden fi, wenn zwei 
fo verfchledene Staaten aneinanberftoßen , ähnliche Kolgen 
nachweifen laſſen wie bei bem Aneinanberflogen bes Feſt⸗ 
Landes und des Meeres, bes wüften und des Frucht⸗ 
landes u. f. w. Aber fchen die bloße Abmwechfelung eines 
Staats mit einem andern ift von Einfluß. Wenn auch 
der eine Staat gut eingerichtet und fein Nachbar nicht 
minder gut organifirt iſt, fo iſt bee Verkehr, wenn er 
aus einem Staat in den andern übergehen will, body 
fhon dadurch, daß der Staat, in den er übertreten will, 
ein anderer iſt, andere Gefege, Sitten und Gewohnhei⸗ 
ten bat als der, ben er verläßt, eigenthuͤmlichen Einfluͤſ⸗ 
fen unterworfen. Bei dem liberteeten in einen andern 
Staat muß der Verkehr Manches wechſeln, fi andern 
Sefepen und Gewohnheiten fügen. Überdies umgeben 
fih die Staaten mit Mauthen und Grenzwachen und 
laſſen manchen Verkehr gar nicht in ihr Gebiet hinein, 
mandyen aber nur unter befondern Beſchraͤnkungen und 
Bedingungen. 

Aber nicht nur ber Verkehr der Staaten untereinans 
ber, fondern aud der Verkehr der Theile eines und deſ⸗ 
felben Staats unter ſich ift fo vielen vom Staate aus⸗ 
gehenden leitenden moralifhen Einfläffen unterworfen. 
Die Befiedelung eines Staats war noch nie und nirs 
gend in dem Buflande, in welchem fie naturgemäß fein 
müßte. 

Außer den von ber Staatögewalt ausgehenden Eins 
toirfungen find in jedem Gtaate und bei jedem Wolke 
auch viele andere Einflüffe bemerkbar, die den Bewoh⸗ 
nern durch eine nicht im Staate begründete Gewalt ger 
geben werden. Solche Einwirkungen find aber immer 
weit weniger leichte zu verfolgen als die von der Staates 
gewalt ausgehenden. Dahin gehören Sitten und Gewahn: 





758 


heiten, Erfindungen, gewiſſe Talente und Geſchicklichkei⸗ 
ten, Neigungen und Abneigungen u. f. w. Aus Allem 
gebt hervor, daß die natürlichen Einflüffe der Bodenge⸗ 
ftaltung durch die politifhen und moralifhen Einflüffe 
in ihrer Wirkſamkeit fehr beſchraͤnkt und vielfach bedingt 
werben, daß fie aber doch zu flark find, als daß bie letz⸗ 
tern fie ganz überwinden und bleibend verändern koͤnn⸗ 
ten, daß daher gewöhnlich die Befiedelung und die Wer: 
kehrsbewegung eines Landes als aus der Natur feiner 
Bodengeftaltung hervorgegangen fich darſtellt, an ber voll: 
tommenen Ausbildung aber immer etwas fehlen wird, 
was durch die unſichtbaren moralifhen Einflüffe be 
flimmt wird. , 
Bon dem Einfluß ber Probucte der drei Meiche ber 
Natur, nämlich des Mineral⸗, Pflanzen: und Thierreichs, 
wird verhättnigmäßig nur kurz gehandelt. Die unorga⸗ 
nifchen Beltandtheile der Erdoberfläche find dem Men: 
fhen von ſehr verfchiedbenem Werth und dabei von ber 
Natur in mehr oder minder großen Quantitdäten und in 
verfchiedenen Gruppen überall vertheilt. Die Gewinnung 
dieſer Producte und die Derausfhaffung derſelben aus 
den Eingeweiden der Erde iſt mehr oder minder umftänd> 
lich und Eoftfplelig und erfodert daher mehr oder weniger 
bedeutende Anftalten. Man kann die allgemeine Regel 
darüber aufftellen, daß, je Eoflbarer der zu gewinnende 
Stoff iſt, je umfländlicher die Art feiner Gewinnung fich 
darftellt, und je häufiger er an beſtimmten Erdflaͤchen 


concenteirt und gehäuft vorkommt, er deſto bebeutendere - 


Anfiedelungen veranlaffen wird. 

Des Jaͤgers flüchtiges Wild iſt weit zerſtreut und 
wandelbar, bald bier, bald da, bes Waidmanns Hand⸗ 
werk daher auch veränderlih und unſtet. Die Pflege, 
Gewinnung und Benusung der an ben Boben gefeffel- 
ten Pflanzen, fei es zum Zwecke ber Thierfütterung oder 
zum Zwecke der Nahrung des Menſchen, bringt den Men: 
ſchen zum Stehen, zur Bergefelfhaftung und Anfiede: 
fung. Sehe viel Geſchicklichkeit, mancherlei Künfte und 
Erfindungen gehören dazu, um aus dem Mineralreiche 
Trügliches zu gewinnen. In dem Pflanzenreiche bat die 
Natur ihre Gaben ſchon vollommen für die Zwecke des 
Menfchen vortheifhaft zubereitet geboten. Die Hölzer 
laſſen fih ohne weiteres zu ben Bauten, die Blätter, 
manche Halmen und Faſern ohne viele Mühe zur Kiel: 
dung und viele Fruͤchte zur Nahrung anwenden. Am 
Leichteften aber wird es, aus dem Thierreiche den erfireb: 
ten Nugen zu ziehen. Die Thiere gedeihen zur größten 
Vollkommenheit in der Wildniß ohne alle menſchliche Er: 
ziehung, bie meilten und wichtigften Pflanzen aber ge: 
währen nur bei forgfältiger Cultur ihre fchönften Gaben. 
Ebenſo find die Stoffe des Thierreichs mit ber gering: 
fien Zubereitung nugbar zu machen. Wie der Menſch, fo 
folgen auch die Thiere ben Nahrung gebenden Pflanzen 
sınd Quellen. Die fruchtbaren Lanbftriche, die Flußthaͤ⸗ 
ler, die Bäche und Quellen werben baher auch ebenfo 
bie Sammelpläge ber Thiere wie ber Menſchen fein und 
auch in biefer Hinſicht daher beide unter benfelben Be⸗ 
dingungen und Einflüffen ſtehen. 


Der Menſch iſt aber. das veränderlichfie Weſen auf 
ber Erde. Die politiſchen Gebäude, welche auf dieſem 
veränderlihen Sinn der Menfchen, als ihren Grunde, 


‚ruhen, find daher auch ben größten Revolutionen und 


Umgeflaltungen unterworfen. Es thuͤrmt ſich eine ge 
waltige Macht wie ein drohendes Gewitter auf, geflaltet 
ſich und loͤſt ſich mit einer fo reißenden Schnelligkeit auf, 
daß die Denker kaum Zeit haben, Über ihre Entftehungs: 
weife und ihr Weſen einig zu werben, während fie ſchon 
geboren, herangewachſen und auch wieder in Nacht ver 
ſchwunden if. Es werden Städte gebaut und wieder 
zerſtoͤrt, Staatsverfaffungen gefchaffen und von andem 
verfchlungen, die, mit Fremdem imprägnirt, wieder neue 
Geburten ans Tageslicht fördern, und fo wogt und wallt 
ber menfchliche Geift, ſtets unerfchöpflih und reich an 
neuen Gedanken, an unerhörten Geburten und Seflaltungen. 

Die Natur dagegen, die früher auf Erben in ähnii: 
hen Revolutionen und Umwandlungen gewirkt zu haben 
fcheint, wie noch jegt ber Menſch, die ehemals auch bie 
ganze Erdoberfläche in wilden Bewegungen und gemwaltl: 
gen Strömungen durchfurchte, in ungeheuern Wehen 
ein wildes Zitanengefchleht gebar und von Pol zu 
Pot die Monumente ihres mächtigen Wirkens hinter: 
ließ, iſt, feitdem der Menſch in ihr erfchlen und ba: 
mit er in ihr erfcheinen und bleiben Eonnte, zu einer ge: 
regeltern und gleichmäßigen Thaͤtigkeit übergegangen. Die 
Selten flehen jest gegründet und wurzeln bleibend in ber 
Tiefe, die Gewaͤſſer haben fi in großen und einen 
Beden gefammelt und Lennen ihre Grenzen. Die has 
tifhe Vermiſchung des Rigiden und Fluͤſſigen kommt 
nur noch auf unbedeutenden Strecken vor. Die Berge, 
bie fih gehoben haben, find abgetrodnet und abgekuͤhlt 
und ſtehen nun aus ſchwankenden Maſſen in feſte Pyra⸗ 
miden und Säulen verwandelt da. Thaͤler ſind überall 
eingegraben und fchreiben den beweglichen Flußgoͤttern die 
Wege vor, welche fie nun beftändig und unveraͤnderlich 
wandeln. Die Winde haben Ihre ihnen fait ebenfo be: 
flimmt vorgezeichneten Kandle, in benen fie, wenn auch 
nicht mit fo enger Beſchraͤnkung, doch faft mit derfelben 
Regelmäßigkeit wie die Gewaͤſſer fließen. 

Dennoch find biefe alten und feſten Formen dr 
Erdoberfläche, im welchen der menfchlihe Verkehr und 
der Strom ber politifchen Ereigniffe mit unbändiger 
Gewalt bineindrauft, als achte er ihrer nihe umd ab 
wolle er fie zertrömmern, nicht fo flare und unnad: 
giebig, daß fie nicht doch hier und da dem Verkehre wei: 
hen und fih ihm fügen follten. Ebenfalls find aud 
diefe in ihren Grundzuͤgen unveränderlihen Naturformen 
nicht fo voͤllig beftändig ſich gleih, daß nicht einiger 
Mandel dann und wann bei ihnen eintreten folle. 
Ganze Gebirge fleigen zwar jetzt aus dem Schoofe der 
Erde nicht mehr hervor. Große Riffe und Spaltungen 
oder Einfentungen der Erdrinde finden auch nirgend mehr 
flatt, neue Fluͤſſe und ganze Flußſyſteme fpinnen ſich nir: 
gend mehr an, Meere verfchlingen nirgend mehr ganze 
Länder, große Infeln und Theile von Welttheilen. Ja 
kaum werden irgendivo noch bedeutende Iſthmen buch: 





brochen und neue Meereskanaͤle eröffnet. Im Kleinen 
aber finden allerdings alle diefe Veränderungen und Um⸗ 
bildungen flatt, haben in der hiftorifchen Zeit häufig ſtatt⸗ 
gefunden und find daher nicht ohne einigen Einfluß auf 
den menfchlichen Verkehr geblieben. 16. 





Unterbaltungsliteratur. 


1. Briefe und Tagebuchblaͤtter aus Frankreich, Iceland und Itas 
lien, mit einem Meinen Anhang von Gompofitionen und Ge⸗ 
dichten von Magtalene v. Dobened, Nürnberg, Raw. 

1843. &. 12. 1Thlr. 

Wer Anfang, Mitte und Ende dieſes Werks auffchlägt, 
möchte meinen, es fei von drei verfchiebenen Autoren gefchrieben, 
fo verſchieden find Zon, Stimmung, Wenden. Im Anfang 
(1831) fieht man .ein anmuthiges weibliches Wefen mit einem 
Herzen voll Liebe für Water und Freunde, mit Intereffe für 
alles Schöne und Gute ben Poſtwagen beftigen, bie verfchiebe: 
nen Ginbrüde der Reife aufnehmen und auf heitere, geiflige 
Beiſe beiprechen, bann in Paris anlommen und ale Erzieherin 
in das Haus einer englifchen Familie treten. Gie übernimmt 
den neuen Beruf mit Liebe und Freude, und fcheint babei der 
Gefelligkeit und verfchiebenen andern Intereffen nicht abgeſtor⸗ 
ben. Die Muſik liebt und treibt fie vor Allem. „Des Menfchen 
Talent ift fein Beruf”, fagt fie, und hat zur Ausbilbung ih⸗ 
zer Stimme ben berühmten Melchior Gomis, einen Spanier, 
als Lehrer angenommen. „Die Geſangſchule von Gomis, bie 
in Paris erſchien, ift von großem Werth. Rady dem Ausſpruch 
der erfien hier lebenden Meifter könnte man aus ihe noch ſechs 
andere berauscomponiren, fo reich an Darmonien find biefe koͤſt⸗ 
lichen Golfeggien. Preili find Gomis' Werke, fo voll tiefer 
Wahrheit und echten Humors, nicht für bie große Menge, und 
aur ein ſchoͤpferiſcher Künftter mag feine Raͤthſel Idfen.” Dies 
fem Urtheil folgt die Schilderung von Gomis' Perfönlichkeit. 
„Den® dir ein bewegliches Maͤnnchen mit großen ſchwarzen 
und fprühenden Augen, mit bichterifcher Stien. Über den Schlaͤ⸗ 
fen find zwei erhöhte Stellen fidhtbar, wo nad Ball die Mufit 
ihren Thron und Sit bat. Der Mund hat einen eigenthüm- 
fichen Zug von Gntfchloffenheit und öffnet ſich zu wunderlichen, 
aber geiftreichen Reden. Noch denke ich jenes Abende, wo er 
nad beendigter Singftunde mir Mehres aus der Oper ‚Le re- 
venaat‘, damals noch Manufeript, vorfpielte und fang. Ploͤt⸗ 
ich wird ibm das Zimmer zur Bühne, und ganz hingeriffen 
von feiner Gedankenwelt fängt er an, ein Geiſterchor in eigener 
Perſon aufzuführen. Als Gnome büpft er auf und nieder wie 
ein Irrlicht. Die großen Augen funkeln, bas braune Spanier: 
eficht mit kraufen Haaren, die Wahrheit der Mimik, bie leife, 

irbifche Stimme, kurz Alles fügt ſich zu einem ergreifenden 

Gemälde. Auch im aͤukern Leben ift Gomis ein wahres Ori⸗ 

ginal. Er will nie anders als in einem engen, niebrigen Stuͤb⸗ 

dyen wohnen, wo er vom Bett aus Clavier, Schreibtiſch und 
alle Gegenftände berühren kann. Das Zimmer, einer Kajüte 
aͤhnlich, muß von ber Straße entiegen fein, zur Ausficht einen 

Garten ober eine hohe Mauer haben. Seine frühefte Kindheit 

verlebte er in einem Gollegium zu Madrid. Da war es fein 

größtes Vergnügen, wenn feine Kameraden ſchliefen, das weiche 

Bett zu verlafien und ſich unter bie Betrftelle zu legen. So 

war e8 ihm rechts bart und fo niedrig, daß nur ein Zoll bie 

Naſe von der Dede trennte.” Mit dem mufllalifchen Talent 

unb den beutfchen Zirolerliedern fcheint bie Verf. in Irland 

febr viel Beifall einzuernten. Hier die Schilderung eines muſi⸗ 
kaliſchen Abends. Maleriſch figt eine Lady am Fluͤgel und 
fingt eine himmelfchreiende Arte. Diefe war aus ber legten 

Saifon von einem ber erſten Mobecomponiften im Sechsachtel⸗ 

Takt. Gin paar Noten 

Baß hinkt binterdrein, plöglicy eine finmige Paufe, das Licht er 

ht — Nacht, finftere Racht, dann ein wüthender Accord, 

und Alles iſt in einen wimmernden Triller aufgelöft, wie in 


üpfen binauf, ein paar binab, ber: 


Thraͤnen zerfioffen. Die Englänber bleiben, trotz ber kiebe 
Mufil, doc ihre Stiefkinder. Singt ein Gentleman ober hi 
Miß, fo iſt es meift foldy ein Lieb, das Steine erweichen und 
Menſchen rafend machen fann. Nicht in ben Salons, wol aber 
in ben iriſchen, ſchottiſchen und englifchen Hätten muß man 
Mufit, d. h. Melodien fuchen. Die hüpfende, tanzende Wollte 
melobie bes Irlänbers, rebucirt auf eine ernfte, ruhige Beglei⸗ 
tung, iſt bennody wehmüthigen Ausdruds.” Die geiſtreiche Er⸗ 
zieherin hat Intereffe für Alles und ſchildert anmuthig, fodaß 
fie mit ihren unſchuldigen Mäbchenabenteuern in Irland, Enge 
land und Paris die Aufmerkſamkeit des Lefers angenehm bes 
ſchaͤftigt. Zür eine Gouvernante kam fie indeß Wef. zu lebens- 
und abenteuerluftig vor — body gewiß liebenswärbig als Haus⸗ 
genofiin und Gef 4 ef 

o ber Gindrud der en Abtheilung. In ber zweis 
ten wird fie ernfter, der Schiffbruch in Salais ift ein bäfte 
veö Bild, weiches fie mit wenig WBeberzügen, doch fehr er⸗ 
greifend auf das Papier zaubert. Auch bie cinzelnen Lebens 
bilder aus Paris, bie fie gibt, find allerliebft und vol Leben, 
fehr amufante Anekdoten werden angeführt unb auf geiſtreiche 
Art commentirt. Die Verf. ift eine von ben Frauen, welche 
alle Erſcheinungen ber Außenwelt nur fombolifh nehmen und 
baraus weiter fchließen; es ift ihr Alles Hieroglyphe, bie fie fidh 
zu erflären bemüht. Dieſer Bang ift in der erften ‚Hälfte bes 
Buchs ſchon ſichtbar, doch Hält er fi in jenen Schranken, wo 
er noch für geiftreich gilt, anzieht und erfreut. Die Belannts 
[haft mit dem griechiſchen Erzbiſchof I— geht Thon beinahe 
weiter. Die Berf. wechfelt nun bie Familie und tritt bei einer 
andern in Senf ein. Gin &eifegefährte auf der Diligence 
räth ihr den Thomas a Kempis an, und von nun an ſchlaͤgt 
fie eine ganz veligiöfe Richtung ein, und ihre Betrachtungen, 
Reifebemerkungen, Beflerionen werben viel ernfter. Mandy fchös 
nes, troftreiches Wort fließt aus ihrer Weber, aber das Sehnen 
und. Streben ihres Geiſtes huͤllt fi immer mehr in einen 
frommen Nebel, in ben Zrauerfchleier bes Chriſtenthums. Ihr 
Beruf ſcheint ihr ſchwerer zu werben. „Ich glaube, daß wir 
für die fi ewig wieberholenden Mübfeligkeiten bes Lebens eben 
fo viel Muth bedürfen, als für die Schmerzen bes Todes“, fagt 
fie einft. In Laufanne berichtet fie von einem Wunder. „Die 
Keine Garry, ihre Echülerin, wollte nicht buchftabiren lernen, 
und bie Erzieherin verläßt das Eehrzimmer in der Abficht, Bott 
um Kraft und Geduld anzufleben. Sie lieft in ber Biber 
„Wer ein feiches Kind aufnimmt in meinem Namen, der nimmt 
mich auf.” Da gelobt fie fi, das Kind gu lieben, felbft wenn 
es unliebenswärdig fei — und fiehe da! am andern Morgen 
kommt es ihr fhon freundlich entgegen und ift umgewandelt. 
Dad wird angeläpet als ein Beweis ber Macht bed Gebete, 
Rachdem fie fünf Jahre als Erzieherin gewirkt, ehrt fie nach 
Daufe zuruͤck — ihre Geſundheit ſcheint gelitten zu haben —, 
phyſiſche Leiden fteigern die veligidfe Schwärmerei, und nady eis 
ner vierjährigen Paufe erfahren wir, daß bie Ungluͤckliche bem 
Wahnſinn verfallen war. „Mein Leben”, fchreibt fie, „hörte 
auf, ein Leben zu fein. Denn allmälig hatte ich den Eindlichen 
Glauben an das allein gültige Verdienſt Chriſti verlaffen, und 
eigene Heiligung mitteld martervollen Gottesbienftes zu erringen 
efucht. Faſten, Entbehrungen aller Art, follten Flammen irdi⸗ 
der Begierden in mir verlöfgen. Da folgte Berblendung auf 
Berblendung, bis ber Berg gleißneriſcher Werke zufammenftürzte, 
bie ſtolze Seele zu begraben.” Cie wird im 3. 1830 in bie 
Heilanſtalt Winnenthal gebracht, nachdem fie neun Monate vdl⸗ 
lig geiſteskrank war, und nun ſchildert fie ihre langſame Gene⸗ 
ſung unter freundlicher, geeigneter Behandlung. Die vermiſch⸗ 
ten Gedanken zeugen von geſundem, in ſich und in Gott Erdfs 
tigem Geifte, die Poefien find in ihrer frommen Faͤrbung wohls 
lautenb, ganz geeignet, einen Kleinen Kreis ber Freunde unb 
Verwandten der Dichterin zu erfreuen, und ihr felbft angenehme 
Stunden zu bereiten; bie Sompofitionen find anfpruchslos und 
voll Harmonie; die erſte Abtheilung des Buchs erbeitert auf 
angenehme Weiſe, und ift zu biefem Behuf allen romanmuͤden 








3. Eine meue Welt, von Robert Helier. Altenburg, Pierer. 
2 Thir. BO Nor. 





Biblisgraphie. 


Abaͤlarbd und Heloiſens Briefe. Nach dem Franzoͤſiſchen 
Herausgegeben von F. Weiß. Mit den - 


Poetiſch bearbeitet. 
Birpniffen Abaͤlard und Heloiſens. Pforzheim, Dennig, Finck 
und Somp. Gr. 8. 2 Thlr. 


Ahles, ©. H., Prebigt am Syl abend de3 verhaͤng⸗ 
—8* und —XãXſ Go Be Dennkein. ee 


Wr. 8, 3%, Nor. 


Medienburgifches Album. Roſtock, Leopoid. 1843. Br. 16. 


1 Thblr. 5 Nor. 

Bed, 3. T., Umriß ber biblifchen Seelenlehre. Ein Ber: 
Indy. Stuttgart, Belfer. Gr. 8. 18%, Rer. 

. Ihe Biefrung. Beeberg, Gngeifarde, Gr. 8. 1% Kat 
Saued. Ifte Lieferung. erg, t. .8 75, Nor. 

Bi ke, Pr Catkarinesm zu Lübeck vor 1Slo, 

Eioe Jubelschrift im Namen jener Anstalt verfasst, Lübeck, 
Bohden. 4. 10 Ngr. 


Erdmann, J. E., Grundriss der Logik und Meta- 


porsik. Für Vorlesungen. 3te verbesserte Auflage. Halle, 
ippert. Gr. 8, 1 Thlr. 

FJlygare⸗Carlén, Emilie, Waldemar Sieln. Pos 
velle. Aus dem Schwediſchen von G. Eichel. Leipzig, Koll: 
mann. 8. 1 Zhir. 15 Near. 

Froͤlich, F., Theologiſche Sonette. Neubrandenburg, 

netow. Gr. 16. 10 Rgr. 


Gerhardt’s, P., geiftliche Lieber, getreu nach ber bei 
feinen Lebzeiten erfchienenen Ausgabe wieber abgebrudt. Stutt⸗ 
gart, Lieſching. Br. 8. 15 Nor. 

Geſchichte der Kriege in Europa felt dem Jahre 1792, als 

" Bolgen der Staatsveraͤnderung in Frankreich unter König Eub: 
wig XVI. 1itee Theil. Iſter Band. Berlin, Mittler. Gr. 9. 
3 Thir. 
Heller, 8, NRilolaus Hunnius. Sein Leben und Wir 
in. Gin Beitrag zur Kirchengeſchichte des 17. Zahrhunderts, 
größtentheild nach handſchriftlichen Quellen. übel, Rohden. 
®r. S. 1 Thir. 15 Nor. 


Kahiert, A., Die Kunſtausſtellungen Breslaus feit fünf: 


4 ten der grössten Feldherren. 
| MRarianifde Binmenlefe für Kirde, und ‚Haus, 
drucdten und ungebrudten Quellen, und mit Beiträgen von 


Roman. Grimma, Gebhardt. 8. 


| fegter, theils eigener Gebidhte, von I 


1 dem Nachlaſſe d 
hell: MAeinere Schriften. 


J über Moͤſter und Stifter. 





Losseu, v., Napolsen, verglichen wit dem von ihm 
als Ideale der Kriegführang beseichneten F'eldherren. — A, 
ud. T.: Idealo der Kriegführung in einer Analyse der Tha- 
"ter Band. Berlin, Schle- 

e. Gr. 8. 35 Ner. 


Mabonna, in Liedern, Gegenden unb Sagen gefeiert. Meue 
aus ges 


mehr denn hundert Dichtern der Vorzeit unb Gegenwart. Derause 
gegeben buch 3 B. Houffeac Mit einem Stahlſtiche. 
in, Simien Thlr 


87 
Mahner, Albert von Hochfelden ober Militair und Kirche. 


8. 1 Thir. 10 Rgr. 


r. 
Moores, T., Lalla Eine orientali , 
aus dem Engliſchen —e— def einem a Proc 
Schuͤnem Gr. 8. 1 Ahir 1 ee ow 
, ann. .d, ‚41° . 
men Moͤſer's, J., ſaͤmmtliche Werke. 


effelben ge 
ifchtes: Aus Drdfer’s fruͤheſter 
Periode, in Zeitfcheiften Erſchienenes. Fragmente. Hiſtoriſchet 
Berlin, Nicolai. Gr. 12. HR 
piſchon, 8. A., Leitfaden zur Geſchichte ber beutfcen 
Siteratun. ge bermehete Auflage. Berlin, Dunder und Hum 
ot. «8, . 

Räbiger, J., Lehrfreibeit und Wiberlegung ber fritis 
fen Principien Bruno Bauer's. Zugleich eine Auseinander: 
fegung mit Dr. Gruppe. Breslau, Goſohorsky. Br. 8. 3 Rgr, 

Kante, 2, Deutiche Geſchichte im Zeitaiter ber Refor⸗ 
mation. Ater und Ster Band. Berlin, Dunder und Humblot. 
Gr. 8. 5 The. 20 Ror. 

Ausgewählte Reden der Wollövertreter in der ſaͤchſtſchen 
yoeiten Kammer 1843, in Hinſicht ber beiden Fragen Gerichts⸗ 
Öffentiichleit und Preßfreiheit. Herausgegeben von Heid. Leip⸗ 
sig, Ph. Reclam jun. Gr. 8. 10 Rgr. 

Reden, Freib. 8. W. v., Die Eifenbahnen von Guropa 
und Amerika. Statiſtiſch⸗geſchichtliche Darftellung ihrer Ent 
ftehung, ihres Werhältniffes zur Staategewalt, ſowie ihrer 
Verwaltungs » und Betriebs s Einrichtungen. Iſte Abtheilung: 
Die Sifenbapnen Deutſchlands. Berlin, Mittier. Ler.:d. 2 Thir. 

Rodbertus⸗Jagetzow, Zur Erkenntniß unferer fladt« 
wirthſchaftlichen Zuſtaͤnde. Aftes ‚Heft: Künf Theoreme. News 
brandenburg, Barnewig. 1842 Gr. 8. 1 Thir. 

Saint⸗Hilagire, E. M. v., Populaire Geſchichte Ra 
poleon's und der großen Armee. Nach dem Franzoͤſiſchen vor 
8 Weiß. In vier Heften mit vier Stahlſtichen. Iftes 
tes Deft. Pforzheim, Dennig, Find! und Comp. 8. 1Thlr. 

ber den Berein ber proteftantifchen Freunde nach Weſen 
und Snbalt. A Ein theologifcges Votum. Darmſtadt, Leit. 

. 12. gr. 

Das ſtaatsrechtliche Verhaͤltniß der Standes: und Grund: 
herren und die Lehnsverfaffung im Großherzogthum Baben, 
dargeftellt in einer Sammlung ber hierüber erjchienenen (Befepe 
und BBerorbnungen in chronologiſcher Folge. Bon Bogel. 
Karlsruhe, Macklot. Ler.:B. 1 hir. 

Wagner, 8. 8 W., Der Romanismus oder bas Weſen 
und Treiben ber NRömlinge ober Ultramontanen. Darmſtadt, 
Leite. Sr. 8. 0 Nor. 

Wolf, S., Die Zeitrechnung in ihrer gefchichtlichen Gnts 
re Sin Verſuch. Gotha, Verlags: Comptoir. Gr. 8. 
3 Agr. 


undzwanzig Jahren. Ein Kuͤckblick am Dürerfefte 1843. Bres- 
lau, Ireund. 8. 5 Kor. 


Bingerle, P., Gedichte. Innsbrud, Rau. Br. 13. 
. L ir. 
Berantwortliher Herausgeber: Heinrich Brockhaus. — Drud und Berlag von 3. 4. Brochaus in Leipzig. 


Blatter 


lit erarifche 


Sonntag, 


m Nr. 190, — 


für . 


Unterhaltung. 


P. Zuli 1843. 





Nationalfagen. 
1. Bollsfagen un» Vatlsiteder aus Gchwedens Älterer und neues 
* ne Wert Bon * Aug. Afzelius. Aus dem Schwedi⸗ 
— von F. H. Ungewitter. Mit — von 
—— led. erter und Kneiter Theil. Leipzig, Kollmann. 
r drei Theile 3 Thlr. 15 Nor. 

2. Dusbert und = — Oder Geſchichten und Sagen des 

ae lan Bon ng manı 6a Schiff. Erſtes Bud. 
De — 22), Ror. 

3. Das von en und Legenden jübifcher Vorzeit. Nach 
den Quellen bearbeitet nebft Anmerkungen und Griäuterungen 
von Abraham M. Zenblau. Gtuttgart, Caſt. 1842. 
8. X Ze 10 Nor. 

4. Groß s Polens Nationalfagen, Märchen und Legenden und 

gen bes Großherzogthums Pofen. Herausgegeben von 


Localfe 
© art. Grftes Heft. Bromberg, Eevit. 1842, 


10 N 
5. — Botksfagen, Geſchichten und Märchen. Geſam⸗ 
mıelt unb neuerzaͤhtt von Fe Binder Stuttgart, Caſt. 
1842. 8. 1 Ihr. 3%, 
6. Maͤrkiſche Sagen un 2 edhen nebft einem Anhange von 
und Xberglauben, gefammelt und beraußgegeben von 
—— Kuhn. Berlin, Reimer. 1843. Gr. 8. 1Thir. 


Yz Ror 

Die Sage iſt in Deutihland — und mo nit, wo 

die Literatur ſich mit der Zeitſtroͤmmg fortbewegt — in 
ihr volles Necht, was ihr eine frühere Zeit verkuͤnnmerte, 
eingeruͤckt. Mit einen heiligen Reſpecte faßt man fie an, 
um aldıts vom Bluͤtenſtaub ibrer Klügel eingubüßen, und 
dirch zu ſtarkes Zugreifen ihren weichen Kormen nicht eine 
andere Beftalt zu geben. Die hiftorifige Kritik iſt über 
bie Sage gekemmen, wohl verſtanden, nicht eine, weiche 
fie auf ihre geſchichtlichen Elemente zuruckfuͤhrt, ſondern eine, 
weiche die Gage, wie fie geſchichtlich ſich ausgebildet hat, 
feſtſte llen und von aller willkuͤrlichen Beimiſchung, von 
ber Behandlung losmachen und reinigen will, welche nicht 
in Botksammde ihren Grund hat, fondern in irgend einem 
andern fermben Element. Bei aller Achtung vor dieſer 
Achtung für die Meinheit der Sage darf uns biefe kriti⸗ 
ſche Bebandiungsart doch von einem gewiſſen Standpunft 
aus bebessltic, ja als eine moͤrderiſche erſcheinen. Praͤpa⸗ 

riet man nicht, indem man die Sage hiſtoriſch reperiet, 

ſchoͤne Leihen? Es fragt fih: war denn die Sage ſchon 

fo aragelebt, daß man zu biefer Einbalfamirung ein Recht 

hatte? Wir find weit entfernt, das Verdienft der Gebruͤ⸗ 

der Grimm gu beſtreiten, die mit unendlichet Mühe und 

Liebe die deutſchen Sagen gefammelt und fo viele herfel- 


ben vor bem Verlorengeben gerettet haben. Die Nachwelt 
wird es ihnen nody mehr banken als wir in der Gegen: 
wart. Aber diefe Sagen, die in ihre Gefchichtsbücher auf: 
genommen wurben, find nun tobt; fie Eönnen fich nicht wei⸗ 
tee im Munde des Volks ausbilden. Gefchähe es doch, 
vieleicht in Gegenden, wohin die Grimm'ſchen Bücher 
nicht dringen, und es würden fchöne, finnreiche oder finns 
loſe Maͤrchen daraus, ſo koͤnnten Kritiker nach hundert Jah⸗ 
ven, die ſie in der Ammenſtube, am Spinnrocken erzählen 
hörten, dazu laͤchelnd den Kopf ſchuͤtteln und ſagen: Das 
iſt nicht recht, ſo ſteht es nicht im Grimm. Was iſt 
denn echt in der Sache? Wann iſt der Zeitpunkt ihrer 
Bluͤte, wo man ſie abſchneiden und ins Herbarium legen 
muß, weil ſie fertig iſt, und ihre weitern Schoͤßlinge un⸗ 
reifer Nachwuchs? Freilich die meiſten Sagen gehoͤren 
einer Vorzeit an, bie todt iſt, aber doch nicht alle. Lebt 
denn nicht die Sage vom Fauſt noch heute fort, ſetzt fie 
nicht Jahr aus Jahr ein neue Triebe an, von denen weber 
im Volksbuch noch in der Puppenkomddie etwas ſteht, 
und fie find doch echt ? 

Table man immer ben Wis und die Philofophie, wie 
fie willkuͤrlich die Sage zugeflugt und das heitere Kind. 
einer fchönen Sinnlichkeit einfeitig zu ihren Zwecken ver: 
arbeitet haben, tadle man Mufdus, und auch die Ro⸗ 
mantifer, wie fie in ihren Sinne die einfache Sage 
fo kunſtvoll und mit fo duftigen, ſchweren Farben aus⸗ 
putzten, daß fie nicht mehr den Rüdweg ins Volk zurüd: 
fand! Freilich, fie hatten den Reſpect nicht, den wir jegt 
haben, aber unmiufürlich thaten fie mehe für ihre Vers 
breitung und Erhaltung als wir, die wir fie mit lack 
handſchuhen anfaflen, und allenfalls mit einer Glasmaske 
vorm Geſicht, damit unfer eigener Hauch die ſchoͤnen Bluͤ⸗ 
ten nicht berühre, Wie auch Mufäus für den Geſchmack 
des 19. Jahrhunderts die alte einfache Sage ausbildete, 
ein Geſchmack, der nicht mehr der unfere it, dennoch, 
fchaffte er Leben; die alte einfache Sage ging darum nicht 
unter, weil fie ein neues, modernes Kleid angezogen hatte, 
weiches auf ihren Leib. nicht paßte. Das erregte aber um fo 
mebr die Aufmerkſamkeit; man fah die [chönen urſpruͤnglichen 
Formen heraus, und gerade die ungefchidte oder unpaſſende 
Behandlung der Sage war es, welche die biftorifche, reſpect⸗ 
volle Betrachtung hervorrief. Die Sage gehoͤrt der ſchaf⸗ 


‚fenden Poeſie an, ebenſo der in den Spinnftuben als der 


wir. „Die Bleu uns bie Bllavin”, in dem neuen 
Gewande erſcheinen. Andere, wie z. B. „Der Rampen”, 
ein Beißerneicchen, das une in feinen dunkein Tinten 
weit cher nach dem Norden als nad dem Orlent zu ges 
hoͤren ſcheint, vertdert durch die Breite, zu welcher bus 
Remarnzenmaß Aulaß gab. Als Maͤrchen erzähle, koͤnnte 
«a von beiweitem groͤßern Eindruck fen. Wie zart und 
kedsutungövoll iſt die in Profa erzählte Sage vom abs 
tuhunigen Acher und feinem Schüler Rabbi Weir, wie 
denn überhaupt bie Sammlung reih an intereflan: 
ten deutungsvollen Sagen if, und weitere Verbreitung 
verdient. 
(Der Beſchluß folgt.) 





Zu der Benrtbeilung über Bülow = Eummerom’s 
„Preußen, feine Verfaſſung ıc.”, in Nr. 152 — 156 
diefer Blätter. 


An Ne. 154 d. St. Heißt es: „Noch an einem andern Bei 
fpiele wollen wir zeigen, wie ganz unvermerft, ja zuweilen abs 
ſichte widrig, bie 

g unterzuſchieben und dieſelbe dazu zu bereben, ihr damit 
aber die Madı aus der Hand zu winden und ihrer entſchieden⸗ 
ften Abficht entgegenzumirken weiß. Es beweift dies ber neue 
Entwurf des Strafgefegbuches, den man ſich dadurch ungemein 
leicht gemacht hat, daß es einmal vermieben worden ifl, auf 
irgend eine Begriffebefiimmung der Verbrechen einzugeben, und 
zweitens, daß dem richterlihen Ermeſſen ein ungeheurer Spiel: 
raum in der Wahl der unbeflimmten Strafen eingeräumt wors 
den iſt. Beides kann nur den Erfolg haben, bie richterliche 
Gubjectiottät auf den Richterflüblen auszubehnen und bie Ob: 
jeetioität davon zu verdrängen, ober, mit andern Worten, ben 
Verruf der ftändigen Berichte zu vermehren und bie Sehnſucht 
nach Geſchworenengerichten zu befördern, ganz fiher gegen bie 
Abſicht der Regierung. Wir laffen die Zriftigkeit dieſes 
Satzes unerdrtert; wenn aber in berfelben Beurtheilmg weiter 
bin gefagt wird, e8 habe Leine einzige der ſaͤmmtlichten 
PHrovinzialffänbeverfammiungen diefen Mangel 
des Strafgefegentwurfes aufgefaßt und gerügt, fo 
fei und dagegen die Berichtigung erlaubt, baß dieſer Mangel 
. von den brandenburgifchen Ständen erfannt worden ift und daf 
dieſelben vorzüglich deshalb gegen bie ſefortige Einführung des 
neuen Gtrafgefepes proteftirt haben. *) Der Entwurf it, auf 
den Wunſch mehrer Landtagsverſammlungen, der Äffentlichkeit 
übergeben worden; einen weſentlichen Nugen hätte es gehabt, 
wenn bie hierüber abgegebenen fändifchen Gutachten in geords 
neter 3ufammenftellung mit dem Entwurf abgedruckt worden 
waͤren *); durch cine Menge Zeitungeblätter zeritreut, bie man 
baute lieft und morgen vergißt, gehen bem größern Publicum 
bie großentheils gehaltvolen Xußerungen ber Landtage über das 
Strafgeſezbuch verioren. Zum Beweiſe, wie leicht dergteichen 
Zeitungsartifel felbft von aufmerkfamen Beobachtern überfehen 
werden, dient ber Fall, weicher uns F ben‘ gegenwärtigen Zei⸗ 
len verantaßt. Da in ber ebenerwähnten ablehnenden Erklaͤ⸗ 
ung ber brandenburgiſchen Provinzialftände ein für die Beur⸗ 
theilung des neuen Strafgefegbuches fehr wichtiger Geſichtspunkt 
aufgeftellt ift, fo mag es nicht überflüffig erfcheinen, den Haupt⸗ 
inhalt der betreffenden Verhandlung bier wieder zu geben. 

Die brandenburgifche Ständeverfammlung erkannte das Ber 


2) Auch ber preußiſche und fhlefifhe Landtag haben Bedenken ges 
tragen, für bie Einführung bed neuen Griminalgefegbuched zu flims 
men, fo lang nicht eine neue Eriminalordnung zur Berathung 
vorgelegt worden ift. 

”) Wis dies auch von dem preußifchen Lenbtage erbeten wor⸗ 
den war. 





ureaukratie ihre Anfichten unb Plane der Re. 


thrhelß cinse unifaffenber Umgdfhaitung hei Muigebtaläuedkts an ; 
‚es wurde aber hieran bie Erage geknuͤpft, ob ber gegenwärtige 
Zeitpunft der geeignete zur Yublication des Geſetzes ſei, ob na: 
mentlih diejenigen anderweit geltenden Gefegc, weiche die Hand⸗ 
babung des neuen Gtrafrechte beftimmen ‚müßten, ſich in ber 
Lage befänben, daß das neue Geſetz auf zweckmaͤßige und orgas 
niſche Weiſe nun auch ohne weiteres ins Reben treten könne 
Dies warb von mehren Seiten entfchieben verneint. Es ward 
darauf hingewieſen, wie man ſich bei Begutachtung bes ganzen 
Entwurfs überzeugt habe, daß barin ein weſentlich anderes 
Princip als in dem bieher gültigen Landrecht vorwalte; während 
letzteres dahin fisebe, ft genau zu deſtniren, Verbrechen 
und Strafen zu fpecialifiven unb dem Richter fowie bem Ver 
brecher genau bie Strafe zu bezeichnen, welche eine beftimmte 
unerlaubte Handlung zur Kolge haben muͤſſe, verfolge der Ent: 
wurf eine eutgegengefehte Richtung, vermeibe geftiffent: 
ih Definitionen, gehe auf Specialfaͤlle überhaupt nicht 
ein, fonbern ſuche fo viel als moͤglich durch allgemeine Normen 
den Richter bei Zumeffung der Gtrafe zu leiten, wovon benn 
bie nothwenbige Folge fei, daß bem richterlichen Ermef: 
fen überall ein fehr weiter Spielraum babe ge: 
währt werden mäffen; es möge zugegeben werben, baf 
das landrechtliche Syſtem die Gründe feiner Unzulaͤnglichkeit in 
fi trage, daß es zu einer body nicht überall ausreichenden Ga: 
fuiftit führe, daß das Princip des Entwurfes dem Kortfchritte 
ber Strafrechtswiſſenſchaft entſpreche; allein andererfeits koͤnne 
doch nicht in Abrede geftellt werden, daß in denjenigen fpeciellen 
Fällen, für weiche das Landrecht beftimmte Worfchriften enthalte, 
Garantien für die richtige Anwendung bed Geſetzes enthalten 
fein, beren man bei weniger biftincten Gtrafoorfchriften ent: 
behre. Bevor man aber fo wichtige Barantien aufgebe, müffe 
man ſich fragen, wo man bafür Erfag finde, und einen 
ſolchen fönne man in bem Ermeffen des Richters, 
welches an bie Stelle jener beffimmten Gefegvors 
ſchriften treten folle, nicht erlennen. Es folle da 
mit dem mit Hecht hochgeachteten und durch wiſſenſchaftliche 
Bildung fowie durch gereiftes Urtheil und Integrität audgezei 

neten preußifchen Ridgterftande durchaus Fein Vorwurf gemacht 
werden; allein es fei zu bezweifeln, daß biefem Stande, felbft 
in feiner gegenwärtigen Organifation, mit einer fo weit aus: 
gedehnten Befugniß werbe gedient fein, wobei beifpielsweife bes 
einzeln ſtehenden Richters, der in vielen Fällen Inquirent und 
Urtelsfaffer in einer Perfon iſt, gedacht wurde Es fei je: 
bob aud der Fall denkbar, daß bie gegenwärtigen 
VBerhättntffe fih Anderten und Umftände eintri- 
ten, welche e8 wirklich bedenklich madhten, einer 
einzelnen Slaffe von Beamten eine fo fehr in ihre 
Butbünfen geftellte Strafgewalt anzuvertrauen, 
und bevor man nicht Siherungsmittel, foren 
Möglichkeiten zu begegnen, volllommen vorbe: 
reitet und geprüft babe, lönne man eine fo völ: 
lige Umgefialtung bes bermaligen Rechtszuſtan⸗— 
des überhaupt nit für raͤthlich halten.” 28. 





Literarifche Anzeige. 
Durch alle Buchhandlungen ift von mir zu beziehen: 


Philoſophie des Staats 


oder 


Allgemeine Socialtheorie. 


Bon 
Dr. Sugo Eiſenhart. 
Gr. 8 Geh. 1 The. 6 Nor. 
Eeipzig, im Zuli 1843, 


SF. A. Brochhans. 


Berantwortlicher Herausgeber: HAeinrich Brockhaus. — Drud und Berlag von BE. X. Brodbaus in Seipzig 


Blätter 


für 


literarifde Unterhaltung. 





NRationalfagen. 
(Beſchluß aus Nr. 198.) 

Me. 4. Der Name des bewährten Derausgebers bie: 
fer „Sroßpolniſchen Notionalfagen” ſpricht für den Werth 
des Gegebenen. Wirklich thut der Name noth, um nicht 
vom aufern Kleide abgefchredt zu werden. Schrift und 
Druderfchrwärzge kündigen zwar ein Volksbuch an, aber 
eins für den Markt, nicht für die Hände ber Gebilde⸗ 
ten und ber feinen Welt. Möchte fih aber Niemand 
von dieſem Kleide zurückſchrecken laſſen, denn Inhalt und 
Form find eine gleich-treffliche Babe. Welche Phantafie, 
weidye reiche Geſtaltungékraft herrſcht in den polnifchs 
böhmifch = ſerbiſchen Sagen, und wie großartig epifch ent 
wideln fich die der beiden erflern flawifchen Stämme! 
Die deutfhe — hiſtoriſche — Sagenwelt kann faſt mit 
Neid auf biefe eigenthuͤmliche Ausbildung der polnifchen 
und böhmifchen gefchichtlichen Mythen blicken. Liegt nicht 
in der Reihenfolge diefer mpthifchen Dynaftien, in biefem 
Wechſel zwifchen Koͤnigthum und Republik, in diefer 
Frauenherrſchaft, die dann und wann fo furchtbar ge: 
waltig amd glänzend aus dem barbarifchen Leben heraus: 
tritt, in der wuͤthenden DVerfolgungsfucht gegen Einzelne 
und Gefchlechter, bie dann und wann bas Voll ergreift, 
eim prophetifcher Spiegel ber folgenden polnifhen Ge: 
ſchichte? Wem diefe Sagen auch ihre Entfiehung vers 
danken, dem Volksmunde, ober dichterifhen Maͤrchen, fie 
find großartige, portifche Gebilde, wahrhaft charakteriftifch 
für die Nationalität und bie Zeit, in der fie entflanden. 
Dolens Ruhm und Gtüd Liegt in ber Vorzeit, dort auch 
feine Poeſie und Wiſſenſchaft. Dort war bei. allen wild 
gährenden Leibenfchaften auch eine große Geſtaltungskraft, 
Die mehr und mehr in bem fortgefegten Gaͤhrungskampfe 
fo vieler Berechtigten, von benen feiner etwas von feis 
nem Rechte aufgeben wollte, verſchwand. Go zerfplitterte 
ein glänzender Anfangs. Wo hat ein neuered Volk eine 
fo glänzende Sage, als fie von ihrer koͤniglichen Herrſche⸗ 
ein Wanda bie Polen befigen? Was bedeutet unfer 
Provinzial = Maͤuſethurm am Mhein gegen den Mäufe- 
thurm König Prziel's am Boplofee und ben tragifchen Uns 
tergang feines ganzen Geſchlechts! Alle unfere Sagenges 
[dichten find partielle, auch die Nibelungenfagen, auch die 
von dem Kampf ber fruchtbaren rauen; felbit die Sei: 


fel Gottes, Attila, wird in unferer Sage zu einem Partialkoͤ⸗ 
nige, wie andere Könige, und die Burgunder ziehen zu ihm 
zum Befuche, um ihren Untergang zu finden, während der 
hiſtoriſche Attila die Welt überzog, den Untergang überall 
bintragend. Die polnifche hiſtoriſche Sage iſt ein voll- 
geſchwellter Strom, zu dem die Bäche aus allen ſlawi⸗ 
[hen Stämmen ihr Waffer trugen, er raufcht herrlich da⸗ 
ber; aber er fand nicht den Weg zum Meere und ver: 
fiterte in Sümpfen und Bruͤchen. Hier machte fi für 
den Herausgeber die Aufgabe von felbft, die Mythe in 
biftorifcher Reihenfolge zu geben; aber er vermied bie 
wiſſenſchaftlich belehrende Faͤrbung. Man kann bie Gas 
gen einzeln berausgreifen und fie werden ihre Wirkung 
nicht verlieren. Seine Anmerkungen zum Schluß find 
ebenfo belehrend als kurz und eindringend. Als charak⸗ 
teriftifch bemerkt er, daß, je Alter die Zeugen für eine 
Sage find, welche fie uns am volftändigften überliefert 
haben, deflo weniger weit fie bie Sage in die Vorzeit zu: 
ruͤckfuͤhren. Es find Beugen von fehr hohem Alter, von 
1112 und 1200, und die von etwa 1250 gehören ſchon 
zu den jüngern. Sie aber führen Sagen, von denen 
jene berichten, daß fie ihnen noch aus dem Munde alter 
Leute erzählt worden, bis auf den früheften Anfang der 
Geſchichte, ja bis zur Suͤndflut zurüd! Das erfte Heft 


ſchließt mit der Einführung des Chriſtenthums und Bo: 


leslav Chrobri. Den herrlichen lateinifchen Klagefang bes 
Martinus Galus auf den Tod diefes Königs theilt uns 
der Verf. zum Schluffe mit: 
Omnis aetas, omnis sexus, omnis ordo currite! 
Bolezlavi regis funus condolentes cernite, 
Atque mortem tanti viri simul mecam plangite! 
Ebeu, Ehen Bolezlave! ubi taa gloria! 
Ubi virtus? ubi decus? ubi rerum copia ? 
Satis restat ad plorandum; Vae mihi Polonia! etc. 
Ne. 5. Auf diefe „Alemanniſchen Volksſagen“ trifft 
das nicht, was wir im Aligemeinen über bie kritiſch⸗ 
biftorifchen Auffaffungen ber Sage duferten. Es find 
Geſchichten, mehr ober-minder intereflante, welche, wie 
fie da find, der Erzaͤhlungsluſt oder Babe des Heraus: 
gebers ihr Daſein verbanten. Dem Vorwort nach konnte 
man Anderes erwarten, denn ber Verf. laͤßt fi darin 
weitiäufig über die Bedeutung der Sage aus, unb poles 
miſtet nicht mit Unrecht gegen Auffaflungen, bie allen 


⸗ 
6 


Duft und alle Urfpränglichleit des gegebenen Stoffes 
verwifhen. Wenn er aber Muſaͤus und Benediete 
Naubert als diejenigen Gchriftfteller hervorhebt, welche 
die Behandlung der Sage am beften verfianden, fo bat 
das of nur Guͤltigkeit im Vergleich zu den mit Hecht 
gerugten Behandlungen des, feiner Zeit auch berühmten, 
Veit Weber. Er bat gewiß recht, daß man die Sage 
nicht zur moralifchen Abhandlung machen fol, und baß 
man am beften thue, die deutſche Sage getroft fo wieber 
zu geben, wie die Chronik fie uns überliefert, ober wie 
fie im Munde des Volks lebt, ohne viele Zuthat, weldye 
ihren Werth nie erhöhen, nur herabfegen kann; wohlver: 
flanden wenn man in ſich felbft niche den Geiſt fühlt, 
unns pro maltis, als Organ des Volks, die Sage durch 
neue Auffaffung um: und fortzubilden. Dit bloßen Bus 
fügen iſt es nicht gethan. Die hier mitgetheilten „Ale⸗ 
mannifchen Volksſagen“ gehören aber zu ber Claſſe von 
Sagen, von benen er ſelbſt fagt, daß, weit fich nicht ſchon 
eine abgerundete Erzählung vorfinde, fondern fih nur 
ein Grundgedanke in der Überlieferung erhalten habe, 
dem Bearbeiter freier Spielraum gelaffen ſei. Diefer 
Spielraum iſt nun hier ein fehr weiter, denn der Grund⸗ 
gedanke ift meift eine dünne Notiz, die in vielen Faͤllen 
kaum die Beflalt der Sage angenommen hat, ober zu 
den Sagen gehört, welche ſich in allen Ländern wieder: 
finden und nichts zum Stempel des alemanniichen Land: 
ſtrichs beitragen. Daß auch unter den Frauen der Kreuz: 
fahrer Penelopen waren, daß die heimkehrenden Bitter 
durch mancherlei Spuk genedt wurden wie Odyſſeus, 
daß Wichtel, Beine Leute, Nebelmänner fi ihnen in den 
Weg ftellten, daß ein Kaifer, auch ein Marimillan, mit 
einer huͤbſchen Schweizerin eine Liebſchaft und fie ein 
Kind von ihm hatte, daß ein Mörder, ald er nach lan⸗ 
gen Jahren, mit der Senfe ins Gras mähend, auf den 
Schädel des von ihm Ermordeten trifft, vom Gewiſſen 
eruͤhrt wird und fich freiwillig angibt: alles Das find 
Rüge bie überall wieberkehren, und ohne neue Zus und 
Durcherfindung eben nichts find als Studien. Inwie⸗ 
fern es dem Berf. gelungen, aus biefen Studien ganze 
Bilder zu entwerfen, welche das Auge feileln, uͤberlaſſen 
wir ber Entfcheidung ber Lefer, da die Beurtheilung bes 
novelliftifhen Theils nicht in dieſe unfere Anzeige über 
Volksmaͤrchen gehört. Er malt, beiläufig gefagt, feine 
alemannifchen Gegenden, befonders die Ufer bes Boden: 
fees, mit befondeser Vorliebe und Anſchaulichkelt. Die 
Studienbilder aus der Zeit Marimilian’s in der erſten 
Gage vergegenwärtigen uns biefelbe recht lebhaft. 

Mr. 6. Die „Maͤrkiſchen Sagen und Märchen’ von 
AMelbert Kuhn gehören In bie oben erwähnte Rubrik. 
Es find mit Fleiß gefammelte und mit gewiffenbafter 
Areus bem Volkomunde und ber Ehonik nacherzaͤhlte Ge⸗ 
ſchichten, wenn man das Geſchichten nennen kann, 
wo oft nicht mehr Subſtanz da iſt als irgend eine Er⸗ 
innerung, ein Dictum, das von Mund zu Mund geht: 
an dieſem Orte wurde Einer erſchlagen; das Zeichen er⸗ 
innert an bie und jene That; die Erbe hier iſt roth, 
weiß ehebem in einer Schlacht fo viel Blut gefloſſen if 


u. f. w. Aber das lateiniſche Dietum heißt ja zu Deutſch 
aur Geſagtes — was iſt die Gage anders! Mir find 
zweifelhaft, ob ein Sammler von Sagen, welcher ein be: 
flimmtes Land, ein beflimmtes Volt fi zur Aufgabe 
ftellte, acht handelt, wenn er ſich nid darauf beſcheankt 
Das wieder zu erzählen, was die Leute noch wöflen und 
ſich wieder erzählen, fondern auch aus alten Geſchichtsbuͤchern, 
Chroniken u. f. w. Sagen aufnimmt, bie einft an dem Orte 
gelebt haben. Die Sage ift etwas Lebendiges; was alfo 
fhon im Volksmunde gänzlich ausgeſtorben ift und nun 
noch in Büchern ſich findet, gehört vielleicht nicht hierher. 
Doc fei das nicht als unbedingt gültiger Say aufgeftellt. 
Wo ift die Grenze? Wo flirbt die Sage? Mo lebt fie 
noch? Auch fie hat ihre Befchichte und die Todten leben 
in ihr. Aber aus ben Chroniken und Beifebefchreibun: 
gen der Vorzeit Alles und Jedes aufzunehmen, was bort 
gelegentlih von einem Orte erwähnt iſt, wie: in dem 
Thurme geht ein Kobold um, unter dem Haufe fol ein 
Schag wergraben legen, auf der Treppe ſchlug ein Vater 
feinen Sohn todt — Züge und Erinnerungen, welche fo 
häufig im den diterm Buͤchern vorkommen, ba bie Bes 
ſchwaͤtzigkeit unferee Verfahren darin eben ſolche leichtglaͤu⸗ 
bige Zuhörer fand —; wir ſagen, ein Sammler von 
Sagen eines beflimmten Volks follte beim Eprerpiren fol: 
her Notizen, die keinen andern Beleg für fi) baben als 
ben todten Buchſtaben aus einer unkeitiſchen Zeit, mit 
einiger Vorſicht zu Werke gehen, inſoſern es ihm nicht 
alein darum zu thun ift, Gurlofitäten zu fammeln, 
fondern Züge, welche die Eigenthuͤmlichkeit eines Volke 
und feines Glaubens charakteriſiren. Reiſende jener Zeit 
nahmen aus einem Orte in ben anbern hinüber, was fie 
im Gefchwäg ber Herbergen gehört, und wandten feine 
Kritik an, um zu prüfen, ob das am Ort Erzaͤhlte auch 
da geboren war, ober überhaupt nur dahin gehörte. Frei⸗ 
lich werden viele, wo nicht die meilten, Sagen auf biefe 
Art, Saat vom Winde geweht, aus Himmeloſtrich im 
Himmelsſtrich verpflanzt fein und ihre fremde Abkauft 
iſt nicht zu verleugnen; es kommt aber barauf an, ob 
ber Samen in dem Boden, wohin er gewebt ift, Wur⸗ 
zel ſchlug, ob die fremde Staude im fremden Boben anz 
gewachſen ifl. 

Wir bekennen, beim erften flüchtigen Blättern in die⸗ 
fen „Märkifhen Sagen‘ ebenfo durch die Quantität er; 
flaunt als von ber anſcheinenden Qualität wicht zum 
genauen Durchleſen angezogen zu fein. Vor ber Zeit 
der Chauſſeen und Eifenbahuen lagen in den Marten 
zerfplitterte Felsbloͤcke und Steine in weicher Anzahl weit 
umher zerfireut, und an jebew biefer Steine, wenn ee 
von einigermaßen beträchtticher Größe war, wirb die Spe⸗ 
clalfage irgendwo den Namen des Teufels oder bes Mies 
fen geknüpft haben. Ein Rieſe fchleuderte ibn, ein 
Teufel ließ Ihn fallen, einem Huͤnenmaͤdchen riß bie 
Schürze und ein Klumpen Erde oder Steine fit heraus, 
und davon der Huͤgel, ber Berg, der Stein! Solche Sa⸗ 
gen find über die ganze beutfche, europdifche Erbe, viel 
leicht über die ganze Welt verbeeitet. Der Teufel bat 
überall Mauern gebaut, und in Deutfehland iſt er immer 


ein bummmes Teufel geweſen, ber ſich prellen Ef. Diefe 
grotesken Sagen ſcheiden eigentlich aus dem Gebiete der 
feinern finnigen und finnlihen Suge aus, weiche von 
der eigenthuͤmlichen Geiſteskraft eines Volks Zeugniß ab» 
legen ſollte. Nicht minder die, auch über die europaͤiſche 
Welt verbreiteten, weiche nur dem unſchmackhaften Wort⸗ 
wis gelehrter Möndye ihre Entfichung verdanken. Der 
Thurmwart in Liegnig rief dem Derolde zu, als die 
fer Borfchaft von dem Tode de6 Herzogs auf der Wahl⸗ 
ſtadt überbrachte: „Luͤg nit, unſer Here lebt noch”, das 
von heiße die Stadt Liegnitz. Solche willkuͤrliche, mit 
nichts im Volke zufammenbängende Erklärungen ber Orts⸗ 
und Geſchlechtsnamen haben mit der uralten und ber 

enden Sage wenig gemein; aber wie wir aus ber 
Kuhn'ſchen Sammlung erfehen, find fie auch in den 
Marken vieifah im Gange geweſen. 

Aber je weiter wir in das Buch hineinlafen, um 
fo mehr gewannen wir eine andere Anfchauung. Der 
Berf. hat es vielleicht nur darin verfehen, daß er in zu 
großer Pflichttreue Alles aufnahm, was ald Sage, gebun: 
den an eine Drtlichleit, erfcheint, und darin, wenn man 
den focalm Maßſtab anlegt, etwas Vollkommenes ges 
keiftet; während, bei Anlegung des Afthetifchen Mapflabes, 
Bieles als umbedeutend und noch Mehres als Wiederho: 
lung hätte fortbleiben können. Aber biefe Fülle hindert 
nicht, daß wir dad Bedeutende und Neue doch würdigen; 
ja wir find erflaunt, welcher Reichthum von Sagen 
auf dem dürren Sandboden der Mark zu Haufe iſt. Sie 
haben fich felten poetifch gefaltet; ihre koͤrnige Kraft vers 
raͤth aber, daß fie recht eigen im Wolle zu Haufe find. 
Nicht alle eigen Gewaͤchs, aber märkifch verarbeitet wer⸗ 
den fie wieder zum eigenen. Da ſpukt ber wilde Jäger, 
der aus dem Harz herüberflommt, auch in einer andern 
Sncarnation ale Helljäger, bie weiße Frau zeigt fih an 
vielen Orten, die erfchlagenen Wendenkönige gehen um, 
und felbſt Doetor Kauft zeigt fich in eigenthümlicher Ges 
flafe, er ſpielt in Ruppin Deutſch⸗Solo, und beträgt na⸗ 
türlich die Bauern, wie er die leipziger Studenten betrog. 
Das lieblicye zarte Märchen von der Jungfer Lorenz, was 
jest durch die Kunſt zu böherm Leben gediehen ift, lebt 
noch in Tangermünde. Verſunkene Städte in Fuͤlle; aus 
den unergrändlichen Seen, barin fie liegen, tönen noch 
bie Glocken der Kirchthuͤrme herauf. Menfchen in Steine 
verwandelt, Fußtapfen darin, durch Angft und Meineid 
bewirkt, verwünfchte Prinzeffinnen; die Provinzialphans 
tafte bevölkert auch ben Mond mit folchen Perfonen, 
weiche fie gern dahin verfegt haben will. Und wer follte 
es denken, in bee Mark Liege ein Dorf, welches ber 
Mittelpunkt der Welt ift! Noch findet ſich da ein Stüd 
der Kette, mit welcher es ausgemefien wurde! Der Same 
Des Farrnkrauts, in ber Johannisnacht gefammelt, macht 
bekanntlich unſichtbar; daß man aber ohne Wiſſen und 
Bitten unfichtbar werben kann, lehrt uns hier, fo viel 
uns befammt zum erfien Mat, eine fehr komiſche Sage. 
Ein Landmann warb plöglich auf dem Wege mitten un: 
ter Denen, bie mit ihm gingen, unfichtbar. Sie hörten 
ihn, aber fie fahen ihm niche mehr. Ale und ber Mann 


pi waren in Verzweifltang, bean der Zuflanb daueue 
fort, bis fie In bie Gehenbe kamen. Nier merkte ein 
pfiffiger Wirth die Sacht. Er hieß dem Bauer bie 
Stube ausziehen, und der ward fofset ſichtbar. Run 
sog ber Wirth die Schuhe an, und fofort verſchwand er. 
Nämlich der Bauer hatte am Wege biühendes Farrn⸗ 
kraut zertreten und der Samen war an den Schuhſoh⸗ 
len hängen geblieben. Dee Wirth vertaufchte kluͤglich bie 
Schuhe, und madte fi von nun an unfichtbar, fo oft 
er wollte. 

Auch der Glaube an Vamppyte findet ſich in der Alt 
mark. Sie heißen Nachzehrer. Einem Todesfall in 
der Famille folgen bald mehre. Das kommt daher, weil 
man dem erſten Todten keinen Zehrpfennig in den Mund 
gegeben, oder aus dem Hemde nicht ſeinen Namen ge⸗ 
ſchnitten hat. Als in einer Famllie viele Leute nachein⸗ 
ander ſtarben, entſchloß man ſich, den, welcher zuerſt ge⸗ 
ſtorben, und offenbar der Nachzehter war, auszugraben. 
Da fand man, daß er bereits alle ſeine Kleider aufgezehrt 
hatte. Es gibt aber kein anderes Mittel gegen die Nach⸗ 
zehrer, als ihnen das Genick abzuſchneiden. (In Serbien 
ſtoͤßt man den Cadavern einen Pfahl durch die Bruſt.) 
Als man die Operation mit einem Spaten vornahm, 
quiekte der Nachzehrer noch ordentlich wie ein kleines Ferkel. 

Muthige Leute find bie Maͤrker, zumal dem Teufet 
gegenüber. Der Schulze zu Dennefeld im Drämmling, 
in bee Altmark, ward vom Zeufel geplagt. Statt aber 
die Geiftlichen und Eporciften zu Hülfe zu rufen, prüs 
gelte ex den Teufel fo tüchtig durch, daß dieſer aus dem 
Daufe lief, und ſich verſchwor, fi) niemals wieder darin 
feben zu laſſen. Ja er blieb fogar aus dem ganzen 
Dorfe fort. Geprellt wird der Zeufel gleichfalls, dag es 
eine Luft ift, feine Gutmuͤthigkeit und fein Ungeſchick mit 
anzufehen. Eine abelige Kamille im Havellande, die Bre⸗ 
dows, Hatten das befondere Schickſal, vielfach mit ihm in 
Colliſion zu kommen; fie zogen ſich aber noch immer 
ziemlich mit Gluͤck aus ben verdrießlichften Verlegenheiten, 
Sagen, bie auch in ber Gegend felbft noch mit Wergntes 
gen erzählt werden; fie find auch an beflimmte Ortlich⸗ 
feiten geknuͤpft, etwas, das in ber Mark felten if. Auch 
der Marſchall Luremburg aus dem alten Volksbuche ers 
ſcheint als Genetal Luremburg im Brandenburgifchen. 
Audy er, der zornige Mann, prügelt und knechtet feinen 
Zeufel, dem er feine Seele verfchtieben, dermaßen, daß 
dem armen Teufel angft und bange wird, und er gern 
den Kauf rüdgängig machte. Aber der General will 
nichts davon wiſſen; er zwingt ihn, feine Seele zu behal⸗ 
ten und ihm weiter zu bienen, bi6 ber Contract um iſt. 

Die mit den Sagen unter dem Titel „Maͤrchen“ ge: 
gebenen Geſchichten gehören wol nicht allein der maͤrki⸗ 
fhen Phantafie. Weit intereffanter und gewichtiger find 
die angehängten Gebraͤuche und Aberslauben, welche ums 
ſittliche Zuftände kennen lehren, bie, dem hoͤchſten Alter 
thum entfpringend, fo alltäglich unter unfern Augen vor⸗ 
gehen, daß wir fie erſt beachten, wenn ein Mann ber 
Wiffenfhaft uns darauf vermeill. In dee Vorrede 
ſucht der Verf. für mehre diefee Gebräuche ihre Abſtam⸗ 


mung amd dem wenbiſchen Heidenthum darzuthun. Das 
Werk iſt ebenſo nem als verdienſtiͤch. Moͤchte es zur 
rechten Zeit erſchienenſei n und bie allgemeine Aufmerk⸗ 
ſamkeit rege finden W. Alexis. 





Beitraͤge zur Beurtheilung der neueſten Literatur. Von 
A. Boden. Mainz, Faber. 1843. 8. 22% Ngr. 
So wenig ſonſt Dedicationen eine naͤhere Andeutung uͤber den 
Standpunkt einer Schrift zu enthalten pflegen, ſo fiel doch dem 
Ref. eine Stelle in der Widmung ber vorliegenden Schrift auf, 
Sie er aus dem angegebenen Grunde bier wörttich mitteilt: 

„Haben biefe (Beiträge) ein Verdienſt, fo befteht es eigent⸗ 
lich darin, daß mein Talent Klein genug ift, um mid im Mits 
telmäßigen und Gchlechten, welches jest fo viel gilt, vielleicht 
auszeichnen zu koͤnnen, und daß ich nichtäbeftoweniger Auf⸗ 
opferungen nicht gefcheut habe, um, von feiner Geite ermuns 
tert, in einen Zweig ber Literatur, welcher in Roheit aus⸗ 
geartet und zum niedrigften Gewerbe berabgefunten iſt, Ehre 
und Wahrheit bringen zu helfen. Zwar ift Das, was ich in 
diefer Hinſicht hiermit thue, von geringem Belange, aber‘ würbe 
Derienige, welcher eine befiere Kritik in ber Literatur geübt 
wiſſen und nicht mit all bem Schlechten ein Buͤndniß machen 
will, wodurch auch hier das Beſſere ſchwer und faft unmöglich 
gemacht wird, würbe, fage id, ein ſolcher nicht burch das vers 
einigte Treiben von Verlegen und Schriftſtellern wie ein Ber: 
worfener faft gewaltfam von ber Literatur ausgefchloffen, fo 
wärbe ich feit 1837 (wo fi, nach Muͤhe und Irrtbum, meine 
jehigen Anfihten und Überzeugungen zu grünblicher Entſchieden⸗ 
beit und Klarheit in mir gebildef hatten und ich fie anzumenben 
wünfchte) allein in Bezug auf Kritit wol das Bier: bis Fünf: 
fache des bier Vorliegenden geleiftet haben.” 

Die Vorrede enthält noch mehr derartige Andeutungen; wir 
wollen aber gleich auf ben Kern bes Buches eingehen, fo viel 
Stoff für Reflerionen in ihnen immer liegen mag. Dieſer 
Keen beſteht in ritifchen Betrachtungen über Laube, Gutzkow 
und Mundt, zu denen als Parallele die G. Sand gezogen wird. 
Zuerft Laube's „‚Reifenovellen‘‘, und zwar blos der erfte Band; 
bann, „Das Giuͤck“, „Die Schaufpielerin” und „Die Maske” 
(in den „Dioskuren”). Nun kommen verfdhiebene Romane ber 
G. Sand, dann Gutzkow's „Wally”, Mundt's „Kunft ber deut. 
fen Profa”, Gutzkow's „Seraphine”. Das Urtheil über biefe 
alle ift ein ungünftiges, mit alleiniger Ausnahme bes letten 
Htomans, und gerade binfichtlidh dieſes Urtheils hat der Verf. 
Sorge: er fürchtet, man könne Anftoß daran nehmen, daß er 
nicht nur die Schrift von ihrer günftigflen Seite aufgefaßt und 
vorgelegt, fondern auch ihrem Verf. das Wort gerebet habe, 
und gibt zu bedenken, daß biefer Artikel ſogleich ober bald nach 
Erſcheinen ber „Seraphine“ gefchrieben wurbe und damals ges 
beudt werben follte. Geben wir von biefem abweidgenden Ar- 
titel ab, fo tft, wie gefagt, Hrn. Boden's Kritik durchaus eine 
negirende. Gr hat gewiſſe aͤſthetiſche Grundſaͤtze bei ſich feſt⸗ 
geſtellt und von dieſer Baſis aus bekaͤmpft er, was ihnen ent⸗ 

egenſteht, ohne genuͤgend zu wuͤrdigen, was gar nicht in den 

ereich ſeines Angriffs fallen kann: mit einem Worte, er iſt 
einſeitig, ohne jedoch dabei ungruͤndlich zu ſein. Zu was ſollen 
Expoſitionen jegt führen, wie die, welche S. 33 mit den Worten 
beginnt: „Der Richtung, welcher wir in Dem, was wir das Junge 
Deutfchland nennen, begegnen, fehlt alle Poeſie und bei aller Eis 
telkeit jedes flolge und edlere Selbftgefüht u. ſ. w.“ In biefer 
Hinſicht fieht die Kritik Hrn. Boden's völlig außer ber Gegen: 
wart ; bie literarifche Geltung ber Periode, von welcher fie hans 
beit, iſt laͤngſt umfidhtiger und nach ihren verſchiedenen Bes 
ziehungen genügender gewürdigt. Wir müffen feine Kritik als 
eine verlorene Waife bezeichnen, bie in ben Eritifchen Wäldern 
der Gegenwart noch einfam umberwanbelt. Diefem Hauptwerke 
dos Baͤchleins gehen zwei hoͤchſt unbebeutende Recenfionen von 


5 „Beiefeedgfet wit einem Mine” unb lermann's 

"auf 13 @eiten voraus und folgen, nöd einer Kar 
kritik gegen eine Kritik einer Schrift bed Berf. in 
„Repertoritum”, einige Becenflonen über Iubenemancipationss 
ſchriften nad, aus denen auch Btef. nichts Gigenthümtides 

tonnte. Des Belle an bem Buche ift, 
recht milb urtheilen wollen, noch die vom Berf. felbfk geweckte 
Boten » daß er „Beweiſe umfaffenderer Gtubien‘‘ folgen 1af: 
en werde. Ohne biefe Hoffnung, und lediglich auf den Grund 
des WBorliegenden, mußten wir abfälliger über Hrn. Boden 
literariſch⸗ Beruf urtheilen. 56 


Literariſche Notizen aus Frankreich. 


Leit lerne ee 

r Beſegung ber Marquefasinfeln durch bie Franzoſen 
at ſich die öffentliche Xufmerfamteit ber — m 

ſthmus von Panama, durch bie jene neuen Golonien (ehr an 
Bedeutung gewinnen würden, aufs neue zugewandt. Ron allen 
Unterfuchungen, bie bis jetzt in dieſer Beziehung gemacht find, 
bürften die von bem befannten Norbameritaner Warden diejenigen 
fein, welche den größten praftifchen Gehalt haben. Die inter⸗ 
effante Abhandlung, bie er bei ber Parifer Akademie eingereicht 
bat, wird hoffentlich bald im Druck erfcheinen und fo zum erften 
Male das Unternehmen in feinem ganzen Umfange —2 
—3 
enden Step verdienen Beachtung. aber 
die Berichte ber ditern Geographen und Landmeſſer, —* 
Kanaliſation dieſer Landenge im Auge gehabt haben, nicht übers 
feben werben. Gin Theil derfelben Tiegt immer noch im Staube 
der Bibliotheken vergraben. Indeſſen fangen diefe Schäse doch 
admälig an, geboben zu werben. In ben veicdyen Bibliotheken 
Madrid bleibt in diefer Beziehung, fowie überhaupt für bie 
ganze Kenntniß ber ehemals fpanifchen Provinzen in Südamerika 
noch viel zu thun übrig. Seit einiger Zeit fangen indeffen die 
ſpaniſchen Gelehrten an, in biefer Beziehung eine größere hd: 
tigkeit als bisher zu entfalten. Schon früher erfchienen ift ein 
interefiantes Werk, das einen hoͤchſt wichtigen Beitrag zur to⸗ 
pographiſchen Kenntniß ber Meere von Suͤdamerika Liefert und 
bad gegenwärtig unter dem Titel „Routier des tles Antilles 
des cötes de terre ferme et de celles du golfe de Mexique, 
redigs au depöt hydrographique de Madrid” in einer fran: 
söfiichen Überfegung herausgegeben wird. Der überſeger C. $. 
Chaucheprat hat fein Werk mit intereffanten Anmerkungen 
verfehen, die deſſen Werth nicht wenig erhöhen. Cine welents 
liche Bereicherung find die zahlreichen Auszüge ſolcher Stellen 
aus den neueften engliſchen geographifcken Werken, bie auf bie 
WBaflerwege Sübarıerikas befonbereö Licht werfen koͤnnen. Diefet: 
ben find größtentheils von Gh. Rigauit de Genouilly bearbeitet. 


Goethes naturwiffenfhaftiihe Werke in Frankreich. 
Die „Bevue indöpendante” brachte vor kurzem einen 
Auffag von Ch. Martins, in dem bie Goethe’fche Pflanzen: Me 
tamorphofe und das Symmetrie⸗Geſetz von Decanbolle ausführlich 
gewürdigt wurden. Goethe's Schriften, welche auf einzelne 
Theile ber Raturmiffenfchaften Bezug haben, find in Frankreich 
faft mehr ale bei und beachtet. Der Werf. des intereffanten 
Auflages, ben wir vor Augen haben, ftellte die großen Werbienfte 
Goethe's um bie philoſophiſche Seite ber Naturbetrachtung nun 
aufs neue in das rechte Licht. Wenn wir nicht irren, hat 
Hr. &h. Martins bereits fammtliche naturwiffenfchaftliche Werke 
unfers großen Dichters in einer Gefammtausgabe ins Kran: 
Bitte überfeht. Aber außerbem beweiit er bier bie größte 
elefenheit in ben unvergänglidhen Werken bes Meiſters. 
Intereſſant find die Stellen, bie der Verf. aus Goethes 
fammtlichen Werten und den „Geſpraͤchen“ Eckermann's ſowie 
den zahlreichen Brieffammiungen zufammengetragen bat unb 
aus denen wir fehen, wie Goethe zur Naturwiſſenſchaft Fam und 
weichen hoben Werth er auf diefes Stubium legte. 2. 





Berantwortliher Derausgeber: Heinrih Brodbaus. — Brud und Verlag von 8. A. Broddaus in Leipzig. 


Blätter 


für 


literariſche Unterhaltung. 





Dienſtag, 





Die dramatiſche Literatur der Deutſchen im 
Jahr 1842. 
Erſter Artikel. 

Wenn es erlaubt iſt, geringfügigere Dinge mit bedeu⸗ 
tendern Angelegenheiten zu vergleichen, fo möchte ich be: 
baupten, daß die polnifche Nation und das deutſche Drama 
fowol im ihren Beflrebungen wie in ihren Schidfalen eins 


ander fehr ähmelten. Die Polen fingen bis auf den heu: 
tigen Tag: „Noch ift Polen nicht verloren”, obwol fie 
feinerlei triftige Veranlaffung bazu haben, und die Deut: 
ſchen, d. 5. eine Hand voll Menſchen, denen es Ernft if 
um national = literarifches Leben, behaupten, noch fei das 
deutidye Drama wieder zu belieben. Ich meines SCheile 
glaube ebenfo wenig an ein gedeihliches Aufblühen bes 
deutfchen Dramas wie an Polens Befreiung. Alles ge 
waltfame Revolutionicen, alles heimlich: ftille Intriguiren 
und Machiniren hilft nichts. Verlorene Poften follte man 
aufgeben, wenigftens auf unbeftimmme Zeit. Unter gl 
Sichern Zeitverhältniffen find fie von tapferer Fauſt immer 
wieder zu erobern. 

Hinſichtlich des deutſchen Dramas, von dem hier fort: 
on allein die Rebe fein fell, iſt mir die fortdausrnde Be⸗ 
fürchtung, es möchten die neuern Beſtrebungen rüfliger 
Kräfte zu deſſen frifcher Wiederbelebung von feinem Be: 
lang, von feinem Nugen fein, bei Überblidung der heuri⸗ 
gen Frucht zu widerhaltiger Gewißheit geworden. Dürf: 
tiger und im Allgemeinen unerquicticher iſt die bramatis 
(de Emte feit Jahren nicht ausgefallen. Scheint es 
doch, als fei jeglicher Quell friſch fprudelnden Geiftes im 
Somnenbramd des vergangenen Jahres vertrocknet! Tragoͤ⸗ 
die und Gchaufpiel, Komödie und Singſpiel — alle fehen 
fo hungrig aus, als Hätte man fie ein halbes Jahr nad) 
dem Erzgebirge in Koft und Pflege gegeben, und was 
etwa ausnahmeweile noch einige Spuren Eräftigen Lebens 
zeigt, das iſt Product aus früherer Zeit, aus jenen fonnig 
beitern Tagen, wo die dürftige Schar deutfcher Dramas 
tier einige fieghafte Schlachten ſchlagen zu wollen ſchien. 
Kaum zwei oder drei Namen von literarifcher Bedeutung 
erſcheinen diesmal auf dem dramatifchen Kampfplage; die 
Meiſten, Die fi zu dieſem gefaͤhrlichſten aller Zurniere 
meiden, find Fremdlinge, dern Wappen und Derkunft 


‚Niemand Eennt, wennſchon Diefer und Jener einen wohls 


klingenden altadeligen Namen führt. 

Unter ſolchen Umſtaͤuden befindet fich die Kritik im 
fchlimmer Lage, um fo mebe, als es einigen Dramatikern 
in den Sinn kommen bürfte, deshalb das Begentheil zu 
behaupten, weil fie felbft das ephemere Gluͤck oder Uns 
glul gehabt haben, auf ein halb Dugend Bühnen wit 
zweifelhaften Erfolg einige dbramatifche Verſuche zur Dar⸗ 
ſtellung gebracht zu ſehen. Hier gilt, ſelbſt in dem Falle, 
daß man dergleichen trivial finden ſollte, das alte immer 
wahre Spruͤchwort von der einen Schwalbe, die keinen 
Sommer macht. Ein, zwei, auch nicht drei dramatiſche 
Autoren koͤnnen eine dramatiſche Literatur zu Stande 
bringen, wenn der Sinn dafuͤr im Herzen des Volks er⸗ 
ſtorben iſt. Leider muß dies zugeſtanden werden, denn bie 
Maſſe des Geſammtvolks — und nur dieſe kann hier den 
Ausſchlag geben — will zwar Neues, Überrafchendes, Er⸗ 
ſchuͤtterndes oder Erhebendes ſehen, aber nichts mit dem 
Tiefſinn poetiſcher Schoͤpfungen zu thun haben Wenn 
irgendwo der Mangel poetiſchen Sinnes in der heutigen 
Welt erſichtlich wird, ſo iſt es im Drama. Hier findet 
nur noch das Platte oder das raffinirt Pikante, wäfferigfte 
Sentimentalität oder brutalfte Unnatur, alberne melodras 
matifche Gompofitionen oder feivole, ſinnenkitzelnde Zwei⸗ 
beutigkeiten Anklang! Man gebe in die Theater und man 
wird das hier Behauptete überall betätigt finden. Dieſem 
Ungeſchmacke wäre vielleicht abzuhelfen, wenn unfere Zus 
fände es erlaubten, daß politifche Zeitfragen unverkuͤmmert 
und uncenfict auf den Gretern befprochen werden dürften. 
Ein politifches Luftfpiel, wenn auch nur in dürftigen An⸗ 
fangen, ſcheint mir bie einzig möglidhe Frucht gu fein, die 
auf deutfchem dramatifchen Boden Wurzel fchlagen und 
bei behutfamer Pflege gedeihen könnte. Warum e6 dazu 
nit kommt, obſchon das Volk gerade bafür Sinn umd 
Theilnahme zeigt, weiß Jedermann. Das eigentliche poeti⸗ 
[he Drama hat nirgend mehr Boden, bie praktifche Seite 
bes Lebens, die unfere Zeit für die einzig nugbare und er⸗ 
fprießliche anſteht, mag nichts davon willen. Die Welt 
ber Gegenwart will nicht im Sinne der Alten erſchuͤttert 
und erhoben werden bucch dramatifche Vorſtellungen, dieſe 
Melt ſucht nur Zerſtreuung Im Theater oder Anſpielung auf 
misliebige Zuſtaͤnde im Staats: und Geſellſchaftsleben. 


. 


Seltſamerweiſe opponirt der deutſche Port, wenn 
er nicht gerade ein politifcher iſt, was leider heutzutage 
faft immer gefodert wird, dieſer in ber That nicht erquid: 
lichen Lebensanficht, und was etwa noch Dramen fchreibt, 
ſchreibt nur für theilnehmende Freunde. Das Volk ers 
fährt nichts davon, hoͤchſtens der Kritiker, wenn bie uns 
gluͤcklichen dramatifhen Autoren den noch unglüdlichern 
Einfall haben — und den haben fie in der Regel —, die 
Droducte ihrer Muße duch die Preffe der Welt, d. h. 
den Niederlagen ihrer refpectiven Verleger zu übergeben. 
Werke diefer Art bilden gegenwärtig zum größern Xheile 
die dramatiſche Literatur der Deutfchen, und mag immer; 
Hin mancher poetifhe Funke verftedt in ihnen glimmen 
amd leuchten, fo kann er Loch nie ein Feuer anzlınden, 
an deſſen mohlthuender Glut das Bolt ſich erwärmen 
Cönnte. Herrfcht auf der Welt ber Breter durchgehende 
Flachheit und Poefielofigkeit, fo dämmert in diefer Welt 
Des Papiers ein ſolcher Nebeldunft halbwahrer Gedanken 
and erhaben fein follender Anfchauungen, daß aus ihnen 
aun und nimmer eine Mare poetiſche Geſtalt ſich ent 
wideln kann. Die Reihe neuer Originaldramen, bie nad): 
flehend dem Publicum vorgeführt wird, mag den fchlagends 
ſten Beweis für meine Behauptung führen, die ich bereit 
willig widerrufen will, fobald eine Zeit eintritt, die fie durch 
fich ſelbſt zu einer erfreutichen Unmwahrbeit macht. 


1, Zheater von Zulius Mofen. Gtuttgart, Cotta. 1842, 
Gr. 8. 2 Thir. 

Einem alten Rechte oder Privilegium, vielleicht auch bios 
einer alten Gewohnheit zufolge ſprechen Könige, 
GSelbſtherrſcher aller Art, unter die fi auch die Recenſenten 
zählen, Wir. Diefe Bewohnpeit bat ihr Gutes, indem jeber 
Ausſpruch durch fie etwas Dictatorifches, vom Himmel oder von 
Gottes Gnaden Zugeſchicktes erhält. Als ein fo allgemein üb⸗ 
Liches pflegte ſich Ref. dies dictatoriſche Wir in ber Regel 
ebenfalld anzumaßen. Neuerdings warb es ihm aber unbequem, 
uud da er in ben einleitenden Worten zu biefem Artikel unges 
ſucht zu dem ſchlichten bürgerlichen Ich zurüdgelehrt, er auch 
überhaupt kein Freund herkömmlicher Redensarten und ganz bes 
ſonders bes trodenen allerwärts gebräuchlichen Recenfententons 
fatt ift, fo hat er befchloffen, für diesmal diefes Ich durchweg 
Deisubehalten. Dabei fällt es ihm ſeibſt freilich fchwer aufs 
Ges; und manchem Lefer wird es vielleicht Lomifch vorkommen, 
daß eine bloße leere Zahl piöglih eine Perfon werben kann. 
Wie dem nun auch fein mag, ich halte dafür, daß unter allen 
dramatifchen Jahreserfcheinungen Mofen’s „Theater“ ben erften 
Rang einnimmt, ja, baß bie vier in ihm enthaltenen Dramen 
fo ziemtich die einzigen find, bie man als dbramatifche Gedichte 
und zugleih als darſtellbare Buͤhnenſtuͤcke anfprechen fann. 
Awei davon, „Kaifer Dtto III.” und „Die Bräute von Florenz”, 
find mehrmals, doch, fo viel mir bewußt ift, nur in Dresden 
und Leipzig zur Aufführung gefommen. „Cola Rienzi, der 
legte Volkstribun ber Römer”, ein fchon vor längern Jahren 
gefchriebenes Drama, ift bebauerlicherweife nie über die Breter 
gegangen, obwol in ihm Moſen's edle Gefinnung und tief poes 
tifches Gemuͤth am unverhüflteften zur Erfcheinung kommt. Cs 


fand bei früherm Abbrud in Willkomm's, Jahrbuͤchern für 


Drama, Dramaturgie und Theater” allgemeine Anerlennung, 
und machte zuerft entichieben auf Mofen’s körnige bramatifche 
GSprache, auf feine ſcharfe Charakterifirung bedeutender Perſoͤn⸗ 
lichkeiten, überhaupt auf fein vielverfprechendes Talent als bras 
matifcher Dichter aufmerkſam. Wenn frither die von ihm ges 
begten Erwartungen nur zum Theil in Grfüllung gegangen 
find, fo Liegt dies weniger an Mofen als an unferer fchlaffen 


Fuͤrſten und. 


Seit. Mofen mag und wii ſich nidht dem falſchen, verborbenen 
Seſchmacke accommobiren, dem man allgemein auf beutfchen 
Theatern huldigt. Er verlangt, daß man ihn fpiele in dem 
Seifte, wie er fein Werk gefchrieben hat, daß man feinen krifı 
tigen Menſchen in ber Weiſe, -wie er es verlangt, Dbem und 
Seele tinhauche. Dergleichen paßt nicht für unſere huͤſteind⸗ 
und pinfelnde Zeit, die mol malitids und pridelnd, nicht aber 
gefund grob fein kann. Ohne eine gute Dofts foicher gefunden 
Grobheit kann ich mir aber, offen geflanden, einen tüchtigen 
bramatifchen Dichter nicht denken. Moſen nun klebt bei aller 
Zartheit, die ihm inwohnt, doch fort und fort jene range 
Schale an, bie jede wahrhaft poetiſche Natur — und eine 
ſolche ift Moſen — wie ein Panzer umhuͤllt. überall, wo Gha: 
rakter ift, macht diefe Derbheit fi) geltend, und deshalb kann 
Mofen keine Feder anfegen, obne durch fein koͤrniges Wort die 
Zartheit unfers limonabefüßen Zeitalters zu verwunden. Ich 
wuͤnſche aufrichtig, daß es Mofen noch gelingen möge, mit fer 
nen Productionen auf den Bühnen durchzudringen, ohne daß ich 
deshalb an ein wirklich entſtehendes beutfches dramatiſches Lehen 
glaube, und ich wuͤnſche dies darum, weil Moſen unter allen 
dramatifchen Dichteen ber Gegenwart ber einzige ift, ber in ſei⸗ 
nen Diogtungen auf die große Vorzeit ber Deutfchen hingebeutet 
und mit flammenden Worten unferm Wolfe zugerufen, was es 
war, was es iſt und was es fein follte. Dieſe durchaus edle, 
reine und große Geſinnung macht Mofen zu einem rationalen 
Dichter. Eben aber weil er es ift, mag man wenig von ihm 
wiffen. Der bramatifche Dichter von Heute foll ſchmeichein, fol 
mit allen Höfen und Gabineten katzenpfoͤteln und nad ber 
Ranghofordnung Geſichter fchneiden und Verſe bauen. Bon dem 
Allen hat Mofen keinen 8ig und fo duͤrfen wir uns freilich 
nicht wundern, wenn feine Erfolge ſehr unvollkommene und wes 
nig ermunternde gewefen find. Ich will zugeben, daß unfer 
Autor in ber tedhnifchen Anlage feiner Dramen nicht immer 
lacklich iſt, daß es ihm hier noch zu fehr an WBähnenpraris, 
erhaupt an Kenntniß jener Kleinigkeiten fehlt, die fo viel ur 
Emporhebung eines Theaterſtuͤks beitragen 5; ich leugne auch 
nicht, daß er hin und wieder Charaktere, die Bedeutendes dars 
ftellen, die Repräfentanten hoͤchſter nationater Gefinnung fein 
follen, zu pausbadig auftreten und fie fpäterhin nicht diefem er⸗ 
flen Auftreten entfprechenb handeln läßt, wie 3. B. Dtto III. 
ber zu großfprecherifch von fich felbft fagt: 
Ningd um mid, der die Völker ber Erde 

Trag ich ald Atlas dad neue Jahrtauſend 

Aus der Mitternacht roher Gewalten 

An das himmliſche Licht empor. 


und doch unfchläfflg, ewig ſchwankend, Halb Wille, halb That 
den Küffen eines Weibes erliegt und durch fie einem bebauerns 
werthen Berhängniß anheimfällt. Solche Maͤngel koͤnnen mid 
aber nicht ungerecht machen gegen den herrlichen Kern Moſen'⸗ 
fher Dicytungsweife, können mir weder feinen Werth noch fein 
fhönes Talent verleiten, das Andere um ein Bebeutendes über: 
ragt. So wenig ich wünfche, daß biefer echt deutſche Mann 
feinen Sinn aͤndern möge, fo ſehr möchte ich ihm zu erfaubter, 
ja gebotener Nachgiebigkeit in Kleinigkeiten ratben. Wer den 
Zweck will, muß aud die Mittel wollen; Mofen’s Zweck ift ein 
großer, anerfennungewerther, und ſchon beshatb ſollte er ſich fo 
weit, als es undeſchadet bem Kerne feines Weſens geſchehen 


fann, den unweſentlichen, aber einmal angenommenen Spiele 


reien einer formell peinlichen und kleinlichen Zeit bequemen. Er 
würde dann ſchneller und leichter ins Publicum dringen unb 
ben ÄAgenden Stoff ausfcheiden, der als ein fremdartiger, ver: 
bitternder Beftandtbeit fidh in feiner urſpruͤnglich Haren und ru⸗ 


higen Natur feftgefegt bat und ihn felbft gegen Zeit und Boll, 


gegen Kunft und Poefie verfiimmt, ja wol gar ungerecht madıt. 

Bei dem Intereffe, das alle Bebilbeten an literarifchen Pros 
ducten von Bedeutung haben, und bei ber Bekanntſchaft von Mo⸗ 
fen’6 Namen darf mol angenommen werben, daß fo vielfach bes 
fprochene Dichtungen wie „Cola BRienzi” und „Kaifer Otto I? 
ihrem wejentiihen Inhalte nach auch ben Lefern d. BI. hinrei⸗ 











m 


qchend gegenwuͤrtig fein werben. Ich glaube baber, eine Zerghiede⸗ 
zung berfeiben umgehen zu können und thue dies um fo lieber, 
als ich beide genannte Dramen ihrem poetiſchen Werthe mach für 
fehr bebeutend halte. Auch Das, was ſich in beiden als ta⸗ 
deinewertb erweiſt, in Gola Rienzi die allzu fchroffe Auhe des 
antiten Römers, wie Mofen, allerdings unhiſtoriſch, feinen Hel⸗ 
den auffoßt, und die flörende Ginfeltigleit, welche Rienzi allein 
alle That, fogar jegliches Intereſſe aufbürbet, — in Otto der 
von Act zu Act ſchwaͤcher und binfälliger werdende Charakter 
des Kaifers, fowie einige nicht abzuleugnende Gffecthafcherei, 
ebenfo die nichts weniger als gelungene Rachahmung Shak⸗ 
fpeare’s in ber Scene bei Erescentiud’ Leiche, wo fein intriguans 
ter Bruder Zaraglia die Römer nach Art bed Antonius zur 

anfeuern will — auch dies, behaupte ich, raubt biefen 
Dramen nichts Wefentlicyes von ihrem tiefen, poetifchen Werthe, 
Weniger befannt möchten die beiden anbern Zragddien „Die 
Bräute von Florenz” und „Wendelin und Helene” fein. Ienes 
warb bie jegt nur auf dem koͤniglichen Hoftheater zu Dresben 
dargeftellt, konnte fich aber feines burchgreifenden Beifalls ers 
freuen. Es darf dies nicht überrafchen, wenn man bem Gange 
der Fabel genauer folgt. Mofen bat fi hier im (Entwurfe 
fyon mit dem Stuͤck fozufagen überworfen. Es iſt weber 
eine großartige Intrigue noch eine fo gewaltige Leidenfchaft 
vorhanden, daß fich ein tragifches Geſchick daraus ergeben 
Eönnte. Wie Mofen die Zabel zur Entſcheidung hinwendet, hat 
eher etwas Komiſches. Schon daß auch hier wieder, wie falt 
bei allen ber itatienifchen @elchichte entnommenen Stoffen, der 
Schatten Romeo’s und Julia's vor uns auffteigt, beeinträchtigt 
vie Wirkung. Zwei Häufer, die Uberti und Buondelmonte, fte- 
ben einander feindiich gegenüber. Buonbelmonte, Neffe des Por 
defta, ift mit Goftanza verlobt und foll fi), eben aus Deutichs 
and zurüdfehrend, mit ihr vermaͤhlen. Gin Ball — denn ohne 
Ball und Maskerade geht es jeht felten ab in Schau⸗ und 
Zrauerfpieien — führt ihn mit Bianca Uberti zufammen, deren 
Liebenswürbigleit ihn fo fehr bezaubert, daß er tief in der Nacht 
ide nacheilt, Gintritt in ben Palaſt bes Waters erzwingt und 
Die ſchoͤne Bianca nachtwandelnd in ihrem Gemache über 
safcht. Die träumende Wache verräth ihm ebenfalls ihre Reis 
gung, beide werben vom Vater und bem Bianca beftimmten 
Bräutigam Wosca überrafcht, und weil denn doch kein anderer 
Kusweg äbrig bleibt, fo ſtellt ſich Buondelmonte raſch entfchlofs 
fen als Bianca’d Bräutigam vor. Der Bater gibt fich zufrie 
den und ba inzwilchen ber bethörte Mosca mit Goflanza vers 
Lobt werden fol, fdheint die Wisftimmung beider Haͤuſer erfreu⸗ 
ticher Aufısfung nahe zu fein. Zufall, Neugier und Unbefries 
digtheit führen Buondelmonte in ben Garten Donata’s, einer 
Witwe, bei welcher Coſtanza lebt. Gr ficht fie, wird von ihrer 
Anmuth fo betroffen, daß er feine Schuld zu ihren Juͤßen ges 
ſteht, um Vergebung bittet und nicht nur diefe, fondern noch 
einen Ruß von dem ſchoͤnen Maͤdchen obendrein erhält. Diefe 
flüchtige Begegnung ficht Mosca, ber nun fogleidh zu Uberti 
eitt und WBuondelmonte's ſcheinbaren Treubruch als wirklichen 
darſtellt. Won neuem entbrennt nun der Haß ber Uberti gegen 
die Buonbelmonti. Bianca erkrankt, Buondelmonte beirathet 
Seftanza. Zuvor weiß Mosca, um Rache an dem Berhaßten 
zu nebmen, eine lodere Diene, bie ihm gewogen ift, bei Goftanza 
als Dienerin untergubringen. Durch fie wird ber Braut am 
Hodyzeitabenb der Biftbecher gereicht. Goftanza ftirbt. In der⸗ 
ſelben Nacht ſtuͤrzt die auf dem Haufe nachtwanbelnd umgebende 
Bianca auf bie Straße und ſtirbt ebenfalld. Es bleibt nun 
nichts weiter übrig, als zwei Leichen zu beftatten. Dies ges 
fchieht mit großem Pomp. Die Anhänger des Buondelmonte 
begleiten Cofianza's Leiche bewaffnet und feit entichloffen, im 
Begegnungsfalle die Uberti anzugreifen, bie zu gleicher Feierlich⸗ 
keit die Straße betreten. Beide Leichenzüge begegnen einanber, 
Buondelmonte und Mosca reifen die Degen aus ber Scheibe 
und beide fallen. Nach biefer blutigen That erwachen die lang 
und ſchwer verhaltenen Leidenfcheften beider Parteien, die wer 


nigftens durch ihre politifhen Beziehungen — indem nämlich die ; 


Buondelmenti zu den Gusifen, die Uberti zu den Bhibellinen fies 
hen — etwas an Bedeutſamkeit gewinnen. Bevor man jebodh & 
Kampf beginnt, will man erſt bie Leichen beflatten. Dies geſchieht 
und mit biefer epigrammatifchen Pointe ſchließt aud das Gtäd. 
Die ungenägende Motivirung ber Greigniffe, ber gewalt⸗ 
fom und etwas fpectafelhaft herbeigeführte Schluß, der doch 
im Grunde nichts weiter als ein plumpes gegenfeitige® Mor⸗ 
den iſt, noch mehr das unter alled Umftänden ans Komiſche 
ftreifende Herabſtuͤrzen Bianca’s vom Dache, bem man es ans 
merkt, baß der Dichter e6 nur beshalb gefchehen laͤßt, um zwei 
Leihen auf einmal und mit ihnen bie beiden fich begegnenden 
Leichenzüge zu befommen, find Fehler, die bei Moſen's gewohnter 
Befonnenheit uͤberraſchen, es aber auch erftärlich machen, daß 
der Erfolg ber Dramas bei der Aufführung unbefriedigend 
weien ift. Eigenthuͤmliche Charaktere bei Gefchichten zu 
den, die wie biefe italieniſchen Parteizaͤnke einander gleichen 
wie ein Ei dem andern, erfobert auch fo große Kunft, baß man 
den Dichter entfchuldigen muß, wenn ihm bier das Erſtrebte 
nur halbwegs gelungen iſt. Mosca ale Intriguant bes Stuͤcke 
möchte vor Andern ben Vorzug verdienen. Doc weiß ſich Mor 
fen einigermaßen zu beifen, indem er unzureichende Charakters 
kraft durdy pikante Redeweife zu vervolftändigen ſucht. Diefer 
Runftgriff gelingt ihm namentiih dann fehr gut, wo ihm bie 
Situation erlaubt, Ginzeine in leidenfchaftlicher Rede gegeneins 
ander zu hetzen. In foldhen Stellen zeigt fidh die oben ers 
waͤhnte koͤrnige Ratur des Dichters, fein ſcharfer, oft etwas 
baroder Humor, der überhaupt feltfame, naiv⸗ poffirliche Wen⸗ 
dungen nicht verſchmaͤht, wenn fie ihm paffend erfcheinen. Ich 
führe ein kurzes originelle Geſpraͤch zweier Anhänger der Uberti 
und Buonbelmonti bier an: 
> Gelano. 
Gemach ihr Herren! 
Von roͤmiſchen Geſchlechtern ſtammen wir, 
Dee Weltkreis zitterte vor unfern Ahnen. 
Mosca. 
Epannt uͤber Trommeln eure Pergamente 
Und paukt darauf mit Haͤnden und mit Fuͤßen, 
Zeigt mir die Ratte, die davor ſich fuͤrchtet! 
Celeno. 
Ich bin kein Kater, friß bein eignes Gleichniß! 
Mosea. 
Weil wir und unfre Sippſchaft nicht wie fie 
Herſtammen von landfluͤcht'gem Römervolt, 
Weil deutſches Blut, das wilde ſaͤchfiſche 
In unfern Adern rollt, Öttonenblut, 
Weil unfre Ahnen als Eroberer 
In diefee Stadt fih einen Dorit gebaut, 
So thät’ es Noth, wir büdten und vor jedem 
Schiefbein’gen Krämer, weil ed möglich if, 
Daß feinen Urahn in der alten Seit 
Pompejus oder Gäfer angenieft. 
Gelano. 
Was doch ein Strohwiſch für ein Feuer mat! 
Mosca. 
Da, fo ein weggefprister Tintenfleck, 
Daß di die Peſt! So eine Aſchermittwoch 
Und vierzigtägig Faſten ohne Dftern ! 
Das if ein Biſſen über Macht! 


Weniger derb, doch nicht minder originell laͤßt Moſen Frauen 
dienenden Standes ſprechen. Barock⸗witzig wenigftens klingt 
es, wenn eine Frau einem jungen Mädchen räth, um Gluͤck bei 
Männern zu machen: 
Du mußt die Blide feurig um dich werfen, 
Dir abgemöhnen folhe Leine Schrittchen, 
Als wollte du Demdfäume damit nähen! 


Im Ganzen zeichnet fih Moſen's bramatifche Sprache in ge, 
bundener Rede buch feft gefugte Soliditaͤt aus, bie gan, 


beim entfpricht, dee fie befeeit. Und 
Ya6 IK freilich eine Koſt weder für bie Mehrzahl unferer beutis 
gen Schauſpieler, noch für die Ohren ber Zuhörer. 
Den Schluß dieſes Bandes macht eine Jugendarbeit bes Werf., 
das Zrauerfpiet „Wendelin und Helene”. Der Stoff iſt den Baus 
. eenunruben in Gübbeutichtand entichnt zu Anfange bed 16. Jahr⸗ 
hunderte. Moſen bat es für nöthig gehalten, dinſichtlich dieſes 
Products die Kritit um Nachſicht anfprechen zu muͤſſen; iche 
—* aber eine ſolche Friſche und Keckheit darin gefunden, wie 
mancher Arbeit reiferer Jahre nicht zu entdecken iſt. Std⸗ 
rend möchte beim erſten Anblick nur eine gewiſſe Ähnlichkeit in 
den Situationen mitEgmont“ erſcheinen, dem das Stuͤck auch 
in ſprachlicher Hinſicht ſich vielfach verwandt zeigt, ohne daß 
ich den Autor dieſer Wahlverwandtſchaft wegen der Nachahm 
beſchuldigen moͤchte. Helene, ein Buͤrgermaͤdchen, liebt naͤmli 
den jungen Reichsgrafen Wendelin, der, ein ungetreuer Brauſe⸗ 
kopf, mit dem edeln Egmont freilich nicht viel Ahnlichkeit hat. 
Ganz fo wie dort Brackenburg von Klaͤrchen, ſteht bier Seibold 
von Helene verſchmaͤht da. Von anderer Liebe angezogen ver⸗ 
laͤßt Wendelin Helene, die erſt an den Treubruch des Geliebten 
laubt, als ſie ihre Nebenbuhlerin in ſeinen Armen erblickt. 
lene wird wahnſinnig, Wendelin alsbald von der Treuloſig⸗ 
Bett feiner neuen Geliebten uͤberzeugt. Inzwiſchen brechen bie 
Bauernunrußen aus, Wendelin ziebt gegen bie Aufrührer, 
fehtägt fie, gibt fie aber nach errungenem Siege frei unb gebt, 
da unterdeß Helene geftorben ift, in die Wobtenkapelle, wo er 
fpäter über ihrer Leiche von dem ihn verfolgenden Seibold tobt 
gefunden wird. Kürze und Rafchheit der Handlung dürften ei: 
wer fo friſchen von reinftem poetifchen Hauch umwehten Dich⸗ 
tung bei allen leicht in bie Augen fpringenden Mängeln in ſce⸗ 
niſcher Anordnung bei guter Rollenvertbeilung doch wol Aners 
kennung und Beifall vor einem gebitbeten Publicum verfchaffen. 
Das Stüd iſt, wenige Stellen ausgenommen, in Profa gefchrier 
ben, aber in einer Profa, wie fie nicht alltäglih vorkommt. 
Rhythmus, Wohllaut, Zartheit und Anmuth vereinigen ſich in 
ihr auf das lieblichſte. Es fällt ſchwer, bei einem Übermaß 
trefflich gelungener Stellen eine vorzugsweife anfprechende aus⸗ 
zubeben, ich wähle deshalb auf gut Gluͤck ein paar kurze Mos 
Nnologe, die Helene in beftiger Aufregung fpricht. Zuerft ein 
Liebchen : 
„Der Brunnen If tief, 
'ne Dirne fledt dran; 
Wer drunten fhlief’, 
Kein Leid Lim’ ihn an. 
Das Herz if ihr ſchwer, 
Im Kopf ift ide wire, 
Die Geele fo leer, 
Die Sinne fo ter. 


Könnte ih nur noch einmal mit ihm reben, cr Könnte und 
bürfte nicht fo fchlimm fein. Er muß doch ein Herz haben; 
id) weiß es auch, ich fühlte es ſchlagen. 
Da fingt es fo fein: 
Mein Kind, bi du mt‘, 
So komme herein, 
Du verlaffned Gemäth. 


Läge ich doch unten tief im Waffer und ertraͤnkt, es wäre beis 
fer mit mir! Wendelin! Kaͤm' er nur noch einmal, ich würde 
fo fröptich fein, als er nur wollte, da er das Traurige nicht 
gern bat.” 

Und an einem andern Drte fagt biefelbe: „Hab' ich ihn 
nicht geliebt wie meine eigene Seele? Mehr als Water und 
Mutter? Gr war mein Gott, mein Beiland! War ich nicht 
fein mit jebem Pulsſchlage, mit jeder Faſer, mit jedem Bluts⸗ 
tropfen, der in mir iſt? Und nun ganz verftoßen! Ganz elenb! 
Bertreten, wie ein Wurm! Wehe über mid! — — Wenn id 
schlief, wenn id) wachte, auf den Markt ging ober in bie Kirche, 
oe mid bin ober in den Himmel blickte, ober auf bie Erde, 
ur ihn, ihn allein fah ich, und alle meine Gedanken Eietterten 


chte 

zahlloſe Menge 
vermehren zu 
muͤſſen. Bielleicht, daß alsdann unſere Literatur nicht mehr fo 
häufig wie jegt von ben formloſeſten Producten überflutet 
würde, bie alle für Dramen, ja wol gar für ausgezeichnete 
Kunſtwerke gelten wollen und barauf Anfpruch madhen. 


(Die Fortſetzung folgt. ) 





Literarifche Notizen aus England. 


Es dürfte wol von Interefle fein, ſaͤmmtliche von ber Shak⸗ 
fpeares@efelifhaft in England herausgegebene Schriften 
bier ber Reihe nach aufzuführen. Es find folgende: „Gosson’s 
school of abuse, containing a pleasant invective agai 
pipers, players, jesters, etc.”; „Patient Grissel”, ein Luſt⸗ 
fpiel von I. Dekker, H. Ghetle und W. Haughton; „Pierce 
Penniless’s supplication to the Devil”, von Thomas Rafb, 
mit Anmerkungen von I. Payne Collier; „The first sketch 
of Shakspeare’s Merry wives of Windsor”, herausgegeben 
von 3. D. Halliwell; „Fools and jesters, with a repriat of 
R. Armin’s nest of ninnies”; „Ludus Coventriae; a collection 
of mysteries formerly represented at Coventry, on the feast 
of corpus Christi’, herausgegeben von I. D. Halliwell; „First 
and second parts of King Edward IV.”, Erzaͤhlungen von 
Thomas Heywood, mit Anmerkungen von B. Rielb; „Timen 
a play”, zum erften Male gedruckt, herau von &. Dyce; 
„Memoirs of Edward Alleyn: founder of Dulwich college, 
indduding some new particulars respeoting Shakspeare, Ben 
Jonson, Marston, Massinger, Dekker eto.”, von 3. Panne 
Collier; „The debate between pride and lowliness‘,- von 
Francis Thynn, mit Anmerkungen von Golliers und bie bes 
tannten, auch in biefen Blättern bereits genannten „Notes 
of Ben Jonson’s coonversatioas with William Drummend of 
Hawthornden” und „Kxtracts from the acoeunts of therevels 
at court inthe reigns of queen Elizabeth and King James I., 
from the original offioe bouks of the masters and Yeomen“, 
mit Anmerkungen von P. Gunningham. 

a ale her SambensGefellfhaft ers 

auf bie usgabe folgender Scheiften : „An apolo 
for Lollard doctrines attributed to Wicifie”, mit Einleitung 
und Anmerkungen von I. H. Todd; „Rutiand papers, original 
documents illustrative of the courts and times of Henry VIL 
and VIII”, von 3. Serdans und „The diary ef Dr. Thomas 
Cartwright, bishop of Chester, commeacing at the time of 
his elevation to that see, and terminating with the visita- 
tion of M. Mary Magdalene college, Oxford.” 


Der Berf. von „A history of the convocation of the 
church of England”, ‚The Spanish Armada” und „Guy 
Favıkes”, Thomas Lathbury, gab heraus: „„Memerials of Ernest 
the Pious, first duke of Saxe- Gotha, the liaeal ancestor 
of prince Albert”, dem Prinzen Albert gewibmet. 18. 








Berantwortlicher Herauögebers Heinrih Brodhaus. — Drud und Berlag von J. A. Brockhaus in Leipzig. 


Blätter 


für 


⸗ 


N 


literarifhe Unterhaltung. 





Mittwoch 





Jahr 1842. 
Erſter Artikel. 
(Vertſetung aus Nr, 182.) 
2. Imelba Lambertazzi. Trauerſpiel in fünf Xufzügen von 
Friedrich Halm. Wien, Gerold. 1842. 8, Thlr. 

Richt felten geſchieht es mir, daß ich vom aͤſthetiſch⸗kriti⸗ 
ſchen Standpunkte aus über ein poetifches Probuct entfchieden 
anderer Meinung bin ald dus Publicum. Halm gehört durch 
feine ‚‚Brifeidis‘ und neuerbinge durdy den „Sohn ber Wilds 
ni” zu den modernen Lieblingsdichtern vorzugsmweife ber Das 
menwelt. Wie das kommt, ift leicht zu begreifen. Palm ift 
von Fuß zu Kopf fentimental und noch dazu in jener larmoyans 
ten graufamen Weiſe, die ſchon feit geraumer Zeit die Herzen 
der Schönen, in denen graufame Geläfte fo traulich neben Zärts 
lichkeit wohnen, überbiemaßen rührt: Kann ich ſchon in ber 
kyrik eine zu flarte Dofis fentimentalen Weſens nicht leiben, 
fo wird e8 mir im Drama gründlich zuwider, weil es biefe 
Didytungsart mit Darftellung von Bandlungen, mit Thaten, 
nicht mit Eingenden Worten, mit Dänberingen und Augenvers 
dreben zu than Hat. Daß Halm fo günftige Aufnahme beim 
Zheoterpublicum gefunden, kann nur erfreuen, wenn man an⸗ 
nimmt, es fei bie Macht bed Talents geweſen, die fich bier 
Bahn gebrochen; daß man aber gerade diefer falfchen, unerquid: 
lichen und in jeber Beziehung verbilbenben dbramatifchen Manier 
den Sieg fo leiht gemacht bat, beklage ich ebenfo der dramati⸗ 
fdyen Autoren als des Publicums wegen. Denn ich bin und 
bleibe nun einmal der Meinung, daß Fein Heil für deutfches 
Drama zu erwarten ift, fo lange diefe Sorte fentimentalen 
Wortgewaͤſches Gefallen findet und bominirt. Ob Halm nicht 
anders fann, 0b ex den Quell fübbeutfcher Lyrik, der in mans 
chem Anbern feiner begabten Landeteute fo ergiebig fprubelt, aus 
Drang nad Fräftigerer Seftaltung unglüdtickeriveife nur ins 
Drama abieitet? ich weiß es nicht! Doch follte ich meinen, es 
müßte einem Manne von folcher Begabung nicht ſchwer werden, 
den Schäfermantel nach und nad) abzuwerſen und ftatt deflen den 
‚Dermelin des Fuͤrſten oder den Waffenrock bes ‚Helden anzulegen. 

So weit ih Halm's Probuctionen Kenne, muß ich ber 
bier veröffenttichten „„Imelda Cambertazzi” die niebrigfte Stufe 
unter allen anweifen. Es iſt abermals eine italienifche Ges 
ſchichte, in der, wie vorauszsufeben, feindliche Familien mitein⸗ 
ander badern, wo bie Tochter des Peindes X den Sohn bes 
Feindes Y trog aller Muth der Ältern und ihrer Luft, einander 
aegenfeitig je eher je lieber die Haͤtſe gu brechen, unausfprechlicdh 
liebt; wo bdiefe Eiche Feiner Mahnung, keinem Drohwbrt, keiner 
Bewalttbat weicht; wo zur Unkerdruͤckung derſelben ein Mord 
den andern jagt und in Kolge foldyer Blutthaten entfeglicy viel 
geweint wird; wo endlich Liebhaber und Nebenbuhler aufeinan: 
dertreffen, fi) bon 'gr& mal gr& maflarriren, bie Liebſte, alſo 
bier Imelba, ebenfalls das Zeitliche ſegnet und die ob fo ents 
fegiihen Jammers ganz beftärgten Kiteen erſt jept vernünftig 


werben und ſich über den vielen Zobten verfähnend bie Haͤnde 
reihen. Nun bitte ich, ob das was Anderes ift, als ein vers 
wiſchter Abklatſch von „Romeo und Zulie”? Ob mit fo birfe 
tiger Erfindung, mag fie auch doppelt und dreifach in romantis 
ſchen blauen und grauen Dunft gebällt fein, etwas poetiſch Be⸗ 
beutfames, und nun gar ein tüchtiges Trauerſpiel zu Stande 
kommen Tann ? Die Anficht, daß zu einem Srauerfpiele nur das 
Todtmachen von fo und fo viel Perfonen erfoberlich fei, fcheint 
wirklich bei unfern Dramatilern immer mehr berpand zu nebs 
men. Wenn felbft beffere Köpfe fo troftlofer Verirrung huldt⸗ 
gen, was follen dann bie armen Schächer thun, bie an ben 
großen Ihränenftiefein diefer Ritter mit goldenen Sporen wie 
die Zwerge emporklettern. Ich babe in biefer Imelda nichts 
finden koͤnnen, das mir das Befühl des Tragiſchen erweckt hätte. 
Immer nur Lärm, Fluch, Drohung auf Geite ber Männer, 
Thränen, Lamentiren, Seufzen und Sehnen auf Seite der Wels 
ber — das gibt Feine Tragoͤdie, fondern ein Rührei von prahls 
banfigen Redensarten mit einigen Schwertfplittern gepfeffert. 
Und Halm hat in ber That nicht unterlaffen, in Redensarten 
Großes zu leiften, die zum allergrößten Ungluͤck durch Stätte und 
Rundung die Maffe beftehen. Denn unfer leicht zu täufchendes 
Publicum ift gar zu gern geneigt, ein Bischen abgebraudhte® 
Abendroth für echtes Gold hinzunehmen. Bedient fi der Au⸗ 
tor dann noch mit einigem Geſchick bes Schiller’fchen Falzbeins, 
um Reim und Klang feiner Verſe damit Hübfch glatt zu ſtrei⸗ 
den, dann kann es ihm nicht fehlen — alle Weibtein find dus 
Berft gerührt und das Parterre ſchlaͤgt begeiftert die Wine. 
Wer könnte auch bei fo ſchoͤnen Ziraden, wie folgende, uner⸗ 
griffen bleiben ! 
O bört nur, hört! Ihn grüßt ber Dörner Schmettern, 

Ihn Paulenwirbel, ihn des Volkes Ruf! 

Ihm wirb den Siegeskranz Imelda reichen! 5 

Die Sonne ftrahlt und Azzo's Sterne bleichen! 


Wenn bas mehr ift als bloßes leeres Wortgedreſche ohne ges 
ringſten Gedankengehalt, fo tft Shaffpeare ein Dummkopf ge⸗ 
weien. Oder noch beſſer im Eriegerifch : beichreibenden Seit. 
— — Banditen! Ihr ſtehlet 

Bolognas Ruh’ und morbet feinen Frieben! 

Blutgier’ge Schlaͤchter; grimmer ald der Dat, 

Der Meere Schreden, ald bed Urwalds Wolf, 

Die Hunger reizt, nit Daß! — — 

Aufathmend kaum von langen Krieges Muͤhſal 

Erhub Bologna dad gefenkte Haupt, 

Und ſchlimm're Fehde ſchlug in feinem Schoos 

Aus eurem Daß empor, und wieber beulte 

Bon feinen Thuͤrmen Sturm, und wieber braufte 

Dur feine Straßen Kampf, und wieber zöthete 

Blut feine Mauern, feine Siebeln Brand! u. f. w. 


Dder im Stil fentimentalee Schwaͤrmerti: 
Baldeinfamteit, wie weht mit weichen Bügel 
Bewegter Wipfel Wohllaut um wich ber; 


ie wogt Hinwallenk über Berg und Hügel 

Um meins Wangen wärz'ger Däfte Meer! 

Wie ſtill in's hier! Es Richt des Lebens Biegen 

In diefer Schatten ſauͤßem Dämmerlicht, 

Und ich verflehe, was in leiſen Schaͤgen 

Meln zagend Herz vol führer Setzuſucht ſprht 
© Bow Heillgthume ſpricht's am Meereöftiand, 

Bom Nitter, der aus wogendem Bebränge, 

ih ſchuͤgend barg am Fühlen Brunnentand ; 

Es wiberballt mir feiner Worte Klänge, 

Es widerfirahlt mir feiner Blicke Glut u. f. w. 


Kun gehe ich jede Wette ein, daß diefe glatten Verſe, declamatoriſch 
vor gen, in ben Herzen aller fehnfüchtigen Mäbchen eine 
Rahrung bervotbringen, wie fie bie großartigfte tragiſche Lei⸗ 
Benfihaft Shakſpeare ſcher Helden nicht erweckt; felbft für thraͤ⸗ 
nende Augen mancher Ehemaͤnner will ich nicht gutfagen. Und 
dennoch ifl’s nur hohle, fentimentale Phrafe, die meinetwegen 
überall anders als Handgeld verfchentt werden foll, nur nicht 
im ernften Drama. Hier kommt fie mir vor wie eine Kupp⸗ 
ferin, die fchöne, füße Worte alt, um Unheil gu fliften. Alfo 
Halm, gehe in dich und beflere dich! 


3. Kaiſer Barbaroffa. Dichtergabe zum koiner Dombau, von 
Ludwig Bauer. Stuttgart, Eotta. 1842. Gr. 8. 224 Wer. 
Dicjtergabe, nicht Drama nennt ber Verf. fein Wert und 
gibt damit zu erfennen, daß er unter Drama ein andered zu⸗ 
ammengefügtes Ganzes verfteht. Ein Drama iſt biefes Pro⸗ 
duct auch wirflich nicht, obwol in dramatifche Form gegoſſen; 
wol aber dürfen wir e8 als eine Dichtung, von edelm, finnigem 
Geift geboren, willlommen heißen. Der alte gewaltige Karfer 
Barbaroffa fteigt hier aus feinem Grabe, mit ihm die trogigen, 
mwillensträftigen Fürften Deutfchlande. Die Lage des Reiche, 
die Gegenwart und Zukunft beutfyer Nation if das Thema, 
das von mannichfach betrachtendem Gefichtöpunfte aus zur 
Sprache kommt. Der Sänger Heinrid von Dfterdingen, dieſer 
halt mötbifche Held romantifcher Poefte, tritt zugleich mit bem 
aukünftler Gerhard aus Koͤln auf unb das große Wort, um 
das es fich handelt, ift eine Prophezeiung, die von ben Eippen 
der alten Xotiffin Hildegard zu Bingen Fricdrich entgegenktingt. 
Sie heißt: 
Doch wenn fie wieder baun am koͤlner Dom, 
Wird groß das deutſche Volk und maͤchtig werben. 


SBarharefia faßt dies Prophetenwort in gutem Siune auf und 
Gefihlieht ben Bau des Doms durch Meifter Gerhard. Steht 
nun auch zu bezweifeln, baß der jest wieder aufgenommene 
Bau bes idiner Doms Deutfchland mädtig, einig und groß 
machen werde, To ift der Gedanke, welden der Dichter in ſei⸗ 
nem Gedicht durchgeführt hat, doch beachtenswerth; ja ginge in 
Grfällung, was er als Wunſch ausfpricht, was er andeutunges 
weife erfennen laͤßt, fo dürfte es Leicht beſſer um Deutſchland 
Raben, als ee jett den Anfchein bat. Man hört fo felten ein 
mahig· ſchoͤnes Wort, baß es ber Mühe werth ifl, bie Goldkoͤrner 
aus den furchtbaren Spreumaſſen, die man über Deutſchland 
fort und fort unermuͤdlich auswirft, herausgulefen. Zwei Per: 
fonen find es vorgäglich, die Bauer zu Trägern feiner Gedanken 
auserkoren bat, ber flolge Barbaroſſa und ber tieffinnige Ofter⸗ 
dingen. Auch erhalten wir nicht blos Phrafen, fondern Sinn 
und Gebanten, zumeilen in fchöner, zarter poetifcher Hülle. So 
fagt Dfterbingen von dem Mädchen feines Herzens auf bie Frage 
GBerharb’s, ob er es als Braut heimführen werde? 
— — 80’ dem Deren zwei Herzen 

Bum Pſalme werben duͤrfen, pruͤft er erſt 

Durch unverhoffte Drangſal und Gefaͤhrbe 

Die Saiten, ob fie Stimmung dalten. 
Derfelbe preift bie Gegenden, bie von mächtigen Ktäffen durch⸗ 
firömt werben, indem es mit Hindeutung auf den hein ſpricht: 

Mir gebt dad Herz auf, ſeh' id einen Biuf. 
Es ſchwebt ein Geiſt des Lebent auf den Waſſern: 







kei 

Hier dampft ber Born für Morgenthau und Regen, 
Diez wird der Baum bed 

Dies ſchwimmt der Flein eigenen dem Werädinis 
Und mit den Mauren wanbert bes Wehamte. 


Und wer von deutſchem Stamme flimmte nicht in Barbarofia's 
Worte von Herzen mit ein, wenn er, ben Vorwürfen Dilbe 
gard's begegnend, über bie Stellung und Genbung eines echten 
Fürften, über fein Verhalten zu Bölfern wiberfpredhenben Cha⸗ 
rafters und Sinnes fagt: 
Stellt, wenn ihr Fuͤrſten heiſchet, die nie ſchwindein, 

Nicht Menſchen, ſtellet Engel auf die Binne 

Des wiesen, unabiehbar weiten Reihe! 

Stal’fher Leichtfian, dän’fhe Yieberwuth, 

Der Böhmen Zäbigkeit, der Menden Tuͤcke 

Sind fhwer zu gängeln mit dem einen Baum. 

Und er die Deutfchen, fie, ein Wolk von Kriegern, 

Das jogend und turnierend fi erhalt, 

Zum Streite lin, verbroffen zum Geherſam, 

Im Bader enblod, weil ſie's gründlich treiben. 

Urtröftig wie Granit ber Einzelne, 

Dad Banze Haffend, bruͤchig und vermittert. 

De kann's nicht abgehn ohne Sturz und Krachen, 

Wenn bie und da mit junger Baufl ein Kaifer 

Friſch aufräumt an des Neiched Wetterfeite. 


Zweifel bärften fi aber wol in Jedes Bruſt erheben bei Frie⸗ 
drich's Ausruf: 
— — Gottes Geiſt kommt über wi! 

Ein Blatt in feinem Schickſalsbuche ſeh 

Ich aufgeſchlagen! Enkel werben einft, 

Beſchwingten Laufs ben Rhein hernieberſürmend, 

Den Hallenbau aus blauer Werne grüßen, 

Und feine Thuͤrme heißen ihnen zwei 

Sum Schwur ber Eintracht aufgehobne Finger! 


Sollte auch dies nicht ganz in Erfüllung geben, fo wollen wir 
Deutfchen uns doch tröften, wenn nur ein Schelmenlied Ofter⸗ 
dingen's recht bald volle Wahrheit wärbe. Dies Lieb, das ber 
Gänger dem Rhein ſelbſt in den Mund legt, Mingt, wie folgt: 
Mein Vater iſt der Griöpatt, 

Die Mutter heißt Gorner 

Ich rang im Felſenzwieſpalt, 

Durchtobte Schwabend Meer. 

Kaum mad’ ih nun bei Laufen 

Den legten Purzelbaum— 

WI endlich mich verſchnaufen 

In breiter Ufer Saum: 


Da legen Zoͤllnerskinder 
Abwärts auf mich Beſchlag⸗ 
Bulegt ber Befenbinder, 

Der arge Schelm, vom Haag: 
Stredt mir vom Maſt entgegen 
Sein Neid an langem Gtiel, 
As koͤnnt' er blank mid) fegen 
So, wie es ihm gefiel. 

Daß ich ber Aar gewunken, 
Den Neckar eingethan, 

Den trüben Main getrunken, 
Gewartet auf die Lahn, 

Der Mofel mi thaͤt gatien, 
Das, meint du etwa gar, 
Set für die Waſſerratten 
Am Biesboſch bin und bar? 

Laß mie daS barſche Weſen! 
Den Miſch dort wegtzeſchafft 
Sonft hol' I meinen IBefen, 


0 


Des Let Seruiurnlsaft, 
Usb fegt oben’ ale Buabe, 
Spreitt ihr eu no fo ſehr, 
Sammt Hand, Dof und Geſtade 
Dinunter euch ind leer. 
Weg mit dem Befenkielt Sthiagbäune weg! 
Gicht ani Der große, deutfipe, freie Rhein! 


4. Die guade Foelke. Biftorifches Trauerſpiel in fünf Acten 


aus der Geſchichte Ditfeiedtanhs, gon ©. A. Beinhdfer. 


Leer, Prätorius und Seyde. Gr. 8. 221), Nor. 

Sch erinnere mid, von dem naͤmlichen Verf. früher ein his 
ſtoriſches Drama gelesen zu haben, weldyes bie ruͤhmlichen Tha⸗ 
ten eines kraͤftigen oftfeiehfchen Grafen, befien Ramen mir ent- 
fallen if, behandelte. Was von jener Arbeit Eobenbes zu fagen 
wor, gilt auch von biefer, und was als Fehler dort gerügt 
werben mußte, fällt hier ebenfalls wieber als folder Leicht in 
die Augen. Der Berf. hat den beften Willen, Gutes zu leiſten; 
Talent zu bramatifcher Geflaltung wohnt ihm bei, aber Takt 
und Dräßigung oder vielmehr bad Vermögen, immerbar Maß 
zu halten, gehen ihm ab. Gr will immer recht gruͤndlich fein, 
die ichte möglichft treu wiebergeben, Weſentliches nicht auss 
Laffen, und bei ſolchem Streben verwirrt ex fi in Nebendinge, 
die er in kurzen Zwiſchenſcenen abzumadgen fucht, bamit aber 
die fortfdgeeitende Ginheit der Handlung nur flört. Wie Viele 
nor ihm, gibt er fonach bei aller Sorgfalt dramatifcher Ausar⸗ 
beitung nur bramatificte Geſchichte. Die Unthaten ber böfen 
Foelke und ihrer Helfershelfer, die uns bier erzählt werben, 
töanen in folder Faſſung niemals ein Zrauerfpiel bilden, denn 
bioßes Morden und Umbringen bat noch nichts an fi Tragi⸗ 
(yes. Hr. Beinhoͤfer erzählt uns oftfriefifche Geſchichte in Ver⸗ 
fen, theilt diefe Sefchichte in Scenen und fest da, wo feine Er⸗ 
aählung nothwendig aufhören muß, ein Punctum, indem er beis 
fügt: „Dee Vorhang fällt.” Das heißt dann ein Trauerſpiel, 
wenn bie Hauptperfonen, wie hier, zu Tode kommen. Weniger 
Ausführlicgleit, Zufammendrängung ber Begebenheiten, Entfer⸗ 
sung betaillirt erzählter Nebenbegebenheiten, die mit zwei Wor⸗ 
een zur tniß zu bringen wären, enblid weniger Worte: 
und biefer ergiebige Stoff mit feinen eigenthuͤmlichen, wennfchon 
wenig Yarten Charakteren, müßte ein vorzuͤgliches kuͤnſtleriſch 
abgerundetes Drama geben. Freilich ift es für Darſtellung fo 
abfögredtender Handlungen, wie fie bier bie Foelle, alſo ein 
Deib begeht, auf der Bühne immer mislich. Tyranniſche, graus 
famıe Weiber, die Boͤſes thun aus Luft am Boͤſen, widern uns 
en als abnorme Geſchoͤpfe Befunde Bildung will das Weib 
als ben Repräfentanten der Anmuth, Bitte und Liebenswürbig: 
teit, niemals in Geflalt eines entarteten Ungeheuers auftreten 
fehen. Was die Sprache anlangt, fo ift fie einfach, nicht ohne 
Wärme, aber doch ohne beiebende poetiſche Blut. Gelegentlich 
käßt ſich ber Werf. auch gehen und gebraucht Mebensarten all: 
bekannter Art, z. B.: 


Es gibt im Menſchenleben Augenbike, - 
io wir der Hölle näher find als fonf. 
Gegen die Wahrheit ſolcher Worte wird ſchwerlich Jemand ets 
was n, es macht aber doch immer einen unangenehmen 
Einbruck, wenn fi ein Autor fo auffallend frember Redens⸗ 
arten bedient und nichts darin dnbert als ein paar Worte. So 
gebrauchte Ausfprüce werben dann umwillkuͤrlich blos Phrafe 
and nehmen den Gharakter ber Parodie an. 
(Die Bortfegung folgt. ) 





Zur polltiſchen Seſchichte Deutſchlands. Von Karl Ha: 
zen. Stuttgart, Franckh. 1842. Gr. 8. 1 The, 
36% Nor. 

Der töbliche und große Eifer, mit dem ſich jest edle Kräfte 
der i Geſchichte zuwenden, Hatte bie Ausarbeitung 
dreier Abhandlungen des Hrn. Hagen über Deutſchland unter 


Heinxich III. und Heime IV., über Geager Hein 
und über Ulrich von Hutten in ben Jahren 138 und | 
veranlaßt. Man hatte damals geurtheilt, daß fie nicht verbien, 
ten, namenlos und unbekannt in der Zeitſchrift „Wraga” zu bleis 
ben, und fo entſchloß ſich ber Verf, fie jegt in einen Band zu 
vereinigen, aber faft unveraͤndert; nur bie Sprache follte hier 
und da verbeflert und in den Anmerkungen einige nähere Rache 
weifungen hinzugefügt werben. Wir billigen biefe neue Ausgabe 
jebenfalls und freuen uns, namentlich für die Geſchichte der Mes 
formation in Hrn. Hagen diefeiben tüchtigen Kenntniſſe, benfels 
ben unbefangenen Blid und bie gefunde Richtung und Beur⸗ 
theilung aller politifhen Dinge wahrzunehmen, bie uns aud in 
bem fpätern Werke beffelben Berf. „Deutſchlands literarifche 
und religioſe Berhältniffe im Reformationszeitalter”’ fo e⸗ 
nehm angeſprochen hat. Er verſpricht ſomit einen Erſat 
ſchoͤne Hoffnungen, die durch Ernſt Muͤnch's fruͤhzeitigen Tob 
zerſtoͤrt zu ſein ſchienen. 

‚Die erſte Abhandlung: „Der Wendepunkt ber deutſchen 
Reichsverfaſſung unter den Kaiſern Heinrich III. und Hein⸗ 
rich IV.“, enthält zuoörderft eine Entwickelung bes deutſchen 
Koͤnigthums vom Abgange ber Karolinger, ſchüdert dann bem 
Höhepunkt ber Königlichen Macht unter Heinrich II. und ſtellt 
zulegt bie Verhaͤltniſſe bar, weiche unter Heinrich IV. eine 
Wendung in der Sntwidelung bes koͤniglichen Anſehens herbei⸗ 
führten und den beutfchen Kürften bie Eroͤlichkeit ihrer Ämter 
und Würden und biermit bas Übergewicht über ben Kaiſer vers 
ſchafften. Wir können bier nicht in alles Einzelne eingehen, 
aber wir bemerken, daß die Abhandlung durch einen zuhigen 
Gang, durch gute Benugung ber Quellen und durch einen aus 
benfelben erworbenen richtigen Takt in Beurtheilung ber hers 
vorragendfien Charaktere diefer Zeit ein befonderes Intereſſe ges 
währt. Cine Elare und von den befchriebenen Thatſachen ers 
wärmte Dasftellung fleigert bafjelbe noch und muß ber Abhande 
lung, bie ſich überbies don aller Überladung mit Gitaten frei 
gehalten hat (aber bie nothwendigſten fehlen nicht) auch bei ben 
weniger gelehrten Geſchichtsfreunden zur Empfehlung gereichen. 
Bon ber patriotiichen Geſinnung bes Verf. “unter andern 
folgende Stelle am Schluſſe feiner Abhandlung ein Beweis fein: 

„Merkwürbiges Schickſal unfers Volkes) Ausgeräftet mit 
allen Kräften und Anlagen, um ein tüchtiges Gtaatsieben zu 
erſchaffen, bildet es ſich eine Zeit lang ſchoͤn und herrlich in feis 
nem Innern aus; auf bie innere Kraft geflügt, erregt es auch 

en außen eine impofante politifche Bedeutung. Da, gleich⸗ 
am die politiſche Geltung verſchmaͤhend, wirft es ſich auf ein 
geiftiges Element, in beflen Ausbildung es nicht minder groß, 
nicht minder bedeutend erfcheint. Aber indem es bies geift 
Element mit Haft und Begierde verfolgt, vergißt es fi ke 
während es durch die Entwickelung beflelben etwas für bie ganze 
Welt zu fein ſtrebt, vergißt es bie heimifchen Güter: es , 
möchte ich fagen, für die Menſchheit die Innere, politifche Größe, 
bie Nationalgröße, zum Opfer.‘ 

Die zweite Mbhanblung: „Gregor von Heimburg““, 
durch bie neuern Schriften Ranke's und Ullmann's manche & 
weiterungen in kirchlicher und retigidfee Hinficht erhalten. Aber 
es bleibt Hrn. Hagen's alleiniges Werbienft, ven merfwürbigen 
Wann aud in feiner politifhen Thaͤtigkeit und in feinem großen 
Zinfufie auf alle Öffentliche NBerhättniffe, ale Syndicus bee 


8 
ww 
mit großem Igt. 

Was ben britten Auffeg über Uri von Hutten, beffen 


pfer (ion Wiees und Paffenbes gefchrieben worben. Aber auch 
hiernach behaͤlt Hrn. Hagen's Auffag einen eigenthaͤmlichen Verth 


= 


und feine Xuseinanderfehung der Pen Berhättniffe 
Yands im Zeitalter der Reformation iſt fo Mar und bündig, 


man ben Abdrud des vorliegenden im I. 1838 gefchrichenen 


Auffages in keiner Weife misbilligen Tann. | 
An dem vierten Auffage find eine Anzahl Flugſchriſten aus 
der windsheimer Gtadtbibliothel mitgetheilt. Der Verf. feht 
in der Borrede die Wichtigkeit ſolcher Documente in bas rechte 
Licht und zeigt namentlich ihre Bedeutung für bie Kenntniß ber 
öffentlichen Meinung , zu welchem Zwecke man biefeiben bis jetzt 
noch zu wenig benugt habe Freilich müflen Schlüffe daraus 
immer mit einer gewiflen Borficht gezogen werben, ba nicht 
alle Berfaffer von Flugſchriften den Beift und bie Kraft eines 
Sunius, Horne Tooke, Sieyes, Geng und Arndt haben und 
man 3. B. unfere Zeit falſch beurtheilen würde, wenn man 
manchen vielgelefenen Brofchüren einen zu hohen, ja ausſchließ⸗ 
Yichen Werth beilegen wollte. Trotzdem verdient Hr. Hagen Dank 
x die tbeild ganz, theils ins Auszuge gegebenen Flugſchriften. 
Sie zerfallen in drei Abteilungen, deren erfte ſolche fliegende Blaͤt⸗ 
ter aus dem Reformationskriege vom 3. 1546 umfaßt. In 
ihnen erfennen wir zwei Richtungen, einmal bie der Anhänger 
der neuen Lehre, die aber auf den Wunſch hinausläuft, es möge 
der Kaiſer fi) an die Spige der neuen Ideen ftellen, den Papft 
und die Italiener aufgeben und nur auf bie deutfche Nation 
vertrauen (Rr. 1, 2), und zweitens bie der entjchiedenen und 
antikaiſerlichen Proteftanten (Nr. 2 und 3). Die Flugſchrift 
Mr. 4 ſchildert überhaupt den unglüdtichen Zuftand Deutfch 
lande. Cine zweite Abtheilung enthält Flugfchriften aus der 
zweiten Hälfte des 16 Jahrhunderts, namentlich mit Beruͤck⸗ 
fichtigung der damaligen Verbindungen Deutſchlands mit Frank⸗ 
reich und mit den Niederlanden. Denn bie Deutfchen unterflügs 
ten die franzöfifchen und niederlaͤndiſchen Calviniſten und nah⸗ 
men dabei ihre politifche Richtung an, bie weit freier war ale 
die des Lutherthums (Mr. 7 und 9), oder bie deutichen Fuͤrſten, 
Yutherifche wie tatholifche, traten mit bem Könige von Frank⸗ 
reich in Verbindung und mishilligten alle revolutionnairen Ten⸗ 
denzen (Nr. 5, 6). In der dritten Abtheilung lefen wir eine 
Anzahl Flugſchriften aus dem Dreißigjährigen Kriege, denen 
Br. Hagen eine befondere Wichtigkeit beilegt, weil ſie zur Abs 
wehr bes Vorwurfes dienen können, den Bartholb neuerdings 
den deutſchen Proteftanten gemacht hat, daß fie nämlich in je: 
nem Kriege feinen Sinn für das gemeinfame Vaterland gehabt 
haͤtten. Die Reihe dieſer Flugſchriften eröffnet der „„Discordista’‘, 
„ein aufruͤhreriſch Grinnerungs Sermon an alle Könige und 
Färften, wie fie ihre önigt Würden und fürfttiche Hohheiten 
erhaiten können”, vol fcharfer Vorwürfe an die Yürften wegen 
fhrer „Unwiffenheit, Unbefonnenpeit und Zrägbeit im Regimente‘, 
und voll warmer Ermahnung, durch beffere® Regieren einem „po⸗ 
pularifchen (d. h. demokratifchen) Regimente” vorzubeugen, das 
fo fehr um fi zu greifen anfinge. Die kleine Schrift iſt fehr 
lebhaft und mit guter Kenntniß der bamaligen Zuftände geſchrie⸗ 
ben. Die folgenden Klugfchriften tragen, wie Hr. Hagen richtig 
hervorgehoben hat, durchaus ein patriotiſches Gepraͤge, indem 
fie 1) entſchieden auf @eiten der Proteftanten find und ben 
Kaiſer angreifen, well ex die Gpanier in das Land führt und 
die Gewiffensfreigeit unterdrücdt, wie Nr. 11, 32, 135 2) die 
Religion ganz bei Seite laſſen und obſchon gut proteftantifch 
nur bas gemeine Baterland vor Augen haben, wie Nr. 14, 15; 
8) bie proteftantifchen Kürften wegen der Verbindung mit aus⸗ 
Iämbifchen Fuͤrſten tabeln und fie Rebellen gegen ihre Kaifer 
nennen; fo im erften Kalle wegen ber Berhältniffe der Union 
zu Ehriſtian IV. von Dänemark, und im legten wegen der Er⸗ 
hebung Kurfürft Friedrich's von der Pfalz zum boͤhmiſchen Koͤ⸗ 
38 wie Rr. 165 4) endlich einen offenbaren Anſchluß an ben 
König 


von Schweden als das befte Mittel zur Rettung des 


Baterlandes empfehlen, wie Rr. 17. Die lestgenannte Flug: 
ſchrift fcheint uns befonbers wichtig ald die Stimme eines ein- 
fadyen, verfländigen Mannes und eine geeignete Abwehr gegen 
Seo, der ben ig Guſtav Adolf einer „Icheußlichen, empoͤ⸗ 
senden Einmiſchung in die deutfchen Angelegenheiten‘ beſchuldigt 


—8 ber univerſalgeſhichee⸗ 


genannt hat („Geſchi 
Man hätte wuͤnſchen koͤnnen, daß Hrn. Rommel, der gegen ben 
legten mit fo männlicher Gefinnung bite deutſche Sache vertreten 
hat („Göttinger gelehrten Anzeigen”, 1642, Ar. 20), hierbei bie 
Kenntniß biefes ſchwediſchen Fernglaſes“, wie der Zitel ber 
Flugſchrift Tautet, nicht entgangen wäre. 9, 





kiterarifde Notiz. 


Louis Reybaud, Bruber des Mebartsurs vom „Con- 
stitutionnel”, ift nicht nur einer ber geiſtrei jungen Schrift 


fieler Frankreichs, fondern auch namentlich einer von denen, 
deren flets bereite Feder vor keinem Gegenftanbe zuruͤckſchrect 


So erhalten wir faſt zu gleicher Zeit von ihm eine Schrift 
über die Marqueſasinſeln, den zweiten Theil feiner werthvollen 
„Btudes sur les reformateurs contemporains‘, unb bie Fort⸗ 
fegung feines komiſchen Romans ,‚„‚Jeröme Paturot & la 
recherche d’une question sociale’, Diefer Roman, ber zuerft 
vom „National’’ mitgetheilt warb, und auf ben wir gleich 
anfangs in d. Bl. aufmerffam gemacht haben, erregte fo großes 
Auffehen und fand einen fo ungetheilten Beifall, dab ber Verf. 
die kleine Skizze immer mehr erweiterte und feinem Romane 
ein Gapiteldhen nach dem andern hinzufügte. Auf biefe Art 
find aus den wenigen Bogen, auf die er anfangs gerednet 
batte, drei mäßige Bände geworden. Indeſſen hat das Ja: 
tereffe darunter nicht gelitten, denn der Verf. hat das Werk 
ganz auf biefelbe witzige und geiſtreiche Art durchzuführen 
gewußt, bie gleich anfangs bemfelben eine fo große Anfmerkfam- 
teit zulenkte, wie fie ein Feuilleton-Roman, mit dem man fi 
eine Biertelflunde amufirt unb der dann vergeffen wirb, nur 
fetten findet. Reybaud entfaltet in feinem komiſchen Romane 
namentlich auf dem Gebiete der Raturwiſſenſchaften einen uner- 
fhöpflihen Schag einzelner Kenntniffe und erinnert in, diefer 
Besiebung an Sean Paul, mit dem er inbeflen im Übrigen 
nicht die entferntefte Verwandtſchaft hat. Dies tritt befonbers 
in einer Scene hervor, wo er uns einer Sigung ber Académie 
des sciences beimohnen läßt, und wo er einige verkehrte Rich 
tungen ber gegenwärtigen Wiffenfchaft mit dem fchonungstofeften 
Spotte geißelt. Noch deutlicher Tpricht für den umfang feiner 
Kenntniffe und für bie Schärfe feiner Keitil das andere Wert, 
deflen wir oben gebadyt Haben. Wir meinen feine „Etudes sur 
les reformateurs contemporains”, von dem einzelne Stuͤcke in 
der „Revue des deux mondes” erfchienen waren und bas von 
ber Alabemte als eine ber widtigften Schriften der neuern Zeit 
gekrönt iſt. Drei Auflagen, die in ſchneller Folge vom erften 
Bande vergriffen find, haben dies Urtheil befldtigt. Der zweite 
Theil, ber eben bie Prefle verläßt, bürfte an Interefſſe dem 
Anfange bes Werkes nicht nachſtehen. Reybaud untenwirft in 
biefem Bande bie Sommuniften, bie Shartiften unb Utilitarier 
einer firengen, aber gerechten Keitil. Bon befonderm Werthe 
ift die Ginleitung, mit ber er bie Zortfegung feines Werkes 
eröffnet, und bie wenigftens ihrem wefentlidhen Inhalte nach 
bereit# in ber „Revue des deux mondes“, zu beren fleiigften 
Mitarbeitern Reybaub gehört, abgebrudt war. Gr ſpricht in 
berfelben von ber Gefellfichaft im Allgemeinen und insbefondere 
vom Socialismus. Überall thut fi) eine Ruhe und Mäßigung 
fund, wie man fie von einem Sournaliften des „„National’’, für 
ben er fortwährend fchreibt, nicht erwarten ſollte. Freilich bat 
man ihn auch ſchon von gewiffen Geiten der Ütantelträgerei 
gezieben. Bon feinen leichtern Arbeiten auf bem Gebiete bes 
Feuilletons, die wir in leßterer Zeit gelefen haben, erwähnen wir 
eine kleine Novelle „Marie’’, bie vor kurzem der „Constitu- 
tionnel’’ gebracht bat. Sie fpielte in den: Stürmen ber fran⸗ 
sofifchen Revolution und enthielt ganz glänzende Partien. Ras 
mentiih maren Babeuf und feine Todesgenoſſen meifterhaft 
gezeichnet. 2. 


Verantwortlicher Herausgeber: Heinrich Brockhaus. — Drud und Verlag von F. A. Brochaus in Leipzig. 





Stimtter 


für 


Literarifhe Unterhaltung. 


Donnerstag, 








Erſter Artikel. 
(Bortfetung aus Mr. 182.) 

9. Königin Brunhild. Hiſtoriſches Trauesfpiel in fünf Acten, 
von Rudolf Dtto Sonfentius. Karisruhe, Madlot. 
1842. ®&. 8. 1 hir. 

Dichter und Propheten follen einander dergeftalt gleichen, 
daB Dichterworte von Bielen ale Propbetenausfprüce verehrt 
werben. Ic gehöre von Baus aus unter bie Gerngläubigen, 
jekt aber glaube ich weber gern, noch etwas mehr. Auch die 
Dichter find gang orbinaire Lügner, und Schiller, der Allver⸗ 
ehrte, jährtich mit Toaſten und Zweckeſſen Geieierte, ſteht unter 
ihnen oben an! Hat er nicht gefungen: „Nur der Irrthum if 
das Leben, und das Willen ift ber Lob’? Glaube dieſen Wor: 
ten, wer es Tann, ich bin nicht im Stande, nachdem ich ‚„„Rös 
nigin Brunhild⸗ und des Hrn. Verf. Widmung an Lubwig 
Tieck gelefen babe. 
fh Hr Conſentius flarf im Irrthume und als dürfte biefer 
fatale Irrthum bie einfache Urſache zu feinem früher ober ſpaͤ⸗ 
tee erfoigenden Tode ald bramatifcher Dichter fein. Gr ift 
nämlidy der Meinung, daß er in diefer fogenannten Tragöbie 
etwas ganz abſonderlich Gutes gelelftet habe, und legt zum Bes 
weiſe —* hohen BVerſtaͤndniſſes in dramatiſchen Dingen ein 
Glaubensbekenntniß ab, das gegen alle uͤbrigen Dramendichter, 
gegen Theater und Publicum nichts weniger als hoͤflich lautet. 


Da heißt es: „Die Zeit hat ſich den Zopf wieder angelegt, ſtatt 


des Schönen verlangt fie das Pikante und Kokette, ſtatt des 
naturfräftig Großen das niedlih Kante, und ftatt ber erhebens 
den und göttlichen Wahrheit ber Poefle die platte, nervenanres 
gende, fpießbürgertiche, bettelarme Wirklichkeit, flatt der befcheis 
denen Ziefe — 28* Charakteriſtik vage Gentenzen, ſtatt ber 
einfachen, uͤberwaͤltigenden Sprache bie fugenannte ſchoͤne, doch 
in ber That charakterloſe Sprache. Ach, würbiger Derr, wenn 
ih manchmal im Theater fide, und es werben Stuͤcke aufges 
führt, die weniger Talentloſigkeit des Dice als vielmehr die 
fündhafte Richtung beffelben zeigen, und ich vor Arger auflachen 
möchte, bann wende ich mich von ber Bühne ab, und, indem 
mein Ohr nicht taub für die wunderlichen Klänge unb Ideen 
von ber Bühne her ift, betrachte id mir das Yublicum. Es 
ift ein herzzerreißender Aunblick, wenn man bie füßtiche Freude 
des Publicums flieht, biefe hinſchmelzende Freude darüber, daß 
ihr Geſchmack im buftenden Kursen immer tiefer in den Moraft 
gefahren wird.” Derb und kraͤftigl Ich habe nichts gegen 
biefe Behauptungen, ich flimme ihnen vielmehr bei, allein i 

verlange von Einem, ‚ber fo entfchieben ‚gegen Falſches und Ber 
—* eifert, daß er als Selbſtſchaffender etwas Beſſeres 
und Gediegenexes gebe. Run muß ich aber bekennen, daß ich 
mir noch immier lieber das jeht auf ber Bühne Dominirende 
anfehen,, auch leſen will, als den bombaftifhen Schwulft, ben 
dr. Gonfentius ats hiſteriſche Maſertve angeſehen wiffen 


Es kommt mir nämli vor, als befände |’ 


möchte. Diefe Meuflertvagsbienveitesei wird ſchwerlich Bewuns 
berer finden. Es ſteht Darin Alles auf Schrauben, geht auf 


es fo hergeht, denn bie Geſchichte Brunhildens ift eine fo bobens 
los abfcheuliche, von wibderlichften, unmatürtichften Schanbthaten 
befleckte, daß nicht viel Zartheit hineingebracht merben Tann. 
Wozu aber ein folcdhes Sujet wählen? GTcht dichterifcher Sinn 
fcheut vor ſolchem Blutpfuhl zuruͤck oder wirft, zieht ihn wirk⸗ 
li ein bedeutender Charakter an, all das Haͤßliche über Bord, 
um Gchönes zu fchaffen. Davon hat ungeachtet langen Redens 
in bee erwähnten Vorrede über Kunſt, Kunftform, Schönheit, 
biftorifche Tragoͤdie u. f. w. der Autor keinen Begriff. Ihm 
jcheint,, wie hundert Andern, Abfchreibung ober Umfchreibung 
ber Gefchichte im Drama hHiftorifch zu fein. Bei folder Unklar⸗ 
beit find dann beffere Producte nicht zu erwarten, um fo wes 
niger, als ber Verf. dem Vorworte nad) über fein Thun und 
Wollen Ear zu fein behauptet. Werfehtt, gezwungen unb in 
endlofe Perioden verzerrt {ft auch großentheils feine Sprache, 
wieder eine Folge von falfcher Auffaflung Shakſpeare's! Man 
re gti den erflen Sag, König Ehilperich’s Anrede an feine 
afalten : 


Ihr Kranken und Vaſallen, feld gegräßt! 

Gh Bühne Klugheit und zum Sinnen nöthigt, 
Denn Kübnheit fobert meine hohe Abkunft 
As Ehrenantheil, Klugheit meine Schwaͤche, 
Die ſchweigend zufah, aid die Brüber Frankreich 
Bertheilten und bad kleinſte Loos mir gaben, 

- Doc die, der Luft gleich, welche windſtill bruͤtet, 
Wenn die Natur der Dinge es erlanbt, 
In Sturm fih wanbelt, bruͤll'ade Wogen geifelt 
Un) Gihen von den Muttermurzein ahreißt, 
Da Zwang und Klugheit angeborne Kraft 


20.2 
. . 


Kur feffelten: eh’, was ich fagte, Har wird 
Und ungebindert unfern Gel durchſchreitet, 
SBernehmt den Grund, weshalb ich Giubovens, 
Mein Weib bis jett, verkoße, uud die Tochter 


Dei «6 Athanagilb, 
—2Bx Shhweſter, Galaſwintha Bier, 
Sum Weibe nehme. 


In dieſer Weiſe, deren Leichte Faßlichkeit Jedermann gebuͤhrend 
bewundern wird, laſſen ſich Helden und Heldinnen dieſes Mord⸗ 
gemaͤldes haͤufig vernehmen. Gluͤcklicherweiſe verzichtet der Verf. 
auf die Ehre der Darfellung, fobaß er in dieſer Hinficht nicht 
bitterlich getäufcht werden Tann. Sollte er bie Hoffnung ge: 
nähert haben, feine Arbeit von Vielen gelefen zu feben, fo ſteht 
freitih zu fürchten, daß manchen andern Taͤuſchungen auch diefe 











fich noch zugefellen bürfte. 
6. Sapphire. Zrauerfpiel in fünf Abtheilungen, nebft einigen 
tleinern Gebichten, von 6. 2. teren Gans, Edier 


Herr zu Putlig. Berlin, Nicolai. 1842. Gr. 8. 2512gr. 

Abermals ein Vorwort mit allerhand Bemerkungen über 
antike ımb moderne Tragbbie, über Chor und Kothurn, über 
Einheit der Handlung u. f. f. Neues erfährt barin Niemand, 
es müßte benn das allerdings beachtenswerthe Faetum fein, daß 
der Hr. Berf. uns verräth, mie lange Zeit zwiſchen Ausarbeis 
- rung feiner Tragödie und deren Beroͤffentlichung verfioflen ift 
naͤmlich 3 Jahre. Das tft eine häbfche Beit, in ber fi au 
ein Gedicht ablagern kann, wenn's nämlich eins iſt. Ohne nur 
dem ebein Deren gu Yutlig gu nahe treten zu wollen, muß ich 
feinee Arbeit doch allen poetiſchen Werth abfpredgen. „Sap⸗ 
phira” iſt eine einfache, reiht verftändige, aber trockene Arbeit, 
die man mit Intereffe lieſt und die wol auch auf dem Theater 
ſich einigen Beifall erwerben koͤnnte, wenn das Yublicum nicht 
etwa in einem einzigen Punkte leicht ſchwierig zu werben pflegte. 
Sapphira naͤmlich, bie ſchoͤne Gattin eines Kaufmanns zu 
Nymwegen, ergibt ih, um ben unrechtmäßig verhafteten Ge⸗ 
mahl vom Tode zu retten, feinem lüflernen Richter. Nach dem 
fürchterligen Opfer erfährt fie erſt, daß fie betrogen und ihr 
Gatte fchon längft im er ermordet worden if. Die Ger 
täufchte fieht um Gerechtigkeit bei Kari dem Kühnen, erhält fie 
auch, töbtet ſich aber aus Lebensüberbruß und Scham durch 
Gift. Diefe Begebenheit ift ohne Anftößigkeit dramatiſch vor: 
getragen, dennoch aber bleibt ein ihr unangenehmer Beigeſchmack, 
der wehefäeintid auch bei der Darftelung nicht ganz wuͤrde 
ausgetilgt werben können. Die Charaktere find confequent und 
entfchieden gehalten, die Sprache tft einfach, ar und correct, 
ohne allen poetifchen Schmud. Die beigegebenen Dichtungen, 
theils Original, theits Übertragungen, gehören nicht hierher, wes⸗ 
halb fie nur erwähnt werben mögen, ohne daß ein Urtheil über 
Werth ober Unwerth berfelben gefällt werben foll. 


7. Gin weiblidhes Herz. Dramatifches Gedicht in fünf Aufl 
gm, von Theodor Stamm. Stuttgart, Gotta. 1842. 

. 1 pie. 15 Nor. 

Auf dem Zitelblatt wirb bemerkt, daß biefes Gedicht auf 
bem 8. €. Hofburgtheater zu Wien aufgeführt worden fei. In 
vorliegender Geftalt Tann dies unmöglich gefchehen fein, da es 
ein gewöhnliches bühnengerechtes Drama feiner Ausbehnung nad) 
wol zweimal umfaßt. Es wäre wuͤnſchenswerth gewefen, ber 
Berf. Hätte ben Bühnenauszug brudeen laffen, wir hätten dann 
den reinen ſchoͤnen Kern, nicht zugleich fo viel Schale mit er 

alten, bie, wenn fie auch an a nicht zu tabeln iſt, doch bas 

erftänbniß gar zu fehr erfchwert. Die hingebende aufopfernde 
Liebe eines weiblichen Herzens ift ber Grundton, ben der Dich⸗ 
tee in ge Theil gelungenen Bartationen preift und ſchildert. 
Diefe Bariationen beftehen hier in einem Wirrfal von wunder⸗ 
baren Schickſalen, die oft wenig Wahrſcheinlichkeit für ſich ha⸗ 
ben. Doch find fie mit einem fo reichen Aufwand poetifcher 
Mittel ausgeftattet, daß man allenfalls baräber binwegfehen 
Tann. Schwer dagegen möchte es fein, uͤberſichtliche Klarheit 
in das Dunkel der Geſchicke zu beingen, die ſich bier wie 


wer 


+ 






ggewaͤchſe burdkeinanber 
auf Dariegung ber Gefchichte 
Peund lehnt und zu Xnfang bes 15. 
dem Boden i 


Mauren in 


charun 

find immer poetiſch und einen Beweis für feine Befaͤhigung Tier 
fert die ſprachliche Kaffung, die er Gedanken und E gen 
zu geben weiß. Bier floßen wir auf Perien reinften Waſſers, 
auf Bilder und Gedanken von burchfichtiger Zartheit, ſodaß e# 
fih wol der Mühe lohnt, die Leſer d. Bi. Auszüge 
auf die Schönheiten eined Gebichts, das wahrfcheinfich für die 
Zukunft ber ‚Dasfellung entrüdt bieiben wird, aufmerkfam zu 
machen. Der Verf. iſt vorzugsmeife otächtich in Schilderung 
harter Gefühle, und in Liebern, orientaliſcher Yhantafie ent: 
prungen. Das Bruchſtuͤck eines ſolchen lieblichen Gefanges mag 


bier folgen : 

Hariri, blonder Schenke, 

Du zechteſt mi ſchon krank; 
Willſ du, daß ich geſunde, 

So rei’ von deinem Munbe 
Den friſchen Lebenstrank. 
Hariri, Schelm ber Schelme 
Dein ſchwarzer, feuchter Stern, 
Was fol dein luͤſtern Winken? 
3% Tann ihn doch nit trinken, 
Und traͤnk' ihn doch fo gern. 

Komm ber und fe’ dich nicber, 
Necht Enapp Bier auf mein Knte; 
Der Drud der weidhen Glieber, 
Der Gruß ber Augenlider 
SR fhön’te Harmonie, 
as Hafie’ Melodie. 

Du holbe Rofenknospe, 

Dir wird das Der, fon bang! 
Was thuſt du auch fo fpröde? 
I freite dich ſchon lang. 

Shen Lange fire’ ich fehnend 
Die Singer nach dir aus, 
Umſchwaͤrm', wir Bienen, tönenb 
Dein duftig rothes 6 

Laß mich den Honig 
Auf deinem muf’fhen & 
Die Lippen, bie erboften, 
Sind boppelt füß und rund. 

Was wollen fie au ſchmolle 
Dos Schmollen matt fie bleich y 
Da fie doch täffen follen, 1 
So thu' es lieber gleich. 


Eins der zarteſten Geſpraͤche zwiſchen eiebenben‘ * von Dich⸗ 








tern erſonnen worden ſind, moͤchte folgendes ſein 


Ceſar. 
Wie Eonnt' ich Hoffen auf die hoͤchſte Hulb, i 
In bie für bih zu leben? h 
Baibde. 
Wink du da#? 
Du wählte ein gefaͤhrlich Haus. 


Gefer. 
Gewiß! 
Die Lilie baut ihr Tufı'ges Silberzelt 
Fr Elfen nur — drum Ente ich auf die Schetle 
Demäthig Hin und fieh’ ein Troͤpfchen Thau. 


Baide. 
Bat (Sept ihm ben Binger auf bie Eisen) 5 






009 
Se fun. ' 2 immer am weiteften 
SIE bu fo Sarg? Autor und Ik sn dermuthen — —— 
Beide ernft fein möge, als er ſtelt. Wie trivial bei allem 


unb du fo alnmerfatt? 


. Gefer. 
Kuna In mi ſchnachten ſehn? Mic buͤrſtet ſehr. 
3aide. 
Da weis ich keinen Rath! 
Gefar. 
Ich wi dich ehren, 
Was mid bie Biene lehrte. 
Zaide. 
Kun? 
Gefer. 
Sie trintt 
Den Tüblen Tropfen von der Blum‘. (Kkpt fie.) 
Baide, 
Unb bann? 


Ceſar. 
Berrittt fie Honig aus dem Raub. (Umſchlingt fie.)] 
Balibe. 
Du bil 
Gar ſchnell aus einem Schüler Lehrer worden ! 
Nun höre, was die Huge Blume thut, 
Denn fie der Schmetterling umfhwärmt, 
Sefar, 
Nun? 
Batde. 
Sie ſchaͤttelt ihren Kelch und gießt den Thau 
Auf ihres Freiers gleißend bunte Flügel. 
(Macht ſich los und entflieht.) 


An einem andern Orte fagt baffelbe Mädchen, indem fie ihren hei« | 


denmüthigen Bruder bekränzt, mit geſchwiſterlicher Zärtlichkeit: 

So! biefen Kranz für deine Heldenſtirn! 

So kraͤnz' id; di zu meinem treuen Ritter, 

Und biefe Kette ſchling' ich ſchmeichelnd bir 

Um deinen flolgen Nacken — (umſchlingt ihn mit ben Armen) 

Wirk du fie 

Auch gerne tragen? Und das Roſenblatt 

Leg’ ich auf beine ernfien braunen Wangen, (kuͤßt ihn) 

Wenn du verſprichſt zu laͤcheln. 
In ſolchen Bildern liebender Zaͤrtlichkeit und Anmuth iſt der 
Berf. ungewöhnlich reich und gluͤcklich. Um fo ſtoͤrender find 
dagegen einzelne Eigenthuͤmlichkeiten im Sprachgebrauch, bie 
über bie Befugniß poetifcher Licenz hinausgehen unb deren ex 
ſich fpäterhin enthalten möge. &o fagt er immer, auch wo 
eine leichte Anderung des Verſes es vermeiben Eönnte: 

BWas Iaunte Euch, die wilde Naht zu haufen u. f. w. 


für: was kam Sud in den Ginn, oder welche Laune trieb Cuch 
hinaus. Und anderswo : 

Der Eine pfauet in des Königs Purpur, 
was wie ein Pfau einherfchreiten bebeuten fol. So Leicht 
ber en fo willkuͤrlicher Ausdruͤcke zu errathen ift, fo entſchie⸗ 
den mäffen wir uns body dagegen erklären, ald gegen gar zu 
grobe Weleidigungen grammatikalifcher Regeln. 


8. ulrich von Hutten. Gin Drama in fünf Aufzägen, von ®. 
Bottfhall Königsberg, Theile. 1843. 8. 1 Zhtr. 

urich von Hutten's Schickſale find ein bantenswerther Bor: 
wurf für ein Drama, in jegiger Zeit doppelt dankenswerth, 
weit fie gleich jenem ebeln Freimuͤthigen der Vorzeit oft ver: 
fotgt und von Gcergen matt gehest wird. Hr. Gottſchall hat 
den beften Willen, er wuͤrde aber Beſſeres geleiftet haben bei 
Sinwegiaffung bes vielen Bombaſtes und der Schlagreime, bie 
freitich mittelmäßige Scaufpieler für bie fogenannten Abgänge 
fehe lieb haben. Das Drama kommt bei er Ginfachheit 


Schwulſt Eingt es, wenn der Xutor fagt: 
D Eniet nicht betenb am ben alten Lebchen, 
Die ber VBerwefung Geier fon umkreiſt; 
Geſpenſter müflen vor dem Licht entweichen, 
Und ewig fliegt und ewig herrſcht der Weiß. 


Quuptmomente des Dramas fint Hutten's Biebe zu Konftantia 
Peuttinger, feine Bucht, Biſchof Lambert's len des 
Kitters unb Entführung Konftantia’s, Pewstinger’s Belehrung 
von feinem Pfr Unglauben an ber Reblichleit Hutten’s und 
deſſen endlicher Tod. Einzelne Scenen find dramatifch gebadht, 
in der Ausführung aber meiftentheils miöglüdt, was aud von 
bem Ganzen gilt. Erhebend find Hutten's legte Worte. Schlimm 
genug, daß wir fie auch heute noch wahr nennen muͤſſen! 
— — Ich fuͤhl's, es naht die legte Stunde, 
Ich bin ohnmädtig, und es ſtirbt ber Geiſt 
Dem Körper nach! — 
Du Alpenglähn der Freihelt! 
Bann ſchlingſt du deiner Rofen Kranz 
In unverweitiih ew'ger Glorie 
Dem Genius bed deutfhen Bolks ums Haupt? 
Wie lange Iohat die ed’ien Kämpfer noch 
Einfamer Job und Bann und Schmach und Ketten? 
Zus noch nicht Beit, o Schidfait Hat das Grunhern 
Su früh von feinen hohen, lichten Triften. 
Ind bumpfe Thal ben neuen Tag verkündet? 
BaR ſcheint es fo; doch wir, die wird geahnt, 
Und vorgsfühlt im beißen Drang ber Bruft, 
Was einfiend kommen mirb und kommen muß, 
Wir athemloſe Voten einer ſchoͤnern Kukunſt, 
Bir finken nicht vergebens in das Grab. — — 
Des Wortes Flocke, bie wir aufgeläbert, 
Wird zur Lawine, und fie flurst wit Donnern 
Dinab auf bie BiwingsUris der Tyrannen. 
9. Fauſt. Ein dramatifches Gedicht von C. St. Ezilsky. 
Dalle, Heynemann. 1843. 8. “en Nor. i ’ 
Schade, daß Goethe biefen „Fauſt“ nicht noch erlebt Hat! 
Er würde zweifelsohne mancherlei ihm Heil⸗ und Foͤrderſames 
daraus gelernt haben, als ba fein bürfte: weiſe Benugung der 


Pläne Afıberer, was freilich Spötter auch lächerliches Carikiren 
fremder Gedanken nennen koͤnnen; ferner die Kunft neuer, kuͤh⸗ 


ner, nie dagewefener Reime, obwol in dieſem Fa on das 
Menfchenmögliche geleiftet worben ift u. ſ. f. Pig A mir, 
Hrn. Cailkp's „Fauſt“ anatomiſch zu zerlegen, man wuͤrde ſich 
nur dabei langweilen, und Kunft, Poeſie und Äftpetit Eönnten 
wirklich nichtE gewinnen. Die Kühnbeit Czilsky ſcher Reime 
und Wortfhwingungen verbient aber alle Anerkennung, und um 
ihm diefe vor Aller Augen In vollftem Maße zu Theil werben 
zu laffen, lege ich folgende Prachtftellen, die ſich Leicht verhun⸗ 
bertfältigen ließen, einem Eunfllichenben, poetifch gefinnten Pu⸗ 
blicum vor. Alſo Nr. 1: 
Denn in meiner Seel’, der wilden, 

Regt fih menfhlih noch ein Binn. 

Ma; ber kalte Weltenlenker 

Seiner Debpotie fi freun, 

Mag der ſchwarze Wefenhenter 

Seiner Marterluſt fih weihn. 
Nr. 83: Ich ließ die Wilde in bie Berne gleiten, 

Weit ſchweiften fie bis an ben bödften Äther; 

Ich ſah die Wollen mit ſich krampfhaft ftrelten, 

Und lauſchte ber Natur geheimem Seter. 
Mr. 3: AG der Glutſtrom aller Sonnenfphären 

Zuckt aus Ihrer Lippen lichtem Roſenſchaum, — 

Majeſtaͤtiſch ſpruͤhn der Gel’gen Wonnen 

Bon der KRönigäfien der Holden himmelauf! 





@aähn wie Wiraicanb ner im Gtrmeninf. i 


D wolle mich erdräden 
Sn deinem Arm 


Ne. 42 


So liebewarm! 


D koͤnnt' mieln Aug' vernicken 
An deinen Bilden ! 


BSicher water feinem Wiägel, 
Bie die Welt in Naht gericht 
Und zerſchmitzt im Gotteätlegel. 
D nein, kein Traum? Go Meß ih ihr ben Speer 
Durch ihrer Bruͤſte reichen Silberberge 
Bis in dad Ders fie feufzte tief und ſchwer, 
Und ſank zuräd, wie jest. 
An ihres Buſens hochgewoͤlbtem Nachen, 
Der wie ein Deean auf und nieder ſchwellt, 
Will ich des Weltgerichtes Dräun verlachen. 


Gott erhalte dem armen Fauſt frine fünf Sinne an dieſem Bus 
fenocean, Hrn. Gzilsky aber verleihe er gnäbig etwas Ges 
ſchmack, bevor diefer kuͤhne Kaufl:Dichter, der und feine Poefien 
mit beiden Zäuften ins Geſicht Ichlägt, dem Yublicum noch eins 
mal mit feiner unflätigen Muſe einen Beſuch abflattet. 

(Der Beschluß folgt.) 


Ne. 7: 





Bibliographie. | 
Aſchenbrenner, M., Über die nothwendige Loͤfung des 
Widerſtreites des particulariſtiſchen Kirchenglaubens mit ber vom 
Staate zugeficherten GBlaubensfreipeit und mit der im deutfchen 
Bunde garantierten Gleichheit der Rechte ber chriſtlichen Gonfefr 
fionen. Mit kritiſchen Reflerionen über ben angeblichen Wider: 
ftreit des Chriſtenthums age die moderne Philofophle. Darm⸗ 
ſtadt, Lese. Er. 8. Nor. 

Bibliothek der neuern Geſchichte. Sammlung der vorzüg« 
Uchften -Befchichtöfchreiber vom Anfange des 16. Jahrhunderts 
bis auf bie Gegenwart. In Verbindung mit mehren Geſchichts⸗ 
‚foeihen und Gefchichtöfreunden herausgegeben von P. H. Kuͤlb. 

fter Theil: Francesco Guicciardini's Geſchichte Italiens. Aus 
den Italieniſchen von E. Sander. Ifter Band. Iftes 
und Res Heft. Darmftadt, Reste. Gr. 8. A Heft 15 Nur. . 

Das lebende Bildnis. Luftfpiel in drei Aufzügen. Nach 
dem Branzdfifchen bearbeitet duch 2. V. G. Karlsruge, Mack⸗ 
tot. Gr. 8. Nor. ' 

Britannia. Eine Auswahl englifcher Dichtungen alter un 
neuer Zeit. Ins Deutfche überfegt von Louife v. Ploens 
nies. Mit beigebrucktem Originaltert. Frankfurt a. M., Schmeri 
ber. Gr. 12. 2 hie. 5 Near. 

Doctor Robin. Luſtſpiel in einem Aufzuge. Nach dem 
Beanpfigen bearbeitet dburh 2. V. G. Karisruhe, Madtot; 

r. 8. 


gr. 
Eyth E., Gedichte. Stuttgart, Belfer. 8. 1Thir. 
Baber, G., Politifche Predigten gehalten im Jahre 1843 
auf verfdhiebenen Dee der Hauptſtadt *** eipzig, Engels 
bir. 


mann. Gr. 8. 
öte verbeſſerte und 


* 


Gebauer, A., Chriſtliche Gedichte. 
vermehrte Auflage. Mannheim, Loͤffler. 8. 22%, Nor. 
Die Gerichtsordnung für das Oberappellationsgericht ber 
vier freien Städte Deutſchlande, nebft den darauf bezüglichen 


Beleten der eingelnen Städte und ben allgemeinen Verfügungen |. 
es 


. Desaußgegeben unb erläutert von F. Blume. 
Damburg, 8. Perthes. Gr. 8. | 

Gelee über. bie Berfoffung und Verwaltung der Gemein; 
den, unb Gefeg ‚Aber bie Rechte ‚ber Gemeinbebürger und bie 
Erwerbung bes VBuͤrgerrechts. Amtliche Ausgabe. Karlsruhe, 
Macklot. Er. 8, 7N4 Ror. 
Bournerie, 8. de la, Das chriſtliche Rom, ober hiftos 


Und es lebe, was ba if, ‘ 


ri Gemätde chriſkuichen — und Denkmaͤler Roms. 
—* von 3 Mälter. Iſter d. Feanſurt a. M. 
Andreaͤ. Gr. 1 hlr. 

Grofmann, 6. ©. L., be zur Weihe ber Schweden⸗ 
fahne, die 3 ein Koͤnigliches k der Bäder 
fanung zu Beipgig Buftan II. Aboif 3631 Huibreich verchrt und 
Kart XIV. Johann 1842 gnäbig erneuert. Nebſt einer Abbil 
bang bee Schwedenfahne in 4. einzig, Schreck. Ge. 8. 


Hagemeifter, 3. v., Des Rohrzuckers Erzeugung, Ber 
brauch und Verhältnis zum Htäbenzuder. Gin flaatswirtbfchafts 
licher Verſuch. Berlin, Dunder und Humblot. Lex.. 22%, Nor, 

Hammer-Purgstall, Geschichte der Ilchane, das 
ist der Mongolen in Persien. Mit neun Beilagen und 
1 ammtafeln. ter Band. Darmstadt, Leske. Gr. 8, 

r. 
Heſekiel, G., Süpouetten von Berlin und ber Umgegend. 


Berlin, Athendum. 8 . 
iche Gebicht gr Auflage. Zwei 


Knapp, %., Ghriftt e. 
Bände. Baſel, Neukirch. 8. 1 hir. 10 | 

Kruse, F., Necrolivonica, oder Altertkümer Liv-, 
Esth- und Curlands bis zur Einführung der christlichen 
Religion in den Kaiserlich Russischen Ostsee-Gouvernements, 
zusammengestellt und historisch erläutert in einem unter- 
thänigsten Generalberichte über seine auf Allerböchsten Be- 
fehl im J. 1839 ausgeführte archäologische Untersuchungs- 
reise nebst mehren wissenschaftlichen Excursen uud vielen 
Lithographie und Alterthümern, Plänen und Karten. Dor- 
pat 1842. Fol. 10 Thir. 

Lambrusckhint, A., Polemifdhe Differtation über die uns 
befleckte Empfaͤngniß Mariaͤ. Aus dem Italleniſchen überfegt 
von M. Zuͤrcher. Schaffhauſen, Hurter. Gr. 12. 7%, Ror. 

Sicht und Schatten aus einem Dichterieben. Berlin, Athes 
ndum. 8.36%, Nur. 

Lindenburg, A. @ v., Leyerklaͤnge aus Tirol. Stutt⸗ 
gart, Ebner und Eeubert. 8. 1 Ale. 

Löwe, B., Bebihte. Stuttgart, Franckh. 8. 1Xhtr. 6 Nar. 

"Maria Schweidler, Die Bernfteinhere. Der interef- 
fantefte aller bisher bekannten Oexenproceſſe, nach einer defec⸗ 
ten Handſchrift ihres Waters, des Pfarrers Abraham Schweid⸗ 
ter in Coſerow auf Ufebom herausgegeben von W. Meinhold. 
Berlin, Dunder und Humblot. 8. 1 Thlr. 15 Ngr. 

Martialis, Marcus Valerius, als Menfh und Dichter. 
Nebft Andeutungen zur Kenntniß einiger von den Spigrammen 
deffelben vorhandenen Überfegungen in beutfcher und franzoͤſiſcher 
Sprache. Berlin, Ende. 8. Nor. 

Meifterwerke dramatiſcher Poeſie. Herausgegeben und mit 
äfthetifchen Abhandlungen ausgeftattet von DO. Marbach. Iftes 
Bändchen: König Didipus von Sophokles. Bearbeitet und er: 
läutert von D. Marbach. Reipzig, Kranke. Kt. 8. 15 Ngr. 

Die Memoiren des Gatand. Lnftfpiel in drei Xufzügen. 
Nach dem Boangöftfihen bearbeitet vom 2. B. G. - Karlörube, 
Madiot. 1842. Gr. 8. 124, Nor. 

Menzel's, W., Sefchichte der Deutichen bis auf bie 
neueften Tage. Ate sumgearbeitete Ausgabe in einem Manbe. 
In zwei Abtheilungen. Stuttgart, Gotta. Lex⸗Form. 9 Thir. 

Schmidt, X., Beleuchtung ber neuen Schelling'ſchen Lehre 
von Seiten ber Philofophie und Theologie. Nebft Darftelung 
und Kritik der früheren Schelling’fdgen Philoſophie, und einer 
Apologie der Metaphyſik, insbefondere der Hegel'ſchen gegen 
Sarling und Zrenbeienburg. Berlin, Athenaͤum. Gr. 8. 1 il. 

3 re. 

Struͤmpell, Die Paͤdagogik der Phklofophen Kant, Fichte, 
Herbart. Gin Überbiid. - Braunſchweig, Lelbrock. Gr. 8. 
1 Thir. 7% Nor. 

Wachsmuth. W., Hellenische Alterthumskunde. Ste 


‚Auflage. Itses Heft. Halle, Schwetschke und Sohn. Gr. 8, 


15 Neger. . 


Verantwortlicher Herausgeber: Heinrih Brokhaus. — Drud und Verlag von J. U. Broddaus in Beipzis. 


Blätter 


- | fir 


literarifde Unterhaltung. 





Sreitag, 





Die deamatifche Literatur der Deutfchen im 
Jahr 1842. 


Erſter Artktitkel. 
( Beſchluß aus Rr. 194.) 


10. Atellanen. Dramatiſche Arbeiten von Rapp: Fodias 
lis. Smeite Sammlung. Stuttgart, Gotta. 1842. 16, 
1 Thle. 15 Nor. 

Den Anfang diefer Sammlung macht eine fünfactige Tra⸗ 
göbie „Buflan Abolf‘‘, die viel Gelungenes enthält; vornehm⸗ 
“ iſt lobend zu erwaͤhnen, daß der Verf. ein nicht uͤbles Bild 

dem wuſten Leben und Treiben ber entarteten Soldateska 
jener — Zeit entworfen bat. Überhaupt find die Volks—⸗ 
fcenen bie beuveitem beften Partien bed Dramas, wo aber ber 
Bere und mit ihm bie gäng und gebe noble Redeweiſe eintritt, 
er gewoͤhnlich, ſelbſt Charakteriſtik ber Perſonen bilft hier 
nicht Immer auf. Wie viele vor ihm, fellt er ben Herzog von 
Sauenburg als muthmaßlichen Mörber Guſtav Adolf's auf. lim 
de liebe Zeit kuͤmmert Hr. Rapp» Zovialis wenig. Chris 
Kine, Abolfs Tochter, tritt ſchon vor ber Schlacht bei Küken 
als erwachfene Sungfrau und hoͤchſt Eühne Neiterin auf. Anas 
anberer Art kommen fpäter noch häufig vor, eine 
Freiheit, Die ex ſich zugleich mit der wunderlichen Orthographie, 
beren ex ſich befleißigt, herausnimmt. Etwas gar zu überflüffig 
finde ich Vie legzte Dlung des Priefters, die an bem flerbenden 
Yappenheim vollzogen wird. Der Verf. hat einige Goldaten« 
lieber eingeflodgten,, bie ben Kriegswirrwar recht gut vergegens 
Gins bavon heißt : 


Herr Weimar ift ein ſtarker Held, 
Er liegt im Wett und wir im Welb, 
Wir theilen uns, wie's Gott gefällt, 
Er ſtiehlt und die Ehre, wie ibm’d Selb. 
Lig’ er im Heu und ih Im Belt, 
&o wären die Sachen baß beſtellt. 
Das ift die Lumperei der Welt, 
Ein Wunder, wies no sufammenpält. 


Das Lufifpiel „Des Kaifers Zorn‘ ift unbebeutend. Der alts 
deutſche Humor, ber fih berin breit maden will, bat weber 
Saft noch Kraft. Der zünmende Kaifer it Karl V., ben cin 
R — lutheriſch Geſinnte ihm Argeriich⸗ 
Dinge ſagen, aufbringt. Die Verſoͤhnung laͤßt jedoch nicht 
lange auf fi) warten. Ganz unbegreiflich bleibt es mir, wie 
ed einem geſcheiten Mann einfallen Tann, Goethes „Sgmont‘ 
ne Goethe —— bearbeiten. Soll die hier gebotene 
Bearbeitung eine Berbeſſerung fein ober eine bloße Cinri 
iz die Bhaen? Ich weiß es nit! Nur fo wie kbe jr ein, 
baf die angebradgten Binfchieblet hoͤchſt uͤberfluͤſſig d ie fallen, 
weife —— GBoethe’fcher Proſa kein Meiſt 
en verlorene Wäpe ift. 


4: 


He 


f 


11. g )n ſeu⸗ und Rauſikaa. Trauerſpiel in fünf Aufzuͤgen vom 
Goethe. Sin Groänzun soecfuh von ‚Deinzit —X 
Duͤſſeldorf, Boͤtticher. 117 
Bon Ausführung der Din N En Hin ig kein 
Freund, am wenigften dann, wenn der binterlaffene Plan einem 
Geiſte erſter Groͤße den Urfprung verbanlte. Wan bennt bis 
Ausführung von Dramen nach Schilier’fchem Entwurfe, die, ob⸗ 
fon mit vielem Weiße bearbeitet und fogar unter bie Supple⸗ 
mentbände von —— Werten aufgenommen , doch — 
weiter nichts beweiſen als das Muͤhen einer ſchwaͤchern Kr 
es bem unerreichbar Großen in nachahmender, — * 
Gebanken⸗ und Formbildung gleich zu thun. While gewagt muß 
nun ein foldyes Unternehmen erſt bei Goette erſcheinen, deſſen 
antite Ruhe und Durdbringung jeglichen &toffe weit fgwerer, 
wenn überhaupt je, nachzubiiden iſt, als bie an Klang und 
Schall fih nur zu fehr bindende und mit ihnen tiebäugelnbe 
Diction Schiller’s! Indeß ift fchon ein ſoichet Wagniß aller 
Beachtung werth, und ſo ging ich denn mit vielem — 
obwol mit mancherlei Befuͤrchtungen an bie Lecture dieſes Er 
gangungeverfuche, das rüdgelaffene Fragment bes ——*X 
ntwurfs vor mir. Ich freue mich, geſtehen zu koͤnnen, daß 
ich mich getäufcht habe, daß ich von ber bier gegebenen Auss 
führung überrafcht worden bin. Wem Goethe's urfprüngliches 
Fragment nicht geläufig if, wer überhaupt nicht eines bis 
in die — Falten Goethe'fchen Denbens eingedrungenen 
Vertrautheit mit biefem Heros deutſcher Poeſie ſich ruͤhmen 
kann, der moͤchte, wuͤrde ihm die hier vorliegende Ergaͤnzung 
als hinierlaffene⸗ Werk des großen Dichters geboten, Ir Leicht 
getäufcht werben koͤnnen. Angeſtrengtes Aufmerken läßt aller 
dings die frembe Bildungskraft erfennen, aber fie if eo leife 
verwifcht, fo überaus kuͤnſtlich verſteckt, daß es an vielen Stel⸗ 
ten ſehr ſchwer fällt, fie nicht Goethe zuſchreiben zu follen. 
Dies zeugt von einem feltenen Nachahmungstalente, das unters 
ſtuͤzt und in vorliegendem alle gefleigert wird durch gründliche 
Bildung und Bertrautheit des Nachahmenden mit griechiſchem 
Geiſt, griechiſcher Sitte, griechiſcher Dichtungeweiſe. Und fo 
macht die Tragoͤdie einen durchaus angenehmen Eindruck, wie 
alles wahrhaft Schoͤne und Erhabene. Nach den widerwaͤrtigen 
Aufregungen, bie immer Folge ber Anſchauung ſelbſt beſſerer 
Dramen der Neuzeit find, iſt es wohlthuend und erquidenb, ſich 
genießenb auszuruben unter bem Schirmdach antiker Einfachheit. 
Es ift etwas Großes um bie Klare, vollendete Plaſtik der Alten 
und mag bie moderne Geſittung, ber ſich wanbelnbe Gelmad 
von heute noch fo Biel En bee Einfachheit und Ruhe eifern, 
ihre überwältigende Dad auf ben Gebildeten wird fie nun und 
nimmer brechen können. Vichoff bat ben von Goethe angebeus 
teten Entwurf giemlih * als Bafis feines Ausbauẽ bei⸗ 
behalten. Rach biefem kommt Obyſſeus, vom Sturm verfchlas 
en, zum Könige ber Phaͤaken, in geriumpter Kleidung. Nau⸗ 
a, des e Rönige Tochter, erblicht bem Brrmbling seh am 
blichender Mann 


ir hand, wie ein fo 
in fo —— ice einherſchreiten Eaun. Dbnfliens ſoricht 


fe an, Nauſikaa fendet iym neue Gewaͤnder, mit denen anges 
than der Held, jet von Athene verflärt und verjängt, wieder 
vor Raufilaa tritt, die, von fo viel Majeftät überwältigt, durch 
Wort und Bid Odyſſeus verräth, daß fie ihn liebt. Odyſſeus 
kommt nun in den Palaſt, erzähit Alkinoos feine Abenteuer, wirb 
aber von ben Pärften, die um Nauſtkaa freien, für einem Luͤg⸗ 
ner gehalten. Ihr Höhnifches Wetragen bricht offen los bei aus 
gefagtem Kampfipiel. Odyſſeus, dadurch gekraͤnkt, fodert alle 
Färften zum Wettlampf heraus und wirft bie fchwerfte Scheibe 
weit über das geftedite Ziel. Die Höhnenven verflummen, Raus 
ſikaa's Geſchick aber ift damit entfchieden. Alkinoos bringt in 
den Frembling und begehrt, feinen Namen zu erfahren. Odyſ⸗ 
feus nennt fih. Da es nun befannt wirb, daß er vermaͤhlt ift 
und Raufllaa keinem der Freier ihre Hand reichen will, befchließt 
fie, zu flerben und ftürzt fih vom Felſen herab ins Meer. Ge: 
ſchagt von Alkinoos und Pallas Athene verläßt Obyffeus unans 
getaftet, aber in tiefe Trauer verfenkt, die Infel der Phaͤaken. 
Ein günftiged Urtheil verlangt ebenfo wohl wie ein hartes 
Belege, und fo gebe ich nachſtehend einige Proben, bie gewiß 
dazu beitragen werben, für das ne empfängliche Gemuͤther 
ur diefen heitern Dichtungsverſuch aufmerkſam zu machen. 
Dpyffeus begehrt von Nauſikaa zu erfahren, woran er ben Pa⸗ 
laſt ihres Vaters erkennen könne? Darauf Nauſikaa: 
— Gr if durch Glanz und Groͤße leicht 
Grlennbar. Silbern ſtrahlt dad Doppelthor, 
Bon Erz erglänzt die Mauer, um und um 
Mit blauem Stahl gefimf; am Eingang ſtehn 
Wachſame goldne Rüden, von der Hand 
Des Feuergottes anmuthvoll gebllbet. 
Doch haſt du nun den vielgeſchmuͤckten Saal 
Erreiät, wo mit den Zürften der Phaͤaken . 
Alttnoos, glei einem Gott, fih freut, 
Dann wende dich zunähf an meine Mutter, 
Arete, die beim Glanz bed Fenerheerded, 
An hoher Säule angelehnt, ben feinen 
Meerpurpurfarb’gen Baden kunſtvoll fpinnt. 
Ganz in würbiger Haltung der Alten brauft Odyſſeus im Zorne 
auf bei dem Zweifel der Kürften an feiner edein ‚Herkunft: 
— — Beim Beust! IH will 
Die zeigen, daß ich nicht, wie bu geſchwatzt, 
Ein Krämer bin! Kommt an! In jeder Art 
Des Kampfes ſteh' ich euch, ſei's in dem Ringen, 
Sei's in dem Fauflkampf, in dem Wurffpießfchleubern, 
Sei's in ber Kunſt, des Bogens Kraft zu ſparen, 
Und ſcharf zu richten nach entferntem Siel. 
Ya, ſelbſt in Sprung und Wettlauf wag' ich's aoch 
Mit euch, ob Hunger auch und grimm'ge Meerflut 
Graunvoll verwuͤſtet meiner Glieder Staͤrke. 
Richt minder einfach ruͤhrend iſt bie Erzaͤhuung Curymeduſa's 
von Rauſikaa's Tode; 
Jabeß ich, ſchreckergriffen, mit dem Ruf: 
Unſel'ge, was beginnſt du ? mich erhebe, 
Sreögt fie — entſetlich anzuſchaun — ein Sprung 
Den Rand hinüber weg aus meinen Blicken. 
Mit Jugendſchnelle ſtuͤrmt mein ſchwacher Buß 
Hinauf zum Abbang, da erbildt’ ih fie — 
D nimmer wird vor meinem Aug’ bied Bilb 
Berloͤſchen? unten tief erblid® ich fie, 
Im Wellengrab, noch von ber Flut getragen, 
Auf duͤſtrer Woge lag der fihnee'ge Arm, 
Das bleiche, ſchoͤne Haupt, fanft wie im Schlummer. 
Sie flug no einmal ihr gefhloffen Auge 
Empor, und blidte, wie erflaunt, baß fie 
Noch lebe, Yımmelmärtd, gewahrte mid 
Und wintte mir ein Lebewohl — ein letztes; 
Denn braufend wälste fi ein Waſſerhuͤgel 
Heran und überbedite fie. 
Auch ein Lieb ballfpielender Jungfrauen iſt nach Form und Ins 
Hatt im Sinne der Alten und barf ats wohlgelungen bezeichnet 


erden. Rur die erfie Strophe möge zum Gchluffe noch hler 


Auf, ihr biäbenden Jungfraun! 
Sählingt den froͤhlichen Heigentenz ! 


Fliege ber zierli geſchwungene Ball 

Klug gezielt und burtig erfaßt ! 

Und zu der Tritte geregeltem Schall \ 
Toͤne der Bither melodiſcher Klang, 

Zöne das herzerquickende Lieb ! 


Eine heitere Stunde pflegt man durch teübe Eindrüde 
nicht gern zu unterbrechen. Deshalb fei mit diefer Gabe 
eines Haren, durchgebildeten Geiftes der erfte Artikel über 
diesjährige dramatifche Probucte geſchloſſen.“) 09, 


Der zroeite Puniſche Krieg und der Kriegsplan der Karthager. 
Eine Hiftorifch: politifche Vorarbeit zu einer Geſchichte 
des zweiten Punifchen Kriegs von Ludwig Freiherrn v. 
Binde Berlin, Beffer. 1841. Gr. 8. 1 Chir. 15 Nor. 


Leider ſchlimm genug. aber wahr iſt es, ba man in un- 
fern Zagen ſich freuen muß, wenn ein Gelehrter bie noch vor 
wenigen Jahrzehnden unbeftrittene Größe eines alten "Schrift: 
flellere anerkennt. Der Freih. vo. Binde hat Ref. biefe Freude 
gemacht. Durchaus belegt das Buch bes Verf. einſichtevollen 
Nefpect für Polybius, ben ein anderer Schriftſteller — wer 
den Namen zu erfahren für der Mühe werth daͤlt, kann ihn 
ſchwarz auf weiß ©. 56 n. 2 abgebrudt Iefen — einen echte 
Selhicte zu ſchreiben unfähigen Sophiften nennt, deſſen Prag 
matik er wuͤnſcht in Schulen der Polptechnit und Inbuftie wer 
wiefen zu feben. Nicht minder erfreulich war es Mef., daß 
Hr. von Binde glei in ben erften Beilen bes Buchs mit ge 
bührendem Anertenntniffe den Ramen Heeren's ausfpricht, über 
den herzuziehen hin und wieder ber neueften Zeit als das erftt 
Probeſtuͤck hiſtoriſcher Tuͤchtigkeit zu gelten fcheint. Hiermit 
waͤre im Allgemeinen ausgeſprochen und zugleich belegt, daß ein 
Lefer, welcher Ref. altvaͤteriſch zu werden drohende Anfichten 
thellt, die vorliegende Schrift nicht anders ala mit Achtung und 
Woblwollen für den Hrn. Verf. wird leſen koͤnnen. Der ange 
nehmen Obliegenheit, diefelbe Öffentlich zu befprechen, glaubt Ref. 
nicht beſſer genägen zu Tönnen, als indem er vor allen Dingen 
den fubjectiven Standpunkt bezeichnet, von bem aus fi und 
Andern er im Stande iſt, von bem Gindrude Rechenſchaft zu 
geben, den die Eecture der Schrift auf ihn gemacht hat. Ref. 
iſt nit Militaie und mit keinem dem Militaie als ſolchem noͤ⸗ 
thigen Wiffen ausgeſtattet. Eben um beswillen aber glaubt er 
an feinen Beruf, ale Repräfentant desjenigen Yublicums zu 
ſprechen, das bee Hr. Berf. im Xuge hatte, welcher, indem er 

TI, n. 2, die Begriffe Strategie und Taktik, Operations 
object und Dperationsfubiect ‚ Sommunicationslinie und Operas 
tionsbafis erläutert, deutlich zu erfennen gibt, daß fein Merk 
für das größere und nicht blos für das militairifche Publicum 
ſoll gefchrieben fein. Die Sache felbft anlangend, ſcheint es 
zweckdienlich, die Anfichten darzulegen, welche Ref. zu der Lec⸗ 
ture bereits mitbrachte, und fobann über die Berichtigung unb 
Vervollftändigung zu fpredden, die in jenen Anſichten burdy 
vorliegende Schrift möchte entflanden fein. 

Wer ein befonderes Intereffe dem zweiten PYunifchen Kriege 
um deswillen beilegt, weil bie durch und durch von roͤmiſchen 
Elementen durchdrungene Bilbung ber mobernen Zeit eine durch⸗ 
aus andere wäre, wenn Karthago geflegt und Rome welthiſto⸗ 
riſchen Einfluß im Keim zerftört Hätte und weil, worauf wir 
weiter unten zurüdtommen werben, «ben in biefem Kriege Rom 
durch eine Art von Wunder dem Untergange entzogen blieb, muß 


ber Kichtigkeit beider Bemerkungen ungeadgtet body auch zuge: 
°) Der zweite Artikel folgt im Monat September. D. Reb. 


ven, dab man dab Mänstiche von gar wieken Momenten ber roͤ⸗ 
i te ſagen kamm. BVielmehr beruht, was unſere 
Aufwmertiamtrit fo maͤchtig feffeit, zunaͤchſt auf der Bröße des 
Schauplatzes immenſer Kraftentwickeiungen, von denen wir als 
einziges Beiſpiel hier nur ben Umſtand anführen, daß keint 
engliſche Imbartation je ſolche ungeheure Truppenmaſſen auf 
einmal über das Meer geſeht hat und auch uͤberzuſeten ſchwer⸗ 
lich vermocht haͤtte, als Rom und Karthago in jenem denkwuͤr⸗ 
digſten Kriege, mehe aber noch auf der hohen moraliſchen Kraft 
und der gigantesten Charaktergroͤße, bie in eben biefem Kriege 
ia immer wedhfelnder Entſcheidung das gegenfeitige Können und 
Bermögen erprobten. Was begreifen wir, was iſt uns Kar, 
nachdem wir bie altberübmten, jene Greigniffe und Perfonen 
ſchiidernden Geſchichtswerke gelefen haben? Folgendes: 
Kom mußte in Italien beſiegt werben. Denn kein auch 
noch fo vollſtaͤndiger Sieg in Spanien oder Sicilien brach bie 
der roͤmiſchen Herrſchaft inwohnende einheimifche Energie. Das 
gegen minderte jeder in Italien erfochtene Sieg nidyt nur Rome 
Hütfsmittel,, fondern verftärkte die Macht Karthagos, dem alds 
dann mit Roms Suprematie miszufriebene italtenifche Staͤdte 
und WBötkerfchaften fi zuwenden mußten. Ob, wenn Rome 
Herrſchaft über Italien vernichtet war, alsdann die Stadt 
ſeibſt fit, das war politifch genommen eine unwefentlidye Frage, 
Die des Siegers Maͤßigung oder Rachedurſt beliebig entſcheiden 
mochte. Jedoch iſt aber auch andererfeits gewiß, Roms italies 
niſche Außenmacht zu bewältigen war entbehrlich, ja verkehrt, 
fobald men bie &tadt felbft vernichten Eonnte. Mußte nun 
alfo Karthago ein zu bem Kriege mit Rom angemeflen großes 
Heer nady Italien verfegen, fo waren dazu nur zwei Wege gegeben. 
Der zur Gere war der Pürzefte und an fich fehr wohl prafticas 
bei; denn hinreichende Transportmittel flanden ben Karthagern 
zu Gebote. Jedoch mit einer römifchen Flotte auf dem Mittels 
meere zufammenftoßend konnte die Expedition zu nichte gemacht 
werben, denn bereits ber erſte Punifche Krieg hatte bie Römer 
gelehrt, mindeftens gleiche Macht und Tüchtigkeit ber kartha⸗ 
giſchen auch zur See entgegenzuftellen, und war biefe Er: 
pebition verloren, dann war eẽ hoͤchſt wahrſcheinlich auch alle 
und jede Ausficht auf eine legte günftige Entfcheidung des Kriegs. 
Sodann führte der Seeweg zwar am kuͤrzeſten und fchnellften 
nach Italien, nicht aber auch zunaͤchſt in Mitten jener Voͤlker⸗ 
flämme, deren Übertritt auf ber Karthager Geite am ſicher⸗ 
ſten voxauäzufegen war und, wenn er erfolgte, ihnen bie gegen 
Bkom erbittextfien und tapferfien Bundesgenoffen zuführte. Der 
oon Spanien aus über die Alpen gegebene Längfte Weg war 
ungleich ſicherer. Daß das Unternehmen auf diefem Wege ger 
lingen mußte, weil die Römer nicht an deſſen Möglichkeit dach⸗ 
ten, bat ber Erfolg bewiefen, und die Alpen überftiegen bes 
fand man fi in dem cisalpinifchen, erwünjchte Bundesgenoſſen⸗ 
fcyaft verfprecdenden Gallien. Diefe Anfichten hat der keines 
militairifhen Scharfblickes, ja nicht mit den geringflen militais 
riſchen Kenntuiffen begabte ef. fich gebildet, als er zum erſten 
Male den Lioius und Polyblus las. Daher iſt er der Mei 
nung, das Alles Liege fo ziemlich auf flacher Dand, und mehr 
als er brauche von Workenntniffen Niemand zu jenen Schrift 
ſtellern mitzubringen, um ſich eine im Weſentlichen ber bes 
Ref beiftimmende Überzeugung zu bilden. Demnach ficlt ex 
dem lrtheile bes Lefers anheim, ob eine fonderliche neue An: 
ſicht vor und aufgethan wird, wenn ber Dr. Verf. den Inder 
griff des karthagifchen Kriegäplanes S. 117-1379 in folgen 
ven Worten zufammenfaßt: „Der neue Kampf wider Rom 
follte Diesmal von der Landmacht begonnen, und burdy fie auch 
der Hauptſache nach geführt und entichieden werben. Gin kar⸗ 
thagiſch⸗ſpaniſches Heer follte von Spanien aus zu Lande durch 
Gallien und über die Alpen in das cisalpinifche Gallien einfats 
ven; von bier aus durch wiederholte, ben Römern beizubrin« 
gende Niederlagen nicht allein ben Weg nach Unteritatien fi 
bahnen , fonbern auch dadurch, fowie durch die gegen bie roͤmi⸗ 
ſchen Bundesgenoffen zu verfolgende Politik, diefe legtern theils 
zum offenen Abfalle von Atom, theild wenigſtens zu feindfeligen 


Geftunungen wider daſſeibe verleiten, und fo In unteritalien 
ſich mititaiciſch feftfegen. Bugleich ſollten durch Die Siege bier 
ſes Heeres ſowol die, auf Rum laͤngſt eifexfächtigen und deurch 
feine wachſende Macht erſchreckten, benachbarten Staaten, wie 
Macebonien und Syrakus, zum Kriege wider Kom, als auch 
die, früher Karthago unterworfenen und ihm theilweife nodp 
ergebenen Infels Gicitien und Sardinien sum Abfalle von Rom 
bewogen werben. Wäre auf biefe Weile Rom ringsum von 
Beinden umgeben unb materiell und moraliſch auf das tieffte ex» 
fehkttert, dann follte ein zweites karthagiſch⸗ fpanifches Beer 
aus demſelben Sande und auf bemfeiben Wege in Rorbitalien 
einfallen und in Wereinigung mit dem bereits in Gäbitalien 
ſtehenden Roms Madıt gänzlich vernichten. Die karthagiſche 
Seemacht ſollte ſich lediglich auf Unterflügung dee Operationen 
der Landmacht befchränten. Cie follte zur Behauptung ber 
Herrſchaft über bie Baleariſchen Inſeln und das Meer an der 
Suͤd⸗ und Oſtkuͤſte Spaniens, im Übrigen aber, mit Vermei⸗ 
dung aller größern Seetreffen, nur zum Beinen Seekriege und 
dagu benupt werden, bie nothwendigen Gommunicationen mit 
dev Landmacht zu unterhalten, ſowie nach Sichien, Garbinien 
und Statien ſelbſt diejenigen Verſtaͤrkungen an Truppen, Bors 
räthen und Geld hinüberzuführen,, deren man dort für militaie 
riſche Zwecke etwa bedürfen würbe, deren möglicher Veriuſt auf 
dem Meere aber für den Ausgang bes Kriegs felbft und im 
Ganzen von keiner entfcheibenden Wichtigkeit fein konnte.” 

Was wir hier leſen, das ift nach den vorausgefchickten Bes 
merkungen weder in bes Witttaire noch in des Laien Augen 
ein frappant neues Reſultat. Somit können wir aber auch 
keinen ſehr ausgezeichneten Werth auf die Forſchungen, durch 
bie dies Refultat iſt gewonnen worden, und auf bie Methode in 
Darftellung beffelben legen. 

‚Seht zu Dem, was Ref. unbegreiftich in ber Geſchichte des 
weiten Punifchen Kriege iſt. Wie war es möglich, daß bie in 
tatten fetbft fo hart von Hannibal bebrängten Römer fi ents 

Schließen konnten und immerfort bie Mittel dazu hatten, auf 
mehrfachen Punkten außerhatb Italien den Krieg mit großen 
Streitkräften zu führen? Daß Ref. das vorliegende Werk hier 
über keinen Auffchiuß gibt, dies bärfte ber Hr Verf. wol nur 
unausreichend damit entfchuldigen Fönnen, daß er den Feldzug, " 
fogufagen von dem Farthagiihen Standpunkte aus betradye 
tet hat. unbegreiflich iſt ferner auch Ref., was bisher den 
Hiftorilern und Militairs entweder ſchlechthin unbegreiftich ges 
weien, ober, wenn fie es begreifiih machen wollten, von 
ihnen überaus ſchlecht erklärt werben ift, warum naͤmlich Dans 
nibal auf dem Gchlachtfeide von Cannaͤ des Maharbal Rath 
verwarf, unmittelbar auf Rom zu marſchiren? Denn ben obens 
bemerften Kriegsplan dann noch zu verfolgen, als es möglich 
war, Rom ſelbſt unmittelbar zu vernidhten, erſcheint als 
bethoͤrt hartnädiges Feſthalten an vorgefaßten Entwürfen. 
Welcher Verftändige möchte ben weitern Weg alsdann noch 
verfolgen, wenn in Berfolgung bdeffelben ihm die @ewißheit ents 
gegentritt, das nämliche Ziel auf kuͤrzerm und barum noch ſiche⸗ 
rerm Wege erlangen zu können? Daß der unmittelbare Marich 
auf Rom biefer kuͤrzeſte und ficherfte Weg war, bas wirb dem 
Ref., der ſich Hierbei auf bie auch von dem Hrn. Verf. S. 353 
angeführten Worte Napoleon’s beruft: „BS'il eut marché, six 
jours apres il était dans Rome, et Carthage &tait maitresse 
du monde ”, fowol der Eriegsfundige als kriegsunkundige Leſer 
zugeben, und entbehrlich fcheint es, über diefen Fehler Hannibal’, 
der an Wichtigkeit des dadurch verabfäumten Erfolgs vielleicht 
alle Fehler übertrifft, bie je von Feldherren find gemacht wor: 
den, die Deduction zu wieberholen, durch welche S. 351—357 
der Hr. Verf. beoeii, daß jene Berabfdumung, mittich ein Feh⸗ 
ler war. Merkwuͤrdig iſt e8 aber, wie S. 357—359 der Fehr 
fer auch wieder zu keinem Fehler gemacht, vielmehr auf eine 
Art pſychologiſcher Nothwendigkeit fol zurädgeführt werben: 
„Richt darüber hätte man flreiten und grübeln follen: ob Dans 
nibal, als er nach der Schlacht bei Sannd nicht auf Rom rückte, 
dadurch einen Fehler beging, ober nicht? Denn die Beantıwors 


nad) allgemeinen foot als auch beſen⸗ 
jagen» ausfallen. 
VWol aber Hätte man, und das wollen wir jest, verſuchen fols 
len, dis Urfachen, weiche biefen Fehler herbeiführten, zu ermits 
tsin, und fo ben letztern zu erklären. Es würde, bünkt mie, 
eine Beleibigung gegen bas Andenken bes großen Feldherrn fein, 
wollte man jene vorhin erwähnten, in militeirifcher Hinſicht 
fo wenig haltbaren, unb ähnliche Gründe als motirende Ge⸗ 
danken ihm unterlegen. Wo ein Hannibal fehlte, muß ein ties 
lexer Grund vorhanden geweien fein. Diefer Grund, ich nehme 
keinen Anftand, es offen auszufprechen, war fein anderer, als 
fein eigener, an fich fo weile berechneter Kriegsplan.“ 

„Als fi Hannibal bei Gannd In Schlachterbnung flellte, 
tonnte er nad) feinem Kriegsplane nichts weiter bezwecken, al 
eimmal: durch einen Gieg in Italien ſich zu behaupten, und fox 
dann durch den Abfall von Unteritalien feine mititairifche Feſt⸗ 
fegung in biefem legtern Lande endlich zu Stande zu bringen. 
Eine Beendigung bed ganzen Kriegs bagegen durch die zu lie 
feende Schlacht und die Groberung von Rom mußten damals 
Kangtich außerhalb feines Geſichtskreiſes Liegen, da beide erſt 
durch die Ankunft feines Bruders mit dem fpanifchen Heere 

( führt werben folten. Dur das, auch bie kuͤhnſten 
Hoffnungen weit übertreffende Refultat diefer Schlacht ward 
Hannibal nun auf einmal unb wiber alle feine frübern Berech⸗ 
nungen in die Lage verfeht, daß er, was er erft im Bereine 
mit feinem Bruder auszuführen gedacht hatte, jest allein, wenn 
er es nur wollte und ben günfligen Augenblick raſch benugte, 
ausführen fonnte und mußte.” 

„Aber Ideen und Plane, weldye man Jahre hindurch ges 
egt, verfolgt und bis zu unumftößlichen Grunbfägen ausgebil- 
et bat, gibt gerade ber ungewöhnliche Menfch ſchwer, auf ber 

Stelle faſt nie auf. Zudem Isbt in Demjenigen, welcher, im 
Bewußtfein feiner Größe, es fühlt, daß fein Geiſt den Ereig⸗ 
niffen die Bahn vorfchreibt und ihren Lauf mit zwingender 
‚Gewalt im voraus beitimmt, eine mächtige innere Stimme, 
weiche dawider fich firäubt, aud das Guͤnſtigſte mehr oder wes 
niger dem Glüde und nicht vielmehr ber weifen Berechnung 
verdanken zu müflen; unb weiche zugleich, voll bes Gefuͤhis der 
eigenen Überlegenheit, ſich bawiber auflehnt, felbft die heilſam⸗ 
ften Ideen nicht felbft zu erzeugen, fondern fie von andern, 
geiftig niedriger Stehenden zu empfangen.” 

„Baht man biefe tiefbegründete pfychologifche Wahrheit ins 
Auge, dann wird man es ger wohl begreifen können, wie Dan: 
nibat durch den Rath des Maharbal zugleich Üüberrafcht und uns 
angenehm berührt werden mußte, und aus beiden Gründen fi 
außer Stande befand, die ihm vorgeltragene Idee fogleich zu 
foffen und auszuführen. Ihm war, wie Livius, zwar in ben 
tiefeen Motiven irrend, fonft aber ganz richtig ſich ausdrüdt, 
die Sache zu froh und zu groß, als daß er fie fogleich zu fafs 
fen vermodt hätte. Sicherlich würde er (denn was war für 
diefen Geift zu fchwer und zu Eühn?) diefe Idee nicht allein 
als der Erfte von Allen gefaßt, fonbern fie auch mit Kraft und 
Raſchheit ausgeführt haben, wenn er mit bem Plane, allein 
und nur duch fein Heer Rom zu vernichten, über die Alpen 
geftiegen wäre; und gerabe fein Benehmen auf dem Schlacht: 
felde von Cannaͤ ift vielleicht ber flärkfte Beweis für die Nic: 
tigkeit der bier entwickelten Anſicht von feinem Kriegsplane.“ 

Man lefe die Worte fo oft man will, das endliche Reſul⸗ 
tat bleibt fein anderes, als Bannibal wollte nit auf Für: 
zeftem und fücherftem Wege fein Biel erreichen, weil er es als⸗ 
dann auf einem andern ald dem Wege erreicht hätte, ben er 
fih anfänglich vorgefegt hatte; mit andern Worten: Hannibal 
war nun einmal eigenfinnia. Des großen Mannes Ehre befler 
rettend, als es durch bes Hrn. v. Binde Expoſition gefchieht 
und pſychologiſch wahrer und begreiflicdher find die von dieſem 
getabelten Worte bes Livius: „NHannibali nimis laeta res est 
visa, majorque quam ut cam statim animo capere posset’', 
Worte, bie uns mit bem Gefühle durchdringen, daß Roms 
Weltherrſchaft über den Sternen von jener Macht befchloffen 


Ginne alfo verwirrte unb bienbete, P Kriegäplen 
verfolgend, weitern Greigniflen a ec a weiche de 





Piterarifche Notizen aus Frankreich. 


dr. Gh. Liaditres ift eine der größten Rullitäten, weilche 
bie neuere frangöflidhe Literatur aufzuweiſen hat. Dies Yiabert 
ipn nicht, bei Hofe eine bedeutende Rolle zu fpielen, in ber 
Kammer, wo er gewoͤhnlich nur die Rede nimmt, wenn von 
ben Subventionen der Theater gefprochen wird, auf den Bänten 
bes Gentrums zu figen und mit Ehren und Schmeicheleien aller 
Art überfchüttet zu werden. Leider refpectirt das große Yus 
blicum ben Ruhm, ben er ald Dichter bei der hoben Arifkokratie 
genießt, nur in einem geringen Maße, und feine langweiligen 
Tragoͤdien würden ſchwerlich dem traurigen Schicifate, ausge: 
pfiffen zu werben, entgangen fein, wenn nicht bie Societe 
d’encouragement, die ehrenwerthe Claque, oder L’armde des 
Romains, bem eiteln Dichter für ſchweres Geld wenigftens einen 
ephemeren Triumph geſichert hätte. Jetzt kommt er nun mit 
einer mächtigen Gefammtausgabe feiner Werke angerüdt, bie 
jeden Zweifel an feinem @enie nieberfchlagen fol. Der 
heil, mit bem bie Galerie feiner Theaterſtuͤcke eröffnet wich, 
enthält die beiden Tragödien „Conradin” und „‚Walstein”, 
fprechende Zeugen feines Mangel an Poefie, und feine epiſche 
Didtung „Diocletian”, bie an Langweiligkeit feinen übrigen 
Schoͤpfungen nicht nachſteht. Wahrſcheinlich wird Hr. Liabitres 
fih um einen Sig in der Academie francaise bewerben. 


Wir hab ——— Werke. 

ir haben einige ungen von dem herrlichen er⸗ 
werke „L'Irlande au LNième — von 3. An? “ 
Geſicht befommen, welche die Hoffnungen, die wir bei der erften 
Ankuͤndigung biefes Werkes ausfprachen, glänzend erfüllen. Alte 
Unternehmungen von Gurmer, dem befannten Berleger ber 
„Erangais peints par eux- memes‘, bes „Jardin des plantes“ 
u. f. w. find aufs prächtigfte ausgeftattet, und ihr Text ver: 
dient — was bei folchen Werken fchon feltener ber Fall ik — 
eine fo glänzende Ausftattung. Etwa als ein Geitenftüd zu 
biefer illuſtrirten Beſchreibung Irlands iſt ein in Heften er 
ſcheinendes Wert zu betrachten, das bei Bourdin erfcheinen 
wird und in dem wir in bie fchöne Provence eingeführt werben 
folen. Der Zitel deſſelben lautet: „La Provence ilustree, 


‚ou precis de l’histoire de la Provence depuis l’occupation 


romaine jusqu’ä nos jours.“ Sein Umfang tft auf 20 kLiefe⸗ 
rungen berechnet. Als Verf. des Textes iſt I. Janin, ber 
allzeit Fertige, genannt. 2. 





Literarifhe Anzeige. 


Bei F. A. Brockhaus in Le 
unb in an Buchhandlungen zu a 308 iſt nes erſchienen 


Die altenburgiſche Landwirthſchaft 
in hHrem gegenwärtigen Zuſtande. 
Mit beſonderer Beruͤckſichtigung ihrer Nebenzweige und 
der agratiſchen Geſetzgebung, dargeſtellt von 
iam Esbe. 
Gr. 8. Geh. 1 The. 15 Nor. 
Diefe auf viel ielle Mittheilu i 
gang beſonderes Suter Air —2 Pag —* Bere 
fammlung der deutſchen Land⸗ unb Borftwirtpe, 
bie dies Jahr in Altenburg flattfinbet, zu befuchen gebenken. 


Berantwortlicher Deraubgeber: Deinrig Broddaus. — Drud und Berlag von F. U. Brodhand in Eeipsig. 
. TEL 


Ip 


BIä’tter 


für 


Sonnabend, 


literariſche Unterhaltung. 





Die Strauß'ſchen Zerwürfniffe in Zuͤrich von 1839. 
Zur Gefchichte des Proteflantismus. Bon Hein: 
ri Gelzer. Hamburg, 5. Perthes. 1843. Gr. 8. 
1 Ahle. 20 Near. 

Erfer Artikel. 

Zur Gefchichte des Proteflantiemus”, fagt der Verf. 
auf dem Kite. Die Überfcheift des zweiten Buchs (denn 
ferne Schrift iſt in drei Bücher getheilt) heißt auch „Die 
Proteftation”. In der Gefchichte des Proteſtantismus ift 
befanntlich die erſte Proteftation jene zu Speier 1529. 
Hier legt uns nun der Derf. die legte vor, die zu Zürich 
1839. Zwifchen den beiden Proteflationen iſt indefien ein 
ganz kleiner Unterfchied. Die Proteftanten von Speier 
verlangten im Namen Gottes „Glaubensfreiheit“, die Pro⸗ 
teftanten von Züri verlangten in Namen Gottes „keine 
Staubensfreiheit”. Die Proteftanten von Speier teatm 
für eine Reformation der Kirche auf, die Proteflanten von 
Züri gegen eine Reformation der Kirche. Die Prote⸗ 
fianten von Speier proteflirten gegen die Zumuthung, daß 
die Prediger das heilige Evangelium follten und muͤßten 
„nach Auslegung der Schriften von der heiligen chrifklichen 
Kirche approbirt und angenommen’ predigen und lehren, 
aus dene Grunde, weil man eben „nicht einig, was bie 
rechte heilige chriſtliche Kirche fei; die Proteftanten von 
Zürich proteflieten gegen die Zumuthung, daß man den 
Predigern freilaffen folle, das Evangelium auszulegen, 
ohne ſich an die von der heiligen cheifllichen Kirche appro⸗ 
birten und angenommenen Schriften zu binden, und zwar 
aus dem Grunde, weil ed verfaffungsmäßig fei, den Lehr: 
begriff der evangeliich=reformirten Kirche feflzukalten. Die 
Proteſtanten von Speier fochten für einen Lehrbegriff, den 
fie neu aufſtellten und wirklich durchfegen wollten; die Pro: 
teftanten von Zürich für denfelben nunmehr alten Lehrbe⸗ 
griff, den aber ihre Führer ſelbſt bekannten, heutzutage 
nidye mehr unbedingt fefihalten und durchſetzen zu koͤnnen. 
Und fo fort ins Unendliche. Es ift der Lauf der Dinge 
diefer Welt: es geht fo lange bergauf, bis es wieder bergab 
geht, und bergab geht ed allerdings ſchneller und leichter. 

Alſo die zuͤricher Knuͤttelrevolution von 1839 ein Beis 
trag zur Geſchichte des Proteflantismus. Und zwar ein 
Beitrag von unermeßliher Wichtigkeit, wenn man deh 
Berf. hört. Und nicht ihn allein; er läßt auch Andere, 
z. B. Lüde, für fi reden. „Im Dintergrunde..de6 


Schlachtfeldes“, fagt der, „fiehbt man beutfich genug dem 
Anfang jenes univerfelleen Kampfes, in welchem fih Kies 
he und MWiflenfhaft gegenfeitig meſſen und beide mit 
der legten Frage aufeinander losgehen“ u. f. w. In der 
That ein fchöner Anfang des univerfelln Kampfes zwi⸗ 
fchen Wiftenfchaft und. Kirche, ein ſchoͤner Anfang, me 
die Wiſſenſchaft mit regierungsräthlichen Erlaſſen und bie 
Kiche mit Stugen und Morgenfernen aufeinanbee 
losgehen! Gewiß, ein glüdtich gewählter Ausdruck! Es 
iſt nur zu verwundern, daß die gelehrten Herren ſich nicht 
wenigſtens ſchaͤmen, dergleichen Phraſen in die Welt zu 
ſchicken. Denn hiervon ſollten ſie billig die Unſchicklichkeit 
fuͤhlen, auch wenn ſie keine Ahnung von dem Kampfe 
haben, welcher wirklich die Welt bewegt. Und noch mehr 
ſollten fie, auch ohne ſolche Ahnung, fühlen, wie unpafs 
fend es if, ven der zuͤricher Revolution viel Ruͤhmens zu 
machen. Deckt Lieber Schleier auf Schleier über dieſe 
traurige Gefchichte, die, wenn auch ohme allgemeiner ges 
fchichtliche Bedeutung, doc) ein Fleck in der Geſchichte des 
Schweizervolks bleibt, nicht etwa weil die ſchlechtere Sache 
geflegt hätte, oder weil die Bardareien früherer Jahrhun⸗ 
derte ernemert werben wären, fondern weil um gar keine 
Sache Streit war, weder um eine gute noch um eine 
f&hlechte und meil diefe ganze Belchichte nichts als ein 
Gewebe von Schwäche und Verkehrtheit geweſen iſt. Ich 
werde meine Behauptung beweifen, und zwar aus ber ei⸗ 
genen Darfiellung des Verf., der uns biefelbe Sache als 
den erhabenften Triumph des beften Geiltes zu ſchildern 
meint. Sch werbe beweifen, daß uns biefer Handel ats 
Dramatis personas vor Augen führt: 1) eine Republik, 
die ſich felbft nicht Eennmt, in der weder Regierung noch 
Volt einen Begriff von ber eigenen Staatsverfafjung hat; 
2) eine Regierung, die tolltühne Maßregeln ergreift und 
nicht den Muth und Die Kraft hat, — etwa diefe Maß⸗ 
regein? nein! auch nur ihre verfaffungsmäßigen Rechte zu 
behaupten; 3) Theologen, die Demagogen find, und Des 
magogen, die fih nicht für das Volk, fondern für die 
Theologie fchlagen, Leute, die fich Chriften nennen unb 
das Gebot vergefien haben: feid unterthan der Obrigkeit; 


4) ein Bolt, das Blindekuh mit ſich ſpielen läßt und 


eine ebenfo fchänbliche als unnoͤthige Revolution macht; 
40,000 Republilaner, bie im Beſitz der Souverninetät, 
im VBefig der Macht, ihre Regierung felbft zu wählen, 


das Worte: „Mein Weich IR nicht von dickee Welt” und 
jenem: „GStecke dein Schwert in die Scheide” u. f. w. 
(Der Beſchiuß folgt.) 


Reifen auf den griechiſchen Inſeln des Ägäiſchen Meerrs. 
Don Ludwig Roß. Zweiter Band. Gtuttgart, 
Gotta. 1843. Gr. — Thir. 15 Nor. ; ven 

Mit Bergnuͤgen und nicht ohne feine Kenntniß von 

Aufein des Ägdifchen Meeres vermehrt und erweitert zu baben, 

bat Rec. nun auch den zweiten Band ber im I. 3841 von 

Roß begonnenen „Reifen auf den griechiſchen Infeln des Agäifchen 

Meeres” *) gelefen, und er glaubt, ihn nun auch Anbern 

als einen intereffanten und nicht unwichtigen Beitrag zu jener 

Kenntniß der biftorifch » antiquarifh und —— Ratikifc 

intereffanten und wichtigen Inſeln bes Agdifhen Meeres em⸗ 

pfehlen zu müffen. Fehlen auch noch in der Darftellung, bie 

Roß von biefen SInfein in den beiden Bänden feiner ‚Reifen‘ 

egeben bat, einige biefee Infeln, worüber er ſich bier in dem 

Borworte (8. ıı) ausfpridt, und find felbft darunter einige 

Inſeln, weiche zum Königreiche Hellas gebören, fo hat doch ber 

Berf. nah ©. ıv nicht ganz die Hoffnung aufgegeben, dic 

Beſchreibung jener noch fehlenden Inſeln fpäter folgen zu laſſen. 

Übeigens gewährt ex in dem vorliegenden zweiten Bande inſofern 

einige Gatfchädigung dafür, als er in diefe Darftellung bie 

Befchreibung eines Theile der unter tuͤrkiſcher Herrſchaft ſtehenden 

Snfeln des Agaͤiſchen Meeres mit aufgenommen hat, was „bei 

der nahen Werwandtfchaft und dem engen gefchichttichen Zuſam⸗ 

menbange ber althellenifchen Eilande untereinander” (©. 111) 

um fo weniger Zabel verbienen bürfte. Die Infeln bes Agaͤiſchen 

Meeres, die den Gegenſtand des zweiten Bandes ausmachen, 

find: Andros, Gyros, Mykonos, Amorgos, Aftypalda, Niſpros, 

Rod, Kalymnos, Telendos, Ceros, Patmos, Samos, Itaros 

(diefe letztern neun find türfifch), Delos, Rhenda, Gyaros und 

Bellina. Was die Behandlung des Stoffs ſelbſt im Einzelnen 

anlangt, fo ſchließt fich der zweite Band an den erften in biefer 

Sinfiht in der Hauptſache genau an, nur daß eben biefer zweite 

Band ‚in einem Guffe entflanden, und baß fein Inhalt nicht 

durch vorgängige theilmeife Mittheilung in Zeitfchriften und 

Monographien abgenust oder verfptittert worden ifl” (S. ıv). 

Was der Verf. an Inſchriften auf den Inſeln aufgefunden, 

bat er Bier ausgefchieden und in das nunmehr bereits er: 

ſchtenene zweite Heft feiner „Inscriptiones Graecae ineditae” 
aufgenommen. Im übrigen bat er auch Hier bie hiſtoriſchen 

Berbättniffe der Infeln, die auf ihnen noch vorhandenen Alter: 
ümer, namentlich aber deren heutige Zuftände nady drei ver: 

f&iedenen Seiten hin befonders ins Auge gefaßt, und es ift 

über fie vornehmlich in geographifcher und ſtatiſtiſcher Beziehung 

Bieles aus der vorliegenden Darftellung zu lernen. Erfreulich 

ift es, daß darin hin und wieder, wennfchon immer nicht genug, 

auch dauf die neugriedhifche Sprache Rüdfiht genommen worden 
it, für weiche, vorzüglich was die Kenntniß ber verfchiedenen 

Lokaldialekte der Heutigen Mundart betrifft, aus den bier geles 

genttich mitgetheilten Wahrnehmungen mandye Ausbeute ges 

wonnen werden fann. Dabei mag ſogleich hier der kleinen 

Sammlung neugriechiſcher Spruͤchwoͤrter gedacht werben, bie 

©. 174 fg. im Originale und mit deutſcher Wberfegung mit: 

getheilt werben. Ginige Beilagen (S. 179°fg.) beziehen fich 
auf Dasjenige, was in den „Reiſen“ über bie Infel Patınos, 
und zwar über bie bortige Kloſterbibliothek (S. 125 fg.) bemerkt 
worden ifl. Wie von andern Reiſenden bie frühern Hoffnungen 
unferer Gelehrten von Hanbfchriften und fonftigen Buͤcherſchaͤtzen 
in Griechenland, z. B. in ben Kiöftern bes Athos, faft ganz 
za nichte gemacht worben find, fo ift e8 zum Theil aud) der 
Kuofterbibtiothel der Infel Patmos durch unfern Verf. geſchehen. 
Derfeibe hatte nebft feinem NReifegefährten, bem Prof. Herzog 


*, ©. über den erfien Band derfelben die Anzeige in Mr. 21 
& 8. f. au. D. Reb. 





von Athen, die Getauunil dewa. 308 HGand⸗ 
ſchriften des Bibliothek Lingen ‚- wobeh ſich jebech 
Beide bald ten, daß bort von claſſiſchen ober fonfl 
pöflotogife werthvollen Handſchriften fo gut wie nichts vorhan⸗ 
den fei (&. 192). Statt deffen entbedten fie daſelbſt zwiſchen 
40 und SO Talferlidhe Bullen aus ber Belt vom Ende des 
11. Jahrhunderts His zur Mitte bes 15., im Originale, bie fie als 
wichtig für bie Kenntniß ber innern Berweitung des byzantini⸗ 
fen Reichs bezeichnen (&. 135). Bon diefen Bullen, fowie über 
einige und aus einigen Bandfchriften jener Bibliothek, wirb eben 
in den gebacdhten Beilagen Manches mitgetheilt. Im Allgemeinen 
finden bier die phyſiſchen und fonfligen Eigenthuͤmlichkeiten ber 
von Roß befuckten SInfeln bes Agdifchen Meeres ihre rechte 
Würbizung und Darfiellung; ber Verf. if ein guter Beobachter, 
ber mit den erfoberlichen Kenntniſſen autgere ift, und ein 
angenehmer WReifegefellfhafter, der nicht über die Gebühr bei 
den einzeinen Gegenftänden verweilt, aber in angenehmer Weiſe 
die Grgebniffe feiner Forſchungen ober andere glaubhafte Aufs 
ſchluͤſſe mittheilt und dem lebendigen Intereſſe der Lefer immer 
frifche Nahrung zuführt. Sein langer Aufenthalt in Griechen⸗ 
land, feine häufigen Reifen in bem Lande, feine Kenntniß ber 
Sprade u. f. w. kommen ihm dabei wunderbar zu flatten. 
um biefer ihm eigenthuͤmlichen Vorzuͤge willen, und bei ben 
Vortheilen, weiche er ſchon tHeild unmittelbar feinem neuen 
Vaterlande gewährt, theils ihm mittelbar durch Vermehrung 
und Berichtigung der Kenntniffe bes Auslandes von Griechenland, 
von dem neuen und von dem alten im neuen, verfchafft Hat, 
boffen wie nicht blos, dem Verf. biefer „Reiſen“ in aͤhnlicher 
Weiſe bald wieder in Griechentand zu begegnen, fondern freuen 
uns auch, allen Denen, bie an ihm Antbeil nehmen, bier 
mittheilen zu können, daß Roß vorläufig noch länger in Grie⸗ 
chenland in feiner bisherigen Stellung bleiben wird, wennſchon 
er, wie kuͤrzlich verlauter, feine Entlaffung aus griechifchen 
Dienften zu nehmen beabfichtigt hat. Der angebliche Fremden⸗ 
haß ber Griechen, der jedoch im Allgemeinen nicht gegen bie 
dort in wiffenfchaftlicher Stellung lebenden Fremden, beren die 
@riechen bebürfen, gerichtet iſt, fondern nur fremden Militaire 
und Hofleuten, aber auch bier mit Ausnahme, gilt, dic Ihnen 
weniger noth thun, bat an dem Entſchluſſe des Prof. Roß 
feinen Antheil gehabt. 31. 


Literariſche Notizen aus England. 

In juͤngſter Seit hat man in England mancherlei Berſuche 
angeftellt, um bem Drama einen neuen Impuls zu geben. So 
bat neulich bee Pachter dee Danmarlets Theaters 500 Pf. als 
Preis für das befte Luſtſpiel ausgefest, welches in Entwickelung 
und Charakteriſtik die Schilderung britifcher Sitten und Ge⸗ 
wohnheiten zum Gegenſtande haben fol. Uber das Preisftäd 
wird ein Comité von dramatifchen Dichtern, bie aber nicht 
zugleich Mitberverber fein dürfen, dramatiſchen Kritikern unb 
Schaufpielern und Schaufpielerinnen entf&elden, welche Hr. 
Webfter, ber ſich natürlich die Ausſchlag gebende Stimme vor: 
behdit, cenennen wird. Am 1. Zanuar 1844 foll das Urtheil 
gefällt und verfündigt werden. Außer dem Preife bewilligt 
Hr. Webfter noch den britten Theil von den Einnahmen der 
zwanzigften, vierzigften und ſechszigſten Vorſtellung. 


Grfchienen ift: „The maid of Hallig, or the unfor- 
tunate islanders; a narrative founded on fact, by the Rev. 
J. C. Biernatzky; from the German, by Samuel Jackson.’ 
Der Überfeger ift derſelbe, welcher auch Jung Stilling's „We 
moiren’ in bas Gnglifche übertragen hat. Was die Tendenz 
betrifft, fo findet ein Recenfent im „Athenacum” Giniges 
daran auszuſetzen; bagegen, fagt er, fei bas Buch als fcenifches 
Gemälde und als Sit tenſchilderung von nicht geringem Werth ; 
die Erzählung befige den Reiz ber Individualificung in einem 
ſolchen Grade, daß er fie, nur unter bem bereits ausgeſprochenen 


Borbehalt mangelhafter Tendenz, zu empfehlen wage- 18. 


Berantwortlicher Herausgeber: Heinrich Brockhaus. — Drud und Berlag von F. 4. Brodhaus in Leipzig. 








Blätter 


für 


literariſche Unterhaltung. 





Sonntag, 





(Belluß aus Mr. 196.) 


Wenn nun diefes Drehen und Menden, um das 
Schwarze weiß zu machen, nicht Jeſuitismus iſt, fo gibt 
es keinen. Aber die Regierungen mögen es fich merken, 
was fie von den Gegnern des fogenannten Radicalismus, 
von den gottesfürdhtigen Pofitiviften und Autoritätgmän: 
nem zu hoffen haben. „Mit Gottes Huͤlfe“ finder fich 
ein xechtfertigender „innerſter Beweggrund“ für Alles und 
Recht wird Unrecht, Unrecht Recht, Unordnung thatſaͤch⸗ 
tihe Ordnung, und Ordnung gottesläfterliche Unordnung, 
Alles in majorem dei gloriam. Ich will dies noch deut: 
licher an Urtheilen de6 Verf. über die Volksbewegung zei: 
gem. Ganz übereinftinmend mit dem aufiwiegeinden Go: 
mite und mit den geiftiihen Rednern im großen Rath 
verfihert er fortwährend, die Bewegung im Volke wäre 
urſpruͤnglich rein religiös geweſen. 

Nur Berbiendung, nur irreligiöfer Stumpfinn koͤnnte das 
uriprünglich Reine und Innerliche der Volksbewegung in Abs 
xede flellen. ... . Die ernftelten Gemüther (und von ihnen ging 
überall der erſte Antrieb aus) glaubten fi hier in die Mitte 
geftellt, zur Wahl und Entfcheibung zwiſchen Chriſtenthum und 
einem gtaubensichren Verftandeshochmuth, zwiſchen ber fittlichen 
Zucht und frechem Epikureismus u. ſ. w. (©. 179). 

Und wie kam es, daß fie fih fo geflellt glaubten? 
Dod wol, weil man «6 jie glauben gemacht hatte. Iſt 
ſolch Glaubenmachen auch ein reiner Urfprung? Sobald 
das Glaubenmachen im Volke anfing, wurde natürlich bie 
Regierung beforgt; der Ausgang hat ihre Beſorgniß ge: 
rechtfertigt. Der Verf. unterläßt aber nicht, bei Mitthei⸗ 
lung dieſer Thatſache die Regierung zu verfpotten, und 
ohne ſich durch den Ausgang, der ihm doch ſtets vorfchwe: 
den müßte, irre machen zu laffen, fügt er hinzu: 

Den Geängfligten entging Eins: die Macht der relis 
gibfen Überzeugungen eber die Leidenfhaften ei⸗ 
nes Volks. Eben an biefe Überzeugung, an biefe Ehrfurcht 
des Volks für die Böttlichkeit der Religion der Liebe und ber 
Sanftmuth, kurz an den hriftiihen Ernft, der die beffere 
Mehrzahl bes Volks belebte — wenbeten fich bie Freunde bes 
Geſetzes, namentlih bie Beiftlichen (wir werben weiter un: 
tem ſchauderhafte Beiſpiele davon in Augenfchein nehmen) um 
eine Verlegung ber dffentiichen Orbnung, eine Schänbung ber 
heiligen Sache zu verhüten. 

Wie Hoch denkt ber Verf. vom Volke. Aber bilde 





Die Ar Berwürfniffe in Zürich von 1839. | die nur nicht ein, Volk! daß er dich um deinetwillen ebet. 


Er weiß recht gut, daß du leicht zu allem Böfen zu vers 
führen biſt. Er wirft gerade feinen Gegnern eine „en⸗ 
thuſiaſtiſche Wolksidolatrie, einen idealiſirenden Cultus 
ber Maſſen“ vor, und nennt dies eine arge Taͤuſchung 
(&; 29). Er fuͤrchtet für di, wenn feine, Gegner Ihre 
Sache durchſetzten, - 
eine Zufunft, wie bas gegenwärtige Nordamerika fie uns wars 
nend barftellt, jene Zerriſſenheit, jene atomiftifche Auflöfung des 
religiöfen und geiftigen Lebens, wo die Volksſouverainetaͤt zu 
einem Rechenexempel wird, vermöge beffen bie brutale Th⸗ 
rannei einer aritbmetifhen Köpfemajorität fi 
u Ag die hbeiligften Intereffen zum Geſetzgeber aufwirft 


Und im Kanton Zuͤrich war ed keine brutale Tyran⸗ 
nei einer arithmetifchen (1) Köpfemajorität (1), die fich über 
bie heiligften Interefien zum Geſetzgeber aufmarf? Diele 
Köpfemajorität muß doch einen Werth für den Verf. ha: 
ben, denn er hält uns wer weiß wie oft die Stärke der 
Verfammiungen, die 10,000, 20,000 und 40,000 u. f. w. 
vor die Mafe. Aber diefe Zehn⸗, Zwanzig: und Vierzig⸗ 
taufend,- die gegen ihre (radicale) Negierung ſich erheben, 
find plöglich befreit von dem Makel einer „brutalen Ty⸗ 
tannel”. Mie geht dies Wunder zu? Nun, offenbar 
durch den Glauben, der Berge verfegt, durch „die Macht 
der religiöfen Überzeugungen Über die Leidenfchaften‘‘. Alfo 
im religioͤſen Drange, von religiöfen Überzeugungen, oder 
— ich will auch dies nicht überfehen — von den Übers 
jeugungen einer Religion der Liebe und Sanftmuth geleis 
tet, bört das fonit brutalstyrannifche vielköpfige Ungeheuer 
Volk plöglich auf, wilde, zügellofe Leidenſchaften zu haben ? 
Hat ber Verf. die Gefchichte vergeſſen? Vergeſſen die 
Scheiterhaufen, die Megeleien, den Bilderſturm, den Huſ⸗ 
ſitenktieg — alle jene Unmenfchlichleiten, die aus frommer 
Überzeugung von der Goͤttlichkeit der Religion der Liebe 
verübt wurden? D nein! er weiß das Alles und hat «6 
nicht vergeffen. Er fürchtet auch die Einmiſchung der 
Volfsüberzeugungen in die Sache der Kirche ſelbſt. 3. B. 
er will eine Generalfpnode, aber nicht wie die zuͤricher 
Volfsführer fie wollten, nein! es erfcheint ihm als ein 
Misgriff, die Synode als gefegliche Repräfentation der 
Landeskirche ausfchließlih aus einer bemofratifchen, nach 
dem Maßſtab der Kopfzahl georbueten Volkswahl hervor: 


geben zu laſſen. 


Ber die Wechſelfaͤlle, die Zufaͤlligkeiten kennt, denen das 
zobe, materiatififche Prineip der Kopfzahlrepraͤſentation 
in den Bollswahlen ausgelegt ifl, der wird es in hohem Grade 

felhaft finden, ob auf einer folgen Grundlage für die 

irche irgend eine fichere Gewaͤhr vorhanden fei. 

Eine Synohe, weichen der theolsgifchen Bikeng, 
alfo dem geiklihen Stanbe als ſolchem, nicht ein be: 
ſtimmter, bedeutender Einfluß geſetzlich zugeſichert wäre... ., 
würde jeden Anſpruch einbüßen, ale Ausdrud einer — chriſt⸗ 
iihen Gemeinſchaft, als Vertretung einer Kirche zu gels 
ten... . Dder wie ließe ſich die reine Überlieferung des urſpruͤng⸗ 
Kchen Ehriſtenthums und ber damit bebingte gefchtchtticge und 
innere Bufammenbang mit der allgemeinen Kirche anders bes 


wahren und fortpflanzen als durch bie Wilfenfchaft und Froͤm⸗ 


migfeit, d. 5. durch chriftliche Theologie und chriſtliche Geſin⸗ 
mıng? (©. 318.) 

Das Heißt: durch die unbedingte Herrſchaft der Herren 
Dr. Gelzer und Conforten und dur) die unbedingte Un: 
terwerfung und Folgſamkeit ber dhriftlichen Gemeinde. 
Alfo: das Volt iſt eigentlich eine brutate Menge, und 
muß in Ordnung, muß kurz gehalten werden, bedarf einer 
flarten Regierung (‚eine flarfe Regierung und durch fie 
Drdnung iſt die größte politifche Wohlthat, deren ein freies 
Bolt am eheiten bedarf”, ©. 22); aber gegen die weltliche 
Regierung hat daB Boll dennoch Recht, werm «6 in eine 
„innere Bewegung“ u. f. w. geräth; «8 fann demnach nur 
in Ordnung gehalten werben durd die „heiligen Überzeu⸗ 
gungen”, bie ed aber auch nicht aus eigener Machtvoll⸗ 
kommenheit „durch Ropfjahlvertretung” ermitteln darf, fon: 
dern nur unter dem „bedeutenden Einfluß” der reinen 
Übertieferung u. f. w., d. 5. der „Geiſtlichen“. Mit andern 
Worten: Niemand foll regieren als die Geiſtlichen. Wenn 
diefer Hr. Dr. Gelzer Bein Hierarch iſt, fo hat es nie ei: 
nen gegeben. 

Sp iſt e8 nicht zu vermunbern, daß der Verf. das 
Mögtiche aufbietet, um den Schein hervorzubringen , ber 
Volksaufſtand fei nicht durch einen Purfch der Geiſtlichkeit 
entftanden, obgleih die Documente, die er mittheilt, ob- 
gleich die Thatfachen, die er erzählt, ihm hartnaͤckig wider: 
ſprechen. So bumm find die frommen Hirten nicht, daß 
fie geradezu putfchen follten, wiewol auch das binlänglich 
aefchehen (dev Verf. felbft gibt die Welege dazu); aber iſt das 
nicht geputfcht, wenn man dem Volke ſagt: fofern ihr 
die Regierung thun laßt, was fie thut, gebt ihr zu, daß 
diefe Regierung euch und eure Rinder und Kindeskinder 
phyſiſch und moraliſch zu Grunde richtet? Der Einwand 
der Wahrheit, faft das einzige Vertheidigungsmittel ber 
Putſcher ſelbſt wie unfers Verf., hilft Hier nicht: ein 
Putſch bleibe es doch. Das Volk glaubt allerdings feine 
beften Guͤter zu vertheidigen; infofern iſt feine Gefinnung 
rein: defto mehr haben feine Berführer auf Ihrem Gewiffen. 
Und mögen auch diefe zehnmal von der Gerechtigkeit ihrer 
Sache überzeugt fein, die gute Sache heilige doch nicht 
die fchlechten Mittel, den Volksputſch. Und ob die Sache 
gut ift, das bedarf doch erft noc des Beweiſes. Dr. Kel⸗ 
fer fragte in einer der Ratbefigungen: „Wie foll irgend 
etwas Großes entftchen, wenn Sie nicht Jeden fein Licht 
wollen leuchten laffen, wenn Ste e8 nicht wagen wollen, 
ihn auftreten zu laſſen?“ und erinnerte: „Was haben 
aud die Juden zur Zeit Chriſti und die Gegner der Re⸗ 


formation gefagt?” Diefe Parallele verdient in der That 
eine anfchaulichere Ausmalung. Ein Dr. Gelzer aus dem 
Jahre 33 n. Chr, Geb. ſchreibt: 

Es wird auch berichtet, wie folgt: Der Hehepriefter aber 
gerriß feine Kleider und ſprach: Er Hat Gott geiäften, und bes 
dürfen wir welter Beugniß? Siehe, jegt habt iye feine Gottes: 
läfterung gehört. Was duͤnket zuh? Wie antworten: Er FR 
bed Todes ſchuldig! und fpieen in fein Geficht und fchlugen ihn 
mit Faͤuſten. Pilatus ſprach zu ihnen: Was fol ich machen 
mit Jeſu? Sie ſprachen alte: Laß ihn kreuzigen! Und ba 
Pilatus fah, daß ein immer größer Getümmel warb, wuſch er 
die Hände und ſprach: Ich bin unſchuldig an dem Blute biefes 
Gerechten; ſehet ihr zu! Da fchrie das ganze Welt: Sein 
Blut komme über uns und unfere Kinder. 

Der Dr. Gelzer aus dem Jahre 33 fährt fort: 

Nur Verblendung und irreligioſer Stumpffinn koͤnnte das 
urſpruͤnglich Heine dieſer Volkobewegung in Abrebe Heilen. Die 
exnfbeflen Gemuͤther glaubten ſich Hier in bie Mitte gefteilt zur 
Wahl und Entſcheidung zwiſchen Bottesfurdgt und Bostestäfte: 
sung, zwiſchen der Ehrfurcht vor dem Deren ber Derren und 
der fredyen Getbfivergötterung des Menfchen, benn er fagte: 
„Bon nun an wirb es geſchehen, daB ihr fehen werbet bes 
Menſchen Sohn figen zur Rechten der Kraft.” Ihr Habt feine 
Gotteslaͤſterung gehört ! 

Man misverſtehe dieſe Parallele nicht. Das Tertiem 
comparationis iſt lediglich der fromme, kleiderzerreißende, 
uͤbrigens nicht weiter putſchende Eifer des Antiſtes der 
Kirche von Jeruſalem und die „reine und innerliche Be⸗ 
wegung des Wolke”. 

Es iſt natuͤrlich, daß das Voll, wenn es zu Ber: 
ſtande kommt, ſich der Bevormundung feiner religlöͤſen 
Überzeugungen” durch die „theologiſche Bildung und den 
geifllihen Stand ats foldyen” nicht mehr fo willig unter: 
wirft, um denen, bie fi ſelbſt Männer nennen, weiche 
„ihr Leben lang den Glauben und die Eitte des Volks 
ehrten“ und welche Diejenigen, die das Well zu Verſtande 
bringen wollen, „Advocaten und Intriguanten“ nennen, 
auf ihr ehrliches Geſicht umd aufs Wort zu glauben und 
fi) von ihnen zu einem „chriſtlichen Ernfl” anputfchen zu 
laffen, der mit dem NRnüttel in der Hand Regierungen 
„Rehentli bittet‘, bei Leibe nicht zu wegieren. Der Kal 
iſt nicht neu, daß fi der Glaube vor dem Volksver⸗ 
ftande fürchtet. 

So fehe — fchreibt Luther (merkt's: Luther!) A. D. 1519 
an feinen Kurfärften — furcht fig die Eckſche und leipzigſche 
Wahrheit, daß fie allein in der Theologen Winkel Ereucht, will 
allein die Theologen zu Richter haben, weigert bie Legiften, 
Krzt, Artiften (da habt ihr die „Advocaten und Intriguanten). 
Dr. Reuchlin's Sach hat mich gewisigt, wie geledet die 
Theologen find, und wie fie richten. Pätten nicht bie 
Legiſten, Arzt, Artiſten und Eaienfürften dazu gethan, bie 
Wahrheit wäre den Theologen zu Theil werben wie ein Schef 
dem Wolfe. (Licht bei de Wette, Bd. I, &. 320.) 

Daß alfo das Volt in Maffe lerne, wie gelehtt Die 
Theologen feim und tie fie richten, und badurdh feine 
Geiſtlichen zwinge, ihm in Wahrheit die Freiheit zu laſſen, 
daß es alle Geiſter erprobe — dies ift die Furcht der Dier- 
archen, und aus biefer Zucht ſtammt ihr Haß gegen 
verfländige Volkserziehung. Hr. Dr. Geljer fagt: 

Dur eine faft ausſchließliche Richtung auf intellectuctle 
Entwidelung — alfo doch nicht blos Abminiftration, Mafchinen, 
Beitungsaufltärung! — geräth der Unterricht in eine einfeitige 


bie Bulunft Gefehe dechende Mahn, indem ex Die hör 
ae er Geele, —* 
im mie yemupe. wernodhiäfligt und zutegt verfüm: 
mern . 

"Damm wirft eu der imtelectuellen Erziehungoweiſe ſol⸗ 
he Ehrentitel an den Hals wie „Anhäufung ſchlecht ver: 
dauter Kenntniffe”, „bürftiges Wiſſen“, „ungeifligen De: 
hanismus” und ficht gegen die Windmühlen der „ober 
flaͤchlichen Aufklaͤrung“, des „duͤrren Ratienalitmus’, der 
„ufgeblafemen Halbbiidung“. Mit diefen Gemeinplaͤhen 
wäre es nachgerade Zeit, ein Ende zu machen. Die 
Stelle des Verf. aber, die befonders hierher gehört, iſt im 
böchften Grade komiſch. Denn er fühlt wol, daß er der 
falſchen Erziehuungsrweife auch die feiner Auſicht nach rechte 
Methode migegenftellen müfle und fagt nun: 

Eine wahre Erziehung, eine echte, die jugendlichen Geifter 
nährende Bildung Tann nur von Lehrern ausgehen, in deren 
Innerm Glauben und Wiffen fich nicht feindfelig getrennt, von 
Lehrern, vie bei der Maren Begründung und freudigen Ermweite: 
rung ihrer Kenntniffe einen lautern Sinn für das Göttliche, 
das Heilige bewahrten. Iſt in ihnen bie höhere Einheit des 
Erkennens und des. gelduterten Willens, der Wiſſenſchaft und 
der Religion gerettet, To tft die ficherfte, die alleinige Garantie 
gefanden, daß die Jugend u. f. wm. (&. 322). 

Bei diefem Phrafenqualm, der eben gar nichts fagt, 
weil nicht herauskommt, welchen Umfang jeder diefer zu: 
fammengeftapelten Begriffe haben folle, und weil es bei 
Wiſſenſchaft, bei Religion, beim Heiligen, beim Willen 
doch erft noch auf den Anhalt ankommt, fällt ihm nun 
ein, daß feine Gegner denfelben Anſpruch machen, es aud) 
auf eine Vereinigung der Religion und Wiſſenſchaft abge: 
ſehen haben, und da verwahrt er ſich gefchwind in einer 
Note und fast: „Er meine damit etwas Anderes und 
Höheres als Bürgermeifter Hirzel.” Etwas Anderes und 
Höhere. Ja aber was? Nun — „haltet euh an 
Werte! Dann geht ihr durch die fichere Pforte zum Tem⸗ 
pel der Gewißheit ein.” Buͤcgermeiſter Hirzel's Phrafen 
nennt er farblos: ei, wenn die ſeinigen eine Farbe haben, 
ſo iſt es die, welche unſere Damen „die unbeſtimmte 
Farbe“ nennen, oder auch mas bei den Malern Neutral⸗ 
tinte beißt, ein Farbenton, der zu Allem taugt, befonders 
aber zu einer leeren und dunſtigen Luft. Nach allem 
Diefen iſt die unpartelifche Geſchichtſchreibung des Verf. 
zu würdigen. ”) . Julius. 


Frederike Bremer im Engliſchen. 


„Die Nachbarn“ von Frederike Bremer haben in Marie 
Howitt eine gewandte Überfegrein gefunden (‚The neighbours; 
a story of every-day life”, 2 Bde. London 1842), und wirb dad 
Bud) günfig aufgenommen, will Mrs. Howitt die andern Erzaͤh⸗ 
lungen folgen laſſen. „Wir fürchten‘, fagt da® „Edinburgh jour- 
nal”, „daß ihre in diefer Hinficyt Halb und halb gehegten Ermars 
tungen fich nicht beftätigen werben. Wir haben bas Buch aufmerk⸗ 
jam getefen und koͤnnen uns nicht von der Überzeugung trennen, 
daß es in England kein Gluͤck machen wird. Es befteht aus eis 
nerfteibe von Briefen, die eine kuͤrzlich verbeirathete Dame an 
eine Zreundin ſchreibt und worin fie Perfonen und Familien 
ſchildert, eber für den Geſchmack unferer meiften Novellentefer 
nicht genug Geſchichte erzählt. 


*, Gin zweiter Artikel folgt in der naͤchſten Lieferung. D. Med. 


den heitigflen Onn im Rinde, 


Auch die Gedanken, Gitten - 


uns Beashittelffe ſiad wem eines Aus, gu verkdher die genshhmiiche 
engtiſche Gumpatbie nicht binkberzeidhe. „Copa: bie Roman 
ker Werfonen haben etwas Abſtoßendes. Die fchöne Briefſtellerin 
— fie darf die Heldia de Gtüdes heißen — redet ihren Gauien 
nie anders an, als mit ‚Bir‘, ein Schmeichelwort, das nad 
wilden, weit im Norden liegenden Gegenden binzuweifen fcheist. 
‚Ad, Bär‘, bemerkt fie eines Tages, „was ein Weib gluͤcklich 
macht , ihr bie Haͤuslichkeit verſchoͤnt, iſt nicht der Reichthene 
bes Gatten, nicht feine glängenden Talente, nicht feine Feuer: 
feete — alled Das kann dem Hausfrieden untergraben. Nein, 
das Gluͤck des Weibes liegt in der Unbeſcholtenheit des Manne 
liegt darin, daß er gut, vernuͤnftig, Beni und orbenttidg, 
daß er fo fei, wie bu, Bär.“ Bier und in aͤhnlichen Gtellen 
ift der Gedanke einfach und ruͤhrend. Welt jedoch bie Liebends 
würbige Werfafferin ihn mit ber für uns zu grotsöfen Idee 
eines Bären vergefellfchaftet, miſcht ſich der angeregten Adel 
nahme etwas Ungehöriges bei. Wit einem Worte, ber Wig, 
Humor, Pathos, der ganze Gefuͤhlszuſtand des Buches findes 
zum größern Theile bei englifchen Eefern keinen Anklang. Nach 
unfern Begriffen ift ber Wis kein Wis. Und was daher den 
meiften überfegungen aus ber Rosellenliteratur des Auslandes 
zu gefchehen pflegt, das wirb auch dieſem Buche, troß aller feiner 
Berdienfte begegnen, — man wirb es trocken und geiſtlos nennen 
und es wirb eine Nummer mebr auf der Lifte der ungelungenen 
Verſuche fein, Novellen diefer Art bei uns einzubürgern.” 14. 





Biblisgraphie. 


Adermann, ©. A., Der Inſtanzenzug und bie Nedhte: 
mittel, nach koͤnigl. ſaͤchſ. Proceßrechte, mit Berädfidhtigung ber 
bundesgefegtichen Beflimmungen und Einrichtungen, uͤberſichtlich 
zufammengeftellt. Altenburg, Heibig. Gr. 8. 22%, Ror. 

Anger, R., Beiträge zur historisch-kritischen Binld- 
tang in das alte und neue Testament. Istes Bündchen: über 
den Laodicenerbrief, Leipzig, Gebhardt & Reisland. Gr. 8. 
26%, Ngr 

Andeutungen zu einer Reorgantfation der preuß. Militair⸗ 
jufliz. Aus ben nachgelaffenen Papieren eines alten Mitis 
tale herausgegeben von Doromw. Leipzig, Hinrihe. Gr. 9. 

gr. 

Baumgarten-Crusius, L. F. O., Theologische 
Auslegung der Johanneischen Schriften. 1. Bd. (die Evan- 

elien) 1. Abth.: Die Einleitung und Auslegung von Cap. 
1-8. Jena, Luden. Gr. 8, 2 Thir. 15 Ngr. 

Richard Barter. ein Leben und Wirken nebſt eini⸗ 
gen ausgewählten Stellen feiner Echriften. Rach dem Engli⸗ 
fhen bearbeitet und herausgegeben von K. Ch. &. Schmibt. 
Leipzig, Dinrihe. 8. 7% Dar. 

Berndard, G., Fata Morgana. Dichtungen. Leipzig, 
Sort. 8. . Nor. 

Blanc, &., Geſchichte der zehn Jahre 1830-40. Deutfqh 
herausgegeben von Ih. Cramer. Ifter Band. (Sefdichte ver 
Julirevolution.) Ifte Lieferung. Nürnberg. Gr. 8. 10 Nor. 

Fliegende Blätter für Fragen bes Tages. V. Dat Ber 
trauen. — Gorrefpondenz. — Sin Geſpraͤch. — Aufruf an ben 
Journatismus. Berlin, Beſſer. Br. 8. 5 Nor. 

Burmeifter, H., Geſchichte der Schöpfung. Cine Dar: 
ftellung bes Satwidlungsganges der Erde und ihrer Bewohner. 
Leipzig, DO. Wigand, Gr. 8. 1 Ihr. 24 Nor. 

Büttner, F., Bemerkungen über die Quantität der 
deutschen Sprachlaute, wie den Hexameter im Allgemeinen, 
und des Grafen Aug. Platen, Schlegel’s, Wolf’s und Voss’ 
Hexameter im Besondern ; nebst Verdeutschung der ersten 
Satire des Horas und der ersten Blegie des Tibull in quan- 
titativ correcteren Hexzametern, neben Kirchner’s, Wolf’s 
und Voss’ Verdeutschungen gestellt. Havelberg. Gr.8. Neger. 

Chriftianfen, J., Inftitutionen des römifcdhen Rechts 
ober erfte Sinleitung in 'bas Studium des roͤmiſchen Privat⸗ 
rechte. Altona, Hammerich. Gr. 8. 3 hir. 15 Nor. 


N 


208 j 


ſtoriſch, antiſch, maleriſch. Wach Bexri 

ER rd von ee ber legten engtifdgen * 
‚aus dem —* mit dran 36 Stahlſtichen —5* Th. 
Kunſtverlag. * 8. 10 Rgr. 


dam. 


5 Nor 
* der V ntathollſchen Lehre. 
mit einigen beweifenben BR, der Heiligen Schrift. 2te Aufs 


&. Gpbemamn, © gefammelt von J. Marius. Berlin, Befler. 

Fibicin, &., Berlin, hiſtoriſch und topographiſch barges 
ſtellt. Mit einer Doppel: Karte: Berlin im 3. 1640 und im 
3. 1842. Berlin, Ionas. Gr. 8. 1 Thlr. IV Nor. 

Francke, H., Der böotische Bund. Wismar, Schmidt u. 
v. Cossel. 8, ° N . 

Srauftabt, %., Die Ginführung der Neformation im 
Hochſtifte Merfeburg, arößtentheils nach bandichrifttichen Quellen 
bare Leipzig, Friedlein u. Hirſch. Er. 8. 1Thir. LO Nr. 

Krid, Ida, Sybrecht Willms. Ein biftorifiher Roman 
in ſechs Abfchnitten. Zwei Theile. Dresden, Arnold. 8. 23 Zhir. 

Nor. 

Slaf er, 3. &,, Die Boiztopen und die Wirklichkeit. 
Berlin, Rüder u. Puͤchler. Gr. 8. 10 Rgr. 

Gozlan, 2, Gaftmira von Ganilly, nach „le dragon 


zouge”. Ins Deutfche übertragen von Smilie Wille. Zwei 
Theile. Leipzig, Kollmann. 8. 2 Thlr. 22%, Nor. 
Hebenſtreit, W., Das Scaufpielwefen. Dargeftellt 


auf dem Standpunkte der Kunft, der Befengedung und bes 
Bürgerthums. Wien, Bed. Gr. 8. I Zhlr. 22%, Nor. 

Helbig, K. G., Grundriß ber Geſchichte ber poetifchen 
Riteratur der Deutfchen. Dresden, Arnold. 8. Nor. 

Herrmann, ©., Beiträge zur eis des xuffifchen 
Reichs. Leipzig, Yinrice. Gr. 8. 18% 5 Nr. 

ugues, Unionsgedanken. Gin —— an beide 
evangelifche Kirchen. Celle, Schulze. 5 Nar, 

Jaͤck, H. J., Zweites Pantheon ber Literaten und Kuͤnſt⸗ 
lee Bambergs. Bom Ulten Jabrh bis 1843. Bamberg, Zuͤ⸗ 
berlein. &r. 8. 1 Thlr. 

Zeppe, © F. ®., Berichterſtattung uͤber die ſechste 
Verſanmiung deutſcher Land⸗ und Forſtwirthe zu Stuttgart an 
den Vgeenburgiſchen Da ifien Verein. Gin Refume. Ros 


ſtock, berg. 
Kater Murr's Sogenbitreiche. Plahn. Gr. 8. 
Die Katholilen des Aargaus und der Rabicalismus. (Ver⸗ 
mehrter Auszug aus der Schrift: „Befeindung ber Eatholifchen 


Kirche in dir Schweiz, von Br. Hurter“) Schaffhaufen, 
Hurter. Gr. 8. 1 Thlr. 


Berlin, 


- 10 Ror. 


Kleinpaul, E., Die Lehre von den Formen und Gat⸗ 
en ner veutfehen Dichtkunft. Barmen, Langewieſche. Ki.8. 
gr 


Kuhn, D., Das Polizeiftrafrecht -in feinen Grundzügen, 
mit befonderer Rüdfiht auf das Particularrecht bes Königreichs 
Sadfen. Cine publiciſtiſche und Iruafootitife Abhandlung. 
Dresden, Arnold. Br. 8. 1 Thlr. 1 

Kutscheit, J. V., —8 den alten Geschichte 
und Geographie für den Schul- und Privat ebrauch; in 10 
iluminirten Karten. Berlin, Schröder. 2 Thlr. 

Kux, I. P., Handbuch für Geschäfts-, Lust- und Ba- 
dereisende auf Eisenbahnen und Dampfschiffen des nordöst- 
lichen und nordwestlichen Deutschlands. In 5 Theilen. 
Nach zuverlässigen Quellen und eigener Anschauung bear- 
beitet. Berlin, Hermes. Gr. 12. Thlr. 

Laiser, H. W, Die Persönlichkeit des Eigenthums 





in Bezug auf den Seviallsmus und Cxnsunisaus i 
gen Frankreich. Bremen, Kaiser. Gr. 8. 15 Ner. 

Leibrod, A., Graf Berharb von Schwarzburg. 
riſch⸗ romantiſches Gemälde aus ber Zeit ber Belagerung Braun: 
ae ms 1493. Zwei Theile. Reipgig, Kollmann. 8. 

Ir gr. 

Leonhardi's, H. K. v., Vorbericht zuK. Ch. Fr. Krause's 
Vorlesungen über die reine d. i. allgemeine Philosophie der 
Geschichte. (Nebst der Inhaltsübersicht dieser Vorlesungen 
aus Krause’s handschriftlichen Nachlass IV. Abtheilung, Ister 
Bel, besonders abgedruckt.) Göttingen, Dieterich. Gr. 8. 

Ngr. 

Loewenberg, Beiträge zur Kenntniß der Motive ber 
preußifchen Geſetzgebung. Aus amtlichen Quellen bearbeitet 
und mit höherer Genehmigung — egeben. Ifter Banbd. 
Berlin, Beit u. Comp. Gr. 8. Notre 

— — ter. Band. A. u IN a Meterialien bes Anban: 
ges zum Allgemeinen Eandreäht und zur Allgemeinen Gerichts: 
ordnung. Berlin, Veit u. Somp. Gr. 8. 3 Thlr. 25 Rar. 

Mager, Politiſche iühttinge, Demagogen und Gple 

pbanten in ber heutigen Schweiz. Erſter Schub. Das Kier: 
blatt der HH. Rochholg, Dr. Balley und Dr. Kurz. Profefloren 
in Aarau, und ihre Praltiten. Aarau, Chriſten. Gr. 8. SH Rar. 

Manzoni, A., Geſchichte der im Iahre 1630 in Mai- 
land errichteten Schandfäule. Und: Bemerkungen über die 
Zortur, insbefondere deren Wirkungen während der zu Mais 
land, im Sabre 1630, geführten Unterfuchung einer angeblichen 
Peſtverſchworung/ niedergeſchrieben im Jahre 1777 von dem 
Grafen Pietro derri. Aus „em Italieniſchen überfegt. Leip⸗ 
zig, Kollmann. 8. 1 Ip r. 11Y, Rgr. 

Die deutsche Medicin im IPten Jahrhundert, Eine Fest- 
gabe dargebracht Hrn. Ph. Fr. von Walther zu dessen 
40jährigem Dienstes-Jubiläum vom ärztlichen Verein zu Mün- 
chen am 23. Mai 1843. München, Literar.-artist. Anstalt. 


a heuti- 


Gr. 4, 15 Ngr. 
Möplers Grab unb ber Dombau zu Köln. (Zum Be 
ften des Dombaus.) Schaffhauſen, Hurter. 8. 3%, Rare. 


Novellen, Berliner. Bon A. Weill und ©. Bauer. 
Berlin, Berliner Deriang Buchhandlung. 8. 2 Thlir. 

Paris wie es wirklich if. Ztes Heft: Zuverläffige In⸗ 
ſtruction für Deutſche, welche zum erflen Date Paris befaden 
unb Prellereien und Pladereien überboben fein wollen. — 
Parifer Bureaus de Placement. — Grotesk⸗burleske Sal 
fcene. — Komifhe Scene im Künftler: Foyer der großen Oper. 
— Zeufeleien. Mit einer colorirten Kupfertafel. Leipzig, Zador 
wie. K. 8. 10 Nor. 

Perthaler, 3., Recht und Geſchichte. Zur encyhklopaͤdi⸗ 
fen Cinteitung in das Stubium der juridifch s politifchen 
Bifenfgoften. Wien, Bed. Gr. 8. 12%, Rgr. 

Reichenbach, H. ©. 8%, Blicke in das Leben der Thier⸗ 
weit, gergtichen mit van Leben bes Menſchen. Dresden, Arnold. 

. gr. 


Schroeter, L. W., Die Wiffenfhaft des Lebens. Stes 
Heft: Die Hanbelspotitit im Allgemeinen unb bie Danbelöfreis 
beit insbefondere, ober gefchichtliche, Fritifche und bogmatifche 
Widerlegung der Hantelsfreiheit und alles beffen, was mit ihr 
zufammenhängt. Leipzig, Goez. Gr. 8. 1 Th. 

Stöber, K, Erzählungen. Gefammtausgabe mit Zeich⸗ 
nungen nad) prof: Ki ter d. j. Iter Band. Dresden, Raus 
mann. Br. 8 1 Zhle. 

Treunert, W., Harfenklaͤnge aus vergangenen Tagen. 
Den Manen und ben "Zeitgenoffen Sriebrich Wilhelm’s IEI. ge: 
weiht. Iena, Brommann. Gr. 8. 7%, Nor. 

Unger, F., Die Pflanze im Moınente der Thierwer- 
dung. Wien, Beck. Gr. 8. 1 Thlir. 

Der Weise und der Thor. ‘Aus dem Tibetischen über- 
setzt und mit dem Originaltexte herausgegeben von J. J. 
Schmidt. Zwei Theile. Petersburg. Gr. 4. 5 Ttlr. 





Berantwortlider Herausgeber: Heinrich Brodhaus. — Drud und Verlag von F. A. Brockhaus in Leipzig 











Blätter 


für | ° 


literarifhe Unterhaltung. 





Montag, 


O'Connell's gefchichtlice Denkfchrift über Irland 
und die Srländer.- 


Diefe Denkſchrift fünt mit ben dazu gehörigen Beweiſen 
aus Urkunden, Staatsichriften, Verträgen, Parlamentsverhand: 
Lungen, Briefen u. f. w. zwei Bände. Obgleich Mancher, wel: 
der die nur zu genügenden Beweife nicht lieſt, an der 
Bahrheit ber Anlagen zweifeln wirb, eignen fie ſich für Deutſch⸗ 
land doch nicht zu einer vollfländigen Überfegung. Defto mehr 
dürfte bie Mittheilung des Zertes der eigentlichen Denkfchrift an 
der Zeit fein. Viele Beftätigungen finden fich in Raumer’s „Ge⸗ 
ſchichte Europas”, Bd. 5, und in beffen Werke über England. 





Borrede. 

Ich widme die nachfolgende Denkſchrift in tieffter 
Unterthänigkeit Ihrer Majeftät ber Königin; nicht in der 
Form einer Zueignung oder in der anmaßlichen Hoffnung, 
ein Berk zu Stande bringen zu können, das anziehend 
genug wäre, den koͤniglichen Geiſt zu befchäftigen. Nichte 
ift jedoch wuͤnſchenswerther, als daß die Serrfcherin biefer 
Reiche die irlaͤndiſche Geſchichte in ihrer wahren Geftalt 
fennen lerne; daß fie erfahre, wie viel die Irlaͤnder durch 
Mishandiung von Seiten der Engländer gelitten haben; 
daß fie die geheimen Quellen des irlaͤndiſchen Mismuths 
tennen lernez daß fie mit den hervorflechenden Tugenden 
vertraut gemacht werbe, welche das irländifche Volk bei 
jeder Bortommniß feines eigenthuͤmlichen Schickſals an 
den Tag gelegt, und vor Allem, daß fie genaue Kenntniß 
erhalte von ber Gütereinziehung, der Plünderung, der 
Räuberei, dem häuslichen Verrath, der Verlekung von 
Treue und Glauben und der Heiligkeit der Verträge, dem 
maffenhaften Abfchlachten, den planmäßigen Mordthaten, 
dem verabredeten Gemegel, womit die englifchen Regie 
rungen das Irländifche Volk heimgeſucht haben. 

Das emglifhe Volt im Allgemeinen hat alle That: 
ſachen der irlaͤndiſchen Geſchichte zu vergeifen beliebt. 
Auch hat daffelbe die Gnade gehabt, fid alle jene Ber: 
brechen zu vergeben. Und das irländifche Volk wuͤrde fie 
ebenfall6 verzeihen, wenn nicht jest noch Vieles von dem 
böfeften Geiſte der boͤſeſten Zeiten vorhanden wire. Das 
Berfahren binfichtlid der Befeitigung der Pächter heut: 
zutage gehört jenem Haſſe gegen das irlaͤndiſche Volk an, 
wilcher die Rathſchlaͤge Spencer’s und das Thun Crom⸗ 
well's beſeelte, und ift ein Beweis davon. 

Wahr iſt es allerdings, daß heutigen Tages Michter 


— Nr. 198. — 


17. Juli 1843. 


nicht mit „vier Schilling vom Pfunde” zahlbar aus dem 
Betrage des fireitigen Eigenthums beftochen werden; aber 
erzeugen nicht Vorurtheil und Glaubenseifer ebenfo gut 
ungerechte Urtheilsfprüche wie Geldbeſtechung? Und find 
Diejenigen frei von Vorwurf oder Schuld, welche ihre 
Wahl für den Gerichtshof auf Männer fallen laſſen, 
beren Charakter ſich durch nichts Anderes auszeichnet als 
buch feindfelige Sefinnungen, die fie gegen die Religion 
und das Volt Irlands zur Schau tragen? 

Hat Stanley nichts von der Sinnesart Ireton's in 
feiner Zwangsbill offenbart? Iſt nichts von dem Geiſte 
Coote's oder Parfon’s (in einer gemilderten Korm) in 
Denen zu finden, welche dem Latholifchen Wolle Irlands 


feinen gerechten Antheil an Wahl: und Gemeindefreiheis 


ten verweigern, und welche darauf beharren, baß die Ir⸗ 
länder eine untergeordnete und erniedrigte Menſchenclaſſe 
bleiben, jener volllommenern Gleichheit beraubt in bürgers 
licher und veligiöfer Freiheit, in Gerechtfamen und Bes 
fugniffen — einer Gleichheit, die allein eine Verbindung 
fliften und eine Verbindung erträglich machen könnte? 

Ich wuͤnſche die Aufmerkfamkeit der Herefcherin und 
bes redlich gefinnten Theiles des englifchen Volks auf bie 
Unbilden zu leiten, welde Irland erduldet hat und 
noch jest durch britifche Regierungsungerechtigkeit erdul⸗ 
det. Das irländifhe Vote iſt entfchlofien, feine Treue 
gegen den Thron ungefchwächt und unvermindert zu bes 
wahren; aber es iſt auch ebenfo entfchloffen, Gerechtigs 
keit für fich zu erlangen; auf der Wiederherftellung feines 
urfprünglichen Parlaments zu beftehen, und bei dieſer 
Foderung zu beharren, ohne das Gefeg zu verlegen, aber 
auch ohne feine desfallfigen Bemühungen aufzugeben, oder 
darin nachzulaſſen, bis der Gegenſtand berfelben volftän: 
dig und mit Erfolg erreiche iſt. 

Was die Herrfcherin und die Staatsmänner Englands 
wiffen follten, iſt: daß das Irländifche Volk fühle und weiß, 
daß Irland Bein ſchwereres Ungluͤck treffen kann ale das Gedei⸗ 
hen und die Macht Großbritanniens. Wenn Großbritannien 
mächtig ift, dann wird die daſige Begenpartei Irlands ermu> 
thigt, genährt und befördert; dann verlacht man Irlands 
Rechte; dann fpottet man feiner Belchwerden; man zwingt 


und zur Wahl zwiſchen befchränkten Gerechtfamen und. gar 


feinen! engbegrenzten Vorrechten und gar keinen! zur Uns» 
terwerfung unter eine flantliche Unterorbnung, welche im 


1 


re 


Gegenſatze gegen bie Vorzuͤge, beren das Volk Englands 
und Schottlands ſich erfreut, boppels ſchmerzlich wird. 
Die Claſſe der toriflifchen Gutsbefiger — Ausrotter und 
was fonft noch, Hauptguͤnſtlingel auf dem Schloffe — 
betuachtet und, unteflügt als ber Korn jene Island 
feindlichen Partei, welche die Katholiken Itlands mod 
einmal nach den entfernteften Gegenden verpflanzen wür: 
den, wenn es nur in ihrer Macht flände, und welche 
wirklich jene Katholiken dahin bringen, fih in Maffen 
nach allen Ländern außerhalb Irland zu begeben. 

Die fchlimmfte Frucht von Britanniens Wohlſtand 
ift der Schutz, den er den hartherzigen und glaubense 
aifrigen irlaͤndiſchen Grundbeſitzern gewährt. 

Es iſt auch von der aͤußerſten Wichtigkeit, daß die 
Hertſcherin und die Staatsmaͤnner Englands daruͤber be⸗ 
lehtt werden, wie das irlaͤndiſche Volk es weiß und fuͤhlt, 
daß für daſſelbe die Schwaͤche Englands und deſſen Mis⸗ 
geſchick eine Lebensfrage iſt. Nice für ihren alleinigen 
Vortheil errangen die Amerikaner den Steg Aber Bur⸗ 
geyne zu Saratoga. Ste erlämpften die Freiheit fowol 
fax die Seländer wie für fi ſelbſt. Ebenfo flug Du: 
mouriez das oͤſtreichiſche Heer bei Jemappes nidyt zum 
Nutzen Frankreichs allein. Die Katholiten Irlands hat⸗ 
ten Antheil an den Zrüchten jenes Sieges. Vergebens 
wöürbe man heutzutage die Freude ber Irlaͤnder Über die 
Geldverlegenheiten Englands zw verbergen ſuchen. Sie 
fübten herzliches umd tiefes Bedauern über bie Leiden 
und Entbehrungen der englifhen und fchottifhen Hand⸗ 
werker und Sabrilarbeiter. Aber fie bedauern nicht die 
Schwaͤche der englifchen Regierung, welche aus dem da⸗ 
biniveltenden Handel und den fliliefichenden Fabriken ent 
fpeingt. Für das Leiden jedes einzelnen Menfchen em: 
pfinden fie das waͤrmſte Mitleid und das lebendigſte 
Mitgefühl. Die anhaltende Schwäche der Regierungs⸗ 
partei erzeugt bei ihnen keine andeın Gefühle als bie 
bee Genugthuung und der Hoffnung. 

Hat es je eine größere Unklugheit, eine größere Als 
bernheit gegeben, als die iſt, weiche in ben Regierungs⸗ 
geunbfägen bei einen Lande ‚wis Ireland in ber Art zu 
Tage liegt, daß durch diefelben Befühle und Anfichten er⸗ 
weckt und unterhalten werben, wie ich fie ausgefprochen, 
und nur ſchwach bemüht war zu befchreiben? 

Ihrer Majeſtaͤt treueſter, ergebenfler und gehorſamſter 
Unter 


than 
Im Februar 1843. Dante! OConnell. 


Erſtes Hauptflüd. Die Jahre 1172—1612. 


& 1. Die Herrſchaft Englands in Irland begann 
im 3. 1172. Einige Jahthunderte hindurch erſtreckte 
fie fi nur über einen umbeträchtlihen Theil der Inſel. 
Aus verſchiedenen Urſachen nahm das englifche Landges 
bist zuweilen an Umfang zu, zuweilen ab. Es dehnte 
ſich wicht eher allgemein über Irland ans ale waͤhrend 
dee betzten Regierungsjahre ber Königin Sliſabeth, und 
gunzlich erſt kurz nach ber Thronbeſteigung König Ja⸗ 
Us J. Der Erfelg, zu welchem bie Kriegsmacht ber 


Königin Elifaberh gelangte, wurbe durch bie abfcheulichften ° 


Mittel erreicht: buch Verrath, Mord, mafienbafte Ges 
metzel und abfichtlich berbeigeführte Hungersnoth. In 
letzterer Hinficht z. B. wurden bie heranwachſenden Ern⸗ 
ten ein Jahr üach dem andern preſtoͤrt, bis dee ſchoͤnſte 
Theil Irlands, und beſonders die Landſchaft Munſter, 
buchftäblih entvoͤlkert war. Ich führe bier die Stelle 
bes englifch-proteftantifchen Geſchichtſchreibers Morrifon an: 
„Kein Schauſpiel wiederholte fidy öfter, als in den Stabts 
graͤben und beſonders in oͤden Gegenden, Haufen Todte 
diefes unglüdtichen Volks, der Irlaͤnder, zu fehen, deren 
Mund ganz gruͤn gefärbt war vom Eſſen der Brenn: 
nefieln, des Ampfers und alles Deſſen, was fie vom Erbbo: 
ben pflüden konnten.” Merke auf, erlauchte Frau, o 
merke es dir! Das häufigfte Schaufpiel waren Haufen 
von Todten, von irlaͤndiſchen Todten, vor Hunger geſtor⸗ 
ben! nachdem fie fih das Keben dadurch zu friften ges 
fuht, daß fie nach Art der wilden Thiere des Feldes 
wild wachſendel Kraͤuter verfchlungen. Haufenweiſe wa: 
ven fie geflorben, und Keiner fand fich, fie zu begraben! 
So vollendete fi die Unterjohung ber Irlaͤnder nad 
einem vierhundertjährigen Kampfe. Niemals warb ein 
Bolt auf Erden fo graufam behandelt als die Irlaͤnder. 

$. 2. Das Irländifhe Volk wurde nicht zur Hul⸗ 
digung oder zur Wohlthat, als Unterthanen anerlannt zu 
werben, zugelaflen, bi 1612, alſe erft vor 228 Jahren, 
wo die Verordnung 11 Jatob's J., Hauptftäd 5, erfolgte. 
Diefe Verordnung ſchaffte alle Stammunterfchiebe zwiſchen 
Englaͤndern und Irlaͤndern ab, „in ber Abficht‘‘, wie bie 
Verordnung es ausdruͤckt, „Daß fie in ein Volk zuſam⸗ 
menmwachlen, wobei aller frühere Daber und ale ZIwie 
teache zwifchen ihnen gänzlich) vergeffen und vertilgt 
werden folle. “ 

6. 3. Während der 440 fahre, welche zwifchen 
bein Anfange der englifchen Herrſchaft 1172 und deren 
Bollemdung 1612 lagen, kannte man die Irlaͤnder nur 
als „die irländifhen Feinde“. So wurden fie in 
allen koͤniglichen Erlaſſen, Kreibriefen und Parlaments: 
urtunden während jenes Zeitraums genannt. Es war 
ber gefegliche Kunſtausdruck für diefelben. 

$. 4. Während diefes Zeitraums war es ben Eng: 
Ländern verboten, Heirathen mit Irlaͤndern zu ſchließen, 
ihre Kinder von den Frauen irländifcher „ Dauptieute, 
Anführer und Gutsherren“ ſaͤugen zu laflen; und was 
noch fonderbarer iſt, e6 war ben Englaͤndern auch verbes 
ten, den Irlaͤndern Waaren oder Kaufmannsyäter zum 
Verkauf zu fenden, oder fie ihnen weber bergmeife noch 
gegen baares Gelb zu verkaufen. 

. 5. Während jener Zeit durfte Jedermann vom 
englifcher Abkunft einen Irlaͤnder oder Irlaͤnderin als 
folge völlig ungeflvaft ermorden. Einen berartigen Mord 
betrachtete das Geſetz ebenfo wenig für ein Verbrechen, 
als den Tobſchlag eines sollen oder eines wilden Thieres. 

$. 6. Es fanb hierbei jedoch allerdings ber Unter: 


ſchied ftatt, ba, wenn ein geborener Irlaͤnder ſich geſeg⸗ 
terthanenpflicht 


(ih unterworfen hatte und in emplifche Us 
gewemmmen worben war, er nicht mehr ungefiraft erwsor- 


[m 


bet werben Toumte, denn ſein Mard wurde mit einer 
Heinen Geidſtrafe belegt; einer Strafe, die nicht für das 
moralifhe Berbrechen eines Menfchenmordes, ſondern fuͤr 
das politifche Vergehen auferlegt warb, den Staat eines 
Dieners beraubt zu haben. Gerade ebenfo wie vor nicht 
gar langer Zelt im verfchledenen unferer weflindifchen 
Pianzftaaten ein Weißer verbunden war, für die Toͤdtung 
eines Schwarzen eine Geldſtrafe zu erlegen, nur weil 
ein Eigenthuͤmer dadurch eines Sklaven beraubt wurde. 


Zweites Hauptfiüd. Die Jahre 1612—25. 
Reſt der Regierung König Jakobs J. 


6. 1. Ich babe ben erften Zeittaum ber englifch: 
irländifchen Gefchichte durch wenige bezeichnende Merks 
male derſelben geſchildert. Er umfaßte eine Zeit von 
440 Jahren innern Krieges, Raubes und Mordes. 
Der zweite Abſchnitt defteht nur aus 13 Jahren, bietet 
aber ein Jutereſſe anderer, geifliger Art dar. 

$. 2. Unglüdlicherweife war während des erflen Zeitz 
raums eine andere und eine leider tiefere Quelle von 
„Hader und Streit” unter den WBölkern emporgefchoflen; 
ich meine die proteflantifche Kirchenverbeſſerung. Es liegt 
mir jest nicht ob, irgend eine Meinung über die religid: 
fen Gründe zu jener hochwichtigen Maßregel abzugeben. 
Ich befpreche fie nicht wie ein Bottesgelehrter, fondern 
nur geſchichtlich, als eine Thatſache, deren Erfolge hoͤchſt 
einflußreiher Natur find. 

$. 3. Die eingeborenen Irlaͤnder durchgehends, und 
die von englifcher Abkunft im Allgemeinen, verwarfen bie 
Kirchenverbefferung. Nur verhättnigmäßig Wenige traten 
ihr bei und fo wurden bie Quellen des „Haders und 
Streites“ fortgeleitet. Die Stammunterfchiede hörten 
auf. Seländer und Engländer wurden in ber Abficht 
miteinamder verfhmolzen, um fie Raub und Unter: 
druckung unter dem Namen Katholiken erleiden zu 
laſſen. Die Partei, welche die englifhe Regierung un: 
terſtuͤtte, befiand aus Männern, die erſt vor kurzem nad) 
Iriand gekommen waren und watlrlih ben Namen 
Droteflanten annahmen. 

4. So war die Abfiht der Verordnung von 
1612 vereitelt; der „Streit“ zwifchen ben proteftantifchen 
und katholiſchen Parteien verhinderte die Irlaͤnder, „in 
ein Volk zu vermachfen” und verhindert fie noch immer 
daran, ein Volk zu fein. Der Fehler hat jedoch an der 
Degierung gelegen, und liegt noch au ihre. IR es nicht 
Zeit, daß er gänzlich verbeffert werde ? 

6. 5 Die Nagierung Jakob's 1. zeichnete fi aus 
durch Verbrechen, welche man an dem irlaͤndiſchen Wolke 
unter dem Vorwande bes Proteflantismus verübte. Die 
ganze Landſchaft Ulſter ward ungerechterweiſe in Be⸗ 
fdlag genommen; die Eingeborenen wurden auf dem 
Bintgerhfle hingerichtet ober mit dem Schwerte erſchla⸗ 
gen, ein eiender Me warb in bie Verließe entlegener 
Gebirge .cber in die Wilawifle faft umgugänglicer Moore 
gingt. Ihee Stellen wurden mit ſchottiſchen Abenten⸗ 
um ausgefuͤllt, mit „Seemdlingen buch Blut und Reli⸗ 
gie”. Eine Berwäftung gleich der von König Jakeb 


in Ulſter voliführten hatte man vorher in ber Chriſten⸗ 
heit nie gefehen, außer in Irland. Miemalk iſt In ber 
chriſtlichen Welt ein Volk fo grauſam behandelt worden 
wie das irlaͤndiſche. 

$. 6. Da nun bie Gerichtsbarkeit des Parlamente 
über ganz Irland fich erſtreckte, ernannte Jakob I. in 
einem Tage 40 gefchloffene Burgfleden mit dem Rechte, 
in jedem derfelben duch 13 Proteftanten zwei Parlas 
mentsmitglieder zu wählen, und zwar um feine katholi⸗ 
[hen Unterthanen ihres natürlichen und gerechten Ans 
theils an ber Volksvertretung zu berauben. 


Drittes Hauptſtuͤck. Die Jahre 1625-00. 


$. 1. Die Regierung Karl's I. begann unter andern 
Ausfichten. Die Form der Unterdrudung und Räuberei 
wechfelte — die Sache felbft war noch die naͤmliche. Un: 
billige Gefege traten an die Stelle des biutigen Schwer: 
tes, der Richter an bie bes Soldaten, und bie Namen 
Beute und Plünderung wurden durch die von Ver: 
wirkung und Beſchlagnahme erſetzt. Das Werk: 
zeug, beffen ſich die Regierung bediente, war „der Aus: 
ſchuß zur Unterfuhung mangelhafter Aus 
ſprüche“. Der König nahm die Güter des irlaͤndi⸗ 
[hen Volks in drei Landfchaften in Anſpruch. Jener 
Ausfhuß wurde geftiftet, um biefen Anſpruch durchzu⸗ 
fegen. Es war ein greulider Gerichtshof: man verfuchte 
Geſchworene zu beftechen, damit fie ben Anfpruch ber 
Krone für begründet erklärten, — dieſer Verſuch ſchlug 
fehl. Dierauf wurden die Gefchworenen, die Anftand nah: 
men, einen Ausfpruc gegen das Volk zu thun, in Geld: 
ftrafen genommen, ins Gefängniß gefest, zu Grunde ge: 
richtet. Die Richter waren nicht fo behutfam — fie waren 
beſtochen — ja, beftochen mit vier Schilling vom Pfunde bes 
Werths aller Ländereien, die vor folchen Richtern von den 
Unterthanen für die Krone zuchderworben wurden. Und 
ber frevelhafte Ausüber diefer Beſtechung, Strafferd, hatte 
fo fehr allen Sinn für Gerechtigkeit und Scham verloren, 
daß er fogar fih damit brüflete, daß er auf diefe Weiſe 
ben Lord Oberrichter und andere Richter dahin gebracht 
babe, „bie Sache fo zu betreiben als wäre fie ihr eigenes 
perfönliches Geſchaͤft“. 

$. 2. Durch diefe ungerechten und vertvorfenen Dit: 
tel enteiffen zu Gunſten ber Krone die Minifter Karl's J. 
ber irlaͤndiſch⸗ katholiſchen Bevölkerung über eine Million 
Morgen urbaren Bandes, außer einer beträchtlich größern 
Strede Landes, welche ihren rechtmäßigen Befigern ges 
nommen und ben babgierigen Leuten zugetheilt ward, 
mittel$ welcher man ben Raub ausführte. 

$. 3. Dierauf erfolgte der Bürgerkrieg. Die irlaͤn⸗ 
difchen Katholiken vergaßen alle an ihnen veräbte Ber: 
brechen und hingen mit verzwelfelter Beharrlichkeit ber 
Partei des Könige an. Die irlaͤndiſchen Proteflanten - 
gefellten fih, bie einem früher, bie andern fpäter, den 
Streitkräften ber Gewaltherrſchaft zu. 

$. 4. Während jenes Bürgerkriegd waren die von 
St.:2eger, Monroe, Tichbourne, Hamilton, Grenville, 
Freton und Grommell an ben Irlaͤndern veruͤbten Metze⸗ 


7196 


teien ebenfo wild und roh wie die Greuelthaten Attila's 
und Dſchingis⸗Khan's. 

8. 5. Insbeſondere bietet bie Weltgefchichte nichts 
Schrecklicheres und Abfcheulicheres dar als die Metzeleien, 
welche Obrien, Lord Inchiquin In der Stiftskirche von 
Caſhel, Zacton In Limerid, Cromwell in Drogheda und 
Wexrford verhbten. . 

$. 6. Nach beenbigtem Kriege fammelte Cromwell, 
ale die Erſtlinge des Friedens, 80,000 Irlaͤnder in den 
füdlichen Theilen Irlands, um fie nach ben weftindifchen 
Inſeln zu verpflanzen. So viele als das Verfahren des 
Zufammentreibens überlebten, wurden in einzelnen Gen: 
dungen nach diefen Inſeln eingefhifft. Won den 80,000 
bettefen ſich in ſechs Jahren die Überlebenden auf nicht 
30 Perfonen!! 80,000 Irlaͤnder mit einem Streiche, 
durch langſame, aber beharrlihe Grauſamkeit, hingeopfert 
dem Moloch engliſcher Herrſchaft!! 80,000 — o Bott 
der Gnade! 

G. 7. Und doch erfcheinen alle diefe Grauſamkeiten un- 
bedeutend und nidhtsfagend gegen die Allem die Krone 
auffegende Grauſamkeit der Feinde Irlands. Es wurde 
den Irlaͤndern bürgerliche Gerechtigkeit verweigert. Aber 
noch weit abfcheulicher iſt es, daß man ihnen gefchichtliche 
Gerechtigkeit verweigerte, und fie befchuldigte, Urheber und 
Ausüber der Todefchläge und Megeleien zu fein, deren Opfer 
fle nur waren. 

88. Ken Volk auf Erden ift jemals mit folcher 


Sraufamteit bebandelt worden wie die Irlaͤnder. 
(Die Fortfegung folgt.) 





Literarifhe Notizen aus Frankreich. 


Gefhichte des Theaters. 

Bir haben vor kurzem in d. Bl. eine Reihe von Werken 
aufgezählt, welche alle die Gefchichte der franzoͤſiſchen Bühne 
zum Gegenftande haben, ober wenigftens Beiträge zur Kenntniß 
einzelner Perioden berfelben geben. Wir können heute dieſe 
gifte noch um eine „Histoire philosophique et litteraire du 
theätre frangais depuis son origine jusqu’a nos jours“ vers 
mehren, bie foeben bie Preſſe veriäßt. Diefes Werk rührt aus 
ber Feder eines Peuilletoniften bes „‚Siecle”, Hippolyte Lucas, 
ber, der fich felbft durch einige leichtere Theaterſtuͤcke, Vaudevilles 
und Opernterte befannt gemacht hat. Seine befonnenen Theater: 
kritiken im erwähnten Sournale beftechen bei feinen Werfen 
von vornherein und laffen eine unparteiifche Würdigung fremden 
Berbienftes erwarten. Diefe Erwartungen mwerben denn auch 
nicht getäufcht. Wir machen befonders auf den ſchwierigen Abs 
ſchnitt, welcher den Buftand des franzöfifhen Theaters während 
der Revolutionsperiode behandelt, aufmerkſam. Derfelbe ift 
wirklich Höchft intereffant. Der Verf. uͤberblickt dabei die ganze 
Lage ber Dinge zu jener Beit und gibt zugleich noch eine uner⸗ 
ſchoͤpfliche Fuͤlle einzelner intereffanter Züge und pilanter, 
charakteriſtiſcher Anekdoten, aus denen man jene Periode oft 
beffee Eennen lernt als aus langen Afthetifchen Raifonnemente. 
SIntereffant ift, was Lucas von ben erften Aufführungen von 
Ehenier’s „Charles IX’ erzählt. Talma, der bis bahin noch 
feine Gelegenheit gefunden hatte, fein herrliches Talent vols 
ſtaͤndig bervortreten zu laflen, warb in biefen Stüd, in. bem 
fein chef d’emploi nicht auftseten wollte, zum erften Male 
an eine größere Rolle gelafien. Die übrigen Schaufpieler 
weigerten fih mit Talma aufzutreten, nit aus Misgunft über 
fein Genie, beffen Umfang fie noch gar nidyt abnten, fondern 


weil fie bie republikaniſchen Gefinnungen nicht 
denen biefes neue Stud durchdrungen war. 

Hofes gerietgen in Duth, ats bie erſten Vorſtellung 
ihrer Sabalen, body ihren Kortgang hatten, und ber Dichter 
fowie der &chaufpieler, der die erfte Rolle hatte, wurden in 
allen Btättern, die den Royaliſten zu Gebote ftanden, bis in 
den Staub gezogen. Ja, die Srhitterung sing fo weit, baf 
Ehenier und Zalma ſich genätbigt faben, dffentiich befannt zu 
machen, fie würden ſtets Waffen bei fih tragen, um ſich, wenn 
fie auf der Straße angegriffen würden, vertheidigen zu Können. 
Mirabeau nahm für die Werfolgten Partei, und erfannte 
namentlich in Zalma ben unſterblichen Kuͤnſtler. Wenig befannt 
dürfte auch fein, baß Laya, unbedingt der einzige Dichter, der 
feinen NRevolutionsflüden wenigftene eine gewifle literariſche 
Borm zu geben verfland, im 3. 1793 den Muth hatte, bie 
Ultraradicalen in der Konvention offen anzugreifen. Das Stüd, 
in dem er dies that, führte ben Zitel „Ami des lois“. Man 
wollte in demfelben fogar bie Portraits von Robespierre und 
Marat ertennen. Die Berfolgungen, bie fi ber Verf. durch 
fein Stüd zugezogen hatte, wurden von ber Convention, bie 
einen Act der Großmuͤthigkeit thun wollte, niebergefchlagen. 
Bon allen Stüden, die Lucas in feiner Schrift befpricht, 
{ft das tollfte und ungeftaltetfte das ‚„‚Jugement des rois“, das 
mitten im aͤrgſten Gewirr der Revolution zur Aufführung kam. 
Der Verf., Sylvain Markechal, hatte fein Städ, in dem ben 
armen Königen und fogar bem Bar unb dem Papfte, bie 
fid) beide ins Haar fallen, arg mitgefpielt wird, eine „Propheötie” 
genannt, 


Lothringiſche Alterthämer. 

Wir haben vor kurzem ben zweiten und legten Band ber 
„Archeologie de la Lorraine’ von 3. 8. Beaulieu erhalten, 
der an wichtigen mnb intereflanten Gingelbeiten nicht weni⸗ 
ger reich iſt als der erſte. Diefes Werk verdient namentlich 
auch von beutfchen Gelehrten beachtet zu werben. Der Verf. 
geb. zu Nancy am 28. Aug. 1788, gegenwärtig Präfident 
der Sotciéé royale des antiquaires de France, hat fein ganzes 
Leben archaͤologiſchen Unterſuchungen gewidmet, und diefe Siu⸗ 
dien verdanten ihm manche wichtige Bereicherung. Einen 
Theil feiner Beobachtungen bat er in verſchiedenen gelehr⸗ 
ten Beitfchriften niedergelegt, indeffen find auch mehre ſeib⸗ 
ftändige Werke aus feiner Feder erfchienen. Erſt neuerdings 
bat er in einem Briefe an Jomard, Mitglied ber Akademie, 
die aͤgyptiſchen Alterthümer befchrieben, bie vor einigen Jahren 
bei Salzburg aufgefunden find. Leider ift es ihm gleidy bei 
der Abfaſſung bes Titels zu biefem Buche begegnet, einen Bleinen 
geographifchen Schniger zu machen. Bon Beaulieu’s übrigen 
archäologifchen Schriften heben wir die ‚„‚Recherches arch&o- 
logiques et historiques sur le comt& de Dachsbourg, aujour- 
d’hui Dabo” und bie „‚Antiquites de Vichy les Bains” hervor. 

2. 





Literarifhe Anzeige. 
Bei F. A. Srockhaus in Leipzig iſt neu erſchienen 
und durch alle Buchhandlungen zu beziehen: 
Traditiones corbeienses. 
Herausgegeben 


von 
Dr. Paul Wigand. 
Sr. 8. Geh. 24 Nor. 


rüber erfchien von bem Herausgeber ebenbafelbfi: 
Nachtrag zur kritiſchen Pruͤfung des Chronicon cor- 
beiense. 1841, Gr 8. Geh. 1 Xhke. 


Verantwortliher Herausgeber: Heinrih Brodhaus — Drud und Verlag von J. A. Brockhaus in Leipzig. 





—* 


Blaͤtter 


für 


literarifhe Unterhaltung. 





Dienflag, 





und die Irlaͤnder. 
(Bortfetung aus Mr. 198.) 

Biertes Hauptflüd. Die Jahre 1660-92. 

Wir find jest zur Reſtauration gelangt, einem Er: 
eigniffe von aͤußerſtem Vortheil für die Anhänger ber 
Krone, die gerechterweife wieder in ihr Eigenthum einge: 
fegt wurden; einem Ereigniffe, das den britifhen Pluͤnde⸗ 
rern und befonders den Soldaten Ireton's und rom: 
wei’s das Eigenthum ber irländifhen Katholiken, beren 
Väter gegen die Gewaltherrfchaft bie zu ihrem legten 
Blutstropfen und Athemzuge gelämpft hatten, unwider⸗ 
euflih und für immer zuwies. 

$. 2. Der Herzog von Dort, nachmals Jakob II, 
nahm, für feinen eigenen Antheil an dem Raube, über 
80,000 Morgen Landes, den irländifchen Katholiten zu: 
gehörig, bie diefe durch nichts Anderes verwirkt hatten, 
als daß fie die Freunde und Beſchuͤtzer feines ermorbeten 
Vaters und die Feinde feiner Feinde geweſen waren. 

3. Und dennod war die dem irländifchen Wolke 
inwohnende Liebe für einen einmal gefaßten Grundſatz — 
einen Grundſatz ehrenhafter, aber in diefem Falle hoͤchſt 
misverflandener Untertbanentreue — fo groß, daß, ale 
dieſer Bönigliche Räuber nachher ducch feine britifchen Un⸗ 
terthanen vom Throne geflürzt wurde und feine Zuflucht 
zu Irland nahm, der irländifhe katholiſche Adel, ber 
Mittelftand und das Volk im Allgemeinen fi um ihn 
reihten, und ihre Blut mit einem Muthe und einer Be: 
hartlichkeit für ihn vergoffen, welche einer beſſern Sache 
würdig waren. 

8. 4. Diefer Abſchnitt follte für den Vertrag von 
Limerid beflimmt fein. Die Irlaͤnder, erhabene Stau, 
wurden im Kriege nicht befiegt. Sie hatten in bem 
Sabre vor dem Vertrage Wilhelm IT. mit Niederlage 
und Schande aus Limerid vertrieben. An biefem irlaͤn⸗ 
difhen Siege nahmen die Frauen Theil. Es ift keine 
Erdichtung. Bei den großen Niederlagen Wilhelm’s TU. 
fochten, biuteten und fiegten die Frauen von Limerid. 
Am 3. Dct. 1691 ward der Vertrag von Limerid un: 
tergeichnet. Das irlaͤndiſche Heer, 30,000 Mann ſtark, 
der Adel, ber Mittelftand und das Volk Irlands unter: 


Das irländifche Volk leiſtete biefer Krone von neuem 
Huldigung. Nie hat England einen vortheilfaftern Ders 
trag gefchlofien als diefen, unter den vorhandenen Um⸗ 
fländen. Es war ein wohlüberlegter und feierlicher Ver⸗ 
trag, wohlbedachterweife durch offene Freibriefe von der 
Krone beftätigt. Er machte einem biutigen Bürgerfriege 
ein Ende. Er brachte das irländifche Volt wieder unter 
bie Herrfchaft Englands, und fichexte dieſe Herrſchaft auf ewig 
über einen der ſchoͤnſten Theile bes Erdballs. So groß war 
ber Werth von Dem, was das irlaͤndiſche Volk gegeben. 
$. 5. Durch diefen Vertrag bebangen ſich anderers 
ſeits bie irländifchen Kafholiten von ber englifchen Krone, 
was ihnen auf „Treu und Glauben” von berfelben ver⸗ 
bürgt warb, ben gleihen Schug des Geſetzes mit allen 
andern Unterthanen, für ihr Eigenthum und ihre Freis 
beiten — und befonders für die freie und unbe: 
ſchraͤnkte Ausübung ihrer Religion. 


Fuͤnftes Hauptſtuͤck. Die Jahre 1692—1778. 


F. 1. Die Irlaͤnder erfüllten ihrerſeits in jeder Rüd: 
ſicht mit gewifienhafter Genauigkeit die Bedingungen des 
Vertrags von Limerid. 

$. 2. Diefer Vertrag wurde von ber britifchen Mes 
gierung gänzlich verlegt, im Augenblid‘, wo fie vollkom⸗ 
men ficher war, es thun zu können. 

$. 3. Diefe Verlegung geſchah durch die Verfügung 
eines Geſetzbuchs von der Liftigften, abfcheulichften Unge: 
vechtigkeit, welche jemals die Jahrbücher der Geſetzgebung 
befledt bat. 

$. 4. Hier führe ich einige Beifpiele von der Grau: 
famteit an, womit der DBertrag von Limerid verlegt 
ward, und zwar unter folgenden Hauptpunkten: „1) Ei: 
genthbum. Jedem Katholiten war durch einen Par: 
lamentsbefchluß die Befugniß genommen, einer Tatholi: 
fhen Ehefrau ein Witthum auszufegen, ober feine Laͤn⸗ 
dereien mit irgend einer Anwartfchaft zu Gunſten feiner 
Töchter zu belaften, oder letztwillig über fein Grunbeigens 
thum zu verfügen. Bel feinem Tode theilte das Geſetz 
feine Ländereien zu gleichen Xheilen unter alle feine 
Söhne. Go murden alle Familienverhältniffe ver- 
legt. — Bing eine Larholifche Ehefrau zum Proteflans 
tismus über, fo berechtigte fie das Gefeg nicht nur, ihren 


bandelten mit dem Deere und ber Krone Großbritanniens. | Ehemann zu zwingen, ihr ein befonderes Einkommen zu 





eben , fonbern auch bie Auffiht und Vormundſchaft 
—* alle ihre Kinder auf fie zu uͤbertragen. Auf biefe 
Weiſe wurde bie Ehefrau ermuthigt und ermächtigt, mit 
Erfolg gegen ihren Ehemann fi aufzulehnen. — Wenn 
bee aͤlteſte Sohn eines katholiſchen Vaters ſich in fegend 

dem, wenn aud noch fo jugendlichem Alter, zum Pro: 
teſtantismus bekannte, fo machte er dadurch feinen Vater 
zum Pachter auf Lebenszeit, raubte ihm jede Befugniß 
zum Verkauf eines Guts oder zur Verfügung darüber, 
und ein folcher Proteitant erhielt ben Anſpruch auf un: 
beſchraͤnkte Herrſchaft und Kigenthumsrechte des Gute. 
Auf diefe Weife wurde des aͤlteſte Sohn ermuthigt und 
fogar durch das Beleg beſtochen, ſich gegen feinen Vater 
aufjulehnen. — Wenn irgend ein anderes Kind, außer 
dem ätteften Sohne, fi in irgend einem Alter al6 Pro: 
teftant erklärte, entging ein folches Kind fofort der Auf- 


ſicht feines Vaters, und hatte Anſpruch auf Unterhalt | 


aus bem väterlihen Vermögen. Auf dieſe Welle er: 
mutbigte das Geſetz jedes Kind, ſich gegen feinen Vater 
aufjuiehnen. — Wenn ein Katholik ein Land: 


gut für Geld erkaufte, war jeder Proteftant | 


gefeglich berechtigt, bvem Katholiken jenes Gut 
u nehmen, und daffelbe zunugen, ohne einen 
chilling Kaufgeld zu zahlen. Dies war Ge 
ſetz. Der Kathotit zahlte das Geld, worauf ber Pro: 
teftant das But nahm. Der Katholik verlor ſowol Gelb 
wie Gut. — Wenn ein Katholik ein Landgut durch 


Heirath, durch Schenkung oder durch Vermaͤchtniß eines | 


Verwandten oder Freundes überlam, konnte dem Geſetze 
nach jeder Proteftant das Gut dem Katholik fortnehmen, 
und es felbft nugen. — Wenn ein Katholik einen Pacht: 
vertrag eines Landguts als Pächter auf eine ober mehre 
Lebenszeiten oder auf länger als 31 Jahre ſchloß, konnte 
jeder Proteftant geſetzlich dem Katholiken die Pachtung ab: 
nehmen, und den Vorttheil des Padhtvertrags genießen. — 
Wenn ein Katholik einen Pachtvertrag auf eine, 31 


Jahre nicht überfchreitende Friſt ſchloß, was er dem Bes 
fege nach thun konnte, und durch Arbeit und Ziel den . 


Werth des Guts fo erhöhte, daß es einen Mugen ge: 
währte, der einem Drittheil bes Pachtvertrags gleichkam, 
fo durfte in diefem alle jeber Proteftant gefeglich den 
Katholiken entwähren und für ben Meft ber Pachtzeit 
die Frucht der Arbeit und des Fleißes des Katholiken ge: 
nießen. — Wenn ein Katholit ein Pferd befaß, Das 
über 5 Pf. Sterling werth war, und ein Proteflant 
dem katholiſchen Eigenthlimer 5 Pf. Steel. dafür dot, 
war er gefeglich berechtigt, das Pferd zu nehmen, wenn 
&6 auch 50 oder 100 Pf. Sterl. oder mehr werth war, 
und es als fen Eigenthum zu betrachten. — Wenn 
ein Katholik ein Pferd beſaß, das Aber 5 Pf. Sterl. 
werth war, und dies Pferd vor einem Proteflanten ver: 
barg, war ber Katholik für das Verbrechen, fein eigenes 

feed verborgen zu haben, einer Gefaͤngnißſtrafe von brei 

onäten und einer Beldbuße von dreifachen Werthe des 
Pferdes, wie hoch derfelbe auch fein mochte, unterwor- 
fen. — So viel in Hinficht der Geſetze, welche durch 
Darlamentsbeichtäffe das Eigenthum bes Katholiken ord⸗ 





neten ober vielmehr im gehörigen Laufes Geſetze bes 
plünderten. 23) Erziehung. Wenn ein Katholit eine 
Schule Hielt, ober Jemandem, einem Proteflanten ober 
einem Katholiten Unterricht in irgend einer Art von Buͤ⸗ 
cherkenntaiß ober Wiſſenſchaft ereheilte, fo beſtrafte das 
Geſetz einen folchen Lehrer für das Verbrechen mit Ver: 
bannung, und fehrte er aus der Verbannung zurüd, 
mußte er gewärtig fein, wie ein Miffechäter gehenkt zu 
werden. — Wenn ein Katholit, fei es ein Kinb oder 
ein Erwachſener, in Irland eine Schule befuchte, die ein 
Katholik Hielt, oder zu Daufe von einem Katholiten un⸗ 
terrichtet wurde, fo verwirkte ein folcher Katholik dadurch, 
wenn er auch noch ein junges Kind war, bie 

feines ganzen jegigen und tünftigen Eigenthums. — 
Wenn ein auch noch fo junges Kind in das Ausland 
zur Erziehung geſandt ward, ſetzte ſich ein foldyes Kind 
einer ähnlichen Strafe aus, nämlich der Einbuße ſei⸗ 
nes Rechts auf gegenwaͤrtiges ober zu boffendes Eigen- 
thbum. — Wenn irgend Zemand in Itland Geld oder 
Waaren zum Unterhalt eines irlaͤndiſchen im Auslande 
erzogenen Kindes beförberte, fo feste er fi der naͤmlichen 
Buße aus. 3) Perföntihe Unfähigkeiten. Das 
Geſetz machte jeden Katholiken unfähig, eine Anftellung 
Im Deere oder in der Kriegsflotte zu bekleiden, ja ſelbſt 
nur Soldat zu fein, wenn er nicht feine Religion feier: 


| Tich abſchwor. — Das Beleg erklärte jeden Katholiken 


für unfähig, irgend ein Ehren: oder, Soldamt im Staate 
zu bekleiden. Von folchen waren fie gänzlich ausgefchlof: 
fen. — Ein Katholik entbehrte jedes geſetzlichen Schutzes 
für Leben und Freiheit. Er Lonnte nicht fein: Richter, 
Obergeſchworener, Sheriff, Unterfheriff, Referent im Kanz: 
keigericht, Anwalt, Geſchaͤftsverwaiter, Bevollmaͤchtig⸗ 
ter, Schaffner oder Verwalter einer Gutsherrſchaft oder 
ſelbſt Wildhuͤter eines einzelnen Edelmanns. — Em 
Katholik konnte nicht Mitglied einer Koͤrperſchaft fein, 
und das Geſetz ſchloß Katholiten vom Wohnfige in man: 
Men Gemeindeſtaͤdten aus. — Die Katholilen waren 
jedes Rechts beraubt, für Mitgiteber des Haufes der Ge: 


meinen im Parlamente zu ſtimmen. — Katholifche 


Dates Hatten kein Recht zu Sig und Stimme im Ober: 


hauſe. — Faſt alle dieſe perfönlichen Unfähigkeiten fegte 





das Geſetz gegen feben Proteflanten buch, der eine fa: 


tholifhe Frau beicathete, oder deſſen Kind unter 14 


Jahren, ſelbſt ohne feine Bewilligung, Eatholifch erzogen | 


war. 4) Religion. Die katholiſche Meligton zu Ich: 
ven war eine Miſſethat, worauf Landesvermeilung fand; 


einen Proteflanten zum katholiſchen Glauben zu bekehren 


war ein Dauptverbrechen, mie 


Hochverrath ſtrafbar. — 


Ein katholiſcher Ordensgeiſtlicher, d. h. ein Mönch oder 
Kloſterbruder zu fein, wurde mit Verbannung beſtraft, und 


aus der Verbannung zuruͤckkehten, war eine 


Handlung des 


Hochverraths. — Ein katholiſcher Erzbiſchof ober Biſchof 


zu fein oder irgend eine gelfltiche Gerichtsbarkeit in ber 


kathotiſchen Kirche Irlands auszukben, war firafbar durch 


Verbannung — ans folder Verbannung zurkdgulchren, 
war Hochverrath, worauf die Strafen * —— des 
lebendig Ausweidens und nachher des Vierthellens ſtanden.“ 





6. 5. Mäge es nach dieſer Aufzaͤhlumg Euch, erlauchte 


Frau, gefallen, ſich zu erinnern, daß jede einzelne dieſer Wer: 


ordnungen, jebdes einzelne diefer Geſetze geradezu eine hand: 


greifliche Verlegung eines feierlichen Vertrags war, für den 
Treue und Ehre der beitifchen Krone verpfändet und die Ge: 
rechtigkeit des englifchen Volks unzweideuntig verpflichtet war. 

$. 6. Niemals war noch eine fo abſcheuliche Samm⸗ 


lung von Verfolgungsgeſetzen erdacht worden, fo grau⸗ 


ſam, fo kaltbluͤtig, fo berechnet, fo umfaſſend wie dieſe 


Gefetzgebung, weiche bie irlaͤndiſche Orangepartei, die 


Shaw, die Lefroy, bie Verner damaliger Zeit erſan⸗ 
nen und ausfuͤhrten. in Geſetzbuch, dadurch zur aͤußer⸗ 
ſten Hoͤhe von Schande geſteigert, daß es mit der ſchaͤnd⸗ 
lichſten Verletzung einer feierlichen Verpflichtung und eines 
woblüberlegten Vertrags beſchloſſen warb. 

8. 7. Es iſt mir nicht möglich, dies Geſetzbuch in 
einer angemeffenen Sprache zu befchreiben. Dies Über: 
fteigt faſt die Beredtſamkeit Burke's. „Es hatte‘, fo be: 
fchreibt «6 Burke, „eine lafterhafte Vollkommenheit — 
«6 war ein volfländiges Lehrgebäude — voller Bufam: 
menbang und Haltbarkeit; in allen feinen Theilen wohl⸗ 
überlegt und wohlberechnet. Es war ein Triebwerk von 
Euger und uͤberdachter Erfindung, und fo wohl geeignet 
zur Unterbrüdung, Verarmung und Erniedrigung eines 
Volks und ſelbſt zur Herabwuͤrdigung der menfchlichen 
Katar m bdemfelben, als jemals aus bem verberbten 
Scharfſtan des Menſchen hervorgegangen iſt.“ 

$. 8. Dies Geſetzbuch verhuͤtete die Anhaͤufung von 
Eigenthum, und beftrafte den Fleiß als Verbrechen. Gab 
es je in einem andern Lande, in einem chriftlichen oder heidni⸗ 
ſchen, folche Gefeggebung? Doch das iſt nicht Alles; denn 
die Partei, welche dies abfcheuliche Sefegbuch zufammen: 
ſtellte, machte dem irländifchen Volke wirklich den Vor: 
wurf abſichtlicher und ſchmutziger Armuth. 

F. 8. Dies Geſetzbuch zwang duch Fug und Recht 
zur Ummiffenheit, und beſtrafte die Erlangung von Kennt: 
aiffen als Verbrechen. Iſt dies glaublih? — und ben: 
moch iſt es wahr. Doch das ift nicht Alles; denn biefelbe 
Partei, weiche bie Bildung des Geiſtes fo verfolgte, warf 
den Seländern Unwiffenheit vor, und thut es noch. 

$. 10. Ya, niemals warb ein Volt auf Erden fo 
grauſam, fo niedrig behandelt wie das irlaͤndiſche. Nie: 
mats gab es eime fo biutbefledkte, fo verbrecherifche Par: 
tel als die Drangepartei, bie, unter bem Namen von 
Proteſtanten, den Reſt ihrer gemisbrauchten Macht zu 
erhalten firebt, indem fie den Geiſt aufrecht erhält, der 
die ſchaͤndliche Racheverfolgung ſchuf und fortfegte, von 
weicher ich die Umeiffe nur ſchwach gezeichnet habe. Es 
wäre mehr als aufruͤhreriſch, ja wirklich verrätherifch, 
wenn man voraußfegte, daß eine folche Partei jemals bei 
Euch, giorwärdige Frau, Schutz finden könnte, die Ihr 
bazu befkinmt feld (denn dies Vertrauen hege ih), end: 
ich Gerechtigkeit walten zu laſſen, dadurch, daß Ihr die 
echte Eures getreuen, braven, lange unterdrüdten, aber 
dechherzigen irlaͤndiſchen Volks benen Eurer übrigen Un: 


terthanen gleichſt ellt. 
8 a ¶ Die Yortfepung folgt.) 





IR er him. 

em Intereſſe, welches der Ausg des chineſtſchen 
Kriegs für biefes Land wieder erweckt bat, rg bem „B'oreigu 
and colonial quarteriy reriew‘’ nicht zu verbenfen, daß & 
bemfelben in bem erſten Hefte des gegenwärtigen Jahrgangs 
fogar zwei Artikel widmet. Giniges daraus wird au dem 
deutſchen Eefer willtommen fein. In dem einen biefer Artikel 
ift eine Überfict des Ganges geliefert, weichen bie Weindfelig« 
teiten Englands mit Shina von Anfang an genommen haben. 
Als Quellen find angeführt die Londoner Zeitungen von 1842, 
das dem Parlamente vorgelegte „Blue Book’, weiches die 


ciellen Documente enthält, und folgenbe zwei Schriften: ie 


Chinese‘, von 3. $. Davis (London 1840), und „A narı- 
tive of the expedition to China”, von Gom. Elliot. Bon 
demfelben Davis ift fpäter ein Werk in zwei Bänden erfchisnen: 
„Sketches of China” (Eondon 1841). Der genannte Aufſatz 
des „Review enthält eine unerquictiche Polemik gegen bie Bes 
hauptung ber Whige, daß ber. Erfolg des Kriegs noch auf 
Rechnung des Whigminiftertums zu flellen fei. Als ein Fehler, 
ohne weichen es vieleicht gar nicht zum Kriege gekommen waͤre, 
wird bie Übertragung ber Handelsverwaltung in China, nad 
Auflöfung der Oſtindiſchen Sompagnie (deren Auflöfung eben: 
falls verurtheilt wird), an Lorb Rapier gerägt, während bies 
felbe in Hrn. Davis’ Haͤnden beffer aufgehoben geweſen wäre. 
Dee Gang ber Ereigniffe während bes Kriegs ift aus ben Zei⸗ 
tungen befannt, aber intereffant iſt eine Tafel der Groberungen, 
welche geigt, wie die Erfolge feit Muguft 1841 einander jags 
ten. Gingenommen wurbe nämlih Amoi 36. Aug., Tſchu⸗ 
fan 3. Dct., Ningps und Tſching-haͤ 10. März; 1849, 
Siguhn und Zfisti 15. und 16. März, Tſchaͤ⸗gu IB. Mat, 
Busfung 16. Juni, Sibäng-bä 18, Juni, Aſchin⸗ 
Hängsfu 21. Juli; und am 20, Auguft wurde der Friebe 
von Nans⸗king geſchloſſen. 

Sobald die britiſche Expedition in ben Yangstfistiang 
eingebrungen war, änderten die chineflfchen Beamten: plöglich 
ihren Ton. Wie fie früher den Kaifer gegen die Briten einzus 
nehmen gefucht hatten, ift oft Lomifch genug. In einem Mes 
morial, das der weitfehende Ki⸗ſchen, Vicekoͤnig von Petfchesti, 
an den Kaifer gerichtet hatte, hieß es: „Anlangend das Gelb, 
das die gebachten Barbaren einführen, fo ift es allefanımt mit 
Quedfilber legirt. Wenn man es einwidelt und etliche Jahre 
weglegt, ohne daran zu rühren, fo wirb es voller Motten unb 
freſſender Inſekten, und ihre filbernen Becher verwandeln ſich 
ganz in Kedern und Flügel.” Iſt das nicht noch toller ausge⸗ 
dacht, ale es der Sklave Stafimus bei Plautus zu madıen 
weiß, um dem alten Philto das Landgut, das biefer Taufen will, 
zu verleiben? „Ihr Geld, beißt es noch weiter, iſt alles von 
biefer Art, und wollte man es ein 400 oder 500 Jahre liegen 
laſſen, fo kann kein Menfch willen, in was es fich noch vers 
wanbeln würde.‘ Aber bie Niederlagen von Amoi u. ſ. w., be: 
ſonders die bei Ifchäsrgu und bei Zichin- Flängsfu, hatten bie 
Mandarinen und mittelbar den Kaiſer mürbe gemadt. ans 
ting war bedroht und außerbem, wie es fcheint, das Land uns 
ruhig; die Soldaten aus dem Innern wollten nid;t mehr an 
bie Küfte, befertieten und ftrefften in Banden pländernd umber; 
die Schrecken, welche den Fall von Ifchin » Hängsfu begleiteten, 
hatten allgemeine Sehnſucht nad) Beendigung ber Feindſeligkei⸗ 
ten erwedt; ſcharenweiſe hatten fidy bie Bewohner ber Gtabt, 
Männer und Weiber, erhenkt .oder den Hals abgefchnittens Wär 
ter, Gatten liefen nach Haufe, als fie Alles verloren fahen, 
und erwürgten ihre Sinber, ihre Weiber unb brachten zulegt 
fi ſeibſt um. Dies gefchah nicht nur unter den niederen Bolke⸗ 
claffen, die Sieger drangen in die ftattlichften Haͤuſer und fans 
ben Frauen in Weide und Atlas aufgefnäpfts bie tapfeen Tas 
taren ließen ſich nieberhauen oder vertsannten ſich in ideen 
Haͤuſern; die Euft war ſcheußlich erfünt von dem M 
ber verwefenben Leichen in ber Stadt unb ben Vorſtaͤdten; bie 


‚Stadt war unbewohnbar geworben, weil alle Haͤuſer 


waren; bie Cholera brach aus. Biele Familien waren auch 





Aihchtig geworben. Mäuberife Banben burchzoner und ver» 
das Land. 

Kun wuͤnſchte man Frieden, .. „erhändler beffels 
ben chinefifcherfeite flimmten einen gang anbern Son an, als 
ihn die Weiten früher vernommen hatten. Die beleidigenben 
Ausdrüde, wie „WBarbarenauge” und bergi., unterblieben. 
Abſchiuß und die Bedingungen find bekannt. „&o”, fagt unfer 
engliſcher Berichterſtatter, „endete ein Krieg, ber hoͤchſt verderb⸗ 
* und unglädtich für eine der Parteien, hoͤchſt koſtſpielig und 
unrühmlic, für die andere war.” Gr zählt ſodann bie Bortheile 
auf, welche fih aus ben Punkten bes Vertrags für England in 
Ausficht ftellen laſſen; die Mögtichkeit jedes wirklichen und nach⸗ 
haltigen Erfolgs, ſagt er mit Recht, wird von dem richtigen 
Benehmen der engliſchen Kaufleute und Beamten in China ab⸗ 
hängen. Man wird ſich müffen verftändigen lernen und zu bier 
fem Zwecke befonders für gute Dolmetfcher forgen. Den Con⸗ 
fularagenten müßte ſtreng unterfagt fein, ihre Grauen, Töchter 
und überhaupt Krauenzimmer mit ins Land zu nehmen; bie 
Sbineſen haben einen eingewurgelten Wiberwillen gegen frembe 
Frauen, und es wurde nie eine in bie Factorei zu Kanton ges 
‚laffen. Als Grund für bie Ausſchließung der fremden Brauen 
führten die Mandarinen, die man beshalb befragte, bie Ge: 
wohnheit der Engländerinnen an, auf den Straßen und in ben 
Läden berumlaufen, was in China ungebräudtich wäre und fie 
den Beleidigungen des Poͤbels ausfegte. Mit guten Arzten 
müffe man bie Stationen verfehen, da bie Chineſen ben eng» 
Lfchen raten immer viel Zutrauen und nad) der Cur viel 
Dankbarkeit bewiefen hätten. Sie zu Ghriften zu madıen, 
fheint ebenfo wenig Ausſicht als früher. über dieſen Gegens 
ftand findet fich folgende bemerkenswerthe Stelle: „Segenmwärs 
tig, darf man behaupten, find die Chineſen ein Volt ohne alle 
Meilgion. Ste haben nicht einmal einen Namen für ben Schöpfer 
der Weit, Leinen perfönlichen Bott, Feine individuelle obere 
Macht; fie beten zu feiner einzigen, fie beten in der That gar 
nicht und fie haben auch Feine gottesdienftlichen Zuſammenkuͤnfte 
irgend einer Art.” Alſo ein wirklich exiſtirendes Atheiſtenvolk, 
200 Mill. Atbeiften, weich ein raus! Und: feltfam, biefe 
ſchrecklichen Atheiften fehen es als hoͤchſtes Ziel der Menſchheit 
an, „eine friediiche Heimat auf Erden zu gruͤnden, die Natur 
zu bejahmen und den Boden durch Ackerbau zu bewaͤltigen, uns 
fhuldig und friebfelig, tugendhaft und in rechtem Maße zu 
Yeben, um bad Gleichgewicht der Welt durch ordnende fittliche 
Thaͤtigkeit, an welcher jeber Menſch opne Ausnahme Antheil 
nimmt, zu erhalten.” Dies bie Lehre des Konfuciuß. „Die 
Mandarinen und Stubenten, bie ſich für den Staatsdienſt vors 
bereiten, verfammein ſich zu feftgefegten Zeiten, um ben Con⸗ 
fucius zu verehren in Zempeln oder Hallen, beren jebe Stadt 
eine befigts bie Bee Tempel und Pagoben mit midgeftal: 
ten Gögenbilbern, welche von ben weltlichen und oͤſtlichen Ta⸗ 
taren berrühren, find dagegen allgemein verachtet und werben 
von den Zataren felbft nicht ſehr ehrerbietig behandelt.” Be: 
kannt genug iſt der Grundzug ber chineſiſchen Anſchauungsweiſe, 
Gitteniehre und Staatsverfaffung: das Verhaͤltniß ber Pier 
tät, der kindlichen Liebe. Aus biefem Zuge entfpringt unter 
Anderm bie Verehrung ber Verftorbenen und der Gräber. Wir 
erfahren, daß die Engländer es nicht immer vorſichtig genug 
vermieden haben, bie Pietaͤt der Shinefen in dieſer Hinſicht zu 
verlegen; fo brachen nach der Einnahme eines Ortes nahe bei 
Ganton Soldaten zu großem Anftoß und Kummer der Chine⸗ 
fen aus bloßer Neugier in die Grabftätten; nach der Einnahme 
son Zfehinskiäng: fu fehnitt ein englifcher Wundarzt vielen 
Leichnamen erhenkter Grauen die Füße ab, um fie zu feciren, 
zu großem Abfcheu der Ghinefen. 

Aus dem kindlichen Verhältniß entfpringt nothmwenbig die 
durchgängige Begründung der Gittlichleit auf Furcht. Hierin 
begegnet ber chinefiiche Atheismus unferm Theismus, flatt der 
Gottesfurcht haben fie die Geſetzesfurcht, welche in bie Peitfchen- 
furcht umfchlägt, und das ift nun wieber tout comme chez nous. 


Die Strafgeſede, die in ihrer bar Strenge Beineswegs 
immer ausgeführt werben, mehr nur bes 

wegen ba zu fein. Nicht nur bie Deferteure ber bimmtifchen 
Armee, fondern wer in Reih unb Glied zittert oder mit feinem 
Nachbar flüftert, foll dem Geſetze nach geköpft werben; es wäre 
im testen Kriege viel zu Edpfen gewefen, wenn man auf ben 
Buchftaben bes Geſetzes gehalten hätte. Rach Säslaff's An⸗ 
gabe beiteht die ftebende Armes aus 700,000 Wann, und bas 
gefammte Kriegsbeer, Mongoten und Mantſchu⸗Reiter einbes 
griffen, aus 1,200,000 Dann ; von biefen find aber die Meiften 
nichts als gewöhnliche Bauern, und feit Jahrhunderten nicht 
„im Belde” geweien, außer um zu fden und zu ernten. Die 
chineſiſchen Truppen fuchten auch ben Englänbern auf alleriei 
Art, oft fehr komiſch, wie Som. Elliot umſtaͤndlicher erzählt, 
Furcht zu machen; fie hingen über ihren Kanonen Gemaͤlde von 
ſchrecklichen Zigerföpfen aufs fie errichteten Gcheinlager von 
zahliofen Zelten, bie nichts als weiß übertündte Erdhaufen 
waren; fie flellten bem Yeinde gemalte Beftungswerke entgegen, 
in der Meinung, es werbe ihm bavor ſchon von weitem bange 
werben; fie maslirten die Münbungen ihrer Böller mit Holy 
Scheiben, bie wie Mündungen ſchwerer Geſchuͤtze angefärbt 
waren. 


Die Erſchuͤtterung, welche ber Sieg ber Engländer in China 
hervorgebracht hat, fcheint Dem zufolge, was ſich aus ben ver: 
ſchiedenen Berichten entnehmen läßt, nicht fo groß gewefen zu 
fein, daß man eine Erhebung bed Volksgeiſtes aus feiner jahr⸗ 
bundertjährigen Lethargie hoffen dürfte. Wenn es gelingen 
follte, die Handelsverhaͤltniſſe für die Dauer auf einen leid: 
lichen Buß zu bringen, fo Eönnte vielleicht ber Verkehr mit ben 
europäifchen Nationen, wenn bie Shinefen erft feibft Geſchmack 
daran fänden, allmdlig auf eine Wiederbelebung ber innern 
Energie bed Volks Einfluß üben. Es wäre eine Frage von 
mehr ald blos müßiger Neugier, ob ſich auf biefer Wurzel eines 
abgeftorbenen Culturlebens noch ein Iebensfähiges Reis wird 
pfropfen laſſen. 48. 





Notiz. 
English aristocratic education. 


Unter biefer Überfchrift enthält das „Dublin university 
magazine’ folgenden Paragraphen: „Wir find eine große Nation 
und in nichts zeigt fich unfere Größe deutlicher als in ter 
Erziehung unferer Zugend. Der junge Franzoſe feheint fein 
Schickſal erfüllt zu haben, wenn er mit einem Paar Glack 
handſchuhen der Inappften Art und von Mabame Raffarge’s Lieb: 
Iingefarbe auf dem Boulevard de Gand umherſchlendert ober in 
ber Goutiffe der Oper faullenzt. Anders ber Deutfche. Der 
junge Deutfche verachtet nicht bios Bandfchuhleder, fondern auch 
reine Hände und begibt ſich fo früh ale möglich auf ben Weg, 
bon welchem er — die Gerechtigkeit muß man ihm laflen — nie 
wieder abzumweichen wünfht. Cine brei Zuß lange Pfeife mit 
Meerſchaumkopf und ein Zabadsbeutel von der Räumlichkeit eis 
nes GSchultornifters befriedigen die Beduͤrfniſſe feines Lebens. 
Traͤumeriſche Biftonen von Schmerzen, bie nicht erifliren, und 
von ber Größe feines Vaterlandes, bie vollends gar nicht eriftirt, 
find das Futter feiner Gedanken, und ein halbes Dugend Lebens⸗ 
jahre hindurch kennt er Seinen andern Ehrgeiz, als offen zu 
erklären ‚ daß Könige und reines Wafchwafler ihm hoͤchſt gleich- 
gültig find. Anders und etwas beffer ift bas bei und. Bon 
dem Augenblide, wo unfere jungen Männer ihre Laufbahn bes 
treten, find fie ausgezeichnete Jockeis. Sollte daher eine Katar 
tität gleich der fuͤrchterlichen franzöfifhen Revolution unfern Abel 
zur Auswanderung zwingen, fo werben wir bie Freude erleben, 
daß der englifche Adel, flatt Mathematil: und Muſik⸗, Fecht⸗ 
Won Sanzunterriät zu geben, ganz @uropa mit Stalljungen 
verforgt. 3. 


Berantwortlier Herausgeber: Heinrih Brockhaus. — Drud und Verlag von F. X. Brockhaus in Leipzig. 











Blätter 


ftr 


! LT we Br 
ame 


4. « 


literarifhe Unterhaltung. 








uud die Irlaͤnder. 
(Bortfegung aus Nr. 100) 
Sechsſstes Hauptfiid. Die Jahre 17781800. 
& 1. Die Verfolgung, die ich befchrichen — wel⸗ 
her Berlegung von Volkstreue und Bellschre zu Grunde 
fiegt —, währte 86 fange Jahre ber Finſterniß, der 
Schande und der Trübfel. Man beubfichtigte, das fa: 


thetifche Bolt Irlands in den Zuſtand ſcheußlichſter Ars 


muth zu verfegen, und durch diefelben Mittel die katho⸗ 
liſche Religion ausjuroften. Hier fleigt eine Frage von 


einiger Wichtigkeit anf: Worin befand der Erfolg des 


Berfuhes? Vor der Beantwortung biefee Frage mäflen 
wir und daran erinnern, daß für ben Erfolg des Ber: 
ſuche günftig geflinnmt waren: die Krone, das Parlament, 
die Biſchoͤfe und Geiſtlichkeit der herrſchenden Kirche, bie 
Richcke, das Heer, die Flotte, die Koͤrperſchaften, bie 
Bärgertueifter, die Rathöherren, die Sheriffe und Frei⸗ 
bürger, die Obrigkeisen, die Obergefchworenen — kurz fall 
die ganze Maſſe des Bermögens und Wohlſtandes des 
irlaͤndiſchen Voiks. Er fand Überdies Schutz, Stüge und 
Beförderung von England und Schottland; kein Mund 
durfte fi dagegen Öffnen, und aͤußerte Jemand ein Wort 
dagegen, fo warb ihm ewiges Stillſchweigen geboten ; 
nicht eine Feder konnte ein Wort dagegen ſchreiben. Und 
dennoch, was war bei allen biefen furchtbaten Vortheilen 
ber Erfolg des Berſuchs? Er ſcheiterte, glorreiche Bram, 
er ſcheiterte gaͤnzlich. Nach einer richtigen Schägung gab 
es über zwei Millionen Katholiken beim Beginn ber Ver⸗ 
folgung; der proteflantifchen Verfolger — denn damals 
waren fie alle Verfolger — gab «6 eine Milton. Die 
Katheliken haben ſich auf faſt fieben Millionen wermebtt, 
bie Procteſtanten überfleigen kaum bie urfprunglide Mil: 
lem. Die verhättuigmäßige Zunahme der Verfolgten 
it ungeheuer, waͤhrend bie verhaͤltnißmaͤßlge Abnahme 
der Berfolger Erfiaunen erregt; im erſtern Fale waren 
die Katheliten aufs hoͤchſte nur zwei gegen eins, im 


zweiten find fie beinahe ſieben gegen eins: „So mehrie | 


Ad, in Banden Jerael.“ Gelobt fei Gott! So möge es 


der Verfolgung in jedem Lande fehlihlagen, bis man 


kberelt bie Überzeugung gewinnt, daß fie ebenſo nutzlos 
zur Bebehrung fi erweiſt, wie fie Denen zur Schmach 
und Erwisdrigung gereicht, die ſich derſelben bedienen. 


19. Juli 1823. 


Geſetzbuch der Verfolgung bezeichnete — war endlich ges 
kommen. Im J. 1775 wurde die hartnaͤckige Weige⸗ 
sung ber britifchen Regierung, Amerika Gerechtigkeit wie: 
derfahren zu laffen, duch Blut im Zaum gehalten; 
1777 ergab ſich ein britiſches auf feinen Stand ftolzes 
Herr zu Saratoga ben einfl verachteten, beſchimpften und 
gefhmähten Kingeborenen (Provincials); 1778 war «6 
su fpät, Amerika wieder für fi) zu gewinnen. Es er⸗ 
klaͤrte fi für unabhängig und fo ging Amerika auf ewig 
für die britifche Krone verloren. 

$. 3. Die alten Geinde Englands in Europa waff⸗ 
neten ſich und griffen es an. Die englifehe Regierung 
empfing in ihrem Misgeſchicke eine Lehre durch traurige 
Erfahrung ; zum erften Male verfuchte fie, fi) Irland zu 
verföhnen. Das Strafgefegbuh wurde 1778 gemildert. 
Die Verföhnung mit dem irlaͤndiſchen Wolle gelang mie 
fie immer mit demfelben gelingen wird. Amerika ging 
allerdings verloren, weil es die Verſoͤhnung ausſchlug — 
doch Irland wurde ber britifchen Krone duch Verſoͤh⸗ 
nung echalten. 

$. 4. Die Miderung des Strafgeſetzbuche 1778 
war, ihrer Natur nach, eine große Abfchlagszahlung auf 
die Schuld der „Gerechtigkeit gegen das Barholifche Volk 
Itlands“'. Sie gab den Katholilen die naͤmliche Macht 
und Herrſchaft Über ihe damaliges Eigenthum zurück, wie 
ſich die Proteflanten deren flets erfreuten; und bie Ka⸗ 
tholiten erhielten danach die Befugniß, als Pächter oder 
Käufer Landeigentbum auf fo lange Jahre fie wollten, 
und wäre es auf taufend, zu erwerben. Dad; noch konnten 
fie weder dur Kauf noch als Pächter irgend ein zins⸗ 
freies unabhängiges Eigenthum erwerben. Die Katheli: 
Een nahmen Mugerweife bie Abfdhlagezahlung an, umd 
machten fich mit vermehrter Sicherheit und Macht bar: 
an, fib um ben Reſt ber Gerechtigkeitsſchuld zu bes 
muͤhen. 

6. 5. Im J. 17882 ſtand England allein Im Kampf 
mit dee größten Macht der Welt; bie vereinigten Flot⸗ 
ten feiner Feinde, eins ber feltenen Beiſpiele in ben Jahe⸗ 
bücher feiner Seemacht, liefen fiegreich und ohne Wider⸗ 
land in den Britiſchen Kant ein. Demzufelge wurbe 
a6 „ Gtrafgefegtug” wech einmal gemildeetz dab ver⸗ 





N ⸗ 
8 


ſühnte Irland lieferte 20,000 Seeleute und rüflige Lands 
zur britifchen Flotte, fegte Rodney in den Etamd, 
die franzoͤſiſche Flotte nach Weſtindien zu verfolgen, wo 
in feinem Zufammentreffen mit De Graſſe, irlaͤndiſcher 
Muth wit beitifichee Tapferkeit wetteiſernd, ja wo mög: 
Hd) diefe uͤberbietend, der „Bauberflagge Englands“ noch 
einmal den Sieg verfhaffte, die Seemacht bes Sein: 
des vernichtete, nicht allein die weſtindiſchen Pflanzſtaa⸗ 
ten, fondern auch die Ehre ber britiſchen Krone rettete, 
und Lorbern freute auf. einen Frieden, der fonft ebenfo 
ſchimpflich wie unheilvoll geweſen fein würde. 
$. 6. Die Milderung vom Jahre 1782 war eine 
zweite Abfchlagszahlung der Schuld der ‚Gerechtigkeit 
für Irland”. Sie war eine edle Abzahlung. Ste gab 
den Katholiten die Befugniß, unabhängiges, zinsfreice 
Eigenthum auf Lebenszeit zu erwerben, oder es durch 
Erbſchaft an ſich zu dringen. Aber fie that noch mehr, — 
denn zum erſten Male nad neunzigjähriger Verfolgung 
aller Geiſtesbildung geftattete fie den Katholiken, Schulen 
zu Öffnen und ihre Jugend in Literatur und Religion 
zu unterrichten. Die Katholiken nahmen verftändigerweife 
Diefe Abſchlagszahlung an, welche ihr Eigenthumsrecht 
vollſtaͤndig wiederherſtellte und ihnen das unfcägbare 
Recht der Erziehung ertheilte. Sie nahmen die Ab: 
ſchlagszahlung dankbar an, und begannen um den Meft, 
mit Klugheit und vermebrter Kraft, einen neuen Kampf. 
F. 7. Die Zulaffung ber Katholiken zu den Land: 
pachtungen 1778 vermehrte die Einnahmen der prote⸗ 
ſtantiſchen Gutsbeſitzer in Irland betraͤchtlich. Die den 
Katholiken 1782 gewordene Erlaubniß, Güter zu kaufen, 
ſteigerte den Werth des Eigenthums aller Proteſtanten 
in Irland ungeheuer. Verſoͤhnung und Wohlfahrt gin⸗ 
gen Hand in Hand. Dasjenige, was Wohlwollen allein 
gewährt haben würde, erwies fich in ber Erfahrung als 
das befte Mittel zur Steigerung des Werthé ihres Ei: 
genthums, welches die ſtrengſte und febfifüchtigfte Klug⸗ 
heit den proteſtantiſchen Grundbeſitzern in Irland haͤtte 
an die Hand geben koͤnnen. 

8. Im J. 1782 erlebte man noch andere Ereig⸗ 
niffe, die mehr als den vorübergehenden Blick verdienen, 
den ich jetzt darauf werfen kann, Ereigniſſe der innigften 
und freudigften Theilnahme werth. Für jetzt mag «6 
genügen, zu bemerken, daß das irländifhe Parlament, 
welches Irland die gefehliche Unabhängigkeit ficherte, nicht 
nur hoͤchſt vortheilhaft war für die Vollmachtgeber, fon: 
dern hoͤchſt treugefinnt gegen die britifche Krone, und 
hoͤchſt nuͤtzlich für die britiſche Macht. Es war jenes 
Parlament, weldyes den Beichluß zur Abfendung und 
Beſoldung der 20,000 irlaͤndiſchen Katholiken faßte, die 
zue Bemannung ber britifhen Flotten eilten und zum 
Siege Rodney's beitrugen. Niemals hatte Irland ein 
Parlament, das der Verbindung mit Großbritannien mehr 
zugethban war als jenes, welches die gefegliche Unabhaͤn⸗ 
gigleit Irlands ficherte. 

6 9. Es folgten zehn Fahre großer und wachſender 
Wohlfahrt in Irland; aber es waren zugleich Sabre 
des Friedens umd der Macht Englands, und man hatte 


— 


keine Veranlaſſung, die Katheliken Irlands zu verſoͤhnen 
oder ihnen zu fihmeicheln. Daher wurde auch kein fers 
nerer Schritt zu ihrer Gleichberechtigung gethan. Die 
Karholiten nahmen indeß am dem allgemeinen Gebeiben 
Irlands Theil. 

F. 10. Das Jahr 1792 fand die Saden in biefer 
Lage. Die Wohlfahrt, deren die Katholiken in Gemeins 
Saft mit ihren übrigen Lanbsleuten genoffen, das Ei: 
genthbum, das fie täglich erwarben, machte fie nach po⸗ 
licifchen Rechten begierig. Sie legten daher dem irlaͤndi⸗ 
[hen Haufe der Gemeinen das Geſuch 'vor, daß ihnen 
die Ausübung richterlicher Thaͤtigkeit und Wahlfreiheit 
gewährt werden möge. Nur mit Mühe konnte man fi 
ein Mitglied verfchaffen, um die Niederlegung de6 Ge: 
ſuchs auf die Tafel vorzufchlagen, und ein anderes, «6 
zu unterflügen. Der Vorſchlag fand Widerſpruch bei 
dem Mitgliede von Kildare, Dr. Latouche; er fchlug vor, 
das Geſuch zu verwerfen, es ſei eine Gefahr vom 
Verwerfen zu befuͤrchten. Es ward daher verworfen, 
da alle Mitglieder der Regierung für das Verwerfen 
ſtimmten. 

F. 11. Aber vor dem Schluſſe des J. 1792 bet 
fi ein neuer Auftritt dar. Die franzöfifhen Heere 
fhlugen ihre Zeinde auf allen Punkten. Die Nieder⸗ 
lande wurden erobert, und ein Strom von Sreibürgerfinn, 
von foldatifcher Macht getragen, bedrohte alle europäifchen 
Staaten. Die Kanonen von ber Schlacht bei Jemappes 
wurden im Palaft von Gt.: James vernommen, bie 
Weisheit, die im Verföhnen der Katholiken lag, wurde 
gefühlt und verfianden, und noch am Schluffe des näms 
lihen Jahres 1792, in deſſen früherer Hälfte die Regie 
rung das Geſuch der Katholiken mit Geringſchaͤtzung vers 
worfen batte, brachte diefelbe Regierung eine Bil zu 
einer noch größeren Milderung des „Strafgeſetzbuche“ ein; 
und zeitig im nächften Jahre eine andere, wodurch den 
Katholiten noch größere Vorrechte zugefichert, ober ich 
follte lieber fagen, zurückgegeben wurden. 

12. Vermoͤge diefer beiden Bills wurben dem 
Katholiten die Schranken der Serichtöpflege geöffue, — 
fie konnten Anwalte, doch nicht koͤnigliche Raͤthe werden, 
— fie konnten Gadhmalter und Rechtsbevollmaͤchtigte, 
Freibuͤrger weltlichee Körperfchaften fein, — «6 wurden 
ihnen die Würden von Obergefchwormen und Magiftrate- 
perfonen zugänglich gemacht, — fie konnten zum Range 
eines Oberſten im Deere gelangen — und was über Als 
les ging, es wurde ihnen die Wahlfreiheit und eine 
Stimme für Mitglieder des Parlanıents gewährt. Dies 
war die dritte große Abzahlung öffentlicher Gerechtigkeit, 
welche die Katholiken Irlands empfingen. 

$. 13. Mun darf aber nicht vergeffen, daß diefe Zus 
geftändniffe mehr aus Furcht als aus Freundſchaft erfolg 
ten. Der Empörungstrieg war dem Ausbruch nahe, die 
Funken des Freibürgerfinne fprühten nah und fern. 
Die Proteflanten und befonders bie presbpterianifche Be: 
völferung des nördlichen Irlands fingen fie begierig auf. 
In Belfaft fanden fie ihren heißeften Brennpunkt; ber 
Vortheil der britifhen Regierung foderte dringend, bie 


reihen und einfideigtn Katheülen Iflande von der 
Sreibürgerpartei zu trennen. Man flug Diefen Weg 
ein. Die Katholiken wurden daflr gewonnen. Der ka: 
tholiſche Adel, der Mittelitand, dee Handelſtand und an: 
dere gebildete Volksclaſſen trennten fi faft wie ein 
Mann von der Freibürgerpartei. Was fonft eine Staats: 
umwaͤlzung getvefen wäre, wurde nur ein erfolglofer Auf⸗ 
fland. Die einfichtigen und tonangebenden Katholiken 
wurden gewonnen und fo ward Irland durch die weife 
und verföhmende Staatsklugheit des Zugeſtaͤndniſſes der 
britifhen Krone abermals gerettet. 

14. Erlauchte Frau — der Auffland von 1798 
ſelbſt war offentundig, und, über allen Zweifel erweislich, 
angeregt, um bie britifhe Krone zur Wernichtung der 
irlaͤndiſchen gefeggebenden Unabhängigkeit zu vermögen, 
und die „Bereinigung” zu Stande zu bringen. Aber 
das Werkzeug war faft zu mächtig für die ungeſchickten 
Hände, die ſich defjelben bedienten; und hätten fich ber 
Reichthum, die Bildung und der Verſtand Eatholifchers 
ſeits dem Aufſtande angefchloffen, würde er wahrſchein⸗ 
lich erfolgreich geweſen fein. 

15. Sept ein Wort von ber geſetzgebenden Un: 
abhängigkeit Irlands, die jegt „Widerruf der Verel⸗ 
nigung‘ genannt wird. Man fagt, fie fei eine Abfondes 
rung vom Weiche, eine Trennung der beiden Länder. 
Erlauchte Frau, diefe Behauptungen geben von Menfchen 
aus, welche wiſſen, daß fie ungegründet find. Eine irlän: 
diſche gefengebende Unabhängigkeit würde, im Gegentheil, 
das feſteſte und dauerhaftefle Band zwiſchen Ew. Majeftät 
irlaͤndiſchen und bsitifchen Landen fein. Sie würde durch 
die Verſoͤhnung Ihrer irlaͤndiſchen Unterthanen und durch 
die Befriedigung ihrer Bedürfniſſe und Wuͤnſche bie 
Trennung Irlands von dem geſetzmaͤßigen Gebiete Ihrer 
Krone durchaus unmoͤglich machen. 

8 16. In keinem Lande fliegen der Handel, bie 
Fabriken, der Geſchaͤftsverkehr, der Reichthum bes Ader: 
baues und der allgemeine Wohlſtand ſo raſch wie in Ir⸗ 
land vom J. 1782—-98, wo der „herbeigefuͤhrte (fomen- 
ted) Aufftand’ ausbrach und eine Zeit lang, Doch vor: 
übergehend,, die ſchoͤnen Ausfichten Irlands trübte, 

(Die Fortfetung folgt.) 


Dee Bogelbändler von Imſt. Tirol vor hundert Jahren. 
Volksroman in vier Bänden von GC. Spindler. 
Stuttgart, Hallberger. 1842. 8. 7 The. 


Gine einmal vorübergeraufchre Welle in ber Volksbildung, 
in der Literatur, in der Kunft Eehrt niemals wieber, menigftene 
niemals fo, wie fie ſchon da war und nicht in berfelben Gene⸗ 
rarion. Go iſt auch Spindler und der Geiſt feiner Romane 
vorübergeraufcht und duͤnkt uns nur noch eine Reminiscenz aus 
vergangener Zeit. Die unfere iſt fo begierig nach Wechfel und 
fo fchnell im erändern , fo egoiſtiſch und fo leicht im Urtheil, 
das fie in ber Kunft nit das an fich Befriedigende, fondern 
das fie Wefriebigende fucht, und daß es ihr unmöglidy ift, zehn 
Jahre lang an demfelben Object ihre Befriedigung zu finden. 
WB fie als Juͤngling liebte und bewunderte, das nennt fie als 
Erwadhſener kindiſch, und was ihr in jenem Altersſtadium zu: 
fagte, was fie mit Neigung umfaßte, das bezeichnet fie nun, 


sum Indteen Wiaunedalter gelangt, als Juͤnglingetraum uns 
werthloſe Durchgangeſtufe. Dies ik Schickfal, und Dielen 
echt deutſchen Gchidfel erliegen unter uns ale diejenigen 
Griſtir, denen es nicht, wie wenigen nur, moͤglich it, von 
drei zu drei Jabren ein neues Gewand umzuthun, ober ihren 
nun gealterten Überzeugungen, Formen, Vorbildern, Ideen uns 
treu zu werden. Es gibt Geelenftimmungen, in benen ung nichts 
willkommener ift, als Vorwuͤrfe zu empfangen. In einer 
ſolchen befindet ſich eben jegt das Wolf der Deutfcyen. Bir bös 
ven es gar zu gern, wenn man uns unfern unpraftifchen Sinn, 
unfere Immaterialität, unfere phantaſtiſche Geiftesrichtung, uns 
fere Abgezogenpeit vom wirklichen Leben zum Vorwurf madıt3 
wir jauchzen zu den Gchmähungen bes Auslandes über das 
deutſche Ideologenthum, und glauben uns fchon halb gebeſſert, 
wenn wir dazu Amen! fagen. Als wenn alles Dies nicht in 
unferer Ratur läge und zu den unabänderlichen Dingen gehörtes 
ald wenn es an dem Borſatz genug wäre, uns zu befleen, und 
ald wenn wir, von dem wiſſenſchaftüchen Gebiete auf das Gtaatts 
und politiſche Gebiet geworfen, barin nicht gerade ebenfo uns 
praftifh und theorienfühtig zu Werke geben würden, ais bies 
auf dem erſtern ber Fall gewefen ift! Diefen Vorwürfen zus 
folge bat ſich Deutſchiand jegt vorgenommen, praktifc zu 
fein, und gemäß dieſem Vorhaben verachten wir bermalen, was 
uns vor zehn Jahren genial, groß, ja faſt claſſiſch erſchien. 
Gerade fo lange ift es her, daß Spindier's Romane beinate in 
tem Anfeben ber Giafjicität flanden. Welche ganz andere Urs 
theile muß der arme Autor, ber doch nicht um ein Daar breit 
Schlechter geworden ift, jegt vernehmen, — er wäre zu bedauern, 
wenn ex fie läfel Da er dies aber wahrſcheinlich nicht thut, und 
baber auch fee Unten für ihn ein „Bebeimniß ’ bleibt, fo 
nnen wir um jo unbefangener und freier unfere ensmei⸗ 
nung uͤber ihn ausſprechen. f ſere den 
Spindler iſt noch heutiges Tages, was er von jeher war⸗ 
ein Talent, in dem der Geiſt der Schoͤnheit lebendig if. Was 
ihm wefentiid) mangelt, tft der Bormmechfel, die Mannichfaltig⸗ 
keit nicht ſowol der Anuſchauungen, als der Darftelung Es ift 
eine troftiofe Monotonie bes Stils, bie ihn charakteriſirt und 
die er mit Tromliz, mit Blumenbagen und andern Sternen 
feiner Epoche theilte. Verglichen mit W. Alexis, mit Sternberg, 
mit Immermann, weldes flarre Beharren an dem einmal crs 
faßten Ideenfreife, welche eigenfinnige Wiederkehr derſeiben Gons 
ceptionen, beffelben Gewebes der Kabel, derſelben Mittel zur 
Wirkfamleit und endlich beffeiben Stils ber Darfielung: Wie 
leicht die Arbeit, wie gewohnt die Vorbereitung, wie verbraucht 
durch eigene Verſchwendung Gang und Entwidelung der Bege⸗ 
benheit! Spindier hat zu viel, zu raſch nacheinander geſchrie⸗ 
ben, er hat ſich in feine Formen feſtgeſchrieben. Zum Theil 
jedoch, wir muͤſſen es geftehen, find diefe Formen nicht übel, es 
ift Natur und Kürze in ihnen, wie fie der Reichthum geiftiger 
Anfhauungen liebt. Spindler hätt ben Leſer nicht Lange bin 
bei Dingen, bie diefer ſchon ahnt; er endet jede Situation gewöhne 
lich kurz und gut, weil ihm im Gchreiben fchon eine neue zus 
fließt, und weil er außer der Erzählung felbft keine andere Abs 
fiht verfolgt. Dinge, die gefagt werben müffen, fagt er ges 
woͤhnlich kurz und bündig, und Gituationen, in welchen für 
Andere Berlodung zu langer Ausführung liegen möchte, thut 
er meiftens kurz ab. Da feine Romane immer baͤndereich find, 
fo fegt biefe Gigenfchaft viel Erfindung voraus und gewährt 
Spannung und Unterhaltung. Im Grfinden ift er dader faft 
allen fpätern Romandichtern überlegen, wenngleich wir zuge⸗ 
ben muͤſſen, daß gute und üble Erfindungen bei ibm wechfein. 
Die Reflexion, die flationaire Gelbftbetrachtung iſt nicht fein 
Fach, er verwirft fie aus der Erzählung und bannı fie, viels 
leicht mit Recht, in den Anfang oder ans Ende feiner Abſchnitte, 
wie auch Fielding that. Ebenſo wenig verfolgt er ſentimentale 
Erguͤſſe, zu welchen er, ſtets auf einen Kern von Erzaͤhlung und 
Greigniß bedacht, wenig Zeit bat. Dies unterfcheidet ihn von 
feinen obengenannten ZBeitgenoffen. 
Aus diefen Bemerkungen ſtellt fi) ein Bild ber Spindler'⸗ 


we 


fühnte Irland lleferte 20,000 Gesieute und rüflige Lands 
truppen zur britifden Flotte, fegte Rodney in deu Etand, 
Die franzöfifche Flotte nah Weſtindien zu verfolgen, wo 
in feinem Bufammentreffen mit De Graſſe, irlaͤndiſcher 
Muth mit britiſcher Tapferkeit wetttifernd, ja wo mög: 
Uch diefe Überbietend, der „Bauberflagge Englands‘ noch 
einmal den Gieg verfahaffte, die Seemacht des Fein: 
des vernichtete, nicht allein die weſtindiſchen Pflanzſtaa⸗ 
ten, fondern aud die Ehre der britifhen Krone rettete, 
und Lorbern freute auf einen Frieden, ber fonft ebenfo 
ſchimpflich wie unheilvoll gewefen fein wuͤrde. 

6. Die Milderung vom Jahre 1782 war eine 
zweite Abſchlagszahlung ber Schuld der ,, Gerechtigkeit 
für Stand”. Sie war eine edle Abzahlung. Sie gab 
den Katholiten die Befugniß, unabhängiges, zinsfreies 
Eigenthum auf Lebenszeit zu erwerben, oder es durch 
Erbſchaft an fi zu bringen. Aber fie that noch mehr; — 
denn zum erften Male nach neunzigjähriger Verfolgung 
alter Geiſtesbildung geflattete fie den Katholiken, Schulen 
zu öffnen und ihre Jugend in Literatur und Religion 
zu unterrichten. Die Katholiken nahmen verfländigermeife 
diefe Adfchlagszahlung an, welche ihr Eigenthumsrecht 
vollftändig twiederherflellte und ihnen das unſchaͤtzbare 
Recht der Erziehung ertheilte. Sie nahmen die Ab: 
ſchlagszahlung dankbar an, und begannen um den Meft, 
mit Klugheit und vermehrter Kraft, einen neuen Kampf. 

F. 7. Die BZulaffung der Katholiten zu den Land: 
pachtungen 1778 vermehrte die Einnahmen der prote: 
ſtantiſchen Gutsbefiger in Irland beträchtlih. Die ben 
Katholiten 1782 gewordene Erlaubnig, Güter zu Eaufen, 
fleigerte den Werth des Eigenthums aller Proteflanten 
in Irland ungeheuer. Verſoͤhnung und Wohlfahrt gin- 
gen Hand in Hand. Dasjenige, was Wohlmollen allein 
gewährt haben würde, erwies ſich in der Erfahrung ale 
das befte Mittel zur Steigerung des Werths ihres Ei: 
genthums, welches die flrengfie und felbftfüchtigfte Klug: 
heit den proteftantifhen Grundbeſitzern in Irland hätte 
an bie Hand geben können. 

$. 8. Im 3. 1782 erlebte man noch andere Ereig⸗ 
niffe, die mehr als den vorübergehenden Blick verdienen, 
den ich jegt darauf werfen kann, Ereigniffe der innigften 
und freudigften Theilnahme werth. Für jest mag «6 
genügen, zu bemerken, daß das irlaͤndiſche Parlament, 
welches Irland die geſetzliche Unabhängigkeit ficherte, nicht 
nur hoͤchſt vortheithaft war für die Vollmachtgeber, fons 
dern hoͤchſt treugefinnt gegen bie britifche Krone, und 
hoͤchſt nuͤtzlich Für die britiſche Macht. Es war jenes 
Parlament, welches den Beſchluß zur Abſendung und 
Befoldung der 20,000 irländifchen Katholiken faßte, bie 
zue Bemannung ber beitifhen Flotten eilten unb zum 
Siege Rodney's beiteugen. Niemals hatte Irland ein 
Parlament, das der Verbindung 'mit Großbritannien mehr 
zugethban war als jenes, welches die geſetzliche Unabhaͤn⸗ 
gigkeit Irlands ficherte. 

6 9. Es folgten zehn Jahre großer und wachſenber 
Wohlfahrt in Irland; aber es waren zugleih Sabre 
De6 Friedens umd der Macht Englands, und man hatte 


\ .. 
De 


keine Deranlaffung, die Katholiken Irtands zu verſoͤhnen 
ober ihnen zu ſchmeicheln. Daher wurbe auch ein fees 
neree Schritt zu ihrer Gleichberechtigung gethan. Die 
Katholiten nahmen indeß an dem allgemeinen Gedeihen 
Irlands Theil. | 

6. 10. Das Jahr 1792 fand die Saden in biefer 
Lage. Die Wohlfahrt, deren die Katholiken in Gemein 
fchaft mit ihren übrigen Landéleuten genoffen, das Ei: 
genthum, das fie täglich erwarben, madhte fie nach po⸗ 
litiſchen echten begierig. Sie legten baher dem irlaͤndi⸗ 
fhen Haufe der Gemeinen das Geſuch vor, daß ihnen 
die Ausuͤbung richterliher Thaͤtigkeit und MWahlfreigelt 
gewährt werden möge. Nur mit Mühe konnte man fi 
ein Deitglied verfchaffen, um die Niederlegung des Ge: 
ſuchs auf bie Tafel vorzufchlagen, und ein anderes, «6 
zu unterflügen. Dec Vorſchlag fand Widerſpruch bei 
dem Mitgliede von Kildare, Dr. Latouche; er fchlug ver, 
das Geſuch zu verwesfen, «6 ſei keine Gefahr vom 
Verwerfen zu befücchhten. Es ward baher verworfen, 
ba alle Mitglieder der Regierung für das Werwerfen 


flimmiten. 

6. 11. Aber vor dem Schluſſe des J. 17923 bet 
fih ein neuer Aufteitt dar. Die franzoͤfiſchen Deere 
fhlugen ihre Feinde auf allen Punkten. Die Nieder: 
(ande wurden erobert, und ein Strom von Sreibürgerfinn, 
von foldatifcher Macht getragen, bedrohte alle europäifchen 
Staaten. Die Kanonen von der Schlacht bei Jemappes 
wurden im Palafl von St.⸗ James vernommen, bie 
Weisheit, die im Verſoͤhnen der Katholiten lag, wurde 
gefühlt und verfianden, und noch am Schluſſe des naͤm⸗ 
lichen Jahres 1792, in defjen früherer Hälfte die Regie 
rung das Geſuch der Katholiken mit Geringſchaͤzung vers 
worfen hatte, brachte dieſelbe Regierung eine Bill zu 
einer noch größern Milderung des „Strafgeſetzbuchs“ ein; 
und zeitig im naͤchſten Jahre eine andere, wodurd ben 
Katholiten noch größere Vorrechte zugefichert, oder ich 
follte lieber fagen, zuruͤckgegeben wurden. 

13. Vermoͤge bdiefer beiden Bills wurben ben 
Katholiten die Schranken der Gerichtspflege geöffuer, — 
fie konnten Anwalte, doch nicht koͤnigliche Raͤthe werden, 
— fie konnten Sachwalter und Rechtsbevollmaͤchtigte, 
Freibuͤrger weltlichee Körperfchaften fein, — es wurden 
ihnen die Würden von Obergefhworenen und Magiſtrats⸗ 
perfonen zugänglich gemacht, — file konnten zum ange 
eines Dberiten im Deere gelangen — und was über Als 
les ging, es vourde ihnen die Wahlfteiheit und eine 
Stimme für Mitglieder des Parlaments gewährt. Dies 
war die deitte große Abzahlung Öffentlicher Gerechtigkeit, 
welche die Katholiten Irlands empfingen. 

$. 13. Man darf aber nicht vergeffen, daß diefe Zus 
geſtaͤndniſſe mehr aus Furcht al6 aus Freundſchaft erfolg: 
ten. Der Smpörungskrieg war dem Ausbruch nahe, die 
Funken des Freibürgerfinns fprühten nah und fern. 
Die Proteflanten und befonders die presbpterianifche Be⸗ 
völkerung des nördlichen Itlands fingen fie begierig auf. 
In Belfaſt fanden fie ihren heißeflen Brennpunkt; der 
Vortheil der britifchen Regierung foderte dringend, Die 


GC“ 


reihen und einfichtisen Kathellken Fttande von ber 
Steibürgerpartel trennen. Dan flug dieſen Weg 
ein. Die Katholiten wurden dafür gewonnen. Der ka: 
tholifche Adel, der Mittelitand, der Dandelftand und an⸗ 
dere gebildete Volkeclaſſen trennten fi faſt wie ein 
Manmnm von der Freibürgerpartei. Was fonft eine Staates 
ummälzung gewefen wäre, wurde nur ein erfolglofer Auf⸗ 
fland. Die einfichtigen und tonangebenden Katholiken 
wurden gewonnen und fo ward Irland durch die weiſe 
und verföhnemde Staatsklugheit des Zugeftändnifies der 
britifchen Krone abermals gerettet. 

$. 14. Erlauchte Frau — der Aufſtand von 1798 
fetb war offenkundig, und, über allen Zweifel erweislich, 
angeregt, um bie britifhe Krone zur Vernichtung der 
irlaͤndiſchen gefehgebenden Unabhängigkeit zu vermögen, 
und die „Bereinigung” zu Stande zu bringen. Aber 
das Werkzeug war faſt zu mächtig für die ungefchidten 
Hände, die ſich deffelben bedienten; und hätten fich der 
Reichthum, die Bildung und der Verſtand katholiſcher⸗ 
ſeits dem Aufftande angefchloffen, würde er wahrfchein: 
tich erfolgreich geweſen fein. 

15. Sept ein Wort von der gefeggebenden Un: 
abhängigkeit Irlands, die jept „Widerruf der Verei⸗ 
nigung” genannt wird. Dan fagt, fie fei eine Abfonde: 
rung vom Weiche, eine Zrennung der beiden Länder. 
Erlauchte Frau, diefe Behauptungen gehen von Menfchen 
aus, weiche veiffen, daß fie ungegründet find. Eine irlaͤn⸗ 
Difche geſetgebende Unabhängigkeit wiirde, im Gegentheil, 
das feſteſte und dauerhaftefte Band zwifchen Ew. Majeftät 
irländifchen und britifchen Landen fein. Sie würde durch 
die Verſoͤhnung Ihrer icländifchen Unterthanen und durch 
die Befriedigung ihrer Beduͤrfniſſe und Wuͤnſche bie 
Zrennung Irlands von dem gefegmäßigen Gebiete Ihrer 
Krone durchaus unmöglich machen. 

8. 16. In einem Lande fliegen der Handel, bie 
Sabrifen, der Gefchäftsverkehr, der Reichthum des Ader: 
bauss und der allgemeine Wohlftand fo raſch wie in Jr: 
fand vom J. 1782—98, wo ber „‚herbeigeführte (fomen- 
ted) Aufſtand“ ausbrach und eine Zeit lang, doch vor: 
übergehend, die ſchoͤnen Ausfihten Irlands trübte. 

(Die Sertfegung folgt.) 





Der Bogelhändier von Imſt. Tirol vor hundert Jahren. 
Bollsreman in vier Bänden von C. Spindler. 
Stuttgart, Hallberger. 1842. 8. 7 The. 

Cine einmal vorübergeraufchre Welle in der Bollsbilbung, 
in der Literatur, in der Kunft kehrt niemals wieder, wenigftens 
niemals fo, wie fie fon ba war und nicht in derfelben Gene: 
ration. So iſt auch Gpindler und ber Geift feiner Romane 

auſcht und duͤnkt uns nur noch eine Reminiscenz aus 
vergangener Zeit. Die unfere ift fo begierig nach Wechſel und 
fo ſchnell im Berändern , fo egoiſtiſch und fo leicht im Urtheil, 
daß fie in der Kunſt nicht das an fich Befriedigende, fondern 
das fie Befriedigend: fucht, und daß es ihr unmoͤglich ifl, zehn 
Jedre lang an demfelben Object ihre Befriedigung zu finden. 
Wet fie ais Juͤngling liebte und bewunderte, das nennt fie ale 
Erwaifener kindiſch, und was ibr in jenem Altersftadium zu: 
fagte, was fie mit Neigung umfaßte, das bezeichnet fie nun, 


* 


sum ſpaͤtern Wannesalter gelangt, als Juͤnglingtiraum und 
werthloſe Durdggengöftufe. Dies iſt Schickſal, und biefem 
ht deutſchen Schidſal erllegen unter uns alle diejenigen 
Geiler, denen es nit, wie wenigen nur, möglich iſt, Yon 
drei zu drei Jahren ein neues Gewand umzuthun, ober ihren 
nun gealtexten Überzeugungen, Formen, Vorbildern, Ideen uns 
treu zu werden. Es gibt Seelenſtimmungen, in denen ung nichts 
willlommener ift, ald Vorwürfe zu empfangen. In einer 
ſolchen befindet fidy eben jegt das Volk der Deutfchen. Wir bis 
ven es gar zu gern, wenn man uns unfern unpraftifchen Sinn, 
unfere Immaterialität, unfere phantaftifdye Geiftesrichtung, uns 
fere Abgezogenpeit vom wirklichen Leben zum Vorwurf macht; 
wir jauchgen zu ben Gchmähungen bes Auslandes über das 
beutfhe Zdeologenthum, und glauben uns fchon halb gebeflert, 
wenn wir dazu Amen! fagen. Als wenn alles Dies nicht in 
unferer Ratur läge und zu den unabänderlichen Dingen gehoͤrte; 
ale wenn es an dem Vorſatz genug wäre, uns zu befleen, und 
ale wenn wir, von dem wiſſenſchaftlichen Gebiete auf das Staates 
und politifche Gebiet geworfen, darin nicht gerabe ebenfo ums 
praktiſch und theorienfüctig zu Werke geben würden, als dies 
auf dem erſtern der Ball geweſen ift! Diefen Vorwürfen zus 
folge hat ſich Deutſchiand jegt vorgenommen, praktiſch zu 
fein, und gemäß biefem Vorhaben verachten wir dermalen, was 
uns vor zehn Jahren genial, groß, ja faſt claſſiſch erfchien. 
Gerade fo lange ift es ber, daß Spindler's Romane beinate in 
tem Anfeben ber Gtafficität flanden. Welche ganz andere Ure 
tbeile muß der arme Aulor, der doch nicht um ein Daar breit 
Schlechter geworben ift, jest vernehmen, — er wäre zu bedauern, 
wenn er fie läfe! Da er dies aber wahrſcheinlich nicht thut, und 
baber auch — we für ihn ein „epeimniß ’ bleibt, fo 
nnen wir um ſo unbefangener und freier unfere Herzens 
nung über ihn ausſprechen. mel» 


Spindler ift noch heutiged Tages, was er von jeher war 
ein Zatent, in dem der Geift der Schönhrit lebendig iſt. Was 
ihm wefenttid mangelt, tft der Formwechſel, die Mannichfaltig⸗ 
Seit nicht ſowol der Anſchauungen, als der Darſtellung Es ift 
eine troftiofe Monotonie bes Stils, die ihn charakterifirt und 
die er mit Zromlig, mit Blumenhagen und andern Sternen 
feiner Epoche theilte. Verglichen mit W. Alexis, mit Sternberg, 
mit Immermann, welches flarre Beharrın an dem einmal ers 
faßten Ideenkreiſe, welche eigenfinnige Wiederkehr derfeiben Con⸗ 
ceptionen, beffelben Gewebes ber Fabel, derſelben Mittel zur 
Wirkfamkeit und endlich beffelben Stils ber Darſtellung! Wie 
leicht die Arbeit, wie gewohnt die Vorbereitung, wie verbraucht 
durch eigene Verſchwendung Gang und Entwickelung der Bege⸗ 
benpeit! Spindlier hat zu viel, zu raſch nacheinander gefchrier 
ben, er bat fi in feine Formen feftgefchrieben. Zum Theil 
jedoch, wir muͤſſen es gefteben, find diefe Formen nicht übel, es 
ift Natur und Kürze in ihnen, wie fie bee Reichthum geiſtiger 
Anfchauungen liebt. Spindler hält ben Leſer nicht lange hin 
bei Dingen, die biefer ſchon ahnt; er endet jede Situation gewoͤhn⸗ 
ich kurz und gut, weit ihm im &chreiben fchon eine neue zus 
fließt, und weil er außer ber Erzählung felbft keine andere Äb⸗ 
fiht verfolge. Dinge, die gefagt werden müffen, fagt er ges 
wöhntidh Eur; und bündig, und Situationen, in welchen für 
Andere Verlockung zu langer Ausführung liegen möchte, thut 
er meiftens Kurs ab. Da feine Romane immer baͤndereich find, 
fo fegt dieſe Eigenſchaft viel Erfindung voraus und gewährt 
&pannung und Unterhaltung. Im Grfinden ift ec baber faft 
alten fpätern Romandichtern überlegen, wenngleid wir zuge⸗ 
ben müffen, daß gute und uͤble Grfindungen bei ibm wechfein. 
Die Heflerion, die flationatre Gelbflbetradhtung ift nicht fein 
Sach, er verwirft fie aus der Erzählung und bannt fie, viels 
leicht mit Recht, in den Anfang oder ans Ende feiner Abfchnitte, 
wie auch Fielding that. Ebenſo wenig verfolgt er fentimentale 
Erguͤſſe, zu weichen er, fletö auf einen Kern von Erzählung und 
Greigniß bebadyt, wenig Zeit bat. "Dies unterfcheidet ihn von 
feinen obengenannten Beitgenoffen. 

Aus diefen Bemerkungen ftellt fi ein Bild ber Epindler’s 





Mn Necane mmen, bad dem Berf. Bere macht. 
Er iſt, wiewol ausfuͤhrlich und redſelig, doch ein Er⸗ 
gäbter, fluͤchtiger, aber reicher Beobachter der Natur, guter, 


en en en wenn nicht immer geſchmackvoller, 
€ . 

Gpindier dat eine Vorliebe für Ersäflungen aus dem 
Wells: und Bärgeriebens nur felten erhebt er ſich über dieſe 
Stegion zu den Gipfeln der menſchlichen Geſellſchaft, und nie 
verweilt er Lange in diefer Froftigen und monotonen Höhe. Seine 
Welt ift das fehhafte oder wandernde Buͤrgerthum, nicht ber 
Sof, nicht das Lager, bie See ober ber Es if gut, 
wenn ein Autor fi feinen Kreis zu ziehen weiß, in dem er 
ich einheimifch macht, den er ganz und völlig kennt; inzwiſchen 
fodert ber Leſer Abwechfelung und auch dies Begehren will bes 
chafitigt fein. SSpindier’s Lieblingsgeftalten find alle von 
bemfeiben Schiage, wie bie Gooper’s, mit dem er überhaupt 
viel innere Verwandtſchaft dariegt; Wirtbe, Haufirer, indalide 
Soldaten, denen er, in oft befangener Raturanſchauung, meiftens 
eine Jean Paul'ſche Gefuͤhlſamkeit anbübet, die mitunter hart 
an das Komiſche fireift. 

Doch betrachten wir endlich den vorliegenden Roman in feis 
wer Beſonderheit; er gibt uns Gelegenheit genug, die obigen 
allgemeinen Bemerlungen zu bewaprheiten. Es ift ein Volts⸗ 
soman, wie ber Verf. ſeibſt fagt, aber ein Wollsroman fo 
eigenthuͤmlicher Art, daß, um ihn verftändlicd zu machen, ber 
Autor gendthigt gewefen ift, ein boppeites Wörterbuch, ein 
deutfchstiroterifches und ein romaniſch⸗ deutſches, jedem feiner 
vier Wände anzuhängen. @s if eigentiich damit noch nicht ger 
wug, er bitte, um vollländig zu fein, fireng genommen, auch 
noch eine Bergkarte, eine ftatiftifche Abhandlung über Suͤdtirol 
und eine Geographie des Wintfchgaus beifügen follen! Der 
Misbrauch der Specialität und des Gingetwiffens liegt hier auf 
der Hand; es ift derfelbe, den Belani uns oft bat fühlen laſ⸗ 
fen, bee balb kannibaliſch, batd hottentottiſch mit uns zu fpxes 
den unternahm. Wir halten es für moͤglich, fremde Gigens 
thuͤmlichkeiten treu zu malen in unferer Mutterſprache. Cooper 
ſeibſt, deflen wir vorhin gebacdhten, iſt barin ein ganz gutes 
Vorbild; er greift niemals zu gänzlich unverftänblichen und durch 
ein Wörterbuch zu entziffernden Mebeformen; er verfällt niemals 
in einen Miſchmaſch unergrändlider Worte, wie der Verf. ihn 
fi) beifpielsweife am Schiuffe des erften Bandes geftattet. „Die 
Wahrheit, Egidi! O Chei miserial Du thuft lügen. Tia 
Bucca plaida la vardad. Gewißlich lüge ich nicht. Laß uns 
umkehren. Ca nun, ca nun, Charett. Ich thu nichts bat. 
Biuft du annehmen das ehrliche Uffizi, das ich bir hab’ aus⸗ 
gemacht? Nein, Egidi; fag mir lieber, was ... der Engabbiner 
tieß ihn nicht ausreden ... Ca nun, ich bab’ Dich lieb, Lieber 
ats der Traficant, der immer iſt die Trumpeta feiner artihicious 
liberalidad! Ich habe mich’ bemüht, ich habe Sagirtad gegeben 
für dich. Ige Meifter thut dich erwarten. Laß mich aus, bu 
tbuft mir fo viel wehe. Cludeit la bocca, Jaa sunt par ir, 
und du mußt mitgeben. Gerapbin wollte ſich mit Gewalt los⸗ 
reifen. Was ba, rief der Engaddiner unb hielt ihm ben Mund 
zu: Un giavel catsch 'Ig auter, ein Teufel treibt ben andern. 
Or oun tei, marſch, Soloman. .. A ia groda, Marſch! Ige 
temps passe! A I’alva di gi müflen wir weit fein, Köibe, 
weit, wie flüdhtige Schuldada. Chiou, chiou, cor guiven! 
Jau nous gavisch un vantireivel viadi! Und fort etfchaufs 
wärts flog wie cin Vogel ber Schlitten auf glattem Pfad in 
die ſterndurchfunkelte Nacht hinein.” 

Wir fragen: kann es einem beutichen Romanbichter erlaubt 
fein, fo zu ſprechen? Ia, wir fragen mehr: Iſt es naturs 
getreu, ift es möglich und wahr, dab ein Menſch fo ſpreche, 
wie der Engaddiner Spindler's? Gewiß nit, Niemand wirft 
einen ſolchen Miſchmaſch zufammen als ein Schriſtſteller, ber 
gerade feine Kenntniß des romaniſchen Dialekts zeigen will. 
Die Abſicht iſt klar. 

VWenn der Verf. ferner feinen Roman einen Volkſroman 





nennt, weil eu (uk zur Hl ans Stubenöarten, 
und Bebeflguren des Bolks beftcht, fe hat ex inſoweit Redt; « 
ift nur gu bebauern, daß er auch dieſes Meer erſchoͤpft und daj 
ein Bud, welches durch vier Bände kaum eine Abwechſelung 
in biefer Stitiadividualitaͤt barbietet, doch zuleht für monoton 
unb langweilig gelten wird. In ben Geſpraͤchen der Gevatn⸗ 
rinnen und in verwandten Dingen findet Spindler jett kein Gube 
mehr, unb das beliebte „Sichgehenlaſſen“ gebeibt bei ihm bis 
zum Überdruß. „Das Madl haliet's mit ber Melt wie fie if, 
und mad fi keine Fabein vor, fagte die Großmutter. Mors 
auf die Kante ſchmerzlich verlegt: Kann denn bie Frau Mutter 
nicht einmal heut ein'n Fried’ geben? Eine ziemliche Stille ed 
folgte, die erſt Tammerl unterbradg: Wie's heut geläuter hat, 
bat die Uhr zugieich die Stunde gefchlagen, und das bebentet 
nichts Gute. Bm, machte die Hausfrau, muß es gerade 
und übles bebeuten? Es find mehr Leute auf der Welt. 
Martine hat in der Taufe gefhrien und dergleichen Kinder wen 
ben nicht alt. Gi was, rau Marta drein, ich fol and 
gelhcien baben, und fiehe, ich hab’ doch meine Jahrin aufm 
udel. Der eigenfinnige Tammerl wadelte mit dem Kopfe 
und rebigte immer fort: Ic fage, die Wögel, die am Mor: 
gen ſo früh fingen, verredın (7) gern am Abend. Die Haupt 
ſach, begann wieder die Rahnl, ift, daß das Madi baid einen 
braven Wann . Das wird fie, nidte Zammeri, fie bet 
immer die Kat fo viel gern gehabt, und felbige Madin ... 
Das wiffen wir, unterbrach ihn Genovefa... Dem Mad, be 
merkte nun Zammeri, iſt das Schuhbandt fo viel oft aufge 
ganzen und das bedeutet immer’... und im dieſer Weiſe obm 
Tabe fort. 





Wir meinen, es koͤnne auch bes an fi Guten zu viel ger 
geben werden, und ratben dem Verf., auf diejenige Abweche 
ed au denken, in der die altenglifhen Romandichter Borbik: 

nd. 

‚„ ‚Wie wollen den Eefern nicht verraiten, wie es gelommen 
ift, daß Serapbin Plaſchur am Ende des Buchs body noch frize 
Martina Zammerl, des Vogelhaͤndlers Tochter, zum GEhegefpond 
erhält, nachdem fie einen reichen Haustyrannen überlebt und 
beerbt, noch weiche erbauliche Redensarten bei dem Brautfchmaus 
gefloffen finds iazwiſchen ift für uns fo viel gewiß, daß ter 
Mangel an Ernft und die Beriodung leichter und Flüdgtiger Pr 
buction, welche Gelhmad und Maß gering achtet, unſerm Berf. 


viel von feinem urſpruͤnglichen Werdienft geraubt haben, un 


daß er, wenn er nicht ernftiid an eine Umkehr in den rechten 
Weg denkt, wenn ec niht auf Inhalt flatt der Worte, auf 
Gedanken flatt der Redensarten, auf Stoff ſtatt eimd 
hohlen Nichte, zu finnen ſich vornimmt, von ihm im ber fh 
nen Eiteratur bald Feine Rede mehr fein wird. Es wird alk 
dann zu unferm Bedauern von dem Verf. bes Juben“, dei 
„Jeſuiten“, des „Invaliden“ und fo mancher andern, zu ihrer 
Zeit bedeutenden und gefdhägten Hervorbringung nichts übrig 
bleiben als ein klangloſer Name, ber den Nachiebenden nichts 
davon meldet, eine wie glübende Phantafie und wie glänzende 


Srfindungsgabe hier in Xrivialität und Gedankenlouͤgkeit m 
8. 


Grunde gegangen ft. 





Notiz. 


Gin intereffanter Fund. 


Dean hat vor Eurem zu Paris unter einem Pad unbeachtet 
gebliebener Handfchriften einen intereflanten Bund getban. Gi 
ift dies der Driginaltert von der E ber G. iſtiichkeit von 
Frankreich, die in der Seneraiverfammiung des Jahres 1682 
entworfen wurbe und die als bie Sharte ber gallicanifchen Kirdx 
zu betrachten ift. Diele Erktärung iſt von Boſſuet vedigirt und 
trägt die Signaturen aller Biſchoͤfe von Frankreich. Das Erempiar, 
mas zu Rom auf Befehl des ten Papfles in das Feuet 
geworfen warb, war nur eine lautenbe Copie. 2, 


WBerantwortliger Deraußgeber: Hetinzrig Brodhaub. — Drud und Bertag von J. U. Broddans in Keipsig. 


BTarter 


TR 


literariſche Unterhaltung. 





20. Juli 1848, 





O Eonnell s geſchcchtliche Denkſchrift uͤber Jeland 
und die Irlaͤnder. 
(Bortfegung aus Nx. 2.) 

Sie bentes Hauptſtück. Das Jahr 18000 

F. 4. Dies Jahr würde allein einen Band füllen. 
Es war dad Jahr, das die Verbrechen vollzaͤhlig machte, 
weiche fieben Jahrhunderte hindurch die englifähe Regie⸗ 
rung am Irland verübt hatte. Es war das Jahr der 
Zerfisrung der irlaͤndiſchen Geſetzgebung. Es war bas 
— ewig verwuͤnſchte Jahr, worin bie Vereini⸗ 
gung durchgeſetzt ward. 

K.eRDie Bereinigung wurde Irland auferlegt 
7 Das — Belag 8 Schrecken, Qual, Ge⸗ 


—* Bi A z E Vereinigung blieben ſchlag⸗ 
fertig und fachten bie Glut eines zoͤgernden Aufftandes 
an. Sie reizteon die. Katholiken gegen die Proteſtanten 
und Die Peoteſtanten gegen bie Katholiken auf. Sie 
naͤhrten abfichtiich- heimiſche Zwiſtigkelten, Die bei der Un⸗ 

teriochung ihren Zweden dienen ſollten. 

& 4, Während die Wereinigung im Korefchreiten 
begriffen war, wurde bie Habeas Gorpusacte aufgeho⸗ 
ben, — ale veefoffungsmäßige Freiheit in Irland ver: 
nihtet, — das Kriegsgefetz verleſen, — bie Wolter: häufig 
in Anwendung gebracht, — Freiheit, Leben und Eigen 
* fanden keinen Schutz. Die entliche Meinung 

m Verhoͤre vor dem Kriegsgericht waren 
ander, — "gefetich durch Sheriffs und Obrigkeit beru⸗ 
fene VDerſanmlungen wurden durch ſoldakiſche Gewalt 
auseinander getrieben, — Itlande Stimme war unter⸗ 
Ichdie, — das irlaͤndiſche Voll fand keinen Schutz. Ich 
wieberheie es nochmats: das Ariegägefek ward. ver⸗ 
leſen — ſe an bie ie Aaseinigung dam irtaͤndiſchen Weil 
mu Eos zu, St 

& 5 Dub Yes ar noch. nicht. Alles; man nahen 
Sins: ungehesierfien. und wiedrigſten Beſte⸗ 
dung. Ben fast, Lorb John Ruſſell habe, vor. eimi 
ger Zeit bei einem aͤffentlichen. Mittagemahle, behaup: 
ws, daf, bie Mersinigung, eine, Außgabe von 300,000 
HM, Seert, wezurjace, habe. Er mar fahr im Irthum, 
als ex, dich, fe Bios auf ungrweiffe. Grinnesuing- hin, fast 
Die Patiawenztuckunden werden ihm bayiban,. daß ME 


F 


ber: eine Anſatz für Kaufgelder vom ausgeftorbenen 
——— — 48 weniger ale 1 58 





—e Der Befehl Inn Linienfhiffe uab 
Regimentes, bie Amtes von Oher⸗ und Untarcichteve, 
die Stellen von Ecztiſchoͤfen und Bifkäfen, won Gran 
rentsgeiftern, und ale Arten von Einnehmerſtelen — kuz 
ale Dienſtſtuſen, das Heiligthum des Geſetzeg und 
die Tempel der Religion, wurden zu Be * 
banbeit, unh fir Parlamentsſtiamen zu Gunften der 
Bereinigung. bingegebem, 

8. 7. Dogg dies war mach nicht Alles, Ungeachtet aher 
Anwendung von Einſchuͤchterung und Schreien, von 
Kriegsgericht und. foldasifcher Folter, von dem ** 
ſten jemals erlebten Beſtechungsmeſen, konnte die Vera 
nigung doch nicht eher zu Stande gebracht werdan, als 
bis verfchiebene wahlfaͤhigg Burgflecken erkauft waren, ums 
eine Anzahl Schotten und Englaͤnder ins Parlament zu 
feaben,, welche insgeſammt Stellen im een, oden bei, der 
Flotte, oder amdere Regierumatämtar betleideten, vom her 
nen fie nach Gefallen entfernt werden bonnten. Die 
Zahl folder Fremdan“ war, foßt chemie arok wie bie 
Stimmenmeheheit, womit. die Vereinigung durchs«ſtt 


wurde. 

& 8. Die Vereinigung, gfermirbige Frau, war kein 
Vertrag oder, eige Übereinkunft; fie war kein: arfchlefiener 
Handel ober —— fie hatte ihren Urfprung. und 
Fortgang, in Gawalt, Betrus, Schrecen, Falten und Der 
flechung ; fe ie bat “ auf diefe Standar keine anders, big 

denda Kraft als bie der Gemalt; fie iſt noch jetp «in 
bloßer Name. ar —58 find nicht vereinigt, bie Far 
laͤnder werdan fortwährend, als „rede der Ahfieannng 
und la nech behandelt 

&, 9. &e. wurde, Die gefekachende Umahhimsigkeit 
lands vernichter Ge. warb bad, graͤſfce, jewals mm 
* —8 — gegen Icland bagangens New 


& 10. Der abhſchenlichen Ant, af welche bie. Verel⸗ 
nigung herbeigeführt wugän,. Pamugk.nus: dia. Ungereibtige 


nr de 


ı.- 


keit ber Bedingungen gleich, denen Irland unterwor⸗ Achtes Hauptflüd. Die Jahre 1800 — 29. 


fen warb. | 
$ 11. Ih mag nicht lange bei biefem verab⸗ 
fheuungswerthen Gegenflande verweilen. Nur zwei Züge 


von dei Irlaud Ingefigten Ungerechtiglelt will ich ans 
führen. Der eine bezieht fih auf Geld, der andere auf 
Bolksvertretung. 

$. 12. Der kurze Umriß des gegen bie Irlaͤnder 
verhbten Geldbetrugs iſt folgender: Zur Zeit ber Verei⸗ 
nigung hatte Irland eine eingetragene Schuld von 20 
Millionen. Englands Schuld betrug 446 Milllonen. 
Wäre die Bereinigung ein offener rechtlicher Vertrag, fo 
Seiten die : Schulden beider Länder fich fortwährend in 
demfelben Verhaͤltniß erhalten. Vielleicht wäre, alle Um: 
Rönde beruͤckſichtigend, fogar eine folche Eintheilung hart 
gegen Irland. Doch was erfolgt für Irland aus ber 

ereinigung? Daß alle® Land, alle Häufer und anderes 
ſowol Grund⸗ als perfönliches Eigenthum Irlands jest 
gleich mit England für die MWiederbezahlung von 840 
Millionen Pf. Sterl. haftet!! Höchftens dürfte Irland 
eine nicht 40 Millionen überfleigende Summe ſchulden. 
Dark; die Vereinigung bürdet man uns eine Schuld 
son 840 Mifionen auf, Ohne die Bereinigung wäre 
Me ganze irlaͤndiſche Schuld ſchon fange abgesahle, und 
Irland hätte, gleich Norwegen, Leine Landesfchulden. 
Niemals ift ein Volk fo ungerecht behandelte worden wie 
das trländifche! 

6. 13. Die Irland zugeflgte grobe Ungerechtigkeit 
in Abdficht der Volkstretung in den vereinten Parlamen: 
ten war folgende: Die Eigenfchaften, melche jedes Land 
zue Volksvertretung befähigen, fagten bie Verfertiger der 
Bereinigung, feien Bevölkerung und Eigentbum. Die ein: 
sigen Beweiſe won Eigenthum, bie Lord Caſtlereagh zu: 
geſtehen wellte, waren Ausfuhr, Einfuhr und Einkünfte. 
Dinsertraͤge ließ er ganz aus, unb dennoch war Irland, 
nach feinem eigenen Zugeftändniß, zu 108 Volksvertre⸗ 

ten auf 658 im Ganzen berechtigt. Bon diefer Zahl 
nahm er nad) eigenem Gutduͤnken noch acht hinweg und 
ließ Icland nur 100 Mitglieder. Er hätte aber reiht: 
lich den verhälmißmäßigen Ertrag beider Länder in feine 
Berechnung aufnehmen müffen, und dann würde für Sr: 
land bie richtige Zahl von 169 herausfommen. Noch 
mehr, wäre der Maßſtab zu einer verhältnißmäßigen 
Volksovertretung angelegt worden, tie er hätte angelegt 
merden müflen, nur auf Bevölkerung und Einkünfte be: 
gründet, fo wärbe für Irland das Recht auf 176 Mies 
lieber fich ergeben haben. 
814 Wäre die Vereinigung em ehrlicher Vertrag 
gewefen, fo wuͤrde keine Rechtsverdreherei Irland bis auf 
350 Mitglieder haben berauben können. Dennoch wurbe, 
nad dem eigenmächtigen Willen und Belieben der engl: 
fhen Regierung, ein Drittheit abgeſchnitten. Dies iſt 
eine ſchreiende Ungerechtigkeit und diefelbe iſt großentheils 
Schuld an der Unficherheit, worauf bie -- Bereinigung 
beruht. Weſentliche Gerechtigkeit in biefer Beziehung iſt 
ſtets vorenthalten worden. So find wir durch die Verei⸗ 
nigung entwhrdigt und befhimpft. 


$. 1. Als Zweck der Vereinigung wurde angeführt: 
das fehle Verſchmelzen ber Bewohner beider Iufeln zu 
Einem Volle. Man bot bie .fchmgicheihofte Hof 





nungen, verhieß die feierlichſten Bügihaiken, Irland 


folle der britifchen Freiheit nicht länger fremd und fern 
bleiben. Die Religion der Einwohner folle nicht länger 
ein Wahrzeihen für Verfolgung fein, die Völker follten 
Eins werden; an Rechten, Gefegen und Freiheiten ein: 
ander gleichgeftelt fein. Man pofaunte bie abgenugten 
Redensarten: „‚Paribus se legibus“, „Invictae gentes”, 
„Aeterna in foedera”, fo lange aus, bis das Ohr betäubt 
ward und der gute Geſchmack einen Ekel davor erhielt. 

& 2. Dies waren Worte — lateiniſche oder engli⸗ 
fhe, doc leere Worte. Irland verlor durch die 
Bereinigung Alles, und erhielt buch fie 
nichts. Pitt benahm fih mit einiger Würde, als er 
die Stelle sinds erſten Miniſters aufgab, weil er fand, 
bag ihm Georg IM. nicht geflatsen wollte, die der Ders 
einigung geleiftete Bürgfchaft für Gleichberechtigung der 
Katholiken einzulöien. Allein jene Würde wurde im 
Schmug getreten, al& er nachher einmwiligte, mit feiner 
gebrochenen Buͤrgſchaft und verlegten Treue, Miniſter zu 
bfeiben. Und dennoch gibt es noch „Pitt: Clubs‘ im 
England! 

$. 3. Ireland verlor Alles, und gewann 
nichts durch die Bereinigung. Es gibt ein großes 
Übel in dem Stantshaushalte Irlands. Es gibt einen 
unvertilgbaren Schandfled im irlaͤndiſchen Staate. Sie 
befiehen darin, daß neun Zehntheile des Bodens Abwe⸗ 
fenden gehören. Diefes Übel wurde als ein unheil⸗ 
fchwangeres mit dem größten Leidweſen ſelbſt wor der 
Bereinigung empfunden. Es hat. ſeitdem ungeheuer zu: 
genommen. Die Vereinigung muß das Außerlandesleben 
unausbleiblich vermehrt: haben und es noch fortwährend 
vermehren. Selbſt alle zur Leitung der Regierung noth⸗ 
wendigen Dienflämter, mit Ausnahme eines einzigen — 
das des Lord⸗Lieutenants —, find Abweſenden zu Theil 
geworden. 

$. 4. Irland verlor Alles, und gewann 
nichts buch bie Vereinigung. Jedes Verfprechen 
ward gebrochen, jede Buͤegſchaft verlegt. Irland muͤhte 
fi) ad, und bat und rief Freunde zu Didfe und das 
Parlament um Erleichterung au. 

$. 5. Endlich kam ein anderer Geiſt über unfere 
Beftrebungen. Das irlaͤndiſche Bott Hirte auf, um 
Goͤnnerſchaft zu buhlen, ober Hälfe von feinen Freunden 
zu hoffen. Es wurde ‚fein eigener Freund” und nad 
fochsundzwanzigiähriger Aufregung erzwang es bie Gleich⸗ 
bereitigung. Es ‚nöthigte die maͤchtigſten wie die fal⸗ 
ſcheſten, die frechſten wie bie gewanbteften feiner Feinde, 
ihm Gleichberechtigung zu gewähren. 

$. 6. Wellington und Perl — Gott ſei Dank! wir 
haben Euch geſchlagen. Unfere friedliche, unblutige, un⸗ 
beſteckte, unverbrecherifche Verbindung war zu ſtark für 
ven ſoidatiſchen Ruhm des Einen, und für alle bie 


feinen RE ernledtigende Rechttverdrehung, das 
taͤuſchende Vilendwerk des Andern. Weide bewilligten 
emdiich, aber ohne Würde, ohne Edelmuth, ohne Bieder⸗ 
keit, ohne Aufrichtigkeit. Ja, das Zugeſtaͤndniß ward 
mit einer Rieinlichleit ertheilt, die faſt unglaublich ift, 
wenn fie nicht bereits der Geſchichte angehörte. Sie er: 
theilten einem Volke die Gleichberechtigung und durch 
die naͤmliche Urkunde aͤchteten fie einen Einzelnen. Peel 
und Wellington, wir ſchlugen Euch und trieben Euch in 
eine erzwungene Zeeifinnigkeit binein, und Ihr ließet jes 
den Ref von Charakter als eine Beute der Sieger hin: 
ter Cuch zuruͤck 

F. 7. Es gab eine Zwiſchenzeit, In welcher die Gleich⸗ 
berechtigung mit Anſtand haͤtte bewilligt werden koͤnnen, 
und in welcher ſie als eine Gunſt angenommen worden 
wire. Dies war das Jahr 1825. In dieſem Jahre, 
wo Altes das Gewaͤhren der Gleichberechtigung beguͤn⸗ 
fligte, wo fie mit Anftand und Würde hätte verlie 
ben werden tönnen, wo fie als ein Erguß mächtiger 
Beifter von Staatemännern und Eroberern. erteilt wer⸗ 
den tonnte — 1825 widerſehten ſich Wellingten und 
Peel mit Erfolg der Gleichberechtigung, und bemirkten 
dadurch, daß Das, was ihnen zu glorreihem Ruhme ge 
dient hätte, zum Werkzeuge ihrer eigenen Erniedrigung 
wurde. 

6. 8. Laßt es uns nicht vergeffen, daß das Haus 
der Gemeinen während dieſer 29 Jahre dreimal eine 
Gleichberechtigungsbill durchgehen ließ; daß aber diefe Bill 


jedesmal vom Dberhaufe verworfen ward. Die Pairs 


geftatteten indeß einen vierten Angriff, da er fih auf bie 
Kraft des irlaͤndiſchen Volks flügte. Endlich haben wir 
den befländigen Feind Irlands gefchlagen — das engli: 
fhe Oberhaus. 

8.9. Wir wollen baran erinnern, daß unfer Kampf 
„Gexifſensfreiheit“ galt. O, wie befchränkt find die 
WMenſchen, die mit proteftantifcher Duldſamkeit prahlen, 
und gegen katholiſchen Glaubenseifer losziehen! Dieſe 
Verleumdung war eins der aͤrgſten Übel, die wir früher 
zu erbulden hatten. Jetzt verlachen wir fi. Die Ges 
ſchichte der Berfolgungen, welche von den Proteftanten 
der hertſchenden Kirche Englands gegen die Katholiken 
einerfelts, und gegen Presbyterianer und andersdenkende 
Proteflanten andererfeits ausgeübt wurden, iſt eine der 
ſchwaͤrzeſten auf den Blättern ber Zeit. 

$. 10. Die irlaͤndiſchen Katholiken, die feit der Me: 
formation dreimal wieder zur Macht gelangten, haben, 
gelobt fei der große Bott, niemals einen einzigen ‘Den: 
ſchen 


(Dee Beſchluß folgt.) 





Literarifhe Notizen. 


Die Heilguellen Griechenlands. 
Herr &. Landerer, ber ſich feit feinem zehnjährigen Aufents 


hatte in Sriechenland mit den Mineralwäffern, womit die Nas 
tur vos in fo vieler Hinſicht gluͤcktiche Königreich Griechenland 
beſchenlt Hat, beſonders befchäftigt, und auf den von Zeit gu 


Bett unternommenen?Bpeifiär bafeldE "die ſchon in alten Seiten 
getannten Heilquelten beſuchht und an Ort und Stelle anakyfirt, 
auch anbere neue und ben Griechen ganz unbekannte Liuellen 
biefer Art aufgefunden bat, tft auch viefacdy bemüht geweſen, 
bie Ergebniffe feiner Unterfuchungen in kleinern Auffägen in 
Journalen und in eigenen eguften in griechifchee Sprache zu 
veröffentlichen. So gab er 1835 eine Schrift: „legt zuv h 
Kıdyp Ieouwv vdarwr" (vergl. „Die Infel Thermia und 
ihre Deitquellen”, von Goedechen, in „Ruſt's Magarin für die 
gefammte Heilkunde”, 1837, 8b. 50, Heft 1), 1836 eine: 
„ Hegıyoayy Tüv dv "Ynarn, Aldnyo xal Geouonüiaıs 
depuor üdarar‘' (Deutſch: Bamberg 1837), auch ähnliche 
„Heol wy ron, Miiw x. r. A. Iepuwr vdarwur'! heraus. 
Da jedoch diefe Mittheilungen, in fo vielen Zeitungen zerfireut, 
den beabfichtigten Nugen nicht barbieten konnten, fo Öihrieb er 
1840 ein eigenes Werkchen: „ITeot ro» dv 'Elladı Inuarınwy 
ddatom!’, das er nun in einer deutſchen überſezung, die er 
durch Hinzufügung einiger neuen Unterſuchungen vermehrt hat, 
für Diejenigen, die ſich in Deutfchland für die Heilquellen 
in Griechenland intereffiren, bearbeitet bat. („Beſchreibung 
der Deilquellen Griechenlands.” Nürnberg, Schrag. 1843. 
Gr. 8. 230 Ngr.) Jedenfalls verdienen letztere aus mehren 
Gründen die Aufmerkfamleit und nähere Beachtung des Aus 
landes, und es iſt ein Verdienſt des Verf., demſelben biefe 
Schäge Griechenlands näher gerüdt zu haben. Die gruͤnd⸗ 
liche Unterfuhung dieſes Gegenftandes gehört nicht hierher; 
doch wird fie wol bemfeiben, namentlich auch in Deuticland, 
fiher zu Theil werden. Die Beſchreibung ſelbſt behandelt ih⸗ 
ven Gegenftand mit Fleiß und wiffenfchaftlicher Genauigkeit und 
beſchraͤnkt fich nicht blos auf die gewöhnlich allein genannten 
Bäder und warmen Waſſer im neuen Griechenland auf ben 
Inſeln Kythnos (Thermia), Milos und Thera (Santorin) 
3 bei Ypati (Patradgil), Albipfos und ben Thermos 
N. l. 





Cyclopaedia Indianensis., 

Zu Neuyork erfcheint eine „Cyclopaedia Indianensis, or 
a general description of the Indian tribes of North and 
South America”, herausgegeben von H. Schooleraft. Das 
Ganze iſt alphabetiſch angeordnet und umfaßt den Urſprung 
dieſer Staͤmme, ihre Geſchichte, Sitten und Gebraͤuche, Sprache 
und Religion, Alterthuͤmer und monumentale Überreſte, Alles 
gorien und Sagen, Schriftart, Spuren von Kunftübung, Vers 
gnügungen , Biographien ber berühmteften Haͤuptiinge u. f. w. 
Sin Lexikon indianiſcher Worte und Phrafen wird beigegeben, fer» 
ner bie Portrait ausgezeichneter Däuptlinge, Abbildungen von als 
ten Ruinen, Hiereglyphen u. ſ. w. Dies fehr interefiante Werk 
iſt auf acht Nummern berechnet, von benen je vier einen Band 
von 700 Seiten büden. Gin uns vortiegendes Probeheft Ichrt 
und die Trefflichkeit der Ausflattung kennen. Wir entnehmen 
biefem Hefte folgende flatiftifche Angabe. Großbritannien ver- 
wandte während des Revolutionskrieges in mehr oder wen 
directer Weiſe nachftehend verzeichnete indianifche Gtreitkräfte: 
Shoctams 600, Chictaſawe 4 Gherofefen 500, Creeks 700, 
Kiankaſchaws 400, Omiamies 300, Kickapoos 500, Munſeys 150, 
Delawaren 800, Shawnees 300, Fores 300, Puyon (Paunte) 
350, Sokki 450, Abientis 200, Mohidons 60, Uchipways 3000) 


| Dttawayns 300, Mohamts 300, Gayugas 230, Jenckawe 400, 


Sues und Soulhufe 1300, Yuttawottomee81400, Talawas 150 
Muskulthe 250, zufammen 12,6% — Hechnet man auf 
einen Krieger 9 Seelen, fo war eine Zotalbenölkerung vom 
63,450 Serien bei dem Sriege betheilige. Diele Lifte ver⸗ 
öffentlichte Gapitain Dalton, Obrrintendant der indfanifchen Anger 
tegenheiten für bie Vereinigten Staaten, ber lange Zeit Gefaͤn⸗ 


| gener des Feindes gewefen war, am 5. Aug. 1783 zu Philadelphia. 


Sin Sinefifher politifher Roman. 
Von Dr. 3. Legge eingeleitet erfchien zu London: „The 
rambles of the omperor Ching Tik in Kiang Nan, = chinese 


796 


teien ebenfo wild und roh wie bie Greuelthaten Attila's 
d ingis⸗Khan's. 

Fa Snsbefondere bietet die Weitgefchichte nichts 

Schrecklicheres und Abſcheulicheres dar ale die Megelrien, 

welche Obrien, Lord Inchiquin In der Stiftskirche von 

Gafhel, Zacton in Limerid, Cromwell in Drogheda und 

Wexford verübten. , 

$. 6. Nach beendigtem Kriege fammelte Crommell, 
als die Erfllinge des Friedens, 80,000 Irlaͤnder in ben 
fhdlichen Theilen Irlands, um fie nad) den weſtindiſchen 
Inſeln zu verpflanzen. So viele als das Verfahren des 
Zufanmentreibens überlebten, wurden in einzeinen Sen: 
dungen nach diefen Infeln eingeſchifft. Von den 80,000 
beliefen ſich in ſechs Jahren die Überlebenden auf nicht 
30 Perfonen!! 80,000 Irlaͤnder mit einem Streiche, 
durch langſame, aber beharrlihe Grauſamkeit, hingeopfert 
dem Moloch englifcher Derrfhaft!! 80,000 — o Gott 
ber Gnade! 

F. 7. Und doch erfcheinen alle diefe Sraufamteiten un: 
bedeutend und nichtöfagend gegen die Allem die Krone 
auffegende Grauſamkeit der Feinde Irlands. Es wurde 
den Irlaͤndern bürgerliche Gerechtigkeit verweigert. Aber 
noch weit abfcheulicher iſt es, daß man ihnen gefchichtliche 
Gerechtigkeit verroeigerte, und fie befchuldigte, Urheber und 
Ausüber der Todtfchläge und Mepeleien zu fein, deren Opfer 
fie nur waren. 

88. Kein Volt auf Erden iſt jemals mit folder 


Grauſamkeit bekandelt worden mie die Irlaͤnder. 
(Die Fortſetzung folgt.) 





Literarifhe Notizen aus Franfreid. 
Geſchichte des Theaters. 

Bir haben vor kurzem in d. BI. eine Reihe von Werfen 
aufgezäpit, welche alle die Gefchichte der franzöfifiyen Bühne 
zum Gegenftande haben, ober wenigftens Beiträge zur Kenntniß 
einzelner Perioden derfelben geben. Wir können heute biefe 
eite noh um eine „Histoire philosophique et litt6raire du 
theätre francais depuis son origine jusqu’& nos jours’ vers 
mehren, die foeben die Preſſe verläßt. Diefes Werk rührt aus 
der Feder eines Peuilletoniften bes „‚Siecle”, Hippolyte Lucas, 
ber, der ſich ſelbſt durch einige leichtere Theaterſtuͤcke, Vaudevilles 
und Operntexte bekannt gemacht hat. Seine beſonnenen Theater⸗ 
kritiken im erwaͤhnten Journale beſtechen bei ſeinen Werken 
von vornherein und laſſen eine unparteiiſche Wuͤrdigung fremden 
Berdienftes erwarten. Dieſe Erwartungen werben denn auch 
nicht getaͤufcht. Wir machen beſonders auf den ſchwierigen Abs 
ſchnitt, weicher den Zuſtand des franzoͤſiſchen Theaters während 
der Revolutionsperiode behandelt, aufmerkſam. Derſelbe iſt 
wirklich hoͤchſt intereſſant. Der Verf. uͤberblickt dabei die ganze 
Lage der Dinge zu jener Zeit und gibt zugleich noch eine uner⸗ 
—. Fuͤlle einzelner intereſſanter Zuͤge und pikanter, 
charakteriſtiſcher Anekdoten, aus denen man jene Periode oft 
beffer Eennen lernt als aus langen Afthetifchen Raiſonnements. 
Intereffant ift, was Lucas von ben erften Aufführungen von 
Shenier’s „Charles IX” erzählt. Talma, der bis dahin noch 
feine Gelegenheit gefunden hatte, fein herrliches Talent vols 
fündig bervortreten zu laflen, warb in dieſem Stüd, in. dem 
fein chef d’emploi nicht auftreten wollte, zum erſten Male 
an eine größere Rolle gelaſſen. Die übrigen GSchaufpieler 
weigerten fih mit Talma aufzutreten, nicht aus Misgunſt über 
fein Genie, deſſen Umfang fie noch gar nicht ahnten, fondern 


weil fie bie republikaniſchen Gefinnungen nidht tbeliten, von 
denen biefes neue Stuͤck durchdrungen war. Die Anhänger des 
Hofes geriethen in Muth, als bie erften Vorſtellungen, ungradhtet 
ihrer Cabalen, body ihren Fortgang haften, und ber Dichter 
fowie der Gchaufpieler, der bie erſte Role hatte, wurben in 
allen Blaͤttern, die ben Royaliſten zu Gebote landen, bis in 
den Staub gezogen. Ja, die Srhitterung ging fo weit, daß 
Chenier und Talma ſich gendtbigt fahen, öffentlich befannt zu 
machen, fie würden ftets Waffen bei fih tragen, um ſich, wenn 
fie auf der Straße angegriffen würben, vertheidigen zu Können. 
Mirabeau nahm für die Werfolgten Partei, und erfannte 
namentlich in Zalma ben unſterblichen Künftler. Wenig belannt 
dürfte auch fein, daß Laya, unbedingt ber einzige Dichter, der 
feinen Revolutionsſtuͤcken wenigftene eine gewiſſe Literarifche 
Borm zu geben verfland, im %. 1793 den Muth hatte, die 
Ultraradicalen in ber Convention offen anzugreifen. Das Städ, 
in dem er dies that, führte ben Zitel „Ami des lois”. Man 
wollte in bdemfelben fogar die Portraits von NRobespierre und 
Marat erkennen. Die Verfolgungen, die fih der Verf. durch 
fein Stüd zugezogen hatte, wurben von ber Convention, die 
einen Act ber Großmuͤthigkeit thun wollte, niebergefchlagen. 
Von allen GStüden, bie Lucas in feiner Schrift beſpricht, 
ift das tollfte und ungeftaltetfte das ‚„‚Jugement des rois”, das 
mitten im droften Gewirr der Revolution zur Aufführung kam. 
Der Verf., Sylvain Markchal, hatte fein Städ, in dem ben 
armen Königen und fogar bem Zar und dem Papſte, die 
fi) beide ins Haar fallen, arg mitgefpielt wird, eine „Prophetie'* 
genannt. 


Lothringiſche Alterthümer. 

Wir haben vor kurzem ben zweiten und legten Banb ber 
„Archeologie de la Lorraine” von J. 2. Beautieu erhalten, 
der an wichtigen tmnd intereffanten Ginzelheiten nicht wenis 
ger reich ift ats ber erſte. Diefes Werk verbient namentlich 
auch von beutfchen Gelehrten beachtet zu werben. Der Berf., 
geb. zu Nancy am 28. Aug. 1788, gegenwärtig Präfident 
der Sotcide royale des antiquaires de France, hat fein ganzes 
Leben archaͤologiſchen Unterfudjungen gewidmet, und diefe Stu⸗ 
diem verdanken ihm manche wichtige Bereicherung. Einen 
Theil feiner Beobachtungen hat er in verfchiedenen gelehr⸗ 
ten 3eitfcheiften niedergelegt, indeſſen find auch mehre ſeib⸗ 
ftändige Werke aus feiner Reber erſchienen. Erſt neuerdings 
bat er in einem Briefe an Iomarb, Mitglied der Afademie, 
die aͤgyptiſchen Alterthümer befchrieben, die vor einigen Jahren 
bei Salzburg aufgefunden find. Leider ift es ihm gleich bei 
der Abfallung des Titels zu biefem Buche begegnet, einen Kleinen 
geographifchen Schniger zu machen. Bon Beaulieu’s übrigen 
archaͤologiſchen Schriften heben wir bie „Recherches archeo- 
logiques et historiques sur le comt& de Dachsbourg, aujour- 
d’hui Dabo” und die „‚Antiquitss de Vichy les Bains” hervor. 

2 


Literarifhe Anzeige. 
B i “ Æ. au 1 ⸗ 
und ar — * Ferne h 8 iſt neu erſchienen 
Traditiones corbeienses. 


Herausgegeben 
von 


Dr. Paul Wigand. 
Sr. 8. Geh. 24 Near. 


Fruͤher erſchien von dem Herausgeber ebenbafelbfi : 
Die Corveyſchen Gefchichtoquellen. Ein 
Nachtrag zur kritiſchen Präfang des Chronicon cor- 
beiense. 1841. Gr 8. Geh, 1 The. 


Verantwortlicher Herausgeber: Heinrih Brodhbaus. — Drud und Verlag von F. U. Broddaus in Leipyig. 








Blätter 


für 


literarifhe Unterhaltung, 





und die SIrländer. 
(Vortfetung aus Nr. 198.) 

Biertes Hauptflüd. Die Jahre 1660-92. 

Wir find jest zur Reflauration gelangt, einem Er: 
eigniffe von aͤußerſtem Vortheil für die Anhänger ber 
Krone, bie gerechterweife wieder in ihr Eigenthum einge: 
fett wurden ; einem Ereigniſſe, das den britifchen Plündes 
rern und befonders den Soldaten Ireton's unb Crom⸗ 
well''s das Eigenthum der irländifchen Katholiken, deren 
Väter gegen die Gewaltherrſchaft bis zu ihrem letzten 
Blutstropfen und Athemzuge gelämpft hatten, unwider⸗ 
euflich und für immer zuwies. 

$. 2. Der Herzog von York, nachmals Jakob II, 
nahm, für feinen eigenen Antheil an dem Raube, über 
80,000 Morgen Landes, den irlaͤndiſchen Katholiten zu: 
gehörig, die diefe durch nichts Anderes verwirkt hatten, 
als daß fie die Freunde und Befchüger feines ermordeten 
Baters und die Feinde feiner Feinde gewefen waren. 

3. Und dennoch war die bem irlaͤndiſchen Wolke 
inmohnende Liebe für einen einmal gefaften Srundfag — 
einen Grundſatz ebrenhafter, aber in diefem Falle hoͤchſt 
misverflandener Unterthbanentreue — fo groß, daß, als 
biefer koͤnigliche Räuber nachher durch feine britifchen Un: 
terthanen vom Throne geflürzt wurde und feine Zuflucht 
zu Irland nahm, der irländifche katholiſche Adel, der 
Mittelftand und das Volk im Allgemeinen fih um ihn 
reihten, und ihre Blut mit einem Muche und einer Be⸗ 
harrlichkeit für ihn vergoffen, welche einer befjern Sache 
würdig waren. 

8. 4. Diefer Abſchnitt follte für den Vertrag von 
Limerid beflimmt fein. Die Irlaͤnder, erhabene Frau, 
wurben im Kriege nicht befiegt. Sie hatten in dem 
Sabre vor dem Vertrage Wilhelm II. mit Niederlage 
und Schande aus Limerid vertrieben. An diefem irlän: 
difhen Eiege nahmen die Frauen Theil. Es iſt keine 
Erdichtung. Bei ben großen Niederlagen Wilhelm’s III. 
focheen, biuteten und fiegten die Frauen von Limerid. 
Am 3. Oct. 1691 ward ber Vertrag von Limerid un: 
terzeichnet. Das irlaͤndiſche Heer, 30,000 Mann flark, 
der Adel, ber Mittelftand und das Volk Irlands unter: 


Das irlaͤndiſche Volk leiſtete biefee Krone von neuem 
Huldigung. Nie hat England einen vortheilhaftern Wer 
trag gefchloffen als bdiefen, unter den vorhandenen lUms 
ftänden. Es war ein wohlüberlegter und feierlicher Ver: 
trag, wohlbebachterweeife durch offene Sreibriefe von ber 
Krone beftätige. Er machte einem biutigen Bürgerfriege 
ein Ende. Er brachte das irländifche Volk wieder unter 
die Herefchaft Englands, und ſicherte dieſe Herrſchaft auf ewig 
über einen der fchönften Theile des Erdballs. So groß war 
ber Werth von Dem, was das Irländifche Volk gegeben. 
6. 5. Durch bdiefen Vertrag bedangen fich anderers 
ſeits die irländifchen Kafholiten von der englifchen Krone, 
was ihnen auf „Treu und Glauben’ von berfelben ver⸗ 
bürgt ward, den gleihen Schuß des Geſetzes mit allen 
andern Unterthanen, für ihr Eigenthum und ihre Frei⸗ 
beiten — und befonders für die freie und unbe: 
ſchraͤnkte Ausübung ihrer Religion. 


Fünftes Hauptflüd. Die Jahre 1692—1778. 


$. 1. Die Irlaͤnder erfüllten ihrerfeits in jeder Ruͤck⸗ 
ſicht mit gewiſſenhafter Genauigkeit die Bedingungen bes 
Vertrags von Limerid, 

$. 2. Diefer Vertrag wurbe von ber beitifchen Me: 
gierung gänzlich verlegt, im Augenblid, wo fie vollkom⸗ 
men ficher war, es thun zu können. 

8. 3. Diefe Verlegung gefhah durch die Verfügung 
eines Geſetzbuchs von der Liftigften, abfcheulichten Unge⸗ 
vechtigkeit, welche jemals die Sahrbücher der Geſetzgebung 
befleckt hat. 

$. 4. Hier führe ich einige Beifpiele von ber Grau⸗ 
ſamkeit an, womit der Bertrag von Limerid verlegt 
warb, und zwar unter folgenden Hauptpuntten: „1) Eis 
genthbum. Jedem Katholiten war durch einen Par: 
lamentsbefhluß die Befugnig genommen, einer katholi⸗ 
fhen Ehefrau ein Witthum auszufegen, ober feine Laͤn⸗ 
dereien mit irgend einer Anwartfchaft zu Gunſten feiner 
Töchter zu belaften, ober letztwillig über fein Grundeigen⸗ 
thum zu verfügen. Bel feinem Tode theilte das Gefeg 
feine Ländereien zu gleichen Theilen unter alle feine 
Söhne. So murden alle Familienverhältniffe ver⸗ 
legt. — Bing eine katholiſche Ehefrau zum Proteflans 
tismus über, fo berechtigte fie das Gefeg nicht nur, ihren 


bandelten mit dem Heere und der Krone Großbritanniens. ! Ehemann zu zwingen, ihr ein befonderes Einfommen zu 


eben, ſondern auch bie Auffiht und Vormundſchaft 
der alle ihre Kinder auf fie zu übertragen. Auf biefe 
Weiſe wurde die Ehefrau ermuthigt und ermächtigt, mit 
Erfolg gegen ihren Ehemann fi aufzulehnen. — Wenn 
bee aͤlteſte Sohn eines Larholifchen Vaters fi in Iegend 
einem, wenn auch noch fo jugendlichem Alter, zum Pro⸗ 
teftantismus befannte, fo machte er dadurch feinen Vater 
zum Pachter auf Lebenszeit, raubte ihm jede Befugniß 
zum Verlauf eines Guts oder zur Verfügung bdarliber, 
und ein folcher Proteſtant erhielt den Anfprud auf un: 
beſchraͤnkte Herrſchaft und Eigenthumsrechte des Gute. 
Auf diefe Weife wurde des aͤlteſte Sohn ermuthigt und 
fogar duch das Geſetz beſtochen, ſich gegen feinen Vater 
aufzulehnen. — Wenn irgend ein anderes Kind, außer 
dern Atteften Sohne, ſich in irgend einem Alter als Pro: 
teitant erklärte, entging ein ſolches Kind fofort der Auf: 
ſicht feines Vaters, und hatte Anſpruch auf Unterhalt 
aus bem väterlichen Vermögen. Auf biefe Weife er: 
mutdigte das Geſetz jedes Kind, ſich gegen feinen Vater 
aufjulehnen. — Wenn ein Katholik ein Land: 
gut für Geld erkaufte, war jeder Proteftant 
zeſetzlich berechtigt, dem Katholiken jenes Gut 

u nehmen, und daffelbe zunugen, ohne einen 
Schilling Kaufgeld zu zahlen. Dies war Ge 
ſetz. Der Katholik zahlte das Geld, worauf der Pro: 
teftant das Gut nahm. Der Katholik verlor ſowol Geld 
wie Sue. — Wenn ein Kathollt ein Landgut durch 
Heirath, durch Schenkung oder durch Vermaͤchtniß eines 
Verwandten oder Freundes uͤberkam, konnte dem Geſetze 
nach jeder Proteſtant das Gut dem Katholik fortnehmen, 
und es ſelbſt nußen. — Wenn ein Katholik einen Pacht: 
vertrag eines Landguts als Paͤchter auf eine oder mehre 
Lebenszeiten oder auf laͤnger als 31 Jahre ſchloß, konnte 
jeder Proteſtant geſetzlich dem Kathollken die Pachtung ab⸗ 
nehmen, und den Vortheil des Pachtvertrags genießen. — 
Wenn ein Katholit einen Pachtvertrag auf eine, 31 
Sabre nicht überfchreitende Friſt ſchloß, was er dem Ge: 
fege nach thun Eonnte, und duch Arbeit und Fleiß den 
Werth des Guts fo erhöhte, daß es einen Mugen ge: 
währte, der einem Deittheit des Pachtverteags gleichkam, 
fo durfte in diefem Falle jeder Proteftant gefeglih den 
Katholiken entwähren und für ben Reſt ber Pachtzeit 
die Frucht der Arbeit und des Fleißes des Katholiken ges 
nießen. — Wenn ein Katholik ein Pferd beſaß, das 
über 5 Pf. Sterling werth war, und ein Proteftant 
dem katholiſchen Eigenchümer 5 Pf. Sterl. dafür bot, 
war er gefeglich berechtigt, da® Pferd zu nehmen, wenn 
es auch 50 oder 100 Pf. Sterl. oder mehr werth war, 
und 26 ats fen Eigenthum zu betrachten. — Wenn 
ein Katholik ein Pferd beſaß, das Aber 5 Pf. Sterl. 
werth war, und bles Pferb vor einem Proteflanten ver: 
barg, war ber Katholik für das Verbrechen, fein eigenes 
Pferd verborgen au haben, einer Gefängnißftcafe von brei 
Monäten und einer Geldbuße von dreifachem Werthe des 
Pferdes, wie hoch berfelbe auch fein mochte, unterwor⸗ 
fen. — So viel in Hinficht der Geſetze, welche durch 
Parlamentsbeſchluͤſſe das Eigenthum bes Katholiken ord: 


neten ober vielmehr im gehörigen Laufes Geſetze bes 
plünderten. 2) Erziehung. Wenn ein Katholit eine 
Schule hielt, oder Jemandem, einem Proteflanten oder 
einem Katholiken Unterricht in irgend einer Art von Bü: 
cherkenntuiß oder Wiſſenſchaft ereheilte, fo beſtrafte bas 
Geſetz einen folchen Lehrer für das Verbrechen mit Vers 
bannung , und kehrte er aus der Verbannung zurüd, 
mußte er gemwdetig fein, wie ein Mifferhäter gehenkt zw 
werden. — Wenn ein Katholit, ſei es eim Kind oder 
ein Erwachlener, in Irland eine Schule befuchte, die ein 
Katholik hielt, oder zu Haufe von einem un: 
terrichtet wurde, fo verwirkte ein folcher Katholik dadurch, 
wenn er auch noch ein junges Rind war, die Einziehung 
feines ganzen jegigen und künftigen Eigenthums. — 
Wenn ein auch noch fo junges Kind in das Ausland 
zur Erziehung geſandt ward, ſetzte ſich ein ſolches Kinb 
einer ähnlichen Strafe aus, naͤmlich der Einbuße fei: 
nes Rechts auf gegenwärtiges ober zu boffendes Eigen: 
thum. — Wein irgend Semand in Irland Geld oder 
Waaren zum Unterhalt eines icländifchen im Auslande 
erzogenen Kindes beförberte, fo feste er ſich der nänsiichen 
Buße aus. 3) Perföntihe Unfaͤhigkeiten. Das 
Geſetz machte jeden Katholiken unfähig, eine Anftellung 
im Heere oder in der Krlegäflotte zu bekleiden, ja ſelbſt 
nur Soldat zu fein, wenn er nicht feine Religion feier: 
lich abſchwor. — Das Geſeztz erklärte jeden Katholiken 
für unfähig, irgend ein Ehren: oder. Soldamt im Staate 
zu bekleiden. Don folchen waren fie gänzlich ausgeſchlof⸗ 
fen. — Ein Katholik entbehrte jedes gefeglichen Schuges 
für Leben und Freiheit. Er Lonnte nicht fein: Richter, 
Obergeſchworener, Sheriff, Unterfherfff, Referent im Kanz⸗ 
keigericht, Anwalt, Geſchaͤftsverwalter, Bevollmaͤchtig⸗ 
ter, Schaffner oder Verwalter einer Gutsherrſchaft ober 
ſelbſt Wildhüter eines einzelnen Edelmanns. — Gin 
Katholik Lonnte nicht Mitglied einer Koͤrperſchaft fein, 
und das Geſetz ſchloß Katholiken vom Wohnfige In man- 
hen Gemeindeftäbten aus. — Die Katholilen waren 
jebes Rechts beraubt, für Mitgfteber des Daufes der Be: 
meinen Im Parlamente zu ſtimmen. — Katholiſche 


1 Patıs Hatten kein Recht zu Sig und Stimme im Ober 


haufe. — Haft alle biefe perſoͤnlichen Unfähigkeiten fegte 
das Geſetz gegen jeben Proteftanten durch, ber eine fa- 
thotifhe Frau heirathete, oder beffen Kind unter 14 
Jahren, felbft ohne feine Bewilligung, katholiſch erzogen 
war. 4) Religion. Die Eatholifche Religion zu leh⸗ 
ven war eine Miffethat, worauf Landesverweifung Rand; 
einen Proteftanten zum katholiſchen Glauben zu 

war ein Hauptverbrechen, wie Hochverrath ſtrafbar. — 
Ein katholiſcher Ordensgeiſtlicher, d. h. ein Monch oder 
Kloſterbruder zu fein, wurde mit Verbannung beſtraft, und 
aus der Verbannung zuruͤckkehren, war eine Handlung des 
Hochverraths. — Ein katholiſcher Erzbifchof oder Biſchof 
zu fein ober irgend wine gelflfiche Gerichtsbarkeit in ber 
katholiſchen Kirche Irlands auszuhben, war flrafbar durch 
Verbannung — aus folher Verbannung zuruͤckrukehren, 
mar Hochverrath, worauf die trafen des Henkens, bes 
lebendig Ausweldens und nachher des Vierthellens flanden.” 


$. 5. ige es nach dieſer Auſaͤhlung Euch, alauchte 


Frau, gefallen, ſich zu erinnern, daß jede einzelne dieſer Ver⸗ 
ordnungen, jedes einzelne dieſer Geſetze geradezu eine hand⸗ 
grelfliche Verlegung eines feierlichen Vertrags war, für den 


Treue umd Ehre der britifchen Krone verpfändet und die Ge⸗ 


rechtigkeit des englifchen Volkls unzweldentig verpflichtet war. 


$. 6. Niemals war no eine fo abfcheulihe Samm: | 
lung von Verfolgungsgeſetzen erdacht worden, fo grau⸗ 


ſam, ſo kaltbluͤtig, ſo berechnet, ſo umfaſſend wie dieſe 
Geſetzgebung, welche die irlaͤndiſche Orangepartei, die 
Chaw, die Lefroh, bie Berner damaliger Zeit erſan⸗ 
nen und ausführten. Ein Geſetzbuch, dadurch zur Außer: 
fin Höhe von Schande gefteigest, daß es mit der ſchaͤnd⸗ 
lichſten Verlegung einer feierlichen Verpflichtung und eines 
wohlüberiegten Vertrags befchloffen warb. 

8. 7. Es ift mie nicht möglich, dies Geſetzbuch in 
einer angemeflenen Sprache zu deſchreiben. Dies über: 
fteigt faft bie Beredtſamkeit Burke's. „Es hatte”, fo be: 
fchreibt es Burke, ‚eine lafterhafte Vollkommenheit — 
es war ein vollſtaͤndiges Lehrgebäude — voller Zuſam⸗ 
menbang und Haltbarkeit; in allen feinen Theilen wohl: 
überlegt und wohlberechnet. Es war ein Triebwerk von 
Euger und uͤberdachter Erfindung, und fo wohl geeignet 
zue Unterdruͤckung, Verarmung und Erniedrigung eines 
Bote und felbfi zur Herabwurdigung der menſchlichen 
Natur in demfelben, als jemals aus dem verberbten 
Scharffinn des Menſchen hervorgegangen iſt.“ 

$. 8. Dies Geſetzbuch verhütete die Anhäufung von 
Eigenthum, und beftrafte den Fleiß als Verbrechen. Gab 
«6 je in einem andern Lande, in einem chriftlichen oder heidni⸗ 
fchen, ſolche Sefepgebung? Doc das iſt nicht Alles; denn 
die Partei, welche dies abſcheuliche Gefegbuch zufammen: 
ſtellte, machte dem irlaͤndiſchen Volke wirklich den Bor: 
wurf abfichtlicher und ſchmutziger Armut. 

$. 9. Dies Gefegbuh zwang buch Zug und Recht 
zur ünwiſſenheit, und beflcafte die Erlangung von Kennt: 
niffen als Verbrechen. Iſt dies glaublih? — und ben: 
noch ift es wahr. Doc) das iſt nicht Alles; denn dieſelbe 
Partei, weiche die Bildung des Geiſtes fo verfolgte, warf 
den Irlaͤndern Un wiſſenheit vor, und thut es noch. 

10. Ja, niemals ward ein Volk auf Erden ſo 
graufam, fo niedrig behandelt wie das irlaͤndiſche. Nie⸗ 
mais gab es eine fo blutbefleckte, fo verbrecheriſche Par: 
tei als bie Drangepartei, die, unter dem Namen von 
Proteflanten, den Reft ihrer gemisbrauchten Macht zu 


erhalten firebt, indem fie den Geiſt aufrecht erhält, der 


die ſchaͤndliche Racheverfolgung ſchuf und fortfegte, von 
weicher ich die Umrifſe nur ſchwach gezeichnet habe. Es 
wäre mehr als aufruͤhreriſch, ja wirklich vertaͤtheriſch, 
wenn man vorausfegte, daß eine folche Partei jemals bei 
Eu, gierwürdige Frau, Schutz finden könnte, die Ihr 
dazu beftimımt feid (denn dies Vertrauen hege ich), end: 
lich Gerechtigkeit walten zu lafien, dadurch, daß Ihr die 
VNechte Eures getreuen, beaven, lange unterdruͤckten, aber 

irländifigen Volks denen Eurer übrigen Un: 


terthanen gleichſtellt. 
steigt (Die Yertfegung felst.) 





Über China. 
‚ Bel bem Interefle, weldhes der Ausgang des 

Kriegs für diefes Land wieder erweckt hat, iſt «6 bem „Horeign 
and eolonial quarteriy review‘ nit zu verdenken, daß «& 
bemfelben in dem exften Defte des gegenwärtigen Jahrgangs 
fogar zwei Artilel widmet. Giniges daraus wird auch bem 
beutfchen Lefer willlommen fein. In dem einen biefer Arttkel 
ift eine Überficht des Ganges geliefert, welchen bie Weinbfelig- 
teiten Englands mit China von Anfang an genommen haben, 
Als Quellen ſind angeführt bie londoner Zeitungen von 1842, 
das dem Parlamente vorgelegte „Blue Book’, weiches bie offie 
cieflen Documente enthält, und folgenbe zwei &chriften: „The 
Chinese’‘, von 3. 8. Davis (London 1840), und „A narre- 
tive of the expedition to China”, von Com. Elliot. Bon 
demfelben Davis ift fpdter ein Wert in zwei Bänden erfchienen: 
„Sketches of China” (London 1841). Der genannte Auffag 
des „Review” enthält eine unerquidtiche Polemik gegen bie Bes 
hauptung ber Whigs, daß ber. Erfolg bes Kriege noch auf 
Redinung des Whigminifteriums zu fleflen ſei. Als ein Fehler, 
ohne welchen es vielleicht gar nicht zum Kriege gelommen wäre, 
wird die Übertragung ber Handelsverwaltung in China, nach 
Auflöfung der Oſtindiſchen Gompagnie (deren Xuflöfung eben: 
falls verurtheilt wird), an Lord Rapier gerügt, während dies 
felbe in Hrn. Davis’ Händen beffee aufgehoben geweſen wäre. 
Der Gang ber Greigniffe während bes Kriegs iſt aus den Sek 
tungen betannt, aber intereffant iſt eine Zafel ber Eroberungen, 
welche zeigt, wie die Erfolge feit Auguſt 1841 einander jags 
ten. Gingenommen wurbe nämlih moi 26. Aug., Tſchu⸗ 
fan 3. Dct., Ningpe und Tfhings:häd 10. März 1849, 
Siguhn und Tſi⸗ki 15. und 16. März, Tſchaͤ⸗gu IS. Mai, 
Busfung 16. Suni, s[häng-b& 18. Juni, Aſchin⸗ 
tläng»fu 21. Juli; und am 20, Auguft wurde der Friebe 
von Nan⸗king gefchtoffen. 

Sodbald die britifhe Erpedition in ben YangstfisHang 
eingebrungen war, dnberten bie chineſiſchen Beamten ploͤtlich 
ihren Ton. Wie fie früher den Kaifer gegen die Briten einzu⸗ 
nehmen geſucht hatten, {ft oft komiſch gem . In einem We 
morial, das der weitfehende Ki⸗ſchen, Vicekoͤnig von Petſche⸗li, 
an den Kaifer gerichtet hatte, bieß es: „Anlangend das Geib, 
das die gedachten Barbaren einführen, fo iſt es allefammt mit 
Queckſilber legirt. Wenn man es einwidelt und etliche Jahre 
weglegt, ohne daran zu rühren, fo wirb es voller Motten und 
freffender Infelten, und ihre filbernen Becher verwandeln ſich 
ganz in Federn und Fluͤgel.“ Iſt das nicht noch toller ausge⸗ 
dat, als es der Sklave Stafimus bei Plausus zu machen 
weiß, um dem alten Phitto das Landgut, das biefer Taufen will, 
zu verleiten? „Ihe Geld, heißt es noch weiter, iſt alles vom 
diefee Art, und wollte man es ein 400 ober 500 Jahre liegen 
lofien, fo Tann Eein Menſch wiffen, in was es ſich noch vers 
wanbeln würde.” Aber bie Niederlagen von Amoi u. ſ. w., be: 
fonders bie bei Tſchaͤ⸗gu und bei Tſchin⸗kiaͤng⸗fu, hatten bie 
Manbarinen und mittelbar ben Kaiſer mürbe gemalt. Nau⸗ 
ting war bedroht und außerdem, wie es ſcheint, das Land un- 
ruhig; die Soldaten aus bem Innern wollten nicht mehr an 
die Küfte, befertirten und ftreiften in Banden plündernb umher; 
die Schrecken, welche den Fall von Tſchin⸗kiaͤng⸗fu begleiteten, 
hatten allgemeine Sehnſucht nad) Beendigung ber Feindſeligkei⸗ 
ten erweckt; fcharenmweife hatten ſich bie Bewohner ber Gtabt, 
Männer und Weiber, erhenkt .oder den Hals abgeſchnitten; Wäs 
ter, Gatten Tiefen nach Hauſe, als fle Alles verloren fahen, 
und erwürgten ihre Kinder, ihre Weiber und bradhten zulegt 
fi feibft um. Dies geſchah nicht nur unter den niebeen Volke⸗ 
claſſen, die Sieger drangen in die ſtattlichſten Haͤuſer und fan⸗ 
ben Frauen in Weide und Atlas aufgefnüpfts die tapfern Ta⸗ 
taren ließen fich niederhauen oder verbrannten ſich in ihren 
Häuferns die Euft war ſcheußlich erfüllt von tem M 
ber verweſenden Leichen in ber Stadt und ben Worftäbten; bie 
Stadt war unbewohnbar geworden, weil alle Haͤuſer t 
waren; die Cholera brach aus. Wiele Bamilien waren auch 





wo: t 


Fr Sa ; 
den Am 10. Maͤrz (Sonntag) wurbe die Pe: 
tition im bdiefen verlefen und in Allem mit 30,225 Stimz 
men gegen 1048 angenommen. 

Am 14. März verwagdelte der Regierungsrath feinen 
Borfiyag, Strauß zu penfionkn, auf den dee Ergiehange: 
rath nicht eingegangen war, in foͤrmlichen Veſchinß, doch mit 
dem Vorbehalt der Genehmigung ded Großen Raths. Des 
letztern Verfammlung fand am 18. flatt, und es wurde 
die Penfionicung mit 149 gegen 38 Stimmen befchloffen. 
Das Centralcomitd erftärte nunmehr, daß es, ba feine 
Zunetionen erfüllt fein, zuruͤcktrete, ohne jedoch die Or⸗ 
ganifation in Bezirksvereine aufzulöfen, als deren Mittel: 

Hergen am Bü t murde. 

Hiermit endet der erſte Act des Trauerſpiels, der als 
die fpeciell Strauß'ſche Angelegenheit ganz für ſich des 
wachtee werden kann. Er durchlaͤuft zwei Phaſen, deren 
acſte den Kampf zwiſchen der kirchlichen Partei und den 
ſar die Berufung des Dr. Strauß ſtimmenden Raͤthen, 
die zweite deu Aufſtand bes Volta zu Gunſten ber kirch⸗ 
Eichen Partei darſtellt. 

Die Verhandlungen im Großen Math breiten fi nas 
ehrlich um die flreitigen Gebiete von Staat und Kirche 
und um bie Stage ber Lehrfreiheit (welche letztere aller 
dings vem allgemeinſten Jutereſſe, obgleich weit weniger 
von allgemeiner Wichtigkeit als die der Preßfreiheit if). 
Don Griten der Kirche wurde es ſogleich durchſchaut, daß 


in we Strauß'ſchen Berufung ein Element lag, welches 


ſich zur Aufreigung des Wolle gegen die Regierung, ſomit 
zur Schwaͤchung der Reglerung und zur Ausdehnung des 
Biechlichen Machtgebiets eignete. Daß es ſich viel weniget 
som die Abwelſung dieſes einzelnen theologiſchen Lehrere, 
als un eine kirchliche Eroberung handelte, bemeill unwi⸗ 
derfprechlich die erfte Motion des Antiftes Fuͤßli auf Bes 
theiligung des Kirchenraths bei den Wahlen zu theologi⸗ 
ſchen Lebrftellen. Dr. Keller zeigte in der Sitzung am 
31. Januar aufs klarſte, daß durch die Annahme des 
aßlbſchen Antrags gegen Strauß’ Berufung, gegen welche 
er doch oftenfibel gemuͤnzt ſei, gar nichts ausgerichtet fein 
werde, weil dee Beſchluß, der erſt in ſechs Mongaten ges 
fegtiche Kraft erlangen würde, Beine ruͤckwirkende Kraft 
baden koͤnnte. Auch Regierungsrach Wyß fagte: „Die 
Motion iſt ein Nothruf der Geiſtlichen“, und fügte him 
gu: „Diefen fol man nun hören? Und dem Nothſchrei 
von Tauſenden, bee täglich um Lichte und Wahrheit 
 yama Himmel fleigt, bat man feit Jahrhunderten nicht 
hören wollen.” Die Motion war aber ganz zweckmaͤßig 
geftelit. Wurde fie angenommen, fo hatte bie Kirche weit 
mehr gewonnen ale ben Ausſchluß eines Neologen, ber 
doch ohne Zweifel alsdann auch erfolgt wäre; wurde fie 
wicht angenommen, fo zog ſich die Kirche auf das Bolt 
zuräd, dem fie an dem Strauß'ſchen Fall die Nothwen⸗ 
digkeit der von ihre beanfpruchten Machterweiterung ein: 
leuchtend machen konnte. Dr. Keller iſt der Einzige, der 
mit Teinem fcharfen, praßtifchen Bid das Manoeuvre fo: 
eich durchſchaute. In beftimmten Worten erflärte er: 
„Die Kirche foll nicht als ſelbſtaͤndige Macht dem Staate 
geommhberiteben.” Sicherlich wirkte feine Rede am meir 


nd 


Rem dayu, daß der Große Mach mit fo fackır Majeridt 


(98 gegen 49) die Motion verwarf. 


Der zweite Punkt der Verhandlung betraf bie Lehe 
freipeit. Diele Frage: iR du jüngfler Zeit bekauntlich ganz 
verfige und vmwhfelt warden. Bi Ehche, iſt aber am 
fi unſaglich ewfacd, und die Beantiuertum) der Frage 
dem unbefangenen und unbeflochenen Uetheil überaus leicht. 
Fragt man ohne alle Einſchraͤnkung: Sou Lebrferiheit fein? 
fo antwortet die Vernunft: „Unbedingt, ja!” Fragt man: 

in einen chriſttichen Staat Lehrfreihelt fein? 
fol in einer evangeliſch⸗ reformirten, oder chen oder 
anirten tbeologifchen Facultaͤt Lehrfreiheit fein ? fo läßt fich 
nur antworten: „Es fommt darauf an, wer zu befshlen 
bat.” Ein vernünftiges „Soll gibt «6 da nicht mehr. 
Den was iſt ein hrifklicger Staat? weiche Stelle 
nimmt die Organiſation der Kirdge, naͤmlich der reformit⸗ 
ten, oder lutherifchen ober ‚unirten, darin ein? Wie viel 
bat die Kirchenbehörde zu fagen? Welche Anſichten bat 
fie? u. f. w. Auf das Alles gibt es gar Leine vernünftige 
Antwort, fondern e6 fleht wie es ſteht, und geht wie es 
kann. Der Streit über den Umfang der Lehrfreibeit im 
einem ſich ausdruͤcklich als chriſt lich bezeichnenden Staate, 
und für eine theologifche Facultaͤt iſt demnach ein gam 
müßiger. Wer das Recht und die Macht hat, den Staat 
als chrifttichen zu decretiren, bat auch Recht und Macht, 
den Begriff des Chriſtlichen zu erpliciren und danach zu 
beftimmen, was frei fein fol, was nicht. In einer evans 
gelifch =ceformirten u. ſ. w. Facultaͤt fol natürlich nur ges 
lehrt werden, was evangeliſch⸗ reformitt u. ſ. w. iſt. Da 
aber hierüber Streit ift, was denn eben das Evangeliſch⸗ 
reformirte u. f. w. ſei, fo läßt fi auch nicht fagen, was 
frei fein fol und was nicht, fonbern wer bie Macht hat, 
bat das Recht. 

Die züriher Sache lag fo: Hätte der Große Rath 
wirklich Lehrfreiheit gewollt, fo hätte er ſprechen mäffen: 


Den Studenten fol Alles vorgetragen werden, was fich 


über das Chriſtenthum, die Kirche u. ſ. w. denfen und mit 
Gründen erweifen läßt, und kaͤme auch dabei heraus, daß 
die ganze Kircheniehre falfch if. Denn was gelehrt wer⸗ 
den fol, iſt Wiſſenſchaft, und die Wiſſenſchaft bat es le⸗ 
biglich mit der Wahrheit zu thun. Kurz, der Große Math 
mußte fih, wenn er Lehrfreiheit wollte, auf das „Chriſt⸗ 
liche”, welches doch ein irgendwie Bellimmtes und baber 
die Freiheit Beſchraͤnkendes fein muß, gar nicht einlaffen. 
Wenn aud Einer oder ber Andere im Mathe dies fehr 
wohl empfand, fo ging doch Keiner ganz rein mit ber 
Sprache heraus, und ber Rath im Ganzen erklärte, daß 
es ihm um das Chrifttiche fo ganz eigentlich zu thun ſei, 
niht um die Wahrheit als folde. Er war daher ges 
zwungen, das Chriftliche auch zu befiniren, und dann zu 
behaupten, daß die Strauß’fhen Anfichten biefer Defini⸗ 
tion des Chriftlichen gemäß felen. 

Hiermit zog er natürlich ben Kürzen nicht nur gegen 
bie gelehrten theologifhen Herren in und außer feinem 
Schooſe und gab ſich die Bloͤße, baß er bei feiner chrift- 
lichen Anſicht angegriffen werden konnte, fondern er gab 
feine wahre Stärke völlig amd Sen ‚Händen, denn es konnte 









dach mm pet .erwritiih (in, daß die” Guruiiihen 
Anſichte un. Enne als chriſtliche gelten duͤrften, 
wodurch Ai ſAuaatab⸗hdrde, die En Ari Drer Baeboltung 
der TJendenz vothaceadig auf ſolche Unter⸗ 


mußte, jedenfalle ihren eigenen Veden 
, «6 fi gar nicht die We 
Lehrbegriff eufzuhrängen; dat We: 
ſei freie Sorſchung, und dieſes 
wolle man baich⸗upten. Aber er hatte hierin großes 
Denn erſtlich iſt das Weſen des Proteſtantis⸗ 
— zwar freie Forſchung geweſen, bis 1830, won 

wicht mehr; und von Proteſtan⸗ 
8 felite nicht mehr die Rebe fein, fomdern 
enangelifih aueformirter u. f. w. Kirche. Zweitens 
wen der Kirche allerdings etwas, wenn auch nicht 
kehebegriff, aufdraͤngen. Dean was iſt die 
Kieche ift Autiſtes Fuͤßli und der Kirchen⸗ 


Azrieeet 
3 {HR 


nten, Morgenſternen, Piken, Knuͤtteln 
ſchleppen. Was der Lehrbegriff dieſer Kir 
iſt, das — weiß Gott allein. Weder Hr. Antiſtes 
noch Hr. Dr. Schweiger, noch irgend ein Anderer 
es im Ürefen Bath zu fagen vermocht. Hr. Dr. 
fügte aber gang male: 
Der Protefiantiamus ift bie Freiheit bes Geiſtes, welcher 
feembes Menſchenwerk verfgmäht, und ſich das heilige 

nimmt, den göttlichen Gehalt, den ber Glaube aus Chris 
ſtus fchöpft, in die der Zeit, Weltanſicht, wiffens 
fdaftiigen Dentweife angemeflfenen Bormen bins 
einzugießen und ein uns eigenes, in uns lebendes Ganze 
„u aeaiten (©. 136). 


F [est 


Und fo alle diefe Deren, bie dem Valle weis mach⸗ 
ten, fie hätten den etablirten Lanbesglauben, die ihn 
aber nicht haben, fonbern nur ihren eigenen „nach ih⸗ 
ren Bebhrfuiffen zu Stande gebrachten Glauben“ (roie 
He. Schweizer ebenfalls wörtlich fagte), die alſo gegen 
Serauß wit den Funken einer Berechtigung im Heidel⸗ 

f. w. auföringen Binnen und gegen 
echt haben als 40,000 Kukttel, vor 
ich auch nicht wiſſen, was fie glauben, 
uben, was fie glauben, daß ihr Pfar: 
glaubt. 
alfo hier das wiberwärtige Schauſpiel vor 
. in «den Streitigkeiten aͤlte⸗ 
ger und neuerer Zeit Überall wiederholt, daß einerfeits der 

(ic; weine die Staatsbehoͤrde) bee Kirche (naͤmlich 
ber Geifilichkeit) ſich feindlich gegenuͤberſtellt, fie als Feind 
etennt und ausdeuͤcklich für feinen gefaͤhrlichſten Feind 
etlärt, deſſen Selbſtaͤndigkeit und Macht man brechen 
müffe, dennoch aber nicht de6 Feindes fich erwehren kann, 
weil er ſeibſt Das nicht aufopfern wii, was des Feindes 

und von ihm wnabtrennliches Eigenthum ifl; 
daß andererſeits die Kirche, die gar keinen erfennbaren Zu: 
famemenbalt wche, außer in der Herrſchſucht der Geiſt⸗ 
gen, ir gar keinen hefkiaamater Lehrbegriff mehr, ſondern 
fo viel Lehrbegriffe oder Lehrupbegriffe als theologiſche 
Köye hat, fich dennoch für eine Macht ausgeben und ein 
Reqht zur Ausſchtießgung von Heterodoxen ausüben till, 


Ss .. 








= 
& 


- 


Capitel der Geiftlichkeit, welche 40,000 Mann 





bug berjenlpe: Genet, Dog wirtih; Steben - Zerifilt Seffes 
will, auf feine Bacon fellg gu werden, der 


der roirltich Mölfenfchafe und affe umbedingee 
will, der dann aber auch feine Unterrichtsanftaiten von 
benen irgend einer Kirche Lrennen und folder Kirche dag 
Recht zugeſtehen muf, ſich ihre eigenen gu unterhalten 
nur diefee Staat iſt ſtark gegen die Kirche und frei vom 
ihror Tysannei, Ebenſo iſt aur diejenige Kirche berechtigt 
gegen den Staat und ſtark gegen ihn, welche ſich auf 
eine wirkliche, gemeinſame und von ihren Mitgliedern an⸗ 
erkannte Überzeugung berufen kann, nicht aber eine ſolche, 
welche dem Staat die von ihm approbirten Confeſſlons⸗ 
fhriften entgegenhätt, waͤhrend fie zugleich ſelbſt erklärt, 
ihrerſeits nicht an jene Gonfeffionsfchriften unbebingt ges 
bunden zu fein. Lesteres hat bie zürrcherifche Kicche mit 
einee — Dreiſtigkeit erfiärt, durch den Mund ihres An: 
tifte® Fuͤßll, dag man, die Erklärung lefend, feinen Augen 
nicht traut. 

(Der Beſchluß folgt.) 


Literarifhe Rotizen aus England. 
Derfetbe engtifche Beurtheller, weicher Schiller einen wahren 
ſten trog Jedem nennt, bat doch auch Bebichte wie „Die 
ttee Griechenlanda’ nicht unbeachtet gelaflen. 


Gr kommt 
nathrlic dabei mit feiner Vertheidi bes Schiller ſchen Shri⸗ 
ſtenthums als ein echter Engländer | Ih eine —2* kage 
als feine deutſchen Collegen, die fromm und Freunde der Gchils 
lerſchen Mufe zu gleicher Zeit fein wollen. Es iſt ergoͤtlich zum 
fehen, wie er fich dreht und windet. „über dieſes ſehr merk: 


würbige Gedicht möchte genug gefagt fein, wenn mau 
daß es als eine Schüberung der im Zeitalter Konftantin’s die 
noch heibnifche Welt beherrfchenden Gefinnung jeden Leſer durch 
die Wahrheit feiner Sharakteriftit und bie Lebendigkeit der Ans 
ſchauungen entzäden würde s aber aus bes Dichters eigener Seele 
‚ wie es body der Ball ik, und alfo am Schluſſe bes 
8. Zahrhunderts chriſtli ung und mitten in der 
Ghriftenheit, iſt e& nur zu ſeht dazu geeignet, jeben keſer Irre 
führen, ber nicht, wie wir es verfucht haben, ſich über den 
baralter und die innere Entwidelung des Dichters Klarheit 
verichafft hat.“ Kurz, „Die Bötter Griechenlands und verwandte 
Gedichte fieht der gute Englänber eis Probucte eines Iranklaften 
Epoche in Schillers Geiſtesleben an, und findet es tröftlic, 
daß Schiller „in ber Reihe feiner reifern Erzeugniſſe das Be: 
dürfniß einer gewiſſern Hoffnung, als feine Philofophie ihm 
geben Tonnte, nicht verbeblt hat." Schiller fei auch, wenn 
immerhin sum pofitiven Glauben, doch wenigſtens 
Gerneglaubenwollen (willing dodlity) gelangt, wa ji Us 
beſſer ſei als jene Selbſtgenuͤgſamkeit u. f. w. 


„Der Bers von Schiller: ‚Die Weitgeſchichte ME das Welt⸗ 
gericht‘, fagt ein engliſcher Kritiker, ‚it ein ſchlagendes Meifi 

von jenen bei häufigen Sentenzen, die fi) in einer 
andern Sprache nur durch Umſchreibung wiedergeben laffen. ’ 
Diefer Kritiker überfegt: „The world’s record is the world's 
final doom.“ Er ftellt noch M. de Barante’s franzöfiiche Über 
fegung daneben: „L’histoire du monde, voilä le jugement du 
monde!‘ und eine Lateinifihe (aus Feuerlein's „Schälieri Iyrica 
omnia”, Gtuttgast 1831): „Usque Clio Munus obit Themidis 
supremae.”' Die lehtexe iſt ganz abge feumadt und verkehrt. 
Die Schwierigkeit der Überfegung, ja bie Unmöglichkeit liegt 
borin, daß der mächtige Gedanke, deffen ungeheuren Inhalt ber 


dere Bere In cin anfehe, Een ufemmenfohk, ein Wie 
Zt gang des deutſchen Geiſtes 





Nachdem in Drutfihland var m a mehre Schriftin üter Sa⸗ 
vonaroia bie Aufmerkfamkeit wieder auf dieſen italieniſchin 
Reformator, und, wenn man till, Revolutionnait gelenkt wor 
den, ift foeben auch in England eine nach Quellen gearbeitete 
—ãe — deſſelben erſchienen: „The life and times of 
Girolamo Savonarola.” (Eondon 1843.) Da wir das Bud 
noch wicht in Haͤnden gehabt, Tönnen wir bier nur barauf 
aufmerkfam machen. 48, 


Amenobphis au Retzonue. 
Weit aus libyſchem Sanb Sabetaufende durch und bucdh 
nder, 

Gruß, du Scher des Nords, fend’ ich bir Amenophis. 
Unſre Seheimniffe nicht, gleich Moſes, verriethen bir Priefter, 
Dein tief ſchauender Geift im Katalomben : Gektäft 
War dein Hierophant; Mar fprachen bie Hieroglyphen, 

Die auf der Mumien Grab ernft der Granit⸗Obelisk 





Zeigte zum Hohn Jahrhunderten umm, bis Champollion 


enblich 
Wußt' ein Sdipus Hug Raͤthſel zu loͤſen der Sphinx. 
Hüter des Tempels, den ich gebaut, vor den Rieſen⸗-Pylonen 
Saß ih, ein Zwillingkoloß, den mir Syenas Granit 
Hoch aufragend gehau'n aus ungefpaltenem Felsblock, 
Ernſt auf der Stirn, Monolyth, wie's dem Hoppter 
geziemt. 

Auf dem viefigen Fuß, nur dem Eingeweihten verſtaͤndlich, 
Hierogipphen vermummt nannten Amenophis mid). 
Einf erbebte die Erde, zerriß mir fpaltend den Felsleib; 
.. Nicht des Perfer Pygmir, nicht dies Kambyſes vermocht, 
Bruſt und mein rieſiges Haupt entrollten zum Fuß mir 

in Truͤmmern, 
Halbmenſch, ruinenumringt thront' in der Wuͤſt' ich 


oloß. 
Wenn mich die Mutter die Sonne begruͤßte mit Strah⸗ 
len des Aufgangs, 
Die in den felſigen Leib drangen mit Flammengewalt, 
Tlef aufſeufzend zu ihr laut Aue ih exbebend mein 
Weh ihr, 
Mich den Verſtuͤmmeiten fleht' ich fie mid wieder zu au’nb. 
Wie durch die Laͤnder die Kunde nun ſcholl von dem 
Sohne des Nilthals, 
Wie er mit toͤnendem Fels Morgens die Sonne begruͤßt; 
Stroͤmte der Sterblichen Schar zur hunderthorigen Thebe, 
Um zu lauſchen dem Ton felſigen Wehmuthgeſangs. 
Romas wandernder Kaiſer er ſelbſt, Autokrator des Erdballs, 
Hadrianos er ſtand vor mir im thebiſchen Sand. 
Stolz verfiumme’ ich jedoch vor dem Herrſcher am erſten 
bee Morgen, 
Zweimal mußte der Welt⸗Herr zu mir wandern hinaus, 
Dentend in felfiger Bruft: ic fh ein König, nicht 


Vorchend auf Herrſcher Be Mi gu fingen 
mein 2 
Steabo er Fam, Paufanias auch, — die Laͤnder, 
Auch der Spoͤtter Lucian horchte mit zweifelndem Ohr, 


Tactue fABR, den Tyrannen ein at, Yen und 


Gänge, 
Centurionen, ber Römer Provinz, 
Zogen zum Nil aufhorchend geſpannt dem Warndergeſange 
Der mir sur Sonn’ Aufgang bebt aus dem Trinumerkeloß 
Mir auf dem riefigen Fuß eingruben fie Ihre Bewund’rung, 
Auf Haß zur Nachwelt ih trig’ Ihre Namen mit mir. 
Babeinde Griechen im eitlen Gefhwäs mitkannten ben 


Herrſcher, 
Mich des thebaniſchen Nils König mie Amenophls, 
Nannten mid Sohn der Aurora, mid Sohn bes ſchwin 
denden Ticthon, 
Nannten mich Memnon, vom Thron fihrzend ber 
Mumien Herr'n. 
Endlich der ſtrenge Septimins er misdeutend mein Klaglied, 
Welches zur Sonn’ empor tönt aus dem Felckatafelk 
Waͤhnt', ich Page’ als Drake A Flucht Hinfcheibender 
tter, 
Weil fie erlagen im Kampf mit dem gefreugigten Gott. 
Um mich zu rüften mie Kraft, mie zu ſtillen die Klage 
der Wehmutch, 
Thuͤrmend Fels auf Fels hoch bis zur Stirne hinauf, 
Lieh Septim mich wieber erbau'n, um wärbig zu thronen, 
Um vor dem Zwilling befhäme mich nice verſtummelt 


zu ſchau'n. 
Nun ich mich nicht mehr erblidt von meinen Ruinen 
| umlagert, 
Sande’ ih zur Sonne nicht mehr Klagen aus felfi> 
ger Brufl. 
Laut frohlodte Septim, verföhnt nun wähnend die Trauer, 
Stark mit der Jungfrau Sopn mid num gerüftet zum 


Kampf. 

Doch Jahrhunderte durch ſtets Memnon ward ich geſcholten, 
Hieroglyphen verftumme waren mit meinem Geſang. 
Mas nicht der Grieche, der Römer errieth, die fo nab 

mie doch ſtauben, 
Denen noch Nachhall ſprach von hierogiyphiſcher Schrift, 


JSie, die mid) König entthront, umſchaffend mich fabeind 


zum Mennon, 

Du nur baft es gefchaut in der Mekropolis Nacht, 
Du nur, blonder Barbar, gezeugt weit jenfeits der Meerfiut, 
Haft ein Sehender mich Wüftenbeherrfcher erkannt; 
Haft das Geſpenſt Memnon mie gebannt aus dem riefls 

gen Felsleib, 
Wieder zum König gekroͤnt mich ber entthront Amenoph. 
Hold ſei'n Könige die, weil du die Kron’ auf das Haupt mir, 
Die mir der Griech' entriß, wieder mid ehrend, gefetzt. 
Drum aus libyſchem Sand Saberaufenbe duch und durch 
nder, 
Heil und Gruß die und Dank fend’ Ih Ammophis dir. 
Unangetaftee von rollender Zeit ſteh' nimmer erfchättere 
Deines Geiſts Monument fo wie ih Zwillingkoloß 
Im Nitthat von Granit, unſchmelzbar verzehrender Sonne, 
Untösbar von der Blut, nimmer begraben von Sand. 


Maris, im Zuni 1843, 
I. 8. Koreff. 


Berantwortlicher Herausgeber: Heinrih Brockhaus. — Drud und Verlag von J. U, Brochaus in Leipzig 








Bitter 
ih: 5 0 


q 


literariſche Unterhaltung. 


LG 





— fir 


Sonntag, 


204. — 


23. Juli 1843. 


I 


Die Strauß'ſchen Zerwuͤrfniſſe in Zuͤrich von 1839. 
3Z3Zweiter Artikel. 
(Befhluß aus Nr. 288.) 


Antiſtes Süpli bezog fih chen in dee Sitzung am 


33. Jan. auf die Karultätöflasuten, um die Strauß’fce ! 
Berufung ald eine Rechtsveriegung barzuflellen. Dem Ge: ' 
ſede nad, fagte er, habe bie Univerfität den doppelten ! 


Zweck: 1) die Wiſſenſchaft zu bearbeiten; 2) die Zwecke 
des Staats und der Kirdye zu fördern. 


Widerſpruche. 
heit zu ſuchen, fo kann man doch auf anderweitige Staates 


Diefer Doppel: ' 
zwed kemmt allerdings in aller Melt Univerſitaͤtsſtatuten 
vor, macht aber das Statut zu einem trodemen Waſſer, 
Falten Feuer, lebendigen Tode, kurz zu einem unlösbaren | 
Soll man dem Zwede dienen, die Wahr: 





fefforen vorausgefegt, daß fie nichts Ichren als den Lehr⸗ 
begriff des Staats.” Der „riftlihe Staat”, den der 
große Rath proclamirte, hat aber keinen beftimmten Lehr⸗ 
begriff, Sulzer machte alfo durch feine Außerung, in 
Widerſpruch mit dee Anfiht der Majorität, den zuͤri⸗ 
her Staat zu einem „evangelifdy s reformirten“, d. h. bie 
Kirche .zur Regentin. Waͤhrend dies von ber Seite des 
Staats her gefhah, opferte von der andern Seite her die 
Kirche ihren Lehrbegriff total auf, und accepticte die Norm 
des Staats, daß man nur chriftlich zu fein brauche. 
An derwfelden Tage, an weichem der Antiftes die Lehrfrei⸗ 
beit als eine confeſſionell befchrändte dargefteikt bat, fegte 
Hr. Schweizer des Breitern auseinander, in welche ‚dir 
Zeit, Weltanfiht u. f. w. angemeffene Form” er ſich den 


und Kürchenzwecke keine Rüdficht nehmen; fol man Staates: : 
umd Sirchenzwede im Auge haben, fo kann man nicht, 
msehr fagen, man made die Wahrheit zum med, denn : 
Der Wahrheitöforfcher muß ohne Vorausſetzungen an fen: 
Betääft gehen. Geſetzt aber auch, der Zwed der Wahr: | 
Heie würde geopfert, wie fol man den Staats: und Kir: | 
chenzwecken yu gleicher Zelt dienen, da diefe beiden einan⸗ 


kirchlichen Glauben hineingegoffen habe und fügte: „Der 
nah unſern Bedürfniffen zu Stande gebrachte Glaube 
wird den uns fremden, für die Denkweiſe feäheree 
Jahrhunderte gemachten, uns wie ein Jod drü- 
ckenden Glauben (alfo den confeffionellen) befiegen. ” 
Strauß fehe nur „In übergroßem Maße“ die bibtifchen 
Erzählungen für Mythen an. „Chriftus ift en — ge: 





A — 


der fo oft tiderfprehen? ‚Niemand kann zweien Gerren 
dienen; entweder er wird einen haſſen und ben andern! 
lieben, ober wird einem anhangen und den andern ver: 
achten.” Der Große Rath im Zuͤrich gab fi das An: 
fehen, die Eehtfreiheit zu vercheidigen, er vertheidigte aber, 
(mit Ausnahme einiger wenigen Räthe, die von der Wahr: ; 
beit als folcher, aber auch nur beiläufig fprachen) eine: 
durch den — Namen ber Ehräfltidzkeit bedingte Lehrfrelz 
beit, vote denn das im „chriſtlichen“ Staat ganz In der 
Drebmung. Die Kirche, die ihm gegenkterftand, war aber 
nicht die „chriſtliche“ Kirche, fondern die „evangelifch⸗ re⸗ 
formirte” ; fie konnte alfo auch nur eine durch den evan⸗ 
geliſch⸗ reformirten Lehrbegriff bedingte Lehrfreiheit zuge: 
fen. Dieſe Eolliſſon war vorhanden. Antiſtes Füußli 
war In der Sitzung am 31. Jan. in feinem Rechte, 
als er behauptete: „Die Lehrfreiheit iſt zwar anerkannt, 
cber Fe iſt an die confefflonellen Schranken gebunden.“ 
Sa der Sitzung am 13. März ſagte einer der Staats⸗ 
mianer, Bein Geiftticher, Regierungsrat) Sulzer, noch! 
deutiiher als Fißli: „Wen auch Lehrfreiheit anerfanne! 
wird, fo wirb mir Ruͤckſicht auf die theologifchrn "Pro: 


nialer, vom Goͤttlichen durchdrungener Menſch, 
der hoͤchſte und letzte“ (mie auch Strauß ſagt). Gleich 
darauf erklaͤrte der Decan Voͤgeli: „Die Juͤnglinge, die 
in den Kirchendienſt treten, muͤßten geloben, das Evange⸗ 
kium nad) den Grundfügen der reformirten Kirche unge⸗ 
faͤlſcht zu predigen; das koͤnnten fie nicht, wenn fie 
Strauß erzöge.”” Und in demfelben Athem fagte er: „Die 
Kitche iſt nicht ſtationnair, fondern beſonnen vorwaͤrts ſchrei⸗ 
tend.“ So zeigte es fich, daß die Colliſion zuiſchen Eeaät 
und Kirche nicht blos zwiſchen den Vertretern des Stacts 
und der Kirche ftattfand, fondern innerhanb dee Stacts⸗ 
vertretung ſelbſt und ebenfo Innerhalb der Riedhenverteesumg 
ſelbſt ſchon vollſtaͤndig vorhanden war. Die Kämpfer uf 
beiden Seiten Behrten die eigenen TBaffen "fies -umwe gegen 
ſich ſelbſt und wuͤtheten im eigenen Fleifche. Daher kam 
eb, daß der Antiſtes Fuͤßli, das Oberhaupt der zuͤtcheriſchen 
Kirche am 18. März, die Worte ſprach, von denen ih 
zuvor fagte: man glaubt, fie fefend, ſeinen Augen wicht 
trauen zu dürfen, Worte, die in Lapidar gebrudt gu-twers 
‘den verdienten, Worte des ‚Höfen Urchlichen Gewiſſens, 
Worte, die das Wort wahr mathen: Ihe to ſchen ge⸗ 


s r\ 
0,59 
. > v 
richtet, weil Ihe nicht glaubt!“ Hr. Antifles Fuͤßli ſprach 
aber, und der gelehrte Profeſſor Hr. De. Gelzer Hat es 
wiederum (S. 291) drucken laffen: 

Die Eehrfreibeit befteht wol darin, daß ein einmal für 
ein beftimmtes Fach angefteliter Echrer nicht gehindert 

Rn, fee ri Anſichten vorsutragen, Richt aber darin, 
deß in Bäßen, wo cin Many, ber zu einer Gtelle berufen 
würden foll, Anfichten bat, bie durchaus in Widerſpruch mit 
den Bedürfniffen Derjenigen, welche als Schüler von biefem 
DRanne Pa werden follen, ſtehen, derſelbe angeftellt wer⸗ 

en möäfle. 

Habt ihe dies auch gelefen, ihre Männer mit den Mor: 
genfternen, Buͤchſen und Knütteln? Wenn etwa einmal 
Hr. Schweizer oder fanft ein „einmal Angeftellter” euch 
phpfifh und morafifh durch die Xehrfreiheit zu Grunde 
richten wilf, habeat sibi! Ob Hr. Antiftes Fuͤßli die or: 
thodore Lehre verfündige oder nicht, darüber darf Keiner 
mit ihm rechten, auch ihr nicht; denn mer angeftellt iſt, 
bat Lehrfreiheit. Hang bim, wenn es nicht fchon die 
Schulknaben gethban haben, aus „Innerer Bewegung” für 
das Wohl der gemishandelten beutfchen Gonftruction. 

O ſchnoͤde Heuchelei! Ich meine gar nicht die be: 
wußte, inftdiöfe: fern fei e8 von mir, Jemandes Charaf: 
ter und Gefinnung anzutaften! ich meine jene innere Heu: 
chelel, von welcher Seuerbach einmal ſagte: 

Er rede nicht von der gemeinen, mit biefer befuble er ſei⸗ 
nen Geift, feine Feder nit. Gr nenne es Heuchelei, wenn 
Jemand Beflimmungen gibt, weldge, inbem fie igren Gegen: 
ee veiaben ſollen, benfelben in der That verneinen und auf 

n u. |. w. 

Woher denn aber die Erbitterung gegen Strauß? Iſt 
es doch wahr, mas mehre Räthe den Theologen ins Ge: 
fit warfen, daß fle gar kein Recht hätten, diefen Mann 
zu verwerfen, fie, die ſelbſt ſchon laͤngſt nicht mehr in der 
Kirchenlehre fländen. Bruͤſtet fih doch Schweizer felbft, 
bruͤſtet fich fogar, mit feiner „ſchoͤnen Idee der geninien 
Derföntichkeit”, um deren willen Huldreich Zwingli, wenn 
er aufftände, ihn getroften Muthes würde — koͤpfen laf: 
fen! Woher die Exbitterung? Ei, fie fürchteten ſich vor 
Strauß. Dr. med. Zehnder fügte ihnen am 31. Jan.: 

Dee Unterfchied zwifchen Strauß und andern Theologen fei 
nur, daß er ganz durchgeführt habe, was bie Andern ſtuͤckweiſe 
gethan. Es fet unbegreiflih, baß die Geiftlichen, welche ſich in 
der ſchlimmen Stellung befänben, zu lehren, was fie ſelbſt nicht 
glauben, nicht Denjenigen mon der fie aus dieſer ſchlimmen 
Stellung bringen wolle (©. 188). 

Dies iſt nicht geſchickt ausgebrüdt, aber ber Redner 
fühlte wenigftend, daß Strauß” Gegner Eein Recht gegen 
ihn batten. Daß fie ihn Ddeffenungeachtet zurückſtießen, 
iſt aber keineswegs unbegreiflich, ſondern ganz in der Ord⸗ 
nung. Niemanden hatten fie mehr zu fürchten als Den, 
welcher ihnen bie Gonfequenzen ihrer eigenen Anfichten 
und damit den Ruin ihrer Kirche, alfo auch ihren Unter: 
sang ats Kirchliche Perfonen vor Augen brachte. Sie alle 
seftanden den Bruch der Kirche ein, bofiten aber immer 
0 auf eine bishes nicht entdeckte Heilung, in deren Er: 
wartung fie ed fich gern einftweilen im Beſitz ihrer bau: 
fälligen Hütte bebaglih machen wollten. Strauß aber 
war ein Ruͤttler, und, was noch fchlimmer, drohte, die 


Menge, das wahgnum vulgus, in flürmifcher Haft hinter 


’ x 


s 

ih Her zu reifen. Dies mußte verhuͤtet werben, ber 
Menge mußte ein Grauen vor ibm beigebracht werben. 
Hätte die zuͤrcheriſche Kirche wirklich den Glauben befef: 
fen, der fih nicht „in die Winkel der Theologen ver: 
kreucht“, fondern getroſt 8 „Legiſten, Arzt,, Actiſten 
u, ſ. w. uͤber ſich richten IdBR, — elle vor dem 
Einen Strauß gar nidyt zu fürdgten gehramkt;-To Hätten 
fie für das Voll und feinen wahrhaften Glauben gar 
nichts zu beforgen gehabt; fo hätten fie fih auf die 
Macht der von ihnen bekannten Wahrheit verlaffen. Sagt 
doch unfer Verf. felbfi in feinem Bude (©. 16): 

Unter be Dr. Schultheiß u. f. w. Einfluß (der faſt ein 
halbes Jahrhundert in Zürich wirkte) fand es zu erwarten, 
daß die theologiſche Bildung der jüngern Geiftlihen zum gro 
fen Theil eine unbebingt rationatiftifhe würde; dennoch fanb 
dies nur in beſchraͤnktem Maße ftatt. 

Warum fürdteten fie fi denn nun vor Strauß? 
Vor Strauß, dem einzigen Bock unter’fo- vielen Schafen 
an der züricher Hochfchule? War doh da — wie Scherr 
dem Glaubenscomite im „Pädagogifchen Beobachter” (12. 
März) vorhielt — ein frommgläubiger, demuͤthiger Prof. 
Hirzel, ein geiftreicher Ulrich, ein Alex. Schweiger, ein 
Higig, und ſogar — 0, mer da an Froͤmmigkeit zweifeln 
möchte! — als Docenten die Deren Pfarrer Schins, 
Zimmermann und felbft eins der Gomitämitglieder, Hr. 
Pfarrer Uftert, die an der Bildung der jungen Geiſtlichen 
arbeiten. Es iſt eine wahre Herabwürdigung dieſer Der: 
ten, daß man zweifelte, fo ein ſchwaͤbiſcher Strauß würde 
nicht bald von ihnen in bie Wüfte des Unglaubens zu: 
tüuchgetrieben werben. Aber die Herren hatten — ein boͤ⸗ 
ſes Gewiſſen: ihr eigenes Chriſtenthum, wenn man «6 
fo hoͤtt, möchte leidtich ſcheinen, ſteht aber doch im⸗ 
mer fchief darum! Man höre nur, was Hr. Dr. Gelser 
(S. 99) fagt: 

Gerabe für Solche, die ſich in der wiffenfchaftlichen Bewe⸗ 
gung der Zeit‘ mitbegriffen wußten, konnte ber Gedanke danie⸗ 
derbeüdend fein, daß die Frucht fo langer unb vielfei: 
tiger Arbeit am Ende gur Zertrümmerung aller 
böhern Ausſichten follte ausgebeutet werben. 

D, das böfe Gewiſſen! Sich daniederdruͤcken laſſen? 
Luther fügte: „Meine Lehre iſt das Hauptſtuͤck darauf ich 
troge, nicht allein wider Zürften und Könige, fondern auch 
wider alle Zeufel, und habe fonft nichts, das mein 
Herz erhält, flärkt, froͤhlich, und je länger je mehr trogig 
made.” Hr. Dr. Gelzer fpeicht dagegen (S. 92) von dem 
„Zweifel, der oft momentan felbft in den frömmften Ge⸗ 
müthern erwacht, dem Zweifel an der objectiven Wahr⸗ 
heit der Religion” u. ſ. w. O, das böfe Gewiflen! das 
fi) vor dem Zweifel fürchtet und ihn lieber vertufhen ale 
betämpfen wil. Die Herren zitterten, und zogen fich 
binter da6 Volk zuruͤck, da fie ſich hinter Zwingli's 67 
Artilel oder des Calvin Consensus Tigurinus oder ben 
„Heidelberger Katehismus”, wovon fie Eins wie das Andere 
längft verrathen und Alles „in die zeitgemäße u. f. w. Form 
bineingegoffen”’ hatten, nicht zuruͤckziehen durften, 

Sie fingen gleich damit an, - dem Großen Rath mit 
dem Volle zu drohen. „Die religiöfen Kämpfe”, hieß es 
in dem Bedenken des Kirchentaths, „die gefährlichfien Von 


len, werben ni “nf. 115). „Reiche“, 
* der eine ua! eh. * Bote ſich 
für ehr Heiligſtes regen” (S. 124). Fa; fie drohten mit 


Berödung der Univerficät, felbft mit der Abneigung ber ; 


auswärtigen Mädte Eo ging pro aris et focis. Da: 
her fagte ihnen Dr. Keller mit Recht: fie wendeten ‚ine 
rofifchen Zwang“ ſtatt teiftiger Gründe an. „Unfer Bote“, 


fagte er ihnen, „iſt fähig wie jedes andere, in einen falfchen 
Und als die Volkobewe⸗ 
sung eutflanden war, nannte es fie (am 18. Mär) „uns 
rein in ihrer Quelle, unrein in ihrer Entmidelung, uns 


Schrecken verfegt zu werden.” 


rein in ihren Refultaten”. Mit Recht. Zwar widerſtrit⸗ 
tem die Gegner und priefen die edle Regung des Volks, 


und Dr. schweizer fagte, der Geiſtlichkeit ſei es Ernſt 


mit ihrem Glauben, und alfo die Quelle des Widerftandes 
nicht unrein. Umfonft. Nicht blos darum unrein, well 
die Geiſtlichkeit kein reines Gewiſſen haben konnte im 
Streit für ihre Lehre, fondern auch darum, weil ſchlechte 
Putſchermittel wirklich angemendet wurden. Etrſtlich vers 
ſchwiegen fie dem Volk, wie Schere bemerkte, daß dem eis 
nen neuen Lehrer fo viele alte, angeblich vechtgläubige ge: 
genüberflanden. Sodann fchrien fie unaufhoͤrlich, wie ih: 
nen Staatsanwalt Ulrich vorrüdte: Der Strauß glaubt 
nicht an Gott, an Chriſtum, an Unfterblichkeit u. ſ. w. 
Ferner fpradyen fie immerfort durch ale ihnen zu Gebote 
ftchenden Drgane von einem „erfhätternden Ereigniß, 
zu erihütternd (fo find die Worte des Sendfchreibens an 
die Kirchgemeinden) für bie ungeheure Mehrzahl der Bes 
wohner des Cantons, ald daß fi nice alle Gemuͤther, 
wie durch elektriſchen Schlag getroffen, mit 
Entfegen erfuͤllt fähen.” Oberrichter Fuͤßli erklärte: 
„In den VBolksverfammlungen find die Gegner theils hin⸗ 
ausgewiefen, theils überbrüllt worden.” Man fragte die 
Leute: „Wollt ihr Chriftus oder Strauß?” Dan warf den 
Rabicalen die ſcheußlichſte Unſittlichkeit vor. Man fagte 
dem Volke, es ſei darauf abgeſehen, ihm Taufe und Abend: 


mahl zu rauben; Strauß ſei dem Zuchthauſe ent⸗ 


laufen und trage die Zeichen. der Brandmars 
tung (8. 279). Aber laſſe man das Alles fallen, ob: 
glei” Niemand im Mathe biefen Angaben widerſprach, 
nehme man das Alles nur für miruntergelaufenen Unfug: 
bier ift ein Mittel, das der Hr. Antiftes felber angewendet 
hat, ein actenmaͤßig conflirendes Kactum! Strauß hatte 
nämlich ein Schreiben an einige feiner güricher Freunde 
erlaffen, und darin unter Anderm gefagt: „Mit jener auf: 
gerelzten Maſſe habe ich nichts zu reden, des Spruchs 
eingedenf, ber ſolcherlei Menſchen das Kleinod veligiöfer 
Überzeugung vorzulegen ausdruͤcklich verbietet.” Strauß 
unterfchied hierdurch, wie billig, Volk und Pöbel. Der 
Hr. Antifled aber erwähnte dieſen Paſſus in einer feiner 
Reden: „So fpriht Strauß von unferm Volle! Er weiſt 
auf die Steele bin: Werfet die Perlen nicht vor bie 
Schweine! und zeigt damit deutlich, wofür er un: 
fee Bote haͤlt. Dod wenn der Schwabe mit fol: 
aa Sram zu unferm Boll kommt, fo wird das Volk 
ihm fagen : Behalte deine Perlen!“ Iſt das aufreizend 
oder nicht? Iſt das ein reines oder ein unreines Mittel? 





P, Dr. ! Mubrhler pur nech ein pagr Fragnens⸗ 
aus einem Libell, das unter dem Titel einer Bettaga 
predigt für die eidgenoͤſſiſchen Megenten, weiche weder Ip 
den Kirchen noch In den Herzen den eibgenöffi, 
ſchen Bettag mit deu eidgenoͤſſiſchen Chriften feiern 
im Drud erſchien. 

Ihe armen Beute! (vie Regenten näntich) spähzend ihe 
euern Gott mit dem Munde prebigt, prebigt euer Leben eine 
furchtbare Predigt Aber den Sammer, das Ctend Derer, bie 
unf 8 db Bott gaufaen an —F Gott. * 

ren ele von euch bereits in m Thlerdient 
waͤlzen, ſieht man Andere nach und nach von lebendigen 3 
armen umſchlungen .... fie fallen tiefer und tiefer dem haͤß⸗ 
lichen Dienfle entgegen. dem eure Gefährten ſich weihen. 

Ihe armen Kindlein nennt Syſtem euern Bögen, den 
Dunft, den fremde () Taugenichtſe euch einblaſen, tretst 
die Yreunde in den Roth, um Handlanger und Sklaven frems 
ber (!) Hungerleider, zuchtlofer Lüfllinge zu werden. 

Euer Dienft war die Überlieferung des Waterlandes in 
frembe Knechtſchaft (, in die verruchte Knechtſchaft bes 
jungen Europa. Das thatet ihr Ungluͤckliche! 

Geht im Lande von Hütte zu Hütte, ſchaut in die Augen 
der Leute, fie werben fich abwenden von euch; gebt ihnen die 
Dände, die Weiber werben abwiſchen die berührte Hand! Sucht 
euern guten Namen von Dorf zu Dorf, ihe werdet ihn nicht 
mehr finden, aber finden werbet ihr Mistrauen, Ekel, Haß. 

Die Berſunkenheit des Bögendienftes legt als Belpenft 


ſtch zwiſchen euch und das Wolf, und was das fchlummernke 


Bolt ſchon lange träumte, wird das wachende vollziehen — e⸗ 
wird euch verwerfen! 


Bon einem Pfarrer, fagt Hr. Dr. Gelzer, fei dies 
Libell verfaßt. 

Segen diefe abfcheufihen Umtriebe mußte die Regie— 
rung durchaus mit entſchiedener Feſtigkeit ihr verfaffungs: 
mäßiges Recht wahren. Die Berufung bes Dr, Strauß war 
von vornherein ein Misgriff. Hatte fie ihn aber berufen, 
ſo mußte fie die Berufung mit feſter Stirn behaupten, 
bem ganzen Volk gegenüber. ie hatte erkannt, daß «8 
hier einen Streit zwiſchen Kirche und Staat gab. Sie 
mußte den Staat vertheidigen gegen den lbergriff der 
Kicche, und wenn die Kirche das gefammte Volk aufbot. 
Sie mußte das Volk, auch rider feinen Willen, in feinen 
politifhen Rechten [hügen; fie mußte das Volk verhins 
dern, in feinem eigenen Fleiſch zu wuͤthen. Sie hatte 
das Recht dazu, denn fie war das verfaffungsmäßige Or: 
gan des Volkswillens: an die Vertheidigung des Staats 
mußte fie ihre Eriftenz fegen. Sie durfte nicht die Adreffe 
des Gentrafcomite als anmaßlich zuruͤckweiſen und zugleich 
über Penfionieung des Dr. Strauß Raths pflegen. Bon 
dieſem Augenblick an hatte fie das Heft aus den Händen 
gegeben. Der wackere Dr. Keller hat dies Alles durchs 
[haut und deutlich ausgefprodyen, aber fein und einiger 
andern braven Männee Wort verhallte, und bie elende 
Feigheit der Majoritaͤt behielt den Steg. Es warm ihrer 
zu Diele ohne klares Bewußtfein, ohne fefte Überzeugung, 
ohne ſtarken Willen; zu Viele, die fih nur von der klein⸗ 
lichen Eitelkeit, Zuͤrich berühmt, Zürich zu einem Mufter 
fisat zu machen, oder felbft als freifinnige Männer zu 
glänzen, nicht aber durch den gewaltigen Antrieb bes 
Beuerelfers für Wahrheit und Volkswohl leiten ließen. 
Sobald die Penfionirung durchgefegt war, fahen diejenigen 


Tiefe nicht mehr zu denken wäre, und es mußte ihnen 
daher buffer erfheimen, gar keine Hochſchule zu Befigen ats 
wine 'geßwechtete. Dem Antrag auf Auftjebung ber Hoch⸗ 
fıle Tag alſo nicht Perfidie und Rachfucht zum Grumbde, 
ſondern eine vernuͤnftige Erwaͤgung und Schmerz. Statt 


dlos anf Aufioͤſung der Univerſitaͤt hätten fie uber lieber 
anf Auflöfung der Reglerung antragen follen, denn die 


Megierung war noch weit mehr innerlich zerbrochen al6 
Ye atademiſche Freiheit. 

Abgiſehen von der Schwaͤche der Regierung, Kiig dies 
fer kein Grund vor, ſich für aufgeloͤſt zu erklären: die 


Ehre erfoderte dies nicht, die Verfaffung gar nicht. In 


vonſftitutioneilen Monarchien ift es nothwendig, daß ſich 
Ge Negierung zurückzlehe, wenn die Volksvertretung Ihr 
fein Verttauen mehr ſchenkt. In Zuͤrich nimmt der Größe 
Rath ſelbſt die Stelle der Volksvertretung ein, und wenn 
das Volk feinem verfaffungsmäßigen Organ kein Ders 
trauen fchenkte, To mußte #6 fich gedulden dis zum Jahre 
1848, bis zu der verfaffungemäßigen Zeit der Neuwahlen. 
Inzwiſchen hätte es Muße gefunden, ſich ſelbſt einiger: 
maßen aufzuklaͤren, ob die allgemeine Bewegung eine fa⸗ 
natiſche Raſerei, die Folge eines paniſchen Schreckens 
war oder ein auch bei ruhigem Blute ſtichhaltender Wille. 
Denn die Allgemeinheit der Aufregung beweiſt nichts fuͤr 
die Guͤte der Sache und fuͤr die Standhaftigkeit ihrer 
Behauptung. „Ein großer Haufen“, ſagt Seneca, „iſt ein 
Beweis vom Schlimmſten. Wir müflen fragen, was däs 
Beſte zu thun ſei, nicht was dem großen Haufen gut 
duͤnke, der gar ſchlecht entſcheidet, wo es Wahrheit gilt. 
Zum großen Haufen gehoͤren mir aber Leute mit Kronen 
fo gut wie die mit der Chlamys.“ Dazu iſt nun Ord⸗ 
nung in der Welt, dazu find DVerfaffungen, daß nicht 
das Erſte Beſte gefchehe, fondern daß Jegliches nach be⸗ 
ftimmten Gefegen und in vernünftiger Weiſe durchgekaͤmpft 

und das Wahre und Rechte wie das Nuͤtzliche und Imed: . 
"mäßige an den Tag gebracht werde. Willkür darf und 

ſoll durchaus nicht fein, weder Willkür eines Despoten 
noh Willkür einer Ariftokratie, noch bureaukratifche Wil: 
für, noch Willlür des viellöpfigen Ungeheuers Volk. 
Das Voll, das nicht von dem Glauben an die lebendige 
Macht des ihm einwohnenden ftaatebildenden Weſens 

durchdrungen iſt, das nicht in der Erhaltung feines Staats: 

wefens die Berhätigung feines Willens ficht, das nicht 

demn qach Geſetz und Ordnung Über Alles ftelt, fondern. 
noch Dies oder Das in petto behält, was ihm höher gilt: 
als feine Verfaffung und fein Recht, verdient nicht den: 
Namen eines Volks; die Regierung, welche nicht im Stande! 
ift, die fich felbft vergeffende Menge zur Vernunft zu brin: 

en, verdient nicht den Namen einer Regierung, und die 

Gepublik, in der der Unfinn, die Unvernunft und das Un⸗ 
zecht fiegen, nicht den Namen einer Republik, *) | 


G. Julius. 


”) Des dritte und lette Artikel folgt in ber nahen Eieferung. 
. Red. 


1 Ste verbefferte 





| w 
Wükärt, wehche tiffehfchäfttidye Feciheit wollten, DaB am | 


| Aibitugraphte. 
Baumgarten, M., Liturgie und Predigt. (Ein 
Be Zractat. Kiel, Univerfitäts: Buchhandlung. Gr. 


Sarcand, @., Ungieka Maria, cine Gdilikerung 
dem häuslichen Leben. Nich dem ttalienifihen Dxininaie bean 
heitet von R. v. Eangenn. Leipzig, Kolmann. 8. 1 Zgir. 

gr. 

Dumas, A., Gorg. Aus bem Branzöflichen von W. 
®. Welche. Zwei Bände, Leipzig, ann. 8. 3 Thir. 

Cichborn, 34 Taste eu —— — 

99a —W © i — nden 
und Ruprecht. 58.3 Ad ar. ven vord 

Belter, J. E., Archiv der Staatöpapiere, enthaltend ben 
Urfprung, die Einrichtung und den jegigen Zuſtand der Staats 
Auleihen, nebſt den nöthigen Rotizen über die Berechiwmg ber 
Staats Efferten und deh darin vorfommenden Gefdäften. te 
gängtih. ningeacheitete Auflage. Leipzig, Müller. Gr. 12. 1 Zbie. 


Nor. 

Gros von Trockau, X. Freiherr, Reife don Bamberg 
nad) Aurach auf Ummegen, ba man heutzutage auf bem geras 
den wicht mehr fortfommt, ober: Auch eine Reife km die Welt. 
Bamberg. 8. 3%, Nor. 

Humboldt, A, v., Central-Asien. Untersuchungen 
über die Gebirgsketten und die vergleichende Klimatologie. 
Aus dem Französischen übersetzt von W. Makimann. Mit 
einer Karte und mehren Tabellen. Istes Heft. Berlin, 
Klemaun, Gr. 8, 13 Near. 


James, ©. 9. R., Robin Hood, ober das Leben im 
tufligen Walde von Sherwood. Ein Boman. Aus bem Eng 
lifchen überfegt von E. Sufemipl. Drei Bände. Leipzig, 
Kollmann. 8. 3 Thlr. 7% Nor. 

Krause, K. Ch. F., Handschriftlicher Nachlass. Her- 
ausgegeben von Freunden und Schälern desselben. Este Ab- 
theilung ?te Beihe: Bynthetische Philosophie. I. Die abss- 
lute Religionsphilosopbie in ihrem Verhältnisse zur Glau- 
benslehre des Gefübls und nach ihrer Vermittelung des Su- 
pernaturalismus und des Rationalismus; dargestellt in einer 
philosophischen Prüfung und Würdigung der religionsphile- 
sophischen Lehren Jacobi’s, Bouterwek’s und Schleierma- 
cher’s. 2ter Band. 2te Hälfte. Göttingen, Dieterich. Gr. B. 

a. Kritik von Fr. Schleiermacher’s Einleitung seiner Schrift: 
der christliche Glaube. Herausgegeben von H. K. v. 

Leonhardt. 1 Thir. 20 Ngr. 

b. Krgebuiss der Kritik der religionsphiloseptischen Eeh- 
ren Jacobi’s und Boaterwek’s. 121, Ngr. 

— — Des handschriftlichen Nachlasses IV, Abtheilung: 
Vermischte Schriften. 1. Geist der Geschichte der Mensch- 
heit. Ister Band. — A. u, d. T.: Die reine und die allge- 
meine Lebenlehre und Philosophie der Geschichte zu Be- 
gründung der Lebenkunstwissenschaft. Herausgegeben von 
Hr K. v. Leonhardi. Göttingen, Dieterich, Gr.6. 3 Thir. 

gr. j 

Mofer, 8., Über. das Licht. Vortrag, gehalten in ber 
pbyſikaliſch⸗dkonomiſchen Geſellſchaft zu Königsberg, den 7. Aprit 
1843. Higeberg, WBoigt. Gr. 8. 30 Nor. 

Neybaud, Mad. Charles, Clemenze. Ins Derrſche 

Eripgie, 


übertragen von Fanny Zarnow. Zwei Thtile. 
Kollmann. 8. 2 hie 15 Nor. 

Schoppe, Amalie, Büber aus dem Familienleben. 2ter 
Band; Die beiden Schweftern — Beronifa. 3wei Erzählungen. 
Reipzig, Zaubert. 8. 1 ZTptr. 22%, Nor. 

Thermann, ©. v., Reiſebilder aus Deutſchltand und 
Ztatien, nesft einer Sammlung von Gebichten. Leipzig, Gerig. 

. e 


Ulmer, K. Der .Politi Srauerfpiel. Nuͤrn⸗ 
berg, Gtein. Gr. 1. rer Kit 





Verantwortliher Deransgeber: Heinrich Brokhaus. — Drud und Berlag von F. U. Brodhaus in Leipzig. 





- Blätter 


für 


literarifhe Unterhaltung. 





Betrachtungen über die berliner „Eite- 
rariſche Zeitung”. 


Die berliner „Literarifche Zeitung”, gegenwärtig redi⸗ 
giet duch Dr. Kari Brandes, hat feit der Zeit ihrer 
Begründung eine fonderbare Reihe von Stadien durch⸗ 
taufen: Dies ift, für ſich betrachtet, nichts Auffallendes, 
da in einem Zeitraum von fünf Jahren 3. B. mannich⸗ 
faltige Verhaͤltniſſe eintreten Eönnen, durch welche Geiſt, 
Tendenz, Umfang u. f. w. eines Slugblattes verändert 
werden. Wir würden auch jest weder dieſen Punkt her⸗ 
vorbeben, noch überhaupt uͤber jenes Blatt ein Urtbeil 
abzugeben Beranlaflung finden, wenn «6 nicht feit efni: 
ger Zeit eine gewiſſe Partei zu verfechten ſich zur Aufgabe 
geftellt, umd in biefer neuen Function einer andern Partel 
entgegengetreten wäre. 


Direct provocirt, und es liegt im Intereſſe der Gegenwart 
wie der Wahrheit, das Streben ſowol dieſer Zeitung ale 
ihrer vermeintliden oder wirklichen Gegner einmal auf: 
merkfam zu befeuchten. Wer fich der erften Jahrgänge 
drr ‚‚Literarifchen Zeitung” erinnert, wird ziemlich deut: 
lich gewiſſe Wendepunfte ihrer Tendenz unterfcheiden. 
Sie trat auf als anfpruchlofes, doch gehaltvolles literari: 
ſches Wochenblättchen. 
fenden Welfe, wie dies befcheidene Blaͤttchen wichtige 
Schriftwerke zur oͤffentlichen Kenntniß brachte, und lobte 
vorzüglich die reizende Miniaturarbeit; denn mit unge: 
wöhntich getwandter Kunft waren die Ergebniffe mühfe: 
mer Studien hier im Heinften Raume zufammengedrängt: 
ein würziger Genuß für die durch ſchwere wifjenfchaftliche 
Kritik Ermüdeten, felten ohne irgend eine fpecielle An⸗ 
regung, meift mit neuen, obwol ohne Anmaßung hinge: 
Rellten Geſichtspunkten. Und wer felbft die milde, zu: 
weilen farbiofe Weiſe nicht guthieß, benusgte Doch das 
Blatt gern wegen feiner ziemlich vollftändigen Biblio: 
grapbie. Nach dem Tode des erfien Redacteurs dauerte 
Diefe Weiſe eine Zeit lang fort. Allmälig jedoch wuchſen 
iene koͤſtlichen Miniaturbilder zu Genrebildern heran, die 
etwas mehr bedeuten wollten als ein Urtheil in nuce ober 
ein pikantes Reſumé der wiſſenſchaftlichen Kritik. Die 
Zeitung fing an, eine beſtimmte Geſinnung auszuſprechen; 
fie mat gegen gewilfe Zeitrihtungen in polemifche Dal: 


Hiermit hat fie ihre Gegenpartei, 
naͤmlich einen großen Theil der heutigen Journaliſten, 


Man freute fidy der kurzen tref⸗ 


tung. Diefes zweite oder lbergangsflabium erweckte 
Meugier, Theilnahme, Zweifel und Fragen bei dem Publi- 
cum, das fich indeſſen unmerklich erweitert hatte. Immer 
deutlicher traten Ddiefe Tendenzen hervor, bis endlich feit 
einem Jahre, am entfchiedenften aber feit Anfang des 
legten Jahrgangs, ein neuer Höhepunkt erreicht war, dem 
wir jeht näher ins Auge fafen wollen. BE 
Die Zeitung will nämlih, nunmehr den groͤßern 
Journalen ſich ebenbürtig ſtellend (feit 1843 zweimal 
wöchentlich in größerm Format erfcheinend), in die wich 
tigften Zeitfeagen felbftthätig eingreifen. Diefe Abficht 
involvirt fchon eine gewiffe Tendenz, in welchem Punkte 
fi) die gegenwärtige ‚‚Literarifhe Zeitung” von ihrer 
barmloferi naiven Jugend weſentlich unterfcheidet. Sie 
erfüllt hiermit allerdings den Anfpruch, den man an das 
gereifte männliche Alter macht, fich in und für die Ge 
genwart zu bewegen, zu arbeiten, zu haffen und zu lie 
ben, und wenn es hier und da einmal Stöße und Schläge 
abfegt, fo bat ſich der Gegner nicht zu beblagen, der 
ſelbſt Arme und Kopf frei bat, um mit rechtem Maß 
wieder zu zahlen. Selbſt wenn der Gegner einer Partei 
angehört, die in vielen Kreifen verdächtig fcheint, fo kann 
doch immer noch ein ruhiger Zufchauer fein Theil daraus 
nehmen, und vom Feinde lernen, fofern diefer vernünftig - 
und ehrlich if. Man fagt, dies fel eine Nationaltugend 
dee Deutfhen, den Feind zu ehren: eine Eigenſchaft, 
die mol die Hälfte ihrer Schwächen vergütet. Iſt nun 
die „Literariſche Zeitung‘ — oder Hr. Dr. Brandes — 
ein eifriger Verfechter der Maßregein, Xendenzen unb 
Marimen der preußifhen Regierung: fo ift hieran nicht 
nur fein Tadel, fondern es ift lobenswerth, wenn das gerade 
herausgefagt wird. Schließt er fi der bei den Franzo⸗ 
fen unter allerlei Namen verrufenen Partei der Stabilen, 
Zegitimiften, Servilen u. f. w. an, fo laͤßt man es gèt 
ſchehen, fo lange dies mit ehrlichen Maffen, mit Bet⸗ 
nunft und Liebe geſchieht; denn jeder Ehrliche "Hit 
feine Waffen dagegen — entweder Schweigen "oder 
MWiderlegen. Es ift heutzutage nicht fo bequem wile! vor 
zehn Jahren, ein rechtes Organ der Regierung‘ fürr'dfe 
Deffentlichkeit darzuſtellen; wer auf Seiten dei’ Malt 
fleht, hat einen ſchweren Stand dem Gefchril der Pak 
teien gegenüber. Defto ehrenwerther, wo dies mılti Ei: 
fiht und Ruhe gefchieht, und vor Allem: ohne "Leider: 





ſchaft; denn nach beutfchen Begriffen muß ein koͤnig⸗ 
liches Wort kein Parteiwort fen. Wo die Polemik 
zu Parteimaffen greift, z. B. Ironie, Sopbifterei, Ver: 
Heinerung des Gegners u. f. w., da wird fie verdächtig, 
fi ihrer Mache nicht bewußt zu fein. ‘ 

„En Nagel im Kopfe” das bedeutet in einigen 
Gegenden ſpruͤchwoͤrtlich fo viel als Hochmuth und Bor: 
nirtheit. Um nicht allzu unhöflich zu fein, geflehen wir 
vorab, das dies nicht die hervorſtechenden Eigenfchaften 
der „Literarifchen Zeitung” find, wenn auch Spuren pfäf: 
fiſchen Hochmuths und hiſtoriſcher Bornictheit vorkom⸗ 
men, z. B. wenn die wichtigſten Fragen von Strauß, 
Ruge u. A. nur fo üͤber's Knie gebrochen oder als ab: 

etban bezeichnet werden. Vielmehr muß man im 

brigen, auch den Feind ebrend, geſtehen, daß die Her: 
ausgeber und Diitarbeiter tüchtig fludirte Leute, daß fie 
fleißig, belefen und nicht ohne Gewandtheit im Ausdrude 
find. Manche Auffäge find gehaltreich und treffend, wie 
3. B. der über preußifche Elementarfhulen; in ihm und 
mehren andern erkennen wir jene Vorzüge dankbar an. 
Doc, find dies Eigenſchaften, die in unfern Tagen viel 
weiter verbreitet find als ehedem; fehlten fie, fo würden 
wie den Gegner nur verächtlid, finden, und das fin⸗ 
den wir nicht — und wünfhen nur, daß bie Herren 
von der "Zeitung ebenfo viel Billigkeit gegen ihre Feinde 
ausübten, von denen fie gar Manches lernen könnten. 
Bon einem Journal, das fih heute Achtung und Gel 
tung verfchaffen foll, verlangen wie jedoch, abgefehen von 
Geſinnung und Xendenz, noch ein Mehres außer jenen 
allgemeinen Löblihen Eigenfchaften, die der „Literariſchen 
Beltung” nicht abzufprechen find. Wir verlangen von ber 
Sefinnung, einerlei, welde fie ſei, Selbſtaͤndigkeit 
und Tiefe; wir wünfhen und fodern In der Ausfprache 
derfelben Ehrlichkeit und Scharffinn; ber allge: 
meine Gehalt aber kann nicht imponiren ohne eine ges 
wiſſe Srofartigkeit der Auffaffung, und ohne 
Neuheit, d. h. daß nicht das einmal Dagewefene zum 
bundertfien Dal wiederholt werde. 

Wie es mit der Selbſtaͤndigkeit der Geſinnung 
ſtehe, können wir zwar ebenfo wenig ad oculos demon⸗ 
ſtriren, als überhaupt irgend ein Menſch den andern 
nah Herz und Nieren prüfen kann. Gewiffe Indicien 
jedoch zeigen, daß eine Frage nah der Selbſtaͤndigkeit 
der „‚Literariihen Zeitung‘ nicht fo ganz bornirt ft, wie 
der feit 1843 neugebildere Artikel Falſche Gerüchte, Ent: 
flellungen, Irrthuͤmer, Lügen‘ vermeidet. Nicht, weil 
fie auf Seiten aller Regierungsmaßregeln feit einem Jahre 
unausgefegt geftanden hat, flellen wir dieſe Frage. Nurbarum, 
weiß dieſer Ton erft von fo neuem Datum iſt; weil ſich 
diefelbe Zeitung vor zwei Fahren wenig um Zeitfragen 
kuͤmmerte, und jest plöglich bei den Kanonleren der erfien 
Batterie fleht; weil fie ein graufames Vergnügen daran 
findet, dem am Boden liegenden Keinde den Eſelstritt 
zu geben. Diefelbe Zeitung, welche bei andern Artikeln, 
3 B. Marr’s „Compoſitionslehre“, nicht unterließ, mit eis 
ner großen Satisfaction zu bemerken, daß fie zuerfi (I!) 
auf die Vorzüglichkeit diefes Werks aufmerkſam gemacht 


babe, diefelbe Zeitung wußte nichts von Herwegh, als feine 
„Lieder eines Lebendigen” in Deutſchland berühmt waren 
— bis er ausgefpielt hatte; da kriegte er tüchtig Eins ab. 
Hoffmann von Ballersieben ward vor feiner Abfegung 
faum erwähnt, und jet — adj! es HE eime alte Tradi⸗ 
tion geworden, jenes vielhumdersjährige Wort: victrix 
causa diis placuit, sed victa Catoni. Und in Dem, was 
nun eigentlih den Senannten vorgeworfen wird, was die 
„kiterariſche Zeitung” ſowol bdiefen als Ruge und Strauf 
als verdammliche Kegerei nachweilt, ift weber der Kern 
ihrer Anfichten getroffen noch das Weſen ihrer Leiftungen, 
fondern nur entweder die aͤußere Form des Ausdruds 
oder ihre Perfönlicgkeit. Und auf welche Welle iſt dies 
gefchehen! 

Es iſt aber kein Zeichen von Tiefe, Ehrlichkeit 
oder Scharffinn, wenn man dem Gegner Gonfequen: 
zen aufbürder, die er nicht ausgeſprochen; wenn man 
feine Worte im Einzelnen durchnimmt, bie im Ganzen 
verflunden werden follen; wenn man die Brunbibee feines 
Strebens verkennt um des leidenſchaftlichen Äusbrucks 
wilen. So wurden in ber wäflerigen Reflaurationsjeit 
die Burſchenſchaften verfolgt um ihrer grimmigen Geber: 
ben willen, und damit das hehre Wort deutfhes Ba: 
terland in vielen Kreifen geächtet; fo ift Strauß von 
vielen Pfaffen perhorresciet, weil fie für ihre Pfrimden 
gitterten, weil deren Untergang die Conſequenz der freien 
Forſchung ſchien. Wir möffen geflehen, daß weder Her 
wegh, noch Hoffmann von Fallersleben, nech Niklas 
Becker uns echte geborene Dichter ſcheinen, und daß wir 
dieſelbe Meinung von Anfang gehegt haben, wenn Se 
mandem daran liegt, das zu wiſſen. Aber was fie ge: 
fagt haben, wo fie die Wunden zeigten, die unfer ſonſt 
gefundes Blut bedrohen, wo fie den wadeigen Schlen 
drian angetaflet — das Laffe fich nur jeder Vaterlands⸗ 
freund gefagt fein, und wenn ein überflüffiges Wort mit 
unterläuft, fo iſt das nicht fchlimmer al6 vieles Über: 
flüffige in der „Literarifhen . Zeitung‘, wo längft Gehoͤr⸗ 
te6 wiebergefäut wird, wie 3. B. bie uralte Wahrheit, 
daß im jeder größeren Gefelfhaft der Einzelne einen Theil 
feiner individuellen Freiheit daran geben mäüfle, daß es 
keine abfolute Freiheit gebe, daß der Staat die Oberge⸗ 
walt haben müfle u. f. w. Wenn aber Herwegh bem 
beutihen Volke Freiheit wuͤnſcht, und Heffmanı die 
böfen Flecken eines fonft kräftigen Staatölörpers auf: 
bet, und Weder unfern alten heiligen Grund und Wo: 
ben zu ſchirmen aufeuft: — dann iſt's nöthig, bei fo 
wichtigen Fragen der Gegenwart zuerft nach ihrem In- 
halt, Bedeutung und Wirklichkeit zu forſchen, dann erſt 
nad) der Form und Darftellung, melde ihr ber menſchlich 
Irrende gegeben, 

Scharffinn und Sroßartigkeit der Auffaf: 
fung verräch es nicht, wenn man in unfen Tagen 
noch, um ben noch fo verrufenen Gegner aus dem Sat: 
tel zu heben, zu dem ſchwachen Mittel der Conſequen z⸗ 
macherei greift, von dem ſowol die Erfahrungen bes 
legten Jahrhunderts al6 die Belehrungen der Philofophen 
den Geift der Deutfchen befreit haben müßten. Weil ein 








paar Mufiter gemuͤthloſe Gimpel gewefen, barum iſt micht 
die Muſik ein Nichtiges. Weil die Revolution viel Blut 
gefobert, darum iſt fie an ſich noch kein Verbrechen, fo 
wenig als das Chriſtenthum um ber Blutſtroͤme willen, 
womit es den Erdboden gewaſchen, um ein Tittelchen ge: 
zinger wird. Mur welches das wahre Chriſtenthum fet, 
Daräber erlaubt ihr eine Frage? und gleicherweife 'hiers 
über: welches ift die wahre, vernünftige Ummälzung oder 
Reform oder Zortfchritt, wie e6 auch heiße? Nun, fo 
unterfucgt mit demfelben Aufwand an Scharfſinn, mit 
dem ihr Herwegh's Begriffe analpfirt zu haben euch 
ungewöhnlih freutet, auch einmal biefen Begriff nad 
alien feinen Kategorien und Relationen. Wenn «6 man- 
chem Könige zum Ruhme gerechnet wird, von oben herab 
revoltirt und reformiert zu haben, Andere aber, die Daſ⸗ 
felbe von unten herauf gewagt, wie Luther, ebenfalls 
eure Biligung erzwungen haben: fo iſt doch wol das 
Ummälzen an [ich fo wenig gut und böfe, als bie 
Freiheit an fi, d. h. ber leere abflracte Freiheitsbegriff. 
Einem ſehr bekannten Sage ferner, dem: quidquid deli- 
rant reges — wollen wir bier gar nicht einmal viel 
Gewicht belegen, um nicht triviale Wahrheiten mit aͤhn⸗ 
lichem Pompe aufzuführen wie die „Literarifche Zeitung”, 
die fich übrigens aus ihren gründlichen biftorifhen Stu: 
dien wol erinnern wird, wie alle Voͤlkerrevolutionen die 
Schuld der Regierenden von jeher bezahlt haben. Aber 
darüber flieht doch wol eine Frage frei: ob denn Alles, was 
die heutige erregte Tugend fodert, felbft wenn fie es un: 
manierlich tbäte, ober wenn fie dem neuen Geſetz der 
Hoffnung zu Liebe ſich In dem alten ber Erinnerung 
nicht immer mohlbewandert erwieſe — ob dies Al: 
les, was und wie es gefodert wird, wirklich fo unzei⸗ 
tig, idealiſtiſch und frevelhaft fi, ob man zu bar: 
ven babe auf die Güte, Weisheit und Kraft aller: 
hoͤchſter Staatsbehoͤrden, wenn es fih um dringende Fra⸗ 
ges ber Begenwart handelt; ob nicht vielmehr ein kraͤfti⸗ 
ges Wort aus freiem Munde auch heute den Königen und 
Bölkern gut thue? Ein kraͤftiges freies, d. h. weder 
in vorgefaßter Meinung noch pfäffifher Demuth dem 
Shrftienwort nachbetend, fondern auch dem Fürften frei 
entgegnend: du bift ein Menſch! Man ift gewohnt, ge: 
gemwärtig über den Marquis Poſa zu lächeln, der vor 
60 Jahren das Entzüden von Fuͤrſt und Volk erweckte. 
Stände doch heute noch einer auf! Aber ein edler, reiner, 
in Schiller's Sinn, dem es weder um Ehrenglanz nod) 
um Märtprerthum an fich zu thun wäre, fondern allein 
ums die Wahrheit und ben Genuß und bie Verkündigung 
derſelben an ale Menſchen! Der wie Schiller und Uh⸗ 
land und Pitt, ohne Eitelkeit, ohne Pöbels oder Herren: 
gunft zu fuchen, vor ber Krone nicht erbleichend, ihr zus 
tiefe: du biſt von Staub! Und Carlos’ Worte nicht vers 
ſchmaͤhte: „Es iſt nicht Alles gut, was Ihre Diener 
KL 

Es [heine ſich erwieſen zu haben, daß Herwegh 
aihe dieſer echte Marquis Poſa war. Die fhönite 
Gonfeguenzmacherei von hinten ift nun bdiefe, um des 
Einem willen von neuem auf das Pofathum loszutrom: 


mein, Wir unterfuchen bier noch nicht, wie weit das 
Urtheil über Herwegh gerecht, wie weit e6 frei und 
feldftändig ift, was von feinem Dichten und Trachten zu 
halten, ob er wirklich ein fo arger Renegat ber Freiheit, 


. wie die Berliner fagen, nachdem er fiasco gemadt hat 


durch den allerunglüdfichfien faux pas. Vielmehr Haben’ 
wir vorab zu fragen, ob denn im beutfchen Vaterlande 
Aues fo trefflich fiche, ob die Bedürfniffe fo weit erfüllt, 
feine langen Taͤuſchungen fo weit ausgeglichen feien, daß 
e6 nun weiter nichts zu thun nötbig babe, als eim 
Halleluja zu fingen den Sefandten des Deren, bie das 
wahrhaftige Reid Saturni wiedergebradyt hätten? If 
Altes, was die deutfchen Fuͤrſten ihren Voͤlkern feit 
30 Jahren verfprohen, nun wirklich ausgeführt Wir 
erwarten 3. B. allgemeine gefeglihe und gewiffenhafte 
Beftimmungen über die Preffe. Nicht allein das 
„Geſindel“, fondern ſehr ehrenwerthe Männer hoffen 
auf den Augenblid, wo ihre Freiheit ehrlich und rück⸗ 
baltlos wird verkündet werden. Wir willen zwar Alte 
fo gut wie die „Literariſche Zeitung‘, daß die indivi⸗ 
duelle Kreiheit in monarchiſchen Staaten und bei ſtren⸗ 
gem Regiment gefchäster iſt als in jeder andern Ver⸗ 
faffung. Auch fehnen wir uns nicht nach ber franzoͤ⸗ 
fifchen Sreiheit, nachdem wir ihr Gebahren mit Augen 
gefehen, meinen aber doch, daß der unferigen ber rechte 
Nerv fehle, fo lange nicht fichere Beſtimmungen gefunden 
find, welche ebenfo fehe der Ordnung wie ber Willkür 
Raum geben, fi in vernünftiger Freiheit zu bewegen. 
(Die Fortſetzung folgt.) 





Fiat applicatio. 


goumger’® ,‚Commonplace Book” (Ronbon 1842) er« 
zählt "von einem Warktichreier, der unter ber Regierung 
Georg 1. von Sngland auf feiner zu Hammerſmith, nahe bei 
London, errichteten Bühne bie verfammelte Menge folgender 


maßen angerebet: „Von Geburt ein Hammerfmithianer habe ich 


lange nachgedacht und reiflih erwogen, auf weiche Weiſe ich 
meinen Mitbürgern das verftändlichfte Zeichen meiner Liebe und 
Berehrung geben koͤnne, und da tft mir eingefallen und ich Habe 
mich entfchloffen, jedem Einwohner des Kirchſpiels 5 Schil⸗ 
ling zu ſchenken. Ich weiß, das wird mich viel koſten. Deſto 
fefter vertraue ich der Hoffnung, daß Niemand von meiner 
Generofität zu profiticen fuchen wird, der nicht wahr und wahr: 
baftig ein Gingepfarrter iſt.“ Die Menge drängte näher, mit 
weit gedffneten Augen und aufgefperrten Mäulern, Aller Blicke 
auf einem grünfammetnen Beutel von beträchtlichen Umfange, 
der dem generöfen Manne über dem Arme hing. Und ber Redner 
fuhr fort: „Ich weiß, Ihr feid nicht fo feil und Iamugig, meine 
Freigebigkeit blos deshalb zu fchägen, weil fie Euch ein paar 
Schillinge in bie Taſchen ſteckt. Die Freude, die id in Cuern 
Augen funkeln fehe, ift nicht das Product des Gedankens an ben 
eienden Quart, der heute in Guern Händen, vielleiht fon 
morgen in ber Fauſt eines Geizhalſes, eines Spitbuben ober 
eines Pfaͤnderverleihers if. Ich begreife recht gut, was Cuch 
entzuͤckt. Cuch entzüdt die Üiberrafhung, daß ein Mann, ben 
Ihr für einen Fremden bieltet, der wärmfte, der aufrichtigfle, 
der uncigennügigfte Freund ift, den Ihr-in Guerm Leben gehabt. 
Über, meine lieben Freunde, Geld verleiter nur zu oft bie 
Qungen und Unbefonnenen, ſich zu betrinken und andere Exceſſe 
zu begeben, zum größten Schaden für ihre Gefundheit und 
Moralität. Dies zu verhindern, und bamit meine Wohlthat 


Nachthe werde, ſchenke ich ads freiem Antriebe 
Fra inet Mitbürger” (hier arif ber Redner in ben Sams 
metbeutel) „ein ſolches unfchänbares Padet, worin eine Schachtel 
Pillen, eine Partie Pulver und ein Pflafter, das in Europa 
feines Gleichen nicht hat, für Quetſchungen und Wunden, gleich 
vier, ob das Mefler fie geſchnitten, das Schwert fie gehauen 
ober die Piftole fie geichoffen. Legt ber Verwundete es vor 
Schlafengehen auf, fo wette ich meine Reputation, daß bie 
el, dafern eine in ihm fiet, ſich herauszieht, und ehe ber 
Morgen graut, das Fleiſch fo gefund iſt, wie meine flache Hand. 
Bier dagegen Pflafter und Salben nicht mag, weit fie Schmerzen 
und Mühe machen, dem empfehle ich das Pulver. Das Yuiver, 
meine Damen und Herren, wirkt mittel Sympathie und ift 
die vereinigte Erfindung von dreien der größten Arzte, bie je 
gelebt haben, Galen, Hippofrates und Paraceifus. gt Ihr 
nur ein Paar Körnchen diefes Pulvers bei Euch, fo könnt Ihr 
‚ohne Gefahr in das dickfte Gewuͤhl ber Schlacht ‚ Schwer: 
tern, Spießen und Bayonneten Trog bieten. Was ich fage, iſt: 
laßt Cuch verwunben, laßt Such verfrüppeln, laßt Euch in Koch⸗ 
chen baden wie einen Stockfiſch, den Ihr effen wollt, — je 
Yänger, je tiefer, je zahlreicher die Schnitte, defto lieber ift mir's, 
deſto fchlagender wird der Beweis fein für die Meriten meines Puls 
vers. Bleibt ganz ruhig, widelt bloß den verwundeten Theil in 
ein reines, weißes Tuch und gebt zu Wett, fehtaft, wenn. Ihr 
tönnt,, laßt inzwifchen die Waffe, die Euch vermundete, neuns 
mal mit einer kleinen Quantität des Yulvers abreiben, und 
mein Wort zum Pfande, des folgenden Tags könnt Ihr wie 
gewoͤhnlich an Eure Geſchaͤfte gehen. Ron ben Pillen fage ich 
nichts. Die find feit lange ihre eigenen Eobredner und außers 
dem liegen vollftändige Gebraudhsamvelfungen bei. Nur weil 
Ihr etwas abfeit der großen Welt lebt, muß ich Euch bemerken, 
Daß fie ledigen Krauenzimmern Maͤnner, und verheiratheten 
Kinder verfchaffen, daß fie das Blut reinigen und die Geſichts⸗ 
farbe wunderbar verſchoͤnern. Weit über Menſchengedenken 
hinaus find dieſe unerreihbaren Arzneien mit 6 Edhilling bes 
zabıt worden. Aber ich bin feft entichloffen, mein Wort zu 
halten, prafticire audy nicht wegen ſchnoͤden Gewinnes. Wollt Ihr 
daher Eure Zafchentücher, jedes mit der Kleinigkeit eines Schil⸗ 
lings, Lediglich zur Bezahlung ber Reifekoften und meiner Diener: 
ſchaft, mir heraufwerfen, fo ſchenke ich Euch aus freier Bewegung 
das übrige Geid, genau wie ich es von vornherein verfprochen.” 
Einige aus der Menge gingen ſchweigend fort; die Meiften 
blieben. Auch die paſſive Bethoͤrung, ſich betrügen zu laffen, 
hat ihre Zreuden. Zwei Stunden lang flogen Zafcyentücer, 
leerte fi) der grünfammetne Beutel, fpielte bad Orcheſter, und 
als der Künftler des Abends im Gaſthofe an Entenbraten und 
Gchotenerbfen ſich delestirte, hatte er 25 Guineen reinen Profit 
in ber Taſche. 14, 





Literarifhe Notiz. 


Gegen England. 

Bekanntlich hat der Zulivertrag den alten Zwiſt zwifdyen 
England und Frankreich wieber gefchürt, und feit der Zeit 
tobert in den franzöftfchen Journalen und Flugſchriften der Haß 
gegen die Briten aufs neue in heilen Blammen. Das Lied „‚Guerre 
aux tyransi! Jamais en France jamais l’Anglais ne règnera!“ 
in der Oper „Charles VI” von Gaflmir Detavigne, der ſchon 
bei der Ankunft von Rapoleon’s Aſche vom „perfiden Aibion” 
fang, ift zum Nationalliede geworden. Natürlid wird von ben 
Buchmachern diefe feindfelige Stimmung e„exploitirt“ (es gibt 
hier eine „„Societs pour l’exploitation des oeuvres de V. Hugo‘') 
und fo find wir benn mit einer ganzen Flut dis und duͤnn⸗ 
Leidiger Werke überfchwenmt worden, in benen die Geſchichte 
Englands mit den ſchwaͤrzeſten Farben gemalt und oft aufs 
graͤulichſte entftelt wird. Die flammendfte diefer Gchriften, 
die in der Regel bloße Pasquille find, aber auch zugleich bie 
einzige, die, wenigſtens was Stil und Darftellung betrifft, 


leebar if, bärfte bie „‚Histeire criminelle da ernement 
anglais depuis les premiers massacres de l’Irlande jusqu’ä 
Pempoisonnement des Chinois‘, von Elias Regnauit, von ber 
vor kurzem die letzte Lieferung erſchienen ift, fein. Der Berf., 
der, ieren wir nicht, einige Abhandlungen von Bentham übers 
fest bat, entwirft in feinem Buche ein langes Suͤndenregiſter 
der englilchen Regierung, bas in ber That — wenn man don ben 
gar zu grellen Barben, die er aufträgt, abſieht — ganz erbaulich 
zu lefen ifl. ine andere Schrift, die wir foeben u. d. T 
„Napolson et l’Angleterre”, vom Bicomte be Marg uefar 
(2 Bde), erhalten, iR zwar gleichfalls in einem ſehr feindfellgen 
Sinne gegen England geſchrieben, verdient aber eine ganz andere 
Beachtung, ale alle diefe politiſchen Gelegenheitsfchriften,, bie 
von der Welle des naͤchſten Tages verfchlungen werden. Mit 
Reit behauptet der Verf. dieſes Wertes, baß bie meiften Ge 
ſchichtſchreiber bei der Darftellung der Kriege des geſammten 
Europa in ber, Regel bie bedeutende Rolle, die England foye 
fagen hinter den Couliſſen fpielte, zu wenig berüudfichtigt haben. 
So fucht er bei feinem hiftorifchen Werke namentlidh das Ber 
bältniß Englands zu den übrigen friegführenden Mächten ins 
rechte Richt zu ſtellen. Vielleicht dürfte er indeſſen doch manch⸗ 
mal etwas zu weit gehen und ben britifchen Einfluß da feben, 
wo er wol in ber Wirklichkeit nicht thätig geweſen il. Jater 
effant aber find auch die Partien, wo der offene Kampf zwiſchen 
Frankreich und England dargeſtellt iſt; ſo namentlich die Schil⸗ 
derung der Kriege in Spanien, die man in dieſem Buche, un⸗ 
ungeachtet der meiſterhaften Werke, die wir uͤber dieſen Gegen⸗ 
ſtand von Foy, Napier, Southey u. ſ. w. haben, immer noch 
mit Intereſſe leſen wird. Mit beſonderer Vorliebe ſchildert der 
Hr. von Marqueſac bie Vorgänge in Polen, ſodaß es une, um 
fo mehr, da ex eine Menge ftrategifiher Einzelheiten auskramt, 
faft ſcheint, ats ſei er bri den militairifchen Operationen in. 
diefem Lande vielleicht felbft thätig gervefen. Überhaupt athmet 
in dieſer Schrift cine große Bewunderung für das militairifche 
Genie Rapoleon’s, ohne daß bie Darſtellung ben Feinben des 
Kaiſers gegenüber in wirkliche Ungerechtigfeiten ausartete. Der 
Stit ift gewählt, nur zuweilen gar zu bilderreidy. 2. 


Literarifhe Anzeige. 
Durch alle Buchhandlungen iſt zu erhalten: 


Moses Klendelsschn’s 
geſammelte Schriften. 


Nach den Originaldruden und Handfchriften Herausgegeben 


Dr. &. 3. "Alendelsfohn. 
En sieben Bänden. 


Erfte Zieferung: Band 1—323. 
Mit Alendelsschn’s Bildniss. 
Sr. 12. Geh. 3 Thlr. N 


Der vierte bis fiebente Band biefer erfien von aͤndi⸗ 
gen Ausgabe ber Werke Menbelsfohn’s, weiche 
außer den größern Schriften auch die einzelnen zum Theil ano» 
nym in verfchiedenen Zeitfchriften mitgetheilten Auffäge, forie 
mehre noch ungebrudte Manuſcripte enthält, werden ebenfalle 
binnen kurzem ausgegeben. Der erfte Band enthält zugleich eine 
Biographie Mendelsſohn's von deſſen Sohne, Joſeph Mens 
beisfohn, und eine Einleitung zu feinen philofophifchen Schrif⸗ 
ten vom Geh. Cabinetsrath Brandis. 

Eeipzig, im Juli 1849, 





F. U. Brockhaus. 
Berantwortlicher Herausgeber: Heinrich Brockdaus. — Druck und Verlag von 8. A. Brochaus in Leihrnis. 





ed n: bi % 


| BlAatter 


für 


literariſhhe Unterhaltung 


N 





Dienftag, 


25. Zuli 1843. 





Betrahtungen über die berliner „Lite- 
tarifhe Zeitung”. 
”  (Bortfegung aus Nr. 206.) 


kaßt uns bach einmat bie „Literacifche Zeitung” auf 
Hre Wahrhaftigkeit anſthen. Ireilich, wenn wir verfa- 
chen, über Ihre Anfichten von Religion, Philologie, Pati: . 
tt, Feriheit m. f. w. zu urtheilen, fo tönt das alte Wert 
entgegen: was iſt Wahrheit? und Immer mahnt ed das 
Gewifſen: vichtet nie! Daun "fo fein fludirte Argumente 
wie die über Herwegh, Hoffmann u. A. find von der 
Art, daß man an der eigenen Wahrheit irre wird, and 
nicht germ leichtfertig über feinen Gollegen in Der WIE 
ſenſchaft nach ſeinem innern Werthe abſprechen möchte. 
So oſt mir daher wein Ferund — daß ich es nur geſtrhe 
auch ein Freund Hervvegh's — ſo oft dieſer den ram 
des am Böpfe nahm und würhnb in bie Etbe ſcthmiß 
und wwörief: „Wie magſt du ner bie umwerſchaͤmten 
Sophiſtereien noch Iefent Wird die wahr recht fabbucdiich 
zu Mu bei dem Phariſder?“ — fo: fragte ich ihn 
eruftlidh: Daft bu Sum denn in die Seelse geaudt, wie er 
dem 53 Was weißt du von’ Deuchefei und wir. 
wagt du ben Stab Aber ihn biuckertd Das Hab denn 
einige polemifche Schhhige, und blieb daraus cin geb 
nigted Metall uͤbrig, eine fee Meinung, bie fih aus. 
deu Gelpräden meines Freundes — nebft ben eigenen 
Beigaben — ungefähr folgendermaßen confolibirte, 

Wer mit den Waffen heutiger Schulbildung gerfiftet 
und dutch gute Uninerfisäteftubien geflärke ift und dam 
eine gewiſſe Gewandtheit der Sprache befigt, dem ift es 
gegenwärtig nicht ſchwer, einen leidlichen Aufſatz über 
Angelegenheiten von allgemelnem Intereffe zu fchreiben, 
und wentgftens dem großen Haufen ber Leſer, die nad) 
Bildung flreben und ihren gewöhnlichen Bedarf aus ben 
Tagebtättern beziehen, eine relative Belehrung zu geben. 
Wie weit die Argumentation gegründet oder ſelbſtaͤndig 
iſt, das durchſchaut nur, wer verwandte Studien gemacht. 
Es iſt gar leicht, zu täufchen und getäufcht zu werden, 
wenn man ſich felbft täufcht aus Bequemlichkeit. Daß 
Hr. Brandes und bie Seinen abſichtlich hätten taͤu⸗ 
fiyen wollen, wie unfer Freund in polemifhem Ingrimm 
wol behauptete, kann kein Menſch entſcheiden; denn einen 
fo tiefen Bi in fremde Herzen, wie Brandes in Her: 


wegh’8, getrauen wie uns wicht Mu thun. Es wire we 
auch nichts daran gelegen, zu volffen, wie viel bie ‚Ute: 
rarifche Zeitung” in der Selbfitäufchung bis jetzt gelei⸗ 
flet, wenn nicht fo viel an der Wirkung des Augenblids 
dinge, und namentlich jetzt. Darum tik wol einmal bie 
Srage anzuſtellen, was denn z. B. an der Wreibeitstber 
dee Zeit fei, und mie ſich dazu die bertiniſche verhalte. 
Die Freiheit iſt ein vieldeutiges Wort. Ste har ſelt 
viel hundert Jahren die Welt in Bewegung yefegt: Voͤl⸗ 
fer find barum derbiutet; In Schutt und Brandflätte har 
man fie geſucht und nicht gefunden. Es ift aber mie 
der Srelheit ebenfo beftelle wie mit allen hödften Begrif⸗ 
fen ber Menſchheit, mit jeder Abſtraction, jeder Vranfcen: 
denz, bie über das finnliche Bewußtſein hinaus geht. 
Roͤmiſche und deutſche Chriſten haben 30 Jahre um dfe 
Wahrheit gefeitten und fie im Strelte faſt verloren; 
größere Heere von Büchern haben darum gekaͤmpft und 
noch iſt die Frage nicht entſchieden: was fie fei, mie ffe 
wirfe, wozu, wohin fie führe. Und doc haben alte 
Meufhen ein files Beruftfein in fid von MWahrheft 
und Sreihelt, fo mie fie die Liebe im Herzen empfinden, 
vote fie ihren Gott anbeten jeder in ſeiner Sptache, den 
Gott, den fie doch nicht nennen und beſchrelben koͤnnen. 
Darum iſt weder Freiheit no Stauden noch Liebe ver: 
loren, weil fürdige Menſchen darum geftiitten haben. 
Selbſt wenn wir, Hrn. Brandes zu Gefallen, einen Ber: 
ſuch der Definition etwa mit Goethes Worten binfteh- 
ten: die Freiheit el das Recht und bie Macht, ungehin: 
dert das Gute zu thun: fo glaubten wir auch bierin 
keinen prattifhen Gewinn für unfen Fall zu finden. 
Der unfruchtbarfte aller Streite ift der um Definitionen. 
Dies wenigftens könnten Alle, bie an den neueften Ent: 
deckungen der MWiffenfchaft Theil genommen, an ſich felbft 
erfahren haben. Wozu alfo dergleichen aufrühren, wenn 
man nicht gefliffentlih Steeit ſucht? Es gibt keine ma: 
litioͤſere Verirfrage als die, wenn einer eben in hellen 
Liebesflammen lodert, von ihm die nuͤchterne Definition 
zu verlangen, was Liebe ſei; er hat es und braucht nicht 
daruͤber zu ſchwatzen, fondern fpricht die Liebe felbft aus 
und bethätige fie. So fpriht die Sehnſucht ihre Sehnen 
aus in That und Wort, aber nit in Definitionen. 
Damit hebt ihr keinen Freiheitöfteund aus dem Sattel, 
daß ihr ihm ein Schulerereitium entgegen Haltet, welches 


9 —E m «’ 


nur für euch und euern Magiſter Intereſſe Hat. Thut 
und handelt ihr ſelbſt nur, aber nicht mit logifchen 
Diftinctionen, die auf dem Katheder richtig find, fon 
dern mit thatkräftigen wirkſamen Worten, bie das Leben 
berühren, Bel jenen Verirfragen iſt der Beweisfodernde 
natuͤrlich im Vortheil, zumal hier, wo ihr — eine große 
Concefflon! größer als wir felbft Concediren — ihm ben 
Titel de6 Dichters a priori einräumt. Hiervon wäre 
der Anfang zu machen: fein Geſichtspunkt ber 
Dinge und Ideen, ob diefer wirklich poetiſch fei, wäre zu 
unterfuchen, ehe man an bie fpecielle Tendenz feiner Poes 
fin ginge mit philofophifcher Zerklaubung. Das zwar 
geſteht jeder Vernünftige zu, daß der Dichter Vernünf: 
tiges fuht und mill; aber er fodert darum nicht 
son ihm eine logiſche Analyſe. Und was ift es endlich, 
was ihre mit dem Wunderwerk euerer Dialektik aus 
ibm herausgeklaubt hat? 

Dog Vieles, was manche Leute nicht gern hören, 
- von ihnen häufig ald unpatriotiſch, irreligioͤs, unfitt: 
lich u. f. w. bezeichnet wird, find wie laͤngſt fo gemohnt, 
daß wir uns darum allein feine grauen Daare wachſen 
laffen. Aber daß ein Dichter wie ein Froſch fecier wird 
und alle Unteinlichleiten des Meſſers dem unglüdlichen 
Dräparate aufgebürdet werden — das iſt ein unmahres 
Verfahren, das wir nur darum nicht als Lüge bezeich: 
nen, weil wir von Hrn. Brandes etwas mehr gute Mel: 
nung hegen als er von feinen Feinden. Wenn nun der 
Dichter Herwegh fpricht: „Es gibt auch bei uns Pulver 
und Blei, die Freiheit zu erlämpfen, wir brauchen fie 
nicht von den Franzoſen zu erbetteln”’, fo glauben wir 
dies richtig gefagt in demjenigen vaterländifchen Sinne, 
wie man überhaupt fagt: Wehre dich deiner Haut — hilf 
die felber, fo wird dir Sort beifen. Daß es bei großen 
Ummälzungen nicht ohne Gewalt und Blue abgeht, iſt 
eine natürfiche Nothwendigkeit, und es iſt da von Recht 
und Gefeg nicht mehr die Rede, wo das reine Bute, 
wenn auch irrend, gefucht wird. Ihr pflegt auf bie Greuel 
der franzöfifhen Revolution mis ſittlichem Abfcheu hinzu: 
bliden; wer iſt ed denn aber, ber fie bewirkt hat? Das arme 
blinde irrende Volk doch nicht, das ſich mehr denn 100 
Fahre weiblich hatte treten laffen, und nun endlich für die 
Sünden der Bäter die Söhne büßen ließ? — Und find 
denn ale königlichen Reoofutionen, Reformen u. f. w. 
nichts als pure Gerechtigkeit geweſen? Es Elingt frech und 
gottlos, und iſt doch wieder im höhern Sinne fittlich, daß, 
wo fein Recht beim Deren zu finden, dee Sklave «6 ſich 
fetbft fhaffen muß. Wird man uns nicht entgegenhalten, 
dag das polnifche Volk blos deshalb zweimal gemorbet 
fei, weil es gegen feinen rechtmäßigen Deren rebellirt 
habe — und daß die kaiſerliche Zuchtruthe, von Oſten 
ber gefhwungen, noch allzu gnädig verfahren gegen bie 
vereuchten Ruheſtoͤrer, welche nicht einmal ihre Freiheit 
definiren konnten! Andere einfihtsvolle Leute meinen 
zwar, daß eine höhere Rache des Schickſals an dem 
Volke vollzogen fei, das feine Freiheit niche felbft zu er: 
werben verfland: aber das find radicale Poffen; wer 
wollte zweifeln, daß nur die Gerechtigkeit und Gnade des 


BE x 


Kaiſers von Rußland dem poluiſchen Belle gethan, mas 
ihm recht war! ' 

So ungefähr könnte man die Conſequenzmacherei der 
„Literarifhen Zeitung‘ nachahmend verhöhnen, wenn es 
ehrenvoll wäre, fi; foldier Waffen zu bedienen. . Derwg 
hat aber nirgend ein ſo poͤbelhaftes Geſchr Mei 
wie bier behauptet. wird *), als 3. B. mit Mord um 
Kodtfchlag gleich Mobespierre die Reichen und Mächtigen 
zu verfolgen, das fei Freiheit; oder: dieſe Freiheit vr: 
lange „den Untergang alles Herrlichen, der Ordnung 
Gottes, dur die niedrigen Leidenfchaften des Czois⸗ 
mus...”, und fo fe denn Mar: „dab man das aner: 
kannt Schlehte und Elende ſtatt des Guten 
und Gluͤcklichen verlange”. Dieſe letztere offenbar 
Verruͤcktheit iſt aus einer fehr gewöhnlichen poetiſchen 
Hyperbel Herwegh's abgeleitet, nämlich diefer: ‚man fole 
für der Sklaverei Idylle ein Trauerſpiel der Freiheit ge 
ben”. Wie wollen gar nicht leugnen, daß uns fehr viele 
poetifhe Wendungen in Herwegh's Worten abgebrandt 
oder unwahr vostommen (obwol das von der „‚Literar: 
fen Zeitung’ incriminirte ,, Sturmebodem“ nicht fo 
ungebeuerlich ift, wie «6 das beigemalte sic! wermeldet), 
und daß viele feiner Ideen übertrieben ober unpraktiſch 
oder verkehrt find. Aber. um diefe zu widerlegen, be 
darf e6 anderer Mittel als eines abgefchriebenen Para: 
grapben aus ber erften beſten Aſthetik über das Weſen 
bes Trauerſpiels, und noch viel weniger kann aus de 
Confequenz jenes Paragraphen die Conſequenz abgeleitet 
werden, daß Herwegh „frevelhafterweiſe Bott um fel: 
nen Fluch, um Vernichtung ded Segens und läd 
bee Völker foͤrmlich bitte!!“ Da wir auf dem Wegt 
find, gegen Hrn. Brandes bitter zu werden, und ibm 
feloft wieder Confequenzen, Soppifterei, Heuchelei u. ſ. w. 
in den Bart zu werfen, fo halten wie inne, und bemer 
ten nur, daß nach unferm nüchternen Sinne jene poeti: 
fie Hpperbel ad vocem Trauerſpiel nichts befagen wid 
als: „Rüttelt euch auf aus dem Schlafe eurer Schein: 
freiheit, und erwerbet die wirkliche, wenn andy mit 
Schmerzen; biefe iſt nicht auf idylliſchem Wege zu fin- 
ben.” Und in biefen naͤchſten Sinn ſtimmen viele weit 
ruhigere Köpfe als Herwegh ein; Autoritäten, deren Namen 
Hrn. Brandes verbienden würden mit mehr als koͤnigli⸗ 
Hem Stange, wenn feine Augen nicht ſchon entäaig, 
wären. 

Mit dem poetifhen Berftändniß iſt es eine eigen 
Sache: es wird. nicht aus philoſophiſchen Compendie 
erlernt, fondern muß zuerſt im eigenen Herzen anklingen 
wer dazu ein bischen urfprüngliche Phantafie und Liek 
mitbringt, wird aud das Ungehörige in feinee Wei 
auffaffen und gelegentlich zurechtlegen, nidyt aber uͤb 











‚) Es muß bemerkt werden, daß wir bie namentliche 
führung und Seitenzahl der „Literarifchen Zeitung” unt 
laffen haben, weil uns unmöglich war, alle curfirenden Blaͤ 
zufammenzubringen, und der Augenblick Eoftbar fhien. ii 
gens find die Kitate, obwol ohne Zahlen, doch gewiſſen 
u bem Driginal abgejchrieben, wie Hr. Brandes felbft z 
eben wird. 








die aſte deſte umgelegewe ‚Gtehe. Kolpein und auttn⸗ 


fen: der Kerl ſpriat ünſinn! „Die grüne Inſel, po: 
man frei und freudig. flerben kann“, verliebt. z. B. 


jeder Andere außer Hrn. Brandıs, dep ‚daraus einen 


locus secretus macht, wo man in Frieden ſich ſelbſt die: 
Keple duschfägen kann. Ebenſo: wenn der ‚Dichter fagt, : 
dag man. für. die Freiheit ſterben. müſſe: flugs 
Fratzen an die Mand: ; 


malt die „‚Kiterarifche Zeitung‘ dem 
„eine curioſe Freiheit, für die man ſerben muß,, um fie 
zu genießen!” 
Berftändniffe gar nicht fo fern, daß man nicht den Einy, 
dee feit Kaͤrner's Freiheitsliedern im deutſchen Volle an- 
gelungen, gar bald enträthfelte. Wir wärben die Lefer 
ermüden, wenn wir ihnen den Tod für bie Freiheit und 
die grüne Jnſel (nach der fih auch Schiller fehnte, phan: 
taſtiſch, doch nicht albern) des Breiten demanftriren 
wollten; und überlaffen Andern die geiftreiche Frage: 
wenn ich aber todt bin, was habe ih dann von Frei⸗ 
heit und Vaterland? 
fragen, warum er diefe Anatpfe einer etwas wilden Ge: 
dichtfammiung nicht damals, als der Dichter berühmt 
war und von dem hochherzigen Könige mit Intereſſe ge: 
tefen, mit perfönlihem Seeimuch aufgenommen ward, 
warum er jene logiſche Zerfplitterung nicht vor 6 — 8 


Monaten, ſendern post festum angeflelle hate? Denn : 


wir Leugmen wicht, daß Brandes fehr viel Treffendes ge- 
fagt bat; mur in dem Punkte finden wir ihn teren, daß 
er dem ganzen Poeten ins Irrenhaus fleden will. Die 
wichtigere Frage: ob Hermegh wirklich ein Dichter fei, ift 
umgangen. Was er perföntid verſchuldet, zeige aller: 
dinge, daß es mit feiner fittlichen Haltung nit ganz 
ſicher ſtehe; aber das ſchien fihon damals offenbar, als er 
in erſter Jugend über einige militairiſche Ungelegenheiten 
ein Eindifched Lamento erhob, in welches A. Lewald mit: 
leidig einſtimmte, als ginge duch) eine ſimple Disciplinar: 
ftrafe einer der Großgeifter Germaniens zu Grunde. Bon 
Diefer fittlichen Seite und von der rein Äftherifchen 
Betrachtung feiner Leiſtungen hätte eine vernünftige Kri⸗ 
tit von Herwegh's Thun umd Treiben ausgehen müflen, nicht 
von einer Conſequenzmacherei aus portifhen Redeblumen. 

Weit mehr aber als jenes harmloſe Lanzenſtechen im 


Gebiete der Rhetorik har uns die Betrachtung der Bauern: 


kriege in einem Auflage gegen Hoffmann von Fallersle⸗ 
"pen erbittert. Auch Doffmann’s Leben und Treiben neh: 
igeren wir nicht unbedingt Im Schutz; dies hindert uns 
Medoch nicht, aus feinen Buͤchern das DBernünftige her: 
j;a2u6jzufehen. An Bezug auf bie „Literariſche Zei: 
Mang“ heben wir nur die Anficht über die Bauern ber: 
"aber, weiche im 16. Jahrhundert ein ſcheußliches Joch 
zuſchuͤttein verfuchten, und dennoch der damals kraͤfti⸗ 
n Ariſtokratie ebenfo fheußlih unterlagen. Was fie 
oliten, das wußten fie wol, obgleich der Metzler von 
ttgart ſchwerlich dem Hen. Brandes eine Definition 
ze Bebärfniffe geliefert hätte. Gegenwärtig iſt, was 
als gerecht gefodert ward, erfüllt: ein halbes Jahr: 
dert bat im germanifchen und romaniſchen Europa 
Reſte der Leibeigenſchäft vernichtet bis auf wenige 









Beide Stelfen find dem unbefangenen 


Hrn. Brandes aber möchten wir 


Fpuern., ‚Di Brandes weil min mit eines. mrhängniß 
yollen biftgeifchen Beweisluſt wach, jens vnſeligen Wes 
bältniffe, „gegen welche die Bauernkriege gerichtet waren, 


‚feien völlig im hiſtoriſchen Recht begrüundsr! Gin 


Deutfcher des 19. Jahrhunderts erroͤthet nicht, diefeß 
Wort unter freiem Dimmel auszuſprechen. Gewiß und 
wahrhaftig! es war hillorifhes Recht: das jus primae 
nortis, die Gewalt über Lehen und Tod des Bauern, Die 
Segitimität jener Gefege mag fo wenig bezweifelt war⸗ 
den als Ludwig's XVIII. wadelnde Krone ;. und wenn ain 
Bauer lebendig gefhunden warb, weil er feines Hercu 
Hund todtgeſchlagen, oder einen Hirſch gefaͤllt, oder kei⸗ 
nen Zins und Frohndienſt geleiftet, fo gab es keinen Ges 
richtshof dagegen — auch dies war hiſtoriſchl Es ik 
noch hiſtoriſch in Rußland, wenn auch buch die Bil 
dung der Zeit gemildert: möchte Dr. Brandag darum 
wol nah dem alten heiligen Moskau ausısandern ober 
— Bott behür’s! — etwa felbft einer von Denen fein, 
bie zu Zaufenden um da6 Denkmal Peter’s bes Großen 
herangezwungen wurden, um ihres Deren Willen kraft des 
hiſtoriſchen Rechts erfülen? Wir kennen fehr wohl die 
Misflände der völligen Befreiung der niederfien Vollba⸗ 
claſſen, und wilfen, daß «6 in Rußland Leinen ausge 
dehnten Pauperismus gibt wie in Frankreich, England 
und Deutſchland. Sollen wir daram zur Clientel zuruͤck 
kehren, oder nicht vielmehr arbeiten, die Freiheit frucht⸗ 
bar zu maden, die wir, freilich auch mit aunpchens 
Opfer an die untern Stände, nur eben erft gogruͤndot 
haben? Die Freiheit iſt da6 wahre Ziel der Völker, dag 
Ziel der Wahrhaftigkeit, nach dem fih die Gewiſ⸗ 
fen fehnen, unbelümmert um hiſtoriſches, dogmatifches, 
philofophifche® und anderes Recht, dergleichen Hr. Bram 
bes vorfhiebt zum Gefpenft für die Kinder. 

In ähnlicher Weife, wie gegen Herwegh, pergeirs die 
„‚Literarifhe Zeitung“ vielfältig gegen Perfonen und 
Zendenzen in einem Zone der Sicherheit, als hätte fie 
ein kaiſerlich ruſſiſches Privilegium darauf erhalten. Mit 
einem Zone der ſicherſten Gewißheit, der in den paͤpſt⸗ 
lichen Bullen des 13. Jahrhunderts feines Gleichen ſu⸗ 
hen würde, und mit einer fat hohenprieſterlichen Uns 
trüglichkeit werden die ſchweben den Fragen ber heu⸗ 
tigen Theologie behandelt, und das Urtheil fo hingeſpro⸗ 
hen, als wenn kein Zweifel möglih. Dies kommt uns 
nun in demfelben Maße pbarifälfch vor, wie ber „Litera> 
rifchen Zeitung‘ das Treiben Bauer’s, Feuerbach's, Strauß’s 
u. %. gottlos, frevelhaft, pelagianiſch, ſocinianiſch, pam: 
theiftifh und mie fonft noch vorkommen mag. Dies 
wären nun fubjective Äußerungen von Liebe und Daß, 
welche die Wiffenfchaft nichts angehen und ihr fo lange 
gleihgältig find, als fie felbft, die kalte reine Wiſſenſchaft, 
von ihnen unberührt bleibt. Der erfte Schritt in die 
objective Wahrheit iſt tie Betrachtung ber hiftorifchen 
Thatſache; bier ift ein Falſchſehen verdächtig, und dem 
erhigten Feinde der Vorwurf der Lüge nicht übel zu neh⸗ 
men, wenn ein Factum geleugnet ober verdreht oder mis⸗ 
deutet wird. Wenn nun die „Literarifche Zeitung” über 
Strauß wie über einen bürgerlich Todten abfpricht, er 


fet Abewunden, ober ſich bit wohlgekungenen Phraſe 


ent: „ik ben erſten Theil der Serauf'ſchen Bogmartt 
Far * mehe als er ſelbſt —” wie iſt ſolcher 

rieſterliche Speuch 
*. GStrauß's Werke jährlich neu aufgelegt, wie fie 
trot deo Verbots von katholiſchen und proteftantifchen 


Drieſtern gleich eifrig geleſen werden, und hoͤchſt ehren⸗ 


werthe Männer (wir wuͤrden fie mit Namen nennen, 


wein fe ferbft es nicht verboͤten) den Ketzer Strauß. 
einen redbichen Forſcher nennen? Dieſer feste Punkt 


ſcheint Bielen unerheblich, bie ich bei theologiſchen Streit: 
fragen mit dem Herkoͤmmlichen: du bift ein Pelagfaner, 
Spinoziſt, Pantheift, Hegeliter u. f. w. prieſterlich zu bei: 
ſen wiſſen, ſtatt rebſich bem redlich Fragenden zu ant⸗ 


worten. Strauß hat die große Frage — die redlichſte 


von: allen cheslogiſchen ſeit vied hundert Jahren — die 


VFrage: „Jſt Das wahr, was ihr von Ehriſto ſa⸗ 


get, und woher wiſſet ihr es“, mit ungeheurem 


Fleiß, redlichem Willen und genialer Kraft durchgearbei-⸗ 
tee — und flatt. der Frage redlich zu antworten, fpricht 


ber prieſtliche Hochmuth: Du bift ein Keger! Zeige uns 


vo He. Brandes oder einer ber Seinen fonft, wer denn 


Aigenttich den Strauß widerlegt oder überwunden habe? 


Meamber doch nicht, Ber (in feinen übrigens vortrefflichen | 


Wert „Das Leben ef’) ohne meiteres fante: „Ja, 
es iſt wahr, mas die Edangelien geſprochen“ — und 


den Brweis ſchuldig blieb? Denn wenn Strauß fragt: 


Köntten wir voransfegungelos beginnen? iſt es dann eine 
Antwort, zu: fagen: Darauf komme e8 nice an? Und 


gefebt, es kaͤme darauf nicht an, und die hifkorifche Wahr: | 


heit der Evangelien fäge fo auf platte Hand: warum 
% viele redliche Zweifler von Leffing an, warum 
ſolche Denker, wie DMendelsfohn, Spinoza, gewiffermafßen 
auch Want, no in Angewißheit? Waren fie auch alle 
untedſich oder bornirt? Und tie iſt es mit dem Gros 
der Welt, Juden, Tuüͤrken und Heiden, die doch nicht 
alfefanime auf den Kopf gefällen find — warum geht 
diefen die offenbate Religion fo ſchwer ein, und tächtige 


Mifflonare könmen fie nicht zwingen, das Dffenbarfte zu 
begreifen? Aber alle diefe Fragen beifelte — denn Hr. 
Brandes Aiöchte uns leichtlich auf bern Roſt bringen, um ' 


alles unnuͤtze ketzeriſche Fleiſch auszubrennen —, feid ihr 
deß Allen, was ihr als laͤngſt ermittelt hinſtellt, ſo aus- 


nehmend gewiß: fo lehret es doch der Welt, die fo lange 
durch‘ Kirche und Prieſter nicht hinlänglich belehrt war: - 


ihr werdet ein didaktiſches Meifterfiüd machen! und 
vieleicht gar Calviniſten, Soeinianer und Anabaptiften zu 


dern einzig wahren Lutherthume convertircm, wenn ihr | 


fie richt alle vorher verbrannt habt. Den Rattonaliften, 
die noch nicht fo ganz gefterben find, wie euer Grimm 
vermelbet, werdet ihr ihre eigene Hölle anweiſen — wäh: 
vend fie hier auf Erden nur eine Sekte neben vielen 


Sekten ber freien Kirche bilden, und es vielen Gutmuͤ 


thigen fo ſcheint, als fei e8 kein Verbrechen, die ratio 
su fuhen Wollt ihr dagegen den Spruch an eure 
Tempel Heften: Credo quia absurdum est, fo haben 


zu benennen, wenn alle Welt ı 


| mertungen, die er im J 


wir gar nichth Vaſeger, ba Töle-meft dem Hroßen Ark; 
Jeden anf ſeine Façon fellg werben 5 Aber nm 
wiche verketern! Das iſt unpretefiuntifih. Wenn wir 
eudy das Eure lafſen, ohne ſogleich Mucker, Pietiſt 
u.f.w. zu ſchelten: fo Laßt auch uns, die Suchenden, 
in Ruhe ohne atheiſtiſchen Spftznamen. Detgleichen 
Streitigkeiten werden, wie dad Reformationdzeitalter jeigt, 
weder in Worten noch auf bem Stchlachtfelde erledigt, 
fondeen dutch Liebe, Willen und Sihickſal. Dieſe A 
der Ertebigung kommt manchen Hrieſter nit und ohne 
Stota fehr laͤcherlich vor. Nun, bad Eachen har Jeder 
frei. Aber dies koͤnnen alle Parteien auf dem Gebiete 
der Religion tie der Politik verlangen, daß mit Be 
geiffen, nicht mit Worten und foftematifiken Ekelnamen 
gefochten werde. Und ald echte aufrichtige Proteſtau—⸗ 
ten erdennen wir Beine menſchliche Autorität im Sa⸗ 
Yen bee Slaubens an, und verabfdreuen jeden Papfl, 
fige er num gu Rom ober zu Wen, mit oder ohne 


Königskrone. 
(Der Bel@luh folgt.) 





Literarifhe Rotiz. 
er a m aldkonumit. 

e ads RES. mehr ale einer Beziehung auch 
die Geſchichte der Nationabbkonomite“ von Bangui ift, von 
der wir vor kurzem eine zweite umgearbeitete Auflage erhal: 
ten baben, fo läßt ſich doch nicht Teugnen, daß mehre Par: 
tien bderfelden bedeutend beridjtigt md ergänzt werben koönnen. 
So Maren namentid die Abſchnitte, welche der Werf. dem 
Zuſtande ber Nationatbbonemie im Altertfanke, namenttich bei 
ben Roͤmern, gawidmet bat, etwas dürftig ausgpfallen. Als 
eine Ergänzung und Vervoilſtaͤndigung biefes Theile Läßt ſich 
aber das umfaſſende Werk Yon de Villeneube betrachten, das 
gerade diefen Begenftand ins Auge faßt und beffen wir im d. BL 
bereits gedacht haben. Sebann zeigten fidy auch bei der Me 
handlung des Mitielaltters fuͤhibare Rüden, tie um fo auffel 
Iender waren, da wir bereits ein ziemlich umfallendes Werk 
über diefen Abſchnitt befigen. Es h dies, wie man errathen 
wird, das Werk bed Italieners Cidraria, das Wlanqui bei 
feiner Darflellung gar nicht beruͤckſichtigt zu haben ſcheint. 
Gegenwaͤrtig erſcheint aan vun brmfelben site fr üder: 
ſetung, deren Derausgebes bin Waerth dei Dfiginals ducch 
ghlreiche Noten und Grläuterungen bedeutend. erhoͤht bat. 

lanqui hat bereits eine Reihe von Bruchftüden aud den er 
‚3. 1841 auf feiner Reife nach Konftan: 
tinopel gemacht hat, in verſchlebenen Zeitfchriften, na mentlich 
im „Jowrnal des Econpmistes”’ und dem „Secle mitgetheilt. 
Man fah deshalb: dem Grfiheinen feines Reifeberihts mit Un⸗ 
geduld entgegen. Gegenwärtig hat nun eine „ Voyage en 
Bulgarie pendant l’annde 1841” unter feinem Namen bie 
Preffe verlaffen. Diefes Werk entfpricht eigentlich den Erwar 
tungen nüht, die man davon hegte. Det Varf. entfchutdigt 
ſich aber auch gewiffermaßen über die Dürftigteit feiner Schrift 
felbft, indem er fagt, daß er feine eigentlichen Beobachtungen, 
bie ſich auf den wahren Zweck feiner Reife, das Studium ber Do: 
nauländer in politif&er und commercielfer Hinſicht bezögen, in 
feinem Bericht ans Miniftertum niedergelegt Habe, und das 
er bier gewiſſermaßen nur die allgemein intereffänten Bemer 
tungen eines „fluͤchtigen Reiſenden mittheil. Wir erhalten 
in biefer fleinen Schrift alfo nur bie Schnigel und Gedanken: 
fpäne, die von feiner größern Arbeit, bie er bann aber dem 
Publicum nicht vorenthalten follte, abgefallen find. 


Berantwortlider Herauögeber: Heinrich Brodhaus. — Drud und Verlag von F. X. Brodhaus in Leipzig. 
EEE 








Blatter 


für 


(iterarifhe Unterhaltun 






Betrachtungen über die berliner „Lites 
rarifhe Zeitung”. 
(Beihiuß aus Nr. 288.) 


Auch den Philologen iſt es neulich uͤbel ergangen, 
wie fich denn die vaͤterliche Sorgfalt der ‚‚Literariichen 
Zeitung” auf alle Seiten unfers Culturlebens erſtrecken 
wit. ine Sufinuatien, dergleihen man feither nur in 
Baiern zu hörem gewohnt war, erichallt von Berlin ber, 
das fih fo gern den Sig der Freiheit nennt: „Das 
religiös⸗ſittliche Bewußtſein der Philologen‘ 
wird auf eine Weife Eritifirt, die einen Zweifel läßt, 
weiche Gonfequenz die naͤchſten Blätter bringen werden. 
Wir könnten fon an dem Titel Anſtoß nehmen, da in 
ihm wieder eine Seelenſchau ausgefprochen ift, die wir 
uns nicht getrauen von irgend einem Feinde zu geben: 
denn wir wagen nur Thaten zu beurtheilen, nicht über 
Herz, Sitte und Bewußtfein ohne tiefere Huͤlfomittel ab⸗ 
zufpsehen. Daß der Ausdruck,, Bewußtſein“ hinzuge⸗ 
füge wird, if eine unfteiwillige Conceffion an ben fonft 
verhaften Hegel ſchen Sprachgebrauch, da in der That 
Religion und Sitte ber Philologen in Frage geftelit 
werden fol. Aber wir enthalten uns, um nicht auch in 
rhetoriſche Rlaubereien zu gerathen, ber weitern Ausführung 
unferer Bedenken gegen das Kbelgewählte Wort. Mich: 
tiger ift das andere Bedenken, wie man «6 zu verfichen 
habe, daß bier ein ganzer ſonſt ehrenwerth erachteter 
Stand urplöglih vor der Öffentlichen Meinung verdaͤch⸗ 
tige und inculpirt wird. Meint nun bie „ Literatiſche 
Zeitung” — mie man grammatiſch fchließen koͤnnte, ans 
der Wahl bes beffimmten Artikels: „der Philoles 
gen” — wirklich umd aufrichtig alle Philologen, fo iſt 
dies eine groͤbliche Infinuation, ‚deren Ginn geradezu 
verkehrt und unwahr, und die alfo nur noch ihres Zen: 
den; nach beachtenewerth fein kann. Doch davon nad): 
ber. Wir wollen, fo beforgt wir auch für bie Geſin⸗ 
nung ber „‚iterarifchen Zeitung” zu werben anfangen, 
ihr wenigſtens Beinen offenbaren Unfinn zutrauen. 
Denn einen ganzen Stand verbäcdhtigen iſt Unfinn gleich 
dem Aberglauben ber alten Ariſtokratie, die fih ruͤhmte, 
mit erquifiten Leibern und Selm auf die Welt gekom⸗ 
men zu fein. Mit bemfelben Rechte könnte man reden 
von der Religiofitaͤt und Bittlichleit ber Bibliothekare, 


g. 


Journaliſten, Mathematiker, Phyſiker, Maſchinenmeiſter 
und Schornſteinfeger. Da nun jeder vernünftige Menſch 
weiß, daß e6 weder zum Gchornfteinfegen noch zum Ma⸗ 
ſchinenbauen oder zum Elektriſiren und bibliothekariſchen 
Regiſtriren einer befonders qualificirten Religion bedarf, 
fo muß jenem feltfam gewählten Thema ein efoterifcher 
Sinn unterliegen; und es ift möglich, daß ber verkehrte 
Zitel, um ber Kürze tollen gewählt, etwas Anderes bins 
ter ſich birgt. Was ein Philologe fei — ob das Wort 
gedacht fei in dem altgriechiſchen Sinne ober im Wolf'⸗ 
ſchen, ober in bem neuern, den Dr. Mager in dem ein: 
leitenden Anffage feiner ‚‚Pädagegifchen Revue’ vortreff⸗ 
lich begründet und erläutert bat, iſt nicht mit gewohnter 
Spisfindigkeit deducirt, mol aber die Beſtimmung hinges 
gefügt, daß man bie Gymnaſiallehrer meine. Da 
nun deren in ‚Deutfchland üͤber 1000 ſich befinden, fo 
iſt die Frage: entweder, ob Dr. Brandes einen fo er⸗ 
ſtaunlich tiefen Blick in die Herzen dieſer Tauſende ge 
than, daß er davon hiſtoriſchen Bericht abflatten koͤnnte; 
ober, welche unter den genannten vorzugeweife gemeint 
fein. Wir erfehen es bald aus dem Auffage ſeibſt, daß 
Niemand amders gemeint fei als ber größte Schell der 
Gpmunfiallehrer, die den künftig Studirenden den Cicero 
und Homer eröffnen und ihnen Lateinfchreiben u. f. w. 
(chen. Ob es in dem Weſen ihrer Studien liege ober 
in den Verhaͤlniſſen ber Lehrverfaffung ober im der zu⸗ 
fälligen Perſoͤnlichkeit der Meiften, daß fie folche Halb⸗ 
und Scheinchriften find, wie Hr. Brandes infinutrt, wirb 
nidyt gefagt; genug, fie find ed. Daß einige namhafte 
und fehr bekannte (wir vermeiden «6 mit Hrn. Brass 
des Namen zu nennen, weil dies perfönlich ſtoͤren Aönnee!) 
par excellence ortbodore Lutheraner find, verſchlaͤgt hier 
bei wenig, denn 26. fol von ber Mehrheit geredet werden. 
Nun willen wir zwar, daß es zur Erklärung des Livius 
und Cicero feines befondern Glaubens bebarf (obwol, aufs 
fallend genug! — noch kein Jude ober Türke unter bie 
philologiſchen Notabititäten gerechnet ift), und daß z. B. 
dee gute Gruterns mit feinen chriftlich: moralifhen Sen⸗ 
tonzen den Kinius mehr verdunkelt als erläutert hat. 
Aber leider wiſſen wir auch, dab F. A. Wolf ein Pfaf: 
fenfeind und arger Keger war. Deſto ſchlimmer für ihn! 
koͤnnte man fagen — und fi dann mit ben Beiſpieten 
des Gegentheiis an Boͤckh und O. Müller getröften, 


x 





Aber man ahnt fon, wo die ganze Diatribe hinaus 
will. Nicht darum follen ale Nachfolger F. A. Wolfe 
mit ibm zufammen in solidum verhaftet werden, well 
diefe Schule die Kenntniß des Alterthums auf bisher un: 
befannte Weife gefördert hat; nicht darum, weil fie etwa 
einem andern Lebensgebiete befchränfend im Wege flände: 
nur weil ihr Einfluß auf die Jugend gefährlich fei, in⸗ 
fofern der echte Philolog in der Verehrung des Alter: 
thums befangen, darüber die Gegenwart und das Chriſten⸗ 
thum vernacdhläfftge; und da fie einmal In der Sprache 
das wichtigſte Gulturelement in der Hand hätte, fo 
müffe man fie um fo vorfichtiger überwachen. Das alfo 
war des Pudels Ken! Epch und, Dengftenberg und: fo 
Sort win die Benebictiner follen in unfere Gymnaſien 
eingeführt werben, welche die verruchten Antiguarien ver: 
peſtet haben. Bemerkenswerth iſt Hierbei der Umſtand, 
daß die Philologen faſt in einem Athem „gefährlich 
und überwunden“ genannt werden; gefährlich in ih⸗ 
rem Einfluſſe auf die Jugend, überwunden in der Meis 
nung ber Welt, da nur nody wenige Gebildete an bie: 
fem hoffnungsiofen Grübeln in der Vergangenheit Gefalien 
bätten. Hierbei konnten wir uns nicht enthalten, jener 
Neigung zu gedenken, die wie vorher in der Beurtheilung 
Herwegh's fo auffallend wirkfam fanden: den ſinken⸗ 
den Stern zu verunglimpfenz denn wenn: felbft 
eingeflanden wird, daß die Philologie fich gegenwärtig en 
decadence befinde, was braucht es denn ſolches Geſchreis 
über ihre Gefährlichkeit? 

Soliten wir unfer eigenes Urtheil über jene trüben und 
bucch die „Literariſche Zeitung” vollends getrübten Fragen 
abgeben, fo würden wir vorfichtiger zu Werke gehen, und zuerſt 
über das Weſen der heutigen Philologie uns zw belehren fus 
chen, dann die bedeutendften Leiftungen der Gegenwart bes 
teachten, endlich einen Blick in die Schugimmer thun und 
mit heiterm, ungetrübten Auge die Tendenzen und Ergeb: 
niſſe der neuern Pädagogik anfehen. Gewiß ift ber gegenwaͤr⸗ 
tige Zuſtand nicht vollfommen; doch damit iſt nichts ge: 
fagt, als die nothwendige Beſchtaͤnkung alles Endlichen. 
Doch haben wohlunterrichtete Geiftliche und Staatsmaͤn⸗ 
nee eingeflanden, baß der Zuſtand der preußiſchen Gym: 
naften und nad) ihnen ber norbdeutfchen im Allgemeinen 
feit einem Menſchenalter fich weſentlich gebeffert babe; 
indem nämlich zuvoͤrderſt mehr wirklich gelernt und das 
Gelernte beſſer als fruͤher durchgearbeitet werde, bie ein: 
ſeitige Cultur des Alterthums einer allgemeinern Bildung 
auch in realem Wiſſen gewichen ſei und die disciplinari⸗ 
ſchen Verhaͤltniſſe ſich weſentlich gebeſſert. Unter die Maͤngel 
pflegt man dagegen die Überladung mit mancherlei Ars 
beiten und die Vernachläffigung des Körpers zu rechnen, 
und es erheben fi Stimmen genug, welche biefen Übel⸗ 
fländen abzuhelfen fuchen. Über den Mangel an Reli: 
giofität der Gymnaſien haben wir noch nirgend außer in 
der „ Eyangelifchen Kirchenzeitung” Klage gehört, und diefe 
ertennen wir fo menig als fonft einen Menfchen für uns 
fen Papſt. Wie willen vielmehr aus Bergleihungen 
fowol der Altern Lehrbücher mit ben jetzigen ale aus eige⸗ 
ner Erinnerung der Jugendjahre und Anfhauung ber 


Gegenwart, baß bie heutigen Religionsiehrer im Durch⸗ 
ſchnitt die Sache ernfter und tiefer anfaffen, als es vor 
20 Sahren zu gefchehen pflegte. Wenn aber ber Inter: 
pret des Sophokles nicht mit cheiftlichen Nuganwendun- 
gen dazwiſchen fährt, fondern der Jugend bie Schönheit 
des Jugendvolks der Menfchheit eröffnet ohne Erankhaf: 
tes Nebenbei — ift das gottloß oder vernünftig? Hättet 
ihr nur ehrlich herausgeſprochen: ihr Schulmeiſter nehmt 
euch zuſammen und lebt nicht wie die Heiden, und do⸗ 
ciret wie Chriſten! — ſo haͤtte kein Vernuͤnftiger gegen 
dieſen Wunſch etwas einzuwenden gehabt und euch ſelbſt 
die unbefugte vaͤterliche Ermahnung um der guten Sache 
willen zugute gehalten. Daß ihr aus der Ermahnung 
einen Bericht, eine Inſinuation, eine Verleumdung mach⸗ 
tet, kann nur empöcen, nicht beffern. 

Es haben fhon bedeutendere Stimmen als bie unfe: 
tige fi) erhoben gegen foldyes Treiben einer Zeitung , die 
fih für eine Zeitſtimme ausgeben möchte, und allerdings 
eine Stimme aus der Zeit ertönen läßt, die wir als 
eine bedrohliche fürchten, nicht verachten; benn Verach⸗ 
tung Des Feindes iſt die größte Thorheit und dee An: 
fang der Niederlage. Hier erinnern wir nur noch, baß 
Dr. Fr. Ellendt, einer der wuͤrdigſten preußifchen Schul: 
männer, die Verantwortung ber Philologie bereits über: 
nommen bat in einer kuͤrzlich erfchienenen Broſchuͤre mit 
aͤhnlichem Titel wie der eben befprochene Auffag. Die 
politifhen Glaubensbetennmiffe der berliner Camarilla 
find, in einem andern "Buche: ‚Über das Verhaͤltniß 
Preußens zu Deutſchland“, von Steinader (Braunſchweig 
1842) mit folcher Gediegenheit und Tiefe beleuchtet, daß 
Männer des verſchiedenſten Glaubens baffelbe für die 
vorzüglichfte politifhe Schrift der Gegenwart erklärt ha⸗ 
ben, ba in demfelden mit Ruhe und einem wahrhaft 
königlichen Bewußtſein von Recht und Freiheit die wich⸗ 
tigiten Fragen der Gegenwart unfers Vaterlands einfichts⸗ 
voll befprodhen werden. Wein Freund, der fi durch die 
literariſche Feindſchaft gegen die „‚Literarifche Zeitung” fo 
bedenklich hervorthut, wollte diefen Steinader zum Schi: 
bofeth machen für diefe feine Seindin, indem er ausrief: 
„Sb Act! binnen vier Wochen wird das koͤſtliche Buch 
in Berlin durch Feuer und Waſſer gehen! Wir aber 
zweifeln dennoch nicht, daß Hr. Brandes aus demfelben 
Belehrung entnehmen und die guten Seiten mit dem 
feinen kritiſchen Takte berausfühlen wird, der ibn an: 
derswo auszeichnet, wo ihn nicht Kragen bee Gegenwart 
in Fieberhige verfegen. Denn wir wiederholen das Ge: 
fiänonif vom Anfange, daß uns nur eine unfelige Ber: 
bliendung, wenn nicht andere minder ſchuldloſe Motive, 
biefe traurige Ablenkung eines fonft gefunden Verflandes 
und günftiger Anlagen in das trübe Gebiet ſophiſtiſcher 
Parteiklaͤtſcherei verurſacht zu haben fcheinen. 

Was nun emdlih unfer Verhaͤltniß zu-den wichtigen 
Fragepunkten betrifft, die wir zu beſprechen uns gedrun- 
gen fühlten, fo bemerken wir bier fhließlih, dem Hrn. 
Brandes zum Troſte, daß wir zu keiner der duch ihn 
verdbammten Kategorien ſtraͤflicher Sournaliften gehören, 
als da find: Juden, durchgefallene Candidaten, Bankrot⸗ 


831 


teurs u. f. w. Warum wird nicht hinzugefügt, um das 
Maß vol zu machen: Pharifder, Edomiter, Sodomiter 
und Digeuner? Was in der That diefe perfönlihe Quali: 
fication zur Sache thut, fehen wir nicht in dem Maße 
ein, wie es bie „Literarifche Zeitung‘ urgirt. Wenn 
auch auf die bürgerliche und fittlihe Haltung ded Men: 
fyen viel ankommt, der feine Stimme öffentlicy erhebt, 
fo find doc allen den Genannten die Thore der Zeitun: 
gen nicht zu verfchließen, da fie auch zumellen etwas Ber: 
nüuftiges fagen, und dies werben bie Literarifchen Herren 
auch fihwerlich leugnen. Aber — zugegeben einftweilen! 
— wir gehören nicht zu der verfemten Claſſe, von ber 
es in der „Literarifchen Zeitung‘ heißt: hic niger est, 
kunc ta Germane caveto! Wir find glüdlicherweife in 
dem Kalle, nicht für unfer täglich Brot fechtend zu jour: 
nulificen, weder beim Pöbel noch bei Fürften um Gnade 
bublend, wenn Hrn. Brandes daran liegt, das zu willen, 
und an diefer Eile das bisher Geſagte zu meſſen. Schreis 
ber dieſes befindet ſich in einer gluͤcklichern Verfaſſung 
als manches Königreih: mit der Gegenwart zufrieden, 
fo weie in den Unzulänglichleiten des heutigen Lebens 
einer die Zufriedenheit ducch fich ſelbſt erfechten kann; 
ein eifriger Freund des deutfchen Vaterland, dem er doc) 
dereinft eine fchönere Regſamkeit und wahrhaftige Sreiheit 
wuͤnſcht; Verehrer des Koͤnigthums, und zu dem Al⸗ 
len Ghrift ohne Pfafferei und Gleichgültigkeit. Da⸗ 
mit wir aber Hrn. Brandes nicht den Triumph laſſen, 
in diefem Glaubensbelenntniß nur eine tationaliftifche 
Verwahrung mit durchſcheinendem Indifferentismus zu 
entdecken, und alſo neue Gelegenheit geben zu willkomme⸗ 
nen. Inſinuationen der umgekehrten Seite: fügen wir 
hinzu, daß wir bei aller Größe feines erkorenen Leitflerns, 
die wie mit Freude und Verehrung anerkennen, body 
nicht blind find fir deffen angeerbte Schwäche, Leinen 
MWiderfpruch ertragen zu fönnen: und wir glau: 
ben, daß in evangelifhen Landen weber Pfaff noch Fuͤrſt 
fie infallibel gilt. Die Religion der Deutſchen aber, 
meinen wir, habe ſich ebenfo fehr vor dem eigenen Kreb6 
des Pietismus und der fürftlihen Knechtſchaft wie vor 
roͤmiſchem Kebergericht zu hüten. Redlichkeit aber 
vor Atem! Sei einer minifteriell oder liberal, koͤnigiſch 
oder demokratifih — nur ehrlich! So lang noch ehrlich 
geſtritten wird, werden wir weber kalt noch ſchwach fein 
im Streit. Wie wollen ehrlihe Zeinde fein! hat ein 
König gefagt. 62. 
EEE 
Les manuscrits francais de la bibliotbeque du roi, leur 
histoire etc., par P. Paris. Fünfter Band. Paris 1843. 


Der verdiente Gelehrte Paris, dem bie Archäologie und 
intbefondere die Kenntniß der alten Manufcripte mandje wich: 


tige Unterfuchungen verdankt, laͤßt fich durch die mannidhfachen |. 


Krititen, die ihm fein umfaffendes Werk über die franzoͤſiſchen 
Handfchriften der Königlichen Bibliothek zu Paris zugezogen bat, 
nicht abhalten, zubig feinen Weg zu verfolgen. Und wahrlich! 
ve Wiſſenſchaft muß es ihm Dank wiffen, baß er ſich nicht irce 
maden Läßt. Der größte Theil der Ausfegungen, die man an 
diekm Werke, von dem wir ben fünften Theil anzeigen wollen, 
mach, ift völlig aus ber Luft gegriffen, ober ohne allen Be⸗ 


lang, und es feheint, daß man bie Xnfeinbungen, bie ſich n 
den Verf. deffeiben erhoben haben, meiftens aus .perföntt 

Beziehungen erflären muß. So war die feindfelige Kritil von 
Daunou im „Journal des savants‘‘, der fonft fein Richteramt 
mit geringerer Strenge auszuüben pflegte, offenbar ungerecht. 
Daunou hatte es fich bei der Berbammung ber erften helle 
diefes Werts fehr Leicht gemacht. Seine Aueſetzungen bezogen 
fih naͤmlich faft ohne Ausnahme auf Nebenſachen und gang uns 
wichtige Dinge, bie dem Werke felbft feinen hoben Werth- nicht. 
rauben Eonnten. Go madht er Paris cin Staatsverbrechen dar⸗ 
aus, daß derfelbe fidy in einigen Punkten der Orthographie, na⸗ 
mentlih in der Schreibung des oi und ai ebenfo wenig wie 
einige andere ausgezeichnete Schriftſteller, 3. B. Eh. Robier, 
ber doch Akademiker if, vor dem Ausfpruche der Acaddmie 
frangaise nicht bat beugen wollen. Ferner warf ihm Daunou 
vor, daß er ſich mit zu großer Ausfuͤhrlichkeit bei ber dußern 
Beichreibung der Wanuferipte, ber barin befindlichen Wappen, 


"die oft ein Eicht auf ihre ehemaligen Befiger werfen u. f. w., 


aufhalte, obgleich gerade dieſer Theil für ben WBibliographen von 
hohem Intereffe ift. Diefe Krititen haben wie gefagt gluͤcklicher⸗ 
weile Paris nicht abgehalten, bie Linie, bie er fich gezeichnet 
hatte, unverbrofien zu verfolgen; nur hat es berfelbe für nöthig 
befunden, auf die gar zu mälelnden Ausfegungen, die Daunou 
an feinem Werke gemacht hatte, ausführlich zu antworten. 
Wir wollen im Voruͤbergehen eine hoͤchſt originelle grammatifa- 
liſche Bemerkung aus diefer Antitritit ausheben, obgleich dies 
felbe eigenttiih mit dem Werke ſeibſt nichts zu fchaffen hat. 
Nachdem Paris die Gründe auseinander geſetzt hat, bie ihn bes 
wogen, in Bezug auf das oi und ai ber alten Orthographie ger 
treu zu bieiben, macht er auf bie fonderbare Verſchiedenheit in 
der Ausſprache ber verfchiedenen Voͤllernamen aufmerkfam. 
Während nämlich die Endſylbe ber einen auf ois, „3. Daneis 
lautete, werben die andern mit ber Ableitungsſylbe ais gebildet. 
Urfprünglich wurde befannttidy oi ſtets wie oa gefprochen, wie 
dies Reime wie autrefois und j’stais, bie im Racine vorkom⸗ 
men, beweifen. Als allmdlig eine beträchtiie Anzahl von 
Wörtern mit dem A⸗Laute ausgeſprochen zu werben anfing, fo 
ſtellte es ſich ſonderbarerweiſe heraus, daß die Namen ber Voͤl⸗ 
fer, die mit Frankreich in einem regen Verkehre fianden, bie 
alſo häufig im Munbe bes Volks waren, biefe neue Ausſprache 
erhielten, während man für biejenigen, von denen man feltener 
zu reden hatte, weil bie franzöfifche Nation mit ihnen weniger 
in Berührung kam, den aiten Laut oi beibehielt. So fagt man 
Polonais, Hollandeis, Anglais, während es Danois, Sue- 
dois u. f. w. heißt. Paris führt diefe Bemerkung, bie ihm, 
fo viel wir willen, eigenthuͤmlich ift, weiter durch und belegt 
fie mit den gehörigen Beiſpielen. 

Was nun den neuen Band biefes intereffanten Werks ſelbſt 
betrifft, fo fteht derfelbe an Reichhaltigkeit hinter ben fchon erfchies 
nenen Abtheitungen nicht zurüd. Sehr wichtig für die Kenntniß 
ber Manuſcripte und für bie Wibliograpbie im Allgemeinen ift 
der Artitel, in welchem eine bebeutende Anzahl verftficirter Uber: 
fegungen von Borthius befprochen werben, bie fich in ber reichen 
Bibliothek befinden. Aber ber intereffantefte Abſchnitt bes gan- 
zen Bandes ift derjenige, welcher ben Werfen der Chriſtine de 
Pifau gewidmet iſt. Diefe fruchtbare Schriftftellerin aus ber 
erften Hälfte des 15. Jahrhunderts, bie uns eine Menge der 
verf&hiebenartigften Werke in Verfen und in Profa gelaffen hat, 
verbient die Aufmertfamkeit, die ihre Paris widmet, um fo mehr, 
da fie bis jegt im Allgemeinen nicht gehörig berüdjüchtigt iſt. 
Bekanntlich hatte Karl V. von Frankreich ſtets mehre Aſtrolo⸗ 
gen und Zeichendeuter um fi, auf deren Ausfpräce ex großes 
Gewicht legte. Einer von denen, die bei ihm in befonderm 
Anſehen ftanden, war Thomas de Pifau, der Water ber eben 
erwähnten Chriftine. Derfelbe befand fich gerabe zu Venedig, 
als er feines großen Ruſes wegen eingeladen ward, fi) an ben 
Hof bes Königs von Frankreich zu begeben. Er ging zuerſt 
nach Bologna, wo er feine Frau und feine fünfjährige Tochter 
gelaffen hatte, und Iangte mit denfelben im I. 1368 zu Paris 


warb. Es dauerte nicht lange, 
GBunft deö Königs, der endlich 
Thomas de Pifau zu Rathe ges 
haben. Umftänden warb die Erziehung 
Kochter EChriſtine mit der größten Gorgfalt geleitet, ſo⸗ 
dab fie bald als eine Art von Wunderkind betrachtet wurbe. 
Sie jpruch deei Sprachen mit gleicher Geläufigkeit und war in 
der Geſchichte und ben fihönen Wiſſenſchaften wohl bewandert. 
Kaum 14 Jahre alt ward fie an einen jungen Mann verheira 
dem fein Verdienſt und die Kürfprache feines Schwieger⸗ 
vaters eine anfehnliche Stelle im Gerichtswelen verfchaffte. So 
lehte fie bis zum Tode ihres Waters im liberfiuß und in ben 
angenehmften Berhältniffens bald aber lernte fie die Schatten» 
feiten des Lebens kennen. Nachdem ihr Vater, an dem fie mit 
großer Liebe hing, n war, warb auch ihr Gatte von 
einem frühen Tode hingerafft. So ſtand bie verwailte Gheis 
fline in einem Alter von 35 Jahren allein, ohne Vermögen und 
ohne zu wiſſen, wie fie fich felbft, ihre drei Kinder unb eine 
—— Mutter ernähren ſollte. Die Noth zwang fie, 
zur Feber zu greifen. Es iſt dieſer Umſtand um fo bemerkens⸗ 
werther, da dies das erſte Beiſpiel iſt, weiches im Mittelalter 
von einem Gelehrten, der ſich mit dem Ertrage ſeiner Geiſtes⸗ 
producte naͤhren will, vorkommt. Indeſſen kann man ſich den⸗ 
ken, daß die Zeiten fuͤr den literariſchen Erwerb nicht eben guͤn⸗ 
fig waren, und in der That hatte die bedraͤngte Schriftſtellerin 
unanfbörlih mit Noth und Elend zu kämpfen. Das einzige 
Mitte, fih mit ihrer Weber einiges Gelb gu verdienen, war, 
ihre Werte irgend einer vornehmen und einflußreichen Perſon 
yaqueignen. Giädticherweife fand fie in Philipp dem Kühnen, 
Herzog von Burgund, einen großmüthigen Beſchuͤter, welcher 
das Gedicht „La mutation de la fortune”, das Ehriftine ihm 
überreichte, mit Wohlwollen entgegennabm. Diefer Fuͤrſt nlaubte 
in bee Verf. dieſes Gedichts ein hervorſtechendes Talent zur 
hiſtoriſchen Darftellung zu finden, und er gab ihr daher den 
Auftvag, das Leben des Könige Karl's V. zu fchreiben. Auf 
feinen Befehl wurden die nöthigen Documente zu ihrer Vers 
fügung geftellt und Ghriftine ging raſch an das Werk. Bevor 
es aber noch vollendet war, flarb Philipp und ihr Loos ward 
fo traurig als vorher. Mitten in dieſer bebrängten Lage nun 
entfaltete fie eine erflaunenswerthe Fruchtbarkeit. Bon alle 
Dem, was aus ihrer Feder gefloffen ift, verdienen ihre „Falts 
et bonnes moeurs du sage roy Charles V’ befondere Aufs 
mertfamleit. Diefe Buch ift in einem naiven und gefälligen 
Zone abgefaßt, ben man indeffen nicht in ihren übrigen Wer: 
ten, weber in denen, die in Verſen, noch in.den profaifchen fus 
hen muß. Der größte Theil derfelben ift nämlich in einem ver: 
worrenen, fchleppenden und geziexten Stile gefchrieben, ber um 
fo unerträglicher wird, weil man die Adfichtlichkeit fieht, mit 
der die Verf. ihre Säge dem Lateinifchen Periodenbau anzupafs 
fen frebt. In diefer Beziehung reiht fi Chriſtine de Piſau 
eng an die pebantifche Schute an, bie im 15. Jahrhundert und 
namentlich in der zweiten Hälfte beffelben in die einfache und 
naive frangöfifche Profa ben Numerus und ben Prunf der latei⸗ 
niſchen Satzbildung einzuführen ſuchte. Gluͤcklicherweiſe konnten 
ſich dieſe ohnmaͤchtigen Verſuche einer pedantiſchen Gelehrſam⸗ 
keit nicht lange halten. Sie ſcheiterten ebenſo wie ein Jahr⸗ 
hundert ſpaͤter die Bemuͤhungen Ronſard's und deſſen Schule, 
die Alles nach griechiſchem Muſter zuftugen wollte — am geſun⸗ 
den Sinn der großen Menge. 6. 





Literariſche Notizen aus Frankreich. 


Hippologiſche Literatur. 

Die große Pferdeliebhaberei, die von England aus den 
Kanal uͤberſchritten hat und die ſich immer mehr in Frankreich 
ausbreitet, zeigt ſich in der Eiteratur auf doppelte Art. Ein⸗ 
mal nämlidy werben ſolche Bücher, die ber bloßen Abfpieges 
lung des alltäglichen Lebens gewibmet find und daher auf den 


Ton und die Zarbe der Gefellfchaft Rüdficht nehmen muͤſſen, 


.V’ouvrage de M. le eomte Savary 


fo von hippologifcgen Kunftausbsäcden geſpickt, daß man, um 
diefen Jargon zu verfiehen, immer bad englifche Lexikon zur 
Band haben muß; dann aber nimmt die Zahl der ber ebein 
Pferdezucht und Beftätwiffenfchaft getwibmeten Schriften fo über: 
band, daß man noch gar nicht abſehen kann, wo fidy bie Yıut 
biefer Literatur aufhalten wird. Das Merl des erften Bereiters 
von Franconi, Baucher, das jeht auch ins Deutfche äberfeut ift, 
wollen wir weniger um feines theoretiſchen Gehalts willen, ben 
wir nicht zu wärbigen verftehen, ats der Merkwuͤrdigkelt wegen 
angeführt haben, weil der Berf., bem man, wie er fagt, es übel 
ausgelegt babe, daß er, der Begründer. eines neuen Reitſyſtens, 
feine Künfte im Branconffdgen Gircus für Geld zeige, ſich te 
mit Shakſpeare und Molitre vergleicht, die ja auch in ihren 
eigenen Stuͤcken aufgetreten wären. Diefe Schrift, die bereits 
ihre vierte Auflage erlebt hat, iſt von mandyen Selten ange 
griffen sworben. Unter den MBrofchüren, bie fie hervorgerufen 
bat, erwähnen wir bes „‚Iuixamen da systeme Baucher et de son 
application A notre cavalerie, avec guelques observations sur 
e Lancosne-Breves”, von 
ecormee. Wir wollen gleich noch ein paar andere hippologifche 
riften, bie vor kurzem in Frankreich erſchienen find, erwähnen, 
da es vielleicht für &Kebhaber von Intereſſe it, dieſelben Eennen 
zu lernen. Es find dies der „Abrege d’hippologie”, von 
E. Laborbe; „Traité de l’exterieur du cheval’, von %. Lecog; 
„TraitE de l’&quitation sur des bases geometriques”, von 
Parifotz endli die „Considerations generales sur l’ame- 
lioration des chevaux en France”, von R. Bamont. Der 
Berf. der zulegt genannten Brofchäre war, wenn wir nicht irren, 
14 Jahre Borfteher eines der erſten Geſtuͤte von Mohammed⸗ 
Ati, und hat fi) durch feine vor kurzem erſchienene Schrift, 
„L’Egypte sous Mehdmet-Ali’” (2 Bbe.), deren wir in d. Bi. 
gedacht haben, bekannt gemalt. 


Gedichte über die Jungfrau von Drieans. 

Der „Augsburger Zeitung‘ warb vor einiger Zeit bei Ges 
legenheit der Enthuͤllung des Denkmals für die Zungfrau von 
Drleans aus Lothringen berichtet, daß wir binnen kurzem eine 
Zragddie zu erhalten hätten, bie zum erften Male die Gefchichte 
diefes Heldenmaͤdchens würdig barftellen würde. Allerdings bat 
auch nicht ein einziger der feanzöflichen Dichter, die dieſen 
nationalen Gegenſtand bebanbelt haben, bis jest unferm Schiller 
bie Palme ftreitig machen können. Und body treten Jahr aus 
Jahr ein eine Menge Bewerber um biefen Preis auf. In 
biefem Jahre allein find ſchon zwei Dichtungen, bie bem Leben 
ber Jungfrau von Orleans gewidmet find, im Oruck erfchienen. 
Es find dies: „Jeanne d’Arc, un poöme en six chantes“, von 
5. Amand de Gournay, und „Jeanne d’Arc, poäme national 
en 18 chants“, von A. 2. Jacquet, aber weder das eine noch 
das andere biefer Gedichte verdient Beachtung. Bon den übrigen 
franzöfifchen Dichtungen, die das Leben ber beidenmüthigen 
Zohanna behandeln, find uns unter benen, die in ben legten 
Jahren erichienen find, zunaͤchſt eine „Jeanne d’Arc’” von 
Mad. de ***, die 1828 gedruckt ift, und deren zweite Auflage 
die Gräfin von Choifeul, geb. Prinzeffin von Bauffremont als 
Berf. angibt, und dann ein anderes gleichnamiges epiſches Ge⸗ 
dicht in 10 Geſaͤngen von A. Bonvalot befannt, das im 3. 1837 
berausgelommen ift. 

Bei diefer Gelegenheit wollen wir auch anführen, daß 
ber vor kurzem geftorbene franzöftfdge Generalconful zu Alexan⸗ 
drien, Gautier v’Arc, aus ber Familie der Jungfrau von 
Drieans flammte. Cr war früher feiner Kenntniß der orien« 
talifchen Sprachen wegen in der „Ecole des langues orien- 
tales vivantes’” zu Paris angeftellt, und kam bann nad Bar: 
celona als Confut, von wo aus er nad) Alerandrien verſetzt 
ward. In ber Eiteratur hat er fi) namentlich duch feine ins 
tereffanten Reifeberichte aus Griechenland und der Levante, die 
vor mehren Jahren die „Revue des deux mondes“ mittheilte, 
fowie durch eine Geſchichte der Einfälle der Rormannen in Saͤd⸗ 


italien, Spanien u. ſ. w. rühmlich befannt gemadht. 2. 


Verantwortliher Herausgeber: Heinrih Broddaus. — Drud und Verlag von J. A. Brochaus in Leipzig. 





Blätter 


für 


GB 


literarifge Unterhaltung. 









— 


— — 





UÜberficht der neueſten poetiſchen iteratur. 


3weiter Artikel. ) 


39. Gebichte von Karl Friedrich Heinrich Straß. (Ott 
von Deppen.) Leipzig, Brodhaus. 1842. Br. 8. 1 Thlr. 
Wenn der uns fehon Längft vortheilhaft bekannte Sänger 
diefer 237 Lieder in deren erften Rummer „Die Quelle meiner 
Lieber ſich alfo vernehmen läßt: 


Nicht feil für Gold iſt mein Befang, 
SH finge, wenn bed Herzens Drang 
Gedanken ſchafſt zum Liebe, 
Und wenn ed flammt au6 tiefſter Brufl, 
So muß es fein, als ob bie Luſt . 
Aub jedem Worte ficht. 

Kit wäg’ ih dann nah Maß und Badl, 
Nicht fuͤhr ih mehr des Reimes Dual, 
Es fügt ſich ungefirebt! 
Und kraͤftig, wie aus einem Buß, 
In freier Rede ſchnellem Fluß, 
Wird dann mein Lieb belebt! 

Nur muß dad Herz fein übervol, 
Ein Quell, der aus den Ufern ſchwoll, - 
Den nichtd mehr hemmt und Hält! 
Dann reift’ mich fort, wie Windeswehn, 
IH kann nicht fliehn, nit wiberfiehn, 
Das Lied wird meine Welt! 


fo ſpricht er darin nicht nur feine geiftige Individualität und 
tüchtige Gefianung aus, fondern rechtfertigt auch volllommen 
feinen Beruf zum Dichten; denn, in weſſen Innenmwelt das vor⸗ 
geht, und wer fo Lieder machen muß, ber if ein Dichter, und 
bebarf einer Rechtfertigung wegen der Veroͤffentlichung feiner 
Gebichte, wie wir fie in der etwas zu langen und Deterogenes 
einmifchenden Vorrede leſen, durchaus nicht. Hat er fie body 
über ben Horaz'ſchen Zeitraum von neun Jahren zögernd in 
feines Pults Verſchluß gehalten! Überfchägt er doch ihren aͤſthe⸗ 
tiſchen Werth nicht mit vaͤterlicher Affenliebe! Fuͤhit er doch 
ſeibſt, daß ſie, wie alles Menſchenwerk, an Maͤngein und Un⸗ 
vollfommenbeiten laboriren! Sie find nicht rubricirt nach der 
Zeit ihrer Erſcheinung oder der Verfchiedenpeit ihrer Themen, 
fondern er gibt fie in bunter Reihe, und fie feiern, ohne Boms 
baft, Schwurft, Dunkelheit oder politifchen Fanatismus, bald die 
Zeit und das Vaterland, bald den Krieg und die Natur, bald 
die Liebe und ben Wein, bald das Heilige. Alles ift leicht hins 
gehaucht und bekundet, bis auf Stachelvers und Charade, eine 
antennenswerthe Bielfeitigkeit und innere Beweglichkeit. 
Bor Allem tritt ein poetifch:politifcher Charakter bier hervor, 
Der Verf. ift mit ganzer Seele ein Preuße, und kuͤndet überall als 
folder feine Baterlandsliebe. Gr ift aber auch ein Deutſcher 


Y Be. den etſten Artikel in Nr. 19-115. DB. D. Red. 


Donnerstag, — Kr 208 — 










und bat feinem Wolfe eine genmice Anzahl von Liedern geweipt, 


unter denen wir das an „Zolepb 11.” (S 52), „An die Deutfchen‘“ 
(G. 13), zwi: „An mein Baterland" (&. 15, &.58), „Krieges 
lied" ( S. 70), „Das beutfche Oa ira” (&. 340), nebft dem folgendem 
„An die Franzoſen“ auszeichnen möchten. Da Poefie und Por 
litik, nachdem fie feit einigen Jahren ſchon miteinander gelieb⸗ 
dugett, in neuefler Beit den Bund der Derzen gefchlofien haben, 
fo laͤßt ſich dieſen Liedern, welche vernünftige Reformen und 

tgemäßen Fortfchritt predigen, und fidy namentlich für ſtaͤndi⸗ 
che Verfaſſung erklären, ein gluͤckliches Prognoſtikon hinſichttich 
ihrer Aufnahme beim Publicum ſtellen. Stoͤrend ſind die des 
Verf. Anſicht erläuternden Noten unter biefen Gedichten, und 
wenn ſechs Lieber für Deutfche, die viele Gebanten und manche 
Stellen gemein haben, gegen. das Ende der Sammlung mitger 
theitt worben, fo ift das eine Zautologie, die ſchwer zu rechtfer- 
tigen iſt. „Die Donardie” (S. 154) ift kaum noch Poefte gu 
nennen, und in „Die Gonftitution” (©. 264) klingt ein bipie- 
matifher Ton hervor. Ruͤhmen müflen wir bagegen die Frei⸗ 
muͤthigkeit, mit welcher der Sänger feine Anſichten über Lebens⸗ 
formen, SInftitute und 3eitbegebenbeiten ausfpridt. Man febe 
(&. 24), wo er feine Anſicht über Gchulbilbung der Jetztweit, 
für das Reale fich entſcheidend, darlegt, ober ,, Preßfreiheit 
(S. 242), wo er volle Freiheit der Preffe bei firengen Gefegen 
wünfcht, aber Preßfrechheit verwirft. Furchtlos, unparteiifch und 
unerfchroden zieht er zu Felde gegen ben mobernen Pietisinuk;, 
gegen den Papft und bie Umtriebe der Roͤmlinge Man Iefe 
©. 5 und ©. 20; den Genius zu jeder Zeit und in jeder 
Perfönlichkeit anerfennend, ſpricht er feine Verehrung gegen 
Napoteon (©. 31 fg.) unummunden aus. Won ähnlicher Gefin⸗ 
nung zeugt auch das Lied „Bei Griechenlands wahrſcheinlichem 
Untergange” (©. 108). Dabei offenbart fidy ein frommer Sinn 
in der Überfegung einiger David'ſcher Pfalmen, und bie ireni⸗ 
fhen Worte „An meine Landsleute” (©. 69 und &. 107) ber 
tunden feinen Naturfinn. Themen, die einen allgemein Igrifchen 
Charakter haben, Liebe, Schönheit, Wein, Fruͤhling, athmen, 
ohne eben Neues und DOriginelles zu bringen, body Gemuͤthlich⸗ 
teit und Grazie und find fo fangbar, daß Mantius vielen eine 
Melodie untergelegt hat, und unter biefen tritt als allgemein 
beliebt hervor: „Ich habe zwei Sterne, zwei Sterne gefehen‘ x. 
Daß (8. 162) au der „Cotillon“ gepriefen wird, mag ben 
diefe Gebichte Lefenden Damen lieber fein als den grämlichen 
Keitilern. Die Lieder, welche den Wein preifen, bewegen ſich 
freitich in ziemlich ausgefahrenen Gleiſen auf allbelannten Heer⸗ 
ſtraßen; aber fie find friſch und riechen nicht nach der Öllampe 
des Gtubirzimmere. Das ift freitich ein Verſtoß gegen das 
feinere Gefühl, daß er die gefuͤllten Becher eine Hauptrolle in 
feinen Weihnachtéliedern fpielen laͤßt; denn nach diefen Liebern 
ſcheint es in der That, als ob der Liebe Gott blos darum ſei⸗ 
nen Sohn in bie Welt gefandt habe, damit bie Leute bei biefer 
freudigen Veranlanlafiung brav zechen können. In einigen 
Nummern kommen die Berliner, des Verf. Landsleute, ſchlecht 
weg. S. 198 gibt er ihnen. den guten Rath: 


884 


Left doch Eure Hegelei, 
Cuer Tholudizen ! 
Soll man ob der Narretbei 
Nicht ſcandaliſiren ? 

Lafft den theuern Hengſtenberg 
Hab bie edeln Mucker! 
Ku ſein evangeif Merk 
Iſt für arme Scäluder. 

Lafft den übertrieb’nen Dang 
Sum Iheater = Wefen ! 
Wahrli wol zu befierm Drang 
Str Ihr Tusertefen. 


Jort Die Pieliften : Zunft, 
Die tn Rebdeln brütet! 
Heilig fei Sub die Vernunft 
GStets und rein dehätet. 


Noch Ichlimmer gebt es ihnen in ber jovialen Buß⸗ Gtrafs 
und Gontroversprebigt, „Das verkehrte — in Knuͤttelverfen 
und im Geiſt und Ton der Schiller'ſchen Kap en in 
„Wallenſtein“ abgefaßt, die, 20 Biattfeiten lang, 1 
in wenigen Wochen drei Auflagen eriebte und vier bie a &: 
gengebi hervorrief. Hier trifft die Geißel ur ©atire oft 
den „ehten Be fowie auch Nr. 196, wo Heine, ber Goͤttliche, 

nen aber ftechenden Daktylen gegeißelt wirb. 
a enden wir no, daß, wenn wir „Das wunder 
tätige Marienbiid” (&. 28, das aber mehr Anekdoton ale Ro 
manze if), „Des Fiſchers Veib⸗ (&. 99), und „Das Mädchen 
non Verena” (©, 120) -ausnehmen, der Verf. das epiſche Ge⸗ 
bist zu betreten vermeidet; und er thut wohl daran, bie Richtung 
feines Geiſtes ift rein fubjectiv. Gewiß fühlt ber wadere Verf. 
die Mahrheit des Rouſſeau'ſchen Wortes: „On ne sort point 
impussment de son natural.’ 


. —— or az Hormwig. Bertin, Leſe⸗ 
cabinet. 


Es if ie —8* Bad pi Licht und Klarheit in der 
** Beides fehlt vori Gedichten. Wan Hört in ihr 
its nur bie Klage um die Ohnmacht, das "Leben 
— aus feinen Symptomen zu erkennen, ober bie Beflgnation, 
Se es außgibt, das dunkle Räthfel zu Idfen. S. 48 nennt der 
bad Menſchenleben einen langen Waben, und ben Men: 
—* einen wirren Knoten und ſchließt: 
Gin oN Geweb' mit neuen Faͤden, 
Und neue Fäden alt an Brud; | 
Bertagteb Sinnen — neue Reden, 
Do ungelöter Raͤthſelſpruch. 


u kommt, daß das einleitendbe Gedicht, wo von einem 
großen Wort in einem geheimnißvollen Alphabet die Rede ift, 
im Leſer die Erwartung wedt, er werbe erfahren, was Wiens 
ſchenleben und Menfchenherz fei, daß aber weber in den groͤß⸗ 
tentheitd erotifchen Gaben ber erften Abtheilung, noch in ben 
Briedensmanifeften, wie Dr. Horwit bie zweite Abtheilung bes 
titelt, noch in den Wallfahrten biefer Erwartung Genüge ge: 
teiftet wird. Biel Geſchrei und wenig Wolle. Auch in 
übrigens wohlgerathenen Überfegungen aus Vordsworth, ano 
mas Moore, Bictor Hugo und aus den Pfalmen finden wir 
keinen leitenben Faden, der uns aus dem dunkeln Labyrinthe 
leitet; natuͤrlich, daß das Ganze den Leſer in eine unbehagl 
Stimmung verſehzt. Wer wandelt gern in nächttidier Stunde 
im —** und eht das Tageslicht nicht anbrechen? 

31. Ballaben und BRomanyen Dos von wolfgang Müller. Duͤſ⸗ 

feldeef, Schreiner Ihe. 

Über Dichterberuf und — dieſes jungen rhei⸗ 
— ee bat fig Ref. bei Belegenheit der von ihm uns 
n zanunge Leiden ’ agratusgegebenen lyriſchen Ge⸗ 

Sn in me. a Bi. f. 1842 ausgeiprochen. Wir Tin 
en deshalb 5 ry fein. Der Geiſt eines Dichters bieibt 
Derfeibe, er mag es Tekiectio barflellen, ober eine objectine Ride 


tung nehmen; inbeffen if es doch etwas Anderes, dad ſchen in 
der Seele Vorhandene in Wort und Klang verwandelt baryus 

Mel, ats einen außentiegenden, g n er, * — u 
Wahrheit gemäß zu behandeln, da ſelbſt f 

Schwierigkeiten, wo ber Dichter ſich feinen I ſelbſt (haft; 
denn man verlangt von ihm Umbil ⸗ohne dep er 
ber Natur und Wahrheit Eintrag thut. Woifgeng —* 
ler — dieſes Urtheil laͤßt ſich im — über ihn faͤllen — 
ſticht das Epiſche gegen das egeiiche gehalten nicht unvortheils 
baft von demielben ab, und wirb er auch mehr als Sänger in 
vorherrſchender Gubjectivität wie als piaſtiſcher Sildner dem 
Yublicum gefallen, fo verbienen 


epiſche Beftrebungen 
und Leiftungen doch unfere Theilnahme und Beachtung, unb wir 
können Folgendes zu ihrer Empfehlung fagen. Dex Balladenton 

iſt überall getroffen. Das Meifte offenbart ee Prägnanı. 
Die wennſchon eiten originell wid, it ſtets edel, 


rein, würbig. Die in der letzten ber vier Abtheilungen des 
Buche gegebenen Überfegungen aus Burns’, Byson’s, MB. Scott's 
und Landon's Gedichten find wohl gelungen, und unter ben 
„Deutſchen Sagen‘ und „Bermifchten Balladen” find vier Num⸗ 
men, bie wie als Juwele ber Sammlung betvadten Ehnnen, 
und die auch von ihm feibft erfunden find: — Pt 
(6. 40), „MWolfdietrich’e Bupe“ 8 45), „Naͤchtlich⸗ een 
nung zu Gpeier” (©. 53), ‚, Schönfter Tod’ (8. 64). 
e en zunaͤchſt ſtehen ihrem —XR Werthe nach Altmahr⸗ 
©. 3), „kud win bes Eifernen Mauer” (S. 19), „Sobonn von 
me (S. 28), 


), „Der Mönch von —*8 (©. 28), „Das 
rald“ (8. 59), 


ſchlacht“ (S. 83), und „ 
ſich aud viele Fe —— 
machen. ffe eigener Wahl und Wlidung an⸗ 
langt, fo 3 ſich nicht behaupten, daß der Verf. eine gluͤck⸗ 
liche Srfindungsgabe habe. Unter denen son nmicht eigener Er⸗ 
findung aber find viele von Anbern bereits bearbeitet, atſo ſchon da 
gewefen. „Das Grab bes Volks“ (©. 76) hat eine ſehr ergreifende 
ointe, aber die Anlage und Behandumg iſt — ungeſchickt. 
berhaupt zeigt sielee und das vorhergehende Gedicht, „Der 
Guaranne“ (6. 73), daß unfer Dichter für Derartige Stoffe 
kein Ereiligrarh if. Mitunter macht er einen Disgriff in der 
Sprache, wo biefe recht einfach fein — Man vergleiche in 
„Wikher““ (S. 3M, wie denn das ganze Gedicht weit unter dem 
ihm fehr aͤhnlichen von Upland „Schwaͤbiſche Kunde” flieht. In 
der Ueberſegung bes Byron’fchen ‚Gefangenen von Ghillon‘ 
(8. 141), noch augenfälliger in „Sinevre (&. 157), gibt es 
mancherlei an e Scherſaligkeuen, die mb betalllicen ber 
Raum nicht 4 wird er ver Gonfruction 
undeutfch. ”.. in sen Jungen —X “ erlaubt ſich der 
Verf. auch Hier die falfche Dreffungen Meerd (©. 167), 
unb „ie auffallend (©. ) Könige. Ob die Mkeinflellung 
in Gedichten S. 73, 76 und 97 gefallen mag, hebt 
abe Endlich ift an w fonft von der Werlagsbhandbtung 
out ausgeftattete Buch micht vein von ftörenden Druckfeh⸗ 
. As Reſultat unferer Durchſicht fällen wie das Mrtheil: 
Wolfgang Mäller fbeht als kyriker Höher denn als Gpiler. 
32. Lieder eines Einſtebdkers. Von 5. W. Nolte. Leipzig, 
Brockhaus. 1842. 8. 16 Nor. 

Diefer Einflebiee iſt kein Anacdhoret, der, im haͤrenen Ge⸗ 
wanbe, umgürtet mit dem Strick ber Geißel, mit der Weit 
zerfallen, in finfterer, rauher Ode lebt, fondern, wie die Bor⸗ 
rede zu verftehen gibt, ein fühlender Menſch der fi) blos des⸗ 
halb aus dem Geräufch gezogen, weil er teln mit ibm ſympo⸗ 
tbifirendes Wefen in der lauten Menge finden Eonnte, und nun 
dieſes Gefühl der Einſamkeit in Werfen, in zwei Abtheilungen, 
auf 105 Seiten aueſpricht. Diefe Berfe nun, bie größtentheils 
Liebe zum Thema haben, und häufig in kurzen Metren abgefaßt 
find, laſſen viel — richt viel zu wuͤnſchen übrig, und fie ers 
werden — wir müflen der Wahrheit bie Ehre geben — ben 
Wunſch, daß ber Ginfiebler das Gelübbe des Shweigens abges 
Iegt, und fi an den Erguͤſſen des eigenen Eiche bebürfenden 





4 Gr. . 
gr 
Mir derfelben Freude, mit welcher wir biefen geiftreichen, 
"Gänge auf vom Fruditfeise dee Tlffenfpaft ion fr 


wedsen 
ben, degraͤßen wir bier im Biumengasten ber Poeſie. 
ch in dem auf das feinfte Velin gedrudten unb mit 
einem Luxus Außertich ausgeflatteten Buch in geößter 
Drtavform weder eine Busignung aa Salomon Voͤgrlin ei 
eine Vorrede, noch einen Epilog, noch erlaͤuternde Roten, n 
eine Rubricirung nad Werichiebenhrit ber behandelten Gtoffe. 
Der Berf. ſcheiat damit fagen zu wollen: „Da bin ich; nehmt 
mich bin, wie ich eben bin in Manier und Kleid.” Ze ber 
hat lobt ſich bie Waare von ſelbſt, und guter Wein bedarf 
keines Kr Aubriciren und claffificiren laſſen ſich uͤberdies 
dieſe Lieder nicht; denn wenn wir bie orientaliſche Erzaͤhlung 
(S. 374), nach einem Salomoniſchen Ausſpruche gedichtet, und 
„Di (S. ri “ar Velen —ãS 
lung, ausnehmen, fo findet nichts Epiſches. enfo wen 
ift Das Erotiſche, ober das Elegiſche, oder das Religidfe, oder 
das Phantaſtiſche vorherrſchend. Der Charakter bdiefer rein 
Igrifchen Gebichte, von benen viele nur aus vier kurzgemeſſenen 
Reimzeilen befichen, if Wis, Scharffinn, Ginnigkeit. Daher 
haben nicht wenige in ben erflen drei Büchern ein epigrammas 
tiſches Moment, welches Aur da die Wirkung auf den Leſer ver⸗ 
fehlt, wo dee Dichter den Gedanken mit keinem ihm ganz ent» 
ſprechenden Wilde ausgeftattet, und wo der Sinn erſt errathen 
werden muß. In der Außern Anorbnung und Reihenfolge hat 
der Derausgeber eine Steigerung ihres äfthetifchen Werths bes 
obadıtet, ſodaß man immer Beſſeres findet, je länger man lieſt. 
Die erften drei Bücher bringen faſt ausſchließlich Erzeugniſſe 
des Wipes und Scharffinns, und dies geht bis auf die finnreis 
den Überfägriften, die von Andern fo oft jegt vernachiäffigt 
werden; „DB. „Atra cura”; „SrühlingssKalligraphie”; „Et ab 
hoe, et ab hac, et ab illa”; „Dpferrauch” und mehre andere. Die 
Mitte des Buchs enthält „LXX Lieder aus dem Brautſtande“, 
in denen natürlidh die Empfindung vorberrfcht, die aber nur 
nad) des Verf. eigenem Urtheile höher ftehen Tönnen als die der 
drei Bücher; fie find tautoiogiſch und viele wiederholen 
benfelben Gedanken, der uns in Ar. 27 und 32 gegeben wird. 
Aber das fünfte Buch enthält das Geblegenfte, und das letzte 
Gedicht „Reujahrsnacht ” bildet einen würdigen Schlußftein des 
ganzen wohnlidyen und zierlichen Gebaͤudes. 
Nach dieſem allgemeinen Urtbeil erlauben wir uns ein bes 
fonberes in Bezug auf eingelne Rummern, wie es fich bei ber 
ungeſucht ergab. Ausgezeichnet find: „übe bin id’ 
(8.13); „Aufbem Kirchhofe⸗ (&. 14); „Raum genug“ (©. 19); 
bimmelbhody” (&. 42); „Rad Retſchati (&.68), alfo lautenb: 
„Lerne von ber Mufchel, Kind, felten deine Lippen rühren, Und du 
wich wie fie im Mund einen Schatz von Perlen führen”; „Brau 
Kratefuß (©. N) body ift es mehr Idee als Ausführung; 
„Ab und auf” (& Si); „Halte Stand” (©. 87); „„Dalte Stand” 
(S. 88); „Stoff und Form“ (8.110), alfo tautend: 
Sei nur auf rechten Stoff bedacht: 
Das Anbre magſt du laffen; 
Der ſchafft fi ſelber über Nacht 
Die Kleider, bie ibm paflen. 
Haſft du von Faͤfſern nie gehört, 
Vergrabuen, längft vergeßnen ? 
Die Dauben hatten fich zerſtoͤrt, 
Die forgtih abgemeßnen, 
Unb dennoch war vom «deln Wein 
Aein Sropfen drum verloren ı 
@r hatte feiber ſich von Etein 
Gin neueb Vaß geboren. 


? 


‚u Waipnechten”‘ (@. DE), doch nur bee Anfangs „Mas fu 
bu mehr als was bu bit, gu feine” (@. 113); „Die ie 
Much" G. 1283); faſt alle „‚Butenbergesliedes” (@. M 
„Des Ehriſtbaum“ (S. 315); „„Bornungswetter” (&. 340) Ein 
ironiſches Wort auf bie Weinſtudien frommer füche 
©. 133. Gin Anklang an politiſche Poeſte gibt « fiunreidh 
Wir hofften viel Naturgemaͤlde zu 


» Der Storch“ (S. 137). 
finden, aber nach Verhältniß laͤßt fich Hier eime geringe Aus 
beute machen. Schönes in dieſem Genre bietet inbeflen daB 
» uptingelied r Ge u —* EN au einen A a 
wuͤrdig an es ſchli „Die Rigit „ .# 
„ Muottathal” (&. 258) und ‚Bier tiefe“ (8. 259). 
„Gettes Wort” (©. 328) erinwert an das Gchönfte der Axt 
aus der Pocfie des 17. Jahrhunderts. Wie fromm und in wel» 
dem echt bibliſchen Gewande erfcheint das „MWeihnadhtätieb 
(©. 347), wie denn überhaupt gegen den Schiuß der Gamm- 
lung ein frommer Athen durch das Ganze weht, und die Ber 
bandlung der biblifchen Texte überall gelungen if. Zur Probe, 
wie gewandt des Dichter mit der Sprache umzugehen weiß, wie 
plaftifch fein Pinfel, wie warm fein Gefühl, wie frisch feine 
Phantafte ift, wählen wir „Das Abendopfer” (S. 266): 
Es kniet der Berg, der alte Rieſe, 
Ein Foͤhrenhain fein wallend Dear, 
Sein Mantel eine gruͤne Wiefe, 
Er Eniet als Prieſter und Altar, 
Und bringt mit FEIN gefaltnen Händen 
Bon Wief und Wald und Feld bie Spenden, 
Dem Deren dad Abendopfer bar. 
Und fieh! in feinem fhönften Straple 
SR au der Moend daher gelenkt, 
Und bat als goldenrotde Schale 
Dem Prieſter fih aufs Haupt geſenkt; 
Sie ſchwebt und ſtrahlt vom Glauz der Sonnen, 
Und ſtrahlt vom Glanz der Erdenwonnen, 
Und tropft, vom Erdenweh getraͤnkt. 
Der Prieſfter kalet, und Biumenbäfte 
Sind feines Opfers füher Raub; 
Und wie im Schatten feiner Hüfte, 
So !nien auch wir und beiten au 
Und opfern, während rings von Keryen 
Der Himmel flammt, aus vollem -Derzen 
Sebeteöduft und Liederhauch. 
(Die Kortfegung folgt.) 





Ein tritifher Johann Ballhorn. 

Eine Eöftticyere Ballhorniade laͤßt fich micht denken, alß ung 
der zweite Band des ‚Foreign and colonial quarterly review” 
von biefem Jahre bringt. Archer Gurney bat ben zweiten 
Theil des „Kauft überfeht.”) Das „Westminster review’’ ta- 
beit diefe Überfegung unb bringt Beweiſe. Gleich die erften 
Worte Ariel's: 

Bean der Wiäten Yräßlingdregen 
Über Alle ſchwebend finkt u. f. w. 


paraphrafiet die Überfegung wie folgt: 
When o’er the landscape eherming sprieg 
Weeps 'mid her smiles in gentle showers eis. 


wogegen ber Recenfent mit Recht bemerkt, von einem Fraͤhlinge⸗ 
regen, von Regenwaſſer (wodurch ſich der lberfeger auf feine 
„Thraͤnen unter Laͤcheln“ habe bringen laſſen) fei gar wicht bie 
Rede, fondern ber Vers befage: When the spring-shower of 
blossoms, over all things hovering, sinks (Wenn der Fruͤh⸗ 
lingöregen ber Blüten, der Aber Allem fchevebt, nieberfint). 
Hier irrt der Recenfent allerdings in der Auffaffung des über 
Ale ſchwebend u. f. w.“, denn „Alle iſt nicht „Alles und 


*) Bgl. eine Mittheilung hierüber in Me, 157 und 158 d. BI. 
D. Red. 





des „Binkens”, has Siuken der Mih- ı 


Iwebenb”' it Beiwort 
ten ik ein 3 Sinken. Aber man hoͤre, wie eine 
Antikritik des ‚Foreign review‘ ſich über bie Kritik des „„West- 
miaster” luſtig macht. „Fruͤhlingeregen bebeutet allerdings 
Regen im Fruͤhling“, fagt biefer neue Ballhorn; „alle if ein 
Adſectlvpronomen, welches fih auf Blüten bezieht, und ber 
&un if: ‚Wenn der Frühlingsregen ſchwebend auf alle Bluͤ⸗ 
ten finlt‘ (When the spring-shower sinks hovering on all 
the blossoms), denn ber Frühling läßt doch nicht WI aus 
ben Wolfen regnen, fonbern treibt dieſe vielmehr von unten. 
aus der Erbe hervor, und noch weniger läßt er fie auf Allee 
regnen.“ D weiſer Fichter! An upright judge, a learned 
judge! A second Daniel iA Kein 9 f ioeifer arte! Lig 
ud laͤßt ber hing nicht en aus den Wolken regnen, 
* * von * Bäumen; freilich laͤßt er feinen Bluͤtenregen 
nicht auf Alles fallen, aber doch auf Alle, d. h. auf alle Men⸗ 
ſchen, b. b. nun wicber nicht auf alle Menſchen ohne Ausnahme 
ser Zahl nad, aber auf alle Menſchen ohne Unterfchied der 
Derfon, auf Gute, wie auf Böfe. Die Elfen find Allen freund⸗ 
lich; „ob er heilig? ob er böfe? jammert fie der Ungluͤcks⸗ 
mann” — heißt es gleich darauf in Ariel's Geſang. 
Weiter zu den Berfen: 
Eiöpelt leiſe fäßen Frieden, 
Wiegt bad Herz in Kindedrud u. ſ. w. 


bemerkt der Antikritiker: diefe Gonftruction könne auf zwiefadhe 

Art verftanden werden, naͤmtich entweber fo, daß man „liöpelt” 
und „wiegt als dritte Perfon der Ginheit fafle, und als Sub: 
ject dazu das vorhergegangene Wort „Dämmerung’’ nehme, 
oder aber fo, daß man es al® zweite Perfon ber Mehrheit und 
als Anrede an die Elfen nehme. Wie man es nun nehmen 
wolle, das fei Geſchmackſache. Nein, mein wertber Herr! 
das ift nicht Geſchmackſache, fondern wenn Sie deutſch verftän- 
den, fo wärben Sie wiſſen, baß beide Formen an der betrefs 
fenden Stelle nur und allein als zweite Perfon in der Mehr: 
beit zu verſtehen find; denn der Sinn ifl: „In ber Daͤmmer⸗ 
ſtunde (weiche die vier erſten Verſe maleriſch umfchreiben) lispelt, 
ihr Elfen, Frieden in das Herz dieſes Muͤden u. f. w.!‘’ Und 
wenn Sie zum Schluſſe dem „Westminster” den wohlgemeinten 
Rath geben: not to meddie with foreign tongues, fo laſſen 
Ste fi Daffelbe gerathen fein. 48, 


@ibliographie. . 

Bel, J., Leitfaden beim erften Unterrichte in der Geſchichte 

in vorzugsiveife biographiſcher Behandlung. te durchaus verbef: 
ferte und vermehrte Ausgabe. Karlsruhe, Braun. Gr. 8. 10 Ror. 
| Bilder aus dem Leben. Lecture für Schule und Haus auf 
feftliche DIahreszeiten. Bon bem Verfaſſer der „Beatushoͤhle“. 
Mit einem Stahlſtich nach Originalzeichnung von J. Leudner. 
Regensburg, Manz 8. I1Y, Rar. 

Bretfhneider, K. G., Die religiöfe Glaubenslehre 
nad) der Vernunft ‘und der Offenbarung für denkende Lefer dar⸗ 
geftellt. Halle, Schwetfchle und Sohn. Gr.8. 1 Thlr. 26%, Nor. 

Saricaturen und Sithouetten des neunzehnten Jahrhunderts. 

om Berfaffer des „Mefiftofeles”. Ifte Sammlung. Coesfeld, 
efe. 8. 15 Nor. 

Davis, I. %, China, oder allgemeine Befchreibung ber 
Eitten und Gebräuche, der Regierungs⸗Verfaſſung, ber Se: 
fege, Religion, Wiſſenſchaften, Literatur, Naturerzeugniſſe, 
nf, Fabriken und des Handels ber Chineſen. Deutſch von 
8. Weſenfeld. 2te Ausgabe. Nebſt einem‘ Supplement: 
bande, die Nachrichten über die neueſten Vorfaͤlle, Entdeckun⸗ 
gen und Fortſchritte der Chineſen enthaltend. Iſter The... 
Magdeburg, Kaldenberg und Comp. Gr. 8. 1 Xhir 7Y, Ner. 

Deeg, I. G., Gedichte. Stuttgart, Brandt. 8. 2 Tphlr. 

Deutinger, P. M., Grundlinien einer pofitiven Philos 
fophie, als vorläufiger Verſuch einer Zurudführung ‚aller Theile 
der Philoſophie auf chriftiiche PYrincipien. After Theil: bie Pro: 
pädeutil. Regensburg, Manz. Gr. 8. 15 Nor. 





Dreves, E., Sthachte Lieder. Hamburg, Böbecker 6. 


1 Thir. 10 Rer. j 

und Gueichheit! ober bat bie oberſte Gewalt ihre 
Quelle im Bottle? Im Hinblid auf unfere vefigiöfen und poli⸗ 
tiſchen Berhaͤltniſſe, und insbefonbere auf die Beftrebungen eines 
Ruge, Bruno Bauer, Herwegh und anberer Giteidhgefianten. 
at Auflage. Düffelthat, Verlag der Rettungss Anflat. 1.8. 
r 


% . 

Gerstner, F. A. Ritter v., Die innern Commusics- 
tionen der Vereinigten Staaten von Nordamerika. Nach 
des Verfassers Tode aufgesetzt, redigirt und hera 
von L. Klein. Ner Band. Mit 19 Tafeln Zeichnungen. 
Wien, Förster’s artistische Anstalt. Gr. 4. Beide Bände 
13 Thlr. 10 Ngr. 

Die Kirche in unferer Zeit. Gin Wort an Geiſtliche uns 
Laien. Duͤſſelthal, Werlag der Rettungss Anftatt. 8. 10 Nor. 

Kösılin, K. R., Der Lehrbegriff des Evangeliums 
und der Briefe Johannis und die verwandten neutestament- 
lichen Lehrbegriffe. Berlin, Bethge. Gr.8, 1 Thir. 25 Ner. 

Krüger, E., Überficht der Heutigen plattbeutfchen Sprack. 
Emden, 9. Woortmann jun. ®r. 8. 10 Nor. 

Kurg, H., Schiller's Heimatjahre. Vaterlaͤnbiſcher or 
man. Drei Theile. Btuttgart, Grand. 8. 6 Thlr. 

Lessing, C. F., Vollständiger Beweis 1) dass wir 
bis jetzt noch kein verständiges System der Philosophie ge- 
habt haben, und 2) die modernen Philusophien von Kant 
bis Hegel Phantasien, nicht aber Wissenschaften sind. ?ier 


' Band. Breslau, Grass, Barth und Comp. Gr. 8. 3 Ner. 


Riesberg, ©., Gebihte. Dsnabräd. 8. 20 Rear. 

Rüder, 8. A., Über die Ernaͤhrung des Pflanzen und 
bie Statik des Landbaues, in Bezug auf bie gekrönte Preis: 
fhrift des Dr. Hlubeck. Leipzig, Beter. Gr. 8. 10 Nor. 

Rupp, J., Dee Symbolzwang und bie proteftantifche 
fahre und Gewiffensfreiheit. Königsberg, Voigt. Gr. 8, 
gr. 


Die gute Sache ber Seele, ihre eigenen Angelegenheiten 
und die aus dem Menfchen und der Vergangenbeit entwidelte 
Gefichts « Zukunft. Braunfhweig, Otto. Gr. 8. 25 Nar. 

Schilling, G., Muſikaliſche Dynamik, odes die Lehre 
vom Bortrage in ber Muſik. Kaffel, Krieger. &r.8. 1 Zpır. 

Ner. 

Schricker, M., Lilien und Leidensblumen aus dem Gar: 
ten der Legende der Heiligen. Groanungegebihte. Ifte und 2te 
Antheilung. Regensburg, Manz. 8. 15 Nor. 

Schuͤtz, W., Zeitdilder der Geſammtgeſchichte von Erfurt, 
der Hauptflabe Thüringens. Profaifch und poetifch gezeichnet. 
Dit 2”. gortrait des Obervierherrn H. Kellner. Erfurt, Dtte. 

a y 2 gr. 

Schwarzlofe, J., Mein Leben auf ber Königlichen 
Staats: und landwirthſchaftlichen Akademie zu Eldena, ais 
Bertheidigung gegen die mir daſelbſt wiberfahrene Behandlung, 
fowie gegen die Angriffe auf mid) in ber augsburger „Allgemei⸗ 
nen Zeitung”. Magdeburg, Beinrichshofen. Gr.8. 7 1, Ror. 

Theiner, 4, Gefdichte der Zuruͤckkehr ber regierenden 
Däufer von Braunſchweig und Sachfen in den Schoos der ka⸗ 
tholiſchen Kirche im 18. Jahrhundert, und der Wiederberftel: 
tung der katholiſchen Religion in diefen Staaten. Sinfiedeln, 
Gebr. Benziger. Gr. 8. 1Thlr. 25 Nor. 

Veilchen und Tulpen aus dem Bereiche ber Phantafte und 
Wirktichkeit von dem Verfaſſer der „Beiträge zur Gefchichte Grie⸗ 
chenlands“, des ‚‚Allerlei aus dem Tagebuche eines Reifenden”“, 
bes „Rund, Edig und Bunt‘ und ber „Saitenklaͤnge des Ge: 
fangenen auf Marienberg”, des „Allerlei zum neuen Jahr wie's 
die Phantaſie gebar“. Angehaͤngt ift: Geburten des Augenblicks 
für den Augenblick. Von A. Freihrn. Groß von Trodau. 
Bamberg, Zuͤberlein. 8. 7TY, Per. 

Bett, K., Über die Jliade und das Nibelungenlicd. Neun 
literariſche Abenbunterhaltungen in dem Mufeum zu Karlerube. 
Karlsruhe, Braun. Gr. 16. 1 The. 5 Nor. 


Berantwortliger Deraußgeber: Helnrich Brokhaus. — Drud und Verlag von F. U. Brokhaus in Retpzig. 








Blafter 


für 


literariſche Unterhaltung. 





Freitag, 





28. Juli 1843, 





weiter Artikel. 
(Bortfegung aus Nr, MB.) 


34. Laien: Svangelium. Jamben von Friedrich von Sal⸗ 
let. Leipzig, Boldmar. 1842. 16. 1 Thlr. 15 Nor. 
Bier haben wir Leine gewöhnliche chythmilche Paraphraſe 
Aber die neuteſtamentlichen Synoptiker, mit der man fich etwa 
nad) Tiſche in eine Sieſta⸗Ecke ſchleicht, noch ein Unterhaltungs: 
buͤchlein vor uns, deſſen bunte Bilder man in behaglicher Stim⸗ 
mung dem geiftigen Auge vorübergehen läßt, ſondern ein didak⸗ 
tifdyes Peines Werk, ein Erzeugniß prüfenden Nachdenkens über 
Das, was ber Stifter des Chriſtenthums lehrte, that und wollte, 
welches des Leferd Aufmerkfamkeit in vollen Anfpruch nimmt, 
weiches kLuſt ermedt, den vom Verf. angedeuteten Weg weiter 
zu verfolgen, und weiches, obwol ber Verf. Fein gelehrter Theo⸗ 
log ober Geiſtlicher vom Fach ift, eine entſchiedene theologifche 
Farbe teägt. Traͤgt es nun auch nicht die Farbe, in welcher 
neuertih Strauß, Bruno Bauer oder gar Feuerbach aufgetreten 
find, fo erfeint der Verf. doch ald Vertreter und Verkuͤnder 
jener liberalen Anficht des Ghriftenthums, die fi aus den 
Schriften des heibelberger Paulus, Schultz's, Bretſchneider's und 
Roͤhr's offenbart, die fämmtlich eine vernunftgemäße Auffaffung 
der Wahrheiten des Evangeliums wollen und einfchärfen. Nas 
tuͤrtich iſt es, daß hier gegen jene religids⸗kirchliche Zeitrichtung, 
die in Dengflenberg und in dem gemäßigtern Tholud ihre Ders 
treter findet, ſtark geeifert wird. Den Anhängern der Letztern, 
wir mögm fie Pietiften oder Myſtiker, Pharifder oder Mucker 
nennen, gebt es bier ſchlimm; &. 127 fäut der Laien-&vangelift 
das Urtheil über fie, nachdem er über des Ehriften Gebet in 
frinem Kämmerlein geſprochen: 
Seid) einer Jungfrau, keuſch und Rill entleimt, 
SR das Gefühl gefunder, ſchlichter Chriſten, 
Gleich einer Qure, frech und abgefeimt, 
Das ver Empfindler und der Pirtiſten. 
Unter ber Überfchrift „Ich muß wirken, fo lange es Tag 
if’ (8. 178), ſchilt er: 
Micht taͤuſcht und mehr die Froͤmmelei, die träge. 
Gin Kampfolatz Gottes iſt ber Erdenſtern. 
Der Bei, der da nicht räftig I und rege, 
" Der iR ein feiger Fluͤchtling vor dem Herrn. 
Über die rechte Art zu beten fagt er S. 150 im „Gebet 
det Deren’ den Eippenbetern: 
Hut Aber eure Bluͤmlein und Guirlanden! 
Sie wüdern in gemeiner Seelen Sumpfe. 
Der Seit warb faulend drin zu Spott und Schanben, 
Die Kraft hinweggeſchwemmt mit Stiel und Stumpfe. 


üÜlberficht der neueſten poetifchen Literatur. 
3 


Ich möcht? euch zathen: laßtes dabei beivenden ! 
Wie fange wolt ide no Gebete fchmieren? 
BU denn der Scharivarl nimmer enden, 
Des GSreinen, Wimmern, Bafeln, Declamiren? 


Aus ſich zu beten, nit durch frembe Mäuler, 
Wolt ihr bie Schwachen und noch ganz entmarken, 
Ihe heuchleriſchen weinerlihen Deuler ? 
Sort in die Gtut mit all den füßen Baͤndlein, 
Draus ide follt beten lernen fein manierlig! 
Maroquindedeihen mit goldnen Ränblein, 
Und drinnen? — Koth, beforigt mit Bluͤmlein ziertich. 
In „Die falfchen Propheten” iſt die Warnung vor ben 
Sefuiten beherzigenswerth : 
Bluͤhend zu wuchern uͤberm Grab der Geifter, 
In folder Satanskunß find nicht allein 
Die Väter der Geſellſchaft Jeſu Meiſter — 
Sie führen — andre folgen binterdrein. 
Ob pietiifh oder altkatholiſch, 
Der euch betäuben fol der Luͤgendunſt, 
Bedientendaft Icyal und apoſtoliſch — 
Es if die eine, alte fhwarze Kunfl. 


Bei Gelegengeit der Schilderung bes Kindermorbs zu Beth⸗ 
lehem verfegt er den Regenten, welche die freie Preffe hindern 
(8. 0), einen Hieb: 

Horcht auf! Es waltet deut! ein ſchlimmres Morden, 
Daß, bis zum Jaod verlegt, die Wehen kranken, 
Die Deren der Welt, manierlidder geworden, 
Sie tödten Teine Kinder, blod Gedanken. 

Da biigt Bein Stahl. Mit leichtem Kederſchwenken 
Wird Geiſtestodtſchlag fünberlich vollzogen. 
Nur dies und bad bärft ide nicht lernen den ken — 
Sonft bleibt man ja eu vaͤterlichſt gewogen. 


In einer Erklaͤrung der Worte des Herm „Alles was ihr 
wollt, das eudy bie Leute thun follen, das thut ihre ihnen‘, 
heißt es abermals (©. 147) von den Fürften: 

Warum umgarnt ibr und auf allen Pfaden? 
Gewalt und Li bebrohn und fort und fort. — 
„3a, wie find Leute au von Gottes Gnaden!“ — 
Ron ſolchen meldet Ehriſtus nicht ein Wort. 
Berſucht's, ein Spruͤchlein nur von Ihm zu borgen, 
Damit ihr und beweift, es ſei erlaubt, 
Bon Gottes Gaaden für Ti ſelbſt zu forgen, 
Werd’ auch die Welt der Breibeit drum beraubt. 
Ihr findet nichts im Neuen Xeftamente. 
Seit Chriſtus nieberwarf mit einem Streich 
Die Mauer, die von Bott den Menſchen trennte, 
Sind Ale frei in Bott, vor Gotte glei, 


Mit leichter Ironie berührt ex andere Beitfragen und Inter 
een So laͤßt er den Leichtfinnigen (S. 107) über die She 
agen: 

8 „Was ift die Gh’? Grfinbung nur der Pfaffen, 
Ded Herzens fühe Regung, göttlih fee 
In nüchterne Gewohnheit umzuſchaffen, 
Den Beuerwein in faben Kindelbrei.“ 


„Dos Herz, kann ſich verſchenken iebe Stunde, 
Und immer wieder ganz fein eigen fein. 
Wo nur gwei Seelen taufchen füße Kunde, 
Den Sog fol innigſtes Genießen weihn.“ 


Leber, in welchem fittiiches Gefühl und Bewußtſein der 


Menſchenwuͤrde nicht gang erflidt iſt, wird ihm 
wenn ex auf ſolche ekelhafte Phraſen erwibert: 
Dos if bloͤdfinnig ſchwaͤchliche Gemeinheit. 
Berlübert ik der Geift, der's nicht begreift, 
Daß nur bed Lebens und bed Strebens Cinheit 
Die Thierhaut ab vom echten Menſchen fireift. 


beiftimmen, 


Dos Thier begeht fi, wenn es in der Brunft if, 
Daun flieht es pflichtenlos, fo frei wie bumm. 
Menſchen! wenn das bed Herzens freie Kunft if, — 
Wiehert und bloͤkt! die Sprade werde flumm! 


Zuletzt ruft er den Frauen gu: 
Ihr Fraun! fie haben euch geiſtreiche Huren 
Als Hohe Drufterbilder vorgerädt. 
Scauſtuͤcke ſiad's, drauf feine fhmug’gen Spuren 
So mander Finger taftend abgebrädt. 


Wir fehen hieraus, Herr von Sallet nimmt fich die Er⸗ 
faubniß, das religiöfe Zeitmoment in bie Poefie zu ziehen, und 
wie uns duͤnkt, mit eben dem Rechte, mit weldyem andere 
Dichter unferer Tage die Politik in die Sphäre der Dichtkunſt 
ziehen. Dabei fleht er in feinen Anſichten auf Niemandes Schuls 
teen, beruft ſich auf keine fremde Autorität, ift keiner Philoſo⸗ 
phenfchule, weder Spinoza noch Hegel, zugethan, und laͤßt feinen 
eigenen Geiſt nur walten. Strauß naͤhert er ſich blos in ber 
Binfiht, daß ihm Vieles Bild, Sage und Mythus in Chrifti 
Lehre ift. Aus dem Bilde flellt er den Gedanken heraus. Als 
auf einen charakteriftifhen Typus hinſichtlich der Behandlung 
mythiſcher Begenftände weilen wir auf „Die Verſuchung Chriſti⸗ 
(8. bin, und gern theilten wie des Verf. ganzes eregeti 
ſches Ratfonnement, befonders die Schlußſtrophen mit, wenn es 
der Raum hier geftattete. In liberalem Geifte und vom Stand⸗ 
puntte des Nationalismus aus find alle Reben Jeſu commentirt 
und gloffirt, wogegen er bie Anfichten ber jubaifirenden Apoftel 
völlig ignorirt. „Mariaͤ Verkündigung” leitet ex mit dem Ges 
danken ein, es verhalte ſich mit der heiligen Sage wie mit dem 
goldenen Gi, welches Kinder anftaunen; wird es zerbrochen, fo 
weinen fie über den Verluſt, überhören aber den lieblichen Ge⸗ 
fang des Vogels, ber daraus hervorgegangen. Es fpricht, fagt 
er (©. 12), die Sage tief und ahnungsvoll: 


Do, wenn idr fie und aufzwingt als Geſchichte, 
Daun macht ihr fie zum Märchen, zwecklos toll, 
Und den lebend'gen Geiſt in ihr gu nichte. 


Die Breifinnigkeit feiner religidfen Anſicht offenbart ſich 
fon im „Geſchlechtsregiſter Jeſu“, das er aus ber Bibel aus: 
zeißen möchte als einen Stammbaum, ber nur für unter und 
Weiber Werth babe. Wozu, eifert er, die Abflammung Chriſti 
von einem Könige erweifen, ber einft einem Weibe Ehre und 
Mann erſchlug? Iſt Gottes Sohn nicht Titels ſchon genug ? 
Obwol mehre Stellen aus der Bergprebigt minder fchön unb 
räftig find, befonders in ber Behandlung ber fogenannten Mas 
karismen, fo fagt es body zu, wenn er bei Gelegenheit der 
Worte: „Selig find die Barmherzigen!“ über Wohlthaͤtigkeits⸗ 
finn und Mitleid fagt, das Erbarmen fei Fein marklos weidhli- 
ches Zerfließen. Ebenſo golbene Worte enthält der Abſchnitt 
„Sott ift ein Geifl”, namentlidy, wo er ausruft (8.179): Was 
gemütgiee ift, ift gottlos! Im „Gaftmahl” (S. 272), find die 

eiden Strophen hervorzuheben : 
Schwatzt nur von „materiellen Intereffen“, 
Bergt binter fhönen Phrafen die Gemeinheit! 
Verklaͤrt, vergöttert Induftrie und Meffen! 
Der Geiſt nur if dad fihre Band ber Einhelt. 


Die Seele jedes Bells IR ein Gedanke. 
Fuhr der dahin, dann Hoff’ es nit Geneſung 
Db außen au ein Lebendanflug kranke, 

Gin Leichaam if ed, brinnen nagt Werwefung. 


Über die katholiſche Lehre von der Brotverwandlung im 
Abendmahle fpricht er ſich (S. 311) fehr frei und derb aus. 
Über das Wunder der Werkiärung Chriſti auf dem Berge fagt er: 

CEhriſtus! dich ſchauten, wie du bil, verkiärt, 

Nur Wenige, und bie nur wie im Traum. 

Schnell warb und beine Lichtgeſtalt verkehrt 

>) In Naht, grob übertändt, zu kennen kaum. 

Jent zieht der Geiſt hervor bein göttlih Bild, 

Die fallen Barden tilgend und den Staub. 

Wie fon hervor des Blickes Leuchten quiüt! 

Das Echte warb ben Zeiten nit zum Raub. 


Batd ſtehſt bu nun in bes Gedankens Licht, 
. Bor aller Menſchheit in Verklaͤrung ba, 
Und nimmer ſchwindet ald ein Traumgeſicht, 
Was unfer Geiſt bewußt und wachend fah m. f. w. 


Beſonders zeigt er fi auch als Prediger einer mobernen 

Zeit s und Weltanſchauung in dem Abfchnitt: Politik ber 

Pharifäer, wo er, ſich über die Schemata Staat, Volt, Genfur, 

Freiheit u. f. w. verbreitend, oft mit der Waffe der Ironte, oft 

mit bem bloßen Schwerte lauter Misbilligung um ſich haut unb 

trifft. Überall verfucht er, die fcheinbaren Widerfprüche zwifchen 
den GSrlebniffen des freien Dentens und der pofitiven Glaubens: 
fäge im Ghriftentyum au löfen; den Rationaliften will ex bes 
friedigen, ohne dem Supranaturaliften Anftoß und Argerniß zu 
geben; auf bem eigenen Wege des Denkens fchafft er ſich feine 

Dermeneutil, und macht gewiß mandem Korfcher klar, was 

dunkel und verworren in feiner Seele lag. Nur was wir feibft 

erringen, fagt er im Prolog, ift uns Wahrheit, und habe i 

mid) aud zuweilen in Dämmerung verloren, fo habe ich d 

bem Ewigen treu nadjgerungen. Hin und wieder fdheint aus 

ber Spradye bes Büchlein hervorzugehen, daß er mit der Sproͤ⸗ 
digkeit bes Stoffe gerungen habe, fo edig und holperig kommt 
mancher Gedanke and Tageslicht, fo unmanierlih klingt man⸗ 
der Vers, in welchem er dem unmilligen Ohre bes Leſers reinen 

Trochaͤus ftatt eines Iambus gibt. Vermißt haben wir bier bas 

Evangelium, wonach das ganze Neue Teſtament Evangelium 

genannt wird, nämlich die frohe Botſchaft des Engels an Beth: 

lehems Hirten in der geweihten Nacht, ebenfo die Auferwckung 
des Lazarus, die Darftellung Chriſti im Tempel, die Parabel 
vom barmherzigen Samariter — Alles Stoffe, woran ſich der 

Scharfſinn verſuchen konnte. Obwol Luther in feiner Verdeut⸗ 

ſchung der Heiligen Schrift ſich mitunter derber Ausdruͤcke be: 

dient, fo hätte Ref. fie doch nicht nachgeahmt, wie der Verf. 
thut; wie unfein und unziemlih, wınn er bem Deiland bie 

Worte Breßgelage, Brei, Brühe u. a. m. in den Mund legt. 

Wenn er ferner (&. 129) fagt: „Nicht daß ſich luͤderlich das 

Herzchen ſiele“ (ſoll heißen herumwaͤlze), fo gebraucht er ein Gau⸗ 

wort, welches von Bielen nicht verftanden werden wird. ©. 73 über 

die Malarisma: „„Gelig find, die ba Leid tragen‘, ift Vieles in 
ein metaphpfifches Dunkel gehüllt, und der Hauptgedanke ſcheint 
bem Verf. felbit nicht Elar zu fein. „Selig find, bie da hun⸗ 
gert und durftet nach der Gerechtigkeit”, iſt nicht zichtig ge⸗ 
faßt (S. 77), weil der Laien⸗Evangeliſt mit bem hbebraifirenden 

Gebrauche des Wortes Gerechtigkeit im Alten und Neuen Teſta⸗ 

mente nicht befannt zu fein fcheint. Dies find die leichten Aus⸗ 

ftellungen, die wir an bem Laien-Evangelium zu machen ung er= 
tauben; fonft empfehlen wir es Allen, weiche bei poetifchee 

Lecture nicht blos zu fühlen, fonbern auch zu denken lieben. 

35. Thomfon’s Frühling, metriſch überfegt und mit einer Beis 
lage biographifcger Notizen und Eritifcher Bemerkungen verſehen 
von Hg. R.— Magdeburg, Rubach. 1842. 16. 7%, Rear. 

Eingenommen für das britifcye Original, bis zur Über« 
ſchaͤhung feines aͤſthetiſchen Werths, ift der ungenannte über⸗ 
feger und Bearbeiter des „Spring” aus Thomſon's „Sensons‘’. 





‘ 
° 


Go muß es aber auch fein, wenn man Ähnliches con amore 
und mit Gluͤck bearbeiten will Die Überfegung ift Leine ber 
ſtellte Arbeit und braucht ſich ihrer Erſcheinung unter einem 
größern Publicam nicht zu ſchaͤmen. Nicht rechten wollen wir 
mit dem Verdeutſcher, daß er fich erlaubt bat, des Driginale 
fünffößige reimlofe Jamben in Hexameter umzuwandeln — ift 
doch dadurch dem Geiſte der heitern gefälligen Dichtung fein 
Gintrag geihehen — ; ebenfo wenig ift es rügenswerth, daß ex den 

Srüplingegefang in fünf, durch Motti bezeichnete Abſchnitte zer⸗ 
fallen lajt, wovon bas Original nichts weiß. Gtellen, die blos 

auf das britiſche Reich ober die damalige Zeit, fei es in der 

Bocalität ober binfichtiich der befungenen Perfonen, Bezug 

haben, find weggelaffen, in einem Anbhange jedoch in woͤrtlicher 

Überfegung beigefügt. Yür einige im Hriginal vorkommende 

fingirte Ramen bat er andere gewählt, vielleicht um einem 

Freunde oder einer Freundin etwas Schönes zu fagen. Der 

erwähnte Anhang enthält ferner eine kleine fprachliche Abhands 

tung über ſchwierige Stellen und ſchwer zu überfegende Worte, 
die wir mit Bergnuͤgen gelefen haben, einige biftorifche Erlaͤu⸗ 
terungen, einige Briefe an einen Kreund über Thomſon's „Zabs 
seßzeiten” und beren Schickſale und Bearbeitungen in fremden 

GSprachen, und ein Bruchſtuͤck aus einem neuerlich erfchienenen 

engliſchen Bde, das Lob eines edeln Weibes enthaltend. 

3. Alerander Pope’s poetifche Werke. Deutfch von Adolf 
Böttger und Theodor Delders. Bier Bändchen. 
eipzig, F. Fleiſcher. 1842. 16. 2 Thir. 

Bor nicht langer Zeit zeigten wir in d. BI. eine Über 
fegung von Pope’s „Eodenraus” an, und bier erfcheinen fchon 
wieder in vier Bändchen die fämmtlichen poetiſchen Werke eines 
engliihen Autors aus dem erflen Viertel des vorigen Jahrhun⸗ 
dertd, der von ben Kritikern feiner Zeit hart angegriffen wurbe, 
welchen aber neuertich Lord Byron in einem Briefe an Th. 
Moore für den größten englifchen Dichter und alle andern im 
Bergieih mit ihm für Barbaren erklaͤrt. Die Überfeger, welche 
Beide nicht obne Beruf und Geſchicklichkeit fi) ans Wert mach⸗ 
ten, haben fih in die Arbeiten getbeilt. Das erfte Bändchen 
bringt zunächft den „‚Lodenraub ”, ein Lomifches Heldengedicht, 
in weichem „der Scherz Anabiomenene Gürtel trägt”, von Adolf 
Böttger hier recht fließend und gewandt übertragen. Ebenſo 
ergoͤtlich als lehrreich ift der von Ih. Delders überfehte „Ber: 
ſuch über die Kriti”‘, der ſchon deshalb Boileau’s ‚„‚Art poötique‘’ 
in Schatten flellt, weil die Sprache Albions poetifcher als die 
der Männer von der Seine ift, die nur zierlich und leicht cons 
verfieen tönnen, aber weder Rhythmus noch pcetifche Worte in 
ihrer Sprache Haben. Die bekannte Deroide „Heloiſe an Abes 
lard⸗, die viele Racyahmungen in verichiedenen Landen und Zuns 
gen veranlaßt hat, von Th. Oelckers übertragen, ift noch immer 
leſenswerth. Kein Werk des geiftreichen Briten bat ibm jeboch 
mehr Lorbern eingebracht, und feinen Namen am fräheften über 
den Kanal getsagen, als fein „ Essay on man”, ein didaktiſch⸗ 
reflectirendes Gedicht in Briefen, das in acht Sprachen (auch 
in todte) überfegt wurde und deſſen Sentenzen und Kernſpruͤche 
noch heute in Albums und Anthologien fpulen. Freilich ſieht 
und fühlt der des englifchen Idioms kundige Lefer zehnmal mehr 
bei ber Lecture deſſelben als ber Unkunbige, der ſich mit dem 
Surrogat einer übertragung, oder, um das Wort eines ſpani⸗ 
ſchen Dichters anzuführen, mit der Anſicht der Ruͤckſeite einer 
Einftiich gewebten fiamänbifchen Tapete begnügen muß. Der 
Vih der im dritten Bändchen mitgetheitten „Dunciade”, in vier 
Büchern mit erfiärenden Roten, hat freilich in unferer Beit feine 
Frifchteit und feine Spigen eingebüßt, indem Autoren und Gr: 
eigniſſe aus Pope’s Zeit der Gegenftand befleiben find; aber 
mon wird fie immer noch gern lefen und ſich befonders ergögen 
on der in ungebundener Rebe unter dem Titel abgefaßten Gin: 
kitung: „Prolegomena des Scriblerus und Hyperfritifa des 
Icharhus.” Am anziehendften und pilanteften möchten die 
Sium diefes Lobes der Dummheit fein, wo der Dichter bie 
Grißel der Satire über den literarifchen Dieb oder Piagiarius, 
den awelliſtiſchen Pasquillanten, den fpeichelledenden Dedicans 


ten, ben ſchreienden Kritikaſter und ben Tdumugigen Parteiſchrift⸗ 
ſteller ſchwingt. Unter den kleinern Gedichten (Idplien und Open) 
bezeichnen wir ats claſſiſch die „Dde am Gäcitientage”, „Ar 
bie Einfanteit, ein kleines Gedicht, weiches Pope in feinem 
zwölften Lebensjahre fdhrieb, und „Der flerbende Ehrift an feine 
Seele“, welche Stüde von X. Boͤttger gut übertragen find. 
Die Slegie „Dem Andenken eines unglüdlichen Maͤdchens if 
ebenfalls trefflich überfegt, wogegen uns bie ng des 
befanuten „Common prayer‘' weniger zugefagt bat. Die bio« 
graphifche Skizze über ben Dichter bitdet einen irefflichen Schluß⸗ 
ftein des Ganzen. Das erſte Bändchen ift mit Pope’s von Bis 
chardſon —*— und von Duncan geſtochenen Profil geziert, 
und das vierte bringt eine Zeichnung, weiche Pope, ber bekannt⸗ 
lich ſehr haͤßlich war, in ganzer Figur darſtellt. Sie warb 
ohne fein Wiſſen, waͤhrend er im eifrigen Geſpraͤch mit Mir. 
Allen in ber Salerie zu Prior Park begriffen war, von Dir. 
Hoare gezeichnet. Sie ift deshalb befonders fhäsbar, weil fie 
in ihrer Art bie einzige von biefem berühmten Dichter if. Die 
Rachahmungen des Horaz haben die Überfeger aus begreiftichen 
Gründen wegfallen laſſen. 
(Der Beſchlß folgt.) 





Schriften zur dreifundertiährigen Jubel: 

feter der Schulpforte _ 

1, Musae Portenses sive Analecta Poetica ab alumnis Por- - 
tensibus ultimis decem annis saeculi scholae Portensis 
tertii composita. Leipzig, Vogel. 1843. Gr.8. 20 Ngr. 

3. Chronik des Kiofters Pforta nach urkundlichen Nachrichten. 
Srfter Theil. Bon ©. X. B. Wolff. Leipzig, Bogel. 

3 rn Gr. KR 1 Sun — P 
. rtner um. n O. ttcher. Leipzig, 8 

1843. Gr. B. Fi Thir. 4 piis, Beget 

. @rinnerungsblättr. Von H. ©. mieder. Leip 
Bogel. Gr. 8. 1 Thir. 8 
Als der Kurfürft Morig von Sachſen am Montage nad 

Trinitatis des 3. 1543 feine „Reue Landesorbnung” erließ 

(f. Codex Augusteus, Bb. I, &. 14 fg.) und darin „von bes 

nen verlebigten Klöftern und Stiftguͤtern bie Aufrichtung dreier 

Schulen in Meißen, in Merſeburg (von da kam die Schuie im 

3. 1550 nad) Grimma) und zu ber Pforten anorbnete, bamit 

„die Jugend zu Gottes Lobe und im Gehorſam erzogen, in ber 

nen Sprachen und Künften, und dann vornehmlidy in der hei⸗ 

ligen Schrift gelehret und unterweifet werde”, erkannte er nicht 
allein feine Zeit und deren Bebürfnifle, als baß er ihr vielmehr 
mit vorahnendem Geifte vorauseilte. Gein großes Werk, mit 
der Reformation aufs innigfte verbunden, aus ihr ſelbſt uns 
mittelbar hervorgegangen, und deren ſchoͤnſte Bluͤte und Frucht 
zugleich, bat, bei ber glüdlicy getroffenen Wahl ber Ortisver⸗ 
bäitniffe, bei den vorgezeichneten Zwecken und den zu Erreichung 
diefer Zwecke mit weiler Klugheit angewendeten Mitteln, welche 
möglichft in der Stiftungsurkunbe felbft oder in dem Geiſte ber 
nachfolgenden Jahrhunderte ihre Grundlage fanden, um fo 
glüdlicher und fegensreicher fi) bewährt, und ehrt noch nach 

Jahrhunderten eines fegensreichen Beftehens den ruhmwuͤrdigen 

Stifter und alle Diejenigen, welche in feinem @eifte fortgewirft 

baben, ohne aus übelverftandener NRachgiebigkeit gegen einfeitige 

Kieblingsneigungen und vorübergehende Richtungen der Zeit ben 

Grund zu verlaffen, welchen Moritz gelegt und in ben er Keime 

geſenkt und Saatkoͤrner ausgeftreut hatte, welche herrlich aufs 

gegangen find und felbft wieder zu Bluͤte und Frucht auf das 
fhönfte fidh entfaltet haben. Bon ben drei Fuͤrſtenſchulen, bie 

Kurfürft Morig von Sachſen gegründet und feine Nachfolger 

mit Liebe gepflegt haben, fobaß fie beftanden bis auf unfere 

Beiten, war es nun aber namentlich bie zu Pforte, bie im Laufe 

der Jahrhunderte zu befonderer Blüte ſich entwickeltes — war es 

nun bie ihr vorzugsmeife zugewendete Gunft der Menfdhen, 
welche fie pflegten, oder war es eine befondere Huld Genius 
bes Orts felbft, der fi darin Eund gab und gleichſam, aͤhnlich 





Gerapkiänen ya Gun war: Di Saatfode RI6E R cine un 
Akt zur Band war: atfa t e uns 
bave, und eine Art Glorie ift über ber Pforte und ihrer 

ie verbreitet, bie feibft ihre beiden Schweſtern ihr gern 
vor ihnen felbft zugefteben werben, ohne fie ihnen zu beneiben 
und zu misgbnnen. Nicht blos Hriflliche Schulen follten die 
Stel Echnlen des Kurfärften Moritz ſein; nicht blos zu „chriſtlicher 
Lehre und Wandel” follten fie die Zugend erziehen, und biefelbe 
nicht blos in der heiligen Schrift Ichren und unterweifen (das 
fol ja eine jede Schule in dhriftticdden Staaten!); bie Jugend 
foßte vornehmitkh ud in den Sprachen und Künften, alfo, 
was jene antangt, vornehmlich in ber lateiniſchen und griechi⸗ 
ſchen Sprache gelehrt und unterwiefen werben. Die hierdurch 
gegebene philologiſche Grundlage iſt es nun eben, was dieſen 
drei Schulen ihre beſondere Eigenthuͤmlichkeit, ihren entſcheiden⸗ 
den Sharatter ſchon durch die Stiftung ſelbſt verliehen und aufs 
gedruͤckt hat, eine Eigenthuͤmlichkeit, ein Charakter, der neben 
der firengen Disciplin, neben ber Abgeſchiedenheit des auf bie 
Scchule feibft beſchraͤnkten, doch nicht möndhifch »eingefchränkten, 
feibftändigen und geiftig freien Lebens dee Jugend vorzüglich 
dazu beigetragen bat, den Ruhm ber fächfifchen Fuͤrſtenſchulen 
zu begründen und, infoweit fie dieſe Eigenthuͤmlichkeit, dieſen 
GSharalter ſich erhalten haben, auch diefen mohiverdienten Ruhm 
ihnen zu fihern und zu bewahren. Die claſſiſche Bildung; das 
Studium der griechiſchen und lateinifchen Sprache; das Lefen 
der in dieſen beiden Sprachen des Alterthums auf umfere Zeiten 
gelommenen Werte, welche ein richtiges Denken und Schärfe 
des Urtheils vermitteln, das Schoͤnheitsgefuͤhl und ben Geſchmack 
bilden und veredeln; das Befruchten der Geiſter mit den in bies 
fen Werfen enthaltenen großen und erhabenen Ideen; bie Ent: 
bidelung und Bildung des Geiſtes und Charakters durch bie 
lebendige Anſchauung des Lebens ber alten Griechen und Römer, 
durch die Anfchauung ihrer Groͤße in Geiſt und Charakter, in 
ihrem Eeben und in ihren Thaten, durch die Auffaflung bes 
rein Menfchlichen in dem Leben und ganzen Weſen biefer Ju: 
gend des Menſchengeſchlechts: dies Alles, wozu die drei Fuͤrſten⸗ 
ſchulen befondere Gelegenheit und ernfte Anieitung gaben, dies 
ift es, was nun namentlih aud die Schulpforte zu Dem ge 
macht bat, was fie im Laufe ber Zahrhunderte geworben ift: 
eine gtuͤckliche Biidnerin der Jugend, eine reihe Pflanzftätte 
gebiegener Gelehrfamkeit, gründlichen Wiffene und firenger Dis: 
eiplin, eine, auch in ihren ſtrengen Anfoberungen doch wahrs 
- haft liebende Mutter der, ihrer ernflen Pflege und ihrer weilen 
Zucht anvertrauten Juͤnger, eine Mutter, die den Segen bie: 
ſes WBerhättniffes au über die wenigen Jahre feiner Dauer 
hinaus zu erſtrecken gewußt, die im Allgemeinen auch dann 
ihrer Pflege ſich wicht zu ſchaͤmen gehabt hat, wenn bie Lebens⸗ 
richtung des G@inzeinen ibn jener Welt be6 Alterthums mehr 
entfeembet als näher gefährt hat. Denn ber Game, ben die 
Pforte ausgeſtreut, war nicht verloren, unb bie Sonne bes 
daffifchen Atterthums warf ihre belebenden Strahlen, und nicht 
etwa blos fpärlih und mit geborgtem Lichte, auch nach voll: 
enbeter Schulzeit auf bie mühevollen unb bdornenreichen Pfade 
des nur auf das Nächfte und Nuͤtzliche bedachten Daterialismus 
der Togenannten Brotflubten. 

8 ift in den claſſiſchen Studien eine, die Phantafie und 
dad Gemüth weit über das Gewoͤhnliche und Alltägliche er 
bebende Lebenskraft, bie für Alle, die gleihlam an den 
Brüften des Alterthums gelegen und da jenen göttlichen Ichor 
eingefogen hatten, ein nie verfiegender Quell ber Grhebung 
md WBereblung zu echter Humanität wird; und wie mußte 
dies, unter dem Hinzutritte fo mancher andern günftigen Um⸗ 
fände, nun auch in Pforte und bei ben Schülern der forte, 
ſelbſt wenn fle längft die Schule verlaffen hatten, der Fall fein! 
Daher auch jene ſpruͤchwoͤrtiich gewordene Anhaͤnglichkeit und 
Liebe der atten Pförtner zur Pforte, bie felbft, war fie auch 
eine nicht wenig ſtrenge Buchtmeifterin, ihnen doch immer unb 
geen unter bem Bilde einer alma mater, wie fie fie fo gern 


. wannten und nennen in: eine Andaͤnglichkeit, die Ehren 
Grund nicht zutegt in ee Semeinfihafttichteit batte, 


womit bie Schüler in dem claſſiſchen Alterthume lebten, und tn 
weicher fie mit bemfelben verkehrten. Es ift nicht zu beredinen 
und iſt nicht gu fagen, wie reich an ibeenwedender Kraft, wie 


; begeifternd für das Wahre, Gute und Schöne, wie ermunternd 


zur Erkenntniß des Menſchlich⸗Edeln in dem Leben und in den 


ı Merken der alten Griechen und Römer, bie claffifhen Studien 
. gerade in Pforte fih erwiefen und bewährt haben; wie erhebend 
. und befzuchtend für das Leben des Ginzeinen, alfo für die Ge 


genwart felbft, fie geweienz wie fie einen Damm gegen bie 
Roheit und Gemeinheit des gewoͤhnlichen Lebens haben errich⸗ 
ten beifen, worin fo leicht die Menſchennatur, ohne eine ger 
funde und Eräftige Speiſe für ben Geiſt, ohne befondere Hin⸗ 
weifung zu bem Hoͤhern, zu bem Erbabenen in ber Geſchichte 


‚ ber Menfchheit, ſich vertiert und untergeht. And wollte man 


vielleicht dagegen meinen, daß das Princip der claffifchen Stu⸗ 
bien dem chriſtlichen Principe feindiich entgegentrete; daß auf 
den fächfifchen Fürftenfchuien und dann nun auch auf andern 
ähnlichen Anftatten vool das heibnifche Altertum, nicht aber 
das Chriſtenthum gelehrt worden ſei und gelehrt werbe; def 
alſo diefe Schulen eher alles Andere wären ats eine: Pflanzſtaͤtte 
chriſtlicher Gefinnung und chriſtlichen Wandels: fo wäre das 
eine Anklage, die allenfalls gewiſſen einfeitigen, hyperorthodoxen 
Verächtern des Alterthums und engherzigen Späitterrichtern, bie 
nur an die Form, nur an den aͤußern Schein fi) halten, zu⸗ 
wutrauen wäre, nimmermehr aber im Ernſte gegen jene Schu⸗ 
len, und alfo auch gegen bie Pforte, würbe erhoben werden 
tönnen. Und wenigftens würde man, auf ihre Koften, ben for 
genannten realiſtiſchen Schulen einen Vorzug in bisfer Hinſicht 
body wahrlich nicht einräumen können! Wollte Gott, wenn 
man ja glaubte, der Meinung fein zu mäffen, daß z. B. in 
Pforte den alten Sprachen und dem Studium ber ciaſſiſchen 
Schriftſteller in dem Schulpfane za viel eingeräumt worden fei, 
und daß fo manches Andere, wenn auch nicht gerade der Reli⸗ 
giondunterricht, darunter gelitten habe und vernachlaͤſſigt wor⸗ 
ben fei, daß man doch auf ber andern Seite nicht etwa zu viel 
thue, um bis claffifchen Studien einem übelverftandenen Staus 
bendeifer aufzuopfern unb bas Gebiet, was fie bisher beberrfcht 
haben, einem Gegner zu übertaffen, ber mit dem Paniere bes 
Beitgeiftes nur zur Bielwifjerei und zur Oberflächtichkeit hinlei⸗ 
tet, und da zur Berflachung führt, wo eben ein Damm hat errich⸗ 
tet werben follen gegen die Koheit und Gemeinheit des alltaͤg⸗ 
lihen Zreibene. Der onerlannte und mwohlverdiente Ruhm der 
ſaͤchſiſchen Schuipforte ift chen ein Ruhm, an weichem Sabre 
hunderte gebaut; und man kann wol den Bau, wie es unfere 
Zeit in andern Kreifen leider nicht ohne Erfolg derſucht hat, 
untergraben und einreißens aber man fann- nicht gleich ein ans 
beres, gleich feftes Gebäude binzaubern, und man wirb es wei 
au nach Jahrhunderten nicht Tönnen, wenn man ben Grunud 
dazu — in ber flüchtigen Meinung des Tages findet. 
(Der Beſchluß folgt. ) 





Literarifhe Notiz. 


Die Aufmerlfamkeit namentlich) von Rechtsgelehrten und 
Volksvertretern verdienen bie neuerdings in Edinburg erſchienenen 
„Speeches of Lord Campbell at the bar and in the house 
of commons; with an address to the lrish bar as Lord 
chauceller of Ireland”. Diefe Reben des ausgezeichneten 
Mannes, weiche ex theild als Rechtsanwalt, theil® ale Botkss 
vertseter im Unterhaufe gehalten, zeichnen ſich befonders durch 
Sründlichkeit der Argumentation, Klarheit der Auseinanbers 
fegung und Richtigkeit der GSchlußziehung aus. Ihr Verf, 


‚ der jegige Lord Campbell, gehört zu den Männern in England, 


bie ſich lediglich durch ausbauernden Fleiß, unermübliche Arbeite 
ſamkeit, Geift und Talent zu hohen Ämtern und Würden eme 
porgefhwungen haben. 16. 


Verantwortlicher Derausgeber: Heinrich Brodhaus. — Drud und Verlag von J. X. Brodpans in Leipzig. 














‚Blätter 


für 


literarifhe Unterhaltung. 





Sonnabend, 


29. Juli 1843, 





Überficht der neueften poetifchen Literatur. 
3Bweiter Artikel. 
(Eeſchluß aus Nr. 38.) 


Es war vorauszufehen, daß bei dem allgemeinen, jüngft in 
Deutſchland erwachten Intereffe für die koͤner Dombauangeles 
genheit auch die Poeſie ſich einmifchen würde, theils durch Bei: 
tragung ihres äußern Scherfieins ded großen Plans Ausführung 
zu befördern, theils im rein aͤſthetiſchen Streben ihre Ranken 
um die Pitafter des ehrwürdigen Gebäudes zu fchlingen. Und 
warum follte fie das nicht? Iſt fie doch neuerlich in die Dienfte 
ber Politik, einer fehe proſaiſchen Derrin, getreten; darf fie ſich 
nicht mit weit größerm Rechte über einen Gegenſtand der plaſti⸗ 
ſchen Kunft verbreiten? Ließe fi nur Grfreuliches darüber 
berichten; aber leider veranlaßt gleich die erfte Schrift, bie uns 
in Bezug auf diefen Gegenftand in die Hände fällt, den Wunſch, 
daß fie nicht möchte gefchrieben worden fein. ie erfcheint ats 
fpiendides Quartheft, auf Koften ihres Verf. zu Dresden ges 
drudt und führt ben Zitel: 

37. Dee Dom zu Koͤin. Gedicht in drei Hymnen von E. F. 
Hausfhild. Dresden. 4. 

Titel, Widmung, Borwort und Inhalt — Alles geht auf 
den Stelzen einer erfünftelten Begrifterung für Kunft und Deutfchs 
ttum. Nm der Welt zu zeigen, wo bie unfterblidyen, „aus bes 
wegter Bruſt gefungenen und jedem echten Deutſchen ges 
wibmeten” Hymnen erzeugt und geboren find, werben bie Orte 
angegeben, wo ber Verf. die Mufe umarmt hat. Unerachtet 
nun das unfterbliche Werk jedem echten Deutfchen gewidmet ift, 
fo findet ſich doch noch folgende Widmung: „Diefe Dichtung ift 
eine Kniebeugung vor ber unfterblihen Hoheit und Schöne des 
Genius, zunächft und insbefonbere vor der des beutfchen Genius! 
Aber ua ein Zoll der Achtung ber Majeflät, und den, im Zer⸗ 


malmen doch nur ſchoͤpferiſchen Mächten des Unglüds, und ben | 


hoben Tugenden, welche die Größe Hamburgs gefchaffen, befe: 
figt, erweitert, die unter der vulcanifdhen Umarmung bes 
Brandunglüds ihre hoͤchſte, ewige Schönheit entfaltet haben, 
und die Seele des wiedererſtehenden Hamburgs, ihm fein ras 
(des, höheres, dauerndes Emporblühen verbürgen, bdargebracht 
don dem Verfaffer.“ Enthält nun fchon dieſe Widmung sesquipe- 
dalia verba, die in Geiſt und Ton an jene Mordgefchichten 
mahnen, bie ber WBänkelfänger dem Marktpublicum vorträgt, fo 
Reigert ih der Hymnenflug bis zum Ronſens, bie Gedanken 
drehen ſich in einem Cirkel und quälen fidy ab, in abenteuerli: 
cher Decoration und FZlitterpus aufjufliegen, die häufigen Noten 
unter dem Zerte follen den Gedanken manchmal Par machen, 
ader das gelingt nicht, kurz das Ganze iſt eine Miögeburt, die 
niht an der Afthenie, wol aber an der Hyperſthenie bes Vaters 
bald verenden wird. Mir wollten biefe3 Urtheil durch Mittheis 
tag der auf ©. Al befindlichen Apoftzophe an ben Dom zu Köln 
belegen; aber e6 wäre Papiers und DruderfchwärzesBergeubung, 
and ſe fehr wie dem Verf. Käufer feines pieriſchen Handels⸗ 
zwriget wünfchten, fo innen wir doch, ehrlich gefagt, dem 


Yublicum nicht zumuthen, um ſolcher Hymnen willen fi in 
Untoften zu figen. Etwas natürlicher und lesbarer iſt bie 
Schrift: 

38. Die Bollsfage vom koͤlner Dom, poetiſch bearbeitet vo 
8 Mavenburg. Berlin, Hold. 1842. Gr. 8 


Auch fie iſt eine Finanzſpeculation, gedruckt auf often des 
Herausgebers, und verkauft zum Beſten des koͤlner Dombaus. 
Hr. Dr. Th. Heinſins hat fie mit topographifch » hiſtoriſchen 
Vorbemerkungen begleitet, viellsicht um fie durch ſolches Trouſ⸗ 
feau an den Mann zu bringen. Sie betreffen den Nationaigeifl 
der deiligen Künfte und geben eine Geſchichte der Stadt und 
bes Doms zu Köln, die wir mit Vergnügen gelefen haben. Die 
Gage ſelbſt erzäpit in Turzgemeffenen Stangen, wie ber erſte 
uns unbelannte Srbauer bes Doms, beim Entwurfe des Plans 
vom Teufel verfucht, der des Meifters ſchoͤpferiſche Thaͤtigken 
durch die Erinnerung an die Kathedralen von Strasburg, Gpeier 
und Rheims boshaft hemmte, durch feine Froͤmmigkeit den Bau⸗ 
plan des höllifchen Baumeifters entwendete. Die Form ift ims 
mer noch beffer als der hoͤchſt triviale Stoff. 

Das dritte Schriftchen von gleidyer Tendenz ift betitelt : 


39. 1862. Gedicht von Eduard Duller und Ferdinand 
Breiligratp. Darmftadt, Jonghaus. 1842, Gr. 8. 


2 Ngr. 

Die Muſenkameradſchaft nimmt alternirend bie Lyra. Hr. 
Duller ſingt zuerſt den Bruder in Apoll an, erinnernd an die 
ſchoͤne Zeit, wo fie miteinander aus Becker's Becher Rheinwein 
tranten, und ſich der Boffnung hingaben, es werde aus bem 
Dombau in Köln body noch etwas werben. Dr. Freiligrath ers 
widert gar burfchilos: 

Dank, altes Baus! Du au zur Domfhau hier? 

Nun: Unkraut flirbt nit. Das bewähren wir! 

D, wel’ ein Tag für fol’ ein Wiederſehen! 

Vollendungsfeſt! Dord, voller Glockenklang 

Des fert’gen Münfterd! Volksflut überall! 

Ihr nah! Bum Dom, die Stunde zu begeben! 
Davon, fügt er hinzu, daß er jegt wieder in feinem Heimat⸗ 
lande, dem prächtigen Weftfalen, lebe, werde er hernach fpres 
en; jegt fei vom Dom und von den ſich daran Enüpfenden Hoff⸗ 
nungen die Rebe. Da weifet ihn denn Hr. Duller fogleidh auf 
den wadern Meifter Zwirner; Sreiligrath weift auf die Fuͤrſten, 
die ihn umſtehen, vor allen auf ben Albert, Victoria's Ges 
mahl, und den königlichen Protector, auf Deutſchlands Einheit, 
auf das Band, das Fürft und Wolf umfchlingt, auf bfe nieders 
gefallenen Schranken, welche die chriftiichen Gonfeffionen trennten : 

Wie Herz an Derz wie zwei, — Du Proteflant, 

IH Katholit — fo Tauſende! Es ſchwand 

Der Bann, der in zwei Schlachtreihn fie geſchleben; 

Dem Sinen Gott, dem ewigen, bem Dom! 

Dem Einen Sinn, dem beutfen, bier am Strom 

Die fee Burgt Gin Recht als Gottesfrieden! 


qe⸗ 


—— ſchiidert nun bie Scene, wo, ben Koͤnig gruͤßend, 
der Erzbiſchof aus dem Portale tritt, wie das feierliche Hoch⸗ 
amt gehalten wird, wie kein Herz ungerührt, kein Auge trocken 
bleibt; — Duller fährt in ber Beſchreibung fort, und prophe⸗ 
geit aus dem heitern Büpe der Gegenwart bie glüdlihe Zus 

‚wo Wahtheit, Freiheit, Recht das Scepter führga: were 
sen Preiligrais, Ia und Amen dazu fpredgend, erklimmt, nach 
dem das Volk ſich verlaufen, den Zhurm bis unters Kreuz, von 
wo herab er über Stabt und Strom und Baterland in Eräftigs 
ſten Phrafen oratelt — kurz, beide Herren thun ihr Möglichftes, ſich 
mittels des Krahns einer kuͤnſtlichen Begeifterung fo hoch ale 
möglich hinauf; und wuͤrfein in diefem Zuſtande aller⸗ 
lei Gehanfen und Gefühle yufammen die uns berzlich kalt ger 
laffen Gaben Der Kitel „AS62”, wird bucdy ben Inhalt dund« 
aus nicht motivirt. 


#6. Die Benriade von Brancois Marie Arouet de Bot: 
‚ taire. Aus dem Fran öfifchen im Versmaße bed Driginals 
überfegt von Friedrich Schröder. Leipzig, Brockhaus. 
1843. 8. 1 Thlir. J 
Dieſe mit Liebe und Geſchicklichkeit gearbeitete überſetzung 
Des in Deutſchland bekannteſten und geleſenſten epiſchen Voitai⸗ 
reſchen Werks bildet zugleich ben ſiebzehnten Band ber in ber Ber: 
lagshandlung d. BI. heraustommenden „„Ausgewählten Bibliothek 
wet GStaffiker deu Auslandes”. Sie paſßt vortrefflich in bie Reihe 
dieſer Schriften? denn abgefeben davon, daß Voltaive in ber 
„Henriade“ vorzugtweiſe aus der der Poefie fonft fo abholben 
franzoͤſiſchen Sprache Alles gemacht hat, was ſich aus ihr ma⸗ 
chen laͤßt, fo ift fie audy bie Schrift der aͤltern franzoͤſiſchen 
Elaſſiker, die in unſern Schulen noch heute gelefen wird, und 
noch nicht antiguirt iſt. Nun haben wir- zwar Übertragungen 
der, Henriade“, aber noch keine im Versmaße des Originals. Die 
von Kaltſchmidt und Hoffbauer, jene 1817, dieſe 1821 erſchie⸗ 
nen, verwandeln die Alexandriner, vielleicht um das Schleppende 
derfelben zu vermeiden, in Gerameter, ein Verfahren, bei weis 
chein fich fagen 1ä6t: Incidit in Soyllam, qui vult vitare Cha- 
rybdin, Hr. Schroͤder hat es anders und beffer gemacht. Den 
Alerandriner hat er var beibehalten; um aber bie ermüdende 
Gintönigkeit deffelden zu mindern, miſcht er Senarien mit fols 
genbem Rhythmus unter denfelben : 
uvlLu_.uLu_vuLvuv_ 
und gibt dadurch dem Ganzen mehr Kraft und Abmwedhfelung. 
Es kann ihm fein Borwurf gemacht werben, wenn er einige 
Gigennamen in verſchiedener Quantität, 5. B. Valois bald’ 
zwei⸗ bald breifgibig gebraucht hat, noch auch, wenn hin und 
wieber ein unreiner Reim mit unterläuft; dagegen wundern wir 


uns, wenn er, ber nach feiner Verfiherung fih in feiner Zus | 


end viel mit Poeſie befhäftigt und anonyın und pfeudonym in 
ber erfchienenen Zeitſchriften Gedichte hat abdruden Laffen, 
in einer Rote der Borrede fagt, an mehren Stellen feiner dra⸗ 
matifchen Werke habe Voltaire fehlerhaft ein und baffelbe Wort, 
(3. 8. pas nicht und pas Schritt) aufeinander gereimt, woraus herz 
vorgeht, daß Hr. Schröder nichts von ben fogenannten rimes 
riches weiß, weldge ſich Franzoſen, Deutfche, Italiener und 
Spanier in ihren poetifhen Werken erlaubt Haben. Nicht blos 
Sorneille und SRacine, ſondern auch Barcilafo, der iberifche 
Petrarca, und der Sänger ber Laura in feinen Ganzonen, 
namentlich in den Geftinen, bilden biefe reichen Reime, wo ein 
und baffelbe Wort, vorausgefegt, baß es, wie pas nicht und pas 
Schritt, einen andern Sinn hat, aufeinander reimt Doch das 
find unerhebliche Dinge; genug, daß wir hier eine leichte, treue, 
fließende Übertragung vor uns haben, aus welcher wir nur eine 
kurze Etelle als Probe ausheben, bie uns beiläuflg lehrt, daß 
wir Urſache haben, bie Branzofen wegen der Freiheit und Anmuth 
im Gebrauch ihrer Participien zu beneiden. Diefer aus dem 
fechsten Befange genommene Paſſus lautet: 
Teols, que des antres du nerd, dchappes sur la terre, 
Procedes par lo vent, ot suivia du tonnerre, 
D’un teurbillen de peudre obseurcisennt los airs, 
Les orages fougueus panmcauremk l'univers eis. 





8 
| weichen Hr. Schroͤder alfo wiebergibt (S. BE): 

So, lodgelaffen aus des Nordens Höhlen, raſen, — 
Den Donner im Geleit, vor dem die Stuͤrme blaſen, 
Indem bed Staubes Wirbel ſchwärzt bed Tages Schein, — 
Die wüthenben Delane-ringd durch Flur und Hain. 


Boran geht bie Tinerfegung von Volfaire® Entwurf bie 
„OHenriade“, eine kurze idee deu Begebenheiden, auf weide 
fig der Stoff des Gedichte gründet, und ein Vericht über die 
frangöfifhen WBürgerkriege im 16. Jahrhundert, in welchem bie 
Befchreibung ber fogenannten Parifer Bluthochzeit befonders 16 
ſenswerth ift; angehängt find erklaͤrende hiftorifche Bemerkungen 
u allen zehn Sefängen, ein Prolog uns ein Appendir, die hier nicht 

en Durften, da es im Plan des Herausgebers ber „„Ausgemähle 
ten Bibliothek der Claſſiker des Auelandes“ Lteat, jedes einzelne Bert 
mit einer biographifchen ober Literarifchen Einleitung ans Licht 
treten zu laffen, was allerbings den Werth der Schriften erhött. 


41, Gedichte von H. Hisau. Soidin, Siebert. 1842. 8, 
1 Thlr. 


Bon großer Begabung dieles wahrſcheinlich noch jungen 
Sängers kann nicht die Mebe fein. Er. beobachtet bin und 
wieder mit gefundem Auge, und feine Phantafie verarbeitet au 
bas Beobachtete, aber nirgend erhebt fich fein Talent über das 
Niveau der poetifhen STegtwelt. Seine epiſchen Gaben fin 
weder durch Erfindung nody durch die Form ausgezeichnet, und 
befonders iſt legtere überall mangelhaft, und ber Verf. hat kein 
Ohr für wohlklingende gefällige Rhythmen. 

42. Poetiſche Feldblumenkraͤnze. Lieder eines Mitgliedes ber 
Brubergemeine, von Fr. Burkhardt. Leipzig, Fort 134, 
Gr. 12 Nor. 

Reinheit der Heime, Leichtigkeit in der Verfification, Innig: 
keit des Gefühle, und eine Phantafte, die vom guten Hausvas 
ter, bem Verſtande, überall im Zügel gehalten wird,charal⸗ 
terifiven diefe Lieder, deren Zitel Schon von ihres Verf. Beſchei⸗ 
denheit Kunde und Zeugniß gibt. In ihnen tönen freilich nicht 
die Saiten, die von ben jegigen Saͤngern angeſchlagen werden 
und deren Klange bas Publicum fo gern laufcht ; aber fie haben 
dennoch ihren eigenthümlichen Werth. Das Heilige ift ihr Cie 
ment; aber nicht jenes Heilige, im welches füch fonft die Mit: 
glieder der Brudergemeine verfenken, fondern das Heilige, wel⸗ 
ches in dem Boden jedes chriftlichen Herzens wurzelt, keimt und 
Blüten treibt. Kein heuchlerifches Augenverdrehen, fein Koket⸗ 
tiren mit dem füßen, unbeflcdten kaͤmmlein, das der Weit Sünde 
trägt, und kein Schiboteth aus den Zinzendorf'ſchen Andadtt 
buͤchern verfümmert dem denkenden und führenden keſer den 
Genuß, und wie die Religion, als ein unabwelsbares Bedür- 
niß des Menſchenherzens, über jeder kirchlichen Gemeinſchaft ſteht, 
fo ſchweben dieſe Gedichte durdy ihre intenfive, allſeitige Ge⸗ 
fühlsfraft Über jedem GSchulparticularismus. Sie bewegen ſich 
zwar nicht ſaͤmmtlich im Gebiete der Religlon, ſondern find 
auch der Natur, dem Eebenswechfel, felbft der heitern Geſelligkrit 
ı geweiht und verſchmaͤhen nicht, Zeitliches und Örtliche, Gage und 
! Gefchichte zu behandeln. Ais befonders anfpredgenb notiren wir 
 „Memnonstöne” (&. 23), „Die Stunden der Nacht” (&. AT), 

obwol eine fromme Spielerei zu nennen; „An meinem 50. Be: 
burtätage” (S. 54), „Die Heimat“ (S. 63), „Herrnhut“ 

:(&. 145), „Dentfteine” (S. 148), und „Erinnerung an en 

‚16. Mai 1760 (Zingendorffs Todestag). 


: 43. Maler s Sänge von Glaring. Münden, Palm. 184, 
16. 20 Rgr. 

Wir haben in dem Büchlein biefes Kuͤnſtlers von ber Jſar, 
| deren Wellen feit vier Euftren doch ganz melodiſch rauſchen, vorm 
‚ und hinten gebtättert und emfig geforſcht, ob fich an den darin 
' abgedrudten Gedichten nicht irgend ein Merkmal entbeden ließe, 
wodurch fie ein befonderes Gepräge erhielten; aber unfer Be: 
‚ mühen war ohne Erfolg; wir, fanden eö im Innern ebenfo win 
‚ zig und unfcheinbar wie im Außern. Leicht Hätte aber doch der 
Berf., der ja Maler iſt, in lenterer Hinſicht auch für das Auge 
des Leſers forgen können; aber auch das hat er nicht gethan; 








J 
£ 


is. been alogorifchn Beftuten (Mtabirei. und Diähtluufl) 
Dusbepi@iteinigneite entfprechen ben Erwartungen, bie 
in tiefen Hinſicht on eines dichtendan Water macht, deh 
Won einigen Verſtoͤſen gegen die Sprache ſchmei⸗ 


von Moritz Brandee. Manheim, Bensheimer. 
Gr. B. B Nor. 
elegiſche Stimmung, welcher dieſe einfachen Lieber ihre 
hung zu verdanken ſcheinen, ſteht ihrem Berf. recht gut. 
tein ünftiich gemarhter, bei den Haaren herbeigegogener 
wie ihn eine gewifle Dichterkaſte heutzutage liebt, was 
ſpricht; man ſieht und Hört es, Wahrheit ift in dem 
Behmuthögefühl, der Verf. liebt wirklich die Einfamteit, bie 
nädytliche Stille, das Träumen im Mondfchein. Das Spiel 
des Lebens zenigt ihm nicht. Eine fromme Ergebung jedoch 
das Unvermeiblide, und ein daraus hervorgehender Muth, 
mit den übein der Zeitlichkeit zu ringen, gibt den Klagen einen 
Anflug von Kraft, wodurch der ſonſt ieicht aufkommende Gedanke 
an Unmaͤnnlichkeit und Schwaͤche unterdruͤckt wird. Derjenige, 
welchem ſoiche Stimmung nicht fremd iſt, wird dieſen einfachen 
Klaͤngen eine freundliche Aufnahme gewiß nicht verſagen. 
45. Gebdichte von Wilhelm Elias. Kleve, Cohen. 1841. 
8, 1 Tdir. 10 Ror. 

Es ht eine ernſte Reflerionspoefie in dieſem Buche, welche 
ben Leſer mehr feffeln und nachhaltiger wirken würbe, wenn 
es nicht Hin und wieder ben Anfchein hätte, ats habe fich der 
Verf. feine Gedanken ſelbſt nicht klar gemacht und ſchwanke in 
feinen Anfichten. Dan ftößt ſelbſt auf Unbeholfenheiten und 
Ra nien im Ausbrud. Die Sonette leiden weniger an dies 
Tem de und bieten manches Schöne für Ohr und Herz. 
Die Eichen der zweiten Abtheitung find noch tiefer in die Farbe 
der Schwermuth getaucht s fie beginnen: 

Dir gelten meine Lieder, 
Die, Liebfien in ber Gruft, 
Es find bed Grabes Blumen, 
Dir weihn fie ihren Duft, 
us „‚Betalimus (S. 166) iſt erſichtlich, daß philoſophi⸗ 
ſche Aeflexion im Gewande der Rhythmen und Reime, wäre 
fie noch fo geifreih, ohne Glauben, Demuth und Herzensmilde 
alles Ginbruds entbehrt. „An mein Grab’ (S. 229) ift edit 
weiſch und das Iehte Lied: „Einf und Jetzt““, ift nidgt ohne an⸗ 
ſyrechende Cigenthuͤmlichkeit. *) 61. 


Hefetgner 


> 


- 





S Kriften zur dbreibundertjährigen Jubel: 
feier der Schulpforte. 
(Beſchlus aus Nr. 208.) 


Unter ben aus ben vorftehenden Andeutungen ſich ergeben, 

ben Umſtaͤnden und bei dem woblbegründeten, von ber Ver⸗ 
gangenheit der Gegenwart überlieferten, weithin glänzenden 
Ruhme ber Schulpforte war um fo gewifler zu erwarten, baß 
bei dem, im 3. 1843 eintretenden Jubilaͤum ihres dreihundert: 
jährigen Beſtehens zahlreiche Stimmen der Anerkennung Deffen, 
was biefe Schule gewefen und was fie if, der Anerkennung der 
BSerbienfie, die fie im Allgemeinen und im Ginzelnen um bie 
cioffifchen Studien, um die Wiffenfhaften und um bie Wilfen- 
f&aftiichfeit, fowie um die Erziehung ber Jugend überhaupt, 
um Staat, Kirche und Schule ſich erworben, endlich ber Ans 
ertennung bes über die Pforte verbreiteten Ruhms, von nah 
und fern, zu felbfleigenem Ruhme und zur Beſchaͤmung gewif: 
fee Seraͤchter beutfcher Srändtichkett und echter Wiſſenſchaftlich⸗ 
keit, ſich ausſprechen würden; daß es aber auch nicht an war: 
nenden Etimmen Solcher fehlen Eönne, die ba meinten, ed käme 
aun auch um fo mehr darauf'an, den alten Ruhm der Schuls 
vierte zu bewahren und zu behaupten; es muͤſſe vor allen 

Diagm auf dem reiten Wege nach dem Einen Ziele geftrebt 


Gin deittee und letzter Artikel folgt im September. D. Ned. 


unten: Parte time! 
ſtehens ber Gchute zu Poste iſt 3. — vom 

age, am welchem: tm 3 1543 ber Rurfärit Mort bie oden 
aͤhute Berorbnung erlaffen hatte, — gefeiert worden awökges 


sabtreishen Beuguiffe ehrender Anerkennung, bi 
fer Gelegenheit ber Schuipforte öffentticg und mit vollem Gtechte 
von verſchicdenen Seiten her zu hell geworben find, gendgemb 
ſich amögefprodyen, und es kann baber hier um fo weniger be 
won die Rede fein, nodgmals auf jene Feſtb 


ruckzukonmen. Es mag vielmehr in biefee Hinficht 8 
u 


auf bie „Allgemeine Literaturgeitung”, 1843, Ne. 3, 

bes Intelligenzblatts, zu verweilen, im lbrigen aber zu feus 
ten, daß, was auch fonft bie Schulpforte für frühere. Zeiten 
gewefen, und mit welch einem ruͤhmlichen Beiſpiele fe auf dem 
Gebiete claſſiſcher Zugenbbilbung andern Anftaiten bes 
Baterlandes vorgeleuchtet haben mag, es befonbers für wefeee 
Selten hervorgehoben werden müfle, baß fie ein glänzendes 
Mufter tiefer Gelehrſamkeit und Wiſſenſchaftlichkeit auf dem 
Grunde bes griechifcyen und lateinifchen Gtubiums getvefen, und 
eine ſtrenge Disciplin, ſelbſt gegen bie Weichlichkeit der Bei 
anfichten und bie Sittenſchlaffheit des Jahrbhunderts, aufrecht 
r erhalten gewußt bat. Weiche mächtige Auffoderung hierin 
Ar unfere und für bie nachfolgende Heit Liege, ift leicht zu em 
kennen; möge die Auffoderung auf bie rechte Weiſe verfkanden 
und befolgt werben! 


SEs iſt gegenwärtig nur die Abſicht, über die im Eingangt 
biefes Auffages erwähnten Jubelfchriften kurz zu berichten, wor 
zu bie vorfichenden allgemeinen Bemerkungen vorauszuſchicken 
nicht unpaffend erfchien. Diefe Zubelfchriften nehmen für fig 
eine gewiſſe Seibftänbigteit und ein allgemeineres Intereffe, daß 
gerabe nicht 6108 an ben flüchtigen Augenblick fich Eettet, tn 
Anſpruch. Nr. 1 von dieſen Schriften iſt eine Sammtung Yas 
teiniſcher Bebichte, theils epifcher und elegifcher, theils Igrifcher 
Gattung, die von den Schülern in Pforte während der letzien 
zehn Jahre bei verfchiedenen Gelegenpeiten gebichtet, und bier, 
nad) dem Meilpiele ber Musae Ktonenses (1795), von bem 
Rector in Pforte, nach vorheriger Durchſicht und Verbefferung, 
herausgegeben worben find. Es hat daburdy bewiefen werbeh 
follen, was gegenwärtig die Schüler in Pforte in ber lateinis 
ſchen Poefie leiſten. Ratürtich find dieſe Gedichte an Gehalt 
und innerm Werthe fehr verſchieden, doch zeugen fie im Alige⸗ 
meinen von einer gewilfen Kertigkeit und Gewanbtheit, womit 
bier, namentlich in ber epiſchen Gattung, die lateinifcye Yoefie 
gehandhabt wird. Es Yerbient dies um fo mehr Anerkennung, 
je fettener bie Kunft werden zu wollen fcheint, lateinifche Ge⸗ 
dichte F dichten, die nicht blios frei von Fehlern der Proſodie 
find, fondern bie zugleich auch, worauf es hauptfächlidh arm 
fommt, roͤmiſchen Geiſt athmen und eine Iateiniiche Farbe an 
ſich tragen. Und body find ſolche Übungen von befonberer Wich⸗ 
tigkeit, weil babei der Lehrer mit weit größerer Beftimmtheit 
und mit weit mehr Schärfe, als dies bei der Profa gefchehen 
kann, auf die rechte Wahl der Ausdruͤcke, die richtige Wort: 
flelung , die Vermeidung leerer Phrafen unb Flickwoͤrter und 
dergleichen mehr aufmerffam zu maden und auf biefe Weiſe 
audy bei diefer Gelegenheit den Berftand zu Iäutern, bas Urthell 
zu bilden, ben Gefhymad zu veredein und den Sinn für bas 
wahrhaft Antike zu werten und zu beieben Veranlaſſung findet; 
und vor Allem würbe es hier beißen: Ars non habet osorem 
nisi ignorantem. Wir können nicht wünfchen, haben aber auch 
feine Veranlaffung zu fürchten, daß dergleichen osores in Pforte 
und für Pforte die Oberhand gewinnen koͤnnten; aber immer 
möge man bedenken, baß es erfprießlich fei, fich es recht oft 
zu vergegenwärtigen, auf welchem Grunde unfere claffifche Bits 
dung berube, bamit wir um fo weniger uns veranlaßt feben 
Eönnen, wo bie Zwecke wahrer Biidumg zur Humanitaͤt es fos 
bern, auch nicht einen Fuß breit diefe Grundlage zu verlaffen. 
Auf Koften anderer Mittel zu den nämliden Zwecken ber Bils 


dung braucht das nicht zu gefchebens man muß fich aber nur 


Yen, in dem Otreben nad) moͤgkichſt Bielem das rechte Maß 
feften Boden ſelbſt, auf dem wir ſtehen, zu verlieren 
Wolfe flatt der Böttin zu umarmen. Im librigen 
Kenner der neuen (ateinitchen Poeſie in der unter 
Mr. 1 gedachten Ganımlung, und zwar ©. 152 fg., ein nur 
nach dem Gegenftande in wenigen einzelnen Worten abgeänder: 
tes, auch abgekürztes Bebicht Gottfried Hermann’s in Leipzig 
wieberfinden, das derfeibe im J. 1827 bei Gelegenheit ber Thron⸗ 
befkeigung des Königs Anton von Sachſen gebichtet, und weldyes 
fi) nun auch in der Sammlung ber „Opuscula Hermanni‘‘, Bd. 3, 
©. 354 fg., wieberfindet ; der Pförtner Schüler Hatte es im 
. 1840, mit Aufopferung faft aller feiner Seibſtaͤndigkeit, auf 
den König von Preußen angewendet. 

Mr. 32 bat Prof. Wolff in Schulpforte herausgegeben. 
Es tft der Anfang einer Gefchicdhte des Kloſters Pforta, der 
hier gegeben wird, einer Geſchichte, bie bei ber Wichtigkeit des 
Kioſters und ber Schule Pforte, fowie infofern die Gefchichte 
bes Kiofters mit der Gefchichte Thüringens und des Mittelaiters 
überhaupt 'eng verbunden iſt, ihr unläugbares Interefle hat. 
Es find dabei die beiden handfchriftlichen Urkunbenbücher, bie 
Pforta aus ber Kloſterzeit beſigt, befonders benugt worden; ins 
dei bat der Verf. es für zweckmaͤßig gebalten, flatt die Urkun⸗ 
den vollfändig in bem Lateinifchen Originale ober in Auszügen 
mitzutheilen, die nur das Weſentliche kurz zufammenftellen, 
diefe Urkunden faft vollftändig und wörtlich ins Deutſche zu 
überfegen. Manche würden die Urkunden jedenfalls lieber in 
ben Originalen vor ſich haben. Den mitgeipeilten Urfunben 
bat übrigens der Verf. über Ort und Verhältniffe Erläuteruns 
gen beigefügt. Die Darftelung, das Ergebniß ſehr fleifiger 
and mühevoller Studien, verbreitet fih mit großer Ausführlich 
Reit über die Gründung des Klofters und über die erften Zeiten 
deffelben, und wirb namentlich von ben Freunden des mittels 
alterlichen Geſchichtsſtudiums als beſonders verbienftlich anerkannt 
werden. Sie umfaßt bie Zeit von der Gründung bes Kiofterd 
bis zum 3. 1223, und wird hoffentlich feiner Zeit weiter fort: 
führt werben. 

Das „Pförkners Album” unter Nr. 3 ift ein Verzeichniß 
fämmtiicher Lehrer und Schüler der Pforte vom 3. 1943 bis 

843, das von dem Dr. Bitter, Adjunct und zweitem Geift- 
lichen in Pforte, auf den Grund früherer gebrudter Verzeich⸗ 
niffe und fchriftlicher Notizen fowie muͤndlicher Mittheitungen, 
Boat muͤhſam zufammengetragen worben ift, und in der Haupt⸗ 
ache, außer den Namen der Cinzelnen unb ber Angabe des 
Jahrs ihrer Aufnahme in der Schule, ihre fpätern Scidfale, 
wenn audy nicht durchgaͤngig, kurz angibt. Auch bei einer nicht 
u verkennenden Mangelhaftigkeit, die in der Sache ſelbſt und 
n den Umftänden begründet ift, bat biefes Pförtner= Album 
vorzugeweife für ehemalige Schüler der Anftalt, außerdem aber 
aud für die Schule feibft, gleihfam zu ihrer Beglaubigung und 
als ein Zeugniß, worauf fie ſich berufen Tann, ein befonderes 
Intereſſe. Ein ausführlicheres, umfangreicheres Pfoͤrtner⸗Album 
wird durch das vorliegende allerdings nicht ausgefchlofien, viel 
mehr wird die Idee eines folchen durch letzteres erft recht leb⸗ 
haft angeregt; namentlidy aber wird bei biefer Gelegenheit ber 
Wunſch nach einer ausführlichen Geſchichte der berühmtern Pfoͤrt⸗ 
ner von neuem rege, — ein Wunſch, den Schreiber diefes fchon 
früher einmal in db. BI. auägelpradien bat. Das vorliegende 
—— weiſt uͤbrigens 9921 Schuͤler und 254 Lehrer ber 

orte nach. 

Die „Erinnerungsblaͤtter“ unter Nr. 4 ſprechen zunaͤchſt, 
infofern fie hauptſaͤchlich theils den erften Rector der Pforte, 
Sohannes Gigas, beffen Leben, literarifche Thaͤtigkeit u. dergl. 
zum Gegenftande haben (S. 1— 142), theils dem Gedaͤchtniß 
einiger Lehrer der Schule aus dem gegenwärtigen Zahrhundert 
gewibmet find, ebenfalld nur das Intereffe ehemaliger Pförtner 
an, die eben als ſolche an der Vergangenheit der Schule ſelbſt 
SIntereffe nehmen, und diefe Lehrer, deren Andenken bier gefeiert 
wird, gelannt haben; allein fie ſprechen in diefer Hinſicht jenes 


“2 


Intereſſe und dad Gemuͤth übeshaupt in einen ebenſo ruͤhrenben 
als erhebenden Weiſe in einem fo hoben Grabe an, baf wir 
nieht umhin koͤnnen, allen Pförtuern, bie der fruͤhern Pietät 
gegen die alma mater noch gern und freubigsbanfbar ſich be 
wußt find, diefe „Erinnerungsbiätter” zum Lefen zu empfehlen. 
Außerdem aber baben viefe Blätter au im Allgemeinen, wie 
zum Theil fon aus bem Gefagten felbft hervorgeht, theils ein 
literarifches, theild ein päbagogifches Interefle, um deſſen wil: 
ten fie auch in weitern Kreifen Beachtung verdienen dürften, 
welcher felbft dadurch, daß man fi) an eine gewiffe, in einer 
etwas falbungsvollen Darftellungsart beftebende Eigenthuͤmlich⸗ 
—F ben, Bert. gleichfam erſt gewöhnen muß, kein Eintrag ge 
eben kann. 


So viel über dieſe obgedachten Jubelfchriften bei Gelegen⸗ 
beit der dreihundertjährigen Feier ber Schulpforte. Bedenken 
wir am Gchluffe noch einmal, was uns befondırs zu dem Bor: 
ftehenden veranlaßt hat, fo können wir nun um fo weniger un 
terlaffen, noch eines Zeugniffes über Pforte hier zu gedenken, 
beffen Ausfteller, ein gründlicher Kenner des claffiichen Alterthumt, 
ein wahrer Pricfter reinfter, edelfter Humanität, wol von kei⸗ 
ner Seite ber verdächtigt werben fann. Es ift ber ehrwuͤrdige 
Friedrich Jacobs. Derfelbe berührte auf einer Reife im 3. 1 
auch die GSchulpforte. „Ich betrat damals’’, fo fchreibt er in 
feinen ‚‚Perfonatien’’ (Leipzig 1840, &. 268 fg.), „die be 
rühmte Pforte, aus der fo viele trefftiche Gelehrte und Lehre 
hervorgegangen find, zum erftien Male, fie mit der Ehrfurdt 
begrüßend, auf bie keine Anftalt gleicher Art mit größerm 
Rechte Anſpruch zu machen hat. Wie viele Ummätlzungen der 
Zeit und ihrer pädagogifchen Syfteme hat fie überlebt! Wie hat 
fie mit fliler Würde alle phitanthropifchen und realiftifchen Ans 
griffe ohne Kampf und Streit überwunden! Toͤnt nicht ihr Lob 
aus dr Munde Aller, bie ihre Pflege genoffen haben? Senden 
fte nicht auch ihre Söhne diefer nämlichen Pflegerin gründlichen 
unterrichts zu? Iſt fie nicht, wie vor Jahrhunderten, noch jeht 
die ſtille Heimat einer gebiegenen claflifchen Gelehrſamkeit, bie 
von den Weltleuten oft mit Worten verfpottet, aber, wo fie 
ſich kund gibt, im Stillen bewundert wird? eine wohlmwollende 
Mutter, bie ben Geift ihrer Kinder durch firenge Gelege ftärkt, 
feine Freiheit durch Zucht nähert und fichert, und, indem fie 
ftraft, bes Gegend gewiß ift, mit dem einft ber Geftrafte ihr 
danken wirb g Das Urtheit, das Zeugniß, weiches Jacobs in bie 
fen Worten über bie Schulpforte ausfpricht, ift fo fehr auf eime 
genaue Kenntniß der Eigenthuͤmlichkeit diefer Anſtalt gegründet, 
fo fehe von der Wahrheit und von dem Gefühle hoher Pietät 
durchdrungen, daß man zu bedauern ſich faſt verfudht fühlen 
Eönnte, daß Jacobt — kein Schüler dee Pforte ſelbſt if. Shit 
fie diefes Urtheil des ehrwürbigen Iacob& in einem nicht gerins 
gen Grabe, fo ift das Wort Friedrich Wilhelm’s III., weiches 
uns Cylert ( „Gharattergüge aus dem Leben Friedrich Wil⸗ 
beim’s III., Bd. 1, ©. ) von ihm über bie Schulpforte 
überliefert hat, nicht nur ein Wort ehrender Anerkennung, fons 
dern auch eine bebeutungsvolle Mahnung. „Habe viel Gutes’, 
alfo lautct dieſes Wort, „von Schulpforte gehört, und follen 
die Beamten, bie auf derfelben gebilbet find, vergleichungsweiſe 
bie gründlichften und beiten fein. Mag wol mit ber geiftigen 
Speife gehen, wie mit der koͤrperlichen; es kommt nicht 
darauf an, daß man viel genießt, fondern daß man Das, 
was man genießt, gut verbauet und in Kraft und Gefunbheit 
verwandelt ” Wir wünfchen von Herzen, daß die Dahnung, welche 
in diefen Worten Liegt, nie überhört werben möge. 31. 





Notiz. 
‚ „Ja Philadelphia hielt vor kurzem ein Hr. Ginal eine oͤffent⸗ 
liche Vorleſung in deutfher Sprade über Monarchie, 
Ariftokratie und Demokratie. Es hatten ſich zahlreiche Zuhörer 
eingefunben. E 33. 


, Borantwortlicher Herausgeber: Heinrich Broddaus. — Drink und Verlag von F. A. Brockdaus in Beipzig. 








Blaͤmter 


ir 


literarifche Unterhaltung. 





Sonntag, - R 


30. Juli 1843. 





Die ——5 Zerwuͤrfniſſe in Zürich non 1839. 
Dritter und Ichtes Artikel.*) 


Die kirchliche Partei im Großen Rache ımd das Gen: 


tentosımite behaupteten mit Worten fortwährend, daß bie | 


Dolkstewigung durchaus Teime polltiſchen Zwecke babe. 
Mnd Gr. Dr. Belzer behauptet Daflelbe noch im J. 1842. 
Eher ſchon in der Rathöfigung am 31. Fan. fagte Staats: 
anwalt Urkh: „Dan bat uns ja prophezeit, daß die 
GStrauß ſche Frage eine ſolche ſei, über welche die Ras 
dcealen endlich einmal den Hals brechen werden.“ 
Übtigens MR es laͤcherlich, auch nur darüber zu ſtreiten, 
ob ein poelitiſcher Zweck den Demarchen ber Firchlichen 


Partei zum Grunde lag. Alles, was fie von der Regie: 


rung verlangte, war ein Zuwachs von Rechten, gzwar für 
die Kieche, aber von politiſchen Rechten. Auch waren die 
Mittel, Ye man anwendete, durchaus politifcher Matur. 
Wenn man erftärte, Beine ungefegliche Gewalt anwenden 
zu wollen, fo zeigte man doc, daß man ſich wohl bewußt 
fel, diefe Waffe in der Hand zu haben. Folgende Stelle 


kam in ber Abreſſe des Centralcomiteé an den Großen 


Kar vr: une 4 

Es iſt Alles geſetzlich hergegangen... allein das 
Bolt᷑ befindet ſich in —— Sonnen. wie im bödften 
Grabe ber Krafı t... Jeder Miderftand ber Regierung, 
dem Bolköwillen In gieer Dinficht feine Rechte zu verfagen, ift 
gefährliih (S. 191). 

Und in dem Sendfchreiben an die Kirchgemeinden 
hieß es: 

Sie wäre wahrlich ein entartetes Geſchlecht die jetzige Ges 
neration des Gantons Zürich, wenn irgend eine weltliche Macht 
es vermögen fellte, ihr (rm Giauben an bie unmittelbare Sen: 
bung eines Weltheilands . . zu nehmen u. f. w. Frei ge⸗ 

und gewohnt, ihre Gefühle ohne Scheu autzudruͤcken, 
37 "fe ſich beleidigt, gekraͤnkt in den heiligften Rechten ber 
Menſchheit, durch eine, ohne den Volkswillen zu befragen, in 
den Annalen der Geſchichte beiſpiellofe Verfuͤgung uͤber ihre re⸗ 
ligioſe Zukunft, und — wie Ein Mann und Eine Beele 
Bebt fie auf u. ſ. w. 

Ja dee politifche Charakter, den man ber ganzen Ber 
mwesung zu geben fuchte, war fo ſtark ausgeprägt, daß dafs 
ſelbe Sendſchreiben fogar folgende Hypotheſe enthielt: 

Die fociaten Buflände würden der Probirftein idetller 


ſiegebilde werden (durch die Seitens der Regierung an⸗ 


9 Fr den erfien und wpweiten Artikel in Nr. BE— 17 und 





— begonnene Rirherreform), u und das Wand, das ums voch 


n unfere zeformirten, ihrem Glauben petreuen ib au 
tatholifchen Brüder enfelieht, dürfte vollenbö zerfchnitten wer⸗ 
den... Mit dem Verlufte unferer Gewiſſens⸗ und Gemuͤths⸗ 
rube wäre auch unfer fchweizerifch « politifcher Verband zu 
Grunde gegangen. Innerlich und aͤußeriich zernichtet wärben 
wir dem verdienten Untergange aller fittlichen And politiſchen 
Kräfte entgegenfchreiten u. ſ. w. (&. 187.) 

Der erfle Entwurf der Petition vom 10. März hatte 
folgenden (bei den Haaren berbeigezogenen) Eingang: 

Es gibt im Leben der Staaten Diomente, wo bie gefehe 
mäßigen Gewalten ihre Befugnifle überfchrriten, bie Voͤlker eo 
erheben und dieſe Miebraͤuche — beftzafen. Die Geſchichte 
gibt dazu Belege, und einer ber neueiden if hie 1830 flattges- 


: habte —— des franzoͤſiſchen Bolks gegen feinem König, 


der die orthanen nbergriffe mit dem erinfte feines Stroms 
büßen mußte ıı f. 


Endlich —28 die Berufung des Dr. Strauß mittels 


einer merkwuͤrdigen Deduttion Tlr verfaſſungswidrig er: 


kluͤrt, indem zwar die Wahl des Profeſſors der Regierung 
zuſtehe, die Regierung aber doch nicht die Verfafſung durch 
ihre Wahl verlegen dürfe, was aber durch die Berufung 


.de6 Dr. Strauß geſchehen fei, da durch diefe Berufung 


die der Theologie Befliſſenen in die Irrlehren dieſes Man⸗ 
nes eingefuͤhrt wuͤrden und unfehlbar der Verfall der Lan⸗ 
deskirche eintreten muͤßte. 

Indeſſen war mit der Penſionirung des Dr. Strauß 


jeder auch nur ſcheinbare Grund zur Rechtfertigung einer 


Auflehnung gegen die Regierung weggefallen. Man wird 
fi) erinnern, daß das Centralcomité ſelbſt fi geweigert 
hatte, um Abfegung des Seminardirectors Schere zu pe⸗ 
titioniren, weil dieſer durch die Verfaſſung und das Ge⸗ 
ſetz davor geſchuͤtzt ſei. Ploͤtzlich wurden Gerüchte ausge⸗ 
breitet, als gehe Scherr damit um, die Schule ganz an 
die Stelle der Kirche zu ſetzen S. 327). Und am B. 
Aug. erließ das Bentrafcomite einen Aufruf: „An bie 
Bürger der vereinigten petitionirenden Kirchgemeins 
den’’, worin e8 heißt: Zwar habe die Regierung die Nie: 


‚ derfegung einer Prüfungscommiffion für bie religiäfen 


Lehrmittel, die Vermehrung der Religionsſtunden in ben 
Volksſchulen, die Übertragung der Wahl von Religions: 
kehrern für Seminar: und Cantonsſchule an die Geiſt⸗ 
lichkeit, die Übertragung des Religionsunterrichts in der 
Repetirſchule an einen Geiſtlichen u. A. den Wuͤnſchen 
des Volks gemäß berofiligt. Indeſſen obgleich das Gomtte 
biern „einige Beruͤckſichtigung der Bolkswünfde" anerz 


| foboß man gu ber 
sfobert wi babe feine Dichtung 
U nach der Gedichte der Tage, in: weichen Dumsuvieg 





zur Boarbeitu 
bein, daß diefe Darftellung auch dem Lefer aus andern Gtäns 
den Stoff zur Unterhaltung und zum Nachdenken geben werde.“ 
Die Bemerkung Des Verf. fcheint uns neu und in Bezug 
auf den Dichten bed „Wallenflein‘ überaus bebeutend zu fein; 
wie empfehlen fie ber eigenen Wuͤrdigung bed Lefers. Es fei 
und jadoch geflattet, aus biefer jo anziehensen Darfiellung ein 
5 Momente hervorzuheben, weiche beinahe unverkennbar aͤhn⸗ 
Iihen Momenten in ber Dichtung Schiller's zum Grunde: geiss 
gen zu haben feheinen. Seinen Oxenſtierna fand Dumouriez an 
Seburg, feinen Baner an Obriſt Mad; fein Queſtenberg war 
Senrnonville und bie Commiſſare des Gonvents, Camus, Las 
meque, Bancal; fein Octavio Piccolomini war ber Großpro⸗ 
fae Seuper; fein Io, Teriky und Tiefenbach waren Valence, 
ot, Montjoie, Devauz, Neuilly, Ruault und Berneron 3 
fein Heer war in Haß und Liebe, in Entſchloſſenheit für ihn 
und in ſchnellem Abfall ganz das Wallenftein’s und feine Pap⸗ 
waren die Volontairs vom dritten Bataillon ber 
Marne. Hören wir nur den Verf.: „Am I. März verlangen 
ſecchs Volontairs des „dritten Bataillons von ber Marne ben 
Feidherrn zu ſprechen. Diefer läßt fie kommen. Sie tzeten vor 
{fa mit militairiſchem Anftande und nehmen Gewehr beim Fuß. 
Die ‚Hüte trugen fie verkehrt, bie breitern Stuͤte vorn, darauf 
jeher mit Kreide das MBort ‚Republique‘ geſchriebon. 
er General erlaubt, daß fie schen. Der Wortführer beginnt 
alabald: wie er höre, daß bez Beneral bas Vaterland verrathen 
weile, daß ex nicht baran glauben Eönne, baß aber kein Mittel 
varhanden fei, fidy won dieſem Verdachte zu wetten, als vor bie 
Gehronten des Gonwente zu treten. Dumouriez läßt ihn bis 
zu Ende reden. Dann macht er einige Geitenfragen und ſoricht 
in allgemeinen Ausdrüden. Diefe Außerungen werben vielmal 
unterbrochen, endlich kuͤndigen ihm bie Soldaten an: wenn er 
ſich weigere au geborchen, fo fähen fie bie Beſchuldigung als 
emwiehn an, und für diefen Fall hätten fie ſich verſchworen, 
ie umsmbringen. Dumoupiez antwortete mit ruhigem Son, 
ige Gifer führe fie zu weit. Wenn ihnen daran Läge, das Was 
testand zu retten, fo müßten fie erkennen, daß das Ungehauer 
dee Anarchie geflürzt werden muͤſſe. Diefe habe Frankreich ins 
Wenberben gebracht u. |. w. Dieſer Verſuch des Generald miss 
lingt, das Geſpraͤch wird hieig, bie Soldaten umringen ihn, 
ee Scheint verloren, ba fpringt fein Diener Baptiſte herbei und 
befgeit ihn” m. ſ. w. . 
Unter fo aͤhnlichen Nebenumſtaͤnden entwickelten ſich zwei in 
ihrenn Weſen verwandte geſchichtliche Ereigniſſe; beide Unter: 
nehmnungen fcheiterten aus zwei Gründen, erſtens weil die öfs 
fanttiche Meinung fie nicht unterfiügte, und weil die Hand, bie 
zu idrer Ausfuͤhrung berufen war, im entſcheidenden Augenblick 
Jauderte. Auf der andern Seite iſt es eine hiſtoriſche Merk⸗ 
wördigfeit, wie geringen Nutzen die Verbuͤndeten aus bee Ver⸗ 
wirrung sogen, weiche Dumouriez' Beginnen über ‚bie franzoͤ⸗ 
fifdge Wacht brachte; 90,000 Mann bewährter Krieger ſtanden 
woͤlf Märfehe von Paris entfernt, batten auf ihren Flanken 
Seinen Feind zu fürchten und vor fich einen aufgelöften Heer⸗ 
haufen, der Faum einigen Widerſtand leiften Eonnte. Und den⸗ 
noch kam Niemand auf den Gedanken, über Balenciennes hinaus 
zu marſchiren. So beſchraͤnkt war die Auffaffung Exiegerifcher 
Unternehmungen in jener Zeit! 












Der vierte Band faßt ſechs Biographien und Rekrologe zu⸗ 


fammen, wie wir glauben, bie friuͤheſten ſchriftſtelleriſchen Ver⸗ 
fudhe des Verf. Die „‚Lebensgefchichte Fürft Karl v. Schwars 
zenberg's“ ift ein aͤußerſt flüchtiger Auszug aus ben „Denk: 
würbigleiten aus dem Leben des Feidmarſchalls Kürft v. Schwar⸗ 
zımberg“'; ein Anhang wiberlegt einige Einreden ber Beipgiger. 
diteraiur⸗ Zeitung”. Die Biographie des Herzogs Don Reich 


fteht, den ber - ſehr nahe ftand, ift mit non Neigung unh 
Liebe begeifterter Hand entworfen, und läßt nur bedauern, baf 
der Biograph nicht zu größerer Ausführlichkelt Cut und Mufe 
fand. lider Wityelm dv. Degen, den Verf. von „‚Dys-Na-Sere”, 
mit weichem ker Autor als Drbonnanzo des arten v. 
Schwarzenberg tm J. 1820 gleichen Dienſt theilte, folgen einige 
warme Worte, welche Beide, den Beſchreiber und den Beſchrie⸗ 
benen, ehren. Dieſen folgt ein ziewlich umfaſſender Auszug aus 
Meyern’s Hinterlaffenen Schriften, welche feitbem gefammelt er: 
ſchienen find. Diele biographifchen Notizen von der Hand eines 
Freundes würden jene von Feuchtersleben herausgegebene Samm⸗ 
lung geziert haben und wir bedauern, baß fie dem Gammier 
unbekannt — zu ſein ſcheinen. 

Oen alu machen einige kurze Rotigen Aber den Drik⸗ 
ten in diefem Bunde, Über Graf Johann Saar, gleichfalls aus 
der nächfien Umgebung bes Mürften v. Schwarzenberg, dem us, als 
ihn in Leipzig, gerabe ficken Iehre nach feinem rubmgelrön- 
teſten Eabenstage und auf bemfsiben Plage, wo ihm ber un 
flerblidye Sieg zufiel, ber Zodesengel erreichte, das Auge ſchloß. 
Wir entlaſſen hiermit die Sammlung Meiner iften des 
Berf. nicht ohne Dank für die Bufammenftellung dirfefben. Wir 
nehmen daraus bie Überzeugung mit, daß der Verf. nach im 
vollen Auffteigen in feige Laufbahn :begyiffen und daß in vie 
len Richtungen Hin noch als eine erfreuliche und dankens⸗ 
wertpe Leiſtung von ihm zu erwarten fei. 





Literarifche Notizen aus Frankreich. 

Die ruͤhmlich beisante „Bibliothägue latiue - fran- 
oaise" ven Panckeucke wird jest in einer zweiten Serie, von 
dev bereitd ber erfte Band erfdyienen iſt, vervollſtaͤndigt und 
esgängt. In der erften Abtheilung bat fich ber gelehrte Heraus⸗ 
geber bekanntlich auf bie Werke der vorzüglichen Dichter und 
Proſaiker Ver Iateinifchen Literatur befchrändt, ſodaß ihm für 
diefe zweite Abthellung, in der bie Kleinen und unbeachteten 
Werke der beffern Zeit und insbeſondere die werthvollezn Sehrift⸗ 
fellee aus bez Beit bes Verfalls mit franzöfiicher überſetzung 
herausgegeben werben follen, noch eine reiche Nachleſe —* 
geblichen iſt. Der erſte Band dieſer neuen Sammlung enthält 
eine Auswahl von kleinern Poeſien, bie nur feltenge gelrfen 
werben, und bie doch in mehr als einer Beziehung für das 
Stubium des Alterthums nicht ohne Intereffe fand. Wlan muß 
es dem Derandgeber Dank willen, daß er einzelne bexfelben, 
von benen oft noch gar feine Iedbare Ausgabe vorbanben ift, 
wicber aus ihrer Bergefienheit hervorzieht. Wir erwähnen von 
benfeiben nur den Aulus Gabinus, Gratlus Faliscus, Kracaftor 
Alcon u. f. w. Die liberfegung diefer Dichter rühzt von Ga- 
—— her, der Geſchmack mit Treue zu vereinigen 
gewußt hat. 


überſetzungen des Virgil und Boraz. 

Pongerville ift eine von ben alten ehrwürdigen Geftalten 
ber Academie frangaise. Er hat fih turd feine ſchulgerechte 
und wohlverfificiete Überfegung bed „Lucrez“ die Sporen vers 
dient und feitdem iſt er nie ein Daarbreit von ben Foberungen 
des gulieiömus abgewichen. Seine Worte find: „Die Claſſiker, 
die Glaſſiker, und wieder die Claſſiker!“ So hat ed ihm denn 
ein dringende Bebürfniß ber Zeit gefchienen, in einer Übers 
fegung bes Virgil den auf den Pfaden bed Romanticiömus ver: 
irrten Schafen eins von ben vollendeten Muftern der Schönheit 
vorzuhalten. Wenn feine Überfegung wenigftens in Verſen wäre, 
jo hätten wir nicht& dagegen einzuwenben; aber was Jollen wir 
mit gewöhnlichen profaifchen Überfegungen, wie wir fie deren 
ſchon ein Dugend haben? Hr. v. Pongerville ſchreibt noch dazu 
eine Profa, in der überall der Alerandriner durchblickt. Deſto 
mehr Gefallen finden wir an einer Überfegung bes Doras_von 
Michaux, bei dev man nit weiß, ob man die Treue der Über: 
fegung .oder bie Anmuth und Leichtigkeit der Form mehr be⸗ 
wundern foll, e 


Berantwortliher Herausgeber: Heinrich Brockhaus. — Drud und Berlag von 8. U. Brodhaus in Leipzig. 








Blätter 


für 


literarifhe Unterhaltung. 





Montag, 





Die Strauß'ſchen Zerwürfniffe in Zürich von 1839. 
Dritter und legter Artikel. 
(Befdluß aus Nr. 211.) 

Inzwiſchen ſollte die Regierung den 9. Sept. nicht 
mehr erieben. In einem Gebirgsderf des oͤſtlichen Cans 
tons, in einer Gegend, wo Armuth, Unwiſſenheit, Starr: 
finn vorzugsweife herrſchend find, in Pfaͤffikon brady ber 
Sturm los. Sein Urheber, der Pfarrer Dr. Bernhard 
Hirzel, erzaplt feibſt: 

Der biofe Gedanke an frembe Einmiſchung, an Zwang zu 
verabfcyeuten Zwecken von Seiten einer verachteten Regierung 
regte mid; und Alte, denen ich den Mahnbrief des Comité mit: 
theilte, bergeftalt auf, dab win lieber fterben wollten als folchen 
Zwang erbuiten. Sogleich benachrichtigte ich-bie umliegenden Ger 
meinden, daß fie auf die Glocken von Pfäfftton achten möchten, 
und überlegte ſodann mehre Stunden lang, allein vor 
Gott, die Lage ber Dinge. ’ 

Das Refultat der Überlegung war blos, man müffe 
der $ntervention zuvorfommen, wenn man nicht alle bie: 
ber errungenen Vortheile einbüßen wolle. Alſo — er ließ 
Sturm läuten. Nun böre man den Pfaffen: 

Eine allgemeine Bewaffnung fand nicht flatt, weil wir 
6108 durch eine moraliſche Demonftration, nicht durch 
BVaffengewalt, die Regierung zur Erfuͤllung der Volkswuͤnſche 
bewegen wollten; aber — es bewaffnete fidy ein kleinerer Theil, 
um bamit dem Zuge ein gewiffes Anfehen zu geben (&. 380). 

Das Centralcomite war auf diefe Übereilung feiner 
Sache nicht vorbereitet. Hürliman : Landis war ruhig zu 
Haufe in Richterſchwyl. Als man am 5. Sept. Abends 
hörte, daß Stuͤrmende im Anzug wären, wurde der Actuar 
des Gomite Spoͤndlin abgeſchickt, die Bauern zuruͤckzu⸗ 
weifen, weil (des Präfidenten Worte) „man fie nicht ges 
rufen und in der Stadt fir weder brauchen könne noch 
wolle‘. Spöndlin fchrieb zugleih an alle Seegemeinden, 
fie möchten durchaus nicht eher aufbrechen, als big das 
ComitE in Neumünffer (erfte Gemeinde am rechten Ufer 
naäͤchſt Zürich) Sturm läuten laſſe. 

Der Zug von Pfaͤffikon war bei Dübendorf ſchon auf 
45000 Mann angefhwollen. Dier erhielten file die 
Anffedrrung des Somitd, nad Haufe zu geben, kehrten 
fih aber nicht daran und rückten weiter auf der Straße 

gem Zürich vor. Auf ber Höhe dee Winterthurerſtraße, 
mm Oberſtraß trafen fie auf zwei Abgeordnete des Regie⸗ 
rungttaths, welche fie befragten, was fie für Wünfche haͤt⸗ 
ten. Dr. Rahn : Efcyer langte gleichzeitig von Seiten bes 





— Nr. 212. — 


m — 





31. Juli 1843, 








Comite an. Als Wuͤnſche des Volks wurden ausgeſpro⸗ 
hen: 1) Erfüllung ſaͤmmtlicher in der Adreffe von Cloten 
Eundgegebenen Wuͤnſche; 2) beflimmte Erklaͤrung, daß 
man feine Intervention zulaffen werde; 3) Losfagung 
vom Giebner: Soncordbat. Mit diefen Aufträgen Echrten 
bie beiden Abgeordneten nach Zürich zuruuckk. Ohne jedoch 
die Antwort der Regierung abzuwarten, ging die Maffe, 
von der fich die Hälfte ſchon wieder verlaufen hatte, alfo 
etwa 2000 Dann, mit Stöden u. dgl. bemaffnet, voraus 
aber gegen 20 Scharfſchuͤtzen und etwa 100 Mann mit 
Infanterieflinten und andern Waffen, gegen Zürich los. 

Da das Comité fah, daß ſich die Heranziehenden niche 
mehr abweifen ließen, fo that e6 ben legten Schritt. Man 
bot den allgemeinen Landflurm auf. Hürliman : Landis 
fchrieb an einen Bezirk: 

. Laßt Sturm läuten, Brüder! vereinigt euch zum Scuge 
der verlegten Religion, der verlegten Werfaffung, der Grundlage 
einer befiern Zukunft (S. 3890). 

Die Gemeindevorfteher in Neumünfter ließen fi) lange 
bitten, die Glocken zu ziehen; endlich veichen fie den bein: 
genden Borflellungen und flürmtn. Das Sturmgeldute 
ging dann meiter den See entlang von Gemeinde zu 
Gemeinde. | 

Die Pfäffitoner rüdten unter Abfingung bes Liedes 
„Dies ift der Tag, den Gott gemacht”, in die Stadt ein, 
und dann vom Rathhausplage aus, auf Rahn⸗Eſcher's 
Kath in zwei Haufen, deren einer über die untere Brücke, 
Hirzel und die Schügen an ber Spige, der andere unter 
Rahn-⸗Eſcher's Führung über die obere Brüde zog, nad 
dem Sraumäünfterplage, an welchem das Zeughaus Liegt. 
Regierungsrarh Wyß batte auf die Kunde vom Sturm: 
läuten in Pfäffiton als Präfident des Kriegsraths dem 
Oberſten Hirzel Vollmacht gegeben, die Mititairfchule „zum 
Schus und zue Sicherheit der Perfonen und des Eigen⸗ 
thums ſowie der verfaffungemäßigen Behoͤrden“ zu ver: 
wenden, eine Bollmadht, die der um 4 Uhr Morgens zus 
fammengetretene Regierungsrath beflätigte, mit bee nähern 
Beſtimmung, dag Oberft Hirzel „ausgedehnte Vollmacht“ 
habe. Die Bürger Zuͤrichs erhielten zugleich, auf Antrag 
ihres Vorſtandes, Erlaubniß, fih „zum Schuge ber Pers 
fonen und des Eigenthums“ aus dem Beughaufe zu bes 
waffnen. 

Ich laſſe jegt den Pfarrer Hirzel weiter erzählen : 





Gegen die Mändung der Storchengaſſe in ben Fraumuͤn⸗ 
#terplag hörte ich plöglih Cavalerie heranfprengen , lief ſchnell 
vorn an die Schägen, und — (nun höre man wieder den Pfafs 
fen!) rief ihnen zu: „Um Gotteswillen nicht zu feuern, bie 
Zwei von uns tobt darniederlägen, bamit wenigftens wir nicht 
den Bürgertrieg anfangen.” In diefem Augenblick ſah 
- ih die Dragoner mit gezuͤcktem Saͤbel —"’ 

Doch — id muß bier bemerken, daß unfer Berf. les 

diglich die Hirzel'ſche Erzählung mittheilt, und die vom 
Major Uebel gegebene Darfiellung des Vorgangs (vergl. 
„Leipziger Allgemeine Zeitung”, 1839, Nr. 270) vers 
fchweigt. Er traut dem Pfarrer mehr als dem Offizier. 
Ich will Leinen Zweifel In die Aufrichtigkeit des Pfarrers 
Hirzel fegen, aber ich frage, wer verdient in Betreff der 
- Schilderung eines Treffens mehr Glauben, der brave, er: 
probte Prieggeübte Offizier, der gewiß keinen Augenbiid einem 
Volkshaufen gegenuber die Ruhe und Aufmerkfamkeit verlor, 
oder der fanatifche, heftig aufgeregte, durch das Zuſammentref⸗ 
fen überrafchte Pfarrer, der den Bericht des Majors „ganz 
unrichtig” nennt, aber ſelbſt geſteht, nicht mehr recht zu 
wiffen, was nach dem erſten Wortwechſel mit Major 
Uebel, defien er ſich ganz Mar erinnern will, vorging? 
Da Hirzel’s Darftellung überdies das Andenken des bras 
ven, feitdem in Algier an einer Wunde geftorbenen Offi: 
ziers befleckt, fo ſchalte ich hier einen Auszug aus Major 
Uebel's Darſtellung ein. 

Uebel hatte von Hirzel Inſtruction, den Muͤnſterplat 
von Menfchenmaffen frei zu halten, und wenn bewaffnete 
Haufen ſich näherten und nicht zuruͤckwollten, die Waffen 
zu gebrauchen. Als ſich der Hirzel'ſche Haufe an ber 
Mündung der Storchengaſſe zeigte, fprengte ihm Uebel 
mit feinen Reiten (20 Mann) entgegen, und rief: „Zus 
ruͤck! der Pag fol frei bleiben !’’ Hirzel antwortete: „Friede!“ 
Uebel: „Ja wol, Friedet aber der Platz ſoll frei bleiben. 
Ihr dürft nicht vorcüden.” Hirzel abermals: „Friede!“ 
Sept riefen Leute hinter ihm: „Vorwaͤrts!“ und legten die 
Gewehre an. Oberſt Hirzel, der zu Fuß von hinten ber: 
ankam und alle Savaleriften riefen: Zuruͤck!“ Da fiel aus 
dem Haufen ein Schuf. | 

irzel, der Pfarrer, erzählt dagegen : 

Er fa bie EA nit gezädtem Saͤbel hart vor mir, 
trat bin vor Major Uebel und rief fo Laut ich konnte: „Wir 
kommen blos, um unfere friedlichen Unterhanblungen mit dem 
Stegierungsrathe fortzufegens ich beſchwoͤre Sie, beginnen Gie 
keinen Bürgerkrieg!” (Man denke fi biefe Zirade in biefem 
Augenblick. O guter Pfarrer) Allein Hr. Uebel fprad 
fein Wort, wenigftend hörte ich keinen Ton, und fah feine 
Lippen fidy nit bewegen. Vielmehr zog er fih mit feinen 
Dragonern ein paar Schritt zurüd. Ich hoffte ſchon, er 
würde abfleigen und mit mir fpredhen, allein er glaubte 
vielleicht, daB er vor den nun wirklich angehaltenen Stugen 
meiner Leute weniger ficher fei als ich zwifchen biefen und 
den Pferden u. f. w. feiner Leute: er fprengte zum zeiten 
Mat auf uns ein, bie wir unbeweglich ftille hielten; wieder 
derfeibe Zuruf von mir, wieder keine Antwort, nochma⸗ 
liger Ruͤckzug. 

Dann erzählt Hirzel, aber aus unbeflimmter Erinne: 
rung, die Gavalerie fei zum dritten Male angefprengt, der 
Schuß gefallen, er wiffe nicht, ob aus bem Haufen feiner 
Leute, oder aus einem Haufe, ein Dragoner habe dann 
auf ihn, Pfarrer Hirzel, loshauen wollen, diefen Dragoner 


habe ſammt feinem Pferde ein Schuß niedergeſtredt, die 
Dragoner felen entflohen, ruͤckwaͤrts noch einmal feuern 
und „ihr Heldenmuth babe ſich gegen die Unbewaffnetm‘ 
bie über die obere Bruͤcke. heranzogen, gewandt. In die 
ſem Augenblicke Habe er, mit ſchwerem Herzen, gerufen: 
„Nun denn in Bottes Namen vorwärts!” „Zum Feurrn 
— (hört den Pfaffen!) foderte ich niemals auf,” De 
ganze Zug fei dann an dem gefallenen Dragoner vorbei: 
marſchirt, der ſich unter dem Pferde hervorarbeitete, „ohne 
ihm ein Haar zu kruͤmmen“, gegen die Mitte des Plage, 

Hier erfuhren wir erſt recht die Schaͤndlichkeit und Rie 
berträchtigkeit ber Gegenpartei. Richt offen, Dann gegen Mann, 
wagte fie zu kämpfen, fondern feige verkrochen fie ſich in die 
Häufer und richteten ihre meuchelmdrberifcyen Schäffe auf ihre 
Brüder u. f. w. 

Major Uebel erzählt dagegen weiter: 


As der Schuß fiel, vief Pfarrer Hirzel: „Run ben, in 
Gottes Namen fchießt 1” Ein lebhaftes Rottenfeuer erfolgte, mes 
von mebre Gavaleriften und Pferbe getroffen wurden. Katic 
lich gab jest audy die Gavalerie Feuer. Ich konnte aber nicht 
baran denken, mit 20 Neitern eine in enger Straße dicht zu 
fammengedrängte Maffe von mehr als 2000 Menſchen, meik 
lebhaft auf uns feuerten, zurüdzumwerfen; auch bemerkte ih in 
biefem Augenblid eine zweite feindliche Maſſe über die obere 
Brüde uns faft im Rüden gegen den Platz vorrücen : ich führte 
daher die Gavalerie an das Zeughaus neben bie Infanterie zu: 
rad; unterwegs machten wir noch zweimal Front, um Kaue— 
raden zu retten, deren Pferde geſtuͤrzt waren. Die feinblihe 
Mafle folgte uns, blieb aber im Vorgehen nicht dicht zufammen. 
As biefe Haufen am Zeughaufe ankamen und auf wiederholt 
Zur uͤckrufen nicht wichen, fondern wüthend andrangen, gab bie 
Infanterie Beuer und bie Gavalerie brach Hervor. Rach einem 
turzen Gefecht zogen ſich bie feindlichen Baufen in mike 
Flucht zuruͤck. 

Wenige Minuten ſpaͤter kam von der Regierung der 
Befehl, das Zeughaus am die Stadtwehr zw übergebm 
und bald darauf ein zweiter Befehl, die Militairſchule zu 
entlaſſen. 

Oberſt Hirzel und Oberſtlieutenant Sulzberger verlangten, 
mit der Schule in Maſſe nad) Dietikon an ber Grenze dei 
Cantons zu marſchiren, um fie dort zu entlaffen. Dies wurde 
auf Das entfchiedenfte verweigert und wir mußten einzeln, fo 
gut Jeder konnte, bie Stadt verlaffen. Alle Gavaleriften muf: 
ten in andere Gafernen geben, um ſich der Wuth der fanatilir 
ten Maffen zu entziehen; G@inzelne haben auf ihrem Wege noch 
Schüffe belommen. — — ALS bie Leichen ber Gebliebenen 6 
im Ganzen) in der Kirche aufgeftellt waren, haben die Lenker 
bes Glaubens die Haufen der Bauern vor ben Leichen vorüber 
geführt und ihnen gefagt: Seht! Dem hat Major Uebel den 
Kopf zerhadt, Jenen erſchoſſen u. f. w. 


Auh dem Oberſtlieutenant Sulzberger hat Pfarrer 
Hirzel noch eins angehängt. 

Es ift zu bemerken, daß bie Infanterie ſchwerlich dem Be 
fehle von Hrn. Oberſten Sulzberger gehorcht haben würde, wenn 
fie gewußt hätte, daß biefer radicale Heid ein paar Gtunden 
Ipäter als galantes Yräulein in Schleier und Gor: 
fett feine Ehre beweifen werde. 

Ich weiß nicht, ob es wahr ift, daß ſich Oberſtlieu⸗ 
tenant Sulzberger in Srauenkleidern gerettet habe. '©o 
viel it aber gewiß, daß die Ehre eines Soldaten es nit 
erfodert, wenn ihm der Gebraudy der Waffen von feiner 
Obrigkeit verboten und er des Dienftes entlaffen ift, ſich vom 
Poͤbel abſchlachten zu laſſen, fondern daß es ihm auf alk 








ei 


Weiſe zu rathen if, daB er ſehe, wie er -mit beiler Haut 
davon komme; ob er In Verkleidung und im weldyer- feine 
Flucht bewerkſtellige, iſt gewiß ganz gleichgültig: die naͤchſt 
zu babende gewiß die beſte. Was meint ihe aber zu der 
tiebreichen Art, im welcher ber fromme Pfarrer jene Ber 
Heidung au6malt ? | 
Der Regierungsratb fing an fih zu zerſtreuen, als 
das Gewehrfeuer gehört wurde. Aus dem Haufe, wo er 
Sitzung hielt, flürzte noch Regierungsrath Hegetſchweiler, 
den fchriftlihen Befehl, nicht länger zu ſchießen, in der 
Hand, den er einem Gavalerieoffizier übergab, und fiel, 
von einem Schrotſchuß getroffen, ein Opfer feines Mus 
thes. Nach Beendigung des Kampfes conftituirte fi aus 
Mitgliedern der aufgelöften Regierung und Mitgliedern der 
Bolkspartei eine proviforifhe Regierung. 
Ich ſchließe. Die ganze Geſchichte — „ſie klingt 
ſehr pfaͤffiſch“. 
— — Pfaffen waren’s auch. 
Sie waren mehr als Andere betheiligt, 
Der Aufruhr ſchwoll, der Aufruhr ward geheiligt. 
G. Julius. 





Romanliteratur. 


J. Die Bettter in Köln, ein Roman von Maria Lenzen. 
Drei Theile. Leipzig, Kollmann. 1843. 8. 3 Thir. 71% Ror. 
Man muß ber Autorin biefes Romans die romantifche 
Schule zugeftehen und fieht die Romantik bis zum doͤchſten 
Grade gefteigert. Es gibt Begebenheiten und Leidenfchaften als 
ler Art, und meift von den abenteuerlichften; und Schatten und 
Licht find fo grell aufgetragen, daß man diefen Roman mit je 
nen nur mit zwei Karben, nämlich roth unb ſchwarz, gemals 
ten Biltern vergleichen möchte: auch treten ſaͤmmtliche Geftals 
ten ſehr greil hervor und befchäftigen durch ihr Grfcheinen, 
Sprechen, hun, die Phantafie des Lefers auf fehr feffelnde 
Weile. Das Ende des 17. Jahrhunderts und die erften Jahre 
des 18. geben den Zeitraum ber Begebenheiten. Köln ift der 
und die damaligen Sitten und Gebraͤuche fcheinen 

gugen Ghroniten entnommen zu fein. Das Bettlerreich, jener 
Heine Etaat im Großen, ift in feinen verfchiedenen Typen gut 
repräfentirt; man fieht fie betteln, ſchwelgen, darben unb in 
ihrer ganzen privilegirten Gemeinheit ſich entwiden. Beim ers 
fen Zon ber Morgengiode fpie bie Pfarrei von Gt.: Mauricius 
ganze Scharen diefer Hefe der Menfchbeit aus, fie überfluteten 
in einem Nu die Etraßen Koͤlns und kehrken erfi am Abend 
zuräd. Diejenige Kirche oder Kloſterſchwelle, wo feit vielen 
Jahren Bater und Mutter gebettelt hatten, betrachtete der 
Betteinde als fein rechtmaͤßiges Eigenthum unb ein Anderer 
durfte die Stätte einnehmen. Gr murbe von feinen Standes⸗ 
genoffen in diefem fonderbaren Eigenthumsrecht beſchuͤtzt; daher 
famı es, daß Manche das Bettelrecht an verſchiedenen Portalen 
befaßen , während Antere eine ſolche Stelle oft mit Vielen theil: 
ten. Manche befußen mehre ſolcher Bettlerftellen, Andere nur 
Antheil daran. Den Töchtern gab man bäufig eine Bettlerſtelle 
ſtatt des Deirathöguts. Die aͤrmſten und veradhtetften von Als 
ien waren bie auf das Thürbetteln ber Bürger angewiefenen. 
Und diefer Sphäre entfproßte die Heldin unfere Romane, bie 
ſchoͤne Columba, ein Ideal von Schönheit, Bildung, Zus 
gend u. ſ. w. Sie ift an den würdigen Bettler Valentin Hahn 
wertobt, weicher drei Bettelftellen befigt und alfo eine gute 
Yartie iſt. Sie liebt aber einen jungen Maler, erregt die Reis 
denſchaft eines Gomtburritters, weldyer ihr nachſtellt und gegen 
den fe mit Dolch und Meffer ihre Unſchuld vertheidigt. Gie 
findet in einem würbigen Gelehrten ihren Water, den Verführer 
ihre Mutter, die Mutter aber in Ketten, als Mörderin des 


Satten und Branhftifterin, als ein sermerfenes, Ekel erregendes 
Weib, welichet auf dem Schaffot enbigt. Wenn dem Buche 
auch biftoriihe Wahrheiten untergelegt find, fo fehten ihm body 
bie pfychologiſchen, denn Alles iſt übertrieben, allzu grell aufs 
getragen. Entſetzen haͤuft ſich auf Entfegen, dad Ende iſt traue 
zig, ſchauerlich, bie Liebenden fterben, nachdem ihre Liebe ſich 
als alle Prüfungen beftehend erwielen hat. Der Charakter 
eines vornehmen GSoquetten ift eben jo unwahr in feiner Frech⸗ 
beit, wie Columba und Agnes, die Bettlerinnen, in ihren 
Edelmuth und in echter Weiblichkeit. Irog aller ber bier anges 
führten Mängel lieft man indeß von Anfang bis zu Enbe mit 
Spannung und folgt gern durch die wechlelnden Bilder, von 
ber Bettlerwohnung zum Garneval von Köln, von den Ber 
führungsfcenen des Comthurs zu dem Liebeflüftern des Liebenden 
Malers, über Kerker, Verhoͤr, Schaffot, Abenteuer aller Art; 
man vernimmt Gegen und Fluch, man ſieht haſſen und lieben 
in den grellften Karben und laͤßt fich gern umfpinnen von bies 


ſem bunten Gewebe einer begabten weiblichen Phantafte, melde 


mit beinahe männlicher Feder niederfchricb und die Kuͤhnheit 
bes Ausdrucks nicht ſcheut, wo er zum tiefiten Schatten ihr 
nothwendig duͤnkt. 


2. Lodore. Nach dem Engliſchen von A. Gräfin v. M***, 
Zwei Bände. Altenburg, Pierer. 1843. 12. 3 Thlr. 15 Ror. 
Schr weitſchweifig erzählts Sonverfationen , Lebensgefchich« 
ten, Rüdblide und Nachtraͤge aller Art, die man weniger ihrer 
ſelbſt wegen gern lieſt, alö dee bandeinden Perfonen wegen, mit 
denen der Lefer befannt gemacht wirb und die ihn in ihren ver» 
fchiedenen Sndividualitäten fo ſehr intereflicen, daß er gern ihr 
ferneres Schickſal erfahren möchte. Man lief mehr aus Neu⸗ 
gierde als aus Genuß am Lefen. Diefer handelnden Perfonen 
find fehr viele, und alle mehr ober weniger gut und ebel gehal⸗ 
ten, eine jede bat zwar ihre Fehler, doch zulegt legen fie dieſe 
ab. Lobore, der bem Bude ben Ramen gab unb deflen Held 
tft, ſtirbt ſchon in der erften Hälfte. Seine Eriftenz in Ames 
rita, fowie fein frühere® Leben, hätten viel ärger ſtizzirt wer⸗ 
den koͤnnen. Der Leichtfinn und Stolz feiner rau haben ihn 
bewogen, fie zu verlaflen und ihr das Kind auch zu entführen. 
Der Charakter diefer Frau ift nun, wie es fcheint, bas Haupt⸗ 
motiv bes Werks, er wird in feinen Schroffheiten von allen Seiten 
beteuchtets zulegt wird indeß aus ber cgoiftifchen Frau eine liebes 
volle, aufopfernde Mutter. Es endigt Alles in Friede und 
GSluͤck, und es iſt gewiß nicht leicht, fo zahlreiche heraufbeſchwo⸗ 
rene (Seftalten mit= und nebeneinander burchzuführen und doch 
gluͤcklich zu machen. Talent und Grfahrung verräth der Autor 
babei, doch kein Genie, ba foldyes die Lebenswahrheiten und 
pfocpologifhen Srundideen mit weniger Material dargeftellt ha⸗ 
ben würbe. 


3. Drei Tage in SansGarlo. Roman von Georg Los. Drei 
Theile. Jena, Euden. 1843. 8. 1 Thir. 22°, Nor. 

Eine aus ben verfchiebenften Individuen beftehende Gefells 
(haft aus verfchiedenen Rändern ſtammend und verfchiedene Spra⸗ 
hen redend, verfammelt fi im Hoſpital zu Sans Carlo zu 
Havana, in biefer trefflichen Anſtalt der Verpflegung von ins 
und auslaͤndiſchen Kranken, und man erzählt fih, um die Zeit 
der Genefung zu verkürzen, allerlei wahre und erfundene Bes 
gebenheiten, Auszüge aus Memoiren, Novellenſkizzen u. f. w. 
Der Verf. fcheint nichts davon erfunden zu haben, denn Ref. 
fand Erinnerungen aus franzöftfchen und andern Autoren; er 
bat fie aber gut nacherzählt, auf anmuthige Welfe aneinander 
gereiht, geſchickt in die Gonverfationen ber vereinigten Patiens 
ten eingewebt, die Indivibualitäten des Erzähler ihnen angepaßt, 
ſodaß man die Abftchtlichkeit der Einfaffung jener wahrſcheinlich 
feit lange gefammelten Erzählungen nicht allzu fehr herausfäßlt. 
Am beften gefiel uns der. Auszug aus den Memoiren eines 
alten franzöfiihen Bürgers: „Cine berühmte Frau’; dieſe 
gibt die Geſchichte ter Caroline Wuiet, welche ald Kind ſchon 
glänzte, als junges Mädchen eine fo große, gefeierte Rolle 
fpielte, um im Alter kuͤmmerlich verlaffen zu fein und vergeffen 


gu werden, lange ehe fle geftorben iſt. Ihr legtet Wort: „Bo 
das himmliſche Feuer gebrannt hat, kann keine Freude fein, da 
bleibt nur Aſche noch übrig”, iſt in ihrer verlafienen Lage fehr 
ergreifend. Auch die Erzaͤhlung vom Welifar der großen Armee 
tft anziehend umb bat gewiß ben Kreis ber vereinigten Zuhörer 
erfreut. Die fpanifche Rovelle: „Braut von Ravarra”, ſprach 
uns am wenigften an; fie iſt zu lang gebehnt und man vergibt 
nur den unndthigen Aufenthalt auf einer Reife, wenn ber Weg 
etwas Reizendes ober ntereffantes bietet, was hier aber nicht 
der Fall if. Die ganze Sammlung ift indeß, trot einiger 
ſchwacher Probuete, welche nie bei einer Sammlung fehlen, doch 
fehe empfehlungswerth. 
4. Lonife. Aus den Papieren eines Staatömannes, von 8. Schu⸗ 
bar. Berlin, Heymann. . 8 1 Thix. 10 Nor. 
Die Vorrede läßt zweifelhaft, ob Wahrheit ober Erfindung 
den Stoff zu biefen Blättern geliefert, indem ſie verfihert: „baß 
einzelne Punkte ih an Begebenheiten anfchließen, welche in dem 
Buche ber Weltgefchichte verzeichnet find, zum Theil aber auch 
diefe Handlungen felbft ins Leben gerufen haben, nur daß dieſe 
Banblungen, wo es angemeffen ſchien, von ten Orten bes Urs 
fi zung6 entfernt und willlürlich auf fremden Boden verpflanzt 
nd.” Dur dieſe Erflärung verlieren bie Mittheilungen fehr 
ihren Werth, fie find weber poetiſch noch romantifch genug, 
um des Eocalinterefle entbehren zu können; als hiſtoriſche Wahr: 
heiten find fie zu breit erzählt, um bem Diplomaten und Staates 
wann Unterhaltung zu bieten; als Grfindung enthalten fie gu 
wenig romantiſche Ausfhmüdung, um zu erfreuen. Die Hel⸗ 
Sin, welche dem Buche den Namen gibt, erſcheint nur flüchtig, 
und man weiß nicht, was fie will, was fie foll, was fie treibt 
und warum fie handelt. KWerfchmiste Diplomaten, ein räthfels 
bafter Moͤnch, diplomatiſche Betrüger, vermummte Geſtalten 
einer Jeimtihen Verbindung, deren Zwecke ebenfo vermummt 
find u. f. w., ziehen wie bie Geftalten eines Gchattenfpield vor 
den Lefer auf und nieder, keine vermag zu fefleln, keine tritt 
lebendig und Elar Rechenſchaft gebend heraus. Das Berfchwin- 
den, Wiedererſcheinen und abermalige Entwenbetwerden ber 
bairifhen Documente verheift vergebens eine verftänbliche 
Kataſtrophe, und diejenige, welche endlich eintritt und ben 
od ber Heldin berbeiführt, ift ebenfo dunkel, wie bad ganze 
Buch, wie ber Nachtrag bed Helden. Der Stil des Staates 
manns iſt mit feanzefiieten Worten angefüllt, was oft flört; 
das ift wahrfcheintich mit Vorbedacht gefchehen, bie damalige 


Sitte darſtellend, doch iſt biefe Phrafenverzierung zu häufig an⸗ 


gebracht und wirft unangenehm flörend auf den Leſer. 


5. Novellen aus: dem modernen eben von Fr. Paolo. Ber 
iin, Bereinsbuchhandtung. 1843. 8. 1 Thir. 

Drei Novellen, weldye jebe die Darftellung einer Anficht, 
bie Verkoͤrperung einer Ibee zum Zweck hat. In ben „Zwei 
Schweſtern“ ift die Tendenz indeß am wenigften Mar. Der 
Heid bat das Recht zu fehr auf feiner Seite, wenn ex feine 
Neigung von der coquetten Schweſter ab und ber beflern zu: 
wendet, um bie harte Beftrafung der legtern zu verdienen. Die 
Kovelle „Ins Ktofter” ift gegen die Tyrannei bes Katholicis: 
mus gerichtet und ftellt dieſelbe in das grellfte Licht. Der Je⸗ 
fuitismus mit feiner zweibeutigen Moral, melde kein Mittel 
[heut zum Triumph der Kirche, wird in grellen Bildern dars 
geftellt. Die Disputationen über Proteflantismus und Katholis 
cismus find ernft und durchdacht, beinahe zu ernft zur Novelle. 
Der Erzaͤhlungsfaden ift ergreifend. Die „Moberne Ehe” vers 
dient das Prädicat modern auf bem Zitel nur, indem Lißt darin 
fpielt und George Sand genannt wirb; die Che gehört in ihrer 
Eigenthuͤmlichkeit jeder Zeit an, denn zu allen Beiten haben 
ſolche Heirathen nach Vermögen flattgefunden, welche ſchlecht 
ausfielen und deren Gluͤck an der Emancipationswuth der Frau 
ſcheiterte. Die jetzige Zeit beſchirmt ſie nicht mehr als jede an⸗ 
dere. Man lieſt indeß auch dieſe Novelle mit Vergnuͤgen und 
wird die ganze Sammlung gewiß nicht zu den unbedeutenden 
Erſcheinungen unſerer Literatur rechnen. 12. 





| „Shi Sorzin”. Breslau, Kern. 


Berantwortliher Heraußgeber: Heinzsih Brockhaus. — Drud und Verlag von F. A. Brodbaus in 


Biblisgraphie. 

Aus ber Reſidenz. Schickſale eines Kürftenfohnes. Zwei 
Bände. Bredlau, Ken. Ki. 8. 2 Thlr. 20 Nee. 

Bacherer, G., Schattenriſſe und Quexſtriche aus 7 
ee des Michel Zeus Darmftabt, Leite. Ge. 1 

r. r. 

Beidtel 3., Betrachtungen Über einige durch die Zeit: 
umftände befonders wichtig geworbene Gegenſtaͤnbe ber Civil⸗ 
gefeggebung und Staatewirthſchaft. Zter Theil. Leipsig, Barth. 
&.8 R A Nor. 


Beitrag zur Beurtheilung bed Preußiſchen Strafgeſetzent⸗ 
wurfs in feinem allgemeinen und politifcyen Theile. Jena, ‚God 
haufen. ®r. 12. 15 Nor. 

Die Beschwerden und Klagen der Siaven ia Ungarn 
über die gesetzwidrigen Übergriffe der Magyaren. Vorge- 


tragen von einem ungarischen Slaven. Leipzig, Binder. 
Gr. 8. 1 Thlr. 
Brunnow, ©. v., Der Troubabour. Hiſtoriſcher Ro⸗ 


man. Zwei Bände. 3te Auflage. Leipzig, Teubner. 8. 1 Thir. 


Nor. 

Bibliothet für moderne Politik und Gtaatswiffenfchaft. 
Herausgegeben von K. Riedel. Ates Heft: Mariana von bem 
Könige und bes Könige Erziehung. Mit Unterfuchungen über 
den chriſtlichen Staat der Reuzeit, von K. Riedel. Darm: 
flobt, Leste. Gr. 16. 1 Zhlr. 

Das Buch von unferm Könige, ober Leben, Helfen, Be 
den, Anekdoten und Charakt e bes Könige Friedrich Wil⸗ 
beim IV. 38 drei Lieferungen. Iſte Lieferung. Leipzig, Schmalt 
Gr. 8. gr. 

Evangeliſches Concordienbuch, oder die ſymboliſchen Buͤcher 
der evangeliſch⸗lutheriſchen Kirche. Mit geſchichttichen Einlei⸗ 
tungen und Anmerkungen, herausgegeben von F. W. Bode: 
mann. Hannover, Hahn. Gr. 8. 1 Thlr. 10 Nar. 

Flugi, A. v., Volksſagen aus Graubünden. Chur, Gru⸗ 
benmann. Gr. 12. 15 Nor. 

Hanke, Benriette, Saͤmmtliche Schriften. Ausgabe 
fester Hand. 33ſter dis STfter Band. Hannover, Bahn. 8. 
1 Thlr. 20 Nor. 

Sn der Deimath. Briefe eines Halbjahres, vom Blaͤtter⸗ 
tnospen bi zum Wiätterfallen. Bon ber Berfafferin von 
®r. 8 23 hir. 

raft, F. K., Kleine Schulschrifien. Neue Wolge. 
Stuttgart, Metzler, 8. # Thir. 25 Ner. 

Mauritius, A., Der Panflawismus. Gine Impropifas 
tion als Sendſchreiben an den Grafen Adam Gurowski. Leipzig, 
Binder. Br. 8. 10 Rear. 

Neuer Nekrolog der Deutfhen. 1er Jahrgang, 184. 
Der Theilen. Mit einem Portrait. Weimar, Voigt. 8. 

r 


bir. | | 

Drfint, Leben bes heiligen Vinzenz von Paul. Aus 
bem Franzoͤſiſchen uͤberſetzt. Orraußgegeben von $. X. Steck 
Tübingen, Laupp. &r. 8. I Thir. I1Y, Rer. 

Poffart, P. A. F. K., Die ruſſiſchen Oftfee : Provinzen 
Kurland, Kivland und Efthland, nad ihren geographiſchen, 
flatiftifchen und übrigen Verhättniffen dargeftellt. After Theil: 
Statiftit und Geographie des Gouvernements Kurland. Gtutt: 
gart, Eteinkopf. Gr. 8. 1 Thir. 15 Nor. 

Ried, F., Der Schleswig: Holfteinifcde Gnomon und bie 
Volksſchule. Flensburg, Kaſtrup. 8. 10 Nor. 

Schirach, E. dv., Über die von ben Hoilſteiniſchen Gtän- 
den beantragte Reform des Strafverfahrens. Kiel, Schwers 
Gr. 8. 10 Nor. 

Sigismund NRüftig, der Bremer Steuermann. Gin neuer 
Robinfon, nach Sapitain Marryat frei für die deutſche Jugend 
bearbeitet. Zwei Bände mit eingebrudten Holzſchnitten. Leip⸗ 
zig, Teubner. Kt. 8. 3 Thlr. 

Sternau, C. D., Kaleiboscop von Dreeden. Skizzen, 
Berichte und Phantaften. Magdeburg, Intermann. 16. 10 Nor. 






Blatter 


für 


literarifhe Unterhaltung. 





Dienfag, — Sr. 213, 





Zur R 


Brit. | " 


1. Auguſt 1843. 





Bon diefer Zeitfchrift erfcheint außer den Beilagen täglich eine Rummer und iſt der Preis für den Jahr 


12 Thle. Alle B 


handlungen in und außer Deutfchland nehmen Beſtellung darauf an; ebenfo alle Poflämter, 


di die koͤnigl. ſaͤ itungsexpedition in Leipzig ober das koͤnigl. Gr amt 
Sal erben j is fälle are nn Mochenlieferungen md in other ha rare ie 





Über die Stellung, welche der Baukunſt, ber 
Bildhauerei und Malerei unter den Mitteln 
menſchlicher Bildung zulommt. 

aehalten am 18. März ae Biſſenſchaftlichen 


Bortrag, 
Berein zu Bertin von Dr. u ew, Director der 
Semäldegalerie des Königl. Muſcums. 


Borbemertung. 

Der Wunſch, theils wuͤrdigere Anſichten über das 
Weſen von Baukunſt, Bildhauerei und Malerei und bes 
m Wirkung allgemeiner zu verbreiten, als leider nach 
den von mir vielfach gemachten Grfahrumgen mod, immer 
Kufz im Schwange gehen; theil& dem richtigen aber ums 
befimmten Gefuͤhhle daruͤber bei fo Bieten einen heftimms 
ten Ausdeuck zu leihen, hatte mich veranlaßt, diefen Vor⸗ 
trag im hiefigen Wiſſenſchaftlichen Vereine zu halten. 
Verſchledene mie zugegangene Auffoderungen, denfeiben 
zu veröffentlichen, haben mis bewieſen, daß ich meinen 
Zweck wenigſtens nicht gänzlich verfehle habe. Somol um 
dieſen Auffoderungen zu gendgen, als auch an Orten, wo 
meine literariſchen Arbeiten uͤber Kunſt bisher einige Theil» 
nahme gefunden, vielleicht im obigen inne wohlthätig 
ein zwirken, übergebe ich den Vortrag hiermit dem Drude. 
Obgleich Ich in demſelben das vorgefchriebene Zeitmaß «einer 
Stunde (dom um etwas Äberfchritten hatte, fo war es 
dech natuͤrtich immer nicht möglich, in fo kurzer Zeit 
cum fo umfaffenden Gegenſtand irgend erichöpfend zu 
behandeln. Man wird mir vielleicht vorwerfen, daß ich 
des bei dem Drud, woſelbſt dieſe Schranke wegfällt, 
nicht nachgeholt habe. Durch eine ſtrengere wiſſenſchaft⸗ 
liche Form, durch eine größere Ausfuͤhrlichkeit wuͤrde der 
Iuffog allerdings an ſich gewonnen haben. 





Er duͤrfte 
ir dadurch meines Erachtens minder geeignet geworden 
kin, anf die weitern Kreiſe von geblideten Männern und 
Item einzweirtm, welche an dee Kunſt ein allgemeines 
Jatırefie nehmen, ohne daraus ein eigentliches Studium 


zu maden, worauf er doch urfprünglid, als ein leben⸗ 
diger und anregender Vortrag, berechnet war. Für alle 
Solche, welche in Wefen und Wirkung der Kunft völlig 
eingeweiht find, ober wenigſtens es zu fein glauben, if 
er ohnehin weder gehalten noch gefchsieben, und wiubde 
ee auch in erweiterter Geſtalt überflüflig geblieben fein, 
Ich Habe mich daher mit einigen Bufägen begnügt, weich⸗ 
ihn nur in feiner urfpränglichen Weiſe gleichmaͤßiger ande 
runden dürften. 
Berlin, 30. Mai 1843. 


Gewiß iſt die in unfeen Tagen immer mehr erwachend⸗ 
Liebe zu den kildenden Künften eine der erfreulichen Sei⸗ 
ten unferer Zeit. Es dürfte indeß wol die Frage fein, 
ob Ddiefe Kunſtliebe fi der Gruͤnde, worauf fie beruht, 
der Wirkungen, welche fie berverbringt, immer deutlich 


bewußt if. Ich erlaube mir daher, der bochvershrien 


VBerfammiung Einiges uͤber die Stellung vorzutragen 
welche der Baukunſt, der Bildhauerei und der. 
Malerei unter den Mitteln menfhlicher Bils 
dung zukommt. Inwiefern diefe Künfte, welche ich 
im Derfolge alle drei unter dem Namen ber bildenden 
begreife, eine ſolche Stellung einft wirkiid eingenommen, 
werden uns vor Allen die alten Griechen umb bie 
Jtaliener des Mittelalters lehren. Schließlich wird 
fih daraus die Stellung jener Künfte in unfern Tagen, 
und was wir uns von ihnen verfprehen dürfen, fo gut 
wie von felbft ergeben. 

Gleich der Dichtkunſt und ber Mufit find auch bie 
bildenden Künfte die Töchter der fchöpferifchen Kraft 


im Menfhen, der Phantafie, weiche beſtimmt iſt, und 
die Schönheit In der einer. jeden Kunſt entiprechenden 
| Form in unendliher Mannichfaltigkeit zu offenbaren. 
ı Wie der Dichtkunſt bie Sprache, der Muſik der Tom, 
ı fo iſt den bildenden Künflen der finnliche, durch die Ans 
ſchauung auffaßbare Stoff, als Ausürudsmittel ger 


geben, fel es nun, baß er, wie bei der Architektur und 
Bildhauerei zugieih greifbar, oder, wie bei der Ma: 
lerel, nur ſcheinbar ifl. 

Wie aligemein und wie urſpruͤnglich diefe Ausdrucks⸗ 
weife dee Phantafie für die unmittelbare, ſinnliche An: 
ſchauung dem Menfchen innewohnt, zeigen bie vielen Ein: 
difhen Kunftverfuche bei Voͤlkern, welche auf einer ſehr 
niedrigen Stufe der allgemeinen Cultur ftehen. Die höchfte 
Ausbildung derfelben aber hat nur bei wenigen, felten be: 
gabten und von geographiſchen und hiſtoriſchen Verhaͤlt⸗ 
niffen vorzüglich beguͤnſtigten Völkern flattgefunden, deren 
Kunſtdenkmaͤler daher auch als Geiſtesbluͤten, welche in fo 
vielen Kahrtaufenden nur an einigen Stellen unſers Pläneten 
zur Entfaltung gelommen, von den Gebildeten aller Zeiten 
und Länder mit Begeiſterung bewundert und angeflaunt 
werden. 

MWiewol der Menſch in allen oben angeführten Kün: 
ſten als Schöpfer erſcheint, fo drängt fich doch das Pros 
dusct von Peiner berfelben im Vergleich mit der großen 
äußern Welt (dem Makrokosmos), fo ſehr als Weit im 
Kleinen (Mikrokosmos) auf, als dies bei ben bildenden 
Künften der Kal if. Wie die Gottheit die Welt nach 
ewigen Gefegen der hoͤchſten Zweckmaͤßigkeit und Schön: 
heit geordnet, welche fo georbnete Welt die Griechen ſchoͤn 
mit dem einzigen Worte „Kosmos“, die Römer mit „Dun: 
dus” ausdruͤckten, fo geſtaltet ji der Menſch, in welchem 
dee in ihn gelegte, göttliche Keim zur Ausbildung ges 
langt ift, feine Umgebung nad) ebenfalls ewigen, feinem 
Geifte innewohnenden Gefegen der Schönheit und bdrüdt 
ihr da6 Gepräge diefes feines Geiſtes auf. Da nun 
aber der Menfch ebenfo gut ein Geſchoͤpf der Natur ift 
wie alle andern auf der Erde, kann man die durch den 
menfchlichen Geiſt vermittelten Erzeugniffe der bildenden 
Künfte fuͤglich Naturproducte in zweiter Potenz nennen, 
worin die Natur zum deutlichen Ausdrud des ſich bes 
wußt gewordenen Gefeges der Schönheit gelangt ifl. 

Wie fi) nun auf ber großen Erde die Gebirge nach 
Art des Geſteins und der Einwirkungen dere Elemente bald 
in erhabener Mächtigkeit und Schroffe, bald in fanften, 
Heblihen Schwingungen erheben, fo feigen in der Meinen 
Weit, welche fi dee Menſch erfchafft, nah Art der 
geiftigen Anlage und der hiſtoriſchen Erlebniſſe, bald him⸗ 
melanftrebende Pyramiden, bald fchöne Tempel, oder hohe 
Dome, und mieder majeftätifche Palaͤſte und beitere Vil⸗ 
y empor. Die Gefeke der Regelmäßigkeit und Schöns 

it der Verhältniffe, welche in den gemaltigen Gebirgen 
aus der Maſſe des berben Gefteind nur in den Eleinen 
Kryſtallen zum beflimmten Ausdrud und zu fharfer Form 
gelangen, geſtalten bei jenen SKunfigebirgen, welche ber 
Menſch hervorbeingt, dagegen bie ganze Maſſe und ges 
winnen fie für das Gebiet der Schönheit. Im oben: 
berübrten Sinne erfcheinen biefe als mächtige Kryſtalliſa⸗ 
tionen der Natur in zweiter Potenz, welche dem Forſcher 
ber Kunftgefchichte ebenfo von Geift und Art ihrer Urhe⸗ 
ber, nachdem deren Staub ſchon vor Jahrtauſenden vers 
weht ift, Beugniß geben, wie der Naturforfcher die Gon: 
hylien nach ihren Schalen beflimmt, aus denen das 





leicht vergängliche Thier laͤngſt entwichen iſt. Betrachten 
wir daher die großartigen und ſchoͤnen Ruinen, meld 
uns Ägypten, Griechenland und Italien bacbleten, fo fi: 
dee auf fie, was Schiller fo erhaben ſchoͤn alein in geifi: 
ger Beziehung von den Fuͤrſten [agt, auch. in phyſuͤten 
Sinne feine volle Anwendung: 
Völker verraufchen, Namen verflingen, 

inftre Vergeſſenheit breitet die dunkelnaͤchtigen Schwingen 

ber ganzen Geſchlechtern aus. 

Aber der Denkmale einfame Haͤupter 

Ragen empor und Aurora berührt fie 

Mit den ewigen Strahlen, 

Als die ſtillredenden, traurenden Zeugen 

Längft fchon entfchwundener edler Geſchlechter. 

Dieſer Vergleich mit dem ſich fo natürlich darhie 
tenden Schluß flieg in mir auf, als ich, an des feligen 
Schinkel Seite, die vom Fruͤhroth beglängten Tempel 
von Paͤſtum in einfamer Ode vor mir liegen fah. 

Wie aber dem mürterlichen Schoofe der Exbe die ſchoͤne 
Melt der Pflanzen entfprieft und fie mit taufendfahem 
Schmuck bekleidet, wie die mannichfaltigen Formen der 
Thiere und, vor Allem am bedeutendften, der Menfd 
fie belebt, fo find auch im jener Eleinen Welt, ber Ardis 
tektur, welche fi) der Menſch fchafft, die Künfte de 
Sculptur und Malerei emfig bemüht, ein mannichfaltiges, 
eigenthümliches und geiftig bedeutendes Leben der Schoͤn⸗ 
beit zu geftalten. 

Betrachten wie kuͤrzlich, inwiefern fich dleſe Kuͤnſte 
in den Mitteln, wodurch, und in den Geſetzen, we 
nad fie bilden, von der Architektur unterfcheiden. Die 
Formen der Architektur find in der Natur nicht vorgebil: 
det, fondern allein das Ergebniß des Sinne für Kar 
monie und Schönheit der Berhältniffe im Ganzen und 
der Gliederung und Berzierung im Einzelnen, wie foldes 
dem wahren Architekten, vermöge eines höhern, geifligen 
Geſetzes, ebenfo innewonnt, wie die Biene vom Snitint 
getrieben ihre regelmäßig geformten Zellen baut. Bill: 
bauer und Maler finden dagegen die Formen, womit fi 
fih ausfprechen, ſchon in der Natur vor. Erſcheinen fe 
bierducch im Vergleich mit der Architektur nach einer Seite 
bin in einer geößern Abhängigkeit von der Natur, ſo wird 
dies doch reichlich dadurch aufgewogen, daß die Arditek: 
tue urfprünglic eine Tochter des Bedürfniffes iſt und 
auh in ihren böchften Schöpfungen diefe ihre Mutter 
nie verleugnen, nie auf Unkoſten der Zweckmaͤßigkeit ſchoͤn 


fein darf, fondern vielmehr ihre Schönheit aus dem jedes⸗ 
maligen Zwecke entwideln muß, während Bildhauerei und 


Malerei fich dem ſchoͤnen Ausdrude von Ideen ganz un 
abhängig und frei hingeben innen. Kntfpricht die Form, 
in weldyer ſich die Schönheit in der Architektur offenbart, 
in ihrem conftructiven Theile der Schönheit der Natur, 
in ihrer unorganifchen Exrfcheinung, wie fie uns in den 
Gebirgen und befonders in den Kryftallen entgegentritt, 
in ihrem ornamentalen Theile aber, worin fie zum Dre 
ganifchen erblüht, der Schönheit der Natur in der Vege⸗ 
tation, fo entfpriht die Form der Schönheit in Bilde 
bauerei und Malerei der Schönheit der Natur in ihrer 
hoͤhern animallſchen Gebilden, namentlich in ihrem hoͤch⸗ 


4 


fien Product, dem Menſchen, in welchem offen dir 
Geiſt der Natur zum vollen Bewußtfein und zum 
lebendigſten Ausdrud feiner ſelbſt gekommen ift, 
Obgleich nun diefe beiden Kuͤnſte ſich, wie fchon bemerit. 
diefer organifchen Wefen, und vornehmlich des Menfchen, 
als Vorbilder zum Ausdrud ihrer Ideen bedienen, fo ift 
doch die Schönheit, welche fie mittels berfelben zur Ans 
fhuuung bringen, nicht minder eigenthuͤmlich ale die 
Schoͤnheit der Architektur, und wefentlich von der Schön: 
beit in den entfprechenden Naturerſcheinungen verfchieden. 
Diefe Behauptung moͤchte Manchem parador vorkom⸗ 
men, namentlich allen Denen, welde noch an dem Ge: 
meinplag fefthalten, daß das Wefen der Sculptur und 
Malerei in der Nahahmung der Matur beftche. Unter 
allen Umfländen find dem wahren Künfller die Natur⸗ 
formen aber nur Mittel zum freien, bewußten und 
fhönen Ausdeud in feiner Phantafie entflandes 
ner Sdeen, ald eigentbümlihem Zwede ber 
Kunft. Und zu diefen Naturformen gelangt der echte 
Künftter voeder dadurch, daß er ein einzelnes Individuum 
in allen Theilen möglichft genau nachahmt, noch dadurch, 
daß er, von einem Modell diefen, von einem andern je: 
nen Theil entiehnend, eine Art aͤußerer Zufammenfegung 
macht; fondern wie die Biene, von einem unwlderſteh⸗ 
Lichen Inſtinct getrieben, das Beduͤrfniß bat, Donig ber: 
vorzubringen und daher von den Blumen angezogen wird, 
weiche ihr den Saft dazu hergeben, und fich in deren 
Innerſtes gänzlich verfenkt und wie beraufcht, fo wohnt 
dem bildenden Kuͤnſtler, als eine Art höherer, geiftiger 
Inſtinct, das ſehnlichſte Verlangen inne, in ihm aufſtei⸗ 
gende Ideen auf eine fchöne und bedeutende Weife mit: 
tels Raturformen auszudrüden. Um dieſes DBerlangen zu 
befriedigen, flürze er ſich daher mit Begeifterung in die 
Fülle der äußern Naturerfcheinungen, erkennt mit fchar: 
fen Auge das Unendlidye und Ewige, das geiftig Bedeu: 
terzde, Schöne und Anmuthige, fei es in Form, Bene: 
gumg oder Ausdrud, welches feinen Sweden entipricht, 
und ſchwelgt und vertieft fich in diefen Anſchauungen und 
Studien in feliger Luſt. In feiner, fo befruchteten und 
gefättigten Phantafie gewinnen feine Ideen Geftalt, und 
er ift im Stande, ihnen den angemefienen Ausdruck zu 
geben. Wie aber der Honig der Biene nicht ein mecha: 
nifches Gemiſch des Saftes verſchiedenartiger Blumen, 
fondern ein ganz neues Product eines organiſchen 
Mefens ift, ebenfo ift dad Product des bildenden Künft: 
lers etwas durchaus Anderes als ein mixtum composi- 


tam einzelner Naturerfcheinungen, es {ft das organi: | 


(he Gefhöpf feiner Phantaſie, welchem er ebenfo 
das eigenthümlihe Gepraͤge derfelben aufgedrüdt und 
ihm ein geiftiged Leben eingebaut hat, wie die Natur 
einem ihrer Sefchöpfe das ihrige. Daß ber bildende Künft- 
er als Aushülfe feines Gedaͤchtniſſes fich vielfach einzelne 
Studien fogleidy aͤußerlich firirt, bisweilen auch eine feiner 
Idee wunderbar entfprechende, einzelne Erfcheinung in der 
Natur vorfindet, endlich bei der Ausführung bie Natur 
meheſach zu Rathe zieht, ändert in der Weiſe der Con: 
ception wie des Refultats nichts. Bel dem Maler um⸗ 


! 


fafjen diefe Maturftudten außer ber Welt der Formen au 
noch die der Farben, und ſpricht ſich daher auch’ in der 
Art und Welle, wie er Diefelben mehr ober minder har⸗ 
moniſch zuſammenſtellt, feine Eigenthuͤmlichkeit fo ent⸗ 
ſchieden aus, daß darin bei manchen Malern mit der 
Hauptreiz ihrer Werke liegt. *) 

Diefes eigenartige Gepräge eines beſtimm⸗ 
ten, ſchoͤnen Geiſtes iſt es aber, weiches den hoͤchſten 
und geheimnißvollen Zauber eines Kunſtwerks aus⸗ 
macht und es von den entſprechenden Schoͤnheiten in der 
Natur weſentlich unterſcheidet. Je ſchoͤner, je bedeuten⸗ 
der ein ſolcher Geiſt iſt, deſto mehr wird ſich dieſer Zau⸗ 
ber ſteigern, woher z. B. ein Bild von Rafael etwas 
ungleich Anziehenderes hat als von dem an fich ſehr lies 
benswürbdigen Meifter Garofalo. 

Daß derfelde Fall auch bei den Werken der Acchiteftur 
flattfinder, leidet keinen Zweifel, nur möchte ſich bier 
Manchem die Frage aufdrängen, auf welche Weiſe ſich 
die Eigenthuͤmlichkeit des Architekten fo deutlich ausfpricht, 
daß man ein Werk, als von ihm herrährend, erken⸗ 
nen kann. | 

Auf den erften Blick follte man glauben, daß, nach 
dem gewiſſe Formen und Mafe, gewiffe Verzierungen 
einmal als die fchönften ermittelt find, die Architekten 


‚in der Wiederholung berfelben ſich ziemlich gleih fehen 


müßten. Wie aber nach Geiſtes⸗ und Lebensart der Voͤl⸗ 
ter, nach Klima und Baumaterial, in allen jenen Stuͤcken 
fih eine fo große Verſchiedenheit ausgebildet hat, als fie 
z. B. in der griehifchen und got hiſchen Architektur 
hervortritt, fo ſtellt ſich auch innerhalb jener großen Maſ⸗ 
fen eine unendliche Menge von feinern Modificatlonen 
dar. Fa, jede neue Aufgabe fodert eine neue 
2öfung und führt daher für den echten Archi⸗ 
tektzen nothwendig eine neue Modification 
mie fih. Seine Eigenthümlichkeit wird ſich daher in 
ber beflimmten Art und Weife-ausfprechen, wie 
ee aus dem jedesmaligen Zwed und nach dem 
Material des Gebäudes Schönheiten der Ber: 
bältniffe wie der Ornamente entwidelt. Dieſe 
Art und Weiſe aber hat ein fo beftimmtes Gepräge, daß 
man fie an den verfchiedenften Aufgaben und bei dem 
verfchiedenften Material doch wieder erkennt, wie dies 
3. B. für den Geübten bei zwei gleich vorteefflihen, in 
jenen Bezuͤgen aber fehr voneinander abweichenden Gebaͤu⸗ 
den von Schinkel der Fall if, dem Mufeum und 
dee Bauſchule. 

Hat man für die Beurtheilung eines Bauwerks eins 
mal diefen Standpunkt gewonnen, fo erfcheint die fo oft 
gehörte Klage, daß unfere Architekten nichts Originelles 
bervorbringen könnten, weil es unferer Zeit an einer in 
ihe erfundenen, eigenthuͤmlichen Bauart, gleich der gries 
hifchen oder gorhifchen fehle, keineswegs als gegruͤndet. 
Alterdings nimmt der Architekt unferer Tage feinem Werke 


) Es mußte mir genägen, bier nad meiner Art kurz anzu⸗ 
deuten, was Schelling in feiner berühmten Abhandlung über das 
Berhaͤltniß der bildenden Känfte zur Natur ausführlih bedans 
beit hat, 







über atß Brfinder eine ande Scatle ein, als aim 
ing6, einer des Baumeiſter des Varthenen, aber als 
ein Gumin won Steinbach, der Baumeiſter des frag 
Wunger Deönfborh, wizweh Melde nur mieher Hauptgfieder 
in des Kette gleichartiger Reihen von Erfindungen find, 
welcye ihnen bereitd vorausgegangen waren; deſſenungeachtet 
if} aber bei ihm die Erfſindungskraft keineswegs uuthätig. 
Ex befindet ſich den, heute genauer als je zuvor, in allen 
hen Feinheiten zur allgemeinen Kenntniß gelangten, ſchoͤ⸗ 
sen Bandenkmalen aller Voͤlker und Zeiten gegenüber in 
eine Werhältuiffe, welches einige Ähnlichkeit mit dem 
der Budhauer und Maler zu den Gebilden der Natur 
hat. Es kommt nur darauf an, was ec mit dieſem uners 
wehlihen Apparat anzufangen weiß. Der geiftweicge, ori⸗ 
ginell ſchaffende Architekt gelangt dazu, ſich das ibm nad 
eier. ianern Verwandtſchaft feiner Natur Zufagende geiftig 
quaseiguen, und ſich deffelben mit derſelben Freiheit zu 
feinen Zwecken zu bedienen, ‚dem mittels defjelben hervor⸗ 
gebrachten Werke, von dem allgemeinen Entwurfe, bi6 zu ben 
Urinften Ornamenten, diefelbe geiſtig⸗ organiſche Eigenthuͤm⸗ 
lichkeit feines Weſens aufzubrüden, wie der Bildhauer 
ober Maler es mit feinem Werke im Vexhaͤltnis zur Nas 
wur macht. Es findet hier im Vergleich zu jenen alten 
Architekten immer eine freie Reproduction flat. Ein 
ſalcher Architekt war Schinkel. 

- Den balten, geiltfofen Nachahmer und Eklektiker kann 
dagegen felbft die Benugung, ja die genaue Wiedergabe 
dar gepriefenften Muſter nicht verbergen. Aus der Akt, 
wie er auch nur ein noch fo claſſiſches Ornament an⸗ 
bringt, fühlt der Kunfiverfländige heraus, ob es dem Ar⸗ 
duitekten lebendig an feiner Stele hergusgewachſen, oder, 
wie ein erotifches Gewaͤchs, willkuͤrlich und iavita Minexya 
angekleht if. 





(Die Sortfegung folgt.) 





Hospiteliten - Literatur. 

- Der. „Ealaireur du Midi” ift das allernüglichfte und aller⸗ 
öonomifchfle Journal, das auf Erden erſcheint, das nuͤtlichſte 
in Betracht der hochwichtigen Gegenflände, mit benen es ich 
beichäftigt, das dkonomiſchſte wegen der ungeheuren Wohlfeilheit 
feines Xbonnementöpreifed. Diefe Behauptung ziehe nur Rie⸗ 


mand in Zweifel! Denn nicht ef. behauptet fie, Tondern ber |. 
£ ber Directeur beis 
d. h. der Mann, welcher dieſes allervortreffs |: 


„Ielaisene du Midi” felbft, oder pie 
jeden zu Avignon, 

lichſte —8* Namens der Frères hospitaliers de 8t.-Augustin 
herausgibt. Der Leſer iſt ohne Zweifel fehr gefpannt auf nähere 
Belanntfcyaft mit dem gerühmten Biatte. Doch erft ein Wort 
über die GSeſellſchaft, weiche es herausgibt. Das Inſtitut ber 
Ererea et soeurs, der Hospitaliten des heil. Auguſtin, hat es ſich 


Aufgabe gemacht, allerlei heilſame Schriften heranszugeben, | 


omme Xractätchen, populaive Abhandlungen Mebicin, | 
Aderbau u. dgl., natuͤrlich auch diefe nicht ohne fromme Weis |. 
mifgung. Ais Krankenpfleger find die Hospitaliten wirklich 
Ihägenswerthe Menſchen; fie reifen in bie Länder, wo Cpidemien 
berefgen, und find unermäblic in Ausübung der beſchwerlichſten 
und widrigften Nächftenpflicht. Damit befaßt ſich eine Giaffe 
derſelben, die eigentlichen Hospitaliers; es gibt aber im Orden 

| i Stoffen, naͤmlich Solitaires, die un en und uns |: 
—* Geſchoͤpfe unter der Sonne, und bie Missionnaires || 


rates” m. 









. 
I 
| 
1 
J 


u eben 
re te und —X en Surmal, ben lee 


erausgeben. 

Was nennen dieſe Miffionere „gute Boͤcher⸗? Mas 
verſtehen fie —— ———— mie fat ber JInhalt der 
uͤgtichſten Journals a „Eclairear”‘ erſqeint ſei 
p Sun. 1843 in 12 jährlichen Lieferungen von je en 


. das Zahresabonnement foftet nur 3 Francs. „Der ‚Eclaireur, 


fo berichtet das diesjährige Programm, „behandelt Gegenkänke 
der hHöhern Philoſophie.“ Was iſt Höyere Phiüloſophie? 
20 2 airour handelt uͤber die guten und biſen 

Engel, ihre Macht und Wirkung auf ben Menfchen, auf bie 
Natur und bie ganze Welt; er handelt über Wunder, Zauberei, 
abergläubifche Praktiken, Beſeſſenheit und uͤbernatuͤrliche Er⸗ 
fhetnungen aller Art, wie foldye vielen Theologen und infonders 
Ärzten und Philofophen viel zu fchaffen madyen.” ifo 
belämpft wol ber ‚‚Bclaireur” alle Art von Aberglauben? 
Gebuwd! „Der ‚Eclaireur‘ gibt bie Kennzeichen an, nach welden 
mon unterfcheiben Tann, was gute und was böfe Geifter freien. 
Die Wiffenfhaft hiervon ift ben Beichtigern un: 
erlaͤßlich fowie aud den Arzten. Ban fehe nur Hippo⸗ 
f. w. „Die Weichtiger und Ärzte, welche bie, 

ieiber in ben Geminagien und auf ben Univerfitäten pöhft ver 


| nachläffigte Wilfenichaft nicht verfiehen, Handeln gleich Blinden" 


u. |. w. „Die Sektirer, Swedenborglaner, Janſeniſten u. |. w. 
bitden fich ein, daß ihre Hellſeherinnen und Kataleptifchen ans 
dem heiligen Geift reden. O ja bo! Der ‚Eclaireur du Mid 
beweift, daß aus ihnen ber Teufel redet und deu heilige Geik 
nur aus ben roͤmiſch⸗katholiſchen Heiligen.” Der Achberban 
ik ebenfo materialiftifh geworben wie bie Mebicin. Der 


| „Eclaireur da Midi* wird ihn zur Religion „peüetiten, ald 


zu feiner eigentlihen Gtäge.” „Der ‚Eclaireur‘ ift fin Go⸗ 
phiſtenwerk, ex wird einfach und kunſtlos reden, er wird We 


' freie Rebe und bie freie Schreibart der Heiligen ſich zum 


Muſter nehmen.” „Die Religion und die Menſchheit find bes 
theiligt bei dem Succeß dieſes Journale.” „Der ‚Kclairenr 


' * Nichts vor Augen als Gott und das Heil ber Seelen, mie 


abonatre, lisber Leſer, abonnire! 


don der Abonnementspreiß genugfam zeigt.” U f. w. as 





Literarifche Anzeige 

Dur alle Buchhandlungen iſt zu erhalten: 
Georg Forster’s 
stlihe Sckyritten. 
Herausgegeben von deſſen Tochter | 


uhd begleitet 
mit sinsr Charakteristik Forster's 
son 


G. &. Gersinus, 
iu neun MBänben. 
Brste Lieferung: Band 1, 6, 7. 


Gr. 12. Geh. 3 Thle. 


Die Übrigen Wände biefer erften voRändigen Aus⸗ 
gabe ber Mech eines unferer Griffel 
ler werden in Eurzen Bwilchenräumen folgen. Auf die dem 
fiebenten Bande beigedrudte Gharakteriſtik Forſter's non Ger⸗ 
vinus eriaube ich mir ganz befonbers aufmerkfam zu machen. 


Reipzig, im Juli 1843, 
5. A. Axrackhaus 


(awa 






Verantwortlicher Herausgeber: Heinrih Brokhaus. — Druc und Verlag von 8. U. Brodhans in Leipzig 
— — — — — — 








Blatter 


für 


literariſche Unterhaltung. 





Rittwos, 


— — Kr. 2 14 — 


2. = Xuguß I 1843. 





Über die Stellung, weiche ber Baukunſt, ‚ber 
Bildhauerei und Malerei unter den Mitteln 
menfchlicher Bildung zukommt. 
78 au Sir. 20.) 


Dängen nun fen GSeutptur und Malerel wicht wie 
die Archieektur theilweiſe vom Bedarfniß ab, fe find fie 
do Kinder der Architetur und dirfen biefe Abkunft 
ungeflraft nie ganz vergeſſen. Wie es nämlih zum Mes 
ſen der A gehört, gewiſſe Geſetze der Symmetrie 
feſtzuhalten, fo mäflen ſolche auch in ben Werken der 
Bildhauecei und Malerel in der Anotdaung, in der Ver⸗ 
theilung der Maſſen im Raum, wenn fhon im Ganzen 
mehr verhüflt, im Einzelnen mit mehr Freiheit, beobachtet 
werben. Die meiſterliche Wahrnehmung biefes Geſetzes 
gehört z. B. zu den groͤßten Eigenſchaften Rafael's. Dan 
bat die Beobachtung deſſelben paſſend das taͤumtiche 
Grilgefähl genannt. 

Aber auch die Architektur erfährt wieder einen gewiß 
fen Einfuß von ber Sculptar und Maletei. So thut 
ſich bei ige in den Zelten ihrer hoͤchſten Biute das male: 
riſche Element in einer geſchmackvollen, meiſt durch einen 
befondern, praktiſchen Zweck bebingeen Unterbrechung der zu 
ſtrengen Symmetrie fund, wie bei den mit dem Parthe⸗ 
nen verbundenen Heinen Gebäuden des Pandrofions und 
des Erechtheums und fo vielen gothiſchen Kirchen. Das 
plaſtiſche Element aber seite bri der geößern Ausbildung 
des ormamentalen Theile der Architektur, z. DB. bei der 
Canelirang bed Saͤulenſtammes herver, weburd das 
Schwere und Plumpe ber Maſſe gebrochen, umb dieſes 
Glied, welches urſpruͤnglich als tragendes mehr conſtruc⸗ 
to iſt, im ein zu gleicher Zelt in einem hohen Grade 

verwandelt 


wird. Wie allen drei Kuͤnſten 


das Zeihnen als Element gemeinſam iſt, fo zeigt fich 
auch in jenen gegenſeitigen Ginftkffen eine enge Berwandt: 
ſchaft derſeiben und dee bei dem Schaffen in jeber von 
ihnen thaͤtigen Geiſſesart. Hievams iſt +8 zu erklaͤren, 
dag manche Künftter ſich in allen dreien hervorgethan, 
von denen ich bier nur den Michael Angelo Buonar⸗ 
wi als das beruͤhmteſte Beiſpiel anführen will. 

aber bat jede dieſar Kunſte wieder ihre bes 
ſondern Stilgeſetze, von deren firenger Beobachtung ein 
große Theil des Werchs ihres Preduetionen abhängt. 


Bor Atem machen füch bei der Architektur und Bildhauerri 
gewifſe Kodsrungen des Materials, deren fie ſich 

geltend. In der Architektur muͤſſen die Befehe dee Gras 
tie anf eine Weile beobachtet fein, daß die Gebäude am) 
dem dufern Sinn in allen Theilen als eine feſt anf fi 
beruhende Maſſe erfcheinen, und nicht, wie ber 
Thurm von Piſa, den Eindrud machen, als ob fie Einen 
durch Umſturz erfchlagen koͤnnten. Nach der Merfchiaberts 
beit des Materials treten für Gonſtruttion wie für Des 
namentirung wieder verichlebene Bedingungen ein. Ans 
der® find diefe, jemachdem der Architekt in Holz oder Stein 
und wieder, jenachbem er in großen Werkſtuͤcken ob 
in Badftein zu bauen bat. Weſentliche Stilgeſetze find 
außerdem für ihn, die Hauptlinien wicht zu unterbrechen, Die 
confteuctiven und ornamentalen licher nicht auf sie 
Weife zu mifchen, daß man nicht erfennen kann, weichem 
dee beiden ein jedes angehört; endlich durch die Denamute 
die Profile der Hauptglieder nicht zu durchſchneiden. 

Bei dem Bildhauer greifen die Stilgeſete des Ma⸗ 
terials in fehr mannichfachen Modificationen ein. Er 
darf nie vergeffen, daß der Stoff, worin er bilder, ſich 
Immer als eine ſchwere und derbe Maſſe darſtellt, und 
muß mithin in Rundwerken mie ber Arhitele nicht vers 
fiumen, den Schwerpunkt auf eine Weife zu besbachten, 
welche auch den dußen Sinn nicht flört. Er fo daher 
zu lebhafte Bewegungen, wie die des Fliegens und Fal⸗ 
kend, vermeiden. Manche Gegenſtaͤnde, bei deren treuer 
Nachahmung fi) der Stoff zu fehr als ſolcher aufdraͤngt, 
wie z. B. Gewandfalten, Haarloden, muß er mehr durch 
Vertiefungen und Einſchnitte, als durch ſtarke, immer 
plump und fehmerfällig Lafiende Ausladungen auwsbräden 
imb dadurch Die Maffe brechen und minder fühlbar machen. 
Andere Gegenftände, 3. B. Bäume, welche er nicht im 
Einzelnen wiedergeben han, darf er nur andeuten; noch 
andere endlich, reiche in der Natur in gar zu großem 
Widerfpruche mit feinem Material ſtehen, wie 5.8. Wels 
fen, muß er durchaus nicht darſtellen. Bin ſchlagendes 
Beifptel hierfür gewährt bie auf Wolken einherſchwebende 
Statue der Gebe des Canova im hieſigen Mufum. 
Bei erbabenen Arbeiten (Relieſen) darf er, um Ver—⸗ 
worrenbeit und Unwahrheit zu vermeiden, nich mehe 
ale zwei Pläne —— weichen bie dm einemn 
jeden derſelben befindlichen Figuren einen gewiſſen alle 


a . we. 


gemein dafuͤr angenommenen Grab ber Erhabenheit 
nicht überfchreiten dürfen. Weite, landſchaftliche Hinter: 
gende find vollends unflatthaft, weil ihm die Jllu⸗ 
fion der dem Mater zu Gebote ſtehenden Luftperſpec⸗ 
hie Ind ſich in Ben. Plänen wisfelbe. denke Felle 
fee \geleend macht. Anders fielen ſich aber Wider 
diefer Bedingungen, nachdem das Material verfchie: 
den, 3. B. Marmor, Bronze oder Holz iſt. So würde 
3.8. die ſchoͤne bronzene Statue des fliegenden Mercur von 
Johann von Bologna tn Marmor ſtilwidrig, ja unmoͤglich fein. 
Wenn der Maler bei den ihm zu Gebote ſtehenden 
Mitteln der Linien und Luftperfpective vecht eigentlich dar: 
auf angewiefen iſt, eine größere Zahl von 
in verfchiedenen Plänen darzuftellen, fo hat er body auch 
wieder die gefährlide Klippe der Überhiufung uud Ver⸗ 
moerenheit zu vermeiden. Um den jedesmal erficchten 
Grad von Jhuflon zu erreichen, iſt es ferner erfoderlich, 
deß derfeibe in allen Theilen gleichmaͤßig durchgeführt 
fi. Obgleich in der Malerei die Gtitfoderungen bes Stof⸗ 
ſes fi minder geltend machen als bei ben andern beis 
ben Künften, fo beſtehen fie doch ebenfalls für gewiſſe 
wie 


von Waffen hervorzubringen. Dies gefchieht aber durch 
mbglichft geringe Unterbrechung der‘ Lichtmaſſen in ihrer 
allmaͤligen Abſtufung. Um dies zw eriichen, haben bie 
Dialer daflız entweder breite Faltenmaſſen gewählt und die 
Angabe der kleinern Motive inmerhatb bderfelben fehr ges 

‚ ber die Stoffe fo zart angenommen, daß bie 
Hatten bei ihrer großen Feinheit die Lichtmaffe nicht we⸗ 
fentlich ſtoͤren. Die erfiere Weiſe ift im Mittelalter, bie 
gweite bei den antilen Gemaͤlden vorzugsweiſe in Anwen: 
dang gekommen.“, Obwol es den Anſchein bat, als ob 
viele dieſer Stilgeſetze in den drei Künften fich faſt von 
felbft vwerftänden, lehrt die Kunfigefchichte leider, daß gegen 
alle unzählige Mal gefehlt worden iſt. 

Obaleich die geiſtige Schönheit der Eigenthuͤmlichkeit 
des Kaͤnſtlers, welche aus feinen Werke herausitrahit, 
den Befchauer am geheimnißvolifien und maͤchtigſten ans 
zieht, naͤchſtdem aber die Beobachtung der jeder Kunft 
eigenthuͤmlichen Stilgeſetze von ber entſchiedenſten Wirkung 
tft, fo macht ſich daſſelbe doch auch noch in andern Be⸗ 
siehungen auf eine fehr bedeutende Weiſe geltend. 

Zunaͤchſt komme bier die Idee, welche uns der Kuͤnſt⸗ 
(re zur Anſchauung bringt, in Betrachtung. Da thut 
fich nun eine unendliche Mannichfaltigkeit auf! Bald bes 
ziehen fich diefe Ideen auf das Höchfle, wozu fich ber 
Menſch erheben kann: auf fein Verhaͤltniß zur Sotts 
beit, ober auf das ſchlechthin Ewige und Unvergängs 
liche, bald auf bie Sefansmtheiten der Menſchen, worin 
fie fih, als in hoͤhern Individualitaͤten, bier ſchon auf 
Erden unfterblich fühlen, auf die Staaten und ihre 
Geſchichte. In diefen beiden Beziehungen firtdet die 

9 Ich bin in dieſen Angaben uͤber Stilgeſetze meift dem tref: 
(te Wertungen des Herrn von Rnnodr im erfien Bande 
foiner „„Btalisnifhen Borigungen’ gefolgt. 


4 einigung ud drin 
Kunf, ihew Rdipion re Ad 


I... 
bildende Kunſt vorzugsſweiſe ihre oͤffem tliche, menn: 
mentale Bebeutung, und in ben Denkmalen ber 
Völker, welche zum freien und ſchoͤnen Ausdeud in de 
Kunf gelangt find, ſpiegelt fih im der wuͤrdigſten Ber 
ſt ahter 
o Weltt und: 
in den Xempelä und den Sculpturen der Griechen die 
jugendliche, ſich genuͤgende Friſche und. Naivetaͤt der 
Menſchheit in einer Fuͤlle von ſcharfumriſſenen, auch for 
mell ſchoͤnen BDudungen entgegen, waͤhrend die Dome und 
religidſen Geſtalten des Mittelalters eine echabene Scemuge, 
oft duͤſtere, ſeltener heitere Feier, oder eine tiefe, ergeels 
ucht Ee⸗ ſich, daß in dieſa 
beiden Kunſtwelten tauſende von Modificationen flattfin: 
ben, ih muß mid aber hier mit Amdentung der alge. 
meinfien Grundzüge begnügen, | 

Der Sculptur und Dialerei gewähren. bie Werke ber 
Dichter zunächft ein reiches Gebiet von Ideen, welche 
ebenfalls meift in monumentaler Weiſe ausgebildet wer: 
den. Auch bier iſt es wiederum natuͤrlich, daß die Kuͤnſt 
ler anders von Hoͤmer, und wieder anders von Dante 
begeifteet werben und daß ihre Werke der Verſchiedenartig⸗ 
keit dieſer Begeifterung entfprechen. 

Selbſt ganz einfache und ſchlichte Naturmotive haben 
bei den Griechen, wie bisweilen Ina Mittelalter und auch 
in der neueſten Beit den Künftlern zu fehr anziehenden 
Werten Veranlaſſung gegeben; foldye find z. B. de 
Knabe, welcher fit) den Dom aussieht, eine berühmte, 
antike, bronzene Statue, wovon eine antite Wiederholung 


in Marmor im biefigen Mufeum, das bekannte Bänfıs 


männlein von Peter Wifcher auf. dem Marktelatze von 
Nürnberg, endlih die Statue bes Pſyche Im Scqloſſt 
Tegel, eins der vollendetfien Werke von Rauch. 

Ich komme zumaͤchſt auf die Beziehungen des Privat: 
lebens, als Gegenfiand der Kunfl. *) Obwol, wie fo vice 
Bilder in Pompeji beweifen, den Alten keineswegs fremd, 
baden fie doch erſt vom 16. und 47. Jahrhunditt an 
eine vielfeitige Ausbildung erhalten und machen ſich bald 
duch einen gemütblichen, bald durch einen ruͤhrenden, 
bald endlih durch einen bumorififhen JInhalt geltend. 
Entfprechen die Scutpturen und Bilder von monumes 
talem Charakter bem Epos und dem Drama, fo nd: 
men biefe in den verfchiedenen Battungen der Gonverfationt:, 
der Bauern⸗, ber Jagd⸗, Schlacht: und Viehſtuͤcke, worin 
fie ſich ausfpalten, die Stelle des Zoykis und ber Ro: 
velle in ihren maunichfaltigften Ausgeflaltungen ein. Ib 
erinnere bier für die Converſationsſtuͤcke an fo viele Bilder 
des David Willie, In der Vorausfetzung, daß diefe durch 
bie meifterlichen Kupferfliche nach denfelben der hochverehr⸗ 
ten Berfammiung am aligemeinften befaunt fein möchten. 
Für die fonfligen Gattungen wird es genägen, bier der Bis 
dee des Zemiere, des Weuwerman und des Potter zu gedenken. 

In allen obigen Beziehungen ſpielt der Menſch die 
Dauptrolles die Landfchaftsmalerei begründen fi das 
gegen auf den eigenthuͤmlichen Eindruck, welchen die Ra: 





| 9) Dub Be Dub fogmmennten „Gamer, 














— — Heat to ghrinas vad Abe 
—— ge. Wim auch 


— male Kr ei en ——— ge⸗ 
aus verſchledenan ern aus Po erhellt, 
ſo 58* 


* Per her Dar ——æ— zulem» 
* 








der antiken vrter 
2 * ee I ihre er Auettrung in niuern 


fene Sag: „Die Kunft.fei eine ber Natur”, 
wenigſtens hier. feine, Richtjgktit habe. Dies iſt aber 
keineswegs der. ed. Welwehbt bean: aud bier der 
ſchopfeciſche Kanſtier nur gewiſſe Naturmotive, um feine 
—— Gefuͤhloweiſe arckzudruͤcken. So iſt ber 
dem Weſen des Glaube Lortain das 
BA des 3 Schoͤnheit der Linien und einer 
ewigen Helterleit und Klarheit, in der. nur die weite Ferne 
eine ine fee GSehnſucht weckt; eine Bereinigung, wie die 
otlcktichftäg Gegenden Staliens fie in den begünftigtften 
Momenten berbieten, und Homer fie fo herlich in der bes 
rahmten Stelle van bin Inſeln der Seligen ſchildert: 
Doert ht ardeitles und —— der Menſch fein Leben; 
Kie ik da Schace, raufgt Platregen ba, nimmer auch 
Sturmwind 


rin Otean⸗s fenbet des W ellwehende 

Inmer dehin, — —ã— an Ton kuͤhlend. 
Da ſich der berühmte Kaspar Pouffin in 
feinen R — bald als ein erhaben melancholiſches, 
bald als ein hoͤchſt leidenſchaftlich aufgeregtes, aber immer 
ſchoͤnes Naturell. 

Wer ſich nicht zu einer ſolchen eigenthuͤmlich poetiſchen 
Tuffaſſung, erheben kann, ſondern nur die jedesmal vor» 
liegende Natur geiſtlos copirt, wird daher auch zum Un⸗ 
—— VBedutinmaler genannt; womit indeß nicht 

gefagt fein fol, daß ſich nicht auch hier ein eigenthuͤm⸗ 
liches Gefühl ausſprechen kann, ja ausſprechen muß, 
wenn fehle Aufihten ein hoͤheres, kuͤnſtleriſches Intereſſe 
erregen follen. Indeß wird fich dee gefchictefte Maler 
diefer Gattung zu dem erfindenden Landfhaftsmaler im: 
mer wie der bloße Porteaitmaler zum Hiſtorien⸗ 
maler. Ger: und Architekturmalerei find Derzweigungen 
der Eaudfſchaftsmalerei. Die Landſchaftsmalerei in jenem 
hoͤhern Sinne entfpricht der Inelfden Moefle vom er 
habenflen Homnus bis zum leichteſten Liebe 

ve (Die —* folgt.) 





Arndt und Deutſchlands Erhebung im J. 1813. 
aut mas Stimme aus cn eh m 


—— Eintett ir mehr als Einem Sinne Erin bloßer raum 
bieibn, fondern daß ſich die Prophezeiung davon früher ober 


ndmti far 17. Jahrhundert erhalten. Es dürf | 
ten nun Manche glauben, daß der oben ald irrig verwors | heyichen, dodh- Kiefer 





dem Au 









55 *7 ni —* 


n gegen Die, weiſhe piellejch 







Maort f — ’y 
— — —⏑ ⏑ —⏑⏑ — e mei De De 


un fürchten. Die aber 
glorreiche Beit bad Suflwmungs vom I. 1813 veru verunglimpften 
unb beichnäffeiten, wauen- rg junge jübifche Zac 
weiche maift non Haufe aus ven Drilaehint für deutſche Ast 
ben und obgleich fie deutſches Brot efiam, deuiſches Weffer trins 
ken, beutfche ef einatmen und Llingendes beutiches. Honagag 
den murrenden Slawen ober Yanflamen ober * 
den gemachten feinen *36 ſpielen michten 3 fernen bie radi⸗ 
ealen Bibsrnien.vom 3. 1830, te auf Paris als auf 
die Gebt Gottes hinblickten, wen en aus das Deil kommen 
müfle, die. vielen Anhänger bes plöglich MWobe gewordenen und 
blind zutsnpenbes Napolton⸗Cathuſiasmus, bie große Anzahl ber 
aus Zeitgährungen und uubefrigbigten Goffnungszuftänden * 
vorgegamgenen Geiſter und Griſterchen, denen nichts recht war, 
bie Alles bemaͤkelten und befpöttelten, blos um zu mäleln unb 
zu fpöttelns endlich auch viele der Beſſern, denen bie Zeit iR 
ihren Entwidelungen zu langfam ging, weiche bie Anſtrengun⸗ 
gen vom J. 1813 barum verachteten und verdaͤch ‚wei 
die im Innern Deutſchlande gewonnenen Refultate ihnen. Diefen 
Anftrengungen nicht zu entſprechen ſchienen, weil fie bie Quers 
ſtriche bebamexten , * bey diplomatiſche Areopagus durch bis 
—— bes deutſchen Volks zog; und zu alleriegt die Unzehl 
Derer, weiche kein eigenes Urtbeil haben, fonbern nur ba& ib⸗ 
ven Borgeſprochene nachinlien und nachbuchſtabiren. Die Reiben 
diefer Veraͤchter der Thaten von 1813 wurden noch bucdh ein« 
ipiete. Schriftſtellerinnen verfärkt, weiche die Maͤn⸗ 
nerthaten von bamals geringfhästen, weil innen bie Thaten 
nicht mehr vor Augen He bie Männer, „reihe bie Thaten aus⸗ 
geführt, entweder todt, ober bejahrt, d. h. durch Jugend und 
Kraft nicht mehr anziehend find; denn das Weib kümmert fich 
viel um die Vergengenheit, es Lebt für die Gegenwart, unb 
wenn es einen Mann würdigen foll, muß es feine Perſoͤnlich⸗ 
keit kennen. Gefallene Männer ſind dem Meibe keine M 
geichebene Ihaten Leine Thaten mehr. Daher der Ausſ, 
einer ſqhriftſtellernden Gräfin, was man benn um bie Gchebung 
den preubifchen und weiterhin des beutichen Volks ein fo Grohe 
Geſchrei wache? das ſei body wirklich fo gut wie nichts, wenn 
ein Volk fi Jahre lang treten laffe und endlich fein Jod abe abs 
ſchuͤttele. Mit Erlaubniß! Wenn der einzelne Mann ben eins 
nen Dann gegenüber bat und er wirb von biefem beleidigt, 
gibt er ihm entweber eins hinter die Ohren ober er fovert 
ihn vor Di Kiinge ; ſogar eine einzelne Stadt, wie Numantia, 
in neuefter Zeit Saragoſſo, mag fich Leicht 
in ber toth wie Sin Mann zum Kampfe auf Leben 
und Zob'vereiben ; nicht fo leicht ein Bolt, weiches umftellt und 
noch Theil in der Hand des Feindes iſt, wo unter den 
bes Feindes erſt Alles vorbereitet, organifirt, inſtruirt, 
Ipeiten zu einer Geſammtheit verdichtet werben ni 
el und zwar einem fo großen und fucchtbaren 
BolsoR gegenäber. und burch wen fiel bas beusf 
ſich feibfi? Nein! Aber durch wen erhob es ſich 
ſeibſt! Dan muß bie Anftvengungen des preußiſchen Volks 
kennen, 2* es gekoſtet bat, um das Biel ber allgemeinen 
Bolksb —25* man muß bie hiſtoriſchen Vorder⸗ 
füge Tannen; der darum kümmert ſich ein Weib freilich nicht, 
weiches auch im Buche immer nur wie am Aheetifche Ichwagt. 
Diefe verächttichen Anfichten über die Erhebung Preußens im 
J. 1813 waren, bei ber duch einzelne Sründe gerechtfertigten 
ri des übrigen kan om —* Fe banal 
entgegengeſetz te ins un rſum⸗ 
men und Gurren ſpoͤttiſcher Stimmen gaͤnzlich uͤberhoͤrt wurde 
ober laͤcheruich erſchien. Aber es änderte ſich, ſchneller als man 
einen Handſchuh amkehrt, und nlögiich waren die Männer und 
Thates von 1813 wieder oben, Arndt's „Erinnerungen au, 
fern Lohen‘‘ erlebten ſqͤnell eine. beitte % lage; man. 











Blätter 


für 


literarifhe Unterhaltung. 





Donnerstag, 


— — Nr. 215. — 


3. Auguſt 1848. 





über die Stellung, welche der Baukunſt, der 
Birtmuerii und Malerei unter den Mitteln 
menſchlicher Bildung zukommt. 
(Vortfegung aus Nr. 214.) 


Es bleibt mir noch übrig, von eimer Äußerungsweiſe 
des kuͤnſtieriſchen Geiſtes zu fprechen, nämlich von ber 
Dortraitbildung Wie groß auch der Unterfchied 
der Art und des Aufwandes der Lünfkierifchen Yhantafie 
von der Bildung eines olympifchen Zeus des Phidias, 
einer Sirtinifhen Madonna von Rafael, bie zu dem 
blinden Fiedler von Willie, oder dem Heitathéantrag 
auf Helgoland von Jordan fein mag, To iſt doch von 
einem bis zum andern, durch alle die dazwifchen liegenden 
Stufen, dieſelbe erfindende Kraft thätig und macht das 
eigenchümliche Naturell bes Künftlers, welches fi darin 
ausfpricht, überall den Hauptreiz aus. Bei ber Portrait: 
bildung, wo body der Künftier allen an die Wiedergabe 
der einzelnen, ihm vorliegenden Naturerfcheinung gewieſen 
ift, möchte es dagegen auf den erften Blick ſcheinen, als 


ob bier die Thaͤtigkeit der kuͤnſtleriſchen Phantafie aus: 


gefchloffen fein und an dieſer Stelle doch endlich der Sag: 
„Der Zweck der Kunſt beflehe in der Nachahmung der 
Natur”, feine volle Anwendung finden muͤſſe. Und doch 
ift dem ſelbſt hier keineswegs alſo. Es macht fic) viels 
mehr gerade - bier die kimſtleriſche Eigenthuͤmlichkeit auf 
eine überrafhhende Weife geltend. Oder worauf beruhte 
fonft der unermeßliche Unterfchied in der Wirkung eis 
ned Portraits von Nafae und eines von Denner ? 
Man wende mir nie ein, dieſer entfiche dadurch, Laß 
Denner in feinen fo unfaglich ausgeführten Portraits faft 
immer haͤßliche und runzlige alte Männer und raum, 
Rafael dagegen meiſt ſchoͤne Leute gemalt habe. Im 
Palaſt Pitti zu Florenz hängt von Rafael das Por: 
tcait des Cardinals Inghirami, eines häßlichen, diden 
und ſchielenden Praͤlaten, und doch uͤbt dieſes Bild eine 
wunderbare Anziehungskraft aus. Worin liegt dieſe alfo 
anders als in der eigenthuͤmlich edeln Art der Auffaflung, 
vermöge welcher Rafael in feinem Vorbilde alles geiftig 
Bedeutende, oder das Ewige, was in jedem Menſchen 

inet, geſchaut und mit Unterdruͤckung des Zufälligen und 

, tweldyes ebenfalls jedem Menſchen nothwendig 

anklebt, vorzugsweiſe wiedergegeben hat? In dieſem Sinne 


malen bie großen Maler, bilden die großen Bildhauer im 
ihren Portraits ihr Vorbild nicht wie es ft, fondern 
wie es fen folt, und beftreben ſich darin, das Ideal 
deffelben, welches in jedem Menfchen vorhanden, aber in 
der Erſcheinung mehr oder minder getruͤbt iſt, zu erkennen 
und zur Anfchauung zu bringen. Man würde ſich indeh 
fehr irren, wenn man glaubte, daß dies auf Koften der 
Ähnlichkeit und Lebendigkeit gefchaͤhe; diefe treten vielmehr 
gerade dadurch auf das ergreifendfte und geiftigfte her 
vor. Sch erlaube mir bier nur an die Buͤſten von 
zwei, einen großen heile ber hochverehrten Verſamm⸗ 
ung perfönlic bekannten Männern zu erinnern, an 
die Buͤſte des felgen Schleiermacer von Rauch und 
an die des Dichters Ludwig Tieck von feinem Bruder, 
dem Bildhauer Friedrich Tieck. Beides find treffliche Bei⸗ 
fplele von jener Art von geiftreicher, ideeller und doch 
wahrer Auffaffung. 

Werfen wir nun einen Blick auf bie Portraits von 
Denner! Diefer Kuͤnſtler hat ſich allein an das Wieder: 
geben der Außerlihen Erſcheinung mit allen ihren Hein: 
fin Zufälligkeiten gehalten und jedes Hautfaͤltchen, jedes 
Biutäderchen, jedes Schweißloch, jedes Haͤrchen mit topos 
graphiſcher Gewiſſenhaftigkeit auf das natuͤrlichſte aus⸗ 
gedruͤckt. Hier hätten wir alſo eine bis aufs aͤußerſte 
getriebene Nachahmung ber Natur! Jedem gebildeten 
Auge erfcheinen feine Bilder aber ungeachtet ihrer unge 
meinen techniſchen Virtuoſitaͤt nicht blos geiſtlos, fonbern 
widerlich. Die freie Kunſt grenzt in ihnen mit den Wachs⸗ 
figuren zufammen, die etwas Grauenhaftes haben, weil 
fie lediglich auf eine täufhende Nachahmung des orgamls 
ſchen Lebens ausgehen, ohne daß daſſelbe duch einem ans 
dern Geiſt, nämlih den eigenthuͤmlich ſchoͤnen eines 
Kümftlers erfegt würde. Ein Jeder kann fi) hiervon durch 
ein vortreffliches Portrait von Denner, welches das Mus 
ſeum befige, ſelbſt Überzeugen. 

Sollte indeß die hohe Bedeutung der Eigenthuͤmlich⸗ 
keit des Kuͤnſtlers bei dem Portrait noch irgend in Zwei⸗ 
fel gezogen werden, fo iſt dieſelbe auf die evidentefte Weiſe 
durch die Portraits dargethban, welche gegenwärtig in fo 
großer Anzahl durch das Daguerreotyp hervorgebracht wer⸗ 
den. Hier ift die Nahahmung getreuer als irgend eine 
Kuͤnſtlerhand fie geben kann, denn bier verführt die Na: 
tur nad) ihren eigenen Geſetzen. GSelbft die gelungenflen 


folder Portraits haben indeß etwas Nüchternes, Gleich⸗ 
gültiges und Kaltes, weil ihnen naͤmlich das Gepraͤge 
der Auffoffung eines beſtimmten, kuͤnſtleriſchen Geiſtes 
febte, welcher ihnen allein Wärme, Geiſt und ein höhe 
red Interoſſe einflößen kann. 

Aus dem Geſagten srhelt von ſelbſt, daß, wenn ſchoͤne 
und geiftreiche Perſoͤnlichkeiten ſich mit der Auffaflung 
durch einen großen Künftter wie in einem Brennpunkte 
vereinigen, Portraits folder Art felbft den Kunſtwerken 
der hoͤchſten, ideellen Aufgaben nicht - , 
wie denn auch ein Portrait, wie das der irrig ſogenannten 
„Bäle ferranitre” *) des Leonardo da Bincd zu Pas 


sis, ober das des Papſtes Leo X. von Rafael im. 


Palaft Pirti zw Florenz jedem hiſtoriſchen Bilde gleich 
geachtet wich. 

Es dürfte bier der ſchicklichſte Det fein, auch der 
Malerei von Früchten, Blumen und fegenannter 
Gtilleben mit einigen Worten zu gedenken, indem «6 
ih dabei, wie bei dem Portrait, vorzugsweiſe um das 
Wiedergeben der einzelnen Naturerſcheinung handelt. Als 
lerdings beraubt bei Bildern diefer geringſten Gattung ber 
Heiz ungleich mehr als bei allen Übrigen auf ber Illu⸗ 
fion, welche eine möglichft getreue Nachahmung der Mas 
te hervorbringt. Deffenungeachtet macht ſich auch bier die 
GEigenthämiichleit des Kuͤnſtlers ſowol In dem Geſchmack 
ber Anorduung als in der harmoniſchen Zuſammenſiel⸗ 
kung ber Karben auf eine ſehr bedeutende Seile geltend. 

Haben die Kunſtideen, welche fi auf Kirche, Staat 
und Poefie beziehen, vorzugsweiſe eine Öffentliche und mo⸗ 
numentale Bedeutung, fo find die Übrigen meiſt dazu bes 


ſtimmt, das Privatleben auf eine fchöne und bedeutende 


Art zu ſchmuͤcken. 

De Eigenthümlichkeit des Künftlers, die 
Beobachtung der einer jeden Zunft zukommen⸗ 
ben Gtilgefege und bie Idee, oder der Gegenſtand 


des Runftwerts, find unftreitig die Eigenfchaften, welche 


ver Allem in bemielben anziehen; aber auch bie eigent⸗ 
üche Wiſſenſchaft, als bei der Architektur die 
ſtrenge Beobachtung ber Megeln ber jedesmaligen Conſtruc⸗ 
tion, bei der Sculptur und Malerei die auf gruͤnd⸗ 
lichen anatomifchen Studien berubende Richtigkeit der Zeich⸗ 
nung, wozu bei ber letztern noch die Beobachtung der Linien: 
und Luftperfpective kommt, bat an dem Eindruck, den 
ein Kunſtwerk auf den Beſchauer macht, einen hoͤchſt be: 
beutenden Antheil. Daſſelbe gilt endlih von dem rein 
sechmifchen Theil, von der Weiſe, wie dee Architekt fein 
Material ſcharf und genau zufammenfüge, wie dee Bild: 
bauer mit dem Meifel feinen harten Stoff kunſtreich bes 
zwingt und ihm gleihfam Leben einhaucht, wie der Mas 
fee durch die Führung des Pinfels und den Gebrauch 
ſchͤner und haltbarer Farben feine Kunſtwelt hervor⸗ 


Ein in allen Theilen ſchones und befriedi⸗ 
gendes Kunftwert kann nur dann entfichen, wenn alle 


9 Iegt wit viel mehr Dahrſcheialichtoeit Tür das Purteait der 
Surregia Grinelli gehalten. 


diefe Eigenfchaften in einem hohen Grade vorhanden fin 
und auf eine lebendige Weile zuſammenwirken, ſodaß 
eine beſonders ſchoͤne und bedeutende Eigenthuͤmlichkeit des 
Kuͤnſtlers fih mit einem richtigen Stügefühl, einem glns 
fligen Gegenſtande und einer Koh Ausbildung der wif, 
ſenſchaftlichen und technlfchen buchhleinge. Die 
iſt indeß verhaͤltaißmaͤßig nur felten der Kal, Nah 
Maßgabe aber, wie ein Kunftwerk die mehr oder minde 
wefentlichen jener : Eigenfchaften beſitzt, wird «6 immer 
noch ſchoͤn und anfprechend bleiben. Der Aufdrudk einer 
fhönen und naiven Eigenthümlichkeit des 
Künſtlers br eine ſolche Gewalt aus, daß er feihk 
gegen die Stilgefege verſtoßen kann, wie dies zB, in 
einem hohen Grade bei den nach maleriſchen Stilgeſchen 
componftten, weltberühmten Bronzethlisen des Baptifteriums 
zu Florenz von Lorenzo Ghiberti ber Kalt ift, daß m 
auh dem ungünftigften Gegenflande, z. DB. der Martet 
des heiligen Erasmus, dem bie Eingeweide aus dem Leibe 
gerwunden werden, no Reize zu verleihen vermag und 
foger fehr erhebliche Mängel in den wiſſenſchaftlichen und 
techniſchen Theilen ſehr erträglich macht. Hierin liegt der 
Hauptgrund, weshalb fo viele Werke früherer Kunſtepochen 
gebildeten Kuͤnſtlern und Kunftfreunden ungeachtet folder 
Mängel oft eine fo warme Bergunderung entloden. Sek 
ber Aufdeud einer mehr ober minder verfchrobenen, aber 
entſchiedenen Perfönlicykeit (eines Manieriſten) verleiht 
dem Kunſtwerke noch immer eine energiſche Wirkung, 
mag es nun anziehen, wie >» B. ein Bild des Gate: 
tor Rofa, oder abfloßen, wie ein Bild des Sprangn. 
Ein Kunſtwerk dagegen, welches ohne Gefuͤhlsbegeiſtetung, 
wie ein Rechenepempel, lediglich aus der Beobachtung ge 


volffer Regeln und Reflexionen entſtanden ift, kann beim 


Falls ein Aggregat von ſehr lobenswerthen Eigenſchaften, 
es kann wohl angeordnet, . ricgtig gezeichnet, mit vicer 
Bravour gemalt fein, aber ale Ganzes wird ed den Be 
ſchauer, tro& des ſchoͤnſten Gegenſtandes, immer kalt 
und gleichguͤltig laſſen, weil ihm die Alles ducd: 
dDeingende Seele fehlt. Kunflwerke von foldyen nega⸗ 
tiven Vollkommenheiten find im 18. Jahrhundert in be 
fonders großer Anzahl hervorgebracht worden. 

Machwerke endlich, weiche Beine aller erwähnten Cigen⸗ 
haften in einigem Grade befigen — und leider iſt deren 
zu allen Zeiten eine Unzahl hervorgebracht worden —, Wi: 
dienen gar nicht den Namen von Kunſtwerken und wir 
Ben verderblich auf Sins, Geſchmack und Geil. Die 
leider unmoͤgliche Vertilgung dieſer Fehlgeburten wäre eine 
große Wohlthat für das mienfchliche Geſchlecht! 

Iſt aber bei einem Volke der Kunſiſinn einmal ler 
bendig geworben, fo ruht er nicht cher, bis er nicht al 
kein die Gebäude, von dem Palaſt bis zur Hütte, von 
außen und innen geſchmuͤckt, fonderm auch ein jegliches 
Dausgeräth durch Form und MWerzierung in bas Gebiet 
des Schönen gezogen hat. Dadurch aber, daß Begenflände 
bes bloßen Beduͤrfniſſes das Gepraͤge einer der Höhen 
Thaͤtigkeiten des menſchlichen Geiſtes, nämlich der erfins 
derifhen, kuͤnſtleriſchen Phantafie tragen, ehe 
ben fich auch biefe aus dem Geblet der bloßen dufem 


Ninkihleit in das des Seins um ihrer feibft willen und 
adeln auf Defe Wette ſelbſt das Bedürfniß. 

Eine ſolche von dem Groͤßten bis zum Kieinften von 
den bildenden Künften durchdrungene Umgebung übt nun 
auf den Menfchen einen wunderbar veredeinden Einfluß 
aus. Sie gewährt die ſtumme, langſam, aber fidyer und 
mächtig wirkende Erziehung durch die Schönheit, 
Wem es auf: längere Zeit vergoͤnnt geweſen iſt, in ſolcher 
Umgebung zu leben, dem wird fie fo ſehr zum geiſtigen 
Bedärfnif, daB ihm da, wo fie ganz fehlt, nicht anders 
zu Muthe iſt wie dem Freunde der Natur, wenn er 
aus Gorrent, oder Salzburg, wo fie das reichte und 
fchönfte Leben achmet, in die Lüneburger Haide verfegt 
würde, wo fit fih in einförmiger Dürte und todter Er⸗ 
flarrung wor Ihm ausbreitet. Erſt ein Solcher verſteht 
ganz den tiefen Sinn der Zeilen: 

Kenuf du dad Haus, auf Säulen ruht fein Dad, 

Es län der Baal, ed ſchimmert dad Gemach 

Und Marmorbilder flehn und fehn mich an. 
worin die Sehnſucht eines jugendlichen Gemuͤths nach 
einer kunſterfuͤllten Heimat fo hertlich anklingt. 

Aber auch in anderer Beziehung iſt die bildende Kunſt 
von hoher, ſittlicher Bedeutung. Die dem Men⸗ 
ſchen nun einmal eigene Welt der Sinnlichkeit, welche 
fo Viele In dem Schlamm thierifher Gemeinheit hinab: 
zieht, welche ganz zu verleugnen aber immer nur [ehr 
Wenigen gelingt, wird duch die Kunſt veredelt und 
gereinigt, indem fie diefelbe zum Ausdruck der Schön: 
heit und oft rein geifliger Beziehungen verwen» 
det. Go bewahrt nichts mehr gegen die fo häufige, 
falfche Pruberie, welche an der Darftellung des Nadten 
Anfiob nimmt, ats die frühe Bekanntſchaft mit echten 
Kunſtwerken, wo daffelbe, im reinen und keuſchen Dienſt 


dee Schönheit, geringere Beziehungen in der Phantafie 


gar nicht aufkommen laͤßt, und fo die wahre Unſchuld 
bewahrt. In diefem Sinne malte Michel Angelo in 
der Birtinifcyen Kapelle den Adam, welcher, am Boden 
zuhend, von dem Finger Gottes berührt wird; die Eva, 
sie fie, menerfchaffen, vor ihrem Schöpfer niet, in der 
Unfchutd, wie fie ans feiner Hand hervorgegangen find. 
In diefem Sinne find auch die herrlichen Compofitionen 
von Schinkel gedacht, welche, in Fresco audgeführt, die 
Halle des Mufeums ſchmuͤcken werden. Wenn aber felbft 
eine Venus von Tizian in dem Beſchauer andere Em⸗ 
ats die reine Bewunderung der Schönheit 

ald einer göttlichen Eigenfchaft erweckt, fo tft die Schuld 
hiervon nicht dem Künftter, fondern ber fittlichen Verderb⸗ 
niß des Gefuͤhls im Beſchauer beizumeffen.*) Ih bin 
indeß weit entfernt, behaupten zu wollen, daß die Kunſt 
nidyt ihre edlere Natur verleugnen und einer niebrigen 
Sinmlichkeit dimen kann und vielfach gedient hat. Der 
Misbrauch einer an ſich guten Sache beweiſt aber nichts 
gen biefelbe; denn womit wäre wol je ein größerer Mis⸗ 

Deuuch getrieben worden, als mit dem hoͤchſten Gute der 

9 gi wir erlaubt, in biefer Beziehung auf einen trefftiäen 


Ausflar von Goethe: „Der Sammler und die Seinigen‘‘, aufmerls 
fu mechen. 


Menſchheit, der Religlon? Wem aber koͤnnte es einfal⸗ 
len, deshalb an ihrem göttlichen Urſprunge zu zweifein, 
oder fie gar vermerfen zu rollen ? 

Andere Leidenfchaften, denen dee Menſch fi) nur gar 
zu leicht ruͤckſichtslos überläßt, z. B. der Schmerz, werden 
duch die Weife, womit die Kunft fie durch die Schönpeit 
bes Gefühle verklärt, gelinbert und harmoniſch aufgeloͤſt. 


So will ich befennen, dab der Anblid der Mutter Niobe, 


der Srablegung in Borghefe von Rafael, mir in ſchmerz⸗ 
lichen Lebensvorgängen wunderbar troſtreich geworden find, 
Einen verwandten Eindrud macht der von zwei Engels 
betrauerte Chriftus von Mantegna im bhiefigen Muſeum, 
befonder6 in dem emporblidenden Engel. 

Ich berühre jegt einen andern wichtigen Einfluß ber 
bildenden Kunft, die Schärfung und Verfeinerung 
des Sinns für die verfchledenartigfien Schoͤn⸗ 
beiten in der Ratur. Da jeder große Kuͤnſtler die: 
felbe auf eine bedeutende, aber doch nur ihm eigenthüms . 
liche Weiſe aufgefaßt Hat, ſieht fich der aufmerffame Be⸗ 
[dauer von Kunſtwerken allmälig in die verfchledenen Wei⸗ 
fen derfelben hinein, ſodaß ihm erſt die geiftige Bedeutung 
der Gefichtöformen, der Mienen und der Geberden in der 
Natur in ihrer unendlihen Mannichfaltigkeit aufgeht und 
er 3. B. gewahr wird, wie jich bisweilen in einem, in 
den Formen häßlichen, Geſichte, tie dem des Sokrates, 
eine höhere, geiſtige Schönheit ausſpricht, waͤhrend ein 
formell ſchoͤnes Geficht gelegentlich wieder moralifche Ver⸗ 
derbtheit und Häßlichkeit des Geiſtes verrätd und ihm 
dee Ausdrud, oder die Anmuch keiner Wendung und 
Bewegung entgeht. Ebenfo erhält die Landfchaftlihe Mas 
tur taufend neue Reize. Faßt das Auge in einer Ge: 
gend wie die von Neapel mit Claude Lorrain jede neue 
Verſchiebung der Linien bei der Änderung des Stands 
punkts und die zarteften Abflufungen der Töne auf, fo 
erfreut es fih auh in unfererr Markt mit Ruysdael 
uber eine fchöne Buumgruppe, über das mannichfache 
Spiel der MWolkenfchatten und der Sonnenblide auf den 
weiten Flächen von Wiefen und Seldern und entdeckt 
ſelbſt in den gewöhnlichen Kräutern zu feinen Füßen eine 
Menge von Schönheiten. 

Betrachten wir nun bie befondere Weife, wie bie 
bildenden Künfte in dem oben angegebenen Kreife von 
Ideen, worin fie fich bewegen, auf den Menſchen wirken, 
fo unterfcheiden fie .fih von allen andern Arten ber 
geiftigen Mittheilung durch die Gewalt des unmit⸗ 
telbaren, augenblidlichen und zugleich dauern⸗ 
den, ſinnlichen Eindruds, womit fie uns die vers 
fhiedenften Leidenfchaften und Zuflände von dem höchften 
ſittlichen Wollen und der innerſten Heiligung bie zur 
tiefiten Verworfenheit und gänzlichen geiftigen Entartung 
in den mannichfachſten Geftalten vor Augen flellen, fo: 
wie ducch die allgemeine Verſtaͤndlichkeit in den 
Mitteln ihres Ausdrucks, vermöge deren fie nicht allein 
dem ganzen Wolle, wo fie entftanden, fondern allen Men⸗ 
(hen, fie mögen eine Sprache reden, welche fie wollm, 
deutlich find. Go würde der Chinefe fo gut wie ber 
Irokeſe dei dem Anblick von Rafael's Madonna aus 


dem Haufe Colonna im biefigen Muſeum den allgemein 
menſchlichen Inhalt des Bildes erkennen, daß bier naͤm⸗ 
lich eine Mutter und ihr Kind dargeftellt find, welche ſich 
innig aneinander freuen, 

Gewiß erfuͤllt nichts die Seele fo lebendig mit heilis 
gen Schauern, läßt die Gegenwart Gottes in dem Maße 
ahnen, ftimmt den Geiſt fo. zur Erhebung zu ihm, ale 
eine wuͤrdige Kirche, wie 3. B. der koͤlner Dom. Ebenfo 
wird die Xorftellung irdifcher Majeftde auf keine Weife 
fo fchlagend und allgemein erwedt, al6 durch einen Palaft, 
der, wie er durch Größe und Adel der Verhältnifje die 
Wohnungen der andern Menfchen überragt, fo ſich durch 
Bedeutung, Seinheit und Reichthum des Kunſtgeſchmacks 
im Innern von ihnen unterfcheibet. 


(Die Fortſezung folgt. ) 





Neue franzöfifhe Literatur. 


1. Napol6on et Marie Louise. Souvenirs historiques par 
M. le baron de Meneval, Zwei Bände. Paris 1843. 


Bon allen ungäbibaren Grinnerungen aus dem Kaifers 
reihe, die wir in der legten Zeit erhalten haben, ift das vor 
liegende Werk gewiß eins ber intereffanteften. Man. hat es 
Hier mit wirklichen, authentifhen Memoiren zu thun, bie ſich 
von ben untergefdyobenen Fabrilarbeiten, mit denen man eine 
Zeit lang das Publicum zu taͤuſchen gefucht hat, auf ben erfien 
Blick unterfcheiden. Wir finden in diefem foeben erichienenen 
Werke eine Zülle von neuen Anekdoten, für deren Echtheit ber 
Name bes Verf. und bie ehemalige Stellung beffelben bürgen. 
Derfelbe war lange Zeit hindurch Gecretair bei Napoleon und 
befleidete zu gleicher Zeit eine ähnliche Stelle bei Marie Luiſe. 
Man begreift, von welchem Intereffe bie Grinnerungen eines 
Mannes fein mäffen, der mit dem Leiter der Welt in einem fo 
nahen und engen Verhaͤltniß geflanden hat. Dan muß deshalb 
dem Berf. feine Zuflimmung geben, wenn er in ber Vorrede 

fagt, daß es feine Abſicht nicht fei, Rapoleon als ‚Beiden und 
Geſetzgeber, wie er ſchon taufend und abertaufendmai gefchilbert 
ift, fondern mehr in feinen häuslichen Beziehungen, als Gatte 
und Vater zu zeichnen. Auf St.⸗Helena hatte Napoleon ben 
Wunſch ausgebrüdt, es möchte mehren Perfonen, unter denen 
er namentlidy Meneval nannte, gefallen, feinen Sohn mit den 
wahren Verhaͤltniſſen der Dinge, die zum Theil entftellt feien, 
befannt zu machen, und bemfelben mehre Punkte, die für ihn 
von Intereſſe fein müßten, mitzutheilen. Der Verf. hat lange 
ezögert, mit feinen Denkwürbigkeiten hervorzutreten, und auch 
. jet tbeilt er nur einzelne Bruchftücde daraus mit, die ihm für 
bie ffentlichkeit vorzugsweife geeignet fcheinen. Zum Theil 
halten ihn, wie er fagt, Zweifel an feiner Iiterarifchen Befähigung 
ab. Indbeſſen foRte er biefelben befämpfen und aus feinem 
zeichen Schage noch andere Mittheilungen machen. Sein Buch 
tft mit vielem Talent gefchrieben, fein Stil ift elegant und 
ſtets des Gegenſtandes, den er behandelt, würdig. Mit außers 
ordentlicher Gewandtheit und mit einer Zartheit, bie unter den 
Schriftftelleen von Tag zu Tag feltener wird, behandelt er bie 
ſchmerzliche Trennung, bei ber Rapoleon das Herz feiner ges 
tiebteften Freundin einer politiſchen Berechnung opferte. Wenn 
wir fo im Ganzen im Werke Meneval's uns mehr in ben 
ſtillern Kreiſen des häuslichen Lebens von Napoleon bewegen, 
fo berührt ber Verf. doch zumetien einzelne politiſche Verhaͤltniſſe, 
über die immer noch ein gewifles Dunkel ſchwebt. Möchte er 
fi durch die große Aufmerkfamleit, welche bas vorliegende Wert 
bereits gefunden hat, veranlaßt ſehen, feine eigentiidden Me⸗ 
moiren, in denen er gewiß auf bie Politik näher eingeht, recht 


bald erfdheinen zu laffen. Indeſſen enthalten wie gefagt auch ſchon 

diefe zwei Wände mehre gelegentliche Bemerkungen über einige 

von den Herrſchern und den Staatsmännern, bie in Frankreich, 

Öftreih und Rußland in dem Drama, das ber Berf. uns vor: 

führt, mit thaͤtig geweſen find. Auch der Gongreß von Wien, 

ber fo gdiet behandelte und doch noch nicht erſchoͤpfte, geht nicht 
r | . ’ 


2. Le Troubadour, ou la Provence au I2idme siöcle, par le 
baron Ladowcette. Paris 1843. 

Wilhelm von Gabeftaing, ber einer alten Familie aus dem 
Geſchlechte der Vottinier angehörte, ward in einem provenza⸗ 
liſchen Dorfe geboren, das aus ben lberreften einer roͤmiſchen 
Stadt gebildet war. Lange Zeit trieb er fi im Gefolge eines 
Zroubaboue umher, ber den Namen Ollivier führte, bis er 
endlich ſelbſt der Ehre thelihaftig wurbe, fidg einen Titel bei: 
zulegen, vor dem ſich bie Burgen ber Herren ſowie bie Patäfte 
der Könige öffneten. Gine alte e lehrt uns — denn wir 
haben es in dieſem Romane mit hiftorifchen Geſtalten gu thun —, 
baß ed Wilhelm gelungen war, einer hohen Dame, für bie er 
eine heftige Leidenſchaft empfand, eine lebhafte Siebe einzuflößen. 
Bon ben Hinderniſſen, die ſich ihrer Bereinigung entgegenfesten, 
zur Verzweiflung gebracht, machten bie Liebenden ihrem trofts 
ofen Leben felbft ein Ende. Dies iſt bad nadte Gerippe der 
Erzählung, in welcher der Baron Raboucette uns ein Wild von 
bem moratifchen und politifchen Buftande der Provence während 
des 12. Zahrhunderts entwirft. Der Verf. flüge ſich bei der 
Schilderung biefer intereffanten Epoche gewiß auf gründliche 
Forſchungen. Und wir erwähnen auch feinen Roman mehr 
um ber einzelnen Bemerkungen als feines poetiſchen Gehalts 
willen, der nicht fehr hoch anzufchlagen if. Von befonderm 
Intereffe find die Lieder Wilhelm’s, die Hr. v. Ladoucette 
am Gnde feines Werts hat abdruden laſſen. An den 
„Troubadour‘ ſchließt fich ein anderer kleiner Roman in 
Briefen an, dev ben Titel hat: „La jeune fille de la Val- 
louiss“, in bem der Verf. an die Manier von Bernarbin de 


St.⸗Pierre ſtreift. 





Notiz. 
Eine merkwuͤrdige Preisaufgabe. 


Der Herzog von Modena hat feiner Akademie die Mittel 
zu ſechs Preisaufgaben für das Jahr 1943 zufließen taffen. 
Eine biefer Preisaufgaben verdient auch in Deutſchland befannt 
zu werden, wo man ſich durch ihre Löfung par vielleicht Bert 
und Beförderung, aber ſchwerlich gerade ein premio d’onere 
erwerben Tann. Die Alabemie verfpricht 500 ttatienifche Lire 


für die befte italieniſch oder beutfch gefchriebene Arkeit, die mit 


den beften Gründen die Nachtheile einer zügellofen, und tie 
Vortheile einer gezügelten Preffe, und dadurch die Rothwendig⸗ 
keit einer weiſen Genfur darthut (— dimostrare co’ migliori ar- 
gomenti i mali della stampa licenziosa, ed i vantaggi della 
ben regolata, e quindi la necessitä di una savie cassura —). 
Die Arbeiten müllen bis zum 31. Dec. 1843 (aocompagnate 
da una scedola sigillata con entro il nome, cognome e do- 
micilio del concorrente edi fuori verrä ripetuta la epigrafe 
medesime) — * R. Accademia delle scienze, lettere 
ar ena gefendet werben. Das fieggefrönte Meiſter⸗ 
wert wird ſogleich auf Koften der Akademie gedruckt und ber 
Sieger erhält eine Anzahl Exemplare, mit denen er fi bei 
feinen Borgefegten empfehlen kann; felbft wer bloß das Accefit 
davonträgt, erlebt die Freude, fein Werl gedruckt zu fehen und 
noch dazu unter ‚einer „‚savia censura”. Unter den beutfihen 
Sreunden ber Genfur gibt es hoffentlich einige, die Gedanken 
und Eatein genug befiten zum Wettſtreit um bie herzoglich 
modenefifge Siegespalme, die des Schweißes bee Sheln unftreitig 
ſehr wiürbig ift. 73. 


Berantwortliher Herausgeber: HPeinrich Brokhaus. — Drud und Verlag von F. X. Brochaus in Leipzig. 








Blätter 


für 


literariſche Unterhaltung. 





Freitag, 





4. Auguſt 1843, 





Über die Stellung, welche der Baukunſt, der 
Bildhauerei und Malerei unter den Mitteln 
menſchlicher Bildung zukommt. 
(Jdortſezuag aus Nr. 215.) 


Beſtimmte und wuͤrdige Vorſtellungen der Gottheit 
oder heiliger Perfonen werden im Geiſt am ſicherſten und 
Dauerndflen durche Werke großer Kuͤnſtler erzeugt. So 
trat ben Griechen ihr Zeus durch die berühmte Statue 
Des Phidias zu Dlympia in feiner ganzen, fchönen Ma⸗ 
jeftät und Wilde entgegen, fo den Katholiken die Maria, 
als Dimmelskönigin, in hinreißender Schönheit und Bes 
geifterımg in Rafael's Sirtinifher Madonna zu Dresden. 

Aber audy in proteftantifchen Ländern würde unfehlbar 
noch jet die Verbreitung würdiger Darflellungen aus 
der heiligen Schrift, fei es durch Scufpturen und Ge: 
mälde in den Kirchen, oder auch nur durch Kupferftiche 
im Privatleben, ungemein zur Belebung und Veredlung 
des religisfen Sinns beitragen. Wenigſtens babe ich an 

mir erfahren, wie duch die fehr frühe Belanntfchaft 
mie der fogenannten Bibel von Rafael, den Prophe⸗ 
ten Des Midyel Angelo in der Sirtinifchen Kapelle und 
den Rafael'ſchen Cartons, mittel der beflen Kupfer 
ſtiche, mir die patriarchalifchen Vorgänge des Alten Teſta⸗ 
mente, Die erhabene Begeifterung der Propheten und bie 
Staubensgröße der Apoftel für das ganze Leben in der 
wuͤrdigſten und fchönften Geſtalt eingeprägt worden tft. 

Das Andenken der Männer und Thaten, in denen 
fi ein Volk am lebhafteſten und freudigſten als ein 
großes Ganze fühlt, wird aber unftreitig durch nichts auf 
eine fo ſchoͤne, eindringliche und allgemeine Weife 
lebendig umd gegenwärtig erhalten und dadurch zu ruͤhm⸗ 
licher Nacheiferung aufgefodert, als durch die Dentmale 
der bildenden Kunſt. Ebenfo werben die Geflalten der 
Dichter dadurch erſt zu voͤllig beflimmten, aͤußerlich 
ſcharf begrenzten Weſen. Wie mußten z. B. die Griechen 
ihren Homer leſen, welchen alle Geſtalten, die er uns 
voruberfuͤhrt, in den Gebilden ihrer trefflichſten Kuͤnſtler 
verſchwebten! 

Jene Werte, welche uns, wie der erwähnte Doms 
ziehe, nur einfache Naturmotive vorführen, bewei⸗ 
fen vielleicht die Macht der Kunſt am glaͤnzendſten, ins 
dem hier Borgaͤnge, an denen wir in der Wirklichkeit Im der 


Regel faft unbemerkt vorübergebhen, durch die kunftgemaͤße 
Auffaffung, die liebevolle Durchbildung, einen wunder 
baren Reiz ausüben. 

Die Darftellung jener mehr dramatiſchen Vorgaͤnge 
des gewöhnlichen Lebens zieht uns durch den Geſchmack 
und die große Lebendigkeit an, womit fie uns die Mans 
nichfaltigleit der geiftigen Beziehungen und das Maleriſche 
und Zierliche deſſelben vorführt. 

Die Landfchaften, welche uns fchöne, aber leider 
in der Natur fchnell vorübergehende Momente für immer 
fefthaften, rufen die eigenthuͤmliche Gemuͤthsſtimmung, 
welche jene in uns erregen, ungleich fchlagender und uns 
mittelbarer hervor, als die fchönfte Wefchreibung des groͤß⸗ 
ten Dichters es vermag. 

An den Bildniffen endlich, jenen rührenden Denk: 
malen der Familienpietät, welche die geliebten Züge der 
Angehörigen über die fchnelle Veränderlichkeit der Zeit und 
die Vergaͤnglichkeit des Grabes hinüberretten, knuͤpfen fich 
tauſende von großen und kleinen Erinnerungen auf eine 
lebendigere Weiſe, als dies ſonſt irgendwie geſchehen 
koͤnnte. Betreffen ſie aber hervorragende Perſoͤnlichkeiten, 
ſo gewinnen ſie eine hohe und allgemeine Bedeutung. 
Denn was iſt die genaueſte Beſchreibung von dem Aus⸗ 
fehen eines großen Mannes, welche uns die Hiſtoriker mit 
Recht geben, gegen bie unmittelbare Anfchauung, wie fie 
uns der Pinfel eines Holbein, Xizian oder van Dyck, 
ja felbft eines jeden geſchickten Künftlers gewährt? 

Erhelt nun aus allem Gefagten, vote mannichfaltig 
und bedeutend die bildenden Künfte in die Bildung bed 
menfchlichen Geſchlechts eingreifen, ſodaß ſelbſt der übri- 
gens gebildetfte Geift, welcher ſich ihnen verfchließe, noth⸗ 
wendig in eine gewiſſe Einfeitigkeit verfällt, fo gewähren 
fie meiner Überzeugung nach unter allen Künften das 
wirkſamſte Mittel, um mittels der Schönheit wahre 
Bildung aud unter den untern, ja geringfien 
Gtaffen dee menfhlihen Gefeltfhaft zu vers: 
breiten. Wahre Bildung aber entfleht in jedem Geiftes: 
gebiet nur duch den vertrauteften, unmittelbaren 
Umgang mit den edeliten Beiftern des menſch- 
lihen Geſchlechts, oder den Erzeugniffen von 
folhen. Wer nicht aus dieſer Quelle ſchoͤpft, wird 
nichts als einen aͤußern Schein von Bildung erlangen. 
Das trefflihe Spruͤchwort: „Sage mir, mit wem bu 


umgeht, ich mil die fagen, wer bu bift”, iſt auch in 
diefem Sinne hoͤchſt wahr. Die Werke der großen Did: 
ter, eines Homer, Sopholtes, Dante, Shafpeare, Goethe, 
die der großen Muſiker, eines Sebaftion Bach, Händel, 
Stud oder Mopart find nun aber, wie einiges Nacdenfen 
lehrt, jenen untern Ciaſſen theils gar nicht zugänglich, theils 


aus Mangel an Vorbildung, welche zu erlangen ihre Lebens⸗ 


lage nie zuläßt, nicht verſtaͤndlich. Beides ift aber mit den 
Merken der bildenden Kunft aus ben foeben erörterten 
Urſachen der Hal und dadurch der unmittelbare und 
allein fruchtbringende Verkehr mit den Werten 
urfprüngliher, ſchoͤner und edLer Geiſter vermit⸗ 
telt, deren eigenthuͤmliches Gepräge, wie wir und erinnern, 
ja das eigentlichfte und innerfte Wefen eines Kunftmerks 
ausmacht. Vielleicht dürften ſich wenige ber hochverehr⸗ 
ten Verſammlung, welcher die oben erwähnten und fo 
unzählige andere geiftige Schäge täglich zu Gebote ſtehen, 
eine Vorſtellung von der Armuth an fchönen, geiftigen 
Genüffen bei dee Mehrzahl in jenen untern Glaffen ma» 
dien Einnen, wie ich Dies, al6 Freiwilliger in den Jah⸗ 
ten 1813 und 1814, mit lebhaften Mitgefühl zu beob⸗ 
achten vielfach Gelegenheit gehabt babe und dadurch zum 
Nachdenken über diefen Gegenſtand veranlaßt worden bin. 
Die hohe Wichtigkeit Öffentlich aufgeſtellter Kunſtwerke 
und für Jedermann zugänglicher Kunſtſammlungen iſt 
denmach auch als dAftthetifches VBildungsmittel für jene 
Saffen der Geſellſchaft einleuchtend. 

Werfen wir nun einen Blick auf Griechenland und 
Italien, um zu fehen, inwiefern die bildenden Künfte die 
ihnen in unferer bisherigen Betrachtung vindicirte Stel⸗ 
lung unter den Mitteln menſchlicher Bildung wirklich ein⸗ 
genommen haben. 

Nie und nirgend hat dies in fo umfafiendem Maße, 
in fo organifcher Entwickelung, in fo mannichfaltiger und 
fhöner Ausgeftaltung flattgefunden, als bei den alten 
Griechen. 

Bor Allem tritt die Kunſt nirgend in dem Maße in 
ihrer Öffentlichen Bedeutung, im Verhaͤltniſſe zur Reli: 
sion und zum Staat und als allgemeines Erziehungs: 
und Bildungsmittel hervor. Nicht blos den vielen, allges 
mein verehrten Gottheiten, fondern auch den unzähligen 
Goͤttern, Halbgöttern und Heroen, welche eine focale Vers 
chrung genoffen, fliegen Deiligthümer und Standbilder 
empor, und die hoͤchſte Ehre, wonach bie Lebenden jeder: 
zeit firebten, war bie Errichtung einer Bildſaͤule, wodurch 
fie fi) jenen höheren Weſen zunächft anzureihen glaubten. 
Der Weife, der Dichter, des Redner, der Künftler und 
der Sieger in den Kampffpielen wurde ebenjo dadurch vers 
berelicht, wie der Held, der Staatsmann, ber Herrſcher. 
Neben den heiligen Gebäuden erhoben ſich die für die oͤf⸗ 
fentlichen Verfammlungen der Staatsgewalten, die Thea 
ter, die Odeen, die Gymnaſien, die Bäder und die 
Märkte mit ihren Saͤulenhallen, alle mehr oder minder 
mit Werken ber Sculptur und Malerei aus dem reichen 
Schatze der griechifchen Mpthologie oder des geiechifchen 
Lebens auf eine dem jebesmaligen Zweck entfprechende 
Weiſe ausgeflattet. Orte, wo bie nationalen Kampfſpiele 


‚wie 


flattfanden, die Orakel Ihren Sitz hatten, waren vollends 
mit Kunftwerken wie bedeckt. Auch in den heiligen Dai: 
sten des Helikon reihten fih um die Statuen des Apollo, 
der Mufen und anderer Götter die vieler alten Dichter. 
Die Anzahl von Kunſtwerken, weiche foscheuweife in Grie⸗ 
chenland und feinen Colenien im Laufe der Fahthunderte 
entilanden waren, und nicht allein die großen und Kleinen 
Städte, fondern auch die Landflragen, die Zlüffe, bie 
Duellen, die Haine und Berge ebenfo bebeutend ale ſchoͤn 
ſchmuͤckten, grenzt au da6 Unglaubliche. Ich erlaube mir 
bier nur einige Beiſpiele anzuführen. Zu Athen fand 
Paufanias, der Griechenland erſt im 2. Jahrhundert un: 
ſerer Zeitrechnung bereifte, fodaß die Stadt fchon verfchie 
dene ſchwere Plünderungen von Kunſtwerken duch bie 
Römer, befonders duch Sulla und Nero, erfahren hatte, 
noch gegen 300 Bildfälen, welche er einer namentlichen 
Erwähnung für würdig erachtet, außerdem aber ganze 
Maffen, die er, ohne Angabe der Zahl, nur anbeutet. 
Unter der Welt von Bötters und Menfchenbildern, weiche 
den Beſchauer auf ber Akropolis umfing, befanden fich 
Die drei berühmten Statuen der Pallas von Phidias, 
die der Athene Poliad, ein Koloß von einer Größe, daß 
ide Helmbuſch ſchon vom ſuniſchen Worgebirge dem Schif: 
fer entgegenftrahlte, die, welche vorzugsweiſe den Namen 
der ſchoͤnen führte, beide in Eu, und die vor allen 
gepriefene Tempelſtatue des Parthenon, die Jungfrau 
(Parthenos) genannt, ein 40 Fuß hoher Kolof von Gold 
und Elfenbein. In Delphi fah man fchon aus der Ferne 
ganze Scharen von Statuen der Sieger in den Kampf: 
fpieen, mehre auf Quadrigen erhöht, und Nero fand, 
nachdem Brand und Raub hier fchom öfter die Zahl ver: 
tingert, no 500 eberne Statuen, weiche er ber Entfüh- 
rung werth hielt. Dennoch ließ auch er noch miehre Hun⸗ 
dert zurüd, welde Pauſanias ausdruͤcklich namhaft macht. 
In Diympia reihten fih um ben großen Centralpunkt, 
den berühmten Koloß bes Zeus von Phidias, aus Go 
und Elfenbein, nicht allein viele andere Statuen des 
Zeus, unter denen noch fünf Koloffe, deren größter 27, 
der Bleinfte 12 Fuß maß, fondern auch, theilweile eben⸗ 
falls koloſſale, Statuen anderer Gottheiten, Werke be: 
rühmter Kuͤnſtler. Die Zahl der Statuen von Sie 
gern in ben Spielen aber muß in die Tauſende gegangen 
fein, von denen Pauſanis nur zweihundert und etliche drei⸗ 
Big als die merkwürbigfien hervorhebt. Faſt noch auffal⸗ 
lender aber ift der Reihthum von Statuen, ben bie 
Beine, aber durch den Handel reiche Inſel Rhodus bes 
fa. Plinius gibt die Zahl der Statuen dort auf 3000 
an, unter benen fih, außer dem weltberuͤhmten Koloß, 
einer Statue des Sonnengottes (Helios), noch 100 aus 
dere Kolofje befanden, jeder wichtig genug, um jeglichen 

Drt, wohin er geſtellt würde, berühmt zu machen. Aber 
auch andere Inſeln an der Käfle von Kleinaſien, wie 
Samos und Kos, befaßen eine Fülle von Kunſtwerken. 
Daſſelbe galt von den großes Gtäbten. des Feſtlandes, 
wie Ephefus, Mile und Smyrna. Selbſt in Gegenden 
to:ien, wo die Künfte nie ſonderlich beguͤnſtigt wor⸗ 
den, befanden ſich fo vielt Skaten, bag die Macedomier 





bei ihm Nacheriege gegen bie: Henker, zu Ahermon, ber 
Hauptſtade des Landes, deren mehr ale 2000 zertrum⸗ 
mern konnten.“) 

Die Übderreſte diefer Kunftwelt, welche die Jahrtau⸗ 
ſende und die Barbarei der Menſchen überdauert haben, 
find im Verhaͤltniß zu jenem einſtmaligen Reichthum 
äußerft bürftig. Won den Ruinen und Sculpturen, welche 
wir befigen, werden nur ſehr wwehlge von den Alten er: 
mwähnt. Gluͤcklicherweiſe befinden fich unter dieſen bie 
von den alten Schriftſtellern fo bochgepriefenen Proppiden 
und der Tempel der Pallas, Parthenon genannt, auf 
der Burg (Akropolis) von Athen, fowie ein XThell der 
Sculpturen, welche jenen Tempel gefhmüdt haben. Diefe 
and verſchiedene andere Denkmale aber lehren, baß die 
Griechen in diefen Künften gang die Höhe erreicht haben, 
weiche wir im Epos beim Homer, im Drama beim 
Sophokles bewundern. 


(Die Bortfegung folgt.) 





Mein Orient. Ben C. D. Sternau. Magdeburg, 
Inkermann. 1843, 8. 1 The. . 


Dee Berf. ſcheint noch in fehr jugendlichen Lebensalter zu 
ſtehen; das laßt ſich aus Bielom fchließen, zum Grempel aus 
der modernen Sucht, ſich alt zu machen, und aus ber großen 
Unseife ei feiner Arbeiten. Darüber follte nun eigentlich 
mit bem . Riemanb rechtens denn er bat ja geſagt „Mein 
Drient”’3 der Drient mag fein welcher er will und wo er will, 
was geht es und an? Indeß unter die Schriftſteller rechnet ber 
Berf. ſich denn doch; barum muß er ber Kritik fich unterwerfen. 

Der erſte Artiter ift uͤberſchrieben „Hölberlin” und erzählt 
in NRoselienform recht anfprechend Hoͤlderlin's Liebe zu Diotima, 
die Entftehung feines „Hyperion“, einen Beſuch bei Schiller in 
Sena, feine Reiſe durch bie Schweiz und Frankreich und bie 

bes ungluͤcklichen Juͤngtings nach Tübingen, wo er 

34 Jahre im Zuſtande bes tiefflen Wahnfinne bei einem Jiſchler 
sertebse — bei bem er jeben Abend feinen Sarg beflellte und 
bat, ex felle recht ſtarke Breter nehmen, damit bie Wuͤr⸗ 
mer nicht einbringen koͤnnten im das traute Tchlummerfüße 
Baus —, und wo er auch vor kurzem geflorben iſt. Diefe 
Schĩilberung ift recht anfprechend, ganz in bem one gehals 
ten, der dazu paßt, wehmuͤthig, ohne fchwächlich zu werben. 
Sölberlin’d „„Byperion’' hat viel Ähnlichkeit mit Heinfe’s „Ar⸗ 
dingheſo, namentlich das helleniſche Element iſt beiden gleich; 
indeß hat Heinſe eine beiweitem größere Kraft im Piaſtiſchen. 
DaB heclleniſche Element machte ſich damals in der deutſchen 
Dose mit Eutichiedenbeit geltend; auch bie „Goͤtter Griechen⸗ 
lands” von Schiller, „Das steufinifche Felt”, „Das Siegesfeſt“, 
Klage der Ceres“ gehört in bie Zeit. Hölderlin war mit 

md mit Hegel im Gtifte gu Tübingen; damals cultis 

vierten alle Drei vie Lehren be8 Neu sPlatoniemus und bes Pan⸗ 
Yeisuns. Hegel riß fi) yet heraus und warf ſich auf bie 
Ammetrat entgegengefegte Seite, auf bie des Rationalismus, 
des Berſtandes, der Dialektik; Hölderlin blieb in der extremen 
ZU der Poeſſe. Das Sentrum feines Bewußtſeins ift wol in 
dan Gerne tän Satze zu ſuchen: Eins zu fein mit Allem, 
was 3 in Selpftoergeffenheit wieberzulchren ins AU 
er Manre das iſt ber Sipfel der Gedanken und Freuden, bas 
& We hellige Wergeshöge, der Ort ber ewigen Ruhe, wo ber 
SS Habe dieſe Meifpiete ber vortreffüchen Abhandlung von 
Srieheh Zacobö Aber ben Reichthum ber Griechen an plaſtiſchen 








Wiittag feite: Richmnäle, dam Demmer feine Glumme verliset eh 
das Eochende Meer ber Woge bed Kornfeldek gleicht. 


Hr. Sternau laͤßt auf „Hölderlin folgen ein Märchen 
„Der gläferne Danfel”. Das ift nun aber gar feine ARE 


Dichtung, und wir begreifen nicht, wie ber Verf. dem Lefer, 
für den „Hölberlin” beftimmt ift, biefe fade, langweilige Gy 
säblung vortragen mag. Aber Hr. Sternau geht noch weiter, 
es, laͤßt folgen „Der Grenabier von Auerftäbt”, ein fo hin⸗ 
geſchludertes Machwerk, daß die Kritil gar Feine Rubrik dar 
für hat. Bon Charabkterſchilderung, von Gitustion, von Wahre 
deit ift auch nicht die Spur darin zu finden; ber Ausdruck if 
vernachlaͤſſigt, fehlerhaft. 

Die näcfte Rummer: „Über bie Jugendideale unfers Les 
bens.“ Jedem edeln Menſchen find die Ideale und Traͤume 
feiner Jugend heilig; darum ſoll man Jedem die ſeinigen laß⸗ 
ſen. Der Hr. Bert. will und aber offenbar bie feinigen aufs 
beängen, indem er ſchreibt, bie Zugenbibeale unfers Babens. 
Dad müßten wir benn aber doch zuruͤckweiſen. Er weit gar 
fein Genteum nad, um welches ſich die Jugendideale herum 
lagern, unb über den Urquell der Ideale find wir gar nicht mit 
ihm einverftanden. Er behauptet nämlich, eine Art von Unzu⸗ 
friedenheit fei ber Urqueli der Ideale; allein das iſt eine hoͤchſt 
untergeorbnete, veraltete Anficht. Vielmehr Liegt die Sache ſot 
ber Dienfchengeift hat eine Anlage zu allem Hoͤchſten, zur un⸗ 

ichen Vollkommenheit, eine Anlage, worauf ber Ghrift ben 
Glauben und ber Philofoph bie Ahnung ber Unfterhlichleit grüne 
bet. Diefe unenbtichen Anlagen des Menfchengeiftes kommen aber 
in ber befchräntten Form des Menfchendafeins und bes Mens 
ſchenlebens zur Erſcheinung; dieſes Hinuͤberſtreben über die bes 
ſchraͤnkenden Grenzen und Formen des Srbenbafeins ift der Urquell 
bed Ideale. Go fieht der Hr. Verf. die Sache freilich nicht an. 

Es folgt dann einiges vecht Poetiſche über die erſte Liche, 
angeregt vielleiht durch Vorbilder unferer erſten beutfchen 
Glaffiter; einmal ruft ber Verf. aus: „ine erfle Liebe! 
Siehſt du nicht einen blauen klaren Äther über die Erbe ges 
fpannt bei biefer Erinnerung! Brechen nicht all bie verbaltenen 
&hränen hervor und fließen zufammen in eine große Tchräne? 
D, es war Fein irdiſch Leben, fein Zraum und auch Fein Ideal. 
Ein leifer füßer Kuß war es, den bir ein Engel auf die Lips 
pen druͤckte.“ Recht hübfch verbindet ſich damit das Ideal ber 
Freundſchaft, wenn es heißt: „Es deckt die Wunden leife zu, die 
erſte Liebe ihm ſchlug, es bringt ihm feine Blumen wieber und 
feine Hoffnung, und feine Thatkraft fteht wieber gewappnet im 
Felde des Lebens.” Zum Schluß fei noch bemerkt, daß bie Zus 
gendibeale ſich aufzuldfen fcheinen in Schmerz über getäufchte 
Liebe, und daß das Ganze viel zu fubjectiv gehalten ift, um 
übsrfchrieben fein zu bürfen: Ideale unfers Lebens. 

Nun folgen „Aphorismen” und „Denkfteine”. Darunter 
findet fich wieder mancherlei, worüber wir mit dem Verf. rechten 
koͤnnten; mancherlei gar Gonfufes, z. B. wenn er ftille Liebe 
mit einer einfamen Wafferpflange vergleicht, bie einfam blüht - 
und welkt, von Niemand gekannt, von Niemand geliebt. Wenn 


‚ wie grammatifch rigoros verfahren wollten, fo müßten wir be« 


baupten, ber Verf. made in feinem legten Sage die einfame 
Waſſerpflanze zu einem fillen Dorgenftern, der über bie Erbe 
zieht. Dergleichen überſchwaͤnglichkeiten ſollte Niemand fabri⸗ 
ciren; wi man damit gar ben großen deutſchen Dichter mit 
dem franzöfifchen Namen nachahmen, fo verfündigt man fich am 
bem reichen, gain Genius beflelben. 

Recht huͤbſch feheint der Denkflein, ben der Naturforſcher 
Zaufcher befommen Hat; aber wenn man genau aufs Ginzelne 
ſieht, fo ift viel Wortgellingel darin. Er fagt von Tauſchers 
Philoſophie: „Sie war ein auffitebender Aar mit ge 
mem Klügel; fle war eine ewige goldene Kreipeit, ein Phantom, 
nur ſchade, daß es unterm Drange irdiſcher Ketten ſchmachtete; 
feine Philoſophie pfluͤckte er draußen in Gottes weiter Natur. 
Am Bache gränte fie und auf Iuftigen Bergen im bunten Ges 
wande; am fternbefdeten Himmel gluͤhte die Uribee feiner Philo⸗ 
ſophie.“ Dergleichen Phraſendreherei aber ſollte ſich Riemand 


geſtatten, der etwas drucken läßt; das ift ein unreifes Mefen, 
das an Unfinn grenzt. | 
Hierauf folgen Gedichte; das erfte Gedicht, ein epiſch⸗lyriſches, 
„Dee Menfch, ift wirklich gar zu allgemein gehalten, obwol 
es zehn Geiten umfaßt; warum heißt es nicht lieber Der erfte 
Menſch, ober Der legte Menſch, ober Der junge, oder Der ordi⸗ 
naire, oder Der neue Menſch, das wäre dem Verf. vielleicht beffer 
elungen. Das Lied „Woll'n meine Rofen noch immer nicht 
ltuͤhn!“ ift fchon beſſer; das Lieb vom fllbernen Hirten erins 
next an Schiller’: Räthfelz die „„ Schlacht der Blumen“ fcheint auch 
nicht original zu fein; in „Pandora von Emite d’Efirers fins 
den fich Shafelen von Sr. du Garbien, weiche biefer Blumen⸗ 
gar zu weit voraus find. „Das Schillerfeſt“, „Die ber 
ne Bitte” u. A. find auch nur ein zweiter Aufguß, und 
dergleichen follte Niemand anbieten, ber gern ben Namen bed 
Poeten gewinnen will. 
Wenn wir nun das Refultat des Ganzen deben follen , fo 
iſt es dies: Der Verf. hat ſich infonderheit in Einem vergriffen, 
naͤmlich darin, daß er fein Buch, weldyes er ja auch „Mein 
Orient” nennt, drucken ließ. Kür ihn felbft mag es ben hoͤch⸗ 
fin Werth haben, weil er vielleicht Erlebniſſe feines Herzens 
darin andeutete, ober weil es ihm als Merkzeichen feiner Bil⸗ 
dung wichtig fcheint; nur hätte er es für ſich behalten follen, in 
das Pult verfähließen und vielleicht einmal einen Freund oder 
eine Freundin hineinblicken Laffen: bann hätte bie Kritik nicht 
nöthig gehabt, ihm zu fagen, baß fein Werkchen ſich kaum zu 
der Linie des Mittelmäßigen erhebt. 29. 





Literarifhe Notizen aud Frankreich. 


Bilvio Peilico in iliuftrieten franzdfifhen Übers 
fegungen. 

Eine neue Ausgabe der franzöfifchen überſetzung des Sil⸗ 
vio Pellico erfchien u. d. T.: „Silvio Pellico illustre, con- 
tenant Mes prisons, suivies des Devoirs des hommes, avec 
des chapitres inedits, les additions de Maroncelli et des 
notes litteraires et bibliographiques sur plusieurs prisonniers 
de Spielberg’; die Überfegung ift die von Latour, welche fich in 
fieben Ausgaben und in 21,000 Exemplaren verbreitet bat. Die 
bisher nicht gedruckten Gapitel, welche biefer Ausgabe beigegeben 
find, verdankt ber Überfeger der Freundſchaft Silvio Pellico’s. 
Diefe Ausgabe ift mit 100 Holzſchnitten nady Zeichnungen von 
Zony Johannst geſchmuͤckt. Wie ſehr die Gerechtigkeitspflege, 
welche Oftreich gegen Silvio Pellico ausgeübt hat, das Intereſſe 
Frankreichs erregt, beweift der Umftand, daß baffelbe Werk, 
und ebenfalls illuftrirt, in einer neuen Überfegung erfchienen ift, 
beforgt vom Grafen von Meffey und durchgefehen vom Bicomte 
Aban von Billeneuve, mit Vorwort und biographiicher Bes 
trachtung über Silvio Pellico. Es Kann nicht fehlen, daß Öft: 
reiche Sefängnißwefen und Verfahren gegen politifche Verbrecher 
immer mehr dem Auslande folchergeftalt verbildlicht wird. 


In den franzöfifchen Journalen erfährt ein Gedicht von 
Baron Buiraudb „Le clottre de Villemartin‘ große Robeser: 
hebungen und Begluͤckwuͤnſchungen. Ban will darin eine echt 
kuͤnſtleriſche Anlage, erhabene Ideen, einen reinen und ebein 
Ausdrud, eine füße Anmuth, ein lebhaftes Gefühl, überhaupt 
Eigenſchaften erfennen, welche an Lamartine's „Jocelyn” ers 
imnern. Durch philoſophiſchen Inhalt zeichnen fich befonbers 
die Geſaͤnge „La gitana”, „Le condamne” und „La femme’, 
durch ein mehr bramatifches Intereffe bie Gapitel ‚‚I.a chapelle”, 
„Le couvent” und ‚‚Le mariage’' vortheühaft aus. Bon 
‚Demfelben befinden ſich „Oeuvres litteraires” unter der Preffe, 
nicht weniger als fünf Bände, wovon jeber, laut ber Buchs 
hänblerangeige, ben Stoff von drei Bänden enthalten fol. Als 
ob es auf bie Maſſe ankaͤme! 


Bon dem Berl. ber „Iiufants peints CQx - ben", 
„Cazacttres et pertraits de jeunes filles’ mr ires d’oa 
centenaire” u.f.w., Hrn. A. de Sailtet, erfceint: „Les en- 
fants chez tous les peuples ou la famille de l’armateur”', in 
0 Lieferungen, jede mit drei Bignetten in Holzſchnitt und eine 
Abbitbung in colorirter Aquarellmanier dt. 18, 





Bibliographie. 


Die weſtphaͤliſchen Antchens » Grebitoren, ihre Stellung und 
Derfpective, eine gutachttiche Anſicht. Herausgegeben von 6. V. 
Hoffmann. Frankfurt a. M., Meidinger. &r.8. 34, Nor. 

Der Branntwein und die Proletarier. Gin dem Brannts 
wein: Gntfagungsverein im Großherzogthum Pofen vorgelegtes 
Gutachten: „Über die Wirkung des nicht mediciniſchen Brannt: 
wein s @enuffes und deſſen Entbehrlichkeit.“ Won P. Bripiig, 
D. Wigand. Er. 8. 3 Rear. 

Briefe eines Deutfchen aus bem Exil. Winterthur, Gteis 
ner. 8. 1 Thlr. 

Das Bud) Jona. Nach der engliſchen Auslegung R. WM. 
Bibthorp’s überfegt von A. 9. Werner. Gtuttgart, 9. 
FJ. Steinkopf. Gr. 8. 7Y, Nor. 

Engelmann, ©, Die Gonvertirung ber Schleffſchen 
Dfandbriefe mit befonderer Beziehung auf bie Amortifation. Gin 
Beitrag zur Löfung ber Pfanbbrief: Tilgungss Krage, durch 
Rechnungsbeiſpiele erläutert. Neiffe, Pennings. Gr. 8. 10 gr, 

Keftgruß an die Königlich Bayeriſche Friedrichs KAleranderes 
Univerfität in Griangen zu ihrer erſten Scaularfeier im Jahre 
180. Bezaußgegeben von 3.9. Jordan. Nördlingen, Bed. 

. r. 

Feuerbach, 8, Das Weſen bes Chriftenthums. 2te vers 
mehrte Auflage. Leipzig, DO. Wigand. Gr. 8. 2Thlr. Der. 

Haupt, E. 8, Wilpelm und Konrad, Brüder Rofen, 
Nikolaus von Dornſpach und M. Procopius Naſo. Zitten, 
Chips. Gr. 8. 25 Nor. 

Jeſus Chriſtus, unentbehrlicher Vermittler mit Bott und 
Wirkungen der Verbindung mit ibm. Gt.sGallen, Huber und 
Comp. 8. 20 Ror. 

Krüfi, H., Meine Beftrebungen und Erfahrungen im 
Gebiete der Voikserziehung, bargeftellt in Briefen an Freunde. 
Ifter Theil. Gais 1842. Sr. 8. ZUR 

Norwegen 1814. Hiſtoriſch⸗ romantifches Gemälde von 
2, 8. Leipzig, Barth. Er. 12. 1 hir. 221 . 

Einige Dden des Horaz, im humoriftiſchen Gewande, gram 
matiſch, kritiſch, biſtoriſch und philoſophiſch ertäutert. Kein 
Beitrag zu einer Textesreviſion. Bon Carlo bei Re Ein 
Odarum lib. I; 1, v.1—6. Bertin, Springe. 8. 


74 Nor. ’ 
Ruffa, D., Dee raͤthſelhafte Fremde, oder: Der Schein 
1 Thlr. 10 Rer. 


tobt. Novelle. Leipzig, Schred. 8. 

Schäffer, 3. &., Kurse geographifch« piftorifch  Ratififde 
Beichreibung des Großherzogtbums Heſſen. Mit einer Karte 
bes Großherzogthums. Mainz, Kunze. 8. 20 Nor. 

Shloife. 8 C., Geſchichte des achtzehnten Jahrhun⸗ 
derts und des neungehnten bie zum Sturz bes franzöfilden 
Kaiferreihs. Mit befondberer Rüdficht auf den Bang ber Liter 
ratur. After Band, bis zum Belgrader Frieden. Ste burcaus 
oerbeiferte Auflage. Heidelberg, Mohr. Er. 8. 3 Ahr 

gr. | 


Schultz, 3. 9. S., Über Golonifation mit beſonderer 
Ruͤckſtcht auf die Solonie zu Santo Thomas, iur Staate Gus 
temala, und bie beigifche Coloniſations⸗Compagnie. Mit zwei 
Karten. Köln, Du Monts Schauberg. Ki. Fol 15 Nor 

Bollmann, A., Die Stände Sachſens über die Reform 
des Strafproceffes. Eine Betrachtung über conftitutionelle Wirk: 
ſamkeit beim Gchiuffe bes Landtages. Leipzig, D. Wigant. 
Gr. 8 3 Rear. 


Verantwortlicher Herausgeber: Heinrih Brodhaus. — Drud und Verlag von F. X. Broddaus in Leipzig. 








Blätter 


für 


literarifhe Unterhaltung. 





Sonnabend, 





Über die Stellung, welche der Baukunſt, der 
Bildhauerei und Malerei unter den Mitteln 
menichlicher Bildung zukommt. 

(Bortfegung aus Nr. 216.) 


Eine unmittelbare Anſchauung, in weichem Maße bie 
bildenden Künfte das Privatleben bei den Alten verherr⸗ 
Sichten, iſt uns, wunderbar genug, gerade duch ein Na⸗ 
turereigniß der furchtbarften und zerfidcendften Art, durch 
den Ausbruch des Veſuv unter Kaifer Titus, erhalten 
worden. Die Füuͤlle von heitern und fchönen Erfindungen 
der Maleriien, welche die Wände der Kleinen Zimmer 
ſelbſt geringer Häufer der mäßigen Stadt Pompeil fymüden, 
it erflaunungswürdig, und laͤßt von der Höhe, welde 
auch die Malerei in ihrer glüdlichiien Zeit, von Po: 
Ingnot, dem Maler des Untergangs von Xroja, bie 
Apelles, dem Lieblingsmaler Alexander's des Großen, 
in Mittelpunften des griechifchen Lebens, wie Athen, 
oder Korinth, erreicht haben muß, den vortheilhafteften 


Schiuß maden. In anfehnlidern Käufern geſellten ſich 


hierzu noch die zierlichen, oͤfter, wie bei der bekannten 
Schlecht des Alexander und Darius, ſehr kunſtreichen, 
marfivifhen Gemälde der Fußboͤden.) Eine nicht ge: 
singere Vorſtellung von der Schönheit, welche das Leben 
der antiten Welt bis in deffen feinfles Geaͤder durchdrang, 
erwedt die Unzahl von Heinen Sculpturen und dem mans 
nichfachen Hausgeräth, welche in Pompeji und Hercula⸗ 


num gefunden, jegt, gleich der Mehrzahl jener Malereien, 


eine Reihe von Räumen im Museo borbonico zu Nea⸗ 
pel anflllen, deren aber auch das hiefige Mufeum eine 
fhöne Auswahl befist. Gefäße verſchiedenſter Art, Drei: 
füße, Gandelaber, Lampen, Teiletten, Frauenſchmuck und 
fo viele andere Begenflände, in Gold, in Sitber, in 
Bronze, wie in gebrannter Erde, zeigen eine Verbin: 
dung der vielfältigfien und fchönften Erfindungen und 
Verzierungen mit der größten Zweckmaͤßigkeit, eine Treff⸗ 
lichkeit der Arbeit, welche die lebhafteſte Bewunderung 
hervorrufen und Diele Ge, 
eines fchönen und reinen Geſchmacks machen. Ich erins 
wre bier nur an bie Meinen filbernen Gefäße mit den 


J Das Werk, welches Profeſſor Zahn über biefe Malereien in 
Berlin yerausgtbt, IR wohl geeignet, eine Anſchauung von benfelben 
JE grwinnen. 


enftände zu ewigen Muſtern 


Centauren, welche bier in Berlin in mehren Atgüffen 
vorhanden find. Diefelbe hohe Ausbildung der Kunſt bes 
mweifen für alle Gegenden, wohin griechifche Bildung ges 
deungen, die Münzen, welche von einer Schönheit find, 
wie kein anderes Volk der Erde fie aufweiſen kann. Ich 
erwaͤhne hier nur des Kopfes der Nymphe Arethufa 
auf den größten Münzen von Syrakus, welcher von 
der wunderbarften Reinheit und Zeinheit der Form iſt. 
Ein Ähnliches gilt endlich auch von den gefchnittenen 
Steinen, deren unfer Mufeum für vertieft gefchnittene 
eine der koſtbarſten und zahlreihften Sammlungen befigt. 

Hatte aber die Kunft mit ihrem fo bebeutungsvollen 
Schmud das Leben der Menfchen in feinen verfchiedenen 
Beziehungen verſchoͤnt, fo verfchönte fie, mit ihm in das 
nächtliche Dunkel der Erde hinabfteigend, in gleicher Weiſe 
auch fein Grab mit Sculpturen und mit Malereien, an 
den Wänden, wie auf den zierlich geformten, dem Todten 
mitgegebenen Vaſen, von denen das Mufeum eine der 
reichften Sammlungen aufzuweiſen bar, und bezeichnete 
endlich dieſe feine Ruheſtaͤtte für die kommenden Ges 
fehlechter mit einem Denkmale. Hierfür legt die bekannte 
Gräberftraße in Pompefi ein ruͤhmliches Zeugniß ab, und 
In welcher Ausdehnung im eigentlichen Griechenlande die⸗ 
felbe Sitte herrfchte, beweifen bie vielen, hoͤchſt einfachen, 
aber doch immer mit einem Relief gezierten Grabſteine, 
welche man dort aufgefunden und deren auch das hiefüge 
Mufeum verfchtedene, zum Theil erft ganz neuerdings er⸗ 
worbene, befigt. 

Daß unter folhen Umftänden die bildenden Künfte 
ihre woblthätigen Cinflüffe in allen von mie oben anges 
deuteten Beziehungen im reichſten Maße ausübten, bedarf 
wol kaum der Verficherung. Die Griechen erreichten bas 
durch eine Harmonie der geifligen Bildung, von welcher 
es ſchwer hält, bei der einfeitigen Meflerionsblldung unfes 
ver Tage eine deutlihe Vorſtellung zu geroinnen. 
mache bier nur auf die Wechſelwirkung zwifchen der Poefte 
und den bildenden Künften aufmerffam, durch weiche beide 
fih in ihren Erzeugniſſen nothwendig immer ſteigern mußs 
ten. Selbſt die fchöne, kunſtreiche Form, in welcher bei 
den Griechen Philoſophie, Redekunſt und Gefchichte er⸗ 
feinen, hänge mit diefer hohen Ausbildung und alls 
gemeinen Derbreitung der bildenden Künfte innig zufam: 
men, ja, it zum Xheil das Ergebniß derſelben. 


”: 


Nachdem die bildenden Künfte zugleich mit den Grie⸗ 

chen in den Dienft der weltbeherrfchenden, aber im Ber; 
haͤltniß zu den Griechen Immer halbbarbariſchen Römer 
gerathen, und in diefem, im Beſitz unermeßlicher Mittel, 
in einer Unzahl von zum Theil koloſſalen Denkmalen der 
allgewaltigen politifhen Größe und Würde und dem über: 
mäßigen Lurus dieſes Dolls, wennſchon auf eine ihrer 
edeln griechifhen Abkunft würbige Weife gefröhnt hat: 
ten, erlebten fie noch in den aͤlteſten Dentmalen chrift: 
licher Kunft, worin fie die Grundzüge derfelben, eine er: 
babene Feier und fittlihe Strenge, angaben, duch ben 
Impuls diefes neuen Begeiſterungsmoments eine ſchoͤne 
Abendroͤthe. Darauf frifteten fie durch die lange Epoche 
einer taufendjährigen Barbarei ein Lümmerliches Leben, 
bis fie im Mittelalter zum zweiten Dale unter dem Pas 
nier des Chriſtenthums der Gegenſtand einer allgemeinen 
Begeifterung wurden. Obgleich biefe außer Stalin auch 
andere Länder Europas, am lebhafteften die Niederlande, 
Deutfhland und Frankreich ergriffen, ja in diefen allein 
in der gotbifhen Bauart eine durchaus eigenthüm: 
liche und beimunderungsmwürdige Form der Architektur ent: 
widelt hatte, find doch Sculptur und Malerei nirgend 
gu fo vollendeter, großartiger und fchöner Blüte gelangt 
als in Italien, umd bietet kein anderes Land noch 
beute in fo vielen und großartigen Beiſpielen die volle, 
lebendige Anfchauung dieſer Kunftblüte dar. 
Wenn aber die Architektur dafeldft an Eigenthuͤmlich⸗ 
keit der Erfindung den genannten Ländern und aud) ben 
Denkmalen gothifcher Baukunft in England und Spa: 
nien allerdings weit nachſtehen muß, fo entwidelte fie doc) 
im 15. und 16. Jahrhundert nah den Worbildern der 
altrömifchen Denkmale auf eine freie und geiſtreiche Weife 
nach den verfchiedenen Zwecken felbfländige und ſchoͤne 
Formen, und ift der Umfland wohl zu bedenken, daß fie 
fowol in dieſen, als ſchon in der minder in die Höhe 
ſtrebenden Art der gothifhen Bauart, wie ſich diefelbe im 
14. Jahrhundert in Italien meift ausgeftaltete, der Sculp⸗ 
tur und Malerei an den weniger hohen Giebeln und 
Strebepfeilern des Kußern, an den geräumigen, meift 
halbkreisfoͤrmigen oder body wenig fpigen Wandflaͤchen 
und mäßig hohen Gemälden des Innern, einen ungleich) 
weitern und paffendern Spielraum zu monumentaler und 
ſtilgemaͤßer Entwidelung gewährte und dadurch eine foldye 
ungleich mehr förderte, ald dies bei der gothifhen Bau: 
art in ihrer firengeen und an ſich weit fhönern Zorm ber 
Sau iſt. | 

Schon vom 13. Jahrhundert an fehen wir in dem, 
in viele größere und Bleinere Staaten getheilten Italien 
Fuͤrſten und Freiſtaaten, Geiſtliche und Weltliche von der 
Begeifterung fuͤr die bildenden Kuͤnſte erfllit, diefelben im 
euhmlichften Wetteifer in den meiften der oben erwähnten 
Beziehungen ausbilden. Wie die Verherrlihung ber Kirche 
indeß allen andern vorausging, behauptete fie auch immer 
diefen Vorrang. Auch bier fpielten dieſe Künfte, wie 
einft bei den Griechen, als Mittel der Erziehung und 
Belehrung eine fehr bedeutende Rolle. Im Gefolge der 
Sculptur. und Malerei bildeten ſich dort auch deren Der: 


gweigungen, die Golbſchmiede⸗, die Stempels und Gtens 
chneidekunſt, die Miniaturs und Schmelgmalerei, das 

iello, die Malerei in geftidten und gewebten Stoffen, 
endlich die Dolgfchneldes und Kupferftecherfunft früher oder 
fpäter aus. e beibe verbeiteten ducch Verviefäligung 
eine beträchtliche Anzahl fhöner Kunſtideen in großer Ak 
gemeinbeit. 

Bon den verfchiebenen größern Mittelpunkten, Bme 
dig, Piſa, Siena, Florenz, in welchen die Kunft in 
fröhlichen Bebeihen emporblühte, erlauben Zeit und Zur 
diefes Vortrags nur einen etwas näher zu betrat, 
Sch wähle hierzu Venedig. 

Denedig iſt unftreitig das eigenthuͤmlichſte und groß; 
artigfte Denkmal des Mittelalters. Erſcheint «8 ſchon 
in der Ferne mit feinen vielen Thuͤrmen und Kuppen, 
aus der Meeresfläche hervorragend, faſt maͤrchenhaft, fo 
fleigert fi der Eindrud des MWunderbaren noch in dee 
Nähe, wenn man in ben Canale grande, die Hauptftcafe 
Venedigs und unbedingt bie fchönfte, welche es gibt, 
hineinſchifft und diefe Welt von Kirchen und Palaͤſten 
erblidt, welche zu beiden Selten in den mannichfaltigſten 
Formen aus dem Wafler emporfleigen. Romaniſche, ara: 
bifche, gothifche Architektur wechfelt bier mit den nad der 
altroͤmiſchen Baukunſt frei entwidelten Formen von den 


Lombardi, dem Sanfooino, dem Palladio, im bunten, 


malerifhen Gemiſch und vergegenwärtigt und ebenfo vice 
Epochen der langen Blüte der Republik. Dabei iſt die 
Verzierung an den meiften dieſer Gebäude fo reich und 
fo geſchmackvoll, da6 Material, Marmor, ober ber harte 
Kalkſtein von Iſtrien, fo gedisgen, daß man in eine 
Stade von Fürften zu fein glaubt. Dennoch erreicht der 
Eindruck erſt feinen hoͤchſten Grad, wenn man zum dl: 
ten Mittelpunkt dee Republik, zur Piazzetta und dem 


Marcusplag gelangt, welche duch ein hoͤchſt gluͤclicht 
Gemiſch von Regel und Zufall ein Ganzes von achite: 


tonifcher und malerifcher Wirkung ausmachen, wie die 
Welt es ebenfalls nicht zum zweiten Male aufweiſen 
tann. Die Dauptmaffen bilden hier, gleich ſchoͤn und 
eigenthuͤmlich, bie Marcusliche und der Dogenpalafl, 
gleihfam Merz und Kopf des Staats. 

Welch ein lebhaftes Bewußtſein dieſer Wunder von 
Venedig ſchon von Alters ber die Italiener durchdtang, 
beweift das berühmte, lateiniſche Epigramm des Dichtets 


Sannazar“), weiches ich mir erlaube der verehrten Bm: 


ſammlung in einer verfuchten Überfegung mitzutheiln: 
As, In den Wogen gegründet, Neptun Wenedig erfchaute, 
Wie es In ruhiger Kraft trogt bem unbändigen Meer, 
Sprach er zu Jupiter: Setze, fo viel dir behagt, mir entgegm, 
Deine tarpejifhe Burg mit der Ummaurung des Mars! 
Zieheft den Tiber dem Meere du vor, von den Staͤdten bekennt: 
Menſchen nur haben bein Rom, Götter Wenebig gebaut! 


Der Senat von Venedig fand, daß der Dichter würdig 


*) Viderat Adriscis Venetsm Neptungs in undis 
Stare urbem, et tanto ponere jera marl. 
Nuno mihi Tarpejas quantumvis Jupiter aroes 
Pbjlce et illa tul moenia Martis, alt. 
Si polage Tyberim praefers, urbem aspice utramgue 
LUlam homines dices, kanc posuisse deos, 








von ber Stadt geſprochen und behdite ihm daher ſeinen 
Dant in einem Schreiben aus, weiches mit 100 Duka⸗ 
ten für jede der fechs Zellen begleitet war. Sein Bild⸗ 
nid, im Auftrag der Repudlik von Tizian gemalt, fand 
feine Stelle im Dogenpalaſt unter denen der erſten Mäns 
ner Benedige. 

(Der Beſchluß folgt.) 





Merkwuͤrdige Außerungen Napoleons. 


Über Lichesyändel und Maitreffen ber Fürften. 
GEhevalier von Beauterne laͤßt in feiner zu Paris erſchie⸗ 
nenen qhrift: „Sentiments de Napoleon sur la divinits 
de J&sus Christ. Pens6des inedites, recueillies par M. le comte 
de Montkolon et publi6es par Mr. le chevalier de Beau- 
terne”, den SrsKaifer eines Tages in St.⸗Helena fagen: 
„Wenn das Bourbonifche Geſchlecht fein Unglüd verdient hat, 
fo ift es dedurch gefchehen, daß es fich Aber Religion und Sitt⸗ 
lichkeit hat erheben wollen. Es gibt nichts Unverfhämteres und 
VBerberblicheres für die Sittlichkeit als die Tkandaldfe Lieber 
lichkeit eines Souverains. Beſſer ift für ein Reich ber ungläds 
lichſte Krieg und bie Geißel der Peſt. Das Gittenverberbniß 
it anftedend, wenn es vom Throne herablommt, benn ber Hof 
unb bie Gtadt berilen fi), nachzuahmen. Die Religion wird 
dadurch auf eine traurige Weile verlegt. Man fchreibt ben 
Prieſtern und ber Lehre alles Boͤſe zu, was fie nicht verhins 
dern. Ihr Unvermögen, bie Unordnung zu hemmen, wird ihnen 
zur Laft gelegt. Wie kommt es, daß fein Priefler den Muth 
gebakt bat, Ludwig XIV. wegen feines Öffentlichen Ehebruchs 
fFentli zu tabein, und feinen Fluch gegen den Prinzen Res 
genten (Philipp von Orleans) und Ludwig XV. mit kühner 
Stimme zu fhleudern? Dies macht der Geiſtlichkeit jener Zeit 
wenig . Mit weniger Talent als Boſſuet und Maffillon 
bejaßen , wärbe fich in frühern Zeiten ein Bifchof gefunden has 
ben, ber mit Gefahr feines Lebens dieſe Pflicht erfüllt hätte. 
Der Eingriff der kirchlichen Gewalt iſt von dieſer Geite nicht 
zu befuͤrchten. Es gehört zu viel Seelenhoheit dazu, um ſich 
der Sache des beleidigten Himmels anzunehmen, indem man ſich 
der Ausfcweifung der Großen wiberfept. Die Energie, welche 
ſich dieſer Pflicht erledigt, iſt zu felten und fompathifiet mit 
dem Bolktgefuͤhi. Ich wüßte nichts Niedrigeres als bie Ge⸗ 
walt eines unfittlidhen Herrfchers. Cine Geſellſchaft ift fehe tief 
gefunten, weiche ein fo veraͤchtliches Joch erträgt: es iſt ein 
Zeichen der Auflöfung des Staatsvereins. Ohne allen Zweifel 
waren die Liebeshändel der Könige, die Schaͤndlichkeiten Eub: 
wig’8 XV. und des Regenten eine ber Haupturſachen der Res 
volution. Bevor man die Gewalt herabwürdigte, hatte fie ſich 
ſeibſt herabgewuͤrdigt; fie war unter alle Welt gefallen, indem 
fie alle Srundfäge mit Füßen trat. Durch feinen muthvollen 
bob Lubwig XVI. das Königthum in ber öffent 
lichen Meinungs dies vechtfertigt nicht, erklaͤrt aber die Ver⸗ 
brechen Marat's, Robespierre's und ber übrigen Königemörber, 
weiche wahre Ungeheuer mit menſchlichem Antlige find; aber 
deſe lingebeuee haben ein Urtheil ber focialen Genugthuung 
vollzogen. ... Die Verbrechen haben dazu gebient, wie die Un⸗ 
veinigfeiten, weiche zum Dünger eines erſchoͤpften Feldes dienen 
und es fähig machen, das Hundertfache hervorzubringen. Was 
midz betrifft, wenn ich auch einige Schwachheiten gehabt, To 
habe ich fie nie zur Schau getragen; ich war der Erſte, ber 
fich derfeiben fchämte, weit ich die Folgen davon zu beurtheilen 
wußte: Wie Weiber find eine Kippe für ben Souverain. 
Beine Seele war zu ſtark, um in die Falle zu gerathens unter 
ven Blumen nahm ich ben Abgrund wahr. Ich befehligte alte 
Sewrate. Neidiſche Blicke verfolgten alle meine Bewegungen. 
Wein Gluͤck war in meiner Weisheit; ich hätte mich eine Stunde 
vergefien können, und wie viele meiner Siege haben won nicht 
mehr Zeit abgehangen. Als ich mi mit Marie Euife ver: 
wählte, ich, daß ich noch ein bärgertiches Herz hatte. 


Die wirb die Macwelt mir bi : 
Pre ranzoͤſin — len beran vormerfen: I 


Über Religion. 

Dft flellte der Er⸗Kaiſer allgemeine Betradgtungen über 
Religion überhaupt an, woraus wir Einiges anfähren wollen. 
„Der in das Leben gefchleuderte Menſch“, laͤßt ihn Las Cafes 
fagen, „fragt fi: woher komme ich? wohin gebe ich? Dies 
find ebenfo viele gebeimnißvolle Fragen, die uns auf die Religion 
bindrängen. Wir fühlen ‘uns zu ihr bingezogen, unfer natuͤr⸗ 
liches Gefühl treibt uns dazu an. Dann kommt ber Unterricht, 
der uns auf einmal aufhält. Wiffenfchaften und Geſchichte, 
bies find bie großen Feinde ber wahren, durch die Unvollloms 
menheiten ber Menſchen entftellten Religion. Warum, fragt 
man fich, ift die Religion von Paris nicht die gleiche mit ber 
von London, mit der von Berlin? Warum unterſcheidet ſich die 
Religion von Petersburg von der in Konftantinopel? Die letz⸗ 
tere von ber in Perfien, am Ganges und in China? Warum 
tft die Religion bes Altertbums nicht die Religion unferer Zeit? 
Alsbann geht die Vernunft mit ſchmerzbaftem Gefühl in fi 
zurüd; fie ruft aus: Religionen! Religionen! O Kinder ber 
Menfhen!.... Man glaubt wol an Gott, weil Alles um uns 
ber fein Dafein verkündet, und weil bie größten Geifter an ihn 

eglaubt haben, nicht allein Boſſuet, bei dem es zu feinem 
Amte gehörte, fondern auch Newton und Leibnis, die nur ihre 
Überzeugung audzufprechen brauchten. Aus ber Eehre, bie man 
und vorträgt, weiß man aber nicht, was man madhen foll, 
und es ergibt fi, daß wir die Uhr find, die gebt, ohne ihren 
Uhrmacher zu Eennen. Und bedenke man einmal die Ungefchids 
lichkeit Derer, die uns bilden; fie follen bie Worftellung des 
Heidenthbums und bes Sögendienftes von uns entfernen, weil die 
Ungereimtheit berfelben unfere erften Urtheile hervorruft und uns 
bazu vorbereitet, dem pafliven Glauben zu wiberfireben, und 
doch erziehen fie uns mitten unter Römern und Griechen, mit 
ihren unzähligen Gottheiten. Dies war wenigftens bei mie 
buchftäblich der Bang meines Geiſtes. Ich hatte das Webürfniß, 
zu glauben, und glaubtes aber wie ich anfing zu wiffen und au 
denken, fo fand mein Glaube Anftoß, Ungewißheit; und dies war 
fhon bei mir im dreizehnten Jahre der Ball. Vielleicht werbe 
id einmal wieber blind glauben, Gott gebe es! Ich habe nichts 
bagegen und wuͤnſche es fogarz denn ich fühle es, da ein gro⸗ 
bes und wahres Glüͤck barin liegen muß. Gleichwol darf ich 
verfichern, baß bei ben großen Stürmen, bei ben zufälligen Eins 
gebungen der Immoralität felbft, ber Mangel an biefem reis 
gioͤſen Glauben nie irgend einen Einfluß auf mich gehabt bat, 
und daß ich nie an dem Dafein Gottes zweifelte. Denn hätte 
meine Vernunft nicht Hingereicht, ihn zu begreifen, fo wärbe 
ifn mein Inneres nichtsbeftoweniger aufgenommen haben. Deine 
Nerven waren in Sympathie mit biefem Gefühle. Alles vers 
tündet das Dafein eines Gottes, bies iſt nicht zu bezweifeln, 
aber alle unfere Religionen find offenbar Kinder der Menſchen. 
Barum widerlegt eine Religion bie andere? warum befämpfen 
fie fih? warum war bies zu allen Beiten und in allen ändern 
der Fall? Darum, weit die Menfchen immer Menſchen find 
unb die Priefter flets den Betrug und bie Lüge einzufchwärzen 
ſuchten. Bei allebem, fobald ih Macht hatte, beeiferte ich 
mich bie Religion wieberherzuftellen. Sch bediente mich ihrer 
als Bafis und Wurzel der Geſellſchaft. Sie war in meinen 
Augen die Stüge der echten Moral, der guten Sitten und der 
wahrhaften Grundfäge. Und dann, bie Unruhe des Menſchen 
ift der Art, daB er biefes Unbeſtimmte, biefes Wunberbare, 
das fie ihm vorbält, nicht entbehren kann. Es ift beffer, daß 
er hier, als bei Gaglioftro und Mademoiſelle Lenormanb oder 
bei Wahrfagerinnen ober Beutelſchneidern feine Befriedigung 


Als Jemand aus Rapoleon’d Umgebung auf Gt. Helena 
bemerkte, daß er, der Kaifer, wol noch fogar fromm (devot) 
werben Eönnte, antwortete er mit ber Miene ber Überjeugung: 
Er fürchte, dies würde nie ber Ball fein, und er fage bies wit 


Webauern, denn es laͤge im religiöfen Gefuͤhle umfireitig ein 
umendlicher Troſt. Gein Unglaube entipringe aber nicht aus 
Berkehrtpeit, oder Ausſchweifung des Geiftes, fondern einzig 
aus ber Stick feinee Bermunft. Gr fügte Hinzu: „Ich bin 
weit entfernt, Atbeik zu feins ich kann aber nidgt Alles glaus 
ben, was man, meiner Bernunft zum rose, mich lehren will, 
wenn ich anders nicht faiſch und ein Heuchler fein will.” Gr 
fagte dann: „Es iſt 8 kein Zweifel, daß meine Art von 
Unglauben in meiner Stellung als Kaifer reine BVohlthat für 
die Biker wurde. Wie bätte ich ſonſt cine wahre Toleranz 
ausüben innen? Wie hätte ich mit gleichem Schute fo ent 
gegengefehte Selten begänftigen können, wenn ich von einer eins 
tigen beherrſcht worden wäre? Wie hätte ich bie Unab 

beit meiner Gebanfen und meiner Schritte unter ber 
flüfterung eines Beichtvaters erhalten, der mich unter ber 

vor der Dölle regiert hätte? Welche Herrichaft kann nicht ein 
Schurke, ber duͤmmſte Menſch unter diefem Zitel Aber bie Juͤr⸗ 
fien ausüben! VWer zweifelt, daß die legten Jahre Aubwig’s ALV. 
ganz anders gerzefen fein wuͤrden, hätte er einen andern Beicht⸗ 
vater gehabt? Ich war von biefen Wahrheiten fo ſehr über» 
zeugt, daß ich entichloffen war, fo viel von mir abhing, meis 
abe in berfelben religiöfen Richtung, der ich folgte, zu 
erziehen.’ 


Über den Islamismus und die riftliche Religion. 

Las Caſes laͤßt Napoleon darüber Folgendes fagen: „Der 
Islamiemus iſt die Religion eines Volks in feiner Kindbeit; er 
entftanb in einem armen Lande, dem bie zum Leben nöthigen 
Dinge fehlten. Mohammed fprach nur zu den Sinnen; er wäre 
von feiner Nation nicht verflanden worden, wenn er zum Ver⸗ 
Rande geſprochen hätte. Gr verſprach feinen Anhängern wohl: 
riechende Bäder, Ströme von Mil), weiße Houris mit ſchwar⸗ 
yen Augen und ben ewigen chatten der Lauben. Der Araber, 
dem es an Wafler fehlte, ber von bee Gonnenglut verbrannt 
war, ſchmachtete nach Waffer und Kühle, und that Alles, um 
eine foiche Belohnung zu erlangen. So fann man als Gegen 
fa zum Ghriftenthyum fagen, daß Mohammed's Religion eine 
Verbeißung fei.... Die chriflliche Religion iſt die Religion eines 
civiliſirten Volks, fie ift durchaus geiflig. In diefer Religion 
iſt Alles dazu geeignet, die Sinne zu tödten, Nichts, um fie 
zu reisen. Die Fortſchritte des Ehriftenthums waren ber Triumph 
der Griechen über die Römer, die Ruͤckwirkung der Philoſophen 
Griedenlande auf ibre Eroberer. Die Heiligen Vaͤter waren 
faft alle Griechen. Die Moral, weldye fie predigten, war Pla⸗ 
10’8 Moral. Die Chriften glaubten, nach dem Beiſpiele des 
Heidenthums, an die Belohnungen des Fünftigen Lebens, welches 
jedoch unzulängtich war, um die Laſter und Verbrechen, welche 
aus ben Leibenfchaften entſtehen, zu unterbrüden; fie fchufen 
eine ganz phyſiſche Hölle mit ganz Lörperlichen Strafen; fle 
bereicherten durch Vieles ihre Vorbilder unb gaben felbft diefer 
Lehre ein folches Übergewicht, daß man mit Recht fagen kann, 
Shrifli Religion fei eine Drohung... . Redliche Menfchen und 
Dummlöpfe bedürfen beiberfeits bdiefer Religion. Die erfteen 
befolgen fie aus Zugenb und Liebe zur Orbnung, bie legtern 
aus Unwiſſenheit und um Lohn zu verbienen. Sie befriedigt 
die Einen unb zügelt die Andern.“ 





Über ben Katholicismus. 

Graf Las Caſfes laͤßt Napoleon darüber ſich dahin aus: 
ſprechen: „Als ich bie Leitung ber Gtaatsangelegenheiten 
übernahm, . hatte ich fchon meine feften und georbneten Anſich⸗ 
ten über bie großen Elemente, welche die Geſellſchaft zufams 
menbalten. Ich hatte die ganze Wichtigkeit ber Religion erwor 
gen, ich war überzeugt und entfchloffen, fie vwieberherzuftellen. 
Man Tann ſich aber kaum einen Begriff von bem Wiberftanbe 
machen, den ich zur Wiedereinführung des Katholiciemus zu 

Ä hatte. Man würde mir weit gutwilliger gefolgt fein, 
wenn ich die Fahne des Proteflantisinus aufgeſteckt hätte. Dies 


ging fo weit, doß im Maatcrathe, bie guöhte 
hatte, bie Annahme bes Concordats dusdzufegen, re 
bios In der Abſicht ergaben, um ein Complot zu machen, dem, 
felben zu entgehen. Wohlan! fagte Einer zu dem Andern, wir 
wollen uns zu Proteflanten machen, unb dies Alles wirh un 
dann nichts angehen. Gewiß if, daß bei ber Unorbnung, ia 
welcher ich auftrat, bei ben ZeÄmmern, auf wialche ich mih 
eſtellt ſah, mir die Wahl zwiſchen dem Katholicismus und den 
roteſtantiamus blieb enfo wahr iſt es, daß bie auge: 
blickliche Stimmung allgemein für den lehtern war. Außerbem 
aber , daß ich in der That für meine Gebustönstigion Anhing: 
lichkeit an hatte ich noch die hoͤchſten —eæ ju ma⸗ 
ner Entſcheidung. Was würde ich bei Ausrufung bes Pro⸗ 
teſtantismus erhalten haben? Id wuͤrde bie Entſtehung ven 
zwei ungefähr gleich großen Parteien veranlaßt haben, da dab 
mein Hauptzweck aller Entzweiung entgegen wars ich würk 
die Wuth einer Religionsflzeitigkeit wieder herbeigeführt haben, 
da doch bie Aufklärung bed Jahrhunderte und mein Wille ver 
zuͤglich darauf binzielten, dieſe verfchwinden zu machen. Dieſe 
zwei: Parteien würben gegeneinander gewuͤthet, Frankreich ehn⸗ 
mädtig und zum Sklaven Guropas gemacht haben, ba bo 
mein Ehrgeiz darin beftand, ihm bie Herrſchaft deſſelben zu 
verfhaffen. Mit dem Katholicismus gelangte ich weit fiherm 
zu allen meinen großen Relultaten; im Innern Fraalrrich 
verichwanb bie Meine Anzahl unter ber großen, und ich hatte 
mir feſt vorgenommen, jene mit einer ſolchen Gleichguͤltigkeit 
zu behandeln, daß bald kein Beweggrund mehr vorhanden fen 
follte, eine Berfchiedenheit derfelben zu erkennen.” 

Man fieht hieraus, daß Napoleon bie Religion immer 
nur zum Kitt und Kleiſter feiner Herrſchſucht und ſelbſtſuͤchtiger 
Zwecke diente. Gr glaubte in der Suprematie bes Pap 
eine Stüge feiner Gewalt, Macht und Herrlichkeit zu finden 
Er war Katholik nicht aus religiöfer überzeugung, fondern um 
Politik. Aus Politik hätte er fich zum Islam bekennen können, 
denn nach ber Erzählung bes Grafen de Las Gafes fol w 
einmal auf der Inſel St.» Helena geäußert haben: „Im Ga 
zen iſt es nicht unmöglich, daß mich die Umſtaͤnde badin haͤt⸗ 
ten bringen fönnen, zu der mohammebanifchen Religion über 
zugehen. Aber nur unter gluͤcklichen Vorbedeutungen hätte ich 
fo etwas unternommen, ich mußte bis an den Euphrat gelem 


men fein. Eine Religtionsveränderung , bie für Privatvorthele 


nicht zu entfchuldigen iſt, laͤßt ſich vielleicht bei Erreichung wm 
ermeßticher politiſcher Refultate begreifen. Heinrich IV. hats 
Recht, zu fagen: ‚Paris ift eine Meffe werth.“ Sollte det 
orientaliihe Reid” und vielleicht bie Unterwerfung von gam 


Aften nicht einen Zurban und lange ‚Hofen werth fein?" © 
tonnte NRapolecn reden, dem für ſich und feine Armeen ale Ke 


figionen glei waren. Mohammedaniſch, Koptifdg, Arabilk, 
Ehrifttih u. f. w.: das Alles war im Syſtem feiner Acht 
gläubigkeit eine Sache der Gleichgültigkeit. 





Literarifche Anzeige. 
Bei F. A. Brockhaus in Leipeig ist enchr- 


| nen und durch alle Buchhandlungen zu besiehen : 


Handbuch 
der Kinderkrankbheiten. 


Nach Mittheilungen bewährter Ärste 
herausgegeben von 
Dr. A. Schnitzer ui Dr. B. Wolf. 


Zwei Bände. 
Gr. 8 6 Thlr. 








Berantwortlier Herausgeber; Heinrih Brodhaus — Drud und Werlag von F. U. Brochaus in Leipzig 


Bua 


tier 


für" wor 1 


literariſche Unterhaltung. 








nn ne an no 


Über die Stellung, welde der Baukunſt, der 
Bildhauerei und Malerei unter den Mitteln 
menſchlicher Bildung zufommt. 

(RBeſchluß ayb Me. 22.) 


SDreten wir jegt einen Augenblick in die Kirche des 
heiligen Marcus! Die Schutzpatrone dee Staͤdte nehmen 
in Italien öfter eine aͤhnliche Stellung ein wie die Lo⸗ 
calgötter im alten Griechenland. Wie bie Athener Are 
zur WBerbeeriihyung dee Palnas aufboten, fo die Venetia⸗ 
ner zu Ehren des heiligen Marcus. Hiervon legt Die 
frei wa dem Vorbilde der ODophienkirche in Konſtanti⸗ 
nopel erbaute Kirche das glänzendfte Zeugniß ab. Nicht 
nur Die Wände und die fünf Kuppeln des Innern, fon: 
dern amdy die Vorhalle und die Weorberfeite find durchaus: 
auf die koſtbarſte Weiſe, nämlich mit muſiviſchen Gemälden 
aus der heiligen Geſchichte auf mufivifhem Golbgrunde, 
ausgeſchmuͤckt, woran won der Entflehumg der Kirche die ins 
37. Jahrhundert, wennſchon mit Unterbredyungen, gear⸗ 
beitet worden Mi. Der Eindruck dieſer prachtvollen Feier iſt 
einzig in feiner Art! Das Seltenſte und. Koflbarfle von 
Gegenſtaͤnden der Kunft, weiche Siege oder ber Handelsver⸗ 
kehr den-Wenstiomeen saführten, wurde hier ben ‚Deiligen ges 
weiht. In viefene Sinne ſtellden fie die berichmten bron⸗ 
zuuen Merde, weiche fie in Konflomtimopel erbeutet, über 
tem Sanptpertal der Marcuskirche auf, draͤngten von 
— und andern ſeltenen Steinarten Saͤulen an Shure 
ien mb fchmüdten den Fußboden mit ſchoͤnen antlken 


Drefaiten. Wen dee Punfrichen Mtartafel aus gediegenem |. 


Bor, von Yen reichen: und ſchoͤnen Altaͤren und Kan 
a) dee zu ſprechen, verbletet mie die Zeit. 

Die ganze Weihe - der großen und Beinen’ Räume bee 
meift im gecßartigſten, italleniſch⸗ gotbifchen Geſchmack 
erbauten : Dogenpalaſtes aſt von: PaulVeroneſe, Mn⸗ 
toreto um. vielen: · amren· Malern der venetianffähen 
Schale, matzum Theil otofiaten Gemaͤlden geziert, deren I. 
23* ſich— uuf dir Großthaten and dle Berheerlicheng 

die Roeprbutn Begieht. " Am die Werftelleng von dem 

908 :Plniflletifihert ⸗Production zu geben) „bes I! 
ante —*8 die Hauptfſule (yon im -13: Fahrhundert 
ak enin : Antike Weifen von 
Malern gefchmauckt waten, welche Wider aber 
bi ein ıgeoßän Secnde iu Bunde Fegaugen ſinb. 


von den Urin und anbern 


6. Fuguft I 1843. 





Eine beträchtliche Zahl von Gemälden, weldhe vorbem 
Altaͤre der Stehen und die Berfammiungehäufer heitiger 
Brüberfihaften zierten, jet aber in den Saͤlen der Aba⸗ 
demie der Künfte vereinigt find, fegen durch Schönheit 
und Umfang in Erſtaunen. In dem koloſſalen Gemälde 
von Zislan dafelbft, der Himmelfahrt ber Maria, feiert 
die Glut und Tiefe der Farbe, melche diefer Schule vor 
ofen eigen iſt, einen glänzenden Triumph. Aber aud) 
viele Gemälde, welche noch beute in den Kirchen übrig ges 
biieben , find von großer Bedeutung. 

Das Andenken der großen Maͤnner der Republik lebe 
in den prachtvollen Familiendenfmälern fort, von Deus 
fie noch heute flolz und fireng herabblicken. Viele Kicchen 
peangen mit ſolchen. Bor allen großartig erſcheinen 
aber durch ganze Reihen die Kirchen ©. = Stevannlie 
Paolo und be’ Frari. Bildhauer wie die Lombarbi, 
Sanfovine und Aleffandro Bittoria haben in Denkmalen 
dieſer Art mit ihr Beſtes geleiſtet. 

Rur in wenigen Palaͤſten iſt ſeit dem Untergange ur ’ 
Republik noch. der alte Schmud des Innern erhalten wow 
den, doch fo manches daraus herſtammende Geraͤth, als: 
Marmorkamine, Spiegelrahmen und Truhen in Holz, 

‚ wie von beiden Beifpiele neuerdings für da6 Mufeum eue 
‚ worben worden, und fo viele amdere Gegenftaͤnde zeigen, 
daß hier die Kunft in Reichthum und Schoͤnheit der Kes 
bete nicht: zurückgebiteben iſt. 

Die Unzahl von bifterifchen- Bildern und Birdniffen 
dee großen venetianiſchen Meiſter, welche jest, im gang 
Europa zerftreut, die Bewunderung ber Kunſftfreunde aus⸗ 
machen, bedeckte einft die Wände der Privathäufe u 
Venedig und gewährte ihnen fu dem edelſten Schmud. 

Was aber in Stalten den Fremden faft noch mehr im 
Erſtaunen ſetzt ale die Fuͤlle von Kunſtdenkmalen, welche 
ihm in großen Mittelpunkten des Lebens wie in Venedig 

| ober der andern obengenannten Staͤdten entgegentcite, 
find- die Kunſtwerke ber großartigften und ebeiflen Gattung, 
welchen er in kleinen, abfeits gelegenen Orten begegnet. 
' Kein: Kuiſtand beweift wol fehlagender, wie echt und alls 
| gemein Bir Kunſtbegeiſterung geweſen, welche Stollen int 
| Mittelalter durchttang. 
So fand ich in der kleinen Stadt Gubbio in Uns 
Sri; welche ſehr maletiſch am Apennin gelägen, die große 
Eene ont Uinðditen beherefähe, das vormalige Murpkame 


bene und DRHSE Über Mccififtehine, ‚manmentlich | Seh 


in Deutſchland. 
Rah einer 


*— 
ſchau⸗ Teva fi ein ene gegen‘ ihn 
ulige Zveiben in Deutſchland aus. Iſt auch das Urtheil 
Mörne’s etwas ſehr ſchneidend und bitter, fo wird doch 
darin unſerer Zeit ein Gpiegel vorgehalten, in welchem fi 
ewiſſe Keute immer umfehen mögen, um, was fie gewiß 
Übmnen , gar Manches daraus zu lernen. „Gehen Be”, 
ſprach Börne, „bei ums in Deutſchlaud gibt: es Fein eigent⸗ 
tiches oͤffentliches Leben wie dei Ihnen in der Schweiz. Die 
een Köpfe Ichaffen es fich felbft, wie fie es können, wenige 
ftens auf dem Papiere. So haben wir beinahe eine Million 
Sehriftſteller und Schriftſtellerinnen. Wer fich bemerkbar ma: 
den, wer Wefbrberung in Stellen will, ſchreibt. In unſerer 
Gelehrten: Repubtil gilt ebenfalls Freiheit und Gleichheit. Giner 
tgitt dem Andern in die Schuhe, man drängt ſich vor, und 
vertheilt und empfängt Rippenftöße links und rechts. Wie In 
dien Republiken, gibt es auch in ber unferigen Bactionen, die 
efninder "mozatifch tostfälagen, bie endlich) idr nat 
ed nen feibft dazu kommt, nämlich andere Wiebe, anderer 
ed, und genatichee Vergeffenwerden vom Publicum. 
im nicht im Gedraͤnge aller Ritter von ber Feder erbrüdt und 
ectreten zu fein, muß man zur Sahne irgend welcher literari⸗ 
Coterie Halten. Da wird man gehoben, weil man Andere 
heben hitft. Das find ſchriftſteleriſche Handwerkskniffe. Man 
muß fie kennen. Es thut mix um bie deutfche Nation Leib» 


Zfcyotle's in feiner „Gelbſt⸗ 
über dab litern⸗ 


Sie trat mehr. als die frangäfifche und britifche wie ein Riefenlind | 


aus bem Mutterſchooſe der Natur. Allein man hält dies alte Kind 
in den Windeln feft eingefägnärt mit Armen und Beinen, daß es 


feine Glieder nimmer gebrauchen lernen Tann.” Go Börne, 
Darauf bemerkt nun ber edle Zicholle: „Bär mich lag nun |. 


einmal die böchfte Würde des Schriftſtellerthums im Anzegen 
des Hochmenſchiichen, des Sinnes für Wahrheit, Menſchenrecht 
und Geiftesvereblung der Zeitgenoffen. Bloße Gaukelſpiele des 
Ditzes, Bambocciaden und Euftiprünge ber Einbildungsfeaft, 
vote viel fie der fogennnnten poetifchen Höhe und Miele haben 
mögen, genügten mir nie, und nocd heute nicht. Was nicht 
3 die eine ober andere Art den Menſchengeiſt emporluͤpft, traͤgt 
meht das reine Gepraͤge des Schönen, iſt nur Seiltaͤnzerei ber 
Phantaſie, gleidy derjenigen, die der Markt auf ber gejpannten 
Schnur zeigt, wo man zwar mit Groödgen oder Verwunberung, 


mit Gelächter ober Graufen eine Weile zuficht, aber endlich 


mit nüchternem Misbehagen ober gleichgültig von bannen - gebt. 
Wahrhaft Schönes läßt einen langen Nachhall des Wohllauts 
in der Seele zurüd.” Nicht blos das Schöne, auch das Wahre! 
So nid) biefe wahren Worte Zicholle's. Laß Air befür, edler 


Zſchokke, und bag bu im diefem Sinne gewirkt, bie Hand im. |. 


Geiſte drüden! Ihr Schriftfteller aber, lernt von Börne, lernt 
aber noch mehr von Zſchokke! 31. 





Bemertung., 


@. X. Yale, in feinem Kuflake ;due Gefdtäte dir | 
& se | 


politiſchen Poeſie in Deutſchland“, in Ne. 2387-391 d. 


1842, meint bafiöft &. 1166, two es: von Paul Gerharb.alt- 1... Gegen Infbir enge. (su ©o- 
pottsifchereilgiöfen Dichter ſpricht, aus deffem beerlichem Dinger | ——. — Gries —— a, —. | 
liede „Zeu ein. zu deinen Thoren“ ſeien die dort von Hm, , 22 2 —— 31, ed) —BRBE 2.% | 
angeführten brei Strophen, bie wir bier kurz durch 1, 2, ul, eh a LIT 21,7 >| Tau 9 RE 
bezeichnen, aus unfern Geſangbuͤchern verſchwunden. Der an 64 ——2* Kap, ER ν“ 
indes nicht ganz fi. Gänfender biefes Hat gerade drei alte’ HE —— — eG m. en 
Geſangbuͤcher zur Hand, nämlich das alte Dresdener (vowBoh.. |. . a TV A N er ar 
Georg Wörner), das Leipziger (von Karl Gottl. Hofmann) | , "Wall it es ons at mo nn. 
un) das nad Stiers Urtheile in feiner „ Sefangbuctnoth 1ER ee ne 
„ſehr wenig mobernifirte” Autmärkifche und Pr gi efdon, |! ©: are: eure ie ss 

Kafp. Georg Friccius, zuerſt erſchienen 1734 m ee Bor: |! = o... Die Bee 5 


rede von Joh. Ehrph. Maurer), In diefen drei Geſang⸗ 


Berantwortiiher Derauögebers Heintih Brodhdaus. — Drud und 





ern finbee -fich - bit are und deitte Stube, unpenäubest, 
hoch bie qweite Strophe iſt mi u de In, Ran wird abes 
bad alte Dresdener Geſangbuch noch in manden kaubgemeinen 
der ehemaligen ſachſiſchen Graſſchaft Gommern (jest zum Re: 


een ‚Magdeburg gehörig) und "das Altmaͤrkiſche Ge: 


angbuch wol allenthalben in ber Altmark umb 


braucht; was in biefem :Dinfit wom £ 4 
gelte, kann Ginfender nicht fagen. ber oe 


ſangbduͤchern, 3. B. in bem vortrefflihen,, befonders von Dubm 
‚ rebigirten und 1808 erfchienenen Geſangbuche Für die Stadt um 


das Herzegthum Magdeburg und in dem 1800 gu Berlin zum 
Gebraudge fix enangetifche Gemeinen berausgeksumenes Befang: 
, findet fi) Die erwähnte erſte Strophe wur. ip bee. Ichten 
üfte, bier mit faſt gar keiner, dort mit geringer Abaͤnde⸗ 
—— „aber die Hi ne biete! nur bas ——— 
uch dar, wo fie jedoch ganz verändert, beſonders ei 
—— — 
eſer Gelegenheit mird Einſender eine Parallete su der 
zweiten Strophe von demſelben Dichter aus * 
liebe „„Bottlob! nun iſt erſchienen“, das ganz einftimmig in 
den genannten drei alten Geſangbuͤchern und blos ben Wor- 
ten nad) etwas verändert und obne die fünfte Strophe auch 
in dem Bewiner Veſangbuche zu leſen ift, mitthetlen. Diele 
Parallele lautet dent in. der deitten mad pieten-Eitraphe ale, 
ungen bei den berliner Ausgahen unten. Hinzuge 
gt find: 
s . .. 


Sei taufen mal willkeumen, 

Du theure, merche gricdencgabi 

Setzt ſen wi, was für Brommmen 

Dein bei und Wohnen in fi hab. 

In bir hat Bott verſenket 

Au unfer OEluͤck und Heil; 

Wor dich Steäht uab- Tuknäik, 

Du —— ven Men in 
e das Herza .. 

Und loͤſcht aus Unverſtand 

Die güfdne Freudenlerge 

Mit feiner eignen en —* u 

03, 

Das beit und niemanb beiger 

Sn unfer Seel und ‚Herz hinein, 

Als ihr zerſtoͤrten Schiͤſſſe .. 

Und Städte voller Schuit und Stein; 

Ye vormals Finnen Yelden, --- : : 


— Ihr GSGräber voller Leidyen 
* md Gintgent Helbenſchweiß PP 


DH. txiſcheri Saat: vcſecut, 47. 

‚Seht tr ER . ig LIE ui BEETE 

Und vuͤrre wuße Deibzt) 4er ı 
ins 


Dor Selden, Den He I © 
u en vantuichtu accis. wos. ı 
EEE Be Be , > 9 


, N Y . W 3 rn S*ı v3 u@haflne 
*) Du theurgd, werthes Feigdendauf!.... 
"Nun ſehen alle Frommen, Mer: I 


rer. 
[4 ®. 










et 
Berlag von 


⸗ 








Blätter 


für 


literariſche Unterhaltung. 





General Graf Bülow von Dennewis in ben Feld: 
Ka von 1813 und 1814. Bon einem preußifchen 
> je Leipzig, Brodhaus. 1843. Gr.8. 1 Xhlr. 

a. 


Die ununterbrochene Waffenrube, in welcher das preußi⸗ 
ſche Heer feit 30 Jahren ohne alle Gelegenheit zu neuen 
Lorbern gelebt hat, iſt dafuͤr fruchtbringend an Schilde: 
rungen früherer Großthaten deffelben und an fchägbaren 
kriegsgeſchichtlichen Monographien über die Ereignifje der 
Fahre 1813—15 gewefen. Nachdem in den erften Jah⸗ 
ren nach Beendigung des großen Kampfes mehre der ein: 
fichtsvoüften Theilnehmer an demfelben, wie Müffling, 
Kühle von Lilienflern, Pfuel, Clauferwis, Bleſſon, Varn⸗ 
hagen von Enfe, einzelne Partien aus der unmittelbar; 
fien Erinnerung und mit Benutzung der beften Quellen 
Dargeftellt hatten, begann ber legtgenannte mit feiner aus: 
gezeichneten „Biographie Blücher's“ im I. 1827 die 
neue Reihe militairifch = biographifcher Schriften zur Ge: 
fchichte des preußifhen Heeres und feiner Seldherren. Ihm 
folgte der edle Minifter Boyen mit den ‚, Erinnerungen 
an Scharnhorſt“; General Srolmann mit der „Geſchichte 
des Feldzugs von 1815 in Frankreih und in den Nie 


derfanden”, einem Buche voll würdevollee Anſpruchsloſig⸗ 


keit und männlicher Grazie; General Hofmann mit den 
„Erinnerungen aus dem J. 1813”, die mit Wahrheit 
und Klarheit eine möglichft buͤndige Kürze vereinigen; Ma: 
joe von Damig mit der „Geſchichte des Feldzugs von 1814 
im oͤſtlichen und nördlichen Frankreich”, die nach den Be⸗ 
(ehrungen und Anleitungen Grolmann's gefchrieben iſt 
und die Vorzüuüge jenes claffifhen Werks theilt; zuletzt 
in dieſem Jahre ein höherer Offizier der preußifchen Ar⸗ 
mee (General von Prittwis) in den ſehr ausführlichen, 
fachreichen „Beiträgen zur Gefchichte des 3. 1813”, und 
der Generauditeur Friecius mit feiner ,‚Sefchichte des 
Krieges in den 3. 1813 und 1814”, die zwar Veran: 
laffung mancher Widerfprüche in öffentlichen Blättern ge: 
morden iſt, aber doch jedenfalls ein intereffantes Denk: 
mal der heidenmüthigen Beftrebungen bleibt, mit welcher 
die oftpreußifche Landwehr, in der Friccius Major war, 
in jener Zeit gefochten hat. Neben jenen größern Wer: 
ten find auch eine Anzahl kleinerer Schriften und Ge⸗ 
ſchichten einzelner Regimenter (uns find deren 12 be 
kannt) erſchienen, die von größerem oder geringerm Werthe 


find, alle aber das Verbienft haben, fpeciele Zuͤge ber 
Zapferkeit einzelner Soldaten vor ber Vergeſſenheit bes 
wahrt zu haben. Die Geſchichte des Kolbergſchen Res 
giments von Bagensky und die bed fünften Hufarens 
regiments von Schöning find in jeder Beziehung unter 
diefen Monographien die vorzüglichften. Ohne nun jegt 
auf einzelne Vorzüge dieſer Schriften und der vielm in 
Zeitſchriften zerfireuten Auffäge, wie in der „Minerva“, 
im preußifchen „Militairt: Wochenblatte” (wo freilich die im 
J. 1833 gegebene liberficht jegt vieler Nachtraͤge bedarf), 
in den berliner „„Sahrbüchern für wifienfchaftliche Kritik“ 
und in andern, weiter einzugehen, Binnen wir einer Zus 
gend faſt aller Schriftſteller ihr geblihrenbes Lob nicht vers 
fagen. Das iſt die Tugend der Beſcheidenheit. 

Ic glaube — fchrieb W. Alexis ſchon im 3. 1820 („Herb 
reife in . Skandinavien”, II., 99) — in der ganzen preis 
Bifhen Armee ſucht man jetzt vergebens. nach einem Original, 
das bei Katzbach ober Waterloo ſchwoͤrt ober flucht. Man 
möchte eher eine zu weit gehende beutfch « nationale Beſcheiden⸗ 
heit finden, welche lieber jeden Gluͤckscoup des genialen Feindes 
anerkennt als das Verdienſt der eigenen That. 

Dies Wort findet auf alle oben genannten Schriften 
Anwendung. Denn wenn man die befcheidene Sprache 
eines Srolmann und Prittwig mit ben Affectationen ber 
Franzoſen vergleicht, die ihre Niederlagen eher allem Anz 
dern zufchreiben als der Tapferkeit der Preußen und dem 
Genie bes Fürften Blücher, oder mit den Prahlereien des 
Ruſſen Danilefsti, der alles Verdienft feinen Landeleuten 
allein beilege und Blücher’s Ruhm wol gar buch) un: 
wuͤrdige Verleumdungen zu verdunfeln fucht, oder mit 
gehäffigen Ausfällen englifcher Offiziere auf den Muth 
und die Dieciplin der preußifhen Armee im J. 1815 — 
dann muß man zugeftehen, daß die edle Beſcheidenheit 
und die großmäthige Schonung ber preufifchen Krieges 
fchriftftellee ein neues Lorberblatt in dem Kranze der uns 
ſterblichen Leiftungen iſt, durch welche das preußifche Volk 
und das preufßifche Heer fich gerechte Anfprüche auf bie 
Dankbarkeit der Nachkommen erworben haben. 

Iſt es nun für die Sefchichte der J. 1813—15 ein 
ganz befonderes Gluͤck, fo viele Beiträge von ausgezeich⸗ 
neten Zeitgenoffen und felbfithätigen höhern Militairper⸗ 
fonen zu befigen, fo barf uns dies auch nicht ungerecht 
gegen folche Arbeiten machen, die von fpäter Lebenden 
mit Geſchick und Fleiß ausgeführt worden find und In 


878 


der loͤblichen Abſicht, das Andenken an jene Großthaten 
unter der jdngern milltaltifchen Generation ftiſch zu er: 
halten. Dan kann es nicht leugnen, daß bei aller Sorge, 
welche für die Intelligenz der jüngern preußiſchen Off: 
ziere durch einen hochgebildeten Kriegsminiſter getragen 
id, dennoch der Garnifondienft und das Leben in ben 
feinen Sarnifonftädten die ilıngern Dffiziere nuc- zu 
feiche verdirbt und in ihnen den Sinn für gefchichtliche 
oder geographiſche Studien, wie überhaupt für das Hoͤ⸗ 
here, gefährdet, ja ſogar manche Erſcheinung wieder her⸗ 
vorruft, die man zum Heile der Armee in ewiger Ber: 
geffenheit begraben glaubte. Nur wenige der Jüngern 
waren fo glüdtih, daß fie „des Dienſtes gleichgeflellter 
Uhr“ entfliehen konnten und ſich dafür im Kampfe mit 
Ägpptiern, Tſcherkeſſen und Afghanen herumtummeln, 
und auf der andern Seite find die Beifpiele einer lobens⸗ 
werthen fchriftftellerifchen Thaͤtigkeit, wie fie Gansauge, 
Orlich, Roon, Spdow, Prodczinski und einige Anbere 
gegeben haben, noch immer nicht zu zahlreich für die 
fange Reihe der Friedensjahre. 

Um fo freubiger begrüßen wir das vorliegende Werk, 
Denn ein jüngerer Offizier in der preußifchen Armee bat, 
„um den angel eigener Kriegserfahrung fo viel als 
mwoͤglich zu erfegen und ſich auch für den bedeutungsvol: 
lern Theil feines Berufs auszubilden‘ (Worte der Bor: 
rede), feit mehren Jahren bei feinen Friegsgefchichtlicyen 
Studien einen Mittelpunkt in den Feldzügen des Gene: 
rals Bülow von Dennewig gefunden. Da die Refultate 
dieſer Forſchungen bei den Freunden des Verf. Anklang 
fanden, fo beſchloß er, feine Arbeit der Dffentlichkeit zu 
übergeben, will fle aber nur als eine Materialienfammlung 
für einen fpätern Eritifchen und mehr befähigten Schrift: 
ſteller angefehen wiffen. Dierauf fährt er alſo fort: 

Den patriotifgen Sinn ber Söhne durch die Großthaten 
der Väter zu beleben und dem Andenken eines ‚Helden ein Denk⸗ 
mal zu fegen, ber in dem ewig denkwuͤrdigen Befreiungsfriege 
außer dem Zeldmarfhall Bluͤcher der einzige preußiſche General 
war, ber mit größern Streitkräften auf abgefonderten Kriegs: 
(daupiägen ſelbſtaͤndiges Feldherrntalent zu entfalten Gelegen: 
beit hatte, tft der Zweck dieſer Schrift, von der der Werf. hofft, 
Laß man um ber guten Abſicht willen die oft mangelhafte Aus⸗ 
führung derſelben überfehen werde. 

Die Angabe folder Mängel überlafjen wir gern ben 
militairifchen Beurtheilern, wir an unferm heile erken⸗ 
nen aber zuvoͤrderſt bie loͤbliche und beſcheidene Gefin- 
nung unſers Verf. an, bie fih auch im Buche (4. B. 
auf S. 83, 125) im erfreulichflen Gegenfage zu der 
Tagesweisheit junger Lieutenants ausfpricht, die nur zu 
oft fich einfallen laffen, die verfuchteften Seldherren nach 
dem Eprercierreglement zu Eritifiren. Zweitens gereicht es 
ihm zur Ehre, ſich die oben angeführten vaterlänbdifchen 
Scheiftfteler auch in der Anerkennung frember Tapferkeit, 
unbeſchadet bee Großthaten des eigenen Volks, zum Mu: 
ler genommen zu haben. In biefer Beziehung nennen 
wir bie Stellen über bie bartnädige Gegenwehr ber Franz 
zofen in Halle am 2. Mai 1813, über die Tapferkeit 
einzeiner franzoͤſiſchen Divifionen in der Schlacht bei 
Dennewig, über die Auszeichnung, mit welcher bie fächfi: 


fhen Zruppen in berfelden Schlacht gefochten haben, und 
über den verzweifelten Kampf ber franzöfifhen Tiraileus 
in dem treffen bei DHoogfiraaten am 11. Januar 1814, 
Zum britten iſt überall das forgfältige Studium der 
beften Quellen wahrzunehmen, umd mean der Verf, im 
Mistrauen auf die eigene Kraft und den Mangel an 
perfönlicher Kriegserfahrung bei abweichenden Angaben 
fein Urtheil zuruͤckgehalten bat, fo ift es ihm body dafür 
gelungen, die meiften Begebenheiten klar und anſchauiich 
darzuftellen, fodaß auch Nichtmilitairs mit Hülfe eins 
guten Situationspland ſich die Aufftellungen und Yagriffe 
der Truppen binlänglich verdeutlichen Lönnen. Diele 
Anſchaulichkeit wird auch wefentlid durch gute Terrain⸗ 
beſchreibungen erhöht, wie der Schlachtfelder bei Groß: Bee⸗ 
ven und Dennewig, der hollaͤndiſchen Feſtungen Arnheim, 
Gorkum und Herzogenbufh, des Schlacytfeldes bei Laon 
und der Umgebung von Soiſſons. Überhaupt if das 
Buch gut und einfach gefchrieben und man erkennt auch 
hierin das Studium ber beſten militairiſchen Schriftſtel⸗ 
fer unferer Zeit und ihrer treuen, lebendigen Darftekung, 
der die Lefer mit dem waͤrmſten Snterefie folgen und die 
Vorzüge eines buch den Krieg, durch die große Welt 
und die Studien gebildeten Militairs volllommen an: 
erkennen. | 
Der erſte Abſchnitt befchäftige ſich mit den Thatn 
des Generals Bülow und feiner Truppen von der Eroͤf⸗ 
nung ber Zeindfeligkeiten bi6 zum Abfchluffe des Waflen 
ſtillſtandes zu Pleifhwis. Hier treten nun befonders die 
Gefechte bei Daniglom und Vahlitz hervor, dann die 
Einnahme von Halle am 2. Mai, die wir ale eine der 
beften Partien anfehen und wo Bülow zuerft als ſelbſtaͤn⸗ 
diger Führer erfchien, ferner die Anflalten zum Schupe 
Derlins und der Mark Brandenburg, als biefe durch 
Marſchall Ney von Wittenberg und Torgau her bedroht 
wurden, und die kuͤhne Diverfion nach der Laufig, um 
feinen bei Lügen befiegten MWaffengefährten durch einen 
ſolchen felbftändigen Schritt Hülfe und Erleichterung zu 
bringen. Unter den Ereigniſſen diefer Tage find das für 
das Corps nachtheilige Gefecht des Generals Borſtell ki 
Hoyeröwerda am 28. Mai und das glückliche Treffen 


bei und in Luckau am 4. Juni mit befonderer Ausführ 


lichkeit bargeftellt worden. Der letztere Sieg war von 


großem moraliſchen Einfluffe und für dem militairiſchen 
Ruf Bülow’s entfcheidend, die franzoͤſiſche Eitelkeit aber 
fo fehr gekraͤnkt, daß dieſe Schlacht in den amtliden 
Berichten gar nicht einmal erwähnt iſt, obfchon die ftan⸗ 
söfifchen Zreuppen 1100 Mann an Todten und Verwun: 


deten und 800 Mann an Gefangenen verloren hatten. 
Der zweite Abfchnitt von ber Wiedereröffnung der Feind⸗ 
feligbeiten bis zur Schlacht bei Leipzig ift nicht blos dem 
äußern Umfange nad der ſtaͤrkſte, fondern auch in Beziehung 
auf den Inhalt der wichtigfte. Denn bier werden die beiden 
Schlachten bei Sroß-Beeren und bei Dennewig beſchrieben, 
wo bie gefchidte Berechnung unb ber taktiſche Blid des 
Generals Bülow im Verein mit der preußifchen Volls⸗ 
kraft zwei der herrlichfien Siege errangen und ber Glaube 
an die Unüberwindlichkeit franzöfifcher Marſchaͤlle durch⸗ 





aus untergraben wurde. Mit biefen gewaltigen Anſtren⸗ 
gungen ſteht nun bie Langfamkeit und Unbeflimmtheit 
des Kronprinzen von Schweden, des Oberanführers ber 
Nordarmee, zu der das Buͤlow'ſche Corps gehörte, in dem 
auffaßendften Gegenfage. Unfer Verf. äußert fi darlıber 
zwar mit Vorſicht und Zurüdhaltung, er nimmt an, daß 
dipfomatifcye und politiiche Rüdfihten das Betragen jenes 
Feldhertn geleitet hätten; aber der patriotiſche Unmille über 
die Zögerung des Kronprinzen, Über feine Iſolirung von 
den JIntereſſen des Tages, über fein fpätes Erſcheinen 
anf dem Schlachtfelde bei Dennewig, bricht doch an mehr 
als einer Stelle hervor, wie denn «in bdeutfches Herz über 
jme Vorgänge auch nicht anders als tief betrübt fein 
kann. Es mag immerhin dem Kronprinzen eine folche 
Zögerung durch Umftände geboten fein, aber eine Schat⸗ 
temfeite in dem Leben des ausgezeichneten Fuͤrſten iſt fein 
Benehmen für alle Zeiten und wie trefflich auch feine 
Dispofitionen nach dem Urtheile von Sachverſtaͤndigen 
geweſen fein mögen, fo bleibt doch immer zu fragen 
übrig, was er dann gethan haben würde, wenn Bülow 
bei Groß : Beeren und bel Dennewis gefchlagen worden 
wäre. Schweden und Ruffen allein hätten ſchwerlich über 
die Kranzofen geftegt, nachdem bie moralifche Kraft ber 
Preußen durch zwei Niederlagen erfchüttert war. Was 
nun die Schilderung der beiden Schlachten betrifft, fo 
find wir dem Verf. für die Mühe, die er auf eine an⸗ 
fdyauliche Darftellung berfelben in ihren einzelnen Theilen 
verwendet bat, Dank fhuldig, und meinen, daß biefelbe 
auch neben ben ausführlichen und genauen Berichten des 
Generals von Prittwig in den angeführten „Beitraͤgen“ ih⸗ 
ven Werth behalten wird. Einzelnes herauszuheben ge: 
flattet der Raum nicht, es würde fonfl der preußifchen 
Tapferkeit in den Vorpoſtengefechten vor der Schlacht, 
wo fie ſtets gegen bedeutende Übermacht ſtritt, zu ge: 
denken fein, ferner der Unverzagtheit der Anführer, bes 
mannhaften Eutſchluſſes Buͤlow's, auf feine eigene Ber: 
antwortung und gegen den Befehl des Kronprins 
zen die Hauptfchlaht zw tagen, vor allen aber des 
Heldenmuthes ‚der Landwehr und vieler einzelnen Züge 
von Muth und Vaterlandsliebe. Wir ergänzen aus ei- 
ner glaubwuͤrdigen Mittheilung, daß, als Bülow dem 
Kronp in deſſen Hauptquartier unter der Wind: 
muhle bei Ruhlsdorf hatte melden laſſen, er wolle an: 
greifen und zugleich gebeten, ihm die rechte Flanke zu 
decken und die linke des Feindes zu bedrohen, bie Ants 
wort des Oberfeldheren lautete: „J’ai l’ennemi devant moi; 
chacun defend son front. Es erhöht Bülow’s Ruhm, 
Das er durch diefen alten Beſcheid ſich doc, nicht von 
feinem großen Unternehmen zurhdfchreden ließ. Die Er: 
eignifie von ba bie zur Schlacht bei Dennewis (6. Sept. 
1813) zeigen diefelbe Paffivität des Kronprinzen und bie: 
fetbe glänzende Xapferkeit der Preußen in kleinern Ge: 
Fechten, wo viel edles Blut vergoffen wurde. Die Schlacht 
ſelnt iſt gut und Überfihtlih erzählt, fobaß ber klare 
Bus und der befonnene Muth bes Seldheren, dem feine 
Soldaten mit hoher Freudigkeit vertrauten und die zu jeder 
Anſtrengung bereit waren, in ben einzelnen Hauptmo⸗ 


menten hervortreten. Aber ohne bie Huͤlfe in ber Noch, 
Die General Borſtell des Nachmittags 3% Uhr beachte, 
wären alle Anftrengungen des Tages fruchtlos gewefen 
und die Preußen hätten der Übermacht weichen müffen. 
Daher ift Borſtell's Entſchluß, nach Goͤlsdorf vorzuruden, 
wo ſich Buͤlow im heftigſten Feuer befand, ſtatt der 
kronprinzlichen Weiſung zu folgen, bie ihm nach Eck⸗ 
mannsdorf zu marſchiren befahl, ein Glanzpunkt in 
der preußiſchen Kriegsgeſchichte. Nachdem die unmit—⸗ 
telbaren Folgen der Schlacht bei Dennewitz angegeben 
ſind, fuͤhrt der Verf. ſeine Leſer zu der Belagerung 
von Wittenberg und zu den ermüdenden Hin: und Her: 


zuͤgen ber. Norbarmee, beren Oberbefehlshaber bie Er: 


eigniffe abwarten wollte, bis Marſchall Ney wieder die 
Snitiative ergriff, um den gefuntenen Muth feiner Krie⸗ 
ger aufzurichten und dadurch auch den Kronprinzen za 
größerer Thaͤtigkeit nöthigte. Nun bereitet fich Alles zur 
Schlacht bei Leipzig vor, an der endlich das Buͤlow'ſche 
Corps auch feinen ruhmvollen Antheil gehabt und na= 
mentlich bei der Erflürmung des aͤußern und innern 


Grimmaiſchen Thores Gelegenheit gefunden bat, große 


Tapferkeit und Zodesverachtung zu bemeifen. 
(Der Beſchluß folgt.) 





Über den Unterricht in der deutfchen Sprache. 


1. Der deutfche Unterricht auf beutfchen Symnafien. Gin paͤ⸗ 
bagogifcher Verſuch von Robert Heinrich Hiede. Leip⸗ 
gig, Eiſenach. 1843. Gr. 8. 1 Thlr. 10 Kor. *) 

2. Der Unterricht in ber Mutterſprache. Bon 8. E. 9. 
Wadernagel. Vierter Theil des Deutfchen Leſebuchs. Kür 
Lehrer. Gtuttgart, Lieſching. 1843. Gr. 8. 15 Nor. 

„Der deutſche Unterricht auf Gymnafien tft, dies fann man 
wol ohne Übertreibung fagen, von geftern und heute.” So fagt 
Hr. Hiecke gegen Ende feines Bucht ©. 288; und wer noch 
eine Erinnerung bat an bie Langeweile und Pruchtiofigkeit der 
beutfchen Stunden, bie er felbft ausgehalten, ber wirb ihm 
darin Recht geben. Der deutſche Unterricht war und iſt wol 
hier und da noch nichts Anderes als eine Übung in der Lange⸗ 
weile. Dies ift an und für ſich fchon ein großer Übelftand, ber 
aber durch bie Einwirkung bes beutfchen Unterrichts auf bie 
übrigen Unterrichtögegenftände unendlich verfchlimmert wird. Wer 
wünfchte nicht von ganzem Herzen, ber jetigen und ben nadhs 
folgenden Generationen biefe Qudterei und Zeitvergeubung ers 
fpart zu ſehen? Darum find Schriften über SBerbefferung ber 
Methode des deutfchen Unterrichts von Schulmännern willloms 
men zu heißen, und auch dem größern, gebilbetern Publicum 
ift ein Sntereffe daran zuzumuthen, wenn die Darftellung, wie 
bei den vorliegenden Schriften, populair ift. 

As ich vor ungefähr einem Jahre Hrn. Hiecke's Buch zu 
Geſichte befam, befand ich mich in der bebrängteften Lage; denn 
ich hatte den beutfchen Unterricht in vier verſchiedenen Glaffen 
übernommen. Won meinen enblofen Berlegenheiten eine Nor: 
ftellung zu geben, braude ich nur zu befennen, daß ich fogar 
zu Raim und Jakob Wurft für die unterfte Claſſe meine Zus 
flucht nahme aber biefer Sünde wider den heiligen @eift der 
Sprache habe ich mich nur zwei» ober dreimal fehulbig gemacht ; 
dieſes Zerreißen eined Organismus, der noch bazu mit den Gms 
pfindungen und Vorſtellungen ber Knaben in innerlichfter, uns 


*) Bgl. über biefe Schrift einen Auffag von W. A. Paſſo w 
in Ar. 106 und 197 b. BI. f. 1088, D. Red. 


mittelbarſter Werbindung fleht, war mir body gerabezu uner⸗ 


traͤglich. Da griff ich denn begierig wie nach einem Rettungee | 
a 


mittel, nach Hiecte's Buche, aber ich fand mich betrogen. Das 
Bud) enthält gar vielerlei und zwar in großer Breite und Auss 
fahriichkeit (ih vermochte im Zufammenhange kaum bis zur 
Bitte zu leſen); aber von Dem, was man fucht, findet man 


ute Winte. Ich legte das Buch aus der Hand, als 


nur 
ih ©. 195 den Gag gelefen hatte, deifen Sinne ich felbft ſchon 
mit einiger Deutlichkeit auf der Spur war: „Lecture iſt von 
uns als Baſis und Ausgangspunft, Production als Ziel» und 
Sipfelpunkt für den geſammten beutfchen Unterricht feftgefeht 
worden.’ Beinahe Daflelbe hatte der Verf. allerdings ſchon 
fräger geſagt (©. 6l und 62); aber ich hatte es über ber 
Maffe des dazwiſchen beſprochenen Stoffes —5* wieder ver⸗ 
geſſen. Eg würbe durchaus nicht ſchwierig fein, das 2396 Sei⸗ 
ten lange Buch in ungefähr 50 — 60 Seiten ne 
obne dem Inhalte Abbruch zu thun. In der Einleitung ©.) 
Spricht der Verf. vom Weſen dev Mutterfpradie, vom Verhaͤit⸗ 
niß der Realgymnafien zu den altclaffifchen Gymnaſien u. |. w, 
und fehlieft mit der nalven Wendung: „Somit können wir 
nun näher an unfern Gegenfland herantreten; jedoch noch 
nicht fogleid unmittelbar.” Naͤmlich im naͤchſten Ab: 
ſchnitte (bis S. 60) ift von der „@tellung ber andermweitigen 
Lectionen zu dem Unterrichte im Deutfchen‘ die Rebe, ohne daß 
man etwas Anderes erführe, ale was man ſchon im Anfange 
weiß, daß nämlich aller Unterricht, auch unabfichtlich, Unter» 
richt in der Mutterfpradhe iſt. Um ein recht auffallendes Bei 
fptel von der Breite der Darftellung bes Verf. zu geben, braus 
wir nur zu fagen, daß von ©. , alſo auf ZT Geis 
ten, von der „Wichtigkeit der beutfchen vecture“ gehandelt wird, 
alfo von etwas, woran Niemand ziveifelt, was. fi aufbrängt 
wie Luft und Licht. Deutfche Lecture ift für die große Mafle ber 
Somnaflaften Lecture überhaupt, und Lecture ift heutzutage für 
den Geiſt, was Effen und Zrinten für den Leib, alfo — — body 
genug! Man wird felbft breit, wenn man von Breite fpricht. 
erauf folgt: „Wahl und Umfang ber Lecture.” In biefem 
Gapitel traut man feinen Augen nicht. Erſtens bat der Verf. 
für jede Gtaffe eine beftimmte Anzahl von Büchern ausgewählt, 
und alle Knaben follen mit berfelben Koft aufgefüttert werben. 
Aber das Schlimmere ift bie Mafle, die der Verf. vorſchlaͤgt. 
Alle Genres, ja alle Manieren werben herbeigezogen, alle Ar: 
ten von Dichtern, Rebnern, Piftorifern u. |. w. Der Verf. 
geberdet fich ordentlich Angftiih, ein Genus auszulaflen. Und 
das Ganze ift mit aͤſthetiſch⸗ Eritifchen Bemerkungen durchzogen, 
die man bier, abgefehen von ihrer theilweifen Unrichtigkeit, nicht 
ſucht. Um von der Waffe der Lecture, bie ber Verf. 3.8. ben 
Primanern auferlegt, eine Vorftellung zu geben, führen wir 
eine Stelle an (©. 113): „In geſchichtlicher Profa werden einige 
Biographien von Barnhagen (etwa König Theodor und Paul 
Flemming); fodann Pfizer’s Luther, außerdem noch einige Par⸗ 
 tien aus Ranfe genügen; von rebnerifchen einige weltiidye (sic) 
Reben von Bernhardi, Jacobs, Fichte, Hegel, Goethe, Schil⸗ 
ler; von kirchlichen einige vorzügliche charakteriftifhe von fünf 
ober ſechs unferer bedeutendften und für bie Stadien bes relis 
gidfen Lebens bezeichnendften Kanzelvebner, (etwa von Mosheim, 
Zollitofer, — Reinhard und Dräfele fprachen wir ſchon ber 
Secunda zu — Theremin, Schleiermader, Tholuck und [damit 
auch der religiöfe Wahnfinn nicht fehle und damit die armen 
Zungen noch zeitig genug erfahren, daß fie auf dem Gymna⸗ 
flum ſich auf dem naͤchſten Wege zur Hölle befinden) von Krum⸗ 
macher).” Zuletzt wird ber Verf. ſcherzhaft und man möchte 
glauben, das Ganze wäre Scherz; aber es ift Ernſt, denn ges 
gen die Maffe des Übrigen verſchwindet das Angeführte völlig. 
Diefe literarifche Kleinkraͤmerei, diefe ftubengelehrtsängftliche Be⸗ 
gierde, von Allem Notiz zu nehmen, auf das Gymnaſium zu 
verpflanzen, ift unverantwortlich. Bat, der Verf. keinen Augens 
blick an das allbefannte multum, non multa gedacht? Glaubt 
er, daß feine Schäter ihre Seelen dazu haben, fie mit Büchern 
vollzuftopfen? Lefet alle die Bücher nicht, ihr Zünglinge, wenn 


Verantwortlicher Herausgeber: Deinrih Brockhaus. — Drud und Verlag von F. A. Broddaus in Leipzig. | 


“ poetique”’, von Bictor de la Boulaye; „Le si6ge d’Orlean”, 


end) das ‚Heil eurer Seele und eures Leibes lieb iſt / Traut den 


Berf. nicht! er bat fie auch nicht in feiner nd 
ei, ac ne a I ri 
‚wo ber ndien iteratur un 
feit iri —8 ſ Bert. durch » Beltefun 

ie folgen unferm .d die übrigen Abſchni 
Son ©. 10— 194 wird beftimmt, „wie A ** 
G6 fol „Mondes bis in das Einzeinfte hinein erläutert, Bir 
les nur befprocgen werben”. Gut. Aber nun fängt der Be. 
glei an, Proſaiſches und Poetiſches ausführlich zu erläutern 
und zu befprechen. re wen? Am Ende bes Abſchnitts kommt 
der Verf. auf das Declamiren. Gr beichreibt die herrſchende 
alberne Manier vortrefflich, und body will er es nicht fahren 
laſſen. Dan höre: „Freilich, fo bleiben darf es nicht, aber 
Hülfe if im Ganzen und Großen erfl von ber Zukunft zu m 
warten, einestheild von ben Leibesübungen, die u. f. w., fü 
dann von guten Anmeifungen zu ber ſchweren Aufgabe beö Des 
clamirens, die aber nicht wohl von uns Gymnaſiallehrern ans 
gehen koͤnnen, fondern von durchgebildeten Schauſpielern zu er 
warten find, bei benen fich bie Lehrer exit ſeibſt in die Schar 


zu begeben haben.” 
( Der Beſchluß folgt. ) 





Literarifhe Notizen aus Frankreich. 


In einem Bande von 1016 Seiten erſchien: „Koonomister- 
financiers du 18ieme siecle”, mit fosgender Capitel-Einthei⸗ 
lung: Vauban, Projet d’une dime royale (mit einem biöher 
ungedrudten Sapitel vermehrt); Bolsguillebert, Detail de la 
France, Factum de la France, Opuscules divers; J. Lem, 
Considerations sur le numeraire, Mémoires et lottres sur les 
banques; Melon, Essai politique sur le commerce; Dutol, 
Reflexions politiques sur les finances et le commerce. _ 
Herausgeber ift ©. Daire, welcher zugleich Gommentare, m 
klaͤrende Anmerkungen und biftorifche Nachrichten über jeden der 
Autoren beigefügt bat. Diefer Band enthält den Stoff von 
acht gewöhnlichen Bänden und ift mit einem ſchoͤnen Portrait 
Bauban’s geſchmuͤckt. Bon derfeiben Sammlung erſchien auch 
bereits ber erfte Band von Adam Smith und die drei Bande det 
„Cours complet du trait6 d’&conomie politique‘ von Gay. 


Im belletriſtiſchen Fache lieferte bie franzoͤfiſche Int 
neuerdings: „L’alcove”, von dem übermäßig probuctiven Zus 
Lacroix (2 Bde); „Georges, von X. Dumas (3 Bde); „Üiel 
et terre”, Dichtungen von %. de Baillet; „Le chätean de 
Rochecourbe” , vom Grafen Rictor du Hamel; „‚Ttineraire 


von ber Bürftin de Eraon (2 Bbe.); „Le rameau d'or“, von 
% ©. Ronzitre (2 Bde); „Contes r&mois”, mit 30 Stu 
frationen; „Le comte de Sombreuil“, von der Gräfin Daſh 
(2 Bde); „‚Transeundo”, Gebichte von E. de Chambure; „Mar- 
cel”, ein Gedicht von A. Leflaguais; „Edouard Aubert“, ven 
&. Leroux; „Le bananier”, von $. Soutie (3 Bde.); „Rose 
Himmel’, von M. Maffon. | 





Eine neue frangöftfche Überfegung des Dante, von dem Buf. 
der „‚Divines f6eries”, erfheint unter bem vollftändigen Zitd: 
„Dante. La divine comedie, contenant: l’Enfer, le Purga- 
toire, le Paradis, accompagnes de la Vie nouvelle et de ia 
Prophetie du Dante par Byron, avec un pr&ambale histe- 
rique et les notes gnérales des cinq poämes’’, drei Bine 
mit 108 Zeichnungen nach Flaxman. 










In neuer Überfegung von Bacharach erfchien Lavater 
„L’art de „connaftre les hommes d’apr&s les traits de leu 
physionomie”, mit 120 Bildern, auf denen 600 Gegenftänt 
dargeſtellt find. 18. ; 





Blätter 


für 


literariſche Unterhaltung. 


Dienſtag, 





General Graf Buͤlow von Dennewitz in den Feld⸗ 
zuͤgen von 1813 und 1814. Bon einem preußiſchen 


Offizier. 
ns ( Beſchius aus Nr. 218.) 


Sm dritten Abfchnitte iſt der Feldzug Buͤlow's in 
Holland gefchiibert worden, von dem der Verf. richtig 
bemerkt bat, daß man ihn nicht al& einen untergeordneten 
Theil des Kampfes wider Napoleon betrachten darf, und 
vol Begeifterung für feinen Helden hinzufegt, daß die 
Lochern, welche er fich in Holland erwarb, ihm buch 
Beine Scheelfucht verkleinert oder gar entriffen werden 
Sinnen. In der That verdient auch der kühne Zug, den 
Bülow mit nicht mehr ale 18,000 Mann unternahm, 
und im Geiſte eines Parteigängerkrieges ausführte, alle 
Aufmerkfamteit in militairifcher Hinſicht und volle Be: 
achtung in Betreff der Refultate, melde in fo kurzer 
Zeit für die allgemeine Sache der Verbündeten gewon⸗ 
nen worden find, fodaß die ausführliche Beſchreibung deſ⸗ 
felben nach den beften Hülfsmitteln eine Lüde in den 
meiften gefchichtlichen Werken, wie bei Manfo, Bülau und 
Andern, volltommen ausfällt. Wir können hier nur im 
Allgemeinen die Hauptfahen angeben, bie Blodabe von 
Weſel, die Einnahme von Dorsburg und Zütphen, die 
Erftirmung von Arnheim, den Marſch nach Utrecht, die 
Gefechte auf dem bommeler Waard, die Bertheidigung 
von Breda duch 1500 Mann Cavalerie gegen 6000 
Mann feanzöfifches Fußvolk, den Sieg bei Hoogſtraaten, 
den verunglüdten Angriff auf Antwerpen und die Erobe> 
zung von Herzogenbuſch. Das Werdienft des Lieutes 
nants Kretſchmer (jege Regierungsrath in Danzig) bei 
der zulegt genannten Erpedition bat unfer Verf. voll: 
kommen nnt, und daher braucht ſich derſelbe nun 
nicht mehr zu beflagen, daß jene Waffenthat ganz vers 
gefien fei, wie in feinem Buche „Soldaten-, Krieges und 
Zagerieben” (U, 161) gefchehen iſt. Das Bud ſelbſt 
aber Scheint unfer Verf. nicht gekannt zu haben, fonft 
hätte er gewiß die betreffende Stelle angeführt, und «8 
auch fonft bei andern Begebenheiten des hollaͤndiſchen 
Feldzugs benutzen Binnen. 

Der vierte und kuͤrzeſte Abſchnitt handelt von dem 
Antheife des Generals Bülow an dem Winterfeldzuge des 
3.1814 in Frankreich. Nach der Einnahme der Feſtung 
La Fere erſchien er mit feinen Teuppen an den Ufern 


ber Aisne, als gerade Bluͤcher deingend der Unterflügung 
bedurfte, und am 9. und 10. März 1814 flanden 17,000 
Mann feine Corps mit in den Meiben der Tapfern, 
welche den Sieg bei Laon erfochten. Diefe Schlacht hat 
ber Berf. feinen Lefern wiederum recht anfchaulidg darzu⸗ 


flellen verflanden. Den Schuß der Eriegerifchen Unters 
nehmungen bildet die Einnahme der Seflung Compiegne; 
fie war bie legte Kriegsthat unter den fünf fiegreichen 
Schlachten und vier größern Gefechten, an denen das 
Armeecorps unter feinem geliebten Kührer Antheil genom⸗ 
men hatte. Um fo mehr hätten wir gewänfcht, bier Buͤ⸗ 
low's Abſchied an das dritte Armeecorps zu finden, bem 
er von London aus unter dem 20. Juni 1814 mit der 
innigften Anerkennung fo edler Waffenthaten erlaffen hat. 
Der Berf. konnte ihn aus Bagensky's Geſchichte des 
Kolberofchen Regiments” (S. 224 fg.) entlehnen. 

Es bleibt nun noch übrig, eines befondern Vorzug 
des vorliegenden Werks zu gedenken. Wir begrüßen in ' 
ihm mit Verehrung und Bewunderung aufer dem glüds 
lien, tapfern und menfchlichen Kührer des Korps eine 
Reihe von Namen der ausgezeichnetften höhern Offiziere, 
eines Oppen, Krafft, Dobſchuͤtz, Thuͤmen, Borſtell, Boyen, 
oder ſolcher, die damals noch in den mittlern Dienſtgraden 
ſtanden und die erregte Hoffnung auf das trefflichſte ge⸗ 
rechtfertigt haben, als eines Hiller, Rekow, Colomb, 
Sandrart, Zaſtrow, Steinmetz, Sjoͤholm u. A., aber wir 
begegnen auch der ruhmvollen Erwaͤhnung gemeiner Sol⸗ 
daten und gewoͤhnlicher Landwehrmaͤnner. Eine ſolche 
Auszeichnung des Verdienſtes gereicht unſerm Verf. be⸗ 
ſonders zur Ehre und gibt ſeinem Buche einen dauernden 
Werth, wie ſich auch die bereits genannte „Geſchichte des 
Kolbergſchen Regiments“ gerade durch bie Sammlung ſolcher 
Thatſachen als ein echtes Soldatenbuch bewieſen hat, aus 
dem unſer Verf. vielleicht noch einzelne Züge in feine 
Erzählungen verflechten konnte. So berichtet er (S. 170), 
daß der Dragoner Schwarz in ‚der Schlacht bei Denne: 
wis, nachdem ihm fein Pferd getödtet war, fofort Ge: 
wehr und Patrontafhe eines Zodten ergriffen und ſich 
als Tirailleur der Infanterie angefchloffen habe; daß eben 
da der Musketier Drobowski, dem ein Bein zerfchmettert 
war, feine zur Hülfe herbeieilenden Kameraden von ſich 
weg in bie Schlacht gewieſen habe. Als in der Schlacht 
bei Leipzig die Erſturmung des innern Grimmaiſchen Tho⸗ 


res durch einen Kugelvegen faft unmöglich fehlen, ſtuͤrzten 
fih pommerfche Freiwillige kuͤhn über die Brüde in den 
Feind, bemächtigten fidy mit vorgehaltenem Bayonnete ber 
feindlichen Stellung und gewannen mit Hülfe ihrer nach⸗ 
eilmden Kameraden das Thor. Es waren ber Feldwebel 
Ganz, die Unteroffiziere Winkler und Kela, die Muske⸗ 
tiere Keriten, Gieſe, Haß, Loͤper und Treptow (S. 230). 
Einen ähnlichen Beweis von Much zeigte ein pommer: 
fcher Fuͤſelier Maag in der Schlacht bei Hoogſtraaten. 
Er erhielt einen Schuß in das Bein, nahm aber fogleid) 
fein Taſchenmeſſer heraus, fchnitt fich während des heftigſten 
Feuers die Kugel aus dem Beine, ladete fie in fein Ge⸗ 
wehr und ſchickte fie dahin zuruͤck, von wo er fie empfan- 
gen hatte (S. 284). Andere Beifpiele übergehen wir; 
aber es bat une fehr erfreut, folche hier zu finden umd 
auch hierin einen Beleg wahrzunehmen, wie aufrichtig 
ed der Verf. mit feiner Verſicherung gemeint bat, durch 
fein Buch die Erinnerung an bie Großthaten der vater: 
landiſchen Krieger zu wecken und zu beleben. Möge fein 
banteriswerthes Unternehmen viele und geſchickte Nachfol⸗ 
ger finden! 9. 





Uber den Unterricht in beutfcher Sprache. 
(Beſchlud aus Nr. 218.) 

Der folgende Abſchnitt iſt uͤberſchrieben: „Theoretiſches und 

FE Wiffen (Grammatik und Geſchichte der beutfchen 
prache, nebft philofophifcher Grammatik; Metrit und Profo: 
die; Poetik, Rhetorik und Gefchichte der beutfchen Literatur; 
Logik; Encyklopaͤdie der Schulmwiffenfchaften), Production über 
dahin einfehlagende Fragen.’ „Mir wird bei alle Dem fo dumm, 
als ging mir ein Mühlrad im Kopfe herum.’ Im legten Abs 
fpnitte (einen überfpringen wir) handelt der Verf. „von den 
Ausfichten und dußern Bedingungen für deren KRealifation”. 
Die Ausſsſichten des Verf. gehen weit, fehr weits von ber Aus« 
dehnung bed deutfchen Unterrichts erwartet er ſehr große Dinge. 
Wir wollen die —— Stelle, die davon handelt, an⸗ 
fuͤhren, zumal dieſelbe zugleich als Probe von dem haͤufig aͤußerſt 
unklaren, verworrenen und verſtiegenen Stile des Verf. die⸗ 
nen kann. ©. 280: „Dann, nur dann, wenn das Deutſche 
zu ſeinem vollen Rechte gelangt iſt, werben bie mancher⸗ 
lei zwar verworrenen, body nicht alles Grundes ermangelnden 
Anlagen verflummen, bann erft werden bie Gymnafien nad 
ihrer ganzen Bedeutung gewürdigt und anerfannt werben, ale 
Anftalten, welche die gehattvollften und mannichfaltigften @r- 
fheinungen zu erfaffen, feflgubaltın, zu verarbeiten unb von 
der Erſcheinung bed Weſenhaften zum Weſen ſelbſt vorzubrins 
gen bie Anleitung und Übung gewähren, hiermit auf die Ar: 
beit des Teteftthätigen Eindringens in die fpeciellern Wiffenes 
gebiete, fowie der Erkenntniß der Erfcheinungen aus ihrem Bes 
griffe heraus vorbereiten, und fo den erften Grund legen gu ber 
geiftigen Macht, alles Dafelende ale cin durch ben abfoluten 
Geiſt Geſetztes, die Schöpfungen und Geburten bes endlicdyen 
Geiftes als zu ewiger ſittlicher Kortgeftaltung beftimmt zu fafs 
fen und in biefe fittliche Fortgeſtaltung mit Befonnenheit und 
Klarheit mitwirkenb einzugreifen.” Welche Sprache! Welch 
ein Monſtrum von Sag! Welch ein greuliches Gemiſch von 
darrer Logik und romantiſchem Gemuͤth! Dergleidyen paffirt 
jetzt nicht mehr — bie Cenſur wol, denn was kuͤmmert ſich bie 
Cenſur um fremden Unſinn? — aber nicht die Kritik. Mit 
ſolchen Rodomontaden laͤßt man ſich nicht mehr verpluͤffen; 
denn bie Grenzlinien bes Unſinns und Tiefſinns find aufgedeckt. 
Wer nicht menfchlidy reden kann — fonderbar, daß man das erſt 
fagen muß — ber rebe gar nicht. Was ber Verf. mit dem obigen 


Gate fagen will, bad ahnt man ungefähr; aber man begreift ſe⸗ 
glei, daß das nicht von einer weitern Ausbehnung bes deutfchen 
Unterridts, fonbern von einer limgeftaltung und neuen Belebung 
bes Gymnaſialunterrichts überhaupt zu erwarten if. Mit Hrn. 
Hiecke's Methode bildet man immer wieder nur deutſche Ge 
iehrte und Pebanten. Was die Dickion des Vprf. betrifft, fe 
genügt wol die obige probe: fie iſt unklar »althöhetif und oft 
ſchwuͤlftig und Roſenkranziſch aufgepugt. Wehe zur Beluſti 
gung als zur weitern WBeweisführung von beiden Gorten 
noh ein Beiſpiel (S. 204): „Auch bas Bekannte ik 
noh fein Ertanntes; ber Weg bes Erkennens aber ik 
nur ber Weg der Beoba feiner ſelbſt. Die Mutter 
ſprache muß allerdings erft gelernt werben, aber nicht aut: 
wendig gelernt; ber Erkenntniß gebt in ihr Kherall ein Kin 
nen voraus u. f. w., fobaß das Erkennen nur beftebt in einem 
in fie, in in eine 

Bere Tiefe des eigenen in ihr fich feiner bewußten Geibftes.” 
Die Tortur iſt noch nit abgeſchafft! Die einzelnen Wörter 
biefes Satzes, wenigftens des Nachſatzes, zerren ben Ber: 
ftanb auseinander, wenn man ſich bemüht, Sinn hineinzubrin: 
en. Und nun noch ein Banz kurzes Beifpiel von des Berf. 
hmüıftiger Rhetorik: „Alſo Talutiren wir ehrfurchtévoll vor 
Klopfto@ und Herder und ſcharen uns und unjere Schüler un 
tee Leſſing's, Schiller's, Goethe's freudig flatternde Paniere. 
Das Buch wird wenig Frucht bringen; denn die wenigen frucht 
baren Gedanken ſind unter einem breiten Wuſte en. Hr. 
Hiecke ſucht aber auch das Heil an gang unrechten Orten; denn 
— dies ift arakteriftiih und wir dürfen das Curioſum unfera 
Lefern nicht vorenthalten — er macht das Gedeihen des deut 
fhen Unterrichts auf Gymnaſien zuletzt abhängig von der An 
ftelung eines Profeffor® an der Univerfität für Gefchichte ber 
deutſchen Literatur feit Suther. Hilf Himmel! Xıs ob mar 
nichts lernen Bönnte, als wofür ein Profeſſor inflallist if! 


Wadernagel’d kleines Buch macht seinen ganz andern 
Eindrud. Es leidet zwar aud an wefentlichen Mängeln, 
aber es geht überall von praktiſchen Geſichtspunkten aus, der⸗ 
irrt ſich nicht — menigftens nicht weit — in ungehoͤrige Er 


curfe, bat immer eine lebendige, einfache wab aherzeugende 


Sprache, und gelangt zu Elar beſtimmten und ausführberen Re 
fuitaten. Aus diefen Gründen t wir Keinen Augenbiid 
Bebenten, es ben Lehrern ber beutfihen Sprade — nit nut 
auf Gymnaſien, fondern auch auf den Realfchuien u. f.w.— ·0 
dringend zu empfehlen; und mer an bem Gegenflanbe überhaupt 
Intereffe hat, der wird fi anf eine leichte und angenehm 
Weiſe aufgeflärt und beiehet finden. Manches trifft mit Dem, 
was Pr. Hiede gefagt hat, auf eine auffallende Weiſe zufam 
men, aber bie Art, wie es gejagt wird, und ber Zufammen 
bang und tie Kolgerungen, bie daraus abgeleitet werben, find 
ganz verſchieden. So tft daB Reſultat bei Hm. Wackernagel 
bie hoͤchſte Vereinfachung des beutfchen Unterrichts, während 
das Refultat bei Ben. Hiecke ein hoͤchſt complicirtes Gyſtem war. | 
Aber was wir oben ſchon bemerkt haben, das mäffen wir 
wiederholen, das Buch leidet an wefentlichen WRängeln, dit 
manchem 2efer die Lecture verleiden werben; und biefe Mängel 
haben ihren Grund vorzüglich in ber Gef ‚ bie um 
Berf., man fieht nicht warum, zu wählen beliebt bat. Dem 
Geſpraͤche fehlt alle Künfkterifche Anordnung, Stetigkeit, ren 
ger Zuſammenhang. Der Verf. feheint nicht der größern Schwit⸗ 
tigkeit, fondern der größern Leichtigkeit wegen die Gefpröht 
form gewählt zu haben. Wie wollen bierbei nicht näher auf 
die Frage eingeben, wie das zu erklaͤren iſt, daß bie Dialogen, 
in denen bie Alten Meiſter find, den Reuern fo ſchlecht gel 
gen. Das Gelpräd wird zwiſchen Karl und Philipp (Pilipo 
ift der Verf. felbft) geführt; aber Karl und Philipp find biske 
Namen, die den Fluß der Rebe unterbrechen; Giner ſpricht wie: 
der Andere. Ehe man ſich daran gewöhnt, bie Namen ganz zu 
äberfeben, und gar nicht danach zu fragen, ob Karl oder Phi: 
lipp ſpricht, was einem fehe ſchwer wizd unb was man bi 








einem werpehhn gar nid foBte, (inb hir Sins höbchſt ſtirend. 
Wenn denn Ber . bit Kamen wieder ploglich behandelt, als 
wiren fit Menſchen, ſodaß etwa der ine ven Anden fragt: 
„Du nimm Deinen Hut?“ fo mach bas einen laͤcherlichen Ef⸗ 

5! die Seſpraͤchsform ift dem Verf. misgluckt. Hatte 
Berf., wie ſich Dieb für das Thema ſchickte, die anſpruchs⸗ 
Iofe FJorm der Abhandlung gewählt, fo hätte er wahrſcheinlich 
auch alle die Fehler vermieden, die mit ber Seſpraͤchsform zus 
fammenzubängen [dyeinen. Men Gang bes Geſpraͤchs ia ber 
Kürze anzugeben, fcdeint geradesu unmöglih. Das Geſpraͤch 
bet gar feine beflimmien, hervortretenden Wendungen; Kart feht 
die von Philipp abgebsochenen Gigpofitionen fort und wmgelchzt; 
man befiamt ſich nicht, von we man ausgegangen und wohin 
man will 

Bon der durchgehenden Mangelhaftigkeit der Form abges 
ſehen, finb die einzeinen Punkte vortrefflich ausgeführt, beſon⸗ 
ders über Die Grammatik, bie Declamation, die Production; 
aber einige ſonderbare Anfichten ſtehen mit der fonfligen gefuns 
den unb einfachen Art bes Berf. in einem eigenthuͤmlichen Wi⸗ 
berfprudge , ſodaß fie fa wie Caprice ausfehen, ats wollte ber 
Berf. feiner fonft einfachen und natürlichen Bildung einige glaͤn⸗ 
wende und Punkte anheften. Wir erwähnen fie nur 
und fegen uocans, daß unfere Leſer eine weitere Srörterung der⸗ 
fetben gar nicht verlangen. Gleich von vorn herein leugnet ber 
Berf., um die Bermifchung ber proſaiſchen und postifchen Stüde 
in feinem Lefebuche zu rechtfertigen, allen fpecififdhen Unterſchied 
zwifdgen Poeſie und Profa. Er laͤßt Kari fagen: „Dann möchte 
ich dich auffodern, mir irgend ein Gtüd u. f. w. ber ganzen 
Literatur zu nennen, das entweder reine Poefie ober reine Profa 
wäre. Die wißlenfchaftliche Proſa fo wenig als bie Profa in 
den Geſchaͤften des Hffentlichen ober Privatsebens iſt ohne 
Poeſie u. f. w.“ und Phllipp weiß dies nicht gu wiberlegen. 

Die Sonderbarketit ift die, daß ber Verf. einen gras 
Gen Darauf legt, wie es er mit großer Ausführlichkeit 
und fogar Wieberholungen auseinanberfegt, bie Lanbfchafttichen 
Mundarten literariſch zu cultiviren. 

Die dritte und auffallendſte Sonderbarkeit endlich iſt die 
Art, wie der Berf. die chriſtiiche Dogmatik in eine Abhandlung 
vom Unterrichte einmifht. Wir wollen uns darauf 
befchränten, von ben durch das ganze Buch gerfireuten Stellen 
eine anzufähren (©. 53): „Philipp: Als der erfte Lefer meis 
nee VBesct (das vorliegende Schriftchen iſt gemeint, weiches 
die Stelle einer Vorrede zum Lefebuche vertreten foll), ber ba 
merft, in weſſen Dienſt fie gefchrieben if, follſt du die Haupts 
fumme meiner neueſten Methodik, welche bie ditefte ift, hören: 
Sürdjtet Gott und gebt ihm die Ehre, denn die Zeit Geines 
Gerichts ift fommen, und betet an Den, ber gemacht hat Him⸗ 
mei und Erden und Meer und die Waflerbrunnen. Karl: Bet 
Hamann ift diefe Stelle aus der Offenbarung (14, 7) bie Haupt: 
funıme feiner Äſthetik.“ Aber Kari und Philipp laffen biefen 
GSechanten wieder fallen, und unfere Leſer brauchen nicht zu 
fürchten, daß die Bermifhung des religiöfen und des wiſſen⸗ 
ſchaftlichen Standpunkts eine durchgaͤngige ſei. Der beutfche 
Unterricht liegt unſers Wiſſens noch immer ſehr im Argen; wir 
wuͤnſchen von Herzen, daß das Schriftchen von Wackernagel 
von recht vielen Lehrern moͤchte geleſen und beherzigt werben. 





Notizen. 


In dem! neueften Bande der „Geſchichte der ſechs Nationen’ 
(Irstefenbund) von MB. 2. Stone, welcher das Leben des großen 
Bectners ans bem Seneca⸗ Stamme Bas Eos Yir Wat Ha oder 
Butpjade (Bed Jacket) erzählt, Vieft man, daß diefer Seneca⸗ 
Siapeing kurz vor feinem Tobe zu einem Geiſtlichen gefagt 
Her: „Bruder, wenn ihr Weißen den Sohn des großen Geis 
Ai wmorbet Habt, fo geht das uns Indianer nichts an. 
Bir u gu uns gelommen, fo würden wir ihn nicht getöbtet, 
fondern gut aufgenommen haben, und bie Weißen, bie ihn ges 


töbtet Yabın, wählen für biefe Miſſetbet 37— 
Nur ihr habt die Schuld und mußt bßen.“ Böfehe 
Problem, ihr Iheologen, ihr Miſſionare! 

Derfelbe Rothjade vertheidigte vor dem Givilgericht sine 
Indianer, der angellagt war, Kin Weib als Dexe hingerichtet 
su haben, wis folgt: „Was? ihr Weißen! Schimpfet ihr uns 
abergtäubifh und wahnwigig, weil wir glauben, was ihr vor. 
200 Jahren ſelbſt geglaubt habt? Eure Schwarzröde donnerten 
biefe Lehre von ihren Kanzeln, eure Richter fprachen barüber zu 
Recht von ihren Bänken, und ihr wollt jegt unſern ungläds 
lihen Bruder verurtheilen, weil er dem Glauben feiner und 
eurer Wäter anhängt? Was haben unfere Brüder anders ges 
than, als was eure Öbrigkeiten in früherer Zeit thaten? Und 
was hat biefer Mann gefünbigt, der nach den Geſetzen feines 
Landes und ben Geboten des großen Geiſtes handelte?” Schämen 
wir ung! 

Derfeibe Rothjacke ſah über einer Druderei das Unions⸗ 
wappen und daneben allegorifhe Figuren, welche die Freiheit 
und bie Gerechtigkeit vorftellten.. „Wer das fein? fragte er. 
„Die Freiheit”. „Ugh'“, antwortete er mit einer eigenthuͤmlichen 
Inblanergeberde. ‚Und wer dieſes fein?” „Die Gerechtigkeit.‘ 
„But! Wo er jeßt leben?" Wer bie Antwort weiß, ber gebe 
fie! Wie wollen ihn mit Trompeten und Paulen empfangen. 

Derfelbe Rotbjade hatte in einer Zufammenfunft mit 
Bouverneuer Tomkins von Neuyork Streit mit biefem wegen 
eines Punktes, Aber weichen man vor Jahren übereingefonmen 
war. „Wir haben es aber hier auf dem Papier”, ſagte der 
Altenmann. „Dann luͤgt das Papier”, war bie Antwort. 
„Ihr Yankees ſeid geboren mit einer Feder zwifchen den Fingern, 
aber eucr Papier ift nicht wahrhaft. Wir Indianer haben unfer 
Wiffen hier — auf bie Stirn zeigendb — und was ba ſteht, 
Lüge nicht.” Man holte das Document hervor, fah nad, und 
A Indianer hatte Recht. Geſegnet ſei das ſchriftliche Ver⸗ 
ahren 


Dr. Auſter's überſetzung des „Fauſt“ iſt in England zum 
Ruhme der Gtafficität gelangt. Ein engllſcher Kritiker, der ſich 
neulich darüber aͤußerte, findet Ama on ihr auszufegen, baf fie 
bin und wieder zu paraphraflif und ku wenig concis fei, 
nennt fie aber doch eine „‚splendid translation” und fügt Hinzu: 
fie ſtehe nun einmat fo feft ale claffifches Wert der britifchen 
Literatur (so standard a classic in our language), daß man Andes 
rungen für künftige Ausgaben kaum wünfchen moͤchte. 48, 


Bibliographie. 


Das malerifche und romantifche Ausland. 2te Section. 
Belgien und Bolland von D. 2. B. Wolff. Ifte Lieferung. 
Reipzig, Keollmann. Ler.:8. TY, Nor. 

Barmtofe Bilderhen aus Danzig. Ungehaltene Vorleſun⸗ 

Iftes pet: Intändifhe Zuftände. Marienburg, Dor⸗ 
mann. 8. Nor. 
Boeckh, ©. %., Rede am 27. Mai 1843 bei dem zur 
Feier des 25. Jahrestage ber Berfaffungs «Urkunde veranftaltes 
ten Feſtgottesdienſte in ber proteftantiichen Pfarrkirche zu Muͤn⸗ 
den gehalten. Münden, Franz. Gr. 8. 2%, Near. 

Element, K. J., Die Lex salica und die Text-Glos- 
sen in der salischen Gesetzsammlung, germanisch nicht kel- 
tisch; mit Beziehung auf die Schrift von H. Leo: ‚Die 
Malbergische Glosse etc.“ Mannheim, Bassermann. Gr. 8, 
M Nger. 

Die Dichter des beutfchen Volks. Album bes @ebiegenften 
und Ausgezeichnetfien aus den Werken beutfcher Dichter. Mit 
kritiſch⸗ biographiſchen Skizzen. Herausgegeben unter Mitwirs 
tung mehrer Literaten von A. Bra. IHuuftrist mit Deiginals 
—8 von E. Holbein, JT. Hoſemann, A. v. Kioeber, 

Menzel, ©. Roſenfelder, A. Schroebter, I. B. Gonbere 
land u. A. m. lIſte Lieferung. Berlin, Meyer und Hofmann. 
Rer.s8. 10 Nor. 


en. 
iamal, 


Sn 


1 
. 


und, J. 173. Beitrag zus 9 en Geſchichte ber 
—** —2 — ‚ mil beſonderer —— — Dan⸗ 
ton'e und GShallier’s; zugleich als Berichtigung der in den Wer⸗ 
ken von Thilers und Mignet enthaltenen Schilderungen. Manns 
beim, Waflermann. Gr. 8. 1 Thir. 20 Nor. 

Herbart's, J. F., kleinere philosophische Schriften 
und Abhandlungen nebst dessen wissenschaftlichem Nach- 
lasse. Herausgegeben von G. Hartenstein. 3ter Band. Leip- 
zig, Brockhaus. Gr. 8. 3 Thir. 15 Ngr. 

Hoeck, K. bmifche Gefchichte vom Verfall der Republit 
bis zur Vollenbung der Monardie unter Gonftantin. Mit vor: 
ataliher Ruͤckſicht auf Verfaffung und Verwaltung bes Reiche. 
ſter Band. 2te Abtheitung. Braunſchweig, Weftermann. 8. 
2 Thlr. 7’/, Rer. 

Hottinger, 3. 3., Ariftofratie ımb Demokratie in der 
alten Zeit, Kirche und Staat in der neuen. Zwei alabemifche 
Borlefungen. Züri, Meyer und Beller. Gr. 8. 11%, Nor. 

Kirfhbaum, Auffäge im Gebiete der Religion und bes 
focialen Lebens, weiche die Lühnfte biblifche Kritik bei ber gluͤck⸗ 
lihflen Rettung des Ehriſtenthums, wie bie rabicalften fociaten 
Keformen bei ber geakeen Schonung des Beftehenden enthalten. 
Iftee Theil: der jüdifche Alerandrinismus eine Erfindung chrift- 
Ucher Lehrer. Oder Beiträge zur Kritik biblifcher Geſchichte 
und Literatur, in welchen die Aufmerkſamkeit ber Korfcher auf 
bisher nie geahnte Quellen für die Urgeſchichte bes Chriſten⸗ 
thums gelenkt wirds; nebfl einer Darftellung ber Uribee des 
Ehriſtenthums. Iftes Buch: Zübifch « griehifche Originale, vor: 
Be ie und Sirach. Züri, Literariſches Somptoir. Gr. 8. 

2 Agr. 

— — Derſelben 2ter Theil: Vorſchlaͤge zu den radicalſten 
ſocialen Reformen bei der groͤßten Schonung des Beſtehenden. 
Zuͤrich, Literariſches Comptoir. Gr. 8. 711, Nor. 

Klenze, Die legten Gründe zwiſchen den Dänen und 
Schleswig: Holfteinern, oder flaatsrechtlicher Beweis der Staats: 
einheit Schleswig⸗ Holfteine. Itehoe. Br. 8. 25 Ngr. 

Kortüm, F., Die Entſtehungsgeſchichte des Jeſuiten⸗ 
Ordens, nebft einem Schlußwort über die neuen Sefuiten. Nach) 
den Quellen bargeftellt. Mannheim, Baffermann. Gr. 8. 20 Nor. 

Lasaulx, E. v., Der Fluch bei Griechen und Römern. 
Würzburg, Voigt und Mocker. 4. gr. 

Löwenberg’s, J., Historisch - geographischer Atlas 
zu den allgemeinen Geschichtswerken von k. v. Rotteck, 
Pölitz und Becker. 2te durchaus umgearbeitete Auflage in 
50 colorir.en Karten von J. V. Kutscheit. Iate Lieferung. 
Preihurg, Herder. Kl, Fol. 15 Ngr. 

Monaldi. Eine Erzählung aus dem Engliſchen des ameris 
Tanifhen Malers Waſhington Alıfkon überfegt von Kahl⸗ 
borf. Leipzig, Brodhaus. Gr. 12. 1 Thlr. 

Dertel, 5 M., Das Münftee der Auguftiner Chorher⸗ 
zen zu St.Afra in Meißen. Cine Säcularfrift zum breihuns 
dertiährigen Jubelfeſte der königlich ſaͤchſiſchen Landesfchule da⸗ 
kb aus aarhinatifihen Quellen bargeftellt. Leipzig, Reclam sen. 


Gr. 8. gr. 

Öftreig und deffen: Zukunft. Ste Auflage Hamburg, 
Doffmann und Campe. 1 Thlr. 

Dettinger, E. M., Joujoux. Humoriftifch » fatirifches 
Lefekabinet. After Band. Mit Saricaturen. Leipzig, Ph. 
Reclam jun. Gr. 16. 1 Zpir. 15 Noar. 

ODtt, K., Geſchichte der legten Kämpfe Napoleon’s. Re⸗ 
volution und Reftauration. Zwei heile. Leipzig, Brockhaus. 
Gr. 8. 3 Thlr 15 Nor. 

Piratenieben. Geefcenen und Sharakterfliggen. Zwei Theile, 
Leipzig, Brodhaus. Gr. 12. 2 Thlr. 

Der neue Pitaval. Cine Sammlung ber intereffanteften 
Criminalgeſchichten aller Länder aus dlterer und neuerer Zeit. 
Serausgegeben von 3. E. Higig und W. Häring (W. Aleris). 
Iter Iheit. Leipzig, Brodhaus. Gr. 12. 2 Thir. 


Allgemeine Yesbigtfammiung aus dem Verlken ber 
Bortefen in Landkirchen, wie uni 
Herausgegeben von @. 
: GSpiftelprebigten auf alle Sonn: und 
Jahres. Leipzig, Brockhaut. Ge. 8. 2 The. 
Rathgeber, G., Ausnalen der Niederländischen Ma- 
lerei, Formschneide- und Kupferstecher- Kunst. Von Al- 
brecht Dürer’s Anwesenheit in dem Niederlanden bis m 
Kran Fioris Tod. Ilter Theil. Gotha, Möller. Fe. 
r. 

Relikab, 2, Befammelte Schriften. Mer bis 
Band. Leipzig, Brockhaus. Er. 12, 3 Oi 

Sale, Lady, Tagebuch der Unfälle in Afghaniften 1941 
—43. Aus dem Engliſchen von I. Deiders. Wit zwei Le 
thographien. Leipzig, T. D. Weigel. Gr. 8. 2 Kir. 

Sammlung orientalifigee Marchen, Erzählungen und Fa 
bein. Serausgegeben von H. Brockhaus. Ifter un fr 
Theil: Die Märchenfammiung bes Somadeva Bhatta aus Kafdk 
mir. Aus dem Ganskrit ins Deutfche überfeht von H. Brod: 
b r us. Zwei Theile. Leipzig, Brodhaus. Ge. 12. 1 Ahr. 


Ror. 
Gartorius, E., Die Lehre von ber heiligen Liebe aber 


Grundzüge der evangeliſch⸗ kirchli Moraltheologie. Iſte Ar 
u Bon der —— — und ihrem Fake | 


2te Auflage. Gtuttgart, Lieſching. Gr. 8. 271, Rer. 

Schenkel, D., Bierundzwanzig Prebigten über Grub 
und Biel unfers Glaubens. Iſtes Baͤndche 
——— as und Beller. Er. 8. 32%, Wer. 

es, . 
vertheidiger. BVaterlaͤndiſches Trauerſpiel in fünf Acten. Re 
gensburg, Puſtet. 8. 121, Nor. 

Schleiden, H., Berſuch einer Geſchichte des großen Brar⸗ 
bes in Hamburg vom 5. bis 8. Mai 1842. Acch als erlaͤn⸗ 
ternde Zugabe zu ben 14 Speckter'ſchen Lithograptzien und dem 
Panorama. Mit einem Plane bes WBrandes in feinem Fort: 
ſchritt von ſechs zu fech® Stunden. Bamburg, Hoffmann und 


Sampe. 8. 1 hir. 18%, Rgr. 

Schulte, 3. B. P., Die ſittliche Freiheit der Mitalicer 
der Maͤßigkeits⸗ und Enthaltſamkeits⸗ Wereine. Leer, Yrötorins 
und Sende. 8. 21, Rer. 

Seefried, Sidonie Baroneffe v., Ein Album. Bi 
— aut unferer Zeit. After Theil. Muͤnchen, Jaquet. 8. 

« O8 

‚  Gparfeid, ©, Zeittafel der Geſchichte von Leipzig. Kir 
zig, Peter. 5 Nor. 

Zemme, I D. H., Kritil des Entwurfs des Otuf 
gefepbuchs für bie Preußiſchen Staaten. 


Rüder und Puͤchlter. Er. 8 1 Tr. IN 


Thomas” von Kempen vier Bücher von der Rachfolge 
Chriſti. Dem Lateinifchen in dee Sinnesrichtung bes Berfallet 


X Des Glaubens | 
Plinganfer, oder bie bairifhen Sankt: | 


Ifber Theil. Berlin, 


und textgetreu in Alexandrinern nachgebildet buch J. B. Rouſ⸗ 


feau. Fuͤr die Kirchliche Andacht, haͤusliche Erbauung und 
den Schulgebrauch. Berlin, Voß. Gr. 16. 22, Near. . 
Thun, L. Graf v., Die Stellung der 8lowaken in 
Ungarn, beleuchtet, Prag, Caive. Gr. 8. 15 Ngr. 
Zrautner, 3. 8. F., Paſſifloren. Gtimmen bes kr 
dens und ber Erhebung in Gedichten und Liedern. Ruͤrnberg, 
Raw. 8. 71, Nor. 
uhden, 5. $., Die Zuftände der anglikaniſchen Kircht. 
mit befonderer Berudfichtigung der Verfaffung und des Cultus 
bargeftellt. Leipzig, K. Zauchnie. Gr. 8. Thir. 10 Rot. 
Walhalla. Meifterwerke deutſcher Poefie. Die deutſchen 
Volksbuͤcher in neuen Bearbeitungen. Herausgegeben von einem 
Verein von Gelehrten. Mit Zeichnungen von C. Chor, 
T. Hofemann u. A. Ifter Band. Leipzig, Peter. 1844 
&r. £er. 28. Ir. j 
Deutfche Worte eines ſtreichers. Hamburg, Hoffman 
und Gampe. 8. 1 Kplr. 


Berantwortlicher Heraudgeber: Heinrich Brokkdaus. — Drud und Verlag von F. U. Brochaus in Leipzig. 








Blätter 


für * 


literariſche Unterhaltung: 





Mittwod, 








Duandt und Gräfin Hahn⸗Hahn. 

I. Reife in Schweden von Samuel Laing. Nach dem Eng: 
tifchen bearbeitet mit Zufägen und Anmerkungen von Wil: 
heim Abolf Lindau. Nebft einem lithographirten Titel⸗ 
blatte. Dresden, Arnold. 1843, Gr. 8. 2 Ihr. 15 Nor. 

Der angezeigten Scheift, im Ganzen und Hauptſaͤch⸗ 
tichen das Ergebniß einer im J. 1838 unternommenen 

Meiſe durch ‚Schweden, iſt das wohlverdiente Städ ge: 

worden, einen Bearbeiter zu finden, deſſen Name fuͤr den 

Werth des Orginals und zugleich fuͤr die Guͤte der Be⸗ 

arbeitung buͤrgt. Die Vorrede gibt eine kurze Wuͤrdi⸗ 

gung früherer Reifen durch Schweden, die Anmerkungen 
vervolifändigen und berichtigen zum Theil den Text. 

Ein Anhang emthält eine fehr dankenswerthe hiſtori⸗ 

fe Darftelung der kirchlichen Verhaͤltniſſe Schwedens, 

einen Auffeg über die ſchwediſchen Lappmarken, und 
eine lehereiche Erklärung des lithographirten Xitelblattes, 

Das auf das Land fich bezlehende Gchildereien zeigt. 

Wir theilm aus der Schrift Einiges mit, das von 

allgemein anfprechendem Intereſſe und dadurch geeignet 

fdyeint, bem Lefer d. Bl. in den Stand zu fegen, felbft 
ein dem Werthe des Buchs entfprechendes Urtheil ſich 


u bilden. 
’ Bei Betrachtung eines Volks ift deſſen Sitelichkeit 
das Erſte und Wichtigfte. Sehe ungünftig aͤußert Laing 
fidy über die der Schweden. Berflört (behauptet er S. 67) 
fet durch ben günfligen Erfolg, den die gewiſſenloſeſten 
Menſchen feit Suftav’s TI. Ermordung in dem zu einem 
Treibhaus politifcher Kaͤnke ausgearteten Lande gefunden, 
Des Volks Gefüuͤhl für politifche Sittlichkeit. Nicht min: 
der hart äußert er fich Über ben moralifhen Charakter 
in den Privatlebensverhaͤltniſſen der Schweden. Er zählt 
(Abſchn. 4, &. 73) die Momente auf, von denen man 
die sänfligften Einwirkungen auf des Volks Sittlichkeit 
erwarten möchte und rechnet: bahin, 1) daß es größten: 
theits von Aderbau und Viehzucht lebt, Überdies bei eis 
ner Sefammetbevälterung von beinahe gi Millionen die 
Manufarturarbeit betreibenden 14,975 Individuen nicht 
ia inem umb dem andern Stadtbezirke zufammengedrängt, 
federn durch 2037 Anſtalten zerſtreut find, 2) die mäßige 
Stärke des Heeres, 3) den nicht ſehr bedeutenden Handel, 
4) den Umftand, daß von Fremden Bein Andrang nad 


4 


Schweden ift, 5) außer ber Mefibenz das Land Keine 
große Stadt hat, wol aber 6) eine verhäimißmäßige Ans 
zahl von Schulen und Univerfitäten und 7) bie mächtige 
und voliftändige Einrihtung der Landeskirche, nicht tm 
ipree Wirkſamkeit duch Sekten und Spaltungen gebro= 
Shen iſt. Deffenungeachtet erklaͤrt Laing, das Volk fei 
fittenlofer al& irgend ein anderes in Europa, fittenlofee 
als felbft ein gleich zahlreicher Theil der dichten Bevoͤlke⸗ 
rungen in Großbritanniens Manufacturgegenden. Nähere 
auf diefe Behauptung einzugehen iſt um fo mehr ber 
Mühe werth, ale auch Laing, bevor er ſelbſt fich mit 
dem Gegenſtande befchäftigt, befferes Vertrauen zu des 
Landes Sittlichkeit gehabt zu haben ſcheint. Die Statiſtik 
der Liederlichkeit bezeugt, daß in Stockholm die ehelichen 
ſich zu den unehelichen Geburten wie 1 zu 2°ho verhals 
ten. Auf ber ganzen befannten Erbe geht es nur im 
Münden Iebensluftiger her, während nach Puchet died 
Verhältniß in Paris 1 zu 5, in den übrigen Staͤdten 
Frankreichs 1 zu 7’, nad Laing in England und Was 
les 1 zu 19, in London und Middiefer 1 zu 38 fein 


fon. Nicht überrafchend ift es demnach, dag einige Sabre 


vor der Reife Laing’s aus Rüdfichten fir Geſundheits⸗ 
und Sittenpflege ein liederliches Haus unter Genehmi⸗ 
gung ber Behörden als Öffentliche Anftalt- errichter wor⸗ 
den iſt. Ste mußte aber wieder aufgegeben werben, weil 
bie Bewohnerinnen als Opfer ber graufamen Einrichtungen 
fielen. Bon der Statiftit dee Verbrechen, die Laing mit⸗ 
theilt, wobei ex ſich auf Angaben ber ſchwediſchen Staates 
jeitung flügt, deren Glaubwuͤrdigkeit in gebachter Hin: 
fiht zu bezweifeln er Leinen Grund zu entdeden ver: 
mocht bat, heben wir folgende, die übrigen entbehrlich 
machenden Angaben aus. Im 3. 1836, wo man Die 
ungewöhnliche Schwäche des Verbrecherverzeichniffes erwaͤh⸗ 
nenswertb fand, waren vor fämmtlichen Gerichtshöfen 
des Reiche wegen Vergehen angellagt 26,925 Perfonen ; 
22,292 murden verurtheilt, 3688 freigefprochen und 945 
in Unterfuchung behalten; es iſt alfo im Berhältnif zu 
der Geſammtbeboͤlkerung eine von etwas mehr als 112 
Derfonen befhuldige und unter ungefähr 134 eine Übers 
wiefen worden. Sondert man hiernach bie ftädtifche von 
der ländlichen Bevoͤlkerung, fo iſt in gedachtem Jahre 
ein Menſch von 46 der erftern und einer von 174 
Perfonen der letztern uͤberwieſen worden, obſchon, was 


- 


56 


allerdings ein wichtiger Umfland iſt, weder wie in Irland 
politifche Aufteizungen Anlaß zu flrafbaren Handlungen 
geben, noch die Willkuͤr ungerechter Sagungen, wie der 
Jagb⸗ und Zollgefege Englands, gleihgültige Handlungen 
zu Verbrechen umgefcaffen hat. Jenes Verdaͤltniß zu 
der loyalen, menigfiens nicht in Unterfuhung gezögenen 
Bevölkerung erfcheint als ungeheuer, wenn man erwägt, 
bag im Aprit 1835 die Bevoͤlkerung Londons 1,918,640 
betrug und in dieſer als ein Pfuhl von Sünden und 
Laſtern verfchrieenen Hauptſtadt während bes 5. 1834 
nicht mehr als 3547 Perfonen und alfo unter 540 eine 
einzige wegen Verbrechen in Unterfuhung gekommen iſt. 
Bon ſelbſt drängt gegen das Refultat, das eine folde 
vergleichende Zufammenftelung gibt, fih der Einwand 
auf, daß zwifchen Verbrechen und Verbrechen ein gewal⸗ 
tiger Unterſchied obwaltet, 3. B. eine Aderbau und Bishzuct 
treibende, 1000 Köpfe ſtarke Bendlkerung, wenn in ihrer 
Mitte während eines Jahres drei betrügliche mit Helfershel⸗ 
fern ausgeführte Bankrotte vorgekommen find, dadurch mehr 
in der Meinung der Menſchen verliert, als durch 300 in der 
vaͤmlichen Zeit vorgefallene Holzdiebſtaͤhle; auch beruft ſich 
(S. 77) Hr. Lindau in einer Note auf Forſell's „Statiſtik 
yon Schweden” (Luͤbeck 1835), wo in Betreff der ſchwe⸗ 
difchen Verbrecher bemerkt wird, dag aud in Schweben 
eine Menge fozufagen rein bürgerlihe ergehen vor 
tommen, 3. DB. Übertretungen von Forſt⸗, Branntwein⸗ 
und Zollverordnungen, verfaumte Wegebeflerungen, ver: 
wachläffigtes Scheeauswerfen und — mas in Schweden 
eine ganz eigenthümliche Art ſolcher Vergehungen bildet — 
unterlaffene Leiftung von Fuhren für die Poſtanſtalt. 
Allein Laing’s echt emglifcher Beobachtungsgabe iſt ber 
wohlfeile Einwand nicht entgangen. Man lefe, was 
(S. 93 und 93) in diefer Hinficht gefagt If: 

Ich habe die Abfchrift eines Berichts des Juſtizminiſters 
über die im 3. 1837 begangenen Verbrechen gelefen, worin zum 
erſten Wtat, wie ich glaube, die Vergehen in drei Glafien ges 
theitt And. Die erſie und zweite Glaſſe umfaßt Verbrechen ges 
gen die Perſon und das Gigenthum, die in allen gefitteten Sans 
bern beſtraft werben, und bie britte enthält Vergehen gegen 
die auf gewiſſe übereinkuͤnfte gegruͤndeten Geſetze, z. B. Schleich: 

andel, oder übertretungen von Policeiverordnungen, bie mit 
buße ober Befängnid geahndet werben. In biefer Gtafle 
find aber Vergehen aufgeführt, die ich zur zweiten sechnen muß, 
nämlich Hurerei, angebrobter und gewaltthätiger Angriff und 
übermäßige Trunkenheit, bie überall mehr ober minder ber Straf: 
geſetgebung anheimfallen. Faſſen wir nun jene beiden Staffen, 
mit Einſchluß der letztgenannten Vergeben, ins Auge, was 
FR das Ergebnißs? Im 3. 1837 warb unter der ländlichen Ber 
vblkerung von 2,735,487 Perfonen eine unter 460, unter ber 
Gefammtbevölterung von 289,230 Perfonen in 84 Städten eine 
unter 78 wegen Verbrechen verurtbeilt. So iſt das Ergebniß, 
wenn man jebes Vergehen, das nicht von einer durchaus unfitte 
lichen Beſchaffenheit ift, und alle mit Gelbbußen beftraften Elei- 
nern Bergehen rag & 81_88 
Desgie e man ©. 87—88: 

re in dem amtlichen Verzeichniffe der im 3. 1886 
unter der Bevölkerung auf dem Rande begangenen Verbrechen 
eine Brandftiftung, Mordtpaten, 10 Kindermorbe, 4 Ber: 
fftungen, wobei 8 Perfonen verwidelt waren, 9 gemaltthätige 

eien mit 14 Mitſchulbdigen, 13 File von unnatürlicyer 
Unzucht, 1776 Miesftähte mit 1971 Meitichuldigen, I0SO gemalt: 
famıe Anfälle, 7 Meineide. Ich emmähne nicht bie n, 





bie als Übertretungen von Policeiverorduum B 

wie 190 Faͤlle von unerlaubten Holzhauen, — 
gem Betragen während des Gottesbienftes, und nehme aus 
der Staatszeitung nur diejenigen Pälte, die in 
alten Ländern als ſchwere Verbrechen betragtet 
werben undb@ründbezu einer Schaͤtznag bes fittlicen 
Buftandes nerfhiedener Länder gehen. Im 3. 1833 
erlitten 16, 1836 binmegen 21 Menſchen bie Todesſtrafe und 
1835 wurden 574, 1836 aber 392 zu lebenslänglicyer Ketten: 
ftrafe verurtheltt. In England gab es 34 Hinrichtungen 1835, 
aber 1836 nur 17 und 1835 wurben 523, aber 1836 nur 49% 
Derfonen ſchwerer Verbrechen überwiefen. Zu Ende des 3. 1836 
enthielten die Gefängniffe Schwedens 13,209 Gefangene, aufır 
4 Kindern, bie bei ihren Altern lebten. Unter- diefen Gefan: 
genen faßen 547 in Schuldhaft. Die Geſammtzahl der Gefan- 
gruen war um 718 größer als im vor . 
Sroßbritannien und Irland würden mit ihren 27 Millionen nad 


dieſem Bertyäitniffe 148,000 Perfonen von ihres Volkamenge im 


Gefängniß fehen müflen. Im 3. 1836 befanden fi in ven 
Strafanflaiten Schwedens 53040, die als Verurtheilte büßten. 


Die Urſachen dieſes tief geſunkenen ſittlichen Zuſtan⸗ 


des findet Laing zunaͤchſt in fehlerhaften ſocialen Ein 
richtungen, in Folge deren nicht der moraliſche Werth 
des Menſchen, ſondern 
die Achtung und die Geltung beſtimmen, die bad JIndi⸗ 
viduum in der buͤrgerlichen Geſellſchaft findet. Ven dem 
hoͤchſten Adel an bie zu dem letzten Handwerket herab 


Außerlichkeiten und Zufaͤlligkeiten 


gehört Alles irgend einer von dem Staate bevorrechteten 


Genoſſenſchaft an, und bie laͤcherliche, ſchwerlich in irgend 


einen andern Lande gleich weit getriebene Titelſucht, welche 


von ber Regierung ohne Maß umd Ziel augebeutet wirt, 


ſtellt des Mannes bürgerlichen Rang in. der Meinung 
höher als den moralifdgen Werth deſſelben. Zermer hat 


das Beifpiel eines zügellofen Hofes entſittlichend auf die 


arme und müßige Bevoͤlkerung Schwedeus gewirkt. Die 


Sucht, den altfranzöfiichen Hof Ludwig's XIV. nah: 


ahmen, hat das Vorbild in allen deſſen Verwerflichkeilen 


: überteoffen. Zu Grunde gerichtete verarmter Adel fant 


zu den Mittelclaſſen herab und verbreitete unter dieſen 
Spielfucht, Liederlichkeit und gämgfichen Mangel an Sian 
für Sittlichkeit. Hiernächft zeigt von jener Verſchwoͤrung 
an, in der vornehme und gebildete Männer zu Guſtav's II. 
Ermordung zufammenteaten, bie Gefchichte Schwedens dad 
Bild tieffler politifcher Liederlichkeit. Daß ein Bolt fie 
ken müͤſſe, deſſen hoͤchſten Claſſen politifche Grundſaͤbe, 
Gemeingeiſt und Rechtsgefüuͤhl gaͤnzlich abgehen, das ver 
ſteht ſich von ſelbſt. Merkwuͤrdig iſt es, daß Laing auch 
ber Reformation einen smghnfligen Einfluß auf den me 
ralifhen Zuftand bes Laͤndes zufchreibe. Denn er meint, 
die nicht von der Regierung, ſondern ohne Zweifel in 


Form de6 Chriftenfhums: voybereitet gefunden, und fo ſei 
nur ein Gultus durch den andern und zwar gerade ders 


-jenige verdrängt imorden, der rohe Maſſen am Eräftigken 


im Baum halte. Ref, möchte bezweifeln, daß zur Zeit 
der Reformation der deutſche Bauerſtand dem ſchwediſchen 


Einklang mit der Politik des neuen Fuͤrſtenſtammes Waſa 
herbeigefuͤhrte Reformation habe nicht, wie in Deutſche 
land, England und den Übrigen vom Katholicismus abe 
gefallenen Ländern, die Bevoͤlkerung für eine geiſtigere, 
mehr zu dem — ale zu den Sinnen ſprechende 





auch sur i minbefien in reiigiäfee Bildung machgeſtan⸗ 
ben babe. Auch wurde England wahrhaftig nicht vom. 


geifitgen Bedhrfnfffen, fondern von dem verabfheuungs: 
würdigen Heinrich VIII. reformirt; fchwerlich aber würde 
Laing nacweilen koͤnnen, daß die englifhe Volksmaſſe 
in waͤchſter Zeit nach der Reformation von biefer eine 
ſchabtiche Wirkung anf die Moralltaͤt verfphrt habe. Fragt 
man die Schweden ſelbſt, was der Grund der Berderb: 
niß fei, fo mefjen bie unterrichtetfien fie ber Trunkſucht 
des untern Volks bei, die drei Viertheile aller Verbrechen 
Gerbeiführe und ben Meynſchenſchtag moraliſch wie phy⸗ 
filch zerſtoͤre. In einer Anmerkung des Überfegers leſen 
wir, daß vor Zeiten, wenn ſchwediſche Frauen mit ihren 
Männern zu einem Schmauſe ober Hochzeitfeſte gingen, 
fie immer deren Sterbeflsib aus Worſorge mitnahmen, 
und noch jet diefe Sitte fih in einigen Gegenden ers 
balten babe. Indeß ſtimmt Laing diefee Anfiche nicht 
ganz bei. Theils find ihm ſelbſt nur wenige beraufchte 
Derfonen vorgekommen, theils folgert er aus ſtatiſtiſchen 
Angaben über den Branntweinvorbrauch in Schweden, 
daß die Unmäßigkeit im Genuffe deffeiben nicht fo vers 
breitet fein koͤnne, als man im Allgemeinen annehme. 
Hoͤchſt eigenthuͤmlich ift Schwedens politifhe Stel: 
tung dadurch, daß einzig und allein ber Thron ber Was; 
ſa's derjenige iſt, den noch ein den alten Mogenten- 
häufen Europas umebenbürtiger, durch die franzöflfche 
Revolution aus dem Volke emporgehobener Regent inne 
hat, als wovon ſowol gewiffe Antipathien als Sympa⸗ 
thiess die nothwendige Folge find, wozu noch kommt, baf 
da8 von Dänemark getrennte und durch fein neues Ko: 
zighaus mit Schweden verbundene Norwegen ſich im 
Befige einer freieſten Verfaſſung befindet, welche, verbun: 
den mit den Ausfichten in die Zukunft Daͤnemarks, 
Wuͤnſche, wol auch Hoffnungen und Entwärfe angeregt 
Hat, deren Erfüllung und Gelingen dem ſchwediſch⸗ nor: 
wegikhen nicht fehr bemerklichen Cinfluffe auf Die euro: 
päifchen Angelegenheiten eine viel bedeutende Geſtaltung 
geben Tönnten. Darum theilen wir, was in biefer Be: 
ziehung uns in Laing's Buche bemerkenswerth geſchienen 
hat, hier mit. 

Die Frage betreffend, ob des neuen Regentenhauſes 
Zukunft gefidert ift, fo glauben wie, daß für wohl: und 
fefibegrändet nur eine in den &pmpathien des Volke 
wurzelnde Regierung gelten kann, und für eine ſolche 

dung. es keinem ſchlagendern Beweis gibt als eine 

freie und unbeargmohnte Meſſe. Brei num iſt aller 
dinge mach dem Geſetze die ſchwediſche Preſſe; denn ber 
Berfaffung na kann Jedermann bruden lafien, was 
er will, namentlich auch beliebig ein Journal oder eine 
Zeitung heranegeaben, und verautwortlic ifl er nur dem 
Geſet⸗ für Das, was er hat druden lafſen. Allein 
ſo wenig umbeargmohnt iſt dieſe Preffe, daß ſelbſt ihre 
arferfihe Freihelt factifch geramme Zeit lang wäre auf: 
grheden gewefen,. wenn die Aufhebung nicht bie ſchlimmſte 

von gen, naͤmlich eine halbe Maßregel geweſen wäre. 

Dem nicht cher ats 3840 iſt bie 1812 der Regierung 

eingrräumte Befugniß, jede Zeitfchrift nach policeilichem 


| durch Die Preffe zu wirken verfichen. 





Ermeſſen daxch den Kuflanzier mmtehchden zu inksfen, 
wieder aufgehoben wordean. Die umpepwlaire Befugniß 
tonnte fall 30 Jahre lang beftehen, weil bei dem Vi⸗er⸗ 
Kammerſoſteme und dem unbedingten Veto es uͤbenaus 
ſchwer war, die Wiederaufhebung von dem koͤniglichen 
Willen zu erlangen, obſchon die Handhabung jener Be 
fugniß nur diente, das Anfehen der Regierung blotzuſtelen. 
Denn nad dem Geſetze war die Aufhebung einer Zeit: 
ſchrift nur die augenblidlicye Unterdrüdung ihres Erſchei⸗ 
nens unter gleicher Buchftäblichkelt des Titels. Nach: 
dem einundzwanzigwal des ‚‚Aftonblader”’ (Abendblatt) 
unterbrädt worben war, erfchien es weiter als fünfund: 
zwanzigſtes Abendblatt. Nah Laing umgibt bes Koͤnig, 


"welcher noch jegt dee Landesſprache unkundig and darum 


offenbar perfönlich außer Stande tft, von der Stimmung 
des Volks eigene genaue Funde zu nehmen, ein Häuf: 
lein um ein Jahrhundert hinter ihrer Zeit zuruͤckgebliebe⸗ 
nee Ariſtokcaten, welche die Preſſe nur zu veizen, nicht 
aber im Geiſte conſtitutionneller Regierungen auf die Preſſe 
Indeß, da man 
feinen Grund bat, zu bezweifeln, was Laing über ben 
geſunkenen Zuftand fagt, in ben in Schweden ber Sian 
für Rechtlichkeit in Öffentlichen Angelegenheiten verfallen 
tft, fo drängt ſich uns bier die Frage auf, wie bei einem. 
ſolchen Zuftande ein fonderlicher Segen von einer freien Preffe 
zu boffen, ja eine im eigentlichen Siune des Worts freie 
Prefſe überhaupt moͤglich fel. Daß die Macht doerſelben 
in Schweden höchft bedeutend fein mäffe, ergibt Mich ſchon 
daraus, daß in Stodholm 19, in dem gefammten Lande 
80 Zeitfchriften erſcheinen. Das Beſtehen der Provinzial 
blätter ift durch den MRegierungsorganiemus felbft gefichert. 
Denn jede Stadt hat ihre detlichen Berichte, weiche, wie 
Laing fagt, bei dem Syſteme, viel kaͤrm um nichts zw 
maden, einer Anzahl von Beamten den Lebensunterhalt 
geben und fost und fort eine Menge gerichtliche. Bekannt⸗ 
machungen veranlaffen. Dierzu kammt, daß ber Zei» 
tungeftempel überaus niedrig und das Papier aller Pro⸗ 
vinzialblätter uͤberaus ſchlecht iſt, fo aber die wohlfeilen 
Inſertionsgebuͤhren audy für bie Privaten die Einladung 
find, aller Arten Anfragen und Anerbieten in die Tages⸗ 


blaͤtter einruͤcken zu laſſen, deren Beſtehen daburd) noch 


mehr gefichert wird. Gegen den Preis von 10 Reiche» 
thaler Banco fegt das ‚‚Aftonbladet‘” nicht weniger als 
4000 GSremplare des Jahres ab: Die nicht auf Geſetz 
berußende DVergünftigung , innerhalb be6 Landes für 1 
Reichsſthaler 8 Schill. oder — 16 Er. verfendet zu wer⸗ 
ben, hat bie übel berathene Regierung diefem Blatte ent⸗ 
zogen, ohne es dadurch Ändern zu Finnen, daß nur die 
freifianigen (in Schweben bedeutet das fo viel als die ber 
Regierung feindfeligen) Blätter diejenigen find, welche 
aller Orten audliegen. Bebenklich iſt bie Stellung, wie 
folyen Symptomen gegenüber jebes Regentenhaus hat, 
das fremd des Volks geſchichtlichen Erinnerungen und 
nicht in längfler Zeit ber vom Vater auf den Sohn ver⸗ 
erbten Beſitz der hoͤchſten Gewalt, auch kaum die Bes 
fugniß zu felbiger aus Gottes in der Geſchichte manis 
feftirten Gnaden ableiten Tann. Die in Abſchnitt 9, 


S. 353 — 58 über Wie jetzige ſchwediſche Stellung wach 
innen und nad außen entwidelten Anſichten Laing’s find 
durchaus Intereffant und bedeutend. Hoffentlich gelingt 
es Ref., diefelben — benn fie find etwas breit und Leben 
bin und wieder an entbehrlichen Wiederholungen — in 
veraͤnderter Geſtalt mit vollkommener Erſchoͤpfung bes 


Weſentlichen mitzutheilen. 
¶ Die dortfetung folgt.) 


Engliſch-jüdiſche Zeitſchrift. 

Es iſt vielleicht dem chriſtlichen deutſchen Publicum noch 
wenig oder gar nicht bekannt, daß ſeit 1841 in London eine 
Zeitfcheift esjcheint, die unter dem Titel „The voice of Ja- 
cab" das einzige Öffentliche Organ für die Wünfche und Forts 
fihritte der in Großbritannien lebenden Juden if. Die erſte 
Nummer batirt „Rosh Hashanah, a. m. 5602”, was in Eng» 
land und Deutſchland „den 16. Sept. 1841 bedeutet. Alle 
14 Zage erfcheint ein Kleiner Bogen und ber erfte Jahrgang 
liege in einem Bande gefammelt vor. Politiſches enthält 
ee gar nicht und das Ganze iſt in dem Geile redigirt wie 
die „Zeitung des Judenthums“ und das beutfche „Zion“, ober 
auch das franzöfifche „Archives des lIsratlites”. ,,The 
voloe of Jacob" beſpricht ausfchließenb juͤdiſche JIntereſſen, 
namentlich Gryiebungsinftitute und geiftige Cultur. Gleich der 
Anfang erzehlt die Ginmeihung einer am 14. Sept. 1841 in 
London eröffneten Schule für 120 Kinder, und eine fpätere 
Rummer berichtet, daß bie Altern Geſchwiſter und ſelbſt die 
Mütter jener Kinder ſich durch deren Kenntniffe fo beſchaͤmt ge: 
füptt, daß dies zur Errichtung einer Abendſchute für Erwachſene 
Auleß gegeben, die bereits von 280 Perfonen befucht werke. Cie 
nige burze Auszüge mögen ben Inhalt der Zeitichrift bezeichnen. 
„Zi. Niſan, 3602 (1. April 1842). Gin viel verfprechendes 
Wert von Hrn. Joſeph Schwarz befindet fih in Ierufalem 
unter der Preffe. Es wirb drei Abthellungen haben, von denen 
die erſte unb zweite Hebraͤiſch, bie britte Deutfch gefchrieben ift, 
und eine Reihe Auffäge über ben Oſten bringen, in phyſiſcher, 
politifcyer und hiſtoriſcher Beziehung. Gedruckt wird es in ber 
erſt kürzlich in Ierufalem errichteten Officin.“ 

„35. 26 5602 (22. Zuti 1842). Wir haben eine neue, 
voriges Jahr in Zerufalem gedruckte Ausgabe bed Rituale er⸗ 
beiten und uns felten fo wahrhaft innig gefreut, wie über biefes 
junge , frifche Erſcheinen eines hebräifchen Buchs in Ierufalem. 
Die Preffe ift von jeher Vorläuferin der Verbeſſerung gemwefen, 
die Schwalbe, die ben geiftigen Fruͤhling verfündet. Wo ges 
drudt wird, gibt es Auffoberung zum Lefen; wo gelefen wird, 
entſtehen neue Ideen, da ift Eeben, gibt’s ein Vorwaͤrtsſchreiten. 
und wie gleichguͤltig auch der Jude gegen Lebenszeichen ferner 
Brüder fein möge, ſolche Zeichen, wenn fie in Jeruſalem ſich 
offenbaren, müflen zu feinem Innerften reden.” ' 

„Um die Mitte bed vorigen Jahrhunderts Iebte zu Prag 
in Böhmen der gefeierte Rabbiner Sarah Eiblis, ein Mann 
von großem Verſtande und tiefer Auffaflung, nicht blos berühmt 
wegen feiner Kenntniß der heiligen Schriften, des Talmud 
und deſſen Gommentaren, fondern auch befannt durch feine 
mathematifhen Studien, von welchen fein Werk ‚Die Kunft zu 
rechnen‘ Zeugniß liefert. Rach der Sitte feines Wohnortes 
und Zelt, in welcher er lebte, theilte er feine Stunden 
zwiſchen einfames Studiren und unentgeltliche Beiehrung, wäbs 
rend feine Gattin mittels eines Fleinen Kramhandels die Er⸗ 
fobernifle des befcheibenen Haushaltes erwarb. Gidlitz Eannte 
recht gut bie reichen Quellen, welche feine Gelehrſamkeit ihm 
öffnen koͤnne. Aber er lehnte jebe Belohnung ab, weil unvers 
einbar mit dem Worte des Wellen: ‚Wer fein Pfund ſolcher⸗ 
geſtalt misbraudgt, Der foll verworfen werben.“ Im Fortgange 





Berantworilicher Deraußgeber: Heinrich Brokhaus. — Drud und Berlag von E. X. 


ber Beil wurden die Unhande bes gelehrten Mlamnes inmer 
druͤckender und es kam dahin, daß er ſich viele Bequemlichkeiten, 
oft die nothwendigſten Beduͤrfniſſe verſagen mußte. Deflenunge 
achtet hielt er aus und verſchwieg ſeine Armuth, damit, wenn 
fie befannt würde, es nicht ausfähe wie ein leifer Anſpruch auf 
Unterflügung. Zu felbiger Zeit beſuchte ihn eines Tages ein 
alter Freund, ber Rabbiner Israel Frankel, Vorſteher der prager 
Gemeinde, und im vertrauten Geſpraͤche entdeckte ibm Giblie 
feine wahre Lage. Als Beide bald nachher fich wieder fahen, 
machte Frankel auf bie zartefte Weife Eidliten ein Gelbanerbieten, 
das dieſer jeboch ſchlechterbings nit annahm. ‚Wohl‘, vers 
ſette Erankel, ‚bu weißt, daß Bott mid mit Reichthum gefeg⸗ 
net bat, daß ich aber in Folge meiner zeitlichen Stellung die 
Befähigung bienieben nicht erlangen kann, bie dem Gtubium 
des Rechtes gebührt. Willſt du alfo dieſe Kleinigkeit ſchlechter⸗ 
dings nicht annehmen, werde ih fagen, du thueſt es aus Reib, 
bamit ich durch meine Handlung mir nicht einen Anfprud auf 
bie Befägigung im künftigen Leben erkaufe.“ Diefe Au 


hatte den gewuͤnſchten Erfolg, aus Rüdiicht für das Gefühl 


Perung 


feines Freundes nahm Ciblig bie Gabe an. Die Zeit verrann; 


die Sreunde fahen ſich oft, aber, wie leicht zu denken, ber Ge: 
genfkand gnunde nie aber Haan? 

ankte ie und ſtarb. ie feine Pflicht es Heifchte, begab 
ſich Frankel in bie Wohnung bes —* 8 — 
verzeichnen. Doch war das eine bloße Foͤrmtichkeit 
wußte, wie arm Ciblig geftorben. 


ben Haͤnden geloffen. Beim Uinterfuchen ber 


entdeckte 
Frankel ein hartes, rundes Packet. Er * 


es hervor; es war 


ein verſiegelter Beutel mit einer beträchtlichen Geldſumme, und 
an dem Beutel hing ein Zettel, auf welchem bie Worte ftanden: 


‚Bei mir deponirt von meinem 
kei‘, 


Freunde, dem Rabbiner Serasl 
4. 





titerarifhe Anzeige. 


balt 
Allgemeine Predigtsammlung 


‚ aus den Werken ber vorzüglicäften Kanzelvebner; zum 


Vorlefen in Sanbfischen wie auch zur häuslichen 
rbauung. 
Derausgegeben von . 


Dr. Eduin Bauer. 
weiter Band. 
Auch unter dem Titel: 


iſtelpredigt 
Spiftelpere 4 3 auf alle Sonn: und Vet: 


Nach einigen Jahren ers 


Geftorbenn, ben Nachlaß zu 

‚bean er 
Eidlig Im Studirzimmer des Ge 
ſchiedenen ftand eine Kifte, worin Manufcripte und andere Gas 
hen, welche ber Gigenthümer von Werth geglaubt und fo Heilig 
gehalten, daß er während feines Lebens den Gchlüffel nie aus | 


Neu erſcheint und ift durch alle Buchhandlungen zu er⸗ 
en: 





ahtes aus ben Werken der vorzuͤg⸗ 


lichſten Kanzelredner; zum Vorleſen In Landkirchen wie 


auch zur haͤuslichen Erbauung. Gr. 8. 2 Thltr. 


Der erſte Band dieſer Sammlung (1841), welchem von 


Seiten ber Kritik das Präblcat eines Wuſterduches von 
. eloarträgen beigelegt warb, enthält —— — 
r 


und koſtet ebenfalls 2 Thlrz3 mit einem ſpaͤter 


erſcheinenden dritten Bande: —X* über freie Texte, 


wird dieſes Werk gefchloffen‘ werden. 
Eeipzig, im Auguft 1843, 


“ F. AÆ. Brockhaus. 


rodcbaus in Leipzig, 





— 





Blätter 


‚ l u 
. 


fir 


littrariſche Unterhaltung. 





— ——— or ⏑—⏑ ⏑ — — ---- eo r 20 


10. Auguft 1848. 





Schweden beurtheilt von Samuel Laing, I. G. von | yeimzen füritten, erfiärten fie factiſch Schweden fin eis 


Duandt und Sräftn Hahn - Hahn. 
(Bostfegung aus Nr. BU.) 

Zuerfi von den Umſtaͤnden, weiche bei des geweſenen 
Marias Bernadette Berufung zur Thronfolge als ges 
geben vorlagen. Als haupfſaͤchtiches Moment, das Bu: 
ftau’s IV. Entthronung rechtfertigen foll, führen die Schwes 
den den Verluſt Finnlande an, wogegen Laing vielleicht 
irrt, wenn er behauptet, dieſer Verluſt fei mehr gewinn⸗ 
dringend als ſchaͤdlich geweſen, weil jene Befihung gend» 
thigt habe, auch im Frieden ſich immer fchlagfertig zu 
hatten und fobann, weil Schweden felt Finnlands Ber: 
Iufte den eigenen Getreidebedarf erzeuge, während fruͤher 
das Land feine geringe Bevölkerung nicht habe ernähren 
tönnen. Dagegen iſt es aber wol unbeſtreitbar richtig, 
daß in Folge der geographifyen Lage Finnlands und nach⸗ 
dent Rußlands Sröfe zu intenfiver Entwidelung gelangt 
it, erfteres für Schweden ebenſo nothwendbig mußte vers 
toren geben, als es für England unmöglich geweſen iſt, 
die Rormanbie zu behaupten. Und wenn erweislich die 
wichtigſten Feſtungen von. den befehlhabenden Offizieren 
an Rußland find verkauft worden, fo fragt ſich noch, ob 
ohne biefe WBerworfenheit eines armen Adeld Rußland 
jene ESroberung ſchon unter Guſtav IV. gemacht hätte, 
den Männer entthronten, mit denen weder Guſtav Adolf 
no Kart KH. ihre Schlachten gewonnen hätten. Der 
Herzog von Gödermanland — Laing nennt ihn «inen Ein 
deriofen Macbeth — erlangte feinen Zweck, König zu werben. 
Den Verſchwoͤrern mußte daran gelegen fein, bie Nach⸗ 
kemmenſchaft des Entthronten von der Nachfolge in der 
Regterung awtzufchließen. In de Auffagungsacte vom 
29. Mai 1809 wird hierliber gefagt: Der Radylommen 
angeerbte Denkart und der Sippſchaft wahrfcheinfiche Ge⸗ 
neigcheit, Das zu raͤchen, was zu Rettung des Staats 
bereiss geſchehen oder Fünftig vorgenommen werde, Yiumte 
die Gefahren ded Reiches erneuen. Der zum Kronprinzen 
erwählte Prinz Ehriflian Anguft von Holſtein⸗Auguſten⸗ 
burg, von ‘dem man gefagt hat, feine Abſicht ſei geweſen, 
vom Haufe Waſa die Krone zuruckpugeben, flarb im Mat 

1810 auf nicht unbedenkliche Welle. Indem jedt bie 
Kikiäbude, das Haus Holftein⸗Auguſtenburg von ber 
Madfeige ausſchließend, zur Wahl eines andern Aren 


Wahlreich, das es nach feinem der WBorgange If, in tyels 
den deſſen Stände ſich für guumdgefegliih beuechtigt gee 
achtet haben, die Threonfolge zu ordnen. Sowol die 
Partei, weiche den vorigen Käulg entthront hatte, als 
Die, welche bes alten Herrſcherhauſes Burchdbeenfung 
wünfdyte, beabfichtigte, «inen Bann aus dem 

zu wählen: jene, weil fle hoffte, der Neugewaͤhlte merbe 
für das ihm fo gänziih unerwartet gewordene gaͤnzende 
Loos doppelt dankbar feinz dieſe, weil fie nicht beſorgee, 
daß denfeiden eine Macht des Autlandes gegen die Kate 
fprüdge der entihrenten Familie fchirmen werde. AQuver⸗ 
laͤſſig richtig har Iogtere Partei gerechnet. Damm zum 
Beweiſe, daß in den Augen ber alten Herrfſcherfamilien 
das Haus Pontecorvo noch nicht in bie Legisimiedt einge⸗ 
rackt iſt, bedarf 06 nicht der von Laing ©. 4 ange 
zogenen Thatſachen. Selbſt dann, wenz vor Mertin sımh 
bei Leipzig Die Alllirten unbezweifelt nicht ohne. die Schwe⸗ 
den gefiogt hätten und man glauben follte, ohne Liefe 
Siege waͤre Rapoleon überhaupt unbrfiegt geblichen, feibf 
dann zesfiörte durch Inconſequenz die Logitimitaͤt ſich 
ſelbſt, naͤhme fie auch das Haus Pontecorro under ihre 
Aügide. Beruͤhrungen, in welche ſchwediſche Milltains wit 
dem Prinzen von Pontecorvo gekommen waren, lenkten 
die Wahl auf dieſen. Die jungen Edelleute und Mi 
tairs traͤumten von der Wiedereroberung Finnlanda, Die 
Hoͤflinge erwarteten großen Einfluß von einem der Sprach⸗ 
und Eigenthuͤmlichkeiten bes Kandes unkundigen Megenten. 
Der König feibft mußte erfreut fein, wenn, was an ibm 
nicht ruͤhmlich war, Aber den Ruhm des Thronfelgera 
vergefien wurde. Diefe tharfächlicgen Momente find von 
der et, daß fie dem neuen Kronpringen die Aufgabe 
Kelten, diejenigen Garantien, weiche die Wahl ihm nicht 
gab, ihr durch feine Werfönlichkeit, durch die Besbadhtung 
von Maximen und Maßregein zu ſubſtruiren, die ihn 
populair im eigentlichſten Sinne bes Worte machen Sons 
ten, indem fie feine und bie Iuterefien ber Belkemaſſen 
verfihmolzen. Bevor wir hierauf eingehen, bie Bemer⸗ 
fung, daß man ©. 264 fg. kaum ohne Laͤcheln Die Bes 
bauptang lieſt, mit Unwillen fehe das proteſtantiſche In⸗ 
teceffe Deutfhlands die Abkönmilinge eines Röwigs, Deus 
bie Reformation ihre Forderung ebenfſo ſehr ats Luther 
verbanfe, verdrängt von einem Könige; der zwar einen 


v 
.. v00 


Platz unter ben bedeutendſten Feldherren der neueſten Ge⸗ 
ſchichte, aber an großen mit verhaͤltnißmaͤßig geringen 
Mitteln vollbrachten Thaten ſich ebenſo wenig mit Guſtav 
Adolf meſſen koͤnne, als die Zwecke, fuͤr die er gekaͤmpft, 
gleich wohlchätig wie Guſtav Abolf's Sage auf, die 
Menſchheit zuruckgewirkt hätten, und daß dieſet Unwille 
ein neues dem neuen Koͤnigſtamme feindſelig drohendes 
Element ſei. Kennte Laing die deutſchen Zuſtaͤnde nur 
halb, nur zum achten Theile ſo genau als die ſchwedi⸗ 
ſchen, ſo wuͤßte er, daß, wenn von keiner andern Seite 
Gefahr droht, der Thron des Hauſes Pontecorvo umer: 
ſchuͤtterlich feſtſteht. Denn angenommen, bie Beforgnifie 
vor einem im Geheimen perfid wirkſamen Proteſtantismus 
ſind ungegruͤndet, ſo fragen wir, wie kann jemals werk⸗ 
thaͤtig in der Entſcheidungsſtunde ein Proteßantismus 
werden, der nach allen Kennzeichen zu urtheilen immer 
mehr zu einer. bloßen Regation, zu einem Nichtkatho⸗ 
licismusſein herabſinkt? 

— Über des jetiigen Könige Perſoͤnlichkeit und Charak⸗ 
ter aͤußert Laing ſich durchaus hoͤchſt anerkennend, ruͤhmt 
infonderheit — und das iſt ein mächtiger Hebel, wo es 
darauf ankommt, ſich der Volkſtimmung zu bemeiſtern — 
daß feine Haltung und Benehmen edler und majeſtaͤti⸗ 
ſcher die Koͤnnigswuͤrde darſtelle, als viele für den Thron 
geborene Herrſcher es vermögen. Allein er behauptet, daß 
des jetzigen Könige Megierungsanfichten die eines Fran: 
zofen ſeien aus der Schule Napolson’s, er fo wenig als 
Ludwig XIV. eine Vorſtellung von verfafjungsmäßig or⸗ 
ganifictem und organiſirendem Volkswillen babe, vielmehr 
in. der Erinnerung an die Greuel, die des Volkswillens 
wilde Entfeffelung während ber franzöfifchen Revolutlon 
geboren, bemfelben abgemwendet umd dadurch dem Koͤ⸗ 
ige das liberale, fo mächtig und raſch zunehmende In⸗ 
texeffe, daß im Bunde mit diefem das neue Herrſcherge⸗ 
ſrhlecht fi gegen bie - ganze Welt Hätte zu behaupten 
vermochte, entfrembdet worden ſei. Laing erklärt, jet ſei 
vie Legitimitaͤt oder bie Unbefchränkcheit der koͤniglichen 
Mechte — biefe und jene dürften dem SBegriffe und alfo 
auch dee Sache nach fehr verfchieden fein — was zus 
Zeit der Meformation das Papfitbum geweſen, eine hin⸗ 
fänige vor ber Vernunft binfierbende Lehre, was jedoch 
auch von dem Papfithum, faßt man daſſelbe in feiner Idee 
auf, eine unhaltbare Behauptung zu fein ſcheint. Gewiß 
tft aber, daß fo wie Guſtav Waſa und Guſtav Adolf, obs 
ſchon vechtgläubige Proteflanten, fich zugleich dadurch als 
politiſch einfichtsvolle Männer charakterifirten, daß fie ihre 
Sache mit der des Proteftantismus identificirten, Der 
jegige König der Schweden gleiche Politit nur dann be: 
befolgte, wenn er frei und muthig den neu aufgehenben 
potitiſchen Ideen Europas ſich anſchloß. Statt befjen 
flüge er ſich auf das Militair, und die Unzuverlaͤſſigkeit 
dieſer Stuͤtze hat auch in Schweben fidy vielfach bewährt; 
auf eime Ariſtokratie, die, weil fie feinen auf überwiegens 
den Landbefig gegründeten Ginfluß übt, indem fie von 
Staatsaͤmtern und Militairdienſten lebt, eine Ariſtokra⸗ 
tie iſt und und von Jahr zu Jahr mehr verfaͤllt. So 
haben im J. 1835 Nichtadelige von dem Adel für 107,000 


Reichethaler Banco meht Ländereien gekauft, als dieſe von 
jenen, und in zwei Jahrzehnden die mittlern und untern 
Stände für beinahe acht Millionen Beflgungen, bie bis 
dahin adellgen Eigenthuͤmern gehörten. Diefe Richtung 
ber Regierung, ber Lang vorwmfrft, daß fie eig Art Kreuz⸗ 
zug gegen. freifinnige Meinungen umd Stackseintichtung 
führe, wird ihr bitter vom der Preffe vergeiten, bie nmicht 
müde wird, des Heldenkoͤnigs Thaten mit denen Guſtav 
Wafa’6 und Guſtav Adolf's zufammenzuftellen. Alter 
dings begibt ſich ein Koͤnig, der in Jahrzehnden ſich noch 
nicht die Mühe genommen bat, die Landesfprache zu er: 
lernen, des Vortheils, unmittelbar auf die Vorſtellungen 
und die Gefuͤhle des Volks einzuwirken, er beachtet micht, 
was ihm die ſchwediſche Geſchichte lehren follte: daß im: 
mer die Könige des Landes entweder willeniofe Werkzeuge 
in den Haͤnden des Adels geweſen find, oder, unmittelbar 
an das Volk ſich wendend, eine von dem Adel unabhän: 
gige Gewalt behaupteten; daß, als Kart XII. drohte, einen 
feiner Steiffliefeln zum Borfige in den Reichsrath abzu: 
ſchicken, er damit keine leere Beleidigung ſagte, fonbern 
nur kraͤftig ausſprach, dab er auf das Volk, nicht auf 
ben Adel rechne. Wie febe die Regierung ihr Anfehen 
durch die Art und Meife compromittirt, auf weiche fie 
daſſelbe zu befeftigen ſucht, beweift allerdings ſchlagend 
folgender Vorfall: Ein Hauptmann, Lindeberg, Heraus⸗ 
geber einer freifinnigen Zeitſchrift und darum aus dem 
Genuſſe feines Halbſoldes gefegt, wollte ein neues Thea⸗ 
ter in Stodholm gründen und befchuldigte die Krone, 
welche als Eigenthümerin ber bereits errichteten Bühnen 
dies ihm vermehren wollte, in Öffentlicher Druckſchrift 
des geſetzwidrigen Mondpolismus. Zür den deshalb bes 
Hochverraths beſchuldigten und nach veralteten Belegen 
sum Tode verurtheilten Mann erhob die Stimmung des 
Volks ſich fo bedrobend, daß die abeligen Machthaber 
nicht wagten, das Urtheil zu vollficeden. Die Eöniglicdhe, 
ba6 Todesurtheil in drei Jahre Gefaͤngniß verwandeinde 

Begnadigung folte aus der Verlegenheit helfen. Allein 
dee Begnadigte lehnte die Begnadigung ab und indem er 
gegen die Werwandelung einer Strafe in die andere als 
verfaffungswideige Willkuͤr proteflicte, erbat er fih nur, 
am 8. Nov. hingerichtet zu werden, an dem Tage, an 
welchem Chriſtian U. im J. 1520 nicht weniger als 37 
der erſten Edelleute in Stodholm bincichten lief und da: 
durch dem erfien Anlaß zu dem Aufflande unter Guſtav 
Mofa gab. Nun wurde ber vorher nie fonderlih beach⸗ 
tete. Gedaͤchtnißtag des erfien Landung bes Könige in 
Schweden gebraucht, alle politiſchen Verbrecher zu begna- 
digen, obſchon außer Lindeberg nur drei Männer dieſer 
Gnade theilhaft werden konnten, von benen ber eine feit 
einigen Jahtzehnden ausgewandert, der beiden andern Straf: 
zeit ohnehin fall abgelaufen war. Daß ber Regierung 
der Sinn abgeht, ihre Stärke da zu fuchen, wo fie Die- 
felbe zu finden im Stande wäre, das beweiſt ihr Bemeh⸗ 
men gegen Norwegen. Dusch einen Vertrag, der für 
die Norweger ein Part unter dritten Perfonen war, wur⸗ 
ben fie an Schweden überwiefen. Wenig angefprochen 
von der Rechtmäßigkeit dieſer Maßregel gaben im April 











1814 die Nocweger ſich die Nnoch jegt beſtehende Derfaf⸗ 
fung. Ste und der von ihnen gewaͤhlte König Chriſtian 
Friedrich unterzeichneten am-3. Mai 1814 ba6 Grundges 
ſetz, letzteter aber gab am 10. Det. deſſelben Jahrs feine 
Gewalt in die Hände des Bolks zuruͤck. Die Reicheftände 
unterhandelten mit dem an der Spitze eines ſchwediſchen 
Heeres heranziehenden Kronpringen, und übergaben am 
4. Nov. die Oberherrſchaft dem Könige von Schwe⸗ 
den, wogegen der Kronprinz in des Königs und feinem 
Namen vorausübereingefommenermaßen das Grundgeſetz 
befchwor. Nach Karl's XII, Tode iſt er als König von 
Norwegen gekrönt worden, nachdem er nochmals das 
Grumdgefeg beſchworen. Somit aber iſt fein Recht auf 
Diefe Krone das alierlegitimfte, das fi, nur denken läßt. 
Wahrhaft ärgerlich zu lefen iſt e8 aber, wie deffenungenchs 
tet die Regierung auf eine Act göttlichen, aus dem kieler 
Bertrage hergelelteten Rechts. ſich zu flügen ſucht. Im 
$. 1821 bat man fogar verfucht, durch Einfchreiten ber 
bewaffneten Macht das Volk zu zwingen, das Feſt zur 
Erinnerung an den 14. Mai auf den 4. Dct. zu ver: 
Iegen. Das gelingt nicht, ſchadet aber unendlich, weil bie 
Norweger zu viel gefunden Berftand haben, um die Ab: 
fit nidye zw begreifen. Die Folgen find um fo nad: 
theiliger, als bie Norweger für das Königehaus, das ge: 
ſchichtlich mit ihrer durch das Grundgeſetz geficherten Uns 
abhaͤngigkeit innig verfiochten iſt, aufrichtige Ergebenheit 
hegen. Was die Unpopularität der Regierung erhöht, iſt 
der Umftand, daß die neue Dynaſtie zu halten nur Ruß: 
(and ein Intereſſe haben kann, welches recht wohl einfieht, 
daß dee König von Schweden und alfo aucd ber von 
Norwegen in fietee Beſorgniß, die Nachkommenſchaft des 
zufegt entthronten Könige durch fremden Einfluß wieder 
zurückgeführt zu fehen, den Zürken und den miszufriede: 
nem Polen für immer die Hoffnung. auf ſchwediſche Un: 
terſtuͤtzung entzieht. 

Die Schweden verbergen ſich nicht, daß einer ihrer 
loswenmuthigen Könige aus dem Haufe Waſa bei dem 
legten Kriege Rußlands mit ben Türken und bei dem 
Auffkande der Polen unfriedfertigere Gefinnungen würde 
gezeigt haben. , Aus gleihem Grunde erklärt ſich die dem 
Nationalſtolz wahrhaftig nicht ſchmeichelnde Deferenz, 
weiche man 1837 gegen Oſtreich gehabt hat, den Her 
ausgeber des, Aftonbladet“ zu verurtheilen, weil er — 
was war davon wol für Öfteeich zu befürchten? — aus 
dem „Bon sens” einen Artikel über den Zufland der oͤſt⸗ 
reichifhen Befigungen in Italien gegeben hatte. 

Die Verwirklichung bes Gedankens an eine Bereinis 
gung bes ſchwediſch, daͤniſch, norwegiſchen Nordens iſt 
bei Laing ſchlecht empfohlen. Zunaͤchſt bemerkt er, daß 
die Kalmariſche Union fchlechte Srüchte getragen, von den 

fürfitihen Perſonen, welche während deren Beſte⸗ 
hens (1397 — 1523) regiert, nur eine eines natürlichen 
Zobes im ungeſtoͤrten Befige der Hertſchaft geflorben ſei, 
Uame man es nämlid fo nennen, wenn eine Königin 
(Margarethe 1412) in der Kajlıte eines Kauffahrteifchif: 
fes inbe, das Guſtav Wafa die Union fo leicht geiprengt 
babe, «is hätte fie nie befanden, und auch ihre legte 


haͤltniſſen ungeeignet zu einem Angriffskriege. 


Spur, bie Verbindung Schwebens mit Norwegen, ohne 
fonderliche Wehen und Krämpfe verfchwunden If. Daß 
die Union nie einen tief und innerlich eingreifenden Zu⸗ 
fammenbang erhalten, wird ibm begreiflich dadurch, daß 
die drei Länder in keinem Austaufch gegenfeltigee Vor⸗ 
theile fliehen Eönnen. Schwedens und Norwegens Pros 
ductionen find die naͤmlichen und dadurch beide Voͤlker 
Rivale auf den Märkten des Auslandes. Belden würde 
da6 Getreide Dänemarks willlommen fein, nur wenig 
würde dagesen Dänemark von ihnen als Zahlung neh⸗ 
men koͤnnen. Ein ganz anderes iſt das Verhaͤltniß ber 
drei britifchen Reiche. Würde Irland von England ab: 
geriſſen, fo wuͤrde eine ſechsmonatliche Erfahrung das 
Verderbliche der Somderung fichtbar machen. Übel ſtuͤnde 
es auch nach Laing um bie militaicifche Macht der verbuns 
denen Reiche. An ſich wäre ihre Über ein zerriffenes, weit 
ausgedehnte Areal verbreitete, zufammen nicht mehr als 
5% Milion beteagende Bevölkerung unter heutigen Ver⸗ 
Gefaͤhrlich 
aber wuͤrde, beſonders gefährlich für England es fein, 
wenn Rußland im Finnifchen Meerbufen oder vor Stod: 
bolm die wichtigen Häfen vom Sund bis zum Norbcap 
erobern koͤnnte und die Vertheidigung foldyer Intereſſen 
einem ſchwediſchen Adel anvertraut bliebe, während Mors 
wegens focale und ſociale Verhältniffe daffelbe gleich der 
Schweiz und Tirol in den Stand fegten, des nachbarli⸗ 
hen Schutzes entbehren zu können. Wir hefchließen. 
hiermit die Dittheilungen der aus dem bedeutenden Werk 
hervorgehobenen Bettachtungen, wuͤnſchend und Übergeugt, 
die allgemeine Kenntnignahme von demfelben gefördert und 
befchleunigt zu haben. 
(Die Yortfegung felgt.) 





Le Comte J. Capodistrias, president de la Gröce, juge 
par lui-meme. Paris 1843, 


Es muß als ein gluͤcklicher Gedanke bes ungenannten 
Herausgebers des vorliegenden Bucht angefehen werden, ben 
Grafen 3. Kapobiftrias, als Präfidenten von Griechenland, durch 
ſich ſelbſt gu ſchildern. Er hat dazu bie im 3. 1830 in Genf 
in vier Bänden erfchienene „Correspondance du Comte J. Ca- 
podistrias, prösident de la Gräce” benust, inbem er, von 
dem officiellen Charakter diefer Sammlung und von dem hiſto⸗ 
rifhen Werthe derfelben für Beurtheilung bed Kapodiſtrias in 
feiner Stellung als Präfldent von Griechenland ausgehend, deren 
reihen, durch feine Maſſe den Lefer faft erdrüdenden Inhalt im 
Allgemeinen zugänglicher und im Einzelnen gleichſam genießbarer 
zu machen ſich bemühte. Zu diefem Bmede, und zum 3wecke 
ber Beurtheilung bed Kapodiſtrias aus deflen, in feiner Brief⸗ 
ſammlung enthaltenen Gorrefpondenz, bat ber Herausgeber bie 
einzelnen Gegenftände, welche in der Maſſe jener Briefe des 
Kapodiftriad behandelt werben, unter gewiffe Geſichtspunkte ges 
orbnet, wonach es nun um fo leichter iſt, den Präfibenten Ka: 
pobiftriad in den einzelnen Beziehungen feiner Stellung und nach 
den einzelnen Seiten feiner mannichfachen Wirkfamleit, feines 
Wollens und Strebens bin zu betrachten und aufsufaffen. Der - 
bier gegebene Auszug iſt an und für fich hoͤchſt lehrreich und 
von befonderm Intereffe, welches infofern noch erhöht wird, 
als ber Derausgeber dabei den hiſtoriſchen Zweck der Beurthei⸗ 
lung des Kapobiftriad durch ſich felbft feftgehalten und allein 
vor Augen gehabt hat; er hat biefem Zwecke jede andere Stück 
fiht unterorbnen wollen und namentlich auch deshalb möglichft 


bat, nicht unterfuchen und nicht enticheiben. 


ermuͤdliche Thaͤtigkeit, fein ganzes inneres und Auferes Weſen 
£ennen zu lernen. Indeß muß doch auch dagegen wenigftens 
im Allgemeinen die Wahrheit als unumſtoͤßlich geltend gemacht 
werben, daß Das, was jene „Correspondance” enthält, nur 
bis zu einem beftimmten Punkte für Kapodiſtrias angeführt und 
zu feinen Gunften angezogen werben kann, und daß im Minzeinen 
davon da nicht mehr die Rede fein kann, wo etwa bie Ihat- 
fachen wiberfprechen. Fehlt es jeboch noch zur Zeit an einer 
wahrhaften Geſchichte Griechenlands unter ber Präftdentichaft 
des Grafen Kapodiſtrias, fo mag Ref. auch um fo weniger 
auf die nähere diesfallfige Unterſuchung fich einlaffen, als er nur 
im Allgemeinen obige Bedenken hat ausſprechen weisen, aber 
es auch ausſprechen zu aA: geglaubt bat. Bis bahin, mo 
wir eine auf unparteüfcger Prüfung ber Thatſachen berupende, 
und mit Unparteilichkeit geſchriebene Geſchichte Griechenlands 
unter Kapodiſtrias erhalten haben werben, wollen wir uns an 
das Wim Yalten, welches wir ums von dem Wanne, bem 98 
at, ams feinen Briefen zufammenfegen koͤnnen, und wonach er 
unleugbar ats hoͤchſt liebenswuͤrdig und achtungswerth erfdeint ; 
wir wollen es nicht verfennen, daß in den Worten bes Heraus⸗ 
gebers der vorliegenden Schrift: „Capodistrias a été me&connu 
avant d’avoir &te connu; il a étéę condamue avant d’avoir 
66 jug6 (©. xii fg.), viel Wahres liegt; und daß keine Vor⸗ 
eiligfeit im Urtbeilen über biftorifche Perfonen, wenn man nur 
feroft ein diſtoriſches Gewiſſen hat, mehr und empfindlicher fidy 
beftzaft, al& wenn biefe Perfonen auf Zeugniſſe Anberer und har 
menttieh auf Zeugniſſe aus einer Zeit fich berufen können, wo fie um 
fo weniger für verbächtig angefeben werben tönnen, und als fie 
fahr fich felbft und für ihr reines Wollen und Streben fo echtes 
gniß abtegen, wie Kapobiftrias in feiner „Corsespondance” 

x fi zeugt. Der Wann, von weichem ein Freiherr von 
@tein fo urtheilt, wie derſelbe es gethan, und ber mit jo reinen 
und frommen Gefinaungen bas große umd vielfach ſchwierige 
Werk der Befreiung Griechenlands von der Herrfchaft der Mus 
ſelmaͤnner und von ben Fallſtricken einer binterliftigen, lügen: 
haften, Eurzfichtigen Politik ergreift, wie fie Kapodiſtrias unter 
Anderm in einem Briefe an den obengenannten Stein vom 
8. Aug. 1927 ausfpricht („Die Briefe bes Freiherrn von Stein 
an den Freiheren von Gagern“, ©. 196), ein folder Mann 
kann nicht fo ohne weiteres verworfen werben, wie es gleichwol 
fo Manche in und außer G@riechenlaud, vor und nad 1831, 
auf fo unwäürbige Weile gethan haben. Die Leibenfchaften der 
Menſchen können die Geſchichte nicht machen, aber die Geſchichte 
brandmarkt das Urtheil, das die Leibenfchaften der Menſchen in 
fie fetbft, die Geſchichte, und über fie ſelbſt gebracht hat; und 
wiſſen wir denn übrigens fo genau und im Ginzelnen, welchen 
Aniheil jene Hinterliftige, Tügenbafte und kurzſichtige Politik 
an dem Fehlſchiagen der reinen Abfichten bes Präfiventen Kapo⸗ 
diſtrias für Griechenland und an dem trausigen Ausgange bes 
Mannes ſelbſt gehabt hat? Dis nachfolgende Beit mindeſtens hat 


von. gewiſſen Seiten die Politik nicht inaciq 
—æe bis auf Ku — Zeit Pe A 





Literarifche Notizen aus Kranfreid. 
Biegraphiſqhes. 


Co umenbiic ziel auch ſchon Aber bie ſranzoſiſche Revolution 
von 1789 gefchrieben if, fo Kart doch isder Tag irgend einen 
neuen Beitzag, den ber Geſchichtſchreiber Diefes wichtigen Ereig⸗ 
niffes nicht unberücfichtigt laffen darf. Außer den Memoiren 
der Zeitgenoſſen und Xugenzeugen, weiche, wenn fie wirklich wie 
bie bon Barrere, von denen ſoeben die beiden legten Bände die 
Preſſe neriafen, amthentiig find, voryäglicdes Iuterafie in As- 
fpruch nehmen, verdienen bie Biographien und Charakteriſtiken 
ſolcher Perfonen, die entweber bei jenem großen Drama felbft 
mithandeind aufgetreten find, ober die wenigſtens mit den 
Heiden der Revolution in Beruͤhrung kamen, befondere Beachtung. 
Wein fie von unterrichteter Band berühren, To Thnnen fie bie 
Stelle von Memoiren wertwien. Wir achelten jett chen eime 
ſoiche diographiſche Notiz über ben Grafen Bigot de Prdamenen, 
der während bes Kaiſerreichs Cultusminiſter war, aber ſchon feit 
dem Beginn der Revolution eine politifche Wolle geſpielt Hatte, 
und namentiich ale einer ber drei Stedacteurs des 


Barante” geleſen haben. Fayet jeans in einigen Zugen das 
Geben feines Großvaters, der feit 1769 bis gar gweitean Reiten 
ration ſtets an ben Crnatseriääften Theil genommen, Obgleich 
diefe Kleine Biographie, die mit wahrhaft kindlicher Liebe ges 
fchrieben iſt, weniger dramatiſches Intereffe in Anfpruch nebmen 
fann ats die Tebensbefchreibungen der eigentlichen Stevofutiond- 
heiben, fo swisft fie doch auf einzeine Partien ber damaligen 
eier ber Bert, das Belt ——— 
ex Verf. erhaͤltniß ber fra i 
zum päpftlichen Stuhle ſchildert. hen Sg 


Überfegung des Spinoza. 

Zaft alle jüngern Gelehrten, die fich auf dem Gchiete ber 
Philoſophie hervorgethan haben, find Schüler von Goufin, ben 
man den wahren Reflaucateur dieſer Wiffenfihaft in Jreutreich 
nennen Bann; auch H. Saiſſet, der vor karzem eine übers 
fegung ſaͤmmtlicher philoſophiſcher Werke von Spinoza hezaus- 
gegeben bat. Dieſes Unternehmen iſt um fo verdienfllicker , da 
bisher in Frankreich nur eine einzige von den Schriften der 
berühmten Denters und auf biefe nur in einer ungenägenben 
und mangelhaften Überfegung bekannt war. Goufin bat von 
diefer eren vollfiinbigen Sammlung in ber Akademie einen 
ſehr günftigen Bericht erflattet. Beſondert hebt er den Werth 
der ausführlichen Einleitung und der einzelnen Borbemerfungen 
zu jedem der eingeinen Werke hervor. Bei diefer Seteg 
jagt Coufin auch nodi: „Deutfchland iſt das einzige Band Ham 

ya, wo man eine Überfegung ber Werke a6 Opinoza 
verfucht hat, aber biefe Überfegung ift dunkler als ber Skert 
ſelbſt, und entftellt überdies den Sinn nicht felten. Eine Fran 
söfifche Üderfegung ſcheint mir allein fähig, feine Werte Alen 
zugaͤnglich zu machen, denn es iſt dad Privilegium unferer 
Spradıe, daß fie gewiſſermaßen für die metap Begrife 
eine Act von Sieb iſt, das nur Das durchläßt was wis£tich 
far und verfländig if.” Es liegt nielleicht etmas Wahres im 
biefer Behauptung, um fo mehr, ba der Say Boltaire’s „Tour 
X n'est pas clair n’est pas frangaĩs“ noch feine Geltung 
at. 2. 


Berantwostlier Herausgeber: HYeinzih Brockhaus. — Deud und Berleg von E. A. Beodhaus in Beipzis. 





277 


literariſche 


Blatter 


fr m 


Unterhaltung. 


26 . £ .J) 








Quandt und Gräfin „Hehn- Dahn. 
(Bortfehung aus Mr. 282.) 

23. Nippes von einer Reiſe nach Schweren. Bon 3. G. von 
Quanudt. Beipzig, Fe re &r.8, air. 15 Ngr. 
Sehr verſchieden von Lalins’s Schrift iſt die dei 
Hm. % Quandt; denn es Kind, nach feinen eigenen 
Worten, Alles, was er gibt, nur Eriunerungen an 
unmittsfbaus Eindrucke. Was. er wmiedertzeſchrieben, follse 
kein Daubbuch für Solche fein, weiche eine Reife aus 
treten wellen, Tondern zuruͤdgelegt haben und gern dei 
Exriehten gedenken. Bei einer Melfchsfchreibung, beſonders 
wenn fie ſich alſo ankuͤndigt, kommt mehr als bei irgend 
einer andern Schrift Alles auf des Meiſenden Subjretivi⸗ 
sit an. Desijenige, welcher und gegenwärtig von feines 
Kelle nach Schweden Nippes mitgebrache hat — Soech⸗ 
iR der Meinung, De ſchlechteſde Art von Gloſſen wären 
Diejowigen, Die fich ber eisen Namen maden ließen +, 


begeichnet In dem Vorweorte, das er. eine Vorlage nemmt, 


bie Wenigen, auf deren Aufriedenheit mit Ihm es rechne 
— wmittelbar alte auch ſich ſelbſt —, für Solche, bie 
fi gerußig in alte, fehle und wohleingerichtete Huͤuſer 
zucdckgegogem, gegen Die Welt mit Kunſt⸗ und Nas 
turprodacten · verſchangzt und das Alte liebgewonnen ha⸗ 
ben, weiül fie deſſen Gehalt erprobt, und dene man 
nicht erlauben weile zu fein, mie fie find, obwol — 
der Zufag Klicfte gefläffentlich mehr Krgerniß geben ale 
eben neth that — des meumodifchen Redner Wahl⸗ 
ſpeuch fei ‚‚i erlaube weis”, wihrend He v. Quandt 
geſteht, Heber einen Kammmerfänger ald «einen Kammer⸗ 
zebener zu. hören. Ja, er toeibe bie Keckheit fo weit, 
S. 82, wo..e über ſtockheimer Journalweſen fpeldzt, 
za fagen md drucken zu lafſen: bie Preßfreiheit wire 
wur dann puhlffig, wenn bie Journaliſten unartgeitlich 
(gratis) um ber Wahrheit willen ſchrieben, aber micht ait 
Selle Mischlinge ber Medemeinuugen. Seltſam ſei «6, daß 
die Ungufriedenen nie auf den Einfaln kaͤmen, ben Grund 
Mens Bispeeguügens in ſich ſelbſt, in ihrem Benskab, 
Wen Yirtäiihen Werhätnifien, ihern Beumögmöuiuftäns 
dan und bergieihhen zus fuchen, fondern Alb, was fie 
ber Reglerung aufwiistn. Daft 

ustogie 











11. Auguft 1848. 





mächtig ift, einen Ariſtokraten, einen Ultra, einen Gets 
feruativen fcheiten, Leicht möglich meit irgend einem ganz 
und gar umebserbietigen Werte benenmen. . Zum groͤßten 
Std fuͤr ihn ſcheint des harmisſe Bann ſich niche ſen⸗ 
derlich viel daraus zu machen; Dean gleich tm den Aen 
Zeiten raͤth er Jedem, ber fi von dem Mache midht 
möchte angefprocen fühlen, kuczwag Alles baifeite Begen 
zu laſſen. Inbeß Ref. macht es fi zur Bewiffensfache, 
zu warnen, daß man nicht durch uͤbereilte Sefolgung 
diefes Rathes ſich um die Freude bringe, die es jeder 
Gebildeten gewährt, zu leſen, was ⸗in gebildeter, mit xes 
gem Sinn für Kunft, Natur und menfchliche Verhaͤlt⸗ 
niffe begabter Mann, deſſen Ariſtokratismus ao, vder 
wie man bie von dem ſogenannten Zeitgeiſte verſchrieenſte aller 
Idioſynkraſien anders benennen möge, jedenfalls kein «in: 
geroſtetes Stebengeblichenfein ift, vom eimer sichtigen Idae 
geleitet, niedergefchrieben bat. Denn ſoll eine Meiſche⸗ 
fhreibung wirklich eine Reifebefchreibung, Peine die Wan⸗ 
derung durch) irgend ein Ausland zur Quelle ſtatiſtiſchen, 
geogtaphiſchen, eihnographiſchen oder font eines Art Wiſ 
ſens oder auch Notizenkrams machendes Lehrbuch fein, 
f6 muß fie, da nun und nimmermehe ein Object, ſendern 
nur ein diefelben auffaffendes Subject fi auf den Ellwagen 
fegen kann, auch den in dem Vorworte angeflndigten 
Ebarabter der Subjectivitaͤt haben. Alles kommt basanf 
an, wie die Subjectivitaͤt die Eindruͤcke in ſich auſgenomenen 
und biefelben ins Gpiegefbitde dem Befee gu dergegenwaͤr⸗ 
tigen gewußt hat. Ref. ſcheint dee Hr. Werf. Se ‚age 
deutete Idee einer Reiſebeſchreibung mit richtigem Sole 
ergriffen und genctid; durchgefuͤhrt zus haben. Nicht Dias, 
was uns am meiſten angefprochen. hat. (denn Foem id 
Gehalt des Buche, jene wie biefer, ‚find „mit Gleichmnaͤßig⸗ 
keit durchgefuͤhrt), ſondern fo vie, als füh in dan. mus 

Srengen mittheiten Ihe, theilen wir dem Keſer 
ats dem Buache mit, um ikea in den Stand zu Rum 
fih im voraus eine Vorftellung von bemfelben: zu bilden 
Worher wur noch folgende aligemeine Bemmstlung Alte 
Bahre erſcheinen Weiſebeſchreibungen in Mafſe und ab 
nice wel an ber Zoit, Uber dieſe sigenthlumliche Mattuung 
bee Literatur ich zu theeretiſchen Kerfichten gu erhebe, 
mach demen die Aritik jebb ſolche Schrift unter eins: 
tanute Kategorie von Meilchriehreitungen zu ſellen wer 
mabdyte, um. alodann deſte geuauer und Abtrjengenbgs auf 


die Meile nah Italien. 


ae > Br 


tee Eigenthämlichkeiten eingehen zu innen. Noch iſt 
es dahin nicht gekommen und wird auch ſchwetlich dahin 
tommen; daher, um doch wenigflens fo viel möglich ir⸗ 
gend eine allgemeinfte Anficye der Reife des Hrn. v. Quandt 
gu vermisteln, bemerkt Ref., daß, genau — — er 
zur zweil Reiſen kennt, denen er einen, Form und Stoff 
durtbdeingenden und die Production in ein Kunſtgediet 
erbebenden Werth beilegen kann. Er meint damit zu: 
naͤchſt und vor allen des jüngern Forſter Reife am Nie: 
derchein u. f. w., hiernaͤchſt Goethe’ Erinnerungen an 
Lentere find Mef. ber Typus, 
welchen er in der Quandt'ſchen Meife wiederholt finder. 
Die Reife bat Ref. zum bäufigfien an 
jenes wuͤrdigſte Vorbild erinnert, nie aber in Folge 
einer erkennbaren, folge Erinnerungen bervorzurufen abs 
ſechtlich berechneten Manier. Sedes Wort, und darin 
wird ef. jeber Lefer beiſtiimmen, iſt ber unbefangene na⸗ 
chuliche Ausdruck dee eben angeregten Stimmung. Go 
4. B. veflectiet beim Fruͤhſtuͤcke im Hotel zu Stockholm 
unfer Reifender (S. 78-79) alfo: 

Drei Biäffigkeiten bärfen bei meinem Fruͤhſtuͤck nicht fehlen: 
Kaffee, Rahm und Zinte. Alles Dies fand ich von befter Dun: 
lität in unferm Hotel und ich war an meinem eleganten Secre: 
tair de6 Morgens ganz gluͤcklich, als ich meine Neifeerinnerun: 

en zu Papier brachte, welche mir jett wie ein Herbarium vor: 
ommen. : Da liegen nun die fdyönen Blumen vor uns, obne 
Duft. Es iſt mir ein Bebaͤrfniß, mich ſchriftlich mit mir ſelbſt 
gu unterhalten und über Vieles Auffchtuß zu geben; aber das 
chriebene Wort bleibt unabändertih und barum ſtarr, indeß 
ie Erinnerung immer von neuem auflebt, taufendfältige ger 
men und die Faͤrbung des Miederfcheind dom gegenwärtigen 
Augenblick annehmen kann. Auch gleicht dos gefchriebene Wort, 
weiches den Begriff in ſich trägt, bee Mumie, in welcher nad 
de Meinung der Alten ber Geiſt bis zum Weltgericht eingeler: 
kert * Kr war einen Augenblic im Zweifel, ob ich biefe 
VDlatter dem Feuer ober meinen Freunden übergeben follte, und 
endlich fiegte die Betrachtung, daß fie Die nidye leſen werben, 
weiche keinen freundlichen Autheit an mir nehmen, einige Recenſen⸗ 
ten außgenommen, bie nur wieber von Solchen gelefen werben, 
weiche kein Buch anfeben. Das iſt der Troſt jedes Schriftftels 
ters, daß er beim Schreiben nur an feine Freunde benft und 
für diefe jede Schrift die Eigenſchaſft ſympathetiſcher Tinte hat, 
weiche, vom warmen Hauch des Mundes, frühlingsgrüne, friſche 
Unete immer von neuem wisder mt. 

‚die anderes Mal geben artige und huübſche Mäbchen, 
bie in einer Mühle dem Reifenden das Mittagsefjen darrei⸗ 
den, ihm Anlaß, ſich mit recht Logifcher Beſt immt⸗ 
heit Aber die ſpecifiſche Differenz zwiſchen der 
Anmuth ſchwediſcher und roͤmiſcher Töchter des Landes 
wutzufprechen. Auftatt aber während ber darauf folgen: 
den Fahrt durch die Schatten eines Waldes an bem mit: 
reiſenden Sohne Me Entwicklung diefer togifchen beſtimm⸗ 
am Differenz auf Sokratiſche Weiſe zu verſuchen, de ukt 
a ihr weiter nach. 
Der WMind wehte bereits Aber die Stoeppeln ber 
Gerſte, als Quandt von Dittersbach, feinem in dem 










gelegenen Landfite, abreiſte. Am foigenden Tage ließ. 


fich ven Dresden nach Leipzig „‚Tpapieren ſchießen“ zub 
baue ber Zeiten, wo eine Neiſt kein Spaß, ſendeen 


Werke derz Bankunſt, gleich age heim 
I pfung empfand. Von Magdehurg his 


eine Freube wer, ber Ruͤhrung, mit welcher bie meijner 


Gegend, durch bie man damals allmaͤlig fuhr, dea Ku 


ben Herz erfüllte, das tief bie Gegenwart der Gottheit 
in dem Dom auf der Albrechtsburg, dieſem erhahenen 
Fer Bi 
— 24). Unter’ den zahlreichen mit unferm —** das 
Dampfboot in Magdeburg befleigenden Perfonen befinde 
fi ein von ber Leipziger Meſſe heimkehrender Kaufmann, 
dem bei ber Klage, daß es dafelbft den Käufern an bar 
en Bahlungsmitteln fehle, einfällt, Vermehrung des Pa: 
piergeldes würde dem Mangel abhelfen; Quandt, in 
bie Homonyme | mit Schein 
ominds findet, fragt, was zu foldhen Operationen Xrifle: 
teles fügen würbe, der ſchon Geldgefchäfte für era 
Widernatuͤrliches hält. 

Hamburger Zuflände (vor dem Brande) treten in 
beitern und ausdrucksvoll anfprechenden Bildern vor das 
geiftige Auge des Lefers, dem fodann von Kopenhagen 
fieben Sonderbarkeiten mitgetheilt werben. Scheint nun 
fen Dr. v. Quandt feinen Scharfblid einigermaßen ange: 
ſtrengt zu haben, ums bie boͤſe Siebenzahl voll zu machen 
fo bleiben doch deei dbrig, deren jede für zwei und ein 
Drittheil Sonderbatkeit geiten kann. An der Uninerfitdt, 
fo berichtet Quandt, werden bie wiſſenſchaftlichen Ber: 
teäge, namentlich über Jutisprudenz, in einem dreilährigen 
Gurfus alfo gehalten, daß wenn z. B. im ben erſten 
Jahren die Juſtitutionen und im Dritten ber Proch ge 
(fen wird, bei keinem Profeſſor dieſe Doetrinen im 
zweiten Jahre zu hoͤren ſind. Ferner: Königs Neu⸗ 
mark war zu flach, um das Waſſer gehoͤrtg abfal: 
Ion zu machen. Man erhöhte Darum ihn von ann 
nach innen, bemerkte aber mach einiger Zeit, alle 
fortfahrend würde man Kinig Ehriftiew's V. Denkmal 
zum Theil verfchütten. Anſtatt die Bitbfäule höher zu 
ſtellen, fchaffte man die Auffuͤllung wieber hinweg. Drit 
Sonderbarkeit: wird im Theater, wo uͤbrigens der Preit 
ber Abonnementspläge anf dems Wege der Auctien feige 
ſtellt wird, ein neues Stud zum drittenmale voleberhelt, 
fo entſteht nad) dem vortetzten Acte, während einer Pauft 
von fünf Minuten, furchtbarer Laͤrm von Klatſchen und 
Pfeifen. Ein Giedenfchlag macht dem Spectakel ein 
Ende. Ye nachdem das Klatſchen oder Pfeifen fih de 
bei am fidekfien bethaͤtigt bat, wird des Grhd m 
Ende geipielt oder wiederholt, bleibt es anf dem Re 
toire oder verſchwindet es von diefem. Bei Erwaͤhnung 
des koͤniglichen Luſtſchloſſes Sorgenfzei gedenkt Quandt 
eines die freundliche Popularität des jetzigen Könige (dia 
begeichnenden Zuge. Gin Fleiſcher, der die Reiſe von Kid 
nach Kopenhagen mitmachte, erklaͤrte, feine Abſicht fd, 
den König zu ſprechen und erwiderte auf die Bremer: 
kung, dieſer fel nicht in der Reſidenz: „Das chat nichts 
id) gehe gu ihm nach Sorgenfrek” Die beſtellie Jagd 
und den ganjen ihn zu biefer begleitenden Hofftaat bat 
ber König matten laſſen, um, wie.ein auderer Mitreiſen⸗ 
bes erzählte, über feine, des bittenb. Erſchienenen Ange 
legenheiten ſich anf. das gemausfbe zu erlumnbigen: 





(8.85 43), 


Wir theilen eine Stelle woͤrtkich mit (S. 20): 








obwel ich recht gut wußte, daß dieſes Gebäude mit Ausnahme 
eines ſeht alten viereckigen Thurmes erſt um das Jahr 1574 
erbant wurde, und bie Geſchichte des Hamlet ein Märchen iſt, 
fo vermandelte doch meine Phantafte dieſes Schloß zum Schaus 


u jener ntaftifhen und ſchwermuͤthigen Tragoͤdie; ber 
Geiſt des 196 ſchritt auf ben Waͤllen am Meer für mid 
ſichtbar vorüber. Ebenſo wenig Eönnte Iemand mir wehren, 


waf die Kuinen von Belfingborg den treuen König von Thute 
zu ſtellen, denn ohne Grenzftreitigleiten zu befommen, bürfte 
ih aur fein Reich aus bem hohen Rorben bis an ben Sund 
ansbehnm, und wahrfcheinlich ſogar befpiiten die Wellen da⸗ 
mals bie hohen Ufer, daß er vom Schloſſe den Becher in das 
rer werfen Tonnte, denn nad den alten Ringen zu urtheilen, 
melde an mehren Orten in den Felſen am @eftabe ber OÖftfee 
zum Anhängen der Schiffe befeftigt find, trat die Flut feit 
vielen Jahrhunderten weit zurüd. Ron ber Mitte bes Sunbes 
kann man beide Ufer fehr deutlich fehen, und wie Helfingör im⸗ 
mer tiefer hinabſank, leg Oetfingborg mit feiner ehrwürbigen 
alten Kisde und den Zrümmern eines Thurmes, ber über der 
Otabt auf einer Anhöhe liegt, vor uns aus der Flut empor. 
Über die eigenthümliche Art des Reiſens mit ſchwe⸗ 
diſchen Paftpferden find Bemerkungen, die einem künf: 
tig eben dahin Meifenden von praktiſcher Wichtigkeit fein 
tinnen. Auf der Fahrt von Engelholm nach Holmflabt 
erinnert der Anblick der Gegend unfern Reiſenden an 
Everdingen’S poetifhe Landſchaften. Ref. Meinung ſpricht 
ibm die fhöne Babe zu, auf befcheidenite Welfe die Er⸗ 
innerung am Naturſcenen fo wiederzugeben, daß er, mehr 
den Eindruck von dem Geſchehenen zuruͤckrufend als dafs 
felbe zu beſchteiben verfuchend, dennoch in des Leſers 
Phantaſie bedeutende und erfreuliche Bilder hervorruft. 
Wenigſtens glaubt Nef., dab man nur Dahl'ſche Landſchaf⸗ 
ten braucht gefehen zu haben, um durch folgende ſchlichte 
Worte ſich wahrhaft. angefprochen zu fühlen (S. 30): 
Unmeit Laholm führt eine fteinerne und ſchmale Bruͤcke 
in hohem Botenſchwunge über einen reißenden, ſtarken Bach 
(Lags), der braufend über Steine ſich hinſtuͤrzt und die Räder 
einer verfallenen Mühle in raſchem Umſchwung erhält. Ich 
toante mich an dieſem Bitde nicht fatt feben, welchem ein Ma⸗ 
ler wie Everbingen zu wuͤnſchen wäre. Zwar ficht das Waffer 
braͤralich aus, weil es aus Moorgegenden kommt, ift aber bas 
bei fo durchſichtig, daß man jeben Stein in ber Tiefe des felfls 
gen Flußbetts erkennen kann. Unſer Reifebiener fanb meine 
Frende über dieſen Fluß darum fehr paflend, weit in bemfelben 
bie beten Lachſe in ganz Schweden gefangen werben, weiche in 
der dabei Liegenben Mühle zu haben find. 
In ähnlichen aber groͤßerm Stile tft über bie be: 
chhmten Waſſerfaͤlle bei Trollhaͤtta gefprochen (S. 47): 
Bei dem obern Kalle, der nur 25 Fuß hoch iſt, eilte ich 
‚um niit die Überrofiung gu ſchwaͤchen, weiche ber 
er unten tiegenbe Sturz beim n Anblick hervorbringt. 
Selfeninfel, mit duͤrftigen Fichten bewachſen, die ſich angſt⸗ 
ih an das Geſtein mit ihren Wurzeln anklammern, ſboellt fi 
ver wilden Gothacif entgegen und theilt ihre grünen Fluten, bie 
* e MRADIen ga unb bier tritt {6 Vene andere 
tiefer I en zu un m eine anbere 
— Fapnee einen Dt —* die Gdthaelf zum 
I) a en one 


Ei 


gebäl in Na Son —* taucht 6 oft hoch 
ſehnen n auf, w w Schieiern 

ſchwebt und wogt uͤber die Feiſen weit — un. 
@ ne die Beſchrelbung der Lage von Lila Eder 


1 
® 


Kleebau bier im hohen Norden erinnert ihn an bie 
Wohlthaten, welche Schubart von Kieefeld fo weit ver⸗ 
breitet hat, und Quandt kann nicht recht begreifen, 
warum man die Nachkommen biefes Mannes in uns 
verfchuldeter Durftigkeit ſchmachten laͤßt, indeß die Leips 
ziger Okonomen dem großen Thaer, wie er genannt weich, 
beffen Wirthſchaftsſpſtem nur auf einen fehr Beinen Thei 
von Europa anwendbar fein möchte, ein prächtiges Denk 
mal zu errichten gedenfen. 

(Die Bortfehung folgt. 





Die dramatifche Eiteratur in England und Deutfchland. 

Deutichland und England theilen das Schickſal einer ume 
(ebendigen dramatifchen Literatur. „In unferm Lande‘, fagt ein 
englifcher Schriftfteller, „hat in den letzten 15 Jahren ber bras 
matifche Geiſt ſich in einer Weiſe offenbart, welche in der Ger 


ſchichte des Dramas aller Nationen ohne Beifpiel if. In früs 


bern Zeiten kam es oft vor, daß Schaufpiele, die man auf 
ber Bühne gefehen, nie gedruckt wurben, aber wir haben eine 
bedeutende Menge Schaufpiele in der letzten Zeit erhalten, bie 
gebrucdt und herausgegeben, aber niemals aufgeführt worden 
find. Keins dieſer unaufgeführten Dramen hat Abſat gefunden 
oder iſt audy nur, wenige Ausnahmen abgerechnet, von der per 
riodiſchen Preſſe fonderlich beachtet worben: wie verführerifch 
muß bie Gattung fein, daß fie dennoch unabläffig angebaut wirde 
Unter ben Literaten iſt augenfcheinlich ein Lebhafter Trieb vors 
handen, fih dem Drama zu widmen; allein wie felten wirb 
ein neues Drama höbern Ranges in Scene gefegt! Zwei bis 
brei im Laufe einer Saifon, bas tft das Außerfte, was vorkommt, 
und dieſe erfcheinen felten wieber, wenn biefe Saiſon vorkber 
it. Man hatte eine ſchlechte Wahl getroffens was fidy ben 
wenigften Erfolg verſprechen burfte, hatte man für vielverfpres 
hend genommen. Wie wenige Verfafler erhalten eine aulung: 


| Mit etwa vier Namen ift ber ganze Reigen voll. Und es i 


kaum ein Dichter, ber nicht für die Buͤhne zu arbeiten verfudgt - 
hätte, ungeachtet ſich ihm bie Bühne nicht dffnete. 

dieſer Staͤcke ſind Treitich ohne alles Geſchick für 

ion gemacht, find effectlos und unſceniſch. Aber ink 

per " ie teiettic rg die — gelangen, beſſer? ‚Dee 

p Ber nen Birkung; 

«ber man gewahrt nur zu leicht, wie eier Naturlich 















beum , Kımı und Erfa hil 
ran —— ae yn —— — kiſte —2* ßiger 
Stuͤcke, unverhoffter Fiasken und Wezuer Bertufte.” 


Man hat es uns in Da zum wies 
derhoit, daß die dramatiſche Poeſie bei uns nicht gedeihen koͤnne, 
weil e6 uns an politifhem Leben fehle. gland hat an por 


den leidigen Beitgeift ſchob. Der inbuftrielle @eift, die Unruhe, 
te Gewinnſucht, diefe ſolſen die Dämonen fein, welche Luft und 
Geſchmack für dramatiſche Erzeugniffe verfcheudhen. Nun ja! 
irgendwo muß die Urfache liegen. Aber wo? In den Dampfs 
maſchinen und Eifenbahnen Liegt fie unferer Meinung nach nicht. 
Denn befucht genug find die Theater. An Luft, fi da zu em 
holen, zu erfreuen, zu erquiden, fehlt es im Allgemeinen nicht. 
Auf der andern Seite find Kräfte genug bereit, ſich dem Dienft 
der Bühne zu weihen. Warum follte fich nit der Geſchmack 
des theaterbeſuchenden PYublicums bilden, heben, firiren laflen ? 
Es wäre nur nöthig, baß die reiten Kräfte zu diefem Ende 
Sifammenmirkten. Und w 
T. 


Der Schriftſteller, deſſen Bemerkungen -über den Zuſtand 
der engliſchen Buͤhne und dramatiſchen Production wir oben 
mitthellten, hat ebenfalls verſucht, dem übel auf ben Grund 
zu dringen. „Unter vielen aͤußern Urſachen“, ſagt er, „find 
«8 zwei vornehmlich, bie ‚ich einer neuen, friſchen Entwidelung 

ah entgegenfteen, eine innere unb eine dußexe, bie eine 
hetifcher Natur, bie andere durch bie Macht der Verhaͤltniſſe 
herbeigeführt. Die erſtere ift: der unwandelbare Hang, Reas 
litäten an bie Stelle ber poetifchen Illuſionen zu fegenz die ans 
bere ifl: das Monopol. Die erftere macht es zu einem Rieſen⸗ 
unternehmen, unb daher zu einer ernfihaften 
tion, ein fünfaktiges Schaufpiel in Scene zu fegen. Die an» 
deve Sept Shakfpeare und bie Probuctionen hödkfien Ranges in 
ken Alleinbefit ber bevorrechteten Bühne, während auf ben klei⸗ 
nern Theatern und in ben Salons ber Tavernen ber Geſchmack 
des Publicums mit den elendeften Machwerken verberbt wirb, 
macht einen ehrlichen Wettlampf ber probucivenden Kräfte uns 
lich und etablirt einen Despetidmus bex Unternehmer und 
aufpieler über alle probuctiven Talente. Das Monopol, 
ſches ber großen Mehrzahl der Theater bad Recht vaubt, bie 
been Scaufpiele, die fie erhalten koͤnnen, anzunehmen und auf⸗ 
zufuͤhren, Lönnte fo leicht abgefchafft werben, wean ein Par⸗ 
Ismenssmitglieh den Antrag fiellte. Lord Lyndhurſt hatte einen 
laichen Antrag in der That angekündigt, als er plöglich in das 
Gabinet berufen wurde und fo die Sache 


zur Sprache, man erwartete einen Antrag, aber es iſt nichts 
weiter erfolgt. 

Die Anwenbung hiefer Bemerkungen auf unlere deutfchen 
Abeaterverhaͤltniſſe iſt Leit, und ‚wir glauben, daß fie nicht 
ohne Mugen gemacht werben könnte. 48. 


Nordamerikaniſche Miscellen. 


(Husyhee ans den Öffmiiiken Wlättern des Mereinigten Gtagten 
vom Jahre 1B42.) 


Der euftſchiffer I. Wife hat neutich feine zweite biesjähe | 
ben Derauss 


Suftreife vollendet, welche er in einem an 
United States Gazette” iben alfo 
befgesist: „Wellefonte, am 17. Mai 1842, MWorigen Biennabend 
dub ich ben gutem Binwognern biefes  Stäbtikene Gelegenheit, 


eine Suftfäßet 
aty eine ſolche Hiapmelfahrt 


nur Bahn gebrochen, fo ginge es | 


falen Ueß; neuerlich, | 
nad) vor wenigen Wonaten, brachte Losd Mahon dieſelbe Bade | 


Der Gongreß bat dem Geber feinen a dieſes 1 
5 und daſſelde in der Bibliothek des Sapitols aufhan 
en. 


Kamm in der geleh 4 t hat, 
** old Profeſſor bes Mathematik bei der 
wor 





nab bie Ginmoßner bakken 

verfammelt, um dieſem Schauſpiele beisumohnen. mn ur 
Nachmittags flieg der Ballon während einer voilkomn 
Windflile empor und 30 Minuten darauf flellte fi eine Aus⸗ 
ſicht dar, wie man fie fi nicht ſchoͤner wänfden kann. Die 
endlofe Kette bed Alleghanygebirgs mit allen feinen Nebenzweigen 
gab, von oben herab betrachtet, der Gegend sin einziges und 

oßartiges Anfehen. Die zahlreichen Drtfchaften in ben Thaͤlern 

en aus wie Häuschen in einem unermeßlidhen Luflgarten. 
Große Rauchſaͤulen brangen aus ben vielen Eiſenwerken in Gentee 
Sounty „gern und belebten die Lanbfchaft. lngendhtet dies 
meine 34. Luftzeife war, fo muß body geſtehen, daß diefe 
mir eine der angenehmſten und intereffanteflen war. SEs wäre 


Seit onymlnhen. 
e 


an, unmöglich, eine ber Wahrheit nur annähernbe ilbezung 
* praͤchtigen Anblicks geben, den die me ge⸗ 
waͤhrte. n ber Reiſende auf der Erde der Luftſchiffer 


verwandelte fi i 
—2 


nur mit 


Be een ae Bi Ma ne be Brut 
vöLg dom biefer Thakfadhe überzeugt.” fon boben mich 


Die Hydropathie ober Wafferheillunde hat auch in 
Rordamerika Cingang gefunden und befonders find es De } 
die ſich hier mit Diefem SGeitvorfahren Gefdhäftigen, aber dabei 
nicht felten gegen bie beuufchenben Bonuztbeile zu impfen ‚Haben. 
Im Staate Reuvork erifirt bereits sine Waſſerheilantalt unter 
ber Leitung des Dr. Richter und auch in Philadelphia bei ein 


der, Dr. Karl Reifesing, ſchon Länger als rin Jahr bisfe 


—ã— mit beſtem Grfolge angewendet, woräbee 
up 


Hr. Arthur Middieton hat dem Gongerh zu Mafhington ein 
ſchenk gewacht, weiches nady 


Bildniß von Colombo un Ge 


einem in Spanien befizdlicgen Driging! 


Hr. Apequin, ein Ghemiter franıdfi 


gepreßten Auderzohre cin ausge 
e 
denkt, die Sache im Gpgßen 


— — — — 


Hr. Eaph, der ſich darch feine Theerie ber Strnt sine 
. a nn 


gen Melt gamach 


VDerantwortlicher Herausgeber: Heinrih Brochaus. — Drad und Beriag von B. . Droed aus in Beipgiä. 


hlende Zeugniſſe aufweiſen kann. Zeuguniſſe, daß * * 
erſten deutſche 


‚ges 


[dee Abkunft, in eur 
} DOxleane, hat die Entbedung 1618 Inh aus 
t qut 
bereiten laͤßt. Gr bat Hereits ein Patent —* 
ya beizeiben. 


| 


Blätter 


für 


literarifde Unterhaltung 





Sonnabend, 





(Sortfefung aus Nr. 222.) 


Bon fehe finnigen Bemerkungen über die Naturum⸗ 
gebungen bei Bothenburg nimmt Dr. v. Quandt Gelegenheit, 
gegen die Nachtheile zu fprechen, die atıch bier in Schweden 
aus ber Bewirtbfchaftung des unter viele kleine Beſitzer zers 
fplitterten Bodens entfliehen. Dbfchon.ber Art Bemerkungen 
nicht nen find und dies Thema ſchon vielfach befprochen 
worden ift, fo macht doch das Beherzigungsmwerthe des Ges 
genflandes es erfreulich, wenn andermweit eines Einſichts⸗ 
vollen Stimme fich darüber mit dem überzeugenden Nach⸗ 
drude verbreitet, der überall aus eigener klarer Selbſt⸗ 
uͤberzeugung hervorgeht. 

Don Gothenburg bis Stodholm. (S. 43 — 71): 
Dis Schloß und die alte Kirche zu Drebro, in rel: 
dem Engelbrecht’6 Grab nicht mehr zu finden, ver: 
anlaffen, von dieſem als ſchwediſchem Volkshaͤuptling 
und feinen Kämpfen gegen Erik von Dänemark zu be 
richten, was natärlich dem in der Geſchichte Bewanderten 
nichts Neues, aber zu leſen auch diefem angenehm fein 
muß, weil es in einfach wuͤrdiger Schreibart die Erimme: 
ung an eine der bedeutendften Perſoͤnlichkeiten der Altern 
Geſchichte Schwedens erneuert. ©. 63 findet ſich eine 
Stelle, die den Lefer auf Koſten des Verf. erheitert, der 
ih bier, ohne allen ausreichenden Grund, einer fentimen- 
taten Wehmuth hingibt, die fonft eben nicht feine Stärke 
oder vielmehr Schwäche zu fein pflegt. Einem Hirten: 
Enaben, an dem er vorlberfährt, kauft er ein Bodshorn 
ab, deſſen helfe weit durch das Feld erfchallende Töne ſchon 
von fernber waren vernommen worden. Obſchon ber 
Empfang ded Geldes ben Knaben „erfreut, als habe er 
ein großes Loos gewonnen”, reut doch der Handel unfern 
Rafmden, weil er, der jelbft dem Snftrumente keinen 
Zen abzugewinnen vermag „dem armen ungen feine 
greude abgefauft hat”. Wer möchte zweifeln, daß der 
Knabe fhon in den nächften Tagen wieder im Beſitz ei: 
us Bodshorn® werde gemwefen fein und damit anberweit 
mpleich gutem Geſchaͤfte bereit gewefen wäre? S. 65—70 
Irit Quandt über den Dom in Wefteräs, mie er 
dena überhaupt große Aufmerkſamkeit den Architekturen 
ven Shöffern und Domen ſchenkt. Schr angezogen 


heilig und zur Regel zu machen. 
nerungen, infonderheit an Guſtav Waſa, die bier den 
Leſern vorübergeführt werden, find in bem naͤmlichen 





12. Auguft 1843. 





bat Ref., was wir &. 72 — 77 über das Schloß in 
Stockholm, „dieſes Pracht: und Muftergebäude”, und befs 
fen Umgebungen leſen. Der dahinter liegende Stadttheil 
Suͤderholm erinnerte Quandt fo lebhaft an Neapel, 
daß er Sta : Lucla und Pizzi Falcone zu fehen glaube. 
S. 78—88 über „Rand und Leute” und „Die Dalekar⸗ 
lier in Stodholm”. S. 93 — 96: „Die Zaglioni in 
Stodholm”. Hr. v. Quandt ſah fie in dem nämlichen Thea⸗ 


ter, wo 1792 Guſtav III. ermordet wurde (&. 96): 


Diefer Gedanke, daß in bemfelben Locale, in weichen fich 
bie ſchoͤne Welt Stockholms jegt amuſirt, ein Königs» und Men⸗ 
chelmord verübt wurde, verließ mich feinen Augenblid. Ich 
möchte fagen, daß mir dadurch bie Taglioni wie ein berculants 
ſches Wandgemätde erſchien — eine Zänzerin in den heiterften 
Barben auf ſchwarzem Grunde. 

S. 96— 105: Upfala und bei Alt: Upfala „bie Graͤ⸗ 
ber der Könige — Goͤtter — ”, waren das Ziel der Reife 
und vorzüglih der Dom hatte Quandt nach Upfala 
gezogen. Sin vielfacher Hinfiche ift, was S. 107 — 133 
der Verf. in Erinnerung an diefen „‚meifterhaften Bau” 
niebergefchieben, fehr anziehend. Unter Anderm fpricht er 


gegen die Maß⸗, Zahlen: und Formenmyſtik und Sym⸗ 
bolik, gegen die Maß = und Zahlenhieroglyphik, welche 


fo viele der neuern Beſchauer in den Werken ber mittels 
afterfichen deutfchen Baukunſt erbliden. Hier wirft unter 
Anderm Hr. v. Quandt bie Frage auf, ob die Baumei⸗ 
fir, wenn duch die finnlide Wahrnehmung der von 
ihnen beobachteten Maßverhätmifie jene Acht⸗, Sieben⸗, 
Sche:, Fünf: und Bierede eine ganz andere Wirkung 
auf das Gemuͤth machten, als fie der eigentlichen geiſti⸗ 
gen Weihe und Bellimmung des Baus nach hervor⸗ 
bringen follten, ob al&dann wol die Baumeiſter folche: 
Maße und Formen wegen ihrer Ausbildung hätten waͤh⸗ 
len innen? und erklärt fih der Meinung, man hätte 
den Proportionalmaßen ſchoͤner Grundformen bogmatifche 
Bedeutungen angehangen, um fie den Schülern und Sols 
hen, welchen «6 an Sinn für Ebenmaß fehle, wichtig, 
Die Hifkorifchen Erin⸗ 


Stite wie bie zu Engelbrecht’8 in Örebro nicht aufzus 
finden gewefenen Grabe gehalten. Die Gemälde, bie im 


Dome fi) auf die Reformation und Guſtav's freiwillige 


Abtretung ber Regierung an Erich IV. beziehen, veran⸗ 


we: 


laſſen den Verf. Folgendes (S. 123) über Hiſtorienmalerei 
zu fagen: 


Der Hiftorienmaler dat immer einen Entſchluß zu fallen, | 


ob er die öeſchichte als thatfächlicye Begebenheit, oder epifch 
darftellen will. In Falle muß ihm an beſtimmter, ins 
bidföneller Tharakterifit ber Perſonen und der Zeit, alſo an 
Partraitähalichlet und Deobachtung bes Moftume und Allem, 
was ein Bergangenes dem Beſchauer fehildern Tann, gelegen 
fein, jedoch wird dabei immer eine Bekanntſchaft mit ber Ges 
ſchichte vorausgefegt werben müflen, wenn bas Bild verſtanden 
werben fol. Anders ift es bei ber epiſchen ‚Diftorienmalerei. 
Der bargeftellte Heid iſt nur Träger einer Idee, Eymbol eines Au⸗ 
gemeinen, mas von jebem Menſchen ohne Erklärung verflanden wird. 
Wer an Das glaubt, was Quandt hier epiſche His 
ei nennt, ber muß auch glauben, daß, wenn 
einem kunſtſinnigen Athenienfer in des Perikles Tagen 
darch Zauberei eine Flucht nach Ägypten wäre in einem 
mittelalterlichen Gemälde vorgehalten worden, er davon 
ſich auf befriedigende Weife angefprochen gefühlt Haben wärbe. 
Richt fcheint Quandt's Meinung haltbar nad) Ariftoteles, 
welcher im vierten Gapitel der „Poetik“ das Vergnügen 
bei Betrachtung von Bildniffen auf das Erkennen. der 
abgebildsten (wirklichen oder angenommenen, wie 5 B. 
der Bötter und Heroen) Perſoͤnlichkeiten zurüdführt. 
Eine Meile von dem in einer unabfehbaren Ebene 
liegenden Alt⸗ Upfala wurden in alten Zeiten die Volksver⸗ 
fammiungen auf der Moraheide gehalten. In der Nähe 
erheben fich vier Hügel, von welchen brei fo beifanmen 
liegen, daß fie einen In die Länge gezogenen nicht fehr 
hohen Berg ausmachen. Der einzelne Hügel iſt nad 
ben aus ihm hervorragenben Steinen von Natur ent: 
ſtanden. 
Upſala find die Graͤber der Goͤtter; unter dem einen ſoll 
rei, Odin's Enkel, mit feinen Schägen ruhen, der mit: 
telfte ein. Heiligthum ber Gerechtigkeit (Ting) fein. Der 
dritte Huͤgel wird nach dem Gotte Thor benannt, dem, 
was jedoch die Beſchaffenheit des Hügeld nicht glaublich 
macht, bier vielleicht ein Tempel errichtete war. Zum 
Verftändnig Deffen, was mit den Gräbern ber Götter 
gemeint fei, geht Quandt auf bie Naturphilofophie der 
Edda ein. Auch was er hierüber fagt wird man gedans 
kenreich und anregend finden. Die Ruͤckkehr nad Stock⸗ 
holm und von da der Heimweg machen den andern Ab⸗ 
ſchnitt der Reiſe aus, deren Beſchreibung inſofern eine 
geſteigerte Bedeutſamkeit erhaͤlt, als Quandt erſt jetzt 
auch den Sammlungen und Kunſtwerken, die Stockholm 
und die Richtung des Heimweges ihm zu betrachten ver⸗ 
ſtatteten, ſeine Aufmerkſamkeit ſchenkt und nunmehr viel⸗ 
fach auf dem Gebiete ſich ergeht, das ſeine eigentliche 
Domaine iſt. Moͤgen von jetzt an die Leſer d. Bl. ſelbſt 
und allein den Reiſenden bis dahin begleiten, wo er, 
wenn ſeine Berichte an Trockenheit litten, Alles mit dem 
Ende gut machen würde, das er die Reife und deren 
weitere Befchreibung unter einer Dachtraufe nehmen läßt. 
(Der Beſchlus folgt.) 








giterarifhes aus Paris. 
Unter dem Zitel „Mirabeau et l’Assemblde constituante‘' 
tt vor kurzem ein Grgänzungsband zu I. Droz' „Histoire du 


Die drei bei der uralten Kiche von Alt⸗ 


regne de Louis XVI erſ Die heraus guͤnſtige 
nahme der erften beiden —*X Geſchichte dr den Ber 


halt den beiden vorausgehenden nicht nachfteht und die Geſchichte 
ber Gonflituirenden Berfammlung enthält. I. Drcz, Mitglich 
ie und Fest Weäfibegt auf Guizot's 
32 neugegründeten fünften Glaffe des Ins 
ſtituts, der Acad&mie des sciences morales et politiques, hat 
Mancherlei geſchrieben. In feinem erflen, zu Anfang biefes 
Jahrhunderts herausgelommenen und feitbem oft aufgelegten 
Bude „Essai sur l’art d’dire beureux‘' war er durchaus Ger- 
ſualiſt und Eptturder und hat ſich erſt alUmaͤlig zu einer etwas 
gerkinigtern Auffaffungs» und Anfchauungsweife erhoben. Gr 
it ein Phitofoph in der Weiſe der Weltleute, dabei Moralift, 
mibhr ein eleganter Literator als ein Denker, und bat im Gans 
sen recht vernünftige Anſichten. Ohne mit ben \ 
been ganz gebrochen zu haben, veredelt er fie. Das Schöne 
it ipm in feinem „Kssai sur lo beau dans les arts” ; 
das Rügliche, was einem zunächft fuͤrchterlich Elingt und Schrecken 
einjagt; aber Droz verfeinert bie Vorftellung des Nuͤtlichen fo 
lange, bis etwas gang Beibtiches und von Volney's oder Ben: 
tham's Begriffen ganz Verſchiedenes herausfommt. So tft auch 
die Morat in feinem Werke „De la philosophie morale on des 
difiörents systemes sur la science de la vie” ein Eudaͤmonis⸗ 
mus; der Gigennug fledt babinter; wir thun bas Gute, um 
gluͤcklich zu werden; aber man fürchte wieder nicht, daß er zu 
Holbach's ober Helvetius‘ Reſultaten komme. Dazu ift Drop 
su ſehr nelox ayador. Im Grunde fleht er noch etwas 
als die meiften Theologen, weiche für das Gute viel flärkere 
Impulſe in Bewegung jegen als Droz, die Himmelsfreud und 
das Höllenleid, und welche Gpinoza’s großes Wort: Virtus 
virtutis praemium, für toll halten. Auch in der Schrift 
„Application de la morale & la politique” behauptet Droz 
den Gtanbpunft eines im obigen Sinne moralifirenden Autors, 
und wenn biefe Schrift, im Ganzen betrachtet, eben nicht viel 
befagen will, fo enthält fie im Ginzelnen bie beften Lehren und, 
bei fehr viel Trivialem und Gemeinplägigem, durchaus vernuͤnf⸗ 
tige, aus ſchmerzlichen Grfabrungen der Geſchichte abgelcitete 
Grundfäge. Was nun Drog' „Histoire de Louis XVL be: 
trifft, fo iſt dieſelbe in monarchifch s conflitutionneller Gefinnung, 
in der Denkart ber Neder, Mounier, Molouet abgefaßt und 
bietet eine überaus lehrreiche und unterhaltende Lecture. Drop 
ift zwar weber tief noch geiftreih genug, um eine genügende 
Geſchichte der Revolution zu ſchreiben, zum Sluͤck aber bekennt 
er fih zu einer potitifchen ng, weiche wenigfiens ber 
Wahrheit und Bernunft nicht gerade ins Angeficht fehlägt, wie 
er denn auch perſoͤnlich ein braver, wohlgefinnter Mann ift. 
Seine pragmatifchen Reflexionen find freilich befchränkt, und er 
benft ganz ernfthaft, daß das Häthfel, weldyes die Sphinx ber 
Zeit dem Könige von Frankreich und feinem Wolle aufgegeben, 
auf frieblihem Wege hätte gelöft, daß die Revolution 17 und 
1790 noch hätte vermieden werben ober wenigftens einen ganz 
andern Sharakter erhalten können als ben, der fie zum Fiuche 
und Abfcheu der Mits und Rachmwelt machen follte; aber er 
ſteht doch auf einem Punkte, wo er weder dem Royalismus 
noch der Revolution abſichtlich unrecht than will und flrebt in 
feiner Art nach lobenswerther Unparteilichkeit und Genauigkeit, 
ohne tarum body bie höhere Wahrheit zu erreichen, weiche auf 
dem Standpunkte des wohlgefinnten Mannes nicht zu finden ift. 
Bon biefem Geſichtspunkte aus prüft nun Droz in dem eben 
berausgelommenen britten Bande die Bandlungen der Conſti⸗ 
tuirenden Berfammlung und fchließt aus bem bamaligen Stande 
dee Parteien und dem gewiffermaßen magnetifchen Einfluß Mi— 


rabeau's auf die Beſchluͤſſe der Majorität, dag Ludwig XVI. 


an dem großen Redner für fich und feinen Thron eine fefte 
Stuͤtze gehabt haben wuͤrde, wenn nicht ein neidiſches Eee | 
ihm dieſen mächtigen Bundesgenoflen durch zu frühen Tod entriffen 
hätte. Übrigens läßt der Verf. biefe unhaltbare Meinung nicht 
ohne Einſchraͤnkung gelten. Daß Mirabeau’s Reben wunderbar 











ultrifiuenb vad Domsinirenb auf: bie "Mätionaiusrfommfktg ge⸗ 
witt, darin AMumen alle Memolren und fonftige e der 
überein; aber die Poputaritäe Mirabeau’s, wiewol 

den legten feinem Tode dios einize Tage voraufgehenden, 
redaeriſchen Ariumph von neuem gehoben, hatte doch bereite 
mehr alt einen empfindtichen Stoß erlitten und hätte das oͤf⸗ 
fenttihe Bekanntwerden feiner gomvernementalen Abfichten nicht 
überiebt. Durch feinen liberteitt zur Regierung waͤre der tehte 
arme Reft von Bertrauen vor ber Öffentlichen Meinung unwider⸗ 
beinglig verloren gegangen, und von ber Stunde an, wo er 
ein mmen, wäre er in den Augen bes Bolks 
keinen Schuß Pulver mehr werth geweien, und bei Hofe zwar 
zu Macht, aber nicht zu Anfehen gelangt. Ohnehin traute 
ihm weder das Wolf, noch ber ig, bem er fi} anbot, ber 
aber nur zoͤgernd und widerſtrebend auf feine Anträge einging. 
Micheon, der König der Halle, wie ihn ber Graf de 
Naiſtre in feinen ‚‚Bolrses de Saint - Petersbourg’‘: verächtlic 
nennt, hatte Diele Feinde und Bewunderer, aber wenig Kreunde 
und Anbängers er riß zu Haß und Entbuflasnus bin, fiößte 
aber keine Hochachtung und Werehrung ein, ohne welche der 
Einfluß eines Gtaatemanns nur erzwungen und vorübergehend 
WM. Gelb den entgegengefekten Fall angenommen, wäre der 
Erfolg feines Unternehmens immer noch böchft zweifelhaft ges 
wein. Daß der Hof auf feine Borfchiäge einging, beweift 
durchaus nicht deſſen aufrichtige Sinnesaͤnderung. Da man in 
gutem Rechte zu fein und nur verbrecherifcher übermacht nach⸗ 
yageben glaubte, fo hielt man das unrebliche Spiel für erlaubt, 
in welchem man ben Bolksredner unpopulair zu madhen und 
der Öffentiichen Meinung gegenüber fo ſehr zu compromittiren 
ſachte, daß ex hinfort willenlofes Inſtrument bätte bleiben müfs 
fen, oder im WBeigerungsfalle bei erſter Gelegenheit als ein Paar 
verſchlißene Schuhe weggeworfen werben können: Die ſchlimm⸗ 
ſten Beinde hatte Ludwig XVI. nicht an den Demokraten ber 
Rationalberſammlung, fondern an feinen eigenen unb feiner 
Teeunde Ideen über Gouverainetät. Wer mag dem Könige, in 
feiner age, einen Vorwurf machen? Als Bater, Gatte und 
Regent er fi von allen Banden des häuslichen und oͤf⸗ 
fentlichen Lebens fe umfiridt. Er war im Glauben aufge 
wachſen und erzogen, ein Monarch beſitze fein Reich, wie ein 
Privatmann Haus umd Hof, und nichts koͤnne ihn vermögen, 
gegen feine Einficht und feinen Willen irgend eine Veränderung 
mit bemfelben vorzunehmen. Ludwig XVI. benahm fi, wie 
es ife von ihm zu erwarten war. @r konnte ſich 
wicht in die Neuerung finden, die allen feinen Gefühlen und 
Begriffen, feiner ganzen Erziehung und Angewöhnung, allen 
iſſen, in denen er gelebt, aufs greüfte wiberfprach. 

Mufte er nicht die Ehre und Pflicht des Waters und Königs 
darin finden, feinen Rachlommen das Reich ungefchmätert zu 
biatertaffen, wie er es von feinen Borfahren empfangen hatte? 
Es war ein ihm anvertrautes But, das er zu bewahren hatte. 
In demſelben inne ſprach und handelte ber größte Theil des 
As und ber Weifttichkeit. Sie, die mit dem Königthum 
Jabrhunderte hindurch ben langen Weg der befreundeten Nähe 
jurüdgelegt, follten im Augenblide der Gefahr und Roth fi 
trennen! GSleiche Vortheile flößten ihnen gleiche Gefinnungen und 
Grundfäge ein. So hoch auch der König Über den Herzoͤgen, 
Grafen unb Erzbiſchoͤfen ftand, fie flanden ihm doch näher als 
das Bolt, und waren alle in bem gleichen Kalle, ihren Reich⸗ 
tkum, ihre Macht und ihren Einfluß auf Koften des dritten 
Standes, oft bid zur höchften Ungebühr, vergrößert zu haben. 
Et gehörte kein gewöhnlicher Srik dazu, um ben Unterfchieb 
zwiſchen der Lage und dem Intereſſe der Monarchie und des 
derdaladels einzufehen; um zu begreifen, wie jene, ftatt ihrer 
motſchen, zufammiengebeochenen Gtügen, auf denen fie ruhten, 
n dem Willen und der Kraft der Nation dauerhafte und flarfe 
Faben Tonnte, während dem bie Erbariſtokratie nur als ein 
glingendes Meteor in der Berne, aber in der Gegenwart ohne 
Hatten daſtand. Gehörte aber ein ungewöhnlicher Geift dazu, 
um die neue Stellung zu begreifen, dann beburfte es nicht 


weniger eines kraͤftigen Charakters, um fle frei von Vorurthbei⸗ 
im der Art, unabhängig von dem Einfluffe verſchlagener —* 

geltend zu machen und zu benützen. Dazu war kud⸗ 
wig XVI. nicht, vielleicht kein König in der Melt gemadit. 
Der Spron, glaubte man, ſtehe nur feft auf feinen alten "Sun: 
damenten, welche bie Zeit indeffen untergraben hatte, und jeder 
Neuerung, die ein Bedürfnis geworben war, müffe er fich, als 
einem gefährlichen Gingriffe in feine echte, wiberfegen. Der 
Feudaladel umterhielt nach Kräften biefen Glauben und verficherte, 


das Ednigthum, mit dem er ſich in früherer Zeit nicht immer 


ſo befreundet gefählt, koͤnne mit ihm fih nur erhalten, ober 
Fr mit ihm untergehen. An biefer Kippe, die keineswegs 
in feinem Wege lag, iſt der Thron gefcheitert. Br. Drog, ber 
Fa nad aunabeheit räbt A oh — Anficht dem Leſer 
en, ba iefe Einw um Theil felb 

gemacht und ihre Kraft keineswegs verpeimticht." Toen feroft 

Im Banzen genommen urteilt ber Verf. durchaus befonnen und 
recht verftändig s doch wirb man Droz feiner Urtheite wegen nicht zu 
iefen haben; die forgfältige, gewiflenhafte und erfolgreiche Zuſam⸗ 
menflellung und Sicherſtellung des Stoffes, fuͤr welche er Be⸗ 
deutendes leiſtet, empfiepit fein Werk. Auch er wird zuweilen 
irren; aber, das ift gewiß, er will überall die Wahrheit fagen, 
und bat, um fie zu erfahren, keine Mühe und Arbeit geſcheut 
und auſeitige Forſchungen angeſtellt. Man darf ja nicht glau⸗ 
ben, Thiers Revolutionsgeſchichte ſei, auch nur in Bezug auf 
materielle MBahrpeit in Angabe der Thatſachen, das legte ort 
über die Revolutions Droz berichtigt ihn ſehr häufig und in 
weſentlichen Dingen. Cr befand fich im Befide vertrauter Mit: 
theilungen von mehren bedeutenden gleichzeitigen Perfonen, bie 
er ſchildert, und zugleich in der Lage, geheime Archive und un: 
gedruckte Memo a für feine Arbeit benugen zu Pönnen, die das 
durch fehr an Reichhaltigkeit und befonderer Wichtigkeit gewon— 
nen, daß fie merkwürdige Details und unbelannte Actenftüde 
beidringt. So ſtellt Droz mit unwiderleglichen Beweisgrünben 
die bisher hypothetiſche Theilnahme des Grafen von ber Pro⸗ 
vence an der Verſchwoͤrung bes Marguis don Favras ins Licht; 
auch haben untängft faft alle Journale feinem Werte bie authens 
tifche Copie bes Gontracts entiehnt, in welchem Mirabeau fi 
gegen ein ſchmaͤhliches Handgeld an ben Hof verkauft, was‘ 
Thiers bekanntlich in Abrede ſtellt, weil „ber Hof ſich zu lin⸗ 
kiſch dabei bertommen‘/; ‚ber Cynismus feiner Heben, har er 
indeß hinzu, entſchuldige jebe Bermuthung. Die Bewunderung, 
welche Hr. Droz dem Genie Mirabeau's zollt, hat indeß bie 
Strenge des Geſchichtſchreibers nicht entwaffnet; er befchönigt 
nicht nur nicht die Lafter feines Helden, fondern hängt ihm uns 
barmberzig einen neuen Schandfleck an. Diefes einzige Kactum 
beweift, duͤnkt mich, zur Genüge, wie wahr und gewiſſenhaft 
der Berf. zu VBerke gegangen. Die aufrichtige Lobrede auf die 
keiſtungen der Conſtituirenden Verſammlung, womit das Buch 
ſchließt, iſt ein eigenthuͤmlicher Beieg von der bonetten Unpars 
We ‚ deren ex fich gegen Perfonen, Meinungen und Dinge 


Charles Lacretelte bat ſich als Hiſtoriker durch 
Werke über bie aͤltere und neueſte ent —ã 
nen anfebnlichen literariſchen Ruf erworben und, da er elbſt 
viel erlebt, unlaͤngſt unter dem” Zitel „Dix anndes d’Epreuves 

int la Revolution‘ den mwichtisften Abfchnitt feines Lebens 
beſchrieben. Diefe Lebensnachrichten reihen fich in feloftändiger 
Bedeutung den intereffanten biographifch» focialen und Literaris 
fen Memoiren Morellet’e, Arnault’s, Girardin's u, X. an und 
liefern zur Gulturs und Gittengefcjichte damaliger Zeit dankens 
werte Beiträge. Lacretelle Fam gerade nach Paris, als bie 
franzoͤſiſche junge, freiheitsſchwaͤrmeriſche Generation mit trans⸗ 
atlantiſchen Lorhern bekraͤnzt zuruͤckkehrte und bie bedenkliche 
Wirkung des Beiſpiels mitbrachte, welches der amerikaniſche 
Beeiflant bem beiweglichften, erregbarften Volksgeiſte gab. Gein 

iterer Bruder, ‚der einige Jahre vorher nach Parid gegangen 
und fi) als Zurift und Schöngeift einen Namen gemacht, führte 





ibn bei einer Menge Literaten und Abvecaten ein, bie ſchon das 
mals großes Renommee hatten und in ber Folge meilt ein noch 
größeres, wiewol in verſchiedenen Beziehungen, erlangen ſoll⸗ 
ten. MWaiesherbes, Deſeze, Rulhieres, Yiorian ziehen an 
unfern Blicken vorüber und gewinnen dadurch neues Interefle, 
daß der Verf. fie uns in einem neuen Lichte, in der Perfpecs 
tive des vertrauten, beitern Umgangs zeigt. Kaum auf den 
Schauplatz getreten, wurde Lacretelle durch ben Ausbruch der 
Revolution in feinen Lieblingsbefchäftigungen, in feinen literas 
riſchen Studien, unterbrochen und in ben politifden Strubel 
bineingeriffen. Die Belanntfhaft mit Maret, dem ſpaͤtern 

rzog von Baſſano, der damals ein Journal herausgab, wel 
I unter bem Namen ‚‚Le Moniteur” zu ber dickleibigſten 
Sammlung frangöfifher Yarlamentebebatten angeſchwollen if, 
verfchaffte dem Verf. indeB cine Anſtellung bei ber Rebaction 
des eben geftifteren „Journal des debats’‘, für weiches er die 
Berichte über die Verhandlungen der Gonftituirenden Berfamms 
Iung abfaßte. Als die Gefeggebenbe Verſammlung zufammentrat, 
wurde Racretelle Secretair des Herzogs von Larochefoucauld⸗ 
Liaucourt und lebte faft dieſe ganze Zeit über auf bem Landgute 
feines Goͤnners und nachherigen Freundes, bei weichen zabls 
reiche royaliſtiſche Emigrirte vor ihrer Auswanderung und viele 
feiner demokratiſch⸗ monarchiſchen Collegen aus ber Gonftituante 
zum Beſuch einfprachen. Im naͤchſten Stadium ber Revolution 
warb auch Larochefoucauld gezwungen, durch Flucht fein Lehen 
zu retten und ließ feinem Freunde die Sorge, einige Trümmer 
aus dem Sciffbrudye feines unermeßlichen, oberiehnäherrlicdyen 
Kermögens zu retten und fie ihm ins Ausland nachzufchiden. 
Bon nun an beginnt für den Verf. ein unruhig bewegtes und 
ſchwer geprüftes Leben. Man muß feine „Souvenirs sous 
la terreur’ leſen, wie ev fih in einem Hoͤtel garni vers 
ftedt und auf wunderbare Weife den Klauen der Häfcher ent 
tommt. Um nicht länger in beflänbiger Todesangſt u Ihroeben, 
nahm Racretelle Dienfte bei der Armee von 1,200, Mann, 
die der Nationalconvent ausheben ließ. Der Verf. gefteht ſeldſt, 
daß er wenig Behagen am Kriegshanbwerk gefunden; doch zog 
er ſich beffer aus ber Affaire als der römifche Dichter, er warf 
feine Flinte nit weg und ging erft nad dem 9. Thermidor 
wieder nah Paris, um ſich den Sieg feiner dortigen Freunde 
übes die Bergpartei zu Nutze zu machen. Diefer politiſche Sieg 
war nicht fo entichieden, daß ber Verluſt ber gewonnenen Pos 
fition außer aller Beforgniß lag. Unter dem Abfingen des „Ré- 
veil du peuple’’ hatten die Thermiborianer ihn erfochten, aber 
die wüthenden Jakobinerhorden drohten mit dem „Réveil du 
Yon”. Bolt und Löwe, jeder batte feine eigene Armee; biefer 
die Arbeiterclaffen der Vorftäbte, jenes bie jungen Bürgerföhne 
mit geringelten Paaren und ungeheuern Lanzen, die fogenannte 
Jeunesse doree. Hr. Bacretelle ſchrieb Morgens Journalartis 
el, tummelte fih den Tag über mit ber ‚goldenen Jugend⸗ 
und begeifterte fi) am Abend bei der Egerie bes 9. Thermidor. 
Eine Frau wirkte in der That am meiften zum Gturz bes 
Berges und befeuerte hauptfächlich die Zagenden zum Aufftand 
gegen ben Dictator und feine Rotte, weldye die Hölle felbft 
ausgefpieen zu haben fchien. Diefe Frau war Madame Tallien, 
„die incarnirte Menfchlichkeit in der entzüdendften Beftalt‘‘, wie 
der Verf. fich ausdrüdt, die GSuͤte felbft, die ſich während ber 
ganzen Revolution und in ihren fehrediichften Epochen überall 
zum Bortheil der Beächteten hoͤchſt thätig bewies und ſich ein 
ewiges Denkmal ber Dankbarkeit in den Herzen fo vieler vor 
und nad Robespiere's Sturz befreiten und erhaltenen edeln 
Franzoſen fliftete, baß man fie allgemein Notre Dame de bon 
secours nannte. Der 9. Thermidor hatte allerdings einige fühs 
nende Nefultate, aber ber Löwe war nicht todt; er brüflte 
grimmig wie eine gefeffeite Beftie in ihrem Käfig. Run ging 
es an eine Klopffechterei der Parteien in Sournalen und Flug⸗ 
f&riften, an ein Gewebe von Übertreibungen und Rügen, von 
erdichteten Verbrechen und Beſchuldigungen, an Ausfprengung 
von Morbs und Gtaatögefchichten, um eine Bewegung gegen 


i | ſt 
gemein lebendig geſchrichen. Die periſer Nationalgarde — 


ſich tapfer, wurbe aber von dem jungen General beſegt, 


Directorilum opponirte Laczetelle und bielt ſich zur „Wefellichaft 
der Reitbahn‘‘, die in ber Abſicht geftiftet wurbe, ben Bei 
Bolkes aus feiner Lauheit und GSleichgültigkeit aufzurätteln unb 
bie Symptome des politiſchen Todes ber Berfaffung abzuweh⸗ 
ven. Indeflen blieb biefe Gefellfchaft der Reitbahn, bie man 
bei ben. Gegnern nur die „‚Eollerigen Pferde der Reitbahn” 
nannte, nidht auf bem Punkte flegen, worauf fie fid) anfangs 
geftellt hatte. Sie warb aus einer Bereinigung unbefangener 
und wahrer Freunde ber Freiheit eine grimmige Partei, ein 
Staat im Staate und zeigte nur zu bald, daß fie zu etwas 
ganz Anderm binaus wollte, als fie anfangs ben Leuten ein: 
gebübet hatte. Man blieb nicht bios bei ben alten Klagen 
fliehen, die bei dem Wolke durch bie ewige Wiederholung alles 
Intereſſe verloren hatten, fondern griff bas Directorium und bie 
Räthe im Gentrum an. Man offenbarte das Geheimniß der 
Geſellſchaft, welche die Sunden der Regierung nur aufbedite 
und gegen ben Luxus und bie Gefuͤhlloſigkeit des Reichen nur 
declamirte, weil fie Luft hatte, den ledigen Thron, wenn fie 
ihn erledigen tönnte, zu befteigen und fich mit den Gchägen zu 
vergnügen, beren Inhaber fie um ihre Köpfe bange madhte. 
Bei biefen Ausbräcdhen der Wildheit und des Gchrediens trenne 
ten ch, von ber Geſellſchaft ale Diejenigen, welche aus wirt 
lich patriotiſchen Abſichten beigetreten waren. Sie flohen eine 
Peſt, die fie nicht heilen konnten, die ſie aber leicht mit in ihre 
Greuel und Zerſtoͤrung verwickeln konnte. Bu dieſen gehörte 
auch Lacretelle, der nach dem. 18. Fructidor feine Oppofttion 
geaen bas Directorium im Gefängniffe abbüßte, wo er zwei 
ahre lang zubrachte, biß er wieder frei wurde. 

Das ift In gebrängter Überficht der Inhalt diefer „„Dix aandes 
d’6preuve pendant la r6volution”. Dex Verf. iſt ein Alabemiler 
im echten Ginne bes Worts, ein correcter, eleganter Gchriftfteller 
mit einem gewiſſen Tatente, aber ohne Bedeutung ald Geiſt 
und Gharakter. ‚ Er iſt ein eprenwertger Dann, ein moraliſcher 
Pragmatifer, ein Zacitus im verkieinerten Maßſtabe; er bat 
Leidenſchaft, Phantafie, Gedaͤchtniß, fehildert lebendig und ans 
ſchaulich und hat fuͤr einen ſehr honetten, wenn auch nicht bee 
ſonders geiſtreichen Theil des Publicums großen Werth, weit er 
gern und oft fagt, daß bie Tugend eine ſchoͤne, das Laſter eine 
verabfheuungsiwürbige Sache ift und beffengleichen mehr, was 
nit ſchadet. Dabei iſt Lacretelle'3 Stil leicht, kurzathmig 
gezüchtigt, mehr bluͤhend als Eräftig; man fieht, baß der Atas 
demiker feinen Gorps Ehre machen will. Go gibt er ih 2 8. 
eat Prag ‚ae Den bon biftorifchen Perſonen nach fran⸗ 

i eije zu machen, bie er mit befonderer Bortiebe 
Geſchicklichkeit handhabt. ß 





| Literarifche Anzeige 
Neu erſchien bei mir und ift durch alle Buchhandlungen zu 


erhalten: 
Monaldi, 


. Eine Erzählung. 
Aus dem Engliichen des amerikaniſchen Malers Washington 


Iston überfegt von Kahldorf. 
12. Geh. 1 a erf 


®r. 
Eeipzig, im Auguft 1843. 
S. 9. Brockhaus. 


Berantwortlicher Herausgeber: Oeinrich Brockhaus. — Drud und Verlag von $. A. Brodhaus In Zeipsig. 





4 


Blätter 


für 


literarifhe Unterhaltung. 





Sonntag, 





Schweden beurtheilt von Samuel Eaing, I. &. von | fiel es ſchwer, dies Vergnuͤgen ſich zu verfagen. In bes 


Duandt und Sräfin Hahn- Hahn. 
(Beiltuß aus Nr. 2M.) 
3. Eu im Rorden, von Ida Grid ahn⸗ 
Pe Berlin, X. Ouncker. 188. 8. 2 var 

Mitte Juni 1342 traf auf dem Dampfboote die 
Kran Gräfin in Stodholm ein, um ben Norden zu be: 
reifen, war aber fhon Mitte Auguft zuruͤckgekehrt. Denn 
ber Pan za einer ausgedehntern Bereifung der flandinas 
vifchen Halbinſel blieb ein unausgeführter BVerſuch, weil 
die Temperatur kalt und unangenehm war und blieb, 
ſodaß die Krau Bräfin mit Lachen des weißen Muſſelin⸗ 
anzugs gedenft, den fie in Berlin In den Roffer legen 
tieß. Unzertrennidh blieb fie von Ihrem kleinen Pelze. 
Es fehlte an Blumen, die zum Sommer, zum Ges: 
burtötag, zum Hochzeitfeft, zu allen Momenten des 
feſttich verflärten Daſeins gehören. Geo, nur fo verficht 
die Frau Bräfin die Blumen, die, ihrem Verlangen nach, 
da fein mäffen in Waffen, überfkärzend, beraufchend, 
blendend als Gipfelpunkt und Krone des Naturlebens. 
So bebagte Ihe es nicht, im Norden zu reffen. Immer 
dachte fie an den Shen. Beim Anblick de Mälar 
fiet ihre der keman ein und darum wurde fie von 
jenem weber „angedonnert“ noch „angeſtrahlt““. Entſchul⸗ 
digend für den Mälar fegt fie hinzu: „der graue Him⸗ 
mel mag daran Schuld fein, dag ich einen blauen Blid 
auf bie ände werfen Tann”. So bat unfere Reis 
ſende, fie für ihre Perfon, (Vorrede S. v) nicht beſſer ale 
geſchehen befchreiben können, was fie von Schweden fah, 
obfchon fie fehr deutlich fühle, daB mancher Andere es 
unendlich ee befchrieben hätte. Warnend macht fie 
fetbft in ber ede darauf aufmerkſam, nicht aber um 
ſich zu entfchuldigen, denn ihr iſt nicht zu Nuthe, als ob 
fie eine Entſchuldigung brauche. Bu dem Publicum über 
ein Buch zu fprechen, das fich als der Spiegel verſtimmend 
anf das Subject einwirkender Gegenſtuͤnde anfündigt, das 
ſchien kaum chumlich, fehlen es um fo weniger, als ſchon 
dad eben GSeſagte belegt, daß die Frau Gräfin ihrem ges 
wohnten le und Ton auch in dem angezeigten Reiſe⸗ 
verupe treu geblieben Mi. Mef. aber, der fo gern fiber 
eitued geſprochen Hätte, was der Beau Gräfin fo ganz 
eigen angehört, wie jede ihrer Kterarifchen: Preducktonen, 


Moth und Verlegenheit kam ihm der Einfall, zur Schad⸗ 
loshaltung, nicht mehr als Morfichendes über das Beh 
zu dem Publicum gefprochen zu haben, vor diefem 3% 
der Frau Gräfin auf eine Weile zu ſprechen, bie 
ganz am Orte und mehr noch an ber Zeit zu fein ſcheint. 
Sie redet nämlich dem Bruder alfo in das Gewifſen: 
Ih weiß nicht, warum man foldy ein Borurtheil gegen 
feftellexinnen bat, daß man im Algemeinen ſogleich bie 
bee von Lächerlihleit und Verſchrobenheit mit ihnen in Ver⸗ 
binbung bringt. 8 mag wol ehedem fo gewefen fein; jett 
nicht mehr. Wahrſcheinlich find fie früher unbebeutender gewe⸗ 
fen und folglich von ber Angft geplagt, überfehen zu werben. 
Wer damit behaftet ift, wird durch feine Beſtrebungen, dies 
von ſich abzuwenden, freilich immer hoͤchſt albern fein 
und man Bann das alle Tage an Männern und Zrauen, Autos 
ren ober nicht, genugfam beobachten. (Eben fällt mix ein, daß 
ih ja auch Frau Karoline Pichler in Wien Eenne. Es wuͤrde 
aber doch dem libelmollendften ſchwer werben, etwas Anderes au 
diefen beiben Frauen zu finden, ats höchftens das: daß fie ange 
uebener als viele von Demen find, welche nicht zu ſchreiben ver⸗ 
ſtehen. Ich weiß aber auch recht gut, wer es erfunben hat, daß 
bie fchriftfiellerifchen rauen abgeſchmackt fein follen: die mittels 
mäßigen Männer haben es gethan, und es gibt deren weit mehr, 
als fie felbft e8 ahnen. Dieſe Diänner! auf der Schalbank has 
ben fie gefeffen und beim Latein geſchwigt; in den akabemiſchen 
Hoͤrfaͤlen haben fie. gefeffen und fich einer bez vier Bacultäten 
befüäffen; jest figen fie zum brittenmal auf einer Bank, in ir 
gend einem Sollegium, auf Kanzel, Katheber, was weiß ich, mo 
fie fih unterbringen, arbeiten da ihr Penſum ab nnd benten: 
„Himmel! wie iſt e8 ſchwer, zu etwas tn ber Melt zu Eommen P* 
und da haben fie ſehr vecht. Run hören fie ben Ramen 
Freu nennen, mit Lob und Beifall und nicht mit bem, we 
ſich auf ihre Schönheit bezieht. Da find fie aus dem Haͤuſel. 
„Was? fie hat nicht den Cornelius Nepos uͤberſetzt!“ rufen 


| fie ganz grämtich, „hat nie ein philofophifches oder theologiſches 


[ 

Sollegium gehört, bat Leine Epamina befanden, bat nie einn 

strag gehalten oder eine Acte flilifirt, Tann nie ben rothen 
Adlerorden viester Claſſe befommen, kann nie Minifter ober 
Präfldent oder GSuperintendent, genug, Tann gar nichts wers 
ben . . . . und bildet ſich ein, beräßmt werden zu können! das 
nruß eine rechte Rärrin fein 1" — kieber Bruder, ich wende mid an 
dich: iſt bies nicht ber Ideengang her Mebivmmen deines Ges 
ſchlechte? Gel einmal ehrlich und ſprich Ja! Sieh, es gibt auch 
Ueberlegene unter euch; die wiſſen, daß zwiſchen aller Guperio⸗ 
ritaͤt eine Solidaritaͤt ſtattfindet, und die denken anders. Aber 
die Mediocren? gib fie nur preis und ſprich Ja! da es doch 
ganz unmöglich iſt, daß du Nein! fagen Täuntefl. 

Ref. ſetzt fih in die Bage, er wire diefer Beben 
Er fühle deutlich, ein anderer Bruber votre darauf mm 


deä. 


endlich viel beffer antworten, er aber kaun nicht anbers 
antworten als in folgender Mate! 

Liebe Schwefter! Wäre im Leben ich noch niemals ehrlich 
geweſen, fo bin ich es in dem Augenblide, wo ich, die Hand 
aufbem Herzen, nicht 3A, fondern, Rein, Nein, zu Hundert⸗ 
5* Dein auf deinen Brief ſage. Wie are ſoll 
idred anfangen, damit beine Weiber: und Autorenüberzeus 
gung wenigftiene an die Redlichkeit, wenn auch nicht die 
Wahrheit meines Widerſpruchs glaubt? denn allerdings da 6 
wied fchwer haften, befonders jetzt, wo deines Namens 
Ruhm fo weit gebrungen iſt und fo in Alter Mund 
lebt; daß — ich geftehe, von die felbft mußte ich es hoͤ⸗ 
um,-um es zu glauben — dein ſchwediſcher Lohnbediente 
in Stodholm, ein flodordinairer Menfh, den du nicht 
anders als Caliban nennft, ohne dadurch fehr oft er: 
wähnten Lohnbedienten die mindeſte Ergöglichleit zu ino⸗ 
calicen, hitzig darauf war, eigenhändige Namensunter: 
ſchriſten von dir zu befigen,. die er vortheilhaft an rei⸗ 
fende Autographenſammler abzuſetzen gedachte. Schwer 
oife wird «8 halten, dich von meines Wortes Ehrlichkeit 
zu überzeugen. Was aber thäte ich nicht, um mir Die 
gute Meinung einer Schweiter, einer berühmten umd, 
(a6 bu ficherlich noch wiel lieber hoͤrſt, einer liebenswär: 
digen Schwefter, nicht zu verſcherzen. Ich exöffne meine 
Operationen von der Stelle aus, wo du (S. 10) über 
die Ilias redeſt. Da fagft du: fie mache uns dem grie: 
chiſchen Diymp vertrauter, als uns je der chriftliche Him⸗ 
mel werden koͤnne, fie laffe uns fo theilnehmend auf bie 
| — Heroen blicken, als waͤren ſie unſere Ahnen. 

uͤßte ich nicht ohnehin, daß du, gutes Kind, von allem, 
was griechiſches Alterthum heißt, gerade ſo viel inne haſt, 
als um die Theetiſche herum curſirt, beſonders ſeitdem in 
Berlin die „Antigone” gegeben worden und die Auffuͤhrung 
der „Medea“ fowie Ariftophanffcher Luftfpiele in Ausſicht 
geſtellt ift, fo würden fchom jene Worte, wie jebe Stelle, 
in der dein dithyrambiſcher Redeerguß auch Über das Grie⸗ 
chenthum einherbrauft, mir großes Vorurtheil gegen beine 
Kenntniß deffelden eingeflößt haben. Indeß Altes, was 
du darüber fagft, überzeugt mid, auch im Reſpect für 
das Griechenthum machſt du die neuefte berliner Mode mit. 
Nun bitte ich dich, fei, und waͤrſt du es noch nie im 
Leben gewefen, nur dies eine und einzigemal comfequent, 
amd du wirft mir recht geben, weil bu es mußt. Du 
wirft oder kannſt — denn das läuft bei meiner gelehr: 
ten Schweiter auf eins hinaus — in einfchlagenden Ars 
Mein bes ‚‚ Converſations⸗Lexikon“ erfehen, daß der freie 
Sinn Griechenlands Grauen, die von Trieb und Nei: 
gung dazu berufen waren, mehr noch fih zu emancipiren 
verftattete, als meine vortreffliche Schweſter dazu irgend 
eine Anlage in fi verfpüren wird. Wohin brachten es 
in Griechenland, wo jede naturgemäße Entwidelung in 
vollendeten Typen ſich ausgeprägt hat, von be6 Hausal⸗ 
tars ſtillen und heiligen Pflichten emancipirtefte grauen? 
Dabin, der Blumenfhmud in der Unterhaltung geiſtrei⸗ 
her und bedeutender Männer zu fein: Kaum aber, daß 
eis mub dee andere Frauenname unter der großen, großen 
Aczahl in ihrer Literatur beruͤhmt gewordene Männer 


einen Platz gefunden hat. Wenn Perilles, der 

fentant helleniſchen Sinnes, diejenigen Frauen * 
trefflichſten erklaͤrt, über die kein Wort geſprochen merke 
ſo ermißt du leichtlich, was er von unſern femmes * 
teurs gedacht haͤtte, deren. Name alluͤberall auf Bell 
und Loͤſchpapier prangt. Für ausgeſprochen umd that 
ſaͤchlich erwiefen durch der Griechen unmiderlegbar richti— 
gen Naturfinn wirft du es alfo wol gelten Laffen, wenn 
ich annehme, daß die Natur, bie fich ja offenbar gar 
nicht die Mühe hätte zu geben gebraucht, Männer und 
Meiber zu [haffen, wenn nicht diefe und jene gefomberte, 
darum aber, weil fie Naturzwecke find, gleich heilige und 
geoße Aufgaben Iöfen follten, daß fage ich, die Natur 
ſelbſt bewieſen hat, die Literatur ſei kein Element für die 
rauen. Fa fogar da, wo dies Element ſchon mehr ein 
kuͤnſtliches, ja erfünfteltes war, bei den Römern, die 
nämlihe Erſcheinung. Auch in Rom blieb die Literatur 


den Frauen fremd. Wenige Ausnahmen zählen bier ebenfo 


wenig, als eine oder ein paar Schwalben Semmer make. 


So wenig du fagen wirft, die Atmofphäre fei beftimmt, 


mit Steinen bernisberzuseguen, weil es von jeher ju Fi: 
ten Steine geregnet bat, kannſt du fagen, die Fraum 
ſeien zu literariſcher Thaͤtigkeit berufen, weil von Zeit zu 
Zeit eine Dame ſich auf ſolche Weiſe hervorgethan hat. 
Du haft ferner geoße Verehrung für Goethe (©. 8); 
— beiläufig gefagt, wo du auf Goethe und Eckermann 
kommſt ‚ mag id es ‚nicht tadeln, daß du legten de 
Servilismus gegen ſeinen Herrn und Meiſter beſchuldigeſt. 
Allein ich gäbe etwas, ich gäbe viel darum, wenn du niht 
dabei von einem Menfhenpudel gefprochen und — ih 
bitte dich um Alles in der Welt! — dabei in abgebrudten 
Lettern geſchworen hätte, du wollteft kein Menfgeupudel 
fein. Indeß zur Sache. Goethe alſo, der end Welt 
recht gut gekannt hat, flelit in dee Prinzeſſin im „Tor⸗ 
quato Taſſo“ ein Ideal der Weiblichkeit, in Tagen des 
böchfigebildeten und — bu kannſt und mußt mic das 
auf mein Wort glauben — unferer Weltbildung met 
überlegenen [pätern italieniſchen Mittelalters auf. Wat 


- fagt die hochfinnige und gartfühlende Dame? 


nie hab’ i 
As Rang und als Beſitz —88 was 
Mir die Natur, was mir das Gluͤck verlieh; 

Ich freue mid, wenn kluge Männer fprechen, 
Daß ich verftehen kann, wie fie es meinen u... 
Buopin ns das Gefprälh ber Shlen lenkt, 

ern, denn mir wird lei 

Ich Höre dern dem Wort — 
Auch hat nicht die „ſchoͤne Seele“, ſondern Goethe ihte 
Bekenntniſſe abdrucken laſſen. Welches vedentenden Man 
nes gewichtige Autoritaͤt kannſt du,. was kannſt du That 
ſaͤchliches mir entgegenſtellen? Weiter nichts, als daß ſich 
in neuer und neueſter Zeit die ſchriftſtelleriſchen Frautn 
ins Verhaͤltniß zu der ſteigenden Zahl männlicher Verſe⸗ 
macher, Novellen: und Momanfchreiber gemebrt haben; 
ein Gefchlecht, bei dem mir die Worte Napoleons tin: 
fallen, der, al6 ihm einmal fo ein Heros vorgeſtellt wurd, 
benfelben mit den Werten ſtchen lief: „Vous cultivez un 
tres-mauvais genre.“ Daß manchen diefer Vortrefflichen 





giftigee Ne pliagen mag, Beeil de wenige Derchhaͤudier⸗ 
honorat bezieht ale dur, dad beweiſt nur, Daß bdiefe culti- 
vateurs d’un tr&-mauvais genre e6 nicht einmal fo weit 
zu bringen vermögen ald du. Es gab eine Zeit, wo der 
umfaubrre Elauren ſtaͤrker honorirt wurde ald Schiller 
es jemals ward, ſtaͤrker vielleicht auch als jemals Tieck 
oder ſelbſt Goethe. Wo liegt denn der Muſenberg, auf 


‚ dem du die Anſchauungen bir erholſt, die den Leſer auf 


würdige und bildende Weife anregen könnten? Denn dei: 
ner Abfiche nach, nehme ich an, follen fie das. Er liegt 
da, wo er jederzeit für die ſchriftſtelleriſchen Frauen ber 
modernen Zeit lag, In der Societaͤt. Um die heutige 
von der umendiich geiftreichen und in ihrer Art durchge 
diſdeten unter Ludwig XIV. und XV. zu unterfcheiden, 
muß man das Wort mit dem auch dir in der haute 
volde , der großen Welt geläufig gewordenem Accente 
ausſprechen. Daß aber eben biefe Welt eine Welt 
zum otterbarmen ift, das ſei Gore geklagt. Du, bie 
du in der großen Welt fo zu Haufe bift, daß du gewiß 
nie etwas thuſt oder fanft, was gegen dieſe Melt nicht 
zu vertreten wäre, haft ferbft — In dem Augenblid wirft 
du es mir nicht glauben wollen, Überlied aber nur gefäl: 
digft ©. 247 — die entfeglichen Worts ausgefprochen: „Bes 
friedigung will ich, alles Andere iſt mic einerlei. Worin 
ich Befriedigung finde, das führe ich aus und durd mit 
Gottes Huͤlfe, aber nur Das.” Du fiehft, welche Subli⸗ 
mitäten aus deiner Theekeſſelhippokrene an dad Licht der 
Belt treten. Noch bat kein Miniſter ein Portefeuille 
erhalten, weil ee den Gornel geleſen; alſo wirft du bir 
wol auch fagen, daß, wenn keine Frau Minifter, Praͤſi⸗ 
dent oder Öuperintendent wird, es keinesroegs daher kommt, 
weil ihre nicht den Cornel gelefen habt, fondern um bes: 
wien, weis num einmal eure Sphäre eine andere iſt als 
Die der Männer, mit andern Worten, weil ihr unberu: 
fen feld, in da6 Leben herauszutreten. In dieſes wagt 
den Hinaustritt und zwar den allerbloßftellendflen — er: 


mb Mrtbeiläunfidten ‚geiifen; es war. Im za Wänthe-geweike 
wie bei ben —— — mo man bie verſchlebenen 
Jeugen uenyärt mb im bie verſchiedenſten Stimmungen verſegt 
wird; ex war in Werlegenheit, wie alle Refuttate fo g 
wie möglich zuſammenzufaſſen, als ihm ber Autor in feinem 
wort ſeibſt zu Hälfe fun, und ba biefes eine Mare (her 
fit in das Selbfierichaffene darlegt und bem Autor nur als 
ein Berbienft mehr angerechnet werben kann, führen wir dafs 
fetbe hier wörtlich an. „Zu den wunberlicden Schwachheiten der 
menſchlichen Natur geböst unter andern auch die, daß nur We⸗ 
nige ſich felbft und ihre. Prodbuste zu beurtheilen willen mb 
ſelbſt Solche nicht, die ſich als competente Richter aller Andern 
aufwerfen, deren Meinung, befonvers im Gebiete der Aſthecit 
als Orakelſpruch betrachtet werben foll; benn fonft müßten wir 
doch mindeſtens ebenfo viele gute Driginalwerke ats Überfepun- 
gen und Rachahmungen befigen, da es uns befanntsich nicht an 
Recenfenten fehlt. Der Verf. ift nicht fo eitel, um. zu glauben, 
daß er biefer Schwachheit gas nicht unterworfen ſei. Gieichwoi 
tennt er ſehr wohl einige Unvolltommenpeiten dieſes Buche, bie 
er aber nicht vermeiden Eonnte, wenn ber Zweck beffelben er- 
reicht werden follte. Dahin gehört z. B., daß eigentlich nicht 
Kart II., fondern Thomas Gorgon darin die Hauptrolle. fpielt; 
wie konnte dies aber anders feln, da biefer, aber nicht jener, 
einen vollendeten Charakter befigt? Sollte der Verf. etwa jenen 
Karl zu einem ganz andern Menfchen machen, als er wirt 
war, und hierin bem Beiſpiel moderner Biographen folgen 
Davor bewahre ihn der Himmel, ober vielmehr bie ervige Ge⸗ 
vechtigfeit! Karl II. ift eine hiſtoriſche Perfon, ein Königs 
und die Geſchichte der Völker ift, wie öfter mit Recht bemerkt 
worden, die ihrer Kürften. Wir fagen mit Recht, meinen aber 
keineswegs damit, daß die Sache lobenswerth fei, oder etwa zu 
ben Bolltommenpeiten gehöre; ganz fm Gegentheil redynen wir 
fie zu der oben angebeuteten weitläufigen Kategorie der noth⸗ 
wendigen Schwächen unfers Geſchlechts. Daffelbe gilt von dem 
übrigen biftorifchen Perfonen dieſes Romans; wir können vers 
fihern, fie mit gewiffenhafter Treue geſchildert su haben, und 
um bierüber dem Eefer keinen Zielfel zu Laffen, fah fich ber 
Verf. veranlaßt, bei allen erheblichen Gelegenheiten feine Quel⸗ 
len anzuführen. Ein anderer Vorwurf, ber dem Buche ges 
macht werden kann, find die vielen eingeffreuten Erzählungen, 
wodurch der Hauptfaben häufig unterbrochen wirb; da aber 
der Berf. ein umfaflendes Bild der Seit, worin ſich die Hand⸗ 
tung bewegt, barzuftellen beftrebt war, fo glaubte er fi bin 
und wieber gleichſam zu einem Luftball erheben und zu entferns 


laß mir, Stellen aus deinem Buche anzuführen, die mir 
dies Seiwoert in die Feder legten — die literariſche Thaͤ⸗ 
tigkeit. Einen Brief, der dir nicht durchaus angenehm 
fein Tante, hätte ich Unrecht länger auszufpinnen. Jeden: 
falls babe ich genug gefagt, um dir, willſt du meinen 


ten Regionen hinbegeben zu müffen. Daß nun bei folchen Reifen 
das Gemüth auch einmal zum Nachdenken geftimmt wird, iſt 
gang natuͤrlich, und daraus entftand nun wieder ber dritte und 
Pauptfehler, das leidige Raifonnement, von dem ber Verf. ofs 
fen gefteht, daß es ihm damit gerade wie Thomas und Kirby 
mit ihrem Gtedenpferde geht: denn wer. Tann helfen, daß 


Worten reiflich nachdenken, zu der Überzengung zu vers 
heifen, daß bei dem goldenen Ausſpruch: ‚Auf rauen: 


verftand und Weibertugend iſt jedes Btüd der Welt ge: 
gruͤndet“ nicht an die Möglichkeit deines Reiſeverſuches 
it gedacht worden. Wie meine feheifefteilerifche Schwe⸗ 


fer mir zugeben wird, daß man verfländig fein muß, 


er inwendig raifonnirt? Was endlich die Gedichte und dramas 
tifchen Verſuche betrifft, fo verlohnt es fi) gar nicht ber Muͤbe, 
viel darüber zu reden; ber Verf. beruhigt ſich bereits damit, 
wofern man fie nur nicht als ganz geſchmackios und verfehit 
betrachten will, was fie freilich nit find.” So hätte Yin 
der Autor hiermit ſelbſt bie Schwächen feines Werks beimichtel, 
und Ref. wii ſich nur an deſſen Berbienfte halten, weiche haupt: 


faͤchlich in der originellen Art der Beleuchtung don Zeit und 
hiſtorijchen Perfonen befteht. Die beften und ergiebigften Quel⸗ 
ien wurden flubirt unb benugt, unb wenn ber Roman oft unter 


um Autor zu fein, fo wird fie auch fo verfländig fein, 
nicht zu zümen dem brübeslich gefiunten und baum 





ufrichtigen der. 34 der des Stoffs leidet, fo kann man ſolchen Re m 
“ Dev gern verzeihen, ba —2* — Intereſſen bietet. Die Bomanbele 
, din Clementine und ihre Breunbin Warte on find als ans 

Romanenliteratur. ‚müthige weibliche Weſen gut durchgeführt. bat durch 


des Herzogs von Buckingham, ihres Waters, Schlechtigkeit man⸗ 
gertei Gefahren zu befteben, und muß erft ben ellungen 
eb: Königs, 2” benen Bi pringen an en —8 A 
ttwerh n u können | e mi 
gon et —** in Kalkatta ein gluͤckllches Ayl finden 


1. Kari IL, König von England. Gin hiſtoriſcher Roman 
wo Duellen bearbeitet von Serbinand v. Sommer. 
Bein, Borin. 1843. 8. 3 Thir. 20 Ror. 

Waf. hatte bie beiden Baͤnde bereits zu den lehten Blaͤttern 
zwit geipanntem Intereſſe, mit oft wechfelnden Empfindungen 


Gorgen if inte die Hauptgeſtalt des Bomuied; 
Lichtſtrahlen ſich eancentriven und bes bie Faͤden 
mit ben kiugen, burdjbringenden Augen darch⸗ 

ſchant, fie größtentbeils Hält und mit Eräftiger Hand leitet. 
cheint ber Autor feine ganze ſch he Zuneigung 
Kun zugewenbet zu haben; denkend und entichloffen, mu: 
thig und bedacht, ift er zum Leiter einer geheimen rung 
würdig ausgeräftet, und ben Lefer ergreift mit feinem Ball die 


De andere Sti, 


zu einem empfehlenswerthen Beitrag 

füchern ihm bie Theilnahme der gebildeten Leſer zu. 

3. Eebensbilber aus Öftreih. Ein Denkbuch vaterländifcher 
Erinnerung, unter Mitwirkung finnverwandter Schriftfteller 
und Künfller zum Beſten ber bei dem verheerenden Brande 
am 3. Mai 1842 verunglädten Familien von Steyr heraus: 
gegeben von Andreas Schumacher. Wien, Zauer und 

ohn. 1843. Gr. 8. 2 Thlr. 

Ein Wert der Barmherzigkeit, und alfo ſchon deshalb 
empfehlungswertt. Da die Namen ber finnverwandten Autos 
zen, welche es zufammentrugen, auch empfohlen werben, follen 
fie bier ihren Play finden: Sanag Lederer, Johann Gabriel 
Seid, Rordmann, Anton Langer, Anton Gifenfchmid, Muller, 
oh. Nep. Vogl, Emanuel Straube, Joſeph Rank, Anton 
NKitter von Perger, Joſeph Bergmann, Ernſt von Feuchters⸗ 
leben, Franz von Braunau, Mathilde Felderns Rolf, Friedrich 
With. Armin, Karl Adam Kaltendrunner, Kranz Schubert, 
Alex. Julius Schindler, Fürft Friedrich von Schwarzenberg, Karl 
Marie Böhm, Dantel Friedridy Reibersdorffer, Joſeph Pfund: 
heller, Bammer » Purgftall, gran Botgorſchek, Andreas Schu⸗ 
macher, Karl Landsmann, Karl von Sava, Ernſt Cemyl, Lud⸗ 
wig Englar. In der Beilage Gedichte von Caſtelli, Foglar, 
— Schlegel — in Muſik geſetzt von Biſchof, Hacket, 

ubert. Als beſonders anſprechend moͤchte Ref. unter den 
verfähledenen Beiträgen folgende herausheben: „Schuſterfreuden“ 
von Eiſenſchmid, vol Wis und Humor. ee en 
leben's „Srinnerungen an Mayrhofer“, vol Gefühlstiefe; ift 
eine jener fchönen Biographien, welche das Herz dickirt, ber 

Berftand nieberfchreibt, indem die Wahrheit die leuchtende Kerze 

dazu hält. „Der fchwere Bang”, von Friedrich Fürft von 

Schwarzenberg, fit befonders ergreifend erzählt, die Schilde: 

zung der Gemsjagden und Sitten lebhaft vorgetragen. Andreas 


Shumaders „Grimerung an Friedrih Ludwig Zacharias | 

ch Möchten bie teeffs ı 
gen der. @inen, ber gute Wille ber Andern und ber | 
Zweck des Unternehmens zahlreiche Lefer und Käufer berbeiloden. | 


3. Anna Arnold, die Herenhuterin. Der Thurmwaͤchter an Gt. 
Petri. Zwei Novellen von Ba ekinb. Beriim, 


Werner” gewährt ein ſchmerzl 


ed Intereffe. 
fichen ei 


j Vereinsbuchhandiung. 1843. 8. 


Die Srzaͤhtung handelt von Anna Arnold, einem frommen 


in Altona öffenttich geſtaͤubt wird, 


we angeflagten und überwiefenen Diebſtahls, während fie | 


und (de 


udere —ã— Werfuße dem Eſſect ſchadeten 
6 a 
Der Vortrag .ift uͤberladen, es wird zu virl in ber Gryählung 


erratit, anflatt Daß fie fh fett ergäbien fein Sa der 





ten Novelle: „Der Ahurmmälter an &t.: Petzl‘, if * 
Misgriff weniger fuͤhlbar und die Erwaͤhnung des noch in allen 
Seelen vibrivenden Greigniſſes des furchtbaren Hamburger Brans 
des, welcher die Kataſtrophe herbeiführt und der Erzählung den 
Schiuß verleiht, verfehlt nicht, feine ergreifende Wirkung bervos 


gen. 
4 Rachtvioien, ein Novellenkranz vom Chevalier St.⸗Henri. 
eeipye, Peter. 1843. 8, 1 Ihe. 7%, Nor. v 

pe wild, romantifch, find die drei Novellen und könn: 
ten fuͤglich als Opern verarbeitet werben; die Ereigniſſe erman⸗ 
geln aller Wahricheinlicheit; die tragifchen Scenen erregen Lachen. 
Wenn der Schriftſteller ſehr jung iſt, oder biefe Erzeugniſſe feis 
ner Phantafle in großer Jugend niebergefchrieben bat, fo verrathen 
fie allerdings Talent, und verfprechen für die Zukunft wenigftens 
Erfindungsgabe. Der Stil ift gut. Sonft aber eriftirt nichts in ben 
drei Novellen, was einen Ref. des 19. Jahrhunderts vermögen 
tönnte, fie zu loben und dem Leer anzuempfeblen, dem Beier 
unferer Zeit, dem ſchon fo viel Gutes geboten warb und bei 
dem dag viele Mittelmäßige unferer jesigen Literatur ſchon fo 
großen Überdruß am Mittelmäßigen entwidelt hat. 12, 





Literarifche Notizen aus England. 
Yarlamentsberedtfamteit in England. 
Ausiänder, welche englifche Parlamentöfigungen befuchen, 
befonderd, wenn fie zuvor franzoͤfiſchen Rammerbebatten beige: 
wohnt haben, machen uns nicht felten eine traurige Gchiiberung 
von dem Rednertalent felbft der Notabilitäten in den beiden 


Erwartungen bins 

ſehr getänfdgt 
fand. Die beflen unter ben Rebnern und es find nur ſeht 
wenig gute — fprecdhen mit einem fo umverantwortlichen Reber 
ton, haben fo wenig Grazie in ihrem Mortrag und ihren Ber 
wegungen, es tft fo ſehr eine Waffe vork feftflehenden Nedens⸗ 











arten und Wendungen in Brauch gekomman, baß Der, weicher 
ſich feine Vorſtellung von Beredtſamkeit nach den aiten WMuftern 
Griechenlands und Rome gebildet hat, die Reden ein 


Pitt und Fox klaͤglich tief unter biefe fte 
e ich mid, überzeugt 
und ber Andere bat 
> daß er faft an 
Mechanis mus grenät, Allein keiner von heiden ift fo weit ge: 
Eommen, Shakſpeares Regel anzuwenden} denn der eine ſaͤgt 
bie Luft mit feinen Bänden, der andere mit\bem ganzen Leibe.“ 


Sin habſch aberſetter Gejiliericen Mess (aus dem 
„Woreign and colonial quarteriy review‘): 

Kann ber Liebe füß Verlangen 
Gmma, kann's vergaͤnglich fen? 

Bob dahin ik und vergangen, 
Emma, kann's bie Liebe * 

Ihrer Flamme Himmelsglut 

Stirbt fie wie ein irdiſch Gut 

Can ewoet hopes of love's Ikapiring 
Emme, can ihey tfäneien? provo? 

What io past — long since expiring — 
Rumtis, uny, can that be love? 

Con its fine of konveniy giew 


Perieh — like wur joys below? 48, 


Berantwortlicher Heraugeber: Heinrich Broddaud. — Drud und Berlog vom 5. U. Brofhaus in Leipzig. 








Blätter 


für 


literariſche Unterhaltung. 





Rontag, 





Sheologifhe Poefie. 

1. Theologiſche Sonette von Bart volig. Neubranden⸗ 
burg, Bruͤnslow. 1843. Gr. be 

3. Gegen den Strom. Gonette. A Beh bes koͤlner Dom: 
haus. Gtuttgert, Hallberger. 1843. Gr. 8, 15 Rgr. 

3. Expestulation ober Ferael und England, ein Gedicht von 
Billiam Cowper, überfegt, mit Einleitung und Anmer: 
kungen von Kart Heinrich Sad. Bonn, Weber. 1843. 


&.12. 7% . 
4, Adelaide oder Religion und Liebe. Non Jakob Fri — 5* 
Ir. 


kieberknecht. Sondershaufen, Eupel. 1842. 

Die Theologie fpiele jept eine große Rolle; das 
kann man nicht leugnen, man möge gegen fie gefinnt 
fin, wie man will. Ale Welt intexeffirt fi für bie 
theologifchen Fragen unferer Zeit. Freilich iſt das Inter: 
eſſe meift nur ein mittelbares, weil die Theologie mit dem 
anderweitigen ragen der Zeit, dem politiſchen und philo⸗ 
fopbifhen, zufammenhängt. Die Zeiten des unmittelba: 
sen und ungetheilten Antereffes hat die Theologie laͤngſt 
hinter fih, die Zeiten nämlich, wo alle Welt auf theolo: 
giſchen Grund und Boden ftand, die wefentlichen theos 
logiſchen Vorausfegungen anerlannte, und wo fih ber 
Streit nur um die einzelnen weitern Bellimmungen der 
verſchiedenen theologifhen Spfteme bewegte. Katholicie: 
mus oder Proteflantismus, iſt ſchon lange Feine Stage 
mehr, die die Melt bewegen könnte, fie ſpukte nur vor 
einigen Jahren noch einmal in den Köpfen einiger ge: 
lehrten Theologen, und bereicherte nicht die Welt, fondern 
bie Bibliothefen um einige dide Bücher, die Niemand 


mehr lieſt; und bie neueften fogenannten „Wirren‘ wa: : 


ren weientlich politifcher Natur. Rationalismus und 
Supranaturaliemus, ober wie man bie aus taufend Sn: 
geedienzien verfchieden gemiſchten fpätern theologifchen Sp: 
fleme nennen will, find auch vom Kampfplatze abgetreten. 
Ale theologiſchen Segenfäge baben ſich ausgeglichen, ha⸗ 
ben einen allgemeinen Frieden untereinander gefchloffen, 
um ihre gemeinfchaftlichen Waffen aegen ihren gemeinfa: 
mm Feind zu Lehren, die neueſte Philoſophie. Die „All: 
gemeine” und die Evangellſche Kicchenzeitung” — um bie 
theologiſchen Deifchlinge gar nicht zu nennen —, Bret⸗ 
Cuelder und Hengſtenberg blafen in ein Hom ,‚ und 
eim Melodie: und was blafen fie? Sie blafen Sturm 
gem die neueſte Philofophie. Die „Evangeliſche Kir: 
Gmpitung‘’ ſtreichelt mit widerlich verzereten- füßlichen 


Mienen die bairiſchen Katholiken, bie Ihre: proteflantifken 
Brüder zwingen wollen, vor bee Monſtranz bie Autee 
zu beugen; fie wennt fie „ige Bruͤber in ber kactholiſchen 
Kirche’; fie bitter fie ums Himmelowillen, Frieden zu 
hatten, die Dogmen und Gayungen gegenfeitig. anzuerken⸗ 
nen. Nur Dogmen ! Dogamn! ganz gleichguͤltig welche. 
„Dogmen! Dogmen! ein Königreich für ein Dogmal” 

Zu dieſer allgemeinen Werbrüberung haben die thes⸗ 


logiſchen Syfieme freilich Grund genug; denn bie Phlie: 


ſephie bat ihnen Indgefammt den Krieg angekuͤndigt. Die 
Philoſophie wendet ſich nicht wider diefe ober jene Keche, 
ſondern wider die Kleche überhaupt; nicht wider dieſes 
oder jenes Dogma, ſondern wider alle Dogmatik. Das 
erklaͤrt ſchon Strauß in der Vorrede zu feiner ‚Blanbenss 
lehre im Kampfe wit ber medernen Wiſſenſchaft“ eb 
Strauß iſt noch nicht Feuerbah und Bruno WBauet. 
Das iſt der Stand der Dinge; bie Schranken find ges 
öffnet ; der Kampf geht auf Leben und Tod. 

An diefem Kampfe fh titerarifch zu betheitigen, iſt 
nicht Jedermanns Beruf; aber gleichguͤltig und unberkhet 
kann kein gebildeter Menſch beiden. Und wenn er für 
rein theoretiſche, für metaphyſiſche Kragen ein Intereſſe 
hätte, fo möüflen die unabfehbar wichtigen praftifchen 
Folgen, die fi unmittelbar an das Reſultat des Kam⸗ 
pfes anknüpfen, feine Aufmerkſamkelt am fich reißen ; denn 
e6 bat ſich noch niemals in ber Welt um rein theo⸗ 
retifche Kragen gehandelt: alle Theorie und Bildung ſetzt 
fih in® Leben um, gibt fich Geſtalt und Wirklichkeit im 
Staat, in Geſetz und Sitte und in det Ordnung ‘des 
gefelfchaftlidhen Lebens. Die katholiſche Theologie hat bie 
Hierarchie hervorgebracht, das Papſtthum, das Moͤnché⸗ 
weien, die Imquifition; die Gcheiteshaufen; was bie Pros . 
teftantffche Theologie hervorgebracht hat, das wiffen wir, 
darin leben wir; man nennt es felt einiger Zeit den "chrifts 
lihen Staat. Has die Freie Philoſophle mit ihrem Principe 
ber Dumanität hervorbringen wird, das ficht zu erwarten, 
man mag fi nun davor fürchten oder baranf hoffen. 

Aus diefen Gründen fagte ich oben, daß die Theolo⸗ 


gie jetzt eine große Role fpielt; und aus diefen Gründen 
fege ich bei den Lefern d. Bl. ein Inteteſſe für theologl⸗ 


[he Fragen und für Erſcheinungen der theologifchen Lite⸗ 
ratur voraus. Daß die vorliegenden theologifchen Schrifs 
ten mit den ragen der Belt nicht zufammenhängen moͤch⸗ 


». 96 


ten, bavor brauchen wir non vormberein nicht bange zu 
fein ; benn die Theologie bat immer nicht nur im, fon- 
dern auch vom Widerfpruhe mit der menfchliden Ber: 
nunft und alfo mit ber jedesmaligen Wiffenfhaft und 
Bildung gelebt. 

Mr. 3. „Theologiſche Bonette.” Das muß man 
geftehen, die Theologen unferer Zeit wiſſen fid in Alles 
zu finden. Wo find Kutte und Kapuze? Sonft war ib: 
nen keine Form zu ſchlecht, ihren Glauben zu verbreis 
ten; jest ift ihnen keine zu gut, ihr bäßliches Gemiſch 
von Glauben und Unglanben, ihr deſtillirtes, zerſetztes, 
bruchſtuͤckiges Chriſtenthum an den Mann zu bringen. 
Aber find denn theologifche Sonette, iſt theologifche Poeſie 
überhaupt möglih? Die Theologie iſt ja als Wiffen- 
sfehaft. ber Religion, wie.fie die Theologen felbft erBlärem, 
dacchhaus eine Sache der: Reflerion, des Verſtandes. Frei⸗ 
lich bat es in ber Geſchichte der deutſchen Literatur ein: 
mal ‚eine Zeit ‚gegeben (im AT, Bahrhundert), wo die 
Dorfie von dee Theologie beierefcht wurde und darum 
ſelbſt ein theeiagifches Gepraͤge an fi trug, wo bie 
Rechtzlaͤubigkeit für den Pruͤfſtein des poetifchen Werths 
‚galt: aber Klopſtock, der das Gebiet der Theologie für 
die Empfindung und Pbantafie eroberte, Wieland, der 
ne Beit lang ſeibſt in den theologifchen Feſſeln ge: 
(hwachtet, uad ſich fpdter empfindlich dafuͤr gerächt hat, 
‚ab vor Allen Lefling Haben diefer ſchmachvollen Knecht: 
ſchaft der Poeſſe für immer ein Ende gemacht. Run 
‚gar theologiſche Sonette! Von jeher gilt das Sonett 
‚Sr den Ausdruck der innigſken und zarteſten Empfindung: 
das Ungeftlam und bie Heftigkeit des Affects wird gebän- 
digt durch das beſtimmteſte Maß, durch die kunſtvollſte 
Form; aber sahme (gar theologiſchel) Meflerionen. paflen 
in dieſes Maß niht. Darum find denn aud bie vor: 
Iegenden ‚‚Nheologifchen Sonette” zum geringern Theil 
nicht theologifche, zums geößern Theil feine Sonette. Don 
den erſtern eine Probe: 

AL. 


Unverzeihliche Cenſur⸗Rachlaͤſſigkeit. 
Oft Hör’ ich unſres Staates Weisheit preiſen; 
Wie aber, nennt man denn aud Das gefcheit, 
Daß er die Prebigt von Cenſur befreit, 
Uns von ben Pfarrern 1äßt herunterreißen? 
„Ihr Anechte, wollt ihr Gottes Kinder heißen’ — 
Warb heut geprebigt —, „müßt ihr jeder Zeit 
In allen Dingen Treu und Folgſamkeit 
- Den Seren, auch ben ſtrengſten felbft, beweifen.” 
Schoͤn das! wie aber kam's im zweiten Theile: 
Ihr Serra, was recht und gleich beweiſt ven Knechten; 
Auch ihr habt einen Herrn! zu eurem Heile, 
Vergeßt das nie; einſt wird er mit euch rechten.“ 
e kann der Menſch ſo etwas ſich erfrechen!? 
DO wär’ ich Fuͤrſt, bald follt' er andere ſprechen. 


Hierin iſt doch die Pointe ganz untheologifh. Die Aus: 
drucksweiſe if} zwar immer nocd breit und matt und 
nicht epigrammatiſch, wie fie die Sentenz, die als med: 
Ienburgifches Product ganz brau iſt, erfoderte. "Aber bie 
wirklich „Theologiſchen Sonette” find ſchale Reimerei und 
noch dazu voll unklarer widerſprechender Gedanken. 


Nr. 2. „Gegen ben Strom.“ Ja wel gegen den 
Strom, aber für den koͤlner Dom. Jedoch im er 
ſten Theile: „Vaterland“, find einige Sachen gamı 
leidlich. Der Verf. kaͤmpft zuerſt gegen die „Pfaf: 
fen’, und ‚das 1 ſicherlich nicht „gegen, ben Strom; 
aber dann gegen ben „Krbfeind”, die Franjoſen und 
gegen den Kosmopolitismus. Mit diefem Specke fängt 
man feine Mäufe mehr, zumal wenn man chriſt⸗ 
he Würze daran hut. Als ob das Chriſtenthum 
nicht kosmopolitiſch wäre! und als ob nicht gerade der 
Kosmopolitismus feine welthiſtoriſche unvergänglihe Miſ⸗ 
fion wäre! Was die Franzofenfrefferei ins Veſondern be: 
trifft, darf man immer noch auf das herrliche Schriftchen 
von Ludwig Boͤrne verweilen: „W. Menzel, ber Ftanzo⸗ 
fenfreffer. Nehmt euch ein Erempel dram, ihe „chriſtli⸗ 
hen Germanen”, unb denkt an den Häglihen Ausgang 
des Liedes vom ſogenannten „freien“ deutſchen Rhein! 
Der zweite Theil: „Kunſt“, enthaͤlt auch noch leidliche 
Sachen; aber im dritten Theil: „Aus dem Leben“, bericht 
der Unfinn ſchon durch; 3. B. AT: 

Da lob ich’ mir die bärt’gen alten Juden, 

Dem biut’gen Talmud treu in finfleen Buben, 

Trotz manchem Fluche, den fie auf fich Tuben. 

Zwar fagt man, daß fie Chriſtenkinder ſchlachten, 

Doch find fie gläubig bei dem ſchlimmen Trachten — 

Den Juden, der nichts glaubt, muß jch veradgten. 

Und das ift, man glaubt's kaum, biutiger Ernſt, denn 
es kommt im vierten Theile: „Glauben“, noch Arger (X): 

Den Mann von echtem Btauben muß ich achten, 

Ob Ketifhhdiener, Jude, ob Brahmine, 

Ob Moslim, ober weichem Bott er diene — 

Den Mann, ben Zweifel nicht zum Zweifler machten. 

Sein Staub’ iſt frei, er laͤßt dafür ſich fchlachten, 

Nicht fchredt der Tod den Muth aus feiner Miene, 

Sr glaubt, baß er das Parabies verdiene, 

Sobald die ſchwarzen Schleier ihn umnadten u. f. w. 
Solcher Theologie 'gefhähe zu viel Ehre, wenn man fie 
nad Ludwig Feuerbach in Anthropologie auflöfen wollte; 
fie ft nur in Zoologie aufzuldfen: Ihe wahres Wefen 
ift die Beſtialitaͤt. Ja unfer Verf. geht mit feiner 
Staubensfompathie noch eine Stufe unter da6 hier, 
denn ein Sonett beginnt: „D, unfre Berge zweifeln 
nicht!“ und S. 59 ruft er aus: 
blinder unverzagter Glaube!” Hiermit fei der Verf. 
der — Verachtung bes gebildeten Publicums anheim: 
gegeben ! 

Nr. 3. „Expostulation.”’ Über bie Beibehaltung 
diefes englifchen Ausdrucks erflärt fich der Überfeger in 
der Einleitung (S. 10) fo: 

Das Wort Expostulation bebeutet im Gnglifhen Be⸗ 
fhwerbe, Streit, Wortwechſel, Anklage, aber diefe Begriffe find 
in ber Bedeutung des Wortes fo gebunden, und der urfprüng: 
liche des Derausfobeens fpielt fo hinein, daß das MBert ſchwer⸗ 


lich im Deutichen durch ein ganz bezeichnendes wiebergegeben 
werben ann. 


Das ganze Gedicht (734 Jamben) ift eine Allegorie 
ohne allen beflimmten, faßlihen Zufammenhang Die 
englifhe Geſchichte wird mit der jüdifhen in Parallefe 
geflellt; aber bisweilen weiß man nicht, ob von Jsrael 


„uns fehle ein 


ober England die Rebe if. Die gumge altteflensentliche 
VWeltanſchauung des Berf. und fein prophetiſcher Stil 
möchten bei dem Geſchlechte unferer Zeit ſchwerlich ſon⸗ 
derlichen Anklang finden. Nur einige Stellen, wo von 
der Freiheit und Macht Englands in menfhlicher Weiſe, 
ehne Einmifhung der wunderbaren Vorſicht Gottes, ge: 
handelt wird, geben für die fonflige Breite, unklare und 
verfiiegene Auegorie eine gerofffe Genugthuung, und es 
ige fi, wie unter einem freien Voike der Sinn für 
die Gedichte der Gegenwart auch bei einen fonfl gan 
sheoisgiihen Menſchen nicht völlig erſterben kann. 

Des Gedicht ift von William Cowper (geb. 1731, 
gef. 1800) im Winter 1780 — 81 gefärieben. Der 
Berf, war (nach der Einleitung des Überfegere) zu ver: 
fhiedenen Malen gemüthskrank, einmal fünf Jahre lang, 
yon 1773 — 78; wir vermuthen, er war 1780 noch 
wicht völlig wiederhergeſtellt. ©. 3: 

Sowper farb den 25. April 1880. John Johnſon, ein 
junger Beifltiyer und Verwandter, ber um ihn war, fagt, ber 
Austrud feinee Züge im Tode fei Ruhe und Faffung gewefen, 
gemiſcht mit Heiliger Überrafhung. (Wat if Heilige 
ücherrafhung?) Gr deutet darauf, daß in den Zuͤgen bes Ent⸗ 
feriten fich das feige Erſtaunen (felige Erſtaunen?) malte, fo 
viel Größeres zu finden, als er in feiner legten Dunkelheit er: 


wertet. 

Wiliam Cowper hat alfo bie Herrlichkeit bes jenſei⸗ 
tigen Paradieſes noch mit leiblichen Augen gefehen; er 
iR zu gleicher Zeit auf diefer Erde ſterbend und in 
im Welt auferfianden gemein. Was doch ein 
Theologe Alles glaublich findet! Der Zufammenhang bes 
Gedichts mit unferer Zeit befchräntt fi) auf den Wunſch 
des Überſetzers, Daß „die Theilnahme für Cowper's Werke 
überhaupt dadurch in gewiffem Grade angeregt würde”. 
Das ſteht nicht zu erwarten; denn mit Gomper’fcher 
Porfie war wol gegen den damaligen englifchen Deismus 
etwas auszurichten, aber nicht gegen unſere gegenwärtige 
Bildung und Philofophie. 

Nr. 4. „Adelaide. Laßt euch nicht durch dieſen 
(hönen Namen verloden, romantifche Zeferinnen! denn im 
Buche fpielt Adelaide eine hoͤchſt untergeordnete Rolle; bie 
Hauptrolle ſpielt — Gottlieb. Gottlieb predigt beinahe 
durch das ganze Buch, und die Dürftigkeit, Plattheit 
und Sntereffelofigkeit der Erzählung, des (sit venia verbo!) 
pertiihen Ingredienz ift gar nicht mit Worten zu be 
ſcheeiben, oder vielmehr mit zwei Worten. Gottlieb (er 
bat duch das ganze Buch hindurch keinen andern Na: 
men; nur einmal fagt der Verf. „unſer Theophilus“, 
aber im Drudfehlerverzeichniß ſteht: ließ [unfer] Gottlieb) 
Gottlieb alfo bat ein Geſpraͤch mit Adelaide, erzähle das 
Reben feines feligen Freundes Gottlieb Weihe, und beide 
(nimtih Adelaide und Gottlieb) verlieben fi ineinander. 
Beim Abfchiede fagt Adelaide zu Gottlieb: „Ich bin eine 
Juͤdin.“ Aber das kuͤmmert Gottlieb nicht, er bat fuͤrs 
erfte ganz andere Gedanken (S. 86): 

Die Erbe erfchlen ihm ald eine Hde, aus weicher nur 
Sergen und Kümmerniffe wie Geſpenſter fich erhoben, um Gott 
ieh zu quaͤlen. (Eine Probe von des Berf. Schreisart!) Was 
werdin die Menfchen davon fagen? wäre es nicht beffer, ſpaͤter 
irgend ein reiches Maͤdchen zu heirathen, deſſen Geld beiner Bes 


bagtichleit uukahtfe (sich? bean Abelaidens Weruäcdtniß i 
iger wit u. f. w. RR 
Meter umten: 
I bin eine Zünin, abflobenbes Mont — (das finde ich nicht; 
Sude klingt haͤßtich, aber Juͤdin akt) — allein wer bi Hu 
denn: ein Deutſcher, iſt beun dad wirktich etwas Beſſeres? 
(Die Interpunction tft vom Berf.) Ha — ich fühle — doch 
nein, ich bin ſtotz, ſtoiz bin ich darauf, ein Deutſcher zu fein! 
Die Deutſchen waren es, die. tapfern Germanen, welche allein 
: 1, W. 1 


Gottlieb hält fpäter eine Lange Predigt über Altes 
und Neues Teſtament, fchimpft auf Aufllärung und 
Toleranz, auf Degel und Strauß (mit einer beifpiellofen 
Unwiſſenheit), umd verlobt fich mit der Juͤdin Adelaide. 
Ste macht dann unfreiwillig einen Abſtecher nach Ame⸗ 
rika, wo fie ihren todt geglaubten Vater wieder findet; 
Gottlieb tröftet fich leicht und geht in den Orient. Beide 
treffen nach ungefähr einem halben Jahre an einem Tage 
in Hamburg wieder zufammen u. f. w. Wie man ein 
fo geil : und geſchmackloſes Barch ſchreiben, und ohne 
Ahnung, daß man fi dadurch vor aller Welt blamirt, 
drucken laſſen kann, wäre unbegreiflih, wenn’s nicht — 
theologiſch waͤre. 42. 


Humoresken von W. Achat. 
Gr. 12. 1 Thlr. 


Dee Werf. hat ſich durch allerlei pikante Kleinigkeiten in 
ben Tagesblättern bekannt gemacht; bier iſt eine Sammlung 
derſelben. Wir meinen, dieſe Sammlurg ſelbſt iſt als sine 
Kleinigkeit dem Publicum übergeben und fo muß fie beurtheilt 
werben. Die meiften Artikel find mit Wortfpieien, mit Werts 
wig, mit fdhlagenden Beziehungen ausgeftattet, ſodaß fie fich 
ganz leicht weg lefen laſſen. Es if darin nicht das Blendende, 
nicht das Brillante, was in Saphir'ſchen Artikeln diefer Art 
fo ſehr anfpricht, aber es ift doch in bem vorliegenden Buche 
eine Grinnerung daran. Einiges ift recht leicht und fließend, 
Anderes höcft ſchwerfaͤllig und forcirt, zum Grempel bie „Ras 
gen des Eifens und Goldes“; übertrieben und matt if „Roth 
und Grau. Das Budy ift wie manche Befrlfchaft: But man 
teine befiexe, fo läßt man fie ſich einmal für eine Stunde gefallen. 
Bisweilen ſtreift ber Verf. ins Gebiet der Satire, aber ba ber 
wegt er fich nicht ohne Schüchternpeit. Seine Satiren find faſt 
guößtentheils allgemeine, gegen Sirutenauts, Commiſſionsraͤthe 
unb geprellte Shemänner gerichtet; wendet fich feine Satire 
gegen Perfönlichkeiten, fo ti fie fo zahm, daß ihr die Zähne 
zum Feſthalten ausgefallen zu fein ſcheinen; oft kommt es Eis 
nem bor, als werbe der tobte Eſel zum zweiten Male tobt ges 
f&lagen. So fagt der Verf. 3. B. einmal von Menzel: „Was 
ba noch herummwanbeit und Krititen ſchreibt, das ift blos Men⸗ 
gie Geſpenſt; fein Geiſt befindet ſich laͤngſt im Reiche der 

z er ſtarb an einem Duell mit Heine, das zwar nicht zu 
Stande kam, aber er ſtarb doch daran.“ Ebenſo matt iſt, mas 
Or. Achat über Grabbe ſagt: „An einem Waſſerfalle — unge⸗ 
heure Sronie — ſigt Grabbe. Er trinkt verſchiedens Schnäpfe 
und arbeitet dabei an feiner wuͤſten Tragoͤdie, bie man aber 
wol wieber nirgend aufführen wird als im Meplatalog.” Ein 
haͤchſt veraltete Big wird über Raupach gerifien, wenn es 
beißt: „Der verſtehts; einen Stoff, bee kaum zu zwei Akten bins 
weicht, dehnt ex im feinem bramatiichen Prokuflesbette 8 fünfen. 
Warum? Deil das Heftheater ihm für jeden Act DO Thaler 
bezahit.“ Gegen ben Thalien⸗Vater Töpfer und Conſorten, bie 

für große Männer Hatten, geht er ſcharf zu Feide; „dieſe 


Coesfeld, Riefe. 1843. 


enden Übderfehungstabrilanten, die noch dazu unverſchaͤnt genug 
find, fi den Originalen an bie Seite zu flellen, ſollten als 
Seine unferee Rational » Literatur oͤffentlich profkieuiet werben.” 
Berf. hat wirklich Secht, wenn er erklärt: „Kotebue war 
ein anderer Mann, der kbertrug nicht bios bie Norte, ſondern 
auch den Geiſt; er überfepte nicht blios aus dem Franzoͤſiſchen 
ME Deutfche, Tondern auch aus dem Faden ins Pilante, ans 
dem Zrivialen ins Witige.” huͤbſch fpricht Hr. Achat 
über den literariſchen Reid: „Die Poeten ſollten einander doch 
nur durch bie Schoͤnheit ihrer Lieber und Dichtungen zu übers 
treffen ſuchen.“ Mit Recht wird noch „Oeine's Salon“ tuͤchtig 
mitgenommen; ber Verf. weiſt in bem ganzen Heine’fahen Buche 
gwei und einen halben Wis nad, und rebet, wie es Recht ifl, 
mit Schärfe über biefen Auswuchs ber Literatur. 
" Da Ref. die entfchiedene Anſicht hat, daß gegen viele ver: 
Lehrte Richtungen und Tendenzen der Zeit gar nicht anders als 


mit Satire gewirkt werben Tonne, fo fobert er ben Verf. der: 


„Sumosesten‘' auf, dieſe Waffe ſelbſtaͤndig und mit Kuͤhnheit 
u gebrauchen, damit er nicht blos ber Unterhaltung biene, 
—8 auch die reichere und vollere Entfaltung des geiſtigen 
Lebens foͤrdere. W. 





Literariſche Notizen aus Frankreich. 


Katholiſche Zeitſchrift. 

Wir haben zu wiederholten Malen auf bie große Thaͤlig⸗ 
keit aufmerffam gemacht, welche in jüngfter ‚Zeit einige ber 
retigidfen Geſellſchaften in Paris entfaitet haben. Nicht nur 
durch die mündtiche Rede fuchen diefe Geſellſchaften, benen einige 
der einflußreichften Familien angehören, ihrer Sache immer 
neue Anhänger zu verfchaffen, fondern mehr als einer bdiefer 
eifrigen Apoftel greift auch, um feinen Ideen eine weitere 
Verbreitung zu geben, zur Beber. So hat faft jebe biefer 
Geſellſchaften, die alle mehr ober weniger untereinander in 
Berührung kommen, ein eigenes Zournal. Das gediegenfte und 
am beften redigirte iſt die ,‚Revue litteraire et critique, 
publide par la Sociöts de Saint- Paul”, deren wir ihrer 
wirftichen Bedeutung wegen hier gebenten wollen. Diefe perio⸗ 
difche Schrift, auf die namentlich der bekannte Abbé Ratisbonne, 
ein getaufter Jude aus Straßburg, einen großen Cinfluß aus⸗ 
übt, bringt außer einigen gebaltvolien Driginalauffägen eine 
Reihe kritiſcher Artikel, in denen die wichtigſten Gricheinungen 
der neueften franzoͤſiſchen Literarur vom religioſen Standpunkte 
aus beleuchtet werden. Mir rechnen dahin namentlid eine 
Beſprechung ber legten Wände von Michelet's „‚Hintoire de 
Franoe’. Es if intereffant zu fehen, mit weldem Auge 
ein eingefleifcdhter Katholik, und bies iſt M. D., der biefen 
Auffag unterzeichnet, dieſes wichtige Geſchichtswerk anſieht, 
dem von manchen Geiten ſchon ein allzu katholiſcher Anflug 
vorgeworfen wird. Beachtungswerth find auch mehre ber kriti⸗ 
ſchen Portraits und literariſchen Charakteriftiten, die uns in 
diefer „Revue’‘ geboten werden. Wir heben davon namentlich 
die Shateaubriand’s, die aus der Weber von Gabourd gefloflen 
tft, hervor. Vielverſprechend find endlich Die „Etodes sur les 
philosophes contemporains”‘, die mit Fourier eröffnet werben. 

viel man auch ſchon Aber diefen Sotiatiften bins und herge⸗ 
redet bat, To ift doch bis fest fein Verhaͤltniß zum Glauben 
ber kaͤthoiiſchen Kirche noch nicht fo umfaſſend dargelegt, wie 
es in biefem Auffage geſchieht. Won ben Driginelauffägen 
verdient einer aus ber Weber vom Abb Ihkodore Ratisbonne 
(dem Bruder des Dbenerwähnten): „Harmenie des sdcrits de 
Saiot- Bernard sur la sainte Vierge avec ceux des pères de 
Peglise”’, befondere Beachtung. Binnen kurzem wirb bie „Revue 
Iitteraire’’ auch einige Proben aus einem größern Werke über 
Proteflantisimus und Katholicismus („Ise protestantisme com- 
par6 au catholicisme dans les rapports avec la civilisatien 
suropsenne”, vom AbbE Iacques Balmer) bringen. Der Berf. 


dieſet Sqheift if Herausgeber eines ſpaniſchen Yaurnais 
aivilizacien‘‘, das in Barcelona Pod ein und hat A 
seite durch mehre literariſche Arbeiten ſowol in Frantreig au 
in Spanien ruͤhmlich bekannt gemacht. Die „Rerue litteraire" 
ib, In demı ce ben. berüpeiten Befhichtfän her aut DM 
ihm, in er en i mM 

fühetich befpricht. in 


Raspails neues mebicinifhes Syſtem. 

Bir müflen zwar in bes Regel die Anzeige folder Werte 
die den engen Kreifen einer befondern Fachwiſſenſchaft angehören, 
andern Zeitſchriften übertaffen, wollen aber einmal in Bey 
auf sine ſoeben erfihienene mebieinifche Schrift eine Ausnahme 
machen. Dieſelbe verdient nämlich einmal dethalb, weil fe 
beffimmt iſt, im ihrer Wiſſenſchaft Revolution zu machen, un 
bann insbefondere um ihres Verfaſſers willen eine allgemeinere 
Beachtung. Wir meinen bie „Histoire de In sante et de la 
maladie chez les vegötanx et chez les animaux en 

ei en particulier chez l’homme” (2 Bde). Der Verf. biefer 
Schrift iſt 2. V. Naspail, der ſich ſowol durch feine Theilnahnt 
an revolutionnairen Umtrieben, als durch feine autgezeichneten 
naturhiſtoriſchen, namentlich chemiſchen Werke, bekannt gemacht 
hat. Er iſt einer von ben feurigſten Köpfen, bei denen Kür, 
was fie angreifen, zum &piel ihrer Leibenfchaften wird © 
bezweckt denn auch das vorliegende Werk nichts weniger als 
einen gaͤnzlichen Umflurz Deflen, was bis jegt in der Mebicin 
für Autorität gegolten hat. Bon. bitteren Erfahrungen mise 
flimmt, bat ſich fein Verf. von allem Verkehre zurtuͤckgezogen 
und ganz in das Studium der Grundſaͤte ber Arzneiwiſſenſchaften 
und ber Verhältniffe bes gefunden und kranken —* vertieft. 
Seine Schrift iſt die erſte Frucht feiner Iangjährigen Betrach⸗ 
tungen und Beobachtungen, der bald noch einige andere aͤhn⸗ 
lichen Schlags folgen werben. Wir müffen es Leuten von dech, 
bie fi aber, um ein unpartelifches Urtheil fällen, ale 
—8 Vorurtheile zu entſchlagen haben, uͤberlaſſen. 
nachzuweiſen, inwiefern bie Wiſſenſchaft durch dieſes Werk 
gefördert wird, oder ob alle die neuen Theorien bes originellen 
Denters auch nur einmal wieber Leuchtkugeln find, die eine 
deit lang flimmern, dann aber ſpurlos verpuffen. 


Jonenale in Berfen. 


Bon allen verfificisten Iournalen, bie in Frankreich ſeit 
ber Julirevolution aufgetaucht find, bas einflußreichfle und dad 
jenige , welches den meiften poetifhen Werth hatte, war jeden 
falls die „, Nemesis‘ von Barthelemy, ber fich bekanntlich and 
einmal in Werfen vor @ericht vertheibigte. Es gehoͤrt ein un 
gewöhnliched Talent dazu, ber Beſprechung ber alltägliden 
Sreiguiffe und ber potitifchen Begebenheiten eine poetiſche Br 
beutung zu geben; benn felbft im gluͤcklichſten Zalle bleiben bie 
felben dody nur gereimte „Premiers Paris”. Dies ift bie Klippe, 
an der afle ähnlichen Unternehmungen, in denen die Taget⸗ 
neuigfeiten- gefungen werden follen, gefcheitert find, und wit 
möchten faſt begweifeln, daß das „‚Tribulet, journal en chan- 
sons politiques‘‘, das vor kurzem gegründet iſt, fich eines are 
Ben Leſerkreiſes und eines langen Beſtehens erfreuen wird. Dab 
zweite Heft, das und zu Geſicht gekommen ift, enthält unter 
andern berfificiete Artikel unter folgenden überſchriften: „Le 

rincosse Pomare”, „La comäte de 1843, „Complainte sur 
© ‚prooös Caumartin” u. f. w., die ale weit hinter ben 
politifchen Eiedern bet „Corsaire” und namentlich bes „Char 
vari’’, der zuwellen ganz meifterhafte hat, uͤckſtehen, un 
befonders einen Vergleich mit Beranger’s —— » qutmätfigen 
Berfen nicht im entfernteften aushalten. Der Herausgeber uns 
wahrfcheintih alleinige Werf. biefes Journals in Liedern iſt 


Gharied Lepage, der vor einiger Beit ein Bändchen ziemlich 


a emäbiger „Chansons politiques et autres” beraudgegehen 


Berantwortliher Herausgeber: Heinrich Broddaus. — Drud und Berlag von U. U. Brodpaus in Leippig. 


ee AR 7 lie: 
HJ n u r x 2. 332 it DIET Bu % 3 3 


. DR. rr Kab * 


1 ranfoe 


9 Nu nnd 3A 


An 8 


utere 


I 2 
r CET; 
u TIP I 


ir in ae ee en 
| Ce SE —J— EI. uu en, : 
NA TEE a an Lee: . I) TR 

—V IR DER > Ba 7 


— 


is; In: 





bob Einigreich⸗ Dinaml Mit: ſteir Sich 

ficht auf die innere Eutwickelung in Staat und Bol 

Bon E.5.. Allen. Gekroͤnte Preiöfcheift. Aus: dem 

il R gentalogiſchen Tabellen und einem 
sn 


Borwert — Babd..: 
buchhandlung. 1842, Gr⸗ J 
Daß die Freccjoſen and * —— ihter 
auf die leſende Votkemaſſe berechneten Jocenaliſtek eine groͤ⸗ 
here Energie zu geben wifſen als die: Deutfchen, iſt in po⸗ 
fieifcher, aſthetifcher und 'Anbuftiiefer Beziehung, vorniger 
in rein wiſſenſchaͤftlicher Hinficht eine unbeſtreitbare That 
ſache. Doch zeigt FE auch Im 'diefem' Punkke die Mer 
fülerenhelt der Charaktere jener Heiden Nationen. Waͤh⸗ 
vend nämlich die Franzofen, der Romautik ungleich geneig: 
tee als die Engländer, vorzüglich Ihre Romane, "bie nach 
ihrer Vollendung mehre Bände füllen; in eine lange Reihe 
von SFenfüetonsartiliin- auflöfend unter die VBolksmaſſe 
wiglichſt ſchnel zu - vertriiben fuchen, nehmen die Eng⸗ 
lander cdaſſifchze Werke des In: umd-Ausiades; -fofkn 
insbefonbere die praktiſche Bildung und Speculation zu 
fordern ſcheinen, gut Hand und thellen fie in einer Menge 
ven Zeitun foenn es noͤchig iſt im La He 
Oprade dem igeößern Publkum mit. Ein miethokedi 
Brifpiel dee Art Liefert Chamber? s „Ediaburgl kouraelt, 
Dieſes Journul, vorzugsweiſe auf bie induſtrielle Bevoͤcke 
rung Schottlands berechnet und ' bishalb' außerdrdentlich 
wohlfeil, fette inn dee neueſten Zeit Jährlich 70,000 Erem⸗ 
Mars ab. Und was bot e6 feinen Leſern ä. B. Gomkbers 
„Constitetion of man”, „Qustelet's „Sur Fhomme?t; 
Suiets „L’histoesie ia eivillention: d’Eerope’;" Bord 
Bacın’$ ‚Essays: morel, economical: aud pölilical”, und 
ähnliche Werke mıche. Was leſen die Deutfcherr?- Rinalde 
Rinaldini mit feinen Spießgefellen mache noch immer Gei 
ſaſte in een gewiſſen Keetſe der deutſchen Leſelwelt, 
‚fe der Bemuͤhungen, die im der juͤngſten Zeit gegen 
folde Kertiree angeroender worden find. Wir wollen hier 
dieſe Sache nicht weiter verfolgen, glauben’ jedoch Bi Be⸗ 
wertung nicht Ahterbriden zu duͤrfen, daß es zur "Wen: 
kiung unſerer allgemeinen Cultur⸗ und Geſchmackszu⸗ 
Kine von Intereſſe ſein moͤchte, wenn Lelhbibliotheten 
Ha und niedern Ranges gehalten: todren, altjaͤhrſich Tin 
tiſiſche Tabellen zu lieſern uͤder Die Wahl der: Leeture: ont 


Seiten Dee: eingeiherr Staͤnde, der G. ſhieclen de 
möglich auch der verſchiedencn kebendalter. Welches "Ges 
gebniß man auich Bin’ diefer ſtatiſtiſchen Maßregel fuͤrch⸗ 


‚ten oder hoffen mag, ſo diel iſt ſchoͤn iim voraus gewiß; 


daß die Bekanniſchaft mit dert‘ edlern und edelſten Theilen 
unferer Nutlonalliternkur nicht ſehr chef: innunſer Volk her⸗ 
abteicht. Sind: doch Pt fr ber’ gelehrten Welt noch 
ale alle Pedimsen 'wtißuifldchen, denen es inbung 
koſtet, ber deutſchen MNoetieniaitteratne weben der aften ben 
ehrenvollſten Platz einzuriumen. Und es bedarf tm der 
That noch eines —— auch fter die Geſchichte der 
deutſchen Proſa, wir ganz und für Alle' übergeugend- zu 
nd Wir "gebiet: haben und weſſen 'wirfere Sprache 
—A— ſt. Mar hat übrigens theils uhfeen Schriftftellern 

elbſi, theils unfdter Mutiteſprache den Vorwurf Beinahe; 
daß ſie die Schuld jener aicht eben erfreulichen und ehren⸗ 
dellen Erſcheinung teligen. : Über Die: Ungerechtigkeit der 
lehtern Anklage’ ſind die Kenner und unparteiiſchen Beur⸗ 
theiler jetzt To ziemlich einigj J. H. Voß ſteht mit feine 
ehrenvollen Zeugniſſe für bie deutſche Sprache ſchon Kängit 
Wicht mehr allein da. Und was den Vorwurf gegen bie 
Septiftfteker bethifft 7 -fo' iſt derſelbe nur noch theilweiſe 
ſtichhaltig: 7E'wirb unleigbar felt längerer Zeit -befonderb 
In’reinigen Zwelgen "der Litetatr beſſer gefi rieben als ges 
(fen. Wollten wir"did Sünde alle aufſuchen und ihren 
Zuſammenhang ·maher etoͤrtern, weshalb wir In der Age 
meinheit fo wenig geneigt find, unfere- nationale Biteratwe 
rouhrhuft ju ſtudlren/ oder" befähigt, fie geblihtend beur: 
chellen zu’ koͤnnen, fo wiirde Das, was daruͤber zu ſagen 
waͤre, zu einet bifondern ‚Abhandlung anwachſen. Wir 
begnügen uns de&hafd' mit der: Bemerkung, die nicht oft 
gennug wiederholt und tief genug eingepräyt werden ann: 
derjenige Theil unfers Volke, der einf den geiſtigen Kern 
deſſelben bilden ſol und zur - Einwirkung auf die tiefer 
ftehenden Bolksgenoffen zu wirken: Serufen iſt, wird zu 
frichzeitig in das Auslandiſche und Fremde gewoͤhnt, der 
Blick; der Sinn, ja ſogar das Herz ſind ſchon gefangen 
genommen, wenn zum Beurtheilen; zum Wuͤrdigen des 
Vaterlaͤndiſchen und zar Aufnahme deſſelben in das Ges 
mich. zeſchritten wird. Wir ſind fruͤhzeitig uͤberall zu 
Haufe, wur im Baterfande am' wenigflen und in der Re⸗ 
geb; wenn es ja gefchteht, am ſpaͤteſten. Vergebens iſt 
indie Binden nach Nationaleinhrit, gehn unfer Stees 


ur 3 7 
ben nach einem flarken Rationaigefkhl,, wenn wir nicht 
die Köpfe und Herzen unſerer Volksgenoſſen mit dem 
wahren Geiſte unferer Rationalliteratur füllen und bei 
eben wollen. Doc nur zu . wiflend, zu 1 —* 
ſequenzen und ( oo ten ocentwickelung Diele ‚Ans 
Schr führen een ch ab, um für unkee agents 
liche Aufgabe * den 3. 3. Raum zu bewahren. 

Der Wunſch, ein populaires Werk über die Geſammt⸗ 
gefcyichte Deutſchlands zu erhalten, iſt ſchon oft und Lange 
ausgeſprochen worden, und +6 wuͤrde «in ‚wen 6 


d abe töfte, unſtreitig mit vielem, vielleicht mit all⸗ 
gr She — werden. Zur ** 
dieſer Wunſch 


na feiner Erfuͤllung. 

um fo weniger geneigt fein, den piftorifchen Schrifeftellern 
Deusiiglande deihatb Vorwuͤrfe zu marben, je mehr man 
übe die Schwierigkeiten zachgedacht hat, denen dieſe Auf⸗ 
gabe unterworfen iſt; je genauer man ſich mit dem ein⸗ 
mal angenonmagen Gharalter unferer gaſchichtlichen Stu⸗ 
dien und amferer hiſtoriſchen Kunſt bekaunt gemacht, hat, 
und febald man endlich bedenkt, daß es unferm aͤffent⸗ 
chen Wofkedggrakter noch am einen geroifien Schärfe und 
figerm Talte fehlt. Indeß bat auch in diefer Sezichung 
die meuelte Zeit manche erfreuliche Fortſchritte gemacht; 
vers heſiten Imsbsfondere bereits eingelne hiſtoriſche Mon⸗⸗ 
graphien, die alle Aneckeunung verdienen; bie Memoiren⸗ 
literatur zeigt in einzelnen Erſcheinungen ſchen eine ‚ge 
wiſſe Glofficisät, fowie auf der andern Seite —* 
Unterricht und Geſchichtslecture in Kreiſen Raum gewon⸗ 
nen haben, mg dies früher aicht der Fall war. Allein es 
bleibt deſſenungeachtet noch wahr, daß der Deutſche, wenn 
liserarifche Einladungen qus den Bauen feines Baterlans 
bes laut werden, etwas h fi zeigt, dagegen Ans 
preifungen, wenn fie von der Seine oder Themſe ber er⸗ 
tönen, gleich Sireneznſtimmen horcht: er ſucht bereitwillig 
bei Fremden, was or entweder zu Hauſe bei fi nicht 
femnt oder in der That noch nicht beſigt. Daß unter 
den namentlich in Europa obwaltenden Culturverhaͤltniſſen 
nicht felen ein gluͤckticher Fund gethan merden ſollte, wer 
moͤchte das in Abrede ſtellen? Und wir müͤſſen denn 
auch das Wert, das und jett zur Beustheilung vorliegt, 
als «einen ſolchen bezeichnen, 

Die Lopenhaganer Geſellſchaft für die Nachwelt hasse 
im 3. 1836 als Preisfrage geitelle „Die Bearbeitung 
einer Geſchichte Dänemarks mit befonderer Rüdficht auf 
bie innere Entwidelung in Boll und Staat”. Ein aus 
fünf der geachtetfien dänifchen Gelehrten befichendes Gen- 
forencollegtum ſprach 1839 Hm. Allen den ausgeſetzten 
Peeis von 300 Reichsbankthalern zu. Die Mitglieber 
beffelben erkannten des Verdienſt, das fich dee Verf. um 
die Befriedigung eines fange grfühlten Beduͤrfniſſes erwor⸗ 
ben babe, einſtiamig an, um fo mehr, „Avell Diefes Ber 
bürfnig in ben letzten Jahren noch zugenommen, ha die 
Beſtrebungen einer befiern Ordnung ber Verhaͤltaiſſe des 
Bemeinweſens und das lebendige Intereſſe für das Oeffent⸗ 
liche, welches ſich in der leuten Zeit kundgegeben, natuͤr 
lich die allgemeine Aufmerkſamkeit auf bie Votzeit und 
ihre Verhästniffe, aus denen die Gegenwart ſich extwickelt 


e 





Der Umfland nun, daß die Par, 

eift, welde iche vortreffiich Die Mitte 2 zwiſchen Dahl 
ann's gelehrter Geſchichte Dänemarks und einem Sqel⸗ 
pen, auch von dem te Publicum mit gre 









Sem te 
eine rſchu Na Hera l 
Und wi —8* it Recht behaupten m dürfen Me 


durch diefe Übertragung, die zugleich als eine fehr gelun: 
gene bezeichnet werben muß, ber deutſchen Geſchiqhtslitera⸗ 
ur ein hoͤchſt geleiſtet worden ſeh 
—* in materieller theils im formeller Bezichung: in 
materieller Beziehung deshalb, weil wir dutch ein Vat, 
des auf: aub Rekanniſchaft mit 
den deſten Huͤlfsſchriften gefküe ift, die Möglichkeit gehe⸗ 
ben fehen, die Kemntaiß tet Geſchichten ines Semuikkeren 
VBraderoaits, Das theitweiſe acahe .olmm gtaͤnzende Ber 
garpenheit gehabt hat, auf ein bebehrende Wiſe amiır 
uns zu vwerbreiten bean Sachſca Merk: iſt vernitet amd 
wenig gelurmee, :mäheemd ae fs spelchete 
Binelle forſcht uind.cfchreibe. . Aber aueh hp ſormeller Bin: 
ſicht darf des Verf. Suhript unter wis vollifeummmen ‚ehr: 
fen werden, weil :bis ſprachtiche Darftellang, bie gefhict: 
liche Methabe mad die Auttwahl ber RPegebenheiten, der 
Verfaſſungs⸗ und Rechtuwverhaͤttmiſſe, der Cultur⸗ und 
Wiffenfchafteguftäude His. anf einzelne wenige Punkte ie 
bie ſich rochten läßt, unſtreitig das Wrädicat der Muller: 
haftigkait in Anfpmuch nehmen koͤnnen. Wir halten an 





ch für wolttonamsen gerechtfertigt, daß ums cin dem 


fo arkartee Werk für unfere Volksgeſchichte weht bald 

wu Theil werden maͤchte! Der Eindruck, ben des Verf. 

— anf ums gemacht hat, iſt uns um fo wohlthwu⸗ 
Ra at's „Nordgarmauiſche Weit“ ua 


der gaweſen, 
ihres eigenthuͤmlichen Galehrſamkeit doch mm ihre Pi | 


bachepfaiten: und Übertreibungen willen fo wenig wahrheit 
miſſenſchaftlich zu erfreuen vermag. 

Vevar indeß der —— Die Die Deustfche Übenfetuung dem 
Dade fihengab, ſendete er fie ham * Etatsrath Fald 
in Kiel zur Durchſicht zu mit ber Wise, dieſelbe mit ds 
nem Vorworte zu tgl. Dies iſt deng auch gehe 
ben, aber allerdings in, ainer Art, bie wir gu billigen und 
nicht ensfelieen kännen :- diefe Morcede Bommt und ar 
wie eine Art Uriasbrief, ur mais dem Angerfchiede, daß ı 
geöffwet iſt. Der Werraäner bat nach gewiß die Aufgabe, 
wenn nicht gar die. Dicht, ein Werk, dem er feine Worte 
oder feine Aucaritaͤt vorſetzt, zu bwormarten und zu em⸗ 
aim ; auf kanen Kal. list ihm das (Begentheil ob. 

Eins feine Anfipren wand. Überzeugungen dem Werke fehl 
nicht gänftig, nun dann ift es nicht fein Beruf, die Role 
eines Vowedners zu Abemmehmen: die Zumuthung, zu lo⸗ 
hen und Andern anzupreiſen, was man nach feiner inwen 
Überzeugung tabeinswerth findet, wird Miemand «am 
Ehrenmanne machen. Allein Hr. Falck verfährt niet ſo, 
wis map erwarten follte, Nachdem er ziemlich froflig ge 
äußert, daß man im Allgemeinen alle Urſache habe, mit 
Auenis Schrift zufrieden zu fein, fügt er hinzu: „Ib 
Pe die Theilnahme an ber Herausgab⸗ dieſer deut: 

efegung al6 eine wölkfonumgse Gelegenpeit, [o wir 














big" 
we 11.) fm 
ju im Wrincipe , fehter | Aesleken 
—— an, 5,99 
Er het es tabeintwenth 


Den ee bemahpe iſt, daß bee 





———— aats gepriefen und 
pre Bits eit ohne Grund sur 
—55* ſpalt dar Meinyngen 





* Pa 


‘ber Eine die € 


—— — ins Ange faßt; Jene —2 ‚Der Brei | 


— ak Der Greiheiten nlimsbinge bie 
und fchen reiyiebge three Sicllung, res aligewai⸗ 
Den Be Ib ho Thaten bie ‚Hufmertfamteit des 


and errgen in Manchem ſagar auch 
noch in 5 sine aganthuͤmliche Luͤſtoernheit; die 


——— 


und im Auge behaͤlt, aul ir politiſch verſinken: das ur⸗ 
ſprungliche Gleichgewicht ward allmaͤlig im Laufe des 


pri 
Ente 


Mittelalterb gänzlich aufgehoben. Aber die Geſchichte hat | 


das Anfänglihe und Ratuͤrliche iF-ihrem Andenken eben 
0 t 
Es Arere * he gewaltfam — geſetzlich Berfchrobene. Und 
en Derif ‚maam ſich auch von dem verhaͤngnißvollen 
ext Sreigeit biden woͤge, auf weichen Standpunkt 
—23233 fich auch fielte, fo viel iſt gewiß —: 
Eee darin überein und was noch wichti⸗ 
, We Jeſ ehrichen Thatfachen und Urkunden ver- 
“ sernehrlih —, daß das urſpruͤng⸗ 
steflo Kreis der Volkofreiheit im. Laufe 
des ſogenanuten Mittelalters ſich im⸗ 
"Ben man diefen Gegenſatz hervor: 
a fib dedhalb der Verkennung geſchlcht⸗ 
a⸗ al. wie Hr. Falck unferm Verf. vor: 
7 iſt deun auch der Vorwurf, den 
— 33 „daß namentlich die Anſichten 
bie Stellung der Geiſtlichkeit und des 


Bag 
Hau 






| 


if 


der neuen Zeit von ‚ber Art fein, 
6 Vorworts in feiner Art umd 
gen anerkennen möchte”. Und zu den 
32 Bl * Falck feine Polemik zu vertheidigen 
ſacht, gt ee Folgendes Hinzu: * * fe und 

— iſt, eine nicht unparteii und 

von Metwibuag freie Auffaſſung unb Barftelung 

** Yan ia dee Gegenwart —— nachtheilig — 
indem eine allgemeinere Verbreitung ſolcher Anſichten nur dazu 
dient, einen Fheil des Volks mit feiner Sage un zu 
machen uns haß ‚gegen andere Stände zu Eugen, deren unge 


IH 


wefduniaden ebenſo vor den Blichen des F hie 
m er fie nicht veſonders auffucht 


in Ehren zu, halten wie das ie 





en Wolke während bes Mittelalters und | 


ie 








* 
ee * genug in 
—— — * 


Eaſicta· — nad. inarım 
thode. Von M. W. zeua — —*— 

3 8. Ahle, 22 Near 

kelamntlich ** 
mia an. = u. — 

"ie —** ‚au bie Spige. ae übrigen: — E ar Alntene 

| n gefellt zu werben — Richt nur Ende 
Rast fuchten Durch, ‚eine ber Rhatfadgen : de ** 

| eins Blend 





Vorausſchungen 
—— ** 
Uet 
ſich aibnaiße, das wo ed: 33 Bewe isgrauden fehlte, ſich anf he⸗ 
fonbere aeitige Drgane ald bie Duelle gewiſſer ten nen B* 


. 


| bie —2* AR: 
Speculation zeittebene fremd Klaibt, ‚waren ı fir eine philofopbiidie 
ver. Srksuntniß Gottes anb 
des Univerfums gewiß war, ein viel za ,gerinpfüniner Begenflun, 
\ 8 daß fie ihr der Mühe einer genauen —* — werib ers: 
1. fheinen tönnen. Während daher da, um bie 
die Natarphiloſophie und bie. ————— — Dielettitẽ 
tümmerte, ber gemeine pſychologiſche Haußbedarf wit den 
alten Traditieaen ber — 2* Moif ſchen Bermögensiehme. 
begnuͤgte, Kebten es bie Adepten jener ſen mit dem, für 
eine präsife Unterſuchung überall noch nis «im unner ſtandenat 
Räthfel daſtehenden NWegrifie einer „organifden Entwidieling‘ 
hald in Wüdern und Analogien, bald is willlkuͤrlichen 
: mein zu fpielem. Andlich ergriff man, als ab cd mögkicdh. 
; bie Dunletheit Dusch die Binßeunig zu ‚be 
gen von Somnambulen und Elairvahants fammt den Beiden 
eufcheinungen und dem SBefeflenfeim als eine neue Ast non Dfr 
' fenbarang über bie Ziefen des geiligen ©: Lebens und vergaß in 
. einer Art träummeifchen Entzuͤckens über der Nachtſeite“ beffels 
ne Be m 
nten dem machenden unb n nen en pu don 
möglich madt. Der einzige Wann, der mit bar 
Schaͤrfe der Beobachtung 33 jan da Sdufsmitein. elnes duec 
gebildeten Degkens ausgeruͤſtet, die Aufgabe ber Pſychologie im, 
Sinne der echten — * fetbftändig anfzufaſſen and gu 
loſen verſuchte, Derbast, brauchte für fe famen Untar⸗ 
ſuchungen viel: Iu viel Zeit, um nicht ne Jahre «dein u 
* und da xr * überaf darauf hinwies, daß ein abds 


er Ausbrucd der des geiftigen ohne 
are Sin * mögliche: ſei, fehlen. .genaume- Zeit und 









Re 


rung 


—2 


g 
———— und es iſt 
taum nothig zu ſagen, daß die —— in dem Sinne der 
Herbart'ſchen Pot foppie geſchrieben iſt. a wird fi 
R ar Ded un 














wur a 5 — — 


—— 


— 


ee Pr keine 


—— J np f iſche eine watehaft, ER A 
Fa Ei Pieie,_afß Bi En ii gdaditem ' een Ka 
nicht vermiſchte des —— er e⸗ 
nigſte⸗im m Gebiete der Phhchologie, wie in für 8 au 
air Ochaten dieſeibe fein; "die —ES ber. Back durch Mheo: | güldge Zäefen 
verſchiedene Mage verſuchen, die Änalſe wir Yacta | keit. augerich, 

* nähe überall auf girichr Anerkennung rochnen können. P unter der Me 
Denn ns *7 eiitgenbe * „yon —— toieder eint 

au Theo einer eztehun 

t, ſo hat das ſeinen Grund —eã— — ver Berfi dutch FA auf: das Lieinere..,, 


„fartiſch den Beweis zu: verſucht, daß eine andere und 
hoffentlich natürlichere. und — als die noch immer 
gaugbare von den Erſchenun Borgaͤugen des 
gen Bebens, ohne Saufe —8 Pd: k and ber ie | 

‚ ohne Auzirhung der Mathemmit, durch bisße unbe⸗ 


€ Deobachtung/ „Zexglie —1— hand: Aber 
—5 der unſerer innern ng ben weſent⸗ 
then Gounbtinien nad) fig gersinmmei- Läße!" CE 1) ‚Er Soft | 


Bes geiftigen Lebens gu eines eitikt führe, 
durch welche ſich die Wahrheit der Herbart ſchen, auf 3* 
——— Theorle deo Geelenlobene! 
alle frühern und ſpaͤtern Oypotheſen aber Ach —— 
* ©. N Wollte man dieſe Säys 
—* ie Heeefäpetr. ger vie 1 Dfocztichem hph 
der ©: e MPhaͤno⸗ 
mene —— irgend eine tion bes Gauſalbegriffẽ 
ſychiſchen Kräfte 


lich, Towol:was die p 
* ihrer Wirkſamkeit betrifft; und. ſchwevlich laͤßt ih behaup⸗ 
‚ dab die bloße Aufſaſſung, Becgliektung, Bergleichuag und 
—— der Phänomene genlige, uni Beides himreichend zu 
men. Wohl aber kann man ben Beumbuebanken ber Her⸗ 
bart ſchen Pfycholoptes daß. bie Vorſtellangen ſelbſt die wahren 
pſochiſchen Kräfte und bie elf m ’öuftände der Ausdvuck ihrer 
—— ve B eräge modificirten Wirkfam⸗ 
phyſtichen Weorändung f 
gs dos als —— — ten, und bann wird man 
allerdings finden, daß ſich Diele kick Dem, :wa8 Wie innere 
Sefaprung wirklich lehrt, unvergteichbar leichter und natuͤr⸗ 
licher anſchließt als -jebe andere, durch welche man bi8 jest in 
bie Mannichfaltigkeit das geiſtigen Lebens’ die.-Ginhelt eines ges 
fegmäfig —— —— — ten beingen verſucht 
bat. Wenn bie empiriſche Dipdhols fig vorläufig mit 
ver mbalihrett jener myyottefe begnügen kann, ‚beren-Moths 
wendigBeit zu rechtfertigen den einenttich ſpeculativen Unter⸗ 
fuyungm übertaffen bleiben muß, fo iſt die voriiegende Schrift 
volllommen geeignet, bie fruchtbare Anmenbbarkeit jenes Grund⸗ 
— thatſaͤchlich zu belegen und zu brabaͤtigen. Das 
nun ber Verf. gagleich eine Arbrit geliefert, welche 
He —* inſofern weſentlich ergaͤnzt, als ſie berch eine 
forgfäitige, gewaͤhtte und umfidgtige Zufammenftellung bes pſy⸗ 
ifdm Materials vor Allem wine „leichtfaßliche Drientirung 
auf dem Grfahrungsgebiete ber: a (8. v) fidert, 
während Herbart’s eigene Schriften, zwiſchen vder Anatnfe dei 
Gegebenen, theoretiſcher Syntheſe und Polemit nad außen viele 
ſach getheitt, au) auf dieſem Geblete bie Orientirung keines⸗ 
wege erleichtern. - Über Diefes Merpältniß feiner Kebeih. 4 gu denen 





in aller Strenge |; 
würden ſich wol Zweifel dagegen erheben taflen, F 


ſelbſt, als die |. 





hen wir Alle vom ne e und näritgallze 
fpuecdyens eben deshalb 
A: halb Yet Ra Saar 


predenden N e: außer : 
—8 „wieber: in dig Willens Kane 
(Da Bet Ast.),. -. vr. 
—1 





— —* Der — 
: Zum Capitei ber Chefhridungen. 
In den „Curiosites et anecdofes itafiennes’’ non Ba: 


lery, dem Bibliothekar König Lubwig Hältipp's, Aefen w 
Folgenden: „Wechohedig find die Ernie; * kr ve 


Kanifche Krifiofeatie in kirchl — *5* 
en Geiſtlichen waren fe gran 
—* chen Großen zu trennen, wenn hie ee Krath 
: ihrer Convenienz anaemeffen fanden. Obwol eAvımger 
‚Dom Dande „Inter 1 en Hetsen Fe Hadı ; 
der rom —2* ‚, wußten un Nulli 
gründe ſehr geſchi benuten Tg * * 


Einfluſſes der Ariſto auf die heiſtlichen 
wo auch in den meiſten Familien ‚wiebe beitatbe e, 5* 
gefunden Werben, wehrnd ber erſte | 
' ergäblt dom der Furſti „dur, Me oh ii ehe = 
Rom lebt, baf fie bei ver Traaung wer van Klaren 
; ein Paar Obrfeigen gab, weiche dieſe sach ag 
liches hinnahm. Us die darüber beswund ehenben nad 
der Urſache fragten, fagte fie: —8 Toch dadurch vor⸗ 
kommenden Kalles das Recht, ihre Che en ellpeigteh-aufiäfen | 
zu laſſen, weil fle danait beweifen Bann, daß Ih fie de u Heicath 


* 
—— — 


gezwungen babe. Obwol mau in Rerd —— 
fahren im kanoniſchen Recht iſt, —* 

bat, aus ber astistentia passiva den Pi 

fo ift doch im November 1842 in m & een, 
in —* gezeigt wird, baß es weit leichter —T e' fas 

e bur et zu trenntn ale eine pe Inter 

——e— Such Srefheldung. Dieſes Bu ben Titel: 
„Bergleidung ber —— und nad 
dem preußiſchen Lanbr 64 


VBeraatwortticher Heraußgeter: Heinrih Brodaus. — Deu an Beticg win F. % Beo Edaus in Retyeis 





4 


Blatter 


für 


literarifche unterhaltung. 


Nittwoch, 





Geſchichte des —** Danemart Mit ſteter Ruͤck⸗ 
fr om fen ”y die Ian Entoidelung | m nt m dan und Bolt. 
Bon 


Eis aus Wr. 31.) 

Wir glauben nun nicht zu irren, wenn wie naments 
lich in diefer Beforgniß einen Grund zur Polemik gegen 
unfern Berf. finden: Hr. Falck fürchtet, es möchte für ei⸗ 
nen geriffen Theil de6 dänifchen Volks — die Herzog: 
thümer find überhaupt nicht mit im die biftorifche Dar⸗ 
ſtellung gejogen. — aus der Preisſchrift nicht ſowol Bes 
lehrung ats vielmehr Aufregung hervorgehen. Wir wollen 
den beforgten Vorredner zuvoͤrderſt mit einem deutſchen 
Beilpiele zu troͤſten fuhen. Im J. 1831, alfo in einer 
Zeit, wo die deutſche Volksmaſſe ungleich aufgeregter war, 
ats fie es jegt in Dänemark ift, fchrieb Dr. Fleiſchhauer 
„Die deutſche privilegirte Lehn⸗ und Erbariftofratie vers 
aunftgemäß und gefchichtlich gewürdigt für gebildete Deut: 
ſche aler Claſſen“. Diefe Scheift, den Herrſchern Deutſch⸗ 
lands gewidenet, mußte allerdings um ihrer Tendenz willen 
viel Aufſehen erregen; denn fie machte fein Hehl daraus, 
wie gleich Ihr Motto anzeige — „Nicht den Perfonen, 
nur der ungerechten Sadye gilt's“ —, daß fie möglichfl 
viele Thatſachen und Verhaͤltniſſe zu gruppiren beabfichs 
tige, um die mittelalterliche Artftokratie als die größte 
Zeindin der Volksfrelheit darzuftellen und den fchlagenden 
Beweis zu führen, daß nicht das Recht, fondern die Ge: 
walt die obmaltenden Volkszuſtaͤnde herbeigeführt hätte, 
und daß mithin der Lehensverband auf keine mach recht⸗ 
üben Grundfägen zu ordnende Auflöfung Anfprlche er⸗ 
heben inne, fondern ſich bet einer factifchen Trennung ju 
berubigen habe. Allein trotz der unverkennbaren Abficht, 
ale ariftoßrarifchen Elemente in dem Lichte der Gewalt⸗ 
thätigkeit und Rechtswidrigkeit erfcheinen zu laſſen, find 
dennoch weder die deutfchen Regierungen noch die Volks⸗ 
maſſe von der Bahn der Geſetzlichkeit abgebracht worden. 
De Einen nahmen verfländigerweife a Lehre, die Ans 
dem mit lobenswerther Mäfigung als Troſt bin: was 
vergangen iſt, kehrt nicht wieder! Wir denken, das daͤni⸗ 
fe Brudervolk wird ed dem n gleich thun, wenn 
von Seiten Derer insbefondere auch ein Gleiches gefchieht, 
Ye das Wohl und Wehe, das Segnen und bas Fluchen 
deb Volks in ihrer Haud haben. Allein bei Lichte bes 
trachtn werfihwindet jeder Geuud zu MWeferanifien und 


mithin auch zu jeder Polemik, da bie Preisfchrift auch 
nicht im geringfien die Abſicht verraͤth, mis Huͤlfe ges 
ſchichtlicher Ersäplungen Misvergnügen oder wol gar Haß 
zu erregen, da vielmehr der ganze Ton, die ganze Dat 
tung derfelben eine Ruhe umd Leidenfchaftoloſigkeit wahe⸗ 
nehmen laſſen, wie fie die Geſchichtſchreibung zu ſodern 
berechtigt iſt. Daß aber der Verf. ein warmes Watev⸗ 
landegefuͤhl an den Tag legt; daß er Sympathie für das 
Volk empfindet, das umter den Folgen ariſtokratiſcher umb 
bierarhifcher Beſtrebungen und Kämpfe leidet; daB er 
diefen Thatfachen, die einen weſentlichen Theil der Ges 
ſchichte des germanifchen Mittelalters, ja felbft biß Iu6 
18. Jahrhundert bilden , eine befondere Aufmerkſambfeit 
ſchenkt, fie auf dem Grunde von Quellen und Hülfe 
fchriften anfchaulich zufammenftellt und den Leſern ber vos 
fchtedenen Volksclaſſen, denen anderweite hiſtoriſche Velch⸗ 
rungefchriften nicht zugänglih find, In einem moͤglichſt 
treuen und vollftändig ausgemalten Blide vorzulegen ſucht, 
kann das etwa von dem Kenner de Berufs ver Gar 
fhichte und von einem parteilofen Richter getadeit werben? 
„Wahrheit ift das erfle Geſetz der Geſchichte“, fagte ſchea 
vor langer Zeit de Wette, „Wahrheitsliebe die erſte Dfiie 

des Geſchichtsforſchers.“ Hat vielleicht der ' 
ber, der fich der Trefflichkeit feines Berufs und der Seins 
beit feines Willens bewußt iſt, rechts und links zu feas 
gen: Was ift gefälig? Kann wel die Webauptung mit 
gutem Grunde beftritten werden, daß nichts fo ſehr pur 
Ausföhnung des Mispergnügten mit der Gegenwart, 
nichts fo fehr zur richtigen und gebührenden Würdigung 
der gegenmärtigen Nechts = und Wohlfahrtezuftände beizus 
teagen vermöge, als wenn man das harte Drängen und 
Treiben und die Noͤthen der Väter dem Volke zu: aim 
lebendigen Anfchauung bringt? Das können nur Dieiewe 
gen beſtreiten wollen, die entroeder aus fogenannten Ruͤch 
figten oder vermöge befonderer Partelanfichten mit jence 
alten Zeit noch liebaͤugeln. Go vernünftig und aufgellͤn 
find bereits alle germanifchen Bolksſtaͤmme, daß fie meht 
vor Freuden oder Sort weiß ans welchem andern Grunke 
in den Strudel der Revolution rennen, weil fie durch das 
Geſetz und die Weisheit der Regierungen aus dem Sam⸗ 
Me der Barbarei und der Rechtsloſigkeit gerettet worden 
find. Hat uͤbtigens das Genformeotiegium in Kopenhagen, 
was Hr. Falck aber nur vermuthet, aͤhnliche Bemerkungen 


.: 914 


und Bedenklichkeiten, wie bie feinigen find, dem Manu⸗ 
feeipt der Preisfchrift beigefügt, fo innen wir es dem 


Verf. derfelben wirklich nicht verdenken, wenn er im Wer 


fentlihen Gebrauch davon zu machen fidy weigerte. Ein: 
mas durfte er dies thun, als felbfländiger and denkender 
Geſchichtsforſcher, und dann als Menſch im Bewußtfein 
dee Schuldloſigkeit: bie Geſchichte redet aus feinem Buche, 
nicht eine Partei, nicht eine verwerflihe Tendenz, feine 
Übertreibung. Und durfte auch der Verf. nicht mit einem 
ehemaligen Bürgermeifter von Kopenhagen, Chriſtoph Dans 


fen, den der Reichsrath ungerecht fchmähte, in damals ge⸗ 


wöhnlicher Derbhelt antworten: „Wie find nicht - eure 
Zungen, daß ihr uns fo anfahren dürft”, fo möchte ihm 
doch Rabener's Beiſpiel nit unpuffend vorgekommen fein, 
der nach dem Erſcheinen feiner Satiren mit einer Menge 
von Proceſſen bedroht auf den Verdacht bin, daß er be 
ſtimmte Perfönlichkeiten gezeichnet habe, Öffentlich die Ant⸗ 
wort gab: „Ih babe Niemanden gemeint, nur wer ſich 
getroffen fühlt, den babe ich gemeint.” Dies möge ges 
wügen, um unfern Verf. gegen ben Vorredner in Schutz 
zu. nehmen, und fo viel an uns iſt, zu verhüten, daß ber 
einzeine Lefer oder vielleicht gar das größere Publicum ge: 
en die treffliche Preisfchrift von irgend einem Vorurtheil 
eingenommen werde. 

Wir hatten uns nun vorgenommen, einzelne Abfchnitte 
der Preisſchrift befonders zu befprechen, und dazu nament: 
dich den kirchlichen Zehnten und Struenſee beflimmt. Sn: 
deß der Raum, den wir nuc noch äbrig haben, nöthigt 
uns, von biefer Abſicht wenigfiens vor der Hand abzu: 
ftehen und une auf folgende Bemerkungen zu befchränten. 
Gugenheim’s Wert: „Das Staatsleben des Klerus im 
Mittelalter“, erhält in Abfihe auf die Geſchichte des 
Zehnten im Norden durch die vorliegende Schrift zahl: 
reiche factiſche Beweiſe für den MWiderwillen des Wolke 
gegen diefe Abgabe und für die ſelbſt biutigen Kämpfe 
umd kirchlichen wie weltlichen Verwickelungen, die daraus 
hervorgingen. Was Struenſee betrifft, fo iſt es von 
Intereſſe, Wergleihungen anzuftellen zwifchen Allen’s 
Darfiellung und Urtheil und Dem, was wir in v. 
Maumer's „Europa“, Bd. 1, S. 179 fg., lefen. Es er: 
gibt ſich zugleich aus dieſer Verleihung, wie gut unfer 
Berf. fi) über diefe merkwürdige Zeit Dänemarks und 
über die einzelnen Perfönlichkeiten unterrichtet bat und wie 
fein Urtheil Sachkenntniß mit Unpartellichkeit und Beſon⸗ 
nenheit vereinigt. Als wir Raumer’s genanntes Werk 
auch in d. Bl. befprachen, machten wir namentlich dar⸗ 
auf aufmerkfam, daß, wenn eine Vergleihung mit Pom⸗ 
bat flattfinde, Steuenfee infofeen offenbar im Nachtheile 
fei, als feiner Perſoͤnlichkeit ſowol als feinen Beſtrebungen 
unleugbar die wahrhaft fittlihe Grundlage dermaßen ges 
mangelt habe, daß auf ein gluͤckliches Endreſultat keine 
Hoffnung zu flellen gewefen ſei. Ebenſo uctheilt der Verf.: 
„Es mangelte Struenfee der fittliche Ernſt und die fitts 
liche Reinheit, die ebenſo wenig bei dem Staatsmanne 
wie bei dem Privatmanne fehlen dürfen, wenn irgend 
beuerhaft Gutes zu Stande gebracht werden ſoll.“ 

Dee Verf. hat am Ende ſeiner Schrift ſehr zweck⸗ 


Streitigkeiten. Der König, durch die Stimme des 


mäßig noch einen vefumisenden Ruͤckblick auf bie ganze 
Geſchichte Dänemarks gegeben, und diefen wollen vr 
ganz mittheilen, theils zur gefchichtlihen Belehrung unferer 
Lefer, theild um einen factifhen Beweis zu Liefern, wie 
gut der Verf. ſchreibt und wie befonnen. er urtheilt 


Die Urzeit Daͤnemarks kann als eine Zeit großer Volli 
freiheit bezeichnet werben. Es iſt aber dabei nicht zu vergeffen, 
daß diefe Volks freiheit keineswegs allgemein war. Gin nict 
unbebeutender, vielleicht der dritte Theil der Vevdlkerung befand 
ih in dem Zuſtande der firengfien Unfreiheit oder wahrer 
Sklaverei. Fortwaͤhrend gelangten zwar viete Sklaven durch 
Beeitaffungen ihrer Herren in eine beflere Lage, und ihre Rad 
ommen wenigftens konnten als vollberechtigte Mitglieder in die 
bürgerliche Gemeinſchaft eintreten. Aber die Claſſe der Skla⸗ 
ven blieb immer groß, bis im 14. Jahrhundert die SMaverei 
durch die Bemühungen ber Kirche ein Ende nahm. Was dat 
Verbältniß der freien Grundeigenthuͤmer betrifft, fo gaben fie 
auf den Thingen fich ſelbſt Geſetze und fchlichteten Kuh ihre 
i olls ges 
waͤhlt, hatte nur bie ausuͤbende Gewalt und war ber Anführer 
im Kriege, weshalb er einen größern Antheil an ber Beute und 
fo viel Geſchenke und Steuern erhielt, als das Herkommen be: 
flimmte oder die Zuneigung und ber gute Wille des Volkt ihm 
vergönnte. Die Däuptlinge ober bie reichern und angefehenern 
Bauern hatten ohne gefeglich beftimmte Vorrechte den Giafluf, 
welchen großes Bermögen und die Abflammung aus einem an 
gefehenen Geſchlecht verfchaffen. Die Bereinigung ber Meinen 
Reiche bewirkte keine wefentliche Beränderung in ber Berfaflung 
des Staats, verſchaffte aber den Dberkönigen größern Glan, 
größern Reichthum und ein zablreicheres Gefolge von ergebenen 
Kriegern und dadurch höheres Anfehen und größere Macht. Mit 
der Einführung des Chriſtenthums entſtand die Geiſtlichkeit, 
welche aus fremden Landen ihre Sinrichtungen und ihre höhere 
Suttur nach Dänemark verpfianyte, und bard burch ihr feſtes 
Zufammenpalten und burch das Beduͤrfniß ber Zeit nach einer 
geordneten und fchügenden Macht einen Ginfluß erlangte, der 
auf bie Entwidelung eines frieblidhern und rubigern Lebens 
wohlthuend einwirkte. Der Eriegerifche Geiſt bes Volke verlor 
ih, ats friedliche Beſchaͤftigungen, Aderbau, Kandel und Ge 
werbe das wilde") Wilingieben ber Vorzeit verbrängten, und 
es wurde jest ein eigener Kriegerfland nothwendig. Go mt: 
fand, wie Einige glauben, ber Adel, zuerft als ein Berein 
von Kriegern, welche zur Belohnung ihrer Dienfte fteuerfreie 
Lehnguͤter erhielten, fpäter ats ein fireng geſchloſſener erblicher 
Stand. Am fpäteften bildete fi in den Gtädten ber Bur: 
gerftand, welder in der dlteften Zeit wie bas Wolf über: 
baupt im Beſitz ber gelengebenden und richterlichen Gewalt war. 
Anfangs war der Bürgerftand ſtark durch feine befeftigten 
Städte und durch bie enge Verbindung feiner Mitglieder in 
Gilden, und im Stande, ſich gegen die ſteigende Macht der 
Geiftlichleit und bes Adels zu halten. Die Geiſtlichkeit begann 
einen langwierigen Kampf mit dem Königthum, der bamit tn 
dete, daß die Staatsgewalt zwiſchen je Häuptern, einem geif: 
lichen und einem welttihen, dem Könige und bem Erzbildoft, 
getheilt wurde. Nachdem die Geiftlichkeit ihren Zwec erreicht 
batte, ſchloß fie mit den Königen Frieden; allein ber Abel 
folgte nun dem gegebenen Beifpiel und begann einen neun 
Kampf, deſſen Ende eine große Beſchraͤnkung ber koͤniglichen 
Macht war. Diefe beiden mächtigen Stände waren jegt zum 
Befig aller der Rechte gelangt, weiche fräber von allen Freien 
ausgeübt worden, unb hatten zugleich ben größten Theil ber 
Geunbftüde kandes ermorben; ber freie Bauernſtand der 
Vorzeit, durch blutige innere und dußere Kriege geſchwaͤcht und 


*) Wer ſich darüber näßer unterriäiten will, den verweilen wit 
uf Gtrinndeim's „‚Wflingözäge, Staatoverfafſung und Sitten der 
alten Stanbinavier⸗⸗(aus dem Guwrtifiien von Friſch, 3 Ihe. 
Sumbung IE -— dl), Des Helle, uud wir daroͤber befigen. 


2 
wenichtet, wer. zus Shell Lehbeigen gewschen, wah der Buͤr⸗ —— We 
gerkand, deſſen Handel und Gewerbe durch den mächtigen nord⸗ darauf an, über | auf bas 33 Üben» 
dentihen Hanſabund geläbmt wurde, hatte auf den Herren» | fie über das Ganze des geiſtigen Lebens nicht aus dem Auge 
zu verlieren; es handelte fi alſo um eine naturgetcene Auf⸗ 


tagen, weiche den Danchof und das Volksthing ablöften, | 
keine Bedertun 


g. Gegen das Ende des Mittelalters verfuchten 
der Bürger: und der Bauernſtand unter der Anführung eines 
Königs einen biutigen Rampf, um das Joch bes Adels und 


—— abzuſhattein allein dee Woltstampf nahm ein |’ fi 


iches Ende, bie Geiftichleit unterlag, von König, Adel 
mb Belt verlaſſen; allein durch ben Fall der Geiſtlichteit ers 
hob füh der Adel zu großer Macht. Die Reformation hatte 


ſtige Jolgen für die Entwickelung ber bürgerlichen Freibeit, 


—* die proteſtantiſche Geiſtlichkeit, welche gleich dem Volke 


unter dem Drucke des Adels litt, verband ſich mit dem Wolke, | 


und die Auftiärung fing an, ihre Strahlen zu verbreiten und 
im Bolle dad Bewußtfein feiner Rechte und die Erkenntniß ders 
feipen wieder zu beieben. Als ber Abel eine Macht erlangt 
hatte, weiche ſelbſt die wohlgemeinten Beftrebungen der beflen 
Könige, wie bie Chriſtian's IV. für den Bauernftand, fcheitern 
machte, und ein unglüdlidyer Krieg ben Staat dem Untergange 
nahe gebracht hatte, vereinigten fi der Bürgerftand und bie 
Geifttichkeit und bereiteten ſich Schut, indem fie die Macht des 
Königs vermebsten. Die politifhe Macht bed Adels wurde bas 
durch gebrochen, und ber Buͤrgerſtand aus feiner Erniedrigung 
erhoben; doch bürgerliche Gleichheit war damit nicht hergeſtellt. 
Der Bauer blieb unfrei wie zuvor, nur daß er ſpaͤter hei⸗ 
matspflidhtig flatt Leibeigen genannt wurde, und ber 
Adel behielt Privilegien und Rechte, welche in mehr ald Ginem 
Jahrhanderte demſeiben einen verderblichen Einfluß im Staate 
ſicherien. Der Bürgerfland aber gewann nad) und nad @ins 
fit, Vohiſtand und Eelbfkändigkeit; eine zunehmende Auftlaͤ⸗ 
zung und eine fich entwickeinde Öffentliche Meinung untergruben 


heimlich die Grundlage, auf welcher ber Anfpruch des Adels auf | 


größere Rechte und Vorzuͤge als bie übrigen Gtaatsbürger bes 
rubte, und die Beiden des Bauernflandes riefen, bei einer öffent: 
lichen Verhandlung der Sache, eine lebenbige Theilnahme bei 


dem Botle bervor, bie bei einer aufgellärten und ebelgefinnten |. 


Regierung Anklang fand. Die Breigebung bed Bauern» 
fandes 1788 war ein großer Schritt zur Verbeſſerung ber 
Säzgerlichen Berbältniffe, und auf denfelben folgten andere Ber: 
anftaltungen, woburch die Vorrechte eines privilegirten Standes, 
bie mit dem Wohle bes Ganzen unvereinbar waren, aufgehos 
ben oder eingefchränft wurden. Nachdem auf diefe Weiſe alle 
Stände in ein befferes Verhaͤltniß gueinander gebracht waren, 
erhielt Dänemark jegt, wo die Zeit erfüllt war, die Strände: 
isfitution, weiche dem Bürger, bem Bauern und dem Edel⸗ 
manne nebeneinander Sitz im Rathe, mit gleicher Stimme und 
gleichem Rechte, erkheilt. Die Stänbeinftitution ſchließt die Als 
tere Catwickeiung ab, und bildet ben Anfang einer neuen. 


Zum Schluß noch Folgendes: Allen's Preisfchrift iſt 
beſonders Geſchichtslehrern fehr zu empfehlen, fowol in 
Abſicht auf die Methode als die Auswahl des hiſtoriſchen 


Stoffs. Sie ift aber auch allen Denen zu empfehlen, die |' 


an einer guten biftorifchen Lecture Geſchmack finden, oder 
denfelben zu veredein bemüht find? Möge das Bud, die 
Kraft bewähren, die wir ihm zutrauen, fih in ben 
Bibliocheken gegen Nebenbubler gemeinen Ranges geltend 
ju machen! Kari Zimmer. 





Tupisifye Pſychologie nach naturwiſſenſchaftlicher Methode. 
Den M. W. Drobiſch. 
¶ Beſchlusß aus Mr. 20.) 
SH man 7 u ——⏑—— 
anmaufgabe auch n emptelfchen mmen, 
— * Nie Gesugen, welcht der Berf. ſeibſt fi abe 


menbang 





der Gebantenzeihen, en —— gemeine Dewußefein vo 
bas Berpälniß zw 


I 


Bu ze —E ein Anziogn des eigentlichen ie |. 
‚, geben deutliche Belege, daß das Schließen und 
Zolgern. en fer häufig bios auf der ummilffürtidden Reproduetion 
—— — VBorſtekkungẽreihen beruht; daher wol kein ges 
d vorhanden iſt, mit beſchraͤnkender Auckſicht auf 
tie Nefierton die Schlüffe von den logiſchen Jormen 
* vielmehr von dem Analogon dieſer Formen, weiches in 
dem gemeinen Hewußtſein vorkommt, auszuſchließen. 
waͤre es vielleicht zweckmaͤßiger geweſen, wenn ſogleich im exflen 
Abfdyuitte bie Ancipfe der ſinnli Empfindungen weniger den 
telcoiogiſchen Gefichtspuntt feftgehalten, als vieimehr auf Das 
ewiefen hätte, was eigentlich Dbject der finulidden Empfin⸗ 
> if. erlich würbe kann „® B. ©. rn gefagt werden 
„der Taftſinn erkenne bie x umtich begrenzte haffen« 
"2a Materiellen und zwar nad) allen drei Dimenſionen“ 
da: dach Niemand etwas Anderes taflen Tann ale höchftens 
Beiden, und ſchon bas urıheil Aber die Veſchaffenheit der Glide 
— das Rauhe und Slatte, als veruhend auf dee Art d 
gangs von einem Punkte derfelben zum andern, auf Fu 
weobuctionen beruht. Mef. weiß fehr wohl, daß namentlich in 
dieſer Beziehung der zweite Abſchnitt den erſten fehr wefenttich 
ergaͤnzt; es feheint ihm aber wichtig, ſogleich bei ber erſten 
Analyfe der finnlihen Empfindung ausdrädlid —— 
daß die Art, wie die gemeinſten ſinnlichen Ra re 
uns aufbringen, ſchon *. verwickeite pſychiſche Proceffe b ne 
Bemerkungen biefer Art, deren ſich bei einer ausführlichen 
ariti⸗ dem Ref. noch mehre barbieten wuͤrden, ſollen indeſſen 
dem Urtheile des Leſers über den Werth des Buchs keinen Ein 
teng thun. Zu einer ausceichenden Belanntfchaft mit der Ras 
tus des pfychologiſchen Materials, weldyes, obwol Jedem uns 
mittelbar nahe liegend, body fo leicht falſchen — und 
Erſchleichungen aller Art unterliegt, wollte der Berf. die Hand 
ten; Io tet 8 die Pſychotogie ats Wiſſenſchaft — 
Er wollte gang von der Erfahrung zur theoretiſchen 
Pſychologie —8 —* zwar noch nicht nothwendig ſpeculativ 
fein braucht, wohl aber vor Allem der Hülfe ber Mathematik 
um ihren Erundbeſtimmungen diejenige Specialität, ja 
Indioidualitaͤt zu geben, ohne welche jene immer in vager Als 
gemeinpeit bleiben muͤſſen“ (@. v). In der letztern Beziehung 
Dat er die Abficht, der vorliegenden Schrift „Elemente der mas 
—— — Pſychologie⸗ nadhfolgen zu laffen. Die Ausführung 


N 


ſcheint er von der Werbreitung und WBeadktung |- 


fein taflen zu wollen, weiche diefe Schrife finden 
werte. Muß jedoch bie Pſychologie, wie ber Verf. bemerit, 
einmal mit ihrer Geſchichte brechen, ſo kann ſie überhaupt von 
allen Denen, bie einen ſolchen Brudy nicht für nöthig halten, 
in dieſem Augenblicke nur wenig hoffen. Möge ſich alfo ver 
Besf. nit abhalten laſſen, tn diefem Jalle für die Zukunft zu 
arbeiten, ſelbſt wenn die Hoffnung täufchen follte, daß feine 
mathematiſche Bil ben Gedanken einer Anwendung der Mas 
thematik auf die Pſychologie den eigentlichen Naturforſchern und 
Mathematikern auch ſchon jest nabe zu legen im Stande fein 
werde; und Ref, fchließt mit dem Wunfche, baf ber 
der Veröffentlichung feiner Längft vorbereitefen Arbeiten über mar 
thematische Pſycholagie nicht länger zögese- mäge. 78. 


Biblingraphie. 
Ahdlard und Heloiſens Briefe. Na dem —— 
bearbeitet. — von 8. Ag 
* — die Be 
Ungarn. 2 Die — =: 
a Leipzig, Binder 





franyd 
Runtet. 
Ebenfo |: 


den fruͤheſten Zeiten bie joet 


Berf. mit 
Statiſtiſ 


:von Qufa. 


; Im 15. Saprhunderte. Mit ben ortrait des Gardinais, Mainz, 
—8 8.8. 1 5 


Wetrulftung der Sqheiſte über den Frieben unter der Finde 
"und den Gtaaten von dem Grgbifigofe von Koin, Giemens 
Auguft Freiherrn Droſte zu Wilhering. Giberfeid, Haſſei. 

&. 8. 10 Rgr. 
3 ne een a 
wei e. 8 

Fint, ©. B., GSeſchichte un Male der * 
Iſtes Heft. ẽeipris, * &. 8. 15 Rar. 





heitung. 
Holdheim, &., Über Die Autonomie —* —322 und 
das Prineip dee juͤdiſchen Ehe. Gin Beitrag zur —— — 
— inne at das on betreffende Zeitfragen. Schwerin 
er 
—AS J., Die Liebe hellbar. Humoriftiſ 
kpbifd m maittihe Abhandlung. 2te Auflage. Pr * 


Kolb, G. F., ng ber — unb Wer Cuitur. 

In zwei Abteilungen Kung. Das Atterthum; De 

Abtheilung. Dat —EF und * Neuzeit. Pforzheim, 

Dennig End und Gomp. 8. Jede Abtheiulun BY Rear. 
sn! en oder: topogr 

es, verbunden mit einer rn we 

Mit zwei Landkarten. Kempten, 


Nor. 
8 ‚®. E., Du deut 2) , 
——* fe, 8. Aa es ade © chwurgerichte. Leipzig 
s Re G., in Bromberg, Leo. Gr. 8. 


Theil, Oxr in Statfen 6. 97, in — 
und 1 
nen. 


—2 
R ittler. 
& 8. DD Nor. ' 


Mörder, 5%, Die Dillenefreibeit in GStantsverbande. 
Zur Ginfährung in des Ariſtoteles Baͤcher von dee Shetont 
und zur richtigen ghrdigung der geiſtlichen Mereitfamteit. War 
un, 5.32 —— 

ephiſto pheles und d al | 
Digeung. Däfeort Sqreiner. * MHrhei 
ven, C. 


Piſchon, J. A., Deufmälee —EE Sprache von 
. Euv 
lung zu feinem Beitfaden der Geſchichte der 2: warfen Literatur. 
Zter Theil, welcher bie Zeit vom Jahre 1620 bis 1720 umfage. 
Bertin, Dunder und Bumblot. Gr. 8, 2 The. W Rar. 
ine Biogmansifie un * “an 
u 
Mit Portrait. —— —— en ar Near. | 
eden, . . d a8 iſerreich Rußland. 
s gefdyichtiiche Darftelung feiner — 
in landwirthfchaftlicher, gewerblichen und commerziels 
r Berlin, Mittier. Gr. 8. 3 Lr.W Re 
Scharpff, F. A., Der Cardinal und Biſchof —— 
Ifter Theil: Das kirchtiche Wirken. Sin Beitr 
zur Feſchichte der Beformation. innerhalb der —— — — 


namentli 





Mike ſeit von X. w. 
He Auflage. lſten Wand. 





VBerantworuicher — A BSrockbaus. — — Fr — ** 5 Brodiuus in Seippig. 





Blätter 


für. 


literarifche Unterhaltung. 





Donnerdtag, 





17. Auguſt 1843. 





grandfifge Souriften : Literatur. 


Kein Kenner des franzoͤſiſchen Geiſtes wird leugnen, 
daß die fein auffaffenden, ſchnell beobachtenden und leicht 
wiedergebenden Sranzofen in der fogenannten ‚‚leichtfüßigen 
Literatur” (literature l&gere) ein ganz befonderes Talent 
entwideln und die meiften Schriftfteller anderer Nationen 
entfchieden übertreffen. Wenn die philofophifhen Schrif⸗ 
ten der Franzoſen unfers Sahrhunderts für Den, welcher 
an bie fubflantiele Nahrung der modernen beutfchen Spe⸗ 
culation gewoͤhnt iſt, eben von keinem ſonderlichen In⸗ 
tereſſe ſind, fo gewähren hingegen ihre literariſchen Zeit: 
vertreibarbeiten allen Denen, die nicht fowol auf Beleh⸗ 
rung als auf Unterhaltung ausgehen, einen eigenen Reiz. 
Frangöfifher Esprit ſchmeckt auf deutfchen Ernft wie 
feanzöfiiher Champagner auf deutfhhen Hochheimer, und 
die leichte franzoͤſiſche Literatur verhält fich zu ihrer deut: 


fhen Nachbarſchweſter wie die franzöfifhe Küche zur: 


beutfhen. Die derben, einfach zubereiteten Gerichte find, 
wie das Charakteriftifchfte, fo auch das Beſte unferer Koch⸗ 
tunft. In den feinen, raffinirten Aufgaben ift dagegen 
die Erfindungsgabe unferer culinarifhen Phantafte weder 
rich noch gluͤcklich und auf keine Weile mit dem er: 
ſtaunlichen, finnreihen Combinationstalent der frangöfifchen 
Köche zu vergleichen, welche in diefem leichten, ſchnoͤrkel⸗ 
artigen Genre die fruchtbarften, vorzäglichfien Meifter 
find. Was nur immer Geift, Wis, Laune und Satire 
auf den Miftbeeten der Civiliſation zur Reife bringen, 
bietet der pariſer Literaturmarkt alltaͤglich in einer Unzahl 
von Journalen, Revuen und Octavbaͤnden im größten 
Überfluß, und eine unerfättliche Lefermenge verfchlingt Al: 
les, was die durchaus auf ber Höhe der Zeit arbeitende 
litecarifche Kochkunſt in einer Unzahl fein abgewogener 
Zufammenfegungen dem Geſchmack eines Jeden mundrecht 
zu machen weiß. Natürlich wird unter den Ledereien und 
ausgefuchten Seltenheiten aller Art, womit die Tafel der 
Keinen feanzöfifchen Literatur bedeckt iſt, manches Ver: 
brannte, Überpfefferte, Fade, und für uns platterdings Un: 
genießbare aufgetiſcht; doch mangelt es nicht an gut ges 
bechten, kunſtreich gewürzten, pilanten Gerichten, welche 
unfere Geſchmacksnerven angenehm kitzeln und unfere Eß⸗ 
Luft befriedigen. Bon drei folhen Schüffeln, die wir hei 
einem neufichen Mittagäeffen ap der großen Table b’pdte 


zierfahrten eine befondere Würze. 


| nimmt. 


der Lefecabinete gekoſtet haben, wollen wir ben Leſern ef- 
nen kleinen Vor⸗ oder Nachgeſchmack zu geben verfichen. 
1. Trois ans de promenades en Europe et en Asie, par. 


Stanisias Bellanger. Zwei Bände. Paris 1843. 

Eine Olla potrida, bie uns brodenweife mie ſpani⸗ 
ſcher Pfeffer in die Naſe ſteigt. Don Strasburg aus 
reift der Derf., ein Iuftiger Lebemann, mit dem Stellmas 
gen über Karleruhe, Stuttgart, Um, Augsburg nad 
Münden, und von da über Linz und Wien dur Uns 
garn und Eiebenbürgen nah Bularefht. Er beobachtet 
nicht übel und hat gute Augen, obgleich franzöfifhe Aus 
genglaͤſer. Was er fieht, trägt er ohne Kunft und Um⸗ 
ſchweife in fein Tagebuch ein und laͤßt es druden, und 
dabei erzählt er mit vieler Natürlichkeit und Anmuth die 
Heinen Abenteuer, welche von ihm und feinem Reiſege⸗ 
führten beflanden werden. Auch gibt er hier und ba eis 
nige artige Novellen und curiofe Geſchichten; wo er einen 
fertigen, biftorifchen Stoff findet, weiß er ihn recht ver- 
ftändig zu benugen und in leichte, lockere, gefällige Kor. 
zu bringen; feine Beſchreibungen von Landfchaften und 
Gegenden, von Sitten und Gebräudhen, von Kirchen und. 
Schloͤſſern, ſowie feine Nachrichten über philanthropiſche 
Inſtitute und einzelne berühmte Männer find ohne An 
maßung, ohne Schwulfl und ohne Leidenfchaft, von aller 
Klatfcherei und allen Perfönlichkeiten fern. Die liebens⸗ 
würdige Impertinenz, die jungen Leuten fo leicht verziehen 
wird und jungen Autoren wohl anfteht, gibt biefen Spas 
Das Buch kann zur 
unterhaltenden Lecture empfohlen werden. Man lacht 
über Manches, was ber Verf. gefehen und befchreibt, und 
noch öfter Über den Verf. felbft, der mit feinen franzoͤſi⸗ 
fhen Anfichten fi in Deutfchland fpaßhaft genug auds 
Man Eennt die Meinung, welche die meiſten 
Sranzofen noch immer von uns Deutfchen haben; es {fl 
die, welche vielleicht vor 100 Jahren galt, und welche 
jegt nur noch bei einem helle unfers Volks zutrifft. 
Unfere Laſter und Gebrechen, als da find Voͤllerei, Trun⸗ 
Eenheit, Verdroſſenheit bei Kieinigkeiten, Schwerfaͤlligkelt 
des Körpers, Roheit der Zunge, find zum — bei 
ihnen geworden, und noch immer glauben Viele, es ſei 
unmoͤglich, daß ein Deutſcher ein liebenswuͤrdiger Gemahl 
und ein unterhaltender Geſellſchafter ſein koͤnne. Man 
ſollte denken, der ununterbrochene feindliche und friedliche 


Er. 


Verkehr ber legten 50 Jahre mit Deutichland habe fie 
- eines Beſſern in mancher Hinſicht belehrt; allein der 
FStanzofe, welcher nur fein Eigenes liebt, kuͤmmert fi 
wenig um dad Fremde, und kann Sabre lang im Aus: 
Lande reifen und leben, ohne etwas weiter darin verfucht 
und fludirt zu haben als die Weiber. Diefe fchöne Na: 
tur jenfeit bed Rheins fchildert und kennt auch unfer Verf. 
am gründlichften. Die fhönmeiberigen Städte Deutfchlande 
find feine füßeften Meifeerinnerungen; der reigenden Münch: 
nerinnen, Paffauerinnen, Rinzerinnen und Mienerinnen ge: 
denkt er mit freudigem Entzüden und den bairiſchen und 
Öftreichifhen „Kelleresses“ hält er eine gebührende Lobrede. 
Mir Männer kommen nicht fo gut weg. 
zwar für ehrlich und brav im Leben wie in Schlachten, 
aber doch, meint er, fei ein Franzoſe ein Weſen, das ſchon 
weit mehr Ehrgefühl und Humunität befigt. Unfere Be: 
fheidenheit duͤnkt ihm Kriecherei, unfere Derbheit Baͤu⸗ 
sifchleit, — und werden es beide nicht oft? Die Eriftenz 
bes Stocks und die Geduld der öftreichifchen Rüden kann er 
nicht begreifen; ebenfo unbegreiflich ift ihm, wie ein rhein- 
weinländifhes Volk in Wort und That fo träge und 
feuerlos fein kann, was allerdings unmöglich fein würde, 
wenn man nicht von oben fo fehr in das Gebiet des Bei: 
ſtes eingriffe und dieſem Feuerelement fo viel erfältendes 
und löfchendes Waſſer zugöffe. Hab gegen die Deutichen 
läßt der Verf, nie blicken; er findet uns blos zu langfam 
‚and langmeilig, zwei Dinge, die gerade die Antipoden der 
franzöfifchen Schnelligkeit und Behendigkeit find. 

3. Une annee en Espagne, par Charles Didier. Zwei Bände. 

Paris 1842. 

Ein genießbares Potpourri, welches jedoh ab und zu 
ein flarkes Brennen im Halſe verurſacht. Der Verf., ein 
geborener Genfer, der wie im vorigen Jahrhundert Rouf: 
feau feinem Bürgerrechte entfagt und ſich nach Frankreich 
gerettet hat, ift ein heißer Demokrat und falzt feine Urs 
theile über Perfonen und Dinge nicht immer mit attis 
ſchem Salze. Er befchreibt zunächft die Kuͤſtenſtraße über 
Junquera und bie Grenzfeflung Figueras, welche das 
„Journal des débats“ nod vor kurzem einen der feſte⸗ 
fien, wohlverfehenften Plaͤtze Europas nannte, der Verf. 
aber als eine elende Gitadelle fchildert, 
bios von einem Haufen zerlumpter, fieberfranfer Bettler be: 
wacht und von einigen Stüden Geſchuͤt vertheidigt, an denen 
bie Ratten ganz ruhig bie Laffetten abnagen. Hohes Gras 
wädft um die weitläufigen, leeren Gafernen. Nachlaͤſſiig an 
eine Batterie gelehnt, fteht eine verlorene Schildwache in träus 
meriſchem Nachdenken. Der Sonftitutionsplag iſt ganz mit Bet: 
Welleuten und Müffiggängern gepflaftert, die im Staube liegend 
fihy in der Sonne wärmen oder die ungeheure, mit fieben 
Maulthieren befpannte altfränkifche Staatskutſche vorbeipaffiren 
feben, bie ©. H. ben Herzog von Infantado fpazieren fährt. 
In einem Ru bat man bergeflalt einen vollftändigen Abriß von 
Spanien und feiner Bevölkerung. 

In Figueras ſchifft ſich der Verf. mit der fpanifchen 
Diligence nach Barcelona ein. Die Reife dahin hatte 
eine fo originelle Form, eine ſo entfchiedene Localfarbe, 
ein fo eigenthümliches Weſen, daß Ich ohne Beforgniß zu 
langweilen dem Autor folgend einen Umriß davon geben 
darf. Das Fuhrwerk der fpanifhen Diligence ift, feiner 


Er hält ung | 


vorm nad, ein Poloffale® Ungeheuer in Kutſchenbauart 

aus ber Ferne einem Elefanten nicht undhnlic, dem man 

einen hölzernen Thurm vol Soldaten aufgepadt. Gin 
ärgere Caricatur kann in dieſer Art die Staatskutſche nicht 
fein, worin der König von England ind Parlament fährt, 
Diefer vieredige Kutſchenkoloß, mit feinen Magazinen auf 
dem Dedel und auf der Hinterachfe, hat inwendig auf 
zwei breiten Sigen ſechs bequeme Pläge, zwei grofe und 
vier kleine Fenſter. Gluͤcklich, mer eine der vier Edm 
erhält, und ſich früh genug dazu meldet. Gr gewinnt 
auf diefem wohnlichen Plage doppelt, frifche Luft und 
freie Ausſicht durch das Fenſterchen in der Seitenwand, 
und bettet ſich fanft, beim Schlafen in die Ede gedeuͤdt. 
Die Beſitzer ber beiden Mittelpläge haben es weniger be: 
quem, und find ihren beiden Seitennachbarn fühtbar, dem 
Schlenkern des Wagens und allem damit verbundenen 
Zwange preisgegeben. Die Kutfche hängt in Riemen, 
ihe Untergeftell und Raͤderwerk find Maffen von Hol 
und Eifen; ein Gebäude von Bäumen und Balken, Br: 
[hlägen, Stangen und Schrauben, als für die Eroigkeit 
zufammengezimmert. inige fiebzigmat muß fie im abe 
die Reife nad) Barcelona oder daher zurüdmadyen. Die 
zweite Hauptregion des Wagens iſt das ungeheute Mi: 
gazin auf der Hinterachfe, nach der Megel des Diligence— 
inflitutd nur für die Koffer der Neifenden und für Hl: 
ned Gepäd beſtimmt, durch Misbrauch und Gewinnfuht 
der Unternehmer aber auch zum Transport großer War 
venballen und fchmerer Colli benugt, und mit eifernen 
Bäumen, mit Ketten und Latlenwerf hoch aufgethürmt 
und befeftigt. Auf dem Kutſchenverdeck iſt ein Korbbe: 
hälter für Kleinigkeiten, und zugleich der Sitz eines 
Detaſchements Escopeteros mit blankgezogenen Haudegen 
und ſcharf geladenen Donnerbuͤchſen, um die großen und 


Kleinen Strauchdiebe, die Caballiſtas und Rateros, abiu: 


ſchrecken, die ohne diefen militairifhen Bedeckungsappatat 
ber Verfuhung nicht widerſtehen Könnten, Alleinreifende 
auszuplündern, und bisweilen ſich dennoch beigehen Laffen, 
die ganze Meifegefellfhaft und ihr Sicherheitsgeleit zu 


brandfhagen. Die fpanifche Diligenceanftatt iſt wie die 
franzoͤſiſche ein Privatunternehmen , wovon dem Staate 
Abgaben entrichtet und mit den Poftmeiftern der Static: 
nen wegen ber Borfpanne, bie den Unternehmern eigen: 
thümlic gehören, Vergleiche getroffen erden. 


13 Poften (etwa 20 deutſche Meilen). Nur eine Nacht 
wird ganz durchgefahren; für die Übrigen Naͤchte geminnt 
man einige Stunden Schlaf im Bette. Die Ruhepläge 
zum Nachteffen und zum Nachtlager (Posadas) find be: 
flimmt und etapenweiſe angelegt. Allenthatben ift man 
darauf vorbereitet, der Tiſch iſt gedeckt, der Puchero (ein 
fpanifches Nationalgeriht) duftet im Zimmer, das Bette 
iſt gemacht, und es bleibt dem Reiſenden noch etwas Zeit, 
fih In dem Orte umzuſehen; jedoch iſt e8 ihm nicht ver: 
gönnt, den andern Morgen im Bette zu bleiben, fo lange 


Mit ihen 
fieben auf gewöhnlichen ebenen Wegen und Eurzen St: 
tionen, und 10, 12, oft 16 auf ungewöhnlichen holperigen 
Straßen und langen Relais vorgefpannten Mauithieren 
macht die Diligence den Zag Über 10, größtentheils aber 


9m: - 


es ihm gefült. Er maß ſich dem Dosgetiamus bus dies 
fees unterwerfen und gehotchen, wenn die Stimme des 
Dberregenten in aller Fruͤhe zur Abfahrt ruft. Dies iſt 
der Mayeral, micht etwa ein fchwerfällig eingehüllter deut⸗ 
ſcher Wagenmelfter oder ein kurz angebundener framoͤſi⸗ 
ſcher Conducteur: es iſt ein zierlich gekleideter, plump hoͤf⸗ 
licher, zuvorkommend dienſtfertiger Menſch, der ſich in ſei⸗ 
nem ſpihen, mit Sammetborten und Seidenquaſten ges 
(dmüdten Gut, in feiner braunen, buntgeflidten Jade, 
in feinen ledernen Kamaſchen und feinem rothen Leibgurt 
flatttih ausninmmt und von den Unternehmern forgfam 
zu dem Beihäfte gewählt wird. Auf ihm beruht der oͤf⸗ 
fentliche Sredit und die Empfehlung der Diligence. Die: 
fer Reiſemarſchall richtet die Tagsordnung ein, beſtimmt 
Ankunft und Abfahrt auf den Stationen, führt das Rech: 
nungswefen, ift verantwortlich für das Gepaͤck, der Tiſch⸗ 
gefellfchafter der Meifenden und ihre Stüge beim Ein: 
und Ausfleigen. Seine Refidenz ift ein an ber vordern 
Kutſchwand angebrachter hoher Sig, von welchem er bie 
beiden legten Maulthiere, welche den Dienft der Deichſel⸗ 
pferde verrichten, im Bügel hält. Die übrigen paarweife 
vorgelegten Saumroſſe gehen frei und ohne Zügel und 
geborchen auf. Commando. Wie fie bei Namen gerufen 
werden, antworten fie mit einem leichten Obrenzuden. 
Eie haben gewoͤhnlich von ihrer Farbe oder Eigenheit herz 
genommene, romanhaft Mingende Namen, als: Carbonera, 
Dragonera, Piatera, Capitana, Coronela, Senerala, Amo: 
cofa, Valeroſa, Borrasca, Leona, Rofa u. ſ. w., und find 
durchweg mit Schellengeläute, theilweiſe mit gelben Decken 
behänge, groͤßtentheils aber unbededt und halb gefchoren, 
weicher letztere Umſtand ihnen ein fonderbares, ſchrecklich 
magetes Ausfehen gibt; denn bei dieſer gaͤnzlichen Ent: 
Mößung kann man ihren anatomifhen Bau, die Knochen, 
Schnm, Muskeln und bis auf das Mleinfte Geäder 
gründlich fudiren, und mit ihren kahlen Schwänzen und 
fpigen Ohren fehen fie aus wie ungeheure Ratten. Das 
vorderfte Mautthier reitet ein Keiner Poftillon, der ben 
ganzen Zug anführt und in Bewegung fegt, ohne fih umzu⸗ 
fehen, wos hinter ihm paffirt. Eine Art Läufer und Uns 
terreifemarfchall, Zagal genannt, der an abfchüffigen Stel⸗ 
im den Hemmſchuh einhängt, das Geſchirr in Obacht 
nimmt, auf den Stationen aus: und umſpannen hilft, 
unterwegs beftändig neben den Maulthieren herrennt und 
nach Umſtaͤnden Fluͤche, Liebkofungen, Peitfchenhiebe und 
Stochſchlaͤge unter fie austheilt. Seine Tracht iſt aller: 
liebſt, äußert Leicht und elegant; er trägt einen fpigen, 
bebaͤnderten Hut mit Troddeln, eine braune Jade mit 
fhedigen Unteraͤrmeln und dreifarbigem Kragen, Hoſen mit 
Stahlknoͤpfen und als Schuhzeug alpargatas, mit Schnür: 
hen fellgebundene Sandalen; zu diefem Anzug denke man 
fih no einen vothen Gürtel und ein buntes Halstuch, 
ud man kann fi die durch und durch charakteriftifche 
Hıltung des Zagal vorftellen. | 
In dieſem . eigenthlimfichen Aufzuge gebt es porn: 
ſtreiht bald durch eine einfoͤrmige, charafterlofe, mit einis 
gen wrkrüppelten Bichten und großen. Meiepflanzungen be: 
dedte Ebene, bald durch eine öde Berggegend, wo bie 


Etraße ſich am Uhgaheben entlang zieht uͤber Geems und 
Mataro. Naher nach Barcelona zu dmdert ſich Die Ge⸗ 
gend und erweitert ſich der Geſichtskreis in eine reiche 
Perfpective mit Dörfern und Landhaͤuſern; überall zeigt 
fih eine neue Pflanzenwelt; doch im Allgemeinen bleiben . 
fih die Anfichten glei und ermüden auf die Dauer; bie 
erfeifchenden, faftig grünen Buſchklumps fucht das Auge 
vergebens in der Landfchaft; die Ebene iſt von allen 
Seiten offen, der Himmel tief, die Sonne brennehd heiß; 
die Bäume geben aus und länge der Felder gebeiben 
Aloen und Gactus als Frembdlinge aus Afrika umd Amer 
rika. Nach einem kurzen Aufenthalt in ber Hauptftade 
von Catalonien, die mit einigen kräftigen Strichen ge- 
ſchildert wird, zieht der Verf. gen Aragonien und macht 
auf dem Wege nad, Lerida nähere Bekanntfchaft mit el: 
ner Bande Caballiſtas, welche die Diligence anfallen und 
ihm feine Uhr flehlen, nachdem fie vorläufig feinen Koffer 
außgeleert und feinen Mantel zerhauen. Die Reife wird 
immer intereffanter ; Boden und Bevölkerung zeigen ſich 
in ihrer fchredlihen Schroffheit. Wie man Gatalonien 
verloffen und die fhöne Gegend von Urgel im Rüden 
bat, nimmt die Landfchaft gleich ein rauheres Gepräge an. 
Braga iſt bie erfte Stadt Aragoniens, wenn man von 
Barcelona kommt, und liegt in einem tiefen Felſenkeſſel, 
in den die Landflraße beinahe Eerzengerade hinabführt. 
Die Gebirgsgegend um Fraga ift wie zum Tummelplatz 
für räuberifhe und halsbrecheriſche Künfte aller Art eigene 
gemacht. Die dürren Felſenriſſe, die ſteilen Abfälle, die 
engen Schluchten und Zidzadpäffe der aragonifhen Siers 
ras fcheinen gleichfam die Keckheit der Banditen⸗ und 
Buerrillasbanden herauszufodern. Wie der Waffenlaͤrm 
aufhoͤrt, iſt Alles todtenſtill und ausgeſtorben. ie ein⸗ 
zigen Menſchenſpuren, die man in dieſen Einoͤden antrifft, 
ſind Steinhaufen mit kleinen Kreuzen, welche die Stellen 
bezeichnen, wo Mordthaten verübt worden, und oft ganz 
ftiſch errichter find, denn in dieſen fandigen Hohlwegen 
und am Abhang diefer grauen Felsmaſſen, die Nachts 
beim Mondſchein ihre Zadengipfel ſpukhaft in den Him⸗ 
mel reden und ihre Schlagfchatten unheimlid über dem . 
Weg werfen, vergehen wenig Tage ohne Mordfcenen. 
Den Berf. ſcheinen die Gefahren weiter nicht zu 
fhreden. Guten Muths croquirt er in fein Reifealbum 
den Räuberhauptmann, der ihm eben eine Kugel um bie 
Ohren pfeifen läßt, und die Zeichnung geräth ihm darum 
in den Hauptzuͤgen nichtsdeſtoweniger ſcharf und bes 
ſtimmt. Seine an Ort und Stelle nach der Natur auf: 
genommenen Skizzen ſind ungemein lebendig und effect⸗ 
voll; Gegenden, Trachten, Volksgruppen treten charakte⸗ 
riſtiſch vor das Auge. Die Reiſe von Saragoſſa na 
Madrid, von Madrid nach Toledo, der Aufenthalt in letz⸗ 
terer Stadt, der Jahrmarkt von Mairena und die anda⸗ 
luſiſchen Stuger (majo) find Lauter geiſt⸗, kunfl: und 
forbenreihe Genreſtuͤcke, die ein poetifches Auffaſſungs⸗ 
und Darfiellungstaiene in nicht geringem Grade beur⸗ 
kunden. Folgende Beſchreibung einer frappanten Raturs 
ſcene mag als Probe feines Erils dienen. Der Verf. iſt 


auf dem Wege zwiſchen Saragoffa und Madrid: 


C 


Pibqeq ftieg. mic ein: ſo ſtarker in bie 
Nahe) daß ich: nich ſAnen Augenblick in hen Schtund des. Atna 
verfent waͤhnen konnte⸗ 8* ſich vielleicht mit einem Male 
unter meinen Fuͤßen ein Vulkan aufgethan? So tragiſch war 
es’ gerade nicht; wir fuhren ganz einfach an ben Schwefelquel⸗ 
len von Athama vorüber, bie’ vole Mitchbäche von einem durren 

abhange herabrauſchen ımb zwiſchen Fetſenriſſen durch⸗ 

men. Die Gegend iſt uͤberaus wild, die Straße biegt jede 
paor Minuten um eine ſchroff vorſpringende Felsecke, und der 
&alon, den man von Calatayud an entlang fährt, laͤrmt tofend 
in der Ziefe einer fehauertichen Schlucht, welche zu beiden Sei: 
ten graue, kahle Berge umfchliegen. Während bie untern Bers 
—— « hen. in Abenbfchatten getaucht waren, gluͤhten bie 
obeen Kaͤmme in ftrablender Sonnenuntergangsbeleuchtung, und 
die brennenden Barbentöne, im Verein mit den Schwefeldünften, 
gaben der Gegend einen höllifchen Aufdruck und Dante hätte fie 
gewiß zu einem feiner phantaftifhen Hoͤllenthaͤler benußt. 


Nach diefer Schilderung, duͤnkt mich, begreift man 
eher die wunderfamen Landichaftöbilder des Ältern Herrera, 
die nichts als oͤde Gegenden, glühende Terrains und Eno: 
chenduͤrre Berge darftellen. Ein alboroto (Volksaufſtand) 
in Balencia iſt befonders gut. gefchildert. Schön, aber 
fhauerlich ift das Leben in biefem herrlichen Lande; eine 
ſtickende Hize fest Boden und Menfchen in Flammen; 





ein feuriger Odem weht vom füdlihen Nachbar herüber 


und entzindet alle glühenden Leidenſchaften eines brennen: 
den Himmelftrihs, Eiferfuht, Glaubenswuth, Kreiheits- 
sache. Diefer Gaft aus Afrika übt auf die reizbare ſuͤd⸗ 
fpanifche Bevoͤlkerung eine folche Gewalt, daß er vor Ge: 
richt in Anklagen wegen Zodtfchlag als Milderungsgrund 
zugelaffen wird. Während der Solano weht, fallen be: 
ſonders viele Mordthaten vor, die übrigens hier auch fonft 
vielfach verhbt werden. In den engen Kiesſtraßen der 
Fruchtebene (huerta) von Valencia find die Steinhaufen 
mit Kreuzen (milagros) häufiger als in Hohlwegen der 
Gebirgskette von Fraga. 
(Der Beſchluß folgt.) 





George Sand in England. 


Wie die engliſche Preſſe George Sand's Werke beurtheilt? 
Man kann es ſich denken, wenn man einigermaßen engliſchen 
Moralſtoig, engliſche Pruderie, engliſchen Phariſaͤlamus kennt. 
Aber wie es zu gehen pflegt, die Splitterrichter merken den 
Ballen im eigenen Auge nicht. Man muß ſolche Artikel über 
die den Zornſchalen Gottes verfallene Suͤndhaftigkeit und Ser: 
ruͤttung Frankreichs, foldye mitleidige, achſelzuckende, vornehme, 
Taste Verurtheilung des unverflandenen fremden Geiftes mit einis 
ger Aumerkſamkeit lefen, um das Vergn zu boben, bem 
Sittenprediger die Larve abzuziehen und bie Deuchelei, bie er 
mit jedem Athemzuge von FE laͤſt, aufzudeden. Ein Beur: 
theiler der Sand’fchen Werke im ‚Foreign and colonial quar- 
terly review’’ findet, daß George Sand kein bloßes Phänomen, 


vie es in dem betreffenden Artißel bes „Gonverfations s Lerilon 


der at heiße, ſondern wirklich ein Repräfentant des 
frangs fchen Zeitgeiftes ſei: er findet dies, um auf Kranfreiche 
graufenvolle Sntartung, Bottlofigkeit, Zerrättung u. |. w. ſelbſt⸗ 
gefällig und mit heuchteriſchem Mitgefüht herabblicken zu koͤn⸗ 
nem. (Br: erzählt die aͤrgſten Seandala, indem er verfichert, 
diefe.mit bem Gichleier der cheifilichen Liebe zu bebedien. Gr 

bt. das Privatleben ber Madame Dubenant herein, benn, 
gt er, bei einem Schriftfteller, der moralifche Begenftände bes 
banbelt, fittliche Tendenzen hat, ift die Frage natuͤrlich und ‚ges 


Berantwortlicher Herausgeber: Heinrich Brodhaub — 


— Datz 1ap fihen, wie vu uf Bann 
b ’ e du ſelbſt bu 
Gitteniehre geworben bift?” Wie falfch aber, wie —8 
dieſe Methode! Rouſſeau, der ſeine eigenen Kinder fremden 
Händen preisgab, iſt bekannttich Der, weicher ſuͤr Die ganye ci: 
viliſirte Weit. der Oerold liebreicher, muͤtterlicher, echter Kari: 
Vienergiegung gemarden iſt! Wie paßt ſein eigenes Benchmen zu 
feiner Lebre? Aber wer gibt uns auch das Recht, ben Bruder 
u verbammen? Und ift nicht feine Weisheit gerade die Frucht 
einer Berirrungen ? Nein! wer nicht eine geheime innere Freude 
daran Hat, fremben Fall ans Licht gu ziehen, wird nicht das 
Drivatieben bes Schri ers noͤthig haben, um feine Pad 
zu wörbigen: die Betrachtung ſolches Privatiebens ift ein gan; 
abgefondertes Intereffe. Und aus welchen Quellen wird nun 
die Kunde dieſes Privatlebens — Beſonders in Betreff 
noch lebender Beitgenoffen? Sind fie nicht truͤb? Endlich nad 
welchem Mafftab wirb gemeffen? Nun, in vorliegendem Fall, 
wie man fidy denken Tann, nach dem engherzigfien. Diele Berf, 
halt den Sonntag nicht heilig, gebt micht in Kirche und Ka: 
pelle, bat kein Chriſtenthum! Der Stab ift gebrochen. „Cie 
bekennt, wie ungluͤcklich fie ſich fühlt, und fchreit laut in ihrem 
Elende, ihrer Unruhe. Es findet fich bei thr in ber That ein 
Ernſt und eine Herzensinnigkeit für die. Mitwanderer, aber eine 
unfelige Verkehrtheit in ihrem Suchen na Wahrheit. Lat 
uns daher durch Mitleid den Unwillen mäßigen, womit bie Ge 
fühle und Brundfäge, die wir in diefen Werken finden, eng: 
liſche Männer und engliſche rauen natuͤrlich erfühen werden.” 
Und nun höre man weiter ben vollendeten Phariſaͤer, der Gott 
dankt, daß er nicht ift wie diefee Zöllner: „Wer weiß, in wi: 
hen Abgrund von Irrthum und Unmoralität, wilder Princip 
lofigkeit und ſchweiniſcher Beſtialitat wir felbft vieleicht 
geflürgt wären, wenn bie Borfehung es uns beftimmt gehabt 
‚hätte, Frankreich zum Vaterland zu haben und bie volllommme 


"Auftöfung aller gefeligen Bande u. f. w.“ Gleich darauf wird 


bemerkt, Frankreich fet ſabbatſchaͤnderiſch und lag in ben „rl: 


‚gidfen Pflichten”, das wille alle Welt, aber Wenige mödten 


wohl wiffen, „bis zu welchem Grabe Frankreich aufgehört habe, 
den Namen einer chriſtlichen Nation zu verdienen”. Dod genug 
als Probe. Diefer Referent befpiegelt fich wohlgefaͤllig in der 
Chriſtuchkeit Großbritanniens Frankreich gegenüber. Von dem 
Roth⸗ und Schmerzensſchrei der Tauſende und Tauſende, wei; 
der aus feinem eigenen Lande täglich zum Himmel ſteigt, von 
dem wilben Verlangen nady mehr Schweinen und weniger Prir 
ftern, von den ftürmenden Verſuchen, eine neue Lebens: und 
Staatsorbnung herbeizuführen, von Bunger, Bibße, Jammm, 
Arbeitereiend, Ghartidinus, Korngefeglänspfen, kirchicher Zeit 
tungen, buͤrgerlichem Zerwuͤrfniß ſcheint er nichts zu wiſſen. 
Er wiegt fi in feiner ariftokratifhen Behaglichkeit und weil er 
fatt zu eflen und comfort und kein Beduͤrfniß nach Reform bei 
geiftigen Lebens, nach Ausfegung des alten Sauerteigs um 
Verjagung ber und Taubenhänbler aus dem Heilig 
thume ber Meufchpeit hat, ſieht er hoͤhniſch auf bie Wehen nie 
der, unter benen fich eine neue Zeit gebiert. Es ift Schade, 
auch nur diefe Zeilen an ihn verſchwendet zu haben. | 





Literarifhe Anzeige. 


Bei J. A. Brockhaus in Leipzig iſt neu erſchienen 
und ae Buchbandlungen zu erhalten : 


Jiratenleben. 
Seeſtenen und Charakterſtizzen. 


Zwei Vhoeile. 
&. 13. Geh. 2 The: 
Drud und Verlag von J. 4. Brockhaus in Leipzig. 





BIärt er 


für 


literarifhe Unterhaltung. 





Sranzöfifhe Zouriften- Literatur. 
(Belhluß aus Ne. 228.) 


Der teuriflifchzliterarifche Theil des Wuchs ift un: 
fleeitig der gefungenfle; der culturhiſtoriſch⸗politiſche behagt 
uns viel weniger. Der Verf. ſchildert befonders die phi⸗ 
loſophiſche Bewegung, die auch Spanien im 18. Jahr⸗ 
hundert ergriff, die Schriftfteller und Staatsmaͤnner, wels 
he diefen Aufichwung des geiftigen Lebens unter den Spa> 
niern hauptfächlich begünfligten, und das Charakteriftifche 
ihre Reformverfuche und flaatsötonomifchen Beftrebungen, 
und gibt darauf einen kurzen Abriß von dem Gang der 
Dinge in Spanien feit der Heirath Ferdinand's VII. mit 
Marie Ehrifline von Bourbon 1830 bie zum Eintritt des 
Grafen Torreno in das Minifterium Martinez de la Rofa 
1834. Dieſe gefchichtliche Überfiht vervollſtaͤndigen ver 
ſchiedene Abhandlungen Über die einflußreichfien und nam⸗ 
hafteflen Redner der Cortes und über die bedeutendflen 
Individualitaͤten der einzelnen Miniflerien, die fich von 
Satomarde bis Mendizabal einander abgelöft haben. Diefe 
In beiden Bänden zerfiveuten Bruchſtuͤcke bilden zufammen 
eine achtbare Maſſe von Thatfachen und Bemerkungen, die 
über jenen wichtigen Beitabfchnitt manchen interefjanten Auf: 
ſchluß geben. Der Berf. befigt gründlichere Kenntniffe über 
ſpaniſche Literatur, Tagsgeſchichte und Wolkschümlichkeit als 
Biardot, defien „„Btudes sur Phistoire des institutions, de la 
htterature en Eispagne’! nicht viel befagen wollen und der als 
Überfeger des, Don Quigote”’ beiwiefen, daß er das Spanifche 
nicht volllommen genug verfieht, um in den Geiſt der fpas 
niſchen Kiteratue und In den Kern der fpanifchen Cultur ein: 
ringen. Wäre Hr. Didier von feiner franzöfiich = demo: 
katifhen Idee nicht fo ſehr präccenpirt gerwefen, wodurch 
er gar Vieles im politifchen und literariſchen Leben ber 
Spanier ganz ſchief anfieht und manchmal Mindmühlen 
für Riefen Hält, fo hätte er die Vorſtellungen feiner Landes 
kt über Spanten vielfach berichtigen und erweitern koͤn⸗ 
zen. Denn Didier bat mehr Geift, Phantafie, Geſin⸗ 
nung und Ernſt als die andere franzöfifchen Touriſten, 
weiche vor umb nad ihm über die Pprendenhalbinfel ges 
Krichen. Man braucht nur fein Ichersiched Buch „Rome 
sıterraine” und die Meifefchilderungen aus Mabrid, To⸗ 
ke, Valencia zu leſen, um alle bisfe guten Eigenfchaften 
in ihm zu entdecken. Daher iſt um fo mehr zu bedauern, 


daß jene franzöfifch = demokratiſchen Präocchpationen ihn 
zu einer Menge irriger Anfichten verleitet haben. Seine 
Artikel über ſpaniſche Autoren und berühmte Staatsmaͤn⸗ 
ner des 18. Jahrhunderts find da und dort durch bio⸗ 
graphiſche Notizen intereffant, aber durch die eingeſtreuten 
politifchen Reflerionen oft ſehr unerquidiich und durchweg 
hoͤchſt einfeitig. Er beruͤckſichtigt bei den fpanifchen Staates 
verbefferern lediglich Das ungeflüme, unklare Streben nad. 
Neuerung und bewundert an den fpanifchen Schriftſtellern 
nichts als die Reproduction franzöfifcher Ideen. Bon ih⸗ 
ten Gegnern hat er die aͤrgſte Meinung ; er fpricht ber 
damaligen fpanifchen Geiſtlichkeit alle Bildung, Würde, 
Redlichkeit und Intelligenz ab und nennt bie Batholifchen 
Driefter gottlofe Frevler. 

Diefe ſcheinheilige Hierarchie — ſagt er — begeht eine 
fortwährenben Frevel; denn täglich Läftert fie Gott in feinem 
vornehmften Schoͤpfungswerk, und ihre Gebankentäfterung ifl 


: eine wahre Gottesläfterung- 


Ganz confequent befteht ex deshalb auch auf die Un: 
terdruͤckung der katholiſchen Beiftlichkeit, „dieſes überflüffts 
gen, abgeftorbenen Organs: im Leben der Nation”. Mes 
benbei verlangt er auch bie Aufhebung bes kirchlichen 
Symbols, „dieſes Eabbaliftifchen Buche, das ber Priefler 
mafchinenmäßig ablieſt“. 

Edenfo ftreng ift der Verf. gegen gewiffe Perſonen. 
Die Erregentin wird in einigen Gapiteln als ein verwors 
fenes Weib, die unfchuldige Iſabella als eine unnuͤtze 
Spielpuppe, Don Carlos als ein ſchwachkoͤpfiger, blutgie⸗ 
rigee Mönch und ber jetzige Megent als ein jaͤmmerlicher 
Intrigant geſchildert. Hr. Didier glaubt fleif und feſt, 
daß Spanien nur durch eine fo gründliche Revolutionscur, 
ale die franzöftfche von 1793, gerettet werden koͤnne; ex 
wünfcht fehnlichft, daß es bald zu biefem ſchoͤnen Heil⸗ 
mittel greifen möge und bedauert innigſt, daß es fire fels 
nen Privatbedarf noch nicht ein Dutzend Hühneraugen: 
ausfchneider A la Mobespierre gefunden hat. Hr. Didier 
fpricht wie ein promevirter Doctor der Rewolutionskung 
und fodert das republikanifche Frankreich auf, diefem fo 
fhönen und fo ungluͤcklichen Lande die Freiheit zu brins 
gen. Bemerkungen find unnöthig, Kußerungen diefer Art 
widerlegen fich von ſelbſt; nur iſt es Schade, daß foldhe 
anachroniſtiſche Vorurtheile einem Manne anklebten, ber, 
ſtatt eines übrigens geiſtreich behandelten und glänzend 


ſtilifirten Miſchmaſche, ein lehrreicheres und zuſammen⸗ 
haͤngenderes Werk uͤber Spanien haͤtte ſchreiben koͤnnen. 


3, Tra los Montes par Théophile Gautier. Zwei Baͤnde. 
Paris 1843. 


Backwerk zum Naſchen, welches bie mit den es 
ſchmacksnerven kokettirenden Gegenſaͤtze und Accorde der 
franzoͤſiſchen Paſtetenbaͤckerei nicht uͤbel entwickelt. Der 
Verf. gehoͤrt als Mitarbeiter an der „Revue des deux 
mondes“, als Theaterkritiker an der „Presse” mit zur 
herrſchenden Coterie, und wird ſomit in den Blaͤttern und 
Zeitſchriften gewaltig herausgeſtrichen. Fteunde find eine 
ſchoͤne Sache, zumal wenn fie für Journale fchreiben. 
Gefaͤllige feanzöfiihe Kritiker haben Gautier's Romane 
und Gedichte („Mademoiselle de Maupin“, „Fortunio“, 
„La comedie de la mort”, „Une larme du diable ‘‘) 
ohne weiteres über Balzacis Romane und neben Victor 
Hugo's Poeſien geſtellt; und doch ſind es Geiſtesproducte, 
die noch nicht einmal an Janin's „Todten Eſel“ und Mufs 
fat’8 „Ballade an den Mond” hinanceichen. Kennt man 
das innere Getriebe der literarifhen Sameraderie in Paris 
nicht, fo läuft man oft Gefahr, Windmühlen für Rieſen 
und Windbeutel für Prälaten anzufehen. Literarifche Cos 
terien und Gliquen haben von jeher in ber franzoͤſiſchen 
Literatur eine voichtige Mole gefpielt:: die fchöngeiftigen 
Kreife der Ninon de l' Enclos, der Marquife von Ram: 
bouillet und Frau von Skoigne im 17., die Literarifchen 
Girkel der Damen Dubdeffant, Tencin, Geoffroy, Neder, 
Recamier, Stadi im 18. Jahrhundert find wahre Maͤchte 
geweſen, wie die aͤſthetiſchen Theés der Madame Ancelot 
Ind der Madame de Girardin es heutzutage ſind. Der 
traditionelle Wahlſpruch dieſer Literarifchen Coterien iſt aber: 
Nol n’aura de l’esprit, hors nous et nos amis“; wer 
alfo zu einer von diefen Gliquen gehört, iſt ein genialer, 
talentvoller Menſch, und wird als folder berühmt und 
unfterblih. Einige literariſche Kameraden haben Hm. 
Theophile Gautier bereits fein Brevet der Unfterblichkeit 
ausgefertigt und mic wollen keinen Einfprudy dagegen er: 
heben, zumal ba er fetbft fo beſcheiden iſt, daran zu 
zweifeln. 

Tiefe Trauer — ſagt er bei der Beſchreibung der Dom⸗ 
kirche von Burgos — beklemmt mein Herz, ſo oft ich eine je⸗ 
wer Wunderbauten der Vergangenheit beſuche; eine unſagliche 
Berzagtheit ergreift mid, und id habe feinen ſehnlichern 
Bunfh, als mich in einen Winkel zu verkriechen, mir einen 
Stein unter den Kopf zu legen und in beſchaulicher Ruhe und 
unbeweglichkeit, den Tod, biefe abfolute Ruhe und Unbeweglich⸗ 
keit, abzuwarten. Nicht einmal bie Namen dieſer göttlichen 
Baumeifter wiffen wir, und mein Name follte unfterbiich fein, 
weit ich in meinem Leben zehn» oder zwölftaufend Verſe ger 
zeimt, fieben ober acht elende Bände und drei» oder vierhundert 
ſchlechte Journalartikel gefchrieben? Was iſt ein dünner Bogen 
Yapier gegen einen Granitberg? (Gebr bezeichnend !) 

"Vorab muͤſſen wir bemerken, daß dieſe urfprünglich 
für die „Revue des deux mondes“ geſchriebenen unb das 
ein auch abgedruckten Artikel über Spanien uns ungleich, 
mehr zufagen als Gautier'6 Romane und Gedichte, die 
uns in moralifcher wie aͤſthetiſcher Beziehung verwerflich 
erfcheinen. Seine Reiſeberichte find dagegen recht unters 


baftend, und für den Lefer, ber gern wiſſen möcht 

es im heutigen Spanien ausfiebt —— A 
Bortheil, daß Gautier nicht viel mehr als ein Spiegel 
und nicht im geringfien ein Denker oder ein Demokat 


1 ift, dee mit Halbphilefophifchen Anfichten oder mit einem 


Spfemchen, wie die Salt: Simeniften es gethan, au 

Reifen geht. Die Denker laffen die Dinge 5* wie 
ſind: indem ſie ſehen und hoͤren, verwandelt ſich ihnen das 
Geſehene und, Gehoͤrte ſchon in Gedanken und dieſe Ge: 
danken gleichen den ſchon längft im Kopfe vorhandenen 
Gedanken. Sie tragen ihr Streben und Verlangen, iht 
Fuͤrchten und Hoffen, kurz ſich felbft im ihre Umgebungen 
über, und ihre dußere Welt ſteht im Lichte oder Dunkl, 
da6 von der Innern auf fie fälle. Die volllommene 
Oberflaͤchlichkeit berichtet treuer, - wenn fie nicht ohne Bil 
dung und Auffaffungsgabe if. Freilich muß dann der 
Lefer das Beſte ſelbſt thun; er hat jegt die Wahmeh: 
mung und Anfhauung in den Gedanken zu verwandeln. 
Und faffen ſich Leute wie Gautier anf Reflexionen ein, fo 
uͤberſchlaͤgt man diefe, gerade wie man fie uͤberhoͤren müde, 
äußerte fie der Mann in unferer Nähe in einem Salon. 
Recht gern aber hört man ein Stündchen feine Plaude 
reien und Erzählungen an. Gautier hat viel Talent für 
pilante Schilderungen, ift aber ohne tiefere Bildung und 
Geſinnung. An Geift und Wis fehlt e8 ihm nicht, und 
er verbindet damit einen eigenthümtlichen Dandysmus der 
Form, der oft ein Lächeln ablodt. Uber Frankreich, über 
die Mufterkarte von Gemuͤſe⸗ und Setreidefeldern zwiſchen 
Paris und Chartres, über die platten-Ufer der Koire ſagt 
ee feinen Landsleuten unbarmberzig die Wahrheit; über 
bie bauptfächlichiten Eigenthuͤmlichkeiten und Merkwärig: 
keiten Spaniens läßt er fg dagegen fehr Liebreih aus. 
Coftume, Sitten, Kunft: und Bauwerke, Theater und 
Spaziergänge, Stiergefechte und geſellſchaftliches Leben 
ſchildert er in einer Reihe anziehender Genrebitber ; Cha: 
vaßterfchilderungen gelingen ihm weniger. Die Männer der 
reizenden Auen von Granada und Valencia, wahre Ban: 
biten, pure Naturmenſchen, die, ohne irgend einen Gran 
Moral im Kopfe oder im Herzen, Alles chun, mad Ihnen 
gefällt, indem fie Hinderniffe obne weiteres mit dem 
Dolhe aus dem Wege räumen, diefe europäifhen Ati: 
kaner zeichnet er nur in ſchwachen, vagen Umtiffen. Gr 
genden und atmoflphärifche Lichts und Lufterfcheinungen 
befchreibt er dagegen fahr originell; doch muß man dabei 
einen Stit goutiren koͤnnen, der diefem Autor eigen und 
aus den parifer Ateliers bergenommen ift. Ganutier's 
Landſchaftsgemaͤlde find, um mich in feiner Weife auszu⸗ 
drücken, geiftreich tokkirt umd keck impaftirt, voll Phantafit 
und Energie, aber nicht ohne gleichförmigen, conventionnels 
(en und unwahrſcheinlichen, übertriebenen Effect. Die 
feanzöfifche Kuͤnſtler⸗ ober vielmehr die parifer Atelier 
fprache, auf Beſchreibung fchöner Natur aller Art ange 
wandt, iſt dee hervorſtechendſte Zug in Gautier's ſchift⸗ 
ſtelleriſcher Phyſiognomie. 27. 





Jean Charles. 

1. Dichterleben aus unferer Zeit. Rovelle von Jean Charles, 
Berf. der Romane „Das Leben kein Traum‘ und „Schöne 
Welt”. Leipzig, Boͤſenberg. 1842. 8. 1 Thlr. 10 Nor. 

3. Die Stimme bes Blutes. Roman von Jean Charles. 
Zwei Zeile. Leipzig, 8. Zleifcher. 1842. Er. 12, 2 Str. 


Jean Charles gehört zu benjenigen mobernen Schriftſtel⸗ 


lern, bie mit einiger Beweglichkeit ber Empfindung, mit huͤb⸗ 
fher Darftelung des Smpfundenen, mit guter Benugung bes 
von Andern früher Bebachten und Empfundenen eine übergroße 
Meinung von fich verbinden und befiiffen find, biefe Meinung 
auch dem Yublicum beizubringen. Mehr Denker und Nefleriong« 
menfchen ale Dichter, Tchlägt ihre denkende Anſchauung allers 
dings öfters in eine dichteriſche um, aber es iſt eben nur ein 
Umſchlag, ein momentane Anwandeln poetiſcher Grregtheit, 
die fie nur als Stuͤckpoeten, keineswegs als bichterifche Schöpfer 
tm Ganzen und Großen erjcheinen laͤßt. Was aber Andern an 
ihnen als bloße Virtuofität des Denkens, Fuͤhlens und Darftel: 
lens erfcheint, dat erfcheint ihnen ſelbſt als Genialität;z fie fuͤh⸗ 
len fidy verfannt; ihre Neid, ihre Eiferfucht laͤßt fie bei Tag 
und Racht nice ruhen, und in großartigen, ſchoͤn klingenden 
Phraſen drängen fie ſich nun der Welt als Dichter auf, wäh 
rend biefe fie in taltbiütiger Gleichguͤltigkeit zwar nicht zu den 
Todten, aber body zu den Halbtodten wirft, welche zwiſchen 
Tod und Leben zweifelhaft ringen und bei lebendigem Leibe faft 
als Gefpenfter in den Ballen ber Literatur umgeben. Beide 
oben angezeigte Romane bemweifen eine fo aͤrmliche Erfindung, 
dag mir dem Berf. das Prädicat eines Dichters ſchwerlich ers 
heilen können; Sean Charles ift höchftens ein Zinder, Fein Er⸗ 
finder. Dagegen bat der erfle Roman „„Dichterieben aus unferer 
Zeit” wenigftens das Berbienft, manche bübfche Reflerionen, 
mande Spuren tiefere Empfindungen zu enthalten; aber bie 
maßloſe Eeibfibefpiegelung und Eitelkeit Löfcht den günftigen 
Eindruck wieber aus. Es iſt nicht zu zweifeln, baß der Verf. 
hier ein Städ feines eigenen Lebens verarbeitet hat und daß, 
wie aus dem Buche hervorgeht, ber bekannte Ritter Braun 
von Braunthal der Berf. if. Er ſelbſt nennt fih im Buche 
Kart; und diefer Karl, heißt es; fer feinen Breunden nur ale 
Berftandesmenich erfchienen, und doch habe nie ein glühenderes 
He alles Schöne, Gute und Wahre in eines jungen 
Mannes Bruft gefchlagen, nie habe eine reigbarere Phantafte 
den Geift beflimmt und gelentt, nie fei Iemand vom Principe 
der Schönheit inniger durchdrungen geweſen, und fo noch ein 
paar Geiten fort. Wir vermuthen um fo mehr, daß diefer 
Sean Gharles der Karl bes Romans und biefer Karl ber 


Kitter Braun von Braunthat fei, ba er von einem „Fauſt“ 


ſpricht, welden Kart gefchrieben habe, und ba Braun von 
—— — auch einen „Fauſt“ geſchrieben hat — und 
was für einen„Fauſt“!Es heißt im Roman: „Karl's 
‚Zauft“ wurde ein handlungsreiches, phantaſtiſches, lebensvolles 
Drama; eine umfaſſende Kritik der ‚Revue des deux mondes‘ 
ſagte bezüͤglich der Grundidee, wie er fie aufgefaßt und durch⸗ 
geführt, daB er es gewagt, fid) Gorthe ſcharf gegenüber zu 
fellen, biefe® Dichters Idee zu ſtuͤrzen (!) und daß es ihm zum 
Rubme gereide, in biefem großen Kampfe geflegt zu haben!“ 
Außer vielen innern Gründen geben uns auch noch manche äußere 
zu der oben ausgefprochenen Vermuthung Anlaß. Die Gefchichte 
fpieit in Wien und bad Verhältniß Karl's mit Alexander Gra⸗ 
fen »on Auersperg, mit dem Braun von Braunthal das viel 
beſprochene Rencontre hatte, wirb genau erörtert, das ſpaͤ⸗ 
tere Zerwürfniß jebeh nur aus ber Werne angedeutet. Karl 
Meibe natürlid) in geiftiger Hinſicht in Vortheil gegen Alerans 
der. Auch Nicolaus Lenau, unter dem Namen Nicolaus, tritt 
auf, empfängt von Karl mande gute Eehren, wird aber, ba 
er ih zu Karl freunbfchaftlicher verhielt als der fchärfer 
blickerde Alezanber, hoͤchlichſft gefeierts indeg nimme der Verf. 
die Ireradſchaft biefes Ricolaus nur zur Folie, um feine eigene 
Größe deko nachdruͤcklicher reflectiren zu laſſen. Schwerlich 


| wird Lenau dem Verf. für dieſe 


Thigungen großen Dank wife . 
fen. Gegen ben Schtuß des Wuchs mich —* Eiteikeit des 
Verf immer zudringlicher. Karls Fauſt“, wird geſagt, habe 
nad) dem Urtheile bes geachtetſten kritiſchen Organs von Frank: 
zei Goethes „Baufl’’ fogar übertroffen, aber wer frage in 
Deutſchland danach? Er habe nicht einmal einen Verleger bar 
gefunden und das Werk auf eigene Koften drucken Laflen mie 
fen; und ber Verf. fährt fort: „Hätte ein engliſcher ober fran« 
zoͤſiſcher Schriftfteller ein ſolches Werk gefchaffen, fo würde 
man feinen Ramen ausgerufen haben burcy ganz Europa.” 
Diefer Umftand gibt ihm Gelegenheit, dem Geſchmack bes 
Yublicums zu Leibe gu gehen, weil es die Werke Goethe's, Schil⸗ 
ler's und ber Altmeifter unferee Poeſie nicht zu Fidibus und 
wer weiß zu was noch fonft verbraudge und dafür des Verf. 
Werke in ben Schrank, feine Gypsbuͤſte auf den Schrank 
ſtellte. Wir erinnern uns, eine Gorrefpondenz von Braun 
von Braunthal gelefen zu haben, worin er behauptet, Kefe . 
fing’d ‚Emilia Galotti” fei fo unfittlih, daB er nicht ber 
greife, wie Mütter ihre Töchter in das Theater ſchicken 
könnten, wenn „Emilia Gatotti” aufgeführt wuͤrde. Ahns 
liche Anſichten enthält auch biefes Buch, und fie find fo 
bezeichnend für die Arroganz unferer Mobernen, daß wir 
nicht unterlaffen können, fie bier zu citiren: „Da hört man 
täglich und flünblich Klagen über Mlagen, daß die goldene Zeit 
der deutfchen Literatur entſchwunden fei, und ber Buchhandel 
beutet diefen Wahnfinn aus und lebt wieberfäuend von ben un: 
unterbrochen aufgefrifchten Ausgaben ber Verftorbenen. Und wie 
verbatten fich die großen Zobten zur Jetztzeit? Hatten fie ein 
Gefühl, ja nur eine Ahnung von ber Schönhelt und tiefen 
Naturkenntniß, die in ben Iprifhen Dichtungen eines Lenau, 
A. Grün, Mofen, Karl Bed u. m. %. tebt? Sind die Gedichte 
Schiller's und Goethes nicht baare Profa dagegen? Haben 
diefe großen Todten ein Drama, einen Roman, eine Rovelle 
bervorgebradht, die nachgeahmt, nachgebilbet, mit einem Worte 
mufterhaft genannt zu werben verdienten? Der gepriefene Leſ⸗ 
fing war ein guter Kritiker, aber feine Dramen find nichts 
weiter als Abhandlungen in bramatifcher Form; Schiller's Stücke 
wibdern an (!) durch ihre maßlofe Subjectivität. Goethe ift 
war objectiv genug in feinen Dramen, aber der kalte Hauch 
des uͤberwiegenden Berflandes ertöbtet alle Blumen des Befühts 
und das Herz kann fi} nicht erwärmen an der Sonne feines 
Geiſtes“ u. f. w. Nur Heinri von Kleiſt wirb ruͤhmend her: 
vorgehoben, wahrſcheinlich, weil er eine Beit lang fo verfannt 
und unbeachtet blieb, wie Braun von Braunthal ift und wol 
auch bleiben wird. Weiterhin heißt es, daß Goethe's „Werther 
und „Wahlverwandtfchaften‘ wol Niemand zweimal wird lefen 
wollen und daß Schiller im Roman befanntiich nichts geleiftet 
babe, baß fein „Geiſterſeher“ ein hohles Machwerk frei! Das 
find geradezu Stimmen aus dem Srrenhaufe und man follte 
eigentlich einem ſolchen tollen Raiſonneur die Eritifche Zwangs⸗ 
jade anlegen, bamit er zu einer felbfländigen Bewegung Feine 
Kraft mehr babe; aber es iſt doch auch gar zu luſtig, 
wenn ein folcher in fich verliebter Narciß ſich vor den Gpier 
gel feines eigenen Ichs ftellt und verliebte und närrifche Geis 
maſſen ſchneidet. 

Bei dem zweiten Romane fällt die Ärmlichkeit ber Erfin⸗ 
dung um fo mehr auf, je mehr in diefem Romane die Grfins 
dung für ſich gelten und das Raifonnement und die Reflerion 
in den Bintergrund drängen wil. Das Blut, welches feinen 
Sig im Körper bat, hat nun auch im Romane bes Hrn. Braun 
von Braunthal Stimme genommen. Hören wir auf biefe 
Stimme des Bluts! Der Hergang iſt fehr einfach biefer: Herr 
von Bergen Lebt mit feiner jungen ſchoͤnen und Liebenswärbigen 
Gemahlin überaus gluͤcklich, ba kommt ein verführerifcher Teu⸗ 
fel in Geftalt Leon Delamare's und verführt und entführt die 
leichtſinnige rau von Bergen, die gerade guter Hoffnung ift, 
über Meer. Das Schiff, wie Herr von Bergen aus einer Zei⸗ 
tungsnachricht erfährt, gebt mit Mann und Maus unter, alfo 
auch feine Gattin und das damals noch ungeborene Kind des 


. von Bergen, das fie unter dem Herzen trug. 
& muß Herr von Bergen es annehmen. Was hierauf folgt, 
geſchiehe in Paris. Wir een bier dran. von Bergen, einen 
wohl conſervirten Mann in feinen beften Jahren, und beffen 
erfigeborenen Sohn Victor. Dieſer liebt eine junge Dame, bie 
dato unvermählt, ‚die bei einer Frau von Meran lebt. Frau 
von Meran felbft weiß von der Geburt und Herkunft Beatricens 
fo vier als nichts. Man fieht jest ſchon, worauf bas Ding 
hinauswill; und es ift eben der Hauptfehler bes Romans, daß 
er ſo wenig hinter dem Berge hält und shit dem Lefer gar kein 
VBerſteckens fpielt; er ift von vorn herein gar zu aufrichtig, 
duckhfihtig wie Glas. Die Frau von Bergen und ihr Verfuͤh⸗ 
rer Delamare find naͤmlich nicht mit ben Schiffe untergegan: 
gen, fondern gerettet worden, und Jene bat fpäter Beatrice 
— bie Tochter des Hrn. von Bergen, bie deſſen Sohn 
ictoe Lebt und von ibm wiebergeliebt wirb, oder umgekehrt. 
Aber raͤthſelhafte Stimme bes Bluts! Baron von Bergen, der 
Boter, und Beatrice erbliden ſich kaum, als fie auch eine ge: 
beimnißoolle Sympathie, die Stimme des Bluts zueinander 
zeißt; der Water fliht feinen Sohn bei Beatrice aus und Ben: 
trice gibt den Sohn für den Vater auf. Doch wir mäflen zum 
Schluſſe eilen. Bictor ſtoͤßt auf den Verfuͤhrer feiner Mutter, 
fobert und tödtet ihn; feine Mutter, welche verborgen in Paris 
lebt, flixbt in feinen Armen. Das ift Schrediich genug, aber 
noch nicht fchredtih genug, als daß es bem Verf. genügen 
koͤnnte. Beide Nebenbuhler, der Vater, ber feine Tochter, und 
ber Sohn, ber feine Schwefter mit geſchlechtlicher Zuneigung 
liebt, fehen fich wieber; ſchreckliches Wiederſehen! Aber Ber 
gen, der Vater, ift edel und will entfagens da überreicht ihm 
der Sohn ein Käftchen, welches die Mutter ibm vor ihrem 
Tode eingehaͤndigt; es enthält unter Anderm ein Padet Papiere 
mit ber Auffchrift: „Documente, meine mit Baron Bergen ehe⸗ 
lich ergeugte Tochter betreffend‘ — Beatrice ift Hrn. von Ber⸗ 
gen’s Tochter, Victor's Schweſter. Baron Bergen, ber Vater, 
muß an fehr ſchwachen Nerven leiden, denn bie Freude, feine 
Tochter gefunden, oder ber Ärger, feine Geliebte verloren zu has 
ben, töbtet ihn wie eine Fliege, die man mit ber Fliegenklatſche 
todtſchlaͤgt; Beatrice verfällt hierauf in ein Fieber und flirbt 
auch; Victor von Bergen — was foll der Verf. auch mit ihn 
Befleres anfangen? — geht unter bie Chriflinos und ſtirbt 
auch — aber, großartige überraſchung! von ber Hand beffelben 
Delamare, den er im Duell getöbtet zu haben glaubt. Mit 
Diefem Schuß⸗ unb Knalleffect ſchließt der Roman! Manier 
und Stil find franzöfeind; überhaupt fcheint der Verf. mit Ans 
firengung dahin zu arbeiten, für bie Vornehmen und Salons 
menden zu fchreiben, denen ex aber jedenfall zu wenig pikant 
und unterhaltend fein möchte. Fuͤr ben SBerichterflatter wes 
nigftens haben drei ober vier Kuaftftellen aus Boz hoͤhern 
Werth und größeres Interefie als alle ſolche mattvergolbete 
Erzeugniſſe ber ariftofratifhen Mufe, die, wie fie ſelbſt nicht 
begeiftert und bingeriffen ift, auch Niemand begeiftern und bins 
zeißen Tann. 66. 


®o weni 





Dee Zweikampf. Ein fittengefchichtlicher Beitrag von 
oe Mayer. Erlangen, Palm. 1843. Gr. 8. 
/ Nr. 


erzen gebroche 

Deutſch beginnt die 16 Seiten lange Einleitung; 

und Jebermann, wer es nicht Über ſich genommen hat; das Buch 
in einem kritiſchen Blatte anzuzeigen, wirft es bei Seite. Der 
Stil iſt wirklich durch und durch unertraͤglich, breit, matt, ge⸗ 
t, ſ unklar und bier und ba incorrect; er erinnert 

an das Pferd mit allen Fehlera. Was ben Inhalt beteifft, fo 
it im erſten Abſchnitte die Geſchichte des Zweikampfs enthalten, 


fo weit fie fgon ben Spmnafiaften belannt fein muß. Die Tri⸗ 
Berantwortlicher Deraudgeber:s Deinrih Broddaus. — Drud und Berlag von J. A. Brochaus in Leipzig. 


9: ] viatität IR unglaubtich Im poelten unb, beitten Afäpnitte 


| ganye Abhandlung gar nicht; und das Widerl 








Altes bunt durdgelnanber. neuer Geſtchtepuntt, ei 
yeugender Gedanke, eine treffente Wendung 


deu Berf. mit feiner eigenen praktiſchen Kenntniß ber GSache 
renoamirt. 





Notiz. 


Nordamerikaniſche Ebrlichkeit. 

Unter einigen aus Norbamerika eingeſendeten literariſchen 
Novitaͤten befindet ſich ein maͤchtiger Imperialfoliobogen von ſeche⸗ 
ehn Dctavſeiten, auf jeder Seite drei eng gedruckte Spalten, 
berſchrieben: „Day’s New York Bank - Note List, and 
Counterfeit Detector‘’, alfa: „Day's Neuyorker Banknotentifte 
und Berfällhungs : Entdeder”. Laut Anmerkung beftcht dieſes 
der norbamerikanifchen Ehrlichkeit zu exemplarifcher Ehre gereis 
ende Blatt feit 1818 und erfcheint alle Ad Lage. Da es fi 
zugleich das ditefte Blatt der Art nennt, muß man folgern, daß 
es nicht das einzige iſt. Es enthält ein ——— ſaͤmmtlicher 
nordamerikaniſchen Banken, ungefaͤhr 1200. Dem Namen 
jeder einzelnen Bank folgt der Curswerth ihrer Noten und eine 
kurze Beſchreibung der auf ſie umlaufenden falſchen Roten. 
Letzteres fehlt nur wenige Male, und wo dies ber Fall, folgt 
dem Namen ein einzelnes Wort oder ein Zahlenbruch, der den 
Stand der Roten bezeichnet, z. B. „Merchant’s Bank, Nor- 
wich, ..... a". In ber Regel folgt ein Verzeichniß ter 
mehren cisculicenden falfchen Noten. Einige ber wahrfcheiniich 
geachtetften Banken find mit nicht weniger als zwölf verfchiebenen 
Faͤlſchungsarten angefegt. Im Durchſchnitt kommen beren auf 
jede ſechs, und das mit 1200 multiplicirt, ergeben fi 7200 
verfchiedene Arten in Umlauf feiender falfcher Banknoten. Den 
Betrag jeder biefer Arten nennt bad Blatt nicht; er läßt ſich 
wol auch kaum errathen, gefchweige nachweiſen. Dez burd 
fotche granbiofe Faͤlſchung bewirkten allgemeinen Entwerthung 
der Banknoten mittels Befchreibung ber Faͤlſchungen aufzubelfen 
und mittels fothaner Veroͤffentlichung ber Faͤlſchungen einen 
Damm zu fegen, ift ber oftenfible Zweck des Wilatted. Unter 
ben borwaltenden Umftänden eine Unentbehrlichkeit für jeben 
Menſchen in Nordamerika, der nicht geradesu vom Betteln Lebt, 
ein Taſchenwoͤrterbuch, dad man nachſchlagen muß, fo oft man 
eine Banknote in Zahlung empfängt. Das häufige Erkennunge: 
zeichen ber gefälfchten Banknoten ift die Untreue, theils bei Go: 
pirung der Namen, theild bei Nachbildung der Figuren. Sc 


beißt e8: „Union Bank of New - York — New - York 

r. 1 dollar, letter A, dated Oct. 1, 1840. Cahier’s name, 

aniel Ebbetts, is not spelled right, one t being omitted. 
The figure of Washington on the vignette on the right is tall, 
and the eyes small, and the one in the centre of note badly 
done,” Binnerzeine ähnlicher Art gibt ed zu Hunderten. Raum 
minder oft entdeckt ſich die Faͤlſchung bei genauer Betradhtnng 
dee Worte und Zahlen auf den echten Banknoten. Bier bat ber 
Faͤlſcher ſich blos an des urfprünglidden Summe vergriffen, aus 
einer Beinen eine große gemadit, 1 B. auf Roten der Delaware 
and Hudson Canal Company 50 aus 5: „50 dollars altered 
from 5 dollars — easely detected if you observe the insertioa 
of the word fifty in place of the word five — the former 
won being also Ber gun the ante, with which 
it should correspond.’’ Gine weitere Faͤlſchungemanier befteht 
in Veränderung des Namens ber Bank; ber Name einer fol: 
venten wird gegen ben einer infolventen vertaufcht, und da ei 
in Amerika viele Orte gleihen Namens gibt, fo m fi dat 
durch Veränderung des beigefügten Diftrictnamens. gibt ei 
mindeſtens zwölf Stäbte, bie Franklin oder Monroe beißen 
Zu Monroe im Diſtricte Michigan bat bie Bank fallkt. Zı 
Monroe im Diftricte Rochefter ift die Bank ſolvent. Alfo wurb 
aus dem * Michigan ausgeloͤſcht und dafuͤr Rocheſter ge 

9 e “ w. = 


Bläster 
1 


literarifche Unter 


baltung. 





Sonnabend, 





Die Phyfiognomif der Tracht. 

Es if diefen Jahren ein Buch erfhienen, das fich 
auf diefe Überſchrift bezieht. (H. Dauff, „Moden 
und Trachten. Fragmente zur Geſchichte des Gofums”, 
Stuttgart 1840.) Daſſelbe hat auch bereits Anzeige und 
Beurtheilung in d. BL gefunden. *) Der Verf. bat 
„zerſtreute Journalartikel“ zuſammengeſttellt und in dem: 
felben ben Ton des unterhaltenden Wites dem der zuſam⸗ 
menhängenden Forſchung vorgezogen. Denfelben Gefichts: 
punkt nimmt aud bie eben erwähnte Mecenfion d. BL 
Aber der Gegenſtand iſt noch einer andern, einer willen 
ſchaftlichen Betrachtung fähig, unb woeil er ihrer fähig 
if, fo verdient er fie auch. Als Andeutungen dazu 
möchten die folgenden Säge gelten und ben Lefern d. Bi. 
bie Wichtigkeit der Sache etwas näher bringen. 

Die Tracht iſt ein Moment in der Phyſiognomie bes 
Menſchen und fält alfe in das Gebiet der Phyſiognomik. 
Wenn aber Phyfiognomit Wiftenfchaft iſt, und nur aus 
Gründen, bie fi hier nicht weiter darlegen laſſen, hinter 
andern Theiten ber Anthropologie, ber fie ſelbſt ais Theil 
angehört, um einen Schritt zurüdgeblieben, fo muß auch 
die Tracht als ein durch bie Selbſtbeſtimmung des Men- 
fchen geſetztes Moment feines KÄußern darin ihre Stelle 
finden. Die Phyfiognomik gehört nur mit einer Seite 





ber Speculation an, mit ber andern ber Beobachtung, 


umb fie theiit diefe Weife der Eriftenz mit dem Ganzer, 
zu Dem fie als Theil gehört, mit der Anthropologie. Das 
St, das Begebme, unterliegt immer der beobarhtenden 
Auffaffung, aber fofern in biefem Iſt ein Soll, ein ab⸗ 
ſtracter 
durch eine Seibftbefſtimmung ein Ethiſches, das die an: 
dere Seite des Gegebenen wäre, ſich felhf die Wirklich⸗ 
keit gibt, fo befinden wie uns zugleich auf ſpeculativem 
Gebiete... Mit einem Worte: dies Reſultat iſt die Kußer: 
lichkeit, und diefe Kußerlichkeit if gegeben, und das Ge⸗ 
gebene If fur die Beobachtung gegeben; aber Die Außer: 
lichkeit iſt zugleich die Außerlichkbeit des Geiſtes, das Ge: 
dankens umb damit alſo auch Sache ber Speculation. 
Verdienste demnach bie Mhyfiognomid Werwerfung, fo 


mhßte mit ihr Die Anthropolpgie uͤberhaupt, ja Die gange. 
Ratarroiffenfaft verworfen werden, und het man fie 





*) Bel. Nr. 334 d. 81. f. 1841. . 





Begriff verbergen, und diefer durch «in Wolen, 


D. Red. 





bisher auf dem Standpunkt der Beobachtung und zwar 


einer fragmentarifchen allein flehen Laffen (doch duͤrfen 
wir dies nicht einmal fagen, denn ſchon im Alterthum 
finden wir manche nicht unbebeutende Beiträge zu ihrer 
Ipeculativen Bearbeitung), wem wollen wir die Schulb 
davon zuſchieben, dem Gegenſtand oder der Speculation, 
die ihn zu fpröde fand, um fich deſſelben zu bemächtigen? 
Das Gewand ift der Theil der Phyfiognomie, der am 
unmlittelbarften der momentanen Selbſtbeſtimmung uns 
terliegt, es iſt die ruhende Mime an der dufern 

dividualicäe, und wenn das Thier aͤußerlich wird in ſei⸗ 
nem Felle, ſodaß wir es als ein Moment feiner generi⸗ 
ſchen Unterſcheidung von andern nehmen, ſo wird ſich der 
Menſch noch vielmehr aͤußerlich in ſeinem Gewande, und 
wenn z. B. das oben erwaͤhnte Buch (S. 68) von einem 
Traveller ſpricht, an dem der grellſte Modeſtaat ſo naiv 
hänge wie am Nagel, fo kann Niemand an ber 
phpfiognomifchen Bedeutung eines ſolchen Haͤngens zwei⸗ 
fein. Das Gewand aber hat, und dies iſt der erfle au⸗ 
gemeine Geſichtspunkt, den wir nehmen koͤnnen, feine 
Geſchichte mit ihren Perioden und Epochen, fo gewiß ak 
die Entwidelung der Perfäntichkeit ſelbſt die Geſchichte 
iſt. Sofern nämlich die Tracht diefe aͤußere Form TR, 
fo iſt am ihr zunaͤchſt zweierlei zu unterfcheiden, fie diene 
einem boppelten Zwede. Sie iſt Form, und als folche Aus⸗ 
deu, finnlihe Darſtellung ber Idee, und zwar ber Idee, 
fofern fie fi auf die Form, auf die finnliche Darftelung 
bezieht, der aͤſthetiſchen Idee, der Idee der Schönheit. 
Dies wäre kurz bie objective Seite der Sache. Diefe 
Form iſt aber in und an einer gewiſſen Materie, fie diene 
zur Bekleidung und zwar zur Bekleidung einer gewifſen 
ſchon gegebenen Geſtalt, und dies iſt die -fubjective Seite 
der Sache. Jene wird das Bleibende, Beharrliche an 
der Tracht ausmachen, dieſe das Veraͤnderliche. Aber das 
Bleibende wird ſelbſt wieder zum Veraͤnderlichen, wenn 


das ideelle Moment herabſinkt zu dem Atomismus der 


Meinung, wie bei der Mode; und das Veraͤnderliche wird 
zum Bleibenden, wenn das Gubject fich als moralifche 
Perfon, als Volk fixirt und eine: gewiffe Unvergaͤnglich⸗ 
keit aller feiner Außern Beſtimmungen gewinnt. Dies 
wird fi in der Tracht zeigen, wenn fie zur Rational: 
teacht wird. Das Mechfelfpiel dieſer Momente’ wird den 


Perioden, welche die Geſchichte der Tracht‘ durchidufe, th: 


3) 


ren allgemeinen Charakter geben. An der Tracht felbft 
aber laſſen fi die Beſtimmungen, durch welche fie phy⸗ 
fiognomifcher Ausdrud, Ausdruck des menfchlichen, geiſti⸗ 
gen Lebens toschen: Bann, felbft Meder unser varſchiedene 
—*9 Kafegorien beingen. Dies iſt der andere Ge⸗ 
ſichtepunkt, den wir zu nehmen haben. Diefe Beſtim⸗ 
mungen find, die Farbe, die Drapirung und das Tragen 
der Tracht. Dean Bönnte vielleicht noch ein Moment, 
den Stoff, hinzufügen, und wenn das Gemand das Zell 
des Menſchen wäre, fo würden wie dies auch müflen, 


aber eben darin unterfcheidet fih Fell und Gewand, daß. 


das letztere nicht die ausgefchmigte Äußerlichkeit des In⸗ 
dividuums ift, fondern von außen angenommen wird, 
And der Stoff hiermit unmefentlicher für die Phyſignomie 
ssfcheint. Er kann ein Gradmeſſer fein für die induftrielle 
Höhe einer Zeit oder für ben Reihthum eines Indivi⸗ 
duums, und auch das nicht immer, wie wir unter III. 
ber oben angeführten Schrift recht deutlich belehrt wer: 
den, in einer Zeit, mo „der ungeheure Auffhwung ber 
Induſtrie und damit die Wohlfeilheit der Fabrikate, der 
wachlende Wohlftand der gewerbtreibenden Stände, die 
befchränftern Mittel der höhern, und die Vortheile, die 
fie beim Untertauchen unter das Niveau der Gefellfchaft 
finden, es einer großen Zahl möglih macht, in ihren 
Derfonen das Zeitideal der Seinheit und Zierlichleit dar: 
ſtellen“ (S. 69), in einer Zelt, wo „die Laufbahn zum 
Ziele der feinen Lebensart, fo weit eine Schneiderrehnung 
das Patent derfelben iſt, vor jedem gewandten Burſchen 
‚offen daliegt“ (S. 78). Für die Phnfiognomie hat der 


Stoff nie mehr Bedeutung gehabt, als daß der feinere,. 


zaͤrtere receptiver und ducchfichtiger war für die Bewegun⸗ 
gen des Willens, ber fi in ihm ausdruͤckte. Doch — 
noch ein Fall laͤßt fi) denken, wo die Wahl bes Stoffe 
zum Ausdrud bee Einfachheit dient und der Mann im 
haͤrenen Gewande und bem ledernen Bürtel entweder 
Elias oder — eine Kokette fein muß. 

Nach diefen allgemeinen Geſichtspunkten, bie wir an⸗ 
‚gegeben haben, unterfcheiden fih nun die Perioden ber 
Tracht a) in die, in welcher das fubjective Moment vor: 
herrſcht, die Bekleidung der Noth; dann b) in diejenige, 
in weldyer das objective Element vorherrfcht, die claffifche 
Tracht; und endlich c) die, in welcher beide Elemente im 
Gleichgewichte find. Dieſe felbft aber wird eigentlich erſt 
sine Bewegung, eine Geſchichte haben, in welcher mir 
vorläufig drei. Perioden unterfchelden, namlich die der 
Nationaltracht, der Modetracht und der Tracht der Per: 
ſoͤnlichkeit. Die erſte iſt abgelaufen, in ber zweiten fte: 
den wir, und den Begriff der dritten anticipirt die Specu⸗ 
lation. Natürlich gibt es noch einzelne feinere Nuancen, 
namentlih bei dem Übergang von einer Periode in bie 
amdere, und wir werben auch fpdter nod mehr darauf 
hinzuweiſen Gelegenheit finden. 

Man könnte bie Frage aufwerfen, ob bie Tracht zu: 
erft ihrem phyfifchen oder ihrem geiftigen Zwecke gebient 
babe, und wenn auch in erfier Beziehung dieſe Frage et: 
was Düfiges bat, ſofern es gänzlid von ber Laune bes 

Klimas und ber Witterung abhängt, ob fie dem Men⸗ 


[en mehr oder wenlger dieſes Veduͤrfuiß aufdrängm 
will, fo tft fie doch in der andern Weziehung um ſo m. 
ſcheidender für bie Bedeutung des Gewands, und ıs if 





ein fchöner, Heheutiggsvoller Zug f i 
Urkunden, dab fie jenfalls sun N Seas m 
geiftige, ethiſche Beſtimmung geb (Gen 3, 7), we 


her dann die phyſiſche nachgefolgt zu fein ſcheint im Zu: 
fammenbang mit einer Veränderung des Wohnſitzes der 
erften Menſchen (5, 21), „Sie wurden gemahr, daß 
fie nadet waren”, einfach darin liege die Nöthigung zur 
Bekliidung; es iſt eine moralifch = äfthecifcge Mothwendig⸗ 
keit, daß der Menſch bekleidet ſei. Der Menſch iſt we 
ſentlich geiſtiges Weſen, und es "mM darum nothwendig 
daß an ihm nichts ſchlechthin Natuͤrliches, fondern auch 
das Natüurliche pneumatiſch fe. Das Natuͤrliche muf 
geiftig verklaͤrt, d. h. natuͤrlich verbäsit fein, es muß dem 
Ausdruck geiſtig freier Beſtimmung dienen. Wo man 
namentlich in neuer Zelt bie nackte Figur ber bekleideten 
vorgezogen bat, ba konnte man dazu nur buch eine un 
geiftige, Häßtiche Bekleidung, die allerdinge wieder zur nadten 
Natürlichkeit als ihrer Correction zurkdführt, verleitet 
werden. Degel macht darauf aufmerffam (, ÄAſthetik, 2.2, 
S. 407 fg.), welche Götter von den Griechen bekleidet, 
welche nackt bdargeftelt wurden. Wir bemerken baran 
den Übergang des Naturdienſtes zur Religton des Geiſtes. 

Zunaͤchſt dient alfo die Bekleidung nur der Noth in 
geiftiger wie in phyſiſcher Beziehung, das Feigenblatt für 
die Scham, das Fell für die Witterung. Der Noth, 
geiftiger, vote phnfifcher, genuͤgt an der Verhuͤllung. Aber 
diefe Periode wird überall fehr vorübergehend fein. Es 
laͤßt fih in der bloßen Megation nicht verharren. Der 
Menſch will nicht blos verhüllen, was er ift, fondern et 
will auch etwas, auch leiblid, etwas fein. 

So kommt es nun zur geiflig pofitiven Bedeutung 
ber Bekleidung. Sie fol nur das Unfchöne, alfo entwe⸗ 
der blos die bem Dienft der Natürlichkeit bingegebene Seite 
ber Geſtalt, oder wol gar natürliche Gebrechen verhülln, 
zugleich aber die ſchoͤne Form enthällen. Wie die Wabı: 
heit der mathematifchen Linie, fo die Schoͤnheit der äflbe 
tifchen Liegt jenfeit ber Erfahrung. Aus diefem Grunde 
nun [don wird die Bekleidung dem Nackten vorzuziehen 
fein, wenn fie fo eingerichtet ift, Daß fie erinnert, die 
Formen ber vollendeten Schönheit nicht in einem elngl: 
nen Eremplar zu fuchen, andererfeits dem bdichtenden Gr 


danken Beranfaffung gibt, Das, was die äußere Anfchanun 
nur unvollkommen darbietet, in ber innern zu vollenden. 


Wenn fie fo eingerichtet iſt, fagen wir, und es win 
dies bie Beſtimmung einer wahrhaft idealen Tracht, de: 
ven Stelle außerhalb bes gefchichtiihen Fluſſes wir dx: 
durch bezeichnen, daß wir fie bie claffifche nennen. Ei 
ift in die Zeit eingetreten bei den Griechen, ſodaß wir 
nicht fagen dürfen: bie Griechen hatten eine Rational: 
tracht, fondern bie Tracht, aufsefaßt im ihrer idealen 
DBebeutung. Halten wir den eben angegebenen aligemei- 
nen Sinn der Bekleidung feft, fo ergeben ſich daraus 
die aligemeinften Erxfoberniffe der Tracht. Sie muß ver 
huͤllend enthüllen, ſie muß alfo nicht blos die Theile bed 


Körper®, wehhhe dir "uumeittsibauften Ongame bes Geiſtes 
find, und damit fie Dieb fein Binnen, der unverkuͤmmerten 
Aufhauung dargeboten werden follen, möglichft unbedeckt 
lafien, ſendern fie muß auch die übrigen Einien bes £el: 
bes nicht zerſtoͤren, was dadurch gefchieht, Daß fie entwe: 
der in eine nicht zu unterfcheidende Einheit mit dem Leibe 
fi ſelbſt, wie fo oft bei fpätern Nationaltrachten, auch 
folchen, welche den bedeutendſten aͤſthetiſchen Werth haben, 
die aber dadurch in das Gezwungene und Manlkritte fich 
vericren, vorkommt; oder daß fie fih gar an die Stelle 
des Leibes feidft fegen will. Jedes Gewand, das fich 
als Gewand nicht mehr von dem Leibe, zu dem es ge: 
hört, unterſcheiden läßt, das in Gefahr bringt, den Rod 
mit dem Manne zu verwechfeln; oder wol gar eine ganz 
andere Linie als die, welche bem Leibe wirklich angehört, 
ihm unterfdylebt, verfehlt feine Beſtimmung. Das Ge: 
wand muß fo befchaffen fein, daß «6 dem Willen nicht 
nur fein Hinderniß in den Weg legt (fleif), fondern fo, 
daß es den Ausdrud bdefielben, die Bewegung fichtbar 
werden läßt. In diefer Beziehung erfüllt das griechifche 
Gewand in fo hohem Grade die Beſtimmung der Tracht. 
Es dient nur zum Hintergrunde, auf welchem bie For⸗ 
men des menfälichen Leibes um fo deutlicher hervortreten. 
Es tödtet nicht die menſchliche Form, wie manche unferer 
modiſchen Kleider, fondern es erhöht ihre Lebendigkeit, die 
Anſchaulichkeit ihres Lebens. Ja da6 Gewand wird gerade 
dadurch, daß es fich ſelbſt im befcheidenem Unterſchiede 
von dem Leben hält, die dienende Stelle einnimmt, nicht 
bie gebietende, felbft unmittelbar lebendig, es wird bie 
Möglicdykeit der Perfon damit gegeben, ſich in das Ge⸗ 
wand fortzufegen, ideelles Leben in das todte zu hau: 
hen. Die Momente der Drapirung und des Tragens, 
wie wir fie oben an dem Gewande unterſchieden haben, 
kommen am voliftändigften zu ihrem echte, während in, 
der geklebten und gezerrten Modetracht beide pſyſiognomi⸗ 
ſche Beſtimmungen, ia fogar die Farbe, wie wir weiter 
unten ſehen werden, bis auf ihr Minimum reducitt, oft 
geradehin vernichtet ſind. Das griechiſche Gewand iſt 
nur eine Dälle, die wie von oben fallen gelaſſen iſt über 
die Menſchengeſtalt, die allen, namentlich aber ben Linien 
eine Folie bereitet, in welchen das Hegemoniton des Mens 
ſchen hervortritt. Er ſchuͤttelt fein Haupt, und bies ift 
frei, und nur an den Schultern hängt leicht das Gewand, 
Das von da an über die untern lieder hinabfließt. 
Freitich wereinigten fi) darum ſolche Gewaͤnder auch nur 
mit foichen⸗ Leibern, wie fie bie Griechen zu bilden ſuch⸗ 
ten, zu einem fhönen Eins. Wandiemensländer in ein 
griechifches Gewand gehlillt würden doch nie eine griechi⸗ 
ſche Seſtalt werben. 

So erſcheint die griechiſche Tracht als die ciaffilche, 
ideale Tracht. Die Sorgfalt, welche die Griechen auf 
das Gewand mendeten, zeugt, wie wenig ihnen Die 
Teherlichkeit des Menfchen ein Adiaphoron war; der Takt, 


mit welchens fie das Gewand In feiner echten Beſtim⸗ 


egten, zeugt, wie fie auch bier das Wolik ber 
es —— Die Äußerung des Gedankens litt an 


Beiner Abfkraction, und das gehört eben zur Claſſicitaͤt 


bes Volks, aber mol ber Gebanfe fehl, Maͤre ber 
Menſch nur ſchoͤne Form, nur beliebte Bildfäule, fo 
müßte das grishifche Gewand Tracht der Menſchheit 
werden, oder wäre es. Sehen wir noch einmal bas 
lange, faltige Gewand ber Griechen, fo muß es einleudh- 
ten, daß in ihm der Begriff der Perfönlichkeit, ſofern 
diefe nicht eine befondere iſt, fondern jeder nur wahrhaft. 
Perfon ift, fofern es alle find, nicht zu ihrem vollen 
Rechte komme. Es iſt mehr ein Gewand flr Goͤtter 
als für Menſchen. Dies lange, faltenreihe Gewand war 
nur für ein Leben, das fi zwifchen olympiſchen Spielen 
und dem fpazierenden Dafein dv ayopa theilte. Dort, 
wo der ganze Menfch zur Thaͤtigkeit kommen follte, ent 
kleidete er fi alles Gewandes, und die Worausfegung 
mar dabei nicht nur ber Standpunkt eben der nadten 
Natürlichkeit, nicht ber verklärten, vergeifligten, fondern 
auch der griechifhe Himmel, der eine ſolche Entkleidung 
ohne Schwierigkeit möglih machte. Hier das lange Ges 
wand zeugt von einem Zuſtand ber Mufe, wie er nur 
fattfinden ann da, wo bie alltägliche Bewegung des Le- 
bens duch den abflracten Willen geleitet wird, eine ges 
wiſſe befondere Zahl von Menfchen mit der Ruhe ber 
Goͤtter, wie ber Phidifhe Zeus, über den niedern Bewe⸗ 
gungen des Lebens thront und die Dienfte der Noth von 
einem andern Geſchlechte ſich verrichten läßt. Durch die 
(hönften Falten des griechiſchen Gewandes grinze das 
jerriffene, entmenfchte Antlig eines Heloten. Das ift bie 
endlihe Seite des griechiſchen Gewandes, es überwindet 
die Hemmniffe der allgemeinen, freien Perfönlicykeit nicht, 
fondern es abftsahirt von ihnen. Es ift zwar nicht Nas 
tionaltracht, eine Befonderheit, die andere Befonderheiten 
neben fi) bat, aber Sattungstracht und zwar einer hoͤ⸗ 
bern Sattung, die andere, niedrigere Gattungen unter 
fih bat. 

So gibt uns das griechiſche Gewand einen allgemei: 
nen Maßſtab für die Bekleidung, aber felbft nur allge⸗ 
meine Beſtimmbarkeit, nicht befondere Beſtimmtheit, durch 
welche das. Gewand. erſt zur eigentlihen National: 
tracht wirb, d. h. zu der Tracht, welche ber dee ber 
Bekleidung mit Ruͤckſicht auf bie klimatiſche Eigenthuͤm⸗ 
lichkeit eines innerhalb natürlicher Grenzen abgefchloffenen _ 
Landſtrichs, und auf den Kreis gefchichtlich gebildeter Ge⸗ 
wohnheiten gewiſſe fefte Beflimmungen gibt. National: 
tracht werden wir alfo einerfeits da nicht fuchen bürfen, 
wo fich nur verlorene Spuren der Ider finden, und bie 
Art der Bekleidung nur abhängt von dem Zufall bes 
dugenblicklichen Beduͤrfniſſes, andererfeits aber auch ba 
nicht, wo natürliche oder gefchichtliche Verhaͤltniſſe einer 
befondern Lebensbildung binderlih waren. Während un: 
ter den emreopdifchen Voͤlkern hauptſaͤchlich die Ungarn 
(Magyarın), die Polen und Spanier eine Nationalteacht 
haben, fo find die Deutfchen und die mit ihnen ſtamm⸗ 
verwandten Engländer, die Franzofen und die mit ihnen 
verwandten Italiener nie zu einer eigentlidhen National⸗ 
tracht gekommen. Bei den genannten drei Nationen 
aber, beren Gewande das Maleriſche nicht abgeſprochen 
werden kann, findet fi das Gemeinſame eines eng ans 


—— Unterheibes mit bem daruͤbergeworfenen reichen 
‚ und wenn 3. DB. Polen und Magyaren ihre 
Berwandtſchaft auch im Gewande nicht verleugnen, bie 
auf die arabeskenartige Befetzung des Oberkleides hinaus, 
fo telte doch gerade bei diefer Verwandtſchaft die unter: 
füyiebene Nationatphyfiognomie um fo beftimmter hervor 
in dem tängern und dunklern Rode des Polen, und in 
dem kürzen und farbenreichern des Ungars. Wefentlich 
verfchieden von biefen iſt die fpanifche Tracht, und fie mit 
ihrem kurzen, aber reichen Mantel mit ihrer edeln Kopf: 
bedeckung, mit ihrer Farbenpracht gehört wol zu dem 
Bolltommenften, was auf dem Gebiete der Nationaltracht 
erfchienen ift. Dieſe Ideelle Vollkommenheit, wodurch ſich 
die genannten dreierlei Trachten hervorthun, hat bei ih: 
en, zumal bei der fpanifchen, begünfligt durch bie politi⸗ 
fhen Berhaͤltniſſe, auch die Schranke nationaler Befon: 
derheit durchbrochen, und zeigt ums ben Übergang von 
der Nationaltracht zur Mobdetracht. 

Die Nationaltracht iſt gefchichtlich vergangen; nur. 
bier und da noch in einem Lande oder in einem Stande, 
die nicht eilig genug fi in den Fluß der Geſchichte füs 
gen, findet fich ein Überreft derſelben, aber aud da mehr 
nur far feftlihen Pomp als der Stolz der Überlieferung 
aufbehalten, oder, wie in bem Bauernflande der meiften 
Begenden, mit allerlei Flickwerk ber Mode untermengt. 
Die Abſtraction der Nationaltracht befteht darin, nicht 
ſowol, daß fie Voll von Volk unterfcheidet, denn biefe 
Uinterfchiede find einmal da und können fidy in einer hoͤ⸗ 
bern Einheit auch der Tracht immerhin wieder ausglei⸗ 
hen; aber darin, daß fie blos die Nation hervortreten 
fäßt, die Nationalphyfiognomie verwirklicht, aber die In⸗ 
dividuqlitaͤt verwifcht und, um die Nationalität als den 
Unterfchied von andern feflzuhalten, gewiſſe Beftimmun- 
gen unveränderlich fixirt. 


(Der Beſchluß folgt.) 





Zur polnifhen Literatur. 


Gegen bie zuerft von dem Grafen Eduard Raczynski ver 
Sffentiichten, auch ins Deutfche überfegten und von beutfchen 
Siftoritern geſchaͤgten „Memoiren von Paſſek finb in neuefter 
Belt von einigen Geiten ber Zweifel erhoben worden, einige 
Gelehrte wollten fie gerade 
Berf. der „Neueſten polnifhen Literaturgefchichte”, Prof. Wisz⸗ 
niewsti in Krakau, ſprach dem Werke faft allen Hiftorifchen 
Werth ab und wollte es nur als eine zur Unterhaltung bienende 
Schrift gelten laſſen. Dieſes Urtheil gelamgte zu ein Ans 
ſehen. Reuerdinge aber ift von Lachowicz in ber kaiſerlichen 
Bibliothek zu Petersburg ein Manufcript aus dem 17. Jahr⸗ 
hundert aufgefunden worden, bas nicht nur einen Beleg für 
bie Authenticität der „Diemoiren von Paſſek“ tiefert, ſondern dies 
feiben noch vervollländigt. Lachowicz, der fich auch ſonſt ſchon 
docch Neroffentlichuug bisher unbelannater Gchäge der poinifdgen 
Literatur einen Namen gemacht hat, hat dieſe Ergänzungen 
zu Paſſek zufammengeftellt und fie u. d. X. „Reazty rokopisma 
J. C. Paska" (tina 1843) abdrucken Laflen. 

Eine Bibliothek altpolnifcher Schriften: „Biblieteka staro- 
“ytna pisarsy polskich”, bat der als Deramägeber von Gagen 
unb Weollälieden beiannte Wojcicki begennen. Der eben in: 





gibſes 
ausſpricht, „daß Betz den 


und Artikel ber Armenier vom J. 160 





für untergeſchoben halten und der 





erſchtnene erſte Band enthaͤlt zehn in 





und mechwhrh ALL, aus 
. dem 16. unb erkunden * * er theils 


nach alten ſeltenen Drucken. Unter Anderm findet man bie 
Tragödie „„Zephtes” von Ian Zawicki vom 3. 1587, ein rei 
Gedicht der Sofia Dieinicke, in dem Mi ber Damk bafı 
niebeigen Wenfdentindegn die Ge 
heimniſſe feines Reiches geoffenbart hat“, ferner die Gerechtſame 
. ‚ aud Abbräde von 
Brofchüren, die die Stelle ber Zeitungen vertraten, über Chod⸗ 
Hewicz‘ Zug nach Lieflanb vom I. 1606, über die Siege Ian 
Gobiesti’s vom 3. 1663 u. f. w. Die Wichtigbeit dieſes Un⸗ 
ternehmens für bie polniſche Eiteratupgefdyidgte ein; möge 
nur bem eifrigen und tüdhtigen Herausgeber bie Unterfiügung 
des polniſchen Publicums nit fehlen, damit fein Wert nit, 
wie ähnliche, ins Stocken gerathe. 

Bon der angefündigten vollftändigen Ausgabe von Bros 
dzinskis Werken find bisher der erfle, zweite und fünfte Theil 
erſchienen. Sie enthalten bie ‚‚Sielankt” und ben „Wieslaw”, 
poetifche Darfkellungen aus dem polnifcgen Landleben, burch weldye 
Drobginsti ‘zuerft bie gewöhnliche breitgetretene Landſtraße der 
franzöfifhen Nachahmung verließ und, in das nationalpotnifce 
Leben hineingreifend, die reichen Schäge,, die für den Dichter 
in demfelben lagen, ans Licht zog. Die Überſetzungen, bie hier 
Gigenthuͤmlichkeiten der fremden Sprache einzugehen verſtand. 
Außerdem findet man auch bie kritiſchen Auffäge über Opalinsti, 
Karpinsti, Woronicz, Die Sammlung ift auf zehn Wände be: 
rechnet. Der Verleger bat den ganıen Nachlaß WBrodzinsti's 
an fig gekauft. 

u. d. T. „Noworecznik literacki na rok 1843” hat ein 
Geiſtlicher, Krafinski, ein religioſes Taſchenbuch in Wilna er: 
feinen laffen. Es enthält theils religiöfe Bebichte, theild Ab- 
bandlungen über Religion und Moral, in benen ebenfo ernfte 
wie gebildete Anfichten hervortreten. 

bat eine Schrift 


Das Oſſolinski'ſche Inſtitut in Sembers 
„OD Ormiansch w Polsce’ (Lemberg 1842) abbrudsn laflen, 
zur Gefchichte der Polen bewoh⸗ 


bie ein willlommener Beitrag 

nenden fremden Volkerſchaften iſt. Sie enthält viele neue Mit: 

theitungen über bie Armenier in Polen, insbrfondere in Galis 
ien, und tft um fo zuveriäffiger, als der Werf., ehemals Pro⸗ 

teffoe ber I mengefeichte an ber Mninerfität zu Lemberg, jelbf 
rwenier iſt. 

J. J. Kraſzewski, einer der geiſtvollſten und fruchtbarſten 
juͤngern Literaten Polens, hat ſeine fruͤheſten Gedichte in einer 
neuen Sammlung (2 Thle., Warſchau 1843) wieber abdrucken 
laſſen. Es find Erguͤſſe jugendlichen Gefuͤhls, nicht ohne daß 
ein wahrhaft dichteriſcher Beruf zu erkennen wäre. Im zweiten 
Theile findet fi ein Drama ‚‚Helszka’, deſſen Stoff aus Polens 
Vorzeit (3. 1954) entnommen ift. 


Noch freundlicher werben die Liebhaber polniſcher Poeſie 
bie Sammlung ber Gedichte von Thomas Pabura ( „‚Piena 
Tomasza Padury'‘, wow 1842) aufgenommen haben. 
Dichter gehört zu benen, welche in ber Ukraine zugeft wieder 
das Andenken an eine glorreiche Vorzeit wedten. Riemand bat 
bort mit quicer Anmuth gebichtet, Niemand ift fo tief in das 
Herz des Volkes eingedrungen wie er; die meilten feiner Sieber 
weiß das ufrainifche Volk auswendig; gerade bie ſchoͤnfſten find 
nicht in polnifcdyer Sprache, fondern in dem auch für 
leicht verſtaͤndlichen ukrainiſchen Dialekte verfeßt, der am 
und Geſchmeidigkeit ben polnifchen übertrifft. Die „Dumy‘, 
ballabenartige Gedichte, haben einen in andern Spraden uns 
nachahmlichen, melandhotifchen Anſtrich. Über Padura's Lebens⸗ 
verhältniffe hat man nur wenig Nachrichten. In der Araine 


geboren, befudhte er die Schule in Sczemieniec, wellte bann lange 
74. 


27 


in Voltpninn und befuchte mit Basis Sesmusti nen 1517 
ven Drink Ge a —— * 


Berantwortlicher Herausgeber: Heinrich Brockhaus. — Druck und Verlag von F. A. Brockhaus in Leipzig. 





Blätter 


für 


Literarifhe Unterhaltung. 


[) 





Sonntag, 


20. Auguft 1848, 





Die Phyfiognomil der Trade. 
(Beſchluß aus Nr. 281.) 

Uns aber ber Individualität zu ihrem Mechte zu ver⸗ 
beifen, mußte zunaͤchſt die flabile Befonderheit der Na: 
tionaltracht gebrochen werden, und fofeen die Mode dies 
tbat, iſt fie ein wirklicher Fortſchritt und die Hoffnung 
und das Streben Derer eitel, die von ihe wieder auf 
die Rationaltracht zuführen zu fönnen meinen. Die ein: 
mal überfiiegene Stufe läßt ſich nicht mehr repriftiniren. 
Das Volk ift zur Voͤlkerfamilie erweitert, die Volke: 
phpfiognomie zur Voͤlkerphyſiognomie befreit, unter ſicht⸗ 
barem Einfluß der Weltreligion des Chriftenchums, denn die 
nicht⸗chriſtlichen, insbefondere die ganz nahen mohammeda= 
nifdyen Voͤlker fchlofien fih aus von dieſer Bereinigung. 
Die unveränderliche Stabilität der Nationaltacht wird ge: 
brochen durch die Veraͤnderlichkeit, welche keinen Unter: 
fchied beſtehen läßt, Alles nivellict, einen als den von 
heute und gehen. Nur nody Amtskleider, Uniformen, 
Regimentsnummern, Menfhennummern und Parlaments: 
perrüden halten ſich einigermaßen neben diefer Ununter: 
ſchiüedenheit, aber auch Uber fie fcheint es immer mehr 
die abfolute Herrſchaft des ſchwarzen Fracks zu gewinnen. 
Doch mit jenem Nivellement wird nur die andere Abs 
fraction fanctionnirt, verändert man nur, um zu verän- 
bern, nur um nicht flabil zu fein, nicht um fortzufchrei- 
ten, fo fällt man ebenfo fehr und in noch höherm Grade 
ats bei jener Stabilität aus dem Leben der dee hin⸗ 
aus. An die Stelle des hausväterlihen Regiments der 
Nationaltracht, von welchem man emancipiren wollte, 
trat erfi die abfolutefle Tyrannei, an die Stelle der Be: 
ſtinmungen ber dee der Iaunenhaftefte Zufall. Die 
Tracht präsendirte jest völlige Subflantialität, und läßt 
dad nun generis ncutrius gewordene Menſchlein in. fein 
Domunculusgehäufe hineinkriehen. Die Tracht ift nicht 
mehr blos das Dienende, wie fie es bei den Griechen ge: 
zoefen, daS Dienende, das, an ſich geflaltlos, damit um 
fo mehr geeignet war, jede Perfönlichkeit in ſich fortzu: 
fegen, die Geftalt von jeder Individualität ſich frei geben 
ya laſſen. Die Tracht nimmt nun ſelbſt Geſtalt an, fie 
wi etwas für fich neben der Phpfiognomie des Indivi⸗ 

Duums, die Kleidung kann zur Noth für fi) allein fie: 
ben, und leiſtet förmlich Verzicht auf den Dienfchen, der 
darin untergebracht werben fol. 


Aber eben diefer Übermurh kommt vor dem Fall. 
Die Mode will nur negiren, es fehle ihr als dem ge: 
treuen Typus des kritiſchen Geiſtes unferer Zeit die Pofls 
tion, es fehle ihr Markt und Bein, und fo wind ihre 
eigene Herrfchaft unmittelbar das Werkzeug der Reaiifis 
rung ihrer Endlichkeit. Sie ift ſchon Längit fo weit ges 
kommen, fich felbft zu verfpotten, mit einer weit fchärfern 
als Ariftophanifhen Galle über fich ſelbſt herzufallen. Dee 
impotente Muthwille der Tyrannei laͤßt ihr keine Ruhe, 
bis fie in jeder neuen Beltimmung fidy felbft carikirt 
bat. Kein Glied des menſchlichen Körpers vom Scheitel, 
bis zur Fußſpitze iſt verſchont geblieben, und Ihre Laune 
eilt der Erſchoͤpfung zu. 

Nehmen wir das erfte ber oben angeführten Momente, 
die Farbe des Gewandes, und betrachten an ihm bie heu⸗ 
tige Mode. Das Feſtgewand des Mannes ift vom Kopfe 
bis zum Fuße ſchwarz, das des Weibes ebenfo weiß. In 
der That, eine fchneidendere Ironie ijt noch nicht erfuns 
den worden, als die bier die Mode an fich felbft übe, 
die beiden Seiten der Sarblofigkeit in fi darzuftellen, 
nicht zu gedenken, wie wehe es dem Auge thut, das ſich einis 
germaßen feine Natürlichkeit behalten hat, in einer reichen 
Sefeufhaft alle Farben verbannt und das Farblofe nur 
zu einem punttirten Grau gemenge gu fehen. Wenn 
Soethe in feiner „Farbenlehre“ ($. 60) zeigt, mie das 
Auge Xotalität der Farben fodere, und es deswegen 
nicht für wohlgethan bäle (8. 55), zur Schonung der 
Augen ſich grüner Släfer oder grünen Papiers zu bedies 
nen, weil jede Farbfpecification dem Auge Gewalt ans 
thut, und das Organ zur Oppofition reizt, wie viel mehr 
beißt ed dem Auge, d. i. dem Geſchmacke Gewalt ans 
thun, wie viel mehr muß er zu Dppofition gereizt wers 
den, wo man Alles nur in Schwarz und Weiß theilt! 

Weit mehr aber noch als in der Farbe zeigt ſich das 
Caricitte der Mode in der Draperie, die bier, wir duͤr⸗ 
fen ſchlechthin ſagen, ganz zum Schnitt geworden iſt, 
keinen Punkt mehr für die freie Seftaltung übriggelofien . 
hat, ſodaß man auch hier nad) Hegel („Hftperit”, Th. 2, 
©. 412) immer nur den Schneider ſieht. Erinnern wie 
uns, um en Beiſpiel unter taufenden anzuführen, an 
die vor einigen Jahren in der weiblichen Tracht aufges 
tommene Bloufe. Dan muß geftehen, daß feit lange 
keine Mode von ber bee ber Tracht fo viel an fi 


x 


hatte wie biefe. Aber bie arrogante Mode war gerade 
darum nicht damit zufrieden. Sie rhdte fo lange an 
ber Schulter herab über den Arm, bi6 die Breite in den 
Schultern und die Kürze der Arme eine monftröfe, fie 
erweiterte fo lange den weiten Ärmel, bis diefer zum 
No, das Ganze zum Zerrbild geworden war. 

Mollten wir noch etwas von der unfchönen Tracht 
bes ſchoͤnen Geſchlechts fprechen, fo verdiente ihr Kopf: 
pug, ihre Hüte, die den Menfchenkopf zum Roß⸗ oder 
Heuſchreckenkopf machen, und ihr Lodenbau befondere Aus: 
zeichnung, welcher legtere vor noch nicht lange wie ein 
Anfag zur Behornung (Übergang von bem Wiederkaͤuer 
mit gefpaltener Klaue zum Huf), oder wie das Neſt ei: 
nes Vogels und zwar nicht gerade des zierlichen Kolibri, 
fondern das eines Raubvogels, zum wenigſten wie das 
einer Eifter mitfammt ihrer Brut fi ausnahm. "Wenn 
daher der Verf. der oben angeführten Schrift (S. 29) 
Mecht behalten wollte, daß der gegenwärtig herrſchende 
weibliche Kopfpug in feiner Gefammtheit derjenige Theil 
der weiblihen Modetracht fei, der am Ende noch am 
eheften als etwas Ganzes, Charakteriftifches, der Zeit Ei: 
genthuͤmliches bdaftehe, fo würde dies wenigftens nidyt zum 
Vortheil der Menſchlichkeit des fchönen Geſchlechts gefche: 
ben tönnen. 

Bei der männlihen Tracht werben unter den mober: 
nen Kleidungsitüden die Hofen und ber Frad die ent: 
fchieden merktwürbigften fein. Dec Frack insbefondere ift 
bei all der unbebingten Verehrung, die er genießt, in der 
That das am meiften Auffehen erregende und zugleich 
räthfelhaftefte Kleidungsftüd. Würde Einer der Vorwelt 
‚ feinen Enkel in folder Tracht fehen, fo würde er wol 
in Verfuchung kommen, ihm zuzurufen: Mein Kind, du 
haſt dich ja falſch angekleidet, du haft das Vorderſte zu 
binterft genommen. Auch bei ber Verwechſelung dieſes 
Hyfteronproteron würde zwar die Kleidung nichts weniger 
als ſchoͤn werden, aber diefe unnügen Flügel hätten dann 
doch die Fuͤrſprache irgend eines Zwecks für fi, naͤmlich 
die Stelle einer Schürze zu vertreten, während fie jetzt 
zwifchen dem Ertrem eines Stricks zum beliebigen Feſt⸗ 
halten und des Schurzfells der Bergleute fih bin und 
her bewegen. Wie in aller Welt iſt man zu biefem 
Kleidungsſtuͤcke gekommen? Wir müflen es uns ale 
Caricatur denken und «6 wird ſich uns leicht enträthfeln. 
Seine urfprüngliche Seftalt war der Rod mit einer Reihe 
Knöpfe und ziemlich Langen Schoͤßen. Diefe Schöße 
binderten beim raſchen Gehen, und e6 wurde die vorbere 
und hintere Ede jedes Schoßes in ber Mitte für die 
Zeit des Gehens entweder mit einem Knopf oder auch 
nur mit einer Schlinge vereinigt. Überreft diefer Ent: 
ftehung ift noch der militairifche Frack, deſſen Revers fo: 
wol als die doppelte Farbe auf feinen Slügeln nichts An: 
deres tft als der umgefchlagene Rod, der durch das Um: 
fhlagen fein andersfarbiges Futter fehen ließ. Hierbei 
durfte aber die Mode nicht fiehen bleiben, fie fchnitt ab, 
was anfangs nur umgefchlagen war, fie fchnitt immer 
mehr, immer tiefer, wie Sener, ber zu träge war, feine 
ſchmutzig gewordenen Rockſchoͤße zu reinigen und fie durch 


das wiederholte compenbiarifche Abſchnelden ber Kürze hal⸗ 
ber bis zum Wamms verkürzte. Hier kam es zwar 
nicht bi6 zum Wamms zuruͤck, von dem man nad ber 
Anficht des obgenannten Autord ausgegangen war, fon: 
dern zu einen Zwiſchenweſen, das nicht Fiſch und nicht 
Steifh war, und das fich eben bamit als die Garicatur 
von beidem bezeichnete. Selbſt die Uniformen machen 
keine Ausnahme, und faſt fheint «6, daß ein baͤuriſches 
Herauspugen mit Gold und Silber die Beſtimmungen 
der Schönhelt bei ihnen vertreten fol. Der ihnen eigen: 
thuͤmlich flehende Kragen, namentlid wenn er, wie bi 
ben meiften militairifhen Uniformen, vorn geſchleſſen 
ift, entflelle eine der fchönften Partien der menſchlichen 
Geſtalt, den Hals, der, ftatt das Haupt frei zu tragen, 
nun zum unförmlichen, unbeholfenen Block wird, auf 
dem oft etwas noch Unförmlicheres, fei es nun ein preufi: 
fher Hut, oder Czako oder Kalpad u. f. w. (mit Aut: 
nahme des ſchoͤnen Helms) hingepflanzt ift. 

Doch wie dürfen uns nicht länger bei dieſen Fingl: 
heiten verweilen, und noch etwas über das Tragen der 
Tracht anzuführen kann um fo überflüffiger erfcheinen, 
ale für dieſes Fein Raum mehr gelaffen iſt und ni: 
thigenfall6 ſich die ganze Tracht mit geringer Nachhüffe 
auch allein hinftellen ließe, ohne daß etwas darin wire; 
in der That das fhönfte Seitenſtuͤck zu dem Diogeniſchen 
Spott über die Platoniſche Definition vom Nenſchen. 
Hoͤchſtens daß auch die Mode diefe oder jene carilicte 


Geberde dem Männchen im Rode zu machen vorſchreibt, 


eine fchiefe Verbeugung, ein Webeln mit der Hand, rn 
jüdifches Vordrüden des durch die unfoͤrmliche Halsbinde 
gervaltfam gehobenen Kinn u. dergl. Immer abet bleibt 
das Beſte dabei, daß das Ding, das unter der Laſt diefer 
Ironie feucht, eine fo ernſte Miene dazu macht, oft eine 
wahre Leichenbittersmiene, ja daß es 3. B. zu den Haupt: 
verbrehen in dem Coder der Tracht gehört, als eine 
ſchwere Verlegung des Anftandes angefehen wird, nidt 
mit dem zerfchnittenen Rode, dem Fracke ſich anzuthun, 
wo es irgend gilt, fich zu präfentiren. 

Aber es ift aller Zyrannei eigen, fich felbft zu ver: 
fpotten, und in ihre volle Sconie einzutreten ift immer 
ihr letztes Stadium. So können mie auch fagen, daß 
wir im legten Stadium der Modeherrfchaft ſtehen. Einige 
Vorwerke fcheint fie ſchon aufgegeben zu haben, mie j. 2. 
die Farbe im Srauengewand zu gewöhnlichen Gebraudk, 
fodag man zum Theil ſchon in der Wahl derfelben nid: 
mehr blos das Aufgeben aller Individualität, fondern ge 
trade ihre Segen, Ausdrud von Charakter finden kann. 
Aber wohin werden wir nach der Mode kommen? Gier: 
lich nicht zur Nationaltracht zuruͤck, wie Manche meinen, 
und wohin zu fuͤhren ſich Viele die Muͤhe gegeben haben. 
Die Nationalttacht bat die allgemeine Beſtimmungen ge⸗ 
wiſſer Menfchenracen und Stämme ausgedrüdt. Dieſes 
Stehende bat die Mode in Fluß gebracht, aber fie hat 
die abfiracte, die zufällige Bewegung an die Stelle des 
abftracten Stiuftandes gefegt. Der Gegenfag von Hera 
klit und des Eleaten auf dem Gebiet der Trachten. Aber 
nun läßt fi noch ein Drittes denken, die Bewegung der 


981 


Ider, der Idee ber Peeföntichkeit, die ats Idee das Mo: : 


mene der Subflantialität, der Beharrlichkeit in ſich bat, 
und als Sichfegen zugleich da8 Moment der Bewegung. 
Et muß fürs erfte die Natur in ihre Rechte wieder ein: 
treten, und dieſelbe Barbarei, die dem Pferde Schweif 
und wel auch Ohren flust, wird auch in ber civilifirten 
Menſchheit aufhoͤren; man wird nicht das Weib zum 
Manne machen wollen dadurch, daß man es in den 
Schultern breit, in den Hüften eng zu fein nöthigt, den 
Dann zum Weibe, daß man ihm ben Bart bis auf bie 
Wurjel abfhabt. Fuͤrs andere werden bie allgemeinen 
Beſtimmungen, welche Klima, Lebensweife in die Tracht 
bringen, wieder einkehren, aber nicht al6 ein für allemal 
Gegebenes und gleihfam das Individuum, die Indivi⸗ 
dualitaͤt Uberdeckendes. Es wird vielmehr einerfeits ein 
Sortfpreiten mit der Geſchichte des Volks ſtattfinden, an: 
dererfeitd dee Individualitaͤt Raum gegeben werden, ſich 
volftändig geftend zu machen. Man wird nicht dem 
Individuum eine Tracht von außen ankleben, weil fie 
Volks⸗ oder Modetracht ift, aber dem gegebenen Indivi⸗ 
duum geradezu widerſpricht. Die allgemeinen Beſtim⸗ 
mungen werden gar nicht fo weit gehen, um hierin nod) 
Befhränkungen zu machen, fondern e6 wird vielmehr, wie 
es jene Natuttrachten, Volkstrachten und Modetrachten 
nebeneinander in einem Volke gibt, dann die Trachten 
verſchiedener Perſoͤnlichkeit, die unendliche Verſchiedenheit 
in der beſtimmteſten Einheit geben, und es wird Aufgabe 
werden, ſich nach ſeiner Perſoͤnlichkeit, aͤußern und innern 
Theils, zu Bleiben, wie es ehemals Aufgabe war, ſich 
nad feinem Stande zu Bleiden. 70. 





Über Almquiſt als Romanfchriftfteller. 


1. Zintomara, Greigniffe fur; vor, bei und nad der Gr: 
mordung Guftav’s II. Bon ©. 3. 8. Almquift. Zwei 


Theile. 

2. Gabriele Mimanſo, der legte Mordverſuch gesen König Lud⸗ 
wig Philipp im Herbft 1840. Ron E. 3. 8. Almquift. 
Drei Theile. 

Seit den in mander Beziehung claffiidden Romanen ber 
Frederike Bremer haben bie ſchwediſchen Unterhaltungeſchriften 
in Deutſchland einen großen Grebit gewonnen. Es ift immer 
das Berbienft eines einzelnen bedeutenden Autors, daß er bie 
Aufmerfamkeit ber zerfireuten und vergeßlichen Welt auf eine 
Piteratur oder einen Zweig ber Literatur zuruͤcklenkt. Bei dem 
Beifall, den die Arbeiten jener trefflichen Schriftftellerin fanden 
unb finden mußten, wär es natürlid, daß die umherſuchende 
Speculation baid bie ſchwediſche Romanliteratur zum Gegenſtand 
wihlte. Wir haben aus dem Schwediſchen übertragen und bei 
ung eingeführt gefehen, was folder Mühe werth war und was 
nicht. Im Ganzen genommen können wir gefteben, baß in ber 
Sache zu viel geichehen ift, und daß die Ausbeute diefes Schach» 
tet den zuerſt erregten Erwartungen doch nidyt gang entfprocen 
bat. Der Riteraturgeift des Romans fcheint in Schweden mehr 
auf den Frauen als auf den Männern zu ruhen. Während 
man in Deutfchland den Romanfcriftftellerinnen den Bor: 
werf unwahrer Lebensauffaffung und der Darftellung unmög« 
Ver ober unkuͤnſtleriſcher Lebensverhättniffe macht, ſcheint in 
Cipueden gerade ein Übergewicht praktiſcher, thatfächlicyer und 
fehre Ergreifung des Lebens und feiner Gombinationen auf Geis 
ten der Frauen fein, und das Maßlofe, Unfefte, Kiatternde 
und Unmahre ih zu den männlichen Autoren geflüchtet zu ha⸗ 


ben. Mit biefem Nacht würben fie gegen bie Frauen nun 
entfchieden gar nicht ankaͤmpfen koͤnnen, wenn nicht andererfeits 
der Vorzug poetifcher Intentionen und Fühner Erfindung ihnen 
zur Geite flände, zwei Cigenſchaften, bie freilich in den idylli⸗ 
ſchen ſchwediſchen Frauenromanen ganz vermißt werben. 

In diefen beiben Vorzuͤgen iſt ber Geiſtliche Almquiſt ebenfo . 
ausgezeichnet als Frederike Bremer es in ber Srfaffung und Dar⸗ 
ſtellung des wirklichen Lebens in faft allen feinen Schattirungen 
tft; und wie fie in ihrer Weiſe alle ikr: Mitſchweſtern vers 
dunkelt, fo in der feinigen Almquift feine Witbrüber. Zwi⸗ 
fhen ben beiden Spitzen der ſchwediſchen Romanliteratur aber 
findet gar kein Vergleich flatt, ba fie faft keinen Berührungs- 
pun®t miteinander gemein baben. 

Die ſtarke Seite Aimquift’s iſt die Malerei eines ganz zer⸗ 
rütteten Seelenzuſtandes, die Darftellung bes Außerordentüchen, 
Abnormen, des Phantafievollen, ja bes ganz Phantaftifchen, und 
wir wiffen, daß Frederike Bremer gerabe im gang Geſetzmaͤßigen 
und Gewöhntidyen groß if. Almquiſt hat nur außerorbentlidhe 


‚Begebenheiten vor Augen, wie fon bie Wahl feiner Titel zeigt, 


und erzählt ſelbſt das Gewoͤhnliche auf abenteuerliche Art — bei 

Frederike Bremer gilt gerade das Gegentheil. Rur in einem Fehler 
begegnen ſich Beide, und zwar in einem ſolchen, der in Deutſch⸗ 

land, feit Keßter’s Zeit, dußerft unangenehm empfunden wird, 

nämlich in der unmäßigen Ginmifhung bes Dialoge in ihre 

Grzählungen. Um mit einem Worte endlich den ganzen Unters 
ſchied zwiſchen Almquift und Frederike Bremer zu bezeichnen, fo 

laͤßt fih fagen, daß ber Erftere eine Welt und Menfchen ſei⸗ 

ner Schöpfung, bie Zweite aber die Welt und den Menſchen 

von Gottes Schöpfung darftellt. Und fo mögen denn Beide 

Recht haben! 

„Zintomara” ift jebenfalld ein geiſtreicher Roman, ber ſei⸗ 
nen Stoff mit Begeifterung ergreift, begt, liebt und ergrünbet. 
Die Ermordung Guſtav's III. von Schweden gewährt bem Dich⸗ 
ter auch einen fo vortrefflichen hiſtoriſchen Hintergrund, daß zu 
bewundern fleht, warum derſelbe nicht fchon früher zu einer 
Dichtung mit aͤhnlicher Aufgabe benutzt worben iſt. Nichtsdeſto⸗ 
weniger bat ber Verf. eher alles Andere, als einen hiſtoriſchen 
Roman in unferm Binne geliefert. Won einem ernfthaften 
Verſuch, Parteien und ihre Führer, Creigniffe und ihre Hebel 
und Motive, den König und feine Gegner zu zeichnen, ift nicht 
die Rede; ber Verf. flürzt fi, feinem Triebe folgend, vielmehr 
von vorn herein in einen Strudel von abenteuerlichen Fictionen. 
Eine grelle Probe biefer entfchiedenen Neigung für bas Aben⸗ 
teuerlihe und Unnatürliche findet der Lefer im Gingange bes 
zweiten Theile. Adolfine fol aus ben Saale gerettet werben, 
in welddem foeben der Königemorb vorgefallen ift, und beffen 
Thüren gefhloffen find, um Niemand undurchſucht zu entlaflen. 
Wie geſchieht dies? Das Fräulein im Ballſtaat Elettert an bem 
Geftänge der Theatercouliſſen in die Höhe, bis unter das Dach 
des Gebäudes, wo fie endlich zu einer Ballettaͤnzerin gelangt, 
die bost ihr Ankteidezimmer bat. Diefe Kletterpromenabe if 
bie abenteuerlichfte Unmöglichkeit, bie fich erfinden ließ; eine 
einfache verborgene Treppe hätte dem Dichter benfelben Dienft 
gethan, aber feiner Neigung entfprach in diefem Kalle das Un⸗ 
natürlidhe. Die Schickſale der entronnenen Koͤnigomoͤrder bilden 
ben Stoff diefer Erzählung, und ber Verf. fand ſich unter bie- 
fen abenteuerlichen Begebenheiten, die wir nicht gergliebern wols 
len, wie in feinem Gtemente. Die Belenntnifle Ankarſtroͤm's 
find biftorifh. Die Geſchichte endet mit ber Schein » Srecution 
Donna Azouras de Zintomara, der Heldin, welche im Wald 
von Golna mittels 16 Mustetenfchüflen, ohne Kugeln, bins 
gerichtet werden foll; eine Schein: &recution,, aus welcher durch 
Verrath eine wirkliche wird. An diefem Orte findet ſich folgende 
Metapher: „Die ernften Grenadiere flanden da mit Schnur⸗ 


.bärten, in denen fih vor Erwartung bie Haare wie Bor⸗ 


ften hoben.“ Man fieht, die deutihen Romantiker haben von 


ı Hrn. Almquiſt im Punkte der Geſchmackwidrigkeit hier und ba 


noch zu lernen. 


„Gabriele Mimanſo“ bat im Gtofflichen viel Verwandt⸗ 


2 


mit „Tintomara“. Auch bier IM Rönigämorb, Gtaate⸗ 
mfturz dad Themas eine giühende Güdländerin iſt die Heldin, 
weiche die Männer wie Puppen regiert und die Knoten ſchuͤrzt, 
wetige jene durchhauen müffen. Diele Heldin erweiſt fidh end⸗ 
lich gar ale eine Nichte Abd» el⸗Kader's und iſt feibft im Be⸗ 
griff, den Sultan und Walde zu Brüdern zu machen. Doc das 
erlanbt ber Berf. und die Sıfborie nicht, und Alles endet mit 
einer Reiſe nach Tekedempt unter ſicherm Geleit und an der 
Gelte ihres geliebten Schwebenfreundes Konftantin. In bdiefer 
ohne viel Aufıwand von Geiſt und Überlegung erfundenen Ge⸗ 
ſchichte iſt das Beſte und Anziehendſte die Auffaflung der poli⸗ 
tifchen Zuftände von Paris. Der trosige, vom ſchwachen Ges 
feg nicht bewältigte Sinn der Parteien, die Verbindungen in 
allen ihren Abftufungen, von ben hoͤchſten Eingeweihten durch 
alle Sradationen diefer „verlorenen Kinder ber Preiheit” hinab, 
bis. zu ben beilagenewertben Opfern ber Straßenemeuten, und 
endlich diefe Straßenſchlachten felbft, find mit kuͤhner und gluͤck⸗ 
licher Hand gezeichnet. Die Scenen und Geftalten, wie ber 
Schmied Brimoire, Ambrofe, Seraphine u. A., wären meifter 
baft, wenn ber Verf. nur in ihrer abenteuerlihen Bekleidung 
Maß hr halten gewußt hätte. Nicht minder fühn, aber we⸗ 
niger löblih, ja kaum zu rechtfertigen, ift die Art und Weile, 
in ber der Berf. tebende Perfonen und Charaktere, wie Dars 
mez, Edmond Blanc u. A., in feiner Erzählung auftreten laͤßt 
Auch diefe Freiheit, wie jede andere, hat ihre natürliche Grenze; 
es war erlaubt, ben König, den Marſchall Valée in das 
Drama zu verwideln, aber dieſe Befugniß endet da, wo bie 
Derfon von dem Sharalter trennt, und ein Roman, fcheint 
uns, fol fein Anklageact fein. 

Lieber, ald uns weitläufiger über den Werth dieſer hiſtoriſch⸗ 
somantifchen Erzaͤhlungen zu verbreiten, weldye von dem Vor⸗ 
bitve Walter Scott's nicht zu ihrem Vortheil abweichen und 
an Regelmäßigkeit und fchöner Form, an innerer Rothwendigs 
Teit und Geſetzmaͤßigkeit felbft gegen die beffern beutfchen Arbeis 
ten dieſer Art unverkennbar zuruͤckſtehen, wollen wir diefer Ans 
zeige einige Notizen über ben Autor felbft Hinzufügen, die bei 
dem wachſenden Nachhall feines Namens virlleicht willlommen 
fein mögen. Karl Jonas Ludwig Almquiſt, der fruchtbarfte 
aller lebenden ſchwediſchen Schriftiteller, ift am 28. Nov. 1793 
u Stockholm geboren, wo fein Vater Sengecommiffor war. 

fudirte zu Upfala und promovirte 1819 zum Magifter. 
Rad) einer kurzen Anftellung im Staatsdienſt z0g er ſich aufs 
Sand zurüd, nabm bann wieder eine Lehrerftelle zu Karlsberg 
an und warb 1829 Rector ber neuen Schule zu Stockholm. 
Sm 3. 1840 reifte er nach Paris, legte zurüdtgefebrt fein Amt 
nieber und lebt jegt wieder auf dem Lande dem Schriftſteller⸗ 
beruf. Dan follte kaum glauben, daß dieſer Geiſt, in dem eine 
bobe Blut der Phantafie bewaͤltigend und maßlos herrfcht, eine 
Menge der trockenſten Schulbücher, Grammatiken, geographifche 
und hiſtoriſche Handbücher und Ähnliches hervorzubringen vers 
mochte. Almquiſt ift Dichter in allen Gattungen der Poefie, 
findet feine eigentliche Heimat jedod im gefchichtlichen Roman. 
Rah feiner erſten Arbeit in dieſem Felde, die Novelle „Det 

e an’ („Das geht an’), in welcher er etwas ketzeriſche Grunde 
ige über bie Ehe befannte, wegen welcher er kuͤrzlich, als 
Geiftlicher, in zwei Solloquien hat Rebe ſtehen müflen, iſt er 
diefem Gebiete treu geblieben. Gine Sammiung feiner Erzaͤh⸗ 
Inngen, welche ex das „Roſenbuch“ genannt hat, befteht bie 
jegt aus 13 Bänden. Alle diefe GBefchichten werden von dem 
Berf. einem gewiffen Richard Furumo In den Mund gelegt, 
der fie Hrn. Hugo Löwenftierna zu deſſen Abendunterhaltung 
auf feinem Iagdfchloffe im Kreife feiner Familie vorträgt. Auf 
dies Berhältniß, dem Decamerone nachgeahmt, bezieben fich 


viele Stellen in den Romanen felbft, weiche ohne daffelbe uns |. 


verftändtich fein würden. 
Daß dieſe Erzählungen Aimquiſt's auch in Deutfchland bes 
friedigte Leſer binterlaffen 


werden, dafuͤr iſt durch fie ſeibſt ge⸗kurzem erſchien davon die zweite Abtheilung. 


4 


ſteht, fie werden mit diefen Mitteln fetbft eine ungänflige Kris 
tit bero 
unferige iſt 8. 





Literarifche Notizen aus Frankreich. 


Neue in Frankreich erfhienene hiſtoriſche Schriften. 

Zournoi® gab heraus: „Histoire de Louis Philippe Jo- 
seph, duc d’Orldans et du parti d’Orl&ans, dans ses rapports 
avec la r6volution frangaise’ 3 Bde); Pasquier, fruͤher 
Mitglied des Magiftrats zu Pondichery: „Précis de l’histoire 
de l’Hindoustan’', enthaltend: Stiftung, Wachathum und ers 
fall des Reiches ber Wongolen, die allmäligen Angriffe unb 
Niederlaffungen ber Europäer, die Goalition der afghaniftanifchen 
Fürften geaen die Engländer, Prüfung ber verfchicdenen bei 
den Inbiern geltenden Retiyionsfyfteme, wie auch ein Gemälde 
ihrer anfänglichen Beige, three Sitten, Gepräude und Ges 
wohnpeiten, unb ein Refume ber Gelege, wonach bie fran 
ſchen Riederlaffungen verwaltet werden. Ferner erfihien: „Iliu- 
strations de l’histoire de France”, 120 piftorifche Notizen 
von Micdhelant, 120 Bemätbe von B. Adam, mit einem Bor: 
worte von Hrn. von Segur, 60 Lieferungen, deren jebe 25 Gent. 
foftet; „La chronologie sacr6e, basde sur les d6nouvertes de 
Champollion‘’, von Andre Ardyinard; „Rome chrötienne, ou 
tableau historique des souvenirs et des monuments chrötiens 
de Rome’, von ©. de la Gournerie (zwei ſtarke Bände); „, His- 
toire des invasions des Sarrazins en Italie du Ti&me au 1 Jieme 
siecle”, von ®. Famin; „Histoire des 6tats-g6neraux et des 
institutions reprösentatives en France depuis l’origine de ia 
monarchie jusqu’a 1789”, von A. C. Thibaubeau (2 Bde.). 
Mit dem 32. Bande ift jest beſchloſſen: ‚Nouvelle collection 
des m&moires pour servir à l’histoire de France depuis le 
13ieme siecle Jusqu'à la fin du ISièmo, preckdes de notices 
pour caractöriser chaque auteur des m&moires et son &poque, 
suivis de l’analyse des documents historiques qui 8’y rap- 
portent”, von Mehaud und Poujoutant. 


Auf bie ältere franzdfifche Literatur bezichen fi 
folgende neu erfchienene Schriften: „Le romant du renard, par 
Pierre de Saint-Cloud et Jacguemars Gielec de Lille, nad 
den Manufcripten aus dem 13., 14. und 15. Jahrhundert Heraues 
gegeben von Meon (4 Bde.); „Fabliaux et contes des poẽtes 
frangais des Ilième, IZièême, I3ieme, IAièmeo et Adidme sidcies”, 
nad) den Manufcripten ber koͤnigl. Bibliothek herausgegeben vom 
Barbazan und Meon (4 Bbe.); „Glossaire de ia langue romane, 
contenant l’&tymologie et la signification des mots usit6s dans 
les Ili&me, 13i&me, 13i&me, 14iöme, 15idme et 16idmeo sie- 
cles”, von 3. B. Roquefortz „Le grand d’aussi, fablieux ou 
eontes, fables si ry- du 12i&me et du 13i&me sidcle, tra- 

vits ou extraits” (9 Bde.), dritte beträchtlich vermehrte, mit 
18 Bildern von dem jängern Meon ausgeflattete Auflage. 


Bon dem angenegm aber giemtic oberflächlich reflecticenden 
ne ale De * ulgarie pendant l’annde 1841’, 
worin manche intereffante Facta in ug auf bie i 

Bevölkerung ber Tuͤrkei befinden. sag auf bie Geiftiche 





Unter bem Titel „Cours d’esthetique” -d 
wiffer Charles Benarb Hegel’ Bortefungen ae "Sir 


Beroatwortticher Derausgeber: Heinrig Brockhaus. — Dead und MBeriag von B. U. Brockhaus in Leipzig. 











Blätter 


für 


literariſche Unterhaltung. 








Auch noch eine Betrachtung über Goethbund Schiller. 

Es gibt gefchichtliche Namen, weiche, nachdem ihre 
Eigenthuͤmer Iängft nicht mehr auf Erden fichtbar find, 
nur wieder von einem menſchlichen Munde ertönen -oder 
im Buchſtabenreiche erfcheinen dürfen, um fogleich Jeder 
mann zu elefteificen und unfere Aufmerkſamkeit in Ans 
fpruh zu nehmen. Wie haben Hiftorie und Roman, 
Liebe und Haß, Wahrheit und Lüge, den Namen Na: 
poleon ausgebeutet und defjen geiflige und Eörperliche, 
moralifhe und phyſiſche Eigenfhaften bis in die winzig 
fien Faſern zerlegt! Man darf blos zulangen, um aus 
dem endloſen Material von Anekdoten und Charakterzügen, 
Biographien und Denkſchriften aller Art, Über fein oͤffent⸗ 
liches und Privatleben, ſich ein voliftändiges Portrait des 
unfterblihen Mannes zufammenzufegen, je nachdem die 
Sympathie. oder Anttpathie des Mofaiften folches nur 
verlangen kann. Gleichwol find jegt, 1843, mithin eine 
ziemliche Reihe von Jahren nach feinem Verſcheiden, bins 
nen welcher vielleicht Fein Tag verging, in dem die Dru: 
dnprefien feinen Namen nicht vielfach, bier in goldenen, 
dert in bintigen Lettern ceiebrirt hätten, die Acten uͤber 
fin Wefen, Thun und Treiben noch keineswegs gefchloffen. 

Mit der Größe des Corfen, deren Wetterleuchten fich 
faſt über die ganze Welt fichtbar verbreitete, und der Größe 
dee Deutfhen: Goethe und Schiller, findet kaum ei⸗ 
nige Verleihung flat. Während Jener am Arme ber 
Gewalt, bei Trompeten⸗ und Kanonenklang, durch Laͤn⸗ 
der, Städte und Dörfer rauſchend, vom Gemuͤthsleben 
kaum eine Spur darthat, hat ſich die Größe umferer bei⸗ 
den Dichterfürftenn gerade in der Stille des letztern ent: 
widelt und emporgeſchwungen. Wenn der unaustöfchliche 
Strahlenkranz uns die Häupter beider, flatt wie Napoleon's 
Glotie einen großen Theil des Erdkreifes zu umfaſſen, 
faſt einzig noch auf den Eleinen Punkt beſchraͤnkt ift, Wo 
die deutſche Sprache geredet wird, fo übte er doch auf 
diefen einen deſto mächtigen und wohlthätigern Einfluß 
ind. Hierin liegt auch der. Grund, weshalb ihre Namen 
an Anziehkraft fortdauernd den Namen des großen Erobe⸗ 
tas in Deutfchland die Wage halten, wo fie durch ihre 
Geifeimerke ſich ein ewiges Reich erobert haben, Wie 
über dm Kaifer der Franzoſen, fo traten über die zwei 








N 
. PR r .. 2. 
. ' un rn, IE L: U PP D Die en 
ic, r rn ’ XF 


ER | 


342 
‘ 





zen ll, Wuguß'1843. 
VL. ba, NT un Jallsıt 


m -_ Du 2 - 


a 7 Be tt abudcı. Zr 
deutſchen Dichterfuͤrſten zahlloſe Schrifen .. und:. Schrifte 
den’ ebenfalls an: das Lehr, noch Immer abet Hab. alle 
für Dichtkunſt nur einigerrhaßen Empfaͤmgliche bamit niche 
gefättige; - Und je inniger wir ums, allen anfech Befühlen 
nach, anſeter Verwandtſchaft mit den. beiden Riefengeifkerzt 
otfreuen, deſto willkommener ſind uns auch fottdauernd 
ihee Namen, wo ſie in unſer Ohr tönm, oder unſerm 
Auge begegnen. Waͤhrend der Manget an Gefühl: ums 
zum Ddeil auf die Moͤtlichkeit ber Staunen erregenden 
Größe Mpolton's ſchauerlich hinweiſt, wird uns, eben hei 
anfster Gefuͤhlsahnlichkeit mit den beiden. Dichtesfrftem, 
dee geiftige Abſtand zwiſchen ihnen und uns um fo. um 
erklaͤrlicher, daher werden gewiß ihre unferm Herzen je 
theuern Namen noch lange Zeit fogar einen weit höherem 
Reiz für uns und unfer Nachfinnen behaupten, als dei 
Name Napoleon’s. In dem bekannten, koͤſtlichen Liebe 
Beranger’s: „Les souvenirs du peuple”, wo die Enket 
in ihrer Beinen Dorfhütte um die Gtoßmutter verfammels 
diefe beffürmen, von Ihm, nur von ihm, mit ihnen 
und davon zu fprechen, was er vormals beim Übernachten 
in. derſelben Hütte fagee und that, Tpiegelt ſich auch der 
Wunfh der Freunde der Porſie in Deutfchland ab, immer 
wieder etwas von Goethe und Schiller zu vernehmen. 
Sogar das Uabedeutendſte in Beziehung auf Ihre Perſoͤn⸗ 
lichkeit ober auf ihre Werke, das uns die Zeitgenofien bee 
beiden Unſterblichen in öffentlichen Blättern darbieten, 
nimmt man in der Regel, es fheint fogar dankbarer wie 
jemals, als eine freundliche Gabe noch immer hin. 

In dieſer, auf. Erfahrung gegründeten Vorausfegung 
möchte wol dem Nachfolgenden vieleicht ebenfalls das 
Heine Plaͤtzchen, deſſen es bedarf, in dem fchon fo volu⸗ 
mindfen Werke ber Goethe: uno Schiler > Literatur zu 
vergönnen fein. 

Es war wenige Jahre vor Schillers Tode in der 
Wohnung eines meiner Freunde, als ich ganz zufällig 
mit den großen Dichter zufammentraf. Keineswegs ragte, 
die ungemeine Körperlänge abgerechnet, Schillers aͤußert 
Exfcheinung fo weit über die Linie des Gewoͤhnlichen him 
aus, wie fein raſtlos nach den Sternen gerichteter Geiſt. 
Ihr himmliſches Licht aber ſchien es zu fein, was aus 
feinem Blide fo wohlmellend quoll und die ihm etwas 
nach der eimen Seite gebogene Naſe, nebft ben übrigen 
Theilen feines Antlies zu einem” recht edeln Ganzen, 


24 


möchte ich fagen, zufammenfchmoiz. Anjug und Haltung 


hatten ebenfo wenig etwas Dervorflechendes. Doch gerade 


deshalb war der Eindrud von feiner Perfon um fo ges 
müthlicher, und bie wenigen Worte, die der erhabene 


M an mid vishtetete, Elan 
* miner darauf, folgenden Lee ha ernd ſſen 
lich aach. 


Unter dee Menge zum Theil recht wichtiger Schrifs 
ten über ben Verewigten bat mic Hoffmeiſter's Bud: 


„Schiller's Leben, Geiftesentwidelung und Werke”, außer: 


degtlich h dieſe 
— * —— e. 0 


. — * 


AR; ver ung ans: dan Munde wa 
Nedners ruͤhrt una ergreift... Agſondert Bils bien 
yon.den meiften Gedichten her erſten Perjode. 
»  Da-wol find feine Poeſien aus biefer Periode in mehr: 
fadiger Hinſicht viel zu merkwürdig und. lehrreich, als daß 
es bei Dem gelaſſen werden konnte, mas uns davon bie 
Gelammtausgabe .feinee Werke darbot. Banz. abiefehen 
von der, befanntiih Hrn. Bons, mern ich nicht irre, ans 
ſengs beftrittenen, Berechtigung zur Derandgabe von Nach 
dgm zu Schiller's Schriften, bat ber genaunte Autor 
der deutſchen Literatur und Poeſie fchan dadurch einen 
bernd wichtigen Dienſt geleiſtet, dab dieſe Nachtraͤge 
bie Erben des unvergeßlichen Mannes ſelbſt veranlaßten, 
dem Publieum eine große Zahl in der Sammlung ſeiner 
Werke ausgelafſener jugendlicher Dichtungen und Varianu⸗ 
ten noch Naczubeingen. Wenn auf der hoben Stufe 
ſectlicher Ausbildung, wohin, nad, einem, zum hell gar 
augtuellen Ringen mit widrigem Geſchicke und ber eigenen 
Leidenſchaftlichkeit, der Unſterbliche gelangt war, deſſen Bart: 
gefaͤhl die nechmalige Publication jugendlich uͤppiger und 
ſich qu tief in finnliche Malerei veriscender Poeſien ihm 
entweher gas nicht, oder doch in ‚ganz veraͤnderter Geſtalt 
gufoattete, fo gibt ihm dies nur einen Anſpruch mehr auf 
unſere Verebrung. Aber bie deutſche Literasar und Poefie 
bat darum wol nicht weniger ein Hecht, die Angelegenheit 
won amberer Seite ins Ange zu fallen und in biefem 
Punkte dem ber Erde feitbem Längft enthobenen, nunmehr 
unftreitig die Sache von ber naͤmlichen Selte betrachten⸗ 
den Geiſte, ſich gleichſam zum Vertreter zu conſtituiren. 
Man iſt in Deutſchland und anderwaͤrts jetzt ned 
damit beſchaͤftigt, dem Schriftſteller das ihm nicht zu 
beſtreitende Eigenthumsrecht an feinen Geiſteswerken zu 
ſichern. Aber der Literatur und Poeſie duͤrfte wol gleich⸗ 
falls ein Eigenthumsrecht an dem einmal von ihm ver: 
oͤffentlichten Werke zuzugeſtehen fein, von dem fie eigen⸗ 
maͤchtig Gebrauch machen koͤnnte, ſobald der Schriftſteller 
Ihe Verlangen darnach umberkckfichtigt laͤßt. Jene fruͤhern 
Fruͤchte des Schiller'ſchen Geiſtes find gerade in ihrer ur 
ſpruͤnglichen Form zu gehoͤriger Wuͤrdigung eines außer⸗ 
ordentlichen Charakters, wie des ſeinigen, durchaus nicht 
zu entbehren und es verdient unſere volle Bewunderung, 
wenn wir ſehen, wie aus den ganz abgefallenen, jugend⸗ 
Ehen Schlacken von Uppigkeit und Leidenſchaft zuletzt fein 


F t * * He * Ale feine ei * 

och ein m , ⸗ 

ſo gt . an R .. ge = - hi J 
(daten 


rch die lange. |. 










Seaius zu einer fo reinen Simmelöflamme fi emper 
Pe daß Goethe in dem bei Gelegenheit bes hei, 
„Bon ber Bode”, dem Wollenderen gewiime 
ten, fo teauernollen Nachrufe fagt: 
ind & m { 
used u be Brchden handen, 

Doch nicht allein zuc gehörigen Wuͤrdigung ſeiner 
Geiſtes⸗ und Seelenbildung dient die Wiederaufnahme der 
poetifchen Jugendblüten des Meiſters, ihren ganzen Innern 
und Aüßern Welen nah. Denn fie koͤnnen, auch abge 
f on. ihren Irrthuͤmern, zum Theil b i dehes, po 
kiſches Verdienſt, mit den beſten feiner ſpaͤtern Werke c: 


Gier bit 
zwei Gedichte: „Sreigeifterei der Leidenſchaft““ umd „Nıfie: 
nation”. Verzieiflung und Kekdenſchaft haben fid mel 


nle.fe.spahr um. dabei. fa; glangpp CH 
a ik Geisundernsierfhen —— Das 
die Moral und eine geregelte, nuͤchterne Amficht der Dinge 
ſich durchaus micht mit den in Ihren aufgeftelim Gaͤten 
einverflehen koͤrmen, iſt gewiß. Aber voarum deshalb, mil 
Berzwelftung und Leidenſchaft zu Doralprebigerinnen ver: 
dotben find, ihnen, ausgeſtattet mit dem hoͤchſten Reim 
ber Poeſie, in den fchönen Raͤumen ber letztern keinen 
Zutritt vergoͤnnen wollen? Finbet doch hier Daſſelbe An; 
wendung, was Goethe in feinem Gedichte „An die Sim 
fligen” fo wahr als ſchoͤn gefagt hat: 
Was ich irrte, was ich ſtrebte, 
Was ich litt und was ich lebte, 
Sind bier Blumen ner im Strauss; 
und bas Alter, wie bie Jugend, 
Und ber Yehler, wis bie Tugend, 
Nimmt fi gut in Liebern aus. | 
Allerdings enthält die Gefammtausgabe der Schilke: 
[hen Werke bie ebenbemerkten zmei Gedichte, von deum 
das erſte nunmehr „Der Kampf” betitelt wurden, ebenfold, 
Aber nach "den erlittenen Abduderumgen gleichen fie ihnen 
hoͤchſtens, wie das tobte jeder Aunmsch beraubte Skelet 
ber früher mit aller Glut und allem Schimmer der Su 
gend ausgeflatteten lebendigen Nymphengeſtalt. 
UÜberhaupt ſollten bei den mehrmals gedruckten Wer 
ten aller Dichter hoͤhern Ranges, beſonders namentlich 
Iyrifhe Gedichte, die in den fpäterm Amsgaben vor 
Eommenden Werbefierungen tie ohne Hindeutung auf die 
Geſtalt erfcheinen dürfen, im weicher bie nachher verhefke 
ten Stellen zuerft dem Publicum vorgeführt wurde, 
Denn «6 frage ſich immer, ob auch die nachherige Im 
änderung für eine wirkliche Verbeſſerung, im ſeder Hies 
fit, zu achten fein möchte. Um das eben Behauptite 
einleuchtender zu machen, gibt mic bee gefuͤhlvolle Gänge 
Matthiſſon ein Beiſpiel an bie Hand. Sein großes Ver 
bienft ift zwar ſchon feit einiger Zeie beinahe vergeffen, 
aber taͤuſcht wich nicht Altes, fo wird es, eben darum, 
kuͤnftig deſto ficherer wieder gerechte Anerkennung finden. 
In der unter dem Beiſatze: Ausgabe letter Hand, im 
Jahr 1821 erſchienenen Sammlung der Matthifſon'ſchen 
Poeſien lautet der lezte Vers bes Gedichte „Genuß de 
Gegenwart” alfo: ' 








Früher ſprach der Deus gerabe das Gerencheil Ob, 


vr | 
Bei ver & die Gegenwart ergreifen 
An ihr —— —2 — J 
Heiß bie Lippe bes Duiders Hängt, verfegt une 
iter GR Wötter | Mr. 

Die wirklich weſentliche Verbefferung in der fpätern 
Faſſung des Verſes laͤßt fih "kaum verkennen. Denn wer 
möchte ed, nach ruhiger Erwägung, nicht für weit rath: 
famer achten, der Freude Au} eine fo aͤthtriſche Umarmung 
za wimmen; als fie mit einer Leidenfchafe zu verfolgen, 
wie der frühere Vers es anrieth? Legteres Er gerade 
aus wie ein Zuvielthunwollen im Guten, während bie 
ſpaͤtere Lehre völlig vemunftgemaͤß den vereinten Mor: 
ſchriften dee Klugheit, Tugend und Schicklichkeit volle 
Genuͤge leiſtet. 

Betrachtet man hingegen bas ganze ſuͤßmelancholiſche 
Gedicht im Zuſammenhange und die Stimmung, welche 
daſſelbe gebar, fo muß man dieſer Vervollkommnung bes 
einzeinen Verſes den kaum geſchenkten Beifall wieder ent⸗ 
ziehen. Denn der Dichter faͤllt mit ſeiner Verbeſſerung 
voͤllig aus jener Stimmung heraus. Der ganze gluͤhende 
Enthuſiasmus für die kurzen Freuden der enwart, der 
ſich im letzten Verſe im hoͤchſten Reize ber Wahrheit aus⸗ 
mad, iſt durch die Wohlgezogenheit, welcher der Ders 
neuerdings huldigen mußte, ganz erloſchen und ber lebens: 
volle, Iprifhe Erguß bes Augenblids in eine Gefundpeit 
lügende Leiche verwandelt worden. Es hieße daher offen: 
bar dem Dichter großes Unrecht thun, wenn in den kuͤnf⸗ 
tigen Ausgaben feiner Gedichte dieſer Vers nicht ebenfalls 
wie er früher lautete, wenigſtens in einer Anmerkung, 
mit abgedruckt werden follte. 

Dolllommen wahr it, was Hoffmeiſter im erſten 
Theile feines Werks (S. 284) Über die vorerwaͤhnten 
beiden Schiller'ſchen Gedichte in ihrer frühern Form und 
über das koͤſtliche Lied „An die Freude” fagt: 

Diefe Gedichte, welche alle brei das Gluͤck entweber an 
und für fi, oder in feinem Widerſtreit mit bem Necht und 
der Gittlichkeit, zum Gegenftande haben, gehören zu dem Mäcdhs 
tigſten, Ergreifendften, was Schiller gebidtet bat. Die Gedichte 
der folgenden Periode find gegen biefe Immergrünen Zweige ber 
unmittelbaren, wahrften Smpfinbung meiftene minder friſch und 


btätierreich. "Denken und Fühlen geben bier noch in Eins auf. | 


Sie fanden auch einen foldden ungeheuern Beifall, daß fie noch 
vor dem Druck in hundert Abfchriften in Deutichland umher: 
gingen und daß es bald webder ihtes Drucks noch ber Abſchriften 
beburfte, fo tief Hatten fie fidh in das Herz und das Gedaͤcht⸗ 
mp der beutfchen Jugend geprägt. Vergebens mühte ſich die 
nühterne Kritik Bes Tages ab, vie Blammen zu löfchen, bie fie 
angefadt hatten. 

Wie das fo lieblich am Elbufer gelegene Dörfchen 
Vlaſewitz bei Dresden dadurch auch einige Literarifche 
Deutung erhielt, daß Schiller ber „Guſtel von Blafe⸗ 
nit" einen Chrenplatz in feinem Wallenſtein'ſchen Lager 
eiminmte, fo gereicht «6 dem, durch feinen größern Um⸗ 
fang [ton am fich bedeutendern Dorfe Gohlis bei Leipzig 
su beſonderm Schmude, daß es der Geburtsort des Lie⸗ 


‚ Raum. Es fei genug mit der Anzeige, daß in 









* 


nenktanz zu verleihen. Deesden hat Ti eines Ah; 
Ruhmes zu orfreuen, da Schiller in ibm .anfer Amen 
bichten: Freigeiſterei der Beibenfthafe” und „efianastah”“, 
zu denen. er bass begeiſtert wurde, feinen „Dew. Carlos? 
Sollchdete::: . . >. j | 

. Diefe Tragödie erhaͤlt dadurch - eine Merkwuͤrdigkeit 
mehr, daß fie, nad; dem Belfplele von Leffing’s „Närden” 
In reimfreien Jamben gefchrieben iſt und. der, Karhy 
mus‘, mit bem mau: fit bei ber Auffuͤtrrung au 

wenn auch bie etſte Beatbeitung Ds ‚Den Gaelos * 
bie Bühne zu thunlichſter Adkurzung nur in’ Prod nes 
ſchad, in der Folge, wo dieſem Drama felbft zum the 
traliſchen Gebrauch das Metrum teftituiet wurde, Ad 
sab, die Zragödie in Deutſchland kaum anders als im 
gleichem Metrum auftreten zu laſſen. Es fast derfelben 
auch gewiß zumal tm beutfcher Sprache weiit beffer iD, 
als die fpäterhin Spaniens Tragikern entichnten Aug 
Reimverſe, obſchon fie vom Muͤllner nicht ebne Gtäd 


verſucht wurden. 
(Die Yorkfepung folgt.) 


ws ‚Aue u Di, cvſie , 
hfletn aut with, —* 557 








Unterhaltungsliteratur. 

1. 1840. Hiſtoriſcher Roman von Br. Zubojagfy. Dee 
Theile. Grimma, Berlagscomptoir. 1842. 8. 4 Ehe. 15 Nr. 
Der Schmugtitel ſegt jenem Jahre 1840 uogh bie. Worte 
binzu: „ober Spinnengewebe”, unb dag u eine Art Parabel 
gekleibete Motto auf der Hückfeite des Schmutztitels fpricht 
von einer „Spinne auf bem Thron“. Damit foll Louis Phi⸗ 
lipp bezeichnet fein, „ein ſchlauer König, den bie Feinfte Fliegt 
nicht ungeſtraft berührt”. Cs iſt Wahrheit darin, doch ift das 
Bild zu allgemein: es paßt für jeben andern Thron und filt 
viele andere Side. Der Verf. fcheint für kouis Philipp nicht 
befonders eingenommen zu fein, und das gibt feinem iftocifigen 
Roman einen Beiſchmack von Parteiroman. Den Bang ber 
ſehr verwidelten Begebenheiten nachzuweiſen fehlt «8 bier am 
m Bude nichts 


von Allem fehlt, was im I. 1840 Brantreig Denkwürbiges 


bot, und daß biefes mit der Geſchichte eines Jungen Menſchen 
' und einer Maſſe Snteiglien meiftens nicht ohne Geſchick vers 
, widelt und entwidelt 


ft. Eben biefe Waffe aber ſchadet dem 
Bude, fie erflidt die von einem Romane unzertuennliche Kupe 
und Vollendung ber Darftellung. Das benußte Material war 
für ſechs Bände nicht zu wenig: baß es in drei Vaͤnde sufame 
mengebrängt ift, gibt dem Bude den Charakter einer Chronik. 


3. Onkel Zebra. Memoiren eines Gpikuraͤers von E. M. Dets 
tinger. Sieben Theile Leipzig, Böfenberg. 1842. 16. 3 Chr, 
Gs if nicht mit Gfien und Trinken gechan; ber Mienf) 
wid auc gut eſſen und teinden. Wie man das könne und folle, 
entwickelt dieſes feltfame Buch nach allen aubplicken Geiten bis 
Gapitel über bie Kunſt ber Kuͤchenhelden, bes Genießens unb 


, 5, chen = mb 

fieben Bänbehen, unb die flüffige Darſtellung, trogenb von mert 
würdigen Autoritäten und Citaten, welche nachzuſuchen ben Bes 
fer vicHeicht Vergnügen gewäßrt, ihn jedenfalls hungeig nackt, 
8* in buntem Wechſel an uns vorüber. Eigentlich kann bes 

uch nicht gelefen werben, es wii genoffen fein. Dex Beim 
ſchmecker wird mit @inn unb gebiegenem Urtheil bie Gapisel 
wählen, welche feine Mahlzeit würbig einleiten, begleiten und 
lieben; ber arme Schlucker wird je nad feiner 6 
ſich damit wie mit Opium bevaufdien, ober ia den Abgrund 
ber Berzweiftung flürgen. Daß der Verf. bie Branzofen zum 





3. Die Erbſchaft in Kabul.” Komiſcher Roman von Fer di⸗ 
nand Gtolle Brei Bände. Leipzig, Thomas. 1842. 
. 8, 4 TIhlr. 15 Rer. 
. Der talentvolle Werf. beträgt feine Lefer ungefähr in 
Werfelden Weife, wie mehre Erbſchaftsluſtige in feinem Buche 
leer ausgehen. a —— bus —— am deſſen 
Geöffuung an eine gleiche Scene „VFlegeljahren“ von 
Iran Paul, welchen ber Verf. überhaupt flei 


zu vereinigen wiſſen. wi bee Verf. unfern Zabel als ein 
Lob aufnehmen; denn wirklich ift er zu reich an Mitteln, als 
daß es ihm genügen dürfte, nur gewöhnliche Unterhaltung geges 
ben zu haben. 24, 





Literariſche Notizen aus Frankreich. 


Der Cardinal von Rep. 

Amt Shampollion - Figeac, gegen den ber fon dfter 
erbobene Vorwurf, daß er bei ber Vermaltung der Bibliothek 
nit ganz von Gigennug frei fei, kuͤrzlich wieder erneuert ifl, 
patte es fich vorbehalten, eine neue Ausgabe ber „Mémoires 

u cardinal de Retz‘ nad) ben auf ber koͤnigl. Bibliothek 
befindlichen Originalmanufceripten zu veranftalten. Wir erhalten 
gegenwärtig den Anfang biefer Ausgabe, bie einen Theil der 
werthoollen ausgewählten Bibliothek der beften franzöftfchen 
Werke bildet, deren Leitung der befannte Ch. Nobier über: 
nommen bat. Es duͤrfte intereffant fein, über das Original⸗ 
manufcript dieſer wichtigen Demoiren etwas Näheres zu ers 
Dee Die koͤnigl. Bibliothek befigt fie erſt ſeit etwa neun 

ahren. Vor dieſer Zeit haben ſie ſich in den Haͤnden des 

Grafen Rat befunden, ber fie kurz nach der Aufhebung der 
Bibliothek des Kloſters Moyen: Moutier um das 3. 1795 zur 
Benugung erhalten hatte. Real hätte fie eigentlich der Natios 
nalbibliothef, der fie einverleibt werben follten, wiebererftatten 
muͤſſen, aber er nahm fie, als ihn bie politiſchen Verfolgungen 
gwangen, Ftankreich zu verlaffen, mit ſich nad Amerika. Ge 
war erft nach ber Julirevolution, als fie mit andern politifchen 
Berbannten nadı Beanfreic) zuruͤckkehrten. Sie bilden drei 
ſtarke Bände von 2818 Seiten in 4. Man nimmt an, baf 
der Garbinal bie Abfaffung feiner Memoiren erft nach bem J. 
3672 begonnen habe, indeflen fann man bei ber großen Ge⸗ 
nautgleit in ben einzelnen Angaben, bie nicht felten bie forgs 
faͤltigften Rachforfchungen erheifchten und bei ben vielen Reifen, 
von benen fie unterbrochen werden mußten, wol annehmen, daß 
gwifden bem Anfange und ber WBollendung gewiß mehre Jahre 
»erflofien find. Man fieht dies aber auch den Manuferipten 
je an. Die erften beiben heile find reinlich und Tauber 


Fluͤchtigkeit und Rachläffigkeit zeigt. Champollion behauptet, 
daß diefer Theil nach dem 3. 1676 abgefaßt fein muͤſſe. Wir 


eben, und namentlich ift wenig barin auögeftrichen und | 
derbeſſert, während bie Handſchrift des dritten Bandes große | 






erinnern bei dieſer Betegenhelt au vimm . 
den tlenrual des van, (a dem glei eher —* 
Handſchriften vom Sardinal von ‚Bet beſprochen wurden, hie 


auf bie Garteflanifche Lehre Bezug haben. Man darau 
daß berfetbe in feiner laͤntichen gegogenpeit I hei 
immer noch an ben Worgängen ber Melt Thell nahm uns ng 
mentlich ben philoſophiſchen Streitigkeiten, welche der Gartris 
nismus hervorrief, eine größere Kufmerkfamkeit ſchentte, in 
man bei einem Weltmanne, ber in emiger Aufregung Ichte 
vermutben follte. Sehr intereffant find bie Schilderungen, bie 
a a en aa 
er Cardinal von Retz die unfterblichen nk 

Descartes auffaßte. ſopfungen Kan 





Pariſer Skizzen. 

Die bunte Gchüberung des pariſer Lebens, die von P. de 
Kod u. d. T. „La grande ville‘ begonnen wurde, if, weil 
fie gleich anfangs viel Beifall fand, allmälig erweitert. Ban 
bat einen größern Kreis von Mitarbeitern gewonnen und dem 
ganzen Unternehmen eine größere Ausdehnung gegeben, Die 
Namen Balsıc, Dumas, Briffault, Gautier m. f. w. kinnen 
das Intereffe an dem Werke nur fleigern. Auch Janin, ws 
wir glauben, fehlt nicht, ober wenn er bis je&t noch feinen 
Beitrag dazu geliefert hat, To Tann man ſicher fein, daß ncg 
etwas aus feiner nimmer raftenden Feder kommen wird. Ge 
waltiges Auffehen bat ein Auffag von Batzac gemacht, in dem 
bie Sournaliften und die übrigen hommes de letizes ober gende- 
lettres (un gendelettre, wie Balzac analog dem un gendarme 
fast) gehörig mitgenommen wurden. Balzac entiud ſich hier 
aller Galle, die fi in ihm bei den ungünffigen Kritiken feiner 
beiden dramatifchen Verſuche gefammelt hat. Gr nahm firma: 
Rache an feinen ungeredhten Richtern unb ſchilberte bie Sour 
naliftit als bie wahre Peftbeule unfers Zahrbunberts und de 
Krebsſchaden der Literatur. Leider blickte aus biefer Philippica 
überall die verlegte Eitelkeit hervor und fie dürfte deshalb eben 
von feiner großen Wirkung fein. Ungleich harmiofer if das 
legte ‚Heft ber „‚grande ville“, in dem A. Dumas — uud Ci 
ner von Denen, die man wie Thalberg mit zehn Händen abs 
malen follte! — uns eine naturgetreue Schilderung der files, 
lorettes et courtisanes entwirft. Der erfte und ber legte dieſer 
Ausdruͤcke find verfländlich genug. Lorette aber ift fononm 
mit femme entretenue. Diefer Name, ben man ihnen zum 
erften Male im „Charivari beigelegt hat, raͤhrt daher, wi 





weil 
ber größte Theil dieſer Leichtfertigen Befchöpfe, die Dumas uni 


recht con amore vorführt, in der Nähe ber Eglise de Notre 
Dame de „Lorette wohnt. Die Zeichnungen GBavarne's, der 
im „Charivari‘ ſchon eine ganze @alerie von Loretten gegeben 
bat, find dem Texte gang angemeffen. Er weiß feinen Helbinam 
eine außerordentliche Anmuth zu geben. 2. 





Literariſche Anzeige. 


Bei F. A. Brockhaus in Eeipzig iſt neu erſchienen 


- und durch alle Buchhandlungen zu erhalten: 


Dekameron 


Das 
von 
Giovanni Voeccaceio. 
Aus dem Italieniſchen überfest 
von 
Rarl Witte 


Zweite verbeſſerte KRuflage. 
Drei Cheile. 
Gr. 12. Geh. 2 Thlr. 15 Mor. 


Verantwortlicher Herausgeber: Heinrich Brodhaus. — Drud und Verlag von $. A. Brochaus in Leipzig. 


Blätter 


' für 


literarifhe Unterhaltung. 








(Bortfegung aus Nr. 228.) 


Mit ungemeinem Scarffinn zergliedert Hoffmeifter 
die ganze Eigenthümtichleit des Schiller’fhen „Don Gar: 
108” und hebt die rühmlichen Seiten diefes Dramas wie 
deſſen Schwächen Eraftvoll und einleuchtend hervor. Auch 
unterläßt er nicht, darauf aufmerlfam zu machen, daß den 
drei erfien, in der „Rheinifchen Thalia” abgedrudt gewe⸗ 
finen Acten fehr viel Treffliches bei der nuchherigen Abs 
fürzung verloren gegangen ſei. 

Manche Stellen — fagt er — find in unferer jegigen Aus⸗ 
gabe nicht vecht verſtaͤndlich, oder doch raͤthyſelhaft und ans 
ſtoͤßig, weit fie fi auf etwas jetzt Ausgelaſſenes bezie 
hen. Wir brauchen aber nicht bei folchen Einzelheiten ftehen 
zu bleiben, Dee Geiſt des Ganzen ift durch die neue Überars 
beitung ſehr verändert. Die erfte Anlage iſt unbeholfener, uns 
gemeffen in Gehalt und Ausdrud, fie ift aber auch jugend⸗ 
licher, frifger, kuͤhner, charakteriſtiſcher, die kecke 
Polemik hat etwas Pikantes und was wir uns jetzt haͤufig hin⸗ 
zudenken, was wir errathen muͤſſen, iſt im fruͤhern Texte mei⸗ 
ſtens ausfuͤhrlich dargeſtellt. Das Ganze hängt in feinen Tugen⸗ 
den und Fehlern inniger mit den Schiller'ſchen drei Dramen (den 
„Räubern”, „Yiesco” und „Cabale und Liebe‘) zufammen und 
offenbart den Geiſt des Dichters beimeitem echter als bie nach⸗ 
berige gereinigte und abgekürzte Ausgabe. Beſonders fcheint 
der fpanifche Prinz durch feine Wiedergeburt zwar manierlicher, 
aber audy unbebeutender geworben zu fen. Er ift in ber 
„Thalia wol ercentrifcher und ſtolzer; die fpätere Kritik bat 
ihm mit feinen Mängeln auch feine Vorzüge genommen unb 
ihm gar wenig übrig gelaflen. 

Je richtiger dies Alles jedem aufmerkfamen Beobachter 
erfheinn muß, um fo natürlicher fleigt auch gewiß der 
Wunſch in ihm auf, die noch fortdauernde theatralifche 
Wirkfamkeit des ‚Don Carlos” durch Wiederbeifügung der 
den Dichter felbft zum Urheber habenden Elemente zu er 
hihen, die er einzig deshalb daraus entfernte, weil durch 
ihre Beibehaltung der Umfang ded Dramas für die Dauer 
eined Theaterabends zu groß würde geworden fein. Schon 
der mächtige Effect des’ „Don Carlos” auf der Bühne hat 
Schiller's frühere Anficht davon, daß dieſe Tragödie, auch 
ta ihrer nachherigen Bearbeitung, in theatralifcher Hinſicht 
vefehlt fei, widerlegt. 

Allerdings leiden beinahe alle Charaktere in dem Stuͤcke 
an dem Mangel eines naturgemaͤßen innern Zuſammen⸗ 
hanges, was vielleicht die wichtigſte Ausſtellung iſt, die 
man an einem dramatiſchen Producte nur machen kann. 


— 22. Auguſt 1843, 







Wußte aber, trog dieſer Mangelhaftigkeit, der Schiller’ 
fe „Don Carlos’ dem beffern Theile der gebildeten Zus 
[dauer einen wahrhaften Genuß zu bereiten (und er weiß 
es noch immer, wo die Darftellung, namentlich der Haupts 
rolle, ded Pofa, vom Schaufpieler nicht völlig vergriffen 
wird), fo iſt dem Dichter ein Verfehlen des Zwecks ger 
wiß nicht vorzumerfen, wenn auch defien Erreihung auf 
anderm Wege als dem eigentlichen dramatifchen gefchieht, 
der wol in dem regelcechten Sneinandergreifen ſcharfgezeich⸗ 
neter und abyerundeter Charaktere beftehen möchte. Wie 
Schiller, um mit feinem Biographen Hoffmeifter zu reden, 
in den „Raͤubern““ die Welt in Trümmer ſchlug, fo wird 
fohe im „Don Carlos“ auf idealem Fundamente wieder 
aufgebaut. Das Thema der ganzen Tragoͤdie ift der Con⸗ 
flict eines (mit Vorliebe in feiner Herrlichkeit gefchilderten) 
neuen Alters der Menfchheit, mit einer veralteten Zeit und 
der temporelle Sieg des Schlechtern über dad Beflere. 
Die Glut hoher rhetorifcher Schönheit in dem Bilde des 
Dichters befriedigt dergeflalt, daß der Theaterbeſucher gar 
feine Zeit behält, der Unvolllommenheit der dramatifchen 
Schönheit nachzuſpuͤren. I 

Und in noch weit hoͤherm Grade wuͤrde dieſe Befrie⸗ 
digung erfolgen, wenn die Tragoͤdie das mancherlei zu de⸗ 
ren beſſerm Verſtaͤndniſſe Gehoͤrende aus dem fruͤhern 
Entwurfe zuruͤckerhielte. Zur Zeit, wo Schiller in der 
„Thalia“ ſagte: der „Don Carlos” fei kein Theaterſtuͤck, 
die dramatifhe Einkleidung fei von einem weit allgemels 
nern Umfange als bie theatralifche Dichtlunft und man 
würde der Poefie eine große Provinz entreißen, wenn man 
den handelnden Dialog auf die Gelege der Schaubühne 
befchränten wollte, da hatte der Dichter den unftreitig 
früher gebegten Glauben an die Möglichkeit eines Erfolge 
feines Stuͤcks bereits verloren. Ja, es mögen ihn wo’ 
gar noch, bei feinem nachherigen Zurechtſchneiden der Tra⸗ 
goͤdie für die Buͤhne, die Zweifel am Erfolge mitunter 
angewandelt haben. Bei bem ungemeinen Erfolg der 
Aufführung feines „Don Carlos” laͤßt fi) eine augenblid- 
liche, völlige Genugthuung für ihn denken. Aber gewiß 
bat fie fpäterhin dem Verlangen das Keld räumen müffen, 
fo manden das Ganze erläuternden Vorzug ber erſten 
drei Acte, in deren urfprünglicher Geſtalt, ihm auch für 
die Aufführung zurüdgegeben zu ſehen. Der Erfüllung 
dieſes Verlangens fchien fich freilich die Unmöglichkeit ge⸗ 


radezu entgegenzuftellen. Denn fogar in ber abgefürzten 
Seflalt erfoderte die Darftelung des „Don Carlos” auf 
dem Theater wol eine ganze Stunde Zeit mehr, ale die 
meiften andern, den XTheaterabend auszufüllen beſtimmten 
Bühnenfüde. Endlich trat fpäterhin bei Schiller's dras 
matifcher Bearbeitung des „Wallenftein” der Umſtand aber: 
mals ein, daß das überreihe Material ſich durchaus nicht 
in die Form eines gewöhnlichen Theaterſtuͤckks von fünf 
Acten zufammenfhnüren ließ, ohne der daraus geſchaffenen 
Geſtalt den Lebensathem zu benehmen. Gleichwol hatte 
Schiller's ſchoͤpferiſcher Genius das neue Werk bereits mit 
ſolcher Liebe und ſolchem Gluͤcke erfaßt, und bes Gedan⸗ 
kens ſeiner Wirkſamkeit von der Buͤhne aus ſich erfreut, 
daß er davon nicht abzulaſſen vermochte. Und ſo fand 
ſich denn auch das Mittel, es moͤglich zu machen, in der, 
ſolchenfalls ſchon von Shakſpeare und Andern beobachteten 
Methode, das aufzufuͤhrende Drama in einige auf mehre 
Abende zu vertheilende Abfchnitte zu bringen. Der Bel: 
folsfturm, welchen fein auf dieſe Weiſe zum Gebrauch 
für die Bühne behandelter „Wallenſtein“ aufregte , hätte 
ihn unfteeitig auf die Idee gebracht, mit dem „Don Gar: 
108” in ähnlicher Art zu verfahren, indem er, manche un: 
geeigneten Auswüchfe der in der „Rheinifchen Thalia‘ ab: 
gedruckten drei Acte weglaffend, das dieſer Tragödie der 
Bühne zu Gefallen entzogene Wefentliche derfelden zurüd: 
ftellte und das Ganze auf zwei Theaterabende verteilte. 
Es gefchah vielleicht blos darum nicht, weil entweder feit: 
dem, in Folge feiner ungemeinen Erweiterung und Ders 
vollkommnung der Anfihten von der dramatifchen Kunft, 
der „Don Carlos” überhaupt um feine Vorliebe gelommen 
war, oder anderer, ihm nunmehr beffer zufagender drama: 
tiſcher Stoff ſich feiner Phantafie zur Bearbeitung auf: 
drang. Sedenfalls würde, wenn dem gewaltigen Dichter 
ein längerer Aufenthalt auf der Erde vergennt worden 
und ec die dee einer neuen. Umfchaffung des „Don Car: 
106” gefaßt und ausgeführt hätte, dem beutfchen Theater 
dadurch ein bedeutender Gewinn zugewachſen fein. 

Wäre es daher nicht vielleicht eine Kühnheit, die ſich 
mit der Plerät gegen den Verewigten, der unverfennbaren 
Schmerz darüber empfand, daß er, um fein Werk bühnen: 
gerecht zu machen, eine Menge, zum Theil zu befien Ers 
täuterung kaum entbehrliher Stellen und Schönheiten 
daraus entfernen mußte, entfcyuldigen ließe, wenn irgend 
eine hinlaͤnglich funftgelibte, fremde und mit den Beduͤrf⸗ 
niffen der deutſchen Bühne vertraute Hand hier einen 
Eingeiff wagte, indem fie aus einer Berbindung bee 
Mefentlihen und Geeigneten der erflen drei Acte bes 
„Don Carlos”, wie fie in der „Thalia“ erfchienen, mit 
dem von dem Schöpfer des Kunſtwerks nachher ſelbſt für 
die Bühne zugerichteten Zrauerfpiele zu einem organifhen 
Ganzen verbände ? 

Dabei müßte freilich zugleich vorzüglid darauf gefehen 
werden, daß die erwähnten jugendlichen Auswuͤchſe, wie 


Alles, Schiller's [päterhin auf das volllommenfte ausge: : 


dildetem Schönheltöfinne nur im mindeften Widerſpre⸗ 
chende daraus entfernt wuͤrde. Es gehörte auch zu einer 
Umfhaffung diefee Art nicht allein ein Mann von dem 





ficherften Urtheile und dem zarteflen Takte, ſonbern dabei 


.ein folcher, dem die Heiligkeit des Schiller ſchen Namms 


nirgend erlaubte, etwas Weſentliches aus eigenen Mitten 
hinzuzufügen. Auf diefem Wege würde Schiller in ſei⸗ 
nem „Don Carlos“ zu eigener Genugthuung aus fih 
felbft ergänzt und vervollkommnet werben und die Freude 
der Bühnenfreunde an der, in vieler Hinſicht einzigen, 
Tragoͤdie, die ohnehin für das Nachdenken eines Abends 
allzu viel wichtigen Stoff darbietet, während zweier Theo: 
terabende fich noch um Bieles gefleigert fehen. 

Bon der zu ihrer Zeit gar rüftigen und müplichen, 
aber fpäfer im Werthe immer tiefer heruntergefommenm 
und nun fängft ſchon dem Schickſale alles Irdiſchen, dm 
Untergange erlegenen „Allgemeinen beutfhen Bibliothek" 
an bis zu dem neueften Werke des fcharfinnigen Gewi— 
nus *) legt die deutfche Buchſtabenwelt über die Dichter: 
heroen, Goethe und Schiller, die grelften Miderfprüce 
dar. Die zuletzt erfchienenen Abhandlungen dieſer Art 
ftimmen wenigftene darin überein, Goethe und Schiker 
als die hervorragendften Geifter im der deutſchen Literatur 
und Poeſie anzuertennen. So dürftig auch der aus bie 
fen von der höchften Xrefflichkeit bis in die tiefite Abſur⸗ 
ditaͤt fich verlierenden, gedrudten Urtheilen in die allg: 
meine Meinung gedrungene Ertrag fein möchte, fo glaubt 
doch beinahe Jedermann, eine gültige Etimme über dab 
Verdienſt diefer beiden Dichter abgeben zu können. Am 
gemöhntichften zieht man eine. Parallele zroifchen ihnen und 
die im hoͤchſten Glanze der Salons rvie die im der granen 
Dämmerung der geringften Zabagie Einheimifchen koͤnnen 
fich der Erörterung noch immer nidyt enthalten, wer don 
beiden der größere Dichter fei, Goethe oder Schilke, ob: 
(don die Mehrheit der an der Controverſe Theilnehmen⸗ 
den gemeiniglih in craffefter Unwiſſenheit daruͤber lebt, 
worauf ed bei einem Endurtheile diefer Art zunaͤchſt an: 
fommen würde. Die Parallele an ſich ann keinem I: 
def unterliegen. Es fit fo lehrreich als genußvol, die ei⸗ 
gentlichen Verfchiedenheiten zweier anerkannt großer Did; 
ter ins Auge zu fafjen und bis in ihr Meinftes Detail zu 
verfolgen. Nur müßte es bei der Bewunderung Beider 
bewenden und man ihre Größe nicht unter ein Maß ſiel— 
fen wollen. Wo überhaupt das Mafauffinden für di 
Größe in der Kunft, weiche binmlifchen .Urfprungs und 
unermeßlich ift? Es durchriefelt einen ein Schauer, went 
man mit anhören muß: der von Den Beiden iſt de 
Größte, und der Schauer nimmt zu, wenn biefen Aus 
ſpruch ſogar Menſchen thun, die in wiſſenſchaftlichen um 
andern Dingen eines Urtheils nicht unfähig find. Deus 
gerade bei ſolchen iſt die Schuld größer als bei den ge 
ringhaftigen und kenntnißloſen. Die größere Kunſt dr 
einen oder des andern ber beiden Dichter dictatoriſch auf: 
zufprechen, wird hier immer ein Frevel fein. Er 


*) Neuere Veſchichte der poetiſchen Rational s Literatur der 
Deutfchen, Theil 3 (Leipzig 1842). 


mit dem Gehalte des Mannes, der das Wort wie ein 





| 
| 
| 





Ariom von ſich gibt. Noch mächtiger muß in und de 
Schauer werden bei der Betrachtung, daß man vormald 





1 
C 


im jugendlichen Cathufiaeins, für den einen ober den 
andern der beiden gefeiesten Dichter wol ſelbſt eines fo 
frechen Ausfpruchs ſchuldig geworden fei. 

Wenn in dem weit hinaus über der, allerdings dem 
Maße unbedingt untermorfenen, Technik liegenden Reiche 
der hoͤhern Kunſt überhaupt der Kreitik die eigentlichen 
Mormen für ihre Ausoſpruͤche faſt ganz abgehen, fo gibt 
es auch Kuͤnſtler, fo ſehr Über ihre Zeit und bie gemöhn: 
liche Meiſterſchaft erhaben, daß die Kritik fih nie einer 
Abſchaͤrung derſelben erbreiften folite, Künftler, wie z. B. 
Dante und Shaffpeare, Rafael und Michel Angelo, Goes 
the und Schiller. Und wo ſchon fogar der Kritik kein 
Urtheil mehr zufteht, da follten wir Andern und doch noch 
viel eher eine® folchen enthalten, wenigſtens eines den 
Grad ihrer Groͤße beflimmenden, wovon bier vor Allem 
die Rede it. Verfahre man doch bei ſolchen Ausfprüchen 
über Goethe und Schiller, wie Mman es in ber Blumen: 
weit zu halten pflegt, wo gewiß die Meiften der Roſe und 
Nele oder einem Paar anderer hervorſtrahlender Blumen 
ein Übergewicht über ſehr viele aus dem zahlreichen Blu⸗ 
menvolfe zuerfennen, aber doch Niemand leicht fo anma- 
Send ift, die eine von beiden für die vorgüglichfte zu er⸗ 
Hären, ba beide ihre voneinander abweichenden Vorzüge 
behaupten. Daß die eigenthümlichen Vorzuͤge Goethe's 
der Eigenthuͤmlichkeit des Einen, die eigenthümlichen Bor: 
zuge Schiller's der Eigenthuͤmlichkeit des Andern mehr 
zuſagen, wuͤrde hingegen ein fo wenig zu migbilligendes 
Bekenntniß fein, als wenn der Eine fagt: Mir gefällt die 
Roſe beffer und der Andere: Mir die Nelke. So viel iſt 
gewiß, Goethe und Schiller werden, mie die Dioskuren, 
gewöhnlich zufammen genannt, nur mit dem Unterſchiede, 
da nach dem Grade des Mohlgefallend an ihnen auf 
der Zunge des einen ihrer Bewunderer Goethe und auf 
dee des andern Schiller von felbft die Priorität in Ans 
ſetuch nimmt. Daß Beiden, als Dichten, beiweitem der 
Vorrang vor allen neuerlich aufgetretenen Poeten gebührt, 
darf man wol für einen Sag annehmen, den nur We: 
nige in Zweifel ziehen werden. . 

Berfuchen wie nunmehr, ihre Eigenthümlichkeiten ne: 
beneinanderzufteilen. Über Schiller's Außeres erlaubte ich 
mir bereitö einige Andeutung, fodaß ich hier nur noch et 
was über feine Haltung binzuflge, wie mir foldye, wenig: 
ſtens in der kurzen Zeit, daß ich zu Ihrer Beobachtung 
Gelegenheit hatte, vorgelemmen if. Die Bruft duch 
freundliche Gefühle forben erwärmt, war Schiller's ſonſt ges 
wöhnlihe Bläffe an feinem Antlig nit wahrzunehmen. 
In der Richtung feines ganzen Körpers [bien fid immer 
neh aus der fiuttgarter Karlsakademie eine Spur von 
mititairifcher Subordination erhalten zu haben. Zugleich 
glaubte ih aus feinem Auge den Trotz hervorbligen zu 
ſchen, den die feines hohen Beiftes fo unmwürdigen Be: 
deingniſſe im ber Jugend in ihm erzeugen mußten. Die: 
Im beiden ſich widerſtrebenden Eigenheiten mochte wol 
die Art von Unruhe entfpringen, welche feine Lörperlichen 
Bewtgungen barthaten. 

Im völligen Contraft hiermit erſchlen mir Goethe, als 
ich ihm einige Fahre fpäter in feiner Wohnung zu Wei⸗ 


mar gegenüber ſaß. Obſchen an Alter Schiller berrisß 
weit vorausgefchritten, war doch die Kraft und Schoͤnheit 
der Jugend in ber hohen Goͤttergeſtalt noch nicht erloſchen. 
Die Macht des Adlerblicks aus dem großen Auge, welches 
der edeln Form ber von ben Jahren bereit6 etwas anger 
geiffenen Gefichtszüge die Krone auflegte, ging keineswegs 
unter in dem von ihr gütig ausgelprochenen Willkommen; 
fie wurde durch dieſes vielmehr auf das hoͤchſte und zus 
gleich erfreulichfte gefleigert. Keine feiner Bewegungen, 
keins feiner Morte hatte den Schein bes Vornehmſeins, 
bed Vielgeltenwollens, weder im Leben noch in der Kunſt, 
aber Alles zeugte ſowol von der Sicherheit feiner aͤußern 
Stelung, als von ber volltommenften Harmonie in ſei⸗ 
nem Innern. 
(Der Beſchluß folgt.) 





Zwei Sigungen ber parifer Akademie. 


Es ift befannt, daß das Institut de France in ben erften 
Tagen des Mai eine Generalfisung zu halten pflegt, der dann 
die einzelnen Sitzungen ber fünf verfchiebenen Giaffen folgen. 
Im Allgemeinen ift diefe große Parabe ebenfo langweilig als 
bie befannte Geremonie im ‚‚Malade imaginaire’‘, die an denk⸗ 
würdigen Lagen, 3 B. beim Geburtstage Molitre's, im 
Theätre francais aufgeführt wird und mit der man fie ſchon 
vielfältig verglichen hat. Dieſes Mat ift biefe Sigung weniger 
langweilig ale gewöhnli ausgefallen, zum Theil ſchon, welt 
bie obligaten Begräßungsformeln und bie Langen Panegprifen, 
bie das Privilegium haben, das Yublicum in den, füßeften 
Schlummer gu wiegen, etwas gekürzt waren. So nahm bie 
UAnrebe des Grafen Beugnot, ber als Präfident der Akademie 
ber Infchriften bie diesjährige Sitzung zu eröffnen hatte, bie 
Aufmerkſamkeit der Zuhörer nicht lange in Anſpruch. Und doch 
bätte der Schluß, in den eine Grabrede an ben Herzog von 
Drleans mit. den Haaren berbeigezogen ward, noch * 
werden koͤnnen. Nicht mit Unrecht vermuthen einige —** 
der Redner, der durch ſeine hiſtoriſchen Arbeiten bekannt iſt, 
babe dieſe Gelegenheit ergriffen, der Verſammlung feinen über⸗ 
tritt von ber Seite ber Legitimiften zu ber rechten Mitte öffent- 
lich anzutündigen. Es wirb auf die Dauer ordentlich lächerlich, 
wenn man mit jeder Jahresfigung die Volney'ſche Preisaufgabe 
zur Auffindung eines Univerfalalphabets wieber auftauchen fieht. 
Wie Viele find nicht gekrönt und doch haben alle Unterſuchungen 
noch zu feinem Refultate geführt. Sie fchöpfen unverdroffen, 
und boch wird das Danaibenfaß nicht vol. Wan kann es nur 
billigen, baß die Akademie almälig die Aufgabe, wie fie ber 
berühmte Verf. der „Ruines‘’ geftelit bat, immer mehr zu um: 
gehen angefangen bat, um fo mehr, da fich mit jebem Jahre 
weniger Goncurrenten mit ber Löfung biefer Aufgabe, bie eben⸗ 
fo wenig wie bie Quadratur bes Cirkels ober ber Stein ber 
MWeifen gefunden wirb, befaflen mögen. Es werben beshalb 
in der Regel bie 1500 Fr., bie für die beſte Preisabhanblung 
ausgefegt find, irgend einer verbienftlichen philologiſchen Arbeit 
anderer Ratur zuerkannt. &o tft biefes Jahr Benjamin Ras 
faye als Verf. eines werthuollen Werkes über bie franzoͤſiſchen 
Synonymen gekroͤnt, obgleich einige eigenthuͤmliche Schwärmer 
fi wieder mit dem Univerfalatiphabet ben Kopf zerbrodyen 
hatten. Unter benfelben wird beſonders ein gewifler Paulin 
Gagne erwähnt, der feine Anfichten in einer Heinen Brofchäre 
auseinanderfegt, weiche den Titel führt: „‚Gagnomonopanglotte” 
ober: „Einzige und allgemeine Sprache von Gagne““. Aber biefe 
Anfichten find au abenteuerlich, ald bag man bavon nur einen 
Begriff geben könnte. 

Nachdem biefe ſtereotype Preisaufgabe befeitigt war, hielt 
Gugtae Burnouf, ber verdiente Drientalifi, einen febr intets 
effanten Vortrag über den Urfprung bes Buddhismus, beilen 


% 


Gatfiehung von veridiebenen Gelehrten verfchieben angegeben 
wit. Burnouf weil in feiner Abhandiung nad, daß bie 
Lehre bes Buddha nichts iſt als ein Loßgelöfles Glied vom 
Brahmanismus. Indeſſen ift nicht zu leugnen, daß beibe Re 
tiglonsfeften von ganz entgegengefegten Principien ausgehen, 
indem nämlich der Brahmanismus unäberfleigbare Kaften ans 
nimmt, bie fich auf eine urfprünglicdde Racenverſchiedenheit 
geünden , während der Buddhiemus, welcher die Bewohner ber 
de einen und benfelben Urfprung und eine und bie nämliche 
Natur haben läßt, ale Menfchen zu Brüdern machen will, 
Burnouf fept, den gewöhnlichen Annahmen zuwider, ben Urs 
Iprang biefer Sekte in das 9. Jahrhundert vor Ehriſti Geburt, 
in allgemeineres Interefle erregte der Vortrag bes immers 
wäbrenden Secretairs der Akademie der ſchoͤnen Künfte, Raoul 
Rochette. Der geiftreiche Redner ſprach über den berühmteften 
Maler Frankreichs, Nicolas Pouſſin, und foderte zu lebhafterer 
Theilnahme für ein Monument auf, das man bemfelben errichten 
will. Beſonders unterhaltend war bie biographiſche Partie diefes 
Vortrags, in der die mannichfachen Widerwärtigkeiten erzählt 
wurden, mit denen biefer große Künftter, der fi zur Beftris 
tung feines Lebensunterhatte zur Gcilbermalerei bequemen 
mußte, zu kämpfen hatte. 

Blanqui, der hierauf bie Rebnerbühne betrat, beleuchtete 
in einer geiftreichen Rebe voller Thatſachen die unfeligen Folgen 
Der Polygamie, wie er fie in der europäifchen Türkei Gelegenheit 
gehabt hat, zu beobachten. Die Sigung, bie, wie man aus 
diefer kurzen Aufzählung ſehen kann, eine große Mannichfaltig⸗ 
feit bot, werd mit einer Epiſode der „Jeanne d’Arc’’ von A. 
Soumet, dem berühmten Verf. der „Epopee divine‘, geſchloſſen. 
Diefes Bruchſtuͤck, das von Ancelot mit vielem Ausdruck vor⸗ 
gelefen ward, feheint den großen Beifall, den es fand, wirklich 
au verdienen. Deflenungeachtet warb allgemein bedauert, daß 
Viennet, der fonft einige feiner pifanten kleinen Babeln mit: 
zutheilen pflegt, diefes Mal mit leerer Hand gekommen iſt, um 
fo mehr, da fi) das Gerücht verbreitet hatte, er werde eine 
neue Epiſtel an A. Duval vortragen. 

Die Academie des sciences morales et politiques hatte 
hierauf am 27. Mai ihre oͤffentiiche Sizung. Die Berfamms 
fung war weniger glänzend als gewöhnlich; fo fehlten auf 
den Bänten, weldye den Mitgliedern ſelbſt angemwiefen waren, 
unter Andern Thiers, Guizot, Villemain, Mole. In diefer 
Sitzung werden in der Regel die Preife vertheilt oder we⸗ 
nigftens die Namen Derer verliefen, deren eingefchidte Arbeiten 
gefrönt find. Dieſes Mat ift diefe Feierlichkeit weggefallen, 
angebtich, weil keiner von ben Goncurrenten irgenb eine der ges 
flellten Aufgaben auf eine genügende Art geldft hat. Die Aka⸗ 
demie hat ſich deshalb veranlaßt gefehen, bie ausgefchriebenen 
Fragen audy auf das nächte Jahr noch auszubehnen. Davon 
intereffirt uns namentlich diejenige, derzufolge eine Analyſe der 
vorzüglichften philoſophiſchen Syſteme verlangt wird, welde in 
Deutfchland feit Kant zum Vorſchein gefommen find. Diele 
Aufgabe dat ebenfo wertig als die übrigen biefes Mal eine Er⸗ 
ledigung gefunden, und iſt deshalb gleichfalls noch für das kom⸗ 
mende Jahr guͤltig. Der Graf Portalis, der die Sitzung er⸗ 
öffnete, war, um einen Ausdruck, ben man von Sängern ges 
braucht, auch auf den Rebner anzuwenden, fo wenig bei Stimme, 
daß der Sinn feiner Rebe geradezu unverflänblich ward. Dies 
war um fo unertraͤglicher, da dieſelbe von einer ungebührlichen 
Länge war. Mignet hat als alabemifcher Rebner im gefammten 
Snftitut einen Rebenbubler. Seine Lobreden werben jedesmal 
mit der größten Aufmerkfamteit angehört. In ber That weiß 
er aber auch ben Gegenftand, den er behandelt, fo geiftreich 
barzuftellen, fein Stil ift fo pilant und babei body fo claſſiſch 
vollendet, er weiß in bie einfache biographifche Erzaͤhlung fo 
uͤberraſchende polltiſche und hiftorifche Betrachtungen einzuflechten, 
daß man unwillkuͤhrlich an Alembert, ber eben wie Mignet lange 
Jahre die öffentlichen Paradereden halten mußte, und ſich doch 
nicht erfchöpfte, erinnert wird. Alle diefe Gigenfchaften werben 


noch durch ein ſehr einnehmenbes Üußere und ein autdrucwelun 
Hangreiches Organ gehoben. Beſonders bewunderntwerth fheint 
es uns, wie Mignet in feinen Reben oft einem und demfelben 
Gegenftande immer wieder neue Geiten abzugewinnen weiß, 
Eins diefer Themas, die faft Immer wieberkehren, if, wie die, 
ba es Mignet faft immer mit foldhen Männern zu thun hat, 
die beim gewaltigen Umſchwunge des vorigen Jahrhunderts be 
theiligt waren, in der Natur der Dinge liegt, die franzoͤſiſhe 
Revolution und bie Ereigniffe, die in Folge berfeiben über Gas 
ropa hereinbrachen. Auch in feiner diesjährigen Rebe, die dem 
Leben und bem Wirken des trefflichen Daunou (geft. den W. Jeni 
1840) gewidmet ift, wird dieſer gewaltfame Umſturz der beſte 
benden Ordnung berührt. Aber ber Redner hat diefem unendiich 
oft behandelten Gegenſtande immer wieder neue geiſtreiche Be 
trachtungen abgelodt, die, wenn fie auch manchmal mehr bienben 
als überzeugen, doch ſtets bie Anfmerkſamkeit und das Intereffe 
der Zuhörer fefleln. 

Es wird den zahlreichen Verehrern Mignet's fehr erfreutih 
fein, zu hören, daß der Buchhändler Paulin gegemwärtig eine 
Sammlung ber kleinern Werte unb namentlich ber intereffan: 
teften Lobreden des berühmten Verf. ber „Histoire de la rt- 
volution frangaise‘‘ vorbereitet. Bon berfelben werben binnen 
kurzem zwei Bände u. d. X. „Notices et me&moires historiques 
Ins à l’Academie des sciences morales et politiques de 133 
— 43. die Preffe verlaſſen.)) In dieſer Zufanmenftellung wird 
man ben Umfang der Kenntniffe und das ungewöhnliche Zalmt 
Mignet’s in der Eharakterzeichnung berühmter Zeitgenoſſen er 
ganz kennen lernen. Staatsmaͤnner, Philoſophen, Prubliciften, 
Phyſiologen werden von ihm mit gleicher Sicherheit gezeichnet. 
&o enthält der erite Band nebeneinander die Portraits von 
Sidyes, Roederer, Livingfton, Talleyrand, Brouffais, Merlin, 
Deftutt de Zracy, Daunou, Raynouard. Im zweiten Bande 
werden mehre kleinere hiftorifche Abhandlungen zufammengefaßt 
werden, bie, weil fie in einzelnen gelehrten Journalen gerſtreut 
waren, zum Theil ihre rechte Würdigung nod) nicht gefunden 
haben. Für uns dürfte ein Auffas, betitelt „La Germanie au 
Sieme et au Yieme siecle; sa conversion au christianisme et 
son introduction dans la a0ciété civilisee de !’Europe oedi- 
dentale”, von befonderm Sntereffe fein. Von einer andern 
Heinen Abhandlung: „„Krablissement de la reforme religiens 
et constitutive du calvinisme à Gen&ve’’, die gleichfalls dem 
zweiten Bande der Eieinen Schriften von Mignet einverleibt 
wird, ift vor kurzem eine deutfche Überfegung erfchienen, bie von 
3. 3. Stolz, dem Secretair Dignet’s, berührt. 6, 





Literarifhe Notizen aus England. 
.Sraf 9. Krafinsti gab heraus: „Polish aristocracy ad 
titles.’ Der Verf. nennt fi) einen Gmigranten, der zwat 
fein Engländer, aber doch einer von Kerzen fei und fi de 
Rachſicht eines edelmäthigen und wohlmollenden Publicumd m 
pfiehit. Gr gibt darin Nachrichten über die Union zwiſchen 
Polen und Lithauen, unb verbindet damit Skizzen und And: 
boten über die großen polnifhen Familien. Zur Gradtun 
unferer Lefer theilen wir mit, baß der Verf. in ber Vorttde 
den Wind auf den Steppen ber Ulraine einen Kofad tanz 
laͤßt. Überhaupt feheint er nicht gerade einen claffifchen eng⸗ 
liſchen Stil zu fchreiben, was auch von einem polniſchen Emi 
granten nicht wol zu verlangen ift. 


Bon Sir Walter Boyd, Verf. von „The epitome of tbe 
history of literature’’ und „The guide to Italy’, erſchien der 
erfte Band einer „Complete history of literature, embracing 
the progress of language, writing and letters, from th 


earliest ages of antiquity to the present time”. 18, 
9 Dos Werk iſt bereit erfhienen und wir berichten noͤchlteni 
baräber. D. Reb. 


Berantwortiiger Herausgeber: Heinrich Brokhaus. — Drud und Verlag von F. X. Brochaus in Leipzig. 











Blätter 


literarifcht 


f 


Unterh 


v 


uͤr 


altung. 


















(Beſchluß aus Nr, 231.) 
Schon in der perſoͤnlichen Erſcheinung beſtand daher 


eine ganz ungemeine Verſchiedenheit zwiſchen den beiden 


Dichterheroen. Verfolgen wis nun weiter den ahbweichen⸗ 
den Gang ihrer beiderſeitigen Bildung bie zu der Zeit ih⸗ 
res nachherigen Außern und innern Vereins. 

Blicken wir zuerſt auf den, der Zeit nach, den Vor⸗ 
tritt vor Schiller Habenden. Wie ſchon Goethe's Wiege 
in einer vom Gluͤcke beguͤnſtigten, hoͤchſt freundlichen Um: 
gebung ſtand, fo führte auch die Hand der Fortuna ihren 
durch dauerhafte Koͤrperkraft, Geſundheit und Schönheit 
ausgezeichneten Liebling, faſt ohne je nur auf Yugenbiide 
von ihm abzulaffen, busch das Juͤnglings⸗, Mannes: und 
Greifedalter hinduch, In feiner Anfchauung der Welt 
faßt von jedem nach Willkuͤr durch ihn gewählten Stand: 
punkte aus durch nichts gehemmt und gehindert, von eis 
gentlichem Mangel und wahrer Noth beinahe ganz unbe⸗ 
ruͤhrt, konnten alle Keime feines hochhervorragenden Geiz 
fies fih in vollfomnnenfler Freiheit zu den ſchoͤnſten Bluͤ⸗ 
ten und Früchten entfalten. Die mitunter natürlich auch) 
diffonirenden Leidenfchaften und Irrthuͤmer feiner Jugend 
(fen fi faſt immer in Wohllaut auf und menden den 
entzuͤkendſten Blumenſchmuck in feinen Lorberkranz. So⸗ 
gar nad) dem ihn noch im hohen Alter ganz unerwartet 
treffenden Verluſte des kinzigen Kindes reichte ihm Phoͤ⸗ 
bus Apollon, für die ihm lebenslang gewidmeten Huldi⸗ 
gungen dankbar, die göttliche Hand- aus den Wolken. An 
ihr füͤchtete der ſchwerverletzte reis vor der nach fo lan: 
ger Berfhonung ihn um fo empfindlicher treffenden Grau⸗ 
ſamkeit des Lebens in die heiten Räume der Po—eſie. 
Bande herrliche Schöpfung gelang ihm noch-dost, Die 
größte davon war die FErfuͤllung eines Lange gepflegten 
Wunſches, die Vollendung feines „Fauſt“. Mögen im: 
mahin ſtrenge Richter Ri der dee wie an der Ausfuͤh⸗ 
rung vielleicht gerechte Ausftellungen machen. Mag auch 
Niemand im Stande fein, über den Sinn des Ganzen 
ung völlig genugende Aufklärung zu finden, fo wird bad 
on feinen, einzelnen Partien nach der zweite Theil des 
anf immer ein Werk bleiben, wodurch es dem Die: 
wteften in. feinem haben Alter noch gelang, ſich über 
die gfananıte noch Jebende poetiſche Jugend hoch hinaus: 


235. —— 


28. Auguſt 1848. 














So blieb denn dem Unfterblichen Fortuna im Allges 
meinen bis an das Ende feines gehaltreichen Lebens ge: 
treu. Sein Schluß war gewiffermaßen der Spiegel des 
Ganzen. Hatte der Tod feines Sohnes das Drama bis‘ 
zur Höhe der Tragödie erhoben, fo bewies diefe ihre Edit: 
beit eben durch den mit Vollendung bes „Fauſt“ gelun: 
genen, verföhnenden Schluß. 
Laßt aber wol ein fchrofferer Gegenfas zu dieſem lanı 
gen, fonnenhellen Leben fich denken, als das kurze Dafein 
unfers Syiler? Vom erflen Athemzuge nad) Erblidung 
des Tageslichts, in düftern, engen, unbehaglichen DVerhälts 
niffen, lag er als Kind wie auch fpäterhin beindhe forts. 
dauernd mit feinem ſchwaͤchlichen Störper im Kampfe. 
Der bei feines häuslichen ynd Schulerziehung vorwaltende 
Terrorismus nahm durchaus feine mildere Form an, als 
ihm, 14 Jahre alt, vom Derzoge Karl von Würtemberg 
die Gnade der Aufnahme in die militairifhe Pflanzfchule- 
zu Stuttgart widerfuhr. Es war eine Art auch unter 
Geiſtestyrannei ſeufzender Leibeigenſchaft. Vom Studium. 
der Theologie hinweg zur Jurisprudenz gedraͤngt und von 
dieſer nach der Arzueikunde geſchleudert, hatte Schiller in 
keiner dieſer drei Kacultäten Troſt gefunden. Die Poeſie 
hatte fi feiner ganzen Seele bemächtigt, durfte jebod),. 
‚ dee Brotwiſſenſchaft halber, nur verflohlen von ihm cul⸗ 
tioizt werben. Gleichwol drang fie durch und fein Schau⸗ 
fpiet „Die Räuber” machte die gewaltigfte Senfation. 
Inzwiſchen zwang doc dad Bebürfniß ihn, die Anftellung 
als Regimentsarzt nicht zuruͤckzuweiſen. Sein Dichter: 
geift brach hervor aus dem Käfig, worin man ihn zu er⸗ 
ſticken trachtete. Mit dem, allerdings ein gemeinnußiges 
Streben beustundenden, ‚ober dem vielen von ihm beab- 
fihtigten Guten durch empörenden Zwang bei der Eins 
führung oft felbft in den Weg tretenden Herzog Katl, 
ſeinem Sönuer, in das druͤckendſte Misverhältniß gerathen, 
bleibt Schiller zuletzt nichts übrig als eine heimliche Flucht. 
Alein, auch nach abgeflreifter Kette, läßt in feinem jun⸗ 
gen, fiy immer weiter verbreitenden Dichterruhme das Un: 

ı gl, im vielfacher Geſtalt, nit von ihm ab. Bon jeder 
: Banftigen Yusficht zum Fortkommen im geliebten Vater: 
lande Singpeggehrängt, füllte die Gegenwart ebenfall$ zer: 
| molmend über ihn her, Sein zweited Drama „Fiesco“, 
halt anfangs gar nicht, was er fi von ihm. verſprochen 
hatte. Immer ‚härter bedrope ihn Mangel und Noth. 


sa. 


Dazu muß er ſich zu Zeiten ganz verbergen, aus Beſorg⸗ 
niß, der herzogliche Corporalſtock koͤnne fogar über Würs 
temberg6 Grenze hinausceichen und der heimatlofe Dichter 
vielleicht, im fein Geburtstand zuräcgefchleppt, die glaͤn⸗ 
zenden Erfolge feines erften Dramas auf der Vefle Hohen: 
aßyerg lebenslang zu betrauern haben. ' 

Sogar fpäter, nachdem Schillkr endlich, ben vieljähri: 
gen Wirren enthoben, eine freiere, günftigere Luft einath: 
mete und feine Verhaͤltniſſe ſich immer vortheilhafter ge: 
ftafteten, begleitete ihn das Unglüd noch boshaft, bald in 
Form einer Krankheit, bald als plögliches Abfallen einer 
am Herzen getragenen Hoffnungsblüte, bis ein, leider fehr 
fruͤhes, Grab den allgemein Bewunderten vor alien fer: 
nern Verfolgungen in Schug nahm. 

Konnte wol ein fo fchreiender Abſtich zwiſchen dem 
Zuftande und Entricelungsgange der beiden Dichter zu 
einem, dem Vereine miteinander günftigen Reſultate füh: 
ren? Mußte nicht vielmehr die Sklavenkette, deren Ende, 
fogar nachdem Schiller fie mit Gewalt zerriffen, immer 
noch melancholiſch ihm ins Ohr klirrte, die Folter, die feis 
nen Geift in eine einfeltige Richtung geswängt hatte, ver: 
möge der er bie ganze, eben beftehende Wirklichkeit zu ei: 
nem Kampfe auf Tod und Leben in die Schranken tief 
— ein Ruf, ber, aus jeder Zeile feiner „Raͤuber“ gellend, 
die ganze damalige Zeit erſchuͤtteree — eine Finſterniß 
üser ihn ausfchlitten, die, bei feinem zum Bewußtſein ge: 
Iangten, innern Gehalte, ihm die Stimmung gewiß nur 
noch graufamer verbitterte, wenn er ben vom Schidfale 
ſtets ſorgſam auf den Händen getragenen und fo dem Ge: 
nius des Ruhm in die Arme gelegten Goethe im vollen 
Beſitz aller irdiſchen Güter glänzen fah ? 

- Und Goethe, dem auf feiner biumenvollen Lebensbahn 
ebenfo ficher aller Glaube fehlte, daß, wie bei Schiller, 
die Verzweiflung zum Aufſchwunge eines Gentus mit bei: 
zufragen vermöge, wie konnte die offenbare Spur der Ber- 
zweiflung in Schiller's Dramen und hauptfſaͤchlich in def: 
fen wahrhaft gigantifher Schöpfung, den „Räubern”, einen 
andern als widerwärtigen Effect auf den Dichter machen, 
deffen ganzes Weſen Zeit und Gelegenheit gehabt hatte, 
ſich nach allen Seiten hin gleichfoͤrmig zu entwideln und 
auszubilden ? 

Meines Erachtens mußte nad) den fo ganz verfchiebe 
nen Pfaden, auf denen Goethe und Schiller den Tempel 
des Ruhms erreicht harten, auch in bdiefen heiligen Hal⸗ 
len noch ein volllommenes Verftändnig übereinander Bel: 
den anfangs unmoͤglich werden. | 

Wirklich Hatte Goethe den dem „Don Carlos” vor: 
ausgegangenen Dichtungen Schiller's Leinen Geſchmack abs 
gewinnen können und aud den „Don Carlos“ nicht ge⸗ 
eignet gefunden, defien Verfaffer ihm näher zu bringen, 
und Schiffer, obfhon ein Bewunderer von Goethes Wer: 
een, war, feinem eigenen Geftänbniffe nach, zu fehe im 
Bewußtfein feines Werthes, um biefen nicht durch Zuruͤck⸗ 
Haltung gegen Goethe geltend zu machen, der, wie Schiller 
bei der erften Zufammentunft mit ihm wahrzunehmen 
glaubte, fi) über Ihn ftellen oder ihm ignoricen wollte, 
Bei alledem, aͤußert er darüber, habe feine, in ber That 


große dee von Goethe, nad) biefer perfönlichen Bekannt: 
(haft fi nicht vermindert, aber er zweifle, ob fie einan- 
der je näher ruden würden. Vieles, was ihm, Schiller, 
iegt noch intereſſant fei, was er noch zu wünf und 
zu hoffen Yabe, habe ſeine Epoche —2 rchlebt; 
Soethe's ganzes, Weſes ſei ſchon Yon aut bie anders 
angelegt ale das feinige; Goethe's Welt nicht die feinige; 
ihre beiderfeitigen Borftellungsarten weſentlich verfchieben. 
Indeſſen fchließe fih aus einer foldhen Zuſammenkunft 
nicht gründlih. Die Zeit werde das Weitere lehren. 

Und Letzteres iſt auf die erfreulichite Weiſe erfolgt. 
Mührend des in Goethes Nachbarſchaft verfegten, weit 
jungern, Schiller's nachherigem Umgange mit ihm iſt das 
Berftändnig übereinander ihnen weit genügender aufge: 
gangen, als nad) allem zudor Bemerkten die kuͤhnſte Hoff: 
nung folches hätte träumen koͤnnen. Offenbar erkannten 
Beide, daß, wie verfchieden und contraftirend fi auch 
ihre Bergangenheit geftaltet hatte, es body berfelbe hobe 
Gentus war, ber in ihnen flammte und Beide wie mit 
magnetifchenn Zauber aneinanderzog. Gar freundlich druͤckt 
Goethe (Taſchenausgabe feiner Werke, Bd. 31, &. 78) 
bei Erwähnung feiner gemeinfchaftlihen Wirkſamkeit mit 
Schiller für das weimarifche Theater 1797 fein Behagen 
an Schiller's Entfagung des Rohen, Übertriebenen und 
Gigantiſchen und darüber aus, daß ihm hierdurch das 
wahrhaft Große und deſſen natürlicher Ausdruck gelang. 
Dabei dußert er auch, daß bie beiden Engverbundenen Bei: 
nen Zag in ber Mähe verlebten, ohne fich mündlich, Feine 
Woche in der Rachbarfhaft, ohne ſich ſchriftlich zu un: 
terhalten. Und daß ihre Innigkeit hauptſaͤchlich auf eine 
vollkommene Übereinfiimmung ihrer roifienfchaftlicen und 
Kunftanfichten ſich erftredte, davon zeugen mehre ganz in 
Einem Sinne gemeinfchaftlich gefertigte Arbeiten, wie die 
Kenien, von deren manchen die beiden Dichter nicht wuß⸗ 
ten,: ob ber eine oder ber andere der Werfaffer ſei. Einen 
eöfttichen Eommentar über die Innigkeit des Verhaͤltniſſes 
zwiſchen Goethe und Schiller, deffen Entfichen und Kort: 
gang und wie jeder von Ihnen zunaͤchſt darauf ausging, 
fih in geiſtiger Dinfiht aus dem Andern zu ergänzen, 
gewährt das angeführte Werk von Gervinus. 

Ohne Zwelfel verdanken wir dem Bereime, der fich 
über Kunft und Wiſſenſchaft überhaupt und befonders 
auch Über ihre poetifchen und andern Iiterarifchen Erzeug⸗ 
niffe mitelnander berathenden Sänger mandyes Schöne im 
„WBallenftein” und in den ihm folgenden Schiller'ſchen 
Tragddien, ſowie mehre herrliche Gedichte Goethes, bie 
fonft vielleicht entweder gar nicht, ober doch in minder 
vollendeter Geſtalt erfchienen wären. Goethe geftand auch 
ſelbſt Schiler, daß er ihn wieder zum Dichter gemadye, 
was zu fein er fo gut als aufgehört gehabt Habe. 

Dabei kann ich gelegentlih mein Bedauern baräber 
nicht unterbrüdten, daß dem „Wallenſtein'ſchen Lager” das 
im erſten Xhelle der von Gen. Boas herausgegebenen 
„Nachtraͤge zu Goethe's Merken” (S. 33) abgedruckte 
„Soldatenlied“, von Goethe gedichtet und von Schiller 
mit einigen Verſen vermehrt, welches dem Lager zugedacht 
geweſen, entzogen worden iſt, da es nicht leicht etwas 





Gharatterffilfgeren geben Tann Als eben Diefr6“ Ebahen. 
Allerdings mag wol häterhin das durch —— 
noch Immer allenthalken augemmeinen: Anklang fin 

„Reiterlid“ am deffen Stelle getreten fein. Aber daderch, 
daß ed in 4 Reitern nur einen Theil bed damäligen 


Kriegetreibens ausjuſprechen ſucht, wird es minder etſchoͤ⸗ 


pfend in ſeiner Darſtellung des vorherrſchenden raubluſti⸗ 
gen Stiamung bes Heeres, als jenes von Muchwillen 
trunkene Soldatenlied. 2 

Schon diefe geiftige Verſchmelzung der beiden Freunde 
ineinander, da& eifrigfte Beſtreben, fid is ihren Werten 
einer duch deu andern wechfelfeitig zu vervolllommmen, 
ſollte die Srage, wer mol größer fei von Beiden, wenig⸗ 
find als Streitfrage, für immer befeitigen. Schiller 
gleicht, nach meiner Anficht, dem gewaltigen Flammen⸗ 
frome eines Vulkans, der, im erhabenen Dunkel der 
Naht zum Himmel firebend, mit feiner Pracht einen 
weiten Umkreis zanberifch befeuchtet, aus dem uns Die 
Mahnung: „Nicht unten auf ber Erde, fondern hiet oben, 
ift des Menſchen mahrhafte Heimat”, mächtig ergreift und 
erhebt; Goethe dem Elaren und doch unergründlichen Him⸗ 
mel, der am Tage die Welt und deren Geſchoͤpfe in bie 
mannichfachſten Sarben leidet und bei Nacht im ſtillen 
Wunderglange der Sterne zugleich feine und die allge: 
meine Unfterblicykeit verfündigt. 

Volle Bewunderung und gerechtes Erſtaunen muß 
wol die Betrachtung ber himmelmeiten Verſchiedenheit 
zwiſchen dem Schiller aus dem vorlegten Decennium bes 
18, Jahthunderts und dem nachherigen Schiller erzeugen. 
Don dem im Schaufpiele „Die Räuber” duch ihn auf: 
geregten koloſſalen Donnerflurme gegen Geſetz, Herkom⸗ 
men und Sitte, aus dem nebenher faft allenthalben bie 
finnfihe Natur im Menfchen hervorbricht und von feiner, 
die letztere in Inrifchen, mitunter fo wilden ald unfonoren 
Klängen noch weit auffallender darthuenden Sammlung 
von Gedichten: „Anthologie auf das Jahr 17823”, deren 
größter Thett ihm ſelbſt zum Verfaſſer haben fol, aud) 
niht die mindefte Spur in feinen fpdtern Werten! Wis 
aus den früheren die Sinnlichkeit oft ohne alle Hülle ſich 
kundthat, fo find die fpätern aus der reinſten Sittlichkeit 
hervorgegangen. Schiller erfcheint in ben legten als bie 
in feinem herrlichen Gedichte „deal und Leben” vorkom⸗ 
mende, hohe Geſtalt des von allen Schlacken der Erde ges 
läuterten Hercules. 

Ganz anders ſtellt ſich ums Goethe's Lebensbild dar. 
Schiller's geiſtiges Weſen zerfaͤllt in zwei einander völlig 
entgegengeſetzte Theile. Goethe hingegen behauptet von 
Jugend an bis in das ſpaͤteſte Alter immer dieſelbe Ge: 
kalt, voll Geiſtes⸗ und Koͤrpermark. Der unnatürliche 
äußere Druck, verbunden mit einem gewaltigen Geifle in 
ſchwaͤchlichem Körper, mußte bet Schiller ſtoͤrend auf das 
Gleichgewicht zwiſchen Geift und Körper einwirken, waͤh⸗ 
u) die gebeihlichen, harmonifchen Elemente, in denen es 
Ste ſich zus bewegen verflattet war, Letztern am .beflen 
dor dem ganzen verwahrten, worein biefe fo kernge⸗ 
ſunde Geiſtes⸗ und Körperkraft fonft vermuthlich ebenfalls 
geratben fein wuͤrde. So viel mir bekannt worden, hat 


dende 


gemuͤthlichſte Si 


Gocthed jugendinde ByitE. niefnald aus beim Gebiete des 
AMiftandes in finntiche Räume, toriche ben gefeliſch 
Regeln Hohn geſprochen Hätten, hinuͤdergeſttebt. 


ehe 
€ ß 
fetienvollen ber ads" GSeeſenheim, deren mehre erſt ver 


ı einigen Fahren zum Worſchein gekommen ſind, d 


bei einer hoͤchſt anſprechenden Delicateſſe des Gefuͤhls die 

Sittenreinhelt, wie alle übrigen in den nochſt⸗ 
folgenden Lebensperioden gedichteten Lieber nad Momangen, 
weiche. nebſt dem zefien Theile bes. „Fauſt“ (beffen Un⸗ 


ſchicklichkeiten in ber Blockobergéſcene zur richtigen (Ehas 


rakteriſirung "der Perſonen und Umſtaͤnde nicht wohl zu 


entrathen waren) als die hoͤchſten Kleinode feines mer 


meßlichen Kunſtſchatzes zu betrachten ſind. Seinem gan⸗ 
zen behaglichen Bildungopfade nach konnten Goethe's er 
ſtrebungen ſchwerlich jemals dahin geben, feine. Werke fo 
forgfättig, wie Schiller in der ſpaͤtern Periode, von allem 
Sienlichen frei zu halten. Wie Goethe, ducd das Schick⸗ 


ſal begünfligt, dem Geiſte und den Sinnen nach immer 


der ganze Menſch hatte fein dürfen, fo ſollten auch bie 
durch ihn aufgeftellten Charaktere, Zuftäude und Werke 
fi überall als der Abdruck diefer ineinandergreifenden beis 
den Hauptbeſtandtheile des irdiſchen Menſchen bewähren, 
Neben dem Beifte gehörte, feiner Anficht nach, Fieiſch 
und Blut zur Verlebendigung aller Kunflwerle. Dem 
Sleifh und Blute durfte daher Fein abfolutes Schweigen 
auferlegt, aber demſelben ebenfo wenig erlaubt werden, 
duch Borlautfein das, nicht auf bloßer temporairer Des 
cenz beruhende, fondern in unferm Innern feinen Grund 
habende Sittlichkeitsgefühl zu verlegen. Und Lepteves iſt 
gewiß fogar bei denjenigen Stelen in Goethes Merken 
nicht gefchehen, wo Fleiſch und Blut am lauteſten fpres 
hen, wie z. B. in den koͤſtlichen, Roͤmiſchen Elegien” 
und feiner wunderherrlichen „Braut von SKortach”. ’ 

Adam Müller fagte fon 1806 in einem feiner zu 
Dresden vor einer größtentheils hochgebildeten Verſamm⸗ 
lung gehaltenen Vorträge über deutſche Literatur: „Wie 
Goethe der Geiſt unferer Poefie genannt werden kann, 
fo it Schiller ihre Herz”*, Das ſchimmernude Wort, 
fobald man es fefter ins Auge faßt, biendet vieleicht mehr 
als es leuchtet; ich gedenke feiner nur beifäufig an biefer 
hierzu paffenden Stelle, da eine Ideenverwandtſchaft mir 
ſolches ins Gedaͤchtniß brachte. Bekanntlich fpielt bei ung 
Deutihen das Herz eine wichtigere Role als bei den 
meiften andern Völkern. Oft geht es offenbar viel zu 
weit und verlangt fogar eine Stimme bei Dingen, melde 
ber Geift viel beffer, ganz ohne daſſelbe, abthun koͤnnte. 
Und wegen biefer offenbaren Präponderanz des Herzens 
iſt e6 wol kein Wunder, wenn der, immer das Herz in 


”) In dem fpäter erfolgten Abbrude dieſer Friedrich von 
Gerz gewidmeten Vorlefungen erfdgeint die &telle etwas abs 
peänbert und lautet ihrem ganzen Inhalte nad) alfo: „Wenn 

Goethe nach der Klarheit, Verftänblichkeit feiner Zuͤ 
feiner Augen, feines Blicke und nach ber Meiſterſchaft k 
ner Werke, Haupt und Hand unferer Poefie nennen möchte, 
fo ift Schiller ihr Herz, das unfühlbarer, aber mit befto fies 
ferm, innigerm Schlagen bie heilige Empfindung offenbart, bie 
ol eemnoen der Deutſchen für Wahrheit und Schoͤn⸗ 

[4 . 


ſeinen Taten zumächfk bericktichthende Achiller * 
dausichen Wolke ins Maemeinen von ion: mehr. anlage. 
BG Soethe, dem unfirditig, wegen feiner Uninmfelität, der 
gebildetſte Theil des übrigen Bälle Eurepee, ſofern er 
De deutſchen Sprache hinreichend kandig iſt, vor Schiller, | 
den Preis zuerkennen wird, 

Doch am Schluffe diefer Betrachtung noch wenige 
Were uͤber den Verein ber zwei hoͤchſten Zierden ber 
deutſchen Literatee und Poeſie. ss nicht an das 
Wunder, daß dieſe beiden, vermöge ber fchroffen Gegen⸗ 
füge in ihrem Bildungssange und in ihren Gliccksum⸗ 
ſtaͤnden fe ganz verſchieden fich darſtellenden, großen Mas 
turen, die gerade durch die ihnen fpÄter vom. Schidfate | 
angersiefene perſoͤnliche Naͤhe ſich anfangs im SIunem | 
noch weiter voneinamder entfernten und fich immer unvers 
ſtaͤndlicher zu werden ſchionen, zuletzt einander kaum ent⸗ 
behren kounten und bie durch aͤußere Einfluͤſſe fo welt 
audeinander gehaltenen Geiſter gewiſſermaßen nur zu Eis | 
nem Geiſte ſich emporſchwangen? 

Wenn ich nicht irte, fo wurde Goethe ſchon bei Leb⸗ 
zeiten von der Buchdruckerpreſſe zum Dichterfuͤrſten aus⸗ 
gerufen. Das war voreilig. Nicht, als ob ihm die Qua⸗ 
Hficatton dazu fm mindeften abgegangen wäre. Allein, 
man hätte dem gewaltigen Dichterheros die dadurch aufz 

izten Bosheiten des giftigen Neides erfparen follm, | 
Überhanpt gehören bergleichen oͤffentliche Anerkenntniffe ei⸗ 
ned ausgezeichneten Lebens zu den Dingen, bie erft nad) 
deſſen Tode zur Reife gelangen, wie die Helligfprechung | 
und das reichten von Denkmaͤlern. Nun, nachdem bie 
Leichname beider Unfterblichen fehon fo lange denen der 
* von Weimar beigefellt ſind, nun mag der Neid | 


ch baräber nad) Belieben ausfprechen, daß die ganze 


fachkundige Zeit unſtreitig Goethe der poetifchen Fuͤrſten⸗ 
krone werth achte. 
fondern Mebtinge, Schiller, einen gleichen Antheil an dem 


Kronenglanze um fo weniger verweigern, da bie Innigkeit | 


des Verhaͤleniſſes zwifchen ihm und Goethe irgend einen 
geiſtigen Unterſchied zwiſchen ihnen kaum zulaͤßt. Ber: 
danken wir doch der bis zur Einheit gelangten, harmoni⸗ 
ſchen Fortbildung unſerer zwei Dichterfuürſten eine große 
Zahl beiberfeitiger Werke, die vermöge ihres Zuſammen⸗ 
wirkens allein bis zu einem Grade von Vollkommenheit 
gediehen, welcher ihnen außerdem unerreichbar geblieben 
ſein wuͤrbe. 30. 





Bildes „Austria”. 


raum if ein Land in jüngfter Zeit im Guten wie im Voͤ⸗ 
fen mehr beſprochen worben als Oſtreich; auch englifche Zouriften 
und ee nſchaftiiche Reifenbe ‘wenden ihm jetzt mehr und mehr 
ihre Aufmerkſamkeit zu. So erſchien neulich eine Schrift zu 
Dublin unter. dem Titel: „Austria: its literary, scientific and 
medical instituons”, von W. R. Wilde. Hauptſaͤchlich ver⸗ 
breitet ſich der Verf. über bie Dofpitäler und big übrigen An: 
flaften Wiens, welche für einen Mediciher von Jutereſſe fein 
fönnen, und diefe erhalten im Allgemeinen ihrer Ausbehnun 
und‘trefflichen Einrichtung wegen großes Lob; doch laͤßt er el: 


ir iloſophie in —— wen 
arg Io i nen 


Die Zeit wird auch gewiß Ihrem be: | 








En aan Bons * Yet Ei ei rar trefflicherer 


* * *8 Es, tom kaun 


daß fuͤr 
ent ſſenſche 


oder einer ihrer 


einer andern Stadt Med und —2 
‚Halfemdetein. Die Chemie hat bis nie geblühtz die Affzonos 
‚ie ift mit ihrem ebenen Profeſor zu z gegangen ; 


ſchloſſen in ben ei efajlen des 8. 1. 
—* ir fe we: hi w de in Hrn. SE aufbluͤbt); 


nommen 


Biene, na ed der dadurch 
auf ſich gezogen, * * einige —* Etelen unb Aus⸗ 
druͤcke enthalten ſollte, im 8. ein kaiſerliches OEdict ver⸗ 
anlaßte. Diele ſeltſ jopıen Vorkeh maßregeln, um bie Res 
ligioſitaͤt und Moralität der Oſtreicher im Statu que gu Laffen, 
fcheinen dem Briten um fo auffaender, ba er fonft die Sitten 
ſehr lar an was er * der — 
zu beweiſen . Richt immer abgeneigt, bes „Hr das Bott“ 
uech das Boll’ ben Hier * 





Anetdote. 


Der boutfde Bauer. 
Bi. ann Kriege seit eine Stusifpartie einen 
m MBobenfre an mußte. 


der ipr den Weg nad be 

—* "easten iin bie Reiter, * ex ſchwed er kaiſer⸗ 
ſei. Gr aber gedachte: „Sagſt du kaiſeruch, "Ta Ge ſich 
in, vor ſchwebiſch ans, und raumen dir ben ab; ſagſt 
du aber fi ſchweru⸗ fo widerfaͤhrt dies — *— antwortete 

fie es nicht”. . —* ſagte sin Weiter zu 
aren wenig weil die —* 
daten die Bauern Schelme nannten, ww fie lm sten, unb bin: 
gegen die Bauern die Goldaten Diebe halten, wenn | 
nicht hörten, „Scheim, du wirft ja wilfen, wem bu an er | 
‚ein, the Deren”, antwortere uietu ber Baucn, „buß.dft Ohne Ge: 
abr nie zu. jagen, ich. fei Mn uf meins ziaenen — 
auf JF * Mie ena Fr 7 die | 
enneſt UND ſagſt, wie es dir ums Derz i o ich dich 
gi deines Ah laufen laffen, wo ua 1 zus vi 6 6 | 
obenfee oßme ale Barmherzigkeit erfanfen.‘ 


Bau 
nahm deu offer De Dan Wort, und auf deffen Em Authesung „ei | 
Schelm⸗ ven fein Vort nids Häst® —E * | 
wollte, bie Eaiferlichen en sen eine M —— f} * 
wie der Bodenſee, und die jet n wären bie karın, 
alsbann möchte ber Teufel fie —e en Das 
Hab ein Gelaͤchter und dem Bauer nn bir —5 — 
Diefe Geſchichte Di in 


Berantwortliher Deraudgeber: Heinrih Brochaus. — Dauct unb Verlag von J. X. Bus 7 a —— 





8 I 


atter 


. fbx | | oo . 


iterarifhe Unterhaltung 





Donnerstag, 





Rofentranz über Schelling. 


Schelling. Borlefungen gehalten’ im Sommer 1842 an ber Int. 
verfität zu Rönigeberg von Karl Roſenkranz. Danzig, 
@r. 8. 23 hie j 


Daß De naͤchſte Weranlaffung der Herausgabe biefer 
Vorleſungen die Berufung Schelling’s nach Berlin gemwe: 
fen ift, geht forsol aus der Vorrede als aus den Be 
trachtungen hervor, mit welcher bie erſte Vorleſung bes 
ginnt; und daß fie nicht herausgegeben wurden, um 
Schelling Sonceffionen zu machen, beweifl das Motto über 
dee Vorrede: Man muß nicht nur kämpfen, fondern aud) 
firgen wollen.“ Zugleich bittet aber der Werf., feine Ar 
beit nicht für eine bloße Tendenzſchrift zu halten; und 
das if fie auch infofern nicht, als fie von den fogenanns 
ten „meueften‘‘, in Berlin — wie die Sage geht, aus 
ätem, in Münden auch fon vorgelefenen Heften — 
mitgetheiften Philoſophemen Schelling’6 weder eine Dar⸗ 
ſtellung noch eine Kritik enthält. Der Verf. fagt zwar, 
er glaube, unterftigt durch manche mündliche und ſchrift⸗ 
lie Mittheitungen, wirklich zu wiſſen, mas Schelling's 
gegemmwärtiger Standpunkt ſei; allein er habe fich enthal: 
ten, denfelben näher zu fchlidern und in feinen Befonder: 
kiten zu beurtbeilen, weil Schelling gegen ein ſolches Un: 
tmehmen immer den Mangel des authentifähen, durch 
ihn felbft beglaubigten Urſprungs einwenden könnte. Die 
vorliegende Schrift befchränte ſich alſo auf die aͤltern, 
laͤngſt der Öffentlichkeit vorliegenden Schriften Schelling’s; 
weshalb der Verf. neben fo vielen andern Darftellungen 
diefer Philoſophie die vorliegende nicht für uͤberfluͤſſig er⸗ 
achtete, das, hofft er, werde die Kritik ohne Mühe finden. 
Diefed Eigenthüͤmliche, was fie von andern Darftellungen 
unterfcheibet,, fcheint nun dem ef. darin zu liegen, daß 
der Berf. die Entſtehung und die verfchiedenen Phafen der 
altern Schelling'ſchen Philofopbie genetifch darftellt, und 
an der chronotogifchen Meihenfolge der Schriften Schel⸗ 
lings ſowol die Ausbildung als die partiellen Umbildun: 
gen der Altern Identitaͤts⸗ und Maturphilofophie darzule⸗ 
gen fuht. Er geht daher von den Alteften Schriften und 
Abhandlungen Schelling's aus, und begleitet deffen fchrift: 
Pelkerifiche Tätigkeit bis zu der, nunmehr ſchon bis zum 

oft erwähnten, abgedrudten, commentirtin, ge: 
prieimen und getabelten Vorrede zu Victor Coufin, aus 
jeder dieſer Schriften Dad aushebend, was ihm fir die 





Jakob 









Entwickelung 


und Darſtellung der Schelling'ſchen Denk⸗ 
weiſe charakteriſtiſch erſcheint. Aus ben: wichtigern Schrif⸗ 
ten werden dabei zum Theil ziemlich ausführliche, immer 
möglichft urkundliche. Auszlige gegeben, aus andern nur 
Einzelnes, befondeis Bezeichnendes. hervorgehoben; und fo 
bildet das Ganze für Den, dem es fchon bekannt ift, wie 
ih Schelling in den Beſitz der von Fichte, Spinoza und 


oͤhme binterlaffenen Erbſchaft fegte, eine unter 
haftende, mit Gewandtheit vorgeflihrte Reihe von Bildern, - 
die der Verf. durch Lebendige Schilderungen der geiſtigen 
Umgebungen, in. weichen fi. Schelling bewegte, ſowie 
duch feine Pritifchen. Zwifchenreden deutet und auslegt. 
Obgleich nämlich der Verf. durch das Feſthalten an. der 
chronologiſchen Reihenfolge der Schelling’fchen Schriften 
dem Charakter einer genetifchen Darſtellung durchaus treu 
bleibt, fo vermißt man doch eine genauere Darlegung bes 
Zufammenhangs der Lehre Schelling's mit denen feiner 
Vorgänger; das erklärt fich jedoch daraus, daß der Verf. 
einige, fubfidiarifhy über Kant, Spinoza und Fichte ſich 
verbreitende Vorleſungen abfichtlich weggelaflen hat. 

Hiermit koͤnnte ſich eine Anzeige, die. nichts weniger 
al6 eine Beurtheilung fein will, begnügen, um den Leſer 
auf Das hinzumellen, was es bier zu erwarten bat, und 
da6 lisrige der eigenen Lecture zu üsberfaflem Nur über 
einen Punkt mögen ein paar Bemerkungen hinzugefügt 
werden, da er für das Berhaͤltniß der Hegel'ſchen Schule 
zu Schelling, und zwar ganz abgefehen von der Gefahr, 
die Ihr jegt, wenn auc mehr aus dußern ald aus inneer. 
Gründen von. der „neuen‘ Schelling'ſchen Philoſophie zu 
drohen fcheint, bezeichnend iſt. Daß die Scheiling'fche 
Identitaͤtsphiloſophie die Baſis der Hegel’fchen ift, hat bie 
Hegel'ſche Schule niemals geleugnet. Dadurch wird ein 
hoher Grad von Verehrung, welchen fie. dem Genius” 
Schelling's zollt, ein unentbehrliches Fundament für die 
Anfprüche, die fie ſelbſt macht. An Ausdrüden für dieſe 
Verehrung und Bewunderung fehlt ed auch bier. nicht; 
die abfolute Einheit aller Gegenfäpe und- zwar nicht ale 
todtes Abſtractum, fondern als lebendige, fid aus ſich 
fetbft evolvirende Identitaͤt des Heterogenen verfolge und 
ausgelprochen zu haben, das wird hier mehr als einmal 
als Schelling’S großes, für die Hegel'ſche Schute gewiß 
nicht gering anzufchlagendes Verdienſt geruͤhmt. Deshalb 
fagt der Verf. fhon ©. 7: 


Die Kritik, welche ih mit ber n der Schelling'⸗ 
ſchen Philoſopheme werbe verbinden muͤſſen, kann, infofern das 
Hegel' ſche Syftem die Vollendung bed Gchelling’fchen ifl, keinen 
andern Sinn haben als hen, zu zeigen, daß die Stufe, welche 
die Speculation mit De einnimmt, bie Wahrheit derienigen 
äft, auf der fie mit Gchelling fand und ſteht. 

Aber er fest ſogleich hinzu: 

Schelling's anzuerkennende Anftvengung befleht, feitbem Des 
gel's Phaͤnomenologie ba iſt, darin, den Standpunkt Hegel's 
aus ſich zu erreichen. Seine geniale Urſpruͤnglichkeit zeigt ſich 
aber darin, dies nit zu vermögen; denn bie Seihicte 
vertheitt die Kortfchritte an verfchiedene Individuen, und gerade 
das probuctive Tann ben Kreis feiner Nothwendigkeit nicht 

echen, weshalb es bie aus feinem eigenen Thun 
weiter entfpringendben Thaten nit anzuerfens 
nen, nur midzupverfleben vermag. 

Seltfam! Kann denn etwa ein unprobuctives Indivi⸗ 
duum den Kreis feinee Nothwendigkeit durchbrechen? oder 
ducchbräche ihn ein probuctives, wenn es Das, was aus 
feinem eigenen Thun entfpringt, anertennte? Überdies will 
fit) in andern Gebieten, wo von den wirklichen wiſſen⸗ 
ſchaftlichen Fortfchritten allerding® nicht fo viel Redens ge- 
madıt wird, als von den angeblichen der vorherrichenden 
Zeitphilofophie, doch gar menig zeigen: von einer folchen 
Impotenz, die nothwendige Vollendung und Entwidelung 
wiffenfchaftlicher Gedanken — denn das find doch bie 
Thaten, von denen hier die Mede ift — auch wirklich zu 
begreifen und anzuertennen. Es bat 3. B. mandıen im 
Gebiete der Mathematik erfinderifchen Kopf gegeben, der 
die Grundzüge neuer Methoden entdedit, aber nicht In 
der ganzen Breite ihrer möglichen Anwendungen entwidelt 
hat; ſchwerlich aber ift ein Erfinder diefer Art fo bornirt 
gerwefen, die aus feiner eigenen Erfindung hervorgehenden 
Confequenzen nicht einfehen zu können. Jedoch diefe In⸗ 
congruenz zwifchen Lob und Zadel wirb, je weiter man in 
dem Buche Lieft, deſto auffallender. Schon S. 19 wird 
von der erften philoſophiſchen Schrift Schelling’6 gefagt, fie 
enthuͤlle fogleich feinen ganzen fchriftftelferifchen Charakter: 

Zunaͤchſt fehen wir in ihm einen Sprung... .. So tft 
er von Thema zu Thema auch fpäter abgefprungen. Wie fehen 
ferner ihn an ein Gegebenes anknüpfen. Sanguiniſch ers 
zegt lebt er mit ganzer Hingebung für baffelbe und förbert es 
in der That weiter. Er ift kein gemeiner Nachtreter, fondern 
ein wirklich probuctiver Geil. In feinem Enthuſiaſsmus aber 
- täufcht er ſich in fo weit, daß er ben Anfloß, den ein Anderer 
ihm gab, vergißt, und auch Das, was biefer gethan, . . . . als 
feine eigene Entbedung anſieht. Er wirb undankbar, zus 
naͤchſt ohne e8 zu wiffen... . . Indem er ſich in eine Aufgabe 
mit leidenfchaftlichere Ergriffenheit flürzt, verfährt er affens 
toriſch. Gr leitet nicht ab; er fagt, es if fo... Richt 
zubig genug, eine Sonfequenz in allen ihren @liedern zu vers 
folgen, hilft er ſich bei eintretenden Stocdungen durch Voraus⸗ 
fegungen, durch Möglichkeiten rechts und links darüber hinweg, 
und ſchafft ſich dadurch, ohne es inne zu werben, zabllofe 
Widerſpruͤche.... Diefer Mangel an umſicht, an kriti⸗ 
fcher Befonnenheit, an Gontinwität im Denken zerſtuͤckt feine 
Schreibart. . . Der Drang bes Fortſchritts führt ihn zu eis 
nem poetifchs prophetifchen Zone u. f. w. 

Kann man etwas Schlimmeres von Arbeiten fagen, 
die als Ausdruck wiffenfchaftlicher Unterfuchungen betrachtet 
fein wollen? Und dennoch häufen ſich Bezeichnungen bie: 
fer Art im Verlauf des Buche fo fehr, dag man ein 
langes Regiſter von Stellen zufammenlefen koͤnnte, wo 


von „übermüthiger Gelbfigewißpeit” die Rede if, den 

„abenteuerlichen Ausfhweifungen und Gtolz”, von ‚wm. 

methodiſcher Weiſe, deſultoriſcher und phantaſtiſcher Ma. 
nier“, von „Umsordaung und Zufaͤlligheit der Keflrim« 

von einer ‚‚nicht weniger als bloͤden Kecheit des De 

fiherne”’, von „brusquer, ſchludriger Bequemlichkeit”, von 
„Einſchmuggeln der wichtigften Säge ohne Beweis”, yon 
„Oberflaͤchlichkeit“, von „lahmen und flachen Aggregaten 
von Begriffen, von ber „unbeholfenen, nichteſagenden 
oder vielmehr Unvernünftiges fagenden Auffaffung fremder 
Gegelſcher) Begriffe”, von „Zafeleien”, von „Dreiftigkit, 
um nicht zu fagen Unverſchaͤmtheit“. 

, Nun fagt zwar der Verf. (S. 77) ausdruͤchich: u 
würde für ihn der wehmüthigfte Gedanke fein, wenn man 
aus feiner Entwidelung eine Verkfeinerumgstendenz dei 
wirklichen Verdienſtes Schelling's, wol gar eine Freude 
am Tadel über ihn heraushoͤren wollte; und es iſt gewiß 
die für den Verf. guͤnſtigſte Praͤſumtion, wenn man an 
nimmt, daß biefer Tadel, wie ihn Schelling hier nict 
zum erſten Mal und nicht blos von Seiten der Hal: 
[hen Schule erfahren hat, nicht ungerecht if. Aber chm 
beshalb erinnert die mit ſolchen Urtheilen fortwährend ab: 
wechfelnde Bewunderung Schelling’8 ganz unwillkuͤrlich an 
das Shakfpeare’fhe: doch Brutus ift eim ehtenwerther 
Mann! Sind jene Uetheile über Einzelnes gegrlindet, mad 
bürgt denn bafür, daß der Grundgedanke der Scheling: 
(hen Philoſophie nicht auch blos eine kecke Verſicherung 
oder gar eine Faſelei iſt? Hat Scheling die wichtigſten 
Säge ohne Beweis eingefhmuggelt, dürfte man da nicht 
auch nad) einem Beweiſe für die Wahrheit Defim fragen, 
wovon der Verf. eben auch nur verfichert, daß es einm 
„echt [peculativen Kern” babe? Hat Schelling mit „un 
kritiſcher Kedheit der Kombination”, mit einer „Intuition 
Phantaſtik“ gerade da durchzukommen gefucht, wo es fih 
um die Bewährung feines Principe an dem fpecielln Ex: 
ſcheinungen der Natur handelte, genügt es da, von „eht 
fpeculativem Inftincte”, der „einen Ruck in der Willen: 
(haft thue”, von der Unmittelbarkeit der genialen An: 
[hauung, von der Kuͤhnheit der fpeculativen Parrhefie zu 
reden? Fehlt nicht, wo Mangel an Umficht, an kritiſche 
Befonnenheit, an Continuität im Denken als bie alıe 
meinen Merkmale einer philofophirenden Individualitaͤt be 
zeichnet werden, geradezu Alles, was ihre bei Denm, die 
nicht blos ſtaunen, fondern felbft mit unterfuchen wollen, 
Zutrauen und Achtung verfhaffen kann? Pflegen etwa 
die Meifter der Wiſſenſchaft die willkuͤrlichſten Dinge ind 
Blaue hineinzubehaupten, oder hänge nicht die Ehe der 
Meiſterſchaft eben von ber, jeden Kortfchritt der Unter 
hung gleihmäßig begleitenden Strenge, Befonnenkeit und 
Sewifierhaftigkeit ab? Solche Fragen möchten fih wel 
einem nur einigermaßen umblidenden Manne aufdrängn, 
wenn ihm auch bier wieder zugemuthet wird, trog der 
geöbften Fehler, trog „zahllofer Widerfprüche”, an die Res 
putation de6 „fpeculativen Inſtincts“ au glauben, dit, 
nachdem er undewußt das richtige Princip ergriffen, hin 
terdrein fo lahm wird, daß er es zu gar keinem regelmoͤ 
Bigen Fortſchritte bringen kann. Vielleicht kaͤme ein fol 


947 


cet onf bie Vermuthung, daß, wo man in Sachen der 
Wiſſenſchaft fo viel Rühmens vom „Iuflinete”” mache, 
ver dad Wahre unbewußt finde, da ber eigentliche Geiſt 
dee dorſchumg ſchlaff geworden fein muͤſſe; daß alfo jenes 
Ruhmen ſich ſelbſt werbächtig mache; umd daß es faſt 
fheine, alß ob die Hegel ſche Schule nur in ben Punkten, 
wo fir Schelling's Behauptungen adoptirt habe, “diefem 
gropmüthig den Beweis erlaffe, und dadurch unfreiwillig 
on bie Unfiherheit des Bodens erinnere, aus welchem ihr 
eigened Syſtem erwachfen iſt. 

Ganz am Ende erwähnen biefe Vorlefungen im Vor⸗ 
beigchen einen Aufſatz des Franzoſen 2erour in der „Be- 
wne independante” (Mai 1842) über Schelling. Diefer 
Aufſatz iſt die Veranlaſſung folgender Kleinen Schrift ges 
worden: „Über Schelling und Hegel. Ein Sendfchreiben 
an Pierre Lerour von K. Roſenkranz“ (Königsberg 1843), 
weiche wis hiee noch erwähnen, weil fie der Verf. ſelbſt 
als eine theilweife Ergänzung zu den obigen Vorlefungen 
über Schelling bezeichnet. Das Hauptthema der Eroͤrte⸗ 
rung ift neben einigen biftorifchen Verhaͤltniſſen, über wel⸗ 
che der Verf. die Unkunde des Franzoſen belehrt, die Bes 
ziehung und Stellung ber Hegel'ſchen Philofophie zur 
Religion, worliber jedoch, nach ben hier fich vorfindenden 
Stellen zu fchließen, der Auffag von Lerour kaum etwas 
Andered zu enthalten fcheint, als ein, durch rhetoriſirende 
Drdamationen einigermaßen mobdifichttes Echo Deffen, was 
darüber in Deutfchland ſchon oft gefagt worden iſt; neu 
ſchein nur Das zu fein, dag Scelling auch als Reli: 
gionsflifter gepriefen ift, was zur Zeit in Deutfchland noch 
Niemandem eingefallen fein mag. Die Art, wie ber Verf. 
des Sendſchreibens ſich der fremden Nationalität und In: 
dividualität aceommobirt, zeugt von großer Geſchicklichkeit, 
und die Hegel'ſche Schule hat Urfache, ihm für die Art, 
wie er fie gegen das Ausland vertreten hat, dankbar zu 
fing wenn er aber dem Urtheile von Perour auch für 
Deutfchland eine ziemliche Wichtigkeit beilegt, al6 ob man 
daffelbe begierig ergreifen werde, um dieſe Stinnme bes 
Austondes als eine Autorität geltend zu machen, fo hätte 
er ſich doch wol von diefem Complimente, welches er fei: 
nem Gegner macht, durch den Gedanken abhalten laſſen 
follen, daß die Krangofen, und nach den von ihm felbfl 
mitgetheiften Proben auch Leroug, zur Zeit noch Fein fol- 
het Verſtaͤndniß deutſcher Philoſophie beurkundet haben, 
daß Deutfchland fich veranlagt finden koͤnnte, ſich feine 
Kritik dieſes oder jenes Syſtems aus franzöfifchen Sour: 
talauffägen zu holen. 12. 





Madame b’ArbIay. 

t ohne wirkliches Intereffe für Freunde der Literatur 
—* ante —* letzten Hälfte des 18. Jahrhunderts 
iſt folgendes in London vor E erfhienene Buch: „Diary 
ad letters of Madame drArblay ( Be) Die Verf. 
Us Zagebuches war Tochter eines Mufllers Namens Burs 
m, der wegen feiner muſikaliſchen Talente von ber nis 
derſtaͤt zu Oxford mit dem Diplom eines Doctoss ber Muſik 
beebrt wurde. eine Tochter Fanny ober Franziska, die nach⸗ 
berie Madame d’Arblap, wurde 1752 zu Lynn geboren. 
At Jahre ſpaͤter zog ihr Water mit feiner Bamilie nad 


Sonden, wo er großen Beifall und viele Schäter fand, At 
Yauny noch ihr A WB & Iernte, verlor fie ihre Mutter und 
mußte nachher ſich ſelbſt erziehen, da ber Water, fonft ein bras 
ver, gutmäthiger und liebevoller Mann, keine Zeit hatte, fich 
um ihre Bildung zu befümmern. Als Kind zeigte fie wenig 
Geiſtesfaͤhigkeiten; fie war auch nicht ſchoͤn, aber befcheiden 
ſtill und in fd hrt. Das Maͤd bildete ſich mehr d 

Umgang mit Menfchen als buch Bücher. Viele Männer von 
ausgezeichnetem Geiſt, Literaten und Künftter kamen oft in ber 
befheidenen Wohnung ihres Vaters zufammen, und Nanny 
hörte, ſah und beobachtete Alles genau. Der bamals berühms 
tefte Schaufpieler Englands, Garrick, und Golman, Floining, 
Harris, Bazetti, Hawkesworth, Reynolds, Barry u. A. bradgten 
oft ihre Abende bei Dr. Burney zu. Auch Männer von hohem 
Rang und Gtand, als ein Lorb Mulgrave, Lord Bruce, Lord 
und Laby Gdgecumbe, Lord Barrington, Lord Sandwich unb 
ber feine, gewandte unb galante franzoͤfiſche Großbotſchafter 
Frankreichs be Buignes befuchten bisweilen ben Muſikus. Eben⸗ 
fo kam ber berühmte Reifende Bruce nicht felten in das Haus 
und erzählte, was er in Ägypten, Abyſſinien u. f. w. gefehen, 
gebört und erfahren. Sogar ein Dann von Dtaheiti, Namens 
Dmai, fand Zutritt und beulte ber Geſellſchaft otahaitifche 
Liebeslieber vor. Die Pleine fchüchterne und furdhtfame Yanıy 
blieb fill umb unbemerkt im Bintergrunde, wo ihr aber nichts 
von Dem, was bie Gefellichaft ſprach, entging. Der Eindrud, 
welchen diefelbe auf das Mädchen machte, ging nicht verloren. 
Kaum Tonnte fie die Feber führen, als fie anfing, kleine Erzaͤh⸗ 
lungen zu fchreiben, welche ihre Schweftern fehr unterhaltend 
fanden, von benen aber ihr Water nichts wußte. Als Banıy 
das funfzehnte Jahr erreicht hatte, bekam fie eine Stiefmutter, 
die von ber Gchriftftellerei ihrer Tochter nichts wiflen wollte, 
Eegtere gehorchte und übergab ihre Manufcripte ben Flammen. 
Bon nun an mußte fie von Morgens früh an bis zum Mittags⸗ 
efien ftriden und nähen. Aber man aß früh und ber Nach⸗ 
mittag blieb- ihr frei.‘ Da fing fie an, ein Tagebuch zu halten 
und mit einem alten Freunde ihres Vaters, Samuel Erisp, der 
viel zu ihrer Bildung beigetragen zu haben feheint, fleißig Briefe 
zu wechfeln. Diefer Mann war ein Kenner von Literatur und 
Kunft, und hatte viel Geſchmack. Fanny Burney's Neigung 
zum Novellenfchreiben war einige Zeit unterbrücdt, erwachte 
aber bald mit verboppelter Stärke wieder. Die Helben und 
Heldinnen ber Erzaͤhlungen, bie in den Flammen unterges 
gangen, waren ihrem Geiſte immer gegenwärtig. So ſchrieb 
fie ihre „Goelina”, und es gelang ihe endlich, einen Ver⸗ 
leger dafür zu finden, ber ihe ein Donorar von 20 Pf. St. 
für ihr Manufeript bezahlte. Diefe Novelle erfchien 1778 
und fanb den allgemeinften Beifall in allen Kreifen. Durch 
biefe, in einem einfachen und natürlichen Stil geſchriebene 
Novelle wurde die Verf. den angefehenften Männern ihrer Zeit, 
einem Burke, Windham, Gibbon, Reynolds, Sheriban u. A. 
befannt und von ihnen gefeiert. Auch gewann fie durch dies 
Buch die Freundfchaft einer fehr gebildeten Krau, Madame 
Thrale, bei der fie auch bie Belanntfchaft mit dem Schriftftellee 
und Sprachforſcher Johnſon machte, ber ebenfalls ihrer „Eve 
lina’ feinen Beifall ſchenkte. So aufgemuntert fchrieb ſie eine 
zweite Rovelle, „Gicilia”, welche 1782 erſchien, und ebenfalls 
mit dem größten Beifall aufgenommen wurbe. Diesmal befam 
fie 2000 Pf. St. als Honorar. Darauf wurbe fie mit einer Bas 
dame Delany belannt, die oft von König Georg III und feiner 
Gemahlin befucht wurde. Bon ber Delany wurde Fanny Bur⸗ 
ney dem hoben Paar vorgeftellt, und die geizige Königin Char⸗ 
Lotte hatte ben @infall, die gefeierte Schriftſtellerin zu ihrer 
Kammerfrau haben zu wollen. Dem Willen ihres Waters fol 
gend, der dies als ein großes Gluͤck anſah, nahm das unglüds 
liche Mädchen biefe Stelle an, hielt in derſelben fünf Sabre 
lang bie gräßlichfte Knechtſchaft aus, und war nahe baran, 
Geift und Leben dabei zu verlieren. Doch erholte fie ſich, nach⸗ 
dem fie ihre Freiheit wieder gewonnen, balb wieder. Sie 
machte nachher die Belanntfchaft mit mehren geiftreichen Fran⸗ 


“ 


vn 


‚, bie ausgewandert waren, Karen: anbern nee Madame 
* und dem General 
dei nalen ein paar —* aber in 

aßt waren und wenig Anfang fanden, 
ihrer Bluͤtezeit elite ie befonbers im Humoriſtiſchen. 

| Barb 1832 in ihrem 88. Jahre. ex das Leben und dig 

—— dieſer intereffanten ge ee Yennen lernen will, 

Vab Hier angezeigte Tagebuch. Man macht barin viele gute 

anntfchaften, fogar mit fürftlichen Perfonen und Gtaatk 

. Indianern, wie Pitt, or u. %. 





Bibliographie. 


Album für das Zahr 1843. tebigket ı von einem Kreife 

Gitubirender zu Jena, Jena, Baufe. M Rer. 
Indrefene@iemens, J., —X88 Seegeltung. In 
Handelsmarine eine Kriegsmarine zu erziehen. Norddeutſch⸗ 
he Nordifche Kriegemarine. Hamburg, Kittler. Gr. 12. 


— we Der Nordſee⸗Beſen. Das Helgolander Lootfenwefen 
untesbrädt; bie Fe gefährdet! Die Reform. Ham⸗ 


Bibuothet aus —* jo Romane bed Auslandes. 


(Reue Folge dee Bibliothek ber neueflen und beften Romane 
—* engliſchen Literatur.) Iſter bis Ater Band: H. K. Ander⸗ 
e ſaͤmmtliche Werke. (Eines Dichters Bazar. ut dem 
Dänlicen.) Braunfchweig, Vieweg unb Sohn. Ki.8. . LXhle. 
Büttner, F., kungen üher Sprach - und Musik- 
rhythmen und die Quantität der dentschen Sprachlaute; 
nebst Virgil’s Idylien in gunntitativ correcteren deutschen 
—— He volherg. Westphalen. Gr. 8. 235 Ngr. 
Dehn, &,, Die eiteopäifchen, inabefondere bie beutfchen 
Gifenbahnen, nach Länge, Fahrzeit, Baukoſten, Kahrpreifen 
und baulichen Merkwuͤrdigkeiten. Ein Taſchenbuch für Beifende 
und —— Kebft einer Eiſenbahnkarte. Hamburg, Kitt⸗ 
gr. 


kr 16 
„J. & v., Die Apologetit als wifenfhaftiche 
—R ber Goͤttlichkeit des Gpriftentyums in feiner Gr 
einung. 2ter Band: Die Religion in ihrer —— 
twickelung biß zu ihrer Vollendung bu Fi Dffenbakung in 

8. 5, Rupferberg. Gr. 8. 5 Nor. 

VFiſ Abe, 9, Deilige Geſchichten hr Soon, Dich⸗ 
gen. Mit mehren bildlichen Darſtellungen von Katharine 
iſchbach, geb. 3 nebft andern Gedichten zeligiöfen und 


Rgr 
Fubſie, T., Geſchichte der deutſchen Literatur, ober 
ker Sprach⸗, Dicht» und Redekunſt der Deutſchen, bis auf uns 
fere Zeit. Gte durchaus verbefferte und mit vielen aufäten vers 
37 Sur Ausgabe. Berlin, Dunder und Humblot. 1Thir. 


Des Q Horatius Flaccus Satiren, erklärt von L. 
F. Heindorf. Neu bearbeitet von F. Wüstemann. Mit 
einer Abhandlung von C. 6. Zumpt: Über das Leben des 
Horas und die Zeitfolge seiner Gedichte, namentlich der 
Satiren. Leipzig, Herbig. Gr. 8. 3 Thir.. 
Hünefeld, 5. 8%, Über das atabemifche Stubium ber 
—— —— vorzüglich das der Chemie. Ein Beitrag 
zeitgemäßen Betrachtungen über —S — im akademi⸗ 
—X Unterricht. Mit Bezugnahme auf die Schrift des Prof. 
dibig „über das Studium der —ãS— un d uͤber 
den Zuſtand der Chemie in Preußen. Braunſchweig —X8 u 
Greifswald, Bamberg. Br. 8. 10 Rer. 
Klemm, 8.,. Allgemeine Sulturs @efchichte ber Menſch⸗ 
Ki Nach den seflen Quellen bearbeitet und niit xdlographi⸗ 
Abbildungen. der verſchiedenen Nationalphyfiagnomien, (Bes 
raͤthe, Waffen, Trachten, Kunftprobucte u. f. w. vesiehen. 





Berantwortlicher Deraußgeber: Heinrich Brodbaus. — Drud und Werlag 


Iftee Band, bie 
&. 5. *vV 


iron 





Bälle ‚'&., Ariftöteles bie 
— ⸗ — — ———— ar 

| r. 

Dappe. Ben. & MM. Fouqus, Feiedriqh⸗ 
fen, F. W. Gubitz, ®. — — Molt ak, ifter 
—— Berlin, Vereinebuchhandiung. 8. 1 Thilc. 

\ e Staͤbte, Laͤnder, b Anftän [2 

burg, —5 — — nm 5 en * 15 Ro dom 
Ye ale Syſten 

im Zufammenhange mit ber Geſchi fben Miſſen⸗ 


daft und Dee einzelnen Bmige entoitet. a Damburg, Pers 
thes. Be. 5 . 9 — Fi en an 
egierung un pofition 2 Perußen. Wort in der 
Belt. Berlin, Hirſchwaid. Gr 
Schaden, E. A. v., —— auf den Angriff eines 
. Apelt in der neuen unenalichen, emeinen Biteratur: 
Zeitun * ansen, Enke. Gr. 8, 
chwirrer, S., epter **— des verdienſtdollen 
Schullebrerſtandes wider bie geiſtlichen Anmaßungen, und Eräfr 
tige Mittel, Yale ‚alten Sauerteig auszufegen. Selpzig, Raum: 
urg. 8. 
Soldan, Ri &,, Gef der Herenproceſſe. 
ben OD Durllen Gew Sersiäne — Gr. 8. 2 Fee 


— „Die Frithjofs⸗Sage. Aus dem Schwedi 
fen von & Seren Stuttgart, Scheible, Rieger und 
Sattler. 16. 15 


Nor 
Test —8 va der Stadt Stargard. Stargard, Hen⸗ 


* benius, 8 „Das Evangelium ohne die Evangelien. 
Ein offenes Genöffgreiben an Herrn Bruno Bauer. Leipzig, 
Weidmann. Gr. 8. 15 Ror. 

bie Genfur. Münden, Fran. Gr. 8, 5 Ngr. 

Verdichtiingd« Ber uch meines Tagebuches. Zwei Gebi 
1. ein kleiner Mann — ein eu Komet, Fa 
ben, Bekannten und Geifehbermandten gewidmet von K. R. 
Duͤſſeldorſ, Schreiner. 8. 10 Rar. 

Vincas, H., Bott innerhalb bes- piopen Verſtandes und 
ber Erfahrung. Dlbenbnrg, Stalling. 8. 1M Rer. 

Vorwärts! Wolke: Taſchenbuch hr das Jahr 1843. tin 
ter Mitwirkung von I. Deeg, Detmold, ©. Hermegb, 
Hoffmann v. Baltersiesen Sahmann, 3. Jacoby, 
9. Mofen, RG. Prus, Matestode, GE me 
der u. A. Serausgegeben von R. Blum und W. Steger. 
eeipaig, ae at. wi I gr. 

anderer dur ndon und en der Umgebuns 
gen. Ehemnitz, — 16, 26%, 9 er Umgeb 

Wiefeler, K., Chronologiſche Crnopfe der vier Evans 
m Ren: —* —S der Evangelien und evange⸗ 
liſchen ichte, do n je ber, Bora ungslofigkei 
Hamburg, Pertbbb. Kr RR unfegungslofigteit. 
5 Pazzenner, 6.86 "- Göal Mhiten, @iälehen, Reichardt. 

Zur Judenfrage in Deutſchland. Vom Standpunkte bes 
Rechts und ber Gewiſſensfreiheit. Im Berein mit mehren Ge: 
ledrten herausgegeben von W. Freund. Ifte Lieferung. Rebſt 
einer coloritten Karte des’ preubiſchen Staats nach ben Grenzen 

Comp. Gr. 8. 


feiner. 18 Dodenbezirke. Berlin, Veit ns 
5 Ngr. 


deß. 


von & A, Brodpaus in Seipsie. 








ET 2 27 BEE 2 Ze 


I Du et 


23 y. a .. 


Blätter, 


li 2% 


. PER i⸗ —X 


litärärtiſche Unterhaltung. 


i⸗⸗ 





Freitag, 25. Auguſt 1848. 





Sremka. Sie och Skabler. Teokande af P. D. A. 
Atterbom. Erſter Theil. Upſala 4841. 

Dieſer erſte Theil der kleinern geſammelten Schriften 
des als Dihie und Philoſoph ruͤhmlichſt bekannten Ver⸗ 
faſſers, weicher ve’ ben „Manen feiner beiden Jugendfreunde 
Arvid Aug Aſelius, dem Dolmetfcher, Erlaͤuteret und 
Ernenerer bes Borzeitgeſanges, des Volksliedes und der 

mb, und Sammel Johann Hedborn, dem 
Dichter dee Mate, der‘ Kindheit und der Andacht” ges 
weiht hat, enthaͤtt: 1) Altfchwediſche Bilder, 2) Sweden⸗ 


ſel unterliegt, d. h. im Tode, und wie Ragnaroͤk die. Zins 
‚terung der Afen ift, worauf fie vergeiftigt forzieben, fo if 
auch der Seele Wanderung zur Reinigung beſtimmt und 
ihre Folge die Sittlichkeit und Sittenlehzre. So viel. gut‘ 
befieen Verſtaͤndniß von Vata's Weisheit. : 

Ehe wir zur Befprechung der Abhandlung über Swe⸗ 
denborg ſchreiten, ſei es und erlaubt, eime kurge Skizze 
von dem’ Leben des in fo mancher Beziehung ausge⸗ 
zeichneten Mannes voranzuſchicken. Emantiel von "mes 


borg, 3) Ehrenſwrd. Vortreffkich iſt feine, dem Isländis 


[dem Originale moͤglichſt nabe kommende lberfegung der’ 


„Voluspa“ (Vala's Weisheit) aus dA Edda Saͤmund's 
v6 Welfen.: Nicht minder ſchoͤn find bie beiden Folgen: 
den, den alten ſtanbinaviſchen Skalden nachgebiideten Ge: 
dichte: „Ramipf”’ (Ragnars Biarkamal) und „Liebe (Helge 
md Sigrun) uͤberſchtieben. 

Die beiden bsolaͤndiſchen Eddas (die poetiſche und bie 
profaifche, namentlich die Voluspaͤ dee erftern, enthalten 
drei durchgretſende Grundlehren: von der Welt, von den 
Göttern und vorn den Menfchen ; ade drei find aber fo 
eng miteinander verbunden, daß fie nicht getrennt werden 
Einnen. Jede diefer drei großen Lehren enthält wieder 
dei Abtheilungen, nämlich bei der Welt Schöpfung, Mit: 
telzeit, Untergang ; bei ben Göttern Geburt, Baldur's Tod, 
Rognardt (der Weltbrand); beim Menfchen Magie, See: 
lerwanderung, Sittenlehre. In der Weltlehre find wieder 
dreierlei Weſen von großer Bedeutung, Joten, Wanen, 
Afen, deren eigentliche Wirkſamkeit erſt in der Goͤtterlehre 
bervorteitt. Bon ihnen ſtammen drei Unterarten von We⸗ 
fen, nämfi Zwerge von den Joten, Alfen oder Elfen von 
dn Wanen und Menſchen von den Aſin. Die Wirk 
ſamkeit der verwandten Wehen iſt ber Art mach gleich, im 
Maße der Kraft aber verſchieden. Was dei der Welt die 
Schoͤpfung, das: ift im Beinen Wirkungskreis die Geburt 
oder der Urſprinig der Goͤtter, was die Mittelzeit der 
Wet fi, d. h. der Zeitpunkt, wo die Lebenskraft abs 
nimmt, das iſt Batdurs Tod fuͤr Aſen, Wanch und So: 
tm, nnd fo entſpricht ſich auch Der Untergang der Melt 
mb der Goͤttet. An diefe ſchließt fi nun die Wirk: 
ſambeit des Menſchen genau an, Von der Aſen erfchaf⸗ 
fen iR ihm ab ein Theil there ſchöpferiſchen Wunder: 
kraft, was hier der Begtiff Magle HAB, geworben; Biefe 


‚in der Entwickelung beffelben. 


denborg, zweiter Sohn des eifrigsfrommen ſchwuodiſchen 
Bifchofs Swedberg, murde 1688 su Upfala geboren. 


Er erhielt eine forofättige, Befonders auf: das Keligioͤſe 


und zwar das Bibliſche gerichtete Erziehung. Won 1710 
— 14 ftudirte er zu Upfala und auf auslaͤudiſchen 


‚Untverfitäten Philoſophie, Naturwiſſenſchaften und Theo⸗ 
logie, und wurde bald nach friner Rückkehr als Berge 


werksaſſeſfor angeſtellt. Seiner amtlihen und gelehrten 
Verdienſte wegen wurde er ſchon 1719 in den Adeſſtan 
erhoben. — 
Die Schriften Swedenborg's, Im ihrer Auftinander⸗ 
folge betrachtet, zeigen einen ganz naturgentäßen Fortgang 
Als Füngling mit poeti⸗ 
fen Verſuchen beginnend, wird er durch feinen Beruf 
zur Mathematik und Mechanik, zur Mineralogie und 


- Geognofie hingegogen, wendet fi dann zur Ehemis mb 


Phyſik, und forſcht als Mann nad den „SPrineipien: der 
natürlichen Dinge”, nad) dem ‚Mechanismus der Wirk⸗ 
ſamkeit der Seele und des Körpers’, und nach demUn⸗ 
endlichen‘ und der „endzwecklichen Urſache der Schöpfung”. 
Hier aber mir feiner mathematifhen, abfirueten Methere 
gar bald an ein Ende gelangt, wendet ſein Forſchungstried 
fih zuruͤck auf die gegenrodttige Schoͤpfung, und ſucht 
fidy ein Bild zu entwerfen von ber „Okonomie bes ani⸗ 
malifchen Reichs”, welches er, fm Geiſte der damals herr⸗ 
[enden Leibnitz⸗ Wolf ſchen Philoſophie, als eine präftas 
bittete Harmonie votaubfeite. Neben diefen Naturſtudien 
hätte aber Swedendorg von Jugend nuf ben Grundſatz 
feſtgehalten, oft in der heiligen Schrift zu leſen und reif⸗ 
darkber nachzudenken. Ordnung⸗ tind ſriedliebend, 

er war, mußte er daher auch früher ober Tpäter das 
Bebuͤrfniß fühlen, Natur und Schrkft iwitsinander zu ver⸗ 


einigen, and die Architektonik und Ököromie zu entdecken, 


mitteld welcher von dem finflern formiofen GStoffe und 
dem biblifchen Abgrumde — bis empor zu dem Schöpfer, 
der im unzugänglichen Lichte wohnt, das Univerfum ſich 
zu einem et Med In: geſtaltet. 
3 


Do er, um 
fol 


- FI 
‚if Mc VER a laſſen feine Mi. 


* religioͤſen Schriften es nicht bezweifeln, daß bie 
Schriften Fludd's und der Hermetiker und Kabbaliſten 











von ihm zu Rathe gezogen worden find. Aber nu ar 


äußegineg Anreg zu religioͤſen Forſchungen fehle r 
ihm Ro Denn owol durch Lecture und Torreſp 
ob: durch ers 


hiett er fortwährend Kunde von allen den Parteiungen 

Treigniſſen, die zu feines Zeit Atsf dem kicchlichen 
— und zwar ganz befenders in England, das ex fo. 
häufig befuchte, ſich drängten. 


Es konnte ihm nicht unbekannt bieiben, daß feit on 


Neformarion die chriſtliche Kirche fi immer mehr und 
mehr zerſplitterte, daß bie widerſprechendſten Deutungen 
der. hVligen Schrift ſich von Tag zu Tag vermehrten, und 
daß lygemdwmo mehr eine kirchliche Behörde yarhanden fei, 
welche zus Taticheidung der Siaubensitreitigkeiten.. irgend: 


wie ich old zureichend bevollmaͤchtigt und bekraͤftigt zu le⸗ 


giimiten wermdge. Indem er nun überall Zwiſt, Hader, 
Derfoigan 


g aller Ars gemwahrte, mußte in feinem wohl⸗ 


wollenden Semütbe, der Wunſch immer lebhaften werden, 
auch. in. dep Ehriſtenheit den heiligen Gottesfrieden geſtif⸗ 
tor zu chen, den er ſelbſt im Herzen trug. Wenn er 
ſich dann fragte, auf welche Weile diefer Friede zu ftiften 
fei, fo mußte ſich ihm, feinen Vorurtheilen und Vorkennt⸗ 
niſſen gemäß, mol die rzeugung aufdrängen, daß 
Die me dodvbrch bewirkt werden koͤnne, daß die heilige 
Schrift, deren goͤttliches Anfehen damals noch fat durch 
gängig wesbeftritten mar, auf eine Weiſe gedeutet wurde, 
meich * allen Parteien, auch von Gelehrten und For⸗ 
ſchern, wie er felbf war, als zureichend anerkannt wer: 
den miiſſe. 

Die angeblichen Dffenbarungen J. Boͤhme's, die be: 
ſonders in ngland durch defien Schuͤler Pordage, durch 


Bromlıp. und Johanna Leade fid) bis auf Swadenborg's 


Zeit fortgspfinngt hatten, bieten, im Verein mit bem Vor⸗ 
hergehenden, oben Angeführten, einen Hauptſchluͤſſel dar 
zu Demimigen, was Swedenborg ſich als hoͤchſte, ihm ge⸗ 
mardent Offenbarung vindicirte, nämlich zu, feiner Lehre 
von der Auslegung dee Heiligen Schrift, dern Verſtaͤnd⸗ 
niß bedingt fei durch die Kunde ihres verichiehepgztigen 
Sinnes und namentlich durch die der fogenannten. Ent 
[nungen (Corgefpondenzen). 

Da ame fowol Swedenborg als feine Anhaͤnger auf 
Die Offenbarung dieſer Gntfpeegumgen eine fg. eminent 
VBedeuiung legen, und das ganze Staubensfpftem Sweden⸗ 
borgs durch fie bedingt iR, fo iſt nachzuſehen, ob nicht 
auch diafe.: —— Dffenbarung ieh aus aͤltern Burk 
Ian ableiten - Iafle.: Dan. weiß, daß die geſammte 
Welt ihr⸗ Auſchauung bes Univorſums conftuirt hat 
einaatheils aus, einer Paralleljſituyg und Analogie oder 





re 
Shrfperdung des Himmels und ber Erbe, auderncheils 
aus der Überorbuung ber Goͤtter⸗ über bie Menfgenwilt. 
"Die Gottheit it ein Menſch im Großen, ber —— die 
Gottheit im Kleinen, Mt Dt im Keinen; „I Gott 
uf den fl die 
E ſich — aloe 1.01 n In 
puren dieſes Yarallellzmus — in Lat ndien und 
Agypten, in Iran, Israel und dem älteflen Europa, bei 
den Orphikern, Hermetlkern und Plato und ſeinen An⸗ 
—— in "den und den 


en. Ehenfo laͤßt ſich nachweiſen, daß immer 
all zum wenigſten von Einigen geifaubt toinrde 






















Parallele über das irdifche, und an eine cortefpondie 


"rede Influenz "uifhen beitee, die danm Ihnnchipimgig 


Fl als durch ein ‚üritede Zwiſchenglicd vermitteit darge⸗ 


pilt wucden. 
Namentlich finden wir dieſe Welsauſich mulg grober 
Beſtimmtheit in zwei Schriften ausgeſprochen, die doͤchſt 


wahrſcheinlich auch dem ſehr beleſenen Gimahenbars, bekannt 


gerworden find. Die eine iſt das berühmte Merk Rench⸗ 
lin s, welches 1616 zum erſten Male — Titel 
„De arte cabbalistiea ‚lihri tres Iseni %,, m 
ſchien; das andere „Das Buch der him NOffenba⸗ 
rung der heiligen Wattiban Birgitte non. Mu Bumigrrid 
Schweden“, wavga, eine Ausgabe in elle, 1500 zu Nuͤrn⸗ 







ı berg gebrucht worden ift. 


Aus dem oben Geſagten geht hrrugey daf; Emden: 
borg auf gamz gemöhnlihem Wege ſawol zu den hei ihm 
vorherrſchenden Vorſtellungen als zu der Mgeirhnungss 
weife derſelben gelangt ſein kann. Da ex aber. fapsl den 
fubftantiellen Inhalt. feiner Lehre als bie Kengntniß der 
Correſpondenzen, mittels welcher dieſer Inhalt ans ber 
heiligen Schrift exuirt werde, 


ihm geoerdbumpe. göstlicher 


Offenbarung zuſchreiht, und auch feing. Anhänger die Goͤt⸗· 


lichteit feiner Geſichte urgiran, fo. verdient aucd dieſes Mor 
ment eine nähere Prüfung. 

Diele von Swedenborg's Freunden angeführte ‚lm: 
flönde erlauben die Vermuthung, daß derſelbe zum. wenige 





ſten in den Momenten, in denen ex mit nie irdiſchen 


Weſen umzugehen glaubte, fih in kranthaftem —— 
befunden. Sa dieſer Vermuthumg wich man beflaͤrkt, 
wenn man erwägt: 1) daß die firumge Gushaltung Don 
dem phufifchen Geſchlechtaverkehre bei Sugebenberg, wie bei 


fo vielen Asceten der katholiſchen Kiche, den uatürlichen 
Schaffunge: und Zeugungstrieb zum Wilden, und Objecti- 


viran von Geſtalten una Weſen, auf welcha der Geiſt de⸗ 
reits mit lebendigſter Intention gerichtet war, veranlaft 
haben mag; 2) daß von der Nagugfeite her⸗ der. haͤnfige 
Genuß des Kaffees viel zu ſolcher Steigung: der geftals 


tenſchaffonden Phantaſie deigetragen haben kamn; 3) daf | 


in ebof (her Begehung, Owedenbogg durch dir niglen, im 

den naͤchſten Jahren vor. feines erſten Viſfion, in⸗ —8 
ſtattgefundenen außerordentlichen Seelenerregungen bei den 
Mitgliedezn mahrer Zelten ebenſo wol im feichen magis 


ſchen Krris hinringezogen, werde ſein, kanm, mie ‚bei den 
: cenyanifchen, Inſpirirzen ſeloſt mmimdige Kinder zu Wie. 


| 


I 






kunge * warden 3 
4) def alla angeblidhe - 
mabearg’@ fo ne I — a und 5 


* auspraͤgen, daß Jeder, dem ſie 


"ohne ihm zu bemerken, fie feien bie 

ee Seipiration, fie auch ſchwerlich für 
etwas Anderes halten würde als für natüzliche, wenn 
au mitemnt keantkhafte — gerade jenes Indi⸗ 
viduums. 

Wir wollen Hiermit, keineswegs behaupten, daB unter 
den vielem fogenannten Offenbarungen Swedenborg's, bie 
übrigens aup. durch die Art und Weiſe ihrer Kbfaffung 
fich von den Fuͤhern eingeftändlich nicht offenbarten Schrif⸗ 






ten deſſelden ger nicht weſentlich unterſcheiden, fich auch 
Wahrachmungen 





finden, welche mehr oder weniger hell⸗ 
ſehenden Zufaͤnden ihre Entſtehung verdanken koͤnnen. 
Daß üßetgmg fein fittlicher Charakter, ſeln Leben und 
ſeine unſtr geweſen, wird von Freund und 
Ftind zen. Gwederborg ſtarb in einem Anfall 
der Moplerm an welcher Krankheit er oft litt. 

Der HE Pref. Atterbom, der Bein Anhänger der 
Fi Kirche, ſondern Philoſoph und Dichter 
iR, betrachtet den durch umfaſſende Kenntniſſe und Genie 
aubgreſchneten Mann vorzuͤglich von dem äfpetifchen 
Standpunkte ans. Seine Abhandlımg hat die Auffchrift: 
„Emanuel Swedenborg's Lehre von dem Leben, der Liebe 
und der Ehe” Gleich anfangs fagt er: 

Drei ſubehiſche Männer haben v önetfe tief, groß und 
ſchon Aber ——— gedacht: —— je jr Piede 
Alles werʒ Ehrenſwaͤrd, dem die Kunft Alles war; Thorild, 
dem die Natur Mile wars und ein Jeder von ihnen richtete 
mitbin feine Aufıwerkfamteit überwiegend auf ein gewiffes Haupt: 
flüd von des tigen Gang zu Offenbarung als Schönheit. 
Kor muß nämmich fein, daß das Schoͤne von der Liebe ausgeht, 
aus der Kunſo dervorgeht, nd zwifchen biefen beiden. EOndpunk⸗ 
ten die Ratus durchgehtz ober daß «6 von ber Liebe feine Seeie, 
von der Ratur In Eeib, und von der Kunft feine. vollendete 
Geſtait erhält. verbätt es fi fo mit aller 
götttichs gearteten Ge ßtheit, und fomit auch mit unferm 
Antheil davon (ober mi em, was wir Idee nennen), daß bie 
Eiche grobe das Leben iR, wodurch fie ſich auflaͤßt und über 
läßt, ober ſich ſchaffen ut; andererſeits wieder faßt die 
Ratur alle — ntichen Anſchaulichkeit dieſer Mit⸗ 









theilung 4 en das Schoͤne a*5 deren Grund Fuß 

rafcn muß 8 fein ——— Fo Bortreten in orrvollfommneter 

Korm.zu bereiten jſt daher 

daß, die m er, bie wir genannt, in ihren 

Serial, u a — eit ungleid und glei waren. 

Scihtepunke für Alles war das von der Liebe 

beftimmte ' aͤliniß 2 — und Guͤtez Ehren⸗ 

ſwaͤrd's das von der. Verhaitniß zwiſchen Ges 
nie und Thorũubs —8 * der Natur —— Wer: 

Pe erg —**— und Harmonie: aber auch des Zweiten 


Hase Dritten Ratur, hatte, wie des Erſten Liebe, zu 

Tine Inhalt Bott, als aller Schönheit Duell und 

Ubi, * fi, daß für einen Jeden, ver fo fühlt und 
Pad R 


eht 
ft ein goͤttiiches Kunſtwerk iſt; naͤmlich 
5 nbarung und unmittelbare Poeſie. Woher 
—* die Kunft Ehrenfwaͤrd nichts Anderes war als der Ratur 
ep bildender Seins, fo m } e im Menſchenge a voller 
dbkbefinnun gkeit kommt; ebenfo Sihoritd die 
Ratur Du aaa Sa * * ———— einer ewig weltꝰ ele⸗ 
ich wechſelnden 


Wildungen, bad rei 
Daraus aR als ——— er Bike —ãXAR * 
Obigirich nun Swedenboerg ſich wie in ſolchen Wor⸗ 
ten über das Schoͤne auofprach aud daſſelbe nur img Bot⸗ 
beigehen betrachtete, fo thut doch Atterbom dar, daß der 
ruchtbare Theoſoph auch für die Kunſtlehre und die Poe⸗ 
fie sine wichtige Bedeutung hat, Aber Swedenborg's 
aͤſthetiſche Weltanſicht kann nicht cher richtig aufgefaßt 
werden, als bis man ſich mit feiner allgemeinen Weltanficht 
genauer bekannt gernacht dat; dazu kommt noch, daß er 
nirgend der erflern eine befondere Schrift oder Abtheilung 
gewidmet har. Das dahin Gehörige muß aus einer 
Menge weitläufiger, in lateiniſcher Sprache verfaßter 
Werke zufammengelefen werden. Diefe Muͤhe hat ſich ber 
Verf. des hier beſprochenen Buchs gegeben, und das Ers 
gebniß davon in eine ſchoͤne, uͤberſichtliche Form gegoffen. 
Die vornehmflen hierzu benugten Quellen find namentlich 
folgende Schriften von Swedenborg : ‚„‚Sapientia angelica 
de divino amore‘”, „‚‚Deliciae sapientiae de amore 
conjugali”” und „De cultu et amore dei”. Letzteres 
Werk ift, feiner Richtung nad, eine Darlegung feiner 
Lehre von feinem damaligen Standpunkt; der Form nad) 
it e8 ein Mittelding zwiſchen Abhandlung und Roman, 
und handelt von der Entftehung der Erde, dem golbenen 
Alter der Natus und des Menfhen, von dem Paradiefe, 
von ber Geburt, Jugend, Erziehung und Liebe Adam's 
und Eva’s. Dies iſt von allen Werken Swedenborg 8 
das einzige, worin das Element der Schönheit, als ſolches, 
überroisgend ifi; es ift nicht allein in einem glängenden, 
Elangvollen Latein, fondern vor Allem mir einer dichteri⸗ 
fhen Begeifterung gefchrieben , welche, auf ein Dutzend 
Dichter vertheilt, hinlaͤnglich wäre, fie an dem Himmel 
der Poeſie als Sterne erſter Größe zu befeftigen. In fels 
nen ſpaͤtern Schriften bedient ex ſich der Eprache meiſten⸗ 
theils blos wie ein Protokolfuͤhrer oder Referent Deffen, 
was er nad einer noch hoͤhern Eingebung mitzutheilen 
fih für verpflichtet halt; und das Postifhe bat ſich da 
gleichſam in die Gegenflände zurüdgesogen, welche feine 
Perſoͤnlichkeit fo uneingeſchraͤnkt in WBefig genommen, daß 
er diefelben beinahe blos paffto wiederfpiegelt. 


Da mir unferm Verf. bier. aus Mangel an Raum 
nich felgen Gönnen, fo müflen wir und damit begnügen, 
nur noch ein paar Stellen hervorzuheben. &. 141: 

Nach Swedenborg's Lehre find Leben und Liebe ur 
ſpruͤnglich Cins: denm bie Liebe ift, in ihrer ewigen Bes 
deutung gefaßt, gerade des Lebens eigene Selbſtnothwendig⸗ 
keit. Das in jeder Art Beben ——— kann nichts 
Anderes fein als eine in gewiſſer Richtung Mebende Total⸗ 
energie aller Kräfte, ein ſich Telbfibeflimmender und damit in 
urſachliche Wirkfamkeit verfegender Endzweck, woraus alles in 
dem lebendigen Dafein Enthaltene oder Evolutive feine Rich⸗ 
tung euthaͤlt, weldge, nad) Maßgabe ihrer erreichten Abficht, bie 
Bernefmung einer erreichten vollen und volltemmenen Wirklich⸗ 
eit gibt, und mithin ein für das Dafein Nachtrachtungswur⸗ 
biges ober Gutes enthält. Aber gesade diefe Zielung, worin 
ein urfprüngticher Endzweck ſich durch das Erreichen einer Ahr 
ſicht als eines Guts zu bekraͤftigen begehrt, iſt Liebe; woraus 
man einſehen muß, daß in allem Leben bie Liebe gerade — 
das Leben ſelbſt iſt. Werner ſagt und ein genaues Rad 
denken, taß reine Selbſtnothwendigkeit bios als Perſoͤnlich⸗ 


N 





ri 


keit gefunden werben Tann; woraus folgt, daß das Reben in’ 


feiner urſpruͤnglichen und eigenthuͤmlichſten Geſtalt von Ewlg⸗ 
Bett zu Ewigkeit ein Perſoͤnliches ſei. daß Bott als 
das urfaringliche Leben audi die urfprängkiche Liebe ik, und 
baf ee als bie urfprängliche Liebe bie urſpruͤngliche Perſoͤnlich⸗ 
34 liegt die Urſache von Gottes Menſchlichke it. Mr: 
i von ſeiner Liebe, ſein Verlangen mit einer nicht minder 
jenzeniofen Wirklichkeit, atd fie, gu füllen, kann er fein Gutes 
Anberes Tegen nis barin, eine allbeiebenbe Guͤte zu fein. 

Seite 206 heißt es: 
Merklich ift, daß, weil eine gufriebenflellende Ausficht über 


den Raum, welchen die Menſchen als den des Schönen lieben. 


und Toben, nur in unb mit einem richtigen Begriff von Eiebe 
fi) öffnet, wovon die Ehe die veichfte menſchliche Wirklichkeit 
tft: fo ift die wahre Lehre von Schönheit, außerdem, daß fie im 
Allgemeinen eine Unterabtbeilung ber wahren Eehre von Eiche 
iM, zugleich eine Unterabtheitung der wahren Lehre von Liebe 
ale Ehe. Denn wenn uns in der Ehe bie volllommenfte 
Borm der Einheit begegnet, in welcher Nugen und Vergnügen 
unmoͤglich voneinander getrennt werben können: fo kann man 
in naͤchſter Folge bavon fagen, baß in ber Schönheit, wie fie 
von ihren Liebhabern an und für fich felbft betrachtet wird, 
une die volllommenfte Korm ber Seite diefer Einheit, mo bas 
böchfte Vergnuͤgen reinweg als ſolches ben hoͤchſten Nusen in 
fich foßt, begegnet; oder wo der Nugen gerade barin befteht, 
lauter Wergnügen — von ber veinften Art — zu gewähren. 
(Der Beſchluß folgt.) 





Chants de lexil par Louis Delätre. Paris 1843. 
Unter den jüngern franzöfifchen Eyrifern einer der talent: 


vollſten iſt Louis Delätre, deſſen 1840 zu Lauſanne erfchienene 


„Chants d’an voyageur“ Iebhaften Beifall gefunden haben. 
Wir besiten uns um fo mehr, auf feine gefammelten Poefien aufs 
merkſam zu maden, dq ber liebenswürbige junge Dichter gewiß 
feinen zahlreichen Kreunden, die er fi während feines mehr: 
maligen Aufenthalts in Deutfihland erworben bat, noch im 
freundlichen Angedenfen fiehben wird. Der Verf. hat feinem 
Werke den Titel „Chants de l’exil’/ gegeben, weil der größte 
Theil feiner Poeſien in dev Fremde, in Italien, in Deutfchland, 
Belgien, Rußland und namentlich in der Schweiz, wo Delätre 
ah der kürzlich in der augeburger „Allgemeinen Zeitung” befpro: 
denen „Revue suisse” thätig gewefen ift, entftanden find. Am 
gelangenfien fcheinen uns die Gedichte, in benen die großartigen 

inbrüde der Natur, wie man fie in ber Schweiz und im ho⸗ 
ben Rorben empfängt, geidgiibert werden. Beſonders ergreifend 
find die „„Lamwine” (l’Avalanche) unb der „Rheinfall“ fowie einige 
mächtige Büber des Oceans Aber auch die zartern und fanf: 
tem Tone gelingen dem reichbegabten Dichter. So Tann man 


fich fein lieblicheres Bild denken als ben „Soir an bord du lao“‘,. 


von dem wir nur bie legten Worte hier anführen wollen: 
J’ertands du nautosior la chanson trisie et doues, 
Et le bruit des ruisseaux qui filtrent sur la mousse, 
Et les seupirs du lac qui tremble sur le bord; 
Bi je vois wur ja vaguoe un dersier reyon luire 
‚Comme oa voit un dersier seurice 
Aus levres de l’onfent qui douesment s’endert. 


Aber die Poeſie Delaͤtre's ift keineswegs etwa blos befcriptiver 
Natur; einzelne feiner Heinen Lieder find vielmehr vein iyriſche 
Sroäffe eines bichterifchen Gemuͤths, leicht und duftig wie ein 

blingslied von Uhland. Unter den mitgetheilten überſetzun⸗ 
gen, deren Anzahl nur ſehr gering ift, baben wir zwei Bebichte 
von Goethe gefunden. Recht anmuthig bat Delätre, der In 
ben Geiſt ber deutſchen Poeſie eingedrungen iſt, wie felten ein 
Ausländer, den „„Srilöniy” wiedergegeben. Bekanntlich ift biefe 
Ballade befonders ſchwer zu überfegen, weil das verichwimmende 
und buftige Element berfeiben dem Franzoͤſiſchen vorzüglich wi⸗ 


Dichter befugmubeten 
Frankreich Sitte if 


Verſtſlcatichk Rn in Till 
vs udet. —— er ve da 
Perſonen, benen Mikes: »-- 


deiſtrebt. Sorache und 
Maße 


mowif MM 


uns außer mebren andern | 
ae ‚ Ku —ã Fe I — 
Wir wuͤnſchen herztich, daß das große der 
Dichter für Deutſchland und deucſche Literutur Arrall an ben 
Tag legt, ihm auch unter uns bie Angerkennung gu Theil wer: 
den laſſen möge, bie er im hohen Grade verbient. 6, 


Literarifhe Notiz. 
Franzoͤſiſche und deutſche Journale, 

Während in Deutſchland die rein belletriſtiſchen BVlaͤtter 
immer mebr an Bebeutung verlieren und Politik oder wenigftens 
einzelne zeitgernäße Tendenzen ſich alinälig fa ihre Spallen, in 
denen fonft nur bie fühe Romantik ‚eines ‚ van ber 
Velde u. ſ. w. bämmerte, eindringen, laͤßt ſich Kn Fraulreich 
gerade das Gegentheil hiervon beobachten. in gutes Thei 
franzoͤſiſcher Blaͤtter, welche früperbin der Politik ausſchlichlich 
gewidmet waren, verdankt naͤmlich faſt alle Abonnenten dem 
Beutlleton, in dem ſich der Leſer don ben eadig wiedergekaͤuten 
Phraſen ber Minifieriellen fomie der Oppoßtien erquickt. Der 
„Siecle’, der jegt qn 43,000 Abonnenten zaͤhlt, muͤrde zu Grunde 
geben, ober wentgftens die Zahl feiner Abnehmer bebeutend vers 
ringert fehen, wenn es ihm einfallen follte, ſein Feullleten mit 
den fpannenben Erzaͤhlungen eines Batzae, Demas u. ſ. m, 
an deren Bippen halb Franberich jeden Kag dangt, über Bd 
zu werfen. Auch in ben „Debats”, welche feit dem Ableben 
ihres gewanbten Steuermannes, Bertin bes "Alfeen, bedeutend 
verloren haben follen, haben die vielbeſprochenen „Mynteres de 
Paris’ bie ungetreuen Abonnenten, die abgefallen waren, wieder 
geböbert. Aber Sue weiß auch das Intereſſe feines Roman, 
in dem bie Wunden unferer geſellſchaftlichen Verhaͤltniſſe un: 
barmperzig und ohne Schonung aufgebeckt werden, mit jeder 
Kummer zu fleigern. Auch die „Presse’” ſucht womdelih isn 
Morgen ein recht pikantes Bericht von Balzac, Men u. X. 
ihren Leſern aufzutiſchen. Gixarbin hat außerdem befanntüid 
den Referfreis feines Blattes neuerdings durch Hinzufuͤgung 
eines gerichtlichen Beiblatts, in bem eine Blumenleſe der an 
ziehendſten und feſſelndſten Gerichtöfcenen gegeben wird, bebeu: 
tend erweitert. 2 








Literarifche Anzeige. 
Durch alle Buchhandlungen iſt zu beziehen: 


Veteris et Novi Testamenti versionis gothicae 
fragmenta quae supersunt, ad fidem codd. «- 
stigata, latinitate donata, adnotatione critica in- 
structa cum glossario et grammatica linguae 
gothicae conjunctis curis ediderunt 
H. C. de Gabelentz et Dr. J. Loebe. 
“ Vol. IL Pars prior. 
(Den Schluß des Textes umd bas Gloſſar enthalten) 
Gr.4. Geh. Drudp. 4 Thlr. 15 Ngr.; Velinp. 5 The. 8 Rgr. 
Der erfie Band ift aus dem Verlage ber S fe: 
ſchen Buchhandlung je Yıtenburg & den — 
egangen und koſtet auf Druckpapier 5 Thlr. 15 Razr., auf 
elinpapier 6 Ihlr. 22 Nor. Die zweite Adtheilung dei zoti⸗ 
ten Bandes (eine Grammatik ber gothifchen Sprache enthaltend) 
wird im Laufe des kuͤnftigen Jahres erſcheinen. 


KReipgig, im Auguft 1843. 
| F. A. Brockhaus. 


Verantwortlicher Derausgeber: Heinrih Brodhbaus. — Drud und Berlag von F. %. Broddaus in Leipzig 





Bıarler 


für 


literarifche Unterhaltung. 





Sonnabend, 





Svenska Siare och Skalder. 


Teokasde af P.D. 4. 
Atterbom. Erſter Theil, 

( Deſchluß aus Ne 387.) 
Ein nicht weniger leſenswerther Theil des Atter« 


bem ſchen Werks iſt: „Karl Anuguſt -Ehrenfwärb’s Lehre 
von Schoͤnheit und Kunſt““, von der wir den Inhalt 
kurz anzudeuten verfuchen werden. Wir haben es bier 
niht mit dem Grafen und Oberadmiral, dem Schöpfer 
der Feſtung Sweaborg und der ſchwediſchen Galeeren⸗ 
flotte, der 1790 bei Swenskſund das erſt ankommende 
Geſchwader der ruſſiſchen Flotte fchlug, nicht mit dem 
Naturphiloſophen Ehrenfiwärd, ja nicht einmal mit dem 
edeln und liebenswuͤrdigen Manne zu thun, fondern ledig: 
ih wit dem Kunftfeeumd und Kunſtlehrer, dee burd) 
feine „Reile nach Italien“ und feine „Philoſophle der 
freien Künfle” ats Schriftſteller verdienten Ruhm erwors 
ben bat. Er war ein Zeitgenoffe Suftav’s III. und Tho⸗ 
mas Thoriid's, den Beide liebten und fchägten. Sein 
naͤchſter und innigſter Freund war aber der berühmte 
ſchwediſche Bildhauer Sergei. Prof. Atterbom theilt feine 
Abhandlung Über Ehrenfmärd’s Kunftphllofophie in fünf 
Abfepnitte mit Folgenden Überſchriften: 1) „Die frohen Bes 
dürfniffe; das Schöne; das hoͤchſte Schöne.” 2) „Gegen: 
füge und Arten des Schönen; die Nothwendigkeit, zur Eins 
fit de6 Schönen erzogen zu werden; Tand und Edelheit.“ 
3) „Die freien Künfte;, Genie und Geſchmack; Stil; An: 
tited und Modernes.” 4) „Beſondere Anwendungen auf 
Baukunſt, Malerei und Bitohauerei.”’ 5) „Italien und ber 
Norden; Klima, Geſetzgebung, Vaterland.‘ 

Seite 241 fo. heißt es: 

Der erfte Grund alles Schönen iſt berfelbe, als ber erfle 
Srund alles Wabren: die Ginpeit. Die Welt, an und für ſich 
ſelbſt, iſ nur Eins. Mol befteht fie in einer Summe vollkom⸗ 
meer unb unvolllommener Zahlen, weiche, ohne meitern Anfang 
und Ende, in dieſem urfprünglidhen Ginen enthalten ifl; aber 
fie dewahrt ihre 
dung und Zuſammenſchließung zu einem ſymmetriſchen Ganzen. 
AIuch lieben wie nur Das, was in Einheit mit uns iſt. 
Un mas Aaderes als die Ginheit, ober ein klar anſchaulicher 
ALeidruck derfeiben, iſt das in Toner Kunft eigenttich Schöne? 

Wire diefe Einheit eine in fi ſtillſtehende, fo vadce 
fie nichts Anderes als der Tod. Aber in ihr ift eine mit 
ihr ſabſt gleich ewige Zweifaltigbeit, weiche fie beſtaͤndig in 
Veranderung, Wechfelung und Entwickelung verſetzt. 


gen, zu beduͤrfen. 


Eigenſchaft von Einheit durch deren Verbin⸗ 


nennen fie Frieden und Unruhe, oder Ruhe und —— 
gung. Mittels dieſer Zweifaltigkeit zeigt fie, daß: fie lau⸗ 
ter Leben iſt und in unzählige Lebenswirkungen ausgeht: 
Das Reſfuitat und die Kortfegung der vollkommenſten Les 
benswirkungen. ift der Menſch. Bei ibm muß fi daher 
vorzugsweiſe zeigen, was die hoͤchſte Gackſeligkeit und 
Vorttefflichbeit lebendiger Wehen ausmacht: ein. Daſei 
welches ſich in Harmonie mit dem Ganzen — mit das 
Matur im hoͤchſten Sinn — und dadurch zugleich mit 
ſich ſelbſt befinde. Ex if der vornehmfle Theil der Ne: 
tur; darum bat er das allgemeine Borbilt feines Seins 
und Thuns gerade in dee Natur Eitgenſchaft, als einem 
wahrhaft. Ganzen, in allen feinen Theilen harmoniſch zu 
(eben und beifammen zu leben. Die Natur hinwiederum 
gehorcht darin der urſpruͤnglichen Einheit Allbeſtimmungs⸗ 
keaft, ‚weiche in Weisheit. und Schönheit der Mache um 
der Bewegung Wechfelungen :abmißt, ‚und femit auch alle 
bavon nusgehende Wirkungen , zu einer ſtets feſtgeſetzten 
harmeaiſhen Lebensſchoͤpfung. Als dieſe Kraft iſt bis 
Einheit Gott. Näher geſchen, kann demnach das Ideal 
menschlicher Wirkſamkeit nichts Geringeres fein als Gott 
Keime Wirkungen koͤnnen entſtehen, ohne daß eine wirkend⸗ 
Kraft in Bewegung geſetzt wird. Die Macht, weiche den 
Menfhen aus Ruhe in. Bewegung reift, iſt das Vermoͤ⸗ 
In biefens liegt. demnach der gluücktiche 
Zwang, welder zu Ktughelt, Grfindungen, Anbau nom 
Gibigkeiten: kurz geſagt, zu Allem, was wie jegt Gultue 
nennen, antreibt. 

Der Euttue Sortfchreiten von. den erften Anfängen ber 
ruht darauf, daß eine Zweifaltigkeit menſchlicher Faͤhigkei⸗ 
ten zur Entwidelung kommt. Die eine Art derfeiben made 
ger die nothwendigſten Organe genammt werben, weil bies 
ſelbe ‚für des Menſchen tsdifige Angelegenhriten eingerichtet 
it, umd weil jede andere Gultur nur infofern woͤßglich iſt, 
ais die Ausbildimg dieſer Digane verangegangen If. Die 
andexe Art dagegen beflcht aus den Organen, welche bie 
feineen genannt .mesben moͤgen, weil durch fie bie Werfei⸗ 
werung oder Veredelung, weiche das Erwachen und das 


I &eflllen: der hoͤhern Beduͤrfniſſe des‘ Menſchen begleiten, - 


guwege. gebracht wird. Die erſtern find unfere fınf Ginue, 
nnd des RVoͤrpers ‚Kraft, zu ertragen; bie Iegtems machen, 
in ihrem Zuſammenwirken, die Einbiidungskraft, das Ned 


Wir | denken und den Forſchungetrieb aus. Erſt darch dieſe lege 


2 


genannten kann eine Gultur in eigentlicher Bedeutung ent: 
ſtehen. Die Völker, welche noch blos die Ausbildung der . 
nothwendigern Organe bedürfen, find daher die wilden; die 
hinwiederum, denen die Ausbildung der feinen ein gleich, 
deingendes VBedüffniß geworden, find die civlfficten. Aber 
nur in gemäßigten Klimaten it die Civiliſation "eine freis 
willige Folge von ber Erde und der Menfchen Beſchaf⸗ 
fenheit. Nur unter einem mildern Himmel, nicht unter 
dem Nordpol und dem Aquator, erwachen die frohen Be⸗ 
dürfniſſe. 

Zwar koͤnnen alle Beduͤrfniſſe, die ihre Befriedigung 
finden, im allgemeinen, aber nicht im eigentlichen Sinn ſo 
genannt werben. Es iſt allerdings wahr, daß jedes be: 
friedigte Beduͤrfniß eine Art von Genuß gewährt; es gibt 
aber Bedurfniſſe, welche in dem Grade nothwendig find, 
daß fie unter die Muͤhſeligkeiten des Lebens gerechnet wer: 
ben muͤſſen. Davon unterfcheiden ſich die feinen, von 
Ehrenfwärd die frohen genannt, weil fie nur eine relative 
Nothwendigkeit haben, Im hoͤchſten Sinn nothmendig 
find die legtgenannten aus dem runde, weil auf fie 
die Exiſtenz aller fittlihen Wiflenfchaften und Kuͤmſte 
fih gründe. Denn daraus, daß ded Menſchen Sinness 
organe ſich in wichtigere und feinere unterfcheiden, ebenfo 
wie aus dem entfprechenden Unterfchiet, wodurch feine 
Bedkrfniffe fi) in nothwendige und frohe theilen, entiteht 
aud) eine Zweitheilung der Cultur und Literatur in ernſte 
und Tchöne Ertennmißartn. Die erniten find die phyfi⸗ 
fihen und praktiſchen; die fchöngeiftigen find die ethifchen, 
die menfchheitlichen, oder die den Menſchen unmittelbar 
als Menſchen angehen. Sie umfaſſen Philofophie, Mo⸗ 
ral und ſchoͤne Kunſt. Die ernſten Wiſſenſchaften brin⸗ 
gen der Natur verborgenes Wirken ans Licht; die ſchoͤn 
geiftigen lehren uns die Bedeutung der Lebensgefege und 
Lebensthätigkeiten kennen, den Zufammenhang zwifchen 
der Phyfik und der Ethik, zwiſchen Gefühl und Gedanken, 
zwiſchen Gewalt und Freiheit, zwiſchen Finſterniß und 
Aufkiarung, zwiſchen Vorurtheilen und Wahrheit begreifen. 
Die eine Clafſe iſt für des Menſchen phyfiſche Unter⸗ 
ſtuͤtzung; die andere für feine fittlichen Beduͤrfniſſe: beide 
find verbunden in derfelben Darmonie, weiche unfere Welt 
in Zuſammenhang gefchaffen hat. Übrigens wird man 
nunmehr wol einfehen, daß die fchöngeiftigen Wiflenfchafs 
ten auch ernite find; in dem Sinne, worin bie feinern 
Drgane auch wichtig, fowie die frohen Bedürfuiffe auch) 
nechwendig find. 

Betrachten wir die frohen Bedürfniffe näher, fo neh⸗ 
men wir wahr, daß fie Überhaupt Beduͤrfniſſe von etwas 
Geordnetem für das Auge, Klarem für den Gedanken, 
Angenehmerm für das Gefühl find, fomit Beduͤrfniſſe von 
etwas, das unfern Sinnen — den aͤußern und immern 
zufammen — einen volfommenen Eindruck volllommener | 
Wohlgeſtaltung gibt. In ihrem innerften Weſen genonms 
men find fie mithin Beduͤrfniſſe von Schönen; denn 
mit dem Namen bezeichnen wir das Vollkommene, wenn 
ed in einem Dafein, oder überhaupt einem Gegenftand, 
ich als «in finniich Erfaßbares zeigt, weiches die wolftäu: 
digfie Darmenie von Inhalt für unfer Gefühl und In⸗ 





——41841 


halt für unſern Begriff vereinigt. Die Natur ſelbſt it 
wefprünglic und in ihrem Ganzen eine ſolche Harman; 
aber wir vermögen uns dieſes Ganze nur uͤberſinnlich — 
oder blos durch den Sedanken — zuzueignen. Den Big; 
nen, oder unferm naͤchſten Vnehmen Somint es alt ein 
BGetheiltes vor; und: von daſſen Theilen ſcheinen dam 
viele cher ein Chaos, als ein Weltgeſetz vorzuſtellen. Bios 
wenn das Auge etwas Schönes fieht, trifft es gerade ein 
Bild des harmoniſchen Naturganzen, es findet naͤmlich 
dann eine Ordnung, ein lebendiges Geſetz, welches die 
Sache für unſern Sinn in eine unausſprechliche Idee fe, 
worin man zu gleicher Zeit Alles fühle und Alles beyrrift; 
in eine Seelenthätigbeit, weiche weder Gefühl als Gefuͤhl 
noch Begriff als Begriff, fondern eine ungelonderte und 
unauflösliche Einheit beider it. Es iſt Mar, daf hierin 
die reinfte Gluͤckſeligkeit liegt. | 

Der Menfh hat demnach ein weſentliches Beduͤrfniß 
bes Schönen; und dieſes gluͤckliche Beduͤrfniß Außer ſich 
uͤberall, wo ec eines erfoderlich gefunden und bequemen 
Zuftandes genießt. Uber dieſes Beduͤrfniß bat eine noch 
tiefere Bedeutung ; denn als ein Bedürfnib des Schoͤnen 
überhaupt, iſt es auch — und innerſt — ein Berürnif 
des hoͤchſten Schönen, d. b. Gottes, der des Schönen Ur 
bitd if. Die Natur har ihre Muſterſchoͤnheit nur durch 
ihn. Gore ift nicht ſichtbar als Perſon. Aber weil die 
Natur das große Ganze der Lebenswirkungen von Gotted 
Weſen ift, und weil der Menſch nächte bloß ein Theil die 
ſes gemeinfamen Lebens ift, fonderr zugleich einen Haupt: 
antheil Davon felbft beſitzt, fo ift uUns Dadurch eine Mög: 
lichkeit gegeben, Gott zu ſchildern 3 welches auch faſt alle 
cultivirte Völker gethban haben. Ihn ſchildern, heißt ihn 
unferer Anfchauung in einer Geſtalt darſtellen, welche 
durch ihre Vollkommenheit fein Abbild zu fein vermag 
Diele Geſtalt, die wir Gott geben, kann nur der friſchen 
und echten Form des Menſchen entiehnt werden. Denn 
genau genommen ift der Menſch das einzig pofitio con 
unter den Gefhöpfen der Natur, weil blos er alle die 
Lebenswirkungen befigt, deren Ausdrud zur Schönheit m 
fodert wird. 

Im Allgemeinen beftcht unfere Erziehung zu dm 
Schönen darin, überall Tand von Sache oder Wirklich 
keit unterfcheiden zu lernen. Tand ift der Ausdrud einer 
Krankheit in den innern Sinneswerkzeugen des Menſchen, 
ein großer Schein der Wirklichkeit, ein Dunftbitd von it 
Sache Geſtalt, die es vervielfältigen, aber nicht richtig dar 
flellen kann. Das Maß der Gemüchsbemegungen und 
Gewmuͤthswitkungen heißt das Edle. Eitle Menſchen br 
ben in ihren Gemüthöberegungen entweder etwas Nidr: 
ges oder etwas Ülbertriebenes. Aber das Edle iſt geratt 
die unverfennbare Phyfiognomie, die Geberde, die Et: 
lung wahrer Schönheit, Es ift deshalb auch dus Nas 
wendigfte, die Hauptſache in jeder Darftellung eine Ge 
müthsberoegung; gleichwie die Zeichnung, oder die Geſtalt, 
das Nothwendigſte ift in jeder Darflellung von dem äufern 
Geſchick des Gegenflandes. Und wie großes Gewicht man 
auch anf ſtrenge und richtige Zeichnung zu legen hat, ſo 
iſt doc, dee Ausdruck edler Gemuͤthsbewegung in einem 











noch bedentendern Grabe wichtig: deum in iht zeigt füh 
unmittelbar- dee innern Organe Zuſtand; woraus folgt, 
daß blos in. Ihr das eigentliche Schoͤne einer ſchoͤnen 
Menſchlichkeit ſich offenbart. Geſchmack in der Kunſt iſt 
achtungsewerth aus demſelben Grunde, mie Tugend im 
Leben; denn in beiden nimmt man die wahren Hatmo⸗ 
nien der hoͤchſten Vermögen des Menſchen wahr. Aber 
um Geſchmack komme man blos in dem Maße, in 


weichem gute Erziehung mit glüdlichen Anlagen verbun: 
dm wid 


Der Zweck aller Kunſt, durch welche der Menſch felbft 
eine Macht ausübt, Schönheit zu fchaffen, ift dem Weſen 
nach nur ein und derfelbe; ee wird aber durch verfchiedene 
Mittel und ſomit auf verfchiedenen Wegen erreicht, Da: 
durch verzweigt fich die gemeinfume Kunſt in mehre Haupt⸗ 
arten, in dee Weiſe voneinander unterfchieden, daß eine 
jede derfelben für eine eigene Kunſt angefehen werden 
muß — und wirklich auch wird. 

Dies find die weſentlichſten Grundzüge der Kunſiphi⸗ 
fofophie dB berühmten, an Geiſt und Genie reichen Eh: 
renfwäcd. Was er noch von den ferien Kuͤnſten, von (Ge: 
nie und Geſchmack, von dem Stil und von dem Antiken 
md Modernen u. f. vo. hinzufügt, leidet keinen Auszug. 

Im zweiten Theile dee Sammlung feiner kleinern 
Schriften wird uns der Mufen und Grazien Liebling, Ama⸗ 
dus Atterbom, den hochgeſinnten, edein und genievollen 
Themas Thorild, den unter fo vielen Anden auch Gerber 
fo hoch fchägte und Kebte, vorführen und uns mit einem 
Bild von feinem Wirken, Thun und Leiden für das 
Wahre und Rechte, Edle, Schöne und Große erfreuen. 

D. ©. v. Ekendahl. 





Reifebrief eines Engländerd aus Franken. 


Anfihten über beutfhen und englifchen, deutſchen 
und franzdfifhen Geiſt. 


Einen haͤbſchen, mit vielem Gemäth abgefaßten Reifebrief 
eines Englaͤnders über Deutfchland lefen wir in einer der letten 
Rummern des ‚‚Athenaoum”. Die Gorrefponbenz zeichnet ſich 
dadurch aus, daß fo gar nichts von jener uͤbertegen thuenden 
Bornehmheit darin iſt, welche jeher Au unferm Waters 
tande gegenüber fat annehmen zu muͤſſen glaubt, feibft wenn 
ee fih innerlich zur Anertennung, zur Sympathie getrichen 
fühlt. Der Weite ſchreibt feinen Brief aus Franken, was aud) 
eine Seltenheit ift, da die engtifchen Zoueiften, namentlich bie 
ſchriftſtellernden, in ber Regel betretenere, Gegenden Deutſch⸗ 
tands zu beſuchen pflegen. Freilich, ohne die auf dem Mein 
errichtete Dampfſchiffahrt würde unfer gemuͤthlicher Brite gerabe 
dieſe BReife ſchwerljch gemacht haben; die Engländer richten ihre 
Zeuren durch Die Welt nach den Sinien ein, weldhe ber Dampf 
ihnen vorzeichnet. Gollte je auf dem Niger ein Dampfidiff 
sehen, fo iſt vorauszufehen, daß es auf dem Niger bald von 
engtiffen Xoueiften wimmeln, daß ber Riger flatt bes. Biheins 
dee Mobeltom werben wuͤrde; benn von einem comfortabeln 
Dampffchiffe aus bietet ein Weite felbft den Strahlen ber tro⸗ 
yilhen Sonne Trotz, das Dampfihiff ift das Haus, welches 
det Engländer wie die Schwede ihr Haus betrachtet, um ſich 
darin bei verkommender Gelegenheit zuruͤckziehen, ober au) 
feine u Tonnen. Erſt feitdem auf dem 
Main rin Dampfboot geht, ſcheint dic "Terra incognita 
lands, Kranken, für die Englaͤnder entdedt worden zu fein. 





fo 

der andern 
Kürnberg und 
vol 


fpondent erwähnt hierbei in einer Note, jenes Dreieck zwifchen 
ben brei Städten — eigentlich wohl nur bie Gebirgsgegend zwi⸗ 
fen Baireuth und Bamberg — werde die Fraͤnkiſche Schweiz 
genannt. Indem die Deutfchen ihre fchönen Gegenden fo benams 
ſeten, ſchienen ſie dadurch den Vorwurf, daß es ihnen an Na⸗ 
tionalſtoiz mangele, zu rechtfertigen. Wenn eine Gegend vor⸗ 
aügtäcg ſchoͤn fei, fo fei fie nicht mehr Deutfchland, fondern eine 
Schweiz. Die Saͤchſiſche und Fraͤnkiſche Schweiz fein Namen, 
bie von den Ausländern adoptiert, aber von den Einheimifchen 
gegeben feien. Ein Edelmann in Berlin babe ihm mit einem 
Lächeln erzäptt, daß er eben aus der Märkifchen Schweiz zuruͤck⸗ 
gekehrt ſei; er, ber Gorreſpondent, koͤnne ſich freili von einer 
Maͤrkiſchen Schweiz Leine Worftelung machen. Nun befchreiht 
ber Gorrefpondent feine Mainreile, auf deren Einzeinheiten wir 
uns nicht sinlaffen wollen. Bei Miltenberg angelommen macht 
er die Bemerkung, daß biefe alte, fo recht urfprünglich aus 
fehende Stadt ihn daran erinnert hätte, was wol bie Beinen 
Rheinftädte vor SO Jahren geweſen fein möchten, ebe fie noch 
durch garflige Victoria» Hotels verunſtaltet und durch hundert 
bem ‚wahren ober vermeintlichen Geichmad der Reifenden ans 
gepaßte Einrichtungen entmationalifizt worden. Miltenberg fei 
aber dvielleicht ſogar noch beutfcher, noch origineller als die 
Städte am Rhein damals geweien feien. Übrigens hörte ex, 
baf in Miltenberg zwei Engländer zu ihrem Vergnügen wohns 
ten, eine Bahl, die er, ber Lage bes Orts nach, nur billigen 
Eonnte. In Mainz angelommen und in einem prächtigen Hotel 
eingnartirt, habe er gefühlt, daß er ſoeben das letzte Stuͤck von 
Deutſchland geliehen habe. „Von Zrantfurt an”, fagt er, „fe 

ihr, wenn ihr wollt, in Europa, nur nicht in Deutſchland — 
das Deutſchland, welches ich verſtehen und lieben gelernt hatte, 
mit ſeinen vielfachen Maͤngeln und ſeltenen und einzigen Vor⸗ 
trefflichkeiten, mit feinem vergleichsweiſe aͤrmlichen und unvoll⸗ 
kommenen materiellen. Leben (um mich eines affectirten Galli⸗ 
cismus gu bedienen), und feinem zeichen intellectuellen Dafein, 
mit eiäem complicirten Charakter, welchen nur wenig Ausläns 
der I verſtehen und zu würdigen wiflen, dex aber bie Wenigen, 
die ſich damit verſtaͤndigt, für ewig feffeit — Deutfchland lag 
hinter mir. Gine ganze Reihe von Gedanken und Gefühlen, 
mit denen ich vertraut geworden, mußte mit ber Sprache, bie 
von ihnen ihren eigen mlichen Gtempel erhielt, beifeite ges 
legt und eine neue moraliſche und insellectuelle Welt, die Weit 
TFrankreichs, betreten werben.” Obgleich er, wie ex fagt, fidh 
wenig geflimmt gefühlt, über feine lieben Deutſchen, bie er 
eben verlaffen, zu ladyen, fo könne er doch nicht umbin, bies 
über ein Specimen deutſcher Pebanterie zu thun. Er meint 
bas ‚‚Lligemeine Reglement ben Perfonendienft der Maindampf⸗ 
ſchiffe beizeffend‘ mit feinen unzähligen, peinlich ausgearbeite⸗ 
ten Paragraphen. Es fei, abgelehen von des laͤcherlichen Per 
danterie, nicht huͤbſch von der Direction, folche Reglemente aufs 


zuflellen, womit man angaulßiien ſcheine, daß bit ** 
unfähig ſeien, ſich mit A reie Venſſchenverſtande dit. act 
Anftond aufzuführen. fährt fort: „Mag man immerpin 
. benten, daß idh- der deutſchen Gentimentalicät nicht eutgangen 
bin, wenn id) geftehe, daß fü: meiwe Augen mit Thtanen fü 
ten, mit Thraͤnen bei bem- Anblicke von Tapeten und Borhau 
gent Es if nicht möglich fin Den, welcher Beutflands.inne: 
res Leben kennen gelernt, es zu verlaffen, ohne daß herzlichſte 
Bedauern zu fühlen, oder ohne das tiefſte Intereſſe firh feiner 
zu erinnern; und biefe Empfindungen maden, wie echte Liebe 
unb- Freundſchaft, uns ſelbſt die Eigenheiten und Maͤngel · werth 
und lieb. Das moraliſche und geiſtige Leben dieſes großen: und 
mannichfaltigen Landes ift fir bie Berrachtung ein Höchft frucht 
barer und anziehender Gegenſtand, voll von neuen Gombimatic« 
nen und eigenthümticdhen Winken. In keinem andern Lande has 
ben Gedanke und Speculation ein fo freies und weites Feld, 
in keinem andern iſt der Beruf dee Wiſſenſchaft und Kunſt fo 
verflanden und geehrt, in keinem andern die chriftliche Freiheit 
fo im Anfehen und die hriftiiche Barmherzigkeit fo geübt. Gibt 
es innerhalb der englifchen Gefellfyaft mehr perfönliche Waͤrde, 
Freiheit und GSelbfladhtung, eine höhere, ausgebehntere, gene⸗ 
vöfere Urt det Berkehrs und größere Verfeinerung des außern 
Lebens, fo ift auch auf der andern Seite die intellectuelle Nies 
drigfeit Englands, verglichen mit Deutfpland, unableugbar und 
auffallend. Zrivialität und windiges Geſchwaͤtz ſcheinen bie 
Botkspreffe unter ſich zu theilen; fchon vor langem Liscatirte 
und abgeworfene Ideen, ſchon vor langem widerkegte Irrthuͤ⸗ 
mer und Schniger, ſchon vor langem bewältigte Worustheile 
werben mit einem eiteln Pomp wieder and Tageslicht gebracht, 
weicher aufs feltfamfte dem kuͤhnen, unternehmenden, fähigen 
Charakter des englifhen Wells, das ſich vor nichts weiter als 
vor dem freien Gebrauche feiner eigenen geiftigen Fähigkeiten 
ſcheut, in feltfamer Weife widerfpridt. Der Gegenſatz zwiſchen 
der Freiheit im Handeln und dem Mangel daran in der Spe⸗ 
eulation in England, verglichen mit der ganz entgegengeiehten 
Erſcheinung in Deutſchland, tft eins der feltfamften Räthfel in 
der Geſchichte der Menfchheit. Kurz, ſch kehre zu meinem als 
ten Satze zuräd, Gaben und Wohithat feien mit fo ausglei⸗ 
gender Hand vertheilt, daß fein Volk ſehr dazıs berechtigt iſt, 
zu triumphiren.” In Frankreich gibt ihm das miferable Pflafter, 
der jämmertiche Zuftand ber Communieatienswege, wobei befon: 
ders das arme Wort im Nachthell ift, Gelegenheit, ſich dber 
‚bie ergögliche Einbildung der Franzoſen zu moquiren, fie ſeien 
das erfle und civitifirtefte Voll der Welt. In diefen und ats 


‘dern Dingen ftände Frankreich gar ſehr hinter Deutfdjtand zus | 


rüd. Dagegen findet er auch Gelegenheit, die Grazie feangöfl: 
ſcher ˖ Weiber der niebern Gtaffe, felbft bei beſchwerlichen Arbei: 
ten, rühmend hervorzuheben, und- vergleicht damit die Plump⸗ 
Weit der deutfchen Weiber, welche bei ähnlidyen. Berrichtungen 


aller Anmuth, allen Stolzes, aller agröments ihres Geſchlechts 


entbebrten. Und dennoch, troh diefer im Allgerheinen ben Deut: 
fen fehlenden Grazie in ihrer perföntichen Erſcheinung, ge: 


ſteht uns der Brite in Sachen ber Kunft und bes Kunfl: | 


geſchmacks vor allen Wölfen den Vorrang zu. In Allem, was 
in Deutſchland in Betreff der Kunſt gefi en, gefchrieben oder 
gethan werde, feien wir, wie unfee Correſpondent fagt, Frank⸗ 
reich und England in unermeßlihem Abſtande voraus. Kehre 
man nad den letztern Rändern zuruͤck, To fehe man ſich ploͤt⸗ 
ich in die Barbarei bed 17. und 18. Jahrhunderts verfegt. 
Won der Renovation einer Kathebrate bis zus Trompete, die zur 
NRetraite blafe, habe ihm in Frankreich Alles, was fein Auge 
geſehen, fein Ohr gehört, nicht nur wicht gut, fondern wahr: 
daft beleidigend erfehienen. In dem. erbärmlichften beutfchen 
"Dorfe habe er nirgend fo ſchreckhafte Töne gehört, wie man fie 
in den franzdfifchyen Kirchen mit einer Art Prätenfion und 
Gelbſtgefaͤlligkeit herausftoße; bei ſolchem Geſchreit wuͤrden bie 





Eervin: auc bes. felcuſten Micichen U eines, 
then, be jede. Anwandlung 33 ui 
maden. ae on bem Sefange in engiif 


. Kirchen, oder 
gar bei den Meetings, wolle er Ifeber gan Merten 
dered E06 eefähkt Die Biencthtion Deü-Dampergen oe 


um: anter denſellen Gin 


fluͤſſen arbeiten, weiche ben grvanten pa biefen seligiäfefßen und 


poetiſchſten Wauwerlen: eingaben. IR ber dam⸗ 
berger Kathedrale ſcheint mir, fo weit ed nur moͤglich ift, vol: 
fommen zu fein. Innerhalb einer Woche trat ich mit dieſen 
noch friſchen Eindrucke in die Kathebrate von &t.:Dmer. Den 
Gontraft zu beſchreiben iſt unmöglih. Gin großer Theil if 
bier ausgeführt worben, oder noch in ber. Kusfüp begriffen, 
Ales im ſchlechteſten Geſchmack, Alles von einem Gefühl cin: 
gegeben und geleitet, welches demjenigen gerabe emtgegengrfegt 
ift, der die flrenge und feierliche Schönheit des bamberger Doms 
bewahrte und reinigte.” RB. 





Neugriechiſche Literatur. 

Aus dem Jahre 1841 iſt nachtraͤglich (vgl. bie letzte Noti 
uͤber neugriechiſche Literatur in Rx; 80 —— 85 cube 
grammatiſcher Werke des gelehgien Griechen, K. Aſopiot, der 
bis zum I. 1842 Profeſſor der.griechifchen Literatur an der jo: 
niſchen Univerfität in Korfu und beren Ephorus war, feitten 


aber Profeffor an der Univerfität in Athen ift, Grmähnung jı 


thun. Das eine dieſer Werke fähet den Titel: „Bloayuyi 
Us zijv Ulnmıxiv ourtafıy' (Kepaspa 184l), das antım 
find „Zrogsie rg Eiinmxis yonmmazınis! (ebendajelbft) und 
zum Gebrauch der Öffentlichen Secundairſchulen ber joniſchen Ja: 
feln, mit Genehmigun der Regierung ſelbſt, beftimmt. Außer⸗ 
dem erſchien noch im I. 1841 in Athen eine Tragödie: „O 3e- 
varog cu Magxov Mnörlagıs”, vom Theodor Alkaiot. Im 
3.1842 erfchienen in Athen das „‚„Askrxov Antıyvo-Ellerıziv", 
von Prof. mirichs (in deei Bänden, Preis 18 ;Dradmen); vie 
Zragddien von Panagiotis Sutſos, darunter eine verbefltt 
Ausgabe des „Odomugos” ımd eine andere „Magaloxaun"; 
die Geſchichte Athens von ber Zeit dee Römer bis zum Ende 
der tuͤrkiſ⸗ 

Ausgabe; eine Schrift über Kreta, von M. Thurmufls; ein 
Schrift von Mawrojannis über das Klima von Athen, und ein 
akademiſche Rede des Prof. Wentbples, am Jahrestage ber 
Gründung. der Univerſitaͤt in Athen, den 20, Mai 1842 gehal⸗ 
ten. Aud fol. im 3. 1842 eine neugriechiice Komödie: „Be- 
Bvianda', erſchienen fein. Aus. dem I. 1843 liegen mir ver: 
neugriechiſche Hberfegung ber „Erklärung des anatomilchen At: 
las“, von M. J. Weber (in Bonn), von Georg Damianc, 
Prof. der Anatomie und Phyſiologie in Athen; eine Überfehung 
der GSinteitung sum Pindar, bie von dem obengenannten It: 
pios in dem Winterhalbjahre 1842 — 43 an deu liniverfität vn 
getragen worben war; ein „Yuros sic üv avordır za win 
zıysg”, von Photiadis; eine Ode auf den 25. März, den Jah: 
restag der griechtichen Wiedergeburt, von Panagiotis Sutſot, 


wobei er zugleich bemerkt, daß er in kurzem ein lyriſches Drama 


mit Choͤren, deren Gegeufianb bie Mefrsiung Wifolonghi's ſei, 
herauszugeben beabfichtiges. und: bie Leichenrede des Konſt. Dile 
nomos auf Theodor Kotokotronis. Bon Alerander Gutfos ſol⸗ 
ien zwei größere Gedichte: „O "Yroveyos’' und „O "Eyast- 
—— wahrſcheinlich mit ſatiriſcher Tendenz, een 





Berantwortliger Herausgeber: Heinrich Brokhaus. — Dim und Verlag von 5. T. Brodhaus in Leipsie 





von Qurmelis, im zweiter verbeflete 





Blätter 


für 


literarifhe Unterhaltung. 


Sonntag, 





— Mein Lied, 

Warum es nicht fo wilden Graus vermied, 

Warum es ruft nach jenes Greuels Schatten, 

Den die Geſchichte froh war zu beftatten? 

Bau begrabnes lebendig fingen, 

ind gegen Zodte Haß dem Herzen bringen? 

Hat unfer Zeit nicht Seide genug für Klagen? . 

dat Haß nicht Manchen, der da lebt, zu fdhlagen ? 
So ruft der Maler der gräßlichen Wilder, welche er uns 
mit glühenden Karben, und doch mit allem Schmelz, 
deffen die Kunſt fähig iſt, vor bie Augen zaubert, zum 
Schluſſe aus, und beantwortet zugleich die aufgeworfene 
Stage. Damit unfer Blick, auf ber Vorwelt weilend, mit 
ihe fi eins fühle, ein Geſchlecht, ein Leben, ein Geſchick. 
Der Wanderer zeigt dem Freunde, der nach ihm kommt, 
beim Scheidermege im Walde den Weg, welchen er felbft 
gewandelt hat. Ex flreut für ihn grüne. Reifer hin 

So liefen uns die alten Kämpfer Zeichen : 

Die Trümmer ihres Gluͤckt und ihre Leichen. 
Es erhebt unfere Bruft, daß wir mit laͤngſt entſchwunde⸗ 
nen Streiteen em gleiches Loos theilen; wir mögen uns 
im Unglüc® prophetifch freuen, und badurdy beherzter in 
den ſchmerzenvollen Kampf, in ben fieglofen Tod gehen, 
mit den Troſte: 

&o wird bdereinft, in viel beglüdtern Tagen, 

Die Nachwelt auch nach unferm Leibe fragen. 

Es ik ein Tendenzgedicht, wer erwartet «6 ‚anders von 
dera Sänger des„Savonarola“, wer will den Dichter 
zwingen, den Der Unmuth ber Zeit, der Groll, die Eile, die 
Zerriſſenheit fo tief innerlich, wie Lenau, bewegt, daß er 
fi daven lesweiße, und nur der Goͤttin folge, wie es be: 
hauptet wird von den alten Dichten, daß fie es gethau? 
Wer denn von ihnen, könnten wie fragen? Homer, So⸗ 
phokles, Shakſpeare? Zerriſſen waren fie freilich nicht, 
aber die heiligen Fragen der Gegenwart und Zukunft, 
fiegein fie fich nicht in ihren Dichtungen ab? Nur war 
ihr Spiegel ein größerer; er faßte koloſſale Dimenfionen, 
worin die Details verfchwinden, welche den Dichtern der 
Sestwelt, wenn fie ihren Schmerz und Grimm der Wufe 
vertrauen, fo oft zur Dauptfache werden. Lenau muß 
den Gegenftand, den er ergreift, fo auffaflen, ex muß das 
Bin der Vergangenheit in der Gegenwart wiederiefen, 
aber er reißt fi) aus der trüben Melancholie los, indem 


er mit Adterflügen der Zukunft ſich entgegenſchwingt. 
Jede Trauerzeit der Vergangenheit hat ſchon Ihre Zukuuft 
gehabt; auch diefe Tiegt hinter uns, und wir erflechen an 
dem Weltgerichte, Das Liber das begangene Unrecht geridhs 
tet bat. In keinem feiner fruͤhern Gedichte ſcheint um6 
der Dichter fo mit Bewußtſein das dichteriſch Geftchtte 
und Erſchaute mit der Macht des Gedankens vermaͤhlt gu 
haben. Woher der Unmuth, ruft er ? 
Das Streben in der Dämmerung iſt ſchulb 
An diefer freudenarmen Ungeduld; 
Bart iſt's, das lang erfehnte Licht nicht Schauen, 
Zu Grabe gehn in feinem Morgengrauen. 
Und müflen wir von Tag zu Afche finken, 
Mit beißen Wünfchen, unvergoltnen Qualen, 
&o wird doch in der Freiheit golbnen Strahlen 
Erinnerung an uns als Thräne blinken. 
Nicht meint das Lied auf Todte abzulenken 
Den Haß vor foldhen, bie uns heute kraͤnken; 
Doch vor den ſchwaͤchern, fpätgezeugten Kindern 
Des Rachtgeiſts wird die ſcheue Frucht ſich mindern, 
Wenn ihr die Schrumpfgeflaiten der Despoten 
icht mit Innocenz, bem großen Todten, 
Der doch der Menfchpeit Herz nicht ſtill gezwungen, 
Und den Gedanken nicht Hinabgerungen. 

Lenau tritt in diefem Gedichte, wie fchon erwähnt, bewuß⸗ 
ter, aber auch entfhiedener auf als in einem feiner frühern. 
Nicht daß der Dichter des „Zweiflers“ zu einem feft ums 
grenzten, pofitiven Glauben gekommen wäre, nur biefem 
uns darin audfprechen wollte; denn die zwei Genien, die 
ihm in der tropifheh Wuͤſte an dem Steinhaufen begeg⸗ 
nen, unter welchem ein vom Xiger zerriffener Wanderer 
tiegt, rufen ihm fehr Verſchiedenes zu; der eine, daß ber 
Tiger, der das Menſchenbild zerriffen, ficdh zuvor In Got⸗ 
tes Größe ahnungsvoll berauſcht habe, und „weltbefreien 
kann die Liebe nur; nicht der Haß, der Sklave der Na⸗ 
tur“; der andere aber: er ſolle Herrſchaft haſſen und nur 
die Natur lieben, die immerdar nach Licht und Kreis 
beit ringe. . 

Bis die Bergen der Despoten bluten, 

mb zerfallend ihre Burgen rauchen. 
Über diefe Frage Iefen, wenigftens wir, aus dem vorliegen: 
den Gedichte Feine Entſcheidung heraus, welche ben letzt⸗ 
bin wegen pietiftifcher Tendenzen verdächtigten edeln Did; 
ter wieder auf den religiöfen Standpunkt zurückfuͤhrten, 
den verlaffen zu haben die jüngflen unter den Vorwaͤrts⸗ 
Rürmenden ihm zum Verbrechen machten. Aber «6 iſt bie 





.- ®, [, 


angewandte Wahrheit, daß jede veligiöfe Übergengung, 
wenn der Zanatiemus ſich ihrer bemaͤchtigt, zum Goͤten⸗ 
dienft, zum Dienfl det Hölle wird, 
D Gott, wie u a ———— * Prag ji 
‘ & (4 ’ 
oa ee hc lammenzügen, auf if ef: 
Seele uns vorführt. 
Einen der gräßlichften Kämpfe, der um den Wahn 
auf Erden gefochten wurde, hat der Dichter fi zum Bor: 
wurf gewählt. Könnte man fagen, «6 fei der allergraͤßllchſte 


iq. dem ‚Lande gemefen, wo er ausgefochten ward! Aber 


fo üderreich iſt Franktelchs Geſchichte an fanatiſchen Blau: 
‚an Kämpfen für alleinfeligmachende Ideen, 
im Gebiete der Religion wie der Politik, an Schlachtfels 
beten, teiefend von Bürgerblut, und an Marterkammern, 
un die Grauſamkeit ſich felbft an Ecfindungskraft übers 
dot, daß man bei ber Erinnerung am diefelben immer dem 
‚Saite ben Vorzug geben möchte, den Geſchichte, Kunſt 
ober Porſie und gerade vor Augen führt. Graͤßlicher war 
Dach nichts, find Viele geneigt auszurufen, ald der Terro⸗ 
- cite in Paris, die Noyaden in Nantes, die Mitraillas 
den in non! Aber das Licht des Tages fehlen doch auf 
die Greuelfoenen. Die Dragonaden, die Samifardenkriege, 
die Barthofomäusnächte, welche ganz andere unheimliche 
Schauer wehen darüber, Und war die Bartholomäus: 
nacht, waren die Kriege der Liguſſten und der Hugenot⸗ 
ten, mehr mit dem Dolce als mit dem Schwerte aus: 
gefochten, in ihrer Erfcheinung und in ihrer Wirkung 
furchtbarer als die Verfolgungen der Albigenſer? Was 
überbietet jenen hiſtoriſchen Ausſpruch, den duch der Dih: 
tee aufgegriffen hat, an ruchloſer, kannibaliſcher Verſtocktheit! 
Bei der Erſtuͤrmung von Bezieres fragt Simon von 
Montfort den mitcommandirenden Abt Arnold, ob man 
auch im Gedrang die Katholiken erfchlagen dlrfe, da viele 
daven in den Mauern wären, oder ob bier Mitleid und 

Bedauern geftattet ſei: 
Der „ist a — ie Roth, 

⸗ t 
es —— auch durcheinander liegen, 
Gott weiß die Seinen ſchon herauszukriegen. 

An geoßartiger Kuͤhnheit, an wilder Glut, an Wahn⸗ 
fina des Sanatismus und zugleih an leuchtenden Thaten 
der Tapferkeit, an rührenden Bildern von Treue und Aufz 
apferung unter den Derfolgten und zugleih an wunder: 
baren Verirrungen, zu denen bie freigemordene Vernunft 

ahne ausreichende Weltkenntniß verleitete, ift viel Stoffes 
dem Dichter im Albigenferkriege geboten. Die ſuͤdliche 
Somne leuchtet über die Provence in das fangesfrohe Lan: 
guedoc mit feinen Zroubadouren und edeln Frauen und 
Rittern. Die glühenden Augen, die fhallenden Gefänge, 
Nitterfchlacht, Galanterie und Lehnstreue und mitten in 
‚ einem finnlichen Geſchlecht die erften puritanifden An: 
klaͤnge des Proteſtantismas, Zweifel und Streit um Dog: 
men, bie jegt hinter uns Allen liegen und feine Kämpfer 
der Gegenwart mehr in die Schlachtreihen treiben; alles 
Das zuſammen bietet dem Dichter von felbft ein meit rei: 
ders Gemälde als jene andern genannten Gonfliete des 
Fanatiomus, in bie, wie zumal in die Monetonie der 


lich Luſt dazu hatte. 


\ t 


4 


Greuel einer Bartholomaͤnsnacht, kaum poetiſche Schlag⸗ 
lichter hineinfallen. Und der Dichter hat die Bilder nicht 
verwiſcht. Obwol er das Gegebene ſeiner eigenen Idee 
unterordnete, und die That zum Kettengliede in ſeinen 
Gedantunfdptäffen machte,Aeß Er u nk Ola uud 
ben Sehnen ihr eigene# Recht, Add & jede de: 
zeln mit dem voliften poetifchen Schmelz. Aber wie ver: 
band er dig getrennten Theile zu einem Ganzen, ober vie: 
mehr wie ward es ihm möglich, den rothen Baden biefer 
zerriffenen Begebenheiten herauszufinden, umd, was die 
Aeſthetik fodert, den organiſchen Baum fidstbar- dem - Auge 
berzuftellen, an dem diefe Bilder nur Zweige und Blätter 
find? Reell ift dieſer Organismus da, aber hiſteriſch Kick 
er fich nicht geben. Diefer wilde Kreuzzug iſt ſelbſt nichts 
Ganzes, ihm fehlt die erfichtliche Seele, das Continunm 
ber Dandlung und der MWerfonen. Bin Romanendichter 
hätte einen Helden und eine Heldin hineindichten mögen, 
einem Epiker iſt dies nicht vergoͤnnt. So muß das per: 
ſoͤnliche, menſchliche Intereſſe fich zerfplittern, da ex auf 
der andern Seite, unter den DBerfoigern und Zanatikern, 
feine oder ſeinen Heiden nicht fischen durfte, noch ſchwer⸗ 
Es find eben nur Sktzzen, gewich⸗ 
tige, geftaltenreiche, ſchroff abgefchloffene, die indeß ohne 
den geiftigen Faden ganz auseinander fielen. Die Be: 
rechtigung dazu ſteht auf dem Schilde. „Freie. Dichtun⸗ 
gen” heißt es auf dem Titel. Auf den Geſchmack des 
Publlcums wirkt die Poeſie freilich nur noch durch apho: 
riftifhe Dichtungen. Kine Epopde von den Albigenfern 
würde fo wenig Eingang finden ald eine „Tuniſias“ bei 
allen ihren Voczuͤgen vermochte. Seine „Albigenferfhladht” 
nennt Lenau ein Mal das Gedicht; eine Schlacht befteht 
aus vielen Heinen Treffen, Scharmügeln, Angriffen, aus 
Sturm, Flucht, Ruͤckzug, Sammlung Epiſch laͤßt fi 
nicht fuͤglich etwas, was auf weitem Raume faſt zu glei⸗ 
cher Zeit. vorgeht, ſchildern; daher paſſen bie ſchoͤnen 
Bruchſtuͤcke, deren jedes verſtaͤndlich iſt und anzieht, für 
die Behandlung des Gegenſtandes; aber wir meinen, Le: 
nau’6 Talent eigne fi, auch einmal einen würdigen Ge⸗ 
genftand mit. würbiger epifcher Ruhe aufzufafien. | 
Der Eyklus der Lenau'ſchen Bilder beginnt mit dem 
Morde, verkbt an dem Priefter Peter von Caflelnau, der 
den albigenfifcyen Ketern den Zorn des Himmels prebigte 
und vermuchlih auf Graf Raimund's Weranloffung an 
dee Rhone erfliochen wurde. Wo der Dichter den men: 
chiſchen Fanatismus in fo vielfacher Stufenleiter zeichnen 
mußte, war es natürlich, daß er die Karben bei der erſten 
vorgeführten Geſtalt nur ſchwaͤcher auffengen durfte, und 
doch wie Eräftig, lebendig, dunkel ſteht der finflre Moͤnch 
vor ung mit feinem irren Eifer, feiner Legende von den 
Zigeunern, die das Kreuz und ben Seifand baram ver: 
brannt, um ihre Raben zu braten, mit dem Gleichniß von 
dem reinen Quell, der rein bleibt, wenn er audy durch 
ein Aas fließt. Sogleich knuͤpft fi daran bie Belehrung 
des Spötters, des kecken Troubadour Fulco, mit ber ſchoͤ—⸗ 
nen Romanze feiner Petrarcaliebe zur Gräfin Berral. Der 
die Mönche hoͤhnte und verfolgte, wird an ber Bahre Der 
Geliebten irrfinnig und mm felbft der finfterfte aͤrgſie 








Acherverſeiar. Hien ns: Bern: Dip: bi "Gel egenipie Bez 
betm, die Acheung eplſch forgufähren. Sie hie in 
Sulco'’d ung ihre Kriſis, ihre Kataſttophe fuchen 
koͤnnen. Fulco fortgefeht, welche Handlung, welche plycho⸗ 
logiſchen Einblicke in das Menſchenherz und ſeinen Jer⸗ 
wahn boten ſich das; aber der Dichter laͤßt Fulco laufen 
umd wählt unter den veidyen Stoffen, was ihm wohlde⸗ 
hagt, Raus, immer Neues. Es wirkt doch zum Gans 
en, es fest an dem Stamm an, auf ben es ibm ans 
kommt; nicht au dem der Dichtumg, aber an dem des 
Gedanbens. Wir tadein ihn nicht, aber wir meinen, die 
hoͤhere Aufgabe des Dichters fei, Beides vereinen, ber 
Wachsſthum kann ſich ducchdrängen. 

Anaſtaſius Gruͤn war ein gluͤcklicher Maler in der 
Portreitirung bed Pfaffenthums er kannte e8 aus ber 
Nähe in feinen zwei großen Doppelrichtungen. Noch ties 
fr dringt Lenau, auf jenen in Gruͤn's „Schutt” nieders 
gelegten Fuudamenten weiterbauend. In der Hoͤhlenver⸗ 
fammiung der Albigenfer befings es ein Neubekehrter: 

um euch das Pfaffenthum, das Hoͤllending zu fchlibern, 

Mus ich aach Indien ziehn, nad) graufen Schreckensbildern. 

Mit ſchwarzem An ‚mit Augen aufgeriffen 

Die hr fh —— in dben — 

Bewaffnet mit dem Schwert, Dreizack und Blutgeſchirre, 

Die Schlangen um ben Leib, ein wallendes Gewirre, 

So fliegt bie Göttin hin, mit toͤdtlicher Geberde, 

Die Amaburge beißt, auf einem Höllenpferbe. 

Die große Göttin iſt's ber mörberifchen Zeiten, 

Seht ihr fie zornig bort, durchs Erdenleben reiten? 

Wohin der Goͤttin Roß mit ſeinen Hufen haut, 

Dort bricht ber Boden ein, worauf der Menſch gebaut. 
Bom ſcharfen Ritte der Göttin ſchuͤtteln ſich die Schlan⸗ 
gen aus ihrem Gürtel los. Die eine ſchleicht ſich fort 
und ift die Peſt, die andere die Hungersnoth, eine dritte 
der Krieg, bie vierte allerfchlimmfie Schlange aber, bie 
vom Orient nach dem Abendlande zog, 

Cie Heißet Pfaffentrug und ſticht auf ihrer Bahn 

Der freien Luft an Gott ins Herz den giftgen Zahn. 
Der Moͤnch muß, in der Höhle, von Wuth zerriffen, die 
Jttlehten der Ketzer anhören, und, in den Wald entloms 
men, wirft ec fih mit namenlofem Grimm zu Boden 
und — weint: 

Aus feinen Zornesthraͤnen warb ein Molch, 

Wogegen hold wie Engel, Gift und Dolch, 

Vogegen Liebesketten alle Schlangen, 

Die aus dem Gurt der Amadurge ſprangen. 

Sottiob, es Lebt nicht mehr, es ward zunichte; 

Doch dem Entſetzen zeigt noch d’e Geſchichte 

Sein Bild, des Unthiers Bau, Geſtalt und Glieder, 

Die Menſchheit ſchlaͤgt davor die Augen nieder; 

Bergeſſen moͤchte ſie den Schreckenston, 

Des Molches Name: Inquiſition. 

Welch ein vortreffliches Bild, aber mehr als Bild, find 
die beiden Mönche, der hagere, finftere Ascet, den die 
Raben anpiden möchten, weil fie ihn für todt halten, 
und der andere, flattlich gerunbete, der mis füßer Erden⸗ 
ft zu koſen nicht verfhmäht und deſſen Wangen wie 
fette Rofen glänzen, Beide im Vorſaal des Vaticans auf 
die Andienz harrend. Der fleptifhe Ritter ſchildert fie 
und als intrigant. Der Boͤſe bielt mit feinen Söhnen 


’ 


u Aber denꝰ Nactand, DaB, Tole"er Ft cu e 
nd Biäge, wenn’ die Ernte reife, bie &chke m *inier 
aus der Hand geſchlagen werde: 
Die Garbe faͤllt in frommer Schnitter Haͤnde, 

.Des Teufels Thun wird Gottesbienft am Enbe. 

Er unternimmt es mit feiner Schar, den Block umzu⸗ 
drehen, daß hie Kirche, als wadere Mugd, des Veufels 
Haus veftele: Ddei finke Vurfhe aus der Höfe derkappt 
ec in braune Mönchsgewande und ſchickt fie nach Rom, 
um an St: Peters Thron um einen neuen Kreuzzug ges 


‚gen die Keger den Papft anzuflchen. Auf dee legen und 


hoͤchſten Stufe diefer Leiter des Fanatismus ſteht Inno⸗ 
cenz ſelbſt. Der Dichter führe ihn wuͤrdig vor, würdig 
auch im der gräßtichiten Blindheit des Zelotismus; der 
Prüfftein des echten Dichters. Lenau iſt faſt immer 
‚glüdlich in kurzen ſchlagenden Bildern, als Spmbele des 
Gedankens. Innvocenz Bft die Wunden des Heern am 
Kreuze, wie ein zahmer Loͤwe feinen Herrn beleckt, aber die 
ſcharfe Zunge Hat Blut gekoſtet, und nun iſt feine Wuth los: 
Der Leu bruͤllt auf, und hat mit ſeinen Krallen 

Wuthhlind ben eignen Meiſter angefallen, 

Er hat fein Bild ſchon halb zerriflen, 

Und meint es immer noch zu Eüffen. 

Sm Pfaffenthum ift ein vollftändiger Klimaz gegeben; 
auf dee andern Seite werden uns nur gerriffene Auftritte, 
wenig Charaktere geboten. Tieck wußte uns in den „Ce— 
vennen“, obgleich fie unvollendet find, ein ziemlich, vollſtaͤn⸗ 


Jdiges Bild der reformirten Schwaͤrmer in allen Nuancen 


hinzuſtellen. Freilich ſteht uns die Zeit der Albigenſer 
entfernter und die Nachrichten über fie find fparfamer;; 
vielleicht wäre es eben bier erlaubt und Aufgäbe gewefen, 
Perfönlichkeiten zu erfinden, die eine durchgehende Hand: 
lung gebildet hätten. Statt defjen erhalten wir nur ſchoͤne 
Koleidoffopbilder ; eine Höhlenverfammiung der frommen 
Geweihten, Scenen ihrer Tapferkeit, den atheiftifhen Gra⸗ 
fen Golf, den wahnfinnigen Schneider, der fort und fort 
an einem Leichenhemde für den Antichrift näht, die in 
Winternacht binausgefloßenen, die in Flammen verbren: 
nenden Märtyrer, das Mädchen von Laveur, eine furcht⸗ 
bar ſchoͤne Phantafle, die Studenten in Paris, in Weln: 
rauſch erglühend fuͤr die neue freie Lehre, und die Kern: 
geftalt auf diefer Seite, den halbgeblendeten Hugo von 
Alfar, der aus diefen entſetzlichſten Kämpfen um den Gtau- 
ben ats Frucht den Zweifel an allem Gtauben dasen ge= 
tragen bat. Es find mit wunderbarem Metz umgebene 
Laterna⸗ Magica⸗Bilder, aber das perfäntiche Intereſſe feſſelt 
ung nicht an fie. Verlangt ihr auch Das noch, könnte 
und der Dichter zurufen, wo dann den Zauber der Poefie 
hernehmen, um all die Schmerzen und Greuel, die ihr 
mit empfinden mößtet, erträglich zu machen ? 
(Der Beſchluß folgt.) 





Neuere polniſche Literatur. 
1. Archiwum tajne Augusta Il. wydane praeg Zdwarda Ressyi- 
skiego. Zwei Theile. 8, Breslau, Schletter. 1843. 2 Thir. 
Bon allen Perfonen, welche den Thron Auguft’s II. um: 
gaben, übte der Feldmarſchall Flemming ben größten Einfluß 
auf die politifyen Verhaͤltniffe Polens aus. Wie er am meiften 


3 


Auge 3. die —— Krone ya werlipeflen, 
7 genen, zug der Gpige — *7 2 
nach Polen gefuͤhrt ae fo et au ec auch von Augufl’s Kroͤ⸗ 


nung an nie auf, am ben Öffentlichen Angelegenheiten Polens | 


thätigen Antheil zu nehmen. Dabei waren ihm feine Familien⸗ 
verbindungen in Polen und feine Kenntniß der polniſchen Sprache 
ganz Vefonders behärfiih. Als Anfuͤhrer des ſaͤchſiſchen Heeres 
- in Lithauen 1699 brachte er wenigftens cine fdeinbare Ver⸗ 
einigung ber Sapicha'ſchen und Oeinsti’fchen Partei zu Stande 
und gab nachher den erften Anlaß zu dem Kriege Auguft’s 11. 
mit weden, wofür bekanntlich geuaß Loos ſeiner harrte. 
As Auguſt vor dem Sieger ſich beugte, verzweifelte Flemming 
an feines Königs Sache nicht. Gr ſpaun bald wieder neue 
Jatriguen in Polen an, um bie Parteigänger A 
ichäen, zu beleben und zu mehren, und bie Schlacht bei * 
tawa ließ ihn die Früchte feiner Mühen und feiner Ausdauer 
früher ernten ats er gehofft hatte. Nachdem Augufl ben von 
alten Seiten bedrohten Thron wieder beftiegen hatte, war es 
- Ylanming, der dem Könige den Rath gab, mit Hülfe des fg 
fifdgen Heeres die Regierungsform in Poteh zu ändern. 
das für Polen felbft heilfame Borhaben gelang nicht, und au 
benugte der gebemüthigte Monarch wie früher den Degen feines 
Keidmarfchalls fo jegt deffen Keder zu ben Verhandlungen mit 
den tarnogroder Gonföberirten. Nach dem unheilvollen Trac⸗ 
tate von 1717 warb Flemming, der das unumfchräntte Vertrauen 
feines Deren befaß, von biefem vornehmlich zu Miffionen an 
fremde Höfe verwandt, und während einer derfelben flarb er in 
Wien 1727, vier Jahre vor Auguſt. 
Das Privatarchiv Flemming's kam durch eine feiner Ens 
£elinnen in die Bände des um bie polnifdye Literatur fihon fo 
verdienten Wrafen Eduard Raczynski. Es mußte dieſes Archiv. 
um ſo wichtiger ſein, je bewegter das Leben des Feldmarſchalls, 
je groͤßer ſeine Macht und ſein Einfluß geweſen war, da die 
Angefehenften Derfonen in Polen, ſelbſt aus dem königlichen Ge⸗ 
biäte, um- feine Freunbſchaft ſich beworben, feinm Rath eins 
geholt und unter feinen Schutz ſich begeben hatten, und je ges 
nauer er mit ben gebeimften Triebfedern der damaligen innern 
und dußern Politik des poinifchen Hofed vertraut gemefen war. 
Graf Raczynski erfannte daher alsbald die Bedeutung Deffen, 
was ihm durch einen gluͤcklichen Umſtand vorlags er veranlaßte 
einige polnifche Damen und ben Grafen Bernharb Potocki, die 
wichtigen Documente bes Archivs aus dem Franzoͤſiſchen und 
Deutfcyen ins Polnifche zu übertragen und übernahm ſelbſt bie 
Derausgabe der Überfegung, und fo verdankt ihm bie hiftorifche 
Literatur Polens wieder einen neuen wichtigen Beitrag. Es 
‚enthält die Sammlung theils Staatsichriften und andere amts 
liche Actenſtuͤcke, —* Briefe hoͤchſter Perſonen, Reben u. ſ. w, 
einen wahrhaften Schag von Rachrichten über die damaligen 
Berhättniffe und Perfonen. Mit Recht fagt ber Herausgeber, 
daß wir bier nicht blos Einficht in ein Privatarchiv, fondern 
in die geheimen Archive zweier Höfe, des ſaͤchſiſchen und pols 
niſchen, und den Schiäffel zu mancher bisher räthfelhaften Be⸗ 
gebenheit erhalten. Daher wäre es wuͤnſchenswerth, baf bie 
einmal in bie Öffentlichkeit gezogenen Documente nun aud) in 
den Urfprachen dem Publicum vorgelegt würden. 
2. Pamietniki do dziejow Polskieh, wydane przez St. A. 
Lachowieza. Wilna 1842. 
Es enthalten biefe „Denkſchriften zur Geſchichte Polens 
ein lange Reihe von Briefen, welche der König Sigismund 
Auguft mit Nicolaus Rabziwill, zugenannt der Schwarze Kanye 
ler und Wojewode von Wilna, gewechſelt hat. Sie reichen von 
1548 bis zum 3. 1571, umfaffen alfo faft die ganze Regies 
rungszeit biefes Königes fie gewähren eine genaue Kenntniß 
vieler Ereigniffe, über welche man anderewo vergeblich Auskunft 
ſuchen dürfte, und find für Jeden unentbehrlich, ber fi mit 
einer fo langen und glorreichen Regierung vertraut machen will. 
Die Originale befinden ſich in der kaiſerlichen Bibliothek zu Per 
teröburg, vorher waren fie aus ber Radziwiller Bibliothek zu ſcheinen zu ladſde vorher waren fie aus ber Radziwiller Bibliothek zu 





ICH LIT bie li⸗ 


Gjocki beſeß außer biefen 
8 a s Sigismund u und es ift zu 
wünfchen, daß fie fi Ele irgendwo auffinden Laffen. Du 
die vorliegende Sammlung werben wir Aber das Verdaͤltniß des 
Königs vr feinen, Kanzler Radziwill genau untereichtet Wei 
Lebzeiten eiien feiedengeit barüber, 


Beider äußerte vn Uau 
daß ber König faft die ganze Regierung Lithauens in Radziwilſ's 
Hände gelegt hatte. Doch aus dieſen Briefen zeigt ſich klar, 
daß der Kanzler feinen Ginfluß nur auf eine ehrenwertbe we 
erlangt hatte. Der Blang feines alten Ge ſein R 
—— * 


thum, ſeine eigenen und die Berbienfe fein 

en dem ausgezeichneten Wanne ben Bugang we den 

tern im Staate, aber nur feinen perfönlichen Gigeafkafen, 
feiner Bildung, feiner Weisheit, feiner Anhaͤnglichkeit an Gigie- 
mund Auguft verbankte er deffen Freundſchaft und beffen Ber: 
trauen. Allee was bie innere Einrichtung bes —323 was die 
Berhaͤttniſſe zu dem Auslande betraf, ſogar 
genheiten des koͤniglichen Hauſes wurden vom 5 


5* Geſe 
—* mehr Bri 


geles 
dent 
Kanzler Radziwill vorgelegt und häufig nach veffen Rathe er⸗ 
ledigt. Daher denn bei Denen, die nicht in das Innere des 
Berpältniffee zu blicken vermodten, doch über ben Einfluß 
Radziwill's betroffen waren, leicht bie Rebe Glauben fand, der 

König fei gang in bie Hände feines Kanzlers bapingegeben und 
babe ihm 8 feinem Tode die beſondere Herrſchaft über Eis 
thauen verfprodhen. Der Vorwurf von Radziwill's Ubermäßis 
Br Einfluffe war fo allgemein, daß er noch hundert Jahre 
päter in Kojalowicz und Nieſiecki widerhallt. Die hier veröfe 
fentlihten Briefe befunden, wie ungerecht diefer Vorwurf ges 
weſen. Radziwill überfchritt nie die Grenzen, bie ben Unter 
tban vom Throne fcheiben, häufig entgeht er den Stürmen nit, 
die feine hohe Stellung mit fi bringt; an ber Sreundfchaft 
feines koͤniglichen Herrn zweifeind fehnt er ſich nach der haus 
lichen Ruhe und will ben Segterungsangelegenbeiten fich ent: 
sieben. Manche Mittheilungen geben ganz newe Aufichiäffe- 
Dahin gehört, das Sigismund Auguft, von Rom aus durch 
das Gerücht erfchredt, der Großfürft von Moslau, Iwan ber 
Schreckliche, bewerbe ich beim Papfte um bie polnifche Krone, 
eben durch dieſes Gerücht veranlaßt worden fei, zu einer zwei⸗ 
ten Heirath mit einer dſtreichiſchen Pringeffin zu ſchreiten in⸗ 
dem er an Kaiſer Karl V. einen Rüdhait zu haben wuünſchte 
Auch über bes Königs Verhaͤltniß zu feiner. Mutter, Bona 
Sforza, welcher bie Vergiftung ber Barbara Rabziwill zum 
Bormurf gemacht wird, zu den B:chwertbrübern in Eiefland x. 
erhalten wir mannichfache Auffchlüffee Im Ganzen find die 
| Briefe in gutem Polniſch gefthrieben, insbefonbere bie Rabdzi-rilt’s, 
bie fi duch Wit, Kraft und Schönheit ver Bprade, aut 


zeichnen. 





Literariſche Rotiz. 

Griechiſche Philoſophie in Frankreich. 
Jules Simon iſt, wenn wie nicht irren, ber Stellvertreter 
Soufin’s an der Sorbonne. Gr ift Derjenige, weidher die An- 
griffe der franzoͤſiſchen Seiftlichleit auf die freie ſelbſtaͤndige 
Philoſophle, wie fie in Frankreich erſt von Couſin wieder be 
gruͤndet iſt, am energiſchſten abgewehrt hat. Seine Auffäge 
in der „Revue des deux mondes“ find in dieſer Beziehung 
fehr „rahtenswertg. Diefer tatentvolle junge Philofopg bat 
ſich überhaupt ſchon durch mehre Arbeiten ruͤhmlich bekannt ge- 
macht, an bie ſich feine aeueſte Schrift „Etudes sur ha cheo- 
dic&e de Platon et d’Aristote’’ mwürbig anreiht. Wir möchten 
diefe Elare und ſchoͤn gefchriebene und dabei doch tieffinnige Ab⸗ 
handlung Denen empfehlen, die da immer noch in dem Wahne 
befangen find, die franzöfiiche Sprache eigne ſich nit für die 
philoſophiſche Speculation ober die da meinen, man muͤſſe jeden 
Gedanken in ein unverfländtiches Dunkel hüllen, um {pn tiet er⸗ 
ſcheinen zu laſſen. 





Berantwortlicher Herausgeber: Heinrich Brokhaus. — gg rantwortiider Deranbgeber: Heintid Brodbaus. — Drud und Werlag von 8. &. Brodbaud in keiypf. — und Verlag von 9. A. Brodhausß in Leipzig. 


Blätter 


literarifde Unterhaltung. 





(Beidiuß aus Mr. 228.) 


Über das Glaubensbekenntniß der Aibigenfer gibt ung |: 
bie Weihe eines Neuaufgenommenen in jener Höhle fo | 
weit Auffhluß, als wir überhaupt davon Kunde haben, |, 
und diefe ein Dichter für geeignet hält in feine Dichtung 
aufjunepmen. Der Duallsmus in der Antwort: 

Die Seifter find von Gott; die Körper find vom Boͤſen 
wurde nit von allen Sekten, bie man unter dem Mas 
men Albigenfee zufammen begriff, angenommen. Nachfol⸗ 
gende Dogmen Klingen flart an Meinungen aus der Ges 
genwart an: Ä 

Der Kirche fei der Geiſt entgegen und zumiber, 

Sie läutet ihn zu Grab und fingt ihm Sterbelieder. 

Der Kirche Abendmahl ift nur gebacken Brot, 

Die lepte Olung kann nichts ändern an dem Tobd. 

Dos Sacrament ber Ep’ ift meift nur Buhlierei, 

Venn fie auch vor der Welt bingeht, bee Schande frei. 

Die Taufe negt das Kind — ben Pflangenkeim ber Regen — 

®ie mahnt uns, der Natur das Kind ans Herz zu legen. 

Ih ſchwoͤre Beinen Eid, denn nichtig find die Schwüre, 

Im Beitenwetter bald zermorfchen twa Schnuͤre. 

Berachte jegtich Wild, zumeiſt das Kreuzeszeichen, 

Das uns nicht frommt, noch Gott zur Ehre kann gereichen. 


Nach langem Schiefe vegt ſich ſorſchend der Gedanke, 
Do träbt ihn noch und hemmt die Zeit und ihre Schranke. 
Der volle Chriſtus ift erſchienen nicht auf Erden, u 
Sein goͤttlich Menſchenbiid muß noch vollender werben. 
Noch verwandter Mingt, was in dem Geinegarten von 
Piris ein Anhänger der Lehre Almerich's von Bene von 
den „theuten Lehren” fpricht, von denen 
eine, unvergeßtich ihm vor allen, 
Noch Tpät wird auf ber Erde widerhallen. 
Sie lauter in der Lenau'ſchen Verſion: 
Was wir mit dunklem Worte nennen 
Die göttliche Dreifaltigkeit, 
Das find drei Stufen in ber Zeit, 
Wie wir den einen Bott erfennen. 
Den Bater glaubte ben Gewittern 
Der Menſch und bem Prophetenmunb, 
Bor Gottes Willen mocht' er zittern; 
um» foihes yieß der alte Bud. 





Jehova's Tage mußten ſchwinden, 
Der dunkle Donnernebel floh; 

Wir lernten Gott als Sohn empfinden, 
Und wurden feiner Liebe froh. 

Auch Ehrifti Zeit, die Bott verſchleiert, 
Bergeht, der neue Bund gerreißt, 
Dann denen Bott wir als den Weißt, 
Dann wird ber ew’ge Bund gefeiert. 


Der wilde Hohn gegen alle Zucht und Sitte, wie er im 
Grafen von Foix fig ausfpridht, repraͤſentiet auch eine ber 


Verirrungen, wie fie ſchon früh unter den erſten Verſu⸗ 


hen zur Reformation fich bervorthaten. Der lang ges 


knechtete Geiſt, wie folte er fogleihh den Weg zur Er⸗ 


tenntniß finden? Flagellanten, Wiedertäufer, Bilderflärmer, 
Adamiten waren in der entfeflelten, noch von der 
rei buschathimeten Menge die nothwendigen Begleiter der 
Reformation. Auch diefe kühnen, luſtathmenden Geifter, 
die ben Gott nur im Genuffe fuchten. Dagegen iſt dey 
Zweiflee Hugo von Alfar in feinem fehroffen kalten Bes 
wußtfein, in feinem bittern Hohn mol mehr eine Geburt 
der Gegenwart und des eigenen Gedankenproceſſes des 
Posten. Wo hat die neuere Porfie ein erſchuͤtternderes 
Bid aufzuweiſen als den Roſenkranz von geblendeten 
Nittern., welche der grimme Simon dem nur auf einem 
Auge geblendeten Alfar übergibt, mit der hoͤhniſchen 
Weiſung: Nun mögt ihr Keber 

‘ katholiſch wandeln lernen, 

Blind folgfam und gehorſam nur dem Einen, 

Dem noch ins Aug’ die Himmelslichter ſcheinen. 

Zenau gefüllt ſich nicht, das Furchtbare noch furchtharer 
auszumalen, noch die NRührung zu erwecken, was ein 
Leichtes geweſen wäre; er bleibt ganz Dichter, Indem die 
Dichtung dody nur dem Gedanken dienen ſoll. Einer der 
reife ruft: 

D daß wir Augen brauchen um zu ſchauen! 

Die ganze Welt zwei Punkten anvertrauum! - 

Barum ift nicht dem füßen Lichte offen 

Der ganze Leib? Er athmet noch die Luft 

Und ift doch ſchon fo finfter wie die Gruft. . 

Wär’t Innoceng, den dort mein Schwert getroffen! 

Daͤr's Innocenz, deu ich dort umgebradit ! 

Er if die Seele und das Herz bee Nacht. 

Die blinden Krieger heben einen entfeglichen Fluchgeſang 
des Haſſes an, den aber Ihr Führer Hugo von Alfar 
durch feine Worte, fpäter durch feine That, noch fiber 





as * 


bietet. Diefer ſeltene Roſenkranz“, den Simon dem Gra⸗ 
fen Foix ſendet, iſt mit Dem, was ihm folgt, wol die 
Perle unter den Geſaͤngen, wenngleich nicht die lieblichſte. 
Die Anmuth, könnte man fagen, gehört überhaupt nicht 
in Sleſe Sraͤßlichkeiten, und doch, auch in ber Schilderung 
wu Sturm, Noth, Graus und Tod, darf der Kuͤnſtler 
nicht gegen ihre Gefege fündigen. Diefe Anmuth, wohl 
verftanden die kuͤnſtleriſche, waltet noch ob in der Schil⸗ 
derung des Schlachtfeldes, deſſen gehäufte, verſtuͤmmelte 
Leichen, deſſen Blutſtroͤme, die zu einem Teich ſich ver: 
fammeln, mit aller Lebendigkeit vor unfer Auge gebracht 
worden. Sie alle ſchlugen fih um die Frage: Ob Gott 
den · Koͤrper erfchaffen, ober ein böfer Geiſt? 
Darüber flritten fie mit allen Waffen, 
Und werben. von den Vögeln mm gefpeift, 
Die, ohne ihrem Urfprung nachzufragen, 
Die Körper da ſich laffen wohlbehagen. 


Bel Zaufende gethan ben testen Hauch, 
Meint Innocenz, der Zweifel that ihn auch ? 


Sie rufen übers weite Schlachtgefilb 

Das Unkentied des Zweifel bumpf und wild, 
Was foll das ewig antwortlofe Fragen, 
Zu deſſen Ungeduid fie ſich erſchlagen? 


Was iſt's? — und Chriſtus? — Wunberlihe Mäpre! 
- "Daß er für uns ſich Fünsmert, zeigt uns nicht 

Dies todte Durcheinander zweier ‚Deere, 

Wo jedes fiet im Wahn der Chriſtenpflicht. 

Den gläubigen Kegern und Zweiflern gegenüber fagten 
wir, daß Innocenz, der Gipfel des Fanatismus, in groß 
artiger Wuͤrdigkeit aufgefaßt fei. Die verführerifche Los 
ung , bei Darftellung von Slaubenstämpfen diefer Art, 
wo der Dichter aus greimmerfülltee Seele Partei nehmen 
muß, dem verhaßten Werfolger auch zum Heuchler zu mas 
dyen, und ihn moralifch noch tiefer zu flellen, bat Lenau 
überwunden. Inmocenz glaubt mit heiligen, heißem Eifer, 
fo die Andern auch, aber mit dem heiligen @ifer, der 
mehr Unheil über die Welt gebracht hat ale Heuchelei 
und Bosheit felbft, denn beide find mit Vernunft bes 
gabt, beide müfjen den Verſtand bei ihrem Wirken zu 
Huͤlfe rufen. Wie herrlich iſt Ianocenz‘ Traum _ 

ein banges Stodlenfummen, 

Die Kirche laͤßt ihr legt Gelaͤut verhallen, 

Ihm duͤnkt die Welt von Chriſtus abgefallen, 

Er lauſcht und weint — die Glocken, ach! verſtummen. 


Das heilige Tau des Glaubens iſt zerriſſen, 

Das diefe Welt an ihren Gott gebunden, 

Bom Nagethier, dem Zweifel, überwunden, 

Bom Zahn bee Höllenratte abgebiffen. 
&o tritt er mit allgewaltiger Kraft auf gegen ben Boten 
Fulco, der ihn zum Kreuzzug mahnen will, ben er ſelbſt 
als nothwendig ſchon befchloffen. So ängftige ihn in ber 
Stile der Nacht das Gefiht, das ihn an die Stille 
mahnt, die er über die Provence gebracht; aber das Ger 
ficht überwindet ihn nicht. Er fpüttelt das Grauen ab, 
und ruft vor dem Erucifir ein ruhiges Amen! 

Wir überfcheitten das Maß für Anzeigen einzelner 
Werke, wenn wir alle die Gefänge, welche Schönes oder 


wm 


Beachtenswerthes enthalten, noch einzeln hervorheben wei: 
ten. Weil uns das nicht vergönnt if, halten wir auf 
der andern Brite audy mit den Rotaten zuruͤck, wo 9 
nau's Diction, Im Ganzen eine edle, durchaus dichteriſche 
die ſich Mrs Drange nach Deutlicheeit md Rıdfe ciyıme 
Bahnen bricht, bisweilen willkuͤrlich wird umb neben dem 
tühnften und glüͤcklichſten Pathos in die zu gemöhnlide 
Sprachweiſe verfällt. Was kommt es auf dieſe Lapfus 
der Sprache bei diefem Gedichte an? Es fol kein ruhi: 
ger, ebenmäßiger Strom fein, es iſt ein Waldbach der 
Enträftung, der uns weden, mahnen, wenn wir im dum: 
pfen Schmerz Über gegenwärtiges Leid verzweifeln, erhebm 
und auch fol; er verweiſt uns auf die 

richte der Geſchichte, und breitet ſolche elegiſche Weihe des 


Schmetzes Über das umausſprechlich Herbe aus, daß wir 


im Zuſammenſchaudern hoch noch genießen können. 
Der Troft für die gerteetenen. Albigenſer blieb lange 


aus; dee Dichter baut die Brüde auf, über welche der 


Gedanke endlich fiegreih drang. Welche jahthundert⸗ 
lange Bruͤcke: J 
Das Licht vom Himmel laͤßt ſich nicht verſprengen 

Noch laͤßt ber Sonnenaufgang ſich verhaͤngen prengen, 

Mit Yurpurmänteln oder dunkeln Kutten; 

Den Albigenfern folgten die Huſſiten 

Und zahlten biutig beim, was jene litten; 

Nah Hub und Zisla fommen Luther, Dutten, 

Die dreißig Jahre, die Gevennenftreiter, 

Die Stürmer der Baſtille und fo weiter. 


Ein Bud), das erſt recht lebendig fpricht, wenn wir 
ed zufchlagen; ein Bud voll ftrömender Gedanken, Be: 
danken an die Gegenwart bei Bildern aus der Porpit, 
und im ſchoͤnſten poetiſchen Gewande. Wäre es auch ein 
Leid, fo würden wir Lenau's „Albigenſer“ vielleicht cin 
einziges Gedicht nennen. W. Arie, 





Der Mormonismusß. 


Irgend ein deutſches Journal erwähnte nor einiger Zeit. 
daß in ober bei Bremen eine neue Gelte ſich bilde, dit 
den Namen Mormoniten angenommen. Iſt bie Rachricht 
gegründet, fo bürfte Die fragliche Sekte eine Gommandite oder 
ein 


fi) verbreiteten Sekte der Mormoniten ober Juͤngſten: Tagi⸗ 
Beiligen fein, und wäre bas, fo erftärte ſich vielleicht hieraus, 
warum eine im laufenden Jahre in London erfdyienene neue Kufı 
lage des Textbuchs ober der Bibel diefer Sekte, „Das Ba 
Mormon”, das in Amerila mehre Mate, in England zuerſt 
1841 gebruckt worden ift, laut Buchhändlerangeige „For exper- 
tation”, zur Ausführung außer Landes, beftimme fein fol. Die 
el HT 
icher a ngften » Zag6 : Heilige. ie Sn deſſelben 
wird folgendermaßen erzählt. * | (Repung 

Bor zwanzig unb einigen Jahren lebte in Rorbamerils 
und lebte noch 1842 ein damals junger Menſch, Joſeph Omith, 
feines Zeichens ein Schatzgraͤber. &6 herrſcht naͤmlich in eini- 
gen am Meere gelegenen Diftricten der Bereinigten Staaten 
der fefte Blaube, daß vor Zeiten Seeraͤuber große Maſſen ge: 
münzten und ungem Boldes dort verſcharrt und ein Glei⸗ 
ches während bes Freiheitskriegs gefchehen fei. Da finden ſich 
denn liſtige Wänner, die ‚pen Leuten weiß madhen, daß fit im 
Stande, mittels Beſchwoͤrung bie verborgenen Schaͤte zu heben, 


der in Nordamerika entſtandenen und nach England 


i es ins 


unb ein ige: Wann wag Baith. . 
deſſen, 48 See nike Monter rentirte, ober Smith 
nad mebr und Göherm trachtete, genug, er rühmte fi himm⸗ 
Ufcher Dffenbarungen in Betreff der dermaligen BReligionsfekten. 
Das fie Mal wurde ihm geboten, in den Wald zu geben und 
inbrünßig beten um Grleudtung von oben, weldye von als 
len de Selten er für die wahre erfennen und verehren 
folle. Und als er das gethan, ging ein Eicht auf über feinem 
Daupte; ee wurde empor und mitten hinein geboben und. ers 
blickte zwei engelgleihe Geſtalten, die ihm fagten, alle feine 
&ünben feien ihm vergeben, die ganze Welt im Bezug auf res 
Kigidfe beiten im Irrthume, und gu geeigneter Beit 
folle die Wahrheit ihm Fund —X sin a ne Er: 
deinung unterrichtete ihn, daß bie amerikaniſchen Indianer ein 
eibket der Kinder Iſrael und daß einft Propheten und 
gottbegeifierte Männer uater ihnen gelebt, von welden an 
einem ſichern Orte göttliche Urkunden niedergelegt worden, das 
mit fie nicht in die Hände der Gottlofen fielen. Eine britte 
Erſcheinung am Morgen de 232. Sept. 1823 benachrichtigte 
Smith, daf jene göttiihen Urkunden fich in einer Höhle befän- 
den auf einem Berge oͤſtlich von ber nad Palmyra führenden 
Dauptitrafe im Difteiete Wayne im Staate Reuport. Dorthin 
begab ſich Smith, fuchte und fand — wie er behauptet — eine 
fleinerne Kite, worin golbähnlidhe Zafeln, jede acht Zoll lang 
und fieben Zoll breit und nicht ganz fo di wie gewöhnlidhes 
Zinn. Auf diefen Tafeln war das Buch ober die Bibel Mors 
mon eingegraben, fo gebeißen nach Dem, ber es geichrieben und 
verborgen. Smith durfte jedoch die golbenen Zafıln nicht weg⸗ 
nehmen, bevor er ägpptifch gelernt, benn in dieſer Sprache 
oder einem jüngern Dialekte war dies Bud) abgefaßt. Endliich 
in September 1827 wurde er zur Empfangnahme für qualifis 
cirt erachtet, und nun fertigte er eine englifche Überlegung, bie 
1830 gebrudt erſchien, infonderheit unter den ärmern Claſſen 
großes Auffehen erregte und zur Bildung einer Sekte Veranlaſ⸗ 
fung , veren Anhänger fi) anfangs die Kirche Jeſu Ghrifti 
der Sängien: Kaps: Deiligen, fpäter, wie bemerkt, nad) ihrem 
Zertbucge Mormoniten nannten. . 

Das „Buch Mormon“ ift ziemlich von ber Stärke bes 
Zeftaments und yerfällt in zwei voneinander getrennte Haupt⸗ 
abfchuitte. Der erfle erzählt die Geſchichte der Nephiten, einer 
Iraction des Stammes Sofeph, die unter ihrem Propheten 
_ Reppi Jeruſalem verlaffen: haben und wunberbarerweile nad 
Amerita gelangt fein fol, wo fie den Grund zur indianifchen 
Kace gelegt. Viele Jahre nach ihrer dortigen Riederlaſſung 
entbedhten die Nephiten die Urkunden der Jarebiten, eines ers 

duemen Wotles, das um bie Zeit ber Grbaumg Babels nad) 
Amerita gelommen. Die Offenbarungen mehrer Propheten un⸗ 
un — Düne Sofepg Eaayr, Giftrs, 
„meines werd, € N Ü N 
ee der Mormeoniten, machen den zweiten 


& 


> bes Buchs aus. An Beweiſen von ug 
anb Zeug M durchaus kein, Dlangel. Der Verf. hat ben eigen 


* 

su GSetil der igen Schrift nachgeahmt, babei aber 
Serie un Ramen Be Sprachen It, die gu der vors 
gebticyen Zeit ihm unbelannt fein mußten. ‚Den Anftoß, daß 
die vothe inbianifche Hautfarbe nicht juͤdiſch, befeitigt er durch 
dae bequeme Mittel eines Möunberd. Ihre Hautfarbe, beißt «8, 
zux Strafe ihrer Suͤnden verwandelt. Dann werben 
Dinge erwähnt, die um Bieles fpäter erfunden worden find. 
ſchreibt der Prophet Rephi, indem er von eines Weuterei 
auf der Überfahrt nach Amerika fpricht: „Und fiche es geſchah, 
nachdem fie mid Losgebunden, daß ich den Gompaß nahm und 
er drehte —* in a few et — — 

ober, i he mich hinſicht ng au u 
tät des a m’. Das Tagt hierüber : & — 
angektichen eliten wird in den Bädern Enos, Jarom, Ze⸗ 
ni uf. —2 und durchgaͤngig entdecken wir den klar⸗ 
fien Beweis nicht bios von Betruͤgerei, ſondern auch vom der 
Unwiffenheit des Wetrügers, die ſich mit merkwuͤrdiger Ausdauer 


ſeph Smith den Plan entworfen und ausgeführt 


treu bleibt. Gi been oghänbet ben Mer. 
phiten ren — ar es Nm der Berf. ſich des ge: 


meinen Irrthums ſchuldig gemadt, ein Beiwort für einen Nas 
men zu halten. Jeder gebildete Menſch weiß, daß Ghriftus 
kein Rame, ſondern ein griechiſcher Amtstitel, daß has Wort 
fo viel bedeutet als der Geſalbte und eigentlich bie Überfegung 
des hebraͤiſchen Wortes Meſſias ift. Allerdings wird: in neuerer 
Zeit und auf den Grund eingebürgerter Gorruption von ben 
weftlihen Chriſten das Wort fo gebraucht, ale wäre es ein 
Gigenname, ober mindeſtens eine unüberfegbare Bezeichnung. 
Das ift aber ein moderner Irrthum, ben die meiften Kirchen 
bes Drients vermieden haben. Daß jedoch ein griechifcher Aus⸗ 
druck zu einer Zeit, wo bie griechifche Sprache noch unausgebil- 
det war, bei einem Volke vorfommt, das mit ben Griechen uss 
möglich in Verkehr flehen Eonnte und deſſen individueller Sprach⸗ 
organismus überdies aller fremden Beimiſchung feind iſt, muß 


: für ein fo offenbares und entſchiedenes Zeichen ber Faͤlſchung 


eiten, daß es laͤngſt die Taͤuſchung zu Tage gefördert haben 
ollte. Unglüdticherweife müflen wir indeß aus uns zugeganges 
nen Flugſchriften folgern, daB die amerilanifchen Methodiſten, 
die zuerſt es unternahmen, bie Mormoniten zu entlarven, kaum 
weniger unwiſſend waren ale biefe. Gin zweiter Rephi greift 
den Faden der Geſchichte bei einer Periode auf, welche mit ben 
im Reuen Zeftamente erzählten Begebenheiten zufammenfält. 
Wenn da nun behauptet wird, daß unfer Heiland nach feiner 
Auferftehung ſich den Rephiten gezeigt, fo liefern die ihm in 
den Mund gelegten Worte für die Unwiſſenheit ber Betrüger 
einen noch ſchlagendern Beweis. Die Worte lauten: ‚Seht, ich 
bin Jeſus Shriftus, ber Sohn Gottes. Ich habe Himmel und 
Erde geſchaffen und Alles was darin.‘ Dann: „Ich bi: das 
Sicht und Leben der Welt. Sch bin Alpha und Dmega, der 
Anfang und das Ende.‘ Abgefehen von dem frühern Berſtoße 
beim Namen Chriftus haben wir hier den Namen Jeſus in der 
griechiſchen Korm, und nit, wie die Hebraͤer ihn genannt ha⸗ 
ben würden, Joſua. Außerdem erfcheinen der erſte und ber 
legte Buchſtabe bes griechifchen Alphabet als Metapher für 
fortdauerndbes Dafein, und das bei einer Nation, die nie bon 
der griechiſchen Sprache gehört. Es leidet gar keinen Zweifel, 
daß der Verf. Alpha und Omega für zwei myſtiſche Laute Hielt, 
denen eine befondere Heiligkeit anklebe — ein Irrglaube, ber 
fig nicht auf die Mormoniten beſchraͤnkt —, und daß er fie 
binfchrieb, ohne Ahnung, welch offenes, jedem Schuljungen 
Mer ra Zeugniß der Faͤlſchung er dadurch wider ſich felbft 
au e.“ 

Iſt denn nun aber Joſeph Smith Verf bes „Buchs Mor: 
mon’’? Was weiter unten über feine Perföntichleit gemeldet wer: 
den wird, muß von vornherein bie Frage verneinen. Wenn cr 
es jeboch nicht ift, wer ift e8? Darüber gibt das „Athenaeum” 
einen Wink, der ſich bören läßt. Laut diefem achtungewerthen 
Journale hatte ein Geiftlicher, Namens Golomon Gpauibing, 
feinen Stand aufgegeben, fi in Gherm Vale im Gtaate 
Neuyork als Kaufmann angefiedelt und 1809 fallist. Zu felbis 
ger Zeit wurben bie norbamerilanifchen Grabhuͤgel viel beſpro⸗ 


: en und das brachte Spaulding auf den Gedanken, daß ein 


Roman, ber bie verlorenen zehn Stämme Iſraels, von denen 


"die Sage ging, daß fie Amerika bevölkert, mit jenen Grab⸗ 


— in Verbindung ſetke, wol ein Erkleckliches eintragen, 
m wenigflene momentan aus feiner Geldnoth helfen koͤnnte. 
Gedacht, getban. Spaulding ſchrieb einen foldyen Roman in 
altem hebräifchen Stile, nannte ihn bas gefundene Manufcript 
und bot ihn 1813 dem Druder Lamdin in Pittsburgh im Staate 


Pennſylvanien zum Verlage an, ftarb aber, ehe Lamdin fidy 


entſchloſſen. Im J. 1826 ſtarb auch Legterer, nachdem er kurz 
vorber das Heft einem gewiffen Sidney Rigdon zum Lefen ges 
Heben. Diefer fol nun gemeinſchaftlich mit feinem rg Io: 

en, der 
Welt das Buch als eine neue Offenbarung aufzubinden. Geeig⸗ 
net war 28 bazu und etwa nöthige Kbdnderungen und Zufäge 
erfoderten Leinen befondern Scharflinn. Das dies wirklich die 


wohner zählen fol und wohin fortwährend englifche Auswan⸗ 
derer ihren Meg nehmen. Bezuͤglich Näheres findet fi in der 
Heinen Schrift eines Augenzeugen — „The city of the Mor- 
mons, by Caswall” (London 1842) —, aus welcher ich bie 
oben angebeutete Schitberung des Joſeph Smith entiehne. Cas⸗ 
wau berichtet: „Ic; begegnete Joſeph Smith unmeit feiner Woh⸗ 
nung und wurbe ihm vorgeſtellt. So wurbe mir bie Ehre ber 
Zufammentunft mit sinem Manne zu Theil, der Prophet, 
cher, Kaufmann, Dffenbarer, Präfldent, Älteſter, Redacteur 
und @entral der nauvoder Legion ift. Dem Kußern nach iſt er ein 
gemeiner Ptebejer, auf deffen Geſichte ber Scheim und der Tol⸗ 
pet nebeneinander ſtehen. eine Hände find groß und fleiſchig 
und an dem einen Finger trägt er einen mafflo goldenen Ring 
mit einer Infchrift wie mir ſchien. Gekleidet war er in grobes 
Landtuch und fein weißer Hut mit ſchwarzem Grepp ummunden, 


als Zeichen der Trauer um feinen verflorbenen Bruder, Don |. 


Sarlos Smith, Herausgeber ber „Times and Seasons”. Er 
mag ungefähr 35 Jahre alt fein. In die Augen konnte ich ihm 


nicht fehen, benn es fehlt ihm der offene, gerade Blick bes ehr⸗ 


tichen Mannes. Gefolgt von einer Menge Ziteften, Bifchöfen, 


Predigern und geme nen Mormonen führte er mic in fein Dans, | 
(} U l A t 
wo nad unferm @inteitte für ihn und mid Grüßle gebrac | volle Auffäge, unter benen wir namentlid) 


wurden. Der neugierige Haufe gaffte ſtehend zu. Ich behäns 
bigte dem Propheten ein Buch und bat um Erklaͤrung des In: 
halte. Er fragte, ob ich den fchon Eenne. Ich ermwiderte, daß 


In nos Ku für einen ariedifchen Bieten hatte, inc DE | Hiforiidgen Artitet, melde zum gebßten Zeile von Arm 
Geoffroyh St.» Dilaire und Sheobeo 


Meinung zu vernehmen wünfde. ‚Nein‘, fagte er; „Griechiſch 
ik das gar nicht, ein paar Worte vielleicht ausgenommen. 
Was nicht griechifch, das tft aͤgyptiſch, und mas nicht aͤgyptiſch, 
das ift griechiſch. Gegenwaͤrtiges Buch ift von hohem Werthe; 
ed tft ein erklaͤrendes Verzeichniß aͤgyptiſcher Hieroglyphen.“ 
Dann legte er den Finger auf die großen Anfangsbuchſtaben 
jedes Werfes und fuhr fort: ‚„Diefe Figuren find aͤgyptiſche Dies 
zoginphen und das Nachfolgende ift die in neuerm Agyptild 
geichriebene Erklaͤrung der Hieroglyphen. Die Zeichen ähneln 
den Buchflaben auf den goldenen Tafeln.‘ Da begluͤckwuͤnſchten 
mich die umftehenden Mormonen wegen der empfangenen Beleh⸗ 
zung ‚Wir fagten ed Euch‘, riefen fie, ‚fagten wir es ud 
nicht, bad unfer Prophet Euch belehren werde? Nur unfer Pros 
phet vermag foldye Geheimniſſe zu deuten.‘ " 14. 





— — —— 


Literariſche Notizen aus Frankreich. 


Die Auffindung ber legten Gefänge von Byron's 
„Doa Juan”. 

Bon franzoͤſiſchen Blättern zuerft wurde die Rachricht ges 

bracht, daß die acht legten Belänge vom „Don Juan‘ Bnron’s 

in Benua aufgefunden feien. Go unwahrſcheinlich es war, daß 


NRicolint, der Freund, dem Byron feine Papiere zur Aufbewahrung 





gegeben haben ſollte, erſt wit dieſem Intereffunten Iran, 
mente hervortrat, fo machte oe erfreuliche Nachricht doc 8 
deſtoweniger die Stunde durch unfere Zeitſchriften. Das dein 

ann an inlichkeit, als ber bekannte Buchänker 
Dauıtn anzeigte, daß der —— „Don Juan” im Drigh 
nalterte und iA ber Überfegung zu gelcher Zeit bei ihm erfcheinm 
werde. Seiner Anklındigung zufolge werde das Driginal ki 
ihm fruͤher als bei Murray, dem Verleger Wyron’s, heran, 
tommen. Gr behauptete, dieſes Übereinfommen mit dem ion, 
doner Buchhändler getroffen zu haben, um dem franpdfifhen 
Rachdrucke aus dem Wege zu geben. Diefe Anzeige fand mit 
großen Eettern in bem „Jou des debats””. t lange, fo 
brachte das Journal „L’Illustration” den 17. Gefang a 
Probe. So giaubhaft bie ganze Sache jet nun fein, 
und zwar um fo mehr, ba das mitgerheilte Bruchſtuͤck wirtih 
in Byron's Manier gehalten iſt, fo können wir doch aus beſter 
Quelle verſichern, daß fie nichts als ein Puff und eine My: 
fleation ifl. Ein geiſtreicher franzoͤſiſcher Schriftſteller hatte fh 
einen Spaß daraus gemacht, in einem Geſange (in Proſe) dad 
unvollendet gelaffene Gedicht des englifchen Dichters fortzuführen. 
Paulin, dem er biefen Scherz mittheilte, fand in dieſem Krag: 
mente ben Byron'ſchen Ton fo gut getroffen, daß er beictof, 
es in feinem obengenannten Journale abbruden zu laffın. im 
der Sache mehr Staubhaftigkeit zu geben und tum das Publ 
cum im voraus gefpannt zu machen, ſtchickte er die verfdiee 
nen Anfündigungen, deren wir oben gedacht haben, votam. 
Außerdem tieß er noch den Anfang bes untergefdobenen 17, 
Geſanges von einem talentvollen englifchen Dichter, melde 
fih gegenwärtig in Paris aufpätt, in engliſchen Berfen bear 
beiten. Schade, daß fo ben zahlreichen Verehrern des grehm 
Briten und feinen faft ebenfo zahtreidgen lÜberfegern die Freude 
zu Wafler wird. 


P. Lerour’ literarifhe Unternehmungen. 

Die werthuolle „Emcyclopedie nouvelle” von Pierre fu 
sour und 3. Reynaud, deren Anfang von Erſterm fh ge 
fehrieben , gafent und gedruckt wurde, iß jegt beweits bit jur 
4l. Lieferung gebieben. Diefes ‚Heft enthält einige recht gehalt 
„Descartes“ von 
Renouvier, ,„Epop6e” von Guinet und „Krasme‘' von fertsul 


hervorheben. Diefes umfaffende Were hat einen fehr fchön 


Mitarbeiterlreit. Gebr werthvoll find inabefondere die natur 
re Lacorbaire, dem Bruder 
des bekannten Kanzelredners, berrühren. Die orientaliſche its 
ratur wird von Pauthier, ver ſich durch zahlreiche Werft ie 
kannt gemacht bat, behandelt, Gehe gehaltvoll ſiad die peli⸗ 
tiſch⸗ commereiellen Yuffäge von Petetin, einem ber fleifigke 
Mitarbeiter an ber gleichfaUs von Lerour vedigicten „Bera 
independante”. Viardot if} das Gebiet der Kunftgeicicte und 
namentlih ber Malerei zugefallen., Seine Artitel find nikt 
ohne Intereffe, wie man dies auch von bem Verf. der „Muster 
d’Italie”, an bie fi) jeut ein aͤhnliches Werk über die Kunfı 
fhägc von Spanien anreibt, nicht anders erwarten kann. Be 
fondere Erwäbuung verdienen noch die Aufſaͤtze, weiche aus ber 
Beder des treflichen Hippolyte Carnot gefloflen find. Die ca 
erwähnte „Revue independante” bat einen viel beffern Srfolg, 
als man anfangs nermuthete. Zum Theit verbanft fie dit 
gänftige Aufnahme dem zeihhaltigen „Bulletin bibliograpbigue", 
das jedem Hefte beigegeben wird. Indeſſen bietet aud der 
größte Theil der mitgetheilten Auffäge eis wirkliches Sotefe. 


So heben wir außer ben vieigelefenen Novellen ber Gaud, von 


der faft jede Nummer wenigftens etwas bringt, in ben lehten 
Heften namentlich einen ſehr heichrenden Auffag aus ber Feder 
V. Schoͤlcher's, des unesmüblichen Sklavendertheidigert, Ku 
vor. Gr betrifft die Revolution von Haiti und if reich an 
Belehrung. 2 


Berantwortliher Herausgeber: Heinrich Brockhaus. — Drud und Berlag von 3. X. Brodhaus ia Reipzig. 


- 








literarifde 


Bıatter 


he 


Unterha tung. 








panien, von William 

ß, Drescott. Aus dem Engitfeen uͤberſetzt. 

z3 Bände. Leipzig, Brockhaus. 1842. Gr. 8, 
r. 

Wenige Laͤnder haben eine fo reiche, mannichfaltige 
nad zugleich fe wehmuͤthige und niederſchlagende Ge⸗ 
ſchichte alg wie Spanien. Die Zeit Ferdinand's, Ifa⸗ 
bella's und ihres Enkels Karl treibt das lang Vorberei⸗ 
tete raſch zu glanzreicher Hoͤhe; aber noch vafcher nicht 
der Verfall herein, und meber Perfonen noch For: 
wen haben bis auf den heutigem Tag eine wahrhafte 
Wiedergeburt herbeiführen Sinnen. Die Wurzeln, die 
erſten und urfprünglichen Gründe biefer tragiſchen Er⸗ 
ſcheinungen, zeigen fi) ſchon dentlich in ber geruͤhmten 
Zeit Ferdinand's und Iſabella's, und Dr. Prestott Has 
fie, ungmmchtet feiner Vorliebe für dieſe Hereſcher, wicht 
verdecken koͤnnen und wicht verbedien wollen. 

Schon darin zeigt ſich eine hoͤchſt merkwuͤrdige Um⸗ 
üelung weilthiſteriſcher Entwickelung, daß ein Amseridaner 
weit das geuͤndlachſte und am beſten gefchsisbene Duch 
über Den anziehendſten hell der fpanifchen Seſchichte 
liefert. Es verdiente ohne Zweifel, durch eine lberfegung 
befannter zu werben: aber nur zu oft gerath dies Ge⸗ 
(Gfı in die Hände eiliger Habrilarbeiter, weiche ſeibſt bie 
treffligfle Usfegrift im eine nuſcheinbare, heiperige Nach⸗ 
binung vermamdeln. Die vorliegende Überfegung iſt eine 
jeltene und hoͤchſt Inbenswekthe Ausnahme. Sie iſt gas 
gieich tuu und fließend, lieſt ſich wie eine Urſchrift, und 
zeigt eine Reinheit der Sorache, die wir leider im vieten 
deutſchen Werben wicht finden. *) GO bleibt ein Jau⸗ 
wer, anzuſehen, mie unſere uͤberreiche, bildſame, zum pafs 
faden Ausdruck aller Gebanken hinreichende Sprache, von 
Sceififlellere, Beamten, Geſetzgebern mit einer verdamm⸗ 
lichen Nachlaͤffigkeit behandelt und ihr eine 
Hantwurſtjacke aufgezwungen wird. Diejenigen, welche 
mit anmaßlicher Unwifſenheft "und gemirthiofer Gleichguͤl⸗ 
Hafeit be : 8 fel an biefer Derunflaktung nichts 
rm, ia fie ſei nothwendig, koͤnnen von dem Überfeger 
Dieles B da6 Gegentheil lernen. 
Die fricheen Verhaͤleniſſe Caſticlkens und Wrageriewe 


80.2, ©. 85, 3. 6 von oben, liek Wrrtagne. 


find von Hrn. Prescott in einleitenden Abſchnitten ſehr 


29. Auguſt 1848, 


Ichrreich auseinandergefegt worden. Sie beftätigen (gegen 
bie gewöhnliche, aber irrige Meinung), daß auch in Spas 
nien während bed Mittelaiters die Könige nicht willlur 
li bereichen konnten, fondern durch mancherkei Formen 
und fländifche Mechte befchräntt, ja übermäßig bes 
ſchraͤnkt waren. Deshalb lite Caſtilien (5.29) ungeach⸗ 
tet feiner freifinwigen Verfaſſung an den Gebrechen inne: 
ter Zuchtloſigkeit; und während man in Aragonien foͤrm⸗ 
liche Mittel zur Abſtellung etwaiger Maͤngel übereinander 
baute, vergaß man, daß die auf vielen Stufen zur Aufe 
fiht Berufenen immer wieder Menfchen, mit menſcht⸗ 
ren Eigenſchaften und Mängeln waren. Ferdinandes 
and Iſabella's Bemühen, die allzu ſchwache koͤnigliche Ge⸗ 
walt zu ſtaͤrken, war natürlich und heilſam; nach ber 
miegluͤckten Gegenftreben der Gemeinen während der Ju⸗ 
gend Karls V. bekam aber die Macht der Könige WER 
um fo ertödtenderes Übergewicht, als Aberglaube nm 
Glaubenswuth fidy damit unfeliger Weiſe gereinigt hatten. 
Hr. Pretcott Tage W. 1, S.233, mit Recht: 

Die Inquifltion bat mehr als irgend etwas dazu beigetrar 
gen, den erbabenen Charakter des alten Spaniens zu erni 
gen; fie ſchleuderte den Feuerbrand ber Slaubenswuch in dieſe 
lieblichen Gegenden, welche von ber Natur zum Wohnſitz der 
Froͤhlichkeit und des Vergnuͤgens beſtimmt zu fein ſcheinen. 
Bei dem jetzigen freiern Stande der Bildung biiden wir wit 
Biderwillen auf jedes menſchliche Weſen, es ſtehe noch fe hoch, 
das die beiligen Rechte des Bewiffens, das unserdäußerliche Wat 
jedes Menfchen antaſtet. Wir fühlen, Daß die —* UAngev 
igt, uͤherlaffen bieiben mäflen, inſoweit nicht —— 
Kal, ’ 

—* oder freundliche Ermahnung * i 


zwingen, ein ebenſ 
An einer andern Stelle (Bd. 1, S. 277) heißt es: 
Der Großinquiſitdr Torquemadd verbarg unter feinem Rn 
gewande mehr Stolz; ars ein ganges Kiofter feines Ordens d 
zuweiſen gehatit hätte, war einer ven jener Gtaffe, bei denen 
Siaibendeifor für Religion gilt; und bie biefen Effer durch ofe 
thende Verfolgung Derjenigen offenbaren, deren Glaube von dem 
ihren abweicht; die ſich für ibre Enthaltfamkeit von. finnlidhen 
Genäflen dadurch entſchüdigen, daß fie jenen tödtlidern Laſtern 
des Herzens, als Vtoiz, Zeinnmiei und Unduidſamkilt; den Di 
ge ficken — en Lehe * nd * ger 
er in.ainem w ın M 
En lbringend fin. — : —** trieb See u eh u 


u 
fſprechen, oder, mie Eintge behaupten, hreßte ein ſolches von 





1 
nz n ar | 


s ‘ ; als , — der Aus 
ne wg ng een Bram a — — — 
des rn Bene weihen wolle. 


Der Eifer Torquemada's war fo übertriebener Act, daß 





Zolkeit n Beine Geſchichte kann 
et allen voälchen —* lmehr 
„eh feine gibt, bie ber menfchlichen” Geſcuiſchaſt größeres 


Unbeil bereitet ale Glaubenswuth. Der entgegengefegte Grund⸗ 
fag, die Gottesleugnung, welcher fid) weigert, bie hoͤchſt bedeut⸗ 
ſame Weihe ber Zugend anzuerkennen, bebingt nicht notbiwenbig 
bei feinen Juͤngern den Mangel richtiger Moralbegriffe, das 
beißt der Faͤhigkeit, Recht von Unrecht zu unterfcheiben. Aber 
Giaubenswuth wirkt auf alle beftehenden Grundfäge ber Moral 
fo zerftörend, daß fie, unter dem gefährlichen Sage: zur Beförs 
dea Glaubens find alle Mittei erlaubt (den Kaſſo IV, 
mit Recht von ben Höllengeiftern hergeleitet hat), nicht nur 
die empoͤrendſten Verbrechen entſchutdigt, fondern diefelben als 
eine heilige Pflicht empfiehlt. Je mehr ſolche Verbrechen nun 
dem natürlichen Gefuͤhl ober ber dffentlihen Meinung wiber: 
fireben, je größer ift das Berbienft, das aus dem Opfer, womit 
man fie begeht, erwerben wird. So manches biutige Blatt der 
Geſchichte bezeugt es, daß Blaubenswuth, mit Macht gewapp⸗ 
net, das ſchwerſte Unglüd if, bas ein Volk treffen kann 

Die ſchrecklichen Verfolgungen, welche [don während 
der Regierung Ferdinand's und Iſabella's die Mäuten 
und Juden, ja die Chriften trafen, erweifen nur zu ſehr 
die Nichtigkeit der legten Anklage; umd wie fleigerte fich 
fpäter das Übel zur Schmach und zur Verödung Spa: 
niens! Glaͤnzender erſchien der Erfolg, insbefondere ‚die 
politiſchen Grundfäge und Maßregeln Ferdinand's; und 
doch hatten diefeiben mit Sittlichleit und wahrer Staats: 
weisheit nichts gemein. Es war ein Syſtem der Taͤu⸗ 
(hung und des kuͤnſtlichen Betruͤgens, wogegen ber Egois⸗ 
mus ber Römer, wie ihn Macchiavelli predigt, kuͤhn und 
geoßartig erfcheint. 

Die Größe und die Beſchraͤnktheit des Cardinals 
Zimenes ift richtig bargeflellt und gewürdigt. In Bezug 
auf bie von ihm veranlaßte Verbrennung ungähliger ara⸗ 
biſcher Werke fage der Verf.: 

Ste fand ſtatt, nicht in ber Finſterniß bes Mittelatters, ſon⸗ 
dern in ber Morgenroͤthe des 16. Jahrhunderts und mitten unter 
einem aufgeliärten Volle, das für feine eigenen Fortfchritte ges 
vade hiefen Schaͤten arabiſcher Weisheit fo viel verbankte. GE 
bildet ein (erwieſenes) Gegenſtuͤck zu dem, acht Jahrhunderte 
verher, Omar angeſchuldigten Frevel und beweiſt, daß blin⸗ 
ber Glaubenseifer in ſedem Glauben und Zeitalter ſtets derſelbe 
iſt. — Eine ſolche Buͤcherverfolgung iſt, in einer Kuͤckſicht, noch 
wuhellveller als ſelbſt die gegen das Leben gerichtete; denn ber 

eines Ginzelnen wird faum Über ein Menſchenalter hin⸗ 
amd gefühlt, während bie Wernichtung eines werthuollen Werks, 
oder mit andern Worten, eines in bleibender Form vertörperten 
Geiftes, ein Verluſt für alle künftigen Zeiten if. 

Der mildere Erzbiſchof Talavera hatte die Gebetbuͤ⸗ 
her, Katechismen und andere religioͤſe Lehrſchriften zum 
Gebrauche der bekehrten Mohammedaner ins Arabifche 
überſetzen laſſen, und fich zugleich vorgenommen, bie Über⸗ 
fegung auf die ganze heillge Schrift auszudehnen. Ximes 
nes aber widerfegte fich aufs Kußerſte und fagte: es hieße 
Perlen vor die Säue merfen, bie heiligen Schriften vor 
Benten in ihrem niedrigen Zuſtande dee Unwiſſenheit zu 
Amen; fie würden nicht ermangeln, diefelben zu ihrem 
eigenen Verderben zu verdrehen. Das Wort Gottes follte 


\ 


FR) 


1 
dem gemeinen Haufen, ber vor Dem, mas klar und offen 
bar iſt, wenig Ehrfurcht habe, im ein angemeſſes Gehen. 
niß gehält werden. Von diefer Zeit an gewann 
die Religion in dem ungluͤcklichen Spanien eine neue Geſtait. 


Dee Geift der Unbuikfamleit, nicht länger 
des Kloſters, ſchritt Pr in —— — 


r 


Dunkel 
offen einher. Gifer wurde zu aubentwuttß geſteͤgert, und ci 
vernünftiger Bekehrungsgeiſt zu graufamer Berfolgung. Gs 
enügte jept nicht mehr, wie ehemals, fich gebuldig nad) den 
ehren ber Kirche zu richten, fonbern man wurde angemiefen, 
gegen Alle, w diefeiben nicht annahmen, zu Felde zu ziehen 
Das natürlidde Gefühl von Zerknirſchung bei ber Musübung bie 
fer traurigen Pflicht war ein Verbrechen; und bie Thräne det 
Mitgefuͤhls, im Angefichte von Todeskaͤmpfen ausgepreft, war 
ein Vergehen, das durch demüthigende Buße geführt werden 
mußte. Die fchauberhafteiten Brundfäge wurden wohl überlegt 
in das Sittengeſegzbuch eingepflanzt. Gin Jeder, fagte man, 
tönne mit rublgem Gewiſſen einen Abtrännigen töten, wo er 
ihn finde Darüber, ob man feinen eigenen Water erſchlagen 
tönne, wenn dieſer ein Ketzer oder ein Unglaͤnbiger fei, berrfte 
noch einiger Zweifel; body nicht der mindeſte über das Red, 
in einem ſolchen Falle feinem Sohne oder Bruder dab Leben 
zu nehmen. 


Edenfo war damals bie Meinung vorherrſchend ge: 
worden: daß heidniſche und milde Voͤlker wegen ih 
Unglaubens weder auf geiftliche noch buͤrgerliche Rechte 
Anſpruch haben. Man hielt ihre Seelen zur ewigen 
Berdammnig beſtimmt, und ihre Leiber für das Eigen⸗ 
thum des chriſtlichen Volke, das ihren Boden eroberte. 

Bei dem uns ſparſam zugemeffenen Raume habe 
wir aus dem vorliegenden Werke nur wenige Proben dee 
Auffoffung und Darftellung geben kaͤnnen. Sie berreffen 
aber eine Richtung, weiche immerdar hoͤchſt gefaͤhrlich if 
und vor weicher man nit oft und (aut genug warnen 
fann. Febenfalls widerlegt Den. Peescott's Wert im 
fo oft gedankenlos nachgeſchriebenen und nachgeſprochenen 
Vorwurf, als bekuͤmmerten ſich die Amerikaner nur am 
bie untergeordneten, materiellen Intereſſen ber Gegenwart, 
Abgeſehen davon, daß dieſe immerdar mit geiſtigen De 
ſtrebungen in weſentlichet Werbindung und Weechſelwir⸗ 
kung ſtehen, zeigt ſich hier ein Fleiß bei Erforſchung der 
Quellen, ein Abel und eine Unbefangenheit der Beuth: 
lung, eine Angemeſſenheit und Kiachelt der Darflellumg, 
wie wir fie nur felten in europaͤlſchen Werken finden. 

Es gereicht uns zur befondern Benugtheung, daß wit 
ben tüchtigen lberfeger zur Übernahme feiner Arbeit wer: 
anlaften unb federn ihn auf, die naͤchſtens erſcheinende 
„Geſchichte der Eroberung Mexicos“ mit aͤhnlicher Sorqg⸗ 
falt ins Deutſche zu Übertragen. Gewiß wird dies zweite 
Wert Prescott's alle Vorzuͤge bes erſten befigen, und on 
poetiſchem, romantiſchen Jutereſſe demſelben vieleicht neh 
voranſtehen. F. v. Raumer. 





Charles Belt. 


Durch die überſ ber Bridgewater⸗ Bücher ift Charies 

Bel, Berf. der (hören Abhandlung über ie menſchliche das 

ohne Zweifel auch in Deutſchland allgemeiner bekannt 

—— hm it. Dat 1842 auf Br. SHollanb’s Band Dave 
orreſter, geſtorben. Notizen 

welche wir dem "Quarteriy review‘ entnehmen, werden daher 

hoffentlich unfern Leſern willkommen fein. 


in &bi —R Gein Bater, Dorf: 
tenteal, hatte don einem fährlichen Eig⸗ 
. t. ſich und feine Famitie 5 — 
die Altern Brüder Kari's, zu 


fein Atter zu u When, ger 
Gr erhieit allen 

Mutter, und fagt ſeidſt, bas Beiſpiel feiner Beuder 
Bruder John, der aid Wunbarzt in 





Bauls auflgammmen, weniger 
den mebieinifeen Jaſtituten, fei es aus Ratienslabneigung ges 
ven wie Well ſelbſt glaubte, fei es um ber Zohn’s 
ſchen mebicinifhen Händel in Edinburg willen, woran er ſei⸗ 
nem Bender zu Eiche Theil genommen hatte. Er zeichnete fleis 
Sig wach bem Acte und hielt den nampafteften Kuͤnſtlern, unter 
itmen auch dem berühmten Davib Willie, anatomifche Vorleſun⸗ 
den Antllenfammiungen. Willie erinnerte fich deflen ned) 
15 ‚als e u Serufalem ee ak —— ahiaburs 
of Expression”, die er ig von Edinburg 
mitgebracht hatte, gab er 1806 heraus und begründete dadurch 
feinen Ruf; aber eine fefle Anftellung Eonnte er deffenungenchtet 
nicht eriangen und hatte auch wenig Zuhörer, flatt der neunzig, 
die in Edinburg feine are af ie — erh 
und es ingen viele ce, ebe er es auf vierzig brachte. 
Gr m e 1807 ein altes, baufälliges Haus in der Leis 
Es war dafleibe, worin 





ine Möher verborgen wer. Auf Erkundigung erfuhr er, 
dieſe Borrichtung dem unfihtbaren Mädchen gedient 
hatte, weldes an der nämlichen Gtelle gezeigt worden war. 
Bell bemerkte hieräber in feinem Tagebuche: „Sin Dann, der 


fee Areuge mb Begriffe von Schicklichkeit. Ich 
s | hätte, als 
a er Art Dane 10 mopnte.” 


wohnte in dem Onslomw” Haufe bis 1812 in fors 
keit und voll von —— kuͤnftiger Erfolge. 
n auf feine Theorie des Nervenſyſtems hin und 
feiner Entbedungen über ben Zufammenhang und 
ber Kup erwähnend: „Ich will nichts das 
aber meinen Freunden Vorleſung darüber hal⸗ 
8* Borleſung hal⸗ 
ver dt Laͤrm damit machen, wie «8 denn in 
ea Einzige tft, was feit Hunter's Lagen im Gebieie 
gu Tage gekommen.“ Boll Selbftgefühl war er 

ſtete ohne Anerkennung; fein Bruder fcheint der ein 
fein, der ihn damals zu fchägen wußte Gr 
[were Krankheit zu deftehen, während weicher 
Deliriren fo viel möglich beobachtete und feinem 
Abvocat in Schottland) nachher im einem Brief 
Manufcript für Freunde ließ er feine „Idea of 
asaisiby ef the brain‘ A814 druden, in welder er 
NJeines Syſtems entwidelt. Kein Menſch wollte 


Ei 
ll 


agtE 
’ & 
H 





Ft 





gt 
f 
i 








5 . 3 ’ wie wie 
fee: vi ver De ae en | 
mit unter; denn ich fäptte mich Jo ausgefloßen von ber Melt 
die ich liebte und beren Anerkennung ich zu verdienen glaubte, 
fo allein in der Welt, daß ich gewiß war, es müßte fi etwas 
anfnüpfen; und ich unterhielt mich mit Phantaflen, welder 
amilie, weicher Gtellung, weicher Art Leuten mich Lie Vor: 
ehung zumelfen möchte. Es war faum eine Straße, oder ein 
Baus, wo meine Einbildungsfraft mir nicht meinen Fünftigen 
Aufenthalt vorfpiegelte. Kurz, ich war fo romantiſch, wie ein 
junger Menſch es nur ei Eonnte, obwol mein Sinn vornehmlich 
banach fland, duch Wiffenfchaft Ruhm und Unabhängigkeit zu 
Dies war vielleicht. die ausſchweifendſte Phantaſie 





gewinnen. 
von allen.’’ 


Bell verheicathete ſich 111 und uͤberaus gluͤcklich. Bald 
barauf fand er Gelegenheit, ſich in bie Hunter'ſche medicinifche 
Schule, wonach er lange geſtrebt hatte, einzulaufen, und wid⸗ 
mete im 3.1812 allen Fleiß feinen Vorlefungen. Er hatte gun 
bald wieder feine 90 Zuhörer und ſchrieb damals, er wollte 
nit ruhen, biö er die Zahl auf 150 brädte. Im J. 1814 
wurde er zum Wundarzt an bem Middlefer s Hofpital ernannt 
und er freute ſich der praktifchen Thaͤtigkeit: er machte bie Ans 
ſtalt in kurzer Beit zu Dem, was fie [päter in ber allgemeinen 
Anerkennung wars zu feinen Vorleſungen drängte man ſich; er 
erwarb aber nicht nur als Lehrer, ſondern audy als praktiſcher 
Mititaisarzt, als geſchickter Operateur, wobei ihm bie auch in 
feinem Zeichnen und Malen erprobte Leichtigkeit feiner Hand zu 
Statten Fam, einen glänzenden Ruf. Im 3. 1815 begab er 
fi unmittelbar nach der Schlacht von Waterloo nach Bräflel, 
wo er fi in Behandlung der Verwundeten fehr thätig erwies 
und nüglich machte. Interefiant iſt bei biefer Gelegenheit bie 
Schilderung, welde er vom Schlachtfelde macht. Er erfietterte 
das über 00 Fuß hohe Geruͤſt, wo Rapoleon geftanden und bie 
Scene überfchaut hatte, eine ſchwindlige Höhe: hier wendet ex 
auf Napoleon bie Stelle aus „Machbeth‘‘ an: 

...... Was für Soldaten ? 
Diener. 
Erlaubt, das Beer von England! 


...... Diefer Rud 
Eurirt auf immer, ober Liefert jegt mid. 
Ich lebte lang genug... .... 
Gehorſam, Liebe, Ehre, Freundestroſt, 
Dana darf ih nicht audfehn; doch Matt deſſen 
Flüge, nit laut, dach tief, Munddienſt und Bauch, 
Was gern dab arme Herz mir weigern moͤchte, 
Und wagı’s nit. 

Bell lebte gen der Wiffenfhaft und boffte von Jahr zu 
Jahr, daß die ifenfägaft ibm auch ein genügendes Auskom⸗ 
men ſichern würde, aber vergeblich. Beine Einnahme ſchwankte 
yifchen 1400 und 2400 Pf. St, was für fein Eoftfpieliges 

tubium, feine zahlreiche Familie und das theure Leben in ber 
Hauptſtadt ſehr unzureichend if. Da las er 1821 in der Ro- 
yal society feinen erften Auffag über das Nervenſyſtem; mit 
welcher Muthloſigkeit, zeigen folgende * „Nie fühlte ich 
mich fo ſchlaff ..... nehme meine Buinee und laure auf 
mehr. Das iſt ein jaͤmmerliches Leben, und ich weiß, ich halte 
es nicht lange aus w. ſ. w.“ (13. Juli 1821). idee Grwen 
ten machte bie Vorleſung außerordentliches Auffcbem Gr ge 
wann wieber Muth, fein Gelbfigefüht kehrte zuruͤck. Roch mebe 
Eindruck als in England, fagt er felbf in einem Hriefe, machte 
fein Auffag (er fland in ben „Philosophieal transastions”') im 
Frankreich. „Wenn ich nicht arm J ’, ſagt ex in demdjels 
—7535 „und keine Scherzen haͤtte, wie gluͤcklich bLoͤnnte 

ſein.“ 

Im 3. 1833 begannen bie Verſuche, Wells Entbeckunges 
ifyem Urheber fixeitig zu wachen, bie bis an feinen Tod forts 
dauern, und erft nach diefem fand er fein volles. Recht. Am 
dem etenben Gtreit über das Cigenthumerecht biefer Entdedunr 


gen nahm ex ſetbil Ekinen Theil; aber dieſte Sereit Hatte ihm 
die Klang mit der Nerveniehiie zum Ekel gemadt. In 
feinem Ehreifer ließ er nicht. nach. Dies wurde auch anerkannt. 
Das wundarztiiche College übertrug ihm ben erflen Erheftuhl 
für Anatomie: und Wundarzneikunde. Aber fonderbar! den 
anatomischen kehrſtuhl in der Akademie —x dreimal va⸗ 
cant, konnte er nie erhalten. Er lieh fi 24 überreden, ſich 
darum zu bewerben. Alles kam ihm mit Hoͤflichkeit und Ach⸗ 
tung entgegen. Flaxman, wie er ſelbſt erzählt, einen kteinen, 
abgelchten, doch noch beweglichen Mann, fand er mitten unter 
ungeheuern Fragmenten antiker Statuen figen; Rorthcote, mit 
feinen blaffen, lebhaften Zügen, Kopf und Schultern in ein 
Tuch gewickelt, unterhielt ihn mit Gomplimenten und Klagen 
über den Berluft der alten guten Zeit ber Akademie; Chantrey, 
ſtrotend von Gefunbheit und Ruhm, ſchritt wie ein König durch 
feine geräumigen Studios, mo gewaltige Marmormafien die 
Größe feines Rufö anzuzeigen und zur Erhaltung berfeiben aufs 

untern ſchienen; er zollte Bell volflommene Hochachtung und 

nerfennung ...... aber bie Stelle erhielt Bell nicht. 

"Die Hunter'ſche Schute gerieth feit 1827, wo Beill's treuer 
Sehuͤlfe John Shaw ſtarb, alimdlig in Berfall, ben Reft gab 
ide die Brandung der londoner Univerfität, und dann des 
King's Oollege. Bell nahm den Lehrſtuhl der Phyſiologie 
an der Univerfität an, aber feine außerordentliche Gewiſſenhaf⸗ 
tigkeit als Lehrer dewog ihn, da er mit den Einrichtungen der 
anatomiſchen Gurfe und mit der Befegung der dahin gehörigen 
Sehrerftellen umzufrieben war, und da noch mandje fleine Unan⸗ 
nehmtichteiten binzufamen, bald darauf zu refigniven. Er war 
daburch auf die ärztliche Praris beſchraͤnkt, die er nicht Tiebte. 
Seine Berühmtheit hatte damals ſchon ihren Gipfel erreicht. 
Euvier, Tiebemann befuchten ihn. Bei Withelm’s IV. Thron⸗ 
befteigung erhielt er zugleich mit Herſchel, Brewſter u. A. den 
Guelphenorden. Fremde firömten herbei, ihn zu confultiren, 
und er hätte mit geringer Mühe eine glänzende Lage haben und 
feinen Studien leben tönnen, wenn er in Pondon geblieben wäre. 
Aber feine Reidenfchaft für das Unterrichten ließ ihm nicht 
Aube- Gr nahm 1836 eine Profeffur an der edinburger Uni: 
verfität an. Zu feinem Unglüde Beine Einkünfte verſchlech⸗ 
terten fih: Verdruß, Kraͤnkungen, Beforgniffe kamen hinzu. 
Er unternahm eine Reife nah Rom. Wohin er fam, fand er 
fi befannt, geachtet, mit Ehrenbezeigungen überhäuft. Sein 
Leben aber war feinem Ende nabe. Kine Herzkrankheit, die 
fi 1827 bei dem Tode feines Freundes und Bruders, feines 
vietjährigen treuen Gehülfen John Shaw entwickelt und feitdem 
allmaͤlig zugenommen hatte, brach im Sommer 1842 heftiger 
ans. Gr machte eine Reife nach London und ftarb auf dem 
Landfige Dir. Holland's am Zage feiner Ankunft daſelbſt. Sir 
Charles ſtarb fo arm, als er die wiffenfchaftliche Laufbahn be 
treten Hatte, doch auch ebenfo makellos, und hintertieß feiner 
Witwe nichts als da® Andenken feiner herrtidden und liebens⸗ 
würbfgen Eigenſchaften und die Unfterbiichfeit feines Ramens, 


—— 


Biblingraphie. 


Die am 3. Maͤcz 1843 erfolgte Auflöfumg Nee Stände 
stefatnmimg des Herzogthums Sachfen-Schung betreffend. Gotha, 
fer. Br. 8. 7%, Rear. 

Banaſch, 8. W., Der Stand ber Rautit zu Zelten 
des‘ Eolumbus im Vergleich mit unſerer heutigen Schiffahrt⸗ 
kunde. Vorlefung, gehalten in der deutſchen Reſſourte am 17. Mai 
1843. Koönigsberg, Boigt. @e. 8. 10 

Bold, 89, Das RNathhaus zu Ka Schatzſchetft 
für die unverledte Erhaltung des deutſchen Kroͤnungsſaaled. 

8. Mar. 


Kadıen, Henſen und Gemp. 
Boltze, H., Gtubbenkaumer —* VDroandentur 
win one d 


Brüggemann, K. H., Preubene Beni i 
ſchen Staats Entwidelung er Preup Bei der dent: 
feiner Erfüllung. Berlin, Beſſer. &r. 8. 15 Nor. 


Buhmang, J., Popubiriombakit, oder: vergleichere 

der ſchen atbeliten und Dry 

teflenten nach ihren Vekenntaißſchriften. Meaing, Kirdpeim, 
Schott und Tpielmaan.: Er. 8. 1-Zhie. 32), Nor, 

D’Eonnell, D., Irlauts Buftänbe alter und newer 5 
Aus dem Englifägen von ©. Willmann. After Ban. gr 
Abthenung. Begentburg, Dam. 8. des Bander de 
— Abryeltuiegen 3 ayie. 3%, Nee. | 
bung kur Hin Baden ed * —— 

zur tie ed ers und . 
bare "Treffer. Cr. 8 35 Wer. dam 

Elttendorf, 3, Bes Erzbiſchofs won Abtı Geh: 
„Über den Frieden unter dee Kirche und den Staaten, nf 
Bemerkungen über die befannte MWerliner Dautegung.” Belenchtet. 
Berlin, Bereinsbuchhandiung. Gr. 8. 10 Nor. 

Fontes rerum Germanlitarum. Geschichtatueilen Desisch- 
ivads. Herausgegeben von J. F. Bochmer. Ister Band: 
Johannes Victerlonsis und andere Gresckichtaquellen Deutsch- 
lands im 14, Jahrhundert, Stuttgart, Cette, Er.8. 3 Th 

Er. | 
Geib, K., Handbuch für Reiſende buch das Moſelland 
von Tritr bis Goblenz. Mit — nach Meg, nach de 
Gifel, in die Gegenden der Baar und Rabe, und im das durım: 
burgiſche. Sammt einem Anbange romantifcher Gagen un 
Geſchichten, gefeliger Lieder und einer Nachbildung der Mofela 
bes Aufonius. Trier, Sal. 8. 1 Thir. 10 Rar. 

Gotthold, F. A., Fr. Aug. Wolf, die Philelogen un 
bie Symnaften gegen einen Angeiff der Literariſchen Zeitung 9 
rechtfertigt. Nebſt drei Beilagen dlanlichen Inhalts. König 
berg, Graͤfe md Unzer. Gr. 8, 122, Nor. | 

Gruͤn, A., Nibelungen im Ftack. Gin Sedicht. Leipzig, 
Weidmann. 8. 22%, Mor. 

Hoffmann, W., Die Gtellung bee wiſſenſqaftichen 
Theologie ‚zur gegenwaͤrtigen Zeit, Bine Autritts « Berkiung 
an der Univerfität zu Bafel am I. Hai 1343. Baſel, Ehaiy 
hauſet. Br. 8. 6%), Nor. 

Doltei, K.v., Die beſchuhte Kate. Ein Marchen in dei 
Aeten mit Zwiſchenſpielen. Berlin, A. Dunder. Er. 12. 8%. 

Kaufmann, P., Nationalfefte des deutſchen Volles, ci 

oderung der Zeit. Bonn, Habicht. Ge. 8. 5 Kar. 

Die chriſtliche Kirche und bee Entwurf ded meuen preußi⸗ 
ie servafgefegbucht. Kin, 3. und WB; Boifferee. 8. 

8 gr. 

Meyer, ©, Gefchichte des Hamburgiſchen Schul⸗ un 
—S im Mittelalter. Hamburg, Meißner &.5 

’ T, OD ® 

Archäologische , Mittheilungen aus ‚Griechenland nach 
C. 0. Mäller’s hinterlassenen Papieren herausgegeben ve 
A. Schöll, I, Athens Antikensammlung. Istes Heft. M 
tg Tafelo. Frankſert a. M., Hermann, Gr, 4. ‚3 The. 

gr. 

Reifen und Länderbefchreiken besausgegeben non G. Bi: 
benmann und 9. Hauff. fie Lief: {Belle durch Rab 
kand nach bem Laukaſiſchen Ahreus in den 1836, 1837 
und 1838, von K. Koch. Ctuttgart, Gotta. Gr. 8. 2 Ehe 





hauſen, Bist, 8, £:77 Her 
Wette, BB. MR. E. de, Die Einheit ber protehantiicen 


. Aeſormatlongpred rinteitcuden WBemerkungel 
* di Sindpice Gemrink. Bafeı, Oinbeispenin. Gr 


Berantwortlicher Deraudgeber: BHeintih Brodpaus. — Drud und Verlag von F. U. Brodhaus in Kilpjig. 





Blätter 


J 


literarifcht 


für 


Unterhaltung. 





Mittwoch, 


u | ———— en — nn Lu nn 





Mit Vorliebe hat man in neuerer Zeit dem Uxfprunge 
unſerer Volksbucher nachgeforſcht. Die Unterfuchungen 
eines Sach, Wilſon und Loiſeleur⸗Deslongchamps über 
die Fabeln des Bidpai haben den indiſchen Urſprung die⸗ 
ſes im Morgen⸗ und Abendlande weit verbreiteten und 
hechgeſchaͤtzten Buches evident nachgewieſen; eine ähnliche 
Quelle durfte man für das ebenſo beliebte Volksbuch der 
„Sieben weifen Meifter” annehmen. Die Forſchungen des 
Hrn. A. Keller in der Einleitung zu feiner Ausgabe der 
älteften poetifchen Bearbeitung diefes Volksbuchs in fran: 
zöfifcher Sprache („Li romans des sept sages, nad) 
der pariſer Handſchrift herausgegeben von H. A. Keller”, 
Zübingen 1836) find unfern Lefern in einem früheren 
Jahrgange d. Bl. (1838, Nr. 337, 338) ihrem Haupter: 
gebniſſe nach mitgetheilt worden. Durch die Arbeit des 
Leider fruͤhzeitig der Wiſſenſchaft entriffenen franzöfifchen 
Drientaliften A. Loiſeleur⸗Deſslongchamps (‚‚Essai sur les 
fables indiennes, et sur leur introduction en Europe‘, 
Paris 18335, S. 80— 180) ift die Unterfuhung noch 
weiter gediehben, und Hr. Keller bat in feiner Ausgabe 
der gemüthlichen poetifhen Bearbeitung des Volksbuchs 
son Den „Sieben weiſen Meiftern’ duch Hans von Bühel 
(„Dyokletianus Leben”, Quedlinburg 1841) in ber ins 
baltsreichen Einleitung außer vielen eigenen trefflichen Be⸗ 
merkungen aud die Hautrefultate der Forſchungen des 
genaumten franzöfifhen Gelehrten mit aufgenommen. 

Diefen Gelehrten [ließe fi Hr. Heinrich Sengelmann 
an, ber zwei der aͤlteſten Redactionen des vielgelefenen 

Bächelchens, die bebräifche (,„Mischle Sendabar’‘) und bie 
griechifche (‚‚Syntipas‘') in fließender und doch treuer Übers 
ſezung dem Publicum vorführt. 

Das Buch von den Sieben weifen Meiftern aus dem Hebräifchen 
und Gricchiſchen zum erften Male überfegt, und mit literaris 
ſchen Borbemerkungen verfehen von Beinrih Scengel: 
mann. Halle, Ripper. 1842. Gr. 12. 20 Nor. 

Der Inhalt diefer beiden Bearbeitungen war zwar 
bereies durch Loifeleur: Deslongchamps bekannt, dennoch 
heißen mir dieſe vollſtaͤndige Überfegung fehr willkommen; 
dean in dem eingeftreuten Detail, und in der eigenthüm: 
lichen nach Bolt und Zeit fo verfchiedenen Auffaffung und 
Darſtellung der einzelnen Erzählungen liegt der Hauptwerth 
diefer mannichfaltigen Bearbeitungen deſſelben Stoffe. 


30. Auguft 1843, 





nn — —— —— —— — — — — —— -———. 


In einer Einieltung hat Hr. Sengelmann die Haupt 
tefultate der fruͤhern Unterfuchungen kurz zufammengefaße 
umd gedrängt dargeftelt. Auch ihm ift der orientalifche 
Urfprung der ganzen Sammlung nicht zweifelhaft, doch 
ſei es noch nicht gelungen, die Iekte Duelle, aus der aue 
übrigen Bearbeitungen gefloffen, nachzuweiſen. Die nadjs 
folgenden Dittheilungen werden uns diefer Quelle biels 
leicht etwas näher bringen. 

Einer der ätteften arabifchen Hiſtoriker, Mafudt (ftarb 
956 nm. Chr.) ſagt in feiner biftorifchen Encyklopaͤdie 
(„Historical encyclopaedia, entitled ‚Meadows of gold 
and Mines of gems‘; aus dem Arabifden uͤberſetzt von 
Aloys Sprenger”, erfter Band, London 1841), wo er 
von den Königen von Indien fprihe (©. 175): „In his 
(Kurush) reign lived es-Sondbad, who is the author 
of the book The seven Vezirs, the teacher 
and boy, and the wife of the king. This is 
the book which bears the name Kitäb es-Sondbad.” 

Der ältefte arabifche Literarhiftoriker, Mohammer Ibn 
el Nedim el: Werrat (ſtarb 987 n. Chr.), Verf. des 
„Fihrist", fagt in dem Äbſchnitte, wo die Maͤrchenerzaͤh⸗ 
ler aufgezählt werden: „Ein anderes Buch iſt das bes 
Weifen ‚Senbabad‘ in zwei Ausgaben, eine große und eine 
Kleine. Die Meinungen über den Urfprung deffelben find 
ebenfo verſchieden, als über den Urfprung von „Kalila me 
Dimna‘; das Wahrſcheinlichſte ift wol, daß daſſelbe aus 
Indien gefommen.” Und an einer andern Stelle: „Ans 
dere Bücher der Indier find das Buch ‚Sendabad’e, das 
große; das Bud, ‚Sendabad’s‘, das Meine.” *) 

Beide Araber ftimmen alfo in der Angabe überein, 
daß das Buch von den „Sieben Vezieren“, womit unfere 
„Steben weifen Meiſter“ identiſch find, indiſchen Urs 
ſprungs fei, was ſich auch noch weiterhin beftätigen wird. 

Eine diefer Bearbeitungen des großen Sindbad: Buche 
in perfifcher Sprache hat in neuefter Zeit Hr. F. Falco⸗ 
ner, Profeffor der orientalifchen Literatur an der fondoner 
Univerfitdt, aufgefunden und feinem Hauptinhalte nad) 
befannt gemacht. (,‚Analytical acconnt of the Sindibäd- 
Nämeh, or Book of Sindibad, a persian manu- 
script poem in the library of the East - India- 





°*) Siehe von Hammer in ben wiener „Jahrbuͤchern ber Literas 
tue, Bd. 8, ©. 49 —61. . 


Company.) *) Hr. Sengelmann bat dieſe Arbeit jelbſt noch 


nicht gekannt, fondern nur eine flüchtige Anzeige berfelben. 

Eine ältere perfifhe Nedaction des Buchs der „, Sie: 
ben Veziere”’ aber, ober ein kleines „‚Sindbäd-nämeh”, war 
der Unteczeichnete ſo gihdlih aufzufinden, und biefe 
woͤchte uns, wie gelagt, der legten Quelle des Werte 
ziemlich nahe bringen. 

Ein fehr beliebtes Volksbuch der Indier iſt die „Cuka 
saptati’, oder die „Siebzig Erzählungen des Papageien”. 
Frlbzeitig wurde das Werk in das Perſiſche überfegt, 
aber. feiner Breite und ungefälligen Darftellung wegen 
von Sinai edsdin Nachſchebi (ftarb 1329 n. Chr.) unter 
dem Titel ‚„„Tüti-nämeh” (d. h. das Papageien : Buch), 
neu bearbeitet. Auch biefe Bearbeitung fund man noch 
zu breit, die Sprache zu gefucht und ſchwer, und ſo ent: 
floh ſach ein fonft unbefannter. Schriftfieller, Mohammed 
Kädiri, der wahrfceinlih im 17. Jahrhunderte tebte, zu 
einer neuen Redaction. Diefe ift im perſiſchen Driginat 
mit einer emglifchen Überfegung unter dem XZitel: „The 


Tooti nameh or Tales of a parrot” (Kallutta 1801- 


und öfters) gedrudt, und darnach auch in das Deutſche 
überfegt worden. („Touti⸗Nameh. Eine Sammlung 
perfifcheer Märchen. Deutfche Überfegung von C. 3. 2. 
Sen, mit einem Anbange von J. ©. 2. Kofegarten.” 
Stuttgart 1822.) 

In jenem älteren Papageien : Buche des‘ Nachfchebt, 
von dem «6 mic vergännt war, eine fehr fhöne Hand: 
fcheift der hamburger Stadtbibliothek benugen zu können, 
wofür ich hiermit Öffentlih dem gelehrten und Liberalen 
Cuſtos derfelben, Herrn Profeffor Peterfen, meinen ver: 
bindlichen Dank mwiederhole, findet fich in der achten Nacht 
„Die Erzählung von dem Königsfohne und den fieben Ve: 
zieren, und das Unglüd, das ihn von wegen eines Maͤd⸗ 
&ens traf”, die in der jüungern uns befannten Bearbeitung 
des Papageien: Buchs von Mohammed Kädiri nicht als 


Ganzes aufgenommen worden ifl; nur einzelne Erzaͤhlun⸗ 


gen bat der fpätere Bearbeiter feinem Werke einverleibt. 

Diefe Redaction möchte Ich ihrem Charakter nach für 
die allteſte vorhandene des Buchs der „Sieben weifen 
Meiſter“ halten, denn fie ift unter allen mir befannten 
die einfachfte, aus welcher der Plan bes ganzen Werks: 
»or den Liften der Frauen zu warnen, am beuts 
lichten und am menigften durch andere Zugaben getrübt 
hervortritt. Es werden bier nämlih nur Erzählungen 


nicht zugänglich iſt; von den einzelnen Erzählungen machte 


ig «6 aber faſt mit Beſtimmtheit behaupten, Es wird 


wol der Mühe werth fein, eine Handfchrift biefer „Gaka 
saptat!” nachzuſehen, um fomit die Unterſuchung über du 
weitberuͤhmte Volksbuch der „Sieben weiſen Meißer jum 
Abſchluß zu bringen. Die Erzählung, wie fie in dem pr 
[hen Papageien: Bude des Nachſchebi ſich finder, iſt nun 
ihrem weſentlichen Inhalte nach folgenpe: 
In Indien leb a en mi 
n Indien lebte einft ein mächtiger König. Als ſchon 

Frühling feines Lebens vorüber, wird ihm ein —— 
Die Aſtrologen erklaͤren, daß dem Knaben in feinem dreizehnten 
Jahre ein großes Ungluͤck drohe, er aber gluͤcktich werde gerts 
tet werben. Der Water übergibt den Knaben den tüctigken 
Lehrern, aber alle ihre Bemühungen find vergebens; beträt 
ruft er die größten Weifen feines Eandes zufammen, und klagt 
ihnen fein Leib. Giner derfelben verfpricht, wenn man ihm den 
Knoben überlaffen wolle, bemfeiben in ſechs Monaten alle Zweige 
des Wiſſens zu lehren. Der König willigt ein, und der Weile 
nimmt den Prinzen zu fidh, laͤßt einen viereckigen Thurm bauen, 
und an die Deden und Wände ber Zimmer die wichtigfien kLeh⸗ 
ren finnticy abbilden, und fo gelingt es ihm, inbem ex bie Ab 
bildungen nun mündlich erfiärt, die Erziehung des Knaben in: 
nerbalb ſechs Monaten giüdlich zu vollenden. Da die verabre⸗ 
bete Zeit verfloffen ift, will der Weife den Prinzen an den Hef 
bed Vaters zurüdbringen, beobachtet aber vorber no dus 
Horoſtop. Erſchreckt fieht er, daB dem Knaben in den näcfen 
fieben Tagen ein großes Ungluͤck drohe; dad einzige Mittel, der 
rfadr zu entgehen, fei, daß er während biefer ganzen Seit nicht 
ein Wort fpredhe, und auf feine Frage Antwort gebe, fonf 
werde er fein Leben einbüßen. &o bringt ber Weiſe nun ben 
Pringen an den Dof des Waters zuruͤck, der ihn umgeben vo 
allen Edeln feines Reiches empfängt. Aber ber Knabe antınor 
tet auf feine an ihn gerichtete Krage. Dex Bater ift gan 
troſtlos, feine Veziere aber tröften ihn mit den Worten, daß ter 
Knabe gewiß in einer ſolchen Verſammlung aus Beſcheidenheit 
ſchweige, er möge ihn daher Lieber in die inneren Gemaͤthet bei 
Harems bringen. Hier tritt dem Konig ein Maͤdchen entgegen, 
die mit dem Prinzen in gleihem Alter fleht, und bittet ihn, 
ben Knaben in ihr Zimmer führen zu dürfen, denn da fie al 
Kinder ſtets zufammen gefpielt hätten, fo werde er ſich vor ihr 
gar nicht ſcheuen zu veben. Der König bewilligt ed, aber kaua 
ift das Mädchen mit dem Prinzen allein, als fie ihm in gie 
benden Worten ihre Liebe geſteht. Der Prinz fiebt fie mit 
zornerfälltem Auge an, und eilt aus dem Zimmer. Das Ri 
chen ift ganz vor Schrecken außer fich, derm fie erkennt die dr⸗ 
bende Gefahr, in der fie ſchwebt; nur ein Mittel ber Rettung 
bleibt ihr: die eigene Schulb auf den Prinzen zu waͤlzen. Cr 
zerreißt daher ihre Kleider, und flürzt unter beftigem Wem 
und Klagen zum Könige, und fagt, daB der Prinz ihr fit 
Liebe erfiärt habe, und als fie ihn unmillig zuruͤckgewieſen, dabe 


er ibr Gewalt anthun wollen; nur mit Maͤhe babe fie ſich feinm 
der Veziere von ber Lift der Frauen gegeben; alle Gegen: | Ungeftüm entreißen können; jegt verlange fie Gerechtigkeit. Dit 
ergdblungen des Mädchens, um ben König mistrauiſch en befiehit, obgleich mit ſchwerem Derzen, den Prinzen hie 
gegen die Anfichten feiner Rathgeber zu machen, fehlen | Furihten. HP 

' , Diefer König hat fieben Veziere, voll Weispeit und Einfät. 
— ai In a oe FR Der erſte derfeiben befichlt dem Scharfrichter, noch einige it 


mit ber Sinrichtung zu warten, da er das des Bu 
F — des Herbers“, wenn auch gewiß nur zus | ter ruͤhren und Don feinem Gortluffe — — zu fin 
fällig, überein. 


nen, Der Vezier gebt nun zum Könige, warnt ibn, den Ber 
Ob in dem indiſchen Papageien: Buche derſelbe Cyklus ten der Brauen nicht unbedingt zu trauen, und erzäblt bie 
von Erzählungen ſich findet, kann ich leider micht beitim: Der j Re € m db R u an 

men, da das in Sanskrit verfaßte Driginal mir hier Eine Frau hatte einft ein Liebesverhaͤltniß mit einem Bir: 
nn ber. MWBatb befuchte fie ihn, bald Lam er zu ihr. Der Forde 
hatte einen Lehrling, ein Juͤngling von anmuthigem Aufert 
den ex eines Tages zu der Frau fendet, um fie zu ſich einzule 


*) „Asiatie jeursal ”, 1841, Bd. 6, ©. 100 100, unb Bdo. 36, 
®. 118 und ©. @ 1, 


—2 | | 


dien. Die findet an dem Knaben Gefallen. Da er fo 
tange ausblelk, nimmt der Färber ein Schwert, und gett Mu 
ver Fran bin; kaum fiebt diefe ibn anfommen, fo verftedt ſte 
ven Rnaben in einen Winkel, und geht dem Faͤrber ſelbſt ent- 
gegen. Diefer ruft ige zu: „Ich babe dir bee Morgen eine 
Botfcaft gefendet, um zu mir zu kommen; und noch hafl du 
niht einmal einen Strumpf angezogen. Iſt etwa mein Bote 
nicht gefommen?” Die Frau ermwibert baaegen, daB man zu 
einer ſoichen Botſchaft ein Weib ſchicken müffe, und keinen un⸗ 
verftändigen Knaben; fle habe ihn vergebens gebeten, in das 
Haus zu fommen, er fei aber gleich wieber meggegangen. Waͤh⸗ 
rend fie fih fo zanken, kommt ber Ehemann ber Frau. Der 
Farber geraͤth in die hoͤchſte Anaft, wie er fein Erben retten 
fod. Die ram ruft ihm au: „‚Biehe dein Schwert, und flürze 
ſchimpfend und fhreiend aus dem Hauſe.“ Der Faͤrber befolgt 
diefen Rath, und kommt unverſehrt nach Haufe. Der Ehemann 
if} über diefen Anblick fehr erflaunt, und fragt feine Frau, wer 
ver Mann fei, und weshalb er fo Tchnell fortgerannt. Die Frau 
antwortet: „Es geziemt fih für mid, Almofen zu fpenden 
und Opfer auf dem Altare durzubringen, daB du, lieber Mann, 
fo grüdtich vor diefem wuͤthenden Menfchen bifl bewahrt worden, 


Höre. Ih ſaß bier ganz ruhig, als plöglidy ein Knabe weis 


nenb bereinflürgte, und mir zurief: Verſtecke mich in irgend eis 
nen Winkel, denn ein Betrunkener folgt mir auf den Ferſen 
no! Kaum hatte ich den Knaben verftedt, als ein betrunfener 
Mann mit aegogenem Schwerte in das Zimmer trat, um den 
Knaben zu ſuchen. Da ich leugnete, daß der Knabe im Hauſe 
fei, fo flürzte er fluchend und ſchimpfend davon.‘ „Aber mo 
it ber Knabe?” fragt der Ehemann. Die Frau führt ihn zu 
dem Winkel, wo der Ehemann den Knaben hervorzieht, ihm bie 
Stine küßt, und ihm feine Freude hezeigt, daß er aus fo gro: 
fer Gefahr gerettet worden; er bittet ihn, noch einige Zeit im 
Haufe zu warten, damit er nicht in die Hände des Betrunfenen 
fallen möge. Endlich kehrt ber Knabe zu dem Haufe bes Faͤr⸗ 
bers zuruͤck. 


Dieſelbe Erzaͤhlung finden wir in den verſchiedenen 
orientaliſchen Redactionen der „Sieben weiſen Meiſter“, und 
zwar in der hebraͤiſchen der „Miſchle Sendabar“ (in Sen» 
gelmann’8 Überfegung S. 60), in der griechiſchen des „Syn⸗ 
tipas“ (ebendaf. S. 96), in der arabifhen der „Geſchichte 
der fieben Veziere“ (bresiauer Überfegung der „Tauſend und 
Einen Nacht“, 388.15, 8.115). Vgl. Keller's Einleitung zu 
„Li romans des septsages”, S. 140, und Deffelben Einlei: 
tung zu, Dyokletianus Leben”, S. 46; Loifeleur: Destongs 
hamps, „Essai sur les fables indiennes”, ©. 100. 


Der König verfchiebt bie Hinrichtung feines Sohnes. Das 
Maͤdchen kommt am andern Tage, und verlangt wieder Gerech⸗ 
tigkeit. Die anbefohlene Hinrichtung bed Prinzen wird aber 
wieder verhindert durch ben zweiten Vezier. 


Zweite Erzählung. 


Ein reicher Kaufmann hat eine fchöne Frau. Er muß in 
Geſchaͤften eine Reife machen, und feine Frau vertebt feine Ab⸗ 
meienbeit in ollem Luxus des Reichthums, und in Gefellfhaft 
jungee Männer. Der Kaufmann lehrt von feiner Reife zurüd 
und fleigt in einer Herberge feiner Vaterſtadt ab. Er läßt eine 
Kuppierin rufen, gibt ihr ein bebeutendes Geſchenk und fagt ibr, 
daß er ein Fremder fei, der bier einige Tage zubringen möffe; 
fit möge ihm ein junges fchöned Weib bringen, die ihm bie 
Langeweile feines Aufenthalts verkürzen könne. Die Kupplerin 
geht aber, da fie ihn nicht kennt, zu feiner eigenen Krau, und fodert 

auf, dem Fremden Gehör zu leiſten. Die Frau folgt auch 
xt Ruppierin, kaum aber ertennt fie in dem Fremden ihren 
Semahı, als fie den Schleier vom Geſicht reißt, ihn heftig beim 
Barte faßt, und laut zu Magen anfängt, daß ihr Batte feit 
fcht Ronaten abweſend endlich zuruͤckgekehrt ihr fogleich untreu 


geworden ſei. Sie will zum Kadi gehen, um auf Scheidun 
zu dringen, und nur durch vieles Zureden der Umſtehenden laͤßt 
ſie ſich dewegen, in ſein Haus zuruͤckzukehren. 


Dieſe Erzählung hat Mohammed Kaͤdiri in feiner 
Bearbeitung des „Tuti⸗Nameh“ mit aufgenommen; f. 
Iten's Überfegung, achte Naht, ©. 48. Bon dem 
Sanskrit : Driginale der Erzählungen des Papageien iſt 
bis jene nur ein kleines Fragment gedrudt worden (in 
Laffen’6 „‚Anthologia sanscrita”, Bonn 1837),, daß bie 
Einleitung zu der ganzen Sammlung und bie erfte @rs 
zaͤhlung des Papageien enthält, aber glücktichermeife iſt 
die gerade dieſelbe Erzählung, die wir eben hier mittheils 
ten. Da fie noch nicht überfege ift, fo will ich hier Die 
treue Überſezung davon geben, ſoweit e6 der grenzenlos 
jerftörte Text erlaubt: 

In der Stadt Tfchandravati lebte einſt Sudhana, der Sohn 
eines reichen Kaufmanns. Dieſer mwünfchte ſich in Liebe zu er⸗ 
freuen mit Lalfhmi, ber Gattin eines dortigen Bürgers, Ra⸗ 
mens Daridatta. Zu diefem Zwecke bemog er, als Haridatta 
gerade die Stabt verlaffen hatte, eine Kuppterin, Namens PYürnä, 
durch viele Befchente und Bitten, als Botin in das Haus des 
Haridatta zu geben. Die Kupplerin madıte die Lakſhmi durch 
viele Schmeichelmorte fo freundlich geftimmt, baß fie ihe fagte: 
„Was du aud) begehrft, das will ich thun.” Da Sprach Puͤrnaͤ: 
„Dann erfülle die Wünfche eines jungen Mannes, der ſich mir 
anvertraut.” Lakſhmĩ erwiberte: ‚Kür edle rasen ziemt ſich 
dies zwar nicht; doch weil ich es dir vorhin verfprocdgen, fo 
werde ich es thun. Denn man fagt: Selbſt jegt ſtoͤßt Siva 
noch nicht das furchtbare Gift aus, noch immer trägt die Schild⸗ 
Erdte die Erbe auf ihrem Rüden, das Meer erbulbet das Feuer 
der unter ihr wuͤthenden Vulkane, — was ein Edler verfpros 
hen, das hält er unverbruͤchlich.“ Als Pürnä bies gehört, wurde 
fie fegr froh. Sie richtete nun Alles in ihrem Hauſe vor, und 
führte die Lakſhmiĩ Keim Einbrudy der Dämmerung in ihr Haus. 
Da aber Sudhana durch ein wichtiges Geſchaͤft abgehalten zur 
feftgefegten Stunde nicht kam, fo ſagte die liebegluͤhende Lakſchmĩ: 
„Bringe mir raſch einen andern Marn ber!” Puͤrnaͤ war. dars 
über ſehr beflürgt, und in ihrer Verwirrung brachte fie den 
foeben zuruͤckkehrenden Gatten derſelben. Lakfhmi erkannte in dem 
Antömmling fogleidy ihren Wann, fprang auf ihn zu, faßte ihn 
bei den „Daaren, und ſprach: „DO bu Elender! Mir ins Geſicht 
haft du immer gefagt, daß du außer mir keine Andere weiter 
tiebteft, aber peute babe ich did durchſchaut und ertappt.” Sie 
gerieth dabei in den beftigften Zorn, und nur mit Mühe Eonnte 
der Gatte fie durch die liebevollſten Worte beruhigen, fobaß fie 
ihm wieder in fein Haus folgte. 

In den übrigen Bearbeitungen findet ſich diefe Erzaͤh⸗ 
lung ebenfalls: „Sendabar“, ©.47; „Syntipas“, &. 108; 
„Sieben Beziere”, S. 127; vgl. Keller's Einleitung, S. 145 
und ©. 47; Loifeleur, S. 106. Doc find mit diefen 
Bearbeitungen einige andere Momente verwebt, bie den 
Indiern übrigens auch nicht fremd find; f. „Geſchichte 
der Devasmitä“, in meiner Überfegung der „Märchen: 
fammiung des Somabeva”, Bd. I, S. 137 fg. 


(Der Beſchluß folgt.) 


Geſchichte und Archäologie verfchiedener franzöfifcher 
Provinzen. 

Wenn man nur erft auf den Gifenbahnen Frankreich in 
allen Richtungen durchfliegen Tann, fo wird man ſchon aller 
Orten und Enden des Intereflanten viel entbeden. Das ſtolze 
Paris wird fih dann in die Provinz auf Gntbedungsreifen 





u 
v2 \ 


begeben.” Dann werben auch bie unverbroffenen Bemühungen 
vereingelter Gelehrten, bie ſich jest in einem Provinzialſtaͤdtchen 
mit dem Studium der Altertbümer abgeben, und die jegt mei⸗ 
fiens nur in einem ſehr beſchraͤnkten Kreife Beachtung finden, 
aftmätig anerlannt werden. Mir haben zu wieberholten Malen 
in biefen Blattern auf die intereflanteften dieſer Monogra⸗ 
phien, die oft treffliche Worarbeiten zu umfaflenden Darſtel⸗ 
lungen abgeben, aufmerffam gemadyt, und wir wollen deshalb 
ter unter den hiftorifch s archäotogifhen Werken, weldye aus der 
ovinz hervorgegangen find und bie Provinz betreffen, eine 
feine Lefe halten. Diefeibe wird nicht ganz dürftig ausfallen. 
ft floßen wir auf eine ſehr intereflante Befchreibung der 
Altertbümer im Departement der Vogeſen. Es ift dies das 
„Memoire sur quelques antiquites remarquables du departe- 
ment des Vosges”, von J. B. 9. Jollois. Leider Hat der 
geiehrte Verf. von feinem Werke nur 125 Grempiare abziehen 
laffen. Diele Zurädfegung des größeren Yublicums wird unter 
den Alterthumsforſchern immer mehr Mode und namentlich 
fuchen die Mitglieder der Bibliograpbifchen Geſellſchaft ordentlich 
etwas darin, daß bie Werke, welche auf ihre Koften erfcheinen, 
ja nicht etwa in die Hände eines Laien kommen. 

Wir erwähnen ferner der ausgezeichneten „„Monographie de 
la cathedrale de Chartres’', die für ein Muſter von Fleiß und 
vom artiftifcher Aueftattung gelten fann. Didron, der, wenn wir 
nicht irren, Secretair des Comité historique im linterrichts: 
miniftertum ift, hat die Leitung und Ausarbeitung diefes umfaf- 
fenden Werkes, das auf Koften und unter ben Aufpicien der Re: 
gierung erfcheint. Indeſſen ift die Bearbeitung einzelner Partien 
verfchtedenen Gelehrten, die fidy fpeciell mit den zu behandelnden 
@egenftänden bef&häftigt haben, übertragen. So ift der Abſchnitt, 
weldyer Architektur: und Sculpturverzierungen und Glasmalereien 
umfaßt, I. B. A. Laffus zugetheilt, während die Beſchreibung 
und Grläuterung ber Rrescomalereien vom bekannten Kunft: 
kenner und Archäologen Amaury Duval, dem Bruber bes 
fruchtbaren Theaterdichters Alexander Duval, übernommen ift. 
Das Werk ift bis zur vierten Lieferung, die binnen kurzem ers 
fyeinen muß, vorgerädt. 

Umfaffender und nicht blos auf die überreſte bes Alterthums 
und des Mittelalters bezüglich ift die „Histoire de Cambrai” 
von Sugene Bouiy, von der foeben ber ameite Band erfchienen 
it. Dieſe fleißige Arbeit reiht fi an die übrigen Einzeifchriften, 
in denen die Geſchichte der verfchiedenen Provinzen ausführlicher 
und erfchöpfender behandelt wird, und deren wir in le&terer 
Zeit mehrer gedacht haben, würdig an. 

Ungleich intereffanter aber ift eine „Histoire des populations 
pyreneennes du Nebouran et du pays de Comminques depuis 
les temps les plus réculés jusqu’a la revolution de 1789”, 
von H. Caftillon, von der gleihfall vor kurzem der zweite 
Theil in den Buchhandel gelommen if. Wir finden in diefem 
Werke, das eine Frucht ber fleißigften Studien ift, intereflante 
Aufſchluͤſſe über die Bevölkerung diefer Gegenden, in denen ſich 
die verfchiedenartigften Racen freuen. Wir führen bei diefer 
Gelegenheit gleich noch ein Werk an, das die Geſchichte eines 
ber interefjanteften Partien des an bie Pyrenaͤen angrenzenden 
Laͤnderſtricht behandelt. Es ift dies die „Histoire de Bearn“', 
von Mazure, bie, obgleich ſchon 1840 erfchienen, in Deutfchland 
ſchwerlich ſchon befannt geworden iſt. Diefes Werk, beflen Verf. 
fih in Sranfreid durdy fein „Tablean des litteratures” u. f. w. 
befannt gemadjt hat, enthält einige höchft befriedigende Gapitel. 
Befonderd beachtungswerth find die Bemerkungen über den an: 
mutbigen Dialekt, in bem der ausgezeichnete Pierre Despourrins, 
defien Idyllen kaum von denen Theokrit's übertroffen werden, 
gedichte hat. 

Als eine reiche Fundgrube für bie Gefchichte einer der ins 
tereffanteften Provinzen Frankreichs dürfen wir bie ‚‚Archives 
historiques et ecclesiastiques de la Picardie et de l’Artois”, 
herausgegeben von P. Roger, die mit der fünften Lieferung, 


de A einiger Zeit eefälenen, abgefdjtoffen find, nidit unerwiga: 


Norbameritantfche Miscellen. 


(Auszüge aus ben Öffentliden Wiättern ber ten 
vom Jahre 1842.) Bereinigten Elan 
Gin Amerilaner von der Marine theilt in Itfentti ; 
teen folgende von ibm gemachte Entdedung * —— 
drei Theile Steinkohlentheer und einen Theil pulverifizten Kalt 
zufammen kocht und bie Blifhung, fo lange fie heiß it, af 
Eiſen trägt, dann wird dieſes dadurch vor dem Werzoften im 
Seewaſſer deſſer bewahrt als durdy irgend ein anderes Mittel, 
mit Ausnahme bes Verzinkens, welches ats das beſte Mitkl 
bekannt ift, um Eiſenwerk vor Roſt zu fichern, 
— — —— 


Am Huronſee befinden ſich fo ausgedehnte und reichhaltige 
Kupferadern, wie je auf ber Erbe entdeckt wurben; aber fir 
wurden bisher nie mit Ernſt autgebeutet. Im Sabre 1841 
baben zwei unternehmende Neuengtänber dort eine freilich noch 
fehe mangelhafte Schmelzhürte angelegt und im Suni 134 
tam dic erfle Frucht ihrer Arbeiten, beftchend aus etwa kei 
Zonnen Gewicht, in Buffalo an. 


Die Paffagiere eines Dampfboots, welches den Ohio hinab 
fubr,, fahen einen großen Bären über den Fluß fhwimmn. 
Einige beftiegen fogleidy einen Rachen, um ihn zu fangen. Der 
Bär wehrte ſich zwar fo gut er konnte; es gelang jedoch, ihn 
eine Schlinge über den Kopf zu werfen und den Stric an dat 
Schiff zu bringen, auf welches er heraufgezogen und dann er⸗ 
legt wurde. 


Gin Medaniker zu Springfield im Staate Maffadufetts 
bat einen Webſtuhl erfunden, auf weichem Strümpfe, Hand 
ſchuhe u. bergi. gewebt werden, welche keine Naht haben. Ze⸗ 
gleich iſt die Maſchine ſehr wohlfeil, denn fie koſtet nicht mehr 
als 40 Dollars. 


— — 

Zu St.⸗Louis im Staate Miſſuri bat ber Richter kucat 
bem Orden der barmberzigen Schweftern daſelbſt einen Bauplag 
geſchenkt, der auf 10,000 Dolars an Werth gefchägt wird, um 
darauf ein Gebäude zu dem Waifenhaufe, welches ſich unter 
ihrer Leitung findet, zu errichten. 


Das Dampfboot Henry Clay legte vor kurzem die Reife 
von Souisville im Staate Kentudy bis nach Neuorleans auf 
dem Ohio und Miffiffippt in der unerbört Burgen Zeit von die 
Zagen und acht Stunden zuruͤck. 


Fu Neus Philadelphia im Staate Ohio hielten im Monat 
Mai über 200 Schägen eine große regetrechte Wolfsjagd. Et 
wurden dabei neun Wölfe, einige Fuͤchſe und eine große Menge 
eßbaren Witbprets erlegt. 3. 





titerarifhe Anzeige. 

Bei F. A. Brockhaus in Leipzig erſcheint forben: 
Vortrag zur Gedächtnißfeier König 

Friedrich Wilhelm's III., gan 

am, 3. Auguſt 1843 in der Univerſitaͤt zu Berlin von 

Friedrich von Raumer. Gr. 12. Geh. 8 Ner. 
Predig zur Feier Der taufendijähri 

gen Selbſtändigkeit Deutſchlands, 

am 6. Auguſt 1843 in der Dreifaltigkeitskirche zu 


Berlin vorgetragen von Dr. Philipp Marheinekt. 
Gr. 12. Geh. 8 Nor. Philipp 


Verantwortliher Derauögeber: Heinrich Brockhaus. — Driud und Verlag von F. A. Brockhaus in Leipzig. 
———— — 2 


Blätter 


' für 


literarifde Unterhaltung. 





Donnerstag, 





Zur Geſchichte der „Sieben weifen Meifter”. 
(Beil aus Mr. FIR) 
Dritte Erzählung. 


Das Elefanten. 

Einem Nanne bringt feine huͤbſche Frau in einem Korbe 
Kuchenteige Unterwegs begegnet ihr ein fchöner junger Mann, 
er gibt ihr Geld, und fie geben in ein Gebuͤſch. Ein Knabe, 
der den jungen Mann begleitet hatte, Öffnet ben Korb und macht 
aus dem Zeig einen Giefanten. Als bie Frau, obne irgend 
etwas zu ahnen, ihrem Manne ben Zeig bringt, und diefer ers 
faunt fragt, warum fie ſich diefen Spaß gemacht, dem Zeig bie 
Seſtalt eines Elefanten zu geben, antwortet fie mit großer 
Rue: „In der vergangenen Nacht fah ich im Traume einen 
Dann mit einem Glefantenkopfe, ber dir eilig nachlief. Beute 
nun habe ich diefen Zraum einem Aftrologen erzählt, und biefer 
bat mir gefagt: Mache einen Elefanten aus Mehl, und gib 
ihn deinem Manne zu eflen, dann wirb alles Unglüd, was dei⸗ 
nen Mann bebrobt, auf biefen Elefanten fallen. Aus bdiefem 
Grunde babe ih nun biefen Stefanten gemacht; fei bu nun fo 
freundlich, und iß den Glefanten, damit du alles drohende Un⸗ 
beit abwendeſt.“ Der betrogene Ehemann kuͤßt dankbar feiner 
dran Stirn und Augen, und verzehrt das Elefantchen. 


Diefe Erzählung verräch deutlich ihren inbifhen Ur: 
rung, denn der Mann mit dem Elefantenkopfe iſt 
unfreitig der Gott Ganeſa. Die Erzählung finder ſich 
a im „Syntipas“, ©. 127; vgl. Keller's Einteltung, 

. 181, 


Vierte Erzählung. 
Studien über Weibertüde 

Ein junger Mann faßt den Plan, Alles nieberzufcreiben, 
was er über die Eiften und Tuͤcken ber Weiber erfahren Tann, 
um fi fo felbft gegen ihre Ränke ficherzuftellen. Nach kurzer 
Zeit hat er fehon einen ganzen Korb voll Papiere. Eines Zar 
ges begegnet ihm ein Wann, der ihn in fein Haus führt, ihn 
dort Der gaftlichen Pflege feiner Frau übertäßt, und dann feinen 
Geſchaͤften nachgeht. Die Frau fragt ben Jüngling: „Was 
daft du da im Korte?” „Es find Papiere.” „Unb was fleht 
auf den Papieren?" „Die Eiften und Ränke der Frauen.” ‚Man 
fann alfo jebe Lift, welche die Frauen jemals begehen koͤnnten, 
bier bereit aufgezeichnet finden?” „Sa, fifer.” Nach biefer 
Unterhaltung faßt bie Frau den Jüngling bei ber Band und 
führt ihn täftern in ein Bimmer. Ploͤtlich erhebt fie ein Bes 
Krei: Haͤlfe, ihr Nachbarn, Hälfe!" Ale Nachbarn eiten her 
ki; dem Shngling wied bei diefem Auflauf nicht wohl zu Mus 
the. Auf vieles ragen erzählt die Brau: „Mein Mann bat 
bie Gewohnheit, daß er jeden Tag einen Gaſt in das Haus 


f mi | W. Deut 
Wade cr ven dank Teen Befäfen 





nad. Ich feste meinem Bafte ein Gericht vor; kaum hatte er 
aber einige Biſſen gegeffen, als er einen zu großen Wiffen ers 
faßte, dev ihm in ber Kehle ſtetken blieb, fobaß er die Augen zu 
verdrehen anfing und zu erftiden drohte. In ber Ang, er 
möchte flerben, unb bie Schande, ben Gaſt getädtet zu haben, 
mie zur Laſt fallen, habe ich euch herbeigerufen, um ibm etwas 
Wafler in die Kehle zu gießen, denn wie bürfte ich es magen, 
mit der Hand einen fremden Wann zu berühren. Doc jept 
geht nur wieder nad) Haufe, denn die Gefahr tft vorüber.” Als 
bie Leute fort find, fragt ber Juͤngling, warum fie fo gebanbelt, 
wodurch fie ihn dem Untergange fo nahe gebradt. Die Frau 
antwortet: „Es war nur eine Probe meiner Lift. Doc ich 
babe eine Schweſter im Serail des Könige, beren £iften 
die meinigen weit überteeffen.” Nach dieſen Worten laͤßt 
fie den Züngling in einem Palanquin zu ihrer Schweiter in 
den Palaft tragen, und gibt einer begleitenden Dienerin den 
Auftrag, ihrer Schwefter zu fagen: biefer Züngling fchreibe alle 
Eiften der Frauen auf; fie möge daher eine ſolche Lift erfinnen, 
daß er alle feine Papiere vor Verdruß verbrennen werde. Er 
wird in das Zimmer ber Königin geführt, die ihm Betel gu 
kaurn und Wein zu trinken gibt und mit ihm der Liebe ſich 
bingibt. Ploͤtzlich naht der Sultan. Die Gultanin verbirgt 
ben jungen Mann in einen Koffer, fließt ihn zu unb nimmt 
den Schlüffel in bie Hand. Der Gultan tritt darauf in das 
Bimmer, und fragt erftaunt, was bied Gelage zu bedeuten habe. 
Die Sultanin fagt: „Es kam heute ein junger Mann zu mir, 
mit dem babe ich biefen Wein getrunken, und gefcherzt und ges 
koſt. Ich Habe ihn bier in den Koffer geſteckt, gebe felbft hin 
und ſieh zul” Der Sultan geht zu dem Koffer bin, um ihn zu 
öffnen, ba fängt die Suitanin an zu lachen, und fpricht: „Ich 
habe einmal die Weisheit des Sultans prüfen wollen Du 
Thor, wenn wirklich ein junger Mann zu mir gelommen waͤre, 
und ich ihn in biefen Koffer verſteckt hatte, wuͤrde ich denn es 
bir wor fagen? übrigens, wie foll denn Jemand hierher Toms 
men?” Der Sultan fühlt ſich befchämt und verläßt das Zins 
mer. Die Sultanin Öffnet nun den Koffer und läßt den Juͤng⸗ 
ung in feinem Palanguin zu ihrer GSchweſter zuruͤckbringen. Die 
Frau fragt ihn: „Steht die Lift meiner Schweſter Tchon in beis 
nen Bädern, oder nicht ?“ Der junge Dann nimmst feine Pa⸗ 


‚piese, wirft fie ins Fener und verläßt das Haus. 


Der erfte Theil der Erzählung ſteht im „Syntipas“, 
©. 135; vgl. Keller's Einleitung, S. 186 und ©. 54; 
Loifttene, ©. 115. 

Die beiden folgenden Erzaͤhlemgen finden fich wörtlich 


| in bem’ jüngern ‚„‚Iuti:Nameh”, ich übergebe 'fie daher. 


Die fünfte Erzählung nämlich ſteht in Iken's Überfegumg, 
©. 51, ohne in die übrigen orientaliſchen Boarbeitungen 
der „Steben Veziore“ übergegangen: zu fein. Die ſechate 
Ergähteng frht ebenfalls baferbft, ©. 106, umb uch. 


. [ > 


im „Senbabar”, S. 57; „Opntipas”, ©. 103; „Bie 
ben DVeziere”, ©. 120; vgl. Keller's Einteitung, S. 144 
und ©. 46; Loifeleur, S. 103, 


Schluß. 
So iſt denn der ſiebente Tag gekommen, an welchem das 
drohende Geſchick des Prinzen ſich endet. Er darf nun reden, 
und erzaͤhlt, wie das Maͤdchen ihn habe verfuͤhren wollen, und 
da er ihre Liebe zuruͤckgewieſen, ſeinen Tod herbeizufuͤhren ſich 
bemuͤht habe. Das Mädchen wird hingerichtet, und ber König 
übergibt feinem Sohne die Krone. 


Hermann Brodhaus. 


Der Krieg ſtreichs gegen Frankreich, deffen Alliirte und 
den Rheinbund im Jahre 1809. Der: Ausführliche 
Geſchichte der Feldzüge in Deutfchland, Jtalien, Polen 
und Holland; der Inſurrectionen Tirols und Vorarl⸗ 
berg6 ; der Aufflände in der Altmark und in Heſſen 
und der Züge. des Herzogs (Friedrich) Wilhelm von 
Braunfhweig und des Major F. von Schill im 
Sabre 1809. Bon Franz Joſeph Adolf Schnei⸗ 
damind. Erſter und zweiter Band. Schaffhaufen, 
Hurter. 1843. Gr. 8, 3 Thlr. 15 Nor. 


As im 3. 1809 Sſtreichs muthvolles und Eräftiges Auf: 
treten gegen Napoleon viele Herzen in Deutſchland und in 
Europa für eine beffere Zukunft begeiftert, aber auch nach der 
Schlacht bei Wagram mit tiefem Schmerze erfüllt hatte, fchrieb 
ein edler Beitgenoffe, Niebuhr, unter dem 18. Juli 1809 an 
feine vertraute Freundin, bie geiftvolle Densler, folgende Worte: 
„Mir fcheint Alles fehr fchlimm zu ſtehen, aber Männer find 
fie, diefe Öftreiher! und das ift tröftlih, wenn fie bie 
zum legten Augenblicke ungebeugt und ungeſchreckt ausbarren, 
fallen und nicht fliehen, damit ihr Andenken rein und unverftellt 
lebe, wenn auch der Staat und Alles untergehen muß — daß 
fie fterbend fagen können, wir und bie Nachkommen fagen koͤn⸗ 
nen, daß wenn Rettung möglich gemwefen wäre, ihr Arm fie 
bewirkt haben würde. Meine Hoffnung geht mehr und mehr 

- aus, und an die beffeern Gerüchte glaube ich gar nicht: aber es 
it mir das ein großer Troſt, daß die Männer der Sache werth 
waren, baß eben ihre. Brapheit über alles Raifonnement bars 
thut, daB die Güte und Herrlichkeit der Sache kein Traum war, 
wie Viele fagen werden, fobald Alles aus fein wird.” („Lebens⸗ 
nachrichten über Niebuhr‘‘, I, 413.) 

Eine ſolche Zeit und fo ruhmmürbige Anflrengungen ver: 

- dienten eine ausführliche Beſchreibung und Schilderung ber 

Großthaten im Kampfe gegen Rapoleon’s bis dahin faft uns 

befiegte Legionen. Es Tann daher nur ein lobenswerthes Unters 
nehmen genannt werden, daß Hr. Schneidawind, der durch aͤhn⸗ 
liche hiſtoriſch⸗ militairiſche Schriften bereits von einer vortheils 
haften Seite bekannt ift, fich biefer Arbeit unterzog, zu deren 
Bollendung nody ein dritter Vand erwartet wird. Was das 
Material zur Abfaffung eines folchen Werkes betrifft, fo gibt 
es für den Gefchichtfchreiber des J. 1809 eine bedeutende Ans 
zahl guter Quellen, bie fi) denn aud Dr. Schneidawind faft 
alle zu eröffnen gewußt bat. Auch ungebrudte Tagebücher, 
wie das eines bairiſchen Majors Krafft, find benugt und 
Stutterheim’s Wert über den Krieg von 18000, bas in Wien 
nur mit Griaubniß des Hofkriegsraths zu erhatten iſt (1, 36). 
Bas mun die Benugung feiner Quellen betsifft, fo koͤn⸗ 

. en wir bem Verf. bad Zeugniß nicht vnerfagen, daß ſich 
überall das Streben Eund gibt, mit Wahrheit und Unparteis 

“ Vichkeit zu ſchreiben. Demnach find bie biplomatifchen Ber 

Hältniffe vor dem Ausbruche des Kriegs lichtvoll entroickelt, 

- bis außetordentlichen Auftrengungen und bie Waterlanböliche ber 

ı Mreiihifchen Unterthanen in gebaͤhrender Weiſe beicht, aber 





Na 


auch die Proclamationen Oſtreiche, um bie Deutſchen 
ſtande gegen ihre eigenen Herrſcher zu vermögen, ats — 
woͤrdiges Zeichen ber Verwirrung in damaliger Zeit Hegeihne, 
Daneben bätte aber ein deutſcher Geſchichtſchreiber im 3, Ig43 
auch mit tiefem Bedauern des Wahnfinns erwähnen ſollen in 
welchem damals Deutſche wetteiferten, ihr Blut für Deurfchlang 
Unterjohung zu verglchen, und folder Neiegderflärungen dent, 
ſcher Fürften gegen Üftveich tadelnd erwähnen follen, in denn 
fie, wie König Friedrich Auguft von Sachſen, die Race ve 
Himmels über Öftveich herabriefen. Wir wiffen recht gut, mus 
bamals die Noth und die Furcht vor Napoleon gebot, wolm 
daher audy gern mandes harte Wort mit der Wehrängnig mt. 
ſchuldigen und keineswegs nur „vom fichern Port gemaͤthich 
rathen“ aber der Hiſtoriker iſt verpflichtet, folde Dinge mr 
mit Zrauer und Wehmuth zur Deiehrung ber Jeitgenoffen 
erwähnen. Und fo wollen wir gleich Dier, che wir nod andern 
Vorzüge bed vorliegenden Werks gedenken, bemerken, daf mir 
die Wärme und Glut der Empfindung, die wir nad der Kar: 
rebe des Verf. erwarten zu können glaubten, an mehren Ekel: 
ien vermißt Haben. In diefer Hinſicht flieht K. X, Mmyıs 
kurze Schilderung biefes Kriegs in ber Fortſetzung von Bıdırz 
„Weltgeſchichte“ (Bd. 14) höher als die des Hrn. Ein 
wind, noch mehr aber Leo's feurige, patriotifche Befchreibung | 
im fünften Bande feiner „Univerfaigefchichte”. Dies Vuch mei 
ches in dieſer Beziehung nur ein unbedingtes Lob verdient, hat 
Hr. Schneidawind überhaupt nirgenb benugt oder angefikrt, 
was wir nicht billigen koͤnnen, ba namentlich die Wahrheit un 
das heilige Beuer, mit welchem von &. 579—619 der Fri 
heitstampf in Tirol befährieben ift, auf Fein jugendlid empfaͤng⸗ 
liches ‚Herz, ja überhaupt auf kein deutſchis Herz feine Bin 
tung verfehlen wird. Und da hier die Gefchichte einer für un 
und für unfere Nachkommen unvergeßlichen Zeit gefchrieben wer: 
ben ift, fo burften nad unferm Dafürhalten auch die chen 
Dichterflimmen nicht fehlen, in denen fich die Gefinnung dieler 
Steichgefinnten damals ausgeſprochen hat. Wir meinen damit 
Hr Körner’s drei Lieder auf die Schlacht bei Aspern und 
fein ſchͤnes „Was une bleibt”, Staͤgemann's Kriegsgefänge 
aus dem I. 1809, fein „Tiroler Kriegslied, feinen „Krieg: 
gefang für Öftreicy” und bie „Lieder für Schill und feine Gefüge 
ten’, und Arndt's volksthuͤmliche Gefänge auf Schill und ande 
Zeitbegebenbeiten. Die Umfängtichteit des Schneidawind'ſchen 
Buchs verſtattete vollfommen die Aufnahme folder Beiträge 
zur Beitgefhichte, die ſchon im I. 1781, als Alles in ticm 
Frieden ruhte, Möfer, ein befonnener und warmer Freund ki 
nes deutfchen Waterlandes, für nothwendig erachtete, denn „at 
befte Gefang für unfere Nation ift unftreitig ein Vardiet, dae 
fie zur Bertheidigung ber Heimat im der Schlacht fing; ber 
befte Tanz, ber fie auf bie Batterie führt und das befle Shaw 
fpiel, was ihnen hohen Muth gibt‘. 

Nach diefer Ausftellung wenden wir uns zu verſchiedenen, 
lobenewerthen Partien des vorliegenden Werks. Dahin rehum 
wir bie vollfländige Darftellung ber einzelnen Feldzuͤge in Drutik- 
land, Italien, Tirol, Polen, Borarlberg und Jlyrien, ze 
namentlich bie beiben legtern durch das forgfältig gefammelt 
Detail von befonderer Wichtigkeit find, da fie im dem geſchicht 
lichen Werken oft übergangen, ober nur den Hauptzuͤgen nad 
erzählt werden konnten. Gin zweites Lob gebührt der nad ka 
beiderfeitigen Berichten der friegführenden Zeldherren und mit 
Benugung guter Pläne entworfenen Befchreibung von Schlach 
ten, denen ftetö genaue Terrainſchilderungen vorangehen. Bi 
nennen bier die Schlachten bei Thann, Abeneberg, Eanböhut, 
Eckmuͤhl, Regensburg, Ebersberg, Porbenone und Sacile, dor 
allen aber die bei Aspern, Wagram und Raab, wo den Erlen 
klare und Überfichtliche Bilder geboten worben find. Dies wird 
auch ganz befonders durch die Aufmerkfamfeit unterflügt, die 
Pr. Schneibawinb mitten im Getümmel ber Schlacht der Zapf: 
keit und dem Heldenmuthe einzelner Krieger zugewendet bet. 
Weniger Eonnten foldhe Züge bei den franzöftfcen Truppe 
berausgehoben werden, weil bie Rapoleonifdgen Bulletins meh 





‚5 


i der Bravour eingelner BRegimenter und Bataillone verweilten 
Ai bei den Wamen Einzelnen und weil in den kriegẽgeſchicht⸗ 
lien Memoiren ebenfalls ſolche Belobungen ſelten find. Die 
allgemeine leire und ber Wunſch, uͤberall den Glanz des kai⸗ 
fertichen Geſtirns oder einiger Oberfehlshaber und Marſchaͤlle 
iruchten zu laſſen, bat bier die NRennung der Ginzeinen unters 
irüct, obwol Niemand zweifelt, daß dazu bie gegründerfte 
Seranlaffung vorhanden geweſen ift. Um fo mehr hat der Verf. 
Gorge getragen, daß bie Heldenthaten einzelner öftreichifcher 
und daitiſcher Soldaten nicht in Vergeſſenheit gerierhen. Zus 
vörderft ift die Gefchichte des Kriegs in Tirol eine fortlaufende 
Keine ſolcher Bewriſe von Muth und Vaterlandeliebe, aber auch 
der Haltung und ſtandhaften Tapferkeit feiner bairifchen Lands⸗ 
(cute (Hr. Schneidawind lebt in Afchaffenburg) in den mörs 
deriſchen Gefechten diefes Volkskriegs hat der Verf. die Gerech⸗ 
tigkeit widerfahren laffen, die ihnen ſchon im 3. 1809 feibit 
ein erbittertee Feind gönnen mußte. Dann find aus den Schlach⸗ 
ten bei Robr, bei Abensberg und bei Wagram die Namen vers 
dienter Offiziere und Gemeiner aus den bairiſchen Ghevauriegeres 
Regimentern genannt worden, aus ber Schlacht bei Eckmuͤhl 
der des Wachtmeiſters Roͤsler, der als der erſte über die bren⸗ 
nende Brüde in Landshut eingedrungen war, und andere mehr, 
die ſich zum Theit unter Napoleon’s Augen ausgezeichnet hatten, 
der bekanntlich die Dauptfchläge in den Schlachten vom 19. bie 
zum 23. April vorzugsweiſe durdy die bairifhen und andern 
deutſchen Truppen thun ließ. Auf öftweichifcher Seite finden ſich 
zadireiche Waffenthaten einzelner Offiziere und Gotdaten aufs 
gezeichnet und es macht Hrn. Schneidawind Ehre, daß er ba, 
mo dad Unglä bie gefammte öftreihifhe Armce Schritt für 
Schritt verfolgte, um fo lieber den Heldenmuth der Einzelnen 
hervorgehoben hat. ins der leuchtendften Beifpiele gibt die 
fürhtertiche Schiacht bei Ebersberg am 3. Mai. Bier Feld⸗ 
mebel ded Regiments Benjowski retten hier mit geößter Tapfer⸗ 
feit die Kabnen, Grabiscaner und Ublanen wetteifern an krie⸗ 
gerifcher Tuͤchtigkeit, Oberlieutenant Küffel, Major Ealis, Gorr 
peral Tiller von den wiener Freiwilligen beurfunden im bidften 
Dandgemenge die höchfte Vaterlandsliebe. In der Schlacht bei 
Landshut fprengte ſich ein Grenadier (hier fehlt der Name) mit 
einem Munitionswagen in bie Luft, um dadurch die Seinigen 
ven der Umgingelung durch frangöfiiche Reiterei zu befreienz bei 
Edmuͤhl rettet Corporal Faich die Regimentsfahne und Felds 
mebel Fenzel deckt mit großer Entſchloſſenheit den Körper feines 
Hauptmanns; bei Raab zog Dberftiieutenant Bummel mit einer 
Heinen Schar den ruͤhmlichen Tod ber Gefangenfhaft vor. 
Und nicht allein die Geſchichte der Schlacht bei Aspern zeigt die 
echebendften Beiſpiele von Kühnbeit und Patriotiemus vieler 

tinzeinen Soldaten, durch deren Aufbewahrung, wie durch die 
That tes Hauptmann Murrmann, dem ber Erzherzog Karl 
auf der Wahiftatt felbft das Thereſienkreuz umbing, fih Br. 
Schneibawind ein wahres Verdienſt erworben hat, fondern auch 
in Heinan Gefechten bervährten ſich diefelben Cigenfchaften. 
Sc fritt mit unerfchütterlihem Muthe das Regiment Kerpen 
in der ſchwarzen Lade bei Wien am 13. Mai, das Fort Mal 
borghetto wurde am 16. und 17. Mat von dem Pauptmann 
Henfel, dem Oberfeuerwerker Rauch und einer Band voll tapfes 
ter Öftreichee gegen bie flürmende Übermacht mit der größten 
Tapferkeit vertheibigt, und ebenfo gerietb am 18, Mai das 
Bleckhaus auf dem Predil unweit Goͤrz erft dann in die Ges 
malt der Franzoſen, als der Commandant Hermann und der 
aröäte Theit der Beſatzung den Heldentod geftorben waren Alle 
folde Beifptele, denen noch viele andere hinzugefügt werten 
Eönnten, zeigen auf das deutlichſte, welch ein Geiſt damals in 
der oͤſtreichiſchen Armee lebte und was foldye Truppen hätten 
kiftm tönnen, wenn fie überall einen Obergeneral wie den 
Sriterzog Karl an der Spite gehabt hätten, oder zu @eneralen 
den Criherzog Johann, die Fürften Johann, Alone und Morig 

enftein, die Feldherren Klenau, Rabepfy, Rothkirch, Chaſte⸗ 
kr, St.⸗Bincent, Frimont, Colloredo, Roſenberg, Bacquant, 
Bianchi und Andere, deren Tapferkeit und kriegeriſche Einſicht 


in ſo vielen Stellen des vorlie n in dem glänzendften 
ichte erſcheint. Wir aber alaubten, dieſe Becken bier 
um fo weniger unterbrüden zu miflen, weis ſich heutzutage, 
und nicht bios unter der jüngern (Semeration (ber foldhe Ye 
rungen noch am erften nadyzufehen wären), bie Meinung beeit 
macht, als wären die Franzoſen unter Napoleon die einz 
Zruppen gewelen, welche verftanden hätten, den Krieg zu füh« 
ren. Solche Behauptungen Tann aber nur bie Unkunde in ges 
yichen Dingen, oder eine boͤſe, undeutſche Geſtmung aufs 
ellen 


Es erfobert bie Gerechtigkeit, die Geile bei Hrn. Gdmelbas 
wind (II, 460), wo er von bem Benehmen ber ſaͤchſiſchen Trup⸗ 
pen in der Schlacht bei Wagram fpricht, zu berichtigen. In 
der Beſchreibung ſeibſt iſt ihrer Zapferfeit die gebuͤhrende Ehre 
widerfahren. Um fo mehr aber mußte der ungeredyte Vorwurf, 
ben Rapolcon in feinem Tagesbefehle vom 7. Zul. 1808 den 
Sachſen madıte und fie, die ſich ſtets fo brav für ibn geſchla⸗ 
aen haben, ats ben fchlechteften Theit feines Deeres brandmarkte, 
bündig widerlegt werden, wozu die Schrift des fächftfchen Ger 
nerals von Gertdorf: „Deux lettres adressees au lieutenant- 
genöral Gerard et au mar6chal de camp baron Gourgaud 
au sujet d’une remarque de Napoldon” ( Dresven 1823) uns 
ferm Verf. hintänatichen Stoff barbot, wie auch fchon Boͤttiger 
(„Geſchichte von Sachſen“, II, 405) zu bemerken nicht unters 
laſſen bat. 

Die Sprache bes Hrn. Schneidawind iſt faft überall bem 
Gegenftande angemeffen und wo fie mehr an das Poetiſche flreift, 
als man nad) der fonftigen Haltung des Buchs erwarten dürfte, 
be ſe wol eine Entſchuldigung in der belebtern Stimmung 
des Verf. . 





Bibliographie. 


Auffenberg, I. Freihr. v., Sämmtliche Werke in zwan⸗ 
zig Bänden. Erſte, von der Hand des Verfaſſers forgfältig 
reoidirte, vollftändige, vechtmäßige Sefammtausgabe. Ifter Band. 
Siegen, Friedrich. Gr. 16. 123%, Nor. 

Die legten Augenblide des Prinzen Auguf von Preußen. 
Zur sinnerung von einem Augenzeugen. Bromberg, Lepit. 

. gr. 

Bretfchneider, K. G., Heinrih und Antonio, oder die 
Profelyten der römifchen und der evangelifchen Kirdye. Ste vers 
befferte —8 Gotta, Perthes. 8. 1 Thir. 10 Rgr. 

Fünfter Brief an die Eefer der „Blätter für chriſtiiche Er⸗ 
bauung von proteftantifhen Freunden‘. Oder: Erbauliche Lei: 
chenrede auf ben lebendigstodten Rationatitmus. Bon Sinc. 
Bibliophilus. Magdeburg, Inlermann. 8. 3%, Nor. 

Burkhardt, J., Conrad von Hochſtaden, Erzbiſchof 
von Kölln und Gruͤnder bes koͤlner Doms. (1238-— 1201.) 
Bonn, Habicht. Gr. 8. 25 Nor. 

Buſch, G. F., Der ſchwarze Nitter, ober: Der Bluts 
vächer. ine hiftorifch s romantifche Eraähtung aus dem Ritters 
leben und ben furdhtbaren Zeiten des heimlichen Gerichte. Zwei 
Bände. Norbhaufen, Fuͤrſt. 8. 1 Thlr. 20 Ner. 

Calinich, ©. A. E., Das gefammte Unterrichtswefen 
im Königreiche Sachſen. Leipzig, Tauchniz jun. &r.8. 20 Mor. 

Carus, & ©., Goethe. Zu deffen naͤherem Berſtaͤnd⸗ 
niß. Beigegeben ifl eine Reihe bisher ungebrucdter Briefe Goes 
IE an den Herausgeber. Leipzig, Weichardt. Gr.8 1 hir. 


ar. 

Dolly, K., Reiſetagebuch Napoleon Bonaparte’s ſeit ſei⸗ 
ner erſten Abreiſe von Korſika bis zu ſriner Ankunft in Bong» 
wood. Nach Correſpondenzen und autbentiſchen Quellen geſam⸗ 
melt. Aus dem Fran öfifähen von I. Guͤnther. Arnflabt, 
Meinhardt. 8. 71 Ror. 

Döring, 9, &xenen und Bilber aus dem Leben Jeſu. 
Nebſt altteſtamentlichen Bemätben unb veiigibfen Dichtungen ver: 
ſchiedenen Inhalte. Werlin, Amelang. 8. 22%, Nee. 





J neue 
* * ae Üagbeburg, Heinrigähofen. x. 
Yriedtänder, A., Die Lehre von bee undorbenklichen 
Zeit. ine von ber Juriſten⸗Fakultaͤt zu Heidelberg Xęær 
Preieſchrift. Zwei Theile. I. Dogmengeſchichte und iſches 
ceecqt. II. Canontſches und beutfches Hecht und Soflen. Mars 
FJriedrich der Zweite über Etaatsverfaflungen und Pflichten 
der Farſten. Ind Deutſche überfent, nebit Binweifungen auf 
einige Beitfragen. Leipzig, Frigſche. Er. 8. 5 Nor. 
Geißlter, Teutſchlands Berarmung, ihre Folgen und Abs 
bätfe, ober: Was ift von der fortfchreitenden Berarmung Teutſch⸗ 
lands zu fürditen, und wie ift ihr und den überband nehmen» 
den gegen Eigenthum und öffentliche Sicherheit abs 
zubelfen? Gine aus Zeit und Grfahrung hergeleitete, auf dem 


Gebiete vernünftiger Forſchungen beantwortete und mit Vorſchlaͤ⸗ 


gen begleitete Voikefrage. Zeit, Schieferdecker. Kl. 8. 9 Rgr. 

Genoſſen der Gegenwart. Espartero. Schweden und fein 
König. Ferdinand IV. Don Miguel. Mehemed Ali. Abder⸗ 
haman⸗Bey. Ibrahim Paſcha. Emil Girardin. Gardinal 
Jeſch. Mit einem Vorworte vom Verfaſſer bes „Meſiſtofeles“. 
Mit Espartero’s Portrait. Coesfeld, Rieſe. Gr. 8. 1Thlir. 

Gerhard, E., Phrixos der Herold. Zweites Pro- 
gramm zum Berliner Winckelmannsfest, Nebst einer Abbil- 
dung. Berlin, Besser. 1842, Gr. 4 20 Ngr. 

Gerlach, F. D., Tiberius und Cajus Gracchus. Ein 
historischer Vortrag. Basel, Schweighauser. Gr. 8. 11Y, Ngr. 

Ghillany, F. W., Die Jubenfrage. Cine Beigabe zu 
Bruno Bauer’s Abhandlung Über diefen Gegenfland. Nürnberg, 
Schrag. Br. 8. 7Y, Nor. 

Guͤnther, W. A., Qurifiheus und Heracles. Metalo⸗ 

By Krititen und Meditationen. Wien, Bed. &r.8. 2 hir. 

+ O8. 

Harleß, Dffene Antwort an ben anonymen Berfafler der 
zwei Genbfchreiben, die Trage von der „Kniebeugung ber Pros 
tefkanten‘’ betreffend. Mündyen, Palm. Gr. 8. 5 Ner. 

Hartmann von Aue, Iwein. Kine Krzählung. Mit 
Aumerkungen von @. F. Benecke und K. Lachmann. ?te 
Ausgabe. Berlin, Reimer. Gr. 8 2 Thir. 15 Neger. 

GHOeiinroth, I A. ©, Gedichte. Iſter Band, enthaltend 
Kabeln und Grzählungen zum Declamiren. In drei Heſten. 
Göttingen 1340— 42. 16. 20 Rgr. 

Helferich, 3, Won den periodiſchen Schwankungen im 
Werth der ebein Metalle von der Entdeckung Amerikas bis zum 
Jahr 1830. Eine hiftorifch: dkonomifche Monographie. Nuͤrn⸗ 
berg, Schrag. Gr. 8. 22%, Near. 

Neues Jahrbuch der Berliniſchen Geſellſchaft für deutſche 
Sprache und Alterthumskunde. Enthaitend ſprachwiſſenſchaft⸗ 
liche und geſchichtiiche Abhandlungen, Abbrüde und Erlaͤuterun⸗ 
gen kleiner Stuͤcke altdeutſcher Sprache und Poeſie, Nachrichten 
von altdeutſchen Handſchriften, Mittheiuungen aus Lebenden deut⸗ 
ſchen Mundarten, einzelne Sprachbemerkungen, Beitraͤge zur 
deutſchen Literargeſchichte, und überſichten der deutſchen Sprach⸗ 
titeratur feit 1834. Serausgegeben von F. H. v. db. Hagen. 
Ster Band. Mit Beiträgen von Auguft, Bormann, Foͤr⸗ 
femann, Höfer, Kidöden, Kubn, Lütde, Piſchon, 
Zoftmann, Zelle, Beune, Zinnow und bem Heraus⸗ 
geber. — A. u. d. 3.: Germania Ster Band. Berlin, Schulte. 
@r. 8. 1 Thir. 15 Nor. 

Kuapp, A., Edriflliche ichte Ite Auflage. Iſter 
und 2ter Band. Baſei, Neulich. 8. 2 Thir. 


Koͤbler, L., Akabemiſche Well. Roman aus dem deut⸗ 
Gene  Desfüeniehen, Zwei Bände. Leipzig, Boͤſenberg. 8. 


Kühne, J. ©., Portraits und Silhouetten. ie, 
—— 
nowsly, ER. | te aufes 

burg. I Shell: Kaiſer ich III. und en —* 
miuan. Mit zwei Kupfertafeln. Wien, Schaumburg und Gomy, 
Gr. 8. 3 Zoe. 10 Nor. 

Löwengard, M., Jehova, nicht Moloch, war der Bett 
ber alten Hebraͤer. Gntgegnung auf Ghillany's Werk: „Die 
Da nenopfer der alten Pebräer”. Merlin, Schulte. Gr. 8. 


Marheineke, Der Erzbischof Clemens August, Fre- 
herr Droste zu Vischering als Friedenstifter zwischen Stası 
und Kirche. Berlin, Schroeder. Gr. 8. 5 Negr. 

Der Menfh und die Thierwelt. Zwei Reden, gehalten 
vor der Hauptverſammlung ber Mitglieder bes Vereins gegm 
Thierqudierei zu Dresben am 23. Mai 1843 von J v. Im: 
mon und 6. G. Prinz ‚Dresden, Arnold. 8. 7TY, Nar. 

Menzel, K. A., Neuere Geſchichte ber Deutſchen von der 
Reformation bis zur Bundes⸗Acte. IOter Band. Die Zeit 
Kart’s VI. und die Anfänge Friedrich's UI. Breslau, Graf, 
Barth und Comp. Gr. 8. 2 Zhlr. 20 Ror. 

„Mitteilungen über Friedrich den Großen aus ben Jahım 
1784— 1786, vornehmlich in Bezug auf die Lecture deſſelben 
Von einem feiner Vorleſer. Berlin, Ende. Gr. 8. 7), Ra. 

Napiersky, 8, Die Morgengabe des rigifchen Kechts. 
Gine Gandidatenfhrift. Dorpat 1842, Gr. 8. 10 Kar. 

Öffentiih und Muͤndlich contra Schriftlich und Genofn, 
oder die Griminalreformer vor Altenburg. Kriegeriſches Optt: 
tateiftäct in zwei Acten von B. F. Scherzer. Oſchat. 61.8. 


gr. 

Preiler, L., Über die Bedeutung des schwarsa 
Meeres für den Handel und Verkehr der alten Welt. Rede 
gebalten am Krönungsfeste Sr. Maj. Nicolai Pavlowiuch 
am 22. August 1842 an der Universität Dorpat. Dort 
1842. Gr. 8. 7%, Ngr. | 

Revue oͤſtreichiſcher Zuftände. ter Band. Leipzig, Recamjen. 
®r. 12. 1 Thir. 
 „Rild, D. J., Zünfte, Gewerbefreiheit, gewerbliche Berein, 
im Allgemeinen betrachtet und _vergleicheweife zufammengeftllt. 
Berlin, Springer. Gr. 8. 17%, Ngr. 

Schuderoff, J., Glaube und Vernunft in ihren Ba: 
zweigungen. Reuſtadt a. d. D., Wagner. 8. 12%, Nor. 

Des Sophocles Antigone, griechisch und deutsch, berau- 
gegeben von A. Boeckk. Nebst zwei Abhandlungen über 
diese Tragödie im Ganzen und über einzelne Stellen denl- 
ben. Berlin, Veit und Comp. Gr. 8. 1 Thlr. 20 Ngr. 

Streckfuß, K., Über bas Werhättniß ber Juden zu der 
chriſtiichen Staaten. Zweite Schrift unter diefem Titel Be: 
un, Beit und Comp. Gr. 8. 15 Rgr. 

Über die Bekaͤmpfung bes Liberalismus in Deurfälat. 
Sin on Wort an die deutichen Regierungen. Leipzig, Frigiät- 
® . 

Der Berfaffungsfreund. Volksſchriften über flaatöhürgr: 
liche Angelegenheiten unter Mitwirkung mehrerer freifinnigt 
Schrififteller herausgegeben von R. Blum und &. GSteger. 
Iftes Bändchen: Das Verfaflungsweien, ober bas conftitufe 
aeile Peincip, von F. Steger. Leipzig, Mayer und Wigant 

— — Deffelben 2tes Bänden: Über Öffentlichkeit un 
Maͤndlichkeit im beutfihen Strafverfahren. Won 5. Gteger 
Leipzig, Mayer und Wigand. Kı. 8. 3 Nor. 

Bander, 8. F. W., Der geſchmaͤhete Dieſterweg. Eint 
Stimme aus dem preußiſchen Voikeſchuliehrerſtande gegen die 





Angriffe des Herrn 8. Emmerich zu Bonn. Leipzig, H. 
gand. Gr. 8. 12 Ngr. 

Warnke, G., Briefe. Der Jugend gewidmet. kiben 
v. Rohden. 8. 15 


Bagler, J. J Gebiäte, Münden. Gr. 8. 15% 


Werentwortliger Deraudgeber: Oelarich Broddand. — Drud und Werlon von U. U. Brockhaus in Beipıie 


Bläfter 


” 


für 


literarifhe Unterhaltung. 





Freitag, 








Zur WNachricht. 
Von dieſer Zeitſchriſt erſcheint außer den Beilagen taͤglich eine N nb iſt ber Preis für den J 
12 Th. Ale Buchhandlungen in und außer Deutfchland nehmen —* Wu: an ehe ale Does 


die ſich an die koͤnigl. fächfifche Beitungserpebition in Leipzig ober das 


dnigl. preußtfche Grenzpoſtamt in 


Halle wenden. Die Verfendung findet in Mochentieferungen und in Monatäheften ſtatt. 





Leffingiana.‘) 

Wenn Eeffing unter den Claſſikern ber Nation nicht 
blos als Dichter, fondern auch als Repräfentant des deut 
ſchen Geiſtes und Nationalcharakters, als univerſeller Ge⸗ 
lehtter, heller Denker und freiſinnigſter Menſch die unge⸗ 


theilteſte Verehrung genießt, fo wird er unter uns, in hie⸗ 


figer Stadt, noch gewiſſe befondere Sympathien erregen. 
Perföntiche, interefjante Erinnerungen find es, welche ſich 
theils an feinen hieſigen Aufenthalt, fein Wirken und 
Streben, an bier begonnene poetiſche Entwuͤrfe, wiſſen⸗ 
ſchaftlich- literariſche Studien‘, theils an feine, noch bei 
Leſſing's Leben hierher uͤbergeſiedelten, in Schleſien ver: 
breiteten, in Kunſt und Literatur namhaften Verwandten, 
theils endlich, was damit zuſammenhaͤngt, an mehte 
hier in oͤffentlichem oder Privatbeſitz aufdewahrte, literariſch 
noch keineswegs hinlaͤnglich ausgebeutete Papiere und 
Handſchriften von ihm knuͤpfen. Dieſe Erinnerungen 
nach allen fich darbietenden Richtungen und in ihrem Zu: 
ſammenhange zu verfolgen, wuͤrde mid, von der Aufgabe, 
weiche ich mir bier zunaͤchſt gefiellt, zu weit abfähten: In 
Bezug auf einen wichtigen Wendepunkt In Relfing’s phi⸗ 


fofophifger und theofogifher Bildung und Denkart, wels 


her in die Jahre feines breslaner Aufenthaltes (1761 — 


65) fält, habe ich in einee vor drei uhren verfaßten 


Schrift Über Leffing’s Erziehung des Menſchengeſchlechts, 
Ihre Echtheit und philoſophiſche Bedeutung, ausführlich, 
gehandelt. Ein Schreiden des ehemaligen, fo gelchrten 
wie geiftvollen Nectors der biefigen Buͤrgerſchule zum hei⸗ 
ligen Gef, S. B. Klofe, an Karl keſſing; G. €. Leſ⸗ 
fing's eigener, bier gefuͤhrter, Leider viel zu ſpaͤrlich erhal 
tener Briefwechſel; feine Herausgabe der Gedichte des ſchle⸗ 
ſiſchen Andreas Scultetus — dieſe liefen ums mehte 
[häpdore hiſtoriſche Zeugniſſe und Spuren aus jenem 
Zeitum. Möchte Gedichte von Stultetus har Leſſtug be: 

*) Bergeiefen am 31. Maͤr 1843 in ber allgemeinen Berfamms 
lung der Gefeifgaft fie vatertändifge Guitur in Brestau. 





kanntlich In der Bibliothek zu St. Bernhardin entdeckt, 
nachdem er früher, in Wittenberg, zuerft auf ihn aufs 
merkſam geworden, und fo Schlefien mit einem bemer: 
kenswerthen, wenn aud im Enthufiasmus anfangs viel- 
leicht überfhägten Dichter gewiffermaßen bereichert. Ge: 
gen Zadariä, dem er dieſe Gedichte in einer Zuſchrift 
widmet, denkt ee mit Erkenntlichkeit feiner in Breslau 
erworbenen würdigen Freunde: des von Friedrich dem Gro: 
Ben bochgeachteten Rectors am Elifabethanum, Arletius — 
dieſer ruͤhmte gern, wird erzählt, den Secretair Leffing, 


I al8 Einen „der etwas gelernt” — und des eben erwähn: 


ten Klofe. Diefer war als Rector der Schule zugleich 
Auffeher der In der Kirche zu St.: Bernhardin gegründes 
ten, der Stadt gehörigen Bibliothek. 

Hier, in dem Bücherfaate zu St.:Bernharbin — druͤckt 
fih Klofe in dem Briefe an Leffing’s Bruder aus —, hielt ee 
fi) vorzüglich bei den Sammlungen poetiſche komiſcher Erzaͤh⸗ 
lungen aus dem vorigen Jahrhundert auf, die kaum no ihren 
Titel nach befaant find. Er durchlief fie, Goldkoͤrner darin zu 
finden, denen ex das ſchoͤnſte Giepräge zu geben wußte. _ 

Mit Kloſe Befuchte Leſſing auch die Übrigen Biblio: 
theken der Kirchen, Klöfter und Gymnaſien; in ber zu 
Maria Magdalena fand er die erſte Ausgabe von Logau's 
Gedichten, die er fofort an Ramler nah Berlin ſchickte. 
Auffallend iſt es, daß uns von einem Briefwechſel zwi⸗ 
ſchen Leſſing und Kloſe, nach des Erſtern Abgang von 
Breslau, gar keine Spur aufſtoͤßt, da ſich kaum denken 
laͤßt, daß aller unmitteibarer Verkehze zwiſchen ihnen nach⸗ 
der aufgehört habe. Einen ruͤhrenden Beweis echter Anr 
haͤnglichkeit gab wenigſtens Kloſe, der, einer ſichern Ras 
dition zufolge, in der letzten Lebenszeit Leſſing's von 
hier aus zu Fuß nach Wolfenbuͤttel reiſte, um ſeinen 
Freund, ben er noch fange uͤberleben ſollte, noch einmal 
zu ſehen.*) 

) In Breslau haben füh Trabditionen non Leſſſag'sb Aufenthalt 
In elnign Gtärten bie heste ochalten. Man zeig 5 9. bed Hank, 
wo er die Abende in fröhliher Gefelligpnft und beim Gipiele, aus 


Es wird jegt wenigftens nicht befremden, wenn wir 
die allgemeinere Aufmertfamkeit auf eins der intereflante: 
ſten Manufcripte von Leffing’6 eigener Dand zu lenken 
verfuchen, welches eine Bierde der genannten Bibliothek 
zu St.=Mernpardin ausmacht, deſſen Beſchaffenheit und 
Kendenz Aberhaupt, fein Urſprung und endlid die Art 
feinee Aufbewahrung an alle jene Verhaͤltniſſe lebhaft er: 
innert. her koͤnnte es befcemden, daß die Eriftenz dieſes 
Manufcripts nicht einmal am hiefigen Orte Allen bekannt, 
um fo mehr den auswärtigen Literatoren unbekannt ges 
blieben iſt. Es ift diefed Manufeript nun nichts Anderes 
als die vollftändig erhaltene Originalhandſchrift von Ref: 
fing’6, duch Eſchenburg 1790 in zwei Dctavbänden, mit 
Zufägen herausgegebenen „Collectaneen zur Literatur”. 
Wie und in welcher Zeit die Handſchrift an ihren gegen: 
wärtigen Ort gefommen, lehrt ihr Xitel, welcher jedoch 
nicht von Leſſing's Hand, ſondern dem ehemaligen Rector 
der Buͤrgerſchule, G. S. Bande, Kloſe's Nachfolger, der 
von bier einen Ruf nad) Krakau erhielt, herruͤhrt; er laus 
tet wis folgt: „Gotthold Ephraim Leſſing's Collectanea, 
von ihm felbft eigenhändig gefchrieben, geſchenkt der Bi: 
bliochet zu St.:Bernhardin, von ...., mit den Wor⸗ 
ten: „Weil mein Bruder fo oft auf diefer Bibliothek ges 
weſen und mit Klofen fo gut Freund war. Den 30. 
Mai 1805°, ” 

Daraus geht hervor, daB es Leſſing's Bruder, der hier 
lange lebende und 1812 verfiorbene Münzdirector Karl 
Zeffing war, der, aus einem Gefühle von Pietät, das 
Manufeript, nach deſſen NRüdfendung durch Eſchenburg, 
der Bibliothek fuͤr alle Zeiten geſchenkt hat. Sie nimmt 
unter den Handſchriften Leſſing's in unſerer Stadt, die 
theils der koͤniglichen und Univerſitaͤts-Bibliothek, theils 
dem Hrn. Geh.⸗Rath Delsner angehören, an Gehalt und 


unverkuͤrzter literarifcher Wichtigkeit einen hohen Platz ein;- 


fie würde, hätte von ihrem WBorhandenfein früher verlau: 
set, auf die Mecenfion diefes Beſtandtheils der Britifchen 
Sefammtausgabe Leffing’d durch Karl Lachmann nicht 
ohne Einfluß geblieben fein; daher ein künftiger Heraus⸗ 
geber ihre durchgängige Vergieihung und Ausbeutung — 
dies wird ſich Hier näher herausftellen — nicht wird um: 
gehen können. Der genannte berühmte Gelehrte und Der: 
ausgeber Leſſing's verficht überall, wo er fih auf bie 
„Breslauer Papiere” beruft, die fich größtentheils auf Lef: 
fing’s theatraliſchen Nachlaß beziehen , lediglich das Con⸗ 
volut der Autographa Leſſing's auf der hiefigen koͤnigli⸗ 
chen und UniverfitätssBibliochet, welche Wachler ihm tur; 


brachte (Schubräde, im Pofthorn), das Haus, wo er lange gewohnt 
(Shweidniger Straße), bei einem Pfefferkuͤchler. Diefer, fein Wirth, 
sumathig über Leifing’d Höufiged naͤchtliches Nachhauſekommen, 
xaͤchte fih duch eine Pfefferkuchenform, mit einer Misgeſtalt und 
der Unterfhrift: Gotthold Ephraim Leſſing. Es leden hier Per: 


fonen, welde Pfeffertuhen aus diefer Form gefehen und gegeflen 


habeir. ‚Namentlich erzäpit man, daß gewiſſe wigige Kuferun: 
gen, welche dem General Tauenzien, al6 Commandanten von Bres⸗ 
lau, in den Mund gelegt werden, von Leffing ihren Urfprung naß: 


nen; dab Einzelne Nierüber, obihen es fogar auf Beffing’5 Mruder ' 
gueötgetährt wirb, bietet jedoch chronologiſche Schwlerigkeiten bay, 


daher ich eötbefler Übergehe. 


vor feinem Tode gefchidt hatte. Auch von dieſen kam 
Öffentliche Kunde ziemlich fpät und nicht von Mader 
ſelbſt. Mehre unter uns (mm dies im Vorübergehen zu 
bemerken) werden ſich erinnern, wie dieſer berühmte Pit 
tator, fo begeiſtert er für Leffing fich zeigte, doch von die 
fen Papieren feine irgend erheblie Ausbeute verhief, ia 
ihre Benugung dem Ruhme Leffing’6 Für wenig vortheil 
haft erklärte. Dee Erfolg, womit Lachmann dieſelben bei 
feiner Ausgabe gebraucht hat, bat diefe Meinung nidı 
gerechtfertigt; felbft in Dem, was Diefer Gelehrte unbenupt 
ließ, finden fidy einige, wenn auch unfceindare Goldkir: 
ner, welchen, an dem rechten Drte in eimer Wiographie 
Leſſing's, ibe Schimmer nicht abgehen würde. Anderes 
may immerhin nur noc als perfönliche Reliquie des gro: 
fen Geiſtes mit Achtung aufbewahrt bleiben. Wann und 
auf welchem Wege unfere Bibliothek zu diefem koſtbaren 
Shape gelangte, darüber haben wir zwar kein fo dent 
liches und anziehendes Zeugniß wie bei den Golkctanm; 
Wachler wenigftend wußte es, nad) einer Notiz des Hm. 
Prof. Kahlert im „Freihafen“ (1838), nicht genau an: 
zugeben. So viel fieht im Allgemeinen feſt (und dies 
wird durch die Ausfage von Leffing’& unter uns lebenden 
Verwandten beftätigt), daß dieſe Papiere als ein Br 
ſtandtheil des Nachlaſſes vom Münzdirector Leſſing 1813, 
in jener Zeit allgemeiner Aufregung und Unruhe, verlei 
gert und zerfireut wurden, wobei durch einen uneigennügi: 
gen Verehrer des großen Mannes die noch erhaltenen Pa: 
piere in die Univerfitäts: BibliocheE, als ein Afpl, gewife: 
maßen gerettet wurden. Nicht wenig wird damals we: | 
loren werben oder in Werborgenheit gerathen fein. Denn 
ber, gefammte, vollfländige Nachlaß Leſſing's, welden fein 
Bruder bald nad feinem Tode von Wolfenbintel 
nad Breslau abyehoit, fo vollfländig, daß heute nicht ein 
Blatt von Leſſing's Hand in der herzoglichen Bibliothet 
zu Wolfenbüttel vorhanden ift (fogar die amtlichen Pa: 
piere Leſſing's erlaubte ficy dee Bruder mitzunchmen, mi 
id an Dre und Stelle durch dem trefflichen Bibliotheku 
Dr. Schönemann berichtet wurde): dieſer Nachlaß ent 
bielt weit mehr als das noch Vorhandene, z. B. Alk, 
was Eſchendurg und was namentlicy der geniale, zu früh 
verfiorbene Fuͤleborn bier, in Gemeinfchaft mit Karl td: 
fing oder allein bekannt gemacht. Fuͤlleborn namentlich 
verhieß in der Vorrede zum dritten Bande von „Leſſinge 
Leben” (S. xx) einen „Nachtrag zu Leſſing's Collectanen“, 
wobei er, wohlgemerkt, etwas ganz Anderes im Auge hatt 
als unfer, damals bereits von Eſchenburg herausgegebenes 
Manufcript. Daß diefer Nachtrag nicht erfchienen (mit 
Ausnahme ded Wenigen, was Külleborn in feinen „Ned: 
ſtunden“ [1799— 1800] mitgetheitt), bedauert unter In: 
dern Mohnite in den von feinem Sohne vor kurzem be: 
ausgegebenen, gelehrten „Leffingianis”. Was Fuleborn 
von Leſſing's Papieren bei laͤngerm Leben vielleicht br: 
kannt gemacht hätte, nahm der Muͤnzdirector Leſſinz nach 
feinem Tode wieder an fih, und auc dies gehört jett 
wol mir zu den Deſideratis. Ich laſſe mich darüber auf, 
weil es nicht außer der Möglicykeit Liegt, daß dieſe Pa: 
piere, ganz oder zum Theil, In Schleflen noch wieder auf: 


afunden werden kaͤnnten. Fuͤr die Erhaltung wenigſtens 
zweier nicht unwichtigen Handfchriften Leſſing's aus ſei⸗ 
nem Nachlaſſe iſt man, wie bekannt, dem literatiſchen Eifer 
unſetes Mitduͤrgers Hrn. Geh.: Math ODelsner verpflichtet: 
ich meine die berühmte, von Leſſing in den letzten Jahren 
feines Lebens zum Zwecke der Herausgabe, auf den 
Grund dreier wolfenbuͤttler Handſchriften verfüßte Recen⸗ 
fion des „Renner” von Hugo v. Zrimberg, und feine Ans 
wertungen zu 2. E. Steinbach's Deutſchem Wörterbuch, 
welche Prof. Kahlert (bis auf einige) im „Freihafen“ von 
1838 bekannt gemacht, von wo fie Lachmann der neuen 
Ausgabe im elften Bande einverleibte. 

Ich komme auf unfer Manufeript zurüd, von wel: 
chem mir, bis vor kurzem, nit mehr als eine dunkle 
und unbeitimmte Erinnerung geblieben war, die ſich von 
der Zeit meiner biefigen akademiſchen Etudien herſchreibt. 
Bel einem meiner Beſuche auf der Bibliothek zu St.: 
Bernhardin, etwa im 9. 1830, zeigte mir der damalige 
Rector der Schule zum heiligen Geift und als folder 
Auffeher dee Bibliochet, Morgenbeffer, ale ein Curioſum 
unter Anderm jenes Manufeript: „Leſſing's Tagebuch“, fo 
bezeichnete er 18. Don diefer ziemlich unbeflimmten Gr: 
innerung geleitet, voollte ich neulich mich näher über Die 
Beſchaffenheit dieſer Handſchrift unterrichten; ein Blick in 
daſſelbe belehrte mich, daß ich die durchgaͤngig eigenhaͤndige 
und vollſtaͤndige Urſchrift, nach welcher Eſchenburg 1790 
die „Collectaneen zur Literatur“ herausgegeben, in der Hand 
hatte. Sie beficht, genau wie Efchenburg fie befchrieben, 
aus 550 Seiten in Kieinfolio und in gefpaltenen Colum⸗ 
nen, die aber nicht alle befchrieben find. Beim Blättern 
fiel mie bald bier, bald dort ein Artikel in die Augen, 
den ich ald mir durchaus unbelannt und neu anfehen 
mußte. Dies reichte hin, mir ein genaueres Studium 
diefer Handfchrift zu einer intereffanten Pflicht zu machen, ' 
deſſen Ertrag ich ihnen, fo welt er eine allgemeine Theil⸗ 
nahme anſprechen darf, mitzutheilen die Ehre babe. Biel: 
leicht iſt es möglich, dieſe, wie es fcheint, trodenen Ma: 
terien (wenn man fich an die „Collectaneen zur Literatur” 
überhaupt erinnert) auf eine Einheit des Gefichtspuntts 
zurüdzuführen; und wo koͤnnte dieſer Geſichtspunkt fich 
bequemer darbieten als in der Perfönlichkeit, in dem 
Charakter Leffing’s ? 

(Die Fortſetzung folgt.) 





Feten et souvenirs du congr&s de Vienne; tableaux des 
salons, scenes anecdotiques et portraits 1814 — 15, 
par le comte A. de la Garde. Zwei Bände. Paris 1843. 


Der Berf. dieſes intereffanten, geiftreihen Werks, deſſen 
Verth bauptfählih in einer Mafle einzelner, pilanter Züge 
tiegt, entſchuldigt ſich gewiſſermaßen, einen fo oft gefcyilderten 
Gegenſtand aufs neue bebandelt zu haben. Der Menge von 
Schriften, die über den Wiener Congreß erfchienen find, nach zu 
artheilen, follte man allerdings meinen, das Thema fei jeät bes 
tits erfchöpfe Das Dem aber nidyt fo fei, wird man, wenn 
man die bisherigen Darflellungen näher ing Auge faßt, dem | 
Grafen de la Garde leicht zugeben. Nur glauben wir, daß der⸗ 
felbe gerade barin Unrecht babe, daß die ernfte Seite dieſes 
Congrefes, auf dem das Geſchick Europas entſchieden werben 


⸗ 


e, genuͤgend behandelt, daß dagegen ber unterhaltenden Ge: 
chichte dieſer glaͤnzenden Zufammenkunft gekroͤnter Haͤupter, be⸗ 
rühmter Diplomaten und glaͤnzender Schoͤnheiten aus allen 
Ländern noch nicht die gebührende Aufmerkſamkeit gefchentt fet. 
Uns will es vielmehr feinen, als fei bisher die politifche Be⸗ 
deutung bed Gongreffe® noch nicht genug hervorgehoben und als 
hätten bie Hiſtoriker deffelben, ſeibſt die meifterhafte Darftellung 
Barnhagen’s nicht ausgenommen, fi mit zu großem Gefallen 
an bie glänzende Außenfeite gehalten. Wir geben indeffen gern 
zu, daß alle diefe gene, dieſe glänzenden Zufammenkünfte, die 
gemeinſchaftlichen Vergnuͤgungspartien oft ſchwer in der Mage 
ber Staatengefchidde gervogen baben, daß, wie der Verf. fast, 
„oft auf einem Balle cin Königreich zerftüdelt oder vergrößert, 
eine Sonftitution auf einer Sagdpartie verabredet und entwors 
fen ward und daß ein glüdiiher Einfall, ein wigige® Wort 
oft einen Vertrag zu Stande brachte, an dem bisher alle diplo⸗ 
matifhe Gewanbtheit und tagelange Gonferenzen gefcheitert was 
ven’. Es kommt uns auch nicht zu, mit dem Verf. zu reche 
ten, daß er in feinem Werke Feine diplomatifche Geſchichte ge: 
ben will, fondern ſich begnügt, den Congreß von feiner heitern, 
unterhaltenden Seite aufzufaffen und ihn darzuftellen „als ein 
ungeheures Feſt zu Ehren des allgemeinen Friedens”. Gein 
Bud) ift fehr anziehend gefchrieben und enthält trotz ber großen 
Menge ſchen vorbandener Schübderungen noch eine reiche Leſe 
einzelner Anekdoten, charafteriftifcher Züge, die man nicht ohne 
Sntereffe lefen wird. Wan kann dem Verf ein bideutenbes 
Zalent zur Charakterzeichnung nicht abfprefhen, obgleich er bie 
meiften Seftalten, welche er an uns vorüberführt, in der Regel 
nur mit menigen Strichen ffisziet und nur ausnahmsweiſe ein 
Portrait ganz ausführt. Überall hat er das richtige Maß zu 
treffen gewußt und namentlich die Monotonie gluͤcklich vermies 
den, in die man bei der Schilderung einer fo großen Anzahl 
berühmter Perfonen aller Art leicht fallen fann. Es ift ihm 
bies befondere dadurch gelungen, daß er die Geftalten, die er 
barftellen will, meiſtens handelnd auftreten läßt, und oft feine 
Schilderungen Andern in den Mund legt So madt in ber 
erften Partie bes Buchs namentlidy der Licbenswürdige Fürft von 
Ligne, der am jungen Grafen de la Garde befonderes Intereffe 
genommen zu baben fdheint, den Giceronce in den glänzenden 
Salons, die fi) vor und ausbreiten, und den Wappenherold, 


welcher uns mit ben hervorragenden Geftalten des Congreſſes 


befannt macht. Leider verlor der Graf de fa Garde bdiefen 
fihern Führer, der fi eine lange Reihe von uhren in biefen 
glänzenden Kreifen bewegt und doch ftets die Unabhängigkeit 
feines Urtheild zu beivahren gewußt hatte, gerade als er feiner 
noch am meiften bedurft hätte, durch den Tod. 


Der Berf. hat allerdings Takt genug gehabt, feine Per⸗ 
föntichteit nicht in den Vordergrund zu drängen; aber vielleicht 
wäre es doch nicht unangemeilen gewefen, wenn er über bie 
Natur feiner Stellung in Wien u. f. w. ein Wörtchen hätte 
fallen taffen. Es fcheint, als habe er ſich mit den Geſchaͤften 
und potitifhen Verhandlungen gar nicht befaßt — und er hätte 
fonft dieſeiben audy wol nicht ganz unberädfichtigt gelaffen —, 
und als wäre er einer von ben vielen Zugpdgeln, die aus als 
ien ändern herbeiflogen, um an den Bergnügungen, Feften 
und Bällen Theil zu nehmen, die man ſich bei diefer Belegen: 
heit nicht mit Unrecht verſprach. Seine Geburt und feine Ja⸗ 
milienverhältniffe — fein Vater ift, wie man gelegentlich ers 
fährt, Miniftee der auswärtigen Berhältniffe wahrfcheintich uns 
ter Ludwig XVI. geweſen — brachten ihn indeffen mit den Pers 
fonen, um bie. fich der ganze Gongreß drehte, in die naͤchſte 
Berbindung. Zuweilen ift es, als ſpraͤche ſich ein verhaltener 
Ärger über eine verfehlte Garriere aus und als fei fein Chrgeiß 
und die Thatenluſt nicht befriedigt. Ga lefen wir II, 177 eine 
derbe Philippika gegen die vielgemundene Laufbahn bes Dis 
plomaten, „auf der nur Derjenige es zu etwas bringt, ber 
die Dankbarkeit mit Füßer tritt, die thruerſten Neigungen er⸗ 
ſtickt, die Grundfäge feines ganzen Lebens verleugnet und Bas 
mitie, Freunde, Vaterland vergefien kann’. Doc es iſt dies 


eine Bermuthung, welche wir uns nur erlaubt haben, weil man 
bei aͤhnlichen Werken, wie das bortiegenbe tft, nur zu leicht 
unter dem @influffe feiner perſoͤnlichen Verhaͤltniſſe ftebt. 

Sn ber langen Galerie einzeiner Portraits, die fich in bie: 
fen zwei Bänden vor uns aufthut, fuchten wir natärlich zuerft 
nah Bekannten, für die mir uns näher intereffiren, oder fol: 
chen Zügen, weiche uns ſchon aus frübern Schitberungen befannt 
find. So finden wir unter den Deutfchen, mit denen de la Garde 
in Berührung fommt, namentlich Metternid, W. v. Humboldt u. X. 
Geng wird nur fürzer abgefertigt, obgleich der Verf. ein eifriger 
Beſucher der Salons der Graͤfin v. Buchs war, in denen man 
den geiftreichen Yubliciften befonder gern ſah. Cine der in: 
tereffanteften Partien feines Buchs ift biejenige, welche der 
Verf. dem begeifterten Ypſilantis, mit bem er durch die engften 
Bande der Freundſchaft verbunden war, wibmet. Nidjt ges 
tingern Werth bat der Abfchnitt, in welchem er bie Stellung 
Sidney Smith's auf dem Congreß, die von den bisherigen Ges 
ſchichtſchreibern der winner Verhandlungen nody nicht in ihrem 
rechten Kichte dargeftellt ift, näber ins Auge faßt. Diefer aben: 
teuerlihe Ceemann, von dem Napoleon befanntiidy fagte: „Ce 
diable de Sidney Smith m’a fait manquer ma fortune”, hatte 
fih von Zhatentuft verzehrt zum Vertreter des Exkoͤnigs von 
Schweden Guftav Aroif aufgeworfen. Seine Stellung war da⸗ 
durch von Anfang an eine ſchiefe, die nur dadurch balancirt 
wurde, daß er noch nebenbei den Plan zu einer Gefellfchaft für 
die Sklavenemancipation in Anregung brachte, der bei mehren 
ber gefrönten Haͤuptern, namentiih bei dem philanthropifchen 
Alerander von Rußtand, Anklang fand. 

In ber Art, wie er feine Geftalten zeichnet, macht ber 
Verf. von einem Kunftgriffe, deffen ſich auch andere Portrait: 
maler mit der Feder zu bedienen pflegen, vielleicht einen gar 
zu reichlichen Gebrauch. Er leiht nämtich nicht felten, wenn 
er eine der zu charafterifirenden Perfonen redend einführt, der⸗ 
ſelben alle die Schlag: und Witzworte, welche man im Publi⸗ 
cum auf ihre Rechnung zu feßen pflegt. Allerdings, ertennt 
man fo die Geftalt, weiche auftritt, glei auf den erften Blick; 
indeffen muß man fich fehr büten, dieſe Art der Darftellung, 
die zum Theil gewiß von den griechifchen und römifchen Hiſto⸗ 
rifern in Anwendung gebracht if, in Manier ausartın zu lafs 
fen. Dies ift uns namentlich bei der Charafterifirung des geifts 
reihen Fuͤrſten von Ligne, der von Wigmworten überfprudelte, 
aufgefallen. Der Berf. legt ihm bier das befannte „las con- 

res ne marche pas, il danse“ und eine ganze Neihe von 

onmots in den Mund, die dadurch, daß man fie fon überall 
gelefen bat, allmätig zu abgedroſchenen Gemeinplägen geworben 
find. Daß übrigens Ia Garde mit dieſem feltenen Wanne, def: 
fen Umgang zu den gefuchteften gehörte, wirktich in fo nahen 
Beziehungen ftand, wie er fagt, geht aus der Dedication feines 
Buchs hervor, weiche dem Enkel des Kürften, dem jed’gen beigi: 


fhen Geſandten zu Paris, zugeeignet if. Jeder Zweifel an 


der Glaubwuͤrdigkeit des Verf wird übrigens fchon gehoben 
durch ein fehr ſchmeichelbaftes Schreiben, welches dieſer Dipto⸗ 
mat an ihn gerichtet hat und das von einigen franzoͤſiſchen 
Journalen mitgetheilt worden ift. 

Wir Haben die heitern Schilderungen tes Verf. mit keiner 
ernften Betrachtung unterbrochen, obgleich ſich uns dieſelben 
beim bloßen Nımen des Wiener Congreſſes in Maſſe aufdrängen. 
Aber einen erfhütternden Eindruck macht ee, wenn man fiebt, 
wie er fein Bud, durch das ſich ein Abgtanz der großartigften 
Feſte zieht, mit einer furzen Erinnerung an Fauche-Borel und 
an deſſen abenteuerliches Liben abichließt. Mit Recht beißt es 
von biefem ehemaligen Buchhändier, der 30. Zahre hindurch mit 
der größten Selbflaufopfirung und einer romantifden , chevale⸗ 
resken Ausdauer im Intereffe der Wourbons gearbeitet hatte: 
„Wenn man irgend ein B.ifpiel anführen wollte, um ehrſuͤch⸗ 
tige Gemücher gegen diefen Durft, etwas zu fein und zu ſchei⸗ 
nen, der fie versehrt, zu bewahren, wo könnte man ein ſchla⸗ 
gendere® finden ale das von Kaudhes PRorel, welcher fi ſelbſt 


durch feinen ſreiwilligen Tod fr bie Wänfhungen feine “% 
izes ſtrafte und mit feinem Mitte Ace 
Untantbarfeit der Fuͤrſen geſagt hat, befisgelte * Ib de 


EEE nn 7 


Literarifhe Notiz. 


Bon folgendem Berke: „The sanative influence of climats; 
with an account of tbe best places of resort for invalides“, 
von Sir James Clark, durch welches bie mediciniſche Riteratur 
Englands wahrhaft bereichert worden, ift dor kurzem bie dritte 
Auflage in London erſchienen. Bor ber erflen Ausgabe deſſelben 
bie vor zehn Jahren berausfem, fehlte ben Cuglandern gay 
und gar eine allgemeine Abhandlung über die Wirkungen 
ber verfchiedenen Klimate auf leidende Perfonen, cher 
von der Anwendung des Klimas al® allgemeines Beilmittel in 
gewiffen. Krankheiten. Wir koͤnnen jedoch nicht fagen, dab che 
gebachtes Werk, wie ſchaͤgbar es auch iſt, biefem Mangel vos 
kommen abbilft, da es nur von der Wirkung von einer Art 
Ktima handelt, nämlich von dem Einfluß eines milden Klimas, 
in chronifchen Krankheiten, auf die Einwohner Fälterer Gegenden. 
Kaum ift darin bie Rede von den Wirkungen eines Wegzugtz 
bon einem gemäßigten zu einem gang kalten oder gan; heißen 
Klima, oder umgekehrt. Doch ift nicht zu Läugnen, daß der 
Zweig deö bier behanbelten Gegenſtandes die Mehrzahl der 
Krankheiten, welche durch einen Wechſel von Klima gehoben 
ober wenigftens gemildert werben koͤnnen, umfaßt. In einem 
Capitel bat ber Verf. allerdings auch von den wohlthätigen 
Wirkungen eines gemäßigten Klimas auf die Eränktiche Körper 
befchaffenheit Derer, die lange in tropiſchen Gegenden gelebt 
haben, geſprochen, aber beimeitem nicht erfchöpfend genuy 
befonders, wenn man bebentt, daß Tauſende von Menſchen 
jäbrlih von der Golonien nad) Europa zuruͤckkehren, bern 
Gefundheit mehr ober weniger gelitten bat. Es ift daher zu 
wünfhen, daß er in einer kuͤnftigen Ausgabe feines Werks 
das in dieſer Hinficht Fehlende ergänzen möge. Mehre Urfagen 
vereinigten fih vormals, den Einfluß des Klimas auf gewiſſe 
Krankheiten der fpeciellen Unterſuchung unferer Zeit aufjhe: 
wahren; aber bie vornchmften derſelben find ohne Widerrede 
die fo ſehr zugenommene Begterbe, Fremde Länder zu beſuchen 
und bie vermehrte Leichtigkeit, diefe MReifeluft gegenwärtig in 
befriedigen. Es ift in ber That erft nachdem die Schlacht von 
Waterloo bie Bahn bes Reifenden in jedem Lande Suropas frei 
und ſicher gemacht hat, daß die Mittel, ein Werk, wie dal 
bier erwähnte, zu verfaffen, einem engliſchen Arzte zugänatid 
geworden find. . 16, 





Literarifhe Anzeige 
Durch alle Buchhandlungen iſt von mir zu beziehen: 


Geigidte 
letzten Kämpfe YWapoleon's. 


Aevointion und Reftanration. 


Bon 
Konrad Dtt, 
Zwei Theile. 
®r. 8. Geh. 3 The. 15 Ror. 
Reipsig, im Auguft 1843, 


8 A. Brochausd. 


Berantwoi ilier Deraußgebrr: Qeintid Brodhbaus — Drud und Beriag von F. U. Brok haus in Eripsis- 





Blätter 


für 


literarifbe Unterhaltung. 





Sonnabend, 


2. September 1843. 





Leffingiana. 
(Bortfegung aus Nr. MA.) 

Es wird oft und mit Recht hervorgehoben, daß das 
Charakteriflifhe von Leſſing's Geift, nach feiner fchriftftel: 
lerifchen Thaͤtigkeit gemeſſen, am entſprechendſten ſich durch 
den Begriff der Kritik, im hoͤhern Sinne, treffen laſſe. 
Diejenigen jedoch, welche das Weſen der Kritik hauptſaͤch⸗ 
lich in Schärfe und Subtilitaͤt des Verſtandes ſetzen, faſ⸗ 
fen nur die eine Seite ihres Weſens, oder vielmehr die 
Sage oft nur in ihrer Erfcheinung auf: dieſes Weſen, 
die Murzel und der Träger jener hohen Verſtandeskraft 
liegt in dent fittlichen Principe des Menfchen, in dem 
„undedingten Triebe“ nah Wahrheit und Recht; ja, «es 
bedarf eines ſittlichen Fundaments, es bebarf eines Cha⸗ 
rafter6, wenn je etwas Bleibendes, etwas Großes vermöge 
der Kritik ausgerichtet werden fol. Diefes fittlihe Kun: 
dament, die innere Harmonie der Seele ift e8, welche bei 
Kling überall das Maß, die Klarheit hervorruft, wo 
Form und Gehalt ſich durchdringen; welches feine Werke 
mit einer innern Wärme, einer ftlllen Begeifterung befeelt, 
weicher wir beim Lefen nicht widerftehen können. Selten 
trägt eine fo fcharf ausgeprägte Originalität zu gleicher 
Zeit fo den Stempel des allgemein und rein Menſchlichen, 
und dies ift es, was fo hinreißt ; es ift das Homo sum, 
humani nihil a me alienum puto, was zu jeder Seite, 
die Leſſing gefchrieben, das Motto bildet. Ähnlich dem 
phoſiſchen Athemholen beweift ſich Leſſing's Streben in 
zwei ſtets einander belebenden und erhaltenden Functionen: 
Wahrheit ſchoͤpfen und Wahrheit verbreiten; er iſt ebenſo 
ſeht Lehrer als Forſcher; ſogar als Dichter betrachtet er 
fich als Lehrer nuͤtzlicher oder hoher, erbaulicher Wahr: 
heiten. Die dramatiſche Behandlung, welche Leſſing's Ab⸗ 
bandlungen und Briefen fo viel Leben und Farbe gibt, 


bingt damit zufammen; nirgend die Hppochondrie des in |- 


fh und feine Bücher vergrabenen Stubengelehrten, nir⸗ 
gmd der vornehm abfprechende, felbftgenügfame Ton des 
mit fi) fertigen, feine Meinung oder Syſtem über Alles 
ſchenden Mannes; es iſt ein beftändiges Suchen und 
Inden, Fragen und Antworten. Wenn jemals, fo hat 
bir das berühmte Wort feine Wahrheit: Der Stil ift der 
Menſch ſelbſt. Stil iſt dann nicht der Gedanke in fei: 
nem Page, im angenommenen Feierkleide, das man abfegt, 


‚aufgefchrieben. 
‚in dee Vorrede fein Bedauern 


Wort ausgegangen, fich faſt nur in ſolchem gezeigt Hat), 
fondern es ift ein Plaftifches, das mit dem Gedanken 
ſelbſt Geftalt gewinnt und nur feine Faͤrbung von Stim⸗ 
mung und Umftänden annimmt; das, wenn es fogar in dem 
verborgenen, nachlaͤſſig hingeworfenen Gedanken angetroffen 


wird, Doppelt belehrt, ja erbaut. Und dies ift der Ka 
bei den meiften in Leffing’s Nachlaſſe vorgefundenen Stu: 
dien, Vorarbeiten oder Entwuͤrfen zu fcheiftftellerifchen Ar: 
beiten, befonders bei denjenigen Schriften, weldye man im 
nähern Sinne feine Gollectaneen nennen kann. Denn 
leicht erachtet man, daß die von Efchenburg nach unferm 
Manuferipte herausgegebenen „Collectaneen zur Literatur” 
nicht die erften und bie einzigen waren, welde Leſſing 
Eſchenburg bedachte dies zu wenig, ale er 
zu erkennen gab, Daß der 
große Mann | 
diefe Gollectaneen nicht fchon gleich bei feinem Eintritt in bie 
von ihm fo ruͤhmlich durchlaufene, Literarifche Laufbahn ange 
fangen, unb fie bi8 an fein viel zu früh erreicdhtes Ziel derfel- 
ben fortgefegt :’fie würden da freilich ungleich größer und reich⸗ 
baltiger ausgefallen fein. Aber fo fcheint er erft tm 3. 1768 
bamit den Anfang gemacht, und fie während feines Aufehthalts 
in Hamburg und in ben erften Jahren feines Bibliothekariats 
in Woifenbüttel fortgefegt zu haben. 

Allein, find wir zu entgegnen berechtigt, Leſſing hat 
weder. feine Gollectaneen exit mit diefem Manufcripte an: 
gelegt, noch datirt dieſes erft vom Jahre 1768. Fruͤhe 
hatte er der Art Sammlungen anzulegen angefangen, aber 
warum fie nicht alle erhalten find, bekannte er felbft, da 
er bei einer Gelegenheit fchrieb (Kachmann's Ausgabe, 
Bd. Il, ©. 753): 

Ich weiß nicht, wo die Blätter meiner ehemaligen Samm: 
lungen bingefommen. Mir geht e8 mit allen meinen Gollec: 
taneis, wie der PVirgilianifchen Sibylle. Ich ſchreibe derglei⸗ 
den Dinge meiftens auf einzeine Blätter, die ich dann wol hin⸗ 
lege und ordentlich aufzuheben gebenfes aber weht auch nur ber 
leinfte Wind darunter, und treibt er fie einmal auseinander: 

Nunquam deinde cavo volitantia prendere saxu 
Nec revocare situs, aut juegere earmina curo. 


Und doch ift unfere Erbſchaft an Leffing’s Collectaneen 
rei genug, wenn wir nur an die, auf unzuſammen⸗ 
hängenden Blättern und Bogen erhaltenen Fragmente aus _ 
Leſſing's Nachlaß denken, welche beinahe den ganzen elf: 
ten Band der Lachmann'ſchen Ausgabe ausmachen, eine 
wahre Fundgrube für Philofophen, Theologen und Litera⸗ 


wenn man allein ift (wiewol Buffon, von bem jenes I toren. Ich rechne dahin einen Theil der in ber biefigen 


% 
Univerſitaͤts⸗Bibliothek aufbewahrten Leffing [chen Papiere. 
So befindet fih (das kann ich fogleih erwähnen) in un⸗ 
ferm Manuſcripte ein einzelnes Folioblatt, einen ungedrud: 
ten Artikel: S. Cresci val cava enthaltend, das urſpruͤng⸗ 
lic) dazu nicht gehörte, fondern von Karl Leſſing, wahr: 
ſcheinlich erſt nachdem er die Handfchrift von Efchenburg 
zuruͤckerhalten hatte, hineingelegt worden. Dieſes Blatt 
trägt die Seitenzahl 2192 und koͤnnte auf viel bedeuten: 
dere Collectaneen als wir kennen fließen laſſen. Um 
fo mehr behauptet unfer Manufeript, ſchon feiner Form 
nach, feinen befondern Werth und eine gewiſſe Selbflän- 
digkeit. Die Vermuthung Efchenburg’s, daß Leſſing dies 
ſes Collectaneenbuch 1768— 69, alfo in Hamburg, mo 
er damals lebte, begonnen, ftüßt fi darauf, daß gerade 
bei diefem Artikel in dem Buche, und außerdem bei eini- 
gen andern, diefe Zahreszahlen beigefchrieben find. Dieſe 
Artikel find gedrudt. Dagegen finde ich in unſerm Ma⸗ 
nufcripte bei einem der von Eſchenburg überfchlagenen Ars 
titel: „Joh. Cleland, noch lebender Schriftfleller in Eng: 
land” u. ſ. w., hinter dem Namen fehr deutlich die Jah: 
reszahl 1764, Es wird fo außer Zweifel gefegt — und 
dies kann fir uns nicht ohne nterefje fein —, daß el: 
fing dieſes Collectaneenbuch bereits hier in Breslau, wo 
er damals (176164) als Secretair des Generale Zauen: 
zieh lebte, wo nicht zu allererſt angelegt, doch bereits be: 
nugt hat. Breslau, können wir fagen, hat gewiſſe An⸗ 
fprüche auf den Beſitz gerade diefes Manufcripte. Bon 
jener Zeit alfo ab datirte fih die Gewohnheit Leffing’g, 
die ihm beim Leſen entitandenen Gedanken oder feine 
Auszüge aus Büchern mit und ohne eigene Bemerkun⸗ 
gen, endlich ganze Studien zu künftigen Abhandlungen 
oder Schriften in alphabetifcher Ordnung und in unbe 
ſchraͤnkter Mannichfaltigkeit, in einer folchen Vielſeitigkeit 
zu fammeln und zu ordnen, daß diefes Buch bei laͤngerm 
Leben des großen Mannes fi von felbft einer Art wil: 
fenfchaftficher Encyklopaͤdie genähert haben wuͤrde. Aber 
auch fo, in diefer fragmentarifhhen Beſchaffenheit, zeichnen 
fih diefe Collectaneen vor denen anderer Gelehrten aus: 
es find keine aufs Gerathewohl zufammengemwürfelten Er: 
cerpte; ein fo eminent productiver Kopf nimmt auch das 
von Andern Entlehnte nicht nackt und beziehungstos, 
fondern mit Nüdfiht auf das Ganze feines Ideenganges. 
Diefe Beziehungen zu verfiehen, aud nur zu errathen, 
ift nicht immer leicht; gewiß iſt, daß fein einziger un: 
ter diefen Artikeln iſt, der abfolut ohne Intereſſe, oder 
nicht ein Wink für weitere Belehrung waͤre. Leffing 
hatte noch etwas von der Polghiftorie früherer Jahrhun⸗ 
derte, jene Neigung, Bücher von den verfchledenften und 
entlegenften Materien, befonders folhe, welche ſich auf 
die Gefchichte, den Gang des menfchlichen Geifles, der 
Gultur beziehen, zu lefen, um es mit eigenen oder 
fremden Beobachtungen zu combiniren. Der Philofoph, 
der Denker zeigt fih im Dintergrunde, wo man es am 
menigften vermuthete; die Erudition muß allgemeinen 
Ideen dienen. Da treffen wie denn oft verfchollene Au: 
toren, welche £effing in den Bibliotheten oder auf Auctio: 
nen aufftöberte, wobei ihm feine unermeßliche Literatur 


Eenntniß zu Hülfe kam, bie ihn von Entdeckung zu Ent⸗ 
deckung führte, Er beſaß, wie Leibnitz, jene Spuͤtkraft 
und Wißbegierde, auch aus mittelmäßigen oder ſchlechten 


. Büchern das Nuͤtzliche herauszufinden. Als junger Dann 


während feines Aufenthalts It Bortin wnd Im Umgenge 
mit Mendelsfohn hatte bekauntlich Lefing einmal den 
Einfall, eine Zeitfhrift „Das Beſte aus fchlehten Bi: 
chern“ herauszugeben; cin Stud davon wurde fertig, doc 
äußere Bedenklichkeiten, heißt es, hinderten dieſes origineke 
Unternehmen. In fotdhenr Geifte find mm häufig fein 
Collertaneen gemacht, nur ganz für ihn und feinen eige 
nen Mugen. Beſonders notirt er ſich gern, wenn er auf 
etwas Abfonderliches, Wunderliches bei Menſchen oder in 
der Natur flößt, wie gefagt, aus einem höhern Snterefi, 
In dem Xrtilet „Wunderbare Menſchen“ iſt dies det: 
lich u nen. X 

uf ſolche — fagt er — in Anfehung i i 
Koͤrpers will ich —*5— ſehen. en nen —* 
ber menſchlichen Kräfte ohne Zweifel noch lange nicht u. ſ. w. 

Dahin gehören endlich mehre unter den von Eſchen⸗ 
burg ganz uͤbergangenen Artikeln. 

Daß eine Sammlung dieſer Art aus Leſſing's Nat: 
laß die Veröffentlichung verdiente, darüber werden Alte ii— 
nig fein; doch über das Maß und die Methode ihrer Re 
daction und Bearbeitung koͤnnten abweichende Anfihten 
obwalten. Nur wird der Herausgeber bei feiner einmal 
gefaßten Anfiht mit Confequenz und Klacheit verfahen 
mäffen, und bier iſt es, wo mir uns mit dem Verfahren 
des im Übrigen fo verdienflvollen Herausgebers, Eiden: 
burg, nicht einverflanden erfläcen koͤnnen. 

Eſchenburg ließ ſich im Allgemeinen, gewiß mit Recht, 
von dem Intereſſe des Leſers an dem Subject, dem Kr: 
faffee der Gollectaneen, wodurch in diefe Mannicyfaltigkeit 
Einheit und Phyfiognomie kommt, maßgebend leiten; auf 
druͤcklich fügt er: 

Was einem Manne wie Leſſing diefen Werth zu habın 
ſchien, bie und überhaupt den Gang, bie Richtung, die man 
nichfaltiae Beſchaͤftigung feines fo großen und fo glädlih ge 
lehrten Fleißes näher kennen zu lernen, dazu ſcheinen mir dirk 
Gollectaneen hoͤchſt dienlich zu fein; zu gefchweigen, daß fein 
mehr als Sinem Betracht dem Liebhaber der Literatur und dem 
angehenden Forſcher derſelben Außerft lehrreich werben künnm. 

Dies darf zu der Erwartung berechtigen, daß un 
Leffing in diefer Herausgabe überall in feiner echten, ur 
fprünglichen Geſtalt und Phpfiognomie begegne. In Mr 
That, wer möchte aus freien Stuͤcken auf den Gedanken 
kommen, daß dieſes nicht der Kal, daß Efchenbun 
ſich mit dem Xerte vielfache Veränderungen (in fein 
Augen ohne Zweifel Verbefferungen) erlaubte ? Diefe Ber: 
änderungen find mannichfaltig : größtencheils find es Der: 
befferungen des Stils, naͤchſtdem häufige Zuſammenjit: 
hungen, DVerfchmelzungen, Weglaſſung ganzer Selm, 
nicht felten gar Entflellungen dee Worte Leſſing's, m 


durch fie einen andern Sinn erhalten; was zuweilen blos 


Folge ber Nachlaͤſſigkeit zu fein fheint. Cher zu entiäul: 
digen wäre es, daß Eſchenburg hier und da die ep 
pitten Stellen in lateinifchee englifcher odet italieniſchet 
Sprache in deutfcher Überfegung wiedergegeben. Einige 





Mate kommt «6 vor, daß ber Derausgeber einen Theil 
des Terxtes fortgslaflen, ihm aber in bie ihm brigefügte 
Anmerkung verarbeitet dat. Und endlich hat der Heraus⸗ 
geber, wie erwähnt, eine Reihe von Artiteln ganz über: 
gangen, welche nicht allein ihren Platz neben den übrigen 
meiftentheil6 verdienen, fondern von denen einige an Ge⸗ 
halt und Intereſſe mandye der aufgenommenen weit über: 
treffen. Died Alles hat Efeyenburg allerdings von fern 
angedeutet, wie wenn er fich in der Vorrede entfchuldigt, 
daß er fo viel aus dem Manufcript gegeben. Er leugne 
es nicht, daß unter den bier beibehaltenen. Artikeln moch 
mande find, die auf den erſten Anblick minder erheblich 
und ihred Uthebers minder würdig ſcheinen dürften ale 
manche, oder doch die meiſten übrigen; und doch glaube 
er ihre Beibehaltung vor Jedem verantworten zu Eönnen 
u. ſ. w. Karl Leſſing, fagt er kurz vorher, hatte ihm die 
Handicgrift mit der völligen Freiheit übergehen, fie ganz 
oder fo vief ihm gut duͤnken würde, bekannt zu machen; 
und das hätte ihn zu dem Entſchluſſe beilimmt, von jvs 
ner Srlaubniß einen „zwedmaßigen Gebrauch gu machen”. 
Welch ein weites Feld für ein fubjectived Verfahren hatte 
fi) der Herausgeber damit gegeben! 

Run ift es unfere Adficht nicht, einen entfchiedenen 
Tadel deshalb gegen Eſchenburg auszufprehen; man muß 
die Perfon und ihre Abſicht von der Sache untericeiden. 
Man kennt die damaligen, eigenthümlichen, oft fo nobeln 
Verhaͤltniſſe der Schriftſteller und Dichter untereinander, 
die Rechte, welche fie den Freunden gegen ihre Geiftes: 
producte einräumten, den literarifchen Gemeinfinn, der fie 
befeelte, und baher die Unbefangenheit, womit fid) der 
Dichter der Pritifchen Schere oder Teile ergab. Mir wel: 
her Bonhommmie fügte ſich der große Lefling den kritiſchen 
Vorſchlaͤgen feiner berliner Freunde, der Ramler, Mendels⸗ 
ſohn, und ſeines eigenen, wacker ſtrebſamen, an Intelli⸗ 
genz ihm jedoch ſehr nachſtehenden Bruders. Und ſo 
slaubte Eſchenburg es vor feinem Freundes- und Schrift⸗ 
ſtellergewiſſen verantworten zu koͤnnen, wenn er die mit 
ſtilem Fleiße verfaßten Collectaneen Leſſing's nach beſtem 
Ermeſſen zuſtutzte oder ſichtete, ohne es uͤberall diploma⸗ 
tiſch genau zu nehmen. Dabei ließ er ſich nur von ei⸗ 
nem Irrthum, der aber nach unſerm Ermeſſen auf fein 
Berfahren dunchgehenden Einfluß übte, leiten: Eſchenburg 
glaubte, und er fpricht die® unverhohlen aus, hier und da 
Spurm gefunden zu haben, daß Leſſing nicht nur bei 
einzelnen Artikeln, fondern, „mie es ihm immer einleuchtens 
der wurde, bei der ganzen Arbeit ihre öffentliche Bekannt: 
mahung umd ein fie lefendes Publicum ſchon im Auge 
gehabt habe”. „Diele Spuren zu entdecken“, fegte er hinzu, 
‚tönne dem Leſer nicht ſchwer werden. Hier verweife er 
nuc auf die drei Artilel: Marbodus, Matthäus und 
Bunderbare Menſchen, aus weldhen ſich zu ergeben 
ſcheine, daß Leffing diefe Sammlung feine Literatur zu 
mnnen Willens war.” Died wäre ein Hauptpunkt, aber 
davon haben wir uns am allermenigfien überzeugen koͤn⸗ 
nen, weder im Banzen, noch bei den genannten drei Artis 
filn im Befondern. Leffing bedient fich allerdings bier 
jener Bezeichnung, welche dem Derausgeber fo auffiel; wie 


er denn von Marbodus fehreibt: „Er erhält eine Stelle in 
meiner Literatur, blos wegen feines ‚Liber lapidum‘ ete.”; 
oder von Matthäus (Verf. des Buͤchleins De reram in- 
ventione” aus dem 16. Jahrhundert): „Das Gedaͤchtniß 
des Matthäus verdient in meiner Literatur erhalten zu 
werden, weil ich ihm verfchiedene Nachrichten von Erfins 
dungen zu verdanken babe” u. f.w. Das lehrt uns fo 
viel, daß Leffing diefe Collectaneen, als foiche, feine Literas 


‚tur nannte und für ſich bezeichnete, Literatur gleichbedeu⸗ 


tend mit Gollectaneen oder ähnlichen Namen: body daß er 
fie, gleichviel unter welchem Zitel, habe herausgeben wol⸗ 
len, das folge aus diefen Stellen gar nicht, und die Bes 
(haffenheit des Ganzen ſpricht entſchieden dagegen, na⸗ 
mentlich die urſpruͤngliche, von Eſchenburg noch nicht fo 
vielfach veränderte. Faͤllt diefe Vornusfegung fort, fo leug⸗ 
nen wie ganz entfcieden die Nothwendigkeit oder Schid: 


lichkeit, den Inhalt fo zuzuflugen, als hätte etwa jekt 
Leſſing fo vor die Welt damit treten koͤnnen oder fols 


len. Ohne Noch alfo ließ Eſchenburg fich verleiten, die 
Phnfiognomie diefer Artikel, welche häufig wahre Confeſ⸗ 
fionen bedeuten, zu verwiſchen. 

(Die Bortfegung folgt.) 


— — 





Unterhaltungsliteratur. 


J. For en een und ie von 
ermann eynert. echs Theile. Peſth, Hartleben. 
1843. 8. 1Thir. 26 Rgr. vr 
Die bier den Zeitfchriften und Taſchenbuͤchern meiftens ent: 
bobenen Erzählungen gewähren einen recht freundlichen Genuß. 
Sie find gut gefchrieben, faßlich angelegt und burchgeführt und ihr 
warmer Ton fpriht unmittelbar an. Die Kritik würde manche Fra⸗ 


gen zu flellen haben, allein der Novelliſt, deffen Arbeiten in Öftreich 


erſcheinen follen, muß ſchon ein eminentes Genie fein, wenn er Genfur 
und Kritik zugleich befriedigen will. in folches Genie zu fein, 
wird der Verf. felbft nidyt glauben; es wird ihm genug fein, als 
liebenswuͤrdiger Erzähler zu gelten, weldhem Sinn für tieferes 
Auffaffen feines Gegenſtandes keineswegs mangelt. Dies ift 
durch das theatralifche Zeitgemälde Hariekin's Rache” im ſechs⸗ 
ten heile vorzugsweiſe bethätigt. Daſſelbe gibt die Geſchichte 
der Neuber, deren ſich verdunkelndes Geſchick an das durch 
Gottſched veranlaßte feierliche Begraͤbniß Harickin's geknuͤpft iſt 
Heute koͤnnen wir leicht ſagen, daß dies Begraͤbniß, wenn auch 
damit das Schauſpiel fi von ber Monotonie ſtereotyper Figu⸗ 
ren befreite und dem Leben näher trat, eine Übereilung war; 
denn jede Kunft bedarf befonderer, ihr weſentlich nothwendiger 
und eigenthämlicher Mitte. So trat denn auch ber Hariekin 
ganz von felbft wieder auf die Bühne in taufend andern Ge⸗ 
ftalten; aber wie Privatleidenfchaft der Neuber, nicht Elares, 
fünftterifches Erkennen bes Rothwendigen und Ungehörigen, ihn 
begraben, fo hatte fie feinen Erſah, und der Dartelin ward 
ihre Geißel, unter welcher fie langfam hinwelkte. Wir bedauern, 
baß dies Zeitgemätbe nicht umfaffend, organifch gehalten tft. 
Das Meifte gibt fi zu aphoriſtiſch, und namentlich baben wir 
auch 2effing in demfelben ungern vermißt, ber, wie bekannt, 
feine dramatiſchen Erfltinge at8 junger Menſch der Neuber in 
Leipzig darbot. 
1 und et des M. Gaubelius Snzian. Komi⸗ 
er Roman von G. Herloßſohn. Zwei Theile. Leipzi 
Taubert. 1843. 8. 3 Thlir. Pater 
Der gute Magifter Gaudelius muß es ſich fauer werben 
toffen, ebe fein bischen gefunde Wernunft zum Durchbruch 
fommt. Er wird alt darüber, muß fi von den Rothhäuten 
fogar tätewiren laffen, und eben das hat geholfen. Einzelnen 


Gcenen des Romans glauben wir ſchon in einer Zeitfchrift ber 
gegnet zu fein. Gr ift reich an komiſchen Scenen der mannich⸗ 
faltigfien Art, bietet aber auch manches Ernſte, wie denn zwi⸗ 
fen dem wiberwärtigen Stephaniſtiſchen Pietismus, ber nichts 
tft als eine hohle Form egoiſtiſcher Gemeinheit, Sophiens 
Briefe aufblähen, wie Rofen über einem Sumpfe. Sophie tft 
bee Luͤſternheit Stephan's nicht entgangen, und fie weiß endlich 
feine Rettung als ben Tod. Das Schlichte und Einfache ber 
Schilderung ift als hoͤchſt lobwuͤrdig hervorzuheben. Auf befons 
bere Tiefe der Anlage und Entwidelung macht der Roman feis 
nen Anſpruch, doch bethätigt er vielfältig eine ſcharfe Auffaſ⸗ 
fung der Zeit in ihren aus dem Gleife gerathenen Erſcheinun⸗ 
gen, und eben deshalb gewährt das Buch neben ergöglicher Un⸗ 
terhaltung auch manche beachtenswerthe Wingerzeige. 

3. GSriminalgefchichten nad wahren Begebenheiten in Novellen: 
form dargeftellt von Cadislaus Zarnomski. Zwei Bände. 
Leipzig, Zort. 1843. 8. 3 Thlr. 

Daß Eriminalgefhichten einen großen Reiz für den Lefer 
haben, ift bekannt: ob fie mehr vom Boͤſen abhalten als Ge: 
fege und Predigten, wie ber Berf. meint, ift immer relativ, 
fie Eönnen fogar dazu verleiten. Uber den moraliſchen Werth 
wollen wir daher hier fein Wort weiter verlieren, dagegen ans 
merten, daß wir in ben vorliegenden beiden Bänden eine neue 
wohlfelle Art, Buͤcher zu maden, fennen ternen. Die mit: 
" getheilten Criminalgeſchichten find auch den Abonnenten der Leih⸗ 
bibitothelen aus Feuerbach, Bifchoff u. A. bintänglich bekannt. 
um fie aber dem Lefer von neuem in die Bände zu fpielen, ift 
der Introduction jeder Gefchichte eine novelliftifhe Form geges 
ben; diefer Introduction folgt dann ein faft wörtticher Abdrud 
aus den Werken der genannten Gchriftfteller, und das Bud) 
ift fertig. 

4, Söteftine, oder der eheliche Verbadht. Won Julius Ehomw: 
nie Theile. Mit Suftrationen. Leipzig, Peter. 1842. 

— Ir, 

Nehmen wir in Baufch unb-Wogen fünfhundert Leibbiblio⸗ 
thelen in Deutſchland an, welche, da fie ftetd Neues bereit ha⸗ 
ben follen, das Buch nun einmal anfchaffen müflen (7), fo hat es 
brutto 1500 Thlr. aufgebracht. Das ift im Grunde Alles, was 
fi dapon fagen läßt. Eine befriedigende Charakterzeichnung 
im Ernſten wie im Komifchen wirb nirgend fichtbar, ebenfo 
wenig leuchtet irgend eine Nothivendigkeit des Einzelnen wie 
des Ganzen ein. Die bdeutfche Literatur bat mit dem Buche 
nichts Fiona nichts verloren, und das ift das einzige Sute, 





was ſich davon fagen Läßt. 
Notiz. 
Dr. Browne Willis 


ift der Literatur als Derjenige befannt, ber zuerft ausführliche 
Rachrichten über die großen kirchlichen Gebäude in England ges 
fammelt und eine parlamentarifche Gefchichte der dortigen Grafs 
ſchaften und Burgfleden gefchrieben hat, ale Verf. von: „The 
cathedrals of Kingland ”, „The mitred abbeys of England‘ 
und „‚Notitia parliameutaria”. Aus feinem Privatleben laufen 
einzelne Anekdoten um, dic den Gonderling charakteriiiren. Am 
vollftändigften finden fie fi in ben „Illustrations of literary 
history‘, von Nichols, der damit cine kurze Biographie des 
feltfamen Mannes verbunden bat. Geboren 1682, gehörte Wil⸗ 
lis einer begüterten Familie in Budinghamfhire an. Die eigens 
thümliche Richtung feines Geiſtes zeigte ſich fchon, während er 
in London die Weftminfterfchuie beſuchte. Er Eannte kein fchb: 
neres Vergnügen, als in der anftoßenden Abtei umherzuſchlen⸗ 
bern, den antiten Bau zu betrachten und die Infchriften der 
Monumente zu lefen. Er that Dafleibe in Oxford, nachdem er 
die Univerfität bezogen. So bildete fi fein Sinn für Antiqui⸗ 
täten; ee wurde Antiquar mit Leib und Geele, heirathete zwar 


‚und faß eine Eurze Zeit für Buctingham im Unterhauſe, trug 


aber bis zum Tode das Gepraͤge feines frei erwaͤhlten Berufs, 
Scharfſinn in Gutzifferung alter Hand» und Infcsriften, Ge 
nauigleit in Erforfhung von Thatſachen, ein Regiftertopf fir 
fein Fach — wie Müllner den feligen Boͤttiger einen für alle 
Fächer nannte —, Fleiß und unermübliche Ausbauer befähigten 
Browne Willis, ein Antiquar zu fein. Auch befaß er die da 
Antiquaren in ber Üegel eigene Ginfeitigleit. Rur geiſtliche 
Alterthuͤmer auf engliſchem Grund und Boden interefficten ihn. 
Ein junger Geiſtlicher hatte ſeine Gunſt gewonnen. Als er aber 
eines Tags aͤußerte, daß ein Blatt’ von Galluft oder Caͤſar, 
Eiviud oder Tacitus ihm lieber ſei als alle Moͤncheſchriften zu: 
fammens und Beda's Schriften nicht ausgenommen, bat ihn 
Willie, fein Haus zu veriaffen und ſah ihn mie wieder an. 
Seine Studien und Sammlungen koſteten ihm viel Geld. Gtatr 
mit feinen herausgegebenen Büchern Geld zu verbienen, fegte er 
es zu. Nur bie „„Notitia parliamentaria‘’ rentirte 15 Dfunt. 
Gr legte ein Wedeutendes zu und baute dafür den Kicthurm 
in Budingham. Bei feiner Muͤndigwerdung übertam er 2000 pf. 
jaͤhrliche Cinkuͤnfte. Als er flach, waren fie um die Hälfte ge⸗ 
ſchwunden. Und babei knappte er ſich und feiner Familie nad 
Mögtichkeit ab. ‚Kein Hiftorifhes Factum dünkte ihm wichtiger, 
als welchem Heiligen eine Kirche gewidmet und an melden 
Zage fie eingeweiht worben. Um Jahresfeſten ber Art beizu: 
wohnen, ſcheute er weder Gelb noch Muͤhſal. Auf eigene Koſten 
ließ er zu Kenny Gtratford, wo fein Großvater gelebt, ein 
Bethaus errichten, ftellte e8 unter den Schug des heiligen Mar 
tin, weil fein Großvater am Martinstage geboren worden, un 
feierte das Gedaͤchtniß des Großvaters mit folgender Inſchrift: 
„In honour of thy men'ry, blesved shade! 
Wes tbe foundation of this chapel laid, 
Perchased by thee, 'thy son and present heit 
Owes these three manors to thy sacred care. 
For this may all thy race thanks ever pay, 
And yearly celebrate St. Martiu’s day.” 


Und doch war Willis nicht Kathotit und Laut Nicholls „Freng 
religios, ohne aberglaͤubiſch oder Enthuſiaſt zu fein“. een 
dem Sinn für Antiquitäten hatte der Sinn für dußere Schic— 
lichkeit nicht Plot. Willis trug nur alte, unmodiſche Kieider, 
gewöhnlich zwei ober drei Roͤcke übereinander, einen ledernn 
Gürtel um die Hüfte, im Winter und bei Regenwetter einen 
abgeſchabten blauen Mantel, eine durch Gebrauch kahl gemwor: 
dene Zopfperuͤcke, einen alten niedergekrempten Hut und ein 
Paar uber und über verfchrumpfte, mit Flecken befegte Gtiefen, 
denen er ein Alter von AD Jahren nachrühmte. Sie erwarben 
ihm den Beinamen „Old wrinkle boot‘ — alter Runzelſtiefel 
In dem Wagen, den er bei ſeiner Verheirathung gekauft und 
der mit den großen metallenen WBappenfchildern ausfah wie tin 
Sarg, fuhr er fein ganzes Lebelang. Dabei war er dem Bi: 
ſchen fo feind, daß flarte Nerven dazu gehörten, es in feiner 
Nähe auszuhalten. Bei aller Beſcheidenheit hatte Er feinen 
Stolz. Wer ihn nicht mit Squire anrebete, durfte keine Ge 
fältigfeit erwarten, und weil er die Stadt Budingham im Pır: 
iament vertreten, nahm er es übel, wenn Jemand Budingkam 
eine Prodinzialftabt nannte. Auch gab er fich viel Mühe, dem 
dortigen bailiff den Titel mayor zu verfchaffen. Er hatte vier 
Toͤchter, beren Loos ohne Mutter bei einem ſolchen Bater fein 
großen Unannehmtichkeiten hatte. Zwei berfelben, die Lebbafl, 
nannte er feine Löwen, die zwei andern feine Lämmer. Gin 
Tags befuchte er einen Herrn in Orforb, der in einem Gele 
giengebäube wohnte. Er befah alte Urkunden und hatte lange 
gefeffen, als ber Bettmeifter eintrat und vor ber Thür mod 
ıvie Seide rafchelte. „Was ift das ?“ fragte der Heer. Det 
Bettmeifter ſchwieg. „O“, fagte WiNis, ‚‚es wird meine Zohter 
fein, die id) auf ber Treppe ſtehen taffen.” ,„Hoffenttid mar 
es feine der Lämmer”, bemerkt Nicholis. Wilus ftarb 1 Pe 





Verantwortlicher Herausgeber: Heinrich Brokhaus. — Drud und Werlag von J. X. Broddaus in Leipzig. 








Blätter 


far 


literariſche Unterhaltun 


g 





Sonntag, 












Leffingiane. 
(Bortfegung ans Nr. 2345.) 


Es wird Sache eines Lünftigen Herausgebers ber 
Schriften Leſſing's fein, unſer Manuferipe nach Grund⸗ 
fägen einer ſtrengern, objectivern Kritik zu benugen, und 
dem Zerte überall zu Grunde zu legen: alsdann wird die 
Richtigkeit der foeben bingeworfenen Bemerkungen vollfiän- 
dig und bündig fich bewähren können, mehr als etwa 
durch einzelne Beifpiele, welche an ſich nicht gerade das 
Intereſſe zu feſſeln vermöchten. Doch was jedem Verehrer 
Leſſing's ſchon jetzt Stoff zu neuen Betrachtungen liefern 
koͤnnte, das wird eine allgemeine Überſicht der als noch 
ganz ungedruckt anzuſehenden Artikel in unſerer Handſchrift 
ſein, welche wir jetzt in alphabetiſcher Ordnung vornehmen 
wollen, wobei jedoch nicht Alles ohne Ausnahme genannt 
werden, ſondern nur das Wichtige und Manches nur im 
Vorbeigehen hervorgehoben werden fol. 

Unter A wird kaum etwas Hervorſtechendes nachzuho⸗ 
im fein. Ägypten, Albani, Alfieri find, was öfter 
vorkommt, fait wörtliche Excerpte aus Windelmann’s 
„Geſchichte der bildenden Kunft” und andern Schriften. 
Amerika: Auszug aus der Schrift eines englifchen Miſ⸗ 
ſionars, Beatly, von 1768, die Vermuthung ausſpre⸗ 
chend, daß einige indianiſche Staͤmme von den Juden ab⸗ 
ſtammten, worin Leſſing keine neue oder dem Verf. eigene 
Bermuthung findet. Antonides, der hollaͤndiſche Dich: 
te, Afpergillum, ein Sprengwebel, deſſen ſich Die Roͤ⸗ 
mer bedienten, das Weihraffer in den Zempeln auf die 
Umftchenden zu fprengen u. ſ. w. 

Baukunſt. „Daß die Baukunst auch Reidenfchaften 
erregen koͤnne, ein Erempel aus dem bdreizehnten Bande 
dee allgemeinen Reifen” (eine Belchreibung des Zrauerhau: 
ſes des Kaiſers Montezuma in Mexico). David von 
dr Bee. „In feinen ‚Experimentis et meditatjonibus 
circa rerum naturalium principia‘ (Hamburg 1678) müfs 
fen viel fonderbare und naͤrriſche Dinge ftehen, daher fie 
wol verdienen, daß ich fie einmal leſe.“ Körperliche 
Beredtfamkeit. „Malende und bedeutende Gebehrden 
ud Geften, die allgemein oder doch in gewiſſen ˖ Gegenden 
allgemein verftändlich find.” (Fragment aus der Geſchichte 
des Bruders Gerundio von Campazes, deutfche Überfegung 
©. 6) Bibel. „Bon den verfchiedenen Überfegungen 


— Nr. 246. — 


3. September 1843. 
























derſelben.“ Dieſer Artikel enthaͤlt ein ausfuͤhrliches kriti⸗ 
ſches Verzeichniß von den verſchiedenen überfetzungen der 
Bibel des Alten und Neuen Teſtaments; aus ber Bit 
vor Leffing’s Streitigkeiten mit dem Paſtor Goͤtze, ein 
Beweis, daß Leffing nicht erſt durch diefe zu gruͤndlichen 
Studien über die Bibel geführt worden. Branca. So 
beißt ein Wundarzt beim Matthäus: ‚De reram inven- 
tione”’, welcher bereits Mafen aus Fleiſch wiederherftellte. 
„Ich wollte”, bemerkt Leffing, „daß uns Matthäus auch zu: 
gleich gefagt, wie lange fo eine Naſe gehalten.” Braut: 
[hmeig. Nachrichten von einigen damals dort lebenden 
Malern. Hans Jacob Breuning. Ein gelchrter 
Würtembderger von Adel, geboren 1557. Werfaffer einer 
Reife in den Orient, die 5612 herausfam. „Das Wirt 
muß rar fepn, wie ich denn auch des Verf. beim Suchen 
gar nicht gedacht finde. Es enthält manche, gute. Nach: 
eichten, wovon ic einige hin und twieber. ercerpirt habe. 
Seine Reifen in den europaͤiſchen Ländern hat er wicht 
mit befchrieben, weil, ift fein Ausdruck, ſolche Kaͤnder Mie⸗ 
len befannt, und (wie man fayt) nicht aus. der Vieh⸗ 
wend ſeyn.“ 

Philologiſche Bemerkungen über den Buchſtaben C, 
wie audy vorher über BB Cameo. Obſchon in den au 
tiquariſchen Briefen gegen Klog benutzt, doc, nicht ohne 
Eigenthümlichkeit. Unter Anderm erfahren wir, daß Bel: 
fing zu Hamburg im Umgange mit Weflely fich über die 
Etymologie dieſes Wortes, welches Huet faͤlſchlich aus 
dem Hebraͤiſchen ableitet, unterhalten. 8. Cresci in 
val cava. „Ein ſchnurriger Heiliger beim Boccaz.“ 
Leffing fpottet über eine franzöfifche kberfegung ‚des De⸗ 
kameron“, und gibt in einer längern Anmerkung das 
Hiftorifche Über jenen Deiligen, ‚den einige gar für. einen 
edein Deutſchen halten wollten“. 

Darmanfon. Go hieß ein Prof. der Philoſophie 
an ber Univerfität zu Frankfurt an der Oder, ein Gartes 
fianer, der in Dolland eine franzöfifche Vorlefung Über das 
Dhitofophem des Gartefins, daß die Thiere Mafchinen 
ohne Seelen felen, hielt; und bie 1601 unter dem Titel 


„La bete machine” mit Approbation der Theologen zu 


Sranffurt herauskam. Über den Verf. wollte Keffing nd- 
bere Unterfuchungen anftelen. Deutſche Geſellſchaf⸗ 
ten zur Aufnahme der deutfchen Sprache“, zwar nur das 
Hlftorifhe und Bekannte enthaltend, größtentdeils nad) 








98 


Joh. Burkh. Menke's „Schediasma“ von 1725, doch mit 
der Leffing eigenen Präcifion. Zu dem von Rift geftif- 
teten Schwanenorden bemerkt er witzig: „Su dieferh 
Schwanenorden waren viel Gaͤnſe.“ Lateinifhe Dich: 
te. auafuͤhdiches kritiſches Verzeichniß der ig der 
amilanſet Ausgabe von 1731 — 54 in 31 Bänden in 4. 
enthaltenen Lateinifchen Dichter mit italienifcher Überfegung 
und Biographien dee Dichter. Im Ganzen urtheilt Lef: 
fing, daß das Unternehmen nicht viel mehr als ein Buch: 
bändlereinfall geweſen zu ſein fchlene und als folcher auch 
groͤßtentheils ausgeführt worden. Dee Artikel Diplo« 
matik gibt einen Audzug aus des Hrn. v. Gemmin⸗ 
gen Abhandiung Uber die Entſtehung dieſer Wiflenfchaft, 
in Folge des faſt vierhundertjährigen Streits zwilchen dem 


Wisthuns Trier und dem Klofter des heiligen Maximus. 
Bm Schluß aber nimmt Leffing die verdienten Begruͤn⸗ 
ber dieſer Wiſſenſchaft gegen die Meinung ded Verf. in 


-Schus: ale ſeien jene wider ihren Willen bie Merkzeuge 
geweſen, wodurch die Schriften der alten deutfchen Dich⸗ 
te aus der Dunkelheit gezogen worden ..... . ohne zu ab: 


nen, etwas Anderes als verſchimmelte Kaufbriefe oder 


Moͤncheſchriften zu entdecken. „Das iſt num aber wol”, 
lauten Leſſing's Worte, „ein wenig übertrieben. Wenig⸗ 
ſtens bat Hr. v. Semmingen Unrecht, wenn er auch 
Goldaſt wit unter diejenigen Männer rechnet, die unter 
ihren ſtaubigten Bemühungen auch nicht einen Gedanken 
won Am innerlicken Werthe der alten Dichter gehegt. 


Aus feinse Note zu ben Paraeneticis zeigt fi) wohl, daß 


see ihten poetiſchen Werth kannte und ſchaͤtzte.“ 
Ich uͤbergehe eine Reihe von Artikeln, wie Donatus, 
Dufreéenoy, Durand, England, Ennius, Eukli—⸗ 


des, Fabretti, Lafage, Fiamingo u. a., um ein Frag⸗ 
mant vbdliſtaͤndiger witzutheilen, welches zur Charakteriſtik Leſ⸗ 
ſing's beſonders geeignet ſcheint, ia ihn faſt von einer neuen 


Seite zeige. Es iſt überfchrieben Deutfche Freiheit 
und tnhpft ſich an eine Außerung de6 Verf. des „Testa- 
‚sent politique du duc de Belleisle” (er hieß v. Che⸗ 
vrier; das Buch kam 1761 heraus), aus welchem auch 
audere Artikel gezogen find. Die hier gemeinte Freiheit 
»iſt nicht die dußere, welche die Sicherſtellung des Reiche 


‚nach außen betrifft, fondern die innere, verfaſſungsmaͤßige; 


mit einem Worte, Leſſing thut bier Wuͤnſche für die 


Wiedecherſtellung ber nach dem Weſtfaͤliſchen Frieden in 


den Ländern des deutſchen Reichs mach und nad er: 


toſchenen, landſtaͤndiſchen Verfaſſungen. Woͤrtlich lautet‘ 


der Artikel wie folgt: 


Deutſche Freiheit. Von der man jetzt überall eine 
ſehr gene Meinung bat. Die Niemand mebr ühertreibt, als 
der Verf. bes „Testament politique du duc de Belleisle”, der 
vorgibt, daß alle deutfchen Unterthanen serfs wären, bie ihre 
Derren finden koͤnnten, wie fie wollen. Wenn er van Dem 
vebet, was gefchieht: fo dürfte er faft recht haben. Judeß tft 
dieſes · die Ginrichtung des deutſchen Gtaats gar nicht. Ludewig 
in 
mini Germano omnino discendum et notandum, quod legis- 
latoria potestas, uti in imperio non penes imperatorem so- 
lam, verum etiam ordines in oomitlis, ita in provinclis quo- 
‚que. peinaipi soli ppm Hcuit condere leges, nisi in connessu 
qoascuauquje proserum. provincialium, der Landſtaͤnde, ut adeo 


„Belig. Manuscript.”, T. VII, p. 150 fagt: „Est hoc ho- 





:| anderer triegender Mächte Voͤlker 
‚vielfältig zu erſchoͤpfen pflegten. Man bat auch den auf fun 


provinciales leges nemen sustinerent provincielium recy- 
saum, in vernacula der Landtags Abfchiebe.” 


Daß in ben Ätteften Zeiten, von welchen Tacitus fchreikt, 


die Könige und Gerzoge der Deutfden, ohne Zupehung def 
Bolks nichts Wi | 
machte rn, Wichtiges Anternehmen bügfen, iſt gine aut, 


Ebenſo ausgemarht iſt es, daß in ben miltiern Zeiten ie 
Landftände zu allen wichtigen Regierungsgefchäften gezogen wur: 
ben, und ihr Rath und ihre Einwilligung unumgänglich nöthig 
war. 3. E. wenn neue Steuern aufgelegt, oder Kriege bes 
ſchloſſen werben follten. Diefes hat Strube in feiner Abhand⸗ 
lung von ben Landfländen („Rebenftunden”, Th. 11) faft von 
allen Provinzen Deutfchlands bewieſen und belegt. Das His: 
rifche in diefer Abhandlung iſt ſehr gut, aber das Politiſche un 
Pragmatiſche deſto ſchlechter und flavif—ker. Dean warum fl; 
ten nicht ($. 26) auch noch heutiges Tages ben Lamſhafica 
alle Rechte beizulegen fein, womit fte vor 300. oder 400 Jahren 
verfehen geweien? Freilich hat fich'die Regimenteverfaffung ſeit 
200 ober 300 Jahren fehr verändert, und e& iſt faft mirgend mehr 
üblich, alle wichtigen Saden auf ben Panbtag zu bringen. 
Wenn aber das geſchieht: follte es auch g ? Solten wir 
wenigftend nicht in unfern Gcheiften unaufhoͤrlich gegen dieſe 
ungeredhten Beränderungen proteſtiren, anitatt duch fdmei: 
cheinde Nachſicht und Entſchuldigung der Großen Ihre That: 
handlungen recht ſprechen? Die Urſachen zeigt unteren 
Strube ſehr gut an, wie es gelommen, daß die Landſtande fı 
biatangefegt worben. 

I) Nachdem der Randfriebe fattfam befeftigt warden, fr 
dadurch viele Gelegenheiten zu ben fonft häufigen Empörung 
ber Unterthanen wider ihre Obern abgefchnitten worden; bafır 
mußten fich dieſe fürchten, und daher nichts ben Randfände 
Misfaͤlliges unternehmen. 

2) Iegt kann man deſſen entuhriget fein, da faſt überall 
geworbene, und ber Landesherrſchaft allein zu Befehl ſtehende 
Soldaten unterhalten werden. Den Unterhalt folder Mann: 
haft erfobern zum Theil die Reichs⸗ und Krayßſchluͤſſe, mithin 
fönnen ihn die Landſtaͤnde nicht verweigern. In vielen Lin: 
bern hat man es aber dabei nicht gelaffen, fondern 
bie Eandfhaft in eine weit größere Kriegsserfaf: 
fung gewitliget. Es Hk dadurch bie ſchwere Laſt der Dur 
züge und Winterquartiere gemindert, womit des Kaiſert un 
die unbewaffneten Gtiak 


tagen das Meifte vermoͤgenden Abel dadurch zur Ginwilliguns 
bewegt, baß ihm die alte Steuerfreiheit feiner Guͤter gelaffen, 
er felbft aber und bie Seinigen mit Civil» und Mlitairämten 
verfehen worben. - 

3) Endlich Hat die verminderte Macht des KRaifers vi 
bazu beigetzagen, daß bes deutſchen Landſtaͤnde Auſehen vermis: 
dert worben. Die alten Rechte mit der Kauft zu behaupten 
war, dem Angeführten nad, unthunlich und alfo nichts Ahr, 
als richterliche Huͤlfe zu ſuchen. Bieſes iſt auch den Unterthe 
nen wider ſchwaͤchere Reicheftände vielfältig angeblichen. Wir 
bie Mächtigen aber fehlt es baran u. f. mw. 

Aber find alle biefe Urſachen nicht ſeibſt Misbraͤuche oder 
ſchlimme Folgen einer fonft guten Einrichtung? Und gilt an 
nicht bier, daß kein Misbrauch durch noch fo fange Übuns 
zum rechten Gebrauche wird? 


Der Anlage nach hätte diefer Artikel noch länger fat: 
gefegt werden follen. Ob Leffing damals Neigung md 
Beruf in ſich verfpärte, als pubticiſtiſcher Schriftſetet 
aufzutreten? In ſpeculativer Hinſicht wenigſtens hat keſ⸗ 
fing fein politiſches Syſtem oder Glaubensbekenntnij in 
feine claſſiſchen Dialogen: „Ernſt und Falk oder Geipräte 
über die Sreimaurerei“, niedergelegt, Ideen, beren innen 
Bufammengang - mit Leſſing's Geſammtanſchauungen ühe 





m 


görtliche umd wenſchliche Dinge bei einer fruͤhern, oben 
geoochten Melegenheit nachzumelfen ich geſucht habe. 

Die alphabetiſche Ordnung, weicher wir folgen, führt 
and in rafcher Wendung neuen und verfahfedenen Obhjec⸗ 
ten zu. Bon der Vielſeitigkeit Leffing’s zeugt unter Ans 
derm ein Artikel Geburt, Seburtshülfe, mit Bezug 
auf dad Roonhupfen’fche Geheimniß, ſchwere Geburten 
duch Inſtrumente zu erleichtern. Den Gebrauch unferer 
fiommen Altvordern, bei ſchwerer Geburt dem Kinde im 
Murterleide die Zaufe beizubringen, merkt ſich Leſſing zur 
Erläuterung des Capitels im Triſtram Shandy“ an. 
Bei dem Artikel Gemmen, welcher au Umfang und 
Gliederung am meiſten einer Abhandlung nahe kommt, 
und der aus neun Abfchnitten befteht, hat Efchenburg 
den ganzen achten Abfchnitt: „Won den Compositoribus 
gemmarum”, ausgelaſſen, weil er nur den Entwurf von 
Dem enthielte, was Lefling im vierzigften feiner antiquaci: 
fyen Briefe weiter ausgeführt. Allein gerade ale Ent: 
wurf bietet ee fein Eigenthuͤmliches; und warum durch 
eine willlürlihe Lüde ein in fi zufammenhängendes 
Ganze verftümmeln? Ferner: 

Ir. Buatdus. in venetianifcher Ebelmann, von Geburt 
aber, wie er vorgab, ein Deutfcher, von bem zu Ende bes vori⸗ 
3 (17.) Jahrhunderts der Verdacht entſtand, daß er an bie 

Jahr alt fein muͤſſe. Er war noch 1688 in Benedig ficht: 
bar, verfänvand ader, wie man fagt, auf einmal, weil er bie 
Folgen von feinem aufgelommenen Geheimniſſe beforgte.- Das 
ganze Märchen iſt umfländlicher in einem kieinen deutſchen 
Buck zu Iefen, welches 1700 in — in 12. u. ſ w. 
Das Werken muß ſehr felten geworden fein — fchließt der 
Artikel — da in ben „Dresdner Anzeigen” vor einiger 
einmal darnach gefragt wurde. Zu Bamburg befißt es Herr 
Friedrich Buͤſch. 

Bei Hanover merkt Leſſing an, daß die dortige koͤ⸗ 
nigliche Bibliothek, außer den Manufcripten von Leibnig, 
auch Diejenigen Dietrich's von Stade befige, weiche Eccard 
1723 fr ſelbige kaufen laſſen. In dem Artikel Ninon 
de Lenclos nimmt er diefe berühmte Aspafla Frankreichs 
gegen Voltaire in Schus. Diefer hatte in feiner „Lettre 
à un ministre da Saint- Evangile sur cette pretresse 
de Venus” ein angebliches Spottlied des Dichters Cha: 
pelle auf jene beigebracht, das Chapelle im Raufche und 
aus Rache verfaßt, weil ihn Ninon megen feiner Liebe 
jum Zune aus ihsem Daufe verbannt. 

Dieles exzaͤbit Boitaixe — ſchreibt Eefling —, er, der über 
dergleichen ſchaͤndliche Anekdoten fonft fo febe eifert, weit fie 
noch dazu felten wahr find. Und nie iſt eine erlogener gewelen 
eben die, denn es iſt ſchlechterdings nicht wahr, baß biefe 
—* Ninon gemacht worden, und daß fie Chapelle ges 

Hier zeigt Leſſing, daß die naͤmlichen Verſe, einige 
Beine Änderungen abgerechnet, lange vor Chapelle in dem 
wu Paris 1619 erfchlenenen „Cabinet satyrique” zu le: 
Mn hate Denn f wollen, daß Ghapelle in ber T 

nu fagen wı e in ber Truns 
Impeit Berſe zu machen geglaubt, die er blos in ſeinem Ge⸗ 
dqtaiſſe fanb- 


Ohne mich aufzuhalten, nenne ich bie Artikei Ray: 
mund Lullus, Manufertpt („was flr alle noch 
verbergen find, die doch für einiger Zeit bekannt geweſen“, 


‚ mit Hinweiſung auf einen 


0998 der Art bei Cardangs 
„De rerum subtilitate”). acmor. Maestro,Cchas 
Hauptbuch der Kaufleute. Moſes Mardez, ein eng- 
tifcher Jude, Verfaſſer einiger muſikaliſchen Schauſpiete. 
Meſſen, beſonders die braunfchweiger. Miniaturs 
malerei (bei Eſchenburg unvollſtaͤndig). Nordlicht, 
die Stellen bei den Alten, in denen man dag Mordlict 
wii gefunden haben. Ohrgehenke, eine antiquazifche 
Ausführung. Onyr, Entwurf der in den antiquariſchen 
riefen gegebenen Auselnanderſetzung. Orpheus (bei 
Eſchenburg unvoliftändig). Orthographiſche Anmer: 
tungen die deutſche Sprache betreffend. Pantomime, 
bei den Alten. Parmegianino. Mehre italieniſch⸗ 
Maler haben diefen Beinamen geführt, Leffing fragt, wel: 
her es fel, von dem MWindelmann fagt, daß er on dem 
langen Dvale der Geſichter und an den langen Fingern 
tenntlich fe. Parchafius. Perraukt. Sc: Peter 
in Rom, und defien von Camphell angezeigte Fehler: 
frag Segen ee Weripeibigung möhte ich aber wol 

en, ob Fehler, welche nothwendi 
u eher ne hwendig entftehen müffen, nicht 

Petron (bei Eſchenburg unwollſtaͤndig), Nathe⸗ 
rius, ein Benedictiner des 10. Jahrhunderts, Verfaſſer 
einer Grammatik, welche er, zum ihrer Beichdigkeit willen, 
ſodaß die Präceptores den Rüden ihrer Schüler mit 
Schlägen ſchonten, Sparadorsum nannte. Reimarue. 
Diefer Artikel wird, wie er fih im Manuſctipt finder, 
nicht ohne Intereſſe fein: 

In dem zweyten Tome der „Nova raccolta d’opuseeli 


sc. et ſil.“, p. 162, fagt der Cardinal Quirini in einem 
Briefe an den Brafen Barbiert (vom 26. Gept. 1754): „Tro- 


‚| yarsi sttualmente in mie mani una eperetta MS. del eelebre 


et eruditissimo Professore di Amburge Krmanno Samuele 
Reimaro le quale ha per titolo: Praeeipua capita Religie- 
nis naturalis dissertationibus perspieue exposita et vindi- 
cata.” Dieſes lateiniſche Merk, wet ohne Zweifel ein erfter 
Entwurf feines deutſchen Werks von der natürlichen BRellaton 
gewefen, iſt meines Wiſſens nie gedruckt worden, und ich wüßte 
auch nit, daß Buͤſch in feinem Leben beffeisen gebächte, ober 
id von feinem Sohne etwas bavon gehört hätte. 

Hier Übergehe ich mehre Artikel bis auf folgende: 
Stanz von Sidingen, eine Dinweilung auf ein Con» 
volut Schriften in der wolfenbüttier Bibliothek, viel bes 
fondere und zum Theil ungebrudte Dinge von den Haͤn⸗ 
bein dieſes Ritters enthaltend: ein Wink, welcher dem 
Biographen Sickingen's, Ernſt v. Münch, willkammen 
gemefen wäre. Gene: Spanien, deſſen Kunſtſchaͤte. 
Spindelti, eine italieniſche Münze, als Gegenfland des 
Kunſthandels. Stapel und Stapelccht. Stuart 
und Reveti, zwei englifhe Maler, Berfoffer eines 
Reiſewerks über die athenienſiſchen Alterthümer, aus dem 
man zuerſt die wahre und unverfälfcte Form der griechi⸗ 
fen Saͤulenordnung Eennen Teınen. Neue Worte, das 
Recht, neue Worte in eine Sprache einzuführen, und wie 
foiche zu bilden. Mit Rüdfihe auf Seneca „De tran- 
geillitate anımi“, Gap. 2. Zahlen, ein Auszug aus 
Gemmingen's Abhandlung von Verſchiedenheit und Wer⸗ 
befferung ber Ziffern; dahinter folge ein Artikel: Won der 
Art, wie die Griechen zählten u. ſ. w. Mit dem Artikel 








Y 


Bipperlein fließen bei Eſchenburg die Collectaneen, doch 
nicht das Manufeript. Man lieft bier erftlich noch einen 
Artikel, welcher Leffing perſoͤnlich betrifft, daher ich ihn 
noch mitthelle : 

3ſchaſchler, polnifdy Czaszler, cin alter Bekannter, mit 
dem ich auf der Fürftenfchute ſtudirt, ift jegt bei der koͤniglichen 
Mitterafademie in Warſchau Profeſſor. Gr ſchrieb an mid 
1767 von da aus wegen ber Correſpondenz, die ihm die Ber: 
aeger bes Altoneiſchen Poſtreuters vorgeſchlagen. 

Ich will — heißt ed dahinter — unter dieſer Rubrik alle 
andere Aprefien und Nachrichten von Leuten noliren, die an 
midy gefchrieben oder mit denen ich fonft in Gonnerion gekom⸗ 
men. Denn id) finde, daß in diefem Städe mein Gedaͤchtniß 
ſehr untreu zu werden anfängt. 

1) Bufhmann, ein Cand. jur., ſchickte mir aus Stral⸗ 
{und .einen poetifhen Epilog zur Minna den 23, Oct, 1767. 

I), Kaspar v. Schotten zu Brieg unter dem Thiel' 
ſchen Regimente, war in dem Avancement übergangen und 
fudyte 1084 feinen Abſchied, den er auch vefommen. Er ift ein 
Mann von Geſchmack. Nur neulich hörte ich, dab er wieder in 
Dienfte getreten und als Major placirt worden. 

3) Metroföty heißt der ruſſiſche Acteur, den die Kai⸗ 
ferin reifen laffen, den ich in Berlin habe fennen lernen, als er 
mit dem Fuͤrſten Dolgoruki wieder nach Petersburg zurädkeifte. 

(Die Yortfegung folgt. ) 





Literarifhe Notizen aus Frankreich. 
Slluftrirte Werke. 

In unfern flüchtigen Bemerkungen über die neueften Er⸗ 
fheinungen ber franzöflfchen Literatur müffen wir eigentlich ben 
„tüufteirten‘‘ Werten eine flehende Rubrik anweifen. Grandville, 
Gavarni, Daumier, Loreng und wie bie Zeichner alle heißen, 
weiche jest en vogue find, feheinen wirklich unerſchoͤpftich zu 
fein. Kaum haben wir eines Werkes — à 30 centimss la 
livraison — gedacht, fo werben gleich zehn andere wieber an⸗ 
getündigt. Ja in Frankreich werden nody Bücher gekauft, ob: 
‚gleich wir Deutſchen uns nit wenig barauf zu gute thun, 
daß in Frankreich von den Gonferibirten nur immer ein Drittel 
leſen kann, während ſich bei uns das Verhältniß ganz anders 
herausftellt. Won den neuern illuſtrirten Werten, die, wie wir ges 
wiß wiffen, geoßentheils in 10,000, 15,000, ja 20,000 Erempiaren 
abgefegt werden, wollen wir hier vorzüglich auf den illuftrirten 
„Silvio Pellico” aufmertfam machen. Tony Iohannot, beflen 
„Don Quichotte” immer nody zum Schönften gehört, was im 
Fache der Jlluſtration geliefert ift, bat diefen GSchriftfteller mit 
wahrer Liebe behandelt. Seine Zeichnungen find zum heil 
meifterhaft. Wir erhalten in diefer Ausgabe, welche eine’ Zierde 
jedes Boudoir werben wird, bie „@rinnerungen aus dem Gefaͤng⸗ 
niffe” mit den „Pflichten des Menſchen“ in ber Überfegung von 
Antoine Latour, der fi) durch eine Reihe von Bearbeitungen 
aus dem Stalienifchen einen rühmtichen Namen gemacht hat. 
Wenn wir nicht irren, ift der Überfeger im Secretariat des 
Prinzen Aumale oder Montpenfier angeftellt. Geine Arbeit ift 
Heißig und zum Theil recht gelungen. Die „Srinnerungen aus 
dem Gefängniffe” erhalten wir zum erften Mate in einer volls 
fländigen Ausgabe, der fogar die Zufäge von Maroncelli bei: 
gefägt find. — Aus der großen Anzahl ber illuftrirten Werke, 
welche hier wenigſtens angeführt zu werben verdienen, beben 
wir noch die „Rues de Paris” hervor. Sie ericheinen bei 
einem beutfihen Buchhändler in Paris, Kugelmann, und wenn 
wir recht berichtet find, beforgt auch ein junger Deuticher, 
welcher zu befcheiden ift, feinen Namen zu nennen, den beiten 
Theil der Redaction, obgleich den Anzeigen zufolge der Feuille⸗ 
tonift &urine, von dem man geſagt hat, feine Eleinen Rovellen 
feten huͤbſcher als fein fatater Rame, an ber Gpige des Unter: 
nehmens fit. Wir erhalten in diefem intereffanten Werke, 
wie man fon aus dem Zitel erräth, die Geſchichte aller Straßen, 
Plaͤtze, Duaid u. f. mw. bed an Grinnerungen aller Art fo 


reihen Paris. Die namhafteſten Gcheiftftellet ha 

fteuert und namentlid haben —— Mr us 
—— — geleſen, weiche aus ber Feder Janins berchbrten 
Wir machen unter Anberm auf die Blätter aufmerkſam weihhe 
derſelbe der Place royale widmet. — Ein anderes Wert, in im 
uns die intereffanteften Scenen der franzoͤſiſchen Geſchichte de 
geführt werden, find bie „Illustrations de P’histeire de France” 
von Michelant. Der Tert if bier Nebenfach, obgleih de 
Darſtellung des Verf. ganz anfprechend iſt; deflo werthucde 
aber find bie 120 Bilder, mit denen der bekannte Victor Aan 
das Werk geihmüdt hat. Der Name Segur's, der eine Ein 
leitung zu bdiefer Schrift geliefert hat, ſichert berfelben fon 
von vornherein eine günflige Aufnahme beim Publicum. — Ihe 


ein Wert, welches alle bisher angeführten au Pracht, kau 


und wahrem kuͤnſtieriſchen Gehaite zweit übertrifft, find de 
„Galeries historiques de Versailles’‘, die.von Bavard Heraus 
gegeben werben. Sie find mit der 300. Lieferung, die ver 
kurzem erfchienen ift, abgeſchloſſen. Das ganze Werk enthat 
aun 1200 Stahiſtiche mit wenigftens ebenfo viel Bigmetten au 
Holz. Die letzte Lieferung, bie einen fürmlichen Band bildet, 
enthält Scenen aus allen Perioden der franzöfiichen Geſchiqhte. 
So ſehen wir die „„Bataille de Mons- ea - Puelle”, die „Pre- 
dication de la secoude croisade”, 
wird in einem ſehr fchönen Stiche von Gaite dargeftellt. And 
die Glanzperiode Napoleon’s wird, und zwar in einer Com 
von Abulir, vepräfentirt. 
fehr gelungenes Bild von Ludwig Philipp. 


Es if dies dei 
fhöne Portrait, welches 


unfer Landsmann Winterhalter ver 


einigen Jahren im Louvre ausgeftellt bat. Es dürfte das die 


lichite Bild des jetzigen Königs der Franzoſen fein, jedenfals 
ift es das geſchmackbollſte und basjenige, in bem bie ernfm 
Züge Ludwig Philipp’s am geiſtreichſten aufgefaßt find. F.Bir 
terhalter, nicht zu verwechſeln mit feinem weniger reich begabten 
Bruder Dermann, ber inbeffen immerhin einen ruͤhmuchen 
Play unter den Künftiern von Paris behauptet, bat feit einigen 
Jahren ein beneidenswerthes Gluͤck gemacht. Rachdem er ein 
mal bei Hofe in Gunſt gelommen tft, reißt ſich, wie man zu 
fagen pflegt, die vornehme Welt foͤrmlich um ihn. Ftriüch 
kommt diefe einträgliche Yortraitmalerei, welche unverfehens in 
Handwerk ausartet, feinem eigentlichen Talente wol ſchwerlich 
zu Gute. — „Les arts au moyen - äge’‘, von A. Dufommeatl, 
it ein wuͤrdiges Monument ber Sunftgefchichte. Wir baden 
vor kurzem bie legte Lieferung erhalten, weiche ben fünften Band 
zu Ende führt. &o haben denn bie Erben zu Stande gebraft, 
was der edle Kunftfreund fo mürbig begonnen hatte. Ginzix 
Partien des Textes beruhen auf ganz originellen Koriduon. 
Der Folioatlas enthält 510 Kupfertafeln, die von namhaften 
Künftleern, wie Deveria, Johannot, 2. Boulanger, Challamt 
Sragonard u. X. herruͤhren. Diefes werthvolle Werk, ſowi 
die reichen Kunftfchäge des Hötel Cluny, das mit allen Gum 
tungen, welche es enthält, hoffentlich von der franzoͤſiſchen Re 
gierung angelauft werben wird, reichen allein ſchon hin, um du 
Namen Dufommerard auf die Nachwelt zu bringen. 


Neueſtes Wert von Poujoulat. 

Youjoulat, der ſich durch feine Herzlichen Gchiiderungn 
aus dem Morgeniande fowie durch feine geiftveichen Artlkel i 
der „Quotidienne” befannt gemacht bat, gibt jegt eine Gaum⸗ 
iung feiner Kleinen Abhandlungen und Auffäge heraus, die 
den Zitel führt „Religion, histoire, paesie”. In dieſem 
Werke werden bie hoͤchſten Intereffen des Lebens in wuaͤrdigſter 
Weife beſprochen. Am anziehendften aber fcheinen uns bie ein⸗ 
zeinen Meinen, buftigen Naturfchitderungen und poetiſchen Bil, 
welche der Verf diefen ernfteen, tieferen Darftellungen eingenoben 
bat. So hat uns namentlich die „Hloraison des amanders 
en France“ angeſprochen, wo der po e Poujorlat di 
Pracht und die Wonne eines provenzaliſchen Fruͤhlinge ſchildert 
Sein Stil, der zuwellen wol in eine Art Schwuiſt ausartet, iß 
duftig und abgerundet. 2. 


Merantwortikger Herausgeber: Heiarich Broddaud, — Grund und Berlag von F. U. Brodbaus in Eeipzie. 


Das Zeitalter Ludwigs XIV, | 


Zum Schluß erhalten wir noch en 





Blatter 


für 


literarifhe Unterhaltung. 





4. September 1843. 





Leffingiana. 
(Bortfegung aus Nr. 246.) 

Sept folgt im Manufcripte ein ausführliches Schema 
zu einem direnologifi Verzeichniffe der alten Artiften 
nad den Oympiaden (Olymp. L— LXXI), wovon aber 
auc ein Anfang zu der funfzigften Olympiade gemacht ift. 
Den Beſchluß machen Einfaͤlle, Spruͤchwoͤrter und Sen: 
tenzen aus Schriftftelleen der alten und mittlern Zeit, ver: 
(hieden von dem Inhalte Ähnlicher Fragmente, welche 
Fülebern in den „Nebenftunden” (unter der Auffcheift: 
„Selbſtbetrachtungen, Einfälle und Eleine Aufläge”) zufam: 
mengeftellt bat (vgl. Lachmann's Ausgabe, Bd. 11 zum 
Schluſſe). In dergleichen Einfällen zeigt ſich eine ber 
Hauptrihtungen des Reffing’fhen Geiſtes, feine Liebe zum 
Spigramm. : Die folgenden „Einfälle find in Hamburg 
sefhrieben, ihre Beziehung tritt von felbft hervor : 

I) Bei dem Lärmen, welches die Orthodoxen über den gus 
ten Paſtor Schhlöffer und feine Komödie erhoben, könnte cine 
deppeite Frage aufgerworfen werben. Die erfle: Darf ein Pres 
diger wol Komödien ſchreiben? Darauf antworte ih: warum 
nit? wenn er kann. Die zweite: Darf ein Komöbienfcreis 
ber mel Predigten machen? Antwort: warum nit? wenn 
er wil 

Don diefem Einfall bat Leffing viele Sabre fpäter, 
bei feinem Streite mit dem Paftor Goͤze, dem Urheber 
jenes Laͤrmens, faft mit denfelben Worten Gebrauch ge: 
macht („Anti-Goͤze“, 1, 1778), als Goͤze ihm feinen 
„Komödienftil” zum Vorwurf gemacht Hatte. 

As Sie, Here Hauptpaſtor, den guten Schloͤſſer wegen 
feiner gambbien fo erbaulich verfolgten, fiel eine doppelte Frage 
vor u f. w. 

2) So wie man von GShrift nicht Shriftianer gemacht bat, 
fondern Shriften, wegen ber innigen Vereinigung, welche bie 
Glieder mit ihrem Haupte haben ober haben follen, To follte 
man auch von Klotz nicht Klopianer machen, fondern Klöger. 
Man folte nicht fagen: Schmidt, Riedel, Meuflel ift ein Kilos 
gianer, ſondern Schmidt, Riedel ober Meuffel ift ein Klotz. 

9) Wie Aft und Buſch: 

So Wittenberg und Duſch. 
Wie Rief und Zwerg 
So Duld und Wittenberg. 

4) Bon eines Gewiſſen Poefie: 

Omnia nam stolide magis admirasiura mantgue 
lauversis quue sab veorbis latitantie gemunt. ) 


— nn — 

*) Die üͤbrigen Gedanken, welche meiſt aus lateiniſchen und gries 
diſchen Säriftlellern gezogen find, lauten: 

— Ini kesterni pueri, magistri hodierni, heri vapulantes ia fe- 


Bel diefer Gelegenheit kann ich mir es nicht verfagen, 
Einiges der Art aus Leſſing's Papteren, welche ‚vie koͤnig⸗ 
liche und Univerſitaͤts⸗Bibliothek aufbewahrt, und das 


rula, hodie stelati docemtes fin cathedra.. . 

Mctal. ib. I, cap. B. , i 
— Littera suavlter escutienda est, et nou More captivorum 

averbe torquenda, donec restituat, quod non accepfit. ibid. I, 1. 

— Collatio meditatione videtur utilier: ut enim ferrum ferre 
acultur, sic ad vocem alterius contiugit asimum colloquentis acu- 
Uus et efficacius excitari. ibid, III, 10, 

— Disciplinarum omnium connezae sunt rationes, et quaelibet 
sui perfectionem ab alils mutuatur. ibid. IV, 1. 

— Nemiucm docere in auctoritetem soiontiae est, fagt Plinius 
(üb. XXXV, sect. 1) von Denen, welde mit ihrem Wiſſen neidifch 
find, und ihrem Anfehen zu vergeben glauben, wenn fie es mit: 
theilen. 

— (Corneliud Gelſus, wenn er vom Hippokrates redet, der fels 
nen Irrthum gellanden (De mwedi. lib. VIII, cap. 4) — se de- 
coptam esse Hippocrates memorise prodidii, more scilicet maguo- 
rum virorum et Rdusiam magnarum rerum habentium. Nam levia 
ingesia, quia nihil habent, nihil sibi detrahunt. 

— Können wir nis alle dichten: 

So wollen wir body alle richten; 
it ein guter deutfher Reim von Phil. Melanchthon, v. Belnoscer. 
Praef. Eıplieat. Psalm. j 
— .. . . .. ut vetus et laudata tot anais 
Discendi ratio nigro carbone notetur. 
L. Sectanus Atll. Sam, II. 
— Quid facias? jubet hoc setas, et Gallia victris. 
idem ibid. 


Jo. Saresburiemsis 


— Olxoı uereır der Toy xalwg Erdasuora, 
Kaı Toy xaxac TOROGOVEn Kaı TOUTOr werten" 
find zwei Verfe des Aſchylus beim Stobaͤus. 
— Eur, or wor Ders dor, od’ el naxıom osder &Ador, 
Zuvoy arıunoat, npos yap Atos sloıy anayres 
Btıroı TE NTUTMOr TE». 
fagt Cumaius zum Ulyifed (Ob. Z, 56), ber ald Bettler zu ibm 
tommt; und auf biefe Gefinnung bezieht fi auch eine Stelle bes 
Menander beim Stobäuß: 
Atl vouılord’ of nevntes ray FEur. 

— Ab umbra statuam laudare, beim Novarinus p. 37: cum, re- 
lHetis megnis faselueribus et factis egreglis, minima et exilia im 
aliquo, in cujus laudes itur, afferuntur. 

— Nihil tam necessariem, quam cognossere, quid non sit n0- 
cossarium. S. Ambrosius Mib. X, c. M. 

— Moribus esse feris prohibet me gratis verie 

Et formam mentiv mihi mutuer ex elementie. 
Marbodus. 

— Candida fervens ut nix, et Iumins nigra velut piz. 

lGdaem. 
— Jem zweiden Theile des „Laokoon“: Cai si animum propius 





meined Wiſſens nirgend gebrudt it, mitzutheilen. Ein 
Dctavbüchlein, deſſen erfte Seite das Datum trägt: den 
35. Sept. 1756, von dem aber nur einige Blätter be: 
ſchrieben find, enthält dramaturgifche Bemerkungen über 
die zwei engliſchen Buftfplele: „The soldier’s fortune“ von 
Stway, und „The comntry-wife” von Wicherdey. Kol: 
gende pſychologiſche Betrachtungen, welche vorangehen und 
fi auf das erfte dee beiden Stüde beziehen, charakteri⸗ 
firen ganz Leſſing: 

Surely ’tis impossible to think too weli of him, for he 
has wit enough to call his good natare in question, and 
good nature enough, to make his wit suspected. . 

Er bat fo viel Wis, daß man an feinem guten Herzen 

zweifein follte, und em gutes Herz, daß man ihm wenig 
oder feinen Wis zutrauen follte. ’ 
: Beige weder deinen Witz, noch beim gutes Harz in ihrer 
völligen Stärke. Zeigſt du zu viel Wig, fo wirb man bir fein 
gutes Herz zutrauen; zeigft du ein zu gutes Herz, fo wird man 
an deinem Wige zweifeln. 


I am afraid your Ladyship then is one of those dan- 
gerous creatures they call She-wits, who are always so 
mightily taken with admiring themselves, that nothing else 
is worth their notice. 

Eine Wiglingin (She-wit), vielleicht daß biefes cin Cha: 
rakter wäre, welcher fih auf bem Theater nicht übel ausneh⸗ 
men follte, und auf einer ganz andern Seite gefchildert werden 
tönnte, als daß er mit ben gelchrten Weibern des Moliere zu 
vermengen wäre. 


Tl have three whores a day, to keep love out of 
my head, 

Du Liebft, und deine Liebe ift ernfthaft.e Aber deine Um⸗ 
fände erlauben es nicht, einer ernflhaften Liebe nachzuhängen. 
Nun wohl, fırche dich ihrer zu entſchlagen. Wermeibe, fliehe den 
dich bezaubernden Gegenftand! Du fliehſt ihn umfonft? ein 
Bild verfolgt dich überall? So verfuch etwas Anderes; verfente 
dich in Geſchaͤfte; befege jeden Augenblick mit ernfthaften Ars 
beiten. Auch das ift vergebens? Nun wohl, fo wage das Letzte: 
fuche Huͤlfe bei den luſtigen Schweftern des Mitleibs, die du 
genießen kannſt, ohne fie zu lieben. Laß auf einen wolluͤſtigen 
Genuß den andern folgen. Aber wic? Deine Goͤttin hat ſich 
deiner fo bemächtigt, daß es bich ein Verbrechen duͤnkt, in ben 
Armen einer andern die Entzüdungen zu genießen, die du fo 
gern in ben fhrigen genießen moͤchteſt? Wirktih? Je nun, fo 
beirathe fies allen es verwehrenden Umſtaͤnden zu Trotze, hei: 
rathe fies oder made dich gefaßt, das naͤchſte Jahr im Toll: 
haufe zu fein. 

Bortrefflihe Moral, Gchmwachheiten durch after vermei: 
den lehren. 


His father was as obscure, as his-mother publick; every 
body now her, and no body could guess at him. 





intenderis, velut fermentum coguliionis ei inerse, quam bracteas 
eloguentias deprehendes. Sollaus. 


— Percastatorem fagito, nam garrulus idem est. 


— Sanus homo, qui et bese valet et suae apontis est, nmullie 
obligare se legibus dobet, ac meque medico nequg istralipta 
egere. Hune oportet varium habere vitae genus, modo ruri ease, 
modo in urbe, saepius in agro; navigari, venarl, quiescere inter- 
dum, sed frequeniius se exercere. 

Cer. Celsus ib. J. e. 1. 


— Vim tebus aliquando ipsa verborum hbumilites affert. 


Quintil, 
— Haocı uyvaı noposdeorım Turn. 
Aristennetae ep. 18 


% 


In dem zweiten Acte laͤßt' der Dichter verſchiedene Perf 
nen flumm über das Theater geben, die gang und gar keine 
Berbindung mit dem Stüde haben, blos in der Abfidt, d 
den Mund bes Beaugard und Gourtine einige flarke Charaktere 
zu fhüdern. Wenn es die Art des Stüds erlaubte, ; G, 
wenn der Ort eine Straße ift, und Ich &p amkern Umfäne 
dazu fhiden, fo wollte ih einem Bi tee been rlanben, oft 
zu diefem Kunftgriff feine Zuflucht zu nefimen, ats eine oder 
mehr leere Scenen zu machen. 


Prahlereien zweier Eiſenfreſſer im vierten Act: 

Ah Bioody Bones! Ah, when thou and I comman- 
ded that party at the siege of Philipsbourghi where ia ıbe 
face of the Army we took the impenetrable Half- moon. 

Blood, Hall-Masa, Sir! by your farour ' wasa 
whole moon. 

Fourbin. Brother thou art in the wight; 't wass 
full Moon, and sach a Moon, Sir — 


Die Heiden in biefem Stuͤcke find zwei abgedankte Dffzie:, 
und das Gluͤck, das ber Dichter fie machen laͤßt, beſieht darin, 
baß der eine einen alten Ehekruͤppel zum Hanrey macht, in 
andere eine ziemlich gute Heirath thut. Jenes iſt die Daupt: 
handlung, biefes die Epffobe. In den drei erften Acten hat der 
Dichter die „„Männerfchute” des Moliere ziemlich geplündert. Die 
Brau ſchickt ihrem Liebhaber durch ihren cigenen Mana Ge 
ſchenke und Briefe, fo ats ob fie ihr von ihrem Liebhaber we 
ren geſchickt worden, und fie fie ihm blos mit Bezeigung ih 
Haſſes wieder einhändigen laffen wollte. Nur daß man bi 
dem Moliere über diefe Lift lachen, und bei dem Otway ſich 
darüber drgern muß; weil jener fie einem unverheiratheten, un 
gebundenen Frauenzimmer beilegt, und dieſer fie eine Frau, die 
durch die heiligſten Bande gebunden ift, ausuͤben laͤßt. Bat 
dort ein vorgeblidher Betrug ift, wirb bier zum Laſter. em 
die Engländer über ihre franzoͤſiſchen Originale fo encheriren, 
fo bringt e8 ihnen wenig Ehre. Auch ber Tepte Zug, da ver 
Liebhaber bei dem Moliere für tobt geprügelt gehalten wird, if 


von dem Engländer auf eine ungeheuere Art übertrieben mem 


den. Der eiferfüchtige Ehemann will ihn durch einen Meudel: 
mörder aus dem Wege räumen laflen. Sir Jolly Jumble Ik: 
tet da8 Ding fo, daß ſich des Liebhabers eigener Bediente ver: 
fteflterweife dazu wiH brauchen laſſen. Diefen nebft einem Se 
bülfen werben alfo mit dem Ehemanne des Handels einig, © 
beißt, fie haben ihren Mord verrihtet und ben tobten Körper in 


bed Sir Davy Dunce (fo heißt ber Ehemann) Haus gerragm 


Hier muß ber Liebhaber ben Todten fpielen. Dunce ift in tar 
fend ÜÄngften darüber. Jumble u. f. w. 
Der Charakter des Sir Jolly Jumble ift originell. Er 


alter Ge, der ſelbſt nicht mehr ſuͤndigen kann, aber fihen | 


Bergnügen daraus macht, Ehebruch und DB... zu befördern 
And nur mit Hetratheftiftungen will er nichts gu thun 
Siche die Stelle im vierten Act, S. 30. 

Die Scene im vierten Act, wo die beiben verſtellten Dir 
cheimdrber mit dem Dance den Handel ſchiießen, ift abſchertich 
und ihre moͤrderiſchen Prahlereien find fo eitel als gottiod. Der 
eine ſtellt ſich ſogar vor Blutgier raſend, und ſagt in dieſer 
Raferei Dinge, die man odne Schauer unmoͤglich hören kam. 
(Hier folgt ein Auszug aus bem Driginat.) . 

Diefes Luftfpiel iſt gedruckt gu London 1695 in Auarl 
(acted by this Mojesties Servants at the Theatre Roys, 
the third edition). Auf dem Zitel fliehen die Werfe (au) dem 
Martial, wenn ich mich recht erinnere) : 

Quem recitas meus est, e Fidentine, Mbellus; 
Se@ male cum recitas Incipft eweo tuws. 


Ohne Zweifel daß Otway mit der Vorſteuung nicht alle wohl 
zufrieden geweien. 
(Die Fortfegung folgt.) 


habe | 


Theodor Hot. 


Aus einem ausführlichen Artikel des „Quarteriy review’ 
(Mai 1843) geben wir folgenden Kurgen ‚Auszug: Theodor 
Gduard Boot wurde den 22. Gept. 1788 in London geboren. 
Sein Vater war Somponift, feine Mutter, elme geborene Mad⸗ 
den, eine böchft begabte, durch Schoͤntzeit, Geiſt, Charakter 
ausgejeichnete Frau. Aber fit flarb, die Hook 14 Jahre alt war. 
Gein Bater, um fi zu tröflen, nahm ihn bamals (1802) 
aus dee Schule von Harrow, wo er Byron's und Sir Robert 
Peel's Schulkamerad geweſen, wieder in fein Haus, entdeckte 
bald des Gohnes Talent für Dichtungen zur Gompofition und 
m ihn nun vollends zu feinem Abgott. Theodor fpielte 
fehr huͤbſch Clavier, hatte eine gute, Fräftige Stimme und fang 
mit Gefühl. Zugleich entwickelte fi ſchon in dieſen frübın 
Fahren fein reicher, fprudeinder Wig und fein impropiſatoriſches 
Talent. Gein Umgang waren Muſiker, Sänger, Schaufp:eier. 
Gr ırieb fih auf dem Bühnen, bei den Proben, hinten den Cour 
tiffen umper und war dort der Liebling aller Welt. Indeflen 
vermuthlich auf Antrieb feines 18 Jahre aͤltern Bruders, bed 
Decansd von Worcefter (dev übrigens auch in feiner Jugend ein 
paar wigige und launige Novellen gefchrieben hat), dachte fein 
Bater wieder an eine ernfte Beſtimmung des in Luft und Uns 
gebundenheit dahin lebenden Sohnes. Er ſchickte ihn in Be: 
gleitung feines Bruders, des Dekans, nach Orford, bamit er 
dort das Rechtöftudium betreibe. Als der Vicefanzier, zum Bes 
bufe der Immatriculation, ihn folgendermaßen anrebete : „Sie 
ieinen fehr jung, Sir! Sind fie bereit, die 30 Artikel zu uns 
terfchreiben 2° antwortete Theodor augenblicklich: „D ja, Sir, 
ih bin ganz bereit, auch AU, wenn es Ihnen beliebt. Dir 
Bicelanzler ſchlug das Buch zu, aber der Dekan begütigte ihn, 
und die Immatriculation fand ftatt. Der junge Hook follte jes 
dech erſt nach Ablauf einiger Zeit in das Inſtitut eintreten. 
Et kehrte nach London zuruͤck, begann fein früheres Leben wie⸗ 
der und kam auf den Einfall, für das Theater zu ſchreiben. 
Sein erfied Stück (er war erſt 17 Jahre alt) „Des Soldaten 
Rückkehr, oder was vermag Schönheit?” komiſche Oper in 
zwei Acten, Wufit von Mr. Hook, im Drurylane-Theater auf 
geführt, ging nicht fo fpurlos vorüber, mie Hook felbit es ſpaͤ⸗ 
kr in feinem „Gurney” (worin Vieles aus feinem Leben ges 
ihidert if) darſtellt, ſondern madhte bedeutendes Auffchen. Er 
wurde mit den Komikern Mathews und Lifton bekannt , und, 
obwol fie älter waren, eng vertraut und fhrieb für fie im fol- 
genden Jahre (1806) „Catch him, who can”, ein Sud, das 
mit ungemeinem Beifall aufgenommen wurde. „Das unſicht⸗ 
bare Mädchen” und eine Reihe anderer Stuͤcke folgte, weiche 
alle Gluͤck machten und ſich eine Zeit lang auf dem Repertoire 
erhielten. Im 3. 1808 gab er eine Novelle unter dem erdich 
teten Namen „Alfeed Allendale Esq.“ heraus. 
ſourlos vorüber. Indeſſen war der Berf. body fo dafür ein 
genommen, daß er fie abgekürzt und mis Abanderungen im 
„Merton” (in feinen „Sayings and doings‘) wieberholte, 
Am olänzendften zeigte er fih im Umgange. Es fehlte ihm nie 
an Einfälen, Impromptus, Reimen. Seine Gemandtheit im 
Improviſiren, biefe in England unerhörte Gabe, ging ins in: 
giaubliche. In allen Bersarten, Rempverſchlingungen, Manit⸗ 
sen war er im Stande, jeden verlangten Gegenſtand augen» 
diclich zu behandeln. Jeden keinen Vorgang in der Geſellſchaft 
denntte er, um Couplets zu improvificen, die er zum Clavier 
fang, Worte und Melodie zugleich erfindend. Sein mimifches 
Zalent war nicht minder auffallend. Dan kann fidy vorflellen, 
wie er in feinem Kreife gefucht war. Mit Mathews und ans 
bern jangen übermüthigen Freunden führte er eine große Menge 

luſtigen & aus, die han in England Hoaxes 
Ran. Ginige finden füch im „Gurney’ und in andern Novel: 
Im tur befchrieben, andere hat Mrs. Mathews in ber Bio⸗ 
rapie ihted Mannes mitgetheilt. 

Heok ward durch Shrridan’s Bohn Thomas endlich in höhere 
Eike eingeführt. Seine toyate umd alttoryiſtiſche Gefinnung be: 


Dirfe ging | 
des Staates für 12, 


; feet. 





faͤhigte ihn ohnthin, füdh in ben ariſtokratiſchen Kreifen mit Erfolg gu 
bevogen. Auch bex Megent (nachher Georg IV.) ließ ihn gu fich kom⸗ 
men, fand große Wcfallen an ihm und beſchloß etwas für ihn zu 
ton. In der Ihat gab er ihm eine glänzende Anſtellung, aber Diele 
warbe  Dost’d Ungliuͤck. Er ging naͤmlich 1813 als Generals 
schmungsführer und GSchagmeifter (mit Gintommen von 2000 
Pf. Et.) nady ber Infei Mauritius. Fuͤnf Yahre lebte er dort 
gluͤcklich und herrlich, bei aller Welt beliebt, aber zu ſehr aller 


Melt vertrauend, der Geſchaͤfte nicht Eundig genug unb mehr. 


auf feine Jagden ald auf die Buͤcher des Schagamts bedacht. 
Unorbnungen ziffen ein, und es ergab ſich endlich ein Kaſſen⸗ 
befeet, der zuexft auf 20,000, endlich aber auf nur 13,000 Pf. St. 
ermittelt wurde. Gefangen nach Bonbon geführt, hatte er nach 


das Städ, daß Feine Criminalunterſuchung gegen ihn vingeleitet 
' wurde: man gab ibm nur Nachlaͤſſigkeit Schuld; indeſſen dauer⸗ 
ten bie Unterfuhungen gegen fünf Sabre. Er war 1818 in 


London angelangt; er wohnte dert in einem elenden Neſt und 
Inüpfte nım feine Bekanntſchaften aus der Schaufpielerwelt 
wieder an. Inzwiſchen regte dee Proceß der Königin bie Pars 
teien und bas ganze Sand mächtig auf. Hook trat gegen fie 
in die Schranken, zuerſt mit einem Bibel unter dem Titel: 
„Tentamen, oder ein Verſuch zur Gefchichte Whittington's unb 
feiner Kate. Bon Biceftmus Biankinſop.“ Unter Wpittington 
ift der Aldermann Wood und unter der Katze die Königin Karo⸗ 
ine gemeint. Dieſem Spottgebichic im Bänkelfängerton folgte 
fobenn feit 1820 die Zeitichrift „John Bull“, welde fo uns 
geheures Auffehen machte, nicht wenig dazu beitrug, der Koͤ⸗ 
nigin die Volksgunſt allmälig zu entziehen, und fich endlich noch 


| jange, "in mäßigerm Tone, als einflußreiches toryiftifches Blatt 
erbieit. 


Wer die Unternebmung biefes Blattes zuerſt veranftals 
tete, weiß man nicht. Hook, der beinahe Alles ſelbſt fehrieb, 
nannte fich nicht und verteugnete, als man auf ihn muthmaßte, 
feine Autorſchaft. Er ließ im Blatte felbft Kolgendes druden : 
„Was Leute doch für Einfälle haben. Unfere Lefer werden 
feben, daß uns ein Brief von Mr. Hook zugegangen, worin 
derfelbe jede Art von Berbinbung mit diefem Blatte in Abrebe 
ſtelt. Theils aus Gutmüthigleit und theild um diefem Herrn 
zw zeigen, mie wenig wir ein erlangen danach tragen, mit 
ihm in Verbindung au ſtehen, haben wir eine Erklärung aus⸗ 
gefertigt, welche ohne Zweifel feiner Erankhaften Empfindlich 
keit und feiner gezierten Heikligkeit Genüge thun wird. Wir 
find fo frei, zu befennen, daB Zweierlei uns bei dem Handel 
wundert: erſtlich, daß irgendwo etwas von Dem, was wir ber 
Mühe werth bislten zu publisiven, für Wr. Hook's Arbeit ans 
geſehen werden Tonnte; zweitens, daß fo ein Subject wie Mir, 
Hook ſich für berabgewürdigt halten kann durch eine Bezichung 
zu John Bull.” Das Journal ging eine Zeit lang fo gläns 
end, daß es ihm, wie feine Zagebücher ergeben, in einem 
abe WU Pf. St. eintrug. Da 1823 die Unterfucdung ber 

Mauritius ſchen — beendet und er als Schuldner 
Pf. St. erfannt worden war (ex ſelbſt 

behauptete ſtets, der Defect betrüge nur MOD Pf. St.), fo 
wurbe feine ganze unbedeutende ‚Babe verkauft und cr eingeler- 
Er biteb anfangs, weil er immer noch Hoffte, freigelafs 
fen zu werben, in Gewahrſam bed Sheriffs Dir. Hump, unb 
zwar in ungefunder, feuchter Wohnung, unters angeflrengter 


Axrbeit, ohne leibliche Bewegung und bie fpät in bie Nacht von 


feinen Freunden befuht. Seine Gelunpheit hatte daher ſchon 
gelitten, als er nad) Kingsbench trandportirt wurde. Anbeffen 
tieß man ihn 1825 wieder frei. Er miethete eine angenehme 
Wohnung in Putney, gab die erfie Serie feiner „Bayings and 
doings’' heraus, gewann viel Geld an feinen Novellen und 
richtete fih 1827 glänzender ein. Er ſcheint entſchloſſen gewe⸗ 
fen zu fein, obgleich er nicht leugnete, daß er für die Kaffe 


‘von Mauritius verantwortlich geweſen, dem Staate nichts vom 


den 12,000 Pf. St. zy zahlen, indem er fi ſchon hinlaͤnglich 
gebüßt glaubte burch die lange Unterfuhung, Daft und Leiden. 
Schlimm mar es für ihn, daß er fi) der ariſtokratiſchen Ges 
fenichaften nicht ermehren konnte, die ihm nad) angeflrengter 





Kogesarbeit feine Nächte raubten, fein fauer erworbene: Gelb 
überdies, das er im Spiel verlor, und feine Geſundheit vollends 
zerchtteten. Ungeachtet feiner beträchttichen Cinnahmen gerieth 
ee in Schulden, Streitigkeiten mit feinen Verlegern, und brachte 
es nicht dahin, die Mutter feiner Kinder, wie er es vorhatte, 
u beiratben. So führte er, während er für ben unterhauend⸗ 
ın, luſtigſten Mann galt, ein geplagteß, forgen: und ſchmerz⸗ 
volles Leben, wovon feine ftets fortgeführten Tagebücher Zeuge 
wiß geben, wie auch Häufig feine Novellen. on den Sayings 
and doings” war die deitte Serie 1828 erfchienen; 1830 „Max- 
well” (3 Bde.); 1832 „Sir David Baird's Leben‘ (2 Sde); 
1833 „Des Pfarrers Tochter” (3 Bde) und „Liebe und Stolz’ 
(3 Bde). Im 3. 1836 wurbe er Herausgeber des „New 
monchiy magazine”, für weiches er feibft feinen „Gilbert 
Gurney’ und bie Rortfegung „Gurney married’ lieferte (wie 


fon bemerkt eine Art Selbſtbiographie), beides fpäter befon= | 


ders abgedrudt (in je 3 Wänden). „Jack Brag’ erſchien 1837 
(3 Bye) und „Geburten, Todesfälle und Heirathen“ 1839 
(3 Bde). Endlich noch „Precepts and practice” (3 Bbe.), 
„Wathers and sons‘ (3 Bde.), beides aus dem Jahrgang 1840 
des Magazins. Er farb am 13. Auguft 1841 in einem Alter 
von 53 Jahren Kür feine Hinterbliebenen, denen er nur Schul: 
den zuruͤckließ, ift eine Sammlung veranflaltet worden, deren 
Ertrag aber hoͤchſt unbedeutend und für die ungeheuer reihen 
Freunde, die den Geiſt des vieldegabten und unglüdtichen Mans 
nes täglich in ihren Luftbarkeiten wie für ihre politiſchen Zwecke 
ausgebeutet hatten, ſchimpflich genug ausfiel; nur der König 
von Hanover fandte 500 Pf. St. aus freiem Antriebe. Was 
fi) aus dem Werkaufe feiner Bücher und Effecten ergab, 
2500 Pf. St., nahm die Krone als privflegirter Glaͤubiger. 
„in natürlichen Anlagen’, fagt der Biograph im „AQuar- 
terly review”, „fand Hook vielleicht wenigen feiner Zeitgenoffen 
nach. Er hatte ein offenes, einnehmendes Geſicht, einen hoben 
und mwohlproportionirten Wuchs, einen kräftigen Körper, ein 
fanftes Gemüth, ein warmes Herz. Gr war menfchenfreunds 
iich, mitdtbätig, großmäthig., Sein Wig hat ihn vielleicht 
niemals um einen Freund gebracht, und man Eonnte nicht mit 
ibm umgeben, ohne ihn zu bewundern und ibn lieb zu gewin⸗ 
nen... ... „Wir haben ihn in Geſellſchaft mit vielen der her 
vorragendften Männer feiner Zeit gefehen und find niemals, bie 
an fein Ende, heimgegangen, ohne ihn als Gefellihafter für 
unübertroffen zu halten. Gr konnte kein Geſchichtchen erzählen, 
ohne es durch feine ſtets neugeftaltende, unermuͤdlich erfinderifche 
Saune ganz zu feinem Eigenthum und durch die Verknuͤpfung 
wit den Vorgängen und Intereflen des Abends zu einem wah⸗ 
ren Gemeingut der Gefellfchaft zu machen. Sein Micnenfpiel, 
der Wohlftang feiner Stimme, fein großes, bligendes Auge, 
die Fähigkeit, feinem Geficht jeden Ausdruck vom ernfteften und 
rüßrendften bie zum komiſchſten zu geben, feine Gewandtheit in 
der Anwendung paflender Geberden und Stellungen, feine Staͤrke 
in der Mimik, in der es ibm Niemand außer Mathews gleich 
that, und zu dem Allen fein angeborener, unverſieglicher Hu⸗ 
mor, fein ſtets beiteres, fpleenlofes Wefen, und das Blitzen 
eines tiefen Sinnes durch alle Poflen und Gaufeleien hindurch, 
wie ließe fidh das befchreiten? Der Reiz lag darin, daß es bei 
ihm Alles Natur war, fprubelnd wie Waſſer aus dem Zelfen. 
Kein Wunder, daß er fo beliebt war: aber das Ehrenwerthefte 
dabei iſt, daß er weit entfernt von aller Kriecherei war. Es 
war eine Ihorheit, eine Schwäche, fi zum Wergnügen Ande⸗ 
rer ausbeuten zu laffen und fo viel Zeit, Gefundheit und fogar 
Seelenruhe daran zu fegen; aber in der Geſellſchaft, von wel: 
der Staffe fie fein mochte, zeigte er niemals gemeinen Sinn. 
- &r hatte allerdings eine gewilfe Achtung vor bloßem Rang und 
weltiichem Glanz, woran fi fein niedriger Urfprung und 
feühefter Umgang verrieth, aber um fo anerfennungsierther 
wor ed, daß er fi niemals zum Schmeichler und Kriecher 
herabwuͤrdigte.“ 
Nach feinem Tode erſchien noch „Peregrine Bunce” (3 Thle., 


maligen Landtagsabgeordneten. 


Geſchichte und Satire. 





London 1842) unser feinem Namens der Verf. der Skijze über 

fein Erben, woraus wir das Obige mitgetbeilt haben , if jedoch 

be zufiht, daß biefes Buch doͤchſtens thellweiſe von Hort 
. 4, 





Bibliographie. 


Die arabiſchen Actenftücde über die Grmorbung bed Pater 
Zhomas und feines Dieners in Damaskus. In das Deutſqhe 
uͤderſeht nach der mwörtlidden Übertragung im [’Univers von X. 
v. Morell. Nürnberg, Schrag. Br. 8. 7%, Rar. 

Aphorismen über den Entwurf des Strafgeſetzbucht in ſei 
an exiehungen zur Retigion und Kirche. Trier, Eins. Or.$. 

ar. 


Baur, 8. ©., Die chriflliche Lehre von ber Dreieinigkeit 
und Menfchwerdung Bottes in ihrer geſchichtlichen Entwickelung 
Iter Theil: Die neuere Geſchichte des Dogma, von ber Kıfor: 
mation bis in bie neuefte Zeit. Tübingen, Dfiander. Gr. 8. 
4 Thlr. 15 Near. 

, Böhnede, 8. G., Forſchungen auf dem Gebiete ber at: 
tifgen Redner und ber Gefchichte ihrer Zeit. After Band in 
zwei Abtheilungen. Berlin, Reimer. Gr.8. 3 Thir. 1), Nor. 

Gommiſſions⸗ Beriht am bie Unterzeichner der Petitim 
vom 8. uni 1842. Hamburg, PerthessWBefler und Maule. 
Er. 8. 1 hir. 

Dies Buch gehört dem König. In zwei Abtheilunge. 
Berlin, Schröder. 8. 4 Thir. 

Döllinger, J., Der Proteftantismus in Bayern un | 

bie Kniebeugung. Sendſchreiben an Hrn. Prof. Harleß, der | 

J Regenſsburg, Manz. Gr.8. 
gr. 


Einiges über die rufenden Stimmen ober bie fogenannt 
Predigttrantpeit in den Jahren 1842 und 1843. on einem 
Augenzeugen. Nebft zwei Berichten: 1. des Phyſikus Dr. Etöß: 
berg in Joͤnkoͤping; 2. des Biſchofs Butſch in Skara. Aus 
dem en Geipaig. Michelſen. Gr. 8. 10 Rat. 

röhlih, A. E., Der junge Deutfchs Michel. Funk, 
Meyer und Zeller. 8. 20 Rar. i ſche iche Din 

Grimm, Brüder, Kinder⸗ und Hausmaͤrchen. Greße 
Ausgabe in Heften. Aftes Heft. Göttingen, Dieterid. Gr. 12. 

gr. ' 

Groscreup, R. v., WMiscellen aus dem Gebiet: kt 

Berlin, Hayn. Gr. 132 I Ihe. | 

Dammerftein, E. Freihr. v., Das Gymnaſium zu Cl. 

Deffen Gethihte bis auf die neuefte Zeit. Celle, Schutze jun. 
. r. 


Die Jubelfeier bes Herrn Staatsminiſters von Schoͤn. Am 
8. Juni 1843. Koͤnigsberg, Voigt. Gr. 8. 10 Ngr. 

Kalender und Jahrbuch für Ieraeliten auf das Jahr HM 
(1843/44). Herausgegeben von 3. Buſch. ter Jahigang 
Wien, v. Schmid und Buſch. Sr. 12. 2 Nor. 

Liederbuch für Turner. Herausgegeben von W. Looff. 
Afchereieben, Saue. 12. 7% Nor. 

Mayer, B., Das Judenthum in feinen Gebeten, Et— 
bräuchen, @efegen und Geremonien. Regensburg, Manz. Gr}. 
2 Thle. 7Y, Nor. 

Redslob, D. &., Über den Glauben an ben Megſcen 
und an deffen hödhfte fitttiche Beſtimmung. Gin pfocotogifder 

Nor 


Berfuch. Strassburg, Schuier. Gr. 8.. 15 


gr. | 
Sommer, $. v., Poetiſche Bilder ber Vergangenbei 
und Gegenwart. Ifte Biiderreihe. Berlin, Hayn. Gr. 9. 

ar. 

Ufrialow, N, Die Gefchichte Kußlands. Aus dem 
Ruſſiſchen überfegt von ©. W. Ber Band. Ite Abthrlung. 
Stuttgart, Cotta. Sr. 8. 15 Nur. 

Was ift der beutfch = ebangeliſche Guſtad⸗ Adolph : Verein 
und wie kann man ihm beifen? Leipzig, Kummer. 8. 9 Rat 


Berantwortliher Deraußgeber: HDeinrih Broddans. — Drud und Verlag von F. J. Brochaus in Leipzig. 








Blätter 


für 


literarifhe Unterhaltung. 





Dienflag, 





keffingianae. 
(Boxtfegung aus Nr. AI.) 

Diefe Bemerlungen aus einer früheren Lebensperiode 
keſſing's erinnern von felbft an feine fpÄtere, fo verdienft: 
volle und originelle „Damburgifhe Dramaturgie. Man 
weiß, daß Leffing diefe Wochenſchrift — das war fie urs 
ſpruͤnglich — mehr abgebrochen als beendet bat, haupt: 
fachlich aus Verdruß über den fchamlofen Diebftahl, den 
die Dodsley und Comp. an diefem Unternehmen begingen, 
worüber ſich das letzte Stuͤck in bitterm Humor ausläßt, 
mo der Verf. zugleich von dem Publicum Abfchied nimmt. 
So kam es, daß die „Dramaturgie bei dem 52. Abend, 
den 28. Juli 1767 (Wiederholung der „Brüder von Ro⸗ 
manus) aufgehört hat. Nun findet fi aber unter un: 
ſern Papieren auf zmei Bogen von Leffing’8 Hand eine 
Aufzählung aller Stüde, mit Hinzufügung des Datums 
von Tag und Monat, nicht nur derjenigen, welche in der 
„Dramaturgie“ feibft vorkommen, fordern auch derjenigen, 
wide in der Kortfegung darin noch hätten vorkommen 
ſelen. Der Anfang diefes Entwurfs ift nicht mehr da, 
das Vorhandene füngt erft mit Nr. 35 „Rodogune“ von 
Pater Corneille an (übereinflimmend mit dem gedruckten 
Zeste, daher auch Leffing die Geitenzahlen feiner Ausgabe 
bdis Mr. 44 dazu bemerkt), geht aber weit über den 52. 
Abend hinaus und bricht erft mit dem 141. Abend, den 
4. Dec. 1767, ab. Dabei fälle nur dies auf, daß in 
Bezug auf die in der „Dramaturgie“ befprochenen Stüde 
ke handſchriftliche Entwurf nicht überall mit dem Buche 
ibereinftimmtz 3. B. fefen wie im Entwurfe auf Nr. 47 
Dienftag den 21. Zult: „Der Zmeitampf”, dagegen im 
Buche die Wiederholung von „Nanina“, worauf „Der 
moermuthete Ausgang” von Marivaur folgte; fo nament: 
id, was uns hier näher intereffiren wird, bei Nr. 50 
50, Abend), Freitags den 24. Juli, „Die Frauenſchule“ 
on Molitre, im Buche aber unter demfelben Tage: 
Sriffers „Sidney wiederholt, und „Der fehende Blinde”. 
8 find nun zw gleicher Zeit einige dramaturgifche 
Fiagmente vorhanden, welche theils, nach dem handſchrift⸗ 
liden, ſoeben genannten Verzeichniſſe angelegt find, theils 
wer Nummer noch Datum haben. Sie koͤnnen, ob: 
ſchon dragmente, als. sine Art Ergänzung des Vorhande⸗ 
wen nicht ohne Intereſſe geleſen werden. So ſteht das 
folgende Fragment, deffen Abweichung dem Datum nach 


ich ſoeben berührt habe, mit dem über Dtway’s Luſtſpiel 
Mitgetheilten in gewiſſer Beriehung. *) 

Den funfzigften Abend (Freitags den 24. Zulius) ward bie 
Frauenſchule des Moliere wiederholt. 

Moliere fah in ber legten Hälfte bes Jahres 1661 und 
das ganze Jahr 1662 fein Theater ziemlich verlaffen. Denn 
die ganze Stadt lief zu den Stalienern, um ben Scaramouche 
zu feben, der wieder nach Paris gelommen war. Wollte Mor 
liere nicht den leeren Logen fpielen: fo mußte er bad Publicum 
durch etwas Neues zu locken ſuchen, fo ungefähre von dem 
Schlage der welfchen Schnurren. Er gab alfo feine Frauen» 
ſchule: aber das naͤmliche Publicum, welches dort bie abges 
ſchmackteſten Poffen, die efelften Boten in einem Gemengfel von 
Sprache ausgefchättet, auf das unbändigfte beladyte und bes 
klatſchte, erwies ſich gegen ihn fo fireng, als ob es nichts als 
bie lauterfie Moral, bie allerfeinften Scherze mit anzuhören ges 
wohnt fei. Indeß zog ex es doch wieder an fih, und er lief 
fi gern Eritifiren, wenn man ihn nur fleißig befuchte. 

Die meiften von diefen Krititen zu Schanden zu machen, 
hatte er obnedem alle Augenblicke in feiner Gewalt, die er denn 
endlich auch Auf eine ganz neue Art übte. Gr fammelte mäms 
lich die abgefchmadteften, und legte fie verfchiebenen Tächerlichen 
Driginaten in den Mund, mengte unter biefe ein paar Leute 
don gefundem Gefchmade, und machte auß ihren Gefpräden für 
und wider fein Stüd eine Art von kleinem Stuͤcke, das er bie 
Kriti des erften nannte („La critique de l’Ecole des femmes’), 
und nach bemfelben aufführte. Diefe Erfindung iſt ihm in ben 
folgenden Zeiten von mehr als einem Dichter nachgebraucht wor⸗ 
den, aber nie mit befonderm Erfolge. Denn ein mittelmäßige® 
Stuͤck kann durch eine folche apologetifche Leibwache das Ans 
fehen eines güten body nicht erlangen, und ein gutes wandelt 
auch ohne fie durch alle hämifchen Anfechtungen auf bem Wege 
zur billigen Nachwelt ficher und getrofk fort. — — 


Leſſing hatte die „Hamburgiſche Dramaturgie‘ mit der 
Kritik von Cronegk's „Olint und Sophronia“ begonnen 
und dieſes Stuͤck, wie den Dichter ſelbſt, ziemlich ſtreng, 
wenn auch wahr beurtheilt. Hierauf bezieht ſich das folgende 
Fragment, wo Leſſing ſein Urtheil gegen den Vorwurf zu 


) Die Stücke von 83. an bis zu Ende find großentheils bie auch 
vorher gefpielten und von Leffing befprodenen, von den neuen ſchei⸗ 
nen wenige zu den bebeutendern zu gehören. 58. Abend: „Eduard 
und Cieonora”. 57T. Abend: ‚„Iurcaret” von Le Sage. 97. Abend: 
„Tartuffe (der Werluft von Leſſing's Kritit gewiß zu bedauern). 
132. Abend: „Claus Luftig, ein Milchbauer, als Klerander der Große, 
oder die Komödianten auf dem Lande, in drei Anfzägen, nad bem 
Hollaͤndiſchen des ‚Herrn Langendyk, Kraws Lonwen.” 132. Abend: 
„» Mohammed” von WBoltalte, nad Löwen’d Überfebung (wurde 
mebrmald wieberholt), 141. Abends „Mobammed ber Prophet‘ 
(dab leßte). . 


m 





großer Schärfe, den er erfahren haben muß, in Schutz 
nimmt. Es iſt ein bloßer Entwurf. 


Den — warb Dlint und Sophronia wiederholt. 

Bon bem vermeinten Unrechte, welches ich dem Herrn von 
G. alg dramatifchem Dichten erwieſen haben Toll. | 

rum wollen wie mit Schägen gegen Auslaͤnder prahlen, 

die wir nicht haben ? So fogt 3. E. das Joursal eneyciopedique 

1761, daß fein „Mistrauifcher” auf unferm Theater Beifall ge- 

abt, und allegeit gern gefehen wurbe. Nichts weniger als das. 

8 ift ein unausſtehliches Stuͤck, und ber Dialog deffelben du: 
$erft platt. 

Was bafelbft von feinem Dlint und Sophronia gefagt 
wird, ifk noch fonderbater. ' 

Durch den Beifall, welchen fein Kobrus gefunden, aufge 
muntert, batte er eine andere Zragddie unternommen, in welche 
er die Chöre, nad der Weife der Griechen, wieber einführen 
wollen. Er wollte verfuchen, ob Das, was Racine in Frans 
reich mit fo vielem: Gluͤcke in ſeiner Athatte getban hatte, aud) 
in Deutſchland gläden werbes nachdem er aber bie allergebften 
Schwierigkeiten überftiegen, und feine Arbeit bereits fehr weit 

efommen, gab er fie auf einmal auf, weit er glaubte, daß fein 

orbaben, wegen ber Beichaffenheit der deutſchen Muſik (at- 
tendu de la musique allemande) nicht gelingen koͤnne. 
glaubte zu bemerken, daß fie auf keine Weiſe der Schönheit ber 
Gefinnungen und dem Adel ber Gedanken, die er ausbrüden 
wollte, gewachſen fe. Dod uns bünft, er hätte der Mufit 
gi lich überhoben fein Tönnen, ſowie es der Herr von Voltaire 
h feinem Brutus mit den Ghören gemacht hat. Doc dem fei 
wie ihm wolle; genug er gab fein Stüd auf; die Fragmente, 
die bavon übrig find, und in benen ſich große Schönheiten be: 
finden, machen, daß man es bedauern muß, baß er nicht bie 
ietzte Hand an das Merk gelegt. Deutfchland würde ſich ruͤh⸗ 
men können, eine chriſtliche Tragoͤdie zu haben, die feinem Thea: 
tee Ehre machte. 

Wie abgefhmadt ift das! Die deutſche Muſik! Wenn 
e Bit gefagt hätte, die deutſche Poeſie wäre zur Muſik un: 

e ! 
i Und die ganze Sade ift nit wahr. Cronegk hat feine 
Urbeit nicht aufgegeben, fondern er iſt darüber geftorben. 

Was ber Zournalift am Ende dazu fegt, ift allem Anfehen 
nad auch eine Lüge: „Un 6crivain anglais qui a senti le 
mörite de cette tragälie, se l’est appropriee. La pièce a 
para sous ce titre: Olindo and Sopbronia,, a tragedy 
taken from Tasso, by Abrakam Portal” (kondon 1758). 

Da wird ber gute Portal zum Plagiarius, ber vielleicht 
den Namen Cronegk's nie gehört hat. Anno 1758 war Gros 
negk's Dlint noch nicht gedruckt. 


Hieran ſchließe ſich folgendes Meine Fragment: 
Den — warb Miß Sara Sampfon wieberhoft. *) 
Auch ber Herr Baron von Bielefeld bat in feiner neuen 
Ausgabe feines Progres des Allemands (Leide 1767, T. II, 
. 343), dieſes Stuͤck durch einen umftänblichen Auszug ben 
usländern befannt machen wollen. Der Berfafler muß ihm 
für diefe Ehre verbunden fein; aber follte er nicht eines und 
das anbert gegen das Urtheil des Herrn Barons einzuwenden 
ara Sampfon, ſagt Hr. von Bielefeld, iſt zwar ein ur⸗ 
ſpruͤnglich deutſchet Stuͤck; gleichwol ſcheint der Stoff aus eng⸗ 
iiſchen Romanen genommen ober nachgeahmt zu fein, unb der 
fowie der Geſchmack diefer Nation, darin zu berrichen. 
Was Toll biefes eigentlich ſagen? Der Stoff fcheint aus eis 
nem englifchen Romane genommen zu fein? Einem bie Grfin 
dung von etwas abzufizeiten, if dazu ein „es feheint” genug? 
Welches iſt der englifhe Roman — — 
r\ (Der Beſchluß folgt.) 


Man. vgl, Rt. XIV, ben 16, Zuni 178. 


Boltspoefie. 


1.. Siawiſche Balalaika. Bon Wilhelm v. Walbbräpt 
Reipzig, Hirſchfeld. 1843. Gr. 8. 1 Tbir. 15 Rear. 

Der Überfeger, um mit dem Zitel anzufangen, nennt fein 
Wert „Balslaita”’, weil biefee Name das vo lie Son: 
zeug des größten flawifcdgen Stammes, bes ruſſi begeichnet, 
ein Inſtrument, weiches fig” an Beflatt und Ton ziemlich un⸗ 
ferer Sither nähert, doch zum Spiele weniger Saiten und eine 
unbeholfene Stimmung bat. Gr liefert in feiner Sammlung 
eine Blumenleſe ber Bolkögefänge aus Groß: und Klein⸗Rußland 
und Polen, weldye Länder unter allen flawifchen, was ihre Lie 
berpoefie betrifft, uns in Deutfchland noch am wenigften bekannt 
und zugaͤnglich find, während wir allerdings durch viele Gamm- 
lungen und gelungene Übirfegungen mit der ferbifchen, boͤh⸗ 

und anderer &i iemtich beinumt 


o wurhen. 
Der gefhäste Verf. hat felbft in ben genannten Ländern gelebt 
und theilt uns in der Vorrede intereffante Beobachtungen mit, 
die wir, der Kritik ſlawiſcher Alterthumsforſcher vorbehaltend, 
bier nur anführen koͤnnen. Er findet die aͤlteſten groß⸗ruſſiſchen 
Lieber immer reimlos, defto Hämfiger finden fi) aber Affonangen. 
Aud in den fpätern find bie Reimfpusen nur wie zufäftig, wähs 
rend erft in der neueften Zeit bie Ruffen das Reimen vom den 
Polen gelernt zu haben ſcheinen. Bei den Eleinsruffifchen Lie⸗ 
dern aug der Ukraine entbehren aber nur bie allerälteften des 
Reims. Sonft berrfcht der Reim vor, nur baun.unb wann 
mit einzelnen Aſſonanzen, ober wenigen ganz reimiofen Stellen. 
Es ift des überſeters Bermuthung, daß die ſlawiſchen Bölker 
erft durch den Umgang mit den germanifcdhen, je nach der mäbenn 
Berührung, fi) den Reim angeeignet bätten. 

Der lberfeger bekennt, daß feine Sammlung nicht erfchöpfe, 
da bie verſchiedenen Stämme auch in ihrer Urfprache keine 
durchaus erſchoͤpſende Sammlung befigen, ja daß, was er biete, 
nicht einmal eine Auswahl gemannt werden bürfe, ſondern nur 
ein Griff in ben reichen Hort der Woͤlker. Diefer Griff ik 
aber ein glüdlicher und bes Anziehenden und Schoͤnen iſt gewiß 
in ber großen Sammlung von 524 Geiten vieles. Mrhr aber 
wol bes Bezeichnenden, werauf es zumeift ankommt, wenn wir 
fremde Boitslieber in die Danb nehmen; wir wollem aus feinem 
Drunde das Volk Eennen lernen. Und ba ber Überfeger nur 
Griffe in den Schag gethan, wird es in unferer Anzeige auch 
erlaubt fein, nur griffweife aus feiner Sammlung etwas heraus: 
gunehmen, wo ed nur gilt, einen Begriff von bem Eharafterifti: 
chen. zu empfangen umb zu geben. Wie beuttich Klingt uns in 
einem Liebe: „Der Hoͤrige“, das ſittliche Verhaͤltniß 3. B. ent 
gegen, wenn es heißt: 

... Heer Berwalter, komm zu Börre, 
£affe dich erbitten; 
Pruͤgle nicht zu fehr mein Maͤbchen, 
Wenn bad Korn gefänitten. 
unb: 
Daß bein Auge dir, Verwalter, 
Mög’ ein Kind zerſchlagen, 
Daß du zu fo Barter Frohne 
WINK mein Maͤbchen jagen. 


Dennoch iſt es in ber Fremde traurig, daß der Autgeſtoßene zuft: | 


Hätte de mil doch, o Mutter, 
In ben Fluß getragen, 

She daß ih fo ungiädtii.. 

In die Welt verſchlages. 


Die Beopferte aber fingt ein Lied, welches in tauſend Warie- 


tionen mag wiebergeftungen haben: 
Heimatweiler bu, 
Weller füßer Ruß! 
Gelmatweller du, 


11 Bon Moskau nit feinz 


Bon edlen niht fer, 
Ach iegt Uegſt du wüßt 











Der Beawalter Wi 
Treulos di verheert; 
Dee Starole balf 
Zu verwuͤſten did. — 
Mich gab man zu Ep 
Einem altea Mann. 
Darum ſchmerzt das Haupt 
Auch mir Jungen fo; 
Darum ſchmerzt bad Daupt, 
Darum bin id frank. 
Ja dem Arme ſchlaͤft 
Mir mein lauer Dann. 
Schlaͤft in meinem Arm- 
Und befiehlt den Kuß. 
Ich, ih kuͤſſen ihn! 
Nein, ih mag es nit; 
Ich vergeſſe nie 
Meinen Herzenfreuud. 
Scherzen find über alle Welt ausgebreitet, wie ich denn 
glarbe, daß bie erften Licher nicht bie Ausbruͤche ber Freude, 


fondern des bangen MWichgefühle waren. So auch in Große 
und KieinRuftend. Es war bad Volk, weiches fang. Die Mies 


lodies ſprechen es aus. Gie atmen das Gefuͤhl einer tiefen 
Scqhwermuth, einer ergreifenden Klage. Schmergen, woruͤber 
nicht / Aber bee Eiche gebührt die exfte Stimme, auch unter dem 
rufifhen Bauern. füple mit den Gedruͤckten, Gejagten, 
Bufofenen, Gepeinigten, als die Natur! Ihr klagt ber uns 
otädtich Liebende, ihre ber Räuber. Aber bie Natur iſt nicht 
der verſcheimmende, allgemeine Begriff, am wenigften ein fen 
timenteler. Sie wird durch die Thierwelt vepräfentist, bie Voͤ⸗ 
gel ſprechen und verſtehen die Sprache. Daher beſtaͤndiger An⸗ 
ruf an fie, Gleichniffe mit ihrer Lebensweiſe, Erſcheinung. Das 
trene Boß harrt aus bei ber Leiche des Erſchlagenen, bie «6 bie 
Verwandten ruft, um ihn zu beexbigen, ober zu rächen. Poeſie 
* F Ausdruck, oft Bet Pla —— — 

en, Folgerungen un ngen, welche gu verſtehen 
unfererfeitd ein Aufgebot unferer Verſtandeskraͤfte nöthig wich, 
waͤhrend fie dem Raturmenfchen, mit feinen dafür gefdkieftern 
Sianen, fi von ſelbſt geben. Poeſie, aber durchaus lyriſch; 
au wo ein Gebicht als Ballabe anhebt, verliert es fidy bat 
in Gefählsergüffen. Von der epifchen Geftaltungstraft, bie ſich 
in den ferbifchen Volksliedern fo mächtig regt, und oft fo eigens 
thuͤmlich hiſtorifch geftaltet, finden ficy hier Beine Spuren. Die 
Zonzlirder find bei den ukrainiſchen Kofaden wie bei ben Polen 
in großer Anzahl vorhanden. Hier natuͤrlich muß die Welans 
chelie der ſtuͤrmiſchen Luft weichen. Dinfichtlich dee polnifchen 
Volketieder macht der Überfeger die Bemerkung, baß fie im ſla⸗ 
wilden Kranze Das find. was die oͤſtreichiſchen im beutfchen : 
Eieder der Heiterkeit und ber Lebenstuft, bie wol dann und 
wem in Gintönigkeit und Flachheit ausarten. Der ders 
ſeter hat zue Kenntniß der Bolkslieder ein verbienflliches Wert 
durch dieſe „Batalaila” geliefert. Ihm war es um bie Sache 


Saft, vielleicht ging er aber etwas zu ernfl baranz denn ets 


wos mehr Freiheit in ber Übertragung hätte zur leichtern Mer: K 


faͤndigung und Würdigung verholfen. 


2, Deinns. Pitauifche Vollelleber. Geſammelt, überfeht und 
mit gegenuͤber ſtehendem Urtert herausgegeben von 2. I. Rheſa. 
Net einer Abhandiung über die. lithauiſchen Volksgedichte 
und muſikaliſchen Beilagen. Neue Aufiage. Durchgeſehen, 
berihtigt und verheffert von Friedrich Kurſchat. Berlin, 
Ertlin. 1843. 8. 1 Tips. 15 War. 


Die erfte Auflage diefer „Lithauiſchen Volkolieder“, weiche 
18% in Königsberg erfchien, wurde dort größtentheils abgefekt, 
dar durch den deutſchen Buchhandbel weiter verbreitet zu fein. 
Der treffliche berſetzer iſt —56 geſtorben, und fein Rach⸗ 

in der Direetion bes Lithaukſchen Seminars zu Konigs⸗ 
bat es Kbermommen, eine neue, durchgefehene, berichtigte 
verbeſſerle Auflage vor daB größere Pubticam zu bringen, 


welches tiefe intexeffante und ideen gupärbigte inbe: 
Dank hinnehmen wird. Die Berichtigung —— 
naͤmlich auf eine kritiſche Reviſion des Urtertes, nicht auf bie 
Überfegung, da es nicht rathſam erſchien, die gelungene Arbeit 
eines Zobten einer fremben Zeile zu unterwerfen. 
Die lithauiſchen Dainos find größtentheits Lieber erotifcher 
Gattung, fortgefegte Idyllen des häuslichen Lebens, indem fie 
die zarten Berhältniffe zwiſchen Ramiliengliedern und Verwandten 
auf die anfpruchlofefte Weile vor Augen führen. Die ganze 
Sammlung iſt gleihfam ein Eyfins der Liebe durch alle ihre 
Abſtufungen bis zur Vollendung in der Ehe. Wie einfach lieb⸗ 
lich glei das Beh „Der Brautſchag: 
Ich, der lichen Mutter 
Eingeborne Toter, 
Var nit ſaͤumig, ihr Geſchäfte, 
Gaure Arbett anzugreifen, 
Gleich den andern Maͤgben. 
Mir. befahl die liebe Mutter 
Irſh am Morgen aufpeftehn. 
Sch gehorchte, fruͤh aufſtand ich, 
Bänbete ide Feuer az, 
Seüpteft zu bereiten. 
Mir befahl die liebe Mutter 
Belinea Garn zu ſpinnen. 

. Ich gehorchte, ſpann geſchwinde 


Mir befahl die liebe Matter 
Seine Eeinewand zu weben , 
Und ich webte, ſchlug zuſammen 
Da ſchon führt man meinen Brautieg 
doet in fremde Gegend, 
Mu zweien, dreien Wagen, 
Mit fünfen, ſechſen Roſſen 
Allen Feſtbegleitern. 
Die Mäder ſchnitten tief ein und -riflen bie Saiten entz wel 
Und von Kummer ganz zerriſſen 
War dad Herz bed Maͤgdleins. 
Als fie durch die Kleete ging, wankten bie Dielen ber Kierte unb 
Traͤufend troffen von meinem Antiig 
Die beißen Thraͤnen. 
Bon diefer feinen, finnlidhen Anfchauung find alfe biefe merk 
würdigen Lieber erfüllt. So ſpricht der Bräutigam Mur Braut, 
als er fie den Kranz flechten fteht, den Brautkranz „Wainilas” 
aus Rauten geflochten : 
Sieh ber betrachtend 
Du zartes Maͤgdlein 
Be mein Rob erjittert. 
So vwirf bu zittern, 
Wenn du im Brautfrang 
Bu mir geführt wirft: werben. 
Und wann bu gehn wirft 
Un meiner Seite, 
Wirt du wie Wachs zexrichmelgen. 
Stanig, zart, rührend, vom tiefften, aber klaren re 
eingegeben hauchen die Lieber hin, beachtenswerth bu pi 
Stempel ber reinen Sittlichkeit, ber faft allen aufgebeädt iſt. 
Wenn ſchon bie eine w Wirkung bervors 
briagt, um was mehr muß es bad Driginat I Die Berbeiratkung 
mit einem Jrohnbauern duͤnkt bem jungen Maͤdchen das bitterfbes 
Wer Kammer wii erieben 
Die geh? zur Braut und werde 
Des Schaarwerkſohnes Gattin. 
Das Schaarwerk hieß bei den Lithauern bie Plage, —— 
ber Bertuft fo vieler Tage für die Bearbeitung bed eigenen Fe 


des, die meitenweite Reife, die barbarifche machte 


zen den Frehadienſt dazu. Lieber will has Weäbdien bes 
Kerwoirters Sohn heirathen: 

Gr wird zum Walbe gehen, 

Ins gräne Birkenwoͤldchen, 

Mich laſſen Im fügen Schlummer. 

Bebeckend mit dem Pfäble. 

Er wird vom Walde kommen, 

Vom grünen Birkenwälbchen, 

Mitbringen braun Geflügel, 

Und holde Liebesworte. 


An eigenthuͤmlicher Phantaſie fehlt es den lithauiſchen Liedern 
nicht. Der Mond hatte die Sonne zur Frau genommen, ba 
war erfier Frühling. Aber die Sonne ſtand früh auf und ber 
Mond verbarg fi. Gr wandelte einfam und gewann ben Mor: 
genftern lieb. Da ergrimmte der Donnergott und zerbieb ihn 
mit dem Schwerte. Rhefa zweifelt, ob eine europaͤiſche Nation 
vorhanden fei, weldhe bie Liebe der Bauernhütte in fo vielfeitis 
gen Brautliedeen ausgemalt habe. Ihre Eigenthuͤmliches, fagt 
er mit Recht, ift ihre ſchlichte Natürlichkeit, ihr ungezroungene®, 
einfaches Wefen, was jede Kunft in Wendungen, Bilbungen 
und Vergleichungen, kurz allen Schmud der Poeſie verſchmaͤht. 
Hierdurch kündigen fie ſich beim erſten Blick als Producte an, bie 
aus dem Wolfe felbft hervorgegangen find. Die Llithauifchen 
Dainos tragen keine Spur einer fpätern, kuͤnſtlichern Bearbei⸗ 
tung an fi, wie die Volkslieder der meiften Nationen, ſelbſt 
die ſo ſpaͤt erſt uns bekannt gewordenen der Serben nicht aus⸗ 
geſchloſſen. Einige tragen unverkennbare Spuren eines hohen 
Titerthums an ſich, andere find erſt in den legten Kriegen ges 
dichtet. So lebt alfo die Poefie in dem Landvolke fort. Aber 
da das Heidenthum bis lange nach der Reformation ſich in Ei: 
thauen erhielt, ift es fein Wunder, wenn bie alte Mythologie 
in vielen Liedern vorherrfcht. Über das eigenthuͤmliche Metrum 
leſe man Rheſa's gehaltreiches Vorwort noch; der Heim ift nicht 
allein nicht weſentlich, fondern ſcheint, wo er ſich findet, nur 
durch den Zufall herbeigeführt. 

Vergébens blieb Rheſa's Mühe — er bat 15 Jahre an 
dem Werke gefammelt, und aus Liebe zur Sache weder Reifen, 
Arbeit noch Koftenaufmand gefcheut —, hiftorifche Lieder unter 
den Lithauern aufzufinden. Die Analogie ber benachbarten Na⸗ 
tionen ließ ihn folde auch unter den Lithauern vermuthen, bie 
ihre Heldenzeit und berühmte Krieger und Derzöge gehabt ba: 
ben Vermuthlich haben fie fih aber, aus Mangel an Aufs 
zeichnung, im Munde des Volks verloren. Doch, meint er, 
daB vielleicht noch einige Bruchftüde in den, entferntern Gegen: 
den Großlithauens ſich finden dürften. Ältere Chronikanten 
fprechen deutlidy davon, daß das Volt feine Heiden befang. In: 
tereffant ift die Notiz, daß Lefjing einer der erften Deutfchen 
war, welcher auf den Werth der lithauifchen Volkslieder auf 
mertfam madıte. 10. 


— — 


Literarifhe Notizen aus Frankreich. 
Werke über Rußland. 

Das neueſte Werk Cuſtine's uͤber Rußland, von dem unſere 
politiſchen Zeitungen viel Geſchrei gemacht haben, verdient dieſe 
Beachtung unſerer Meinung nach nicht. Es ſteht an Intereſſe 
den meiſten fruͤhern Schriften des geiſtreichen Weltmannes, der 
ſich in feinen fluͤchtigen Bemerkungen oft gar zu ſehr gegen 
läßt, weit nad. Wir hatten Auffiärungen über politifche Ver⸗ 
bästniffe, Beobachtungen über den Buftand bes Landes und bie 
verfchiedenen Gtaffen feiner Bewohner erwartet, aber von alle 
Dem erhalten wir nichts. Cuſtine gefteht übrigens auch in aller 
Ginfatt, er kenne weder das Voik noch den Mittelftand und 
man dürfe deshalb in feiner Schrift nur folge Dinge fuchen, 
die man beim Beſuch der höhern Salons fehen oder erfahren 
ann. Dann uber durfte der Verf. auch nicht den vielnerfpres 
enden Titel „„La Russie en 1839’ geben, ber ein vollftän: 
diges Bild jenes intereffanten Landes erwarten ließ. Denn 


appliquée a la physiologie et A la pathologie.” 


wie gewaltig auch die Mall der Großen in Kußland fein 
mag, fo wuͤrde mun body ohne Zweifel zu weit geben, wenn 
man in ber großen und gemiſchten Bevölkerung biefes Ranker 
ben dei allein fehen wollte. Gerade die unterm Claſſen ker 
ruſſiſchen Nation verdienen jetzt befondere Beachtung, weit fi 
bis jegt faft noch von keinem Gchriftfleller aus dem Schatten 
bervorgezogen find, während wir unzählige Darftellungen aus 
den höhern gefellfhaftlichen Kreifen in Rußland befigen. Sehr 
beacdhtenswerth ift deshalb eine Schrift von Golowin, In mes 
er dem bebrüdten Theile der Nation, namentlich den Erik: 
eigenen, befondere Beachtung geſchenkt wird. Der Berf, iſt 
Nuffe von Geburt und lebt feit längerer Beit in Paris. Gr 
kennt die Verhäitniffe feines Vaterlandes genau und if una 
pengig genug, den Gchleier zu lüften, der uns bis jegt die Lage 
es niedern Volkes in Rußland verborgen bat. Obgleich alle, 
wie gefagt, Suftine bei feinen Darftellungen nur bie vornehmern 
Claſſen der Geſellſchaft beruͤckſichtigt, gibt er doch auch in diefer 
Beziehung nichts Befriedigendes. Er ift, wie man ſchon aus 
feinen frübern Werten, namentlich aus dem beſten davon: 
„L’Espagne sous Ferdinand VII”, weiß, ein geiſtreicher Beob: 
achter, der bier und ba. irgend etwas aufzugreifen und inter 
effant darzuftellen weiß. Sehr geſchickt ift er in der Cutwerfung 
Heiner pitanter Skizzen, aber er hat nicht Ausdauer genug, um 
ein vollfländiges Bild zu machen. Zudem gefällt es ihm, nur 
immer auf ber Oberfläche hinzufpielen, ohne jemals auf den 
Kern ber Sachen einzugehen. Ungleich intereffanter und werth⸗ 
voller für die Kenntniß. des ruſſiſchen höhern und niedern Weit 
ift die befannte Schrift des Fürften Dolgoruki, welche derſelbe 
unter dem Pfeudonym Amatgio herausgegeben und die ihrem 
Verf., wie es heißt, die Ungnade feines kaiſerlichen Herrn zw 
esogen bat. Vor kurzem haben wir auch nod ein anders 
erk über Rußland erhalten, welches vecht gut gefhrieben if, 
aber eben nichts Neues zu Markte bringt. Es führt ben Zitel: 
„Impressions d’un touriste en Russie et en Allemagne”, don 
Pierre Albert. Der Berf. diefes Schriftchens von geringem 
Umfange wollte eine Art von Reiſehandbuch geben, aber dem 
Neifenden ift nicht mit flüchtigen „Eindruͤcken“ gedient, fondern 
er muß pofitive Angaben und vorzüglich Vollſtaͤndigkeit in allen 
Punkten, die für ihn von Sntereffe find, verlangen. Gin It 
nerarium ift nicht für die eigentliche Eecture, fonbern nur für 
das Nachſchlagen beſtimmt. ingelne Partien biefes Bades 
verdienen indeflen wirkliche Beachtung und man kann insbrion: 
dere dem Verf. Talent in der Schilderung nicht ſtreitig machen. 
Eo haben uns die Befchreibungen von Petersburg, Mostau, 
Berlin, Dresden, Prag, Münden u. f. w. zum Theil recht on 
gefprochen. Auch bie politiſchen Bemerkungen, bie er feinem Werte 
eingeftreut Hat, tragen das Gepraͤge einer reifen Weltanſchanung. 


Deutfhe Anatomie in Frankreich. 

Unter der Zahl Derer, welche die deutſche Wiſſenſchaft 
im Auslande vertreten, ift ber Dr. Mandl einer von Denn, 
weiche ſich das meiſte Verdienft erworben haben. ine Reihe 
intereffanter Abhandlungen, die ſich meiftens innerhalb der Ana: 
tomie und Phyfiologie bewegen, hat bei der Akademie der Wiſ⸗ 
fenf&haften zu Paris die gebührende Anerkennung gefunden. 
Mandl theilt in diefen verfchiedenen Monographien nıdt nur 
die wichtigen Refultate eigener Beobachtungen und Unterfucdan: 
gen mit, fondeen leiſtet der Willenfchaft dadurch einen Dienfl, 
daß er die Kranzofen mit dem Stande der Anatomie und Php⸗ 
fiotogie in Deutfchland befannt madt. Sein neuefles Werk il 
umfaflender und wird feinem Namen eine größere Geltung det 
fhaffın. Es führt den Xitel: „Manuel d’anatomie 
Die Fran: 
zofen befommen hier zum erſten Wale einen vollftändigen Überbld 
über die Syſteme, die gegenwärtig in Deutfchland herein. 
Dabei ift es dem Verf. gelungen, die oft etwas bunleln Ihe 
rien, bie in ber Faſſung, in der fie den Deutfchen vorliegen, den 
Franzoſen gerabezu unverftändlih bleiben würbsn, in Hart, 
faßlicher Darftellung zu entwideln. 2. 


Verantwortliher Heraudgeber: Heinrich Brockhaus. — Drud und Verla von 8. 4. Brodhaus in Leipzig 





Blätter 


für 


literarifhe Unterhaltung. 





Mittwoch, 





Leſſingiana. 
(Beſchluß aus Nr. MB.) 

Ein anderes Fragment bezieht ſich auf die ſehr aus⸗ 
führliche Zergliederung und Kritik von Favart's „Soli: 
man 11.” (Re. XXXIII — XXXVI), nad) einer Erzählung 
von Marmontel, wo Leifing das Verdienſt des Dramati- 
ters in feinen Abweichungen von der Quelle nicht lobend 
genug auseinanderfegen koͤnnen: 

11. Sorftellung.. Soliman der Zweite. *) 

Ob Favart die Veränderungen aus Eritifgen Urfachen ge: 
macht? Db er es nicht blos gethban, um feiner Nation zu 
fhmeicheln? Und feine Franzoͤſin nicht allein zum lebhafteften, 
wisigften, unterhaltendften, fondern auch ebelften und großmüs 
ttigften Mädchen zu machen? Damit man fagen müfle: es ift 
wahr, fie ift ein närrifches, unbedachtſames Ding, aber body zus 
gleich das beſte Herz? So wie Beilfig, im Franzoſen zu Eons 
don, feinen Petitmaitre am Ende doch zu einem jungen Men: 
fhen naher macht; und dadurch alles das Gute, was bie 
Schilderung feiner Thorheiten fliften koͤnnte, wieder verderbt. 
Marmontel fagt überhaupt fchon von ber Rolle des Petitmaitre 
(Poetig. frang., T. II, p. 395): On s’amuse & recopier le Pe- 
tit-Maltre, sur lequel tout les traits du ridicule sont Epui- 
ses, et dont la peinture n'est plus qu’une Ecole pour les 
jeunes gens, qui ont quelque disposition & la douceur. 

Die franzöfifhen dramatifchen Dichter Überhaupt find jegt 
die berechnendften Schmeidhler der Nation. Um bie Eitelkeit der- 
felben bringen fie ihre Verſuche in Schug. Beweiſe hiervon 
an dee Belagerung von Calcis, und noch neuerlihd an — 

Gleichwol find wir Deutſche fo gutmüthig, ihnen biefe 
Gtüde nadyzufpielen, und die hohlen Eobeserhebungen der Fran⸗ 
zofen auf deutfchen Theatern erſchallen zu Laffen. 

unmoͤglich Eönne doch bei uns ihre Tragödie von ber Art 
gefallen; und ihre Komödien ber Art müffen vollends verun- 
glüden. Wir haben keine Rorelanen, wir haben feine Petit: 
maitres, wo follen unfere Schaufpieler die Mufter davon ge: 
feben haben? Kein Wunder alfo, daß fie diefe Rollen jederzeit 
ſchlecht ſpielen. Und defto beffer! 

Auf einem halben Bogen ſtehen endlich einige Be⸗ 
merkungen über Voltaire's fo hochgeprieſene Großmuth ges 
gen die Enkelin von Corneille, zu deren Beſtem er die 
Werke ihres Großvaters mit einem Commentar heraus⸗ 
gegeben hat. 

Die Komoͤdianten waren bie Erſten, weiche fi des Enkels 
Ks geoßen Sorneille öffentlich annahmen. Sie fpielten zu ſei⸗ 
wa Beften die Rodogune, und man lief mit Haufen hinzu, ben 





% Darauf weil genau bad handſchriftliche Verzeichniß bin, mit 


eiarm „ND. das Rädkändige von 3.” Der Tag wer „Montag 


den U, Augufl.”” 


Schöpfer bes franzoͤſiſchen Theaters in feinen Nachkommen zu 
beloynen. Dem Brn. v. Voltaire warb die Mabemoifelle Cor⸗ 
neille von le Brun empfohlen; er ließ fie zu ſich kommen, übers 
nahm ihre Erziehung und verfchaffte ihr burch die Ausgabe der 
Werke ihres Großvater eine Art von Ausfteuer. 

Man bat die That des Hrn. v. Voltaire ganz außerorbent: 
ih gefunden; man hat fie in Profa und in Werfen erhoben, 
man hat bie ganze Geſchichte in einen befonbern griechiſchen 
Roman verkieidet (La petite niece d’Eschyle, 17861). 

Sie ift auch wirklich ruͤhmlich; aber fie wird dadurch nichts 
rühmlicher, weil es bie Enkelin des Corneille war, an ber fie 
Voltaire ausübte. Vielmehr war bie Ehre, von der er voraus⸗ 
fehen konnte, daß fie ihm nothwentig daraus erwachfen mußte, 
eine Art von Belohnung; und der Schimpf, der dadurch gewifs 
fermaßen auf Fontenelle zurüdfiel, war vielleicht für Boltaire 
auch eine Eleine Reizung. 

Auch das Unternehmen, ben Gorneille zu commentiren, 
ſchrieb man bem rn. v. Voltaire als eine außerorbentlih uns 
eipennüigige und großmäthige That an (Journal encycl., Oct. 
1761): L’exemple qu'il donne est unique; il abondonne 
pour ainsi dire son propre fonds pour travailler au champ 
de son voisin et lui donner plus de valeur etc. (Die von 
Leffing ausgezogene längere Stelle [liegt mit den Worten : 
Nous admirerons davantage l’auteur de Rodogune, de Po- 
lieucte, de Cinna, quand nous verrons toutes ces pieces 
enrichies des Commentaires que prepare l’anteur de Maho- 
met, d’Alzire et de Mérope; ils vont fortifier l’idee que nous 
nous formons de Corneille, et le rendre, s’il est possible, en- 
core plus grand à nos yeux; ils feront lire le texte avec- 
plus de plaisir et plus d’utilite.) j 

Wie viel iſt von diefer fehmeichlerifchen Prophezeiung ab» 
gegangen. Wie fehr iſt diefee Kommentar anders ausgefallen? 
Wie leicht wäre es zu glauben, daß Boltaire auch hierbei fehr 


eigennügige Abfichten gehabt hätte. 


Hierbei dürfte e6 für diefe Mittheilungen genügen 
Einer Erwähnung indeß mag es wenigflens verdienen, 
daß unter diefen Papieren und zwar aus Leſſing's Jugend 
fi) einige Überfegungen befinden, als von „Catilina. Ein 
Zrauerfpiel ded Deren v. Crebillon. Aus dem Franzoͤ⸗ 
ſiſchen überfege von G. E. 2. (Berlin 1749, unvollendet 
und in gereiisten Alerandrinern); ferner Überfegungen von 
Thomſon: „Tankred und Sigismunda“ (nur der Anfang) 
und von deflelben Dichters „Agamemnon”, beides in Proſa. 
Auch Calderon’s ‚Das Leben ein Traum” fing Leſſing 
zu Überfegen an; aber außer dem Titel („Das Leben iſt 
ein Traum. Ein Schaufptel aus dem Spaniſchen des Don 
Pedro Galderon de la Barca Überfegt”, Berlin den 23. 
1750) und der Überfchrift des erften Auftritts („Roſauta 
kommt von der Höhe eines Berges herab, fie iſt als eine 


Mannsperfon verkleidet, im Reifehabit, und ſagt Bolgendes”), 
ift nichts vorhanden. 

Hier könnte ich dieſe vielleicht ſchon zu langen Mit⸗ 
theilungen fchließen ; doch weil id im Eingange der Leſ⸗ 
fing’fhen Recenfion des „Renner” von Hugo von Trim⸗ 
berg gedacht, und der wuͤrdige Beſitzer biefer ſchaͤtzbaren 
Geiſtesreliquie Leſſing's fie, unter andern Beweiſen feines 
gütigen Vertrauens, mir mitgetheilt hat, fo dürften einige 
Bemerkungen über Beſchaffenheit und Bedeutung dieſes 
Manufcripts Ihre Aufmerkfamkeit noch einige Minuten 
in Anſpruch nehmen. Died Manufeript enthält nicht den 
ganzen „Renner“, fondern nur die erfien 4365 Verſe, den 
Titel davon hat ſchon Fülleborn (Leſſing's Werke von 
1826, S. 83) nad eigener Anſicht angegeben: „Der 
Renner Haugs von Trimberg. Aus drei Handschriften 
der herzoglichen Bibliothek zu Wolfenbüttel wieder 
hergestellt” I, v. 1— 4366; ein Quartband von 167 
Seiten, für den Drud fauber, obwol mit vielen Rafuren, 
abgefchrieben (von V. 2808 an ift die Seitenzahl des aͤl⸗ 
teften und früher einzigen Druds, Frankfurt 1549, an 
den Rand bemerkt). *) Es war leicht zu bemerken, daß 
diefer Band nicht den ganzen „Renner enthielte, aber mo 
war und ift das Übrige? Darüber fagt Fuͤlleborn nichts. 
Hr. Geh.⸗Rath Delsner, von Eifer befeelt, ſich diefen Schag 
zu ergänzen, hat bereit6 im J. 1812 Schritte gethan, auch in 
den Befig des zweiten Theils dieſer Leffing’fchen Abſchrift 
zu gelangen. Damals befaß fie naͤmlich Eſchenburg in 
Braunſchweig. Friedrich Auguft Wolf, Delsner's Lehrer 
und fein Freund, bemühte ſich felbft, feinem Wunfche Bes 
feledigung zu verſchaffen, einer der vielen Beweiſe echter 
Zuneigung, welche der große Philolog unferm verehrten 
Mitbürger bei mehr als einer Gelegenheit zukommen ließ. 
Delener war in Halle auf der Univerfitätsbibliochet unter 
Wolf thätig; unter ihm legte er den Grund zu ber um: 
foffenden und gründlichen Literatur = und Bibliothekkennt⸗ 
niß, womit er einen der reichhaltigften und ſeltenſten Bü: 
cherſchaͤze in Deurfchland gefammelt und geordnet bat. 
ine der größten Zierden darin ift Wolf's trefflihe Buͤſte 
in Marmor, ein Geſchenk des DVerewigten; der von ihm 
herruͤhrenden literarifchen Werke nicht zu gedenken. Dels: 
ner's Briefwechfel mit 5. A. Wolf dürfte einft ganz neue 
Auffchlüffe, wenigftene weſentliche Berichtigungen der vor: 
handenen Lebensnadrichten über den nicht felten verkann⸗ 
ten großen Philologen darbieten. Wolf alfo fuchte in ei: 
nem Billet, das unferm Wanuferipte als Document bei: 
liegt, durch einen Dritten die Entäußerung des zweiten 
Theils des „Renner” bei Efchenburg zu veranlaffen; ver: 
gebens! Eſchenburg ſchlug es rund ab; feine Antwort 
liege im Originale bei: 

Ich befige allerbingg — fchrieb er aus Braunſchweig ben 
6. Zuti 1812 — den zweiten Theil der eigenhändigen Leſſing'⸗ 

°) Der Iehte Vers: ‚Das nimmer sich aufgerichtet wider‘, ent: 
ſpricht dem V. 4418 ber neuen bamberger Ausgabe in Quart, ©. 86, 
wo noch die oft wiederkehrenden Verſe folgen: 
Nu sul wir ab’ furbaz rennen 
und unsern h’ren baz erkonnen. 


Es if dad Ente der hier (nit bei Leffing) überfhriebenen Kabel: 
‚Das ist von der siangen vad ven des menschen missetat.” 


fen Abfchrift vom Renner, und biefer gebt . 
6326, * Bt. 34b 3. 30 der udn — Kin 
Blaͤtter hat. Die Arbeit iſt alfo noch nicht Halb votlen: 
det. Jene Handſchrift erhielt ich, mit mehren andern, ven 
Leſſing's Bruder in Breslau, ber mir ſchrieb, der erſte Ze 
liege, wegen eines Proceſſes mit den Erben, zu Berlin in Br 
flag; id ſollte ihn aber haben, Tobatb der Procef geendlat 
ſei. Leſſing's Bruder iſt, wie Sie willen, nun audy tott, mi 
den Anfang jener Abfchrift befist Ihr ungenannter Kerund? 
Wie wäre es, wenn Sie diefen bewegen könnten, mir dag Ma: 
nufcript zu überlaffen, denn von meiner Hälfte Tann ic mid 
unmöglich trennen. ... . 

Dabei blieb es. Nach Eſchenburg's Tode gab fih | 
Hr. Geh.: Rath Delsner zwar wiederholte, aber ebenfo un: 
fruchtbare Mühe, den zweiten Theil zu erlangen; ‚biels 
Manufeript blieb fogar eine Zeit lang ganz verfchollen, | 
Sm J. 1833 beſaß es jedody (nach der Angabe der dam⸗ 
berger Derausgeber des Menner, Vorrede Nr. 30) Hr. 
Hofrath Graberg in Braunfchmeig *), und es wird we: 
muthlich noch daſelbſt fein. 

Ich vermuthe jetzt, daB aber noch ein dritter (m 
nicht gar noch ein vierter) Theil dieſer Leffing’ihen Re 
cenfion des „Renner“ vorhanden geweſen fein wird, mi: 
cher das Übrige und Fehlende enthielt, und der entwehr J 
verloren ging oder fich noch in öffentlichen oder Privat: 
befig in Deutfchland finden möchte. Denn Leffing ſpricht I 
in einem Fragmente feines Briefs an Herder vom IN. 
San. 1779 zu beflimmt und ſchlechthin von dem „Rm: 
ner”, den er aus drei Manuferipten der Bibliothek in 
Wolfenbüttel ‚‚zufammengefchrieben” und den er eben bi 
Weygand habe druden laſſen wollen, als ihm unvermi: 
thet ein viertes Manuſcript aus Hamburg zugekommen 
u. ſ. mw. Mir fcheint nicht, daß Leffing, bei feiner praci: J 
fen Art zu fprechen und zu fchreiben, ſich fo ohne Ein: 
(hräntung würde ausgedrüdt haben, wenn er nur die 
Hälfte, ja nicht einmal die Hälfte des ‚‚Renner” hätte diu⸗ 
den Iaffen wollen; noch weniger kann man annehms, 
daß ihm der wahre Umfang dieſes ſeines Lieblingsgedicht 
unbelannt gewefen fei. 

Eine andere Frage endlich ift die, ob und melden 
Pritifchen Werth die Leſſing'ſche Recenſion, fo weit ſu, 
wenn auch als disjecta membra, vorhanden ift, übe: 
haupt für uns einnehmen, ob diefe Handſchrift, märe ft 
gedrudt worden, die Derausgabe des Gedichte durch dem 
Hiftorifhen Verein überflüffig gemacht, oder gar jede fünf: 
tige kritiſche Ausgabe überflüfftg machen würde? Gewij 
niht. Wie fehr auch „manche Mitglieder des Verein‘ 
fih befcheiden, feine fo gründlichen Kenner der altdeutſchen 
Sprache zu fein, als zur befriedigendften Erörterung Dt 
‚Renner‘ erfoderlich fein möchte, und den guten Wil 
haben, den Meiftern in diefem Fache die Arbeit zu 
leichtern“, fo ift doch das Beſtreben, eine kritiſche Aut: 
gabe, nach dem heutigen Standpunkte der Wiſſenſchaft, 


*) Rad ihrer Angabe ainge die Abichrift von Werd an⸗ as. 
Serig if, was fie daſelbſt Ne. 7 von einer Handſchrift des, Menu” anf 
Pergament mit 337 Blatt vom 3 IR in ber Uniuerfitätiii 
zu Breslau erwähnen; eine Abfchrift des Renner if daſelbſt ger 
nicht vorhanden. An ber citirten Gtelle bei Auffep iR arch (HM 
Prof. Hoffmann) austrädlid Leiden, nit Wredlan genannt. 





9 


feſtzuſtellen, überall außgefprochen. Lefling dagegen hat es, 
bei Gelegenheit der Kabeln des Bonerius („Beitraͤge“, V, 
19) offen geſtanden, daß er ed „bei den alten Dichten, 
die man bios zum DBergnügen leſe, ohne eben daraus 
auch nur die Geſchichte der Sprache ſtudiren zu wollen”, 
niht fo diplomatifh und kritiſch fireng genommen haben 
wolte, und an einem Beifpiele aus Boner's Fabeln ges 
zeigt, wie aus drei Dandfchriften eine vierte „gezogen”' 
werden könne, „die fi) ohne allen Anſtoß auch jebt Iefen 
toffe, ohne gleichwol mobdernifirt zu fein, oder ein einziges 
Wort zu enthalten, welches nicht den einen oder andern 
Tert für fih babe”. Gerade fo beim „Renner“, den er, 
foreibt ec ja an Herder, aus drei Handfchriften zufam: 
mengefchrieben habe, wie er glaubte, daß er wol koͤnne 
gercefen fein. Es Bann fein, daß Leffing, bier, wie ans 
derswo, fih den Schein der Oberflächlichkeit oder Leichtig⸗ 
keit gab, um feiner Arbeit bei. feinem Publicum leichtern 
Eingang zu verfchaffen; indes bat auch er die fo fpäte 
Schöpfung der altdeutfhen Grammatik, diefer Grundlage 
aller wiſſenſchaftlichen Texteskritik, nicht anticipiren koͤn⸗ 
nen.) Immer aber hat Keffing, wie an vielen andern 


°) Zur Probe theile ich bie Babel oder Adegorie mit, womit ber 
erſte Theil, wie angegeben, fließt; danach vergleidhe man: 
Von einem vlangen ich weilent las, 
Der het drei haupt, und was 
Segetan wunder an In geleit, 
Wer im der haupt eins absneit, 
So wuchs drei an einer stat. n 
Alsam tut unser missetat, 
. Sieh wir ein ab so wachsen drei: 
Sas wirt der mensch nimmer frei, 
Er mus streiten gen der untugent 
Ina dem alter und ia der jugent. 
Hoffart, unkeusch und geitigkeit 
Fügen manik unsclikeit. 
Auch hat mauik sel verlora 
Neid, fras, lasbeit und zorm. 
Die siden gespiln sein ungescheiden. 
Wann under kristen, ketzern, heiden 
Eis ir diener tegelich. 
Wer sich ir einer underwindet 
Vn Aier or sich ervindet 
Das in die andern heimlich 
Beginnen suchen und offenlich 
Ein tagent ist, on die andern nicht. 
Untugent hat dieselbe pflicht. 
Wer ewig fried wolle hab 
Der siah die haupt ze mal in ab, 
Als Hercules ein frummer mas, 
Des siangen dribaupt hat getan 
Die sing er ab mit einem siag 
Nach heidnischer meister sag 
Unkousck ist on heart nicht 
Fres hat mit in beiden pflicht 
Neid und zora sein in geeipp, 
Von des alten slangen ripp. 
le zuchtmuter ist geitigkeit 
Was kesten sell, das ist Ir leid. 
Lassheit, die fan! pemstein 
Drisget vi gera mit in ein 
Und soucht menik hers nider 
Das nimmer vich sufgeriehtet wider. 
rm eine neme Peitifhe Ausgabe bed „Renner einmal von einem 
Baum vom Bad bearbeitet wird, fo wird zuglei ein gefäligeres 


Orten, fo auch bier, ben rechten, gründlichen, wiſſenſchaft⸗ 
lihen Weg, dem Geiſte nach, vorgezeichnet und feibft bes 
treten , fodaß die auf dieſem Felde gezogenen herrlichen 
Fruͤchte als Denkmale feines Geiſtes unter uns angefehen 
werden koͤnnen. Namentlich läßt fich über den richtigen 
Takt, womit Leffing gerade das Gedicht Hugo von Trim⸗ 
berg's wählte, wenig fagen nach der fo beredten und mar: 
men Auseinanderfegung, welche Gervinus über die unver: 
gängliche Bedeutung jenes Gedichts für die Gefchichte des 
beutfchen Mationalgeiftes gegeben hat. Ehre dem Anden: 
ken Leſſing's, welcher zu einer Zeit, wo auf dieſe Seite 
unferer Literatur: und Gulturgefchichte erft noch einzelne 
matte Stralen fielen, ats echter Patriot den Schacht der 
Vergangenheit mit der Leuchte einer beffern Zukunft auf: 
zußlären geftrebt. 8. €. Bubrauer. 





Urtheil eines Briten über deutfche Malerei. 


Das „Athenaeum’ fährt fort, bei jeber Gelegenheit bie 
deutſchen Mater ihres coloritiofen Colorits wegen zu tabeln. 
Der jegige Ausfall trifft beſonders Kaulbach und Heinrich Heß, 
von denen bei einer Ausftellung von Gemälden, meift ditern, 
in der Londoner Pal! mall, einige Bilder zu fehen waren; von 
jenem der Kopf eines Moͤnchs. „Könnten wir glauben’, fagt 
der Berichterftatter, „daß Kaulbach nad) feinem fangen Unter: 
riht bei Cornelius nichts Beſſeres malen konnte als biefen 
Moͤnchskopf, fo würden wir ihn zur Verbrennung ber rechten 
Hand verurtheilen, zus Strafe für ein fo ſtarkes Beifpiel von 
mangelhafter Ausführung; doch ift es nur ein ifolirtes und fein 
wahrhaftes Zcugniß feines Talents, welches, wie wir hören, 
auf das Fresco und bie enkauſtiſche Malerei befchränft ift.*) 
Shriftus die kleinen Kinder fegnend, von Heß, iſt vielleicht als 
Wahlſtuͤck rin ſolches Specimen von ſchlechter beutfcher Aus: 
führung, als fi) englifches Borurtheil gegen bie continentale 
Kunft nur wuͤnſchen oder ein taktoolles englifches Somite nur 
wählen kann, um biefes edle Gefühl zu nähren.” Nun kommt 
eine gar nicht liebenswuͤrdige Schilderung des farbigen Aus: 


-fehens dieſes Gemaͤldes, die aber unzweifelhaft carifirt ift, und 


zur Carikatur bat bekanntlich der Engländer erftaunliches Ta⸗ 
ient; der Ref. gebt fogar fo weir, zu behaupten, Deinri Heß 
male nicht einmal halb fo gut als Zadded Gabdi. Dies bat 
aber der Engländer vor bem Franzofen voraus, daß er, wo er 
tadelt, gründlich tadelt und nicht blos oberflächlich, und daß 
ee von der unſcheinbaren Außenjeite eines Dinges ſich über den 
anderweitigen Werth beffelben nicht täufchen laͤßt. 

Immer weift er auch darauf bin, daß foldhe ifolirte Bil⸗ 
der in Dt weder etwas für noch gegen die Zrefflichkeit der 
muͤnchner Malerſchule beweiſen, deren Meiſterſchaft hauptſaͤch⸗ 
lich im Fresco und inder Enkauſtik zu ſuchen ſei. Auch geſteht 
er dem eben genannten Bilde von Heß große Verdienſte zu; 
er ſagt, die Compoſition habe viel Schönes; manche Geftalten 
hätten eine große Bieriichleit in ihren flatuarifchen Attituben 
und ibre Bewegungen eine ruhige Würde, die Gefichter ber 
weiblichen Seftalten glänyten, bei näherm Anfchauen, vor Lieb⸗ 
lichkeit durch ihren füßen und edeln Ausdrud, auch mehre ber 
Männcrköpfe verdienten großes Lob; um aber Heß volllommen 
würdigen zu Bönnen, muͤſſe man die Allerbeiligenlapelle zu 


Format und vor Allem eine den claffifden Ausgaben Lachmann's fi 
mehr anſchließende, durchgaͤngig gleichfoͤrmige Schreibung, als die der 
Bamberger Ausgabe, zu wünfden fein, 

°) Wie man weiß, führt jedoch Kaulbach feine große Gompofition. 
Die Zerſtoͤrung Jeruſalems, in DI aus; auch bat er in jängs 
* Zeit Portraits geliefert, die von großem Barbenfinn zeugen 
ollen. 


Muͤnchen befuchen, weiche bie wahrhafte Arena feines Talents 
‚fe. Dann fährt er fort, es ſei nicht parador, zu behaupten, 
daß die deutfchen Maler ihre Gemälde nicht zu malen wüßtens 
ipre Färbung fei mehr eine Entfaͤrbung. Doerbeck, wie bet 
Ref. ſchon andern Orts gefagt, made ſich ein Vergnügen dar⸗ 
aus, feinen Pinſel in Pfirfichgrän zu tauchen; Bendemann in 
Waſſerblau; Philipp Weit fhmelge in ſchlammigem Braun; 
‚während ‚WBaron” (!) Gornelins ‚einen brandigen, d. h. ziegel⸗ 
fleinartigen Zon vorziehes Profeſſor Bogel, den er „unfern 
Liebenswärdigen Freund“ nennt, kommt in Bezug auf das Cor 
Lorit nicht beffer weg, und von Schnorr wirb gelagt, daß feine 
Meiſterſtuͤcke aus den „Nibelungen“ durch ein rußiges Anfehen 
rerunſtaltet feien. Legterer, ein ſehr bichterifcher Denker, babe 
an die Ausftellung im Louvre ein Ölgemälte gefandt, weiches 
überragend fchlecht gemalt gewefen fet, und biefe Palme fei auf 
der LoupresAusftellung ſchwer zu erreichen gewelen. Des ſchwedi⸗ 
ſchen Beneralconfuls Wagener in Berlin Sammlung moderner deut⸗ 
ſcher Gemätde enthalte micht ein Muſter von füßer, fanfter, weicher 
ober durchſichtiger Bärbung. „Die deutfchen Künftier”, fährt er 
fort, „haben unfere Einwürfe gegen ihr Golorit, wie wir erfahren 
haben, mit eben folchem Ärger aufgenommen, wie bie englis 
ſchen unfere Ausfälle gegen ihre Mängel in der Zeichnung ; jene 
zeihen uns des bigoteften Patriotismus, dieſe des antinationas 
len Vorurtheils, wir aber lieben die Kunft ſelbſt mebr als bie 
einzelne deutfche oder englifhe, ja als die altgriechifche ober 
mittelalterliche, und werden unfere geringe Kraft ſtets dazu 
verwenden, die Irrthümer jeder Schule darzulegen.’ 13, 





Literarifhe Notiz. 


Ch. Magnin und Ponſard's „Lucréce“. 

. Wir werden binnen kurzem eine Sammlung der Eleinen 
Schriften von Charles Magnin, dem geiftreichen Verf. der 
„Origines du theätre” u.f. w., welder einer der Gonfervatoren 
an ber Bibliothdäque Mazarine ift, erhalten. Ob der Zitel 
„Causeries et meditations’ für Eritifche Auffäge, welche doch wol 
den größten Raum tn den zwei Bänden, bie vorläufig angekündigt 
find, einnehmen müffen, ganz paffend ifl, wollen wir bahingeftellt 
fein laffen. Zum Theil ſehr ungeziemend waren bie Angriffe Mag⸗ 
nin's, der fonft ſehr human ift, auf bie vielbefprodhene Tra⸗ 
gödie von Ponſard. Magnin kann immer feine Heldenrolle als 
einer der kritiſchen Vorkaͤmpfer der romantifhen Schule noch 
nicht vergeffen. Und doch, wie haben ficy die Zeiten geändert 
und die Menſchen mit ihnen! Sainte-Beuve, ber einft in feiner 
Begeifterung fang, die Bögen des Claſſicismus feien zerträm: 
mert und alle Welt bete ſchon bie neuen Goͤtter an, iſt in ben 
Schoos des alleinfeligmachenden claſſiſchen Glaubens zuruͤckge⸗ 
kehrt; wenigftens find feine aͤſthetiſchen Anfichten unendlich mil: 
der und foleranter geworden. Magnin will Ponfard mit aller 
Gewalt, und fo ſehr ſich diefer auch mit Händen und Füßen 
fträubt, zum Romantiter mahen. Zu dem Iwecge werben alle 
Auffäge hervorgeholt, welche man in den mit Staub bedeckten 
Zahrgängen einer obfcuren „Revue de Vienne” aus Ponſard's 
Feder hat auffinden können. Aus einigen berfelben ſcheint her⸗ 
vorzugehen, daß der jugendliche Dichter fig damals zum Ro⸗ 
manticismus befannte. Unter Anderm wird eine fehr beißende: 
Kritik hervorgehoben, welche der zukünftige Poet der „, Lucr&ce’’ 
gegen eine Tragödie Viennet's, wenn wir nicht irren gegen 
„Argobaste”, gefihrieben hatte. Diefe Perfibie — denn diefen 
Namen verbient ed wol — verlegt Ponfard um fo mehr, da 
Viennet der Verf. der lobpreiſenden Kritifen fein fol, welche 
ber „Constitutionnel” über „Lucrèce“ bradte. Er tritt dee: 
bald offen auf und erkiärt, wie er jene Kritik auf Dörenfagen 
bin und ohne „Argubaste’’ geleſen oder gefehen zu haben, ge: 
ſchrieben habe Nicht mit Unrecht wol fagt er, wie ſchondlich 
es fei, flatt den Mafßſtab einer gewiffenhaften Kritik an fein 
Wert zu legen, fich zu fotchen Perföntichkeiten herabzulaſſen und 
dieſelben noch dazu in ben erften Jahren feiner Literarifchen 


Laufbahn zu ſuchen, wo er im Kinflern habe tappen müͤſſen. 
Mit einem - gewiffen Pathos ruft dann noch ber junge Dig 
ter: „Ic erkenne nichts von meinen fruͤhern Sachen an als 
„Luerece‘!' Bielleicht hat Janin, der fi) neulich Aber biefe 
jugendliche Eitelkeit luſtig machte, Recht; aber m Did. 
ter würde bei einem fo plößlichen und fo ungeheuern Triumphe, 
wie ber tft, welchen Ponfarb gefeiert hat, der Kopf nicht we: 
nigſtens auf einen Xugenblid ſchwindelig? Gelten hat wol ein 
Dichter fo einflimmigen WBeifall gefunden als der Verf. ber 
„Lucrèce““. Gogar ber gefirenge Eckſtein, ber gewoͤhnlich 
in das tolle Zreiben von Paris recht finfter dreinblickt, bat fih 
gedrungen gefühtt, eine leiſe Zuſtimmung zu niden. Nur Deine 
findet das Ding ohne alle Poeſte, gefteht freilich gieich ganz 
naiv, daß er die „‚Lucreoe” weiber gelefen noch geſehen habe, 
aber glaubhafte Leute hätten ihm das verſichert. Bielieicht 
bat er fein Urtheil aus der Gchmähfchrift des Schweizer: 
Fournier „„Anti- Lucrece‘’ gefhöpft, in der Ponfarb ein Bor: 
wurf baraus gemacht wird, daß er die Schändung der Eucrezia 
nicht vor den Zuſchauern vor ſich gehen läßt, weit das doch 
fehr ergreifend fein müfle. » 2. 





Literarifhe Anzeige. 
Ausgewählte Bibliothek 
Glaffifer des Auslandes. 


' Mit biographifch = literarifchen Einleitungen. 


Hiervon siny neu erschienen ver zwan bis adht: 
undzwanzigſte Band, welche enthalten sigfte de 
ÄX—XXU. Boceaccio, Das Delamerss. Aus 

bem SItatienifchen überfest von K. Witte. Zweite verbef- 
ferte Auflage. Drei Theile. 2 Thlr. 15 Nor. 

AXIIT— XXV. Bante Hlighieri, Die göttlidge 
Romddie, Aus dem Italieniſchen überfegt und art * 
K. £&. Kannegießer. Vierte, ſehr veränderte Auflage. 
Drei Theile. Dit Dante's Bildniß, den Plänen ber Hdüe, 
des Begefeuers und Paradieſes und einer Karte von Ober: 
und Mittel: Italien. 2 Thir. 15 Nor. 

den Defonberd rar Den Anpferbeilagen wer: 

XXVI. @eleftina. Cine bramatifche Nöovelle. Aus dem 
Spanifcyen überfegt von Ed. v. Bülow. I Thlr. 6 Nur. 

XXVIL XXVIII. Die Maͤrchenſammlung bes Somabdeva 
Bhatta aus Kaſchmir. Aus dem Sanskrit ins Deutfche über 
fegt von Bm. Brockhaus. Zwei Theile. 1Thir. 18 Rar. 


1. II. Bremer, Die Nachdarn. Dritte Auflege. M Rear. — IL 
ch r. 58 Da 


Das neue chen, überfept von Görfte 2 * 
, r. .— 
Ibchter des Präfldenten. Dritte Auflage 10 Ner. — VI vi Brei * 
ina. Zweite Auflage. 20 Rgr. — VI K Bremer, Des Haus. 
e Semi 


gr. — X. Biemer, D le &. 1 .—_ 
XI. Prevoſt VE ites Geſchichte der Manon Letaut —ä Bir 


low. W Rgr. — 
tlart ann egteher und tte. wette Xuflage. 2 Xhlr. 12 Wer. 





. Der geranbte Eimer, üB von Rt 
INgr. — XV. Sremer, Kleinere Et lungen MO Nor. hi Kyı. — 
mer, Streit und Friede. Zweite Auflage. io Rgr. — . Weltsire, 
Die Henriade, überjept von Schröder. 1 Xhlr. — XV. BEL... 
Schaufpiele, überfegt von Eichel. 1 Xhir. 6 Kar. — UX. obere | 
(Vitalis), Gedichte, Überfept von Kannegteher. 20 See. 


Eeipzig, im Auguft 1848. 


#5. A. Brockhaus. 


Berantwortliger Derausgeber: Deinrih Brodhaud. — Druck und Werlag von 8. A. Brodbaus in Leipzig. 





Blätter 


für 


littrariſche Unterhaltung. 





Gräfin Chateaubriand. Roman von Heinrich Laube. 
Drei Bände. Leipzig, ,Teubner. 1843. 8. 5 Zhlr. 
Sollen wie uns einer fo frifchen, warmen und treff: 

dichen Leiſtung, wie der vorfiegende Roman Laube's 

it, nie von Herzen freuen, ja follen wir, wenn wir 
ihn denn body nach deutfcher Unfitte durchaus mit Eriti: 
ſchem Auge betrachten und äfthetifch anatomifiren müffen, 
nicht flolz darauf fein, fobald wir ihn mit jenen Arbei- 
ten vergleichen, die uns vom Auslande her mit vielem 
Gefhrei empfohlen werden, und die den beutfchen Fode⸗ 
eungen doch oft fo wenig entfprehen? Wir geben bei: 
fpielsweife Hrn. E. Sue gern feine ans Barbartfche ſtrei⸗ 
fmde Phantaſie und feine diaboliſche Portraitlunft zu; 
wir erfreuen uns augenbiidiih an Cooper's Miniatur: 
bildern; wie wandeln mit Almquift zumeilen recht gern 
duch feine menſchenaͤhnliche Schattenwelt; wir laſſen 
ſelbſt Bulwer's und Boz' Sauner: und Diplomatentreife 
in Ehren; allein für uns vindiciren wir Spftem und 

Bewußtſein, and für unfern Autor die ‚‚poetifch gewor⸗ 

dene Geſchichte“. 

Dies iſt der Charakter des vorliegenden Romans: 
wirkliche Gefchichte im poetifchen Gewande. Ihm gegen: 
über gibt Walter Scott Poefie in geſchichtlicher Hülle. 
Daſſelbe Feld hat Laube fhon in feinen „Franzoͤſiſchen 
kuſtſchloͤſſern“ betreten, und er fegt bier gleichſam nur wei: 
te auseinander, was fi dort in Skizzen zufammen: 
drängte. Durch den ganzen dreibändigen Roman weht 
ein Geiſt Hiftorifcher Ergruͤndung, und die Gefchichte 
philoſophiſch und poetifch zu verklaͤren iſt des Verf. Ziel, 
28 mit Strenge, ja mit fichtbarer Selbftverleugnung ver: 
folgt wird. Dieſe Einheit bes Strebens thut wohl, gibt 
dem Werke ein Hauptelement der Schönheit: Ruhe, und 
net dem Lefer Befriedigung auf, wenn wir fo fügen 

n. 

Wehe ſchoͤne Bewältigung bes Stoffs und der Form 
auͤberall! In den geſchichtlichen Geſtalten, welche tiefe Er: 
faſſung der Individualität! Der Fortſchritt der Charak⸗ 
terentwickelung, wie bedacht, ruhig, felbſtbewußt, wie ge- 
ſchitt und wie anziehend! Wie theilnehmend folgen wir 
der geſchichtllchen Sonde, die uns das Geaͤder in Cha: 
eafterm und Begebenheiten barlegt, ohne der Poefie Ein: 
trag za thun, die Ihe zarte Licht, ihren Blütenflaub 
auf diefe hiſtoriſchen Seſtalten Freut! j 


Es gibt eime breifadye Beftaltung des hiftorifchen He: 
mans. Na der einen wird das hiſtorſſche Element ges 
gefegt, und mit dem poetifihen gefättigt, fo viel entweder 
dee Stoff verträgt oder der Berf. hinzuzuthun befähigt 
ift; nad) der andern geht das poetiſche Element voraus 
und erhält nur feine hiſtoriſche Baſirung. In ber ers 
fin Form find Walter Scott's Romane Muſter gewors 
benz; in der zweiten zeichnen fi Koenig, W. Alerts, 
Sternberg aus. Es gibt aber noch eine dritte Geſtal⸗ 
tung, nach welcher das hiſtoriſche Element fofort poetifch 
aufgefaßt und zu dichterifchem Endzweck verwendet wird, 
und dies iſt z. B. ber Fall in Tieck's Cevennen“. Diefer 
Formgebung ringe Laube nach, mit vollem Rede und 
mit vollem Bewußtſein. Wir unfererfeits können jebe 
Seftaltung des hiſtoriſchen Romans, bie nicht auf eine 
völlige Schmelsung des poetifchen Elements in das hiſto⸗ 
riſche ausgeht, nur für eine untergeordnete erachten, mag 
ihe flüdweife auch die auferordentlichfte und erfreufichfte 
Wirkung gelingen. Der gefhichtliche Roman bat keine 
andere Aufgabe als diefe;z er hat kein Geheimniß zu ent 
beiden als das, wie die Subjectivitaͤt der Geſchichte, 
das Pofitive dee Greigniffe, die Individualitaͤt der Pers 
fonen, in die allgemeine Wahrheit der Menfchennatue 
aufgeht, in da6 Abfolute der philoſophiſchen Weltbetrach⸗ 
tung ſich aufiöft, und in die ewige Wahrheit bee Poeſie 
binhberfpielt. Dies tft feine Aufgabe, ſeine Tendenz, ſein 
Reiz; ja, der gange Werth feiner Gattung, feine gan. 
Seltung im Kunftgebiet führe fi hierauf zurüd,. Hut 
er dieſe Aufgabe nicht gelöft; fo iſt er nichts, ober deh 
etwas Anderes als was er fein will und fen fol. :u% 

In dem vorliegenden Roman nun wird ein ſlichtbatth 
und glüdtices Streben angetroffen, jene Aufgabe zu”t# 
fen. Die Perfonen darin find Indlvidualltaͤten, Hr 
nothwendige; die Begebenheiten hiſtoriſche, pofitive, abeR’aule 
dem Geifte der Geſchichte ermachfene und benfelben eflet: 
ticend, an Zeit und Der gebunden und doch Ausſtrehl 
gen des abſoluten Menſchengelſtes. Wir molar 
entfcheiden, ob Franz 1., der Gonnetabfe von Bdurbbn 


dee Dichter Marot und andere Geſtalten genau fe, 68 
ten, dachten und ausſahen, wie fle bier gefchild A 
di 






allein fie dürfen fo reden und denfen, und die ‚Si ichte 
kehrt nicht, daß fie anders dachten und fprachen, "u 
Geſetzmaͤßigkeit genuͤgt der Kunſt. Wie fie find 0 





Aumacht und ber fubjectiven Willkür. 


a ‘ 
„x 02 


fie ein Stuͤck Wat und Menſchenthum treu bar, und 
erfuͤllen fo die Aufgabe ber Poeſie überhaupt. 
Sehen wir da6 Gewebe des Romans an fi ar, 
fo treffen ir auf Gelungenes und, wie uns ſcheint, aud) 
— — des erſtern iſt piel, des betztern 
—5 Sich die Einlaͤtung iſt cher etwas gewWähn: 
„Adi und trivial zu nennen und zeigt nicht, daß der Verf. 
es auf einen frifchen, neuen, verfprechenden und feffeln: 
den Eingang abgefehen hat. Er bat ein ſchoͤnes Haus 
mit einem ſehr gewöhnlichen Veſtibul gebaut. Uber feine 
Überlegenheit zeigt fich fofort in den Scenen am koͤnigli⸗ 
hen Hoflager zu Blois. Drei bedeutende Charaktere, 
Louife von Frankreich, der Gonnetable von Bourbon und 
König Kranz I. führen vor uns eins der anziehendilen 
Dramen auf, deren biefe Gattung von Paefie fähig if. 
Die flolze Fuͤrſtin, bemüht, den Connetable zum Werkzeug 
ihrer Hersfcherplane und zugleih, wenn möglich, zum 
Gatten oder Verehrer zu gewinnen; der gekraͤnkte Bour⸗ 
bon, mit den ertremflen Rathfchlägen befaßt, bitter und 
herb gegen feinen König, doch die Schlinge erkennend und 
fliehend, bie die Fürftin ihm legt; der König endlich, 
überzeugt von feiner unendlichen Überlegenheit über Alle, 
Spiel treibend mit feiner ganzen Umgebung, leicht, froh, 
wigig, ſtaatskluge Plane fchlau verbergend — biefe Cha: 
raktere in voller Reibung mit und gegeneinander, «6 
iſt ein reiches und reizendes Schauſpiel, durch bie feinite 
Sharakteriftit erhöht und begeiftige. In diefer Beziehung 
iſt befonders die Zeichnung des Königs fein angelegt und 
mag ſelbſt Hifkorifcher Geltung nicht entbehren. Der 
Verf. ſtellt uns Franz I. als einen glänzenden Egoilten 
bin, befeelt von dem Gedanken der Wiedergeburt bed ver: 
fallenen Ritterthums, der es felbft nicht ahnt, wie fehr 
in ihm das moderne Element der Willlür und des pers 
föntichen Willens und MWohlgefallens ſchon zur Herrſchaft 
gelommen fei. Seinen Marimen nad fol die alte Treue, 
die alte Regel, die alte Form des Vaſallenthums gelten, 
und doch folgt er im Einzelnen und im fchreiendfien 
Widerfpruche zu feinen Ideen dem Peincip der Eöniglichen 
Er bricht durch 
alle Formen und will doch, daß dieſe gelten. Er mag 
hierin Ähnlichkeit mit Erſcheinungen unſerer Tage haben, 
die nicht minder glänzend ins Auge fallen als die Er- 
fcheinung dieſes Königs, der den Franzoſen durch bie 
Furcht vor einem rüdfichtslofen Naturel ebenfo impo: 
alrte, wie nach ihm Ludwig XIV. durch feine Grundſaͤtze 
und bie Majeſtaͤt feine Macht. Durchweg bleibt dieſer 
widerſpruchsvolle, aber anziehende Charakter, in dem das 
Ritterthum mit der Mobernität feine Verfchmelzung feiert, 
bee Juwel diefes Romans, der Charakter, deffen Eintre: 
ten wir ftets in Spannung entgegenfehen, von dem Wort 
und That uns bis ans Ende bin wichtig bleiben. In: 
dem der Verf. das Seheimniß fand, dies zu bewirken, 
hat er einen vor den Kunfigefegen geltenden Roman ge: 
ſchrieben. 
Wir kehren zur Handlung zuruͤck. Das Widerſpiel 
des Könige Charakter iſt der der ſchoͤnen Gräfin 
Brangolfe von Chateaubriond — ein Weib durch und 


r J 


durch, und in jedem Zoll ein Weib. Sittlich ſtreng und 
finntih ſchwach, dem Zuſammenwirken des Moments er: 
geben, unſchuldig — ſchulbig, weil fie ſelbſt zu denken, 
unabhängig zu fühlen unſernimmt und mit Beidem doch 
nicht zurecht kommen kann; gm Beroifien grirrt, de wo 
fie handelg foRte, umb immer nuk sur Hanblunß getiie 
ben, buch den aͤußern Widerſtand gegen das als richtig 
Empfundene, immer abhängig, weil fie nady Unabhängig: 
keit ringe. So kommt fie, durch Lift verlockt, aus ihrem 
ftiten Schloß von Chateaubriand an den Hof von Blois; 
fo ſchleicht die Liebe zu dem glänzenden König in ihr 
Herz, während fie fi zwingen will, dem rohen und un: 


geliebten Gemahl treu anzubangen; fo flieht fie vor fig 


ſelbſt zu ihrer ſtrengen Mutter nah Foir; fo in das 
Kloſter, als die gehoffte Mutterliebe ihr nicht begegnet; 
fo folgt fie Brion, der unglückliche Verſuche made, fie 
für den König zu befreien, und fo endlich dieſem feibfk, 
als er. zw ihrer Rettung in Foix erſcheint. Hiermit 
[hließt der erſte Band, in welchem nur zu rügen bleibt, 
daß die unglüdlihen Fluchtverſuche im Kloſter einen gu 
großen und unverhältnißmäßigen Raum einnehmen, de 
fie auf die fernern Schidfale der Heldin Leinen Einfluß 
äußern. Hiftorifh angefehen ift in diefem Bande nichts 
gelungener als die Zeichnung des fich ſelbſt zerflörenden 
Vaſallenthums der Großen des Reichs, die Battung zwei: 
felhafter Königsmajeftät, in der Stanz fi noch befand, 
und nach welcher ihm nur der erſte Rang unter Glei⸗ 
hen’ zugeflanden werden wollte, und endlih bas innere 
Weben der kirchenreformatoriſchen Ideen, denen König 
Stanz mie feine ſchoͤne Geliebte huldigten. Der Ernit 
des Werks beruht auf Diefen gelungenen Zeihaungen 
biftorifch wichtiger Momente. 

Faſt zu früh für den theilnehmenden Leſer entwickelt 
fi Françoiſe's truͤbes Schidfal. Wir wuͤnſchten, das treff: 
liche licbende Weib etwas länger im Befig des hoͤchſten 
Lebensglüdes, im Vollgenuß des geliebten Gegenſtandes 
zu fehen, als der Verf. uns geftattet; denn ſchon im ber 
Mitte des zweiten Bandes iſt es entichieden, daß eine 
Natur wie die Könige Franz nicht durch Liebe zu befe- 
ligen vermag. Bon Gegnern umringt, politiſch irre ge- 
führt duch liſtige Anfcläge, von ihrem Herzen ſelbſt ge- 
täufcht, einem fo entichiedenen Egoismus wie dem des 
Königs gegenüber, ohne Klugheit, verliert fie das Herz, 
dem fie Alles geopfert hat. Nur auf Augenblide kehrt 
ihre Macht zurüd, und immer nur dann, wenn , 
aller andern Ruͤckſicht vergefien, der Stolz, das reine 
Selbſtbewußtſein in Ihrer Bruſt erhebt, wenn fie dem 
Zreuvergefjenen die erhabene, die folge Seele zeigt. Die- 
fer Zug iſt ungemein gut beobachtet. Einem Charakter 
gegenüber, wie er in König Franz gezeichnet if, giie nur 
der Charakter. Hingebung, Unterwerfung haben Peis 
nen Werth für einen nichtsachtenden Geiſt, der Aber die 
von ihm niedergeworfenen Opfer binwegfchreiter, als haͤt⸗ 
ten.fie nur gelebt, von ihm geopfert zu werben; allein 
da, wo er auf einen ähnlichen Stolz trifft wie der ſeinige 
ifl, da flugt er, da vermag er zu lieben, ja zu bewarns 


dern. Schlimm für die ſchoͤne Gräfin, daß fie ſich nicht 











in jener Gtimmung zu behaupten weiß, daß ſie einer 
durchaus kuͤnſtleriſchen Nutur gegenhber ihr Sam ſprechen 
iißt, daß fie nicht ſalbſt eine kuͤnſtleriſche Natur bleibt. 
Mur fo find folche Chargktere zu bewältigen. 

Nach der furchtbaren Ecene, in weldyer der König 
ihren Gemahl daniederſtreckt, geht der Armen alle Hal: 


tung verloren. Sie, zur Regentin des Reicht. erſehen, 


zur koͤniglichen Gemahlin beſtimmt, ſinkt in den Außer 
fen Grad von Emiedrigung hinab, ſobald einmal Louife 
von Angouleme, ihre ſchlimmſte Zeindin, zur Reichsver⸗ 
weſerin ernannt und Franz nad Italien abgereiſt if. 
Den hiſtoriſchen Faden ſpinnen Lautteds, ihres Bruders, 
Briefe fort, auch dieſe kalt und hergzlos gegen die arme 
Srangoife, die außer dem Kanzler Budé Leinen Freund 
bewahrt. Da gelangt ber Eurze (duch die Tradition bes 
Konnte Brief Kranz 1., denn Niemand bat ihn gelefen) 
nad Paris: Tout est perdu, hers Phoaneer. Dieſer 
zerſchmetternde Donnerſchlag verrütckt die ganze Scenerie, 
Die Regentin zeige fi piöglih und zugleich als eine 
würbdige Vertreterin ihres Sohnes in ben Reichsgeſchaͤf⸗ 
ten und als eime liebende Mutter; denn zum Troſte ih⸗ 
res gefangenen Sohnes fendet fie ſelbſt die noch ebenfo 
verhaßte Framgoife zu ihm nach Abignon. 

Im zweiten Bande, der hiermit fchließt, hat ber Ge: 
ſchichtsfreund mit Dank die glänzende Schilderung bed 
furchtbaten Schlachttage® von Paris, am 24. Februar, 
in dem Briefe Brion's an Buabe’’und das Gemälde der 
Verwirrung, weldye diefe Schredensnachricht in Paris 
hervotrief, anzuerkennen. 

Eine Scene von außerordentliher Wirkung eröffnet 
den dritten Band; es ift der Beſuch des „blaſſen“ Kai: 
ſers Karl bei dem kranken König Franz in deſſen Ge⸗ 
füngni, dem Alcazar von Madrid. SPoefie und Se: 
(dichte haben gleichen Antheil an dem großen Stil, in 
dem diefe Scene gefchrieben iſt, am der tiefen Wirkung, 
nit dee fie jeden Lefer ergreifen muß, und unfere beſten 
geſchichtlichen Romane bieten wenig dar, dem biefer im 
Stil, in Anordnung und im Colorit vortreffliche Auftritt 
untergeordnet wäre. Um fo empfindlicher berührt uns, 
was diefee Scene folgt: es verftößt gegen Wahrheit und 
Geſchmack und dee Verf. übertreibt offenbar die Confe: 
quinz im Charakter des Königs, in dem der Leichtfinn 
allerdings ein Grundzug iſt, wenn er ben kranken Für: 
ſten unmittelbar nachher auf ein Liebesabenteuer ausgehen 
it. Der Gedanke bat ihn hier verlockt, und er hat 
in der Abſicht, den Reichtfinn des Königs ſtark zu zeich⸗ 
am, bie Wahrfcheintichkeit felbft zum Opfer gebracht. 
Der Fluchtverfuch mit Seangoife und der Schweſtet des 


Riniss, Brien und Maret, die fich freilich etwas „uns 


hiſtoriſch“ in Madrid ausnehmen, hätte auch wegbleiben 
tum. Genug, Frangoiſe's Geſchick entwickelt ſich; der 
Kinig glaube einem Schein der Untreue, in den ihre 
Freunde fie ſtellen, und trennt fi von ber Geliebten. 
Ya ſpaͤt erkenne er fein Undecht, umſonſt begegnen ſich 
De Kirper wieder im Schloß zu Cognac, na des Koͤ⸗ 
zig Entlaffung aus der Gefangenſchaft; die Seelen fin⸗ 
den fi im dem alten Vethaͤltaiß wicht mehr zurecht; ob 


auch Faanz fein. Ainuecht ubbitte, die: Goa ſi Sat mie e 
von Beben: abgeſchloſſen, umd es iſt ſchͤn, daß fie, freini⸗ 
Hg ihre Schuid zu buͤßen, nach Chateaubriand zurück⸗ 
kehrt. Dort bereitet der rohe Gemahl ihr ein brutales 
„bretoniſches“ Ehegericht, dem, mit eine kuͤhnen Erſfin⸗ 
bung, König Franz als verkleideter Eherichter ſeibſt bei⸗ 
kat, und — hinfinkt fie in bie Arme des Todes, vom 
Gifte Florentin's, des Boͤſewichts Im Prilatenpurpur, zerſtoͤrt. 
Die Nemefis hat ihre Werk gethan und wir entlaſſen den 
Autor mit Dank, mit voller Anerkennung, mit wohlbe⸗ 
gelindetem Beifall und mit dem Lobe der Keitil, Er 
bat feine Aufgabe gut geläft. 8, 





Neue franzöfifhe Kunftwerte. 

1. Atlas historique et statistique des departements de la 
France et de l’Algerie par MM, Donnet, Fremin et Le- 
vasseur, ingenieurs-geographes. Parts 1843. 

Wir koͤnnen es nicht unterlaffen, auf biefes wichtige Wert 
aufmerkſam zu machen, das man wit den Landkarten, Tabellen 
und geographiſchen Leitfaben, die Jahr aus Jahr ein erfcjeinen, 
nicht in eine Glaffe werfen darf. Die drei Herausgeber beabe 
füchtigten bei ihrer gemeinfchaftlichen Arbeit, etwas Ähnliches 
für die Gegenwart zu leiften, wie Ceſar Krancois Gaffini, der 
im Gept. 1784 an den Poden ftarb, für feine Zeit gethan. 
Dieſes Unternehmen verdient um fo mehr Ermunterung, weil 
feit Gaffini wenige Atlas von Frankreich erſchlenen find, die 
einen wirklich wiifenfchaftlichen Werth hätten. Geit dem 13. Det. 
1789 aber, wo Jacques Dominique Gaffini bie ganze Sanm⸗ 
lung ber von ihm fortgefegten und ergänzten Karten ber Ras 
tionalverfammlung überreichte, bat ſich fo viel verändert und 
die Wiſſenſchaft Hat fo bebeutenbe Fortfchritte gemacht, daß eine 
neue Bearbeitung wirklich noth that. Die Herausgeber haben 
ſich ihrer verdienfllichen Arbeit mit großem Fleiße unterzogen. 
Aber der urfprängliche Plan iſt von ihnen erweitert, ſodaß the 
Werk uns nicht nur eine vollftändige überſicht über bie geogra⸗ 
phifchen Verhaͤltniſſe Frankreichs gibt, fondern uns zugleich mie 
der Statiſtik des Landes bekannt macht. Diefer Attas zerfällt 
alſo eigenttich in zwei Theile, von benen namentlich ber geos 
graphifche befonders gluͤcklich durchgeführt if. Die Karten, bie 
von Malo, Ch. Simon, Laguillermie, Artus u. A. nad ben 
Entwürfen von Donnet, Fremin und Levaffeur geflochen find, 
zeichnen ſich durch die firengfte Genauigkeit und eine große Feine 
beit in ber Ausführung aus. Belonbers ſchwierig war «6 bei 
ber rein flatiftifchen Partie, eine einfache, ſichere Methode zu 
finden, um ben Leſer durch das Labyrinth ber einzelnen Angas 
ben und ben Wuſt der Zahlen zu leiten. Die Derausgeber ha⸗ 
ben folgende Einrichtung gewählt. Un ber Seite jeber Karte 
befinden fich eine oder zwei Spalten Text, in denen ein kurzer 


-Abriß von der Geſchichte und eine Auswahl flatiftifcher Angaben 


gegeben wird. Der große Beifall, welchen bie erften n⸗ 
gen bed Werks bis jetzt ſchon gefunden haben, beweiſt, daß bie 
Herausgeber das richtige Maß, bie Mitte zwifchen dem Zuviel 
unb dem Zumenig, woran bie meiſten ähnlichen Unternehmen 
ſcheitern, zu treffen gewußt haben. 


2%. Lirlande au dix-neuvicme siöcle, par J. J. Prevost. 


Paris 1848. 
Hr. Curmer, ber Verleger biefes prachtvollen Kupferwerks, 


hat den günftigen Augenblid zu treffen gewußt; denn zu Feiner 


Zeit ift die Öffentliche Aufmerkſamkeit fo wie jegt gerabe auf Ir⸗ 
land gerichtet gervefen. Alle Zournale bringen Schilderungen vom. 
der grünen Grin und über kurz und lang werben wir gewiß 
mit einer gangen frifchen Literatur uͤberſchwemmt werben. Die 
franzöfifche Literatur bat bereits eine ganze Anzahl mehr ober 
weniger intereffanter Schriften über dieſes unglüdtiche Land, 


| 


Yen DVeichthum wiiter dem Drucke dee eagkiſthen Berrſchaſt 
werdet iſt. Beſonders beachtenswerth finb bie beiden Merle 
von ©. de Beaumont und von Gapo be Peuillibe, von denen 
getterst namentlich in landſchaftlichen Schilderungen fehr gluͤck⸗ 

ch if, während das Buch des Erſtern in publiciſtiſcher Be⸗ 
we böper Fehk. ‚Dedefien gab weder das eine noch das ans 
dere biefer Werke ein vollſtaͤndiges und u ipöpfenbes Bud 
von dem Lande und feinen Bewohnern. Es iſt deshalb eine 
alüdtiche Idee zu nennen, daß Herr Gurmer uns zum erſten 
Mole in einem fogenannten „ſlluſtrirten“ Werke ein umfaſſen⸗ 
des Panorama von Irland eröffnet. Hr. PYrevoft, dem er die 
Abfaflung des Textes übertragen hat, it mit ben engliſchen 
w teifehen  Berpittaifen genau belannt unb tat fich durch feine 
Auffäge in ber „Revue britansique”, deren Gerguögeber ev 
eine Zeit lang geweſen iſt, einen Namen gemadt. Ganz aus: 
gezeichnet aber bie ferftiche , bie wirklich 
‚nichts zu wünfdyen übrig laffen. Sie find zum größten Seil 
von ensliſchen Künfltern ausgeführt. 


Bibliographie. 
Abenteuer eined Auswanderers nach Reufeeland. Brei 
VDriefe, mitgstbeilt von H. Schirges. Mit einem Plane. 
Demburg, Verlage :Comptoir. 8. 10 Rer. 


Bed, 3. T., über das Verbältniß des Ehriftenthums zum. 


— Alaberniiche Antrittrede. 8. 
4 
Beleuchtung der Schrift: ‚Über ben Frieden unter ber 
Kirche und ben Staaten von dem Erzbiſchofe von Coͤln, Siemens 
zum ee Droft zu Bifchering”. te Auflage. Giberfeld, 
—æe ee die Finanzen Portugals gi Gapitaliften 
und Speculanten. Branffurt a. M. Gr. 8. 5 Nor. 
Bibliothek der gesammten deutschen Natienal-Literatur 
vom der ältessen bis auf die neuere Zeit. Bier Baad: Sanct 
Alexius Leben in acht gereimten mittelhochdeutschen Be- 
handiungen, Nebst geschichtlicher Kinleitung, sowie deut- 
schen, griechischen und lateinischen Anhängen. Hierausg. 
von Hans Ferd. Massmann. Quedlinburg, Basse. Gr. 8 
L Thale, 15 Ner 
Büchner Grundſaͤtze ber Logik. Zum Gebrauch für 
Periefungen. 3te verb. Ausgabe. München, Fleiſchmann. 8, 
Dir Bureaufratismus und ber Liberaligmus. im Verhaͤlt⸗ 
niO zu einer dem beutichen Volksgeiſt angeniefenen organifehen 


Stuttgart, KBelfer. 


VDudurg des Staats. Leipzig, ee a Ti Nor. 
Chamiſſo, A. v., Gedichte. e Auflage. Leipzig, 
Wedmann. Gr. 13. 23 hir. 


Eberhard, F., Das Ende kommt!! doch fehen unb ex 
tenmen wir uns im großen Ienfeits wiederz mit Beweisgrünben 
* Bent und Wiedererkennens. Quedlinburg, Ernſt. 


—ã zu ordnen, Programm. Dorpat 1842. @r.8. 


qı 

A ieh, 8 D., Die römifhe Genfur in ihrem Ber: 
haͤltniß zur Berfaffung Eine Hiftorifche Unterſuchung. Baſet, 
Reukirch. on 5 Nor. 


Grün, R., Meine Autweifung aus Baden, meine ge: 


waltfame Ausführung aus Rbeinbaiern und meine Rechtfertigun 


Faehimann, F., Versuch, die estnischen Verba in | 


vor dem beutfchen Volke. Zürich, Literar. Comptoir. Gr. 8, 
38%, Nor. 

Hoffmann von Pallersichen, Gedichte. Leipzig, 
Weidmann. Gr. 12, 2 Thlr. 


Jokell, 3. 8, Sefcichte der Regierung Ferdinand's des 
Erſten; zunaͤchſt nad Buchholz und andern Quellen bearbeitet. 


Bändchen. Ceingig, Binder. 8. "5 Ngr. 


e Seit in 2, . in 16H, 
Gray. ui. & 1 Km. Wölfe 
— — Derfeihen Mer Banb Ifte Abtbeiung. Gi. 6. 


Br. 
Kobhe, T. v., Humoriſtiſche Beifebil 
Berlagt ⸗ — rs 1 a Fr a — derbern 
ottenlamp, te Zage, 
Chronit ber neueften Zeit, Nach den —— 
. Iſter Band: Geſchichte Rtußlonde feit mit 
befonberer Rüdfiht anf den Krieg im Gaucafut, Mit 3 Pan 
Nor 


traits. Stuttgart, — 838* Gr. 12 gr. 
taudhard, & Tagebuch einet Lehrert. Darmflcht, 
Jonghaus. 8. OR 


Lilien. Zafı (denken hiſtoriſch · romantiſcher Gxzäglunge 
fuͤr 1844, son G. v. Bahsmann. ter oa Di 
6 Stahlſtichen. Leipzig, Bode. K. 8. 2 Thir. 10 * gr. 

Moris, L., Nächte am Züricherfee. a. Bezug der 
Eieder eines Gefangenen, Berlin, Hermes Nor. 

Müller, %., Riathenkrauz. —— * dem Ge⸗ 
biete — Literatur alles geblildeten Volker Alter un 
neueren, Pi tee Band. Nürnberg, Riegel und Wick, 


8, 

ee %., Jermak und feine Genoffen, ober bie Er 
oberung von @ibkrien. Geſchichttiches Sagengemaͤlde. 2 The. 
Berlin, deutſche Vertagsbuchh. 9. 3 hir. 20 Nor. 

Dberlin’s, 3 R, Bolfkknbige Lebendgefdzichte und ge 
fammelte Schriften. Herausgegeben von Dilpsst, Stäbe 
u. A. Mit Berüdfichtigung aller Huͤlfsmittel zufammengefteht 
und übertragen von W. Burdhardt. 4 Theile. Mit? 
Abbildungen. Stuttgart, Scheible, Rieger und Sattler. LE. 
2 hir. 2YNer. 

Potzholde, A. Bätalge zur Geoogmose von e Ind 
Skizzen auf einer Reise durch Sachsen, Bayern, Salskan- 
mergut, Salzburg, Tyrol, Östreich. Mit I in den Text 
eingedruckten Abbildungen. Leipzig, Weber. Gr. 8 


2 Thir. 3) Ner. 
Bunte Reihe. Eine Sammlung ausgewählter uns 7 
Seiminsigefhihtn 9 
Rugo, J Weimars Erinnerungen. 


effantee Erzählungen, Rovellen und 
Ates Heſt. 
Weimar. Gr. er 0 Ror. 
Scherer, Z., Gumbdatine Farſtin Borghefe⸗Talbot. Gin 


Berbitd des edeln "Zrauengeichtechts. Rab Brtoni und ander 
Durumenten dargeſtellt. Ginfiebeln, Gehr. Benziger. 1. 


Schnaase, C., Geschichte der bildenden Künste bei 
den Alten Ister Band: die Völker des Oriests. Düsel- 
dorf, Buddeus. Gr. 8. 3 Thir., 

Semide, der Seibfivenfer. Cine Kuͤnſtler⸗Novelle. Berlis, 
Schultze. 8. 22 * 

Streuber, X , Über die Chronologie der Horaziiäen 
Dichtungen. Sine titerae « bifkorifcye Abhandiung. Baſel, Aw 


kirch. Gr. 8. 
Teuffel, W. S;, Horaz. Bise literar - historische 
Uebersicht, Tübingen, Fues. Gr. 8 8%, 


Srautma 5 F., Proteus. Zwei Dingen Münden, 


Palm, Gr. 

Werners, $ y dramatiſche Wirte. Bes 
Fr raum. —* fofet in 2 Akten. Maratdin. (Br. 1. 

Wiid, .,. Der moderne Sefuitismus. Gin Beitrag zu 
Aufdeckung des unredlihen Verfahrens der Menfchenvergätterung 
im Sample ee die evangelifche Wahrheit. Nörbtingen, rt. 
8, r. 

8 ®., Sagen und: Mäbrchen aus ber Dir 
lauf. Bederzeichnungen von &. Dfieymwald. 23 Apik- 
Dannover, ki &. 12. 3 Thir. 


Berantwortlier Herausgeber: Heinrib Brodpand. — Druf mub Beriag von a U, Annsknun in Leimsie 








Blatter 


für 


literarifde 


Unterhaltung. 





Freitag, 


8. September 1843. 





Zur Geſchichte der Paͤdagogik. 


Erziehung und Unterricht find in unſern Tagen nicht 
mebr allein Demen, welche von Amts und Berufs wegen 
fi damit befyäftigen, ſondern Allen, denen bie hoͤchſten 
Angelegenheiten ber Menfchheit nicht fremd oder gleichs 
gültig bleiben, Gegenſtand lebhafter Theilnahme Um fo 
gewiſſer darf man vorausfegem, daß die Beſprechung zweier 
Werte, weiche als fchäsbare Beitraͤge zu einer umfaflens 
den Gefchichte ber Pädagogik, diefes wichtigen Zweiges 
einer allgemeinen Gefchichte der Menfchheit, ausgezeichnet 
zu werden verdienen, Dielen willlommen fein werde. 
Beide find gleichzeitig, das eine im Süden, das andere 
im Norden Deutfchlands erſchienen, beibe haben bie Paͤ⸗ 
dagogit des fogenannten Mittelalters, obwol das eine nur 
andeutend und einleitend, aus gründlichen Quellenflubium 
anſchaulich darzuſtellen verfucht, beide tragen die Zeichen 
einer ebenfo klaren Einſicht in den Gegenfiand wie eines 
warmen und gefunden Eifers für benfelben an fid. 
Wenn das zweite engere Schranken ſich gefegt bat, fo 
verbreitet es doch von biefen aus ein helles Licht über 
einen viel weiten Kreis, und rechtfertigt die günflige 
Meinung, welche ber Darf. durch fein größeres Wer: 
„Geſchichte der Erziehung”, erregt hatte. 

1. Geſchichte der Paͤdagogik vom Wiederaufbluͤhen claſſiſcher 
Studien auf unſere Zeit von Karl von Raumer. 
Erſter Theil, erſte und } weite — Stuttgart, Lie⸗ 
ſching. 1843 Lerx⸗8. She. 7 Y%, Nor. 

2. Geſchichte der — ung and des unterrichts in den Rieder⸗ 
landen während des lters, von Beiedrih Cramer. 
GStraiſend, Loͤffier. 1848. Gr. 8. 1Thir. 20 Nar. 

Das erfiwe hat eine ſehr umfaſſende Aufgabe ſich 
geſtelt, und die Löfung derfelben fo befsiebigend begon⸗ 
un, daß dieſes Berk, wenn «8 einft, Hoffentlich bald, in 
gleicher Weiſe vollendet fein wird, ohne Zweifel allen bil: 
Ligen aim Anfprüchen wie hohen Erwartungen entfprodgen mag. 

Werf. dieſes iwtereflanten Werks nur als 
dam * aturwiſſenſchaft befannt iſt, den mag «6 be⸗ 
kemden, daß derſelbe feine Thaͤtigkeit einer Geſchichte der 

—* zugewendet hat. Sein Unternehmen iſt aber 

durch den Erfolg — gerechtfertigt. Und 7 

8.9. Raumer hatte mehr ats ſeldſt manche Maͤnner 

vom Ja den entſchledenſten Innern Weruf zur Loͤfung 

der Aufgabe, die er mit unverbennbater Vorliebe ſich ges 


wählt und mit gruͤndtichem Ernſt durchgeführt hat. Ge 
M auch Denen, weiche nidyt gerade vertraulich ihm nahe 
flawden, nicht verborgen geblieben, mit weichem lebendi⸗ 
gen Eifer, mit weicher Kraft der Wegeifterung es ſchou 
febh feine Theilnahme der Erziehung und Bollsbiitung 


zuwendete. Wenn er nach Beendigung feiner aklademi⸗ 
fyen Studien, in welchen er eine vietfeitige Bildung nicht 
auf Unkoſten der Gruͤndlichkeit erſtrebt hatte, in Freiberg 
unter Werner's Leitung ganz dem Studium ber Mine 
ralogie und Geognofie fi hingab (wie tlichtige Men⸗ 
ſchen Das, was fie eben zu erſtreben ſich berafen achten, 
mis ganzer Seele treiben), fo verlor er doch nie das Biel 
aus den Augen, fi zum Lehren und Erziehen tuͤchtig gm 
machen, und die reiche Ausbeute feiner wifienfihafidichen 
Bildung vornehmlich dazu zu verwenden. In ein 
ter, in welchem die Meiſten nur danach trachten, eine 
bürgerliche Laufdahn zu betreten, auf der opes et hono- 
res zu gewinnen fein möchten, ellte 8. v. Raumes, gim⸗ 
fligeen Ausſichten die Augen verſchlleßend, zu Peſtalogi, 
und befreundete ſich in langem und vertramtem 
mit dem Geift, der Methode und bem Lebenögwed des 
hochherzigen Schweizers, der, viel verfaunt und viel ir⸗ 
vend, Doch, wenn man den Werth des Mannes nicht 
nach dem Erfolg feiner Bemähungen allein, fonberm zu⸗ 
meift nad feiner Geſinnung, nad) der Lauteekeit und 
Hochherzigkeit feiner Beſtrebungen würdigte, zu Denen ge: 
zähle werden muß, die mit voͤlliger Selbſtverleugnung ein 
reiches Reben ganz dem Dienft der hälfsbebärftigen Menſch⸗ 
heit geweiht haben 

Ans ber Schweiz heimkehrend trat K. v. Raumer 
in das akademiſche Lehramt ein, und ward nach Ber 
bienft Said durch eine ordentliche Profeffur in Halle, mit 
anfehnlichem Gehalt, auögezeichuet. Aber ee 3 is ſei⸗ 
nem Wirken bie erſehnte Befriedigung nicht; er beffte 
als Erzieher mehr leiſten, einen geſegnetern Einfluß ges 
winnen zu koͤnnen; darum entfagte ex dem Gtaatsdienfl 
mit aller Gunſt und Annehmiichkeit, Sicherheit und Buͤrg⸗ 
fihaft, welche ihm derfelbe gewährte, und zog es ver, ſtark 
im Glauben au den Segen, der von oben kommt, eis 
Privaterziehungsinftitut zu gründen, in welchem er bie 
Ausbeute feiner Studien und Erfahrungen zu erproben 
gedachte. In Nürnberg ſiedelte er fich am, und ein gleiche 
geftunter Freund ſtellte ſich mis ihm an die Spitze des 





BE : 


Unternehmens, für das er auch wackere Mitarbeiter ges 
wann, und das ebenfo fröhlich zu gedeihen fchien, wie es 
von Anfang an zu den günfligfien Erwartungen berech⸗ 
tigte. Aber das Bufammentreffen mehrer widerwärtiger 
Vechaͤltniſſe hinderte die erwuͤnſchte Euwidelung und be: 
wirkte die frühe Auflöfung einer Anftalt, die in der kurs 
zen Zeit ihrer Dauer ſchon Erfreuliches geleifter, unver 
kennbar den guten Geift bewährt hatte, aus dem fie ber: 
vorgegangen, und in dem fie geleitet worden. Go war 
dern auch manch großes Opfer, da6 der Hausvater dem 
(höngedachten Piane freubig dargebracht, nicht ganz frucht⸗ 
106 geblieben, und wenn weltkluge Leute ihm den Vor⸗ 
„wu machten, baß er eine feſte Stellung im Staate und 
ein gewiſſes anſehnliches Einkommen für eine ſchwer zu 
eealificende Idee und ein Unternehmen fehe zweifelhaften 
Erfoligs bingegeben, fo konnte er fih mit dem Bewußtſein 
töten, daß er frei von Selbſtſucht etwas Züchtiged und 
Heilſames gewollt und erflcebt, nicht einem phantaftifchen 
Traume, fondern einer fehr realen Idee gehuldigt, und 
des Mislingens feines Verſuchs ungeachtet doch nicht 
vergebens gewollt, geftrebt und gearbeitet habe, fo gewiß 
Me Dauer und der Erfolg eines Unternehmens über dei: 
fen wahren Werth nicht entfcheibet. 

Nah Auflöfung des Inſtituts Lehrte er zum akade⸗ 
mifchen Lehramt zuruͤck, und die ordentliche Profeffur, die 
$ald darauf in Erlangen ihm zu Theil ward, war nur 
en Zeugniß wohlverbienter Anerkennung. Bon da an 
hat er, die Aufgabe feiner amtlichen Stellung nie aus 
dm Augen verlierend, doch der erſten Liebe treu, der Ju: 
genbbilbung noch in einem weitern Umfange feine Thaͤ⸗ 
tigkeit gervibmet. Seine Lehrbücher, namentlich das der 
„Augemeinen Geographie” umd die mufler: und meiſter⸗ 
hafte Beſchreibung Palaͤſtinas, beurkunden feinen ent: 
fchiedenen Beruf, wie im akademiſchen Hoͤrſaal, jo in der 
Gelehrten s und Volksſchule das aufblühende Geflecht 
zur Erkenntniß zu leiten. 

Diefen Beruf bewährt aud das anzuzeigende Merk, 
das aus Borlefungen hervorging, welche der Verf. bereits 
im J. 1833 zu Halle, und von 1838 — 42 in Erlans 
gen gehalten hat. Nur der erſte Theil liegt vor uns; 
der zweite fol den Beſchluß der Geſchichte der Pädagogik 
(668 im die neueſte Zeit), der dritte das eigene paͤdagogi⸗ 
(he Syſtem des Verf. enthalten und binnen Jahresfriſt 
ausgegeben werden. Der erſte Theil, welcher die Ge: 
fchichte bis Franz Baco und Montaigne fortführt, bildet 
an fi ein fo ſelbſtaͤndiges Ganzes, daß, wenn man auch 
das Endurtheil fi) vorbehält, doch eine gerechte Anerken⸗ 
nung des gedfegenen Inhalts nicht zu früh kommt. 

Sehe zweckmaͤßig find unter der Überſchrift „Mittel⸗ 
alter“ einige fparfamıe, aber genägende Andeutungen über 
die Bildung und die Studien jener folgereichen Periobe 
vorangeſtellt, woran ein lichtvoller Überbli der geiftigen 
Entwidelung Italiens vom 14. bis 16. Jahrhunderte fich 
anſchließt. Stalien, von ber Geburt Dante's bis zum 
Zobde Petrarca's und Boccaccio's, die Entwidelung der dafs: 
fifchen Bildung in Italien vom Tode Petrarca’s und Boc⸗ 
actio's bis auf Leo X., dann Leo X. und feine Zeit, 


mit Ihrem Licht und Schatten, treten in einem auſqar 
len Bilde hervor, und mic einem MädbliE auf Ir 
Iten wird der Übergang zu Deutfchland finureic gebahn 
Das gruͤndliche Quellenſtudium, die eigene Anſchauim 
der ſchriftlichen Denkmäler aus jener Zeit, weiche fein 
eine lebendige und fruchtbare Übergangsjeit war, if in 
den geiftreihen Skizzen überall wahrzunehmen. Mir fin 
den bier in dem engen Raume von 60 Seiten das Gr 
gebniß mehrjähriger Studien, vielfeitiger Forſchungn 
ebenfo anziehend wit lehrreich zufansmengebrängt; «4 M 
eine Überſicht, die eine recht are Anfchauung gewährt und 
in die folgende Geſchichte aufs befriedigendfte einleitet 

Der erſte Abſchnitt, „Deutſche und Niederländer" 
überfchrieben, führt die Geſchichte mit vorwaltendem bie 
graphifchen Element von Gerhardus Magnus bis Yu: 
eher 1340— 1483. Die Hieronymianer, genannt „Bil: 
der vom guten Willen”, oder „Bruͤder vom gemeinfamen 
Leben”, auch Gregorfaner, eine Geſellſchaft von Kritm, 
die fi in Deventer zu einer frommen Gemeinſchaft ve: 
banden, zuerft unter Leitung jenes Gerhard Magnus 
(Geert Grote) und des Florentius Radewitz, fpäter bed 
trefflichen Gerhard von Zuͤtphen, welcher bereits die Bi: 
bei in der Mutterfprache unter das Volk verbreitete, wid: 
ten folgereih auf gelehrte Bildung ein, widmeten ſich 


aber auch, in Löblicher Anerkennung eines dringenden Be | 
dürfnifjes, dem noch ganz vernachläffigten Volksunterricht. 


Sn ihren zahlreichen Sraterhäufern wuchfen ausgezeichnete 
Männer heran, unter ihnen der tieffinnige Thomas o 
Kempis, Johann Welle, Rudolf Agricola, Alerender 
Hegius u. A., deren bedeutender Einfluß auf die gelehr⸗ 
ten Studien und auf bie Entwickelung einer freien von 
den ſcholaſtiſchen Banden entfeffelten Wiſſenſchaft ſowie 
des Bedärfnifies einer gründfichen Reformation anſchan⸗ 
lich dargeſtellt wird. Jenen reiht fi am Rudolf von 
Lange und Hermann von dem Buſche. Dem Eratmat 
von Rotterdam, der auch feine erfte gelehrte Wildung 
unter den Hieronymianern empfing, iſt, wie billig, ein 


größerer Abſchnitt gewidmet; feine Werbienfte und feine 


Schwäden werben gerecht beurtheilt. 


Mit Dem, was in den Niederlanden und in Nr: 


deutfchland fowol für Erneuerung claffifchee Bildung alt 
für Volksunterricht gewirkt ward, wetteiferten bie füddent 
(hen Schulen zu Schlettſtadt, Heidelberg und Xübingn. 
Der Schule zu Schlettſtadt fand Ludwig Dringenders 
40 Fahre lang vor. Unter feinen Zoͤglingen find beſor⸗ 


ders ausgezeichnet Jakob Wimpeling, Jakob Sum 
Georg Simter (Melauchthon's verehrten Lehrer) und Ei⸗ 


telwolf von Stein. Dringenberg’s Werk fegten in Schleu⸗ 
flade Grato, und nad) ihm Johann Sapiaus fort, unter 
dem die Schule der Beinen Reichsſtadt im 3. 1511 
900 Zöglinge zählte. Unter diefen war auch der Schwei⸗ 
zer Thomas Platter, aus deſſen heiterer Selbſtbiogtaphie 
einige Fragmente beigegeben find, welche das bamalige 
Leben auf Schulen und das oft feltfame Treiben der 
Schüler recht anfdyaulich vergegenwärtigen. 





Ein wohlverdientes Ehrendenkmal, wie es dem win 


digen Vorläufer und Bahnbrecher der Meformantoren ge 


käher, hat der Hr. Berl. dem hechrerbdienten Joheun 
Reuchlin (Capuio) geſetzt, ſein Leben und Wirken in kraͤf⸗ 
tigen Umriſſen dargeſtellt, und darauf in einem „NRäd: 
bit” die Ergebniffe des ganzen Abfchnitts überfichtlich 
zufammengefaßt. 

Der zweite Abſchnitt, überfchrieben „Reformation — 
Jefuiten — Realismus“, reiht von Luther bis gum Tode 
Baco's, 1483 — 1626. Hier iſt es nun, wie fih von 
felbft verficht, vor Allen Luther felbft, deffen Bild mit 
Liebe und Treue gezeichnet wird, infonderheit feine Wirk: 
fomteit für Schulen und Jugendbildung. In wohlge: 
wählten Auszügen aus feinen Werken ift das Zieffle und 
Treffendfle zufammengefaßt, was der heldenmüthige Käm: 
pfer für die Sache Gottes und bes verwahrloften Volke, 
als unvergangliche Erzengniſſe und Zeugniſſe feines Gel: 
ſtes binterlaffen hat, über Hausregiment und Kinderzucht, 
über Krgerniß den Kindern gegeben, fiber ungerathene 
Kinder, über Schulen, gelehrte, befonders Sprachftudien 
und Bibliotheken, über das Lehramt, defien Beſchwerden 
und Segen, über Schuleinihtung und Univerfitäten, 
Bibelftudium, Realien, Geſchichte, Dialektik, Rhetorik, 
Mathematik, Leibesͤbungen und Muſik. 

Auch Philipp Melanchthon, „der Lehrer Deutſchlands“, 
der fi) unmittelbar an feinen heidenmüthigen Freund an⸗ 
fhließt, findet gerechte Anerkennung feines Strebens und 
Wirkens, feiner Leiftungen und Verdienſte. Der Gang 
feiner eigenen Studien und fein mächtiger Einfluß auf 
die Studien und den Bildungsgang feines Zeitalters, auf 
mehre Zweige der Wiſſenſchaft und auf die Methode ib: 
rer Behandlung, auf das gefammte Schulweſen und auf 
die wiſſenſchaftliche Geſtaltung der Reformation, feine 
vielfeitige paͤdagogiſche Wirkſamkeit tritt hier in ihrer vol: 
lm Bedeutſamkeit hervor, wie es einer nicht nur aus den 
Quellen gefchöpften, fondern auch ben empfangenen rei: 
en Stoff umfichtig und Mar auffaffenden Geſchichte der 
Pädagogik gemäß iſt. Diefe Darftellung wird auch von 
Denen, welche das Zeitalter der Reformation ſammt Zus 
ther's und Melanchthon's Leben und Wirken ſchon viel: 
feitig durchforfchten, mit Befriedigung gelefen werben; es 
find nit gerade weſentlich neue Geſichtspunkte eröffnet, 
oder noch unbekannte Thatſachen ans Licht gebracht, 
was kaum moͤglich war; aber es iſt Alles, was zur 
Sache gehört, umfaſſend, ohne zu fehr in die Breite zu 
geben, entwickelt, in das rechte Licht und in Die rechte 
Beziehung gefteltt. 

Die trefflichen Schulmänner, Valentin Friedland Trotzen⸗ 
dorf, Michael Neander und Johannes Sturm, bie Zier: 
den und mufterhaften Rectoren der Schulen zu Goldberg 
in Schlefien, zu Ilefeld am Harz und zu Strasburg, 
werden nicht minder unbefangen und gerecht, Legterer be: 
fonders umfänglicy gewürdigt. Was von der Gtaffenein: 
teilung Sturm’s, von der Aufgabe, die er jeder ber zehn 
Caſſen und ihrem Lehrer ftellte, und von der Behand: 
lung des Unterrichts beigebracht iſt, das verdient um fo 
mer Dank, da es ein anſchauliches Bild der damaligen 

chulen vorhält, und Quellen entiehne ift, bie 
nicht Jedermann zugänglich find. 


Usern beabfihtige man in ben Gifehendf 
iemer Zeit zumeiſt gruͤndliche Bekanntſchaft mie ee 
Sprahen, vornehmlich der Lateinifchen, und Bewandte 
heit in claffifcher, vor Allen. Eiceronifcher Redeweiſe; 6 
waren recht eigentlich Inteinifche Schulen, in denen die 
vaterlaͤndiſche Sprache faft ſchnoͤde zuruͤckgeſetzt und auf 
Realien wenig Werth gelegt warb — eine Einſeitigkeit, 
die bis ins 18. Jahrhundert fortwaͤhrte. Doch war den 
Keuntniſſen und der Redekunſt, die man als Hauptauf⸗ 
gaben der Schulen betrachtete und behandelte, zu Sturm's 
Zeiten die Anleitung zu chriſtlicher Froͤmmigkeit vorange⸗ 
ſtellt. Von einem Unterricht im Leſen und Schreiben 
der Mutterſprache findet ſich ſelbſt im Unterrichtsplan der 
unterſten Claſſen der ſtrasburger Schule, die doch ſechs⸗ 
jaͤhrige Knaben aufnahm, keine Spur; auch das Rechnen 
ward in den acht untern Claſſen nicht gelehrt, und Ma: 
thematik ſcheint felbft in ben beiden oberften Claſſen nur 
kaͤrglich bedacht worden zu fein. Don Geographie, Ges 
ſchichte, Naturgefhichte und Phyſik war noch weniger Die 
Rebe, ebenfo wenig von neuen Sprachen, aud kaum 
vom Hebräifhen, das man doch als unentbehrlich für 
ben künftigen Theologen anerkannte, aber ber Univerficdt 
vorbehielt. 

Lateiniſche Schulen zu fliften und auszuflatten war 
denn auch das erſte Bemühen der Fuͤrſten und Ma: 
giſtrate, welche, durch Luther und die Reformation ange⸗ 
regt, der Jugendbildung eine geneigte Aufmerkſamkeit und 
Theilnahme zuwendeten. Lateiniſche Schulen ſollten im 
allen Staͤdten und Staͤdtchen, und ſelbſt in den vornehm⸗ 
ſten Flecken und Doͤrfern errichtet werden; doch dachte 
man allmaͤlig auch an Herſtellung deutſcher Schulen, 
ſelbſt in kleinen Dörfern und Flecken, damit die Kinder 
im Lefen und Schreiben, in der Religion und im Kies 
hengefang, nebenbei wol ein wenig im Rechnen unter: 
tiefen wuͤrden, wobei denn doch auch der Geſichtspunkt 
vormwaltet, daß die Jugend von den Elementen per gra- 
dus zu der Fertigkeit auffteige, „welche im geiſtlichen und 
weltlichen Regiment” erfoderlih iſt. Eine eigentliche‘ 
Volksbildung für das bürgerliche Leben ward noch wenig 
ins Auge gefaßt. Die beiden Abfchnitte, welche von dem 
mwürtemberger und ſaͤchſiſchen Schulweſen und den publis 
cirten Schulorbnungen handeln, genügen bei aller Kuͤrze 
ihrem Zweck. 

(Die Wortfegung folgt.) 





Macbeth im Drigimal. 


Ein Auffag in Nr. 311 d. 8. f. 1842 ach „Kbh 
Lear im Original”. Als Seitenſtuͤck gelte — —* 
eat“. Das dort Beigebrachte war ber engliſchen überſegung 
einer alten walliſer Chronik entnommen. Auch das hier Weis 
zubringende fließt aus englifcher Quelle, ebenfalls aus einer als 
ten von Gollet in feinen „Relics of literature” mitgeteilten 
Shronik. Ss iſt zweifelhaft, wird wahrſcheintich immer zwei⸗ 
felhaft bleiben und am Ende kommt auch nichts darauf an, ob 
Spakfpeare den Stoff zu feiner Tragödie aus Holinſhed's oder’ 
Buchanan's „Beichichte von Schottland‘ gefchöpft hat. Jenes 
Werk war bas ditere, letzteres erſchien, als Shakſpeare bereits 
bie Dichterfeder führte, jedoch vor feinem ‚„„WMocheth”. Vielleicht 


2» Seimard obes rd. 

chanan berichtet, daß auf Anlaß eines 
dem ehrgeizigen Wacheth drei Weiber von uͤbermenſchlicher Ges 
ſtalt erfehlenen und ihn nacheinander Than von Angus, Than 
von Moray und König von Schottland gegrüßt, er in Inver⸗ 
neb Dunsan ermordet und ſich des Sceyters bemdchtigt. Dun⸗ 
Weil aber die Weiber prophe⸗ 


au's Sdhne wären entflohen. 
vi daB Banquo’s Nachkommen herrſchen würden, habe Macs 
eth Banquo meuchlings erdolcht; Fleance habe ſich gerettet. 


Die Ermordung von Macduff's Kindern, die Flucht des Vaters 
nach England zu Malcolm, die Kuͤckkehr mit Hülfstruppen uns 
tee Seiward, die Belagerung Macbeth's auf Burg Dunfinan 
und fein Tod dur Macduff — alles Das erzählt Buchanan 
wie bei Shakfpeare. Selbſt Unmefentlicheres, 3. B. bie grünen 
Zweige, mit welchen Malcolm’s Krieger fi geſchmuͤckt, erwähnt 
der Gefcgichtfchreiber und fchließt mit einem Winte, dem wir 
vieleicht das Trauerſpiel verdanken. „Ich übergehe eine Menge 

in, bie für theatralifche Darſtellung fich beifer eignen, als 

ein Geſchichtswerk.“ Was nun aber laut Gollet vermuth: 
ti „Machethb im Driginal”, Macbeth's wahre Geſchichte ift, 
weist von Vorſtehendem bedeutend ab. Collet fchreibt: 

„Der um Vieles glaubwuͤrdigere Wyntown nennt Macheth 
Than von Crumbachty, das gaͤliſche Wort für Eromarty, und 
in ber wohlbekannten Fabel von den Hexen läßt der Chroniker 
ihn von der erften ald Shan von Crumbachty, von ber zweiten 
als Than von Moray und von ber dritten ald König begrüßen. 
Dies erklaͤrt auf einmal bie Fictionen bei Boece, Holinſhed und 
Ghalfpeare. Wacheth war dich Geburt Shan von Roß, wurde 
dunch feine Vermaͤhlung mit Lady Gruoch Than von Maray 
und in Bolge feiner Verbrechen König der tten. Bir ers 
fahren von Zorfäus, daß zu Anfang des Il. Jahrhunderts 
Finley Maormor, oder, wie der norwegifche Hiſtoriograph ihn 
nennt, Sarl von Roß war und wider die Ginfälle des maͤch⸗ 
tigen Bilinge, Sigurd, Grafen von Orkney und Gaithneß, fein 
Land tapfer versheibigte. An bie Bellgungen bes Letztern grenzte 
Finley's Gebiet, während das. Lanb Angus viel weiter fuͤdlich 
lag. Um das 3. 1020 wurde Finley bei einem feindlichen Zu: 
fammenftoßen mit Malcolm II. getödtet. Dies allein ſchon bes 
weift, daß Finley ſchwerlich gegen feinen Schwiegervater gefoch⸗ 
tem hohen würbe, wäre er ber Gemahl Doada's gemefen. Durch 
daB ungluͤckuche Schickſal ihres Gemahls, bes Waormor von 
Moray, aus ihrem Bergſchloſſe vertrieben, flüchtete Lady Gruoch 
mit ihrem Meinen Sohne Lulach fehr natünlich in das Land 
Roß, wo damals Macbeth herrſchte. Macbeth heirathete fie 
und bas geſchah unter der Regierung Duncan's. Liegt nun zu 
Tage, daß Macbeth Maormor von Roß, ein Sohn Finley's 
und Enkel Rory's ober Roderichs und Gemahl der Gruoch, 
dieſe aber die Tochter Boedhe's und Enkelin Kenneth's IV. war, 
fo vereinigte Macbeth folchergeftatt bie ganze Macht der Ans 
bänger Kenneth’3 IV. und ben ganzen Einfluß ber Lady Gruoch 
und ihres Sohnes Lulach mit dem Anfehen eines Maormor von 
Kofi, Teineswege aber von Angus. Durch alles Dies, fowie 
dv die ihm eigene Gewandtheit und Staͤrbe wurbe er Duns 
con und befien Anhängern überlegen. Macbeth hatte die feiner 
Gemahlin zugefügte Unbill und für fich felbf ben Tod feines 

ers zu rächen. Macbeth's überlegenheit und Duncan's 
wurden ſichtbar, als ber ungluͤckliche König durch 

„BHeiliges ſchaͤndende GSrmprbung‘ bie Verdrechen feiner 

er ſuͤhnte und Macbeth eiligſt nach Scone aufbrach, wo er 
mit Beiblife ber GStane von Moray und Roß unb begünfligt 


von den Anhängern Kenneth’s IV. zum Känig ber Schotten ges 
meiht wurbe. e Macbeth geweien, wozu bie Dichtung ihn 





jeder 3 Thir. 15 


Verantworticher Yeraußgeber: Yelnrio Brokhaus. — Drud und Berlag von J. U. Brodtaud in Leipsig 





te wein 
von der 


mmdht, ein heim: Meatsiurs, 
Ba ber In Gamtriems men ver Plkche den * 
an gegoltenen Berfaffung ein näheres Recht auf ben Thron 
habt als Duncan’s Bohn. Wie mangelhaft indeffen aud fein 
Anſpruch auf das befubelte Gcepter feines Worgängers geneim 
fein mag, jedenfalls ſcheint er ſich Muͤhe gegeben ya hakm, 
eine Wwäftige und wahlthärige Brrwaltung den ÜRangei yı 
erfepen. Er übte foger bie ‚, die dem Ktäde 
linge Schuß bietet. Unter feiner Regierung ſoll üÜberfuuß in 
Ba et haben; 1 ———— en gebankhakt und die 
zu ung von en genei 
ke — — 
keit gezaͤgelt. 
ſchmieden. 





jen ſcheint das ge Verbrechen 
feine Botmäßigfeit erlangt, ihn auf dem Gipfe fis 
ned Gluͤcks gepeinigt zu haben. Cr verfuchte dadurch, If er 
in Rom Geld ausfirente, der Geiſtlichkeit Geſchenke machte und 
Almofen unter die Armen vertheilte, ſich Erleichterung ju ur 
ſchaffen von ‚der Martes jener fürdgterkiden Sraͤume, die ih 
naͤchtlich feghttelten‘. Macbeth unb feine Gemablin, kai 
Gruoch, gaben die Länbersien von Kirkneß, wie aud das Gut 
Bolgy ben Culdees von Lochleven. Allein weber bie —* 
ſchaft des Papſtes noch der Beiſtand der Geiſtlichkeit fihertm 
Macheth ruhiges Regiment. Bit dem Gefüpt der Unficherheit 
flieg feine Strenge. Die dem Maormer von Fife, Macıfl 
zugsfügten Übeithaten zeigten den Sohn Duncan’s, Ahhtife y 
bewirlen. Mit Genehm ne Dietleigt auf Befehl Ehuards 
des Belenners führte Siward, ber mächtige Graf von Rorth⸗ 


umberland und Verwandter Malcolm's, ein gehtreiden dm 


nach Schotttand im 3. 1084. Angefährt von Siward und deſ⸗ 
fen Sohne Dsbert beangen die Rorthumberiänber vermuthiih 
bis vor Dunfinan. Rahebei felite ſich Macbeth ibnen enigegen 
und es erfolgte ein wüthender Kampf. Die 
Erſchlagenen bezeugt die lange Dauer ber 

Bravheit der Kämpfer. Osbert wurbe getöbtet. Aber trat dl: 


lee Anftvengungen feinee Zapferleit und feines Eräftigen Bo 


nebmens wurbe Blachet$ geworfen. Gr zog fic nad Rerden, 

wo er viele Freunde hatte und leicht fehle Punkte finden Tonatr. 

Simard kehrte nach Northumberland zurüd und flarh zu Yet 

1055. Inzwiſchen fegte Macbeth feine blutige Fehde gesm 

Maicolm fort, und biefer ungewöhntidhe Mann fiel endlich bei 

re am 5. Dec. 1056 von der Hand bes gekraͤnkten 
a u 08 





Literasifhe Anzeige. 
Vollständig ist jetzt in meinem Verlage erschiene 
und durch alle Buchhandlungen zu beziehen: 
3. F. Herbart's 
kleinere philosophische Schriften und Abbandim- 
gen, nebst dessen wissenschaftlichem Nachlasse. 


Herausgegeben von Gustav Hartenstein. 
Drei Bände. 
Gr. 8, . 10 Thlr. 

. Der erste Band enthält zugleich eine ausführliche Eis- 
leitung des Herausgebers über Herbart’s Leben und Schif- 
ten. Derselbe kodtet 3 Thir., der zweite und dritte Band 

er. 

Leipsig, im Augast 1863. 
F. A. Brockhaus. 





Blätter. 
dr 


littrarifche Unterhaltung. 





Sonnabend, 


— RL. 232. — 


v. September 1843. 


‚ ® 
* 
__ - ü | | r | . . n s ı } ' 7} . \ 


Zur Geſchichte der Paͤdagogik. 
(Bortfegung aus Nr. 351.) 

Ein langer und tief eingehender —* iſt den Je⸗ 
ſuiten und ihren Schulen eingeraͤumt worden, mit Recht, 
um fo mehr, da der Orden das Vorurtheil zu verbreiten 
und aufrecht zu erhalten gewußt bat, daß feine Schulen 
ebenfo fehr duch die ausgezeichnerften Leiftungen wie 
durch die zweckkmaͤßigſte Einrichtung alle andern übertreffen. 
Dos fie wirklich viel, zum Theil Erflaunenerregendes ge: 
teiftet haben, und infondecheit dem Zweck des Ordens 
entſprachen, mag aud) zugellanden werden; daß aber we: 
der iht Zweck der befle, der menfchenwürbigfte war, noch 
die für denfelbern verwendeten Mittel als heilfam und dem 
hoͤhern Zweck des Menſchenlebens entfprechend anerkannt 
werden Können, das hat Hr. v. Raumer von neuem recht 
anſchaulich gemacht. Welche Erziehungsktunft und Lehr: 
welſsheit konnte aus einer fo nichtswuͤrdigen Sittenlehre 
hervorgehen, wie notorifch die der Lopoliten iſt, die zum 
Thell ganz unverhohlen * den ruchloſeſten Principien ſich 
befannt haben. Ihre Moral iſt die troſtloſeſte und un: 
fittlichſte Caſuiſtik, die feine Kunſt, vecht methodiſch zu 
fündigen, ohne ſich fangen -zu laffen, ohne das betäubte 
Gewiſſen zu beunrubigen, ohne den allwiſſenden Richter 
ſcheuen zu muͤſſen, die wunderliche Kunſt, zu luͤgen und 
zu trügen, das heil ig gegebene Wort nicht zu halten und 
dabei ein ehrlicher Mann zu bleiben. Ihre Lehre von 
den zuläffigen Zweideutigkeiten bei Ausfagen, Zeugniffen, 
Verſprechungen, Eiden, und die vom Teufel felbft erſon⸗ 
nene vom heimlichen Vorbehalt, da denn ein Verfprechen, 
das man zu balten, indem man es gibt, nicht die Abficht 
bat, keineswegs verbindlich ift, und fo viele andere Grund⸗ 
fige, zu denen fie mit der ſchamloſeſten Frechheit fich be: 
kannt haben, zerftören dergeflalt Treue und Glauben un: 
ter den Menfchen, verwüften das fittliche Leben in dem 
Maße, dag die Erziehung der Jugend Männern von fo 
wierheiftlichen, unvernünftigen und buch und durdy ver 
veſteten Grundſaͤtzen anguberttauen, ohne Zweifel Wahn: 
fan oder Verbrechen wäre. 

Die jefuitifche Erziehungs - und Lehrmethode iſt im der 


ebenfo fehe wie ihre Moral nichts als Caſuiſtik, 


u eine Abrichtungsmethode, eine Dreffur, wie fie 
ſten der hoͤhern Bellimmung des Menfchen 
alte Bei einem ſolchen Abrichten für einen beflimms 


ten Zwea kann allerdings etwas Aufsrocbentliches, recht 


in die Augen Fallendes, ja Staunenerregendes geleiſtet wer⸗ 


den, aber doch immer nur etwas Einſeitiges eine Fertig⸗ 
keit und Gewandtheit, aber nicht eine harmoniſche Geiſtes⸗ 
bildung. Im der Prüfung bee Köpfe, in der Erkbennt⸗ 
niß jedes Talents der Schüler waren die Jeſuiten allen 
dings von jeher „ausgezeichnet, wie denn ber Drben über: 
haupt auch dadurch fo mächtig ward, daß er feine Leute, 
feine geiftlichen und weltlichen Genoffen erfannte , Ser. 
den auf den rechten, angemefjenften Plag zu flellen, Je⸗ 
den als thätiges, ob auch unbewußtes Werkzeug der Dr: 
denszwecke zu brauchen wußte. Nächit dem Einhegen des 
Eateins, das mit Verbannung alles Redens der Mutter⸗ 
ſprache auch die Gonverfationsiprache der Schüler fein 
folte, war. die praktiſche Brauchbarkeit des heranwachſen⸗ 
den Gefchlechts für die Öffentlichen und geheimen Tenden⸗ 
zen der Sorietät die Hauptrichtung ber Jeſuitenſchulen. 

Abgefehen von der Einſeitigkeit und Beſchraͤnktheit 
des Behrplang iſt befonders der Einfluß der jeſuitiſchen 
Erziehungemethode fo beklagenſswerth und geunbwerberhs. 
id, daß man nicht genug vor ihrer geichäftigen und zu⸗ 
dringlichen Einmiſchung In das Schulweſen warnen. kann. 
Freilich foll die Religion „der Grund umd die ‚Höhe, die bie: 
Bafis und der Gipfel, die Mitte und bie Seele” ihres. 
Schule und Erziehung fein; das wird aber ſcharf heraus⸗ 
gehoben, zundhfi nur um die Nothwendigkeit darzuthun, 
daß nur Religiofe, Moͤnche, d. h. Die Zefniten ſelbſt Leh⸗ 
rer und Erzieher fein ſollten. Auch fehlte es im ihren 
Schulen und Erziehungsanftalten nicht an Andachtsübume.. 
gen; im welchem Geifte aber diefe behandelt wurben, das 
erhellt fattfam fon daraus, daß Denjenigen, melde .„fich - 
in der Andacht verfehlt hatten”, aufgegeben ward, im 
Bethauſe einige Zeit zu beten — als Strafe! So if 
auch, wie oft die Demuth empfohles murbe, bey aller 
Unterricht fo —F auf ÄAmulation geſtellt, daß ein: maßlo⸗ 
fer Ehrgeiz in der Jugend erweckt werden mußte, ber. 
nur durch die frühe Gewoͤhnung zu blinden, knechtiſchem 
Gehorſam gezligelt, aber nicht fittlic, überwunden werben 
konnte. Und eben dieſer unkindliche Gehorſam, bie un⸗ 
bedingte Obedienz machte die Zoͤglinge weis : dem 
Willen. ihrer Obern als dem Willen Gattes unterthau, 
dergeſtalt, daß ſelbſt die Stimme Gottes im Gewiſ⸗ 
ſen derſiummen mußte, wo der gebieteriſche Wille des 


Ordens mit derfelben in Widerſpruch trat. Selbſt das 
Berhaͤltniß der Böglinge zueinander ward im hoͤchſten 
Stade corrumpirt. Schon der fcharfe Stachel der nie 
eaftenden ÄAmulatlon erwedkte Eiferfucht und Neid, Feind: 
feligteit und Lieblofigkeit, und das überall vorhereichende 
Cohn der Angeberei war eben wicht geeignet, eine bef- 
ſere Gefinnung zu ermweden. Wer ein deutſches Wort 
fi) entſchluͤpfen Heß und damit an der herrfchenden La: 
tinität ſich verfündigtee, ward mit einer empfindlichen 
Schmach und Strafe belegt, konnte biefe aber leicht von 
fih wälzen und fie einem Mitichüler zuwenden, wenn er 
diefen unter Beiſtand eines Zeugen anklagte, daß ex eben: 
fo im Haufe oder auf der Straße die „gemeine“, d. 1. 
die Mutterfprache geredet habe. Da man, um Alles, den 
ganzen DMenfchen mit Leib und Serie, mit allen feinen 
Meigungen und Bedürfnifſen dem Orden unterthan zu 
machen, die Kinder felbft den naͤchſten Angehörigen ent: 
frembdete, die Liebe zu den Ihrigen als eine „untergeord⸗ 
nete” verdammte, durch Eröffnung der Briefe und durch 
die Strenge der häufigen Beichte ſich in den Befig aller 
Geheimniſſe der Zoͤglinge fegte, und ſich zwiſchen dieſe 
und die Ältern drängte, fo ſchien Alles darauf berechnet 
zu fein, jedes Eindliche Gefühl in den Kindern zu unter: 
druͤcken, und den freien Willen fammt der Vernunft in 
ſchwere eiferne Ketten zu fchmieden. Es ift ein Meiſter⸗ 
ſtuͤck jeſuitiſcher Schlauheit, daß fie ihrer pädagogifchen 
Kunft zu weitverbreitetem Anfehen zu verhelfen wußten, 
obwol fie hoͤchſt unpaͤdagogiſch iſt, und allen gefunden 
Principien der Pſychologie und der Ethik, ja aller gefun: 
den Bernunft Hohn ſpricht. Es ſchien in unferer Zeit, 
da der Orden von neuem fe fein Haupt erhebt und ſich 
ber Erziehung und des Unterrichts zu bemaͤchtigen ringt, 
darin nur zu fehr von verbiendeten Patronen begünftigt, 
es fihien gerade jegt am wenigſten überfläffig, dieſe An- 
Deutungen, toelche in dem vorliegenden Werke hinreichend 
begründet und entwidelt find, bier aufzunehmen. 

Der folgende Abfchnitt ‚‚Univerfitäten‘ enthält mit 
zwedtmäßiger Auswahl das Nöthigfte, was zur Sache ge: 
hört, iſt aber doch zu kurz und fragmentarifh, ale daß 
er befriedigen und feine Stellung in der Gefchichte der 
Paͤdagogik ganz ausfüllen koͤnnte. 

Der Abſchnitt„Verbaler Realismus’ bietet eine 
tiefere Einficht in den damaligen Studiengang dar. Eras: 
mus und Melanchthon machten das unabweisbare Be: 
dhefnig von Sachtenntniffen zum Verſtaͤndniß der Claſſi⸗ 
ter geltend; Melanchthon felbft las in Wittenberg über 
Phyſik, und fein Lehrbuch diente lange Zeit als Gompen: 
dium. Aber diefe Phyſik war keineswegs Ergebniß eige: 
nee Beobachtungen und Verſuche, fondern nur des fleißi: 
gen Buͤcherſtudiums, vornehmlich des Ariſtoteles. Won 
der Aſtronomie fpricht er mit der Höchften Achtung, mit 
Bewunderung, und empfiehlt ihr Studium; er legte aber 
auch noch Werth auf Afteologie, und konnte von dem 
Ptolemaͤiſchen Weltſyſtem ſich nicht losmachen, obwol fein 
College Reinhold bereits das Kopernicaniſche vertheidigte. 
Da unn Bei dem hervortretenden Realismus die Sach⸗ 
kenntiß zumähft nur als Mittel des Wortwerſtaͤndniſſes 


1010. ⸗ 


erſtrebt warb, To beißt er nicht mit Unrecht ein verbale 
wie denn damals bie Philologen von Denjenigen, —* 
der Sachkenntniß neben dem Sprachſtudium einige Ge. 
tung zu verfhaffen ſtrebten, Verbales genannt wurde, 
Wortkrämer, die deum in der That meiſt am Buchſtaben 
hafteten. 


Die beiden legten Abfchnitte dieſes erflen Theils en: 
wideln treffli den bedeutenden Einfluß Franz Bari 


und Michael Montaigne's auf die Pädagogik. Bar, 
einer der außerordentlichſten Geiſter, deren mehre frim 
in einem Sahrhundert hervortreten, aber mit Keppler un 
Shakfpeare in einem Jahrzehnd geboren, wuͤrde in jede 
Beziehung bewundernswürdig fein, wenn die Stärke du 
Charaters feinen eminenten Faͤhigkeiten und wifienihaft: 
lichen Leiſtungen entfprochen hätte. Er hat nicht unmit: 
telbar für die Paͤdagogik gewirkt, aber im feinen phüofe: 


phifhen Werken, und infonderheit durch Begründung des 
methodifchen realen Realismus, einen fruchtbaren Einfuf 


auf diefelbe gehabt. Während die beften Kräfte in Gram 
matik und RMhetorik, in gründlicher, aber oft fehr dürte 
Buͤchergelehrſamkeit fi erfchöpften, verfuchte er mit gr 
waltiger Kraft, fie der Beobachtung, dem Studium der 
Natur zuzumenden, und er ſelbſt entroidelte mit geniale 
Scharffinn und Tieffinn die Ideen einer Naturphiefe: 


phie, von der feine Zeit kaum eine Ahnung hatte. Van 


er in feinem Urtheil über die Lelftungen der claſſiſchen 
Alten, infonderheit der Griechen, den Werth berfelben un: 
guͤhrlich herabfegte, fo war das nur ein Extrem, melde 
durch das entgegengefegte der herrfchenden Vergoͤtterung 
des Überlieferten hervorgerufen ward, als ein Heilmittel, 
das fpäter das rechte Gleichgewicht herftellen folt. In 
feinen pädagogifchen Bemerkungen und Andeutungen if 
er nicht frei von Einfeitigkeit; aber er hat der Willen: 
(haft und dem Studium eine Richtung gegeben, die auf 
Erziehung und Unterricht folgereich einmwirkte. 

Hr. v. Raumer bar ihn mir einiger Vorliebe, do& 
ziemlich unbefangen gewürdigt, und nicht minder dra 
leichtfertigen, aber geiftreihen Montaigne, der alerdinge 
das Eine, was noth iſt, nicht erkannte, doc im 24. un 
25. Buche feiner „Essais” (über Pedanterie und Kinderudt) 
beachtenswerthe pädagogifche Winke mittheilte. Ex kämpft 
witzig und treffend gegen orbilifche Strenge, pedantiſchen, 
unerquicklichen Fleiß der Stubenhoder, und empfahl kil: 
tigfrifche Leibesübungen und Bewahrung eines heiten 
Sinnes und Treibens. | 

Montaigne's Gedanken über Erziehung beſchließen dit 
fen erſten Theil der „Geſchichte der Pädagogik”. Bi 
wuͤnſchen recht bald über den Inhalt des zweiten un) 
dritten Theis veferiren zu koͤnnen, und werden und freufn, 
wenn wir die Aufmerffamfeit unferer Lefer auf dieſts 
reichhaltige und gediegene Werk hingeleitet haben. 

Gleiche Aufmerffamkeit nimmt aber auch das zwiile 
mit vollem Recht in Anfpruh. Dr. Dr. Grame bat 
das Bedürfniß gefühlt, gegen die Gefahr des Stilſſtands 
und der Verknoͤcherung, wie fie im täglichen Einerlei des 
Schulamts nicht felten eintritt, durch reges, wiſſenſchaft 
liches Fortſtreben fi zu wahren, Darin zugleich die edelſt 











D 


Grhelung und Guyellung: gu ſuchen; neben und. nad 
kinem behrerberuf bat er Die Geſchichte der Erziehung 
und des Unterrichts zu ſeinem irdiſchen Tagewerk und zur 
Lebentaufgabe gemacht. Daß er auf bdiefem Gebiet mit 
gruͤndlcher Ginficht, der Frucht ausdauernder und ſcharf⸗ 
finniger Forſchung wirkſam iſt, Das bewaͤhrt das vorlie⸗ 
gende Werk feines Geiſtes unverkennbar. Cr begehrt das 
Urcheit erfahrener und kundiger Männer über feine Auf: 
foffung und Anordnung des Gegenflandes; er proteftict 
im voraus gegen hohles und oberflaͤchliches Lob, dem er 
begründeten Tadel vorzieht, und gegen leere und batbe 
Redensarten, mit denen man ſich über fein Buch dufern 
möchte. Blickt nun auch einige Autoreitelkeit aus foldyen 
Äußerungen hervor, fo find doch feine Foderungen hin: 
reichend begrümdet. Hier aber müffen wir auf eine kurze 
Melation des welentlichen Inhalts und auf ein allgemei: 
nes Urtheil und befchränten, da eine tiefer eingehende Kris 
tie, die nicht ausbleiben wird, der Beflimmung d. DI. 
nicht entfpredhen würde. 

Die ungewöhnlih langen Präliminarien (Borrebe, 
Einleitung , Inhaltsverzeichniß) find fehr zwedmäßig 
und wirktidy geſchickt einleitend. Der Einfluß des Chri⸗ 
ſtenthums auf das öffentliche und häusliche Leben If 
in lichtvollen Andeutungen der Cinleitung befriedigend 
dargelegt, und daraus die verfländige Eintheilung der Er: 
ziehungsgefchichte des gefammten Mittelalters in vier Pe: 
rioden abgeleitet, naͤmlich 1) von den erfien Zeiten Des 
Chtiſtenthums bis auf Karl den Großen oder die reinkirch⸗ 
lie Bildung im Kampf gegen die weltliche; .2) von Karl 
den Großen bis zu den Kreuzzuͤgen, oder von der erften Daͤm⸗ 
merung ber chriftfichen Laienbildung neben und mit der 
geiflihen; 3) von den Kreuzzuügen bis zum 14. Jahr: 
hundert, oder die beginnende Selbſtaͤndigkeit ber chriſtli⸗ 
hen Laienbildung zunaͤchſt in den Rittern; 4) vom An- 
fang oder der Mitte des 14. Jahrhunderts bis zur Re: 
formation, ober die fortfchreitende Selbſtaͤndigkeit der chriſt⸗ 
lichen Bildung in den Volksſchulen und der chriſtlichen 
Wiſſenſchaft in den Univerſitaͤten. 

Den Umfang und Reichthum des Inhalts wollen 
wie wenigſtens andeuten. Das Buch hebt mit dem 
Schul- und Unterrichtsweſen in Gallien und den Nieder: 
tanden in den erſten Jahrhunderten chriftlicher Zeitedy 
nung an, zeigt dann die Deränderung des Bildungs: 
und Unterrichöwefens im 6. Jahrhundert durch Verbrei⸗ 
tung und Befeftigung des Chriftenthums und der fieben 
freien Künfte (des Trivium und Duadrivium), dann den 
Einfluß der Benedictiner » Klofterfhulen, und gebt über 
auf die Fürſorge der weltlihen Macht für die Schu: 
en, vornehmlich Karl's des Großen Verdienſte. Hier wird 
die Hauptrichtung feiner Bemühungen für das Schul: 
wefen, naͤmlich die chriflich:religiöfe, die Sorge für Volke: 
bildung, Alcuin's Wirkſamkeit, bie geiftlihe und religioͤſe 
Bildung des Zeitalters, die Einführung der Mutterſprache 
in den Religionsunterricht, Karl's des Großen Einwirkung auf 
Wirderbelebung der altclaſſiſchen Bildung, einer reinern La⸗ 
tinität und der Beſchaͤftigung mit der griechiſchen Sprache, 


ebenfo anziehend wie ſachkundig dargeſtellt. Eine Hinwei- 


fung auf die bald nach Rat dem Geroßen eintretenden wichti⸗ 
gen Beraͤnderungen, insbeſondere in ben Kloſterſchulen, 
bildet den Übergang zur ſpeciellen, Geſchichte des Erziehungs⸗ 
und Unterrichtsweſens in den Niederlanden‘. Hier wer⸗ 
den zunaͤchſt die allgemeinen Verhaͤltniſſe, welche die Bil⸗ 
dung begüunftigen, namentlich die Kioflers und Kathedral⸗ 
ſchulen, befonders die Schule zu Utrecht, um weldye, fo: 
wie um Ausbreitung des Chriftenthums in den Nieder: 
landen, Winfried: Bonifazius ſich große Verdienſte erwor⸗ 
ben, Luͤdger's Wirkſamkeit unter ben Frieſen, weiter bie 
Bildung in den füdlichen Niederlanden, befonders frit Karl 
dem Großen das Büchermefen in den Kiditern, Karl’8 und 
feiner Nachfolger Einwirtung auf die nieberländifchen 
Schulen, Karl's des Kahlen Bildungseifer und die Schuls 
disciplin jener Zeit, weiter die Verfüflung der Schulen 
zu St.:Eino, zu Lobbes, zu Pürtidy (robei des für das 
Schulweſen eifrig bemühten Biſchofs Everaclus [Euraffus], 
der Familie Notker, befonderd Notker's von Lüttich, und 
des dauernden Bildungseinfluffes Luͤttichs, der daſigen 
Klofterfhulen und ihrer Wirkſamkeit nach außen, in wohl⸗ 
verdienter Anerkennung gedacht wird), dann die übrigen 
beruͤhmteſten Klofterfchulen der Niederlande, beſonders An; 
dain, Stabulo und Gemblours, endlich die eigenthuͤmliche 
Richtung der niederländifchen Kloͤſter, namentlid, das 
itarre Kirchenthum und firenge Feſthalten an den roͤmi⸗ 


ſchen Sagungen, bei Zurückdraͤngung des Studiums der 


Gioffiter, dargeſtellt mir gruͤndlicher Sachkenntniß und 
treffenden Bemerkungen. 
(Der Beſchluß folgt.) 





— — ——— — 


L’Europe pendant la revolution fraugaise par B. H. R. 
Capefigue. Erſter und zweiter Band. Paris 1843. 

Wir haben die beiden Bände, welche bis jegt von biefem 
Werke erfchienen find, nicht ohne ein gewiſſes Mistrauen in die 
Dand genommen. Gapefigue bat in den legten fünf bis ſechs 
Fahren eine fo unermeßliche Anzahl von Büchern in die Welt 
gefchleudert, daß man ſich nicht erwehren Tann, feine ganze 
Schriftftellerei für eine Art fabritmäßiger Thaͤtigkeit zu halten. 
Sreili) muß man wiffen, daß er eine längere Reihe von Jahr 
ren bindurch dem Ardjive auf dem Minifteriun der auswärtigen 
Angelegenheiten vorgeftanden bat. Während biefes Zeitraums 
bat cr eine Menge wichtiger Documente theils felbft ercerpirt, 
iheils ercerpiren laffen und fo ein unerfchöpfiiches Material zu 
hiftorifchen Darftellungen angefommelt. Auch feine neuefte 
bringt wieder einige intereffante Beiträge zur Beleuchtung eins 
zeiner Thatſachen und feheint uns fogar mit geringerer Rad: 
läffigkeit als einige feiner frühern Werke, welche die Sputen 
der Fluͤchtigkeit nicht feiten ſchon in ftitiftifcher Beziehung zei⸗ 
gen, gefchrieben zu fein. 

Am intereflanteften und wichtigſten für die Charakteriſtik 
der Revolutionshelden find einige Privatbriefe von Männern 
wie Briſſot u. f. w., die von Sapefigue mitgetheilt werden. 
Dabei glauben wir die Zeichnung von der Stellung, weldye Die 
verſchiebenen Wächte vor und während ber Mevolution einges 
nommen haben, als bie gelungenfte Partie bed ganzen Werks 
hervorheben zu Tonnen. Überhaupt war bie Idee gewiß eine 
recht gluͤckliche, einmal bei der Erzaͤhlung der wichtigften Er⸗ 
eigniffe von 1789 und den folgenden Jahren von Paris, dem 
Mittelpunkte ber Bewegung, mehr abzufehen und bie übrigen 
Staaten und ihr Verhältnig zu den revolutionairen Ideen, weiche 
fih von Frankreich aus über die Welt verbreiteten, mehr ins 





I. oe gue iu — rade 
in Frankreich, wo bie Hiſtoriker bisher, von dem nähern Jnter⸗ 
eſſe in ber Regel faſt ausſchließlich in Anſpruch genommen, ben 

ängen im übrigen Curopa nur eine geringe Beachtung ger 
* haben. Wenn wie nun freitich ftagen, ob⸗ Ga⸗ 
peſigue gerade ber Mann dazu war, dieſe Aufgebe zu loͤſen, fo 


drängen ſich um fo ſtaͤrkere Zweifel auf, wenn wir glei auf: 


den exften Blick ſehen, daß in dielem neuen Werke feine ultra: 
montanen Glaubensanſichten wo möglich noch greller herdortre⸗ 
ten als in feinen frühern Schriften: Wir ſind weit entfernt, 
etwa ben zabicalen 
der Revolution zu einem Pamphlet geworden ift, bier eine groͤ⸗ 
Sere Berechtigung einzuräumen; aber wie faun man von einem 
Schriftſteller Unparteitichkeit erwarten, welcher Alles, was 
während ber Revolution unb bes -Kaiferreiche Großes gethan 
it, noch auf Rechnung des vorhergehenden Regime feat — To 
meint er 3. B., alle: großen Generale bes Kaiſers feien in ber 
Schule der alten Monarchie gebildet — , während er die Revo⸗ 
Iution wie eine vom Himmel gefallene Bombe betrachtet oder 
fie hoͤchſtens den Philofophen ins Gewiſſen ſchiebt, ais wenn 
fie nicht zum großen Theil wenigflens eine nothwendige Folge 
der Ausichweifung und Thorheiten der früheren Machthaber ges 
wefen wäre. 

Am erften verföhnt ſich der große Werehrer bes Adels, def 
fen brittes Wort immer chevalerie, noblesse und chevaleres- 
que ift, noch mit dem eigentlichen Wolfe, dem er weniaftens ein 
 sentiment de nationalit6 läßt; aber der Mittelftand, bie bour- 

gesisie, iſt ihm ein Greuel. Sie ift an Atem Unheil ſchuld, 
was über die Weit hereingebrochen iſt, und er ſchildert fie mit 
den fhwärzeften Karben, wahrfcheiniih, um an ihr bafür, daß 
fie ihren volftändigen Triumph in der Yulirevolution befiegelt 
bat, Rache zu nehmen. Indeſſen weicht Gapefigue an mehr als 
einem Punkte von den Hiftoritern feiner Farbe ab und nimmt 
4. B. Philipp Egalite, den die Legitimiften gewöhnlich zum 
allgemeinen Sündenbod machen, in Schutz ober verfährt wenigs 
ſtens ſehr glimpflidy mit ihm. Im Allgemeinen zeigt fi Ca⸗ 
peſigue wieder als einen ebenfo eifrigen Ultraromanen als in 
feinen frübern Schriften... &o fehen wir, wie er bei feiner ges 
wagten Behauptung bleibt, bie ganze Schuld an den religiöfen 
Berfo en und namentlid an ber pariſer Bluthochzeit trage 
Lediglich die vermalebeite bourgeoisie, während Karl IX. ber 
ganzen Sache fremd geblieben fei (Bd. I, ©. 346). Nicht ganz 
battbar fcheint uns ferner feine Anficht, welche er an verfchiebes 
nen Stellen, z. B. Bd. 1, &. 390, ausfprickt, daß bie allger 
meine Bewegung, bie fi beim Beginn ber evolution in den 
verfchiedenen Ländern kundthat, nicht etwa bem Umſtande guzu: 


ſchreiben fei, daß bie Liberalen been von Freiheit und Gieich⸗ 


heit wirklich Anklang gefunden hätten, fondern Eapefigue behaup⸗ 
tet, daß fie einzig auf Rechnung der Sympathie zu fegen fei, 
weiche die Bildung, bie Eiteratur und bie Sitten, wie fie vom 
ancien rögime geformt waren, ben Franzoſen überall ficherte. 
Bir geben zu, baß bie große Vorliebe, mit ber alle Welt an 
Frankreich hing, in etwas zur fchnelien Verbreitung ber revo⸗ 
Iutionnairen Ideen beigetragen haben mag; aber es läßt ſich doch 
auch auf ber andern Seite nicht ableugnen, daß die eralticten 
Köpfe, welche in der Lobernben Flamme der Revolution die Mors 
genſonne ber Freiheit begrüßten, von: ben Ibeen, welche ber Be⸗ 
wegung felbft gu Grunde lagen, nicht wenig angefprochen fein 
mußten. Bei biefer Gelegenheit wollen wir auch glei noch 
anführen, daß Gapefigue unter ben hervorragenden Gelftern 
Deutſchlands, die fich von den Grundſaͤtzen der Revolution ans 
ſtecken ließen, eines ber bebeutenbflen von allen, Georg Forſter's, 
bee von ber Flamme, welche ihn mit unmwiberftehlicher Gewalt 
an ſich zog, felbft verzehrt wurde, mit keinem Worte gedenkt. 
Den Strondiften und ihren Anhängern fpielt er gar gu mit, 
während er in ben extremen Parteien wenigſtens Kraft und 
Gnesgie gelten laͤßt. Gr läßt an der Gironbe allen Hohn und 


Hiſtorikern, unten deren Weber die Gefdichte:| | 


arten 


alen Spott aao; fe weit er MERERETÄER „AHletes pen 
— 555 u € 
n 7) i 
ronde “, und ber Mad. Roland Hähgt ein „„cetie pödante 
Dagegen will er durchaus nicht zugeben, daß 
n’ perfönfichen ſchaften def 

füpvader Disnasdj. war, fonbern wil Ihn mit Gemız 


5 


Wir Haben ſchon gefehen, wie dem Verf. Alles, was e 
Schönes, Herrliches und Großes gibt, in dem Worte „chera- 
leresqueo” enthalten if; fo fagt er denn auch: „Li od n’sinient 
plus ia cocarde blanche et l’Stendard fieurdeliss, la n'tzieat 
plus la Franoe“ und es klingt orbentlich elegiſch, wenn er aut: 
ruft: „Plus de traditions, plus de respect, plus de voble 
chevalerie!’ oder an einer andern Stelle: „Qu’staient devenus 
ces beaux marquis, les dölices du monde tiviliss 1“ 6. 





Notiz. 
Mittelamerika. 


. Das lebhafte Intereffe, welches von ben beiben Werken von 
Stephens über Mittelamerika erregt wich, hat den mexicaniſchen 
Alterthämern, melde, nachdem fie einige Zeit hindurch viel ke: 
ſprochen waren, mit einem Male in gaͤnzliche Vergefſenheit ge 
funten ſchienen, wieber bie Aufmerkſamkeit der emvapätkken 
Gelehrten zugewendet. So fucht man Fest denn wieder heraor, 
was feit X. von Humboldt — man Eann in Amerika feinen Gqritt 
thun, ohne an feinen Namen erinnert zu werden — bi uf 
Rorman und Friedrichsthal über Biefen Gegenftand geſchrieben if. 
Von fo hohem Werte auch einzelne dieſer Arbeiten fein mögen, 
fo. bleibt doch noch immer viel zu thun übrig, und namenilich 
bietet die Halbinfel Yucatan, ber einzelne Abfchnitte der Ste 
phens’fchen Werke gewibmet find, für ernfte Forſchungen noch 
ein weites Fed. Gin bedeutender Gewinn für bie Wiſſenſchaften 
würde es fein, wenn ber umfaflende Plan bes Grafen von 
St.sPricht zur Ausführung kaͤme. Dieſer um bie Wiſſenſchaften 
verdiente Franzoſe will nämlich eine gange Geſellſchaft von Ar: 
chaͤologen, Naturforfcheen und Künftlern anmwerben, um bie in: 
tereffanten Gegenden Mittelamerikas, die namentlich für die 
Alterthumskunde ein fo hohes Intereſſe bieten, in allen Rid 
tungen zu durchforſchen. An Gelehrten, - bie an dieſen Unter: 
fuhungen Theil nehmen mödten, wirb es ſchon nicht fehle, 
aber bie Bauptfache if, das nöthige Gelb — und zur Beini 
tung der bedeutenden Reiſekoſten würbe wenigftens eine Summe 
von 12,000 St. erfodert — aufsutreiben. Gt.: Prifl, 
ber ſich namentlich burdy feine ‚‚Antiquites mexicaines” befannt 
gemacht hat, befindet ſich zu dem Zwecke gegemmärtig im London, 
wo er mehre reiche Gapitaliften für fein Unternehmen zu int 
eifien hofft. Bei biefer Gelegenheit kommt auch noch zur 
Soprache, daB bie Geographiſche Gefellfchaft zu Paris im Bft 
der Berichte üher die Grpebition in den Jahren 1805 —7 iR, 
weldye im Auftrage bes Könige Yon Spanien in Mittelamerile 
unternommen wurde. Die Driginalhandfſchrift davon beat 
fih in den Archiven zu Mexico. Hoffentlich wich die Geene 
pbifche Geſellſchaft biefe wichtigen Papiere, unter denen ſich 
namentlih fehr werthvolle Zeichnungen und Pläne von Ga 
* befinden, der gelehrten Welt nicht laͤnger nt 

n. 


Verantwortlicher Oerausgeber: Heinrich Brodhaus. — Druck und Verlag von F. J. Brockhaus in Eripsig. 





Blätter 


f% 


literariſche Unterhaltung 


„7 


r 








(Behind aus Nr. BR.) 

Abe jene berühmten Schulen in den Nicberlanden 
maren, wie anderwaͤrts, faft ausſchlleßlich der Wildung 
kunftiger Geiſtlichen, und etwa einiger vornehmen, infon: 
derheit adeligen Laien gewidmet; wie menig dort von den 
erften qriſtlichen Zeiten bis gu den Kreuzzuͤgen für eigent: 
liche Volksbitdung gethan ward, hat Hr. Dr. Cramer an- 
gedentet, ebenfo den Einfluß der Nonnenkloͤſter auf Er: 
jihung und Unterricht, den Verfall der Kloſterſchulen 
aber und die einreißende DBerwilderung der Kiöfter ums 
fländlich vor Augen geftellt. 

In der folgenden Periode wird der geiftige Einfluß 
ber Rrenzzlge und das Auftreten einer neuen geiſtigen 
Rigtung anſchaulich gemacht, vornehmlich Laienbildung 
neben der geifllichen, das Hervortreten ber neuen Spra⸗ 
den neben den alten, der Natur neben dem Geiſte 
(Realismus — Nominalismus —), die ritterliche Bildung 
im Gegenfag gegen die gelftliche, und das Hervortteten des 
weiblichen Geſchlechts in der Geſellſchaft, die Wichtig: 
fit Frankreichs und der fäadlichen Niederlande für Ent: 
wickelung der neuen Richtung und befonders des Ritter: 
thums, die geiftige Bildung ber Ritter, bie verfchieden: 
artige Sultureinwirfung auf die Niederlande in jener Zeit, 
dann die Univerficät in Paris mit ihrem welthiſtoriſchen 
Einfluß, die Univerfitäten zu Salerno und Bologna, die 
niederlaͤndiſchen Stubenten und Lehrer zu Paris, weiter⸗ 
bin die Bedeutung der Kathedralſchulen gegen die Kloſter⸗ 
ſchulen, infonderheit der nieberländifchen Kachedralfchulen, 
namentlich der zu Lüttich, gu Tournay, zu Mecheln und 
Uneht — das Altes find Gapitslübesfchriften, die zu einem 
gewiß belohnenden Stadium diefer Geſchichte «inladen. 

Die vierte Periode zeichnet fih aus zunaͤchſt durch 
Erhebung des Buͤrgerſtandes und das allgemeinere Stre⸗ 
den nach geifliger Biidung. Das Volksſchulweſen wird 
durch die Kirche und die Bettelmoͤnche mehr als man 
gemeinhin anerkennt geförbert, bie Volksſprache, die 
Velkegeſehe und die Volkspoeſie gewinnen an Bedeu: 
tng, bie miederlaͤndiſchen Städte entfalten «ein freie: 
= bürgerliches Leben und Regen. Danke Elemente 
der damaligen Becks⸗ md Hoflebens, vornehmlich audi 
der dirgerlichen Ergtehung, treten recht anſchaulich in 
dem niederlaͤndiſch n Thiereyvss — Iſegrimm, Rei⸗ 





10. September 1843. 








nad — aus ber erſten Hälfte des 13. Jahrhunderts 
hervor. Während Im 14. Jahrhundert die Srädte RB 
erheben, bas Rittertbum aber verfällt, bilden fich Fromme 
Bereine in Verbindung mit Realſchulen, die Buͤrger⸗ 
fhulen gewinnen an Anfehen und Eiufiuf, und «6 regt 
ſich ſchon das DBerlangen, fie von der Kirche unabhängig 
zu machen, fowie die fläbtifhen Magiftrate das Patro⸗ 
natsrecht über die Ortsſchulen erfirebten und allmälig 
erlangten. Man arbeitete fleißig, wenn auch nicht überall 
mit fiherm, paͤdagogiſchem Takt, Grammatiken und ass 
dere Lehrbücher für die niedern und höheren Schulen, wo: 
bei man gern der metrifchen Form fich bediente. Die 
Brüder des gemeinſamen Lebens und ihre Schulen, deren 
Einwirkung und Verbreitung, werden auch von Hrn. Dr. 
Cramer wie von Hrn. 8. v. Raumer unbefangen und 
einfichtsvoll gewürdigt; es iſt von da an intereffant, beide 
Darſtellungen zu vergleichen, zumal jede ihre eigenthüm⸗ 
tihen Vorzüge hat. Was Hr. Dr. Cramer von den be: 
rühmteften Schulen der Brüder, von deren Verdienſten 
um Zucht und Methode, von der gegenfeitigen Einwir⸗ 
fung diefer Schulen und ber Wiederherftellung der Wif 
ſenſchaften, von dem Verhaͤltniß derfeiben Schulen zu den 
reformatorifchen Bedürfniffen und Beſtrebungen der Zeit 
und der Erhebung des Bürgerſtandes, dann über Die 
Gründung, Entwidelung und den Einfluß der Univerſi⸗ 
täten — Prag 1348, Wien 1361, Heidelberg und Räte 
1386, Erfurt 1392 —, und von ihrem Einfluß auf allge⸗ 
meine Bildung, von ihrer allmälig ſich geftaltenden Op⸗ 
pofition gegen die paͤpſtliche Xuctorität, mitgetheilt bat, 
das bewährt ebenfo fehr die Gruͤndlichkeit feiner Studien 
vie feinen fcharfen und umfaffenden Blick. Es iſt finn- 
reich ausgeführt, wie die Univerfitäten als ein geiſtiges 
Ritterthum fich geflalteten, da die Blütenzeit des alten 
Ritterweſens vorübereile. Die brei Stufen der Gelehr⸗ 
tenbifdung, Schüler, Student, Doctor, entſprachen dem 
drei ritterlichen Graden Page, Knappe, Ritter; die ge 
lehrten Disputationen traten als eine geiſtige Gymnaſtik 
an die Stelle der Turniere und wirkten auch mit, wide 
wur das perfönliche Talent und eine kräftige Geifleägugen- 
wart geltend zu machen, fondern auch ben Geiſt einer 
freien Maͤnnlichkeit auf den Univerfitäten autzubilben. 
Der Univerfitäe Löwen iſt mit Recht ein beſenderer 
Abſchnitt gewidmet, in weichem noch manche bedrutende 


, 8% 


Merkmale ber 
Einige Bemerkungen über ben naͤchſten und unmittelbar: 


ſten Einfluß der Reformation auf das Schulweſen und 
über die Univerfitäten zu Douay und Leyden (legtere bie 


Vertreterin des. hollaͤndiſch⸗ Ai rare . —* 
J eſchließen 


uch. 
Mef. iſt nicht uͤberall mit dem Verf. einverſtanden; er 


die de6 beigifch:tgthofkfägen 
B 


fuͤhlte ſich mehr als einmal verſucht, eine andere Auffaf: 


fungsweife einzelner Thatfachen oder Perfonen geltend zu 


machen; aber er erkennt willig und dankbar für mannid): 


fache 


forgfältiger Forſchung auch in angemeffener Form in die: 


fm fchägbaren Werke niedergelegt if. Bemerkt fei nur 
noch, daß die vier Perioden im Concept ebenfo markirt fein 


5. 4. Koethe. 


——— — — — — — —— — — 


ſollten wie in der Inhaltsanzeige. 


Weſchichte der ſchleſiſchen Kriege nach Originalquellen von 
Leopold von Orlich. Erſter Theil. Mit Plänen 
Berlin, Gropius. 


und mit einer Sperationekarte. 
1841. Gr. 8. 2 Thlr. 20 Nor. 


Das erwachte gefichtlihe Quellenſtudium gehört zu den 
ekfreutichen Grfcheinungen unferer Zeit. Alles verlangt nach 
Urmielen, und Geſchichtswerken, aus blos ſecundairen Quellen 
geſchoͤpft oder ohne Angabe derielben, würde nur der Zauber 
ber Darftellung, wie Voltaire's „Karl xXiL” und Schillers 
„Dreißigjährigem Kriege’, Gluͤck bei der gebildeten Leſewelt ver: 
fhaffen. Man ſcheint endlich Johann v. Muͤller's Ausſpruch, daß 
es eine ernfte Sache um die Geſchichte fei, begriffen zu haben. 
Gin anberer Meifter *) fieht fogar die Zeit fommen, da wir bie 
geuere Geſchichte nur „aus ben Relationen der Augenzeugen und 
dem echten unmittelbaren Quellen aufbauen werden‘. Sieht 

war Ref. nicht fo weit und kann er audy nicht eine ſolche Zeit 
ünfcyen , die das mit Geift und Detailfenntniß Abgeleitete als 
wnbrauchbar darftellen und fo um manches Treffliche uns ver: 
fümmern würde, fo ift auch diefe ertreme Anficht infofern ers 
freulich, als fie die hohe Bedeutung bed Quellenſtudiums zeigt 
und nach diefer Seite zu aufmunternd und anregend wirkt. 
Indbdeß darf dem Eifer der heutigen Gefchichtsforfcher diefe 
Erſcheinung nicht allein zugefchrieben werden. Die Zeit begün: 
ftigt fie fo fehr, daß dieſelben faft nur das ihnen Gebotene ans 

ehmen brauchen. Denn der Stoff, welder fonft mit mid 
trauifcher Giferfucht bewacht wurbe und unter dem Staube der 
Archive vergraben lag, ift jest den Gefchichtsforfchern mit einer 
{in fräherer Zeit unerhörten Preifinnigkeit zugängli gemacht 
worden. : Wenn auch nicht Alle Gleiches erfahren und ein lite 
zarifcher Rame und, in defien Ermangelung, felbft die Protec- 
tion die Flughaut unterfpannt, weldye zu Urkunden und auto- 
graphen Handſchriften gelangen läßt, fo darf doch über einzel: 
nem Menſchlichen das allgemein Gute und Schöne nicht ver: 
tannt werden. Und gut und ſchoͤn iſt es gewiß, daß Regieruns 
gen, auch verſchiedener Richtung und Farbe, die geſchichtliche 
Muheheit fördern, anftatt neidifch zu bewachen. Es liegt in 
dieſem Zuge etwas Dffenes und Vertrauenvolles, welches die 
öffentliche Meinung nur gewinnen kann. 

Zu biefen Betrachtungen hat die vorkiegende Schrift dem 
Me. nahe Berantaffung gegeben. Ihr Verf. hat das Gluͤck 
„ in ben Ardive zu Deffau in mebr ale 2D zum 
heil eigenhändig geſchriehenen Originatbriefen Friedrichs des 


Grafen an ben Fürften und den Exbpringen von Anhalt:Deffau, 


.. 95 Menke in der Vorrede zur MDentſchen Geſchichte im Zeitalter 
a Retſematie · 





ga. y 


Bildung jener Zeit in Betracht kommen. 


‚freund ſehr verdient gemacht. 


Belehrung und Anregung das viele Wahre und 
Gute an, welches als die Ausbeute warmen Eifer und 










7 


ẽ 1 . 
in Berichten mehrer Generale, ja ſogar ir von Keickei 
gezeichneten Schlachtplaͤnen einen reichen Quellenſchat zu —* 
und ſich ſchon durch deſſen Beroͤffentlichung um den Geſhihtn 
Aber dieſes Verdienſt Hat er neq 
dadurch zu erhöhen gewußt, daß er das gefundene Unbekannt 


nicht bios wiedegäegeben, forpern auch mit 
gen, kurz nicht De (Giysckn Werften fo — 
Geſchichte felbſt fert: bat. ferner Bel it nenn 


ec feine Arbeit nr einen Berſuch, mit dem er nicht warten u 
dürfen glaubte, bis ein kriegskundiger unb erfahrener Nilitar 
derfeiben feine Mußeftunden widme. Aber Ref. glaubt fie dennod 
als eine fehr gelungene Gefchichte empfehlen zu können. 

Was das allgemeine Geſchichtliche betrifft, fo hat zwar der 
gefundene Quellenſchatz oft ein bedeutendes ühergewicht gewen: 
nen und ift nicht immer kritiſch gefichtet und mit dem Bekam: 
ten gloͤclich verſchmolzen worben. Indeß läßt fi biefer Man: 
gel durch die Wichtigkeit des gemachten Fundes und die ſicht 
bare Freude über denfelben erklären und um fo mehr entickt: 
digen, als er doch keineswegs in der Gompaofition fihrend vor: 
herrſcht. Diele verwirrt nicht unter ben verſchiedenen Gruppi: 
rungen und Schattirungen ber Perfonen und Begebenheiten, 
unter ben fogenannten accessoires, die ma Gehihtikrn: 
ber noch fo viel zu Schaffen machen, fondern laͤßt immer den 
Faden halten und den Blid auf das Ganze unzerflreut un ur 
getrübt. Kurz der Verf. ift im Allgemeinen Meiſter fein 
Stoffe geblieben und feine Sompofitionen im Ganzen ald geſchiet 
zu empfehlen. Ginige feiner Gharaftergeichnungen find vorzig 
li gelungen und feine Darftellung, ihr Geſuchtes an einzeinmn 
Stellen abgerechnet, hat eine ganz geſchichtliche Haltung. Seiat 
Kritik iſt umfichtig und fo unpartetifch, als es fein preußiſcher! 
Standpunft und feine von ihm felbft ausgeſprochene patriotiſche 
Abſicht nur irgend erlauben. Damit will ef. um fo weniger 
einen Zadel ausſprechen, als er von fogenannter Vorausſetunge 
loſigkeit nicht viel hält und über dieſelbe in d. WI. bei ein 
andern Gelegenheit ſich offen erflärt bat. 

In Hinficht des Militairiſchen ſcheint dem Berf., nad fe: 
ner Bemerkung , die eigene Kriegserfahrung abzugeben. Aller: 
dinge waͤre dies ein Mangel, und ein wecht großer Mangel 
für den Befchreiber von Operationen und Schlachten, ta des 
ferbft Exlebte das Urtheil über das von Andern Grfahrene ef 
recht reift und befeftigt, und mol nirgend dem Begriffe dat 
Leben näher zur Seite geht ale bei mititairifchen Gegenſtänden 
Indeß würde diefer Mangel bier nur ein relativer fein, nämlid 
in Beziehung auf den Berf, ſelbſt, da er, der ohne Kriegeerſch 
zung und don fo viel gegeben hat, mit derſeiben noch Ic: 
licheres hätte Leiften Eönnen. Diefer Mangel würde auf nnd 
nicht feine Geſchichte durch bie von kriegserfahrenen Militais 
verfaßte unbedingt verbunfein laſſen. Denn bie Erfahrung wit 
nicht magiſch, nicht befruchtend, fondern nur Läuternd und be 
feftigend,, erſetzt nicht Geiſt und Kenntniß, ſondern klaͤrt ſt 
gleichſam ab und reinigt fie von den Auswuͤchſen muͤßiger Ept 
culation und von dem Staube der Schule. Schiller hat, cum 
Mititair geweſen zu fein, in feinem „allenftein” das Selbe 
tenicben, und Goethe in feinen „Bekenntniſſen einer fhdam 
Serie das innere Leben, in dem er wol nicht land, meikm 
haft zu objectiviren gewußt, und Jener manchen Dffigier, wie 
Diefer viele Fromme befhämt. Und dem Maufefel des Print 
Fugen haben, nad) Friedrich's des Großen Bemerkung, den 
Kriegszuͤge nichts genügt. 

Wenn alfo auch unfer Berf. bei ber Abfaſſung des Werk 
feinem Kriege beigewohnt haben folte, fo hat ex doch den Dir: 
tiegenden mit Sachkunde beſchrieben und in feiner militairilden 
Kritik, bei all ihrer Kürze, den Kenner verrathen. enden DIE 
uns nun zu der Schrift ſelbſt, aus der Ref. bei ber Veſchränkt: 
heit des Raumes und bei der großen Schwierigkeit, chat das 
Berflänbnig barunter leiden zu Laflen, aus miutairiſchen Drtais 
einen Auszug zu liefern, nur Einzelnes hervorheben 

Ginteitung. Weiß -die Anfpuhche, des. Kucfuͤcſten 0 
Brandenburg auf das —* athun Jageradert nach und KU 








bie Intriguen —* Am das ihm zu maͤch⸗ 
tig wer | een. beffen .Hüife —8 ſo ſehr 

die Franzoſen und Tuͤrken bedarf und welches es daher 
zu müflen glaubt. Der Große Kurfurſt befinder ſich fo 
in einem befländigen Kampfe zwiſchen feiner echt deutfchen (Be: 
finnung unb feinem Sfaatsinterefie, welches ihm das Anfchließen 
an bed, fein politifches Wacsthum weniger eiferfüchtig be: 
wachende und hemmende Franfreicy gebietet, aber dennoch jener 
Gefianung unterliegt. Gleichen Kampf bat Friedrich Wilhelm I, 
zu beftehen. Allein bie Öftreichifche Regierung findet, außer in 
der deutſchen Geſinnung des Königs, in ihrem Gefandten, dem 
ſchlauen Seckendorf, und in dem bon ihr gewonnenen pteußis 
ſchen Jeldmarſchall von Grumbkow gewuͤnſchte Unterflübung und 
diefe diplomatifchen Federn werben noch durch große Rekruten 
und Geſchenke für die Offiziere des Tabackscollegiums eingedlt 
und in Bewegung und in Spannfraft erhalten. Indeß dringt 
doch der gefunde Blick des Königs ſtets durch all diefes Betriebe 
und flerbenb fagt er, auf den Aronprinzen binweifend: „Hier 
ſteht Einer, der mich einft rächen wird.“ 

Erſter Abſchnitt. Verfaſſung und Stärke ber Eriegfüh: 
renden Deere. Bier ift des Fürften Leopold von Anhalt: Deffau 
Sharafteriftit von befonderm Interefie. Sr ift gewilfermaßen 
der Zppus, Ver Repräfentant einer militairifchen Zeit, die mit 
Friedrich Wilhelm I. begann, unter deſſen großem Nachfolger 
imedmäßige Modificationen erfuhr und, obgleich durch die frans 
zofiſche Revolution in ibren Grundfeften erfhüttert und nur 
noch einem von dem Fleiſche ummachfenen Ringe gleichend, den⸗ 
nob mit flarrer Conſequenz feftgehalten wurde und auf dem 
Schlachtfelde von Iena ihr endliches Grab fand. Ginfeitigen 
und unverfländigen Bewunderern diefer Zeit find noch einfeitigere 
und unverfländigere Tadler gefolgt, welche, biefelbe aus ihrem 
geſchichtlichen Zuſammenhange reißend, ihre nuc Stocktyrannei 
md Zopfpedantismus aufbuͤrden. Die heutigen Militairs haben 
zwar Stock und Zopf abgelegt (obgleich diefer in der langen 
Friedentzeit mandyem militairiſchen Philiſter und Kleinmeiſter 
an das befangene Haupt ſich anzuſeten ſcheint), auch von ben 
Franzoſen und ihrem Helden eine kraͤftigere, geiſtvollere und 
zweckmaͤßigere Kriegsart und Heerverfaſſung angenommen, aber 
dennoch don jener Zeit und ihrem Repraͤſentanten Manches zu 
lernen. „Der Sieger von Keſſelsdorf“, ſagt unſer Verf., „von 
etwas mehr als mittlerer Groͤße, war kraͤftigen, unterſetzten 
Koͤrperbaus, hatte eine mehr gerundete Phyſiognomie, dunkle, 
ſcharfliegende Augen, dunkles Baar mit einer Zopfflechte en⸗ 
dend, und unterſchied ſich von den übrigen Offizieren durch einen 
kurz geftugten fdnvarzen Schnurrbart, weldyer die kecke martia- 
liſche Perföntichkeit noch mehr hervorhob. Nannten ihn doch 
bie Offiziere gemeinhin nach dieſem, der alte Schnurtbart ‘; waͤh⸗ 
rend die Soldaten mit feinem gewöhnlichen Ausdrude ‚Schwere: 
nöther* ihn unter fich bezeichneten. Won beiden, feiner Strenge 
wegen, gefürchtet, feiner Tapferkeit, Grfahrungen wegen hoch 
geehrt. Beine Söhne, fo fehr er fie liebte, durchdrang ein 
aͤhnliches Gefuͤhl; fie waren feiner Liebe verfichert, wenn fie in 
feinen ſoldatüſchen Wegen wanbelten. Rahm er body feinen 
Sotn keopolid fon im achten Jahre mit fi ins Feld nad 
Brabant. In Ausdruct und Berftändigung gegen fie wie gegen 
fen Anbern, unb wenn er einft dem Prinzen Morig in Schle⸗ 
fien troſties weinend mit den Worten: „Junge, der Teufel bat 
deine Mutter gebott‘, in die Arme fiel, fo war dies eben feine 
eigenthümliche Art, welche tief aus dem Herzen kam.” Der 
alte Deffauer, mit dem Vater befreundet und durch Gleichheit 
der Neigungen und Gefinnung eng verbunden, konnte ſich in 
dad Verhättnig zu dem königlichen Sohne, den er zu überfehen 
glaubte, nicht vecht finden, und diefer brauchte all fein Anfehen, 
fine ganze GBeiftesüberlegenheit und einen gewiſſen feinen Takt, 
wn den alten Etarrtopf noch in feinem Dienfte zu erhalten. 
Dies Verdaͤltniß iſt eine der anfprechendften Partien in un: 
ſerer Geſchichte. Gliuͤcklicher iſt das Verhaͤltniß Friedrich's zu 
dem Erbpri Lespold, feinen „lieben Polten“, mit welchem 
er in —— * — hruͤderlichen Bernehmen ſtand und dem er 


als Kranprin i er ihn tcubi Chem; 
pagner „ausiaufen” die Kon ae om ‘6 9 

Bweiser Abſchnitt. Von dem Vorbereitungen Feld⸗ 
zuge bis zur Beziehung der Winterquartiere. Dex alte Schpurrbart 
war von dem achtundzwanzigjaͤhrigen Könige nicht in has Ge: 
heimniß feiner Kriegse fe gezogen worben und gleich eyzügmt 
und erſchrocken, als er erkannte, daß fie gegen Öftveich, für 
bas er flete Zuneigung gehabt hatte, gerichtet waren. (Er ſchnieb 
baher in Aushrüden ber Empfindlichkeit an denfelben und wider, 
vieth ihm, mit der Freimuͤthigkeit eines alten, feiner Überlegen 
heit fi bemußten Soldaten, ben unbefonnenen Gchritt, der 
um fo weniger gelingen fönne, als man fich nicht einmel dazu 
feines Beiſtandes bediene. Der König antwortete in gleicher 
Empfindlichkeit: „Ich habe Cre Durchi. ipren Brif gekrigt unb 
geſehen, mit was vohr Inquietude Sie den bevohrſtehenden Mari 
meiner Trupen anfeben, ich hoffe, das Sie ſich daruͤber be⸗ 
ruhigen werden und Erwarten mit geduldt zu was ich Sie 
aestimire, ich habe meine Dispesitions alle gemacht, und wer⸗ 
den Ihre Durchlaucht Schon zeitig genung Erfahren was ich 
befohlen babe, ohne fich weiter darum zu inquietiren in deme 
nichts vergefen noch verfeumet ift, und hoffe ich übrigens das 
fie verfichert fein werben wie ich mit vieler estime bin Ew. 
Durchlaucht freundtwilliger Vetter Friderich.“ Den Eindruck 
dieſes Schreibens ſuchte er doch durch ein fpäteres zu mildern, 
in dem er des Feldherrn großer Verdienſte ruͤhmliche Erwaͤh⸗ 
nung thut, ihn, wie ein junger Offigier den alten, zu ehren 
verfpricht, auch ihm verfichert, keine Gelegenheit zu verfäumen, 
da er ihn mit Rath unterflügen könne, aber auf das Specielle 
übergehend und den eigentlichen Kern der Differenz berühsend, 
am Scluffe in die merkwürdigen Worte ausbricht: „Allein diefe 
Spedition reſervire ich mir allein, auf das die Welt nicht 
he der König in Preußen marfchire mit einem Hofmeiſter 
zu Felde.’ 

Noch Geute, bei fo veränderter Kriegsart und ungleich grö- 
Berer Beweglichkeit der Zruppen, verdienen die Einleitung dies 
fes Feldzugs und bie Präcifion und Schnellizkeit der Operatioe ' 
nen und Märfche unfere Anerkennung. Schwerin’s Gorps u. X. 
legte in drei Zagen 14 deutfche Meilen, zurüd und nad fünf 
* waren bie feetich —— — Öftreicher ohne Schwert: 

eich, bis auf Groß: &logau, Neiße und Brieg, aus 
Schlefien vertrieben ! gau, J ara 

Wir übergeben das Weitere und treffen beide Kriegsheere 
amı 1. Aprit 1741 auf dem Schlachtfelde von Molwig. 

Diele Schlacht hat dadurdy ein hohes militairifches Inter: 
effe, daß fie ein mit Befonnenbeit, Umſicht und ſtrenger Con⸗ 
fequenz neu gebildetes Syſtem in die Wirklichkeit einführte und 
anftatt es, wie die Schlacht von Jena die alte Kriegemanier 
und Heerverfaſſung, aufzulöfen, ihm nur feine Gteifheit nahm, 
es gluͤcklich modificirte und dem Leben anpaßte. Friedrich Wil: 
beim I. und ber Fuͤrſt von Deffau hatten dad preußifche Fuß⸗ 
volk zu einer Mafchine ausgebildet, die in taktifcher Binficht 
wol kaum etwas zu wünfchen übrig und alle andern ‚Deere weit 
binter ſich zurüdtieß. Die Friction dieſer Wafchine, welche den 
größten Kriegskünftlern fo bemmend in den Weg tritt, wear 
dur eine unerhörte Disciplin und Subordination aufgehoben 
worben, wie fie denn die übrigen Deere auch in materieller Pins 
fiht, als Beſoldung, Bekleidung und Bewaffnung (wo beſon⸗ 
ders der eilerne Ladeſtock zu erwähnen ift) weit übertraf. Ge⸗ 
gen die „Infanterie traten die Reiterei und bie Artillerie zwar 
ſehr, aber doch lange nicht fo zuruͤck, daß dadurch die Über: 
legenheit des Fußvolks über diefe Waffe anderer Heere auss 
gestichen worden wäre. Und da biefes die Hauptwaffe einer 
Armee ift, fo fehen wir bie preußifche bei Mollwig im Gangen 
in einer den Sieg verfprechenden,, wirklich imponirenden Hal 
tung. Der Erfolg zeigte aber, daß es in wirklicher Schlacht 
noch andere Geſetze als die der Mechanik gebe, dab ein Beer, 
und befonders bie Keiterei, noch bes moralifcgen Elements be: 
durſe und feine ganze Kraft nicht in bie Dreſſur aufgehen koͤnng 
dag der Sto der preußiſchen Hauptieute und Corporale fe 








wenio dis bie berühmte Weinrebe der römiflgen Genturtonen 
7 Element zu erſetzen e und daß enblich über all die: 
fen been und Rädern ber ichen Maſchine der Geiſt bei 
Vdeiderrn ſchweben mäffe. | 

Bir fehen das preußiſche Heer in einer Ordnung wie auf 
dem Grdetierpiatze, das Jußveit buch die Macht ber Gewohn⸗ 
heit und den Hedel des Stocks in beſtaͤndigem Gleichſchritte ges 
hatten, gegen die oͤſtreichiſche Armee anräden und von feinen 
fehe gut bedienten Geihägen in bie frindliche Steiterei, unter 
Yem tapfern General Römer, Tod und Berwirrung ſchieudern. 
Die treffiichen Reiter murren Aber ihre fo zweckloſe Aufopferumg, 
und verlangen laut, gegen den Jeind geführt gu werben. Der 

rinftinet des gemeinen Golbaten ‚ wie oft in ver 
Scqchlacht, über die Dispofltion , die Ratur bie Runft, und 
Rdmer flürzt, ehe der Oberfeldherr, Feldmarſchall Neipperg, 
die Aufftelung des Heeres vollendet bat, auf vier Schwadronen 
Dragoner unter Schulenburg, welche ſogleich geworſen werden. 
ch will durch die Garabiniers die Sieger aufhalten laſ⸗ 

, aber diefe reißen jene und ben König felbft nebft den ihn 
Degieitenden Gensbarmen unaufhaltiam mit ſich fort und er⸗ 
ebern neun Gefchäge, von denen Römer einige gegen bie Preus 
Sen richten läßt. Die Batailone Bolftern und Winterfeld, von 
ihrer Reiterei ſich verfaffen febend und von der feindlichen in 
Front und Rüden nahe bedroht, feuern nad) vorn und hinten, 
md Römer findet hier den Heldentob. Der Kampf wirb immer 
dlfgemeiner, faft die ganze preußifche BReiterei in die Flucht ge⸗ 
fäytagen und der König, bie Schlacht rettungslos verloren ges 
dend, vertäßt fie, auf den Rath des Feldmarſchalls Schwerin und 
des Erbprinzen Leopold, und flüchtet ſich in eine Muͤhle bei Ohlau. 

Die oͤſtreichiſche Reiterei richtet nun mit allem Ungeftäm 
des Giegers ihre Angriffe auf das preußifche Zußvoll. Aber 
dieſes, obgleich in duͤnner, dreigliebriger Stellung, und fo, nach 
den Regeln der pedantifch und unpfpchologifch oft auf den Krieg 
angewendeten Mechanik, gegen bie fiegreichen Gentauren in ficht: 
darem Nachtbeite, fehlendert, in ungemobnt ſchnellem Feuer, 
od und Wunden unter diefelben, hält fo die Borſichtigern uns 
tee den Lebenden und Unverfehrten in ficherer Ferne und läßt 
die Zapfern und Zolltähnen in bie fpanifchen Reiter der vorges 
haltenen Bavonnete ſich ſpießen. In fünf Angriffen erſchoͤpft fo 
Die oͤſtreichiſche Reiterei vergeblid Kräfte und Muth und ver 
ſchwindet endlich ganz, von dem Schlachtfelde. 

Das oͤſtreichiſche Fußvolk ruͤckt nun auf das preußifche an, 
meiches es mit jenem Schnellfeuer empfängt, deffen Verderbliches 
feine Reiter foeben erfahren haben. Aus ben geordneten Reihen 
ber öftreichifchen Fußſoldaten werden balb, wie man es oft ges 
ſehen hat, dichte Kıumpen, in deren Inneres ‚bie Borfichti 
fih drängen und in hohem Anfchlage auf den ungefehenen Feind 
Siegen. Befferes wählen ihre Srenadiere in einem ihrer Zeit 
vorauseilenden Kriegerinftincte. Sie tegen ihre Zornifter auf 
die Erde, hinter denen fie liegend auf die Preußen feuern! 

Die preußtfäge Infanterie iſt indeß in fünfflündigem mör: 
berifden Kampfe in ihrer beifpiellofen Ordnung wol wnerfchüts 
tert geblieben, aber doch durch benfelben ermattet worben. Ohne 
Mmnition muß fie die Patrontaſchen ber Gebtiebenen leeren, und 
als auch dieſes Mittel bald fi zu erſchoͤpfen ſcheint, feben 
fetöft erfahrene umd muthige Offiziere die Nothwendigkeit, ſich 
zu ergeben, nicht mehr fern. Da erkennt ber alte Feldmarſchall 
GSchwerin, der nach bes Könige Flucht ben Oberbefeht übermoms 
men bat, den Augenblick, in einem allgemeinen Angriffe ver 
ſuchen zu muͤſſen, den unmilligen Sieg an feine Bahnen zu reis 
fen. Mit etingenbenn Spiele, wie es oft nur in milltairifchs 
metaphoriſcher Sprache hyperboliſch heißt, ‚hier aber buchſtaͤblich 
Rattfindet, in faft fchnurgerader Linie, tm Gteichfchritte und 
unter fletem geregelten Pelotonfeuer ruͤckt das preußifche Fuß⸗ 
sort gegen den Beind. *) Gleiches verfudgt ber oͤſtreichtſche Ober: 


») Zn vom GYrriben eined baden Öferkbiften Dffhierd wird des 
Bengigen der preußifägen Infanterie aid HAM Bewundtrumgänättig 


| fetöhere mit dem feinigen. "Mber es if müßt Hermine zu bein 


ben und geräth bald in große Unorbnung; ı 
lich verfuht noch vor Mollwitz ber —ã 
Berlichingen durch einen Angriff die von Relterei ungefchdet, 
etwas unvorfichtig vorgehenbe, preußtfche Infanterie aufzupa: 
ten. Nichts widerſteht derſetben und die Üfteeicher Iäfen fg 
endlich in wilder Fiucht auf. Schwerin will fie durch 14 She 
dronen Reiterei verfolgen laſſen, aber ber Erbprinj erklärt fd 
bagegen; in dem barüber zwiſchen Beiden entfichenden Gimit 
entfcheidet ber Adjutant des Königs, Graf Hacke, für den Pr: 
zen und die Verfolgung unterbleibt. Es ſſt diefes ein bie de 
malige Disciplin und ihre Gchattenfeiten bezeichnender Zu, 
— fi oh R j Kanig * — ee Adjutanten einen ent: 
eidenden Einflu en jtegreichen Feld aus umd erin 
h an den Stiefel Kart’s XILI dee - 

Der König erſchoͤpft ſich faft bei biefer Gelegenheit und im 
Laufe bes ganzen Kriegs in dem Lobe feines Yußvolts. Aber 
bitterer Tadel verfolgt feine Reiterel, die ſich als ſchlechte Kırız 
aufgeführt habe, welcher die Buborbination fehle, deren Off: 
giere mehr Paͤchtern als Offtzieren gleidyen, die nicht werth fei, 
baß fie der Teufel hole, mit der kein Offizier umgehe” u. f. w 
Diefelbe Neiterei fehen wir bald, vom Friedrichs Geiſte mt: 
flammt, glänzende Thaten verrichten und im &iebenjäkrign 
Kriege, unser Geiblig, auf einer kriegeriſchen Höhe, bie wir 
jegt Das uneereichhar —— g 

egen tadelt pperg feine Infanterie mit faſt 

Bitterkeit und fchlägt vor, 10,000 Sachfen oder Ruffen — 
zu nehmen, da fein Fußvolk ganz unzewerlaͤſſig ſei. Ref. führt 
diefen Zug an, da er für das faft ſtets ungluͤcktiche und oft mit 
fremder Schuld beladene ſaͤchſiſche Heer vin ehrendolles und gas; 
unparteiifches Zeugniß Liefert. Erkennen es doch ſelbſt vie 
Sachſen nit an, wie 1756 ihr Beer, im elendeften Zuſtande, 
verlaffen und dem Bungertobe preisgegeben auf ber Vergplattt 
des Lilienfteins den @ieger von Lowoſttz wufhielt und bafke 
ſchmaͤhliche Gefangenfchaft und gezwungene Ä in 
die preußiſche Armee erntete, wie der unbedeutende Bentenderf 
bei Kolin den Sieg aus den Bänden des großen Auige riß 
und fo die Sachfen zum andern Dale bie Öftreichifche Konarchie 


retteten !**) 
(Dre Befchtuß folgt. ) 


Biblisgrepbie. 


Bolbfhmied, J., Epigrammatifch: jokofe Kleinigkeiten. 
er Vorrede von M. &. Saphir. Wien, Volke. Gr.3. 


Stremme, C. C., Die Architektur und ihr Verkältnis 
zur Cuitur und zum Volke. Dorpat 1842. 8. 3%, Ner. 

Bigand, P., Traditiones Corbeienses. Leipzig, Bed: 
haus. Er. 8. 24 Nur. 


geſchildert. Aus tiefem Schreiben führt ıumfer Werl. an: „I 
kann wohl fagen, mein Eebtage nichts Superberes gefehen zu bahn, 
aid das Vorgehen der feindlichen Infanterie. Sie marſchirte mä 
der größten Gontenance und fo ſchnurgleich, als wem eb auf hm 
Yaradeplage gervefen wäre. Dad blanke Gewehr made in der 
Sonne den fbniten Effect, und ihr Besen ging möcht anders aß 
wie ein beftiged Donnerwetter.“ 

**) Wie der Dichter (Schiller in feinem „Wiallenfein”) überbeu, 
fo f&libert der Geſchichtſchreiber (Johann v. Müller) dad unglätiihe 
füchifche Beer im vorigen Jahrhunderte mit zwar verſciedenen 36 
gen, aber wol gleicher Wahrheit: „Der Kurfürk von Sin | 





Spieltiſche verloren, welchen 
benbwwärkige Telente gefallen hatten, 
¶Miecundzwanzig TWıhiher allgemeiner Befiäten”, Bb 


Berantwortlicher Serausgeber: Oeinrich Brodbaud — Drud und Berlag von F. A. Brodpaund m Kripgie 





B erte r 


für 


literarifhe Unterhaltung. 





Montag, > 





Meue 
1. Sieber vom Bobenſee. Mon G. 8. Gmminbofen. Bam: 
berg, Litcrariſches Inſtitut. 1843, Gr. 8. 1 Xhlr. 10 Mer. 
2. — von J. G. Deeg. Stuttgart, Franckh, 1843. 
4 le. 


Das groͤßere Publicum, nicht ſelten auch die Kritik, 
if in der Baurtheilung neuerer Erſcheinungen in der Li⸗ 


teratur oft fehe ungerecht, wenn diefe nämlich fih mit 


Ideen und Michtungen der Gegenwart befaffen, bie van 
einem Fruͤhern fchon mit Erfolg behandelt worden find. 
In der Regel, werden bie Letztern ale die Nachahmer von 
den Fruͤhern bingeftellt, und Derjenige, melcher das Gluͤck 
hatte, als der Erſte mit dem Ausdrude irgend einer Zeit: 
fimmung hervorzutreten, [cheint alle die Fruͤchte zu ern: 
ten, welche inemer erlichen, wenn der Schriftileller den 
Geiſt finer Zeit aufgefaßt, im Sinne deſſelben gefchaffen 


bat. Wie gefagt, dies if ſehr ungerecht; denn der Geiſt 


einer Zeit und auch fein Ausdrud concentrirt fi nie in 
einem Menſchen allein: er iſt zertheilt in eine Menge von 
Individuen, welche von benfelben been erfüllt find und 
getragen werben. Dean eben nur dadurch bildet ſich eine 
Öffentliche Meinung, Daß fich die Überzeygung von der 


Wahrheit gewifler Ideen mit einem und demfelben Bes 


wußtiein der Mehrzahl der Individuen zugleich aufdringt. 
Sa dem DMemsut alfo, wo Einer der allgemeinen Stim⸗ 
mung Worte leiht, hatte ſich diefe ſchon einer großen An: 
zahl von Geiſtern bemaͤchtigt, und es iſt oft nur Bufall, 
daß nit eig Anderer dem Erſten zuvorgelommen, ivo: 
duch dieſer um feinen Locher gelommen wär. Denn 
gar häufig trifft es ſich, dab die erſten Zungen irgend ei: 
ner Volksſtimmung nicht immer die beften find, und daß 
die Nachfolger, die oft durch Zufall verfpäteten Nachfolger 
weit beiler find als jenen Erſte; ober fie werben in der 
Regel weit weniger beachtet, wenigſtens vom größern 
Yablıum, was wieder fehr natürlich iſt, weil das In⸗ 
tereffe an dem Gegenſtande ſich ſchon duch die Behand: 
lung des Fruͤhern abſorbirt oder wenigſtens einigermaßen 
ylättigg bat. Dleſe Erſcheinung gilt von der geſammten 
Literatur; fie gilt von den ernſtern Wiſſenſchaften nicht 
minder wie non der Poeſie. Dort Bann es fich treffen, 
daj zwei Männer ih wit einem und demfelben Gegen: 
Rand beſchaͤftigen, daß fie in der Behandlung deſſelben 
auf die naͤmlichen Ideen ſtoßen, daß fie ſelbſt in der 








| Form der Darftellung miteinander uͤbereinſtimmen, ohne 


daß Einer von dem. Anden etwas wüßte Wer nun 
aber das Gluͤck bat, zuerft mit feinem Werke aufjutreten, 
wird gewiß vom Publicum dem Andern vorgezogen wer⸗ 
den, welcher fpäter erfcheint, ja diefer Letztere wird das 
Unglüd haben, der Nachahmung des Anderen bezlichtigt 
zu werden, insbefondere wenn er weder in ber Literatur 
noch in ber bürgerlichen Gefellfchaft ſich derfelben gün- 
fligen Stelung erfreut wie jener. Auch unfern beiden 
neuen Dichtern, fuͤrchte ih, möchte jene Ungerechtig⸗ 
keit widerfahren, indem man fie bei oberflächlicher Be⸗ 
trachtung fowol in Form als im Inhalt vielleicht als die 
Nachahmer diefes oder jenes unferer befanntern Dichter bins 
fleßen, oder ihnen doch, in Betracht, dag die Grundideen 
ihrer Poeſien ſchon vielfach behandelt feien, die bedeutende 
Stellung verweigern dürfte, welche ihnen in der That 
gebührt. 

Unfere Dichtkunſt bat in neuefler Zeit eine ganz an- 
dere Bahn eingefchlagen, eine Bahn, welche volllammen 
mit dem Gange der Erxeigniffe, mit der Entwidelung der 
Öffentlichen Meinung uͤbereinſtimmte. Wenn je eine Zeit 
einen Beleg für die Behauptung abgeben könnte, daß bie 
Poefie der Ausdruck ift von dem Geiſte ber Epoche, ſo 
bat dies die unferige gethan. Früher auf ſich ſelbſt be⸗ 
fchränkt, in harmlofem Spiele die Zuftände des Herzens 
entfaltend, die Schönheit der Natur und des Fruͤhlings 
und dazwifchen das Wohl und Wehe der Liebe hefingend, 
war fie ein Zeichen von dem friedfamen, nach langen 
Stürmen auf ſich felbit zurüdgezogenen Geiſte ber Na: 
tion, welcher nach vergeblichen Ringen nach einex ſchoͤneen 
Entrwidelung zulegt die Klage darüber in gemüthlicher 
Beſchaulichkeit vergaß, Aber bald folgten wicher neue 
Ereigniffe. Noch einmal erhob ſich der Sturm der Frei⸗ 
beit, und wenn auch biedmal wieder überwunden, regte 
ſich doch der gemaltige Drang fortwährend im ganzen 
Volke, nicht ohne von dem eriten Auftreten eines neuen 
Herrſchers beguͤnſtigt zu fein, welcher eine neue Epoche in 
unferm Nationalleben zu verheißen ſchien. Es fielen gar 
manche Theorien, gar manche Illuſionen zuſammen, und 
ba DBewußtfein von ber Nothwendigkeit eines ander 
Ganges, den hie Ereiguiffe nehmen müßten,, drängte ſich 
alien Gemüthern auf. Diefss Bewußtſein mußte natüss 
lich auch in des Poeſie fih geltend maden, unb es war 





2 
vorauszuſehen, daß der Dichter, welcher zuerſt die neue 
politifche Stimmung ausſprach, ungemeffenen Beifall fin 
ben werde. Diefes Gluͤck begegnete Herwegh. Aber daß 
er nicht der einzige Dichter war, welcher der öffentlichen 
Meinung Werte Helichen,, konnte man aus ben dielen 
Bald darauf oder faft zugleich erſchienenen polisifchen Ges 
dichten bemerken, kann man Überhaupt aus dem ganzen 
Charakter bemerken, welchen unfere Poefie jegt an fid) 
teägt. Denn biefer ift mehr oder minder ein politifcher: 
ein Dichter Eann ſich heutzutage fo leicht mehr Dem ent: 
ziehen, was die ganze Nation, ihr innerſtes Leben bes 
ſchaͤftigt. 

Auch unſere beiden Dichter find von dieſem neuen 
Geiſte ergriffen, ja den Einen, den Verf. der „Rieder vom 
Bodenfee”, koͤnnte man vorzugsweiſe einen politifchen Did: 


tee nennen, indem in der Sammlung faft fein einziges | 


Gedicht ſich befindet, in dem nicht ein politifcher Gedanke 
hindurchleuchtete. Sie aber etwa Nachahmer nennen zu 
wollen von diefens oder jenem unferer modernen Poeten, 
wäre um fo mehr unrecht, als bei dem Einen die Innig⸗ 
keit und Wahrheit der Empfindung viel zu klar hervor: 
tritt, als daß fie eine Zreibhauspflanze genannt werden 
tönnte, und als der Andere, Deeg, mehre feiner Gedichte, 
reiche einen politiſchen Charakter tragen, fchon zu einer 
Reit hat druden laffen, theils im „Braga“, theils in ber 
„Europa“, theild in andern Beitfchriften, mo die andern 
unferer mndernen Poeten noch nichts von ihren Gedichten 
hatten veröffentlichen Laffen. Dies fei nur gefagt, der Ge: 
techtigkeit wegen, in Bezug auf die Richtung. 

Was aber das poetifhe Talent betrifft, fo flehen 
Beide Herwegh nicht nur gleih, fondern fie übertreffen 
ihn. Denn fragen wir uns emftlih, 0b Herwegh als 
Poet fo viel bedeute, ob er die außerordentliche Anerken⸗ 
nung, die ihm zu Theil geworden, feinem Ddichterifchen 
Talente verdanke, fo muͤſſen wir diefes verneinen; in bie: 
fer Beziehung ift er nicht mehr als gar manche unferer 
jegigen Dichter, ja er fteht manden nah. Die Haupt: 
fache war, mie gefagt, daß er den Gedanken ber Zeit zu: 
erſt Worte geliehen, daß er ed wagte, auf kecke rüdfichte: 
tofe Welfe die Ideen auszufprehen, von denen die Na: 
tion, wenigſtens der größere Theil derfelben, erfüllt mar. 
Die dichterifche Kraft ift bei ihm das Secundaire. 

Man könnte nun freilich fagen, bei dem pofitifchen 
Dichter komme darauf wenig an, die Hauptfache fei hier 
der Stoff, der Gedanke. Aber man taͤuſcht fich hierin. 
Will freilich der politifhe Dichter die Poeſie nur als 
Mittel benugen, nur als eine Form, um feine Anfichten 
auszufprechen, und verzichtet er eben dadurh auf dem 
Namen des Dichter, meil ihm der politifhe Zweck die 
Dauptfache ift, fo ift nichts dagegen zu fagen. Es me; 
gen dann manche gute Sachen entſtehen, die ale ſchla⸗ 
gende Belege für die Schlechtigkeit der Zeit, als Wig: 
worte, als Bonmots eine nicht unbedeutende momentane 
Wirkung haben, mie wir denn died namentlich von den 
Gedichten Hoffmann's von Fallersleben behaupten koͤnnen. 
Mer fid) aber über diefe Sphäre erheben will, welche 
mehr oder minder der Komik ober der Satire ‘angehört, 


an 1 Zu Bee 


wer wirklich zu dem BReiche der Poefie fich emporſchwin⸗ 
gen will, der muß auch für die Politk die Weihe eines 
böhern poetifchen Genius aufweifen. innen, wenn das 
Gedicht, das er gibt, nicht bios als das Erzeugniß einer 
fubjectiven Stimmung, ſondern al6 der Aukdruck der 
Mahrheit, einer hoͤhern weltgeſchichtlichen Macht erfcheinen 
fol. Nur ſolche Gedichte werden fih auf die Dauer er: 
halten, nur ſolche werden eine nicht ephemere, fondern 
eine bleibende Wirkung haben. Denn das Voll, wenn 
es ſich auch keine NRechenfchaft geben kann über die did: 
terifche Bedeutung des einen oder des andern Liedes, hat 
doch eine Art Inſtinct, welcher daflelbe immer das Rechte 
treffen laßt. Schlechte Lieder waren es nicht, weiche 
Jahrhunderte hindurch vom Wolke gefungen wurden, fon: 
dern es waren die, guten, die echt dichterifchen. 

Und in diefer poetifhen Kraft, wie gefagt, uͤbertreffen 
unfere beiden neuen Dichter Herwegh beimeitem. Was 


.zuerft den Verf. der „Lieder vom Bodenſee“ betrifft, fe 


tritt uns bier ein reiches Talent entgegen, mit einer An: 
ſchauung, mit einem Hineinleben in die Natur, mit ei: 
nee folhen Fuͤlle von poetifäyen Bildern, wie es uns un: 
tee den Meuern felten vorgelommen if. Allerdings merkt 
man dem Dichter in gar manchen Beziehungen die Su: 
gend an, und da derſelbe nad) der vorliegenden Samm: 
fung zu fließen noch Groͤßes verfpricht,. fo wird er uns 
danken, wenn wir ihn auf Mandyes aufmerffam machen, 
was er bei feinen fpätern Erzeugniſſen vermeiden koͤnnte 
Auf die Form ift hier und da\zu wenig geſehen, ber 
Rhythmus ift manchmal fehlechaft.\ Die Bilder, welche er 
in außerordentlihem Reichthum t, jagen fi oft, 
überftürzen fi, und ermangeln dad&ıch manchmal der 
Anſchaulichkeit; der Verf. geht viel zu verſchwenderiſch mit 
ihnen um. Überhaupt wäre ihm zu varhkn, Maß zu hal: 
ten. Died bezieht ſich aud auf den Inhilt der Gedichte 
Der Dichter iſt von ber heißeften Sreiheitslllebe durchdrun⸗ 
gen ; fein Leben, fein Wirken, fein Dichten,‘\ fügt er, ſoll 
nur ihr, ſoll nur dem freien Waterlande gewidmet fein. 
Er haßt die Dränger derfelben ; haßt ſtlaviſchen Sinn, 
haßt Alles, was die freie Entwidelung bes Bells hemmt. 

Dies iſt gewiß Alles ganz gut, aber in fein Negation 

geht dee Verf. oft zu weit: er vergißt Über dem glühen- 

den Haſſe oft die Schönheit, welche dad erfle Erfoderniß 
der wahren Poefte if. Der Dichter darf nit blos ſchel⸗ | 
ten; zümen darf er und ſtrafen, doch nie aıf Koften ber 

Schönheit. Auch muß ber Dichter verfoͤhnn. Ich ver: 

ftehe darunter nit etwa eine Art Juſtemilit. Bott be⸗ 
wahre! Nein: im Gemüthe fol der Dider verföhnend 
wirkend, infofern er die Zroftlofigkeit der Okgenwart duch 
das Hinweiſen auf einen höhern Gedanku wieder aus: 

gleiht. Der Kampf darf nie Zweck fein, alſo auch nicht 

die Negation, .fondern nur Mittel zum Jmed. An der 

Stelle des Bekaͤmpften muß fich ein need Reben entfat- 
ten, und biefes Meue darf nicht nur 'ıit dem Ramen 

genannt werden, ed muß fich auch ei pofitiver Gehalt 

deſſelben entwideln. Dies fagen wir, um den Dichter 

zu veranlaſſen, die Keime zu allen dien Dingen, weldye 
wirklich in ihm fliegen, weiter auszuiden und Blütm 








treiben zu laſſen. Meunn fhen: IM ben: verliegenden Be: 


Did, wiewob ·ſie meiflens ein ungeſtuͤmes euer. ent: 
widen, finden wir doll ſchon Anklaͤnge an jene höhere 
Verſoͤhnung, die wir angedeutet, wie z. B. In den So⸗ 
netten an Sean Paul, und des Verf. Gemuͤth ift zu 
tief angelegt und feine Befreundung mit der Natur zu 
imig, als daß wis nicht hoffen dürften, er entfpreche uns 
ſern Erwartungen. 
(Der Beſchluß folgt.) 





Geſchichte der fchlefifchen Kriege nach Originalquellen von 
Leopold von Orlich .Erfter Theil. 
¶ Beſchluß aud Pr. 263.) 

Der Sieg von Mollwik gab Preußen eine politifche Bedeu⸗ 
tung, welche es vorher nicht gehabt und wol kaum geahnt 
hatte. In dem Hauptquartiere des Königs bilbeten die Geſand⸗ 
ten der verſchiedenen betheiligten Mächte einen Eongreß, von 
ſehr politiſcher Webeutung, bei dem bie Ginbildungsfraft bes 
franzoͤſiſchen Marſchalls Belleisle heſonders thätig und Frucht: 
dar an Theilungsprojecten war. Ginft beſchaͤftigten ihn dieſel⸗ 
ben fo fchr,. daß er vor dem Koͤnige tief nachdenkend erſchien. 
Auf deſſen Frage, ob er traurige Nachrichten erhalten habe, 
enwiderte er: „Mein, Gire, aber ich befinde mich in Verlegen« 
heit, da ich nicht weiß, was mit Mähren anzufangen iſt.“ Der 
Kvonig ſchlug ihm laͤchelnd vor, es Sachſen zuzutheilen, was 
der Marſchall auch ſpaͤter befolgte Aber Friedrich gab ſich, ob⸗ 
gleich jung und. Sieger, der fremden Ginbilbungstraft nicht hin, 
unterzeichnete den vortheilhaften Theilungstractat nicht und bes 
obachitte überhaupt in ber damaligen politiſchen Gaͤhrung eine 
ſeht fihere, fefte, nichts übereifende Haltung, die fhon auf 
feine tünftige Größe im Gabinete fließen Laffen konnte und 
weiche er in mititairiſcher Hinſicht auf dem Schiachtfelde von Moll: 
wig wenigftens nicht gezeigt hatte. Diefe Hewann er glänzend 
in der Schlacht von Szaslau (17. Mai 1742), weiche feinen 
Kriegeruhm auf immer entſchied. u 

Schlachten in das nidhtmilitairifche Publicum befriedigens 
der, gebrängter Kürze zu beſchreiben, ift ein eities, aber auch 
Ihäbliches Beftreben, da es durch bie Auslaffung der Details 
nme ein unrichtiges Wild gibt und die beliebte Halbwiſſerei fürs 
dert. Ref. leiſtet auf baffelbe daher ganz Verzicht und begnügt 
fh, von der Schlacht von Czaslau nur folgenden Bug anzuführen. 
Das Regiment Prinz Leopold, ſehr unvortheilhaft aufger 
eilt und von feiner Reiterei verlaffen,, wird von ber oͤſtreichi⸗ 
(den Cadalerie in die Fianke genommen und zum Ruͤckzuge 
nah Ghotufig genoͤthigt, der Kin in Flucht überzugehen bes 
ginnt, als der Feldprediger dieſes Regiments, Segebarth, ſich 
den Fluͤchtigen entgegenwirſt, fie durch Wort und Beiſpiel zum 
Stehen bringt, ſammeit und gegen den Feind führt.*) Gr 
fagte fpäter, er hade damals gelernt, daß das Chriſtenthum res 
ſolut und muthig mache und lobe &ott, ber ihm Davib's Muth 
und Chan gegeben. Friedrich wollte ihn für biefe That zum 
Sauptmann befördern. Da er aber barauf verzichtete, fo vers 
Neh ihm der König ein Kandnikat von S00 Thalern jährlichen 
Einkommens und eine einträgiiche Pfarrſtelle. 
| Sherafteriftifch und gegen die heutige, von den Rufen auf 
ums übergegangene, Ordenverſchwendung einen ſtarken Abſtich 
bibend, iſt der Zug, daß Wriedrich feine in ber Schlacht fi 
auszeichnenden Generale und Gtabboffiziere nur mit den Mes 
dailien belohnte, die er auf die ihm von den ſchleſiſchen Staͤn⸗ 
den gefeiftete Huldigung hatte prägen laffın. Bon biefen erhiels 
m blos der Erbprinz Leopold und zwei andere höhere Generate 





" Die Gröählung unferd Werf. iR nicht aany Mar. GE fcheint, 
bob der Veldprediger die Wlhdyligen nicht feines, ſondern eines 
Reiterregimentd zum Stehen gebracht und gegen den Feind ges 
führt babe. . 2 





goldene, bie ührigen. aher nur füberne Mebaiſlen. deicdrih 
demerdte in feinem Cchreiben an den ringen, ex biele 
Medaillen und das Berzeihniß der Offiziere, für welche fie bes 
flimmt waren, zufendete: „Ew. Liebden baben ihnen zu vermels 
den, wie daß Ich ihnen diejenige Mebaille ſchickete, zu welcher 
fie die Stempel bei Mollwitz gemacht hätten“, und verftand fo 
biefer nad) heutigen Begriffen bürftigen Auszeichnung einen 
Werth und eine Bedeutung zu geben, welcher jegt manche glaͤn⸗ 
gende Sterne ermangeln. Auf Orden Tönnen bie Worte bes 
großen, vielleicht größten Dichters: „Die beflen in diefer Art 
find nur Schatten uud bie ſchlechteſten find nicht fchledgter, wenn 
bie S Einbilbungsfraft fie verbeffert‘‘*), wol paflend angewendet 
en. 





Zum Schiuffe biefer Anzeige der ſehr empfehlungswerthen 
Schrift mögen folgende eigenhändige Schreiben Friedrich Wil 
beim’s I. und Friedrich's 11. an den alten Deffauer und deffen 
Sohn aus der ihr angehängten ſchaͤtzbaren Urkundenſammlung 


fteben : | 
„Wuſterhauſen d. 9. Sept. 1721. 

Nach Wien habe Greve befohlen Ihre fache mit anzunehe 
men, hoffe das es Heifen wird, zweifele aber daran, weil meine 
Sachen ſchlegt gehen, aber ich Tehre mich nit daran und vers 
laße mic) auf meine gerechte Sache. Gott werbt mie beuftehn, 
den ich es biß auf bie Iedte extremitet ankommen laßen werke, 
Wo es folte was passiren ben igo body nad) Wien apparentz 
ft, werde @. Tieben bei Zeiten avertiren. Was Katt feine 
Comiss. anbelanget und an ben BRindifchen tumult ift das hoch 
Preissi. Cam. ſchuit, die hetrn werden mie erftl. tage ben Kop 
wahrm machen bis ich ein exempel flatuire und dan passire 
ih in ber Weit vor einen Kolericus iſt das meine Schuldt. 
Gott weiß das ich gar zu tranquille bin, wenn ich mehr col- 
lericus wehre ich glaube es würbe befer fein, aber Bott will 
es nit haben, der ich ſtehts E. lieben guhter freundt fein werde. 

Fr. Wilhelm.” 
„ich habe 300 Hühner fage 500 Huͤh. geſchoßen.“ 

„Das befte ift man muß fterben, wohl dem ber am erften flirbt 
und bei Gott kommet ift am glüdlichften denn auf diefer Welt 
lauter nichts ift und Thorheit. 

Potzdam d. 31. Wär; 1720. Fr. Wilhelm.‘ 
„Potzdam d. 2. Febr. 1732. 


Der König in Pohlen befindet fidy gar nit wohl wo ber 
flirbet als dan ift gewis Predoiulle Gott gebe nur Krig in 
Brabant und über alle und der große fride mein gang ungelüd, 
ald dan man occasion zu haben fein Gemüth zu fühlen, den 
diefes mir ein chagrin if, den ich nit alles fprechen Ean. 

Zr. Wilhelm." 


Giner Ordre an ben Yürften aus feinem Sauptguartiere 
Chrudim vom 21. April 1742, die Vorwürfe über Nichtauss 
führung feiner Marſchroute enthält, fügt Friedrich II. eigens 
händig Hinzu: : 

„IH wundre Mitte Sehr das Ihr Durchl. als ein alter 
officir nicht acurater meine orders folgen die ich ihnen gebe, 
und man Sie noch habiler als Cesar weren und Meine orbres 
nit acurat und Strikte nachleben fo huͤlft mihr das übrige 
nichts. ich verhoffe das es bei dießem avertisement bleiben 
wirbt und das fie mihr ind fünftige feine weitere uhrfachen zu 
beſwerden geben werben. Friderich.“ 


An feinen „lieben Polten“ ſchrieb Friedrich unter dem 2. Mai | 


1742 aus Böhmen u. a.: „Je me promet (a Moins que La 
Providenee soit contre nous) que V’Enemi sera a Nous et 
que Nous en aurong bon Marche”, und unter dem 8. Sept. 
beffelben Jahres: 

„Mon cher Pr. Leopoldt J’aurai Le plaisir de Vous am- 


*) ‚‚Tho best in this kind are but shadows: aud the worst are 
no worse If imaginstion amend them’ (Ghakfpeare’ö „Midenm- 
mernighi’sa dream’'.) - 


Brasser le IE a Magdebotrg c’est pourquot ji voulu: Vous | 


en denne part em Vous assurant De tout Men Amiie. 
adiet. Frederic 16 





Literarifhe Notizen. 


Nachdruck fremder Werte. 


Nachdem nun von Seiten der feanzöfifchen Buchtzaͤndier und 
Schriſtſteller ernſte Schritte gethan find, ihre Regierung zu 
veraniaſſen, zur Abhuͤlfe des Nachdrucks franzoͤſiſcher Werte 
mit den fremden Staaten in Unterhanblung zu treten, wird 
diefer wichtige Gegenftand aud in England wieder in Anregun 
gebracht. So dringt namentlich dad englifhe „Auhenaeum 
fehr ernfitich auf Berathung eines „international law of 
copyright”, bei dem man, wie uns ſcheint, vorläufig noch 
auf bedeutende Schwierigkeiten ftoßen würde. Cinzelne Verträge, 
wie > B. ein Übereintommen zwiſchen Frankreich und Belgien, 
von bem ſich bie franzoͤſiſchen Buchhaͤndler und Schriftiteller 
fo viel verfprechen, würden zu nichts führen, denn ber Schwarm 
der Rachdrucker brauchte fi dann nur nach einem andern 
GStaate, 3 B. in das benachbarte Holland zu flüchten, um un: 
geftört ihr naͤchtliches Gewerbe. forttreiben zu können. Die 
ge Sache kann nur zu Stanbe kommen, wenn alle Länder 
or zur gemeinſchaftlichen Aufhebung des Rachdruckergewerbes 
verfteben.. Dazu aber würde ſich z. B. Amerika, das bei ber 
eigenen Unprobuctivitat eine geoße. Wenge englifcher Werke ver⸗ 
braucht, und bem doch bie theuren Driginalausgaben viel zu 
* zu ſtehen kommen, ſicher nicht leicht bequemen. Dies geht 
auch fchon aus der Heftigkeit hervor, mit der man die Bes 
ſchwerden ‚von Dickens über ben Nachdruck feiner Schriften und 
engitfcher Bücher überhaupt in Amerika in norbameritanifchen 
Blättern zuruͤckgewieſen bat. Erſt :neuerbinge kommt biefer 
Gegenſtand in bem „American book circular‘ wieber zur 
Sprache. Bei diefer Gelegenheit wird auch unter Anderm bie 
Behauptung aufgeftellt, daß in Sachen des Buͤchernachdrucks 
gar nicht etwa die Wagfchate fo fehr zum Vortpeil der Ver⸗ 
einigten Staaten ſich neige. Der Verf. diefes Auflages ſucht 
nämlich durch pofitive Angaben, deren Richtigkeit kaum in Zweifel 
gezogen werden dürfte, darzuthun, baß alljährlich eine bedeur 
tende Menge norbameritanifcher Werke In London nachgedruckt 
werden. Um indeffen die Sache weniger auffallend zu machen, 
verändert man babei, wie er behauptet, in ber Regel ben Zitel 
oder nimmt mit dem Werke felbft einige oberflächtiche Umges 
flaltungen vor, die den Kern der Schrift ſelbſt weiter nicht 
| n, und dann werden biefe Bücher als Originalwerke 
ins Pubiicum gefchmuggel. Wenn die Sache ſich wirklich 
fo verhält — und wie gefagt, ber Verf. läßt es nicht bei 
bloßen Declamationen und leeren Behauptungen bewenden, fon 
deen fiägt fich auf eine ganze Reihe von vorliegenden Faͤllen —, 
fo kann man mit Recht fragen, was in einem gehälligern Eichte 
exfcheint : der offene Nachdruck, wie ex in Rordamerika ausgeübt 
wied, ober der literarifche Diebftahl, den man ſich von englifcher 
Seite zu Schulden kommen läßt und bei bem man die Nord: 
ameritaner nicht nur in ihrem pecuniairen Gewinne, fondern 

anz vorzüglich auch in ihrem Literarifchen Rufe beeinträchtigt ? 

berbaupt bat Dickens mit feinen Reiſebemerkungen in ein 
Wespenneft geftochen. Seine „Notes“ Haben nicht nur fehr 
teidenfchaftliche Erwiderungen, fonbern auch andere Repreffalien 
een So ift es jegt bei den norbameritanifchen Schrift: 

een zum Schema geworben, an dem engiiſchen Schriftſteller 
dadurch Rache zu nehmen, daß man feine Nation fo tief ale 
möglich berabfest. Wir erwähnen von ben zuiegt erfhienenen 
Werken, in denen man recht undhriftlich den Engiändern Böfes 
mit Boͤſem vergilt, namentii die „Briofe einer nordamerika⸗ 
niſchen Dame In London an ihre Freundin in Amerika 


De — cho Di aatu wu wien, 
‚Neavellts ginsreises“ vom Toͤpffer bakem, tuokbene 
daß ber Berf. bie Koſten wide geſpart hat, fie nad einmal iz 
einer fogenannten „Edition - Charpentier‘ herauszugeben, bie 
Anerkennung nit gefunden, welche biefe Pleinen Beldictn 
voll koͤſtlichen Humors verdienten. Man hat ſich in Ftankreiq 
zu ſebr an bie eigenthuͤmlichen unfranzöfidgen Wasch ge 
foßen, bie mehr ober weniger allen Genfern anhaften, und von 
denen aud) Töpfer fi nicht ganz frei zu erhalten gewußt hat. 
um fo mehr haben wir immer bebauert, daß feine eilt Ga: 
ricaturgeihnungen — denn man muß vwiffen, daß Topffer mit 
bem Stift ebenfo gut umzugehen weiß als mit der Feder — 
nicht mehr verbreitet find. Wir freuen uns deshalb recht ſehe, 
daß in einer ber erſten Buchhandlungen von Paris eine attiice 
Ausgabe von einem feiner komiſchſten Bilderbücher veranfaltet 
werden wird. Daſſeibe wird den Zitet führen: „Voyage en 
zigzag, ou excursions d'un pensionat en vacances." dr. 
Zöpffer ſteht nämlich ber Beltung einer Penfonsanfteit zu Genf 
vor und unternimmt jedes Jahr mit feinen Zöglingen eine Fer 
rienreife nach irgend einem. Theile ber Schweiz oder nad Ober 
italien. Auf dieſen Wanberungm pflegt er ein forgkkitige 
Tagebuch zu führen, in dem bie Meinen Ereigniſſe des Tags, 
meift komiſcher Ratur, beſchrieben ober bitdiich dargeſtellt werbm. 
Der Bf. theilt uns nun aus feinen: heitern Erisnermosblätten 
eine paffende Auswahl wit. Die. gemuͤthliche Laune, die in des 
Zeichnungen wie im Terte berrfcht, fichert diefen inhaltsreichen 
Heften eine freundlihe Aufnahme. Ihr Werth wir noch m 
hoͤht durch 12 Landſchaften von der Meiſterhand bes befannten 
Schweizermalers Calame, deſſen landſchaftliche Bilder fiets cin 
Zierde des pariſer Salon geweſen find. Moͤge es Hm. Töpfe 
gefallen, bald noch mehre andere feiner Garicaturhefte folgen zu 
laflen, von denen uns einige, z. B. die Darflellungen ans den 
Leben eines Hofmeiſters, bereits bekanmt find. 2 


Arnold's „Borlelungen über meueze Geſchichten 

‚ Mit lebhaften Intexeffe wird jeiber Freund. der Geſchichte 
bie zu Orford erfchienenen „Introductery lectures on modern 
history” von Thomas Arnoıd aufnehmen. Wenngleich au 
biefer Band von Worlefungen bes zu früh verflorbenen Verf. 


nicht allen Grwartungen, die er ermegte, als er vor zuci 


Jahren ben Lehrſtubl eines Profeſſors der Geſchichte auf der 
genannten Univerſitaͤt einnahm, entſpricht, fo verdienen dieſelben 


doch eine ehrenvolle Erwaͤhnung, um fo mehr, ba Arnold ſih 


nicht allein ‚dur feine umfaſſenden hiſtoriſchen Kenntniſe, 
ſondern auch durch feinen feften, edeln Sharakter und fein für 
Wahrheit und Recht ſowie für das Mohl feines Waterlandet 
und der Menſchheit gluͤhendes Gemuͤtch aus zeichnete. Jnſoſcn 
bie hier erwähnten Vorleſungen auf. die Literarifcgen und intel: 


lectuellen Leiſtungen ihres Verf. ein Licht ſo laſſen me | 
allerdings noch Manches zu wuͤnſchen — — fehlt 


ipnen das rechte Chenmaß. Der Verf. will zu viel auf einmal 
geben, feine Gedanken draͤngen fi) und ex kann feinen Gtoff 
nit bewältigen. Man merkt an ber Miſchung von Materi, 
weiche in bdiefen engen Raum eilig zuſammengebracht find, di 
Mannichfaltigkeit von Gegenftänden, bie feinen Geiſt erfüllten, 
und die Nothwendigkeit, der er unterlag, fich feiner Gefaͤhle 
über jeden berfelben zu enfladen, als wenn bie Zurüdhaltung 
von irgend einem Theile feiner Vorraͤthe ipn usterbrüdte Gt 
ſchichte, Kirche und Gtaat, ber hiſtoriſche Stil, GSittenlehrt 
für den Kriegerftand, Miltenicgeograpbie, Nationalvorurtheilt, 
retigidſe und politiſche Parteien in England, ſiad blos einigt 
ber hervorragendſten Themas, welche in feinen Vorleſungen mit 
groͤßerer ober geringerer Kuͤrze behandelt werben. Doch mas 


ex bier nur im Vorbeigehen beruͤhrte, wuͤrde er, waͤre ihm ein 





längeres Leben zu heil geworden, gewiß ausführlider und 
mit mehr Kiarheit und Zuſammenhang behamdeit haben. Auf 
jeden Ball hat England an biefemm Wanne einen würdigen Eat | 


der Jugend verloren. 


Berantwortlier Herauſsgeber: Heinrih Broddaus. — Druck und Werlag von 8. A. Brochaus in Beipzig- 


Blftter 


1 


literarifche Unterhaltung 





Dienflag, 





Neue Didter. 
(Belhluß aus Ne. 3.) 


Gehen wir nun zu dem Zweiten, zu Deeg, über, fo 
tritt ‚uns bier die wohlthuende Erfcheinung eines vollende: 
ten in fi abgefhloffenen Dichters entgegen, ſowol in 
Bezug auf die Form als auf den Inhalt. In der Korm 
thut e6 ihm unter den Lebenden Feiner zuvor, unter den 
Zodten wetteffert er mit Platen. Vielleicht halten ihn 
darum Manche für einen Nachahmet deſſelben. Dies 
bieße aber fo viel, ald wenn man Einen, dem ein ehyth⸗ 
miſches Talent von der Natür verliehen iſt — denn dies 
lernt fih nicht, es iſt Einem gegeben — und Stun für 
Schoͤnheit der Form nicht nur, fondern auch die Kraft 
der Darftellung derfelben, einen Nachahmer Platen’s nen: 
nen wollte, Allerdings bat es Wenige gegeben, welche in 
der Form mit Platen wetteifern konnten; wenn aber Ei: 
ner erfcheint, der e6 kann, fo freue man ſich darüber und 
verkuͤmmere fich die @rfreulichkeit der Erſcheinung nicht 
durch eine ſpießbuͤrgerliche Betrachtung. 

Zur ſchoͤnen Form gehoͤrt aber nicht nur die Vers: 
kunt, fondeın noch mehr: es gehört dazu namentlidy die 
Darftellung des Gedankens. Und hier bemerken wir denn 


bei Dreg diefelbe Fülle der Bilder, daſſelbe Hineinleben 
in die Natur wie bei dem Dichter der „Lieder vom Bo: 


denſee““; aber er unterfcheidet fi) dadurch von dem Lebtern, 
daß er fich beſchraͤnkt, daß er ein fchönes Ebenmaß be: 
hält. Es iſt allenthalben die fchönfte Harmonie, die reinfle 
Anſchaulichkeit. Dies macht, weil bei ihm der Gedanke 
zugleich mit dem Bilde eritanden zu fein fcheint, daß das 
iegtere nicht erſt gefucht worden zu jenem, fondern daß 
beide zufammen aus einer und bderfelben Ziefe des poeti⸗ 
(hen Gemuͤths entfprungen find. Dies aber macht den 
wahren Dichter: die Harmonie des Bildes mit dem Be: 
danken, die gegenfeitige Durchdringung, ja die ucanfäng: 
liche Einheit beider. Und darum haben auch Deeg's Ge: 
dichte noch einen Vorzug, der kein Eleiner iſt, den ber 
Kürze. Der unbebeutendere Dichter, wie überhaupt jeder 
Darfteller von einer geringen Sorte, braucht viele Worte, 

um einen Gedanken aus zudruͤcken, der zuletzt nach einem 
—* von Phraſen, ja eben darum, doch keine An⸗ 
ſchaulichkeit erhaͤlt. 
mit der Form entſteht, wird er immer kurz ſich darſtellen, 


Da aber, wo der Gedanke zugleich 


und zugleich anſchaulich. Dann erhaͤlt er ſich aber auch 
bei dem Leſer und bei dem Hoͤrer und eroͤffnet — wie⸗ 
derum ein Zeichen des wahren Dichters — eben wegen 
der compacten Faſſung deſſelben bei dem Leſer einen 
Reichthum von Gedanken und Empfindungen, welche 
ſaͤmmtlich verloren gehen bei einer waͤſſerigen auseinander⸗ 
gedrängten gloffirenden Darftellung. 

Sreilih, um jene Wirkung bervorzubringen, dazu {fl 
ein wefentliches Erfoderniß, daß der Dichter Gehalt habe. 
Nicht nur muß fein Geiſt und fein Gemuͤth von Natur 
fchon tiefer angelegt fein, fondern er muß auch Erfahrun⸗ 
gen des innern Lebens über ſich haben ergeben Laffen, 
oder mit andern Worten: er muß fih entwidele haben. 
Auch dieſes dürfen wir von unferm Dichter behaupten. 
Man merkt e6 den Gedichten an, baß fie nicht das bins 
gervorfene Erzeugniß eines jugendlichen Kopfes find, der 
e6 nicht fo genau nimmt, ob mitunter auch Spreu in 
dem Weizen erfcheint. Ein Harer, fich felbft bewußter 
Geiſt tritt uns vielmehr entgegen, der erfl, nachdem er 
mit fich abgefchloffen, nachdem er ſich ſelbſt ducch mans 
ches Geſtruͤpp des Lebens hindurchgearbeitet, als ein fer⸗ 
tiger, ſiegreicher Kaͤmpfer vor dem Publicum erſcheint. 
Nicht jedoch, als waͤren die vielfachen Stimmungen, denen 
der Menſch im Laufe ſeines Schickſals unterworfen, und 
die eben nur durch ihre Mannichfaltigkeit ein poetiſches 
Intereſſe gewinnen, vor dem Dichter ſpurlos voruͤberge⸗ 
gangen: nein! ſie ſind uns alle enthuͤllt, aber ſie erſchei⸗ 
nen ſchon durch die Art der Behandlung, durch die poe⸗ 
tiſche Meiſterſchaft, die ſich Hierbei ausdruͤckt, als über: 
wunden, uͤberwunden durch die Kraft der Shönkeit. & 
find allerdings die hoͤchſten Ideen der Menſchheit, die der 
gegenwärtigen zumal, welche ſich wie rothe Faͤden durch 
die Poefie unfers Verf. bindurchziehen ; doch erfcheinen 
diefe nicht wie von außen ibm aufgedrungen, mie eine 
gewaltfam gebietende Macht, fondern fie erfcheinen viel 
mehr ale mit Nothroendigkeit aus ber innern Entwicke⸗ 
ung des Dichters ſelbſt entfprungen, und darum um fo 
wahrer und tiefer. Der Dichter iſt Menſch, iſt gan» 
zer Menſch; keins der Elemente, welche den ganzen 
Menſchen machen, ift bei ihm zurlidigewiefen ; nur durch 
die Ausbildung diefer erft bat er den Grund gewonnen 
für die höhern Beſtrebungen, wie ex denn in dem Motto 


fo ſchoͤn fagt: 


Auf dem Beben deines 
Mußt bu fihern Halt gewinnen, 
Dann getroften Muthes magft du 
Greifen nach des Lebens Zinnen. 


Und fo erfheing uns denn dee Dichter zuerſt als ju: 

e Arne, dem Liebe und Sehiſucht um den 
ei fokit; dankt af ein Juͤngling, dem das Leben 
fo manchen Traum verwiſcht, fo manche Schmerzen bes 
reitet hat, welche die Liebe wiederum auszugleichen fucht: 
und bier eine Menge finnigee Gedichte, welche fern find 
von dem gewöhnlichen Liebeständeln, fondern immer ei- 
nen Wefsch Sinn vsrratben. Doch der Dichter reißt fich 
los auch von diefem Spiele, infofern es ihm ein höheres 
Ziel ga verruͤcken ſucht, und firebt nach einer tiefen Auf: 
fofjung des Lebens und der Natur und nach einem groß: 
artigern Wirken. Wir machen bier befonder® auf das 
"Eomnentied" aufmertfam, und auf die „Wunderbiume”, 
welche wir als Probe bier mittheilen wollen. 


Die Wunderblume. 

Laſſe Schnell voruͤberziehen 
All die dunkeln Wolkenſchatten, 
Und ſodann das Auge ruhig 

ifen ber bunte Matten. 

Stärm’ und Wetter find des Frühlings 
NRimamenmäbe Ka ? 
Wenn ex läßt die rafchen Blitze 
Auf des Winters Stirne fahren. 

Und fie halten Wacht am Thore 
Segen den bezwungnen Alten, 

Daß der junge Gott fen Eden 

Kane meu und ſchoͤn gefteiten. 
und er greift zum Saltenfpiee, 

Und er legt die Lange nieder 

Und die Erde ganz bezaubernd 

Jauchzt er räthfeihafte Lieder. 

Um den Reigenführer jubeln 
Sänger rings in Wald und Lüften, 
And beraufchend eint der wilde 
Cor Fi mit ben füßen Düften. 

Aus ber Ebde jung und beiter 
Schauen bunte Blumenaugen 
und fie möchten ganz; des (Gottes 
Warme Blide in 1 faugen. 

Da ift Freude, da iſt Leben, 
und der Yuls der Mutter Erbe 
Pocht fo machtig, da fie ſelig 
Sieht ber Kinder große Heerde. 

Aber was die Boͤgel fingen ? 
Aber was bie Blumen blühen? 
Aber was bie Lüfte ſchmeicheln? 
Und warum die Herzen glühen? 

Von ber golbnen Wunderbliume 
Geht im weiten Land die Sage, 
Daß geheimnißvolle Kräfte 
Sie in ihrem Kelche trage. 

Ben fie ſigt am warmen Bufen, 
Dem ift bald ber Blick genefen, 
Und er kann bie Schrift des Gottes 
Auf der Bluͤtenkrone lefen. 

Dann der Nachtigallen Klaͤnge 
Sieht er und der Lerche Meber 
Sleich verſchungnen Engein ſchweben 
In den Luͤften auf und nieder. 








Ns 


der Mürnfch mit frommem Deren 
Findet fie in guten 
Und den Faden Arlabne's 
Dat er dann in ihr gefunden. 

Endlich aber gelangt er zu den hoͤhern Tendenjen de 
Gegenwart, dem ben⸗ na Frei: Mir kin 
in ihm dem ſdtloſen Bekaͤmpfer der Gewakt, any die 
nun im SPrieflergemande erfcheinen oder im Purpur, den 
Dekämpfer jedrveder Macht, welche die Entwidelung beffe: 
ver Verhaͤltniſſe verhindern möchte; aber zugleich iſt der 
Dichter von der waͤrmſten Liebe zum Vateriande dur: 
drangen und von ber Hoffnung auf eine ſchoͤnere Zunft 
welche reichlich für die Zraurigkeit der Gegenwart entſchä⸗ 
digt, indem fie bis Keine us am Rat 
unfern Blicken entfaltet, welche der Dichter heil in der 
Bergangenheit, theils in der Gegenwart hr unfer Bolt 
in Anſpruch nimmt. Die Begeifterung für die hachſten 
Zwecke der Menfchheit, für den Ruhm und die Gräfe der 
Baterlande, fire eine würdige Löfung der Aufgabe, melde 
ihm die Weltgeſchichte angewieſen, ft der Grundtypus da 
politiihen Gedichte unfere Verf, und der Kampf gem 
die herrſchenden Gewalten iſt nur die Folie, auf welcher 
jene Empfindungen und Beſtrebungen erſcheinen. Beyid: 
nend if dafuͤr das ſchoͤne Sonett hy 

Es wirb ein Tag fein, da die Höhen wanken, 

Da Fuͤrſten mit verhititen Aromen tnien, 

Da blutige Schwerter Nachts am Himmel ziehen, 

Da krachend, fplitternd brechen alle Schra 

Es wird ein Tag fein, da die Tempel ſchwanken 

Und Priefter, die ſich heiſer „Weh“ gefchrien, 

Run mit zerriffenen Gewaͤndern fliehen, 

Erſchreckt som Sturm der fiegenden Gedanken. 

Dann wirb ein Tag fein, da wie eine Rofe 

Des Volbes innce Schoͤnheit ſich entfaltet 

Bei freiem Wechſelſpiel der freien Geiſter. 

Das wird ber Tag fein, da ber Mitwelt Eoofe 

Mein Baterland mit frommer Band verwaltet 

Gar herrſchgewaltig als Gebankenmeifker. 


a ober es morfſch und 
‘ at die inob «in Fahrzen ⸗ 
Molches ihr trogig Die Beiche weigert. 9 
ee ne area et 
nm. el ab; itle gibt’ 
ls weich in Armidens a ae 
Waffenentbloͤßt um ein Lächeln buhlen. 
Feigheit gebeiht im wuchernden übermaß, 
Krank iſt die Zeit, drum huͤte ſich jeber Dem, 


Dat der kbestünfkter 
Orkan Im er 3* vergifte. 


Auf aus der Dumpfheit, Brütender, reiße * 
en iſt: 











int vom | 
14 fa öl, Vo aan. , bee X | 
Nicht thut es Roth, ben Hab zu predigen, 
Über das Feuer in Zoru und Liebe. 

Komm, neiee Titan, komm mit dem Beruflich, 
Zicke den | Götter nicht. 
Aug die, auch Die naht ein Herakles 

Otrablenb vom Biege ber Drängesfürften. 

Noch fellten wir ein paar Worte über die dramaki⸗ 
(dm Fragmente „Witufind und die Sachſenkriege“ fügen; 
wis enthalten uns aber vor der Hand eines Urtheils, ba 
nach der Anzeige des Verleger zu ſchließen bald das ganze 
dramatifche Gedicht erfcheinen wird, auf das wir dann 
fpäter vielleicht zutückkommen werden. Dafür geben wit 
den Lefen zum Schluffe das letzte Gedicht der Samm⸗ 
lung „Anno domini ?” 

Es muß der Geil, ed muß die Freiheit ſiegen, 

Ob's audı in DM von Perierlanzen ſtarrt, 

Wir feen fern des Xerxes Fahnen fliegen, “ 

Mardonins naht, doc, Ariflides harrt. 

Tief unten gebt er, außer euren Augen, 

Ihr Großen, wechfelt oftmals die Geftalt, 

Spät ſcharſ, ob Feine Feuergeichen rauchen, 

Denn tämpfen möcht er, ch’ er müd und alt. 

Als Polen ſank, da griff er nad dem Schilde, 

Dod war ihm damals noch kein Peer zur Hand,. 

Erin Schlachtenruf ſcholl laut durch die Gefltde, 

Der Ohren wohl, doch keine Schwerter fand. 

Dereinſt, dereint! Es kommen heiße Tage 

und mandge Zragen find der Löfung nah’: 

Daß Keiner tieiniih nur im Herzen zage: 

Bo Perfer nahn, find auch Athener ba. 

Es muß der Geiſt, es muß die Freiheit fiegen, 

Ob auch die Welt in Kampf zerfplittere! 

Ihr habt die Thermopylen überftiegen, 

Doch kommen muß sin Tag von Myuytale. 43. 





Notices et me&moires historiques par F. 4. A. Mignet. 
Erfter Band. Paris 1843, 


Eine Sammlung biographifcher Artikel, welche der berühmte 
Berf. ald Secret air der Akapemie der politiſchen und moralifchen 
Biffenfgaften über verflorbene Mitglieder dieſer Akademie gt: 
tiefert hat und benen feine eigene akademiſche Antrittörede und 
feine Beantwortungen der Antrittöreden von Blourend und Pas: 
quier ais Anbang beigegeben find. Daß bei akademiſchen Lob⸗ 
reden die wahre Biographie nicht wohl beftehen, und nod we: 
niger die gerechte, ſcharf und tief in Geiſt, Sinn und Charafs 
ter ber Schriftſteiler, Gelehrten und Staatömänner eingehende 
Kritit aufkommen kann, ift leicht einzufeben. So haben auch 
Sieyes, Röderex, Merlin, Daunou, Talleyrand, Deftutt de 
Tracy und Brouffais in Mignet einen fein charakterifirenden, 
aber ſtark apologificenden Lebensbeichreiber gefunden. 

Sityes wird in einem übrigens bemerkenswerthen Auffage 
überous gelobt. Wer dem berühmten Abbe nit genau auf 
alm Wegen und Gtegen in feinem Gange busch bie Revolu⸗ 
tiontgeſchichte gefolgt if, den kann bie Mignet ſche Charakter⸗ 
zeichnung leicht irre mathen; wer fie nice noͤtbig bat, kann 
Bieles daraus lernen. Die Jakohiner nannten Gieyes ſehr be: 
sinend und ausdrucksvoll eine Ente, die das Untertauchtn 
wrftehe (faire le plongeon), und wahrlich iſt fein ganzes Les 
ben feit ‚dem Anfange ber evolution bis ans Ende ein Eluges 
Untertauchen und Ktiederducken gewefen. Ohne den Schein, 
ſelb Verbrechen begangen zu haben, fand er dog mit großen 
Verbrechern oft in einem engen Bufammenhange. Mein öffent: 





kiches Lehre nie. ein Se b offenes. Beine beit 
ihm einen —* hie eich es Beta erwarben zu — * 
fein kaltes Bemig nie den Schwung und das Feuer, wodurch 
ex neben seinem Isnard, einem Maury und Verginaub big 
Rebnerbühne hätte beherrſchen koͤnnen. Indeſſen nagte ber 
Wurm im Gtilen manchen Schiffsboden mit durch, worauf 
fübnere Gemüther fi ben gefährlihen Wogen vertrauten, 
Sieyes war in feiner frühen Jugend ein Zögling ber Iefuiten, 
und fland in ben Dienften des Herzogs von Orleans als Se⸗ 
eretair und Lehrer feiner Kinder bei dem Anfange der Revolu⸗ 
tion, wozu aud) er mit den andern talentoolliien Männern 
nereihe berufen ward. Er fpielte eine febr zweideutige 
olle bei den Unterhandlungen, die zwifchen dem Fürtecticen 
Orleans, nachher Egalitd zugenannt, und dein Rieſengeiſt Mi⸗ 
zabeau gepflogen wurden, von dem es wegen feines Todes ein 
unaufgeldftes Nätbfet geblicben ift, ob er als ein Teufel fein 
Land verdorben, oder als ein mächtiger Gott es aus ben Fly: 
ten der Revolution gerettet haben würde, Wie alle jene gebei- 
men Geſchichten vielleiht nie Mar mit ihren Zriebfebern und 
Inftrumenten der Gefchichte erfiheinen werden, fo ſteht auch 
Sieyes mit feinem thätigen ober leidenden Antheil, den er 
daran nahm, im Dunkel, und dies läßt Schatten auf ihm, fo 
ſehr er in der erſten fchönern Zeit der Revolution ald patrio⸗ 
tifher Pamppletift und Denfer der gefeggebenden Verſammlung 
glänzte. Während Danton, Robespierre und der Wohlfahrts⸗ 
ausſchuß die Zügel der Regierung an fidy riffen un mit dem 
Zigergefpann der Anarchie auf dem Nacken der Nation einhers 
fuhren, war von Sieyes nichts zu feben. Er war oft frank, 
erſchien felten und immer unſcheinbar dffentiih und ſah bie 
beften Köpfe und Herzen bes Volks untergehen, ohne baf er 
nur eine Miene bes Misfallend verrathen, ein — des 
Unwillene verloren haͤtte. Während Garnot's mächtiger Regie⸗ 
zung tauchte er wieder auf, ohne daß jener Starke ihn gebrau— 
hen tonnte. Nach Sarnot ward er wieder populair, und fchien 
Barras und Rewbel fo gefaͤhrlich, daß fie ihn als Gefandten 
der franzöfiichen Republik nach Berlin in ein ehrenvofles Cru 
ſchickten. Er und das Directorium machten ſich wechfeifsitig 
Komplimente, und dem Wolfe wurden von Zeit zu Beit die ger 
beimen Wunder der Sieyes ſchen Politik erzählt, und biefes 
Bolt, das für Gutes und Boͤſes ein kurzes Gedaͤchtniß bat, 
fing an, Großes von ihm zu hoffen, und man ſchlug ibn alfo 
in fehr mislichen Umfländen als den natürlichften Gandibaten 
für den Director vor, der nad) dem Geſetze ausgefchieden wer: 
ben mußte. Er fam, die Freude der Patrioten war vorbei; fie 
faben nur den alten Schlaukopf. Gr ſchloß fi) an ben Etdr: 
fern in feinem Gollegium an; und Drei wurden aufgewippt und 
von ben Zweien wieder erfegt. Ale Vor: und Mitarbeiter an 
der Revolution des 18. Brumaire befam er natürlich gin gutse . 
Stüd vom Kuden, der nach dem Siege vertheilt wurbe; aber 
den künftigen Deren und Meilter ahnend, verlieh ex feinen Dis 
rectorpoften. und fein Gonftitutionsproject und ließ ſich pum 
Staatörath ernennen. Der Uncuhflifter, der die Revolution 
damit anfing, daß er den Adel und auch die Akademien für 
überflüffig erklärte, genoß ganz gemaͤchlich an einer woplbefeg 
ten und adelig bedienten Tafel die Erzeugniſſe feines adeligam 

Qutes, und wartete Nachmittags ganz bequem die Verbau 
in einer Sitzung der Academie de la langue et de la littyr 
ratpre frangaise ob, in die er eingeſchachtelt worden war, 
um fein Muͤthchen an der Grammatik zu Fühlen. Auch führe 
er fih im Staatsrat und im Juſtitut fo artig auf, wie wäh 
rend der Robespierre’fchen Zeit im Convent, ſodaß er zur es 
lobnung eine echt abelige Genatorerie und einen fchönen Orden 
erhielt, der bem alten Orden des Heiligen Geiſtes, den er mit 
hatte austreiben helfen, verdammt ähnlich fah- Während ber 
Reftauration hielt er fidy verborgen außerhalb Frankreich. Die 
QJulirevolution führte ihn wieder nach Paris zuräd, fo hinfäßs 
tig, als feine weiland Gonititutionen, und fehon mit einem Fuß 
im Grabe, in das er bald dbazauf auch mit dem andern hinab 
fleigen folte. Diefe Laufbahn die ich nur durch einige grobe 





Gteilge angebeutet habe, zeigt zur Benäge, daß Der, fo fie 
one Straucheln geben konnte, ein feiner dad geſcheuter Kopf 
fein mußte, und darüber iſt wot in ganz Frankreich, wie in 
anz Europa, ‚nur Eine Stimme. Gr gehörte zu jenen Men: 
chen, die Geiſt haben ohne Charakter, die das Gute wollen, 
aber ſich mit den Umftänden abfinden — inserviunt callidissine 
temporibus — ; mit Ginen Wort, er war ein Polititus wie 
fein Zeit⸗ und Geiftesgenoffe Röderer. Auch biefer Buchs wußte, 
wie Gtiyes, duch alle Stürme und Wetter den Kiauen ber 
böfen und reißenden Revolutionswölfe zu entgehen und fpäter 
zwiſchen allen Parteien durchzufchleichen. 

Man wundert ſich oft, wie die revolutionnairen Ideen und 
{hre Repräfentanten fo ſchnell in das Gegentheil Deffen umſchu⸗ 

en, was fie erſtrebt und verfprodyen hatten, und doch iſt nichts 
Degreifticher. Man weiß, wie es den erften großen Talenten 
Frankreichs erging. Danton's und Kobespierre's Sciffionen 
und Mordgerichte mähten die Blüte der großen Genies und Pas 
teioten Frankreichs bin, die zum Theit durch Unſchluͤſſigkeit, 
mehr durch den Äbſcheu fielen, durch böfe Mittel etwas Gutes 
wirken zu wollen. Es gibt Zeiten, wo man mit Waffen bes 
Simmeld immer ber Hölle unterliegt. Wer mit ihr ftreiten 
will, muß die Schneide feines Schwerte wenigftens ein wenig 
im Waffer des Kocytus flählen. Ebenſo verderblich ward Frank⸗ 
reich die Deportation nady Gayenne, die Bonaparte, damals 
noch der Diener von Barras, durdy militairifge Gewalt durch» 
fegen half. Männer, wie Garnot und Barthélemy, wachſen 
nicht alle Zage wie die Pilze aus der Erbe. Es war, als ob 
felt dem Gtaateftreih vom 18. Fructidor eine Geiftesarmuth 
auf Alles gefallen, was mit am Ruder des Staats arbeiten 
und pfufchen half. Cine fehe natürliche Erſcheinung. Nicht 
blos Die, weiche man als Begünftiger einer conftitutionnellen 
Monarchie anfah, wurden eingelerfert, erilirt und beportirt, 
fondern ein ähnliches Schickſal traf Alles, was durch Talent 
und Muth gefährlich werden konnte. Die Zournaliften wurden 
in Maffe geächtet und 42 Journale unterdruͤckt, die, merkwuͤr⸗ 
dig! alle der Republik abhoid und meift royaliſtiſch waren. 
Dies und vielleicht Unmuth der betrogenen Hoffnungen des Par 
triotiemus ſchreckte die Guten ab, ſich nicht in den gefläuterten 
Schafſtall zu drängens benn eine Sammlung von Schafen be: 
delt man, und von Küchen, bie dumm und liſtig um das its 
difche Brot gern das Zoch trugen, und gelehrig in Alles ein: 
guaeı was man eben im Directorium haben wollte. Die 

tger waren muthlos und unentſchloſſen zum Guten und Boͤ⸗ 
fen, und die meiften flüfterten im erbaͤrmlichen Gefühle der 
Hülftoflgkeit bei drohenden Ungewittern: Ach! Hätten wir nur 
einen König, fo wäre ung geholfen. Die Parteien ſeibſt hatten 
micht den Muth, ganz gut und ganz ſchlecht zu fein, und ber 
Haufch war vorbei, wo man fo frei einen Kopf hinftellte, um 
eine bedeutende Rolle zu ſpielen, ja um nur die Wahrheit fa: 
gen zu können. Bonaparte brauchte den revofutionnairen Geift 
nicht mehr zu bändigen; er war längft ausgefahren mit den 
taufend Regionen Zeufel, welche bie Nation im Ecibe hatte. 
Doch das iſt fein unfterbiiches Verdienſt, daß er Frankreich aus 
dem revolutionnairen Chaos hervorzog und die Rolle des De: 
miurg übernahm, der bie bunt durcheinander gewirrten Elemente 
der abgelebten, in Atome zerfallenen Gefellfchaft wieder zu einem 
wohlgegliederten Organismus vereinigte. 

8 gibt nur wenige Öffentliche Namen, die in dem Wed): 
fel der Beiten und Regierungen in Frankreich ſich felbft treu ger 
Stieben find und ihren Gharafter unter allen Umftänden be: 
hauptet haben, wie Merlin von Douay und Daunou, zwei 
Wänner von geprüfter Rechtfihaffenheit und feltener Charakter⸗ 
feſtigkeit, himmelweit verfchiedben von jenen windelmeichen Cha: 
xalteren, bei denen das Heute immer gegen das Geſtern Recht hat 
und die vergeflen, daß fie geftern anderer Meinung waren als 
—* Merlin war ein gruͤndlicher, umſichtiger, aber nicht bes 
onders gebanfenreicher Gelehrter und hat zur Wieberbegründung 
des Juſtizweſens In Frankreich unendifch viel beigetragen. Daus 
nou kann ald der Benebictiner der Voltaire'ſchen Schule bezeich⸗ 


net werben. Das Meiſte, mas er gefheiebe 

„Jouraal des savants”, in ben Memoiren und 83 end 
ber Akademie und in ähnlichen Sammlungen. Bon feinen Ber 
tefungen, bie ex als Profeffor am Coliöge de France gehattm 


und fpäter ausgearbeitet, find bis jeht fünf Wände eriäin 


und foßen fun achfelgen. ©s 
—— Geichrfamteit Vice ana ug une 


Vorurtheile, denen er huldigt, ſehr oft —— ans nhea | 


bar gemacht wird. Mignet’6 hiſtoriſche Rotizen über diefe kei 
den Männer find ſehr intereffant ; ebenfo —*X et 
Talleyrand. Nur können wir felbft in das bedingte Lob nit 


einftimmen, weldyes Mignet vorgefähriebenermaßen dem ehem. 


lgen Bifhof von Autun ertpeilt. Talleyrand dankt einen ge 
Sen Theil feines Rufs dem politiſchen Scharfſinn und ver Ge 
duld, womit er ben ſchicklichen Zeitpunkt abzumarten und zu 


erfaffen wußte, in welchem feine Raͤnke ſich augenbiictichen Er: 


folg verſprechen konnten — allerbings eine große politifce Gabe 
Verräthereien kann man ihm billig nicht zur Laſt legen; es ik 
ganz natürlich, daß man eine Btegierung verläßt, die nicht auf 


guten Rath Hört und ins Verderben rennt. Politiſche Verbre⸗ 


hen hat Talleyrand nicht begangen ; im Übrigen war ex, was 
ben moralifchen Charakter betrifft, gelinde gefagt, ein com: 
pacter Egoiſt, ober, wie Schloſſer etwas ſtark ausbrüdt, 
ein „Schuft“. 

Auch die kebensſtizzen über Deftutt de Tracy unfBrouf: 
fais find in mancher Hinſicht lehrreich, doch in vicler Bepiehung 


für uns unerquidiidh. Uns Deutfche überläuft es immer gan | 


eigen, wenn wir gewiffe Maͤnner nennen hören, bie graͤßliche 
Syfteme'repräfentiren. So können wir uns eines innen Bit 


behagens nicht erwehren beim Leſen der clegifirenden Biogre: 


phien der beiden obengenannten Männer, bie fi ihr gan 
Leben unverhohlen als Anhänger und Fortſetzer der Philoſophie 


und Moral von Helvetius und Caba nis befannten, und von 


benen ber Eine eifrig den Atheismus lehrte und der Ander 
bigig für den Materialismus ſtritt. Gtädticherweile für dieſe 
Männer war ihr angeborenes Raturel beffer als ihre anftubirte 
Phitofophie, und widerſprach die Praxis ihres Lebens ben Grunt: 
fägen ihrer Theorie. Deſtutt de Tracy war ein adjtungiwe: 
ther, veblidher und braver Mann, eän treuer Freund, guter 
Gatte und Vater, und der Armen Wopithäter; auch finden ſich 
in feinen Schriften neben den abgeſchmaäckteſten, gröbften und 
verfehrteften Anfichten bie wahrſten, feinften und richtigſten Ge 
danken, von denen man nicht begreift, wie fie aus demſelben 
Kopfe ftammen. Brouffais bat ale Gründer einer mediciniſchen 
Theorie und als praktiſcher Spitalarzt fich bedeutendes Berdienf 
um die beobadhtende Arzneitunde und bie leidende Menſchdeit : 
worben und ſich ats Menſch und Hellkuͤnſtler ſtets brav, recht 
lich, fitttih und uneigennägig bemwiefen. 

Sämmttiche in diefem Bande gefammelte Lebens: und Che 
takterbitder find, wie gefagt, von einfeitig apologetiſchem &: 
präge; boch in allen flößt man nichtsdeſtoweniger auf feine, be 
deutende, ſcharf abgrenzende Züge und Umriffe, die menigfien 
in dem Lefer das Bild, welches er ſchon von dem Berftorbenen 
bat, vervollftändigen und frappanter madhen heifen. In ſtiliſt 
her Beziehung find auch diefe Charakteriſtiken durch Giegan, 
Geſchliffenheit, Kraft und Angemeffenheit, ausgezeichnet, wit 
ale Sniften des berühmten Gefchichtsfchreibers der Frangörn 

evolution. 





Literarifhe Notiz. 

Waterfton’6 Werk: „A cyclopaedia of commerce", it 
eine tüchtige und forgfältige Compilation, jeder Handelsbibtiothet 
zu empfehlen, indem man darin bie neuefte auf die darin ab: 
gehanbelten @egenftänbe bezuͤgliche Belehrung finden kam 
Vorzüglich aufmerkſam zu machen iſt auf die Artikel „Com 
merce”, „Mercantile law‘ (von Burton), „‚Rinance” und 
„Commercial gergraphy”, 18, 


Berantwortliher Herausgeber: Heinrich Brockhaus. — Drud und Verlag von J. A. Brockhaus in Eripsig 





Blftter 


für 


literarifche 


Unterhaltung, 





Ritwod, 


— Rt. 296,7 — 


18. September 1843. 





über Menſchenraſſen. 


J. Die Eutwickel der M durch Einwirku | 
Di ung enfdenraffen bury_ WBinwi 1842. dibliſche Annahme zurüd. Bei der ungeheuern Kluft, bie 


der Außenwelt. Bon K. Weerth. Lemgo, Meyer. 
Or. 8 1 Ihe. Near. 
3. Die Sntftehung des Menfchengefchlechts. 


ab? Ben ri Müller Grlangen, Heyder. 
1842. Gr 


8. Die Menfchenraflen. Bon Ernſt Friedrich Eberhard. 
Einladungsſchrift aur Beier bed Gymnasii Casimiriani zu 
Koburg Koburg 

Es made dem mesfätlten Beifte Ehre, daß er ſich 
Immer wieder an Probleme wagt, deren Löfung außer 
feinem Bereiche zu liegen ſcheint, wo wenigſtens alle bis: 
herigen Verfuche, fie zu loͤſen, fruchtlos geweſen find, fo 
oft man auch mit friſchem Muthe und mit allen Mit: 
tin, wie fie Fleiß und Scharfſinn darbieten, daran ge: 
sangen iſt. Ein ſolches Problem iſt aber die Abſtam⸗ 
mung des Denfchen und die damit in genauem Zufam: 
menhang flehende Frage, ob ber Menſch von Einem oder 
mehren Paaren abflamme, eine Frage, die allerdings nicht 
außerhalb der Grenzen menfchlidher Forfhung liegt und 
das wiftenfchaftlihe Sintereffe in hohem Stade in An: 
(much nimmt. 

Wir haben früher ſchon in d. BL.*) auf ein Wert 
von Prihard aufmerkſam gemacht, welches die erftere An: 
fiht vertheidige, zugleich aber auch mehre damit in Wider: 
ſpruch ftehende Gründe aufgeftele, worauf wir bier, um 
Wiederholungen zu vermeiden, verweifen müffen. Die 
erneuette Anregung der Stage ſcheint vornehmlih dem 
verfhiedenen Standpunkte Ihren Urfprung zu danken zu 
haben, auf dem die Wiſſenſchaft überhaupt in verfchiede: 
nen Zeitepochen fland.. Früher waren e6 die Naturphiloſo⸗ 
pbie und ihre Anfidhten von der Entflehung organifcher 
Weſen im Allgemeinen, jest find es theils die neuem 
Ehrenberg’fchen Entdeddungen, denen zufolge felbft den Ins 
fuforien noch Zeugungsfaͤhigkeit zugefprochen wird, theils 
bie neuern ethnographiſchen Forſchungen, theils endlich 
eine bier und da wiederauftauchende mpftifch:religiöfe Ten: 
benz, welche felbft manchen naturhiftorifchen Anfichten ihre 
Farbung verleiht, die den Geſichtspunkt bezeichnen, von 
welchem ihre Beantwortung ausgeht. Während man ſich 


%) Ja Nr. 163-106 u. Wi. f. 1842. D. Red. 





Iſt der Menſch 
Geſchoͤpf eines perſoͤnlichen Gottes oder Erzeugniß der Natur, 
und ſtammt die Menſchheit von Einem oder mehren Paaren 





Jdort für die Abſtammung bes Menſchen von mehren 


Paaren entfchied, kommt mau hier wieder auf bie alte 


zwiſchen der Zeit des Urfpeungs bes Menſchengeſchlechts 
und feinens heutigen. Zuſtande liegt, wo es ſich nicht nach 
Jahrhunderten, ſondern nad Jahrtauſenden zählt, und 
bei dem Mangel einer Menge von Mittelglledern, die zur 
Beurtheiltung Deſſen erfoderlich fein würden, was Aima, 
Lebensweiſe, geiftige Cultur u. f. w. zu feiner Umaͤnde⸗ 
rung beigetragen haben, wird man moi nie zu einer be 
feiedigenden Löfung der Frage gelangen, fo wenig als man 
je aufhören wird, für eine oder die andere Meinung Dar 
tei zu nehmen. 

Die beiden erften der obemgenarmmten Schriften ver: 
treten die Anfiht von der Abflammung des Menſchen⸗ 
gefchlechte von Einem Paare, die letztere dagegen vertheis 
digt die entgegengefegte Anfiht. Der Verf. von Nr. 1 
bemüht ſich im erften Abſchnitte feines Werts, zu bewei⸗ 
fen, daß die im Menfchengefchlechte vorhandenen Verſchie⸗ 
dbenheiten in Schädel, Bellen, Knochen der Ertremitäten, 
Statur, Haut, Haaren, Angen keineswegs bedeutend ges 
nug find, um eine Eintheilung deſſelben in verfchiedene 
Arten und Species rechtfertigen zu koͤnnen, ſondern vieks 
mehr felbft als durch gewiſſe Verhaͤltniſſe ber Außenwelt 
mehr oder weniger bedingt erfcheinen. Wie andere Ber: 
theidiger der eimpaarigen Abſtammung legt auch er ein 
befonderes Gewicht darauf, daß einzelne Verſchiedenheiten 
auch bei andern Voͤlkerſtaͤmmen als denen vorfommen, 
zu deren Eigenthuͤmlichkeiten fie gehören, 3. B. dichte, 
dide Schädel, wolliges Haar nicht allein bei Afrikanern, 
ſondern auch bei Europdern u. f. w.; er uͤberſieht indefe 
fen dabei, daß dergleichen Ausnahmen, wo fie vorfommen, 
nie zur Begründung einer eigenen Raſſe Veranlaffung 
geben. So 3. B. verfhwinden die einzelnen mwollhaarigen 
Menſchen bei den Europäern unter der großen Maſſe, 
ohne daß daraus eine befondere Raſſe wird. Überhaupt 
aber können hier nicht einzelne Verſchiedenheiten entfchels 
den, fondern das Ganze. Die Raffeverfchiedenheit liegt 
in Schaͤdel⸗ und Bedenform, Statur, Haut, Haaren u. ſ. w. 
zufammengenommen. Bo aber fände fich eine ſolche Aus: 
nahme im Sefammtkreis bei einem andern ale dem Volke, 
dem er eigenthuͤmlich iſt? 

Im zweiten Abſchnitte verſucht der Verf. das Har⸗ 


monifche im ber Phyfiognomie ber Länder und ihrer Bes 
wohner nachzuwelfen. Er betrachtet die Phyſiognomie ber 


Sefttänder im Allgemeinen, in Bezug auf ihre Längen: 


und VBreitenausdehnung und die Entwidelung bes Bin 
neplan 

—* ‚nach den ve denen Zonen und ben ver: 
Tdfiebenen Erdtheilen, und endlid die Phufiognomie der 
einzelnen, durch befondere phyſikaliſche Verhaͤltniſſe ausge: 
zeichneten Länderftredden und ihrer Bewohner. Wäre ihm 
diefer Verſuch gelungen, könnte er wirklich , der 
* & fei an dieſem oder jenem Orte ber Erde geboren, 
mr den oͤrtlichen WVerhältniffen gemäß fo und nicht 
andars ausiehen, fo wäre auch hat große Raͤthſel geiäil 


Über etwa mit Ausnahme der Polargegenden fehlt allen 






übrigen Parallelen zwiſchen Ländern und Bewohnern aller 


wiſſenſchaftlicher Boden, fo niel füch auch der Verf. he: 
wuͤht, die Phantaſie dabei zu Hülfe zu nehmen. So 
Habt es z. B. von. Afrika und feinem eigentlichen Urbe⸗ 
mwohner, dem Meger: wie das Lamb in der. abgefchlofjenen 





Sigut eines Kaelſes daliege, fo mwichließen auch enge. 


Kreiſe das Geißtesleben des Negers, und der Körper dei- 
ſelben, in allen allen Theilen einfhrmig abgerundet, beute 
en, daß Ihm, wie auch dem Lande, jede höhere Entwicke⸗ 
eng md Gliederung nach fehle; der Schädel des Negers 
und des Kaubaſiers fliehen ‚ungefähr in demfelben Verhaͤlt⸗ 
wifle zueinnuder wie die rund abgemölbten Flaͤchen Afri⸗ 
kas zu den Steilktüften des Kaukaſus; wie ferner dem 
Lande bes Negers die üppige Pflanzenwelt anderer Erd⸗ 
theile fehle, wie meift nur duͤrres Geftrüpp auf dem oͤden 
Boden wuchere, fo fehle dem Kinne des Neger der Bart, 
der den Stolz des Kaulafiers bilse, und auf feinem 
Haupte wuchere nur ein verworrenes Geſtruͤpp von Woll⸗ 
haar; wie das Land offen da liege und feine Gebirgs⸗ 
kaͤmme das Waſſer aufflauen, damit eine neue Schöpfung 
aus ihm entfpriefen könne, fo finden fih aud im Ske⸗ 
lette des; Negers diejenigen Knochen und Muskeln (?), de: 
wen Aufgabe es fei, die Keime der kommenden Geſchlech⸗ 
ter zu befchügen, fo flag und weit, daß ſich felten das 
nen erwedte Leben bis zu feiner Meife entwideln könne. 
Menn es mit foldhen Annlogien in der Wiffenfchaft ges 
than wäre, fo getraute ſich Ref. nächigenfalls auch zu bes 
weifen, daß der Patagonier eigentlich nad Lappland ges 
höre. Manches, was der Verf. zur Charakteriſtik einzel: 
ner Voͤlker anführt, iſt nicht einmal richtig. So heißt 
es ©. 157, die Gabe des Gefanges fehle dem englifchen 
Volke, ein Volkslied befige es nicht. Schon bie vielen 
noch im Munde des Volks Ichenden Balladen fprechen 
für das Gegentheil, nody mehr aber das allgemein beliebte 
„God save the king” und. „‚Bule Britannia”’, beides Lieder, 
weiche fo tief in das Mark des englifhen Volks einge: 
derungen find und bei alien feierlichen Veranlaſſungen mit 
ſolcher Begeilterung gefungen werden, wie vielleicht kein 
Lied. eines andern Volks der Erbe. 

Im dritten Abfchnitte werden die Einwirkungen ber 
Außenmelt auf die Entwidelung des Menſchengeſchlechts, 
namentlich die Einwirkungen der unorganifhen Natur, 
der Pflanzens und der Thierwelt und endlich des eins 


die Phafiogkomie dee Beweahnex dee Ede im 


seinen Krankheitöfsensen, in verſchiedenen Zonen, Gegen— 
den und Zeitabſchnitten betrachtet. Der Verf. hat dirfn 
Begenftand ohne Zweifel auf eine intereffante Weiſe be 
bank aber haltbare Gründe für die Entwidelung da 
verfchiedengg chenraſſeyn abe, ner wicht eu 
decken —— * in mi in —* ein 
zelner Naturerzeugniſſe abhängig, fo müßten mic deren 
noch viel mehre zählen, al6 wir bereite ſchon befiken, 
Allerdings laͤßt ſich ihr Einfluß auf die Verbreitung, fie: 
pertiche Bitdung, geffitge Sulrur u. ſ. w. einzelner Volks 


flämme nicht ableugnen, aber auch nicht einmal annike 
eumgsweife daraus die große Verſchiedenheit erfläcen, wie 


Se une is den | be 

Im vierten Abſchnitt verſucht der Verf. die Fragen 
zu beantworten: wie waren bie erſten Menſchen befchaffen? 
wo lebten fie? und auf welchen Wiegen vorthellten ſich 
die nachfolgenden Geſchlechter Uber der Erder Die Ant: 


. wort auf die erfle Frage lauter: Seiner von allen jekt 


vorhandenen Menfchenraffen gehört der zuerſt erſchaffene 
Mencch an, denn das alfeitig Entwickelte Eonnte nicht 
vor ber Entwidelung felbft da fein. Vielmehr iſt in dr 
Verfchmelzung der verfchiedenen Raſſenunterſchiede zu di: 


nem urfprünglichen, noch unentwickelten Ganzen, das Un 


des erften Menſchen wieder zu erkennen. Das erfle Mn: 
fchenpaar hatte eine mittlere Faͤrbung, die ſich nad den 
verf&hiedenartigen Einwirkungen ber Außenwelt zu den an 
geführten Unterfhieden und Grundſaͤtzen in der Haut: 
farbe entwidelte. Als das Stammland der erflen Mm 
[hen betrachtet der Verf. Kaſchmir, und von bier aus laft 
er fie ſich nach verfchiedenen Himmelsſtrichen vertheilm. 

Ne. 2 bat manche Vorzüge vor Nr. 1, nammtlih 
den, daß fein Verf. mehr auf die Wiederlegung der 
Gründe für die Abflammung des Menſchengeſchlechte 
von mehren Paaren eingeht. Votzugsweiſe werden von 
ihm die naturatiftifchen Anfichten befprodyen: 1) daß de 
Menſch unmittelbares Erzeugniß der Natur fei; 2) daß 
die höhern Organismen ſich allmälig aus den niebern ent 
widelt haben, fodaß diefe von felbft im jene übergegangen 
find, und daß die Leßtern nunmehr ſich felbiländig fort: 
pflanzen; 3) daß noch immer Thiere durch ungleidartige 
Zeugung entfliehen, zum Beweis, dag Organiſches aus 
Proceſſen des unorganifhen Dafeins hervorgehe; und di 
endlich 4) wenn man auch die Entſtehung der Menid: 
beit auf Gott zurücdführe, mehre Menfchenpaare doch in 
verfchiedenen Gegenden entflanden find. Es laͤßt id 
nicht leugnen, daß ber Verf. diefe Anfichten mit Grün: 
den beftreitet, wie fie vor ihm bis jetzt noch nicht geltend 
gemacht worden find. 

Zunaͤchſt log eine zwar kurz zuſammengefaßte, ab 
von genauem Studium zeugende uͤberſichtliche Betrach— 
tung dee verfchledenen Voͤlker des alten und neuen Mel 
in Abfiht auf Größe, Bau, Farbe u. f. w. Diefe Ver 
ſchiedenheiten werden von dem Verf. gleichfalls von den 
Einflüffen des Klimas, der Lebensart, der Nahrung und 
Beſchaͤftigungsweiſe, ſowie aus angeborenm und auf dit 
Nachkommen fich fortpflanzenden Misbildungen und Krank 
heiten: abgeleitet; fie falle: zum 66 ammwerneeit iwin⸗ 





ante aͤbagehen, one tuß-mam befkktuuer Gem; 
dam, um jedem Worköftumm felbſt vorkommen, und 





en Tegen Mrdamerikanet bie 


ringebwreifän . Yabiaec ln cne Ui 
NMenſchengattung halten als fie. Meat vergleteht Uhl 


übrigen® nicht größer fein, als wis fie in den Eiplefarten ı] eine intereffante Abhandlung von Murbatd in Wiltau’s 


umd Ausärtungen unſerer Dausthiere finden, deren viel: ' 
fache gem noch nicht derechtigten, fie zu eigenen 
Arten zu flempein. Wenn nur nicht auch die Abſtam⸗ 
mung der verfchiedenen Thierraffen von Einem Paare noch 
problematifch rodre. Ihre gegemfeltige Fortpflanzungsfaͤhig⸗ 
keit beweift nicht, was fie beweifen fol, denn es wäre ja 
möglich, daß fih verwandte Arten fortpflanzen, ohne daß 
dies auch bei andern weit veeinamder abflefenden Gat⸗ 
tungen von Thieren der Fall fein mießte. Unerwaͤhnt 
dürfen wir indefſen eine für die Auſicht des Verf. ſpre⸗ 
ende Thatfache nicht Laffen, welche für eine allmälige 
Abänderung in der Bildung mancher Thiere durch Locale 
Einflüffe zugt. Rengger bemerkt nämlich, daß unfere 
Hauskahe, webdhe vor ungefähre 300 Jahren im den erflen 
Zeiten der Ersbeenng von Paraguay daſelbſt eingeführt 
worden fei und ſich fele jener Zeit nie oder nur felten 
mit frifhen Ankoͤmmlingen vermiſcht babe, fi von der 
europäifhen durch kuͤrzere, mehr glänzende, dünnftehende 
und knapp aneinander liegende Haare, die am Schwanz 
noch kürzer fein als am übrigen Körper, unterfcheide; 
ferner ſei ſie wenigſtens um ein Viertheil Heiner als jene, 
habe einen ſchmaͤchtigern, zuſammengedruͤcktern Rumpf und 
einen zartern Gllederbau. Nach demfelden Gchriftftelier 
efheint auch das Schaf in Paraguay fo entartet, daß 
jede Spur der fpanifchen Abflammung bei ihm verſchwun⸗ 
den iſt; fie find Mein, tragen eine kutze, aͤußerſt raube 
Wole, und geben nicht einmal ein ſchmackhaftes Fleiſch, 
denn es iſt mager, ganz weiß und von fadem Geſchmack. 
Dergleihen Tcharfachen, obwol fie noch vereinzelt daſtehen, 
verdienen unfere ganze Aufmerkfamkeit, denn wenn wir 
die Ratur nicht im der Umdnderung ihrer Formen gleich: 
fam auf der That ertappen, fo bleiben alle Muthmaßuns 
gen und Hypotheſen unzureichend. 

Einen Unsftand, welcher, wie uns fcheint, ducchaus 
bei der in Rede fichende Streitfrage wide uͤberfehen wer⸗ 
den darf, dat unſer Verf. gar nicht erwähnt, wir meinen 
die Verfchledenheit der. geiftigen Culture und der fittlichen 
Bildung bei den verfchledenen Menſchenraſſen. Es ift 
auffallend, daß z. B. in Nordamerika die freien Farbigen 
auch da; wo fie nicht durch unterdrüdende Gelege gebun- 
den find, fich doch nicht aus ihrer Miedrigkelt erheben, 
hoͤchſt felten eine gewiffe Wohlhabenheit erreichen, mit den 
Weißen wicht auf gleicher Stufe der Sittlichkeit ſtehen, 
i mei arm und phyſfiſch mad moraliſch verderbt 
ſind und in den noͤrdlichen Staaten der Union, in wel⸗ 
Sen ſchon ſeit lange her gar Eine klaut beſteht oder 
dieſe nie vorhanden geweſen, Das vorſtellen, was man 
in den europaͤiſchen Laͤndern die Hefe des Poͤbels nennt. 
Es fehlt ihnen an allem Unternehmungs⸗ und Erfindungs⸗ 
gilt, allenthalben ſtehen fie den Weißen nach, bleiben 
binter ihnen zuruͤck und erſcheinen als eine untergeordnete 
Nenſchenclaſſe, von Natur zu niedrigen Dienften und 
Arbeiten in der Geſeliſchaft beftimmt und nach Höderm 
weder ſtrebend noch dazu befaͤhigt; daher denn auch bie 





„Neuen Jahrbuͤchern der Geſchichte und Politik“, Jahr⸗ 
gang 1840, zweiter Band, S. 408 fg. Solte dieſer 
Mangel an Intelligenz und an fittlidher Wervsttonint 
mung nicht ebenfo gut für eine urſpruͤngliche, in der Raffe⸗ 
bildung begründete, Verſchiedenheit zeugen? 

Die Verbreitung des Menfchengefchlechts Über die Erbe 
thßt der Verf. vom Berge Ararat beginnen. Um biefen 
Berg, auf welchem die Arche Roah's nach der Shapflut 
ſiden blieb, bildeten fich die alten Eulturlaͤnder. Die 
fchänfte der menſchlichen Formen, die kaukaſiſche, ſchlug 
ihren Sig in feiner Nähe auf. Entfernt von ihm befin> 
den ſich die beiden andern Raſſen; die mongelifihe im 
Mordoft, die Megerraffe im Suͤdweſt. Die von efintih 
Punkte ausgegangenen Menſchen arteten auf der Hoch⸗ 
ebene der Mongolei zu Mongolen und im heißen Gens 
tralafrika zu Negern aus. 

(Der Beſchluß folgt.) 


Autograpbifhde Sammlungen. 

In dem reichhaltigen Werke „Les Francais peints per 
eux-memes’' finden wir einen allerliebften Fleinen Auffag aus 
der geiſtreichen Feder Eh. Nobier’s, betitelt „Le bibliophile%, 
Alle die einzelnen Meinen Züge, mit denen der liebenswuͤrbige 
Schriftſteller das Weſen ber begeifterten Buͤcherliebhaber — und 
Nobier ift ferbft einer der leidenſchaftlichſten — ſchlibert, peffen 
auch auf den unverbroffenen Sammler von Autographen. Unſere 
Abſicht iſt es indeſſen nicht, ein fatirifches Wild des Autographo⸗ 
philen — um biefer immer weiter um fidy greifenden Leiben⸗ 
daft einen Namen zu geben — zu entwerfen, fonbern wie 
wollen nur ein paar der reichſten Sammiungen biefer Arten ges 
denken, bie wir in Paris Gelegenheit gehabt baben zu ſehen. 
Wir Können aus der großen Menge der Aime Martin, Boutrons 
Eharlard, Baron v. Chaffiron, Ehambry, Feuillet, Graf d' Haute 
rive, Lalande, Lidri, Geaf Anat. de Montesquion, die alle von 
der Wuth des Sammelns angefledt find, hier inbeffen nur zwel 
ober drei ausgreifen. 

Erf mit der Reflauration fing ber Geſchmack an berartfs 
gen Sammlungen an, in Frankreich Wurzel zu faſſen. Etwa 
um das 3. 1820 befamen file wirklichen Werth, und feltberk 
vermehrten fig die bis dahin noch unbekannten öffentlichen Wer: 
fleigeeungen von Autographen nıit jedem Jahre. Im 3. 1837 
ward ein Billet von Auife Marie, Königin von Polen, vom 
28. Mai 1644, das der Sammlung eines Englänbers angegdet 
hatte, öffentiich verkauft. Das Interefiantefte an biefem Briefe 
war, daß darin ausbrädtih gefagt wird, daß es von ber Abe 
nigin eigens geſchrieben fei, um einer Sammlung von Bande 
ſcheiften einverleibt zu werden. Auch aus einem Briefe, ben 
ein Dr. v. Flers befist, gebt hervor, daß bie 
baberei fchon im 17. Jahrhundert nicht fo felten war. Indeſſen 
wurde, wie gefagt, erſt in neuerer Zeit in Frankreich foͤrmliche 

tion bamit getzieben. Bei den boßen Preifen, mit wer 
nen die Hanbfchriften beraͤhmter Perfonen fei es gekroͤnter Haͤup⸗ 
ter, Schriftfteller, Künftier, Staatömänner, Helden, fet 8 auch 
vecht beruͤchtigter Schurken u. f. w. bezahlt wurden, mußten 
minder Bemiĩttelte ſich mit lithographirten Autographen begnüs 
gen. Die Buchhändler fahen fich deshalb veranlaft, ihren Wer⸗ 
en baburch noch ein eigenes Intereffe zu verleihen, baß fie bens 
felben ein Kacfimile von der Handſchrift des Verf. binzufügten, 
Derartige Zugaben finden wir nawentlich in den Ausgaben 
Ladvocat’s aus den Sahren 1824 und 1925. Bei dem großen 
Beifalle, ben diefe Mobe fand, lag ber Gedanke ſehr nahe, eigene 


RB ” 


— area mue — F be —* den 2 
aphen her n. 
nen Unternehmen, die in dieſer Abſicht begonnen wurden, hat 
ſich die „Isographie”, zu der noch eine Sammlung von Portraits 
unter dem Xitel „Iconographie” hinzugefügt wurbe, am länge 
ften (1838-30) gehalten. Aber alles Dies genägte dem Lieb» 
haber von Autographen ebenfo wenig wie bie Abbrüde ber Ins 
eunabeln und ber Editiones principes (und wären fie mit 
diplomatifcher Genauigkeit beforgt) dem Bibliophilen. Alle biefe 
Jacſimilia waren Jedermann um ein Geringes zugänglich und 
doch IM der Hauptreiz biefer Sammlungen der alleinige Befig. 
Se mehr alfo bie Liebhaberei der Autographen durch lithographirte 
Abtrüde profaniet ward, deſto eiftiger wurben bie eigentlichen 
Handſchriftenſammler, ſodaß ſich die Liebhaberei nicht felten bie 
ur Leidenfchaft fleigerte. Zu gleicher Zeit vermehrte fidy die 
ahl diefer Sammlungen, fobaß man jest in Paris beren mehre 
Hundert —* kann. 
Bei oͤffentlichen Verſteigerungen, bie jetzt gar nichts Seltenes 
mehr find, fieht man, wie es mit ben Autographen ebenſo geht 
wie mit den koſtbaren Ausgaben unb den alten Gemälden. Diele 
@uriofitäten find der ganzen Wanbelbarkeit der Mobe unterwors 
fen. Autographen, die heute bis zu unfinnigen Preifen hinauf: 
getrieben werben‘ — und ed find nicht etwa immer bie, wel 
von den berühmteften Perſonen herruͤhren —, werben in einigen 
Dnomalen [0 im Preife geſunken fein, daß fie kein Menſch mehr 


wid. 

Eine der tntereffanteften autographildgen Sammlungen von 
Paris ift die, welche ber bekannte Buchhaͤndier und Gelehrte 
Panckoucke angelegt hat. Sie zählt eine Menge ber widhtigften 
und feitenften Stüde, die zum Schell noch ganz unbelannt find 
und aus benen fi eine werthuolle Kuswahl zufammenftellen 
ließe. Man bemerkt darin unter Anberm eine Rotiz über bie 
Schlacht von Zrafimenes, die Rapoleon während feines Aufents 
halts zu St⸗Helena eigenhändig gefchrieben hat. An die Samms 
lung Ponckoucke's reiht fich die von Feuillet be Gonches, ber eis 


nen hoben Poften auf dem Minifterium der auswärtigen Samm- . 


Iungen bekleidet. Auch der Marquis von Flers, Conseiller & la 
cour des comptes, ber gegenwärtig ein umfalfendes Werk über 
autographiſche Towie andere Sammlungen vorbereitet, iſt im 
Belig einer großen Menge Eoflbarer Stüde, bie manchen Liebs 
haber neidiſch machen könnten. Unter der großen Zahl berfel: 
ben (feine Sammlung beläuft fi) auf mehr als 2500, aber A 
les nur Raritäten!) können wir nur einer Erklaͤrung von Kas 
tharina Il. über bie franzöfifche Revolution, fowie ber Hands 
friften von Montecuculi, Galilei, Mackhiavelli u. ſ. w. er: 
wähnen. In der reihen Sammlung von H. Chambry, Maire 
des vierten Arrondiſſements, befindet ſich ein böchft intereffanter 
Brief der Charlotte Cordah vom 15. Zul. 1793. Wir müffen 
hierbei ftehen bleiben, ohne uns in die Phyfiognomit der unzaͤh⸗ 
ligen Xutograpben, die wir durchblaͤttert haben, einzulaffen und 
ohne es zu verfuchen, wie Sal aus ben Hödern und ben Vers 
tiefungen des Schaͤdels, fo aus den Steigen und Punkten der 
Handſchriften die Charaktereigenthuͤmlichkeit, dad Schickſal und bie 
Banbtungen der Perfonen, von benen fie herruͤhren, herar ezu⸗ 
leſen. 





Nordamerikaniſche Miscellen. 


(Auszge aus den öoͤſffentlichen Blättern der Vereinigten Staaten 
vom Jahre 1983;) 


Die in Mobile wohnhaften Deutfchen haben ſich daſelbſt zu 
einer Geſellſchaft vereinigt, ber fie den Ramen „Deutfder 
Freundſchaftebund“ gegeben haben und bie zum Zweck haben 
fol, deutſche Literatur jedem ber Mitglieder zugänglich und 
durch gemeinfame thätige Kraft im neuen amerikaniſchen Was 
terlande den Standpunkt der Deutfchen ehrenvoll zu machen. 
Die Geſellſchaft befigt bereits einen Bonds, um kranke oder 
bütfsbebürftige Mitglieder zu unterflügen, und jeder Deutfche, 


ber ſich guter Genpfehlungen erſſect, finbek‘ unter feinem 
Mebite anfäffigen RRR. eine offene und ——, Du 
im Ball er der Unterftügung zu feinem Fortkommen bedarf u 
dadurch fein ferneres Wohl begründet werben Kann. Der 
Deutſche ndſchaftsbund wurbe am 21. Dec. 1841 errichta 
und es ſchloſſen ſich demfelden fehr ba B Deutſche ats Mit 
lieber an. Dem Bunde wurde am Gtiftungätage von ein 
Feiner Mitglieber folgendes Gedicht gewibmet, das zugleich als 
Probe beutfcher gebundener Rede im Suͤden ber nocdamerike: 
nifchen Union dienen mag: 
Dem deutfden Breundfhaftöbunde, am 2, Dec, u 
geweiht, von G. F. R. 
Kommt Wräber, tomemt in. unfre Mitte, 
Reit Eu die Hände, wie im Vaterland, 
Kein Gchlummer taugt für unfre Gchritie, 
Bon und bleib’ ewig ex verbannt. 
Bu gutem Wirken find wir nur verbunden; 
O! führt es aus, was wir und zugefagt, 
Und zeigt, daß treue Maͤnner ſich gefunden, 
Die duͤlfreich find, wo Schmerz unb Kummer aagt. 
Erdebt Cuch feibk durch gegenfelttge Treue, 
Beigt deutſche Ehr’ in ihrer Pracht; 
Gebt deutfhem Namen jene Weihe, 
Die Ihn zum flolgen Titel macht. 
&o laßt und denn die Stund’ begrüßen, 
Die und in edlem Bund umfchlang, 
Lat enger uns dab Band mmfihliehen, 
Und deutſche Ehe? fei unfer Mundgefang. 


Aus dem durch den Druck veröffentlichten officiellen 14. Jah: 
resberichte der Belferungsanftalt für jugendliche Ber: 
bredher (House of refuge) in Philadelphia geht hervor, daß fd 
am 1. Ian. bes vorigen Jahres 102 Knaben und 46 Mäbe 
in diefem Inftitut befanden. Im Laufe des 3. 1841 wurden 8 
Knaben und Al Mäpchen entlaffen, ſodas im Anfange dei J. 
1842 102 Knaben und 48 Mädchen vorhanden waren. Toder⸗ 
fälle fanden nur 23 in dem Beitraume von einem Jahre ſtatt. 
Bon denen, bie in dem verfloffenen Jahre aufgenommen wurde, 
tonnten 37 weder leſen noch fchreiben, 57 waren in ber Giabt 
Philadelphia, 19 in andern Theilen Pennſylvaniens, 1] in Raw 
jerſey, 7 in Neujork, 2 in Ohio, 1 in Rbobe« Island, 1 in Bir 
ginien, 3 in Delaware, 2 in Maryland, 9 in Irland, din 
England und 3 in Deutſchland geboren. Won den Entloffmm 
wurden 29 bei Landwirthen, 2 bei madhern und d kei 
andern Gewerben als Lehriinge untergebracht; 19 Mäcken 
wurben ausgethan, um bie Haushaltung zu erlernen, 14 Knaben 
als Schiffsſungen fortgefchict und Knaben und Wide 
ber Obhut ibrer Verwandten anvertraut. 3. 





Literarifhe Anzeige 
Neu erschien soeben bei mir und ist durch alle Bud- 
handlungen zu erhalten: 


Das Venensystem 
in seinen krankhaften Verhältnissen 


Von 
F. a. Bj. Puchelt. 
Zweite Auflage. 


In drei Theilen. 
Erster Theil. 
Gr. 8. Geh. 1 Thlr. 13 Ngr. 
Leipzig, im August 1843, 
F. A. Br ockhaus. 





Berantwortlicher Herausgeber: Heünrich Brokhaus. — Drud und Berlag von J. A. Broddaus ia Leipzis. 


Blätter 
für | 


literarifhe Unterhaltung. 





(Beſchluß aus Nr. 258.) 

Die Heine anſpruchloſe Gelegenbeitsfchrift Nr. 3 maßt 
fidy nicht an, ihren Gegenfland erſchoͤpft und eine durch⸗ 
dringende Kritik der gegentheiligen Meinung geliefert zu 
haben, aber es gebricht ihr weder an Scharffinn noch an 
Gruͤndlichkeit, um mit ihren Gegnern in die Schranten 
zu treten. She Verf., wie ſchon bemerkt, ein Gegner der 
Anſicht von der Abflammung der Menfchen von Einem 
Daare, verfolgt zuerft den Weg der Beobachtung und Er: 
fahrung und ſchlaͤgt dann den umgekehrten Weg vom 
Allgemeinen zum Befondern ein, die aus bewährten all» 
gemeinen Naturanfichten abgeleiteten Schluͤſſe damit vers 
gleichend. Kine Vergleichung der Hauptgruppen der Men⸗ 
fdyen in Hinſicht auf Farbe, Xertue und Organifation 
von Haut und Haar, Habitus und Ausdrud des Gefichts, 
Entwidelung des Geſchlechtsſyſtems, Skelett, Gehirn: und 
Nervenſyſtem, Muskelkraft, Krankheitsanlage, Verkruͤppe⸗ 
lungen und Misgeſtaltungen, Sprache, Religion, Wiſſen⸗ 
ſchaft, Kunſt, Familien⸗ und Staatsleben fuͤhrt ihn zu 
dem Reſultat, daß wirklich Menſchenraſſen mit beharrli⸗ 
chen Unterſchieden exiſtiren, und zweitens daß wir in detail⸗ 
lirter Auffaſſung der Abweichungen noch nicht weit genug 

mmen find, um mit aller Zuverſicht entſcheiden zu 
koͤnnen, ob es fünf oder nur vier Rafſen gibt, daß aber 
die Geſammtheit aller angedeuteten Züge und Befonder: 
beiten für die Fuͤnfzahl ſpricht. Nachdem der Verf. feinen 
Segenftand auf empiriſchem Wege betrachtet, untermirft 
er, auf dem Wege von dem Allgemeinen zum Belondern 
fortfchreitend, zuerſt daß Terrain, welches den Menfchen: 
fiämmen zum Wohnplag angemwiefen ift, der Unterfuhung 
und kommt bier zu dem Reſultate, daß die Gegenfäge der 
Gontinente in ber geographifchen Lage, in der Configuras 
tion umd horizontalen fowol als verticalen Ausdehnung, 
in ber fnnern Structure, im Verhaͤltniß von Land und 
Waſſer und vielen damit zufammenhängenden Eigenthuͤm⸗ 
iichleiten es als Wunder erfcheinen lafien würden, wenn 
die organifche Welt nicht eine entfprechende Verfchiedenheit 
im fi) ausgeprägt trüge. Es wird dies durch die Geo: 
graphie der Pflanzen und Thiere beſtaͤtigt. Die fünf 
GSontinente bilden felbftändige botanifhe und zoologiſche 
Mrovinzen. In verwandten Himmelsſtrichen und Locali⸗ 
täten erſetzen fi verwandte Gruppen; bisweilen, doch 


nicht oft, findet fich daſſelbe Genus, faſt nie dieſelbe Spe⸗ 
ces. Der Verf. zeigt nun, daß die Fünfgliederung auch 
in der Menſchheit hervortrete. Die fünf verfchiebenen 
Raſſen entfprechen diefer Gliederung, aber die amerikani⸗ 
ſche flellt nicht, wie Blumenbacdh annimmt, den nody nicht 
ganz zur mongolifhen Form gewordenen, bie malalifche den 
noch nicht ganz negrificirten kaukaſiſchen Typus dar, fon: 
dern eine ift fo felbftändig und urfprünglic wie die an⸗ 
dere. Es find die europdifche oder weiße, bie afiatifche 
oder gelbe, die amerikanifche oder rothe, die malaiſche oder 
braune und die afrikanifche oder ſchwarze. Während aber 
der Verf. die urfprüngliche Künftheilung der Menfchheit 
vorausfegt, leugnet er das Zerfallen in verſchiedene Spe: 
cies, indem ein ſolches Zerfallen ebenfo fehr der bee der 
Menfchheit, welche innerlihe Einheit bei aller aͤußerli⸗ 
hen Mannichfaltigkeit fodert, vwoiderfprechen würbe, als fie 
duch naturgefchichtliche Tihatfachen widerlegt wird. S. 35 
beißt es: 

Die Natur hat ihr Höchftes, den Menſchen, in verfähtebe: 
nen Gontinenten auf verſchiedenen Schoͤpfungsleitern auffteigenb 
u erreichen gefucht und erreicht. Die Spitze biefer großen, 
Fnffeitigen Schöpfungspyramide tft kein mathematifcher Punkt, 
welcher nur in der Vorſtellung eriftirt, fondern eine Fläche, bie 
auch hier noch der Mannichfaltigkeit eine reiche Entwidelun 
geftattet. — Für die Erledigung ber obfchwebenben Brage au 
empirifchem Wege ift es nöthig, daß ber Begriff von Species 
firirt werde. Die ausgezeichnetften Naturforfcher, wie Cuvier, 
R. Wagner, 3. Müller erfiären, daß bie Begattung und Bas 
flarberzeugung in letzter Inſtanz entſcheide. Sie gehen dabei 
jebenfalls von ber Überzeugung aus, daß die Natur in ber Zeus 
gung fi am deutlichften Über innere Verwandtſchaft ausfpreche 
Diejenigen Weſen, welche ſich ohne kuͤnſtliches Zuthun und ohne 
unnatürlihen Zwang von Seiten des Menſchen begatten, unb 
danernd fruchtbare, denfelben Typus bewahrende Nachkommen 
erzeugen, gehören zu einer Species. Was zu einem Genus 
als verfchiedene Species gehört, vermag wol ſich zu begatten, 
body entweder ohne Erfolg, oder fo, daß die Nachkommen fteril 
find oder nur mit einem Weſen ber primitiven Art Junge ers 
zeugen, weiche in die urfprüngliche reine Form zuruͤckſchlagen. 
Der Formenwechſel innerhalb ber die Species umziehenden Gren⸗ 
zen gibt Raſſe, Barietät, Abart u. f. w. Damit flimmen auch 
die Refultate der phyſiologiſchen Forſchungen überein, z. B. dab 
die Spermatogoen bei den männlichen Baftarben ganz fehlen 
oder nur verlümmert vorhanden find. Sonach gehören Hunb 
und Wolf, die Baſtarde erzeugen, zu verfdhiedenen Species, 
ebenfo Hund und Fuchs, Löwe und Ziger, Pferb und Gfel. 
Dagegen bilden alle Hunde eine Species. Das aber if ein 
gewaltiger Irrthum vieler Raturforfcher, daß fie es als ausge⸗ 
macht annehmen, mit der Einheit der Species fei auch bie Ab. 


mung von einem ar erwiefen: alle Warietäten inner 
Lern der Gpecied feien — ‚ nicht urſpruͤnglich. Dieſe An⸗ 
ſicht, daß jede Species organiſcher Weſen einen einzigen Aus⸗ 
gangtpunkt, gleichſam einen Adam habe, widerſpricht den Natur⸗ 
geſegen. Ice. Kargheit dee Armuth, fon verſchwenderiſche 

bes Aeichthums dezeithnet das Sch Der Natur. Ge⸗ 
wiß I jede Speties urſprünglich gleich in einer Wenge nicht 
blos don Exemplaren, ſondern auch von Barietaͤten aufgetre⸗ 
ten. — Wenden wir den gefundenen Begriff ber Species auf 
die Menſchheit an, fo ergibt fi auf das klarſte, daß alle 
Menſchen zu einer Species gehören. Die Menſchen der vers 
fehiedenften Stämme erzeugen miteinander ſehr Fräftige frucht: 
bare Rachkommen. Rur diejenigen Abkömmlinge, bie in den 
—ãaſ* Nuancen aus der Vermiſchung der amerikani⸗ 

Rafſe mit andern hervorgehen, ſtehen weder in phyſiſchen 

ften noch in phyſtſcher PYroductivität und Zaͤhigkeit den Mi⸗ 
ſchungen anderer Raſſen gleich, fodaß ſich auch hierin der To⸗ 
deskeim verräth, den die amerikaniſche Raffe in ſich zu tragen 
ſcheint. ont gibt, wie in der Thierwelt, Kreuzung der Rafs 
fen ein befonders Eräftiges Geſchlecht, während bauernbe Abſper⸗ 
sung bes Bluts innerhalb enger Grenzen ein Herabfinten des 
Drganismus und Berkrüppeluny zur Zolge hat. 

Es bat diefe ygeiftreihe Auffaffung des Gegenftandes 
etwas fehr Annehmliches. Sie läßt uns die verfchiedenen 
Menfchenraffen gleihfam als einzelne Organe eines großen 
Menfchenteibes erfaffen, von denen jedes feinen Theil zur 
Verwirklichung eines höhern, ideellern Organismus beis 
trägt und durch deren relative Ausbildung da6 Ganze der 
Menfchheit geiftig und leiblich gefördert wird, ohne dabei 
die Möglichkeit auszufchließen, daß die jegt niedern Glie⸗ 
der, wie ſich ein ſolches z. B. jegt in der Megerraffe dar: 
ſtellt, dereinft die Höhern werden tönnen. 

Wir begnügen uns, unfere Lefer auf diefe interefiante 
Heine Schrift aufmerffam gemacht zu haben und wuͤn⸗ 
fchen, daß fich ihr Verf. im Intereſſe der Wiffenfchaft ver: 
anlaßt fehen möge, ihr kuͤnftig eine größere Ausführung 
zu geben und fie fo auch für ein größeres Publicum zu: 
gäuslicd, zu machen. 75. 


Zorfchung und Phantafie. Won I. Beet. Überſetzt durch 
Diesanda. Leipzig, Weigel. 1842. 8. 1 Thir. 
1 gr. 


In Holland hat die franzoͤſiſche Literatur von jeher einen 
bedeutenden Rang behauptet; die Literatur der übrigen Voͤl⸗ 
ker — natuͤrlich mit Ausnahme ber fogenannten Claſſiker ber 

und Römer — ift dajelbft wenig befannt. Seit mebs 
zen Decennien haben ſich in Holland Akademien für hollaͤndiſche 
Sprache und Literatur gebildet. Namentlich zwei Hollaͤnder, 
Bilderdijk und van der Palm, haben in ben legten 30 Jahren 
Wucch ihre zahlreichen Schriften einen Typus hollaͤndiſcher Dris 
ginalitaͤt anfgeftellt; der Erſte ift zwar vielfeitig, aber nicht pos 
pulair, und der Zweite fchreibt zwar ſchoͤn, hat aber body nicht 
durchdringen Eönuen. Nun haben die jest beſtehenden hollaͤndi⸗ 
ſchen Akademien * sweiſe darauf ihr Augenmerk gerichtet, 
gegen Nachahmungsſucht zu Felde zu ziehen, wiſſenſchaftliche 
Truͤndlichkeit zu vertheidigen und ben echten Geſchmack zu 
den. Das angezeigte Buch enthaͤlt akademiſche Vor⸗ 

„, welche das bezwecken, und iſt alſo ſchon um dieſes Stre⸗ 
bens willen von Intereſſe; daB das Buch von Wirkung iſt, 
er —— beſtaͤtigt, daß es in kurzer Friſt die zweite Auf⸗ 

er t. 

Die erſte Nummer enthaͤlt Tiſchgeſpraͤche uͤber Gegenſtaͤnde 
von großer Wichtigkeit. Es wird naͤmlich darin die Sucht, 
Vreisfragen aufzuſtellen, perſiflirt, und zwar auf eine ganz 


huͤbſche Art, indem eine Akademie bie Preisfenge autſchreitt 
ob bie Theorie ber chinefiſchen Schrift brauchbar fei für unfen 
weſtlichen Sprachen, und ob man hiervon wicht einigen Ben 
theil für die allgemeinere Verbreitung der wiffenfhaftticen 
Kenntniffe erwarten Bhane. Gehr treffend vergleicht 
force Akabemien und ihre Freicſagen mit usgchranten Kıa 
tern, worin Peter und Paul, jung a alt, ohm Gfahr ug 
nad) Belieben fiten £önden. 

Zweite Abhandlung: „Uber die Einfachbeit.“ Der Begrif 
wird fonthetifch beftimmt, an Homer und Heflod, an Thuchdi 
des und Herodot, an Bilberbijt und Schiller, und if reich an 
ſchlagenden Bergleichen und ſcharfen Pointen, wenngleich uns 
die Form des Vortrags etwas ermuͤdend vorkommt; man muf 
vieleicht Holländer fein, um dabei wach zu bleiben. 

Dritte Abhandlung: „Geſpraͤch über Poeſie und Arbeit. 
Hier wird die Meinung? eines Vnchuſiaſten un 
eines Nealiften über das Studium, welches Poeten machen mil 
fen, auögegtähen ; bie Discuffion ifk ſcharfünnig durchaefühtt 
enthält aber uns Deutſche Teine Deittheilungen, bie wir dem 
Holländer Dank wiffen müßten. 

Vierte Abhandlung: ‚Uber das Reifen. Diefe Berleſung 
in ver Wiffenfcyafttichen Verſanmmlung zu Rotterdam gehalten, 
barf in der That als humoriſtiſch bezeichnet werden; es ift daria 
fo viel Lebendigkeit, wie man einem Holländer gar nicht zutraut; 
es ift darin eine fo Leichte, wigige Perflflage der Modetsorki: 
ten, eine fo pikante Satire gegen Die, welche das Leben ne 
genießen wollen, ohne darin einen hoͤhern Gehalt zu finden, deß 
wir dem Artikel unfern Beifall nicht verfagen können, dk 
Naturichilderungen, bie bineinverwebt find, haben ben Borg 
der Schärfe und Anfchaulichkeit. 

Fünfte Abtheilung: „Eine neue Charaktereintheilung it 
Stils.” Der Berf. beginnt feine Abhandiung mit der Erkiärung 
des Wortes Stylus. Hecht hubſch iſt bie Auselmanberiehung un 
Begründung der Behauptung, daß bie Römer gemeint hätten, 
man müfle viel fehreiben, um gut ſprechen zu lernen; baber ki 
den Jünglingen der Rath gegeben: Stylum verte! Die Römer 
fpradyen viel mehr als fie fehrieben; das Sprechen war ihm 
wichtiger; bei uns iſt der Stil nicht mehr Übungsmittel, for 
bern felbft das Biel. Der Berf. meint wun, wenn man bt 
Stil eintheite in Brief⸗, Kanzlei», bifkorifchen, rhetorilden 
Stil, fo fei das falſch, weil man demzufolge den Stiü für ein 
bloße Form halte; aber in dem Stil liege der Gedanke Io fef 
verfchloffen, daß Stil und Gedanke eigentlich ein Ganzes aut: 
made. Darum räth der Verf., man folte eintheilen in einm 
aufridhtigen Stil, einen gutperzigen, einen wmürzifchen, ram 
eiteln ober vermeffenen. Indeß diefe Gintheilung ſcheiat tn 
feftes, logiſches Zundament zu haben; daß diefe Charalım 
eintheilung wirkuch hoͤchſt willkuͤrlich fei, gebt aus Dem 
bervor, was er 3. B. über den gutherzigen Stil fagt: De 
gutherzige Stit gönnt Jedem, was ihm zukommt, fügt ib 
hatb zu jedem Hauptwort ein Beiwort, das ihm eigenthu 
lich ifts die Fuͤrwoͤrter er, fie, es find ihm zu ſcharf und eis; 
darum gebraucht er lieber derfelbe, biefelbe, daſſelbe; er ment 
felten andere Metaphern als die befannten und gewöhnliden 
anz er jagt nicht nach Werfchiedenheit und Abwechſelung, feier 
Säge haben eine gewiſſe Bteichförmigkeit; fie find Lang m 
enthalten gewoͤhnlich einen Gedanken, in den ein andere ad 
gefchaltet iſt; am Schluß der Rebe wird der Numerus tro 
und dadurch erfcheint er ftill, gemäßigt, beſcheiden. Der mir 
riſche oder grämlidhe Stil gebraudyt den Wuchftaben x fehr vitl, 
auch das d und t nit ſelten; die Perioden find ungleich, Cor 
junctionen fehlen oft; von Beit zu Seit häufen fich eiaſolbigt 
Wörter; fitionen bekommen oft den Zon; ber Numamd 
bricht oft in Anapäften aus. Der eitie Stil hat wenig laneın 
Gehalt, keine Genauigkeit in Gegenfag und Berbindung. Dit 
Worte fpringen mehr als fie rollen; der Vortrag mimmelt vor 
Bildern mit orientalifäder Pracht und Pebanteries die Perioden 
find manlerirt; der fdeinbar große Meichehum biefed Stiu H 
Beine „ weile die Zeit befchaeiben wird, ſondern eu 






nee Gleis hi pe nee — 
se ine ne Reit erzählen in bey eitle Stil gar 
sicht. Was diefen Artikel betrifft, fo iſt derſelbe offenbar nur 


eine Skizze; der Gegenſtand iſt ein fo vielumfaflender, es Liegt 
fo Bieleb anf dem Sebiete des Problematiſchen, daß fih un: 
möglih auf einigen Geiten eine Anſicht gruͤndlich auseinander- 
fegen Iäßt. Dex Werf. ſcheint von der Anfidt auszugehen, bie 
aud) Morig in feinen „Borlefungen” (1808) ausfpricht, daß ſich 
der Stil nicht Ichren laſſe; daß Jeder in der Form 34 
druaͤken müffe, die ihm ſich gebe, in der feine Gedanken entſtehen. 
Bon der grammatiſchen und Ingiichen Correctheit iſt gar nicht 
die Rede, und bie iſt Doch bie erſte Anfoberungs ebenfo wenig 
wird es erwähnt, daß fi der Stil aus dem Gebiete der Cor: 
sectheit in das ber Kunſt hinüberführen laſſe, oder Daß das 
Richtige zun Schönen ſich entfalten müfle; auch kommt nichts 
vor ber Die gewöhnliche Gintheilung, die von ben alten Rhe⸗ 
toren berrühst, in genus dicendi tenne, medium et sublime, 
oder dig niedere, mittlere und höhere Schreibart Wie ſchwer 
es ſei, über den Stil etwas Stichhaltiges zu jagen, gebt auch 
daraus hervor, daß das Kapitel weit weniger auf bem Gebiete 
des Verflandes als auf dem des Gefühle Liegt. Mit Liefer 
Gqwierigkeit kämpfte auch Iean Paul in feiner „Borfchue der 
Aſthetil⸗; denn wo er bie Stilarten charakteriſirt, ſpricht er 
faft nur in Bildern. So fagt er zum Exempel, Luther's Proſa 
iſt eine halbe Schlacht; Klopſtock's Proſa zeigt eine ſtoffarme 
Sprachſchaͤrfe, es find fo viele nackte Winteraͤſte darin; Her⸗ 
der’ö Proſa wird fo geſchildert: man geht in einem Mondſchein, 
in melchen ſchon Morgenrxoͤthe fällt, eine verborgene Gonne malt 
ja bie Wenn Jemand etwas Geniales, zum Denken und 
Veiterforſchen Anregendes über den Stil lefen will, der nehme 
die „Vorſchule zur AÄſthetik“ vor; auch Herling hat viel Gutes. 

Sechete Abhandliung: „Das Lufifpiel bei den Griechen.” 
m Eingange dieſer intereffanten Abhandlung wirft des Verf. 
Ve Brage auf: Woher fommi das Euftfpiel? Dagel, Regen und 
Sqhate fallen ans der Luft, aber das laͤßt ſich weder vom Hel⸗ 
dengedicht noch vom Euftfpiel Tagen. Der Urfprung ber Kos 
mödie wird nun nit aus einem Beduͤrfniß dafür, denn das 
wäre petitio prineipii, weil das Beduͤrfniß Belonntfchaft vor⸗ 
auefeet, fordern aus ber Geſchichte des Volks nachgewieſen, 
vob heilt im Allgemeinen aus hiflorifchen und Localen Umſtaͤn⸗ 
ben. Run weißt der Verf. zunaͤchſt nach, daß bie Tragoͤdie und 
nicht die Komödie zuerft entfliehen mußte, und daß die Tragödie 
bie Komddie erzeugt babe. Dann ift die Btebe von ber alten 
Komödie, worin Perfonen von Anſehen und Gewalt, entweber 
mit Nomen oder durch Nachahmung bezeichnet, geiſtreich durch⸗ 
sehecheit wurben. Als Die Vollmacht aufpörte und die Ariſto⸗ 
fratie an deren Stelle trat, entftand bie mittiere Komoͤdie, 
worin ältere und gleichzeitige Tragoͤdien parodirt oder Perfonen 
aus der Heldenzeit phantaftifch dargeftellt wurden; auch pbHlofos 
phiſche Hypotheſen wurden in der mittlern Komoͤdle beſpoͤttelt. 
Hieraus entwickelte ſich bald Die neue Komödie, worin Untugens 
den, Fehler, Ge in Caricaturen dargeſtellt wurden; das 
taͤgliche Leben in feiner reichen Mannichfaltigkeit und Farde, mit 
feinen wechſelnden Formen und feinem bunten Gefchmad kam 
darin zur Darfislung. Run wird das Weitere auseinander 
gefeht, wodurch denn die griechliche Komödie fo ganz befonders 
gicklich ſich entwidelt Habe. Die Dauptmomente biefer Ent; 
widelung liegen im Wolkscharakter, in dem öffentlichen Leben 
dr Griechen, in der lebendigen Theilnahme an Allem, was ben 
Grant, die Staatsbeamten und die Gtaatebürger betraf; 
ferner in ber großen Empfaͤnglichkeit für alle Eindruͤcke, in 
dem heilen Slick der riechen für Gontrafte, in einer gewiſ⸗ 


fen Reichtfertigkeit und Beweglichkeit des Charakters, ber vom 


dobe fo Leicht zum Spott, von der Bewunderung fo leicht zur 
Veringſchaͤzung überfpringt. Dazu kam, daß man in Athen 
damals feine waifonnirenden Zeitungen, feine Meuigkeitöblätter, 
feine Recenſenten, eine Garicaturzeichnee und dergleichen mehr 
hatte; alle dieſe Bebärfniffe und deren Befriedigung concentricten 
fd damals in ber Tomdͤpie. 






Gin a tgg, Blüte ' 
Griechenland Liegt. in Te en —— len 
und mittlern Komoͤdie lieferte die reiche gpifche Poeſie viel Steffi 
Daffelbe that das Volk ſeibſt, namenilich durch den oft zur Er⸗ 
fcheinung tommenden Misbrauch ber Freiheit; Daffelbe thaten 
endlich Emporkoͤmmlinge, Mebner, Demagogen und Staats 
beamte. Bene liegt in ber griechiſchen Sprache viel für bie 
Komdbdie ſich Eignendes; B. wie viel Freiheit hat man im 
Griechiſchen im Zuſammenſetzen von Woͤrtern; wie leicht kann 
durch Verſetzung des Accents ein veränderter, oft ein parodirter 
Sinn beruosgebracht werben; ferner, wie malerifch ig 
kleinen Partitein, oft gleichſam tanzend, auftreten, gar nicht 
einmal zu reden von dem Reichthume, dem Wohlklang, der 
Weichheit, Birgfamkeit und Kraft der griechiſchen Sprache. Zu 
dem Allen kommt nod bie große Zahl vorzüglicher Dichter, 
weiche eine vollflommene Gewalt über die Sprache, reiche Phans 
tafie, Macht der Rede, Kenntniß des Lebens, Ironie, Geift 
und felbft etwas Bosheit hatten, die im Luſtſpiel oft To gut 


einſchlaͤgt. Diefer Artikel iſt der gründlichfte und intereffantefte 


in ber ganzen Summlung; er leidet durchaus nicht an jener Uns 
behuͤlflichkeit, die auch im Stil leicht den Hollaͤnder verräth. 

Giebente Abhandlung: „Die Pflichten eines Zuhoͤrers.“ 
Der Verf. fpricht Hier wieder als Humoriſt, und als ein recht 
iebensmürbiger, dem man mit Laͤchein zuhoͤrt, wenn man ber 
merkt, daß er oft umwilltürtich in die Zopfzeit unb in die Zopfe 
form faͤllt. Er fpöttelt über Die, welche in ihren Vortraͤgen 
durchaus unterweifen und beiehren, und für das Beduͤrfniß ihrer 
Aubdrer reden wollen; zugleic aber ſtacheit ex das PYublicum 
oder vielmehr bie Indolenz ded Yublicums an. Recht huͤbſch ik 
bie Erzählung angebracht, wie Plato feinen „Phaedon“ einer 
großen Berfammlung vorliefl. Erſt gebt einer fort, bald meher, 
endlich wird es ein dragonermäßiges Ausderthürgehen ; nur Arife⸗ 
teles iſt noch da, als Plate enbet. 

Achte Abhandlung: ‚Die Proſa.“ Diefe Abhandlung ißñ 
eigentlich eine Streitfchrift ber bie oft aufgeftellte Frage, ob 
die Profa der Noefle untergeordnet werden müfle Auch hier 
fpricht der Verf. oft in feiner leichten, fchergenden Weife, z. B. 
glei) im Anfange fagt er, daß Dichter oft die Harfe fpielen 
und die Saiten raufcgen laſſen, womit bildlich anugtbentet neue, 
was ihre Kunſt eigentlich fein müßte. Domer rief aus: „Singe 
mie, Mufe, den Wann‘; unfere Dichter pflegen zu fagens 
„Ich befinge den Helden“, was ſehr oft unwahr iſt, indem fie 
ſagen mußten: „Ich ſpreche ober ſchreibe im Eiyibenmaß non dem 
Helden.“ Der Verf. behauptet nun, daß ber Menſch in der 
früpeften Zeit der Cultur durchaus poetiſch gefprochen habe, und 
baß es merkwuͤrdig fei, daß wir, die wir doch über die erſte 
Sulturftufe weit fortgefchritien fein, dennoch das Dichtertalent 
mit Cifer und Fleiß pflegen. Was Refenenten betrifft, fo muß 
er bemerken, daß bie Frage, ob Poefie eder Profa älter fet, 
eigentlich gar keinen Sinn hat. Diefe zwiefache Korm des Ause 
drucks bitdete ſich erſt im Yortgange der Beit, und bei verſchie⸗ 
denen Bdilern und unter verſchiedenen Klimaten anders. Weil 
ein Bolt, wenn es nech jung ift, ſich mehr finnlih und bilder 
reich auẽdruͤckt, darf man noch nicht. behaupten, daß die Poefie, 
weil darin die bildliche Ausbrudsmweile vocherrfche, bie Altere ges 
wefen fei; oder will man, um einen concreten Fall anzuführen, 
behaupten, die Bottentotten und die Lapplaͤnder hätten eher eine 
Poeſie ats eine Profa gehabt? 

Nach diefer Einleitung geht der Verf. auf den Gegen: 
ftand der Poefie und ber Profa ein, und erläutert, daß beide 
benfeiben Gegenſtand haben, ober haben können, erfidet aber, 
daß ber Dichter den unfchägbaren Wortheil befige, daß man auf 
feine Kenntniß des Gegeuftandes nicht genau und fcharf achte. 
Was dem Dichter von feinem Gegenſtande unbekannt if, bas 
ſchafft er felbft, in feiner Phantaſie findet ex einen Vorrath von 
Zufägen und BVerhuͤllungen; ber Verf. meint fogar, wenn der 
Dichter zu tief in feinen Gegenſtand eingedrungen wäre, dann 
würde ihm nicht Spielraum genug für fein Gefuͤhl bleiben. Das 
Wenige, was der Dichter über einen Gegenftanb weiß, ſchteift 


oͤnnen die. 


’ 


er, daß es poetiſche Ecken befommt, vielt es aus, hebt fich 
damit von ber Erbe empor und gebt in die Wolfen. Keferent 
muß bemerken, daß ber Berf. in dieſen zulegt ausgefprochenen 
Behauptungen entfchieben irrt. Sein Railonnement gründet fich 
nämtich auf die falfche Borausſegung, daß Kenntniffe befigen 
etwas weit Ehrenwertheres fei, als in Kraft der Phantafie Ge⸗ 
falten bildens indeß der ſchoͤpferiſche Geift darf doch durchaus 
nicht dem blos empfangenden und fefthaltenden Geiſte untergeord« 
net werben. Der Berf. redet bier offenbar parteiiſch und ganz 
einfeitig zu Gunſten des Profaiften. Der Profaift — fo ſpricht 
der Verf. weiter — muß feinen Gegenftand kennen bis auf 
die Beinften Eigenthuͤmlichkeiten, denn er darf nicht fuchen, blos 
u gefallen, wo er den Befls von Kenntniffen darthun muß. 
ud muß der Profaift das Überdachte in einer feflen Orbnung 
vortragen, er muß foftematifch verfahrens dagegen der Poet 
fchteppt uns mit über Hecken und Stege, er reißt und zu Abs 
gründen, durch Qualm und Peſtgeruch zu ben Wolfen und 
dann wieder in unfere Heimat, ſodaß wie nicht wiffen, wo wir 
geweſen find. Wie viele Oben der Alten gibt es nicht, worin 
man die Ordnung der Gedanken bis auf dieſe Stunde noch 
nicht gefunden hat. Die Poeſie bebarf des Weine, daher Horaz 
von ſchlechten Dichtern fagt, fie trinken zu viel Wafler; ber 
Profaift dagegen muß enthaltfam, muß mäßig fein. Wie mans 
nichfach dem Profaiften aud die Vorftellungen zuftrömen, fie 
find ihm unbrauchbar, bevor er fie gefichtet und in Ordnung geftellt 
hat; fein Gefuͤhl und feine Phantafie werben vom Berftanbe gelenkt. 
Run kommt unfer Verf. auf bie Schöngeit ber Profa, auf 
ihre Bilder, ihre Malerei, ihren Reichthum, ihren ungezwunge⸗ 
nen Schmuck, worin eben ihr Vorzug liege. Kerner behauptet 
er, daß das Geiftreiche, der Wis, das Salz der Rebe beinahe 
ausfchliefliches Eigenthum des ungebundenen Stils fei, was auch 
inſofern richtig ift, als bie genannten Vorzüge alle mehr auf 
der Seite des Verftandes ald auf der ber Phantafie und bes 
Gefühle liegen. Hierauf baſirt ber Berf. feine Behauptung, daß 
es Thorheit fet, das Talent zur Profa für eine Loftenlofe Gabe 
der Natur zu halten, dba ja Geift und Wig eine ebenfo feltene 
ats hohe Begabung fei 
Zum Schuß tft noch die Rebe vom Reime. Biele von Der 
nen, welche das Reimſpiel in ihrer Gewalt haben und barin 
das Wefen der Poefie nicht fegen, werben ſich auch über ben 
Profaiften nicht ungebührlich erheben wollen; aber Die, weiche 
oft vergebens an die Thüre ber Muſen Elopfen, die, wie Plato 
fagt, über zwei Verfen einen ganzen. Tag lang finnen und alle 
Freunde zur Begutachtung derfelben zufammenrufen, die wollen 
fi) gewiß Hody über ben Profaiften flellen. In ben Kinberjah: 
zen der Menſchheit fang die Rebe; aber fie war damals auch 
in ber Kindheit; fie band ſich, weil fie ben Genuß ber Freiheit 
nicht kannte; ihre Ausbrud gli noch nicht der volllommenen 
Sprache der Bilbung, gleidy wie bas Kind, das man in Tuͤ⸗ 
dern und Windeln hätfchelt, noch wenig bem Menſchen gleicht. 
Die Menfchheit ift emporgewachſen und die Poefie ift bei Bieten 
ein Eindifches Alter geworden; bei Wenigen ift fie Natur geblies 
ben mit dem Reiz der Jugend. Aber die Proſa hat fich burdy 
Denten entfaltet, buch Nachforſchung, durch Kunſt verbolls 
tommnet. Die Profa ift die Sprache in ihrer Annehmlichkeit, 
in ihrer Kraft, in ihrem Reichthum, die Profa ift die Sprache 
in ihrem ganzen Umfange. Die Ungebunbenpeit ift feine Feſ⸗ 
fellofigteit ; unfer Sehorfam gegen die Sprachgeſetze, von denen 
fie fi fo oft losſagen, ift eine Keffel, die viele Male ebenfo 
ſehr druͤckt als das Maß ihrer Verſe. Unfere Profa Tcheint 
ungebunden ; aber fie ift es nur, weil die Zeffein weniger fühlbar 
find für Auge und Ohr. Sie feheint frei zu fein; aber die 
Freiheit ift eine beinahe unendliche Ausbreitung, eine Dehnbar⸗ 
keit, welche jedoch Grenzen hat, womit wir nicht unbefannt fein 
dürfen. Sie fcheint fein Maß zu haben; aber fie hat eins, das nicht 
foßbar if, welches an den Fingern nicht gemeflen werben kann. 
Sie ſcheint nicht Sang, nicht Klang zu haben; aber fie bat 
einen Wohllaut, ber verfchteden und body nicht unbeftimmt, der 


ſchwer zu faflen und auch muͤhſam; ern 
Geheimniß der Kunft tfl. hſom qi Fürberm, ber da if 

Wenn wir nun ein Gefammturtheit über dieſes Bud ch. 
geben, fo geftaltet es fich folgenderweife: Mas die Form ke 
teifft ,_ in welcher diefe Abhandiungen erfcheinen, fo ift dieſelde 
nicht fo vollendet, wie wir das in Deutſchiand jett verlangen, 
wo namentlich feit dem I. 1830 der Stil ſich zu einer wunder 
baren Leichtigkeit, Eleganz und Präcifion erhoben bat; mag 
auch in einigen Abhandlungen, 3. B. über das Reifen und übe 
die Pflichten des Fuhörers, bie zopfartige Welle des Bortrags 
zu der ironiſchen Stimmung ganz gut paflen, im Allgemeine 
muß doch der Vortrag breit, matt, langweilig genannt werden. 

Was den Inhalt betrifft, fo intereffirt er ſchon dethalb, 
weil er durchaus Original iſt. Richts Entlehntes, Erborgiei 
Geraubtes iſt darin; da iſt immer bes Mannes ureigene An- 
ficht, und zwar eine Anſicht, die auf Kenntniſſe, auf Beck: 
ſamkeit baſtrt iſt; jeder Artikel zeugt von einer echt claſſiſchen 
Bildung und Durchbildung des Verf. Indeß wenn man fragt, 
ob für uns Deutfhe in unferm Decennium etwas badurd ge 
wonnen werde, ob wir biefe Abhandlungen zu einem Fortſchrute 
unferer Wiffenfhaft und Kunft erheben und benugen Können? 
fo muß biefe Brage verneint werden, weshalb denn der Werth 
des Buchs nur als ein relativer bezeichnet werden darf. 9, 





Literarifhe Notizen aus Frankreid. 
Die frangdfifhe Herrfhaft im Drient. 


‚Die „Revue de Paris‘ hat feit einiger Zeit recht intereffante 
Mittgeilungen aus den Reifeerinnerungen Buchom's mitgetheit, 


bie zum Theil vom „Ausland“ überfegt find. Dieſer unermik 
liche Gelehrte, ber namentlich beim „Pantheon litteraire‘, dielem 
ungeheuern Ötapelplage der Literatur, betheiligt ift, hat zwei 
Jahre Griechenland, die Türkei, Kieinafien u. f. w. bereift, um 
Materialien zu fammeln für eine Geſchichte der franzöffhen 
Herrſchaft im Orient. Gr hat bereits einige von den wichtigen 
Docrumenten, bie ex in jenen Gegenden aufgefunden hat und von 
denen ein guter Theil noch ganz unbekannt war, an verſchiedt 
nen Orten mitgetheilt. Wir erhalten gegenwärtig eine vollfde: 
bige Sammlung biefer wichtigen Papiere, durch die der Geſchichte 
tuͤchtig vorgearbeitet ift. Sie führt dem Titel: „Nouvelles re 
cherches historiques sur la principaut6 francaise de Moree et 
sea hautes baronnies à la suite de la quatrieme croisade.” 
Wir wuͤnſchen, daß dem verdienten Gelehrten, der bei feinem 
Unternehmen eine Mühe und kein Opfer geſcheut bat, Muß 
bleiben möge, fein umfaffendes Gefchichtswert, das er über die: 
fen Gegenſtand vorbereitete, felbit auszuführen. 


Darftellungen aus ber neueften Gefdidte. 

Ein wichtiges biftorifches Wert, welches ber neuem 
Geſchichte gewidmet ift, hat vor kurzem die Preffe verioffen. 
Es if dies bie „Histoire des stats europtens depuis 
le congres de Vienne” vom Bicomte be Beaumont, die auf 
10 Bände berechnet iſt. Der erfle ift vor kurzem in den Bud 
bandel gelommen. Gr umfaßt die Gefchichte Belgiens und 
Hollands. Die Entſtehung des Königreichs der Niederlande, 
die beigifche evolution, die Erwaͤhlung des Königs Leopold, 
die franzoͤſiſche Intervention, die parlamentarifcgen Zebden 
zwiſchen der katholiſchen Partei und den Liberalen, und endlich 
der befinitive Vertrag mit Holland auf der einen Seite und 
auf der andern ber zehntägige Feldzug, die Belagerung von 
Antwerpen, bie Thronentfagung Withelm’s I. und die erften Re 
gierungsacte Wühelm’s 11. find die Dauptpunkte, welche i 
diefem intereflanten Werke berührt werben. Der Verf. hat die 
Geſchichte Hollands und Belgiens an Ort und Stelle ſtuditt. 
Sein Wert verdient, wenn es mit gleichem Fleiß und glei: 
er Unparteilichkeit zu Ende geführt wird, große Speilnabnt. 


Verantwortliher Herausgeber: Heinrih Brockhaus. — Drud und Verlag von F. A. Brodhbaus in Reipzig. 


Blätter 


für 


literarifde Unterhaltung 





Kreitag, . 





15. September 1843., 





W. 8 Meyern. 

Hinterlaſſene Schriften W. J. Meyern’s, Berfafler von Dya- 
Na-Sore. Derauögegeben mit Vorwort und Biographie von 
Ernſt Freiberen v. Beugter&leben. Drei Bände. Wien, 
Klang. 1842. 16. 2 Thir. 

Die Republik nu Geiſter — wie voll und reich 
iſt fie doh! Wie wenig find uns die Namen alle gegen: 
wärtig, weiche von andern Völkern mit Stolz genannt 
werben würden, und die bei uns ſich kaum über die 
Wogen der Vergefjenheit erheben, wenn nicht etwa ein 
zufäßig dahintreibendes Bret fie über der Flut emporhält! 
Wer kennt noch Meyern, diefen reichen deutfchen Geift, der 
bisher nicht einmal im „Converſations-Lexikon“ das Eleinfte 
Plaͤtchen finden Eonnte, den Verf. von „Dya-Na-Sore”, 
einem Werke von folcher Fülle des Geiftes, daß ein gro: 
fer deutfcher Philolog auf die Frage, welche drei Bücher 
et für fich retten würde, wenn alle Bibliothefen zu Grunde 
gingen, zur Antwort gab: „Homer, die Bibel und Dya- 
Na - Sore!” J 

Meyern iſt ſtreichs Leſſing, ein halbes Jahrhundert 
ſpaͤter als jener. Sein Leben verfloß groͤßtentheils in ei⸗ 
nem Kreiſe, der nicht in dem Rufe ſteht, der Hüter des 
deutſchen geiſtigen Schatzes zu ſein. Meyern war oͤſtrei⸗ 
qiſcher Artillerieoffizier, ein Freund Fuͤrſt Schwarzenberg’s, 
deſſen Leiche er von Leipzig nad Wien begleitete; hier⸗ 
naͤchſt öftreichifcher Staatspenfionnatt. Er war 1762 bei 
Anſpach geboren, fiudirte in Erlangen und Altorf, wollte 
Seemann werden, mas nicht gelang, ergriff da6 Waffen: 
handwerk im erſten Revolutionskriege, führte dann große 
Reifeplane zur Hälfte aus, fihrieb „Dya-Na-Sore”, trat 
1809 wieder als Offizier unter die Waffen, wirkte am 
Rhein, in Paris ale Gehuͤlfe Canova's bei Nüdtieferung 
dee italienifchen Kunſtſchaͤtze, ging mit Graf Kaunitz nad) 
Spanien nnd war 1820 wieder, in Schwarzenberg’ Um⸗ 
gebung, in den mannichfaltigſten Richtungen thaͤtig. Er 
farb 1829 in Frankfurt a. M. 

Diefem trodenen Lebensabriß koͤnnen wir nicht um: 
bin einige Bemerkungen des Ritters v. Prokeſch anzufuͤ⸗ 
en, der uns mit. einer, dem Sammler vieleicht nicht 
Iannten biographifchen Notiz über Meyern beſchenkt hat. 
Yrokeſch ſchildert ihn als einen durchaus Tiebenswärdigen 
Charakter vom reinſten geifligen Anhauch. Ehren, Or 


dm, Gold warm ihm hoͤchſt veraͤchtliche Dinge; er lebte 


nut feinem geiſtigen Debürfnif Wenige Gulden im 
Monat genügten ihm; er genoß nur Pflanzenkoft, ſchlief 
auf Stroh, trank faft nie Wein und war niemals traf. 
Seinen Behaft erhob er zumellen Yahre fang nit wwub 
mußte öfter zu feinem Empfange gezwungen werden. Er 
war nie verbeiratbet; fein Werhältniß zu den Brauen hatte 
den Anhauch Iumafräulicher Reinheit. Nie kam «in Wow 
über feine Lippen, das nicht die ſtrengſte Sitelichkeit ath⸗ 
mete, oder das nicht der einfachen Würde feines Charak: 
ters entfprach. UÜber Liebe äußerte er ſich niemals; aber 
er war der wärmifte, ficherfte, bequemfte Freund. Ebenfo 
wenig ſprach er von fi, feinen dußern Verhaͤltnifſen. 
Auszeichnung und Beifall beſchaͤmten ihn; er leugnete Die 
Autorſchaft von „Dya-Na-Sore” nicht ab, ſprach aber 
ungern darüber. Die Kunft erfühte feine ganze Secke; 
ee erkannte den Genius in jeder Verhuͤllung. Gene 
Rede ftrahlte in Farbenpracht, wenn er von ben hoͤchſten 
Dingen im Leben, in Kunft und Geſchichte ſprach. Wo 
er eintrat, dahin warf er biefen Glanz der Kauft, da 
nahm er den Einfluß, der feinem Geiſt gebührte, ohn⸗ 
ihn zu erfiredben. Er war wie eine Blege im Samımia 
— an dußerm Gelten lag Tdm nicht. 

Wenn man ein Leben, ein Wirken wie das Meyern's 
überblict, fo drängt fich uns eine Bemerkung auf. Der 
flache Sournalismus unferer Tage drängt das deutſche 
Leben nach einer uns Allen befannten Richtung bin — 
wir follen praktiſch, polttiſch, induſtriell werben, wie 
follen die Welt mit unferer Maſſe ſchrecken und lenken. 
Iſt dies das Beleg der Borfehung für das deutſche Weit? 
Wir zweifeln daran. Die reiche Bihte des deutſchen 
Geiſtes würde in diefer Richtung zu Grimbe geben ; 
nicht Jedem ift Jedes befdyteden, und der an das deut⸗ 
che Volk ergangene Ruf iſt ein anderer, als den Markt 
mit marktgaͤngigen Artikeln zu füllen, auf ber Red⸗ 
nerbühne dem flachen Materialismus dialektifche Kraͤnze 
zu flechten, niit politifchen Staubwolken die Welt zu fü 
In. Es ift der Ruf an den deutfchen Volksgelſt ergan⸗ 
gen: „ mit den reichfien Seiftesblüten Sort zu loben und 
in der Welt der Feen über alle Wölker zu herrſchen“. 
Dies iſt unfere Überzeugung. Taͤuſchen wir uns nicht: 
den Ruhm der materifllen Bröfe und ben Ruhm der 
Seiftesherrfchaft werden mir nie, wird nie ein Volk ih 
demfelben Kranz vereinen; mol aber fichen wir ie’ Be- 


be Be 


fahr, den einen Preis zu verlieren, um in der andern Eh⸗ 
reubahn ſtets Sthmper zu fein. Unfere Natur will es fo. 

Doc nein! Wir berichtigen uns ſelbſt. Jenes Drän- 
gen des flachen und troftlofen Journalismus tft nichts 

eine kurze Reattion gegen dig -uillgu gr ernachlaͤß 

g niſſerer aͤußern era Bu echte Ze (äßt der 

eift Teine Stimme ertönen, und die Definnung kehrt 
zurüd. Wir werden dann wieder erkennen, wie des Deut: 
{hen Beſtimmung lautet, worin er zu fiegen berufen ift, 
und dag fo wenig zwei Völker der Erde, wie zwei 
Blaͤtter deflelden Baumes ſich gleich zu fein beſtimmt 
find. Laſſen wir die Zeit voruͤberrauſchen. 

Der Dann, deſſen gefammelte Eleine Schriften uns 
bier vorgelegt werden, war durchaus ein Deutſcher, feine 
Art -ift keine Abart und wir zweifeln ſehr, ob unter allen 
andern Voͤlkern zufammen ein Geiſt angetroffen werde, 
Mm: gleich an Vertiefung, Innigkeit des Wiſſens und 
Bahlens, Feinheit des Verſtaͤndniſſes in Dingen der Kynil 
and Ecrkenntniß im Gebiet bes Schönen. Praktiſcher 
San, Stoff des Wiſſens, nebft Allem, was firenge Logik 
wu lehren wermiag, dieſe moͤgen Frankreich, England, Sta 
Ken in gleichem Vorhaͤltniß hervorbringen — der Ruhm 
des Eutdeckers im Gebiete der Ideen bleibt dem Deutſchen. 

Wie nie Neues koͤnnten jene andern Voͤlker allein 
ans dieſen Heisen Schriften Meyern's lernen! Der Auf: 
fg: „Stammfolge der Wiffenihaften”‘, wei eine Mafle 
2 Frankreich nie gehoͤrter Gedanken regt er an, und 
Aeanech blieb er nur Fragment. Wie reich an Anſchauun⸗ 
sus, vie neu in den Wendungen und Betrachtungen, 
denen er die Dinge unterwirft, wie genial in Auffaſſung 
aener Baziehungen. Das Leben z. B., wie faßt Meyern 
es auf? Als vermittelnden Hergang von Maſſen, Gattun⸗ 
ern, Jadividuen, Dingen — als Verliehenes — als Ei⸗ 
mes — als ein Auftrag, ale Verwaltung, als Capital, 
ah Drama! Nach allen ſchon dageweſenen Geſichtspunk⸗ 
ten, wie viel neue und originelle noch! 

Bei ber. innigen Verbindung bex Ideen in dieſer 
Schrift iſt es eine nicht zu loͤſende Aufgabe, durch frag: 
mentoriſche Anführungen daraus von Geiſt des Ganzen 
eine Vorſtellung zu geben. Am zutreffendſten möchte noch 
der Veegleich mit Montesquieu’s „Esprit des lois“ fein, 
wit der Maßgabe jedoch, daß, während Montedquieu den 
Menfhen nur als Rechtsindividuum, Traͤger von Med): 
sen und Pflichten, betrachtet, in Meyern's Schrift „Der 
Menſch und die Menſchen“ und in deren Folge „Der 
Maenſch und das Höhere”, alle Beziehungen des Indivi⸗ 
aus zur Natur, zur Sefellfhaft und zum Geift (dee ber 
Menſchheit) überhaupt zur Sprache gebracht werden. Hier 
aber zeigt ſich ſogleich die dreifache Beziehung des Men: 
Shen, als Werk der Natur, als ein Weſen fich fetbft 
üherlaffenen Waltens, und als ein dem böhern Weltge- 
je umserworfener Seil. Wir erkennen, fogleich, daß das 
geſanmte Bebürfen und Können des Menſchen, nicht 
dblas feine. Rechtöfphäre bier des Betrachtung unterworfen 
aſt; ‚Die letztere felbft oxſcheint Hier al& untergeordwet, ie 
en. d96 Recht ein Beduͤrfen, das Bedürfen fetbft aber 
ig) dag, Mahrheit des Weſens gegründet ift. 






- ale befrucht 





7 — 


Recht fodert Muth, Wut ’ 
fü — * Br Bus a 
uptet. etwas fo Deiliges, d t 
geltend zu machen, verfäumte A over Ole, 
Ein golbener 


pruch, werth, den verfannten Be 
ſtrebungen 


hrheit, wie fie wech Seifen neigen, 
Thau zu Bienen, die Mrtoger Ute 
ben zu Ägen und zu ftärken, den rechten Much nie 
untergehen zu laffen in der Welt. Es iſt Gortespfüct, 
fagt Meyern, daß der Menſch fein Inneres bewahte, fi 
fetbft und der Wahrheit getreu, Bein Spiel mit ſich trei— 
ben Laffe, daß er zu reiner Selbſtaͤndigkeit zu gelangm 
kein Mittel fich verfage, aber auch den Andern nidı. 
Hierin wurgelt das Siteengeſetz, und weit ihm ale dei: 
ftungen und alle Foderungen, die er an fi und an Ik 
gemeinfam, ja an ba6 Ganze der Natur zu flellen har. 
Was der Welt vor Atem nothehur, iſt Be Erkennenii 
dieſes ewigen, göttlichen Rechts; dahin zu wirken, daß die 
Erkenneniß verwirklicht werde, des Staats erfle Pflicht 
gegen Alle und gegen ſich ſelbſt. Hieraus fließt feine 
Definition, fein Zweck ab, als einer rein firefigen Anſtall 

Mir fehen, der Verf., wiewol im Ganzen der Kan: 
(hen Philoſophie zugewender, ſucht doch nad einem ermas 
anders formulierten Begriff des Sittengeſetzes und des 
Staates. Es ift ein Unterfchied zwifhen dem Gake: 
„Thue, was du wollen kannſt, Daß es für Alte Geſeh 
ſei“ und dem Arlom: „Verſage weder dir noch Anden 
die Mittel, zu reiner Selbſtaͤndigkeit zu gelangen“, und 
weiter in feinen Anwendungen auf den Begriff des Staatt. 
Später fagt der Verf. von der pofitifchen Freiheit: 

Brei ift die Geſellſchaft, die als Ganzes und Jeder in ihr 
fi) zu behaupten weiß über jeder Wereinzelung in Irkben, 
Hang — Gefallen und deren Kolgen: Jutereſſen; die biele ale 
als Drgane des Lebens in ihre Sefammtheit verwendet, oba 
fih hinzugeben an Eins, flamme es aus ihr felbft oder aus 
einzelnen Gtiebern. Die Geſellſchaft ſteht wie ber Einzeln 
zwiſchen Rothwendigkeit und Freiheit mitten inne. Nothwer: 
digkeit — ewig fortherrfchende Weltgefepe, Rachwirkung de 
Bergangenen, Schuld oder Irrthum (biftoriidyes Princip) be 
ſchraͤnkt in ihr das Können und Wollen, die Freiheit. 

In diefem Sage finden die Verfechter der geſchich: 
lichen Entwickelung des Staats, gegenüber ber rein ver: 
nünftigen, ihren Anknuͤpfungepunkt. Allein fie moͤgen 
nicht teiumphiren; der Verf. läßt fie nicht zu weit obar 
Zügel fhweifen. Ex ſtellt jener Nothwendigkeit die Hei: 
heit bis in ihre innerſten Bildungen ſtandhaft zur Seit, 
und zeigt, daß die Wahrheit in ihrer Verbindung be 
ruhe. Die Pflicht bes eigenen Erhebung aus der Not: 
wendigkeit zur Freiheit iſt auch eine Gottespflicht. Die 
Nachwelt iſt unſer Zweck; fie nicht durch Verſchuldung 
zu binden iſt unfere Aufgabe; daß Schwankendes und 
Zufällige — Gluͤck und Unglüd — immer wenige 
herrſche, die Nemeſis des Unfittlichen immer weniger zu 
rächen finde, Das iſt Aufgabe der Stagtegeſellſchaft; &- 
u ſtiftet fi ein großes Volt! Die Wahrheit macht 

ei! . 

Wir dürfen unfese Lefer auf den tiefen Sinn dieſer 
Gedanken nicht erſt befonders aufmerkſam maden; tt 
dringe ‚von felbft ein in einer Beit wie bie unſere, in 





Unreht uns | 
Recht verbient uns ke. 





| 
| 





weicher bie Begriffe ber Mochwandigfeit und der Frei⸗ 
heit in einene weir ausſehenden umd befinungsarmen Kanıpf 
liegen. Wer wird ihn enden, wer wird hier Kampf 
richter fein, wer die Schranken fließen? Die Ge: 
ſchichte! Allein wie die MWürfel des Kampfes auch 
fallen, wir fehen, daß des heile Geiſt Meyern's nicht allein 
im Anfang diefes Jahchunderes den Kampf fchon voraus 
ſah; fondern daß er mit prophetiſchem Geiſte fchon Damals 
feine Stadien bezeichnete, feine endliche Loͤſung andeutete. 
Gewiß, ein folder Geiſt, To Über feine Gegenwart — 
feine Gegenwart war die von 1804 — erhaben, verdient 
andy heute noch Huldigung, Bewanderung. 

Wir gehen zu dem dritten Bande diefer Samm- 
tung über. Bier faßt der Verf. im Verfolg feines Ge: 
dankens, ſich ſeibſt eine Encpklopädie aller Wiſſenſchaft zu 
fhreiben, den Menſchen gegenüber dem Döhern, dem Weit: 
gefege, ind Auge. Der Daupttheil diefer nicht vollendeten 
Unterfuchungen gilt und iſt der Kunft gewidmet; ein 
ganz neues Feld, in dem diefer reiche Geiſt ſich den Wir: 


Digften an die Seite ſtellt, Windelmann, Golger, Fernow, 
Goethe. Einige Gedankenbruchſtuͤcke hervorzuheben, dürfte | 


uns bier wol allein noch geftattet fein. Es fei z. 2. 
angeführt, wie der Verf. es erklärt, daß in der Kunft das 
Schlechtere das ſchon erreichte Gute zu verdrängen vermag. 
Er fast ©. 106: 

Es wäre ſchwer zu erklären, wie das Verfehlte zum Vor⸗ 
biſd, zum Gefeh, zum. Wettelfer werden, wie der Menſch fi in 
Ken gefallen, die ſichtbare Schoͤnheit ber Kunft bis zur un: 
leidiichen Gntftellung verlaffen könne, wenn er nicht außer der 
reinen Herrlichkeit der Kunft in ibr noch etwas Anderes Tuchte. 
Er will für ſich ſelbſt beftaunt, als Erfinder gepriefen fein, Ans 
dere beherrſchen — in diefer Selbſtſucht der Kuͤnſtler beruht 
ver Zerfal der Kunft und ihre Ausartung. Nicht was in 
der Sache felb das Höhere und für eine Höhere Menſchheit 
Gewonnene fei; fondern wie viel mehr Ehre bei gelöfter größe: 
rer erigkeit dem Künftier erwachſe, dies fällt den Mei⸗ 
Ben in den Sinn. Hieraus iſt am bäufigften der Verfall ber 
Künfte, der Sitten, der Zeiten, des Glaubens, ber Meinungen 
za exrltären. Ideal iſt Betrachtung jedes Gegenſtandes im Lichte 
des hoͤhern Weitfinnes; ein religidfer Act. Was einen Gtaat 
groß wacht, oder ein Wolf, gibt auch eine große Kun — beir 
des flamımt aus einer Duelle. 

Und weiter: 

Was ift Romantiſch? Was Berborgenes, Konnmenbes, Be: 
abntes, Hoͤheres weniger verheißt, als darauf hindeutet, daß 
wir es zu erwarten haben — es iſt gefleigertes Lebensgefühl, 
ein weiter Greifendes, das aus der Gegenwart in die Zukunft, 
aus dem Habhaften in ein Mögiicdhes vordringt. Daher fo ver: 
fhiedener Art und Stärfe, als Perfonen find, bie es in ſich 
tragen. Das Glaſſiſche dagegen it Eins und ein Ruhendes 


Die Alten brachten dieſe Rube zur Darftellung; fie vermieden 


in ver Kunſt diefe Doppelericheinung des Kuͤnſtlers und feines 
Dbjects; fie vergaßen ſich ſelbſt. Kein Schwanken zwifchen Er⸗ 
zabler und Perfen, zwifchen dem Geſchichtlichen und dem Stil, 
zwiſ dem abſichtlich gezeigten Wiſſen und dem Helden, kurz, 
zwiſchen allen gen ungleichartigen Aufgaben des Geiſtes, weldye 
dem Hörer und Beichauer bie Ruhe nehmen, der er, um rein 
zu fühlen, bedarf. Dieſe dreifache Huhe, die fie gaben, erhiel: 
ten und barflellten, weit fie fich in ſich ſelbſt trugen, viele bil⸗ 
det den clafſiſchen Kunflftit. 
Wir find bier zw fchlleßen gezwungen, wie mächtig 
die Berfuchung audy fei, den Berf. in den Anwendungen 


feiner Säge auf die aͤghptiſche, grlochiſche, gothiſche und 


maberne Kunſt uochzufoigen. Mir empfehlen aut mad 
das ihm ganz eigenthuͤmliche Urtheil über Rafael umd ſei 
wa Sch zum Studium für jüngere Kunfigenoffen. Wr 
enden daher mit einem Nachwort Meyern's, dem wir et: 
niges Nachdenken anwuͤnſchen: 

Waximen, Geſichtopunkte, Empfindungsbilder, welche un 
mehr fortreißen als überzeugen, mehr eitel als —— ee 
den Geiß der Zeit. Er entflebt, er muß entfichen; bie Menge, 
deren Werl er ſcheint, iſt eigentlich das Seine. Rothwenbig ift 
er; darum knuͤpft jeder höhere Menſch ihn gern an feine Le 
bensfäden; aber gehorchen kann er ihm nicht. Je drmer an 
tieferer Kraft, je fortgerifiener, je ſchneller wechfeind und nad 
Wechſel gieriger eine Zeit ift, deſto eifriger wirkt bie Eitelkeit; 
zwiſchen verworrener Myſtik, umſchleierter Sinnlichkeit und kal— 
ter Satire ſtirbt endlich die beſſere Kunſt. Der wahre Dichter, 
bee wahre Menſch gehoͤrt Allen; fernen Zeiten kommt bie 
Wirkung feines Wolens zu Gute, dorthin iſt fein Wlic ges 
rg Er gibt Glauben an das Hoͤchſte! Und wäre bas fo 
wen 

Mit dieſem ſchoͤnen Zuruf nehmen wir Abfchied von 
dem ebein und klaten Geiſt, dem uns diefe Sammlung 


der Beinen Schriften Meyern's kennen umd hochachten 
lehrte. 8. 


EEE — —— — ——s ———— 


eiterariſche Notizen aus Frankreich. 


Politifhe Pamphlets. 

unter ben politiſchen Flugſchriften, von denen jeder Ta 

eine ganze Menge bringt, die aber in der Kegel nur ein ephe⸗ 
meres Interefie in Arſprach mean können, Hit eine, die gegen: 
wärtig ein befonderes Aufſehen erregt. Schon ihr Umfang 
überfchreitet das Maß der gemähntichen Pamphlets. Gie ik 
zur Verherrlihung Guizot's und feiner Politik gefrhrieben und 
führt den Titel: „Du systeme conservateur. Examen de la 
politique de M. Guizot et du ministere du 29 octobre 1840 
par un homme d’dtat” (Paris 1843). Diefer „Staatemann⸗ 
iſt, wie behauptet wird, nichts weiter als ein Journalift, ber 
früher Thiers ſehr zugethan war und der ſich jeßt in bie Reihen 
der minifteriellen Publiciften des gegenwärtigen Miniſterium⸗ 
begeben hat. Rach diefen Andeutungen, die von frangöfifchen 
Journalen gegeben werben, erkennen wir hinter diefer Masfe 
ben dekannten Bollay, ber in der parifer Journaliſtik wol ben 
Ramen bes Mamluken von Thiers führt, weil er dieſem 
Staatemanne eine Reihe von Jahren treu wie ein Hund auf 
Tritt und Schritt folgte. Er batte ſich, wie verſichert wird, 
fo fehr in die Manler Zhiers’ eingefchult, daß diefer ihm oft 
nur eine Idee on die Hand gab, die Bollay dann mit fo großer 
Gewandtpeit durchzuführen wußte, daß Jebermann darauf ge 
ſchworen hätte, ber Aufſatz rühre von Thiers felbft ber, fo treu 
waren die Wendungen, der Stil, bie logiſchen Gedankenſpruͤnge 
dieſes lebendigen Kopfes nachgeahmt. Thiers zaͤhlte mit größs 
tem Vertrauen auf feinen „Mamluken“; aber ſiehe ba, eines 
ſchoͤnen Morgens padte derfelbe auf und zog nach ben reichen 
Zelten bes Miniſteriums hinüber. Anfangs war bie Rede davon, 
er fole beim „‚Messager’’ befdyäftigt werden, baraus ſcheint aber 
nichts geworden zu fein, und fo iſt der gewandte Publiciſt bis 
jet für das Minifterium nur in ein paar anonymen Broſchuͤren 
in die Schranken getreten. Aber Guizot wird vielleicht ſchon 
zufrieden fein, wenn ev für ein bedeutendes Handgeld biefen 
läftigen Scharmügler zur Ruhe gebracht hat, denn es tft ja 
nichts Seltenes, daß das Stillſchweigen beſſer bezahlt wird als 
bie koſtbarſten Worte. Thiers bat ſich für die Untreue feines 
Eeibjournatiften durch ein beißendes Wort gerät. Er bat näms 
lich geäußert, daß ihn biefe Abtrünnigkeit gar nicht befrembe, 
bean Bollay babe es gerade nur fo gemacht, wie eine Köchin, 
bie, wenn fie_bei einer Herrichaft etwas Tüchtiges gelernt bat, 
abzieht unb fi ein anderes Unterfommen fucht. Das Buch 





ſeibſt, deſſen Zitet wir oben angeführt baten, gibt einen Über: 


blice über die Politik, bie Guizot während feines jegigen Mi⸗ 
niſteriums befolgt hat. Der Verf. laͤßt Alles in einem roſen⸗ 
farbenen Lichte erfcheinen und flimmt auf allen Geiten das Lob 
des „großen Gtaatömannes‘ an, dem das Geſchick Frankreichs 
anvertraut iR. 


Über die Marguefas : Infeln 

In unferer literaturgemwerblichen Zeit pflegt ein jebes po: 
litiſche Ereigniß immer glei eine Menge von Schriften ins 
Leben zu rufen. So bat fi benn im Verlauf von wenigen 
Monaten gleich eine ganze Literatur Über die Marquiſen⸗ oder, 
wenn unfere Geographen es vorziehen , den unveränderten eng« 
Vifchen Namen beizubehalten, über die Marguefas : Infein ge: 
bitdet. In politiicger Beziehung das bebeutendfte ber dahin ein: 
ſchlagenden Werke ift jedenfalls die Schrift von Louis Reybaud 
(„La Polynesie et les Iles marquises‘‘), auf bie wir in diefen 
Blättern bereits Beranlaffung gehabt haben, aufmerffam zu 
mahen.*) Der Berf. gibt in feinem intereffanten Werke ein 
Reſumé von alle Dem, was bisher über diefe Infelgruppe, deren 
Bedeutung fich erſt fpäter herausftellen wird, befannt war, 
und fnäpft daran politifhe und namentlich commercielle Ber 
tra ‚ die von großem Jutereſſe find. Von ben zahl⸗ 
zeidden in der legten Zeit erfchienenen Schriften über denſelben 
Gegenftand heben wir noch die fleißige Arbeit von Vincendon 
Dumolin und Desgraz (,,Iles marquises ou Nouka-Hiva; 
histoire, g&ographie, moeurs et considerations generales”, 
Paris 1843) hervor. In dieſem Werkchen ift die hifkorifche 
Partie vorzüglich erſchoͤpfend behandelt. 9, 


Bibliographie. 

Alleg, Konziliens Lexiton, enthaltend ſaͤmmtliche General⸗, 
Rationals, Provinzial= und Partikular: Konzilien, vom erften 
Konzitium zu Ierufalem bis auf das Konzilium von Paris 1811; 
ben Gegenftand ihrer Verhandlungen; deren Gntfcheidungen, 
über Dogma und Disciplin und die Irrlehren, weldye darin 
verworfen wurden. Mit einer Sammlung der widhtigften Ga: 
nonen, nach ihrem Inhalte geordnet und mit einer chronologi⸗ 
ſchen Zabelle fämmtlicher Konzilien. Aus dem Franzoͤſiſchen 
überfegt von M. Difch. After Band. Iſte Lieferung. Auges: 
burg, Schiffer. Gr. 8. 15 Nor. 

Bibliothek politifher Reden aus dem 18. u. 19. Jahr⸗ 
hundert. Iftee Band. Ifte Lieferung. Berlin, Boß. Gr. 16. 

gr. 

Binder, W., Alemannifche Volksſagen, Geſchichten und 
— Geſammelt und neu erzaͤhlt. Stuttgart, Caſt. 8. 

« BE. . 

“ er z2ano, B., Abhandlungen zur Asthetik. Iste Lie- 
ferung: Über den Begriff des Schönen. Eine philosophische 
Abhandlung. Prag, Borrosch und Andre. Gr. 4. Ngr. 

Cooper, ©. F., Bom Bergen zum Bergen. Bilder aus 

Fatvr und Schrift. Gedichte. Hamburg, Niemeyer. 1842. 
. gr. 

George, Der Kundſchafter. Hiftorifcher Roman aus dem 
Anfange dieſes Jahrhunderts. Zwei Theile. After Theil: o⸗ 
penhagens Schreckenszeit 1807. — 2ter Theil: Der Krieg in 
Deutſchland 1809. Grimma, Berlagscomptoir. 1844. Gr. 12. 
3 Ihr. 

Srund, F. J. Hantbuh und Wegweifer für Auswan⸗ 
derer nach den Vereinigten Staaten von Nordamerika. Stutt: 
Hart, Gotta. 8. 1 Thlr. 7%, Nor. 

Guͤnther, &. $., Anekdoten, Eharakterfdhilderungen und 
Denkwuͤrdigkeiten aus ber heſſiſchen Geſchichte. Darmſtadt, 
Jonghaus. 8. 15 RNgr. 


) Bergl. auch einen größern Auffag in Nr. 157 und 188: 
‚Briefe über die Marqueſas-Inſeln.“ D. Red. 


Heeringen, ©. v., Der Knabe von Locern Giforifäer 
Boman aus ber Schweizer Geſchichte. Bler Wine. ; 
Mayer und Wigand. 8. 5 Ihr. een 

Hoffmenn von Fallerslebeon, Breslauer Nıam- 
büchlein, d.i. Einwohner-Namen der Haupt- und Resde- 
Stadt Breslau, nach Stand, Würden und sonstigen Ripe- 
schaften geordnet. Für Liebhaber der deutschn Sprache, | 
Leipzig, Engelmann. Gr. 16, 5 Nyr. 

Riederrbeiniſchet Jahrbuch für Geſchichte, Kunſt und Poefe. 
Herautgegeben von E. Lerſch. Mit vier architektoniſchen &ı: 
bilbungen: rw Years und Soßen. 8 Thir. W Nor. 

arl, ©. F., Danziger en. iſtes Heft. Dani 
Anhuth. 8. 5 Nor. oo den ui 

Koſck's, P., Humoriſtiſche Stomane, deutic bearbeitet un 
9. Elsner. Ifter und ter Theil: Weber nie, noch imem 
fort! Ifter und ter Theil. Gtuttgart, Scheibie, Rieger um 





Sattler. a 3%, Nor 
Korte, K. G., Feredin, der letzte Hohenſtaufe. Gin 
Trauerſpiel. Schwelm, Scherz. 8. 221%, Ror 


Ö q . 

Lennep, I. van, Hollands romantifche Geſchichte Ibter 
und IIter Band. — A. u. d. T.: Das elfte Jahrhundert. Am 
dem Holländifchen überfegt von I. H. F. Lerz. Zwei Bänke. 
Aachen, Mayer. Br. 12, 23 Thir. 

Log, G., Neue Novellen und Erzählungen. Zwei Bänke. 
dambıng, Niemeyer. 8. 1 Thir. 10 Nor. 

Mowes, H., Saͤmmtliche Schriften. ter Zei: 
Gedichte. Rebſt einem Abriffe feines Lebens, großentheüt 
nach feinen Briefen. Ate, mit einee Meinen Auswahl va 
ihm gebaltener Predigten vermehrte Auflage. (Mit Bar: 
rede von 4. W. Appuhn.) Magdeburg, Heinrichthofen. 9. 
1 Ihe. 7, Nor. 

Hieraus befonders abgebrudt: 

— — drebigten, gehalten in feinen lepten Lchentjohen. 
Ebend. 8. 7Y, Re 

Des Nabob Heimkehr. Roman aus dem Engliſchen vn 
C. Rihard. Drei Bände. Aachen, Mayer. Gr. 12. 3 Zar. 

Norder, E., Janus oder Erinnerungen einer Reife durch 
Deutfchland, Frankreich und Italien. Gter Theil: Das antik, 
architektoniſche Rom und die capitolimifchen Muſen. Hambrtg 
ae —ãſ * Pa 2 — Fa a für IB 

erien. Taſchenbuch romantif: biungen . 
RR. Heller. Leipzig, Reclam jan. Gr. 12 2 Ik. 
or. 

Raumer, F. v., Bortrag zur Gedaͤchtniß feier Friebrih 
Wilhelm’s III., gehalten am 3. Auguft 3843 in der Univerfitä 
zu Berlin. Leipzig, Brodhaus. 12. 8 Near. 

Schröder, 9, Johann Gottwerth Müller, Verfaſſer 
des Siegfried von Eindenberg, nach feinem Leben und feimn 
Werten dargeſtellt. Nebſt zwei Zugaben. I. Auswahl aus 
Briefen berühmter ober merhvürdiger Männer an Mühe. 
1. Johann Gottwerth Müller ats Snittelversdichter. Iyche, 
Slauffen. 8. 20 Nor. 

Seidl, I, G., Bifolin. Dichtungen. Ite, verbeflen, 
vermehrte und mit des Verf. Bildnis umd Facſimile verichem 





Auflage. Wien, Pfautſch und Gomp. 8. 1 Zhpir. 15 Kor. 
Toiletten: Romane des Auslandes. Kür beutiche Eeferinum 
herausgegeben von G. R. Bärmann. Gtes bis Ites Bänden: 


Die Tochter Menzikoff's. in geſchichtlicher Roman. Den 
Engliſchen der Mrs, Hofland nacherzähit von G. R. Bir: 
mann. Bier Theile. Braunſchweig, ©. SG. E. Meyer sa 
Gr. 12. 4 The. Ä 

Bahsmann, ©. v., Erzählungen und Novellen. Raw 
Folge Adter bis 18ter (dritte Folge After His Ater) Band. 
Reipzig, Focke. 8. 6 hir. | 

Woeniger, &. T., Publiciſtiſche Abhandlungen. Ile 
heil: Die Gründe des wachſenden Pauperismus. — Die Pu: 
büichit bei deren von Bülow: Gummerow. Berlin, Dermti. 

r. 8. r. 


Berantwortlicher Herausgeber: Heinrich Brodhaus. — Drud und Werlag von J. A. Brodhaus in Leipzig. 





Blätter 


für 


literarifhe Unterhaltung. 





Sonnabend, 





Ghriftoffel von Grimmelshauſen, der Verfaſſer 
des „Abenteuerlihen Simpliciffimus ’’. 
Ein Beitrag sur Literaturgefhichhte Deutfchlands 
im 7. an von 
8 w. 


l. Unterfuhung. 

Ohne allen Zweifel die bedeutendfle Erſcheinung in 
dee Romanentiteratur des 17. Jahrhunderts ift in Deutſch⸗ 
fand der „Abenteuerliche Simpliciſſimus“; die echt volks⸗ 
thümliche Natur diefes trefflichen Buchs zeigt fich unter 
Anderm auch darin, daß nur bürftige Nachrichten über 
feinen Verf. auf uns gekommen find. Indeſſen Finnen 
diefe doch auf dem Wege Eritifher Forſchung noch we: 
fentlich erweitert und berichtigt werden. 

As Verf. des ‚„‚Abenteuerlichen Simpliciffimus” wird 
fat in allen Lehrbüchern der deutfchen Literaturgefchichte 
Samuel Greifenſon von Dirfchfeld genannt und 
von feinen Lebensumftänden Folgendes erzählt: er fei um 
1622, Manche fegen hinzu im Speffart, geboren, habe 
als Muskerier einen Theil des Dreißigjährigen Kriegs 
mitgemacht und fei vor 1669 geflorben; nur Warhler *) 
fest feinen Tod, obwol zweifelnd, nad 1660 und Buͤ⸗ 
tom ’*) in das J. 1669. In einem Literaturwerk fin: 
det man die Frage nad) des Mannes Perföntichkeit irgend 
eingehend behandelt ***): Flügel in ber „Geſchichte ber 
tomifchen Literatur” erwähnt ihn gar nicht; Koch +) 
gibt zahlreiche, aber rein bibfiographifche Notizen; Joͤr⸗ 
dens ++) laͤßt in dem betreffenden Artikel feine ſonſtige 
Sorgfalt und Vollſtaͤndigkeit vielfach vermiſſen; Gervis 
aus +++) iſt wie überall fo auch hier mit pofitiven No⸗ 
tijen fehr fparſam umd im Irrthum, wenn er die übel 


*) „Borlefungen über bie Geſchichte ber teutfchen Rationals 
kteratur”‘, zweite Aufl. ‚©. 69. 

) ‚Abenteuer des Simpliciffimus⸗ Leipzigl836, ©. v 

” Bis zur Lächerlichleit dürftige Notizen gibt D. e. 'S. 
Volff in ſeiner „Encyklopaͤdie ber deutſchen Natienatliteratur“, 
indem er fi damit begnuͤgt, unter Greifenſon auf Bimpriciffi- 
zus ia hinwiederum unter Simpliciffimus auf Sreifenfon zu 
derweiſen. 

Du Gompsnbiarn der beutfehen Eitera ichte“, Berlin 
IB, Sd 2, ©. 255 fg turgeßqh 


et n Eiiten bar Dichter und Profaiften “, 2 


en a 3, ©. 388, erfte Aufl. 


Km Dom 1 nn 


aufgefunden zu haben glaubte. 


16.  Geptember 1843. 






gen Schriften deffelben Verf. für verloren hält; eine große 
Anzahl derfelben, die ich unten näher angebe, liegen mie 
in Ausgaben von 1670— 85, sum Theil doppelt, vor. 
Der neuefte Bearbeiter des Simplichffimus, €. v. Bülow, 
endlich weiß ebenfalls nichts Neues über den Verf. anzus 
geben, bemerkt aber mit großem Recht, daß die herkoͤmm⸗ 
lichen Angaben nicht völlig beglaubige feien. 

Ich war durch Vergleichung der verfchiebenen Simplis 
cianifchen Schriften zu meiner eigenen Überraſchung auf 
ein von dem bisher angenommenen gaͤnzlich abmeichendes 
Ergebniß gekommen, als ich noch zu rechter Zeit auf 


den wichtigſten neuern Beitrag zur Simplicianiſchen 


Literatur, auf Echtermeyer’s Beurtheilung von Buͤlow's 
Bearbeitung *), aufmerffam wurde; bier fand ich dafjelbe 
Mefultat bereits aufyeftelt, was ich ale ein ganz neues 
Dennoch konnte Echter: 
meyer's Arbeit eine neue Behandlung der Frage nicht 
uͤberfluͤſſig machen, da er, dem naͤchſten Zweck feines Auf: 
faged gemäß, eine völlig erfchöpfende Löfung derfelben 
keineswegs gegeben hat, aud feine Unterfuhung nur auf 
der fpäten Ausgabe von 1713 ruht, und er deshalb auch 
noch nicht allgemein die Anerkennung gefunden hat, bie 
feiner Arbeit gebührt. **) Die nachfolgenden Blätter ents 
halten eine durchaus felbftändfge Behandlung des fragli⸗ 
hen Gegenftandes, und nur bei wenigen Cinzelnheiten, 
die mirerft aus Schtermeyer’s Auffag befannt geworben, 
werde ich mich ausdruͤcklich auf diefen berufen, zum Theil 
auch von feinen Anfichten abgehen. Der Verlauf diefer 
Abhandlung aber wird hoffentlich meine Ergebniſſe nicht 
nur volllommen begründen, fondern auch darthun, baß 
eine ausführliche Behandlung der Sache nicht ohne we⸗ 
fentlihen Gewinn für die deutſche Literaturgefchichte ifl. 
Die Schwierigkeit, über den Berf. des Simpliciſſimus 
genaue und zugleich fichere Angaben aufzuftelen, beruht 


5 —R Zahrbächer‘‘; 1638, Nr. 52 4. 

IR ——— „Quellentunbe der deusfehen Geſchichte“, 
zweite Aufl., S. 83, 3. 9. Schäfer, „Srunbriß der beutfchen 
Literatur’, zweite Aufl, 8.69, 3. 8. F. Rinne, „Innere 
Geſchichte der Entiwidelung der deutſchen Nationalliteratur“, 
Bd. 2, S. 140, 8. ©. Helbig, „Grundriß der Geſchichte ver 
poetiſchen literatur der Deutfi en’, 1848, ©. 19, haben ſich 
meines Wiſſens bis jeht Ehtermeyer erklärt, und auch von 
biefen die Mehrzahl nicht mit voller Zuverficht; Servinus in. 


J feinem ‚„„Dandbuch” beracichtigt ihn nicht. 


> Pr 


darin, daß außerhalb feiner eigenen Schriften gleichzeitige 
oder doch nahezu gleichzeitige Zeugniſſe über ihn nirgend 
vorhanden find. So iſt es gefommen, daß man ben 
Berf. und den Helden des Romans mehrfach, aber ohne 
ausreichenden Grund, miteinander ibentiffcirte. Daß aber 
auch die in den Simplicianiſchen Schriften bier und ba 
verftreuten Notizen, welche fi) ausdruͤcklich auf den Verf. 
beziehen, bei einer komiſchen und fatirifhen Schilderung 
der eigenen Zeit mit doppelter Vorſicht benugt werden 
möffen, follte ſich wol von felbft verftehen. 

Ehe ich meiter gehe, halte ich die volftändige und 
genaue Bezeichnung derjenigen Ausgaben Simplicianifcher 
Schriften, die ich bei meiner Unterfuhung benugen konnte, 
für unumgänglidy noͤthig. Es find, in Ermangelung der 
beiden erften fehr feltenen Ausgaben des „Simpliciſſimus“, 
folgende ſechs Bände, wovon I, II, V, VI der herzoglichen 
Bibliothek in Meiningen, III, IV und ein zweites Exem⸗ 
plar von V der zu Gotha angehören. 

. Gang neu eingerichteter allenthalben viel verbefferter Abentheure 
ficher Simplicius Simplicissimus Das ift: Außführliche, uns 
erbichtete, und recht memorable Lebens: Befhreibung Eines 
einfältiger , wunderlichen und feltzamen Vaganten, Rahmens 
Melchior Sternfels von Fuchshaim, wie, wo, wann, aud 
welcher Geſtait er nemlich in diefe Welt gelommen, wie er 
fi) darinnen verhalten, was er merd: und dendwürdiges ges 
Sehen, gelernet, gepracticiret, und bin und wieder mit vielfäls 
tiger Leibs und Lebens-Gefahr ausgeftanden, auch warum er 
enbtich fotche wiederum freywillig und ungezwungen verlaffen 
habe. Annemlich, erfreuiih und luflig zu lefen, Wie auch 


u 


fehr nuͤtzlich und nachdenklich zu betrachten, Mit einer Vor⸗ 


gebe, fambt 20. anmuhtigen Kupffern und d. Gontinuationen, 

Bon German Schleifheim von Sulsfort. “ 

Es hat mir fo wollen bebagen, 
Mit Lahen die Warheit zu fagen. 

Mompelgart, Gedruckt bey Johann Fillion, Nürnberg zu fins 

den bey W E. Felßedern. ©. 3. Ei. 12. 
Diefe dritte Originalausgabe des Romans von 1670 ober 
1671 enthält eine Vorrede und die fünf erflen Bücher 
(S. 1 — 608); das fechste Buch mit befonderm Titel 
und der Jahreszahl 1671 (S. 609 — 672); und beei 
Gontinuationen mit befonderer Vorrede (S. 673 -87 0). 
Die erfte Vorrede, unterzeichnet Simplicius Simplicissimus, 
enthält außer Klagen Über einen erlittenen Nachdruck die 
Anzeige, daß folgende Werke deſſelben Verf. kürzlich im 
Drud vollendet felen: 

1. Ewigwaͤhrender Galender. 

2. Schwarz und weiß ober fatyrifcher Pilgram. 

3. Die Landflörkerin Courage. 

4. Der abenteuerlihe Springingfelb. 

5. Der keuſche Joſeph famt feinem Diener Muſai. 

6. Die Liebe: und Leidsbefchreibung Dietwalts und Amelinben. 

7. Der zweitöpfige Ratio Status. 
Ale diefe Schriften find unten unter II, a, b, c, d; IV, 
a,b, e; vaJd(#S, VI nachgewieſen. 

II. Ein Band dem vorigen an Format und Druck 
faft ganz gleich, fobaß er wol als zweiter Band zu dem: 
felben zu betrachten iſt; er enthält: | 
a) Des Vortrefflich Keufchen Joſephs in Egypten, Erbauliche, 

recht ausführliche und viel s vermehrte Lebensbefchreibung, 

u. f. w. erſtesmals mit groffer und unverbroßner Mühe zus 

fommen getragen von Samuel Breifnfon von Hirſchfeld 

Runmehro aber wieberumb aufs neue vom Autore uͤberſehen, 


. 1038 - . 


verbeſſert und ſamt des unvergleichli 

Shaffners Mufat Erbens-Lauff. Ben oh ai 
keſer „ehe Fear , lutie and nutzlich zu betrachten mot: 
mem mitgetheilet. rndber 

I. enders, za ſinden bey eiteten 


Der Mufai hat auch feinen befomdern Hhtel mit da 
Jahreszaht 1670. 


b) Dietwatts und Amelinden anmuthige Lieb: und Leidäbefhri 
bung, Sammt erfler Bergröfferung des Weltberühmten 8. 
nigreichs Frankreich. 

Gottſeeligen erbautich 

Euriofen lufſtig 

Historicis annemlich 

Betruͤbten troͤſtlich zu leſen. 

Verliebten erfreulich 

Politicis nuͤtzlich 

und der Jugend ohnaͤrgerlich 

Zuſammengeſucht und hervorgegeben von H. J. Chrifeffi 
von Grimmels hauſen, Gelnhasano. Ruͤrnberg, Veriegt un 
zu finden bey Beißedern, Im Jahr Chriſti 1610. (226 6) 
c) Trug Simplex: Oder Ausführliche und wunderfeltzame ke 
bens:Bejchreibung der Exrgbetrügerin und Landſtoͤrtzerin Cor⸗ 
rafche, u. f. w. Eben fo luftig, annemlich und nuͤtzlich zu 
betradhten, als Simplicissimus ſelbſt. Alles miteinander Ben 
der Gourafche eigner Perfon dem weit unb breitbelanntn 
Simplicissimo zum Verdruß und MWiderwillen dem Auteri 
in die Feder dictirt, der ſich vor dießmal nennet Philarchus 
Grossus von Trommenheim, auf Grifföberg u. ſ. w. Ga 
brudt in Utopia, bei Felix Stratiot. (DO. J. 23641 6) 

Die Lebensgefchichte eines Weibes, welches im, Simplicff: 

mus”, Buch 5, Gapitel 6, kurz erwähnt ift. 

d) Der feltzame Springinsfelb u. f. w. Aus Anortnung 6 
weit und breit befanden Simplicissimi Verfaſſet und zu Pa 
pier gebracht Bon Philarcho Grosso von Trommenheim. 


Gebrudt in Paphlagonia bey Felix Stratiet. 1670. (Ohne 
Seitenzahlen.) 


V 


Die Lebensgeſchichte eines, im dritten Buche vortommen: - 


ben Spiesgefellen des „Simpliciffimus”. 
von 1685, unter IV, a, wicd diefe von 1670 ausdrhd: 
lich als die erfte bezeichnet. 


I. Gefammtausgabe der Simplicianifchen Shui: 


ten von ben Jahren 1683 — 85, erfter Theil; in den 


mic vorliegenden Exemplar fehlt der Titel; diefer Band 
enthält: 
a) Den Simpticiffimus, alle ſechs Bücher. (672 ©.) 


b) Des Weltberuffenen Simplicissimi Pralerei und Geprin | 


in feinem Zeutfhen Michel, Jedermaͤnniglichen, wanns Im 

kann, ohne Lachen zu leſen erlaubt von Signeur Mepmall 

u.f.w. MDCLXXIN. (8. 67373.) 
Die Jahreszahl 1673 iſt hier wahrſcheinlich nur ein 
Drudfebler ſtatt 1683, da alle uͤbrigen Schriften nich 
das Jahr der Abfaffung, fondern das bes Druds af 
bem Titel tragen. 

Beide Schriften find in diefer Ausgabe flark mit 
langweiligen Moralifationen interpolict, aber die Jate: 
polationen mit Sternchen bezeichnet. 


IV. Derfelben Geſammtausgabe zweiter Theil, 1685; 
er enthält: 
a) —* Syrieginckend, als dritte Ausgabe bezeichnet (I086) 
odben A, d. 
b) Die Landſtorgerin Courage (S. 100 —26); f. oben IL, «. 
c) Das wunderbarliche Simplicianifche Vogel⸗Reſt, der Spring 
insfelbifchen Leyrerin, In zwey heiten, u f. m. Can 


In der Ausgabe 


neu vermehret und vechäffert Du ichael Regulin 
von Sehmsdorff. ——— Pe . ” g 

4) Ded wunderbarlichen u. f. w. Bogel: Nefkes, fernere Fort: 
fegung u. f. w Am Zag gedracht; u. f. w. und mit feinen 
kehren vermehrt Bon Aceeeffghhiillmmnnoortss 
stuu. (8. 343-492) . 

Die einzelnen Buchſtaben entfprechen dem, auf dem et: 

ſten Theile des Vogelneſtes angegebenen Namen des Verf. 

bis auf geringe, im jener Zeit Überall wiederkehrende ots 

thographifche Unterfchiede. | J 

e) Du zeafi Joſeph. famt feinem Diener Mufat (S. 493 

ſ. oben I, a; aud in biefem Bande finden durchweg 

bezeichnete Interpolationen ftatt. 
V. Derfelben Geſammtausgabe dritter Theil mit dem 

Haupttitel‘ " 
Deß Aus dem Srabe ber Vergeffenheit wieder erflandenen 
Simplieissimt , Mit koftbaren, zu bdiefer Zeit hochwerthen 
und dero Liebhaber feft an fich ziehenden Waaren ans und 
ausgefüllte Staats » Kram, ftatt be& auf feinen jüngfthin 
hervorgegebenen Lebens» Wandel, nunmehr ordentlich folgen: 
den Dritten und legten Theile u. ſ. w. Nürnberg, Drucdts 
und teriegtd Johann Jonathan Felßecker, Im Jahr 1684. 

Diefer Band, in dem Interpolationen nirgend bezeichnet, 

noch von mir fonft bemerkt find, enthäft: 

a) Der ſatyriſche Pilgram (148 ©.); 

ohne befondern Zitel, wenigſtens in dem beiden mir vor: 

liegenden Eremplaren. 

b) Das Rathſtuͤbel Plutonis Ober Kunft Reich zu werben, 
und von denen Mittlen, mie hierzu zu gelangen; u. f. w. 
aug Simpliciffimi Brunnquell feibften gefchöpfft, auch auff⸗ 
recht Simplicianiſch befchrieben von Erih Stainfels 
von Grufensholm, Sambt Simpliciffimi Discure, Wie 
man hingegen balb auffwannen: und mit feinem Vorrath 
fertig werden fol. Getruckt in Samarien, Im Jahr 1683 
(8. 149— 233 ) 

e) Deß Abentheurlichen Simpliciffimt Verkehrte Welt, u. f. w. 
entworffen von Simon Lengfrifd von Hartenfels. 
1683. (&. 233-326. Ä 

d) Dietwalt und Amelinde (8: 327—440); 

ſ. oben I, b; Hier mit Capitefeintheilung ; die in ber 


älten Ausgabe nicht vorhanden ift. 

e) Des Durhlauchtigften Pringen Proximi, und Seiner ohn⸗ 
vergleihen Lympidae, Liebs⸗Geſchicht-Erzehlung. u. f. w. 
an Zag gegeben von 9. 3. Ehrifioffel von Grim: 
melöhaufen, Gelnhusano. 1683. (&. 441—594.) 

Ü) Eimplicianifcher Zweykoͤpffiger Ratio Status, luſtig ent: 
werffen u. f. w. von Hans Jacob Chriſtoph von 
Srimmetshaufen, Gelnhusano. 1683. (G. 595—660.) 

g) Der Fliegende Wanderdmann nah dem Mond, u. f. w. 
1634. (&. 661-722.) 

Nah dem Titel aus der franzöfifchen Überſetzung eines 

Panifhen Originals Übertragen. 

h) Satyriſche Geficht und Traumgeſchicht von Die und Mir. 
(8. 723—772.) 

) Kurge und Kurgweilige Reife: Befchreibung nach der obern 
neuen Mondswelt. 1684. (&. 713-809.) 

Die Schriften h und i haben nur Mebentitel, fodaß fie 

Us Anhänge zu g zu betrachten find. 

k) Simpliciſſimi &atgen» Männlein, u. f. w. Erſtlich durch 
Simpliciſimum felbften u. f. w. an Xag geben, Rachge⸗ 
hende mit nuͤtlichen Anmerck⸗ und Grianerungen :exiäutert 
dacch Israel Kromschmidt von Hugenfelß u. |. mw. - 1683. 


E 800-846 ) | 
Def die Angabe, hinter dom Rum I. F. von Hugeufeiß 


fh in Ise Sastıpaun oschorgen. * r. n 
—2* fih unten eben an it Reh 
I Der folge Meier, Eombr einer Befprgcinuß Yon da) 
Brangp Krieg Mit der Holland.’ Weiches Tuch Seratiah 
Iung “ines Sarbaberß. ber Beirbenefatten und gernskriegeniben 
eutihen Jugend zum ram verehret wird. 164. 
. (&. 841-868) ‚ Diehfgarm Berebert wird. 104 
— angeregt —8 — sicht. Catho⸗ 
. EI werben Tore onamico In;sisgmn. Spuk 
- ‚voidgelegt, 1684. (S. 860-894) ar rn; 
n) Der Erſte Beernpäuter, u. |. w. andern zum (Erempel vor. 
geeilet, Samt Simplicissimi Gauckel⸗taſche, Won Allite rato 
gnorantio, zugenannt Idiota. 1684 ) * 


(S. 895-904 
Fir dem vorgeblichen Namen iſt offeubarzu tefen. „IN: 
terato“. [ u EB Zn 
o) Simplicifſimi wunderliche Gauckel⸗Taſche u. ſ. w. Entworf⸗ 

fen durch obigen Autorem. 1684. (&. 95-99) - 

Diefe Schrift befteht nur aus einer Hekten Anzahliganz 
kurzer ſpruchartiger Gedichte, die zur Auslegung zbenfe 
vieler, ziemlich grober Holzſchnitte dienen. i 
p) Manifesta Wider bie jenige, welche ais- fohberbarer- Mit 

Und verfoigen, Dedicirt ofen Bickhaben Kar een 

un , cirt ade n der vo 

benen Bärte. 1034, (©. 023937.) vo * 
VI: Des Abenteurtichen Simpliciſſimi Ewig⸗waͤhrender Calen⸗ 

ber, Worinnen ohne die ordentliche Verzeichnus der unzehlbar 

vieler Heiligen Taͤge auch unterſchiedliche Curiose Discursen 

von der Astronomia, Astrologla u. f. w. Richt weniger 

Biel Seltzame, jedoch warhaffte Wunber-Gefchichten u. ſ. w. 

beſiadlich u. ſ. w. Nürnberg, Feißecker 1677. (234 ©. 4.) 
Die Vorrede iſt unterzeichnet: „Melchior Sternfels 
von Fugshaim“, welchen Namen wir ſchon oben auf 
dem Titel von I gefunden. Es iſt dies übrigens offenbar 
nicht die erfte Auflage, welche nad) einem Chronoftichon 
auf dem Titel und einer noch entfchefdendern Stelle (&, 92) 
in das Fahre 1670 gehört. Die Einrichtung des Kalen— 
ders iſt folgende: je zwei gegenliberfiehende Seiten find 
in fechs, zum Theil nur in fünf oder vier Spalten ges 
theilt; Die erſte enthält das Verzeichniß der Heiligen auf 
jeden Tag, bie zweite und dritte „Chaos oder vertworrne® 
Mifhmafh ohne einige Ordnung”, d. 9. Wettstregein, 
allerhand Hausmittel, eine Art Geſchichtskalender und 
manderlei Simpficianifhe Anckdoten und Gefpräde ; 
die drei legten Spalten enthalten In biafogifcher Form 
weitläufige Abhandlungen Uber Kalenderweſen, Aſtrologie, 
Nattvitärftellen, Weiſſagungen u. dgl. - 

Ob alle biefe eben verzeichneten, -theil$ anonymen, 
thells mit den verſchiedenſten Berfaffernamen verfehenen 
Schriften wirklich einen und denſelben Werfoffer haben, 
kann ohne befondere Unterfuchung nicht bejaht werben ; 
biefe aber muß jedenfalls von’ dem bedeutenbſten, um 
fangreichften und biöher eigentlich allein befanntm Werte, 
dem „Simpliciffimus”, ausgeben. - 

Die erfte Ausgabe des „Simplleiſſtmus“ von 1669 
enthielt nur die erſten fünf Buͤcher des Romans, dach 
fhon in demfelben Jahre erfchien eine zuctte um daB 
ſechſste Buch vermehrte Auflage; die oben unter I näher 
beſchriebene dritte Deiginalausgabe enthält, wie alle fol: 

”) Joͤrdens, Wh. 2, &. 432. 00. 


x 


Yu ce iu Br 


Voss 


genden, Abe ſecht Buchtr mit fortlaufender Seitemzahl, 

aber unter dem befondern Titel: 

Des neueingeridhteten und vielverbeflerten gang umgegoflenen 
Ahentheuflicden Bimplicissimi Fo gung md Schluß, Oder 
Sechſtes Bud. Durch German Schleifheim von Sulsfort. 
Mompelgart, Bey Johann Fillion, 1671. 

Die Echtheit dieſes festen Buchs if mehrfach in 
Nueifel gezogen worden: Joͤrdens erklaͤrt fich gegen dieſelbe; 
Wachler führt ſechs Theile ohne Zeichen des Zweifels an; 
Koberfiein *) und Gervinus gehen auf die Frage nicht 
ein. Eine deſto eingehendere Kritit mußte man von 
VBuͤlow erwarten, aber vergeblich; ex flellt zwar ben kuͤnſt⸗ 
terifchen Werth des angefochtenen Buchs mit ausdruͤck⸗ 
kichen Worten und factifh dadurch, daß er es in feine 
Bearbeitiing nicht mit aufgenommen hat, gegen bie fünf 
erſten Buͤcher herunter, äußert fich aber zugleich auch 
wieder fo über baffelbe, daß er es mit jenen einem und 
demfelben Verf. beizulegen feheint. *) Mir [prechen zu: 
naͤchſt alle Innern Grunde cher für als gegen die Echt: 
beit: daß es den fünf unzweifelhaft echten Büchern an 
poetifhem Werth allerdings nachſteht, finde ich fehr er: 


Hlärlih, da das ganze Werk doch immer einer Zeit ange: | 
hört, wo die Kunſt der Darftellung noch fehr unausge⸗ 


Difder war, mas fi) ganz vorzugsweiſe in den entweder 
gewaltfam abgebrochenen oder matten Schluffe eines Werks 


Dagegen behält die Sprache und ganze Darftellung aud 
im fechsten Buche biefsibe, im 17. Jahrhundert doppelt - 
charakteriſtiſche Friſche und bei allem Wigreichthum feltene ' 
Einfachheit wie in ben eriten fünf Büchern, die nicht 
leicht nacgmahmen war; die ascetifche Richtung, die im 
fünften Buche je länger je mehr bervortritt, aber fehr 
weislich ſchon im Anfange des ganzen Romans angelegt 
amd begruͤndet If, bleibt in gleichmäßiger Zunahme und 
ift wie bort fo auch bier fortwährend mit gleicher Wander: 
und Abenteuerluft und nain: berber Schalkheit verbunden, 
in welcher letztern Beziehung ich namentlich das elfte und 
zwoͤlfte Capitel als ſtarke Zeugen für die Echtheit anfüh- 
sen möchte; ebenfo entfpricht gleich der Anfang des fechsten 
Buchs der Zraums und Phantaſiewelt, die fhon im fünf: 
sen Buche auffallend an bie ‚Stelle des ausgebeuteten ! 
usiebfichen Lebens tritt, Kurz dieſes fechete Buch iſt im. 
allen charakteriftifchen Zügen aine fo ganz wirkliche Fort- 
feuung des Vorhergehenden, daß ich ſtark bezweifle, ob es 
u 17. Jahthundert ‚zwei Männer gegeben habe,. die 


Adgeeiben Fusuten. ' | 
(Die Vortfegung folgt.) 


m 
*).Grundriß ber Wefdiiiigte der deutſchen Rationattiterstur*, !| in 
zweite Auft., S. 403, Anmerkung. | 

”) &, xvu. ‘ 


| fein, w is jest n u; i 
zu verrathen pflegt; dazu kommt, daß hier felbft erlebter l her „hab Rinde in Brantreid ga. 
Stoff nicht mehr vorhanden war; fo mußte benn bie! 
Abenteuerluft in unbegrenzte und unbeflimmte Fernen, 
die damals nur dürftig bekannt waren und eben dadurch | 
um fo reigender erfchienen, binausfchweifen, und fo den ! 
hen Boden, jene Anſchaulichkeit und Individualität 
serlieren, anf weichen Vorzuͤgen die feltene Trefflichkeit 


der erſten fünf Bücher gerade ganz weſentlich beruht. 










le rapport 


mehr an ihrem Wert 


Literarifche Notizen aus Frankreiq. 
Goethe in Frankreich. 

Goethe hat in Frankreich an Bewunderung und X 
no nichts verloren. Alles, was in Deutfäland über diefen 
Heroen geſchrieben und gefagt wird, findet auch jenfeit ter 
Rheins Beachtung, wenngleich darüber auch mandmal rin 
ziemliche Zeit verſtreicht. So iſt eigentlich erft ganz kuͤrzlich 
der Berſuch gemacht, die n, duftigen Bluͤten, mit denen 
Bettina in ihrem „Wriefwechfel”' das Grab ihres gelichten Dig- 
ters geſchmuͤckt hat, nach Frankreich zu verpflanzen. Wir Hin: 
nen deshalb noch nicht von bem Gindrude reden, den ſie daft 
gemacht haben, wennſchon wir hoffen gu dürfen glauben, daf 
fie in Frankreich mehr Anertennung und eine gereihtere Win 
digung finden werden, als bie in dem ſprachverwandten England, 
das gegen unfere romantifche Überſpanntheit viel unduldfamer 
{ft als unfere Nachbarn jenfeit des Mheims, der Fall geweſen 
iſt. Gin kleiner Aufſatz in einem dltern Jahrgange der „Berne 
de Paris’ war gar zu bürftig, als baß ex im Gtande geweſen 
wäre, die Aufmerkfamfeit Frankreichs auf das poefiereige Se 
müth der Bettina zu ziehen. Er ruͤhrte, wenn wir nicht 
irren, von Prevoft, einem Schweizer ber, der ſich der int: 
ſchen Literatur mit vieler Liebe zugewendet hat und weide 
jegt in einem Provinzialcollegium, wir glauben in Tours, al 
Profeffor der neuen Literaturen angeftellt if. Ein tum 
Beriht von Ph. Charles in dem „Journal des debats” übe 
ben Briefwechfel der Bettina war flüchtig und ungenügend. 
Rechnen wir hierzu einige gelegentliche Bemerkungen von 
Dueöberg in dem „Moniteur universel ”, deffen „Revue alle 
mande‘' alle Anerbennung verbient, fo dürfte dies ziemlich Ale 


Wir freuen und deshalb, jest eine Bearbeitung ihres reiden 
Briefwechſels anzeigen ‚zu koͤnnen. Sie erfceint u. d. I. 
„Goethe et Bettina, correspondance inedite”, überfegt vin 
Sebaftien Albin. Der Verf. diefer Überfegung hat ſich durch 
eine Bearbeitung unferer „Chants populaires”, die in der 
„Bibliotheque Charpentier” erſchienen ift, ald Kenner und 
Berehrer umferer Poefie ruͤhmlich befannt gemadt. Der Brief: 
wechſel Goethe's mit der Schwefter der beiden Stolberg ik {hen 
vor einiger Zeit von Henri Blaze, dem liberfeger bes „gan“, 
in der „Revue des deux mondes” feinem weſentlichen Inhalte 
nad) mitgetheilt. Die neue Überfegung von Goethe's, Vilhein 
Meifter” aus ber Feder der Mad. de Carlowitz, die für ihm 
chwuͤlſtige Bearbeitung des Klopſtock'ſchen „Meſſias““, und fir 
ihre Überfegung des „Dreißigjährigen Krieges‘ von Schiller zei 
Mal von der Academie francaise mit dem lberfeserpreife ge: 
trönt ift, genügt den firengen Anfoberungen, die man jMl 
an ähnliche Arbeiten machen kann, nicht völlig, Der Ei 
it ſchleppend und wennſchon der Sinn im Ganzen rihfig 
wiedergegeben iſt, fo kann man ſich nach diefer Bearbeitung 
doch nur einen ſehr ſchwachen Begriff von ber Bollendung di 
Driginats machen. Übrigens iſt „Wilhelm Meiſter“ ſchon burch 
beffere liberfegungen in Frankteich bekannt. 


Waſſerbeilkunſt. 

H. Scougetten, der ben deutſchen Waſſerdoctoren in Yard 
manche unrubige Nacht gemacht hat, weil fie von ihm a 
einem begünftigten Nibenbuhler eine gefährtiche Goncurretz 
fürdteten, hat jest in einer foeben erfchienenen Schrift dit 
Beobachtungen niedergelegt, welche er auf einer im Auftrag 
des Minifterfums gemachten Stubienreife in Deutfchland ge 
fammelt hat. Diefes Buch führt den Titel: „De leau sou 
hygienique et medical ou de l’hydrotherapie" 
Mögen feine Herren Gollegen diefes Werk, das eine lichtvole 





Abetſicht über die beutichen Forſchungen gibt, ohne Neid um 
Ubelwollen in bie Hand nehmen, benn wenn es ihnen, wie ft 
ı| 'porgeben,; wirklich um bie Xusbrei 


ber ilkunde 
autreich Gruft iſt, fo kann — —— — 


wenn fie in Scouhetten einen ruͤſtigen und geſchickten Artzun 


t fanden haben. 


Berantwortliger Derauögeber: Heinrich Brokhaus. — Drud und Berlag von 8. X. Brodhaus in Leipzig. 


Blätter 


für 


literariſche Unterhaltung 





Sonntag, 





des ‚„„Abenteuerlihen Simpliciffimus‘. 
(Fortfegung aus Nr. 259.) 


Ich komme nun auf die aͤußere Beglaubigung bes 
fraglichen Buchs, und bier muß ich bedauern, daß mir 
die beiden diteften Ausgaben nicht zu Gebote flehen; ich 
kann fomit die Interpolationen, die nad Bülow fchon 
mit der zweiten Ausgabe von 1669 beginnen, gar nicht 
berudfichtigenn, was aber auch füc den Verlauf diefer Un: 
terfuhung wol kaum bedeutende Früchte tragen dürfte, 
denn meine aͤlteſte Ausgabe in vwoefentlihen Punkten für 
interpolirt zu balten, babe ich durchaus feinen Grund, 
und Heine Veraͤnderungen und Nachträge konnte ſchon 
der Verf. ſelbſt gar leicht anbringen. 

Der Anfang bes fehsten Buchs wird in einer an: 
dern Simplicianifhen Schrift *) mit ausdrücklichen Wor: 
ten angeführt- Da ſich die Echtheit diefer Schrift unten 
ergeben wird, fo wäre dies der fchlagendfte Beweis für 
die Echtheit Des fraglihen Buchs, wenn ich dieſe nicht 
fhon benugte, um bie jener andern Schrift darzuthun. 
Es bedarf alfo noch anderer Gründe. 

Dem fecheten Buche ift in allen Ausgaben ein Be: 
fhluß angehängt, welcher dem Leſer mittheilt, daß ſich 
dies Buch unter den nachgelaffenen Papieren des Verf. 
gefunden habe; der wahre Name beffelben fei gewefen 
Samuel Greiffenfon von Hirfchfeld; er habe fein Bud) 
in feiner Jugend zum Theil gefchrieben, als er noch ein 
Musketier geweſen und die erfien fünf Bücher bereits 
bei feinen Lebzeiten in Drud gegeben; weshalb er aber 
feinen wahren Namen anagrammatifch in German Schleif⸗ 
beim von Sulsfort umgefegt habe, wilfe der Herausgeber 
nicht. Diefer Beſchluß, bisher die Hauptquelle über die 
Petſon unſers Verf., ift unterzeichnet: ‚„‚Rheinnec, den 22. 
Aprilis Anno 1671 **) H. J. C. V. G. P. zu Cernheim.“ 
Diefer Befchluß widerfpricht zunaͤchſt der gewöhnlichen Ans 
nahme, daß der Verf. vor 1669 geftorben fei, da er fo 
die erfte Ausgabe feines Romans nicht mehr erlebt ha: 
ben würde; die einzige Aushülfe wäre, ben Ausdrud „in 


*) Rathftübel Plutonis (im obigen Verzeichniß V, b), Gap. 7. 

“Nach Zördens, Bd. 2, ©. 424, und Bülow, ©. ıx, bat 
die zweite Ausgabe von 1669, die erfte des fechsten Buchs, daſ⸗ 
feibe Datum aber die Jahrszaht 1669. 





Chriftoffel von Grimmelöhaufen, der BBerfaffer | Drud gegeben” ſtreng wörtlich zu fafien und von ber 


Vollendung des Druds zu unterfcheiden, was aber gegen 
alten Sprachgebraudy ftreitet. *) 

Es enthält aber dieſer Beſchluß noch manches andere 
Auffallende und Unmwahrfcheintiche: dee angebliche Heraus: 
geber weiß doch gar zu wenig von dem Namen zu fagen, 
deſſen nachgelaffene Papiere er befigt und fichtlih body 
hält. Ferner: der ganze Simpliciffimus Liefert auf allen 
Seiten zahlreiche Beweiſe von einer nicht geringen Ge: 
lehrſamkeit feines Verf. und deſſen ausgebreiteter Beleſen⸗ 
beit in der ganzen alten und neuen Literatur; wie bes 
ſteht das mit der Angabe, daß das Bud von einem noch 
jungen Manne **) unter der rohen Soldateska des Dreißig⸗ 
jährigen Kriegs gefchrieben ſei? Noch weniger paßt zu 
diefer Angabe die ſehr gediegene und burchgebildete Le: 
bensweisheit und der ebenfo klar verſtandene als kuͤnſt⸗ 
leriſch gefhict angelegte und durchgeführte Grundgedanke 
des ganzen Romans, mas uns —X | nöthigt, in fei: 
nem Verf. einen in fchwerer Zeit vtommen gereiften 
Mann zu erkennen. In der Vorrede zu einer Ausgabe 
des „Satyrifhen Pilgram“ von 1697, die ich nicht kenne, 
fol ***) der Verf. ſelbſt fagen, er fei von ſeinem zehnten 
Jahre an Musketier geweſen und ohne alte wiſſenſchaft⸗ 
liche Erziehung aufgewachſen. Die Wahrheit der erſtern 
Angabe wird durch feine Schilderungen mehr als wahr: 
[heinlih, woraus man aber um fo mehr folgern muß, 
daß ihm fpäter Zeit und Gelegenheit geworden, bie fruͤ⸗ 
ber verfäumte geiftige Ausbildung nachzuholen, und ba 
die Abfaffung feines Romans erft in diefe fpätere Zeit 
falle; wie e6 denn auch an fih gar nicht wahrfcheinlich 
ift, daß der Verf. zwifhen Vollendung und Veroͤffent⸗ 
lichung feines Werks längere Zeit habe verſtreichen Laffen ; 
dafür freilich, daß er mehre Jahre lang an demfelben ge: 
arbeitet babe, fehlt es weder an’ innern noch an dufern 
Bemeifen. +) 


*) Wahrſcheinlich durch diefe Schwierigkeit hat ſich Buͤlow, 
©. vi, beffimmen laſſen, den Zod des Verf. in das Jahr 1669, 
„gleich nach der Herausgabe feines Buche”, zu fegen, was ohne 
anderweitige Beweiſe boch ein etwas willkuͤriiches Verfahren ift- 

**) Rach ber gewöhnlichen Annahme wäre er am Schluſſe des 
Dreißigjährigen Krieges erft etwa 26 Fahre alt gewefen. 

*e*, Joͤrdens, Bb.2, & 428 fg.; feine Kriegsdienfte erwähnt 
ber Verf. au im „Satyriſchen Pilgram“, Buch 3, Gap. 10. 

) Zu den letztern gehört, daß eine Stelle aus dem Anfang 


13 


Wenn wie ſonach annehmen müflen, baf der Verf. 
des befprochenen Beichlufles von dem Verf. des „Simpli: 
ciffimus’ entweber wirklich nichts gewußt hat, was doch 
kaum glaublid), oder daß er den Lefer abfichtlich mpyflifi: 
ciet, fo dürfte das wol gerignet fein, die Zweifel an der 
Echtheit des feheten Buchs zu verſtaͤrken und in dem 
Herausgeber defjelben einen Zälfcher erfennen zu laſſen. 
Mir Eönnen aber, wie das alte Sprühmort von den 
nürnberger Rathsherren fagt, Niemanden veructheilen, 
wir haben ihn denn zuvor, und müſſen uns alfo auch 
hier umthun, mit wem wir es eigentlich zu thun haben. 
Diefe vor Echtermener noch nie berührte Frage iſt aber 
bei geringer Bekanntſchaft mie den Simplicianiſchen Schrif⸗ 
ten ſehr Teiche zu beantworten: der dort unterzeichnete 
B. 37. CV. G. P. zu Cernhein ik Niemand anders 
ats: Dane Jakob Chriftoffel von Grimmelshauſen, der: 
felbe Mann, der fich noch mit dem Zuſatze Gelnhusanus 
als Heraudgeber oder, tie wir fehen werden, Verf. von 
„Dietwalt und Amelinde” (Im obigen Berzeidmiß 31, b), 
„Proximus und Lympibda“ (V, e) und dem „Ratio Status‘ 
(V, f) genannt und feinem Namen unter der Debication 
der letztgenannten Schrift ebenfalls wie unter dem Be: 
ſchlufſe des ſechſten Buchs die Bezeihnung P. zu Gern: 
bein *) beigeflgt hat. 

Ohne Zweifel wird dieſer Grimmelshaufen zu den 
dret eben genannten Schriften in demfelben Verhaͤltniß 
fiehen wie zum Techeten Buche des Simplicifſimus, und 
über dieſes Verhäftniß geben uns die verfchiedenen Außen: 
werke jener drei Schriften genuͤgenden Auffchluß. 

Wir betrachten zuerft die Titel. Bet „Dietwalt und 
Amelinde” heißt e8: „zufammengefucht und hervorgegeben 
von” u. f. w.; „Proximus und Lympida“: „an Tag 
gesehen von” u. |. w.; auf beiden Xiteln findet ſich we⸗ 
der der Name Simpliciſſimus, noch German Scyieifheim 
von Sulefort, noch Samuel Greifenfon von Hirfchfeld. 
Auf dem Xitel des „Ratio Status’ endlich heißt es ge: 
radezu: „luſtig entworffen von” u. ſ. w. So hätte Brim: 
melshauſen alſo eine Schrift für fein Eigenthum erklaͤrt, 
die in der Vorrede zu eben der Ausgabe des „Simpliciſſi⸗ 
mus’, welcher Grimmelshaufen feinen Beſchluß anhängt, 
als von dem Verf. des „Simpliciſſimus“ herruͤhrend an: 
gegeigt wird. **) | 

Es find diefen drei Schriften ferner Dedicationen 
vorgefegt: In dee vor ‚„„Dietwalt und Amelinde”, an Phi: 
pp Hannibal von und zu Schauenburg ***) gerichtet und 
datirt: „Hybspinthal den 3. Ders Anno 1669”, heißt 
e6: „diefe meine zufammen getragene zwar Altfrändifch, 
do warhaffte und curiofe Gefchichte”. In der vor 


des „Bimpliciifimus“, Buch 2, Gap. II, ſchon im Satyriſchen 


Pilgram“ der zuerft 1666 erſchien, Buch 3, Cap. 8, an 
—* doch könnte dies Citat Pr licherweife aud) erf er 
tern Ausgabe ber legtgenannten ift eingefügt fein. 

*) unter dieſer Debication fleht zwar „Bernheim, aber es 
it für die ganze Unterfuchung von Wichtigkeit, überall an der 
Schreibung der ätteften Ausgaben fireng feflzubalten. 

**) S. das oben unter I über biefe Vorrede Geſagte. 

*0) In ber Ausgabe von 1684: „Schauenberg“. 


„Proximus und Lympida”, an Maria Dorothea Freifcku: 
lein von Fleckenſtein gerichtet und datirt: „Renichen, der 
21, Julii Anno 1672”, beträgt fich Grimmelshauſen duch: 
aus als der Verf., ber feine Arbeit beſtens zu empfehlen 
fuchtz fa eignet er fich hier alfo auch dieſe Arheiten gan 
zu, vom denen Dis erſte in der erwaͤhnten Vorrede zun 
„Simpliciſſimus“ ebenfalls als deſſelben Verf, Wert ange⸗ 
kuͤndigt wird, von welchem im beiden Debicationen gar 
nicht die Rede ift. Die Debication vor dem ‚Ratio Status“ 
endlich iſt gerichtet an Krafft von Crailsheim zu Neuhaus 
u. f.w. und datirt: „Bheinnec den 26. Juli Anno 1670", 
und bier heißt es wieder, Srimmelshaufen habe diefes Kerl, 
auf defien Titel er fich, wie wir eben gefehen, gan; offen 
für den Verf. ausgibt, in dem Nachlaſſe des Coma 
Greifenſon von Hirfchfeld gefunden. 

Ale diefe Umſtaͤnde muͤſſen im befagtem Grimmelt: 
haufen entweder einen fehr unverfhämten und doc ja: 
gleich ungeſchickten Betrüger erfennen laffen, oder ihn mit 
dem Verf. des „ SAmpliciffimus” zu einer und berfeihen 
Perfon machen. Und dies Letztere wird ganz entfhiem 
beftätigt durch einige an Grimmelshauſen gerichtete ib 
gedichte, die nad der Bitte der Zelt vor und hinte 
„Dietwalt und Amelinde” und „Proximus und Lnıpide” 
abgedruckt find. Ich ſetze das erfle und zugleich Kür 
bavon bBierher: 

Der Grimmieshaufer mag fich mie auch bei den Alten 
der alt Protheus thät, in mancherley Geſtalten 

verändern wie Er will, fo wird Er doch erfandt 

an feiner Feder hier, an feiner treuen Hand, 

Er ſchreibe was Er woll, von ſchlecht — von hohen Eachen 
von Schimpf, von Ernft, von Schwänden bie zu Laden machen 
vom Simpliciseime, der Mender und bem Knan 

von ber Courage alt, von Weiber ober Mann 

vom Frieden oder Krieg, von Bauren und Goldaten 
von Aenderung eins Staads, von Lieb von Heldenthaten 
fo blickt body klar herfür, daß Er nur Fleiß ankehr 
wie er mit Luft und Nug den Weg zur Tugend Iehr. 
Diefem Opo (sie!) und deffen Autore zu Ehren ſchreit 
biefes deffen ergebener Sylvander. 

Hier wird alfo Grimmelshauſen geradegu als Verf. di 
„Simpliciſſimus“ bezeichnet, und nicht etwa, wie mar 
noch vermuthen könnte, blos als Werf. des ſechsten Buhl, 
denn bie „Meuder und der Knan“, d. h. des Gimp 
ciſſimus Mutter und Water, kommen nur in den ef 
fünf Buͤchern vor; auch das längere Gedicht hinter „Die 
walt und Amelinde’ bezieht fich ganz deutlich und ber 
zugsweiſe auf das zweite Buch des Romans, und in dm 
vor „Proximus und Lompida“ wird Grimmelshauſen dl 
ein allbefannter Schriftſteller begrüßt. Ich halte es nun 
zwar nicht für unmöglich, daß, wie Cervantes vor ſeinem 
„Don Quixote“, ſo auch Grimmelshauſen diefe kLobgediche 
auf fich ſelbſt verſertigt hat; dee Name, mit dem dal 
letzte unterzeichnet if, Urban von Wurmsknick af 
Sturmdorff“, kann es ſogar wahrſcheinlicher machen; Mi 
ee aber auch feine Identitaͤt mit dem Verf. ſelbſt ge 
macht babe, kann man daraus nicht folgen; zu der Ir 
nern Unwahrfcheinlichkeit einer ſolchen Anmaßung kommt 
nämlich endlich) noch ber ganz ſchlagende Grund, dab de 
Name Chriftoffel von Grimmelshaufen mit ben beiden 





höher bekannten, Samuel Greifenſon von Hirſchfeld und 
German Schleifheim von Gulsfort, ebenſo anagramma> 
tiſch mefammmenfälle wie diefe beiden untereinander. 

So glaube ich denn hiermit ganz volllommen nad 
gewieſen zu haben, daß Grimtmelshaufen eine und biefelbe 
Perſon mit dem Verf. des, Simpiicifiimus’’ If, den wir nun 
alſo bereits umter drei nur anagrammatifch verfchiedenen 
Kamen kennen, bei denen es aber auch nicht bleiben wird. 

Aus der Gleichheit diefer Namen ergibt fich erſtens 
ganz unwiderleglich die Echtheit des ſechsten Wuchs, bei: 
fen Beſchluß wir von dem Verf. felbft mit feinem britten 
Namen unterzeichnet finden. Es ergibt ſich daraus fer⸗ 
nee die Echtheit derjenigen Simplicianiſchen Schiften, 
welche theils in der Vorrede zur dritten Originalausgabe 
(oben I) angekündigt, theile mit dem Namen Grimmels: 
haufen bezeichnet find; es find dies folgende: „Ewigwaͤh⸗ 
render Calender““, der „Satyriſche Pilgram”, die ‚Land: 
förkerin Courage“, der „Abenteuerlihe Springinsfeld“, 
„Der keuſche Joſeph ſammt feinem Diener Mufai’’, „Diet: 
malt und Amelinde‘‘, der ‚Ratio Status” und „Prorimus 
und Enmpida”. Won den Titeln der dritten und vierten 
diefer Schriften entnehmen wir einen vierten Namen bes 
Verf. Philarhus Grofius von Trommenheim, welcher 
fih (dom auf dem Titel dee ‚Courage‘ durch den Zufag: 
„der fih diesmal nennt” deutlich genug als Pſeudonymus 
verräth *), und mit dem drei bisher bekannten ebenfalls 
anagrammatifch zufammenfällt, indem er fih bis auf ein 
überflüffiges m in Gheiftophorus von Grimmelshaufen 
umfegen läßt. 

Die Debication zu „Proximus und Lymwpida“ iſt 
vom 21. Juli 1672 unterfchrieben, bis zu diefem Datum 
nüffen wir nun alfo auch die Lebenszeit des Verf., den 
man fonft ſchon vor 1669 fterben ließ, vor dee Dand 
ausdehnen, und daraus folge denn endlich wieder, daß 
die dritte Drkginalausgabe des Romans, die diefer Unter: 
ſuchung hauptſaͤchlich zu Grunde liege, noch vom Berf. 
ſelbſt deſorgt If. 

Ich wende mich nun zu den üͤbrigen Namen, die auf 
den Titeln der oben verzeichneten Schriften vorkommen. 
Signeur Meßmahl (f. im obigen Vergeichnig AI, b) gibt 
anagrammatiſch verſetzt Scimmelshaufen. Michael Me: 
guiin von Sehmsderf (IV, e, d), Erich Statnfels von 
Grufensholm (V, b), Simon Lengfrifh von Hartenfels 
(V, ce), Iſrael Fromſchmidt von Hugenfelß (V, k) und 
Melchior Sternfels von Fuchsſshaim, der dem Simpticiffi: 
mus felbft beigelegte Name, fallen bis auf geringe ortho> 
graphifche Unterfchiebe alle auf diefelbe Weiſe mit Chriftof: 
fl von Grimmelshauſen zufammen, **) So haben wir 


*) Gewinus, Bd. 3, &. 388, erſte Aufl., führt biefen Phi⸗ 
larchus ats einen vom Verf. des „Simpliciffimus‘ verichiebenen 
Eihriftfteller an. 

*“) Der erfte diefer Namen ift zu biefer Umfegung Michael 
Resulin von Sehmstorff zu fchreiben, was dadurch beſtaͤtigt 
wid, daß die Buchſtaben, in bie der Name auf dem zweiten 


Theile des „Wogelnefts‘ zerlegt ift, gerade diefe Schreibung ges 


ber; bei dem zweiten ift einmal m für n, bei dem dritten eins 


| malm und einmal u für n zu fegen, genauer würde alfo bie 


Schreibung Leugfriſch entfprechen, bie, dem Charakter der betzefs 


nicht weniger ald zehn Namen fir diefen einen Mann 
6 ein großartiges Zeugniß für die anagrammatifche Ges 
ſchicktichkeit feiner Zeit, und wie können nun afle bie 
Scheiften dem Verf. des , Simpliciſſimus““ mie Sicher 
beit beilegen, auf denen fidy einer jener Namen findet, 
was noch mehr dadurch beflätige wird, daß fich in vielem 
berfelben Hinmwelfungen auf eine oder mehre derfelben als 
demfelben angehörig finden. 

Auch ein chronotogiſches Moment gewinnen wir hier: 
aus noch: in dem „Galgenmaͤnnlein“ nämlich von Ifrael 
Fromſchmidt von Hugenfelß bildet ein Brief die Grund: 
lage des Ganzen; biefer iſt unterfchrichen: „‚Hercinen den 
39. Jubi 1973 (ſtatt 1673), wodurch ſich feine Lebens: 
zeit noch um ein Jahr verlängert, ſodaß mir feinen Tod 
früheftens in die zweite Hälfte des Jahres 1673 fegen 
dürfen. Vor 1683 aber ift er jedenfäus geftorben, denn 
bie Vorrede zu dee Ausgabe von diefem Jahre, die der 
Verleger Felßecker unterzeichnet, behandelt ihn entfchieden 
und ohne alle Spur einer Moftification als einen Tod⸗ 
tm. Liber die Geburtszeit des Mannes habe ich in allen 
diefem Schriften nur eine, nicht ganz fichere Notiz gefuns 
den. Im „Ewigwährenden Galender” (S. 46) fagt er: 
„Amno 1635 wurde ich in Knabenwelß von ben Heffen 
gefangen’; wenn wir nun annehmen, daß hiemit feine 
Eriegerifche Dienftzeit begonnen, die er, wie oben erwähnt, 
in der Vorrede zum ‚‚Satyrifhen Pilgram“ von feinem 
zehnten Lebensjahr an rechnet, fo würden wir als fein 
Geburtéjahr 1625 ſetzen muͤſſen, wonach er ein Alter von 
mindeftens 48 Fahren erreiche hätte; er bezeichnet fich 
zwar mehrfach, als einen bejahrten Mann, doch dürfte 
das keinen fo unbedingten Glauben verdienen. 

Was endlich die noch übrigen anonymen Schriften 
(in dem obigen Verzeichniß V, g, h, i, |, m, n, o, p) 
beteifft, fo gibt jezt die Vereinigung derſelben mit den 
übrigen als echt ertviefenen ein bedeutendes Präjudiz auch 
für ihre Echtheit ad; ale Innern Gründe fprechen für 
dieſelbe; aͤußere Gründe aber dürften ſchwerer nachzuwei⸗ 
ſen ſein. Von ausdrücklichen Beziehungen auf die als 
echt anerkannten Schriften habe ich nur eine gefunden, 
in der „Traumgeſchichte von Dir und Mir“, (S. 727) 
auf „Simpliciſſimus“, Buch 5, Cap. 9, welches über: 
haupt eine Lieblingeflelle des Verf. iſt; und des „Sims 
plieiffimus wunderlihe Baudeltafche” (V, 0) iſt offenbar 
baffeibe Buch, welches im „Springinsfeld”, Cap. 7, un: 
ter demfelben Namen ausführlich befchrieben wird. Ich 
bin indeß von der Echtheit auch diefer Schriften fo Über: 
zeugt, daß ich mir an einigen Stellen eine Berufung auf 
fie erlauben werde. 

Zunaͤchſt muͤſſen wir nun fuchen, die chronofogifche 
Aufeinanderfolge der als echt erwiefenen Schriften auszu⸗ 


fenden Schrift hoͤchſt angemeffen, vielleicht nur deshalb vermier 
den wurde, um nicht einen zu fprechenden Sinn in den Ramen 
ſelbſt deutlich hineinzulegen; bei bem vierten muß man bie For⸗ 
men Fromſchmit und Hugenfeld zu Grunde legen, dies beweift 
zugleih, daß die Deutung dieſes Namens bei Joͤrdens, Bd. 2, 
©. 4323 (f. oben V, k) faliſch iſtz bei dem fünften einmal ch 
für g fegen; alles Veränderungen, die in jener Zeit keine Schwies 
rigktit machen. 





mitteln; bie anomymen übergehe ich dabei, weil ich im 
ihnen keinen Anhalt zu chronologiſchen Beſtimmungen 
gefunden habe.“) Mehrfache Abweichungen, die ſich hier 
von Echtermeyer's Anordnung finden werden, werden 
hoffentlich durch die folgenden Bemerkungen zur Genüge 
gerechtfertigt erfcheinen. 

Die Vorrede zur befondern Ausgabe des „Satyriſchen 
Pilgram“ iſt unterfchrieben: Hybspinthal, den 15. Gebr. 
1666 **); dies iſt die frühefte Zeitangabe in allen Sim: 
plicianiſchen Schriften und weift deshalb dieſer Schrift 
den erſten Platz an; daß fie vor bem „ Simpliciffimus 
erſchienen, fagt der Schluß mit ausdrüdlihen Worten. 
Daß aber dennoch in bderfelden Schrift ſchon eine Stelle 
aus dem „Simpliciſſimus“ angeführt wird, habe ich ſchon 
oben al& einen Beweis von der mehrjährigen diefem Ro⸗ 
man gewibmeten Arbeit angeführt. Dann werden wol 
„Der keuſche Joſeph“ und „„Dietwalt und Amelinde“ fols 
gen, da von erſterm bereits 1671 bie zweite, um ben 
„Mufai’ vermehrte Auflage eriheint, letzteres Buch aber 
nach des fehr forgfältigen Koch Wermuthung ***) mit eis 
nem fchon 1668 zu Frankfurt a. M. anonym erſchiene⸗ 
nen Roman „Almerinde“ identifch iſt. Wenn diefe drei 
Schriften in der eben angeführten Ordnung in der mehr: 
erwähnten Vorrede zum ‚Simpliciffimus‘ als naͤchſtens 
erfcheinend angelündigt werden, fo läßt ſich das ohne 
Zwang von neuen Auflagen verftehen. Nun erfcheint dee 
„Simpliciffimus‘, 1669, zuerft fünf Bücher, aber ſchon 
im Fruͤhlinge deſſelben Jahres ift auch das ſechste Bud 
vollendet. Ihm fchließe ich zunaͤchſt die Schriften an, 
bie in ber Vorrede zum zweiten Theile des ‚, Vogelneſts“ 
und durch den fie verfnüpfenden Zuſammenhang des 
Stoffs als ein Ganzes bezeichnet werden: „Courage“, 
„Springinsfeld”, „Vogelneſt“ Theil I und 2; diefe Ord⸗ 
nung weift ihnen fowol der Zufammenhang der Erzäh: 
lung +) als auch, den zwei erfien, meine Originalausgabe 
an, worauf ich mehr Gewicht legen zu müflen glaube als 
auf die umgekehrte Stellung der beiden erften in der 
erwähnten Vorrede zum „Vogelneſt“ und in ber Ausgabe 
von 1685. Nun kommt der „Ewigwährende Calender“ 
und der „Ratio Status”; den erflern fegt das Chronoſti⸗ 
hon auf dem Titel in das Jahr 1670 und noch be: 
flimmter beißt es S. 92: „des Simplicifjimus Le: 
bensbefchreibung iſt vorm Jahre das erſtemal gebruct 
worden”; Iegterm weit das Datum der Dedication 
die Mitte des Jahres 1670 als Entficehungszeit an. So: 
dann „Proximus und Lympida’’ vom 3. 1672, ebenfalls 
nach der Dedication, und von demfelben Jahre das „Rath: 
ſtuͤbel Plutonis““, worin es mit deutlihen Worten beißt, 
daß es unmittelbar nach dem vorigen, noch vor Veröffent: 
lichung deffelben, verfaßt fei. tt) Die drei noch übrigen 


*) Im „Btolzen Melcher“ weiſen jedoch gefchichtliche Beziehun⸗ 
gen auf das Jabr 1667 oder 1668. 

**) Jordens, Bd. 2, &. 429. 

***) „Sompenbium ber beutfchen Eiteraturgefch.”, Bd. 2, &. 258 

+) Bergi. namentlich „Simpiicifiimus”, Bud 9, Gap. 9; 
„Gourage”, Sap. 24; „Springinsfelb”, Cap. 9. 

++) „NRatbftübel Plutonis“, Gap. 7. 


Schriften laſſe ich in der Drbiuumg folgen, welche ihnen 
die erſte Geſammtausgabe von 1683 anweiſt: Teniſche 
Michel“, durch ein Chronoſtichon auf dem Titel dem J. 
1673 angewieſen, „Verkehrte Welt *), „Balgenmin: 
fein”, aus weichem das Datum, ben 29. Juli 1673, 
ſchon erwähnt iſt; die legte dieſer Schriften wird Aber 
dies in der erfien als noch bevorfichend angekündigt. *) 
So gewinnen wir alfo nachſtehendes chronologiſches 
Verzeichnis echt Simpliciantfcher Schriften: 
1666 Schwarz und weiß ober Gatyrifcher Pilgram won 
Samuel Breifenfon von Hirſchfeld. 
1667 — 68 Keufcher Joſeph fammt feinem Diener Mufat von 
Demfelben. 
1668 Dietwalt und Amelinde von GChriftoffel von 
Grimmeishaufen. 
1669 Simpiiciffimus, fee Bücher, von German 
hleifhbeim von Sulsfort. 
Courage von Philarhus von Trommenpein. 
Springinsfeld von Demfelben. 
Bogelneſt, zwei Zheile, von Michael Regulin 
von Sehmsdorf. 
Ewigswährender Kalender von Melchior Stern: 
fels von Fuchſsheim. 
Ratio Status von Chriſtoffel von Grimmels— 
haufen. 
Proximus und Lympiba von Demfelben. 
1673 <Ratbftübel Piutonis von Erich Stainfels von 
Srufensholm. 
Zeutfher Michel von Signeur Meßmahl. 
Verkehrte Welt von Simon Lengfrifd vor 
Hartenfels. 
Gaigenmaͤnntein von Iſrael Fromſchmit von 
Hugenfels. 
(Die Fortſetzung folgt.) 


*) Am Schluffe diefer Schrift wirb die 1672 entdedte Bau: 
mannshöhle genannt, wodurch die Richtigkeit obiger Zeitdeſtim— 
mung außer Zweifel gefegt ift. 

*) „Teutſcher Michel”, Cap. 12. 

***) Der Mufai fällt eigentlich exft Hinter ben „Ratio Status"; 
f. oben II, a. 


1669— 70 





1670 | 


1673 





titerarifhe Anzeige. 


Durd) alle Buchhandlungen des In: und Auslandes if ven 
I A. Brockhaus in Eeipzig zu beziehen: 


Geſammelte Schriften 
von 
Sudwig Nellttad. 
In zwölf Bänden. 


Zweite Rieferung, ober vierter bis fechster Sant. 
Gr. 12. Geh. 3 Thlr. 

‚ Die erfte Lieferung (Band 1-3) diefer Ausgabe entil 
bie erften brei Theile des in britter Auflage erfcheinenden bi 
ftorifchen Romans „RELB’; die zweite Lieferung den Schluj 
von „ABLE, „Sagen und romantiſche Erzählungen 
und „Kunſtnovellen“; bie dritte und vierte Lieferung mtr 
den Novellen, Dramatifche Werke, Gedichte, Bi: 
gen, Pritifhe Mrbeiten und vermiſchte Schriften 
enthalten und in kurzen Zwiſchenraͤumen erſcheinen. | 

Einzelne Lieferungen diefer Nusgabe Fönnen 
nicht getrennt werben. | 


VBerantwortliher Heraußgeber: Heinrih Brodhbaud, — Drud und Berlag von F. 4. Brodhaus in Leipzig. 








Blätter 


fir 


literarifhe Unterhaltung. 





—** von Grimmelshauſen, dee Verfaſfſer 
des Abentenertihen Simpliciſfimus 
dJdortſerung aus Ne. 200.) 

CR mem 206 bie Frage übrig, welcher ımter die: 
fin zehn Ramen des Berf. wahrer und wieklicher fei? 
Dean den biäher dafür geltenden, Greifenfen, giaube ich 
keineswegs umbedingt dafür anerkennen zu maflen. Es 
beruht diefe gewoͤhnliche Annahme lediglich auf der Wer⸗ 
fierung in dem Beſchluſſe des ſecheten Wuchs, denn bie 
anagrammathſche reinſtimmung Bat jetzt, wo wir fie 
in zehn Namen gefunden haben, natuͤrlich kein ausfchließ- 
liches Gewicht mehr für einen derſelben. jene 
ſſcherung anlangt, fo hat fie alle Glaubwurdigkeit verlo⸗ 
rn, ſobald man annimmt, daß unter eben jenem Be⸗ 
ſchluſſe der Berf. ſchon wieder mit einem andern Ramen 
auftsitt; e6 wdre ja ganz wumerflärtich und widerfinnig, 
man er in Demfelben Augenbildle feinen rechten Ramen 
nennen wolle, two er einen andern, demnach fingirten, 
sunimmt. Daß er auf dem Titel einiger Schriften voirk 
Ich den Raraen Greifenfon führt, ift ebenfo wenig em 
rund für Ute Authemnticitaͤt deſſelben. 

Man nıwf jedenfalls ſuchen, den wahren Namen aus 
tier In der Sache Tiegenden Indieien aufzufinden. Da 
iſt es deum zumaͤchſt hoͤchſt wahrſcheinlich, daß der Werf. 
ſeinen Namen ba genannt haben wird, wo er :den wenig⸗ 
im Srund hatte ihn zu verbergen, d. b. auf den eat 
ten, die die wenigſten fatfrifchen Elemente enthalten; dies 
ſind, Joſeyh und Muſai“, „Dietwalt und Amelinde”, 
„Prormus und kynpida“, wonach die Namen Greiſenſon 
und Grimmelshauſen die gleiche Wahrſcheinlichkeit für 
fi haben 

Ferner hat gewiß der Name das meiſte Recht, für den 
wahren gehalten zu werden, der mit andern geſchichtlich 
treuen Notizen in Berbindung flieht, und dies iſt nur 
da der Fall, wo der Name Grimmelshaufen unter den 
an hiſtoriſch nachweisbare Perfonen gerichteten, mit Drt 
und Datum untergeichneten Zueigaungsichtiften fieht, wels 
der Name üͤberdies allein bie beſtimmte Bezeichnung des 
Vaterlandes, Geinhauſen, und, wenigſtens andeutungs⸗ 


weiſe, des Standes und Mohnortes, P. zu Cernhein, 


bei Ah hat. Dieszu kommt endlich noch, daß nicht leicht 
ein ſingirtre, fehr wol abee ber wahre Name mit den 
blojm Buchſtaben bezeichnet werden konute, wie dies um: 


ser dem Beſchluſſe des„Simpliciſſimus“ geſchieht; we 
alſo der noch immer halb verkappte Verf. abſichtlich ei⸗ 
nen folſchen Namen für den rechten ausgibt, um ben 
Leſer deſto gründlicher irre zu fiihren. 

Soprechen alle diefe Umſtaͤnde ſehr Mark dafkr, daß 
ber Verf. des „Simpliciſſinms mit feinem wahren Na— 
men Grimmelthauſen geheißen habe, fo iſt nun nech Aue 
Beweis zu führen, daß bie verſchiedenen geſchichtlichen, 
geograpbifchen ud cheonologiſchen Notizen, die ſich in 
den Simpsicianifhen Schriften zerſtreut finden, fowel an 
fi nichts entfchleden Falſches enthalten, als auch meit 
dem Namen Geimmelshaufen in paflenten Zuſammen⸗ 
bang gebracht werden innen. So Lange dieſer Bewcis 
nicht geführt wird, mas mis Grelfenſon nie gefchehen iſt, 
wird immer wenigſtens die Wenmuchung offen bisiben, 
daß der Name Geimmelöbaufen ebenſo ein fingirtex fei 
wie die neun andern. 

Orimmedshaufen nennt fi auf dene Titel ber unter 
biefem Namen erſchienenen Schriften Gelahusanus; waß 
bee Merf. des ‚„Simrpkkeiffinaus” wirklich -aus Gelnhaufes 
ſanmte, hat Echtermeyer nachgewieſen.“) Sodann bie 
Perſonen, an welche die drei oben beſprochenen Dedicatio⸗ 
wen gerichtet find, laſſen ſich genau nachweiſen: Philip⸗ 
Hamibai von Schauenburg war 1685 Director bie 
ſchwaͤbiſchen Ritterſchaft am Meder **); Maria Diesothes 
von Fleckenſtein vesheisashete fü) 1661 oder 1662, alſo 
ae oder zehn Fahre nach der ihr gewimmein Aueige 
nung, mit Welfgang Heinrich von Goͤllnitz, uniriembergis 
ſchem Jufigash ***); Kraft von Erailsheim auf New 
baus Iechte von 1001 — 1703 +) und murbe 1.708 
mastgeäflich s anfpachifcher GSeheimrath und Dbeeneigt der 
Reſidenzſtadt. +4) Die Weubindung, in ber Grimmelo⸗ 





*) — umb noch einige zunaͤchſt folgende Notizen bat .r 
termeyer dem fpäteen n um „Gimpliciffimus ”, a 
Cap. 2 2, Sntnommen; bier ift ausdrüdiich von des Verf. Bas 
terlande Geinhauſen“ die KRede; auch bie Ausgabe von 1683 
enthält diefe Zufäge, die ich Aberfehen, da ich mich nur an bie 
ältere Originalausgabe hiett. 

”*) Zedler, „Univerfaisteriton”‘, Wi. 34, &. 10328, 
j. ) Bedler, Bd. 1194; Hübner, „Genealogiſche Zabek 

n”, 
9 Biedermann, ei der Ritterſchaft zu Fran⸗ 
ten, Orts Steigerwald”, Tab. 13. 

++) edler, Bd. 10, ©. — 8 


« 1946 


haufen mit dieſen Familien geſtanden haben muß, laffen 
uns ihn an ben Ufeen bes Medar oder des beutfchen 
Oberrhein auffuchen; audy der „Simpliciſſimus“ vertaͤth, 
namentlich im fünften Buche, eine fehr genaue Kenntniß 
jewer nd, und eben dahin führen auch die Qtesna⸗ 
mm, Ge in den verfchiedenen Unterfchriften ber Stmpiis 
ciantfhen Schriften vorkommen; der eine berfelben frei: 
ih, Hpbspinthal*), klingt fehr fabelhaft, und ich habe 
ihm bis jest auf keine Weife beitommen können; dage: 
gen alle die andern, Rentchen **), Rheinmec ***), Gern: 
bein +), Dercinen TF) find wieder ein und derfelbe Name, 
nur anagrammatiſch verlegt; als Grundform aber madıt 
a ſogleich die Form Renichen kenntlich, da die Schrei⸗ 
bung der uͤbrigen Ortsnamen ſichtlich nach jener geformt 
iſt. Meine Vermuthung, daß dieſes Renichen das jetzige 
Renchen, im Großherzogthum Baden, Amt Oberkirch ſei, 
wird von Echtermeher FF}) zu völliger Gewißheit erhoben. 
Die Unterfchrift P. zu Cernhein iſt nun entweder durch 
Pater oder durch Praetor zu Menichen aufzuloͤſen; dage⸗ 
gen, daß Grimmelshaufen dem geiftlichen Stande ange: 
Hört habe, ſpricht fchon feine Theilnahme an dem Dreißig⸗ 
jährigen Kriege; volle Gewißheit aber, daß er ein richter: 
liches Amt bekleidet, gibt wiederum jener fpätere Zufag zum 
„Simpliciſſimus“, Buch 1, Gap. 2, auf weldyen Echter: 
meyer aufmerkſam gemacht hat; dort heißt es, daß der⸗ 
fette ‚‚fehe an fürftlichen Höfen beliebt, auch in einem 
Hochfürfttich Hifchöftichen Amt am Schwargwald bei Straß: 
burg, zu Renchen, im Schulzen: Dienft geſeſſen war”. 
So Haben wir alfo fichere und ziemlich ausreichende 
Nachrichten über Grimmelshauſen's äußere Leben aufge: 
funden, die alle zu der vollen lberzeugung führen mäfs 
fen, daß wir in ibm den wirklichen und wahcen Verf. 
ale Simplicianifchen Schriften zu erfennen haben. Ich 
halte endlich noch die Frage nicht für mäßig, welcher 
Confeffion Grimmelshaufen angehört babe: in Ermange: 
lung beſtimmter Zeugniffe führen alle Umftänbe. darauf 
bie, ihn für einen Proteflanten zu halten, denn bem 
einzigen einigermaßen entgegenfliehbenden Grunde, daß er 


in bifchöflichen Dienften geftanden, glaube ich eim ent: | 


ſcheidendes Gewicht nicht beilegen zu dürfen. Fur feinem 
Proteſtantiemus aber. ſpricht Kolgendes: in feiner Vater: 
ade Gelnhaufen und in ber Gegend, mo er feine fpd 
tern Lebensjahre zubrachte, üherwiegt entfchieden der Pro: 
teſtantismus; bie Samilien, deren Gliedern er feine Schrif: 
ten gewibmet hat, find meines Wiſſens alle proteflantifdy; 
ebenfo erfcheinen fie in einem proteflantifchen Verlagsort, 
Nürnberg. So ſprechen alfo die dußern Umflände für 
meine Anficht, die ich noch beſtimmter ‚aus den Schriften 
Grimmelshaufen’s glaube vertheidigen zu koͤnnen. Zwar 

*) „Gatyrifcher Pilgram‘’, Vorrede ber befondern Ausgabe; 


„Dietwalt und Amelinde”, Debdication. 
**) „Proximus und Rympiba’‘, Debication. 


*..) „Simpkeiffmus”, Buch 6, Belhluß; „Ratio Status“, 


MDeditation. 
+) „Simpliciffimue”, Bud) 6, Beſchiuß; „Ratio Status’, 
Rn 


on. 
) „Galgenmaͤnnlein“, Unterfchrift. 
+») „Simpticiffimus”, Buch 1, Gap. 2. 


wallfahrtet Simpliciſſimus nad Einſiedeln, zwar beginnt 
and befchließt er fein Leben als Einfiedier, aber die Hals 
ligkeit dieſes Standes wird von einem rein menfhliden, 
nie von einem fpeciell dogmatiſchen Standpunkt aus 
gepriefen, und nad Einfiedda und gar Meicke dafeinf 
treibe ihn alles Andere eher als religioͤſer oler ger caufc 
fioneller Eifer *); die einzige kirchliche Partel, der dirertef 
Lob gefpendet wird, find die Wiedertäufer in Ungarn “) 
mehr freilich in focialer als in dogmatiſcher Hinſicht, um 
wenn ihnen zugleidy Keterei vorgeworfen wird, fo konnte 
dies ebenfo gut von proteſtantiſchem als von katholiſchem 
Standpunkt aus geſchehen. Sonſt erinnere ich mid, in 
allen ianiſe nur Einer. Stelle, di 
ein beflimmtes Religionsbekenntniß des Verf. enthält"), 
und ba heißt es: „er bekenne ſich zur alten Religien 
doch nicht zur roͤmiſchen, noch zur juͤdiſchen“; dem 
wenn der Simpliciſſimus bei Gelegenheit feiner Wattfahrt 
nad) Einfiedeln erklärt: „er babe bis dahin keine Reli: 
gion gehabt und fi mus öffentlich zur katholiſchen ke 
kannt“, fo gilt das offenbar nur von der Perfon dei 
Romanhelden, nicht von ber des Verf.; auch die Be 
tanntfchaft, die Grimmelshauſen mit Luther's Schriften 
verräth F), dürfte für mich ſprechen. Endlich ift bie 
ganz beſonders in Betracht zu ziehen die Schrift „Warumb 
Er nicht katholiſch werden könne?” ++) In biefem Die 
log wird zwar Simpliciffimus ſchließlich zum Katholicit 
mus bekehrt, aber eben die Art, wie es geſchieht, fprict 
mir für des Verf. Proteflantiemus: es werden dort naͤm⸗ 
lich viele. Dogmen des Katholicismus, die Werchrung der 
Maria, die Lehre von Fegefeuer, ber Bilderdienk, die 
Abendmahlsfeier unter einer Geftalt, die Heiligenaube⸗ 
tung, in ſtark protefiantiihem Sinne mehr entſcholdigt 
als gerechtfertigt, worauf denn Simpliciſſimus ſchließlich 
erklärt: „folcher Geſtalt mag der katholiſche Glaube 
wol recht fein’; der Kern alles Katheolicismus aber, di 
Suprematie des Papftes, wird in dem ganzen Geſptaͤche 
nicht mit einem Worte berührt. Deutzutage mögen mel 
aufgelärte Katholilen ihre Sache auf biefe Weile ver 
fechten; im 17. Jahrhundert aber wuͤrde ber entfchledt 
und Elare Grimmelshauſen, der im Glauben nichts we 
niger als ſchwach war TFT), einen ganz andern, wahrſchein 
ih einen myſtiſchen Ton angefchlagen haben, wenn « 
den Katholicismus ernſtlich hätte vercheidigen rollen. Aus 
alten dieſen Gründen glaube id in Grimmelshanſen bit 
auf weitere, fehr fchlagende Gegenbeweife einen Proteflas: 
ten erkennen zu müflen, zu deſſen mannichfachen Cır: 
dienfien wol auch das gerechnet werben mag, daß er 
fih von allen Spigfindeleien in religidfen Dingen nad 
von der Verkegerungsfucht feiner Zeit fo frei zu 1 

*) „Simpliciffimus”, Buch 5, Sap. 1, 2. 

) „‚Simpticiffimus, Bud 5, Sap. 19. 

*e) „‚Reifebefchreibung nad; ber obern neuen Mondewell 
(V, i), ©. 783. 

+) „Zeutfcger Michel”, Gap. 9. 

+}) Im obigen Vergeichniß V, m. 

+44) Bon 


ſcher Pilgram“, Buch 1, Gap. 10. 





erereien und Zaubereien weiß er gar viel gu em | 
zaͤhlen: „Simpticiffimus‘, Bu Gap. 17, 18; „Satytri⸗ 


JAH \ 


halten send: bat, ia letztere mit ansbehdlihem Kabel 
belegt. * ‚a 

Yun biefen ausſchließlich auf kritiſcher Combination 
beruhenden Reſultaten mußte ich wuͤnſchen wo moͤglich 
noch diplomatiſch Geſichertes hinzufuͤgen zu koͤnnen. Aus 
Grimmelshauſen's Vaterſtadt, Gelnhauſen, wurde mir auf 
desfallſige Nachftage nur die Gewißheit, daß dort über 
eine Familie des Namens nichts zu erfahren, da die dor⸗ 
tigen Kirchenbucher nicht über 1720 hinaufreichen und 
überall feine Aufzeichnungen aus der Zeit des Dreißigjäh: 
rigen Kriege, nach welchem fich dort eine völig neue 
Einwohnerfchaft zufammenfand, vorhanden find. Dage: 
gen verbanfe ich der Güte des Deren Archivdirectors Done 
in Karlerube den Beweis, daß eine Samilie Srimmels: 
haufen in Renchen wirklich anfaffig gewefen: in dem 
großherzoglich badiſchen Landesarchive findet fich nämlich 
ein Kaufbrief von 1711, den ein Chriftoph von Grim: 
melshaufen, vielleicht der Sohn unfers Schriftftellere, da: 
mald Hauptmann und Poftmeifter zu Renchen, ausge⸗ 
flelt hat; ald Wappen der Kamille zeigt derfelbe zwei 
ausgebreitete Fluͤgel, zwiſchen welchen ſich oben und un- 
ten je drei krumme Nägel befinden. 

So ſchließe ich denn diefe Unterfuchung mit bem An: 
trage, ben Samuel Sreifenfon von HDirfchfeld 
endlich aus der Gefchichte der deutfchen Literatur abzu: 
(haften, ag feine Stelle aber Hans Jakob Chriftof: 
fl von Grimmelshauſen zu feben, von dem wir 
num Folgendes wifien: Srimmelshaufen iſt geboren 
in Geinhaufen um den Anfang des Dreißigjährigen 
Kılegs, vieleiche 1625, und gehört dem proteftantifchen 
Glauben anz in feiner Jugend that er Kriegsdienfte, 
fpäter ftand er in bifchöflihen Dienften und war in fel: 
nen legten Lebensjahren Schulcheiß zu Menden am 
Schwarzwald, wo er großer Adytung und mehrfacher 
Berbindung mit bedeutenden Familien fidy erfreute; er 
ſtarb fruͤheſtens nach der Mitte des J. 1673, jedenfalls 
vor 1683. Erſt in feinen fpätern Lebensjahren ſcheint 
er ald Schriftfteller aufgetreten, dann aber auch um fo 
thätiger geweſen zu fein. 

Das Refultat der vorfiehenden Unterfuchung iſt fchein- 
bar ein fehr geringes: an die Stelle eines unbelannten 
Namens wird ein anderer, nicht viel befannterer geſetzt; 
das Lebensziel biefes Mannes wird um etwa vier Sabre 
über die gewoͤhnliche Annahme hinausgeruͤckt, und eine 
Anzahl bisher faſt herrenloſer Schriften wird unter Einem 
Namen in ziemlich genau nachweisbarer Ordnung ver: 
einige. Sobald man mir aber zugeben muß, daß ber 
Zuftand der deutfchen Literaturgefchichte bis jetzt noch ein 
folder ift, dee fehr viele fpectelle Unterfuchungen verlangt, 
ehe er fi Schritte für Schriet dem Ziele nähern kann, 
weldyes die neuere Zeit ald das einzige biefer Wiſſenſchaft 
würdige zu erkennen angefangen bat, bann wird man 
wol geneigt fen, auch der vorliegenden Unterfuhung ein 
höheres Intereſſe nicht abzufprehen. Sept erſt ift es 


) Keiſebeſchreibung na ber obern neun Monbömelt, 
©. 783 fg.3 Wogelneft, Theil 1, Gap. 4. 


möglich, über en aigenthümlicden ſcqhrifiſelaxiſchem Char 
rakter Grimmelshauſen's und über feine Stellung in dem 
Entwidelungsgange des deutſchen Literatue ein richtiges 
Urtheil zu verſuchen. Diele Aufgabe foll der zweite Ab⸗ 
ſchnitt meiner Abhandlung zu loͤſen verſuchen. 


2. Refultate. 


Hauptſaͤchlich durch Gervinus iſt nachgewieſen, wie 
ſich der Gang der deutſchen Literaturgeſchichte ſeit der aͤl⸗ 
teſten Zeit in fortwaͤhrenden Gegenſaͤtzen bewegt, deren 
allgemeinſte Grundlage die iſt, daß auf der einen Seite 
eine kuͤnſtleriſch ausgebildete, von einem beſtimmten Ideale, 
weiches bei dem fruͤhern Zuſtande der nationalen Bildung 
meift dem Auslande entlehnt fein mußte, erfüllte, deshalb 
zu gleicher Zeit hochſtrebende und body beſchraͤnkte Kunſt⸗ 
poefie ſteht; ihr gegenüber aber ſich eine unbewußte, durch 
Eeinerlei conventionnelle Schranken gehemmte, echte Volks: 
dichtung entwidelt. So ſtehen fi, fofort nach allgemei⸗ 
nerer Einführung bes Chriſtenthums geiftliche und welt 
lihe Dichtung gegenüber; fo geht neben dem ritterlicyen 
Minnegefange und fpäter neben dem bürgerlichen Meiſter⸗ 
gefange eine ununterbrochene Volkspoeſie ber; fo ſtehen 
fih im Minnegefang felbft Walther von der Vogelweide 
und Neidhart aͤhnlich gegenüber; fo laͤßt fich dieſer Ge: 
genfag fort und fort verfolgen, bis endlich in Klopftod, 
Leffing, Goethe und Schiller die Auflöfung und Eini: 
gung bdeffelben erfcheint. 

Bon Seiten der formell faft immer vollendetern Kunſt⸗ 
poefie wird die Volkspoeſie meift mit ſtillſchweigender Ge: 
ringſchaͤzung überfehen, nur felten und meift auf dußern 
Anlaß bin eigentlich befämpft, wie von ber Geiſtlichkeit 
unter Ludwig dem Frommen und beifen Nachfolgern. 
Bon Seiten der Volkspoeſie beginnt der Kampf gegen 
die Kunftpofie, welche jener durch mancherlei Umftände, 
ſchon durch die äußere Stellung ihrer Beförderer, impos 
nirte, gewoͤhnlich erft dann, wenn die dee, von welcher 
die jeweilige Richtung derfelben getragen wurde, ſich uͤber⸗ 
lebt hatte und dadurch haltlos geworden, ober wenn fie 
in ein maßlofe6 Ertrem ausgeartet war: fo gegen das 
Ritterthum, als dieſes feinen poetifchen Schimmer und 
bie Möglichkeit feiner Eriftenz ſchon größtentheils verloren 
hatte; gegen bie Geifllicykeit, als Herrſchſucht und Habſucht 
bie einzigen Leidenfchaften derfelben geworden waren. Bon 
Haus aus ift die Oppofition, welche die Volkspoeſie macht, 
durchaus gutmuͤthig und ohne alle Bitterkeit; fo im, Pfaffen 
Amis”, in „Salomon und Morolf“, fo no im „Eulen: 
fpiegel”. Je mehr aber im deutſchen Reiche und in ber 
deutfhen Kirche Verfall und Zerrättung zunahmen, ie 
entarteter die Vertreter der Kunſtpoeſie, je werthlofer alfo 
dieſe felbft wurde, deflo entfchiedener wird die Kluft zwi⸗ 
(chen ihr und der Volkspoeſie, befto heftiger die Oppoſi⸗ 
tion ber legtern. 

Auf biefem Punkte finden mir den Zufland der beut: 
[hen Literatur im 17. Jahrhundert, dem Zeitalter des 
„Simpticiffimus”. Die Kunftpoefie hatte unter den Haͤn⸗ 
ben ber erften fchlefifchen Dichterfchule, wenigftens derjeni: 
gen ihrer Mitglieder, die vor allen maßgebend wurden, 





Di altern Auffchwunge der Form, den Kern und Lak 
wer Poefle verforen, und im der zweiten ſchlefi⸗ 
ſchen Dichterſchule diefe nur durch die regel: und fitten- 
tofeften Phantaftefpiele oder vielmehr Gpielereim zu er: 
ſetzen geſucht, während bier zugleich die Form der Daw 


flelung von ber verhaͤltnißmaͤßig deln Einfachheit eines 


Dpis in maßlofe Monftrofitäten ausſchweift. Diefem 


Wäglichen Zuftande der Kunſtpoeſie gegenüber erhielt ſich aller 
Ungunſt der Zeiten zum Trot in den aͤlteſten Sitzen der 
deutſchen Porfie zwiſchen Rhein und Donau eine zwar; 


Verbe mb ungehobelte, aber gefunde und unverfünftelte 
Weottöporfie. Männer von wahrer Bildung und gefundem 
inne, die fih etwas Im ihrem Vaterlande umgefehen 
hatten, mußten fomit wol unwillkuͤrlich auf den Geben: 
tem kommen, fidy der Volkspoefie zu nähern, ihrem reichen 
Gehalte noch ben Vorzug kuͤnſtleriſcher Vollendung bin: 


zuzufuͤgen und dadurch jene Bereinigung der Kunfl: und. 


Volkspoeſte vorzubereiten, die freilich erft ein volles Jahr: 
hundert fpäter unter ſehr veränderten Umfänden wirklich 
erreicht werden konnte. Selbſt eins der berühmteflen 


Haͤupter ber erſten ſchteſiſchen Schute, Andreas Gryphius, 


fiheint in feinen beiden Luſtſpielen, namentlich im „Peter 
Squenz“, einen folhen Weg aufgefucht zu haben, und 
Diele beiden Dichtungen find ohne Zweifel die Krone aller 
feiner Werke. Vorzugsweiſe gehören aber, und bied if 
ganz nathrlich, die Maͤnner, welche hierher gehören, dem 


füdweftlichen Deutfchland an: Georg Rudolf Weckherlin, 


1584 bis etwa 1650, und Johann Valentin Andred, 
1586— 1654, beide Würtemberger, fcheinen mir ein ber: 


artiges Streben gehabt zu haben, doch Tenne ich ihre, 


Werte nicht genau genug, um ein emtfchiedenes Urtheil 
darhber fällen zu koͤnnen. Ganz entfchieden aber ift hier: 
ber zu rechnen Balthaſar Schupp aus Gießen“), 1610 
— 61, nur find feine Werke kaum zur poetifchen Litera: 
tur zu zählen. Das bedeutendfte in diefer Richtung end: 
lich leiſtet Hans Michael Moſcheroſch aus dem Hanaui⸗ 
fchen *), 1600 — 69. Seine „Wunderlichen und war: 
bafftigen Gefichte Philanders von Sittewald“ find ein 
Iebensvolles, feifches Sittengemaͤlde feiner Zeit, durchaus 
von dem Standpunkte bes ſchlichten, unverborberien Bois: 
verftande aufgefaßt. Zugleich aber trägt die Form der 
Darſtellung dennody deutliche Spuren an fich, daß der 
gründlich und vielfeitig gebildete Mann fi) von ben 
Einflüffen der Verbildung, der die Mehrzahl feiner Zeit: 
genoffen erlag, nicht ganz freimachen konnte; ſchon bie 
ganze Einkleidung feiner Durflellungen in Traumbilder 
it einem ſpaniſchen Original entlehnt; griechifche, lateini⸗ 
fhe und franzöfifche Stellen find nicht wenig eingefloch: 
ten, und unzählige Citate aus den verſchiedenſten Scheift: 
ſtellern aller Zeiten und Voͤtker verrathen nur zu fehr 
die peinliche und geiftlofe Gelehrſamkeit des 17. Fahr: 


*) Schupp wirb von Grimmelöhaufen mit Lob erwähnt: 
„Mathſtuͤbel Pintenis’, Gap. 2, 56. 

**) Auch Mofcherofh wird von Geimmelshaufen mehrmals 
mit Anertennung genannt: „Satyriſcher Pilgram“, Buch 2, 
Cap. 4; „Berkehrte Welt”, Gap. 10. 





hunderts; weche Entſticttungen es denn freillch uumd; 
ld) machten, daß feine Geſichte“ jemals ein Volkibrq 
im wahren Sinne des Worts werden konnten. 
Schlugen dieſe NRaͤnner bei dem ehrenwertheſten Ster 
ben doc einen falſchen Weg ein, indem fle zu früh die 
Berſchmelzung der fich noch in unnahbarer Schroffheit 
gegenüberftehenden Begenfähe verfuchten, fo ſteht Grm: 
melshaufen, ihnen zwar geiſtesverwandt, ungleich eigen: 
thuͤmlicher und befonnmer da. reine Eigenthimiihiek 
nämlich, die wol Bein anderer Scheifeſteller des 17. Yahe: 
hunderts theitt, befteht darin, daß er die beiden großem 
Segenfäge, in die ſich die gefanmte beutfühe Eiteratar e 
länger je mehr gefpalten hatte, als ſolche klar erfannn 
und ſchied; daB er, mit wunderbarer Friſche ımd Be 
weglichkeit bed Geiſtes begabt, nach beiden Seiten hie 
thätig war, ohne eine umflarthafte Vermengung der bt 
den Gattungen vorzumehmen, oder auch nur eine der 
felben fremde und widerſtrebende Etemente beizumiſchen; 
vielmehr begnügte er fi, der Volkopoefie diejenige Funk: 
ferifche Vollendung zu geben, deren fie, ohne Grund um 
Boden zu verlieren, fählg war, und der Kunſtpoeſie dur 
Zurüdführung auf eine geringere Ausbehmung der dm 
zelnen Werke und durch größere Einfachheit und Wahr 
beit der Darflellung wenigftens ehren Theil der völligm 
Unnatur zu benehmen, in weiche fie verſunken war. 
(Die Sortfegung folgt.) N) 


Literarifhe Notiz. 
Ein Berk, deffen Plan vom Hergog non Orion 
berrührt. 


Amedee Rene hat ſich, fo viel wir wiffen, durch feine geil: 
reihen Artikel in der „Revne de Paris’ und feine tft 
Bearbeitung der Briefe Chefterfieid’8 — es iſt uns unbekannt, | 
ob er der frühere Redacteur bes „Journal de l’instrnciion” 
iſt — zuerſt dem groͤßern Publicum befannt gewacht. Seit ie 
Zeit hat er eine große literariſche Thaͤtigkeit nach allen Sri 
bin entwidelt, namentlich zeichnen fich feine Eritifchen Arbeiten | 
und kleinern biftorifchen Auffäge, deren er mehre zur befonntn 
„Bueyclopedie des gens du monde’’ beigefteuert hat, vortteik 
baft aus und verrathen ein bebeutenbes Talent zur hiſtorijchen 
Darſtellung. So haben wir von ikm in dem obengenanntn 
encyklopaͤdſchen Werke, das unter der Leitung des treffliden 
Schnitzier langſam, aber defto ficherer fortfchreitet, den Artikel 
„Napoleon“ bemertt, der mit großem Gefchick gefchrieben ſſ. 
Rene vermeidet hier die beiden Klippen, en denen aͤhnlichk 
Darſtellungen nur zu teidht ſcheitern, indem er ſich von trivialm 
Gemeinplägen, bie über ben großen GSorfen in Umlauf find, mt 
von paraboren Saͤtzen, mit denen andere Hiſtoriker diefn ur 
erfchöpftihen Gegenftanb wieber aufzufriſchen fuchen, gleichwet 
entfernt hätt. Bein Stil namentiich iſt trefflich. Gegenwaͤrtig 
erhalten wir aus der Feder René's ein neweb Werk, dein 
Plan noch unter den Augen des Herzoge von Orleans enkorrii 
ift und für bas der den Wiflenfchaften zu früh entriſſene Pr 
ſich lebhaft intereffirte. Es iſt dies ein „‚Tableau des service 
de guerre des princes de Robert le Fort, dac de Fran“, 
chef de la dynastie capötionne”. Aus dieſer hiſtoriſchen ühr: 
fiyt über die Waffenthaten der Prinzen, weiche ans dem Hari 
der Gapetinger flammen, ergibt ſich, daß 42 Prinzen Melt 
Linie einen rühmlihen Tod auf dem Felde der Ehre gefundtt 
baben, daß ferner 56 in den Schlachten verwundet wurden, L. 
39 an ben Kreuzzuͤgen Theil nahmen, u. f. w. 


Verantwortlicher Herausgeber: Heinrih Brodhaubd. — Drud und Verlag von F. 4. Brochaus in Leipzig. 





Blätter 


für 


literäariſche Unterhaltung. 





des „Abenteuerlichen Simpliciſſimus“. 
(Bortfegung aus Nr. 261.) 


Soll diefe allgemeine Charakteriſtik an den einzelnen 
Schriften Grimmelshauſen's genauer belegt werden, fo 
find zunähft nur feine Romane ins Auge zu faffen; der 
„Teutſche Michel” und die meiften der in dem beitten 
Bande der Gefammtausgabe unter dem gar nicht uns 
pafienden Titel ,, Staatefram ’’ vereinigten Gchriften 
werden weiter unten ihre befondere Beſprechung fins 
den. Dieſe Romane find nun einerfeits ,,Der Leufche 
Joſeph mit dem Muſai“, „Dietwalt und Amelinde”, 
‚Srorimus und Lympida“; andererfeits der ‚„Simpliciffis 
ums” mit felnen Fortfegungen „Gourage”, Springins⸗ 
feld" und „Bogelnefl”. Die drei erfigenannten gehören 
gang der Richtung des Romans an, welche buch Phi: 
liyp von Zefen in Deutfchland eingeführt, bauprfächkich 
duch Andreas Heinrich Buches, Anton Ulrich von 
Braunſchweig, Lohenflein und Ziegler vertreten wird, 
d. h. alfo dem Kunftroman. Wis diefe entnehmen fie ih: 
mm Stoff entlegenen Zeiten und Orten, ber juͤdiſchen, 
ftanzoͤſiſchen und byzantiniſchen Gefchichte oder vielmehr 
Sage, denn eigene Erfindung ſcheint mie nicht viel in 
ihnen zu fein; wie jene find fie bei dem größten Man⸗ 
gl an wahren Gehalt von einer gewaltig gefpreiften und 
hochtradenden Form ber Darſtellung, obne jene Wahr: 
beit und jenes Leben, welches den „Simpliciifimus’ fo fehr 
auszeichnet. Indeſſen ſtehen diefe Arbeiten von Grim⸗ 
melshaufen immer noch böher als die der andern Genaun⸗ 
tm, theils dadurch, daß fie es weder in der Sprachmen⸗ 
gerri noch in dem hohlen Bombaft fo weit gebracht has 


en wie jene, dann aber befonders durch ihren unendlich | 


geringen Umfang. Wenn in den fech6 diden Bänden 
einer „Römifchen Detavia’’ oder in den zwei gewichtigen 
Quartanten eines „Arminius und Thusnelda“ die wuͤſte 
Anhäufung des bunteflen Stoffe, der aller Individualität 
ur Situationen umd der handelnden Perſonen oder viel: 
mehr Maſchinen, aller dichterifchen Belebung, Wahrheit 
und Moͤglichkeit emebehrt, zu dem unerträglichiten Wieder: 
delungen führen muß, fo werden bei Grimmelshaufen 
kleinert Ganze abgegrenzt, bei denen ein ſtoffliches In⸗ 
tereſſe zur Noch and) ohne reichern geiftigen Gehalt aus: 





dauern kann. Durch biefen gesingern Umfang fällt für 
Brimmelshaufen der Hauptgrund weg, der den Romanen 
des andern genannten Schriftſteller eine unverdiente Fort⸗ 
bauer verliehen hat; er erklaͤrt die Vergeſſenheit, im die 
diefe drei einen Romane fchon früh gerathen zu fein 
Idyeinen, und der man fie nur zum Behufe einer wiſſen⸗ 
ſchaftlichen Darftellung, nicht aber ihres eigenen Wertbs - 
wegen wird entreißen wollen. Keineswegs bin ich aber 
bier mit Echtermeyer *) einverſtanden, daß Grimmelthau⸗ 
ſen ſelbſt auf dieſe Claſſe ſeiner Schriften den groͤßten 
Werth vor allen uͤbrigen gelegt zu haben ſcheine; daß er 
gerade auf ihnen feinen wahren Namen nennt, babe ich 
ſchon oben aus ihrem nicht fatirifchen Charakter erklaͤrt; 
gegen Echtermeyer's Anficht aber iſt hervorzuheben, daß 
zwei dieſer Schriften zu Grimmelshaufen's frübften Ar 
beiten gehören, und die fpätere dritte kann wol als ein 
Erzeugniß der damals gangbaren Art von Galanterie ges 
gen die Dame, der fie gewidmet iſt, betrachtet werben. 
Wenn Echtermeyer ferner: geltend macht, daß er feinen 
Joſeph feibft vertheibigt und ruͤhmt ), fo führt er feine 
Volksromane noch häufiger und mit mindeflens gleicher 
Liebe und gleihem Selbſtbewußtſein an ***); und gewiß 
bäste Grimmelshauſen, wenn er auf diefe Art von 


| Schriftflellerei einen vorzugeweifen Werth gelegt hätte, 


berfelben einen größeren Theil feiner Thaͤtigkeit zugewandt, 
wofle Ehre und Anerkennung. ihm von einem großen 
Theile feines Volks wohl reichlicher zu Theil geworben 


‚ wäre als für feinen „Simpliciffimus”. Endlich erwähne 
ich noch, daß Grimmelshauſen viele deutſche Schriftſteller 


ſeines Jahrhunderts gelegentlich nennt, von den Namen 
aber, die in der erſten und zweiten ſchleſiſchen Dichter⸗ 
ſchule vorzüglich glänzen, habe ich nur den einzigen Logau 
genannt gefunden F), der außer den Verbeſſerungen in 


*) A. aD, G. 432. 

++) „Wogelneft”, Theil I, CGap. 15; „Ratio Status”, Debication. 

+4) „Satyriſcher Pilgeam”‘, Buch 2, Gap. 6 und am Eade; 
„Simpliciſſimus“, Vorrede und Veſchluß; „Teutſcher Micher”, 
Cap. Z, 9, 12; „Vogelneſt“, Theil 2, Vorrede; mehrfach im 
„Ratbftäbel Piutonis”. 

+) Im „Simpliciffimus”, Buch 6, Gap. Il; das angeführte 
Epigramm ift in Leffing’s Auswahl V,QL, Werke, Bd. 5, &. 176, 
Ausgabe von Lachmann. Diefe Anfuͤhrung if auch dadurch 
merkwuͤrdig, daß fie wos fo ziemlich bie einzige im gangen 17. 
Jahrhundert ift, die Logau als Dichter erwähnt; daß aber auch 


1050 


Sprache und Vers wenig mit Opitz und noch weniger 
mit Hofmannswaldau und Gonforten gemein bat. So 
viel aber ift jedenfalls ganz außer Zweifel, daß Grim⸗ 
melshaufen den Gegenſatz zwiſchen Kunfttoman und Volks: 
roman Mar ertannt haben muß, um beide Gattungen in 
finen Leitungen fo ſcharf auseinander halten zu kennen. 
Wenn diefe Doppelthätigkeit auf den erſten Blick kaum 
in einer und derfelben Perfon vereinbar erfcheinen dürfte, 
fo wird wol ihre genügende Erklärung fchon in dem We: 
nigen, was wir von Grimmelshauſen's Leben wiſſen, ge: 
funden werben können, barin ndmlih, daß er den Zu: 
fand und die Bedürfniffe des ganzen Volks durch fein 
eigenes, in die Wirren des Dreißigjährigen Krieges ver: 
flochtenes Leben zu erkennen befähigt, ja gezwungen war, 
auf der andern Seite aber auch mit bedeutenden, body: 
fiehenden Geſchlechtern mehrfach verbunden und „ſehr an 
fuͤrſtlichen Höfen beliebt” war, für welche er denn fein 
Talent in der einzigen bier anklingenden Weife benugen 
mußte. 


Bon ganz anberer Art als bie bisher beſprochenen 


Werkchen find der „Simpliciſſimus“ und feine Zortfegun: 
gen. Diefe Romane find aus dem unmittelbarfien Leben 
der Begenwart mit volifter Friſche und Treue herausge: 
griffen und flellen Ddiefe in einer dem ganzen bdeutichen 
Volke verftändlichen und zugänglichen Form, frei von je: 
ber aliegorifchen oder fonftigen Umhuͤllung dar; zugleich 
büden fie ein kuͤnſtleriſch und wahrhaft poetiſch angeleg: 
te6 Ganzes, wodurch fie ſich über alle ähnlichen Erſchei⸗ 
nungen derfelben Zeit wefentlich erheben. Schon das Motto: 

Es hat mir fo wollen behagen 

Mit Lachen die Wahrheit zu Tagen, 
weit auf eine beflimmte, Mar erkannte Grundidee Hin, 
die unmittelbar an die Dorazifche Lebensweisheit erinnert, 
und deren Durkführung allen fchon eine Lünfiterifche 
amd bichterifche Thaͤtigkeit des Verf. beweifl. 

Mitten im Speffart geboren und erzogen wächft der 
Stmpliciffimus ohne alle Berührung, ja ohne alle Kennt: 
niß von der übrigen Welt heran; da wird feine bisherige 
Welt, das Hausweſen feiner Ältern, ehrlicher Bauersleute, 
duch eine Priegerifche Streifſchat vernichtet; er flüchtet 
und findet Aufnahme bei einem Einſiedler; bier verlebt 
er mehre Fahre und legt den unvergänglichen Grund zu 
einer auf wahrer Religiofitde und ſittlichem Ernft beru⸗ 
benden Weltanſchauung, bie ihn bei allen Wechſelfaͤllen 
feines fpätern Lebens, bei allen Moheiten und Gemein: 
beiten, die er nicht nur um fidy fieht, fondern auch ſelbſt 
durchmacht, doch niemals gaͤnzlich verfinten läßt. Der 


Srimmelshaufen nichts Näheres von ihm gewußt, geht daraus 
hervor, daß er ihn bei feinem angenommenen Ramen und noch 
dazu mit falſchem Bornamen ‚Samuel von Golau“ nennt. 
Lohenftein und Ehriſtian Gryphius Haben mehre Gedichte an 
Logan's Bohn gerichtet, aber nur der Erſte berührt darin, fo 
viel ich gefunden, einmal von fern des Vaters dichteriſche Thaͤ⸗ 
tigkeit. Übrigens find Logau's Epigramme body befannter ge: 
weien als ihr Berf., benn eine große Anzahl berfeiben finde ich 
obne Rennung des Ramens in einer Sammlung von Witzwor⸗ 
J gr Anekofen: „Luftige Geſellſchaft“ von 3. P. de Me: 


Tod feines Einſiedlers treibt ihm endlich zum erſtenmul 
in die unbekannte Welt hinaus: zuerſt in Hanau bi 
einem fchwedifdhen Gouverneur, dann unter den Kroaten, 
dann im kaiſerlichen Heere vor Magdeburg macht er hal 
ben Hofnarrn, halb den Bedienten. Wıtiig berangewadı 
fen wird er Soldat und zeichnet ſich durch Bühne Streifs 
züge, die zu den bunteflen und tollſten Abenteuern Ber: 
anlafjung geben, aus; während einer erzwungenen Bf: 
fenruhe als ehrenvoll Gefangener ſieht er ſich gendthigt 
zu beicathen, aber nad wenigen Wochen unternimmt a 
eine neue Reife und geräch von neuem in den Stud 
des Lebens, der ihn weiter und weiter führt und zu dem 
begonnenen Dauswefen nicht zuruͤckkehren läßt. Rachden 
er Paris befucht, Frankreich halb als Bettler, halb als 
Wunderdoctor durchzogen hat, geräth er wieder in Kriegt— 
dienfte und mancherlei Faͤhrlichkeiten, bis es ihm endiid 
gelingt, fih auf eigenem Bauergute zur Ruhe zu fen, 
Nachdem aber eine zweite Heirach einen ſchlechten Ant: 
gang genommen, geht er wieder auf Abenteuer aus; di 
Schilderungen des beutfchen Volkslebens find jekt m: 
fhöpft, deswegen läßt ihn der Werf. nach Moskau, bi 
China die ganze alte Welt durchwandern. Nach feiner giäd: 
liyen Heimat zuruͤckgekehrt will er ein ganz heiliges und un 
geitörtes Leben beginnen, er wird Einfiedlerz aber «6 daum 
nicht lange: er begibt fih auf eine neue Wallfahrt nah 
Rom, von da ins gelobte Land, wird unterwegs gefaw 
gen, gluͤcklich wieder befreit, endlich auf eine einfame Ir 
fel zwiſchen Afien und Afrika verfchlagen; bier beginnt 
ee nun das Einfiedlerieben zum drittenmal, der aͤtteſt 
Robinfon, den wir litecarifch nachweifen koͤnnen, jeeh 
mit dem Unterfchiebe, daß die Sehnfucht nad) der Se 
mat mit aller ihrer Unruhe, ihren Leidenfchaften und 
Kämpfen bald in ihm erlifche; ja ats fich ihm eine Orle 
genheit zur Heimkehr bietet, benutzt er diefe nur, um 
feine auf jener Inſel aufgezeichnete Lebensgeſchichte nad 
Europa zu fenden, während er felbft feine Tage in ung 
flörter Einfamkeit, nur dem Geber und dem Nachdentne 
gewidmet, beſchließen will. 

Dies eine kurze Überficht uͤber den Inhalt des „Sin 
pliciffimus‘’, weldye freilich den ganzen Reichthum defik 
ben kaum entfernt anzudeuten vermag. In ähnliche 
Weiſe enthalten bie Fortfegungen die Abenteuer anderer Pet: 
fonen, deren Schidfale irgendwie an das des Haupthelden 
angelnüpft werden; überall mit derfelben Grundlage di: 
ner fittlich gedlegenen Gefinnung und unvermüftilden 
Heiterkeit, die es nicht verſchmaͤht, ſich in fcperjbaftt 
Weiſe über die Erbaͤrmlichkeit und Eitelkeit des gewöhr— 
lichen Treibens der meiſten Menſchen luſtig gu maden. 
Wie Ear fi) Grimmelshaufen diefer feiner Richtung be 
wußt war, bemweift außer unzähligen einzelnen Stellen ki: 
ner Romane der Spruch, welchen er den Kupfer der 
dritten Originalausgabe beigefchrieben hat: „Der Wahn 
betreugt.” Hierzu kommt nun auch noch die angemel: 
fenfte Form der Darftelung: keine Spur des inhaltleeren 
MWortgepränges,, der Eintönigleit und ESprachmengetei, 
worin die Kunftromane berfelden Zeit ihren Hauptvoges 
fuchten ; überall finn- und witzvolle Kürze und Einfad: 








beit, der nie bee bezeichnendſte Ausdruck fehlt, unge: 
chwaͤchte Kraft der Mede, die nicht felten in eine heutzu⸗ 
tage für unanfländig geltende Derbheit übergeht, und le: 
bendiger Wechſel der Form dem Wechſel des Inhalts ent: 
ſptechend; zwar find auch bier die reichlichften Belege für 
des Berf. ausgedehnte Gelehrſamkeit und Beleſenheit 
überall eingeftreut, aber in fo ſchlichter und natürlicyer 
Weiſe, daß fie nirgend für einen weitern Leferkreid un: 
verftändlich werden. So flehen denn diefe Romane in 
jeder Beziehung ganz umendli hoch über den Werken 
von Kobenftein und Conforten, namentlih aud) nod 
darin, daß in ihnen überall Sinn und Liebe für alles 
Vaterlaͤndiſche ſcharf hervortritt, wovon jene keine Ab: 
nung hatten oder haben wollten. 

In einer feiner fpätern Schriften hat Grimmelshau: 
fen die vollkommenſte Gelegenheit zu einer Vergleichung 
feiner Reiftungen im Kunfttoman und in der volksthuüm⸗ 
lichen Erzählung felbft, man möchte faft glauben abficht: 
lich, gegeben; denfelben Stoff naͤmlich, aus dem er feinen 
ganzen Roman „„Prorimus und Eympida‘ gemacht, hat 
er im „Ratbflübel Piutonis’ *) zu einer kurzen Erzaͤh⸗ 
lung von drei Seiten verarbeitet; fo langweilig jener Ro: 
man iſt, ebenfo vortrefflih trifft diefe Erzählung ganz 
den echten alten Legenden: und Volkston. 

Das große Intereſſe, welches Srimmelshaufen’s Volks⸗ 
eomane im weiteſten Kreife finden mußten, erklaͤrt es zur 
Genüge, daB man, wie bei jedem echten Volksbuche, an 
die Perfönlichkeit des Verf. wenig ober gar nicht dachte, 
und diefe fomit bis auf feinen Namen in eine Vergeſ⸗ 
fenheit geriet, ans der wir fie jegt nur mühfam und 
theilweife wieder ans Licht bringen koͤnnen. 

Den Hauptbeweis für die Volksthuͤmlichkeit biefer 
Schtiften und den großen Beifall, den fie allgemein fan: 
den, geben naͤchſt ihren wiederholten Auflagen die zahl: 
eihen Nachahmungen ab, die fih an fie anfchließen, 
von denen aber freilih mol keine ihrem Vorbilde gleich, 
aur ſeht wenige ihm nahe kommen. Die verichiedenen 
Simpliciſſimi und» Robinfonaden, die id, kenne, verras 
then fehe deutlich, daß es ihren Verf. an der eigenen 
Anfyauung und reihen Erfahrung gefehlt hat, aus der 
Grimmelshauſen's Vorzüge hervorgehen; deshalb begnuͤ⸗ 
gen fie fich entweder mit ziemlich duͤrrer, blos bier und 
da mit allerhand burlesken Einfällen verbrämter Aufzaͤh⸗ 
fung rein hifkorifcher Ereigniffe in Chroniftenmanter, oder 
fie laſſen einer durchaus willkuͤrlichen, weder durch Drt 
noch Zeit befchräntten Phantafie den Zügel fchießen, wor: 
ans denn Producte entſtehen, die jeder leitenden Grund: 
idee, aller Innern Wahrheit und Volksthuͤmlichkeit, kurz 
jedes höhern Werth entbehren, wovon die „Inſel Selfen: 
burg” vielleicht als leinzige werthuollere Ausnahme bafteht. 
Noch werthloſer find, fo weit fi) meine Bekanntſchaft ers 
ſtreckt, die fogenannten Avanturiers und Avanturieren, de: 
ren Abenteuer fich über die Heimat wenig oder gar nicht 
hinaus zu verbreiten und bier nicht von der ehrbarften 
Art zu fein pflegen; während biefe Art von Schriften 





*) Rathſtuͤbel Piutonis’‘, Gap. 6. 


fih in Form und Juhalt wieder dem Kunfiroman i 

feiner tiefften Ensertung zu nähern fucht, eignet fie . | 
vom Simpliciimus und deſſen Genoflenichaft fat nae 
die unfittlihen Partien in doppelt unſittücher Weiſe zus 
Nahahmung an; denn fo unverhällt auch die Gemein: 
beit und Sittenlofigkeit in Grimmelshaufen’s 

oft auftritt, fo iſt doch eben ihre Bekämpfung dur Aufs 
ſtellung eines bis zum Erſchrecken aͤhnlichen Abblides der 
klar hervortretende Zweck ſolcher Schilderungen; in jenen 
Avanturier6 aber wird die luͤſterne Darſteüung des Un» 
fittlichen fetbft zum Zwei: die Männer find biee nur fo 
lange keine Schurken, bi6 fie es ohne Gefahr fein koͤn⸗ 
nen; die Grauen bewahren ihre Ehre gerade nur fo lange, 
bis fie fie, für diefe Leute ohne allen Makel und Voͤr 
wurf, an einen reihen und vornehmen Bewerber verhan: 
dein können; eine Lebensklugheit, die zu jemer Zeit frei⸗ 
lich vielfach praktiſch geübt fein muß, da ſchon Hof⸗ 
mannswaldau und Lohenſtein ſie in ihren ſogenannten 
Heldenbriefen unbefangen genug lehten konnten. *) 

So kann man allerdings fagen, daß Grimmelshau⸗ 
ſen's Volksromane in der deutſchen Literatur allein und 
in ihrer Art einzig daſtehen; genauer betrachtet liegt dies 
jedoch nur in der Eigenthuͤmlichkeit der Zeit, aus der fie 
hervorgehen und die ſie abſpiegeln. Ihr Grundcharakter 
laͤßt ſich als echt deutſch und in andern literariſchen Er⸗ 
ſcheinungen wiederkehrend nachweiſen; und wenn dies 
nicht wäre, wide ja eben ein Hauptvorzug derſelben, 
ihre vollkommen nationale Natur in einer daran fo Eläge 
lich armen Zeit, verloren gehen; die große Verbteitung, 
die fie im ganzen deutſchen Volke fanden, wuͤrde ſich 
nicht erklären laſſen; fie würden als ein unorganifcyes, 
fremdes Glied in der Entwidelung des deutſchen Volkes 
geiſtes angefehen werden müffen. 

Don der nahen geiftigen Verwandtſchaft zwiſchen 
Grimmelöhaufen und mehren feiner Zeitgenofien, nas 
mentlih Mofcherofh und Schupp, habe ich fchon gefpros 
hen. Ihr naͤchſter Vorläufer im 16. Jahrhundert iſt 
Johann Fiſchart. Gemeinfam ift beiden Männern eine 
ehrenwerthe, echt volksthuͤmliche Gefinnung , gemein 
fam audy der Reichthum an Witz und heiterer Lebens⸗ 
luft, womit fie ihre gewählten Stoffe behandeln, weſent⸗ 
lich verſchieden aber fonft Beider Darftellungsweife. Yu 


‚*) I muß bier ausdruͤcklich bemerken, daß das oben über 
bie Nachfolger Grimmelshaufen’s Geurtheilte ſich ausſchließlich 
auf diejenigen Bücher ber genannten Gattungen gründet, die ich 
aus eigener Lecture genau tenne, d. h. auf eine ziemliche, aber 
doch nichts weniger als vollftändige Anzahl derſelben; fo wirb 
z. B. die „Inſel Belfenburg’’ gewoͤhnlich zu den Avanturiers ge⸗ 
rechnet, iſt aber mit ben mir bekannten Schriften, die diefen 
Namen meift fon auf dem Titel führen, durchaus nicht in 
gleiche Kategorie zu fegen. Auch die Anfänge der Robiſon⸗ 
Eiteratur verdienen wol noch eine befondere Unterfuhung, denn 
fo entſchieden ſich das erſte Vorbild derſelben im fechsten Buche 
des „Simpliciſſimus“ findet, fo kommen doch die deutſchen Kos 
binfonaben alle erft nach Daniel de Zoe (1719, deutfch 1720) 
um Vorſchein. Endliich dürfte eine erfchöpfende Eiteraturger 
chichte dieſer Zeit auch die zahlreichen Sammlungen von Eurzen, 
unzufammenhängenden Grzählungen, Anekdoten u. dgl, nicht 
überfehen, bie feit etiwa 1660 zu erfcheinen anfangen. 


alten Scheiften Fiſchart's*) tritt bie Satire viel offenes 
weh snuerhällter als Hauptzweck hervor als bei Grim⸗ 
welhauſen; zugleich verſetzt fich jener meifientheils **) 
anf einen rein phamtaftifchen Boden, und indem er bier 
fowel eines. ungezugelten Phantofie al6 namentlich feiner 
hoͤchſt wunderlichen Behandlung der Sprache den freiften 
Spielraum geſtattet, ſcheint er mir nicht felten den eigent⸗ 
lichen Zweck feiner Schriften aus dem Auge zu verlieren 
mad Spiele dee Laume und augenblidlidhe Einfälle an 
dein Stelle zu fehen; er gebt dabei mit einem unerhoͤr⸗ 
tm Beihthum an Wis, namentlich an Wortwitz wahres 
haft verfhmenderifh um, und während er auf der einen 
Seite durch die feinen Schriften zu Grunde liegenden 
Ideen und buch Verſchmaͤhung aller conventionnellen 
Feſgeln der Volksliteratur angehört, entferne er ſich 
amdererfeit6 wieder von ihr durch die phantaflifche, dem 
Vollsverſtande fernliegende Geftaltung feiner Schöpfungen 
und durch die Kberreiche Kunſt, die er auf die bloße Auss 
ſchmuͤckung feiner Arbeiten verwenbetz dem fcharfen Ge⸗ 
ganſatz zwiſchen gelehrter und Wollstiteratur, den haupt⸗ 
ſaͤchlich Opitz feſtſtellt, kanunte Fiſchart's Zeit noch nicht, 
aber er war doch bereits im Begriffe ſich zu entwickeln, 
und Fiſchart ſchwankt nur, wahrſcheinlich ſich ſelbſt un⸗ 
bewußt, zwiſchen beiden noch nicht ſcharf geſonderten Mich: 
tungen bin und wieder. Grimmelshauſen fand dieſen 
Gegenfeg vollkommen ausgeprägt vor und erfannte ihn 
mit voller Klarheit, deswegen gehören auch feine Schrif: 
tea ganz rein entweder der einen oder der andern Cats 
tung an, und wit der Beſonnenheit, die ihn überall 
charakteriſirt, behielt er bei feinen Volksromanen das vor 
geſteckte Ziel weit fehler im Auge als Fiſchart; deshalb 
iſt überall das wirkliche Leben feiner Zeit der Gegenfland 
feiner Darftellungen, deshalb finder fi bei ihm Leine 
Spur von dem umemdlihen Wortwige Fiſchart's, dagegen 
eine weit Überfichtlichere Anlage feiner Werke im Großen 
und Ganzen. Einen recht augenfäligen Beleg für das 
vollkommenere ſchrifiſtelleriſche Bewußtſein Srimmelshau: 
ſen's gibt es, daß er denſelben Stoff, deu Fiſchart zu ei⸗ 
mem ganzen von Wis und Laune Überfprudeluden Buche 
wit dem größten Behagen ausfpinnt, wur gelegentlich zu 


einer Epifode benupt, die jenes Buch durch den Zufam:\ 


menbang, in dem fie erfcheint, doch am Ende an wahrem 
Humor übertrifft. ***) Diefe Epifode kann wol zugleich 
ale Beweis angeſehen werden, daß Grimmelshaufen 
Fiſchart's Werke gekannt, gefhägt und zwar benußt, aber 
in der ihm gemäßen Weife umgeftalter bat. 

(Die Fortſetzung folgt. ) 





Fidibus, Schelmenlieder von J. Laster. 
bus. Gr. 8. 20 Nor. 

Welche Zitel wird man noch erfinnen, um Leſer anzuloden ! 

Aber es hilft ja doch nichts. Wie ungebildet müßte der Ges 


*) Nur mit Ausnahme des „Sluͤckhaften Schiffs” unter den 
mir befannten Schriften Kifchart's. 

**) Weniger ift dies der Fall in den gegen ben ingolftäbter 
Sranciscaner Johannes Naß gerichteten GStreitfchriften. 
»**) Bifchart’s „Flohhatz mit, Simptieiffimus”, Buch3, Gap. 6. 


Danzig, Ra: 


mer? ſeia, dem biefe ale Mehbe behagtet In einer Y 
fung ©. Bl fpridt id Dee Merf. fin eig) Une Sn 
Texte beißt ed: „Fuͤr Heine's Gedichte wird Schimper Dun 
bein. — Rote für die Stuͤcklichen, welde fragen: 
Wer iſt Schimper? — Berf. von Gedichten, die ki Eak 
in Erlangen 1841 erſchienen und das madtehe fun, 
was je zwiſchen Wahnſina und Unſinn bie Mitte gehalten." 
Diele paar Zeilen find eine Probe von des Verf. Eiprit. Gin 
wohlfeilerer Wis und eine fabere Reimerei find ung kaum ver; 
gefommen. 4. 


Bibliographie. 


Brandstäter, F. A., Bemerkungen über das Ge 

schichtswerk des Polybius. Danzig. 4. 10 Ngr. 
Grundgefeg des Koͤnigreichs Norwegen. 

gifchen überfegt. Königsberg, Boigt. .8 
Herbert, E., Kritiſche Beleuchtung der preußüͤchen Gen 

für s Inftructionen vom 4. Zebruar und W. Juni 1843; rise 


gr 
Aus dem Ron 
5 Nor. 


vernunftgemäße Unterfuchung über die Syſteme des Ghrikm | 


und Judenthums und über die Theorie der Aegierungefornm 
und Staatöverbände. Altona, Beilbutt. Gr. 12. 15 Rar. 
6 —— fuͤr rn auf '= Jahr (1843/44), 

erausgegeben von I. Buſch. 2ter . Wien, v. Ohm 
und Bu &. 12. 2% Rer. abraens oo 

Des deutichen Michels Jubel» und Feſt⸗Geſaͤnge bei der 
taufendjährigen Jubelfeier der Deutſchen im Jahre OH 
Derausgegeben von Michel — Rupig! Yhr eine Singſtinm—. 
Hamburg. Qu. 8. 5 Rer. 

Leſſing's Nathan der Weile auf ber Berliner Bübn, 
Ein Vortrag gehalten in ber Geſellſchaft der Freunde ir 
—— in Berlin. Berlin, Aſher und Comp. Gr.8 

2 Agr. 

Mayrhofer, J., Sedichte. Neue Sammlung. As 
beflen. al r ——— und Vorwort —— 
von ©. Rreeib. d Beuchterdieben. Wien, Klang. Gr. 
1 Zpır. EM se 

Nork, F., Biblische Mythologie des alten und neuen 
Testaments. Versuch einer neuen Theorie zur Aufhellung 
der Dunkelkeiten und scheinbaren Widersprüche in den a- 
nonischen Büchern der Juden und Christen. ter Band. 
Stuttgart, Cast. Gr. 8, 2 Thir. 11%, . 

Nur für Augenblide, gir Damen. Fuͤr Herren. Der 
pat, Severin. 1842. 32. 15 Rar. 

Reventlow, C. O,, Lehrbuch der Muemotechsik 
nach einem darchaus neuen auf das Positire aller Disciplinen 
anwendbaren Systeme, Stuttgart, Cotta, Gr. 8, I Thlr. 
Ta Ner. 

6 Yulz, B., Die Bewegung ber Production. Cine gr 
ſGichtlich⸗ ſtatiſtiſche Abhandiung zur Grunbiegung einer nıum 
Wiffenfhaft des Staats und der Geſeliſchaft. Zurich, Literer⸗ 
ſches Comptoir. Gr. 8, 1 The. 

Stein, C. v., Freud und Leid in Rovellen. Wecch 

Kıönne. 8. 26%, Nor. 
Trompetenſtoͤße und Puff, Anekdoten aus der Gegenwart. 
Derauögegeben von Ha⸗He⸗Hi⸗Go⸗Hu, Kaiferlich chineſiſchen 
Geh. Babnenfänoinger und Vivateufer a. D., Inhaber ber are 
nen Pfauenfeder 1 


Heft. Demmin, Geſellius und Comp. 

eißenborn, W., 
nad) ihren biätetifchen Beziehungen, ihre Wapt, Zubereitung 
und Anwendung, wie ſoiche Gefuntheit, Lebensvertängerung, 
Hebung roniſcher Krankheiten, ſowie Rückficten auf Gharab 
ter, Intelligenz, Gemüth und auf bie Reibenfchaften erfodert. 
Ta R A. Hebert frei bearbeitet. Weimar, Voigt. Sr. 


Zur Kenntniß der Geſellſchaft Jeſu. Bon einem Kathe: 
liken. Züri, Eiterarifches Gomptoir. Lex.⸗8. 15 Nor. 


TYy Nor. 


Berantwortliher Herausgeber: Heinrich Brodbaus — Drud und Berlag von 3. A. Brodhaus in Leipzig. 
—— — —— — —— 


. Klaſſe. 370ſte Auflage. Die erſten W 
Auflagen wurden vor dem Drude vergriffen.) Iftes und Ab 
12, 





Die NRahrungsftoffe bes Menfhen 


Blätter 


f 


ur 


literarifhe Unterhaltung. 








Shriftoffel von Grimmelöhaufen, der Berfaffer 
des „‚Abenteuerlihen Simplichfimus”. 
( Bortfegung aus Nr. 282.) 

Eine weit treffendere Parallele zu Grimmelshauſen 
bietet das 35. Jahrhundert; ich erkenne nämlich in ſei⸗ 
nen Vollsromanen nichts Anderes als den „Eulenſpiegel“ 
des 17. Jahrhunderts. Bis ins Einzeinfte ließe fich die: 
fer Vergleich da verfolgen, wo der „Simpliciſfimus“ halb 
freiwillig, hald gezwungen ben Narren fpiele*); aber 
die Ähnlichkeit liegt tiefer. Der „Sulenfpieget”, ale das 
ältefte Muſter und Vorbild eines echt deutſchen komiſchen 
Vollsromans, dem, um biefen Namen ganz zu verdienen, 
nur Abrundung und Abſchluß zu einem organifchen San: 
zen fehle, ift eine gutmuͤthige, heitere Perfiflage der ver: 
ſchiedenſten Schwachheiten des deutſchen Volks, befonders 
derjenigen Richtungen, die, von einem idealen, aber dem 
wirftihen Leben je länger je mehr entfremdeten Stand- 
punkte ausgehend, dem fhlichten, unmittelbaren Volks⸗ 
verlunde als durchaus nichtig erfcheinen mußten. Cine 
ganz gleiche Perfiflage, ein gleicher, mit fchershaften Waf⸗ 
fm geführter Kampf für den fchlichten gefunden Men: 
ſchenwerſtand, für einen unverfünftelten aber aufrichtigen 
Blauben tritt une im „Simpliciſſimus“ und feinen Fort: 
tungen entgegen. Auch die Formen, in Die beide 
gleichartige Grundgedanken fich eingekfeider, find nahe 
miteinander verwandt: ein nafver, urfpränglich gut gear: 
teier Naturmenich, eine Art des jetzt fo beliebten ‚Deut: 
[hen Michel”, wird ohne allen Anhalt in eine verkünftelte 
und vielfach zerruͤttete Welt hinausgefchleudert, aber nicht 
um mit derfelben auf Tod und Leben zu kämpfen, ſon⸗ 
dern um durch biefe Bereinigung ganz widerſtrebender 
Elemente fortwährend in die laͤcherlichſten Situationen, 
dınn und warn auch im ernflere Vertegenheiten zu gera= 
then. Diefe zuerft im „Eulenſpiegel“ verkörperte Idee 
ledte im deutfhen Wolle mehre Jahrhunderte hindurch 
fort und nahm natlırli in jedem Beitalter eine einigers 
maßen veraͤnderte Geſtalt an. So mar freilich im 17. 
Jahthundert des alten Eulenſpiegel vollkommen gutmuͤ⸗ 
idize Art von Simplicitaͤt — denn der Charakter dieſer 
Helden laͤßt ſich wirklich nicht treffender bezeichnen als 
mit dem Namen, den Grimmelshauſen dem ſeinigen 


) „Simpticiffimus”, Buch 1, von Gap. 28 an, Bud 2. 





— — Rr. 2683, ö— 


20. September 1843. 





gibt — nicht mehr möglich: die Übelſtaͤnde, weiche gang 
Deutfchland in biefer Zeit zerrutteten, waren zu eenſter 
Art, als daß fie ſich mis der ungeträbten Heiterkeit des 
„Eulenſpiegel“ hätten behandeln Laffen; dee fittliche Ver⸗ 
fall zu groß, als daß der, Simpliciſſimus“ die kindlich⸗ 
Unſchuld feines Vorgaͤngers hätte bewahren künum; bie 
geoßen öffentlichen Interefien der Kirche und des Staats 
nahmen jegt alle Gemuͤther zu fehr in Aufpruch, als daß 
ber geiſtesverwandte Schriftſteller diefer Zeit ſich auf bie 
Heimen Gemälde aus einem eng begrenzten buͤrgerlichen 
Leben hätte beſchraͤnken innen, aus denen der „Eulen 
ſpiegel“ zufammengefegt iſt. So if denn der Unterfchieb 
zwiſchen dieſem und den Simplicianiſchen Remanen ledig⸗ 
lich die unumgaͤngliche Folge ihrer verſchiedenen Zeitalter. 
Zwei andere Elemente des „Simpliciſſimus“, die ber Cu⸗ 
lenfpiegel” noch gas nicht kennt, find: die ſchon mehrfach 
erwähnte, ebenfalls in der Zeit begründete Wanderluft in 
bie entfernteflen und entlegenſten Gegenden, und daun 
das Einmiſchen einer myſtiſchen und aliegerifchen Traum⸗ 
und Wiflonswelt, die, ber ſpaniſchen Literatur entlehnt, 
um biefe Zeit in Deutfchland fleißig angebaut wurde und 
weiter unten bei Beſprechung der kleinern Schriften Geim⸗ 
melöhaufen’s nochmals zu erwähnen fein wird. *) Kür die 
Dasftellungsweife umd gamge Anlage des, Simpliciffinms 
ift endlich noch der Unterſchied wichtig, daß der „Eule 
ſpiegel“ wirklich unmittelbar ans ber Mitte bes Bois 
hervorging, der ‚, Simpikiffimes‘’ aber von einem gebil⸗ 
beten Schriftfteller mit ſelbſtbewußter Abfiche verfaßt wurde, 
der ſich dazu erſt mit geifliger Anftrengung auf einen weit 
hinter ihm liegenden Standpunkt zurüdvesfegen mußte, 
deſſen unwillkuͤrliches Product der ‚‚Eulenfplegel” war. 
Diefer Umftand und die überhaupt vorgefehrittene Bil⸗ 
dung feines Zeitalters erklärt zur Genuͤge die kuͤnſtleriſche 
Anlage und Abrundung des „Simpliciſſimus“, von dee 
beim „Eulenſpiegel“ gar nicht die Mede fein Eann. 

So fehen wir alfo, daß Grimmelshaufen’s Volksro⸗ 
mane in engem, organifhem Zufammenhange mit Dem 
ſtehen, was auf demſelben Gebiete vor ibm geleiftet wor⸗ 
ben iſt, welche Zuſammſtellung denn auch ſofort ben echt 


*) Im „Simpliciffimus”, Buch 9, Gap. 12 — 17; Bud 6, 
Gap. ; am confequenteften und ausfährliähften ift dieſe 
Richtung befolgt in Moſcheroſch's „Geſichten“; endlich kehrt fie: 
auch noch wieder im letzten Theile der „Infel Felſenburg“. 





deutfchen Charakter bes „Simpliciſſimus“ nachweiſt. Daß 
diefe Gattung des Romans wol viele Nachahmer, aber 
Beine echte Fortſezung und lebendige Zortbildung gefun: 
den hat, iſt aus dem weitern Gange der beutfchen Lite: 
ratuegeſchichte keicht erflärlih: bis in "das zweite Viegtel 


des 18. Jahrhunderts, bis wohin bie literariſchen Zu: | 


fände Deutſchlands eine ſolche wol möglih und wün- 
ſchenswerth gemacht hätten, fand der dazu befähigte 
Mann nicht auf, wie dergleichen immer und überall nur 
felten erfcheinen. Die Gegenfäge der verfchiedenen litera⸗ 
riſchen Nichtungen wurden uͤberdies feit dem Anfange 
des 18. Jahrhunderts mehr auf ihrem eigenen Boden, 
als vol literariſche Fehden ausgefockten, weiche aller, am 
meiften der volksthuͤmlichen Productivität hemmend im 
Wege ftanden. Sobald fich endlich die deutfche Literatur 
aus ihrer tiefflen Erniedrigung, die eine Reaction noth: 
wendig hervortief, zu erheben begann, war ihre Streben 
auch fofort ein idealeres und allgemeineres, als daß es fid) 
mit einer im Sinne bes , Simplieiffimus” gehaltenen 
Dppofition gegen die bisherige Miſere hätte begnügen 
tönnen: Haller, Hagedorn, Gellert, Gleim nebſt den ſich 
naͤher und ferner an fie auſchließenden Dichten waren 
Die Borläufer, Klopſtock, Leſſing und Wieland in ver: 
ſchiedenen Richtungen die Wollender einer ganz neuen 
Schöpfung, und feitdem hat jede bedeutende dichtetiſche 
Kraft dahin geftrebt, im hoͤhern Sinne Volksthuͤmliches 
zu fchaffen ohne bie Worzüge aufzugeben, welche fid) eine 
wahrhaft nationale Dichtung allerdings auf kuͤnſtleriſchem 
Wege aneignen muß, wenn fie überhaupt ale verſchoͤnernde 
und veredeinde Kunft gelten will. So verfhwand aus 
dee deutfchen Literatur einerfeits die Roheit und Form⸗ 
iofigkeit der Altern Volksdichtung, andererfeits die Gehalt⸗ 
und Geiſtloſigkeit ber gelehrten Poeſie, und ber frühere 
Gegenſatz Eonnte in der grellen Weife des 17. Jahrhun⸗ 
derts nicht mehr auftreten. Die Gegenfäpe, an denen 
es auch ber neuern und neueſten deutſchen Dichtung nicht 
gefehlt hat, fehlt und fehlen wird, hier zu beſprechen, 
würde von meinem Ziele zu ‚weit abführen; jedenfalls 
aber find fie von weſentlich anderer Art und alfo auch 
von anderer Wirkung als jene, aus welchen Grimmels⸗ 
haufen’s Volksromane hervorgingen. 

UÜbrig iſt nun noch die Beſprechung von Grimmels: 
hauſen's zahlreichen Eleinern Schriften vermifchten In⸗ 
halte. Diefe find, wie ſchon bemerkt, in dem dritten Bande 
der Befammtausgabe von 1685 unter dem befondern Xi: 
tet „Staats: Kram” vereinigt, außerdem gehört aus bem 
zweiten Bande berfelben Ausgabe noch ber ,‚,Teutfche 
Michel“ und der „Ewigwaͤhrende Calender” hierher. Un: 
berädfichtige werbe ich in dem Nachfolgenden drei dleſer 
Arbeiten lafien: den erften „Baͤrenhaͤuter“, die „Gauckel⸗ 
tafche”, da6 ‚„Manifeft für bie rothen Baͤrte“; die erſte 
diefee Scheiften iſt als eine nette ſcherzhafte Novelle mit 
Necht von Buͤlow erneuert worden *), aber für eine literar⸗ 
biftorifche Würdigung Grimmelshauſen's ohne twefentliche 
Bedeutung; bie zweite iſt durchaus ohne eigenthuͤmlichen 


) In Bülow’s „Rovellenduch”, Bd. 2, S. 559. 


2 1054 


Werth; die dritte endlich fcheint mir nur ein in Sifbert‘; 


fiber Manier, doch ohne deſſen Sprackunfftude, auche 


ſponnener Scherz zu fein, hinter dem ich einen wirklichen 
Gehalt nicht babe entdecken können, *) Bemeinfams 
Nerkmal alter übrigen hierher gehörigen @chalften if, vof 
ber beichrende Zweck, der in den Momande durchaus nice 
beſonders herausgehoben wird, hier entfchieden als leicht 
erkennbare Hauptſache hervortritt; daß fie deswegen alı 
als in einer beſtimmten Abſicht gemacht etſcheinen, mit: 
rend die Romane im Gegentheil als ſchlichte Erzählung 


wirklicher Erlebniſſe angeſehen werden wollen und könne, 


Als Gegenſtaͤnde ber in biefen Schriften niebergelegten 
Belehrung kaun man im Aügemeinen bie bedentmöfm 
Iutereffen der Zeit angeben: Glaube, Sprache und Eitt 
des deutſchen Volks im weiteflen Sinne; daß Schriften, 
die für ein größeres, nicht durchweg gelehrtes Publicum 
beſtimmt waren, in jener Zeit auf die eigentliche Palit 
nicht geradezu und ſoſtematiſch eingehen, verſteht fid bei 
einiger Kenntniß von dem damaligen Zuflande der Re— 
gierungen und des Volks wol fo ziemlich von ſelbſt; da: 
gegen enthalten fie zahlreiche bie Öffentlichen Verhälmiie 
näher ober ferner beruhtende Partien. Ihrer Form nd 
nähern ſich dieſe Schriften theild der reinen Erzählung 
doch immer mit leicht kenntlicher didaktiſcher Ridtum 
und vielfach eingelegten Dialogen; theils der reinen Ak: 
handlung, doch auch hier durch häufig beigebrachte Bei: 
fpiele und Anekdoten zu unmittelbarer praßtifcer Anıse: 
bung der vorgetragenen Lehren auffodernd. 


Sehen wir zuc nähern Betrachtung ber einzelnen 
Schriften über, fo fpringt fofore in die Augen, daf fi 
ebenfo wenig als die Romane alle einer und detſelben 
Richtung der Eiteratur angehören, und zwar fliehen einig 
von ihnen in engem innerm Zuſammenhange mit m 
„Simpliciſſimus“, gehören alfo der Volksliteratut an; 
dies find: das „Rathſtubel Plutonis“, der „Teutſch 
Michel”, der „Stolze Meier” **), „Warum Er nik 
tatholifdy werden könne” und ber ,, Ewigmährende Ge 
lender“. Andere fliehen auf vollkommen gleichem Bern 
mit Grimmelshaufen’6 Kunftromanen , dies find: da 
„Satyeifhe Piigram“ und der „‚Batio Status“, Die 
übrigen fünf Schriften gehören einer dritten, noch nike 
zu bezeichnenden Gattung an. | 

Wenn ic) eben fünf diefer Schriften als dem „Sie: 
plichffimus” gleichartig bezeichnete, fo geht daraus «int 
ſeits hervor, daß fie die oben näher bezeichneten formelm 


*) In mehren Anekbotenfammlungen aus biefer Zeit frhrt 
ein Wigwort wieder, mit dem ein Rothbärtiger den Gpott rind 
Schwarzbaͤrtigen zurädfchlägt: dies ſcheint barauf' hinzubenter, 
daß man bamals auf bie Barbe ber Wärte einen Werth It 
wie es jetzt höchftens ein vollendeter Dandy thut; dies hat vih 
leicht Grimmelsgaufen’s betreffende Schrift veranlaßt, die dan 
wahrſcheinlich in ironiſchem Sinne zu faffen if. 

p Ebenfalls von Bülow erneuert, im „Novellenbuche“, 8-3 
S. 60. So wertpuoll diefe und alle ähnliche Bearbeitungen Bi 
low's in aͤſthetiſcher Beziehung find, fo verräth fich doch der 
Mangel an firenger hiſtoriſcher Kriti gleich in der erften Zei, 
wo die erzählte Begebenheit entfdieden unrichtig in das Jahr 

. *) 


1 1683 verlegt wird; |. S. 1044, Anm 








J 


Voerzuͤge dieſes Memams theilen, andererſeits, daß fie auf 
derfelden gediegenen, ‚echt volkochimlichen Gefinnung wie 
jene berufen müſſen, und zwar tritt letztere wegen des 
meht didaktifchen Charakters dieſer Schriften hier faſt 
noch deutlichen hervor als dort, fodaß wir fie noch genauer 
als eine deutſch bürgerliche Sinnesart bezeichnen können, 
wozu als naͤchſte und treffendfle Parallele Juſtus Mi: 
fer's „Patriotifche Phantafien * su nennen. find, mit de: 
nen hier in ber That eine fo auffallende Ähnlichkeit ſtatt⸗ 
findet, daß man oft glauben möchte, ganz Daſſelbe bei 
Möfer gelefen zu haben, was zugleich als das ſchoͤnſte 
Lob fuͤr Grimmelshauſen's ſchlichte und Präftige Darftel: 
fungsweife gelten kann. In Beziehung auf den Stoff 
dem „Simpficiffimus‘ am naͤchſten flieht das „Rathſtuͤbel 
Plutonis“. Bier finden fih nämlih noch einmal alle 
Hauptperfonen des, Simpliciſſimus“ nebft noch einigen 
andern, neuen Charakteren zufammen und behandeln zu: 
naͤchſt dialogiſch die Kunft reich zu werden, bie fie, bei 
der heſchickteſten Feſthaltung und Durchführung der vers 
fhiedenen, durch ihre ‚Auftreten in den Romanen feflges 
fieliten Charaktere, doch im Weſentlichen uͤbereinſtimmend 
alle in dee Entaͤußerung von allem unnöthigen, nament: 
lich auslaͤndiſchen Lurus in Kleidung, Nahrungsmitteln 
u. f. w. finden; an dieſes Geſpraͤch fchließen fi kurze 
Erzählungen und Betrachtungen des verfchiedenften In: 
haits, aber alle mit volksmaͤßig lehrhafter Wendung an, 
die von den einzelnen Perfonen der Reihe nach vorgetra» 
gen werben: dis Art, in dee bier hiſtoriſche Perfonen, 
J 8. Wallenſtein, Johann von Werdt u. A., tur; ge 
jeichnet werben, koͤnnte noch heute Volksſchriftſtellern zum 
Muſter dienen. Strenger in erzaͤhlender Form als ein 
ununterbrochenes Ganzes iſt der „Stolze Melcher“ durch⸗ 
geführt; ein reicher Bauerſohn, den Ubermuth und Wer: 
cehrtheit verleitet hat, franzoͤſiſche Kriegedienſte gegen Hol: 
land zu nehmen, kehrt krank und abgeriſſen wie der ver⸗ 
lotene Sohn nach Hauſe zuruͤck, wo er aber zum Scha⸗ 
den auch noch den Spott zu dulden hat. Das didakti⸗ 
ſche Element in dieſer Schrift wird hauptlaͤchlich dadurch 
gewonnen, daß der Junker und der Pfarrer des Dotfes 
als geiſtig hoͤher ſtehende Theilnehmer und Beurtheiler 
der Handlumg eingeführt werden, was ganz ebenſo bei 
Miöfer wiederkehrt; diefe knuͤpfen an des ſtolzen Melcher 
Schickſal Betrachtungen an, welche uns Deutſchen ‚Au 
wiederhoten Leider noch fange nöthig geweſen, vielleicht 
jett noch noͤthig iſt: fo ſieht man bier, daß es nicht ber 
Napoleoniſchen Kriege bedurft haben follte, um zu erken⸗ 
nen, daß 
i ranzoſen zugleich fuͤr Verfechter, fuͤr Schanz⸗ 
a ie 1 rd aaflen, fie durch ihre 5 
Me ee Er 
t augzu 
a in ben —— aber die Gräben autzufuͤllen. 
Oder wer follte nicht in ben folgenden Worten eine viel 
weiter als blos für das 17. Jahrhundert gültige Wahr: 
beit anerfennen: 6 nigt finde 
i — ſagte der Junker —, da nicht finden 
ui dp jemals die dein ent als N Deutfie übers 
wunden werben koͤnnen; bas wiflen bie Branzofen, und derowe⸗ 


gen fehen wir, daß fie gu unfern Zeiten um anfer Beh, bat 
wir beides um franzoͤſiſche Waaren und mit obnnöthigen koſt⸗ 
baren Reifekeften in Frankreich hinein vernarren, unfere junge 
Mannſchaft an ſich locken; und hernach um berfelbigen Zapfer: 
keit, Mühe, Arbeit, Blut unb Leben fowohl bie aroßen Städte 
ats die Wictorien im Feld von den Nicberteutichen erkau 
werben, auch mit folder Mode uns da und dort zu zwacken 
nicht aufhören, wann wir die Augen nicht beffer aufthun, bis 
fie uns endlich nody gar um unfere Freiheit, um Hab und Gut, 
ja um Alles, was Deutfchland groß und ruhmreich macdıt, ge 
buadyt Haben werben. 

Diefe Worte erfcheinen wahrlih als die Stimme: eines 
Prediger in ber Wuͤſte, wenn wir bedenken, daß fie etwa 
zwölf Jahre vor dem Haube Strasburgs geſchrieben find ! 

Haben die beiden genannten Schefften hauptſaͤchtich 
bee Deutfchen Sitte und politifdhe Lage zum Gegenſtande, 
und find fie in Ferm und Anlage den Romanen nahe 
verwandt, fo nähern. fich die beiden andern mehr der rei⸗ 
nen Abhandlung, und mol eine Folge diefes Umſtandes 
iſt es, daß fie jenen an Friſche und Volkothuͤmlichkeit ber 
Darftellung nicht ganz gleichfiehen, daß fich in ihnen bie 
Gelehrſamkeit des Verf. ſchon eher in ſtoͤrender Weile 
blicken laͤßt; doch iſt dieſer Abſtand hier jedenfals nur 
ein ſehr geringer. Im „Teutſchen Michel” wird der Bu: 
hand der Mutterſprache in Vetracht gezogen, unb mit 
gefunden Urtheil ebenfo fcharf die barbarifche Sprachmen⸗ 
gerei des 17, Jahrhunderts als bie abgefhmadte Art von 
Sprachreinigung, die Philipp von Zeſen ausgefonnen hatte, 
getadelt; zahlreiche fcherzbafte Anekdoten fegen die Wer: 
kehrtheit beider Verirrungen in das heilfte Licht. Von 
ber legten hierher gehörigen Schrift endlich ‚Warum Gr 
nicht katholiſch werben koͤnne“, die wieder in Geſpraͤche⸗ 
form eingekleidet ift, aber dennoch den Charafter der Ab: 
bandlung an fich trägt, habe ich ſchon oben nachgewiefen, 
wie fie der Blaubensfreiheit in einer für das ganze Volt 
befimmten Weife das Wort reber. 

Meniger ein zufammenhängended Ganzes kann feiner 
ganzen Anlage nad der „Ewigwaͤhrende Galender” bil: 
den. Die Idee, mit Kalendern als den verbreiterften aller 
Volksſchriften didaktiſche oder fonftige Zwecke zu verbins 
den, gehört den Volkokalendern unferer Tage keineswegs 
eigenthuͤmlich an: ſchon Thomas Murner hatte, wahr⸗ 
ſcheinlich 1527, dieſe Einkleidung für die giftigſte feiner 
Satiren gegen Reformation und Reformatoren gewaͤhlt, 
und Ähnuches kehrt mehrfach bis auf die Ketzeralmanache 
aus dem Ende des vorigen Jahrhunderts wieder. Weit 
näher der belehrenden Tendenz unferer Volkékalender fleht 
Grimmelshauſen's Arbeit: bier enthält die erfte der feche, 
fünf oder vier Spalten, in die je zwei gegenüberfichende 
Seiten zerfallen, die Ramen ber Heiligen für jeden Tag. 
Die zweite und dritte Spalte bringt gefchichtiiche Notizen, 
befonder® zahlreich aus dem Dreißigjährigen Krieg, Haus: 
mittel, Wirthſchaftsregeln und Anekdoten, die als einzelne 
Nachtraͤge und Ergänzungen zum „Simpiiciffimus”, nas 
mentlich zum vierten Buche deſſelben, angefeben werben 
Sinnen; ſchon bier bewährt ſich des Verf. gefunder Sim 
in Eurzen Bemerkungen, die er manchen, mehr oder we: 
niger abergiäubifchen Dausmitteln fpottweife beifügt. Be⸗ 
deutender iſt bie zweite Dälfte der Arbeit, die ausführliche 


“ 





Dialoge uͤber Rotenderweien, Afttenomie, Afteelogie und 
Welffagungen enthält; bier find nicht nur wirklich ein: 
gehende Kenntniffe in für jene Belt trefflich populairer 
Weiſe entwickelt, fondern noch wichtiger iſt der durch⸗ 
gehende Kampf gegen thoͤrichten Aberglauben; freilich ver⸗ 
wickeit ſich Grimmelshaufen dabei nach unſern Begriffen 
in ſtarke Widerſpruͤche, indem ihm Vieles noch glaublich 
iſt, was heute laͤngſt abgethan iſt; wir wiſſen ja aber 
aus zahlreichen andern Quellen, welche ernſte 

man im 17. Jahrhundert noch dee Aſtrologie und dem 
Mativitaͤtſtellen beilegte, ſodaß es ſchon als ein Verdienſt 
bettachtet werden muß, wenn ſich ein tüchtiger Mann be: 
whhte, in dieſen Angelegenheiten fcheinbas wiſſenſchaftliche 
Regeln an dis Stelle der reinften Willkuͤr und Charlas 
tanerie zu bringen. Go if namentlich dieſe zweite Hälfte 
des Kalenders eine mit ehrenwerther Bemuͤhung der Be⸗ 

des Motto gewidmete Arbeit. 

So fchen wir alfo in dieſen fünf Scheiften die bes 
deutendften Iuterefien des Waterlands in ebenfo ehren: 
werthem Sinne als allgemein verfiändlicher Form beſpro⸗ 
chen; deppelt liebenswärbig erſcheint der Verf. darch bie 
Milde des Urtheils und die gutmäthige Heiterkeit, Die 
uberall Benntlich iſt, ohne dem Ernſt, mit dem er die 
heiligſten Intereſſen verficht, irgend Eintrag zu thun. 

* (Dee Beſchluß folgt.) 


Mankerlei. 


Hesel’s Lehre von den Wegriffen als ſich ſelbſt bewegenden 
Subſtanzen und miteinander haushattenden Weſen, denen ber rechte 
Philoſoph nur zuzufehen und bie er nur in feinem Bemußtfein 
einzufangen bat, bient vortrefflid zur genetiſchen Erklaͤrun 
mancher Vorgaͤnge. So Läuft jegt in der Welt ber Beariff 
einer hriftiihen Kirche herum, und ihm jagen die Theo⸗ 
logen nach, und bie Religionsphilofophen und die Polititer. Am 
been eingefangen hat ihn der Papfl und ihm in feiner Perfon 
concreted Dafein gegeben. Den proteſtantiſchen Zheologen will 
dies nicht gelingen, er entichlüpft ihnen trog ihrer Kirchen⸗ 
zeitungen, Unionen, Abftrafungen bes Lirchenfeindlichen Ratios 
naliömus. Die Religionsphilofophen fuchen Ihn einzufpinnen 
darch Dialektik, aber der Begriff zerdeißt ikme Gewebe, und 
will in ihr Bewußtfein fich nicht einfegen laffen. Die Politiker 
fuhen ihm mit Negen und Leimruthen beizukommen, allein 
auch bdiefen entgeht er durch behutfame Vermeidung des Netzes 
und der Kiebftellen. Gind die Jaͤger verfeflen auf Teinen Beſitz 
und bartnddig in ihres Jagd, fo werben fie immer mehr dem 
pepfitichen Gebiete entgegengefährt, auf welchem alle d vers 
boten ift, indem der Begriff dort mit dreifacher Krone geſchmuͤckt, 
als in feiner Heimat, luſtwandelt und von’ feiner Weltreiſe 
ausruht. Ihn dort zu haben, iſt fehr leicht, denn er ſchenkt 
fi gern feinen Liebhabern mit dem Papfte ſelber; nur nicht 
ohne Krone, nicht, um in ein Mildgeheg geiperst ober in ein 
Beuchtfeld eingezAäunt zu werben, fondern um triumphirend auf 
den Schultern geftagen zu fein, Theologen zu meiftern, Philos 
fophenzu befhämen, Polititern ernfte Mahnungen zu ertheilen. 
Davor ſtutzen nun dieſe alle, weichen zuruͤck, beginnen ihre uns 
fruchtbare Jagd aufs neue, und Einer meint immer, es liege 
an dem Laͤrm bed Ankern, daß man den Begriff nicht fange; 
die Theolo fchmälen auf Philofophen und Politiker, diefe 
wicder auf jene, der Laͤrm wird durch ben Zank noch größer, 
und Keiner wird einfangen, was er ſucht. 


Mitloſophi ein 
Armuth, enfant & la 


un 

: dötresse et oempagse de 

De op, bem en wohl if in feiner Haut, 
n enſch, we vo t und mi 

Genuß feine Wänfche befriedigt, — ih um man daten 


ſich eben belümmern muß, un ebenfe 
bie 4, ven 


Zweifler. Sie ift 
allerlei Beten 


dethalb arm, ſucht aber zu heifen dark 
und Rat. Michl Dem 
und feines Be un 


Ä — weicher vi, 
ng, beines Mothes bederf. Kommen bie 
Kinder ind Himmelreich (Matth. 18, 3), welche das Itdiſche 
mit voller Seele naſchen, fo haben fie keine Phlioſophie un 
bebürfen keiner. Wollen daher weltliche und geiſtliche Führer 
der Voller Phliofophie abſchaffen und dieſelbe als Feſcheig 
und entbehrlich darſtellen, fo fie vieleicht das Wehl ihen 
Untergebenen im Xuge und 5 ihnen bie Seligkeit der Kine 
zu ſchenken, follten aber zugleich dem Mangel und der Armut 
im Sinnlicyen wie im Geiftigen ſtets vorbeugen können. MW. 





Literarifhe Anzeige. 
Durch alle Buchhandiungen iſt zu erhatten: 


Der nene Pitaval. 


Cine Sammlung der intereffanteften Griminalge 
ſchichten aller Länder aus älterer und neuerer Zei. 
‚Derausgegeben von 
Dr. 3. €. Hitzig und Dr. W. Gäring (W. Aleriv). 
Erſter bis beitten Theil, 
Gr. 12. Sch, 5 Thir. 24 pr. 


Inhalt bes exfien Theits (Preis 1 Chile. M Mer.): 
Kari Ludwig Sand, — Die Ermordung bes Fualdes. — 
Das Haus der Frau Web. — Die Ermordung bes Pater Te 
mas in Damaskus. — James Hind, der royaliftifche Gtrafen: 
räuber, — Die Mörder al Reiſegeſellſchaft. — Donna Worte 
Bicenta be Menbieta. — Die Frau des Parlamentöraths Tigut. 
— Der falfdye Dartin Guerre. — Die vergifteten Mohrrouͤben 
Inhalt bes zweiten Theile (Yaris I Sir): 
Fonk und —8 er 
Die Gebeimräthin Urſinus. — Anna Margaretha Imanzige. 
— Gehe Margaretha Gottfried. — Der Lirtbfehaftsfchreie 
Tarnow. — Die Mörberinnen einer Bere. — Die beiden Rim: 
bergerinnen. — Die Marguife de Gange. 
Inhalt bes breitten Theile (Yes 3 Ehke.): 
Strumfee. — Lefurques, — Der — Der 
Marquis von Anglade. — Jacques Lebrun — Der Mord di 
Lord William Ruſſell — Nickel Lift und feine Seſellen — Ber 
thelemy Roberts und feine Flibuſtier. 


Der vierte Theil dieſer intereffanten Sammlung wit 
noch im Laufe diefes Jahres erfcheinen. 
Reipgig, im September 1843. 


S. a. Brockhaus. 


VBerantwortiiger Deraußgeber: Heinrih Brodhand. — Droue und Berlag von F. A. Brockhaus im Beipzig. 





r. — Die Marquije von Brinvilier. — 





Blätter 


fhr 


literarife Unterhaltung. 





Donnerötag, 


— Ar 204. 





21. September 184. 





Chriſtoffel von Grimmelähaufen, der Verfaſſer 


des „Abentenerlichen Simplitiſſimus⸗ 
(Befchiuß aus Nr. 268.) 
Den mtichiebenften G⸗ 
qeuen Schriften bilden der —— Pigram“ 
—— * Ratis. Status’: dort unmiſtelbates en 


geben auf die wichtigſten Angelegenheiten Deo Waterlandd, : 
bier in mißlges, vefuttatiofes Gedankenſpiel; dort Alles 
belebt durch wwmiittelbare Anwendung auf die naͤchſten 
Bedürfniffe des deutfchen Wells, hier Alles dur und 
buch unprakeiſch; host lebendige, heitere und einfache : 


Daeſtellung, bier Suifheit der Sprache um) prunfendes 
Anbhäufen todter Gel⸗ehrſamkeit; dort wird mau beim Les 
fen ebenfo angezogen wie hier gelangweilt. Der „Saty⸗ 


tiſche Pügram’‘ zerfaͤllt in zwel Bücher von je sohn Ga: ' 


piteln, in „Sat“, „Gegeuſatz“ und Nachklang“; in je 
dem wird irgend ein beliebig aufgegriffener Begenliand fo 
behandelt, dab bee „Satz“ das Guce deſſelben, der „Be: 
genſatz“ fein Boͤſes auseinanderfegt, und ber „Nachklang“ 
de Abrechnuug zwiſchen beiden haͤlt, welche ohne Aus: 
nahme als eine siemiih matte Paraphraſe des alten 
Spruchs: „iedas Ding hat ſeine zwei Seiten“ ausfält. 


Einige Capiteluͤberſchriften urbgen bier als Proben er ' 
seiprochenen Stoffe und ihrer bunten Befammenmürfeiung | 


Bay finden: „Bon Gott und deſſen Lob”, I, L, wo 
fih der Gegenfatz freisich darauf beſchraͤckt, zu fagen, daß 
* feinen gebe; ‚Don den Bauetn umd ihren Berzigen”, 
1,4; „Vom Janzen, deſſen Urfprung und Lob”, I, 6; 
„Ben der Poeserei und beefeiben Wertrefflichleit”, ü. t3 
„Vom Gefhüg und deſſen mie auch des Bücfnpuivers 

i Gebrauch“, Il, 2; „Von der Liebe, ihrer Ei: 
uenfhaft und Wirkungen‘, MH, 3; „Wom Taback, meher 
derſelbe kommen, und wozu er diene”, II, 4; „Von der 
HYhiloſephia und den Phileſophis, II, 6; „Bon ber Mum⸗ 
merei, und warum dieſelbe Maſũe und verantwortlich“, 
u, ’. im Eingehen in das Gingeine wid man bier 
wol nicht verlangen, *7r ſich gern wit dem obigen 
gemeinen Urtheil 

Ja dem „” ——* Batio Status“ tönnte man 
luicht eine grimdlihe Darflellung ber bamaligen Gebzechen 
in dem ——* Zuſtande Deutſchlande ſuchen wollen; 
die Erwartung wird aber ſchon ſehr herabgeſtimmt wer 
dm, wenn man auf dem ie weiter Heft: „‚iuflig ent⸗ 


Me 
zeufag gegen Die eben befpoe: | feibung des gebeffeen Gegemfandes diefer Abtendtung 


| zannen beherbergt und ihm Folge geleiſtet wird”; 


werfen unter der Hifteri des weidlichen Könige Saul, 
bes ſanfemuͤthigen Koͤnigs David, des getan Prinen 


JJonathan und des tapfern Generaliſſimi Joabi“, was 


alſo vonnigfiens ſchen eine abſichtliche Umspüllung und Vor⸗ 


ankuͤndigt. Und in der That IE dieſe Umhuͤllung fo 

dicht, Daß es num möglich wird, irgend vat⸗waͤndiſche 
Beziehungen in dieſer Scheift zu entdecken. Batio Sta- 
tus beißt. nach Grimmelshauſen's Definition ‚‚in unſeret 
beusigen Alomode-Weit Die Übung ber Selbſt⸗Erhaltung 
fanst dem Fleiß und der Muͤhe, fo hierzu angemandt 
wird, als weiche gleichſam das Leben und die Beste eines 
Reichs ober einer Republique iſt“, und feine Zweikoͤpfigkeit 
beſteht darin, daß er, „aut ober boͤſe, je machdem er etwan 
von redumdßigen, frommen, Gott und der Weit gefaͤlli⸗ 
gan Regenten, oben aber von ungerechten, gottlefen Ta⸗ 
als 
Nepsdfentant dee letter, ſchlochten Art von Staatsweis⸗ 
beit wird Macchiavelli auf das lebhafteſte angegriffen. 


| Man ficht hiernach Leiche, daß das Ganze ſich eigentlich 


nur durch größere Ausfihelichleit von ber im „Satyri⸗ 
fhen Pilgram“ eingehaltemen Behandlungkweiſe unser 
ſcheidet, der hier noch eine gefchichtliche Grumdiage zur 
gefügt iſt; die weitere Ausfährung beſteht naͤmlich dari 

daß die zwiefache Staatsweisheit in langweiligen 8* 
anderſetzungen und Betrachtungen dsber die bibliſche Er⸗ 
zaͤhlung von Saul, Jonathan, Dauid und Joab veran⸗ 
ſchaulicht werden fol. Schließlich iſt „dem hochloͤblichen 
Frauenzimmer zu ſonderbaren Ehren und Wohlgefallen“ 
ein „Discurs vom Favoriten Sabud” angehängt. Don 
mittelbarer oder unmittelbarer Anwendung auf bes Verf. 
zeitliche umb raumliche Gegenwart nirgend eine Spur! 
So fehle alfo diefen beiden Schriften keine der Eigen 
fchaften, derentwegen votz Grinmelshaufen’s Kunfkcomane 
wie alle auf Lohenſtein ſchem und verwandteni Grunde 
aufgebauten Schriftwerke fehr gering zu ſchaͤtzen endlich 
gelesut haben. 

Ich wende mich wen zu der letzten Abeeilumg vom 
Grimmelshanfen’s Weinen Schriften, welche die „Werbehete 
Welt”, deu „Eiligenden Wanderemann“, die „Traumge⸗ 
ſchichee von Die und Mir‘ und die „Meifihefihreibuung 
nah der neuen Mondswelt” umfaßt. Es find Dies dies 
jenigen Schriften, in welchen bie fügen eben «ewähnte, 


v 3 * 


gegen das Ende des „ Simpliciffimus” auftauchende Traum⸗ 
und Vifionswelt entfchieden vorherrſcht. Sittenſchilderun⸗ 
gen der Gegenwart waren in ber erſten Hälfte des 17. 
Jahrhunderts von ſpaniſchen Scheiftftelleen mit vielem 
verſucht worden; die Pibendige Phartafie der Spa: 
niet gab auch diefer Gattung von Schriften alchald einen 
ſcharf ausgeprägten Charakter: theils nahmen fie dem re: 
ligioͤſen Standpunkte ihres Vaterlands gemäß eine asceti⸗ 
ſche, weitverachtende Richtung; theils wurden fie in mehr 
heiterer und ſatiriſcher Weiſe, zugleich in einer rein phan: 
taſtiſchen Forma angelegt; in Iegterer Weife flellte Quevedo 
das von ihm Beobachtete als eine Reihe von Traͤumen 
dar, in erflerer find die Peoben, bie Grimmelshauſen aus 
den Schriften Guevara's, die ſtark auf ihn gewirkt hat: 
ten, mittheilt.”) Wie jede bedeutende Erſcheinung des 
Auslands wurden auch diefe Spanier in Deutfchland, 
son wo fich feit Karl V. außer dem lebhaftern Handel aud) 
wol mancher geiflige Verkehr nad) Spanien bin ange: 
fponnen hatte, gelefen und nachgeahmt. Ein gluͤckliches 
Geſchick führte ihnen gleich in dem erften namhaften deut: 
ſchen Bearbeiter einen in jeder Hinſicht befähigen Mann 
zu: Mofcherofch ſtammte nie nur von einer ſpaniſchen 
Familie ab, fondern befaß audy alle Eigenſchaften, um 
mehr als ein blos Außerlicher Nachahmer feines Vorbildes 
zu werben. Dies ift, wie er felbfl fagt, Quevedo, d. h. er 
hat von ihm den Gedanken entiehnt, ſatiriſche Zeitſchilde⸗ 
sungen in Form von Traumgefichten nieberzulegen ; fonft 
aber ift fein Werk durchaus ebenfo, ja noch mehr deutſch 
geworden, als 3. B. Wolfram von Efchendba im „Par: 
cival“ die franzoͤfiſche Sage verdeutſcht hat; «6 find nicht 
nur deutfche Sitten und Zuftände, die er fehlidert, fon: 
dern auch feine ganze Betrachtungo⸗ und Darſtellungs⸗ 
weiſe mit ihrer fittlihen Grundlage if ganz fo deutich, 
als es die bdeutiche Literatur damals Überhaupt zu fein 
vermochte. Was feinen Traumgeſichten dennoch abging, 
um ein mahres Volksbuch werden zu tönnen, babe ich 
fon oben bei der Vergleihung Beimmelshaufen’s mit 
feinen Geiſtesverwandten ausgeſprochen. 

Hier ſchließen fich nun unmittelbar die in Rede ſte⸗ 
henden Schriften Grimmelshauſen's an. Ohne Zweifel 
entweder von Quevedo ſelbſt oder von Moſcheroſch hat 
er die Anlage und Einkleidung dieſer Schriften entlehnt, 
jedoch nicht ohne ihre durch eigene Erfindungen Abwech⸗ 
felung zu geben; auch die fatirifche Richtung ift hier im 
Wefentlichen wie dort, und wenn bei Grimmelshaufen 
vieleicht noch mehr fittlicher Ernft zu Grunde liegt, fo 
wird die Urfache davon vielleidyt in dem fchon erwähnten 
Einfluffe des mehr ascetifchen Guevara auf Grimmels: 
haufen, zum hell auch in feiner eigenen Natur zu fu: 
chen fein; bei alle Dem aber find auch diefe vier Schrif: 
ten buch und durch, mehr noch als der zur Unzeit ge: 
Belsere Moſcheroſch, deutfch und flehen durch ihre gefunde, 
unverkünftelte Lebensweisheit in - voller Übereinftimmung 
mit allen volksthuͤmlichen Schriften GBrimmelshaufen’s. 
re Einkieidung nach find fie Grezaͤhklungen von bem 


v*) „Gimpliifinst, Buch 5, Gap. 23, IA 





Mannes wird wur an di 


we: 


Wunderdingen, die der Verf. theils in einer ſelbſtgematce 
ten unterirdiſchen Hoͤlle, theils im Traume eilebi haben 
will. Die Darſtellung iſt ebenſo voll Friſche und Leben 


wie in den beſten unten feinen Übrigen Schriften, un 


die allerdings auch In Ehen: ſichthare Selchtſamkeit vu 
nzeinen Stellen durch Sprag 
mengerei und gehaͤufte Citate anſtoͤßig. Am conſequente: 
ſten und gelungenſten durchgefuͤhrt, zugleich am eigen: 
thümlichften in der Anlage und von einer meißterhaften, 
in aller ihrer Ausführlikeit nicht ermüdenden Irene 
if die „Verkehrte Welt”: hier „rumpelt“ der Verf. durd 
einen hohlen Baum, in den er fich vor einem Unwettt 
geflüchtet, bis In bie Hölle und laͤßt ſich von den we 
fhiedenen Bewohnern derfelben die Urſachen ihrer Ver: 
dammniß erzählen, denen er durchgehends die Verfide: 
rung entgegenfeßt, daß all dergleichen Unfug auf der Erde 
jest gar nicht mehr gekannt werde, daß es feine ung: 
rechten Fuͤrſten, feine beftechlicyen Michter,, Beine fündhef: 
ten und anmaßlichen Geifllichen, Eeine betruͤgeriſchen Kauf 
leute u. |. w. mehr gebe, was denn zu fehr treffenden 
Schilderungen dieſer verfchiedenartigen Sünder Veraniıl 
fungen gibt. Schließlich führt ein enger Felſenweg dm 
Verf. zurüd in die Baumannehöähle, aus der ihm ein 
Erdmaͤnnchen vollends heraushilft. 

Hier werde ſchließlich noch der legten übrigen Schalt 
Srimmelshaufen’6 kurz gedacht, des ‚, Balgenmänntein“ 
welches zwar nicht derſelben pbantaftifchen Zraummet 
angehört, aber doch infofern einigermaßen damit in Ver 
bindung fleht, daß «6, an eine Stelle der „Courage“ fih 
anfchhließend *), einen viel verbreiteten, in neuerer Zeit von 
Fouque dichteriſch bearbeiteten Aberglauben in einem kunm 


Briefe mit langen Anmerkungen warnend und belehrend 


beſpricht. 

Sehr bedeutend iſt in faſt allen Schriften Grimme: 
hauſen's die Menge echt volksmaͤßiger Erzaͤhlungen, Amt: 
boten, Betrachtungen, aus denen fich mit vorfichtiger Er 
neuerung eine trefflihe Sammlung herſtellen Tiefe, die 
viele neuere, geruͤhmte Volksſchriften in Scyatten ſtelen 
würde; auch feheint er auf bdiefe Weiſe ſchon hier und 
da benupt zu fein: wenigſtens finden ſich im Hebel 
„Schatzkaͤſtlein“ und ähnlichen Schriften mande Ab— 
ſchnitte, die entweder mittelbar oder unmittelbar vor 
Grimmelshaufen entichnt oder einer Quelle entnommm 
fein muͤſſen, bie diefer fchon benugen Eonnte.. 

Bisher fpielte der „Simpliciſſimus“ in der deutſchen 
Literarurgefchichte eine ziemlich ungluͤckliche Rolle; man 
fah in ihm nur eine treue, hoͤchſtens wichtige, aber durch 
aus rohe Scyiiderung feiner Zeit; man dyarakterificte ihm 
als „wichtig für die Sittengefchichte, fonft ohne Takt für 
das Schickliche“, und wußte ihm namentlich in der et: 
ganiſchen Entwidelung der deutſchen kiteratur feinem 
rechten Plap anzumwelfen. Gervinus zuerft bat etwas mit 
ihm anzufangen gewußt und ihm etwas mehr Gexrechtig⸗ 
keit angedeihen laſſen. Ich hoffe, daß biefee Aufſatz dajı 
noch ein Mehres beitragen und anf eine fehe wuͤnſchent⸗ 


*) „Ceurage“, Cap. 1-29. 





werthe ſpecielle Geſchichte der deutſchen Literatur im 17. 
Yaprhunbert nicht ganz ohne Einfluß bleiben fell. Der 
„Simplicffimus’ tann fortan nicht mehr als ein allein: 
ſtehendes literariſches Product betrachtet werden, ſondern 
als ein Theil der niche unbedeutenden fchriftftellerifchen 
Thätigkeit eines ebenſo merkwürdigen al6 wunderlichen 
Mannes. Alle fruͤhern deutſchen Literaturgeſchichten wiſ⸗ 
ſen im 17. Jahrhundert faſt nur von den beiden ſchleſi⸗ 
ſchen Dichterſchulen und ihren Abzweigungen zu reden; 
Gervinus „hat eigentlich zuerſt auf die ſehr bedeutende 
Reaction gegen diefelben, welche gleichzeitig flattfand, auf: 
merkſam gemacht, aber diefen Gegenſtand natürlich noch 
keineswegs ganz erledigen können, da es gerade hier noch 
viefee und nicht leichter Sichtung bes oft ſchwer genug 
zu befhaffenden Stoffe bedarf. In Grimmelshaufen 
lernen wir nun ducch Echtermeper’s und meinen Aufſatz 
einen Schriftſteller kennen, der beide Richtungen feiner 
Zeit Mar erfennt und in fidy vereinigt, ohne fie mitein: 
ander zu verfchmelzen ; einen Schriftfteller, der, mit felte: 
nem Reichthum an Wig und Phantafie begabt, damit 
die noch feltenere Kraft und Beweglichkeit des Geiſtes 
verbindet, die verfchiedenften literariſchen Richtungen in 
ihrer ganzen Eigenthuͤmlichkeit fo zu verfolgen, daß er 
aus eigener Dichterifcher Kraft einen nicht unbebeutenden 
geifligen Gehalt in fie hineinlegt; der in dieſen beiden 
Richtungen die richtige, dem Inhalt wohl anpafjende Form 
der Darſtelung mit gleigger, auf der einen Seite freilich 
ſchlecht angebrachter, Meifterfchaft zu handhaben verſteht; 
der in der voltsthlimlichen Literatur feiner Zeit ohne 
Zweifel einzig und umerreiht daſteht, und auch wieder 
ale Mängel und Schwächen eines vorhereihenden Unge: 
ſhmacks theile. 

Eine hoͤchſt eigenthämliche und merkwürdige Zeit ift, 
wie im Politiſchen fo auch im Literarifchen, dieſes 17. 
Jahrhundert, wo auf der einen Seite die deutiche Kite: 
tatur in jeder Beziehung fo in die aͤußerſte Entartung 
verſank, wie dies die Erzeugniffe jener Zeit ihrer großen 
Mehrzahl nach beweifen, andererſeits noch fo viel gefun: 
dee Volksfinn ſich erhalten und fo kraͤftig ausſprechen 
konnte. Möge eine ausführliche Geſchichte des geiftigen 
Lebens dieſer Zeit, zu der Echtermeger bisher leider ver: 
gebend Hoffnung gemacht hat, nicht zu lange auf ſich 
warten laſſen! Gewiß wird in ihr Chriftoffel von rim: 
melshaufen nicht die letzte Stelle einnehmen dürfen. 





Studi eritici di N. Tommaseo, Venedig 1843. 


Diefes jängfte Werk des bekannten Belehrten und Roman 
ſchriffftelers Tommaſeo ift jedenfalls bedeutender als fein kurz 
vorhergegangenes „Fede e beilezza”, beffen günftige Aufnahme 
beim Yublicum wir und weniger aus dem innern Werth diefer 
Ropelle ald aus dem Umftande erfiären, daß fie Dichtung und 
Wahrheit aus dem eigenen Leben des Werfaffers enthalten fol, 
der alierdinge, ſowie durch feine zahlrelchen Schriften, auch 
dur fein perſonliches Schickſal einige Zheilnahme von Geiten 
Itaiims verbient, feiner ſchoͤnen Adoptivpeimat, für deren Bis 
teroter unb politifche der datmatifche Gelehrte dort 
gewirkt, namentlich durch fein großes „Synomymiſches Wörter: 


buch”, und bise 2, band —5 Verbannung, hie 
ihm fein republik x Roman, ber berühmte De ch 
ugezogen. Seinem „Fede e bellozza‘’ aber gereicht fogar bie 
* Sprache, die in feinen gelehrten Werken fo ganz am 
Drt, infofern zum Rachtheil, als fie bucch ihre Taciteiſche 
Kürze und allzu kunſtreiche Periobenfügung den ohnehin zu le 

ten und ſtizzenhaften Inhalt diefes Buches nur no fchmä 

tiger ericheinen läßt. Wie der geiftvolle, fonft auch im Roman 
nicht ungluͤcktiche Werfaffer nur fo gar Beine Sorgfalt auf die 
Geftaltung diefes Romans verwendet! Gin mäßige Bändchen 
und bed Helden Gelichten allein eine Schar von vielleicht zwölf 
Köpfen — wo bliebe da Raum für Motivirung ober aud) nur 
bie ſpaͤrlichſte Charakteriſtik, dieſe verſchiedenen Liebesgänge cines 
und deffelden Herzens auseinanderzuhalten? Und doch webt in 
dieſem Tagebuch — mehr iſt die Novelle kaum — ein gewiſſer Reiz 
ber Wahrheit und eine Fülle von Ideen, welche dem Buch, das 
feine zweite Auflage bereits erlebt, auch noch eine dritte vorher⸗ 
fagen laffen, um fo mehr, als bie Eritifchen Anfoderungen ber 
Staliener an ihre Romanliteratur lange nicht fo body reichen, 
als ihre Meifterwerte in diefem Genre oder auch nur der 
Standpunft joliten vermuthen laffen, den die Kritil im Allges 
meinen heutzutage in Jtalien einnimmt. on Tommaſeo felbft 
zu gefehweigen und einigen andern literarifchen Größen Italiens, 
weiche die Kritil im ebeiften und umfaffendften Sinn betreiben, 
bedarf es nur eines Blicks auf die periodifche Preffe, um bie 
Kritit auch hier als eine Literarifche Macht zu erfennen. So 
gibt ed allein in Oberitalien nicht weniger ale drei Sournaliften, 
welche auf dem Felde ber Kritik zu hohem Anfehen in ganz 
Stalien gelangten, und auch in privatlicher Beziehung zu einer 
mehr oder minder vortheilbaften Stellung, es find dies Angelo 
Profferio, Felice Romani und Tommaſo Rocatelli. Der Erfte 
war früher Advocat und ſchreibt nun ben „Messaggiere” in 
Zurin, den er aus einem unbedeutenden Handelsblatt zu einer 
der geachtetften Zeitſchriften erhoben, und zwar unter beftigem 
Kampf mit einer in Turin beflehenden litcrarifchen Camarilla. 
Sein Stil iſt leicht und fließend, feine Sprace nicht fehlerfrei. 
Romano zieht einen jährlichen Gehalt von Francs für die 
Appendici, die cr zur turiner Zeitung liefert, fonft fchrieb ex 
die beiten libretu d’opera (SDperntexte), welche jebenfalls 
beſſer flilifirt find als feine Profa, die gezwungen und jchleppend. 
Wirklichen Werth befigt die Profa Locatelli's, bes gefühls,' 
phantafies und wigbegabten Redacteurs der „Gazzetta di Ve- 
nezia‘', den feine Eandsleute daher auch als „„modello di bello 
e gentile scrivere’’ bezeichnen. Höher freilich als diefe Kory⸗ 
phaͤen der Tagesliteratur, unb gigantifcher in jeber Beziehung 
tritt und Tommaſeo in feinen „Studi critici” entgegen, als 
Statiens Lefjing, möchten wir fagen, ausgerüftet gleich dieſem 
mit tiefer Geichrfamkeit, ſcharfem Urtheil und claſſiſchem Stil. 
So wenigftens dürfen wir von Zommafeo reden, den Leiftuns 
gen Italiens gegenüber, ohne daß wir darum, hätten wir des 
Deutichen ſchwerverdienten Kranz zu vergeben, ben jüngern 
Fremden auch abfolut deffeiben würdig bieiten. . 


Tommaſto's Wert zerfällt in zwei flarle Bände, von 
denen ber erfte fi blos mit &. B. Vico und Manzoni ber 
ſchaͤftigt, während der andere ſich über fo viele litevariſche 
Stoffe, Perfonen und Gcheiften Eritifch verbreitet, daß wir 
dem Verfaſſer unmöglich ins Einzeine folgen koͤnnen, ohne daß 
unfere Recenſion nicht zum gleich ſtarken Buche anwuͤchſe, was 
ſchon um deswillen unterbleiben mag, weil, wenn Tommaſeo 
auch eine Erſcheinung bitbet, bie ins Ausland hinuͤberragt, body 
nicht auch jede von ihm befprochene Erfdgeinung gleicherweiſe vers 
dient, über die Grenzen ihrer Heimat hinaus befannt zu werben. 
Vom boͤchſten Iuterefie dagegen find feine MWeleuchiuug. des 
Bico ſchen Syſtems und ber Bang feiner eigenen Unterfuchungen, 
womit der Kritiler vermitteind und loͤſend und faſt immer ent 
fiheidend zwiſchen bie jedesmaligen Gontroverien Vito's umb 
feiner bebeutendften Opponenten tritt. Auf dieſem Felde philo: 
fophifcher Gefchicgtforfgung beweiſt Tommafo einen. f 
der um fo groͤßeres Staunen erweckt, eis cr ſich in den Gren⸗ 





BP era menu sr, ade 


nzöftfepe 
iſt ſchlecht und mangeldaft, und 6 ffe : 
feines Raifonnements beraustretende Umſtand eines patriotiſchen 
Zorns über die Nichterwaͤhnung Vico's von Geiten bes jüngern 
Niebuhr erfiären Vieled. Weinahe noch mehr als die brofchäs 
renhafte Abhandlung Über Vico hat uns bie folgende Aber Manz 
zoni angeſprochen, weil der Werfaffer darin frei und ungehin- 
dert durch nationetle ober perſoͤnliche Bezüge feiner eigenen 
tücktichen Anfchauungsweife folgt. Wie Tcharf treten 5. B. 
anzoni’6 Schwächen und Vorzuͤge als dramatifcher Dichter, 
wie Har und voll die ganze Wichtigkeit feiner erzaͤhlenden Profa 
Heraus, indem Tommaſeo nit nur feldft tief einbringt in 
die Sachen, fondern auch durch die Urtheile Anderer (7. B. 
Goethe's) fein eigenes entweder vervollfiändigt oder berichtiet. 
Der bebeutendfte Auffag des tten Bandes beſchaͤftigt ſich 
mit Antonio Marinopich, eimem jüngft verftorbenen dalmatifdhen 
Gelehrten, mit dem Zommafeo lange Jahre hindurch in freunds 
ſchaftlicher Verbindung tebte, und enthält namentlich einen Brief: 
mechfel, weicher für ben Einen wie für ben Andern ehrendes 
Zeugniß abfegt, nicht nur in Beziehung auf bie Innigkeit ihres 
Berhaͤltniſſes, fondern auch für den Ernſt und die Blut ihres 
elehrten Strebens. Außerdem finden wir eine treffliche Abs 
Banbtung über den großen Lexikographen E. Forcellini, und 
eine andere über Raimondo Eunich, den Überfeger des Gomer, 
wo ſcharfe Vergleiche zwiſchen lateiniſcher und italiemifcher 
übertragung ber , Slias“ gezogen werden imd Tommaſeo's tiefe 
Durchdringung des griechiſchen Dichtwerks ſich durch keine Vor⸗ 
liebe fuͤr die italieniſchen Bearbeitungen deſſelben beirren laͤßt. 
Dann zwei Briefe über Dalmatien, wovon der un Heinrich 
Stiegitk gerichtete eine ſehr verdienſtvolle Zufammenftellung der 
verſchiedenen Schriftfteller dringt, die über Dalmatien gefchrie⸗ 
den haben. Ferner ein Brief über die zur Bildung des Stils 
geeignerften Schriftfteller, tweldher von dem übermäßigen Berichte 
eugt, das die Italiener auf die Form tegen, leiber ein Beweis 
hir die Abnahme der ſchoͤpferiſchen Geiſteskraft dieſes Volkes, 
da es die Gedanken weit geringer taxirt. In ben kurzen Kriti⸗ 
ten über venetianifche Literatur und Kutiſt finden fih wahre Mei: 
fterftüde einer ſoichen für das Beduͤrfniß des Tages und bes 
Kormat einer Beitumg zugeichnittenen Kritik. Dieler ganze Ab: 
ſchnitt fowie vieles Andere aus dem zweiten Bande enthält 
„Sefammeltes”, während der ganze erſte Band nur „Reuge⸗ 
drucktes⸗ bringt. Große Unannehmlichkeiten, ſcheint es, hat 
Zommafeo ſich durch einige Zeiten zugezogen, weiche er bei Ges 
legenheit einer Überfegung Schiller'e fchrieb, und bie wörtlich 
feine Werwunderung ausdrüden, „daß die phantaftildgen Thor⸗ 
beiten des barbarifchen Schiller in die Sprache Virgil's überfegt 
worben‘‘, die er aber bier bei bem Wiederabdruck jener Stelle 
für bloße JIronie erklaͤrt. Offenbar iſt Iegtere Maniteftation für 
nichts mehr als die Bahnen und das klingende Spiel dei Ab: 
gage bei einer Feflungsübergabe zu halten: Tommaſeo verfteht 
mb liebt das Deutſche nicht beſonders, und früher noch viel we⸗ 
Niger ats jetzt; er mochte daher mei eine übereitung begeben, 
son der er fich keines folchen Laͤrms verfah, und als die Rente 
fo ehyrenbes auf fein flͤchtiges Wort legten, burfte 
der Gprecdyer beffelben ſich auch bei deſſen Burüdnahme ein 
wenig ſchaͤmen.· Die Scham aber wirft einen Schleier über. 
So erſcheint uns, wie gefagt, bie Anmerkung Sommafen& zu 


reiner Notiz uͤber er. > 7 





Eier 
n dem zwar Milk gerade au ‚bob ve 
paisend gefhelsbemen Bauce „The sung ee 
yore in Galyeta”, won . FU. Zellen (3 Mar), behke: 


in u f 
1942 im Augu Ya 
—* der bortigen —R Bgrufl. Won ben 
ſtorbene Stamm eines en; 


heinlich und 
feinen Ratı: 
under nehmen fann, wenn Rapslaı 
es zu feiner Nubeftätte auserſah. Die englifcge Regimm 
taufte daher ben Det für 1900 Pf. von Mertbutt, jerod m 
für fo ange an fü, ats Mapolson beat beguaben bleiben weh 


Sobalb man feine Überrefte ande brädste, ſollte Zarden 
wieder in Beſiz des Grund und Bodens kommen. Diefer Zul 
trat bekanntlich ein. Tarbutt ftarb jedoch plögtich und nid in 
ben beften Berhättniffen, daher fein Beſitgehum verkauft wur. 
Seine Witwe hat es jept für 100 Pf. des Jahrs in Padt un 
fucht fuͤr ſich und ihre Kinder einge Sewinn ga machen, ine 

efe iſt offen und dat am 


fie Fig die Gruft peigt. 

eine leichte Bedachung. Sie befindet fh, foweit bad ohne k: 
fondere Bürforge fein kann, ganz in dem Zuſtande wie zu du 
Zeit, wo ſie Napoleon's Sarg enthiett. Kaum glaubhaft Mei, 
daß ein. MaritätenTmumiter waͤhzreand einer Auen Amen: 
bes Fuͤhrers einen Stein aus dem Gewölbe losgebrochen hat; uk 
mit demfelben unterm Arme fi. aus dem Gtaube meh 
wollte, als ex noch angehalten wurde. In ber nahen Wohnum 
ber Mis. Tarbutt find Erfriſchungen ‚zu bekommen; euch lat 
Album zum Sinzeichnen. 


In Reaper iſt eine kloine, laͤnglich viexeckige, ſpaniſche Han: 
ſchrift von 116 Blaͤttern aufgefunden worben, welche einen hoqhl 
merkwuͤrdigen und genauen Bericht über ben Proceß des Staut⸗ 
fecretairs und Rath König Philipp's II., des durch feine Gewand 
beit und fein Misgefſchick ausgezeichneten Antonio Peru. 
entLätt. Die Handſchrift fcheint dem ſpaniſchen Bicekoͤnig sm 
Neapel, bem Derzage von Medina s Geh, gehoͤrt zu haben u 
ziemlich gleichzeitig mit dem Sturze des Perez abgefaßt zu fi: 
Sie führt den Titel: „Processo que se fulmino contra Anteo 
Perez, secretario de Estado del rey Don Phelipe segudı. 
y del despacho universal, y por su mandado; sobre la moertt 
de Juan de Escobedo, criado y secretario del sehor Dr 
Juan de Austria, hijo del sefior emperador Uarlos puints, 
que estaba gevermando los estades de Hlaudes.‘ ou 
Escabebo gehörte zu ben Räthen des Wicebönige, age er Br 
exetair Deu — wurde. Seine Ermordung gab den ei 
wand zu den Verfolgungen gegen Perez ab, und die Gantikeif: 
enthaͤit mertwärbige, ben König in Metseff sines Morden com: 
promittisenbe Stellen, weicht überhaupt is weſentlichen Pucftm 
von den im 17. Zabrhundert durch Juan be la Plane pam 
Did gebrachten „Belaciones”' ab. Cie ſoll nachſtent vair 
bie Peefie Bommen. u 





VDerantwortlicher Herauſsgeber: Heinri Busdtauk, — Drul und Benlag „on J. % Brotdans, in, Beipuis- 





Blätter 


für 


literarifhe Unterhaltung. 





Freitag, 


— Kr 265. — 


22. September 1843. 





Kabul. Schilderung einer Reife nach biefer Stadt und 
des Aufenthalts dafelbft in den Fahren 1836 — 38. 
Bon Alerander Burnes. Aus dem Engliſchen 
von Theodor Oelkers. Mit zwölf Kupfern. 
Reipzig, D. Weigel. 1843. Gr. 8. 3 Thir. 

In dem Augenblid, wo der fängft gehegte Plan der 
englifhen Regierung, den untern Indus in ihre Gewalt 
zu bringen ımd die Emirs der Heinen Uferſtaaten ſich ein 
für allemal zu unterwerfen, zur Ausführung kommt, muß 
uns ein Werk, das und diefe der europdifchen Civilifation 
hinzutretenden Länder mit Zuverläffigkeit fchildert, durch⸗ 
aus willkommen fein. Doppelt willkommen aber erfcyeint 
es, wenn es aus der Feder des Mannes kommt, der vor 
13 Jahren zuerft die Blicke der englifchen Negierung auf 
diefe neuen Erwerbungen lenkte, und der diefe Känder im 
3.1836 — 38 hiernaͤchſt in ihrem Auftrage durchforfchte. 
Dieſer Mann tft Alerander Burnes, deſſen frühes 
Ende wir im mannichfaltigen Intereſſe der Wiſſenſchaft 
zu beffagen haben, obwol neuere Werke, und namentlich) 
kady Sale, ihm einen großen Theil an den Unglüdöfällen 
in Afghaniſtan beizumefjen geneigt find. 

Es ift Hier nicht der Ort, die politifhe Seite jenes 
Entſchluſſes der oftindifchen Negierung zur Erörterung zu 
bringen; allein wir dürfen wol im Worübergehen bemer: 
ten, daß uns derſelbe ſchickſalsreich und verhaͤngnißvoll zu 
fein feine. Durch dieſe Erwerbung gewinnt die oftindis 
(de Regierung etwa eine Million Eriegerifcher, moham: 
medanifcher Untertbanen mehr und wir willen, daß das 
Goudernement an feinen jegigen islamitiſchen Vaſallen 
ſchon zu viel bat. In dieſer Bevölkerung fchlummert 
noch der ganze mohammedaniſche Fanatismus der vergans 
genen Sahrhunderte, eine Geiftesenergie, die in Worderafien 
derſchwunden iſt und mit der ſich diefe Stämme von den 
fanften, geiſtesmatten indiſchen Voͤlkerſchaften mächtig un: 
terfheiden.. Am Indus wohnt ein Volk ohne Bedlrfniffe, 
rauf, riegliebend, an Kampf gewöhnt, und jedenfalls viel 
gefährlicher al® die Afbantis, ungebändigter als die Mah⸗ 
tatten, und ſtark durch die mittelafiatifchen Glaubensbruͤ⸗ 
und alte Verbindungen mit dem perfiihen Reiche. 
Ss if die Frage, ob die Engländer diefer Umftände Herr 
ju werben vermögen, oder ob mit ber Beſetzung des In⸗ 
dus das Maß voll tft, welches überzufließen droht. 

Genug wir haben ein fehr bemerfensmwerthes und von 





augenblicklichem Intereſſe erhobenes Werk in diefer Schils 
derung der ſchickſalsvollen Indusufer vor uns liegen. Von 
einee andern Seite ber jenes Maß überfüllend, erlag 
Alerander der Große, und am Indus fand Dſchingis⸗Khan 
das Ziel feiner Eroberungen im Süden. Unzählbare, bald 
dem Islam fanatifh anhängende, bald aber Ausartungen 
der Dindureligion ergebene, bald den ganz fremdartigen 
Buddha⸗Culten zugethane Völkerfchaften und Stämme von 
verfchiedener Herkunft und von den mannichfaltigſten Na⸗ 
turanlagen, Aderbauer, Hirten, Krieger, wandernde Kauf: 
leute, Räuber, wilde Naturföhne, der Weichlichkeit ergebene 
Stämme, verrätherifche und treue, ſklaviſch gefinnte und 
von wilden Sreiheitstrieb befeelte Wölkerfchaften, wechſeln 
bier beftändig ab. Im Allgemeinen findet bier Europa 
ein - duch uralten Stammzufammenhang verbrüdertes 
Volt, und namentlich möchte wol das germanifhe Blut, 
wie Körperbildung und Sprache darthun, bier am Indus 
feine aͤlteſten Blutsverwandten haben, und mander ſitt⸗ 
liche Zug, den Burnes berichtet, dient dazu, diefe Der: 
muthung zu unterftügen, ohne daß wir uns dieſer Ver: 
wandefchaft zu ſchaͤmen hätten. Die Sindier, der Haupt: 
ſtamm am untern Indus und feinen zwölf Armen, ift ein 
ebenfo Lapferer als gutmüthiger, wißbegieriger und der 
Civitifation zugeneigter Volksſtamm, welcher unferm Bes 
richterftatter zufolge nach der englifhen Herrſchaft aufrich⸗ 
tiges Verlangen trägt. Die große Hauptader des Landes, 
der Indus, ſcheint mehr und mehr zu verfanden und läßt 
an den Hauptflapelorten nur immer flachere Fahrzeuge zu; 
ja felbft der Siamarm, der mädtigjte von allen, kann 
fih mit dem Gangesausfluß des Huglyarms nicht mel: 
fen. Der erfle volkreiche Ort, den die Reiſenden unter 
Burnes' Anführerfhaft erreichen, ift Tatha, von etwa 
10,000 Hindus bewohnt, ein berühmter Meßort, der in 
feiner Glanzperiode über 1500 Meßbuden aufweiſt. Trotz⸗ 
dem verfällt auch diefe Stadt, obwol die blühendfte am 
untern Indus. Sandige, Eallige Hügel, Vorberge ber 
Halakette, begleiten den Fluß bis Hyderabad, der Haupt: 
ftadt von Sind. Hier begannen die Unterhandlungen mit 
den Emirs, die den Zweck der Sendung des Verf. bilde: 
ten und welche auf großen Sagdpartien und Feſten aller 
Art ſtill aber erfolgreich fortgeführt wurden. Man fand 
die Emirs, unter denen Nar: Mohammed und fein Sohn 
Schahdad hervorragen, für die englifche „Allianz“ fehr ges 


neigt. Diefe Emirs find ſtrenge Schüten, freundliche, 
nicht culturlofe, gerade, hHöfliche und meiftens gut urthei⸗ 
Imde Männer, die man füglich den Grafen und Rittern 
des deutfchen Mittelalter vergleichen könnte. Viele leben 
wirklich ganz patriarchaliſch auf ihren großen Gütern, in 
huͤbſchen Landfigen, denen ſich ein Meines Dorf, von Hin⸗ 
terfaffen bewohnt, anfchließt. Jagd ift ihre Lieblingsge⸗ 
ſchaͤft, wiewol fie meiftens, Nur: Mohammed ausgenom: 
men, keine große Schügen find; gewöhnlich, wird aus Elei: 
nen im Tamariskengebuͤſch verftedten Jaͤgerhaͤuschen auf 
das aufgetriebene Wild gemächlid gefeuert. Nach einer 
Ausflucht nad Larkanah, einer Stadt von 12,000 Ein: 
wohnern im inneen Land, mit einem Bazar von 370 Li: 
den, wurde die Reife auf dem Indus nordwaͤrts fortges 
fest. Zu Khirpur traf Dr. Lord, der vierte der Commiſ⸗ 
fare, zu Burnes und feinen Begleitern Wood und Leech. 
Es war das Keft des Id und die Prima Donna von 
Khirpur, Jewun Buhkſch, eine angefehene Courtifane, 
welche Mofcheen baut und große Summen auf Werke der 
Wohlthaͤtigkeit verwendet, unterhielt die Fremden mit ih— 
ren Schweftern — ſchoͤne, melancholiſche Mädchen — durch) 
Tänze, bis der Wein fie niederwarf. Der Weinſtock ift 
bier einheimifh und hat hier vielleicht fein Vaterland. 
Große Falkenjagden vergnügten die Emirs; ein Jahr fpd: 
ter nahmen fie das britifhe Bündniß an und bie englifche 
Sahne wehte auf der Veſte von Khirpur. 

Bon hier gingen die Reifenden nach Bukkur, Sukkur 
und Schilarpur, damals noch eine Terra incognita. Die 
legte Stadt hat 30,000 Einwohner, theild Hindus, theils 
Sikhs, ein Zehntel etwa befteht aus Afghanen, die dem 
Islam anhängen; fie flehen unter der Botmäßigkeit der 
Emirs von Sind, welche die Einkünfte theilen. Hier 
ftanden die Meifenden an der Grenze des befreundeten 
Sind; die Kortfegung ihrer Reife führte fie vom Indus 
weftwärts zu fremden und rohern Stämmen. Der krie⸗ 
gerifche und väuberiihe Stamm der Beludfhen ummohnt 
die Grenze; Bamul: Khan, Herr zu Bawalpur, gilt für 
den Fuͤrſten des Landes, 
der Mufaris, Bugtis und Burdis, zeigten ſich zur Ans 
nahme des englifhen Protcctoratd geneigt und den Abge: 
fandten freundlich und bdienftbereit. Von Offizieren Ba⸗ 
wul: Khan’s geleitet gelangten die Neifenden nad) achttägi: 
ger Wanderung nah Dera:Gazi:Khan, dem Hauptftapel: 
orte im Lande der Loghani⸗Afghanen, eines flillen Dirten- 
volks. Wie umfangreich der Handel dieſes Orts ſei, läßt 
ſich daraus abnehmen, daß die Zollblicher dieſes Jahres 
5140 Kameele mit Ladungen und 24,000 Paßträger 
nachwiefen. Diefer Zug der Loghani⸗Karavane ift uralt und 
wird fhon vom Kaifer Baber befchrieben. Die Zahl der 
MWaarenläden betrug 1600, von denen 520 mit Zeuchen 
und weißem Tuch gefüllt waren; die Stadt hat 25,000 
Einwohner und befteht feit drei Jahrhunderten. Yon 
bier ging der Reifezug über Sungur, Gurung, Kalabagh 
gegen die Sulimanberge, durch romantiſche Landfchaften, 
und von $eftlichkeiten begleitet; an vielen Orten wurden 
die Reifenden mit Balleten unterhalten, und die Einwoh⸗ 
ner, Afghanen, zeigten ſich als ein flarker, Eräftiger, aber 


Auch diefer Häuptling, wie jene. 


gutmüthiger Menfchenfchlag. Allmaͤlig betrat die Miffien 


jetzt das Land des Kriegsſchauplatzes zwiſchen dem Her 


fher von Labore und den Afghanen ; in diefem Augm; 
blid maren die Sikhs im Nachtheil und bis an die 
Grenzen von Peſchawer zurudgedrängtz die Spuren ihm 
Verwuͤſtungen bedediten dad Land. Nach Uberſchreitun 
des Attock, über Khyrabad, Hurd, Peſchawer, Didumm) 
wird endlich der nun fo berühmt gewordene Kheybetpaß 
erreiche, gluͤcklich uͤberſchritten und die Reiſenden gelangm 
über Bafful und Kudfhu und feine Granatgaͤtten nad 
Kabul, dem naͤchſten Reiſeziel. Hier ward ihnen ven 
Seiten Athbar:Khan’s der herzlichfie Empfang zu Theil; dee 
Prinz nahm den Verf. auf feinen eigenen Elefanten un 
wies der Sefandefhaft eine Wohnung im Balahiifır 
bicht beim Palaſt felbft an. Am 25. Sept. wurde ihm 
die feierliche Antrittsaudienz bei Doſt Mohammed: Khın, 
dem anerkannten Herrn des Landes, bewilligt. Ein fü}: 
ned Bruftbild zeigt und den charaktervollen Kopf des dı 
mals mächtigen Emirs. Seine Hoheit war Auferft freun: 
(ih und für die mitgebrachten feltenen Geſchenke dankbar, 
äußerte jedoch frei, die größten und die ihm liebften Et: 
tenheiten feien die Reiſenden ſelbſt. Über die politiſcha 
Dinge ſprach er verftändig, kannte die Geſchichte feines fur: 
des zur Zeit der Portugiefen, und ſchien von dem Jumads 
feiner äußern Macht nicht im geringjten werbiendet. Auf 


den Straßen riefen die Einwohner den Reiſenden zu: 


„Nehmt Kabul in Acht! Zerftört Kabul nie!” Niät 
minder freundlih und herzlid) war der Naevab, Dofis 
Bruder. Die politifche Lage des Landes war nach dem 
fiegeeichen Zreffen von Dſchumrud ziemlich beruhigt, in: 
dem auch die Perfer fih von Herat zurücgezogen hatten. 
Doft Mohammed's Selbſttaͤuſchungen begannen eiſt Ip: 
ter, für jegt mar er dankbar und treu dem engliſchen 
Bunde ergeben. Nachdem der Tumult der Gaſtmaͤhle 
und Beſuche überftanden, wurde Kohiſtan, dus Fand nid: 
ih von Kabul beſucht; ein Land von unvergleiclict, 
ftrogender Cultur, Terraſſe über Terraſſe 16 — 18 Ni 
len weit darbietend und bemunderungsmürdig bemäffert, von 
drei Flüffen und zahllofen Kanaͤlen ducdyfchnitten. Di 
blühende Zuſtand dieſer Landfchaft erſcheint um fo au: 
nenswerther, als der Staat ein volles Drittel der Emte 
für fih nimmt. Die Bevoͤlkerung bildet ein Gemiſch von 
Afghanenflimmen und Zurkomanen. Eine Merkwüuͤrdiz 
keit dieſer Landſchaft fit der tönende Hügel, Reg Ruwan, 
aus dem man beim SHinabgleiten einen Schall wie ver 
Zrommeln und Zimbein vernimmt. Geringe Etderſchür 
terungen (Guzur) find in diefer Gegend häufig. 

Bei der Rückkehr nach Kabul hatte man die Frerde, 
einen Abgefandten Murad:Bei’d, des Zürften von Kun: 
dus, eines alten Feindes der Engländer, mit Gelcenlin 
und einem Einladungsfchreiben anzutreffen. Dr. Lord un 
ternahm fofort die Reife nah Kundus, um den auge: 
Franken Bruder des Fürften zu heilen. Diefe Erpeditin 
in das berufene Usbekenland gelang vollkommen, obwi 
der Kranke nicht geheilt wurde; Fuͤrſt und Volk wurden 
dem englifhen Intereſſe gewonnen und eine Anzahl El: 
tenheiten, Münzen (ein Eukratides) und Handſchriften zu⸗ 





1068 j 


rüdgebracht. Im felgenden Abſchnitt werden die Länder 
nördlich vom Hindukuſch, die Siahspufch: Kaffıre, Bad⸗ 
fhaur, Khoten, endlich das wilde Huxaraland befchrieben. 
Die Kaffirs, von unbelannter Herkunft und einer eigenen, 
dem Hindu wie dem Afghanen unverjtändlihen Sprache, 
find sin gutmüthiges, zur Dienſtbarkeit geborenes Volk. 
Die Huraraflämme, wahrſcheinlich Reſte von Toghiani⸗ 
Tataren in Dſchingis⸗Khan's Deere, find die Gallegos die: 
fer Ränder; alle fchweren Dienfte fallen ihnen zu, in freis 
williger Dienftbarkeit oder als Sklaven. Ihre Gefchichte: 
tenditionen sweifen auf einen Zuſammenhang mit Balkh 
und dem König Burbur zurüd, und find reich an märs 
chenhaften Ereignijfen. 
(Der Beſchluß folgt.) 





Recherches sur la condition civile et politique des fem- 
mes, depuis les Romains jusqu’a nos jours, par Ed. 
Labowlaye. Paris 1843. 


Der befannte Hiftorifer Segur hat die Stellung und den 
Einfluß der Frauen in der focialen Ordnung in einem befondern 
Berke ziemlich erfchöpfend behandelt. Es lag nicht im Plane 
feinee Abhandlung, ihr politifches und juridifches Verhaͤltniß zu 
berudfihtigen, obgleich in dieſer Beziehung noch nichts Erſchoͤ⸗ 
pfendes vorlag Die Akademie der moraliſchen und politifchen 
Viffenſchaften ſah ſich dadurch veranlaft, eine Gefchichte der 
Erofolge der Weiber im Mittelaiter im meiteflen inne als 
Gegenftand der Preisaufgabe auszufchreiden. Diefe Frage war 
unendlich weiter als fie auf den erften Anfchein fcheinen mochte, 
und Mignet hatte gewiß gang Recht, wenn er in feinem Rap⸗ 
pert fagte, daB fie eigentlich die Stellung des Weibes in der 
Famitie und im Staate ihrer ganzen Ausdehnung nach in ſich ein: 
ſchließe. Laboulaye, der ſich durch eine Reihe gebiegener juriſti⸗ 
fer Werke, unter denen wir feines „Essai sur la vie et les 
doetrines de Savigny’' bereits in b. BI. erwähnt haben, fos 
wie durch Überfegungen aus dem Stalienifchen und Deutfchen 
(4. 8. „Histoire de la procedure civile chez les romains de 
F. Walter’') einen rühmtidhen Ramen gemadt bat, faßt denn 
auch in feiner gekrönten Preisfchrift die Aufgabe in ihrer weis 
teften Ausdehnung. Ya, er bleibt nicht einmat innerhalb der 
Grenzen des Mittelalters fehen, fondern zieht die ganze römis 
ſche Geſezgebung, infofern fie auf das politifche und civile Ver: 
daͤltniß des Weibes Bezug bat, in den Kreis feiner Befpre: 
hung, indem er mit Recht behauptet, daß fonft die mittels 
olterlihen Befege und Gebräuche geradezu unverftändlich blei⸗ 
ben würden. 

kaboulaye fpricht an verfchiedenen Stellen feines Werks, 
ſewie auch insbefondere in feiner angeführten Schrift über Gas 
vigny, eine große Bewunderung über bie gelehrten Beiftungen 
der hiſtoriſchen Schule ber Jurisprudenz in Deutfchland aus; 
aber wir haben es durchaus nicht etwa mit einem blinden Vers 
ehrer berfelben zu thun. Indem er die Refultate ihrer gelehr: 
ten Forſchungen nicht unberüdfichtigt läßt, tritt er Denen, wels 
he die Rechtswiſſenſchaft ftationnair erbalten möchten und bie 
almälige Kortentwidelung ber Gefehgebung in Abrede ftellen, 
mit vieler Gntfcyiedenheit gegenüber. Gr leugnet nicht nur 
nit die Berechtigung unferer Zeit für bie Legitlation, fondern 
ſpricht es mit Maren Worten aus, daß bie Kodification eine 
Aufgabe der Gegenwart und das Iegte Ziel aller Jurisprudenz 
iſt. In dieſer Beziebung fhließen fich feine „„Recherches” an 
eins feiner frühern Werke an, das gleichfalls bei einer Aufgabe 
der Akademie ıden Preis bavongetragen hat. Wir meinen die 
„Histoire du droit de propriet6 fonciere en Occident” (Pas 
ris 1839). In beiden Werken herrſcht derſelbe Geiſt, dieſelbe 
Methode, und auch ihr Inhalt ſteht in naher Berührung. Der 
Berf. derfoigt In beiden Abhandlungen die allmätige Entwicke⸗ 


lung ber europaͤiſchen Givilifation in den Inſtitutionen und Ge⸗ 
fegen ber verfdhiebenen Staaten unſers Gontinents und beweift 
unwiderleglich, daß es in der Gefchichte trog ber ſcheinbaren 
Verſchiedenheiten doch eine gewiſſe unaufhaltfame geiftige Stroͤ⸗ 
mung gibt, von der alle Voͤlker Europas einem gemeinſchaft⸗ 
lichen Ziele zugetragen werden. In der That mag man bie 
DOrganifation des Eigenthums, wie es in bem einen Werke, 
oder die Drganifation der Bamilie flubiren, wie es in ber ans 
dern Schrift gefchieht,, fo wird man body bie Überzeugung ers 
langen, daß ſich die Inſtitutionen und Geſetze, der verfchiedenen 
Voͤtker unfers Erdtheils nach einem und demſelben Geſetze ent: 
widein. Das Ziel diefer allmäligen Entwidelung ift bie vom 
Dichter im voraus begrüßte, vom Socialphilofophen als nahe 
bevorftehenb angekündigte Verſchmelzung und VBerbrüberung als 
ler Nationen. 

Die flawifche Race wird in vorliegender Schrift völlig uns 
berüdfichtigt gelaffen, obgleich der Verf. keineswegs bie Rolle 
verkennt, welche diefelbe zu fpielen berufen if. Er entſchuldigt 
ſich mit Unfenntniß ber ſlawiſchen Idiome. Wir können es 
ipm im Grunde auch nicht verargen, daß er feine fleißige Ars 
beit, die auf allen Seiten einen größern gelehrten Apparat zeigt 
als man bei franzöfifhen Werken zu fuchen gewohnt ift nit 
durch einige flüchtige und oberflädhliche ‚Sapitel, in denen er fi 
lebigiih auf Compilation hätte verlaffen muͤſſen, hat entftellun 
wollen. Defto gründlicdder und erfchöpfender behandelt er bie 
Geſetze und Gebraͤuche der romanifchen und germaniſchen Staͤm⸗ 
me und bie Inftitutionen, welche aus der gegenfeitigen Miſchung 
derfelben hervorgegangen find. 


Zunddft faßt er die römifche Gefeggebung ins Auge und 
verfolgt diefelbe von ihrer Entſtehung bis zu dem Augenblide, 
wo Rom dem berandrängenden Strome ber germanifhen Nas 
tionen erlag. Nachdem er einmal den Geift und den Charakter 
diefer Sefeggebung, welche aus der Eigenthuͤmlichkeit des roͤmi⸗ 
ſchen Volks natürlich hervorgewachfen war, feftgeftellt und bes 
ſtimmt hat, weift er die verfchiedenen Umgeftaltungen und Ber: 
änderungen nad, welche fie durch den @influß des germant: 
fhen Norden erlitten bat. Mit Recht legt er befonders Gewicht 
barauf, daß der Geiſt diefer Legislation ebenfo wenig wie bie 
römifche Nationalität fi ganz verloren bat, fondern daß viels 
mebr beide fih nad einem und demfelben Gefege mobiflcirten, 
fodaß man annehmen Tann, daß ba, wo man die Spur einer 
römischen Inſtitution entdeckt, auch noch roͤmiſches Blut vor⸗ 
banden fein muß. 

Hierauf treten wir nun an bie Betrachtung der germanis« 
fen Snftitutionen. Der Verf. beftimmt, welche Ideen uub 
weiche Principien von biefen neuen Nationen mitgebracht wurs 
ben. Der intereffantefte Abfchnitt feines Werks ift derjenige, 
wo der Kampf der romanifchen und germanifchen Elemente, ihr 
gegenfeitiger Einfluß und ihre allmälige Verſchmelzung beleuchs 
tet wird. Der Verf. ſchreibt nicht mit Unrecht der Kirche eis 
nen bedeutenden Einfluß bei ber Bildung biefer romanifch: ger⸗ 
maniſchen Givilifation zu, welche an die Gtelle ber roͤmiſchen 
Civiliſation trat. Sie verwilhte und milderte nämlich das 
sein Formelle der römifchen Sefeßgebung, behielt aber immerhin 
genug davon bei, um die germaniſchen Rechtsideen und Ges 
bräudye wefentlich umzugeftalten. Der Einfluß der Kirche muß 
gleich in der erften Zeit ihres Siegs ein gewaltiger gemwefen 
fein, denn offenbar verrathen die barbarifchen Geſetge, infoweit 
fie uns überliefert find, faft alle mehr ober weniger deutlich die 
Hand der Geifttichleit. Diefe Gewalt waͤchſt mit jedem Jahr⸗ 
hunderte und bald fteht bie Kirche allmächtig da. Bor ihrem 
Throne beugt fi die romanifche Nationalität fo gut wie die 
germanifche, deren allmälige Vermiſchung von der gemeinfchaft: 
lichen Gebieterin befchleunigt wird. Die Auffindung der Pan⸗ 
beiten im 12. Jahrhundert beginnt eine neue Phafe in ber eus 
ropäifchen Jurisprudenz, die jest erſt zur eigentlichen Willens 
fchaft fi erhebt und Juſtinian fpielt, wie Laboulaye mit Recht 
bemerkt, in ber Reflauration der Rechtslehre biefelbe Rolle wie 
Ariftoteles in der Philoſophie. In der zweiten Hälfte bes 13. 


Jahrhunderts zeigte ſich in ganz Europa eine gemeinfchafttidhe 
Sichtung, liberall verdichten ſich nämlich die herkoͤmmlichen Ge⸗ 
braͤuche zu eigentlichen Geſetzbuͤ In biefen Zeitraum faͤllt 
die Bildung des Sachſen⸗ und des Schwabenſpiegels, der Ber 
fegbücher Atfonfo’s des Weifen in Spanien, der Etabliſſements 
in Frankreich und einer unabfehbaren Menge von ſtaͤdtiſchen 
Statuten. 
Rechts: das roͤmiſche, das kanoniſche und ein jeber Provinz 
eigenthümtiches, befonderes. Indeſſen thut ſich mit dem 16, 
Jahrhundert ein mächtige® Streben zur Verſchmelzung dieſer 
drei Battungen Eund. Die Vergrößerung der koͤniglichen Macht 
ie hierzu wefentlich bei. Dies zeigt ſich namentlidy in Frank⸗ 
rei, wo von den Drbonnangen ber erften Valois bis zu denen 
Lubiwig’s XIV. und Ludwig's XV. die Kobification ben Geſetz⸗ 
gebern vor Augen ſchwebt. 

Wir haben es für nöthig erachtet, biefe allgemeinen Be: 
merkungen vorauszufchiden, weil man fonft einen falfchen Maßs 
ſtad an das gediegene Werk, welches wir vor uns liegen haben, 
legen Eönnte. Der Verf. hat nicht einzelne abgeriffene Erörtes 
rungen über die Erbfolge des Weibes in dem „Huero-juzgo” 
ober im „Schwabenfptegel” geben wollen, fonbern es ift ihm, 
wie wir zu Anfang gefagt haben, darum zu thun gewefen, bie 
gemeinfame und übereinitimmende Entwickelung ber römifchen 
und germanifchen Geſetzgebung, infofern fie fi) auf das politi⸗ 
fihe und civile Verhaͤltniß der Frau bezieht, darzulegen. Sein 
Werk ift eine Frucht der umfoflenbften Studien; aber der Verf. 
bat es verflanden, bie todte Maffe der Kenntnifle geiftig zu 
durchdringen unb zu geftalten, und in diefer Beziehung ftellen 
wie mandyem bdeutfchen Rechtsichrer feine Schrift ats ein nach⸗ 
ahmungewuͤrdiges Muſter hin. 

(Der Beſchluß folgt.) 





Miscellen. 


Es ift eine feit langer Zeit beftehende Klage, daß bie uns 
bebeutenbften Rechtsſachen gar oft, durch die Gewinnſucht ber 
Advocaten befonders, zu weitläufigen und foftipieligen Rechts⸗ 
handeln auögefponnen werben, bergeftalt, daß die auf die Pros 
ceßführung verwendeten Koften den Werth bes Streitgegenftandes 
bei weitem überfteigen. Schon Martiat (Epigramm., 7, 65 
fpottet darüber, und Leyſer (Med. ad Pand., Sp. 53, m. I) 
erzäbit, daß zu Anfang des 18. Jahrhunderts Acten an bie 
Yuriftenfacuität zu Helmſtaͤdt gefandt worden feien, betreffend 
einen Rechtöftreit über das Gigenthum einer Gans. Diefer, 
durch das GBefchreibfel der Abvocaten, Zeugenvernehmungen und 
gegen Zwiſchenbeſcheide eingewendete Rechtsmittel weit zur Un: 
gebühr ausgedehnte und hoͤchſt Loftipielig gewordene Rechtöftreit 
erfchöpfte die Parteien fo, daß fie darüber an ben Bettelftab 
geriethen. Iſt es demnach zu verwundern, wenn wegen foldyes 
früher wol noch mehr als jegt vorkommenden Unfugs die Jus 
riften von witzigen und unmigigen Verſemachern hier und da 
Bart mitgenommen worden find? &o unter Andern Owen: 

Jurisprudentes prudentes jure vocaatur, 
„ Tam bene quum studeant provideantque sibi. 
Dann Ebenderſelbe in dem Epigranım, in welchem ex bie Rechts: 
gelehrten mit Rechenmeiſtern vergleicht: 
Callet caussidicus numerandi quatuor artes, 
Sitem addit Ik, jargla multiplicat; 
Subtrahit argentum nummosque clientibus aufert, 
Hemanumgqgus genus dividit atque secat. 
Enbiih ein Ungenannter, der in feinen Knittelverfen die Zu: 
riften bitter ſchmaͤht und Gott um ihre Bertilgung bittet: 
Diure Juristas, Deus, ut Satanae citharistas 
Linguss venales qui diount et simoniales. 


Bon jegt an gibt ed nun aud drei Arten bes 


O Deus, extinguss hes pingues abgus Billagues! 
Frontie enim trietio sunt, herrondas quagee vita, 
Hi aust fauteres scelerum frandisgue miaistri, 


Bon dergleichen Prodbucten ließe ſich eine artige Sammı 
machen, wenn es fi der Mühe verlo * —* 
verdient hier noch ganz beſonders Martial’ 19. Cpigramm dei 
—— a vn weichen bie mark der Abbe 
caten, am ungehörigen Orte un Sa 
bringen, ſarkaſtiſch angegriffen wird. ahorigten Baden ve 


Die vormalige Reicheſtadt Frankfurt a. MM. Hatte vom 
Kaiſer Karl IV. ein Privilegium erhalten, daß keiner item 
Bürger in die Reichs acht erklärt werden konnte. Wie midi 
dieſes Privilegium feiner Zeit geweſen, ergibt ſich daraus, daj 
die größte aller Strafen, die, fo lange bie vorige beutfhe 
Reichsverfaſſung beftand, durch Laiferliche Macht verhängt 
werben Eonnte, die Reichsacht oder Adhtserkiärung (poena bauti) 
war, durch welche der Verurtheilte aller und jeder Rechte beraukı 
ward, welche er als Mitglied der bürgerlichen Geſellſchaft zu 
genießen hatte. Sie folgte dem Hochverrathe, der beleibigten 
Reichsmajeftät und dem Landfriedensbruche. Fruͤher waren ven 
kaiſerlichen Rechte hierin keine Schranken gefegt, und not 
Kaifer Kart V. verurteilte (1547) den ungluͤcklichen Kurfürkee 
von Sachſen, Iohann Friedrich, wegen angeblichen Hodverrauty 
zum Tode. Die Achtöformel lautete in früherer Zeit: „Deine 
Wirthin theilen wir zur Witwe, deine Kinder zu Waiſen, bein 
Lehen dem Herrn, bein Erb und Eigen deinen Kindern, bein 
Leib und Fleifch den Thieren in den Wäldern, ben Vögeln in 
den Lüften und den Fiſchen im Waſſer. Wo jeglicher fm 
Geleit bat, ſollſt du keines haben, und wir weifen dic die 
Bier Straßen der Welt in dem Namen des Teufels." Be 
Goldaft (Constitutiones imperiales, I, 233) findet man einige 
Barianten davon. Gine formula proscriptionis Romanse, 
melde mit der Achtserklaͤrung Ähnlichkeit Kat, theilt Berl 
(Sp. 62, m. 4) mit. 








Bei ber Vorliebe unferer Zeit für Monumente, dab 
welche berühmte Männer geehrt und gefeiert werben follen, ne 
gegen ſchon das Horaziſche: „Debemur morti nos, nostrague 
(Ep. 2, 3, 63) und Seneca's Declamation über bie Berginz 
lichkeit alles Irdiſchen Ep. 91, 1U— 12), weiche mit den Bar 
ten fchließt: „Hloc unum scio: omnium mortalium opera mer- 
talitate damnata sunt; inter peritura vivimus’‘, einen Bean 
halt bieten, wird man ganz befonders von dem Audfprud ie 
lacedämonifchen Königs Agefilaus angezogen, welcher (mie Pio: 
tarch in den Denkiprüden ‚von Königen und Feldherren erzätlt) 
fterbend feine Freunde bat, nichts Geformtes „ober Bemaltıs 
von ihm machen zu laffen; „denn“, fagte er, „wenn ic ein 
rühmlihe That verrichtet habe, fo ift dies mein Denkmal; m 
aber nicht, fo werden es alle Bilbfäulen nicht fein.” 








Gin Dichter muß ſich wol der hoͤchſten Kraft bewußt fein, 
wenn er gleichſam gefliſſentlich ſelbſt an die Spitze feines Gedicht 
einen in die Augen fallenden Fehler hinftellt, ohne daß ber Iccf: 
lichkeit des Ganzen dadurch Gintrag gefchieht. So hat Ham 
(wie Plutarch bemerkt in der Abhandlung „Wie man fen 
Fortſchritte in der Tugend bemerken könne”, Gap. 9) gieih 
im erſten Verſe der Itiabe gegen das Metrum verſtoßen. Auh 
Schiller im „Oymnus an die Freude” braucht gleich im erſten 
Verſe der erften Stange, des Reims wegen, ſprachunrichtig: 
„Funken“ flatt „Funke⸗ und ebenfo in dem erften Verſe de 
vierten Stanze des Gedichte „Die Bunft bes Augenblidi”. 
„‚Sunt’‘, fagt Soraz (Ep. 2, 4, 347), „delicta tamen, qui- 
bus ignovisse velimus.“ fiberftraplt -ja immerhin der Glan) 
dieſer Dichtungen die unbedeutenden Kleden. 31. 


Berantwortlier Heraubgeber: Heintig Brodpaus. — Drut und Werlag von F. U. Broddaub in Leipzig. 





Blätter 


für 


literariſche Unterhaltung. 





Sonnabend, 





Kabul. Schilderung einer Reife nach diefer Stadt und 
des Aufenthalts daſelbſt in den Jahren 1836 — 38. 
Bon Alerander Burnes. Aus dem Englifchen 
von Theodor Delkers. 

(Beſchluß aus Nr. 265.) 

Dilie naͤchſten Abfchnitte gehören der Schilderung von 

Kabul, dem Fortgang ber politifchen Gefchäfte und hoͤchſt 

anziehenden Sittenfhilderungen von Stadt: und Landleben 

der Großen an. Außerordentlich viel haͤlt man in Kabul 

. von der phyſiognomiſchen Wiſſenſchaft, Kiafe genannt, 

welche bis in Die Eleinften Details cultivirt wird, und 

- ihren Eingeweihten großes Anfehen gibt. Der Verf. theitt 

eine afghanifhe Abhandlung über diefen Gegenftand mit, 

in der wunderbare Dinge zu lefen find. Folgende Ariome 
als Proben : 

Eine offene Stirn verkündet Reichthum und Fülle; ein 
grober Mann mit langem Bart ift ein Narr. Wer ba rothe 
Augen bat, ift immer bereit zu fechten. Dide Lippen verratben 
den Krieger. Erwarte Freigebigfeit von Dem, ber lange Arme 
bat, Fürchte nicht den Muth Eines mit dickem Leibe. Mens 
fhen von Meiner Statur find beträgerifch; ebenfo bie mit büns 
nen Rofen. Wer weiches Baar hat, ift guten Gemuͤths; fpröde 
koden beweifen dad Gegentheil. Weite Nafeniöcher verkünden 
Grauſamkeit; ein ſtarkes Gebiß wenig Weisheit. Große Ohren 
. deuten auf langes Leben; magere Knoͤchel auf Behenbigkeit; ein 
flacher Fuß ermuͤdet nicht u. f. w. 

Naͤchſt diefer ift die Vorliebe für ſchoͤne Waffen eine 
kiidenfhaft der Afghanen. Die verfchiedene Geſtalt des 
Waſſers im Stahl wird flets mit einem beſondern Na: 
men bezeichnet; Der Verf. ſah eine Klinge, deren Werth 
auf 1500 Rupien angefchlagen wurde; die Probe ift, daß 
eine folhe ein feicht in die Luft geworfenes feidenes Tuch 
fpalten muß. Die Frauen, meiftens melandpolifhe Schöns 
keiten, genießen in Kabul, fetbft bei politifhen Verhand⸗ 
lungen, große® Anfehen, und verbienen diefe Schägung in 
der That oft duch Einfiht und Verſtand. So nahmen 
die Schweftern Doft Mohammed's an allen pofitifchen 
Vorgängen einen lebhaften Theil und wirkten bei feinen 
raten Intriguen wefentlich mit. Zugendmufter find dieſe 
gifterhaften Exfcheinungen allerdings gewoͤhnlich nicht. 

Der Winter iſt zwar kurz, aber ftreng in Kabul und 
tut früh ein; zu Anfang November fror das Gemäffer 
und die Hügel bedeckten fih mit Schnee, und am 11. 
De. lag derfeibe auch in deu Stadt feft, und ſtarke Kälte 
rat ein; die Karavamnzuͤge hatten ein Ende und die 


ganze Bevölkerung erfhien in Schafpelzen. Viel halten 
die Afghanen auf Traͤume; fie nennen fie die Seele im 
Fluge und ohne Leib. An Aberglauben fehlt es auch 
nicht, und an Sagen iſt das Land um Kabal her reich. 
Das Dorf Tſchihib Dukterun (Vierzig Toͤchter) entſtand 
z. B. dadurch, daß 40 von den Kaffirs verfolgte Maͤd⸗ 
hen ſich bier in Stein verwandelten. Einbildungskraft 
und bie daraus entfpringende Übertreibung und Prablerei 
find den Afghanen überhaupt eigen; fo nannten fie der 
Reifenden Eleined Gefolge ſtets ein Deer, die Reife einen 
Feldzug u. |. w. Die Bewohner von Kabul führen den 
Urfprung dee Stade auf zwei Soͤhne Noah’s, Kakul und 
Dabul zurüd, die um den Namen bed Orts, dem fie 
gruͤndeten, ftritten, und ihn endlich Ka⸗ vom erſten, und 
bul opm zweiten Bruder nannten. Wahrſcheinlich iſt ber 
alte Schah Urdſch der Erbauer des heutigen Kabul (um 
1240), deifen Blütezeit eben jest gefommen war. 


Der Verf. traf biee mit dem ruffifchen Gefchäftsträger 
Wickiewitſch zufammen, der von Bokhara kam und ben 
englifhen Botſchafter zuerft befuchte; diefe Berührung war 
Pritifch und der Verf. verbirgt ſich hierüber hinter einem 
begreiflichen bipfomatifchen Schweigen. Im Februar brach 
der Frühling an, und ber Befehl feiner Regierung rief 
Burnes nad Lahore, während Leech nach Randahar ging, 
da8 er in 14 Tagen gemaͤchlich erreihte. In Labore 
wankte der Maharadfha Rundfhit Sing zum Grabe; 
von feinem Hofe hat Capitain Osborne einen Tehrreichen 
Bericht erftatter. 

In einem Anhang fammelt der Verf. aleihfam bie 
Mefultate feiner Miffion: Ermittelung des geeigneten Orts 
zur Anlage eines großen Emporiums für den Handel der 
Indusreiche; Schiffbarkeit des Indus und feiner Ausfläffe, 
Tiefe, Art der Beſchiffung u. f. wm. Vorzüge von Dera- 
Shazi: Khan zu einem Mehplag für Suͤdaſien, die Pend⸗ 
ſchabfluͤſſe, und endlich, was für uns das Erheblichſte iſt, 
die Lage der politiſchen Zuſtaͤnde in Kabul und den In⸗ 
dusreichen. Das heutige Kabul iſt der Reſt einer großen 
verfallenen Monarchie, welche ſich von Medſchid bie Delhi, 
vom Deean bis Kaſchmir erſtreckte. In zahlloſe Haͤupt⸗ 
lingſchaften machtlos aufgeloͤſt, nahm erſt vor einigen 
Jahren der Herr der Stadt Kabul, Doſt Mohammed, 
aus dem Stamme der Gildſchies, den Emirtitel an, und 
vergroͤßerte durch engliſchen Schutz und gute Politik ſein 


Reich bald fo, daß er feinen Feinden, den Siths von La⸗Recherches sur la condition civile et politique des 


bore, zu widerfiehen vermochte. Er felbft regiert zu Kabul, 
bält einen Artilleriepark von 45 Kanonen, 2500 Mann 
regulairen Fußvolks mit Musketen und 12 — 13,000 Rei: 
ten, werunter ein Zwoͤlftat Kuzzilbaſchen find, ums hat 
@4— 26 Lad Rupien Einkuͤnfte; das Bad faft gleich 
100,000 Thaler. Sein Bruder, Dfehubbar : Khan, tft 
- gleichfam fein Großvezier, ein Mann von vieler Einficht 
und Erfahrung; fein altefter Sohn, Mir Afzat: Khan, re: 
giert zu Zormut; Mohammed Akhbar⸗Khan, fein Lieblings: 
fon, zu Dfchellalabad mit der Häuptlingfchaft über die 
Gildſchies; Akrom = Khan verwaltet Beſut und lenkt die 
SHuzaras, Hyders Khan beherrſcht Ghizni, und der Sohn 
Emir: Khan’s verwaltet Kohiftan. In diefer Stellung ift 
der Beherrſcher von Kabul der natürliche. Verfechter des 
Jelam am Fundus, und bat keinen Feind zu fuͤrchten 
als von Oſten her den Fürften der Siehe, die Feinde 
des Islam. 

Dies war die Lage des Emirs von Kabul, als die ſo 
ungluͤcklich beendete engliſche Erpedition im J. 1841 an 
dem Reiche ruͤttelte, und die Familie Doſt Mohammed’s 
plöglih dem alten Buͤndniß untreu machte. Daß dies 
ruſſiſchem Einfluſſe beizumeſſen war, laͤßt der Verf., ohne 
es auszuſprechen, dentlich genug erkennen. Dem Fürſten 
felbſt ſpendet Burnes großes Lob; einſichtig, wachſam, 
von ſchneller Faſſungsgabe, dabei unternehmend, voll Men⸗ 
ſchenbenntniß, billig, ruhig und gerecht, gewandt und gei⸗ 
ſtig uͤberlegen ſeiner Umgebung, war Doſt Mohammed ein 
Füͤrſt, wie er für Kabul nur zu wuͤnſchen war; fein 
einziger Fehler war Geldgier und Geiz, damit hatte er 
ſeine Revenuen auf ſo ungeheuere Hoͤhe gebracht. Vor 
allen Dingen that ihm Friede noth, um ſein neues Reich 
zu begründen ; es ſcheint aber, daß der Fanatismus und 
der Ehrgeiz. feiner Söhne und beſonders der des krieg: 
liebenden Albbar: Khan es zum Frieden nicht kommen laſ⸗ 
fen wollte. „Es iſt ein fchöner und begabter Menſchen⸗ 
flag, den Doft Mohammed beherrfcht, flarf genug, um 
jedem Feinde zu teogen”, fagt Burnes zum Schluß, und 
dieſe Weiffagung hat fih zum Verderben feiner eigenen 
Landsleute bernahrheitet, als die 200,000 Gildfchiefamitien 
in Afghaniſtan fich gegen die Engländer erhoben. 

Gern theilten wir noch einen Auszug aus bem php: 
fiognomifchen Werke einer afghaniftanifchen Philofophie 
mit, das den Beſchluß macht, doch wir beforgen, unfere 
Lefer zu lange aufjubalten und enden bamit, dem Ber: 
dienfte dieſes Berichts die volle Anerkennung zu zollen, 
die Ihm als Iehrreicher Beitrag zur Kenntniß der Indus: 
laͤnder unverkennbar gebuͤhrt. Mit Dank nehmen wir 
auch die zwölf Zeichnungen und die kurzen Vocabularien 
der Kaffirfprache und des Pufchgedialekts hin, welche an⸗ 
geſchloſſen ſind, obwol wir allerdings viel Lieber als dieſe 
eine tuͤchtige Karte des Meifezuges empfangen hätten, wel⸗ 
che um fo möthiger war, als dis unter uns vorhandenen 
fo aͤußerſt mangelyaft erfheinen. Unter den Portraits 
iſt beſonders das von Doft Mohammed charaktervoll und 





femmes, depuis les Romains jusqu’& nos jours par 
Ed. Laboulaye. 
(Beſchluß au Nr. 2365.) 


Wis müflen es Kritlern vom Jach en, den re 
juriſtiſchen Theil, in dem bie Muchte. das Wäeibek in der —* 
des Waters als Tochter, Schweſter ober Verwandte überhaupt 
und in der Familie des Gemahls als Frau, Witwe und Mat 
ter erörtert werden, näher ins Auge zu faffen und nachzuweiſe, 
ob der Verf. alle einzelnen ragen gleich befriedigend geidſt hat. 
Wir begnügen uns hier, einige Bemerkungen über die potitifäe 
Stellung des Weibes im Mittelalter hinzuzufügen, weiche vid: 
leicht für den Lefer d. Bl. nicht ohne Julereſſe find. Co 
[wer es bei ber großen Verſchiedenheit der Gefege und Ce 
bräuche auch ift, 0% einen allgemeinen Begriff von der pe 
Litifhen Befähigung, die man ben Weibern im Mittelalter cir: 
sdamte, zu bißben, fe Tann man buch im Allgemeinen aunt: 
men, daß dem weiblichen Geſchlechte den Waͤnnern gegeniter 
nur ein fehr beſchraͤnkter Kreis vom politiſchen Rechten an: 
wiefen war. Es fteht außer allem Zweifel, daß im Mittelalter 
ber Mann fi) aus anderm Stoff‘ gebilbet glaubte. Dies geht 
befonder6 aus dem Umftande hervor, daß das Weib eigenuih 
zeitlebens in einer fortwäsrenden Unmimbigleit gehalten wurk, 
die in den mittäglichen Ländern weniger gell berbortrat al 
im germanifchen Norden, wie bie aus der Beſchraͤnkung di 
Rechts, als Zeuge aufzutreten u. f. w., hervorgeht. Gebr hie: 
fig ift aber auch diefe Inferiorität für das Weib von Borkkei 
und gibt ihm inebefondere Anfprudg auf Schutz und Protein. 
So kann nad) dem Gefege von Aragon die Frau nicht Ode: 
ben halber ins Gefängniß gefteddt werben. Sn den erfen Ze⸗ 
ten ber Feubalität war der Beſitz eines Lehens dem Bei 
gänzlich verfagt. Dieſe Tendenz herrſcht im ganzen Lehnereäte, 
wo die Weiber felbft im günftigften Falle immer erſt auf ik 
zweite Linie gefegt werden. Der Grund biervon ift mel w 
naͤchſt in der Unfähigkeit des Weibes, dem Krlegedienfe Gt 
nüge zu leiften, zu fuchen; aber bie ungalanten aͤltern Redti- 
lehrer führen noch einen zweiten Grund an, und bies it di 
Unmöglichkeit bed Weibes, ein Geheimniß zu bewahren. (Bafat 
fagt in feiner Abhandlung „De feudis’’: „Mulieres et pueri id 
celant quod ignorant”), Aber ihr Rechtekreis erweitert: fü 
bedeutend, als es ihnen einmal geftattet war, ein Lehen zu nt: 
walten. Ganz vorzüglich zeigt fich dies in Stalien, wi wi 
aus einge Menge von Diplomen aus dem 9.—12. Jahrhundert 
fehen, bie von Muratori mitgetheilt werben. Aud in fra 
reich war dies der Fall und es ift befamnt, daß es den Weiber 
freiftand, an ben Stänbeverfammtungen Theil zu nehmen, tia 
Net, von bem unter Anbern Frau von Sevigné, melde da 
Ständen in ber Bretagne beivohnte, Gebrauch gemacht hat. 

Nachdem einmal das Recht der Weiber, ein Lehen zu k: 
figen, gefegliche Kraft erhalten Hatte, öffnete fich ihnen auch da 
Weg zur Erbfolge auf dem Throne; denn im ganzen Mitt; 
alter war die Thronfolge nichts Anderes als eine Lehensfolg 
und dad Königreich das erſte Lehen. Der erſte Fall, F 
Recht der weiblichen Erbfoige auf dem Throne in Kran 
zur Frage kam, war im I. 1346, bei der Thronbeſteigung 
lipp’6 des Langen. Beim abe feines Vorgaͤngers Lubmig, 8 
nigs von Frankreich und Navarra, erbte feine einzige Tohte 
Zohanna, Gemahlin Philipp’s von Evreux, die Krone von Rs 
varra, die anerfanntermaßen ein weibliche Lehen mar. Abt 
vom Throne von Frankreich ward fie von ihrem Onkel Phin 
bem Langen ausgefcklofien. Agnes, die Tochter kLudwig's de 
Heiligen, Witwe Robert's IL, von Burgund, appelit 
in ihrer Gigenfchaft als Mutter der Johanna gegen bie N! 
nung Philtpp’s des Sangen. Aber fie verlor ihren Procef, 5 
dem Pierre Darabiai die Hauptfade ausmadpte. „Mei di 
Gelegenheit", fagt Dönanit (Abreg& chronologigee, 1, 313 
beſchieht bes Saliſchen Seſetes zum exfien Mate Erwähnung 
Indeſſen iR 06 gu besweifsin, daß ber Mame bes Galiſchen 6 


⸗ 








(eweits gehmändgiih; war. Meit dieter Beit blieben bie 
8 Erben von der R B audgefchlofien, obgleich, na⸗ 
menttih nad dam Ableben ‚Heinzicg's III. von Gpanien ber 
Alcs aufgeboten ward, die ‚Dinderniffe, welche ben rauen Dem 
Try zum Throne verſperrten, bei Seite zu fhaffen. Dieſer 
Fali ift beſonders beasptenswerih, benn bei biefer. nheit 
wurde bie ganze Frage zum erſten Male vom juriſtiſchen Stand⸗ 
punkte einmal näher ins Auge gefaßt. Die beiben eifrigſten 
Streiter waren die Brüder Anton und Franz Hottmann, bie 
beide mit eigenen Streitſchriften hervortraten. Sie beleuchten 
barin ſowol bie vechtliche als die Hiftorifche Seite des Saliſchen 
Geſetzes. Seit dieſer Zeit, wo bie Bemuͤhungen Spaniens zu 
Schanden geworben waren, wurde das Saliſche Gefeg ober eis 
gentiih das Saliſche Herkommen (coutume) nicht mehr in Zwei⸗ 
fel gezogen, und jetzt bildet daſſelbe einen Theil des franzoͤſiſchen 
Staotirehte. Sagen wir nun noch fehließlich, daB Dank die: 
fm Gelege die franzoſiſche Krone nie mehr in fremde Bände 
übergegangen ift und daß Eanguedoc, Bretagne und bie übrigen 
reichen Provinzen, die jet Frankreich ‚bilden, ihre auf biefe 
Weiſe zugefallen find. 

Deutihland folgte bem allgemeinen Berlommen, unb als 
einmal die Frauen das Recht errungen batten, ein Zehen zu bes 
ſitzen, ſo ſtand ihnen auch nichts mehr im Wege, im Fall kein 
naͤherer maͤnnlicher Erbe vorhanden war, zum Throne zu ge⸗ 
langen. Die Beiſpiele der weiblichen Erbfolge waren ſo zahl⸗ 
reich, daß Senckenberg verſichert, es gebe in Deutſchland kein 
Fuͤrſtenthum, keine Grafſchaft u. ſ. wm», im ber nicht ſchon eine 
Frau die Erbfolge angetreten habe. Bei der oͤſtreichiſchen Suc- 
ceffion, welche Curopa fieben Jahre hindurch (1740 — 48) zu 
ſchaffen machte, handelte es fi) weniger baum, zu wiflen, ob 
ſtreich ein weibliches Lehen fei, denn dies warb fo ziemlich von 
allen Parteien zugegeben, als um bie Yrage, ob man, ba ein: 
mal blos weibliche Kronprätendenten ba waren, ber Tochter des 
letzten Throninhabers ober denjenigen weiblichen Erben, welche 
eine größere Berechtigung dazu geltenb machen Eonnten und bie 
nur zu Gunften männliher Nachkommen auf bie Regierung 
Verzicht geleiftee Hatten, ben Vorzug geben folle. 

Die ſpaniſche Erbfolge iſt ein ſehr fehwieriger Punkt, ber 
erſt von Mignet in feinen ausgezeichneten „Negociations rela- 
tves a la smccession d’Espagne sous Jouis XIV’ (Paris 
1835) in fein rechtes Licht geftellt if. Trotz biefer meifterhaf: 
ten Arbeit bat Laboulaye doch einige Punkte gefunden, bie 
bisher noch nicht erörtert waren. Wir können ihm nicht weis 
ter in das Getriebe von Intriguen, welche in biefen Angelegens 
keiten ind Spiel gefegt wurden, folgen unb verweilen deshalb, 
fewie auch in Bezug auf bie weibliche Erbfolge auf dem ſpa⸗ 
fen Thron nady Philipp V., auf das Werk ſelbſt. Wir wol: 
ien diefe überſicht mit einigen Ländern fchließen, wo das Recht 
der Weiber auf dem Throne zu folgen niemals ſtreitig gemacht 
iſt. Wir rechnen hierzu SItalten, wenigſtens ben nördlichen 
Theil davon, wo ungeachtet mehrer Bürgerpvifte bie weibliche 
Succeſſion faft immer durchgelegt wurde. Mailand, Mantua, 
Parma u. a. bieten zahlreiche Beiſpiele dafür. Neapel war ein 
Trauenlehen fo Lange, bis das Baus Bourbon zur Regierung ge: 
langt war; aber noch zur Zeit Ludwig's XIV. trat der Yark 
% Tremounille, ber fi mit dem legten weiblichen Rachkommen 
vermaͤhlt hatte, als Prätendent auf („De regni neapolitani 


$i demſelben die weibtiche Defcendenz nur ben Borwand 
fe, unter dem bie beiden gegen ehenden ien ſich bes 
Heten. Seitdem iſt aber das weibliche Erbfolgerecht auch 
nit einmal im | a ober in Zweifel 


egogen worden. Maria, Eilfebeth und, feit (ution vom 
& 1688 bie Königinnen Ren und Anna en Thron 
ohne den geringſten Widerſpruch. Im den nordiſchen Staaken 
wurde bie Erdfolge der Weiber gleichfalls frühzeitig zugelaffen. 
Korwegen, Schweden, Polen und Büußland, fort, ums des gleich 
mit anzufähren, auch Wöhmen und Ungarn find von Koͤnigin⸗ 
nen und belanntlich zum Theil nicht unruͤhmlich regiert morben. 
Mit Recht bemerkt der Verf., daß es den Anfchein hat, ats 
hatten bie flamifchen Whtler, weil unter. ihmen bie Feudalitaͤt 
weniger beobachtet war, ſich leichter zur Weiberherrſchaft bequeme. 

Die eigentliche Befähigung ber Frauen zur Regierung gebt 
dee Verf. in Zweifel und er ſtuͤtzt fich dabei auf gabizeiche Zeug⸗ 
niſſe Älteren Schriftſteller. Befonderes Gewicht legt er babei. 
auf die Anſicht Bodin's, ber in feiner Schrift über bie Die 
publik dieſe Frage zum erflen Male einer umfaflenden Unter⸗ 
fuchnng unterwirft. Schon Jeſaias hat Übrigens gefagt: „Der 
Herr wird firafen und eud ein Weib zur Herrin 
geben. Dagegen ſpricht fi Montes quien fehr zu Sumflen der 
Hoauenregierungen aus. Derfelbe fchreibt den Weibern nit 
auc eine gleiche Befähigung zur Verwaltung ber Staatögefchäfte 
wie den Männern zu, fondıen flellt fogar die Behauptung auf, 
daß Fälle eintreten innen, wo die Regierung einer rau ums 
endlich begluͤckender für bie Ration ift als die Herrſchaft irgend 
eines Mannes. Im Allgemeinen ſtimmen indeflen mol bie 
veuern Staatslehrer dahin überein, daß ein kraͤftiger männli 
her Herrſcher eine ficherere Garantie für das Staatswohl ift, 
als wenn das fhwächere, für dußere Einfläffe empfaͤnglichere 
Weib bie Zügel der Regierung in die Hand nimmt. Dies ift 
wie gefagt auch bie Meinung, weldge Laboulaye in feinem Werke 
verficht. Er weiſt dem Weibe einen ftillen, friedlichen Wir⸗ 
kungskreis an; aber er kann doch nicht umdin zuzugeben, daß 
unter gewiffen Berhältniffen mit der Regierung einer Zrau we: 
nig ober gar feine Übelftände verknüpft find. Ja, er acht noch 
weiter und meint, daß in Berfaffungen, wo wie in England bie 
tönigtiche Gewalt eigentlich bei Lichte betrachtet nur ein Schein 
tft, eine Königin, die ald Weib fich leichter mit bem dußerh 
Prunke ohne wirkliche Thaͤtigkeit befriedigt fühlt, vielleicht noch 
mehr an ihrer Stelle ift als ein thatendurfliger Mann, dem 
diefe Außere Parade nicht genügt. Nur als Hegentinnen, wenn 
fie während der Unmündigkeit ihre® Kindes die Staatsgeſchaͤfte 
verwalten, räumt der Verf. ihnen eine größere Gewalt ein. Er 
berührt inbeffen diefen Punkt nur im Voruͤbergehen, weil bare 
felbe ihm nur ein geringes juribifches Intereffe zu bieten ſcheint. 
Ebenfo wenig gebt er auf bie biftorifche Seite der weiblichen 
Regentſchaften ein, und verweift in biefer Beziehung auf die 
zahtreihen Schriften, welche der verhängnißvolle Tod des Ders 
zogs von Orleans hervorgerufen bat. Die erfchöpfendfte und 
brauchbarfte derſelben ift der „‚Precis historique des r&gences 
de France” von Colar und Dufau (Paris 1842). 


Der gelehrte Verf. bat bei feiner Arbeit, bei der ex bie 
wichtigften Vorarbeiten benutzt bat, zwei Werke nicht beruͤckſich⸗ 
tigen £önnen, welche erft nad Yofaffun feinee Schrift erſchie⸗ 
nen find, bie aben Gelbe mit dem G de, ben er behanbelt, 
in näherer Beziehung ſtehen. Es ift dies erſtens eine „Histoire 
du rögime dotal et de la communaut&’ von Ginoulhiac, und 
dann ein ausgezeichneted Wert vom berühmten Herausgeber ber 
„Collection des lois maritimes”. Es ift dies eine gelehrte 
Ausgabe bes Saliſchen Geſezes Parbeffus ſpricht in einer 
gründlichen Ginteitung zuerft von den verfchiedenen Handſchrif⸗ 
ten und gibt bann verfchiebene Texte, die bisher noch wenig bes 
fannt waren. Seine Anmerkungen fowie bie hinzugefügten Difs 
fertationen, 14 an ber Zahl, bie fi auf die Redaction bes 
Saliſchen Gefeges, auf verfchtebene Punkte des franzöftichen Pri⸗ 
vatrechts u. |. w. beziehen, find von bedeutendem Werte. Im 
Allgemeinen flimmt Parbefius, einzelne geringfügigere Abwei⸗ 
dungen ausgenommen, mit den vernünftigen und begrünbeten 

fihten überein, welche Laboulaye in feinem fleißigen Merle 
ausgefprechen hat. 6 





Norbameritanifhe Miscellen. 


(Aubzöge aus ben Öffentlichen Blättern ber Wereinigten Staaten 
vom Jahre 1848.) 

Bor dem Berichte in Gounty Giaremont bes Staats New⸗ 
Dampfbire kam neulich — erzählt ein neuenglaͤndiſches Blatt — 
ein Fall vor, den ſich alle Junggefellen merken mögen. Eyma 
&mith klagte gegen Samuel Blanchard auf Entfhädigung, weil 
er ihr die She verfprochen und dennoch eine Andere geheirathet 
babe. Die Klaͤgerin bewies auf bas vollfiändigfte, daß ber 
WBeltagte wirklich ihr bie Zuſage ertheilt, fie zu heirathen. 
Letzterer geftand dies Alles zu, behauptete aber zu feiner Ver⸗ 
theibigung, daß fein Verſprechen barum nicht binden) für ihn 
gewefen jei, weit fein Anerbieten von ber Klaͤgerin niemals ans 
genommen worden ſei. Er habe, feßte er hinzu, freilich lange 
den Wunfch gehegt, fih mit ihr zu verebelidhen und fei deshalb 
zu verfchiebenen Malen mit Beirathsanträgen herausgerüdt; fie 
aber habe diefelben bald theilweife verworfen, balb gar nicht 
beachtet und habe jedenfalls nie bie Abficht gehabt, ihn zum 
Manne zu nehmen, falls fie eine beffere Partie machen koͤnne. 
Als er fig überzeugt gehabt, daß bie Klägerin ihn nur als 
Kothnagel gebrauchen wolle, habe er einer Andern einen Hei⸗ 
ratheantrag gemacht, die ihm gleich auf die erſte Anfrage das 
Jawort gegeben. Ungeachtet biefer fchr einleuchtenben Ginrebe 
wurde ber Beklagte dennoch von bem Gerichte zur Zahlung 
einer Summe von 300 Dollars zur Entſchaͤdiguug der Klägerin 
verurtheilt. 

Aus dem Jahresberichte ber Patent: Gommilfion in Wafhington 
gebt hervor, daß im 3. 1841 von der Bundesregierung 435 
Erfindungspatente ertheilt wurben und 327 erlofchen. Im 
Ganzen beiäuft ſich bie Zahl der in den Vereinigten Staaten 
feit deren Gründung ertheilten Patente auf 12,47/. Im vers 
fioffenen Jahre wurden 847 Anmeldungen gemacht. Die Com⸗ 
miſſion macht auf zweierlei Misbraͤuche aufmerlfam, einmal, 
da& viele zum Verkauf gebrachte Sachen mit dem Worte „Pa⸗ 
tent“ fich geftempelt finden, obgleich für diefelben nie ein Pas 
tent genommen worben ift, und zweitens, daß viele Erfindungen 
noch als patentirt verkauft werben, deren Patentzeit längft 
abgelaufen if. Um folchem Betruge zu begegnen, wird in 
Vorſchlag gebracht, eine gefeglihe Beſtimmung zu treffen, daß 
bas Datum der Yatentertheilung an alle patentirte Sachen ge: 
flempelt werben müfle. 


Aus dem Sahresberichte der pennſylvaniſchen Taubftum: 
menanftalt ergibt fi, daß zu Anfang des 3. 1842 106 
Zöglinge, naͤmlich Gl Knaben und 45 Mädchen, Unterricht und 
Pflege in berfeiben erhielten. Der Staat Pennfylvanien unter: 
hält 72, Maryland 12, Neujerfey 7 und 15 werben theils 
von ihren Verwandten, tbeils durch die Ginkünfte bes Inſti⸗ 
tuts verforgt. 33. 





Bibliographie. 

Adler, ©. F., Die Liebekunſt. Drei Buͤcher. Dem 
Yublius Ovidius Nafo nachgebichtet. Leipzig, Brockhaus. 
&r. 12. 1 Thir. 6 Nor. 

Aiar, Unfere Zeit und ihre Tendenzen in Beziehung auf 
Staat und Kirche. Leipzig, Fort. Gr. 8. 10 Near. 

Ballerini, Gebr. P. und H., Abhandlung über bie 
Nothwendigkeit eines unfehlbaren Oberhauptes bed Papftes in 
ber Kirche Chriſti. Aus dem Lateinifchen überfegt von H. L. 
Mit einer Vorrede begleitet und herausgegeben von X. 3. Bins 
terim. Düffelborf, Roſchuz und Eomp. Gr. 8. 7Y, Rear. 

Bericht vom Sabre 1 


thümer in Leipzig. 
Brockhaus. Gr. 8. 9 
Binder, W., Der Untergang des polnischen National- 


Berantwortlier prraußgebers Deintih Brodhaus. — Drud und Verlag von %. 4. Broddaud in Leipzig. 


3 an die Mitglieder der Deutfchen I Wiſſenſchaftlichen Vereine zu Berlin. Leipzig, Brockhdauẽs. Gr. 12. 
r. 


Geſellſchaft zu Erforſchung vaterlaͤndiſcher Sprache und Alter: ! EN 
Hezategegeben von K. A. Espe. Leipzig, 
Ngr. * 


staates. P tisch entwickalt. ister Band. deritent 
Bullberger. 4 1 —— Ner. 

Brauns, G., Grideinungen bes Zeitgeiſtes und derm 
Sirkſamkeit für Oeutſchlands Intereffen beurt , 
ſchweig, Bieweg und Sohn. Gr. 8. —* Nor. it. Bea 
-  Gancan eines. beutfchen Edelmanns. Ner Theil. Leipfig 
Brockhaus. Gr. En & Thlr. 4 rk 

hownitz, I3., Sbelmann und Jude. Zwei Theile. gi 
sig, Beier 5 1 te. 34 385 

— — Moderne Wiener etiven. Leipzi — 
19. 1 hir. 7%, Rer. & 9, Pecan ju 

Dardy, 3. R., Die gegenwärtige Erwartung der Kirche 
gder de aſegran welche siefeibe begründen. Vorgetragu 
n endverfammilungen. Aus dem Franzoͤſiſchen 
Dale a 8. on Nor. 8 8 Wet 

alkenberg. n Thereſe, Verfaſſerin ber „Briefe um 
dem Süben” u. f. w. Braunſchweig, Vieweg und Sohn. 8. 
1 Zhtr. 25 Mor. ie 

Ganswindt, E., Dee Handelsverkehr, die GSeele ia 
Staatslebens. Leipzig, Brockhaus. Gr. 19. 12 Rar. 

Kaufmann und Dichter. Novelle. Dresben, Grimm. 8. I Ihr, 

Leibrod, G. %., Die Sagen bes Harzes und fir 
nächften Umgebung. 2ter heil: Die Sagen bes Oberharmk 
Nordhauſen, Fuͤrſt. 8. 1 Thlr. 

Marheineke, P., Predigt aut Feier der taufenbjährien 
Selbſtaͤndigkeit Deutſchlande, am 6. Auguft 1843 in ber Dre: 
faitigteiteticche zu Berlin vorgetragen. Leipzig, KBrocdkhan. 

. gr. 

Martens, C. de, Nouvelles Causes ecélèbres da droit 

des gens. Zwei Bände. Leipzig, Brockhaus. Gr. 8, 5Tik. 


10 Ngr. ’ 

Der 8. October 1842. Weimariſche Grinnerungsplätte, 
gefammelt von G. Günther. Jena, Mauke. Gr. 8. 1Thır. 

Dettinger, © M., Helene. Gin Fehdebrief an hie 
Geſellſchaft. Aus den Papieren einer Dame. Leipzig, Reclam jun | 
12. 1 Thlr. 15 Nor. 

Patriotiſche Phantafien eines Ungars. Ein Wort zur dei. 
Wien, Tauer und Sohn. Gr. 13. 12Y, Nor. | 

Nofen, G. v., Bilder aus Spanien unb ber Fremen: 
legion. Ifter Band. Kiel, Bünfom. 8. Preis für mi 
Bände 2 Thir. 15 Mer. 

Niederländifhe Sagen. Gefammelt und mit Anmerkungen 
begleitet herausgegeben von I. W. Wolf. Mit einem Kupfer 
Leipzig, Brodhaus. Gr. 8. 3 Thir. 

Sammlung der neuern und beften Romane ber Franjſen, 
Italiener und Spanier in beutfcher überſezung. Emile Sou: 
veſt re's geſammelte Werke. Aus dem Franzoͤſiſchen uͤbertragen 
von Mehren. After und 2ter Band: Die Kletterftange. Hiſte: 
riſche Novelle aus ben Julitagen 1830. Ins Deutfche ubertrc: 
gen von D. dv. Birfened. Zwei Theile. Grimma, Verlage⸗ 


comptoir. Gr. 12. 1Thir. 
Wien, Sauer und Sohn. 








Seidl, 3. G., Pentameron. 
8. 1 Ihe. 74 Nor. 

Barnhagen von Enfe, K. A., Denkwuͤrdigkeiten und 
vermifchte Schriften. 2te Auflage. Ater bis Öter Band. — I. 
u, d. T.: Vermiſchte Schriften. 2te Auflage. Drei Zheilt, 
Leipzig, Brodpaus. Gr. 12. 6 Thlr. 

Vielliebchen. Hiſtoriſch⸗romantiſches Taſchenbuch für 184. 
Bon Bernd von Guſeck. I7Tter Jahrgang. Mit acht Stahl⸗ 
flihen. Leipzig, Baumgärtner. Er. 16. 2 Thlr. 10 Ra. 

Waagen, ©., Über die Stellung, weiche ber Baukunſt, 
der Bildhauerei und Malerei unter den Mitteln menſchlicher 
Bildung zukommt. Vortrag, gehalten am 18, März 1845 im 











8 

Was wollen eigenthich bie Muͤnchener hiſtoriſch⸗ politiſchen 

—* für das katholiſche Deutſchland? Leipzig, Fort. Gr.d. 
2 gr. | 


Blätter 


für 


literariſche Unterhaltung. 





Sonntag, 





Überſicht der neueſten poetiſchen Literatur. 
Dritter und letzter Artikel.” 


40. Gedichte von Adolf Schults. Erſte Sammlung. Mag⸗ 
deburg, Baenſch. 1843. Gr. 12. 1 Zhir. 

Bier tritt ein nicht undbegabter Sänger auf. Der Duft 
der Jugendfrifche umhaucht alle Blumen des Gefanges. Die 
Sprache ift prägnant und concis in den größtentheils kurzge⸗ 
meflenen Rhythmen. Er verfteht die Kunft, einen winzigen Ge⸗ 
danfen zum Liebe auszufpinnen und eine ertraͤgliche Menfchens 
geftaltung in eine graziöfe Gruppe umzufchaffen; aber — o baf 
der pebantifche Kunftrichter dem warmen Lobe ein eisfaltes 
Uber, wie der Dimmel dem Fruͤhlings ſonnenblick einen Hagelſchauer 
nadhfendet! — der Verf. ift Gebieter in einem nur kleinen Mu⸗ 
fenterritorio; Wein und Liebe, Liebe und Wein ift das Thema, 
das er unabläflig variirt und was einen ewigen Kreislauf bei 
ihm macht; die Natur, das Heilige, das Menſchenherz, das 
Menſchenweh und aus Iedterm ber Himmel haben noch nicht zu 
ihm geredet, und reden deshalb auch nicht aus ihm. Gr ift 
mithin einfeitig. Doch wollen wir, um ber Wahrheit die Ehre 
zu geben, nicht verfchweigen, daß bie Sammlung auch Epiſches 
und am Schluß Spigrammatifches bietet, wofür er nicht ohne 
Talent iſt; indeffen bleibt die Domaine, die ihm der deiphifche 
Bott verliehen, doch immer nur klein. Auch tifcht er den in 
neuerer belletriftifchen Literatur Beleſenen manche Schüffel auf, 
die ein Anderer fchon bereitet hatte. Manches mahnt an Heine 
und an Zerrand. Nur einige Hindeutungen auf Einzelnes. 
„Lenz und Erde” (©. 3), fowie „Nur Du’ (&. 9) eignet fi 
wegen feiner Sangbarkeit zur Gompofition. Den Romanzen 
febit die epiſche Kürze nicht; man fehe den oft Thon behandels 
ten Romanzenftoff „Des Bergmanns Braut” (©. 27), „Säns 
gerfiage”‘, echt lyriſch und charakteriftiih (©. 58). Wenn man 
viel von dem allegorifhen Cyklus „Das Vergißmeinnidt an den 
Sommerwind" (&. 140) erwartet, wird man in feiner Erwars 
tung getaͤuſcht; es if gebanfenarm und tautologifh. Die Ror 
manze „Soldatenleiden“ (&. 147) erfüllt alle Foberungen, bie 
man an derartige Dichtarten machen kann. „Anakreontiſche Lies 
der‘ (S. 167) find jugenbfrifch, Teiht und keck. In dem Meis 
nen Liede „Ju Daufe” (&. 1%) ift der Gedanke anſprechend: 


Nach ben Wände blicke nicht, 
Sieh nit um dich ber, 
Schan nur mir ind Angeſicht: 
Kennſt du mich nicht mehr? 


Bier mein Arm und hier mein Herz, 
Dein, bis einſt ed bricht! 
Alles Andre außenwaͤrts 
Kuͤnmert und ja nicht. 





*) Bergl. den erſten und zweiten Artikel in Nr. 130 — 141 und 
Ar. we — 28 v. Rt D. Red. 


Unter der großen Zahl erotiſcher Gaben zeichnen wir aus „Lieber 


und Thraͤnen“ (&. 198) und „Minneſaͤngers Gluͤck“ (&. 241). 
Den Schluß bildet Epigrammatifches, oder fiebenmalfieben Reim⸗ 
ſpruͤche, unter denen wir notiren „‚Veriegenheiten” (&. 283), 
„XRenien“ (&. 285), „Gchreibfeligleit” (&. 285), „Einſt und 
Run‘ (&. 287), „Bildung“ (&. 292), „Freiheitshelden“ (©. 
308) und „Zum Abfchied” (S. 3). Die Worte auf. dem Zi: 
tel: Erſte Sammlung, geben Kunde und Zeugniß, daß eine 
zweite folgen wird. Wird fie bie oben angebeuteten Rüden 
villeicht ausfällen ? 


47. Wilde Blumen. Dichtungen von Joſeph Mendels» 
ſohn. Leipzig, Ph. Reclam. 1843. 8. 1Thlr. 


Einige diefe Dichtungen einleitende- Verfe deuten ben Titel 
berfeiben. „Mein Dafein‘, fagt der als Schriftfeger, Journaliſt 
und Kritiker in Paris lebende, durch feine „Pariſer Briefe‘ bes 
kannte Verf., „gleicht den Felſenhoͤhen, wo wilde Blumen, ein: 
fam, ohne Pflege und Sorge wahlen. Was unbelannt auf 
fteiten Höhen, im Sonnenfeuer, im Abendroth, «im Leuchten ber 
Geſtirne blühte, wand ich zu bunten Sträußen, beren Loos es 
if, zu blühen, zu wellen und zu flerben.” Die Lieber tragen, 
gegen unfere Erwartung, der Mehrzahl nach, eine dunkle Farbe, 
fheinen in elegifher Stimmung empfangen, find forgfältig ges 
feitt, kokettiren aber hin und wieder mit gedrechfelten Phrafen 
und Bildern, auch Läuft wol ein erkättend profaifcher Paflus 
mit ein. Wo er bie Feder mit dem Pinfel des Landſchafts⸗ 
malers vertauſcht, malt er fogar vortreffiih. Die „Wanderlie⸗ 
der’! Elingen harmoniſch, bieten aber fonft nichts Ausgezeichnetes. 
„Wandlung“ ift ein Nachtftüd, mit Liebe gearbeitet, mit Say 
falt gefeitt, doch Eönnte es prägnanter fein. „Wunſch“ (S 64) 
ift echt Igrifh und Lader, wie mehre andere, zur Gompofition 
ein, wie wie denn auch in Hirſch's Album eine anſprechende 
Sompofition des Liedes „Zieh' hinuͤber, ſuͤße Taube” u. f. w. 
von Methfeffel gefunden haben. Die Lieder, welche eine natios 
nale, politifche oder auch religiöfe Anficht und Geſinnung dar⸗ 
legen, werben gewiß dem Yublicum der Jetztwelt gefallen, und 
es find wirklich einige gelungene darunter, 3. B. „An Georg 
Herwegh‘' (8. 109). Mehre halb Klage, halb Unwillen ath⸗ 
mende Lieder an das Bolk Jorael könnten faft den Gedanken 
beranlaffen, der Sänger gehöre biefem Wolke confeflionell an, 
eine Vermuthung, bie auch durch feinen Namen halb und halb 
zur Sewißheit wird. Das Gedicht an Kranz Dingelſtedt bat 
energifche Stellen. Ein Verdienſt hat ſich Joſeph Mendelsfohn 
überdies erworben durch Übertragung einiger Lieber des Hege⸗ 
fippe Moreau, eines ebenfo unglüdtichen als genialen Sängers, 
der im 3. 1838 in einem parifer Hospital endete. Cine Les 
bensſkizze defjelben fleht im zweiten Bande ber „Parifer Briefe’. 
Richt zu überleben ift das Eleine Lied (S. 105), wo ber Verf. 
feine Lieder charakteriſirt und fagt, fte fproßten üppig wie junge 
Keben an einem Spalier und fchließt: 


Wie das Spaller verſchwindet in der Hülle 
Der Blätter, Reben und ber Traubenfuͤlle, 


wie 


So wird der Sänger auch bereinft verſchwiaden, 
Doch wer ihn ſucht, wird feine Lieder finden. 


48. Lieder aus Tirol. Von Beda Weber. Gtuttgart, Gotta. 
1842. 8. 1 Zhlr. 15 Nor. ’ 


Ber, wie Ref., in disfen Siedern das age Matiomalgefäht, 
* heitere Stimmung und bie anſprechende Raivetaͤt bes tiroler 
olis fucht, wird fi ara getäufcht finden; denn bier ertönt 
nicht das Jodeln eines gepugten Sängers ober Hirten von ber 
Am, welchem aus friſchem Dunde der Dirne eine Antwort 
wird, fondsen das Largo lamentofo einer trüben Lebensanfcdhau: 
ung, einer tiefen Wehmuth über bie Hinfälligfeit alles Sicht: 
baren, einer fhwärmerifchen Sehnſucht nad) dem Himmel. In 
den neillen Nummern verliert ſich jenes Largo in ein ſchmelzen⸗ 
des Adagio, das den Herrn, den füßen Geelenbräutigam, ans 
sit, und wo ſich in bie Exdftige Sprache ber Bibel, wunder⸗ 
lich genug, die moderne Ausbrudsweife mifcht. Gieich die erfte 
Rummer , ndniß“ gibt bie Tonart, in ber alle Rieder in 
Muſſk gefegt find, an: 
Ich rang die matten Hände 
Hinuͤber mit Gebet, 
Wo und da6 Kampfedende 
Aus ew'gen Palmen’ weht. 
Ich fiel ind müde Sterben 
Der Heißgeliebten ein, 
Den Tod wollt’ ich verderben, 
Die Liebenden befrein. 


Doch blieb mie Kampfesraſchen 
Nur wehnder Ericheubuft 
Und Thraͤnen, mid zu waſchen 
Dom Hauch der Moberluft. 


Wenn sr nachher noch binzufägt : 
Du fiehſt die truntnen Züge 
Und kannſt fie kaum verfichn, 


fo müffen wir ihm feufzend Recht gebens beſonders unverftänds 
lich wird er da, wo er fih in den Nebein muftifcher Entzuͤckung 
verliert; da erfcheint er in einer Bublimität und krankhaften 
Zartheit, daß der Mann mit gefunden, Eräftigem Rervenſyſtem 
und mit Harem Blick ihm nicht folgen kann. „Wähle Gott 
um Bräutigam, quaͤle dich ab für ihn”, ruft er einmal aus. 
In der „Riebesnacht”, die er &. 50 mit Jeſus durchſchwelgt, 
eht ed noch Arger ber; ebenfo in „Areuzesiuft” und „Nacht⸗ 
eier” (8. 54 u. 58), wo er Novalis in feiner muftifchen Übers 
ſchwaͤnglichkeit vor Augen gehabt zu haben fheint, nur daß jes 
ner Romantifer mebr aus der Seele berausfingt und großartt: 
ere Wilder entfaltet. Überdies find feine Bilder nicht immer 
lar. Bo heißt e8 &. 72: 
Die Unſchuld breitet Blum’ und Blüte 

Spalirend durch dad Haus, 

Und malt mit Himmelsguͤte (7) 

Die lichten Springen (?) aus. 
Bn „Die Pfingſtnachtigall“ (8. 141) lautet bie britte Strophe: 

Das Rreifge Gi des Lieds ranunkelt, 

Bon die umgluͤht, in meiner Wruf, 

Durchs zarte Schalgehaͤuſe vunkelt 

Die junge Frucht, fie locht und funkelt 

Ans goldne Licht die Brählingeluft. 
Ein Lied an den Gott des Weins bat fich in die Nummern der 
dritten Abtheilung verirrt und eingefchmuggelt, doch hat, ber 
Sänger im Weinrauſch noch feinen muftifchen Gharafter. übri⸗ 
gens ift in genannter Abthellung Hin unb wieder ein patrioti⸗ 


Icher Hauch fühlbar, und die fonft vag in Lüften ſchwebende 


Dhantafte findet feften Grund und Boden. Er begrüßt da fein 
Deimatsland, deffen Berge, Bernsjäger und Helden, namentli 
Andreas Hofer und feinen Landesherrn; aber ohne alles myſti⸗ 
ſche Gewinfel geht es nun elamal in dem Buche nicht ab, 
und mir mödten bie kuͤhne Behauptung aufflelien, daß 


Hrn. Beda Webers aus der Ki ſchichte befanater 
mensvetter, Beda ber Ehrwuͤrdige, —* * in * 
nen myſtiſch⸗allegoriſchen Deutungen der Saͤrifien des nur 
Bundes, alfo gelehrter, aber gewiß nicht froͤmmer war als Hr. 
Beda aus Tirol. 
49) GBedidte von Yranz von Sieker. © 
ae — won, Ki 
Hr. von Gotta beftrebt ſich ſeit Jahren bereits, fein 
Verlagshandlung zu einer Notabeinverfommiung von Gchön 
geiftern beutfcher Zunge zu maden. Dem Mittelmäßigen un 
Sinfeitigen, wie es uns in ben in voriger Nummer angejeigten 
„Liedern aus Tirol” vord Auge tritt, geſtattet er felten den 
Sintsitt und weiß faft immer das Beſſere, oder wenigſten 
das Bielverſprechende auszuwählen und unter das Yalladiım 
feiner Firma zu flellen. In die Kategorie des Beſſern un 
Vielverfprechenden ſtellen wir auf vorliegende Gebidhte cine 
füdoftdeutfchen Schöngeiftes, beffen wir, wenn wir nicht irn, 
ſchon früher in d. WI. gedacht baben. Meine Vorzüge hefketen 
nicht in eminenter Geiſteskraft, ſchimmerndem Wige ober in der 
Kunft, der blafirten Jetztweit pikante poetiſche Speiſen zuzube⸗ 
seiten, ſondern Herz, Gemuͤth, tuͤchtige Geſianung bei gerrifit 
Erfahrung machen ihn zum Dichter und giehen uns an - 
Vorzüge, bie fon von den Alten geſchaͤgt wurben, welde bt 
haupteten: Peotus est, quod disertes facit. Das lirthel bie 
fes Ausſpruch⸗ wendet man heutzutage vorzugsweiſe auf be 
geiftliche Homiletit an; warum follte man es nicht auf der fr 
riter beziehen Tönnen? Bei einem mit einer reichen ſchoͤnen Ge 
muͤthlichkeit begabten Dichter überfieht man gern jene Ming 
bie an jedem menfchlihen Kunfwest haften, und fo vergift 
man auch leicht bei ben Schober ſchen Gedichten die Haͤrte in 
ben Metren, bie Unebenheiten im Rhythmus und oft ein gewiſu 
Sichgehenlafſen, alfo übelſtande, buxc Die das Auge und Die 
oft g wird. Er iſt gang Gefuͤhl und Empfindung un 
bat Recht, wem er S. 103 fagt: 
Web IS fehe, wird Empfindung, 
Was ich fühle, wisd Geftalt, 
Und in ewiger Verbindung 
Alles jung und ewig alt. 


So ſchaut ex der Nätur ins holde Antlig, träumt in ihren As 
men, und fofet mit ihr. Wie hold find die „Herbfllice" 
(8. 95). Die Berge, bie Wälder, die Ströme fangen on je 
ſprechen, und „bie Sprache wird Belang, aus den Blumen, anf 
ben Bädyen bringt ein wunberbarer Klang’. Wenn aud) einig 
Fruͤhlingslieder unfere Lyrik nicht bereicyern, fo ift doch „Biol, 
eine Blumenballade’’ (&. 12) dabei, die Vieles, ja Alles wire 
gut macht. Außer der Natur find Liebe, Freundſchaft, dr 
und Kunft die Gegenflände, die er mit Vorliebe behandelt u 
bie er mit den gefchmeidigen Ranken feiner Empfindung um: 
zieht. Wo ihn die Weichheit ber Empfindung mit dem Io 
len und Realen in Conflict bringt, und wo er Beide zu vn 
föhnen und zu vereinigen firebt, aber bie Unmöglichkeit des 9 
lingens ſolches Strebens gewahrt, da bekommen die Greif 
eine elegifche Faͤrbung, die dem Auge des Beſchauenden und mit 
ihm Sympathiſirenden mwohlthut. Nie geht feine Kiage im 
Blaue hinein; er weiß, um was er Schmerzen leidet ; wie üben 
treibt er die Klage; Weitkenntniß, Grfahrung und MWeiktell, 
wie gereifte Jahre fie geben, ſpricht überall aus ihm. Dis 
fieht und Hört e&, er kennt die Alten, tiebt das Buch der Bb 
der und hat fidh in des Drients Wunderwelt ergangen. Ein 
nicht gemöhnliche Wahrheit, Kraft und Anmuth haucht aus den 
Gedicht, S. 92, wo er der Menſchen thörichtes Thun und Art 
ben mit einem Sumpfe vergleicht, und allegorifch ducchfäht: 
Wir erklären daffelbe für die Perle der ganzen Sammlung wi 
empfehlen es Jebem, ber in der Lecture unferer Dichter etwai 
mehr als ein Phantaſieſpiel in muͤßiger Stunde ſucht. Außerdes 
notiren wir noch als ausgezeichnet die Romanze „ofen 

(S. 144), „Das @onstt” (S. 180), wol es am chpıbmildet 
Därten teontt, „WBanberflufen” (&. 206) und noch einige Or 








nette, buch weiche unter der überſchrift „Schattenriffe”, litera⸗ 
cifche le in und außer Deutichland dharakterifirt und 
gefeiext werben; indeſſen haben nur die Zeichnungen Jean Paul's, 
Börne’s, Hoffmann’s und Voß's Werth; Schiller und Goethe 
3. B. find verzeichnet. Die Sonette, welche Seftalten, Perföns 
iihteiten, Gruppen und Greigniffe aus der Heiligen Schrift 
malen, finb von ſehr ungleichem Werth, und machen recht fühls 


bar, wie wenig die Eindlidye naive Sprache der Urmelt für uns 


erreichbar iſt. Gern unterfchreiben wir, was ber Dichter über 
Entftehen, Bortbiiden und Schickſale von Gedichten einer Freun⸗ 
din in den erſten Nummern zuruft, und wenn er über feine eis 
genen biex gebotenen Reiftungen in der Eyrif am Schluffe fagt: 
So gibt's auch Worte, denen bad Gedränge 

Des literdr’ fen Marktes nicht gefällt, 

So wenig wie bad raufchende Gepraͤnge, 

Dit dem die Eitelkeit zux Schau fich flellt. 

Sie ſehnen fih ius Dunkel, — in bie Enge, 

Das ftille Herz it ihre eigne Melt; 

Sie leben nur: Um Mitgefühl zu werben, 

Und wenn fie das erlangt, beglüdt zu ſterben. 


Und haben fie fih einen Weg gefunden 
Zu einer Bruk, bie für verfihloffen gilt, 
Die fie, viefleiht zum Schutz für mande Wunden, 
Die ide dad Leben ſchlug, nur mehr verhüllt; 
Und fühlen fie, daß fie vom Drud entbunben, 
Ermutbigt haben, ober Schmerz geſtillt; 
Dann koſten fie geboppelt jene Breuben, 
Um weldye fie die Engel ſeibſt beneiden. 


Gewiß wirb des gemütbuigen Dichters Wunſch in Bezug auf 
diefe Gedichte in Erfüllung gehen! 
M. Gedichte, dltere und neuere, von Fiedrig Freiherrn von 
Pechlin. Stuttgart, Cotta. 1842. Gr. 8. 1 Ihr. 
Hr. von Gotta führt bier einen Kuͤnſtler in den großen 
Goncertfaal deutſcher Saͤnger, über den wir anfänglich mit uns 
ferm Urtheil nicht ins Reine kommen konnten. Kart im Vor⸗ 


trage, berb im Ausbrude, verſchmaͤhend Gadenzen und bie | 


Modephrafeologie der neubeutfchen Kunſtſchule, haͤlt er fi) ans 
Materiefe im Leben, und führt in feinen Naturgemälden ‚in 
denen ev Dänemarks Küften vorzugsweiſe mit Liebe malt, einen 
groben Pinſel. Als tüchtiger Weidmann ergöst er ſich (S. 102) 
„on Punſch und Taback, Würfelfpiel und Karten, den Requis 
fiten echter Iagbgelage”. Ginige Mate kleidet er feine derbges 
funde Mufe in das Gewand des Patriotiömus, wo man ſchon 
eher ein kraͤftiges Wort hören mag. Wenn es ihm aber auch 
bin unb wieder gelingt, und in recht gemüthlide Stimmung zu 
verfegen, wie 4. B. in „Traum ber Kindheit‘ (S. 12) , einem 
treftich angelegten, aber am Schluß ungendgenben Gedicht, fo 
verjagt er fie plöglich wieder durch einen Gemeinplag oder ein 
gewoͤhnliches Bid oder durch einen matten Schluß. Gelten 
trifft man auf fo finnige und gefühlvolle Stüde in der Samm⸗ 
tung wie auf „Pflanzenloos“, aus welchem ein fanfter Hauch 
und anweht. Im letzten Theile der Sammlung, wo er fidh 
tem Religioſen zumwendet, macht er Manches gut, was er frü« 
ber durch unzartes Wefen verborben hat. Da gibt er ſelbſt zus 
weilen eine neue Idee in einem paſſenden Bilde (fo nennt er 
&t = Helenas Zelfen den Unterbau zu bes Kaifers Büfte) ; cr wird 
gemüthlicher, er ſchweift nicht ab, die Reflection wird weicher 
und er weiß den Leſer für fein Lied zu gewinnen. Man leie, 
um fi davon zu überzeugen, nur bad Sonett ©. 155 „Licht 
und Finfternig”. ken 8 
51. Spruͤche und Lieber eines nordi Brahminen. Bon 
Eduar) Boat. Leipzig, Boͤſenberg. 1842. 8. 
1 Thir. 10 Rer. 
Wie Gr. Boos dazu kommt, fi und die Dichter übers 
Yaupt Brahminen zu nennen, konnte Ref. anfänglich weder auf 
ieri noch auf philoſophiſchem Wege finden; denn bes 
founttich iR es eine Hauptbeſchaͤftigung dieſer Kafte, tieffinnige 
Betrachtungen über das göttliche Weſen anzuftellen; bier iſt 


| zu träumen. Se 





aber unfer nordiſcher Braͤhmin fehr meit entfernt .non- ſolchem 
ernften Thun und Treiben; ber Fruͤhling, die Eiche, der Mein 
und bie damit zufammenhängenben taufend und aber taufend 
Mate befungenen Dinge bes bunten Erdenlebens find ed, Dis 
der achtundzwanzigjaͤhrige joviale Sänger befingt; von metaphy⸗ 
ſiſchen Dingen ift nirgend die Rede. Wenn er jedoch (S. 191) 
ſagt: „Zu Gterbenden zu gehen und zu Todten ift im Geſei 
Brabminen ftreng verboten; ihr Mühen fei dem Leben nur ges 
weiht”, fo finden wir in diefen Worten fchon eher eine Bezie⸗ 
bung auf bie Fähigkeit und den eigenthümlichen Geſchmack des 
Berf.s darum hat er auch wol den Ernft bes Lebens und das 
elegifhe Moment aus feinem Buche verbannt, in welchem 


durchgaͤngig eine heitere, leichte, frifche, wigige, moderne Sa⸗ 


lonspoeſie, die es licht, ihre Blüten in cine epigrammatifche 
Spige auslaufen zu !affen, vorberrfcht. Wie allerliebft find bie 
Pointen in ben Liedern ©. 4, 6 und 13. Wie. naiv das ‚‚Btells 
dichein“ (S. 13) nach Walther von der Vogelweide. Wie ges 
troffen das Bild in „rauen sGmancipation” (6. 58) Wie 
hell und lebensfriſch ertönen die „‚Pofthornktänge” (S. 107), 
Wie ruͤſtig und wigig wird unfer Brahmin Schiller's Apologet 
und Defenfor gegen Schlegel in „Das Lied vom Blodienkiöpfel” 
(S. 136). Wie teiht und anmuthig laffen ſich in ber „Alans 


. thologie’’ die Epigramme lelen, „die eben nicht verwunben, fons 


dern buͤffelhaͤutige Aunden nur rigen‘ follen. Kurz, es tritt 
bier ein munterer Brahmin auf „mit noch braunem Haupt, das 
er ſtolz trägt”, und ber es liebt, „ein Roß zu lenken, ben Be⸗ 
er zu ſchwenken und Mäbchen zu kuͤſſen, ber, was er poetifh 
beginnt, auch recht treibt und thut, und dabei auch denkt”. In 


. diefen bezeichneten Worten charakterifirt fi) nämtich Hr. Boas 


im legten Gedicht der Sammlung felbft, und zwar nicht ohne 
Beimifhung eines kecken Gelbfigefühls, doch auch nicht ohne 
Wahrheit. Bein jugendlides Bild ift eine angenehme Beilage 


zu dieſem eleganten Buche, das von unferer Jugend gewiß gern 


gelefen werden wirb. 


92. Gedichte von Benebict Dalei. Stuttgart, Hallberger. 
1842. Gr. 8. 1Thlr. 18 Nor. 

Hier haucht uns ein anderer Beift an als aus letztbeſpro⸗ 
chener Nummer. Das Leben wird von einem andern Stand⸗ 
punkte aus betrachtet. Gin tiefer Ernft waltet felbft im bes ' 
feriptiven Genre vor. Dunkelfarbig ift ber Aufzug, und ebenfo 
der Einſchiag in das ganze pieriſche Gewebe. „Neidet nicht des 
Kuͤnſtlers Gluͤck“ (naͤmlich des Werstünftiers), fo Elagt gleich 
anfänglich der productive, geſangluſtige Verf., „das Schickſal 
fodert Harte Zinſen für den kurzen Sonnenblick feines Gluͤeks, 
und nur in einem leidenden Herzen lebt die Bluͤte der Dichter⸗ 
freuden.“ Dann folgen Klagen über bie Kälte und Verderbt⸗ 
heit der Wenfchen, Hauche ber Sehnſucht nach dem Frühling, 
dem verlorenen Paradiefe der Jugend, nach der laͤndlichen Hei⸗ 
mat und ber goldenen Freiheit. Man hört ihn gern, wenn er 
bie Natur befingt. Sie ift ihm ein Spiegel, in welchem wie 
die Gottheit ſchauen; fie redet freundlich und tröftend mit bem 
Edeln, aber bart und finftee mit dem Frepler. Thraͤnen find 
ihm edle Perlen, errettende Geifter, die das in der Bruft for 
dende Wort löfen, ober Redner von oben gefandt, welche wech 
feind von der Tiefe der Hölle und ber Höhe des Himmels Zeugs 
niß ablegen. In der Stille und fern vom Weltgeraͤuſch weilt er 
gern, nicht gerade um zu beten, ſondern um zu reflecticen und 
Uſt wo er der Frauenliebe feinen pierifchen 
Zell bringt, laͤßt er daB Lieb nie jauchzen, fondern feufzen. 
Bin Tanz⸗ ober Weinlied zu dichten verfucht er hin und mies 
bee; aber es gelingt ihm nicht, er ift da nicht in feiner Sphäre. 
Die durch das Buch zerſtreuten Stachelverſe zeugen von Geift, 
haben aber mehr den. Sharakter des griechifchen Epigramms. 


Die „Stammbucheblätter” haben winzigen dfthetifchen Werth; 
gemuͤthlicher ift dagegen ber elegifhe Buß der Empfindung bei 


einer „Mufterung meiner Briefe” (&. 211). Zu wünfden wäre 
es, der Verf. verflände die Kunft, das Leben zu ibealifiren, und 
baffelbe nicht fo einfeitig zu betrachten. In jedem Balle bat 
fich der Verf. busch feine allzu große Producktoftät Schaden ge⸗ 


1072 


than. Hätte er gefichtet und gefdhnitten, hätte er bie Maffe 
bes Gegebenen auf die Hälfte rvebucirt, oder nur mit edler 
Seibſtverleugnung (welcher Verslünftier übte aber diefe 1?) ein 
Drittheil dem Vulcan geopfert, wieviel hätte biefe Sammlung 
gewonnen! &o aber wird bie Geduld des gebuldigften Leſers er⸗ 
thöpft, fowie die Aufmerkfamleit und das Interefle des größs 
ten Mufenfreundes gefhmwäct, wenn man ihm zumuthet, einen 
corpulenten Großoctavband von 433 Blattſeiten mit nicht gro: 
fen Lettern gedrudt, mit über 200 Nummern, deren Bormen 
ferbft nicht einmal Abwechſelung bieten, unb die alle einem und 
demfelben Geifte entſtammen, burchzulefen. Est modus in re- 
bus, sunt certi denique fines, räth ber Lyriker Flaccus. Hätte 
doch Hr. Benedict Datei das mahnende Wort beherzigt! 


(Die Bortfegung folgt.) 





Literarifhe Notizen aud Frankreich. 


‚Die Senfur der Theaterftüde und Caricaturen. 
Belanntlidy beftebt in Frankreich trog der unbefchränften 
Sreiheit, deren die Preffe im Allgemeinen genießt, noch eine 
Genfur für die Theateritüde, welche zur Aufführung kommen 
ſollen, fowie für die Kupfer, Lithograpbien und Holzſchnitte. 
Daß max nicht jebes Stuͤck, weldyes den Sitten und ben befte: 
henden Religionen gefährlich werden könnte, auf die Breter 
bringen darf, findet im Allgemeinen Billigung, und fogar der 
„National”’, biefer geſchworene Feind alles geiftigen Zwanges, 
täßt das Princip gelten und verwahrt ſich nur gegen den Mis: 
brauch, den das Meinifterium in Iegterer Zeit z. B. mit dem 
Stuͤck „I etait ua roi’' etc. getrieben bat, welches nicht zur 
Aufführung kommen durfte, weit man darin eineentfernte Anfpies 
tung auf bie Königin von England zu finden wähnte. Weniger 
Beifall erntet bie Cenfur ber Bilder und Lithograppien, unter 
der vorzüglich die geiftreichen Zeichner des „Charivari” viel zu 
leiden haben. Dieſes wisige Blatt hat in leuterer Zeit anges 
fangen, eine Art von Bulletin auszugeben, in dem alle bie 
übeln Streiche verzeichnet find, welche die Cenſur ihm in biefer 
Beziehung gefpielt dat. Man findet unter diefen Verboten 
wirfiih Manches, wo man durchaus nicht recht abfehen kann, 
was die Genfur veranlaßt haben mag, bas Imprimatur zu 
verweigern, unb es fcheint faft, als wenn man fich auf diefem 
Gebiete dafür ſchadlos Halten wollte, daß man dem Texte bes 
beißenden Blattes fo wenig anhaben kann. Nur ift ed dann 
ſchlimm, daß man es dem „Charivari‘’ nicht verwehren kann, 
bie Lithographien, welche er hatte geben wollen, und deren 
Abdruck verweigert ift, ausführlich zu beſchreiben, wo dann ber 
Lefer fi in der Regel die Sache viel ärger vorftellt als fie 
bei Lichte betrachtet eigentiih war. Unter ben Bildern, die 
auf diefe Weiſe vom Verbot getroffen waren, befinden ſich 
unter Anderm auch ein paar unfchuldige „Chargen“ auf die 
sunden Baͤuche und bie Regenfchirme (cifflards) der garde na- 
tonale und einige caritirte Portraits, die zur beliebten ‚„Ga- 
lerie charivarique” gehörten. Merkwuͤrdigerweiſe wollte bie 
Regierung dieſe Zerrbilder felbit dann nicht geftatten, nis die 
Driginale, weidye zu diefen nicht fehr geſchmeichelten Portraits 
gefeffen hatten, den Rebacteur zur Herausgabe ausdruͤcklich er: 
maͤchtigten. So war 3. B. Gremicur, der befanntlich bem 
Minifterium ganz und gar nicht hold, nicht wenig erflaunt 
darüber, daß fich daſſelbe plöglich zu feinem Befchüger aufwarf 
und nicht geflatten wollte, daß das Publicum über die haͤßliche 
hyfiognomie des Deputirten lachen follte. Auch Wiennet, der 
erf. der unübertrefflichen „Wables”, fpracdy in einem wigigen 
Briefe, den der ‚„‚Charivari’ mittheilte, feine Verwunderung 
darüber aus, daß man dieſes Blatt verhindern wolle, fein 
Portrait in die komiſche Galerie aufzunehmen und meinte, war 
zum denn das Minifterium, wenn es ihn mit aller Gewalt 
protegisen wolle, ihm nicht beigefprungen wäre, als mon feine 
Tragoͤdien im Théatre francais ausgepfiffen habe. Unter ben 


verſchiedenen andern Faͤllen, weldye ber „Charivari“ erzählt, 


find einzelne, bie gar gu ſonderbar ſchelnen, als da 

nicht mittheilen follte, dba man ſich aus ihnen * pP 
von der Willlür maden kann, welche ſich die Genforen as 
wahre Wilderftürmer erlauben. So konnte . ein gewiſſer 
Biollet, Verf. einer „Histoire des Bourbons d’ spagne”, durdı 
aus nicht bie Erlaubniß erlangen, feinem Werke ein gang ein: 
faches Bild von Don Garios beizufügen. Diefes Verbot war 
um fo fonderbarer, da Viollet nur die Gopie gab von einem 
Portrait aus dem „Leben bes Don Carlos“ von Doublet (1841), 
bei dem fich die Regierung weniger engherzig gegeigt hatte 
Bei Erwähnung der Theatercenfur, bie übrigens vor kurzem 
in ber Pairskammer zur Sprache gekommen ift, fällt uns eig 
eigene Art von Misbrauch ein, ber, wie uns von einem bu 
kannten Beuilletoniften verfichert if, auf dem Miniſterium ve 
Innern, dem oberften Schiedögerichte in dieſen Angelegenheiten, 
berrſchen fol. Die mit der Durchſicht ber eingereichten Theater: 
ftüde beauftragten Beamten follen nämlich bie Dramen un 
Vaudevillen, weiche ihnen am intereffanteften feheinen, ercerpiren 
und ben Auszug an verfchiedene Provingiaibiättter, mit denen 
fie zu diefem Zwecke in regelmäßiger Verbindung ftchen, gem 
ein anftändiges Honorar abgehen laffen. Auf diefe Art ih « 
auch erklaͤrlich, wie man nicht felten in biefen Journalen, ſobal 
nur angefündigt wird, daß man ein neues intereffantes Gtie 
vorbereite, eine vollſtaͤndige Erzählung bes ganzen Hergangt 


und der einzelnen Gcenen lefen fann, während man in Pas 


natürlicherweife, um das Publicum gefpannt zu halten, bei ſolche 
Gelegenheiten das Geheimniß fo gut als mögtic zu bewahren ſucht. 


Briefe von Heinrich IV. 
Der „Charivari” bemerkte neulich einmal recht witig 
daß auf dem Miniftertum des Unterrichts, wo bekanntlich ein 


weitverzweigtes Comits historique feinen Sig bat, eine rigen 


Sommiffion niebergefegt fei, die fig mit nichte als mit dm 
unbefannten Briefen Heinrich's IV., von benen jeder Tag cin 
reihe Ernte bringt, zu befalfen hätte. In der That hat man 
feit einigen Jahren fo vicle Briefe, die alle diefem Könige zu 
gefchrieben wurden, aufgefunden, daß man, menn alle bie 
Correſpondenzen authentify wären, annehmen müßte, dieſer 
„Bater bes 
wefen, ben man fi nur denken koͤnnte. Natürlich war ein 
beträchtlicher Theil untergefhoben und die bemußte Commiſfior 
auf dem Unterrichtäminifterium, wenn biefelse wirklich beſtanden 
bätte, würde vollauf zu fhun gebabt haben, wenn fie über die 


Echtheit und Unechtheit der fraglichen Briefe hätte entſcheiden 


folen. 3u benen, bei benen man feinen Zweifel an ihrer Au: 
thenticiät erheben kann, gehört der „Recueil des lettres mis- 
sives de Henri IV‘, ber in der wichtigen Sammlung it 
„Manuscrits in&dits de l’histoire de France’, auf Koften der 
Regierung herausgegeben, erfcheint. Der durch mehre hiſtoriſche 
Krbeiten befannte Berger de Xivrey, unter deſſen Beſorgung 
der erſte Band dieſes „‚Recueil” erfchienen iſt, hat ſich feine 
Arbeit mit vieler Umſicht und großem Fleiße unterzogen. Die 
in diefem Bande enthaltenen Briefe werfen namentlich auf den 
Beitraum ein klares Licht, als Heinrich noch König von Ravartı 
war und an ber Spitze der proteftantifchen Partei ftand. Gi 
intereffantes Pleines Werkchen von Jameſon, das dor kurzem in 
England über den Proteftantismus im fübmefttichen Franfreiä 
erſchien, koͤnnte nach biefen Mittheitungen zum heil vermi: 
ftändigt werden Billemain, der das Werk Berger's mit einer 
kleinen Ginteitung verfeben bat, fagt in berfeiben, daß man, 
um einen König zu finden, zwiſchen dem und Heinrich IV. man 
eine Parallele zichen Eönnte, bis auf unfere Tage herabſteiger 
müfle. Die minifteriellen Journale, namentlich bas „Jourss 
des débata“ ſehen bierin eine feine, gewandte Anfpielung 
auf die hohen Gigenfchaften des jegigen Königs der Franzoſen, 
während wir in diefen Worten nichts ats eine unpaſende 
Schmeichelei erblicden, um fo mehr, da wir nicht recht abiehtn 


Eönnen, welche Gemeinfchaft zwifdyen Heinrich IV. und re 
EEE ———————————— 


Philipp beftehen fol. 


Berantwortlicher Heraudgeber: Heinrih Brokhaus. — Drud und Verlag von 8. X. Brodhaus in Leipzig. 


aterlandes“ wäre ber eifrigfte MWrieflchreiter a: 


Blatter 


für 


literarifbhe Unterhaltung. 





Montag, 





Überficht der neueften poetifchen Literatur. 
Dritter und Tester Artikel. 


(Bortfegung aus Nr. 207.) 


53. Schwarze Lieder. Bon Benedict Datei. 
1842, 8. 1 hir. 3%, Nor. 

Ob der Verf. vortiegenber, ſchwarzgallichter Lieber mit bem 
legtgenannten Sänger eine und diefeibe Perfon iſt, wagen wir 
nicht zu beftinmen; aus dem Gelfte beider Schriften geht es nicht 
hervor. Jenes Berfe atmen weiche Gemuͤthlichkeit, bier brau« 
fet wilde Leibenfchaft: Der Sänger iſt ein greifer katholiſcher 
Prieſter und fühlt ſich in dieſem Gtande hoͤchſt elend. Dffen 
betennt er, ein liebendes Herz war feine Pein. Auf das Ehe⸗ 
bändni des geliebten Mädchens mit einem Andern mußte er 
ſeibſt den kirchlichen Segen Legen, ihe Kinb muß er taufen, ihre 
Beichte, fie ſei nicht guͤcklich, auß er hören. Jedes Taufgloͤck⸗ 
Irin mahnt ihn an eine Erdenfreude, bie er nie ſchmecken kanns 
zeder Dochzeitsjubel preßt ihm Sheänen aus. In „Der kranke 
Griefter” (S. 30) fchildert er das Elend bes katholiſchen Geiſt⸗ 
lichen, ben Beine Kindes: ober Gattinhand pflegt; In tie 
fim Gefäht feines Jammers ruft er da aus: „Wegrabt den Ars 
men, begrabt ihm lebendig! If tegend ein Worb Barmher⸗ 
zigleit, fo iſt es dei einem katholiſchen Priefter, ben Menſchen⸗ 
gefühl zum Menſchen geweiht!” Mit der Mehe will er nie 
fündigens; offen umd ehrlich will er lieben. Das darf er ni 
und das bringt ihn zur Verzweifiung — zur Verzweiflung bis 
zum Wahnfinn (8. 34). Alle Pfaffen, fagt er, haben im 
Dienfte des teuflifchen Papſtes das Menſchenſein verlernt und 
fih vom Gott des Lichts entfernt. Gangbare Phraſen find: 
„ertretene DRenfchennatur”, ‚‚vergiftete Siebeöfreuben”, „Gatten⸗ 
und Vaterluſt“ u f. w. Mehr Lieber fluchen Roms Kivchenfürften, 
andere reflectiren im Geifte bes mobernen Liberalismus über ges 
mifhte Ehen, noch andere gieben gegen ben GSrorcismus in ber 
Zaufe zu Felde; in einem fpricht er den Wunſch aus, ein kal⸗ 
ter Stein zu fein, an welchem Dolche zum Kindermorb gewetzt 
werden. Im derben Schimpfen auf den Papft flieht er Luther 
laum nach; fo beginnt er in „Dispenfen” (&. 103): „Huren, 
Saufen, alle® Lubern, das erlaubet dir ber Papfl’u.f.w. In 
„&timmungen’” (8.52) fchließt er: „Und komm’ ich nicht bald 
ins Zolhaus, fo hätt mein Liebendes Herz beim Satgen blutige 
Hochzeit, euch Menfchen zu Luft und Scherz.” S. 106 ftimmt 
er ein Ried mit Chor an über den Eölibat, daß dem Papfte bie 
Ohren davon gellen müflen. Gin Bittwort an Deutfchlande 
Türken, die Krebéegeſchwuͤre am Leibe des Papfithums zu opes 
tiren, leitet die Sammlung ein und ein ſoiches ſchließt die 
„Schwarzen Lieber‘, bie, da man ihnen in den deuffchen Bun: 
Westen gewiß dad Imprimatur verweigert hätte, in ber 
frelen Schweiz gedruckt find, wo Fein Genfor den ſchwarzgallich⸗ 
ten diederſaͤnger auf Mund und Finger ſchlaͤgt. Wir fürchten, 
daß auch ber Peoteflant und Autiroͤmling diefe Leber zu ſchwarz 
finden wied. IM der Berf. wirklich ein katholiſcher Geiſtlicher 


Bern, Jenni. 





und ein Greis, fo hat die Stimme ber fanften Religion Jeſu 

fein Herz nicht erwärmt und erweicht, und bie mildernde Zeit 

bat bie Flamme feines Haſſes nicht gelöfcht. Bereit fi da⸗ 
egen ber Verf. kuͤnſtlich in bie fragliche Lage, fo find bie 
arben doch immer zu bi aufgetragen; Animofität und 

Polemik ift überdies nie ein würbiger Stoff für die Porſie. 

54. Gedichte von 3 3. Reitharb. Gt.» @allen, Huber und 

omp. 1842. 12. 1 Thir. 221, Nor. 

Nicht ohne eine gute Portion Selbſtgefuͤhl tritt bier ein hel⸗ 
vetifcher Sänger auf, der befonders nicht obne Beruf für bis 
epifche Poeſie in der Form der Ballade if. Beinahe die Hälfte 
feines Bude nimmt Erzaͤhlendes ober Epiſch⸗Lyriſches ein. 
Gröffnet wird es durch einen Balladen⸗Eyklug: „Rubelf von Babes 
burg‘, wo uns in elf Nummern das Gervorfirahiendfle aus dem 
Leben jenes beutfäyen Helden mitgetpeilt wird, wobei ber Beruf. 
jedoch ſich nicht ftreng an bie Chronik hält, ſondern bie ideali⸗ 
fieende Phantafie den Pinfel frei führen laͤßt. Go thut er 
auch in den drei Balladen auf Aubolf von Erlach, bie tm 
gleich gefälliger Form abgefaßt find. Zu dieſer epifchen Abthei⸗ 
lung feines Wuchs gibt er erläuteende hiſtoriſche, biographiſche 
und topographifche Roten und Erklaͤrungen, bie für ben aus—⸗ 
ländifchen Leſer befonders ihren Wertb haben. Friſchheit und 
Keckheit athmet aus jedem Stuͤck; mit Leichtigfeit bewegt es 
fiy in jeder Form, bie flets der Materie angemefien if, und 
die Khythmen bewegen fich in gleicher Raſchheit mit der Hand⸗ 
lung. Zu „Die beiden Bemsiäger” (S. 81) machen wir jeboch 
bie Bemerkung, daß dies Gedicht, fo ſchoͤn bie Verſe und bie 
Alpenfcenerien auch find, Teinen würdigen Balladenſtoff bietet, 
und im Grunde weiter nichts als ein das Volk dharakterifizene 
des Anekdoton iſt. Unter der Überfchrift „Neujahrsbilder” fine 
ben wir rein Lyriſches, Didaktifches und Vermiſchtes, wie denn 
überhaupt der Gintheilung ber ganzen Sammlung kein firenges 
Syſtem zum Grunde liegt, fondern viel Verſchiedenes nebenein⸗ 
andertiegt, was wir bei einer Gedichtſammiung auch nicht ta= 
bein Fönnen. Die Gaben verratben Zalent in Anlage und Aus⸗ 
führung, find frei von den ſprachlichen Gigentbämlichkeiten bes 
Schweizeridioms, und der Verf. liebt Vaterland, Ahnentugend 
und Wreiheit, ohne darin ein neufchweizerifcher Ultra zu ſein. 
Hier, wie in allen Schweizerliedern, behagen und jeboch vor als 
ten die Lieder, in denen das Alphorn klingt, die uns auf Fir 
nen und @tetfcher führen, von denen donnernde Lawinen und 
Bergftröme herabflürgen, beren Melodien aus dem Dufte der 
Alpenrofen gleichſam hervorhauchen, fowie auch bie, weiche Teil 
und Winkelried feiern, über bie Schlachtfelder von Morgarten 
und Raͤfels hintönen und fo den echten Schweizercharakter ver 
präfentiren. Die in ſolchem Geifte bier ertönenden find durch⸗ 
aus frei von jener Abnenkoketterie, die in den Sammlungen 
neufchweigerifcher poetifcher Preipeitöfänger eine fo große unb 
laͤcherliche Rolle fpielt. Unter den brei Kinderliedern reflectirt 
das erſte doch wol gar zu ernſt. Die Rätbfel und Eharaden 
— nun, bie Tennt man ja. In ber Babel iſt unfer Berf. zwar 
fein Froͤhlich, der in biefer Gattung im der Nenzeit unerreicht 


wa 79. 


daſteht, und befien wie auch zu feiner Zeit in db. Bl. ehrend 
edacht haben, aber „Urſprung ber Wirthe“ (S. 372), „Od: 
enpäbagogif'' (&. 373) und „Blädswechfel‘‘ (S. 385) befunden 
doch ein gluͤckliches Talent. Das Gpigrammatifche leitet ein 
gotbenes A DB 5 ein, welches gegen fociale, politifche, veligiöfe 
und poetifche Unbilde geharniſcht auftritt, und ſich recht les 
fen 1d6t, da der Geiſt der Mäßigung über dem Ganzen fgwebt. 
Unter den Giangebichten, Schwänten, Srabichriften u. f. w. ift 
manches Scharfe und Wigige, 4. B. S. 426: 
Dier ſchlummert Jungfer Iante, 
Die alte Gouvernante. 
Aus Deutſchen ſchuf fie Franzen, 
Die Gteifen Ichrt fie tanzen, 
Und ald ber Tod nun kam 
Und fie beim Bügel nahm, 
Sragt fie: Que voules vous? 
Dig! lispelt er ihr zu. 
Drauf lächelt fie verfhämt: 
Eh bien, Theurer, nehmt! 


In einem profaifchen Nachwort wird uns eine kleine Ge: 
ſchichte der poetifchen Schweizerliteratur und zugleich etwas aus 
bem Leben und der PVerfönlichkeit des Verf. gegeben, der jept 
Santonsfhulinfpector zu Mollis im Santon Glarus iſt. Wir 
baben oben von feinem zu großen Selbftgefüpt geiprochen. Der 
Leſer wird uns beipflidhten in dieſem Urtheil, wenn er bier 
mehre Fragmente aus dem Erſtlings⸗ und Jugendverfuchen des 
Berf. in der Poeſie abgebrudt findet, über weiche gefagt wird: 
„Jedenfalls werben diefe Proben aus meinem Kindesalter bins 
reichen, um ein entfchiebenes Talent und einen unverkennbaren 
Beruf zur Mepitation zu befunden.” Schon ©. 439 wirb er 
der Rec. feiner eigenen poetifchen Reiftungen, wenn er alfo re 
fleetirt und urtheilt: „Wei Betrachtung meiner Gedichte bin ich 
ebenfo entfernt von jener Sorte Beſcheidenheit, die Nichts gels 
ten will, um Alles zu gelten — als von jener Gelbftüberichäs 
wung, bie für den Tadel empfindlich und für bie eigenen Maͤn⸗ 
ger blind iſt. Ich bin mir eines tüchtigen Talents bewußt, 
und darf auch fagen, daß ich das Meine gewifienhaft gethan, 
um es ausbilden” Wir haben nichts gegen ſolches Gefühl 
und Bewußtfein, fo lange es der Mann in ben Ziefen feiner 
Druſt Möglich verſchloſſen Hält; laͤßt er es aber über ben Zaun 
feiner Lippen gehen, fo macht es feinen guten Eindruck auf ben 
Sörer und nimmt nicht für ben Redenden ein. &o würde auch, 
in bes Ref. Mugen wenigftens, ber dur Pietdt, Sinn für 
Breunpfäaft, Yatriotismus und Herzensmilde ausgezeichnete 

. um Bieles höher ſtehen, bätte er jenes Selbſtgefuͤhl nicht 
duch den Hauch feines Mundes verkörpert. 


55. Bilder und Sagen aus ber Schweiz, in epiſch⸗-lyriſchem 
Sewande. Bon Rudolf Müller. Schaffhauſen, Brodt: 
mann. 1842. 12. 15 Rot. 


Diele Eleine Sammlung epifch « Iyrifcher Gemälde aus der 
ſchweizeriſchen Vorzeit fchließt fi an bie zuvor befprochenen 
Gedichte an, obwol ihre Verf. ein minder regfames poectifches 
Leben entfaltet und auch in ber Darftellung der Kraft entbehrt, 
mit der Reithard zeichnet. Auch er beginnt in 18 Balladen 
mit „Rudolf von Habsburg”, weldyen in [ches Nummern „Konrad 
von Bußnang” folgt. Diefe Stüde find bem Verf., weil fie ber 
eigentlichen Geſchichte des Schweizervolls angehoͤren, Bilder; 
Sagen bape en find ihm „Der Wein bed heiligen Gallus”, 
„Bero⸗Muͤnſter“, „Der Urner Boden”, ‚Das Kiöfterlein zu 
Enge”, „Die Verwandlung des Glaͤrniſch“ (vielleicht das Anz 
Tpreckendfte), „Das Erdmaͤnnlein“ in ſechs Nummern, allerliebft, 
naiv, volksthuͤmlich, „De Gtiefelis Rüüter‘ und „D'Saͤaͤli⸗ 
Sciögti, weil fie ſaͤmmtlich Bollstraditionen find und bem 
Munde des Volks entnommen wurden. Über Bilder und Gas 
gen fehlt es nicht an hiſtoriſchen und localen Griduterungen. 
Den Schluß maden Bilder aus dem Xargau, db. h. eine ziems 
ich unerquickliche Beichreibung von 24 Ortichaften, Städten und 
Kiöftern aus genanntem Canton, die wir ibm gern geſchenkt 


hätten. Ginen eigenen Plan und eine bad immte 
und Aufeinanderfoige ber Stüde vermiſſen perl en ae 
Werth der einzelnen Sachen iſt fehr ungleich. Ginige datirm 
fi aus bes Berf. Jugendzeit, andere find aus ber juͤngſten 
Beit. Die Formen find 0 und Gaab entlehnt. Zei 
Rummern „Der Gtiefeli: Rüütes” (@. 137— 182, eine Pic 
von erfchredenber Länge und Breite), und „D’EMii : Schiri" 
(8. 163) find in der aargauer Mundart, zu der wir Auslin- 
der uns ein Gloſſar wünfchten, gefchrieben. „Der Grieftlis 
Nüüter”’ warb früber befonders abgebrudt, und der Verf. der 
vielen Werth auf biefe Sage zu legen fcheint, verwahrt ſich in 
einer Note ausdruͤcklich gegen die uthung, biefe Volkeſage 
ſtehe in Beziehung zu der Aufhebung ber Kloͤſter im Aargen 
841. Das ganze Buch hat den Charakter des Unfcheinkaren 
äußerlich und innerlich. 


56. Laute und leife Lieder von Johannes Scherr. Cuf: 
baufen, Brobtmann, 1842. 8. 20 Nur. 

Diefe Lieder find zwar im der cenfurfreien Schweiz ge: 
drudt, aber ihr Verf. iſt, wie aus einem feiner Gedichte an 
den König von Würtemberg hervorgeht, ein — Schwabe, br 
fie allen Reactionnatren wibmet, und durch diefe Dedication uns 
fogleih auf ihren Geiſt und ihre Tendenz hinweiſt. Sie find 
nicht eben in der conifcherohen Manier eines Harro Harring, 

wo an bed. legten Pfaffen Darm 
der Iehte König hängt — 


abgefaßt, fondern gleichen baguerzeotypifcgen Lichtabbruͤcken ve 
Georg Herwegh, Freiligrath und Anaftafius Grein. De 
erfigenannten dieſer Freiheitsſaͤnger fingen auch ſechs zahm 
Sonette an, denen der Verf. durch ben Hebel der Zone 
auf die Beine zu helfen ſucht. Gleich im ber erſten Rum 
mer, „Sin Ritter“ uͤberſchrieben, redet er. Diejenigen ar, 
welche mit aller Nationen Schweiß ſich die Feſſeln vergolden 
an des Borurtheils Krüden dur die Schöpfung binfen, und 
bie freien Wogen des Zeitgeifts zurüddrängen wollen. „taub 
ihr nicht”, fagt er, „wir freien Männer wiffen, wie euer Hey 
unter dem befternten Kleide zittert? Wähnt ihr, uns dur eure 
füßen Heben zu kirren? Wir find für alle Ewigkeit von eud ger 
ſchieden, denn ihr feid Frevler am heiligen Geiſt; unverfüunt 
mit euch gehen wir ins Grab. Ihr wählt in eurem Gelbe, 
wir gehen den Pfad der Armuth; ihr fdhlürft aus goldenem Pas 
kat den Wein, unfere fieberheißen Rippen netzt der Thraͤnen Firt; 
ihr feiert glängende Feſte, wir werden verlannt und verhöhnt, 

und dennoch, dennoch, all ihr Stolzen— 

ſtehn wir getrew und unverzagt, 

und ſchleubern unſers Wortes Bolzen, 

bis es ob allen Landen tagt; 

bis einſt des ew'gen Lichts Geloder 

zu Aſche eure Groͤße brennt, 

und eures Weſens ekeln Moder 

ein jedes Menſchenaug' erkennt u. f. w. 


Die Hanoveraner ermuntert er, auszuhalten und beffere Zeiten 
zu erhoffen. Bon ‚Der guten alten Zeit‘ fingt er 

nit Üüberfhwänglid wie die Trugpropheten, 

nicht ſalbungsvoll wie ein geſchorener Wolf, 

nit füß und ſchmeichelnd wie die Lugpoeten, 

die Sache nit mit Bildern Ind umkleidend — 

mein Ginn iſt ernft, mein Wefen fchroff und rauh, 

mein Wort ein Meſſer, fhonungslos und ſchneidend. 
Mit diefem fchneidenden Meffer geht er auch ber frechen Ba: 
lerin am Tiberſtrand keck zu Leibe, und beſchwoͤrt bie Geiſter 
des Arnold von Brescia, des Johannes Huß und Gavonarela 
jur Rache aus ihren Gräbern hervor. Indeſſen wird im Fort: 
chritt bes Wuchs der Ton der Lieder milder, Leifer, weicher, dit 
der zweiten Abtheilung klingen weniger ſchrill und ſchatf; da 
ber vielleicht der Titel „Laute und leiſe Lieder“. Die epiſch⸗ 
lyriſchen, die hier gegeben werben, erinnern an Beine'd Manier, 
die weltſchmerzelnden klingen in allbekannigr Deiſe, und einige 


. 


Rachbildungen ſcher Dichter zeigen von Gewandtheit im 
Ausdruck und Reimfertigkeit, worin er von Freiligrath gelernt 
haben mag. Aus tem Ganzen geht ein emſiges Streben nad 
Erringung ber Gelebrität des jungen postifchen Deutfchlande 
ervor. 

v (Die Yortfegung folgt.) 





Entrourf einer Univerfalgefchichte fuͤr gebildete Lefer. Don 
WB. Zacharias Reſſel. Erſte Abtheilung: Age: 
meine Gefchichte des Alterthums. Reichenberg, Pfeif: 
fer. 1843, &r. 8. 2 Thir. 


So ein Wort, wie Univerfum, Univerfal klingt prächtig 
und flolg; wenn man an ben Inhalt deffsiben denkt, wird «6 
einem fo zu ©innen, al& ob fi) das Gehirn, bie Bruſt und 
die Knochen erweiterten und wüchfen, aber die Obren ganz Flein 
würben, fobaß bei ber Erwaͤgung ber Kieinheit und Gering⸗ 
fügigleit der eigenen Perfon es mit dem flegelhaften Hochmurh 
rein ab ift. Aber freilich, erweiterten ſich auch jene ehrenwer⸗ 
then, keineswegs unausfprechlichen Theile bes Herrn und Meifter: 
ftüds ver Schöpfung, fo könnten fie auch wol hohler, leerer 
werden. Mehr als Einen Gedanken ober auch gar feinen koͤn⸗ 
nen Menſchen, die Weſen bes Augenblicks, doch nicht haben, 
und ber eine gibt uns ſchon Exiſtenz genug, nach jene Philos 
fophie: cogite, ergo sum. Wie beim Körpes, To auch mit 
dem Geift, in diefer Hinſicht; denn das ift doch eine grauens 
hafte Sefchichte von dem Überall und Rirgend. Won jenen We⸗ 
fen, weiche dreierlei, ja fechfertei Dinge auf einmal in ihrem 
Geifte und mit ihren Fingern treiben, babe ich mir früher (und 
ein jeder Menſch hat feine mothologiſche Zeit) eine laͤcherliche 
Borftelung gemacht: das dachte ich mir als natürti und bes 
greiflich, daß einer mit feinen zwei Haͤnden, zehn Fingern, mit 
feinen zwei Züßen, zehn Zehen mehr als einerlei treiben könne 
zu einer und berfelben Zeit; wer aber geiftig etwa breierlei Ge⸗ 
genftänbe bearbeiten Tönne, wenn 3.8. Berathung oder Sitzung 
pober geweaitiger Herren wäre, Der, meinte id, müßte aud) 
ebenfo viel — wie fapt man? Muͤnde, ober Munde, oder Munbs 
öffnungen, oder Mäuter haben. Gin anfländiger, gefitteter 
Mann bat nur einen Mund, unb foll alfo auch nur einen Ge⸗ 
danken haben, ben er ausſprechen will. Ungefittete, ungefchladhte 
Menſchen haben Mäuler; dergleichen Anomalien find aber nur 
für befondere Liebhaber und NRaturaliencabinete. Der Pracht⸗ 
exemplare, welche einen Mund und keine Gedanken haben, gibt 
es auch. 
Das Gegentheil ſind Univerſalgenies, die bekanntlich Al⸗ 
les wiſſen; welche in dieſem Augenblicke über die Geburts⸗ 
wehen der neueſten Zeit in Preußen, über das Eheſchei⸗ 
dungägefeß,. die Genfur und Preßfreibeit, über die befondere 
Mabt und Beltung dieſes oder jenes Miniſters, über die Eins, 
Aus:, Ras, Dur» und Kursficht dieſes ober jenes hohen 
Bern, darüber, ob Preußen ‚Degemonie in Deutichland haben 
inne ober nicht, ob Se. Majeflät nicht etwa den Katholiken 
feines Staats auf den Raden treten und eine deutfch = Fatholifche 
Kirche gründen und den Proteftantismus reformiren und beffen 
ertiärter BVBelhüser, Begünftiger werben folle, über Parteinahme 
der Regierung, über Öffentlichkeit und Muͤndlichkeit reden, ale 
wenn es gedrudt wäre und fie jene „Fliegenden Blätter für 
Fragen des Tags’ hätten aus ihrem Kopfe wegfliegen laſſen 
wie Roah die Taube aus feiner Arche; und weldye im nächften 
Augenbiicke eine Frage aus ber höhern Kritik beantworten, über 
Kiopftodd und die Nibelungen, über Menſchen⸗, Pferder und 
Sunderaffen, über bie Todesitrafen, über die Nothwendigkeit bes 
Sriechiſchen auf den Gelehrtenfchulen, auf weichen es in Baben 
eingefägränkt werben folle, horribile dietu! mirabile auditu! 
über bie Anlegung einer nichtrauchenden Küche und eines nicht 
iechenden unausfpredhlichen Orts, über Windmühlen und 
den Bufammenhang des Gothifchen mit dem Reuhochbeutfchen, 
über nügliche Verwendung des Duͤngers und bie neue Lehr⸗ 


"Wirtnfchofterinnen und Köcdinnen. Gin nothwenbiger 


metyebe bed Dr. Sutherbt in Dretiau — unlverfalgenies 
gibt es alfo, bie Hber Alles und Jedes reden, Pie ein 1er 
bentiger tractatus find de ommi re scibili et quibusdam 
alils; wobei das Intereſſaute, ober wenn man tieber wid, das 
wider Willen Erregende oft Das if, daß biefe Götter der Erde 
über alles Dies falbungsvoll, geheimnißreich, mit der 
Entidiedenpeit und Beftimmtheit, ſowie mit dem feſteſten @laus 
ben an ihre Infallibilität fi) hören Laffen, als wären fie mehr 
als alle Paͤpſte und okumeniſche Concilien und ale Orakel unb 
ale Koifer des himmliſchen Reiche des Mitte. Wehe Denen, 
welche diefen im Gebiete des Willens fireng commanbirenben 
Seneralen zu widerſprechen Aufgeblafenheit genug zu beſigen 
fih erfühnen wollten! Es ift aud keine Kieinigleit: Alle vier 
Bacuitäten und noch Giniges in einem Kopfe. 

Zwei Begriffe find es, die nach unferm Sprachgebrau 
in dem Worte Univerſum, Univerfal liegen; ee: wi 
au, Alles, und der andere: das Ganze, ein Ganzes. Die Ber: 
ſchiedenheit bemerken wir im Deutfchen und im Franzoͤfiſchen, 
wenn wir nur folgende Zitel anfehen wollen: „Univerfatpiftorifche 
Überfiht der Völker der alten Welt”, von dem freifinnigen Kraft: 
mann Schloſſer zu Heidelberg, und „L’Univers pittoresque, 
ou histoire et description de tous les peuples, avec 1800 
gravures”‘, ober „Univerfal s Gonverfatione - Lexikon für afle 
Stände”; H. Leo's „Univerfalgefcichte” und Gchiebe's „Lnivers 
ſal⸗Lexikon ber Dandelöwiflenfchaften von A bis 35 oder Nefs 
ſel's „Sntwurf einer Univerfalgefchichte für gebitbete Ständer, 
und „Univerſal⸗Haus⸗, und Wirthſchaftsbuch für Hausfrauen, 
Anhang 
je jedem Kochbuche“; oder ein „Univerfals Segifter” und MWofe 
uet's „Discours sur l’histoire universelle”, welche am Enbe 
des zweiten und zu Anfange des dritten Theils folgende Gapitel 
behandelt: ‚Suite de l’Eglise catholique et sa victoire mani- 
feste sur toutes les sectes“ und „Les rövolutions des empires 
sont regides par la providence, et servent à humilier les 
princes”‘, fowie „Les r6volutions des empires ont des causes 
barticuliöres que les princes doivent ötudier”. univerſalwerke 
oͤnnen alfo alles Wiſſenswuͤrdige und Brauchbare aus allen 
Wiffenfchaften und Künften enthalten wie die fogenannten Eons 
verfationds Lexikons, ober aus einer Wiſſenſchaft oder Kunſt 
Das, was man weiß, ober aud) nicht weiß, zufammenftellen, 
ſodaß Schriften diefer Gattung ein Hause und ein Handbuch 
fein mögen. Sie waren und find bei Völkern, bei welchen 
Kenntniffe ein achtungswerther und nuͤtzlicher Schat find und 
im focialen, commerciellen Verkehr nicht entbehrt werben koͤn⸗ 
nen, immer entſtanden, zumal wenn bie Kenntniffe, weiche als 
wiffenswürbig galten, ſehr zahlreich und verfchiedenartig waren. 
Die bei uns in Aufnahme gekommenen Gnchliopädien von 
12 bis 15 Wänden in 8., oder von 30 bis 50 Quartanten find 
doch noch winzige, und was ben Umfang betrifft, fo unbebeus 
tende Werke, daß fie mit der aus mehren hundert großen Baͤn⸗ 
den beſtehenden Encyklopaͤdie der Ghinefen auch nicht entfernt 
zu vergleichen find. Dafür ift aber China der Staat der Ins 
telligeng: wer bort etwas weiß, wirb auch etwas. Heißt doch 
der jegige Kaifer: Ruhm ber Bernunft, und wäre demnach bas 
Daupt ber Rationatiften. Müffen wir Deutfhen es nun etwa 
auch noch dahin bringen, wo die Ghinefen flehen, oder die Chi⸗ 
nefen dahin, wo wir fleben? Oder find fie und wir im Irr⸗ 
tum und auf verfehrtem Wiege? Letzteres behauptete ein ges 
iehrter Herr vom Katheder brrunter und er hat mehr als einen 
gleichgefiunten, abſtracten, bas Leben nicht kennenden Genoffen, 
fagend, daß alle ſolche Univerſalwerke, Gonverfationsbücher un⸗ 
nüge, ſchaͤdliche, verderbliche Probucte wären, der Wiſſenſchaft 
da® Grab bereiteten; und fo bannerte er weiter fort in ber 
Achtaerklaͤrung. Die Wiſſenſchaft bat befanden und befteht, 
und wenn auch bie neueſte Auftage bes bei Brockhuus in Leip⸗ 
zig erſcheinenden ‚Gonverfatiends Berilon”‘ noch zweimal fo 
viel Abnehmer fände als fie jest fchon aufzuweifen das Wergnäs 
gen hat. In der Seele meines alten Lehrers lefe ich ein- tange- 
noch zitkergbeh Meben und Grauen, wens er bie Sahl: der jegi⸗ 


x | 


Abrehmer fieht: 25,000, fage ſaafundzwanzig Tauſend., wäre. Won biefen als von 


8 wer weiß, wie ſich zum Ruin der Biken 
gebeuere Menge noch vermehren wird! Der juͤngſte Tag ber 
erhabenen Goͤttin Wiffenfchaft naht, kommt raſch und eitend! - 

Bu den Univerfalgefdgichten in bem befprocdhenen Sinne bes 
Worts Univerfat, kann jene Allgemeine Weltgeſchichte gezählt 
werben, beren Baͤndezahl ſich über ſechszig mäßige Quartanten 
betäuft.._ Was man jeit einiger Zeit Univerfalgefchichte nennt, 
if etwas Anderes als eine alle merkwürdigen Begebenheiten und 
Auftände aller Völker und Staaten zu allen Zeiten berichtende 
Darſtellung; bie jenige allgemeine ober Univerfatgeichichte ſtellt 
ſich nicht ſowol bie Aufgabe, Alles zu erzählen, was merkwuͤr⸗ 
dig if, als vielmehr bie, ein Ganzes aus der Gefchichte zu 
büden, bie Zuſtaͤnde und Wegebenheiten nicht einzein und blos 
an und für fi, fondern im Zuſammenhange mist andern dar: 
zuftellen, fie nebeneinander, ineinander, auch wol bier und da 
durcheinander, wie Kraut und Rüben, zu placiven. Die jetzige 
Univerfalgefdgichte hat weſentlich ein katholiſches Prineip: bie 
@inheit und zwar die retigidfe. Einheit. Zur fichtbaren Einheit 
vermögen bie Univerſalhiſtoriker nicht überall durchzudringen, fie 
werben ſich fehr oft mit der unſichtbaren Ginheit, mit der Eins 
beit, melde nur ber Glaube wahrnimmt, zufrichenftellen muͤſ⸗ 
fen. Die Einheit Liegt nicht in den WBegebenheiten, die nach⸗ 
und miteinander fich ereignen, fonbern über denfeiben, außer: 
halb derfeiben, wie ſolches Haug in feiner „Allgemeinen Ge⸗ 
ſchichte“, deren Fortfegung flodt, anerkennt. Welches aber ift 
nun der Wereinigungspuntt, bie Ginheit? Die alten dhriftiichen 
Diftoriker waren ber Meinung, baß die ganze Geſchichte in zwei 
große Zeiten zerfalle: die exrfte ging bis auf die Erfcheinung bes 
Erloͤſers, und dies war die alte Geſchichte, die Zeit der Vor⸗ 
bereitung auf ben Deiland; bie zweite begann von der Menſch⸗ 
werbung beffelben; jenes war bie Periode des Alten, biefe zweite 
die des Neuen Bundes. In jener wurden betrachtet die Jsrvae⸗ 
liten und bie Möller der vier Weltmonarchien; in biefer bie 
Ghriflen und. die Gegner und Keinde bes Chriftenthums, - bie 
Ungläubigen. Das altteſtamentliche Gefeg nebft der Weiffagung, 
fowie die Philofophie der nichts jübifhen Völker galten als 
Wegweiler und Hinführung zur wahren Philoſophie bes Chriſten⸗ 
thums und zum volllommenen Gefeg. Das läßt ſich nicht leug⸗ 
nen: einfach und beftimmt war dieſe Anſchauungsweiſe, bie auch 
in unfern Tagen noch ihre Anhänger findet, welche Chriſtus 
ald den Mittelpunkt alter Gefchichte betrachten. Solche Ge: 
ſchichtſchreiber hat die katholiſche und proteftantifche Kirche: die 
der erſten Zugethanen nehmen als Mittelpunkt die ſichtbare, 
ununterbrochene Einheit ihrer Kirche von der Schöpfung bie 
auf unfere Zage und betrachten das Verhaͤltniß ber Menſchen 
und Voͤlker zu demfelben; die der legten Zugethanen beurtheilen 
bie Völker und Begebenheiten nach den Ausſoruͤchen ber heiligen 
eheift, Einer fo, ein Anderer fo, unb ein Dritter wieber 
anders. 

Außerhalb ober innerhalb, ober mit ber veligiöfen Anſicht 
der Geſchichte verbunden, fteht eine poLlitifche Beurtheilung 
der Perfonen und Begebenheiten. IA nun fchon auf religtäfem 
Gebiete eine ſolche Zwietracht, daß Einer für weiß erfidrt, von 
bem ber Andere behauptet unb darauf ſchwoͤrt, daß es ſchwarz 
fei, fo ift auf dem potitifchen Boden eine Verwirrung, wie fie 
beim Thurmbau zu Babel fchwerlich gewefen fein mag. Wenn 
es jeßt, feit bem Jahre 1830, nicht unmöglidg wäre, daß 
Giner, der die Gegenwart verftehen und auf fie einwirken will, 
ober ex officio muß, fich eine beftimmte, klare politiſche Eins 
fiht ober (wenn das nur hinreichte) eine Anficht erwerben 
müßte, fo wäre es das Rathfamfte, alle politilcden Syſteme 
fi bilden und. aufbauen zu lafien, wie es eben gehen wollte, 
Diejenigen find gluͤcklich, welche, bie Politit ihren Weg geben 
laffend, ihrem Amte treu nachleben koͤnnen. 

Vorerſt haben diejenigen Hiſtoriker Unrecht, welche meinen, 
daß eine jebe Arc von Berfaffung für ein jedes Volk gleich gut 


jene uns 


politiſch⸗ inbifferenten oder ni 
a if weiter nicht gu ſi . ana aber Han 
Unrecht alle politifch «einfeitigen. Einheit und Einfeitigkeit fin, 
zwei verfhiedene Dinge. Cine politiſche Einheit wird nit da⸗ 
durch gebildet, daß ein Gtaat: nach einem einfeitigen Princh 
gebildet wird. Faſſen wir’ z. B. bie cuitivirten Gtaaten Eure 
pas ins Tuge, fo würbe Derjeni wenn er 
ben Staat für ben politiſch vollkommenſten hie in melden 
@in Prineip vein ober abfolut efüyrt , wenn Die; 
anders möglich fein follte. Es darf ein Staat, wenn er leben 
big fein, blühen und gebeiben fol, weder xein ober abſolrt 
monarchifſch, noch abſolut ariſtokratiſch, noch abfotut demokratiſch 
eingerichtet fein. Wer abfolut conſervativ iſt, iſt mol nicht ia 
einem viel geringern Grade negativ und defkuctrio als der 
vein ober abſolut Liberale, wenn es einen ſoichen gibt. Ru 
eriftice in den gebildeten Theilen Europas kein einfeitig dund« 
geführter Staat, und koͤnnte ein —— nicht auf In 
en und Bie 
Zweierlei hätt. Ale einfeitigen Staaten tragen bie —* 
in ſich, laut der Erfahrung, wie fie von allen Jahrhunderten 
beglaubigt unb befcheinigt wird. In jeder Monarcht vielmeht, 
mäffen ariftofratifäe un 
einem tebenbigen, wahr 
haft organifirten Staate muß das Monarchiſche übertwiegen aber 
nicht niederdraͤcken. Und gluͤcklich iſt das KBolf, weiches duh 


ſich (dügm 


kann und darf, da iſt Freiheit | 
liche Freiheit, als alle Gonftitwtionen gewähren mögen; auch 
bier wieder laut Erfabrung und Gefchidhte, denn umzerivennid 
find Gerechtigkeit und Gonſtitution keineswegs. Au Das R 
eine einfeitige und barum verkehrte Meinung, daß alle Zhrie 
eines groͤßern Landes ein und biefelbe Berfaflung haben müftn 
zu ihrem froͤhlichen Gebeihen. 
(Der Beſchluß folgt.) 
ee — 
Notiz. 
3ur Zeitungéſtatiſtik. 

Laut ber dem engliſchen Unterhaufe im Juni d. I. 
gelegten Berechnung erfcheinen gegenwärtig in London 139 Jcur: 
nale, bie in den vorbhergegangenen zwölf Monaten 36,271,0% 
Rummern abgefest Cbefannttich findet in England kein Atos 
nement flatt, ſondern jebe Nummer wird einzeln verkauft), und 
48,179%, Pf. St. Avertiſſementeſtempel entrichtet haben. J 
ben übrigen Theilen Englands erfcheinen zwar 214 Soumak, 
doch haben dieſe in derfelben Seit nureinen Abfag von 16,857,000 
Nummern gehabt, folglich bei einer bedeutend größern Zehl 
nicht die Hälfte ber Londoner. Der Avertiffementeftempel 
bat 40,766 Pf. 18 Sch. betragen. In Schottland erſcheinen 
18 Journale, davon faft ein Viertel in Edinburg, feltfam genug 
aber in biefer reichen, ſowol ariftokratifchen als gewerbtreibenben 
Stadt nicht eine einzige tägliche Zeitung. Der Jahresabſatz dat 
1,478,940, der Avertifſementoͤſtempel bie Summe von 13,5% 
Pf. 12 Sch. erreicht. Wales veroͤffentlicht 10 Journale, ven 
benen das gelefenfte im Durchſchnitt wochentlich 1500 Gremplart 
verfauft. Der Abfag ber übrigen ift ſehr ſchwankend, er feigt 
bieweilen in einem Monat auf 10,000 und faut im näcften 
auf 1000. Der Gefammtabfag im legten Jadre hat 88,00, 
ber Avertiffementöflempel 305 Pf. 18 Sch. 6 Pce. betragen. 
In Dublin erſcheinen 25 Journale, wovon im legten Jahre 
3,366,406 Rummern verkauft, und für Avertiffementäßempt 
4,999 Pf. 8 Sch. erhoben worden find. Die Provinzen | 
58 eigene Journale, die 2.435,068 Nummern nebft 13,0 
Supplementen ausgegeben und 3,686 Pf. 16 Ch, Anetife 
mentsſtempel berrchnet haben. d. 


Berantworttichetr Deraubgeber: Deinrt Broddaut. — Drus und Verlog von ®. &. Brochaus in Leipzig. 








Blatter 


für 


literariſcht Unterhaltung. 


\ 


Dienflag, 








überſicht der neueften poetifchen Literatur. 
Dritter unb letter Artikel. 
(Kortfegung aus Nr. 268.) 


57. Lieber eines politiicgen Tagwaͤchters. Bon Ernfl Ort; 
Lepp. Gtuttgart, Brandt. 1843, 8. 2 Thlr. 

Sao jure beſtallt fi hier Dr. ©. Ortiepp, dem wir ſchon 
einige Male auf Inrifchem Gebiete begegneten, als politifcyen 
Tagwaͤchter Aber Welt und Zeit. In einem Prologe fpricht 
ex feinen Liedern Friſchheit und Keckheit zu, und ermahnt fie, 
in voller Ruͤſtung dazuſtehen; nirgenb lefen wir etwas, aus 
weffen Macht er fich dieſes Amt gegeben habe. Ohne weis 
teres ruft ex den Finfterlingen fein „Hoͤrt ihr Derren und laßt 
euch ſagen!“ gar gebieteriſch entgegen; triumphirend fünbet er 
Alten die Nähe des Freiheitsfruͤhlings an; à Ja Prug und Her⸗ 
wegb bittet er Preußens König um das freie Wort und eine 
Berfaffung, nur verfährt er infofern dabei fduberlicger, daß er 
der Bitte ein Preisgebicht auf bes Könige Thaten folgen laͤßt; 
er tabelt, bad man Friedrich's des Großen Schriften im Staats⸗ 
archiv en halte, wiberruft aber den Zadel ſogleich in der 
folgenden Nummer, nadbem er in ber „Allgemeinen Zeitung” 
geiefen, ber große Todte werde Auferfiehung halten. Hanover 
wird nicht fo glimpflich behandelt, fondern mit dem raupeften 
Bornton angeblafen; Hr. v. Mühler Yagegen wird belobqualmt. 
Die Preßfreipeit, der Cenſurzwang, ber Materialiömus ber Neu⸗ 
zeit, die Emancipation des Weibes, der Juden und ber ganzen 
Menfchheit, der Brand von Hamburg, der kölner Dom, das 
deutfche Theater, die Denkmals und Polalmanie, bie Verfin⸗ 
fterer, bie Katholiken, der Rhein und die Franzoſen, Stuttgarts 
ſchoͤne Literatur, die gemifchten Ehen, die Policei, der Zollver⸗ 
band, die Eifenbahn, der Landtag, ber Lisztwahnfien, Boͤrne's 
Schatten, Luther, Welder, Strauß, Laube, Herwegh — über 
das Alle und noch über viel mehr raiſonnirt unfer Waͤch⸗ 
tee in flereotyp gewordener Phraſeologie. Nur übel ift es, 
daß nicht mehr dahinter ift als Phraſenwerk. Kein neuer 
Gedanke, kein überrafhendes Bild, Fein wahres Entbrannt⸗ 
fin für die Sache fchlägt den Leſer an Ohr und Ders; 
dabei langweiliges Geleier in fihleppenden Rhythmen, Nons 
&alance in der Korm, Sansculottismus in ber Daritellung, fors 
cirte Begeiſterung für die betagwächterten Objecte — kurz, wir 
iweifeln, ob dieſer Hornift mit den Tönen feines Hirtenhorns, das 
tr für sine Weltpoſaune hält, den beabfichtigten Effect auf bie Ooͤ⸗ 
ter machen wird. Nehmen wir nun nod dazu, daß nur wenigen 
potitifegen Dichtern der Neuzeit bie Sache, der fie fih anneb⸗ 
men, recht Mar zu fein fcheint, daß Wiete, wie wir hier &. 190 
fen, ins Afchgraue, Dunkelblaue und Grenzenlofe bineinblafen, 
dad Land der Ehimären betreten, und ſich mit den riefigen Zerr⸗ 


binern ihrer Phantaſie, wie Don Quixote mit den Windmühr | 


tenftägeln, herumbalgen, oder baß wol gar Manche ſich durch 
den lockenden Gedanken an ben Succeß und den goldenen Bes 
cher Riklas Becker's in die poetifch» politifche Begeifterung hin: 
aufſchrauben: fo mäflen dem zuhigen, erfahrenen unb wahren 


Freunde der Poefte und Freiheit folche Verſe faft widerlich, und 
um fo mehr ale verfehlt erfcheinen, da ihre Wahl auf einen an 
und für ſich unpoetifchen Stoff gefallen iſt. &o wird auch der 
etegifhe Hornklang in ben in einer zweiten Abtheilung mitges 
theilten Polenliedern“ nachgerade eine ſtereotype Sangweife, 
die das Auge und nicht mehr das Herz lieſt. Unter den ver⸗ 
miſchten Gedichten ber dritten Abthellung find einige, die uns 
an bie Anmuth und ben Geift des Sängers aus früherer Zekt 
mabnen, ehe er auf den unglädtidyen Gedanken fiel, politiſcher 
Zagmwächter zu werben und feine mohlklingende &yra mit einem 
Wächterhorn zu vertauſchen. Jene verſtand er zu fpielen, für 
biefes bat er feinen Anfag. Wir laſſen, fo leid es ums thut, 
den Aber feinen Beruf beflagenswerth verblenbeten Berf. ſelbſt 
über feine Berfe (S. 281) urtheilen: 


"Diefe verpvidten Reime, 
Die ihre braucht als Volksleime, 
Nach denen in biefen Tagen 
Ihr pflegt zu jagen, 
Und bie bei den neuellen Dichternilden 
Saft etwas Charakteriſtiſches bilden, 
Sind vor dem Richterſtuhl der Camoͤne 
Nicht dad wahre Schöne. 


58. Gedichte von Heribert Rau. Otuttgart and. 
10 6 2 aut, Braune 
Die Balladen und Romanen ber erften Abtheilung ruhen 
theils auf hiſtoriſchem Grunde, theils find fie vom Verf. gi 
sich erfunden, und nicht ohne Talent für das Objective darges 
ftellt. Auch die in edler Sprache und entfprechenden Bi 
abgefaßten poetiſchen Srzählungen intereffiren uns für ihm. 
Unter ihnen zeichnet ſich „Der Fels dee Mutter” durch die mil 
Meifterhband gemalte amerikaniſche Scenerie, und „Die Tiger⸗ 
jagd” aus. Die Gedichte an Perfonen, „Zueignungen” bier ger 
nannt, bieten Gewöhnlidyes, wogegen die „‚Religiöfen @edicte” 
fih in die Sphäre einer geläuterten Maren Anſicht und gottin⸗ 
nigen Empfindung, die von jeder myſtiſchen tiberfpanntheit fern 
iſt, wohlthaͤtig bewegen. Wie hold entfaitet fi 3. B. in dem 
einfach „‚Eieb‘’ uͤberſchriebenen Gedichte die Blume des Gottver⸗ 
trauend; würdig daran ſchließt ſich „Troſt“ (S. 214), „Selig⸗ 
keit des Sterbens“ (S. 216), „Geiſtige Liebe“ (S. 220), „its 
derſehen“ (&. 231) und „Entſagung“ (S. 248). Die vermiſch⸗ 
ten Gedichte ſchwimmen auf dem breiten Strome der Alltaͤglich⸗ 
keit. Was bie politiſchen Lieder betrifft, die auch hier nicht 
fehlen, und welche bie Sammlung fchließen, fo behandelt ber 
Sänger bie Zuflände der Gegenwart mehr mit Wis und Hu⸗ 
mor als mit jenen übertriebenen Grcelamationen, welche Herr 
Ortlepp im Munde führt, Rach dem ©. 400 ausgeſprochenen 
ort: 


Der Diäter iß bed Zeitgeiſts Stimme, 
Drum ſchlage er im beil’'gen Grimme 
Auch jegt ein wildes Schlachtlied am, 


vinbicirt ex dem deutfchen Dichter bas Recht, die Voͤller wenn 


n Kampfe mit dem Eiſenſchwert, doch zum Gei⸗ 
aut aufhurufen. „Das politiſche Unſer Water auf ben ka⸗ 
raibiſchen Infeln” (S. 361) führt das Thema über Volksfrei⸗ 
heit in einem Trialog zwiſchen Pater, Minifter und Bolt mit 
glädticher Ironie aus. Den falfchen, ſchmachbringenden Ehr⸗ 
geig (Louis Bonaparte's) geiſelt er in einer. Paramychie „Doble 
und Adler“. „Der Kaiferfaal im Roͤmer zu Frankfurt am 
Main (5. 384) ift ein Eräftiges Phantaflebild, das in Teinem 
Zuge verfehlt if. In einer „Menagerie“ (S. 409) endlich läßt 
er dem Yublico von einem radebrechenden MBärter einen Eco: 
parben, einen norbifchen Baͤren, einen Gockelhahn, einen weis 
fen Aar, dem man bie Flügel arg geftugt, einen verfrüppelten 
und einen jungen gefunden Adler, einen großen Löwen und eis 
nen Hirſch zeigen, und man erräth leicht, was ber Bührer 
meint. Summa: Der Verf. hat nicht eben die Meifterfchaft in 
der Lyrik erreicht, aber fein Lied wird nicht fpurios im Ohre 
und Herzen der Hörer verhallen. 


59. Kinder der Zeit. Gedichte von Johann Heinrih Sie» 
vers. Jena, Frommann. 3. Gr. 12. 15 Rgr. 

Dieſe Kinder der Zeit, die mit dem Motto auftreten: „Fe⸗ 
ſter Mittelpunkt der Dichtung bleibe ſtets die Wahrheit, und 
bes Geiſtes Klarheit kuͤnde ſich nach jeder Nichtung‘‘, führen 
zwar eine jugendfriſche, kecke Sprache, aber fie find nicht ſehr 
prätentids. Auch hört und ficht man es ihnen an, fie meinen 
und fühlen, was fie fünden. Der junge Brauſekopf will bins 
aus in die Welt; das procul negotiis ift ihm ein Greuel; 
Kampf ift des Mannes Loos und auch das Wort eine That. 
Man foll ihn nicht tadeln, daß fein Sang nur Freiheitstuft und 
aie Brauenliebe athmet. Zu folhem Sange ruft er, da das 
deutfche Volk der Lieder bedürfe, bie deutſchen Dichter auf. um 
acht bis zehn Lieder hängt er ben Mantel einer feinen Ironie 
und geifelt verächtliche Charaktere, Inftitute und Zuflände ber 
deutfchen Gegenwart. Selten reflectirt er, und wo er es thut, 
laͤßt er, gewöhnlich gegen bes Liedes Schluß, die Reflection in 
Aufruf, Bitte, Ermahnung ober Warnung zerfließen. Rament⸗ 
dich mahnt er zur Eintracht und Einheit, und alle feine Wüns 
ſche beziehen fi) auf das Gebeihen ber Landeswohlfahrt und 
das Gelingen angeregter Berbefferungsplane. Was bie Formen 
anlangt, fo hat fein Ohr Empfänglichkeit für Melodie und er 
gießt feine Gedanken auch in die Form fübeuropäifcher Sonette 
und füboftbeutfcher Ghaſelen. Auszeichnen möchten wie „Unſer 
Bater‘' (©. 109). 


60. Lieder eines Erwachenden. Won Morig Graf Strach⸗ 
wis. SBrestau, Kern. 1842. 8. 22%, Nur. 

Hier fprubelt und ſchaͤumt ber Quell jugendlicher, über: 
muͤthiger Kraft in wilder Ungebunbenheit auf, und in feinem 
Strahle bricht fich die Sonne der Poeſie in prismatifchem Far: 
benfpiel.” Das Muſenroß flöhnt und fchäumt unter dem Eräftis 
gen Schenkeldruck bes gräflichen Reiters, der mit dev Sicherheit 
eines Robomont und Ferraut bie Lanze einlegt und es in bie 
Schlacht treibt. Erwacht aus dem Gchlafe der Indolenz und 
dem wirren Worgentraum, ben er zu lange geträumt, macht er 
es fi) zum Lebensgefchäft, die Welt aus bem bleiernen Arm 
des Schlummers zu weden, in weichem er felbft zu lange ges 
legen. „Ein wildes Lied’ (&. 12) gibt die Tonart an, in wel: 
der er faft alle übrigen Lieder componirt bat. „Im Schlum⸗ 
mer”, fo eifert er, „fterben bie Völker hin, am Banner fchläft 
der Soldat, und fo ſchlummert auch die Großtbat am Buſen 
ber Zeit; die Freiheit ſchlaͤft im Schooſe der Tyrannei““; und 
fo wuͤnſcht er den Schlummerzwang gedrochen, und ruft: 

Komm, Sthlachtengebruͤll, du Donnerwort, 
Mit Wundengeklaff und Tod, 

Mit Wöoͤlkergroll und Völkermord 
Und Voͤlkermorgenroth! 

Komm, Klingenwechſel und Schwerterblitz, 
Komm, raſſelnder Reiterſturm, 

Bor deinem Athem, bu Mordgeſchuͤt, 
Berfahre Mau'r und Thurm. 


| verfchleierte Bild”, ein Gommentar zu Sch 


Und bricht entzwei bie alte Welt, 
Bom Stop zuſammengedruͤct; 

Wiel beffer, daß fie in Traͤmmer faͤllt, 
Als daß fie ſchlafend erfidt. 


Ähnliches bieten „das folgenbe „Reiterlieb‘‘ (&. 14), ‚De 
Hymnus / an den Born” (8.16) und „Mer wagt 237” (5.9, 
Den Zweilampf nimmt ein Eräftiges Wort (6. 29) in 
Würden wir, wie es anfänglich unfere Abſicht war, Kräftiges 
und Gelungenes im Auszuge geben, fo müßten wir ein Drittd 
bes Buchs abſchreiben. Dabei zeigt ber Erwachenbe eine felteng 
Meifterihaft in der Reimbildung, und wir haben aud bie, 
was wir fon an andern Orten bemerften, beflätigt gefunden, 
daß ber Reim dem Liebe nicht blos Reiz und Kraft leiht, fon: 
dern auch wie durch Zauberfpiel den Gedanken erzeugt und a 
an Idee Enüpft. Die politifchen „Zeit⸗ und Zendengtieber hi 
den freilich den Glanzpunkt Hier; doch befunden auqh die „Re 
manzen und Märchen‘, in denen viel Blut fließt, und dem 
Schauplatz das Meer, das Schlachtfeld oder der mondbeglänte 
Eifenwald ift, die kuͤhne fich überfchlagende Phantafie des Dit: 
ters und fein maßlofes Blutwallen. Das Dugend „eiebeslieder" 
welches den Romangen folgt, fcheint zwar den Leſer von da 
Parforceritten, die er mitmaden muß, zu Athem Zommm y 
laſſen; aber es ſcheint nur fo; benn der junge feurige Kite 
bat Eros’ Zadel. an ber Leibenfchaftlichen Glut entzündet, ki 
in feinem Innern lobt; etwas Weicheres und Mitte, mie 
etwa Nr. 9, findet fich felten darin. In den „Reimen aus 6 
den und Oſten“, db. b. in ben Ottaven, Gonetten und Zerzinm 
des europäifchen Südens, und den Ghafelen aus Deutſchan 
Süboften findet der Erwachende eine erwuͤnſchte Gelegenheit, 
feine Geſchiclichkeit im Reimen zu entfalten, wir möchten fagu, 
fein Müthchen zu kühlen und in Affonanz= und Reimfpiel 
ſchwelgen. Wäre uns der Raum in den Spalten d. BL ni 
su knapp zugemeffen, fo würden wir die Behauptung, hier fi 
nichts Autägliches, fondern ein os magna sonaturum, mit Ans 
zügen belegen; zurüdhalten können wir indeffen bie Bemerkung 
nicht, daß, wenn exft der junge Moft in der Wruft diefes K 
wachenden ausgegaͤhrt hat, ober ber an Hyperſthenie kranfenk 
Vitalfinn durch ein ernftered Wörtchen, vom Leben aefprohen, | 
geheilt fein wird, wir erſt vecht Schönes von ihm Iefen werte; | 
erft dann wird er einfehen, daß er noch nicht völlig erwacht ii, 
und daß er manchen feiner Träume für Wirklichkeit haͤu. 


61. Gedichte von Albert Kelter. Giesen rich un 
Schol. 1842. 8, 1 Spk. ven. Be 
Die innere Stimme, die, laut Prolog, dem Verf. rät, | 
auf Mufenrupm nicht zu verzichten, bat ihm in ber That fi 
nen guten Rath) gegeben, denn es fehlt ihm an ben erften M 
quiftten der edeln Mufentunfl. Seine Sprache iſt unbeholfen, 
er fündigt gegen bie Sprachſyntax, in feiner Seele wohnt fin 
Khythmus, feine Reime find oft wunderlich, feine Bilder u: 
paffend und feine Ideen oft fogar unklar. Dieſes Urtheil mıf 
ten wir nad) Durdhlefung des erften Dutzend biefer Gedichte 
fällen ; natürlich hat uns das abgeſchreckt, den epifden Theil 
bes Vuch⸗ „Weltgeſchichtliches“, und „Mazeppa“, ein Heide: 
gedicht in zwei Gefängen, zu lefen. Wir haben nur darin ge 
blättert und uns überzeugt, daß unfer Urtheil darüber nit 
günftiger ausfallen kann, und daß der Verf. Hecht hat, wenn 
er in einem Epilog ſagt: „Der Keim bes Todes ſchlaͤft in die 
fen Liedern und Gedichten.“ 


62. Die Aeolsharfe. Ein Cyklus Gedichte mit bidaktifden Be 
on von G. E. Müller. Leipzig, Metzger. 1842. 16. 
Ir. " 

Der Verf. bringt feiner Mufe Erſtlinge, zunächft „Raid 
und Arm’, eine poetiſche (ziemlich langweilige) blung, de 
ven Inhalt zum Titel nicht wohl paßt. Drei Wariationen über 
Schiller ſche Themata „Die Vergotterung des Herculed“, „Das 
iller's belanntem Ge 
dicht, und „Die Genien bes Lebens‘, ein Pendant zu den „dt 
len", Eönnen als Einſchlag in ein ſchon aufgegogenes Gene: 








feinen aͤſthetiſchen Werth Haben. Die Gegenfäge „Wernunft und 
Offenbarung” (©. 93), „Geltenbaß und Duidſamkeit (©. 99) 
und „Zeit und Raum” (&. 102) geben Betrachtungen, mit 
ziemlich bobien Erclamationen vermildht, die den Geiſt nicht zu 
erwärmen oder zu entflammen vermögen. Gin bibaltiiches Ge⸗ 
dicht in vier Belängen „Eros und die Geſchlechter“ reizte uns 
fere Wiß⸗ und Reubegier um fo mehr, da unfere Schöngeifter 
aus jüngfter Aera fich eben nicht mit Eehrgebichten gu befaflen 
pflegen; aber teiber blieb auch hier bes Wiſſens Durft unge: 
ſtillt und das Herz unbefriedigt. Gin etwas frifcheres poetis 
ſches Leben pulfirt in den Meditationen, die den Zitel haben 
„Das Streben und die Wahrheit”; die Jamben ſcheinen da 
leichter fich zu bewegen und anmuthiger zu Bingen, weil ein 
iebendigerer Gelftesodem das Ganze durchweht. Dex legten Abs 
theitung „Pſyche“, einem in wechſelnden Rhythmen und Metren 
geſchriebenen und ſchon im Taſchenbuch „Roſen“ für das Jabr 
1837 abgedruckten Gedichte, koͤnnen wir wenigſtens das negative 
Lob ertheilen, daß es an kein derartiges Vorbild erinnert und 
in Allem, was es beſpricht, original iſt. Hier gilt das Wort 
„Finis coronat opus”. 


(Der Beſchluß folgt.) 





Entwurf einer Univerfalgefchichte für gebildete Lefer. Don 
DB. Zaharias Reffel. Erſte Abtheilung. 
¶ Beſchiuß aus Nr. 208.) 

Wir kommen auf unfere alte Behauptung zurüd: Alles 
Abſolute in der Politik taugt nichts. Die Philofophen mögen 
das Abforute für das Hoͤchſte erklaͤren und, wenn fie wollen, 
aud für das Lette, woran fie recht thun, denn es dauert nicht 
lange. Abfolut Befehlende gibt es fo wenig wie abfolut Ge⸗ 
horchende; es Läßt fich auch wol kaum etwas lnfinnigeres, um 
nit zu fagen Gottloferes, denken als der Sag: die Menſchen 
theilen fih in Bebietende oder Befehlende und Gehorchende; ale 
ob nicht der Befehlende zugleich wieber Gehorchender wäre. Es 
mag fehr fonderbar klingen, aber wahr ift es, felbft Bott ift 
nicht unbefchräntt, benn er hat einen Bund mit den Menfchen 
gefätoffen, ſich zur Erfüllung feiner Berheißungen verbindlich 
gemacht. In den allerjämmerlichften Zeiten eines Voikes, wie 
4. 8. des roͤmiſchen unter feinen Kaifern und fonft, war abfos 
Iute Unabhängigkeit. Biftoriter wie Perg und K. A. Menzel 
baben hier und da eine politifche Anficht ausgeiprodyen, wie 
ſoiche jedem Beſonnenen als die wahre, vernünftige ericheinen 
zuß. Jener fagt: „Die niederen Giaflen des Wolle, deren Kräfte 
befändig auf den Erwerb gerichtet find, verlangen nur Gerech⸗ 
tigteit und Frieden; die zeichen und gebildeten auch Antheil an 
der Beſtimmung gemeiner Geſchaͤfte. Wer feine Unabhängigkeit 
füptt, unterwirft fi nicht gern ohne Überzeugung einem frems 
den Willen.” *) Gleichweit entfernt von politifcher Cinſeitigkeit 
if die Behauptung des unparteiiſchen Hiſtorikers K. A. Mens 
zei, wenn er in feiner „„Selchichte der Jahre 1815 — 37 
Tagt: „Ein bemokratifches Clement muß auch in der Monardjie 
fein, 3. 8. in den Gorporationen ber Städte, ber Dörfer.‘ 
Sole Anfichten diefes Hiſtorikers find deswegen zu achten, 
weit er ſomſt als Repubtilaner ober demokratiſch Sefinnter gar 
nicht erfcheint, wie man leichtlich aus deffen „Geſchichte unferer 
Zeit‘ erfeben kann. Wenn irgend ein Befchichtfchreiber unpar: 
tif) genannt werben kann, fo iſt es K. A. Menzel. Wäre 
« ein einfeitiger Parteimann unb ein leidenſchaftlicher Ber 

irgend weldger, wenn auch noch fo elenden Zeitrichtung 
in Staat oder Kirche, fo würde er viel mehr dekannt und ges 
priefen fein, da er jest erſt fi) Bahn bredden muß zu einer 
ohortigen, energiſchen Verarbeitung ber neuern und neueften 
Beit. Diejenigen politifchen Hiſtoriker, welche fi ben Namen 
Ar Gonfervativen zulegen und wol geneigt find, ſich dieſen 
Mean zuzugeſellen, find ohne Unterfchieb, einer wie ber andere, 
perteitfcher , ieidenſchaftlicher. Wit den Gonfervativen hat es 


) „Meroningifge Hausmeiet⸗⸗, ©. . 


⸗ 


fo feine eigene Noth; für Ronarchie unb Ariſtokratie find Mi 
confervativ, für die demokratiſchen Elemente, bie doch auch ihr 
gutes, wohlerworbenes Recht haben, find fie nicht conſervativ, 
fondesa negativ und beflruciv. Darum ift eine Oppofition, 
eine liberale Partei nötbig geworden, weiche für Grhaltung und 
Erhöhung des deitten ebenfo nothwendigen Biements aus allen 
Keäften fechten muß und fir) durch ein gefchriebenes Grund» 
geſet ficher fiellen. In Preußen z. B. ift diefes, da das dritte 
Glied des Staats⸗Ganzen lebendig ift, nicht nöthig, wuͤrde 
aber durchaus nöthig, ſobald bie Ariſtokratie fehr, ober zu maͤch⸗ 
tig, oder, wollen wir lieber fagen, übermüthig ift; denn bie zu 
große Begünftigung dieſes Theile, zumal wenn er etwa oͤkono⸗ 
miſch ober moratilch ruiniert wäre, ift der Stachel, durch weis 
Ken eine Oppoſition aufgeregt wird. Wegen bie Monardhie, 
wenn fie nur einigermaßen gerecht und liebevoll ift, ift die Op⸗ 
pofition fo leicht nicht gerichtets da, wo feine gerechte, durch 
Moralität, gute Sitte und Treue ſtarke Pofition ift, entſteht 
Dppofition und wirb und muß fliegen. Wir werben wol barüber 
einig fein können: alle Sinfeitigkeit in ber Politit wie in ber 
Religion führt zu einer falfchen, ungerechten Beurtheilung ber 
Geſchichte. Es mag wie Scherz flingen, wenn wir fagen: alle, 
nur einigermaßen vernünftigen beutichen Politiker find confers 
vativ; der Radicalen, rein Deftructiven find fehr wenige; unb 
revolutionnaire Schwindler find fo gefährtich nicht. Wenn irgend 
ein Volk feften Sinn bat für Recht und Gerechtigkeit, Liebe 
zum alten Baterland, fo ift e6 das deutſche. So viel wird ſich 
ohne große Vorliebe als ber Wahrheit gemäß beglaubigen lafs 
fen. Rach unferer Anficht entfcyeibet fich die fliegende Frage: 
Soll eine Regierung Partei nehmen? ſehr leicht dahin: ie 
foU nicht Partei nehmen, weber für die Monarchiſch⸗Conſerva⸗ 
tiven allein, noch für die Ariftokratifchs Gonfervativen allein, 
noch für die Demolratiih: Eonfervativen allein, fondern fie foll 
ale drei Elemente im vechten Gleichgewicht erhalten, zu leben- 
diger Kraft erhöhen, alle Parteien (um ein miferables Wort 
u gebrauchen) flärfen und befchränten; und wenn alle Welt eins 
—F wuͤrde, fo ſoll eine Staatsregierung dreiſeitig fein und bleiben. 

Keine Zeit allein, weder bie des Alterthume noch die bes 
Mittelalters, kann für unfere neuere und neuefle Zeit Norm 
und Richtſchnur fein. Das Gute in Kunft, Wiſſenſchaft, Polis 
tie ober Staatsverfaffung, Handel und Gewerbe aus allen eis 
ten foll confervist werden und uns zu gute fommen. In ber 
neuen Zeit leben wir nicht deswegen allein, weil wir nur Neues 
hätten und haben müßten; das Reue ift die großartige Erſchei⸗ 
nung, daß das Gute, was früherhin nacheinander war, jest 
nebens und miteinander feine Eriſtenz behaupten fol. Das 
träftig Perfönliche ber alten Welt, die Freiheit der Perfon, das 
Privat:Reht und Richtige, das Rationale, Eräftig Volksthuͤm⸗ 
lie der alten und mittlern Zeit fol beftehen in und mit dem 
Voͤlkerverkehr ber neuern Zeit. Gtaatens und Voͤlkerrecht ift 
erft ein Product ber neuern Zeit, fowie ber eble Kosmopolitis⸗ 
mus. Geit Vasco be Gama und Chriſtoph Colombo bie Wege 
nad den beiden Parabiefen des Dandeld und Verkehrs gefunden, 
gibt es eine Univerfals Geographie und eine Univerſal⸗Geſchichte 
in einem andern als dem zulegt entwidelten Sinne. So viel 
wird immer als Wahrheit fich berausftellen, daß für gebildete 
Lefer, wie man zu fagen pflegt, bie Geſchichte des Alterthums 
nad) und nad) in den Hintergrund tritt und wol auch mit Recht 
treten muß. Fuͤr Gelehrte von Profeffion, zur Bildung für 
Kinder und Jünglinge bier und da, mag bie alte Geſchichte 
ganz in ben Vordergrund treten; fie wird als Bildungsmittel 
immer ihren Plat behaupten. Die Gegenwart aber ift feit der 
neueften Zeit fo mächtig, daß fie für Den, der fie nicht Eennt, 
verwirrend ober nieberbrüdend wird, und es ift Iächerlich, was 
für Urtheile ſolche Männer, die nur in den Büchern aus alter 
Zeit leben, äber die neuere Zeit und unfere Tage fällen. Da 
wird gefchrieen über die verberbliche Gewalt der materiellen Ins 
tereffen und die unfinnige Behauptung aufgeftellt, daß bie Zei⸗ 
ten, in welchen biefe Intereffen lebendig geweſen, für die ſchlech⸗ 
teften Perioden ober Epochen in der Geſchichte gu halten feien- 





Hoc .Solche gelehrte Herren bebenken nicht, daß der 
Menſch aus Geil, Seeie und Leib beſteht und daß in unſerer 
Zeit vie Aufgabe zu Idfen iR, wie alle drei Elemente friedlich 
beftehen follen als ein mitelnander aufs engfle verbundenes Ganze. 


Uns dieſen geiehrten Herren redet jene fpiritualifiifche Einſeitig⸗ 
keit, weiche ſich überall geltend zu machen ſucht im Gtaat, in 
der Kirche, aber kräftig zuruͤckgewieſen werden muß als ſchie⸗ 
lende oder blinde Richterin, bie den Wald vor lauter Bäumen 
nieht fieht. So viel ber oder bie Seele, veben ſolche Maͤn⸗ 
ner falbımmgöreich und albern, erhabener ift als der Leib, fo viel 
muß auch die Sorge für bie Seele gem fein als die um ben 
Leib, und meinen nen, ein Kind muͤſſe eber einen Katechismus 
haben als einen Roc auf ben Leib und ein Stückchen Brot in 
den Wagen. Kemntniſſe fammeln in feinem Kopfe, die doch am 
Ende in abftracten Nebel zerfließen,, ſcheint Manchem edler, als 
den Schmutg vom Leibe zu fchaffen. Pfleget bes Leibes, doc 
atfo, daß er nicht geil werde. Cine ähnliche Ginfeitigkeit iſt 
bie, daß man behauptet: ein Buch für Gelehrte br nicht 
in gutem Stile abgefaßt zu fein. Bielleicht haͤngt damit bie 
Mode der Büchergelehrten zufammen, daß fie fih in eine Klei⸗ 
bung huͤllen, bie auch nichts weniger als ſchoͤn iſt, ſodaß mans 
cher Stiefelpuger ordentlicher, reiner, ſauberer gekleidet einher⸗ 
geht als mancher hochgelahrte Herr. Es wird mol neh lange 
Zeit dauern, bis biefe Mode aus ber Mode kommt. Nur iſt 
auch nicht abzufeben, warum für gebildete Lefer eine Darftellung 
fo fen follte, daß fie zu einem Theile aus einem Mantel, zum 
anbern Theile aus einem Dberrode und zum dritten Theile aus 
einem Fracke befteht, d. b. aus Iangweiliger Profa, orbinairer 
und fefllicher Poeſie, wie fie in Romanen für verbilbete, ges 
dantenlofe Herren und Damen anzutreffen if. Das Erſprieß⸗ 
liche Liegt in einer ſolchen Schreibart, daß man nicht viele Ge⸗ 
danfen zu haben gezwungen wird. Jene angenehme, klare, les 
bendige, auf zwei gefunden Yüßen einperfchreitende Profa , wie 
man ſolche in fo fehr vielen franzdfifchen Geſchichtswerken findet, 
iſt in Deutſchiand eine Rarität. Bet nicht wenigen Geſchichts⸗ 
bäcdern unfers theuern Vaterlandes wirb es sinem fo zu Muche, 
als wenn man über Gtor und Gtein, durch Suͤmpfe, Untiefen, 
über Berg und Thal gefchleppt würde, daß einem das Hören 
und Sehen vergeht, bie befte Lunge nicht Athem genug bat, 
um einen halben Gag zu übermältigen. Die Deutfchen haben 
von ben Franzoſen ; Manches zu lernen, von dem Verf. 
des zu Anfang genannten Werke nicht vie. Wer mit ben 
meiften ber hier befprochenen Gegenſtaͤnde nicht uͤbereinſtimmt, 
wird in jener Geſchichte feine Rechnung finden und wir wuͤn⸗ 
ſchen, daß ihm bie Lecture wohl befommen möge. 50. 





Literarifhe Notizen aus Italien. 


Die beiden Wände des „‚Archivio storico italiano, ossia 
raccolta di opere e documenti finora inediti o divenuti 
yarissimi, risguardanti la storia d’Italia‘ (Riorenz 1942), 
herausgegeben von Gaſpare Bencini, Gino Capponi, Sebafliano 
Ciampi, Franc. del Furia, Tomm. Gelli, Franc. Inghirami, 
Filippo Luigi Polidori und Eman. Kezetti, enthalten bie 
„Istoria fiorentina“ von Jacopo Pitti (eingeleitet von Polibori 
und mit Anmerkungen und Beilagen von Documenten 7— 
ſtattet von Giampi und Eapponi), ein ben Zeitraum von 1 
— 1529 umfaffendes Werk, nebft Anhängen von andern Schrift 
ftelleen (Bacopo Mobefti, Simone Brami u. f. w.) über einzelne 
Borgänge bes nämlichen Zeitraums ; ferner das ,‚Diario” bes 
Aleffandro Sozzini, betitelt „Il successo delle rivoluzioni 
della citta di Biena’ (bie Zeit vom 20. Juli 1550 bis zum 
38. Juni 1555 umfaffend), nebft andern diefe Zeit betreffenden 
Actenftüden und Berichten (von Roffia u. A.), das Ganze 
berausgegeben , eingeleitet und mit Roten verfehen von &. Mis 
lanefl. Die zweite Sammlung, von welcher jett bie erften 
beiden Wände vorliegen, foll ſechs Serien umfalfen und zwar: 
1) Geſchichtswerke, Chroniken u. dgl.; 2) Neifebefchreibungen 


von Italienern; 3) Dlographien 

dahin gehörige 25 %) —ã* bis Pa * 
—æ— — 
an N f ' 
Sproniten, politifihe Gedichte, Eittern u. dal.; 6) ‚Briefe 





Die „Biblioteca italiana‘ wundert ſich mit Recht barkker, 
daß M. Valery in feinen „Voyages historiques et litteraires 
en Jtalie” fi wundert, wie der Cardinal Vorromeo die An 
fertigung eines Kataloge für bie Ambroftanifche Bibliothek habe 
verbieten Eönnen; denn in ber That hat Borromeo bies niemals 
gethan, fondern fogar fegt er das Borhanbenfein eines Katalogt 
voraus, wenn er in ben Statuten ber Bibliothek beftimmt: 
„libres Catologo adscriptos nullo modo ex bibliotheca qui- 
quam efferat”, und den Bibliothekaren ſchreibt er außerden 
ausbrüdlich vor, zwei Kataloge zur Dand zu haben, cinen für 
bie gedruckten Bücher, einen ir die Danbichriften. Überhaupt 
find Valery's Notizen über die Ambrofiana, wie fo viele ander 
in feinen Schriften, leichtfertig aufgegriffen und ungenau. 


Die Eoncurrenzaufgabe (um bie Atbini'fche Prämie, golden 
Medaille von 100 Scudi Werth). welche bie Akademie vom 
Bologna in d. 3. geftelt hat, und deren Bearbeitungen bit 
Nov. 1843 an den Segretario dell’ Accademia delle scine 
dell’ Istituto di Bolegna in italiemiſcher, lateiniſcher ober 
feangöftfäger Sprache einzureichen find, betrifft bie Arme 
tungsanftaiten und lautet: „Dare la storia ed analisi r- 
gionata di tutti ij mezsi tanto fisici che chimici e me- 
canici fin qui proposti in difesa e salvezza delle periom 
e sostanze e degli edific; negli incendj " Es wird erwarte, 
daß die betreffenden Rettungss und Gicherungsmittel und : Ks 
ſtalten nad ihren Vortheilen und Nachtheilen gewürbigt, bie 
beften Methoden hervorgehoben unb womoͤglich neue vorgtſcha⸗ 
gen werben. 


Ugo Fostolo ſchrieb bekanntlich feine legten Sachen in En: 
land, er ſchrieb fie franzoͤſtſch und fie erſchienen, in feinem Aufı 
trage überfegt, in engliicher Sprache. 1824 gab Stefan⸗ 
Ziconzi eine italieniſche Überfegung bes ‚, Verſuche über Petrarca” 
heraus; jest aber ift eine Überfegung von anbern Aufſoͤten, die 
Foscolo in englifcyen Journalen hatte abbeucken Laffen, erfhimm: 
„Discorsi storici e letterarj di Ugo Fosoelo, tradotti dalls 
lingua inglese nell’ italiana, da Pietro Giuseppe Maggi” 
( Mailand 1843). Es find drei Auffäpe: 1) „Oulla democrasie 
della republica di Venezia’; 2) ,‚‚Sai poemi narratini e 
romanseschi”’; 3) „Bul Diagamma Eolioo”. 





N) 

In den Jahrbüchern, welche das „‚Ateneo” in Ventdig 
unter dem Zitel „Esercitazioni scientifiche e letterarie’ kn 
ausgibt, befindet fich (Theil 4, erfchienen 1841) ein Auffag ver 
dem Präfldenten der Geſellſchaft, Grafen Leonardo Mann: 
„Nuove studj sulle relazioni finali degli ambasciatori ven«- 
ziani”, worin es fich der Verf. zur Aufgabe macht, gegen Auk 
länder, welche venetianifche Archive benugt haben, zu polemiftm 
und ungenaue Behandlung von Documenten nachzumeifen. 

Die „Science de la vie, on principes de conduite relir 
gieuse, morale et politique” von Baldıy (Berfaillet 134) 
it ein zur itatienifchen Fiteratur gehoͤriges Buch, in weihen 
ber Verf. eine Reibe italieniſcher Autoren zuſammenſtellt, weiche 
Borfchriften zur Erlang tung viner mens sanı 


uab 
‚in corpore sano für das befonbere * und oͤffentliche Eben 


gegeben haben. Gr behambelt Paflananti, Luigi, Gornam, 
Matteo Palmieri, Basb. Gafliglioni, Agnolo Pandolfini, Gin 
vanni della Safe unb endlich Tafſo (Beptern wegen des Diele! 
„N padre di famiglia’‘), #. 


Berantwortlihes Sexausgeder: Heinrih Brockhaus. — Drud und Berlag von F. A. Brodbaus in Leipzis. 








Blätter 


für 


literariſche 


Unterhaltung. 








Dritter und letzter Artikel. 
(Beſchluß aus Mr. 29.) 


63. Der Zug nad) Moskau,. oder die Schickſalemaͤchte. Helden: 
gebiht von K. @. ©. Weber. Bunzlau, Appun. 1942, 
&r. 8. 1 Zhle. \ 

Wie groß die Zahl ber Subſcribenten ift, wie voll ber 

Berf. hinſichtlich feines Berufs, feiner Begeiſterung und feiner 

Verſprechungen im «erften einteitenden Geſange den Mund 

nimmt, wie rein auch die Octaven klingen, etwas Vorzuͤgliches 

hat er doch nicht gebracht, denn feine Zuba läßt ein affectirtes 
epifche® Pathos hören; es fehle dad echte epiſche Feuer, ber 

Anflug des Romantifchen und die Idealifirung des Hiftorifchen, 

wodurch Segur, bei allen feinen phantaftifchen Abfchweifungen 

von ber geſchichtlichen Treue, fein Gluͤck bei uns Deutfchen ger 
macht bat. Nach Art der Überfchriften der Gapitel in den alt: 
deutfchen Märchen und Heldenſagen bat auch der Verf. jedem 

der 15 Gefänge eine eigene naive Inhaltsangeige gegeben; 3. B. 

bem fünften Gefange: „Wie Napoleon den Todtenweg einſchiagen 

und mit ben Borens fämpfen muß”; oder dem achten: ‚„‚Rapos 
leon vertraut ſich dem Geheimniffe an und fein ‚Heer muß mit 
der Berzweiflung ringen.” lbrigens ift in feine patriotifche 

Gefinnung (denn der Sänger ift mit Leib und Seele ein Preuße) 

fowie in feinen guten Willen nicht der geringfie Zweifel zu 

fegen, ſowie wir auch überzeugt find, das Buch werbe feine Les 
ſer und Bewunderer finden. Was dem Ginen nicht gefällt, ges 
fält ja dem Andern. „Laudatur ab his, culpatur ab illis”, 


fagt Horaz. 


64. Mapoteon in Ägppten. 
fängen von Hermann von Bismard. 
gand. 1842. 8. 1 Ihr. 10 Nor. 


Zn einigen bad Ganze einleitenden Stanzen bringt biefer 
ung unbefannte Sänger der befannten poetifchen Kameratfchaft 
Merp und Barttliemy feinen Dank dar. Ihrem Werte „Na- 
pol6or en Egypte‘' ift er naͤmlich in ber Anlage und bem 
Sange der Erzaͤhlung, obwol nicht ſklaviſch, und nur in den 
erften Sefängen gefolgt; bie fonftige Abfaffung fowie Einklei⸗ 
dung des Stoffe und Wahl ber Bilder will er als fein Eigen: 
thum betrachtet wilfen, was wir ihm auch nicht ſtreitig machen 
wollen. De ſchlaͤgt ihm fein beutich = patriotifches Gewiſſen, 
ta ee den vielfach gehaßten, auslänbifchen Eroberer zu feinem 
Helden macht. Gr fucht ſich gegen biefen Borwurf zu vermahs 
zen, indem er fagt, er rühme ſich nicht bios der Abflammung 
von deutſchen Ahnen, habe zweimal im heiligen Kriege gegen 
Frantreich dem Mutterlande feinen. Arm geliehen, finge noch 
beute aus voller Bruſt: Sie follen ibn nicht haben! und 
fuͤrchte nicht, fraͤnkiſches Gift durch fein Lied bei uns einzu 
ſchmuggeln. Auch darin wird ipm ber Unbefangene Recht geben. 


Hiſtoriſches Gedicht in acht Ge⸗ 
keipzig, O. Wis 





27. September 1843. 





auf Arlofto's und Taſſo's Stanzen wie ein feiner aromatiſcher 
Duft ruht, fo hat biefes Gedicht doch Worzüge vor dem letztge⸗ 
nannten Epos; freilich find diefe Vorzuͤge weniger dem Ver⸗ 
bienfte bes Verf. ale der Bunft bes Zufalls in der Wahl des 
Stoffs zuzuſchreiben. Napoleon's Grpedition nad bem Lande 
der Pyramiden hat an und für ſich eine abenteuerlich = poetifcye 
Färbung; der Schauplag ber Handlung iſt das Rand ber My: 
fterien und fabelhafter, im Nebel ber Urmelt ſchwimmender Er⸗ 
eigniffe, die der flumpfern Phantafie auch Vorſchub leiſten. 
Dazu kommt nun die anziehende Eigenthuͤmlichkeit der handeln⸗ 
ben Derfonen, die, ba fie faft alle von biefem Schauplatz abge: 
treten find, der Geſchichte angehören. Sehen wir zuerft auf 
bes Landes Eingeborene, fo haftet ber Blick auf der myſteridſen 
unheimlihen Figur Et Modhi's, auf dem kriegeriſchen Bei 
Murad und dem Paſcha von Syrien, Achmet Djezzar; ihnen 
gegenüber in ſcharfem Gegenſat Kieber, Defair, Marmont und 
vor allen der kleine Corporal ſelbſt — obwol wir erwarteten, 
der Erzähler würde des Letztern Figure mit mehr Liebe zeichnen 
und martirter binftellen; denn in dieſer Hinſicht genägt er 
wahrlich nicht, wogegen ihm die Schilderung von Zufländen 
und G@reigniffen viet beffer gelingt. Neues in hiftorifher Hin⸗ 
fiht haben wir nicht gefunden. Die Form ift die Stange, aber 
nicht die italieniſche Octave, da er bie Reimftelung und bie 
männtiche und weibliche Reihenfolge ber Reime willlürlich aͤn⸗ 
dert. Die epifihe Kürze vermißten wir oft. 


65. Aifhilde. Ein Gedicht von Louife Tittmann. Dance 
ver, Dahn. 1842. Gr. 12. 1 Ihe. 10 Nor. 

Die Berf. führt den Lefer biefes Gedichts vom feften hiſto⸗ 
rifhen Grund und Boden hinweg in bas Gebiet der Romantik 
und felbflerfundenen Sage. Der Schauplag der Handlung ift 
das Wefergebiet, und fie fpielt in der Zeit, wo Karl ber Große 
bie heidnifhen Sachſen zum Chriſtenthum befehrte. Die Ein« 
miſchung altnorbifcher Gottheiten, der heiligen Jungfrau gegens 
über, gibt den Greigniffen und Handlungen eine epifche Faͤr⸗ 
bung. Die Fiction ift diefe: Alfhilde ift der Iduna, einer 
jungfräulichen Pricfterin der Bertha, fchöne Tochter. In einem 
Felſenthal am Rumaflufje heimlich geboren, wird das Kind einer 
Drube übergebeh, dic es in der heibmifchen Zauberfunft unters 
richtet, und mit der Sterne Walten vertraut macht. Erwach⸗ 
fen übt fie diefe Künfte an Wodan's Opferherde. Ihr Ruhm, 
mehr noch ihr feltener Reit, entzündet in Ziatf, einem jungen 
fächfifchen Herzoge, eine glühende Leidenfchaft, bie fre aber nicht 
erwibdert, fondern nur ihre Gewatt über ihn benußt, um ihn zu 
gewinnen, das Sachſenvolk bem Joche der Franken zu entziehen. 
Sie ift nicht glüdtich, ein unbekanntes Sehnen füllt ihre Bruſt, 
nur ber Bei eines von ihrer Mutter ererbten Kleinods macht 
fie reich und glüdlih in manden Stunden. Tialf, ber Sohn 
des Albion, eines frühern Sachſenhaͤuptlings, ber aber Chriſt 
geworben, während ber Sohn den alten Göttern treu geblieben, 
zuft auf Alfhildens Geheiß die Seinen zum Kampf gegen bie 

ranfen. Ihm gegenüber fleht, außer dem Vater, ber fraͤnki⸗ 


Fehlt nun feiner Darftellung auch jener romantifche Anflug, der J ſche Graf Abdelhart, der, nachdem er die holde Zauberin gefehen, 


« 
— 


ebenfalls in fie entbzennt und dabei auf des Greiſes Winfred, 
feines treuen Dienerd, Warnungen nicht achtet. Ein chriſtlicher 
Eremit, Bernwardus geheißen, weiflagt dem Ghriftenbeere den 
Sieg. Wie Alfhilde mit ihren Jungfrauen am Wodanberge 
opfert, ertennt fie, daß dem Gotte Gefahr drohe, und ermuntert 
Tialf und die Seinen um fo mehr zu muthigem Streiten gegen 
das feindfelige Chriſtenvolik. Der Streit beginnt. Der Beide 
Miba ſtuͤrzt fi) auf Adelhart, den er aber nicht überwällipt. 
Zialf dagegen laͤßt fich in einen Kampf mit Egbert, einem Für 
flen von der Donau, ein. In dem Augenblid, wo Regterer, 
von Erſterm hart getroffen, nieberfinkt, flürgt fich ein Knappe 
zwifchen bie Streitenden und nimmt Tiaif's Zobeähieb auf, der 
Gobert treffen ſollte. Man töft dem Sterbenden bas Biſier, 
und Egbert erkennt Bertha, feine Battin. (Dies if, wenn man 
es fonft fo nennen will, die einzige Epiſode.) Indeſſen fih um 
Beide der Kampf heftiger entzündet, gelingt es Adelhart, bie 
Hoͤhen zu erflimmen, wo Alfhilde mit ihren Jungfrauen die 
Kämpfer durch Geſaͤnge ermuntert. Gr umſchlingt ihren Leib 
und will fie forttragen. Da wird er umringt, und Zialf eilt 
zur Rettung der Zuuberjungfrau herbei. Zwiſchen beiden Hel⸗ 
den ſchwankt lange der Sieg. Zialf wankt, wird aber geſchont 
vom Gegner, deffen Entkommen vom Gefchonten großmütbig 
begünftigt wird. Gin Priefter Thunar's raͤth jegt dem Bolt, 
den finftern Gott duch ein Dienfchenopfer zu verföhnen. Die 
MWabı fällt auf Suanwith, eine edle Sachfenjungfrau, beren 
Vater den von Albion unter ben Sachſen zurücgelaffenen Tialf 
mit ihr erzog. Im ihrer Noth bittet fie den geliebten Jugend⸗ 
gefpielen um Schutz. Nicht ohne eigene Gefahr entreißt er fie 
dem Biutdurft der Priefter Thunar's und bringt fie in ein eins 
fames Felſenthal am Rumafluß, wu ebebem ein Tempel Freya's 
geftanden, der aber von Karl dem Großen in ein Kirchlein ber 
heiligen Jungfrau umgewandelt iſt. Bier lebt ber heilige Bern: 
wardus als Priefter. Ihm gelingt ed, der Jungfrau Herz für 
die Wahrheit des Evangeliums empfänglidy zu machen. Buans 
with, die früher mit Aufbilde in ein enges Freundſchaftsverhaͤlt⸗ 
niß getreten, beftrebt fich vergebens, Zialf für Jeſu Lehre zu 
gewinnen, doch bringt fie e8 bei einem Beſuch, den er feinem 
Schuͤtzling macht, wenigftens dahin, feine Vorurtheile gegen das 
Chriftentyum abzulegen. Unterdeſſen vüftet ſich Adelhart zum 
Zweikampf mit Zialf. Des Erſtern Großmuth gewinnt auch 
bei diefer Gelegenheit bes Lestern Ders. Alfhilde, fich ihres 
Gefuͤhls für den chriftiichen Grafen immer mehr bewußt wer: 
dend, zittert für Adelhart. Der Sieg ſchwankt. Lange ringen 
fie. Winfred, Alfhilden alles Unheil beimeffend, Tchießt aus dem 
Hnterhalt einen Pfeil auf fie ab. Das gewahrt Adelhart, der 
Liebende, 4 
Und außer fi ſtuͤrzt er dinzu, und ſchlinget 

Jdeſt um der Jungfrau Leib den Arm voll Kraft, 

Wie fih der Pfeil von Winfreb's Bogen Ihwinget 

Im Augmblid, wo [don die Sehne Elafft, 

Und wie Atfhilde noch vergebens ringet, 

Da 1öft von ſelbſt fi feines Armes Daft; 

Gr taumelt, finkt, aus tiefer, blut’ger Quelle 

Beſtroͤmt er fie mit heißer Purpurwelle. 


Und wilbed Schrein erhebt fi), lautes Toben 
Macht rings den Widerhall im Thale wach, 
Denn rafend ſtuͤrzt Winfred, dad Schwert erhoben, 
Dem blut’gen, unglädfel'gen Pfeile nach. 
Angftvoll if bald dere Jungfraun Schar zerfioben, 
Bol fah Alfhilde jegt den legten Tag, 
Wenn Tialf nicht raſch fie zu befchägen eilte 
Unb im fiegvollen Lauf Winfred verweilte. 


Des Kampfes Wut flammt jett durch alle Heiden, 
Ringd tobt umher bie wild verworr'ne Schlacht, 
Berzweiflungsvoll ſtrebt Winfreb, zu befreien 
Ihn, den fein Pfeil in FJeindes Haft gebracht. 
Bergebend mag Egbert den Kampf erneuen, 

Er dringt nicht dus da, wo ber Derzog wacht. 


‚verbienftoolten Schriften von Moreau de Sonnts benugt, der 


1988 - 


Und mag er gleich mit Liwenfiärke ringen, 
Unmöglih if’6 zu Abelhart zu dringen. 
Doch bleich und Ri, mit thränenvollen Biicken, 
Kniet Afhilp’ — vor ihr Ieblo Liegt der Graf — 
No wills der angſtvoll Gtrebenden nicht giäden, 
Ihn zu ermweden aus dem Zobedicdhief ! 
Do, 0, wer malt bed Nitterd Godpentzüden, 
Als nun fein erfler Blick bie Jungfrau traf, 
Die über ihn gebeugt mit bleichen Wangen 
So hälfreih ift mit forgenvollem Bangen ! 
O, bdiefer Blick entzündet neued Leben 
Und neue Kraft In feiner wunden Brufl. 
Er ſchauert In unnennbar füßem Bebeg 
Und fühlt durchdrungen fih von Pimmeldtufl. 
Und als ihe Arm mit liebevolem Streben 
Ihn fügend Hält, da, feiner kaum bewußt, 
Ruft er vol Blut: D, felig ohne Gleichen, 
In ihren Armen darf Ih nun erbleichen ! 


Man nimmt ihn gefangen. In feinen Kerker tritt Alſdilde, 
erzählt ihm ihre Geſchichte und befennt ihm ihre Liebe, wider 
ſteht aber ftandhaft feinen Witten, ſich taufen zu laſſen. Gr 
als er in dem Kirinode, das Alfhilde von ihrer Mutter ererit, 
dad Kreuz erkennt, glaubt Alfhilde, es fei eine Mahnung dei 
Himmels und ift bereit, das Chriſtenthum anzunehmen. Dr 
achte Geſang loͤſt nun ben Knoten. Abelhart gewinnt es übe 
Zialf, daß er ſich mit feinem Vater ausföhnt und Chriſt wir. 
Jetzt aber folk er den Göttern geopfert werben. Da ziehen bie 
Chriften gu feiner Hülfe herbei. Gin furchtbarer Kampf br 
ginnt. Gr enticheibet fich für die Kranken. Aber ein Sachſen 
priefter bringt fterbenb dem Albion einen Dolchſtoß bei. Um 
ihn fammeln ſich Tialf, Alfhilde, Adelhart und Egbert. Der 
Sterbende erkennt in Alfhiide's Kleinod das Kreuz, dad tet 
Iduna, feiner Gattin, einft gegeben, und erklaͤrt fie für fein 
Tochter. Er legt ihre Hand in Adelhart's und Tialf's in dr 
ber berbeigeflommenen Suanwith. — Dies ift in wenige Werte 
zufammengebrängt, der Inhalt eines Gedichte, welches mit einer 
gewiffen Ruhe und Beſonnenheit abgefaßt ift, die fonft den De 
men nicht eigen zu fein pflegt. Dabei ift es von aller Ediv 
thuerei in Phrafen und Bildern völlig fern, ſodaß fich aud in 


biefer Hinſicht der weibliche Charakter bier ganz verleugnett. 


Schade, daß ed Hin und wieder an Klarheit fehtt, und daß dit 
Phantafie in ber Erfindung ber Fabel eine gewifle Mattiatet 
und Lahmheit offenbart, die ben Leſer erft nach vollendeter Lec 
ture unangenehm berührt. Eine niedliche Zitelvignette mit alt: 
gorifhen auf bes Gedichts Inhalt fich beziehenden Figuren und 
Emblemen, gezeichnet von der Verf. felbfleigener Hand, und Ir 
thographirt von G@iere in Hanover, trägt zur Verſchoͤnetung 


des zierlichen Buchs, das dem Kronpringen von danoder hr | 


cirt ift, viel bei. " 





La France statistique d’apr&s les documents ofhcies 
les plus recents par Alfred Legoyt. Paris 1843. 


Diefes Wert iſt eine Ginteitung zu bem Surmerfdei 


Prachtwerle „Les Frangais peints par oux-meömes”, abet 
verdient auch feines reichen Inbalts wegen eine befondere Beach 
tung. Es war eine fehr glüctiche Idee von Gurmer, fen 
intereffanten franzöflfyen Sittenſchilderungen durch forgfaltig 
und überfichtliche ftatiftifche Angaben einen hoͤhern Werth zu 
geben. Es iſt ihm gelungen, für die Ausarbeitung biefer Sta 
tifttt einen Mann zu gewinnen, dem bie ſchoͤnſten Mittel und 
eine Menge unveröffentiihter Documente zu Gebote ſtanden. 
A. Legoyt befteibet naͤmlich einen bebeufenben Poften auf den 
Statififchen Bureau im Minifterium des Innern unb hat ſich 
bereits durch einige wiſſenſchaftliche Arbeiten ähnlicher Art be 
kannt gemacht. Bon gebrucdten Quellen bat er namentlich d* 





RG bei feinen Angaben gieichfeils auf authentiſche Documente 
flüste. Beſonderes Werbienft aber hat Legoyt fi erworben 
durdy die große Überfichtlichkeit, die er feinen Zabellen ſowie 
den eriäuteenden Anmerkungen zu geben gewußt bat. Dabei 
verliert ee fi nicht in eitie Hypotheſen, fendern gebt ganz 
praktiſch zu Wege. 

Schon feit langen Jahren bat die franzoͤſiſche Regierung 
dad Beduͤrfniß gefühlt, fi) von der Bewegung der Bevölkerung, 
den Schwankungen bes Handels, der Conſumtion, dem Zuſtande 
der Agrieuttur und Induflrie, mit einem Worte von allen ftas 
titifchen Berpältniffen Rechenfchaft zu geben. Schon kLudwig XIV., 
oder vielmehr Golbert, hatte in diefer Beziehung den Intendans 
ten und Statthaltern ſehr beftimmte Inftructionen gegeben und 
zu verfchiedenen Zeiten mußten fehr detaillirte Berichte über bie 
einyeinen Zweige der Abminiftration eingereicht werden. Aus 
diefem Documente fhöpfte Necker die werthvollen Angaben, die 
er in feinem Werke über die „Administration en France” ind 
befondere in Bezug auf bie finanziellen Verhaͤltniſſe mittheilt. 
Während der Revolution wurden biefe flatiftifhen Arbeiten zum 
großen Theil gänzlich abgebrochen und erft im I. X wieder 
aufgenommen. Napoleon organifirte fie in einem fehr groß: 
artigen Maßflabe. Es war eine eigene Commiſſion niedergefept, 
melde genaue ftatiflifche Berichte über die neucroberten Ränder 
zu entserfen hatte. Gin Theil derfelben wurde veröffentlicht, 
wie 3. B. diejenigen, welche ſich auf die Eleinen italienifchen 
Staaten beziehen und bie für Muſter ähnlicher Arbeiten gelten 
tönnen. Ganz befonders hervorzuheben ift ſodann noch eine 
Überficht über den Zuftand des gefammten Kaiſerreichs, welche 
im 3. 1812 erſchien. Diefe intireffante Arbeit ift als eine 
Frucht zwötfjähriger Beobachtungen zu betrachten. Die Reftau: 
ration, ber es überhaupt nicht barum zu thun fehien, ſich uber 
den wahren Zuftand bes Landes aufzuflären, vernachläffigte 
diefe nüglichen Arbeiten auf eine unverantwortiiche Weife. Erft 
nach der Julirevolution wurde auf dem Minifterium bed Dans 
deid und ber Agricultur ein foͤrmliches Statiſtiſches Bureau ges 
gründet, um deſſen Organifation ſich namentlich Thiers ein gros 
zes Verbienft erworben hat. Im 3. 1840 fepte Duchatel, der 
Minifter bes Innern, eine ähntiche Commiſſion auf feinem Mi: 
nifterium nieder, der es obliegt, in die ſtatiſtiſchen Berichte und 
Angaben der verfchiebenen Adminiftratienszweige eine gewifle 
Einheit zu bringen. Aus dieſen überfichtlidgen und vergleichens 
den Zufammenftellungen hat nun eben Legoyt bie Materialien 
zu feinem werthvollen Werke gefchöpft. 


Bevor wir aus dem reichen Stoffe, ben ber Verf. und 
darbietet, einige Mittheilungen machen, dürfte es nicht ohne 
Intereffe fein, etwas Näheres über die Art zu erfahren, wie 
die ſtatiſtiſchen Burcaux zur Kenntniß ber fie betreffenden Ans 
gaben gelangen. Die minifteriellen Inftructionen verlangen von 
jedem Maire, daß er in ben erften Wonaten jebes Jahres einen 
Aussug aus dem Etat civil mache und namentlich bie Gebur⸗ 
ten, Deiratben und Todesfälle, welche während bes Laufs bes 
vorhergehenden Jahrs flattgefunden haben, genau ichne. 
Diefer Auszug wird an den Umterpräfecten des Arrondiſſements 
gerichtet, welcher die einzeinen Angaben deſſelben zu einem foͤrm⸗ 
lichen Berichte verarbeitet. Nach den verfchiedenen Berichten 
nun werden vom Praͤfecten bie fogenannten Generaltabellen 
entworfen, weiche den ftatiftifchen Arbeiten des Minifteriums 
zu Grunde gelegt werben. Bis zum 3. 1839 war ein und 
derfeite Bericht beim Minifterium des Innern und bem des 
Handels eingereicht. Seit biefer Zeit aber hat das Bureau auf 
dem LBandelöminifterium eine neue Art von Zabellen eingeführt, 
auf denen bie Geburts⸗, Heirathe⸗ und Sterbeangaben nad) 
Arrondiffements angeführt find, ſtatt wie bisher in einer allges 
meinen überſicht über das ganze Departement verſchmolzen zu 
werben. Aus diefen doppelten Angaben vermehrt ſich die Ars 
beit der Maires und Präfeeten. Insbeſondere find die neuen 
Gterbetiften, deren Angaben nicht immer ohne bebeutende Schwies 
rigfeiten zu haben find, mit mandherlei Übelftänden verfnäpft. 
Ganz befonbers ſchwer fällt es z. B. namentlich auf dem Lande, 


* 


ſich immer genau über bie Sobesarten und bie Ras 
tur ber Krankbeiten zu unt en. 

Außer bdiefen jährlichen Werichten finden noch alle fünf 
Jahre allgemeine Zählungen (recensements guinquennaux ) 
ſtatt. Bis zum I. 1836 zählte Jedermann an dem Orte, wo 
er fi im Augenblicke des überſchlags befand; für diefes Jahr 
aber hat man das Syſtem bes Recenfement verändert, fobaß 
man nur ba zählte, wo man eigentlich zubaufe war. Es trat 
alfo, wie man ſich ausdruͤckt, an bie Stelle der population de 
fait die population de droit, Geitdem ift man auf bie frühere 
Zählungsart zuräcgelommen. Obgleich man bamit einige Ver⸗ 
befferungen vorgenommen bat, fo find bie Angaben, welche man 
auf diefem Wege gewinnt, doch immer noch nicht ganz perbürgt, - 
um fo mehr, da das Recenfement als Grunblage ber Abgaben 
genommen wird. So kommt es nicht felten vor, daß die Maires, 
um fi populair zu machen, die Zahl der Einwohner ihrer 
DOrtichaften geringer angeben als fie wirklich find. Außerdem 
ift dies au) der Grund, weshalb diefe allgemeinen Bählungen, 
wie ſich namentiih im 3. 1841 herausgeftellt hat, dem Volke 
als eine laͤſtige und unrechtmäßige Maßregel erfchienen find. 
Wie unvolllommen dus Zaͤhlungsſyſtem übrigens fein muß, 
welches noch jegt in Branfrei in Anmwendung kommt, ſieht 
man aus dem Umftande, daß man in England mit der ganzen 
Operation in etwa ſechs Wochen zu Stande fommt, während 
die franzöfifchen Behoͤrden faſt ein ganzes Jahr bavon in Ans 
fpruch genommen werben. 

Aus den Grgebniffen ber verfchicdenen Sählungen, welche 
der Verf. mittheilt, beben wir Folgendes aus. Im 3. 1700 
zählte man 19,669,320 Seelen (ohne Gorfica und Lothringen); 
im 3. 1762: 21,769,163 (Gorfica und Lothringen inbegriffen) 5 
1734: 24,800,000 (nach Recker's überfchlag) ; 1801: 97.490, ; 
1806: 29,107,425; 1825: 30,461,875; 1826: 31,858,937; 
1831: 32,569,223; 1836: 33,540,910; 1841: 34,173,234. 8 
ergibt fich hieraus, daß die Bevoͤlkerung von 1801 —41 fig um 
6,144,2331 vermehrt bat. 

Die forgfältigen Zabellen über bie Verbrechen, die ber 
Verf. nach ben Angaben des Juftizminifteriums entwirft, geben 
Stoff zu mannichfachen Betradjtungen. Es ftellt ſich babei 
beraus , daß von 100 Angeklagten 57 Unverheirathete und nur 
43 Verheirathete find, woraus man entnehmen Tann, daß bie 
Ehe einen bedeutenden Einfluß auf die Moralität der Bevoͤl⸗ 
ferung hat. Als Durchſchnittsſumme Deffen, was in einem Jahre 
geftohlen wird, finden wir 1,232,227 Krancs, während man in 
London allein für 25 Millionen an Werth ftiehit. Won Selbſt⸗ 
morden zählt man in Frankreich im Durdhfchnitte jedes Jahr 2484, 
worunter dreimal mehr Männer als Frauen. Seit dem 3. 1835 
bat fih die Zahl der Selbſtmorde fortwährend vermehrt, und 
zwar von 1835 — 39 um 19:100. Die Mittel, welde 
von den Selbſtmoͤrdern angewandt werden, find der numeriſchen 
Reipenfolge nad: Ertränktung, Srhängung, Erſchießung, Gr: 
ftidung durch Kohlendampf, freiwilliger Sturz von erhabenen 
Puntten, Toͤdtung mit ſtechenden oder Tchneidenden Inſtrumen⸗ 
ten, Vergiftung. Zwei Drittel der Erftidtungen durch Kohlen⸗ 
dampf kommen im Departement der Seine vor. Es ergibt fich 
aus den präfumirten Urſachen des Selbftmords, wie fie don ber 
Adminiftration angegeben werden, daß bie Mehrzahl dem Elend 
zuzuſchreiben ift. 

Bon nit geringem Intereffe find bie einzelnen Refultate, 
weiche ſich bei den verfchiebenen Angaben in Bezug auf die 
Agriculture in Frankreich herausſtellen. Es zeigt — ‚ daß ber 
Boden, welcher dem Bau der Gerealien gewidmet ift, fih um 
12: 100 vermehrt bat; hierdurch iſt namentlich der für bie Weide 
beflimmte Ader, der fo nur den fechsten Theil bes ganzen 
Ierritoriums beträgt, weiſentlich beeinträchtigt worden. 
England, Belgien und einem Theile von Deutfchland fteilt ſich 
das Verhaͤltniß ganz anders heraus. Bemerkenswerth ift, daß 
gerade in Folge biefes Syſtems, den eigentlichen Ackerbau auf Koften 
der Viehzucht zu vermehren, der Ertrag des Bodens um ein 
Beträchtiiches fich vermindert hat. Gegen die Mitte des 17. Jahr⸗ 


1084 


hunderts wurbe Frankreich ats bie Kornkammer von Europa 
angefehen; die Schweiz, Savoyen, Spanien und England ber 
zogen einen heit des Getreibes, das biefe Länder confumtrten, 
von hier. In England, . deffen frühere Getreibeprobuction nies 
mals genügte, zeigt Mich unter andern Bedingungen ein gang 
anderes Refultat. Während im Durchſchnitt in Frankreich ein 
Bectar nur 12 Hectotitre trägt, gibt er in England, Belgien 
und Deutfhtand 72 — 23. Der Werth vom jährliden Er⸗ 
frage des Aderbaus beträgt in Frankreich 1,542,083,761 Francs, 
der Wertb der Gereatien nach Abzug ber neuen Ausfaat 
1,717,352,169 Francs; ber gefammte Wertb vom Ertrag alter 
verfchiebenen Zweige der Agricultur 4,508,425, 194 France, wos 
bei aber der Viehſtand noch nicht mit inbegriffen iſt 

Mit befonderer Ausführiicykeit hat Legoyt das Capitel von 
der Bevölkerung und deren Vermehrung behandelt. Er geht 
darin die verfchlebenen Anfichten aller hervorragenden Rationals 
dtonomen dureh, um dem Princip, nach dem diefe Vermehrung 
fattfindet, auf bie Spur zu kommen, und um zu feden, welche 
Abhuͤtfe Hier zu treffen iſt. Das Refultat diefer unterſuchungen 
iſt, daß der größte Theil der Rationalötonomen in ber großen 
Bermehrung einen Grund ber Beforgniß für das allgemeine 
Wohl gefehen und dafür gehalten hat, der Staat müfle bier 
direct einfchreiten. Es ift dies eine Idee, welche ſchon von 
Mottbus und zwar vorzüglih von der italieniſchen ule, 
z. B. vom GBrafen Berti, Ortez, Ricci u. A. ausgeſpro⸗ 
chen iſt. Dagegen behauptet Legoyt, daß bie Angaben aller 
diefer Männer mehr oder weniger auf bupothetifchen Annah⸗ 
men beruben, indem es ſich auf ftatiflifchem Wege nicht er 
mitteln läßt, wie weit fich die Geſammtſumme bes Lebensunters 
halts ausdehnen laͤßt. - 6. 





Notiz. 


‚‚Bistories of noble english families’ (London 1342) macht 
der englifche Berichterſtatter die Bemerkung, daß es zum Er⸗ 
ftaunen fei, wie wenig bie großen Familien Englands im Ber⸗ 
gleich mit denen anderer Länder darauf bedacht gervefen find, 
ihre Bamiliengefhichte in Monographien aufzuktären. 
„Erroͤthen“!, fagt er, „müßten die Befiger von Alnwick, Knowsley, 
Arundel, Hatfield u. f. w, menn man ihnen auch nur einen 


ganz Heinen Theil der auf dem Kontinent erfchienenen Familien⸗ 
geſchichten aufzaͤhlt.“ „Die Kamilienardyive‘‘, bemerkt er ferner, | 


„sieler berühmten Haͤuſer enthalten zahlreiche Documente, die an 
Wichtigkeit Allem, was von aͤhnlicher Art bekannt gemacht 
worden, nicht nachftehen.” Und in der That iſt es auffallend, 
daß die reiche und mächtige britifhe Ariftofratie diefen Zweig 
der Specialliteratur nicht angebaut hatte; man follte gerade in 
Engiand die glängendften Prachtwerke der Art erwarten. Und 
noch mehr! Unfer Gewährsmann fest hinzu: „Wie fol man 
aber Gefchichten von Privatfamilien erwarten, da fogar die 
Geſchichte des Königshaufes felbft nirgend anzutreffen ift als 
in den unvolllommenen Arbeiten Sandford’s, die von Stebbing 
bis zum Tode der Königin Anna fortgefegt find. Berner beißt 
es: „Das Oberhaus Läßt es ſich offenbar nicht angelegen genug 
fein, genealogiſche Regifter über feine Mitglieder zu führen, 
ungeachtet das Recht, Pair zu fein, und im Parlament zu figen, 
zebiglich von folder Nachweiſung abhängt. Wie außerordentlich 
os feinen mag, wahr ift es, daß bie erbtiche Pairie feine 
Vorkehrungen trifft, die Keftftelung des Erbrechts zu fichern ” 
Das zuerit erwähnte Werk von Drummonb tft eine Nachahmung 
"des bekannten Litta’fchen „„Famiglie celebri d’Italia”, 48. 





Bibliographie. 


Alertus, H. 3, Tod und Grab, Unfterbiidhleit und 
Miederfehen. Cine Gedankenfolge der beften Schriftfteller at: 





| ter Zeiten und Botker. Gin Lefe« und Erhauungsbud; für Ge 


Biete aus allen Ständen. Köin, Heinrigs und Batti. Sr. 12, 


gr. 

Bauer, 3.R., Theoretiſch und praktiſch verfaßte d 
Byradiiehee in Beogen und eafiier . en —* 
von der Synonymik. Und: Praktiſche übun u derſelben. 
Wien, Gerotd und Sohn. 8. 1 te. 5 — i Ion 

Gfroͤrer, A. F., Allgemeine Kirchengeſchichte. Iter Banı. 
Ifte Abtheilung. — &. u. d. T.: Geſchichte ber chriſtlichen Kirche 
vom 7. bis zu Ende bes 11. Jahrhunderts, oder von Mabomet 
bis zum Tode Papft Gregor's VII. Iſte Abtheilung. Stutt— 
gart, Krabbe. Gr. 8. 2 Ihr. 7Y, Wer. 

Halm, E., Der Sohn ter Wildnis. Dramatifches Ge: 
dicht in fünf Acten. Wien, Gerold. 8. 1Thlr. 10 Nur. 

Klee, $., Der Urzuflandb der Erbe und bie Hypotheſe von 
einer flattgehabten Änderung der Pole erklaͤrt durch Übereinfim: 
mung mit Sagen und Nachrichten aus ditsrer Zeit. (Eine go 
logiſch⸗ hiſtoriſche Unterſuchung über die fogenannte Gündflut: 
kataſtrophe. Nach der dänifchen Handſchrift des Werfaflers von 
Major ©. 8 von Jenſſen⸗Tuſch. Gtuttgart, Schweizer 
bart. Gr. 8. 1 Thlr. 221%, Nor. | 
„Kofegarten, ©. J., Jucunde. (Eine ländliche Dichtung 
in Fünf Skiogen. Ge Auflage. Berlin, Oehmigke. Gr. 16, 

r. | 


gangbein’s, X. 3. E., Saͤmmtliche Gebichte Bir 
Bände. Mir 65 Gtahiflihen. Stuttgart, Gcheible, Rieger 
und Sattler. 16. 3 Ihr. 7Y, Nor. 

Leben, Thaten und ſchreckliches Ende der Wrüber Gyioio 
und Matheo Pellegrini, berücktigter Banditen Salabriens, bie 


während einer Nacht im tiefen Kerker bie Beute bungriger 


Schlangen wurden. Eine wahre Begebenheit. Mit einem Zi 
teitupfer. te verbefferte und vermehrte Auflage. Wien, Dans. 


8 22%, NR 
Bei Gelegenheit einer Anzeige von Henry Drummond’s | In Rge 


Mayer, J., Die National: Einheit der Deutſchen aut 
gefchichtlichen, religiöfen und politifchen Geftchtspuntten. Otutt: 
gart, Schweigerbart. 8. 22%, Nor. 


Methode bes deutfchen Styiunterrichts. Bern, Dalp. Ge.b. 


12%, Nor. 


Mielichhofer, L., Das Mozarts Denkmal zu Salzburg 
und deffen Gnthüllungs: Beier im Geptember 1843. Rebſt l⸗ 
thograpbirter Abbildung bed Denkmals. Galzburg, RMadr. 
®r. 8. 15 Ner. 

Moris, 8, Sechs Raͤchte am Zuͤricherſee, den Zreien ge 
Er Politifche Gedichte. Leipzig, Engelmann. Gr. 3. 

ı Nor. 

Muͤhlboͤk, R., Graf Niclas Gara oder bie Rieſenhoͤble 
im Dageger- Thale. Gine biftorifch = romantiſche Geſchichte aus 
ber Zeit der Zurken: Einfälle in Ungarn. Wien, Tauer und 
Sohn. 8. 25 Ner. 

Pohl, &. F. Das Leben der unorganifcgen Natur. Ge 
Rede zur Gedaͤchtnißfeier der breihundertjägrigen Begründungt: 
zeit des Gopernicanifhen Syſtems. Breslau, Graf, Bar 
und Somp. Gr. 8. 10 Nr. 

Sagen aus dem Riefengebiege, erzählt vom Kräuter: 
Flauber. Für KReifende der befte Geleitsmann. Iftes Bär: 
gen  srrübegaht, des Derr des Gebirges Leipzig, Frobberger. 

” gr. 
Schick, 8, Ginige Bemerkungen über die Brofhür: 
„Hſtreich und beflen Zukunft.” Leipzig, Weygand. 8. 74 Ror. 

Sporfhil, 3., Geſchichte der Zerträmmerung des Rs 
poleonifchen ‚Heeres durch die Schlacht von Welle: Alliance, ſo⸗ 
mie ber einleitenben Urſachen und naͤchſten Zolgen biefes großem 
Greigniffes. Dit zwölf Stahlſtichen und drei Plänen. Brom 
ſchweig, Weftermann. Lex.⸗8. 1 Thir. MW Rear. | 

Wackernagel, WV., Deutsches Lesebuch. 3ter Theil. 
2ter Band: Proben der deutschen Prosa von 1740 - 1812. 
Basel, Schweighauser. Lex.-8. 3 Tulr. 3%, Ngr. 


Verantwortlicher Derausgeber: Heinrig Brodhaus. — Drud und Verlag von F. &. Broddaus in Leipgis. 


4 


“ 





Blätter 


für 


litrrariſche Unterhaltung. 





Donnerdtag, 





Die neueften Bewegungen auf dem Gebiete ber 
Philoſophie der Geſchichte. 
Krauſe's Geiſt der Geſchichte der Menſchheit. 


Motto. 


Soll und kaun ber Moſt in die Arauben, bie Raupe 
in ihr @i, oder ihre abgelegte Haut, der Schmetter⸗ 
ling in feine Yuppe, das neugeborene Kind in den 
Mutterleib zurädtehten, oder dahin zuruͤckgebracht 
werden? — Ebenſo wenig als die jedt eine Neuge⸗ 
Gurt and weſentliche Verwandlung in ein böheres 
Esben beginnende Menſchheit in die abgelebten Jor⸗ 
men voriger Zeiten, von denen fie ſich lodgemadt 


bat, weil fie, zu eng, dad ſchwellende Leben nicht 


mehr faßten, die neuerfoderlihe Lebensnahrung nicht 
gewaͤhrten. Kraufe. 

Wenige gewiß zweifeln noch daran, daß Geiſt nur 
durch Geiſt widerlegt werden koͤnne und bekaͤmpft wer⸗ 
den ſolle, und daß aͤußere Maßregeln, welcher Art ſie 
auch immer ſein moͤgen, und Polemik mit policeilichen 
Waffen geiſtige Entwickelungen nicht niederhalten, fon: 
dern nur zu einer einſeitigen, verderblichen Hoͤhe hinauf: 
fhrauden. Denn wie die Pflanze zum Lichte der Sonne 
drängt, mögen ihr felbft Felſen den Weg verfperren, fo 
drängte der Geift nach dem Lichte der Wahrheit. Muß 
die Pflanze fich aber durchkruͤmmen und durchquetſchen, 
fo wird fie verfrüppelt erfcheinen. Haben wir Gleicharti⸗ 
ges nicht taufendmal beobachtet, ſelbſt in der vororgant: 
fen Natur, wo fie in der Kryſtalbildung den Übergang 
zum Organismus macht, an Pflanzen, an Leibern von 
Zhieren und Menſchen? Dafjelbe Geſetz herrſcht aber im 
Reiche der Geiſter, wehe, wenn man es verfennt, wenn 
man vermeint, geiftigen Entwädelungen Zwang anthun 
zu Einnen. Das Anerkenntniß dieſes Geſetzes hat die 
Berufung Schelling's nah Berlin, die Gründung ber 
„eiterarifchen Zeitung” u. f. w. zuc Folge gehabt, allein 
leider iſt es nicht dabei geblieben. Der geiflige Kampf, 
deffen Zufchauer wir in der jüngften Zeit waren, und 
deſſen innere Bedeutung fchon öfter in d. Bl. gewürdigt 
wurde, ift unterbrochen. Ein zweifelhafter Sieg iſt er 
fohten, mit ungeiftigen Waffen erfochten, und wer moͤchte 
et leugnen, die Sympathien haben ſich auf Seite Derer 
geflüchtet, die man im Gebrauch der Waffen beſchraͤnkt 
bat. Die Art und Weife, wie der Kampf ein Ende ge: 





nommen (wenn man Das Ende nennen kaun), hat etwas 
Unbefriedigendes. Aus all dem Gähren und Drängen 


1 kein klares Refultat, der Proceß ift unterbrochen und 
| XZaufende, die flumm und ängftlih, aber theilnahmsvoll 


der Entfheidung hartten, find tathlos wie zuvor, ja fie 
find ſchlimmer daran, ihr ruhiges Bewußtſein iſt erſchuͤt⸗ 
tert, fie haben noch keine Richtung ergreifen können ober, 
mas noch mehr vom Übel ift, fie haben in der Eile und 
Unklacheit eine falfche Richtung ergriffen, ftreben einem 
Mebelbitde der Wahrheit, ſtatt diefer felbft nad. 

Wenn bei folher Sachlage ein frifher Kaͤmpe auf 
dem Schlachtfelde erfcheint, und flolz Sieger wie die an: 
geblich Beſiegten in die Schranken fodert, fo kann das 
nur erfreulih fein, und darf auch von d. Bl., welche 
über die Gegenwart und ihre Strebungen Bud) führen, 
nicht ignocirt werden. Als einen ſolchen Kaͤmpen führt 
aber dee Dr. Freiherr Hermann von Leonhardi die Mas 
nen des vor zehn Jahren verftorbenen Karl Chriſtian 
Friedrich Kraufe in die Schranten. Dem Althegellanis- 
mus wie dem Junghegelianismus wird ber Handſchuh bins 
geworfen, aber auch zugleich dem alten und neuen Schel⸗ 
ling, dem „logifhen Gedicht“ tie der ‚‚pofitiven Phi⸗ 
loſophie“. 

Die „Literariſche Zeitung“ bat fi eines Mitkaͤm⸗ 
pfers, aber auch zugleich eines Gegners zu erfreuen, denn 
es ift immerhin noch ein Philofoph, dee hier auftritt. 

Erfreulich ift aber nie nur, daß der Kampf über: 
baupt wieder aufgenommen ift, fondern daß er auch mit 
den allein ehrenwerthen Maffen der Wiſſenſchaft gekaͤmpft 
wird, daß nur Principien mit Peincipien ftreiten, 

Was aber vor Allem unfere Aufmerkfamteit auf dieſe 
neue Erſcheinung lenken muß, ift, daß es nicht erft we: 
fentlih "auf Polemik, gar nicht auf beftruisen, fondern 
auf conftruiren, auf Neubau abgefehen ift, daß 
man uns Reſultate verfpricht, die wir bei dem bisherigen 
Kampfe vergeblich erfehnt haben. | 

Denn wer aub an dem Much und der Thatkraft 
fi erfreute, mit welcher die Junghegelianer, namentlicd) 
der Herausgeber und die Mitarbeiter der ,, Deutfchen 
Zubeb ner bie Probleme der Zeit aufgriffen und zur 

iscuffion brachten, mußte er fi nicht geftehen,, daß 
eine volle Löfung der ſocialen politifchen und ſpeculativen 
Fragen hier nicht geboten wurde? War nicht zumelfl ber 


1986 " . 


gordifche Knoten unferer Lebensverwidelung nur mit bem 
Schwerte zerſchnitten, oder wenn geloͤſt, nur in Begriffe 
und Schemata aufgelöft, die wol zum Verſtaͤndniß 
der Misflände beitragen Eonnten, aber die Brüde aus 
der Gegenwart in die Zukunft keineswegs bausen? 
Sahen wir nicht bald ein reines Negiren des Beſtehen⸗ 
den, bald wie fich die noch vielfach verfrüppelte Gegen: 
wart als Zukunft aufblähte, immer aber ein Verkennen 
des Transcendenten über dem Immanenten, oder umge: 
kehrt? Man drang auf Autonomie des Dentens und 
Wollens, abgelöft von der höhern göttlihen Auctorität, 
während doch die wahre Autonomie nicht nur mit der 
Anerkennung ber göttlihen Selbfibeftimmung befteht, 
fondern, fofern fih in ihe ber göttliche Urfprung bes 
Menſchen beurfundet, ſelbſt ein religiöfes Element iſt. 

Man ſuchte uns eine Zukunft zu bereiten, indem 
mun das Mittelalter mit feiner verkehrten Weltanſicht, 
daß das Erdenleben blos Vorbereitungsanſtalt, nicht 
Selbſtzweck fei, auf den Kopf ftellte.e Daher jener 
Kampf gegen das Jenſeit in allen Geflaften, gegen das 
Jenſeit des Glaubens im Gegenfag gegen das aus fich 
ſelbſt fchöpfende, ganz durch fich ſelbſt vermittelte Wiffen, 
gegen das Jenſeit einer göttlihen Vorfehung, gegen das 
Jenſeit eines zulünftigen Lebens. Daher jener Stolz 
auf das Selbftpemußtfein welches Alles, das ALL wer: 
den foll, jene Gotterhebung des Sch „als die offenbar 
gewordene und aufgehobene Subflanz”, als die unendliche 
Macht, den unendlichen Stoff alle geifligen und natür: 
fichen Lebens, daher jenes Genügen des Dieffeit. 

Iſt die ganze Polemik Ruge's gegen die Romantik 
etwas Anderes als das Umfchlagen ins Gegentheil? 

Einen großen Antheil an dieſen unbefriedigenden Me: 
fultaten hat offenbar die Methode Hegel's, welche darin 
beruht, „daß die dee fich ein Anderes werde, fich gegens 
. überftelfe, fich frei aus fich entlaffe und dann ſich ale 
Anderes wieder in fich zurudehre”‘, was Segel die dia: 
tektifche Bewegung der Sache felbft nennt. Daher fehen 
wir denn in der Hegel'ſchen Schule ein ewiges Drehen 
und Wenden der Begriffe, ein beftändiges Herumtreiben 
in der Antichefe. 

Durch diefe Methode werden ben Begriffen und Din: 
gen neue Seiten abgewonnen, ja es wird nicht felten das 
durchaus Richtige getroffen, wenn naͤmlich die Dinge, wie 
es leider noch mit fo vielen Dingen in der Welt ift, bis⸗ 
ber wirklich auf dem Kopfe fanden. 

Aber felbft wenn eine Menge einzelner Wahrheiten 
auf diefe Weife zu Tage gebracht würden, wenn man 
einzelnen praßtifhen Beſtrebungen dieſer Schule, gewiſſen 
Gebrechen abzuhelfen, feine Anerkennung nicht verfagen 
tann, fo fehlt ihnen doch die ſynthetiſche Vereinigung, es 
fehle ein harmoniſches Wiffenfchaftsganzes. Hegel war 
ein Feind ber fonthetifhen Vereinigung, er nannte fie 
einen Vergleich der Billigkeit und trieb die Arifto: 
-telifchen Einfeitigkeiten auf die Spige. 

Eine harmoniſche Wiffenfchaft hat uns gefehlt, fie ift 
es, was Moth thut, denn wir erwarten mit dem Heraus: 
geber des Krauſe'ſchen Machlaffes von einzelnen Refor: 


men wenig, Alles von einer völligen Wiedergeburt des 
Geſchlechts durch fortgefegtes Schoͤpfen aus dem emig 
Duell des Weſens und Lebens, mittels des dazu allein 
brauchbaren Werkzeuges, der Vernunft. 

Eine folde harmonlſcheWiſſenſchaft wird uns ge 
geboten. Daß viele der MWahrhiten, mäche fie Ihm, 
vereinzelt ausgeſprochen, ſelbſt Segenftand reger Belle: 
bungen geworden find, erkennt der Herausgeber an, un) 
ein Streit Über bie Priorität der Gedanken würde um fo 
vergeblicher fein, als einestheild das uns jest geboten 
Merk fchon vor 14 Jahren vollendet war und ſchon ver: 
her vor einer zahlreichen Zuhoͤrerſchaft in Goͤttingen ve 
getragen wurde, man alfo nie genau ermitteln fann, ch 
durch diefen Kanal einzelne Wahrheiten nicht weitere Ber 
breitung erhielten, anderntheil® aber auch feſtſteht, daf 
unabhängig von Zeit und Drt verfchiebene Menſchm 
gleiche Gedanken und Gedankenrrihen haben koͤnnen. 
Nicht die Prioricät, fondern die Wahrheit iſt aber das 
Wefentlihe, und wenn feine andere Priorität, ſo mß 
man Krauſe's Werk dach wenigſtens die zuſprechen, baf 
es zuerfi eine barmonifche Bereinigung aller der Gedan: | 
ten und Beltrebungen bietet, welche unfer Jahrhundert 
bewegen. Diefes iſt aber etwas ſehr Wefentliches, denn 
die Vereinzelung war binderlih, daß diefelben zu volle 
Wirkſamkeit durchdrangen. Wer eine oder einige dieſer 
Wahrheiten anerkannte, verkannte haͤufig die andern, wi 
derfegte fich den auf ihre Durchführung gerichteten Be 
ftrebungen oder blieb doch gleichgültig gegen dieſelben. 

Dr. Freiherr Hermann v. Leonharbi, welcher fih 
gegenwärtig als Privatdocent in Heidelberg habil 
tiet bat, begleitet das Werk: „Krauſe's Geiſt der Gr 
fhichte der Menſchheit oder reine Philofophie der Ge 
ſchichte“, mit einem 84 Seiten langen Vorbericht, aus 
dem wir einige Stellen mittheilen wollen, um bie hohen 
Erwartungen kennen zu lernen, welche ber Herausgcht 
von biefer Schrift hegt, bie Anfoderungen, welche er at 
uns flellt, zu prüfen. 

Sichtbar — fagt er — fchreitet die Menſchheit einer neum 
Lebensordnung entgegen. Grundgedanken der Wiffenfchaft, dit 
noch vor einigen Jahrzehnden das Eigenthum weniger ernſten 
Denker waren, bilden jest eine den Gebildetern aller Staͤnde 
gemeinfame GBeiftesatmofphäre und bewähren ſich — von tab 
fprechenden neuen Lebensregungen begleitet — als ebenfo vick 
neu eingreifende Mächte bed Lebens. 

Großes, Unerwartetes haben wir erlebt, Größeres, foum 
Beahntes, ſteht vielleicht den naͤchſten Gefchlechtern Tchon, ſteht 
vielleicht uns felbft noch bevor! — Der menſchliche Geiſt hat 
es vermocht, die Kräfte Natur zu bewältigen, bie er doe 
nue von außen zu erfaffen vermag; er hat nicht blos die 
Kräfte der Erbe, er bat auch die des Sonnenfoftems in ben 
Dienft der Wiffenfchaft und des Lebens genommen, und fein 
Ebenbuͤrtigkeit als Bürger des Himmels von biefer Seite vol: 
fländig bewährt; — und es folite ibm nicht möglid 
fein, ſich bei ſich ſelbſt heimiſch, fo ſehr ſelbſtbewußte 
Seiſt und dee in ihm aufgaͤhrenden Ideen durch wiſſenſchaftliche 
Kiärung fo Herr zu werden, daß er nicht mehr nöthig hätte 
als ein Spiel bes Zufalls, das Leben wie das Bıb 
ter über fi kommen zu Iaffen? | 

Es ift unfere Palme Schuld, wenn wir, wenn die Arge 
tungen, von der Geſchichte überrafcht werben, flatt mit frei 
Kunft des Geiftes fortan die Reitung bes Geſchichtsganges zu 


® 





1009 


übernehmen. Aber die bebeutenbfien Grideinungen ber Ge⸗ 
genwart koͤnnen nicht als göttliche Offenbarungen begriffen, ats 
göttliche Hütfen genügt werten, fie müflen vielmehr unverſtan⸗ 
den bleiben, ja verwircen und bethören, fo lange die allgemei: 
nen Ideen, die göttlichen Wefenheiten, die in aller Geſchichte 
fih ſpiegeln, und bie befondern Ideen, die den neu anbrechenden 
Lebenstag, die unfere naͤchſte Zukunft beflimmen, nicht erfannt 
werben. Dieſe Ideen find die allgemeinfle, die innerlichſt wirs 
ende und in unferm Zeitalter der Enttäufhung und ber ver⸗ 
ftändigen Überlegung allein mächtige Grundlage echter, nachhal⸗ 
tiger Begeifterung, fie koͤnnen durch alle äußern Begebenheiten 
nicht erfegt werben. Schwer laſtet noch ihr Mangel auf der 
ganzen gebildeten Menfchheit und insbefondere auf dem heut: 
ſchen Wolfe, bei welchem aus ber Gewohnheit, bevormundet zu 
fein, eine Abneigung entfprungen ift gegen alle ſolche über: 
Legungen, bie zu einem maͤnnlich räftigen Handeln führen müßs 
ten, würdig eines großen, edeln und an Anlagen, die einem hoͤ⸗ 
bern Berufe entfprechen, fo reichen Volke. 

So weit Hr. v. Leonhardi. 

Und jene Wiſſenſchaft des Lebens, jener Organismus 
ewiger Wahrheiten, der „anleiten fol zu einer Drganifas 
tion der freien Bedingungen menfchlidher Berhätigung des 
Rechts Alter”, defien Ahnung am Ende bes vorigen 
Jahrhunderts imit allgemeinem Entzüden begrüßt war, 
wir follen fie bei Kraufe finden. Die Weſenlehre fol 
die Menfchen anleiten, die neue Zeit, die hereinbrecyen 
wird, zu verfiehen und fi ſchon jegt dazu zu rüflen. 
Diefer Lehre, welche Ideal und Geſchichte mit glei: 
her Klarheit als die Slieder Einer Wefen: 
beit, in Einem Wiffen erfaßt, wird die Madıt 
zugefchrieben, aud für ein Leben der Einheit bie 
Herzen zu gewinnen. Hr. v. Leonhardi fagt: 

Sie ruft zu einem idealen Streben und Schaffen auf, aber 
fie .entfremdet darum nicht der wirklichen Welt, fondern gewinnt 
ihr die Herzen, indem fie dieſelbe anerkennt und verftändlich zu 
machen fudht ats ein unter Gottes eigenleblicher Bor: 
fehbung, nah Gottes ewigen Wefenheits und Leben: 
Gefegen Werden, — bisher Gewordenes und ferner 
u werden Beftimmtes. Durd die Ausficht auf eine befs 
ere Zukunft, weldye fie begründet, verföhnt fie mit dem Unvoll⸗ 
fommenen der Gegenwart, zu deſſen Erfenntniß fie im ganzen 
umfange anleitet, während fie den wahren Werth des fchon 
wirftrich gewordenen Guten erft recht fchägen lehrt. 

Wir fehen fhon aus bdiefen Andeutungen, daß dieſe 
Lehre fih nicht mit „Haß gegen Gott und Haß gegen 
das Beſtehende“ brüftet, wie dies. Bruno Bauer von 
Hegel's Lehre ruͤhmt, daß das Jenſeit in allen Gebieten 
hier Anerkennung findet neben dem Dieffeit. Aber fie 
fieht die Exde nicht als ein Jammerthal an, fondern er⸗ 
tenne das Erdenieben als Selbſtzweck; fie geht nicht aus 
von einer Ungöttlichleit der Sinnenwelt, fondern lehrt, 
daß Die Natur dem Geiſte gleich würdig ifl, und ale 
wichtige Folge, daß aus dem Geiſte nicht mehr, aus ber 
Natur nicht weniger gemacht wird, als ein Jedes von 


ihnen iſt, ergibt ſich dann, daß über beiden au Gott. 


anerkannt wird als das unbedingte und unendliche bie 
Welt wefentlih und weſenheitlich begrindende Wefen, und 
ald Urweſen, als weife, tiebende, gerechte Borfehung, 
als Lebendiger Gott anerkannt wird. Sie erkennt 
das Bereich der perfönlichen Liebe, das Ehethum und 
die Freundſchaft als unantaftbare Grundfeſten der 
menſchlichen Geſellſchaft, als die Geburts und Pflanzfät: 


ten alles höheren Menfchlihen an. Sie will die Religieg 
nicht flürzen, fondern in den Herzen der Menfchen durch 
Mare Erkenntniß Gottes erbauen. Sie verkennt die Wer 
fenwidrigtelten im gegenwärtigen Menſchheitsleben nicht 
aber fie negirt ſich nicht‘ bloß, fondern fucht fie zu heilen. 
Aber fie hofft diefe Heilung nicht blos oder zuerſt vom 
äußern Mitteln, fondern von innen heraus, 

Die Hellung ber gegenwärtigen Disftände, lehrt Kraufe, 
darf nicht allein oder zuerfl von der Verbefferung und 
freifinnigen Neubildung der politifhen SInftitutionen der 
Völker, oder von einer beffern Ordnung der Eigenthums⸗ 
rechte (durch Herftellung eines zweckmaͤßigen Verhaͤltniſſes 
des Privat: und Gemeindebeſitzes und durch Abſtellung des 
Unfugs, der auf den rund von übermäßig ausgedehn; 
ten Privatrechten mit den gefeufchaftlihen Lebensgätern 
getrieben wird) gehofft werden. Ebenſo wenig aber als 
fein von einer mehr nur materiellen Derbefferung des 
Geſellſchaftslebens durch Belebung der Induſtrie, zur Ver: 
mehrung der Lebensmittel und der Erwerbsquellen. Auch 
nit allein duch eine Wiederbelebung und Hoͤherbil⸗ 
dung der chriftlihen Religion, noch von einer richtigen 
Erfaffung des Vechaͤltniſſes von Staat und Kirche und 
dem dadurch bedingten innigen Zuſammenwirken beider, 
noch auch allein von der Erziehung und dem Volksun⸗ 
terrichte, wie wichtig und zeitgemäß auch alle diefe aͤu⸗ 
ßern Hülfen, oder auf einzelnes WWefentliche gerichtes 
ten Beftrebungen fein mögen. Sondern es kommt vor 
Auem darauf an, den ganzen Menſchen zu erfafien, 
bie bee der Menſchheit als des hoͤhern Ganzen — 
das altes Einzeine, alle menſchlichen Vereine, Gefellfchaf: 
ten und Voͤlker als feine Glieder in fich begreift, — ale 
gleihfam eines hoͤhern Menſchen — im Bewußtfein zu 
weden und die weitere Entwidelung dieſer dee der 
Menfhheit ale Eines, in organifcher GSefelligkeit fein Les 
ben bildenden Ganzen — als Einer großen Gemeinde auf 
Erden — aller Edlern werth, und dadurch zum Gegen: 
ftande ihrer vereinten Bemühungen zu machen. 

(Des Beſchluß folgt.) 





Rubini in Petersburg. 


Der große Rubini hatte ſich endlich, nicht ohne viel Mühe, 
bewegen laſſen, feine erfte Reife nach Rußland zu machen. Was 
that Rubini in Rußland? Rubini fang einige feiner fchönften 
Arien, er fang fie vortrefflid. Und Rußland, was that Ruß: 
land? Rußland fiel dem Sänger zu Züßen, die Haͤnde voll 
Diamanten und Perien. Sie waren quitt. Rubini hatte nun 
nichts Beſſeres zu thun, als ſich in ben Privatſtand zurüdzus 
ziehen. Gr wurde erwartet in feiner italienifchen Herrſchaft. 
Geine guten Bauern machten ſchon Anftalten zu feinem Em⸗ 
pfange, die Triumphbogen, unter denen er einziehen ſollte, was 
ren fchon aufgerichtet, die jungen Mädchen in weißen Kleidern, 
die Sreife mit entblößten Häuptern, bie jungen Leute, Kränze 
in den Händen, bie Geifttichleit Heiligenfahnen tragend, Alle 
waren voll Grwartung, voll Freude, voll Stolz, ihrem Meifter 
und Herrn entgegenzugiepen, um fo den legten Pflichten feiner 
Größe zu genügen, hatte Rubini felbft die Anträge, Bitten, 
Huldigungen Frankreichs, feines ſchoͤnen Frankreichs, ausgefchlagen. 
und das Ehrenkreuz. Und nun bewundert bie erhabene Herzens⸗ 
güte biefes großen Mannes! Den Tag vor feiner Abreife 
von Petersburg wird Rubini zu dem Kaifer an ben Hof gie 


1088 


zufen; noch einmal verlangt ber Kaifer ihn zu fehen, ex tft 
antroͤſtlich über bes Sängers Scheiden; nur noch ein Wort, ein 
Tebewohl, und dann auf ewig Lebewohl. Dann wird der Kaiſer 
allein und einfam bleiben in der Berlaffenheit und DÖde feiner 
Faiferlichen koͤniglichen Mafeftät. Rubint hört, der Kaifer wolle 
ton noch einmal ſehen, Rubini, beſcheiden, wie große Kuͤnſtler 


ind, wiligt ein, um vferundzwanzig Stunden feine Reife aufzu⸗ 
e 


fchieben. r Raifer möge vubtg Tchlafen, der berühmte ⸗ 
gr wird morgen in petite tenue im Sommerpalaſt erſcheinen. 


rührendes Scaufpiel! Ihr hättet fehen follen, wie Se. | 


kaiſerlich⸗ Fönigliche Majeftät Rubini bat und flehte, ihn, nicht 
fo geſchwind mit feinem traurigen Geſchick allein zu laſſen, aus 
Gnade und Barmherzigkeit nur noch ein Jahr, ein einziges 
Jahr zu opfern. Schent’ uns den Winter 1843, Meifter Ru: 
bint, laß uns nicht troſtlos, du Winternachtigal, Bulbul des 
Decembermonde, ſchenke ihn unferm ewigen Eis und Schnee! 
Singe noch, finge fort, fei uns die Sonne, uns unglüdlichen 
Franzoſen des Nordens! Rubini mollte anfangs wibderftegen, 
er firkuste ſich. Ihn lockte das Wild des italienifchen Water: 
landes, das nach ibm feine Haͤnde ausfiredte, mit Nofen und 
Myrten befränzt, und zu ibm rief: Komm komm, mein Sohn ! 
Aber endlich — wenn man nun auch der größte Sänger ift 
und der Welt noch fo müde, man hat fein Herz von Stein. 
Gin Kaifer, der mit flehenden Bänden bittet, ift cin großer 
Kaifer. Das Tageblatt feibft von Petersburg, biefes ſtumme, 
maulgelnebelte Blatt, geflebt: „Der Kaifer nahm Rubini's 
beide Bände in die feinigen. Ihr bört es, nicht feine Band, 
nein, feine beiden Hände. Wenig fehlte, daß der Kaifer mit 
dem Geizigen fprach: Rubini, deine Hand, und noch die andere — 
de andere! Solches geſchah, Rubin war beflegt; follte e8 von 


ibn beißen: Se. Mojeftät der Kaifer Nikolaus I. übertraf an 


Großmuth Rubini den Erſten und Lepten? Gr verfpradh zu 
bleiben, er wird bleiben. Aber wie Echade, welch ein Jammer, 
daß Rubini nicht daran gedacht hat, ſich als Abſchlagszahlung 

eichſam auf den neuen Gontract für bdiefen Winter, den er in 
—* zubringen wird, ein Geſchenk, ein Freudenzeichen aus⸗ 
gubitten, eine Kieinigkeit, ein Nichts, die Befreiung Polens, eine 
Tharte, menigftens die Surücberufung der Verbannten aus 
Sibirien. O Rubini, woran dachten Sie? Warum dieſe un: 
felige Uneigennügigfeit? Es hätte Ihnen fo wenig gefoftet! Es 
hätte fo vielen elenden Verbannten, die nun ſterben werden, 
vohne von Ihnen die rührende Arie aus der „Lucia” gehört zu 
haben, folh eine Freude gemadt. O NRubini! Bitten Sie 
4. B., da der Kaifer fo im Zuge war, Ihnen Alles zu bewilligen, 
die klaͤgliche Geſchichte von der Fuͤrſtin Trubetzkoi gavußt, wie 
hätten Sie den Fall dem Kaiſer vorgetragen! Arme, eble 
Fuͤeflin, jedes Lobes, jeder Achtung würdig, und vor Allem 
werth, daß Sie Rubini, ber Einzige, ber ſich ihrer annehmen 
tonnte, the geholfen hätten. Ber Prinz Trubetzkoi wurde als 
Werfchwörer verurtheitt, erft als Sträfling in den Minen bes 
Ural zu arbeiten und dann auf Lebenszeit nad Gibirien zu 
gehen. Er hatte eine Frau, jung, fchön, gefeiert, aus einer 
angefebenen Familie entfproffen. Kaum vernimmt die Yürftin 
das über ihren Gemahl ausgefprochene Urtheil, fo erflärt fie, 
daß fie geben und fein fürchterliches Loos mit ihm theilen werbe. 
ie wendet ſich deswegen fußfälig an ben Kaifer, und ber 
Kaifer, geruͤhrt von To viel Bingebung, von fo vielen Thraͤnen, 
ertaubt der Fürftin, fich mit ihrem Gatten lebendig zu Segraben. 
Sie reift ab, nicht wie Sie reifen würden, König der Zenore, 
in einer bequemen, warmen, von ſechs Pferben gegogenen Ber: 
Une, während die Leibeigenen unterwegs fich vor Ihnen ale dem 
Freund des Kaiſers büden, nein, auf einem offenen Karren, der 
fie Tauſende von Meilen weit über Knittelmege fchleppt, weldye 
Wagen, Erib und Seele gerbreden. Die Seele biefer edein 
Fürftin brach nicht, noch ihr Leib. Wierzehn Sabre lebte fie 
vergraben in den Minen des Ural. Vierzehn Jahre bed Jam: 
mers, der Kälte, des Hungers, ber gezwungenen Arbeit! Bier: 
zehn Sabre! Indeſſen erbarmte fi ber Himmel fo großen 
keidets. Diefem Sträftinge und feinem treuen Weibe ſchenkte er 


vier Kinder, vier Kinder im Abgrunde geboren! Dort hatte fie 
fie empfangen, zur Welt gebracht und aufgezogen. Rad Xh: 
lauf diefer vierzehn Jahre follte der Ungluͤckliche nad Gihirien 
geführt werden. Merten Sie bas wohl, Meiſter Rubini, i. 
birien. Gin ſchreckliches Loos, fo ſchrecklich, daß dic Kürkiz 
Srudegtoi, ihren Stolz beflegend, ein eigenhänbiges Bittgefug 
an den Kaifer richtete. Der Kaifer hatte für den Etxä 

Trubetzkoi und feine Familie einen fo milden, eifigen Fleck ke: 
flimmt in diefer Eishöhle, die Sibirien heißt, daß bie Fuͤrſtin, 
demuͤthig, mit gefalteten Händen (zwei edeln Händen, Händen 
einer Heiligen, die der Kaifer nicht in die feinigen nehmen wird) 
fußfällig bat, ihre vier Kinder von fo zartem Alter, fo unfäul: 
dig und fo fchön, an einen Ort ſchicken zu bürfen, wo fie ein 
milbere Luft als den Eishauch jener Wildniß athmen Ennten. 
Der Brief iſt gefchrieben , fie reift ab. Ein Mann, nein, tin 
Weib findet fi in diefem ganzen weiten Reiche lahn genug, 
die demuͤthige Bitte dem Kaiſer vorzutragen. Jammer! biefe 
heldenmuͤthige Mutter bittet für ihre Kinder um den ewigen 
Winter von Tobolsk, Irkutzk, Orenburg, fonft nichts, und wird 
bie gewährt, fo will fie ihre Kinder für fo gluͤcklich halten, alt 
ob fie innerhalb Ihrer Herrſchaft in Zoscama lebten, Meiſter 
Rubini! Cie fpricht mit der Beredtſamkeit einer Mutter, mit 
Engelzungen, und nachdem die Rache vierzehn Jahre gemäht 
hat. Willen Sie, carino Rubini, was für Antwort der Kaifr 
gab, der Ihre beiden Bände in bie feinigen nahm, ber den 
weint, wenn er fie mit flagender Stimme und lachender Wim 
den kleinen Jammer einer Roffini’fhen Heldin erzäbten hir! 
„Ich wundere mid”, fagte ber Kaifer, „daß man die Keckhet 
bat, der Familie eines Mannes vor mir zu erwähnen, der gegen 
mich confpirirt hat.” In dem Roofe der Kinder biefer Kürfin 
Ttubetkoi hat ſich Nichts geändert. Num fingen Ste, Rubin 
Sie befigen ja das kalſerliche Ohr, fingen Sie mit Ihrer füheln 
Stimme Ihr „Bella alma imamorata”! Erpreſſen Sie Ihränm, 
—* Sie von Lucia, fo viel Ihnen beliebt, aber hüten Sie 
ih, hüten Sie fih, den bewunderungsmwerthen Namen ausje: 
fprechen, den edeln Ramen ber Fürftin von Trubetzkoi. (Journal 
des debats.) 1, 





Literarifhe Notiz. 


Libri’ antijefuitifher Eifer. 

Wir haben in d. Bl. bereitd zu wiederholten Malen die 
treffiihe „Histoire des sciences mathématiques en Itale 
depuis la renaissance. jusqu’a la fin du 18ieme siecle” vom 
Staliener Libri, der bereit eine längere Reihe von Jahren 
in Paris lebt, erwähnt. Wir erhalten gegenwärtig von dickm 
intereffanten Werke, das auf ſechs Bände berechnet iſt, den drik 
ten und vierten Band. Seitdem hat fid aber Libri, ber Mitglied 
der Acadömie des sciences iſt, ald einen ber energifhlken 
Geinde der Jeſuiten und den Iebhafteften Wertheibiger der Uns 
verfität, d. h. des gefammten franzoͤſiſchen Unterrichtämelens 
gezeigt. Seine Auffäge, die auf diefe wichtigen Fragen Bau 
hatten, flanden in ber „Revue des deux mondes“, bie ver 
einigen Jahren einige frefftiche Artikel Über die neuere italienijſche 
Literatur aus feiner Feder brachte. Dögleich Xrago und ſein 
liberaler Anhang in der Afademie ihm gewiß bei Bekämpfung 
ber immer mehr um fi greifenden Ufurpation von Eeitn 
der Geiſtiichkeit im Allgemeinen beipflicdyten wird, fo fan 
biefe Partei es Libri doch nicht verzeihen, daß ſich derfelbe wit 
ſchon bei verfehiedenen andern Gelegenbeiten zum entſchiedene⸗ 
Streiter für die Sache bed Minifteriums aufgeworfen bat. 
Man bat deshalb neulih, als Libri zum Nachfolger des ver 
ftorbenen Lacroix ernannt wurde, wenigftens indirect protefirt. 
Arago, ber, wie ſich denken läßt, auf bie Acadsmie des sciences 
einen bedeutenden Ginfluß ausübt, ſoll nämtich die Mehrzahl 
veranlaßt haben, als die getroffene Wahl. bee Acndemie gu 
Begutachtung vorlag, durch weiße Stimmzettel gu erkennen hu 
geben, daß man ber Entfcheidung des Minffteriums nit ber 
pflichten koͤnne. 2. 


Berantwortliher Deraußgeber: Heinrich Brockhaus. — Drud und Verlag von $. X. Brodpaus in Leipzig. 











Blätter 


für 


literarifhe Unterhaltung. 





Freitag, — Sir 272. — 





Die neueflen Bewegungen auf dem Gebiet der 
Philofophie der Geſchichte. 
(Beftus med Sr. ML) 


Es wird von Kraufe als eine nothwendige Bebingung 
anerkannt, um die Menfhen dem Guten geneigt zu mas» 
chen, daß man fie zuerft in die äußere (materielle) Mög: 
tichkeit verfege, ein menſchliches Leben zu führen; allein 
«6 wird auch amerfannt, daß, um zu biefem Imede zu 
gelangen, noch ganz andere Mittel und Kräfte erfoderlich 
find, als fie der Staat durch feine Behörden zu entfal: 
ten vermag, daß man daher nicht Alles vom Staate er: 
warten darf. 

Wenn es eine große Wahrheit tft — fagt Kraufe —, baß 
dem Menſchen durch die göttliche Fuͤrſorge, im rechten Gebrauch 
der Vernunft und der Naturkräfte, alle Dittel des Guten gege⸗ 
ben find, unb daß nah und nach alle ben Menſchen nieber: 
drüdenden, bie Erreichung feiner Beſtimmung beeinträchtigen: 
den Arbeiten durch Mafchinen geleiftet werden können, fo ift es 
anbererfeit® nicht minder wahr, daß, wenn biefe durch die Kunft 
im reicher Maffe erzielten Güter der Menfchheit zum Gegen 
gereihen follen, eine andere als die bisherige Haus: 
haltung bamit begonnen werden müſſe, und daß dem 
GStaate Hierin ein Zuſammenſtehen Aller in Ehre umd Liebe zur 
Seite gehen, ja daß feine Wirkfamkeit duch einen Organis:- 
mus freier Vereine vorbereitet, unterſtützt und 
das Wirken ber Legtern erfi erfolgreih gemadt 
werden mäffe. Überhaupt ift in allen gefelifchaftlichen Ein: 
eichtungen det Grundſatz durchzuführen, daß Erziehung zur 
Zreibeit der Anfang ber Regierung iſt, und daß bie 
Erziehung für eine, in allſeitiger geſellſchaftlicher Berathung 
als wmufterbildiidh erfannte neue Lebensorbnung mur dann von 
ganzem Erfolge fein kann, wenn fie alle Stufen bes ke: 
bens begleitet und Feine einzelne oder gefellige 
Derfon einer zufättigen Entwidetung preisgibt. 

Kraufe fieht die Wiflenfchaft und ihre organifche Ans: 
bildung als die nochwendige Grumbbedingnif auch ber 


fitttichen Entfaltung der Menſchheit an. Er Hofft von 
the, daß fie ale Höhere Macht wirkt, von deren Zahlen 
jede einzelne eine unendliche Rede böfer Zahlen bemältige. 
Das Beben, lehrt er, fei eine Kunft, die mur in ſteti⸗ 
ger Beſonnenheit ihres Gefeges gebt werden könne. Die 
Menſchheit, lehrt er, fei eine Höhere Perfon, die ebenfo 
ſche eines Gewifſens bebürfe als der Einzelne. Ober, 
um ganz mit Kraufe zu fprechen: Es iſt Eine Menſch⸗ 
beit in Gott, oder Gott I in fih auch die Eine 
Menſchheit. Diefe iſt in fi) unendlich viele Einzelmen⸗ 


hen, welche in leiblicher Hinfict im unendlichen Raume, 
als felbfiändige Einzelweſen vertheilt, ſterblich, in Din: 
fiht auf die Lebensvereinigung des Geiles, mit dem 
ſtofflichen Gebilde eines urendlichen Leibes; der Grund⸗ 
wefenheit nach aber ewig und unſterblich find. Gott 
waltet unbedigt frei in feinem einen innern Leben, auch 
in ben Leben der Menſchheit, dieſer Theilmenſchheit auf 
Erden, wie in den inzelleben jedes Einzelnen. Aber 
auch jedes Weſen in, Gott ift auf feine eigene Weiſe, 
in feinem igentebengebiete, mit feiner Eigenkraft mit: 
wirffam in und an dem einen Lebenswerke Gottes. 
Alſo iſt auch die Menſchheit diefer Erde und jeder eins 
zelne Menſch nad) der Stufe der Einfiht und ber Ge⸗ 
finnung eine in ihrem Gebiete freie, ſelbſtaͤndige, unter: 
geordnete (aber nicht ifolirte), organifch = verbundene, mit: 
wirkende Kraft des ſich fletig forebildenden Lebens und 
der einen Gefchichte. Die -gefammte Beſtimmung des 
Menfchentebens ift organiſch⸗ harmoniſche Entfaktung def 
felben nady allen Momenten und Stufen in Wiffenfchaft, 
Gemuͤthleben, Sittlichkeit, Recht und Tugend, Erziehung 
und Bildung und im ganzen Gebiete der Kunft, und 
zwar in Gottinnigkeit, Gerechtigkeit, Schönhett ſowol je⸗ 
des Menfchen ats Individuums in ſich, als auch nach als 
len grundgefelifchaftlihen WBereinigungen der Ehe, ber 
Freundſchaft, der Kreigefelligkeit jeder Ortsgeſellſchaft, des 
Stammvereins, bed Dolls, des Wölkervereind unb zu⸗ 
hoͤchſt der Menſchheit als eines organifhen Geſellſchaft⸗ 
vereins und zugleich im werkthaͤtigen Vereinen für Wif: 
fenfhaft, Kunſt, Zugend, Recht und Wefeninnigkelt 
dazuleben. 

In dem einen Gebote: ſei Menſch, liegt das ganze 
Sittengeſetz, das hoͤchſte Geſetz verborgen. Die ganze 
Kraft und Fülle dieſes Gebots Legt Krauſe aber in folgen: 
ben aligemeinen und befondern Geboten auseinander. 


Allgemeine Gebote. 

Du ſollſt Gott erfennen, anbeten, lieben und heilig halten. 

Du fell die Vernunft, die Rasur, und bie Menſchheit und 
ale Weſen in ihnen erkennen, adıten, lieben und heilig halten. 

Du folk dich felbft, als Gottes Gefchöpf, als ſeibſtaͤndi⸗ 
ges und als geſelliges Weſen, erkennen, achten, lieben und hei⸗ 
lig halten. 

Du ſollſt als ganzer Menſch leben. 

Du ſollſt deinen Geiſt und deinen Leib, und beide, ſofern 
ſie Ein Weſen ſind, erkennen, achten, lieben und heilig halten, 


daß jeder für und beide in ihrem Bereinleben, vein, gefund, 
kraftvoll und ri und du ein harmoniſcher Menſch Teieft. 

Du fouft tugendhaft fein, aus reinem, freiem Willen. 

Du foüR gerecht fein gegen alle Weſen und gegen bid) 
ſelbſt, aus reiner freier Achtung. 

Du folk liebreih fein gegen alle Weſen und gegen dich 
ſelbſt, aus reiner freier Neigung. ' 
< Du follft gottinnig fein, und in ber Gottinnigkeit vernunfts 
innig,, naturinnig unb menſchheitinnig aus reinem freiem Ge⸗ 
müthe, jedem Leben, jeder Freude, jeder Liebe hold, 

Du four das Wahre, als Eine Wiſſenſchaft, im Spiegel 
deiner reinen Seele, gottinnig und gefellig erforihen. - 

Du ſollſt das Schöne, als das Gottaͤhnliche in bem Einen 
geben aller Weſen in Bott und in der Geſtalt aller Weſen, 
rein erfennen, und in reinem Kunfttriebe in deinem Lebenkreife 


büden. 

Du ſollſt dich feibft erziehen und bilden, unb die erziehen: 
den und bildenden Einflüfle Gottes und der Welt mit freier, 
befonnener Kunſt in dich aufnehmen. 

Befondere Gebote, die aus den allgemeinen 
fließen, zugleidh als verbietende. 

Du ſollſt das Gute nicht thun, weil du hoffeſt, noch weil 
du fuͤrchteſt, noch um der Luft willen, fondern weil es gut iſt; 
dadurch wirft du erfüllt werden mit Einer Hoffnung auf Gott, 
daß du dich furchtlos, aber voll heiliger Scheu, deines Lebens 
in Gott erfreueft. Du fouft das Recht thun, nicht weil es bir 
muͤht, fondern weil ed recht iſt. 

Du ſollſt aller Weſen Bollkommenheit befördern und allen 
empfinbenden Wefen Wohlgefühl und Freude bereiten, fo weit 
deine Kraft reicht, nicht um ihres Dankes und ihrer Wieder⸗ 
vergeltung willen, und ohne ihre felbftgefegmäßige Freiheit zu 
ſtoͤren; und Dem, ber dir wohlthut, ſollſt du dankbar fein. 

Du follft keinem Wefen geneigt fein, und ihm wohlthun, 
nicht um deiner Luft und deines Vortheils willen, ſondern weil 
diefes Weſen gut und fchön und mit bir zugleidy in Gott, ale 
Glied Eines Lebens ifl. 

Du foltft gefellig fein, nicht aus Eigennutz, noch Eüfterns 
heit, fondern keuſch und ſchamhaft; und dich mit andern Weſen 
lebend vereinigen nur aus Liebe und nur um Liebe. 

Du fouft zu dir felbft, als Gliede ber Menfchheit, keine 
Vorachtung noch Vorliebe haben, fondern deinen Mitmenfchen 
achten und lieben als dich felbft. 

(Du foift das Wahre annehmen, nur fo weit du es felbft 
ſchaueſt, nicht weil bu anfchauft, daß ein anderes Weſen fagt, 
daß es ein Wahres ſchaue; und ohne eigene freifelbftthätige 
Prüfung folft du nichts weder annehmen, noch verwerfen. 

und das Schöne follft du Lieben und leben, nur weil es ein 
Theil des Guten ift, nicht weil es dich ergöget.) 

Du fouft nicht hochmuͤthig fein, noch ein Selbſtling; nie 
träg fein, nie lügen, nie heuchein, nie did) verflellen (nie zürnen, 
nie ungebulbig fein, nie trogen, nie reizen, nie necken, nie ſpot⸗ 
sen); nicht neidifch, ſchadenfroh, noch rachſuͤchtig fein; fondern 
befcheiden,, gemeinfinnig und genuͤgſam; arbeitfam, wahrhaft, 
lauter und offenherzigs genügfam, froh über Anderer Wohl und 
zum Berzeiben geneigt. 

(Du follft rein und ganz vom Boͤſen laſſen, und das Boͤſe 
mit nichts entſchuldigen noch beichönigen.) 

Dem Böfen follft du nie Boͤſes entgegenfegen, fonbern nur 
Gutes (und unermüdet immer wieber nur Gutes, und ben Gr: 
folg und überhaupt alles Andere Gott überlaffen): 

Dem Irrthume die Wiffenfchaft, dem Wefenwidrigen das Le⸗ 
bendige und Schöne, dem Rafter die Tugend, bem Unrechte 
das Recht; dem Haſſe die Liebe, der Yeindfchaft reinmenfch 
liche Zuneigung, der Zrägheit den Gifer, dem Hochmuthe Bes 
ſcheidenheit, der Selbſtſucht Bemeinfinn und Genügfamteit, 
der Lüge Wahrhaftigkeit (dem Zorne liebrinnige fanfte Freund» 
lichkeit, der Ungeduld bereitwillige Geduld, dem Zroge zart: 
sefellige Nachgiebigkeit, oder ernftruhige, unftreithafte Aus⸗ 
* führung des Guten, dem Heizen gottinnige Ruhe und Lieb⸗ 


flellen, mit Nothwendigkeit, doch unter Mitwirkrng ihnt 


potte ruhigen Ernſt, der Raubſucht Frägebigkeit. 

So folft du das Boͤſe nicht mit gleichen Mäaffen, fenters 
nur mit den Waffen ber Gottinnigkeit, ber Tugend, der Se 
rechtigkeit, des Wahren unb des Schönen bekämpfen, und an: 
ders fouft du dich ihm nicht widerfegen. 

Und dem Übel, weiches bir in ber Weltbeſchraͤnkung nad 
Gottes Willen widerfaͤhrt, ſollſt du nicht Zorn, nicht Unmut, 
nicht Trägheit entgegnen, fondern in ruhiger Ergebung in Set, 
mit befonnenem Muthe, mit munterm Fleiß, und mit auffin: 
bender Kraft ſollſt du es ertragen, und, mit Gottes Hilfe, 
überwinden. 

Man vergleiche diefe Gebote mit den zehm Geboten 
Mofis, mit Dem, was unfere chriſtlichen Moralichrer as 
Kern chriſtlicher Sittenlehre abflrahirt haben, und mar 
wird einen fehr großen Weiterſchritt bemerken; hält man 
fie aber nun gar an die large Moral, die ſich in das &e 
ben aller Kreife der Geſellſchaft eingefchlichen hat, fi 
möchten Wenige fein, bie nicht erröthen müßten, wen 
fie ihe Thun damit vergleichen. Hier höre ich nicht nur 
Edgar Bauer, fondern eine ganze Schar Dichter oder 
folchye, die e6 fein wollen, Zagsliteratoren u. f. w. auf 
fchreien:: weich Iangweiliges Leben! 

Hr. v. Leonhardi hat diefen Vorwurf gleichfalls im 
voraus geahnt, und fagt deshalb in feinem Vorberichtt: 

Die Herrſchaft der Vernunft und damit auch vollendete 
Religion wird weder zur Alltäglichkeit und Langweiligkeit füh 
ren, noch wird fie durch kirchliches Formelweſen das Grab un: 
ſchutdiger Freude und freien gefelligen Ergehens werben. Dem 
in Arbeit und Spiel, in Scherz; und Ernft und nur in lebe: 
lem Wechſel von biefem Allen vermag das Leben ber Menſchheit 
feine höchfte Beftimmung zu erreichen, worach es eine fletige, 
des Menſchen als göttlichen Ebenbildes würbige, bie gang 
menfchliche Wefenheit Tpiegelnde Innigung bes ganzen Menſchen 
mit Gott, Ein ftetiges Gebet des ganzen Rebens fein fol. 

Wie wir bisher einige Lehren Kraufe's aus dem um 
endlichen Reichthum feines Syſtems geriften haben, um 
fie den Lehren der gegenwärtigen Phitofophie ſowol a 
den Empirikern und Dogmatikern entgegenzuftellen, fo 
wollen wir nun auch kurz die Art und Weiſe feine Gr 
ſchichtsanſchauung mitthellen. 

Dem vorwifienfchaftlichen Blicke des Menſchen erfcheint 


"die Geſchichte der Völker und der Menfchheit, ſowie felbt | 


die Gefchichte feines eigenen Erdenlebens, als ein geſch⸗ 
loſes Ganzes. Der grundwiſſenſchaftlich gebildete Geiſ 
erdennt aber da6 Leben auch dieſer Menſchheit, tıet 
aller Misbildungen und Entartungen, Lüden und Fleden 
in denfelben, als eine gefegmäßige, organifche Entwide 
lung. So Kraufe; er lehrt, das Wefen, das Ganze alle 
göttlichen Wefenbeiten, an jedem Lebensindividuum un 
in jebem Lebensgebiete auf eine beſtimmte Weife dargeftcht, 
daß die enblihen Wefen, gemäß der Stufe, die fie im 
Gliedbaue des Weſens einnehmen, den Stiebbau ber göttib 
hen Weſenheit in gefeumäßiger Folge nacheinander dar 


) Ur⸗Achtung in Gott. 





10p1 


Sreibeit barfieen, und zwar unendlich viele Dale in der 
unendlichen Beil. Was ewiger Weife zugleich und ohne 
Zeit ift, wird in der Zeit neben, mit und nadeinander. 
Die vollendete Endlichleit und Beflimmtheit, bezogen zu 
der endlichen Zeitdauer, zu der Ziefe der Wefenheit, und 
der darin liegenden Möglichkeit geben diefes Refultat. 

Aus den Grundwefenheiten Gottes und jedes endli⸗ 
hen Weſens beducirt Krauſe dann drei Dauptiebensalter 
auch der Menfchheit,, zu vergleichen dem Alter der Kind: 
beit, der Jugend und dem Alter der Reife. 

In die weitere Gliederung diefer Lebensalter einzuge⸗ 
ben, zu prüfen, mit welhem Gluͤck oder Geſchick Kraufe 
in der bisherigen Geſchichte der Menfchheit diefe Haupt: 
Icbensalter auffindet, wie er dad Wefentliche aus dem 
fiheinbaren Chaos der Geſchichte herausfindet und ver: 
geiftige, müffen wir unfern Leſern überlaffen, denen Die 
bier mitgerheilten Bruchſtuͤcke Luft gemacht haben, nd: 
here Belehrung aus der urfprünglichen Quelle ſelbſt zu 
ſchoͤpfen. 

Ohne zu verkennen, daß ſich Voͤlker und Einzelne 
noch in allen Lebensaltern und auf allen Lebensſtufen 
finden, iſt Krauſe's Anſicht, daß wir an den Pforten des 
dritten Hauptlebensalters, des Reiflebensalters ſtehen, wo 
das Leben nach innen und außen ſeiner Vollendung nahe 
kommt, ja diefes Lebensalter hat ſchoy in Geiſt, Gemuͤth, 
Willen und Streben vieler einzelnen Menſchen begonnen. 
Diejenigen, welche im Geiſte des dritten Hauptlebensalters 
leben, ſollen aber beſtrebt ſein, daß hauptſaͤchlich folgende 
Grunduͤbel aus dem Leben der Menſchheit entſchwinden: 
„I1) Zwangsgewalt, Zwingherrſcherei jeder Art und jeden 
Gebiets, und zwar leibliche und geiftige Zwingherrſcherei. 
2) Der blinde, d. i. der unbegründete,, blos individuell 
perfönliche Satzungsglaube in jeder Art und in jedem 
Gebiete, welcher und fofern er ohne die Grundlage der 
ewigen und zeitlichen Wahrheit ifl. 3) Das Grundübel 
der Hehlerei und der Geheimſucht in allen Gebieten. 
4) Das reihe Gebiet des Ungluͤcks und Zufalls (jeder 
Art) foll vermindert werben.” 

Sm Sinne dieſer Grundanfichten eifert Kraufe dann 
namentlih aud gegen Vernachläffigung der rauen und 
Kinder, &Haverei und Sklavenhandel, irreligiöfe Unduld⸗ 
ſamkeit und Bevorcechtung der Bürger bes Staats als 
Religionsgenoſſen, bei abgöttifher Verehrung einzelner 
Menſchen, gegen Zwangbuhlerei im unechten Ehebette (er 
will Trennbarkeit der Ehe, wenn bie Liebe erlofchen), da= 
gegen, daß es für Könige, Mächte und für diplomatifche 
politifche Verhandlungen nody eine befondere Moral gebe, 
wonach z. B. ein Autoktat gar keiner moralifchen Baur: 
theitung von Menſchen fol unterzogen werden können 
(untergeorbneter Standpuntt). 

Er will, daß die beftehenden Geſellſchaften im Geiſte 
des dritten Hauptlebensalters der Menfchheit gereinigt, ver- 
edelt, höher gebildet werden, daß die noch fehlenden Ge⸗ 
feufchaftswereine hergeftellt, daß die Freigefelligkeit befördert 
werde, vor Allem aber fodert er auf, das Schliefen und 
Gedeihen des von ihm zuerſt verfündeten alloffenen 
Menfchheitsbundes zu fördern, in welchem er die 


leitende und tegierende Grundidee bed kommenden, und 
nun fchon begonnenen Zeitalter® erblickt, 

Der Derausgeber hat, im Geiſte Krauſe's, die Höchfte 
Michtigkeit darauf gelegt, die Priorität diefes Gedankens 
demfelben zu vindicicen, und darlber verabfäumt, uns naͤ⸗ 
ber in die Anfchauungen einzuweihen, welche Kraufe von 
dieſem alloffenen Menfchheitsbunde hatte. Wir werben auf 
die folgenden Theile des Nachlaſſes verweiſen. ‘ 

Gern theilten wir Krauſe's Lehre vom Boͤſen, dem 
Lebenswidrigen, bier noch mit, weil fie den einzeln ges 
nommen ſchrecklichen Gedanken, urviele Menfchen fchlas 
gen ſich todt in jedem Augenblide, urviele Mütter mors 
den ihre Kinder in dieſem Augenblide, unendlich viele 
Menfhen luͤgen und heucheln u. ſ. w., feine Schrecklich⸗ 
keit nimmt, und auch das Boͤſe als Gott-⸗Beſtaͤtigung 
erkennen lehrt, fuͤhrten uns dieſe Lehren nicht zu den 
feinſten, ſpeculativen Begriffen, welche in d. Bl. nicht 
an ihrer Stelle ſein moͤchten. Aber wir koͤnnen nicht 
unterlaſſen darauf aufmerkſam zu machen, daß die leben⸗ 
weſentlichſten Begriffe, die felbft im Bewußtſein der mel: 
ſten Gebildeten erft verworten bämmern, geklaͤrt und 
gefchieden find wie nie vorher; wir meinen die Ideen 
und Begriffe: Religion, Recht, menfhlide Be: 
ffimmung auf Erden und nad diefem Leben, 
Naturgefeg, Beift, Seele und deren Berbält: 
niffe zum Zeibe, Bewußtfein, Erkennen, Füh⸗ 
len, Freiheit des Willens, Grund, Urfache, 
Mittel, Bedingung, Leben, Werden, Berge: 
ben, Zeit, Ewigkeit, Kraft, Stoff, Naturges: 
bilde, Möglichkeit, Gutes, Boͤſes, Sünde, 
Schuld, Erziehung, Regierung, Staat, ers 
laubte Mittel u. f. w. Diefe Begriffe aber find ges 
ade die Angeln, worin ſich unfer ganzes Leben bewegt, 
und ohne ihre wiſſenſchaftliche Aufklärung tappen Voͤlker, 
Regierungen und Einzelne im Dunkeln und werben Beute 
der einfichtsfcheuen Selbſtſucht. 

Menſchen aber — fagt Kraufe —, welche bie Finfterniß 
hüten, aus guter, aus übler Abſicht, gleichen Denen, bie auf 
den Bergen fhünden, um bei anbrechender Dämmerung daß 
Überhandnehmen des Lichts zu verhindern. Oder im Frühling 
das Ausbredyen der Knospen und Blumen zu verwehren. Wo 
nur erft die höhere Sonne ſcheint! Sie rüdt höher. Wir wer⸗ 
den uns Alle darin erkennen, verföhnen. Die auf dem Berge 
werben fie zuerft ſehen und benen in den Thaͤlern nicht verbins 
dern, nicht verheimtichen Eönnen. Denn Die unten feben bie 


Berge ſich vergolden und.balb, wenn bie Sonne fich hebt, ers 
blicken fie Alle. 


Zugleich mit biefer Philoſopie ber Geſchichte iſt der 
dritte Band von Krauſe's „Religionsphiloſophie“ erfchies 
nen, der eine Kritik der Schleiermacher'ſchen Religions: 
philofophie enthält und daher in unfern Tagen wie ges 
eufen kommt. 9. A. Oppermann. 





= 


Aus dem Böhmermalde, von Joſeph Rank. Leipsig, 
Einhorn. 1843. 8. 1 Thir. . 
Die Ethnographie Böhmen ift in ber Neuzeit mannichfadh 
vorgefchritten; auch der Böhmerwald, dieſes Urgebirge mitten 
in Deutfchland, ift der Aufmerkſamkeit der Korfcher nicht ents 
gangen. Gelehrte wie Zippe, Lindaker u. A., haben mannich⸗ 


1092 


faltige Beobachtungen über benfelben angeſtellt. Über die We: 
wohner feisft ift indeß noch wenig Sicheres bekankt geworben, 
und boch hängt gerade von ben Bewohnern des Boͤhmerwaide 
und ihrer geiltigen Beſchaffenheit die Entſcheidung einer ber 
wichtigften ragen der Geſchichte ab, inwieweit hier die deutſche 
Bevölferung eine urfprängliche oder cine fpäter eingewanderte 
zu fein feheint. In oiefen Urmälbern, welche felbft gegenmärtig 
noch nicht einmal im deſtimmte Reviere abgetheitt find, ſodaß 
fie „jeder Wefiger nach Bedarf nägt”, mußte fi) aud die urs 
rüngliche Bevolkerung am längften und ſicherſten erhalten. 
3 Rank hat befonders die Deutfchen biefer Gegend zum 
genftande feiner Berobachtung erwaͤhlt. Rachdem er über ben 
„Sauptag” feiner Beobachtungen einen kurzen Bericht geger 
ben, bemerkt er von bem Wolke ſelbſt, daß: „dieſe Deutichen 
muſikaliſches Talent und Wortiebe für bie Mufit gleich den 
eigentiichen Böhmen befigen. Faſt jedes Dorf hat feine Muſi⸗ 
fanten. Gpielt der gegenwärtige Bauernfohn nicht Geige oder 
Gtarinette, fo beweift eins dieſer Inftrumente, in der tube 
anter verfchiebenen Handwerkszeugen bängend, daß der Water 
ober Großvater fpielte. Richt minder flab fie für Nationals 
efang eingenommen. Unzählig find Voiksmelodien und Terte. 
—* der Jodler iſt da zu Hauſe. Jaͤhrlich componiren die 
Burſchen einzelner Dörfer Melodien und Terte und die gelun: 
genften werden allgemein. Das muſikaliſche Gehör bemeilt fi 
vadarch, daß bie fchlechtefte Stimme im Chor wenigftens feine 
Mistöne nimmt. Am Tage widerklingt Haus und Feld von 
Liedern. Naͤchtlich durchziehen erwachſene Burſche jingend die 
Dörfer. Nicht nur heitere, Tondern auch rührende und ernfte 
Lieder werben gefungen, und wenn ein ſolches durch bie Mitter⸗ 
nacht tönt, da richten ſich Väter, Mütter und Jungfrauen im 
Bette auf, bis ſich die Sänger entfernen.” Beinahe Wort 
für Wort erzählt Daffelbe der ruſſifche Romanſchriftſteller Gogol 
in feiner ukrainiſchen Novelle „Anna. Aber auch in dem übris 
gen Buche kommen nod häufig Sitten und Gewohnheiten vor, 
werde aus erſter Band dem Kenner die gleichen flawifchen ins 
Gebdaͤchtniß rufen. Wie viel hieran das nachbarliche Zufanımen, 
when Schuld fein mag, laͤßt ſich nicht erklären; wenn es aber 
niemals inniger gewefen wäre als es der Verf. aus ber Gegen: 
wart darftellt, fo müßte man die Urfache diefes Zufammentref: 
fens wol in andern Dingen ſuchen. Indeß das Gebiet der Hy⸗ 
potheſen iſt zu groß und kennt dann nicht fo leicht eine Grenze. 
liter das nachbarliche Verhältniß gegen die Böhmen fpricht fi) 
der Verf. ziemtich feft aus. „Die Deutſchen“, fagt er, „zeigen 
für Böhmen als Vaterland feine Vaterlandelicbe.” Der Boͤhme 
werde durch bie drüdende Lage (in welche er von ben Deutfchen 
geſetzt ift) dumpf, verſchloſſen, argwoͤhniſch, oder wenn er aufs 
thaue, laͤſtig fhmeicheind; harmlofe Froͤhlichkeit zeige er nie. 
Einmal aus dem Dunkel feines Irübfinns getreten, ſchwinge 


Bingerzeig, auf welche Welfe ſich die boͤhmiſche Ration allmätig 
und freiwillig germanifiren bieße, wenn man aunders es miät 
für einen Frevel bielte, ein ganzes Volk noch länger in Knech 
ft, Unwiffenbeit und SSoheit zu belaffen.) (in deutſcher 
urſche aber werde nie im Dienfle eines den Haufes 
gefunden. Miflgungsbeirathen geſchehen nur hoͤchſt felten, äufer 
bei aemifchter Bevdlkerung in einem Dorfe. „Ber Verkeht 
zwiſchen dem Deutſchen und Böhmen wieb, two er niät noth⸗ 
wendig ift, nicht geſucht; viel Lieber bat man mit den anſtoßen 
den Baiern zu ſchaffen, weil hier das Nachbarvolk viel üer 
einffimmung in Tracht, Dialeft, Sitten und Gharakter zeigt." 
Eine eigenthuͤmliche Sehnſucht zieht die deutſchen Maͤdchen und 
Burfchen diefer Gegend nadı Wien, welche ſich oft zum unwider 
ſtehlichen Heimweh fleigert. Zropdem aber befeelt fie eine ſolche 
Liebe zu ihren heimiſchen Bergen, daß fie dennoch immer wie 
der in die Heimat zurüdlehren. Bei den Volksfeſten komme 
die in Wien Dienenden bäufig nach Daufe, wobei fie den Weg 
von 40 Meiten zu Buß und „mit einer Wegzehrung om 
30 Münzkreugern und ohne Mildthaͤtigkeit anzufpreden” zurkd: 
legen. ber die Sitten. und Gebraͤuche verfudgt der Verf. durch 
einzelne Darftellungen deutlich zu unterridgten. Unter denfelben 
baben uns der „Tanz“, die ‚„Dochzeit”, die „luſtige Burfhen 
nacht“, die „Gratulationen“ und das „Kirchweihfeſt“ am beften 
gefallen. An fie ſchließt fih der „„Winterabend‘ umd eine Reihe 
Sagen und Märdyen, fowie die Wollsnovellen gut an. Do& 
teifft der Berf. wie und duͤnkt, nicht kberall ben rechten Bell: 
ton, was um fo ſchwerer iſt, jemehr ſich berfeibe vor der in 
der Volksſage herrfchenden Derbhrit, welche das Gebiet des Gr 
meinen nicht feiten betritt, hüten zu müffen geglaubt hat. Aut 
biefem Grunde ift denn auch feine Überfegung ber Volkelieder 
nicht feiten freier als man fie bei ilderfegungen aus ganz frem 
den Sprachen gutheißen wuͤrde. Das Moll if derb, öfter 
aud) ‚gemein; aber lächertich iſt es, baffelbe ale zartfuͤhlend un 
überall mit erhabener Gefinnung zu fhildern. Wahrheit git 
überall und macht keine Schande. Wie ſehr fich der Def. in 
der Darftellung von Bolkscharafteren vergriffen hat, zeigt ım 
beutlichften fein Fallſtaff 11. Liber den Abergtauben bes Bor 
bringt dir Verf. recht ergoͤtzliche Sachen zum Vorſchein. Di 
wenigen Proben von Voilksliedern laſſen ahnen, daß fid hie 
unter vieler Spreu noch mandjes volle Korn Borfindet. Schade, 
daß der Berf. es nit fammelte. Vielleicht thut er ed abch 
es wäre ein intereffanter zweiter Theil zu diefem iatereſſanten 
unb werthvollen erften. 3 9. Zorden. 





Literarifhe Notiz. 


Neue engliſche Reiſewerke. | 
Ausgeftattet mit einer ausgedehnten Karte des Kitmens | 

von Chamouni, mit lithographirten Anfichten und Holzfänitten 
erfhien: „Travels through the Alps of Savoy and other 
parts of the pennine chain, with observations on the phe 
nomena of glaeiers”, von 9. correſpondirenden 


er die ſauſende Fackel wilder Luſt, um dann auf lange wieder 
einem Robotpflug (Hofedienſt) in traͤger Verſunkenheit nachzu⸗ 
chlendern. „Dieſer arme Czeche weiß“, ſagt der Verf., „daß 
ihn ſein Fleiß in hoͤchſter Potenz auf keinen gruͤnen Zweig 
bringe; daher kein Funke Neuerungs⸗ oder Befferungsgeiftes, 
Wenn eine Familie zu zahlreich wird, fo treibt man (das ift: 


- Monalleben ber Deutſchen finden. 


die Herrſchaft) die Kinder wie entbehrliche Schafe in alle Weit. 
In der Fremde erfi, wo er mit feinem Fleiße frei ift, beweift 
dieſer Czeche die unbändigfte Ausdauer, Sparſamkeit, Mäßig: 
keit, Ernſt, Geſchick und Luft zu jeder Fräftigen That. Was 
würde biefes Volt aufbauen, wenn es zu.einer großen That 
ebenfo gefucht und gerufen würde wie zum Bau von Bäufern 
und Palaͤſten in der Fremde.“ Diefe fcharfe Berfchiedenpeit 
des Nationalcharakters balte ben Deutfchen und den Czechen 
„natürlich, nicht aus Daß’ ‚voneinander fern. Die ungluͤckiüchere 
age bringe mandyen böhmifchen Burfchen dahin, ſich den Deut: 
hen näher anzufchließen, daß fie in beutfhen Dörfern zu 

enfte geben, wo fie dann ein tebhaftes Vergnügen am Na: 
(Es ift dies der deutlichſte 


Mitgliede des Inſtituts von Frankreich und Profeffor di 
Naturphilofophie an ber Univerfität zu Edinburg. gerut: 
„Personal observations on Sindh, the manners and custom 
of its inhabitants and its prodactive capabilities; wirk 4 
narrative of the recent events”, mit Karte und Iufte | 
tionen von Gapitain Poftans; ‚Guide t0 the highlands and 
islands of Scotland, induding Orkney and Zetland; deserip- 
Live of their scenery, statistics, antiquities and natur 
history, with numerous historical and traditional notice”, 
von George und Peter Anderfonz „Steam voyages on the 
Seine, the Moselle and the Räine, with railread visiu W 
the principal cities of Belgium ete.” (2 Bbe.), von 3. Di, 

mit Suuftrationen. 18. 





Berantwortliher HGerausgeber: Heinrih Brockkhaus. — Drud und Berlag von F. W. Bro@haus in Leipzis. 











Bldeter 


literarifche 


für 


Unterhaltung. 





Sonnabend, 


—— Nr. 273. — 


30. September 1843. 


Das Delameron bed Giovanni Boccaccio. Aus 
dem Stalienifchen überfegt von Karl Witte. 
Zweite verbefierte Auflage. Drei Theile. Leipzig, 
Brodhaus, 1843. Gr. 12, 2 Thlr. 15 Ngr. 

Das „Dekameran” gehört zu den nicht alternden Er⸗ 
zeugniffen der ſchoͤnen Literatur, und die Gunft, melde es 
ſeit Jahrhunderten genoffen, wird ihm erhalten werden, 
fo lange die heitere Poefle, der gefunde, berbe Scherz und 
das zauberifche Idiom feine Freunde behält. Schon im 
15. Jahthundert fuchte Deutfchland diefen Schag durch 
Überfegungen ſich anzueignen, deren Anzahl in neuerer 
Zeit duch Soltau, Schaum, Röder u. A. vermehrt wor: 
den ift. Der legte und, wir dürfen ed von vorn herein 
fagen, verdienfvolifte Überfeger ift nun Hr. Witte, der bes 
kanntlich Italiens Geſchichte und Literatur zum Gegen⸗ 
ſtande großer und fruchtbarer Studien gemacht hat. Doch 
arſt in dieſer zweiten verbeſſerten Auflage iſt die Übers 
fegung gänzlich fein Eigenthum geworden, wie uns die 
fata libelli beweifen. In ber erften Ausgabe nämlich 
hatte Hr. Witte eben bie erften vier Tage überfegt, ale 
dringende Gefchäfte ihn nöthigten, die Arbeit aufzugeben, 
welche fortan in die Hände „eines des Italieniſchen in 
hohem Grade kundigen und in der beutfchen Literatur 
wohlbekannten Schriftftellere” (des Hm. W. v. Lüdemann) 
überging. est hat fich das Verhältnig anders geftaltet; 
die fünfte und fechste Siornata find ausfchließlich von 
Hrn. Witte bearbeitet; außerdem gehört ihm die fiebente 
Geſchichte des fiebenten Tages an. Die legten vier Tage 
follten dann nur einer Revifion unterworfen werden, aber 
glücklicherweiſe hatte es dabei fein Beenden nicht. Dr. 
Witte konnte nicht umbin, die Überfegung feines Vorgaͤn⸗ 
gers gänzlih umzumodeln und ihr diejenige Faͤrbung zu 
ertheilen, weiche charakteriftifch für den Stit des Boccaccio 
ift und von. Hrn. Witte bereits fo gluͤcklich getroffen war. 
Vergleicht man daher etwas genauer, wie Ref. es gethan, 
die erſte Ausgabe mit diefer zweiten, und namentlid in 
den betreffenden Xheilen, dann erkennt man leicht, daß fie 
in der That eine vielfach verbefferte und aus einem Guſſe 
gefloffene iſt. Keine Seite, auf welcher fid nicht mehr 
oder weniger zahlreiche Weränderungen, Umfchreibungen 
und ſelbſt Berichtigungen eingefchlichenee Irrthuͤmer bes 
merken ließen, wodurch gewiß Hrn. Witte eine größere Ars 
beit erwuchs als eine eigene Übertragung Ihm gemacht 


haben würde. Dafür gebührt ihm aber auch das Vers 
dienff, das „Dekameron“, unbeſchadet feiner nationalen 
Eigenthümlichleiten, zuerſe in einer wahren Geftalt auf 
deutfchen Boden verpflanzt und ihm den ganzen fädlichen 
Duft und Farbenreihthum erhalten zu haben, welcher uns 
ter den Händen der frühern Überfeger faſt gänzlich vers 
loten ging. 

Ein zweites großes DVerdienft des Hrn. Witte um diefe 
Bearbeitung des „Dekameron“ ift die biographifch :literas 
rifche Einleitung, welche, Giovanni Boccaccio Üüberfchrieben, 
92 Seiten füllt, waͤhrend hierzu in der erſten Ausgabe 
10 Seiten binseihten. Sie enthält Alles, was nur ir⸗ 


gend über Boccaccio's Leben und Schriften einiges Licht - 


zu verbreiten im Stande tft, und in der That muß man 
über den Aufwand von Fleiß und über die Fülle der mans 
nichfachften gelehrten Kenntniffe erflaunen, welche Hr. Witte 
zu dieſem Zwede entwidelt hat. Mitten in Stalien und 
in der nächften Nähe feiner Bibliotheken und Denkmäler 
hätte feine volftändigere und erfchöpfendere Arbeit über 
Boccaccio geliefert werden koͤnnen, wie biefe von einen 
Deutihen an den Ufern der Saale zu Stande gebracht 
ift. Aber nicht nur den gelehrten Literator, fondern auch 
den Mann von Geift und Geſchmack hat man zu loben, 
deſſen Abhandlung, weit entfernt, eine trockene Compilation 
zu fein, beinahe mit den Reizen einer Novelle geſchmuͤckt 
iſt. Namentlich iſt Altes, was fi auf das „Delameron” 
und deſſen Gefchichte bezieht, fehr anziehend dargeſtellt. Ref. 
erlaubt ſich hier nur auf Einiges hinzumeifen. Bekannt⸗ 
lich rechnet man zu den Urfachen der „faft beifpiellofen” 
Verbreitung dieſer Novellenfammlung auch die Snvectiven 
gegen die Geiftlichen, beſonders gegen die Mönche. Diefe 
Geißelhiebe fanden einerfeitS laute Acclamation, aber ans 
bererfeitö erregten fie auch) ben Born und bie Verdam⸗ 
mungsluft der Kirche. Das Zridentinifche Concil fegte da⸗ 
ber das „Delameron” in die Zahl der verbotenen Buͤ⸗ 
cher, jedody mit dem befchränfenden Beifag: bis es werde 
gereinigt fein (Boccatii novellae centum, quamdiu ezpur- 
gatae non prodierint). Duck das Verbot geriethen nun 
die florentinifchen Sprachforſcher in die größte Verlegen⸗ 
beit, welche das „„Delameron” für das Geſetzbuch der ita⸗ 
lieniſchen Sprache erfiärt hatten, nur bie Schreibart bies 
fes einen Buche nachgeahmt, aus biefem einen den gans 
gen Wortſchatz gefhöpft willen wollten, und biefes eine 


Buch durfte Niemand lefen, wenn er nit den Strafen 
der Inguifition verfallen wollte. Dies führte dahin, daß 
der Großherzog Eosmus mit dem päpftlichen Stuhle Diplo: 
matifche Verhandlungen anknüpfen mußte, in Kolge deren 
le Stellen, in denen auf Geiſtliche ein unguͤnſtiges Licht 
le, getilgt oder dadurch unfchädlich gemacht werden foll: 
ten, daß die Mönche in Kaufleute, Soldaten, Zauberer, 
die Nonnen in ledige Mädchen verwandelt, und fomit un: 
befchreibliche Albernheiten erzeugt wurden. Die Sittlichkeit 
kam bei diefen feltfamen Verhandlungen auch nicht im 
mindeften in Betracht. Die Schilderungen der Unkeuſch⸗ 
beit und des Ehebruchs blieben unangefochten, nur Möns 
che ſollten es nicht fein, welche darin handelten. So ent⸗ 
ftand die Ausgabe ber „Deputati” (Florenz 1573), Kei: 
nem genügend, weder den Sprachfreunden und Unterhal: 
tungsluftigen, welche fo viel dagjn vermißten, noch dem roͤ⸗ 
mifchen Rigoriften, für welche noch immer zu viel Anftö: 
ßiges ſtehen geblieben war. Erſt eine noch willkürlichere 
Berunftaltung des, Defameron” von Salviati (1582) ges 
wann den Beifall Roms, und fo kamen faſt ein Fahr: 
hundert lang nur mehr ober weniger verflümmelte Aus: 
gaben zum Vorſchein. Dann wagte man fi, zuerft in 
Holland und in England, mit einzelnen Abdrüden ber: 
dor; noch fpäter fegte man in Italien felbft fi über das 
Verbot hinweg, und „gegenwärtig Liefert jedes Jahr ein 
ganzes oder halbes Dugend Ausgaben unter den Augen 
der Kicche, welche zu dem Misbrauche, den fie nicht mehr 
zu hindern vermag, ein Auge zudrüdt”. 
Auch die Gefchichte der Ausgaben des ‚, Delameron ” 
bietet mancherlei Curiofa dar. Die aͤlteſten Ausgaben 
werden noch jegt oft zu enormen Peeifen von Bibliomas 
nen gekauft. Die Baldorfer’fche Ausgabe von 1471 er: 
kaufte dee Marquis Blandford im 3. 1812 in der Kor: 
burgh'ſchen Auction für die ungeheure Summe von 2260 
Pf. St.; fieben Zahre fpäter wurde daſſelbe Exemplar 
wieder verauctioniet und von Lord Spencer für 918 Pf. 
St. erftanden. Wie hätte felbft diefe leute Summe ge: 
nügt, ruft der Verf. aus, um den Geldverlegenheiten des 
armen Boccaccio für immer abzuhelfen! In biefer Din: 
ficht freilich hat Boccaccio da6 Loos vieler Dichter ges 
theilt, die gewoͤhnlich bei der Theilung der Erdengüter zu 
kurz fommen. Ein eigened Guriofum unter den zahlrei⸗ 
chen Ausgaben des 15. Jahrhunderts bietet eine vom 20. 
April 148% bis zum 13. Mai 1483 aus der Druderei 
von Sans Zacopo di Ripoli hervorgegangene dar. Jene 
Druderei gehörte nämlich zu einem Nonnenkloſter; bie 
feommen Schweftern festen, drucken, befteten felbft, was 
ihnen von Buchhaͤndlern aufgetragen ward, wie die noch 
erhaltenen Klofterrechnungen daruͤber Nachricht geben. Nun 
denke man ſich die ehrbaren Nonnen in ihrem Ordensge⸗ 
wande eifrigft Novellen fegend oder corrigirend, welche die 
nichts weniger als zarten erotifchen Abenteuer in Nonnen: 
Möftern erzählen und — die Situation ift komiſch genug! 
Was nun einen Hauptpunkt betrifft, der von jeher 
dem „Dekameron“ fo viele Leſer verfhafft, aber auch fo 
viele Verdammungsurtheile zugezogen — wir meinen den 
fhlüpfrigen Inhalt vieler Erzählungen —, fo ftellt hier⸗ 


über Hr. Witte gewiß die einzig richtige Auficht auf, E 
weift auf das komiſche Element Hin, welches die une: 
laubte Geſchlechtsliebe, beſonders der Ehebruch, neben dem 
verbrecheriſchen befigt, und welches Element als hoͤchſt we 
fentlich uͤberall wiederkehrt, „wo die Aufgabe verfolgt wird, 
Beifpiele von komiſchen Verflechtungen der Ereigniſſe un) 
von ſchlau erfundenen Auswegen aus ſchlimmer Vetlegen⸗ 
heit zu erzählen”. Wenn der Schriftfteller bei diefem 
Elemente um feiner ſelbſt wilden, weil es ein unzuͤchtiges 
ift, wollüftig ausmalend verweilt, fo teifft ihn der Ber: 
wurf der Frivolitaͤt, von welcher jedoch Boccactio im Ban: 
zen frei gefprochen werden muß. Er benugte vielmehr dat 
Unzüchtige nur um feines Lächerlichen Effects willen, „nu 
als nothwendigen Bauftein, um die Eomifche Situation, 
auf bie es ihm eben ankam, aufzubauen, weshalb er auch 
dft ziemlich unfeln und derb das Ding beim rechten Pa: | 
men nennt, während feine frivolern Nachahmer der Ein 
einen luͤſtern kokettirenden Schleier ummerfen und mit 
Borliebe dabei verweilen, ihn immer nad einer anden 
Seite zu Lüften”. Daffelbe Verhaͤltniß findet in der bi: 
denden Kunft flatt, wo das mit aller Meifterfchaft darge 
ſtellte Nackte an ernſten Gegenfländen gewiß keinen An: 
ftoß erregt, während daflelbe, wenn es nuc die Sinnenluf 
reizen fol, immer tadelnswerth bleibt. Hr. Witte hat 
daher fehr wohl gethan, bei der Überfegung nichts zu ent 
fernen, was keuſchen Ohren unſerer Tage verlegend if, 
und bei diefen Erzählungen mit jenem Sefultengeneral den 
Grundfag feflzuhalten: Sint ut sunt, aut non sie! 
Pruderie und Bigoterte waren von jeher de& „Dekameren“ 
Feinde, welche man, eines ernften Ziele® bewußt, am br 
ſten ihrem eigenen Arger überläße, ohne fie, wie fon 
Byron, durch eine Philippika zu flrafen oder fich von ih: 
nen einen Skrupel einflößen zu laffen. 

Gewidmet ift bie Überfegung mit einem fehr finnigem, 
gleihfam den Lebenslauf der Novelle andeutenden Genett 
dem großen Meiſter diefer Dichtungsform L. Tieck. 11. 


ng — — 


Carlyle über die Gegenwart Englands vom Stant: 
punkte feiner Vergangenheit. 

Das tft die Bedeutung des lakoniſchen Titels „Past and 
present’, unter welchem Thomas Carlyle fein neueſtes Wert vr 
kurzem veröffentlicht bat. Carlyle ift in Deutfchland als ei 
ungewöhnlicher &chriftfteller, als ein Mann von kraͤftigem und 
originellem Geiſte bekannt, der die Dinge nit nad ihm 
Außenfeite beurtgeilt, fondern ihnen gleichfam ins Herz Met 
und, wenn es fich vom Zuftande eines Landes handelt, feinm 
Ausſpruch nicht auf die Geſichtsfarbe, fondern auf bie Pulk 
ſchlaͤge gründet. Wie Deutichland ihn, fo kennt er bie deutſch 
Literatur. Statt aber mit den Englänbern zu behaupten, deß 
ee feinen merkwuͤrdig eigenthümlichen Stil nady deutſche 
Muſtern gebildet habe, dürfte es vielleicht richtiger fein zu le 
aen, daß er eine Art beutfches Engliſch ſchreibt, wiil er Mm 
Englifchen deutfch denkt. Dagegen läßt ſich den Englaͤnder 
nicht widerfprechen, daß feine metaphyfiſchen Gubtilitäten ihn 
bisweilen von ber vorgeftedten Bahn abbringen, er feine keitt 
verwiert und bie großen und wichtigen Wahrheiten, die er ihn 
recht eindringlich machen will, rein unverſtaͤndlich macht. Im 
und Ziel feiner Schriften, Stab und Stecken auf feiner ſchrift: 
ftelerifchen Laufbahn ift die Abſicht, den Zuſtand feiner Reben: 





menſchen zu verbe 


Maqehrit, Frichen und Behaglichleit 
zu foͤrdern. Die ar der Menſchheit überwiegt * jede 


andere Kückſicht. In Engiand namentlich will er das Elend 
mit der Wurzel ausreißen, will die Wunden unb Quetſchungen 
heilen, die Misbraͤuche gröbfter Art dem gebutbigen Volke ges 
fihtagen, will bie boffärtigen Landbeſiter überzeugen, daß ber 
2 fhen angebrodyen, an beflen Abend ein jeder Arbeiter ein 
Stüd Grund und Boden zu eigen haben und es aus fein werde 
mit den „Erzfaullenzern, bie im ÜUbermuthe ihrer Herzen hin⸗ 
treten und fagen: „Die Erde ift unfer und das Korn und ber 
Wein und das DL, das barauf wähfl. Wer kann's uns neh⸗ 
men?‘" Hierin concentrirt fich auch bie Tendenz ber neueflen 
Schrift. Aus dem Staube und Schutte der Vergangenheit ber: 
vorgegrabene Thatſachen follen den bermaligen Zuſtand Gngs 
lands erläutern und ben Bid in feine Zukunft rechtfertigen. 
Dazu bedient fidh ber Verf. insbefonbers Auszüge aus ter Chro⸗ 
nik eines Mönche im Kiofler St. : Ehmonbsbury, Namens Io: 
eelin, der vor 100 Jahren lebte und ein Rotigenbuch hinterlafs 
fen bat, worin er bie Geſpraͤche und Handiungen des Abts 
Samſon, defien Kaplan er war, in Küchenlatein aufgezeichnet. 
Die von Gariyle dem Terxte beigegebenen ſcharfen und fcharfe 
finnigen Anmerkungen find natuͤrlich die Hauptſache. Dann 
folgt ein Gapitel über bas „Evangelium bes Mammonismus”, 
vol Kraft und Saft und Wahrheit. Aber nur im Gapitel 
„Die Engländer”, wo der Verf. ſich fetbft zum Conſervatismus 
befennt, iſt eine Stelle kurz und ifolirt genug, bier beiſpiels⸗ 
weife Raum zu finden. 

„D, meine confervativen Freunde, bie Ihr Euch immer 
noch fpeciell Gonfervative nennt und alle Sehnen anfpannt, 
Euch confervativ zu ermeifen, wollte ber Himmel, ich koͤnnte 
Sud) von ber weltalten Thatſache überzeugen — das Schickſal 
ſteht nicht fefter als fie —, daß Wahrheit unb Werechtigkeit als 
lein fähig find, confervirt und präferoirt zu werden. Was uns 

‚ was nicht in Einklang mit Gottes it, wollt 
Ihr das auf Bottes weiter Welt zu conferviren ſuchen? Es tft 
fo alt, fagt Ihr? Recht; deshalb folltet Ihr vor allen Andern 
am fo bißiger und eiliger fein, es nicht Alter werben zu laffen! 
Ziüftert die Leifefte Stimme in Euern Herzen, daß es nicht gut 
and loͤblich if, fo fputet Such, um bes Gonfervatismus felbft 
willen, «6 fireng zu prüfen und, bat es Schuld, es mit einem 
Dale umd für immer wegzumerfen. Wie wollt ober Fönnt Ihr 
erhalten, was nicht gut und loͤblich ifl? ‚Unmöglichkeit‘ ift taus 
fendfacdy darauf gefchrieben. Und Ihr, die Ihe Euch Conſer⸗ 
vative, Ariftofraten nennt — wären Ehre und Edelmuth auch 
von der ganzen Erde gewichen, hätten fie bei Euch nicht die 
letzte Zuflucht finden müflen? D Ihr Ungluͤcklichen!“ 

„Der abgefiorbene Aft muß weggefchnitten werben um bes 
Baumes willm. Aut? Nun freilih, zu alt. Mandyen trauris 
gen Winter hat er dort gehangen und gekraͤchzt, geknirſcht und 
gesappeit mit feinem tobten Sole, die organiiche Subſtanz, die 
fortiebende Fiber diefes guten Baumes. Mandy langen Som: 
mer bat fein haͤßlich nadtes Braun das ſchoͤne grüne Laub ger 
ſchaͤndet. Jeder Tag bat Unheil und das allein geftiftet. Port 
damit um des Baumes, wenn auch um nichts Wichtigern wils 
len! Und gerade der Gonfervatismus, ber erhalten will, muß 
ihn weofdmeiden. Dat kein Forſtkundiger Euch gelehrt, daß 
ein abgeflorbener Zweig, den Ihr mit feiner todten Wurzel 
dort ſtecken laßt, ein fremder, giftiger Körper, baß er ein kal⸗ 
ser eiferner Stachel, ein fchauderhaft verrofteter Pflugfchar in 
der lebendigen Gubflang, ja, daß er etwas nod viel Schlim⸗ 
meres ift; denn bei jedem Wetterſturm (Handelskriſis ober bers 
gleichen) zappelt ober kraͤchzt er, ſchwingt hin und her und fann 
nicht einmal fo ruhig liegen wie Euer kalter eiferner Stachel.” 

„Wäre ich bie confervative Partei Englands, nicht für 
100,000 Pfund ſtuͤndlich ließ ich bie Korngeſetze fortbeftchen. 

und Golconda zufammengenommen lönnten meine Bei⸗ 
Kimmung nice erkaufen. Zaͤhlt Ihr bie Schaplammern, die 
fle in jedem gerechten englifchen Herzen mit bitterer Entruͤſtung 
gegen Euch voll häufen? Kennt Ihr die Fragen, nicht nach ben 


Getreibepreifen und ber Stela, bie fie jeben bepfenben E 
der zwingen, fich zu ftellen® Unloͤsbare, ober annoch ungelöfte 
Fragen, tiefer als unfere logiſchen Tiefenmeffer reichen, fo tief, 
daß wir flüger thun, fie nicht zu nennen, nicht einmal in Ge⸗ 
Ihr aber nöthigt uns, an fie zu denken, nöthigt uns, 
anzufangen fie zu dußern. Der Anfang, fie auszufprechen, iſt 
gemacht und wo, meint Ihr, wird das Ende fein? Wenn zwei 
Millionen unferer Mitbrüber in ben Arbeitshäufern figen und 
fünf Millionen, wie Jemand freventlich gefpottet bat, ſich an 
Kartoffeln laden‘, da gibt e8 Mancherlei, das angefangen wers 
ben muß und enden wirb, wie und wo es kann.” 14, 





Schriftſtellerleben. 


Einer der Unſerigen — ſagt ein Mitarbeiter bes „Journal 
des debats‘' — ift geflorben, der junge Laſſailly; ich will fein 
traurige Geſchick beichreiben, das lehrreiche, das Riemanden 
belehren wird. Auch er war gelommen, wie fo Viele, aus dem 
Winter feiner Provinz, den Kopf angefült mit Meifterwerten, 
das Portefeuille leer. In fünf ober ſechs Jahren diefes Schrift⸗ 
ftelleriebeng, weldyes Leib, Seele und Geiſt töbtet, hatte der 
arme Juͤngling fein Portefeuitle angefüllt; nunmehr war fein 
Portefeuile voll, fein Kopf leer. Ach! es wäre beſſer gewefen, 
noch da in feinem Kopfe, ba in feinem Herzen das Wenige zu 
laſſen, was ber Liebe Gott hineingelegt hatte, als biefe Schäge 
ber Maculatur zu überliefeen. Das wollen fie nicht begreifen, 
Diefe und Jene. Sie ſchreiben, fchreiben, träumen, benfen, 
verlieren fi in allerlei unmögliche Pbantafiegebilbe, und was 
geſchieht? Auf halbem Wege bleiben fie in ihren angefponnenen 
Zräumereien fteden. Bon Allem, was Laffailly gefchrieben hat, 
tft nur wenig gebrudt worden. Indeſſen hat er ein Buch her⸗ 
ausgegeben ‚, Les roueries de Trialph”, und diefes Bud lich 
fhon ganz den Abgrund erfennen, in weichen fein Verf. fi 
zu flürzen im Begriff wor. Es war verrät, Werruͤcktheit 
erften Grades. Aber wie ift da zu beifen? Wo ift ber Freund, 
welcher warnt? Wer bat heutzutage ben Muth, einem ars 
men Zeufel, ber in fein Verderben rennt, zu fagen: Halt inne? 
Was ift aus ber Kritik geworben , jegt, wo fie fo gute Dienfte 
teiften Eönnte? Die Kritik, o die beſchaut ſich feibft in ihrem 
Spiegel, liebäugeit mit ſich, findet ſich ſchoͤn; mas kümmert 
fie ein Ungiüdticher, der den Kopf verliert, weil Niemand ihm 
mit Rath beifpringt! Die Kritik fchreibt Verschen, Romandıen, 
Meine ,Roueries de Trialph“ und laͤßt ben armen Schrifts 
ſteller, unterdeffen ſich feibft überlaflen, nady Gefallen zu Grunde 
geben. Armer Lafſailly, bie ganze ideale Welt war ihm nicht 
weit genug; bie Luft hatte nicht Schlöffer genug, um ihn ges 
maͤchlich zu berbergen. Rein, er feßte immer noch Stodwerk 
auf Stodwerk, bis ber erfle Windſtoß aus Norden das zere 
brechliche Gebäude einer kranken Phantaſie über den Haufen 
warf. Gr lief, er zappelte, erarbeitete fi, wie es uns im 
Leeren immer ergeht. Er ſchlug ſich Bruſt an Bruft mit bem 
Nichts herum, ſchrecklicher Zweikampf, in welchem bie beften 
Kräfte, die tüchtigften Antagen erichöpft werben müffen! Was 
für lange Gedichte dichtete er! Die „Aeneide“ und bie „Ilias 
und das „„Befreite Jeruſalem'“, das Alles ift nichts gegen bie Epos 
pden, bie diefer verlorene Sohn ber Poefte ſchuf. Ehe er für 
wahnwisig erkannt und erflärt war, fehrieb er ein Journal, 
er ganz allein, ein ganzes Journal; ein unerbitrliches Blatt, 
worin er unbarmberzig Jeden zerriß, der in biefem Jahrhun⸗ 
dert eine Feder führte, er nannte fie „ausgefogene Menfchen”, 
„abortirte Genies‘, „Romantiker in den letten Zügen‘, „bis 
auf den Baden abgenugte Neuerer‘, „Abſchreiber und Literaris 
che Diebe”, „Banbiten bie ums liebe Brod fchreiben”. Gr 
tannte feine Schonung, er wüthete, er machte feine Opfer zu 
Lauter Candidaten bes Tollhauſes, des Tollhauſes, in das man 
ihn dann felbft eingefperrt hat. Was iſt uus den verfireuten 
Blättern feines Iournals geworden? Geſetzt fie fallen einmal 
irgend einem grundgelehrten Dann, einem ehrbaren Literatur: 





fermbe (etwa im Audiaude) in bie.ände, fo wird er bie gange 
jetzige fran Literatur daran meflen, auf ben literarifchen 
Geiſt der einen Gchluß von dem Journal eines Wahnſin⸗ 
nigen machen! on 
Unter andern fixen Ideen hatte er auch bie, ein Theater⸗ 
dichter zu fein. In einer Zeit der Muße, die er Hrn. Billemain 
verbankte,, diefem edeln Schriftſteller, der ein fo mitleibiges 
Herz für Alles hat, was leidet, machte Laffailly nichts als Dra⸗ 
men, Zragdbien, Komödien, Gachen bie feit hundert Jahren 
nnablaͤffig gemacht worden find, und die nun fo leicht zu machen 
find, daß er vielleicht bei aller feiner Tollheit Leidliches gemacht 
bat. Aber alle dieſe ſchoͤnen Arbeiten find wie fein Verſtand 
wer weiß wohin! or einigen Wochen begegnete ich ihm auf 
dem Quai Voltaice, wo ich Bücher fuchte. Gr war tin, fein 
Auge fanft, ex machte ſich eine freie Stunde zu Nutze. „Ach“, 
fagte er zu mir,‘ „Mäder wollen Sie kaufen? MWozu? Altes 
Beug, veraltete Gebanten, altes beſchmutttes Papier! Gie 
thäten beffer nach dem Théatro frangais, in die Probe meines 
neuen Schauſpiels zu geben. Wuͤßten Sie, wie das dba gefpielt 
wird! Mit welchem Geiſt! Wie feelenvoll! Wie fhöne, junge 
Leute! Sonberlich ein Mädchen: von funfzehn, fechäzehn Jahren, 
Bas die Liebhaberin macht! Nie habe ich ein nieblicheres We⸗ 
fen, ein tieblichered Lächeln gefehen! Und der Liebhaber: ber 
Zruppe, das ift noch Giner, der meine Berfe recitiren kann! 
Komm mit, bu wirft fehen, wie viele Thraͤnen und wie viel 
Ein großes, goͤttliches Theater, dieſes Theatre 


orme Tolle. Ich ging eine Strecke mit 
ifm und unterwegs erzählte er mir eine Geſchichte, die wirk⸗ 
lich rübrend war. Gr hatte in feinem armen leeren Kopf alle 
Arten ſchoͤner Scenen mit Gewalt zufammengefchmiedet, Julia's 
Balcon, Hamtet’s Kirchhof, Don Juan's näcdktiiche Wege, Des⸗ 
Yemona’s Gebet. Es ſchwebten ihm die Bilder von Schönen 
wor, die er gefannt hatte, und aus allen biefen Schönheiten 
fegte er fich eine einzige zufammen, deren Dante, Ariofto und 
Hetrarca er zugleich war. In biefe Liebestollheit einmal hineins 
gerathen, die kluͤgſte und gluͤcklichſte von allen Zollheiten , btieb 
er nicht ſtehen: fein Auge ‚Härte fih wieder, er fab mild und 
gärttich aus, man hörte ihm faft mit Vergnügen zu, kind bei 
aller inorbnung feiner Gedanken Hatte er Augenblide von reizen⸗ 


der Naivetaͤt. 

Ach es ſterben Manche ſo erdruͤckt von der Buͤrde des 
Schriftftellerlebens. Trauriger Tod! Aber ihr Leben iſt noch 
trauriger geweſen. Sie ſind geſtorben im Gefuͤhle ihrer Ohn⸗ 
macht, und wir koͤnnen ihnen unfer Bedauern, unfer Mitleid, 
nicht verſagen. Arme von Gott und Menſchen verlaffene Ge⸗ 
ſchoͤpfe! Wie gluͤcklich hätten fie fein tönnen mit etwas mehr 
Seiſt; was fage ich? giüdti mit etwas weniger Geift! Denn 
fonft — eiend ift auch Gervantes, Camoens, Spenſer, Dry 
den, Gotbfmith, Fielding geweien, und wie farb Taſſo, wie 
Marb Shatterten ! A8. 


———— — — — — 


Bibliographie. 

Abeken, W., Mittelitalien vor den Zeiten römifcher Herr: 
ſchaft; nach feinen Denkmalen dargefteitt. Mit 11 lithographir⸗ 
ten Tafeln. Stuttgart, Gotta. Gr. 8. 3 Thir. 71, Nor. 

Althof, 3. &., üder bie Verwerflichkeit ber Todesſtrafe 
und was für jetzt in Deutſchland an deren Stelle zu ſetzen. 
Rinteln, Boͤſendabl. Gr. 8. 20 Nor. 

Sechster Bericht über das Beſtehen und Wirken bes hiſto⸗ 
Iche Vereins zu Bamberg. Bamberg, Zuͤberlein. &r. 8, 

gr 


francais." 
So ſprach der 


teſt“. 
Homann. 8. 3%, Nor. 

Farode, F. W., Über daB fogenannte germaniſche und 
das fogenannte chriſtliche Staatsprinzip, mit befonderer Bezie⸗ 


Sommer. 


Sertholdi, Proteſt gegen Dr. Kniewel's „Offenen Pro: I 
Gin Büdlein für Gläubige und Ungläubige. Danzig, | 25. Auguft 1843 bringt 
| Städwunfd bar. 


bung auf Minursmbrediee, Stahl unb Mathaß. Ciegen, Trike 
ch. Br. 8. 3 The. 10 Nur. 
*8 don deutschen Mittel ters. Ister Band: der 

unge Not u lage, herausgegeben von A. 
Vollmer. Leipaig, Göschen. Gr. 8. 1 Thlr. " 

— — Band: Tristan und Isolt, von Gottfried 
von Strassburg, herausgegeben von H. F. Massmann. Leip- 
sig, Göschen. Gr. 8 1 Thlr. 

Emmid, W., Berſuch einer überſicht ſaͤnuntlicher befann 
ter Bauwerke der B und deren Denkmaͤler, alt Beitreg 
m te und Archäologie der Baukunſt. Mit einem Tite⸗ 

er. Branffurt a. O., Darneder u. Gomp. 8. DW Rar. 
Feſtgruß an ein neues alademifches Jahrhundert Gin 
chriſtüches Wort zum Frieden zwiſchen den Gläubigen ale 
Eonfeſſionen. Bei Gelegenheit der 100jährigen Iubeifeier ver 
Univerfität Grlangen. yreuth, Buchner. Gr. 8. 10 Nr. 

Eine Heine Gabe am hundertjährigen Geburtstage des Hin. 
Joh. Georg Bteufel, weil. geh. Hofraths und Töniel Uni: 
ſitaͤts⸗ Profeffors in Erlangen, zu feinem ehrenden Andenken bei 
der diesjährigen Saͤcularfeier der dortigen Univerſitaͤt darge 
bracht. Grlangen, Palm. 8. 2, Nor. | 
Gerhard, R., Symboliler und Antifgmboliter. Workter 
iſt der Streit? Kar umd beutfch beantwortet. Bretlau, Hirt. 
Sr. 8. 25 Rgr. 

Hamilton, 8. 3., Reifen in Kleinafien, Pontus u 
Armenien nebft antiquariſchen und geologiſchen Korfdyunge. 
Deutſch von O. Schomburgk. Nebft Zufägen und Beridti 
gungen von H. Kiepert und einem Vorwort von ©. Ritter. 
Zwei Bände, jeber mit zwei Anfldhten und einer Karte. Leipzig, 
Beidmann. Br. 9. 6 Thir. 15 gr. 

Deutfcher Jugendalmanach. 1844. Herausgegeben von I. 

Mit 60 dofänitten und zwei Stapiflichen. Leip⸗ 
zig, Teubner.eft. 8. 10 Nor. 

Kern jeder Erziehungslehre. Münfter, Deiters. 5 Nor. 

Le Sage, Der binkende Teufel. Neue forgfältige i 
tragung. Mit Holzſchnitten nach Tony Johannot. Iſtes um 
us Bänden. Stuttgart, Scheibe, Rieger und Sattler. 1, 

4 gr. 

In erederbudh des deutſchen Michel. Leipzig, Peter. Gr. D. 
r. 

Antike Marmorwerke, zum ersten Male bekanıt gr 

macht von E. Braun. te und 2to Decade. Leipzig, Brock- 

haus. Gr. Folie. 8 Thlr. 

Nagel, L. J., Sendſchreiben an den Herrn Yale 
Moll u eockeniz. Gin Beitrag zur Union. Gtettin, Be. 

. gr. 

Deickers, T., Zolle Welt. Ein Roman. Zwei Theile 
Leipzig, Peter. 8. 3 Ihr. 

Penelope. Taſchenbuch für das Jahr 1844. Herausgege⸗ 
ben von Th. Hell. Neue Folge. Ater Jahrgang. Mit dui 
Stahlſtichen. Feipzig, Hinrichs. KL 8. 1Thir. 20 Rer. 

Reimlein, Unfer Erlangen. NReminiscenzen eines Bir 
zigers. Erlangen, Palm. 8. MN Nor. 

Sapper/ A., utrich. Gin dramatiſches Gedicht. Stru⸗ 
gart, Becher. 8. 1 Thir. 3%, Nor. 

Stengel, $ranzista von, Das apulifcke Kind. Pike 
riſcher Roman. Leipzig, Melzer. 8. 1Thir. 15 Rar. 

Gine Stimme für Abfehaffung der Todesſtrafe und ber fr 
yerlichen Zächtigung. Hervorgerufen burch den Enhourf ua 
neuen Strafgefebbuche für die preußiſchen Staaten. Damit, 
Homann. 8. 3%, Rer. 

s uohlgemut, H., Beitgedichte. Manheim, Hoff. Gr. 13. 


gr. 

Zum Zubelfefte der Univerfität Griangen am 23., 4. und 
ein Freund bes Vaterlandes ſeinen 
Inhalt: „Bin Bierteljahrhundert konſtittin 
nellen Lebens in Beutſchland.⸗Erlangen, Palm und Exit. 
8. 2%, Rot. | 


Verantwortlier Herauegeber: Heinrich Brockhaus. — Drud und Verlag von 5. X. Brochaus in Leipzig 


[4 





/ 


Bırt er 


für 


(iterarifhe Unterhaltung. 





Sonntag, — 














Zur Radridt. 


Ben diefer Zeitfchrift erfcheint außer den Beilagen täglich eine Nummer und iſt der Preis ben Jahrgan 
12 The. Ale Buchhandlungen in und außer Deutfchland nehmen Beſtelumg. darauf an; De alle ont 


die ih an die koͤnigl. fd 
Halle wenden. 


che Zeitungsexpedition in Leipzig oder das 
Die Verfendung findet in Wochenlieferungen und in DMonatäheften ftatt. 


nigl. preußifche Grenzpoſtamt in 





Sofeph Freiherr von Eichendorff. 
of i Eichendorfſs Werke. Vier Theile. 
a RE 

m einer bäbfchen Geſammtausgabe Liegen hier die 
Werke eines Dichter® vor und, der mit feinen Liedern 


manches Herz erfreut hat, und welcher hoffentlich mit die: | 


fe Gammlung feiner Schriften nicht fein literariſches 
Zeſtament wird gemacht haben wollen. Wie die Natur, 
sin Hauptgegenfland feiner Muſe, bleibt auch ſeine Poeſie 
feifh und jung, und wir erwarten von ihr noch mandye 
(höne Gabe, manchen duftigen, perienden Blumenftrauß, 
Die Sammtiung iſt dem Könige von Preußen, Fried: 
ih Wilhelm IV., gewidntet, mit einem Gonett, das wir 
bier folgen Saffen, um einige Bemerkungen daran zu 
knuͤpfen: 
Ein Eiland, das die Zeiten nicht verſanden, 
SIT 
| er men, 
Der Wetter bricht und Weltwig macht zu Schanden: 
Dorthin kehrſt du das Schiff aus wildem Bimanben, 
Wie auch die Wogen fich hoffaͤrtig baͤumen, 
Das Steuer Ienfend durch das eitle Schäumen, 
Am heiffgen Heimatsſtrand dein Bott zu landen. 
Dorther audy flammt der Polfte Gebilde, 
Inb mahnend zielt nach jenen ſtillen Höhen 
Des Dichters Lied, daß Keimmech fh erneue. 
Ein Zeh ner ifi’s — laß in dis Seget milde, 
um deinen Banner, hoher Herr, ibn umben, - - 
Es iſt ber Herzensklang der alten Treue. 
In doppelter Hinſicht feheint uns dies Sonett bemer: 
kenswerth, einmal, fofeen es das Bewußtſein des Did 
ters von dem Charakter, dena innerſten Geiſte, dem letzten 
Biete ſowie des Heimat folmer Poeſie (und ſeine Uns 
Br vom Weſen und um der Beſtimmuug des Poefle 
überhaupt) ausfpriht, und ſodann, weil er darin feine 
Porfie in ein beſtimmtes Werhättuiß feige zu einenn Res 
genten, der .anf die Zukunft des, deutſchen Baterland eb 


nen unberechenbar großen Einfluß auszuüben durch feine 
hohe Stellung in einer entwicklungsſchwangern Zeit berw 
fm if. Unb zwar wird die Annahme erlaubt fein, baf 
bie Auffaſſung und Beazeichnung dieſes Dun - 
den Dichter Anerkennung und Gmebmigung sefunbe 

babe, zumal da hierfür auch andere bekannte Umſtaͤnde 
fprechen ; Preußens Regent hat den Anfang feines Regie⸗ 
wung mit Beweiſen von Huld gegen mehr Dichter ber 
zeichnet, haupeſaͤchlich gegen ſolche Dichter, weiche in dyes 
rakeeriſtiſchen Punkten mit Eichendorff zsufanınentueffen. 
E. M. Arndt, ber ehrenfefte, wadere, fromme Oichter, 
wurde von ihm aufs ehrenvollſte feiner akademſchen Thaͤ⸗ 
tigkeit zurückgegeben; der Baron v. Fonqué, der ritterliche 
Dichter der „Undine” und des „Zauberriug“, glaubte 
feinen Wohnſttz in die unmittelbare Naͤhe des Könisk 
verlegen zu follen, unb hatte ſich der Beweiſe feiner 
Gnade zu erferuen; der greife Großmeiſter der Romanti⸗ 
bee endlich, 2. Tieck, wurde ganz für Berlin, fho die win 
bigfte Exheiterung der Mußeſtunden des Könige gerapmmeit. 
Wenngleich num die Annahme, daß eine beſtimmte poe⸗ 
tiſche Schule oder Richtung ausſchließl ich aufgenum⸗ 
tert umb beghnitigt werbe, duch mauchs Thatſachen ent⸗ 
ſchieden widerlege wird, fo iſt doch wol Dus benfe unwir 
beufprechlich als es natuͤrlich iſt, daß ein Fink von Ge 


Jſchmack und Principlen auch in der Literatur und Pool 


das ihm Homogene herausfinde, und daß er, wo nicht 
nur die Form feinen Goſchmack befriedigt, ſondern auch 
der Inhalt und bie Tendenz feinen Princhien und As 
fichten ontfpeicht, an der Muſe nicht bios eine erheissrube 
Freundin, fondern auch eine fchaͤtzbare Bunbesgenoffer er 
Senne. Dies hat der Dichter in dem -obmfichenden: Ges 
nett angedeutet, nicht zweifelud an der Iafkiunemuug umb 
dei Vetfal ‚ am den es gerichtet if. Als Auf⸗ 
gabe und Xofiche des Fuͤrſten beachtet er, fein Weik zu 
dem heiligen Eiland — ber frommen Geffnnung, ums 
den moͤgtichft allgemeinen Ausdruck zu gebrauchen — mb 


BEE" " un, 


ber Brandung durch eitle Wogenſchaͤume zu fleuern, «6 
zum heiligen Heimatsſtrand zu führen. Hierin ihm bei- 
zuftehen, wenn aud nur mit der Kraft eines leifen Hau: 
ches, fei die Aufgabe ber Poefie, die derfelben Heimat ent: 
figgmt — dem Grunde ber tiefen Piecat —, die Er 
udseung, die Sehnſucht, das meh nach dem Heili⸗ 
gen und Himmlifhen zu beleben, zu erneuern, mit flanb: 
bafter Treue ſtrebe. So ſchoͤn dies lautet, und fo bereit: 
willig man die tiefere, darin liegende Wahrheit anerken: 
nen mag, daß ber irdifche Herrſcher, und der Beſaͤnftiger 
und Bildner der Geifter, der Poet, von der gleichen Ge: 
finnung, von dem Geift und Ernſt der Pietdt, von ber 
Ehrfurcht vor dem Heiligen, von Achtung für das echt 
und rein Menfchliche erfüllt fein follen, um wohlthätig 
und nachhaltig je in ihrer Sphäre zu wirken: fo wuͤrde 
26 doch ſchwer fein, die bildlichen Ausdrüde des Sonetts 
fo im die unbildliche Sprache zu überfegen, daß fie ſich 
doch nicht in abſtracte Allgemeinheiten auflöften, — und 
dann doch noch die Aufgabe des Dichters als zufammen- 
treffend mit dem Beſtreben des Fürften erſchiene. Die 
politiſche Thätigkeit, wenn auch geleitet und befreit von 
gemürblichen, fittlichen und refigiöfen Geſinnungen, ift doch 
nothwendig auf die Realität gerichtet, und wenn fie in 
Folge hiervon allerdings eher einen fichtbaren Erfolg be: 






wirken, durch Kraft und Einſicht manches Gute erzwingen 


Bann, fo findet fie dad) andererfeits gerade an der Wirkitchs 
eit, die ihre Sphäre ift, ihre Scheanten und Hemmun⸗ 
gen; fie iſt gebunden an Gefeg und Recht und hat fih 
zu hüten, daß fie nicht, indem fie die Öffentlichen Juſti⸗ 
tutiowen und. Verhältnifje durch die wohlmeinendſte Einmi⸗ 
fchung von gemüthlichen, fittlicgen und cefigiöfen Beweg⸗ 
grimden feſter zu begründen und zu weihen ſucht, in bie 
Sphäre der individuellen Freiheit und Überzeugung vers 
(spend eingreife und das Recht erfchüttere, indem fie es 
am tieflten zu -begründen ſtrebt. Bon diefen Demmmun: 
gen und Schranken weiß der Dichter nichts; er fpricht 
feine Zwangsgewalt Über die Gemüther an, feine Herr: 


ſchaft, fein Einfluß ift etwas ganz Freiwilliges, und er 


mag feinen perfönlichfien Vor⸗ und Abneigungen, feinen 
Dhantafien und Liebhabereien ganz frei den Zügel fchießen 
laſſen; er iſt Niemand dafür verantwortlich, weil nicht Die 
Erde mit ihren Geſetzen und Rechten, weil der freie Äther fein 
Reich if. Er braucht fih in Niemand hineinzudenken, 


fi Niemand anzubequemen; wer ihm nicht folgen mag, 


der bleibt zuruick; aber der Herricher hat die Werpflichtung, 
ih in ben Geiſt feines Volks hineinzuverfegen, fich ihm 
fo viel ald möglich, anzubequemen, mit den gefundeften, 
ehchtigſten, reifften Geſinnungen und Elementen ſich zu 
sermäbien, und fo viel es nur immer umbefchadet dee 
amumgänglichen Kraft. der Einheit im Organismus des 
Staats möglich iſt, die individuelle Freiheit gewähren zu 
toffen. Von einer gewiſſen Seite betrachtet jedoch find 
wein gemeigt, bei dem Regenten, ber eine große Aufgabe 
su föfen hat, eine Anlage zu erwarten und zu wünfchen, 
die man .fonft cher dem Dichter zuzuſchreiben pflegt: bie 
grophetifche naͤmlich. Wir wollen bier nicht weis 
Ghufig waterfuchen, in welhen Sinne ber Dichter in 


Prophet genannt worden iſt umb genannt werden kan: 
fo viel Recht ibm auf diefen Ehrentitel zuſtehen mag we: 
möge ber Überrafchenden, wunberbaren Klarheit und Wahr: 
heit feiner Aufhauunggr von Dingen, Zuſtaͤnden um 
Charakteren, die er nit durch ſtunilchr Mahmehmuyg 
und Erfahrung kenat, fo wird ME dodh feinen Anfpıug 
am wenigſten auf feine Kenntniß und Verkuͤndigung dr 
Zukunft gründen wollen, denn bie Zukunft iſt nice 
das Reich des Dichters, fondern bie Gegenwart oder hi 
Vergangenheit, in weicher er freilich oft erſchaut und ſcl 
dert, was alten Zeiten, mithin aud) der fünftigen, ang: 
Hört. Aber der Herrſcher muß den Sinn und Inſtinc 
der Zukunft haben; denn im Voͤlkerleben, in der Or 
Fichte iſt Alles Vorwaͤrtsſchreiten, Entwidelung; un ſo 
wenig es einem Regenten anftände, feinen prophetiiden 
Blick durch ungebuldiges, haſtiges Erperinsentiren bemit: 
ren zu wollen, fo unentbehrlich iſt ibm doch ein Bee 
ſtaͤndniß der Gegenwart, weiches die Keime künftiger Ge 
flaltungen und Entwidelungen erkennt, der Glaube an ir 
Entwidelungsfähigkeit, an die Verjuͤngungsktaft der Vi 
ker. Viel chut hierzu das richtige Verſtaͤndniß der er 
gangenheit, aber es thut und iſt nicht Alles; es era 
nicht das Vertrauen zu bem lebendigen Geiſt der Gem 
wart, bie durch eine weile und liebevolle Führung einn 
ſchoͤnen, fruchtreichen Zukunft entgegengeleitet werden wil, 
Ein von den Schägen und Lehren der Gefchichte, von Im 
großen und ehrwürdigen Überlieferungen der nähen um 
fernern Vergangenheit genährter, von den heiligen Mit: 
ten, bie zu aller Zeit über der Menſchheit gemaltet un 
fih in ihren Geſchicken bewährt haben, innig dutchdtun⸗ 
gener Geiſt wird auch mit der ſicherſten Hand die Keim 
der Zukunft ſaͤen, der künftigen Entwickelung die Behe 
bereiten; aber er wird auch aufs tiefſte durchdrungen fein 
von der Überzeugung, daß die Aufgabe umd das Heil de 
gelhichtlichen Lebens vorwärts und nicht ruͤckwaͤrts liege; 
daß, mas Schmud und Blüte eines Zeitalterd war, einem 
andern darum nicht aud in berfeiben Weife ſich aneignm 
oder aufpropfen laſſez daß der Menfch feine indioidurlen 
Wuͤnſche, Phantafien, Neigungen und Gefühle nicht I: 
ten den Pflichten des für das Allgemeine lebenden Staats: 
mannes unterordnen und aufopfeen muͤſſe. in porti: 
[her Geiſt mag mol lieber in der von Geſtalten erfil: 
ten Vergangenheit als in der leeren und geſtaltloſen Ju: 
Eunft weilen; die Stimmung eines Dichters ann fü 
als Sehnſucht, als eine Art Heimweh nad dem Une 
flande der Menſchheit, nad) dem Paradies, oder nah 
dem ſchoͤnen und genußvollen Leben bes griechiſchen At 
terthums, oder nach den in vieler Hinficht fin 
und ehrwürdigen Inſtitutionen und Organifationen ii 
Mettelalters geftaltn: aber der Mann bes Handeln, 
ber That, muß immer nach vorwärts den Blick gerih 
tet haben, er muß auch da, two er das Alte herſtell 
und befeftigt, e& in dem Sinne thun, daß daB Alte, ſich 
verjuͤngend, ein Neues, — eine kebendige Schoͤpfung nid! 
eine ſtarre Meftauration werdbe. 

Man verzeihe diefe Abſchweifung; fie iſt vielleicht nicht 
gay außer Ihm Orte. Eichendorff, einer der ausge 


zeichnetſten ber noch lebenden Nomantiber, bet in bem 
obigen Sonett die gefammte Tendenz feiner Poefie in 
eine innere Verbindung geſetzt mit einer Richtung ber 
Politik, die er für die einzig beilfame hält, und die er 
eingefchlagen zu ſehen hofft, oder ſchon befolgt. glaubt. 
Bon einer andern Seite dagegen bat man in neueren Zei⸗ 
ten der Romantik den entfchiebenften, bitterften Krieg er: 
klaͤrt, und bat darunter nicht blos eine gewiſſe Richtung 
und Schule der Poefie verftanden, fondern mit weitgrei⸗ 
fender Willkuͤr mit diefem Collectivnamen Altes in den 
entfchiedenften Sphären der Kiteratur, der Poeſie, der Kunft, 
der MWiffenfchaft, der Religion, des Staats bezeichnet, was 
ber dictatorifchen Berftandesphilofophie und modernften Aufs 
Härerei, was dem Senfualismus und Formalismus unferer 
Zeit widerfpricht; und die unter ſich ungleichften, wider⸗ 
ftrebendften Richtungen, Charaktere, Werke der Kunft und 
Poeſie und Wiffenfhaft mußten es fich gefallen Laffen, 
mit dem Stricke jener Kategorie ertwürgt zu werden. Mit 
einiger Kunft in den Übergängen und in der Gruppirung 
ift es auch gar nicht ſchwer, vom barmlofen Poeten, der 
im grünen Waldesdunkel der Stimme der Natur Laufcht, 
in mondbeglänzten Baubernäcdhten und wundervollen Mär: 
chenwelten fchwärmt, einen Zuſammenhang und am Ende 
eine innere Weſenseinheit nachzuweiſen mit dem crafleften 
Dbfeuranten und dem Nege fpinnenden Jefniten ; reactions 
naire Staatsmänner, Ariſtokraten, Myſtiker, Geifterfeher, 
Fanatiker laſſen ſich gar leicht und bequem in Einen Sack 


ſchieben mit Maͤnnern, die mit ihnen ſo gut wie Nichts | 


gemein haben, aber auch anders denken und fühlen als 
die Apoftel der neueften, abfoluten Weisheit. 
von zwei Seiten, in entgegengefeßtem Sinn und Intereſſe, 
die Romantik mit der Politik, mit dem handelnden Leben 


in eine engere Beziehung zu fegen gefucht. Hicr will man 


die Romantik verdädtig, man will fie verantwortlich ma: 
chen für die Beftrebungen und Schritte der Reaction, des 
Obſcurantismus, des Fanatismus und aller möglichen 
Ausichweifungen und Verirrungen; dort nimmt man für 
die Poefie, die romantifche Poefie, die Ehre in Anfpruch, 
an den Beflrebungen und Leiftungen der Höchften Politik 
Antheil zu nehmen, fich ihnen in der Gefinnung, im 
Geiſt anzufchließen, und ertheilt diefen fo zu fagen ben 
Segen und die Weihe ber Poefie. Aber es will uns be: 
danken, daß diefe Verknüpfung von Romantik und Pos 


titiE, in dem einen oder im andern Sinne, thelie un de⸗ 


rechtigt und unbegründet, theils auch hoͤchſt uner⸗ 
fprießtich ſei. Das Letztere wird man leicht zugeben; 
was fol, in Wahrheit, die Poeſie in der jegigen Zeit ge: 


winnen durch fürflliche Protection und Gnade? und was 


die Fürflfichkeit, die Kraft und dad Anfehen einer Regie⸗ 
mg durch eine etwaige Übereinftimmung mit den Nei⸗ 
gungen und Phantafien ber Romantik? Was aber das 
Erftere betrifft, fo glauben vole nimmermehr, daß die tief: 
fen bewegenden Principien einer Politik und die tiefften 
Idem der. zamantifchen Poeſie, trog mancher äußern Be⸗ 
ruͤhrungspunkte und Ähnlichkeiten, diefelben ſeien; wit 
glauben, daß in der Politik immer praßtifche Intereffen 
«6 find, welche am Ende den. Ausſchlag geben, welche eis 


So wild 





wie Syſtem fen Eharaluer aufdtoͤcken, waͤhrend bie 
romantiſche Poeſie, wie alte echte Poeſte, Sache ber freirn 
Stimmung, ohne Vorſatz und Berechnung, iſt; ein Staats 
mann kann bei den gleichen politifchen Anfichten und Grund: 
fügen ein Gönner und Freund der romantiſchen Poeſie, 
oder der ihr eutgegengeſetzten, wie man fie bezeichne — 
oder auch ein Veraͤchter von beiden feinz und ein Dich⸗ 
ter kann in ber Poefie das Romantifihe Lieben und in 
der Politik den Ideen der neuen Zeit anhängen, ebenfo 
gut wie das Umgekehrte. 
(Die Yortfegung folgt. ) 





Histoire civile, morale et monumentale de Paris de- 
puis les temps les plus reculds jusqu’ä nos jours par 
J. L. Belin et A. Pujol, Paris 1843, 


Es war ein ganz zweckmaͤßiges Unternehmen, einmal eine 
überfichtliche Gefchichte der ungeheuern Weltſtadt, die von ben 
Einen als der Suͤndenpfuhl werfchrieen, von ben Andern als ber 
Himmel auf Erden gepriefen wird, zu liefern. Was bie ungähe 
ligen Guides, Kenpsakes und Handbuͤcher von der Gefchichte 
von Paris und feinen wichtigften Straßen unb ben denkwuͤrdigen 
Meonumenten geben, ift meiftens fo loſe zufammengefüst und fo 
ungenau, daß es gar keinen Werth hat. Dulaure's befanntes 
Wert aber, das gegenwärtig erſt wieder in einer neuen Auflage 
erſcheint, ift gar zu umfangreih. Auch bebarf es trog ber vers 
fehtebenen Ausgaben body immer noch mannichfacher Berichtigungen. 
Die Berf. obigen Werts haben bei ihrer Darfiellung das richtige 
Map zwifchen bem Zuviel und dem Zuwenig zu treffen gewußt. 
Zrogbem dad Ganze kurz und zum Theil aphoriſtiſch gebalten 
ift, laͤßt es doch eine fortlaufende Lecture zu und bietet tem Les 
fer einen ungebeuern Schatz einzelner intereffanter Notizen 
Wir heben aus benfelben einige hervor, die für dieſe Blaͤter 
von befonderm Interefie fein dürften. Sie betreffen bie große 
königliche Bibliothek, deren Geſchichte wir Bier auf wenigen 
Seiten überfitlich erhalten. Die Könige der erften und zweis 
ten Dynaftie hatten feine eigentlihen Bibliotheken. Erft Lud⸗ 
wig der Heilige war im Beſitz einer Sammlung von Manu⸗ 
feripten, bie er aus dem Morgenlanbe mitgebradht hatte, die 
fi) aber nad feinem Tode wieder vireingelten. Auch der Kös 
nig Johann hatte eine Bibliothek, die aber nur aus zehn bis 
zwanzig Büchern beftand. Kart V., fein Nachfolger, ber die 
Wiſſenſchaften liebte und befärberte, brachte dieſe Anzahl bis 
auf MI Bände, die er im Louvre in dem „Tour de la li- 


| brairie’ aufftellen ließ. Gillet:Matet, fein Bibliothekar, fehte 


im 3. 1373 ein Verzeichniß diefer Bücher auf, das noch auf 
uns gekommen ift. Diefe Sammlung war naͤchſt der der Sor⸗ 
bonne, bie vom heiligen Ludwig angelegt war und hie im 
3. 1290 mehr als 1000 Bände enthielt, die bedeutenpfte, 
welche Paris um biefe Zeit aufzumeifen hatte. Nach dem Tode 
Kart’ V. wurbe ein Theil feiner Bibliothek zerftreut, ſodaß fie 
im 3. 1423, troß ber neuen Bücher, mit denen man fie be 
reicherte, doc nur 858 Bände zählte. Der Herzog von Bed⸗ 
fort Faufte fie und Iieß fie nach England bringen. 

Ludwig XI. vereinigte die Wücher, welche ſich noch von 
Karl V. her in den verſchiedenen koͤniglichen Reſidenzen befanden, 
= einer Sammlung, zu ber er noch mehre neu angelchaffte 

erke binzufügte.- Ludwig XI. und Kari VIII. vermehrten 
diefen Anfang einer Bibliothek betraͤchtlich. Erſterer ließ fie 
nach Blois bringen, von wo fie Kranz I. wieder nach Fontai⸗ 
nebleau ſchaffte und mit einem bedeutenden Zuwachs griechifcher 
und orientalifher Manuſcripte bereicherte. Heinrich IV. verlegte 
bie Bibliothet im 3. 1594 in bas College de Clermont zu 
Paris und vereinigte damit die von Katherine von Medici 
binterlaffene Sammlung hebraͤiſcher, griechifcher, Lateinifcher, 
arabiſcher, franzoͤſiſcher und italieniſcher Manufcripte, deren 


I auf mehr als. 80 angegeien wird. Eubwig SIE. ſchaſſe 
pen nicht unbebeuteube Anzahl orientaliſcher Handſchriften an 
und ertieß im 3. 1617 ein Geſet, daß Jedermann, der ein 
Bud druden oder in den Handel kommen ließe, gehalten fein 
folte, zwei Sremplare davon der koͤniglichen Bibliothek verab⸗ 
folgen zu laffn. Gegen Ende ber Regierung dieſes Königs 
wer bie Bibliothek auf 16,746 Wände geſtiegen. Bedeutenden 
Zuwachs erhielt fie unter Lubwig XIV. Go wurden naments 
üch von Golbert mehre Privatbibliotheten angelauft und mit 
der großen Sammlung verſchmolzen. Im 3. 1684 zaͤhlte fie 
10,542 Manufcripte und etwa 40,000 Bände gebradter chen, 
worunter die Kupferftiche und Landkarten noch nicht einmal mit 
begriffen waren. Louvois ſchickte — was auch ſchon Golbert 
gethan hatte — Gelehrte auf Reiſen, um bie koͤnigliche Biblio⸗ 
thet durch neue Ankäufe zu bereichern und gab insbefondere ben 
Geſandten bei ben verſchiedenen Mächten den Auftrag, feltene 
Bücher und vorzuͤglich Eoftbare Handſchriften zu erwerben. 
Auch erneuerte er (1689) das Geſetz, daß jeder Buchhaͤndler 

wei Sremplare feiner Verlagswerke abzugeben haben follte. 
Gun J. 1697 erhieit die Bibliothek 42 Baͤnde chineſiſcher Werke, 
weiche der Kaiſer von China dem Könige zum Geſchenk machte. 
Indeſſen hatte bie königliche Sammlung ſchon vier Bänbe, bie 
in dieſer Sprache verfaßt waren, aufzumeifen. Im 3. 1666 
war die Bibliothek in die Rus Vivienne verlegt werben, nadıs 
nom fie ſchon zuvor von einem Orte zum andern gemandert was. 
Im J. 1 warb fie im Hotel de Nevers aufgeſtellt, weil 
fie ſich in fo reißender Progrefflon vermehrte, daß ihr bie bis⸗ 
berigen Locale nicht mehr genägten. Im J. 1790 zählte man 
200,00 gedrudte Werke, deren Anzahl jest auf 450,000 ges 
fliegen if, wozu noch wenigftens ebenſo viele Broſchaͤren und 

chriften fommm. Man rechnet, daß fie jebes Jahr um 

Nationalwerke vermehrt wird. Die Zahl der Handſchriſ 
ten, die jegt zur großen Bibliothek gebören, wird auf 60,000 
und bie der Kupferftiche auf 1 Mi. 600,000 angegeben, ar 
yorron hatte den Plan gefaßt, bie ganze Bibliothek im noͤrd⸗ 
Kchyen Theile des Louvre aufzuſtellen, beffen Aufbau er mit vie 
ser Energie betreiben ließ. Ob dieſes Project wieber aufgenam 


mm werden wird, ift noch zweifelhaft. 


Pietismus in England. 


Ders. Sherwood's Buch für junge Srauenzimmer der mitt: 
lern und höhern Stände, welches unter dem Zitel „The lady 
of ıhe Manor’ (die Landebeifrau) erſchien und fleben Bände 
umfaßt, bat bis zum 3. 1843 in England bereits vier Auflagen 
erlebt. Es enthält Geſchichten, die es felbft als „Evangeliſche 
Erzählungen” bezeichnet, d.h. Erzählungen im Sinne der Evan: 
gelifchen, mit andern Worten ber Pietiften; Gefchichten, bie 
alle ven Grund haben, die tiefe innere Verderbniß der menſch⸗ 
lihen Ratur aufs empörenbfle zu fchlldern, und damit enden, daß 
die feelenfhwarzen Heldinnen ſich mit Huͤlfe einer frommen 
Perſon ober fonft wie befehren, und durch das Evangelium er: 
weden laffen, ihree Sünden Menge auf das Lamm zu werfen 
u. f. w. Der Unfug, den die Verf. in ihrer Gefchichte treibt, 
das BSittenverberbliche, welches für die jumgen Gemüther, denen 
es gewidmet iſt, darin liegt, hat das n Quarterly review ’' 
yermocht, endlich in einem ausführlichen Artikel dagegen zu 
Beibe zu ziehen. Schon Recht! Der Rec. findet es fäioer zu 

egreifen, daß ein fo unmwahres, unpfochologifches, aller Vor⸗ 
güne baares und obenein dickleibiges und Eoflfpieliges Buch vier 

uflagen erieben konnte; und er kann ſich dies nur daraus er: 
Slären, daß es einer zahlreichen und vermöglichen Giaffe der 
Geſellſchaft gewidmet if, die in iprem Eifer für die Beförderung 
Deſſen, was fie für Religion hält, und in ihrer Zuvorkom⸗ 
menheit gegen Ale, die fle als „Arbeiter im Weinberge’ ans 
legt, nicht genauer prüft und bedenkt, was Ihr unter ſolchem 
Zitel und Schild angeboten wird. Er findet dann das Unglüd 
darin gewurzelt, daß fich dieſe Frommen, diefe Evangeliſchen, 


J in Bezug 


ſolche 
war nicht foͤrmlich feparkten, aber boch innerlich abadiftm 
—** Kreiſen bilden, nicht in ihrem Schooſe trage, nick 
aufmuntere ober irgendwie deguͤnſtige, ſondern bekaͤmpfe uns 
von ſich ausſchließe, was draͤngt Jene von dem Profeß der 
etablirten Kirchengemeinſchaft hinweg? Nichts Anderes als dei 
Ungenögen, w in dem —2 Weſen finden. Bi 
fo atfo bie Kirche hellend auf Jene wirken, be fie ihnen zit 
gibt, was fie bebärfen? Und was hält ihnen die Kirche at: 
gegen, um bie Auswuͤchſe als ſolche zu erkennen und zu bezeich 
nen? Ihre eigenen beffern, anders bafirten Sagın en? Rein! 
Ihre Sagungen ruhen auf demfelben Grunde. ie Sch vr 
d buoch verberh 


der buch und d ten Natur, dieſe Bluttheorie der 
Berföhnung und Altes, womit Jene den bitterſten Ernft madkn, 
bat fie Wodurch rectificirt fie nun biefe von ihs feihk 


anerfannten Lehren? Wenn fie fie rectificirt, nicht dadurch, daf 
fe biefe etablirte Kirche mit biefen und dieſen Satzungen if, 
ondern dadurch, daß fie immer noch bie WBefonnenheit behät, 
auf das Weſen der menſchtichen Natur zurkilzugehen. Se 
rectificirt das fpecififcg Kirchliche dadurch, daB fie das fpecifih 
Kirchliche augenblicklich aufgibt, und allgemein menſchliche, fit 
lie Principien geltend macht. Und Das thut bie Kirche nicht 
einmal unter allen Umftänden, fondern nur, wenn ei geom 
Diejenigen frommt, weiche eine gewiffe Abſonderung wollen un 
bewerkſtelligen; aber wenn es ihr ſelbſt Abbruch thun koͤnen 
auf ihre Autorität und Geltung, thut fie ed nik, 
fondern macht dann fogleich wieder die ganze Echroffpeit der 
etablirten Satzung geltend, Das Chriftenthum begann mit be 
Befreiung vom j bifhen Pharifditmus. Kaum war das Eher 
ſtenthum ats Kirche etablirt, fo war der chrifttiche Pyarifdisun 
ba: bie Geifter wurben wieber gebunden, wicht mehr durch ie 
alten Gpeifegefege und Geremonienvorfchriften, fondern durh 
neue ganz derjelben Art und obenein burch noch weit Schlimmertl, 
durch Enechtende Staubensnormen. 
mit Befreiung von biefem Pharifkismus und kaum waren pr: 
teftantifche Kirchen etablirt, fo knechteten fie bie Geifter aber 
malt mit Orthodoxie, GSymbolzwang, Gabbatfirenge Dis 
Spriftentyum begann damit, dad Grundgefeg der allgemeine 


Menſchennatur, die menſchliche Liebe zu promulgiren, und zwar 


bie Liebe ohne alles Anfehen ber Perfon, des Wolkscharaktri, 
der Glaubensverſchiedenheit, wie unter Auderm die Seſchihe 
vom barmberzigen Gamarite zeigt. Und kaum war ix 
Kirche etablist, fo verwandelte fie bie Vorſchrift ber allgemein 
Liebe in die Vorſchrift der Liebe zu den Gieichglaͤubigen un 
batte für die Andersgläubigen flatt aller Wohlthat Stheiterhaufen 
und Henkerbeile. Darum weift den auf Grund von Kicker 
lehren Irrenden nicht an bie established okurch, nicht an aut 
wohlorganiſertes Biſchofthum, an eure twerfpeilige Regeimähig 
keit, an eure flets ber Rectification bebürftigen Gagunger, 
fondern weift ihn te uno ehrlich an Das, mas Ghrifel 
gerollt bat (Luc. 10, 33): „daß der Menfih zum Dad 


Literarifhe Anzeige. 

Durch alle Buchhandlungen it von J. IE. Brockhau⸗ 
in Reipsia zu — gen iR Be 
Bericht vom Jahre 1843 an die Mitglieder der Deut 
ſchen Geſellſchaft zu Erforſchung vaterlaͤndiſcher Sprache 
und Alterthuͤmer in Leipzig, Herausgegeben von be 
Sefchäftsführer der Gefeufhaft Dr. R, A. Eſpe. 


Gr. 8. 88 12 Ngr. 
Die Berichte vom Jahre 1835—423 Haben denſelben Preis. 





Verantwortlicher Herausgeber: Heiarich Brockhaus. — Drud und Berlag von J. X. Brodhaus in Leipzig 


Die Reformation begamı 





Blätter 


literariſche 


für 


Unterhaltung. 





Zoſeph Freiherr von Eichendorff. 
(Zortfetquag aus Nr, 9.) 


Eichendorff hat aber auch in jenem Sonett den Cha⸗ 
rakter, das Weſen feiner Poefie in der Kürze ausgeſpro⸗ 
chen; und dies iſt der zweite Punkt, bei dem wir verwei⸗ 
tm. Die Poeſie iſt ihm der Zug des tiefſten Gemüths 
zu der heiligen Heimat, ein Emporſtreben von den Wel⸗ 
ten und Stuͤrmen der Welt zu dem Ewigen auf den 
Schwingen der ahnenden Phantafie, ein in ſuͤßen Tönen 
ſchmachtendes, oft in feliger Worempfindung jauchzendes 
Heimweh. Mit wenigen Worten hat der Dichter charak⸗ 
teeiftifche Eigenthuͤmlichkeiten derjenigen Poeſie, die man 
die romantiſche nennen kann, und insbefondere feiner 
eigenen Poeſie angegeben. Einer der von Freunden und 
Feinden a teſten, am wenigſten beftcittenen Züge 
der romantifchen Poefie iſt die Sehnſucht nad dem Ser: 
nen, dem Unemblichen, den Ewigen, die Ahnung der In 
der Ziefe der Erſcheinungen und des Gemuͤths liegenden 
Geheimmiſſe. Infofern trifft die romantifche Poeſie oder 
die romantifche Stimmung zufammen mit der religiöfen 
Rihtung und Stimmung, wie verſchleden aud, Übrigens 
beide in der Fotm und in der Wirkung auf den Geift 
fein mögen. So viel Widerfpruch nun auch die Behaup: 
tang finden: möchte, daß dieſe Art von Porfie die einzig 
berechtigte, daß alle echte Poefie romantiſch fein mäffe, fo 
wenig wird man beſtreiten koͤnnen, daß ein fehr bedeuten: 
dee Theil der edelften Poeſie romantifch in biefem Sinne 
und bie romsantifche Weltanfhauung und Darftellung der 
Kunft und Poefie in hohem Grade gemäß und förderlich 
fi. Man wird vieleicht in den angegebenen charakteriſti⸗ 
(hen Zügen der romantifchen Poefie oder Stimmung Ban» 
ches vermiffen, was man als integrivendes Element ders 
filben anzufefen durch die Theorien unferer neuen Me: 
mantifer gewoͤhnt worden ffl, und was man am den poe⸗ 
ffhen Drobuctionen älterer und neuerer Zeit, welche haupt⸗ 
ſachlich als romantifch gelten, mitunter als bas Weſent⸗ 

fe und Wichtigſte genommen hat — Berherrlichung 
des Mittelaltere mit allen feinen Einrichtungen in Staat, 
Beitsteben md Meche, Chriſtlichkeit, Kathelicismus; aber 
wir nahe auch die Verbindung des romantiſchen Geiſtes 
mit diefen hiſtortiſchen Eiemeriten lägen, ober er ſich mit 
einer gewiſſen · Nothwendigkeit daraus entwickekn mußte 


ſo ſcheinen uns doch die poetiſchen Werke, worin ſich an⸗ 
geblich das romantiſche Princip in feiner ganzen Reinheit 
ausgeprägt haben ſoll, ſelbſt ſchon Modificationen des ber 
verſchiedenſten Verbindungen und Ausprägungen fühlgeg, 
am fich geſtaltloſen romantifchen Geiſtes zu fein. Manche, 
wie ſchon erwähnt, Pönnen von dem Begriff des Roman: 
tifchen die Worftellung von Katholidemus, Marias und 
Helligencultus, Hierarchie, Ritterthum und Feudalismus 
nicht trennen; ohne Zweifel boten alle dieſe Elemente der 
Poeſie einen willkommenen, fruchtbaren Stoff und Aus 
halt, zumat- fie felbfl-fo ganz das Leben des Volks durchs 
Deangen; aber die romantifche Poefte ſelbſt ift fo wenig 
nothivendig an diefe Formen des Lebens und des Glau⸗ 
bens gebunden, daß fie ebenfo da fich findet, wo bide 
Grundlagen und Verhältniffe fehlen, daß fie gedeiht und 
bluͤht felbft ohne das Chriftenthum, wie 3. B. bei ben Per⸗ 
feen imd Indiern. Mit einem Wort: Das Princip ber ro⸗ 
mantifchen Poefie iſt nicht In dußern, biftorifhen Momenten 
und Einfiäfien, fondern in der Tiefe der menfehlichen Soele 
zu fuchen. Wie bei den Menſchen überhaupt, fo insbeſon⸗ 
dere bei den Dichtern kann man uͤberwiegend myſtiſche und 
überroiegend verfiändige Naturen unterſcheiden. Wenn 
die Letztern Alles ins Barfte Tageslicht zu echeben, von 
alten Seiten zu beleuchten und aufjuklären fuchen, and 
was fich nicht erklären laͤßt, entweder für Täufchung umd 
Wahn erkiären oder als nicht vorhanden betrachten, ſich 
davon entferne halten, fo find die Erfteen, die myſtiſchen 
Naturen (da Wort im unverfänglichften Sinne genoms 
men) beſtrebt, den Wurzeln und letzten Gründe der Er⸗ 
ſcheinungen nachzufpuͤren und nachzuſinnen; das Dunkel 
und das Geheimmiß reizt fie, das Leicht Verſtandene und 
Begriffene befeledigt fie nicht; fie erwarten von ber heill⸗ 
gen, -majeftätifchen Macht wichtigere Dffenbarungen als 
vom heilen, nüchternen Tage. In dieſem Sinne find 
3. B. Novalis’. „Hymnen an die- Nacht“ gedichte. Das 
bei verficht es ſich, daß es weder ben Letztern an Pldtem 
Verſtand noch den Erftem an Xieffinn fehlen um; nur 
eine - Stimmung und Richtung des Geſammtweſens iſt 
ie jener Untetſcheidung bezeichnet; aber fo tief tft dieſer 
Gegenſatz, daß er durch keine Argumentation und Dialek⸗ 
tik ausgeglichen werden kann. Beide Michtungen. wurzeln 
in der menſchlichen Seele gleich tief, beide ſind gleich be⸗ 
rechtigt und nothwendig; aber beibe fetzen ſih in Tiuem 


rg 


n . PR | Pr .. 
Geiſte felten oder vielleicht nie ganz ins Gleichgewicht, und 
diejenige Richtung, welche die Oberhand gewonnen, befebs 
det und unterdruͤckt dann meift die andern immer mehr. 
Hierbei wirken Volks⸗ und Familienanlage, Eulturzuftand, 
Natur fie, Exgiehung und Bildung unkeredgenbas ein; 
ganze Böker find der einen ober der ander Richtung 
überwiegend ergeben, und Ausnahmen, bie fich der entges 
gengefegten zuneigen, find felten. Die Übertoiegend myſti⸗ 
ſchen Naturen nun find es, welche die romantifche Poeſie 
lieben und üben werden; aber - fie bringen ihr nur ‚bie 
Stimmung des Gemuͤths, die Weltanfchauung, ent ; 
der Gegenſtand ſeibſt kann unendlich verſchleden fein, fo 
wie eben. gefhichtliche Einwirkungen ihn herbeigeführt und 
oeftaltet haben. 
-  Unfere deutfchen Romantiker, in den Jahrzehnden zus 
nähft dem Wechſel des Jahrhunderts, veraufchaulichen 
fehe deutlich diefen Gegenſatz des innerlichen, in die Tiefe 


gehenden, myſtiſchen Principe gegen das nad außen, auf 


die Dberfläche gerichteten, verfländigen Principe — des 
Gewiuds und der Phantafle gegen einfeitige, flache Aufklaͤ⸗ 
terri. Es war sine miche unbsrechtigte Reaction gegen 
eime gar zu anmaßende uud prableriiche, obwol in man: 


den Beziehungen achtbare und verdienfiliche Verſtaͤndig⸗ 


Seit und fchulmeilterifche Wohlmweishelt und Pedantorei, 
nicht ohne guten Willen und Eifer, aber oft ohne Geiſt 
und Gemͤth. Uber ohne Zweifel haben die Romantiker 
ihrerſeits das Biel überfchoffen, und fie haben, umter dem 
Zitel, Gemuͤth und Phantafie in die ihnen gebührenden 
Mechte wieder einzufegen, nicht felten den gefunden Ver 
Band ſelbſt verfolgt und verhähnt, ihn gleichſam als einen 
Eindiihen Greis in Ruheſtand geſetzt; fie haben dem bes 
rechtigten Gelft der Romantik zufällige, zum Theil verals 
2ete Elemente als zu feinen Weſen gehörig untergeſcho⸗ 
ben; fie haben mitunter Grillen, Lisbhabereien, Launen 
und Wo ngen fürs poetifche Glaubensartikel erklärt, 
Ge baden die Einflüffe und Stimmungen der Zeit und 
der Diode mit dem tiefen und wahren Peincip der cos 
mantifchen Kunft und Poeſie identificirt. Dadurch ver 
wickelten fie fich in viele Inconſequenzen und Widerfprüche, 
dadurch gaben fie ſich viefe Bloͤßen, und lieferten ihren 

Waffen in die Hand; fie ſelbſt haben das We⸗ 
fentliche und das Unmefentliche, das Prineip und feine 
sufähtgen Mobificationen und Ausprägungen nicht gehörig 
getreunt; und die Reaction gegen fie benuste natürlich 
mit allem Eifer das Buͤndniß der Romautik mit verfchies 
denen Moden und Phantafien der Zeit, um buch Ans 
geiffe auf diefe jene ſelbſt zu bekämpfen umd zu vet 
nichten. Aber die echte Romantik wird fich reinigen 
umd läntem, wenn nicht anders die Poeſie ſelbſt ermatten 
und erloͤſchen folkte ! 

. Riner derjenigen Dichter, in welchen fich ber. roman⸗ 
tiſche Geiſt der neuern deutſchen Poeſie am reinſten und 
anssehmöften, mit den wenigſten ſtoͤrenden Zuthaten aus⸗ 
gepraͤgt bat, if, neben Uhland, Joſeph von Eichendorff. 
Beine Jugend fiel in die Blüte der romantiſchen Schule, 
und ihe iſt ee bis in bie reifen Mannesiahre treu geblie⸗ 
ben, ein Nachtigall, die manchen Mai mit ihrem für 


nuen 


Sen, herzergreifenden Geſange, unermuͤbet und nie ermudend, 
bewillkommt und verſchoͤnt hat. Der erſte Theil der vorie 
— Sammlung bringt in vier Heſten die zahlerichen 
ieder und Gedichte Eichendorff's. Sie zerfallen in für 
gende Abtheilusigen: „Wandexiedee”‘, , dan”, Zeu 
lieder”, „Zrähling und Riebe”, „Badtstsopfät”, Geiſtlich 
Gedichte”, „Romanzen”; wozu noch einige Überfegungn 
aus dem Spanifchen kommen. Es ſcheint nicht ohn 
eine tiefere Bedeutung zu fein, daß die ziemlich zahlreichen 
ieder Sind; das Wandern hat bei em 
Romantiker Eichendorff noch eine ganz befondere, gleich 
fam fpmbotifche Bedeutung ; unter dem Begriff des Ban 
derns faͤllt ihm nicht nur dee feelemerfelfchende, hergfärkne 
Streifzug durch Wald und Zeld, über Berg und Bitrm, 
nicht blos bie meue Gegenden, neue Menfden, elei 
Abenteuer bringende Weite, fondern dad Wandern un 
die Wanderluſt ſchlleßt auch im ſich den doppelten Zu 
des Gemuͤths, die abnungdoolle Sehnſucht nad einm 
großen, hexrlichen, begluͤckenden aber unbekannten Fick, 
welche die Jugend und wol auch oft noch den Dann 
hinauslockt in die Ferne mit magiſchem Ruf, welche zu 
allen Beiten den Sinzelnen ergreift, und wol aud dem 
nicht ganz fremd ift, der auch zu Daufe an die Scholk 
gefeffeit bleibt, die aber vor Beisen gewaltige S 
und ganze Völker in Bewegung ſetzte, wie in den Zeilm 
der Voͤlkerwanderung umd felbft noch viel fpäter bei der 
Kreuszligen; es ift der romantiſche Trieb nach Abenteum, 
der die Argonauten und die Griechen vor Troja, und der 
die Ritter des Mittelaltesd und die fahrenden Schüln 
und Dandwerköbusfchhen befeelte; aber dem Zug in di 
fremde, ahnungsvolle Herne entfpricht dann der ebenfo gr 
waltige Zug in bie Deimat, das Heimweh, das oft mit 
nem «in und bafielbe Gefühl iſt, wenn der Bar 
derer feine wahre Heimat nicht da finbet, wo ihn ſeia 
Geſchick Hat aufmachen laſſen. Leicht und natulid 
geftaftee fi dem Dichter auch das gamge Leben ı 
einee Reife und Wanderung, die ihe Biel, ihre Sb 
mat bienieden wol etwa im Arme der treuen Liebe, de 
friedevollen Natur findet, wenigfiens da füße Raſt hält, 
aber den wahren Ruhepocrt doch erſt jenfeit des Gm 
bed hofft. Abes wenn auch oft ein Ton der Wehmuth 
durch diefe Wanderlieder geht, fo find fie doch nichts we 
niger als trübfelig und melancholiſch, vielmehr weht di 
friſcheſte Lebeneluſt, der keckſte Wandermuth, oft die bir 
teefte Laune darin, und dee Dichter, nicht zufrieden, in 
eigener Seele die Wanderluſt durchzukoſten, verlegt fü 
auch mit größter Liebe und mit dem gluͤcklichſten Gefhid 
in den Zuftand aller Arten von Wanderern, Mufilanten, 
Bigeunern, Studenten, Soldaten, Malern, Matroſen, I 
gern binein, und betsachtet ſich mit ihren Augen und mil 
ihrer Seele die durchpilgerte Welt, So geftaltet ſich mandırd 
dieſer Wanderlieber zu einer Romanze, ober ſteht zwiſchen 
ihr und dem Lied im dee Mitte „, iſt die 
uweite Abtheilung betitelt. Es iſt eine uͤmlichkeit 
bes tomantiſchen Schule, daß den ihr Angehoͤrigen It 
häufig die Poefle, der Poet und die poctiſche Stimmung 
ſelbſt zum Gegenſtand von Gedichten: wird. Theils map 





dies feinen Drum hurin haben, daß bie. moderne toman⸗ 
tiſche Porfle nicht ein reines Product des unbewußten 
Triebes und Dranges, fondern auch der Theorie, der Spe⸗ 


eulation über die Poeſie und Kunſt iſt; thells darin, daß \ 
die Kunſt und bie Poeſie, mithin auch der Dichter ſelbſt, 


in ben mit dee vemamdichen. Poefle zuſammenhaͤngenden 
philo ſophiſchen Syſtemen eine ganz neue und höhere Wer 
deutung bekam, als ihr früher zugefkanden worden mar: 
die Kunf galt als eine Offenbarung, als die Bermählung 
des Unendlihen und Endliichen; und endlich begiusftigte 
aud die Romantik außerordentlich das Belauſchen und 
die Darftelung dee Stimmung ber eigenen Seele, in de 
ren mufllalifhen Erklingen die Geheimniſſe der Welt laut 
werden; dem, wie Eichendorff finge: „Der Dichter iſt 
das Herz der Welt!” In dem „Sängerleben” leſen wir 
nun vecht das Credo des begeiflerten Romantikers, ber 
tief eingeweiht iſt in die Myſterien von den Zönen, Far⸗ 
ben, Quellen, Damen, worin das Geheimniß der Natur 
und der Schönheit fich erfchließt, der die Sprache ber 
Blumen und der Wellen und Wollen und Winde vers 
ſteht, der die wunderfchöne Frau hoch zu Roß in Waldes⸗ 
einſamkeit geſchaut und zur Fahne des Phantafus geſchwo⸗ 
ren hat, der ſeinen großen Beruf erkannt hat, geſchieden 
von der profanen, geſchaͤftigen, nuͤchternen, verſtaͤndig⸗ 
unverſtaͤndigen Menge, „ſich ſelber heilig zu opfern in 
Geſaͤngen“. Wenn auch in dieſen Liedern (die jedoch weit 
nicht alle ganz fubietiv und perföntich find) manches co: 
mantifch Überfchwängtiche, Taͤndelnde und gefucht Myſtiſche 
fi finden mag, fo iſt es doh im Banzen ein klarer, 
friſcher Sinn, ein ehrenhaftes, treued Gemüth, ein gefuns 
der, jugendlich bieibender Geiſt, was dem Leier überall 
hoͤchſt anfprechend umd geroimmend entgegemteltt, und der 
Dichter behauptet mit friſchem Muth und gutem Ver: 
trauen bie von ihm erwählte, feiner Natur gemäße Poefie 
gegen Anmushungen und Anfschtungen von verſchiedenen 
Selten ber, ohne ſich irre machen oder einſchuͤchtern zu 
laffen. Den Schluß diefer Abtheilung macht das fchöne 
Gedicht „An die Dichter, worin Eichendorff klagt, daß 
das Meich der Glaubens geendet, die alte Herrlichkeit zer⸗ 
ftört fe, die Schoͤnheit weinend ſich abgewendet babe von 
der gnadenoſen Zeit. Aber wenn auch dabin dad treue 
Thun, das ſchoͤne Lieben, - bes Lebens fromm vergnuͤglich 
eſt —: 
Der Dichter kann nicht mit verarmen; 
Dede Ita en —— 
Se Dichter Kia Herz der Welt. 
— ibm bat Gott das Wort gegeben, 
Das kühn das Dunkelſte benennt, 
"Den feommen Ernſt im veidhen Leben, 
Die Sreubigkeit, die Keiner kennt. 
Da foll er fingen frei auf Erben, 
An Luft und Roth auf Bott vertrauen, 
Daß Allee Herzen freier werden, 
ECrathmend in bie Klänge —— 
Dee Ehre ſei er recht zum Horte, 
Der —XX —* A 
Biel Bunbertraft if in dem Worte, 
Des U aus seinem Herzen beicht. 


. einer &t ber forafältigften und muͤhſeligſten Forſ 
—S wol bei Xlln, die wit ber —æ ich be⸗ 


Bor Eitelleit fol ex vor Alen 
Etreng hüten fein unſchuld'ges Herz, 
Im Falſchen nimmer 9 gefallen 
um eitel Wig und blanken Scherz. 

D, laßt uncdle Muͤhe fahren, 
einge, gleißt und ſpielet nicht 


Den lieben Gott laß in bie walten, 
Aus frifcher Bruft nur triulich fing’! 
Was wahr in die, wird fi geftalten, 
Das Andre ift erbaͤrmiich Ding. 

Den Morgen ſeh' ich ferne fcheinen, 
Die Ströme ziehn im grünen Grund, 
Mir ift fo wohl! — Die's ehrlich meinen, 
Die grüß’ ich AU aus Herzensgrund! 

(Die Wortfegung folgt.) 





Polnifhe Literatur, 
l. Rzut okana erddta Archeologii krajowsj. Wing 1849. 


Dieſer „Bid auf bie Quellen ber vaterlänbifchen Archaͤo⸗ 
logie” vom Grafen Eus. 2. ift ein dantenswerther Beitrag zum 
Aufhellung der ſlawiſchen Vorzeit. Das Werkchen enthält eine 
Überfiht der archaͤologiſchen überreſte aus den weſtlichen Gou⸗ 
vernements des ruſſiſchen Reiche, insbeſondere Beſchreibun 
und lithographirte Abbildungen derjenigen ſlawiſchen — 
ten, die in dem ehemaligen polniſchen Lieftanb, dem heutigen 
Gouvernemert Witepst, wo ſich das Heidenthum am Tängften 
in Polen erhatten batte, und in ber Bialowiczer Halbe aufges 
funden worden find. Im ber letztern, dem Wohnfige der alten 
Jadzwinger, entdeckte man zuerft im 3. 1824, als man die 
taufendjährigen Gichen umzubhauen anfing, unter den Wurzeln 
Waffen, irdene Gefäße u. f. w., body verfolgte man die Spu⸗ 
ren nicht weiter und beſonders archaͤologiſche Forſchungen find 
daſelbſt bis jegt noch nicht angeftellt worden; man begn 
mit ‚gufeRigen Funden. In der vorliegenden Schrift behandelt 
ber Verf., indem er die verfhiebenen Arten von Atterthämern 
durchgeht, zuerft die Kurhany. Es find dies entweder vors 
hriftiiche Gräber oder Hügel, bie an ben Gchlachtfeldern und 
u irgend einem benfwürbigen Grelgniffe aufgefdyättet worden 
find. Die —— in Liefland ſind mit Frauenſchmuck aus 
Metall und allen Arten von Waffen der Maͤnner angefuͤllt. 
Das eigentliche Lithauen, das an der Wilia, wo das Volk ſeine 
Sprache ſich erhalten hat, bewahrt in den Grabmaͤlern ebenſo 
koſtbare Geraͤthe, doch nicht in fo großer Maſſe wie in Lich 
land. Weiß⸗Rußland und Schwarg Rußland, welches, zwiſchen der 
Berefina und ber Witia gelegen, fpäter das ſuͤdliche Eithauen 
bildete, iſt am aͤrmſten an — * Zierathen. Hieraus ‚fgeint 
gu folgen, daß bie Gipilifation, bie aus Skandinavien herüber 
am, vornehmlich die dem Baltiſchen Deere benachbarten Pros 
vinzen umfaßte umd weiterhin in das Innere des Landes fich 
verbreitend immer weniger Einfluß übte. Fernere Abfchnitte des 
Werts behandeln den Frauenſchmuck, W u.f.w. Je höher 
ein Grabhuͤgel ift, deſto mehr Waffen finden fich in bemfeiben, 
es war alfo bie Größe des Grabhuͤgels eine Art Auszetdinung 
für den Berflorbenen. Die aufgefundenen Gegenſtaͤnde bekunden 
durchweg, daß die Kım im der vorchriftiichen Beit 
ſchon ziemlich ausgeblidet war. 

2. Mieszkania i postepowanie uczniöw krakowskich w wiekach 
dawniejszych. Napisat Jözef Mucskowskl. Kralau 1848. 

Unter dem unfdeinbaren Zitel „Über die Wohnungen und 
bad Betragen ber Eralauer Schüler in fruͤhern Iabrhunderten” 
tritt hier dee Profeffor und Bibliothekar Muczkowski in Krakau, 
einer der grünblichften Kenner ber polniſchen Literatur, mit 
ungen 


[1 


F108 


faſſen, das lebhafteſte Intereffe erregen muß. Beine Grgebnifle 
legt er Kar unb offen hin, man fteht, daß Ihn dieſelben ſelbſt 
betrübt haben mögen, benn er wählt zum Wotto ben Bibel⸗ 
fpruch: „Wir können nichts gegen die Wahrheit, fondern für 
die Wahrheit”, und doch teitt ein Beſtreben zu befchönigen, zu 
entfcyutbigen, ober gar zu verheblen, nirgend hervor. In ber 
That ift es aber beträbend, daß bie jagellomifche Univerfität in 
der langen Zeit ihres Weftehene aus ihren Jnſtitutionen nicht 
fo viel Kraft hat entwickeln können, um ſich vor dem Ginfluffe 
der ihre wibdrigen @reigniffe ficyer zu flellen, wie viel weniger, 
um auf, diefe Greignifle ſelbſt einen Einfluß auszuüben. Das 
wäre ihe aber gerade zugefommen, denn fie war nad ihrer Zus 
fammenfegung nicht etwa nur eine gewöhnliche universitas lit- 


teraria, fonbern bildete eigentlih ein Miniſterium ber Weller. 


aufflärung. Ie weniger fie ihre Miffton erfüllt bat, defto mehr 
muß die Geſchichte fie anlagen. 

Wie im 13. Jahrhundert bei den Uiniverfitäten in Italien, 
Frankreich und England für bie Studirenden Ploflerartige Col⸗ 
legien gegründet wurden, fo entflanden nach und nach auch bei 
der krakauer Univerſitaͤt vier Stiftungen, jedoch allein für bie 
Profefforen. Gie hießen: das Große, das Kleine, das Neue und 


das Juriſtiſche Collegium, Das * Collegium war der Kern 
J. 14 


der Univerſitaͤt und im von Wladislaw Jagello ge⸗ 
gruͤndet. Ein Hauptgebrechen dieſer Stiftungen war, daß die 
Profeſſoren, mit Ausnahme des der Aſtronomie und Beredt⸗ 
ſamkeit, von den ſchlechter dotirten Kathedern nach der An⸗ 
ciennetaͤt zu den beſſer dotirten befoͤrdert zu werden pflegten, 
das Hauptaugenmerk der Lehrenden alſo nicht auf das Lehramt 
ſelbfſft, mit dem man bei der erſten Gelegenheit wechſelte, ſon⸗ 
dern auf das Einkommen gerichtet war. So geſchah es oft ge⸗ 
nug, ba bie geiſtlichen Lehrſtuͤhle mit Praͤbenden reichlich vers 
ſehen waren, daß weltliche Lehrer ihre Lehrſtuͤhle verließen und 
au ben geiſtlichen uͤbertraten. Gin ſolches Haſchen nach Ge: 
mwinn bet Denjenigen, in deren Händen bie Leitung ber Wiffen: 
f&haften in. dem größten heile Polens lag, mußte aber auf 
den Gang ber Bollsbilbung den allerverberblichften Einfluß aus: 
üben. Die Anzahl der wirklichen Profefloren betrug 42, doch 
blieben in fpäterer Zeit viele Stellen unbefegt. Zür bie ſtudi⸗ 
rende Jugend beftanden wie in Deutfchland bie fogenannten 
bursae, beftimmte Käufer, in denen die Zugend unter Aufficht 
eines Lehrers ober Baccalaureus zufammen wohnte. In ben 
krakauer Burſen fanden wirkliche Korlefungen nicht ftatt, es 
mwurben bie Vorlefungen nur wieberholt und Disputirübungen 
angeftelt. In Krakau beftanden acht Burfen mit fidhern Fonds 
und vier ohne biefelben. Das Betragen der Gtubirenden gab 
wie in Deutfchland und Frankreich zu vielen Kiagen Anlaß. Sn 
Polen Lagen die Baupturfachen ber Sittentofigkeit in ben Ver⸗ 
folgungen ber Akatholiken und Suben, wobei bie oberften Un* 
verfitätsbehörden, der Rector und die Dekane, welche alle Se⸗ 
meſter wechlelten, nur allzu nachfichtig waren. Wollten bie 
Alatholiten ihre Häufer nicht überfallen und ihre Begräbniffe 
nicht geftört fehen, fo mußten fie ben Stubirenden gewiffe Ab: 
gaben entrichten, woraus mit ber Zeit eine Art Gerechtſame ber 
©tubirenden entfland. 

Vorliegende Schrift iſt eigentlih nur ein einzelner Abſchnitt 
eines größern Werks, das Muczkowski fchon feit mehren Zah: 
ven vorbereitet, naͤmlich einer umfaſſenden Geſchichte ber jagel⸗ 
tonifchen Univerfität. Sie wird zehn Bände umfaflen und fo: 
wei eine Geſchichte der iniverfität feit der Gründung bis zum 
3. 1809, als auch bie Statuten, Privilegien berfelben, Mit: 
Abellungen über bie Profefforen u. f. w. enthalten. Als vors 
zuͤglich wichtig nicht nur für die polnifche, ſondern aud für 
"andere Literaturen find zunaͤchſt zu erwarten die ‚„„Metricae stu- 
diosorum‘’ und bie Bücher der Promotionen, fortiaufende aus 
den Manufceripten ber Bibliothek gefchöpfte B niffe der 
©tubirenden und ber Perfonen, welde vom J. 1400 an ge: 
lehrte Grade von der Univerfitdt erhalten haben. 


unter den Stüden, bie ee für feine 


8. Uteeskbe, “ 
Obtasy Utawkie, vtyden Ah. Erich, rien Ban, 


Ift eine Fortfegung der „Wilder aus Li , von denen 
Chodzko bereits eine ganze Heihe Deröffentiide bat. Das vor: 


liegende erfte Bändchen einer neuen Reihe alt eine Erzaͤt⸗ 
lung „Die Ufer der Bllia“. Rach einer den Beſchrei⸗ 
bung ber Ufer Stuffee, an dem Mikina Liegt, folgen ia 


ung biefes 

bexfelben Leicht bingeworfene Sklizzen aus bem haͤutlichen Ehe 
des lithauifchen Adels, die fich vornehmlich an per —* 
gen deſſelben und bie oft geſchilderten polniſchen Gaſtmäler 
ofen, im Allgemeinen ſich aber nicht Über das Gewöhniice 
erbeben. 4 





Literarifhe Notizen aus Frankreich. 


Gefhichte ber vepräfentativen Berfammlunge 
in Sranfreid. 
Die meiften Geſchichtswerke, welche von der franzoͤfſchen 
Revolution handeln, geben in der Regel wentaftens in Jom 
einer Einleitung einen kurzen Überbiid Aber bie Geſchichte de 
herſchiedenen Gtänbeverfammlungen, welche vor den wichtigen 
ats- gensraux von 1780 flattgefunben haben. Zu ben beim 
Darftellungen diefer Art gehört die einleitenbe Abhandiunz, 
welche A. Lameth feiner tatereffanten „‚Eiistoire de l’Assembik 
constituaste” vorausgeſchickt hat. Thiere flellte bei der erken 
Ausgabe feiner vielbefprodgenen „Histoire de la r&volutie‘ 
eine umfaffende Arbeit über bie Staͤndeverſammlungen in Fraul— 
reich aus der Feder bed bekannten Bei Bodin, des Verf. eine 
großen Anzahl hiſtoriſcher Refumes, in Ausſicht, die feine 
Schrift ats Einleitung beigegeben werben ſollte. Bodin ſcheint ab 
diefe Idee aufgegeben zu baben, was um fo mehr zu bebaum 
if, da _diefer Theil der franzöfifchen Gefchichte trot aller de 
jelnen Darftellungen body noch Feine genägende Wehanblung ge 
nden bat. Gegenwärtig erhalten wir nun eine ausführlid: 
„Histoire des Etats-generaux et des institutions represen- 
tatives en France” (3 Bbe., Paris 1843), weiche ben ganjm 
Beittaum vom Beginn ber Bis zum Anfange ver 
Revolution umfaßt. Sie rührt vom greifen X. C. Thibaudea 
ber, ber ſich namentlich durch feine „‚Hlistoire de l’empire” 
ſowie durch andere biftorifche Werke rühmtichft bekannt grmad: 
bat. Seine Quellenftubien find, wie man es bei einem ſo 
tüchtigen Hiſtoriker nicht anders erwarten kann, gewiſſenhaft 
und umfaſſenb und bie ganze Schrift iſt in einsm eraſten 
würbigen Zone gehalten. 


H. Blaye's Fleine Unredlichkeiten. 

Bor kurzem find uns einmal wieder bie „‚Po&sies“ vor 
Henri Blaze, die tm vorigen Jahre erſchienen, .in die Hisk 
gefallen. Zu unferer nicht geringen Verwunderung fanden mir 
igenen Sachen audgikt, 
eine ganz anſehnliche Anzahl von Gedichten, melde ber jundt 
Dichter, ohne ein Wörtchen davon fallen gu Laffen, von Udland 
und namenttidg von ert entiehnt. hat. Zub biefe Stuͤct 
gehören nicht gerabe zu den fchlechtefen bes Sammlung. Br 
haben öfters in db. Bl. die große- Liebe hervorgehoben, mit da 
fih Blaze der beutfhen Literatug zugewendet zu haben ſcheint 
und haben, wenn wir audy feine Überlegung des „Kauft“, mil 
fie gar zu profaifh gehalten iſt, nur bebingungsmeife Toben 
Eonnten, fein Berdienft, das er fich durch die Verbreitung un 
ſerer Poefie im Auslande erworben hat, anerkannt. Indeſſer 

tauben wir nicht, daß ex unfern Dichtern dadurch einen guim 
tenft leiſtet, daß er ihre beften Saden ſtill —* aͤberſeh 
und für fein Eigenthum ausgibt. Viel em Dank wirkt 
er ſich erworben haben, wenn er durch genaue Angabe der 


deutſchen Dichter, deren Poefien ihm zur Rachahmung vorge 
legen gaben die Ramen berfelben Hei feinen Ramdöleuten bekannt 
gemacht hätte, 9. 


Berantwortlicher Herausgeber; Heinrich Sredhaus. — Droe und Verlag von B. X. ——e— in deipig 











Blätter 


für 


literarifhe Unterhaltung. 





Dienftag, 





Joſeph Freiherr von Eichendorff. 
( Fortſetung aus Nr. 215.) 


Es folgen nun „Zeitgedichte”, großentheild vor dreißig 
und mehr Fahren entflanden, in den Tagen des Druds, 
der Moth, des Jammers, daher audy meift voll tiefen 
Ernftes und Bornes, aber auch vol Kraft und Kauf: 
fung, vol männlicher, deutfcher Gefinnung und frommen 
Gottvertrauens. Indeſſen bilden nicht gerade einzelne 
Zeitereigniffe oder der gefammte Zufland des DBaterlande 
das Thema der meiſten biefer Lieder, fondern in ihre bunte 
Mannichfaltigkeit klingt nur der Ton der Zeit ſtaͤrker oder 
ſchwaͤcher hinein; es find Leine in Reime gebrachte politi: 
fe Ergiefungen, fondern Ergiefungen eines für das All: 
gemeine und Große, für Vaterland, Freiheit, Recht, Ehre 
empfänglichen Dichterherzene. Aber diefem Dichter, fo 
hoch er die Poeſie hält, und fo fehr er fich fehnt, ihr 
friedlich zu leben, ſteht doch die That, die Pflicht, bie 
Ehre höher als der Geſang, und er finge: 

Wer in ber Roth nichts mag als Lauten rühren, 

Deß Band bdereinft waͤchſt mahnend aus dem Grabe. 
Mehre Eräftige Lieder find dem Heldenmuth der Ziroler 
und einzelnen Krlegsfcenen geweiht. So ift die Erſtuͤr⸗ 
mung Witternbergs in ein ſchoͤnes, wildEräftiges, humoriſtiſch⸗ 
ernſtes Gedicht gebracht, betitelt „Die ernfle Faſtnacht 
1814”, denn der ritterlihe Dichter hatte felbft das Schwert 
ergriffen und fang in den Stürmen des Kriegs freudige 
Soldatenlieder aus eigenfter Erfahrung und Anfchauung, 
wo ihm gleichfam die Mitterzeit wieder lebendig aufging. 
Im Schlußgedicht „Weltlauf“ mißt der Dichter die Zeit 
und was in ihr gefchieht, an der Ewigkeit, und über den 
Wechſel, die Unbeftändigkeit der Welt tröfter er ſich maͤnn⸗ 
ih mit dem Gedanken an Den, der in Allem und über 
Allem ift und bleibt: 

Wie im Thurm der Uhr Gewichte 
Ruͤcket fort die Weltgeſchichte, 
Und der Zeiger ſchweigend Ereift, 
Keiner räth, wohin er weiſt. 
Aber wenn bie ehrnen Zungen 
Kun zum legten Dal erflungen, 
Auf den Thurm der Herr fi flellt, 
Um zu richten biefe Welt. 
Und ber Herr hat nichts vergeffen, 
Was gefchehen, wird er meflen 


Nach dem Maß der Ewigkeit — 
D wie klein ift doch bie Zeit! 
„Fruͤhling und Liebe” — Hier ift der romantifhe Di: 
ter ganz in feinem wahren Elemente. Denn die Ratur, 
die Im Lenzgewand prangende Natur, iſt aud feine Ge⸗ 
liebte, — die Geliebte iſt ihm die Krone der Schöpfung, 
bie Prophetin der Natur und des Himmels, und Beide 
find gleichfam feine eigene, ihm gegenfländfich gewordene, 
ihm von außen entgegentretende Seele. So wird im 
„Zaubernetz“ befchrieben, wie der Sänger, die Geliebte und 
der fie begleitende Jaͤger mit dem Waldhorn (ein wichti⸗ 
ger Artikel der romantiſchen Poefie!) vom Lenz im gräs 
nen Walde mit einem Zauberneg umgeben werden, mel 
chem noch Keiner entgangen. Wir müffen e6 uns jebody 
verfagen, aus bdiefer reihen und reisenden Mannichfaltig⸗ 
keit von Liedern, welche Naturfeligkeit und Liebesiwonne, 
Wehmuth und Liebesfchmerz ausfpredhen, Einzelnes her: 
auszuheben und zu zeigen, in tie buntem Wechſel der 
Situationen, der Stimmung, der Bilder Sonne und 
Wald, Sterne und Abendroth gefelert und mit ber Seele 
des Dichter fo zu fügen vermähle werden. Auch bier Aft 
manches fcherzhafte und humoriſtiſche Gedicht eingeftreut, 
wodurch Kintönigkeit vermieden wird. In den „Todten⸗ 
opfern’ iſt die tiefe, innige Trauer verfhönt von freunds 
lichen Bildern der dem Dichter durch den Schmerz nicht 
verbüfterten, fondern vielmehr geheiligten und verffdrten 
Natur, und einem feften, zuverfichtlihen Glauben. Aber 
eine rührende Weichheit des Gemuͤths fpricht ſich in Die: 
ſen ſchoͤnen Liedern aus, unter welchen wir namentlich 
das „Am Strom“ hervorheben. Sehr ſchoͤn ſind auch 
die Lieder „Juf meines Kindes Tod“. Die „Seiſtlichen 
Gedichte“ find freilich nicht von der Art, daß fie in Ge⸗ 
fangbücher könnten aufgenommen werden; in manchen iſt 
ebenfo viel weltliche als geiſtliche Poeſie; aber es find Ge: 
fänge voll Andacht und Frömmigkeit, voll echebender, ſchoͤ⸗ 
ner Empfindungen und Gedanken, voll Demuth ohne 
Kopfhängerei, Trübfeligkeit und Scheinheiligkeit. Mitun⸗ 
ter findet ſich mol einige Künfttichkeit, und Manches, was 
jest als Taͤndelei erfcheint, aber es in einer etmas anders 
geftimmten Zeit keineswegs war; manches Lieb jedoch iſt 
ganz in einfachem Stil gehalten, 3. B. das ſchoͤne „Mor⸗ 
gengebet”, „Nachtgruß“, „Der Wächter”. Eichendorff's 
geifttiche Gedichte erinnern manchmal an bie von Arndt, 


1106 


weiche jedoch im Ganzen einfacher und reiner gehalten 
find. Verwandt mit den geiftlihen Liedern von Novalis 
ift das fchöne Gedicht „Gebet“. Schon unter den Kir: 
dern befindet fich mandyes, welches als Romanze gelten 
Tinte, aber eine größere Anzahl von. Gedichten dieſer 
Sattung hat der Dichter am Ende feiner Sanımlung zus 
ſammengeſtellt. Zum Theil tragen jedoch auch dieſe halb 
den Charakter des Liedes an ſich; der Titel gibt die Per⸗ 
fon an; welcher das Lied in den Mund gelegt iſt, das 
dann ein Erlebniß, eine Situation in kurzen Zügen fliz 
zirt; amdere jedoch find wirklich erzählend,, darſtellend. 
Unter diefen Romanzen findet fi viel Mäcchenhaftes, 
„Allegoriſches; hiſtoriſche Anklänge find Is: 

ten oder fehlen ganz. Unter dieſen Romanzen ift eine 
der allerlieblichften ‚Das zerbrochene Ringlein“, Das 
in feiner Tiefe und Einfachheit wie ein echtes Volkslied 
gemahnt und in ganz Deutfchland gefungen wird. Einen 
secht fchaurigen, unheimlihen Eindrud machen „Der Rei: 
terömann”‘, und „Das kalte Liebchen“; nur ift in neuern 
Zeiten ‚diefe Art von Poefie von Nachahmern mit und 
ohne Beruf übermäßig cultivirt, bis zur Garicatur und 
‚zur ‚Stage übertrieben, und dadurch die Empfindung dafür 
abgeftumpft, ja wol gar Widerwillen dagegen erzeugt worden. 
Leider dürfen wir auf das Einzelne nidht näher 
eingehen; dafür aber müffen wir die gefammte Poeſie 
Eichendorff noch etwas beflimmter zu dharakterifiren fu: 
- den. Man bat fihon die romantiſche Poefie überhaupt 
eine vorzugsmeife mufifalifche genannt, und menigitens 
auf Eichendorff finder dies, wie und duͤnkt, in hohem 
Grade feine Anwendung; feine Poefie wirkt wie Muſik. 
Dhne Zweifel genügt fie dadurch einer Hauptanfoderung, 
weiche man an die lyriſche Poefie macht; aber fie geht 
darin zu weit; das eigentliche Element der Poeſie, das 
Wort, die Sprache, wird zu ſehr vom mufilalifhen Ton, 
vom Gefang verfhlungen; der Kortfchritt des Gedankens, 
Die Bersegung und Gliederung des Lebende, der Meiz des 
Geſchehens und der That, die Plaſtik des Ausdrucks 
leiden mehr oder weniger unter dem Wormwalten des 
mufitalifhen Elements. Der Dichter gibt uns beinahe 


durchaus nur feine Stimmung; diefe ift nichts we⸗ 


niger als einförmig, und er iſt in der That uner: 
fchöpflih in neuen Wendungen und Geflaltungen, um 
feine Stimmung poetifh auszufprehen; die Natur und 
die Menſchenwelt bieten ihm ihren Reichthum dar, in 
welchem er mit verſchwenderiſchen Händen wühlt; aber 
vielleicht iſt es gerade eine gewiſſe Okonomie und Spar: 
ſamkeit, was ihm fehlt; er haͤuft zu viele Anſchauungen 
und Bilder .in allzu raſcher Aufeinanderfolge, ſodaß dem 
Gemuͤth wol ein allgemeiner Eindruck bleibt, aber keine 
klare Erinnerung, etwa wie von einem ſchoͤnen Natur⸗ 
ſchauſpiel und Landſchaftsgenuß, wovon ein füßer Eindrud 
bleibt, der fih nicht in Worten wiedergeben läßt. Nicht 
wenig indeflen müflen diefe tiefempfundenen Lieder gewin: 


nen, wenn man fie einzeln In ber ihnen gemäßen Stim⸗ 


mung ‚genießt, wenn man ſich in fie vecht vertieft und 
jede Mote fo zu fagen recht austönen läßt. ‚Eine viel 


mh auf Empfindungen als auf Gedanken und objective 


Nachlaͤſſigkeiten und Härten erlaubt. 


Gegenflände und Stoffe gegründete Poefie fobert auch 
viel mehr Dingebung des Gemüths, eine ganz reine, unge: 
ftörte Empfaͤnglichkeit. Wenngleich jedoch beinahe fümmı- 
liche Gedichte Eichendorff’6 fi) auf Stimmungen zurid: 
führen, als Vetbörpeningen yon Stimmungen ſich betrat: 
ten laflen, fo darf man Heinehwegs glauben, dag nur Gin 
Zon duch) diefelben hindurchgehe. ine Gefinnung, Ein 
Gemuͤth lebt und ſpricht in demfelben, ja! und dies iſt 
ein großer Vorzug ; Died gibt ihnen das Geptaͤge der m: 


nen Wahrheit; aber der Dichter -bewegt ſich nicht in vi: 


nem befchränkten Kreife von Empfindungen ; fein offenes 
Herz, feine bewegliche Phantafie, feine tuͤchtige und mann; 
hafte Weltanfkauung dehnen ſeinen Geßchtskreis weit aut, 
und fein Gefühl umfaßt eine große Scala von Toͤnen, 
von der laͤchelnden Wehmuth Hi8 zur vergücten Wonn 
und bis zum phantaftifhen, muthmwilligen Humor; von 
der harmlos tändelnden Luft bis zur ernſten Andacht und 
zum männlichen Zorne; vom Wohlbehagen , das fih an 
dee Sonne wärmt und unter Blumen fpielt, bis zu 
Bangigkeit und zum Schauder der gefpenftifchen, kalten 
Nacht. Dieſer Mannichfaltigkeit von Stimmungen at: 
fpricht auch eine nicht geringe Abwechfelung in der Kom; 
die Lieder bewegen fi) in verfchiedenen Rhythmen un 
Versmußen, wiewol eine oder cin paar einfache Liedermi: 
fen vorwaltend duch das Ganze hindurchgehen. Mi 
den Romantikern überhaupt theilt Eichendorff die Ne: 
gung, fid in verfchiedenen Formen des Gedichts zu vr: 
ſuchen, und manches Sonett und fonftige kunſtreiche De 
tea, Stoffen u. dergl. Laffen feine Fertigkeit aud in ir 
Technik der Poefie in ein helles Licht treten; mit dieſer 
Virtuofität aber in der Dandhabung fehroieriger Formen, 
in der fpiefenden Überwindung felbftgefchaffener Schwirig: 
keit contraflirt bin und wieder eine gewiſſe Gleichgülti: 
feit gegen die firenge Form, welde ſich manche Licenzen, 
Urfprünglich mag 
dies Süundigen gegen die jegt geltende Grammatik un) 
Sprachweile feinen Grund gehabt haben in der inne: 
gung der Romantiker zum Alterthümlichen und Xldeut 
fchen, gelegentlich aber wirkte mol auch eine gewiſſe Ve— 
quemlichkeit mit. Berufen Eonnten fie ſich allerdings auf 
das deutfche Volkslied, das namentlih im Reim nicht 
weniger ald coreect und fireng — nad) den Begriffen da 
neuen Profodie — iſt; und mit dem Volkslied ſcheint 
Eichendorff nicht felten, und zwar mit Gluͤck, zu mir 
eifern; mir finden häufig in feinen kurzen Liedern di 
Einfachheit, die Tiefe, die Prägnanz, die raſchen um 
übercafchenden Übergänge und Sprünge, welche die beſten 
Volkslieder auszeichnen, und viele andere würden denſe 
ben Charakter tragen, wenn fie mehr von bunten Schmud 
der Bilder entkleidet, und andere, menn fie etwas fant 
wären. Unklarheit fällt im Ganzen Eichendorff nit zu 
Lat, aber manchen feiner Lieder haftet fie doch an — IE 
mal denjenigen, ‚weiche ohne weitere Erklaͤrung aus dem 
Zufammenhang ber Erzählungen in die Gedichtſammlung 
aufgenommen find. An das Wolkslied erinnert bei Eichen: 
dorff auch eine ziemlich conftante Wiederkehr gewiſſer In 
ſchauungen, Bilder, eigenthuͤmlicher Ausdruͤcke, und es if 





AUG 


3u hoffen, ba immer mehre feiner Liber durch die Com: 
yojition zum Gemeingut der Motion im Ichendigen Ge: 
fange werden. Nach altem Bisherigen koͤnnen wir Eichen: 


dorff Orginafität in einem hohen Sinne allerdings nicht 


zufprechen, auch macht er felbft gewiß nicht Anfpruch, eine 
neue Bahn gebrochen zu haben; aber darum halten wir 
ihn dennoch für eine echte Dichternatur, feine Gaben für 
ebenfo lieblich ats gefund. Der Gelft der Romantik hat 
fein Dichtergemürh gewedt und ihm die Richtung gege: 
ben, und zwar eine ihm volllommen gemäße; Dies erhellt 
daraus, daß er ihr immer treu geblieben iſt, während er 
fih von den Verirrungen und Affectationen der Roman: 
tie ziemlich frei erhalten und gezeigt bat, daß dieſe den 
Mann nicht verweihlihen und centnerven muß, Daß fie 
fih ganz gut mit der moralifhen Gefundheit und mit 
dem tüchtigften Lebensveeſtand verträgt. 


(Der Beſchluß folgt.) 





Ethnogtaphiſche und gefchichtliche Notizen über die Zigen: 
ner. Gefammelt durh Karl v. Heifter. Könige: 
berg, Gräfe und Unzer. 1842. Gr. 8. 20 Nor. 


Der Titel „Rotigen‘ tft zu befcheiden; die Schrift darf als 
ein Handbuch des Wiffenswürbigften, was bis auf die neuefte 
geit über die Zigeuner ermittelt worden ift, bezeichnet und em: 
pfohlen werben. Der Berf,, beffen Belefenbeit in dieſem Ge: 
genftande bie volifie Anerkennung verdient, bat nicht nur die 
von den Zigennern fpeciell handelnden Werke von Grellmann, 
Barrow, Kogalnitihan, Kindier, Graffunder, Sprengler, Tetz⸗ 
ner u. A. benugt, fondern auch eine Menge geographiiche, ges 
ſchichtiiche und anthropologifche Schriften, in denen gelegentliche 
Rachrichten über bie Zigeuner gu finden waren. Daß felbft aus 
Romanen (WB. Scott „Guy MWunnering” und bem „Cancan 
eines deutfihen Edelmanns”) ein paar. Genrebilder entlehnt find, 
erſcheint durch die Gigenthümtichleit des Gegenſtandes völlig ge: 
rechtfertigt. Die große Maffe des Materials Hätte leicht zur 
Veitfhweifigkeit führen können; um fo mehr mäflen wir es bem 
Berf. danken, daß er ſich bei dieſem Reichthume zu beſchraͤnken 
wußte, ohne daß feine Darftellung der Kaͤrglichkeit oder Trocken⸗ 
heit beſchuidigt werben kann. 

In der erften Abtheilung der etbnographifchen Notizen wirb 
zuerft von dem Namen „Zigeuner“ gehandelt. In Europa hu: 
ben fie verfchiedene Namen, bei den Holländern heißen fie „Hei: 
den“, in Spanien, Portugal und Sicilien „Gitanos“ (d. h. 
Schlaue, kann aber auch von Egitto hergeleitet werben), bei 
den Franzoſen „Bohsmiens und Kgyptiens”, bei ben Zürfen 


„Tchinghenes““, was einen Leiermann bezeichnet, bei ben Ruſſen 


„Tziganes“, in den Donauländern „Sygani“, in Italien „Gin: 
gari”, Bei der Äpntichkeit diefer legtern Namen mit dem Worte 
„Bigeunee’’ zerfällt die feltfame und doch von Manchen fehr 
eenfihaft gemeinte Erklaͤrung, doß Zigeuner von Zieh » Gauner 
kerlommen folle. Die Zigeuner ſelbſt nennen fih Rom, db. h. 
Mann. Mit der mongolifchen Race, zu welcher fie oft gezaͤhlt 
werden, haben fie nichts gemein, weder das platte Gefiht mit 
ſchmaler Stirn, noch ben fpigen Hinterkopf, die Kleinen fchmas 
ien Augen und die weigengelbe Gefichtsfarbe. Sie gehören zur 
malaiifyen Race. | 

„Wenngieich die dunkle Farbe, ein wenig ſchiefe Augen: 
ren, etwas erhobene Backenknochen, nicht für ſchoͤn gelten koͤn⸗ 


ven, fo gewinnt body das Beficht des Zigeuners durch bie lang⸗ 


gewimperten fchwarzen Augen, durch den meift feinen Mund 
mit ſchoͤnen, geradeftefenden Zähnen und mit einer uͤberaus an 
muthigen Oberlippe, einen keineswegs unangenehmen, ja fogar 
einen bedeutenden Ausdruck. Auf der Phyſlognomie diefer Aſta⸗ 


ten ruht ſchwermuͤthiger Ernſt; da finden fich die langen Beiben 
eines verworfenen, auögefloßenen Stamms tief ausgeprägt, 
wenn auch nur als unausbleiblicdye Kafter. Aus ben gkuͤhenden 
Augen blitzt thierifche Wildheit hervor, unſtet ſchwankt ber Aus⸗ 
druck zwiſchen Schlauheit, Furcht und Haß; die wohlgeformte 
Stirn zeigt reiche Ausſtattung an geiſtiger Gabe, und daneben 
drüden alle Züge ben Argften Misbraukh aus. Menden wir 
uns ab von bem geiftigen und koͤrperlichen Schmutze tiefer Ber⸗ 
funtenpeit, fo werden wir wieder angezogen, gefefleit durch nas 
turgetreue, durch vollendetſte Bormenentwicelung. Die Bigeus 
ner find im Allgemeinen von mittlerer Statur, ſchlank, haben 
wohlgeformte Schultern, Arme und Beine, eine Füße und 
Hände, lange, zugefpigte Finger. Das Dick- und Fettwerden 
kommt bei ihnen nicht vor, unb überhaupt iſt ihre Geftalt mit 


den zierlichen und dennod fo Eräftigen Gliedern von vollende⸗ 


ter plaſtiſcher Schönheit, ſodaß man, bemerkt Kogalnitſchan, 
wenn man fie nadt fiedt, brongene Meiſterwerke des Alter: 
thums lebend vor ſich hat.’ 


Die früher allgemeine Annahme, daß Ägypten das Vater 
(and der Zigeuner fei, ift als voßftändig widerlegt zu betrachten 5 
es wird jetzt kein Zweifel mehr daruͤber erhoben, daß ſie ur⸗ 
ſpruͤnglich aus Hindoſtan ſtammen. Durch die malaiiſche Ab⸗ 
kunft wird aber tiefem Voike Hindoſtan nicht genommen, indem 
dort ein großer Theil der niedern Kaſte malalifher Race if. 
Marsden findet den Stammfig der Malaien auf den Höhen von 
Sumatra, von wo auß fie fi) weit über den Archipel und Hin⸗ 
terindien verbreitet haben. Gleich dem indifchen Paria verzehrt 
ber Sigeuner die ekelhafteſten Speifen, er trägt fein Bedenken, 
das Fleiſch gefallener Thiere zu effen; fie fagen, was Gott 
ſchlachtet, das müfle body wol beffer fein, ald was von Men: 
ſchenhand fterbe. Den Branntwein lieben bie Zigeuner leibens 
ſchaftlich, nicht minder den Taback; ein altes, recht durchzogenes 
Pfeifenrohr ift ein willlommenes Geſchenk; indem der Zigeuner 
bie abgebiffenen Stuͤckchen ausfaugt und dazu Waffer trinkt, 
hält er einen ganzen Zag beim beſchwerlichſten Marfche aus. 

Bekanntlich fleht unter den Beſchaͤftigungen der Zigeuner 
das Schmiedehandwerk oben an. Außerdem befallen fie fidy gern 
mit dem Pferdehandel und haben es in den hierbei vorkommen⸗ 
ben DBetrügereien zu einer ausgezeichneten Fertigkeit gebracht; 
in Siebenbürgen und ben Donauländern friften viele Zigeuner 
in den Sommermonaten mit Goldwaͤſcherei ihre Eriftenz, in 
Spanien find fie haufig Gaſtwirthe und einige haben fich bei 


diefem Gewerbe Vermögen erworben, ohne deshalb ihre Eigen: 


thümtichkeiten abzulegen. Dem ganzen Stamm ift ein entfchies 
benes Zalent zur Muſik eigen. Die Catalani war in Moskau 
von dem Gefange einer Bigeunerin fo entzücdt, daß fie ihe einen 
toftbaren, vom Papfte zum Geſchenk erhaltenen Shawl mit den 
Worten verehrte: „Er war einer unübertroffenen Sängerin bes 
fiimmt ; nad Dem, was ich jegt gehört babe, darf ich ihn 
nicht ferner tragen.” Auch für den Tanz diefer Orientalen has 
ben wir ein febr gültiges Beugniß, feiner Vortrefflichkeit. Be: 
bufs des Ballets „Die Zigeunerin‘‘, welches am 5. Dechr. 1838 
zum erften Male in Petersburg aufgeführt wurde, machte bie 
Taglioni ihre Studien bei einer Bande in ber Nähe von Moss: 
kau, und fie, die gewiß competent iſt, zollt der natürlichen 
Grazie, dem feinen Taktgefuͤhl, der ungefünftelten Anmuth ber 
Zigeunermädchen ben größten Beifall. In der Moldau und 
Walachei find die Zigeuner auch Schaufpieler, wenngleich nur 
mit Marionetten, mit denen fie in den Nächten von Weihnach⸗ 
ten bie zum Garneval berumzichen. Das einft fo beliebte Wuhrs 


.fagen wird, mie eine Zigeunerin in Dftpreußen dem Verf. ers 


zählte, jegt nicht mehr getrieben, „weil die Leute nicht mehr 
daran glauben”, 

Die Zigeunerinnen haben im Punkt ber Sittlichkeit ſtets 
im fchlechteften Rufe gaeftanden. Doch find bierüber die Urs 
tbeile bes Forſcher ſehr abweichend. Während Kogalnitfchan 
fagt, daß die Mädchen diefes Volks fich für einige Paras Les 
dem bingeben, tritt Barrow als Ehrenretter berfelben auf. Er 
verfichert, daß wenngleich in Spanien die Mäbchen durch wol⸗ 


(4 





1108 


Lüftige Taͤnze und andere Goletterien diejenigen Männer ans 


zuloden fuchen, von denen fie Schutz oder Vortheil hoffen, fie 


fi) ihnen doch niemals preisgeben. Auch die Zigeunerinnen in 
der Tuͤrkei ſpricht Barrow von dem Vorwurf der Proftitution 
frei und gibt denen in England das befte Zeugniß. Unfer Verf. 
glaubt dagegen, daß dies zu günflig geurtheilt ſei; ex führt an, 
daß die Zigeunermäbcdhen in Moskau die jungen Ruſſen in jeder 
Art zu Grunde richten und erwähnt dabei ber befannten That: 
fache, dab die Fuͤrſtin Gagarin und bie Gräfin Tolſtoy yebos 
rene Zigeunerinnen find. Sollte aber bie Erhebung bdiefer bei 
den Damen nicht gerade ben Beweis liefern, daß die Zigeune⸗ 
rinnen fi nicht fo leicht wegwerfen? Auch Richard Twiſſ 
fagt in feiner fpanifchs portugiefifchen Reife ( franzöfifche Über: 
fegung, Bern 1776): „Quant & leurs femmes j’ai eu lieu 
de savoir plus d’une fois, qu’elles resistent aux offres qu’on 
leur fait, plus souvent qu’on ne le presumerait d’une classe 
de gens aussi decriee.” Wieder auf ber andern Seite fehlt 
es nicht an Beweiſen der Unzüchtigkeit diefes Volks. Der Eng: 
‚länder Swinburne berichtet, daß bei einem Jahrmarkte zu 
Marfico» Ruovo in Bicitien einige Zigeuner dicht bei dem Orte 
Das mit ihren rauen Öffentlih thaten, was auch die Eyniker 
als etwas Natürliches nicht verbargen, fobaß ber vorgebaltene 
Mantel des Diogenes recht eigentlih ein Mantel der Liebe 


wurde. Als man nun dem fchamiofen Schaufpiele zuftrömte, 


räumten die Helfershelfer die Buben aus. 

Betten und Steblen ift der Hauptberuf der meiften Zigeu⸗ 
ner; fie verfahren dabei zuweilen mit einem nieberträdhtigen Raf⸗ 
finement. Zwei 3igeunerweiber brangen in bem Dorfe Zuſch⸗ 
kehmen bei Gumbinnen in ein Haus, wo allein bie ſchwangere 
Bauersfrau anmwefend war. Als diefe nichts mehr geben konnte 
ober wollte, zog eine der ZBigeunerinnen ploͤtlich aus ihrem 
Shawltuche das Skelett eines Pferdekopfs hervor, wodurch die 
Bäuerin in Iebensgefährlicde Gonvulfionen gerieth; unterbeß 
wurde das Haus ausgeräumt. In einer Chronik von Bologna 
zum 3.1422 wirb erzählt, daß „Derzog Andreas von Agypten’ 
mit etwa 100 Perfonen auf einer Bußfahrt nach Rom durch 
Bologna gekommen ſei. Laut eines Briefs bes Königs von 
Ungarn, der damals Kaifer war, durften fie fieben Jahre lang 
überall, wohin fie famen, ſtehlen, ohne daß fie vor Gericht ge: 
zogen werben Eonnten. „Es begann nun“, heißt es in der Chro⸗ 
nit, „ein gemwaltiges Stehlen in gan; Bologna, in Folge deffen 
durch oͤffentliche Bekanntmachung gegen: Den, ber fich ferner 
mit biefen Fremdlingen einlaffen würde, eine Gtrafe von 
50 Lire und die Ercommunication verhängt wurde. Diefe Bas 
gabunden find übrigens bie feinften Diebe, welche es auf 
der Welt gibt. Als nichts mehr zu fehlen war, gingen fie 
nach Rom.” 

Kür die Ehen ber Zigeuner gilt das Consensus facit 
nuptias. Iſt ein junger Burfche mit einem Mädchen über bie: 
fen Puntt einig, fo nimmt er fie mit in fein Zelt, und iſt vor 
diefem ein irdener Krug gerbrochen, fo gilt der Ehebund als 
gefchloffen. Wird ber Mann feiner Frau untreu, fo erhält er 
von deren männlicher Verwandtſchaft tüchtige Prügel; fonft 
ſtehen, nad) Grabb und Andern, firenge, aber wol nicht mehr 
zur Ausführung kommende Strafen auf dem Ehebruch: der 
Schuldige verliert die Nafe und es werden ihm die Kniegelenke 
durchgeſchnitten; die Frau wird noch ärger verftümmelt. Gin 
uͤberreicher Kinderfegen beglüct die Zigeuner. Toppeltin meint, 
. man tönne fich bes Lachens nicht enthalten, wenn man eine 
Bigeunermutter, wie eine Henne mit ihren Küchlein, ſtolz und 
gluͤckſelig zwiſchen der Schar der nadten und fchwarzen Rad: 
tommenfchaft erblickt. 

Tritt ein Todesfall ein, fo erfolgt ein gewaltiges Geheul, 
befonders der Weiber, welches fich bei der Beerdigung noch fleis 
gert; ftirbt aber ein Anführer, fo gebietet die Berehrung Stille, 
wogegen aber Alle durch bie emfigfte Thaͤtigkeit bei der Beſtat⸗ 
tung ihre Theilnahme an ben Zag zu legen ſuchen. Im $e: 
bruar 1835 ftarb ber König der Zigeuner in England, James 


Shmid, in feinem Lager zu Veſtwoodlane bei Kottingham up 


wurde mit vieles Pracht beigefest. @s iſt für bie in 
RKammung dieſes Bolls fehr bezeichnend, daß die Be 
Könige durchaus foberte, mit ihm beerdigt zu werben. Die 
Regierung Gina in Grmangelung maͤnnlicher Thronerben an 
eine Prinzelfin Tochter über, ſodaß jegt die große britiſche 
Monarchie und der kleine —— in dieſer, beide vom 
Damen bebersfcht werben. Überall findet ſich bei den Zigeunem 
bie Sitte, daB ſich die Banden unter felbft gewählte Chefs fe: 
fen, und dies ift, während in ben Familien das patriardalifce 
Verhaͤltniß herrſcht, das Einzige, was über die Verfaſſung die 
ſes Bolks beigebracht werben kann. 

Über die Sprache der Zigeuner {ft auf die ausführliden 
Berke von Biſchoff und Graffunder zu verweiſen; bier nur tin 
für Sprache und Bolt charakteriſtiſche Bemerkung unfers Verf. 
Ahun wir noch ganz Im Allgemeinen einen Biick auf dick 
intereffante Sprache, fo ertennen wir unzweifelhaft die Spuren 
früher und hoher Gultur. Die reiche Dectination, bie Meng 
der Praͤ⸗ und Poftpofitionen zeigen an, daß einft bie Wedid: 
beziehungen zwiſchen Perfonen und zwiſchen biefen und dm 
Dingen durch alle Kategorien wohl beachtet wurben. Wenn fih 
aber ber Geiſt unter bem fleten Drud einer gefährdeten Sriften, 
bei einem wüflen Umbertreiben, nicht zur bftertenntnig un 
Kiarheit emporarbeiten Tonnte, fo mußten die Ausbrüde für 
Seelenzuſtaͤnde zurüdtreten, verloren geben, während Natur: 
laute nachgeahmt und in bie Sprache aufgenommen wurden, da 
das Leben im Freien zur Beobachtung führt und bie überaus 
ſcharfen Sinne dazu befähigen. Die Zigeuner haben in Eh: 
rakter und Weſen noch manches Kindliche, oder, wenn man ii 
ber will, Kindiſche. Wie aber biefes durch rohe Unfitte gefe 
felt ift, das möchte ſich daraus ergeben, daß ihre Sprache da 
Diminutiven entbehrt, die fonft bei jugendlichen Nationen aus 
Frohſinn, Semäthlichleit und aus dem Hange zur Taͤndelei 
hervorgehen. (Der Verf. hat nur ein Diminutivum gefunden: 
Bogel tschiriclo — Vogelchen tachiridoro.) Kaum gibt di 
etwas bei dieſem Wolfe, was fo das Intereffe anzieht und an: 
berfeite fo tief vertegt, als dag fie mit trefflichfter Anlage m 
reichfter Ausftattung zu fo uralten, durch und durch verwal: 
loften Kindern verwilderten.“ 


(Der Beſchluß folgt.) | 





Literarifhe Notizen aus Frankreich. 


Wirkungdes Chlor. | 
‚ Cine kleine Schrift des Chemikers Lecanu „Documents 
scientifiques et administratifs concernant l’emploi des chlo- 
rures ou liqueur de Labarraque” ift foeben erſchienen, meld 
genaue Auskunft gibt über die Labarraque'ſche Methode, alle 
durch Verweſung entflebende ſchaͤdliche Dünfte durch Anwendung 
von Ehlor wegzuſchaffen. Dieſe ſchaͤdlichen Duͤnſte erzeugen ſit 
naͤmlich durch eine Verbindung bes Hydrogen mit ESchwefe 
Ghtor aber verbindet ſich mit dem Waſſerſtoffgas augendlickich 
wie daffelbe auch vorhanden ſei, frei oder gebunden, und N 
daher die Berbindung beflelben mit dem Schwefel auf, It 
der nachtheilige Einfluß diefer Verbindung unverzüglich wegföll. 
Bon der Schnelligkeit der Wirkung, weiche das Labarraque ſche 
Mittel hervorrief, gaben viele Srperimente Zeugniß, welde di 
erwähnte Schrift von Lecanu anführt. 








Das malerifhe Perfien. ! 
Auf Befehl des Miniſters des Innern wird ein Werk übe 
Perfien „Voyage en Perse” der Herren Gugene Zlandin (Br: 
ter) und P. Gofte (Architekt) herausgegeben. Der archaͤologiſche 
Theil wird ungefaͤhr 2350 Kupfertafein enthalten (Werke ur 
Architektur, Sculptur, Inſcriptionen, topographiſche Pläne), da 
maierifche Theil wird 100 Anfichten aus allen Diſtricten bei 
heutigen Perſiens barbieten. 8. 


Berautwortliher Herauögeber: Deinrib Brodhaud. — Drud und Berlag von F. U. Broddans in Eripzig. 


Blätter 


für 


literarifhe Unterhaltung. 








(Beſchluß aud Nr. M.) 


Den einen Theil Gedichte begleiten drei Theile Erzaͤh⸗ 
lungen und Rovellen, uͤber welche wir uns jedorh kürzer 
faffen müffen. Eichendorff iſt unſers Erachtens vorzuge: 
weife eine Iprifche Dichternatur, und neben den Iprifchen 
Gedichten mag etwa fein hoͤchſt anmuthiger und liebens⸗ 
rordiger „Taugenichts“ genügen, um feine ganze Eigen: 
thuͤmlichkeit in ihren SDauptelementen kennen zu lernen. 
Die Erzählungen in Profa laffen ſich gewiſſermaßen als 
Sommmntare, ald Erweiterungen der Gedichte anfeben, [os 
fern ein großer Theil von dieſen urfpeänglich Im Zuſam⸗ 
menhang der Erzählungen eingewoben ift, und manche 
erft durch die Beziehungen ber Erzählung verſtaͤndlich wer: 
den. Dan könnte nun meinen, die Poeſien felen ein 
Schmud und Zuthaten der Novellen und diefe die Haupt: 
fache; aber wir möchten es faſt fo anfehen, als ob bie 
Doefien die eigentlichen Lebenskeime der Erzählungen feien, 
in welche fi die Stimmung zufammendrängt; oder, wenn 
Dies zu viel geſagt fein follte, das Element, der Gegen: 
ftand einer Battung der Iprifchen Poeſie, des Liedes, 
Stimmungen nämlih, find Auch zum großen Theil 
das Element und der Gegenſtand dieſer Erzählungen, 
mehr als Charaktere und Begebenheiten. Als größere 
künſtleriſche Compofitionen kann, was den Plan des Gan- 
zen und die Anlage und Durchführung der Charaktere be⸗ 
trifft, Ref. die zwei größern Erzählungen „Ahnung und 
Gegenwart” und „Dichter und ihre Geſellen“ nicht fehr 
hochftellen; er geteaute ſich nicht, Die Idee derfelben kurz 
und beflimmt anzugeben; bie Erzählungen im Ganzen, 
wie die einzelnen Perfonen fchweben in einem Dämmer: 
licht, das eime Weile anmuthig fein mag, aber auf die 
Lange aͤngſtigt; oft iſt «6, als ob der Dichter ſelbſt 
feine Lefer myſtificirte. Es waltet darin eine uͤberſchwaͤng⸗ 
liche, phantaſtiſche Romantik, welcher nicht, wie bei Ger: 
vontes, ein befonnener, kuͤnſtleriſcher Verſtand maͤßlgend 
zur Seite geht, ſondern die fi ungebunden ins ren» 
zenlofe veriret und verliert. Bei dieſer phantaftifhen Un: 
gebumbenheit fällt es auf, daß der Dichter in der Erzaͤh⸗ 
kung „Dichter und ihre Gefellen‘! Situstionen und Per: 
fonen aus Goethes „Wilhelm Meiſter“ faſt gefliffentkich 
nachzuahmen ſcheint. Die Elemente, die Motive, die 


Rittwod, —— Nr. 277. — 


Perfonen des Dichters find großentheils in allen feinen 
Erzählungen verwandt; eine Hauptrolle fpiele überall, 
wie bidig, die Natur, befonders Ward und Gebirg, In 
deren reizender Schilderung in ihren verfchiedenen Charak⸗ 
teren, Geſtaltungen, Beleuchtungen der Dichter unerſchoͤpf⸗ 
lich iſt, und gewiß fein darf, jeden empfänglichen Lefer 
mit Sehnfucht nady den bdargeftellten Scenen zu erfüllen. 
Warme Sommer: und Mondſcheinnaͤchte, friſche Morgen 
mit „verfchlafenen” Mädcyengefichtern unter den Fenſtern, 
in Spanien und Stalien, in Gärten mit Wafferkünften 
und Marmorftatuen fehlen nirgend. Die Wälder wim⸗ 
meln von Zägern und widerhallen von Waldhörnern und 
Vogelſang. Wildſchoͤne Amazonen tummeln fih in Wald 
und Gebirg, und felbft in Schlachten, heldenkühn auf 
fhnaubenden Hoffen, und vertwegene, entbrannte Freite 
und Liebhaber bleiben an wagehalſigem Muth nicht hin⸗ 
ter den Schönen zurüd. Lebensluftige, vom Arme des 
Gluͤcks getragene junge Grafen und Edelteute durchziehen die 
Melt auf Abenteuer, die Einen ritterlich ſchwaͤrmend, ernft 
und fehnfüdhtig, die Andern genial, leidenſchaftlich, über: 
müthig und muthwillig; gutmüthige oder armfelige Phi⸗ 
liſter bitden die Folie für die romantifchen Edelleute; halb 
verrüdte Dichter ſchwanken bin und her zwifchen hoher 
Poeſie und Gemeinheit, zwiſchen idealen Träumen und 
derben Spaͤßen; Reiſen nach Spanien oder Italien, Mas⸗ 
keraden, Verkleidungen, Entführungen — prager Studen⸗ 
ten, Muſikanten, Zigeuner — dies die Perſonen und 
Elemente, aus welchen die meiſten dieſer Novellen beſte⸗ 
ben. Aber wenn der ſtrengere kuͤnſtleriſche Sinn und 
Verftand von dem Übermaße phantaftifchee Romantik nicht 
eben befriedigt werden mag, fo findet ſich in dieſen Er⸗ 
zaͤhlungen eine unendliche Fuͤlle von ſchoͤnen, tiefen und 
wahren Anfchauungen, von den Iebendigften, unverkuͤnſtelt⸗ 
fien Gefühlen, die tieffinnigften Betrachtungen und ein 
üppiger, fprubeinder, aber nicht verlegender Humor. Was 
am meiflen Bewunderung ertegen muß, ift die Paarung 
der kuͤhnſten, phantaflifchften Imaginationen, welche allen 
Boden der Wirklichkeit und Wahrfcheintichkelt uͤberfliegt, 
mie einer uͤberraſchend treuen und fcharfen Auffaffung und 
Schilderung der Zuftände, ber Verhaͤltnifſe, der Charaktere 
bes wirklichen Lebens in den betailkieteften, feinften Zügen. 
Unfee Dichter, den man ganz nur in den Wäldern und 
im Himmel der Romantik einheimiſch zu glauden ver 


1110 


ſucht fein könnte, zeigt zugleich eine ausgebreitete und tiefe 
Welt: und Menfchentenntniß, mit welcher er aber nicht 
aͤngſtlich haushaͤlt, fondern bie er mit poetifcher Unbekuͤm⸗ 
mertheit verſchwendet. Er waͤre reichlich begabt mit den 
Eigenfhaften, welche ben humoriſtiſchen Genremaler ma⸗ 
men, aber er verfchmäht es, fi in fo enge Grenzen ein: 
zufchließen, er ftrebt immer hinaus in den Äther der freieften 
romantifchen Poefle, und ftreift überall die Laſt des wirklichen 
Lebens mit liebenswuͤrdigem Muthwillen ab. Für die gelun: 
genfte feiner Erzählungen find wir geneigt die „Aus dem 
"Leben eines Taugenichts” zu halten, in welcher Romantif 
und harmloſer, unerſchoͤpflich quellender Humor eine Eöltliche 
Miſchung bilden und melche fi nicht ins Maͤrchenhaftphan⸗ 
taftifche verliert wie „Das Marmorbild” und „Viel Lärmen 
um Nichts” (erfleres eine phantaftifche Sefpenftergefchichte, 
legtere® eine literarifhe Satire oder Humoreske, in ber 
Art des „Seftiefelten Kater” oder des „Prinzen Zerbino’). 
Die Einheit der Handlung iſt in diefer Heinen Erzählung 
viel beffer gewahrt als in den größern, und ber Charal: 
ter des barmlofen, gemüthlichen, treuberzigen und dod) 
ſchalkhaften Gärtner, Geigers und Taugenichts ift aller: 
liebſt durchgeführt. Sehr anfprechend ift ferner die Er: 
zählung „Das Schloß Durandi” aus der Zeit der fran: 
zoͤſiſchen Revolution, raſch und in flizzenhafter Kürze, aber 
fehr lebendig und ergreifend erzählt, nur iſt der Gegen: 
ftand zu düfter für Eichendorff's heitere Muſe. An „Viel 
Lärmen um Nichts’ fchließe fi duch fatirifhen Humor 
das dramatifhe Märchen „Krieg den Philiſtern“ an, wel 
ches uns jedoch minder anfprechend erfcheint, wie benn Humor 
und Satire in Deutſchland ſchwieriger find als anderswo. 

Wenn Eichendorff's Erzählungen weder Den ganz be: 
friedigen koͤnnen, roelcher eine firengere Einheit und einen 
ducchgeführten Plan, confequente Charaktere und einen 
öfthetifch befriedigenden Schluß verlangt, noch auch für 
eine ſolche Claſſe von Lefern ſich eignen, welche — wenn 
man ben Ausdrud geftatten will — den Brei ganz be: 
quem in den Mund gefteihen haben wollen, fo bieten fie 
doch jedem flr Poeſie Empfänglichen eine reihe Ausbeute; 
fie find wie eine fchöne Gegend, wo der Reifende aller 
Orten Überrafhende Anz und Ausfihten trifft und von 
taufend freundlichen Plägen zu Raft und Genuß einge: 
laden wird. Man ann darauf recht anwenden, was der 
Dichter in „Ahnung und Gegenwart” fagt: 

Das find die rechten Lefer, die mit und über dem Buche 
dichten. Denn fein Dichter gibt einen fertigen Bimmel; er 
ftellt nur die Himmelsleiter auf von der fhönen Erbe. Wer, 


zu träge und unluftig, nicht den Muth verfpürt, die goldenen, 
ofen Sproffen zu befteigen, dem bleibt der gebeimnißvolle 


Buchſtab ewig todt, und er thäte beffer, zu graben oder zu 


pflügen, als fo mit unnügem Eefen müßig zu geben. 

Aus demfelben Merle mögen bier noch zwei Stellen 
einen Platz finden, da fie für die Sefinnung unfers Dich: 
ters charakteriftifch fcheinen und einem feiner Helden in 
den Mund gelegt find, der gewiß am meiften von feinem 
eigenen ernflen und treuen Welen an fich hat: 

Wie wollt Ihre — fagt Friedrich, der Behauptung bes 
Dichters Kaber widerſprechend, daß poetifch fein und Poet fein 
zwei ganz verſchiedene Dinge fein — daß die Menfchen Eure 


Werke hochachten, fi) daran erquicken und erbauen ſollen, mens 
Ihr Euch felber nicht glaubt, was Ihr fchreibt, un buch 
fhöne Worte und künftlihe Gedanken Gott und Menſchen zu 
überliften trachtet ? Das iſt ein eitles, nidytönugiges Spiel, up 
es büft Euch do nichts, denn es iſt Nichts groß, als wat 
aus einem einfältigen Bergen kommt. Das heißt recht hm 
Zeufel der Gemeinheit, dew immer in der Menge wach und ci 
ber Lauer ift, den Dolch ſelbſt in bie Hand geben gegen die 
göttliche Poeſie. Wo fol die rechte, fchlichte Sitte, dae true 
hun, das fehöne Lieben, die beutfche Ehre und alle bie alte 
herrliche Schönheit ſich hinflächten, wenn es ihre angeborenn 
Nitter, die Dichter, nicht wahrhaft ehrlich, aufrichtig und cit 
terlih mit ihr meinen? Bis in den Tod verhaßt find mir k- 
fonber® jene ewigen Klagen, bie mit weinertichen Sonetten ix 
alte fchöne Zeit zuruͤckwinſein wollen, und, wie ein Gtrohfenr, 
weder die Schlechten verbrennen noch die Guten erleuchten un. 
erwärmen. Denn wie Wenigen moͤchte doch das Herz zerfprin: 
gen, wenn Alles fo dumm geht; unb habe ich nicht den Maut, 
beflex zu fein als meine Zeit, fo mag ich zerknirſcht dat Schim: 
pfen laflen, denn keine Beit ift durchaus ſchlecht. Die heiligen 
Märtyrer, wie fie, laut ihren Erlöfer befennend, mit aufge 
benen Armen in bie Zobesflammen fprangen — das find % 
Dichters echte Bruͤder, und er foll ebenfo fuͤrſtlich denken en 
ſich; denn fo wie Ae den ewigen Geiſt Bottes auf Erden tut 
Thaten ausbrüdten, fo fol er ihn aufrichtig in einer derwitter 
ten, feindfeligen Zeit durch rechte Worte und götttiche Erf: 
dungen ausbrüden unb verberrlihen. Die Menge, nur af | 
welttiche Dinge erpicht, zerſtreut und träge, figt gebüdt un 
blind draußen im warmen &onnenfdeine. Der Dichter ku 
einfam die fhönen Augen offen; mit Demuth und Freudigkei 
betrachtet er, felber erflaunt, Himmel und Erde, und das dm 
geht ihm auf bei der uͤberſchwenglichen Ausficht, und fo befinz 
er die Weit, die, wie Memnon’s Bild, nur dann burd un 
durch erklingt, wenn fie die Aurora eines bichterifchen Gemuͤthe 
mit ihren verwandten Strahlen berührt. 


Und am Schluffe des Buchs fagt Derfelbe, im Begrif 
ſich von der Welt zuruͤckzuziehen: 

Mir fcheint in diefem Elend, wie immer, feine andım 
Huͤlfe als die Religion. Denn wo iſt in dem Schwalle von 
Poefie, Andacht, Deutfchbeit, Zugend und Waterländerei, bi 
jegt, wie bei der babylonifchen Sprachverwirrung, fdmantm 
bins und berfummen, ein fiherer Mittelpunkt, aus welchem al 
led Diefes zu einem Taxen BVerſtaͤndniß, einem lebendiger 
Ganzen gelangen könnte? Wenn das Geſchlecht vor der Hand 
einmal alle feine irdiſchen Sorgen, Mühen und fruchtloſen Ye: 
ſuche, ber Zeit wieder auf bie Berne zu helfen, vergeflen un 
wie ein Kleid abftreifen, und fich dafür mit voller, ſiegrtichet 
Gewalt zu Gott wenden wollte, wenn bie Gemüther auf folk: 
Weife von ben göttlichen Wahrheiten ber Retigion lange ver 
bereitet, erweitert, gereinigt und wahrhaft durchdrungen wer 
den, daß der Geift Gottes und das Große im öffentlichen Leben 
wieder Raum in ihnen gewönne, dann erſt wird es Zeit fer, 
unmittelbar zu handeln, und das alte Recht, bie alte Kreibeit, 
Ehre und Ruhm in das wieber eroberte Reich zuruͤckzufuͤfren. 
Und in biefer Gefinnung bleibe ich in Deutfchland und waͤhl 
mir das Kreuz zum Schwerte. 

Darauf erwidert der Dichter Faber: 

Wie Ihr da fo ſprecht, ift mir gar feltfam gu Mutk. 
War mir doch, als verſchwaͤnde babei die Poefte und alle Kunf 
wie in der fernften Berne, und ich hätte mein Leben an ein 
erigenbe Spielerei verloren. Denn das Haſchen ber Pocſie ned 
außen, das geiftige Verarbeiten und Bekimmern um Das, me 
eben vorgeht, dad Ringen und Abarbeiten an ber Beit, fo grch 
und lobenswerth als Sefinnung, tft doch immer unkünftieild. 
Die Poefie mag wol Wurzel fchlagen in demfelben Boden 
der Religion und Nationalität, aber unbekuͤmmert, blos um it: 
ver bimmlifcher Schönheit willen, als Wunderblume gu und ber: 
aufmachen. Sie will und fol zu Nichte braudbar fin 


® 








€ 
Aber bes verfieht Ihr nicht und macht mid nur irre. Gin 
fröhlicher Känftler mag fi vor Cuch hüten. Denn wer bie 
Gegenwart aufgibt, wie Friedrich, wenn die friſche Luft am Les 
ben und feinem überfchwenglicdyen Reichtum gebrochen iſt, mit 
defien Poeſie iſt es ans. 

Darauf antroortet Friedrich mit dem zur Guitarre 
gefungenen Liede „An die Dichter”, woraus eben einige 
Strophe mitgetheilt wurden; unb ehe er von den Freun⸗ 
den fcheidet, fagt er noch: 

Aus ihren Bugen wirb die Welt noch einmal kommen, ein 
unerhörter Kampf zwifhem Altem und Neuem beginnen, bie 
Leidenfchaften, die jest verfappt fchleichen, werben die Larven 
wegwerfen und flammenber Wahnſinn fi mit Brandfackeln in 
die Verwirrung ſtuͤrzen, als wäre die Hölle losgelaffen, Recht 
und linrecht, beide Parteien, in blinder Wuth einander verwech⸗ 
fein — Wunder werden zulett gefchehen, um der Gerechten 


willen, bis endlich die neue und doch ewig. alte Sonne durch die 


Graͤuel bricht, die Donner rollen nur noch fernab an den Ber: 
gen, die weiße Taube fommt durch bie blaue Luft geflogen, und 


die Erde hebt ſich verweint, wie eine befreite Schöne, in neuer 


Glorie empor. 
Diefe Prophezeiung — wird fie noch — ober wird 
fie nur no einmal in Erfüllung gehen? 
Guſtav Pfizer. 





Ethnographiſche und geſchichtliche Notizen über die Zigeuner. 
Gefammelt duch Kart v. Deifter. 
(Beſchlus aud Nr. 276.) 


Si ift vielfach behauptet worden, daß bie Zigeuner aus 
ihrer Heimat eine eigenthümliche Religion mitgebracht und 
ats Geheimcult bewahrt hätten. Jedoch flimmen Alle, welche 
dieſes Voik näher zu beobachten Gelegenheit hatten, darin über: 
ein, daß fie weder eine eigenthlümliche noch irgend cine Reli⸗ 
sion haben. Kogalnitſchan glaubt eine Art Fetiſchimus bei 
ihnen entdeckt zu haben, wonach man nüglichen Gegenftänden, 
wie Zelt, Wagen, Schmiede, befondere Verehrung zolle; aud) 
Elsner will Daffelbe in Siebenbürgen beobachtet haben. Der 
große Werth, den der Zigeuner mit Recht auf die genannten 
Gegenftände legt, ift wol weit von jener niedrigften Form der 
Gottesverehrung entfernt, wo, ohne bewußten Grund, die un: 
bebeutendflen Dinge wechſelnd angebetet werben. Außerlich bes 
kennen ſich die Zigeuner in der Negel zu der Religion bes Lan⸗ 
bes, zu der herrfchenden, von beren Bekenntniß fie den meiften 
Bortheil und Eräftigften Schug gemwärtigen; bie meiften find 
Katholiten. Die Idee der Fortdauer nach dem Tode erſcheint 
ihnen laͤcherlich. „Was wir jetzt haben“, ſagen fie, „iſt doch we: 
nigſtens etwas; wenn wir aber geſtorden find, iſt nichts mehr“; 
ober: „Warum follten wir nody einmal leben; wir find hier 
ſchon elend und lafterhaft genug.” Ein auf eine Gtadtfchule 
in Siebenbürgen aufgenommener Zigeunerknabe war geſtorben; 
die geſammte Verwandiſchaft wohnte der feierlichen Beerdigung 
bei, die ihrer Eitelkeit fchmeichelte. Gin Geiſtlicher fragte ſie, 
ob fie denn an die Auferſtehung bes Fleiſches glaubten. Da 
lachten fie hell auf und nannten es einen feltfamen Ginfall, 
daß tobtes Fleiſch wieder lebendig werben folle; denn Aas fri 
Aas, ob von Pferden ober von Menſchen. Die Miſſionsverſuche 
baben nirgend einen reellen Erfolg gehabt. Die Bibeln, welche 
Barrom unter fie vertheilte, nahmen fie gern an, um fie bals 
digft mit werthvollern Gegenftänden zu vertaufchen. Als ihnen 
Barrow einft bibtifche Geſchichten erzählte, fagte ihm eine Zt: 
geunerin: „Bruder, die Geſchichten, die bu uns da aufbindeſt, 
mögen dir wol felbft aufgebunden fein!‘ 

Der gefhichttiche Theil des Wuchs handelt von dem erſten 
Auftreten des Zigeuner in @uropa (im 3. 1417), ihre weitere 
Berbreitung über unfern Grdtheil, bie anfängliche Duldung und 
fpätern Verfolgungen, welche fie erfuhren, bie mit ihnen ans 


Aal 


geftellten Beſſerungeverſuche u. f. w.; In einem Xuhange berich⸗ 
tet ber Verf. über bie Zigeuner in OÖftpreußen,, wo * Gelegen⸗ 
heit hatte, einige Familien dieſes Volks aus eigener Anſchauung 
kennen zu lernen. Um nicht zu weitlaͤufig zu werben, wollen 
wir bier nur noch einen, für den Menfcenfreund gewiß den 
intereffanteften Punkt herausheben: die WBefferungsverfuche; und 
bierbet kommt wicder ganz befonders der Gharafter der Bis 
geuner in Betracht. 

„Es laͤßt ſich dem Zigeuner viel Übles nachfagen, wenig 
Gutes. Wir finden ihn im hoͤchſten Grade gefhmwägig, Leicht: 
finnig, unbeftändig, bann treulos, furchtſam, rachſuͤchtig, der 


Gewalt gegenüber fltavifch, anmaßend und unverfchämt, wo er 


ed wagen barf. Wäre er aber anders, fo würde dies ein nicht 
begreifliches Phänomen bieten. Seit Jahrhunderten entweber 
in harter Sklaverei, ober glei einem wilden Thiere verfolgt, 
vogelfret, außer dem Geſetz, da mußte fich fein Weſen fo ents 
wideln, wie es ift, und es Laftet auf uns der [hwere 
Borwurf, daß faſt vier Jahrhunderte verliefen, 
bevor au nur ein Verfuh gemacht wurde, die 3i— 
geuner zur Befferung wieder in die menfhlide 
Gefellfhaft aufzunehmen. Wenn ſich das Zigeunervolk 
erhielt, trog aller Verfolgung, Jahrhunderte lang in, einer auf 
nichts geftellten Exiſtenz, wenn es nie an ſich felbft verzweifelte, 
wenn ber forglofefte Frohſinn flet wieder über alle Leiden fiegte, 
fo fönnen wir einer Nation von foldyer Rebensfraft wenigftens 
das Intereffe nicht verfagen, und, wäre bier ber Lebensmuth 
ein moralifcher, fo müßten wir fogar bewundern.” 


Faſt Alles, was bisher von ben verſchiedenen Regierungen 
kur Beſſerung der Zigeuner gefchehen ift, zeigt nur, wie Bel: 
erungeverfuche nicht angeftellt werden muͤſſen; nur einzelne 
Beftrebungen biefer Art find ziemlich gelungen, und bies zwar 
in weniger cultivirten Staaten, wie z. B. in der Moldau unb 
Walachei. Dan hat die Zigeuner mit Vortheil zu militairifchen 
Zwecken benugt, und an ber Donau finden wir fie während der 
legtern Jahrhunderte ſowol in chriſtlichen als in türkifchen Hee⸗ 
ven. Fuͤrſt Miloſch in Serbien hatte Gluͤck mit feinen Beffes 
rungsverfuchen; die bei Poſcharewatz von ihm angefiebelten Zi⸗ 
geuner leben von dem Kukurutz, ben fie ſelbſt bauen und find 


fleißige und ordentliche Eeute. Die ausgedehnten Reformoerfuche, . 


welde man in Dftreih in Betreff der Zigeuner unter Maria 
Therefia und Joſeph IL. anftellte, hatten nur geringen Grfolg 
und fdheiterten befonders daran, daß man ſo ſchnell die Geduld 


verlor und ed, mit überfirengen Maßregeln zwingen wollte. 


In Preußen wurde in neuefter Zeit zu Friedrichslohra (Thuͤ⸗ 
ringen) ein Verſuch zur Sittigung der Zigeuner gemacht. Anz 
fange ging bier Alles recht gut; ber Bericht vom Juli 1830 — 31 
lautete ſehr günftig. Sin Baus war angetauft, ber Bau einer 
Schule wurde begonnen, und während 18 Kinder Unterricht ers 
hielten, fuchte man audy die Alten an Arbeit zu gewöhnen, 
lieg burd fie ein Stuͤck Waldland ausroden, gab auch Vor: 
ſchuͤſe zum Ankauf von Geräth. Der wadere Schuhmacher 
Wilhelm Blankenburg, der gute Schuffenntniffe beſaß, aud 
mit Feld: und Gartenarbeit Beſcheid wußte, ſtand der Anftalt 
vor, welche von ber Regierung und von Privatvereinen unters 
flügt wurde. Balb aber trat das feindfelige Entgegenmwirlen 
ber alten Zigeuner hervor; fie verließen ihre Arbeit, verleiteten 
ihre Kinder, nicht mehr zur Schule zu gehen, entführten einige 
Knaben, die man nad Erfurt in bie Schule gegeben hatte u. ſ. w. 
Die Anftalt ging im September 1837 ein; man hatte es gut 
gemeint, aber Geld und Mühe mar umfonft aufgewendet wors 
den. Es bleibt hiernach recht ſchwer, einen zuverläffigen Weg 
zur Beſſerung der Zigeuner anzugeben. Jedenfalls muß auf 
fofortigen Erfolg verzichtet werden und haben wir biefe 
Fremblinge durch vier Jahrhunderte fo ſchlecht bleiben Laffen, 
wie fie bei ihrer Ankunft in Europa waren, fo koͤnnen wir uns 
immerhin noch eine Weite gedulden, bis fie ſich gründlich befs 
fern. Es ift viel gu gewähren, wenig zu fodern; es barf das 
Band, welches fie mit der Befellfchaft verknüpfen fol, nur alls 
mälig angezogen und nicht zur ſchweren Kette werben; es barf 








A 


or Allem nicht aus gereiffenen Jamttſenfaäͤden gewirkt fein, da 
Ve Trennung ber Kinder von den Üttern gerade bei biefem 
VBtumme die größten Schwierigkeiten findet. Hören mir num 
ſchttehlich die Anfichten, welche der Verf. über die dei ben Zigeu: 
nern anzuwendenden Befferungsmittet aufftelt : 
„Zur Beſſerung bey Bigenuner muß von überaus verſchie⸗ 
benen Punkten aus gewirkt werben, bie hier angedeutet werben 
folen. Bon Seiten des Staats fönnte verfucht werben, an 
beffere Bigeuner Waldwärter:, Shauffeeauffeherftellen, überhaupt 
foche zu geben, womit das Tragen einer Uniform verbunden 
it. Hier muß von vornherein auf gutes Gluͤck volles Vertrauen 
gewährt werben, und es ift, bei ber Charaktereigenthuͤmlichkeit 
diefes Volks, faft mit Gewißheit darauf zu rechnen, daß jenes 
nicht getäufcht wird. Eine ſolche Anftellung müßte aber durch 
‘eine längere militairiſche Dienftzeit erlangt werben, unb es 
würbe —* uͤberhaupt rechtfertigen, die Zigeuner laͤnger dienen 
zu laſſen, da fie im Übrigen dem Staate nicht das Geringfte 
nüsen. Dann erfolgte nur Urlaub beim Nadyweis eines ficheen 
Lebensunterhalts, und es würden bie ind Vagabundiren Ruͤck⸗ 
älligen wieder eingezogen. Das Soldatenweſen fehmeichelt bem 
tolge und ber Gitelteit des Zigeuners; bie hier nur moralifche 
ſchraͤnkung der Freiheit wird viel vortheilhafter für feine 
Gittigung fein als bie phyſiſche in einer Correctionsanſtalt. 
Auch noch auf eine andere Weife koͤnnte durch Beiſpiel gut 
auf die Bigeuner eingewirkt werben. Man gebe an die am mes 
nigften Lieberliche Bamitie ein Eigenthum, was aber liberal mit 
Wohnung, tobtem und lebendem Inventar ausgefkattet fein müßte, 
ſobaß die Behaglichkeit der Lage die Luft am Wandern vergef- 
fen machte. Eine ſolche Wirthſchaft dürfte aber nicht unter bie 
Sontrole einer Behörde geftellt werden und es müßten Gensdar⸗ 
men und Poticeibeamte fern bleiben. Dagegen wirkte ein wohl⸗ 
wollender Nachbar dahin, baß aus ber Felde am Eigenthum 
auch die Thätigkeit zu deſſen Erhaltung erwache. Gelingt ein 
ſoicher Verſuch, fo hat er die Folge, daß der fo bevorzugte Zi⸗ 
euner balb von feinen Stammgenoffen beneibet, gehaßt, ja 
folgt wird, er ſich aber von diefen losfagt, fich ihrer gain 
und dann merden andere Familien biefes Volks verſuchen, in 
eine ebenſo günftige Lage zu gelangen, was auch als Lohm 
- Jängerer guter Führung in Ausficht geftellt bleiben muß. Übers 
aus viel mehr als der Staat vermögen aber bie Butöbefiger zu 
bewirken, wenn fie de überwinden, Zigeuner verfchiedenen Al⸗ 
ters und beiderlei Gefchlechts in ben Dienft zu nehmen, und 
wenn fie dann zundchft wenig fobern, Zwang vermeiden, unbe: 
Dingt vertrauen: das heißt allerdings den eigenen Vortheil dem 
hoͤhern Zwecke unterorbnen, einen Volksſtamm aus der fittlichen 
Verſunkendeit zu retten. Welche Richtung zur Befferung der 
Zigeuner eingefihlagen wird, fo muß ſtets vor Augen bleiben, 
bfefe Orientalen nicht etwa in eine andere Nation umfchaffen 
vu wollen, fordern die in ihrer Eigenthuͤmlichkeit liegenden gu⸗ 
en Keime, wie ſchwach audy, zu pflegen und zu entwickeln.“ 
„Die ſegensreichſte Wirkfamteit Liegt endlich in der Hand 
ver Geiſtlichen, nicht aber, indem fie die alten Sigeuner zur 
Kirche, die jungen zur Schule geleiten: denn das beißt, wie 
dies Volk jegt noch ift, gutes Korn auf völlig unbebauten Bo⸗ 
den ausflreuen, wo es entweder gar nicht aufgeht, ober im 
Anfraute der aus Gigennug und Eitelkeit bervorgehenden Heu⸗ 
chelei erſtickt. Dagegen follen die Pfarrherren von der Kanzel 
Yerab ihre Gemeinden über diefe Fremdlinge belehren, ihnen 
deren Gefchichte erzählen, wie fie in der fernen Heimat tief 
unter das Thier herabgemürdigt, bei uns durch Sahrhunderte 
unmenſchlich verfolgt und fo immer tiefer ſinkend Gegenſtand 
des Abfcheus wurden, den fie mit Haß ermwidern. Dat ber 
Landmann fo Theilnahme, Mitleid gewonnen, abergläubifche 
Furt vor den geheimen Künften ber Zigeuner abgelegt, ift in 
feiner Bruft die Vorftellung erweckt, daß biefe verwahrloſten 
Kinder . des Orients nur durdy Liebe wieder Lieben fernen, nur 
durch fle in bie menſchliche Geſellſchaft wieder einzuführen find, 
fo te ımendifd) viel gewonnen. Es Liegt dann bie Zeit nicht 


feth, Wo "He z von fFabſt !ven Wer 
und Sc füden wo fie * won NASE ben BB Sit 


Bibliographie. 


Arnold, %. Ch., Über Eidesleiſtung durch Stelloertreter 
im CEivilprozeß. Erlangen, Palm u. Ente. ®r. 8. 11, Re. 

Die Baſiliken des chrifttichen Roms, aufgenommen von ben 
Architekten J. G. Gutenſohn und 3. M. Knapp. Roh 
ber Beitfolge georbnet und erklärt, und in ihrem Zufammens 
bange mit Idee und Befäjichte der Kirchenbaukunft dargeſtelt 
von Eh. 8. 3. Bunfen. Iftes Heft. Muͤnchen, Eiterar. san 
Großfotio. 1 Zpir. 10 Ngr. 





Rgr. 
erner, A. F., Grundlinien ber criminaliſtiſchen Impa: 
tatioopiehne, Berlin, re Gr. 8 1 * 15 Rar. 
-„Beleler, G., olksrecht und Juri t. Beim 
Weidmann. Gr. 8. 2 Thlr. ” vor 
Dramatifche Bibliothek des Auslandes." In gewählten üben 
fegungen. Ste Bändchen. Scribe's ausgewählte dramatiſche 
Werke. Ttes Bändchen: Geliebt fein ober flerben. Luſtſpiel in 
einem Aufzug nah Scribe und Dumanair von J. v. Ri: 
bics Wien, Zauer u. Sohn. 18. 7%, Nor. 

‚ Biedermann, ©., Die deutſche Philsſophie von Kızt 
bis auf unfre Zeit, ihre wiſſenſchaftliche Gatwirtung und ie 
Stellung zu den politifchen und focialen Verhaͤltniſſen ber Gr 

enwart. 2ter Band. eipäig Mayer und Wigand. Gr. 8 

eis beider Bände 6 Thir. 22%, Nar. 
eeb LE 3 Su — zu der Lehre von 
en. r Theil: Die Entſtehungslehre. nkfurt a. W, 
Sauerlaͤndet. Gr. 8. 2 Thlr. 10 Rat. Beanffer 
Grande, E., Die Lehre vom heiligen Abendmahl. fi 


Theologen unb Richttheologen. Kurz bargeſtellt. Leipzig, Die 
der. 8* 10 ner. 

aupp, K. F., Die Union ber deutſchen Kirchen. Brei 
lau, Hirt. Sr. 5 Thlr. ſche 


. Beſchichte der Ober: Pfarr: Kirche zu St. Marien in Dar 
zig. Denkfchrift zum S0Ojährigen Yubelfefte den 28. Maͤrz 188, 
Geraußgegeben von einem Gefchichtöfreunde. Danzig, Homann. 


Gr. 8. 
Oepp, 8.6.%H., Darftellung und Weurtheilung ber deut: 
fhen Strafrechts⸗Syſteme, ein Beitrag zur Geſchichte der Phi 
tofophie und der Strafgefehgebungs s Wilfenfchäft. Afte Abthei: 
lung: Die Vergeltungss oder Gerechtigkeitsſoſteme. Re vöfie 
umgearbeitete Auflage. Heidelberg, Mohr. Gr. 8. 2 Ihe. 

Kruͤer, A., Gedichte. Leipzig, Got. Gr. 12. Mar 

Luͤbeck, W., Echr: und Handbuch der deutfchen Zurnkunf. 
Frankfurt a. O., Durneder u. Comp. Gr. 8. 1Thir. 10 Re. 

Mignet, F. A., Hiftoriihe Schriften und Abhandlungen, 

Uberſetzt von 3. J. Stolz. After Theil: Biographiſche Bidn 
von Sieyes, Roͤderer, Livingſton, Talleyrand, Broufſait, Ber: 
lin, Tracy, Daunou, nebft mehreren Vorträgen in der Akademi. 
Leipzig, Köhler. Gr. 8. 2 Thlr. 

Naturgefchichte des Muſikanten, von Bilarius Par: 
enf & l aͤg 5 Mit eingedruckten Holzſchnitten. Leipzig, Br: 
er. 16. r. 


Das Nibelungentied. Überfegt von K. Simrock. M 
Auflage. Gtuttgart, Gotta Gr. 8. 1 hir. | 
Aus dem Kranz 


Die cenften Stunden eines Juͤnglings. 
fifden. Muͤnſter, Deiters. 18. Ar. 

Woeniger, A. Th., Publiciſtiſche Abhandlungen. Iſter 
Theil: Die Gründe des wachſenden Pauperiemud. — Die Pur 
bliciftit des Herrn von Buͤlow⸗Cummerow. Be Auflage. Ber 
iin, Hermes. Gr. 8. 1 Thir. 


Berantwortlicder Derauögeber: Heinrih Brodbaus. — Drud und Verlag von F. X. Brochaus in Leipzig. 





Blätter 
für 


literarifhe Unterhaltung. 





Donnerstag, 





Borlefungen Über flawifche Literatur und Zuftände. | 
Gehalten im College de France in ben Jahren! 
1840—42 von Adam Mickiewicz. Deutſche, 
mit einer Vorrede des Verfaſſers verfebene Aus- 


gabe. Zwei Theile in vier Abtheilungen. 
und Paris, Brockhaus und Avemarius. 
Gr. 12. 5 Thlr. _ 


Erſter Artikel. 


Mickiewicz bildet In der neuoſten Zeit eine für ganz 
Europa fo fntereffante Erfheinung, daß gewiß Jeder, wel: 
her fih um bie flawifhen Zuflände auch nur im ent 


Beipai 
18 


fernteften kümmert, mis größter Begierde das vorliegende : 
nehmen wird. Micbhiewicz iſt Dichter ı 


Buch zu Hand 
durch und durch und dies gibt den Maßſtab für die Ber 
urtheitung feiner Borlefungen. Sein poetifcher Geiſt 
ducchdringt die tieffien Tiefen des ſlawiſchen Lebens und 
weiß es bald ahnend, bald mit Bewußtfein in den gläns 
zendſten Biden darzuftellen. Aber derſelbe poetifche Geift 
laͤßt ibn auch fo manches in die gewöhnliche Proſa Ein: 
fehlagende überfehen; was man von dem seinen Gelehrten 
zit viel größerer Schärfe fodern würde, muß man ibm 
um großen Theil nachſehen. Es fehlt dem berühmten 
Manne an der genauen Kenntniß des Detaild ; trogdem 
aber weiß er inflinctmäßig wie ducch eine heilige Ahnung 
den Sen Deſſen zu tseffen, maß er darſtelt. Der Bufas 
Zuſtaͤnde“ auf dem Titel iſt hoͤchſt wichtig und feut dem 
Lefer beffer auf dem rechten Standpunkt, von welchem aus 
man das Werk Mickiewicz's beurtheilen muß, als der 


Titel, den das polnifcge Original trägt. Die vorliegende | 


Uberfeung ift im Ganzen gelungen gu nennen, und dürfte 
jeder billigen Foderung genhgen. Das Wuch felbft ent⸗ 
fand, wie uns berichtet wurde, auf eine eigenthümliche 
Weile. Mickiewicz trägt nämlih nad keinem Concept 
vor, fondern überlegt nur die wichtigften Punkte, welche 
er zu beſprechen gefonnen iſt, und redet dann, was ihm 
der Augenblick und feine Begelſterung eingibt. Mehre 
feiner Zuhörer ſchrieben das Gehoͤrte nieder, theils es 
wörtfich ſtenographirend, theil6 die Hauptgedanten auf: 
seihnend. Nach diefn Quellen wurde dann ein ausführ 
lies Referat in dem „Dziennik Narodowy” in point: 
ſcher Sprache (Mickiewicz trägt natuͤrlich Franzoͤfiſch vor) 
vom Grafen Plater und Andern zufammengeftellt, und 


— 


dieſes ſpaͤter als Text in ein Buch zuſammengetragen. 
UÜber den Inhalt des hoͤchſt intereſſanten Buchs wollen 
wir nun Einzelnes mittheilen. 

Mickiewicz behauptet im Eingange ſeiner erſten Vor⸗ 
leſung, es ſei ein Charakterzug unſerer Zeit, daß ſich die 


. 1 Bölfer gegenſeitig einander zu naͤhern ſuchen; virgend rege 
ſich dieſes Sehnen nach Annäherung fo allgemein und fo 


lebendig als in dem ſlawiſchen Stamme. Diefer, in ſei⸗ 
ner ungeheueen Ausdehnung (er nimmt die Hälfte von 
Europa und den britten Theil von Afien ein) und bei 
der großen Zahlmenge bat ſchon in den aͤlteſten Zeitem 
Einfug auf Weſteuropa geübt und ſteigt gegenmdrtig zu 
immer groͤßerer Wichtigkeit. Der Vacf. beſchreiht dann 
bie ſlawiſchen Voͤlkerſchaften, ihre Sitze, ihre religiöfeg und 
politifchen Formen, ihre Sprache und die Wichtigkeit ih⸗ 
res Notionalelements. Bevor er dann zu ber eigentlichen 
Literatur uͤbergeht, Legt er noch einige Endergebniſſe vor, 
welche das Studium der ſlawiſchen Sprache und Literatur 
zu Tage foͤrdert. Erſtens haͤtten die Slawen ſeit jeher 
Einfluß auf das angrenzende Europa geuͤbt; ferner ſei die 
neue Geſchichte der Slawen unzertrennlich verbunden mit 
der von Weſteuropa; der Kampf zwiſchen Polen und 
Rußland hat die Welt erſchuͤttert. Außerdem haben bie 
Stawen Vieles in dee Wiffenfhaft gefeiftet; in der Bo: 
tanik, der Phyſik und der Aſtronomie haben fie bie 
erflen und wichtigſten Gntbedungen gemacht. Endlich 
offenbare ſich bei den Slawen immer feſter und feſter 
„dee Glaube, daß fie beſtimmt ſeien, einen thaͤtigen Ans 
theil am allgemeinen Streben Europas zu nehmen”. Die 
gegenwärtigen politifchen Verfaffungen der Slawen Haben 
auch für den Politiker die größte Wichtigkeit; er koͤnnte 
von bier aus manche Aufklärung ſich holen, um bie End: 
refultate Deffen vorauszufehen, was die Publiciſtik gegen: 
wärtig als erficebenswerth angibt. 

Mehre Ideen, weiche bei ihnen erſt als verſtandesmaͤßige 
Auffaffungen ſich noch nicht bis zu ‚den etzten Logifi 
gerungen entwickeit haben, geben ſchon führt bei ben Sla⸗ 
wen die Anſicht von dem in der Wirklichkeit erhaltenen *88 
niſſe. Wuͤrde eine aufmerkſame Beobachtung die von den Sla⸗ 
wen ſo eifrig aufgegriffenen Theorien des Weſtens und das 

tiſche, fo gaͤnzlich dem Weſten unbekaunte Leben ber Slaab 

Böker vereinigen, fo woͤrde biefes ber Menſchheit viele 
nexgebliche und ſchmerzliche vielleicht erſparen · 
Der franzoͤſiſche Rationalcondent griff zu einer en und ge⸗ 
waltſamen Reform; Peter dee Große weicht weder In ber troti⸗ 





Hi 


t Entſchluͤſſe noch in ber ener Gewalt 
—ãS aan * Maͤnnern —* Gonvents. 
Dieſer Reformator war allein ein ganzer Convent, und darin 
höher als jener, daß er fein Werk vollbracht hat. Peter's 
des Großen Syſtem ftcht bis auf den heutigen Tag, bat fid 
gaͤnzlich entwickelt, es trägt Fruͤchte. 

Die religioͤſen Reformen will der Verf. nicht vorzuͤg⸗ 
lich beachten, obgleich ſie Einfluß auf Europa gehabt. 

Dem Luther iſt ja Huß vorhergegangen, und die zahlreichen 
und verſchiedenen Sekten find bier zur völligen Reife, zum ſo⸗ 
cialen Zuftande berangereift; fie haben ihre gefeßgebenden Koͤr⸗ 
per und Bollführungsgewalten gehabt, fie haben die allerlegten 
Endergebniſſe geliefert, welche man hätte ſehen koͤnnen, ohne 
denfelben Weg aufs neue zurüdiegen zu brauchen. 

Naͤher berühre die Geſchichte der nördlichen Voͤlker 
die Literatur. Hier haben befonders zroei Voͤlkerſtaͤmme 
auf die Slawen gewirkt: der uralifhe, vorzüglich der 
mongolifch:tatarifche, und ber türfifhe. Bei jenem fcheint 
der blinde Gehorſam „die ganze Grundlage feiner gefelli: 
gen Drganifation zu fein — der unfehlbare Inftinct der 
MRaubthiere leitete das ganze Heer —, die Vernichtung 
war fein einziger fichtbarer Zweck“. Anders waren bie 
Türken, die fi am meiften dem indo⸗germaniſchen Stams 
me genähert und vermiſcht haben. 

Das Land der Ruffinen hat von ber einen Geite gen 
Norden die Mongolen zurüdgebränats auf ber andern Seitr 
Polen die Oomanlis in der Mitte von Europa aufgehalten. 

Die Schliderung diefer beiden Voͤlkerſchaften und ih: 
res ganz verfchiedenen Charakters ift ausgezeichnet. 

Dritte Vorlefung. Der MWiderfland gegen bie 
Afiaten „drückte der flawifchen Literatur einen eigenthuͤm⸗ 
lichen Stempel auf. In bdiefem langen und erbitterten 
Kampfe haben die flamifchen Völker ihre Volksthuͤmlich⸗ 
Zeit ausgebildet, ihren Genius entwfdelt; durch ihn traten 
fie in die Reihe der europaͤiſchen Völker.” In Rußland 
wurde durch denfelben der Monarchismus, fpäter der Au: 
tofratismus , in Polen der nationelle Patriotismus ge: 
weckt. Über das Wort Vaterland, wie es zu verfchiedenen 
Zeiten von verfchlebenen Perfonen gar mannidfaltig auf: 
gefaßt worden ift, breitet fi ber Verf. weiter aus. 

Der Patriotismus — fagt ee — ift das zeugende Dogma 
der ganzen Bildung des Geiſtet und bes Gemuͤthes ber Polen; 
ihre ganze Literatur entwuchs, entfaltete ſich und erblähte aus 
dieſem einzigen Worte Ojczyzna, fie ift die verfchiedene Deutung 
und Anwendung diefer einen Idee. 

Die Darftellung des Ruffinenlandes, der Ukraine, ift 
ein Zeichen der tiefen Poefie, tele in des Verf. Geifte 
ruht. Den Charakter der ulrainifchen Poeſie als Vermitt⸗ 
lerin zwifhen Rußland und Polen hat Mickiewicz vors 
trefflich aufgefaßt. 

Vierte Vorleſung. Neben der ruffiihen und pol: 
nifchen Poeſie werben nun bie allgemeinen Umriſſe der 
ferbifchen und böhmifchen Literatur gegeben. Die Länder 
fübtih der Karpaten find die „Wiege der ſiawiſchen Ges 
ſchichte, bier fogar erhob fich zuerft eine Ihrer Mundarten 
gar Würde ber Sprachen”, ber Kirchendialekt gehört 
dieſer Zone an. Allein die Länder der Donau waren bie 
Heerſtraße aller aflatifhen Horden, durch deren Andrang 
jede Gründung eines feſten Staats unmoͤglich gemacht 


wurde. Gerbien fehlen einſt zu einer Hegemonie berufen, 
aber «6 fiel von den Türken geſtuͤrzt. Dermaßen ham 
ſich alle Rüderinnerungen der Serben in einem Kampf: 
plage eingefchloffen; ihre ganze nationale Poeſie irrt trau⸗ 
ig um einen einzigen Grabhügel auf den Federn von 
Koffowo herum.” Die Czechen, am meiſten vorgeſchoben 
gegen den Weiten, faugten einen großen Theil der Bit: 
dung diefes ein und tepräfentiven demgemäß bie ſlawiſche 
Wiffenfchaft. Auf diefe Weife hat der Verf. die wichtig: 
flen Elemente des Stawenthbums in kurzem ſtizzirt un) 
vergleicht dann die Länder deffelben in Hinficht ihrer Ge 
(dichte und ihrer geiftigen Beſtimmung mit den well: 
hen, in denen er ein merkwuͤrdiges und beiehrendes Wed: 
felverhältniß zwifchen den Theilen der beiden Hälften Gu: 
ropas beobachtet. 

Die bergigen Länder ber, Illyrier und Serben entipreden 
in vieler Hinſicht dem ſpaniſchen Satalonien und Afturien; & 
find dieſes die Gemeinptäge der abenteuerlichen Unternehmungen, 
der ritterlichen Schaufpieles bier und dort gibt es entführt 
Pringeffinnen, mit dem Schwerte erbeutete Kronen. Range Zeit 
war das Schickſal Polens aͤhnlich demjenigen Frankreicht; Po 
ien wie Frankreich behielt nichts für fich von der Beute der 
Ungläubigen, es blieb ihm nichts übrig als eine große heimats 
liche Rüderinnerung und eine große Zuneigung bet ben Krems 
den; die Völker find baran gewöhnt, in Polen den Bergegm: 
wärtiger eines edeln Gedankens im Kampfe für das allgemche 
Befte zu ſehen. Endlich Tpielen bie Gzechen und Ruffen Deutſch 
land etwas ins Handwerk, man könnte fie bie flawifchen Deut: 
[hen benennen. Der Czeche ftellt unter allen Slawen am m 
ften den deutſchen Geift vor. Andererfeits fcheint Rußland a 
England, diefes mobificirte Germanien, zu erinneen. In beim 
fehen wir dieſelbe Ausdauer in ben Borläten, biefelbe Kraft is 
ihrer Ausführung. Die Raſchheit, welche das Eine wie bi 
Anbere von der Schwerfälligkeit des feften Landes unterſcheidet, 
fann ebenfo gut hier wie da dem gleichmaͤßig eingeimpften 
Geiſte der Rormannen gehören. 

Fünfte Vorlefung. Bei den flawifchen Völker 
fchaften hat „Reine Sprache und Beine Literatur ein übe: 
wiegendes Recht zum Vorrange zur Oberhoheit unter den 
andern”. Daher müffe man „den flawifchen Stamm in 
feiner Ganzheit betrachten, die Stufenfolge feiner Ent 
widelung auffpüren”. In diefer Abſicht theilt Drickienig 
den Gang feines Bortrags fo ein: 

1) Allgemeine Sharakterzüge der Samen, Kennzeichen ib 
red Stammes und Beſchaffenheit ihres Bodens, zumal dur 


diefe viele hiſtoriſche und literarifche Aufgaben gelöft werden. 
Die aͤlteſten und allen Stawen gemeinſchaftlichen Literatur 


denkmaͤler. 3) Die Denkmäler, welche den Tibergang vom dr 
denthum zum Ghriftentyum bilden. 4) Das Zeitalter des Dei 
dengedichts, bie ferbifche Poeſie, der Sagenkreis, welder di 
Herrſchaft des Haufes Nemanicz umfaßt. 3) Polen tritt m 
15. Jahrhundert an die Spike, fammelt in fi alle geifige 
und fittlichen Kräfte der flawifchen Länder, entwidelt feine & 
teratur und erhebt fie zur Kunft. 6) Endlich von dem dell 
puntte der Hemmung feines Fortſchritts im 17. Jahrhundert 
fängt bie allgemeine Umbilbung ber flawifchen Literaturen abi 
Rußland und Böhmen kommen wieder auf dem hiſtoriſchen un 
literarifchen Felde zum Vorſchein. | 

In diefer Anordnung behandelt der Verf. in den en 
fien drei Vorleſungen den erften Gegenfland, ben er ald 
die Periode von den diteflen Zeiten bi6 zum Jahre 500 
(n. Chr.) bezeichnet. Die Slawen gehoͤren zu dem inde— 
europäifchen Volksſtamme, von welchen fie etwa den fünf: 


228 


wm Theil aramachen. Die Uieperliche Beſchaffenheit und 
Die Stammestigenthuͤmlichkeit der Slawen wird mit glän: 
zenden Farden geſchildert. „Randwirthfchaft iſt des Sias 
wen unerlaßliches Beduͤrfniß. Der unermeßliche Raum 
der ſlawiſchen Wohnſitze ſcheint auch gerade ein Land zu 
fein, vorzuͤglich zum Ackerbau beſtimmt.“ Die Karpaten 
bilden den feſten Grund dieſer Wohnſitze. Dieſelben wer⸗ 
den in dref Querſtreifen eingetheilt. Der mittlere Lands 
itrich ift die Heerſtraße der wilden Thiere aus Aſien nad 
Europa. Der nördliche Strich, dad Land der Wander: 
ratten, welche als Sinnbild der Gefräßigkeit finniſcher 
Voͤlker gelten, kann ebenfo wenig als der frühere ein 
Land für Nomadenhorden fein. 

Der ſuͤdliche Landftrich, offene Fluren mit fruchtbarem Bor 
den, ift die Bahn anderer Befuche aus den Wuͤſten und Steppen 
Aftens, es ift dieſes der Heuſchrecken- und Mongolenweg. Ie: 
nes Infekt verfchwand, den Mongolen aͤhnlich, manchmal auf 
lange 3eiten, Niemand ſprach von ihm Jahrhunderte lang, dann 
erhoben fich wiederum plöglich feine Wolfen, die Sonne verfin⸗ 
fternd und die Erde betedend. Immer pflegte es in Polen 
feine Winterquartiere zu nehmen; bie neue Brut drang dann 
mit dem Fruͤhlinge zuerft zu Fuß vor, ließ bie Felder wie von 
einer Keuersbrunft geſchwaͤrzt hinter fich, verfchüttete Fluͤſſe und 
Engpäffe und flog, für den Sommer mit Fluͤgeln verſehen, bis 
an die Ufer ber Elbe und des Rheine. 

In dieſer Hinfiht flimmt die Sage des Volle mit 
der gebildeten Literatur wunderbar überein. 

Die Heufchrede, z. 8. ift in ber Überlieferung des Volks 
immer das Ginnbilb der Zataren. „Laßt uns bie Heuſchrecke 

en!” war lange ber Kriegsruf der Polen. Das Voll be 
bauptet, auf ben Flaͤgeln dieſes Inſekts ſtehe mit Zauberzeichen 
geſchrieben: „Sottes Strafe.” Bemerkenswerth if, daß alle 
uralifche Hordenfuͤhrer von Attila bis auf Zamerlan jedesmal 
fi) ats „Gottes Geißel” ankuͤndigten. — Die atterthümlichen 
Lieder diefer Gegend fcheinen ber Widerhall von Vogelflimmen 
und Inſektenſchwirren zu fein. — Betrachtet man bie gläns 
senden Strophen eines andern unferer Dichter (Zaleski?) fo 
fcheint es wirktich, ale fummten ganze Bienenigwärme, Schmet⸗ 
terlinge und Heine liegen mit goldenen Fluͤgelchen über bie 
grünen Steppen ber Ukraine einher. 

Als die drei Hauptdogmen der alten flawifchen Reli⸗ 
gion gibe der Verf. an: den Begriff vom alleinigen Gott, 
den Dualismus, die Unfkerblichkeit der Seele; von Offen: 
barung ift Leine Idee vorhanden, weil das Volk vor Abra⸗ 
ham ſchon nady Europa Übergemandert; die Religion war 
„patriarchaliſch, ein Urglaube, wie in der Benefis, das 
Bolt war ohne Priefter, ohne Geburtsadel, und ohne 
Könige”. Won diefen Ideen ift das Dogma des Dualis⸗ 
mus ein fehr zmeifelhaftes; die Stawen haben viel wahr: 
ſcheinlicher nur an einen einzigen, aber guten Gott ge: 
glaubt; das böfe Princip mögen fie erft bei ihrem Zufam: 
menftoß welt andern Völkern angenommen haben. 

Sechste Vorlefung. Die flamifhe Mythologie 
liegt im Dunkel und wenn der Urglaube der Slawen, 
„unberührt gelafien von irgend einem Einflufje der Offen: 
barung feine Einfachheit ewig bewahren konnte, fo mußte 
er doch zugleich unfeuchtbar - und unfähig, irgend einen 
Sortfchritt aus fich heraus zu erzeugen, bleiben”. Die 
herumirrenden Bölker in der Völkerwanderung wurden von 


Prophezeiungen und datauf gellügten Hoffnungen geleitet. 
Die Stamm hatten keine folhen, konnten daher nie Er⸗ 





oberer werben. In Solge ihrer xeligiäfen Begriffe mar 


auch ihre gefellfchaftliche Eintihtung ganz eigenthuͤmlich. 


„Die Gemeinde, das Dorf, der Weiler iſt der Urſtoff der 
ſocialen Verbindung unter den Slawen.“ Die innere 
Einrichtung ſolcher Niederlaſſungen ſowie die alten ſla⸗ 


wiſchen Rechtsgewohnheiten, in welchen die Gemeinſchaft⸗ 


lichkeit des Beſitzes durchaus herrſchend war, beſchreibt 
der Verf. mit den klarſten Worten nach den alten Nach⸗ 
richten forwie nach der Analogie der Gegenwart. Dann 
fährt er fast 

ic ſlawiſche Organifation, wenngleich eigenthuͤmlich und 
ſchoͤn, war doch zur Vernichtung —S Fran 
der weitern Entwidelung in fich trugs fie konnte dem thätigen 
Oraanismus anderer Bölfer nit widerfiehen. Sogar in dem 


tiefſten Dickicht ihrer moraftigen Wälder hätten fie mit ber Beit 


ihr Geſchlecht nicht ſchuͤgen können, wenn fie nicht vorher in 


' den Schoos ihrer Bevölkerung friegeriihe Stämme aufgenoms 


men hätten, bie ihnen den Keim kuͤnftiger Staaten gebracht 
haben, und wenn nicht der chriſtliche Glaube fie fpäter aus bem 
Zuftande der Givitifationsunbeweglichkeit, einer Folge ber längft 
abgeftorbenen Religion, herausgezogen hätte (?). Daher fie benn 
in der Geſchichte erſt ſpaͤter auftreten, obgleich fie in den aͤlte⸗ 
ften Beiten nicht nur in ihren jegigen Wohnfigen, fondern auf 
noch weit nach Weften hinaus über ganz Europa ihte Anflebes 
lungen verbreitet haben, indem man daB Andenken ihrer Anwe⸗ 
fenpeit fogar noch in Frankreich und England vorfinde. — 
Die verfchiedenen Namen, unter denen fie in der Befchichte vor 
fommen, find von den Voͤlkern, welche fich zu ihren Herren 
aufgeworfen, auf fie übergegangen. ‚ 

Siebente VBorlefung. Diefe Auffaffung des flas 
wilhen Alterthums flimmt zwar nicht mit der der weft: 
lichen Gelehrten überein; „beſonders bemühten fich die 
Deutfchen leidenfchnftlih, die Meinung, als feien die Sla⸗ 
wen bie allerlegten Einwanderer nady Europa, zu begrün: 
den; denn dadurch) wurde der Widerwille der Germanen 
gegen diefe vermeintlichen Nachzügler des afiatiſchen Bar: 
barenthbums, welche dem europäifchen Geſchlechte fih auf 
einmal aufgedrängt hätten, fortwährend genährt”. Die 
Schriftfteller, welche bisher über das ſlawiſche Alterthum 
gefchrieben, fahen in allen Einzelnheiten defjelben nur den 
Spiegel ihrer eigenen Vergangenheit, reducirten Alles, 
was fie ſahen, auf ihre eigenen VBorftellungen und muß: 
ten demnach nicht felten die flamifche Eigenthuͤmlichkeit 
vom Grunde aus misverftehen. Erſt die Forfchungen der 
ſlawiſchen Gelehrten haben Licht in dafjelbe gebracht. Die 
alte finwifche Verfaſſung wurde anfänglid an den Gren⸗ 
jen, fpäter bei dem Kindringen der Barbaren und der 
Verbreitung des Chriftenthums aud) im Innern durchaus 
umgemwandelt ; und aus dem ganzen Altesthum blieb den 
Slawen von der ganzen Arbeit der Jahrhunderte Fein eins 
ziges Erzeugniß als ihre Sprache. „Alle ihre Kräfte, 
alle ihre Fähigkeiten wurden zur Ausbildung bderfelben ver: 
wandte.” Und dies iſt ein aͤußerſt churakteriftifcher Zug 
der Slawen. „Dieſe ganze ungeheure Sprache iſt gleich 
fam aus ſelbſtbuͤrtigem, von jeder Beimifhung freiem Erze 
gegoffen, auf einmal aus einem einzigen Worte hervorge: 
blüht.” In ihre werde der Streitpunft der zwei philolo: 
giſchen Hauptfchulen, od die menfchlihe Sprache ein Ge: 
ſchenk Gottes oder ein eigenes Product des menſchlichen 
Geiſtes fei, entfchieden, indem man in ihr beide Princi⸗ 











1116 


ten, das Börkiche und das Menſchtiche, finde, indem 


fie gleichſam eine Zufammenfegung aus zwei ſich gleiche | 


attig entwidelnden Sprachen fei, von denen die eine von 
anficytbaren Dingen zu fichtbaren herabfteigt, die andere 
fi von der finnfichen Wert im den Kreis einer hoͤhern 
Wirklichkeit emporhebt und beide auf einer gewiffen Stufe 
dee Volksbitkdung fi begegnen. Die Unendlichkeit ber 
flaroifchen Sprache entfprehe am meiſten der Unermeß⸗ 
lichkeit der Natur; den Slawen fchelne es vorbehalten 
zu fein, eine Philofophie der Sprache zu geben. Aus 
der diteften Periode baben die Slawen eine nationale 
Tradition erhalten, abflammend aus einer Zeit, wo die 
Sprache noch nicht in Mundarten zerfallen war. Die 
flawifche Sage unterfcheidet ſich von ber weſtlichen und 
öfttichen, im Often fei fie ein Gegenfland der Kunſt ge: 
worden, im Welten durch die Kunft bereits vernichtet; 
bei den Stawen hingegen dauerte fie bie auf biefen Aus 
genblick in ihrem urſpruͤnglichen Zuftande fort, weder als 
Battung der Literatur, noch als Kinderſpielzeug. Ihr 
Alterthum veicht über das der „Tauſend und Eine Nacht“ 
hinaus. Erhalten hat fie fih in den Märchen und Volks⸗ 
liedem. 

Achte Vorleſung. Die Gemeinſchaft der ſlawiſchen 
Sagen mit denen der andern europaͤlſchen Voͤlker beweiſt 
das hohe Alterthum derſelben; gegenwaͤrtig iſt nur die ſla⸗ 
wiſche Welt die Schatzkammer dieſer merkwuͤrdigen Über⸗ 
reſte. Mit dem Zerfallen der ſlawiſchen Sprache in Dia⸗ 
lekte waren dem Slawenthum zwei verſchiedene Elemente 
gegeben, welche gegenwaͤrtig von Polen und Rußland re⸗ 
praͤſentirt werden; die Dualitaͤt ſei auch hier herrſchend. 

iermit beginnt eine neue Perlode vom J. 500 — 1000. 

ach der kurzen Regierung Samo's erhebt ſich das groß⸗ 
maͤhriſche Reich. Die Lechen und Czechen, welche das 
polniſche und boͤhmiſche Reich gründeten, waren durch die 
Aſen verwandt mit den Warjegoruſſen, da dieſe als Nor⸗ 
mannen mit den Aſen gleichen Urſprung hatten. Alle 
drei fremden Staͤmme gruͤndeten auf ſlawiſchem Boden 
Reiche, gingen aber in kurzer Zeit im Slawenthum unter. 
Die Religion bat ihre Verfchmelzung mit dem Slawen: 
thum vollendet. 

(Der Beſchluß folgt.) 





Türkiſche Zugenden. 


Das „Edimburgh review’ zeigt drei Reiſewerke über 
Kleinaſien zc. gleichzeitig an, welche in den legten Jahren in 
Engiand erfhienen find: William 3. Hamilton's „Researches 
in Asia Minor, Pontus and Armenia’ (2 ®be., 1842) unb 
zwei einbändige Werke von Charles Bellowes, naͤmlich „A journal 

during aa excursion in Asia Minor“, fd&yon 1 ers 
ſchienen; „An aocoust of discoveries in Byria (second excur- 
sion in Asia Minor)” (1841). Aus allen dieſen Schilderungen 
ergibt fih, daß man in ben gefchilderten Gegenden mit voll: 
kommener perfänlicher Sicherheit reifen Tann. Dies ift vielleicht 
überrafchend, zumal wenn man bagegen häft, was Reifende über 
Italien, Spanien u.f. w. zu erzählen wiffen. Die lestern ſind 
no dueifttiche Länder. Aber bie allgemein in den Länbern unter 
tuͤrkiſcher Herrſchaft herrſchende Ehrlichkeit des Volkes wirb von 


Sen. Bamilton wiedekholt 
wert. 


heruͤhat und Wadl vii 
chhe Beiipkit üpnlldier Ant Sehen Ka a vn 





mb aubern Reisenden 
find fie nicht minder onzutreffen. AUS Mir. Fellowes einmal fein 
Sepäd irgendwo in Berwahrung Laffen mußte, weil er et uf 


| ſtiehlt — feine Religion verbietet a1 
Gin anberer fchöner Zug im Volkscharakter iſt die Gaſtlichkeit, 
bie man überall anteifft. In einigen Dörfern wurbe zwar 
Mr. Hamilton gebeten, anberewo Halt zu machen, wo fd 
bequemer haben koͤnnte; jeboch, wenn ex Beine 
nahm, fondern blieb, fo beeiferten ſich augenblicklich alle Dark 
bewohner, ihm Lebensmittel zu bringen und ihm jebe Artigfet 
zu erweifen. Man denke, wie weit bie Achtung vor dem Fremi 
ling geht! In der Borflabt von Als Schiher fand ‚Hr. Hamilten 
bie engen Gaffen gebrängt voll von Bettlern, bie jeden voruͤber⸗ 
gehenden Türken und felbft den Suriji der Relfenden mit lauten 
Geſchrei um Almofen angingen, aber kein Einziger unterfan 
fih, Hrn. Hamilton und feinen Wegleiter um das Mindefte zu 
bitten. Derfeibe Reifende wohnte zu Harmanjl einer Aubim 
bei, welche der große Mann, ber Aga der Stadt, dem Bolk 
gab; den Meiften war er zugleich Gutsherr. Alles ging anftändig 
und feierlich zu, alle Anmwefenden betrugen ſich untereinander 
hoͤflich und geftttet, Fein Lärm, kein Streit. Gin alter, — 
Mann, ein Bild des Jammerse, in Lumpen gehuͤllt, naͤherte ſich 
dem Aga. Sogleich erhob ſich dieſer halb von ſeinem Sitze, 
den herkoͤmmlichen Gruß entgegenzunehmen und dem alten frau 
ten Bettler dic Mühe des Verbeugens zu erſparen. Solchn 
rübrenden Züge theilt Dr. Damilton viele mit; feriich feine, 
‚von Tuͤrken etwas ame 


Er, „sein € 


von ihren religidſen Vorſtellungen in, 
ichkei wieber mit ber Religien in 
feet, z. 8. aus ihe abgeleitet, begruͤndet, gewechtfertigt wi 
Die alten Kirchenvaͤter, welche die Zugenben ber Heiden nt 
laͤugnen Tonnten, halfen ſich fo, daß fie verficherten, bie Zugeaben 
Diefer wären body nur glänzende Lafter geweſen. tab die fafe 
der Shriften? Nun, ebenfo viele I Sofern fie nur m 
Glauben hatten, d. b. der Priefter Gatzungen und Herrſchaft 
willig annahmen. Genug, die Religionen feien welche fie wol, 
die Menſchheit treibt aus der Tiefe ihres Weſens flets und aber 
den Adel ihrer Natur, bie ſchoͤnen WBikten ihres füttlichen Gefühl 
und die Früchte der Liebe bervor. 





Literarifhe Anzeige. 


Neu erſchien forben bei F. ME. Brockhaus in Reipiis 
und ift burdy alle Buchhandlungen zu erhalten: 


Niederlaudiſche Sagen 


Sefammelt und mit Anmerkungen begleitet 
berauögegeben | 
Johann Wilhelm Wolt. 
Mit einem Kupfer. 
Gr. 8. Geh. 3 Th. 





Berantwortliher Heraubgeber: Heinrih Brokhaus. — Drud und Berlag von 8. X. Brodbauß in Reipsig- 


Blätter 


für 


literarifche Unterhaltung. 


—_ 2 


Breitag, 





6. October 1848. 





Vorleſungen uͤber Nawife Literatur und Zuftänbe. 
Schalten im College de France in den Jahren 
1840— 42 von Adam Mickiewicz. Deutfche, 
mit einer Vorrede des Verfaſſers verfehene Ausgabe. 
Zwei heile in vier Abtheilungen. 
Erſter Artikeil. 
¶ Beſchluß aus Mr. M.) 


Neunte Vorleſung. Seit der Organiſation der 
neuen Reiche veraͤnderte ſich das ganze Leben der Slawen 
und nahm den Charakter des gleichzeitigen Weſteuropa an. 
Die Nationalſage wurde vernichtet und der neue, europaͤi⸗ 
ſche, chriſtliche Geiſt wurde herrſchend. Die Polen wie 
die Ruſſen wollten den ganzen Norden zu ihrer Beute 
machen. Die Lechiten in Polen bildeten eine Adelsrepublit, 
meiche unverändert blieb. Die Normaͤnner gründeten ein 
einheitliches Reich, aber ihre Dynaſtie verwandelte ſich in 
Burzem in eine ſlawiſche, und „nichts mehr kam mit ihe 
ins Land als die neue Idee der Gewaltführung”. Zwi⸗ 
fhen dieſen beiden Staaten lag ein Gebiet, weldyes vom 
Dujepr, dem Schwarzen Meere, dem Bug und Niemen 
eingefaßt if. 

Es war ber Schauplatz bed Kanipfes Ruflanbe mit Pos 
len. Auf. dieſem —* rang bie katholiſche Religion 
mit der Öfttichen Kirche, bie Abelörepublit mit dem Alleinherr⸗ 


Über die Einführung des Chriſtenthums ſpricht ſich 
der Verf. weitlaͤufiger aus, und bemuͤht ſich den Vorrang 
der roͤmiſchen Kirche darzuthun, ſowie den Vorwurf zu 
vernichten, daß das Chriſtenthum den Slawen Ihre Ver: 
gangenheit entriſſen und ihre Denkmäler zerſtoͤrt habe; 
der Verluſt der beidnifchen Gefchichte der Slawen erweckte 
ungerechte Klage; ebenfo ungegründet ſei die Klage, daß 
der Anfang der Staaten die Einheit des Stawenthums 
jerriffen habe, denn aufe Einheit babe nie beftauden, fei 
nur von den neuern Gelehrten erfonnen; nichts koͤnne bie 
Siawen mehr vereinigen als nur „ein allgemeiner Gr: 
danke, eine große Idee, bie fähig ſei, ihre ganze Vergan⸗ 
genheit unb Zukunft zu umfaflen”. 

Zehnte Vorleſung. 

nung des der Magyaren und ber Folgen defs 
feiben auf das Slawenthum beſchließt der Verf. bie Ge: 
ſchichte der gemeinfamen ſlawiſchen Entwickelung; denn 
von da fange Die Geſchichte der einzelnen Sprachen an. 


Mach einer kurzen Erwaͤh⸗ 


Diefe, in zwei Hauptſtaͤmme getheilt, ſtreiten wm dem 
Vorrang, Der Verf. läßt die Frage unentſchieden und 


unterſucht nur, was die aͤlteſten Schriftdenkmaͤler bietenz 


nad) dem Alter dieſer will er bie Literatur barftellen. 
Der Verf. beginnt nun einen neuen Zeitraum, bie Pers 
riode vom J. 10001400. Die Czechen haben das 
ältefte Denkmal der Literatur; es gehört dem 9. Jahr⸗ 
hundert an, befannt unter dem Titel „Libuſcha's Ges 
richt”. Die Königindofer Handfchrift, ebenfalls boͤhmiſch, 
iſt das zweite Denkmal. 

Elfte Vorleſung. Hier hebt der Verf. das Se 
dit „Zaboj, Slawoj, Ludjek”, heraus, das ihm Gele⸗ 
genheit gibe, bie Abneigung der Slawen gegen das Chris 
ſtenthum zu tadeln und diefes noch einmal duch Aufs 
sehlung der Wohlthaten, welche es denfelben gebracht, zu 
vertbeidigen 

— Vorleſung. Die uͤbrigen Heldengedichte 
dieſer Sammlung ſeien nicht fo wichtig, ja ihre Authen⸗ 
tieität fogar verbächtig; die lyriſchen Dichtungen derſelben 
Handfchrift verdienen keine befondere Aufmerkſamkeit. ( In 
der That, ein Urtheil, deſſen wir uns von Mickiewicz, 
dem Dichter, dem Lyriker, nicht verfehen hätten, da doch 
Goethe ſchon den außerordentlichen Reiz derſelben aner⸗ 
kannt hat, obgleich ihm die Sprache des Originals ganz 
fern fand.) Die diteften polnifchen und ruſſiſchen Denk 
mäler find insgefammt im Geiſte des Chriſtenthums ger 
ſchrieben. Die Annahme deflelben war nothwendig au 
politifchen Bründen. So wie die beiden Länder in polisis 
[her Hinſicht einen verfchiedenen Charakter annahmen, fo 
bildeten fie denſeiben verfchleden auch in Hinſicht de6 Chris 
ſtenthums aus; Polen wurde katholiſch, Rußland grie⸗ 
chiſch, oder wie Mickiewicz fagt, „ſchismatiſch“. Die 
Stellung der Geiſtlichkeit wurde in beiden Ländern eine 
ganz verſchiedene; der Verf. ſtellt hoͤchſt intereſſante Ver⸗ 
gleichungen daruͤber an. Da nun aber die Geiſtlichen je⸗ 
ner Zeit die Vertreter der Literatur waren, ſo bildeten ſich 
auch in dieſer zwei Gegenſaͤtze, welche der Verf. am deut⸗ 
lichſten in einer Gegeneinanderſtellung der beiden Chroni⸗ 
ſten Neftor umd Gallus bezeichnet. 

Dreizehnte VBorlefung Das Dogma und bie 
Kirchenregel ſelbſt hatten einige Abänderungen erleiden muͤſ⸗ 
fen. Die ruſſiſche Geiſtlichkeit ward ihren Fürſten unter 
thänig; die polniſche, aus den adeligen Familien abflanıs 


1118 


mend, warb patriotifch. Polen bar keine Verbreiter bes 
Chriſtenthums erzeugt, und doch war dies dazumat ber 
Hauptberuf jedes Volks; die „Nichterfüllung dieſer Pflicht 
wurde fpäter die Quelle tiefer Leiden”. Die Apoflel wa: 
ten aus fremden Ländern, aus Böhmen und Deutſchland; 
fo der heilige Adalbert, defjen Lebensumflände der Verf. 
näher angibt. Er ift der Verf. der polnifhen Kriege: 
hymne „D Mutter Gottes”. In beiden Ländern machte 
daher das Chriftenchum nur langfamıe Fortfchritte. Bier 
Chronikenſchreiber, Dithmar, Kosmas, Gallus und Neftor, 
find die „Muſter, die ſich fpäter in ber deutſchen, czechi⸗ 
fchen, polnifhen und ruſſiſchen Schriftftellerei immer wie: 
derholen“. Die Sprache iſt in den aͤlteſten Schriftftellern 
in bie noch jegt geltenden Dialekte zerfpalten; der Verf. 
charakteriſirt die ſlawiſchen Literaturen folgendermaßen: 
Die Eicchlige Mundart Tonnte bie Zeit der erften Über⸗ 
fegung der Helligen Schrift und einiger Liturgifchen Bücher 
nicht Überleben, weil fie ber fernen Fortſchritte bed Ghriften« 
thums nicht folgte, weit fie, unfähig, bie werbenden Beduͤrfniſſe 
inmitten der ſlawiſchen Völker auszubrüden, durchaus nur von 
der Vergangenheit ſprechen mußte und aus der lebenden Ges 
fenfchaft der Stawen ausfchied. Die ruffifche Sprache hat nur 
bie byzantiniſche Literatur beerbt und wäre ſchon längft vers 
dorrt, bätte fie fi nicht im fpätern Verlaufe an bie neuere 
Civiliſation feftgellammert, bätte fie nicht zuerſt das Polnifche 
nachgeahmt und dann aus dem Lateinifchen einen neuen Quell 
geſchaͤpft. Die czechiſche Literatur hat ſich durch den Ginfluß 
der deutſchen erſticken Laflen, "fie verftand es nicht, ſich bas 
fremde Element anzueignen, und entfrembete fi fogar ihrem 


Bollstyum. Die polnifche Literatur, wenngleich weniger urs. 


thümlich als andere, erwuchs dennoch am mädhtigflen und wei: 
teſten; da fie der lateinifchen überſchwemmung nicht erlag, dann 
die franzoͤſiſche Literatur fich aneignete, öfters bie beutfche nach⸗ 
abımte, verlor fie nicht im minbeften ihren weſentlichen Charakter. 
Wol aber verlor fie immer mehr und mehr den fla: 
wifhen Typus, und das ift einer von jenen Mängeln, 
weiche erſt die Neuzeit aut zu machen berufen if. 
Vlerzehnte Vorlefung Der Berf. gibt eine 
kurze Überſicht der Eibeflawen, von deren Anweſenheit fich 
noch Spuren im beutichen Welten fomwie in Dolland und 
England erhalten haben. Ihr Widerfiand gegen das Chris 
ſtenthum iſt erklärlih, denn bdiefes war „damals in den 
Augen der Slawen nichts meiter als Deutfhthum und 
Sklaverei”. Die Uneinigleiten unter den Haͤuptlingen, 
von den Deutfchen hervorgerufen und genaͤhrt, waren 
f&uld an der Vernichtung der politifhen Eriftenz jener 
Voͤlker. Weniger wahr duͤnkt uns bie Behauptung, daß 
die Reformation „der flawifhen Volksthuͤmlichkeit in den 
Eibländern den Todesſtoß“ beigebracht habe. Pommern 
allein wurde durch den Einfluß Polens gerettet. In den 
übrigen Elbländern farb das ſlawiſche Volk nad, des 
Verf. gewiß ungegründeter Meinung faſt gänzlich aus. 
Bon da geht der Verf. auf das aͤlteſte Denkmal ber 
nördlichen Literatur, der Sage vom Heerzuge Igor's, 
über. Boian, den alten Sänger, hält ee für einen alten 
Gott, „ein erfonnenes Symbol der Volksſage“. 
Sunfzehnte Vorleſung. Der Verf. befchließt feine 
Auszüge aus dem genannten Gedichte mit der Bemerkung, 
daß in demſelben eine von der heitern Lebendigkeit der 
polnifchen Schriftfteller fehr abweichende Trauer herrſcht, 


eine Art Vorgefüht bes kuͤnftigen Schickſals des Ruſſinen⸗ 
landes. Das flawifche Epos überhaupt ermangele der 
dee des Wunderbaren, welche den SPoefien der andern 
Völker der Hebel und die Springfeder der Handlung 
iſt. Dagegen verbiene die Bollkommenheit der dufern 
&orm befondere —— — 

lawen halten die Mitte zwiſchen der 
heit der Griechen und der ernſten el hen oem * 
Dumy (Romanzen) und Lieder koͤnnte man mit ben Iprifden 
Dichtungen der Skandinavier vergleichen, welche Bahn zu be 
treten den neuern Deutfchen noch nicht gelungen if. Die fie 
wifche Dichtung {ft Leicht und einfach; fie hat weder bie lan 
binapifchen noch bie griechifchen Maße, nähert ſich vielmehr der 
Profa der lateinifchen Kirche, dieſer fo muſikaliſchen und ha: 
moniereichen, zuweilen gereimten, zuweilen fogar maßhalten 
den Profa. - 

Der Einfluß der Volksdichtung auf die Folge iſt un: 
gemein; man kann faft fagen, jeder Verb berfelben habe 
den neuern polnifchen und böhmifchen Dichtern als Int 
(freilich ohne ihr Wiffen) gedient. Das einzige Wunkt: 
bare in ber flawifchen Poefle ſei der Glaube an bie Vum: 
pyre, Upiorp, deren „Urfprung an das ſlawiſche Geſchlecht 
geknuͤpft ift”. Über diefe Upforp verbreitet fih de 
Verf. no weiter und geht dann zu den Donauflamen 
über, Er gibt eine kurze Schilderung der Gefchichte der 
Südflawen, an deren Spige in dieſem Zeiteaume die Sr: 
ben, befonder6 unter dem Haufe Nemanija, landen. 


Sechszehnte Borlefung. Ganz anders ale du 
Geſchichte hat das Volk die Vergangenheit des Landıd 
aufgefaßt. Die handelnden Perfonen führen gan; ande 


Namen in ber Volksbichtung, ald unter denen fie bei den 


griechifchen Gefchichtfchreibern vorkommen; die verfähiee 
nen Thatenberichte find nicht felten ſchwer in Einklang jı 
bringen. „Die Chroniken entwerfen bie bloßen Umriſe 
des Bildes, die Dichter uͤberziehen es mit Lebendigen Zar: 
ben.” Somit fiel nad dem Untergange des Reichs bir 
Geſchichte gänzlich ber Poeſie anheim. 

Die cheiftiiche Religion nahm zuerft ein gewiſſes mythole 
giſches Bepräge an; aus ihren Legenden, ihren Wundern un 
then Heiligen bilbeten bie Dichter etwas bem Olymp 
Die ber Gefchichte entnommenen Perfonen wuchſen alsdanı in 
exbichtetem Glanze empor. 

Dem fo entftandenen Cyklus von heroifchen Gebichten 
folgte ein zweiter, ein romantifcher. Aus jenem hit 


dee Dichter die „Vermaͤhlung Lazar's“ hervor. Fine umge 


meine Ähnlichkeit hat die heroifche ſerbiſche Dichtung mit 
der Homeriſchen. 

Die Dichtung dieſer Stawen trägt vorzüglich den Charal⸗ 
ter des Epos; fie Hält ſich an ein Wolf, das pon ber Vorftel 


lung ber Reichsmacht burchdrungen ift, an ein Boll, weilches 


fein politifches Dafein verloren, aber das Andenken feiner Mod 
bewahrt bat, und nun feine Thaten erzählt. Selbſt jene erhe 
bene Unparteilichleit, die wir im Homer bewundern, geich 
auch die ſlawiſche Poefie aus: ungeachtet der ftarfen Andaͤnglich 
keit an bie volksthuͤmlichen Begriffe fintet man in ihr denn 
etwas Religidfes in der Beachtung der Gerechtſame der Fremben. 
Siebzehnte VBorlefung Der Berf, theilt nm 
aus dem heroiſchen Cyklus einzelne Gedichte theils IM 
Überfegungen, theils in überfichtlichen Berichten mit. Uh 
den Rhythmus und die Sprache, welche in denfelben 
herrſcht, ſtellt dee Werf. ebenfo wichtige als intereſſann 


AÄühnliches 


. 


111 


Betrachtungen am;- er nennt ben ſerbiſchen Dialekt „von 
alen fiawifhen Mundarten am meiſten muſikaliſch und 
barmenirzeich, bie ttalifche Sprache der Slawen”. Wid: 
tig iſt die Bemerkung, daß die ſlawiſche Sprache, wenn 
fie mit andern in Berührung kommt, immer nur Sub: 
flontiva aus ihnen aufnimmt, nie Zeitiwörter; „denn eine 
vollkommene und aus Einem Guffe gebildete Sprache hat 
ihren Anfang im Beitwort; dieſes iſt ihr weſentlicher, der 
göttlihe Theil; die Subftantiva aber bilden ihre Fülle, 
ihren materiellen Theil“. Nachdem der Verf. noch die 
Doffnung, als könne aus der reichen ſerbiſchen Dichtung 
einft eine „Ilias“ oder „Odyſſee“ zufammengeftellt werden, 
abgeriefen hat, geht er zu der Darftellung des romantifchen 
Cyklus über, beifen größter Held der Königsfohn Marko 
ift, ähnlich dem Arthur in der bretonifchen Dichtung. 
Achtzehnte Vorlefung. Als Einleitung zur Dar: 
ſtellung dee romantifchen Poeſie flellt der Verf. feine An: 
ſichten Über den eigentlichen Grund des Falls des grie: 
chiſchen Kaiſerreichs auf, welcher in dem damaligen Zus: 
flande der Stawen gelegen if. Es ift diefer Abſchnitt 
einer der intereffantelten des Buchs, weil er den fchon 
im Eingange erwähnten Nutzen aus der fiamifchen Ge: 
ſchichts⸗ und Literarurforfhung, den nämlih, daß nur 
durch ihre Refultate manche ber intereffanteften aber un: 
begreiflichen Ereigniffe der europäifchen Gefchichte vollkom⸗ 
men verflanden werben Eönnen, am klarſten, weil durch 
die That, darftelt. Der Königsfohn Marko ift in der 
ferbifchen Nationalporfie die Geſtalt, in welcher ſich die 
Lage der Donauflawen am beutlichften abfpiegelt. Als 
Proben bdiefer Dichtung gibt der Verf. die „Hochzeit 
des Zernojewicz”, mit weicher die erfte Abtheilung des 
Werks fchließt. *) 3.9. Jordan. 


Wien im Jahre 14593. 
Aus einer gleichzeitigen Handſchrift. 

Doͤgleich in feinem Umfange nicht mehr als 2000 Schritt 
groß, iſt Wien doch von weitläufigen Vorſtaͤdten umgeben, bie 
gleich der Stadt felbft tiefe Sräben und eine hohe Umwallung 
haben. Die Mauern find feft und hoch, mit vielen Thuͤrmen 
und Bafteien zur Gegenwebhr. Die Häufer finb groß und fchön, 
von foliber Bauart mit gewölbten Hofthoren. Die Gemächer, 
weiche ihnen als Tafelzimmer dienen, beißen bier Stuben, unb 
find zu Grleichterung der Rauheit des Winters beflimmt. Gie 
werben durch Glacfenſter erieuchtet, in denen mancherlei Voͤgel 
fingen, und haben meift eiſerne Thuͤren. Das Hausgeräthe iſt 
reichlich und gut. Pferde und andere Thiere find in weitlaͤu⸗ 

n Staͤllen untergebradht, und bie hoben Façaden ber Ges 

de find prächtig anzuſchauen. Nur Schabe, baß wenige ber 
fteinernen Haͤuſer mit Biegen gebedt find und mehrentheile 
Schindeldaͤcher haben. Bon innen und außen erfcheinen bie 
Haͤuſer gemalt und glänzend, daß man glaubt, in Paläfte zu 
treten. Die Wohnungen der Abeligen und Prälaten find frei, 
der Magiftrat bat keine Gewalt über fie. Die tiefen und wei: 
ten Weinkeller unter der Erde nehmen faft ebenfo viel Raum 
ein als bie Stadt Äber der Erde. Das Straßenpflafter aus 
hartem Stein wird nicht durch die Wagenräber beichädigt. Den 
bimmlifcyen Heiligen und dem hoͤchſten Bott find große und 
Yerrliche Zempel geweiht, von Quadern erbaut, hell und mit 


°), Einen zweiten Artikel theilen wir im nädften Monate mit. 
D. Reb. 


Säulen trefftich geziert; bie vielen koſtbaren Strtiauien ber Geis 
ligen find mit Bold, Silber und Edeliſteinen bedeckt; auch —* 
es ben Tempeln nicht an vielem und reichem Gerätbe. Die 
Priefter haben uberflüffige Güter. Das Oberhaupt von Se.⸗ 
Stephan if nur dem römifchen Fuͤrſten unterworfen. Sam 
Sprengel von Paffau ift diefe Stadt größer als bie ber Ruts 
terkirche ; auch finden ſich hier in mehren Haͤuſern geweihte Ka⸗ 
peſlen mit ihren eigenen Prieſtern. Vier Orden der Bettel⸗ 
moͤnche finb weit entfernt zu betteln; die Schotten aber und 
vegulaiven Kanoniker St.:Auguftin’s werben für reich gehalten. 
Unter ben Jungfrauenkiöfteen ift das des heiligen Hieronymus 
zur Aufnahme befehrter feiler Maͤbchen beftimmt, bie Tag und 
Nacht deutſche Bußlieder fingen. Kehrt eine von ihnen zur 
Sünde zuruͤck, wird fie in ber Donau erfäuftz doch führen fie 
im Allgemeinen ein frommes und züchtiges Leben, man hört 
nur felten etwas übles von ihnen. 


Eine Univerfität der freien Künfte, Theologie und des Kir 
henrechts ift neuerlich vom Papft Urban VI. dem Herzoge Als 
brecht III. bewilligt (1388), wird häufig von Btubirenden aus 
Ungarn und dem obern Deutichland befucht. Zwei vorzuͤgliche 
Theologen habe ich hier gefunden: Heinrich aus Heſſen, der aus 
Paris bei Errichtung der Hochſchule Hierher kam, zuerft den 
Katheder beftieg und vieles Bemerkenswerthe fchrieb, dann Ni: 
ckolaus aus Duͤnkelſpuͤhl in Schwaben, durch fein eremplarifches 
Leben und feine Gelehrſamkeit bekannt, beflen Reden gern von 
ben Gelehrten gelefen werden. Noch tft au Thomas Haſel⸗ 
bad) hier, der Nügtiches gefchrieben haben foll und beffen Lehr⸗ 
art ich loben würde, wenn er nicht feit 22 Jahren das erfle 
Sapitel des Jeſaias gelefen hätte, ohne damit zu Ende gekom⸗ 
men zu fein. Der größte Fehler biefer Hochfchule ift: daß man 
zu lange fich mit der Dialektik befchäftigt und fo zu viel Zeit 
auf eine Sache von geringem Nugen wendet. lm ben Magi- 
ftertitel zu erhalten, werben fie vorzüglich nur in biefer Kunft 
geprüft. Um Muſik, Rhetorik und Arithmetit kümmern fie fi 
nicht, obgleich einige Gedichte und von Andern ebirte Briefe 
die ohne Talente nach dem Magiftergrabe Strebenden bezeichnen, 
Predigen und Dichten find ihnen fremd, ihr ganger Fleiß rich⸗ 
tet fih auf Streiten und Sylbenſtecherei, das allen Grundes 
entbehrt. Nur Wenige befigen die Schriften des Ariftoteles und 
anderer Philoſophen; fie behelfen ſich meift mit den Commen⸗ 
tarien. Übrigens ergeben die Studirenden ſich den Lüften; gute 
Speifen und Wein find ihre Freude. Nur wenige kommen als. 
Gelehrte zurüd; fie kehren fi) an feine Regel, treiben fih Tag 
und Naht umher und fallen den Bürgern zur Laſt; denn auch 
die Ungebundenheit ber Brauen, verdreht ihnen den Kopf, wie 
fie ihrerfeits den rauen. 
= Die Bevölkerung wird auf 50,000 Communicanten gefchägt, 
bie flet8 ein Jahr lang von 18 Männern regiert werden. Zus 
erſt ber Oberrichter, dann ber Bürgermeifter, der für die Stadt 
forgt. Diefe wählt ber Herzog aus Denen, welche er für ibm 
treu ergeben bält, und laͤßt fid) von ihnen den Eid Ielften. 
Der übrige Magiſtrat bat wenig zu fagen: fie nehmen Zoll 
vom Weine u. f. w. ein und wechſein alljährlich. 

Es überfteigt faft allen Glauben, was täglich an Lebens: 
mitteln in die Stadt gebracht wird: Gier und Krebfe, viel viers 
fpännige Wagen voll; feines Brot, Fleiſch, Fiſche und Wögel 
ohne Zahl; dennoch ift jeden Abend nichts mehr zu verkaufen. 
Die Weinlefe dauert bier 40 Zage, und jeden Tag kommen 
zweis ober-breimal 300 Wagen mit Mein beladen herein, 1200 
Pferde find täglicd damit befchäftigt. Bis zu Martini haben 
die Dörfer Freiheit, Wein in die Stabt zu bringen. Wie viel 
davon herein gebracht und theils in Wien getrunken, theils 
mühfam die Donau Hinauf gegen ben Strom verführt wird, 
ift beinahe unwahrſcheinlich. Won dem in Wien einzeln ver: 
kauften Weine gehört ein Zehntel dem Fuͤrſten und trägt ber 
Kammer jedes Jahr 12,000 Goldguͤlden; außerdem haben bie 
Einwohner wenig Laſten zu tragen. 

Übrigens ift Manches in ber fo großen, ſchöͤnen Stabt aufs ' 
fallend: bei Tag und Nacht gibt es Streit und Gqclaͤgerei! 


m» mit ben ‚bei das 
8 —5 bald dieſe ſelbſt — 19— 
men Todtſchlaͤge vor, beinahe kein Feſt wird ohne ſolche voll 


bracht. Wenn ein Zank entſteht, bring 
gabeinanber. Weder der Magiftrat noch der Fuͤrſt ſucht dem 

{ abzubelfen. Riemand ſcheut fih, in feinem Haufe Mein 
zu verkaufen; faft alle Bürger haben Meinftuben und Barküs 
den, wo Saͤufer und Öffentliche Maͤdchen fi verfammeln, bie 
Gekochtes umfonft befommen, und dann beflo mehr teinten, ohne 
auf das kleinere Maß zu feben. Der Pöbel ift dem Genuß er: 
geben und freßluſtig; was fie die Woche hindurdy mit der Hand 
verdienen, verzehrt am Sonntage das Lübertihe Boll. Die 
Weiber find wollüftig, begnügen fich felten mit einem Manne. 
Wenn ein Adeliger zum Bürger kommt, ſpricht ex insgeheim 
wit der Kraus; es wird Mein gebracht, und ber Mann geht 
fort, dem Edelmann das Feld überlaffend. Viel Mäbchen wäh 
ien ſich Männer, ohne Vorbewußt ihrer Väter; Witwen vers 
heirathen fi freiwillig noch während der Trauerzeit. Wenige 

nd in der Stadt von ben Nachbarn gekannt, alte Familien 
find felten, foft alles neue Anfömmiinge und Fremde. Bejahrte 
reiche Kaufleute heirathen junge Mädchen, bie fie dann bald als 

Witwen verlaffen. Diefe fuchen ſich nachher unter den Dans 
deisbienern ihres Haufes, mit denen fie öfters Liebſchaft treiben, 
einen jungen Dann aus; fo ift oft heute einer reich, der geftern 
noch in Armuth lebte. Wenn diefe Maͤnner nun ihre Frauen 
überleben, beirathen auch fie wieder: fo findet ein ſteter Wech⸗ 
jet flatt. Der Sohn folgt felten dem Vater, benn ein Geſetz 
gibt dem überlebenden Gatten die Hälfte der Güter des Ber» 
#orbenen; auch find bie Teſtamente frei, daß oft der Dann 
feiner Frau und biefe Jenem das Gut vermacht. Es gibt 
demnaͤchſt viel Erbſchleicher, die durch Schmeichelworte die Alten 
bewegen, fie ins Teſtament zu fegen. 

ebre Weiber follen bie ihnen laͤſtig werbenden Dänner 
buch Gift aus dem Wege räumen. Sicher iſt, daß dfter 
Würger von Abdeligen gemorbet worden find, bie ihre Frauen 
durch Bedrohung hinderten, Hofleute zu Geliebten zu haben. 

Es gibt Übrigens bier faft kein pofitives Beleg. Sie bes 
haupten, nad) alter Sitte zu leben, bie fie dann nach Willkuͤr 
einrichten oder auslegen. Das Recht ift feil, wer etwas hat, 
kann ungeftraft ſuͤndigen; Arme, und die Teine Freunde haben, 
werden geftraft. Öffentlich geleifteter Eid wird feft gehalten; 
Tann hingegen das Beſchworene geläugnet werden, verliert es 
feine Kraft. Hat einer etwas auf Zeit geliehen, kann er nad 
Verlauf berfelben bie Summe durdy einen Eidſchwur, zu großem 
Schaden des Schuldners, beliebig erhöhen. Gegebene Pfänder 
haben keinen Einfluß auf die Zinfen. Der Kirchenbann wird 
nur infofern gefcheut, als er zeitlichen Schaden bringt. Wird 
das Geftoplene bei dem Diebe gefunden, gehört es dem Richter. 

Die gebotenen Zefte werden mit wenig Andacht gehalten, 
denn en wird Zteifch verkauft und bie Fuhrleute liegen kei⸗ 
nen Tag ftille. 

In dem Herzogthum Öftreich find noch mehre Städte, doch 
feine fo beruͤhmte; wol aber gibt es viel hohe und mächtige 
Barone, unter denen die Grafen von Schaumburg und Meinburg 
obenan fteben. Für die reichften werben bie Weiſer, die Lichten⸗ 
fleine, die Yuchauer gehalten. Won geringerm Anſehen find bie 
Pottendorfe, die Stahrenberge, die Eberſtorffe, die Edenganer, 
bie Dohenberge und viele Andere. Die Eytzinger ſind zwar 
— doch gehoͤren ſie heute an Macht und Anſehen zu 


den 

Biel große und reiche Kiöfter fehlen nicht; auch haben die 
Domkirchen in Salzburg, Paflau, Regensburg, Freifingen, weit: 
laͤufige —I mit vielen Burgen und trefflichen Wohn⸗ 
haͤuſern in Oſtreich. Aus ihnen werden alle Räthe ber Herzoge 
genommen und in hoben Shren gehalten. Im Kriege wie im 
Frieden haben bie Herzoge von ſtreich Prälaten und Bornehme 
in ihrem Hofftaate. 67. 





e die Gtweitenben Keiner | 





Notizen aus Italien, 


Deefefior an 060. Kinn Hanni 
or au Unter Keil 
farb am M. Rev. Sahres in feiner ur A 


Aechte ſtudium, ohne et 
ſiſchen Invafton un 


ch lanb sing Gr legte 
ſich .. feiner Ruͤckkehr auf das mebicinifi tubium und 
wurbe Togleih nad) Beendigung beffelben zarzt beim 
Hospttal San⸗Spirito. Gr erwarb fi) das Berbienft, uch 
eine Borlefung, bie er in der Akademie ber Lincei 1802 hie, 
die Öffentliche Aufmerkſamkeit auf die 8 ber 
Thierarzneikunde im Kirchenſtaate und auf die Rothwenbigkeit 


‚ber Errichtung eines Eurfus für diefen Zweig der Heilkunde zu 


Ienten. Das Anerbieten, welches ihm hierauf von der Regierung 
gemacht wurde, felbft nach Paris zu geben und bie Thierkeil: 
tunf dort gründlich zu fiudiren, konnte er, Samilienges 
bättniffe verhindert, nicht annehmen. Gr erhielt aber been 
a ben dafür neu errichteten Lehrſtuhl an ber roͤmiſhen 
Untverfität. Er hielt nicht nur die erfi n Borträge, in 
benen er fi darch Niarheit und MWeredtfamkeit auszeichnet, 
fondern forgte auch fel& für ‚Gerbeifckaffung ven Präparate 
und andern Unterri itteln ; durch dieſe Bemuͤhungen wurde 
er Gründer des zoologifchen Mufeums in Rom. XS ber Pay 
eine befondere Veterinairſchule im Palafte di Papa Gtulio 
errichtete, wurde dem Profeffor Metark die Leitung berfelben 
übertragen und als Univerfitdtäichrer erhielt ex ben Lehrſtuhl 

ber Boologie. Aud war ex der Erſte, weicher dort die Disciplia 
ber vergleichenden Anatomie einführte. Vor ihm wurden wer 
über diefe A noch über —— no —* —— Bor: 
träge an ber Sapienza gehalten. a antonetti's Elo 

in der ‚‚Bibliotech —— ⸗ 


Der verſtorbene Geſandte von Parma in Paris, Hr. 8. ht 
Poggt, hat ein Gedicht hinterlaffen, „Della natura delle oose“, 
ein Lehrgedicht, in welchem bie Raturwiffenfchaften nad ba 
Refultaten neuerer Forſchung Dorgeträgen werben. Roch ik 
das Gedicht im Oruck erfchien, theilte die „Hiblioteca italiana“ 
Proben daraus mit, unter Anderm bie Ginleitung, welde her 
fohrieben ift: „Invocazione alla natura” und ungefähe fo be 
ginnt: 

D da des unermeffun Weltalls 
Ewige Urfal’ ...... 





Und immer fein wirkt, DIR du das, was if, 
Was war und kommen wird; bif aller Dinge 
Uranfang, Grundurfa” und Weſenheit, 
Wirkende Kraft, Triebfeder, Ser’ und Leben, 
Aus die I Alles und durch dich u. f. w. 


Der Referent in der „Biblioteca italiana’ macht zu ber er 
wähnten fÜberfchrift folgende Anmerkung: „Man kann der 
bichterifchen Sprache viel verzeihen. Allein um jeber Gefahr 
einer Auslegung im Lucreziſchen Sinne vorzubeugen, wird tt 
dienlich fein, flatt ‚Anrufung der Natur‘ Lieber ‚Anrufung der 
Gottheit‘ zu fegen.” Bat der Referent nicht gemerkt, obet 
wollte er nicht merken (um das Gedicht vor dem uber jü 
retten), daß der Dichter ein Atheift war? 


Was für Philofophen es in Italien gibt) Einige Verſe 
von de Poggi fährt Einer an als „Bervelfe, daß es Körper 
gibt, trog der Meinung etlicher transcendentalen Idealiſten un 
an three Spike Fichte und Schelling, welche behaupten, baf 
bie äußere (gegenftändtiche) Welt nicht eriftire”. 6. 


Verantwortlicher Deraudgeber: Deinrih Broddaus. — Drud und Bertag von F. U Broddaus in Leipzig. 











Blätter 


für 


iterarifhe Unterhaltung. 





Sonnabend, 








Die untern Schichten der Gefellfhaft 
in Großbritannien. 


Der Zuftand der unterflen Gtaffen der Geſellſchaft 
zieht mit Recht immer mehr die allgemeine Aufmerkſam⸗ 
keit auf fi. Die Nothwendigkeit, biefen Zufland zu 
verändern, iſt nicht mehr blos ein Augenmerk der Phi: 
Ianthropie, fondern laͤngſt fhon zum Gegenſtande angele⸗ 
gentlicher Berathung für die gefeßgebenden Körper der 
größten Nationen in der civilifirten Welt geworden. Daß 
es nicht um eine vorhbergehende Abhilfe zu thun, ja daß 
ſolche nicht einmal mehr möglich, fondern daß es die Auf⸗ 
gabe ift, das Übel mit der Wurzel auszurotten, iſt von 
allen Kundigen anerkannt und in den öffentlichen Ver: 
handfungen über diefe Hochwichtige Sache vielfältig und 
von Männern aller Parteien oft unmilitürlich und wider 
Wien audgefprochen worden. Die Nothwendigkeit eines 
neuen Zuſtandes bat ſich auch da, wo die Furchtbarkeit 
des gegenwärtigen minder fohreiend als in England her: 
vorzutreten pflegt, duch die Folgen der Unfruchtbarkeit 
des letztvyergangenen Fahre praßtifch genug fuͤhlbar gemacht. 
Was find ale übrigen Staats: und RReligiondfragen, 
welhe in unſerer Zeit die Geiſter befchäftigen und zu 
Kämpfen aufregen, gegen biefe Haupt: und Lebensfrage, 
die im Bintergrunde aller wie ein drohendes Gefpenft 
immer furchebarer und riefiger emporwaͤchſt? Alle Fragen 


um Rechte, weiche ſtets nur Rechte der Beſitzenden find, 


(hrumpfn in Nichts zufammen ber ungeheuern Frage 
gegenhber ums das Mecht der befiglofen und darum recht⸗ 
(ofen Maſſen. Als im Zebr. diefes Jahrs Lorb Homid 
im Unterhaufe den Antrag geftellt hatte, ba6 Haus möge 
fh in ein Comiteée verwandeln, um die Noth im Lande 
ju unterfuchen ımd über die Mittel zur Abhilfe zu bes 
tathen, fagte Ste W. G. Gladſtone in feiner Antwort: 
tede: „Das Unglüd unfers gefelfchaftlichen Zuſtandes ifl 
diefed, Daß auf der einen Seite der Reichthum immer zus 
nimmt, während auf der andern die Armuth immer 
größer wird; daß auf der einen Seite die Üppigkeit fort: 
während fleige, während auf ber andern bie Maflen in 
Immer tiefern Mangel und immer ſchrecklicheres Elend 
verſinken.“ Das trifft den Nagel auf den Kopf. Die 
dm Zufall anheimgegebene ungleiche Vertheilung der Guͤ⸗ 
ter IE die Wurzel des Übel. Wer befist, bat die Mit: 


tel, feinen Beſitz zu vergrößern und vergrößert ihn auf 
Koften Derer, welche diefer Mittel in geringerm Maße 
theilhaftig find. Während die Reichen reicher werben, muß 
bie Armuth der Armen in demſelben Verhaͤltniß wachen. 
Talent und Arbeit reichen nicht aus, um dem @inzelnen 
die Befriedigung feiner Beduͤrfniſſe zu verfchaffen, das 
blinde Gluͤck muß hinzukommen, d. b. der Zufall feiner 
Ausftattung mit ben Mitteln, um jene —5 und nutz⸗ 
bar zu machen. Wenn nicht dieſer Übelſtand beſeitigt 
werden kann, menn nicht der Spruch des Alten und 
Neuen Zeftaments: „Der Arbeiter iſt feines Lohne werth”, 
fich in dem Sinne erfüllt, daß der Arbeiter feines Lohne 
gewiß fein könne, fo tft keine Heilung zu hoffen. Als 
das Ehriſtenthum in die Welt trat, verfündigte es als 
feinen erflen Grundfag die Gfeichheit aller Menſchen. 
Aber wohl erfennend, daß die Menſchen in der Welt 
„Angſt haben”, von der es fie nicht ſoglelch befreien 
tonnte, verſehte es den Buftand, in welchem bie Welt mit 
three Angft überwunden iſt, im bie Welt ber Hoffmung 
und tröftete bie Lebenden damit, daß fie wenigſtens den 
Gedanken ber wefentlichen Gleichheit in ihrem Innern 
trügen und vor Gott gleich fein. Dennoch fuchten bie 
früheften Chriſten im erſten Drange der Begeiſterung 
innerhalb der vorhandenen wirklichen Gemeinde die heilige 
Gleichheit der Menſchen auch aͤußerlich darzuſtellen, denn 
„die Menge der Glaͤubigen war Ein Herz und Eine 
Seeke, und es nannte Keiner feine Guͤter fein, ſondern 
es war ihnen Alles gemein” (Apoftel:Gefch., 4, 32). Diefe 
Einführung einer Gütergemeinfhaft war in der Dat 
nichts Anderes als die Erfüllung des Auftrags, ben Chris 
flus den Seinigen gegeben hatte: „Gebet Alles din Ars 
men!” Das Reich der Gleichheit, der Bruderliebe md 
der Einheit in dem Einen gemeinfamen Gelfte war im 
Chriftenthume von Anfang an dazu beflimmt, auf Erden 
verwirklicht zu werden und die Armuth follte gänzlich 
aufhören. Wenn man daher von hriftlihen Staaten 
tm eigentlichen Sinne reden wollte, fo Fönnten nur ſolche 
auf diefen hehren Namen Anſpruch haben, In denen ber 
Grundgedanke des Ehriftenthums, die brüderfiche Gleich⸗ 
beit und Einheit der Menſchen, vermirkiicht iſt. Groß 
britannien tft bei aller feiner chriftlichen Gottesdienſtlich⸗ 
keit am weiteflen davon entfernt, das Bild des chriſtlichen 
Lebens, d. 5. des Lebens aller Menſchen in der Bruders 








1122 


Use, ſch darzuſtellen, denn ins Leben aller feiner 
großen und Beinen Parteien, Gefelfchaften und Körper: 
fhaften offenbart fih nur das Spiel des radicalfien Egoie: 
mus. Whigs wie Tories und Tories wie Whigs haben 
gleich wenig Luft, dem Elend bes Landes durch Aufopfes 
sung ihrer Vorrechte ein Ende zu maden, ja! fie gebraus 
chen — es ift fchredlich zu fagen und leider doch nur 
zu wahr, und in ihrem eigenen Lande oft genug ausge⸗ 
ſprochen — ihre Bekanntſchaft mit der fuͤrchterlichen Noth 
und dem craffen Elend ber unterſten Glaflen als ein 
Mittel, ihre elenden Parteigwede ducchzufechten, uns biefe 


oder jene Abänderung der Getreidegeſetze zu ertragen obder- 


mm des einen ober andern Partei die Zügel der Res 
gierung aus den Händen zu reißen. 

Deſſenungeachtet iſt Großbritannien bas Land, in 
weichen, wenn nicht bie bedeutendften Zeichen trügen, 
die große Frage unferer und aller künftigen Zeiten zur 
Entſcheidung kommen muß. In beiden Häufern ift es 
aingeftanden worden, daß das Elend in den unterfien 
Schichten der Geſellſchaft eine Höhe erreicht hat, welche 
eine lange Fortdauer biefes Zuflandes zur Unmöglichkeit 
maht. Und das feit vielen Parlamentsfeffionen wieder: 
holte Geſtaͤndniß beruht nicht auf Refultaten oberflädhli- 
cher Beobachtung odes unbeflimmter Eindrüde, welde 
tehgen koͤnnten, fondern auf umfafjenden Nachforſchun⸗ 
gen unb Unterfuchungen von aller dee Gruͤndlichkeit und 
Benauigfeit, buch die fih Großbritannien in derglei⸗ 
hen Dingen ausjeihne. So wurbe unter allem Übri⸗ 
gen [diem während der Seffion von 1842 ben beiden 
„Häufern blos über den Geſundheitszuſtand der arbeiten: 
den Claſſen ein ausführlicher Bericht in drei Foliobaͤnden 
vorgelegt und auf Befehl des Parlaments gedrudt, dem 
Herr Chadwick aus der ungeheuern Maffe von ver 
fchiebenartigen Berichten aus allen Xheilen des Landes, 
Documenten, Protolollen u. f. w. ausgezogen hatte. In 
diefen drei Folianten finden ſich fchauberereegende Details 
über die Wohnungen ber armen Arbeiter und Handwer⸗ 
Ser in großen und Beinen Städten mitten unter Koth: 
lachen, Untathgruben, flagnicenden Wafferabzügen, ver 
ſchlanunten Höfen, in Kellern und dunftigen Löchern, in 
Schmus und böfer Luft, in ſcheußlicher Enge, wo ganze 
Samilien, erwachfene Brüder und Schweflern, Vater und 
Tochter, Mutter und Sohn in dem nämlichen Bette 
ſchlafen, Menſchen und Vieh in demfelben Stalle mit- 
sinagber haufen, wo ber feuchten, ſtinkenden Atmoflphäre 
wagen keine Vorräthe aufbewahrt werden können und bie 
Ungluͤcklichen noch obenein gezwungen find, alle ihre ge 
singen Bedürfniffe, weil fie fie einzeln beziehen müſſen, 


theurer zu bezahlen als nöthig wäre, und wo fie häufig in 


Ermangelung von Brunnen oder Wafferleitungen ihr Trink: 
waſſer aus Lachen ſchoͤpfen und manchmal ganz entbeh⸗ 
sen müflen. Befonders in den Manufacturflädten Glas: 
gaw, Mancheſter, Liverpool u. f. w. iſt die Sterblichkeit 
tee den Arbeitern, welche Luft: und Waffermangel, 
folung enger Wohnungen und elende Koft berbeifüh- 


an, wahrhaft furchtbar. Wo aus. ber Gentry unb dem. 


mittlern Handwerkerſtande im 3. 1840 in diefen Staͤd⸗ 


n 137 Perfonen farben, verlor bee Stand der Helm 
Handelsleute (tradesmen) 1738, und bie Claſſe der It 
beiter u. dgl. 5597. Fuͤr bie erfle ber drei genannten 
Gtaffen ergab fih ein durchſchnittliches Lebensalter yon 
35, füs die zweite von 23 und für bie beitte nur ve 
15 Jahren. In Mancheſter ſtarben non 100 Kinden 
der Arbeiter mehr als 57 (alfo mehr als bie Hälfte), in 
einem Alter unter 5 Jahren, während im ben hihen 
Ständen nur ”s; der Kinder vor 5 Jahren flach. Bon 
der Robeit und S dieſer immer mehr verwit: 
dernden Claſſen wird uns ein berzzerreißendes Bin gr 


macht. Daß phyſiſch und moraliſch fo verkruͤppelte Mn: 


fhen zum Trunke ihre Zuflucht nehmen werden, wm 
wenigftens auf Stunden ihr Elend zw vergeffen, wi 
ſich Jeder ſelbſt fagen Eönnen. Den Handwerkern, die 
eine ſitzende Lebensart führen, 3. B. Schneidergefeln, 
bie meift von früh bis in die Nacht im engen, bumpfen, 
fchlecht geluͤfteten, von Licht: und Kohlendampf geidmar: 
gerten Werkflätten arbeiten müffen, tft der Branntwein fi: 
gar ein dringendes Beduͤrfniß, um ihre Lebenegeifter von 
Zeit zu Zeit anzufrifhen. In Dumfries fanden fid 13 
Bäderladen und 79 Branntweinſchenken. Ein engliſhea 
Berichterftatter über die Chadwick ſchen Kolianten bricht in 
die Worte aus: „‚Unfere Lefer werben mit uns zu dr 
Übegeugung gelangt fein, daß es Fein wildes Volk af 
Erden gibt, in welchem man barbarifcyere und viehiſchen 
Zuftände antreffen koͤnnte als hier im Herzen biefes ge: 
Sen Landes.” 

Wenn es fi im Parlamente darum handelte, Vorfcliy 
für bie Verbeſſerung ber Lage dieſer unglüdlichen Bulk: 
clafjen zu machen, fo war immer, Volkserziehung“ ra 
Rieblingsthema der Redner. Noch In der Seffion bild 
Jahrs iſt wieder ein Ranges und Breites in biefem Siu 
verhandelt worden, Lord Aſhley ſtellte eine Motion, dat 
die Königin gebeten werden möge, der Megierung größe 
Aufmerkfamkeit auf die Mängel der Wolbserziehung ju 
Pflicht zu machen. Tauſende von Kindern, fagt Kar 
Aſhley, werden jährlich in Elend und Lafer geboren, er— 
balten gar keine Unterweifung ober mur folche, die ihnn 
verberblich wird. Sie werden fruͤh reif in allen Schänb 
lichkeiten, ihre Jugend wird mit ſchmutziger Sinnlihki 
befleckt; die Männer gelangen nicht zur Charakterflärkt, 
die Frauen zu keinem Zartgefühl; es gibs in den gatili: 
ftädten eigene Bierhäufer für Kinder, wo Knaben m 
Mädchen zufammenktommen und vom funfjehuten Jah 
an gefchlechtlichen Umgang miteinander pflegen; und I 
kommt es, daß die Bevoͤlkerung eines großen Theis du 
Städte und felbft des flachen Landes aus Horden befzlt 
die fi nur duch raffinirtere Laſterhaftigkeit und cm 
Schmug eines in Mauern eingepferchten Lebens von Bir 
ben unterfceiden. Es if hier nicht dee Det, mehr a 
den entfeglichen Einzelnheiten anguführen, an denen kat 
Aſhlep's Rede veih war. „Bemerkenswerth“, ſagtt % 
male der „Spectator”, „war die reinſtimmung ale 
Redner, melde fi in Folge der Aſhley ſchen Motion ver 
nehmen liefen, in der Anerkennung, daß Abhuͤlfe Rot 
tbue, and nach deu auglofen Verhandlungen über de 


Rage des Lanka ſcheint meblidh ums, wem andh nicht 
eben viel, für deren WVerbefſerung im Werke.‘ mb 
was wollte man zur Herbeifuͤhrung der fo allgemein für 
noͤthig erkannten Berbefferung thun? Zwei Maßregeln 
Eündigte Sir Sohn Graham an, die fih auf die Errich⸗ 
tang von Diſtrictſchulen bezogen. Diefe Maßregeln, bes 
merkt der „‚Spectator‘, griffen die Sadye beim verkehrten 
Ende an, indem es nutzlos wäre, die Schulen zu ver: 
mehren, wenn man nicht audy den Unterricht verbefferte 
und für tüchtige Schulmeifter ſorgte. Indeſſen auch ab» 
gefchen hiervon, was foll wol Schulunterricht nuͤtzen, wenn 
das Leben mit Mache Lafer und Schandthat und in 
Alm das Gegentheil von Dem prebigt, was in ben 
Schulen gelehrt werben könnte! Es iſt ein wahrer Hohn, 
fogt der zuvor erwähnte englifche DBerichterflatter, von 
Hebung bes untern Volksciaſſen durch Erziehung zu ſpre⸗ 
chen, wenn man fie in Schmug, Hunger und Elend fo 
wie es jegt ber Fall tft fort vegetiren Lift. Herr Chad: 
wid fprach in feinem Berichte wiederholt die Anſicht aus, 
daß durch Maßregeln der Gefundheitäpolicei große Er: 
leichterung verfchafft werden koͤnnte. Aber theils fcheinen 
feine Vorſchlaͤge zur Reinigung der Straßen und Woh: 
nungen, zur Derbeifhaffung von trinkbarem Waffer u. f. w. 
taum ausführbar, theils, wenn fie auch ausfuͤhrbar find, 
entſteht die Frage, woher die ungeheuern Geldmittel ge: 
nommen werden follen, ohne welche fie nicht ins Leben 
treten koͤnnen. Sir Robert Peel fagte fort und fort, er 
feugne die Noth, er leugne die Übelflände nicht; aber er 
machte fich dann die Sache leicht, er berubigte fich das 
mit, daß es einmal fo fei, das wachfende Elend der un: 
tern Claſſen, die zunehmende Entmenſchlichung fei eine 
unvernsetdliche Folge der fleigenden Civilifation. Wehe 
über die Civilifation, wenn fie die Entmenfhlihung der 
beiweitem größten Maſſen der Gefellichaft zur, Folge ba: 


ben muß! Und doch kann der Premierminifter ſchwerlich 


beweiſen, baß nicht die Erbe weit genug wäre und genug 
hervorbrächte, um Alle, die da leben, reichlich zu ermäb: 
ven, zu Beiden, zu baufen. Wenn das aber iſt und 
dennoch Millionen darben, fo Liegt die Schuld doch wol 
an den Menſchen und ihrem boͤſen Willen, und bie fo: 
genannte Stoilifation iſt eben nicht Civilifation, ober es ift 
dahin zus arbeiten, daß die Givilifation der Humanitaͤt weiche. 

Das Bild des Jammers if noch nicht vollſtaͤndig 
beſchaut, wenn man die arbeitenden Claſſen in ihrem Elend 
betrachtet Hat. Sind diefe ſchon elend, wenn fie Arbeit 
haben, fo werben fie es noch weit mehr, wenn fie, mit Kraft 
und Luft zur Arbeit, dennoch feine finden. Und hinter 
ihnen ſteht alsdann noch die zahlreiche Elafle Dorer, die 
aus Mangel an Kraft gar nicht arbeiten innen, ber 
eigentlichen Armen. Auch die Armengefege wurden in 
der diesjährigen Seſſion wieder zur Sprache gebracht, 
und zwar in eimer fchmerzlihen Weile. Es war naͤm⸗ 
Sch ein Plan veröffentlicht worben, ber früher dem Mi⸗ 
niſterium vorgelegen babe, und der darauf hinausging, 
Armenhäufer zu errichten, außerhalb deren die Armen nicht 
berechtigt fein follten, Unterflügumg anzuſprechen, in 
denen fie aber fo ſchlecht behandelt werben müßten, daß 


Die Viebauhlunng Ale, bie nie with Eau aber vor» 
Schppelt wären, zunkdlfchrediee: auf diefe Art eulebe man 
«6 mit der Zeit dahin bringen, ‚die Laſt Dex adizu deuckenb 
gewordenen Ammentare zu erichbteen. Dieſcs Docummml 
beachte das Parfamentöglieh Dr. Walter, derſeibe, der a 
in feinem Blase, der „Times”, veröffentlicht hatte, waͤh⸗ 
seud ber Geffion zur Sprache und trug darauf an, daß 
das Unterhaus die gegenmäertig geltenden Armengeſche fine 
eines Ausfluß ber in dem Document niedergelegten weis 
menfchlidyen Anficht erklaͤren möge. Dagegen wurbe wen 
Seitan ber Regierung erläut, daß das Grey'ſche Miniſte. 
rium delneswegs ben erwähnten Plan feinem Armenge⸗ 
fege zum Grunde gelegt, vielmehr denfelben gesabezu vers 
worfen habe. Jedoch kam bei biefer Gelegenheit die all⸗ 
gemeine Erbitterung zur Spradge, welche in ganz Eng⸗ 
land gegen das Armengeſetz herrſche. Es fei, verficherte 
Hr. Wasley, die allgemein verbreitete Anfiht, daß das 
Armengeſetz nur ein Mittel mehr fei, um die unbemit⸗ 
telten unb arbeitenden Claſſen vollends in die tyanmmis 
fche Gewalt ber reichen Fabrikanten, Brundbefiger u. f. w. 
zu liefern, indem es fie zwänge, bie Arbeit um den ums 
billigſten Lohn immer noch der Arbeitölofigkeit vorgusichen 
und ihnen die leute Möglichkeit ber Wahl raube. Der 
Walter' ſche Antrag wurde verworfen, allein bie grauſame 
Härte bes Armengeſetzes haste fi doch bei diefer Gele⸗ 
genheit wieder fchneidend genug herausgeſtellt. 

In England find die Armengeſetze fchen fräher Hart, 
vielleicht härter als daB Grey'ſche Geſetz geweſen, wenig: 
ſtens behauptete das Sir R. Peel; und baber iſt der 
Druck des letztern Geſezes im Ganzen weniger gefähtt 
worden. Anders flellte fi die Sache in land. Wenn 
fhon in England beiderlei Verfahrungsarten, die Umters 
flügung der Armen mit Gelb oder Natucalien und bie 
Beichäftigung und Verpflegung berfeiben in Armenhaͤu⸗ 
fen, wie man nicht anders fagen ann, gämslich fehlge⸗ 
fhlagen waren, wie follte man in Irland dem Becteln 
und Vagabundiren, biefem tief eingewurzelten Übel, firueen? 
Es war im %. 1828, als das Comité des Unterhaufes, 
welches das irlaͤndiſche Armenweſen unterfuchen und Mt: 
tet wider baffelbe vorfhlagen follte, feine Berathungen 
zu Ende brachte. Das Comité haste die bodenlofe Tiefe 
des Übels erkannt, wagte aber eben deshalb nicht, einen 
Vorſchlag zu machen, fondern rieth an, die Berathungen 
fünftig wieder aufzunehmen, vorläufig aber ein 
Herumtreibergefeg (Vagrant - law) zu erlaffen und mit 
Strenge zu handhaben. Das beißt: wir fehen ein, daß 
die Lage des Landes es großen Maffen unmöglich macht, 
fidy ihre Exiſtenz auf eine ehrenvolle Weiſe zu fichern, 
und daß ihnen nichts Anderes uͤbrig bleibt, als von der 
Mitdehätigkeit der Bevorzugten zu leben; allein damit 
diefe Bevorzugten nicht durch die Zudringlichkeit ber Bett⸗ 
(ee beiäftige werben, verbieten wir den Bettel, ohne frei: 
(ich vor. der Hand zu wiffen, wie den Hülflofen auf an: 
dere Meife geholfen werden könne. Zum Süd kam bie 
fer barbarifche Borfchlag im Unterhaufe gar nicht zur Der 
rathung, weil unmittelbar darauf die Reformbill alle Auf 
merkfamfele in Anfpruh nahm. Seitdem iſt nun das 





1124 


Qeeutreidergeſetz wiederholt in Antrag gekommen, aber 
immens wieder zucädigenonmen worden, fobaß «6 bis auf 
den heutigen Tag noch nicht erlaffen if. Worin das 
feinen Grund bat, wird ſich weiterhin zeigen. Bler Jahre 
fpäree trug Here Gabler auf ein Armengeſet für Irland 
an; da aber die Regierung erklaͤrte, daß man woch nicht 
km Stande wäre, auf einen ſolchen Antrag einzugehen, 
fo kam er nicht zur Berathung. Indeſſen wurde bie 
Aufmerkſamkeit des Hauſes eınflli auf die Angelegen⸗ 
beit gelenkt und man ſetzte ſogleich im naͤchſten Jahre 
eine Unterſuchungseommiſſion (Commission of enquiry) 
wieder, weiche eine Maſſe von Thatſachen, Auslagen, 
Machrichten (evidence) zufammenbrachte und ihren erften 
Bericht, der auf Befehl des Hauſes gebrudt wurde, bes 
gleitet von Auszügen aus ber gefammelten Evidenz, im 
J. 1835 vorlegte; ed war ein ſtarker Band, ber wol 
zur Hälfte von bem Bettel (mendicancy) handelte. 
[E06 kaum Hier bemerkt werden, daß bie englifche Geſetz⸗ 
"bung Bettel und Landflreicherei (mendicancy und va- 
grancy) nicht unterfcheidet. Für Irland würde aber auch 
ohnehin jede Unterfcheidung von felbft und der Matur der 
bertigen Verhaͤltniſſe nach wegfallen] Ihren Schlußbe⸗ 
richt flatteten die Commiſſioners im folgenden Jahre 
1836 ab. Noch in demifelben Jahre fandte die Reglerung 
Hen. Nichollo nah Irland, um eine abermalige Uns 
terfuchung an Ort und Stelle vorzunehmen; und im 
Nov. ſtattete diefer feinen Bericht ab, in defien Folge die 

ng ein Armengefeh für Irland (Irish poor - lew- 
bi) wirklich vorlegte. Um ben weitern Verlauf ber Be: 
sathungen und Maßregeln anfchaulich zu machen, if zus 


vor wenigfiens das IWefentlihe aus den Ergebniffen der | 


verſchie denen Unterfachungen mitzutheilen. 
(Der Beſchluß ſolgt.) 





Le genie du dix-neuvième aiècle, ou esquisse du pro- 
gr&s de esprit humain depuis 1800 jusqu’ä nos 
‘ jonrs par Edouward Allets. Paris 1843. 

Der Verf. dieſer Schrift, ber fi) namentlich durch ein 
Werk über bie Demokratie ber neuern Zeit befannt gemacht 
bat, beabfidhtigt nichts Geringeres als ben Geift unſers Jahr⸗ 
hunderts auf ben Deſtillirkolben zu bringen, um zu fehen, was 
nach der allgemeinen Verfluͤchtigung noch übrig bleiben wirb. 
Geiner Aufihht nach finb es drei Hauptpunkte, welche bei den 
Sreiguiffen und der allgemeinen Sntwidelung bes 19. Jahrhun⸗ 
derts vom größten Einfluffe gemwefen find unb bie bei der Ge 
fehichte der Gegenwart vorzüglich in Anfchlag fommen. Es find 
dies erftens ein faft univerfeller Krieg, fodann der Verfall der 
ensopäifchen Ariftofratien und enblich die Entdeckung ber Dampf: 
kraft. Nachdem er einmal diefe drei Punkte feftgeftellt hat, 
unterfucht er ber Reihe nach ihre bisherigen und bevorſtebenden 
Wirkungen ſowie ihre Fünftigen Eonfequenzen. Auf biefe Art 
fucht er unferer Zeit ihre Stellung in ber Gntwidelung ber 
Jahrhunderte anzuweiſen. Er beftimmt ihren Antheil am 
Ruhme, indem es unterfucht, was unfer „Jahrhundert zur 
Berwirklichung ber großen Weltgefebe, d. i. zum Triumph bes 
Chriftentyums und ber Verbreitung der GKivitifation getban hat, 
ober zu thun verfpricht; benn bie gegenwärtige Zeit ift fo gut 
wie die vergangenen Jahrhunderte berufen, einige Sproſſen an 
der geheimmißvollen Leiter zu bilden, welche von ber Erde zum 
Yiumel ſteigt. 


Allen tbuiit fein Merk, Das, vole’ kn "uB Befer dur 
yon Probe fehen Tan, in einem etisad glichen Zone 
ehalten ift, in ſechs Bücher. Das erſte Much - enthält keinen 
hun Überblit über bie Hauptpunkte in ber Entwi 
geſchichte der Wiffenfchaften und Kuͤnſte feit dem gtichifeen 
Aterthume bis auf unfere Tage. Hieran Inpfen fid einige Ber 
teachtungen über bie allgemeinen Geſete, welche dem Fortgange 
ber Sivilifation zu Grunde lingen. Im zweiten, beitten und vierten 
Buche gebt nun ber Verf. näher darauf ein, das Weſen und dm 
Charakter bes 19. Jahrhunderts zu beftimmen. Er theilt ale 
menfchlihe Wiſſen in drei Gtaffen, naͤmlich in die Wilfen: 
fhaft vom Menfhen, die WiffenfYaft von der Se: 
fellfhaft und die Miffenfhaft von der Natur. Je 
ber dieſer Claſſen wirb ein eigenes Capitel gewidmet. 

Aus biefen Betrachtungen ‚' in denen ale en mitten 
durch nebelhafte Phrafen recht feharfer and hervor 
biigt, zieht Allch folgendes Nefuttat: „Seit den Jahren 1900 

0 Hat Frankreich die Buperiorität über die übrigen Bit 
fer in ben Raturwiſſenſchaften, der Matbematik, der Geſchichtt, 
ber Beredtſamkeit und der Staatephiloſophie (Philosophie pe- 
litique) gehabt; England gebührt die Palme in der Aſtronomi, 
ber Technologie, der Beographie, der Poefie und dem Roman; 
Deutſchland hat den übrigen Ländern ben Vorrang abgelaufen 
in der Rechtöwiffenfchaft, der Philologie, ber Melaphyſik und 
ber Theologie, und Italien bat fi nur in ber Muſit herum 
gethan. Die Ghemie, bie Geologie, bie Mechanik, bie See 
graphie, die Philologie und unter den ſchoͤnen Wiflenfchaftn 
der Roman und bie Eyrif find die Zweige der menſchiichen Wik 
ſenſchaft, welche im Laufe dieſer vierzig Jahre den weſentlichſten 
Fortſchritt gehabt haben.” 

Aber der Verf. bgnist fh nicht, ein Bilbd von Dem, 
was wirklich geleiftet iſt, zu entwerfen, fondern mit vorwärtt 
gerichtetem Auge zeichnet er im fünften Buche mit einigen 
Grundftrichen die zukünftigen Kortfchritte und Entwickelungen 
des menfchlichen Geiſtes. Gr führt an uns bie Haupfifragen 
ber menſchlichen Erkenntniß vorüber, die einer Loͤſung noch ens 
gegenfehen, und macht auf bie @ en und Gatbedungen 
aufmerkfam, weldye noch näher ind Auge gefaßt zu werben 
verdienen. Seiner Anſicht nach glänzt das 16. Jahrhundert 
durch die ſchoͤnen Künfte, die in ihm zur herrlichſten Entfaltung 
famen, das 17. burch die fchönen Wiſſenſchaften (lettres), dat 
18. durch die firengen Wiffenfchaften (tes schences, ber Kran 
zofe verftcht darunter namentlich bie Raturmwiffenfchaften, Da 
thematif u. f. w.), und das 19. Sahrhundert wird ſich durd die 
Entwidelung der Induſtrie befonders hervorthun. 

Das fechete Buch enthält endtich eine etwas myſtiſche Ur 
terſuchung Aber das Verhaͤltaiß ber chriſtlichen Meligion zu 
ben allgemeinen Rortfchritten bes menſchlichen Geiſtes. Du 
Verf. berührt hier einen fehr Eiglichen Punkt. Man darf nidt 
verfennen, baß er, troß feiner Rechtglaͤubigkeit, die er an der: 
fehiedenen Stellen feines Werks zur Schau trägt, doch nidt 
zu Denen gehört, welche im ihrer theologifchen Verblendung al 
ien Fortfchritt als ein Werl des Teufels in Werruf bringa 
mödten. Ein Anhang, in bem die Hauptpunkte aus ber Litt⸗ 
ratur und Kunftgefchichte der verfloffenen vierzig Jahre uͤberſichtüch 
zufammengeftellt find, bitbet den Schluß biefes Werkes, bad au 
Werth noch gewonnen haben würde, wenn ſich der Verf. mer 
niger in einer fihmeaifligen und unilaren Sprache gehe 


“ 










Literarifhe Notiz. 


Das erſte Heft bes fechäten Bandes der „Biblioteca italiana” 
enthält eine Denkfchrift von Biufeppe Moretti über ben Botaniker 
bes 16. Zahrhunderts Pietro Andrea Wattioli, mweiht 
eine Ehrenrettung bes Genannten und Mittheilungen über frint 
Schriften befaßt, tmter dem Titel: ‚‚Difesa e illustrazione 
delle opere botaniche del Mattioli, ” 8. 


DBerautwortiiher Herausgeber: Heinrich Brockhaus. — Drud und Verlag von F. 4. Brockhaus in Leipzig 


Blätter. 


für 


literarifde Unterhaltung. 





Sonntag, 





Die untern Schichten der Geſellſchaft |:su Grauſamkeiten und Gewaltthaten; Der heute bettelt, 


in Großbritannien. 
( Beſchluß aus Nr. 3%.) 


Faſt ganz Irland IfE bedeckt, überfäet mit Umhetzuͤg⸗ 
Seen und Bettlern, meiſtens wirklich alten oder arbeite: 
unfähigen Perfonen und mit Samilien, deren Haupt ab: 
wefend ober arbeitslos if. So ſpricht fi der Commiſ⸗ 
fionsberiht aus; Herr Nicholls erklaͤrt dagegen, es fel 
ausgemacht, daß eine beträchtliche Anzabt der Vagabun⸗ 
den nicht gezwungen durch wirkliche Noth und durch Die 
Unmöglichkeit fi, wenn fie nur wollten, felbft zu erhal: 
ten, fonden aus Hang zum Müffiggange und zum Um: 
Herftceifen, zur Ungebundenheit, aus Faulheit und Tiebers 
licher Gewoͤhnung ben arbeitfamen Einwohnern zur Lafl 
fiele. Allerdings werden beide Berichte Recht haben. Auch 
das herumziehende Leben gewinnt feinen Reis, und um 
fo mehr, wo, mie in Irland, ber Bettler keineswegs vers 
achtet, ſondern eine meift willkommene, überall gelittene 
und gewiſſermaßen geheiligte Perfon iſt. Solche Sitte 
muß fi auch ausbilden, wo fo große Maſſen gezwungen 
find, von der freiwilligen Milde ihrer begüterten Nebens 
menſchen zu leben, und befteht fie einmal, fo wird fie ohne: 
Zweifel Viele verloden, fie auch ohne Roth fih zu Nutze 
zu machen. Darin wenigftens flimmen: beide Berichte Über: 
ein, Daß bie Bettelei in Irland zu einem fonft überall in 
Europa unerhörten Umfange geftiegen fel und baß fi 
das Übel fo Kbermächtig darftelle, daß Leine Abhuͤlfe mög: 
Uch erfcheine. Ein Übel iſt es aber nicht nur dadurch, 
dag der Geſellſchaft eine Menge von Kräften entzogen 
wird, nicht allein Derer, welche betteln während fie ar: 
beiten koͤnnten, fondern auch Derer, weldye von Kindheit 
auf durchs Land gefchleppt niemals Anleitung zum Ge⸗ 
brauch ihrer Kräfte erhalten, oder zu ben Kräften gar 
uicht gelangten, bie fie bei einer beffern und georbnetern 
Lebensart wahrfcheinlich entwickeln würden. Ein Über ift 
es vielmehr auch in Betracht feiner unmittelbaren Folgen 
für Diejenigen, welche es fi zu Nutze machen, und fels 
wer umvermeldlichen Ausartungen, und ein Übel in Be: 
tracht ber ungleichen und ungerechten Vertheilung feines 
Driuds. Die unmittelbaren Kolgen bes Vagabundenle⸗ 
bens find natürlich viele haͤßliche Lafler, Unfittlichleit aller 
Art, Vorausfihtiofigkeit, Stumpfheit, Verdummung, Hang 


I wird morgen bei Gelegenheit zum Räuber und zum Mör- 
‚der. Der Drud des Übels aber trifft gerade nit Dieje:= 
‚gen, welche am wenigſten davon leiden würden, fondern- 
faſt allein oder ganz allein Diejenigen, welche er am leich⸗ 
teften in den Schlund bdeffelben Übel hinabſtürzt. Nicht 
in bie Gehöfte der Vornehmen, welche fi) durch Mauern, 
Thore und Dienerfchaft ſchuͤten, nicht in die Paläfte und 
Landhaͤuſer der Reichen dringen die Bettlerſchwaͤrme, fon: 
bern fie belagern die Häufer der kleinen Handelsleute, 
Meier und Handwerker, die Hütten und Wohnloͤcher der 
“armen Arbeiter, So hat fih von ſelbſt eine freiwillig 
geleiftete Armentare gebildet, weldye ausfchließlich auf den 
mittlern und untern Claſſen ber Befigenden und Erwer⸗ 
benden haftet. Und auf die Beitreibung dieſer Abyabe 
wirkt eine zwingende Gewalt, bie, wenn fie die gefegliche 
ı wäre, nicht größer fein koͤnnte: mit einer faft abergläubt: 
ſchen Furcht und Bereitwilligkeit wird von Jedermann 
im Lande dem Armen geſteuert. Es ſcheint, als ob ein 
‚Bettler niemals abgewieſen würde; man gibt ihm Milch 
‚und Mehl, wo fidy noch dergleichen vorfindet, ober mins 
deſtens Kartoffeln. Dan würde es für eine Sünde hats 
item nicht mitzutheilen. Es bat fih der Grundfag aus: ® 
‚gebildet, daß Jeder geben müffe, fo lange er habe. Und 
zur Belhwichtigung des Egoismus, der doch auch nicht 
fhweigen will, iſt der troͤſtliche Spruch im Schwange: 
Mildthaͤtigkeit mache nicht arm, Bott” erflatte wieder, 
was man an bie Armuth fpende. Dagegen fürchtet man 
Gottes Strafe, wenn man die Hand den Bittenden ver: 
ſchloͤſſe. Diele gemeine Leute fagten aus, dag fie eine 
Nacht wüßten, wo fie nicht einem Bettler in ihrer Woh⸗ 
nung Nachtlager gegeben hätten; eine Familie, in wel: 
her neun Kinder waren, gab beffenungeachtet jeden Tag 
einem oder einigen Bettlern Obdach. Die Leute wuͤn⸗ 
[hen es fogar, daß Bettler zu ihnen kommen; fie fielen 
fih vor, daß dieſelben ihnen Segen brächten, und behal⸗ 
ten fie manchmal wol eine Woche und länger bei fi. 
Des Bettlers Segen wird fehr hoch gehalten und fel 
Fluch abergläubifch gefürchtet. Der Pfarrer von Liſtowel, 
ein Herr Mahoney, fagte ſelbſt, er möchte niche eines 
Bettlers Fluch auf fi laden, denn jeder Arme fielle den 
Allmaͤchtigen in Perfon vor. Und der roͤmiſch⸗katholiſche 
Erzbifhof von Tuam, Dr. M’Hale, bemerkte, nicht von 





11236 


der Noth der Armen geruͤhrt gebe ber gemeine Mann, des 
Bettlers Kußere erfcheine oft gar nicht fo mitleiderregend, 
Bettel fei ein Bewerb und Almofengeben eine Pflicht, 
dee Bauer lebe der allerdings beilfamen (!) Überzeugung, 
daß „wer den Armen gibt, dem werde es nicht mangela”, 
wer aber des Armen Bitte verachte, der werde in Noth 
gerathen. Ein Pachter erklärte, daß es befjer wäre, einen 
Theil dahin zw geben als das Ganze, und Wohlthun 
made nicht aͤrmer. Ein anderer fagte: „Wahr iſt es, 
daß der Bettler fich mit größerer Sicherheit als ich darauf 
verlaffen kann, daß er morgen zu leben haben werde, aber 
es wäre doch eine Sünde ihn abzuweiſen.“ „Ich bettelte 
felbft vorigen Sommer”, verficherte ein Dritter, „und 
wenn es Gottes Wille if, fo kann es mir nächften Som: 
mer wieder fo geben; und doch muß ich, wenn ein Bettler 
tommt und um Gottes Willen bittet, mit ihm theilen, 
was ich habe. Der aͤrmſte Menfh unter uns muß, 
wenn er ein Fuͤnkchen Erbarmen in fih hat, zum wenig: 
flen ein Stone Kartoffeln wöchentlih im Winter ver: 
fhenten.” Der Bettler ift alfo in Irland kein Auswurf 
der Gefellfchaft, fondern dee gemeine Mann fieht ihn ale 
feines Gleichen an. Der Häusler nimmt ihn mit Freu⸗ 
den auf, weiſt ihm feinen Plag bei der Kartoffelſchuͤſſel 
oder am Feuer mitten unter der Familie an, und feine 
Streu zum Nachtlager auf derfelden Diele, wo Alle ſchla⸗ 
fen. Der Bettler ift ihm ein angenehmer Gaſt, er bringt 
Neuigkeiten mit, vertreibt ibm den Abend, ſchmeichelt ihm, 
bittet Gottes Segen auf ihn herab. Einer wurde ge: 
fragt: „Wie? Wenn am Ende der Straße ein Armen: 
haus flünde, wo jeder Bettler Aufnahme finden koͤnnte, 
fo würdet ihr dennoch lieber Almofen geben als den Bit: 
tenden dorthin fchiden?” „Gewiß! wenn ein Armer 
time, fo würde ich ihm etwas geben, das iſt ausge: 
macht.” „Und felbft, wenn ihr wuͤßtet, daß ihm auch 
ohne euch geholfen werden fann, und daß ihre nur den 
Muͤßiggang begunftige?” „Ja! denn, euch die Wahrheit 
zu fügen, man wäre ohne Bettler doch gar zu allein.” 

Das Gutachten, welches bie Commiffion von 1833 
in ihrem Schlußberichte abgab, über die Mittel und Wege, 
dem Bettlerunmefen in Irland Einhalt zu thun, war 
ſehr gründlich und verftändig abgefaßt. Die Commilfio: 
ners erklaͤtten, daß fie zu einer legalen und ſyſtemati⸗ 
fhen Almofenvertheilung nicht rathen koͤnnten, auch wenn 
man die Spenden in Lebensmitteln und Kleidungsftüden 
beftehen laſſen wollte, denn fogleidh würde auf Kartoffel: 
bau und Zeuchfabrikation eine unverhältnigmäßige Kraft 
gewendet werden, bie Induſtrie wuͤrde leiden und der 
allgemeine Ruin nur befto fchneller herbeigeführt werden 
a. f. w. Ebenſo wenig aber und nody weniger könnten 
fie die Errihtung von Armenhäufen anempfehlen, ba 
das MWorkhoufe : Spftem nothwendig noch welt greößern 
Widerftand in Irland als in England finden würde, denn 
es widerfpräche ben Sitten bes Landes zu fehr und fel 
als ein Verſuch zu Eoflfpielig und zu empfindlich für das 
Kand. Es biieb ihnen daher nichts uͤbrig, als ein Aus: 
wanderungsfpftem in Vorfchlag zu bringen. Jeder wer 
wollte, ſollte fi nach einer Nichtverbrecher:Colonie, welche 


bie Regierung zu beſtimmen hätte, uͤberſiedeln bürfen um 


‚dazu freie Überfahrt und fonflige Unterflägung aus dee 


Öffentlichen Fonds erhalten. Fuͤr Diejenigen, welche zu 
jeder Arbeit unfähig wären, follte im Lande durch An; 
a die nad) einem ausgedehnten Entmurfe und mit 
venger Berückſichtigung dee Localverhaͤltuiſſe angelegt 
werden müßten, geforgt, befondere Inſtitute folten für 
verlaffene Kinder eingerichtet werden. Ein letzter Bor 
ſchlag, der in dem Berichte nur kurz berührt wide, weil 
ihm eine Minoriät der Commiffion widerſprochen hatte, 
der aber in einer Beilage ausführlich entwidelt und be— 
ſonders eindringlich empfohlen war, betraf diejenige Caſſe 
von Leuten, welche man weder zu den hinlänglich Körper: 
lich Befähigten noch zu den gänzlich Unfähigen und Hüff: 
lofen zählen koͤnnte; unter diefen follten freiwillige Aſſe— 
ciationen gebildet und ihnen aus Staatsmitteln Etleiqh 
terungen und Unterflügungen bewilligt werden. Saͤmmt⸗ 
liche Vorfchläge der Commiffion ließ die Regierung, wer: 
muthlich erfchroden über den Umfang der anempfohlenm 
Maßregeln, unbeachtet und entfchloß ſich, es dennoch mit 
dem Morkhoufe: Spftem zu verfuchen. Diefer Entſchluj 
gab eben Beranlaffung, Hrn. Nichols im J. 1836 nach 
Stand zu fhiden, welcher bie Inſtruction erhielt, die 
Ausführbarkeit der Einrichtung von Armenarbeitähäufem 
zu ermitteln. Er berichtete, daß ihm dieſe Einrichtung 
ſehr raͤthlich fehlen, und daß es fehr möthig wäre, die 
von der Bettelei bedruͤckten Claſſen von diefer Peft zu 
befreien; die Armentare würde ihnen nicht halb fo theuet 
zu fliehen kommen als die Unterhaltung der Armen in 
bisheriger Weife. Herr Nichols ging im Herbſt 1837 
nochmals nad) Irland, und berichtete in demfelben Sinn, 
nur noch nachdruͤcklicher barauf dringend, daß man kin 
Armenverpflegungsgefeg erlaffen follte, ohne zugleich ein 
ſtrenges Verbot des Bettelns hinzuzufkigen, weil font 
die Armenbhäufer unbefegt bleiben und die Contribuenten 
doppelte Laft haben würben. 

Diefe Gutachten bildeten die Grundlage der Poor- 
law -bill, welche das Minifterium in ber Parlamentk: 
feffion des 3. 1837 vorlegte. Erſt im Nov. in de 
zweiten Seſſion deffelben Jahres kam die BIN zur Be 
ratbung. Lord J. Ruſſell fagte bei der Einführung der: 
felben, was man weſentlich beabfichtigte, ſei, den Unfug 
des Bettelns in Irland zu unterdrüden; aber wenn man 
nicht für die wahrhaft Nothleidenden, bie unfähig wären ſich 
ſelbſt zu helfen, Sorge trüge, fo hätte man kein Nett, 
den Bettel zu unterfagen und auf diefe Weiſe die ſcham⸗ 
lofen Bettler, die gelegentlich zu Räubern und Plünderm 
würden, unſchaͤdlich zu machen. Daher enthielt die Dil 
einestheils die erfoderlihen Beflimmungen über Errichtung 
von Arbeitshäufern, anderntheil® aber Clauſeln über Un: 
zuläffigkeit und Ahndung des Bettelns, alfo das eigen 
liche vagrant-law. Merkwürdigerweife nahm bie Regie 
rung dieſe Claufeln, auf welche fie von Anfang an dt 
größte Gewicht gelegt hatte, noch im Verlaufe ber De 


batten zuruͤck, und die Bi ging ohne diefelben durch das 


Unterhaus, ebenfo fpäter durch das Dberhaus, erhielt die 
koͤnigliche Beſtaͤtigung and Irland hatte Armenhaͤuſer, 








1122, 


ohne dab das Vagabundiren und Betteln unterfagt war 


und beſtraft werden konnte. 

as die Miniſter haben mag, die Clauſeln 
antzuſtreichen, iſt ſchwer zu ſagen. Es fehlte ihnen an 
Auth, mit Haͤrte in Irland einzugreifen. Dies zeigte 
fi auch deutlicher, als im Maͤrz 1840 die bei Unter: 
dradung der Glaufeln verheißene befondere Bill „zur Un: 
terdruͤckung des Bettels in Irland“ wirklich in das Uns 
techaus gebrachte wurde. Sei es, dag die Regierung 
fuͤnchtete, die Gegner des Armengeſetes möchten die Bill 
gefliſſentlich zum Falle bringen, um fhlimme Folgen des 
: ohne biefe Bill zweckloſen und vielleicht fogar ſchaͤdlichen 
: Armengefebes herbeizuführen, ſei es, daß fie fürchtete, ihre 
eigenen Gegner möchten bie BIN zum Sturze des Mini: 
ſterlums denugen, genug, die Bill wurde zuruͤckgenommen. 
: Und fo beſtehen noch jest in Irland Arbeitshäufer, aber 
: kein Verbot des Bettelns. Die belafteten Claſſen haben 
die Armemtare zu bezahlen und außerdem die umberziehen- 
den Bettler zu unterhalten. Aller Klagen der Beamten, 
: ale Warnungen der Commiffion ungeadhtet hat auch 
das gegenwärtige Zorpminifierium noch nichts in ber 
Sache gethan; Sie Robert Peel hat mit feiner großen 
Majoritaͤt nichts mehr zu unternehmen gewagt als Lord 
J. Ruſſell in feinee Schwäche, und die jüngften Be⸗ 
. richte, von denen der fechöte, fiebente und achte neuerlichfi 
- veröffentlicht worden, flimmen darin überein, daß das Übel 
- ärger denn je iſt; wo in einem Diſtrict die Armen in die Ar: 
beitshänfer gewiefen waren, wurde der Diftrict alsbald mit 
- Scharen von Bettlern aus andern und feldft entlegenen Di: 
ſtricten uͤberſchwemmt, und die Gontribuenten liefen zum 
Armenhauſe, holten ihre Bettler heraus, denn, fagten fie, 
lieber wollten fie doch ihre eigenen Armen behalten und 
- füttern, als aller Welt Bettler fih auf den Hals ziehen. 
Wer fuͤchhlt nicht, welch einen unfellgen Weg die vo: 
. tige Regierung eingefchlagen bat, unfelig, auch wenn bie 
Mafregel voliftändig ausgeführt worden wäre! Das lbel 
I da und kann nicht geleugnet werden: unmäßige Ar: 
muth großer Volksmaſſen dem unmäßigen Reichthum 
weniger mächtigen Landbefiger gegenüber; kein Mittel aus 
der Armuth und dem Elend zu kommen als Erwerb, 
und an Ermwerböquelien der aͤußerſte Mangel. Das Übel 
war da und das unglüdtiche Voll fand ein Heilmittel 
nach feiner Weile. Was heute zu leben hat, iſt morgen 
vielleihe am Bettelſtabe, der Afterpächter, wenn morgen 
der Srundeigenthlimer feine Pächter wechfelt, erbarmungs: 
los mit feiner zahlreichen Bamilie aus dem Pacht gejagt. 
Nun, fo helfe wer kann dem Hülflofen ; wer bat, gibt Dem, 
weicher nichts hat; wer erwerben kann, erwicht für Jeden 
mit, der erwerblos iſt. Eine Moral bildet ſich von felbft 
aus, weiche den Verhaͤltniſſen, die nun einmal beftehen, 
ganz angemeſſen ift, welche, wenn fie auch, um fich vor 
fi ſelbſt zu rechtfertigen, felbftifche Beweggründe vor; 
fhüst und nur um Gotteslohn Liebe zu üben verfichert, 
do immer thatſaͤchlich die Moral der Liebe und der we⸗ 
fentliyen brüderlichen Gleichheit ift, fo weit fich diefe uns 
ter den vorhandenen Bedingungen verwirklichen kann. 
Aber die Megierung bält fi für verpflichtet einzufchrei: 


ficher 


ten; dafuͤr iſt fie num einmal RNegierung. Das Übel 
ausrotten kann fle nicht, —— ſchaffen kann fle 

nicht, noch weniger einen Zuftand ſchaffen, wo Jeder 

wäre, von Dem, was bie Geſellſchaft der Natur ab⸗ 

gewinnt, nad) feinen Beduͤrfniſſen und Faͤhigkeiten feinen 

geziemenden Antheil und Genuß zu haben: fo wit fie 

nun den Knoten durchhauen; das freie, gegenfeitige Mit- 

theilen, die natürliche Heilung oder vielmehr Erleichterung 

des Übels fol aufhören; fie will ſich Derer, wie immer, 

annehmen, die bevorzugt find, die aber die adminiftrative 

Heilkunſt und Hütfe nicht eimmal verlangt haben, denen 

ihre eigene Art zu helfen, wie es eben gehen will, lieb’ 
geworden if. Man wird nun die Hungetigen füttern, 
man wird Zaufende, die von Kindheit auf, gezwungen 
durch ihre Lage, umberfchwärmen, die an dee Ungebun: 

denheit des Wandern fo recht ihr Leben haben, in fin⸗ 

ftere Mauern, in enge Zellen und Höfe einfperzen; man 

wird Die, welche die größere Hälfte ihrer Lebenszeit in füs 

ßem Muͤßiggange zubrachten, teil fie nicht anders konn⸗ 

ten, zu Arbeiten, die ihnen verhaßt find, zwingen; man 

wird Die, welche vielleicht gern als Ackerknechte oder Schä: 

fer dienten, Wolle kraͤmpeln lafien; man wird Jedem Das 

aufbürden, wozu er am wenigſten Neigung und Geſchick 

hat; man wird ihm bafür eine rauhe Behandlung, 

fhlechtere Koſt, als der Bettler zu erhalten gewohnt war, 

und ein trauriges Unterfommen, dem er feine Streu in 

der Lehmhuͤtte des Pächter6 vorzöge, gewähren; man wird 

den Armen auf taufend Arten quälen, ungluͤckiich machen, 

duch Sram und Gefangenfhaft tödten, und Dem, ben 

man von ihm befreien wollte, der feine Bettlergeſellfchaft, 

feine Unterhaltung, feinen Segenswunfd und die Hoffs 
nung auf Gottes Vergeltung eingebüßt hat und doch ale 

Taxe nicht viel weniger zahlen muß als er früher darauf 
geben ließ, biefem wird man keine Erleichterung, ſtatt 
deffen aber Verdruß und Leid gefchaffen haben. Und das 

wäre milde? das wäre hriftlih? Oder ift es auch nur 
politifh? Beſſer wäre es geweſen, die Regierung hätte 
hier das Megieren gelaffen, und die Sache wäre, ſchlecht 
wie fie war, gegangen wie fie ging. 

Aber noch fehlimmer als diefes Schlimme war bie 
Hafbheit, mit welcher die Regierung einfchritt. Und doch! 
Wer hat nicht Mitleid mit der böfen Lage der Regierung ? 
Sollte fie der misliehigen Maßregel der Milde noch bie 
misliebigere Maßregel der Gewalt hinzufügen? Und anz 
dererſeits, nachdem fie A gefagt hatte, durfte fie dennoch 
das B nicht in der Kehle behalten. Sie durfte nicht 
und tagte auch wieder nicht, es auszufprechen. Die 
Mäder der Zeit rollen gewaltig. Es fühlt ſich ſchon, daß. 
in ihre Speichen fih nicht greifen läßt. Wie armfelig 
erfheinen alle die Mittelhen, welche dazu dienen follen, 
dem traurigen Augenblick das Leben zu friften! Sie zer: 
falten in ihrer eigenen Ohnmadıt. Wohl Dem, der nicht‘ 
verzagt, fondern ben Athem des Geiftes fpürt, welcher 
die Melt erneut. 


Tempora si veteris quaeris temeraria damni — 
Postera lux melior. 
®. Julius. 


1128 


Siblisgragfir. " 


Ammon, ©. %, Predigt vor ber et des Landtages 
am 31. Xug. 1843 bei dem evangelifchen 
Dresden gehalten. Dresden, Walther. Y Nor. 

Bifhoff, L., Rede kur eier bes taufendjährigen Ber 
ſtehens ber Sinteit. und Se vie digkeſt Deutfdflands. Köln, 
DE Mont⸗GSchauberg. Gr. 4. , TYY, Nor. 

Böhmert, 8%, Über Sonntageſchulen überhaupt und 

—— — zus gan *2 as eBay Sr. 

neb ellen. Leipzig i r. 8 , Nor 

mean. Johanna, Gedichte. Gtralfund, Loͤffler. 
Gr. 8. 1 Ihr. 

Bretſchneider, 8. G., Die religibſe Glaubenslehre nad) 

der Bernunft und der Offenbarung für bentenbe Leſer Bargefeitt. 

Be Aufl. Halle, Schwetſchke u. Sohn. Br. 8. 1 Thir. 20%, Nor. 

Brunner, ©., Der Babenberger Ehrenpreis. Wien, 
Stobrmann. 8. 1 Ihlr. 

Das Buch von ber Nafe. Ppumorißiige Abhandlungen für 
Jedermann und — jede Frau. Mit 1 Zitelkupfer. Leipgig, 
Sadowis. 8. 15 Rgr 

Buͤhl, W. A., Beiträge zur Kenntniß ber altpreußifchen 
Juſtizeinrichtungen und Berihteverfoffung und beffen, was Noth 
thut. Leipzig, Premann. 8 

Casper, J. L., Der Entwurf des neuen Strafgesetz- 
bechs für die preussischen Staaten vom ärztlichen Stand- 


pnakte erläutert. Berlin, Hirschwald. Gr. 8. 10 Negr. 
Dumas, A., Sylvandire. Aus dem Yeanzöfifchen von 

w. 8%. Welche. "Zwei Theile. Leipzig, Kollmann. 

3 hir. 15 Nor. 


Silendorf, 3., Die Stellung der fpanifchen Kirche zum 
sömifchen Stuhle von Anbeginn ihrer Gründimg bis auf bie 
neuefle Zeit. Eine hiſtoriſch⸗kirchenrechtliche Abhandlung. Darm⸗ 
fladt, Leske. Gr. 8. 20 Nor. 

Folix, Über Muͤndlichkeit und Öffentlichkeit des Gerichte: 
verfahrens, bann über das Geſchwornengericht. Carlsruhe, 
Bielefeld. Gr. 8. 20 Nor 

Gudrun. Deutſches —* überfet von 8. Simrod. 
Stuttgart, Gotta. Gr. 8. 1 Thir. 1 

ante, Henriette, oe Scenen und Aufzüge. 
Nebſt —— Gedichten. Hanover, Hahn. Gr. 12. 25 Ner. 

James, © FE R., Der falſche Erbe. Ein Roman. Aus 
dem Engliſchen überfeht von S. oz ufemipt. Drei Bände. 
Leipzig, Kollmam. 8. 3 221, Ngr. 

Kähler, 8. X. Ghriftiches Abſchiedswort an meine kirch⸗ 
lichen Freunde. Königsberg, Gebr. Bornträger 5 Rgr. 

s2ohmann, Friederike, Saͤmmtliche Erzählungen. Aus: 
gabe lepter Hand. Mit einem Vorworte ber Verf. von „God⸗ 
Erſter und zweiter Band. Leipzig, Bode. 


a0 Rot. 
Mauritiu ., Polens Literatur: und Gulturs Epodye 
fett dem Jahre ish in Kürze dargeftellt. Pofen, Gebr. Scherk. 
Gr. 8. 1 Ihir. 5 Nor 


Merleter, 8. $., Siftorifd)  polttifege Geographie ober 
allgemeine Laͤnder⸗ und Völterfunde. dtes Buch der biftorifch- 
comparativen Geographie. 2ter Theil, enthält: Die Gontinente 
ans Amerita und Europa. Darmftabt, Leske. Gr. 8. 

Ir 

Moll, K. B., Beitrag zur Entwickelung ber Zeitvorſtel⸗ 
lungen über Union, "unitte Kirche, deren Kennzeichen, Princip, 
und Lehrbegriff, fo wie über Umfang und Geltung der ſymboli⸗ 
fen Schriften, als Antwort auf bas Senbihreiben bes Herrn 
Paftor Nagel. Pafewalt, Köhler. Gr. 8. 5 Nor. 

Sefcichttiche Rachtichten Über bie Diffibenten in der Stadt 
Dofen und die Reformation in Groß: Polen im 16. und 17. 
Jahrhundert. Nach ber Folgenreite der Jahre georbnet von 
3. Lukaſiewitſch. Ins Deutfche durch 8. dv. Bas 
ligte Darmſtabt, Leske. Gr. 8 


VBerantwortlicher Deraudgeber: — Brockbaus. — Druck und Berlag von F. A. Brochaus in Leipzis 


ei Hofanties ienfte zu. 


a) und‘ gar. eliprig, Mean. Gr. 1 
u Pieufgmise, B 9, Dee ⏑—— 


Jahe 
*8. Fr Kr. dig Bey ai 
ſceht⸗ des Kampf — 328 — den enthume uab der neue 
‚fen Philoſophie. Gtinma, Gebhardt. Gr: 8, 35 Nor. 


Portugal. Erinnerungen aus bem Jahre 1849. Eon 
giken Re eihnowely. Waltz, dv. Babe. Ge. 8, 


Raumer, 8. v., de 
ale Ei galt ua 3 de me 
on Baco’s To m Tode v8 tutt 
(ding. Gr. 8. 2 Chr. 18%, Mor 5 aa, © 


Röhr, I. F., Die erhebende Srinnerung an bie rufm: 
wärbigen Eigenthaͤmlichkeiten unferes teutfchen Predigt 
am taufendjährigen Gedenktage der Selbſtaͤndigkeit des teutiden 
Volles. Weimar, Hoffmann. 8. 5 Rgr. 

Sophocles Elektra. — übertragen von F. Frihe. 
Berlin, Yörfiner. Gr. 10 N 

Steffens, H, Ba er richte, Aus ber Sein 
niebergefägeicbem. Te tee und Bter Band. Bretlau, Mas un 

omp. 8. 


Sternau, 5 D., Kaleiboscop von Dresden. Gkizn, 
Berichte und Phantafieen. Zte, vermehrte Auflage. Mage 
rn 16. 10 Ror. IR 

toder, D. ysikalischen ie 
und Geologie. Istes Capitel, enchält : Die ide 
hältniss zur Schwere. Mit eingedruokten Abbildungen und 
ler Iitbographirten Tafeln. Bern, Daip. Gr. 8. 2 Tik. 


« 

Suhrlandt, R., Aphorismen über die bilbenben Anke. 
‚Duck Beifpiele erläutert. Schwerin 1841. 8, 10 Nor. 

ehſe, ©. E., über die geſellige Stellung und die gi 
flige Bildung ber Frauen in England, Amerika, Frankreich um 
vornehmlich in Deutfchland. Zwei Einladungs⸗ Boriefunge 
einem gefeh'äptlichen Eurtus {m Anterbafbiahe I 1843 — | 
'Dresben, Walther. 1842. Gr. 8. 

Saufen und Gine Bierteikunde, , o Tarteriſch 
Originalerzaͤhlungen, vorgetragen von dem Arzte Ven Cridrie 
zur Unterhaltung des Blinden Könige Schems⸗Eddin. Heraus 
gegeben von 3%. H. Deffauer. Iften Thells Ifte Eieferung. 
Stangen, Patm. 1844. 16. IN 

Voigt, 3, Der Sitte eben ©. Maris de deutſhher | 
Haufes zu Ierufalem in Preußen. — Auch u. d. T.: Rome: | 
Coder der deutſchen Ordens: Beamten, Hochmeiſter, Landmeiſtc, 
Großgebietiger, Comthure, Voͤgte, Pfleger, Hochmeiſter, Km: 
‚pane, Kreuzfahrer und Sötbner = Dauptieute in —5 gi: 
nigsberg, Bebr. Bornträgerr. Br. 4. 1 hie. 10 Kar. 
Vorwort zu der Schrift: Die Frreymaarerey mi oſe 
"nem Gesichte, und freyen, reinen Händen dargestellt aus 
ihren eigenen Mythen und Symbolen von einem uralte 
Freymaorer für Brüder Maurer, aber auch für höher 
Stastebeamte. Erlangen, Palm. Gr. 8. 10 Ngr. 

WBeihfelbaumer, G., Die Longobarden. Gin Traum 
fpiel in 5 Acten. Düffelborf, Schaub. 8. 22% Nor. 

— — Bladimirs Söhne. Ein Trauerſpiel in 9 Akten. 
Düffeldorf, Schaub. 8. 20 Near. 

Bitte, &. R. Die Kirche. Propofitionen über bie ketrt 
von der Kirche, ale Srundfage zu einer Bearbeitung diefed & 
genflandes. Leipzig, Köhler. Er. 3. 2, R 

Zimmermann, Fr en! Biss Vetradptungen. 
Darmftadt, Leske. Er. 8. TUN 

Züge und Zuſtaͤnde "aus dem Erlanger Studentenleber. 
Mit hiſtoriſchen Notizen über bie Friedrich⸗ Aleranderd » Uniter: 
fität und dem Programıme zu ben Feierlichkeiten bei ihrem 0% 
jäbeigen Jubil von einem ehemaligen Erlanger Studenten 
Nürnberg, Felßecker. 16. 15 Nor. 








Blätter 


für 


literarifhe Unterhalt 





Über die Gefchichte des weiblichen Geſchlechts gibt «6 
gar viele größere Werke oder Meinere Auffäge böchit ver: 
fhiedener Art. Im Ganzen aber zeigt ſich eine Doppel: 
sichtung Übertriebenen Lobes und Übertriebenen Tadels: Et: 
liche berichten fehr langweilig faft nur von Wafchen, Ko: 
hen, Weben u. dgl.; Andere erzählen, um Leſer überreiz: 
ter Zunge herbeizuziehen, faft nur zweideutige Anekdoten, 
und nennen das Anftöfige, welches fie aus allen Winkeln 
zufammenfudhen, „Geſchichte des weiblichen Geſchlechts“. 
Moͤge es mir gelingen in der folgenden kurzen Darſtel⸗ 
fung, gluͤcklich zwiſchen dieſer Scylla und Charybdis hin: 
durchzuſteuern. 

Die Geſchichte des weiblichen Geſchlechts beginnt, 
gleichwie die der Menſchheit uͤberhaupt, mit einer feſten, 
vollkommen beglaubigten Thatſache, oder (wie Andere be⸗ 
haupten) mit einer Allegorie, einem einfachen, oder gar 
doppelten Mythos. Es iſt hier nicht der Ort, nachzu⸗ 
weiſen, wie die Erzaͤhlungen von der Schoͤpfung und dem 
Suͤndenfalle aufgefaßt und erklaͤrt worden ſind; ein paar 
kurze Bemerkungen moͤgen jedoch Platz finden. 

Im erſten Capitel des erſten Buchs Moſis Vers 27 
heißt es: „Und Gott ſchuf den Menſchen ihm zum Bilde, 
und er ſchuf ſie ein Maͤnnlein und ein Fraͤulein.“ Hier 
iſt von einem Stoffe, einer Materie, woran ſich die Bil: 
dung anfchlöffe, nicht die Mebe; beide, Dann und Krau, 
feinen gleichzeitig, unmittelbar aus der Hand Gottes 
bervorzugehen. Nah der zweiten Erzählung oder dem 
zweiten Mythos im zweiten Capitel Mofis, wird hingegen 
zuerft der Mann aus einem Erdenkloſe und nachher die 
Frau aus defien Rippe gebildet. Ob das Lketzte moͤglich 
gewefen ohne noch andern Stoff zu Hülfe zu nehmen, 
unterfucht ein berühmter Scholaſtiker Heinrih Goethals 
auf ſehr gründliche Weife. *) 

Um jene beiden Erzählungen in Übereinftimmung zu 
bringen haben Etliche behauptet: Anfangs fei Weib und 
Mann in einer Perfon vereinigt gewefen und nachmals 
erft gettennt worden; was an die Mede des Ariftophanes 
in Platon's, Gaſtmahl“ über die Doppelmenfchen erinnert, 
welche Zeus, um ihre Ausgelaffenheit zu bändigen, aus: 
einandergefchnitten babe. Mur nimmt die Piatonifche 


*) Quetlib., VA, 9. 


ung. 


Mede an (um mancherlei Erſcheinungen des Lebend beſſer 
zu erklaͤren), daß jene Doppelmenfchen früher aus zwei 
Maͤnnern ober zwei Weibern, oder aus Dann und Weib 
beftanden. 

Daß der Wann Höher fiche als da6 Weib, leiteten 
Manche daraus ad, daß Gott ihn früher erſchaffen habe; 
wogegen Andere geltend machten: das Weib verdiene den 
Vorzug, weit der Stoff, woraus fie gefchaffen (eines 
Mannes Rippe), edler ſei als ein Erdenktos. Der bes 
rühmtefte Kirchenichrer des Mittelaltere, Peter der Lom⸗ 
barde, bemerkt: Gott habe Eva nicht aus dem Kopfe 
oder den Fuͤßen Adam's gefchaffen, fondern aus einer 
Rippe; weil fie weder feine Herrin noch ſeine Magd, 
vielmehr feine Senoffin hätte fein ſollen.) Noch anders 
wicd der Hergang in einer, wahrfcheintih auf jhbifchen 
Quellen beruhenden, Legende bed 13. Jahrhunderts er⸗ 
zähle. *) Es Heißt daſelbſt: „Gott gab dem Adam zuerſt 
eine Frau, die volkommener war als er. Er ſchlug fie 
aber aus Gründen tobt, die ich bier micht erwähnen 
mag.’ **) As Gott ihn fragte, weshalb er dies gethan, 
gab er zur Antwort: fie half mir nichts (elle ne m' etait 
rien), und deshalb konnte ich fie nicht lieben. Dies war 
die Urfache der Erſchaffung Eva's aus Adam’s eigener 
Rippe, die er alfo lieben mußte, die aber dem Manne 
unterworfen blieb, von dem fie außgegangerr war. 

Zufolge der biblifchen Erzählung änderte der Sunden⸗ 
fall die Verhäteniffe oder beftimmte fie näher. Wenigftens 
wird des Mannes Vorrang nunmehr ausbrüdtich aner⸗ 
kannt und laut Moſe der Eva von Gott befohlen: bein 
Wille fol deinem Manne unterworfen ımd er fell bein 
Herr fein. Hiernach haben ſich aud ohne Zwetfſel bie 
Dinge in der Regel geftaltetz es gibt aber auch fo viele 
und fo große Ausnahmen von diefer Hegel, daß wir 
diefelben unmöglich kurzweg verdbammen und. als Stube 
bezeichnen dürfen. Zuvoͤrderſt haben kuͤhne Sachwalter 
der Frauen gefragt: wo war denn Adam und was hatte 
er fo Wichtiges zu thun, daß er feine Frau mit der kluͤg⸗ 
fen und verführerifchen Greatur fo lange allein «6? Und 
iſt der Wunſch, zu wiſſen, was gut und boͤſe ſei, nicht 
ein natuͤtlicher und edler? Jedenfalls kannte Adam das 

*) Sentent,, II. 18. 


*9) Manuscr. de la Bibl. du Roi, IV, 38, 
***) Dont je ci ne doi pas faire mention, 


1130. 


hoͤherſtehende Gebot, gleichwie Eva; anſtatt aber fie zu 


warnen oder zu widerſtehen, oder auch nur die rhetoriſchen 
Anpreiſungen der Schlange gehoͤrt zu haben, nimmt er 
den angebiſſenen Apfel und ſchluckt ſo eilig, daß ihm 
ein Stuͤck im- Halſe figen bleibt. Warum (ſagt ein 
anderer Schrifterflärer Burnet in feiner „Archäologie‘) *), 
ward die arme, ſchwache, unerfahrene, kaum erichaffene 
Eva fogleih den Verfuͤhrungen des liſtigſten Gefchöpfs 
ausgefegt? Warum wurden einem fo theuern Haupte 
nicht wenigſtens ein paar gute und warnende Schutzengel 
zur Seite geftelle? Die Drohung: daß die libertretung 
des Gebots den Tod na fich ziehe, mußte gutentheils 
wirkungsios bleiben, da Eva gar nicht wußte oder willen 
konnte, was der Zod fei. Ich fehe, fagt ein Dritter, in 
Adam's Benehmen weder Kraft der Selbfibeherrfchung, 
noch irgend einen Beweis, daf er nach dem Suͤndenfalle 
und um dieſes Hergangs willen mehr Anlage und Ge⸗ 
ſchicklichkeit habe, feine Frau zu beberrfchen, denn zuvor. 

Zuletzt herrſcht in der Regel Der, welcher es am beiten 
verſteht. In mancher Familie ift es ein Süd, daß bie 
Frau regiert und nicht dee Mann; und Königinnen wie 
Eiifabeth und Maria Therefia ftehen vollgültig den größten 
Känigen gegenüber. Der angeblidy wichtige Einfall, uns 
tee den Königinnen herrfchten die Männer, unter den Koͤ⸗ 
nigen die Weiber, ift in biefer Allgemeinheit kurzweg 
nicht wahr. 

Erlaubte es Raum und Zeit, fo ließen ſich die Ähn⸗ 
lichkeiten und Unähnlichkeiten ded Mythos von der Pans 
dosa und. ded Berichts vom Sündenfalle zufammenftellen 
und vergleichen; hier mögen, bevor ich auf Einzelnes eins 
gebe, nur einige allgemeine Urtheile über das weibliche 
Geſchlecht erwähnt werden, um zu fehen, ob fie uns als 
Wegweiſer und Leitfaden auf der Bahn bienen können. 
Mit Bezug auf die Geſchichte des Suͤndenfalls und viel 
leicht auf eine Stelle des erften Briefs an die Korinther 
(I, 11, 7) behauptete ein Biſchof auf der im 3. 585 
zu Macon gehaltenen Kirchenverſammlung: man koͤnne 
die Frauen nicht Menſchen nennen, nicht den Menfchen 

ebeizäblen. (Mulierem hominem non posse vocitari.) lm 

ihn zu widerlegen, ward unter Anderm angeführt: Daß 
Bott das Männlein und Fräulein Menfchen nenne; daß 
Jeſus, obgleich von einer Jungfrau geboren, doc, des 
Menſchen Sohn heiße u. f. w. **) Genug ber Bifchof 
biieb in der Minderzahl, und fein, ſchreckliche Folgen eins 
ſchließender Lehrfag, ward nicht zu einem Kirchengeſetze 
erhoben. 

So verkehrte, thörichte Anfichten (denkt vielleicht manche 
unter meinen verehrten Leferinnen) find doch in unfern 
fortgefchrittenen Zeiten nicht möglih. Gewiß würden fie 
nicht in der damaligen Weiſe begründet und widerlegt 
werden. Sie haben indeß in ihrer Übertreibung auch eine 
beitere und faft komiſche Seite; wogegen ich anheimftelle, 
ob die nachſtehenden, ganz neuen Anfichten und Grund: 


*) Archeol. phil., 200. 

*e) Meter ber Lombarde (III, 12) unterfucht: ob Gott als 
Weib zur Melt kommen konnte? Er antwortet: Ja; doch bes 

quemer und paffender (opportunius et convenientius) als Mann. 


füge über das weibliche Geſchlecht anschmlicer, grimbli— 
her und hoͤflicher find, Hören wir einen Philoſophen 
einen Naturforfcher und einen zur Politik übergetretenm 
Theologen. Fichte fagt („Naturrecht“, S. 182): „In dem 
Begriffe der Ehe liegt die unbegrenztefke Unterwerfung 
ber Frau unter den Willen des Mannes.” Den iehıt 


(„Lehrbud der Naturphilofophie”, B. 3, S.112): „Der 


Mann ſteht um fo viel höher als das Weib, ale die 
Geſchlechtspflanze höher ſteht denn die gefchlechtsiefe, als 
der Baum über dem Mooſe. Der Mann ſteht um ganz 
Thierclaffen höher als das Weib. Schnede, Fiſch, Wal: 
fertbier ift das Weib; Vogel, Saͤugethier ift der Mann, 
In der Idee folite jedes Kind Anabe fein. Wenn wei 
liche Kinder entfliehen, fo gefchieht es durd ein Mislingen 
des meiblihen Plans. Die Natur will nur das Hoͤchſte, 
alfo nur den Mann erreihen. Weiber werden nur ge: 
(haffen, damit Männer durch fie hervorgebracht rerden 
tönnen. Das Weib iſt nur ein Naturmittel zum Natu: 
zweck. Die Natur hat aber nur einen Zweck und nur 
ein Ziel, den Mann.” Der dritte, von den Meiften un: 
ter uns noch gekannte Schriftftellee fagt: „Da die Frauen 
nur eine Beſtimmung haben, Sattinnen und Mütter 
zu fein, fo werden aus ihnen, fobald fie diefe Beſtimmung 
nicht erreichen, verfehlte Sefchöpfe, denen man immer Feb: 
ler des Geiftes und Herzens beimißt und andichtet.” 

Anftate mit Widerlegung diefer barten und ſchlecht 
begründeten Urtheile Zeit zu verlieren, bemerfe ih, daß 
der Zorn über diefelben und über alle vorhandenen Ver 
hältnifje des weiblichen Geſchlechts nicht felten die Hoff: 
nung, ja bei Manchem die Überzeugung hervorgetrieben 
baben, in dem unfchuldigen, dichteriſchen Stande der N 
tur fei ebenfo das Ideal der Kamilie und Ehe wie de 
Staats zu ſuchen. Was finden wir aber bei näherer Uns 
terfuchung des Zuftandes aller angeblichen Naturvölker, oder 
vielmehr aller rohen, ungebildeten Völker? Wir finden 
überall die bloße Derifchaft der Gewalt; Meiberraut, 
Weiberkauf, Zrauen und Mädchen betrachtet und behan⸗ 
beit wie fachlihes Beſitzthum, Kindermord (felbft auf den 
gepriefenen Inſeln der Suͤdſee) ohne die geringfte Ad: 
tung der Perfönlichkeit und Vorherrſchen des Thieriſchen 
beim Zuruͤcktreten alles Geiftigen. 

Vielleiht, wendet man ein, ließe fich indeß mancher 
finnige Gebrauch, mande unverlünftelte Einrichtung in 
das langweilige Einerlei unſerer Gebräuche und Einrid; 
tungen aufnehmen und dadurch die Frifche der urfprüng 
lichen Natur herſtellen. Wohlan: ich will aus gar Bie 
lem Einzelnes zu beliebiger Auswahl oder Nachahmung 
vorführen. Bei den Dapfolybiern wurden die Jungfraum 
jährlich zu einem Feſte verfammelt und in einen finſtere 
Ort gebracht. Die, weiche hier Jeder ergriff, ward feim 
Frau. Alle Bewerber eines Mädchens begaben fih hi 
den Jalchlaͤern zu deren Vater und trieben Scherzueden. 





Der, welcher ihn dadurch zuerft zum Lachen brachte, ward 


fein Schwiegerſohn. In Japan unterfcheidet fi die Ehe 
frau von der Unverheiratheten durch zwei Vorzuͤge: di 
Zähne ſchwarz zu färben und die Augenbrauen auszu⸗ 
tupfen. Zu Bahar in Indien nimmt der Gläubiger oft 








1181 


die Fran des Schuldners als Pfand in Befis, bis bie 
Schuld abgetragen wird. Bekommt fie von jenem Kins 
der, fo ift die Hälfte derielben fein, die zweite Hälfte Eis 
genthum des Schuldners. Bei den Vifirern, einem afgha⸗ 
nifchen Stamme, [hidt das Mädchen den Trommelſchlaͤ⸗ 
ger des Lagerd ab und läßt an der Muͤtze des ihr wohl: 
gefallenden Mannes ein Schnupftudy mit der Nadel bes 
feftigen, welche fie gebraucht bat, ihr Haar aufzufteden. 
Der Mann ift gendthigt, jenes Mädchen zu heirathen, fo: 
bald er ihrem Vater einen angemefienen Kaufpreis bezah⸗ 
in kann. Auf Sumatra werden die Ehebrecher todt: 
geſchlagen und aufgegefien. Der Kaufpreis einer Frau 
in Bambuf befteht gewoͤhnlich in einem Stud Vieh oder 
einigen Pfunden Satz. Eine Ober: oder Hauptfrau auf 
der Küfte von Sierra: Leone meinte: fie würde vor Lan⸗ 
gemweile umkommen, wenn fie fih nice mit den Kebs⸗ 
frauen ihres Mannes die Zeit vertriebe. In Abpffinien 
verändern die Prinzeffinnen ihren Gemahl fo oft es ihnen 
behagt. Will bei den Guaranis, in Südamerika, ein 
europäifcher Aufſeher eine Frau durchpeitſchen laffen, fo 
trägt er es ihrem Manne auf; fein Anderer vollzieht bie 
Strafe fo pünktlich. 

Doch genug des Einzelnen von den Sitten und ber 
Etikette roher Völker; wenden wir uns jebt zu denen, 
welche wir den gebildeten beizählen, fo werden wir ducch 
eine im Diodor aufbewahrte Nachricht uͤberraſcht (Bd. 1, 
S. 237): Im ben Eheftiftungen der Ägypter fei gemöhn: 
lich feftgefegt worden, daß die Srauen die Maͤnner beherr: 
{hen follten (xupsevar Taydowv). Zweifelhaft mag es 
bleiben: ob fidy dies blos auf häusliche Rechte bezog; und 
nody zweifelhafter, ob ſolch eine Beſtimmung des Ehevers 
trags bei den Agyptern wirkſamer war, als wenn in ben 
unferigen feierlichft niedergefchrieben würde: die Frauen 
hätten nichts zu befehlen. Daß es in den ehelichen und 
Familienverhaͤltniſſen der Juden nicht an anftößigen Er: 
eigniſſen fehlte, ift befannt — ich erinnere z. B. an Ruben, 
David, Abfaton (Moſ. I, 35, 22; Samuel HH, 16, 21) —; 
doch würde dies weniger ins Gewicht fallen, wenn es 
nicht mit allgemeinen Anjichten und Gebräucdhen in Ber: 
bindung ftände und daraus hervorginge. Daß die Frauen 
(zum Theil für die fonderbarften Preife) gekauft wurden, 
mithin Vielwelberei flattfand; daß man gezwungen war, 
die kinderloſe Witwe feines Bruders zu heitathen, daß 
die Toͤchter vom Erbe ausgefchloffen wurden, wenn Söhne 
da waren — dies und Ähnliches wird wol Keiner für nad): 
ahmungswerth halten. Und ebenfo wenig werden Akade⸗ 
mifer, Profefioren, Mitglieder wiffenfchaftlicher Vereine 
u. Dal. geneigt fein, eine Vorſchrift de Talmud für ſich 
geltend zu maden, wo es heißt: „Der Gelehrte hat, vielen 
Studirens halber, die Erlaubniß, fich binnen zwei, drei 
Jahren nidt um feine Frau zu befümmern; doch wird 
ihm empfohlen, dies wöchentlich zu thun.‘ *) 

Merkwuͤrdig tft die Art, wie man, nach Herodot's 
Erzählung, die Jungfrauen in Babylonien verheirathete. 
In jedem Drte kamen diefe jährlih einmal zufammen 


*) Michaelis, Moſaiſches echt, II, 306. 





und die Minner fiellten fich ringsumber. Sept bot ein 
Ausrufer zuerft die fchönfte, dann nah der Reihe bie 
minder Schönen aus, und flug fie Denen zu, welche 
das Meifle boten. Lam man endli an die Däßlichen, 
auf welche Niemand bot, fo fragte der Ausrufer: mer 
das wenigſte Geld, als Lockmittel, der Braut zugelegt 
haben wollte? und mit den für die ſchoͤnen Mädchen eins 
gegangenen Summen wurden die Däßlichen untergebracht 
und ausgefleuert. 

Ich wende mich jegt zu den Indiern. Deren Kaften 
(wonach ſchon die Männer in fhroffe, ſich unbedingt aus: 
ſchließende Abtheilungen zerfallen, und die Höherftehenden, 
insbefondere die Brahminen alle Übrigen ſchlechthin beherr⸗ 
ſchen, ja tyranniſiren), fuͤhren zu dee naheliegenden Der: 
muthung, daß durch Ruͤckwirkung auch das weibliche Ge⸗ 
ſchlecht hart davon getroffen wurde. Dennoch finden ſich 
in den Geſetzen wie in den Schriftſtellern viele Außerun⸗ 
gen, welche eine hohe Achtung gegen die Frauen beweiſen. 
So heißt es an einer Stelle in Menu's Geſetzbuche: „Wo 
die Frauen in Ehren gehalten werden, da iſt Wohlgefal⸗ 
len der Goͤtter; wo ſie verachtet werden, da ſind alle re⸗ 
ligioͤſen Handlungen vergebens.“ Daß aber die Männer 
nicht gemeint waren, hierdurch die Ehre verkürzen zu lafs 
fen, voelche fie in Anfpruh nahmen, beweift eine Vor⸗ 
Schrift der Puranas (oder heiligen Commentare), wel⸗ 
he lautet: „Nachdem ein Weib die Gottheit angebetet 
bat, muß fie ihren Gemahl verehrten, opfern, anbeten 
(oder wie man worship überfegen will) mit Blumen, 
Schmuck und Kleidern. Sie muB innerlih und mit 
vollkommener Senugthuung denken: dies iſt der Gott 
der Liebe!” *) 

Folgende Blumen:, Frucht: und Dornenftüde aus 
Menu’s Geſetzbuche werden die Verhaͤltniſſe näher erlaͤu⸗ 
ten. Weibernamen follen gefällig, fanft, leicht, die Eins 
bildungskraft bezaubernd und von guter Vorbedeutung fein. 
Niemand heirathe in eine Familie, welche zu Krankheiten 
geneigt if. Niemand heirathe eine Ungeſtaltete, Kränk: 
liche, Gefchwägige, keine die zu wenige oder zu viele 
Haupthanre, oder entzündete Augen hat. Vielmehr ers 
wähle er zum Weide eine Zungfrau, deren Körper vorzligs 
lich weich ift, deren Haare und Zähne in Hinfiht auf 
Menge und Größe ein billiges Mittel halten, deren Name 
wohllautet, deren Gang voll Anftand ift, mie der Gang 
eines Flamingo oder — eines jungen Elefanten. Wenn 
eine Fran niche mit viel Sorgfalt gekleidet iſt, fo ann 
fie ihren Mann nicht aufheitern, und wenn es ihrem 
Herrn an Heiterkeit fehlt, fo werden fie feine Kinder bes 
ftommen. Immer aufgerdumt muß die Frau fein, ber 
Haushaltung wohl vorftehen, die Geräthe in Acht neh: 
men und bei allen Ausgaben räthlih zu Werke geben. 
Sie darf nie nach Unabhängigkeit fireben. Sollte audy 
ein Ehemann die eingeführten Gebräuche nicht beobachten, 
in eine andere Stau verliebt fein oder feine guten Eigen⸗ 
fhaften haben, fo muß ein tugendhaftes Weib ihn doch 
immer — als einen Gott verehrten. Eine Stau, die ſcha⸗ 


*) Wilson, 'Theatre, 111, 19. 





1138 


benfeoh oder verfchmenderifch iſt, oder befeibigend ſpricht, 
kann ohne allen Auffhub fortgefchidt werden. Wer zur 
Beftreitung der Hochzeitskoſten um Geld bettelt, foll von 
der Heirath keinen Bortheil haben. Das Kind gehoͤrt 
dem Geber des Geſchenks. Eine Frau, die mit Jemand 
aus einer niedrigern Glaffe die Ehe bricht, mag von den 
Hunden gefreffen werden. Sind die Weiber eines Leh⸗ 
ters aus der naͤmlichen Claſſe, fo muß ihnen der Schuͤ⸗ 
lee oder Student fo viel Ehre erzeigen als ihrem vereh⸗ 
eungsmwärbigen Gemahle; find fie aus einer andern Claſſe, 
fo ehrt man fie blos mit Aufſtehen und Grüßen. Fol⸗ 
gende Verrichtungen fol der Schüler oder Student nie 
übernehmen: die Frau feines Lehrers mit wohlriechendem 
Sie übergießen, fie beim Baden bedienen, ihr Haar ſchmuͤcken 
und ihre Füße und Arme reiben. Ein Frauenzimmer 
kann nicht nur einen Thoren, fondern felbft einen Weifen 
vom rechten Pfade abziehen; daher muß fein Mann mit 
ihnen an einem einfamen Orte figen. 
(Die Bortfegung folgt. ) 





Windsor Castle; an historical romance. By W. Har- 
rison Ainsworth, Drei Bände. Rondon 1843. 


Ainsworth's hiſtoriſche Romane werben in England viel 
gelefen, d. h. fobald fie aus den Journalen, wo fie capitelmeife 
erfäjeinen, zu Büchern zufammengebrudt worben find, meift von 
Ko n der Leihbibliothelen, bie in Gngland unter den 
böbern Ständen bebeutenb weniger Kundſchaft haben als in 
Deutfchiand. Diefe find in ber Hegel durch die Journalportionen 
bereits vollauf gefättigt. Und das erklärt fi. ine Hiftorifche 
Baſis haben die Romane insgefammt und bisweilen erzählen fie 
fehe intereffante hiftorifche Greigniffe. Aber mitten durch läuft 
immer ein fingieter Baden, an welchem allerhand Unwaͤhrſchein⸗ 
lichkeiten, Unmöglichkeiten und Zeufeleien baumeln. „Man left 
es einmal und Ueſt's nicht wieder.” Kür circulating libraries 
hingegen vortreffliches Futter, in England wie in Deutfchland. 
Dazu kommt, daß bat Gewebe oft bis zum Berfahren liederlich 
oder ift, die geſchichtlichen Perfonen häufig reden, wie fie 
nimmermebr reden würden, wenn ber Charakter ihnen inwohnte, 
ben fie repräfentiren, und daß, wo bie Darftellung fich erheben, 
bie Phantafie in Xeolslauten klingen, Zärtlichkeit, Pathos oder 
Leidenfchaft auftreten follen, Dr. Ainsworth mit feltenen Aus: 
nahmen — von der Bank fällt. Gr weiß das, er fühlt dat, 
und will es auf der Stelle gut machen. Wodurch? Dur 
plögliche, gefahrvolle Situationen, burdy Anatomirung phyſiſcher 
Schmerzen, durch die Details einer Hinrichtung, durch bie 
Schauder einer Mordthat ober zur Abwechfelung burch einen 
fentimentalen Seibfimord. Das find an fi ger Leine üben 
Mittel. Nur theilen fie das Schickſal aller Stimulanzen: fie 
wirken eine Beit lang und nicht länger. Wer drei ober vier von 
Ainsworth’8 Hiftorifchen Romanen gelefen hat, weiß, indem er 
einen vierten.ober fünften anfängt, daß bie Mehrzahl ber ein: 
geführten Herren früher ober fpäter an den Galgen kommt, 
die Mehrzahl der eingeführten Damen fräher ober fpäter in 
einer Pferdeſchwemme erfäuft wird, und das mindert bas 
Verlangen nach näberer Bekanntſchaft. Ein Menſch mehr ober 
weniger tobt ober lebendig, barauf Eommt es Ainsworth nicht 
an. Er bat in biefer Bezichung wahrhaft orientalifche Groß⸗ 
futtansgefinnung und ſcheint vor künftiger Rechenſchaft fidy nicht 
im geringften zu fuͤrchten. Jemand fagt ein beleidigendes 
Wort; flugs blist der Saͤbel in der Kauft des Beleidigten und 
der Kopf des armen Schaͤchers, ber fein Wort fo boͤs gar nicht 
gemeint hatte, rollt im &Staube wie eine Kegelkugel, und gleich 
als wäre er auch nichts Beſſeres, erzählt ber Verf. ruhig weiter. 


Alles Das wiederholt fig in feinem ,Windser -Casiet 
Welcher Zweck ihm bei dichem Romane vorgeſchwebt geht aus 
dem Romane ſeibſt nicht hervor. Die meiften Perfonm ſud 
unftreitig hiſtoriſch. So Surrey und bie ſchoͤne Geraldine, Bir 
Thomas Wyat und Wolſey, Anna Boleyn und der „Nero ve 
Rrefermation’‘z auch Berne, bet Jäger, mindeflens laut Zeuguif 
jenes glaubhaften Chronikiſten, dem wie bie „Pufligen Weiter 
von Windfor” verbanten. Satanas ebenfalle if offenbar ein 
biftorifche Verſon und eine wichtige. Die mag er freilich im 
Windſor⸗ Schloffe zu allen Zeiten geweſen fein, aber fo ungeſchiet 
bat er ſich nicht zu allen Zeiten benommen. In ber Gprade 
ber Bühnenkritit würde es von ihm heißen, er habe den menfäs 
lichen Eharakter ſchlecht aufgefaßt, habe zu grimmig, zu bölikh 
ausgeſehen, überall zu fehr den Teufel burdjblicden laſſen. Une 
ben Berhältniffen, bie ihn in ben Roman bringen, hätte a 
den Pferdefuß in einen zierlihen Stiefel fteden und auch fonk 
fo feine Zoilette machen ſollen, wie ein gewiſſer Iemand jet 
in London, mit welchem vor feiner Anftelung in Indim die 
Preffe und bie Zungen ſich mebr befchäftigten als während ken 
feiben. , Jaͤger, ſowie Alles, was auf ihn und di 
von ihm bekannte Legende fich bezieht, ift etwas zu derb fir 
baare Münze ausgegeben. Selten eine Spur von Mofkerie. 
Der gefpenftifche Jäger wanbelt umher, ats hätte er Fleiſch m 
Bıin, plaudert sans göne mit chem, ber ihm begegnet, md 
zeigt. in beſtimmten Theilen bes Forſtes feine Geweihe fo ugl: 
mäßig, ald muͤſſe es fo fein. An Dämonen, Guten, Schlange 
und anberm Gethier fehlt es auch nicht, und ſtecken fie in einm 
Baume, aus welchem der Verf. fie heraus haben will, fo bevmtt 
er fig nicht lange wegen bed Wie — der Baum kracht un 
plagt. Die vom Aberglauben ber Zeit gebotene Maſchine konıte 
teeffiih benugt werden. Ainsworth bat fie ohne Ginn un 
Geſchick gehandhabt. Daß aber gerade beöhalb viele Koftgänge 
ber Leihbibliotheken Maul und Naſe auffperren und den ihem 
ausgepreßten Angſtſchweiß ruͤhmen werben, verfteht fih. Batı 
ift indeffen, das bei @elegenheit jener Erfſcheinungen der Ba. 
fein ſ Talent für Naturzeichnung aufs neue bewaͤhtt. 
Meifterhaft entrollt ex das reizende Landfchaftögemätbe, in deſſen 
Mitte Windfor liegt, und weckt gewiß die Sehnſucht mandıs 
Lefers und mancher Leferin nad) dem ftillen, verfchmicgenmn 
Schatten am Ufer plätfchernder Bäche, und nach den beiitm, 
bianten Seen, die Fein Euftzug bewegt und worin der Mon 
fi Tniegeit. Dagegen iſt der Schluß des Romans über ul 
matt. 








Literarifhe Anzeige. 
Neu erfcheint in meinem Verlage und iſt durch alle Buczant: 
lungen zu erhalten: 





| 


Di 
Ruftfpiele des ecriſtophaues. | 


Überfegt und erläutert 
von 
Hieronymus Mlüller. 
In drei Bänden. 


Crſter Band. 
Gr. 8 Geh 1 Thlir. 24 Nr 

Dieſer erſte Band einer neuen Überfegung bes Xriftophan, 
die ſich Geltung neben Voß umb Dropfen zu fichern willen wird, 
entbält außer einer allgemeinen Einleitung über bie Entſtehung, 
Sntwidelung und Eigenthuͤmlichkeit bes griechiſchen Dramak 

„Piutos‘, „Wolken und te. 

Reipzig, im September 1843. 


SF. A. Brockhaus, 


Verantwortlicher Herausgeber: Heinrich Brokhaus. — Drud und Verlag von F. A. Broddans in Eeipsig- 


Blätter 


für 


literarifhbe Unterhaltung. 





Dienflag, 


10. October 1843. 





(Bortfegung aus Nr. 282.) 


So weit meine Auszüge aus den Gefegen des weiſen 
Menu; fehen wir jet, wie die rauen von andern Schrift: 
ftellern betrachtet und behandelt werben. Wenigen Stoff 
zu Mittbeilungen bieten bie epifchen Gedichte. Helena, 
Andromade, Penelope werben nie von Damojanti, Drau: 
padi und Sawitri verdrängt werden; obgleich fich die legte 
von den Göttern 100 Söhne erbat und fie befam, wäh: 
rend Penelope mit ihrem einen Telemachus begnügt blieb. 

Mehr Ausbeute bieten die dramatifchen Dichter, umd 
wiederum tritt bei ihnen ein Verhaͤltniß befonders auffal⸗ 
lend heraus: naͤmlich das ber Bajaderen zu den Baus: 
frauen. Es wäre irrig, jenen im Allgemeinen eine höhere 
Bildung beizulegen und fie mit Prieflerinnen zu verglei: 
hen; es wäre zu gering, fie kurzweg liederlihe Dirnen 
zu fchelten. Gewiß beweift ihr Dafein und ihr Verhaͤlt⸗ 
niß bedeutende Mängel des Familienleben. 

In dem Schaufpiele „Mrichihakati“ fpielt ein folches 
Maͤdchen Vaſantaſena die Hauptrolle. Sie iſt fehe veich, 
hat eine prachtvoll eingerichtete Daushaltung, zeigt ſich 
der reinften Liebe zu einem edeln Brahminen Charudatta 
fähig; muß fid aber dennoch (gröberer Dinge nicht zu 
gedenken) ins Geſicht fagen laffen: ihre Perfon fei ein 


Gegenftand des Kaufes für Vornehme und Geringe, für 


liebensmwürdige und toiberwärtige Männer. Dies offen: 
bare Liebesverftändniß Charudatta’s mit Vaſantaſena Icheint 
feine davon unterrichtete, rechtmäßige Frau gar nicht zu 
beruhigen; vielmehr ift diefe bereit, ſich, nach Empfang der 
irrigen Nachricht von feinem Tode, verbrennen zu laffen. 


Liebfchaften der Männer mit niedriger ſtehenden 


Frauen, Stavinnen oder Dirnen ſcheinen überhaupt, nad) 
indifchen Begriffen, der Ehe gar keinen Eintrag zu thun; 
weil troß diefer Mehrzahl wol das Übergewicht und größere 
Mechte für eine Hauptfrau übrig blieben. Wenn ſich 
Dagegen ein verheiratheter Dann mit einem Frauenzim⸗ 
mer böhern Standes einlaͤßt, fo gerät) dadurch die 
Stellung der Ehefrau in größere Gefahe und verſchlech⸗ 
tert fich dergeflalt, daß Zorn und Eiferfucht mehr und 
mit größerem Rechte hervortrift. 

As fi) der König Purüravas (zufolge eines Schau: 
fpiels von Kalidafa) in die himmliſche Nymphe Urvaſi 


verliebt *), nimmt dies feine Gemahlin Aufinart fehr Abel 
und macht ihm bittere Vorwürfe, die er indeß duch ums 
wahre Segenverficyerungen abzulenken fucht. Sobald dies 
vergeblich bfeibt, fagt er: 
Ich hätte meine Mühe fparen koͤnnen! 
Gin Weib hat ſcharfe Augen: bloße Worte 
Berühren nie ihr Herz, ſobald nicht Leibenfchaft 
Beglaubigung hinzufügt. 
Als es jedoch heißt: die Königin wolle fi wegen ihres 
heftigen Benehmens entfchuldigen, fpricht Purüravas: 
& glaub’ es wol; denn wahrhaft kluge Weiber 
Bereuen bald, daß fie ben reuigen Bemapl 
So hart zurüdgeftoßen, und ergreifen gern 
Gelegenheit und Vorwand, feine Liebe 
Bon neuem zu gewinnen. Run wir wollen 
Ihr' Gnaden Hierin auch gefällig fein. 
Der König Überhäuft demgemäß die Königin fo mit 
nein, daß eine Begleiterin der Urvaſt bemerkt 
Dat ſich das Herz veriert, fo wird die 3 
— He ar Far ra Berfpredien © 
Für ein misachtet Weib. 
Der Königin Auftnari war es aber Ernft mit einem un: 
erwarteten, bereite ducch ein frierliches Geluͤbde befräftigs 
ten Entſchluſſe. Sie ſprach: 
Welch eine Nymph' auch meines Herren Blid 
Hat angezogen und ihn Hält in Liebesbanden; 
Ich will mit Mild' und Liebe fie behandeln. 
3a, hiermit unbegnugt zieht ſich die Königin ganz zuruͤck 
und räumt Urvaft ihre Stelle ein, ſodaß deren Begleiterin 
ausruft (S. 58): 
Dies iſt ein Weib von hohem Geift 
Ein Mufter in Erfüllung ihrer t!... 
Ähnticherweife wird der Sakuntala die Lehre gegeben: 
Bleib’ dem Gatten gehorfam, Liebes nur erweiſ' 
Den andern Frauen deines Deren. 
Selbſt wenn der Gemahl dich kraͤnkte, fo ergib 
Di nimmer dem Reize zum Born. 

In einem andern Scaufpiele „Retnavali”, von Sci 
Herſcha, werden die Verhaͤltniſſe noch leichter ‚genommen 
und kuͤnſtlicher verwidelt, fodaß einige Scenen an „Figa⸗ 
ro's Hochzeit” erinnern, ja fie überbieten. Deshalb ſagt 
eine Bertraute ber Königin Vafavadatta: „Nichte ift fo 
fhlecht, was man nicht von biefen fchändlihen Männern 
erwarten müßte.” **) 


*) Wilson, II, 45. 
**) Wilson, III, 49. 


| . — || vu 


Der König Vatſa erzählt, aufrichtig genug, wie er es Doch häng’ dich auf, wenn du nicht kannk gewinnm 
anfange, feine mit Recht eiferfüchtige Gemahlin zu beru⸗ Des Weibes Lerz, dem fie allein gehorch 
digen. „Wenn fie ſeufzt“, fagt er, „zeige id Theilnahme, In der Regel wird das Verbrennen der indiſchen Mit, 
wenn fie ſchmollt, fchmeichte ich ihr, wenn fie die Augen: | wen nad) bem Zode ihrer Männer als eine Folge une 
brauen zufammengieht ugb ihr Geſicht von Bopn. enge T grenzter Liebe und rege ven oben, daß jedoch Aba⸗ 
Fe iß, falle ich ihr zu bien Derlei Zeichen der Eye | glaube, Eifafugt md li ei suhlenthäch ig Spiele find, 
füripe iſt man der hohen Stellung einer Königin fehuldig. | beweilt Thon eine Stelle im Diodor (XIX, 33) wo 4 
Indeß haben täufchende Schwuͤre, zärtliche Reden, ſchein⸗ beißt: „ In ältern Zeiten verlobten ſich fehr viele Indierin 
bare Vormwände und demüthige Bitten weniger beruhigende | nen bei ſehr jungen Jahren. Hieraus folgte, daß ihnen 
Wirkung — als die eigenen Thränen der Königin, Wie | Die Wahl nachher oft Leib ward. und viele Weiber, um 
Waſſer das Feuer loͤſcht, fo loͤſchen jene Thränen die Flam⸗ eine neue treffen zu Eönnen, ihre Männer vergiftem. 
men ihres Zomes.” ' Da die Beſtrafung Einzelner von dieſem Werbrechen nigt 
Dielen Grundfägen gemäß läßt denn Vatſa die Wa, | zurüdichredte, fo gab man ein Gefeg, daß die Fran 
favadatta fi fatt weinen; ja als des Könige Geliebte | (nur mit Ausnahmen der Schwangern und derer, die Kin 
Metnavali ſich als ebenbürtig ausweißt, macht ſich die | der hatten) zugltich mit ihren verſtorbenen Maͤnnern fol: 
Königin ein Vergnägen daraus, fie ihrem Gamahle zu | ten verbrannt werben. Diejenige, welche ſich diefem Ge— 
Merzeban und fie ais Schweſter anzuerkennen. So wir '| fege nicht unterwerfen wolle, dürfe nicht wieder heitathen 
mittelbar bie Vielweiberei doch hervor, obgleich deriei neue ‚| und werde als eine Sottlofe von Opfern und allım Gr 
Ankömmlinge gewöhnlich zu einigem naiven Skandal oder heiligten ausgeſchloſſen. Um biefer Außerften Schande u 
fentimentalem Geufjen und Klagen Beranlaffung geben. entgehen und ihre Männer zu beruhlgen, waͤhlte nicht 
In einigen Schauſpielen wird Liebe und Treue mit || blos jede den Tod, ſondern die Weiber drängten ſich and 
mehr Würde und Zartheit behandelt, fo im dem Liebes⸗dazu wie zu der größten Ehre.” Man iſt geneigt, oh 
drama „‚Malati und Mabhava” von Bhahabhuti. Da: Nachricht über die Vergiftungen der Männer dur, die 
felbft heiße e8: „Eine Verheirathung wird gluͤcklich fein, Frauen für eine Erfindung oder grobe Übertreibung zu 
wenn Auge, Herz und Zunge das Paar zufammen füh: || ZU halten; doch werden wir fpäter eine ähnliche Anklage 
vn”; — 10 unter Bumge dann wol die Mittheitung || Ir der roͤmiſchen Geſchichte finden. Gewiß übte man bi 
und der Ausdrud des Geiſtes und des Geiſtigen zu ver: || Muen Verbrennungen bis in die neueſte Zeit die fund 
fiehen iſt. Am „Nalas“ (S. 72) heißt es: barfte Ayramei und Graufamfelt. *) 
Nichts ja gleichet dem Weibe, fie iſt (Die Bortfegung Folgt.) 
Kür jedes Leid ein Heilmittel. 
& die Goͤttin, — ift fein 
in Troſt für den betrübten Mann. 
Abweichend wird im Schauſpiele, Mrichlhakati“ gefagt 
©. 89): 
( FR Dinge find bie koͤſtlichſten auf Erben, 
Win Freund und bie Geliebte: doch ich ſchaͤtze 
Den Freund mir höher denn ein Hundert Schönen. 
Bon fo zahlreihen Schönen iſt wol die Rede, wenn es 
an einer andern Stelle Hefft: „Es tft fiber alten Zweifel 
gewiß, daß Unheil angerichtet wird, wo man einbüft einen 
Elefanten, einen Steuerbeamten, einen Bettler, einen Kund: 
Ichafter und ein zweidentiges Mädchen.” An bie legten 
denkt der Dichter wol vorzugsweife in folgender Stelle 
G. 84): 
( } weich ein Thor ift Der, der fein Vertrauen 
Auf Weiber fest und Reichthum, beides fchlüpfrig. 
Sie innen nach Belieben lächeln, weinen, trügen. 
Des Meeres Wogen und des Abends Roͤthe 
Sind minder unbeftändig ald ber Krauen Liebe. 
Geld ift ihr Biel; fehlt dies dem Wann, 
Wirft man ihn weg wie einen leeren Beutel. 
So kurz als Blitzesglanz iſt Weiberliebe; 
Se blicken Einen zaͤrtlich an, wenn ſchon der Andere 
Im Herzen thront. Go hat's Natur gewallt! 
Der Lotus waͤchſt nicht auf der Berge Höhen, 
Das Maulthier wantelt nie zum Rofle fi, 
Aus Gerftenkörnern fproßt Fein Reis hervor; 
&o wohnt auch Tugend nie in Weibes Bruſt. 
Gemäßigter lautet folgende Stelle (I, 35): 
. Der Elefant wird mit der Kett' gehalten, 
Das Roß gebänbigt durch des Reiters Kunſt; 























Die Jeſuiten. 


1. Histoire de l’Helvetie depuis son erigine: 'a nos jvarı. 
Freiburg 1841 ‘ * ine junge an! 


2. Tablenu auslytique de Vhistoire universelle priscatk 


ine ber beträbendften Srfcheinungen, denen wir in be 
Geſchichte des menfchlichen Geiſtes begegnen, ift ohne Zmeikl 
diefe, daß er ſich zumwellen genöthigt Lebt, auf die Erörterung 
von Fragen zuruͤckzaukommen, bie mit allem Rechte ſchon als 
4 abgethan gelten fonnten. Bu biefer Bemerkung veranlaft un 
1 die Thatſache, baß bie Geſellſchaft Jeſu, nachdem die beide 


! 


die 
alte Wirkſamkeit theils ausübt, theils anſtrebt —* alte 9 
Vemit gegen & aufregt. Am rührigften ſcheint fie ſich in Oſtrrich 


einlaffen tönnen, den Streit, welchen bfe fogenannte neokathe⸗ 
Hfdge Partei in Frankreich gegen bin Geiſt und die Bildung bi 
18. Jahrhunderts führt, weittäufiger zu beſprechen und num 
beabfichtigen, über Einiges, was die Thaͤtigkeit des Ordent i⸗ 
Oſtreich und in ber Schweiz betrifft, ein paar Worte zu ſager, 


*) Massie, Continental Indie, IL, 175., 





fo beſchraͤnken wir uns anf bie — vorliegender drei Schriſ⸗ 
ten, die uns für unſern Zweck vokoͤmmen en. Zwei Bas 
von, nämlid die yiriatinen Lehrbücher, ſcheinen urſpruͤnglich 
wol nicht für die Offentlichkeit beſtimmt geweſen zu fein, wahr⸗ 
ſcheinlich aus dem Grunde, weil fie und ihre Verf. ſich im 
Halbdunkel am beften befinden und am vortheilhafteften ausnehs 
men; wenn wir jedoch darauf keine Rüdficht nehmen, fo ge 
gefchieht es, weil wir überzeugt find, baß in unfeen Tagen ges 
rabe Diejenigen am wenigſten das Recht haben, ſich dem Eike 
und dem Urtheile ter Welt zu entziehen, welche baflelbe am 
meiften perborresciren. 

Die Flugſchrift „Zur Kenntniß der Geſellſchaft Jeſu“ zers 
fällt in zwei Abtheitungen, welche überfchrieben find: . „Neueſte 
Literatur über bie Befellichaft” und Vruch 
fhichte des Sefuitenordens”. Sie enthalten theild minder bes 


fiüde aus ber Ge 


Lannte aber vollkommen beglaubigte Facten, bie den Geift bed 


Drdens, wie ex vor ber Aufhebung war, bezeichnen, theils ſta⸗ 
tiffifche Notizen und Thatſachen ber Geſchichte der Geſel⸗ 
{haft nach ihrer Repeiftination. 


& übergeben, was fich auf. 


die Periode vor dem 21. Juli 1773 (dem Datum des Aufpebungs: ' 


breve) bezieht, obſchon es auch uns als weientjich erſcheint, 


daß man den nie unterbroshenen Zuſammenhang zwiſchen ber 


(nur dem Ramen nady) aufgehobenen unb der wieberhergeftell: 
ten, ſowie die Geſchichte der erftern im Auge behalten muß, 
um * den era din — der letztern fuͤr unſere Zeit 
ein richtiges Urtheil zu können. 

In Öfteeih blieben die Sefuiten bie zum 3. 1827 auf 
Galizien beſchraͤnkt; feither find ihnen in den italienifchen Pros 
oinzen, in Oberöftteih, Steiermark und Zirot Collegien eins 
geräumt worben, fobaß fie jest, 269 an der Zahl, fieben Kloͤſter 
bewohnen. 34 Drdensglieder find auf Pfarreien ausgeſetzt; die 
übrigen widmen fich theils der Jugenderziehung, theuͤs vor ber 
Hand dem beſchaulichen Leben. In Galizien werben eine phi⸗ 
loſophiſche Lehranſtalt (zu Tarnopol, mit fünf Profeſſoren; ihr 
Director iſt der Provinzial bes Ordens in Galizien) und zwei 
Spmnaften (zu Tarnopol und Sandec) von ben Iefuiten vers 


fehen; in Tirol gehören bie Lehrer des Gymnaſiums zu Inns⸗ 


bruck, der Rector, bie Präfecten und theilweiſe auch bie Lehrer 
der dortigen Thereſianiſchen Ritteralabemie dem Orben an. Auch 
gebt man jest in Innsbruck damit um, ein großes Penflonat 
nach dem Mufter des in Freiburg in der Schweiz beftehenden 
zu errichten und laͤßt zu diefem Zwecke nad) allen Seiten Aufs 
federungen zu Beiträgen ergeben (die Regierung bat indeflen 
ausdruͤcklich erfiärt, daß Öffentliche Fonds nicht in Anſpruch ge: 
nommen werben bürfen.)*) Noch verdient angeführt gu werben, 
daß die Verfuͤgung Kaifer Joſeph's II., durch welche dem Res 
gularklerus unterfagt wurde, mit auswärtigen Obern in Ver⸗ 
Sinbung zu flehen, auf die Jeſuiten feine Anwendung findet; 
unterm 18. Rovember 1827 geftattete ihnen Franz J. den un: 
gehinberten Rerus mit dem P. General. Ebenſo wurden fie 
auch laut eines Hofkanzleidecrets nom 8. April 1828 von den 
Beflimmungen bed allgemeinen Amortifationsgefeges dispenſirt 
und haben, wenn fie unbeweglidhe Güter erwerben, davon bloß 
Anzeige an bie Behörde zu malen. In die Schweiz find bie 
Zefuiten mit den reftaurirten ariſtokratiſchen Verfaſſungen ge: 
kommen, beſigen Collegien und verfehen Lehranftalten in den 


Santonen Waßis, Freiburg und Schwyz. überdies ſind fie in 


Zug und Eugern als Wiffionare aufgetreten und nahe baran, 
me Triumph in ben Gig bes —X Vororts zuruͤckzukeh⸗ 
ren. 


Der Berf. fügt noch die Vemerkung hinzu, es erſcheine bei 
dem überfluſſe an Welt⸗ und Ordensgeiſtlichen, mit dem Tirol ges 
ſegnet fei (auf 839 Einwohner kommt ein Weltgeifllicher, auf eine 
Benöfterung von BIR,090 Seelen, in runder Sahl E29 nrännlice 
Debendperfonen, bazu no SR Nonnen, alfo auf ungefähr 2280 Ein: 
wehner ein getfilihed Individuum), einigermaßen auffallend, daß 
mean gerabe dieſe Provinz außwählte, um bort mit ber Sefuiten 
päbagogit einen Verſuch anzuftelen. 





Belcher Ert ihre Wirkfamkeit als Geslforger und als 







der Iygenb ſei barüber gehen ben vi u 
il fions Az ber ehrmuͤrdĩgen Bäter aus der u 
P. Burgflaller, P. Damberger, 9. Schlaſſer, gehalten in 
Pfarrkirche zu Eurfee, Gantons Augern, vom I. bis 10. 
ner 1842. Getreu nachgefchrieben von mehren Zuhärenn! 
(Luzern 1842), und bie zwei uns vorliegenden Lehrbücher. Um 
unparteiifh zu fein, müllen wir erwähnen, daß der Guperior 
ber Miſſion, P. Burgflaller, gegen diefe Sammlung, als feien 
in berfeiben die gehaltenen Predigten entftelt, Proteftation eins 
gelegt hat; diefe Proteflation ift jedoch fo Lange von keinem 
Gewichte, . bis fie nicht durch eine gleichlautende Erklaͤrung ber 
urtheilsfaͤhigen Zuhörer unterflügt und beftätigt wird. Am paf⸗ 
fendften wäre e8 tool geweſen, wenn der Here Superior bie 
Predigten, wie er und feine Gollegen fie gehalten haben wollen, 
dem ihrer Behauptung nach untergefhobenen Machwerk gegenüber 
ſelbſt veröffentticht hätte; dann würde es einem Ausfchuffe vers 
fändiger Zubdrer ein Leichtes gewefen fein, zu entfcheiben, welche 
die authentifchen feien. Dies ift aber nicht geſchehen. Kerner 
kommt noch zu berüdfichtigen, daß man es wol ſchwerlich ges 
wagt haben wird, Hunderten von Zuhörern gegenüber, bie einen 
auf ber Stelle Lügen ftrafen Eonnten, dieſe Predigten unterzus 
fhieben; daß endlich Leute, welche die Kanzelberedtſamkeit der 
Miffionare an andern Orten zu vernehmen Oetegengeit hatten, 
ihr Urtheil dahin abgaben, die Miffionsprebigten felen Yon bes 
nen, bie fie gehört, wenig verſchieden und trügen als ganz im 
Geifte derfelben gehalten alle Kennzeichen der Autyentie an ſich. 
Die Broſchuͤre, über die wir Bericht erftatten, bringt auf 
©. 18—24 Auszüge aus diefen „Mifflonspredigten”, auf welche 
wir Diejenigen verweifen, die noch einen andern Maßftab für 
bie Schaͤdlichkeit und Gefährlichkeit dieſes Ordens brauchen als 
die Geſchichte zweier Zahrhunderte. 

Bon den zwei Eehrbüchern, beren Zitel wir im Eingange 
angeführt haben, ift das eine, die Schweizergeſchichte, das Feck 
eines ober gar einiger deutſchen Jeſuiten und vom P. Belle 
froidb, ‚einem franzöfiihen Schöngeift des Ordens, überarbeitet 
worden; Verf. ded andern, bad zu Vorträgen über allgemeine 
Geſchichte dient, ſoll ein gewiſſer Freudenfeld ſein, der ehe⸗ 
mals Offizier, dann Profeſſor (in Bonn?) war, fpäter conver 
tirte und gegenwärtig im Penfionate_ zu Sreiburg lebt. (8 
verbient bemerkt zu werben, daß biefe Schwe ergefchichte, welche 
jebod nur zum Unterrichte der franzoͤſiſchen Shgtinge dient, übers 
all, wo fie auf die Kämpfe zwiſchen Oftreid und dem Gidgenofs 
fen zu Sprechen kommt, den feindfeligften Geiſt gegen bie erftere 
Macht atbmet; an einer Stelle wird Geßter fogar mit Nas 
buchodonoſor verglichen, hingegen foll, glaubwuͤrdigen Nachrich⸗ 
ten zufolge, bei dem Unterrichte, der den deutfchen Zöglingen ers 
theilt wird, gerade von entgegengefegten Srundfägen ausgegangen 
werben. Auf jeden Fall iſt nicht abzufehen, wie in biefem Punkte 
bie „uniformitas dpctrinae”, welde den Zefuiten durqh ihre 
Gonftitutionen (pars 3, cap. I, 5. 18) zur Pflicht gemacht 
iſt, aufrecht erhalten werben kann; benn 3. 3. auf ben oͤſtrei⸗ 
chiſchen Lehranflalten, bie von den Jeſuiten verfehen werben, 
rechnen fie es gewiß biefem Herrfcherhaufe nicht zur „@chande” 
an, daß es jenen Krieg gegen bie Eidgenofien führte, der ‚mit 
ber Schlacht von Sempach endigte. „Wir zweifeln inbeffen 
nit", Heißt es in der Broſchuͤre, „daß ſich die Sefuiten der 
Schweiz mit ben Iefuiten Oftreiche über biefe Widerfprüche 
leicht vereinbaren werden. Sie werben ja reichlich aufgewogen 
durch bie Stellen, in benen von ber Reformation, ben Refors 
matoren und ben Reformirten die Rede iſt. Wir führen einige 
berfelben an, damit bie reformirten Eidgenoffen fehen, wie man 
in Freiburg die Fatholifchen lehrt, von ihnen zu denken.” Diefe 
Stellen verdienen in ber „Histoire de l’Helvetie’‘ ſeſbſt, wo 
fie neben vielen des naͤmlichen Inhalts ſtehen, ober in ber Bro⸗ 
(hüre nachgelefen zu werben. Hier eine einzige zur Probe: 
„Apres toutes ces tentatives de la divine misericorde pour 
la conversion des Buisses, rendues inutiles pour un trop 
grand nombre d’entr’ eux, la justice c#leste allait frapper 

es coups plus terribles. Le Valais avait mal rogu l’Eavoys 


1188 


du Pre commun des fidäles, et des l’an 1584 les deux 
villages de Corbitre et d’Yvorne furent engloutis sous 
une montagne de terre.” Dazu macht bie Brofchüre bie tref⸗ 
fende Bemerkung: „Da haben wir den leibhaftigen 9. Gabriel 
Malagrida mit feinem Buche ‚Über die wirklichen und wahr: 
baftigen Urfadyen des in Liffabon am 1. Rovember 1753 vors 

fallenen Erdbebens“ Der arme wahnfinnige Greis wurbe 
einer vorgeblihen Offenbarungen und thörichten Auslegungen 
der heiligen Schrift wegen von ber portugiefiihen Inquiſitien 
dem weltlichen Arme unb von biefem dem Henker überliefert; 
dies hält aber feine Mitbrüder und Nachfolger nicht ab, auf 
feinen Wegen zu wandeln und ben Mapftab ihrer Kleinheit an 
die Majeſtaͤt Bottes zu legen.” 

Welches die „vrais principes” feien, bie der 9. Freuden⸗ 
feld bei der Analyfe der allgemeinen Geſchichte zur Richtfchnur 
nimmt, erhellt fchon aus folgenden Begriffsbeftimmungen : 

L’histoire moderne est la suite et l’ensemble des &vönements 
qui nous manifestent l’action de la Providence de Dieu sur 
son peuple, l’Eglise catholique, et le reste du genre humain 
depuis la venue du Redempteur, Sie zerfällt in drei Epochen: 

L’bistoire de ’ampire Romain et des premiers sitcies de 
P’Eglise. 

Les empires chretiens ou l’histoire du moyen - äge, 

C'est la suite et l’ensemble des &venements, qui se 
dsroulent apres l’invasion des barbares, et nous montrent 
comme le Christianisme ou l’Eglise, qui est demeurde ind- 
branlable alors que l’empire Romain tombait autour d’elle, 
apprivoise et civilise peu-ä-peu ces nouveaux peuples, 
fonde ainsi sur les ruines de cet empire les bases des etats 
modernes, et des lors attaquee il est vrai de temps en temps 
par ses propres enfants, parvient cependant à devenir do- 
minante, et protege les peuples et les empires de son ombre 
salutaire, jusqu’ä cette &poque fatale préparée par plusieurs 
övenements, oò une partie de ses sujets se revolte, se 56- 
pare d’elle et s’enfonce rapidement dans les voies de l’erreur. 

L’apostasie des peuples ou l’histoire des trois derniers 
siecles, sitcles de revolte. 

C’est la suite et l’ensemble des &vönements, qui se de- 
roulent alors que Calvin et Luther, premiers chefs de la 
reforme, entrainent dans l’apostasie le tiers de I’Europe, et 
tronblent I’Eglise et l’Etat, en sapant du même coup dans 
le coeur de l’homme les fondements de la foi et des moeurs. 

S. 11, 12, 13 werden, um uns der Worte ber Brofchüre 


zu bedienen, bie Theorien Leſſing's, Kant’s, Berder’s, Schel⸗ 


lng’s, Fichte’s, Hegel's, fo weit fie fich auf die Philofophie 
der Geſchichte beziehen, alle zufammen damit abgethan, daß fie 
entweder geradezu als a= und pantheiftifch, oder als folche bes 
geichnet werben, die nothwendig zum A⸗ und Pantheismus führen. 
und von Schulen, in denen in ſolchem Geifte gelehrt wird, 
von einem Orden, der folche Lehren verkündigt, von einem Res 
terungsfufteme, das auf folche Lehren geftügt ift, erwartet eine 
—* die ſich ausſchließlich im Beſitze der Wahrheit glaubt, 
die Heilung der Gebrechen, an benen, wie fie meint, unfere 
Zeit trank liegt! As wäre das Ideal der Menfchenbeflimmung 
ein Zuftand wie jener der Indianer in den Miffionen von Pa: 
raguay war! „Das Übel wäre nicht groß, wenn es feine ans 
dere Wirkung hätte, als uns Alle, ober die meiften von uns, 
u ſolchen fanften, einfachen, gläubigen und gelehrigen Den: 
—* zu machen; wenn aber dieſes Treiben fuͤr einen Geiſt, den 
es ſich dienſtbar macht, Tauſende zur Wuth entflammt, wenn es 
die geſellſchaftliche Ordnung bis in ihre Grundfeſten erſchuͤttert 
und bie Welt gegen den ſchuͤtzenden Genius des Chriſtenthums 
in Aufruhr bringt — dann ift man wol gerechtfertigt, wenn 
man fi) mit einiger Entrüftung gegen baffelde ausfpricht.” 
Indem wir die Flugſchrift „Zur Kenntniß der Geſellſchaft 
Jeſu“!, vorzüglich Denen, die vermöge ihres Berufs auf die Ents 
fheidung der in einigen Eatholifchen Ländern fchwebenden Frage: 
„ob die Erziehung ber Jugend wieder ganz oder theilweife den 


Iefuiten anvertraut werben fol’, einzuwirken haben, zur hri⸗ 
fung und Würdigung empfehlen, rei es und nod erlaubt, if 
Anzeige mit den Worten zu ſchließen, in bemen an einer Gteie 
derfelben das Urtheil über biefen Orden zufammengefaßt wird 
„Es ift, um e6 kurz zu Tagen, unbillig, bie ganze Geſellſchaft 
zu brandmarten, ohne Ruͤcſicht auf die großen und tugendhaß— 
ten Männer, die ihr einft angehörtens es Fit kindiſch, fie dar 
zu fürditen, wo bie Vernunft in ihre Rechte eingefeht ift un 
die Gefege Kraft haben; es ift gehäffig, fie im Namen ber Frei: 
heit und der Duldſamkeit zu verfolgen — allein es iſt rathfam, 
baß man fie kennen lernt, bevor man ihnen traut; benn weit 
entfernt, immer gu wiffen, wohin fie einen führen, find fe 
häufig felbft im Dunkeln darüber, wohin fie geben. (Einkix 
aus ihnen mögen Achtung verdienen, wer zweifelt daran? Xu 
Körperfhaft genommen, vereinigen fie mit allen Gebrechen eb 
foluter Monarchien alle Gefahren geheimer Geſellſchaften. Val 
aun bie erftern betrifft, fo iſt e8 Sache dieſer Drdensieute, fi 
eine Berfaffung zu geben, wie fie es verſtehen; gegen bie Iegtern 
gibt es jedoch feinen Schutz als die Sffentiichkeit. Die geher 
men Geſellſchaften, weldye verboten werben konnen und folm, 
laſſen fich nicht verhindern; allein fie werben über bie auf Öf: 
fentlichkeit begründeten Wereine, wo Jeder laut fpricht und of: 
fen handelt, nie dad Übergewicht bavontragen.”' 5*4. 





Literarifhe Notiz. 


Handſchrift von Shakſpeare's „Luſtigen Weibern. 

„An account of the only known manuscript of Shak- 
speare’s plays’ heißt ein in London erfchienenes Schriftchen ooa 
3. D. Dallimell, das über eine im März vorigen Jahres vom 
Verf. angekaufte Handſchrift der „Euftigen rauen von Bin 
for’ berichtet. Außer den in einigen handfchrifttichen Gedicht 
fammlungen enthaltenen abgeriffenen Stellen aus Ghaffpran'; 
Werken tennt man bisher keine handſchriftliche Überlieferung 
eines feiner Stüde, während es an foldden von Ben Jonſon 
Maflinger und andern ditern Bühnendichtern nicht gebricht. De 


Berichterftatter hält feine Handfchrift urfprünglich für den Go 


braud einer Öffentlichen oder einer Privatbüpne beſtimmt und 
man würde das Legtere anzunehmen haben, wenn fie, wie a 
behauptet, aus ber Zeit der englifchen Republik berührt, we 
die öffentlichen Theater gefchloffen und Privataufführungen haͤufg 


waren. Laffen wir das aber auch dahingeſtellt, fowie, ob ft 


als Copie einer Driginalhandfchrift anzufehen ſei, fo wird ft 


doch durch die in Feiner Ausgabe fo ausführlich vorbande 


Lifte der dramatis personae wenigftens als bie eines Schar⸗ 
ſpielers charakteriſirt. Wir theilen biefelbe mit. „Robert 
Shallow, Esq., aGlocrshire Justice, vncle to master Slender, 
Sir Hugh Evans, a welch Priest: curate and schoolmaster 
at Windsor. 
in or neer Windsor. 


Mrs, Mey Page, his wife. Mrs. Ame 
Page, their daughter. 


Billy, their son, schollar to maste 
Evans. Mr. Francis Ford, a rich jealous curmudgeon ol 
Windsor, Mrs. Alice Ford, his wife, Mr. Adra. Siender, 
nephew to Justice Shallow. Dr. Cains, a french physicas. 
Mr. Fenton, an expensive courtier (legtere brei eingeflammet 
als) sutors to Mrs. Anne Page, each favord by — father — 
mother — Mrs, Anne. Sir John Falstaffe, a fat ol 
decayed leacherous court officer. Bardolfe, Nym, Pistoll, 
his late under - officers, now hangers on. Robin, his pagt. 
Mrs. Quickiy, Dr. Cains his housekeeper, but confident 
the women. Host of the Garter, a werry, conceited, raut- 
ing Innholder. John Rugby, Dr. Cains man. Peter Simple, 
ınan to master Siender. Servants to Mrs. Ford. Fairie." 
Der Titel der Handſchrift heißt: „The merry wives of 
Windsor, written by William Shakspeare’. ie bietet nicht 
unintereſſante Varianten dar und bei dem außerordentli 
Mangel an ſolchen Quellen für den Text des Dichters befommi 
auch der Eleinfte Zuwachs daran feine Wichtigkeit. 80. 


VBerantwortlicher Herausgeber: Heinrich Brokhaus. — Druck und Verlag von F. A. Brochaus in Leipiig. 


Mr. George Page, a rich country genlemu 





Blätter, 


für 


literarifhe Unterhalfung. 





11, Dcetober 1843, 





Zur Gefchichte des weiblichen Geſchlechts. 
(Bortfegung aus Mr. 28.) 

Sehen wir jet zu den Griechen uͤber, fo finden wir zuerſt 
(voie Überall) Lob und Tadel im Übermaf, Als Kern und 
Zert aller andern Erörterungen ließe fih die Behauptung 
Hefiod's aufitelen: Nichts Beſſeres könne einem Manne 
zu Theil werden als ein gutes, nichts Schlimmeres als 
ein boͤſes Weib. Hieran reihe ich allerhand andere Auße⸗ 
rungen an uͤber das Verhaͤltniß der Frauen zu den Maͤn⸗ 
nern und dem Hausweſen. So ſagt Menander (Mei⸗ 
necke, 168): 

Den zweiten Part zu ſpielen, ziemet ſtets der Frau, 

Des Ganzen Leitung aber kommt dem Manne zu, 

Ein Hans, in dem bie Frau die erſte Stimme hat, 

Muß unvermeidlich untergebn, früh ober fpät. 
Ich glaube, lehrt XZenophon (Oecon,, I, 3), daß eine 
Frau, melde fi) im Haufe als gute Gefährtin zeigt, dem 
Manne das. Gleichgewicht zum Gedelhen der Wirthfchaft 
hält. Denn wenn die meiften Einnahmen durch die Thaͤ⸗ 
tigkeit des Mannes herbeigefchafft werden, fo gehen die 
meiften Ausgaben durch die Hände der Frau; und wenn 
e8 in Dinficht dieſer beiden Punkte gut fieht, fo mehrt 
fi), und im umgekehrten alle, mindert ſich das Vermoͤ⸗ 
ger. ine. rau (warnt Plutarch in feiner Schrift über 
Die Pflichten der Ehegatten), die lisber einen einfältigen 
Gatten beberrfchen, als einem vernünftigen gehoͤrchen will, 
gleicht Denjenigen, die lieber einem Blinden den Weg zei: 
gen, als einem Schenden (der den Weg kennt) folgen 
wollen. Man darf, fährt er fort, fo menig für bie Au: 
gen (nah Schoͤnheit) als für die Singer (nad) Gelde) 
heirathen; wie es Manche gibt, die nur Überrechnen, wie 
viel die Kram, die fie nehmen, einbringt, nicht.aber über 
denen, wie fie mit ibe leben. werden. In Boͤotien (ev: 
zaͤhlt Plutarch) pflegt man dee Braut, fobalb fie verhuͤllt 
worden, eimen Kranz von Asparagium amfjufegen. Denn 
Diefe Pflange bringt ans ben ſpitigſten Stacheln die ſchmack⸗ 
bafteflen 


gelehrt) das verdrießliche und unangenehme Betragen dor⸗ 
feiben geduldig uͤberſicht, in der Felge einen flßen und 
Siobreidyen Umgang verfhaffen. Wer ven etſten jungfraͤu⸗ 
Ibdiyen Eigenſina nicht uͤberſehen kann, iſt mit Einemn zu 
vergleichen, der tum einiger ſauern Beeten wallien die ganze 


Fruchte hervor; und fo wird auch bie KBreme 
Demjenigen, der im Anfange (jegt gefihieht e6 wol um⸗ 





Traube meggibt. Eine Braut aber, die gleich über das 


erfle Betragen eines Braͤutigams aufgebracht wird, handelt 
ebenfo, ald wenn Einer um eines Bienenftihs willen ben 
Honig wollte fahren laſſen. Hauptſaͤchlich muͤſſen Ehe: 
gatten ſich im Aufange vor Zorn und Verdruß in Acht 
nehmen und bedenken, daß Gefäße, die aus einzelnen 
Stüden beftehen, anfangs durch die geringfte Urfache aus⸗ 
einandergeriffen, hernach aber, wenn die Fugen fih erft 


feſt vereinigt haben, kaum duch Feuer und Stehl ge 


trennt werden koͤnnen. 

Gewiß fand ein ernſter Einfluß der Ältern anf bie 
Verheisathung der Kinder flatt, woran heutzutage freilich 
mandye heirathsluftige Kinder Anſtoß nehmen würden. 
Hierauf antwortet ein ebenfo gelehrter als liebenswürdiger 
Philsioge, Jacobs („Vermiſchte Schriften”, Bd. 3, S. 22): 
„Es hertſchte oder es herrfchtnod in Deutfchland ein Glaube 
an die abfoluten Rechte einer fentimentalen Liebe, ſodaß 
nicht Wenige anzunehmen fcheinen, ein funfzegniähriges- 
Kind werde duch die ploͤtzliche Berauſchung mit einem 
Sefühle, das es mit dem Namen Liebe beehrt, während 
einer Ballnacht gleichſam durch ein Wunder fo weile, daß 
es die Erfahrungen diterficher Liebe entbehren, ja ihr ale 
einer gewaltthätigen Tyhrannei Trotz bieten Eönne.” Die 
Athener und alle Joner waren weit entfernt von einem 
aſiatiſch⸗ mohammedaniſchen Cinfperren der Weiber; allein: 
fie ſahen allerdinge deren Dauptberuf in dem Hausweſen 
und der Kindererziehung, und ſchon Euripides ſagt Im 
„Hippolyt“ (v. 640): „Ich haſſe eine überbildete Frau 
und wuͤnſche nicht, Daß die meine mehr wiſſe, als Frauen 
gebührt.” Denn die Benus erzugt in deu UÜberbildeten 
manche Lift, während einfache Gemüther nicht in derlei 
Ihorbeiten verfallen. Wiederum hatten die Griechinnen 
Anſpruch auf eine Ehre und einen Beruf, von dem bie: 
Frauen in der neuern Zeit ganz ausgekhloffen find: fie 


"konnten Priefkerianen werden, und die Pythia war gewiß 


nicht immer ein bioßes Werkzeug für Andere bei Leitung. 
der hellenifchen Angelegenheiten, 

Erwähnung verdient ferner die Sorge der attifchen 
Geſetzgebex für ame Moaͤdchen. Der naͤchſte Vorwandty 
ſollte fie heirathen ober ausſtatten-· Und ebenſo fehlten 


das Geſetz reiche Cabtoͤchtee gegen willkuͤtliche Heinkuͤh⸗ 
rung. 


Die Frau mußte gerichtlich auf Scheidung--Has- 
gen; der Dann war weniger Foͤrmlichkelten utenworfäk, 


[4 


er f fi 188 Y ge: 


£ . 
mußte aber der ſchuldloſen Frau ihr Eingebrachtes heraus: 
geben und für ihren Lebensunterhalt forgen. 

Manche Schriftfteller haben (ich glaube mit Unrecht) 
die Verhaͤltniſſe des weiblichen Gefchlechts bei den Dorern 
und inshefondere den Sparsanern, über bie ath 
Einrichtungen hinaufgefeßt. Sparta zeige auch bier nur 
das Einfeitige, Schroffe. Familie und Ehe find zuruͤck⸗ 
gedrängt und den Staatösweden fo untergeordnet, daß 
man in geroiffen Fällen verlangte, die Männer follten ihre 
Srauen verleihen, und felbft einem Könige verbot, eine 
Heine Stau zu heirathen. | 

- Sn Sparta, Chios, Eyrene nahmen die Mädchen an 
allen Leibeshbungen und Wettkämpfen der Juͤnglinge 
Theil (Athen., XIII, 566), und Properz (III, 14) be 
ſchreiht fie wie folgt: 

Jetzo verfchwindet der Ball bem hurtigen Wurfe des Armes; 

Dber im Rollen bes Reif Elingelt der hakige Stift; 

Oder bie Läuferin flehet beftäubt am Btele der Rennbahn; 

Im Pankration auch duldet fie Wunden des Schlags; 

Jetzt umfchnürt fie mit Riemen die feeubigen Arme zum Fauſt⸗ 


tampf ; 
Sept der Scheibe Gewicht brebt fie im Schwunge zum Wurf. 
Kreife durchtrabt fie zu Roß; an ber fchneeigen Seite ber 


ungfrau 

Hängt ein Schwert, und das Haupt si gedletes Erz. 
Zwifchen der Theilnahme an all diefen männlichen Übun⸗ 
gen und dem Stillſitzen am Stidrahm, oder dem Bewe⸗ 
gen blos der Finger am Fortepiano, liegen viele brauch⸗ 
bare Abftufungen. Am meiften aber dürfte in unfern 
Tagen die Gewohnheit anftößig gefunden werden, viel 
mehr als Hände und Geſicht den Zuſchauern zu zeigen. 
Man darf aber wohl behaupten: nicht Altes fei an fi 
unfistlic) zu nennen, was gegen bie Regeln unferer Decenz 
verſtoͤßt.) Mit dem Sinne für Schoͤnheit iſt das Wohl: 
gefallen am Nadten verbunden, und die Kenntniß deſſel⸗ 
ben erwirbt fih nur duch Anfhauung Wer diefe ver: 
bietet, gibt dem größern Theile der Kunſt den Abſchied. 
Die Kleidung bient voefentlih nur zur Verdeckung des 

Slihen und zur Abhaltung der Kälte; unter dem 

quator aͤndern fich die Grundſaͤtze über die Sittlichkeit 
der Bekleidung Wo felsft Goͤttinnen nackt dargeftellt 
und verehrt werden, wo man bie Foderung des Paris 
fehr natuͤrlich und notbwendig fand, iſt es verkehrt, uns 
fern Maßſtab der Beurtheilung anlegen zu wollen. Auch 
bat es feine Gefahr, daß jene antike Betrachtungsmeife 
wiederkehren und die moderne Sittlichkeit zu Grunde 
richten werbe. 

Einräumen muß man ferner, daß in ber Geſchichte 
ber Götter und Göttinnen eben nichts Nahahmungswer: 
thes anzutreffen ift für Cheſtand und Familie; die fchein: 
bar Klügften blieben unvermählt, und der Ehefland von 
Jupiter und Vulkan war faft nur ein Weheltand. Im 
Ariftophanes, diefem ungezogenen Liebling der Grazien, findet 
ſich allerding® viel über die Frauen, was fi an diefer 
Stelle nicht mittheilen laͤßt; doch darf man erwähnen, 
daß er in den „Ekkleſiazuſen“ ſehr tieffinnige Gruͤnde für 
die Weiberherefchaft angibt, und in der „Lkyſiſtrata“ ein 


’) Jacobe, III, W. 


Mittel für den ewigen Frieden noachweiſt, das, eharig 
angewandt, eher um Biele führen duͤrfte als die vom 
koͤnigsberger Weiſen vorgefchlagenen. Trotz des Scheint 
von Radicalismus lobt Praxagora in den „Ekkleſiazuſen 
das —A Soſtem und ſagt vom. den acheniſchen 
Frauen (B. 821): ⸗ 
Da ſitzen die Frauen und roͤſten, grade wie vordem; 
Sie backen Honigfladen, grade wie vordem; 
Sie drillen noch die Maͤnner, grade wie vordem; 
Sie bergen noch daheim Liebhaber, grade wie vordem; 
Sie kaufen ſich was Leckeres, grade wie vordem; 
Sie moͤgen den Wein gern lauter, grade wie vordem; 
Froh find fie ſtets der Minne, grade wie vorbem. 
In den „Thesmophorien“ fagt die Ehorführerin (V. 784). 
Wir wollen demnach uns felber einmal lobpreifen vor Euch, 


, bie da zuſchaun; 
Ob Jeglicher zwar von dem Weibergefchlecht viel Übeles weg 


zu ergählen, 

As wären durchaus wir ein Übel ber Welt und von und 
ber käme das Alles, 

Zwietracht und Gezaͤnk, Aufruhr und des Grams Unmutk, 
und ber Krieg. Run wohlan dem! 

Wenn ein Übel wir find, was freiet Ihr uns, wenn ein übel 
wir find in der Wahrheit? | 

Sa, Ihr Heißt und ſogar niemals audgehn, niemals auf: 
gudend ertappt fein; 

Sorgfältig vielmehr, mit fo ämfiger Muͤh ſucht Ihr zu se 
wahren das Übel. | 

Wenn das Weiblein dann autgebet, Wohin, und nicht Ipr zu 

et, 


. Daufe N 
D Ihr wüthet vor Wuth, da Ihr folltet Euch freun kei 
geopfertem Trank, wenn in Wahrheit 
Ihr findet, hinaus fei das Übel entwifcht und nicht mehr 
drinnen es antrefft. 
Und guden wir einfl aus dem Fenfter hervor, man fuht m 
betrachten das übel. 
Benn eine vor Scham ſich zuruͤck dann zog, weit mehr if 
Jeder begierig, 
So klar ein⸗ 


Das noch eins vorguckende übel zu ſchaun. 
leuchten ja muß es, 
Daß wir viel Beſſere find als Ihr, und leicht In der Probe 
bemerkt man's, 

Die mittlere und neuere Komödie der Griechen, welche 
fih auch im Plautus und Xerenz wiederfindet, zeigt ſic 
zwar zahmer als die Ariſtophaniſche, hat aber die großartige 
politifche Bedeutung verloren und erfcheint in Hinficht auf 
die Geſchlechtsverhaͤltniſſe keineswegs wahrhaft fittliher. 
Vielmehr ift alle höhere geiftige Liebe, es find wuͤrdige 
Familienverhaͤltniſſe, wechſelſeitige Hingebung, Bezugnahwe 
auf lebenslaͤngliche Einigung meiſt ganz zuruͤckgedtaͤngt, 
waͤhrend ſchlechte Intriguen und gemeine Liebesgeſchichten 
ſich breit machen und ſelbſt Verbrechen in dieſer Bejie 
bung wicht geſcheut werden. Dies bietet dem Übetgang 
zur Erwähnung ber Hetaͤten, ber geiechifchen Bajaderen. 
Mit Unrecht Haben manche Philologen in ihnen den Dit 
telpunkt und die Krone der geiftigen und leiblichen Bi: 
dung gefehen; umd die Frauen und Jungfrauen als um 
wiſſend, geiſtlos, charakterlos, langweilig und unbedeutend 
dargeſtelt. Gewiß war bei dieſen nicht nur mehr Lu⸗ 
gend, ſondern auch mehr echte Bildung und Übung dei 
Geiſtes. Schwierig wird der Name und ber Werth re 
Aspaßa ſtatt aller bier geltend gemacht. Sie war nichts 
weniger als eine Hetaͤre; fie war nur keine vollburtige 








Athenerin, und fo lebte, nach umfee Weiſe zu reden, ; 
Peritles, bes große Fink der Athenre, mit ibe in einer 
morganatiihen Ehe. Alle die andern Hetaͤren, Laie, 
Phryne, Glycerion und wie fie fonft heißen, werden ims 
mer nur in Bezug ‘auf ihre große koͤrperliche Schönheit 
gerahmt, und was fonft von ihren Anfichten, Urtheilen 







und Einfaͤllen berichtet witd, iſt meiſt ganz flach und uns 
bedeutend. Im Ganzen finden wir, ſowie in neuern 
Zeiten, dieſelben Hoffnungen, Mittel, Zwecke, Freuden 
und Leiden, uͤberall weit mehr Schatten als Licht, und 
zuletzt, ſelbſt fuͤr Lais, nur Noth und Elend. 


Vor Allem wird uͤberall ihre uͤbertriebene Eitelkeit 


und ihr grenzenloſer Eigennutz hervorgehoben und ge⸗ 
rügt.”) Daher ſagt Alexis in einem Luſiſpiele 
Iſt da eine klein von Wuchſe, gig wird ihr Kork in 
u 


b | 

Singefüttert; groß ift jene, dünne Sohlen gibt man ihr. 
Denn es ihr an Hüften fehle, werden Wuͤiſte zugefett. 
Dat bie eine feuerrothe Brauen, malt fie Kienruß ſchwarz; 
Eine andre ift ſchwarz von Barbe, ee freiht man 

efer auf. 
Übermäßig blaß ift jene, ihr reiht man 3innober ein. 
Iſt ein einzelner Theil vorzuͤglich, biefer wird mit Fleiß 


Dat fie etwa fchöne Zähne, muß fr ten früh und fpät 
u. f. w. ** 


In einem andern Luftfpiele des Anarilas heißt es: 
Weiher Menſch in feinem Leben eine Bublerin geliebt, 
Weiß, daß unter allen Wefen keines fo verderblich ift. 
Selchen Drachen, welche feuerfchnaubende Chimaͤra gibt's, 
Melde Charybdis, oder welcher Scylla dreifach Ungethuͤm, 
Belche Sphinz, Harpye, Hydra, ober welche Schlangenbrut, 
Die der Hetaͤren frevle Rotte nicht beiweitem übertrifft? 
Sicher keine! Bor allen Übeln haben fie den Rang voraus. 
Geſichtspunkte oder Bedenken anderer Art werden in Lu⸗ 
cian's Geſpraͤchen erörtert. "**) So ſagt in dem einen 
Ampelis zur Chryfis: „Wenn Jemand, meine liebe Chryfis, 
nicht eiferfüchtig iſt, nicht zuͤrnt, nicht bisweilen um ſich 
fchlägt, die Die Haare abfchneidet oder das Kleid zerreißt, 
fo iſt er fein rechter Liebhaber.” „Wie, Ampelis“, antwortet 
Chryfis, „find Das die wahren Zeichen eines Verliebten ?” 
Ampelis: „Allerdings eine eifrigen Liebhabers. Denn Kuͤſſe, 
Thraͤnen, Schwüre, häufige Beſuche find nur Zeichen ei: 
ner anfangenden Liebe; erſt Eiferfucht ift die volle Flamme. 
Wenn alfo Gorgias eiferfüchtig iſt umd dich ohrfeigt, fo 
frewe dich darlıber und münfche, daß es immer fo bleibe.” 
In einem andern Geſpraͤche fügt Cochlis: „Was kommt 
bei Liebeögefchichten mit Kriegsleuten heraus? Nice als 
Schläge und Händel. Sie geben fich für Generale und 
Dberften aus; wenn fie aber etwas ſchenken follen, fo 
heiße es: Warte bis der Gold ausgezahlt wird, dann ſollſt 
du Alles erhalten. Deshalb weile ich fie ganz ab: mir 
ift jeder Andere lieber, der wenig vom Schmeicheln ver: 
ſteht, aber viel mitbringt. Wenn jene ihre Federbuͤſche 
ſchutteln und von ihren Schlachten erzählen, das, o meine 
liebe Parthenis, ift leeres Geraͤuſch.“ 
Trotz ber zuletzt beruͤhrten Auswuͤchſe und Jrrwege 


*) Plautus, Epid. II, 2; Mercator II, 3 und öfter. 
*) Jacobs, II, 323, 327; Hecyra, I, 1. 
>)" Ermigimoı Aumdayor, VIL, 367, IT. 


Hellas eine Abftufung von ben edelſten bis zu den aͤrgſten 
Grauen finden. So muß «6 fein, wo Freiheit, Sittlich⸗ 
keit, Zurechnung fich entwickeln und geltend gemacht werden. 
Statt des Unbeſtimmten, Chatakterloſen, Verſchwimmen⸗ 
den, ſtatt des wie in einer Form gebildeten Ununterfcheids 
baren, finden wir überall Perfönlichkeit, Individualitaͤt, 


beſtimmtes Denken, Wollen und Handeln. Wie in Kunft, 
Philoſophie und Staat erhält erſt bei den riechen Alles 


fefte Zeichnung, Umeiß und Inhalt, und wie bei den Min: 
nern, fo bei den Frauen. Welche Reihe der mannichfach⸗ 
ſten Charaktere, von Penelope und Antigone, Iphigenia, 
Elektra, Makaria, Evadne, Alceſte bis su Phaͤdra, Medea 
und Klytemneſtra. Und ſeibſt bei dieſen furchtbaren Frauen 
iſt immer nachgewieſen, welcher Faden ſie mit dem Menſch⸗ 
lichen verbindet, oder welche Maͤchte und Ereigniſſe fie in 
die Bahn der Selbfihülfe und Rache fortriffen. Aber 
gerade diefer Triumph des Helleniſchen, dieſe Erfindung 
und hoͤchſte Ausbildung des Perſoͤnlichen, dieſe ſcharfen 
Berhäftniffe in Liebe und Haß mögen dem himmelwaͤrt⸗ 
gefehrten Platon anſtoͤtig erfchimen fein und ihm Ber: 
anlafjung gegeben haben zu feiner Anficht von ben Samt: 
lienverhaͤltaiſſen. Im Allgemeinen, fagt er, find Me Maͤn⸗ 
ner und Frauen zu denfelben Dingen faͤhig, und follen 
deshalb im Ganzen auch auf diefetbe Weiſe erzogen were 
ben, fo insbefondere für Muſik amd Gymnaſtik.) An: 
fangs zwar wird Died Verwundetung erregen, well e6 den 
Gebraͤuchen widerfpricht, wenn junge Maͤdchen und alte 
Weiber nadt mit Männern in den Paläften ringen fol: 
len; doc, gewöhnt man fih an Alles, und «s gab eine 
Zeit, wo man an den nadten Übungen der Männer An: 
flog nahm, bis dies Vorurtheil verſchwand. Man fol 
nichts ſcheuen, was der Natur gemäß und an fih nicht 
böfe ift; die Weiber alfo die Kleider ausziehen, wenn fie 
ſtatt deſſen nur die Tugend anziehen. Es iſt dagegen 
fündlid,, vor und nad einem geriffen Alter Kinder zu 
jeugen und zu gebären. | 

In feiner „Republik“ fodert Platon für den auserwaͤhl⸗ 
ten Theil ſeines Volks, die Hüter (Phylakes) oder den 
Kriegsadel, die Semeinfchaft der Weiber und Kinder. Nur 
auf dieſe Weiſe werde der Beſitz des durch die Seele uns 
bedingt zu behertſchenden Körpers unbedeutend und ber 
Geiſt frei von der darauf gegründeten SHaverei. Mic 
iener Gemeinfhaft nehme ein Ende alle unmaͤnnliche, 
ſchwaͤchliche, eigenliebig ſich vereinzelnde Liebe, ſowie Eifer⸗ 
ſucht und jede daran ſich knuͤpfende böfe Leidenfchaft, und 
flatt deſſen würden mit erweiterter Sreiheit und größerer 
Innigkeit Ale in Alten nur Männer, Traum, Brübder, 
Schweſtern, Ältern umd Kinder fehen. Hiergegen ift, ans 
derer Punkte nicht zu gedenken, Folgendes zu erinnern. 


- *) De Repabl,, V, 217. . 


Zap Merneinſchaft (mine Nie kbecyaupt möglich) wärbs 
at zu altgemeiner Gorsfalt, fondern zu allgemeines 
Dernaclöifigung tähen. Den Kreie ber Meigungen 
die Kräfte das Umfaſſens in Liebe und Thaͤtigkeit, basf 
won nids ins Unbeſtimmte emweiten, ohne daß . tes 
niger als das Natürliche erreicht würde. Wäre aber jene 
Stichheit umd Gemeinfchaft naturgemäß und das Wor⸗ 
zuͤglichere, fo fehlt es an überwiegenden Gründen, fie auf 
eine fireng geſchiedrne Elaſſe von Menfchen zu beſchraͤn⸗ 
ten. Herner it das Beſtreben, fich von allem Koͤrperlichen 


zu loͤſen und jedes darauf bezügliche Verhaͤltntß als gleiche | 
| oder vermerflich darzuſtellen, icrig und beruht auf | 
der falfchen Anſicht von der umbedingten Sklaverei ber | 


Beck, in und duch den Leib. Es gibt eine höhere, ans 
gemeffenere Reinigung und Verklärung biefer Gegenſtaͤnde. 
Die natürlichen Verhaͤltnifſe zwifchen Mann und Weib, 
Dater und Kind find ja nicht hemmend, fondern fördernd; 
wol aber iſt der Sprung in aligemeine Liebe und Einis 
gung fo lauge ein aalto mortale, ald es Perſonen, Indi⸗ 
viduen gibt, Diele Perfönlichleis fegt Platon, um bes 
Staats willen, zu fehr zuräd, und wenn er das Ber: 
haͤlrmiß der Weiber auf jenem Wege zu deſſern meinte, 
fo ierte er nicht minder; denn Staat und Familie fell 
nie gleichgeſtellt oder ineinander aufgelöft werden. Weit 
mehr als. Platon anerkennt Ariſtoteles die Perſoͤnlich⸗ 
keit ſowie die eigenthuͤmlichen Wirkungskreiſe und Tu⸗ 
genden der Maͤnner und Frauen; und wenn er dem 
Manne innerhalb der Familie ein obrigkeitliches Amt zu⸗ 
geſteht, fo ſchließt Dies doch keine übermäßigen Rechte in 
ſich, und es wird der Mann ausdrüuͤcklich angewieſen, ſich 
nicht in Alles zu milden und überall befehlen zu wollen. 
(Der Deſchluß folgt.) 





Burnsim Franzoͤſifſchen. 


Das neuefte Heft des „Horeign quarterly review‘ bes 
Bricht den Verſuch eines Frauzoſen, des Drn. Leon de WBailly, 
Buras’ Gebichte ins Pranzöfsfche zu uüͤbertragen. Gein Buch 
beißt „„Po6sies completes de Robert Burns, traduites de 
P’Ecossais, avec une introduction”. Der englifhe Kritiker 
bemerkt, Hr. de Wailly habe feine Aufgabe „unermeßlich ſchwer“ 
gefunden, und wenigftens jeder Schotte wird das unverſichert 
glauben, denn ſelbſt im Engliſchen verliert die einfache, aber 
ausbrudsoolle Sprechweiſe ber im Niebexlande wohnenden 
Schotten mehr als die Hälfte ihres Reized. Deshalb hat auch 
der Seangofe ſich nicht an eine freie Überfegung gewagt, fondern 
die feinige möglichft wörtlich gehalten. ‚Und gewiß”, fagt ber 
Keititer, „hat er nicht vergebens gearbeitet. Wird durch ihn 
nur ein Einziger feiner Landeieute befähigt, das geimude Aroma 

koſten, das bie Lieder eines ehrlichen Natınfopas umweht, 

* hat er Gutes gethan. Der Geſchmack wird um ſich greifen.“ 
As Probe von Hrn. de Wailly's Verfahren duͤrfen wir darauf 
binmeifen, wie treu er bie phantafiereihe Stelle in „Tom 
OÖ’Shanter” wiebergegeben hat, die ſich anfängt: ‚For pleasures 
are like poppies shad”: 

Mais les plajsire sont des purets qu'en eneilie, 

Vons saieissoz la fleur, elle s’sfiauille; 

Ou bien encore fiocons de neige au Slot, 

Ua instant blauche — et fondaut aussiiöt; 





Du kim. .ausel .anironi : Bbedeier . 
Qu’on vont menteme et ui n'anfpie. ayaptn. 
Ou lare- en -ciel & V’erage sondant, 
Sa forme aimable, et qui dans air s'oxkale — 
Nul bras mortel ne suuralt reten ir 
Temps ni marde; il fand deu voreaik, 
As eine zweite Probe hat ber Kriliker die Überfegung vet 
Liches gewählt: „My wiies a winsome wos thing’, woye 
bier nur zwei Strophen: 
C’est une charmante petite ordature, 
C’est une belle petite creature, 
C’est une jolie petite erdatare, 
Que ma chöre petite femme. 
Nous partageons lee tracas da monde, 
Sos luttes ot ses noucis; 
Avce elle, ja lan supporterai Joysusement 
Et eseirei mon let divie. 
In diefer Probe verdient — mit Erlaubniß bes Kritikers — 
der Ruth des Tiberfegers mehr Anerkennung als ber glädtie 
Erfolg Kein Schotte wird das „‚charmante petite creature" 
für „winsome wee thing“ ohne Lachen leſen, es Tefen, ohne « 
groteſsk⸗ amuſant zu finden Wahr ift jedoch, daß der ſchottiſche 
rg fih in keiner Weife frangöfiren ober auch englifen 





Notizen. 


Der Iheaterreferent des „Journal des debats” veriehkt 
bem Théatre francais wo er kann einen Dieb. Da neulich ein 
Städ von Eugene Sue und Dinaur „Latreaumont” mie 
aufgenommen wurbe, benupte er bied zu eimem neuen Angrif 
„Ss ift eine feltene Ehre“, fagt er, „bie einem Stuͤck wir 
fährt, wenn es nad zweijaͤhriger Ruhe, wie das mit dem ‚La 
treaumont * ber Fall tft, wieder auf die Breter gezogen min. 


Ein Verf., der fo etwas erleben will, hat nichts zu thun, hr 


fi) inzwiſchen populair zu machen. Erregt bie 

der Menge, macht ihr Grauen, fehreibt ein Werk, das die Ib 
bafteften Sympathien erwedt und ben Iebhaftefien Zom wire 
euch ervegt, zieht gegen bie Feuilletons ber Pairsfammer und 
die Journale der Deputictenlammer zu Zelbe (dies gebt arf 
Eugene Sue und feine ‚ Dipfterien‘), augenblicklich wird de 
Theätre frangais, das fein großer Abvocat iſt, bes Théaut 
francais, das fein großer Prophet ift, bei füch ſprechen: ‚Ahr 
es will mir fcheinen, daß ich cin Schaufpiel von biefem Menſchen 
liegen babe, von dem fo viel Rumor gemacht wird‘, und huſch 
bringt das wiwbige Ihexter dieſes Stuͤck an das Sicht, das 
felbft ſchon lange vergeſſen hatte. Und bie Menge ihrerſeit. 
die panurgifche Menge, wie kann es anbers fein, fie lieft bien 
Ramen auf bem Zettel, fie Tann der Gewalt des Namens, ba 
fie fetoft gemacht bat, nicht widerſtehen. 
Romanſchreiber hat uns vorgeſtern mitten In einem ſchrecklichen 


Capitel figen Infien. Wir mäffen wieder drei Zage warten, ce 


wir erfahren, mas aus biefem armen Germain wird! Dei 
Zage, das ift viel! Und einſtweilen gebt die Menge m 
Theätre francais und fieht, faute de mieux, den ‚Laträu 
mont‘. 


Die Baubevitliften machen ſich Altes zu Nute. Kaum 
baben die „Petises miseres” von Geaubuflle (die ja auch in 
deutſchem Gewande vor dem beutfchen Publicum aufgetretes 
find) alle Welt beluſtigt, ſo gibt man im Waubenilletheater ra 
neues Vaudeville in einem Act von M. Clairville „Les petites 

de la vie humaine”. Wird ſich die grande misre 
unferer deutſchen Buͤhnenrepertoire nicht bald mit dirfen „pe 
eicheen ? #8. 


tites misdres’’ berei 


Verantwortlicher Herausgeber: Arlurih Broackha us. — Drud und Verlag von F. U Brockhaus m Leipzig 





Guter Gott! der 








Bıdfter 


literariſche Unterhaltung 
Donnerstag, \ — Kr. 5, 


Zur Geſchichte des weiblichen Geſchlechts. 
¶ Beſchlas aus Nr. 2.) 


Gtrenger als bei den Griechen tritt die Herrſchaft des 
Mantes in der Familie bei den Mömern hervor. Durch 
gewiſſe Formen ward die Frau ganz der Gewalt des 
Mannes übergeben und er konnte fie behandeln wie ein 
Bater fein Kind. Nun gab’ aber diefe Gewalt in gewif: 
fen Faͤllen das Recht über Leben und Tod der Frau, ins: 
befondere der Ehebretherin, während fie den ehebrechenden 
Mann nicht mit einem Finger anruͤhren dürfe. Gleich: 
mäßig tar die Stau beſchtaͤnkt bei Verhandlungen vor 
Gericht, forte Hinfichtlich Ihres Vermoͤgens, Erwerbens, 
Teſtirens u. f. w. Die diefem Ernſte des Lebens und 
diefer ſttengen Ordnung dei Haustvefens fteht die Natur 
und der Ruhm der römffchen Maättonen in wefentlidiern 
Zufammenbange, und wenn auch die Dithtkunſt fie wenẽ⸗ 
ger verherriſcht hat, fo ſpricht doch die Geſchichte von Taͤ⸗ 
naquit, Goͤtln, Lucrezia, Virginia, Veturia, Volumnia, 
Portia, Gornelia. Binnen 320 Jahren, wird behauptet 
und gerühmt, habe keine Eheſcheidung in Rom flattge: 
funden; do wird dieſer Ruhm glücklicher, nie geftörter 
Chen rede aͤls zivelfelhaft, wenn wir die undebifigte Herr: 
ſchaft des Mannes erwägen und einige andere Berichte 
daneben ſtellen. So etzaͤhlt Livius (VIH, 18) zum Jahte 
423 der Stadt: Unter dem Conſulate des Claudius Mar⸗ 
Aus md C. Valetius flach eine große Zahl angeſehener 
Maͤnner füft unter denſelben Anzeichen und Umfländen. 
Man ſchrirb dies einer anſteckenden Krankheit Ju, bis eine 
Magd der Ädil Q. Fabius Marimus die Anzeige 
machte: fl? wolle den wahten Grund angeben, wenn man 
ine Sicherhett verfpreche. Dies gefhah und jene ſagte 
aus: daß die Frauen ihre Männer mir Gift unibraͤchten! 
Man fand an’ 20 Matronen, daruntee Pattizierinnen, 
mit dent Kochen oder Brauen eines Getränke beſchaͤftigt, 








12. October 18438. 









ſim ausgelegt; und in der That FE der Hetgäng für pe 
woͤhnliche Berbäitniffe and aus gewoͤhnlichen Gtunden nt 
zu erklären. 

Im Vergleich mit ſolchen Verbreihen und den wilden, 
umatuͤrlichen Ausſchweifungen, weihe bei den geheimeh 
Bacchanallen begangen und entdedit wurden, iſt ein ans 
derer Wreridyt Über Putz und Kleidung der Sraum (Liv, 
XXXIV, 1) nur heiterer Art. Der Zribun Opplus hatte 
mährend der Bedrängniß bes zweiten: Punifchen Kriegs eine 
Verordnung bucchgefegt: kein Frauenzimmer folle at th: 
ee Kleidung Aber eine halbe Unze Goldes und kein bun— 
te8 Gewand tragen, auth in Rom oder in der Nähe der 
Stadt ſich keines Wagens bedienen. Zwanzig Jahre nad 
afluns diefed Gefeges trugen einige Tribunen auf Ab⸗ 
ſchaffung deffefber a, waͤhrend andere ſich für die fernere 
Beibehaltung etkolrten. Das Capitol (erzaͤhlt Lwius) 
ward vom Freunden’ und Gegnern des Geſches angefülli. 
Die Brauer ließen ſich weder durch den Gebrauch nöch 
duch Scham, noch buch Befehl ihrer Maͤmnet int den 
Häufern feſthalten. Sie befegten alle Straßen, die jur 
Forum führten und baten die ſich dabin begebenden‘ kit: 
ner: dieſe möchten jest, wo der Staat bluͤhe and der 
Velchthum jedes Eititiatn ſich täsfich write, den Matro: 
ten: Ihe alten. Schmuck wieder oben. -: Mich bie Car 
fait, Prhtoven und andere Magiſtrattperſonen wurden An 
aͤhtilicher Weile Yon Ihnen angegangen. Am: ernfteſten 
widerfprach der Conſul M. Portius Cato Dee Abſchaffug 
jenes Aufwandsgeſetzes. „Wenn jeder Mann“, Tagtb er un: 
tee Audermi, ‚fein Recht und Unfehen bei ſeinet eigemn 
J Yeau dufcecht zu halten: wüßte, haͤtten wie nidhe fo Wet 
nit allin Frauen auf eimmal zu thun. Seltdem aber 
unfere Freiheit im Haufe duech weibliche Hrerrſchfircht be⸗ 
ſtegt iſt, wird fie auch auf dem Fotum vernichtet und 
mit Fuͤßen getteten, und weit wir die Einzelnen nicht in 
Dednung zu halten wiffen, fürchten tie uns vor Allen. 
deſſen Schaͤdlichkeir jedoch zwel der Etgriffenen Correlia | Wenndie Weiber dies darchſezen, was werden fie nicht 
und Serhtia, pattizifher Abkunft) Ieugneten. Der Nic: verlangen? Gewiß die Auſhebung alles Deſſen, woduecch 
ter foderte nunmehr: fie ſollten, zum Beweiſe der Wahr: | unfere Votfahren se Willkickt gebändigt “md. fe’ -ben 
heit ihrer Ausſage, davon trinken Nach kurzem Ihren | Männern unterworfen haben. Sobald fie und gleichte⸗ 
etlaubten Geſpraͤche mit den übrigen Angeklagten, befchlofs | ftefit find, welden Me--Lbes uns Yinauswadhfeh,' und ve⸗ 
fen Alte, die angebliche Arznei zu triaken, und Alle flar: | 'Yerfehen and den Hauoſtand, ja den Staat durch immet⸗ 
ben bald darauf..: An 170 wurden ats Giftniifheritinen ‘| dar fleigende Üppigkeit und Verfchwendung zu Grunde rich: 
verurtheilt und die Sache als Hr’ Wunder oder Wahn: '| ten. Weh dem Manne, er mag ſich erbitten oder "Richt 


2 


9 442 ‘ 


erbitten laſſen, denn was er nicht hergibt, werden bie 
Weiber von andern Männern zu erhalten wiffen. ” 

Der Trivun Lucius Valerius fuchte in feiner Ants 
wort darzuthun, daß jenes im unglüdlicher Kriegszeit ers 
laſſene Gaſetz jest —3 ſei und vertheidigte die Frauen 
wegen ihrer natuͤrlichen Wuͤnſche und Beſtrebungen. „Putz, 
Schmuck und Aufwand”, ſagte er, „find die Abjeichen, 
die Inſignien des weiblichen Geſchlechts: daran erfreuen, 
deren rühmen fie fi, weshalb unfere Vorfahren dies At 
les die Welt der Weiber nannten. Sie wuͤnſchen, daß 
ihr Aufwand mehr von Euch, den Männern, ald vom 
Geſetze abhange, und je mehr Ihr vermöget, deſto gemäßig: 
ger follt Ihr Eure Herrfchaft geltend machen.” 

Am nächften Tage war der Andrang der Frauen noch 
größer: fie umlagerten bie Thuͤren der widerfprechenden 
Tribunen und gingen nicht eher von der Stelle, bis auch biefe 
einwilligten, worauf die Abfchaffung des Gefeges von al: 
len Tribus ausgefprochen ward. Gewiß ließen ſich viele 
frühere, einfache Sitten und Gefege in dem weltbeherr⸗ 
chenden Rom nicht fefthalten; die hier bevorftchenden Ges 
fahren Hatte indeß ber Ältere Cato richtig vorausgefehen. 
Deshalb fagte der Cenfor Metellus Numidicus in einer 
fpäter gehaltenen Rebe: ‚Könnten wir, o ihr Quiriten, obne 
Meiber leben, fo hätten wir alle diefe Noch nit. Da 
ed nun aber die Natur fo eingerichtet hat, daß wir mit 
ihnen nicht bequem, ohne fie aber gar nicht leben können: 
fo müflen wir mehr auf bauermdes Heil als auf vorüber: 
gehendes Bergnügen Rüdficht nehmen. ‚Die Natur‘‘, bes 
merkt Golumella in der Einleitung des zwölften Buche 
feines Werks Über den Landbau, „hat die Frau gebildet 
für Häusliche Sorgfalt, den Mann für öffentlihe und 
kriegeriſche Geſchaͤfte. Ehrfurcht vertrug fi fonft mit 
Liebe; man fah im Haufe nichts Getrenntes, keine Spal- 
tung. In neuerer Zeit hat Lurus und Genußſucht die 
Bande gelöft und dem alten, ehrwuͤrdigen, thätigen Le: 
ben der Matronen ein Ende gemacht.“ *) 


Bon ber Hauptfladt verbreitete ſich das Übel auch über 


bie Landſchaften. Zum Theil deshalb machte Säcina (Tac., 
Ann., II], 33) den Antrag: «6 folle kein Beamter feine 


Frau für die Zeit feines Auftrags mit in die Provinzen 


nehmen duͤrfen. Denn (hieß es) das weibliche Geſchlecht 
iſt nicht blos ſchwach und den Anfttengungen nicht gewach⸗ 


fen, fondern, wo «8 frei fteht, auch wild, ehrgeizig und nach | 


Macht begierig. Sie miſchen fih in alle Geſchaͤfte und 
segieven (nach Aufhebung befchräntender Gefege) die Häu- 
fer, das Forum und die Heere. 
nmd zeigte, dag Ausnahmen feine Regel bildeten und Ehe: 
loſe fich nicht beſſer benähmen als Verheirathete. ‚Wer: 


geblich“, fügte er hinzu, „‚uchen wir unfere Schuld durch 


andere Namen und Vorwaͤnde zu bedecken: denn es ft 
Die Schuld de6 Mannes, wenn bie Frau das Maß über: 
ſchreitet, und mit Unrecht wil man um der Schwäche 
des Einen oder des Andern mwilln alle Männer der Ge: 
noſſenſchaft Ihrer Frauen in guten und böfen Tagen 
berauben. Man fol das von Natur ſchwaͤchere Geſchlecht 


®) Gelliws, I, 6, 


Meffalinus voiberfprac 





nicht eigenen Wuͤnſchen und fremden Begierden uͤberlaſſen 
Kaum bleibt bie Ehe bei ſteter Aufſicht umverleht; was 
wuͤrde nun bei jahrelangen Trennungen, beim Zuruͤdlaſſen 
in einer verderbten Hauptſtadt entſtehen?“ 

Aus dieſen und aͤhnlichen Gründen 3 obiger An 
trag verworfen; auch wurzelten bie übe I tiefer, o@ 
daß fie durch fo einfeitige Maßregeln konnten vertilgt wer: 
den. Ebenſo wenig halfen Gefege, wie die lex Papia 
Poppaea, melde durch Belohnungen und Strafen zum 
Heirathen anhalten und von genußfüchtigem Hageſtohen 
leben abfchreden follte. Die Scyeibungen nahmen hin: 
gegen fo Überhand, daß, wie Seneca fägt, manche berühmte 
und vornehme Frau die Zahl ihrer Jahre nicht nad) den 
Confuln, fondern nad) ber Zahl ihrer Männer betechnele. 
Nicht minder wird geklagt, daß vornehme Frauen von 
Senatoren ſich nicht entblödeten, an den Kampffpielm in 
ber Arena Theil zu nehmen; und in der That war Das, 
was bei den Griechen aus heiterer Kuͤhnheit und jugent: 
lichem Schoͤnheitsſinn hervorging, bei den fich überleben: 
den Römern und Römerinnen nur Folge der Überreiiung 
und Zuchtlofigkeit. **) 

Die YAusartung hatte gleichermaßen beide Geſchlechte 
ergriffen, und aus Boͤttiger's „Sabina, ‚oder die Römern 
am Pustifche” kann man erfehen, wie die Frauen übe 
das rechte Maß des Natuͤrlichen und Echönen hinam 
in lächerlich, ja ekelhafte Eitelkeiten geriethen, und alkı 
echte Inhalt des Lebens über die flete Befchaͤftigung mit 
ber äußern Oberfläche verforen ging. An Rügen jeglicher 
Ausartung fehlte es nicht (fo im Salluſtius, im Hoc) 
aber die Verderbniß war zu allgemein und jegliches Wit 
tel Dagegen nur kraftlos. ***) Am bitterften ſpricht Jude 
nal in der fehsten Satire über die Fehler, ja Verbtechen 
der Weiber: Putzſucht, Verſchwendung, Schuldenmagın, 
Herrſchſucht, Zankſucht, Jaͤhzorn, Graufanikeit gegen Die 
ner und Dienerinnen, Unkeuſchheit, Liebestraͤnke, unterge 
ſchobene Kinder, Nacäfferei fremder Sitten, Gebrauh 
fremder Sprache, Vielwiſſerei, hochtrabendes Gerede, fab 
[he Gelehrſamkeit, Aberglauben, Umgang mit Juden und 
Chaldaͤern, Überfhägung von Prieftern, Sängern un 
Virtuoſen. 
, Sehr natuͤrlich und mit großem Rechte erklaͤrte ſih 
ein ſo ernſter Kirchenvater wie Tertullian gegen alle eitels 


weltlichen Dinge, gegen Überfchägung der Schoͤnheit, Pur 


ſucht, ſchlechte Moden, Vernachläffigung des Geiftigen und 
dergleichen. +) Wie es aber zu gehen pflege, überfchreitet 
er in feinen Widerfprüchen auch das rechte Maß und fit 
Lehren und Foderungen auf, deren einfeitige Strenge eben 
nur aus einer einfeitigen, ungenügenden Anfiht und Auf 
faffung des Chriſtenthums hervorgeht. Wozu Chin: 
beit!” ruft er aus, „‚fie ift ganz umnüg oder zulegt nur 
für Gebrauch und Zweck der Unkeufchheit. Will ein Chrif 
ſich feines Leibes freuen, fo fol er es allein thun übe 
einen durch Bußen abgehärteten und abgemagerten Lei. 


*) De Benef., III, 316, 

”*) Tac., Ann., XV, 32; Saet., Domit., 4. 
**%) Sallust., Catil., 25; Hor., II, 6. 

+) De cultu feminarum, _ 








210 


Juden ihr mm Leib aͤndern, umgeßalten, verſchaͤnern 
wollt, fo wollt ihe Gottes Werk ve ihr verbammeb 
das Werk des allmächtigen und allweiſen Schöpfers! Dazu 
treibt auch lediglich der Satan! Schaͤmen ſich nicht jegt 
mandye Gcwarkhanrige ihres Vaterlands, möchten blond 
fein, roie die bdeutfchen Weiber und fegen auf ihr durch 
die Taufe geweihtes Haupt Perüden von Leuten, die viel: 
leicht die Araften Lumpenkerle und zum Hängen veruetheift 
waren. Wo trage ihe ferner bunte Kleider? Glaubt 
ihr, dab Bott das Färben ber Wollte Iehrte? oder daß 
er bei der Schöpfung vergaß, rothe und blaue Schafe zu 
erfchaffen? Haͤngt in eure Ohren das Wort Gottes und 
um enern Hals das Joch Chriſti. Unterwerft euch euern 
Maͤnnern und ihr feid genug gepußt; haltet eure Beine 
zuruͤck in enern Häufern, denn hierdurch fhmädt ihr fie 
mehr als wenn ihr fie mit Golde bededt. She follt nur 
euern Männern gefallen; und dies werdet ihr in dem 
Maße mehr, als ihr euch Mühe gebt, Andern zu misfal: 
lien. Es ift ein Laſter, wenn die Männer den Frauen 
und die Frauen den Männern gefallen wollen.“ 

Wie die germanifch=chriftlihe Welt diefe Anfiche reis 
nigte und verflärte, wie die mohammedaniſche in fchwere 
Irrthümer zurüdfant, mag ich um fo weniger darzuſtellen 
verfuchen, da ich befürchten muß, daß man mein Beſtre⸗ 
ben, Beifall zu gewinnen, wenn aud) nicht mit Tertullian 
laſterhaft fchelten, daffelbe doch für mislungen erklären 
werde. 36. 


Politiſche Poefie. 


Bei uns hat der Name „Politiſche Poefie” nun ſchon fo viel 
Lärın gemacht, ein Name, der, wenn er Überhaupt etwas bes 
deutet, gewiß nur Das bedeuten kann, daß der Dichter feinen 
Stoff flatt unter den Angelegenheiten bes Herzens und des 
Privatiebens, ſich unter den Angelegenheiten des Volks und des 
öffentlichen Lebens wählte. So ift, die Sache nichts Neues. 
Genug, bei uns ift fo viel unnäger Lärm darüber entflanden, daß 
es eine Art Satisfaction ift, zu fehen, wie unfere Nachbarn 
jenfeit des Rheins diefelben Steddenpferbe reiten. Gin Herr Bels 
montet bat eine Sammlung Inrifcher Gedichte erfheinen laſſen 
ımter dem Xitel „Les deux régnes“. Unter den „beiden 
Reichen” ift zu verftehen die Napoleonifche Herrſchaft und bie 
Regierung Ludwig Philipp’s, bie der Dichter abwechſelnd feiert, 
uefprünglich ein begeiftertee Bonapartift, dann aber auch ein 
Bewunderer des Julikoͤnigthums, das er als eine würdige, 
großartige Fortfegung des zum Ruhme ber Sranzofen unter der 
Eaiferlichen Agide begonnenen Werts anfieht. Das find nun 
Gedichte, wie es ſchon unzählige andere gibt, der Wahl der 
Gegenftände und der Form nach, und fie follen ihrem Recenfeuten, 
dem Hrn. Flenry zufolge, Thon und echt Inrifch fein; aber in 
der Borrede nimmt Herr Belmontet einen großen Anlauf, ber 
Poefie ein neues Gebiet zu erobern, ihr, wie er fi ausdrückt, 
einen Platz in der conftitutionnellen Vertretung der Nation zu 
ertämpfen, fie politifch zu machen. Alſo c’est tout comme chez 
nous. Zum @tüc ift diefes abſonderliche Beftreben nirgend ale 
in der Vorrede, in den Gedichten felbft nicht, anzutreffen. „Wenn 
alle Genres‘, fagt Herr Fleury, „erlaubt find, außer dem genre 
eunuyeux, fo darf ber Poefie Fein Stoff unterfagt fein, außer 
die Politik. Die Politik, ernſtlich genommen, ift die Wiffenfchaft 
oder die Kritik des Regierungsweſens, die Praxis ober die Die: 
cuffion der Öffentiichen Angelegenheiten. Das Alles laͤßt ſich 
nicht idealifizen. Poeſte und Politik vertragen ſich nicht mils 
einander. Den einzigen Berührungspunft haben fie in der por 








litiſchen Satire. Gew Selmontet bat.ni Andeyet 

als was vor Ihm —X8Sæ8 J. B. Fe en 
thaten; dieſe Alle haben ebenfo wenig als er bie polltiſchen 
Parteihändel ihrer Zeit, bie diplomatiſchen Unterhanblungen, 
bie Kammerbebatten, bie Verfügungen u. dgl. in Verſe gebracht, 
fle haben nur Gegenſtaͤnde von allgemeinem Jutereſſe, &reignife 
ber Zeit, Stimmungen des Volks ſich zu eigen gemadjt unk 
im bichterifcher Weiſe wiedergegeben. Die Poefte ift unparteiifc, 
erhaben über die kleinlichen Leidenſchaften des Tags, wie bie 
Eeſchichte; wie Die Befcyichte, weiche das Wergangene in feiner 
Wahrheit erfaffen und darflellen foll, fo fie, die Poeſte, weiche 
das Gegenwaͤrtige in feiner Idealitaͤt ergreifen ſoll.“ 78. 


Biblisgraphie. 


Adami, F., Gonnenblumen. Almanach hiſtoriſcher und 
moderner Novellen für 1844. 5ter Jahrgang. Berlin, Behr. 
8. 1 Thir. 10 Nor. branng Behr 

Die Attribute der Heiligen alphabetisch geordnet. Ein, 
Schlüssel zur Erkennung der Heiligen nach deren Attribu- 
ten, in Rücksicht auf Kunst, Geschichte und Cultus. Nebst 
einem Anhange über die Kleidung der katholischen Welt- 
und Ordensgeistlichen und einem Namen - Register der vor- 
kommenden Heiligen. Hanover, Hahn, Gr. 8. 1 Thir. 10 Ngr. 

Banblin, J. B., Peſtalozzi, feine Zeit, feine Schick 
[ale und fein wöicten. Cine eseift für Freunde der Menfdyens 
idung un rberer einer beſſern Zukunft. a 
Brodtmann. F 20 Nor. ſſern Zukunſt. Sch ſhauſen, 

Barth, K., Teutfchlands Urgeſchichte Ater Theil. 2te 
ganz umgearbeitete Auflage. Erlangen, Palm und Ente 8, 
1 hir. 25 Nor. 

Beheim’s, M., Buch von den Wienern. 1462 — 1465. 
Zum erstenmal nach der Heidelberger und Wiener Hand- 
schrift herausgegeben von Th. @. v. Kardjan. Mit Facsimile 
und „ovenbeilage, Wien, Rohrmann. Lex.-8, 4 Thir, 

er. 

Benedir, R., Die Sonntagsjdger, Driginaltufffpiel in 
3 Acten. —— Beier. * 12. X Nor. 8 rip 
— — Das bemooste Haupt, ober der lange Sfrael. Schau⸗ 
fpiel in 4 Acten. Wefel, Beer. 1840. Gr. 3. 22! a 

Bergmayr, I. F., Krieges und Marine s Berfaflun 
des Kaiferthums Öferreic. Ifter Theil. Wien 1842, Gr. 8. 
2 Thlr. 10 Nor. 

Bericht von ber bunbertjäbrigen Jubelfrier der Gemeine 
Gnabenfrey im Ianuar d. 3. 1843. Breslau. 8. 10 Nor. 

Beihoren, A., Pia vota in Betreff der Regeneration 
F esangelifihen Landesfirche in Preußen. Halle, Lippert. 8, 

2 i88. 

Beschreibung der Stadt Rom von E. Platner, C. Bun- 
sen, E. Gerhard, W. Röstell und L. Urlichs. ter Band. 
Ste und letzte Abtheilung: Das Marsfeld, die Tiberinsel, 
Trastevere und der Janiculus. Mit einem Plane des alten 
Marsfeldes, Stuttgart, Cotta. 1842. Gr. 8. 4 Thlr. 
—— B., Geiftes 

leicher, B., Geiſtesfunken zur Entflammung fuͤr Frie⸗ 
ben, Wabrheit und Recht, in Haus, Kirche und Staat. in 
Katholiken und Proteftanten. Um, Stettin. 8. 1 Thlr. 5 Nar. 

Bülow s Summeromw, Über Preußens landſchaftliche 
Grebitvereine, bie Reformen, deren fie bebärfen und über ein 
richtiges Syſtem ber Boden -Nugung und Schaͤtung. Berlin, 
Beit und Komp. Gr. 8. 236), Nor. 

Bürd, A., Magellan oder die erfte Reife um bie Erbe. 
Rad) den vorhandenen Quellen bdargeftellt. Mit Magellan’g 
Bildniß. Leipzig, Tauchnig jun. 1844, 8. 1 Thir. 

Subitres, Frau v., Hector von Golden. erfegt von 
gannv Zarnow. Zwei Theile. Leipzig, Kollmann. 8. 

Thlr. 75 Nor. 

Dedekind, J. L. u, Abriß einer Geſchichte des 

rechts und feiner Bearbeitung in ſaͤmmtlichen Staaten Guropas, 





Y e 
erbitten laflen, denn was er nicht hergibt, werden bie 
Weider von andern Männern zu erhalten wiſſen.“ 

Der Tribun Lucius Valerius fuchte in feiner Ant 
wort darzuthun, daß jenes in unglüdlicher Kriegszeit er: 


laffene Geſetz jegt 3— ſei und vertheidigte die Frauen 


wegen ihrer natuͤrlichen Wuͤnſche und Beſtrebungen. „Putz, 
Schmud'und Aufwand”, ſagte er, „find die Abzeichen, 
die Infignien des weiblichen Gefchlechts: daran erfreuen, 
deren rühmen fie ſich, weshalb unfere Vorfahren dies Al: 
les die Welt der Weiber. nannten. Sie wuͤnſchen, daß 
ihr Aufwand mehr von Euch, den Männern, ald vom 
Geſetze abhange, umd je mehr Ihr vermöget, defto gemaͤßig⸗ 
ter ſollt Ihr Eure Derrfchaft geltend machen.” 

Am nächften Zage war der Andrang ber Frauen noch 
arößer: fie umlagerten bie Thuͤren der widerfprechenden 
Tribunen und gingen nicht eher von der Stelle, bis auch biefe 
einwilligten, worauf die Abfchaffung des Gefeges von al: 
len Tribus ausgefprochen ward. Gewiß ließen ſich viele 
frühere, einfache Sitten und Gefege in dem weltbeherr: 
fchenden Rom nicht fefthalten; bie hier bevorftehenden Ge: 
fahren batte indeß der Ältere Cato richtig vorausgefehen. 
Deshalb fagte der Cenfor Metellus Numidicus in einer 
fpäter gehaltenen Rede: ‚‚Rönnten wir, o ihr Quiriten, ohne 
Weiber leben, fo hätten wir alle diefe Noch nicht. Da 
ed nun aber die Natur fo eingerichtet hat, daß mir mit 
ihnen nicht bequem, ohne fie aber gar nicht leben können: 
fo müffen wir mehr auf dauerndes Heil als auf vorüber: 
gehendes Dergnügen Rüdfiht nehmen. „Die Natur‘, bes 
merkt Golumella in der Einleitung des zwölften Buchs 
feines Werts über den Landbau, „hat die Frau gebildet 
für häusliche Sorgfalt, den Mann für öffentlihe und 
£riegerifche Geſchaͤfte. Ehrfurcht vertrug fich fonft mit 
Liebe; man fah im Haufe nichts Getrenntes, feine Spal: 


tung. In neuerer Zeit hat Lurus und Genußſucht die 


Bande gelöft und dem alten, ehrwuͤrdigen, thätigen Re: 
ben der Matronen ein Ende. gemacht.” *) 


Von der Hauptfladt verbreitete ſich das Übel auch über 


bie Landfchaften. . Zum Theil deshalb machte Caͤcina (Tac., 


‘Ans,, III, 33) den Antrag: «6 folle kein Beamter feine 
Frau für die Zeit feines Auftenge mit in die Provinzen 


nehmen dfirfen. Denn (hieß es) das weibliche Gefchlecht 
iſt nicht 08 ſchwach und den Anſtrengungen nicht gewachs 
fen, fondern, wo es frei ſteht, auch wild, ehrgeizig und nad) 
Macht begierig. Sie milden fih in alle Befchäfte und 
segieren (nach Aufhebung befchräntender Gefege) die Hau: 
fer, das Forum und die Deere. Meſſalinus widerſprach 
md zeigte, daß Ausnahmen eine Megel bildeten und Che: 
loſe ſich nicht beſſer benaͤhmen als Werheirathete. „Ver⸗ 


geblich“, fügte er hinzu, „ſuchen wir unfere Schuld durch 


andere Namen und Vorwaͤnde zu bedecken: denn es iſt 
die Schuld des Mannes, wenn die Frau das Maß uͤber⸗ 
ſchreiget, und mit Unrecht will man um der Schwaͤche 
des Einen oder des Andern willen alle Männer der Ge: 


npffenichaft ihrer Frauen in gutem und böfen Tagen | 


berauben. Man fol das von Natur ſchwaͤchere Geſchlecht 
9 Gellius, I, 6, 





yo 


nicht eigenen Wuͤnſchen und fremden Begierden überfaffen 
Kaum bleibt die Ehe bei ſteter Aufſicht unverletzt; was 
toürde nun bei jahrelangen Trennungen, beim Burkdiaffen 
in einer verderbten Hauptſtadt entftehen? 

Aus dieſen und aͤhnlichen Gründen ward ghiger As 
‘trag verworfen; auch wurzelten bie Übel viel tiefer; als 
daß fie durch fo einfeitige Maßregeln konnten’ vertilgt wer: 
ben. Ebenſo wenig halfen Gefege, wie die lex Papia 
Poppaea, welche duch Belohnungen und Strafen zum 
Heirathen anhalten und von genußſuͤchtigem Hageſtoizen⸗ 
leben abfchreden follte. Die Scheidungen nahmen hin: 
aegen fo überhand, daß, wie Seneca fügt, manche berühmte 
und vornehme Frau die Zahl ihrer Jahre nicht nad) den 
Conſuln, fondern nad) der Zahl ihrer Männer berechnete. *) 
Nicht minder wird geflagt, daß vornehme rauen von 
Senatoren ſich nicht entblödeten, an den Kampfſpielen in 
der Arena Theil zu nehmen; und in der That war Das, 
was bei den riechen aus heiterer Kuͤhnheit und jugend: 
lichem Schönheitsfinn hervorging, bei den ſich überleben: 
den Römern und Römerinnen nur Folge der Überreizung 
und Zudhtlofigkeit. **) 

Die Ausartung hatte gleichermaßen beide Gefchlechter 
ergriffen, und aus Boͤttiger's „Sabina, oder die Römerin 
am Pustifche” kann man erfehen, wie die Frauen über 
das echte Maß des Natüurlichen und Schönen hinaus 
in lächerfiche, ja ekelhafte Eitelkeiten geriethen, und aller 
echte Inhalt des Lebens uͤber die ſtete Beichäftigung mit 
ber äußern Oberfläche verioren ging. An Rügen jeglicher 
Ausartung fehlte es nicht (fo im Salluſtius, im Horaj) 
aber die Verderbniß war zu allgemein und jegliches Mit: 
tel Dagegen nur kraftlos. **) Am bitterften fpricht Juve⸗ 
nal in der fechsten Satire Über die Fehler, ja Verbrechen 
dev Weiber: Pupfucht, Verſchwendung, Schulbenmachen, 
Hertſchſucht, Zankſucht, Jaͤhzorn, Grauſanikeit gegen Die 
ner und Dienerinnen, Unkeuſchheit, Liebestraͤnke, unterge⸗ 
ſchobene Kinder, Nachaͤfferei fremder Sitten, Gebrauch 
fremder Sprache, Vielwiſſerei, hochtrabendes Gerede, fal⸗ 
ſche Gelehrſamkeit, Aberglauben, Umgang mit Juden und 
Ehaldaͤern, Überſchaͤzung von Prieſtern, Saͤngern und 
Virtuoſen. 

Sehr natuͤrlich und mit großem Rechte erklaͤrte ſich 
ein ſo ernſter Kirchenvater wie Tertullian gegen alle eiteln 
weltlichen Dinge, gegen Überfhägung der Schoͤnheit, Putz⸗ 
fucht, ſchlechte Moden, Vernachläffigung des Geiftigen und 
dergleichen. 7) Wie 08 aber zu gehen pflege, uͤberſchreitet 
er in feinen Widerfprüchen auch das rechte Maß und ſtellt 
Lehren und Koderungen auf, deren einfeitige Strenge eben 
nur aus einer einfeitigen, ungenügenden Anſicht und Yufs 
faſſun des Chriſtenthums hervorgeht. Wozu Schoͤn⸗ 
heit!” ruft er aus, „ſie if ganz unnuͤtz oder zuletzt nur 
für Gebrauch und Zweck der Unkeufchheit. Wil ein Chriſt 
ſich ſeines Leibes freuen, ſo ſoll er es allein thun uͤber 
einen duch Bußen abgehaͤrteten und abgemagerten Leib. 


*) De Benef., III, 16,  - 

”*) Tac., Ann., XV, 32; Suet., Domit., 4, 
*#*) Sallust,, Catil., 255 Hor., III, 6. 

7) Do cultu feminarum, , . 











1149 


Indem ihe mern Lelb Andern, umgeßalten, verfchänern 
wollt, fo wollt ihe Gottes Werk verbefiern, ihr verdammt 
das Werk des allmaͤchtigen und allweifen Schöpfers! Dazu 
treibt auch lediglich der Satan! Schaͤmen ſich nicht jest 
manche Schwarzhaarige ſhres Vaterlands, möchten blond 
fein, voie die bdeutfchen Meiber und fegen auf ihr durch 
die Zaufe geweihtes Haupt Perüden von Leuten, die viel: 
leicht die Argften Lumpenkerle und zum Pängen vernetheilt 
waren. Wozu tragt ihr ferner bunte Kleider? Glaubt 
ihr, daB Bott das Karben der Wolle lehrte? ober daß 
er bei dee Schöpfung vergaß, rothe und blaue Schafe zu 
efhaffen? Haͤngt in eure Ohren das Wort Gottes und 
um euern Hals das Joch Chriſti. Untermerft euch euern 
Männern und the feid genug geputzt; haltet eure Beine 
zurück in euern Häufern, denn hierdurch ſchmuͤckt ihr fie 
mehr als menn ihr fie mit Golde bededt. Ihr ſollt nur 
euern Männern gefallen; und dies merdet ihr in dem 
Maße mehr, ats ihe euch Mühe gebt, Andern zu misfal: 
len. Es ift ein LKafter, wenn die Männer den Frauen 
und die Frauen den Männern gefallen wollen. ” 

Wie die germanifh=chriftlihe Welt diefe Anſicht reis 
nigte und verkiärte, wie die mohammedaniſche in fchwere 
Irrthuͤmer zurüdfant, mag ich um fo weniger darzuftellen 
verfuchen, da ich befiscchten muß, daß man mein Beſtre⸗ 
ben, Beifall zu gewinnen, wenn auch nicht mit Zertullian 
laſterhaft ſchelten, daſſelbe doch für mislungen erklären 
werde. 86. 


Politiſche Poeſie. 

Bei und hat der Name „Politiſche Poefie” nun ſchon fo viel 
Lärm gemacht, ein Rame, der, wenn er überhaupt etwas bes 
deutet, gewiß nur Das bedeuten kann, daß ber Dichter feinen 
Stoff flatt unter den Angelegenheiten des Herzens und des 
Privatiebens, fi) unter den Angelegenheiten bes Volks und des 
Öffentlichen Lebens wählte. So ift, die Sache nichts Neues. 
Genug, bei uns ift fo viel unnüger Lärm darüber entflanben, daß 
es eine Art Satisfaction ift, zu ſehen, wie unfere Nachbarn 
jenfeit des Rheins diefelben Stedtenpferde reiten. Ein Herr Bel 
montet hat eine Sammlung Iyrifcher Gedichte erfcheinen laſſen 
unter dem Xitel „Les deux r&gnes”. Unter den „beiden 
Reichen” iſt zu verftchen die Napoleonifche Herrfchaft und bie 
Regierung Ludwig Philipp’s, die ber Dichter abwechſelnd feiert, 
urfprünglicg ein begeifterter Bonapartift, dann aber aud ein 
Bewunderer des Julikoͤnigthums, das er als eine würdige, 
großartige Kortfegung bes zum Ruhme ber Franzofen unter der 
kaiſerlichen Agide begonnenen Werts anfleht. Das find nun 
Gedichte, wie es ſchon unzählige andere gibt, der Wahl ber 
Gegenftände und der Form nach, und fie follen ihrem NRecenfenten, 
dem Hrn. Zleury zufolge, ſchoͤn und echt lyriſch ſein; aber in 
der Vorrede nimmt Herr Belmontet einen großen Antauf, ber 
Dorfie ein neues Gebiet zu erobern, ihr, wie er ſich ausdruͤckt, 
einen Plat in ber conftitutionnellen Vertretung der Nation zu 
erlämpfen, fie politifch zu machen. Alſo c’est tout comme chez 
nous. Zum @tück ift dieſes abfonderliche Beſtreben nirgend als 
in der Borrede, in den Gedichten ſelbſt nicht, anzutreffen. „Wenn 
alle Genres‘, fagt Herr Fleury, „erlaubt find, außer dem genre 
eımuyeux, fo darf der Poefie Fein Stoff unterfagt fein, außer 
die Politit. Die Politik, eunftlich genommen, ift die Wiffenichaft 
oder die Kritil des Regierungsweſens, bie Praris oder die Die: 
cuſſion der Öffenttichen Angelegenheiten. Das Alles laͤßt ſich 
nicht idealiſtren. Poefle und Politit vertragen ſich nicht mits 
einander. Den rinzigen Beruͤhrungspunkt haben fie in der po» 


litiſchen Satire. Herr Belmontet. bat nichts Anderes gethan, 
ald was vor ihm Pindar, Doraz, 3. B. Rouffean, Lamartine ıc, 
thaten; dieſe Alle haben ebenfo wenig als er bie politifchen 
Parteipändel ihrer Zeit, bie biplomatifchen Unterhandlungen, 
die Kammerdebatten, bie Verfügungen u. dgl. in Verſe gebracht, 
fie haben nur Segenflände von allgemeinem Intereffe, Ereioniife 
ber Zeit, Stimmungen bes Volks ſich zu eigen gemacht umb: 
in dichteriſcher Weife wiedergegeben. Die Poefte ift unpartetifch, 
erbaben über die kleinlichen Leidenſchaften des Tags, wie bie 
Eeſchichte; wie die Geſchichte, welche das Vergangene in ſeiner 
Wahrheit erfaſſen und darſtellen foll, fo fie, die Poeſie, weiche 
das Gegenwärtige in feiner Idealität ergreifen ſoll.“ 78. 





Bibliographie. 


Adami, $., Sonnenblumen. Almanach hiſtoriſcher und 
moberner Novellen für 1844. Ster Jahrgang. Berlin, Behr. 
8. 1 pie. 10 Ngr. 

Die Attribute der Heiligen alphabetisch geordnet. Ein, 
Schlüssel zur Erkennung der Heiligen nach deren Attribu- 
ten, in Rücksicht auf Kunst, Geschichte und Cultus. Nebst 
einem Anhange über die Kleidung der katholischen Welt. 
und Ordensgeistlichen und einem Namen - Register der vor- 
kommenden Heiligen. Hanover, Hahn. Gr. 8. I Thlr. 10 Ngr. 

Bandlin, 3. B., Peſtalozzi, feine Zeit, feine Schick⸗ 
(ale und fein Birken. Eine on für Sreunde der Menfchens 
ildung un rderer einer beffeen Zukunft. Gchaffhau 
Brobtmann. 8 DO Ror. gukunft Fa Ion, 

Barth, K., Zeutfchlands Urgefchichte Ater Theil. '2te 
ganz umgearbeitete Auflage. Erlangen, Palm und Ente 8, 
1 Thir. 25 Nor. 

Beheim’s, M., Buch von den Wienern. 1463 — 1485. 
Zum erstenmal nach der Heidelberger und Wiener Hand- 
schrift herausgegeben von 7%. G. v. Karajan. Mit Facsimile 
und Notenbeilagee Wien, Rohrmann. Lex.-8. 4 Thir. 
20 Ner. 

Benedbir, R., Die Sonntagejäger, Originalluſtſpiel in 
3 Acten. Wefel, Beer. Gr. 13. 20 Nor. 8 A 
— — Das bemooste Haupt, oder der lange Iſrael. Schaus 
fpiel in 4 Acten. Wefel, Beder. 1840. Gr. 12, 22%, Nor. 

Bergmayr, I. F., Kriege: und Marine s Serfaffun 
bes KRaiferthums Öfterrei . Iter Theil. Wien 1842, Gr. 8 
2 Ihr. 10 Nor. 

Bericht von ber hundertjährigen Jubelfeier 
Gnabenfrey im Januar d. 3. 1843. Breslau. 

Befhoren, A., Pia vota in Betreff ber Regeneration 
ber evangelifchen Landeskirche in Preußen. Halle, Lippert. 8, 
2), Nor. 

Beschreibung der Stadt Rom von E. Platner, C. Bun- 
sen, E. Gerhard, W. Röstell und L. Urlichs, Ster Band. 
ste und letzte Abtheilung: Das Marsfeld, die Tiberinsel, 
Trastevere und der Janiculus,. Mit einem Plane des alten 
Marsfeldes, Stuttgart, Cotta. 1842. Gr. 8. 4 Thlr. 
221% Ngr. 

Bleicher, V., ſteetunten zur Entflammung fuͤr Frie⸗ 
den, Wabrheit und Recht, in Haus, Kirche und Siaat. Fuͤr 
Katholiken und Proteſtanten. Ulm, Stettin. 8. 1 Thlr. 5 Rgr. 

Bülow⸗Cummerow, Über Preußens landſchaftliche 
Creditvereine, bie Reformen, deren fie bedürfen und über ein 
richtiges Syſtem dev Boden: Rugung und Schägung. Berlin, 
Beit und Komp. Gr. 8. 26%, Nor. | 

Bürd, A., Magellan oder die erfte Reife um bie Erbe. 
Rach den vorhandenen Quellen bargeftellt. Mit Magellan’s 
Bildniß. Leipzig, Tauchniz jun. 1844, 8. 1 Thir. 

Eubitres, Frau v., Hector von Golbon. rfegt von 
Kannd Zarnow. Zwei Schelle. Leipzig, Kollmann. 8. 

Thlr. 74 Nur. 

Dedekind, J. L. U., Abriß einer Geſchichte des Wechſel⸗ 

rechts und feiner Bearbeitung in ſaͤmmtlichen Staaten Europas, 


ber Gemeine 
Nar. 


*144 


für Juriſten und Kaufleute. — A. u. d. T.: Grundriß Dar⸗. 


feuung bes poſitiven Wechfelrechts mit beſonderer Kuͤckſicht auf 
Deutſchland und einer Auswahl der Wechſelrechts⸗Literatur. 
Iſtes Buch. Braunſqhweig, Oehme und Muͤtler. Gr. 8. 26%, Nar. 
Detroit, 8, Das beutfhe Volk wie es war, wie eb 
‚wie es fein wird. Predigt bei der Jubelfeier des tauſend⸗ 
jährigen Beſtehens ber Selbſtaͤndigkeit Deutichlands gehalten. 
Königsberg, Theile. Gr. 8. 3%, Nor. 

Dittmer, 8 W., C.⸗R., Dad Saſſen⸗ und Holſten⸗ 
Hecht, in praktiſcher Anwendung auf einige im 16. Jahrhun⸗ 
dere vorgelommene Civil⸗ und Griminalfälle; nach ben im Ars 
chive des St. Johannis⸗Kloſters zu Luͤbeck aufbewahrten Pros 
tofollen bes vormaligen kloͤſterlichen Vogteigerichts, nebſt einer 
tabellarifchen Überficht der im ganzen kloͤſterlichen Gerichtsbezirke, 
{n dem ferneen Beitraume vom Jahre 1601 dis zum Jahre 1730 
vorgelommenen erheblichern Eriminalfälle, und deren Erledigung. 
Lübel, v. Rohden. Gr. 8. Nor. 

Die Evangelien bed Matthäus, Marcus und Lucas, mit 
ben entfprechenden Stellen aus Johannes. Nach der lutheriſchen 
Überfesung zur Vergleichung zufammengeftellt von A. &. Vo: 
zn 3. Wagner Zranffurt a. M., Brönner. 2er. 3. 

Ir. 


Foͤrſter, F., Peter Schlemihls Heimkehr. Mit 16 eige- 
nen Dandzeichnungen von 3. Hoſemann. Leipzig, Teubner. 
Gr. 16. 1 lr. 74 Nor. 

Sch Fragen an die beutfche Nation Fatholifchen Theils 
hinfichtlih ihrer Berufung zu entſchiedener Losfagung vom roͤ⸗ 
mifchen Papfte und zu religidsskicchlicher Selbſtaͤndigkeit mit 
ibren nichtkatholiſchen Volksgenoſſen. Beantwortet in einem 
Sendſchreiben an biefelbe von K. F. Theodul. Weimar, 
Hoffmann. 1844. Gr. 8. 15 Nor. 

—Fryxell, X, Erzählungen aus der ſchwediſchen Geſchichte. 
Zwei Theile. Rad der Sten Auflage des ſchwediſchen Driginals 
zur Unterhaltung und Belehrung für Alt und Jung überfegt 
don T. Homberg. Stodholm, Frize. Gr. 8. 3 Shlr. 


232, Nor. : 

„C. X. Freih., Edler Here zu Putlis, Der Natios 
nalcharakter des preußifchen Volks und feine hiſtoriſche Entwid: 
lung während bes Königthumes. Leipzig, Hinrichs. Gr. 8. 


20 Nor. 
Gedenke mein! Taſchenbuch für 1844. 13ter Jahrgang. 
l. 8. 


Mit ſechs Stahlſtichen. Wien, Pfautſch und Comp. 
2 Thlr. 7/, Ngr. 

Geijer, E. G., Des Koͤnigs Guſtav III. nachgelaſſene 
und 50 Jahre nach ſeinem Tode geoͤffnete Papiere. überſicht, 
Auszug und Vergleichung. Aus dem Schwediſchen. Iſter Theil. 
Hamburg, 8. Perthes. Gr. 8. 1 Thlr. 

Gräfenhan, A., Geschichte der klassischen Philolo- 

ie im Alterthum,. Erster Band. Bonn, König. Lex.-8, 


Thir. 20 Ngr. 
Stone, A. C. ©. v., Sammlung einiger Urkunden unb 


Actenftüce, die corporetiven Rechte und Verfaffungsverpältniffe |. S 


der wolfenbüttelfhen Ritterſchaft betreffend, nebft einer Entgeg⸗ 
nung auf die Schrift von Bobe: „Beitrag zur Geſchichte der 
gu alftänbe am Herzogthum Braunſchweig ꝛc.“ Hanover, Dahn. 
r. 8. gr. 

Guſtav vom See, Aus dem Leben. Novellen und Er: 
zählungen. Leipzig, Wiendrad. 8. 1 Zhlr. 10 Nor. 

Gutzſchebauch, 3. G., Der Barfner und Shrift. Gin 
Beitrag zur häuslichen Erbauung in Liedern. Leipzig, Gebhardt 
und Neisland. 8. 30 Nor. 

Hadländer, 8 W., Mähren mit ſechs Original⸗Stahl⸗ 
Den go 3. B. Bweder. Stuttgart, Krabbe. 8. 1Thir. 

2 r 


9 
Hegel's Philoſophie in woͤrtlichen Auszügen. Fuͤr Gebil⸗ 
dete aus deſſen Werken zuſammengeſtellt und mit einer Einlei⸗ 
tung Va aa von ©. Frans und A. Hillert. Berlin, 
Dunder und Humblot. Gr. 8. 3 hir. 


.g., nes Galbin: te iſche 
Herne 4% 4.3 Spar : — Cine‘ blographiſche 


Dorſt, von ber, und der Bolketräin. 
Heft. Hannover, Hahn. a 7 % ar Due 


. 


Immergeön. eu u das Jahr 1844. dte ⸗ 
gang: wit ſechs Kupfen. Wien, —* Kl. 8. Ha 
8 


Jacobi, Is, Weiträge zur beutfchen Grammatik. Ber: 
n, ein. Gr. 8. I She. 3%, Nor 
.  ZIaffe, P.Geſchichte des deutſchen Steiches unter Lothar 
dem Sachſen. ine von der philoſophiſchen Facultät zu Berlin 
geiröute reisſchrift. Berlin, Veit und Comp. Gr.8. 1 Thur. 
2 r 


gr. 

Die Jeſuiten. Vorleſungen von I. Miche let und E. Aut: 
net. Aus dem Franzoͤſiſchen uͤberſezt und mit Anmerkungen 
begleitet von A. Stoͤber. Baſel, Schweighauſer. 8. 25 Nor. 

Jokell, 3. B., Geſchichte der Regieru dinand bed 
Erſten; zunaͤchſt nech Buchoig und andern en bearbeitet. 
2ter Band, 2te Abtheilung. Wien, Mechitariſten⸗Congregations⸗ 
ee gr * * 

aulbach, ©. L., Bermiſchte Gedichte. Muͤn 
8. 1 Xhie. 10 War. ſchte Gedichte Gen, dal 


Klippel, G. H., Hiſtoriſche Forſchungen und Darſtellun⸗ 


gen. Erſter Band: Joh. Friedr. Falke und das Chronicon 
Eorbejenfe. Bremen, Geister. Gr. 8. 1 Ihe. 7%, Nat. 

ohl, 3. ©., Reifen in Irland. Zwei Thelte. Dresden, 
Arnold. 8. MD Ror 


—5 Fa 4 Thir. 10 A 
nutoli, 9. G. d., Topographiſche Überficht der Aus: 
grabungen griechifcyer, roͤmiſcher, arabifcher und anderer Müns 
zen und Ainnfigegenflände, wie ſolche zu verfchiedenen Zeiten in 
den Küftenländern des baltifchen Meeres ftatt gehabt; zugleid 
als Andeutung über den Handelsverkehr ber norbdeutfchen und 
morgenländifhen Völker. Berlin, Logier. Gr. 8. 18 Nr. 
Pfaundter, J., Über die Hexenprozeſſe bes Mittelalters 
mit ſpezieller Beziehung auf Tirol. Nebſt Anhang, die akten- 
mäßige Darftellung eines ſehr intereffanten Herenprogeffes vom 
Jahre 1680 enthaltend. Innsbruck, Pfaundter. Gr. 8. 7 Nor. 
Roſenkranz K.⸗Pſychologie oder die Wiſſenſchaft vom 
fubjectiven Geiſt. 2te fehr verbeflerte Auflage. Nebft Wider: 
legung der von Hrn. Dr. Exner gegebenen vermeintlichen Wi: 
deriegung der Hegel’fchen Pfychologie. Königsberg, Bornträger. 
r. 8. 2 Zhir. 7Y, Nor. 

Sandford, Mrs. John, Die Frau in ihren häuslichen 
und geſellſchaftlichen Verhaͤltniſſen. Aus dem Englifchen frei 
überfegt von Mathilde Tobler. Gt. Gallen, Scheitlin und 
Zollifofer. Gr. 8. 26, Nür. 

. Sqchaefer, I. W., Grundriß der Geſchichte der deutſchen 
giteratur. Ite verbefferte Auflage. Bremen, Geisler. Gr. 8. 
12Y, Nor. 

awars, 8. 9- ©., Lehrbuch der Erziehung und dei 
Unterrichts. Ate Auflage. Neu bearbeitet ais Handbuch für 
Eitern, Lehrer und Geiftiihe von W. 3. G. Turtmann. 
Erfter Theil: Lehrbuch der allgemeinen Pädagogik. Heidelberg, 
Winter. Gr. 8. 22%, Ngr. 

Wach, H., Wunderbare Schicfale und Irrfahrten ber 


perſiſchen Graͤfin mit dem Todtenkopfe. Eine wahre Geſchichte, 
| hnitgetbeilt aus glaubwürbdigen Papieren. Berlin, Babe. Ki. 8. 


/s Nor. 


Verantwortliher Heraudgeber: Heinrich Brodhausd. — Drud und Verlag von 8. A. Brockhaus in Leipzig. 





Blatter 


für 


literarifhe Unterhaltung. 








Über die Nothwendigkeit eines gefeßgebenden Ge: 
lehrtenvereind für Werbefferung und Bortbildung 
ber beutfchen Sprache. 


Es bedarf keines Beweiſes, daß die deutſche ebenfe 
tie jede andere lebende Sprache einer fortwährenden Ver⸗ 
vollommmung und Verdeſſerung fähig iſt; ebenfo leuch⸗ 
tet aber auch jedem unparteiiſch Prüfenden ein, daß Dies 
felbe einer ſolchen Werbefferung mehr als ‚viele andere 
Sprachen bedarf. Je mehr wir uns mit unſerer kraͤfti⸗ 
gen, reichen, urfprünglichen und mit allen möglichen ap: 
dern Ehrennamen bezeichneten Haupt: und Heldenſprache 
drüften, deflo härtere Vorwürfe treffen uns ſelbſt, die wir 
diefe Herrliche Sprache fo wenig zu handhaben willen und 
fo wenig wahrhaft begreifen *), daß wir barin leicht alle 
andern gebildeten Völker Europas als unſere Meiſter an: 
erkennen müflen. Wo finden wir in einem beutichen 
Buche folche Klarheit und Nichtigkeit, Zierlichkeit und 
Schönheit, wie beim ſchlechteſten itaflenifchen, ſpaniſchen, 
franzöfifchen Schriftfteler? Ich weiß wohl, weiche Ent⸗ 
fhuldigung man dafür anfühst: unfer tieferes Denken, 
unfer gruͤndlicheres Wiſſen. Ich denke, bie Sprache fol 
der Ausdruck des Geiſtes, des Gedankens fein und wie 
der Gedanke, fo die Sprache: wer Har denkt, fpricht und 
ſchreibt klar, und umgekehrt: wer unklar und vermorren 
ſchteibt, denkt ebenfo, ander er iſt nicht Herr über bie 
Sprache als das Mittel zur Darfielung feiner Gedanken. 
Nun wird aber unfere Sprache, und weit Mecht, als eine 
tiefe, reiche, herrliche Sprache gepriefen; es ift alfo nicht 
ihre Schuld, wenn fie ſich nice in ihrer Schönheit und 
Reinheit zeigt, fondern die Schuld Derer, bie fie handha⸗ 
ben. Gerade je tiefer wir denken, deſto klarer muͤſſen 
wir uns doch wol werden. 

Worin befiehen nun die Mängel ber beutichen Sprache, 
wie fie jegt gehdt wird? Zunaͤchſt, wenn wir mit dem 
fheinbar Kieinften und doch fehr Bedentungsvollen ans 
fangen wollen, find wir nicht einmal im Klaren, ob wir 


) Be wir unfere Sprache begreifen, unb wie wenig 
wir ihre Eigenthuͤmlichkeit, ich wi nicht einmal fagen Kar er- 
fennen, ſondern nur fühlen, gebt u. A. ſchon baraus hervor, 
daß wir fo oft zweifelhaft find, ob eine Verbindungsweiſe ober 
ein Wort deutſch HE oder nicht! Cine ber dvieien unglädfeligen 
Yolgen der Sprachmengerti! 


Freitag, ö— Kr. 286. 





eigene Buchſtaben haben wollen oder nicht; denn «6 find 
Viele, melche unfere deutſchen Buchftaben als erwas Frem⸗ 
des, Geraubtes, Unpaſſendes, Haͤßliches verwerfen, und 
uns die lateiniſchen Buchſtaben wieder aneignen wollen. 
Es wuͤrde zu weit fuͤhren, in dieſem Aufſatze auf eine 
erſchoͤpfende Beſprechung dieſes Gegenſtandes eingehen zu 
wollen. Nur wenige Worte will ich im Vorbeigehen 
darüber fagen. Schon Leibnig (‚‚Unvergreifflicde Gedau⸗ 
ken“, $. 104) empfiehlt dan Gebrauch der lateiniſchen 
Buchſtaben in deutfchen Schriften, „weil den Doll: und 
Miederständern die Hoch⸗Teutſche Schrift bey unfern Buͤ⸗ 
chern beſchwerlich fuͤrkommt, und folche Bücher weniger 
lefen macht“. Ich denke, wer fich bie Mühe gibt, bie 
deutſche Sprache zu lernen, wird auch leicht die deutſchen 
Buchſtaben mit fernen können; wir, die wie ſelbſt fo 
viele fremde Schriftarten lernen müffen, treiben auch bier, 
wie gewoͤhnlich, unfere Höflichkeit gegen die Fremden fo 
weit, daB wir aus bioßer Höflichkeit unfer Eigenthum 
aufgeben wollen (mie dies in der That chen oͤfters ger 
nug gefchehen iſt). Denn unfer Eigenthum find bie deut: 
(hen Buchſtaben geworden; freilich haben fie fig nur zu⸗ 
fähig und unabſichtlich aus ben kateinifchen gebildet, aber 
find die lateinifchen anders aus ben griechifdhen, Die gries 
hifhen anders aus den phoͤniziſchen entfianden? Ih bin 
weit entfernt, bie vielerlei Mängel, welche die deutſche 
Schrift hat, zu verfennen, aber ich fehe nicht, daß bie 
Inteinifche von diefen Mängeln frei iſt, wie denn über 
baupt eine den Lauten genau entfprechende Schrift zu 
den feommen unausführbaren Wünfchen gehört. Was 
zu einer folchen gehört, fann man ungefähr aus Rapp's 
„Verſuch einer Phyſiologie der Sprache” abnehmen, 
Warum follen wir nun alfo unfere zwar mangelhafte, 
aber feit Jahrhunderten uns uͤblich gewordene Schrift ge⸗ 
gen eine andere, gleichfalls mangelhafte und dazu fremde 
vertaufchen? Jakob Grimm und die andern ihm nach 
folgenden deutſchen Sprachforſcher haben die lateiniſche 
Schrift wieder eingeführt (Grimm fagt: „wer die soge- 
nannte deutsche schrift braucht, schreibt barbarisch’”) 
und mancherlei Veränderungen und Verbeſſerungen an 
denfelben angebracht. Sollte aber die deutfhe Schrift 
nicht derfelben Verbeſſerungen fähig fein? Gewiß, «6 bat 
fi nur noch Niemand die Mühe gegeben, ernſtlich über 
eine DVerbefferung der beutfchen Buchſtaben nachzudenken. 


1146 


Wenn man ferner fagt, die deutſchen Buchflaben feien 
verunftaltet, fo iſt dies allerdings nicht unbegründet, in> 
defien kommt es bier ſehr auf den Schnitt der Buchflas 
ben, auf die Schärfe des Druds und auf das Papier 
anz «6 gibt gewiß fo viele lateiniſch gedruckte Bücher, 
welche häßlich, wie deutſch gedruckte, weiche ſchoͤn ausſehen. 

Menn wir fo nicht einmal im Allgemeinen über bie 
Zeichen, deren wie uns beim Schreiben bedienen follen, 
einig find, fo iſt e8 mit der Schreibung der einzelnen 
Wörter noch viel fhlimmer. Der Eine will Alles der 
Ableitung, der Andere der Ausfprache gemäß gefchrieben 
haben, der Dritte will nicht am Schreibgebraudye rütteln. 
Das Leptere wäre in gewiſſer Beziehung das Beſte, wes 
nigſtens jedenfalls das Bequemfte und den mindeften 
Anftoß Erregende, wenn wie nur im Deutfchen einen bes 
flimmten Gebrauch hätten. Fragen wir aber in zweifel: 
haften Fällen (und wie außerordentlich häufig find diefe!) 
nad) dem Gebrauche, fo werden wir gewiß jedesmal ver⸗ 
fchiedene Antworten erhalten, weil wir durchaus nichts 
Haben, woran wir uns halten können; benn felbft wenn 
wie nad der Mehrheit der beften Schriftftellee uns ent: 
fyeiden wollen, fo wiſſen wir wieder nicht, welches die 
beften Schriftfteller, d. h. die, denen wir in der Schreis 
dung fowol wie in der Schreibart oder bem Stile unbe: 
dinge als Mufter folgen önnten, find. (E. M. Arndt 
nennt — ‚„Zurnwefen‘‘, S. 73, — bie drei größten Muſter 
deutſcher Schreibart: Luther, Lelfing und Goethe in ſei⸗ 
nen exften dreißig Fahren.) Da es nur großen Geiftern 
gegeben iſt, eine eigenthuͤmliche, mufterhafte Schreibart 
zu fhaffen, fo müflen die minder Begabten fich mit 
Nachahmung begnügen. Die Beſſern werden ein ihrem 
Beifte und ihrem Gegenſtande entfprechendes Vorbild zu 
finden wiffen, aber der große Haufe der mittelmäßigen 
Schriftſteller ahmt Goethe oder Schiller oder Jean Paul 
oder Heine oder gar einen römifchen oder griechiſchen Schrift: 
fleller äußerlich nad) und wird dadurch einfeltig oder ganz 
undeutfh. Der Saybau und die Wortfügung iſt in den 
meiften deutfchen Schriften, felbft bei den beften Schrift: 
flelleen, Häufig genug entweder nachläffig und liederlich, 
oder ſchwerfaͤlig, dunkel und verworren, wenigftens felten 
ſchoͤn und rein deutſch. Ungetrübte Schönheit der Korm 
iſt überhaupt in deutfchen Schriften undenkbar, fo lange 
fle von Srembrodrtern wimmeln. Ich babe mich darüber 
anderwärts fo ausführlidy ausgefprochen *), daß ich hier 
diefen Schandfleden in unferer Behandlung der beutfchen 
Sprache nur anzudeuten brauche, 

Wenn wir aber auch von der Schönheit abfehen, fo 
haben wir es nicht einmal bis zur Nichtigkeit und Mes 
gelmaͤßigkeit gebracht; denn nicht felten finden fich felbft 
bei unfern bedeutendfien Schriftftellern Verſtoͤße gegen all: 
gemein angenommene Megeln. Gerade geiftreiche Maͤn⸗ 
ner glauben mit der Sprache nah Willkür fchalten und 
walten zu können, ja fie machen fich oͤfters ein Vergnuͤ⸗ 
gen daraus, ganz undeutſche, fogenannte kuͤhne Wendun: 


REES geb np U mb im 


bende ftöße nicht fehr häufig auf Fälle 


gen zu gebrauchen, um baburdy die Geduldigkeit der deut: 
fhen Sprache und ihre Herrſchaft fiber dieſelbe, oder befs 
fer, ihre Knechtung berfelben darzuchun. Lehrer, 
weicher Schriftfteller nicht bloß, fondern Überhaupt Schreis 
| ‚ in benen die 
Deutfchen felbft über die Regeln ihrer Sprache, über den 
Gebrauch einzelner Wörter u. dgl. uneinig find? Der 
Eine erklärt geradezu für einen Fehler, was der Andere 
für unumſtoͤßlich richtig erklärt, und Niemand if ba, der 
den Streit ſchlichtet. Wie viele Nachtheile und Verle⸗ 
genheiten beim Unterrichte vorkommen, wo oft an derſel⸗ 
ben Anftalt verfchiedene Lehrer ganz verfchiedenen Grund: 
‚fügen huldigen, brauche ich nicht weiter auszuführen. 

Wenn die genannten Mängel wirklich vorhandene 
Überflände der deutfchen Sprache betreffen, fo leidet diefe 
auh noͤch an einem andern Mangel im eigentlichen Sinne 
des Worte. Es mangeln ihre noch. unendliche Schaͤtze, 
welche, größtentheils unbekannt, zum Theile ungeahnet, 
in den lebendigen Volksmundarten verborgen find. Da: 
mit ſteht in naher Verbindung, daß die deutſche Sprache 
in ihrem jegigen Zuflande den Bewohnern dee Landſchaf⸗ 
ten gar zu fremd und zu todt iſt; denn fie mäflen fie 
faft wie eine fremde Sprache aus der Sprachlehre erler⸗ 
nen, und lernen fie doch nicht Teiche gut genug, um ganz 
in ihr heimiſch zu werden. 

Wenn wir alle die angedeuteten Maͤngel der deut⸗ 
ſchen Sprache in ihrem gegenwaͤrtigen Zuſtande als be 
gründet anerkennen, fo entſteht die natürliche Frage, wie 
benfelben abgeholfen werden ann, und wer ihnen abhel: 
fen kann. Bon Vielen würden wir fchnell die Antwort 
befommen, daß die Sprache fich felbft im Wolke und 
durch das Volk fortbilden muͤſſe, und daß ſich kein Ein; 
jener anmaßen dürfe, in das Walten des Sprachgeiſtes 
einzugreifen. Es ift wahr, daß auch die Sprachen, melde 
fi der Fürforge von Gelehrten nicht oder wenig zu er: 
freuen gehabt haben, ſich gleichwol fortwährend vervoll⸗ 
kommnet und weiter gebildet haben, denn da die Sprache 
gleihfam der hoͤrbare oder laut werdende Geift eines 
Volks ift, fo muß fie fi in demſelben Maße entwideln, 
In welchem ficy der Geiſt fortbildet. Es fragt fich aber, 
ob unfere jegige Sprache fich noch in diefem natürlichen 
und urſpruͤnglichen Zuftande befindet, in dem fie mit dem 
Geiſte eins ift. Wollen wir hier nicht auf Jerwege ge- 
rathen, fo dürfen wie von der oben gegebenen Erklärung 
der Sprache nicht abgehen: fie iſt der in Lauten verkoͤr⸗ 
perte Geiſt. Nun ift aber der Geiſt jedes Menfchen ein 
anderer, alfo auch die Sprache, und wir Lönnen daher 
mit Recht fagen: fo wie nicht zwei Menſchen einen und 
denfelben Beift haben, fo haben auch nicht zwei Men: 
ſchen eine und diefelbe Sprache, und wenn fie fi) auch 
berfelben Woͤrter und Formen bedienen, fo iſt doch ihre 
Ausfprache, ihre Betonung, ihr Ausdrud ein anderer. 
Je enger aber die Menſchen miteinander verbunden find, 
und je enger fie beieinander wohnen und fich ineinander 
hineingelebt haben, deſto ähnlicher werden ihre Sprachen, 
fodaß jede Familie, jeder Sau feine eigene Sprache er: 
hält. Und biefe, fozufagen nathırliche und urſpruͤngliche 





1147 


Sprache bildet ſich allerdings ſelbſt fort zugleich mit dem 
Geifte der fie vedenden Menſchen. Wir drüden dies fo 
aus: der Sprachgeiſt — dies iſt aber eben nur der 
Menſchengeiſt — waltet in ihr und entwidelt fie fort 
und fort. 

Iſt nun aber unfere deutſche Sprache, wie wie uns 
deren zum Schreiben bedienen, eine folche natürliche 
Sprache, eine fo von felbſt aufleimende und ungepflegt 
auffproffende Pflanze? Nein, fie ift es nicht und fol es 
nicht fein, fo wenig wie irgend eine Geſammtſprache. 
Wenn ein Boll zu einiger geiftigen Ausbildung gelangt 
ift, fängt es an, feine Erfahrungen, Kenntniffe, Empfin: 
dungen in Schriftwerke niederzulegen; die Sprache, deren 
es fih beim Schreiben bedient, iſt diefelbe natürliche 
Sprache, bie es ſpricht. Aber das gefchriebene Wort 
bleibt, während das gefprochene ſchnell verfliegt; man vers 
wendet daher mehr Fleiß und Aufmerkſamkeit auf jenes, 
und fo wird die gefchriebene Sprache unmerklich eine an: 
dere, Lünftlichere, zierlichere, regelmäßigere als die be: 
queme und nacläffige Umgangsſprache. Da aber nicht 
das gefammte Volk fchreibt, fondern nur wenige vorzugs⸗ 
weife begabte Männer, fo geht die Bildung des Geiftes 
und der Sprache von der Gefammteheit des Volks auf 
diefe Einzelnen über, denen die Fortbildung dee Schrift: 
ſprache, bie fie ſelbſt erſt von der Volksſprache gefons 
dert haben, uͤberlaſſen bleibt. Dieſe Fortbildung einer 
Schriftſprache iſt kein zu ſchwieriges Geſchaͤft; der Schrift⸗ 
ſteller nimmt die Schaͤtze, die er in der Volksſprache fin⸗ 
det, und hat ſie nur zu laͤutern; uͤberall zeigt ihm die 
lebendige Volksſprache den Weg, den er zu wandeln hat. 
So haben es z. B. in Griechenland die ioniſchen, atti⸗ 
ſchen, doriſchen, aͤoliſchen Schriftſteller gemacht; von 
deutſchen nenne ich nur Hebel. 

Weit ſchwieriger iſt aber die Fortbildung einer an⸗ 
dern Art von Sprache, einer Geſammtſprache. So wie 
wir oben geſagt haben, daß jeder Ort, jeder Volksſtamm 
feine eigenthuͤmliche natürliche Sprache hat, fo kann auch 
jeder Volksſtamm feine eigene Schriftfpracye haben (mie 
die griechifhen Stämme), welche fih von jener duch 
nichts als durch größere Bierlichleit und Regelmaͤßigkeit 
unterfcheidet. Wir nennen dieſe Arten von Sprache 
Voltsmundarten, und zwar bie erftere Art geſpro⸗ 
dene, die zweite geſchriebene. Solcher Volksmund⸗ 
arten gibt es alfo in jedem Lande fo viele, wie «8 Volks⸗ 
fämne und Landfchaften, ja Orter gibt. Sobald nun 
ein Drt ober eine Landfchaft die flaatliche oder geiflige 
Herrſchaft über das ganze Ubrige Land ſich erringt, oder 
fobald alte Landfchaften fich nur als Stieder eines und 
deſſelben Volks fühlen lernen, muß fi eine Sprache bil: 
den, weiche dem ganzen Volke als ſolchem angehört und 
weiche über allen Volksmundarten fteht und diefe gleich 
ſam in fich faßt; dies äft die Geſammtſprache. Ihre 
Oberhoheit muͤſſen alle Glieder des Staats, felbft wenn 

fie einem andern Sprachflamme angehören, entweder durch 
äußern Zwang oder duch inneres Beduͤrfniß genoͤthigt, 
anerkennen. Es mag ſchmerzlich für uns fein, wenn wir 
> B. unfere fchon laͤngſt flaatlih von und getrennten 


Ranböteute im Elſaß auch ſprachlich von uns losreißen 


feben, aber wenn wir gerecht fein wollen, müffen wir 
geftehen, daß Frankreich nicht anders handeln kann, als 
daß es die franzoͤſiſche Sprache im Elſaß auf alle Weiſe 
mehr und mehr einzubürgern ſucht; alle Eroberer thun 
die und müflen es thun. Natürlich ift nun aber bie 
Geſammtſprache für die Menfchen von fremden Volks: 
flamme etwas Fremdes, Aufgedrungenes, was fie fi erft 


‚anlernen müffen. Aber aud für die Menſchen von glei: 


hem Volksſtamme ift fie etwas Fremdes, wenn fie nicht 
gerade zu der Landfchaft gehören, melche ſtaatliches oder 
geiſtiges Übergewicht erlangt bat; die fpanifhe Gefammt: 
fprache ift 3. B. für die Catalanen oder für die Galicier, 
die italienifche iſt für die Sicilier oder Piemonter, bie 
franzöfifye für, die Gascogner oder Picarden, bie 
deutfche für die Oftreicher oder Weſtfalen etwas Fremdes; 
es iſt nicht ihre eigene mit der Muttermilch eingefogene 
Sprade; fie können ſich nicht darin zurechtfinden. Die 
Sefammtfpracye jedes Landes fol aber, wenn wir wieder 
auf den Begriff der Sprache überhaupt zurückgehen, nichts 
Anderes fein als der Ausdrud des Gefammtgeiftes eines 
Volks; an diefem haben aber alle Landfchaften Theil und 
alle tragen mehr oder meniger dazu bei; ich halte es da⸗ 
ber für die hoͤchſte Aufgabe der deutſchen Geſammtſprache 
in&befondere, daß fie die Schönheiten und Eigenthuͤmlich⸗ 
keiten aller Volksmundarten fo viel wie möglich in fich 
vereinige.. Sie kann ihren Stoff nur aus den lebenden 
Volksmundarten nehmen; je mehr fie fi) von diefen ent: 
fernt, deſto mehr erſtarrt fie und wird eine todte Bücher: 
ſprache. Wir dürfen eine ſolche Sprache alfo nicht dem 
Zufalfe überlaffen, fondern müſſen an ihrer Fortentwicke⸗ 
lung arbeiten, denn wie haben Alle Theil daran, und 
ber deutfche Geiſt wird aus der deutfchen Sprache ers 
annt. 

Wie koͤnnen und follen wir nun aber unfere deutfche 
Sefammtfprache fortbilden? In allen Dingen ift die Ge 
fhichte die befte Lehrerin; wir wollen daher fehen, was 


etwa andere Völker zur Entwidelung ihrer Sprache bei 


getragen haben. 

Die Griechen hatten, fo lange fie unabhängig wa⸗ 
ten, keine Geſammtſprache, weit fie nie ein Geſammtvolk 
bideten; fie hatten aber faft fo viele Schriftfprachen, mie 
fie Landfchaften hatten. Gleichwol fühlten fie ſchon das 
mals das Bedürfniß einer Art von Gefammefprache oder 
wenigſtens einer Kunftfprache, welche die mangelnde Ges 
fammtfprache erfegen follte; denn für gewiſſe Gattungen 
bes Schriftenthums wurden gewiſſe, denfelben am meiften 
zufagende Formen flehend, für das erzählende Gediche 
3. B. die gefhmwägige, dußerliche ionifhe Mundart, für 
die Gefühlsdichtung die Pernige, innerliche dorifche, wes⸗ 
halb ſelbſt die attifhen Schaufpieldichter doriſche Formen 
aufnahmen, wo das Gefuͤhl in ihren Schauſpielen her⸗ 
vortrat (in den Chorgeſaͤngen), waͤhrend fuͤr die Beredt⸗ 
ſamkeit durchaus die gewandte und vermittelnde attiſche 
Mundart gebraucht wurde, auch wo fie Fremde übten, 
wie z. 8. Gorgias, Protagoras u. f. w. Daher fpricht 
man von einer epifhen, lyriſchen, tragifchen Sprache. 


1138 


Erf mit dem Untergange ber griechifchen Unabhängigkeit 
hörte die Befchtedenheit der einzelnen griechifchen Staaten 
und fomit audy die ber gefchriebenen Mundarten auf. 
Erſt jetzt erlangten die Griechen eine Sefammtfpradye und 
zwar in der attffhen Mundart, welche fich laͤngſt ein 
geiſtiges Übergewicht errungen hatte, da in ihr die größs 
ten Meiſterwerke des griechifchen Schriftenthums abgefaßt 
warm. Da fie nun nicht nur allgemeine Schriftfprache 
wurde, fondern auch ber ganz Griechenland, über Sy: 
tim und AÄAgypten ſich verbreitete, fo erhielt fie von nun 
an den Namen Hellenifche oder Geſammtſprache (EiAnvexr 
oder xomwn dıadextos). Anfangs war es aber immer 
nur noch bie attifhe Mundart; folite fie wirklich als Ge: 
fammtfpradye fich erhaften, fo mußte fie alle Mundarten 
in fih zu vereinigen fuchen. 
Aufgabe der Gefammtfprahe und fuchten die attifche 
Mundart in ihrer alten Meinheit zu bewahren — bie 
Attikiſten. Der unter dem Schuge der Ptolemäer und 
durch diefe begründete Gelehrtenverein zu Alerandeia, der, 
tote er überhaupt meltgefchichtliche Bedeutung erlangt hat, 
namentlich für die Fortbildung der griechifchen Sprache 
von der hoͤchſten Wichtigkeit ift, erkannte die Aufgabe 
der Gefammefpracye richtiger. Diefe Gelehrten fchieden 
im Gegenfage zu den Attikiſten alles Dasienige aus, was 
der alten attifhen Mundart ganz eigenthuͤmlich geweſen 
war, und nahmen Formen, Ausdräde und Redensarten 
aus allen andern griehifhen Mundarten auf, wenn fie 
zur Vervollkommnung der Sprache dienen konnten. Sie 
legten Verzeichniſſe (xavoves) für jede einzelne Gattung 
der Dichtung an, in welche fie die Dichter aufnahmen, 
die für würdig erachtet wurden, von der Nachwelt ferner 
gelefen und als Mufter (als claffifch) betrachtet zu wer: 
den. Die altgriechiſchen Werke unterfuchten und prüften 
fie namentlih auch in ſprachlicher Hinſicht, ſodaß fie über: 
haupt die erſten Begründer ber Sprachforfhung wurden; 
fie ftellten in zweifelhaften Fällen Regeln auf über die 
Schreibung, uͤber gewiſſe Berbindungsweifen, uͤber ein- 
zelne Ausdruͤcke, über den Verbbau, trugen Wörterbücher 
zufammen u. f. w. Dabei zeichneten fie felbft in ihren 
Schriften ſich durch außerordentliche Reinheit der Sprache, 
durch hoͤchſt geregelten Versbau, durch oft bemundern®: 
werthe Glaͤtte und Feinheit aus, ſodaß fie felbft der Nach⸗ 
welt als Mufter dienten. Die griechifche Geſammtſprache 
iſt alfo recht eigentlich vom Gelehrtenvereine in Alexan⸗ 
dria durch Sprachforfhung und durch eigene fchriftftelle: 
rifhe Leiſtungen fortgebildet, ich möchte faft fagen er: 
halten worden. 
(Die Sortfegung folgt.) 





Literarifhe Notizen aus Franfreid. 


Soufin’s vermiſchte Schriften. 

Auch in Frankreich wird jest aller Wuft aufgeräumt und 
Alles, was nur irgend aus der Feder eines berühmten Mannes 
gefloffen ift, mag es nun ein Gefchäftsbrief, cine vertrauliche 
Mittgeitung oder auch nur ein Goncept und ein roher Entwurf 
fein, zum großen Frommen der Rachwelt aufbewahrt. Dabei 
haͤlt fi in der Regel auch der unbebeutendfte Schriftſteller für 


Manche verfannten diefe 


I et V’Italie‘‘ angedeutet hat. 


berechtigt, Alles, wat ein nachſechtiges Rebacteur in feinem 
Blafte hat abdeucken Tafien, in Hefander Sammlaungen u... T 
„Melanges‘' wf.w zufommenzufellen. Bon den zahlreichen Fa⸗ 
brikbuͤchern dieſer Art, bie wir in ber letzten Bet erhalten ha; 
ben, find nur drei von wirklichem Werte. Es find dies bie 
Sammlungen vermifcgter Schriften von Mignet, Magnin und 
Eoufin. Der „Uiscours et de Migaet” (3 Mbe., 1843) 
baben wiz in biefen Blättern ſchon gebacht. Aud bie „Can- 
series’ von Magnin, dem treflichen Verf. der „Origines du 
theätre” u. f. w., enthalten des Intereffanten und Werthoollen 
viel. Ein großer Theil der einzelnen Abhandlungen war bereits 
in verſchiedenen periodifchen Blaͤttern abgebrudt und namentlid 
erhalten wis eine Auswahl der trefftichen Auffäge, mit benm 
Magnin, einer ber ausgezeichnetften Stiliſten Frankreicht und 
ein ſcharfer, klarer Kopf, das oft etwas unerquidiiche „Jour- 
nal des savants’ bereichert hat. Roc weit intereffanter ift 
bie Sammiung Eteiner Abhandlungen Goufin’®, ber eine firenge 
Auswahl getroffen bat, obgleich Alles, was von ihm herrührt, 
ein mehr als vorübergebendes Interefle in nehmen 
fann. Unter ‚den verſchiedenen Auffägen, bie er in feine „Prag- 
ments litteraires”, weldye vor kurzem die Preffe verlaflen ba: 
ben, aufgenommen bat, heben wir vorzuͤglich eine ‚Notice sur 
les dernieres anades de Ia vie de Kant“ hervor. Coufin gibt 
für uns Deutfche freilich Hier nichts Neues, aber trogdem wird 
man dieſes abgerundete Bid mit Wergnägen betrachten. Nicht 
weniger intereffant ift die „Histoire de la penitence de la 
duchesse de Longeville”, in ber wir einige Auffchlüffe über 
diefe wichtige Bekehrungsgefchichte erhalten. Auch der Auffas 
‚Documents insdites sur le celebre jurisconsulte Domat“ ger 
hört der Periode an, ber füh Soufin, ber Reftaurator ber 
„Pensees de Pascal”, in neueſter Zeit mit befonderer Wortiche 
zugewendet zu haben fdheint. Am meiften aber von allen eins 
zelnen Stüden, die der berühmte Philofoph feiner Sammtung 
einverleibt Hat, find wir von einem Auffage angefprochen, ven 
er bem Andenken des Oberflen Santa : Rofa, befanntiich in der 
piemontefer Revolution im J. 1821 betheiligt, gewidmet bat. 
Diefed biographiſche Bruchſtuͤck iſt uns zwar ſchon aus der 
„Revue des deux mondes”, tie es vor einigen Jahren mitge: 
theilt bat, bekannt, aber wir haben e8 aufs neue mit dem 
iebhafteften Intereffe durchgetefen. Die rührenden Seilen, bie 
Gouſin feinem hingefchtedenen Freunde, ber während feines Eur: 
zen Aufenthalts in Paris mit Rotb und Giend zu kaͤmpfen 
hatte, wibmete, find rührend und verrathen bei ihrem Verf. 
ein tiefes Gefühl, wie es der Fältere Philofoph nur felten ber: 
auskehrt. Daß es indeſſen Couſin nicht verſchmaͤdt, fein In— 
nerſtes aufzuſchließen, konnte man auch ſchon in ber meifterhafs 
ten Rebe am Grabe bed unvergeßlichen £aromiguiere ſehen, wo 
er feinem Echmerze ungehemmt Luft machte. 


Sur Philoſophie der Geſchichte. 

Gerrari, der einiger frsifinnigen Außerungen wegen des 
Kommunismus verdächtigt und feiner Profrffur in Strasburg 
enthoben wurde, bat vor kurzem ein Wert herausgegeben, das 
neben den Beſtrebungen der juͤngern Philoſophen in Frankreich 
genannt zu werden verdient. Es iſt dies ein „‚Eassai sur le 
principe et les limites de la philosophie de l’histoire”. Der 
Deraudgeber des Vico (6 Bbe., Paris 1835 — 37) entwidelt 
bier die Anfichten, die er fchon in einer frähern Schrift „Vico 
Im Allgemeinen zeigt fic bei ben 
meiften franzöftfchen Werken über Philoſophie der Geſchichte 
ber große Einfluß, den Vico in Frankreich ausgeübt bat. Auch 
Michelet, der bekanntlich einige Abhandlungen bes großen itas 
lienifchen Philoſophen überlegt hat, verieugnet dirſe Ginwirkung 
nicht „Ferrari Außert ſich über den Begriff der Philoſophie ber 
Geſchichte folgendermaßen: „Ich verftebe darunter eine Phi: 
loſophie des Ideale, eine abſiracte Rachweiſung von den 
dortſchritten ber Vernunft.“ Eigenthuͤmliche Anfichten haben 
wir in ſeiner Schrift, die nicht feiten ans Unverſtaͤndiiche ſtreift, 
nicht gefunden. 2. 


Verantwortlicher Herausgeber: Heinrih Brockhaus. — Drud und Verlag von 8. A. Brodhaus in Leipzig. 
— —⏑ 2⏑ 2—2 


Blätter 


für 


literarifhe Unterhaltung. 





Sonnabend, 


14. October 1843. 





Über die Nothwendigkeit eines gefeßgebenden Ge: 
lehrtenvereins für Verbeſſerung und Fortbildung 
der beutfchen Sprache. 

(Bortfegung aus Nr, 286; ) 

Wir tommen nun zu den Römern. War bei den 
Griechen Zerfplitterung der Herrſchaft und der Sprache, 
fo war bei den Römern Einheit und Feſtigkeit beider, 
Bei ihnen follte nur die Sprache der Hauptfladt Guͤl⸗ 
tigkeit haben, die Mundart einer einzelnen Stadt erhob 
fih alfo zur Geſammtſprache, ber alle andern Wolle: 
mundarten im römifchen Reiche fo unterthban waren, daß 
fine einzige fich zw fchriftftellerifcher Ausbildung erhob. 
Die Entwidelung der roͤmiſchen Sprache war der kleinen 
Zahl von Gelehrten und Schriftſtellern überlaffen, die jeder 
auf feine Weiſe die Sprache ausbildeten. Ste verfann: 
ten aber nad) und nach immer mehr die Beflimmung 
der Geſammtſprache, welche eine geläuterte Volksſprache 
fein fol, denn nicht aus ber lebendigen Volksſprache, 
welche fie veradhteten, fchöpften fie Kraft und Reichthum; 
nicht ihr fuchten fie möglichft nahe zu bleiben, fondern 
die fremde heilenifche Sprache nahmen fie zum Mufter, 
ihr fuchten fie fih fo viel wie möglich anzuſchmiegen; 


daher mußte der vollsthümliche Ton immer mehr einem’ 


fremden, fchwälftigen und gezierten Zone mit griechifchen, 
vom römifchen Volke nicht verftandenen Wendungen und 
Berbindungen weichen und es entfland eine endlih un: 
überfteiglihe Kluft zwifchen bee Schriftfprache und der 
Volksſprache. Die römifhe Schriftfprache mußte daher, 
je mehr fie aus dem Leben berausgeriffen wurde, deſto 
mehr erftarren, bis fie endlich vollig tobt in den Händen 
der einzelnen Gelehrten und Schriftfleller blieb, welche fie, 
ohne fih an die Volksthuͤmlichkeit zu Lehren, nach ihrem 
eigenen Sinne nad) fremden Muſtern fortzubilden fich ge: 
wöhnt hatten. Die Sprachlehrer, welche zum Theil den 
bevorftehenden Untergang. der Lateinifchen Sprache vorauss 
fahen, flanden zu einzeln da und hatten zu wenig Ein: 
Aug auf die Schriftfteller, um ihn abwenden zu können. 

Und er ſollte auch nicht abgewendet werden, denn nun 
erhoben fich die lebendigen Volksmundarten, die fich in: 
zwifhen ganz naturgemäß fortgebildet hatten, und traten 


allmaͤlig fetbftändig in fcheiftftellerifchee Ausbildung auf — 


die romaniſchen Sprahen. In Italien bildete fi 


aus den verfhiedenen Mundarten eine Geſammtſprache, 
ber bie toscanifhe Mundart, welche bereits ein geiflige® 
Übergewicht erlangt hatte, zum Grunde lag. Als Be: 
geünder diefer italieniſchen Gefammtfprache wird mit Hecht 
Dante angefehen, der auch felbft eine Schrift äber die 
Vollsmundarten und ihr WVerhäftnig zueinander („De' 
vulgari eloquio’) ſchrieb. Nach ihm wurde die Sprache 
von mehren ausgezeichneten Schriftftellern im ihren‘ Wers 
ten welter gebildet. Aber fchon im Anfange des 16. Jahr⸗ 
bunderts fühlte man, daß man” die Sprache nicht bem 
Zufalle und der Willklir einiger einzelnen nicht nad) bes 
flimmten und übereinftimmenden Grundfägen verführen: 
den Schriftjtellee Üüberlaffen dürfe. Man fing daher an, 
die Mutterfprache eifrig zu erforfihen und zu beatbelten. 
Es bildeten fidy zu dieſem Ende eine fehr große Anzahl‘ 
von gelehrten Gefelifchaften, deren faft jede größere Stadt 
in Stalien mehre hatte; fie legten ſich einen meiſtens 
Eifer und Vegeifterung andeutenden finnbildfihen Namen 
bei, verfielen in Spielereien und dauerten in einiger Mick: 
ſamkeit felten ein Menfchenalter aus. Beſonders aber 
zeichnete ſich Florenz durch feine Sefeltfyaften aus, na⸗ 
nıentli durch die 1540 geftiftete, noch jest beſtehende 
Accademia fiorentina (anfangs Accademia degli Umidi 
genannt) und ganz vorzüglich durch die Accademia della 
Crusca (Kleiengeſellſchaft), fo genannt, weil fie die Kleie 
vom guten Mehle ſcheiden wollte. Sie ging aus jener 
bervor und wurde 1582 durch Grazzini begründet (1584 
feierlich eröffnet). Sie hatte ihe Augenmerk einzig auf 
die Sichtung und Ordnung bed italieniſchen Sprachſtoffs 
und auf regelmäßige Begründung und Verbeſſerung der 
Sprache gerichtet, und fie hat diefer in der That fehr 
große Dienfte geleiftee. Ihe Wörterbuch, das erfte ent: 
germaßen vollftändige und befte der italienifchen Sprache, 
erlangte trotz mancher Misgriffe bald auch außerhalb Tos⸗ 
cana ein faft unbegrenztes Anfehen, welches alle Schrift 
fteller gern anerfannten und welches in allen zmweiftihaften' 
Fällen den Ausſchlag gab. Noch nach langer Zeit diente 
das Woͤrterbuch der Crusca andern Völkern bei der Ab: 
faffung von Geſammtwoͤrterbuͤchern ihrer Sprache ale 
Muſter. Erft in der neueflen Zeit ift diefer gefeggebende 
Gelehrtenvperein mit mehr Erfolg angefochten worden, 


weil er die lebenden Volksmundarten nicht genug beruͤck⸗ 


fihtigt hat. Im Allgemeinen aber kann man nicht leug⸗ 











1150 


nen, daß er es eigentlich tft, welcher italienifche Sprache 
weiter gebildet hat und fie weiter fortbilden wird, wenn 
er auf die Volksmundarten die nöchige Ruͤckſicht nimmt, 
und wenn er immer mehr ein wahrhaft italienifcher zu 
werben, nicht blos ein toscanifcher zu fein ſtrebt. 

Noch größer ift die Wirkfamkeit des parifer Gelehr⸗ 
tenvereins für die Verbefferung der franzöfifhen Sprache. 
Er wurde bekanntlich unter Richelieu's Schu 1635 be: 
gründet, um der franzöfifhen Sprache fefte Regeln vor: 
zufchreiben. Gleich im Anfange feiner Wirkſamkeit er: 
warb fich diefer Verein hohes Anfehen durch feine unpar: 
telifche und würdevolle Prüfung von Corneille's Cid“; 
nah ber Herausgabe feines Woͤrterbuchs aber (zuerſt 
1694) wurde er bald allgemein als gefeßgebend und als 
oberſter Gerichtshof in ſprachlichen Dingen anerkannt. 
Richtigkeit, Klarheit und Zierlichleit wurden bald ein Ge: 
meingut aller franzöfifhen Schriftfteller. Vorzugsweiſe 
dieſem Gelehrtenvereine ift es zuzufchreiben, daß die fran: 
zöfifche Sprache eine Stätte, Seinheit und Gewandtheit 
erhielt, die bei ihrer Armuth bewunderungswuͤrdig iſt und 
die ihr allgemeine Anerkennung und Herrſchaft in allen 
gebildeten Ländern Europas verfchaffte.e Sch will nicht 
in Abrede ftelen, daß die unumfchränkte Macht des Ge: 
lehrtenvereins auch manden Nachtheil gebracht hat, in: 
dem er namentlidy die dichterifhe Sprache in fo beilimmte 
und enge Schranken einfchloß, daß fie ſich fat nicht von 
gereimter Profa unterfcheidee. Aber es fragt ſich ſehr, 
ob bie Franzoſen ohne die Beſchraͤnkung des Gelehrten: 
vereins in der Dichtung wol viel mehr würden geleiftet 
haben, da fie überhaupt wenig kuͤnſtleriſch und dichterifch 
find. Ein wahrer Dichtergeift würde felbft in ben gefeg: 
ten Schranken fich bethätigt, oder wenn fie ihm wirklich 
fo binderlid waren, fie gewaltfam bducchbrochen und ben 
Gelehrtenverein durch die Kraft feines Geiſtes zum Nach: 
geben gezwungen haben. Die große Mehrzahl der fran: 
zöfifchen Dichter erhebt fich nicht über das Mittelmäßige, 
und daß deren Einbildungskraft Schranken gefegt wur: 
den, bat zugleich ihren verberblihen Einfluß auf die 
Spradye verhindert. Diejenigen Wortbildungen und Wen: 
dungen aber, welche von höherbegabten Geiſtern ausge: 
gangen find, hat ber franzöfifhe Gelehrtenverein, felbft 
feinen eigenen Grundfägen gemäß, in fein Woͤrterbuch 
nothwendig aufnehmen müffen. Und dies zeigt deut: 
lic genug, daß ber Verein freiere Geiſtesthaͤtigkeit weder 
unterbrüden kann noch will. Häufig genug aber fchreibt 
man ihm aus Unkenntniß oder Misverſtand die thörige 
Abfiht zu, die Sprache für alle Zeiten unabänderlich 
feſtſtellen und fomit alfo alle geiftige Entwidelung un: 
terdrüden zu wollen. Im Gegentheil' fpricht er felbft 
z. B. in der Vorrede zu feinem Wörterbuche von 1765 
deutlihh genug aus, daß er nichts aufzunehmen ver- 
ſchmaͤht, was allgemeinen Anklang gefunden hat (S. v): 

profession que l’Academie a toujours faite de se con- 
former & l’usage universellement recu, soit dans la maniere 
d’6crire les mots, soit en les qualifiant, l’a forcee d’ad- 
ar deschangemens que le public avoit faits, 

. m: 

On ne doit point en matiere de langue, prevenir le 


Public; mais il convient de le suivre, en se sou- 
mettant, non pas & l'usage qui commence, mais ä 
l’usage göndralement &tablie. 

Wie fehr der Gelchrtenverein von ber Überzeugung 
bucchdrungen iſt, daß die Sprache fich frei und ſelbſtaͤn⸗ 
dig entwideln müffe, und daß er felbft nur die Aufgabe 
habe, über diefer Entwidelung zu wachen, ſpricht ſich deut: 
ih genug in der Vorrede zur legten zeitgemäßen Aus: 
gabe feines Woͤrterbuchs von 1835 aus. Seit einigen 
Fahren regen ſich allerdings (glüdticherweife!) die Lands 
(haften in Frankreich Iebhaft gegen das Zufammenbdrän: 
gen alles wiſſenſchaftlichen Lebens in Paris, wie ſich 
namentlid in dem von Herm von Caumont gegründeten 
böchft bedeutungsvollen Congrös scientifique de France 
ausfpricht, aber gerade die kann dem elehrtenvereine 
ale Fingerzeig dienen, daß er, um fein Anfehen fortwäh: 
rend in ganz Frankreich zu behaupten, auf bie lebendigen 
Volksmundarten Rüdficht nehmen muß. *) 

Zeifpiele Italiens und Frankreichs folgte Spa: 

der Philipp V. 1714 ein’ Gelchrtenverein 
Sprache im Madrid geftifter wurde. 
Auch diefer Verein gemteßt eines entfcheidenden Anfehens 
und hat fih durch Woͤrtexbuch und Sprachlehre weſent⸗ 
liche Verdienſte um die ſpantſtttze Sprache erworben. Na: 
mentlich führte er im 3. 1813Neine fo einfache und re: 
gelmäßige Schreibung ein, wie fie Mum eine andere neuere 
Sprache aufzuweiſen haben dürfte. Die Einführung bie: 
fer Schreibung gefhah aber nicht ſoglecich, fondern ſchon 
ſeit 1741, in welchem Jahre die widktige Abhandlung 
über die Nechtfchreibung zum erften Mald erfchlen, hatte 
ber Gelehrtenverein unabläffig baran gearbältet, bie 1815 
eine wefentlihe und durchgreifende Veraͤnderung einge: 
führt wurde, die fo ſchnell und allgemein ( 
wurde, daß der Gelehrtenverein in der Vorrede 
bald nachher erfchienenen Ausgabe feines 
dem fpanifhen Volke für feine Bereitwilligkeit, 
Gelehrtenvereine gemachten Vorſchlaͤge anzunchi 
banken ſich veranlaßt fah. Zur allgemeinen ? 
der neuen Schreibung trug weſentlich bei, daß & 
















fehl der Regierung fogleih alle amtlichen Berihäe nach 
den Regeln des Gelehrtenvereins gedruckt wurbeni, und 
daß alle Drudereien des Königreich ſich nach deig vor⸗ 


gefhlagenen Neuerungen bequemten. x 

Wir fehen alfo, daß die Griechen, Staliener, Frauzo⸗ 
fen und Spanier (andere Völker, von deren Gelehren⸗ 
vereinen ich augenblicklich nichts Genaues anzugeben der⸗ 
mag, wie die Schweden, Ruſſen u. f. w., uͤbergehe 9), 
die Sorge für die Fortbildung ihrer Sprachen einem Be: 
lehrtenvereine übergeben und die Sprachen fich dabei vYbl: 
befunden haben; bie Römer dagegen haben bie Fo kbil⸗ 
dung ihrer Sprache der Willkuͤr ihrer Schriftſteller Aber: 
laſſen und weil diefe einen verkehrten Weg einfchrägen, 
ift fie erſtorben. Was für eine Lehre folgt hierais für 


*) Einige Worte, welche ich hierüber bei der Belehitenver- 
fammtung in Strasburg im vorigen Jahre in einen einer aͤhn⸗ 
lien Gegenftand betreffenden Vortrag einfiocht, fanden tFi den 
anmwefenden Franzoſen lebhaften Anklang. 





H5l 


uns? Wenn ich nicht irre, dieſe: auch wir ſollen bie 
Sorge für Verbefferung unferer Sprache eis 


nem gefengebenden Gelehrtenvereine anvers 


trauen. Aber wir wollen fehen, ob uns nicht auch die 
bisherige Geſchichte unferer Sprache ſelbſt eine Lehre geben 
kann. Im Anfange unfers Schriftenthums bedienten fich 


die Schriftfteller, wie Überall, ihrer eigenrhämlichen Volks⸗ 


mundart; boch fing man bald an, das Bedürfniß einer Ge⸗ 
fammtfprache zu fühlen, und unter den verfchiedenen Volks: 
mundarten erlangte immer eine ein-geiftiges Übergewicht 
fiber die andern. Seit dem Ende des 13. Jahrhunderts 
aber, feit dem Sinken der mittelhochdeutſchen Dichtung 
alſo, behauptete Feine Mundart mehr ein entſchiedenes 
Übergewicht; es wurde in allen Mundarten gefchrieben, 
ohne daß biefe durch ein gemeinfames Band wären zu: 
fammengehalten worden. Dadurch gerieth die deutſche 
Sprache in einen Naturzuftand zurüd, aus dem alle 
Gefeglichkeit ber Form und alle Feſtigkeit wich, fodaß fie 
im 15. Jahrhundert immer mehr verwilderte, ohne daß 
die geiftlofen Sagungen der Meijterfänger diefe Verwilde⸗ 
sung zu hemmen vermocht hätten. Aus diefem trauri: 
gen Zuftande riß Luther unfere Sprache, vornehmlich 
durch feine Bibelliberfegung. Er bildete ſich feine Sprache 
felbft, indem er mit großer Weisheit und in richtiger 
Erkenntniß der wahren Aufgabe einer Gefammtfprache 
das Gediegenfte aus den beiden deutſchen Dauptmund: 
arten, dem Ober: und Miederbeutfchen, zu einer beuts 
(hen Gefammtfprache vereinigte, doch fo, daß er das 
Oberdeutſche vorzugsweiſe zum Grunde legte. So hatte 
en einzelner Mann die deutfhe Geſammtiſprache (die 
neuhochdeurfche Sprache) gebildet, welche bald allgemein 
anerfannt wurde, da man allgemein das Beduͤrfniß der: 
felben fühlte. Luther hatte aber nur den Grund gelegt, 
auf welchem die Spätern welter bauen müfjen. Aber bald 
brach die fchauderhafte Sprachmengerei ein, welche die kaum 
feftgeftellte Sprache ihrem Untergange nahe brachte. Aus 
diefee Gefahr wurde die Sprache durch einen Gelehrtenver: 
ein, die Fruchtbringende Geſellſchaft, welche der 
italienifchen Crusca nachgebildet wurde und alle bedeutend: 
ſten Schriftfleller der damaligen Zeit zu Mitgliedern hatte, 
errettet. Nach ihrem Aufhören (1680) trat eine neue Ver: 
wilderung durch Frankreichs Übergewicht ein, und die Sprache 
wurde abermals durch einen Gelehrtenverein gerettet, durch 
die Deutfhe Geſellſchaft in Leipzig, durch deren 
Vorſteher Oottſched aber die Geſellſchaft bald fo in dem 
Hintergeumd trat, daß nicht fie, fondern ex Geſetzgeber 
der deutfchen Sprache wurde und lange Zeit faft unums 
ſchraͤnkte Gewalt ausübte (mehr noch als vor ihm Opitz). 
Geringern, aber doch immer noch fehr bedeutenden Ein: 
fluß auf die Fortbildung der deutfchen Sprache übten 
fpäter Adelung, der die Geſammtſprache gern auf die 
oberfächfifche Mundart zurückgefuͤhrt hätte, und Campe, 
der hochverdiente Sprachreiniger. Von den neuern deut⸗ 
fen Sprachgefellfhaften hat Leine ein entfcheidendes und 
uͤberwiegendes Anfehen erlangt, weil fie entweder fein fefls 
beſtimmtes Ziel fig vorgeſteckt hatten, oder weil es ihnen 
an einer binreichenden Anzahl tüchtiger und eifriger Mit 


glieder fehlte, ober auch weil von Anfang an ber rechte 
Eifer nicht da war. 
(Die Fortſetzung folgt.‘ 





Histoire de la revolution de 1830, par Cauchois- Le- 
maire, Erſter Band. Paris 1842, 


Der Verf. diefer Schrift, die in mehr als einer Veziehung 
ein bedeutendes SIntereffe in Anfpruch nehmen kann, holt. bei 
feiner Geſchichte der Julirevolution etwas weit aus. Gr ſteigt 
nämlich in feiner Esquisse preliminaire ſowie in der darauf 
folgenden Introduction weit über die großen Greigniffe des Jahres 
1789 hinauf und verliert fi in Gefbichte der Blütezeit der alten 
Monardie; ja, er zieht bei feiner Beleuchtung vom Weſen der 
Demokratie — dies ift eigentlich das Thema biefes Bandes — 
bie ganze alte Welt in den Kreis feiner Betrachtungen. Und 
er begnügt ſich bei biefen vorausgeſchickten Bemerkungen nicht 
etwa mit einzelnen allgemeinen Strichen, fondern er ergeht ſich 
im Sergarten derfelben fo fehr, daß er am Schluß des erften 
Bandes — unb das ganze Werk ift nur auf drei Bände berech⸗ 
net — noch nicht einmal bei ber Julirevolution, beren Geſchichte 
der Zitel verfpricht, angelangt iſt. Aber abgefeben von diefer 
allzu großen Umſtaͤndlichkeit und einer breiten Geſchwaͤtzigkeit, die 
Demjenigen, der felbft an ben Sreigniffen Theil genommen bat, 
um fo eber verziehen wird unb in bie namentlich alte ausge: 
diente Diener ber Tagespreſſe, wie der Verf. einer iſt, leicht 
fallen, fann man vorliegendem Werke einen hohen Werth nicht 
ftreitig machen. 
Wir wollen dem Verf. in bie GBefchichte von der allmälis 
gen Sntwidelung ber bemokratifhen Ideen (du mourvement 
&mocratique) nicht folgen, der bie Esquisse preliminaire ges 
wibmet ift, fo intereflant es auch fein mag zu ſehen, wie biefe 
gewaltigen Ibeen, benen zum Theil ſchon die Gegenwart gehört, 
ſich verftedt und unbemerkt bildeten und an Kraft gewannen, 
bis fie mit einem Male in ber franzoͤſiſchen Revolution die uns 
terwählte Dede ber alten Monarchie wie ein mächtiger Strom 
durchbrachen. Es iſt died ein Thema, das uns bier gu weit 
über bie Grenzen dieſer Zeitfchrift und ganz auf das Gebiet der 
Politik führen würde. Gbenfo wenig wollen wir bier auf bie 
Geſchichte der Regierung Ludwig's AVI., ber Revolution, bes 
Gonfulatse und bes Kaiferreiche eingehen, denen Gauchois » Les 
maire 60 enge Seiten feiner Introduction historique widmet. 
Wir wollen vielmehr nur den Theil ſeines Buchs ins Auge faſ⸗ 
fen, dee es mit ber Gefchichte ber Reftauration zu thun bat. 
Es if dies jedenfalls der intereffantefte und werthvollſte Abs 
fhnitt bes vorliegenden Bandes. Der Berf. ſteht Hier auf eis 
nem Boden, auf dem er wirklich zu Haufe if. Die Rolle, 
weiche er im Kampfe ber liberalen Oppoſition gegen die Re⸗ 
ftauration gefpielt hat, war glänzend und — was nur wenige 
feiner Mitlämpfer aus jener Zeit, die jegt im Beſitz der Macht 
find, von ſich fagen können — er kann ohne eine Anwanbelung 
von Reue auf jene Periode feines Lebens zurädbliden, denn den 
Grundfägen von damals ift er noch jetzt getweu geblieben. - Dies 
fee Umftand verleiht feinem Werke ein eigentbämliches Intereffe, 
ohne daß dadurch bie Unparteilichkeit des Hiſtorikers auf irgend 
eine Weife gefährdet würbe.. Ohne baß er alfo feine Rolle als 
Vorlämpfer ber demofratifchen Ideen, die ſich in der Julirevo⸗ 
Iution wieder Luft machten, nachdem man fie einige Jahrzehnde 
lang nieberzuhalten und zu erſticken verfucht hatte, verleugnete, 
ift feine Sprache doch eine andere als diejenige, in ber er feine 
flammenden Journalartikel, feine polemiſchen Flugſchriften und 
die Briefe, die von ihm felbft in den „Lettres politiques, re- 
ligieuses et historiques (2 Bde., Paris 1838 — 31) zufammen- 
geſtellt find, gefchrieben hat. Bein Zon tft gemäßigter gewor⸗ 
den, feine Stimme hat ihre bonnernde Leibenfchaftiichkeit verlo⸗ 
ren, und befonbers merkt man wol bier und da in feiner Dars 
fiellung, daß bie meiften von ben Jlluſionen, bie ber ſchnelle 
Sieg tm demokratifch gefinnten Publiciſten hervorgerufen hatte, 





r162 


nachdem Jahre daruͤber hingegangen find, verrauſchk fein 
en. “Ye auf allen Blaͤttern feine Zueche ertennen wir 
den ehrenwerthen Mann, der nur im Dienfle feiner überzeu⸗ 
gung allen Lohn und alle Ehre von ber Hand wies und felbft 


Zuerſt madgt Gaucoid + Lemaire darauf aufmerlfam — und 


diefer Punkt iſt noch nicht gehörig gewürdigt worden —, wie 
die Verbündeten, in deren Gefolge Ludwig XVIII. nach Frank⸗ 
rei) kam, ſich wohl huͤteten, gleich anfangs mit der „Legitimis 
tät” des neuen Koͤn sten. Diele Sprache hätte bie 


Nation, bie es veriernt hatte, von den legitimen Anfprücen eis - 


nes Herrſchers reden zu hoͤren, verlegen können. Es wurden 
mübdere Jormen angewandt, und man that faſt, als überlaffe 
man die KRönigewahi dem allgemeinen Willen bed Volle, flatt 
das „nöttliche Recht‘ gelten zu machen. Die Enkel Hein⸗ 
rich's IV. fchworen der Eine in feiner Antwort an den Senat, 
dee Andere in feiner Deciaration von Saints Duen bie monats 
chiſchen Principien des alten Regime ab und ber König trat, 
wie deu Verf. fagt, dadurch, daß er die legislativen Verſamm⸗ 
ungen eröffnete, in den Schoos ber conftitutionnellen Kirche über. 
Aber es war ſchwer für Ludwig XVIII., weicher 
Bewegung bed Landes, das er regieren follte, fremb geblieben 
war, fidy mir Sicgerheit auf bem neuen Boden, der in allen 
Richtungen unterwählt war, zu bewegen, ſchwerer noch, fich ber 
angeerbten Ibeen feiner Borfahren zu entfylagen. So achtete er 
nit auf bas-Wort Foucheé's, der da fagte: „daß bie Keime 
des Haſſes, welche man zu Anfang einer Regierung in bie Ges 
möütber legt, niemals erflidt werden.” Wenn man irgend eine 
Regierung von einer verhängnißvollen Richtung ibrem Grunze 
entgegengeriffen fieht, To ift es die Reftauration. Selbſt bad bLös 
deſte Auge muß in ber Julirevollition die logiſchſte Folge ders 
feiben erkennen. Dafür waren aber auch bie Verhättniffe, un: 
ter denen Ludwig XVIII. zum Throne kam, bie ſchwierigſten, 
die man ſich denken kann. Wir wollen die Gefahren, die ihn 
jeden Augenblick bedrohten und ihm bei jedem Schritte hindernd 
in den Weg traten, nicht weiter einzeln aufzaͤhten. Sie find 
übrigens auch befannt genug. Die Hauptfache aber bleibt doch 
immer bie namentofe Verblenbung ber Bourbons. Ihr Verder⸗ 
ben war, daß fie glaubten, Frankreich, das ber ewigen Unruhen 
überbrüffig fi) nach Ruhe fehnte, eine giüudliche Entfaltung bes 
gefährdeten Handels und bee Induftrie verlangte und ſich mit 
einem mäßigen Grabe von Freiheit begnügen zu wollen fchien, 
empfinde Reue über die Vergangenheit. Aus biefer feflen, uns 
erfgütterlichen Überzeugung ber Bourbons find alle reactionnairen 
Maßregein berzuleiten, mit benen ſich die Reftauration ihre 
Grube ſelbſt gepraben hat. Diefe Überzeugung warb noch ge: 
naͤhrt und gefteigert von ber übermüthigen Partei der Royali⸗ 
ften, die es offen erklärten, „Das, was 14 Zahrhunderte beſtan⸗ 
den babe, muͤſſe wieber Hergeftellt werben”, und bie fo weit gins 
gen, daB eine aus ihrer Mitte fagen Eonnte: „La rövolution 
n’est qu’une rebellion de vingt-cing ans.” 

Bon jest an ziehen ſich die Wetterwolken zufammen und 
mon glaubte jeden Augenbiid, der Sturm muͤſſe hereinbrechen. 
Aber wenn auch das Gebäude der alten Monarchie, das man 
aus ben Trümmern ber Revolution wieder zufammengefügt 
hatte, in feinen Yugen kracht, die Regierung unb ihre verblen: 
deten Anhänger allein fehen und hören nichts. Wenn man jegt 
ruͤckwaͤrts biidt, fo begreift man kaum, wie fie das Schwert 
nicht erblichten, das an einem Faden über ihnen ſchwebte. Al⸗ 
lerdings ſchien Ludwig XVII. fich einen Augenbli zu befinnen, 
ob ex ſich von dieſer gefaͤhrlichen Richtung tragen taflen folltes 
bald aber umflutete ihn der Strom ber Reaction und er ließ 
fih ohne Wiberfireben von ihm fortreißen. Bon biefem Augen 
biide an eritarfte- die Oppofition; ja, der Gedanke einer neuen 
Revolution, eines Nachipiels zum vorhergehenden Drama, regte 
fi in den Gemüthern. Die Namen Carnot, Lafayetre u. X. 
wurben vom Bolfe mit befonderer Liebe genannt, aber es fehlte 


der liberalen Oppofttion noch zu fehr an Einheit, ats daß fie | 





ber geiftigen 


—— DÄRE wegehtEähen —— — Coterie 
un. ei; db erlichen "unter Baffaho; bie bli⸗ 
kaniſche Fraction, "die Anhänger ber Gebruͤder Salemant und 


| Lefebure s Desnouettes durchkreuzten ſich mis ihren Planen, ihs 
I ven Wünfchen, Hoffnüngen und Mkäßregetn, während der Bf 


von Artois feinerfeits ber Partet der opaliften die nöthige 
Snergte gab, um diefen verſchiedenen Frackionen noch eine Weile 
bie Spige bieten zu können. 

Die Geſchichte nun biefer eingeinen Theile der Oppofition, 
die, nachdem fie ſich allmätig verſchmolzen hatten, nothiwenbiger: 
weife den Sieg babontragen mußten, bilbet den eigentlichen 
Kern des vorliegenden Bandes. Der Berf. hätte biefem Bande 
eine groͤßere Ausdehnung geben können, während ex ſich bei den 
einteitenden Betrachtungen kuͤrzer zu faflen hatte. Arch hätte er 
den geheimen Gefellichaften, wie bem Garbonaridmus, ber Ges 
feufhaft „Aide-toi, le ciel t’aidera” u. f. w., die alle nur 
flüchtig abgefertigt werben, eine größere Aufmerffamkeit ſchenken 
ſollen. Wennſchon ihre —2 in der Verborgenheit 
ſich nicht in ihrer ganzen Ausdehnung uͤberdlicken laͤßt, fo iſt 
ihre Bedeutung doch fo groß, daB fie in deu Geſchichte der Res 
ftauration durchaus nicht übergangen werben dürfen. Blanc, 
ber in feinem Werke über bie QJulirevolution auf ihr Treiben 
ausführlicher eingeht, hat das Richtigere getroffen. Auch die 
Zhätigkeit der Oppofitionspreffe, welche gemwiffeemaßen ber 
Mauerbreder war, unter deren Stoͤßen bie Regierung ber Res 
flouration zertrümmert wurbe, hätte in dieſer Darftellung mehr 
in den Vordergrund treten mäffen. Zu feiner Zeit ift es fo 
wahr gewefen, daß bie Prefle die größte Macht ift, als damals. 
Der Verf. hat es vieleicht vermieden, fie in ihrer ganzen Ber 
beutung daxzuftellen, um ben Verdacht vom füch zu waͤlzen, ats 
ſchlage er ihre Wirkfamkeit gu hoch an und zwar um fo mehr, 
da er, wie gefagt, ſelbſt einer ber rüftigften und unerſchrocken⸗ 
ften Streiter der Tagesprefle, der immer auf der Brefche ftund, 
gewefen if. Aber wer hätte ben unelgennägigen Verf. ber 
„Lettre au due d’Orldans” u. f. w. der Eitelkeit. und ber 
Selbſtuͤberſchaͤgeng zeiyen können, unb werm ee auch feine eigene 
Perfönlichkeit in der Schilderung jener erbitterten Kämpfe mit 
hätte auftreten laffen? Drei Jahre Gefängniß, ebenfo viel Exil 
und 120,000 Francs Strafe, die.er ſich durch feine unerfchrodene 
Polemik in Journalartikein oder Flugſchriften zugezogen hatte, 
geben ihm ſchon ein Recht mitzufprechen. 6, 





titerarifhe Anzeige. 


VRAM. 
CTaſchenbuch auf das Jahr 1844. 
Rene Folge, Sechſter Fahrgang. 
Mit dem Bildnisse Karl Förster's. 


8. Auf feinem Velinpapier. Eleg. cart. 1 Thir. 20 Nor. 


t: I. Die Wellenpraut. Bon A. Gutzkow. — 
II. Pyſiotogie der Geſellſchaft. Von A. v. Sternberg — 
11. Das Heimweh. Novelle von Iul’_ Rosen. — IV. Der 
Wilddieb. Bon W. Aleris. — V. Nur eine Liebe. Novelle 
von Fevin Schlicking. 





Bon frühern Jahrgängen ber Urania find nur noch einzelne 
Eremplare von 1831 — 38 vorräthig, die im herabgeſegten 
Preiſe zu 15 Nor. der Jahrgang abgelaffen werben. Bon 
der Neuen Folge Eoften die Jahrgänge 1839 und 1840 jeder 
1 Thlr. 15 Rgr., 184143 jeder 1 Thir. WO Nor. 


KReipzig, im October 1843, 
F. A. Brockhaus. 


Verantwortlicher Herausgeber: HReinrich Brodhaud — Druck und Verlag von F. X. Brockhaus in Leipzig. 
KT ee er, 








Blätter 


für 


literarifhe Unterhaltung. 





Über die Nothwendigkeit eines gefeßgebenden Ge: 
kehrtenvereind für Verbeſſerung und Fortbildung 
der deutfchen Sprache. 


(Vortfegung aus Nr. 8.) 


Wenn wir nun alſo bedenken, daß unſerer Sprache 
zei Bat durch Sprachgeſellſchaften wieder aufgeholfen wor⸗ 
den ift, daß fie fih Übrigens immer von einzelnen Män- 
nern bat leiten laffen und nun immer noch fo große 
Mängel bat, und wenn wie auf der andern Seite fehen, 
wie andere Sprachen durch gefeggebende Gelehrtenvereine 
zu Regelmäßigkeir, Einheit und Schönheit gelangt find: 
fo erfcheint gewiß auch für die deutſche Sprache ein ge: 
feggebender Gelehrtenverein hoͤchſt wuͤnſchens⸗ 
werth, ja ſelbſt nothwendig. Der Gedanke an einen 
ſolchen Verein iſt auch durchaus kein neuer; ſchon Leib⸗ 
nitz machte einen derartigen Vorſchlag („Unvorgreifliche 
Gedanken“, §. 30 fg.): 

Weilen aber die Sach von einem groſſen Begriff, ſo ſchei⸗ 
net ſelbige zu beſtreiten etwas groͤſſers als privat⸗Anſtalt noͤ⸗ 
thig, und wuͤrde demnach dem gantzen Werk nicht beſſer noch 
nachdruͤcklicher, als mittelft einer gewiſſen Verſammlung ober 
Vereinigung aus Anregung eines hocherleuchteten vornehmen 
Baupts mit gemeinem Rath, und gutem Verſtaͤndniß zu helffen 
ein. — Das Haupt⸗Abſehen wäre zwar ber Flor des geliebten 
Boterlandes Teutſcher Nation, fein befonderer Zweck aber und 
das Vornehmen (oder object) biefer Anſtalt wäre auf bie Teut⸗ 
ſche Sprache zu sichten, wie nehmlichen folge zu verbeflern, 
audzuzieren und zu unterfuchen. 

Auch Klopfto hatte beim Entwurfe feiner ‚Deut: 
fhen Gelehrtenrepublik“ etwas Ähnliches im Sinne, und 
Wieland ſprach das Beduͤrfniß aus, durch ein fogenann- 


ws „ I Panier” der Willkür und Geſetz⸗ 






loſigkeit der deu Schriftſteller und der Verwirtung 
der deutſchen Schreibarten ein Ende zu machen; auch 
Fuͤrſt Metternich ſoll ſich mit dem Gedanken an einen 
deutſchen geſetzgebenden Gelehrtenverein beſchaͤftigt haben. 
Iſt ein ſolicher noch nicht zu Stande gekommen, fo liegt 
dies keineswegs an der Unmöglichkeit defielben, fondern 
an den verkehrten ober nicht genug eifrigen Verſuchen 
zur Herftellung eines folhen Vereins. Ja ich möchte 
behaupten, man wuͤnſcht ziemlich allgemein einen deut: 
fen gefeggebenden Gelchrtenverein und nimmt nur an 
diefem Namen Anſtoß. Mit der Sache felbft find Diele 


tm Grunde einverftanden, bie aͤußerlich dagegen ſtreiten. 
So firdube ſich z. B. ein Ungenannter in Me. 62 d. BL 
f. 1343 gegen einen gefeugebenden Gelehrtenverein und 
fügt gleichwol nachher (S. 247): 

Eine recht genaue Revffion der gefammten ſprachlichen Vevaͤnde⸗ 
rungen und ein darüber zu veroͤffentlichendes Butachten, welche 
davon beizubehalten und weldye zu verwerfen fein möchten, wo 
möglich von einem Vereine dazu Befähigter, Eönnte 
deshalb gewiß ein fo nügliches ats in jeder Hinſicht dankbares 
Unternehmen werden. 


Die Deurfpen kommen mic in diefer Beziehung vor 
wie die Athener, denen es ihre eiferfüchtige Zreiheinstiebe 
ummöglid machte, eimen Herrſcher zu dulden, und Die 
fih doc, fortwährend von einzelnen Männern gängelw 
Ikehen, wenn biefe nur nicht den Namen Herrſcher hate 
tn. Go ſtraͤuben ſich die Deutſchen mit aller Gewalt 


"gegen einen Geſetzgeber tm fprachlichen Dingen, und iw 


dee That erkenne doc Jeder einen Gefepgeber an, ſeinen 
Lehrer oder feine Sprachlehre oder — fih ſelbſt. Und 
natürlih, denn Pfleger und MWärter muß die Sprade 
haben; foll der Wildling veredelt werden, fo bedarf eu 
der pflegenden Hand des geſchickten Gaͤrtners. 

Man fagt öfters, wir bedhrften keines Vereins von 
Geledrten, denn in Deutfchland leiſte ein Mann (verw 
möge feines deutfchen, d. h. eifernen Fleißes) fo viel 
wie in andern Ländern eine ganze Geſellſchaft. Zu ſol⸗ 
hen Reden kann uns nur die größte Eitelkeit verleiten. 
Niemand wird leugnen, daß die Anfichten eines Einzel- 
nen immer einfeitiger fein müflen als die aus grändlicher 
Berathung Mehrer hervorgegangenen; man erimnere fidh 
nur an die Einfeitigkeie Adelung's, ber nichts außer der 
oberfächfifchen Mundart wollte gelten laffen, und ber 
beffenungeachtet noch jegt fein Anfehen nicht ganz verlo: 
ven bat. Und damn find die zu einer geregelten Verbeſſe⸗ 
rang und Fortbildung der beutfchen Sprache nothwendi⸗ 
gen Arbeiten fo riefenmäßtg, daß fie die Kräfte oder auch 
nur die Lebensjahre eines einzelnen Mannes oder einiger we⸗ 
niger Männer weit überfleigen. Und wenn wir wirklich uns 
fere Sprache der Leitung eines Einzelmen übergeben wol⸗ 
ien, wie dann, da wir nicht auf derfelden Stufe fliehen 
bleiben koͤnnen, nach deffen Tode? Wie, wenn gleichzeitig 
mehre fehr bedeutende Sprachlehrer mit ganz verfchiedes 
nen Anfichten und ®rundfägen da find? Wem foll man 
dann folgen? Wie wiederum, wenn Niemand eines un⸗ 


Sn 











1154 


angefochtenen Anfehens genießt? Sept folgen Einige Ja: 
ob Grimm, Einige Ferdinand Becker, die Meiſten ſich 
fetbft, und eben daher kommt bie große Verderbniß unfe: 
zer Schriften, denn Seder, der kaum das Weſen der 
Sprache erkannt hat, will ſich anmaßen, mit der deut: 
{hen Sprache, einer Kunftfprache, nad Willkür zu ſchal⸗ 
ten und zu walten. 

Hieran ſchließt fih ein zweiter Einwurf gegen einen 
gefeßgebenden Sprachverein. Man fagt, der deutſche 
Geiſt ſei zu frei, um ſelbſt feine Sprache feſſeln zu 
laſſen. Sonderbarer Widerſpruch im Weſen des deut⸗ 
ſchen Volks! Auf der einen Seite klagt man über feine 
eigene Unfreiheit und Beknechtung und rühmt bie Frei⸗ 
beit der Franzoſen u. ſ. w., und auf der andern 
Seite erfchricdt man bei dem bloßen Gedanken an einen 
gefeggebenden Sprachverein, dem ſich doch ſelbſt freie 
Völker willig unterworfen haben. Auch die freien Un 
garn haben 1825 in Pefth eine Gelehrtengeſellſchaft bes 
gründet, die namentlich den hohen Zweck bat, bie bie: 
berige Geſellſchaftsſprache, die deutiche, zu verbannen und 
die ungarifche zu verbeflern; eine Menge neuer Woͤrter 
haben ſich, ſowie ſie die Genehmigung des Gelehrtenver⸗ 
eins erhielten, ſchnell verbreitet. Und dieſer Verein iſt 
eine wahre Volksfache; nach mehren verunglüdten Ber: 
ſuchen kam er binnen wenigen Minuten auf dem Land: 
tage zu Stande; der Graf Szechényi gab den Ausichlag, 
indem er 60,000 Gulden zur Begründung der Gefells 
ſchaft aus feinem Vermögen bergab und dadurch ſogleich 
auch andere Vaterlandsfreunde zu aͤhnlichen Opfern ver⸗ 
mochte. Es kann alſo ein geſetzgebender Sprachverein 
doch wol nicht ein der Geiſtesfreiheit ſo ſehr gefaͤhrliches Ding 
ſein. Ja, ich behaupte im Gegentheil: er iſt der allein 
geſetze und vernunftmäßige Beherrſcher, ober beſſer Schieds⸗ 
richter und Ordner der Sprache. Statt dieſes rechtmaͤßi⸗ 
gen Schiedsrichters aber, wie ihn andere Sprachen aner⸗ 
dennen, haben wie eine Menge kleiner Könige, eine Menge 
unberufener und unbefugter Herrſcher. Solche Willkuͤr 
verlangt z. B. Rüdiger („Neueſter Zuwachs der teutſchen, 
fremden und allgemeinen Sprachkunde“, drittes Stuͤck, 
Leipzig 1784, ©. 9 fg.) ausdruͤcklich, zu einer Zeit, wo 
Adelung in der Sprache allgewaltig zu werden anfing: 

Er (Abelung) hat es mit feinen Werken wohl und theuer 
genug verbienet, der teutfche Ariſtarch und Johnſon zu heißen. 
Ge ift noch mehr, weil er uns zugleich einen verbeflexten Du 
Freſne und Iohnfon liefern kann. Aber follen wir ihn zur Bes 
Iohnung dafür, wie ber Wochenſchriftler Fig: Adam feinen Sohn: 
fon, zum hoͤchſten Richter, unabhängigen Dictator und unfehlbas 
zen Dabft in unferer Sprache erbeben, ihm in allem folgen, 
biimblings glauben, durch fein Anfehn ſchlichten und feſt ſegen, 
was ſtreitig und zweifelhaft iM? Nen, davor wache ber Schut⸗ 
geift der teutfchen Zreybeit, Wahrheit zu denken, zu Tagen und 
darnadh zu handeln. Wenn das ſich frey dünfende Britannien 
einen Dictator und Pabft und, fonderbarer Contraſt! bas des⸗ 


potiſch geſcholtene Frankreich einen oligarchiſchen Rath der vier: 
zig zur Verweſung feines Sprachweſens ernennet, jo wollen 


wir unfere natärlihe Anarchie und Autonomie 
aud hierin behaupten. 


(Der Beſchluß folgt.) 





Die runden Thürme von Irland. 
Ein die runden Zhürme von Irland — The round to- 


wers of Ireland — befpredgender Auffag in Mr. und Mrs. 
Halt’ verbienterweife auch in Deutſchland bekannt gewordes 
nem Werke über Irtand*) hat den Herausgeber des „Edinburgh 
journal” veranlaßt, in Betreff „diefer feltfamen und myſterid⸗ 
fen Gebäude feinen Leſern eine kurze und intereffante Mits 


theilung zu machen, bie folgendermaßen lautet: 


„Wen der Gegenftand diefer Zeilen voͤllig fremd iſt, möge 
wiffen, daß bie runden Thuͤrme von Irland alte Gebäude find, 


die eine eigenthämliche und auffallende Geftalt haben und über 


die ganze Schwefterinfel zerftweut ſtehen, ohne daß ſich authens 
tifche Nachricht vorfindet, wozu fie uriprünglich beftimmt gewes 
fen ober fpäter aebraucht worden. Es gab beren früher bedeu⸗ 
tend mehr als jegt, wo ſich nur noch 83 zufa ien laffen, 
von denen kaum 20 volllommen erhalten finb. ie leicht zu 
glauben, flaunt das Volk fie an und bieten fie dem heimijchen 
Alterthumsforſcher einen intereflanten Stoff. Aber auch außer- 
balb Irland verdienen fie Beachtung, denn zwei aͤhnliche Thuͤr⸗ 
me in Schottland abgerechnet eriftirt fein dergleichen Bauwerk 
im gefammten doriftlichen Europa. Allem Vermuthen nach ge⸗ 
bören fie einer Zeit an, die weit über bie hinaus reicht, wo bie 
Sefchichte unfers Welttheils zu tagen beginnt, und find daher 
fhon aus biefem Grunde faft ebenfo benfwürbig wie jene wun⸗ 
derbaren, verſchollenen Städte in Gentralamerifa, mit welchen 
vor kurzem Stephens und bekannt gemadjt hat." 


„Saͤmmtliche runde Thuͤrme von Irland und audy die zwei 
in Gchottiand haben ein und biefelbe eigenthümliche Beftait. 
Sie find nicht bios rund, fondern laufen auch ſpitz zu, haben 
meift eine Höhe von 100 Fuß und find oben koniſch atgeftumpft. 
Am Fuße variirt der Durchmeffer zwifchen 8 und 15 Fuß; bie 
Shür iſt gewoͤhnlich 10 ober 12 Fuß über dem Boden; alle 
ſcheinen drei oder vier Stockwerke und in jedem ein kleines 
Benfter gehabt zu haben, und meift finden ſich nahe unter der 
Aoftumpfung vier eine Fenfter nad den vier Weltgegenben 
zu — aur zwei haben an biefer Stelle deren ſechs. Odwol bie 
Höhe ber unverfehrten Thuͤrme im Durchſchnitt 100 Fuß bes 
trägt, fo gibt es doch welche, die beträchtlich Kleiner, einen von 
84, einen andern von 60, und wieder welche, die beträchtlich 
größer, einen zum Theil eingefallenen von 110 Fuß. Die Abweis 
dungen ber Yorm find ſehr unbedeutend. Der Thurm von 
Kinneagh ift an der Baſis fechefeitig, darüber rund; der von 
Arbmore bat auswendig brei Gürtel, ber von Dyſart einen und 
ber von Devenifh unmittelbar unter der Abſtumpfung einen mit 
Sculpturarbeit. Bei einem ift die Thür gemölbt, bei andern 
ein einfaches Obfongum. Aber bei allen — die in Schottiand 
nicht ausgenommen — befteht das Mauerwerk aus regelmäßig 
zugehauenen Sandſteinbloͤcken (fogenannten Grundftäden) ziertich 
aneinander gelegt und zufammengefügt, während bie innere 
Seite unebener, der Kalk jedoch ohne Ausnahme von ber beften 
und bauerhafteften Qualität if. Schon hieraus folgt, daß bie 
runden Thuͤrme nicht das Probuct eines roben Volks fein koͤn⸗ 
nen. Vielmehr geben fie unleugbares Zeugniß, daß bie Nation, 
die fie aufgeführt, in den Künften, vielleicht auch in der Wiſ⸗ 
fenfhaft nicht geringe Kortfchritte gemacht haben muß. 
Letzteres dürfte die Anordnung der Fenſter hinlaͤnglicher PAIR. 
fein. Daß nun nad Verlauf von nit weniger, mutbmaßlic 
von mehr als zwölf Jahrhunderten fo viele biefer Gebäude noch 
unverfehrt find, muß natürlich ebenfo fehr Üüberrafchen wie die 
Zierlichleit der Arbeit. Von dem Thurme zu Brechin in Schott⸗ 
tand wird behauptet, baß bei flarkem Winde ber obere Theil 
vors und ruͤckwaͤrts ſchwanke, und wir hegen gegen bie Richtig 
feit dieſer Angabe nicht ben entfernteften Zweifel. Hinſichtlich 
der Orte aber, wo bie Bauwerke flehen, ift e8 eine bemerkens⸗ 


) Wir behalten und vor, naͤchſtens ausfuͤhrlicher darauf zuräd- 
zulommen. D. Red. 





1158 


werthe Eigenthuͤmlichkeit, daß fie inägefammt ſich in der uns 
mittelbaren Raͤhe von Kirchen befinden.” 

in der neuern Zeit haben die iriſchen Alterthums⸗ 
freunde angefangen, ſich mit den runden Thuͤrmen zu beſchaͤf⸗ 
tigen, und ber Mangel jeder, ihren Urſprung betreffenden Nach⸗ 
richt if reichlich durch Gonjecturen erſezt worden. Man hat 
fie bald für Glockenthuͤrme, bald für Feuerthuͤrme, bald für 
Bußhäufer, bald nad) dem Vorbilde ber Säulen orientalifcher 
Heiligen für Einſiedlerſtationen erklaͤrt Im 3. 1830 fegte bie 
Königiiche irifche Akademie auf die beſte Abhandlung über diefen 
Gegenftand einen Preis aus, den fie zulegt zwei Männern ers 
theilte, die ihre voneinander abweichenden Anfichten mit feltes 
nem Geſchick vertbeidigt hatten, ben ‚Herren O'Brien und Pe⸗ 
trie. Erſterer hat ſeitdem feine Arbeit veröffentlicht und die des 
Legtern ift, wie wir hören, unter der Preſſe. O'Brien fteht in 
den runden Zhürmen das Wert eines beidnifhen Dolls und 
eine Erfcheinung aus dem Drient. Petrie erachtet fie für min 
der alt, für Bauwerke der frübeften Chriſten in Irland, bie fie 
theils zu Aufhängung ber Stoden, theild zu Aufbewahrung 
wirthoollen Kirchens und Kloftereigenthums gebraucht.” 

„Baft möchten wir glauben, daß Petrie's Theorie lediglich 
aus dem Wunſche hervorgegangen fei, das Staunen zu vermins 
dern, das ſich an ben Urfprung ber runden Thuͤrme gelnüpft 
bat. Gin folder Zweck mag ganz löblidy fein, nur darf er 
nicht zu weit führen. Wären bie runden Thuͤrme chrifttichen 
Urſprungs, fo ift ſchwer abzufehen, warum die Annalen der früs 
heften irifchen Prieſterſchaft fie fo felten und nicht dad Erbauen 
eines einzigen fpeciell erwähnen. Die wenigen vorfommenden 
Notizen gedenken ibrer unter den Namen Zuraghan und Zerdh 
nemedh, erwähnen aber mit feiner Sylbe ihrer Erbauung, ihres 
Alters und ihres Gebrauchs, woraus ſich wol fchließen Läßt, daß 
fie ſchon damals alte Gebäude und ihr Urſprung vor taufend 
Jahren ebenfo unbelannt war wie heute. Gine der Älteften Be: 
gebenheiten in ber iriſchen Belchichte, ber Sturz der Firbolgs 
durch die Danaans, foll in einer Gegend fiattgefunden haben, 
die nach einem benachbarten Thurme Muigh Tuireth na bh 
Fomorach, die Ebene des Komorifchen Thurms genannt wird. 
In gleich Früher Zeit gefchieht der Tor inis (dev Tory⸗Inſel) 
d. b. der Infel bes Thurms, fowie ber Thuͤrme von Temur 
und Zara Erwähnung. Die Annalen der vier Meifter von 808 
gedenken des Turaghan Ancoire, des Feuerthurms des Einſied⸗ 
lers zu Inniscailtre. Die Ulfterannalen von 996 erzählen, ein 
Big habe Armagh in Aſche gelegt und weder die Krankenhaͤu⸗ 
fer, die Stiftsficche und den Erdam, nod) ben Febneamead vers 
font. Daffelbe wird in demfelben Jahre von Tigernach er: 
zaͤhlt; aber ſtatt Erdam ſteht hier Cloichteach, Glockenthurm. 
Während dies nun Alles iſt, was die Annalen über die Thuͤrme 
enthalten, ift von Erbauung von Kirchen fehr häufig bie Rebe, 
und erwägt man die verbaltnißmäßige Größe und Wichtigkeit 
der Gebäude, fo muß man vernünftigerweife wohl annehmen, 
daß, im Fall die Thuͤrme mit den Kirchen aus Einer Zeit 
ſtammten, bie Annalen binfichtlich jener ſich nicht fo ſchweigend 
verhalten haben würden — dies unfers Erachtens ein weiterer 
Beleg für ihe hohes Alterthum.“ 

„Wie wollen nicht bergen, daß cudy wir uns einft ber 
Meinung zuneigten, die Thuͤrme feten Ginfiedierftationen gewe⸗ 
fen. Doch ertennen wir, daß ſowol dawider ald wider bie Ber: 
muthung, die fie zu Glockenthuͤrmen macht, entfdheidende Beden⸗ 
fen vorliegen. Wurden fie für Einſiedler errichtet, wozu fie fo 
hoch und aus ſolchem Material bauen, während die anitoßenden 
Kirchen Klein und niebrig, viele fogar von Holz waren? Aller 
dings herrſchte in Irland vorzeiten viel Einſiedlerweſen; aber 
die Gremiten wählten fich befcheidenere Aufenthaltsorte ale hoch 
in die Lüfte ragende Thuͤrme. Noch gibt es in der Nähe vieler 
alten Kirchen Bleine Bellen, die ihnen zu Wohnungen dienten, fo 
in Achfert, Scattery und Glendalough. Noch eriflist zu Arbs 
more Declan’s Zelle — im Leben fein Haus, im Tode fein 
Grab — und heißt der Bonadan. Die Zelle des Marianus 
Scotus war ein ähnliches niedriges Gebäude. Muͤſſen wir da- 


ber auch bezweifeln, daß bie Thuͤrme urſpruͤnglich zur Aufnahme 
von @infieblern errichtet wurden, fo mögen wir doch Beings 
leugnen, daß in fpäterer Zeit Manche fie zu Bußwohnungen ber 
nugt haben. Unſtreitig war das ber Fall mit obengenanntem 
Zuraghan Ancoire, dem Feuerthurme des Ginfiebiers auf der 
heiligen Infet im Shannon. Der Rame bezeichnet die frühere 
heibnifche Beſtimmung zugleich mit ber Tpätern chriſtlichen Bes 
nugung. Auch geht die Sage von einem Ginfiedier — Harris 
erzählt fie —, der auf der Spige bes Thurms von Drumlaben 
in Cavan gelebt, welcher Thurm noch heutigen Tags Cloich⸗ 
Ancoire, das ſteinerne Haus des Eremiten, heißt.“ 


„Daß die Thuͤrme urſpruͤnglich nicht zu Glockenthuͤrmen 
beſtimmt geweſen, dafuͤr duͤrfte ſowol ihre Geſtalt als ihre Ab⸗ 
trennung und Entfernung von den Kirchen ſprechen, wodurch 
ſie jedenfalls von den Glockenthuͤrmen in andern Laͤndern ſich 
unterſcheiden. Wie indeß lange nachher einige wenige Eremiten 
ſie zur Wohnung gewaͤhlt, mögen andere zu Aufhängung 
von Glocken gedient haben. Seit den legten 150 Zahren ift 
das zu Cloyne und zu Caſtledermot geſchehen. Nach GEinfühs 
tung ber Giodenthärme in Irland gegen das Ende des 9. Jahr⸗ 
hunderte kommt in den iriſchen Gefdichtsbüchern das Wort 
Gloihteady oder Sampanile fehr oft vor. Es wird aber ſtets 
und ausdrüdiich von Turaghan oder Fidneimhedh unterſchieden. 
Der Cloichteach oder Clochier ſcheint meift von Holz geweſen zu 
fein, denn es findet fi die Nachricht, daß einige ein Raub ber 
Stammen wurden. Diefe fo befchriebenen Gebäude werben an 
Orte gefegt, wo nie ein runder Thurm geftanden zu haben 
Icheint, To zu Slane, Glonard, Emily, Telcha u. f. w. Noch 
eriftiren zu Gaſhel zwei Proben des Cloichteach, vermuthlich die 
älteften Gebäude biefer Art in Iceland. Sie ſtehen zu beiten 
Seiten der Cormac's Kapelle, die aus dem 9. Jahrhunderte 
batirt, maden einen Theil berfeiben, find vierrdig und aus 
gut behauenem Stein. Etliche Ellen noͤrdlich ſteht ein runder 
Zhurm, von ganz anderm Gtein und völlig verfchiebener Baus 
art. Wäre diefer urfprüngli zum Tragen ber Glocken beſtimmt 
geweſen, würde man, ſich die Muͤhe erſpart haben, jene zwei 
Thuͤrme zu bauen, Ähnliche Beiſpiele, daß ein runder Ihurm 
in ber Naͤhe eines vierediigen, finden fich in Swords und is 
Devenifd. Außerdem gibt es alte Kirchen mit Glockengiebeln, 
die faſt unmittelbar an runde Thuͤrme ſtoßen, ſo zu Donagh⸗ 
more, Killicullen, Tulloherin, Kilree, Fertagh und anderwaͤrte. 
Hätte der runde Thurm ben Dienſt be Glockentraͤgers verrich⸗ 
tet, würben die Glockengiebel weggeblieben ſein“ 

„Die Stellung der runden Thuͤrme in der Naͤhe von Kir⸗ 
hen — wobei man nur außer Acht gelaffen, daß fie von bems 
felben abgetrennt und ifolirt find — bat hauptſächlich zu bem 
irrigen Glauben verleitet, daß fie die Schöpfung chrifilicher Geifts 
lichen feien. Gehr richtig bemerkt Weld, man koͤnne mit ebens 
fo gutem Rechte umgekehrt bebaupten, die Kirchen wären in deu 
Nähe der Thürme erbaut worden, und erläutert bies durch bie 
wohlbekannte Gewohnheit der erſten chriſtlichen Miſſionare, ih⸗ 
ven Gottesdienſt dem ihrer heidniſchen Proſelyten moͤglichſt zu 
accommodiren, wofür unter vielem Andern der Eifer zeigt, mit 
welchen fie heidniſche Tempel und heibnifchen Göttern geweikte 
Drte zu chriſtlichen Gebraͤuchen benusten (Einer der ftärkften 
Einwürfe indeffen wider die Annahme, daß die runden Thuͤrme 
chriſtlichen Urfprungs, bürfte darin beſtehen, daß ihre Bauform 
mit keinem von ber chriftiidhen Geifttichkeit in irgenb einem 
Lande gebrauchten Religionshaufe etwas gemein bat. Cs iſt 
von vornherein ſchwer zu glauten, daß dieſe eigenthuͤmliche 
Form eine Erfindung der Miſſionare ſei, die Irland und Schott- 
land chriſtianiſirten. Wäre das aber der Fall geweſen, fo ließe 
fi mit Gewißheit erwarten, daß die heiligen Männer aus Ics 
(and, die fid) auf dem Gontinente ausgezrichnet, bier biefelbe 
Bauform eingeführt haben würden, was gleichwol nirgend ges 
ſchehen. Wahr iſt freitih, daß drei Ihürme, nämlich die zu 
Donaghmore, Antrim und Brechin, über den Thüreingängen 
hrifttiche Embleme baben; allein abgefepen, daß bei den zwei 
erftern dieſe Embleme erwiefenermaßen einer jüngern Zeit an« 





1156 


gehören, iſt es auch Thatſache, daß, fobatb bie fruͤheſten chriſt⸗ 
Geiſtlichen einen alten, der heidniſchen Andacht geweihten 
Det ſich zugeeignet, fle es eine ihrer erſten Sorgen fein ließen, 
Gmbteme ihrer Religion an ben umgemwanbelten Gebäuden ans 
ingen. Daͤrfte denmach zweifelfrei vorliegen, daß der runde 
hurm feine Erfindung der iriſchen Mtifftonare, fo müffen 
wie nothwendig feinen Urfprung tin einer früheren hbeidnifchen 
Lehre, vielleicht bei einer andern Menfchenrafle ſuchen.“ 
„Windele, Berf. von „Historical and descriptive notices 
of Cork‘, und wie es fcheint Derjenige, ber Wr. und Mrs. 
Hall die Materialien zu ihrem Eingangs gedachten Auffage g⸗⸗ 
liefert, tft der Meinung, daß die runden Thürme Tempel für 
ben einft in Irland beflandenen Ritus der Feueranbetung gewe⸗ 
fen feien. Die dafür beigebrachten Gründe haben viel Plau⸗ 
ſibles. Zuvoͤrderſt eriftiren noch jest in Indien durchaus aͤhn⸗ 
liche zunde Thuͤrme, beren die ehemaligen Zeueranbeter ſich bes 
dient. „Lorb Walentia war ungemein überrafcht von der Ahns 
lichkeit, bie ihm zwiſchen zwei runden Thürmen zu Bhangulpore 
in Indien und denen von Irland auffiel. Die Thüren waren 
über bem Moden erhöht; oben hatten fie vier Benfter und bie 
Daͤcher weren mit Steinen gewölbt.‘ ‚Wo Pennant von ben 
Polygeren in Indien fpricht, erwähnt er, daß fie ihrer alten 
treu geblieben feien, und befchreibt ihre Yagoden als 
Gebäude von Cylinder⸗ oder runder Thurmform, oberhalb ent: 
weber ſpitzig ober abgeſtumpft und häufig mit einer Kugel oder 
einem Stachel verziert, was bie Sonne repräfentiren ſolle — 
ein Sinnbild der localen Gottheit.“ Hyde hat eins jener orien⸗ 
tatifchen Gebaͤude gezeidmet mit Rauchwolken, die aus den 
obern Fenſtern bervorbringen.“ Der Kaufafus, das Land der 
alten Iberier, von denen Irland feine erften Goloniften erhielt, 
befigt noch eine Menge runde Thuͤrme, und in dem von be: 
sieen colonifirten Sarbinien gibt es ebenfalls eine große Zahl 
folder Bebäube unter dem Kamen nuraggi. Ferner muß das 
einheimifche Wort in Betracht fommen, weiches in Irland die 
zunden Thuͤrme bezeichnet, cillcagh oder golcagh, eine Zuſam⸗ 
menfegung zweier heiligen Worte, wovon das eine Feuer, das 
aubere Bottheit bedeutet. Weiter beziehen fig die Eigennamen 
mehrer Thuͤrme unverkennbar auf Feuer, wodei nicht zu vers 
geſſen, daß ‚bie Feueranbetung im alten Irland eine Thatſache 
it, welche fowol durch die iriſchen Geſchichtsbuͤcher und bie ke⸗ 
bensbefhhreibungen ber Heiligen, als durch die noch beftehenden 
@ewehnpeiten am Borabende bed Mat, des Sohannistages u. f. w. 
binreihend verbürgt wird. Die Beueranbeter felbft zerfielen in 
zwei Gelten; bie eine zünbete das heilige Feuer in offenen 
Tempeln an, wie zu Ballstismor (die Flamme des großen Kreis 
fes), zu Sal: Baille (die Flamme der Gemeinfchaft) u. f. w.; 
die andere umſchloß e® im Sonnenthurme (Turaghan) oder in 
niebeigen überwölbten Gebäuden, dergleichen bie Boens, die Zels 
vn au Ballserous u. f. w. Endlich findet derfelbe Thurm und 
derſ 


niedere viereckige Tempel ſich auch bei den Perſern, fuͤ 
welche, wie uͤberhaupt fuͤr die meiſten ſonſt heidniſchen 





r 
Voͤl⸗ 
fer — Feuer oder Sonne ſtets ein Hauptgegenſtand der Anbe⸗ 
tung war. 

„Die im J. 1841 von den Herren Odell, Abell, Hackett, 
Wal, Horgan und Windele geleiteten Forſchungen, in deren 
Folge neun ſolche Gebäude auf das genauefte unterfucht worden 
I. baben zur Genüge berausgeftellt, daß mehre derfelben ale 

egräbnißpläge gedient haben. In der Ziefe des Thurms zu 
Ardmore wurden bie Nefte zweier Skelette entdedt, die auf eis 
nem Lager von geftebter Erde ruhten. Darüber war eine fefte 
gefchlagene Flur, über diefer vier Reihen eng verbundener, gro: 
Ber Steine und darüber eine andere Flur von glatt geebneter 
Subftanz. Diele Sorgfalt und Vorſicht waren gewiß hochwich⸗ 
tigen Perfonen erwiefen, während der Mangel jeder Spur eines 
Sarges, eines Kreuzes, eines Ringes oder irgend eines Schmucks 
die Bermuthung begründen muß, daß die bier Beerdigten keine 
Ehriften waren. In ber Ziefe bes Thurms zu Cloyne wurden 


drei Skelette und im Thurme auf ber Hanı:Infer gu Antrim 
Überrefte menſchlicher Gebeine gefonben, aͤhmiche Entbeckungen 
aber neuerlich tm Thurme zu Roserea von einem baflgen Hrn. 
Wall gemadt. Belm Aufgraben des Thurms zu Dtomboc ge 
Iangte man mehre Paß unter einer Schicht Schutt, Erde, Men: 
ſchenknochen, Börner und Steine, auf welche insgefammt die 
Einwirkung des Feuers zu erkennen war, zu einer feftgefchlage: 
nen tur, aͤhnlich der ben Thürmen zu Arbmore, Cloyne, 
Roscrea u. f. w. Unter biefer fand fich ein Lager fchwarzer, 
fettiger Erbe und unterhalb deſſelben, zu ebener Flaͤche mit dem 
Srundfteine, ein ziemlich unverfehrtes Skelett. (Die naturhifto: 
riſche Gefellfchaft zu Betfaſt beflgt einen Abguß des Schaͤdels.) 
Was jedoch dad Heidenthum diefer Gebäude über allen Zweifel 
erhebt, ift die Entbedung einer Urne im Thurme zu Timahoe, 
ſowie das Auffinden von Urnenfragmenten in den Thuͤrmen zu 
Brechin und Abernethy in Schottland. In letztern lagen laut 
Angabe des Hrn Black, Verf. einer , Geſchichte von Brehin‘, 
neben den Bruchftuͤcken einer Urne von grünem Thon Knochen 
unter flachen Steinen, fodaß hier in Einem Grabe Verbrennung 
und Beerdigung zufammentreffen, genau wie in den etruskiſchen 
Gräbern. Diefe Entdeckungen reditfertigen den Namen eines 
der irifchen Thuͤrme, Fertagh, der Begraͤbnißfeuerthurm, und 
bezeugen ihre nahe Berwanttichaft mit den Nuraggi, dem Gozo: 
thurme, den Dagobas zu Seylon und andern, ber Sonnenanbe: 
tung angehörigen Gebäuden des grauen Alterthums.‘ 
„Schließlich die Bemerkung, daß es in Irland einen my: 
thiſchen ‚Helden dee Architektur gibt, ben bie im Wolke umge: 
benden Legenden zum Baumeifter vieler jener feltiamen Gebaͤude 
machen. Sie nennen ihn den Goban Saer, und der Glaube 
ift, daß er auch außerhatb Irland als Baumeifter thätig gewe⸗ 
fen fei. ‚Der Name bicfes imagimeiren Weſens‘, ſchreibt Wire. 
Hall, ‚wird leden, fo lange die Iren ihre eingeborene Sprache 
und in ihrer Ungelehrſamkeit die von ihm gelehrten Grundfäge 
der Weisheit als Orakel bewahren werben Ich habe nicht die 
Zeit erfahren, in weicher er gelebt, aber die age verfichert, in 
der Kunft des Bauens babe er alle feine Beitgenoffen übertrof: 
fen, und feibft in jenen Zagen ber Zinfterniß, wo fogar nahe 
gelegene Länder wenig miteinander verfehrten, habe fein Ruhm 
weit in ferne Lande gereicht‘.’ 14. 





Literarifhe Notiz. 


Beitrag zur Dante-Eiteratur. 


Einer ber neueflen Bände des Compte-renda von den 
Arbeiten der Ziberifchen Akademie zu Rom, der uns zu Geficht 
gelommen ift, enthält einen beachtungswerthen Aufſatz über Ugo 
Boscolo’8 Kommentar zum Dante. Diefe geiftoolle Kritik rührt 
aus der Feder des Präfidenten der gedachten Akademie her. Der 
Commentar felbft, der fünf Abtheitungen büben follte, wurde durch 
ben Tod bed Verf. unterbrochen. Bios ber erſte Band ift zu 
London, wo ſich Foscolo bekanntlich mehre Jahre hindurch auf: 
bielt, erſchienen und umfaßt zwei Bände. Garlo Gazyola, ber 
Berf. der Kritik, auf die wir aufmerkfan machen, fucht die Ans 
ſicht Foscolo's zu widerlegen, daß nämlich ber einzige Zwect, den 
Dante bei Abfaffung gehabt habe, eine beabfichtigte Reformation 
der Kirchendisciplin und zum Theil wenigſtens auch der Riten 
und Gebräuche bes Katholicismus gewefen fei. Diefe feltfame 
Anſicht, die von Gabr. Rofferti vertheidigt wirb, findet im Au⸗ 
—5 in Italien nur geringen Anticng. Außer biefem Auf⸗ 
age finden wir in der erwähnten Cammlung der Denkfcriften 
biefer Akademie noch einige recht intereſſante Abhandlungen, von 
denen wir eine „Betrachtung des Handels im Allgemeinen und 
der Handelsverhaͤltniſſe von Italien im Beſondern“ vom Pater 
Hyacinth von Ferrari und eine „„Darflellung von ber Macht der 
religiöfen Ideen im Wittelatter” von Bartolomeo Pacca na= 
mentlidy hervorheben. 2. 


Berantwortlicher Derautgeber: Heinrih Brockhaus. — Drud und Verlag von 5. A. Brodhaus in Leipzig. 


* 


Blätter 


fer 


literariſche Unterhaltung. 





Montag, 





iehrtenvereind für Verbefferung und Zortbildung 
der deutſchen Sprache. 


Beſchluß aus Ne. 288.) 


Man meine nur nicht, daß ein zu ertichtender beut: 
[her Gelehrtenverein ein treues Abbild des franzöfifchen 
oder irgend eines andern ausläudifchen Vereins fein muͤſſe. 
Er muß durchaus deutſch fein und die Mängel zu ver: 
beffern ftreben, die wir an jenen fremden Vereinen wahr: 
nehmen; er foll und kann freie Regung des Geiſtes nicht 
hemmen, fondern er kann fie vielmehr nur ermuntern 
durch allgemeine und oͤffentliche Beſprechung fprachlicher 
Angelegenheiten. Er fol und kann dem Gtrome ber 
Sprache nicht Stillſtand gebieten, aber er folk ihn regeln 
und reinigen; er foll darüber wachen, daß reichliche Quel⸗ 
Im und Bäche in das Bert des Sprachſtroms geleitet 
werden, und wiederum, daß der Strom fich niche zu weit 
und ungezügelt ausdehne und dadurch feine Xiefe vers 
fiere und am Ende gar verfiege. Die deutfche Gefammt: 
fprache ſtroͤmt nicht mehr wie anfangs ale Naturſprache 
im obern Laufe im hohen Gebirge, wo ihe die Natur 
ihren Weg vorfchreibt; fie ſtroͤmt jetzt in fruchtbaren Ebe⸗ 
nen als gewaltiger Strom, der feine Kraft und Schön: 
heit verlieren kann, wenn man ihm felbft und feinen reis 
hen Zuflüffen nit zu Huͤlfe kommt. Diefe Zuflüffe, 
weiche ihm ein Gelehrtenverein durchaus wicht abfchneis 
den, fondern vielmehr in möglichfter Fülle, nur geordnet, 
zuführen ſoll, find befonders Wörter, Wortformen und 


Wendungen aus den lebendigen Volksmundarten aus | 


dem Norden und Süben, aus dem Dften und Welten 
des deutſchen Vaterlandes, ſowie aus dem Kopfe und Ders 
on begabtee Männer entquolien. Einen Damm foll der 
Selchrtenverein nur den trüben Waflern entgegenfegen, 
welche, auf fremdem Sprachgebiete entquollen, unfern 
Sprachſtrom verunreinigen flatt ihn zu bereichern. Daß 
auch die auswärtigen Sprachvereine der freien Entwicke⸗ 
lung des Geiſtes und ſomit' der Bildung neuer Wörter 
nit hinderlich find, beweiſt 3. B. der franzöfifche, ber 
in jede neue Auflage feines Woͤrterbuchs eine Menge 
neuer Wörter aufgenommen bat, und der toßcanifche, der 
ſchon ſehr fruh von der urfprünglich falſchen Auffaffung 





Über die Nothwendigkeit eines gefeggebenden Ge- 





18. October 1843. 





feiner Aufgabe zuruͤckkam. Darüber fagt z. B. Leibnis 
(„Unvorgreiffliche Gedanken”, 8. 18): 

So bat audy bie Italiänifche Geſellfchafft der Euuslı oben 
bed Beutel: Zuchs, weiche die böfe Worte von ben guten, wie 
die Kleyen vom feinen Mehl fcheiden wollen, durch allzu eckels 
baftes Verfahren ihres Zwecks nicht wenig verfehlet, und find 
baher bie ikigen Glieder gezwungen morben, bey ber lekten 
Ausgebung ihres Woͤrter⸗Buchs, viel Worte zur Hinterth 
einzutaffen, bie man vorbero ausgeſchloſſen; weit bie Geſellſchafft 
anfangs gang Italien an die Florentiniſche Befege binden, und 
den Gelehrten felbft allzu enge Schranken fegen wollen. Und 
babe ich von einem vornehmen Glied berfelbigen, To felbft ein 
Florentiner, gehöret, daß er in feiner Jugend auch mit ſolchem 
Toscaniſchen Aberglauben behafftet gewefen, nunmehr aber ſich 
beffen entfchüttet habe. 


- Sp dirfte namentlich auch ein deutſcher Gelehrten⸗ 
verein niemals glauben, fertig zu fein, fondern et müßte 
immer von neuem beginnen und unaufbörlich wirken, 
denn bie Hälfsquelien der deutſchen Sprache find umners 
ſchoͤpflich. Gerade dadurch — wenn z. B. der Belchw 
tenversin nach jedem Jahrzehnd eine neue Ausgabe vom 
Wörterbuch und Sprachlehre Lieferte — würde man jeme 
Huͤlftquellen erſt recht kennen lernen und es müßte febe 
erfreulich, anziehend und lehrreich fein, die regeimähig 


 fortfchreitende Ausbildung der deutfchen Sprache verfole 


gen zu Binnen, und der Eifer für die Mutterſprache, ges 
gen bie man immer noch viel zu lau iſt, würde fich im⸗ 
mer mehr fleigern, denn auch jedes befählgte Michemitglieb 
eines Vereine würde feine Stimme abgeben und daducch 


gleichfals auf die Fortbildung dee Gprache einwirken 


koͤnnen. 

Ich hoͤre einen fernern Einwurf gegen einen geſetz⸗ 
gebenden Gelehrtenverein. Man fragt: wie ſoll er ſich 
entſcheidendes Anfehen erringen? Die Antwort iſt 


einfach: Ein ſolcher Gelehrtenverein dürfte ſich durchaus 


nicht von vornherein als einen geſetzgeben den ankuͤn⸗ 
digen; er muͤßte vielmehr ganz geraͤuſchlos zu wirken an⸗ 
fangen; er wuͤrde ſich aber bald allgemeine Geltung da⸗ 
durch verſchaffen, daß er von ſeiner Nothwendigkeit und 
von ſeiner Gediegenheit uͤberzeugte. Nicht aͤußere Macht 
kamn ihn erhalten, ſondern nur er ſich ſelbſt durch innere 
Tuͤchtigkeit und Fortfchreiten mit der Zeit. Vom frans 
zöfffchen und fpanifchen Gelehrtenvereine Fönnte man 
leicht fagen, fie hatten fi nur dadurch Geltung ver 


1158 


ſchafft, daß fie unter dem Schuge der Regierung und In 
ber Haupeftadt des Reichs entftanden; mie aber der ita: 
lieniſche Verein? Unter der Unzahl von Ähnlichen Verei⸗ 
nen bat er allein fi nun faft drei Jahrhunderte lang 
als Geſetzgeber behauptet, ungeachtet unter den verſchiede⸗ 
nen Landſchaften Italiens viel loderere Verbindung als un: 
tee den Deutfchen, felbft Haß und Zwietracht flattfindet. 
Allerdings müßte der beutfche Belehrtenverein vom Staate, 
am beften von allen deutfchen Staaten unterflügt und er: 
halten werden, damit alle Mitglieder defjeiben alle ihre Zeit 
und ihren ganzen Fleiß zum Beſten ber deutſchen Sprache 
verwenden könnten. Und er dürfte feinen Sitz nicht in 
Wien oder Berlin oder München haben, fondern im in: 
een d, denn überali bat die Geſammtſprache 
vorzugsmweife in der Mitte des Landes ihren Sie. 

Wenn wir alfo die Weiterbildung unferer Gefammt: 
fprache nicht der Willkuͤr Einzelner, fondern der Sorgfalt 
einer Verbindung von Gelcheten, bie nach einem beflimm: 
ten Plane und nad beflimmten, vom Volke anerkannten 
Gtrundfägen arbeiteten, anvertrauen wollten, fo wäre eine 
Hauptfrage, was nun eigentlic, diefelbe Gefellfhaft vor: 
sugsweife zu thun haben würde. Ich will dies nur mit 
wenigen flüchtigen Worten anzudeuten fuchen. 

Vor allen Dingen müßte fie die Werke des deutfchen 
Schriftenthums genau prüfen und bie durch ihre Schreib: 
art ausgezeichnetfien ald Mufter zur Nachahmung bin: 
fielen. Auch diefe Mufterfchriften müßten fprachlich ges 
nau geprüft und alles Tadelnswerthe in denfelben in bes 
fondern Abhandlungen gerügt und verbeflert werden. 

Sodann müßte die Sprachlehre genau durchgenom⸗ 
men, alle irrthuͤmlichen und fprachwideigen Regeln, mit 
weichen uns Gottſched, Adelung u. A. beſchenkt haben, 
berichtigt oder ausgefchieben, bie zweifelhaften aber aus 
ben lebendigen Volksmundarten beflimmt entfchleden wer⸗ 
den. Auf diefe Vorarbeiten, welche vorläufig in einer 
Zeitſchrift zufammengeftellt werden koͤnnten, damit fie all: 
gemeine Beſprechung veranlaßten, würde ſich dann eine 
vonftändige Sprachlehre gründen. 

In einer ſolchen Sprachlehre müßte namentlich eine 
fefte, allgemein gültige Schreibung, die dann erft den 
flogen Namen Rechtſchreibung verdienen würbe, feſt⸗ 
geftelt werben; auch Beihenfesung, Syibenmef: 
fung und VBersbau müßten befonders berüdfichtigt 
werden. Die ganze Sprachiehre aber müßte ſich auf 
Kenntniß aller Iebenbigen Volksmundarten flügen. 

Eine Hauptaufgabe für einen folhen Verein wäre 
aber die Sichtung und Bereicherung des Wortfhases. 
Ale gemeine, miderfinnig gebildete und fremde Wörter 
müßten ausgefchleden und dafür eine große Anzahl be: 
zeichnender und £refflicher Ausdrüde aus den Volksmund⸗ 
arten aufgenommen werden, bamit die Geſammtſprache 
in der That Das werde, was ihr Begründer von ihr ver: 
langte und was fie dem Weſen der Sprache nad) fein 
fol: ein Inbegriff des Gediegenften und Schönften aus 
allen lebendigen deufhen Mundarten; erft dann wird 
fie für die Bewohner der Landfchaften nichts Fremdes und 
Todtes mehr fein, denn Alle werben in ihr ihre eigene 


Mundart wiederfinden. Auch biefe Beruͤckſichtigung ber 
Mundarten verlangte ſchon Leibnig (a. a. ©. $. 32). 
Die Hauptaufgabe wäre alfo ein Wörterbuch, welches 
zugleih auch die brauchbaren mundartlichen Wörter ent: 
bielte; denn auch das von den Brüdern Grinm zu ers 
wartende Wörterbuch wird ſich auf die hochdeutſche Schrift: 
fprache befchränfen. 

Es geht aus dem Sefagten hervor, daß bie Mitglieder 
bes Dereins alien Gauen Deutfchlands angehören und 
eine tüchtige Kenntniß aller lebenden Volksmundarten 
haben müßten. Dem jegt faft überall erwachten Streben 
nah Erforſchung und Ausbildung der Volksmundarten 
fheint das Gefuͤhl zum Grunde zu liegen, daß fie alle, 
in ein einheitliches Ganzes verſchmolzen, erſt die wahre 
deutfche Sprache bilden würden. Auguft Fuchs. 





Algerifhe Vegetation. 

In der Sigung der Academie des sciences in Paris am 
10. Juli wurde ein Auffag des Präfidenten der nach Algier zur 
Verfolgung botanifcher Zwecke abgefendeten Commiſſion, Bor 
de St.⸗Vincent, vorgelefen, welcher allgemeine Geſichtspunkte und 
Ginzelheiten von größtem Intereffe darbietet. Wir theilen 
daraus Folgendes als das Wefentlichfte mit: 

....,Deöfontaines’ ‚Flora atlantica‘ erregte fo viel Auffehen 
in der getehrten Welt, weil ber Verf. 250 unbelannte Pflanzen: 
arten in ſolcher Nähe von Europa entdeckt hatte. Faſt alle dieſe 
Arten bat man ſeitdem an andern Küften bes mittelländifchen 
Meeres aufgefunden, beſonders an ber Süd: und ODſtkante der 
iberiſchen Halbinſel, welche man als das rechte Ufer eines breiten 
Stromes anfehen kann, deſſen linkes Ufer Algerien fein wuͤrde. 
Die Analogie beider Landſtriche ift fo auffallend, daß es jett 
nicht mehr zu kuͤhn iſt, wenn man erwartet, nach vollendeter 
Erforſchung beider alle Unterſchiede in geologifcher, zoologiſcher, 
botanifcher und klimatiſcher Dinficht vöNig verſchwinden zu fehen. 
Schon vor langer Zeit, als ich die afritanifche Küfte nur 
dadurch kannte, daß ich fie von Anbalufiens Hoͤben und Küften 
aus gefehen hatte, machte ich auf bie auffallende KÄhnlichkeit 
beider Eandftrihe aufmerkſam und ftellte die Anfiht auf, daß 
der Meeredarm, ber fie voneinander fcheidet, nicht immer ba: 
gewefen. Der Gedanke, daß irgend einmal bort das Meer 
piögtich durchgebrochen, war ſchon von Andern, aber obne Be: 
weile bingeftellt; ich entnahm meine Beweiſe aus ber Verglei⸗ 
hung der beiden Gegenden gemeinfamen Raturverbältniffe. 

„Ich verfuchte bamals zu beweiſen, baß die Revolution, der 
bie von ben Alten fogenannten Serculesfäulen ihren Urfprung 
verbanten, ‚innerhalb Menſchengedenkens ftattgefunden haben 
muͤſſe und nicht weit über bie Zeit, weiche die Geſchichtſchreiber 
das beroifche Alter nennen binaufzurdden fein dürfte. Meine 
Sreurfionen in den 93. 1840 —4 baben mir Das befkätigt 
was ich früher vermuthet und in ben 3. 1823 und 18 
öffentlich ausgefprochen habe.” 

‚Da feit 1830 viele einzelne neue Gewaͤchſe Aigeriens in 
Guropa bekannt geworden find, hielt man bie Bekanntfchaft mit 
ber algeriſchen Flora ſchon für erfchöpfend, aber es gab noch 
eine bebeutende Leſe zu halten und wir haben gegen 60 un» 
befannte Phanerogamen aufgefunden, unter benen mehre wegen 
ihrer Schönheit in unfern Ziergärten Aufnahme verdienen. An 
Kryptogamen find die brei Provingen des franzöfifchen Afrika 
minber reich als an Phanerogamen. Die Gumnsreichen Täler, 
bie Feleplatten, bie alten Baumſtaͤmme ſchmuͤcken ſich dort nicht, 
wie an fo vielen andern Oxten gleicher Breite, mit einer foichen 
Menge von Farrnkraͤutern, Mofen, Flechten, Schwämmen, einer 
dem warmen und feuchten Klima fonft eigenthuͤmlichen Ne: 
getation. Die algerifche Luft ift wirklich warn und feucht, man 
muß alfo den Mangel an Gewaͤchſen biefer Art, der viel 


AGD 


groͤßer ift, als wir geglaubt bakten, aus andern Urſachen als 
aus einer. vorgeblichen Trockenheit Algeriens herleiten. . Die 
Landbraͤnde, weiche fe unbentrichen ae hi ige jedes 
Sabr gegen Ende bes Sommers zu fliften en, erzeugen 
diefen Mangel, und dieſe Mrände waͤrden mit ber Beit alles 
Pflangenieben vernichten, wenn nicht die Adminiſtration endlich 
vorforglich Einhalt thäte. Ginige Ausbeute an Kryptogamen 
bat fich beffenungeachtet ergeben und zwar an bevorzugten 
Gtellen, weiche von ber herkoͤmmlichen Berwüftung verfcyont 
ebtieben find. Vorzuͤglich aher lieferte uns das Meer eine gute 

ente im Gebiete ber Hydrophytologie. In diefem noch bunfeln 
Zweige der Wiſſenſchaft gelang ed, drei Gattungen (genus) 
feftzuftellen und nicht weniger als 400 Arten (species), von 
denen etwa 60 (die bisher nur unvolllommen befannt waren) 
Anſpruch auf Neuheit haben.’ 

„Die barbareste Flora wird in der Vollſtaͤndigkeit, welche 
unfer Katalog darbieten wird, genügen, um den botanifchen 
Charakter der Umgebungen des Mitteimeers mit Genauigteit 
feftzuftellen. Diefer Katalog wird aud für einen wohlverftans 
denen Aderbau von Nutzen fein, denn wenn man weiß, was 
die drei Provinzen freiwillig erzeugen, fo Tann man daraus ab» 
nehmen, was man ihrem Boden zumuthen darf. Es wird ſich 
zeigen, daß unfer afrikaniſcher Diſtrict nicht, wie fo oft mit 
Gmpbafe declamirt worden, ein erfchöpftes Land if. Man 
wird vielmehr von ihm Weine fodern können, welche mit den 
fpanifchen, dem Madeira, dem Ganarienfect wettelfern; er wird 
den beften Zabad der Welt liefern, Baumwolle, welche die ames 
rikaniſche übertrifft, Gochenille von nicht geringerer Schönheit 
als die mericanifche, vortreffliches Di, Seide in folder Voll: 
fommenpheit, wie fie Shina nur immer beſitzt, faſt alle Brüchte 
der Welt, und darunter manche, bie getrodnet eine bedeutende 
Ausfuhr geftatten werden, und viele andere Artikel. Der Cere⸗ 
elien gar nicht zu gedenken, deren wir für fo viele Millionen 
om Schwarzen Meere holen, während fie in der Berberei übers 
flüffig wachlen, wo fie ihrer Qualität wegen von Alters ber 

rühmt waren.” 

„Die Eoftbaren Gerealien find ganz anders verbreitet in 
Afrika, als der berüchtigte Flugſand es iſt oder jemals war, von 
dem fo ſchreckliche Schiiderungen nach Europa fommen und ber 
den Gegnern der algeriſchen Befigungen fo viel Stoff zu Decla⸗ 
mationen über bie Unhaltbarkeit bderfelben liefert. Bewegliche 
Sandſchollen von brohendem und unbezwinglich flerilem Eha⸗ 
salter kommen nirgend vor, nicht einmal in der Wüfte; im 
Gegentheil, der Sand ift eine Beltenheit, während man ihn für 
eine Landplage auögegeben bat. Man findet ihn in Algerien 
nur, wo in Meeresbuchten ſich einige Anſchwemmungen bilden, 
und Das, was an manden Küftenftellen einige Ahntichkeit mit 
ihm hat, wa® man Dünen nennt, läßt fi) an Ausbebnung und 
Höhe nicht im entfernteften mit ben Aufhäufungen vergleichen, 
die in vielen Strichen Norddeutſchlands, Hollande, Belgiens 
und fonderlich an der Küfte von Gascogne anzutreffen find. 
Nirgend ift mehr fruchtbare Erbe, nirgend in tiefern Lagen, 
nirgend beſſer anzutreffen als in Algerien, wo der Boden ſich 
durch zwei Drittel des Jahres mit der uͤppigſten Begetation 
fhmidt. Es ift im Winter milder und im Sommer weniger 
heiß als irgendwo, wenn nicht in den Hundstagen ein Sirocco 
mehre Stunden lang weht. Das Trinkwaſſer ift im Allgemeis 
nen frifch und überall vorhanden, wo nicht europäifcher Bandas 
liemus die zahlreichen Waflerleitungen, über deren Erhaltung 
die türlifhen Barbaren forgfam wachten, zertrümmert und 
Dürre verurfacht hat ober Berfhlammungen, durch bie dann 
auch bie Luft verberbt worben iſt.“ 78. 


Bibliographie. 


Ainsworth’s, W. H., Hiftorifche Romane und Gitten- 
gemäide. In forgfättigen Übertragungen aus dem Cnglifchen 
von X. Bruder. Ifte Lieferung: Schloß Windfor. Iſtes Baͤnb⸗ 
den. Stuttgart, Böpel. 8. 8 Nor. 





Apol des ungrischen Slawiswus. Von 8. Hess, 
Leipzig, Volckmar. Gr. 8. 22!/, Ner. 

Ariftophbanes, Luftfpiele. überſetzt und erläutert von 
* Fo Iter. Ifler Band. Leipzig, Brockhaus. Br. 8. 1 Zpir. 


Arndt, E. M., Gedichte» Der neuen Ausgabe Re vers 
mebrte Auflage. Leipzig, Weidmann. Gr. 12. Zhle. 
Aurora. Taſchenbuch für das Jahr 1844. Herausgegeben 
von 3. &. Seidt. 20fter Iahrgang. Mit ſieben Stahiſtichen. 
Wien, Riebls Sm FR Sohn. 16. 2 Thir. 5 Nor. 
aum, J. B., Theodor Beza nach handfchriftlichen Quel⸗ 
len dargeßellt. After Theil. Wit Beza's Bildniß ⸗ 
mann: —8 pn n Thir. 15 Be B. Leipaig, Seſd 
iſche Bekenntnißſchriften. Iſtes Heft: Das jſüuͤdi 
Glaubensbekenntniß. Berlin, Behr. 12. gr Nor. judiſche 
Bibliotheca magica et pneumatica, oder wiſſenſchaftlich 
geordnete Bibliographie ber wichtigſten in das Gebiet des Zau⸗ 
ber», Wunder-, Beifter s und fonftigen Xberglaubens vorzüglich 


" älterer Zeit einfchlagenden Werke. Wit Angabe der ous diefen 


Wiſſenſchaften auf der koͤniglich fächfifchen öffentlichen Bibliothek 
zu Dresden befindlichen Schriften. Ein —* r —5* 
ſchichtlichen Literatur. Zuſammengeſtellt und mit einem doppel⸗ 


„ten Regiſter verfehen von I, G. T. Graͤße. Leipzig, Engel⸗ 


mann. Gr. 8. 25 Ngr. 

Braune, H., Eidena's frühere Verhättniffe. Mit befon- 
derer Berüdfichtigung des Studiums ber Landwirtbfchaft” und 
deſſen Einfluß auf das praftifche Leben. Auf Beranlaffung eis 
ner von 3. Schwarzlofe herausgegebenen Schrift: Dein ‚8er 
ben in Eldena“ geſchrieben und mit einer Kritik derfelben vers 
fehen. Magdeburg, Heinrichshofen 8. 7Y, Nor. 

riefe preussischer Staatsmänner. Herausgegeben von 
Dorow. ister Band: Briefe des Königlich Preussischen 
Legationsraths K. E. Oelsner an den wirklichen Geheimen 
Rath F. A. v. Staegemann, aus den Jahren 1815 — 1827, 
Mit „hacsimile der Handschrift. Leipzig, Teubner. Gr. 8. 
r. 

Bruchſtuͤcke aus ber Kaiferchronit und bem jüngern Titurel 

zum erften Dale herausgegeben und erläutert — K. Ro th. 


Landshut, Thomann. 8, . 
Emben, Rakebrand. Gr. 8. 


r 
Bueren, ©. W., Gedichte, 
1 Thir. 

Bunſen, ©. ©. J., Die Baſiliken des chriſtlichen Roms, 
nach ihrem Sufammenhange mit Idee und Gelchichte ber Kir⸗ 
chenbaukunſt dargeftellt. München, Literar. sartift. Anſtalt. Gr. 
SImp.:4. 1Thir. 18%, Nor. 

D’Eonnel, Über Irland und bie Irlaͤnder. Nach bem 
Englifhen von A. Böttger. Ifter Band, Ifte Lieferung. Leip⸗ 
zig, Kummer. 8. Preis des Bandes in zwei Lief. 1 Thlr. 

Csaplovics, J. v., ÜUngerns Industrie und Cultur. 
Leipzig, O. Wigand. Gr. 8. 12 Ngr. 

Vier Documente aus römischen Archiven. Ein Bei 
zur Geschichte des Protestantismus vor, während und nach 
der Reformation. Leipzig, Hahn. Gr. 8. 20 Ngr. 

Ehrenberg, C. G., Verbreitung und Kinfluss des 
mikroskopischen Lebens in Süd- und Nordamerika. Ein 
Vortrag. Mit vier colorirten Kupfertafela. ‚Berlin. Folio. 
5 Thlr. 10 Ngr. 

Stinnerungen der Schweiter Saint Louis aus ber Zeit ib: 
rer Erziebung und ihres Lebens in der Welt. Vom Verf. von 
„Rom und Eoretto”. Zwei Bändchen. Tübingen, Laupp. 8. 
1 Thir. 25 Nor. 

Erzählung einer vom Biſchof Laurent in Luremburg bes 
wirkten Teufelsaustreibung. Aus dem Hollaͤndiſchen wörtlich 
uͤberſetzt. Luremburg, Michaelis. Kl. 8. 5 Rgr. 

Evangelium und Kirche. Eine katholiſche Proteſtation ge⸗ 
gen den Proteſtantismus, der ſich „„Kicche” nennt Bon Dr. 
Sylvius. Regensburg, Manz. Gr. 8. 27%, Near. 


Faͤhnrich, A., Pallas Athene. Gin etymologifches Ta⸗ 
ſchenbuch. Ater. Jahrgang. — A. u. d. T.: Ko molar 


EBirtaerbuch aber ichende Anatomie der deutſchen 
prache. Nebſt Materialien fr flawiſche und lateiniſche Sprach⸗ 
ſorſchuns · Iſtes Heft. Gitſchin. 16 20 Rar 


e aurerei und bie Weit. Sin Programm. Der 
koͤniglich bayerifchen Zriebrich » Aleranders » Univerfität at Be⸗ 
weis imiger Theilnahme an deren erſſer Gäcularfeier gewidmet 
von ber Loge Libanon zu ben drei Cedern. Erlangen, Palm. 

4 


‚4 3 
bee i 38 Leipzig, Binder. 


Beiehri bes Großen RBermächtni. 
®r. 16. 7%, Ner. 
Fritſche, F. G., Die erziehende Weisheit Gottes beim 
KRücdhiid auf die 1000jährige Gelbftändigkeit unferes Bolke. 
Gebädhtnißprebigt. Altenburg, Helbig. Gr. 8. 5 Nor. 
Gerus, 3., Stille Lieder. I. Königöberg, Theile. 8. 


gr. 

Goltz, ©. F. G, Jubelpredigt zur Feier des 1000jähris 

en Beftehens Deutfchlande am 6. Aug. 1843 über Pſalm 126, 
5. 3. Berlin, Atyendum. 8. 2% Rer. 

Goͤrlich, F. X., Das Leben der heiligen Hebwig, Herzo⸗ 

gin von Schlefien, als Andenken an bie aͤhrige —&* 


ihres ſeligen Todes zum Beſten eines kirchlichen Zweckes bear⸗ 
beitet. Breslau, Aderhoiz. 8. 22% Ngr. 


Hagen, K., Deutſchlands literariſche und religiöfe Ver⸗ 
haͤltniſſe im Reformationszeitalter. 2ter Band: Der Geiſt der 
Reformation und feine Gegenfaͤtze. Iſter Band. Erlangen, 
Palm. ®r. 8. 1 Thir. 15 Rer. 

Handbuch des Schachſpiels Entworfen und angefangen 
von P. R. v, Bilguer Fortgeſetzt unb herausgegeben von 
feinem Freunde v. d. Lafa. Berlin, Reit und Comp. Gr. 
Lex.⸗B8. 3 Thlr. 

Hanſen, W., Edmund von Kuckſsburg. Eine Ritterge⸗ 
ſvich fa den Beiten der Kreuzzuͤge. Nordhauſen, Fuͤrſt. 
. 2 HE. j 

Dautbal, $., genannt F. 8. Kranke, Der große Chris 
ſtoph. Nebſt einem von C. Begas gezeichneten und lithogras 
phirten Bilde und Zunft» und literar » hiltorifchen Bemerkungen. 
Berlin, Trautwein. Gr. 4. 1 Ihe. 15 Nur. 

Hengftenberg, © W., Commentar über bie Pfaimen. 
3ter Band. Berlin, Oehmigke. &r. 8. 1 Zihir. 20 Nor. 

Hopfe, 3. ©. F., Predigt am Tage der Feier des 1000: 
jährigen Beſtehens der Einheit und Selbſtſtaͤndigkeit Deutſch⸗ 
lands. Eisleben, Reichardt. 8. 3°), Nor. 

Junghanns, C., Beleuchtung der Bittſchrift der Han⸗ 
delstammer von Elberfeld und Barmen an ben rheiniſchen Lande 
tag. Leipzig, F. Fleiſcher Gr. 8. 15 Nor. 

Kall, &., Eva, bie Barfenfpieierin. Ein Gemälde aus 
dem Wolksleben. Gifenderg, Schöne. 8. 1 Thlr. 10 Nor. 

Koh» Sternfeld, 3. ©. Nitter v., Rhapfohien aus ben 
norifhen Alpen. Mit ertäuternden biftorifch s topographiſchen 
und Literatrifchen Notizen. Ite und vermehrte Auflage. Müns 
en, Fleiſchmann. 12. 22, Xgr. 

König, K. B., Der Schade Joſeph's an unfern Lands 
gemeinden. Geſinnungsvoll aber freimüthig aufgebedt. Mag⸗ 
deburg, Baenſch. Gr. 8. 10 Nor. 

Landau, W., Die Petition des Vorſtandes der israeliti⸗ 
fhen Gemeinde zu Dresden und ihr Schickſal in der II. Kam⸗ 
mer März 1843. Dresden, Walther. Gr. 8. 4 Ner. 

Liebner, T. A., Predigt zur 1000jährigen Jubelfeier 
des Vertrags von Verdun. Im der UniverfitätssKirche zu Goͤt⸗ 
tingen am 6. Xuguft 1843 gehalten. Göttingen, Vandenhoeck 
und Ruprecht. Gr. 8. 3%, Nor. 

Meyer, W. v., Reifen in Suͤd⸗Afrika während ber 
Sabre 1S40 und 1841. Beſchreibung des jegigen Zuſtandes der 
Solonie des Vorgebirges der guten Hoffnung. Nebft Abbildung 
einer Löwenjagd. Hamburg, Erie. Er. 8. 1 Zpir. 10 Nor. 

Müller, W., Bettler Gabe. Taſchenbuch für 1844. 
10ter Jahrgang. Mit dem Portrait bes VBerfaffers. Berlin, 
Deutidhe Veriagsbuchhandlung. KL 8. 1 hir. 20 Nor. 


@L.:Werty, Steh Eiiuhcf, oder die nordiſchen Yebdkts 
in —& Baͤnde. Leipzig, Mtentra ae. 1844. le 2 Thlk, 
Didelop, X. v., Geegraphie bes ruffi Rei 
—* Aruellen beatbeitet. Peterabuc; Hr —X Fon 
Yo 
— — Srammatitaliſche Interhaltungen. Suffifche S 
Petersburg 1842. @r. * 1 Fr i Bade 
Ponfarb, Lucretia. Tragödie in fünf Aufzägen. Im 
Bersmaße bes Originale verdeutiiht von Stolle. Münden, 
Palm. Gr. 12. 10 Rar. 
peägel, 8. G., Reue Maurer⸗Gebdichte. Hamburg 1842. 
Gr. 12. Thlr. 


Princes Smith, J., Über Handelsfeindſeligkeit. Kb 
nigöberg, Theile. Gr. 8. 15 Nor. 

Rabe, M. F., Forſchungen im Gebiete ber Vorzeit. 
Iftes Heft: Das Grabmal des Kurfürften Johannes am 
von Brandenburg in der Domkirche zu Berlin, ein Kunſtwerk 
von Peter Vier dem Xttern in Nürnberg, beenbigt von fei- 
nem Sohne 3. Bifcher. Mit vier Kupfern. Berlin, Luͤderit. 
Gr. 4. 1 Thlr. 

Reimnitz, F. W., Über die Brechung der Vokale 
i, u, iu im Hochdeutschen. Guben, Berger. 4. 5 Ngr. 

Roswitha. Almanach der Schönheit und Tugend geweiht 
von Ehlobwig. ster Jahrgang. 1844. Mit ſechs colorirten 
Kupfern. Guben, Berger. Gr. 16. 2 Thir. 15 Ner. 

J. ' Sheifttice Predigten. Königsberg, Theile. 
. gr. 


Sander, 3. 8. &., Der Romanismus, feine Zenden: 
zen und feine Methodit. Mit befonderer Beruͤckſichtigung des 
Köiner Greigniffes. ine Apologie der evangelifden Kirche. 
Eſſen, Vädeler. Gr. 8. 17%, Aor. 

Schefer, 8, Göttlidde Komödie in Rom. Novelle. ?te 
underänderte Auflage. Gottbus, Meyer. 8. 1 Thir. 

Shüding, L., Ein Schloß am Meer. Roman. Zwei 
Theie 3 Thlr. 


ch 
Leipzig, Brockhaus. 12. 
Schuur, H. W. A., Die Sonntagsfeler. Ein Wort us 
feine Zeitgenoſſen. Königsberg, Theile. Gr. 8. 10 Nor. 
‚_Geig, A., Die Negation in der frangöfifchen Sprache. 
Wiffeniaftlich abgehandelt. Emden, Rakebrand. 8. 11%, Nor. 

Souveſtre, E., Der Menſch und bas Geld. Frei nad 
bem Branzöfifchen von A. Rofas. Zwei Bände. Altena, Hams 
merid. 8. 2 Thlir. 10 Nor. \ 

Hiſtoriſches Taſchenbuch. Herausgegeben von F. v. Rau: 
mer. Neue Folge. Ser Jahrgang. Leipzig, Brockhaus. Gr. 12. 
2 Thir. 15 Ngr. 

Tiltier, A. v., Gefchihte ber helvetiſchen Republik von 
ihree Gründung im Zrühjahre 1798 bis zu ihrer Auftöfung im 
Frühjahr 1803, vorzuͤglich aus dem helvetiſchenn Archiv und an 
dern noch unbefannten handſchriftlichen Quellen bargeftellt. 2er 
und Ster Band Bern, Fiſcher. Er. 8. 2 KEhir. 22%, Nor. 


„ teinte, 8.8, Samuel Hahnemann’s ) Verbienfte um 
die Heilfunft. Gin Wortzag in ber Berfammiging homdopathis 
fher Ärzte am 10. Auguft 1843 in Dresden gelhalten. Reipsig, 
Schumann. 8. 5 Nor. 

Dramatifches Vergißmeinnicht auf das Jaͤhr 1844, aus 
den Gärten des Auslandes na Deutfchland } verpflangt von 
=. eilt. 2lſtes Bändchen. Dresden, Arno. 1844. 8. 

r. 

Werfer, A., Quintin Meſſis. Ein Gesicht in zwölf 
Gefängen. Augsburg, Wolff. 8. 10 Nor. 

Wittmann, 3.6, Geographie von Würdtemberg. um, 
Heerbrandt und Thaͤmel. 8. 11, Nor. 

3euß, Die freie Reicheſtadt Speier vor ihrer Zerftörung, 
nad) urkunblien Queen örtlich geſchildert. Mit \altem Plane 
und „aiten Anſichten der Stadt, Speier, Neidhard. Br. 4. 

gr. 


Verantwortlicher Herausgeber: Heinrich Brokhaus. — Drud und Verlag von F. A. Brochaus in Leipzig. 
TE 





Blätter 


für 


littrariſche. Unterhaltung. 








Karl Gutzkow. 
Vermiſchte Schriften. Bon Kari Gutzkow. Drei Baͤnde. 
Lkeipzig, Weber. 1842. 8. 4 Thlr. 15 Nor. 

Diefem Buche gegenüber befinde ich mich als Kritiker 
in einer in der That kritiſchen Lage. Das Buch bildet 
naͤmlich feine compacte Maſſe, keine geordnete und zu: 
fammenhängende Truppenaufſtellung; es hat kein Centrum, 
alfo auch Beinen rechten und linken Flügel; wo foll man 
es angreifen? Soll id das Gentrum fprengen? den rech⸗ 
tn Fluͤgel in die Flanke nehmen? den linken umgeben? 
mi) auf die Opsrationsbafis werfen *_ Aber das Alles 
febtt, an eine concenteirte Stellung, an eine Operations⸗ 
bafis iſt gar nicht zu denken. Man bat nur eine Zirall: 
leurlinie vor ſich, von einigem nachdrüdlichen Geſchuͤtzfeuer 
gedeckt und unterftügt, Guerrillas und tiroler Schügen, 
die im Buſche oder Gekluͤft verſteckt Liegen und mit ſcharf⸗ 
gezogenen Büchfen gut zu zielen wiſſen, gewandte und ges 
übte Leichte Meiterei, die bald da bald dort anfprengt, 
tiftige Freicorps, parthifche Reiterei und Kofadenfchrodrme, 
meiche felbft im Fliehen noch dem Feinde Abbruch zu thun 
und ihm den Sieg ſtreitig zu machen wiſſen. 

Aber bin ich denn ein Gegner dieſes Buchs oder will 
und muß ich e8 mit Gewalt fein? Ich glaube nicht. Ich 
bemerte unter den bier aufgeftellten Truppen aud Bun: 
destruppen, für die ich und die mit mie ſympathiſiren, 
mit denen ich lieber als gegen die ich zu Felde ziehen 
möchte. Mit einem Worte: ich babe an diefen Miſch⸗ 
fohriften beinahe mehr zu loben als auszufegen. Scheint 
mir dee eine Auffatz unbedeutend, unerquicklich, unwahr, 
fo Iöfcht der folgende Auffag duch Inhalt und Form den 
unangenehmen Eindrud wieder aus; fcheint mir jegt eine 
Anfiht gewagt, einfeitig und unhaltbar, fo übertafcht mid) 
die andere wieder um fo mehr durch ihre treffende Pointe 
oder durch geiſtreiche Faſſung. Ja, es ift kaum ein noch 
fo unbedeutender oder veralteter Aufſatz im Buche, der 
nicht durch irgend eine geiflveiche Wendung frappirte und 
den Leſer einigermaßen entfchädigte. Gutzkow's Geiſt iſt 
ſeiner Geſammtthaͤtigkeit nach aͤußerſt vielſeitig, indem es 
kaum eine Erſcheinung im Gebiete des geiſtigen, politi⸗ 
ſchen, religioͤſen, ſocialen und literariſchen Lebens gibt, an 
weicher ſich ſein Witz nicht uͤbte, welche fein Geiſt nicht 
in feine Kreiſe bannte; aber er hat auch eine nur ihm 
eigenthuͤmllche Manier, ben Gegenſtand feiner Betrachtung 


17. Dctober 1843. 





fo lange hin und ber zu wenden, hin und ber zu fchieben, 
zu nähern, zu entfernen, bis er die Seiten an ihm here 
ausfindet, die feiner eigenthuͤmlichen Geiſtesrichtung oder 
jeweiligen Abfichten entfprechen, bis er ihn in das gehörige 
Licht und an die Stelle feines Geſichtskreiſes gebracht hat, 
two er feiner individuellen Sehkraft am bequemften gegen 
uͤbergeſtellt iſt. Das Ding hat zwar noch manche andere 
Seiten, aber diefe eine Seite genügt Gutzkow, um barans 
auf das Kotale der Erfcheinung einen falfchen oder ſtich⸗ 
haltigen oder der Wahrheit fit anndbernden Schluß zu 
machen. Gelingt ihm das Erperiment nicht, der Erſchei⸗ 
nung innerhalb feines Sehkreiſes eine Stelle zu geben, 
bleibt fie vielmehr außerhalb feines Geſichtskreiſes, fo ſetzt 
er fi) wol eine gefchärfte oder getrübte Brille auf und 
meint nun: er fähe das Ding doch im rechten Lichte, 
Umfange und Wefen. Daher die große Vielſeitigkeit Gutz⸗ 
kow's bei aller Einfeitigkeit, daher feine merkwuͤrdige Eins 
ſeitigkeit bei aller WVielfeitigkeit, daher fein keckes, Leichtfers 
tiged Abfprechen über Dinge, die ſich ihm von ſelbſt nicht 
nähern wollen, die er aber gewaltfam an fich heranzieht, 
die fih ihm auf Tod und Leben ergeben müffen. Es if 
wie wenn man ein Weib, das ſich ans freier Meigung 
und in natürlicher Herzensinnigkeit nicht ergeben will und 
kann, aus bloßem Ehrgeiz fo lange heftig und zudringlich 
beftürmt, bis es müde und matt und verwiret fi) dem 
Werber zum Opfer bringt; an ein natürliches und offenes 
Verftändnig und inniges Ineinanderſchmelzen iſt in fols 
hen Fällen freilich nicht zu denken; hier iſt die Scheidung 
zur Ehe geworden, folglich muß die Ehe auch wieder zur 
Scheidung werden. Gutzkow's Geift kommt häufig zum 
Ziel, aber nicht wie die Kugel, welche in gerader Richtung 
durch die Luft fliege, fondern wie bie bunte glitzernde 
Schlange, die fi in liſtigen Windungen am Boden hin⸗ 
ringelt und fich jest in fich felbft zufammenrollt, um fi 
im nächften Augenblicke aufzufchnellen und ihren Raub zu 
faffen; aber kaum weniger felten ſchießt fein Witz über bie 
Beute hinaus oder gar diefer felbft in den Rachen. Ydy 
fehe freitich nicht ein, warum Gutzkow über Alles und 
Jedes fprechen muß, obgleich ich ein Dauptmotiv in der 
eigenthuͤmlichen Stellung finde, weldye der Medacteur einer 
deutfchen belletriſtiſchen Zeitſchrift zu diefer wie zu felnew 
Publicum einnimmt. Sein Publicum {ft efm vielgefräßfe 
ges nafchhafte® Ding; es will von ‚Allem wiſſen, über: 





462 


Alles benachrichtigt und belehrt fein; mer ein Concert ges 
geben und fogar ein Freibillet geſpendet hat, will darüber 
fo gut wie die Befucher etwas leſen; die legte neue Oper, 
das letzte neue Trauerſpiel, das legte neue Luſtſpiel wol: 
len Menfaiih befppochen fein; der Tifdy liegh voll einiges 
ſandter Blicher, die um fo mehr recenſict werden muͤſſen, 
weil der Erlös daraus zu den Mevenuen des Redacteurs 
gehört ; eine Literarifche Streitfache, ein politiſches Ereig⸗ 
niß, eine religiöfe Wirre, eine Kunftausftellung — jedes 
noch ſo geringe Tagesbegebniß, jeder nocd fo geringe 
Künftier. oder Schriftfteller ftgecdt flehend die Hände aus, 
bittet, beſchwoͤrt, fleht und heult um Belprehung, um 


gütige Berucfichtigung — und der arme Redacteur muß 


über dieſe taufenderlet Dinge wohl oder übel fein Urtheil 
abgeben; er muß. Über Ppilofophie und Theofogie, Über 
Politit und Staatswirthichaft, über Kunfk und Handwerk, 
über, Gemälde und Statuen, über Bocal: und Inſtru⸗ 
mentalmufit, über Schaufpielee und Sänger zu fprechen, 
auch wol bei eintretendem Mangel eine Novelle zu fchreis 
ben wiflen, und da, fein Honorar in ber Meyel nur. gee 
sing und nicht hinreichend iſt, um viele Mitarbeiter bag: 
tem zu koͤnnen, fieht ex fich gezwungen, biefe Menge von 
verfihiedenen Speifen, von deren Zubereitung er früher 
nicht die geringfte Kenntniß hatte, felbft zu kochen und 
dem PDublicum- aufzutifchen. Daher die Menge von Speis 
fen, die aber alle mit einem und bemfelben Gewürz, mit 
einer und derſelben Brühe zubereitet find! Daher diefe 
wunderliche Vielſeitigkeit der jüngern beutfchen Schrift⸗ 
ſteller! Daher diefes apodiktifche, anmaßende Urtheil, das 
ſich in allen Sätteln gerecht, jede Branche für fich zuge: 
eitten meint! Gutzkow bat zwar eine gewiffe Selbfländig- 
keit des Urtheils vor Vielen voraus, aber jene einfeitige 
Vielſeitigkeit, jene Anmaßung find bei ihm in hohem 
Grade ausgefprohen. Er menge fi in Alles, er gudk 
in alle Töpfe, ee muß über jede neue Erſcheinung jederlei 
Ast fein entfcheidendes Urtheil abgeben; ec drängt ſich faſt 
gewaltfam jeder Thatſache, jeder Zagesmeinung, jedem 
Autor als fchmetternde Eritifche Poſaqune des juͤngſten Ge⸗ 
richts auf. Gutzkow laͤßt fih in der That mit. einem 
Koſackenhaͤuptling vergleichen; es ſteht ihm eine ganze 
Harde leicht berittener, mit fpigen Lanzen verfehener Ge: 
danken zu Gebote; nur theilt er fie in einzelne Schwärme; 
ſprengt bald da bald dort an, macht bald da bald dort 
einen Angriff; ein Hurrah, ein Stoß mit der Lanze! ber 
Feind ſtutze; aber raſch vertheilt fich dee Schwarm wieder 
nad alien vier Winden, um dies nicht gerade imponi⸗ 
sende, aber doch ſtimulirende und irtitirende Kriegsſpiel 
au einem andern Punkte des großen Schlachtgetuͤmmels 
umfereg Zeit in gleicher Weife zu wiederholen. Es ift 
Mar, daß eine folche Kriegsführung, wenn auch nicht im: 
mer. von Mugen, doch ſtets von großem Intereſſe an ſich iſt. 

Es if mit Recht bemerkt worden, daß Gutzkow in 
ſeinen kritiſchen Auffügen mehr oder weniger von perſoͤn⸗ 
lichen Zwecken ausgeht, wennſchon er geiflseich und yes 
wendt genug iſt, allgemeine Tendenzen vorzufchreiben und 
dadurch dem gewöhnlichen Lefer zu taͤuſchen. Möglich, da 
fi Gutzker dahri ſelbſt uͤberredet, er habe nichts Perſoͤn⸗ 


lidyes, fondern nur das Allgemeine zum Zweck; eine ſolche 
Selbſtverblendung und Selbftüberredung iſt gar nichts Un⸗ 
erhoͤrtes, befonders wenn Geiſt und Kenntniffe, eine von 
ber einen Seite. faft fpftergatifch überfütterte, von, deu. ans 
dern Seite vickſach und oft ungerecht: verlage irefkeic, 
dann aber. auch wirklih das echte und vechte Bewußtfein, 
etwas Tuͤchtiges geleiſtet zu haben, zur Bildung eines lite⸗ 
rariſchen Charakters zuſammenſchießen. Es hat kaum Je⸗ 
mand mehr unfertige Gegner, aber auch kaum Jemand 
mehr unbeſonnene oder auf des Gefeierten Sympathie ſpe⸗ 
culirende Lobredner gehabt als eben Gutzkow, in welchem 
einer feiner Partiſane eine Vereinigung von Voltaire und 
Rouffsau finden. wollte. Ob er. dies Complinent neit- Mider⸗ 
willen oder als eine ihm von rechtswegen gebührende Hul⸗ 


digung aufgenommen babe, meiß ich wicht, glaube jedoch 


zu Ehren Gutzkow's das Erſtero. Er gehörte zu den we⸗ 
nigen Juͤngern, welche von der abfurden und halb peffen- 
haften Erfindung Menzel's, einzelne Namen in einem 
rplogeapbirten. Korberdrange über feinem Literaturblatte aus⸗ 
zuftellen, Nugen zogen; auch fein Name wurde auf diefe 


Weiſe geehrt, eine Ehre, womit hoͤchſtens din fleißiger und 


geſitteter Schulbube zufrieden fein. kounte, nicht. ein Schrifts 
fteiler, der über bloße Schulprämien und deutſtch Beinlichen 
Firlefanz hinaus fein ſollte. Aber Aufſehen erregen, Auf⸗ 
fehen um jeden Preis, wurde nun Gutzkow's Wahiſpruch 
und er ſchrieb die „Wally“, Über welche der kritiſche Stab 
bereits gebrochen iſt. Jetzt begann der Skandal mit feis 
nem feuern Meiſter und Deren, mit Wolfgang Menzel; 
jegt der pompbafte Aufruf an die deutſche Jugend, der 
beghfichtigten „Deutſchen Revue‘ Manwfeript. zu liefern; 
jest die halb unfreiwillige Theilnehmerſchaft am jungen 
Deutſchland; jetzt das Verbot feiner Schuiften, feloft der 
zukünftigen, freilich eine Maßregel, die, wie Einige bes 


haupten wollen, in einem wirklich gebildeten, gefitteten 


und mit echtem. Rechtsgefuͤhl ausgeflatteten Lande. nicht: 
wohl vorlommen kann, eine dazu nutzioſe Maßregel, ba 
fie ſich nicht auf die Damer durchführen ließ, eine Maßs 
regel endlih, welche nur dazu diente, die Betroffenen mit 
einem Märtyrer: und Heiligenfcheine zu umgeben und ih⸗ 
nen hoͤchſtens für den Augenblick Verlegenheiten zu bereis 
ten. In diefem augenblicklichen Embarras aber verloren 


‚ die Herten Mirglieder des Jungen Deutfehlauds, die Gert 


weiß wer zu Gollegen geprebe hatte, den. Kopf und allen 


Takt, allen Sinn. für Anftand und Ordnung; fir fielen. 


plöglich Über und untereinanker her und führten für ihre 


Gegner und Verfolger «in ſeltſam ergoͤrliches Schaufpiel 


auf, einen Hahnenkampf, bei welchem Jeder an dem Ans. 
bern fich die. Sparen zu. verdienen. trachtete und Jeder auf 
ben Anden bimweilen zu wollen ſchien: Cehtl bes Seſel 
ba. ift am, dem ganzen Ungtäd ſchuld; ich babe nichts ges 
mein mis ihm; ich dande bir, Gott, daß ich micht bie 
veie diefee! Während Wienbatg, feinem: bein, männlichen 
und uneigennügigen Charakter gemäß, die nebelfte Pastie 
erwählte und ſich in. ein beredees, vielſagendes Schweigen 


huͤllte, that beſenders Gutzkom das G | 
daß er den Partifamen eines beuiiner, — de fie 
lich auch mit. dieſem bald. zerfallen ſind) allerdings durch 


(melde frei⸗ 








deren Gorreſpondenzen provocirt, bie Rlpfe wuſch; fo ve: 
dere er ſich auch ein, in Leipzig beftehe eine Verſchwoͤrung 
gegen ihn, und begamn ploͤtzlich, einen leipziger Literaten 
nad) dem ande, was man fo nennt, abzumuden. Son: 


derbar! Chriſtian ſieht Hans, Chriftoph, Gottlieb, Michel. 


häufig miteinander verkehren, weil ihre Gehöfte mehr bei: 
einander liegen; er bildet fich ein, fie verabredeten etwas 
wider ihnz boshafte Menſchen beftätigen. ihn. in. feinem 
Wahn; ploͤtzlich fälle Chriſtian heute den Hans, morgen 
den Chriſtoph, uͤbermorgen den Gottlicb und. überkber: 
morgen den Mfchel an, und num wundert er ſich, daß die 
Leute gegen ihn auffiehen, während er doch felbft erſt die 
Clique geſchaffen hat. Man weiß, daß damals Gutzkow 
mit gang umkiterarifhen Leuten, die ganz unliterariſche 
Skandalblaͤtter fchrieben, in Correſpondenz fland und die: 
fen heimifchen Zwiſchentraͤgern Alles glaubte, was feinen 
offenbar nicht bößherzigen, ſondern blos hypochondriſchen 
und eiteln Wahn beftärken konnte. Dabei mar ihm je: 
des Blatt, jeder neue Femilletonift, die fid) irgendwie ſei⸗ 
nee Intereſſen annahmen und gegen feine wirklichen oder 
vermeintlichen Feinde zu Felde ruͤckten, willkommen; er 
ermunterte fie durch eine oder die andere leicht hingewor⸗ 
fene Schmaeichelei, waͤhrend er die übrigen Journale, die 
zu feiner Fahne nicht gefchworen hatten, von feinem Stand⸗ 
punkt zur „ſchlechten Preſſe“ zählte. Am übelften waren 
hierbei Diejenigen daran, welche in feinen und feiner frü: 
hern Genoſſen Beftrebungen einen Fortſchritt der deutfchen 
. literatur überhaupt zu ertennen meinten und ſich Ddiefer 
Richtung im einer ober ber andern, nähern oder entferns 
teen Weiſe anfchloffen. An Wen follten ſich diefe, ba 
alle Bande gelöft waren, nun halten? Wem follten fie 
die Achtung zollen, die man verlangte und deren man 
fih doch fo wenig würdig zeigte? ‚Wem follten. fie ſich 
mit der Dingebung opfern, die zu fodern gerade diefe Par: 
tel, wenn überhaupt bier von einer Partei die Rede fein 
kann, ſich für berechtigt hielt? 

Laſſen wir auch die Inconfequenzen Gutzkow's nicht 
unerwähnt , die ebenfalls perfönlichen Motiven ihre Ent 
ſtehung verdanken. Es gab eine Zeit, wo er bie 
Bühne aufzugeben anrieth, weil mit ihre ein ehren: 
volles Verhaͤltniß anzufnüpfen fei, während er jet das 
Theater zur Arena feines Talents erwählt hat; wo er 
die Directionen und Regiſſeure und Kümfiler mit Born 
und Spott verfolgte, während er ihnen jest die zartefte 
Aufmerffarnkeit widmet; wo er gegen die thraͤnenreiche 
Sentimentalität zu Felde zog, während ex fie jegt in ſei⸗ 
nen Dramen häufig als Hebel und Thraͤnenpreſſe in Be⸗ 
wegung fegt. Und doch muß ich geſtehen, daß mir Gutz⸗ 
kow gerade in feinen Dramen am: lebflen geworden, weil 
er ſich im diefen. beſonnenen, oft pifanten und hoͤchſt in: 
tereffanten - Gompofitionen, deren Maͤngel ich übrigens gar 
nicht verfenne, am meiften -objectintrt hat, manche Spuren 
gemuͤthvoller Auffaffung darlegt und fidy zu einem — 
freitih oft Eimfleinden — Kuͤmſtler durchgebitbet hat. Es 
gab ferner eine Zeit, mo er ſich ſelbſt das Zeugniß ſtellte, 
der Spercher und- Herold jeder freien Entwidelung, na: 
mentlich dee Preßfreiheit zu. fein, während er jetzt offen 


v 


ausgeſprochen Hat, wit ſeien für ‚eine. unbedingte : Sinchifiei 
beit. nickt: reif. Demit. hitchei. Gnpiem. an, die; Senzmtsle 
und Sournaliften, die fih an feinens Litensrifihen Eharak⸗ 
ter zu vergreifen wagten, am die in Beug auf. ihn 
„ſchlechte Preſſe“, die er, wenn er die Macht: dazu haͤtte, 
ohne: Zweifel felbft duch Gewaltmaßtegeln unterbrüden. 
würde? Oder fiebt er ein, daß bei Gewährung der Preß⸗ 


freiheit größere Intereffen das Echo feines Namens, dab 


in fo vielen Journalen ertönt, verdrängen wuͤrden? ie. 
viele kleine Journaͤle — die belletriſtiſchen insbeſondere / 


den „Telegraph“ mit eingeſchloſſen — wuͤrden von den 


groͤßern politiſchen Journalen verſchlungen werden, wie viele 
kleine Journaliſten und Feuilletoniſten, die jetzt ſelbſt die 
Freiheit der Preſſe begehten, und nicht ahnen, daß die Gen. 
waͤhrung derſelben ihre eigene Exiſtenz gefährden muͤßte, 
nicht mehr zu Worte kommen, weil ſie kein Organ mehr 
für ihre zerſtuͤckten Anſichten hätten! Und bier haben uns 
fere Regierungen einen Zingerzeig! Ale die Heinen Prices 
leien und Sticheleien, welche jet am meiflen geniren, 
würden ein Ende nehmen durch die ‚großartigere: Organi⸗ 
fation der politifyen Zeitungen, zumal da dann der Haupts 
ftoff des Argerniffes, wovon eine fo große Anzahl von 
Jounaliſten zehrt, ausgerottet wäre. Iſt man aber dee 
Anſicht, die allerdings viel für fich hat, daß die Gewaͤh⸗ 
rung der Preßfreiheit fo lange unthunlich ift, fo lange das 
conftitutionnelle Leben nicht auf jedem oder wenigſtens ben 
meiften Punkten des bdeutfchen Waterlandes zu Blut und 
Fleiſch der Nation geworden iſt und fchöpferifcy alle Ele⸗ 
mente des Staats durchdringt und beherrfcht, fo ſchweige 
man und fpreche wenigftens nicht gegen diefen mächtigen 
Sactor, man lege wenigftens nicht einen Hemmſchuh vor 
die Mäder des Wagens, weil man fürchtet, er möchte zu 
ſchnell laufen; man gebe wenigitens dem Gegner nicht 
felbft die Waffe in die Hand, die er gerade in biefem 
Falle fo vorzüglih zu gebraudhen weiß. Und nun am 
Schluſſe diefer allgemeinen Betrachtung nod Eins. As 
Gutzkow feinen komifhen Roman „Bater Blafebom ‘ 
fchrieb oder ehe er ihn noch gefchrieben und nachdem er 
ihn gefchrieben und Boz mit feinem komiſchen Roman 
ein ausgebreitetes Publium in Deutſchland gefunden 
hatte, war dag Ceterum censeo, Bozium esse delen- 
dum! fein Aufruhrfchrei, fein Kelegsruf. Und wer das 
mals in Deutfchland ſich im komiſchen Roman verfudhte 
— mas vielleicht gerade in der Zeit lag —, von dem ſag⸗ 
ten Gutzkow's Partifane: er habe ſich erfreche, mit Gutz⸗ 
kow concurriren zu wollen, oder Vater Gutzkow felbft. 
fagte: das habe idy mit meinem „Vater Blaſedow“ nicht 
gewollt! Und Gutzkow hat den jungen dramatifchen Dich: 
tern die Bahn gebrochen, und Gutzkow hat in Deutfche 
land den komiſchen Roman gefchaffen, und Gutzkow hat 
da® moderne deutfche Drama begrundet umd Gutzkow hat 
den Deutfhen die Augen über Ludwig Philipp geöfftter, 
und Gutzkow hat Dies gethban, und Gutzkow hat Jenes 
offenbart! So rief, fo Ereifchte, fo ſchnurrte und burrte- 
es aus diefem und jenem Winkel der ihm zu Gebote fer 


enden „guten Preſſe“! 
h „3 ? Ne. Börtfepung folgt.) 


1164 


Collection des principaux €ecomomistes. Tome I: Les 


&eonomistes financiers du I Sième siecle, par Zug. 
Daire, Paris 1843. 

Vorliegender erſter Band einer umfaflenden Sammlung 
der widhtigften Schriften über Nationaldkonomit enthält dies 
jenigen Abhandlungen von Vauban, Boisguillebert, Lam, Melon 
und Dutot, die auf finanzielle Fragen Bezug haben. Sie 
fallen alle in die erfte Haͤlfte des vorigen Jahrhunderts, denn 
feibft die „Reflexions politiques sur le commerce et les fi- 
nances”, die den Gcytuß biefes Theils bilden, find ſchon 1738, 
alfo feft 20 Zahre vor der Bildung der phyſiokratiſchen Schule 
Quesnay's erſchienen. Diefe Sammlung nimmt in mehr als 
einer Beziehung ein lebhaftes Intereffe in Anfprud. Der 

erausgeber bat ſich nicht begnügt, die Werke der angeführten 

griftftellee nach den beften Ausgaben, die oft fehr felten find, 
abdruden zu laſſen, fondern er hat die Mühe nicht geicheut, 
wo noch DOriginalhandfchriften vorhanden waren, ben Jert, ber 
oft bedeutende Gntftellungen erlitten hat, nach denfelben zu bes 
richtigen. Auf diefe Art ift es ihm gelungen, oft ganz neue 
Stellen zu geben, bie in allen bisherigen Ausgaben fehlten. 
So erhalten wir in der Schrift von Bauban („Projer d’une 
dime royale’‘), die befonders um deswillen von fo großer Wich⸗ 
tigkeit ift, weil man in ihr einen Blid in das Gienb bes 
Volks thun Fann, das in den Werken feiner Zeitgenoffen mei: 
ſtens vom Glanze des prächtigen Hofes überftraplt und verdedt 
wird, ein neues Gapitel, das bis jetzt ganz unbelannt geblieben 
wer. Sehr dankenswerth ift ferner der Abdruck der „Memoires 
sur les monnaies‘ und der „Lettres sur le nouveau systöme’' 
von Law, da biefelben ſehr felten geworben find und in der 
Sefammtausgabe von 1790 gänzlich fehlen. Der Werth diefer 
Sammlung wird durch bie biographifchen Einteitungen und bie 
eriäuternden Anmerkungen, in benen ber Verf. ftets das rechte 
Maß zu treffen weiß, nicht wenig erhöht. Gr entfaltet darin 
eine große WBelefenheit und einen praftifchen ruhigen Blid. 

Wenn es überhaupt intereffant und beiehrend und für den 
Srationatdfonomen unerlaßlich ift, die Werte der angeführten 
Publiciſten, von denen faft jeder in ber Wiſſenſchaft Epoche 

macht hat, zu berädfichtigen, fo gewinnt das Studium ders 
eiben noch an Bedeutung, wenn man fte in chronologiicher 
Reihenfolge, wie fie in biefee Sammlung geordnet find, über: 
blickt. So allein befommt man einen wahren Begriff vom 
Entwidelungsgange, den die Wiſſenſchaft durchlaufen hat. In 
diefer Beziehung verdienen die Kinanzichriftfteller des vorigen 
Jahrhunderts befondere Beachtung. Gie find es, die in Frank⸗ 
reich zuerft den Nationalreichthum zu fichern gefucht haben. 
Aber ihr Blick war noch beſchraͤnkt und fie konnten nur eine 
Beine Reihe von Thatſachen überfchauen. Indeſſen erheiſchten 
die finanziellen Schwierigkeiten, bie Ludwig XIV. feinen Rach⸗ 
folgern als Erbe hinterließ, ſchleunige Abhuͤlfe und wirkſame 
Maßregeln. Neue Verſuche wurden noͤthig, und wenn ſie auch 
in der Wirklichkeit nicht ſelten fehlſchlugen und ihren Zweck 
verfehlten, ſo hatte die Wiſſenſchaft doch wenigſtens immer 
einen Gewinn davon. Wenn auch jetzt, wo der Staatsoͤkonomie 
ganz andere Ausfihten eröffnet find, uns die Ideenkreiſe der 
Theoretiker des vorigen Jahrhunderts fehr beichränkt vorfommen 
mögen, fo darf man doch nicht aus dem Auge verlieren, daß 
die Wiffenfchaft diefe engern Kreife durdjlaufen mußte, um bei 
dem Standpunkte anzulanaen, den fie jegt erreicht bat. Vauban, 
Boisguillebert, Lam u. A. mußten erft die Bahn brechen, ehe 
Quesnay und Smith kommen Eonnten. 

Wie Hoffen, daß die Sammlung, die auf cine fo würdige 
Weife eröffnet ift, auf gleiche Art fortgeführt wird und daß fie 
die Beachtung finden möge, die fie verdient. Bereits find 
außer dem erften Bande auch einige der ſpaͤtern Theile erfchienen, 
die beſonders umfaffendere Werke enthalten, weldye zwar fdyon 

meiner befannt find, aber deffenungeadhtet in diefer Bibtiothet 
nicht fehlen durften. So enthält der vierte Band den erſten 


Theil von dem beräßmten Were von A. Guich über ben 
Nationalreichthum, zu dem Blanqui eine intereffante Einleitung 
gegeben bat. Der achte, neunte und zehnte Band, bie gleich: 
faus die Preffe verlaffen Haben, umfaſſen den ‚Cours complet” 
und den „Trait6 d’Sconomie politique‘ von Cay. 6. 





Notiz. 
teriltograpphie. 

Wie gute und umfaflende lateiniſche Lerifa wir auch be= 
figen, fo iſt es doch Eeinem Philologen unbelannt, daß au auf 
biefem Gebiete noch gar viel zu leiſten ifl. Aber dieſe Arbeiten 
find I: und nehmen ſchon wegen ihres Umfangs faſt ein 
ganzes Menichenalter in Anſpruch, weshalb denn audy verhält 
nißmäßig nur wenige Philologen ihre Ihätigkeit der Lexikogra⸗ 
phie widmen. Um fo erfreulider iſt es, dab ein, durch feine 
Bearbeitungen ber Citeroniſchen Reden, des Juſtin unb anderer 
Claſſiker hintänglicy bekannter, gründlicher Latinift, der Pro⸗ 
feffoe Dr. Benede zu Poſen, nunmehr im Stande ift, die Fruͤchte 
eines zwanzigjährigen Fleißes auf diefem Gebiete bem philolo: 
giſchen Publicum vorzulegen. Bon biefem Gelehrten wirb nam: 
lich naͤchſtens ein großes kritiſch⸗-lateiniſches Lexikon erfcheinen, 
das an Umfang alle vorhandenen derartigen Werke übertrifft 
und ſich von allen andern wefentlidy unterfcheibet. Abgefeben 
von dem Reichtum des Materials, welches ber Verf. durch eine 
swanzigjährige forgfältige Sammlung gewonnnen, hat fi 
derfelbe in der That die hoͤchſte Aufgabe der Lexikographie 
geftellt und allen Glementen berfelben vollftändig zu ge: 
nügen geftrebt. ef. hat das Manufcript in Händen gehabt 
und kann dem Fleiße des Autors feine hoͤchſte Anerkennung 
nicht verfagen. Jeder einzelne Artikel enthält die vollftändige 
Gefchichte des vorliegenden Wortes von den früheften Zeiten bis 
zu den fpäteften herunter. Dabei ift ber Verf. den Angaben 
feiner Vorgänger niemals auf Treu und Glauben gefolgt, for: 
dern überall feibftprüfend zu Werke gegangen, und hat an 
zweifelhaften Stellen immer die beffeen Handſchriften zu Rathe 
gezogen. Rach Feſtſtellung feiner urſpruͤnglichen Bedeutung ift 
jedes Wort nach feinem eigentlichen und uneigentlichen Ge: 
brauche forgfältig entwidelt, mit genauer Angabe des Kebens: 
alters, mit Darlegung ber grammatifchen Verbindungen unb 
Conſtructionen, mit Angabe des poetiſchen und proſaiſchen Ges 
brauch und mit Angabe ber fononymilchen Unterfchiede. Zu: 
glei ift bei den einzelnen Theilen der Entwidelung überall 
auf die Interpreten zu den einzelnen Stellen verwiefen worden. 
Ref. macht daher alle Phitologen auf dies wichtige Werk, das 
fi) einmal wieder ald ein Denkmal beutichen Bienenfleißes be 
währen wird, aufmerffam, und glaubt voraußfegen zu dürfen, 
daß es bei feinem Erſcheinen fi) bes allgemeinen Beifalls zu 
erfreuen haben werbe. 83, 





Literarifhe Anzeige. 
Jutereſſaute Neuigkeit! 


In meinem Verlage iſt neu erſchienen und in allen Buch⸗ 
handlungen zu erhalten: 


Canean 


eines deutſchen Edelmanns. 
Zweiter Theil. 
Gr. 12. Geh. 1 Thlrx. 24 Ngr. 
Der erfte Theil erfchien 1841 zu demſelben Preife, 
Eeipzig, im October 1843. 
F. %. Brockhaus. 





Berantwortlichet Heraußgeber: Heinrih Brodhaud. — Druck und Verlag von B. X. Brodhäus in Letpzrig. 


Ä 


a‘ 








Blätter 


für 


literariſche Unterhaltung. 





Mittwod, 





Karl 6 to w. 
(Vortfegung aus Fr. 290.) 

Dies das allgemeine Bild von Gutzkow, das, wie ich 
denke, in ziemlich fcharfen Umriffen bervorfpringt. Sollte 
dad Portrait nicht vollkommen aͤhnlich fein, fo trage ich 
nicht die Schuld, fondern Der, der mir dazu gefeflen bat. 
Es ift eine alte Erfahrung, daß ein Portrait in der Me: 
gel ein ernftered und möürrifcheres Anfehen bat als bie 
dargeftellte Perſon, weil diefe während des langen Sitzens 
unwillkuͤrlich eine ernfihafteree Miene macht, ald etwa bei 
Zafel, im Geſpraͤch oder einem geliebten Gegenftande ges 
gentber. Ich kann nun nicht dafür, daß Gutzkow wäh: 
rend feines ziemlih langen literarifchen Lebens mir ſtets 
fo hypochondrifh, gallig, von unerfättlihem Ehrgeiz ge: 
nagt erfchienen iſt; vieleicht mag er gemürhlicher fein ale 
er ſich gibe. Ich verkenne nicht, daB man dafür mancher: 
fei Entfchuldigungsgründe aufbringen kann. Ein deutfcher 
Literat führt in Deutfchland allerdings kein fo herrliches 
Leben als Gott in Frankreich; daher ift es wol auch zu 
erftären, wenn Deine, obgleich nicht gerade ein Gott, nad) 
Frankreich gegangen iſt, um menigftens wie ein Gott in 
Frankreich berrlih und In Freuden eben zu koͤnnen. Die 
deutfchen Literaten find von Haus aus unzweifelhaft meift 
ſehr gemüthliche Menfchenz wer feine literariſchen Angeles 
genheiten aber ernfter nimmt al& der bloße Spaßmacher, 
wer fich im die politifche,, religiöfe und literarifche Tages⸗ 
debatte einlaͤßt, wer fich zugleich zur Productivitaͤt gedrängt 
fühlt und doch gezwungen ift, von der Kanzel eines Jour⸗ 
nald kritiſche Sermone und Strafprebigten zu halten, und 
dabei — jegt ein fait unmöglicher Fall — nicht das les 
benstuftige und humoriftifche Chriftenthum eines Abraham 
a Sancta Clara befige, der kann auf die Dauer einem 
griesgrämigen Mismuth, einer verbitterten Stimmung nicht 
entgehen, oder man nenne mir Einen, der zu der bezeichs 
neten Gattung von Literaten gehört und dieſer Verbitte⸗ 
rung gänzlich entgangen wäre; ja, es ift dies jegt in 
Deutſchland gerade ein Symptom für diejenigen Literaten, 
die etwas Edleres wollen, nad etwas Höherm ftreben 
ald die große Mehrzahl, welche bloße Unterhaltungs: und 
Spaßmacherkuͤnſte treibt und fo vergnügt ift mie ein wohl⸗ 
genährter Kattunhändfer in feiner Bude, wenn feine 
Waare guten Abfag findet und die Stunde naht, wo er 
mit Seineögleichen im Wirthshaufe ein Schoͤppchen Bier 


fhlürfen und eine geiftreiche Partie Schafekopf fpielen 
kann. in deurfcher Literat der bezeichneten noblern Gat⸗ 
tung bat, außer mit fidh, noch mit der Gefellfchaft, dem 
Staat, der Kirche, den Senforen, den Verlegern, der Flau⸗ 
beit des Publicums und Gott weiß noch womit zu kämpfen; 
fo entfieht, fo wählt die Verbitterung, und die Kolge das 
von iſt Eritifche Unfriedlichkeit, Zank mit feinen Collegen, 
wofür man ihn wieder bedient, Zerfallenheit mit fich, mit 
Gott und der ganzen Welt. Ich will dies Gemälde nicht 
weiter, nicht bis ins Detail ausmalen; die Mehrzahl met 
ner Leſer würde mic) doch nicht verfiehen noch verftchen 
voollen; aber wer ein wahres und erfchätterndes Gemälde 
eines Literaten von gutem und edlem Kern haben will, 
der leſe die betreffende Stelle in Carlyle's „Leben Schil⸗ 
ler's“; was der einfichtsvolle und warm fühlende Brite 
dort Über die Machtfeiten des Literatenthums fagt, wird 
doppelt auf ben fo fehr ifolirt ftehenden, mit den Nothduͤrften 
des Lebens ringenden, vom Staat beargwohnten, von der 
Societät bemitleideten, von dem Volk unbegriffenen deut⸗ 
[hen Literaten paſſen, der im eigentlichen edlen Sinne 
des Worts Literat ift. Ohne zu den Zerriffenen zu gehören, 
wird man fi) doch, wenn man gegen ſich aufrichtig fein 
will, diefe im Kreuzfeuer fo vieler feindlichen Gewalten 
feftzuhaltende Stellung nicht verhehlen können. Allerdings 
mag ed dem gewöhnlihen Sinn auffallen, daß Die 
Schriftfteller felbft, ſtatt fich gegenfeitig in ihren Vorthei⸗ 
(en und Zwecken zu fördern, eher davon das Gegentheil 
thun und ſich einer den andern unter der Schere einer 
oft nur zu bittern und ruͤckſichtsloſen Kritik halten. Wie 
wir aber die Dinge überhaupt ernft, oft nur allzu ernſt 
nehmen, fo nehmen wir auch Einer den Anden ernſt; 
hierzu kommt eine gewiffe reizbare, empfindliche, bis zum 
Meide ſich fleigernde Stimmung, die den Deutfchen eigen 
ift, etwas aus unfern kleinlichen Verhältniffen überhaupt 
hervorgehende® Kiatfchfüchtiges, wie es namentlich bei dem 
Franzofen nicht heimiſch tft, die ihrer Bitterkeit hoͤchſtens 
in einem pilanten, gefälligen Bonmot oder Galembourg 
Luft machen, wo wir, oft um eine Müde wegzufcheuchen, 
ganze Batterien des fchwerfälligften und bitterftien Ernſtes 
fpielen laffen. Dem Engländer Hilfe über ſolche Ärgerniſſe 
leicht und fchnell fein gefunder Humor hinweg, der uns 
im Leben und Schreiben, menigftens jest, faſt gänzlich 
fehlt. Der Eine fpricyt einen leifen Tadel aus, ber Au⸗ 


1166 


dere antwortet empfindlich, Jener replicitt nun ſchon be: 
leidigend, Diefee wird hierauf nachdruͤcklich grob, und fo 
waͤchſt, was erft eine Schneeflode war, zur Lawine an, 
fo wird ein Riß, der erſt mit der Hand zugebedt werben 
kannte, zu einer Kluft, welche ein ganzes Menfchenleben 
sicht mebe auszufüllen vermag, Wo eine Rakete, «ine 
Leuchtkugel des Wiges ausreichen würde, werfen wie Bom⸗ 
den und Sranaten des Zoms und Ingrimms. Doc hat 
auch diefe nachdrüdtihe Manier ihe Gutes, und ohne 
feine handgreifliche ruͤckſichtsloſe Grobheit würde 5. B. Lu⸗ 
ther ſein Reformationswerk ſchwerlich ſo vollkommen durch⸗ 
geſetzt haben. Verkennen wir daher bei Gutzkow nicht, 
daß er, leidenſchaftlich, wie jeder Schriftſteller von Haufe 
aus, ehrgeizig, wie jeder Autor fein darf und fein muß, 
anf der Angriffslinie fland und ſteht, wo jeder Gegenan⸗ 
geiff bis zu einem Grade erhigen fann, daß die Schlacht 
zu einem Dandgemenge Einzelner wird und der Feldherr 
ſich plöglich in eine Lage verfegt fieht, wo nur noch feine 
perſoͤnliche Tapferkeit, nicht fein taktifches Talent, das 
Treffen, wenn aud nicht mehr zu feiner Feldherrnehre, 
Doch halbwegs noch zu feiner Soldatenehre entſcheiden 
kann. So ift es häufig geſchehen, daß ein General im 
Getuͤmmel wie ein Grenadier und gemeiner Soldat gefoch⸗ 
sen bat. Die Kriegsgefchichte freilich erkennt diefen Mo: 
ment gerade nicht fire feinen glängendften an, aber der ge: 
meine Mann bewundert ihn dafür. 

Ich babe mir in diefen „Vermiſchten Schriften” Gut: 
kow's eine große Menge Stellen angezeigt, bald da bald 
dort eine Seite eingekniffen, eine geoße Zahl Gutzkow'⸗ 
ſchet Gedankenſpaͤne zur Beſprechung zurechtgelegt, bie 
theils dazu dienen konnten, das oben aufgeſtellte Charak⸗ 
terbild durch Beweiſe zu rechtfertigen und zu gloſſiren, 
theils aber und der groͤßern Zahl nach mir von Intereſſe, 
Bedeutung und beherzigenswerther Wahrheit zu ſein ſchie⸗ 
nen. Aber ich habe mir durch meine allgemeine Betrach⸗ 
tung den Raum verengt, hoffe jedoch, daß ſie fuͤr den 
Leſer von groͤßerm Intereſſe ſein wird als eine detaillirte 
Kritik der einzelnen Aufſaͤtze dieſer Sammlung, worin der 
Verf. oft auf wenigen Seiten Gegenſtaͤnde und Erſchei⸗ 
nungen abfertigt, über die man, wollte man fie erſchoͤ⸗ 
pfen, oft ebenfo viel Bände ſchreiben könnte. Kurz ges 
fogt, der Verf. hat hier feinen: „Telegraphen“ im Wefent: 
lichen noch einmal abgedrudt; und warum nicht? iſt doch 
auch der alte „Moniteur” in Frankreich wieder abgedruckt 
umd neu aufgelegt worden, und der „Telegraph“ iſt we: 
nigftene ein „Moniteur” für die innere Geſchichte Gutz⸗ 
tow’s. Wer Gutzkow's Verehrer ift, möge fi alfo aus 
Freundſchaft die Mühe nochmaligen Lefend nicht verbries 
Sen laſſen. Sch kann Gutzkow für diefe Sammlung nicht 
«adein, obgleich ich weiß, was fi gegen eine ſolche Buͤ⸗ 
chermacherei einwenben laͤßt, indem dazu entweder eine bes 
deutende Eitelkeit oder ein ausgeſprochener pecuniaicer Ge: 
werbsſinn oder beide zugleich gehören. Aber man muß 
billig fein! Geld verdienen ift überhaupt der Wahlfpruch 
unſerer Zeitz Geld ift Talent, Geld if Bildung, Geld 
aiſt Sittlichkeit, Geld iſt Ruhm und Ehre. Mit der län: 
gen Dauer des Friedens, ber den Sinn für Aufopferung 


und Selbſtentaͤußerung tilgt, waͤchſt natürlich die Neigung 
zur Bequemlichkeit und zum Bewinn. Jeder fpeculiet 
auf feine Gaben und mit feinen Gaben; wie man er 


worben, danach fragt man nidht mehr, wenn e6 nur 


nicht in gar zu auffallend gegen Sitte, Recht und Geſth 
verftoßender die geſchieht; man ſchilt Denjenigen einen 
Narren, der zum Erwerb zu unpraktiſch oder zu redlich und 
geroiffenhaft ift, Denienigen einen Lumpen, der nicht zu 
erwerben gewußt hat, Der Erwerbefinn iſt das Talent, 
ift das Genie unferer Tage; alles Übrige ift untergeordnet. 
Fragt, da wir bier bei einem fpeculativen Schriftiteller 
ſtehen, manchen reihen Buchhändler, wodurch er den 
Reichthum erwarb, der ihn zu einem geachteten Bürger 
gemacht, fein Haus zum Glanze erhoben hat! Vielleicht 
bat er nichts für die deutfche Literatur gethan, vielleicht 
ihr wefentlidy gefchadet, vielleicht reducirte fih das Prin⸗ 
cip, auf dem feine Verlagsthaͤtigkeit berubte, auf die elende 
Anſicht, nur Spectakelſchriften, nur Laͤrm machende Schrif⸗ 
ten verſpraͤchen einen eintraͤglichen Gewinn; vielleicht ſpe⸗ 
eulirte er, gegen oder wenigftens ohne feine Überzeugung, 
auf den Tages: und Mobdeliberalismus; vielleicht half er 
mit einem Wufte von Überfegungen feichter, lasciver, un: 
ſittlicher franzoͤſiſcher Romane den Geſchmack des Publis 
cums verderben, das Gedeihen der national sdeutfchen Li⸗ 
teratut erdrüden — aber ee iſt ein guter pünktlicher Zah⸗ 
fer, erfüllt getreu feine bürgerlichen Pflichten, er zahlt im 
die Armenkaſſe, ec tränkt und fpeift an feiner Tafel Sol⸗ 
he, welche Trank und Speife aus eigenen Mitteln be= 
freiten Eönnen, er ift ein liebenswürdiger, geachteter, ge⸗ 
feierter Mann; aber fragt um Gotteswillen nicht die 
Schriftſteller, die Überfeger und Überſetzerinnen, befucht 
fie nicht zur Nachtzeit in ihrer flillen Klaufe, fragt nicht, 
wie und wo fie heute getafelt haben, vole und wo fie 
morgen tafeln werden, fheltet fie nicht um den vergnuͤg⸗ 
ten Abend, ben fie ſich beute machen, um die heitern 
Stunden, deren fie fo fehr bedürfen — fie werden fie mor⸗ 
gen fhon mit Reue und boppelt angefttengter Arbeit buͤ⸗ 
Ben, fie werden, wenn fie einen Tag gefhwelgt, drei Tage 
dafür darben, wenn fie heute Herr ihrer felbft geweſen 
find, morgen und übermorgen und überlibermorgen doppelt 
£eibeigene fein müffen! Frage nicht die großen Kaufleute, 
die großen Fabrikherren, die großen Maͤkler und Epecu: 
lanten, wie fie durch Schweiß und Blut der in ihrem 
Solde Stehenden zu Anfehen und Reichthum gelangt find 
Fragt den Diplomaten nicht, auf welche Welfe er zu feinem 
großen Grundbeſitz gekommen ift und wie er ihn ver- 
mehrt! Ale Höhen, alle Ziefen find von diefer Erwerbs: 
luft, von diefer weidhlichen Neigung zur Pracht und Be 
quemlichkeit durchdrungen. Wo gibt es jest noch einen 
Staatsmann, einen Feldherrn, umeigennügig wie Ariftides, 
Phocion oder Epaminondas, der nur Einen Rod hatte 
umd zu Hauſe bleiben mußte, wenn er ausgebeffert wurde! 
Wo gibt es jetzt noch einen Superintendenten, General: 
fuperintendenten oder Conſiſtorialrath, der fein Chriſten⸗ 
thum nicht mit dem Princip des Wohliebens und des 
Gewinns zu verbinden wüßte, ber nicht im der Kirche Die 
Lente ermahnte, fein mäßig zu leben und geobe Kleider 





ju tagen, während eine teichbeflellte Tafel zu Haufe ſei⸗ 
ner wartet, der mit den Amgang mit einem Apoſtel 
Chriffi vermeiden würde, weil fein Gewand fo aͤrmlich, 
feine Lebensart fo einfach, fo niedrig, fo gar nicht vors 
mhm? Es ift fo umd kann nice anders fein; und wer 
wollte diefe Sperulanten darum beneiden, bie von dem 
Dämon der Erwerbs⸗ und Gewinnſucht täglich und ſtuͤnd⸗ 
lich geſtachelt, deunrubigt, dis zu Ihren glänzenden Tafel⸗ 
feeuden verfolge, durch jeden drohenden Verluſt geſchreckt, 
durch jeden im Ausſicht gefteliten zu einer krampf⸗ 
haft unruhigen Thaͤtigkeit getrieben werden? Iſt das Geld 
der Gott, ſo iſt es auch der Teufel unſerer Zeit, und der 
Himmel, den der Reichthum gewaͤhrt, wird von den dun⸗ 
kein Schlagſchatten der Hölle verduͤſtert. Wer verargt es 
aber nun einem Schriftſteller, wenn er einen Miſchmaſch 
von Auffägen dem Drucke übergibt, ſobald er einen Ver⸗ 
Irger dazu gefunden und vielleicht auch die Ausſicht bat, 
dazu ein Pubfkum, wenn auch ein nod fo geringes, fo: 
gar in diefem oder jenem Journale Anerkennung, in die 
ſem oder jenem Derzen, wenn auch nicht bei der Nady: 
weit, Anklang zu finden? Unſere genialften Mater ſchaͤ⸗ 
men ſich nicht, auf Beſtellung und Bezahlung für Ka: 
Inder und Jlluſtrationswerke Zeichnungen zu fertigen, bie 
mit diefen Schriften bald verloren und vergeffen fein wer: 
den, und der lange nicht fo gut bezahlte und belohnte 
deutſche Schrifefteller ſolte Bedenken tragen, Sammel: 
ſchriften wie biefe Gutzkow'ſche ſich honoriren und druden 
u laſſen, blos um der Anklage der zu ſpeculativen Bü: 
hermacherei zu entgehen? 
(Die Fortſetzung folgt. ) 





Zur Statiftit der parifer Kunftfammlungen. 
Das Kupferfiihcabinet in der koͤniglichen 
Bibliothek. 

Das genaue Verzeichniß der Blaͤtter aller Art, welche die 
Kupferſtichſammlung in der koͤniglichen Bibliothek zu Paris 
ausmachen, iſt ein überaus verdienſtliches und nügliches Werk, 

allein md i über 


wodurch es wird, eine zu 

die unermeßtichen Reichtbümer, welche diefe Sammlung enthält, 
und über die unendlichen Hütfsmittel, die fie der Wiſſenſchaft, 
Kunft und Induſtrie barbietet. Diefe unlängft vollendete Arbeit, 
die der Worfteher des Gabinets, Hr. Duchesne der Altere, bie 
Güte hatte, uns zur Cinſicht mitzutheilen, ift wingig in ihrer 
Art und bedarf keines weiteren Commentars; die Zahlen fpres 
Sen bier mit der ihnen eigenen Beredtſamkeit. Bios einige 
geſchiſtiiche, auf die Anlage diefer Sammlung bezüglidhe Data 
und einige eriäuttrnde Bemerkungen in Betreff des veränderten 
Gtaffificationsfgftems wollen wir vorausſchicken. 

An ber erften Hälfte des 16. Jahrhunderts bewirkte die 
autſchließlich dem —— — von a en —— en 
jugewanbte Liebhaberei, man aus Kup wenig 

VDeder Bembo noch ber Cardinal Miboifi, berühmte 
damalige Garmmıler, verbanden dergleichen mit ihren Medaillen⸗ 
bachern und Handſchriften, bie fie mit großem Koſtenauſwand 
anhäuften, umb die koſtbaren Blaͤtter von Masc Anton und Al⸗ 

Dürer gi fortwährend wur Kuͤnſtlern dur die Hände 
und famen bin In Künfieruerikätten herum, ohne in ben Lieb⸗ 
babertabineten legen zu bielben. Gegen Ende bes Jahrhun⸗ 
Werts werben nur drei Sammlungen von namıbaft 
gemalt: bie Sammlung 


' des Baſari , das Gabinet 
Kup. Praun in Nürnberg und —— bet 
Mougis zu Paris. Begtere wurde das Worbilb 


hierzu in 24 Bänden die Merle 


Glaube 
ber koͤniglichen 





Awpferſtichſammlung in ber Bibliothek zu Paris. Giaube Mau⸗ 
gis, Abt von BaintsAmbreife, MWuichtoater der Knigin Tui 
von Lothringen, der Gemahlin Heinrichs HI., und fpäter Al: 
mofenier ber Königin Maria von Medici, wer zu feiner Zeit 
der eifrigfte Kupferflichliebhaber, und da er wenig Mitbewerber 
hatte, fo gelang es itm in einer Seihe von 40 Zahren durch 
unausgefegte Muͤhen und weitverzweigte Verbindungen eine herr⸗ 
liche Sammlung zu bilden, mit deren autgeſuchteſtem und fels 
tenftem Beflande ſich nad, feinem Tode das Gabinet bes Jean 
de U’Orme, Leibarztes ber Königin, i . Dieſes Gabinet 
kaufte Michel de Marolles, Abt von Willelain, für 1000 Louis- 
bor, eine damals ziemlich erheblidye Summe, und vereinigte bas 
mit fo Bieles, was er felbft an Kupferftichen beſaß, daB die 
bebeutendfie Sammlung zuſammenkam, die je ein Privatmann 
in biefem Fache befeffen und bie zu damaliger Zeit nidyt Ihree⸗ 


batte. 
Im 3. 1667, ats Golbert bie Sammlung bes Michel de 
Marolles aukaufen ließ, beſtand biefetbe aus 133,400 Stichen 


nie 
Schaͤtze blieben den 
gebrudten Büchern einverieibt, ohne ein beſonderes Anhängfel 
der koͤniglichen Bibliothek autyumachen. Sm 3. 1 famen 
ber großen f fifchen Ku⸗ 
ferftecher des 17. Zahrhunderts, eines Anton Maflon, Robert 
Ranteuil u. A. und fpäter bie Werke von Drevet, Audran, 
Dorigny, Edelinck, Leclert u. A. Im 3. 1711 wurden 8000 
Blaͤtter aus der Sammlung des Hrn. von Clairembaut ange⸗ 
kauft. Noch in demſelben Jahre vermachte Hr. von Gaignieres 
feine werthvolle Kupferſtichſammumg an das Cabinet des Kös 
nigs, und ſchon im Igege Jahre brachte ein Legat des Hrn. 
Ciement wieder 18,000 Blaͤtter Hinzu. Im 3. 1731. wurde 
das mehr als 80,000 Stiche enthaltende Gabinet des Marſchalls 
von Beringben von deſſen Sohne, dem Biſchof von Puch, ges 
kauft und 1753 die 80 Bände ſtarke Sammtung des Marfchalis 
von Urelles eingetaufht. Im 3. 1765 erhielt die königliche 
Sammlung durch das Vermäachtniß des Wrafen Caylus einen 
anfehnlidden Zuwachs, und zu allen diefen Grwerbungen kamen 
werthuolle Ankäufe aus freiee Hand 1770 bei Hrn. Begon unb 
auf dem Auctionewege bei der Werfleigerung von Mariette's 
Sammlung 1775. 8 beige that bie anhaltende Färforge 
ber Directoren, bie fett 150 Jahren diefem Gabinete vorflanben 
und keine Gelegenheit verfäumten, daſſelbe gu beseichern. 

Eange befolgte man in biefem Gabinet die Giaffification 
nach dem Heinecke ſchen Syftem, weiches jedoch wegen ber Menge 
der vielerlei Blaͤtter und bei den mannichfaltigen Zufluͤſſen ni 
mehr ausreichen wollte. Das Heinecke ſche Soſtem zu Grunde 
legend, vermehrte Gr. Duchesne bie alten 11 Glaflen auf 34 
mit einer Reihe von Unterabtheilungen und bezeichnete jede Claſſe 
mit einem großen Anfangsbuchflaben, jede Iinterabtheilung mit 
einem kleinen Buchſtaben und jebes Blatt mit einer Nummer, 
worunter e6 in der Unterabtheilung, zu weicher es gebdrt, eins 


eiragen i 
achſtehendes Verzeichniß wurde nach der neuen Claffifica⸗ 
tion aufgenommen; die Unterabtheilun ſind ben, 
weil ihre Zahl, bie ſich auf 122 beläuft, gang wi . 

Am 1. Ian. 1841, gur Zeit ber legten Inpentariumsaufe 
nahme, befanden ſich im Kupferſtichctabinet ber koͤniglichen Bi⸗ 
bliothek zu Paris: 





Gtäde. 
A. Saleries und Cabinetswerke in 507 Winden . . 36,198 
B. Kupferfiiche nach den Malerfäulen des Gübens, 
aim und Spaniens, in 21 ge 000. 19507 
n den Unterabtheitungen diefer Gtaffe finbeb man: 
das Merk des Leonardo da Bin IST Gehde. 
® vs Michel ngele . 8 
⸗ = fall . . .. ‚TE 
5 8 tan's oe ee 0. 7713 | 
⸗ ⸗Balvator Roſas m ⸗ 

















c, Kupfer neh ben Malerfäuten des Raten, 
Deutichlands, Hollands, Englands 
In den tnterabtheilungen bieler ðiaſſe it einges 


das et des Albredgt Dürer . . 1,480 Stuͤche. 
⸗ s bed Lukas van Senden 400 ⸗ 
Rembrandt's, Driginal⸗ 


ſtiche 1, s 
⸗ ⸗ Hembrandt' 6, ECopien . 7167 ⸗ 
⸗ ⸗des P. P. Rubns . . 1000 ⸗ 
⸗ ⸗ des Ban Dvd > -» 1,056 N 


Die Werke ber deutichen, nieberlänbifchen und enge 
lifchen Schule begreifen 255 Bände 
D. Kupfreitihe mas nach Meiftern der feansffiden Schri⸗ 
In den unterabtpeilungen biefer Stoffe beträgt: 
das Werk des Nicolas Pouffin . 907 @täde 
das Wert Watteau’s 062 ⸗ 
E. Kupferſtiche, nach Stehen verfiebenee Schulen, 
Zeiten und Länder georbnet, in 741 Bänden . 
In den Unterabtheilungen dieſer unerweßlich reichen 
Claſſe bemerkt man folgende Poften: 
die Sammlung der Niellen beläuft 


ih auf 

das Werk des BBaccio Balbini . 

des Meifters von 1466 

Martin Schongauer’® . 

Israel's von Mechein 

Marc Anton’d . . 

des Agoftino bi Benaia 

des Bonafoe - 

des 3. Smith . - 

des Eſtienne be goöne, 

Voeriot u. ſ. w. 
des Thomas be Leu und 

Leonard Gautier . . 
des Jacques Gallot, Ori⸗ 

ginate und Gopien . ⸗ 
bes Abraham Boſſe . 1, Kr 

F. Butter 2 @culpturen in 9 Bänden . 

G. Alterthämern in 203 Bänden 

H, 5 ch Bauwerken in 358 Bänden 

1. vr ctaum und mathematifche Wiffenfaften in 

148 Bänden . . 

J. Raturgefchichte i in 350 Bänden . - 

K. Werke über Unterriht im Beichnen, im Bechten, 
Tanzen, Reiten u. ſ. w. in Bänden . - 
Kartenfpiele zaͤhlt man bier 1504. 

L. Werke über verfchiebene Gewerbe in 193 Bänden 

In diefer Claſſe findet. man über : 
Beugfabrilatin . - . ., 4,040 Stuͤcke. 
Goldſchmied⸗ und Auwelierarbeit . 2,937 s 

M. Encyliopäbien in 202 Bänden . 

N. Horteaiis aus allen Zeiten und dandern in 40 
An biefer Abtheilung fi fi nd vorhanden an 
Bilbniffen von Heinrich IV. 


65 Stuͤcke. 


* 8 


959 ⸗ 
2,498 


⸗ von Ludwig XIv. 931 s 
⸗ von Rapoleon 433 s 
O. Trachten aller Art, in 486 Bänden . 


Die er den Trachten belaufen fi ch auf 
P. Bitoriice Hälfemifenfäafeen, 5 Ralendermappen x. 
Q. Algemeine Profangefchichte in 171 Bänden 


der & 
EEE are ee ie 


188 


32,755 


. 182,06 


36,973 


26,327 


. 24,118 


R. Heilige⸗ unb Betr im in 174 Bänden . 
8. Mythologie in 9 
T Br ng — —*5— [71% Städe. 
tungen, Romaniliu en, Gedichte ego⸗ 
— —— Bananen dar 
ie Untera der aricaturen 
7831 Stuͤ ung 0 
U. Maleriſche Neifebefchreibungen in 165 Bänden . 
V. Topo raphie in in 664 Bänden . . 
X. Atlafle in 103 Bänden . . . .. 7013 
Y. Di — Waisciographien, Soraioge x. 9815 


Summa 900,516 


Diefe ungeheure Kupferſtichſammlung wird in einem ſehr 
niebrigen und unfcheinbaren Sncifihenge efchoß des koͤniglichen Bir 
bliothefgebäudes aufbewahrt. Sehr loͤblich iſt bie feit ber erften 
Revolution aufgelommene ie, eine Reihe ber wichtigften Blaͤt⸗ 
ter der größten Kupferftecher aller Schulen und Nationen, von 
der Erfindung biefer Kunft bis auf unfere Zage, unter Stas 
und Rahmen an ben Wänden aufzuhängen und zu biefem Bes 
huf die fhönften und befterhaltenen Abbrüde herauszuſuchen, ſo⸗ 
daß dadurch jeder auch nur neugierige Beſucher in Stand ge 
fegt ift, die vorzüglichiten Leiſtungen ber Kupferftechertunft ken⸗ 
nen zu lernen. Die Sammlung if. für die Fremden und Gin 
beimifchen zwei Zage in jeder Woche, für ben arbeitenden Kuͤnſt⸗ 
lee und fludirenden Kunftfreund aber alle Tage offen. Jedem 
Zeichner, jedem Liebhaber wird das verlangte Werk ober einzelne 
Kupferblatt ohne Umftänbe mit der größten Bereitwilligkeit vor⸗ 
gelegt, und dabei zur Wohlerhaltung derfelben alle Vorſicht ans 
gewendet, Jedem ift es geflattet, auf ben zum Arbeiten ange- 
brachten Yulten Befchreibungen und Zeichnungen davon zu ma⸗ 
en, wozu Rahmen mit Glas und fonftige Erfoderniffe in Bes 
seitfchaft fleben, um die gefoderten Blätter darunter zu legen 
und vor Beichädigung zu fchügen. Wer bie Werke ber befanns 
ten großen franzöfifchen Kupferftecher bes 17. unb 18. Jahr⸗ 
bunberts in ihrer vollen Schönheit ſehen win, muß fie bier fe 
ben, und bier fann fi jeder Kunſtkenner leicht überzeugen, daß 
es die Franzoſen im Kupferftechen ben Engländern weit zuvor 
gethan haben, fo gern ich diefen auch in ihrer bis zur bödhften 
Vollkommenheit gebrachten Schab⸗ und Schwurzkunft alle Ge⸗ 
reqhrigtei widerfahren lafſe. 

(Der Beſchluß folgt.) 


11,527 
112,059 





Literarifche Notizen aus England. 


Die Sollier’fche Ausgabe von Shalfpeare’s „Plays and 
poema’’ ift nunmehr mit bem achten Bande, welcher „Antonius 
unb Kleopatra’”, „Sombeline”, „Perikles“ und bie ——— 
enthält, deſchloſſen. Die Anmerkungen des Deraudgebers, 
übrigens einen correcten Text forgfältig herzuſtellen fich bemüht 
bat, geben für eine „Volksausgabe“ (popular edition) zu fehr 
in das Detail bes Eritifchen Apparats ein, an beffen Statt man 
mehr hiſtoriſches Material zur Erlaͤuterung ſchwieriger Stellen 
wünfchen follte 


Unter dem Zitel „Puritan discipline tracts‘’ iſt ein Wieder 
abbrucd der wilden Pamphlets begonnen worben, welche gegen 
Ausgang bes 16. Jahrhunderts ben Beginn bes heftigen Kampfes 
zwiſchen ben Diffenters und der Kirche bezeichneten, der mit dem 
Umflurge von Altar und Thron endete. Das erfte Heft ift ers 
fhienen und enthält einen Tractat des Martin Mar« Prelate: 
„An epistle to the terrible priests of the convocation house.‘ 


Bon Ehaucer’s „Poetical works” hat Hr. Moron eine 
fehe genaue und faubere Ausgabe in einem Bande, Abdruck ber 
Tyrwhitt'ſchen, beforgt. 48, 


Berantwortlider Herausgeber: Deinrig Brodhand. — Drud und Verlag von 5. A. Bro@daus in Leipzig. 








Blätter 
ehr 


literarifde Unterhaltung. 








8tom. 
(Yortfegung aus Nr. 201.) 

Aber die Sammlung biefer Gutzkow'ſchen Auffäge hat 
auch ihren eigenthuͤmlichen Werth; es iſt darin viel Geil 
zerſtreut, der bald da bald dort wie entzlndetes Pulver 
erplodirtz es iſt mancher beherzigenswerthe Auffag aus den 
bereitö vergeffenen Nummern des „Telegraphen“ für eine 
längere Dauer in biefe an mannichfaltigen Stoffen Über: 
flug habenden Bände binübergerettet und translocirt wor: 
den, wie man wol -auf einer Auction von altem Meub: 
lesgeruͤmpel immer noch Brauchbares genug findet, um 
damit ein Wohn:, wenn auch gerade Fein Pracht: und 
Staatözimmer, leidlich hüͤbſch auszuftatten. Cine ganze 
Reihe merkwürdiger Erſcheinungen aus den letztvergange⸗ 
nen Jahren wird unferm Gedaͤchtniß wieder zue Verfuͤ⸗ 
gung geftellt, und hierbei iſt es mir nur auffallend, wie 
fo mandyes Ereigniß, fo mandye Perfönlichkeit, fo manche 
Schrift, die uns damals wichtig und hoͤchſt bedeutungs: 
voll erfchien, jetzt faſt vergeffen iſt, fodaß wir uns Die 
Augen verwundert reiben wie bei dem Anbli einer Per: 
fon, die uns bekannt vorfommt, obne daß wir wiſſen, 
wo wir fie zuerft gefehen umd in welchem Verhaͤltniß fie 
damals zu uns geflanden. Wie viele Erfcheinungen leben 
fih doch jegt in vier oder fünf Jahren ab, weil fie ohne 
eclatant nachwirkende, charakteriftifch hervortretende Kol: 
gen blieben! 

Dee erſte Band, um doch Etwas vom Inhalt des 
Buche zu fagen, trägt den Titel: „Öffentliches Leben im 
Deutihiand. 1838— 42.” Die erften Auffäge betref: 
fen die koͤner Wirren, die Hermes'ſche Lehre, die Streit 
ſchriften zwiſchen Leo und Goͤrres, Leo und die Hegelianer. 
Hierauf folge Gutzkow's befanntes und diplomatiſch gut 
geſchriebenes Sendfchreiben an den Fürften zu Solms⸗Lich. 
So weit iſt noch Alles gut. Was fol, was will, was 
bezweckt aber jegt noch ber 30 Seiten lange Bericht über 
das Gutenberg s Album von Daltaus, welcher die Eeinfte 
Bagatelle oft in mehr Beilen befpricht, als die Bagatelle 
Zeilen enthielt? Es laufen dabei manche Maivetäten uns 
tee, 3. B. wenn Gutzkow bie Ehre der Belletriſten den 
Philologen gegenüber dadurch gerettet glaubt, daß Echter⸗ 
meyer ein paar .artige lateinifche Verſe beifteuerte. Als 
ob Echtermeyer Das wäre, was wir im engen Sinne 
Belletriſt nennen, oder ale ob Dermann und Boͤckh deshalb 


19. Dctober 1843, 





Reſpect vor den Belletriften befommen müßten, well «is 
ner von ihnen durch einige huͤbſche Inteinifche Verſe dar 
that, daß er eine gelehrte Schulbildung genofien und in 
Prima den Gradus ad Parnassum tuͤchtig zu Mathe ges 
zogen bat. Das Gefchnatter von Gaͤnſen rettete zwar das 
Capitol, aber das Gefchnatter einiger Lateinifcher Verſe 
wird das Capitol des Belletriftentyums, wenn es in Ges 
fahre kommen follte, nicht retten koͤnnen, wenn wir felbft 
ale wahfame Soldaten und Bertreter des Volksgeiſtes 
unfer Heiligthum nicht hüten. Merkwuͤrdig bleibt noch, 
daß Gutzkow feine intimern Freunde von damals. bei Dies 
fer Gelegenheit in dichte Lorbern huͤllt, fo Dingelftedt, 
Wihl, Beurmann, Uffo Horn, von dem es heißt: „Uffo 
Horn läßt Gutenberg dramatifh auftreten und legt ihm 
Worte vol Schwung und Erhabenheit in ben Mund. 
Horn hat für flammende Gedantenmalerei ein feltenes 
Talent; es weht in feinen Worten wie Sturmmind, feine 
Verſe find Melodie, nicht gerade claffiich wie bei Mozart, 
aber voll Mark und Leidenfchaft wie das Trema Bizan- 
zio Donizetti’d.” So fpriht man allenfalls Über die Kos 
ryphaͤen der Poefie, über Goethe oder Schiller, nicht über 
Ufo Hom; man fördert dadurch einen jungen talentvollen 
Schriftfteller nicht und fchadet ihm nur bei dem Publi⸗ 
cum, vie ein Marktfchreier zulegt feinen Pillen, die er 
als ein Arcanum ausruft, während fie doch nur aus uns 
fhuldigem Kuchenteige beſtehen. Ganz anders dagegen 
lautet Gutzkow's Urtheil über die Beiſteuer derjenigen Aus 
toren, mit denen er gerade damals auf einem gefpannten 
Fuße lebte, fo über Munde, Kühne, Varnhagen von Enfe 
u. 4 Ein ziemlich weitläufiges Tagebuch aus Berlin 
beſchaͤftigt ſich vorzugsweiſe mit dortigen Theaterzufländen. 
Ich fürchte, daB das Buhlen um das Theater der Ehas 
rafterentwidelung vieler unferer jüngern Autoren und Dich⸗ 
tee weſentlich gefchader hat, und mehr noch in der Bus 
unft fchaden wird; ich nenne hier Gutzkow felbft, ofen, 
Laube, in jüngfter Zeit Kühne. Wie viel feines inneren 
Kerns und Welene muß man ber Bühne aufopfern ! 
Welche Rüdfichten nehmen! Welche Schlangenwindungen 
in dee Kritik einfchlagen! Welche Lammgeduld dee Zaͤhig⸗ 
keit der Directionen entgegenfegen! Welche Rundreifen bei 
den Bühnen, weiche höftiche Viſiten bei den fogenannten 
darſtellenden Kuͤnſtlern und Künflierinnen, welche Zuges 
ftändnifie den Hofbühnen machen! Um die gefunfene 


1176 


Buͤhne emporzuheben, haͤlt Gutzkow mit Eduard Devrient 
die Einrichtung einer Theaterakademie, einer ABC: Schule 
für die Schaufpieler, für das geeignetfie Mittel. Ich 
aweifle, ob es fo probat fei, al6 man annimmt; aber «6 
wünde bier zu weit führen, ‚meine Zweifel auscinanderzu⸗ 
ſezen und mit Grhnden zu belegen. Gutzkow aͤußert: 


„Serteggio befuchte allerdings feine Akademie, aber er 


hatte, ehe er Bilder malte, Töpfe gemalt.” Gut! ber 
Schauſpieler malt auch im Beginn feiner Laufbahn Töpfe, 
wenn er erſt Roten, Bediente, Trabanten, Bauer⸗ 
tüpel u. f. w. fpielt. Der legte Auffag dieſes Bandes 
„Deutſchlands Gegenwart erſcheint mir, trotz der fpielen: 
den Eintheilung der deutfchen hervorragenden Geiſter in 
Broden: und Alpengeifter, ziemlich unerheblich. 

- Von geringerm Intereſſe iſt der zweite Band, der 
zum größten Theile aus leichthin gemworfenen kritiſchen 
Skitzen beſteht. Welches Intereſſe follen „Strickſtrumpf⸗ 
kritiken“, wie der Verf. eine Portion derſelben ſelbſt nennt, 
der betaillicende ‚‚Beriche über den Muſenalmanach für 
1841”, das „Sendfcgreiben an Ufo Hosn” u. f. w. für 
uns noch haben? Es find eine Menge Gerichte hier auf: 


getragen, viele bavon find würzhaft und pilant, aber fie | 


fättigen weder im Einzelnen noch in der Geſammtheit, 
und oft, wenn es uns gerade am beften ſchmeckt, wird 
uns die Schüffel vor dem luͤſtern gemachten Munde bins 
weggezogen. Mus einige Bemerkungen! Gutzkow fertige 
in einem Artikel mit der Überfchrift „Veritrungen“: Will: 
komm's „Europamübden” und Clemens' „Bei Nacht und 
Trebel” in einer Weiſe ab, welche ben Kritiker in der 


ſchreckenden Geſtalt eines Nachrichters und Abdeders er: | 


fcheinen läßt. Ich mag, befonders bei dem perfönlihen 
Verhättniß, in dem ich zu dem Verf. der „ECuropamuͤden“ 
ſtehe, diefen Roman nicht rechtfertigen und vertheidigen, 
aber einmal fcheint e8 hart, wenn Schriftſteller, die im 
&. 1842 vielleicht weit über ihre Verirrungen vom J. 
1838 hinaus find, plögli den über fie ergangenen Ur: 


theils ⸗ und Verdammungsſpruch noch einmal in einem 
Buche abgedruckt finden müflen; es fcheint ferner Hart, | 


wenn man diefe zwei aus einer Menge Verirrter auf 
Gerathewohl herausgreift, gerade wie ein Schullehrer an 
einem Schulbuben ein Erempel zu flatuiren pflegt, um 
sine ganze Claſſe zu ſchrecken; endlich frage ich, ob fol: 
gende Stelle einen Eritifchen Takt, Ton und Geſchmack 
beweife: „Willkomm ift mir wie Einer, der noch nie ges 
liebt bat, den aber ein unbändiger Reiz verzehrt, dem er 
wieder den Muth nicht bat, den Bügel [hießen gu laffen. 
Sehne Phantafien haben Ähnlichkeit mit denen feiner 
Mönche, die ihren Geſchlechtstrieb unterdrüden muͤſſen.“ 
Diefen Ton nenne id, nach meiner innigſten UÜberzeu⸗ 
gung, unkeitifh gemein. Bei einem kritiſchen Fragment 
Strauß überrafchte mich bie Vorfielung, zu der ich 
mich veranlagt fühlte, wie ſchnell unfere Gelebritäten im 
Laufe weniger Jahre in den Dintergrund gedrängt, vers 
gefien, wie ein Blatt, weiches der Herbſtwind vor fich 
in den Erdboden der Zeit eingewühlt find. Das 

mals, als Gutzkow feinen Auffap ſchrieb, wurde Strauß 
als der zweite Luther ausgerufen — und was iſt er jest? 


sine ‚Revolution von der 





Er Hat fi wie Sulla von ber Zummelflätte ber Debatte 
zurücdgezogen und kann zu feiner Gemahlin, der frühen 
Sängerin Schebeſt, mit demfelben Rechte wie Sulla fas 
gen: „Weib, tyu mir die Blätter meines Lorberkranzes 
an den Braten!” Nicht weil bie „ R Ichrbuͤcher 
von ihm abfielen, nicht weil nach der Meitzung derſelben 
Jahrbüher Bruno Bauer, nebſt Bruder, und Feuerdach 
ihn überflügelt, überboten, befeitigt hatten, nicht well er 
von Gelehrten widerlegt, von Belletriſten angefeindet, durch 

wviricher Untverfität verdrängt 
wurde, nein! nicht darum iſt Strauß in den Hintergrund 
getreten, nicht darum find feine Beſtrebungen obne erficht: 
liche Folgen geblieben, fondern -weil ex, kritiſch und gelchez, 
ohne leidenfchaftliche Aufwallung, ohne begeifternde Wärme, 
ohne binreißende fchöpferifche Kraft, nur in der ariftofra: 
tifhen Intelligenz wurzelte und der ſyſtematiſche und kri⸗ 
tifhe Ausdrud ihrer Anfichten und Meinungen war. 
Xhoren, welche ba glauben, eiste politifche Mevolutien, 
eine religiöfe Reformation Lafje fi) in der gelehrten Welt, 
im Salon, auf dem fonnigen, aber eiskalten und vegeta- 
tionslofen Gipfel der Gefellfhaft abfpielen; nein, ihr müßt 
die Faͤden weiter unten anlegen, mit der populaiten Be: 
redtſamkeit, mit der furchtloſen Tapferkeit, mit der charak⸗ 
tervolien Entſchiedenheit eines Meformators wie Luther auf 
die Maſſe wirken, zum Herzen des Volks fprechen, es er: 
wärmen, entzünden, eine neue Welt entdecken oder mit 
genialer Kraft heraufbeſchwoͤren, ſtatt einfady zu fagen, bie 
alte Melt tauge nichts, ſtatt die bloße Negation als Met: 
tungeboot in bie ſchwankende, geheim gährende Woge der 
Zeit hinabzulaffen. Und ein folder Reformator thut uns 
wahrlich noth! Bleibt vornehm, bleibt kritiſch, bleibt ne: 
gativ — ihr koͤnnt ja nicht anders ſein —, aber ruft nur 
nicht in eitler Selbſtverblendung, daß, weil ihr euch eini⸗ 
germaßen mit Anuſtand von Seite der ariſtoktatiſchen Kris 
tik ans Ufer gerettet habt, die uͤbrige Welt auch nicht 
mehr im Naſſen ſitze; und um diefe zu retten, werdet ihr 
nicht die Finger naß machen, aus Furcht, es koͤnne da⸗ 
ran einiger plebejiſcher Schlamm und Schmuz ſitzen blei⸗ 
ben! Das Strauß'ſche Drama hat fich, wie man voraus⸗ 
fehen tonnte, ganz modern Luftfplelartig abgewickelt. Es 
war durchaus modern, daß er nicht, alien Gefahren Trotz 
bietend, nad) Zürich ging, daß er fogar ein Abſtandsgelb 
in Empfang nahm, daß er ſich ſchließlich in den winds 
ſtillen Dafen einer gemüthlihen Ehe mit einer liebens⸗ 
würdigen Sängerin zurückzog. Wie ganz anders erſcheint 
uns Luther, wenn er feine Theſes auſchlug, bie päpfitiche 
Bulle vecbrannte, in Worms auf Ted und Leben vor 
Kalfer und Reich fprad und mit klihnem Entfchiuf ge: 
vade eine Nonne zu feinem ehelichen Weibe wählte. Ich 
table David Strauß an ſich in keiner Weife und in Leis 
ner Rüdficht, ich beſchuldige ihn duschaus nicht einer uns 
qeriſtlichen Lehre, eines muchrifitichen Wandels, ich finde, 
daß er, wenn auch fein ganzer Mann, doch ein ganz mo⸗ 
besuer Wann iſt und auf dem Mivenm feiner Beit ſteht; 
aber man hätte und nur nicht von ihm Gott weiß weis 
che Dinge prophezeien follen, waͤheend man um6 die zwei, 
deei oder vier Luther und Lucherchen, weiche auf ihn ges 


en. ev  ——" m «en —— R 





folgt And, nicht propheteite. Sub dieſe ganze haudroi 
Luther that ſich im Laufe weniger Jahre auf, während es 
faft eines ganzen Jahrhunderts bedurfte, um nad) Huf 
einen Martinus Lucher bervorzubeingen. Nun zweifle 


man nody, wie weit wir wenigſtens in ber Dererei ber. 


GSefhwindigkeit vor frühern Jahren voraus find ! 
(Der Beſchluß felgt.) 


Zur Statiſtik der parifer Kunſtfammlungen. 
(Boſchlud and Nr. Mi.) 

Untängft find zu biefen unermeßlichen Schägen noch 36 Stüde 
von dem alten Meifter hinzugekommen, welcher feine Biätter mit 
den gothiſchen Buchftaben E. 3. bezeichnete und unter bem Ras 
men ded Meifters von 1466 bekannt tft. Diele Wiätter, alte 
Spielkarten ‚vorfteltend, meiſtens Unica und noch nicht befchrieben, 
find fehr wichtig und merkwuͤrdig. Sie kommen aus England, 
wo fie für Rechnung der franzoͤſiſchen Regierung angelauft und 
mit 3000 France bezahlt wurden. Der jeßige Vorfteher des Gas 
dinets, Dr. Duchesne der Ältere, hat eine ganz befondere Liebha⸗ 
berei an dem alten beutfchen Meifter, dem einige Kunfthiftoriter 
vie Erfindung der Kupferftecherfunft zufchreiben wollen. Gr 
flieht dem Maſo Finiguerra ſicher am naͤchſten in Zeit und 
Praris, wenn er ibm aud in Schönheit der Zeichnung weit 
nachſtehen muß. Seine vorzüglichften und feltenften Blätter 
find die beiden Marien von Gin fblen, weiche fo wegen ber In: 
ſchriften, die Fe tungen, genannt werden. Diele Infchriften bes 
weifen, daß es ein Deutfcher war, der biefe Blätter ſtach; doch 
ift es noch Keinem gelungen, den Namen biefes Meifters zu 
entbeden; benn für ben Ramen Engelbrecht ift Fein hinreichen⸗ 
der Grund vorhanden. Die große —*— von Blaͤttern, welche 
dieſem Meiſter sugefhrteben werden (im biefigen Kupferftichcas 
Winet iſt er mit 130 Blättern befest), die Yeindeit der Schraf: 
firungen und bie ganze technifche Fertigkeit, von ber fie zeugen, 
fegt eine vieljäprige Übung voraus. Vergleicht man bie vom 
Meifter €. 3. mit 1466 bezeichneten, ſchon in einer gebiegenen 
Vollendung bearbeiteten Blätter mit mehren von ihm, bie ſich 
in einem weniger ausgebildeten oder felbft noch rohem Zuſtande 
&rfinden, fo muß man wenigftens 10 — 13 Zahre zurüd anneh⸗ 
men; „rechnet man hierzu die noch rohern Arbeiten von dem 
Meier, den Ducheöne in feinen „Voyage d’un iconophile ” 
unter dem Namen des Maitre aux banderolies aufführt *), 
und einige aͤhnliche Blaͤtter alter beutfcher Meifter, die zwar 
ohne Jahrzahi find, allein wo eine gewiffe Robeit ober Unbe⸗ 
bolfenheit der Behandlung, die nicht durch ſcharfe, fondern durch 
flumpf übereinandergelegte Striche erfcheint, ferner die fihtbaren 
Merkmale, daB ber Abbrud durch Reibung und nicht bu 
Walzen oder andere Preflraft hervorgebracht fei und endli 
aud der ganz rohe Stil der Zeichnung ber Formen unb des 
Charakters ganz beutlich eine frühere Periode als bie vielen 
Arbeiten des dem Finiguerra gleichzeitigen Meiſters von 1466 
beweiſen, deſſen Geftalten im Ausbrud ber Geſichtszuͤge ſchon 
einige Anmuth, und durch ſchickliche und ergreffive Stellungen 
Sinn und Kunftbilbung zeigen; nimmt man bie Alles zuſam⸗ 
men, fo fleilt ſich die zeugung leicht dar,- daß für Deutſch⸗ 
Iand eine weit frühere Periode für den Abdrud von geftochenen 
Metallplatten auf Papier vorhanden war, als in Italien; zus 
mal auch Abbrüde von Holgplatten, wie ber heilige Chriſtoph 
in der Sammlung bes Grafen Spencer zu Attthorp**) (und ein 


*) Bogen ber den Figuren aus dem Munde gehenden anfgerellien 
Syrubyettet mit Infäriften vgl. „Voyage d’un issmephile” von Du; 
Grüne d. Tit. iPoris 152. Dieſe Neifebefgreibung enthält, auber 
mehren topographiſchen Nachrichten von bed Werf. Meife in Deutfe 
Ind, Holland und England, viele lehrreiche Notizen Aber Kupfer 
Ale wertwärbiger Seraulungen jener Länber. 

) Diefed feltene Blatt war ſonſt in. bes Karthaufe zu Burheim 
in Weltfelen und wurbe von Heineccke dort entbeit. In Heller 








is ber pariſer kAniglichen Bibtiethek vochanbeius Ürenwtar, 
was jedoch mehre Kenner als echt begweifen) *) mit dem Jahr 
1423 begeichnet, und mehre andere Drude von Dolgpiatten im 
Verein mit ber batb darauf e ſcheinenden Wuczbeuctertunft bie 
ſicherſten und deutlichſten Beugen befhr find. Gnbtih mochten 
auch die vielen Arbeiten deutſcher Weifter des 15 Jahrehunderts 
im Vergleich gegen dic in weniger Zahl vorkommenden italleni⸗ 
ſchen Meiſter jener Periode den Beweis geben, daß eine alige⸗ 
meinere fruͤhere Ausabung des Eingrabens in Metall und Ab: 
druck beffeiben in Deutſchland Mattfand, Denn ber in der pas 
rifer koͤniglichen Bibiiothel aufbewahrte und von Zani entberkte 
Abbrud eines von Finiguerra in Niello gearbeitrten Kımftbitdes 
(Pax - Patene), bie ung ber Maria vorftellend, wovon ſich 
bie Platte im Kirchenſchag G.: Giovanni zu Florenz befindet 
(jest in der Sammlung des Großherzoge) und eine Notiz, 

Biniguerra biefes Merk 1452 vollendet babe, bie in dem b 
gen Archiv gu finden ift, gibt, da auf der Platte felbft und auf 
dem Abbrud weder Rome noch Jahrzahl ift, nicht die völlige 
Gewißteit, daß biefes Blatt von Yiniguerra ber erſte Abdruck 
einer gravirten Detallplatte auf Papier fei. Es entftchen viel 
mehr gegen dieſen Papierabbrud erhebliche Zweifel, die nur 
buch einen unmittelbaren Vergleich mit ber noch in Florenz 
befindlichen Platte völlig gehoben werben Könnten. Außerbem 
kennt man von biefer weltberühmten Rieloplatte noch zwei Ab⸗ 


„Geſchichte der Holzſchneibekunſt⸗ iR bavon tin Wachimile; beöglels 
Gen in Ditley’s „Origin of engreving”. 

) Dibdin („Biogrephical tour’) erBiärt das pariſer GEremplar 
für unecht und fpäter nachgemacht. Dafſelbe behauptet Dr. Léon 
be Laborde in ber franzäfifchen Zeitſchrift „L’artiste” vom October 
1689, wo Durchzeichnungen bed altthorpſchen Exemplars nad Dtts 
ley's Bachmile und des parifer Abdruds nad) der Abbildung des v. 
Murr ſchen „Journal beigegeben find und bie Anſicht geltend ges 
macht wird, daß bad parifer Cremplar mit jener Abbildung im v. 
Murr'fhen „Sournal” ganz ibentifh und ein auß jenem Journal herz 
ausgeriſſenes, in Kaffeefarbe getauchtes Blatt fei, welches S. Roland 
zu Nürnberg im J. 1775 nad) dem Unicum bed Lord Spencer ans 
gefertigt. Hr. Ducheſsne (‚Notice des estampes exposdes à la Bi- 
biiothöque royale’', dritte Ausgabe, Paris 1887, ©. 2) fährt bages 
gen bad parifer Exemplar ald alt und et auf. Dr. Waagen 
⸗Kunſtwerke und Känftter in England und Paris”, II, ©. 086) 
erflärt ebenfalls, daß ber Abbruck der Löniglichen Bibliothek zu Pa; 
ris in allen Theilen dad Gepräge der Echtheit verrathe und baf, 
allem Anſchein nad, das Beſtreben, den Werth des alttborper 
Eremplars als eined Unicums noch zu erhöden, auf Dibbin’s Ur⸗ 
theil Einfluß gedadt habe. Was nähfk ber Autorität eines fo gros 
Ben, fo bewährten Kunfllennerd, ein ſtarkes Gewicht zu Gunften 
diefer Meinung in die Wagfihale Iegt, if folgender Umftand: Im 
I. 1817, während eines Veſuchs in Paris, befad Lord Gpencer das 
Eremplar des St.⸗Ehriſtoph auf der Yefigen Königlichen Bibliothek. 
Sehr yilirt daräber, daß man feinem Unicum ben Werth ſchua⸗ 
lere, bewog er Dibbin, nad England zurädzureifen und feinen Abs 
drud nach Paris heruͤberzuholen, um mit dem Eremplar des koͤnig⸗ 
len Kupferſtichcabinets einen Vergleich anzuftelen. Es wurbe 
entſchieden, daß beide Abdruͤcke alt, aber von zwel verfälebenen 
Holzbloͤken abgezogen fein. Im folgenden Sabre machte Dibbin 
feine bibliographiſche Reife und in feinem vierundzwanzigfien Briefe 
erhob er Zweifel und Bedenken iu Betreff des parifer Eremplard, 
welches, ungeachtet ded Datums, gegen 1400 zu fegen fei und übers 
Haupt verdaͤchtig erſcheine, das aber na feinem Überfeger Crapelet 
(„„Veyage de Dibdin’, II, 100, Anmerkung a) alle Kennzeichen des 
Alters und ber Echtheit an fi trägt. Hr. Sotzmann in dem Aufs 
fage ‚Über die ältefle Geſchichte der Zylographie und ber Drudkunf” 
in Raumer’s „Slortfgen Taſchenbuche⸗, Jadrgang IEBT, Täßt vie 
beiden Eremplare ded St.⸗Chriſtoph ebenfalls für alt gelten. mit 
iänen aber keinen döhern Werth bei als vielen audern alten Holz 
(ünittbiipeen, bie MG in Öffentiidhen Gamunlungen von Kopferſtichen 
vorfinden, und verlegt ihren lLnfsrung in bie zmette Pälfte be 
16. Ichrhunberts. 


deacde auf Schweſel. Dex eine, ein Vrobeabbrud, welcher bie 
Platte unvollendet wiebergibt,, befindet ſich in ber vortrefflichen 
Sammlung von Niellen des Grafen Durazzo in ; der 
andere, welcher erſt nach gänzlicher Beendigung ber Platte ge 
nommen worden if und bas Original mit den feinften Einzel⸗ 
beiten auf das genauefte reprobuciet, war Tonft im Befig des 
@enators Seratti in Livorno, gelangte nach befien Tode in bie 
Bände des Ionboner Kupferſtichhaͤndlers Colnaghi und ging aus 
beſſen Befis in die große Kupferflihfammiung bes Herzogs von 
Budingham»Ghandos über, weicher ihn mit 250 Pf. St. ber 
Ite. Bei der VBerfteigerung biefer Sammlung zu London 
834 wurde er für Rechnung des Britiſchen Muſeums anges 
kauft, wo man ihn gegenwärtig aufbewahrt. Sin Vergleich der 
Abbildung bes parifer Yapisrabdruds in Zant’s „Materiali per 
servir alla storia delle incisione in rame” (&. 201), bie nadı 
der Berfiherung bes Verf. von ber größten Treue fein fol, 
mit dem Schwefelabdruck im Britiſchen Muſeum Hat fein güns 
ſtiges Ergebniß für jenes Blatt geliefert und bie Anſpruͤche deſ⸗ 
felben auf Originalität bedeutend herabgeſezt. Dibdin („Deca- 
meron‘'‘, I, &. cxrı) verfichert, baß jene Abbildung von dem bes 
wundernswuͤrdigen Ausdruck der Köpfe in dem Gchwefelabbrud, 
der wie ein Kupferftich auf Eifenbein ausfieht, nur wenig wies 
dergibt. Gicognara („Memorie‘, &. 43) erzählt, daß Zani, 
der erſte Entdecker jenes Papierbruds, vor feinem Tode felbft 
ſehr zweifelhaft über die Echtheit und Wichtigkeit feines Bundes 
gewozden ift, und ber Prof. Vitali in Parma eine Zeidmung 
diefer Par, welche Mariette befaß und auf weicher ſich eine 
handfchriftiiche Bemerkung von ibm befindet, von Zani’s Erben 
an ſich gebracht und mit Huͤlfe berfelben in einer noch unedir⸗ 
ten Schrift dargethan bat, der parifer Abdrud fei nidht von 
dem Original in Florenz hergenommen. Waagen („Kunftwerte 
und Künftter in England und Paris”, IN, 68T) laͤßt es un⸗ 
entidhieben, ob biefer Abdruck wirklich von jener Nielloplatte in 
Florenz genommen worden, hält aber bafür, daß er ein fehr 
alter Abdrud von einer hoͤchſt vortrefflidhen und mit jener 
Platte fehr nahe übereinftimmenden Nielloplatte ift. 
Diefes Blatt, das feither von Vielen für ben erften unb 
diteften aller Kupferfliche gehalten wurde, ift gegenwärtig Fein 
Unicum mehr, da ganz neuerdings in der parifer Bibliothel des 


Arſenals ein zweiter Papierabdrud bes von Kiniguerra In Niello 


gearbeiteten Kunftbitdes, die Krönung der Jungfrau vorftellend, 
aufgefunden worden. Diefer Abdrud ift fchöner als ber bis jegt 
bekannte. Gin breiter Rand geftattet die Platte genau zu mefs 
fen, die, nach oben gewölbt, in ihrer hoͤchſten Höhe 133 Millis 
meötres und 95 Millimdtres in ber Breite hat. Chriſtus auf 
einem hoben Throne zur Linken figend, der mit Guirlanden ge: 
ſchmuͤckt ift und hinter bem Gebäude im florentinifchen Stil des 
15. Zahrhunderts emporragen, fest eben die Krone auf das 
Haupt der Zunafrau, die in feiner Hähe geftellt ifl. Unter dem 
Thronſeſſel Halten Engel aufgerollte Spruchzettel mit Infchrifs 
ten folgenden Inhaits: Assumpta est Maria in coelum. Ave, 
exercitus angelorumi. Zu jeder Seite ſpielen andere Engel vers 
ſchiedene Inftrumente, und unten links find die Märtyrer, rechts 
die heiligen Zungfrauen. Dan bemerkt unter Andern ben heili⸗ 
gen Zohannes, aufredyt ſtehend, und die Enieenden Heiligen Aus 
Kit und Ambrofius, bie Heiligen Agnes und Katharina. In 
infiht auf Compofition, Zeichnung, Formenverſtaͤndniß und 
rl haͤlt fich diefes Werk auf gleicher Höhe mit ben bes 
n Leiftungen ber gleichzeitigen WBilbhauer und Maler. Die 
Druckerſchwaͤrze iſt grau; ber Abdruck felbft fegt eine große 
Bolllommenheit ber Preffe voraus und ift von der Gegenfeite 
der Driginalplatte, zeigt mithin auch die Schrift verfehrt. Das 
Papier hat endlich ein fehr altes Anfchen. 27. 





Notizen. 
Shakſpeare kein Papiſt. 
Es hat Jemand unternommen, durch Stellen aus Shak⸗ 
fpeare’s Gtuͤcken zu. beweiſen, daß der große Dichter kein Papiſt, 


vielmche ein Antipaptiſt geweſen und als guter, orthodoxer ( 
Proteſtant geſtorben ſei, und er führt feinen Beweis aus er 
len wie 3. B. jene, wo König Johann dem Garbinal Pan⸗ 
dulph Tage: 

Kein Nam’ IR zu erfinnen, Garbinat, 

So leer, unmwärbig und ſo laͤcherlich, 

Mir Antwort abzufobern, als der Papſt; 
ober aus Heinrich VI: 

Der Gerbinal ii freier ass ber Teufel 


uf. w. Wie ber Mann auf fein fonderbares Unternehmen 
gekommen iſt? Er erzählt es ſelbſt. „Als ich Stratford upon 
Avon befuchte‘‘, fagt er, „ſah ich ein großes befchriebenes Blatt 
in einem vergolbeten Rahmen recht augenfälig aufgefleilt und 
für eine Gopie von Shakſpeare's letztem Willen ausgegeben, 
aber anfangend mit den Worten: ‚Im Namen Gottes bes Bas 
ters, bes Sohnes und bes heiligen Geiſtes, ber allerheiligſten 
und gepriefenen Jungfrau Maria, Mutter Gottes, ber Erzengel, 
Engel, Patriarchen c. Ih, Will. Shalespzare, unmwürbiges 
Mitgtied der heil. Eatholifchen Kirche.“ ,,Diefes Blatt‘, fährt 
der Erzaͤhler fort, „war doch offenbar dazu ausgehängt, um bie 
Welt zu beträgen und Shaffpeare als einen Papiften barzuftellen.” 
Deshalb befchioß ex auf der Gtelle, zur Ehre Shaffpeare's, ber 
reformirten Religion und ber göttlichen Wahrheit klaͤrlich zu 
beweifen, daß dieſes Teftament ein Falſum fei. Bald hätte ich 
ben Zitel feines Buches vergeffen anzuführen (ber Lefer würde 
freilich nichts dabei verlieren): „Religious and moral sentences 
culled from the works of Shakspeare compared with sacred 
passages Jdrawn from holy writ.” Der gute Berf. will 
nicht nur beweifen, daß Shalfpeare kein Papift, fondern auch, 
daß er „ein wahres unb würbiges Mitglied der englifchen 
Kirche” gewefen, und flellt zu dem Ende auf 140 Geiten 
Stellen aus Shakſpeare's Dramen mit Stellen aus der Bibel 
und ber englifchen Liturgie zufammen. Es muß auch ſolche 
Kaͤuze geben! 


Englifhe Decenz. 

„Wie rathen“, fagt ein englifcher Kritiker, „jedem Familien⸗ 
vater ernftlich, die englifche Überfetung bed Rabelais fern von 
feinem Haufe, ober wenigftens ſicher unter Schloß und Riegel 
su halten. Das franzöfiiche Original iſt nicht fo gefaͤhrlich, 
weil es in den veralteten Formen der GSchreibart und Recht⸗ 
fchreibung unberufenem Lefen ein natuͤrliches Hinderniß entgegen: 
ſtellt. Die Überfegung anlangend Tönnen wir uns Fein furcht⸗ 
bareres Ere'gniß denken, als ein zufaͤlliges Aufſchlagen berfelben 
im Schoofe einer reſpectabeln Familie. Der GSchred, wenn eine 
Bombe mitten in einer friedlichen Theegeſellſchaft plaste, ober 
wenn ein nur „bei Geite‘ mögliches Wort von einem fcharfs 
börenden Kinde Yaut nachgefprochen würde, ober wenn das 
kleinſte Bübchen in einer evangelifchen Borbereitungsfchute einen 
Fluch ausftieße, ift nichts gegen den, ein junges Daͤmchen in 
weißem Mouffelin Urqhard's Rabelais auffchlagen gu fehen.“ 
Der Mann bat Recht, aber wie charakteriftifch ift die Ausmas 
lung des Echrediens ! 


Correſpondenz bes Herzogs von Mariborougb. 


Der „Times“ zufolge ift kuͤrzlich bie Correſpondenz des 
Herzogs von Martborough aufgefunden worden. Wan unter 
fuchte einige Kiften, weldge, wie man vermuthete, Papiere und 
Documente bezüglich auf bie Marlborough'ſchen Güter enthalten 
follten und entdeckte in denfelben bie vollftänbige Gorreſpondenz 
und die Depeſchen des Herzogs, weidye ber Beit des Erbfoigekriegẽ 
angehören. Gin großer heil derſelben (die Briefe an Prinz 

en, bie fremden Souveraine, Bürften, Generate) ift frans 
pt ch — — den George Murray bat dieſe Intereffanten 

ocumente vom jehigen Dergoge von Mariboro Duckhficht 
und Bewahrung erhalten. u 48, 


Berantwortlicher Herausgeber: Heinrih Broddaund — Drack und Werlag von U. A, Brodbanß in Leipzig 


u ü — — — ü— 


A _ u ie n 


Bläfter 
für 


literarifhe Unterhaltung. 





Freitag, 





Karl Gutkow. 
(Beſchiuß aus Nr. 202.) 


Der dritte Band ift von erheblicherm Intereſſe, we⸗ 
niger durch Gutzkow's Notiz Über Prof. Meyer, Meidins 





ger's franzoͤfiſche Grammatik, einen Beſuch bei Bettina, |. 


einen Befuh Immermann's bei Gutzkow, weniger durch 
feine eigene Reifen: und Novellenfkiszen, obgleich darunter 
manches Dübfche, als durch zwei Reliquien von Georg 
Büchner, und um diefer Reliquien willen würden wir, 
fetbft wenn Gutzkow's Auffäße gar nichts bedeuteten, dies 
fem die Derausgabe diefer Sammlung gern vergeben. Die 
erſte derfelben trägt den Titel „Renz, eine Art Novelle, 
weiche den flrasburger Aufenthalt des ungluͤcklichen Dich⸗ 
tes und fein Verhaͤltniß zu dem bekannten pietiftifchen 
Pfarrer Oberlin in Steinthat zum Gegenftande hat. Hier 
ift wahrhaft poetifhhe Anfhauung, die Sprade und Ma: 
lerei dichteriſcher Empfindung, Durchgeifligung des Stoffe 
und DBefeelung des bios Körpertichen; dabei hat die Er: 
zaͤhlung ſelbſt ſo etwas wuͤſt Traͤumeriſches, fo etwas 
Halbwahnſinniges, ſie waͤlzt und wuͤhlt und kugelt ſich ſo 
unheimlich durch ſeltſame bald knapp abgebrochene, bald 
traumhaft verlängerte Wortwindungen und Satzverſchlin⸗ 
gungen, das Thun und Treiben und Weſen ſchleudert ſich 
und draͤngt, treibt und ſtoͤßt ſich ſo willenlos daͤmoniſch, 
fo unruhig abſichtslos von rechts nach Links, durch Licht 
und Dunkel, kopfüber, fopfunter, im Gange, im Hüpfen, 
im Sprunge, im wilden athemloſen Laufe, daB es dem 
Lefer faſt erfcheint, als leſe er bier nicht die Novelle eines 
Zroeiten über einen Wahnfinnigen, fondern habe es mit 
dieſem ſelbſt zu thun, fei wol gar von ihm angefledt, als 
fi Büchner Lenz und Lenz Büchner und er, der Lefer 
felbft, Beide zugleih. Die zweite Reliquie befteht aus 
Bruchſtuͤcken aus einem Luflfpiele „‚Leonce und Lena”, 
vol gefunden Witzes und echten Humors. Nur ein Bei: 
ſpiel für viele: 
König Peter und ber Staatsrath. 

Peter. Meine Lieben und Getreuen, ich wollte Euch hier: 
mit fund und zu wiflen thun, fund und zu willen thun — denn 
entweder verheirather fich mein Sohn, ober nicht (legt den Zins 
ger an die Rafe) entweder, ober — Ihr verfteht mich doch? 
Sin Drittes gibt es nicht. Der Menſch muß denken. (Steht 
eine Zeit Lang finnend.) Wenn ich fo laut rede, fo weiß ich 
nicht, wer es eigentlich ift, ich ober sin Anderer, das aͤngſtigt 






EEE m nm m I — 





20. October 1848. 











mich. ( Nach langem Befinnen.) Ich bin ich. — Was halten 
Sie davon, Präfident ? 
Präfident. (Gravitätifch Iansfam.) Cure Majeftät, 
vieleicht iſt es fo, vielleicht iſt es aber auch nicht fo. 
Ja, vielleicht 


Peter. (Mit Ruͤhrung.) O meine Weiſen! Alſo von was 
war eigentlich die Rede? Von was wollte ich eigentlich ſprechen? 
Praͤſident, was haben Sie ein fo kurzes Gebaͤchtniß bei einer fo 
feierlichen Gelegenheit? Die Sitzung ift aufgehoben ! 

Man kann nicht leugnen, daB diefe beiden Rekiquien 
etwas Hervorftechendes in dieſer Sammlung find, und daß 
ſich der Eefer, geägt, gepridelt und geftachelt von fo vielen 
Gutzkow'ſchen Verflandeswigen,, in diefen romantifdhen 
Zwifchenpartien gern erholt. Was man aber auch gegen 
diefe „Vermiſchten Schriften” mit Recht fagen und an 
ihnen im Ganzen wie im Einzelnen ausfegen Tann, fie 
bilden immer eine intereffante Sammlung, ſowol durch 
ihten mannichfaltigen Stoff als durch die meift geiſtreiche 
Behandlung des Stoffe. Schon auf die fo forgfam ges" 
arbeitete, nuc hier und da zu gedrechfelte Sprache, die fich 
jedoch in ſpaͤtern Auffägen, namentlich in dem Tagebuche 
aus Berlin, natürlicher bewegt, wie auf feine Kunſt, eine 
Menge treffender Gteihniffe und Bilder zu fehmieden und 
zu nieten, feines und zarte® Gefchmeide, womit er jedoch 
feine Auffäge häufig nur zu flitterhaft und kokett aufpust, 
darf fi der Verf. etwas einbilden. Obgleich ich durch 
die Länge diefer Betrachtung, durch die Bemuͤhung, dem 
Autor nach jeder Seite hin gerecht zu werden, die Ach⸗ 
tung bemwiefen zu haben glaube, die ich im Allgemeinen 
für das Talent, den Geift, den markitten literariſchen 
Charakter Gutzkow's hege, fo wird diefer doch im Bewußts 
fein feiner überall Quos ego .. . „! gebietenden Größe 
nicht zufriedengeftelle fen, indem er wol liebt, Andern bie 
Wahrheit zu fagen, aber nicht ſich die Wahrheit fagen zu 
laffen. Ic wäre in mancher Hinficht gern unglimpflicher 
mit ihm verfahren; aber es widerfpriht meiner Natur; 
ih babe non der Manier Gutzkow's, Jemand abzufertigen 
und die Vorzüge eines abzufertigenden Autors über deſſen 
Mängel zu vergeffen, noch nicht genug gelernt. 

Der Verf. hat auch eine kurze Vorrede zu biefen 
„Bermifhten Schriften” gefchrieben; er ift aber niche 
gladtich in feinen Vorreden, weil er darin — der Salt! 
— gewoͤhnlich gemuͤthlich wird, ber Verf. der „Wally” 
und der „‚Lebensffizge des Mar Scotty‘ gemuͤthlich! 


Der ganze Staatsrath im Chor. 
iſt es fo, vielleicht iſt es aber auch nicht fo. 


1174 


Über nichts ſteht ihm ſchlechter und unnatuͤrlicher als bie 
Gemuͤchlichkeit, wo er fie nicht wie an einigen Stellen 
feiner Dramen objectiviet, fondern als Thraͤnenerguß feiner 
innerften Perföntichleit in das Schnupftuch eines fubjec: 
tiven Raifonnements, und ein folches iſt eine Vorrede im: 
mer, feucht und warm entfchläpfen läßt, damit mohlwols 
lende Seelen und barmherzige Schweftern ausrufen: Seht, 
weich ein Menfch! oder gar eine andere heilige Veronica 
im Schweißtuche fein thränenreiches Geſicht abdrüdt. Auch 
in der Vorrede zu diefen „Vermiſchten Schriften” ſpukt 
eine gewiſſe gemachte Gemüthlicykeit, eine empfindeinde 
(hönthuende Suͤßlichkeit, deren auf das große Publicum 
berechneten Zweck ich wohl einfehe. Aber, guter Sreund! 
wir Eennen uns beffer; wer über Mar Schottty fo fchreis 
ben konnte wie du, wer noch in diefen „Vermiſchten 
Schriften” über Willkomm und Clemens fo lieblos und 
hart urtheilen Eonnte wie du, deffen Thränen können keine 
andere als Kunftthränen fein, die ein Schaufpieler weint, 
um auf die große Menge zu wirken, und Gutzkow hat, 
feltdem er Bühnenitüde fchreibt, immer nur ein Theater: 
publicum vor Augen. Alles was du wiuft, Gutzkow! -— 
erſchrecken Sie nicht über mein vertrauliche du; es iſt 
mie entfchlüpft wie Ihnen die Thränen — Geiſt, Wie, 
Schärfe, ſelbſt Lieblofigeeit, nur Beine Sentimentalität ! 
Sa, wahrlih), Gutzkow vergießt fogar während des Pro: 
ducirens Thraͤnen. In der Vorrede zu feinen dramati⸗ 
(hen Werken heißt es woörtlid wie folgt: „Es find um 
beide Stuͤcke (‚Savage‘ und ‚Werner‘) in Deutſchland viel 
Thraͤnen gefloffen. Wer rein und edel fühlt, fühlt viel: 
leicht auch, daß um fie welche gefloffen find, noch waͤh⸗ 
tend fie gefchrieben wurden. Abermals eine Phrafe für 
die barmherzigen Schweſtern Deutſchlands! Lefling würde, 
ſelbſt wenn er bei der Abfaffung feines „Nathan“ Thraͤ⸗ 
nen vergoffen hätte, es nie eingeſtanden haben, und Gutz⸗ 
kow nimmt ſich je fonft Leifing fo gern zum ‚Mufter ! 
Er fließt: „Das Talent, Gemachtes vom Gefühlten zu 
unterfcheiden, befigen Wenige: am meiften die Frauen, 
am wenigften die Kritiker.” Da Gutzkow ein Kritiker ift, 
fo wird er nicht unterfcheiden Binnen, ob gegenwärtige Re: 
cenfion gefühlt oder blos gemacht ſei; er möge daher ein 
Weib zu Rathe ziehen! Hermann Marggraff. 





manuel Kant’8 Briefe. Herausgegeben von Friedrich 
Sm Wilhelm Schubert. , 


Durch dieſe Briefe des großen koͤnigeberger Philofophen 
Immanuel Kant an bie literarifchen Notabilitäten feiner Zeit 
werden wir in eine laͤngſt verſchwundene Zeit zurüdverfent, 
die, obgleih nur um 50 — 60 Jahre von ber unfern entfernt, 
dennoch bereits faft zu einer fagenhaften, zu einer für uns 
räthfelhaften unb in vieler Beziehung fogar völlig unerklaͤrlichen 
geworben if. Wir fehen hier einen ber größten und ausgezeich« 
netften Denker vor uns, der mit der allergrößten, fefteften 
und inn Überzeugung ein unerſchuͤtterliches Gebaͤude für 
die Ewigkeit gebaut und gegründet zu haben glaubt; denn er 
verfichert in einem Briefe an Reinhoid mit der größten Zuver⸗ 


) Smmanuel Kant’s fämmtiide Werke. Gilfter Theil. 
. 9 eben von %. WB. Schubert. Leipzig, Bob. 
mu. Gr 8. 23 Ablie. 


ſichtlichkeit, „daß ex, je er auf ſeiner Bahn fortgehe, um 
fo unbeforgter werde, es koͤnne jemals ein Widerſpruch ober 
Alianz feinem Syſtem erheblichen Abbruch thun‘, und dennoch 
mußte er felbft es noch erieben, daß gerade ber Wann, ber ihm 
die allergrößte Verehrung und Grgebenheit betheuert, ber ihm 
wiederholt feine ganze und volle Überzeugung von ber Wahrheit 
feines Syſtems und fein vollfommenes Ginverflandenfein mit 
demfelben im Ganzen wie im Ginzelnen verfichert hatte, die 
Brandfader in fein vermeintlich die Ewigkeit gegründetes 
philoſophiſches Prachtgebäude warf, daß es von Grund aus 
verbrannte und davon nichts übrig geblieben iſt als eine hiſto⸗ 
rifche Erinnerung, ein bohler Klang. Und biefer Dann war 
Fichte! Es hat in der That etwas wahrhaft Zragifches, aus dem 
Briefwechfel diefer beiden ausgezeichneten Männer zu feben, wie 
Kichte dem großen Eönigeberger Denker mit den ungweifelhaft 
aufrichtig gemeinten Berficherungen und Betheurungen feiner ins 
nigften und hoͤchſten Verehrung für ihn, mit der dringenden 
Bitte um Belehrung entgegenfommt; zu lefen, wie er in einem 
Briefe an Kant betheuert, „von dem Gedanken burdiglüht zu 
fein, die Aufgabe der Kritik der reinen Vernunft zu löfen”, und 
wie Kant feinerfeits dies Entgegenfommen, diefe Betheuerungen, 
Berficherungen und Erklaͤrungen Fichte's mit all der Genüge und 
Befriedigung eines Hobenpriefters im Tempelheiligthum zu Gais 
fo entgegennimmt, als ob dies gar nicht anders fein könne und 
fi) ganz von ſelbſt verfiehe, und wie dann body diefe Freund⸗ 
ſchaft mit einmal in die unverföhntichfle Gegnerſchaft umſchlaͤgt. 
Die „Wiffenfdhaftstehre” war das Kriegsmanifeft, bas Fichte wiber 
die Eritifhe Phliofophie und ihren großen Schöpfer Immanuel 
Kant ergeben ließ. Als ein foldyes erfannte und erklaͤrte es 
Immanuel Kant auf den erften Bid und vom erften Augenblid 
an. Das war nit die von Fichte ihm verfprocdhene „Loͤſung 
der Aufgabe der Kritik der reinen Vernunft”; das war Empoͤ⸗ 
rung wider biefelbe, Losfagung von derfeiben, Umſturz und Ber: 
nichtung berfelben, und ber frühere Verehrer und Freund mußte 
nothwendigerweife dadurch in Kant's Augen ein Gegner werben, 
mit dem er nichts weiter zu fchaffen haben mochte. Rod im 
Jahre 1797 bittet Kant Xieftrunt in feinem Briefe, „feine 
hypokritiſchen Freunde Fichte und Reinhold zu grüßen”. Alſo 
hypokritiſch war ibm bereits fein ,reund Fichte“ vorgekom⸗ 
men! Gin Jahr darauf (1798) fchreibt er an Tieftrunk: Was 
balten Sie von Herrn Fichte's allgemeiner Wiffenichaftes 
lehre?“ Gr habe fie, äußert ex ferner gegen Denfelben in dem⸗ 
felben Briefe, beifeite gelegt und Eenne fie nur aus einer Re 
cenfion in ber „Zenaifchen Allgemeinen Literaturzeitung“, die mit 
vieler Vortiebe für Hrn. Fichte abgefaßt ſei. Sie ſehe ihm 
wie eine Art von Gefpenft aus, das, wenn man es gehaſcht 
babe, einen Gegenftand babe, fondern immer nur ſich ſelbſt, 
und zwar hiervon auch nur die Hand, bie danach haſcht, vor 
fih babe. „Schon ber Titel („Wiffenfchaftslchre”) erregt, läßt 
er fi in einem fpätern Briefe vernehmen, wenig artung 
für den Gewinn, weit fie eine Wiſſenſchaftswiſſenſchaft und fo 
ins Unendliche anbdeuten würde.” Hierin hatte in ber That der 
große Denker ben faulen Filed ſchlagend bezeichnet, an bem bie 
„Wiſſenſchaftslehre“ nothwendig zu Grunde geben mußte, unb 
wirfiih zu Grunde ging: ndmlid ben nie enbenben und abs 
fließenden Kreis des Wiſſens von Sich feibft, in ben das Ich 
nothwendig bineingetrieben warb, ohne jemals zu Sich ſeibſt 
kommen, ober Sich Selbſt finden zu können. In einem Briefe 
an Kiefewetter belobt es Kant gar fehr, daß er der Fritifchen 
Philoſophie treu geblieben fei, was ihn fidher nicht gereuen werde, 
indeß Andere, bie ſich gleichfalls anfangs derſelben gewidmet 
hätten, buch zum Theil „laͤcherliche Neuerungsfucht zur Drigi⸗ 
nalität, nämli wie Hudibras aus Sand einen Strick drehen 
zu wollen”, nur um ſich her Staub erregten, der fi body in 
furzem legen muͤſſe. Aber als von verfdiebenen Geiten die 
FBichte’fche Philoſophie für ein Kind und Günftting der kritiſchen 
Philoſophie erklaͤrt wird, ba fühlte ſich ber gekraͤnkte und in 
feinem Heiligthume bedrohte Greis zu einer entſchledenen öffent: 
lichen Erklaͤrung herausgefobert, Eraft weicher er ſich von allem 











RS 


Antheile an ber Fichte ſchen Phileſophie auf das beitimmtefle 
lodfagt. und zwar ficher nicht blos aus Weforgniß, wie der Or. 
Herausgeber meint, in die Anlagen mit verwidelt zu werben, 
die wider Fichte von verichicdenen Eeiten ber wegen feines ans 
geblidhen Atheismus erhoben wurden, fondern aus der vollfien 
und innigften Überzeugung, daß dieſe Philofophie die allerärgfte 
Besirrung fei, die jemals im Gebiete der Philofophie vorges 
mmen. 

Er habe Fichte gerathen, heißt es in dieſer Erklaͤrung, 
flott der feuchtiofen Spisfindigkeiten feine gute Darflelungsgabe 
zu cultiviven, bie fi in der Kritik der reinen Vernunft mit 
Rugen anwenden laffe, fei aber von ihm mit ber Erklaͤrung, 
„er werde das Scholaftifche nicht aus ben Augen ſetzen“, höflich 
abgewiefen worden. 

Den Schluß biefer merkwuͤrdigen Erklaͤrung glauben wir 
aber wörtlich mittheilen zu muͤſſen, weil daraus bie tiefe Ber: 
legung, gleichfanı die innere (Empörung, bie ber Water über den 
verlorenen Sohn empfand — benn allerdings war bie Eritifche 
Phitofophie, an deren Schöpfung Kant fein ganzes Leben gefeht 
batte, das Vaterhaus, aus bem bie Kichte'fche Phitofophie ber: 
vorgegangen war, und wider das fie nun bie Morbwaffe lehrte 
— ganz unverhoblen hervorleuchtet: 

„Sin italienisches Sprichwort fagt: Bott bewahre uns vor 
unfern reunden ; vor unfern Keinden wollen wir und wol felbft 
in Acht nehmen. Es gibt nämtich gutmüthige, gegen uns wohl⸗ 
gefinnte, fig verkehrt benehmende (tölpifche) aber auch bisweilen 
detrügerifche, hinterliftige, auf unfer Verderben finnende, und 
dabei doch die Sprache des Wohlwollens führende, fogenannte 
Freunde, vor denen und ihren ausgelegten Schlingen man nicht 
genug auf der Hut fein EZanne Aber befienungeachtet muß bie 
kritiſche Philofophie durch ihre unaufhaltfame Zendenz zur Bes 
friedigung ber Vernunft ſowol in theoretifcher als in mora⸗ 
liſch praktiſcher Hinſicht uͤberhaupt fühlen, daß ihr fein Wechſel 
der Meinungen, keine Nachbeſſerungen, oder ein ander geform⸗ 
tes Lehrgebaͤude bevorſtehe, ſondern daß das Syſtem der Kritik 
auf immer befeſtigt und auch fuͤr alle kuͤnftige Zeitalter zu den 
höchften Z3wecken der Menſchheit unentbehrlich ſei.“ 

Eine fo feſte, unerfchütterliche Überzeugung hatte der ehr: 
wuͤrdige Greis von ber Umumſtoͤßlichkeit und von der für bie 
Ewigkeit berechneten Dauer feines Syſtems, und ficher würde 
es bie denkbar furchtbarfte Erfahrung gewelen fein, die ber große 
Denker am Rande des Grabes nur irgend in fich hätte machen 
koͤnnen, wenn er hätte einfehben und erkennen müflen, daß er 
fein ganzes, langes, arbeitvolles Leben einem Nichts, einem lee: 
sen Dirmgefpinnft zu Liebe bergebtich bingeopfert habe. Fichte 
beantwortet biefe geharniſchte Erklaͤrung feines großen Lehrers 
und Meiftere durch ein Schreiben an Schelling auf eine ſeht 
milde und fchonende Weile. Gr fühle ſich am meiften und vor 
Allem gerieigt, Kant’s Rath zu befolgen, immer auf eigenen Yüßen 
zu ſtehen, laͤßt er fi) vernehmen. Wer möchte aber mol 
hierin die raͤchende Nemeſis verkennen, daß er bie an Schel⸗ 
King, gerade an den Mann fchreibt, ber, obgleich er ihn an feis 
nem Bufen gepflegt hatte, nur zu bald bie Fahne ber Empoͤ⸗ 
zung wider den Bater und Freund aufpflanzte, und bem er in 
fhmerzlicher Entrüftung zuzurufen genöthigt warb: „Auch bu, 
mein Sohn Brutus!” Und audy biefem erftand wieder ein ‚Hegel, 
der vatewmörberifche Kreund. Und dies entfegliche Schaufpiel 
bat fi in dem Gebiete der Philofophie von Anfang bis zu 
Ende unzählige Dale wiederhott. 

Wie fehr übrigens Kant in feiner eigenen Anſchauungs⸗ 
weiſe gebannt war unb wie wenig er fremde Anfchauungswei- 
fen aus ihrem eigenen Gtanbpunfte zu würbigen wußte, geht 
am deutlichften und klarſten daraus hervor, wie er ſich in einem 
Briefe an Marcus Herz mit Bezugnahme auf bie von Galos 
mon Maimon in einzeinen Punkten wider fein Syſtem erhobes 

ne DOppofition über Leibnig's Lehre von ber vorausbeflimmten 
‚Sarmonie (Harmonia praestabilita) ausfpridt. Darunter 
babe Leibnie wol ſchwerlich, ſchreibt er nämlich, die Harmonie 
zweier verf Welen, nämlich Sinness und Berflanbeswes 


fen, fonbem zweier Bermögen chen befieiben Mäefend, in welchem 
Sinnlichkeit und Verſtanb gu eines Grfapeungserfenntniß gu 
fammenftimmen, verſtehen können. . 

Und doch geht gerade aus der ganzen Structur des Leibnig’- 
ſchen Syſtems, aus der Ratur bes Problems, deffen koͤſung es 
fi; zu feiner Aufgabe gemacht hatte, nämlich das Zuſammen⸗ 
fein, Zufammenwirten und Ineinandergreifen von Leib und Seele 
zu erklaͤren, fowie ferner aus ben wieberholten unb ſehr pofitl- 
ven Erklaͤrungen und Grläuterungen Leibnig'® in Beziehung 
auf bie präftabilirte Harmonie ganz klar und unzweifelhaft her 
vor, daß Leibnig darunter bad Verhaͤltniß und bie räthfelhafte 
Wechſelwirkung zwifchen Leib und Geele verftanden wiſſen will, 
unb es würde in der That ganz unbegreiflich fein, wie ein fo 
großer, tiefer und fcharffinniger Denker, wie Kant es war, in 
eine ſolche ganz grundlofe und irrige Annahme und Erklaͤrung 
verfallen Eonnte, als die feine es ift, wenn man nicht etwa 
wüßte, baß gerade große Männer fi) am erften und meiften 
in ihre eigene Vorſtellungs⸗ und Anfchauungsweife allzu fehr 
vertieben,, als daß fle leicht den richtigen Maßſtab zur Wuͤrdi⸗ 
gung fremder Vorſtellungs⸗ und Anfchauungsweifen zu finden 
und anzulegen müßten: es hängt biefe Beſchraͤnktheit mit bem 
Egoismus der menfhlihen Natur zufammen. 

Die meiften Briefe übrigens, entweder an Geiſtesverwandte, wie 
Mofes Mendelsfohn, oder an Schüler, Anhänger und Freunde, wie 
Reinhold, Tieftrunt, D. Marcus Herz, Stäudlin, Kiefewetter, Bos 
rowski, oder auch an Verehrer, wie Profeffor Engel in Berlin, Schuͤt 
in Jena, Jacobi in Pempelfort, Lichtenberg, Meierotto, Erhard, 
oder endlich an —EV Perſonen gerichtet, ſind im Ganzen 
und Weſenttichen nicht von ſehr erheblichem Intereſſe; denn ent: 
weder find es reine Gefchäfte: und Höflichkeitsbriefe, oder fie ges 
ben uns wenigftens kein neues Licht über die Lehre des großen 
Denters, felbft wenn er ſich, Freunden und Anhängern gegen⸗ 
über, wie namentlih D. Marcus Herz, Reinhold, Zieftrunf, in 
Erlaͤuterungen und Betrachtungen einzelner Partien und Punkte 
derfeiben einiäßt, die von jenen nicht gehörig und vollitänbig 
aufgefaßt und verftanden mworben find. Nur infofern find fie 
allerdings von einer gewiffen Hiftorifchen Wichtigkeit, inwiefern 
fie einmal Zeugniß von ber großen und allgemein geiftigen Bes 
wegung geben, bie der große Tönigsberger Philoſoph in ganz 
Deutſchland hervorgerufen und die ſich über alle Elaſſen und 
Stände verbreitet hatte, und inwiefern fie zweitens einen fpres 
enden Beweis von der Verbindung und Beziehung geben, in 
die Kant nicht nur mit den Rotabilitäten feiner Zeit, ſondern 
auch mit allen edeln, gebildeten und ausgezeichneten Köpfen 
berfelben getreten war, und wie Immanuel Kant in gewiflee 
Beziehung der Pharus, ber Mann feines Jahrhunderts, und 
feine Philoſophie Bolksfache geworben war. Und nun nad kaum 
einem halben Jahrhunderte ift fie zu einer blos hiſtoriſchen Re⸗ 
miniscenz zufammengefchrumpft! Und daſſeibe Schickſal haben 
in diefem kurzen Zeitraum Fichte, GSchelling, Hegel nacheinans 
der erlitten. 

Wol mag bier die Brage erlaubt fein: worin mag biefe 
befcemdende Erſcheinung, bie das Intereſſe an der fpeculativen 
Philoſophie und für biefelbe ganz unverkennbar gaͤnzlich zerftört 
bat, ihren Grund haben? Worin kann es liegen, daß die Phi⸗ 
Iofophie tobt ift und wodurch allein wird fie wieder zum Leben 
erwachen können? 


Wollten wir biefe Frage genügend beantworten und gehoͤ⸗ 
zig erörtern und beleuchten, fo müßten wir ein Buch fchreis 
ben. Ebenſo haben wir bei dem jetzigen Stande ber Dinge 
für ben Augenblid wenig Ausfiht, Das, was wir über 
biefen Gegenſtand niebergelchrieben haben, zu verdffentlichen. 
Was wir alfo bier in biefer Beziehung zu bemerken haben, 
wird allerbings unvermeidlich, wie wir feibt fühlen, den Cha⸗ 
rakter einer Behauptung annehmen, was man aus den ange: 
führten Gründen entfdyuldigen wolle. 


Die Phllofophie ift, fagten wir, und das laͤßt fich ſelbſt 
von ihren eifrigften Anhängern nicht in Abrebe flellen, tobt, 


1128 


d. h. fie hat Isinen Anklang mehr im ber Seit, iM nicht mehr 

. Mir fagten ferner, und bie Geſchichte bee Philofos 
phie beftätigt dies, daß alle philofophifchen Schulen von Gartefins 
bis auf Hegel fih in Rauch und Dunuft aufgelöfl haben, und, 
ohne irgend eine bleibende Spur und Frucht zu binterlaffen, 
gleichlam ſpurlos verpufft find, Dee Grund von biefer gar 
nicht wegguleugnenden Erſcheinung ift nun in nichts Anderm zu 
ſuchen als in der antichrifttichen Richtung, die die neuere Phi⸗ 
ioſophie von Anfang an genommen hat, und in dem Wiberfprud) 
und Gegenfag, in ben fie baburch mehr ober weniger beftimmt 
mit dem Chriſtenthum geratben if. Nun kann nur Gins von 
Beiden fein: entweder das Chriſtenthum ifb eine göttliche Inſti⸗ 
tution und Wahrheit, unb dann kann bie Philofophie in ihres 
abſolut antichrifttichen Tendenz nicht wahr fein, fich folglich 
auch nicht haltens oder die Philofopbie in ihrer antichriftiichen 
Richtung ift wahr, dann kann das Chriftenthum keine goͤttliche 
Snftitution und Wahrheit fein, was wir gleichwol anzunehmen 
nicht umhin können. Worin befteht aber, wird man vermuth⸗ 
lich fragen, die antichriftiiche Richtung der neuern Philofophie ? 
Hierauf antworten wir: In dem Pantheimus, den fie mehr 
ober minder beflimmt und unverhüllt lehrt, d. i. in ber Identi⸗ 
ſcation des göttlichen Welturgrunds mit dem Weltbafein, wor 
gegen das Chriſtenthum ſehr beftimmt die Perſonlichkeit Gottes 
lehrt und zu feiner Vorausfegung hat, und Gott ben Schöpfer 
der von ibm und dur ihn erfhaffenen Welt gegenüberftellt 
und von berfeiben Tonbert. 

Die Aufgabe der Phitofopbie ift ſonach nothwendig bie, ſich 
in Übereinftimmung mit bem Ehriftenthume zu fegen, d. i. ſolche 
Grundbegriffe in und aus fid) zu entwideln, bie in Übereinftim« 
mung mit ben Grundwahrheiten und Grundlehren bed Ghriftens 
tbum fteben. Denn dadurch allein wirb und kann fig wieder 
zum Leben erwachen, baß fie ſich zu Demjenigen belennt, ber 
da ſpricht: „Ich bin das Reben, das Licht und die Wahrheit.” 
Nicht alfo von der Notwendigkeit der Cinführung ber Phi⸗ 
lofophie in die Theologie und in das Chriftentgum kann bie 
Rede fein, wie ein namhafter Theolog unferer Zeit behauptet, 
fondern vielmehr kann nur von ber Sinführung bed Chriſten⸗ 
thums in die Philofophie die Rede fein. 21. 





Giblingraphie. 


Ankuͤndigung ber kirchlichen Fürbitten für Spanien in der 
Dibgefe Bresiau, nebſt den dabei vorgefchriebenen Gebeten. 
Bredtau, Aderholz. 8. 2%, Ngr. 

Buſch, ©. F., Der Burggeiſt. Gine Ritter s und Gei: 
fteegeichichte aus den Zeiten Kaifer Heinrich's IV. Norbhaufen, 
Fuͤrſt. 8. BY, Nar. 

Suftine, Marquis v., Rußland im Jahre 1839. Aus 
dem Franzöfifhen von A. Dieszmann. Drei Bände. Leipzig, 
Zpomas. 8, 4 Thir. 15 Rar. 

Das geographifche Element im Welthandel, mit befonderer 
Ruͤchſicht auf die Donau, Münden, 3. Palm. Gr. 8, 5 Nor. 

Frantz, C., Specwative Studien. Ifies Heft: Über die 
Freipeit. Berlin, Hermes. Gr. 3. 20 Ngr. 

Grün, K., Über Weſen und Einfluß des Geſchichtsunter⸗ 
sites auf höheren Lehranſtalten, namentlich auf Reatfchulen. 
Weilburg, Lang. Gr. 8. 5 Nor. 

Klemm, 3 E., Die magyariſche Sprache und die ety 
mologiſche Sprachvergleihung. Preßburg. Ler.:8. 20 Nor. 

Ledderhofe, K., Srinnerungen aus dem Leben Joh. Ge: 
org Kaltenbach's, Pfarrers zu Moͤnchweiler auf bem Schwarz 
walde. 2te ftarf vermehrte Auflage. Heidelberg, Winter. 8. 


8%, Nor. 
— — Züge aus dem Leben Joh. Zac. Mofer’s. Hris 
belberg Winter. Gr. 12. 71. Nor. 

ittermaier, C. 3. A., Die Gtrafgefehgebung in ih⸗ 
rer Bortbilbung geprüft nach den Forderungen ber Bilfenfart 
und nad den Erfahrungen Über den Werth neuer Gefeggebun: 


gen, und über bie Schwierigkeiten der Sodification, mit v ⸗ 
licher Kuͤckſicht auf den Gang der Berathungen von —ã 
der Strafgeſetgebung in conſtitutionellen Staaten. Bei⸗ 
trag. Heidelberg, Winter. Gr. 8. 1Thlr. 20 Nor. 

Dbermayer, J. R, Teuton, ober die gemeinfame Ab: 
flammung bee germanifchen, gallifchen und gothifchen Wölker 
vom Urflamme Stanbinaviens. Aus den Quellen nachgewieſen. 
Yaffau, Puſtet. Wr. 8. 15 Nor. 

Dettinger, ©. M., Rarrenalmanach für 1844. Zweiter 
Band. Leipzig, Ph. Reclam jun. 1844. Gr. 16. 3 Thir. 

, 23 Fur A —— über die Res 
sierung arl's V. hiſtoriſch⸗ beleuchtet. Leipzig, En⸗ 
gelmann. Er. 8. 25 Near. i a 

Pland, 8. ©:, Die Geneſis des Judenthums. 1m, 
Bagner. Gr. 8. 15 Nor. 

Die preußifche Preßgeſetzgebung. Vollſtaͤndige Sammlung 
aller jest gültigen Gefege, Verorbnungen und Beflimmungen. 
Für Schriftſteller, Buchdrucker, Buchhaͤndier und Genforen. 
Berlin, Hermes. Gr. 8. 10 Ner. " 


fonderer Rüdficht auf den Bang der Literatur. 2ter Band, bis 
um allgemeinen Frieden um 1763. Ite durchaus verbefferte 
uflage. ‚Heibelbere, Mohr. Gr. 8. 3 Thir. 10 Nor. 

Steub, 2, Über die Urbemohner Rätiens und ihren Zu: 
fammenhang mit den Etruskern. Münden, Liter.sartift. An: 
ſtalt. PR 8 26%, Nor. 

tolle, $., Rapoleon in Egypten. Hiftorifch » roman« 
tifches Gemälde. Drei Theile. Leipzig, Thomas. Kl. 8. 
4 Thlr. 15 Nor. 

Sydow, Wilhelmine v., Die Berirrten. Ein Ros 
man für die Gegenwart. Zwei Theile. Gonbershaufen, Eupel. 
Gr. 12. 1 Thir. 15 Ner. 

Rheiniſches Taſchenduch auf das Jahr 1844. Herausge⸗ 
geben von Dr. Adrian. Mit acht Stabiſtichen. Frankfurt 
a. M., Sauerländer. Gr. 16. 23 Thlr. 15 Nor. 

Zemme, I. D. H., Kritit des Entwurfs des Strafge⸗ 
ſetzbuchs für die preußifchen Staaten. 2ter Theil. Berlin, 
Mäder u. Puͤchler. Gr. 8. 2 Thir. 10 Ror. 

Zieffenbad, E., Anti⸗Herwegh. Eibing, Neumanns 
Hartmann. 16. Nor. 

Urania. Taſchenbuch auf das Jahre 1844. Neue Folge. 
Ster Jahrgang. Mit dem Bildniſſe K. Foͤrſter's. Leipzig, 
Brodyaus. Kt. 8. 1 The. 20 Nor. 

Verhandlungen ber fünften Verſammlung deutfcher Philos 
logen und Schutmänner in ulm 1842. Um, Wagner. Gr. 4. 
1 Thlr. 3%, Nor. 

Bor und Hinter den Gouliffen. Almanach erprobter Buͤh⸗ 
nenfpiele, bumorifcher Polter Abend» Masken, Theater⸗Myſte⸗ 
rien, GchaufpielersRovellen und Anekdoten. Fuͤr 1844. Her 
ausgegeben von 8. Adami. Erſter Jahrgang. Mit einem 
Coſtuͤmbilde. Berlin, Foͤrſtner. KL. 8. 1 Thle. M Nor. 

Beill, A., Rothſchild und die Europaͤiſchen Staaten. 
Stuttgart, Franckh. 1844. 8. 15 Nor. 

Wuttke, H, Königs Friedrich's des Großen Befigergreis 
fung von Schleſten und bie Entwidelung ber öffentlichen Ver⸗ 
bältniffe in diefem Lande bis zum Jahre 1740, Zter Theil. — 
Auch u. d. T.: Die Entwidelung der oͤffentlichen Werhättniffe 
Schleſiens vornaͤmlich unter ben Haböburgern. 2er Band. 
Leipzig, Engelmann. Gr. 8. 2 Thlr. 15 Nor. 


Berantwortliher Deraudgeber: Heinrich Brokhaus. — Drud und Verlag von F. A. Broddaus in Leipzig. 


Blätter 


für 


literarifde Unterhaltung. 


Sonnabend, 





Borwärts! Volkstaſchenbuch für dad Jahr 1843. 
Unter Mitwirtung von Johann Deeg, Dets 
mold, Georg Herwegb, 4 A. Hoffmann 
von Falleröleben, Sahmann, Johann Jacoby, 
Zulius Mofen, R €. Prutz, Walesrode, 
C. Th. Welder u. A. herausgegeben von Ro: 
bert Blum und Friedrich Steeger. Leipzig, 
Friefe. 1843. Gr. 12. 20 Near. 

Motto. 
Partei, Yarteil Wer follte fie nicht nehmen, 
Die no bie Mutter aller Giege war? 
Wie mag ein Dichter ſolches Wort verfehmen, 
Gin Wort, das alle Herrliche gebar? 
Nur offen wie ein Mann: für ober wider! 
Und die Parole: Sklave oder frei! 
Gelb Soͤtter ſtiegen vom Olympe nieber 
Unb kaͤmpften auf ber Sinne der Partei! 

Diefes Motto und die obigen Namen überheben uns 
der Muͤhe, die Tendenz dieſes Taſchenbuchs zu erforfchen. 
Wir wiffen von vornherein, daß der Inhalt dem Titel 
„Borwärts!’ nicht mwiderfprehen wird und daß dieſes 
Buch mit der gewöhnlichen Almanachliteratur nichts ges 
mein bat. Das ift fchon kein geringer Vortheil, und 
wenn alle Schriften mit einem fo beitimmten Signale: 
ment in die Welt träten, fo wären bie Käufer vor vie 
im Taͤuſchungen und die Berichterftatter vor dem Zeit: 
verlufte gefichert, den das Aufdeißen hohler Nüffe erfodert. 
Nun, dem Himmel fei Dank! hier haben wir es mit 
einem recht tüchtigen Kerne zu thun; fchmedt er Diefem 
oder Jenem bitter, fo enthält er doch kein fchleichendes 
Gift; im Gegentheil ift er ſehr geeignet, Geſunde zu er: 
-quiden, angefangene Heilungen zu befördern und fchwache 
Conſtitutionen zu flärfen. Pur gegen veraltete Schäden 
und organifhe Leiden wird er fehwerlih in Aufnahme 
fommen ; folche Kranke werden ihn, weil er ihrem verzärs 
teiten Gaumen nicht behagt, von ſich ſtoßen und wahrſchein⸗ 
lich fortfahren, ſich von gefälligen Quadfalbern mit ſuͤßen 
betäubenden Traͤnkchen fo lange überfüllen zu laffen, bis 
fie unter den Symptomen einer allgemeinen Dygskraſie 
davongehen. Daß uns ein paar Bilder aus ber Patho: 
logie unterlaufen find, wird man freundlich emtfchuldigen ; 
IR doc die Welt ſchon fo Häufig mit einem großen La: 
zareth verglichen worden, und Überdies gehören krankhaft, 
ſiech, uͤberreizt, fieberhaft u. f. w. zu den üblichflen Aus: 


druͤcken, wenn von ben Tageserfiheinungen bie Mebe iſt. 
Jede Partei hält die andere für einen Patienten, zw befe 
fen Deilung man ſich verpflichtet glaubt, die verſchieden⸗ 
artigften Mittel anwenden zu mäflen, wobei es charakte⸗ 
riſtiſch iſt, daß die renctionnaite Schule ben narkotiſchen 
Mebicamenten zugethan ift und Überhaupt meift palliativ 
verfährt, während die Partei „‚Worwärts’‘ der draſtiſchen, 
biutreinigenden, radicalen Methode huldigt. Welches Mers 
fahren in den mannichfachen Unpäflichkeiten des deutichen 
Michel und bei feiner Neigung zum Waſſerkopf ame 
zweckmaͤßigſten ift, Laffen wie für jest unrntſchleden weh 
wenden ums obne weiteres zu unferm Buche. Es gern 
faͤlt in die Rubrilen: „Vorrede“, „Geſchichtliche überſicht“, 
„Deutſche Nationalgeſetzgebung im Jahre 1842, „Bus 
ſtand der deutſchen Prefie”, Ruͤcktritt des Oberpräfidens 
ten Staatöminifters v. Schön aus dem preußiſchen Stantös 
bienfle”’, „Lebensbeſchreibung Pollmann e von Fallersleben 
und Dr. Johann Jacoby's“, ‚Uber Gemeindeweien und 
Semeindevesfaffung” und „Gedichte“. 

Waren wir Über die Tendenz biefes Taſchenbuchs Int 
Klaren, noch ehe wir «6 aufgefchnitten, fo vermodhten wie 
doch nicht mit derſelben Gewißheit vorherzufehen, wie 
deſſen Grundton ſein wuͤrde, ob finſterer Unmuth uͤber 
getaͤuſchte Hoffnungen oder freudige Zuverſicht auf eine 
beſſere Zukunft die Oberhand haben würde; um fo wohl⸗ 
thuendber war ed uns, auch in der Darſtellung ber umers 
freulichſten Ereigniſſe und Zuflände unverfennbare Zei⸗ 
hen diefer Zuverficht durchleuchten zu fehen und ſchon 
in folgender Stelle der Vorrede ausgedrückt zu finden: 

Wohl behaupten manche Eleinmüthige Seelen, es fei Herbſt 
im Vaterlande und ber Winter nahe, weil die Stürme braufen 
und eö finfler wird am Horizont. Laßt es flürmen! Es ift ber 
Kampf des fcheidenden Winter: Eyrannen mit bem jungen Voͤl⸗ 
ferfrühlinge, in welchem ber legtere fiegen muß. — Was in 
fhweren und bdrangvollen Zeiten gefdet wurbe in bie Herzen 
bes Volks, was gebüngt wurde mit bem Blute von Zaufenden, 
bas entleimte in dem milden Thau eines langen Friedens und 
an der Sonne der allmächtig fortfchreitenden Bildung eines kraͤf⸗ 
tigen, fittlicden Volle — das vernidhtet Fein Sturm, 
dagegen ift das finftere Unwetter einer augenblidtich mächtigen 
Reaction wirkungslos. Veſchraͤnkt, daͤmmt, unterbrüdt, verbies 
tet, confiscirt, bevormundet die Schrift unb das Wort, verfolgt 
und verdammt die Borkämpfer der Zeit, wirkt auf die Öffents 
liche Meinung burd die Heucheleien unb Lügen ber „guten“ 
Preſſe, Laßt die Männer des Fortſchritts ar und verleum⸗ 
den nach Herzensluſt, beſchraͤnkt und beauffichtigt ben Lehrſtuhl 


1178 


unb bie ewährt feine von allen Woberungen ber Ge⸗ 

nwart ——* Euch ab, Tag und Naht das Rab der Ge⸗ 
chichte gurädzubsehen, ben Beift ber Zeit zwingt Ihe 
nicht! Gr bereitet ſtill und geräufchlos, aber unaufhaltſam bie 
beffere Zukunft, die fein ift, und blidt mit laͤcheindem Trium⸗ 
pbe auf Eure vergeblichen Mühen! Richt den Keim könnt Ihe 
mehr erreichen und zerftören, nur die jungen Wlätter bewegen 
und erfchättern und hin und wieder ein ſchwaches Zweiglein 
breden. Zwar ift e8 auch Schade um jeden hoffnungsgrünen 
Zweig, der zum Leben und zur Entwickelung berufen war. Aber 
das Werden in ber organifdhen und phyſiſchen Ratur ift mit 
Serftörung verbunden, und wer ſich geſtaͤhlt fühlt zum Kampfe, 
muß auch den Opfermuth in ber Bruſt tragen; nur dann hat er 
gerechten Anſpruch an bie 74 des Sieges. 

In der geſchichtlichen UÜberſicht wird von ſtreich ge: 
ruͤhmt, daß es ſich auf einer Bahn befinde, welche das 
Haus Habsburg ſeit den Tagen Joſeph's II. nicht mehr 
betreten hatte — auf der Bahn des Kortfchritts. Die 
großartige Idee, nach ben wichtigſten Punkten des Lan⸗ 
des auf Staatskoſten Eifenbahnen zu führen, habe Öft- 
seich im eine gänzlich verämderte Stellung zu Deutfchland 
gebracht und müffe noch toeitere, wichtigere Solgen nad) 
fi) ziehen. ſtreich babe die unzweideutigſten Gcheitte 
getban, aus feinem Iſolirungsſyſtem herauszutreten, wie 
außer den großen Eifenbahnen die Poftverträge mit Baiern, 
Sachſen und mande andere Mafregein in den Gebieten 
bes Handels und der Induſtrie berveifen. Gern flimmen 
wie der Anficht bei, daß ſtreichs Iſolirungsſyſtem in 
materiellen Betracht Vieles von feiner Zaͤhigkeit verlieren 
wird; doch fürdten wir, dab fi hieran nur geringe 
Hoffnungen für einen baldigen Durchbruch ber geifligen 
Sreiheit Iintıpfen laſſen, gegen welche ſich Oſtreich mittels 
feiner Unterrichts: und Erziehungsorganifation und feines 
engbegrenzten Literarifchen Verkehrs wol nocd lange Zeit 
abgeſchloſſen halten wird. 

Hinfihtlid Preußens werden wir daran erinnert, 
daß e6 dem neuen Jahre (1842) als Geſchenk ein wohl: 
meinendes Geſetz über die Ausuͤbung der Cenfur zubrachte. 

Es regten ſich daher natürlich viele Hoffnungen , bie leiber 
nur zum allerkleinſten Theil in Erfüllung gehen follten. Die 
lange zuvor verkündete Berufung der ändifcer Ausſchuͤſſe, das 
gleichfalls Monate vorher beſprochene Preßgefeg, von bem Sans 
guiniter wol gar Preßfrciheit erhofften; bie Gefegrevifion unter 
Savigny’s Aufpicien, Rochow's Austritt aus bem Minifterium 
u.f. w. hatten keineswegs den Erfolg, den man erwartet hatte. 
Im Ganzen machte fih ein merkwürdiges Schwanken auffallend 
bemerkbar. Dan ſchien das Gute und Rechte nur zu wollen, 
um auf halbem Wege ſtehen zu bleiben ober wol gar einem 
Punkte zuzufteuern, der dem anfangs geſteckten Ziele gerabe ents 

egengefegt war. Die Verurtheilung Jacoby's, die Amtsents 
43 Witt's und Hoffmann's von Fallersleben, die ſtrengen 
Genfurmaßregeln gegen die Königsberger und die Rbeiniiche 
Zeitung, bie policettiche Berfolgung, welche bie freie Wiffenfchaft 
in der Perfon Bruno Bauer’s erfuhr, bie Beguͤnſtigung bes 
„hiſtoriſchen Ehriftus” und ber gefammten pietiftifchen und 
orthoboren Richtung , bie beabfichtigte Sonntagsfeier, bie Hin⸗ 
neigung zur anglicaniichen Kirde und das Ghefcheldungs: 
geriet geben zufammen ein trübes Bild der Zuſtaͤnde Preußens 
im Jahre 1842, das durch einige wenige Lichtpunkte nicht hin⸗ 
reichend nufgehellt wird. Deutſchland ift freilich feit langer 
Zeit gewohnt, die feeubige Hoffnung, die es auf Preußen ge: 
fegt, von Jahr zu Jahr vertagen zu müffen; aber biefes Mal 
waren fo beftimmte Grwartungen erregt, daß bie abermalige 
Taͤuſchung eine doppelt ſchmerzliche iſt. 


In kurzen und kraͤftigen Zügen werben febaun bie 
Hauptereigniſſe, welche im J. 1842 vorgekommen find, 
dargeſtellt: die Reiſen bes Königs, bie Ernennung Sa: 
vigny's zum Juſtizminiſter, das Eheſcheidungsgeſetz, bie 
kirchlichen Angelegenheiten u. f. w. Diefe letzteen veran- 
lafjen zu einer Parallele zwifhen Preußen und Wär 
temderg: | 


In Würtemberg führte das Bewußtſein ber Kraft, bie Rom 
gewonnen hatte, zu einem zweiten Angriffe gegen einen protes 
ftantifchen Staat. Diefer Angriff mislang ſchmaͤhlich, unb das 
Meine Würtemberg erwehrte ſich mit leichter Mühe einer über⸗ 
macht, der Größere unterlegen waren. Diefe anſcheinend auf: 
fallende Erſcheinung if leicht zu erklaͤren. Würtemberg kaͤmpfte 
mit den Waffen des Rechts, nicht mit policeilihen Maßregein, 
Würtemberg concentrirte die Kraft feines Wibderflandes in ber 
Volkskammer, nicht in der Schreiberftube, Würtemberg verbot 
dem Feinde nicht das Wort, fonbern flellte fi iym kaͤhn unb 
offen in ber Kammer gegenüber (die Prefle war man leider 
verblendet genug auch bier zu bekämpfen, indem man bie Blaͤt⸗ 
ter ber katholiſchen Partei einer Eingangécenſur und häufiger 
Beſchlagnahme unterwarf), Finfterniß mit Licht, Lüge mit Wahr: 
beit befehdend. Als der Beamtenftaat Preußen nad jahre⸗ 
tangen heimtichen Verhandlungen ben Erzbiſchof Drofte v. Bir 
ſchering nicht zur Nachgiebigkeit hatte bewegen können, lie er 
Kanonen auffahren, Soldaten aufmarfdhiren und ben greifen 
Geiftlihen wie deſſen Kaplan bei naͤchtlicher Weile aufheben 
und hinter den Wällen ſtarker Feſtungen verwahren. Go war 
der Anfang des Gtreits, und ber Fortgang entſprach einem fols 
hen Beginn. Nur einmal legte Preußen in wärbiger, männlis 
der Sprache dem Volke dar, um mas es ſich handele, dann 
zog es fich wieder ſcheu vor der Öffentlichkeit zuruͤck und fuchte 
ben uralten Kampf, ber feit ben Zeiten der Guelfen und Ghi- 
bellinen in Deutſchland nie geraftet hat, auf eine neue, origi- 
nelle Weife durchzukaͤmpfen — auf dem Berwaltungswege, 
durch Verordnungen aus ber Gchreiberfiube. Anders in dem 
conftitutionnellen Staate Würtemberg. Dort fuhr man 
£eine Kanonen auf, ließ keine Soldaten marſchiren, denn die Wacht: 
poften, die vor dem Ständehaufe zu Stuttgart ſchildern, genügs 
ten volllommen. Auch bemmte man ben Fi durchaus nicht, 
fondern ließ ihm volle Freiheit, feine Sache auszufedhten, von 
allen Seiten, woher er nur vermochte, - fi Bundesgenoſſen zu 
holen. Diefe verſchiedenen Verfahrungsweiſen beiber Staaten 
beftimmten den verfchiebenen Ausgang. Das Meine Wuͤrtem⸗ 
berg errang einen fo volllommenen Sieg, daß es den Feinden 
großmuͤthig Bruͤcken fchlagen konnte, um ihnen ben g zu 
erteichtern. Auf fo verfdhiebene Weile hatte in Preußen bie 
Policei, in Würtemberg die Verfaflung gewirkt. 

Mit befonderer Lebendigkeit und Ausführlichkeit iſt 
der Kampf zwifchen Kammer und Minifterium in Bas 
den gefchildert; von allen übrigen deutſchen Staaten wird 
ein intereffanter Überblick der vorjährigen Ereigniſſe dar» 
geboten, fo z. B.: 

Hamburg begann das Jahr 1842 mit Bostfegung feiner 
alten Kämpfe gegen bie geheimen Verbindungen ber urers 
gefellen. Dann folgte das Project, beutiche Anſiedler, die leicht: 
finnig genug fein würben, ihr gutes Selb den hamburger Spe⸗ 
culanten zuzuwenden, auf den Shathaminfeln anzufiedeln. Der 
große Brand ließ dies Alles weit in ben Dintergrund treten. 
Wir wollen bie vielen —— dieſes graͤßlichen Ungluͤcks 
nicht noch vermehren, und beſchraͤnken uns auf wenige Bemer⸗ 
kungen: Es hat ſich in der Folge gezeigt, daß die große Aus⸗ 
dehnung des Ungluͤcks lediglich verkehrten Maßregeln der Behoͤr⸗ 
den zuzuſchreiben iſt. Energiſche Maßregeln, zu denen man zu 
ſpaͤt ſchritt, wuͤrden bie Verwuͤſtung auf einen verbättnißmäßig 
kleinen Raum beſchraͤnkt haben. Aber die Greiſe, die Hamburgs 
oberfte Behörden (man möchte faft fagen, nad ausdruͤcklicher 


1% 


der Geſete) flets bilben, fanden in ſich nicht jene 
Kraft, die man in gut georbneten Republiten fonft body gerabe am 
wenigſten vermißt. Da fomit eine tüchtige Leitung fehlte, und 
auch die Einhelt des Handelns, an die Hamburgs Bürger durch 
öffentliches Zuſammenwirken nie gewöhnt wurben, nicht erreicht 
werden konnte, mußten bie rohen Raturfräfte bie unbebingtefte 
übermacht gewinnen, bis die Gunſt des Wetters mehr noch als 
die endlich aus dem Schlummer auffahrende Thatkraft ihnen 
zulegt ein Biel ſezte. Hamburgs Wohlſtand ift durch biefes 
Zngli keineswegt zerftört, jedoch ſchwer erfchüttert, denn die 
3,310,000 Thaler, bie vornehmlich Deutfchland, zum Theil auch 
feanzöfifche ,_englifche und andere fremde Städte bis Ende bee 
Jahres 1842 fteuerten, Tonnten wol den dringendſten Nothſtand 
mildern, nicht aber den ungeheuern Schaden erfegen. Leider 
bat Hamburg — wir fprechen hier von den oberften Behörden — 
die eindringliche Lehre nicht verftanden. Die dringendfien Bit⸗ 
ten der Buͤrgerſchaft um Reformen der Berfaffung find vom 
Senate zuruͤckgewieſen, weil Zeiten ber Aufregung Veraͤnderun⸗ 
gen in der Verfaffung nicht günftig fein. Da ber hamburger 
Senat aber überhaupt jede Zeit, in der man an Reformen 
denkt, für eine Zeit der Aufregung hält, fo wirb bie Ruhe, 
weiche biefe Behörde für eine Vorbedingung jeder Verfaflungs: 
veränderung hält, wol nie eintreten. 


In dem hiernächfi folgenden Auffag über deutſche 
Mationalgefeggebung iſt die trefflihe, Mare Be: 
leuchtung unferer Rechtsverfaſſung anzuerkennen. Dit 
ſtarken Gruͤnden werden bier die fortbauernde Geltung 
des roͤmiſchen Rechts, der Inquiſitionsproceß und bie 
Heimlichkeit des Verfahrens bekämpft. 

Die Abſchaffung der Zortur hat keineswegs bie größte Grau⸗ 

ſamkeit des Inquifitionsproceffed aufgehoben, nur das Verfah⸗ 
zen {ft geändert, die Sache felbft nach wie vor geblieben. Mit 
andern Worten — es ift an die Stelle der koͤrperli— 
den Zortur bie geitige Marter getreten. Die firenge 
Äbfonderung bes Angellagten von der Außenwelt, bie eins 
fame Daft in einer bloß mit Oberlicht verfehenen Zelle, die 
gaͤnzliche Sefhäftsiofigkeit, die oft vafch aufeinander 
folgenden, dann wieder Wochen lang unterbrochenen Verhoͤre, in 
denen der Gefangene jede mögliche Geiftespein zu erleiden hat, 
alle diefe und noch viele andere Misftände mehr haben ſehr 
häufig zu falfchen Geftänbnifien, ‘oft zum Wahnſinn, zum Gelbft- 
morb geführt. Es iſt Thatſache, daß der Wahnfinn bes 
Gefangenen zuweilen mitten im Verhoͤr auögebroden ift, wie 
es ja auch aus frühern Zeiten Beiſpiele gibt, daB ber Körper 
der Gemarterten auf ber Folterbank bradd. Sonach entfcheidet 
aber oft bie Stärke oder Shwäde der Nerven, ganz 
fo wie früher, über Schuld ober Unfchulb, denn nur der 
Rervenftarke wirb der Folter trogen, ber Schwache aber feine 
Leiden durch ein Geſtaͤndniß, wenn nicht durch Gelbfimord, 
Heendigen. 

Din Scidfalm bee Preffe, welche im vorigen 
Sabre merkwürdige Wechſel erfahren haben, iſt ein 
befonderer Abfchnitt im Taſchenbuch gewidmet. Deutſch⸗ 
lands Einheit, die immer nur in abfonderlihen Er⸗ 
fheinungen bemerfbar wird, hat fi in allen 38 Ba: 
terländern durch das einträchtigfie Zuſammenwirken be: 
hufs Schärfung der Genfur recht deutlich offenbart. 
Selbſt in dem Beinen Oldenburg erfchien, als daſelbſt 
eine neue Beitfcheift angelündige wurde, bie dem Hort: 
ſchritt huldigen follte, und der Herausgeber fich be 
mühte, Abnehmer zu finden, bie Verordnung, daß 
De Befege gegen das Hauſiren der Troͤdler, Lumpen⸗ 
fommier, Keſſelflicker und Probenreiter auch auf bie 
Sammlungen von Subferibenten und en von 


r Geiſteawerken, namentiih Dem: und Deisiepelften, aus 


wenbbar feien. 

So ſtehen wir am Gchluffe des Jahres 1842 armer an 
echten für bie Preffe als am Anfange bes Jahres, Ärmer an 
Doffnungen auf ein baldiges Beſſerwerden, aͤrmer an Ausficht, 
daß fich die Regierungen ber gefeffelten Preffe annehmen wers 
den, aͤrmer an Einfluß und Bedeutung für das Ausland, weis 
ches das moralifhe Gewicht nothwendig nach dem Bertrauen 
abmeflen muß, weldyes die eigenen Regierungen ihm gewähren; 
weldyes bie durchaus cenfirte Weinungsdußerung eines Volkt 
unmöglich für eine freiwillige und felbfländige anerkennen kann. 
Aber wir fliehen auch reicher da an mannichfadger Erfahrung, 
reicher an Wertrauen zu bem Alles befiegenden Geiſte der Zeit, 
reicher an Übergeugung, daß der jegige verworrene und redhtiofe 
Zuftand der Prefle fih trog aller Kuͤckſchrittsmaßregeln nicht 
halten laͤßt. Und fo arbeiten wir freudigen und getroften Muths 
durch die gefeffeite Preſſe ſelbſt für die freie. 

In dee Mittheilung über bes Minifters v. Schön 
Rüuͤcktritt aus dem preußiſchen Staatsdienſt werden feine 
Verdienfte um die Gefeggebung von 1808—15 nur kurz 
erwähnt; bier bedurfte es aber auch keiner mweildufigen 
Auseinanderfegungen. Das Berhältnig Schön’s zu dem 
Freiherrn v. Stein und das Zuſammenwirken beider Maͤn⸗ 
nee ift allgemein befannt; minder der Sonflict, in welchen 
Beide geriethen, als es ſich darum handelte, vuffifche Ans 
maßungen zurüdzumelfen. 

Daß Schön’s Beſtreben nicht das befchränkte eines preußts 
(hen Beamten, fondern ein felbftändiges, auf Überzeugung ger 
gründete dbeutfches war, beweift feine Stellung gegen ben 
Freiherrn von Stein, ber früher fein Worgefegter, @önner und 

nd war. Als nämlich Gtein 1812 nach Rußland gegangen 
war und mit ber fiegenden ruſſiſchen Armee nach Deutichland 
zuruͤckkehrte, ernannte ihn ber Katfer Alexander zum Präfidenten 
der Verwaltung aller eroberten und fogenannten berrenlofen Laͤn⸗ 
der. Als foldyer wollte Stein auch die oflz und weftpreußifchen 
Provinzen betrachten und fie einfhweilen im Namen des Kaifers 
Alerander regieren laffen. Was im Hintergrunde fland — bie 
wirkliche Beſignahme jener Bänder, Rußlands bamaliges wie 
beutiges Biel — erfah man bald deutlicher, indem der ruſſtſche 
General Paulucci, als er mit feinen Truppen einrädte, offen 
erklärte: „die Einwohner würden binfort unter rufs 
fifhem Scepter ruhig, ſicher und glucklich leben”. 
3u viel batten jene Länder gelitten unter ben Dranofaten des 
Kriegs, zu groß war die Freude über die enbliche Grlöfung, zu 
—— die Beſorgniß vor ber Ruͤckkehr Napoleon’s, als daß 
man erwarten burfte, daß jene verberblichen Abfichten bie rich⸗ 
tige aan am Dn hätten; ja eine große Mafle mußte 
in dem Anſchluſſe an ben mächtigen Nachbar fogar ein Gluͤck 
fehen, indem dadurch die nächte Zukunft der Provinzen went 
gefährlichen Wechſelfaͤllen ausgeſetzt war. So wäre wah ns 
U) Rußlands Abficht gelungen und Deutſchland hätte gleich 
beim Beginn feiner Befreiung einige Provinzen eingebüßt. 
Schön allein erkannte die Gefahr, warf ſich ihr kuͤhn und ente 
fchieben entgegen unb erhielt dem Vaterlande jene Laͤnderſtriche. 
Er erklaͤrte dem Freiherrn v. Stein, „er werde durchaus keine 
fremde Sinmifhung dulden; Alles, was in Preußen geſchehen 


fole, muͤſſe durch Preußen, müffe im Ramen und mit Willen ' 


des Königs gefchehen, widrigenfalld werde er fofort das Bolt 
zum Aufftande gegen bie Nuflen aufrufen”. Gtein Tannte ſei⸗ 
nen Mann; er wußte, daß diefer Erklaͤrung bie That folgte, 
und änderte in Kolge bdeffen feine Anfiht. Gr handelte nun 
wieder in Bereinigung mit Schön, fie verbanben fich mit bem 
Grafen Dobna s Schlobitten unb dem General Yord, bewirk⸗ 
ten die Surüdrufung Paulueci's und wandten ihre Sorgfalt auf 
—— m er © 

t, in welge un aatöverwaltungen- 
noch ihre Handiungen und beren Gehnbe und Urſachhen Hüllen, 


1180 


iR 6 ummndaihh, den Burhdittitt Schoͤn's nach alten Geiten hin 
gehoͤrig zu beleuchten. Wenn unfere Eefer aber einen Blick zus 
shchwerfen auf fein amtliches Leben, und das Gtreben erkennen, 
weldyes fo klar daraus herporieuchtet; wenn fie fidh ferner er 
innern, daß nach Schön’s Entfernung die Genfur ber Könige: 
berger Zeitung bis zu dem Grade verichäcft wurde, daß fie faſt 
keine felbftändigen Artikel mehr bringen kann, daß der Lehrer 
Witt wegen der Rebaction biefes Blatts feines Amts entieht 
wurde, daß der pietiftifhe Denunciant Profeflor Hävernid in 
jeder Weife begänftigt, dagegen ber freiftanige Garnifonpredis 
ger Dr. Rupp als Director des Gymnaſtums nicht beftätigt, 
wol aber wegen feiner Anficht über ben chriſtlichen Staat zur 
Verantwortung gezogen wurbe — wenn file biefes und mandke 
Andere zufammenftellen, fo werben fie einflimmen in die Anficht, 
daß der Zuruͤcktritt Schön’s wohl ats ein Pulsichlag zu betrach⸗ 
ten ift, von dem fih auf den Geſundheitszuſtand des Btaats 


fehließen laͤßt. 
(Der Beſchluß folgt.) 





Literarifche Notizen aus Frankreich. 


Immer nody über die „Mysteres de Paris“. 

Ze mehr fi) Eugene Sue in feinen vielbefprochenen „Mystöres 
de Paris’, von benen das Keuilleton des „Journal des debats” 
jest den achten und legten Theil bringt, dem Ende nähert, befto 
unwiderſtehlicher feffelt er den weiten Kreis feiner Lefer. In 
Ber That aber hat auch dieſer Roman mit jebem Theile an Ins 
terefie und an Gehalt zugenommen. Schon in feinen frühen 
Schoͤpfungen hat Sue es verflanden, das Interefle bes Leſers 
fletö rege zu erhalten; aber ber Eindrud, ben ihre Lecture zus 
südtieß, war meift unbefriedigend und peinlich. Der erfindungs: 
zeige Dichter beruͤhrte faft in jedem feiner Werke die wichtigften 
ragen des Lebens, aber immer nur, um aufzuregen und um 
feurige Brände in unfere Seele zu werfen. In ben „Mysteres” 
aun macht er fi an die Grörterung der fociaten Interefien, bie 
bier zur Sprache kommen, mit ungleich größerer Reife. Gr 
will nicht blos zerflören, wie in feinen früheen Werken, fonbern 
auch aufbauen. So verrathen einzelne Partien biefes Romans 
ernfte Studien, unb es ift uns fchon eine ungewöhnliche Er⸗ 
fiheinung in einem Romane, ber von einem zabliofen Publicum 
verſchlungen wirb, eine Menge rein wiffenfchaftlicher Werke 
citirt zu feben. Dies geſchieht namentlih da, wo Sue das 
wichtige Gefängnißwefen berührt. Der GSchriftfteller deckt hier 
die Mängel und Gebrechen ber gegemvärtigen Inftitutionen auf 
und weift bie Vortrefflichkeit der Cellutargefängniffe nach, die er 
an die Stelle des beftehenden Syſtems ſetzen will. Die ernfte 
und würbige Art, mit ber bie wichtigften ragen bes fociaten 
Sehens behandelt werben, fichern biefem Romane ein Publicum, 
wie es kein anderer Roman in unſern Tagen gefunden hat. 
Staatsmaͤnner, Ärzte und Gelehrte haben bem Berf. ihre Theil— 
nahme dadurch bewieien, baß fie ihm entweber Belege für aufs 
geftellte Behauptungen ober einzelne Berichtigungen haben zus 
fließen laffen, von denen Sue in ber Regel Gebrauch gemacht 
bat, In diefem Sinne kann man fagen, daß fein Roman vwifs 
ſenſchaftliche Discuffionen angeregt hat. Unter biefen Umftänden 
wisd man es erfiläctich finden, daß biefem Werke eine Theil 
nahme geworben tft, wie kein anderer Roman ſich ruͤhmen Tann, 
gefunden zu haben. Nachdem bie einzelnen Partien bereits im 
„Journal des Debats’’ erfdhienen waren, und biefer Zeitſchrift 

Zaufend neue Abonnenten zugeführt hatten, find in 
ſchneller Folge mehre Auflagen von befonderm Abbrud vergriffen. 
Erſt noch ganz bat der Buchhändler Goffelin, der Sue 
ein Honorar von 28,000 Fr. bezahlt haben fol, eine iduftriete 
Ausgabe davon veranflaltet, beren erſte Lieferungen binnen went« 
gen Tagen vollftändig erfchöpft waren. Auch im Ausiande has 
Den bie „Mysteres” das größte Auffehen erregt. Go leſen 
wir, baß in Holland allein außer mehrfachen Abbräden bes 


Kertes ſelbſt drei dene überſegungen erſchienen ſind. 
Deutſchland iſt natuͤrlich, da es ſich um überfegen —8 
nicht zuruͤckgeblieben. Mer indeſſen das Merl nur in ber 
Diezmann'ſchen Bearbeitung Tennen lernt, Kann eben feinen 
fonberlihen Begriff vom Ganzen befommen. Befonders miss 
lungen find dem beutfchen Überfeger die Partien, denen Gue 
durch Anwendung der Volksſprache und namentlich bes pittos 
resken Argots eine eigenthuͤmliche Färbung gegeben hat. Wie 
es heißt, wird ber unerſchoͤpfllche Sue nach Beendigung feiner 
„Mysteres’’ einen neuen Roman „Le juif errant” beginnen, 
der zuerſt im Beuilleton der Presse’ erfdheinen wird. Zus 
nähft aber wird Sue feine „Mysteres de Paris’ für bie 


ı Bühne bearbeiten, und er fol bereits mit dem ‘Theater der 


Porte St.- Martin, auf dem biefe Bearbeitung zur Auffühs 
rung kommen wird, einen Contract gefcdhloffen haben. D, wie 


| biefe Herren es verfiehen, ihr Talent auszumünzen ! 


Philoſophiſche Beſtrebungen in Frankreich, 

‚ Wir haben in d. BL. bereits der „Bibliothöque philoso- 
von Charpentier gedacht, und wollen bier einmal einen 

erblick Über die einzelnen Bände geben, welche von biefer vers 
bienftoollen Sammlung bis jest erichienen find. Der Heraus 
geber wollte „ar einen correcten Abdruck folder philos 
ſophiſcher Werte liefern, weiche bisher nur in koſtſpiriigen Ause 
gaben zu haben waren, wurde aber durch den Beifall, den fein 
Unternehmen glei anfangs fand, vermocht, auch ſoiche philo⸗ 
fophifche Werte des Auslandes feiner Bibliothek einzuverleiben, bie 
bisger noch fm keiner franzoͤſiſchen Überfegung exiſtirten. Dahin 
regnen wir die gelungene lberfegung Spinoza’s von Gaiffet, 
über bie wir das fchmeichelbafte Urtheil Goufin’s in d. BL. an: 
geführt ha'en. Nicht minder verdienſtvoll ift die von dem ndms 
then jungen Gelehrten beforgte Ausgabe der phlloſophiſchen 
Werke Guter’, die mit belehrenden Ginlettungen verfehen ift. 
Erwaͤhnt zu werben verdienen vorzüglich auch die von X. Simon 
beforgten Sammlungen ber phitofophifchen Schriften von Descartes, 
Matebrandye und Boffuet, die von ebenfo gelehrten als ſchoͤn 

fgriebenen Einleitungen und @riduterungen begleitet find. 

. Gimon gehört zu den ausgezeicnetften Schülern Goufin’s, 
deſſen Suppleant er, wenn wir nicht irren, an der Sorbonne ift. 
Er hat ſich durch eine Reihe gehaltvoller Auffäge in der „Revue 
des deux mondes‘, fowie durch mehre ſelbſtaͤndige Werke (4.8. 
„Btudes sur ia Theodic&e de Platon et d’Aristote” und „Du 
commentaire de Proclus sur le Timée de Platon‘) bekannt 
gemacht. Pelle Riaux, Lehrer zu Rennes, ber gleichfalls feine 
philofophifche Bildung Coufin verdankt, hat ſich in Sharpentier's 
„‚Bibliotheque’ mit der Herausgabe ber philofophifchen Werte 
von Bacon befaßt. Bon feinen fruͤhern literarifchen Eeiflungen 
erwähnen wir einen „Essai sur Parmenide d’Elee” unb 
feine Übertragung ber „Ribelungen”. Die phitofophifchen Schrife 
ten von Lelbnig und Fenélon bat Charpentier von Amebée 
Jacques, Profeſſor der Ppitofophie an der Ecole normale, bes 
forgen laſſen. Endiich ift in diefer Sammlung eine von Bouiller, 
dem Berf. ber „Histoire et appreeiation de la rövolution 
carlesienne‘‘, veranflaltete Ausgabe von Buffier's intereflantem 
„Trait& des verites premieres ’' erfchienen. Zunddft werben 
nun die philofoppifchen Abhandlungen des Pater Andre, der ben 
Sefuiten ſeiner Garteflanifchen Grunbfäge wegen verbädhtig 
wurbe, an die Reihe kLommen. Wie es heißt, haben wir dabei 
einige intereffante Dittheilungen aus der umfaſſenden Gorrefpon- 
benz biefes Philofoppen von Coufin zu erwarten. Zu gleicher 
Zeit hat noch ein anderer pariſer Buchhändler eine Sammtung 
ber wichtigſten philoſophiſchen Werke u. d. X. „Bibliothäque 
des temps modernes’' begonnen. Bis jetzt find davon erfchienen : 
l) bie rg ar Schriften von Arnauit mit Ginleitung 
von Jourdain; 2) bie philoſophiſchen Werke von Boſſuet, ımd 
3) eine Überfegung der „Anfangsgründe der Ppilofophie bes 
menfchlichen Geiftes” von Dugalb Stewart. 2. 


Berantwortlicher Deraußgebtr: Heinrich Broddaub. — Deud and Betiag von 9. X. Broddaus in Leipzig. 





= — En ij 


Blätter 


m 


für 


literariſche Unterhaltung. 





Sonntag, 


22. Dctober 1843, 





¶Beſchiud aus Nr. 29.) 


Einen fehr willlommenen Beitrag zu diefem Taſchen⸗ 
buche bilden die Lebensbefchreibungen Hoffmann's v. Fallers⸗ 
leben und Dr. Johann Jacoby's. Hoffmann wurde am 
2. April 1798 zu Fallersleben, dem Hauptorte des gleichna⸗ 
migen lüneburgifchen Kreifes, geboren. Seine Jugend war 
den wechſelndſten Eindrüden preißgegeben und die Scenen 
des Kriegs wirkten ſtark auf fein Eindlihes Gemuͤth. 
Im dreizehnten Jahre machte er mit feinen Ältern eine 
Reiſe und fah bei diefer Gelegenheit Göttingen und Kaf: 
fel, wo ihn befonders die Maffe trefflich gekleideter und 
ſchoͤn geuͤbter Soldaten ergöste, das Kettengellicc der — 
zum heil politifhen — Gefangenen, welche die Straßen 
fegen mußten, aber auch einen unauslöfchlidy tiefen Ein: 
drud auf ihn machte. Ein Jahr fpäter wurde er auf 
das Pädagogium zu Helmftedt geſchickt; hier blieb er den 
Zeitereigniffen nicht fremd, wandte vielmehr feine ganze 
Aufmerkſamkeit darauf, wenn Über Tiſche die augsburger 
and berliner Zeitung vorgelefen wurde, legte ein Tages 
duch an, in welches er die Begebenheiten feines Schul: 
lebend ſowie bie der Meltgefchichte verzeichnete, und ers 
fattete feinem Mater über Alles Bericht und zwar in 
einee Art, daß er mehrmals den DVernehmungen und 
ernften Verwarnungen ber Policei ausgefegt war. Als 
das Kriegsgeritter nah und näher beranzog, kehrte Hoff: 
mann im Frühjahr 1813 nah Haufe zurüd, wo er 
fih bald mitten im Getümmel befand und Zeuge der 
Verheerungen war, welche zuerft das Davouſt'ſche Corps, 
dann die ihm folgenden „Rettungsbeftien”, wie 
man die Kofaden allgemein zu nennen beliebte, anrichtes 
ten. Hier verlebte er den Sommer und Herbft, fah als 
Folge der Siege der deutſchen und ruflifhen Deere das 
Koͤnigreich Weſtfalen verfchwinden und das Körigreich 
Hanover wieder erfiehen. Ende 1813 kam Hoffman 
an daB Katharineum zu Braunfhweig, wo er Primaner 
wurde Hier entwidelte fich fein Charakter entſchieden 
und fchuell. Begeiſtert für den Freiheitskampf und ans 
geregt durch die Bedichte Theodor Körner’s, die er zum 
Theil fhon in Helmftedt verfhlungen und auswendig 
gelernt hatte, verfuchte er fich felbft im einigen Gedichten, 


die Freiheit und Vaterland priefen, erfannte aber auch 
ſchon damals, daß ihm Hanover keins von beiden zu 
bieten vermoͤchte. Das echte hanoverfhe Weſen, bie 
Adels: und Beamtenwirthſchaft, die halb Lateinifche halb 
barbariſche Kanzleifchwerfälligkeit und die Unterdrädung 
aller Volksrechte machten reißende Sortfchritte. Dabei 
trat an bie Stelle des befiegten Franzoſenthums eine wi⸗ 
derliche Nachäfferei englifcher Sitte, Sprache und Tracht. 
Das Alles war dem jungen Hoffmann unerträglich, er 
befämpfte e6 bei jeber Gelegenheit mit Wis und Spott 
und faßte den Entfchluß, das Land zu verlaffen auf im- 
mer. Cedamus patriae! fchrieb er feinem in preußifche 
Dienfte getretenen Bruder und fandte ihm bas folgende 
Sonett mit: 
Rechtſchaffenheit erliegt der ſtolzen Schande, 
Sie darbet in der laͤngſt erfehnten Zeit 
Und trägt des Hochmuths Hinterlaßnes Kieibz 
Die Bosheit prunkt in feidenem Gewande, 
Da alte * datyte neue Bante b breit 
u ie Freiheit weit un ; 
Den Allen Bür ee tt ber Großen Reid 
Und freche Herrſchſucht wird zum Baterlande. 
Hier fann wol nie dereinft mein Sluͤck erbiähen, 
Wol nie mein Muth in diefen Feſſeln glähen, - 
Drum will ich dieſem ſchnoͤden Land entflichen. 
Gott gab der Reiche viel auf diefer Erde, 
Gr wandelt audy in Freude bie Beſchwerde, 
Drum lobre meine Shut auf fremdem Herbe. . 


Hoffmann's Vater gewahrte die „gefaͤhrliche“ Nich⸗ 
tung ſeines Geiſtes und ermahnte ihn erw und oft gar 
Maͤßigung. „Die Schwaͤchen der Nebenmenſchen aufzu⸗ 
decken“, fchrieb er am 15. Det. 1814, „wozu men weg 
dem funfzigften Jahre nicht einmal in dee Republid und img 
Contret social Befugnis hat, iſt kein Verdienſt.“ Uber⸗ 
haupt war der Vater beforge um bie Zukunft bes ‚‚Nes 
turgenies“, wie er feinen Heintich nannte, und drängte 
zu ernfien Studien. 

Du ſprichſt mit Vorllebe — ſchrieb der Vater: am 1. Yan. 
1815 an feinen ditern Sohn — von Heinrich's Talenten; ide 
table das nichts aber mo will es hinaus mit ihm? Die Poe⸗ 
terei raubt ihm die Zeit zum Brotſtudium, er lernt nur bie 
tatsinifche und griechiſche Sprache, um die Dichter zu verfteben, 
und wenn er ſagt, ih will zu Birgit’ Landbau neue Noten 
ſcheeiben, fo iſt das eine Tollheit. Dichte iſt eine feine Außer 
liche Zucht, aber wenn man babei alle Rebenwiflenfiheften vers 
nachlaͤſſigt, fo bleibt der angehende‘ Gelehrte doch immer eih 


N ’ 1108 3 


fekopf, bee entweber als Hofpoet fi von Schranzen zum 
Karren machen laſſen, ober wie weiland Günther verhungern 
und befoffen unter dem Tiſche flerben muß. 

Gab fih nun auch Heintih, den väterlichen Mah⸗ 
nungen folgend, wit allem Ern 
wahlke die Landung Napoleon’s (März 1815) doch wie: 
dee gewaltfam den Sinn zu ben politifhen Ereigniffen 
zuruͤck. Das gewaltige Leben der Gegenwart ergriff auch 
die Schüler, fie fangen vor dem Beginn einer jeden Vor: 
leſung ein Koͤrner'ſches Lied, ohne daß die Lehrer etwas 
bagegen einmwendeten. Hoffmann fchrieb Gedichte, in 
we ee das Micbsrerfcheinen Napoleon's als eine 
Strafe fhilderte, die der Himmel gefandt, weil die Für: 
ſten ihre Verſprechungen nicht erfüllten, und declamirte 
fie zur allgemeinen Erbauung in ber Claſſe. Im Som⸗ 
mer ließ er fogar „Vier deutfche Lieder“ bdruden, Die 
großes Aufſehen machten, obgleih fie nichts Gutes ent: 
hielten, als eben die frifhe jugendliche Begeifterung, fonft 
aber gefchraubt und bombaftifh waren. Mit veißender 
Schnelle ward er nun gefuchter Poet, Gelegenheit: und 
Katendergedichte wurden verlangt von allen Seiten und 
fein Schriftſtellerruhm ſtand unerfchütterlih feft, d. h. im 
Kreife feiner Schulgenoffen und Familie, ald er 1816 
die „koͤnigl. geoßbritannifch: hanoverfche’‘ Univerfität Goͤt⸗ 
tingen —J Die fernern Schickſale des Dichters bis 
zu feiner Abſetzung, eine Erwaͤhnung feiner Schriften 
und eine Charakteriftid feines Innern und Rußern be: 
ſchließen dieſen Lebensabriß. 

Aus dem hierauf Folgenden erſehen wir, daß der 
Dr. Johann Jacoby zu Königsberg am 1. Mai 1805 
geboren wurde. Sein Vater, ein allgemein geachteter, 
ſtreng rechtlicher juͤdiſcher Sefchäftemann, gab ihm bie 
befte Erziehung, bei der beſonders auf bie felbftändige 
Geiſtesentwickelung, auf die Ausbildung des Charakters 
Ruͤckſicht genommen wurde. Sm J. 1823 bezog er bie 
Univerfität Königsberg, ſtudirte zuerft Philofophie, dann 
Medicin und war bei vollſter geiftiger und koͤrperlicher 
Geſundheit einer ber ‚‚flotteften‘ Studenten ber Doch: 
ſchule, jeder vitterlihen Übung hold und befonders mit 
der Klinge fletö bei der Hand. Rachdem er 1827 Doctor 
der Medicin geworden und ein Jahr darauf fein 
Staotereramen in Berlin gemacht, dann ein greßes Stud 
won Deutſchland und Polen bereift hatte, kehete er nad 
Königsberg zuruͤck. Die Kunde der Julirevolution fuhr 
wie ein elektrifcher Funke in feine Seele; er träumte be 
geiſtert von ber Freiheit ECuropas und glaubte, daß Die 
Some, de ia Paris eimen Thron vernichtet Hatte, ald 
ber Morgen eines neuen ſchoͤnen Tags über unfern Welt⸗ 
theil aufgegangen ſei. Wie wenig fich auch von diefem 
Traum verwirklichte, fo gab doch der Einbrud, ben die 
FJulſirevotution auf Jacoby machte, ihm bie politiſche 
Riheumg; er entſchloß fih mit Were und That, mit 
allen feinen Mitteln und Kräften für die Freiheit zu 
wirken, und if, troß des fpätern mächtigen Wachsthums 
ber Roͤckſchrittsbeſtrebungen feinen Fuß breit von diefem 

hluffe abgewichen. Der polnifhe Aufſtand fleigerte 
Jacobys Begeiſterung fuͤr Freiheit und Voͤtkergluͤck. Als 






dan Studien bin, fo | 


daber der Krieg in dem umgikdiicken Nachbatlande ent⸗ 
brannt war, aus Rußland ſich immer neue Scharen zur 
Vernichtung Polens bervormälzten, deren Vortrab, bie 
entfegliche Cholera, wie ein flammendes Wahrzeichen des 
Himmels ſich auf das verblendete Eugopa und zuwächft 
auf Rußlands getreuen Besbündeten, das „neutzale“ 
Preußen flürzte, da erwachte Jacoby's ganze Thatkraft 
und er bot dem furdtbaren doppelten Feinde kühn bie 
Beuft dar. Er eilte hinüber nach Polen, theils den Lei: 
denden the Hand zu bieten, theils die gräßliche 
Seuche genau kennen zu lernen, um mit ben erlangten 
Kenniniffen feinem Vaterlande zu nügen Steine Gefahr, 
feine Mühfeligkeit, keine Entbehrung ſchreckte ihn zurück 
in der Erfüllung feiner ſchweren Pflihe. In der Pro: 
ving Angujtowo, die Krieg und Cholera zugleich verheer⸗ 
ten, war er unermüdet und aufepfeend thätig, bis die 
Gefahr des eigenen Vaterlands ihn zurüdkief. So ers 
fhien er im Spätfommer 1831 wieder in Königeberg, 
der erſte oftpreußifche Arzt, der die gefürdhtete Krankheit 
aus Erfahrung kannte. Er legte das Ergebniß feiner Bes 
obachtungen in einer Vorleſung ber Medicinifhen Gefells 
(haft vor und eiferte nun mit aller Kraft wiſſenſchaftli⸗ 
her Überzeugung gegen die unfeligen, das Eiend unend⸗ 
lich vergrößernden Sperrmaßregeln Preußens. Unterflägt 
von dem ihm befreundeten Oberpräfidenten v. Schön unb 
den tüchtigften Arzten Königebergs, gelang es ihm auch, 
die Abfperrungen zu befeitigen.. Während ber ganzem 
Dauer der Krankheit war Jacoby der gefuchtefte, aber 
auch der unermuͤdlichſte, tiebevolifte, forgfamfte und glüd- 
lichfte Arzt in Königsberg. Stredfuß” Schrift „Über 
das Verhäftniß der Juden zu ben chriftlihen Staaten‘“ 
entgegnete er mit ber Flugſchrift „Über das Verhaͤltniß 
des koͤniglich preußifhen Oberregierungsraths Streckfuß 
zu ber Emancipatlon der Juden”. (Schon auf der Uni⸗ 
verfität und glei zu Anfang feiner alademifchen Lauf⸗ 
bahn hatte Jacoby die veraltete Einrichtung geftlirzt, daß 
bei den im Winter flattfindenden Etubentenbällen fein 
Jude mit an der Spige ſtehen durfte; Kraft, Beredtſam⸗ 
keit und Energie verfchafften ihm den Sieg über feine 
ältern und im Vorurtheil befangenen Genoffen.) Auch 
bei dem fogenannten Schulſtreite, den Lorinſer 1836 an= 
regte, nahm Jacoby in zwei Flugſchriften ruͤſtigen Ans 
theil und ſchrieb weiterhin einen „Beitrag zu einer kuͤnf⸗ 
tigen Geſchichte der Genfur in Preußen”. Dee maͤchtige 
Aufſchwung der Volksftimmung in Preußen bei der Thron 
beftelgung des jegigen Königs, das Aufleben afer Hoff: 
nungen, die längft zum Schweigen verdammt waren, bie 
fteiere und muthigere Sprache der Prefie und ber bald 
darauf folgende ſchmerzliche Eindru@ der Gabinetsorbre 
vom 4. Oct. 1840 riefen die Schrift, die Jacoby vornehm⸗ 
lich berühmt machte, hervor. Die naͤchſte Folge des Er: 
[heinen® der „Vier Fragen” war, daß fie die ganze ge 
bildete Melt aufregten; eine weitere Folge war das Ver: 
bot und die Befchlagnahme dieſer Schrift und die gericht: 
liche Verfolgung des Verfaſſers, Verlegers und Druders. 
Wie Jacoby der ſchwerſten Verbrechen, nämlid des Hoch⸗ 
verraths, der Majeſtaͤtsbeleidigung und des frechen un⸗ 








sperchistigen Tada der Bnndrtuniste anaridmidiet, in 
arſter Iuftans zu Iuissehaib Iabe Jeſtung mb Weriufl 
ber Natiomleocarbe veructheils, in zweiter Inffanz gänz 
lich freigefprochen wurde, iſt allgemein befannt. Geben 
wir hierzu noch das Bild, welches in dem Taſchenbuche 
von ihm entworfen ift: 
Jacohy ift mitte 


und ſchlank; fein Geſicht hat einem 
edein orientalifchen 


nitt, freundlich milde Züge, bie leicht ein 
gefälliges Lächeln Hberfliegt; fein Auge ift dunkel, groß und 
tief; mit dem Ausdrucke eines unverſiegbaren Wohlwollens paart 
üb auf feinem Autiig das Gepraͤge befkändiger edankenthaͤtig⸗ 
tet. As Gefellfehafter iſt Jacoby überonsd kiebenswäuhig, bei 
ter, geiſtreich, ſatiriſch, wigig und gemütblic, nie verlegend, 
immer unbefangen und wahr, treu und herzlich wohlmeinend, aber 
euch in ber Rüchtigften Unterhaltung noch ben bebeutenden Geiſt ofı 
fenbarend. Wer ihn bdennt, fühle fi umwiberitehlich an ihn ger 
feffelt , feine Freundſchaft ift ein koſtbares Gut für dem n 
von Bildung und Geſinnung. Jacoby iſt vermoͤgend und noch 
unverheirathet, alſo durchaus unabhaͤngig 

Naͤchſt der hierauf folgenden, ſehr tuͤchtigen Abhand⸗ 
lung Über Gemeindeweſen und Gemeindeverfaſſung, worin 
unter Anderm die Pflicht der regen und thaͤtigen Theil⸗ 
nahme an ihren oͤffentlichen Angelegenheiten allen Buͤrgern 
aufs nachdrucklichſte eingeſchaͤrft wird, machen politiſche 
Gedichte von Johann Deeg, Georg Herwegh, 
Hoffmann v. Fallersleben, J. Moſen, R. €. Prutz 
und Ludwig Zuͤllig, den Beſchluß des Buchs, welches, 
„getroſten Muths durch bie gefeſſelte Preſſe für bie freie 
arbeitend“, uns hoffentlich durch fein Wiedererſcheinen im 
nächften Jahre erfreuen wird. . 28. 


Die griedifhhen Tragiker in Deutfchlanb. 

Man hat fi in neuefter Zeit virlfach bemüht, die gries 
chiſche Zragddie beim deutſchen Publicum einzuführen. Die 
Sache laͤßt ſich von verſchiedenen Seiten anfeben. Was die 
Üderfegungen betrifft, fo find fie jebehfatis als aͤußerſt erfreu⸗ 
tihe Zeichen einer Ausbildung unferer Sprache zu betrachten, 
wie fie nodh keine andere errcicht hat; auch werben fie, wie fie 
von den Berf. zunaͤchſt in dem Beduͤrfniß unternommen fein 
mögen, ihnen felbft die alten Werke in die vertraulichſte Nähe 
zu rüden, das Eunfthiftorifche Berftändniß berfeiben, bei beren 
Ldeſung in der Urſprache man fi) durch die Schwierigkeiten oder 
das gelehrte Sntereffe des Einzelnen gar leicht im Überblick 
über das Ganze gehindert findet, bei den Sachkennern in bes 
deutendern Grabe befördern. Diefen muß aud die Aufführung 
der „Anstigone” ſehr erwuͤnſcht geweſen fein. Denn während 
die ſceniſche Darftellung beim neuern Drama nicht viel mehr ale 
ein Huͤtfemittel für die Phantaſie ift, ſich Das, was uns fehon 
auf dem Papiere als in fich abgefchloffenes Werk vorliegt, es 
bendiger zu vergegenwärtigen, weshalb wir au, weil wir es 
uns doch vorher fchon vorgeftellt hatten, in beſtaͤndigem Kriti⸗ 
fixen begriffen find, und uns, wenn wir ehrlich fein wollen, mit 
dem beften Willen nicht von der Selbſtaͤndigkeit ber heutigen 
Schauſpielkunſt überreden können, war bei den Alten ein dra⸗ 
matifches Werk ohne fie gar nicht denkbar; es wurde fogleich 
in Rüdfidyt auf die gegebenen Bedingungen der feftftehenden 
Bahneneinrichtungen geſchrieben, fowie von dem Dichter ſelbſt 
in Scene geſetzt; ja ausgezeichnete Geiſter verſchmaͤhten es nicht, 
t Motive von der befondern Perfönlichkeit ber jedesma⸗ 
Ugen Schauſpieler herzunehmen; auch trat die Aufführung da⸗ 
durch in den Vordergrund, daß fie nur an befkigimten Lagen 
als Yen ige Feſtfeier ſtattfand. Man darf behaupten, daß 
nur bei Tortwähtendem Bemüben, die grischifchen Sragäbien bei 
bes Lecture ale wirklich in Disfer beſtimmten Raͤumlichkeit bes 


bei ihnen unheimlich 





en —— it * 
Buße, zaeht es mio . onzußchanen, . 
wahres Set dniß derſe . t werben 5* 
Hierxju hatte man bis jegt dan Weg mannichfaitiger Stu⸗ 
bien zu betveten; die Männer, welche biefes Biel. in gemügen 
bem Grabe erreicht baben, mögen — man ficht es aus dem 
Erſcheinen von Schriften, melche, bei bedeutender Kenntniß hey 
Sache, body nicht zum Sinn derſelben durchgedrungen find — 
in Deutſchland zu zählen fein. Es würde ohne Zweifel ihnen 
Kor ewänfht fein, wenn das Refultat ihrer Bemühungen 
ich ohne weiteres zum Gapital ber allgemeinen Bildung fchlas 
gen ließe. Allein die Möglichkeit davon moͤchte noch ziemlide 
entfernt liegen. Wir mein hier nicht auf bie Maffe von my 

ſcher Kenntnig hinweifen, die auch nur 


thologifcher und antiquari 
zum Berfländniß des Guripides erfoderlich if; es iſt brfannt, 
daß die mythologiſchen Ginfichten der meiſten Nichtphilologen 
noch durchaus auf roͤmiſchem Standpunkte ſtehen. Auch werbe 
nur mit einem Worte erwähnt, daß felbft in den fließendfteg 
Überfegungen die Wortſtellung und ber Gebankenzufammenbang 
für Den, welcher nicht eine ausreichende Kenntniß der Urſpra 
befigt, bei einmaligem Anhören oftmals vollfommen unerfaßtic 
fein muß. Wir befchränfen uns auf das Kunſtverſtaͤndniß an 
und für ſich; wie follte es möglich fein, die Wirkung von Kunſt⸗ 
mitteln aufzufaffen, mit welchen man kaum befannt ift, füz 
weiche man fich alfo noch gar kein Gefüpt gebildet bat? eg 
wirb bie Macht ber großartigen xhpthmifchen —5 Aſchy· 
leiſcher Chorgeſaͤnge empfinden, wenn es ber Überfegung, welche 
er lieſt, vielleicht zuerſt gelungen iſt, ſie auf lebendige Reife im 
Deutſchen nacyzubilden? Die Ghorgefänge kommen jebem mo⸗ 
bernen Leſer undramatiſch, die kommatiſchen Partien operabaft 
vor, wie wird er nun den wunderbaren Rhythmus ihrer in 
jedem einzelnen Stüde mit tieffter Kunftabficht grorbnsten Abs 
wecpfelung zu erkennen willen? 

Die griechiſchen Tragoͤdien find nun einmal in bie Gegen⸗ 
wart bineingefchleubert; vielleicht wird biefe fi an ihnen ſelbſt 
für fie heranbilden: dann bringen fie mit der Beit vieleicht 
wirklich, wie man gehofft bat, eine Kräftigung bes aͤſthetiſchen 
Sinnes hervor; jedenfalls wird auch dies Wildungsmonent zu 
irgend einem neuen und nicht vorherzuſehenden Stefuitate vom 
arbeitet werben. Nas das eigentlich Schlimme waͤre: daß ba 
Anhören griechiſcher Tragoͤdien Mode würde, daß Gitelkeit oder 
weibliche aͤſthetiſche Raſchiuſt fih auf ihre Lecture capricionise 
ten, haben wir nicht zu be . Die tiefe Mahchaftigkeit, 
weiche in jeber Beite berfelben liegt, wird fich bagegen empören, 
zur Büge misbraucht zu werden; es wirb den unberufenen Leſern 
werden, und der befonnenere Zheil bei 
größern Publicums wirb ih, wie er ja feibft Merle wie Bon 
the's „Iphigenia“, bie body nur eine Färbung bes Antiken bat, 
mit kalter Anerkennung beifeite legt, Leicht barüber orientiren, 
bag es ihm zum Berſtaͤndniß dieſer Werke zunaͤchſt an allem 
Borausfegungen gebreche. 

Wie könnte dem auch anders fein! Der Afthetifche Sinn 
eines Publicums iſt kein leerer literarhiſtoriſcher Allſinn, in ben 
man nur jebes beliebige Product irgend einer Zeit ober Nation 
bineinfüllen koͤnnte. Wie die Bandlung ber griedhifchen Bühne 
wegen ber geringen architektoniſchen Tiefe biefer legtern nicht 
Unfpruc darauf machte, für einen felbftändigen Vorgang zu 
gelten, fondern in wnperfpectinifcher Reliefartigkeit entfchichen 
auf den Halbkreis der Zufchauer bezogen war, fo iſt das Kunſt⸗ 
wert durchaus nur für das Bewußtſein da, in welches es aufs 
genommen zu werden beftimmt ift; die Kunft tft nur vorhanden, 
wo fie genoflen zu werben vermag; bad f 
davon ift die Weſentlichkeit der Öffentlichen Aufführung der grie⸗ 
chiſchen Aragoͤdien gevabe das einieuchtenbſte Beiſpiel, gar nichts 
Anderes als das Publicum ſelbſt, welches ein bedeutendes Mo⸗ 
ment ſeiner eigenen Exiſtenz in gluͤcklicher Ausfuͤhrung grmahe 
wird. Man kann von einem Publicum kein reine Kunſturth 
erwarten. Wenn ein folches über irgend ein Product gefällt 
wird, fo ſetzt «6 die Faͤhigkeit voraus, auch alle andern, welche 





fıbl 


Derfeiben Kunft angehören, rein aufufäffens es ift offenbar, 

daß dies, da ber Menſch einer praßtifihen Beziehung auf bie 

Gegenftände nicht entbehren kann, bei Denen, welche nicht ein 

Beruf an die Sache feffeit, zur Blaſirtheit führen würde. Die 

Griechen, von denen das Hoͤchſte in der Kunft gefeiftet worden, 
aben fich mehr als irgend ein Volk gegen das de auf: 

kicker verhalten; auf ähnliche Weiſe wird jede gefunde BVolks⸗ 
Emeinfchaft an den Erzeugniffen ihrer Kunft einen vorwaltend 
offartigen Antheil nehmen. 

Man kann nicht darüber Hagen, daß dieſes Moment bei 
diefer Gelegenheit nicht genug zur Sprache gebracht wäre; im 
Gegentheil haben mandye, während das kuͤnſtleriſche Interefle 
feinem Weſen nach zunächft von einer inbivibuellen Borlicbe aus 
geltend gemacht iſt, welche abwarten mußte, ob fle eine aͤhn⸗ 
lichen in andern begegnen würde, von biefer Seite her ber Sache 
eine allgemeine Wichtigkeit beilegen wollen. Weil nämlich bas 
athenifche Volk vor allen andern ein ausgebildetes politifches 
Bewußtfein gehabt Habe, follte die lebendige Auffaffung feiner 
Tragoͤdien, als des fchönften Ergebniſſes kuͤnſtleriſcher Selbſt⸗ 
beſchauung, uns zur Gewinnung eines ähnlichen foͤrderlich fein 
Binnen. Man kann biefen Gedankengang, welcher zahlreichen 
Grörterungen zum Grunde Liegt, nicht genauer ausfprecdhen, 
ohne fogleich feinen innern Widerſpruch aufzudecken. Gchon 
wenn man zu dem Naͤchſten greift, jenes kuͤnſtleriſche Selbſt⸗ 
bewußtfein der Griechen als ein Schema zu bezeichnen, nad 
weichem fich bei uns ein politifches zu bilden haben follte, Tpringt 
es in die Augen, wie gänzlich heterogene Dinge hier vermengt 
worden. Das politiſche Bewußtſein ift einerfeitd auf die Ins 
tegrität und dußere Würde, den Ruhm unb die gefchichtliche 
Bedeutung bes Volkskoͤrpers gerichtet, deſſen Seele es iſt; man 
kann es nach dieſer Seite mit dem Ehrgefuͤhl des Individuums 
vergleichen, welches ohne beſtimmten Inhalt nur auf die gei⸗ 
ſtige Selbſterhaltung des Subjects geht. Sodann iſt es zwei⸗ 
tens ein Feſthalten ganz beftinnmter politiſcher Inſtitutionen, 
fet es, daß das Volk fi in ihrem Beſite gluͤcklich fühlt — wo 
ſich dann dieſes Element mit bem erftern etwa darin verbindet, 
daß gerabe in biefem Beſitze ein Vorzug vor andern Völkern 
begruͤndet fei —, ober daß fie, als allgemeine Wenfchenrechte 
oder befiimmte ZBeitfoberungen, nur erſt angefirebt würben: 
immer alfo eine volllommene Verſenkung in die Unmittelbarkeit 
einzelner gegenwaͤrtiger ober als gegenwärtig gedachter Lebens: 
formen. Mit beiden bat das Gelbftbewußtfein, aus welchem 
die Kunft hervorgeht, nichts zu thun. Der Beweis ift, daß bie 
Gegenſtaͤnde, weiche fie darftellt, mögen ſich auch hinterher mans 
cheriei finnige Betrachtungen über fie anftellen laſſen, für fie 
ſeibſt mit dem Mittelpunkt bes nationalen Bewußtſeins in kei⸗ 
nem Berhäitniffe flehen, fondern als zufällig aufgegriffen er⸗ 
feinen können. Die Kunft richtet ſich auf die allgemeine fitts 
liche Grundlage bed Lebens, welche als foldye natürlich feinen 
Bogen praen andere Nationen zuläßts vielmehr wird biefelbe 
auch ausländifchen Stoffen, wenn dergleichen aus einem beſon⸗ 
bern Grunde gewählt werben, in volllommen unbefangener Weiſe 
fupponirt; auf dem Hintergrund biefer Grundlage ftellt fie die 
einzelnen ſittlichen Werhältniffe des Lebens dar, und wenn bier 
felbe ihrer Natur nad ein Standpunkt ber Indifferenz if, 
weiche fich zu beflimmten Formen eben noch nicht ausgebildet 
batte, fo liegt das Beſeligende der Kunft vor Allem darin, baß 
aus ihr das Leben, wie aus jenem Götterteiche die Königin bes 
Himmels in immer ceneuter Iungfräulichkeit hervorgeht. 


(Der Beſchluß folgt.) 


Literarifhde Notiz aus England. 


Der Roman „Oakleigh, or the minor of great expectations”’, 
von W. H. M. Holmes (3 Bde., London 1843) fpielt in Ir⸗ 
land zur Zeit der Rebellion von 1788, und da er jegt 


erſcheint, wo taufend uns abertaufenb Augen in ber bortigen 
Stepealbewegung den Anfang eines Apakidgen blutigen Errignifies 
ſehen, könnte ex leicht für eins Art politifgen Romans gehalten 
werben. Daß iſt er jedoch wenigftens inſofern nicht, als eine 
hierauf Bezug habende Tendenz nirgend aus dem Buche hervor» 
tritt. Soll indeffen eine hineingelegt ober herausgelefen, dem 
Berf. eine politifche Abſicht beigemeffen werben, fo kamm es nur 
eine Warnung für Irland fein, die Repealfrage nicht bis zur 
Schaͤrfe des Schwerts zu treiben, ſogi⸗ eine Enttaͤuſchung 
Derer, die von Irlands Sieg eine üthigung Englands 
hoffen, und in biesfallfiger Muticipation, ſei es, — 2 n in 
der Taſche ſchlagen sber auf offenen Markte guubiren. Die 
präfumtive Meinung des Verf. bleibt allerdings eine inbtoibucke, 
fetbft wenn fie von noch fo Bielen getheilt wirb. Da fie fi 
aber aus gefchichtlichen Ihatfachen, aus einer Vergangenheit, in 
welcher fi bie Begenwart abipiegelt,. unb als Refultat ber 
englifchen Politik und des iriſchen Volkecharakters herausftelt, 
dürfte fie jedenfalls beachtenewerth fein. übrigens ift das Bud 
gut gefchrieben, natürlich, einfach und unterhattend, bie Liebes⸗ 
geſchichte geſchickt in die Hauptbegebenheiten verfiochten md — 
completer Mangel an Unwahrſcheinlichkeiten. Die Schilderung 
ber wilden, maleriſchen Scenerie, der Rebellenverfammtung bei 
Mondſchein, des Landens der franzöfiihen Truppen, des Sons 
traſtes zwifchen ihnen und ihren iriſchen Werbündeten, ber Ges 
fechte mit den Engländern und des endlichen Weichens ber 
Franzoſen kann häufig für meifterhaft geiten. Wer fi 
Irland intereffirt und Kühne’s „Rebellen von Irland““, ſowie 
Mabden’s ‚The united Irishmen’' gelefen hat, ſollte „Oakleigh” 
nicht ungelefen laffen. F 











Literariſche Anzeige. 
In alten Buchhandlungen iſt zu erhalten: - 


Hiſtoriſches Taſchenbuch. 


Herausgegeben 
von 
Friedrich von Raumer. 
Rene Folge. Füufter Jahrgaug. 
Gr. 12. Cartonnirt. 2 The. 15 Nor. 
nbalt: I. Der Beeibere Dans Katzianer im Tuͤrkenkrieg. 





Bon Soigt. — II. Die lesten Zeiten des Johanniter⸗ 
ordend. Won SCifeen Beumont. — III. te run 
Don K. G. Facob. — IV. Leibnig in feinem Berpättniß 


zur pofitiven Theologie. Akademiſche Rede, am Leibnigi 

Gedaͤchtnißtage den 6. Juli 1843 vorgetragen von Of. Ms ' ki 
V. Die Gründung der Univerfirät Königsberg und deren Eds 
eularfeier in ben Jahren 1644 und 1744. Gin Beitrag zur 
bevorftehenben dritten Säcularfeir. Bon Eb. Gervais. — 
VI. Prinz Leopold von Braunfchweig. Won G. W. Keller. 


Die erite Folge des Hiſtoriſchen Taſchenbuchs befteht aus 
sehn Sahrgängen (1830— 39), die im Labdenpreife 19 Thlr. 
20 Nor. koſten. Ich erlaſſe aber ſowol den erſten bis fünften 
(180—34) als ben ſechſten bis zehnten Jahrgang (183539) 
ufammengenommen für fünf Thaler, fobaß die ganze 
olge gehn Thaler koſtet. Einzeln koſtet jeber biefer Jehn 
abgänge 1 — 8 Ente  brütte und Sierte Jahr⸗ 
gang der Neuen Folge jeder 2 Thlr. 
zweite (1841) 2 hir. 5 Ne. J Die. der 


Eeipzig, im October 1843. 
$. A. Srockhaus. 


Berantwortlicher Gerauögeber: Heinrich Brokhaus. — Drud und Berlag von B. X. Brodyaus in Eripzig. 





Blätter 


für 


literarifhe Unterhaltung. 


‘ 





Montag, 





1. Srinnerungen an Johann Konrab Maurer. Bilder aus 
dem Leben eines Predigers (1771 — 1841), größtentpeits nad 
deffen binterlaffenen Papieren herausgegeben. Rebft Briefen 
I. von Müllers, I. G. Müllers, Heyne's u. A. 
Schaffpaufen, Hurter. 1843. Gr. 12. 1 Thir. I0 Ror. 

2. Aus meinem Leben, in amtlicher, literarifcher und bürgerlicher 
Beziehung. Von G. Frie derich. Erſter Band. Religion 
und Kirchenthum. Gießen, Heyer's Verlag. 18942. Gr. 8. 
1 Zhir. 15 Nor. 

Diefe beiden durchaus ungleihartigen Schriften, deren 
zweite nur durch ihren Titel berechtigt, mit der erflern 
unter gleiche Rubtik gebracht zu werden, flellen wir hier 
zufammen, als in Geift und Wefen entichiedene Gegen: 
füge. Das einzig Verwandte tft, bag die eine wie die 
andere fi auf das Leben eines evangeliſchen Geiftlichen 
bezieht. Befreunden konnten wir uns nur mit dem Ef: 


nen, deſſen ganze anfpruchslofe und liebenswuͤrdige Per: | 


ſoͤnlichkeit von tüchtiger Hand Mm einem amfchaulichen 
Bilde uns vorgehalten wird, während der Andere nur 
einige Bruchſtuͤcke aus feinem amtlichen Leben in zierli: 
her Hütte barbietet. 

Der mannichfachen Genuß und Gewinn, weichen die 
„Erinnerungen an Maurer’ gewähren, möchte Ref. gern 
recht Vielen zuleiten. 
gottinrigen und fegensreihen Menfcheniebens lange und 
immer wieder anzufhauen, kann nur wohlthätig, wenn 
öfter beſchaͤmend, um fo heilſamer immer erwediend und 
ermunternd fein. 

J. 8. Maurer, geboten 1771 zu Schaffhaufen, wo 
fein Batr, Johannes Maurer, franzöfifcher Prediger 
war, erwuchs in defien pebantifch firenger Zucht und im 
mildern Lichte der zärtlihen, aber nicht verzärtefnden Liebe 
feiner feommen Mütter (aus dem altpatricifchen Ge: 
fhlechte dee Meyer von Scaffhaufen) für feinen früh: 
gewählten Beruf. 

In der lateiniſchen Schule feiner Vaterſtadt, befon: 
ders unter värerlicher Leitung J. Georg Müllers, des 
trefftichen Bruders des Geſchichtſchreibers ber Schmelz, 
gründlich vorbereitet, bezog er im Herbſt 1791 gegen bie 
Gewohnheit der jungen fchweizerifchen Theologen, die nur 
eine der beiden reformirten Univerfitäten Gießen oder 
Marburg zu befuhen pflegten, das damals in voller 
Biuͤte ſtehende Goͤttingen. Wie verfländig und zweck⸗ 


Das Bild eines ſo reichbegabten, 


maͤßig, obwol nicht ohne manche in ſeinem leicht beweg⸗ 
lichen Gemuͤth und in dem Verkehr mit Docenten und 
Studiengenofien begründete Abfchweifungen vom Ziel er 
bie akademiſche Zeit und die reihen Bildungsmilttel, bie 
fih ihm darboten, benußte, davon geben die der Biogra⸗ 
phie eingewebten Bruchftüde aus feinem Briefwechſel mit 
dem treuen Lehrer und Freund J. G. Mütter ſehr er: 
freulihe und belehrende Zeugniffe, den entſcheidendſten 
Beweis aber die Leiftungen feiner reifen Fahre. Jener 
Briefwechſel enthält Selbftbefenntniffe und Erfahrungen, 
beren Betrachtung und Beherzigung befonders jungen 
Studirenden angelegentlichft zu empfehlen ifl. Die da: 
malfge Theologie, von Pland, Eichhorn, Scleusner und 
Stäudlin repräfentict, konnte feinem aufftrebenden Stifte 
und febenswarmen Gemuͤth Eeine Befriedigung gewähren ; 
nur an Pland ſchloß er fefter fih an, und fand an Heyne 
einen wohlwollenden Gönner und weifen Berathet. Her: 
der's Wahlſpruch: ‚Licht, Liebe, Leben!’ war dem wadern 
Juͤngling ein Leitftern, den er felten aus ben Augen 
verlor. 

Im April 1794 aus Göttingen fheldend, Lehrte er, 
nachdem er einen Theil Deutfchlands burchwandert, im 
Juni zur Vaterſtadt zuruͤck, befand bald darauf das 
theologifhe Gandidateneramen, und verweilte dann bis in 
den Frühling 1796 zu Neufchatel, um in der franzoͤſi⸗ 
ſchen Sprache ſich ſolche Fertigkeit zu erwerben, daß er 
in das durch freiwillige Refignation feines Vaters erle⸗ 
digte Predigtamt an der franzöfifchen Kirche einjutreten 
tlchtig war, als er im Nov. 1799 dazu erwählt ward. . 
Eine Einladung zu einem größern Wirkungskreis und 
einem reichern Einkommen in Luzern lehnte er entfchlof- 
fen ab. Dagegen eröffnete er im J. 1800 eine franzöft: 
fhe Schule, die erfte Öffentliche der Art in Schaffhauſen, 
und fah fi durch den Erfolg in den Stand gefegt, einige 
Monate fpäter mit feiner Verlobten, einer Enkelin bes 
trefflihen Antiſtes Oſchwald, fich zu verehlihen. Schon 
1806 ward ihm die geliebte Gattin durch frühen Tod ent: 
tiffen, nachdem fie mit ihm den Druck einer ſchweren Zeit, 
die Laft ſich ſtets erneuernder Einquärtierungen, oft peins 
liche Sorge um das tägliche Beduͤrfniß, Mangel und 
Noth unter den Beſchwerden eines Langen Siegthums 
getragen. Mit drei unerzogenen Kindern allein ftehend, 
von häuslicher Noth bedrängt, und doch mannichfachen 


1186 


Anfprüchen an feine Mildthaͤtigkeit ausgefegt, gelangte er 
felten zu einem heitern Lebensgenuß, und in Folge feiner 
häuslichen und amtlichen Verhältniffe, auch durch ermun⸗ 
ternden und befefedigenden Umgang felten erquidt, ſah 
er in oft trauriger Einfoͤrmigkeit, aber unter regelmäßiger 
und treuefter DBerufsthätigkeit, feine‘ Tage dahinfließen. 
Da er ſich bewegen ließ, feine franzöfifhe Schule, bie 
ſehr blühend geworden, mit dem Gymnaſium zu verbins 
den, fo verlor er einen großen Theil der Einnahme, die 
ibm feine Lage erleichtert hatte, und fo ward er von 
häuslichen Sorgen und Berlegenheiten nie ganz frei. 
Über fein Eifer und Fleiß. in dem zweifachen Lehramt 
ermüdete nicht, die Liebe zu feinem Beruf und zu feinen 
Zöglingen erfaltete nicht, unter manderlei Bekuͤmmerniſ⸗ 
fen und Belchwerden bemwahrte er ſich eine reine und 
Ichhafte Theilnahme an den damals tiefjerrütteten Ange: 
Iegenheiten des bedraͤngten Vaterlandes. 

Sein Hausſtand bedurfte einer weiblichen Leitung. 
Am 3. 1809 verehelichte er fih mit Judith Stodar, 
und trat burch fie mit einer angefehenen Familie in Ver: 
bindung, vornehmlidy mit dem trefflihen Schwager, Bal⸗ 
thaſar Pfifter, Bürgermeifter zu Schaffhaufen. Aber aud) 
dieſes Verhaͤltniß blieb nicht ungetruͤbt. Es traten zwi⸗ 
ſchen der Tochter erſter Ehe und der Stiefmutter man: 
cherlei Misverftändniffe ein, die den Vater belümmerten; 
jene Tochter verfant in unheildare Schwermuth, in der 
fie fich felbft den Tod zu geben verfuchte; fie ward ges 
gettet, flarb aber 1824. Schon drei Jahre früher war 
auch die zweite geliebte Gattin nach langen Leiden entfchla: 
fen, und Maurer fand wieder allein, da feine beiden Söhne 
entfernt von ihm ihres Berufs lebten. 

Unter fo mannichfachen endlofen häuslichen Leiden 
blieb Maurer nicht ungebeugt, aber gottvertrauend, und 
immer in gewiſſenhafter Thaͤtigkeit feines Berufs einge: 
dent, in feinen Studien nie ermübend, Wie fehr auch 
das Pfarr⸗ und das Schulamt feine Zeit in Anſpruch 
nahm, er gewann doch Stunden dee Muße, in denen er 
beſonders auch mit der englifchen Literatur eifrig ſich be: 
ſchaͤftigte. Immer bereit, Anden nuͤtzlich zu fein, unter 
zog er fi mit großem Zeitaufwande ber Mühe, eine 
hoͤchſt fehlechafte corrumpirte Abfchrift von Johannes v. 
Muͤller's „Histoire universelle’ aufs forgfältigfte zu revi⸗ 
diren. Sein Wirkungskreis erweiterte fih, da er 1815 
Profeffor der Rhetorik am Collegium humanitatis warb, 
und die Sorgfalt, mit der er die Arbeiten der Zoͤglinge 
corrigiete, die Theilnahme, die er den Studien und felbft 
den Erholungen derfelben mwibmete, ließen ihm nur felten 
eine freie Stunde, duch Bewegung und in dem An: 
(hauen der Natur, zu deren Genuß er fi bingezogen 
fühlte und ber ihm Beduͤrfniß war, ſich zu erholen. 
Eine Reife nad Bern und nad Yverdun, und die dort 
gervonnene perfönliche Bekanntſchaft mit Peftalozzi, den 
ex fehr lieb gewann, und mit Niederer gehören zu den 
fparfamen Erquidungen, die ihm zu Theil wurben. 

Auf andere Weife ward er durch die Bekanntſchaft 
mit Frau v. Kruͤdener und deren Gefährten, ſowie durch 
die veligiäfe Bewegung, welche biefelbe während ihres 


Vermweilens in der Schweiz bewirkte, angezogen und an: 
geregt. Mit der ihm elgenthümlichen Empfaͤnglichkeit 
und Erregbarkeit gab er ſich den Eindrüden bin, welde 
biefe ausgezeichnete und reichbegabte Frau, die einer außer- 
ordentlichen Miſſion fi bewußt mar, bei gemuͤthvollen 
Menfchen nicht leicht verfehlte; aber er ließ feinen Geift 
durch fie nicht unterjochen, fondern bewahrte fidy ein be- 
ſonnenes Urtheil über die mancherlei Ercentricitäten, in 
weiche Frau v. Krüdener und ihre Anhänger verfielen. 
Die religiöfe Schwärmerei,.bie überhand zu nehmen drohte, 
konnte ihn nicht mit fortreißen, und fchmerzlich beklagte 
er die Ausſchweifungen, zu welchen die Schwarmgeifter 
im Canton und in der Stade Schaffhaufen, befonbers 
in Wilbenfpruch fich felbft und Andere verführten. Aber 
er verfügte Dem, was in dem Eifer und in der Wirkſam⸗ 
keit jener Bußprediger und Glaubensherofde loͤblich war, 
die gerechte Anerkennung nicht, und freute fi) der Erweckung, 
die von ihnen ausging. Die Briefe, weiche er Damals an 
feinen Freund Keller fchrieb, find ſchaͤtzbare Denkmäler feines 
Seiftes und Herzens und ein fehr Iehrreicher Beitrag zu feis 
ner Biographie. ’ 

Der dürre, geiftesarme Rationaliemus, der in Goͤt⸗ 
tingen fih ihm aufgedrungen hatte, konnte weder fein 
tiefes Gemuͤth befriedigen, noch feiner ganzen Eigenthüm⸗ 
lichkeit zufagen; je mehr und mehr befteundete er ſich 
mit der evangelifhen Wahrheit, wie die Kirche aller Zei: 
ten fie aufgefaßt und das chriftliche Leben fie bewährt 
bat; er ward mit den Jahren orthodorer, ohne rechthabe⸗ 
riſch, eifernd, verfolgungsfüchtig zu werden, und fo vor: 
herrſchend Gemüth und Dhantafie in ihm waren, konn⸗ 
ten fie doch fein gefundes Urtheil nicht überwältigen. In 
weltlichen Verhältniffen oft unficher, ſchwankend und uns 
beftändig, ward er im feinem religiöfen Leben nie vom 
Winde mancherlei Lehre leicht hin⸗ und hergetrieben, ſon⸗ 
dern erbaute auf feſtem Grunde das Gebäude feines 
Staubens und Bekenntniſſes, welches zu verleugnen oder 
auch nur zu verheblen ihn nichts verleiten Eonnte. 

Eine faft grenzenlofe Gutmuͤthigkeit hatte es ihm zur 
Gewohnheit, ja zum Beduͤrfniß gemacht, Allen, mit denen 
er in Verbindung trat, etwas Angenehmes, Schmeichel⸗ 
haftes zu fagen; er war in Höflichleitgerweifungen, Er⸗ 
gebenheitöverfiherungen oft unerſchoͤpflich; entſchiedene 
Charaßterfeftigkeit gewann er nicht. Aber er war nie 
falſch noch heuchleriſch, fondern fprac auch da, wo er 
Andere zu ſehr erhob und fich felbft zu tief beugte, feim 
augenblickliches Gefühl, feine gegenwärtige Meinung aus. 
Bei feinem vorherrfchenden Gemuͤths⸗ und Phantafieleben 
erſchien er oft unfhlüffig, wie allzu nachgebend, wozu fich 
auch einige Indolenz gefellte; er war fidy deffen wohl⸗ 
bewußt, aber er kaͤmpfte vergebens, weil nicht muthig 
und bebartlih genug, dagegen an. Diefe Charakter 
fhwäche ward durch einen reichen, unerfchöpflichen Schat 
von Geduld und Sanftmuch, Beſcheidenheit und Des 
muth, Steundlichkeit und Güte aufgewogen; fein Glaube 
bewährte ſich in der Füͤlle chrifllicher Liebe, die ſelbſt 
feine Gegner kaum verkennen tonnten, und durch bie er 
feine Lehre bekraͤftigte. Wer irgend ihm einiges Wohl: 








117 


wollen bewies, ber durfte ber bankbarflen, durch bie auf: 
richtigſte Anſpruchsloſigkeit geſteigerten Anerkennung vers 
chert ſein. 

Er haͤtte wohl ein guͤnſtigeres Loos ſich bereiten koͤn⸗ 
nen, wenn es nicht ſeiner Geſinnung widerſtrebt haͤtte, 
fi) hervorzudraͤngen, feinen wirklichen Werth und' ſeine 
Verdienſte vor Andern geltend zu machen. Jede Aus⸗ 
zeichnung aber, die irgend ihm zu Theil ward, war von 
ſeiner Seite voͤllig ungeſucht. So namentlich ein glaͤn⸗ 
zender Ruf nach Rußland, der 1822 an ihn erging, aber 
mit faſt allzu beſcheidener Würdigung feiner Leiftungsfähig: 
feit entfchieden von ihm abgelehnt ward. Dagegen nahm 
er die Stelle eines Katecheten an der Kirche St.Johann 
1826 an, obwol fein Einkommen dadurch keineswegs ges 
mehrt, fondern fogar gemindert ward, zumal er im fol: 
genden Jahre fowol das Amt eines Lehrers ber franzoͤfi⸗ 
fhen Sprache und die Profeffur der Rhetorik am Col- 
legium humanitatis niederlegte, nachdem er zehn Jahre 
lang in diefens Berufe mit ausgezeichnetem Erfolge wie 
mit unermübdlicher Treue gewirkt hatte. Dagegen ward 
er in demfelben Jahre zum Borfteher der flädtifchen Maͤd⸗ 
chenſchule und zum Religionsiehrer an derfelben ernannt. 
Daß die Öffentliche Meinung ihm günflig war, beweiſt 
das Vertrauen, mit welhem er zum Präfidenten des 
Hülfsvereins für die Griechen fowie zum Vorſitz in der 
Bibelgeſellſchaft gewählt ward. Erit 1835 warb ihm 
die Beförderung zum Prediger am Münfter und Zrium: 
vir der fchaffhäufer Geiſtlichkeit zu Theil, als feine Kraft 
ſchon gebrochen und durch anhaltende Kraͤnklichkeit fo: 
wie durch Sorge und haͤusliche Noth fallt erfchöpft 
war. Wenn es ihm zur Freude gereichte, daß fein aͤlte⸗ 
fee Sohn als Prediger an der franzöfifchen Kirche fein 
Nachfolger ward, fo brachte er felbft doch auch darin ein 
Opfer, daß er in jener bewegten Zeit als Prediger an 
der zweiten Hauptkirche und befonders als geiftlicher 
Triumvir neuen Sorgen, Beichwerden und Mühen fich 
unterzog. 

Zum Predigtamt hatte er ohne Zweifel den wahren 
innern Beruf ſowie vorzuͤgliche Anlagen; ſeine Vorttaͤge 
waren Dee Ausdruck feines Glaubens, feiner Überzeugung ; 
weh daB Herz voll war, deß ging der Mund über. Sein 
Biograph, an deſſen Darflellung allein Ref, ſich halten 
muß, weil er Maurer nie fah noch hörte, vermißt an 
ihm rebnerifche Bildung, die allerdings der Beredtſamkeit 
des Herzens bie Krone aufgefebt haben würde. War 
feine Stellung als Triumvir um fo fchmwieriger, je mehr 
unter Den zum Gonvent gehörenden Geiftlichen ein bekla⸗ 
genswerthes Parteiweſen überhand genommen zu haben 
ſcheint, fo gereicht es ihm um fo mehr zum Ruhm, daß 
er, wie fein Biograph verfichert, ‚‚nach feinem erleuchte⸗ 
ten chriſtlichen Gewiſſen ſich gedrungen fühlte, feſt und 
offen zu Denen fi zu halten, welche durch eine die pro⸗ 
teftantifche chriſtliche Freiheit gefährdende Sinnesart in 
ihrem eigenften Wefen gekraͤnkt, beſchraͤnkt und gehindert 
wurden, nach ihrer Beſtimmung, d. h. weder pauliſch 
noch kephiſch, ihre Kräfte der Kirche, der fie angehörten, 
zu widmen”. Die Streitigkeiten der fchaffbäufer Geiſt⸗ 


* 


lichkeit mit dem Antiſtes Hurter ſind gemeint, wenn von 
Maurer geruͤhmt wird, daß er durch die Gegner deſſelben 
ſich gezwungen gefehen, mit aller Wärme und Hingebung, 
deren er fähig war, ſich feiner als College, Freund und 
Mitarbeiter im Weinberg anzunehmen. In zwei gedruds 
ten Zuſchriften an die [haffhäufer Geiftlichkeit trat er zur 
Berföhnung der entzweiten Gemuͤther, wenn nicht mit 
befriedigendem Erfolg, doch mit der achtbarſten Gefin- 
nung auf. 
(Der Beſchluß folgt.) 





Die griehifhen Tragiker in Deutfchland. 
¶ Beſchluß and Ne. 286.) 

Die griechiſche Tragoͤdie lebt gänzlich in der Deroenweltz 
das Selbſibewußtſein, weiches buch fie dem Bolke zu Theil 
wurbe, war mithin cin Bewußtſein, nicht feiner Gegenwart, 
fondern feinee Vergangenheit, ja mehr ald das, feiner Urs 
geſchichte. Es ſchaute atfo feine eigene fittliche Grundlage als 
etwas Entferntes an, als etwas, das, trot biefer feiner Ber 
ziebung zu der Gegenwart, durchaus ein Anberes fei als biefe, 
ganz in berfeiben Weile wie die Platonifche Idee, obgleich fie 
nichts als das Weſen der Wirktichkeit ift, doch als etwas Jen⸗ 
feitigeß, das am „himmliſchen Orte” aufzuſuchen ſei, betrachtet 
wird. Es mag Denen, welche durch ftaatswiffenfchaftiiche Stu⸗ 
dien bazu befähigt find, überlaffen bleiben, zu entfcheiden, ins 
wieweit dieſes Verhaͤltniß geeignet fei, unferer Zeit zum Vor⸗ 
bilde zu bienen, falls es nämlich überhaupt unter ganz andern 
geſchichtlichen Bedingungen erneuert werden kann; in Bezug 
auf die Griechen mag nur bie Bemerkung angetnüpft werden, 
daß, wenn auch das politifcdye Interefle das vormwaltende war, 
und fich, nach dem Goethe'ſchen Spruche, in Einem Menſchen⸗ 
finde Manches vereinigen mochte, doch ihre Praris bie „Wers 
ſchiedenheit der Gewerbe” niemals verleugnete. 

Zwar treffen wir auch hierin charakteriftifche Abweichungen 


.an. Es ift befannt, daß die „Perſer“ des Aefchylos eine bes 


fimmte gefchichtiiche, feine „„Eumeniden” eine noch beflimmtere 
politiſche Bedeutung haben. Aber bie politifche Farbe dieſes 
Dichters erklärt ed, wie bamit eine kuͤnſtleriſche Vollendung bes 
fiehen konnte. Indem er ber Partei angehörte, welche in ber 
gemeſſenen Geformtheit althergebrachter Inſtitutionen eine Ges 
währ für bie ungefchmäterte Wohlfahrt des Gemeinweſens fa, 
traten ihm biefe in ein unmittelbares Verhaͤltniß zu jener fittlidhe 
mythiſchen Grundlage und erſchienen ald eigene Geftaltungen 
derſelben; der Areopag, deſſen Anfeben er zu erhalten wünfchte, 
follte in unmitteilbarem Auftrage der Goͤtter den grellſten ſitt⸗ 
tihen Zwiefpalt, von welchem bie Deroengefchichte erzählt, ges 
fhlichtet haben. Aber die Athener wußten es bereits, baß bie 
Bühne nicht zur Rebnerbühne heftimmt ſei; fie erkannten bie 
kuͤnſtieriſche Intention durch Ertheilung des Preifes an, aber 
ben politifchen Wink vernachiäffigten fie. Die Trilogie der 
„Perſer“, welcher das uns unter diefem Zitel erhaltene Stuͤck 
angehört, beruht auf berfeiben Anſchauung, mit welcher Heros 
bos feine Geſchichte einleitet: der Mediſche Krieg wird als Glied 
eines großen Kampfes zwifchen Orient und Occident aufgefaßt, 
welcher im heroiſchen Zeitalter durch Zeus ſeibſt, welcher die Europa 
entfuͤhrt hatte, begonnen worden. So erſcheint die Gegenwart 
ſelbſt als unmittelbare ſittliche Conſequenz der fernſten Ver⸗ 
gangenheit: ein ungemein großes Motiv, zumal da es nicht aus 
geſchichtsphiloſophiſcher Conſtruction, ſondern aus urpoetiſcher 
Anſchauung hervorgegangen war. Aeſchylos verherrlichte in der 
That fein Selbſterlebtes, aber in ber oben angegebenen Weiſe, 
dadurch, daß er es in den Organismus jenes olympifchen Reiche 
eines höhern Sachzuſammenhanges einreihte. 

Ganz anders verfährt Euripides. Beine Anfpielungen auf 
Einzelnheiten aus bem politifcyen und wiflenfchaftlichen Treiben 
feiner Zeit find beruͤchtigt: wer kennte nicht den Streit des 
Theſens mit dem Herolde ber Thebaner über bie beſte Staats⸗ 





1188 


welche ex, abweichend von den Anbern, dem Mythus untertegt, 
tn kaͤnſtleriſcher hung gerechtfertigt. Schon Golger hat 
bemerkt, baß er ed ſei, welcher zuerſt bie Melt bes Bemüths 
erſchloſſen Habe; dieſes weiß in das Ginzelnffe eine unendliche 
Wredeutung zu legen; bie politifcien Andeutungen bes Euripides 
find arfo dafuͤr anzufehen, baß fie barauf ausgingen, von biefer 
tn ſich abgeichtoffenen Sphäre aus tcher er die mythifche 


werrffung? 35 dies durch die Grundlage des Lebens, 
n 


‚mit we 
tbentifieirte, feinen Witbürgern bas Eine, was noth fei, ans 
Herz zu legen. | 

„Man darf behaupten”, fagt Droyſen (Aeſchylos, &. 547), 
„daß die griechifche Tragoͤdie diefen paränetifchen Charakter eigent: 
lich nie ganz aufgegeben hat; body gehört dies mit zu ben wes 
ſentlichtken Eigenthuͤmlichkelten bes —* daß er mehr als 
Aeſchyios und Euripides aus den allgemeinen kuͤnſtleriſchen Im⸗ 
pulſen herausgearbeitet hat.“ Im Wiberfpruch hiermit bat 
gleichzeitig Schoͤll bie Tragoͤdien deſſelben in eine Menge von 
beſtimmten Bezuͤgen auf zum Theil ganz einzelne und obfcure 
Beitereigniffe egt. Abgeſehen bavon, ob es babei ohne mas 
terielle Irrthuͤmer abgegangen tt, worüber competente Richter 
ihre Vota abgegeben haben, ift fein Unternehmen geeignet, alle 
Kunftfeeunde, welche nicht zugleich bie genauefle Kenntniß ber 
griechiſchen Geſchichte befigen, mit Unruhe zu erfüllen. Denn 
wenn es ohne Zweifel ſchon einer feibfithätigen Beſchaͤftigung 
mit berfelben bedarf, um die einzelnen Anfpielungen auch nur 
hiſtoriſch aufzufaffen, wie foll Der, welcher fidy nicht gaͤnzlich 
biefen Studien gewidmet bat, bdiefelben in fich zu ſolcher Lebens 
digkeit der Anfchauung erbeben können, daß für ibn, wie es 
für die Beitgenoffen der Fall gewefen fein mußte, aus ihrer 
Gruppirung ein Kunfteindrudt hervorginge? 

Natürlich lebt der Dichter durchaus in feiner Begenwart ; 
nie bat ein Werk einen andern Inhalt gehabt, ats den biefe 
darbot; follte eine vergangene Zeit oder eine frembe Nationalis 
tät gefcgiidert werben, fo wurden diefe entweber zum bloßen 
Rahmen, oder man findet nicht fie felbft, fondern, wie es 3. B. 
bei ben romantiſchen Bearbeitungen mittelalterlicyer Stoffe ein⸗ 
getreten ift, ihre Abfpiegelung in ber heimatlichen Gegenwart 
bargeftellt. Allein das Verhaͤltniß ber Dichter zu biefer lektern 
iſt ein anderes als das ber übrigen Zeitgenoſſen. Diefe mögen 
ihre Stelle am Gteuer ober auf den Maſten baben, oder etwa 
ia unteriedifher Pygmaͤenexiſtenz der Maſchinenheizung obliegen, 

werden dem Sturm, wenn fie ihn nicht vielleicht über dem 
Hämmern ihres täglidien Treibens ganz überhören, entweder 
entgegenzuarbeiten oder zur Verfolgung ihres Curſes zu ber 
nuten fuchen; ber Dichter dagegen flebt auf dem Verdeck und 
ſchaut dem Kampf ber Menſchen und Elemente in theilnehmen⸗ 
der Ruhe zu. Gr wird ale Menſch darauf zu ſehen haben, 
daß er es nicht an fich fehlen lafle, wenn es in gefahrvollen 
Augenblicten darauf anlommt, baß Jeder Hand anlege; als 
Dichter find ibm die Greigniffe des Lebens nur, was für den 
bildenden Künftter die Stubien nach der Natur find. So wird 
es denn Fein Bedenken haben, daß 5. B. Sophokles, wie K. 
F. Hermann nachgewieſen hat, das Motiv zu feinem Odipus 
vom Perikles bergenommen habe; wie follte er es fidy haben 
entgehen Laffen, die bebeutenbfte Gricheinung feiner Zeit mit 
tünftlerifchem Blicke zu ſixiren; aber in der Tragoͤdie, welche 
uns vorliegt, haben wir nicht mehr Perikles, fonbern Odipus 
vor uns, deſſen Griftenz in biefen beftimmten Verhaͤltniſſen zu 
Jokaſte, Kreon, Zixefias gänzlich beſchloſſen ift; biefe find je- 
dem Lefer, weicher bie fittlidge Bedeutung einer hervorragenden 
Begebendeit aus jener Sphäre in ſich zu reprobuciren vermag, 
für fi volllommen verftändiich; daß ein Perikles eriftirt habe, 
tönnte ibm dabei zunächft ganz unbelannt bleiben. So macht 
e6 beim Kunfturtheil über eine Landfchaft Leinen Unterfchied, 


ob fie, oder wie viel in ihr, aus ber Natur entnommen fet; | 


freilich kann e6 etwa zum Verſtaͤndniß derfelben beitragen, wenn 
man in Bezug auf irgend eine befondere Lichtwirkung an bie 
atmofphärifhen Verhaͤltniſſe einer beſtimmten Gegend erinnert 
wird; body werben biefe, wenn das Bild Kunſtwerth haben fol, 


an ſich ſelbſt ir ihm genügend angedeutet fein mäffen. Die Un⸗ 
te Schou's, welcher befondere Binfland bife oder 
jene Außerung des Sophokles, ober biefe ober jene Menbung 
eines Mythus veranlaßt habe, gehen das Verfländniß ber Zra: 
göbien ald Kunſtwerke nidhts-an, wenn fie auch das Gntitchen 
berfeigen im Indloiduum bes Künfkiere vielfeitig zu erläutern 
ignet fein mögen. Im biefer Beziehung find fie ats eine Ge— 
altung bes in unfern Sagen in mannichfaltiger MWeife auf: 
tauchenden bens, den kuͤnſtieriſchen Genius in feiner Bert: 
ftatt zu belau hen, hochzuhalten; es iſt zu erwarten, daß der 
zweite hell des Wuchs, welcher die Kunſt des Sophokles be 
bandeln ſoll, den von ums geitend gemachten Gefichtspuntt in 
Anwendung fegen wird. Wilhelm Danzeı. 





Literarifhe Notizen aus Frankreich. 
Der Thee. 

Der Thee macht jetzt in Paris viel vom ſich reden. Kuͤrz⸗ 
lich las in einer Sidung der Academie des sciences Hr. Ye: 
ligot eine Abhandlung über dhemifche Anatyfen ber fi argen 
und grünen Blätter, wie fie zu uns gelangen, und der Aufgüfle. 
In bderfelben Zeit erihlen eine Geſchichte des Theegebcauche 
von I. ©. Houflaye: „La monographie du the.” Wan 
wuͤnſcht bie Zpeeconfumtion in Frankreich zu fleigern, man 
verfpricht fih große Vortheile für das Land von einer birecten 
Handelsverbindung mit Ghina, die freitich noch erft zu fchaffen 
iR, noch größere Vortheile von der Zunahme bes Zuckerverbrauche, 
bie mit der Zunahme des Theeverbrauchs eintreten würde. E⸗ 
wurbe bie in die neueſte Zeit ver aͤltnißmaͤßig wenig Thee in 
Frankreich conſumirt. Im 3. 1 wurden noch nicht mehr 
als 88000 Kilogramm eingeführt. Seitbem ift die Gonfumtion 
bedeutend geftiegen, hatte ſchon 1842 eine Höhe von 332,000 
Kilogramm erreicht; aber man wuͤnſcht mehr, man läßt es fi 
— Ay ‚ ir aue ei are Nugen bes Theetrinkene 
madyen. Hr. Hou führt zwei wiſſenſchaft⸗ 
liche Berichte an, dem ſchon fruͤher erwähnten en — 


einen vom Dr. Trouſſeau, von denen der erſtere ergibt, daß eine 


Taſſe Thee ein — nahrhafteres Getränt tft ale eine Taſſe 
Bouillon, der letztere alle mediciniſchen Tugenden des Thees auf⸗ 
zählt. Übrigens Liefert die Schrift von Douffaye nicht nur eine 
Veſchichte des Theegenuſſes, ſondern auch eine ausführliche Be— 
ſchreibung der Gutturmethoden und der verſchiedenen Bereitungs: 
und ‚Benugungsarten. Man erfährt unter Anderm, was wol 
wenig bekannt ift, daß das Theebiatt gebrannt wird, wie man 
die Kaffeebohne brennt, ba6 ber grüne Thee nicht, wie man 
gewoͤhnlich meint, buch Trocknung auf Kupfer feine Farbe er 
halte, daß er vielmehr mit bem ſchwarzen Thee von einer und 
derſelben Pflanze herkomme, nur ſchwaͤcher gebrannt ats der 
leßgtere und in ganz unfdulbigem Indigopuiver gewälst fei. 
über die Benutung des Thees in Frankreich als Medicament 
erzählt Dr. Eug. de Lanneau in einer Anzeige der Oouſſaye'ſchen 
Schrift, daß man daſelbſt nur heimlich und verſchaͤmt von birfem 
Heilmittel Gebrauch gemacht habe, weil man es als einen Ber: 


raͤther ber Unmäßigkeit im Genuß von Speiſe und Trank an- 


zufeben gepflegt. Erſt die Cholera babe dem Thee zu allge 
meinerer Berbreitung verholfen. Endlich nun feit zehn Jahren, 
fagt Hr. de Eanneau, ift der Thee „bie Freude des Abende am 
FT a — — der modernen Ge⸗ 
ellſchaft, der Hebel des Gei r Die, welche kei be 

der esprit für alle Welt‘ geworben. ı (weiche keinen haben, 


BPayrcal. 

Die Literatur uͤber Biaiſe Pascal (deſſen Lebensgeſchichte 
auch in Deutſchland und England neuerlich ee en 
ift auf Veranlaſſung ber frangöfifchen Akademie, außer zweien 
„‚Eloges”, das eine von Borbass Demoulin, das andere von 
Taugere, mit einem „Rapport“ von ®. Goufin „Des pensees 
de Pascal’ bereidyert worden, welcher legtere manches neue 
aus Familienpapieren geſchoͤpfte Material beibringt. . 


Berantwortliger Herauſgeber: Heinrich Brodhaus. — Drud und Verlag von F. X. Brodhaus in Leipzig. 
DE EEE an 





Bläafter 


für 


literariſche nuterbaltung. 





Sienſtas, 





Biographiſches. 
(Beſchluß aus Nr. 296.) 

Die Zerwürfniſſe ber —* Geiſtlichkeit und 
die Entzweinng mit dem Antiſtes Hurter ſind in der 
Biographie, von einem Freunde des Letztern (oder von 
ihm ſelbſt?) ziemlich umfländlih und doch nicht durchs 
ſchaulich dargeſtellt. Wir können bier um fo weniger 
darauf eingeben, da die Acten zum Spruch noch nicht 
reif find und der Kampf mehr in der Nähe beobachtet 
werden müßte, wenn das Urtheil hinreichend motivirt 
werden follte. Der arme Mauser, von Krankheit Donate 
lang an fein einfames Zimmer gefeflelt, mußte auch Dies 
fen bitten Kelch eines je mehr und mehr fich verwircens 
den kirchlichen Parteikampfes noch Ieeren, nachdem er 
Sabre lang nicht blos muͤßiger Zufchauer, fendern patrio: 
tifch theilnehmenber Zeuge der politiſchen Wirren feines 
Boterlandes geweien. 

In das einfame Landhaus, das nicht fern von der 
Stade im Spätfommer und Herbſt 1840 Maurer unter 
empfinblichen koͤrperlichen Leiden bewohnte, verfolgte ihn 
die Bitterkeit jenes theologiſchen Kampfes, den er zu ſtil⸗ 
In vergeblich fih bemühte. Auch Häusliche Sorgen und 
Bedrängmifle wichen nidyt von ihm und er fehnte ſich 
oft um fo mehr nach ermunterndem Umgang, fand aber 
auch manche Ercheiterung in der Erinnerung an ſchoͤnere 
Tage, die er einft mit iugendfröhliher Dingebung und 
reinem Sian genofin. Noch warb ibm die Freude zu 
Theil, feinen jüngern Sobn zum Diakonat am Münfter 
befördert und fo ihm mahe geflelt zu feben. Aber feit 
dem Anfang bed 3. 1841 gefellten fich zu feinen alten 
koͤrperlichen Gebrechen,, die ſchon längft Gefahr drohten, 
neue Übel, denen die erfchöpfte Natur unterlag, während 
fein Geift fi noch immer empfänglich umd thätig erwies. 
Am 25. März 1841 entſchlief ber müde Dulder, unter 
Zeichen frommer Geifteöfrendigkeit. 

Es durfte an feinem Grabe laut, der Wahrheit ges 
mäß ansgefprochen werben, daß, wie fein Leben eine Kette 
von Aufopferangen, ber Iebendigmachende Geiſt fein Theil 

geweſen. Man kann nicht obme lebhafte, oft wehmuͤthige 
Thellnahme die Geſchichte dieſes fat immer mühfeligen 
und beiadenen, aber treubewährten und fegenbringenden 
Sehens leſen, das im Feuer manmichfacher Prüfung ge: 
läutert ward zu einem velfommensen Deafein. Das dem 


Buche beigegebene Portrait Maurer's fcheint mohlgetroffen 
zu fein; wenigftens flimmt fein Ausdrud mit dem geiſti⸗ 
gen Bilde, welches ber Biograph entworfen, volllommen 
überein. Die hohe, nicht forgenfreie, aber keineswegs 
finftere Stirn, die freundlichen Augen, die Milde, melde 
fich über das ganze Antlig ergießt, iſt gewiß ein tesuer 
Spiegel der Seele, die man liebgewinnt, indem man fie 
theifnehmend beobachtet. Das reifere Leben des Mannes 
entſprach freilich nicht den heiten Hoffnungen, mit denen 
der Süngling nach Göttingen zog und dort zu einer kraͤf⸗ 
tigen Wirkſamkeit fich bereitete; aber ex täufchte die Er⸗ 
wartungen nicht, die damals 3. G. Müller und Andere, 
welche die Geiſter zu prüfen und zu erkennen vermoch⸗ 
ten, von ihm begten. 

Wir empfehlen dieſe Biographie mit wohlbegruͤndeter 
Überzeugung Allen, die ein reiches, vielgepruͤftes und 
durchlaͤutertes Menſchenleben gern beobachten, infonbecheit 
jungen Theologen, denen es mannichfache Anregung umb 
Belehrung gewähren wird. Der Verf. bat ſich bemüht, 
den Gang des innern wie bes aͤußern Lebens mit pſycho⸗ 
logifcher Kunft zu entwideln und barzuftellen, und was 
er geleiftet, verbient Anerkennung. Um fo mehr ift zu 
beklagen, daß die Anordnung des Materials nicht durch⸗ 
bachter und augemefiener fich zeigt. Es wird Manches 
anticipist, Anderes nachgetragen, je nachdem es dem Biss 
graphen eben in ben Sinn kam; während er bisweilen 
der Zeit, von ber eben die Rede ift, vorauseilt, kommt 
ee anderwärts auf Vergangenes zur Unzelt zuruͤck, und 
ſtoͤrt dadurch den Genuß, welche feine übrigens tächtäge 
Auffafjungs> und Darſtellungsweiſe gewährt. 

Die mannichfachen Beilagen find eben nicht nothwen⸗ 
dig der Biographie angehoͤtig, verbreiten auch durchaus 
kein Licht über Maurer's Eigenthuͤmlichkeit, und erſchei⸗ 
nen infofern als ganz willkuüͤrliche Anhaͤngſel; body erre⸗ 
gen fie ein fo mannichfaches Suterefie, daB man ihre 


Aufnahme nur mit Dank anerfennen kann. 


Herr Dr. Friederich mag und verzeihen, wenn wir 
geftehen, daß fein Buch einen fo wohlthätigen Eindrud 
wie das vorerwähnte nicht zuruͤcklaͤßt. Man fehle von 
voruberein ſich recht unangenehm getäufcht. „Aus mels 
nem Leben”, umd zwar „in amtlicher, literarifcher und 
bürgerlicher Beziehung”! So lautet der Kite. Was 


1890 


ann man anders erwarten als Biographiſches? Manche, 
denen des Heren Doctors Leiftungen und Verdienſte eben 
nicht bekannt geworden, wundern fidy vielleicht, daß er 
feine Geſchichte für wichtig genug bielt, um fie unter 
demfelben Zitel, unter weichem Goethe fein Leben bar: 
ſtellte, der Welt vorzulegen; aber fie. ſchlagen das Buch 
doch auf, vielleicht um fo begieriger, zu erfahren, was 
fi in dem Friederich ſchen Leben begeben, und wie «6 
fi und was es geflaltet hat. Es liege aber nur bet 
erfte Band vor uns, und diefer trägt das Schtid „Re: 
Kgion und Kirchenthum“. Wie fügt ſich da6 in dem 
Titel „Aus meinem Leben”? frage man bedenklich, und 


eilt Aufſchluß fuchend um fo mebe, das Blatt umzuwen⸗ 


den. Da findet man wieder einen Zitel, welcher lautet: 
„Ausgewaͤhlte chriftliche Feſt⸗ und Caſualreden, nebft eis 
nem Anbange religiöfer Poeſien“. Alſo geiftliche Neben 
und Lieder! Nun freilich dee Here Verf. kann fagen: 
„die find auch aus meinem Leben’; aber er wird ges 
fiehen, daß man unter biefem Titel etwas Anderes er: 
wartet und daß einige Weranlaffung zu dem Argwohn 
gegeben tft, es habe unter folcher Aufichrift eine Waare, 
die nicht fo fehr geſucht iſt, an Mann gebracht werden 
foten. Eine Taͤuſchung mar gleichwol keineswegs beab: 
ſichtigt. Denn der Here Verf. zweifelte gewiß nicht, daß 
er die ausgewähltefte, echtefte, gediegenfte Waare dar; 
biete, und daß auch der Here Verleger diefe Meinung 
theitte, das beweiſt die hoͤchſt anftändige, zierliche, faft 
prächtige Ausftattung des Buchs. Man fieht alebald, 
es follten die vorausſetzlich goldenen Apfel in filberner 
Schale dargeboten werden. Die filberne Schale kommt 
wohlgelungen uns freundlich entgegen; aber, ehrlich ge: 
fagt, die goldenen Äpfel ſuchten wir vergebens, vieleicht 
weil wir nicht hellſehend genug find. | 
Der Here Verf. hat uns ber Mühe überhoben, viel 
Loͤbliches von feinem Buche zu fagen, denn er felbft fagt 
davon In bem „Bor: und Fuͤrwort“ genug, und beruft 
fi zudem auf die „,vorzüglichften kritiſchen Blaͤtter 
Deutſchlands“, und die nicht minder ehrenwerthen Stim⸗ 
men feiner Zuhörer, die über den Werth feiner Leiftuns 
gen fich ausgefprochen haben. Es wäre um fo überflüf: 
figer, noch mehr Ruͤhmens von Gelflesproducten zu ma: 
hen, die ihren Lohn fchon dahin haben. Wir zweifeln 
wicht, daß Reben, die großentheil6 In einer gewaltig auf: 
geresten Zeit und mit Ruͤckſicht auf die damals herr: 
ſchende Stimmung und Richtung gehalten worden, Ein: 
gang, Beifall, auch Auszeihnung gefunden haben; aber 
das ift der nüchternen Kritik noch Bein enticheidendes 
Beugniß für bie Gediegenheit des Inhalts und der Form, 
obwol es den Redner verleitet haben mag, den Werth 
feiner Reben höher anzufchlagen als fi gebührt. Wir 
bergen nicht, daß die Eitelkeit und Selbfigefälligkeit, in ber 
das Buch bervortritt, und bie einem chriftlichen Pfarrer 
am wenigften woblanfteht, uns gegen dem übrigens une 
ganz unbelannten Verf. etwas eingenommen hat. Das 
hindert uns vieleicht, alle die Vorzuͤge wahrzunehmen, 
die feine guten Freunde, Gönner und Genoſſen in feinen 
Arbeiten gefunden haben mögen. | 


Das Buch, dem auch das gierliche Portrait bes Herrn 
Dr. Friederich voranſteht, iſt Sr. Majeflät dem Könige 
Wilhelm 1. von Würtemberg „im froben, ja begeiftern- 
ben Erinnerungsgefühl an den 18. Oct. 1815 und 25. 
Sept. 1841 ehrfurchtsvoll geweiht”. - Am Abend jenes 
Octobertags hörte ber damalige Kronprinz won Wuͤrtem⸗ 
berg mit feiner Gemahlin des Verf. Feierrede, und jener 
Septembertag iſt bekanntlich - durch die Verkündigung ber 
unbedingten: Amneſtie für politifhe Vergehungen ausges 
zeichnet. Einem Könige bringt man, wenn man mit 
freiwilliger Gabe ihm huldigt, das Beſte, das Koͤſtlichſte 
dar, was man bat. Das wollte, das that auch Herr 
Dr. Frieberich; aber was fubjectiv das Welle ift, das 
kann objectiv fehr mangelhaft fein, und fo erfheinen uns 
die vorliegenden Reden und Poeſien. Es iſt darin viel 
su wenig gediegener Gehalt und viel zu viel Wortgeklin⸗ 
dei, Flitter und Raufchgold, als daß wir daran als am 
echter Beredtſamkeit uns erbauen könnten. Da aber ber 
Herr Berf. offenbar das Bewußtſein in fi trägt, baf 
feine Arbeiten von gediegenem Werthe find, fo wundern 
wis uns um fo mehr, daß er mehre Blätter, die er aus 
feinem ohne Zweifel reichen Vorrath ausſtatten konnte, 
mit überflüffigen Auszügen aus fremden Schriften füllte, 
wie er denn einer Pfingfpredige über ,, göttliche Begeiſte⸗ 
rung‘ ein ſechs enggedruckte Seiten langes Fragment aus 
dere Schrift „Menfhen und Gegenden”, vom Karoline 
von Woltmann, „über die Örter, wo Huß verhört warb, 
gefangen faß und ftarb”’, als eine uͤberfluͤſſige Zugabe anhing. 

Es entfpriche dem Zweck db. BI. nicht, Predigten zu 
recenſiren; es genügt an einigen Andeutungen zur Cha: 
rakteriſirung der vorliegenden. Der Standpunkt des Berf. 
ift der des Nationalismus, des inconfequenten, der zwi⸗ 
[hen Stauden und Unglauben behaglich hindurchzuſchiffen 
trachtet, weil jener ihm zu ſchwer, diefer doch allzu weit: 
gehend fcheint, ein bodenlofes Schaukelfuften, bas, indem 
es fich fanft bins und herwiegt und bie Anmäherung an 
einen der beiden Pole fcheut, dem rechten Indifferenzpunkt, 
die gerechte Mitte, den Stein der Weiſen gefunden zu 
haben wähnt, und weder alt noch warm iſt. Da hätt 
man fich kluͤglich in den engen Grenzen einiger fogenann: 
ten praftifchen Lehren, und berührt nur fchüchtern, mit 
leiſem Finger, das tiefere Dogma; indem men bafjelbe 
fein oberflächlich auffaßt, überredet man fi umd Andere, 
es hinreichend aufgeklärt und erfhöpft, bie Quinteſſenz 
Daraus gezogen zu baben. 

Seftpredigten find überall der befle Probirflein zur 
Prüfung der Geiſter der Theologen; man leſe bie, 
welche Herr Dr. Friederich, gewiß als die auserwäblteften 
und vollendetfien in der Sammlung „Aus meinem Leben‘ 
mittheitt, und man wird ſich leicht Überzeugen, wie fo gar 
wenig in ben tharfächlichen Gegenfland ber Feier eins 
gedrungen, wie oberflächlich gerade das Weſeuntlichſte auf: 
gefaßt iſt, und wie gefliffentlich das Meifte darauf berech⸗ 
net fcheint, es Allen mundrecht zu machen, um Alter 
Beifall zu gewinnen. Dieſes Haſchen und Jagen nad) 
Beifall, nach Effect iſt im den meiften Reden zu fehe in 


die Augen fallend, als baf wir fuͤrchten dürften, bem 





Verf. Unreche zu thun, inbem Wir 06 Öffentlich. sügen. 
Er darf verficdert fein, daB wie ihm damit nicht wehe 
thun, fondern nur auf eine ſchiefe, dem höhern Zweck 
der geiftlihen Rede unvermeidlich hinderliche Richtung 
ihn aufmerkſam machen wollen, um fo ernfler, je gewif: 
ſer er mit feinen Talenten und Erfahrungen, mit feinem 
Fleiß und Eifer Beſſeres zu leiſten vermöchte, wenn er 
nicht feine Ehre und der Welt Beifall, fondern vor Al: 
lem Gottes Ehre und das Heil der Gemeinde fuchte, 
nicht duch) Gchönrebnerei, fondern buch die fiegreiche 
Gewalt der Wahrheit die Herzen zu gewinnen firebte. 

Wir müffen es theologifchen Zeitfchriften uͤberlaſſen, 

die Breite und Schwerfaͤlligkeit manches Themas (eine 
nimmt fieben Zellen ein), die Willkuͤr und Mangelhaf⸗ 
tigßeit mehrer Dispofitionen, die Dürftigkelt der Ausfüh: 
ung fehe vieler Dauptfäge nachzuweiſen, und begnügen 
uns mit einer einzigen Probe der Auffaffung und Be: 
handlung evangelifcher Lehren. Am Dreieinigkeitsfeſte 
prebigte Here Dr. Friederich „uͤber die Erkenntniß und 
den. Werth der heutigen Feſtlehre von Gott, Vater, Sohn 
und Geiſte“, und kündigte an: „In dem erflen helle 
meiner Predigt werde ich mich mit der Anficht des Chri⸗ 
ſten von der innern Erkenntniß diefer Lehre befchäftigen, 
in dem zweiten Theile aber mit einer Schilderung bes 
Werths derfelben für Geiſt und Gemüuͤth beichäftigen!” 
Wenn nun fon bdiefe wunderliche Anklındigung befrem: 
det, fo ift noch viel verwunderlicher die Ausführung, bie 
auch den maͤßigſten Anfoderungen nicht genägt. Die 
ganze inhaltichmere Aufgabe des erſten Theils nimm! 
faum ein Deittel der Predigt ein, und der Eurzen Rede 
kuͤrzerer Sinn iſt der, daß wir eigentlich von der Sache 
nichts wuͤßten noch fagen koͤnnten, auch thöricht ſei, das 
nach zus fragen. Abgefehen davon, daß hier wie überall 
das liche Ich des Redners allzu felbitgefällig hervortritt 
(faft jedes Thema kündige fih an: Sch will, Ich werde, 
Nachdem ih, oder etwa: Meine Rebe foll u. f. w. 
Loft mich u. ſ. w.), ba er doch nicht fih und feine Weis: 
beit, fonbern Geſetz und Evangelium zu prebigen berufen 
ward, fo iſt auch Das, was er hier aus feinem eigenen 
Schatze fpenbet, fo unzureichend, dag man kaum begreift, 
wie diefe Predigt Eine der auserwählten „Aus meinem 
Leben‘ fein follte, da ber Verf. doch zu geößern Erwar⸗ 
tungen und Anfprüchen berechtigt, zumal er ein micht 
unbeliebter Schriftfteller zu fein fcheint, wie er benn be: 
reits 33 auf dem Umfchlage bes Buchs ausführlih auf: 
geführte Schriften hat ausgehen laſſen. 

Hier möchten wir enden; aber einige Proben feiner 
Beredtſamkeit find wie dem Herrn Verf. und den Leſern 
noch ſchuldig. Der erſte Theil feiner, übrigens wirklich 
begeiſterten und nicht unkraͤftigen Rede am Abend des 
18, Oct. 1815 beginnt: 

Was wir erfuhren? Ah! das ich fie austilgen koͤnnte aus 
der Grinnerung aller Deutſchen jene Gchredensiahre, die 
mit dem Prunknamen ber Freiheit bei dem Nachbarvolke begans 
nen, in rafendem Mord und Hohn bes Heiligften fortwütheten 
und mit der ſchaͤndlichſten Knechtſchaft für uns und Guropa zu 
enden drohten 

Das Mingt wol fehe beredt und patriotiſch, aber «6 


Pi 
* 


iſt doch nicht wohlerwogen; denn jeur E ande‘ 
tigen hieße ja vergeffen marhen, was uns zur Warnung, 
zur Züchtigung dienen fol; vielleicht weniger zierlich, aber 
gewiß richtiger, angemeſſener hätte er gefagt: O daß ich 
recht Mar Euch vor Augen ftellen, vecht tief ins Herz 
prägen koͤnnte u. f. w. 

In derielben Rede Heiße es: 

Bücher, dem greifen Helden mit dem Himmelsfeuer für 
König, Vaterland und Freiheit, und feinem erhabenen Freunde 
Wellington war es im fchönften Bunde vorbehalten, am 18. 
Zunft d. 3. auf den Höhen von BellesAlliance den Sturm zu 
beſchwoͤren und das Heil ber zagenden Menſchheit abermals zu 
begründen. (!—?) | 

Die Rede am Abend bes 18. Det. 1816 beginnt: 

Sahrhunderte hat die Ewigkeit verfchlungen, und wieber 
Jahrhunderte koͤnnen entfliehen, ohne daß Frankfurts Würger 
ein folches Feſt wie das heutige in ihrem Gebiete feiern, das 
Doppelfeft deutſcher und fädtifcher Freiheit. (I—?) 

Es war der Tag der Verpflichtung des Magiſtrats 
und der VBürgeefchaft auf die Verfaſſung. Am Weib: 
nachtöfefie hebt der Redner an: 

‚ Überall auf ber weiten Erde, mo bie Religion bes Kreuges 
mit ihrem Lichte und ihren Segnungen die Menſchheit begluͤckt, 
Kan bie “ Geburtöfeft ihres göttlichen Stifter in biefen 

en. (!— 

Überalt ? Die morgenländifhen Chriften feiern es be: 
kanntlich fpäter. 

Es wäre noch Manches an diefem Buche zu ruͤgen; 
wir wollen aber lieber des Herrn Berf. warme Theil 


‚nahme an ben hoͤchſten Angelegenheiten ber Menſchheit, 


den wenn auch nicht vorurtheil6freien, dach gewiß redlichen 
und wobhlmeinenden Ernft und Eifer für diefelben aner 
tennen, und. öffentlich bezeugen, daß manche Reden, ab: 
gefehen von ihren rhetorifhen Schnörkein, fih ruͤhmlich 
auszeichnen, und daß uns in den meilten Gutes und . 
Tüchtiges entgegenlam. Und da denn Herr Dr. Krieberich 
begabt genug tft, um Beſſeres zu leiften, fo follte er um 
fo mehr vor unehtem Redeſchmuck fi hüten, zu dem 
wie auch die vielen ber profaifhen Rede eingemwebten 
Derfe, eigene und fremde, rechnen, mit denen er allzu 
freigebig gewefen iſt, und die nur bei fparfamem Ge⸗ 
brauch am rechten Drte bie rechte Wirkung hervorbrin⸗ 
gen. Die im Anhang beigefügten groͤßern und Beinen 
Gedichte find eben nicht von reichem poetifchen Gehalt, 
aber in der leichten und gefälligen Hülle nicht ohne gus 
ten Kern. Wie wünfchen auftichtig, im zweiten Bande, 
welcher „bei wiffenfchaftlihen und Buͤrgerfeſten gehaltene 
Reden“ mittheilen fol, bes Guten und Köblichen mehr 
als bes Tadelnswerthen auszeichnen zu können. 81. 





Literarifhe Notiz. 
Der homme de rien über deutſche Literatur. 

Der geiftveihe Verf. der „Galerie des contemporaias 
illustres; par un homme de rien’ ift bereits beim fünften 
Bande angelangt. Mit jedem neuen Hefte entwickelt er ein 
größeres Talent zur Charakterzeichnung politifcher,, literarifcher 
und anderer Rotabilitäten. gibt uns nicht etwa nur ein 
trockenes Gerippe von ber Außern Biographie ber Perfonen, die 
er uns vorführt, fonbern er weiß das Gange mit ebenfo pikanten 
als Lehrreichen achtungen zu beleben. Dabei zeigt ſich nicht 
Die Spur von —— Parteinahme für ober wiber. 


Der ftſteler, des aus Weidiwibenheit Härter 
der Fred * birgt I fogar faft alle natio⸗ 
nalen Borurtheile ab und huͤtet ſich namentlich in der Darſtel⸗ 
tung der Sommitäten des Auslanbes vor dem Fehler, in den feine 
Landeieute nur gar zu oft fallen, die bei der Beurtheilung fremder 
Zufände leicht Alles über ihren Leiften fchlagen. Dieſe Unpars 
teilichkeit zeigt fich unter Anderm in dem Portrait, das ex von 
A. S. v. Schlegel entwirft (45. Lieferung). Diefe Charakteriſtik 

uͤberbdies eine fo große Vertrauiheit mit den deutſchen 
literariſchen Zuſtaͤnden, wie man ſie in Frankreich nur ſelten 
u finden gewohnt iſt. Diefer homme de rien weiß von beut- 


cher Literatur mehr ald die Herren Marmier, H. Blaze u. ſ. w., 


die ſich dieſelbe als „specialit#” erwählt haben, zuſammenge⸗ 
nommen. So bebt er namentlich In feiner erwähnten Biographie 
gel's bie verfchiedenartige Webeutung bes Romantiſchen 
in Deutſchland und Frankreich hervor. 
geiftige Herrſchaft Frankreicht über Deutſchland und bie natürs 
liche Reaction, d. i. den Ginfluß deutfcher Literatur auf die franz 
zöftfche,, Tagt, fann man unbedingt unterfchreiben. Intereſſant 
ift die Vergieichung, die M. de Lomeny (fo heißt der homme 
de rien) zwifchen dee Vorrede zum „Cromwell’ von B. Hugo, 
dirlem berkhmten Manifeſte des romantiſchen Gchmle in Frank⸗ 
reich, und ber erften, zweiten und bdreisehnten Vorleſung uber 
duamatifche Literatur anftelt. Dan kann es ihm nicht als Un⸗ 
parteilichkeit auslegen, wenn er bie Angriffe Schlegel's auf 
Molitre zuruͤckzuweiſen fucht und zugleich einige andere Unge⸗ 
rechtigkeiten Schlegel's in ihrem rechten Lichte barflellt, denn 
wer wollte noch jept deſſen Ausdeud, daß Mtolitre, von 
dem Goethe fagt, daß ein Gebilderer wenigſtens jedes Jahr 
einmal etwas von ibm lefen follte, nur Talent für die Poffe 
bt babe, rechtfertigen? In den politiſchen Gharakteris 
des komme de rien tritt feine Unparteilichkeit ebenfo 
—— auf 6 in ben literariſchen Partien fein 
6. . 


Bibliographie. 

Zehn Actenſtuͤcke über bie Amtöentfegung des Prof. Hoff: 
menn von Falleroleben. Wankim, Baffermann. 8. 2’, Nor. 

Bremer, Frederike, Die Rachbarn. Aus dem Schwe⸗ 
diſchen. Mit einer Vorrede der Verfaſſerin. Zwei Theile. Ate 
verbeſſerte Auflage Leipzig, Brockhaus. Gr. 12. 20 Nor. 

Buͤhrlen, F. L., Die Prima Donna. Theater⸗Roman. 
33 Tele. Ay dem Bilde bes Verfaſſers. Gtuttgart, Franckh. 

. 8, Ip, 

Debatten des rheiniſchen Landtags über bie Smancipation 
der Juden. Mit einer Ginleitung von einem Staatsmanne. 
Berlin, Voß. Gr. 8. 7%, Nor. 

Drobiſch, T., Iduna. Poefien uͤber Gott, Unfterblich: 
Te und Tugend. Leipzig, Hunger. 1844. 8. 1&hir. 

Gersporf, 3., Das Bolkeſchriftenweſen ber Gegenwart. 
auf den Verein zur WBerbreitung gus 
iften zu Zwickau. Altenburg, Pies 


@äcilia, in drei 
5 Nor. 





Gefängen. M „Sentner. Er. 10, 
Sie yo ann 


ner, J. S., Beitsäge zur Geſchichte ber koͤnigl. Stadt 
Eger und des ebbee Gebietes. Aus Urkunden. Prag, 
Salve. Gr. 8. Y% Nor. 


Handbuch für Reisende auf dem Maine, von 8. Hänle 
und K. v. Spruner. Nürnberg, Stahel. Gr. 12. 1 Thir. 

Höhne, F., Wahn und Überzeugung. Reiſe über Bre: 
men nad) Nordamerika und Texas in den Jahren 1839, 1840 
und 1841. Gchilderungen der Bremer Geelen : Transportiruns 
gen, ber Schickſale beutfcher Auswanderer vor, bei und nad) 
ber überfahrt; KReifefcenen zu Waſſer und zu Lande und auds 
fuͤhrliche Rathflgläge für Anſiedler in Bezug auf den Charak⸗ 
ter, die Sitten und conflitutionellen Verhättniffe dee Amerika: 


Das, was er über bie | 


ES am Mira 
# $ 
gen. Weimar, Hoffmann. Gr. 16. 1 Thlr. * 


., Die Feierabende in Mainau. 2te verbeſ⸗ 
tahlſtichen. Leipzig, Dyk. Gr. 16. 
Lamb, K, 


‚enäptungen. Userfegt von 9.8. 
Dralte. Stuttgart, . Be. 8. 1 Kbir. 


Berliner Lichtbilder und Schattenfpiele. Herausgegeben von 
J. Lasker. Iftes Heft. Berlin, Plahn. 12. 3 Ber. 
Maltzahn, F. v., Einige Worte an meine Landsleute. 


Sacobs, 8 
ferte Auflage. Mit drei 
1 hir. 17% Nor. 


Roſtock, —— 8. 3%, Ner. ein 
tagtemaͤnner. Anſichten eines oͤſter⸗ 
reichiſchen Staatsbuͤrgers über ſterreichs Fortſchritte feit dem 


Jahre 1840. 2ter Band. Leipzig, Reclam jun. Gr. 8. 2Abir. 

Ponſard, Lucretia. Zrauerfpiel in fünf Aufzügen. Mes 
triſch überfest von A. Schrader. Hamburg, uberth und 
Comp. 184. 7% Rer. zu 


Die jetzige —— Preußens. GSogſematiſche 
fammenftellung ber ſeit dem 24. December 1841 ergangenen 
Cenſur⸗ und Preß⸗Geſetze ſowie Miniſterial⸗Reſcripte. Ber⸗ 
lin, Deutſche Verlagsbuchhandiung. 8. gr. 

Reiſe eines Norddeutſchen durch die Hochpyeemien in ben 
Jahren 1841 und 1842. Won W. v. SR. Zwei Theile. 
zig, Brockhaus und Avenarius. Gr. 12. 2 Ihlr. 20 Nor. 

Rottels, I. J., Kritik der Bildung in unferer Zeit. 
Luzern, Meyer. Gr. 8. 1 Zhlr. 5 Net. 

Sainte Roche. Bon der Berfafferin von „Godwie⸗Gaſtle“. 
Drei Theile. ste verbefierte Auflage Mit einer Abbilbung 
bes Schloſſes. Bresian, Mar und Somp. 8. AXpir. 22%, Nor. 

Schloß Wildon. Drei Theile. Leipzig, Eiſenach. 8. 


4 Thlr. 

Spohn, J W. A., Predigt zu Deutſchlands Jubelfeier 
am 6. Auguſt 1843. Berlin, Springer. Gr. 8. 2%, Rgr. 

Süß, J. J., Erſter Schuß auf die im Juni 1843 in 
Elberfeld erfchienene Beleuchtung ber Schrift: „Über ben Frie⸗ 
ben unter der Kirche und den Staaten von dem Erzbiſchofe 
Stemens Auguſt.“ Rebſt einem Beiwagen für blinde Paffagiert- 
Köln, 3. und W. Bolflere. Gr. 8. TY, Nor. 

Swift’s humoriſtiſche Werke. Aus dem Engliſchen über 
fegt und mit ber Geichichte feines Lebens und irkens bereis 
dert von $. Kottenlamp, Drei Bände. Gtuttgart, Scheible, 
Nieger u, Sattler. Kl. 8. 2 Thir. | 

Taschenbuch zu Verbreitung geographischer Kenntnisse. 
Eine Übersicht des Neuesten und Wissenswürdigsten im 
Gebiete der gesammten Länder- und Völkerkunde. Heraus- 
gegeben von J. 6. Sommer. Für 1844. 2Bster Jahrgang, 
Mit sechs Stahltafeln, Prag, Calve. 8. 2 Thir. 

Zouffeint, 4 2 G., Gefammelte Novellen. Aus bem 
Hollaͤndiſchen überfegt von 8. &. Mofeler. Ifteer Band. 
a 8 1 hi rad n 

Urtheit in ber Unterfuchungsfache gegen ben Bürger: 
meiftee Dr. GScheffer, 2) den Dr. 2, Eichelberg, 3) den Prof. 
Dr. Zorban, 4) den ©. v. Breitenbad, 5) ben Univerſitaͤts⸗ 
Beichneniehrer Dr. Hach, 6) ben Hutmacher G. Kolbe, 7) ben 
Schuhmacher C. Bamberger, 8) den Regierungs sProbator G. 
K. Wagner, 9) den Buchhändier C. Garthe, 10) den Tuch⸗ 
macher 3. Häring, 11) den Scweiner B. Gtetefeid, 12) den 
Rector 3. ©. Moͤhl, 13) den Fruchthaͤndler K. Kröder, 14) ben 
Metzger WB. Brauer und 15) den Kaufmann 3. H. Mojerus, 
wegen verfuchten Hochverraths, beziebungsweife Beihuͤlfe zu 
bochverrätherifchen Unternehmungen und fonftiger Vergeben, 
nes ben Sntfckeidungsgründen. Warburg, Eimert. Er. 8. 


% gr. 

Wittich, A., Srinnerungen an Liffabon. Gin Gemälde 
ber Stadt nebft Schilderungen portugieflicher Zuftände, Beftre 
bungen und ortfchritte der neueften Seit. Berlin, Reimer. 
Gr. 8 1 Thir. 7%, Nor. 





Berantwortlicher Serausgeber: Heinrid Brokhaus. — Drud und Berlag von 8. A. Broddaus in Leipzig. 


Blätter 


für | 


literariſche Unterhaltung. 


Genovewa. Tragödie in fünf Acten von Friedrich 
De bb a, Hamburg, Hoffmann und Gampe. 1843. 
Die Nichtung unſers Zeitnlterd fcheint der dramati: 
fen Poefie nicht gimflig zu Teiln. Wir leben im Zeit: 
alter dee Sontemplation und der Discuffion; die großen 
Charaktere offenbaren fich weniger in Thaten ale in Buchs 
flaben und Zahlen. Wir leben im Beitatter des Friedens; 
unfere hoͤchſten Intereſſen find die Zolfrage, die Muͤnz⸗ 
"frage, die Bergwerkéfrage, die Colonifationsfrage, die Ges 
fängnißfeage; die Eiſenbahnen zeugen von dem friedlichen 
Verkehr, und die Dampfſchiffe von der Bluͤte des Com⸗ 
merzes; role haben viel Zeit, Monumente zu errichten, 
Walhallas und Freiheitsfimpferhallen zu begränden ; bie 
irchlichen Differengen werden in den Gabineten und auf 
den Scheeibftühlen der Gelcheten und der Publickften vers 
fochten; wir find zu zahm und zw gut gefchult, um uns 
tee der Herrſchaft großer und gewaltiger Leidenſchaften zu 
fiehen. Wie fcheinen fo etwas in idealiftifcher Richtung 
und zu bewegen; darum gilt‘ oft die gut zugeflugte Rüge 
mehr ats die einfache Wahrheit, Redensarten mehr als 
Worte, Morte mehr ald Thaten. Vielleicht hängt es mit 
dem Allen zufammen, daß auf ber Bühne die franzoͤſi⸗ 
(den Luftfpiele fo viel Beifall finden. Bor allem rem: 
den, namentlich vor dem Franzoͤſiſchen hat man im vor: 
aus eine Met von Mefpeet, wenigſtens fo lange man es 
noch nicht kennt; dagegen zweifelt man gar gern an der 
Tuͤchtigkeit namentlich deuffcher Drigmmaldichtungen; unfer 
Publicum macht es jetzt wie Friedrich der Große damals: 
wie follte denn Der und Der ein gutes Drama dichten! 
Dazu kommt: tft der Stoff eines Dramas aus der Be: 
ſchichte unfer® deutſchen Bolks entiehnt, fo ſchlaͤgt es we⸗ 
nig ein, weil wir zu wenig mit der Geſchichte unſers 
Volks — es iſt ſchmaͤhlich zu ſagen — bekannt find. 
Ich erinnere an Raupach's „Hohenſtaufen“. Obwol man: 
ches Schoͤne, Poetiſche darin iſt, ſo hat doch ein berliner 
Spaßvogel recht, wenn er auf die Raupach'ſchen „Hohen⸗ 

ſtaufen“ den Verd anwendet: | 

D web, fo mußt’ es ja vertaufen! 
Das ih war niemals: mit den Hohenſtaufen! 

Doch Raupach hat manderlei Antipathlen erregt; ich 
waͤhle darum noch ein anderes Beiſpiel, und zwar den 
„Kalſer Otto“ von Julius Moſen. Der Stoff ift doc 


er aus dem Volksebewußtſein heransbichtet. 





poetiſch; ein Dichter ift es auch, der ihn behanbelte; aber, 
wirkt das Drama auf das Volk? Nein. Und des allge⸗ 
meinſte Grund ift der, wir ſſehen nicht Im Bufamınen- 
hange mit der Geſchichte unfers Votks. Diefe Zuſam⸗ 
menhangẽloſigkeit wirft ſowol auf den Dichter als auf 
das Publicum; auch der Dichter iſt mehr Dichten, we: 


As Beiſpiet 
dazu führe. ich die griechlfihen Dramen und ihre umgehen 
en Wirkungen an. Als die Nachricht von der Mioder⸗ 
lage des Nicias nach Athen kam, fpielte gerade, wie Plu⸗ 
tacch erzähle, Degemon feine ‚‚Bigantomachle”; das Bub, 
dieſes bewegliche, pelitifchsregfame Volk von Achen, tt» 
fuhr die Nachricht, aber es wich nicht von feinen Eigen, 
bie Komödie mußte awögefpiele werben. 

Ferner: Unſer gegenmwärtiges fociale® Leben bat feine 
eigenthämilichen teagifchen Momente; aber wo find Die, 


welche Sinn dafuͤr haben? Liegt nicht in diefer unheil⸗ 


vollen fogenannten Macht der, Berhätmiffe, deren Despo⸗ 
tie frühere Perioden gar nicht in der Weiſe Eannten, ein 
echt tragiſches Moment; ferner in diefer unbedingten Übers 
macht aller materiellen Intereſſen über bie ſpirituellen, 
des Phyſiſchen über das Moralifche, der Maſſe uͤber dem 
Einzeinen, liegt darin nicht etwas Tragiſches? Geier 
weife darin, daß wir jetzt jedes Individuum auf einen 
Cuiminationspunkt von Bildung binauffchrauben, waͤhrend 
doch der Einzelne viel weniger ais Einzelner denn in Maffe 
in Betracht kommt; ja, wir Iöfen dem Geifte alle Feſſein 
des Denkens, des Philoſophirens, der Religion, det Wrede, 
und der ganze Menfh, dad Leben feldft, ſchmachtet im. 
der tiefften Sklaverei der Geburts⸗ und Standesvortechte, 
bevorzugter Kaften im bürgerlichen Kieinfeben wie Im 
Stantshaushalt. Die Fonds, das Geld dominirt Aber 
alles geiftige Gut und Intereſſe; wir haben fo lange über 
unfere deutfche Gemuͤthstiefe ſelbſt gewigelt umd jeden 
kump ungefteaft darüber wigeln laflen, daß das tiefere 
Intereſſe an den tragifhen Momenten unfers Lebens 
ganz erlofchen zw fein ſcheint. Ich nehme zum Beifpirk 
ein Gutzkow'ſches Drama, etwa „Welt und Herz” oder 
„Ein weißes Blatt“ — geht einmal hin und fragt unfer 
vornehmes und fich für vornehm haltendes Publicum, was 
es fügt: es fpÖttelt, es rimpft- die Naſe; eine Erzieherin 
aus „Welt und Herz“, oder eine Beate aus „Ein weißes: 
Blatt“ find gar Beine Perfonen, die im der hoͤhem Gefells 





194: 


ſchaft Zutritt Haben würden, wenn fie kaͤmen; alfo man 
bat für ihre Schickſale, für ihre Tendenzen, für ihre Con: 
flicte keine Intereſſen; die allgemeine Verflachung geht fo 
weit, daß man ſich gar nicht einmal die Mühe nimmt, 
ſich einem Gedanken darüber hinzugeben. Man hat- oft 
daruͤber gefpottet, wenn. behauptet iſt, daß wie arm an 
Stoff wären ; allein nah Allem, was ich oben gefagt 
babe, wird man die Klage nicht unbegründet finden. Die 
großen hiſtoriſchen Charaktere und Situationen find wirt: 
lich bedeutend ausgebeutet ; und, was ſehr ſchlimm iſt, 
einzelne verfehlte Productionen, unreife Verſuche neuer dra⸗ 
matiſcher Dichter nehmen den nachkommenden den Eredit. 
Ich führe Laube's „Monaldescht” an; ja, und wenn 
Jemand Laube's Bufenfreund ift, fo wird er nicht fagen, 
daß das eine geniale Schöpfung fei. Ich führe ferner den 
Bart von Bourbon” von Pruß an; das iſt doch eins 
dee undramatiſchſten Probucte, die ſich jemals auf bie 
Vahne gedrängt haben, blos nach dem handwerfämäßigen 
Plane hergerichtet, daß jeder mitagirende Schaufpieler auch 
eime Scene bekommen muß; allerdings bat in dem „Bour⸗ 
bau’ jeder Acteur feine Scene, und wenn der (cute bie 
feine abgemacht Hat, fo tft das Stud aus. Solche 
Eyercitin verlegen den wirklich bramatifchen Dichten 
ben Weg gar fehr; zuerft beim Publicum, deſſen Er⸗ 
wartungen durch vorbergegangenes Lob bedeutend ermedt 
find; ferner bei den Künftiern. felbft, denen die ungeheuere 
Arbeit des Studirens ihrer Rolle mit nichts als mit zwei⸗ 
maligem Durchfallen des Stuͤcks gelohnt iſt. 

Man hat nun der dramatiſchen Poeſie und Kunſt da: 
durch neuerdings aufhelfen zu koͤnnen gemeint, daß man 
die altgriechiſche Tragoͤdie auf unſere deutſche Buͤhne brachte. 
Die Aufführung alter, namentlich roͤmiſcher Komödien von 
Plautus und Terenz greift in bie Altefte Zeit der drama⸗ 
tiſchen Kunft in Deutichland zurüd, wo dergleichen all: 
jährlich von den Schülern der Gymnaſien zur Darſtellung 
gebracht wurden; in England, namentlich in der Schule 
zu Eton, gefchieht es noch. Ob die dramatiſche Kunſt das 
durch etwas gewonnen habe, das heißt, ob ihr dadurch 
vorgearbeitet fei, wiſſen wie nicht; in Frankreich foll Tal⸗ 
ma auf diefem u zum Bewußtfein feines Talents ges 
kommen fein. In Deutſchland iſt inzwiſchen das Intereffe 
für die alte griechiſche Tragoͤdie namentlich den Gelehrten 
geblieben; auf den Kathedern der Schulen und Univerſi⸗ 
taͤten erklaͤrt man fie, ohne fie zu genießen; Tieck, der 
auch das Intereſſe für. das altenglifche Theater wieder er: 
weckt bat, ift der Ucheber des Gedankens, fie jetzt in Scene 
zu fegen. Aber das hat feine große Schwierigkeit, zunächft 
für die Acteurs; der Schritt, den fie zur antiken Ruhe 
und Einfachheit zuruͤckthun müffen, gelingt nicht Jedem; 
ferner: die Verbindung dee Mufit mit den Worten, nas 
wentlich mit dem Chor, iſt fo wenig bekannt; die In⸗ 
firumente feloft, die Einrichtung bes Orcheſters, ja die Ein: 
sichtung ber Scena, über das Alles Lafien fih nur Ver⸗ 
mutbungen ausfprechen, fobaf wir, was auch Tieck, was 
auch Mendelsfohns Bartholdy, was auch die Kuͤnſtler lei⸗ 
ſten mögen, doch nimmermehr das alte elaſſiſche, fondern 
nur ein zutechtgemachtes neuantikes Drama haben. Das 


zu kommt noch die Schwierigkeit, eine Überſetzung auszu⸗ 
arbeiten, oder eine von den aͤltern zu wählen. Da hat 
man. 5. B. die vortreffliche Überſetzung des ÄAſchylus von 
Deopfen; aber wie ſchwer iſt die zu ſprechen umd alfo wie 


ſchwer zu ˖verſtehen; diefe Langen Woͤrter, melche eden -gries 


chiſchen Compoſitis nachgebildet find, dieſe aft ſchwierigen 
Satzfuͤgungen, an welche das Ohr und bie Auffaſſungs⸗ 
kraft unſers Publicums gar nicht gewoͤhnt iſt — das 
Alles iſt wirklich gar fchwer zu überwinden. Die Vers 
fuche, die man mit der altgriechtſchen Tragoͤdie gemacht 
bat, find demnady eben nur Verſuche geblieben, und has 
ben, als etwas Einzelnes, Abgeriffenes, kein Reſultat ges 
ben koͤnnen. Viel wichtiger ifl, was in der neueflen Zeit 
einzelne deutfche Dichter verfucht Haben, und ba ſteht Fried⸗ 
rich Hebbel in der Reihe ber kuͤhnſten und edelſten. 

Die „Genodeva“, die neueſte Tragoͤdie Friedrich Heb⸗ 
bel's, iſt ganz und gar Tragoͤdie im Sinne bes Ariſtoteles. 
Ariſtoteles naͤmlich, der die Foderung aufſtellte, daß der 
Geiſt ſich immer mehr und mehr reinigen ſolle und bes 
freien von den Begierden des Irdiſchen, behauptete, die 
Tragoͤdie habe den Zweck, eine ſolche Befreiung oder Rei⸗ 
nigung, Kosdapoıs, hervotzubringen. Die Tragoͤdie hat 
alſo nach der Ariſtoteliſchen Theorie einen durchaus mora⸗ 
liſchen Zweck; fie ſoll das Gemuͤth reinigen dadurch, daß 
ſie Mitleid und Furcht erregt; Mitleid und Furcht ſind 
ihm bie Elemente des Tragiſchen. Diefes Mitleid aber 
ift nicht blos das Gefühl des Leids beim Leid Anderer; 
das gewoͤhnliche Mitleid ſchlaͤgt nur nieder; das Mitleid, 
von dem Ariſtoteles fpricht, iſt der tiefere Autheil an den 
Beftrebungen, Schickſalen, Tendenzen und Planen ber 
handelnden Perfonen, es läßt uns in ihrer Beſchraͤnkung 
auch die unfere ahnen, und erhebt zugleich. In gleicher 
Weiſe ift die Furcht nicht bios das Gefühl dee Bangigs 
keit, ſondern es ift bie Ahnung, das Vorausſehen aller 
der Übel, des ganzen Misgeſchics, welches der Übermuth, 
der Grevelmuth, der Trotz, das Widerſtreben gegen bie 
Idee, treffen wird. Diefe Artflotelifhen Anfoderungen an 
die Tragoͤdie erfüllt Hebbel’6 „Genoveva” durchaus; fie 
erregt Furcht und Mitleid und durch Beides reinigt fie das 
Gemuͤth. Allein dieſer reinmoraliſche Geſichtspunkt kann 
unmoͤglich ber richtige für die Beurtheilung der Tragoͤdie 
fein, abgefehen davon, daß ber Gegenſtand ber antiken 
Tragödie ja ein ganz anderer war, als der der modernen 
iſt; in der antiken Tragödie herefcht vor das Familien⸗ 
recht, das Recht des Volks, das Macht des Staats; im 
der modernen durchaus das Subjective, die Religion, die 
Ehre, die Liebe. Darum kann auch der Maßſtab zur 
Beurthellung einer modernen Tragoͤdie nicht von einem 
antiken Xheoretiler hergenommen werden. Wenn man 
fagt, die Tragödie flelle einen Kampf der Freiheit mit der 
Nothwendigkeit bar, fo tft auch dieſe Beſtimmung unges 
nügend ; benn, ift bie Nothwendigkeit eine vernänftige, fo 
muß derfelben Jeder, der Held fo gut wie ber gewöhnliche 
Mann, ſich unterordnen; iſt aber die Mothwendigkelt eine 
fataliftifche, fo muß dee Einzelne. ſich eugeben, ober ſich 
zermalmen laffen. In ber Hebbel ſchen Genoveva“ iſt 
auch Manches, mas an die Macht des Fatums erinnert; 








badg man bugf bee biefen Aucſpeuch nicht am einem von 
Malnee’6 poetiſchen Eriminalfaͤllen fich erinnern laffen ; in 
dee Dichtung Hebbel's Lebt ganz entfchieden ein poetiſcher 
Geift, derſelbe poetiſche Geiſt, der: fi ſchon in feiner 
„Subith” mianifeftirte, bier aber im Fortſchritt erfcheint, 
ſchon weil der Stoff der „Genoveva“ ein deut⸗ 
ſcher iſt. 

Die Tragoͤdle als ſolche ſtellt nicht eine Handlung, 
ein Ereigniß des gewöhnlichen Lebens dar; die Handlung 
dee Tragödie muß einen erhabenen, großartigen Lebens: 
zweck verfolgen. Der tragifche Held muß als freier Menſch, 
als felbftändiger Urheber feiner Handlungen erfcheinen, er 
muß Repräfentant einer fittlihen Richtung, einer fittlichen 
Soderung fein. Diefem tragifhen Helden muß ein Ge⸗ 
genfag gegemübertreten, und zwar ein erhabener, das heißt 
ein ſolcher, der ebenfalls eine fittliche Berechtigung enthält. 
Gerade in dieſem Gegenſatz zu der tragifchen Perſon iſt 
die antite Tragoͤdie fe groß. Go tritt zum Beifpiel in 
der „Antigone” des Sophokles bie Samilienpflicht mit gleis 
her fittlicher Berechtigung der Pflihe für den Staat ges 
genuͤber; im Gegentheil iſt «6 gar nicht in antikem Geiſt 
gedacht, wenn in Schiiler's, Wallenſtein“ die Heldenſeele 
mit ihrem Drang nach Ruhm und Groͤße in Gegenſatz 
ſteht zu Queſtenberg, welcher die Idee des Staats als 
gar zu untergeordnet, als nicht in gleicher ſittlichen Be⸗ 
rechtigung, erſcheinen laͤßt. Nun kommen die Gegenſaͤtze 
in der Tragoͤdie natürlich in Kampf, und es entſteht eine 
Verlegung des Sittlichen, welche doch Ausgleichung ver: 
langt; Die Tragödie aber fodert eine poetiſche Auflöfung, 
oder mit andern Worten, die fittlihen Anſpruͤche beider 
Gegenſaͤtze muͤſſen ſich in einem Höhern aufloͤſen; fo kann 
es geſchehen, daß der Held der Tragödie Außerlih zu 
Geunde geht, erliegt, aber das Höhere, worin die Gegen: 
füge ſich auflöfen, tritt entichieben hervor; zum Beiſpiel 
im Tode des Sokrates. Sokrates unterliegt, ee ſtirbt, 
aber eine höhere Glorie umſtrahlt ihn. 

Was nun die Hebbel’fche „Senoveva” betzifft, fo moͤ⸗ 
gen Einige behaupten, Genoveva trete viel zu wenig han: 
deind, viel zu wenig felbiländig, viel zu wenig als Sch: 
pferin ihrer Verhaͤltniſſe, viel zu wenig bie Umflände bes 
beerfchend hervor, und ſei alſo kein tragifher Mittelpunkt. 
Dagegen macht aber Mef. aufs entfchiedenite geltend, daß 
in der modernen Tragödie, ich Bann auch fagen in ber 
romantiſchen oder in bee chriftlichen Tragödie, der Held 
auch als Dulber erſcheine; ein Beiſpiel dazu gibt Caldes 
ron in feinem „Standhaften Prinzen”, eine Tragödie, des 
ven fi) Viele aus dem J. 1818 erinnern werden, wo 
fie in Berlin, fuellich unter siniger Oppoſition, zur Aufs 
führung Sam. Und wenn mm aud des Dichter diefe 
Analogie nicht für ſich Hätte, fo muß jeder Unbefangene 
zugeben, Genoveva erfiheint als Weib; ihre feſte, uner⸗ 
ſchuͤtterliche Treue zeige ſich hier niche in SHelbenthaten; 
aber in der tiefflen Intenfitaͤt wird ihre Kraft erprobt, 
und wenn biefe Figur In einiger Beziehung mehr epifch 
als dramatiſch gehalten iſt, fo erfobert das die ganze Idee 
der Benoveva. Der Golo iſt kein Heros im gewöhnlis 
den Sinn des Worts; aber er wird gleich im Anfange 


als ein m Muri, eingefuͤhrt, als ein eye: 
Ritter. Dee Dichter zeige in feinem: Wolo, wle die Kidt 
den Menſchen zum Gott machen kann, wie fie-aber auch 
fobald fie in ihrem Gegenſtande fehl greift, iret, benfelben 


Menſchen, der durch fie ein Bott getworden wäre, zu eis 
‚nem Teufel macht, gegen den Satan felbft, mit feinen, 
: ganzen hoͤlliſchen Fr 


otte, ein elender Stümper iſt. Die 
Partien der Tragödie, wo wie Golo im Kampf gegen Ti 
fetbft, gegen feine Leidenichaft fehen, find van wunderbarer 
Schönheit und Wahrheit; diefes Fluten, dieſes Brauſen, 
diefes Schwanken und Sichzuſammenraffen, diefe Selig: 
keit und diefe Höllenpein, diefer helle Blick und dieſe Vers 
blendung, das ift Alles mit einer Wahrheit, mit einem. 
Takt, mit einer Zartheit gehalten, daß jedes Herz einen 
Nachhall der Stürme, bie es ſelbſt beſtanden bat, fühle. 
Der Gemähl der Genoveva, Siegfried, ift durchaus Mits 
ter; die Eräftigften Elemente vereinigen ſich mit ben zars 
teften; ex zieht hinaus in Kampf und Tod fürs heilige 
Kreuz, und fein Der; iſt daheim bei dem ihm betrauten- 
Weide. Wie tief er eins iſt mit Genoveva, das fühlt 
man in der wunderbar fchönen Abfchiebsfcene; und als er 
fi) überzeugt zu haben glaubt von feines Weibes Treu⸗ 
loſigkeit, da dauert fein Leben zwar noch fort, aber er iſt 
wie ein Geflorbenerz er iſt nicht mehr Graf Siegfried, 
der mit Genoveva fo fellg war, es iſt nur fein bieicher 
Schatten, wie bei Homer die Schatten in der Unterwelt 
einhergehen, blutloß, kalt. Diefes Ende des Siegfried iſt 
ebenfo tief poetifch wie gewaltig erfhüttend. Was nun 
die Auftöfung betrifft, fo erfcheint nicht ein Höheres, wo: 
rin fich alle Gegenfäge und Widerfprüche auflöfen ; ber 
Dichter ſelbſt ſcheint das in feinem etwas mpflerid6 ‚ges 
haltenen Vorworte anzudeuten; er meint, felbft Golo's 
Ende folle den tragifchen Donner nicht verftärken; Golo 
beftimme fein eigenes Schickſal dahin: | 
Die Augen bier, bie viel gu viel auf fie 
und viel gu wenig auf den Herrn gefchaut, 
Sind auszuftechen ; biefem fäumigen Arm, 
Der, ale mein falſches Herz ihr Bild ſich ſtahl, 
Es nicht ſogleich durchbohrte, leg’ ich auf, 
Die Strafe an den Augen zu vollziehn. 
Iſt das gefchehn, fo führft den Blinden bu 
Ans Innerfte des Waldes, reißeſt ihm 
Die Kleider ab, und bindeſt nadt und bloß 
Mit Striden ihn an eine Eiche feſt, 
Damit der Eber und der zorn'ge Bär, 
Die Schlange, die von unten flicht, ber Aar, 
Der aus der Höbe ſchießt, fich in fein Fleiſch 
Mit Bahn und Kralle theilen. Wenn der Baum, 
Vom Wind durchrauſcht, auf den Verhungernden 
Bon feinen Eicheln eine nieberwirft, 
&o darf er fie nicht fangen mit dem Mund, 
Doc, wenn er feine Zunge eſſen will, 
So jei es ihm vergönnt. ° 
Genoveva wird fammt ihrem Kinde buch den Knecht 
Balthaſar gerettet und flieht in den dunkelſten Wald. So 
iſt der Schluß der Tragoͤdie weniger dramatifch als epiſch; 
die Handlung verfließt, verläuft ſich, aber fie wird nice 
geſchloſſen. Daher tritt auch im Herzen des Leſers oder 
des Hörers Beine Berubigung ein; unſer eigenes Leben, 
wenigſtens unfer Grfhhisieben, iſt aus dem Gleichgewicht . 





aohehens win haben mais geiliten, mis gehsbet, eben valı 
rongen wicht zur Ruhe; wir koͤnnen dem rechten Som is 
dog Melodie des Lebens nicht gleich wiederfinden, 

(Dee Beſchiud folgt.) 








De ia diplomatie frangaise sous Louis XIV, par A. Filon. 
Paris 1843. 

Man wird diefen Euren Überblick über den Gtand der 

- wärend der Regierung Ludwig's XIV. mit Inter 

efüe tchien., obalsich gerade über biefen Gegenſtand eine meiſter⸗ 

bafte Arbeit, bie von einem ber bebeutendften frauzoͤſiſchen Hiſto⸗ 

rißee herruͤhrt, bereits vorliegt. Wir meinen bie ausgezeichnete 

nteitung , welche Mignet der umfaffenden Sammlung ber auf 

diE ſpaniſche Erbfolge bezüglicdyen Staatspapiere beigegeben hat. 

Er beſchraͤnkt ſich dabei nicht a —— 


an die Darſtellung Mignet's anzulehnen und zuweilen gerabezu 
auf feinen berühmten Vorgaͤnger Bezug zu nehmen. Trotdem 
ift fein Werkchen, wenn man bie verfchiedenen Faͤden verfolgen 
wid, welche „der große König” Enüpfte und mit geſchickter Hand 
leiten wußte, nicht ohne Nutzen gu gebrauchen. Kür die Ge⸗ 
dichte ber Dipfomatie ſelbſt ift die Negierumg Ludwig's KIV. 
gerade ber wichtigfte Zeitraum. Die eigentliche Kunft der Uns 
terhandlungen gewinnt eigentlich erft im 15. Jahrhundert wähs 
rend der italieniſchen Kriege eine wirkliche Bedeutung, und bie 
Ague von Sambrai kann als dee Ausgangepunft ber modernen 
Dipiomatie betrachtet werben. Aber erſt in der zweiten Pälfte 
ber 17. Jahrhunderts wind fie eine wahre Macht und kann es 
agen, der militairiſchen Gewalt ben Borrang fireitig zu mas 
de Wenn man ben Sharakter der Diplomatie in dieſer Per 
siöbe näher ins Auge faßt, fo ſieht man zunaͤchſt, daß auf dies 
fen Gebiete die Geiſtlichkeit, die bis dahin alle wichtigern Ge⸗ 
ſchaͤfte geleitet hatte, allmälig in den Hintergrund gedrängt 
war. Auf dem Gongreß zu Muͤnſter wurde dem päpftlichen 
Legaten Fabio Chigi zwar noch alle aͤußerliche Ehre erwiefen, 
im G©tillen aber mußte ex ſich felbft Tagen, daß man ihm bie 
Gewalt aus ben Händen gewunden hatte. ine andere charak⸗ 
teriftifche Eigenfchaft der franzöfifhen Diplomatie in diefer Zeit, 
welche Filon mit Recht befonders hervorhebt, tft, daß fie durch⸗ 
aus monardifch erfäheint, d. h. daß fie einzig und allein vom 
Könige ausgeht, der nach Guiduͤnken Verhandlungen anknuͤpft 
und abbricht, Verträge ſchließt und wieber auflöft, während bie 
übrigen Regierungen, die mit ihm in Unterbhanblung flanden, 
mebr ober weniger einer Art von Controle unterworfen waren. 
Dadurch ſteht Rubwig XIV. den andern Mächten gegenüber in 
einem wefentlichen Bortheile, denn man braucht eben fein gros 
Ber Verehrer der abfoluten Monarchie zu fein, um doch zuzuges 
ben, baß ein König, der nur feinen eigenen Gingebungen zu 
folgen braucht, dem Auslande gegenüber mit mehr Gneryie aufs 
treten und namentlich feinen Maßregeln eine ungleich größere 
Schnelligkeit geben Tann als ein Mann, der unter der Con⸗ 
teole irgend eines Staatskoͤrpers fteht. Diefer Vortheil war 
befonder® groß in einer Zeit, wo ſich die Diplomatie in eine 
Wolke von Geheimniffen einhuͤllte. Außerdem befam Frankreich 
bet den Wiploniattfgen Verhandlungen noch einen gewiſſen mos 
relifihen Einfluß durdy ben Immer allgemeiner werbenden Bes 
br ber franzöfifchen Sprache, weiche um biefe Zeit das far 
teiniſche zum größten Theil wenigftens ganz perbrängt hatte. 
Man Tann indeffen die große Gewalt, welche Frankreich 
im Austande ausübte, nicht biefen Umſtaͤnben allein zufchreiben, 
fonbern ber größte Theil davon iſt auf Rechnung der Männer, 


Werantwortlicher Heruuögeber: Deinzih Brokhauns. — Drud und Verlag von F. 7. 


hatte 46 — 2 *8 
Angelegenheiten zum Theil auf ———* der Innern m | 

mit großer Worliebe trieb, zeigte ſich wenigſtens auf viel 
Bere am Ten würbiger folger. XIV., ber nad 
des Sardinatt Wobe bie Leitung ber erg ab 


Reffourcen zu Gebote fanden. Lionne war 
aller atifchen Werhanbiungen, ebalek 
Anſchein geb, zur nad) 

Er entfaltete Dabei eine ungeheure A 
wir z. B. aus Mignet, daB der größte Theil ber f 
Zuftructionen und fonftigen Staatspapiere, weldye auf auewaͤr⸗ 
tige Berhaͤltniſſe Bezug hatten, von feiner Hand gefchrieben 
war. Filon, ber in feinen Werkchen Über bie Perfonen im ls 
gemeinen mit Unparteilidgbeit urtheüt, fcheint uns den bedeuten⸗ 
den Einfluß biefes Mannes nicht gehörig gewürdigt zu baben. 









kiterariſche Notiz. 


Thue nach meinen Worten, aber nicht nach meinen Werten, 
ober Ballen und Gpiitter, gilt factiſch von dem Buche eines 
amertlanifchen Reiſenden, wie er fich ſeibſt nennt, ober eimes 
reiſenden Amerikaners, wie er wel richtiger ſich neren follte: 
„Notes of a tour through Tarkey, Grooce, Egypt and 
Arabia petraea, to the Holy Land etc.; by E, Jay orrie, 
an American traveller.“ Den Splitter aber nicht den Ballen 
fiebt er, fo oft ex von ben Fehlern und Mängeln anderer Bänder 
ſpricht und dagegen fein Nerdamerika Herausfiusicht. Und thue 
nach meinen Worten, aber nicht nach meinen Werken, follte bie 
Überfchrift des zweiten Capitels fein, in welchem er unter An« 
derm von den Sklavenhaͤndlern zu Konftantinopel fagt: „Ihre 
ſtoiſche Gleichguͤltigkeit gegen ben Zuſtand der Gkladen und bie 
Art, wie ſie von ihnen nur wie von einer Waare rebeten unb 
fie demgemaͤß behandelten, erregte min einen fo tiefen Abſchen, 
baß ich mich freute, einen Ort zu verlaffen, wo ber Menfch dem 
Vieh gleichgeſtellt wird.“ Gin Act ber MWicbervergeitung if 
das in Neuyork erfgienene Buch In London nachgebrut worden 
— prügelft du meinen Paffagier, prugle ich deinen —, und ber 
Nachdrucker macht zu jener Stelle folgenbe Anmerkung: „Wie 
kommt es, daß der Berf., nachdem er bie an einer Kamiäie eis 
vitifirter ariechiſcher Ehriſten verübte barbariſche Grauſamkeit 
aus fuͤhrlich erläutert hat, gerade hier keinen Vergleich zieht mit 
feinem Vaterlande, für bie dortige nicht minder niedertr qrige 
Behandlung des Afrikaners kein einziges Wort dat?“ 


Literariſche Anzeige. 


Im Verlage von F. MC. Brockhaus in 
ſchien ſoeben ierr Kuflage. Reipsig cs 


Die Nahbaen. 


n 
Srederike Bremer. 
Mir einer Worrede den Wertatterin. 





Zwei Theile, 

Gr. 12. Geh. 20 Ngr. 

Die übrigen Schriften von Freberike Bremer : Die Xödter 

bed Yröfitenten. Dritte Aufinge. — Rian. Braelte.Nufiuge. 2 Che. 
— Dad Haus. Dritte Auflage. 2 Thle. — Die Semitte 9. — 
Kleinere Erzählungen. — Streit und Friede. Zweite Auflage, 
find fortwährend zu dem Preife von 10 Rgr. für den Theil zu erhalten; 
die vollſtaͤndige Ausgabe in 10 Theilen koſtet 3 Thir. 10 Nor. 


so@hand in Leipzig. 
















Bläfter 
Liz 


literarifpe Unterhaltung. 





Donnerstag, 


26. October 1848. 








Genoveva. Tragoͤdie —7— —J— Acten von Friedrich 


(Befchtuß a 24 28.) 

Es iſt eine oft ausgefprochene Bemerkung, daß der 
Dichter mit feinem Gedicht eins fei, weil der Dichter in 
kin Gedicht Die kraͤftigſten Zropfen feines Deesblute gießt; 
indeß der Dichter und fein Gedicht müſſen doch aud ges 
Kolben werden. Der Dichter iſt rin ganger Menſch; das 

Gedicht, und wäre es noch fo umfangreich, iſt doch nur 

ein Theil des Dichters. Darum kann in dem Gedicht 
Einzeines verfehlt, mangelhaft erfcheimen,, der Dichter if 
dennoch wirkfih und wahrhaftig Dichter, ein Berufener 
und kein Gemachter. So offenbart fi in Hebbel's „Ge: 
noveva“ ein echt poetifcher Geiſt, voll Erfindungskraft, voll 
Kraft zu poetiſcher Ausführung Der Stoff diefer Tra⸗ 
gaͤdie Liege theilwelfe auf dem Gebiet des Phantaftiſchen; 
das phantaſtiſche Colorit hat der Dichter gelaffen und ges 
geben, wo es nöthig war; aber feine Menſchen find wirks 
lich Menſchen von Fleiſch und Blut, mit denen wir den: 
in, empfinden, trauern und jubeln. Die Figuren der Wars 
garetha und der Katharina hätten wirklich unfern Lichter 
in die Gefahr bringen können, im Phantaftifchen zu weit 
zu gehen, den Boden der Wirklichkeit zu verlaffen; aber 
er weiß fich geſchickt und leicht Liber dieſe Gefahr hinzu⸗ 
helfen. Von der Erfindungskraft des Dichters zeugt fers 
ner die Scene des Ritters Triftan, welcher der Genoveva 
einen Brief vom Grafen Siegfried bringt. Daſſelbe Lob 
verdient die Figur des tollen Klaus, der nicht bloß eine 
zwiſchengeſchobene Figur iſt eder etwa nur dazu dient, das 
vohfte Trekben der Dienerfchaft in Siegfriedi's Burg noch 
mehr zu veranfchaulichen, fondern er iſt nothwendig, weil 
duch fein Dazwiſchenkommen der Genoveva und ihrem 
Kinde das Leben erhalten wird. Und fo zieht fich durch 
die ganze — dieſe sihdtiche und reiche Erfindungs⸗ 
gabe des Dichters, welche die am ſich einfache Begebenheit 
mannichfach und ſchoͤn ausſtattet. Was die Ausfuͤhrung 
betrifft, ſo zeigt ſich auch darin des Dichters ungewoͤhn⸗ 
liche Begabung. Mr hat einen gluͤcklichen Griff darin, die 
Perſonen durch Schlaglichter zu charakteriſſren; zum Bei 
ſpiel als der Bitter Triſtan die —* welcher er Bots 
[daft von em Gatten bringen rolf, erdlickt, ſagt er: 

Ein echteg deutfchesMeib. or jcem Bid 

Aus eines Mannes Aug’ wird fie Tu nu 

Bar Jungfeau, und verjchtießt ſich In fh Test 


Wie vortrefflich wird der alte Diener Drago gezeichnet, 
wenn Golo ihn fragt: 
Ben Uebſt du wol am meiſten? 
Drag». 
Immer Dan, 
Fuͤr den ich juſt pas Meiſte thun kann. 
Solo. 
wie? 
Dee 
Ja, darin bin ich ſchwach. Wer mich nicht braucht, 
Mir meinen Dienfl ertäßt, mich feitwärts ' tebt, 
Mir fagt: „Geb, ruh iR aus”, den Lieb’ ich nicht. 
Der macht mich ja zum Richts. Doch wer mid plegt, 
Wer mix ven Edweh aus allen Poren ee, 


Mer mid fo muͤd' macht, baß bie 
Sin Himmelreih mir ſcheint, ben lieb Pr} 


big 
Und ohne dies * hatt’ ich's nicht aus. 
Andy die Ausführung kleiner Zwiſchenſcenen iſt fo huͤbſch; 
z. B. in Strasburg, wo Graf Siepfried keank liegt, vers 
—* fi fein Edelknabe in ein ſchwarzaͤugiges Maͤdchen, 
und in dem Unmuth, daß er mit feinem Seren fort fol, 
fagt ee: „Ich wont', er würde kraͤnker als er —F * 
mit er bliebe.” Was den Dialog betrifft, fo 
durchweg aus der Situation herausgebildet, er tale 
fih aus der Gemuͤthslage, aus der Gemuͤthsbewegung, 
und ruht auf dem Charakter, 

Durch das Alles manifeftirt Hebbel ſich als dramati⸗ 
ſchen Dichter. Hebbel dichter, er fchreibt nicht Theater⸗ 
ſtuͤcke; Hebbel dichter, weil er muß, nicht, weil re 
feine Dramen auf ben Bretern fehen wild. Darin legt 
des Unterfchied zwiſchen Hebbel und, um den Erſten 
des GBegenparts zu nennm, Gutzkow. Gublow wii 
durchaus buͤhnenrecht fchreiben; er bat das Buͤhnenrechte 
ftudirt; wir hoffen aber von ihm, er treibt diefe Conceſ⸗ 
flon nicht zu weit. Indeß man wäre entſchieden im ers 
ihum, wenn man glaubte, Hebbel's Dichtungen wären 
nicht dramatiih. Ste find «6 darch und durch; und im. 
dieſem Bewußtſein liegt die Kuͤhnheit begründet, daß Heb⸗ 
bei nicht zum Theater binabfteigen, ſondern daß er daſſelbe 
zu fi) Heraufziehen will. Nur fo tft eine Megenerntion 

der dramatiſchen Kunſt zu erwarten; diefe Conceſſionen, 
weiche man dem Schlendrian bed Theaterherkommens, Deus 
fadın Geſchmack des Publikums macht, dringen bie dra⸗ 








“4 UBS X 


> . F 
matiſche Kunſt in einen immer tiefern Abgrund. Nur 
wenn die dramatiſche Poeſie ſich frei und ſelbſtaͤndig ent⸗ 
faltet, iſt Hoffnung zu einer Regeneration. Hebbel ver⸗ 
dient bie größte Theilnahme, weil er dieſe anzuſtreben 
ſcheiat. Doch, wit wollten ia ein paar Welege dazu ge: 
ken, daß Hebbel's Dichtungen wirklich dramatifih wären. 
Wir erinnern zum Belege dafür an den Anfang der „Su: 
dich” von Hebbel, an die Scenen zwiſchen Dolofernes dem 
Dberpriefter, dem Hauptmann und der Gefandten der 
fremden Völker. Auch die Volksſcenen in der „Indith“ 
find echt dramatiſch; und was wäre großartiger, gewalti⸗ 
ger, als die Scene zwiſchen Mirza und Judith, ale die 
Letztere aus des Holofernes Kammer tritt; wer darin 
nicht die größte dramatifche Kraft und Wirkung erkennt 
und fühlt, der fcheint uns durchaus unfähig, über dergleichen 
zu urtheilen. Kommen wie nun zur „Genoveva“ zurück. 
Es ift wahr, was der Dichter in feinem Vorwort fagt, 
das Ganze ſchwankt zwiſchen That und Begebenheit. 
Daſſelbe hatten wir ſchon, ehe der Dichter es ausſprach, 
bei der „Judith“ bemerkt; die Dichtung bekommt dadurch 
einen epifchen Charakter, was auch in dem Vorworte, freis 
lich nur ſehr leiſe, doch aber angedeutet zu fein fcheint. 
In dem Drama felbft ift Alle® wunderbar ſchoͤn indivi: 
dualifirt; das Ganze iſt eine poetifhe Geſchichte ber Leis 
denfhaft mit ihrer Sturmflut, mit ihrem Meeresleuchten, 
mit ihren Sonnenbliden; und Alles echt dramatiſch; es iſt 
nicht Decorationsmalerei mit groben Zinten und Kleckſen, 
aber es iſt auch nichts Verwiſchtes, Verblaſenes darin; 
Altes menſchlich, fchön, plaſtiſch. Wollten wir das Dra: 
matifche in den einzelnen Scenen nachmeifen, fo müßten 
wir mit der erften beginnen und mit der legten aufhören; 
maß ein Einzelnes herausgerifien werden, fo leſe man 
(S. 95) dit Scene, wo Golo die Genovera um ihr Bild 
bittet, das fie für Siegftied bat malen laſſen; welche 
fhönen dramatifchen Lichter, welches Schwanfen und Din: 
überfhwanten mit fleter Richtung auf einen Moment — 
wirklich das iſt eine Scene, die wir den ſchoͤnſten dra⸗ 
matifchen Momenten unferer Claſſiker an die Seite fegen 


fien. 

Nah bdiefem Allen dürfen wir Friedrich Hebbel freus 
dig begrüßen als Einen, an deſſen Namen ſich die geredy: 
teften und fchönften Hoffnungen für die dramatiſche Poefie 
und für bie dramatifhe Kunſt knuͤpfen. 29. 


Die Entwidelung bed Voͤlkerrechts ſeit dem Weſt—⸗ 
faͤliſchen Frieden. 


Es hat nie ein Voͤlkerrecht gegeben, ia welchem Sinne 
man auch das Wort Recht verſtehe. Es iſt weder Das, was 
man satürliches Voͤlkerrecht nennen koͤnnte, irgendwo anzutref⸗ 

„fen, noch ein poſitires Voͤlkerrecht. Hugo Grotius, von wel⸗ 
chem ſich bie theoretiſche Behandlung dieſer Materie herſchreibt 
bie man Völkerrecht, droit des gons, law of nations nennt, 

pi feine Theorie ber gu feiner Zeit vorhandenen Praris bes 
oͤlkerverkehrs entgegengeftellt, unb bie Brunbfäge, benen bie 

Rationen in ihrem Verhalten gegeneinanber folgen ſollten, aus 

der Vernunft zu beſtimmen geſucht, nämlid aus ber Voraus⸗ 
fegang, daß ber Menſch bermänftigerieife geſellig Lebe und aus 
dee Natur und ben Bebuͤrfniſſen ber Geſelligkeit fich bie Regein 


d 


des gefelligen Lebens mäßten folgern Laffen. ) Gr hat aud 
geglaubt, daß ein pofitives Hecht unter ben Voͤlkern bereitä vor- 
handen gewefen fei, und zwar Im Xltertbume bei Griechen unb 
Römern, baber er claſſiſche Autoritäten in Waffe beibeingt. 
Der letztere Irrthum liegt auf der Hand, ber erflere ift ver- 
deckter. Wenn man auch unten Bedhe nicht Die Subſtanz wirk⸗ 
li anerkannter und gegen bie Verlegung aeficherter, von irgend 
welchen Organen gehandbhabter Gelege, fondern ein turdy ben 
allgemein gebietenben Geiſt feftgeftelltes und gewahrtes Herkom⸗ 
men verftebht, fo würde man doch im Alterthume nichts Anderes 
von Rechten des Voͤlkerverkehrs auffinden koͤnnen als hoͤchſtens 
die Helligung der Perfonen von Abgefanbten und Unterhänbiern. 
Was aber bie vernünftige Baſis des Voͤlkerrechts betrifft, To 
ift eben bie Sonderung der Menſchen in Bölker oder vielmehr 
in Staaten felbft ſchon bie Bereinigung bes Socialprincips; es 
t daher aus diefem legten feine Segel für pas richtige 
Verhättnig der Staaten untereinander entnehmen. Jeder Staat 
ruft dem anbern zu: Ich bin ichs und gönnt dem andern nur 
fo viel Gutes, als er für ſich ſelbſt vortheilhaft findet. Da 
man dies wohl fühlte, fo bat man in neuerer Beit das Voͤlker⸗ 
wohl oder das allfeitige Beſte, d. b. bie möglichft wenig jeden 
einzelnen Staat benacptheiligende Ausgleichung der Intereffen 
zum Princip des internationaten Verkehrs gemacht. Kurz, ber 
Zuftand, in welchem ſich bie Staaten gegeneinander immer be⸗ 
funden haben und nod befinden, tft der Zuftend der Gewalt, 
und das Recht, das unter ihnen gilt, ift gang eigentlich das 
Bauftreht, von welchem jedoch unter Unftänden, bes eigenen 
Bortheils wegen, von Einzelnen ober Allen, bie gerade in Be⸗ 
ziehung zueinander finb, abgeftanden wird. Daß das Ghriften- 
thum einen Einfluß auf bie Feſtſtellung ber Wölkerverhältnifie 
gehabt hätte, kann man nicht fagen; vielmehr bat die Ausbrei⸗ 
tung bes Chriſtenthums zu Kriegen gegen unchriſtliche Bölfer, 
Bekehrungen mit Waffengewalt, blutigen Religionsfriegen und 
ahllofen Barbareien geführt. Das Chriſtenthum muß man 

echaupt aus dem Gpiele laflen, wo es ſich um politifche 
Verhaͤltniſſe handelt. Das Chriſtenthum hat gar. nichts mit 
ber Politik gu thun: es ſetzt das Heil theils in das Innere des 
einjeinen Menſchen, theils in ein zulünftiges und jenfeltiges 
Reich. Und von ber erften Zeit feines Entſtehens an hat es 
alles Staatöwefen geradezu verneint, wie denn im apoftolifchen 
Heitalter von ber Ghriftengemeinde das Privateigenthum befeis 
tigt und Gütergemeinfhaft eingeführt wurde, fpäter aber bie 
Kirche den Verſuch machte, die ganze Menſchheit zu vereinigen 
und zu beherrſchen, wobei bie einzelnen Staatewefen nur aus 
Roth von ihr gebulbet waren. Wenn nun ſchon das in Brauch 
gebrachte große Stichwort „Chriſtlicher Staat” ein Unding ifl, 
weit Staat und Gpriftlichkeit einander widerfprechen, fo if 
noch viel weniger bad Ghriftentyum beim Verlehr der Staaten 
untereinander betheiligt. Die Grunbfäge, nach benen bie Re: 
gierungen der eucopäifchen Staaten in den legten Jahrhunder⸗ 
ten gegeneinander verfuhren, find, ungeachtet einiger allgemeinen 
Anfiiten, welche von Beit zu Beit herrſchend winben, immer 
nicht allein höchft wandelbar, ſondern auch, fo lange fie eine 
Art Geltung hatten, dennoch, fo oft e6 ben Betheiligten vor: 
theilhaft fchten, fidy darüber hinauszufegen, unmwirkfam gewefen. 
Gine öffentliche Meinung hat fich in Bezug auf Das, was fid 
unter Rationen gegiemt, niemals mit hinlaͤnglicher Sicherheit 
gebitdet, unb wean fie b, noch weniger jebesmal im ein- 
zelnen Falle ben Maßſtab für das Werfahren der Stegierungen 
abgegeben. Die vorhandenen Documente des internationalen 
Verkehrs, Tractate, Schiedsurtheile, Kriegemanifefte, Inter 
ventionsredhtfertigungen u. dergl. fpreihen felten bie wahren 
Beweggruͤnde des in ihnen eroͤrterten Verfahrens aus mad geben 
ebenfo wenig von ben herrſchenden Anfigten über Das, was 
ur Moralität bes Voͤlkerverkehrs A ren Zeugniß. 

enn daher von einer Geſchichte des Boͤll t8 bie Rebe fein 


*, Recht ik. was cum ipea natura rationali ei social osarenii. 


(De jure beill et pac., I, 1, 10.) 


fol, fo hat man daruter tur zu werfichen eine Geſchichte ober 
Aberſicht Deffen, mas unter den Etaaten verbanbeit und gegens 
einander vorgenommen worden ift, nebfl Angabe ber Beweg⸗ 

ünde, welche in den einzelnen Faͤllen geitend gemacht wurden. 

as neueſte Werk, weiches diefe Materien behandelt, ift Wheaton’s 
„Histoire des progrös du droit des gens en Europe de- 
puis la paix de Westphalie jusque au congrds de Vienne”, 
welches 1841 in Leipzig erſchien.) Das Refultat, welches ber 
eat ferot aus feiner Arbeit am Schluſſe des Buchs zieht, iſt 
olgenbes : 

„Daß Teit dem MWeftfälifchen Frieden mehr die von Gros 
tius und ben Juriſten feiner Schule aufgeftellten Grundfäge 
weiter entwidelt und zur Klarheit: gebracht worden find, ale 
daß man neue Regein für den internationalen Verkehr aufgefuns 
den hätte.’ 

„Daß bie Ginführung feftfichender Gefanbtfchaften zur 
Wahrung der gegenfeitigen Intereffen und bie Anerlennung biplos 
matifher Privilegien allgemein geworben.” 

„Daß das Juterventionsrecht zwar oft in Anwenbung ges 
tommen, entweber zur Aufrechterhaltung des allgemeinen Gleich 
geräte, ober zuc Verhütung von Gefahren, mit benen ein 

taat durch die innere Politil eines andern bedroht wurbe, baß 
aber feine gemeingültigen Regeln fich berausgeftellt haben, zur 
Beurtheilung der Fälle, in welchen und des Umfangs, in wels 
dem von ihm Gebraudy gemacht werben dürfte.“ 

„Daß die ausſchließliche Beherrſchung irgend eines einzel: 
nen Meers als eine barbarifche Anmaßung erkannt, das allge 
meine Net, den Dcean für Schiffahrt, Handel und Fifchfang 
zu benugen, allgemein zugeftanden und das Durchſuchungsrecht 
auf Kriegszeiten befchräntt worden.” 

„Daß das gemeinfame Recht zur Benutzung ber Scheide, 
des Mheins und der übrigen großen Fluͤſſe Europas für bie 
Schiffahrt anerfannter Brundfag geworden.‘ 

„Daß bas Golonialmonopot faft ganz verfhwunben und mit 
ihm die Frage über das Hecht ber neutralen Mächte, in Kriegs⸗ 
zeiten einen in Wriebenszeiten verwehrten Handel zu betreiden.’' 

„Daß der Sklavendhandel allgemein als ein Schandfleck ber 
Menſchheeit verurtheilt, obgleich nicht überall thatſaͤchlich und 
feib nicht überall geſetzlich aufgehoben worben.” 

„Daß die Geſetze für den Krieg verbeſſert und unter ben 
civilifirteften Nationen humanere Kriegebraͤuche angenommen 
worden; unb daß durch ein übereinkommen, weiches ben Oan⸗ 
det der in Frieben lebenden Mächte vor Beeinträchtigung durch 
die Eriegführenden ſchuͤzt, ein bei ber herrſchenden Ungewißheit 
der Rechte neutraler Waͤchte fehr wichtiger Fortſchritt gemacht 
worben.’' " 


„Daß ber Bereich, innerhalb deſſen voͤlkerrechtliche Grund⸗ 
füge en, buch den Zutritt ber Staaten ber weftlichen Ges 
miſphaͤre, durch die Geneigtheit bee Türkei, ſich den Bitten der 
chriſtiichen Staaten zu näbern und durch das fich immer mehr, auch 
unter den minder civüifirten WBölfern verbreitende Gefühl ber 
Moethwendigkeit, gegenfeitige echte und Pflichten anzuerkennen, 
hetroͤchtiich erweitert worden.” 


- „Daß bie wiffenfchaftiiche Bearbeitung des Volkerrechts mit 
. Bortfehritten der Philofophie und der Geſchichtekunde forte 
eſchritten. 
⸗ „Daß endlich das Voͤlkerrecht mit dem Wachethum der 
Cipiliſation, unter deren Erzeugniſſen es eins der ſchaͤtbarſten, 
zu einem wirklichen Syſtem poſitiver Beſtimmungen geworden iſt.“ 

Das Lestere iſt im Allgemeinen ſchon in den obigen eins 
ltitenden Bemerkungen geleugnet; es ift aber faſt keiner ber 
Wiraton’fchen Säge, der nicht der Widerlegung oder wenigflens 
bedeutender Ginfchränkung bebürfte. Da eine ausführliche Er⸗ 
dterung jedes einzelnen Punktes, welche und tief in bie Ge⸗ 
{dichte der legten Jahrhunderte einfähren würde, bier nicht 
möglich iſt, fo möge es genügen, einige triftige Bemerkungen, 


N) Bot. einen ausfährlien Bericht daräber in Nr. 333 — 817 
d, u. f. 1088, D. Keb. 


welche das „Mdinburgh review” dagegen gemocht Hat, bier 
fur; und auszugerbeife mitzetgeilen. GSogleich wie ee 
daß bie Grundſaͤde, welche Grotins aufgreſtelt yar, tm Vefenc⸗ 
ticyen beibehatten unb zu weiterer Eatwickelung gefühet werben 
wären, it in fi, men man, nur einige der wichtigtten 
Punkte ind Auge faflend, bedenkt, daß das Interventionsredkt, 
weiches Grotius eins für allemal verwirft, in ſehr aus⸗ 
gedehnter Geltung iſt; daß die Zulaſſang von fremden An 
tern auf unbefegten Landſtrichen, falls die Wremben ſich me der 
Couverainetät des befigenden Staats unterwerfen wollen, welche 
Zulaffung Geotius unbedingt fobert, jegt nidgt anerkannt wird; 
daß das Durdyzugscedht durch neutrale iete, Gr 
tius allen Eriegführenden Mächten zuerkennt, jest nicht ohne 
weiteres zugeflanden wird; daß bie Auslieferung ober wenig 
fiens die Seſtrafung gefiädhteter Verbrecher, welche Grotims 
von jebem Gtaate fobert, jegt verabfcheut zu werben pflegt u. f. w. 
In Betreff des Interventionsrechts if die Gleichſtellung 

ihrer Ratur nach fehr verfchiebener Fälle anzufcchten, nämlich 
bes Falls, wo zur Aufrechterhaltung des Gleichgewichts, - ober 
eigentlich zur Beſchraͤnkung ber Wacht irgend eines Staats, 
und des Falls, wo zur MBerbütung angeblich von der Innern 
Politif eines Staats dem andern ober mehreren andern Staaten 
drohender Gefahren eingefcheitten wird. Die Intervention, 
weldye gerade einer ber wichtigſten Punkte in den internationas 
ien Berhäitniffen ift, zeigt am deutlichften, wie von Recht und 
Rechten im Umgange der Staaten miteinander gar nicht die . 
Sale fein ae ce ce —— iſt in dem einen 

a echt des ern, ſich vorzuſehen und 
im andern Falle das Recht des Ar Pan ua A — 


u ng 
Defien, was ihm gut ober zwedimäßig fcheint, d fe 
Es handeit fih hier entweder um das Mein und A — 
archen, wobei bie Voͤlker und deren Intexeffen nicht gefragt 
werben, ober um Principien, und im legtern Falle, wenn men 
etwa bie Interventionen ber franzoͤſiſchen Republit absechnet, 
wiederum um die Au haltung eigentlich nur Eines Principe, 
bes monarchiſchen. Zwar haben Fürften in vielen Faͤllen ſich des 
Unterthanen gegen feinen Oberherrn (mie Belgiens gegen Leo⸗ 
pold II.) angenommen, dann aber in ihren Manifeften fs woht 
gehätet, bie Frage zu einer principiellen gu maden: es bieß 
dann immer nur, die Ginfcjreitung werbe zur Erhaltung des 
Gleichgewichts und ber Rube Europas gefodert. Wenn es aber 
galt, einem Souverain beizufichen, fo swurbe immer offen aus⸗ 
gelprocgen, daß man bie Prärogative ber Kronen nicht bürfe 
wankend werben laffens in ber Piüniger Sonvention erfiärten 
der Kailer und der König von Preußen: die Lage des Könige 
von Frankreich fei ein Gegenſtand der Bekuͤmmerniß für alle 
Souveraine Suropas, und man hege das Vertrauen, baß keine 
der Maͤchte es unterlaffen werde, bie wirkfamften Mittel anzu⸗ 
wenden, um ben König von Frankreich in Stand zu fegen, bie 
Grundlagen ber monarchiſchen Herrſchaft ben Rechten des Sou⸗ 
veraine gemäß in volllommenfter Breipeit ſicher zu flellen. „Es 
ift kaum nöthig”, bemerkt das „Edinburgh review”, „unfere Les 
fer zu erinnern, daß das Gollegenthum ber Souveraine von 
em ftärfern Ksprit des corps befeeit iſt als irgend eine an» 
dere gleich zahlreiche Claſſe In der Welt. In Kolge bes beſtaͤn⸗ 
bigen Deirathens untereinander find fie durch Bande bes Bluts 
und ber Verwandtſchaft bergeftait miteinander verknuͤpft, daß 
über alle Throne Europas fich eine einzige Kamille. verbreitet: 
ihre abgefonberte unb unzugängliche Stellung enträüdt fie ber 
Geſellſchaft und fie haben ihres Gleichen nur in ihrer Gpbäre. 
Sie vernehmen Feine anbere Sprache als die ber unbedingten 
Ergebenheit in ihre Intereffen und felbft ihre bloßen Wuͤnſche, 
und was noch wichtiger ift, fie haben alle einen gemeinfamen 
Beind vor Augen, ben wachſenden demokratiſchen Sei Geit 
dem 16. Zahrhundert, wo bie vereinigten Provinzen Philipp’s LI. 
Joch abfiüttelten, bat jedes folgende Zeitalter ſtets wichtigere 
Siege der Volkemacht über bie Penigliche Madıt herbeigeführt. 

Die engliſche Revolution bezeichnete das 17. Jahrhundert, b 
und 


nordamerikaniſche und bie franzoͤſiſche das 18. Jahrhundert 


0 | | 
Literarifge Notizen. 
Werke aus Brafitien. 


eine 
ur der Rhetorik am Collegium Pedro II. zu Rio Janeiro 
ae Er beginnt feine Belhicte Wortugals, mit einer Uns 


hrt fie dann von den erſten @infällen der ae bis zur 
echs Bücher 
getdeitt, von benen das lehte von ben Gortes, den Befegen, dem 
derbau, der Inbuftrie, dem Handel und dem Zuſtande der 
Känfte und Wiſſenſchaften in Portugal handelt. Gin Anhang 
von 47 Seiten gibt einen überblick Über die Vorgänge während 
der Sabre 1823 — 33, welche die Wiebereinfegung der Donna 
Maria da Gloria auf ben Thron Ihres Waters zur Folge hatten. 
Bei Abfaffung bes erften Buchs Hat der Berf. namentlich 
die wichtigen Memoiren der koͤniglichen Akademie zu Liſſabon 
zu Hathe gezogen, bie vorzüglich für bie Ältere Periode der 
„In Seinem Gtaate feheint es für edit zu gelten, daß | portugtefifchen Geſchichte eine wahre Fundgrube bilden. Bon 
men ſich in die anern Ingelegenpeiten des Rachbarſtaats eins | den übrigen Quellen, die der Merf. mit vieler Umficht benust 
milde, um die Unterthanen gegen Bedruͤckungen ihres Bomves | Hat, find vorzüglich bie „Denkwuͤrdigkeiten Aber des gows 
sind in Schut zu nehmen; dem Beſtande des anerkannten | des Dom Pedro in Portugal” (2 Bde, Rio Janeiro 1833) u 
Bbtterecches nach erſcheint es zweifelhaft, ob ein Volk irgend | erwähnen, welche den verftorbenen brafitifchen Marfchall Dom 
ein Beiht gegen feinen Souvetain habe, und gewiß, daß wer | Gunba Mattos zum Berf. haben. Graveiro iſt in der Anord⸗ 
auswärtige das Reit habe, ein ſoiches, nung und der Werarbeitung des Stoffe gleich giädlich geweſen. 

— *. —— 8 ee an cs N Bein Stit ift Klar, einfach und nicht ohne Heiz. 

v Oftreihe Dreupen * Schriftſtellereigenthum in Italien. 
Rochte eines Souverains gegen feine Unterthanen Lediglich durch Mlancimi, Arposat und Miitglieb 











insbefondere einen Aufſetz über das literariſche Eigenthasrecht 
Sum ben eigienen Der Berf IHRE 
t dem einen, erſchienen if. : Verf. bebar i ß 

* sche Fetten — — fei a cit — — "reben. fe, ber gerabe gegenwärtig in Neapel vielfady in Ancegung ‚geboms 
das Abrige Curopa zu lenken (to gevern the rest of Europe),” | MEN Pia vom Augtmeinen haben fid) die italienifchen Regieruns 
Gegen den Gay, daß der Kriegsbrauch humaner regulist | MR FR ’ Be it t, dem reiht fasbinifchen Bertrage 
worben fe, ſpeicht unfer Kritiker feinen gerechten Zweifel aus. | FM } Aug bi erarifhen Gigenthums beigupflicten, nur 
Die Eprade der Gkhriftenverfaffer ift hrifkticher gemors | ii a beider Sicitien nimmt no Anftand, ſich biefems 
ben, als fie es zu Srotius und feiner nädften XRachfoiger Zeit | mans dt. Rır eh een, elek 6.508 Bolt ſetbſt dringend 
war; aber es liegen wenige Beiſpiele por, daß Regierungen, ſchluß ausgeſ chen. Dieſen be 
ober nationale Zribunale bemüht hätten, dem Kriege et Auffat mit eben — Geh als — — 
was von ſeiner Scheußlichkeit zu rauben. Ja, wir fuͤrchten, fh ‚Thon duch m —* * pn a Ra bat 
daß es Beiſpiele gibt, denen zufolge bie Kriegsgefege barbarifcher emadht und iR * mit feiofnenbigen Arbeiten slannt 
geworben find, wie benn bie fehönen Känfte und Miffenfchaften, | 9 Perke ‚gegen —5— Bollenhung, von mei me 
denen Friebrich II. noch Müdtficht zollte, in ben franzöfifchen faflenden erken beſchaftigt, von bemen das «ine sine pikkofes 
Kriegen idres Borrechts vertuftig gingen. Und dann bie —* dertan —— — Das andere einen Ciemen⸗ 

n Beifpiele: die Branzofen in Algier und die Briten in arſe allgemeinen Rechts geben wird. 


N Production des Golbdes. 

Gegen die Behauptung, daß das Durchſuchungsrecht auf Die wichtigen Berhandlungen in ber franzöfffden Deputirten⸗ 
Rriegegeiten beſchraͤnkt worden, ſtellt unfer Reiten ben Sag | kammer Über das Umfchmelzen gewiffer Dear Morten haben in 
auf, daß baffelbe im Segentheil feit ber Zeit des Weftfäliichen | diefem Jahre nicht zu Ende geführt werben Können, werben aber 

edens auf Friedent ausgedehnt worden, indem ehemals ſicherlich in naͤchſter Seſſton wieder aufgenommen werben. 
gar Fein Grund in Priedenszeiten vorlag, ein fremdes Schiff | Wei dieſer Gelegenheit haben einige feanzöfffe Journale ſich 
zu burchfuchen, vielmehr erſt durch die britifchen Zractate zur | auf einen intereffanten Auffag bezogen, den Dumboldt in ber 
Unterbehdtung des Sklavenhandels ein foldyer Grund gefihaffen | „Deutfchen Vietteljahreſchrift“ über die Production des Goldes 
worden iſt. Aber es tft Mar, warum ber Gefandte der nord» | mitgetheilt hat. Gegenwärtig erhalten wir nun ein neues Wert, 
amerikaniſchen Freiſtaaten es für einen Grundſat bes Bbiker⸗ was biefe wichtige Brage naͤher beleuchtet. Es führt den Titel 
zehts gi daß ten Schiff u „Brieden er —E 33 > 3 F production en *53 au Mexique”, von 
den : man brambt nur an die legten 3wi n n t⸗Clair Duport. Der . hat feine Beobadı n 
der Nylon mb Großbritannien zu denken. u Ort und Stelle gemacht. Bei Hung, a 


Der⸗aniweortiicher Derauägeber: Heinrich Broddand. — Drud und Verlag von F. X. Broddand in £eipsige 











”., 21 


.. frur 


literariſche 


Blätter 


Unterha 


‘ 


tung. 





Freitag, 0 — Kr. 300. —— 


Die deutfche poetifche Literatur feit Klopftod und Xefs 
fing. Nach ihren ethifhen und religtöfen Geſichts⸗ 

. punkten., Bon Heinrich Gelzer. Leipzig, Weid⸗ 
mann. 184]. Gr. 8. 2 Thlr. 15 Ngr. 

Der Verf. diefer Schrift hat in Baſel vor einem ge: 
mifhten Publicum Vorleſungen über die neuere Geſchichte 
der deutſchen Literatur gehalten und auf Antrieb der 
Verlagshandlung biefelben zu dem gegenwärtigen Buche 
umgeformt. Er wuͤnſcht, daß feine Sefer, wie es der 
größte Theil feiner Zuhörer gewefen, mit feiner religiöfen 
Weltanfhauung bekannt fein möchten, weil auf dieſer 
feine Auffaffung ber Literatur beruhe. Er will bie ſitt⸗ 
lihe Grundlage in ber neuern Literatur auffuchen oder 
vielmehr er beabfichtige eine Gegenüberftellung der chriftlicy: 
ethiſchen Weltanſicht mit derjenigen ber modernen deut: 
(dem Bildung. Dabei hegt er weder vor Denen Scheu, 
die das chriſtliche Glaubensleben zu heilig achten, um es 
zu befprechen, noch vor Denen, die dem modernen äfthe: 
tiſchen Paganismus zugetban find; er. hofft vielmehr, daß 
fein Buch puritanifcger Enghetzigkeit wie atbeiftifcher Herz: 
loſigkeit gleich fehr zum Argerniß gereiche, und er legt es 
Denen an das Herz, die aus der Wahrheit feien und in 
der Wahrheit die Freiheit gefunden. 

: Der Standpunlt des Verf. ift demnach ein neuer. 
Das äftherifhe Maß ift ihm ebenfo fremd wie das lite: 
rarhiſtoriſche; er handhabt dasjenige der Moral. So in: 
tereffane es nun aud fein mag, die bekannten literari: 
(den Perſoͤnlichkeiten vor dem chriſtlichen Beichtſtuhle zu 
finden und ihrem Belenntniffe zu laufen, fo muͤſſen 
wir doch gleich von vornherein bemerken, daß der Verf. 
eine falſche Behandlungsweiſe gewählte bat. Die Poeſie 
wird, wenn fie echt iſt, allerdings immer eine ſittliche 
Grundlage haben, aber daß bdiefelbe nun durchaus eine 
riftliche, eine dogmatiſch reine fein muͤſſe, leugnen wir, 
Domer ift ein größerer Dichter als alle Diejenigen, von 
denen bier im Buche bie Rede ift; es iſt bis jege nur 
wenigen Traͤumern eingefallen, ihn deshalb geringer zu 
achten, weit er nicht chriftlih, weil er nur ein armer 
Heide war. Er kannte das Chriſtenthum nicht und kann 
für diefe Unmöglichkeit der Kenntniß fo wenig verant: 
wortlich gemacht werden wie das Alterthum Überhaupt. 
Wiewol er nun vom chriftlihen Standpunfte aus be: 
trachtet zu nichte wird, fo bleibt er dennoch ein großer 





Dichter, ja der Dieter ſchlechthin. Daraus geht denn 


die einfache Lehre hervor, daß ein Dichter und eine Did: 
tung mit anderm Maße als dem der chriſtlich⸗ ethiſcheu 
Weltanficht gemeffen werden muß, mit einem Maße, das 


‚überall und immer gilt, entweder mit dem hiſtoriſchen 


oder mit dem aͤſthetiſchen. Die Poefſie hat, wie das 
feit undenklichen Zeiten anerfannt tft, nicht den Geſetzen 
der Moral, fondern dee Schönheit gebient, und wir bee 
Eennen auf die Gefahr bin, von Hm. Gelzer für einem 
modernen Spbariten gehalten oder.gar zu den atheiſtiſch 
Herzlofen geworfen zu werden, daß eine Beurtheilung ber 
Erſcheinungen der Literarur im Zuſammenhange und im 
Einzelnen nad religidfen Principten nur in krankhaften 
Zeiten und von krankhaften Geiftern gelibt werben kaun 
und geübt worden iſt. Ein Gedichte fol fo wenig eine 
Predigt als eine Deduction fein. 

' Wir find meit entfernt, an dem Werke des Verf. ein 

rgerniß zu nehmen, fondern betrachten es mit jenem 
rubigen Gleichmuthe, der uns den hochmüthigen Erſchei⸗ 
nungen gegenüber immer erfüllt, die gegen die feſtgegruͤn⸗ 
dete Drdbnung der Dinge mit ebenfo viel fubjectiver Si⸗ 


cherheit ale objectiver Ohnmacht fi auflehnen. Wir 


behalten unfer chriftliches Glaubensbekenntniß ftil fir uns 
und maden uns das Vergnügen, an dem Beichtſtuhle 
des Verf. ein wenig zu Saufen. ' 

Die wenigen einleltenden Worte ſtellen den Satz auf, 
daß an Frankreich die politifhe, an Deutſchland die gels 
flige Role ausgetheilt und daß es fpeciel dem Letztern 
jur Aufgabe geworden fei, Religion und MWiffenfchaft su 
tragen. In der Vereinigung beider Liege die wahre Be⸗ 
deutung der Miffion des bdeutfchen Geiſtes. Die Klaͤg⸗ 
lichkeit diefer Anficht leuchtet von felbft ein. Unfer Va⸗ 
terfand, mit feinem „Volke von Dichtern und Denkern“, 
fol ewig bie befcheidene Rolle des Dichtens und Denkens 
der Frommen und Wiffenden fpielen, und alle Hoffnung 
auf eine Zeit, wo Dichten und Denken dem Handeln un⸗ 
tergeordnet oder mit der That in fehönen Einklang ge⸗ 
bracht fein werden, ift uns für alle Folgezeit benommen! 
Werfen wir aber einen Blick zuruͤck auf das weite Be: 
biet unferer taufendjährigen Literatur, fo ſtellt fich die 
Sache ganz anders dar. Wo ein Auffhwung und eine 
Blüte der Literatur zu treffen, da iſt auch eine große 
politifche Regung im Wolke zu treffen. Die ſchwaͤbiſche 





Te: * 1902° : 


Zeit mit ihren großen Kämpfen und ihrem thatkräftigen 
Volke trug den fhönften Schmud mittelalterlicher Poeſie; 
ohne den großen politifchen Kampf der Reformation würde 
bie deutſche Literatur gicht jenen majeſtaͤtiſchen Anlauf 
agusmmen, haben, der feider allzu bald in ber Ohnmacht 
und politiihen Erdaͤrmlichkeit der folgenden Zeiten vers 
fiechte.” Aber als im vorigen Jahrhundert die Literatur 
fich wieder ermannte, da that fie ed nur mit dem Auf: 
ſchwung des politifchen Lebens Hand in Hand. Sollen 
wir,.gn, die Bewegungen „esinnern, bie durch die legten 
Kämpfe in die Literatur kamen, an das gewiß rege Le: 
ben der jüngften Zeit, deſſen Anftoß wieder nur ein poli⸗ 


ſtracte Kenntniß bes Schönen, die zur egoiſtiſchen Wer: 


‘feinerung des Lebens hinreicht, fondern das ganze Alte: 


thum mit feiner ewigen und Maren Schönheit, die mäds 
siger und reiner zur Veredlung des menfchlichen Befchlschte 
gewirkt hat als pieriſtiſthe Kopffingt —53 — 
Hochmuth. Wo die Macht der Schoͤnhäit id eindr Geel⸗ 
waltet, wird das Vorkommen von Fehlern nicht unmoͤg⸗ 
lich gemacht fein, aber dieſe Fehler find nicht die Folge 


iener Herrſchaft des Bewußtſeins und des Dienſtes der 


reinen Schoͤnheit, ſondern ſie kommen vor, weil die Seele 
eine menſchliche, keine gelaͤuterte iſt. Der reine Dienft 
der Schoͤnheit bewahrt aber vor dem ſittlichen Sinken 


tiſchet war! Wo Großes hei uns aufgewachſen, da iſt es gewiß ebenfo ſicher nie zelokfcher fee und: fehnmneinde 


anf einem von politiſchem Leben befruchteten Boden ges 
ſchehen, und die Hoffnung iſt aus den ſtatken und ge: 
fanden Geiſtern nicht zu verbannen, daß unfere Literatur 
in Zukunft duch, Verfchmelzung mit den politifhen Ele⸗ 
wenten eine neue Geſtalt und eine würdige und große 
Rolle annehmen muͤſſe. J 
Die Ahdandlung begirint, mit Klopſtock. Es iſt rich⸗ 
tig, daß Klopſtock'e Bedeutung eine hiſtoriſche if. Er 
gilt. in Ruͤckſicht auf feine, Zeit, der er ein neues Ele: 
ment zuführte,. in Ruͤckſicht auf feine Vorgänger, die er 
durch Selbfländigkeit iberwand, Aber wenn diefer Werth 
Klopſtock's nur der Behandlung eines veligiöfen Gegen: 
ſtends beizumellen waͤre, fo würde er heute und gleich 
damals nicht an. Gewicht haben verlieren können. Der 
Stoff erfüllt noch heute und in alle Ewigkeit die Men: 
ſchen, aber ex war zu heilig für die Form, er war voll: 
kommen disparat, er. wollte erbauen und die Poefie lieh 
fih nicht zum Werkzeuge det Erbauung machen. Der 
Stoff, deilen ſich Klopſtock bediente, iſt uns, von ber 
Form, in welcher er ihn gab, abgelöft, vertrauter und 
näher und darum, hat Deutſchland die ganze Dichtung 
fallen laffen, ohne dem Dichter das Opfes- eines from: 
men und ehrenden Andenkens zu verfagen. — Ähnlich iſt 
es mit Gellert bewandt. Während feine religiöfen Dich: 
tungen als Gellert’fhe fo ziemlich verfchollen find, leben 
feine auf praktiſcher Weltweisheit beruhenden Fabeln eroig 
jung unter und fort und fein Name iſt dabei nicht wie 
hei feinen Oben verloren gegangen. — Armet Windelmann! 
Wie gering wird, er hier abgeſchaͤzt! Er hatte nur eine 
Sehnſucht: die Schönheit zu erkennen; er war ein Menſch 
nur nad einer Seite hin lebend, „Die natlrliche umd 
die kuͤnſtlexiſche Schönpeit hat er erkannt; bie hohe Schön: 
beit der fittlihen Weltordnung, die das Chriftenthum of: 
fenbart, ift ein verfiegelted Buch für ihn geblieben.” 
Hätte er doch Lieber fromme Morgen: und Abendopfer 
ſtatt feiner Kunfigefhichte gefchrieben, oder über die fitt: 
liche Weltordnung wie ein Laie ftatt Über die ewigen 
Geſetze der Schoͤnheit wie ein Wiffender geredet! Die 
Unzulängsichkeit ‚des ethiſchen Maßſtabes kann nicht deut: 
licher hetnortaeten als in dieſem Abſchnitt über Winckel⸗ 
mann. Ein Menſch, der nur dem Princip eines ver⸗ 
feinerten, Sinnengenuſſes — wird nie die geſchichtli⸗ 
hen Wirkungen hervorrufen, die Winckelmann hervorge⸗ 


rufen hat. Er gab unſerm Volke nicht blos die ab⸗ 


Unduldſamkeit immerhin. u _ 
Leſſing's Verdienſte wetden bereimelitig arteefannt. 
Ohne ihn keine deutſche Kunſt. Aber was die freigebige 
Rechte dargereicht, nimmt die kargende Linke ſofort zu⸗ 
ruͤck. Leſſing ſchuf die Kritik und befreite fein Vaterland 
vom fremiden Joche. Das wird ihni zur Ehre geſchrie⸗ 
ben. Da aber, wo er mit der ſchoͤnſten Blüte ſeines kriti⸗ 
(hen Wirkens, mit feinem „Nathan“ auftritt, ſtoͤßt er auf 
Miderfpruh. Die Tugend if, nad dem Berf., fein 
freied Gewaͤchs auf dein Boden jeder Religion: Niche allein 
ohne pofitive, fondern auch ohne hriflliche Religion keine Zus 
gend. Er wird — in einer Ercurfion durd feine thes⸗ 
ogifchen Streitigkeiten — bebauert, weil feine Lebensan- 
fiche sich nie chriſtilich gereinigt und erhoben habe, aber 


ihm gefchikht die Gerechtigkeit, daß der Eifer feines Gere: 
dens über die träge Indolenz der flumpfen Gemüthsruhe 


geſtellt wird. Eine traurige Gitechtigkeit! — Hamann, 
Leſſing's größter Zeitgenoffe (S. 39) habe die Richtun⸗ 
gen Klopſtocks und Leffing’S ſowol beſchraͤnkt und ergänzt 
ald vertieft. Er wird den Erſten und Gtößten umter 
denn chriſtlichen Denken der neuen Zeit beigefilt. Nach 
Are wahrhaft großer Menfchen habe er In feinem Geifte 
ben dichteriſchen Schwung Klopfiod’E und die alffeitige 
Forſchungskraft Leffing’6 in feinem Geiſte vermählt und 
an religiöfem Tlefſinn Beide weit übertroffen. Er babe 
den Zwieſpalt zwiſchen Gtauben and Wiffen überwunden. 
In allen feinen Schriften fei Ein Sinn: die geiftige 
Vertrerung des Chriſtenthums gegen Widerfacher, unter 
denen er wie Shnfon unter den Philiſtern erſcheine. Er 
fi ein Mann der Zulänft geweſen, begeiſtert dom Bei⸗ 
fall eines fpätern al des 18. Jahrhunderts. War Has 
mann’s Einfluß ſchon im 18. Jahrhundert gering und 
auf einen Pleinen Freundeskreis beſchraͤnkt, fo iſt er im der 
Folge auf und unter Null geſunken. Die Charakteriſtik, 
die Gerdinus von diefem Manne entwirft (IV, 436) if 
fo treffend und tichtig, daß wir auf diefelbe verweilen 
koͤnnen, um das Gerede Hen. Geljer’s zu wibderlegen. 
Wie Winckelmann uͤbet wegkommt, weil er nike m 
Sinne diefee Schrift des Den. Gelzer fittlih war, fo 
kommt Damen zu dem unverdienten Palmenktange, weit 
er zufällig mic ber Auſchauungsweiſe des Verf. zu har 
moniren fcheine, und fo wirb aus fubjeetiven Gruͤnder 
die ganze Literatur und die Beurtheilung derſelden auf 
den Kopf geſtellt. 





— — 


Dev - Weinen: irrt: Wieland ie crefflich. Hier kam 
dem Bf, fein: Priucip gut zu ſacten. Wir wollen 
damit aber miht gebtuigt Haben‘, daß Wieland und ſein 
Mieken Wine den! mworntifchen: Kamm geſchoren werden. 
Es gibt eins andere‘ Seite der Auffaffung und vor dieſer 
hätt Wieland gleichfalss nicht Stich. Es iſt die aͤſthetiſch⸗ 
hiſtoriſche. Me Wictand if das Meiſte veraltet, weil eo 
von Anfang an auf fchwaͤchtichen Grunde beruhte. Seine 
erſte Periode iſt charakterloſe Schwaͤrmeret für Dinge, dee 
nen feine ganze Natur widerſprach/ Er wollte die Mu: 
fen zu Aufwaͤtterincen der Tugend machen, aber Die 
Mufen ließen ibn im Stich. Er zog gegen die Dichter, 
die ſchwaͤrmenden Anbeter des Bacchus und der Venus, 
zu Felde umd gefellte ſich dann fetbit ihnen bei; er fühlte 
von allen Dingen, ja von fich ſelbſt entbiäßt, nur Gott, 
und ſchien fpäter nichts zu kennen als Lüfieenheit und 
Genuß. Der Eräftige männliche Charakter fehlt feinen 
Dichtungen; Alles iſt greiſenhaft und hinfällig, Wir find, 
firenger als der Verf., aber aus amderm Grunde, nicht 
einmal in Stande, den „Oberon“ von diefem Urtheile 
auszunehmen. Mag die ethiſche Grundidee reiner und 
geläuterser fein als in Wieland's übrigen Werken: die 
ganze Art und Weiſe der Formgebung iſt undeutid und 
nur das Fremdartige diefer roſazauberiſchen Blendwerke 
kann die Jugend mit Glut erfüllen, dem reifen Ge: 
ſchmack wird dies gemachte Maͤrchenweſen, Hinter dem 
überall die Stepfis hervordugelt, dem Blick des Geſchichtskun⸗ 
digen wird dieſer Vorpoſten franzoͤſiſcher Poeſie misfallen. 

Es folgt ein Abſchnitt über die Dichter des Hain⸗ 
bunds, denen Bürger angereiht if. Wir koͤnnen uns 
bie kurz faffen, da He. Gelzer ſelbſt nue collectiviſch und 
inapp zu Werke geht. Buͤrger wird bemitleidet. Fried⸗ 
licher und seiner ſtimmt der Blick auf Hoͤlty, der gewiſ⸗ 
ſermaßen ein einziges früh abgebrochenes Gedicht geweſen. 

Seine Sehnſucht nach Einfachheit und Natur, nad) Frei⸗ 
heit und Seelenfrieden war das ſtille Gebet ſeiner Zeitgenoſſen. 
Seine religidſe Sehnſucht wird nie ſchwaͤrmeriſch, feine Lebens⸗ 
freude nie uͤppig. 

J. G. Jacobi findet zur Klage die verſoͤhnende Auf: 
loͤſung. Ihm ift die Natur, in deren Genuß er feine 
Freude fucht, Offenbarung eines Unſichtbaren, Hoͤhern, 
dem er ſich ahnend nähert. 

Frig Stolberg ift Enthuſiaſt für die Ideen von Frei: 
heit und neuer geiftiger Erleuchtung, ihm find die Namen 
eines Tell, Brutus, Hermann, Cato, Timoleon Triumph⸗ 
gelang, er verfpottet die Verehrer der Pfaffen, und im 
Bertranen auf feine claſſiſche Bildung ironifirt er den un⸗ 
fehlbaren Papft; ee ſchilt die Fuͤrſten, Väter ihres Das 
tetlands, die fich vor dee Wahrheit fürchten, die Rechtes 
gelehtten, die das Beleg wie Wache kneten, die Hof⸗ 
fhrangen, die gruͤnen Fliegen um das todte Aas des 
Staats ſummend. Aber ald die Sugenbideale zerrannen 
und feine religioͤſen Beduͤrfniſſe ſich mit der herrſchenden 
Zeitrichtung entzweiten, wurde er ein Unfreier. 

Der Übertritt wird gebilligt, wenigftens fo, daß bie 
Gegner beffelben (Beim, Voß) als Fanatiker der Ders 
nunft gejsichwer werden. (Der weitlaͤufige Excurs i 


diefen Gegeuſtand gehört weniger der Darſtellnug der Ei: 
teratur, ale der Befriedigung. eines Lieblingthemas des 
Bf, an, Wir übergehen ihn, da er meiſtens nur, Wies 
derholung Defim If, was. man in Schott's Buche finder, 
wenngleich die tendemziöfe Anordnung dem Verf. gehört.) 

Bei der Chaxtalteriſirung Voß' erfahren wir die 
Stiftung des Hainbundes, jmed Bundes natürlicher Un⸗ 
gezwungenheit zur Zeit einer gezwungenen Unnatur, Voß 
iſt der Träger Deiln, „was man moraliſchen Vernunft: 
glauben genannt hat‘. Ä 

Über das Verhaͤltniß von Religien und Moralität und üb 
die Stellung bes Chriflenthums zu ben übrigen Religionen i 
ee wol nie zu einer fihern Einheit gelommen. Wahres, Dalbe 
wahres und gang Gchiefes hat er in ber verwirrenden Art ge 
mengt und gemifcht, bie noch jegt in vielen Köpfen ihr Welen 
treibt (SG. 147). 

Doch babe in ihm, fobald ihn der Parteibaß nicht 
verfchlungen, eine tüchtige, vedlihe Natur, ein treues 
Mohlmeinen gewaltet, dem man einen berzlihen Antheil 
wicht verfagen könne (S. 151 fg). Seine Gedichte — 
gereimte Zeitungsartitel — feine verdienflliben Gr- 
klaͤrungen und Überfegungen des claffiichen Alterthums ges 
hören nicht in den Bereich der Darftellung ! 

Seltfamerweife tritt gleich neben Voß — unter der 
Rubrik des Hainbundes! — Geßner, der Dichter ber 
Empfindfamteit und bes idealiſirten (!) Maturlebens, 
„Was follen uns Menſchen, deren Beſtimmumg bei aller 
Unfdyuld denn doch am Ende in Ziegenheerden, in Lie 
beserklaͤrungen und in Hirtenflöten aufgeht?” (&. 156.) 
Diefe Idyllik fei aus der Sehnfucht nad) einer unges 
jwungenern Natur hervorgegangen. Aber Indem er der 
Biererei der Zeit ein Begenbild idealer Natur entgegen: 
halten wollte, fiellte ex nur ein ander coflumirtes Geis 
tenftüd auf. Von feiner ethifchen, feiner chriftlichen Seite 
wird nicht geredet. 

Bern flimmen wir in Das ein, was über Claudius 
beigebracht wird, „einen Mann, aus deſſen Schriften und 
wie aus einen Kindedaugen ein tiefer klarer Himmel von 
Unfhuld und Liebe, von feligem Gotteöfrieden und lau: 
tem Wahrbeitsfinne anfhaut”. Er faßte früh das be: 
flimmende Wort feines Lebens und mußte es in allen 
Tonarten für jedes Ohr vernehmlich, faſt für jeden Sinn 
begreiflich zu machen. Als Volksſchriftſteller iſt er in dee 
Höhe des Strebens, in der Einfalt der Form, in dem 
fihern Gepraͤge des innen Gehalts nie wieder erreicht 
worden. Anfangs war e6 ihm darum zu thun, das Vor⸗ 
bandene zu vereinfachen, zu beleben und mit den Zeithe⸗ 
duͤrfniſſen auszuföhnen. Später fuchte er das Vorhan⸗ 
dene in confervatives Weiſe gegen eine auflöfende Zeit zu 
rechtfertigen und zu behaupten. Nach der religiöfen Seite 
bin if er am wirkſamſten geweſen; er trat anfänglich 
reformirend auf, ohne ſich ängfllih an ein vorhandenes 
bogmatifches Spftem zu binden. Kin hohes Gefuͤhl menſch⸗ 
licher Beſtimmung und die klare Einfiht in die Unzuläng> 
lichkeit alles in der Zeit Errungenen liegen in ibm nebens 
einander, „Claudius' Politik ift ein chriſtlicher Libes 
ralismus“ (©. 173). Er erwartete das Heil von einer 


über Hmoralifchen, und die Revolution, der gegenüber er mehr 


1864 


conſervativ wurde erwartete er von einer poltiſchen Um⸗ 
ehr. Er vertraute ewigen unvergänglichen Dingen und 
— im Valet an den Lefer fagt er es — hatte auf dleſer 
Erbe den Fuß in Ungerwitteen und das Haupt in Sons 
nenſtrahlen, er war hier unverlegen und immer größer als 
was ihm begegnete. „Nur die enangelifche Kicche, nur 
die deutiche Nation konnte eine fo einzige Geſtalt hervor 
bringen.’ (&. 186.) | ' 

Bei Stiling und Lavater wird die Dauptbedewtung 
auf dem religiöfen Gebiete gefucht, und mit Recht. Die 
tiefere Quelle ihrer Wirkſamkeit wird aber nicht in ihren 
Schriften, fondern in ihrer Perföntichkeit gefunden (leider 
nicht ausgeführt). Bei Stilling wird verfucht, das Außer: 
oxbentliche feines ganz felbiländig entfalteten Charakters 
von den Misgriffen feiner oft irre gehenden Perfönlicykeit 
zu unterfheiden. Das Thema feiner meilten Schriften 
tft dee Gedanke: daß der auf Gott fich flügende Menſch 
auch auf die unmittelbarfte göttliche Fuͤhrung bauen dlrfe, 
dag alle Umftände unſers Lebens zu einem großen Gewebe 
gehören, deſſen legte Fäden in den Händen der göttlichen 
Weisheit felbft liegen, und daß, je unbedingter unfer 
Vertrauen, um fo fichtbarer und munderbarer auch Die 
göttliche Durchhülfe fei (S. 191). Es wird zugleich aber 
eingeftanden, daß in der Art, wie Stilling fein Verhaͤlt⸗ 
niß zur Barſehung ausſprach, geltend machte, Manches 
mislich und bedauerlich, ja geradesu krankhaft geweſen. 

Nicht Überall, wo er Gottes Stimme zu hören meinte, 
hatte er Ohr und Herz rein genug geftimmts nicht immer kann 
man bie Gchlüffe zugeben, bie er aus feinen Kührungen zieht, 
und nicht immer ift er den Klippen des Selbſtuͤberſchaͤzens und 
des ermuͤdenden Reflectirens über ſich fetbft entgangen. (&. 192.) 

Sein fpäterer Pietismus wird mild und fchonend ſtatt 
Aus einer Überfpannung nur aus einer Spannung feiner reli: 
gloͤſen Ideen abgeleitet. Bei der Befprechung feiner Schriften 
(S. 197 fg.) wird mit Fug das erfte Bändchen bes Lebens 
Ausgezeichnet. In feinen Romanen find Anklaͤnge an den 
Charakter feines Jugendlebens. Später machte er es ſich zur 
Rebensaufgabe, die „Aufklaͤrung“, in der er die Verdrängung 
alles bibliſchen Chriſtenthums und am Ende die Befeindung 
alles Chriſtlichen ſah, zu bekaͤmpfen und die zerſtreute Gemeinde 
der Zreugebliebenen zu befeftigen. Durch feine Schriften 
aus dieſer Periode zieht fih der Gedanke, daß ſich die 
Naͤhe des Antichriſts und die Wiederkunft Chriſti ankuͤn⸗ 
dige. Dagegen hat er im „Theobald“ mit bewunderungs⸗ 
wuͤrdiger Menſchenkenntniß und Seelenerfahrung die wid: 
tigſten Klippen religioͤſer Begeiſterung und Überſpannung, 
die meiſten Abwege der Sekten und Separationen mit 
einer Nuͤchternheit und Klarheit aufgefaßt, die Niemand 
bei ihm ſucht, der ihn nur oberflaͤchlich kennt. 

Lavater's Element und das Medium, durch das er 
feine Zelt maͤchtig beruͤhrte, war feine Religioſitaͤt. 
Was ihn hierin einzig machte, war die Intenfitaͤt, 
mit welcher er in der Religion lebte und aus ihrer in⸗ 
nern Lebensfuͤlle heraus die umgebende kranke Welt an⸗ 
faßte und erhob. In der Idee eines lebendigen, dem 
glaubenden Gebete innig nahen Gottes und in der Auf: 


faffung des perfönlichen, der Menfchheit, wo fie fich zu 


ihm wende, noch Iıisıer mmumilteiher inalenden Erloͤ⸗ 
ſers, wird der Mey feiner Religiefisit: atkannt. Go 
fuchte ex das Börtlihe ins Sichtbare hinelmgugishen und 
er geriech mie Stilling ins Baufchen msch Wunden, nach 
Bliden in das Geheimniß der Gelſtenwelt, nach ſtanlich 
betatllicten Ausſichten in bie Ewigkeit (8.203). (Nun 
folgt eine mehre Selten lange Erinnerung an Zinzendorf.) 
(Die Sertiegung felgt.) . 





Notizen. 
Der mpftifhe Sinn ber „Dbalfee”. 

Cooper's eben erſchienene englifcye Überfegung ber „Dbnflee” 
ift mit einem fortlaufenden Commentar ausgeftattet, in welchem 
der mystic sense des Gedichts dem glaͤubigen Leſer mıfgufdhtofien 
wird. Man erfährt ſehr merkwürbige Dinge. Homer ſchitdert 
in feinen Irrfahrten bes Helden von Ithaka im Grunde nichts 
Anderes als bie Übel der modernen Givilifation und ſogar bis 
ins Detail hinein. Proteus ift nichts Geringeres als ein Schmugg: 
ler, der nach Bedürfnis die Flaggen aller Rationen aufhiät; 
Menelaus wird nur uneigentlich als ein König und Heros vor: 
geſtellt, eigentiich ift ze nichts weiter als ber Kanzler der Unis 
verfität Argos, der feinen Einfluß und fein Anfehen benugt, um 
fih ein gemaͤchliches und mohlhäbiges Leben in der Aurüdges 
zogenbelt auf feine alten Zage zu ſichern. Die Seyllä macht 
dem gelehrten Gommentator viel Noth, fie- Tarfn den’ Preßgang 
(dad Matrofenprefien) bedeuten, fie kann auf @usienvertäufer, 
Gtiavenräuber u. dgl. zielen, fie kann fogar bie Policei eines 
Seehafens meinen; nur leiber enthält bie Schilderung in der 
„Odyſſee“ Züge, die auf alles Das nicht recht paſſen wollen. 
Aber das Wort Cratalis (Konıaıtk; die übergewaltige, fo hieß 
bie Mutter der Scylla) ſcheint unverkennbar auf bie Peſt an: 
zufpielen, vor weicher dem Odyſſeus angerathen wird, feine Leute 
durch einen Schup, eine Duarantaine zu wahren x. c. 48. 


Schut des literariihen Eigenthams in. England. 

Die erfie Anwendung ber in voriger Parlamentsfigung 
erlaſſenen Bil zum Gchuge des Eigenthums an literarifchen 
Werken ift im Mai tur einen Kanzleibefehl erfolge, welcher 
Drud und Vertrieb von Summertn’s „Handbook for Hampton 
Court’' dem Verleger Henry Green Glarke in Sonbon und 
allen feinen Leuten, Agenten zc. bis nad) ausgemachter Sache 
verbietet Es iſt nämlich Klage dagegen erhoben wegen uner: 
laubter Benugung von Artikeln eines andern Fuͤhrers zu den 
Sehenswürbigkeiten von Hampton Court und von zwei im 
vorigen Sabre vom „‚Athenaeum‘ „über benfelben Gegenftand 
gebrachten Auffägen. Derfelbe Clarke ift es übrigens, auf beffen 
Hterarifche Piraterle ſich die Amerikaner den Vorwürfen des 
„Quarterly review’! gegenüber bezogen, indem er des Ameri⸗ 
kaners Muzzy ,‚Young maiden” und „Young wife‘ unter 
dem Zitel „Tbe english maiden’ und ‚The english wife” 
nachgedruckt habe. 


Kartevon China. 

Das Landfartenbepör ber koͤnigl. Bibliothek in Paris er: 
hielt vor einigen Monaten durch den von der Regierung vor 
zwei Jahren nad China gefchidten Hrn de Jaciguy eine 
Karte des ganzen chineſiſchen Reichs in acht Blättern eingefandt. 
Der chinefiiche Titel bezeichnet fie als verbefierten und berich⸗ 
tigten Abbrud ber unter Khang-hi's und Khiensloung’s Re: 
gierung ausgeführten, was die von den katholiſchen Miſſto⸗ 
naren im 18. Jahrhundert entworfene tft; adein davon ſchweigen 
bie Chinelen wohlweislich. Die Revifion diefer Karte begann 
1822 und wurde 1832 beendigt; es find bios Namen berichtigt 
und veränderte Abgrenzung der Diftricte eingetragen worben, 
im Übrigen aber gleicht fie völlig jener ber iffonare wie 
eine Rotig von Ed. Biot im „Journal asiatique‘ vom Monat 
März machweift. 80. 


Verantwortlicher Herausgeber: Heinrich Brodbaus. — Drud und Verlag von F. A. Broddaus in Setpgig. 


_ u in m —— — — 


Bldtter 


für 


literarifhe Unterhaltung. 





Sonnabend, — Rt. 301. 





Die deutſche poetiſche Literatur feit Klopflod! und Leſ⸗ 
fing. Nach ihren ethifchen und religiöfen Geſichts⸗ 
punkten. Bon Heinrich Gelzer. 

(Bortfegung aus Mr. 200.) 

Was eine gefunde und unbefangene Auffaffung der 
Riteraturgefchichte an Goethe und Schiller ſtets geruͤhmt, 
daß fie naͤmlich die Poeſie von allem Nebenwerk befreit 
und eine Bildung angeftrebt haben, ‚die ganz felbftändi: 
gen Geiſtes ihren Maßſtab und ihr Geſetz In fich ſelber 
tragen und dem Menfchen eine von Kirche und Staat (?) 
unabhängige Eriftenz erringen wi” (S. 211), wird bier 
im Sinne des zaghaften Vorwurfs ausgeführt. Diefe 
Unabhaͤn gigkeitserklaͤrung menfchlicher Bildung von jeder 
Autoritde der Religion wie der Politik wird als die dfthe: 


tifhe Weltrihtung der Literatur Deutſchlands bezeichnet. 


Das Reue beider liegt nit in Dem, was ſie verneinen, 
fondern im Dem, was fie geben, indem fie es nämlich unternah⸗ 
men, dem böher gebilbeten innern Sinn eine Befriedigung 
zu gewähren ohne die Hülfe einer geſchichtlichen Religion und 
eines befondern Baterlande. (!) (&. 212.) 

Schiller's Jugendzeit ſchon hatte mit dem innern 
Widerſpruch der religiöfen und philofophifchen Überzeugung 
und dem aͤußern des innern Berufs mit ber Lebensſtellung 
ju ringen. Fuͤr den verlorenen pofitiven Glauben fuchte er Er: 
fag in dem Pantheismus, welchem die Natur ein unendlich 
getheilter Sort war. Auch hiervon fam er zuruͤck und in 
neuer Ungewißheit des Suchens ſchuͤtzte ihn nur die Kraft und 
Reinheit des Herzens. Sein Erkenntnißtrieb ergab fich bald 
in die von der Kant'ſchen Philofophie gelehrte Refignation, der 
zufolge ihm Thätigkeit und nicht das Erkennen bes Über⸗ 
finnlihen die irdiſche Beſtimmung ausmachte. Dadurch 
gelangte er zugleich, als auch die gefpannte Unruhe feines du: 
gern Lebens einem geficherten Zuflande zu weichen anfing, 
ju einer fittlihen Beruhigung. In diefer moralifirenden 
Weiſe werden Schiller's Werke betrachtet. Der revolu: 
tionaire Zuftand der Seele des Dichters wird in ben 
„Raͤubern“ wiedergefunden ; von ber Abfpiegelung der Zeit, 
in der fie entftanden, und von ihrer prophetifchen Bedeut⸗ 
famfeit verlautet nichts. Dagegen aber ein „verſtimmtes 

oder mitleidiges Wegwenden“ von diefen Elementen einer 
wildgaͤhrenden Jugend und ein beflommenes Überfhauen 
des Umfangs fittliher und geiftiger Verwuͤſtung, die m 
Schiller's Seele vorausgegangen fein müffe (8. 210). 
Der ungeheure Beifall, den die „Räuber” fanden, leitet 


ben Verf. nicht auf ein näheres Eingehen in bie Urſa 
chen deffelben bin, fondern dient nur zu einer Anklage 
jener Beit. 

Für die Umwandlung Schiller's in feiner gweiten Periode 
haben vorzüglich drei Umftände zufammengewirkt: die Gründung 
eines häuslichen Lebens, feine gefchichtlichen und feine philofophis 
fhen Studien (&. 221). 

Die Ehe habe ihn in ein neues näheres Verhaͤltniß 
zu den Menfhen als Individuen, nicht ale Begriffen 
gebracht, die Geſchichte ihm die Kenntniß des wirklichen 
Lebens vermittelt, und die Philofophie ihm die Grund⸗ 
füge gezeigt, die den Geift im Erkennen und Darſtellen 
leiten follen. Diefe Momente werden umftändlich ausge⸗ 
führt. Bei Goethe wird darauf verzichtet, feine Bedeu⸗ 
tung für die Literatur, fein unermeßliches ſchriftſtelleriſches 
Verdienſt für Sprache und Bildung zu erörtern, wol 


aber fol mit: aller Sorgfalt verfucht werben, über dat 


Mefentliche feiner Weltanficht ins Klare zu kommen, im: 
fofern fie feine Stellung zur religiöfen, geffligen und fites 
lichen Welt beftimmte. Damit werde zugleich Aber bie 
Unzähligen aufgellärt werden, denen bie auf ihm been: 
bende moderne Gultur ihre Religion geworden und bie 
folgerichtig in ihm ihren aͤſthetiſchen Religionsflifter zu 
verehren haben würden. 

Schon in feiner Werther: Periode ſchied fich Goethe 
mit vollem Bewußtſein von dem geſchichtlichen Chriſten⸗ 
thum aus; „ben tiefern Lebensinhalt des Chriftenthums, 
feine auch im Menfchenbebürfniß ewig gegründete Wahr⸗ 
beit bat er nie erlannt, nie den im Dogma verhüllten un⸗ 
vergänglichen Lebenskeim zu entfalten gewußt” (S. 258). 
Er war fhon im Beginn feiner Wirkſamkeit mit einer 
pantheiftifhen Anficht befreundet. Heftige Schwankungen 
zwiſchen religiöfen Hingeben und Losfagen füllten fein 
Inneres; der reinere kindliche Ton, der ſich troß derſel⸗ 
ben noch nicht verloren, wurde durch das Leben in Meis 
mar aus ihm verdrängt. Er aͤußert den beflimmteften 
MWiderfpruch gegen den Glauben an die gefchichtliche Wahr⸗ 
heit des tdealen Chriſtus. (Diefen legten Punkt, der auf eine 
Splitterrichterei hinausläuft, indem er feine andere Begruͤn⸗ 
dung bat als die, daß Goethe an Lavater gefchrieben habe: 
Dein Chriſtus, womit Goethe außsfpreche, baß er ſelbft 
feinen Chriftus Habe — koͤnnte man zum Nachtheile der 
Darſtellung Hrn. Gelzer's gründlier beleuchten, allein 
wer unbefangenen Auges ben betreffenden Brief an La: 





. MR 


vater, im „Briefwechſel“ (&. 130) nachlieſt, wird leicht 
einſehen, daß Goethe mit dem Dein. nur bie Geſtalt 
oder das Bild bezeichnet, das fidy Lavater entworfen, und 
wenn Goethe die Lavater'ſche Auffafjung nicht für die 
fetsige nmahm; fo folgte ee darin nus dee Berechtigung, 
Die de ſelbſiändige Natur einer andern Natur gegenüber 
in Anfpruch nehmen darf. Zu fodern, daß zwei Men: 
ſchen fich über eine gefchichtliche ideale Erſcheinung diefel: 
ben und nur diefelben Vorftelungen machen follen, ift fo 
unbillig als es unvernünftig Il.) Seine zweite Periode 
wurde durch fein Studium der Natur und Kunft Yorbes 
reitet und zur Meife gebracht. Beide betrieb er mit ders 
ſelben Andacht, mit der der Religioſe feinen Blauben 
hegt. „Kunſtbetrachtung wurde ihm feine Religion und 
Kunfifinn feine Sittlichkeit“, S. 278.) So mußte er fich, 
wie er that, ganz gegen feine frühen Freunde, Lavater, 
Staudius und Jacobi feindlich flellen. Damit zuſammen 
ſteht Goethe's Lebensverhaͤltniß in dieſer Periode. (Mit 
entſchiedenem Ernſte aber leiſer Andeutung wird auf ſein 
Anknuͤpfen und Brechen von Verhaͤltniſſen hingewieſen 
and über leichte Productionen dieſer Zeit „kein anderes 


Urtheil gefunden, als ſich wegzumenden mit Summer und | 
Unwillen“, ©. 280.) Die dritte Periode, feine 25 leg 
ten Lebensjahre umfaſſend, zeigt ihn als einen gereiften, | 
auf sin reiches, bewegted halbes Jahrhundert finnend zu: | 


ruͤckſchauenden Geiſt. Die jugendliche Glut kehrt als tief 
in fi gekehrter Ernſt des Alters zurüd, das ſtolze Sich 
gewähren lafien weicht einer Innerlichkeit, die fih ber 
Welt verhaͤlit, aber für jede tiefere und reinere Regung 


dee Menſchheit ſich erweitert. Auch feine veligiöfe Sefins 


nung wird von diefer Umſtimmung berührt, denn obwol 
er zum gefchichtlichen Chriftenthum noch dieſelbe Stel: 
lung wie in ber Jugend einnimmt, fo ift ihm die Ange 
legenheit Doch wieder eine heilige geworben, 

Wie Goethe Ratur und wirkliches Leben, fo vertrat Schil⸗ 
ler Freiheit und Idee. 
Leben erft aus dem aͤußern natürlichen hervorgehen laſſen, im 
welchem ex ficher zu flehen glaubte. Im dem Leptern entwickelte 
fih nie fo mächtig das ber Verwandtſchaft mit Leben 
und Natur; frkb fon trennte ex ſich vom natürlichen Leben 
durch das Grgreifen des ibeellen, in dem ex lebte. Beide Riche 
tungen find tief im Menfchen begründet. Das Wahre uud Blei⸗ 
bende in beiden Richtungen ift laͤngſt in der chriftlichen Lebens: 
anſicht vereinigt. Daß der unermeßliche geiflige und ſtittliche 

| jener reiägidfen Weltanſchauung wieber als der tieffte 
Aufſchluß alles Streben begriffen werde — darum war es 
ben gzößten Zalenten unferer Literatur beftimmt, auf ihre 
Weile den Umkreis menfchlicy möglicher Leiftung zu burchmeffen, 
ben felbftändigen Berſuch durchzumachen, ob von ibrem Stre⸗ 
* 38 N wahrer Mitteipundt des Lebens ſich finden laffe. 

Herder tritt als ber Mepräfentant einer großen unis 
verſell⸗ veligiöfen Tendenz auf, die durch ihn in unfere 
Bildung und unfer Leben eingeführt worden und an des 
sen Fortbildung und allſeitiger Begründung feitdem die 
verfchiedenften geiftigen Kräfte gearbeitet haben. Mit Ha: 
mann hatte er religiöfe Tiefe und Innigkelt gemein, mit 
Reffing den allfeitig anregbaren und anregenden raſtloſen 
Bildungstrieb. Religiofitaͤt und Poeſie im tisffien Zus 
fammenbhange wurden das pulfisende Herz feines Lebens. 


Der Grftere wollte das innere ideelle | 





In die Religion und ihre ſoſtematiſche Auffeffung, die 
Theologie, brachte er eine poetiſche Erfriſchung und Ges 
gänzung, und bie Lebeneluft feiner Poefie war durchweg 
eine religiöfe. Seine Religiofitdt war Intuition. Her 
der's Seele ſtand bei dem damaligen Emtartungen der Res 
ligion, der Alles benagenden Zweifelſucht und dem vom 
Geifte verlafjenen Gewohnheitsglauben, gleich fern. Durch 
den Reichthum individuellen Lebens, den er beſaß, wurde 
er zu einer unentbehrlichen befeelenden Macht fuͤr feine 
und bie fpätere Zeit. Der einen gemeinfchaftlichen Cha⸗ 
rakter bezeichnende Ausdruck feiner Schriften dürfte der 
fein, daß Herder den Glauben nicht ſowol gelehrt als ge: 
zeigt, daß er bis Religion nicht bewiefen, ſendern den 
Sinn für fie gewedt und genaͤhrt babe. Auch das 
Chriſtliche beſtrebte er fih, auf feine urſpruͤngliche Abt, 
feinen erften thaͤtigen Sinn zurbdzuführen. Den Gef 
des Chriftenthums fegte er weniger im irgend eine Lehre 


als in ein liebevoll thaͤtiges, ſich ſelbſt vergeffendes Da: 


fein. Die überaus verbreitete Gemeinde der im dieſem 
Sinn Handelnden war ihm der eigentliche Zweck der 
Weltordnung. Er denkt ſich fogar die Fortdauer dei 
Chriſtenthums wmabhängig vom Verhältniß zu feinem 
Stifter, und berührt dadurch eine Grenze feines Bewuft: 
feine, wo Hr. Geizer von ihm abweicht. Die Verände 
rung, die fpäter mit ihm vorgegangen, indem feine hohe 
ahnungsvolle Sprache oft einer verſtaͤndlichen aber under 
beutendern Entwickelung Plag gemacht habe und feine 
Religioſitaͤt ermattet fei, wird daraus erklaͤrt, daß jene 
Gefühl, dem ex vielmehr als der Erkenntniß feine Religiofi: 
tät verbandt babe, ihm nicht fein ganzes Leben hindurch 
unangefochten geblieben ſei. Den Gegnern umd ber eign 
nen Bildung gegenfiber habe er feinem Ahnen und in: 
nern Schauen eine Unterlage von Begriffen und Gedan⸗ 
Een bauen müflen. 

Was Herder in der Theologie, mar Jacobi in ber Ph 
ſophie: die freie (2) Bewegung des Geiſtes gegen die Abgeſchloſ⸗ 
jenheit der Syſteme, die Rechte des Herzens gegen ben Despo⸗ 
tismus der Demonftration (!) und bie Tieblofe Kälte der Selbſt⸗ 
fucht beſchirmend (&. 337). — Durch feine Schriften geht das eim 
ihn nie verlaffende Streben: Gott im Menfchen aufufuden, ia 
unferm Innern die Staͤtte nachzuweiſen, aus welcher im Glan 
ben und Danbeln der Sinn bervorgehe, welcher, der Weit fremd, 
allein Emwiges im Irdiſchen, Bemwußtfein Gottes in ber Menidr 
heit zeige (8. 341). — War ihm Glauben die Quelle der religite 
fen Gewißdeit und Liebe bie bes fitttichen Lebens 
für bie Berfünbigung dieſer chriſtlichen Ideen beim Unglauben 
und Verftandeöglauben entgegen, während er felbft zum geſchicht⸗ 
lich und kirchlich Chriſtlichen niemals in ein gang zufagenbed 
Verhältniß trat (8. 34l). 

Auf Jean Paul ging Herder's poetifche und Jacobs 
phitofophifche Erfaſſung und Beleuchtung der Religion 
über. Seine tiefe Wirkung und die begeifterte Aufnahme, 
bie er fand, berubte darauf, daß ein mit der Macht des 
Denkens vertrauter, mit poetifcher Schöpferkraft reich be: 
gabter Geiſt wie der feinige bie reinere Welt eines reli⸗ 
gioͤs gehobenen Daſeins hervorgehen ließ (5. 355). 
Aus den Deengungen feinee Jugend erwuchs ihm das 
nie erloͤſchende Beduͤrfniß und Streben, den innern Sinn, 
die Freiheit der Seele und die hoͤhere Hoffnung vor der 





4 


Unterraurfögßeis des aͤußern Lebens, vor der Gewalt des 
Schickſalo und der keibenſchaft zu reiten (S. 356). 
Neben dieſer Erweckung und Verherrlichung des religidſen 
and ſittlichen Sinnes geht ihm die Humoriſtik als ein 
freies das Leben belichelndes Spiel her (S. 367). In 
Bezug auf das geſchichtliche und kirchliche Chriſtenthum 
wird bemerkt (S. 373 fg.), daß er ſchon ſeit der Jugend 
davon Lodgeriffen. Ex ſcheint micht einmal das Beduͤrf⸗ 
niß des Zuſammenhangs mit der pofitiven Religion em: 
pfunden zu haben. In diefem Verkennen der Kirche und 
der in ihr ruhenden Kräfte erwartete er eine Wieder: 
erweckung der Religion nur von ber Porfie und For⸗ 
ſchung (&. 376), 

Die Religiofisät Herder's und die Humoriſtik Sean Paul's 
wird in Hippel gefunden. Durch das mannichfaltigfte 
Detail des von ihm gefchilderten wirklichen Lebens blickt 
ein durch alles Sichebare nicht gefättigter Sinn hervor. 

(Der Beſchluß folgt. ) 





Skizzen aus Srland.*) 


Gewiß muß Irtand das Intereffe des Reiſenden in Ans 
fprudy nebmen, da e6 von allen europäifchen Ländern wol die eis 
genthümlichften Zuftände aufzuweifen, und durch feine politifche 
Stellung nad) außen wie burdy manchen Micklang ber innern 
Einrichtung, der natürlichen und feciaten Berhättniffe, und mehr 
noch durch den Charakter ber Bewohner, einen zeichen Stoff 
zu ber abwechſelndſten Bildergalerie des Volkslebens bietet. 
Jener elafkifche Rationaldyarakter, der zu allem Guten und zu 
allem Boͤſen gleich fchnell bereit ift, fowie die Phantafie in Aufı 
regung gebracht wird; der Zitanenflolg, womit der fchlichtefte 
Bauer dem Schillelah ſchwingt; die edle Freigebigkeit, womit 
der Better den Bilfen mit dem noch aͤrmern Bettler theiit; 
vie Anhaͤnglichkeit der Eheleute, die dis zum Grabe hinaus 
reiht, fobaß zweite hen nur felten gefchloffen werben; bie 
Keftigkeit der Familienbande überhaupt bis in das entferntefte 
Gliebz der Gontraft der Hier und da fo reichen Natur gegen die 
arme Menſchheit; bie Lumpenhuͤlle der Wettier, und dabei beren 
poetifdge Reden beim Fiehen um eine Gabe; der beinahe orien⸗ 
tatifche Bilderreichthum der Sprache im Verein mit ber ger 
wöhnlichen Sprachverftümmelung, die man als irish broque 
hezeichnet: — alle diefe Eigentbhuͤmlichkeiten verleihen ben gewöhn: 
lien Lebensereigniffen eine gewiſſe Eocalfärbung, bie kein ande⸗ 
red Land aufzınveifen hat. Die beiden Verf. des vorliegenden 
Budys haben Irland mit großer Vorliebe bereift und den Cha⸗ 
after des Volks und des Landes mit vielem Geifte aufaefaßts 
fie gehören zu jener Partei, weldhe an bie fidy täglich beſſernden 
Umftände Irlands glaubt, und in der fortbeſtehenden Bereinigung 
mit England beffen Heil fucht. Hauptſaͤchlich fchreiben fie das 
Etend des Landes der f der Bewohner zu, und mei 
nen, daß jegt dusch den Mäßigleitöverein des Water Mathem, 
der mittels einer Fleinen Medaille von Blech die Einwohner 
Irlands zu Tauſenden des Trunks entwöhnt hat, ein Haupt: 
ſchritt zur Verbeſſerung der Lage Irlands gefchehen ſei. Diefe 
Anficht ſpricht ſich ſchon in ben erſten Seiten der Reife aus: 

„ine Neife nach Irkand iſt jegt etwas ganz Anderes als 

damals, wo die Anwendung det Dampfes noch nicht befannt 
war und Die Schiffahrt von Wind und Wellen abhing. Man 
bediente ſich eines Meinen Kauffahrers oder Schooners als Packet⸗ 
boot; die ziemlich Feine Kajuͤte war mit Lagerflätten umges 
ben, wovon nur bie für die Frauen beflimmten eines Vorhangs 
fi) erfreuten. In der Mitte fland ein Tiſch, der inbeffen fels 
ten benußt wurde, da man fi nur felten bie Mühe nahm 


*) Ireland, its scenery, character etc, by Bir. and Mrs, 8. C. Hall 
(Tonden INN. 


förmiih Mittagstafel zu halten, indem jeher Paſſagier feing 
eigenen Vorräthe mitgenommen hafte, deren ee fi) bebiente, 
fo oft und wann eben Punger oder Durft bei ihm einkehr⸗ 
ten, und welche er oft bei der Ruͤckkehr feiner Eßluſt bedeus 
tend vermindert fand, weil irgenb ein der Seekrankheit nicht 
unterworfener Reifender ohne viele Umftände der Fremden Biſſen 
ſich bemaͤchtigt hatte.” 

„Der Schiffsaufſeher war gewoͤhnlich ein ungeſchickter Bur⸗ 
ſche, deſſen einziges Verdienſt in der Gelenkigkeit beſtand, womit 
er die ungluͤcklichen Seekranken bediente. Die ahrt felbft 
glich einer Art von Yurgatorium, dem man fi) denn natürlich - 
auch in aͤußerſter Roth unterzog, um fo mehr, da aller Mangel 
an Bequemlichkeit und Comfort diefe Reife unerträglich machte 
und überdies oft flatt der herkoͤmmlichen drei bis vier Tage 
ebenfo viele Wochen babei verloren gingen. Einmal faben wir 
und gezwungen, einen gangen Monat zwifchen den Häfen von 
Briftot und Cork zu verweilen, wiederholt nad) dem eienden 
Dorfe Pill surüczufabren und dabei noch ſtets die Angft aufs 
zufteben, daß ber Wind fich drehen und das Packetboot forttreis 
ben könnte. Indeſſen waren wir dabei nicht fo übel daran, wie ein 
Offizier, deſſen zweimonatlicher Urlaub gerade an dem Tage endigte, 
als das Fahrzeug an der heimatlichen Küfte von Irland landete.” 

Unter ſolchen Verpältniffen wundert fi) wol Niemand bars 
über, daß in jener Zeit der Verkehr zwiſchen beiden Rändern 
fehr unbedeutend geweien, und England und Irland gegenfeitig 
ſich fo fremd waren, als ob der zwiſchen ihnen firömende Kanal 
ein gänzlich unfahrbarer Ocean wäre. 

Die Erfindung der Dampfihiffe bat nun beide Infeln beis 
nahe in ein einziges Land umgewandelt, und eine Reife von Li⸗ 
verpeol nad) Dublin, oder von Briftol nach Waterford und Cork 
iſt viel bequemer und minder ermübend als eine Fahrt nach 
Hort. Hieraus erwuchs denn natürlich die Folge, daß Vor⸗ 
urtpeile und Nationalirrthuͤmer beider Länder mehr und mehe 
ſchwanden, daß beide gegenfeitig ſich kennen und ſchaͤten lernen, 
und daß die auf egenfeitigen Sntereffen beruhende Union ſich 
mebr und mehr befefligen wird. 

Die zahlreichen Dampfſchiffe zwiſchen den beiben Ländern 
haben in der That ben Verkehr beider fo ſehr erleichtert und 
befözbert, wie kaum eine Bruͤcke über den Kanal von St.⸗Georg 
ed vermocht hätte, und die Gieganz diefer Fahrzeuge, die Wohle 
felheit einer ſolchen Fahrt und die zarte Verüdfichtigung bes 
Somforts für die Reifenden haben die früher fo langwierige, 
langweilige, theure und gefahrvolle Reife in eine angenehme 
Spazierfahet verwandelt. Dennoch find damit noch beimeitem 
wichtigere Vortheile verbunden, indem dadurch die Hülfäquellen 
beiber Laͤnder bedeutend vermehrt, bie moralifchen und focialen 
Zuftände beider Völker fehr verbeffert wurden: 

„Bor 16 Jahren errichtete die Dampfichifffahrtsgefellichaft 
von ©t.: Georg zwifhen dem Hafen von Gorf und ben ‚Häfen 
von Dublin, Liverpool, Briftol und fpäterhin auch von London 
eine Padetbootfahrt, und von jenem Augenblid an flieg auch der 
Werth des Bodens bei dem armen Irlaͤnder. Fruͤher war er 
das Opfer der Zwiſchenhaͤndler gewefen, weiche alle feine Pro: 
ducte auf den Landmaͤrkten zufammenkauften und ihn zwangen, 
für ben von ihnen feflgeftellten Preis zu verlaufen, ober oft 20 
Meilen Wege feine Waaren weiter hineinzufchleppen. Das ir⸗ 
laͤndiſche Spruͤchwort: ‚Das Schwein bezahlt bie Rente!‘ traf 
wörtlich ein; denn der Marfttag war der Zag, wo bie Renten 
bezahlt werden mußten. ” 

„Jetzt iſt ber Landmann felbft Händler geworben und vers 
führt .feioft feine Schweine, fein Federvieh und feine Gier 
nad) England, um fie dort theuer an ben Mann zu bringen. 
Dort fammelt er auch Kenntniffe von Menſchen und Sitten, 
bean er if} von Ratur neugierig und klug und fieht ſich überall 
gern um, erkundigt ſich nah Allem unterwegs, unterfudht alles 
im andern Lande ihm fremb Erfcheinende, und bringt dann allerlei 
Verbefferungen und Senntniffe in feine Heimat zurüd, woraus 
er Nugen zieht, der ſich fchnell bei feinen Nachbarn verbreitet.” 

„Demnach ift man zu ber Borausfekung einer materiellen 


1208 


Verbefferung in Irland beredptigt, wie foldye denn auch vorzäg: 
ih in der Umgebung der Gechäfen ſehr augenſcheinlich ſich 
kundgibt. Beſſer gekleidet ericheint ber Bauer, beffer gebaut 
feine Hütte, civilifirter fein Benehmen und ganzes Wefen, als 
ſonſt. Mag immerhin die niedrigſte Claſſe der Wohlthaten bier 
fer großen Veraͤnderung noch nicht -theithaftig geworden fein, fo 
haben doch alle hoͤhern Claſſen ſchon weſentliche Kortichritte ges 
macht, und das irlaͤndiſche Volt wird nach und nach in jeder 
Hinficht dem engliſchen ſich gleichftellen.’ 

„Daß dieſe wohlthaͤtige Veraͤnderung durch die Erfindung, 
ben Dampf als Locomotiv zu benutzen, veranlaßt worden, kann 
Niemand mehr bezweifeln; aber ebenſo wenig darf geleugnet 
werben, daß auch andere Umftänbe dazu mitgewirkt haben.“ 

„Wie unternahmen im 3. 1838 
eine zweite 1840, und fanden die Kortichritte während dieſer 
zwei Jahre fo außerordentiich, daß Mandyes davon unglaublich) 
erſcheinen dürfte, laͤge es nicht thatfächlich vor, während wir 
bei allen unfern frühern Beſuchen an Land und Leuten nur un: 
bedeutende Veränderungen wahrgenommen und folche während 20 
Jahren Immer wieder gang auf berfelden Stufe gefunden hat: 
ten. Ja, wachen die Fortfchritte in gleihem Verhaͤltniſſe wie 
in den beiden legten Sahren, fo kann das Refultat diefer Der: 
änderung für das Land und für gang Großbritannien nicht hoch 
genug angefchtagen, kaum ermeffen werden.” 


Irland ift rei an Volkstragoͤdien. Welches Elend bie⸗ 
tet nicht der Bettierſtand mit feinen Lumpen, dem ftums 
men und berebten Flehen, ber jedem Diſtrict eigenthümtis 
chen Weife des Bittenden. Welche Scenen des Kummers ftellen 
bie Gefängniffe dar, die fo mandyes Opfer, das fidy, durch Man: 
gel und üble Behandlung angetrieben, gegen die Autoritäten 
vergangen, umfchließen. Und nun bie Ausmwandernden, dem 
fhönen Irland, dem geliebten Vaterland Entfagenden, bie in 
ferne Länder zieben, um fremden Boden zu bebauen, während 
noch im eigenen Baterlande fo viele taufenb Ader unbebaut liegen. 

Cork ift ber Einſchiffungshafen für die Auswanderer im 
ſuͤblichen Irland, und die auftralifhe Auswanderungsgefellfchaft 
bat bort einen Agenten. $Derzerreißende Scenen wiederholen 
ſich dba von Beit zu Zeit auf dem corfer Quai, und in Irland, 
wo die Familienbande fo innig find, muß das Zerreißen derfel: 
ven, das Trennen noch viel ſchmerzlicher als anderswo fein. 
Ein anderer tragifcher Charakterzug in Irland find die herab: 
gelommenen Familien : 

„Das Schickſal bes einft fo mächtigen Clans Mac Carthy 
ift das der meiften alten Bamilien in Irland, deren Nachkom⸗ 
men in gerader Einie man. oft als Zagelöhner arbeiten fieht, 
in ber Nähe ber Ruinen von Schloͤſſern, wo einft ihre Voraͤl⸗ 
tern geberrfht. Da in vielen Fällen kaum ein Jahrhundert 
aifhen ihrer Größe und ihrer Erniedrigung liegt, fo ifl es 
ein Wunder, wenn fie zuweilen dem Glauben ſich hingeben, daß 
der Beſitz, der durch die Flut der Eroberung hinweggeſchwemmt 
worben, durch bie Ebbe der Ereigniffe wieder zurüdtommen 
Tonne. &o fahen wir ben Iegitimen Erben der alten Beherr⸗ 
fher und Inhaber von Weftcarbery, der, als er den Boden 
grub, einen Augenblick mit Arbeiten inne hielt und auf feinen 
Spaten gelehnt, nach den Bergen und Thaͤlern fo weit, als fein 
Auge reichte, deutete, und von dem großen Diftricte, deffen Bes 
berrfcher feine Großväter gewefen, ſprach, als gehörte er ihm 
noch immer an.“ 

Der jegige Wefiger eines Theites der Mac Carthy » Güter 
fand einft in feinem Bezirke, am Fuße eines alten Baums, 
einen alten Mann, welcher ſchluchzte, als wollte ihm das Herz 
brecdyen. Als er ihn nach dem Grunde feines Kummers fragte, 
erhielt er zur Antwort: „Ich bin ein Mac Carthy, der einftige 
Befiger diefer Länderrienz; biefen Baum babe ich gepflanzt und 
kam hierher, um ihn mit einer Thraͤne zu negen. Morgen 
fegte ich nach Spanien, wo ich feit der Revolution als Ver: 
bannter und Geächteter gelebt habe, und jest Tage ich das Ichte 
Lebewohl dem Orte meiner Geburt und ber Heimat meiner Ahnen.’ 


eine Reife nach Irland, 


Man ſieht in Irland ebenfo viel „‚derwirkte Ränberein‘ 
als alte irlaͤndiſche Namen; manche waren den ˖ Parteigängern 
bed triumphbirenden Gromwell im Ganzen zugefallen, andere un: 
ter fie vertgeilt worden. In der Geſchichte der Grafſchaften 
findet man häufig folgende vielbebeutende Worte: „Er ſchlug 
ſich zu den Irlaͤndern und ward feiner Güter verluſtig erklärt"; 
oder: „Withelm's III. englifhe und hollaͤndiſche Porteigänger 
theilten das Gigenthyum der aiten Irlaͤnder.“ Und im gan 
Sande findet man feine von ber anglosnormannifchen Inbaßon 
berftammende Bamitie, deren Nachkommen einen einzigen Adır 
von ben einft fo großen Gütern ihrer Vorfahren befäßen. Ohne 
Zweifel hat die Zeit viel dazu beigetragen, die Ungluͤckichen 
mit ihrem Schickſale auszuföhnen, und bie Grinnerting an ver: 
gangene Größe ſchwindet täglich; doch iſt noch immer gen 
davon vorhanden, um von Übelmollenden zur Aufwiegelung dei 
Volks benupt zu werden: 

„Unter dem Protectorat warb Maurice Biscount Rode gr: 
Achtet und feine Güter unter die Soldaten Cromwell's vertheilt, 
defien Borfchiag eines Vergleichs ber loyale Verdannte vermei: 
gert hatte. Später erhielt er ein Regiment in Flandern und 
duldete jede Entbehrung, um feinen Gehalt mit dem Khnia 
Karl II. zu theilen. Dann mußte Lord Roche feine Stelle ver 
kaufen, um feine Scuiden zu bezahlen, und hoffte natürıid 
bei der NReftauration, mit feiner Ehre auch feine KBefistki: 
mer wiebererftattet zu feben. Kart wollte indeß fidy nicht de 
treuen Freundes im Ungiüd erinnern, und obne die Wohltha⸗ 
ten des Herzogs von Ormond wäre Lord Roche in Mangel ge: 
fiorben. Die Undankbarkeit Karl's IL. gegen feine irtändifcen 
Anhänger und die Nachkommen Derer, welche im Kampfe gegen 


den Ufurpator gefallen waren, ift einer ber fehwärzeften Fleden 


feiner Regierung. Viele von ihnen hatten — wie Lord Rohe — 
nicht nur Entbehrungen, fondern fogar Mangel erbuldet, um 
feiner Sache zu dienen, und ats er die Mittel in Händen hatte, 
fie wieder in ihre fruͤhern Veſitzungen einzufegen, behandelte er 
fie mit Gleichguͤltigkeit und Vernachlaͤſſigung. Zwei Beilpiee 
mögen bier den traurigen Schluß ber Gefchichte des Lord Node 
barthun. Zwei oder drei alte Leute erinnerten fich nod recht 
wohl einer Lady Roche, welche in zeriumpten Hofkleidern in 
den Straßen von Cork bettelte; fie war nahe an ben Siebzig 
und wahrſcheinlich biefetbe, welche der Erzbiſchof Buller dem 
Herzog von Dorfet zur Nenfion vorſchiug. Im Anfange dieſes 
Zaprhunderts kehrte ein Reiter bei einem gewiffen Herrn Ge 
ter, in ber Grafſchaft Tipperary, ein; beim Abfteigen vom Pf 
trat ein großer, ungeſchickter Menſch, der halb ald Knecht, halt 
ale Jaͤger gekleidet war, vor, um bas Pferd in den Stall zu 
führen, und ward von Heren Croker als, Mylord angerekt. 
Der erftaunte Fremdling erfuhr nun auf, da diefer Stallknech 
wirktich ein Lorb Roche fei, der fih um Pferde und Bunde ver: 
dient mache, mit der Dienerfchaft in der Küche lebe, doch im 
Stolz auf feine Geburt ſich nicht entfchließen koͤnne, Köhnung 
anzunehmen. 
(Die Fortſetzung folgt.) 





Literarifhe Anzeige. 


Soeben ift in meinem Verlage erfchienen und in allen 
Buchhandlungen zu erhalten; 


Ä Die Liebekunſt. 


Drei Bücher. Ä 
Dem Publius Spidins Mafo 


nachgedichtet 
von 
CH F. Adier. 
Gr. 12. Geh. 1 Thlr. 6 Mor. 


Reipzig, im October 1843. 
| FU. Brodbaus. 


Verantwortlicher Deraußgeber: Heinrich Brockhaus. — Drud und Verlag von F. U. Brodhaus in Leipzig. 








Blätter 


für 


literarifde Unterhaltung. 





Sonntag, 





Die deutfche poetifche Literatur feit Klopftod und Leſ⸗ 
fing. ad ihren ethifchen und religiöfen Geſichts⸗ 
punkten. Bon Heinrich Gelzer. 

(Beſchluß aus Nr. 801.) 

Wie das Gloffifche dem Verf. an unzähligen Stellen 
und ausdruͤcklich (S. 385) als heidniſch gilt, fo flieht er 
ebenfo ausdruͤcklich die Romantik als chriſtlich und 
germanifh an. Die fchönfte Eroberung, bie unfere Lite: 
satur machte, als fie im vorigen Jahrhundert das claffi: 
fhe Element m fih aufnahm, wird als ein Ausfcheiden 
von chriflticher und deutſch⸗ natlonaler Geſinnung hinge⸗ 
flelt, und das Herabfinken von jener reinen Höhe wird als 
Fortſchritt aufgefaßt. „Naturphiloſophie, religioͤſe Myſtik, 
Geltendmachen der romantiſchen Literatur” wird als ges 
meinfamer Charakter der neuen Schule erkannt. Mo: 
valis’ Streben war es, bie Natur durch die Poeſie zu 
verklaͤren. Meben dem Reinſten und Hoͤchſten feiner 
Schriften bricht in einzelnen Äußerungen eine verwerfliche 
Myflit hervor. Er wird nad) doppeltem Maßſtabe ge: 
meften, nach den Äußerungen, zu denen ihn feine gewagte 
Speculation und feine Phantafie hinrifien, und nady den 
DOffendarungen feines edeln und tiefen Gefühle, die in 
feinen geifttichen Liedern niedergelegt find. Die erflern 
werden als unreife Erfcheinungen der Jugend, die legtern 
als das wahrhaft Bleibende in ihm angefehen. Sein 
Hinneigen zum Katholleismus und fein unrelfes Abur⸗ 
tbeilen über bie Reformation finden ihre Misbilligung. 
Er vermochte nur in einer Ruͤckkehr zur Religion die 
Möglichkeit zu erbliden, wie Europa von „den politifchen 
Seuchen” genefen koͤnne und habe hierin (&. 394) die 
bedeutfamfte Lofung des neuen Jahrhunderts ausgefpro: 
hen. Aber ‚‚nirgend findet fi eine Spur, daß ihm der 
Sinn für das Gefchichtlihe des Chriſtenthums wahrhaft 
aufgegangen fei. Ihm floſſen Chriftentyum, Religion 
und Mpftit unbeſtimmt ineinander.” (S. 396.) 

Wie bei Novalis die romantifche Poefte, fo bildet bei Wacken⸗ 
oder die romantiſche Kunft den Mittelpunkt feines Strebens. 
Ratur und Kunf find in feinen Augen der Spiegel, in welchem 
menſchliche Sinne das Göttliche erblicken. Er betrachtete es als 
Aufgabe der Kunft, begeifternder Ausdruck Deffen zu fein, was 
im Herzen der Gläubigen lebe. Die Weihe der Innern Empfins 

dung feste er hoch über alle Vollendung der Form Go 
wurde er Borläufer und Kanon jener deutſch⸗romantiſchen Kunft: 
fhule, die in Rom, Düffelvorf und München verwirtiicht, was 
er erfehnte. (8. 404.) 


As wiffenfhaftlihe und kritiſche Vertreter ber Ro⸗ 


mantik werden die Schlegel aufgefaße. Des Altern 
Schlegel Bedeutung beruhe viel minder auf felbfländiger 
tiefer Begrändung der romantifhen Grundideen als auf 
Beſprechung und Verkündigung der Romantik. Geine 
nähere Würdigung dürfe daher in eine Afthetifche Literas 
turgefchichte verwiefen werden (5. 409). Friedrich Schle⸗ 
gel (dev Adel wird hartnädig ignoriet) fei dem Bruder 
in Gehalt und Ernft der Gedanken, in der Tiefe urſpruͤng⸗ 
lichen Lebensgefühls ohne Vergleich überlegen. Anfangs 
in Kritik und Philofophie ein Sproß des Fichte'ſchen 
Idealismus und einer Vermiſchung mit pantheiftifcher 
Naturvergötterung, ftolz herabblickend auf pofitive Religion 
und fittlihe Anfoderungen, im Leben und Denken nur 
den Öffenbarungen des genlalen Ich unterthan, befreun: 
dete er fich, feit dem parifer Aufenthalte, darauf mit ber 
katholifchen Faſſung des Chriſtenthums und trat dann, 
„nicht aus der lebendigen Gemeinfchaft der evangelifchen 
Kiche, fondern aus einem äftherifhen Heiden⸗ 
thume“ (8.413) zum Katholiciemus über. Er theilte 
nun (feit 1808) feine Kräfte zwifchen Vaterland und 
Kirche, Politik und Religion. Hiftorifches Recht, chriſt⸗ 
licher Staat ward feine Loſung. Der Gedankenmittel⸗ 
punft, von welchem aus er die Gefchichte und das eigene 
Leben zus verftehen fucht, bildet die chriftliche Grundidee 
einer Zerrüttung des göttlichen Ebenbildes im Menfchen und 
einer Wiederherftellung deffelben im Chriſtenthume (S.417). 
Übrigens war er Katholik doch nur in feiner Weife. Er 
betrachtete den Katholiciemus für das befte, ja für das 
einzige Gefäß flır ‚ein höheres mpftifches Chriſtenthum“. 

In Tieck, dee mit befchaulicher Phantafie die Lühifte 
Zwelfelfucht verbinde, habe ſtets der Keim einer hoͤhern 
religioͤſen Gewißheit gelegen, und zu bedauern fei es nur, 
daß diefer nie die Sefammtheit des Lebens fiegreich durchs 
leuchtet habe. Alle Unterfuhungen, alles Denken fol 
ihm, eigenem Geſtaͤndniß zufolge, nur den Glauben und 
die unausloͤſchliche Liebe beftätigen. 

Das Geheimnigvolle, überirdiſche ber Religion weiß er fi 
mit Liebe anzueignen. Ihn aͤngſtigt nur die Möglichkeit, daß 
eine ascetifche Richtung des Chriftenthums, gegen Kunft, Poefie 
und Wiffenfchaft fih wendend, die harmlofe Freude an der uns 
umgebenden Welt Gottes zerflören koͤnne. Er fcheint unents 
ſchieden über den verſchiedenen Kirchen zu ſchweben oder allen 
gleichmäßig anzugehören. (&. 424.) 





“3810 


Dee Verf. kennt die Vorrede zu „Evremont“ nicht, 

in der dies geradezu eingeflanden wird. Die Belegſtellen 
für diefe Säge find ſehr unglüdlic gewählt, indem die 
Ausfprüche, die der Dichter feinen Noveliengeftalten gibt, 
für’des Michtees eigene Anficht genommen werden. Da⸗ 
husch veruith ſich der Mangel eines Sinnes für die Auf: 
faffung objectiver Poefie und zugleich eine Willkür, bie, 
confequent fortfchreitend, jebe Außerung einer Dichtung 
fuͤr den ſelbſteigenen Herzenerguß des Autors anſehen 
koͤnnte. Überhaupt iſt dieſer Abſchnitt über Tieck — auch 
vom Standpunkte des Verf. — in einer Weiſe mangel⸗ 
haft, daß wir eine Erklaͤrung daruͤber nur in der An⸗ 
nahme eines beſchraͤnkten Studiums ber Tieck'ſchen Werte 
finden. 
Zacharias Werner ſteigerte fih die Romantik ins 
Excentriſche und verkehrte fi) zum Berrbilde. Alle Fa⸗ 
milienzuͤge der Romantik find ihm entflellt eigen; die 
Sinnlichkeit zerflöste, die Mpftik betäubte, der Katholicis⸗ 
mus übeswältigte ihn. Erſchuͤtternd führt fein Leben, wie 
Kum ein anderes, den traurigen Beweis, wie weit felbfl 
zeligtöfe Anlagen verwildern können, wenn fie mit bem 
Icieb nach ſittlicher Vollendung nicht auf das innigfte 
verwachſen (S. 431). 

Eine Kleine Abfchweifung, neben Hoffmann, H. v. 
Kleift, Brentano vorüber, nennt mehr die Namen A. Mül- 
ker, Haller, Jarke und Goͤrres, als daß diefe Männer 
gewürdigt werben. Doc wird Haller volllommen preis⸗ 
gegeben (S. 438 fg). Kurz und hoͤchſt ungenägend wird 
über Arnim gerebet; in aͤhnlicher Weife ſteht der Name 
Schenkendorf uͤber einigen Lörnigen Lobſpruͤchen, ohne 
nähere Ausführung. Überhaupt werden die Unterfuchun: 
ben (feit Werner) immer [mächtiger und haſtiger und 
die Augenpunkte find mehr politiſch⸗patriotiſche als chriſt⸗ 
liche. In dieſer Weiſe wird über Arndt Dürftiges, über 
Fichte etwas Ausführlicheres, Ungenlgendes wieder Liber 
Goͤrres und Steffens beigebracht. Kaum mehr als ge: 
nannt werden Fouquéè, Eichendorf, Chamiſſo. Ebenſo cur- 
jorifh wird „der geſunde friſche Nebenzweig, welcher 
‚ber Romantik in Schwaben erblühte”, abgethan. „Hei⸗ 
Ag iſt ihnen (Uhland, Schwab, Pfizer, Kerner u. A.) je⸗ 
des religioͤſe Gefühl, darum auch das des Mittelalters” 
2 f. w. (S. 459). Nebenher wirb Lenau’s. „Savona: 
sofa’ ,,als Vorbote einer neuen chriftlichen Poeſie“ bes 
gruͤßt. Am Schluſſe dieſes Abſchnitts teitt dann neben 
Spitta und A. Knapp noch ein gepriefener Reigen mit: 
telmäßiger Poeten hervor, als da find Albertini, Garve 
(Ludwig Garve?), Moͤwes, Lange. 
weil fie geiftliche Lieder Dichteten. 

Ein Anlauf wird noch einmal bei Ruͤckert genom: 
mm. Durch bie fittliche Unſchuld feiner Poeſie erinnert 
er an Herder; In diefem Punkte mit Goethe verglichen 
„kann er in den Augen Derer, die Rein und Unrein zu 
unterſcheiden wiflen, nur gewinnen” (©. 465). Bei 
ihm iß, wis bei Lied, Sinn und Ausdruck für jede 
Sprache und jede Form bes religiöfen Gefühle ba, dage⸗ 
gen tritt das Unterfcheidende des poſitiv Ehriſtlichen nur 
fetten hervor. Bel Platen, dem Schlußſtein des Buchs, 


Berühmt werden fie, | 


wird nichts ausgezeichnet als ‚bie wunderbare Wem: 
dung der Korm” (©. 469). Im Übrigen fol were 
Sedankenfülle noch Reife der Geſinnung feflhalten. Vie: 
mehr bilde der Inhalt meift zu der Ruhe und Gehjegeg: 
heit feine Tora einen peinlichhen⸗Gegenſatze ein Gemuͤth, 


das, vom Darf nad Nihm geſtachelt, vom Zorn geym 


Gegner und Neider verfolge, von ber Luft der Met 
bald ſchluͤrfen, bald ihren Becher mit Ekel von fic ſchleu⸗ 
dern wolle — ein Seufzen des ewigen Menfchen, der weder 
in fi noch im Leben fich heimiſch fühle. Die ihm 
nöthige Gemeinſchaft religioͤſer Freunde ſei ihm, feine 
VBerficherung zufolge, nicht vergönnt geweſen. Wir mir: 
ben auf biefe Diatribe nichts erwidern, wenn nidıt ge 
rade am Schluffe eine wahrhaft bösmwillige Snfinuation 
egen den Dichter ſich hinſtolte. Die Frage, weſſen 

huld es geweſen, daß ber Dichter wicht mehre als 
Einen Frommen gefehen, folle lieber unterdruͤckt werben; 
fie fei zweiſchneidig (S. 470), Nice Platen gab 
jene Klage, daß wur Ein Krommer gu ſehen geweſen ſei, 
fondern er laͤßt fie eine feiner fattrifchen Perſenen im 
„Dedipus“ ausſprechen. Hr, Gelzer begeht hier wieder den 
ſchon bei Gelegenheit der Tieck ſchen Beleuchtung verſchul⸗ 
deten Fehler, die objectieirte Seimme bes Dichters mit 
der immediaten deſſelben zu verwechſeln. Und dieſer Feh⸗ 
ler kommt im Buche urnzaͤhlige Make vor, hauptſaͤchüch 
in der Charakteriſtik Goethes. Geſetzzt aber auch, Piaten 
hätte wirklich felbfleigen jene Klage ausgeſprochen, war | 
es denn der chriftlichen, der ſittlichem Denlart, die Dr. ' 
Gelzer fo oft in feinem Buche in Anfpruc nahm, irgend 
angemseffen, den Vorwurf gleich unmzudrehen, und nun 
Platen gfeich für einen Unfrommen zu erklaͤren? Gewij 
Platen war nit in dem Sinne fromm, in welchem nah 
Hrn. Gelzer es zu ſein allein möglich iſt; wer aber eine 
hohe ſittliche Würde in dem Dichter verkennt, hat ihn 
entweder nicht geiefen ober nicht verfianden. Welden 
diefer beiden Bälle Dr. Gelzer vorziehen möge, ber ein 
it für ihn fo nachtheilig ala der andere. 

Nach. diefer ausführlichen Beleuchtung bes merbwür: 
digen Buchs, die nichts Weſentliches defjelben uͤbergangen 
bat, überlaffen wir den Leferm zu emtfcheiben, wie weit 
der Berf. feinem Vorſatze getren geblieben if, nidt Us 
theile, fordern Aufſchluͤſſe zu geben (©. 86), oder, wie 
er fih ein ander Mat aubdruͤckt: 

Richt ein Individuum zu beurtheilen, fonkern an dem er 


dividuum die Gefege des Ganzen, die Bedingungen bes Lebens 
zu erforfchen, fleht als Ziel vor ung. (5. 2307 


Zum Schlufſe bemerken wir noch, dag Hr. Oele 
zueft (S. 257) bie von ber Keſtnet'ſchen Famille in 
Hanover, und fpeciell von dem Legationsrarh Keftner in 
Rom mit echt hanoverfcher Publicitaͤtsſcheu bisher geheim 
gehaltenen Goethe'ſchen Werther: Briefe inhaltsweile mit: 
theilt. 8. Goͤdeke. 








Skizzen aus Irland. 
(Zortſegung aus Nr. MI.) 
Seit mehren Jahren waren alle Zeitungen mit ben Bib 
bern des irlaͤndiſchen Elends angefüllt, und wir Lafen die eat: 
feglichften Schitberungen der durch Trunk unb Unordnung herbei: 





Mi 


fuͤhrten Arczuch, ſowie amd bie zettwichee Unruhen, thoits 


Empoͤrungen gegen bie Autoritäten, theild Schlaͤgereien über 
——— welche m Whiekyrauſch bie zum axauſam⸗ 
Mrs. Hau gibt uns dagegen 
Bilder des jegt nad) und nach ſich wieder euhebendgn Wohiftans 
des: ben Schiffer, ben fie ein Jahr zuvor ats unnerbefferlichen 


n Morden getrieben wurden, 


Trunkenbold vertieß, findet fie als ordentlichen Hauspater wieder; 
die Hütte iſt reinlich, bie Kinder gekleidet, und er trägt auch 


woͤchentlich Geld in die Sparkafle: Ale Das, weil er dem 


Vater Mathew ben Moaͤßigkeitseid geleiftet und bie Medaille ges 
nommen bat. Es wäre ſchwer, ein Wort oder Zeichen auf die⸗ 
fer Mebaille zu entdeden, wogegen man irgenb eine ECinwen⸗ 
dung machen könnte, und mit diefer Mah an den Eid ift 
burhaud fein Aberglauben verbunden, obgleich ſich wol auch 


‚abergläusbifche Ideen Hineinmifchen mögen, Ba die Meiften, weiche 


den Eid geleiftet haben, überzeugt find, daß ein Bruch beffelben 
ihr Unglüd herbeiführen werde. Sie gehen noch 
glauben, daß Herz Mathew bie Macht beſite, alle Krankheiten 


beiten und feine Anhänger vor allen geiftigen und phufifchen 


Sefapren zu fügen, gegen welchen Irrthum Herr Mathew 
ſehr ankaͤmpft, obgleich er nichts gethan hat, ihn herbeizufuͤh⸗ 


ren. Wer die irlaͤndiſchen Bauern kennt, muß wiſſen, daß es 


unmoͤglich iſt, fe buch Vernunft zu leiten, und überbies haben 
fie von jeher abergläubifche Begriffe an ihre Priefter geknüpft. 
‚Diefe feit zwei Jahren eingeführte Maͤßigkeit, weiche bei 
Sahrmärkten und andern Gelegenheiten flatt der Whiskybuden 
Kaffeehäufer veraniaßt, hat auf alle Volksvergnuͤgungen und 
Samtiienfefte großen Einfluß. Die D 
feiern geben jegt ruhig ab, und die irlaͤndiſche Gaſtfreiheit waltet ob, 
ohne die Unmäßigteit gu beförbern. Die Todtenwachen, bie fonft 
einen Auftritt des Greuels und ber Trunkenheit boten, ſind jegt ganz 
der urfprünglichen Poefie diefer Sitte wieder anheimgefallen. 


Dem irlaͤndiſchen Bauer Liegt während feines ganzen Ees 
bens nichts fo am Herzen als der Gedanfe an feine Todes⸗ 
feier, und er wird gern die höchfte Armuth ertragen, wenn er 
nur genug zufammenfparen kann, um eine ſchoͤne Todtenwache 
und ein enfändiges Begräbniß zu erhalten. lm diefes Zweckes, 
doch um keines andern willen, wird er fparen, und man fieht 
häufig Familien, welche in Lumpen gekleidet find und im größs 
ten Elende leben, einige unberührte Meibungeftüde zum Bes 
gräbnißtage beifeite legen. Der Irlaͤnder denkt babei nicht allein 
an fich fetbft, Tondern wuͤnſcht auch ſehnlich, daß die Freunde 
fi) bei feiner Todtenwache etwas zu gute thun mögen, und 
wenn feine Umftände auch nod fo aͤrmlich waren, fo können 
doch feine Nachbarn auf einen Schmaus nad) feinem Tode rech⸗ 
nen, und feine legten Anordnungen betreffen weniger das künftige 
Schickſal der Bamilien als die Geremonien und Vorbereitungen 
der nahen Todtenwache. 

Diefe Formalitäten beginnen beinahe fogleich, nachdem das 
Leben entfLoben ift; bie Leiche wird ausgeftellt und die Todten⸗ 


wahe fängt an. Zuerſt wird der Priefter gerufen, welcher eine 


Mefle für die abgefchicbene Seele lieſt, was gewoͤhnlich in dem 
3immer, wo ber Todte ruht, flattfindet. Die Breunde bes Wer: 
ftorbenen balten es für eine heilige Pflicht, bis zur Grablegung 
bei dem Körper zu wachen, und nicht weniger heilig ift bie 
Pflicht, ihn zu Grabe zu begleiten. 

Dicht neben der ausgeſtellten Leiche fegt man Schuͤſſeln 
mit Rauch⸗ und Schnupftaback und angezünbete Lichter, ges 
woͤhnlich gibt man auch Salz. Die Frauen des Haufes flellen 
fi auf beide Seiten, und dann beginnt die Gaoine oder ber 
Todtengefang. Die Sängerin der Caoine wird gewöhnlich f 
ihre Mühe bezahlt und erhält eine Krone ober ein Pf. St., 
je nach den etteln ber Famitie; und folche Krauen leben von 
diefer teten Darftellung bes tiefften Wehe. 

. DE gefchiebt es inbeß, daß eine Freundin ober Werwandte 
Ned Verfkorbenen die Gabe der Poefie befigt und dann aus Liebe 
zu ihrem Verwandten deſſen Andenken umfonft ein Klagelied 
weiht. Die irlaͤndiſche Sprache, welche kuͤhn, verftändlich, reich 


meiter und. 


achgeiten und Zobtens. 





an zaͤrtijchan Denennuagen unb aigeathaͤnlthen Schönkelten ft, 
eignet, (ig gang befonbert für bob oder Satire: sin Sogen iſt dich⸗ 
send und ergreifend, und ein Fluch außerorbenttich fort, kibten umb 
beißend Die Schnelligkeit und Reichtigkeit, womit beide audgefpues 
hen werden, und bie enigvammanife Kraft jeder Ciußkiunge 
der Caoine ermangeln nicht, deu Augen des gleicgäitiäften IH: 
ſchauers Thraͤnen zu entloden, und regen bie ganze Gefekiheft 
außerorbentiih auf. Diefer Auftritt maß ‚einen dramatiſchen 
Effect hervorbringen: die Dunkelheit des Todtenzimmers, wei: 
ches nur von ben bie Leiche belenchtenden Lichtern erhellt if, 
bie Art und Weiſe des Geſangs, das tiefe umterbrüdte Gdgad 
‚aan ber nähern Bexwanbten, Alles erhoͤht Die Wirkung bez Ganine 
noch mehr. In der freien Buft aber, wenn ein Wriefier oder 
eine ſehr geachtete unb geliebte Perfon zu Grabe getragen wich, 
uud der Zug ſich durch irgend einen Bergpaß winbet, if bie 
Gaoine, bie von taufend Stimmen gefungen und von bee do 
weiter getragen wird, außerordentlich ſchoͤn. 

Eine fehr alte Caoine, die häufig gefungen wird, ſoll, gu⸗ 
folge einer Tradition, von einem Shore unfidhtbarer Geifter über 
bem Grabe eines der eriten Könige Irlands gefungen worden 
fein. Wenn die Vorfängerin eine Stange der Caoine geendigt 
‚bat, dann fängt fie das Kiagegefchrei an, worein alle Anweſen⸗ 
ben einflimmen. Hierauf erfolgt eine momentane Stille, bis Wie 
neue Strophe anfängt, bie abermals in Klagen endigt. Die 
Caoine beſteht gewoͤhnlich aus einer Anrede an bie Leiche, als 
3 B.: „Warum ſtarbeſt du?” u. |. w.; ober in einer Schilde⸗ 
zung des Todten, feiner Eigenſchaften oder Reichthuͤmer u. f. w. 
Sie wirb meift extemporirt, und es ift oft ewfkaunlich, mit wel 
her Leichtigkeit die Saͤngerin bie Verſe zufammenftellt und 
ihre poetifchen Gteichniife und Bilder der Leiche anpaßt. Nur 
ber die Sprache Verſtehende Tann das beurtheilen, da bei ber 
Überfegung das Verdienſt diefer Sompofition verloren geht. 

Das Klagelied muß nicht allein von ber Magefängerin gefuns 
gen werben, auch jebe anbere gegenwärtige Perfon, weiche bie 
Babe ber Poefie befist, kann ihren Vers anbringen, was auch 
öfters geſchieht. So vergeht die Nacht umser Kingen usb 
Echweigen, da jeber neue Ankoͤmmling das Signal zur Wieder⸗ 
bolung . ber Gaoine gibt. Wir ſahen indeß Leute eintreten, 
weiche, anftatt fich neben ber Leiche niederzulaſſen und dadurch 
anzubdeuten, baß fie in bie Caoine einftimmen wollen, ſchweigen 
niederfnieten und ein flilles Gebet für die Ruhe der Serie dar⸗ 
brachten. Die Paufen der Gaoine find indeß nicht immer ſtill, 
oft werben fie mit Kleinen Spielen von den jungen Leuten aus⸗ 
gefüllt, und von dem ditern, ernfleen mit Erzaͤhiungen von Ge⸗ 
ſpenſtergeſchichten. Auch ift 28 nicht ungewöhnlich, diefe Beit 
mit veligiöfen Gefprächen auszufüllen, da meift unter einer groͤ⸗ 
dem Geſellſchaft ſich einige Protefkanten befinden. 

„Die Gaoinefängerin iſt gewbbnti eine alte Frau, und 
wenn fie auch noch ziemiich jung fein follte, fo gibt doch Bie 
Ausübung ihres Berufs ihr den Anftrich des Alters. Nie werde 
ich ein foldyes Weib vergeffen, das ich einft bei der Leiche eines 
Junglings, des Sohnes wohlhabender AÄltern ſah, der eine gute 
Todtenwache hatte. Er war von bee Pollesi getödtet worden, 
als er fich dem Arrefibefepl widerfeste. Als wir das Zimmer 
beraten, faß die Frau auf einem niebrigen Schemel neben 
ber Leiche, lange, ſchwarze, ungelämmte Locken Bingen auf ihre 
Schultern herab. Gie hatte das tiefliegende, graue Auge, das im 
Lande fo gewöhnlid und jedes Ausdrucks fähig iſt, vom bittere 
fen Haſſe, ber ache, bis zu den fanfteften, waͤrm⸗ 


zu 
ſten Gefuͤhlen. Dex große blaue Mantel war an den Hals ges 
ſchloſſen, doch barg er nicht die Umeriffe ihrer langen’ hagern 


JſGeſtalt, als fie gleichſam in piöglicher Begeifterung auffprang, 


ect bie Hände über die Leiche hielt, und fie dann wild über Ihe 
Haupt ſchwang, indem. fie mit tiefer, monotoner Stimme ihr 
Lied fang und bann und wann in lebendiger Weife einfiei. Sie 
wußte die verfchiedenften Stellungen anzunehmen, um ihren 
Worten nody mehr Ausbrud zu verleihen, und bie Beſchreibung 
ber guten Eigenfchaften des Berftorbenen noch überseugenber gu 
machen. ‚Schnell und leicht war fein Buß‘, Tagte fie, ‚auf Berg 


122 


und Thal; fein Schatten erfuͤllte die Feinde mit JFurcht. 
Ochnell und furchtbar ſchwang er die Waffen in der Luft; Über 
-Auß berrichte in des Waters Hauſe, und der Neifende vertieß 
e8 nie mit leeren Händen. Doch die Zyrannen haben fein Als 
les genommen, bis auf das Hergblut, und am Ende auch biefes. 
Die Mägblein der Berge mögen weinen am ftrömenden Fluffe 
und die Blume des Landes betrauern, denn er kehrt nicht wie 
der. Er war ber Letzte feines Waterhaufes, doch feine Leute 
waren viel auf dem Berge und im Thale, und fie möchten ſei⸗ 
nen Tod rächen.“ Dann Eniete fie nieder, ballte ihre Hände und 
Huchte Dem, der die Kugel abgefchoffen, und diefes Fluchen zeugte 
nur allzu fehe von dem euer des irländifchen Hafles. ‚Möchte 
doch das Licht deiner Augen ſchwinden, damit bu nie fäheft, 
was bu liebfl. Moͤchte dad Gras vor beiner Thür wachfen; 
mödgteft du zu nichts werben wie der Schnee im Sommer; 
möchte das eigene Blut fich gegen dich erheben, und der Keldy 
des Leidens dein ſuͤßeſter Labetrunk ſein; möchteft du ohne Wels: 
"fand des Priefters fterben!‘ Auf jeden biefer Fluͤche erfolgte 
ein tiefes Amen, und bie Gaofnefängerin hielt inne, um Diefes 
ya vernehmen, dann begann fie wieder ihre Verwünfchungen.” 

As ein weibliches Mitglied der Familie Mac Carthy More 
in Armuth farb, ward ed von Bauern zu Grabe getragen; ihr 
Sarg ruhte auf Stangen, ein altes Weib, Namens Mary Riorban, 
welches berühmt war wegen ihrer Gaoinengefänge, ſprach bei 
diefer Gelegenheit folgende Klage: 

„D, mein Lieb, mein Derzenslich, 
Du Sprößling von Fürften, 
Dem blondgelodten Mac Carthy, 
Die ind weite Exil zogen, 
Du Kind, dab eine Gräfin gebar, 
Die Gräfin Muskerry, 
Du wir auf armen Stoͤcken getragen 
Durch deine eigenen Befitungen.” 
Gin armer Fremder, ein herumziehender Kaufmann, ftarb in 
einem Pachthauſe, und bie Nachbarn befuchten feine aͤrmliche 
Zobtenwadhe, und unter ihnen auch diefe Mary Riordan. In 
der Nacht fagte man zu ihr: „Es ift nicht recht, ihn hier lies 
gen zu laffen wie eine Kub ober ein Pferd, fteh auf, Mary, 
und fage etwas über ibn. Was kann ich jagen, antwortete fie, 
ic) weiß nichts von ihm.” Man überredete fie indeß doch und 
fie ſprach alfo: 
„gerbei, ihe rauen, 
Wenn ihr au nicht Hagt um den, ber bier Liegt, 
So habt ige doch gewiß Freunde verloren,’ 
Und auf diefe Weife fuhr fie fort, die Gefühle und ben Kum⸗ 
mer jebes Einzelnen anzuregen, indem fie an ben Verluſt von 
Gatten, Geliebten und Water mahnte, und Alle fo zu Thraͤnen 
sührte, daß bei der Leiche des Fremden Jeder den eigenen 
Schmerz beweinte, 

Außer dieſen Gaoinen ober ertemporirten Compofitionen 
über die Todten verdienen bie Thirrios oder gefchriebenen Ele⸗ 
gien auch der Erwähnung; dieſe werben meift von Männern, 
die Saoinen von Frauen gedichtet, und viele zeugen von Genie. 
Zm Haufe eines jeden Landmanns, der die Sprache feines Va⸗ 
terlands cultivirt, findet man Manufcripte von ſolchen, welche 
aur durch forgfamere Rüdfiht auf Versmaß ſich von den Gaois 


nen unterfcheiben. 
(Der Beſchluß folgt.) 





Literarifhe Notizen aus Franfreid. 
Societ& encyclopedique des bords du Rhin, 

Die freundliche Berührung, in weiche der franzoͤſiſche wiffen- 
fehaftliche Verein zu Stradburg im J bie Gelehrten ber 
verfchiedenften Voiker, namentlich deutſche, ſchweizeriſche und 
franzöfifche Gelehrte, brachte, machte ben Wunſch vege, daß fort: 
dauernd ein innigeres Geiſtesbuͤndniß insbefondere zwifchen bem 
GEifaß und ben Städten des rechten Rheinufers beftehen möchte. 


Der Erſte, welder biefen Wunſch und ben BSorſchlag zu einer 
allgemein wiſſenſchaftlichen Berbinbung zwiſchen beiden Syeinufern 
Öffentlich autſprach, war Hr. Prof. Buß aus Freiburg im Breisgau 
in der Sitzung ber fecheten Abtheilung des Wereins am 6, Okt, 
1842, Aber in Strasburg ift die Stimmung getheilt; der deutſch 
geſinnte Theil, als deſſen Hauptkaͤmpfer der ruͤhmlichſt bekannte 
Prof. Eduard Reuß gilt, ergriff mit aller Wärme dieſe Gele 
gende, fih enger an Deutfchlanb anzufchließen, während der 
anzoͤſiſch gefinnte Theil der Strasburger die Bränbung des 
Vereins zu hindern ſuchte. Daher trat, noch ehe jener Plan 
in der allgemeinen Sitzung zur Sprache gebracht wurde, einer 
ber Hauptredner der feanzöftfch Geſinnten, Hr. Boͤrſch, in ver 
allgemeinen Sigung am 7. Oct. mit dem Vorſchlage hervor, 
eine Bociöts generale d’&mulation für bie beiden Kezirke det 
Sıfaß (Ober: und Niederrhein) zu gränden. Es wird bagegım 
hervorgehoben, daß ſchon Tags vocher in ber fechäten Abtheilung 
der Borfchlag zu einem umfaffendern Verein gemacht morden 
fei; ein heftiger Kampf beginnt; Br. Boͤrſch, auf das Überge: 
wicht bes franzoͤſiſchen Theils vertrauend, dringt endlich auf 
Abftimmung, allein Deutfche, Schweiger, beutfchgefinnte Eifafler, 
ſelbſt einige Franzoſen halten zufammen und es wird die Gründung 
einer Boci6ts encyclopedique des bords du Rhin mit Stim: 
menmebrheit durchgeſezßt. Der aus allen Abtbeilungen bes 
franzöftfchen wiſſenſchaftlichen Vereins erwaͤhlte Ausſchuß (au 
Hr. Boͤrſch war mitgewählt worden und fdheint nicht ohne Eins 
fluß gebtieben zu fein) bat nun am 20. April db. 3. eine vor 
laͤufige @inlabungsichrift erlaffen und an die Theilnehmer de 
ftradburger Vereins verfandt. Die neu zu begrünbende Geſell⸗ 
haft ſoll ſich über alle Zweige des Wiſſens erfiredten und alle 
Städte der beiden Rheinufer von Baſel bis Koͤln umfaffen, ohne 
ſich jedoch auf dieſe Städte allein zu befchränten. Der Gi 
ber Verwaltung iſt Gtradburg, wo auch die herauszugeben 
Zeitſchrift ausſchließlich in franzoͤſiſcher Sprache erſcheinen ſoll; 
eingeſandte Aufſaͤze in andern Sprachen werben baher ins 
Franzoſiſche Überfegt. Vorlaͤufig tft beftimmt, daß jährlich in 
ber Oſterwoche in einer der Rheinftäbte eine vier bis ſeche Tage 
dauernde Sufammenkunft ftattfinden fol. Im Aug. b. 3. fol, 
ten bie Satzungen feftgeftellt und die Gefellfchaft eigentlich be: 
gründet werden. 8, 





Unterrigtswefen. 

Die blinden, leidenſchaftlichen Angriffe der Jeſuiten gegen 
dad gefammte Unterrichtswefen in Frankreich haben wenigftens 
das Gute zur Folge, daß einſichtsvolle Männer dadurch veranlaft 
werden, die Misbraͤuche und Mängel, die fich hier eingeſchlichen 
haben, fowie die Mittel zur Abhütfe derfeiben ins Muge zu faffen. 
Wir haben ſchon Gelegenheit gehabt, mehre neue Schriften über 
biefen wichtigen Gegenſtand zu beiprechen, die in Folge diefer hef⸗ 
tigen Discuffionen, wo innerhalb und außerhalb Jlions gefündigt 
wird, erſchienen find. An biefelden reiht ſich ein Werk an, dab 
ganz im praltifchen Sinne „geföriesen if. Wir meinen: „L'in- 
struction publique au 1Bieme siede’ von Hrn. Gaſi. Der 
Verf. legt in ſeiner Schrift bie Tangjährigen Beobachtungen und 
Erfahrungen nieder, die er als Chef einer ausgedehnten Erzie 
bungsanftait gemacht hat. Er handelt zuerft von der Erziehung 
im Allgemeinen, von den verfdhiedenen Syſtemen, die bis jeßt 
verfucht worden find, und geht dann auf bie Jacotot'ſche Me 
thode ein, die trog mannichfacher übelſtaͤnde doch immer noch 
zahlreiche Anhänger hat. Dabei wirb die weibliche Erziehung, 
die befonders noch großer Reformen fähig ift, näher beleuchtet. 
Gaſi widmet unter Anderm auch der wichtigen Frage der liberis 
de l’enseignement — eins don den Worten, mit denen bie 
Jefuiten die öffentliche Meinung zu irren fuchen — ein eigenes 
Sapitel. Er weift das Zrügerifche nah, mas in ben Ber 
fprechen biefer zweizungigen Partei liegt, ohne bie beftehenden 
Snftitutionen als das doͤchſte Ziel alles Strebens zu halten. 
Überal aber, wo ex Mängel aufdeckt, hat er auch ſchon erprobte 
Mittel zu ihrer Abhuͤlfe bereit. 2. 


VBVrerantwortlicher Heraußgeber: Heinrich Brockhaus. — Drud und Verlag von F. A. Brothaus in Leipzig. 





Blätter 


für 


literarifhe Unterhaltung. 





Mit Goethe mäüflen wir beginnen, wenn es ein ers 
ſchoͤpfendes Wort gilt über die Kragen und Intereſſen, 
welche, als der neueſten Zeit und Literaturepoche aufs 
innigfte angehörig, der gegenwärtige Auffag mehr anre⸗ 
gen als erichöpfen fol. Mit Goethe fehen wir ſich er: 
fhließen die Selbſtaͤndigkeit und Zülle des beutfchen Mo: 
mans, der ſich unter diefem Vertreter fogleich in verfchie: 
dene Michtungen theilt, im „Werther, im ,, Wilhelm 
Meiſter“ und in den „Wahlverwandtfchaftn”. Es find 
dies reine Nomane, die zugleich Gattungen bilden. Denn 
in ihnen erfcheint das menſchliche Gemuͤth in feiner Bit: 
dung und Verwandlung, in Irrthum, Leidenfchaft, Kampf 
und Zweifel, und durch dies Altes, Guͤnſtiges und Wider: 
wärtiges, ſich fürs Leben erziehend. Wo nicht erzogen, 
doh von ihm unablösbar;z das menſchliche Individuum 
in feiner Fluͤſſigkeit, hingeriffen entweder und verfchluns 
gen vom Leben, befien Macht und Bedeutung es doch 
erfannt hat, oder fein Wirrſal beflehend, zuletzt gereift 
und mit ihm ausgeföhnt. 

Die dreifache Gattung des Goethe'ſchen Romans ift 
aber diefe: im „Werther“ bie Leidenfchaft des Leben: 
digen, im „Meiſter“ Zucht und Sitte, in den „Wahl: 
verwandtfchaften” die Macht bee Verhältniffe. Im erflen 
efelt das Leben, im zweiten erzieht und reinigt «6, im 
dritten erdrifiden feine Beziehungen. Dort fchaler, unbe: 
friedigender Inhalt, Hier Feudaltyrannei der Formen, In 
der Mitte Heindliches und Freundliches. Vom einen ge: 
nug zue Zucht, vom andern genug zur Erhaltung ber 
Lebenden und Lernenden. Bei Zucht und Sitte muß 
es aber allmege verbleiben, und fo iſt „Meiſter“ als das 
Gentrum des Goethe’fhen Romans zu betrachten. Das 
richtige Verhältniß des Einzelnen zum Leben ift gefunden. 
Denn wo «8 für diefe nicht zur Zucht und Sitte wird, 
da ift es ein verlorene. Mit ber richtigen Formel find 
aber zugleich die Ertreme ausgelegt, wohin man fich ver: 
irren fann. Das Leben in feiner Flucht und Breite ift 
geöffnet. 

Wie nun aber Vorwärts die einzige Lofung ift, bie 
im Himmel und auf Erden gilt, fo beginnt es fi nun 
in und mit dem beutfhen Roman gewaltig zu regen, zu 
reden und zu flreden. Er ſtrahlt in alle Richtungen, 


Breiten und Weiten, bi6 er zum Tendenzraman wieh,. 
und das ifk in der That feine ſchwaͤchſte Seite, wo m 
abgelebt, feine Friſche nicht mehr im Leben ſelbſt findat, 
fondern in den „Tendenzen““, die als bie mäßigen Ideale: 
des Lebens neben dieſem herlaufen. ber fuͤrd erfle. ver: 
langen Herz und Berfland und die Sinne ihr Recht, 
und fo fehen wir die dreifache Gattung der ſchoͤnen 
Seelenromane, der philoſophiſchen und der Kunſtromane 
fi ausbilden. Dabei faugt der Roman, was er felbfk 
kaum Wort haben will, aus dem philoſophiſchen Syſte⸗ 
men Nahrung und Gehalte. Man merke es dem deut⸗ 
{hen Roman gar deutlich an, wo auf Kant Fichte folgt, 
wo Schelling diefen abloͤſt. Reben der Myſtik des Her⸗ 
zens entfaltet ſich eine Myſtik des Verſtandes. Bei aͤußerm 
Sturm und Drang zehrt der innige beſcheidene Deutſche 
noch immer an ſeinem eigenen Gemuͤth, an der innern 
Bett ſeiner Romantik oder nüchternen Verſtaͤndigkeit. 
Es wirft ein wunderliches Licht auf das deutſche Volk, 
wenn man flieht, was in feiner Literature für Lappalien 
curficen, in ben Beiten, wo unter Blut, Brand unb . 
Schlachtendonner die Weitgefchichte ihre umgeheuern Bes 
mälde vor uns auf: und niederrolt! Nun fladen ſelkß 
die Tendenzen; Die beutfche Phantafie fchlüpft in die Kel⸗ 
ler und fuͤrchtet ſich vor Pulver. Draußen in ber weis 
ten Welt fliegen die Adler des Kalfers von Meile zu 
Melle und der gebildete Deutfche verkriecht ſich unter 
feine Bettdecke. Statt die Propheten und ben Plutarch 
zu leſen, behilft er fich mit dem Abhub feiner Literatur. 
Es iſt als 0b er es nicht ledern genug bekommen koͤnnte. 
Das war jene glorreiche Zeit, wo die „Recenſenten“ ihre 
Ernte hielten. Denn bes deutfche Philiſter ſetzt füch felbſt 
über die Kofaden hinweg, wenn er nur vecenfiren kann. 
An der Möge durfte er die Socarde nicht teagenz er. 
klebte fie alfo auf den Avers der Litsraturzeitungen. Die. 
Policei des großen Kaifers hatte gewiß einen. langen Arm 
umd ein weites Wiſſen, aber um ben beutfchen Roman 
von 1813 und feine ‚„‚Recenfenten” ließ fie fich doch un⸗ 
befümmert. 

Nah dem Jahre 1815 gab es auch für deu Denk. 
ſchen keine Gefhichte mehr. Mit ben ausgedorrten Ten⸗ 
denzen war nichts mehr anzufangen. Die Kunft, der. 
Katholicismus mußten noch einmal herhalten unb wur⸗ 
den vollends ausgebentet. Die „ Schwaͤrmerei des Her: 


1814 


zens“ feierte ihre lezten Triumphe. Nun war Stil: 
fland, dem gefnechteten Individuum fehlte die Kraft, fi 
durchs Leben durchzuleben. Woher folten die Romane 
kommen? Alte Poeſie verſteckte fih in den Demagogis⸗ 
mus und das iſt ihr uͤbel genug bekommen. Ein blei⸗ 
ches Geſpenſt tauchte doch empor aus den pontiniſchen 
Suͤmpfen deutſcher Poeſie, es nannte ſich Epos und 
ſprach nur in der achtzeiligen Stanze. Aber in dem 
winzigſten Vorpoſtenſcharmuͤtzel ſteckte mehr von einer 
Ilias als In dieſem Epos ſtak. Das war die Trans⸗ 
fubftantiation des deutfhen Romans; er fpielte Wer: 
fiedens in Reimchen, aber es waren nicht mehr die 
dunkeln ahnungsvollen Affonanzen unferer Romantifer. 

Das Leben im Großen zu durchleben vermochte Nie: 
mand mehr. Aber body-war fo gar Vieles erlebt wor: 
den! Man brauchte nur um fich zu bliden, und das Le: 
ben als Bilderbuch war aufgeſchlagen. Erlebniſſe! Bild⸗ 
chen! Keine Geſchichte — aber Geſchichten! 

Der Deutſche iſt immer befliſſen; er macht ſich gern 
zu thun. Die Weltgeſchichte hatte kraͤftig genug an ihm 
geruͤttelt, aber er machte doch nur Geſchichten! Aber ſo 
aͤußerſt viele Geſchichten, daß man das Ende durchaus 
sicht abfehen konnte. Ganz verteufelte Geſchichten, Spuk⸗ 
und Kriegsgefchichten. Don einem Poftmeifler und von 
eimer Graͤfin, von einem Gauner und von Michael Kohl: 
band. Aventuren aus aller Herren Ländern; lange Ge 
ſchichten in Briefen, kurze in Verſen mit eingelegter Profa. 
Geſchichten, die eigentlich nur aus Ihren Titeln beftanden. 
Aber die Kupfer in den beutfhen Zafchenbüchern fingen 
am ſich zu mobdernificen, die Taillen wurden länge. Man 
lachte Chodowiecki aus. Der alte Lafontaine und fein 
Verleger legten Trauer an. 

&o fland es mit ber deutfchen „Erzählung, bis bie 
zu früh begrabenen Tendenzen gereist erwachten. Bon 
dieſem Augenbiid an nannte man bie beutfche Erzählung 
Movelle. Wie es auf dem Felde der Heilkunde der Ho⸗ 
möopatbie gelungen ift, die ungeheuern Medicinflafchen 
zu verdrängen, bei deren Anblid ber Kranke regelmäßig 
ktaͤnker wurde, fo gebührt der fchlanken, zierlichen Mo: 
velle der Ruhm, jene Unthiere aus ber Literatur hinaus: 
gefpottet zu haben, über denen uns Hören und Sehen 
verging, gebruckte Weſen, die ber Buchbinder eingebunden 
batte und die das Entfegen Romane nannte, um ihnen 
doch einen chriftlichen Namen zu geben; der unfterbliche 
Ruhm, die Gottesgeißel der ‚„‚Belenntniffe” von uns ab: 
gewendet zu haben, die uns gewiß ums Leben befannt 
bitten, wenn fie alle belannt geworden wären. Aber 
auch jene unendliche Salbaderei ber deutfchen „Erzähler“, 
die, wie der Bandwurm fich in unendliche Glieder theilt, 
jebes Jahr um ein Elichen wuchſen, immer mit einem 
neuen Köpfchen und einem neuen Schwänzchen, welches 
beides nicht todt zu machen war — auch biefe erreichte 
durch bie Movelle ihre Endſchaft, aus dem einfachen 
Grunde, weil, wenn auf ber einen Seite der Verſtand 
gaͤnzlich ausgegangen iſt, der Menfchheit für die andere 
keine Wahl bleibt. 

Die Novelle, um viele Stufen tiefer als bee Roman 


wiſſen. 


geſtellt, hat nicht das Werben bes Lebens zum Juhalt, 
nur das gewordene Leben, nicht des Lebens rollenden 
Amazonenſtrom, auf deflen flutender Wellenhoͤhe das 
menfchliche Individuum fein Leben abwärts ſchwimmt, 
fondern die eimgefriedigten Teiche und Baffins des Mi: 
niaturlebens, huͤbſch und rund, in marmorenen Beden, 
befäumt .mit Blumen und Grün. Auch die Nadıt fleigt 
auf über diefen Waſſerbecken und ber Mond fpiegelt ſich 
in ihrem ruhigen Naß. Sturm und Wetter rollen auch 
darüber, aber die winzige Flut ſchaͤumt nicht über. Es 
bleibt, wenn es aus if, beim Alten. Denn bes Lebens 
Berhaͤltniß, die Sefelligkeit, der Lebensmoment find nicht 
das Leben felbfi, fondern nur etwas von ihm und mit 
diefen Losgeriffenheiten des Lebens hat es bie Novelle zu 
thun. Diefe abzurunden ift ihre Kunft, darum muf in 
ihe Alles gefchloffen und fertig fein, felbft die Charakter. 
Herrſcht auch darin ber Gedanke, fo herrſcht er nicht als 
großer Werdeact, als Revolutionsgefchichte der Zeit und 
des Individuums, nicht als Träger und Fackelſchwinger 
einer Epoche, fondern nur als die belebende Seele biefer 
abgetrennten Momente. Darum bedarf es, um daß fe: 
ben in ber Breite feiner Verhaͤltniſſe auszulegen, einer 
Reihe von Novellen. 

Daß Tieck der Schöpfer ber deutſchen Novelle fei, iſt 
fo unzählig oft gefagt, daß es die Knaben auswendig 
Man darf jedoch, um einen erfchöpfenden point 
de vue auf diefe bedeutende Gattung zu gewinnen, nicht 
bei Tieck fichen bleiben. In Hoffmann, Brentano, Arnim, 
H. v. Kleift zeigen fich bedeutende Phafen, deren Straf: 
ien, für ſich felbft einzig und wunderbar, die bemußtern 
Schöpfungen Tieck's ergänzen. Aber Tieck iſt ber Sofle 
matiker der deutfchen Novelle. Er bat fie in alle erdenk⸗ 
lie Breite entfaltet und fo bis an ihre aͤußerſte Grenze 
geführt, daß er mit gleichem Recht ihr Vernichter wie 
ihe Schöpfer heißen Tann. 

Das Mächtigfte und wahrhaft Ewige in der Movele 
Tieck's iſt aber die Jconie, von welcher gleichfalls viel 
geredet if. Sie ift das Salz dieſer Schöpfungen, das 
fie feifch erhält. Es war ein Unrecht von Hegel, das et 
an Zie beging, daß er biefe Ironie durchaus nur als 
da6 ganz Nichtige und Mefultatlofe gelten lief. De 
wahre Unterſchied iſt aber der, daß in ben engen Umriſſen 
und Verhältniffen der Novelle die Ironie ſich nicht zum 
wahren objectiven Inhalt bes Lebens ausbilden kann. 
Wo Alles fertig ift — keine Entfaltung im Großen —, 
da ann bie Ironie nur fubjectiv fein. Dan fieht fie, 
weil ale Kreife zu eng find, zu deutlich in den Dichter 
fallen. Das Drama, der Roman in feiner wahrhaften 
Vedeutung , wiſſen freilih von einer andern Ironie. 
Diefe Unterfchiede ergeben ſich fo deutlich, daß man nur 
einfach etwa Tied’s „Semälde” mit „Lear“ und „Don 
Quixote“ zu vergleichen braucht, oder, um beutfche Art 
nicht zu verlaffen: mit Hippel’6 ‚‚Zebensläufen in auf 
fleigender Linie”. 

(Der Beſchluß folgt.) 


— ——— —— — ——— EEE 


| 


1310 


Skizzen aus Irland. 
äi Veſchiuß aus Mr. MR.) 

Der Gtabt kimerick widmete bie WBerf. einen großen Theil 
ihres Werkes, als bedeutend wegen Handel, Fabriken, Öffentlicher 
Anftalten und hiftorifcher @rinnerungen, und der Widerſtand, 
den bie Stadt Wilhelm III. geleiftet, und ber gebrochene Ver⸗ 
trag, der dir Übergabe folgte, möchte wol das Intereffe ber Le⸗ 
fer d. Bl. in Anfpruch nehmen: 

Die Schlacht von Boyne war gefchlagen und Jakob IT., 
der in Irland zu Kinfale am 12. März 1 lanbete, verließ 
feine Parteigänger und fchiffte fi in Waterforb ein. Im Aus 

1690 foderte Wilhelm die Stabt zur Übergabe auf, ber 

anzöftfche General Boileau, der bie Barnifon commanbirte, 
geb eine abidhlägige Antwort, worauf bie Belagerung begann. 

ie Stabt war reichlidd mit Truppen und Propifton verfehen, 
und ihre natürliche Feftigkeit durch Wälle, Batterien, Mauern 
bedeutend vermehrt worden; fie warb vom Schloß unb von ber 
Sitadelle vertheibigt. Die ganze Feftung beftand aus ber eng: 
liſchen und irifyen Stadt, welche erftere auf einem Kelfen ges 
baut und von allen Seiten mit Moräften umgeben war, bie 
fogar unter Waſſer geſetzt werden Eonnten, und wenn auch bie 
weniger fefte iriſche Stadt verloren ging, fo Fonnte doch bie 
englifche fich noch halten. Die Bluͤte der englifchen Armee war 
in ben Mauern eingefchloffen, und die Braffdyaften von Clare und 
Galway flanden br offen, um Lebensmittel zu beziehen, wäh: 
rend eine franzoͤſiſche Flotte triumppirend den Shannon beiciffte. 
Die Garnifon war indeß wenig geneigt, gemeinſchaftlich zu hans 
dein, unb bie @iferfucdht der franzoͤſiſchen und iriſchen Anführer 
hatte fi auf die Truppen erſtreckt, und ber zwiſchen ihnen 
berrfchende Haß verkündete wenig Gutes in Betreff des Wis 
derftands gegen die mwohlbisciplinirten Streitkräfte Wilhelm's. 
Die Armee des Letztern war indeß an Zahl herabgefommen, 
und fland unter dem Nachtheil, in einem feindlichen Lande opes 
ziren zu mäffen. Wilheim mußte ſich inbeß Artillerie von Was 
terford zu verfchaffen, und fo gelang es ihm, eine Breſche zu 
fhießen, und am 27. Auguft ward der Befehl zum Sturm ge 
geben. Die beften Soldaten ber Armee, die britifhen @renas 
diere, eilten nach ber Brefche, und eine große Abtheilung vers 
mochte einzubringen. Da fie aber nicht gehörig unterftügt war, 
wurde fie niedergehauen. Die englifhen Truppen kämpften 
tapfer, fanden aber auch tapfern Widerſtand. Die Irlaͤnder 
kehrten ebenfo oft wieder, als fie zurüdigetrieben wurben, und 
ihr angeborener Muth warb noch durch die Frauen und TJoͤch⸗ 
ter angeregt, welde an bem biutigen Kampfe Theil nahmen 
und fi der Waffen bes tobten Feindes bemädhtigt hatten. 
Rach einem vierftündigen Kampfe waren bie Belagerer gend» 
thigt, fi in Ihre Verſchanzungen zurüdzuziehen, nachdem fie 
mebr ale 1000 Wann verloren hatten. Wan bob bie Belages 
rung auf, und am 30. Auguft begann die Armee Wilhelm’s den 
RKäͤckzug; ber König ſchiffte ſich bald darauf nach England ein 
und übertrug die Fuͤhrung des Kriege den Generalen Solmes 
und Ginckle. 

kimerick galt indeß für fo wichtig, daB Binde einen neuen 
Verſuch zu beffen Eroberung unternahm, und nachdem er nad 
biutigem Kampfe Athlone eingenommen, bie Irlaͤnder in ber 
berühmten Schlacht bei Aughrim geſchlagen hatte, vereinigte ber 
kuͤhne, liſtige Holländer feine Streitkräfte abermals in ber Um⸗ 
gebung der Stadt, welche iegt ber einzige Zufluchtsort in Ir⸗ 
land für die geſchlagenen Anhänger Jakob's geworden war. Die 
zweite Belagerung fand im Herbſte 1601 flatt und dauerte un⸗ 
gefaͤhr ſechs Wochen, ohne daß bie Engländer irgend einen wich⸗ 
tigen Vortheil errungen ar trog Lauzun’s flolsem Wort, daß 
er fie mit gebratenen In einnehmen wolle. Endlich warb 
die Garniſon des Kampfes müde, und auch die Welagerer hats 
ten wichtige Brünbe, um bas Ende beffelben gu wünfden. Am 
BB. Sept. ward ein Waffenftiliftand zwiſchen den zwei Armeen 
geſchloſſen, und man kam nach kurzem Zögern über die Friedens⸗ 
artikel uͤberein. 


Der Vertrag wurde am 3. Oct. 16001 unterzeichnet und 


beſtand aus zwei Theilen, einem baͤrgerlichen und einem mill⸗ 
tairiſchen. die militairiſchen · Artikel verlangten bie. Übergabe 
von Limerid® und den andern in den Bänden ber Irlaͤnder bes 
findtichen Feſtungen, und verhießen der Garniſon freien Abe 
marfch mit allen Shren des Kriege, fowie, wenn eb verlangt 
würde, die Überfchiffung nach Frankreich auf Koften bes britis 
fen Gouvernements. Der bürgerlichen Artikel gab es drei⸗ 
sehn — und der erfle und neunte waren biejenigen, welche fo 
viel Streitigkeiten verurfachten; ber neunte nämlich beſchraͤnkte 
die Römifch  Katholifchen blos auf den Hulbigungseid, und ber 
erfte verhieß, daß: 
„Die Roͤmiſch⸗Katholiſchen von Irland ſich aller mit den 
Gefegen von Irland vereinbaren Privilegien freier Religionde 
Übung, wie dieſelben unter Kari IT. beftanden, erfreuen follten, 
und Ihre Majeftäten, der König Wilhelm und die Koͤnigin 
Maria verfpradhen, bdiefe Angelegenheit vor bem Parlament in 
Irland zur Sprache zu bringen und fi) zu bemühen, ben befags 
ten Roͤmiſch⸗katholiſchen alle weitern Sicherheiten auszuwirken 
PR vor jeglicher Stoͤrung in Betreff ihrer Religion zu 
n. 


Daß ſowol der Buchſtabe als auch der Geiſt dieſes feierli⸗ 
hen Vertrags gebrochen wurde, wird jeder Unbefangene zu: 
gefteben, und die Behauptung, daß der König feine Macht 
gehabt habe, um diefen Bertrag, den er durch feine Agenten ges 
ſchloſſen und mit feinem Siegel von England beftätigt, zu hal⸗ 
ten, {ft ungegründet. Gr ward in ber Ihat vom trländifchen 
Parlament eingegangen und ſtillſchweigend während der Regie 
rung Wilhelm’s und Maria's gehalten. Deren Nachfolger hielt 
ihn indeß nicht für bindend, fondern gab Gefege, welche für 
die Roͤmiſch⸗Katholiſchen noch viel druͤckender als bie fruͤhern war 
ven. Man darf nicht Überfehen, dab bie Artikel ausgemacht 
und unterzeichnet wurden in einem Augenblid, als die contras 
birenden Parteien ſich unter gleichen Verhaͤltniſſen gegenüber: 
fanden, und nicht von einer ſiegreichen Armee den Beſiegten 
vorgeichrieben wurden; denn es ift entfchieben, daß die Stadt 
Limerick in beſſerm Stande war, um eine Belagerung außzus 
halten, als bamals, wo Wilhelm III. feine geſchlagene Armee 
abführte, und außer den eigenen reichtichen Hülfsquellen der iri⸗ 
ſchen Armee flündlich neue Hülfstruppen von Frankreich erwars 
tet wurben, welche auch einige Tage nady ber Sapitulation eine 
teafen, wo eine Flotte von 18 Linienfchiffen mit Mannfchaft, 
Waffen, Lebensmitteln und Gelb im Shannon vor Anker ging. 
Dagegen war bie Lage von Wilhelm’ Generat fehr bebränge, 
da der Winter fo nahe war und ber Zuftand feines Herru 
ihm nicht erlaubte, die Streitkräfte in Irland zu vermehren, 
während ber Kern ber englifhen Armee ſehr zufammengefchmols 
zen war. Der König hatte fie verlaffen, und fie wußten faum, 
für was und für wen fie kämpften. Man fpricht zwar von einer 
geheimen Proclamation des Lord: Oberrichters, welche ben Ir⸗ 
ländern noch vortheilhaftere Bebingungen als bie von bem Ges 
neral gebotenen verfprochen habe; diefe Proclamation war zwar 
gebruct, doch nicht publicirt. Indeß ift gewiß, daß biefe Artis 
tel von beiden Parteien als eine Garantie für bie Zuſage der 
bürgerlichen und religiöfen Freiheit der Koͤmiſch⸗Katholiſchen ans 
gefehen wurden. Auf ber einen Seite hatte man erhalten, wos 
für man gefämpft hatte, während auf ber andern Seite Wils 
beim III. den Beſit der neuerlangten Krone bes Königreichs 
gefihert fah, und alle Mittel und Kräfte gegen feine Feinbe 
auf dem Gontinent wenben Eonnte, wo gerade bamals fein Städiss 
ſtern nicht im Steigen war. 

Diejenigen, welche alle Parteien befriedigen wollen, Gaben 
in Irland von jeher das Loos gehabt, allen zu misfallen. Dee 
Bertrag von Limerick ward von ben Anglo« Iren ale „unver⸗ 
nuͤnftig günftig” bezeichnet, ba er bie Beftgthämer der Nömifche 
Katholifchen, welche bis jegt ber Gonflscation entgangen, unb 
nach denen fo viele habfüchtige Hände ſich ausſtreckten, vor dies 
fem traurigen 2008 rettete. Die Icländer empörten fi gegen 
eine Übergabe in dem Augenblid, wo fie am wenigften gu ent 
fyulbigen war, dba Wilhelm erihöpft und Limerid mit allem 








IRB 


war, und ich war entrüflet über bis 

rei des Allürten, benen es gro gebradht Hatte, 

während land feine Anfichten durch bie Zögerung beim Aus: 

f& z Bruch beijelben unter 
der ben Regierung an ben Sag legte. 

De en ndee t kann man uam id in Zweifel ftellen, daß 
das Refultat der Belagerung vor Limerick in ber That auf das 
ei allein in Irland, fondern in allen britiſchen Gebieten 
und in gang Europa, und daß das vom Reſultat bes Kampfes 
am meiften beeinflußte Land nidyt Irland und England, fondern 

ich wäre erfüllt worden, fo wärden Englanb und der Pros 
teftantiemus viel mehr dabei gewonnen haben als Irland und 
der Katholicismus. Gleich nach dem Einmarſch ber Truppen 

der englifchen Geſchichte feines Gleichhen gefunden hat. Ginckle 
begte die —* — aber zum Übertritt in die Armee ſei⸗ 
nes Deren oder zum Auseinandergehen und zur Ruͤckkehr nad) 

bemühte, fie zum Dienft Frankreiche zu werben, wo, wie 
ihnen zu verfteben gab, den Offizieren, je nad der Quan⸗ 
tität von Truppen, die fie ben Beanzofen zuführten, ein Rang 
Soldaten der irlaͤndiſchen Armee, worin er ihnen bie Vortheile 
feiner Vorſchlaͤge auseinanderfegte, während die andere Partei 
ihnen vorflellte, wie ihr rechtmäßiger König die Krone wieder: 
Baterlande zuruͤckkehren würden. Auch bie irfändifche Geiſtlich⸗ 
keit warb u Huͤlfe gerufen und mußte an der Spige der Re: 
gimenter prebigen. &ie deutete nad) Frankreich, als nad) der 
xend es den Kampf für die wahre Religion mitten in einer 
verberbten Welt durchfuͤhre, und bezeichnete ben König Wil⸗ 
beim als den großen Anführer und Apoſtel des fürchterlichen 
fanden, und drohten allen fih unter feinen Bahnen Berfammeln: 
den mit der ewigen Verbammniß. 

Am 6. Oct. zogen alle britifchen Truppen, an der Zahl 
nebſt allen Generalen des britiichen Lagers trafen da zufammen. 
Letztere ritten langſam an den Reihen dabin, und die fonft feind: 
then Truppen empfingen fie mit Muſik und präfentirten das 
daß, nachdem fie beibe Theile der Mannfchaft gehörig baranguirt 

ätten, fie vor einer an einer gewiffen Stelle aufgepflanzten 

ahne voräbermarfchiren, und Die, weldye ſich für England en: 
reich entfchieden, weiter marfchiren folten. Sarsfieid gab das 
Wort Marſch — tiefe Stille herrſchte, und man vernahm kei 
nen Laut, ausgenommen die Schritte der Truppen, bis die Beier: 
Menge unterbrochen warb, als das Eönigliche Regiment, bie 
Garde, 1400 Mann ſtark, die Flagge erreichte, und alle, ausges 
nommen 7, daran vorübermarfihirten. Bon ber ganzen Armee 
Mittel, um na 
gen nach Frankreich eingefchifft wurden, wo fie die berühmte 
irifche Brigade gründeten, welche in den fpätern europaͤiſchen 


bren des Vertrags, und durch offenen 
al der zeformisten Religion in Irland Ginftuß hatte, 
a und Deutſchland waren. Wenn gifo der Vertrag 
peubeim fab man einen Auftritt, ber vielleicht noch nie 
ihrer Heimat zu dereden, während auf ber andern Geite man 
angewiefen würde. Ginckle erließ eine Proclamation an Die 
erlangen und fie dann mit Ehre und Ruhm bededt nad ihrem 
großen, ruhmwuͤrdigen Nation, die ihre Dienfte verlange, wähs 
Ketgerthums, das in den legten Sahrhunberten in der Kirche er: 
14,000, beim Yomondthor auf, und ber hohe Rath aus Dublin 
Gewehr. Die Anführer waren untereinander übereingefommen, 
zoliren wollten, abfallen, während Die, welche fih für Frank⸗ 
Licheit des Auftritts durch ben Breudenruf der verfammelten 
ſchlugen ſich nur 3000 zu den Engländern, ober erhielten die 

Kriegen noch eine fo große Rolle fpielte. 


Die Ehrlichkeit, Munterleit und Gutmuͤthigkeit des Volks 
verleiht der Reife durch Irland einen in andern Ländern oft 
nexmißten Reiz. Schiffer, Kutſcher, Kellner, Wegweifer, Alles 
bemüht ſich, freundlich zu fein. 

„Wer nicht in Irland reifte, Tann ſich keinen Begriff von 
dam guten Humor ber iständifhen Fuhrleüte machen; fie find 
meiſt gedankenloſes, freifinniges Volk, die das Leben fo leicht als 


ihrer Heimat zurüczufehren, während die uͤbri⸗ 


neuen Roman „ 


möglich nebmen unb von’ i 
Bde als —— n * 
als jenes un li mpengemiſch, weldges fie am 
Eeibe haben. Sie find in jeber Ginfäht bas —— der 
engliſchen Poſtillone, welche ihre Pflicht vollbringen, ohne ih⸗ 
ren Kunden nur den Kon ihrer Stimmen vernehmen ya laſſen. 
Der irlaͤndiſche Kutſcher im Gegentheil will während der Fabrt 
wiffen, woher man komme? mohin man gehe? und audy oft, 
warum man reife? Ihm ſtehen unzählige Wege ins Bertrauen 
Gebote, und man kann fi) darauf verlaffen, daß er bei je 
r Gelegenheit fein Wörtchen anbringt, ohne daß man ibn der 
unver mu anklagen Eönne. Es if baupt eine $igens 
thuͤmlichkeit ber niedern Claſſen, daß fie trautich werden, ohne 

anmaßend, und Dienfle leiften, ohne zubringlich zu fein. " 

Es tft no immer nicht ausgemacht, ob bie Irlaͤnder Sie 
Walter Raleigh wegen Ginführung ber Kartoffel Dank ſchuldig 
find, da Viele fie eine „fluchwuͤrdige Wurzel”, nennen und fie 
als bie Urfache der irlaͤndiſchen Armutb anklagen. Defjenunges 
achtet ſieht man wol nicht Leicht einen fchönern, kraͤftigern Den 
fhenfdlag, und wenn auch bie Leute in fruͤhem Alter ſchon ents 
fräftet find, fo kann man body den rungsftoff der Kartoffel 
nidht ableugnen. Doch mag wol die Leichtigkeit, dieles Rab: 
rungsmittel zu probuciren, Gchaben gebracht haben, indem ein 
Kleines Stud Land, wenige Tage Arbeit, nebft geringer Duͤn⸗ 
gung, eine ganze Bamilie das ganze Jabr hindurch ernähren 
fonn. Beinahe Teder Boden bringt Kartoffeln hervor, der Fels. 
fen, die Bergfeite und der Sumpf, jedes ‚Häuschen bat feinen 
Garten oder feinen Ader Land, ber mit Kartoffeln bebaut wird, 
und da die Pflege beflelben nur wenig Zeit im Sabre einnimmt, 
fo gewöhnt fi Wer Landmann oft an Müfiggang. Gr kann 
mit dem einen vom Ertrag feines Bodens leben, und bad 


Schwein, das er auch von derfelben Nahrung füttert, bezahlt 


die Binfen. Nun mag wol Zufriedenheit ein Gluͤck fein, aber 
fie ift nicht die Befärderin ber Gipilifation, unb wer keine Be 
dürfniffe hat, wird wahrfcheinlich Feine Kortfchritte in der focias 
lien und moralifhen Stellung maden. Deshalb ift die allge 
meine Berbreitung ber Kartoffel in Irland allerdings zu bekla⸗ 
gen. Seht wird indeß Alles befler, unb mam fieht fchon in dies 
ien ‚Hütten bie Kartoffel mit Fleiſch und Brot auftragen, da 
Bäder und Fleiſcher jest dad für Whisky fonft vermendets 
Geld einnehmen. 12, 


Literarifhe Notizen aus England. 


Neuer Gegenſtand für den Maͤdchenunterricht. 

Bekanntlich muͤſſen junge gebildete Englaͤnderinnen Allet 
gelernt haben und noch einige Kieinigkeiten darüber. Jndeſſen 
ift ein Gegenftand bisher überfehen geblieben, der nun endlich 
nachgeholt wird: die Architektur. Es find ſoeben erfchienen: 
„Aunt Elinor’s lectures on architecture, dedicated to the 
Ladies of England”. Zum Überfegen übrigens, wie es ſcheint, 
nicht anzuempfehlen, benn es fol ein trodenes Compendium 
ein. er weiß jeboch, was nun in unferm Lieben Kater 
lande gefchieht, wo fogar bie Hegel’fche Philoſophie bereits für 
Damen bearbeitet ift! 


Cooper's Wpandottd ober Hutted Knoll. 

„Ihe Hutted Knoll’ (Süttenbägel) ift der Name, ber 
einem Plage am Susquebannah beim Ausbruche ber amerikaniſchen 
Revolution gegeben wurde. Auf biefem, ganz in der Wildniß, 
im Urwalbe gelegenen, aber fehr fruchtbaren Flecke fiebelt ſich 
ein britifcher Offizier, Capitain Willoughby mit feiner Familie 
an. Die Schickſale dieſer Anfiedier erzählt Gooper in feinem 
iandott6”, der keine exfchütternden Ereigniſſe, 
Stürme, Walbbrände, Kämpfe, Indianerfcenen, wie andere Ro: 
mane des Verf., fondern nur anmuthige Bilder einge Familien 
fliltebens in der Wildniß vorführt. 48. 


Berantwortlicher Herauſsgeber: Heinrich Brockhaus. — Druck und Berlag von %. U. Brockhausé in Leipzig. 





Blätter 


für 


literarifhe Unterhaltung. 





Dienflag 





Deutungen aus Deutfchlands poetifcher Gegenwart. 
(Beſchluß aus Nr. 308.) 

In der Novelle hat der Deutſche feine Emfigkeit, 
feine Detailſeligkeit, ſein minutioͤſes Weſen am glänzend: 
ſten bewieſen. So viele Formen in dieſer vielgeſtaltigen 
nur moͤglich waren, ſo viele hat er ausgepraͤgt. Und 
wenn das Leben nicht blos in ſeiner ſtroͤmenden Gewalt, 
fondern auch in feinen gefchloffenen Kreiſen poetiſch iſt, 
fo ift vom Deutfchen in diefer Gattung das Schönfte ge: 
leiſtet, was eine Nation aufwelfen kann. Die Novelle 
hat fich drei Decennien behauptet. Jetzt iſt es vorbei 
mit ihr. Man kann in biefen Kormen nicht mehr Schoͤ⸗ 
pfer fein. Überdies iR uns das Leben Längft über den 
Kopf gemahlen. Die Novelle iſt — wie groß auch die 
Fülle von Poeſie fein mag, welche echt bichterifche Geifter 
in fie zu legen gewußt, wie unbeflritten auch ihre Epoche 
in deutſcher Literaturgefchichte — , mit dee Aufgabe 
der gegenwärtigen Zeit verglichen, nur nocd eine poeti- 
ie Spielerei. Solche Liebhabereien erfhöpfen aber nicht 
den Beruf, die Zukunft, die Aufgabe der gefunden Kräfte 
der Begenwart. Doc gibt es noch Begabte genug, die 
nach wie vor mit Vorliebe in diefem Felde arbeiten, und 
fo dürfte erft ein ganz neues Geſchlecht entftehen müffen, 
bevor die Novelle ganz verfchwinde. Der Deutſche iſt 
auh in der Poeſie zu ſehr Spießbürger. Auch darin 
find wir Epigonen. Es dauert lange, ehe wir entbeden, 
noch laͤnger, ehe wir lookommen. 

Scharf, faſt widrig, deutet die Zeit der deutſchen No⸗ 
velle wiederum nach dem Auslande hin. Daß wir doch 
alle Impulſe von außen haben muͤſſen! So große Ber: 
gangenheit, und doch kein Hiftorifcher Roman! Selbft bie 
Idee dazu kommt uns über den Kanal berüber. Der 
deutiche Poet ſchreidt Novellen, die Niemand lieſt, wäh: 
vend das deutſche Publicum den großen Unbekannten ver: 
ſchlingt. Der beutfche Aſthetiker fchimpft auf die fran- 
zöfifhe Romantik, und manches deutfhe „Herz“ hätte 
damals Gore gedankt, wenn Deutfche hätten zu fchreiben 
gewußt wie V. Hugo und Balzac. 

Schon in Bocthe’s „Wanderjahren“ liegt bie Zer: 
fplitterung des deutfchen Romans, der Übergang zur No: 
veile. Der Drang hinaus in die Welt, die Luft zu 
wandern iſt zwar bebeutend, aber auf dieſer Wanberfchaft 
verfhwindet eben das .geoße, einige Bild des Lebens. 


— ⸗ Nr. 304. — 


3l. October 1843. 


Das Individuum verliert fich in beffen Einzelheiten 
und in die für die moderne Zeit fo charakreriftifch gewor: 
denen „Buflände”. Deffenungeachtet Liegt ben „Wander: 
jahren“ Die große wahrbaftige Idee des Romans zum 
Stunde: der Gedanke, daß die moderne Dichtung, Alles, 
was zur Welt gehört, in fi aufnehmen, in mikrokosſsmi⸗ 
[hen Kreifen deren allfeitige makrokosmiſche Bewegung 
wiederfpiegeln fol. In Hinſicht auf diefen Inhalt fowol 
wie auf ihre Form fliehen die „Wanderjahre“ der unmit⸗ 
telbaren Gegenwart und ihrer poetifhen Aufgabe näher 
als alle jene Novellen und die darauf folgenden Halb: 
romane. Dean um freie Kormen für jedwede Dichtung 
bandelt fih es auch jest, und der kuͤmmerliche Inhalt 
unferer gegenwärtigen Romane kann nicht mehr genügen. 
Die Sedanten, die in der Zeit ſchlummern und wachen, 
wollen auch poetifch vertreten fein. 

Auf die gebrochene bdeutfche Movelle folgte fürs 
eefte der deutfhe moderne Halbroman, ber ſchon mit beis 
den Süßen in der modernften Zeit flieht. Seine Vertre⸗ 
tee find: Steffens, Scaͤvola, W. Alerts, Sternberg, Reh⸗ 
fues, Chamiffo, Posgaru, Wiefe, Duller, Spindler n. f. w., 
befonders aber der Verf. der ‚‚Transatlantifchen Reiſe⸗ 
ſkizzen“. Diefen Romanen, fo trefflihe darunter, hänge 
allen eine gewiſſe Halbheit an. Bei vielen ift bie Faſ⸗ 
fung noch durchaus novelliftiih, bei andern tft es auf 
Zeitſpiegelung abgefehen, die doch nicht ſiegreich durch: 
bricht. Scaͤvola fixirt ſich in der Verdorbenheit der So⸗ 
cietaͤt, und ihm ſelbſt fehle die wahrhafte Idee der 
Menſchlichkeit. Sen Weib ift die ſociale Greatur ber 
Gegenwart. Andere legen ein buntes Allerlei von Ge: 
fhichte aus. Aus bem einfachen Helden des Romans 
werden Figuren und Nebenfiguren ins Unendliche. Wiefe 
tft unklar und unreif (Halbideen). Dies Alles hindert 
ben freien Verlauf der menſchlichen Perſoͤnlichkeit und je 
nen gewaltigen Parallelismus zwifchen Welt und Menfch, 
ohne den der Roman nun einmal nicht beftehen ann. 

Mit einem Wort, wir zeigten uns unfelbfländig, epi= 
gonenhaft, und zehrten, in ber Meinung, neu zu fein, 
nur noch vom Alten. Wäre es wenigſtens nur das Uns 
ſerige geweſen! Jenſeit de6 Kanals zeigte Alles eine 
beflimmtere, Eräftigere, einfachere Richtung. Hier folgt 
im Roman Gattung auf Gattung: Scott, Irving, Bul- 
wer, Marryat, Boz. Dan machte ebenfaus das Leben 


#18 


in reifen durch, aber es war doch das ganze Le⸗ 
ben. überhaupt bietet der englifhe Roman das einfache 
Bild ungerheilteer Gattungen ſeit Richardfon dar. Das 
hiftorifche, das ſociale, das Familienelement, das komiſch⸗ 
buͤrgaliche, neuerdings das politiſche in ſeiner ſocialen 
Sr har er ſcharf ausgelegt, während bei uns ſich Alles 
durcheinander wirrte. Selbſt der franzoͤſiſche Roman hat 
eine viel klarere Entfaltung. Sanin, E. Sue, ®. Hugo, 
Soulid, P. de Kod, G. Sand find nicht blos Kategorien, 
fondern fcheiden ſich ſcharf von aller Novelliſterei dadurch, 
daß bei ihnen Ereigniſſe und Intereſſe immer an ein 
Individuum geknuͤpft find. Dies Perfönliche im Roman 
vertäßt der Franzoſe fekten, und feine geiſtreichſten Drodmete 
find oft die, wo er fich fogar bis zur Einfeitigkeit zufpigt. 

Kür den Deutſchen mar inzwifchen eine andere Zeit 
gekommen. Und ein Mann, der Saum noch deutſchem 
Bewußtfein angehört, wurde Prophet und Traͤger dieſer 
Epoche: Heinrich Heine. Heine iſt nicht der Erfinder 
des Liberalismus, wozu Ihn feine Schule bat machen 
wollen, aber er war dere Dann, der in feiner Iprifchen 
Sansfaconnerie nur freie Elemente verteug. Er zeigte 
fich aus Temperament liberal, nicht aus Befinnung. Das 
iſt der gewaltige und einfache Unterfihied zwifchen ihm 
und Boͤrne. Mebenbei war Deine der Mann des Ta: 
lents, und fo fand fich die Ungenirtheit diefes Talents 
von ſelbſt. Sein flüffiges Weſen hatte von Allem, was 
noth that, etwas. Aller: leichten Formen mächtig, bewies 
er, daB man neben dem Dichter, überhaupt neben jedem 
beſtimmten Beruf, noch etwas Anderes fein kann, was 
alle diefe beftimmten Eriftenzen auf eine flächtige Manier 
reſumirt. Ein Stk von Jedem, und nebenbei noch et: 
was Allgemeines und doch Beſonderes — ein Schrift: 
ſtelletr. So murde Heine der Stifter des beutfchen 
„Schriftſtellerweſens“ und legte zu dieſem hafbefoterifchen 
Orden den Grundflein durch feine „Reiſebilder“. Die 
flüffige Form für allen und jeden Inhalt war alfo jest 
gefunden, und es Fam nur darauf an, Die _maffiven 
Elemente der Zeit in diefem ſeichten Welienfpiel fort 
zurollen. 

Wenn der Dichter zum Schriftfteller geworden, dann 
iſt an eine Selibſtaͤndigkeit des Romans, überhaupt der Poeſie 
nicht mehr zu denfen. Es kamen alſo jest Romane“, 
und allerki, was man fo und auch nicht fo nenmen 
kann. Liberaliemus war Mode, nicht Gefinnung; Libe: 
ralismus in allem Möglichen, aber fchlotterhaft, vagirend. 
Frankreich, Polen, Belgien, die Jahre 1830 und 1831 
waren bie hiſtoriſchen Zeithebei diefer talentvollen Liberali- 
fie. Man kam auf Ale. Es war eine Epidemie. Es 
war eine Luft, fo den deutfchen, franzöfifchspotnifchzbelgifch 
angehauchten Liberalismus auf alten Höhen und Lebens⸗ 
Rationen flattern zu fehen. Schöne übermüthige Zeit, 
wo nichts Beſtehendes vor dem Anfechtungen und Necke⸗ 
seien der Talente ficher war! Defienungeachtet danken wir 
Bett, daß fie vorüber iſt! 

Wie ſich alle diefe flüchtigen Geifter nach Ablauf je: 
ner Burgen Epoche wieber um bie trauliche Feuerſeite der 
Derfie ſammelten, wie fie, fliller geworden, halb und 


ganz bekehrt, auf den Roman zurüdtamen, Studien 
machten, aufs Drama kamen und wieder auf den Ro: 
man — iſt bekannt. Aber dem Eritifchen Bewußtſein, 
das biefem Talent volle Gerechtigkeit angedeihen laͤßt, 
entgeht nicht das Willkuͤrliche dieſer Beſchaͤftitungen. Der 
neueſte Roman, der mit dieſer Schule, tin man fie 
fo nennen will, zuſammenhaͤngt, iſt ein ganz willkuͤrliches 
Weſen. Man fucht nach Stoffen und findet fi. Wan 
haͤuft Begebenheiten und legt Ideen und Tendenzen un: 
ter, die freie Perföntichkeit des werdenden Individuums, 
ohne die der Roman nichts ift, fehlt, der Spieget der 
Welt des Lebens im Großen. Beitintereffen werden aus 
dee Zeit gerifien und dafüe die entſprechtaden has 
raktere erfunden. Dan conterfeit Epochen — da ha: 
ben wir gleich wieder das fchleichende Geſpenſt der No⸗ 
velle, da8 aus dem Roman nicht zu bannen iſt. Es ift in 
diefen Romanen fo viel dee Rede. Aber die. Geſchichte 
des Individuums, das große allmächtige Geſchick der 
Menfchheit, die Zeit als gegenwaͤrtigſter Lebenspuis, das 
Eco ferner Zukunft, die Geiſter der Vergangenheit, die 
aufs und abgährenden Gedanken der Gegenwart, die uns 
geduldig der Erlöfung harren, der fchneidende himmelftür: 
mende Gegenfag Defien, was die Zeit mit Nothſchrei 
fodert umd was fie, hohl und verworfen, an fich fcheitern 
und verbalen läßt — diefe großen Mächte, die das Le: 
ben in gewaltigen Wellenſchlaͤgen auf: und abfluten, diefe 
ſollen reden, nicht bee Kriegsrath und die Gräfin und bie 
Kammerjungfer, und Better Michel und bie Courtifane. 

Unteugbar will etwas entfiehen. Wie koͤnnten fonft 
in heutigften Zagen Kräfte wie Mundt, Komig, Gutzkow, 
Laube, Willkomm, Auerbach, Mügge u. f. w. im succoes 
ausgeſtochen werden duch eine einzige Damel Frau von 
Paalzow ift die Romankoͤnigin des Augenblicks, das mäf 
fen wir, galant odet ungalant, zugeſtehen. Was will 
aber entfliehen? Diefe Frage möge hier ſchließlich in aller 
Kürze ihre Beantwortung finden. 

Hier die Antwort in einem Wort: die Freiheit 
will entfliehen. Die Freiheit in allen Dingen: im Leben, 
im Denten, in Schrift und Rede. Noch einmal: die 
objective Freiheit, wohl unterfchieden vom der Frechheit 
und Zügellofigkeit der unberechtigten Perſoͤnlichkeiten! Die 
menfchliche Perföntichkeit will ihr angeſtammtes Recht. Sie 
will, daß ihre Zwecke um ihrer felbft wilten geehet werden. 
Sie will, daß man ihr eigenſtes Weſen in diefen Zwecken 
erkenne und ehre. Von Allem, was nicht fie ſeibſt, 
geiftige Perſoͤnlichkeit, tft, will fie los. Sie rüt: 
telt an ihren Banden, Ketten, Riegeln, Palifjaden, an 
jedem Hemmniß. Sie will nicht mehr frembes Geſetz, das 
von außen kommt. Sie wit ſelbſtaͤndig fein, nicht bios 
in Dem und Jenem, was man ihr etwa grofmäthig eins 
räumt, nein, in jeder ihrer Formen. Es gibt In Dies 
ſem Augenblide gar wicht, was nit anf dem Punkte 
dee Wiedergeburt flände Hegel hat gefagt: „Was 
wirklich iſt, iſt vermünftig, und was verwänftig ift, iſt 
wirklich.“ Daruͤber bat man viel gehoͤhnt. Run hoͤhnt 
die Zeit die Höhner. Denn fie ſelbſt Die Zelt hat ihr 
Schwert gewegt an biefem Satze und ber Augenbiid if 





da, we fie das Unverhünftige nicht mehr als wirklich 
buldın wii. In dieſem Gedanken erzittert jegt bie 
Menſchheit. Wo er nicht frei und ſelbſtbewußt in Wort 
und That tritt, da waltet ec doch als. trüber Inſtinct. 
Hat aber defjen keine Noch. Fuͤt das geiflige Thierreich 
fommt ſchon die Stunde der Menſchwerdung. Mitter⸗ 
macht ift uͤberſchritten. Wie ſoll der Zeiger anders ale 
vorwärts geben? 

Da aber liegt ed. Diefelbe Beit, die vorwärts will, 
geht ruͤckwaͤrts. Diefeibe, die nach Freiheit jagt, . vers 
Inechtee fi in Tand und Trug. Diefelbe, die den Tag 
begruͤßt, umgibt ſich mit künfttiher Naht. Schlecht, 
ohnmächtig und gedankenlos ift die fittliche, denkende 
Zeit, Die vor Trieb und Kraft bebt. Wie deute ich das? 

Hier iſt die einfache Deutung in einem einzigen Wort: 
das ift der Krampf der Krifis. Sie gibt der Zeit ihr 
doppelt Geſicht; die ſchoͤne Haͤßlichkeit, die edle Verwor⸗ 
fenheit. Wir find nicht hier thöricht, dort Elug, nicht 
hier gut, dort ſchlecht, nicht hier krank umd dort gefund, 
fondern dies Alles find wir in Einem. Dem ganzen 
Leib der Zeit durchdringt dies Alles. aricaturen unferer 
ſelbſt, haben wir freilih Parole und Keldgefchrei, aber 
unfere Natur, die Natur des Zeit, ſteht zwiſchen Gott und 
Teufel. Wir find Epigonen und ſchauen doch oſt waͤrts. 

Auf die Poefie und ihre neueſte Geſchichte angewen: 


det, Läßt fi nun leichte beflimmen, was es mit dem 


Vormärtsftreben der Zeit, mit ihrem Drange zur Freiheit 
und Vernünftigkeit für eine Bedeutung habe Wir ha: 
ben den deutſchen Roman, die Novelle, den Halbroman, 
wie haben auch das deutfche Drama in neueſter Zeit ſich 
verlaufen fehen. Wir haben aber auch in diefem Allen 
nicht das Eine gefehen, was der Zeit\noch iſt, den Geiſt 
in feiner freien, feifchen, jugendlichen Lebendigkeit. In 
allen jenen poetifhen Formen des 19. Jahrhunderts 
ſteckt noch unendlich mehr von ber alten Perüde, vom 
alten Geiftesdespotismus, als ſich mit der freien Bewe⸗ 
gung des menſchlichen Gedankens in die Zukunft hinein 
vertragen will. Wie haben uns gleich unfählg gezeigt, 
von den alten Formen loszukommen und neue zu ers 
fhaffen. Den Roman, das Drama, die Novelle, Alle 
haben wir ſich bis auf die Haut abzehren laſſen. Don 
Klagen hat der deutfhe Parnaß widergehallt, daß es kein 
Drama mehr gibt and doch — wer fand fi, ber ein 
neues wiedergeboren hätte? Wir ließen die Afterpoefle 
fi in ekler Breite auf den Bretern entfalten. Ihrem 
hohlen Pathos laufchten wir. Ganze Bühnen, ja bie 
Schaufpieltunft felbft. fahen wir daran zu Grunde geben. 
Wer half? Wo blieben die Reformatoren? Man wird es 
im neuen Saͤculo nicht glauben wollen, aber wir f[ahen 
fie ja mit feiblichen Augen, die Muͤllner, die Houwald, 
die Raupach; wir fehen und erleben fie noch jede 
Stunde, und unter dem ſchalen Komödienfpiel find Ge⸗ 
ſchmack, Gefuͤhl, Erhebung, ſittliches Bewußtfein, Kritik 
und Urtheil laͤngſt roͤchelnd verendet. Unter den Haͤnden 
iſt uns der Geiſt abhanden gekommen, und was und von 
den Bühnen herab angrinft, iſt nur fein ſchrumpfliges 
Wachsbild. 


In der neueften Zeit ſchien es ſich am mel der 
Poefie zu röchen. Eo ſchien. Wenn Ye um zue 
Schriftſtellerei, zur Literatenwillkür geworden, dann hört 
fie auf Poefie zu feit. Da ift kein Drängen und Stre⸗ 
ben beitimmter, berufener Kräfte nad beſtimmten Zies 
ten. Ausgelöfht find die göttlichen Smpulfe. Ban wirft 
fih auf Alles, made Alles. Es war nur eine ganz fors 
melle Reftauration, die Reftauration durch die Xafente, 
denn der Geiſt wird nur durch dem Geiſt erſetzt. Be⸗ 
flimmtes, Nichtdageweſenes, Großes, Unvergänglides that 
noch, eine Wiedergeburt ber (poetifchen) Gedanken, wie 
fie die Wiffenfchaft erlebt hat. Aber die poetifchen Bes 
banfen fehlten eben, und fo war die Wiedergeburt nur 
ein formeller Hohn gegen das Beſtehende. Auf den 
Tehmmern des alten hätte die Poeſie ſich ihren neuen 
unfterblichen Leib anerfchaffen ſollen; aber die Macht des 
poetifchen Geiſtes reichte nicht aus zu dieſer Schöpfung. 
Und barum, eben darum iſt die Aufgabe des zukuͤnf⸗ 
tigen poetifchen Geſchlechts eine um fo größere, ſchwerere 
und koͤſtlichere. Die Geifter der Poeſie find es, die der 
Freiheit bedürfen, und nur echte, nur berufene Dich⸗ 
tee koͤnnen ihnen diefe Freiheit verfchaffen. Daß die 
Poefie nicht mehr nur ein geputztes, geſchminktes, ges 
tuͤnchtes Vehikel ſei für allerlei fremden, nicht ihr 
ſelbſt gehörigen Inhalte — das müfſen deutfhe Dich⸗ 
ter erſtreben, oder ſie ſind keine Dichter. Wir wollen 
nicht Tauſenderlei (mas hin und wieder wol ergoͤtzen 
und unterhalten mag) in der Poeſie; wir wollen nicht 
Salongeſchwaͤtz, Politik, Philoſophie, religiöfes oder ſonſti⸗ 
ges Allerlei umwickelt mit poetiſchem Flitterſtaat, ſondern 
die Poeſie ſelbſt wollen wir: ganz, voll, leibhafs 
tig. Zeigt fie uns in ihrer angeborenen göttlihen Schöns 
beit, dann wollen wir euch auch als ihre Emancipatoren 
und Befreier begrüßen. Zunaͤchſt laffet uns noch reuig 
Defien gedenken, daß nicht fremde Thrannen, fondern 
der eigene Sklavenfinn uns fo unfrei gemacht. Man 
kann freilich viel über Knechtſchaft und Freiheit politificen 
und Ihwägen — wahrhaft frei ift doch nur der ſchoͤ⸗ 
pferifche Geift in der ordnungsvollen Harmo⸗ 
nie feiner angeſtammten Schönheit! 82, 





Literarifhe Rotizen aus Frankreich. 


Sine toloffale Literaturgefhichte von Frankreich. 
+ Allen Denen, die ben Franzoſen vorwerfen, fle feien nicht 
gelehrt, nicht grümdiih genug, wünfchte ich nur, daß ſie edie 
9 Bände der „Histoire litteraire de la France” durchleſen 
müßten. Wahrlich fie würden anderer Meinung werbin. Wels 
her Wuſt von Gelehrſamkeit ift nicht in dieſem ungebeuern 
Werke, das trotz feines großen Umfangs doch immer noch nicht 
beim Ende des 13. Jahrhunderts angetommen iſt, zufammenges 
tragen. Bimen kurzem wirb nun ber 20. Band erfcheinen. 
Wir hatten es deshalb nicht für unpaffend, hier einen kurzen 
Blick auf die Geſchichte dieſes Werks zu werfen, bem Teine Ra⸗ 
tion etwas Ühntiches an die Eeite zu fteilen hat. Bekanntlich 
waren ed Benedictiner, welche es im vorigen Sabrhundert (1733) 
begannen, und Dom Rivet, von dem bie neun erften Bände faft 
ausfhlieglich verfaßt wirden, hatte bis 1783 ſtets nur Rache 
folger, weiche diefem geifttichen Deden angehörten. Im 3.1763 
wurde bie ungebeure Arbeit, deren Ziel gar nicht abzufehen iſt, 
unterbrochen. Erſt 1907, wenn wir nicht irren, wurde fie vom 


Institut de Franoe — und ſeit ber Zeit ohne neue 
naterbrechung fortgeführt. Das thätigfte Mitglied der Commiſ⸗ 
fion, welche von der Alabemie zur Herausgabe biefes Werkt 
eigens ernannt ift, war der verflorbene Daunou. Diefer ver 
diente Gelehrte hatte, irren wir nicht, in feiner Jugend ſelbſt 
dem Benebictinerorden angehört. An feine Stelle ift Victor Le 
Siere, durch fein „Des journaux chez les Romains’‘ und andere ges 
lehrte Arbeiten belannt, erwählt. Ihm zur Geite ſtehen Fauriel, 
der verdiente Geſchichtforſcher, Lajard und ber treffliche Paulin 
Yäris. Es ift unmöglich, ſich eine Worftellung von ber maſſen⸗ 
baften Gelehrſamkeit zu machen, die hier aufgefpeichert iſt. Das 
wichtigfte wie das unwichtigſte Werk, gleichuiel, ob gebrudt 
ober noch im Manuſcript, wirb bier anatyfirt. Dabei barf 
nicht die unbedeutendfte Notiz über bie Schriftſteller und ihre 
Werke unberücdfichtigt bleiben. Sieben Quartbände, von benen 
aft jeder mehr ale compacte Seiten umfaßt, find der Ge⸗ 
chichte der Literatur in Frankreich — bier kann faum von 
franzöflfcher Literatur bie Rede fein — bis zum 12. Iahrhuns 
dert gewidmet. Grft mit dem 21., deſſen Herausgabe man vors 
bereitet, wird das 13. Jahrhundert abgefchloffen fein. Die 
Ginleitung zum 14. Jahrhundert, wie "jeder größere Abfchnitt 
deren befommen fol, wird Le Slerc, von dem man ſich etwas 
Gebiegenes verfprechen Fann, zum Verf. haben. Die allgemeine 
Tberficht, die dem 13. Jahrhundert vorausgefchict ift, rührte von 
Daunou ger. Wie viete Bände werden noch nöthig fein, um 
das Wert nur bis auf das siecle de Louis XIV zu führen! 


Der Abbrud des „Moniteur’ beenbigt. 

Die verdienftvolle Arbeit bes Wieberabbruds vom „Moni- 
teur” aus ber Revolutionszeit ift nun mit dem 32. Bande abs 
geſchloſſen. Es ift dies ein Werk, das ſtets die Dauptquelle 
bieiben wird, aus ber alle Diftoriker ber neuern Zeit zu Tchöpfen 
haben werben. Der erfte Band gibt eine hiftorifche „„Introduc- 
tion‘, die „Assembl6e constituante‘”’ wirb in neun, die „As 
aemblée l£gislative” in vier ſtarken, boppelfpaltigen Großoctav⸗ 
bänden abgethan. Die „„Convention nationale” umfaßt zwölf, 
und das „Directoire ex&cutif’' vier Bände. Den Schluß bilden 
zwei Bände Regifter, bie den Gebrauch biefes wichtigen Werks fehr 
erleichtern. 2. 





Bibliographie. 
Ainsworth, W. H., Das Windſorſchloß. Ein hiſtori⸗ 
ſcher Roman. Aus dem Engliſchen uͤberſezt von E. Suſe⸗ 


mihl. Drei Baͤnde. Leipzig, Kollmann. Gr. 16. 2 Ihr. 

Beidtel, J., Überficht der Geſchichte bes öfterreichifchen 
Kaifeetpums. Leipzig, F. Fleiſcher. 1844. Gr. 8. 1 Ih. 

gr. 

Beiträge zur Gefchichte Deutſchlands in den Jahren 

805 — 1809 aus brieflidyen Mittheilungen F. Perthes', 3. v. 
Müllers, Beneral Freih. v. Armfelt's und bed Grafen d'An⸗ 
traigues. WVeröffentiicht durch ben Herausgeber der Briefe an 
3.9 Müller. Scaffhaufen, Hurter. 8. 25 Nor. 

Braunfhweig, 93. D. v., Unfere Holzfrage. Aus 
ſtaatswirthſchaftlichem Standpunkte betrachtet. Riga, Deubner. 
Kl. 8. 18%, Nor. 

— — Ruflande Weinbau. Ein ſtaatswirthſchaftlicher 
Verfuh. Riga, Deubner. 1842. 8. 26%, Nar. 

Cormenin, ®. A. (Zimon), Das Buch der Redner. 
Nach der Ilten Driginalausgabe. Leipzig, Weber. Gr. 8 
3 hir. 20 Nor. 

Deutinger, P. M., Grunblinien einer pofitiven Philos 
fophie ale vorläufiger Verſuch einer Zuruͤckfuͤhrung aller Theile 
der PHilofophie auf chriſtliche Principien. 2ter Theil: Die 
Seeleniehre. Regensburg, Many. Gr. 8. 221, Nor. 

Drofte zu Viſchering, ©. A., Predigten, Betrachtun⸗ 
gen und Unterweifungen, in frühern Zahren gehalten. Münfter, 
Aſchendorff. Gr. 8. 1 Thlr. 


Duden, ®., Der preußifäge Entwurf einer neum Straf— 
geſeſgebung und fein Berhalten zum Rheiniande Par Juriften 
und Richtjuriſten. Bonn, Weber. Gr. 8. I Thir. 15 Kar 

Elmar, C., Die Werte um ein Herz, oder Känfkterfinn 
und Frauenliebe. Luftfpiel mit Gefang in brei Aufzügen. Wim 
Raeltaheufi. u. 8, 10 Br. ' 

Ingare:-Garien, Emilie, Die Müchbrüber, 
Aus dem Schwebifhen von KC. Eichel. Diet Ace a 
Kolmann. 8. 3 Thir. 15 Nor. 

Bouqud, 5. Baron de 1a Motte, Abfall und Buße 
ober die Seelenfpiegei. Gin Roman aus ber Grenzſcheide bes 
18. und 19. Jahrhunderts. In drei Büchern. MBertin, Ene 
lin. 1844. 8. 3 Thir. 15 Nor. 

Drei ragen in Sachen bes evangelifchen Vereins ber 
Buftav = Adolph = Stiftung. Frankfurt a. M., Saucrlaͤnder. 
Gr. 8. I Ngr. - 

Halilmann, E., Die Geschichte des Ursprungs der 
beigischen Beghinen nebst einer authentischen Berichtigung 
der im 17. Jahrhundert durch Verfälsch von Urkunden 
in derselben angestifteten Verwirrung. it Abbildungen 
auf drei Tafeln. Berlin, Reimer. Gr. 8. 1 Tblr. 

Yube, 8., Dentwürbigfeiten des Prinzen Auguft von 
Preußen. Mit dem Bitdniſſe des Prinzen. Berlin. 8. 3 Ror. 

Jordan, B., Eittbauifche Volkolieder und Sagen. Bar: 
lin, Springer. . 8. 20 Rgr. 

Kobbe, P. v., Geſchichte ber neueften Zeit. Zwei Theile. 
Hamburg, Hoffmann und Gampe. Gr, 8. 3 Thlir. 
bei Lan FR i 8, ©., en beim Lefen ber 

iligen mit iehung au enwaͤrtige Zuſtaͤnde. 
Riga 1842. 8. 26%, Nor. eo ve a 

Link, H. F., Vorlesungen über die Kräuterkunde, 
für Freunde der Wissenschaft, der Natur und der Gärten, 
Ister Band. Iste Abtheilung. Mit zwei Kupfertafeln in 1. 
Berlin, C. F. Lüderitz. Gr. 8. 1. Thir. 7Y, Ngr. 

Mittheilungen aus bem Leben eines Richters. Iter und 
igter Band. Hamburg, Hoffmann und Gampe. 8. 1Thlr. 

gr. 

Niendorf, Emma v., Aus ber Gegenwart. Berlin, 
A. Dunder. * « —F 9 * 

Pocci, F. Graf, Dichtungen. ffhauſen, Hurter. 8. 
1 Thlr. 1% Nor. .. ’ ® 

Royer, A., Die Janitſcharen. Überfegt von Emilie 
Wille Zwei Theile. Leipzig, Kollmann. 8. 2 Ihr. 20 Rar. 

Schellenberg « Biedermann, E., Grinnerungen an 
Ulrich Hegner. Zürich, Eiterarifches Gomptoir. 16. 1 Ihir. 

Über die gegenwärtige Lage bes Aderbaus, ber Gewerbe 
und ded Dandels im Regierungsbezir?e Minden; mit befonderer 
Berüdfichtigung des phyſiſchen und möoralifchen Zuftandes ber 
arbeitenden Claſſen; von dem Verfafler der gefammten gewerb: 
lichen Zuftände u. f. w. (G. F. v. Guͤlich.) Hinten, Böen: 
dahl. Gr. 8. 15 Nor. 
Bogel, W., Das Duell⸗Mandat, ober: Ein Zug 
vor der Schlacht bei Roßbach“ Drama in fünf Aufzuͤgen. 
Wien, Wallishauffer. Er. 8. 18%, Nor. 

Wintergrün. Taſchenbuch auf 1844. Herausgegeben von 
G. Log. Hamburg, Beroid. 1844. 8. 1 Thir. 10 Nor. 





Berihtigungen. 

In dem Auffage „Zur Gefchichte bes weibiichen Geſchlechts“, 
in Rr. 282—285 d. Bl., Geite 1130, Epalte 1, I 233 von 
oben, ft. wichtige I. wizige; &. 1130, Sp. 2, 3.15 v. o., ſt. 
weiblichen 1. göttlichen; S. 1133, Sp. 1, 3.5 v. o., fl. Damos 
janti I. Damajanti; ©. 1133, Sp. L, 3. 14 v. u., ft. beruhigen 
I. beunrudigen; &. 1134, &p.1, 3. 31 v. o., ft. Göttin l. 
Gattin; ©. 1134, Sp.1, 3. 40 v. o., ft. einbuͤßt I. einläßt; 
®. 118, &p. 2, 3. 3 v. u., ft. fnnierig 1. treigs ©. 1199, 
Sp. 2, 3. 17 v. u, I. Weiber mögen alfo 


Berantwortlicher Herausgeber: Heiarich Broddaus — Drud und Verlag von 8. A. Brodhaus in Leipzig. 


Blätter 


literariſche 


fr 


Unter hal tum g. 





Mittwoch, 





Bar Rabride — 





1 November 1843. 


Bon diefer Zeitfchrift erfcheint außer den Beilagen täglich eine Nummer und iſt der Preis für den Jahrgang 
12 Thlr. Alle en — in und außer Deutfchland nehmen Befillung darauf an; ebenfo alle Pofkämter 


- bie fih an die Eönigl. ſaͤch 
Halle wenden, 


iſche Beitungderpebition in Leipzig ober bas 
Die Berfendung findet in Wochenlieferungen und in Monatsheften ſta 


nigl. Prußifüe Grenzpoſtamt in 





Taſchenbuͤcherſchau fir das Jahr 1844. 
Erſter XZetiten. 
1. Urania. 


Bei ber beifpielloß magern Ernte, die in biefem Sabre 
das Feld der beiletriftifchen Literatur getragen hat, neh⸗ 
men die Taſchenbuͤcher diesmal offenbar einen weit wich 
tigern Plag ein als fonfl. Waren fie früher, wenigftens 
ber großen Maſſe nach, unter den Eernigern und folidern 
Erfcheinungen etwa Das, was die Seldblumen unter dem 
Roggen und Weizen find: huͤbſche, bumte Dingerchen, 
denen Reber gern einen flüchtigen Blick ſchenkt, aber ohne 
Werth und ohne Bedeutung, fo find fie diefes Jahr 
zwar ‘auch nur Kelbblumen, aber Feldblumen, die durch 
ein Getreide In den Schatten geflellt werden, Feldblu⸗ 
men, bie faft den einzigen Ertrag des Ackers ausmachen, 
Feldblumen, ' die dabucch zu Wieſenblumen avanciren. 
Ste präfentiren fi) auf diefe Weife ordentlih als ein 
namhaft zu machender Ernteartikel, fie vindiciren fich eine 
Art literarifcher Bedeutung, fie‘ dienen uns in gewiſſem 
Sinne zum Maßſtabe, nad welchem wir bie gefammte 
fhöngeiftige, namentlich novelliftifche Literatur zu beur⸗ 
theiten haben. Es muß daher dieſes Jahr ordentlich von 
einem Refultate der Tafhenbücherliteratue geredet wer⸗ 
ben, es ift die Frage aufjumerfen: Was haben fie gelei⸗ 
ſtet? Was tft durch fie erreiche? Meichen Kortfchritt hat 
bie Literatur ihnen zu danken? 

Man fieht hieraus, daß es keine kleine Aufgabe iſt, 
den Ri PA Bericht Über die Taſchenbuͤcher des folgen: 
den Jahrs zus liefern. . Es iſt ein Geſchaͤft, das mit Ernſt 
erwogen, mit Bedacht ausgeführt fein will. Mef. iſt gang 
von der tiefen Bedeutung feiner Obliegenheit durchdrun⸗ 
gen, und indem er e6 für eine umnverjeipliche Pflichtverlegung 
balten wuͤrde, irgend ein voreiliges Urtheil zu fällen, 
drängt er bier am Eingange jedes allgemeine Urtheil zu: 
ru und wird daſſelbe erfli abgeben, wenn er zuvor mit 


gewifienhaftefter Unparteilichkeit bie einzelnen Spenden bes 
leuchtet hat. | 

Manchem miag biefe Religiofitdt, mit welcher Ref. 
ans Merk geht, faſt ſpaßhaft erfcheinen.. Wir haben 
nichts Dagegen. Nur die Berficherung ſei allen Ernſtes 
gegeben und aufgenommen, baß bie Urania”, feit Jah⸗ 
ren bie Prima Donna unter den Taſchenbuͤchern, volls 
tommen eine ernflere Beruͤckſichtigung verdient, und baß 
bie Literatur ſich Gluͤck wuͤnſchen könnte, wenn es ſich 
ale neun Muſen hätten angelegen fein lafſen, fie mit 
gleich trefflichen Producten zu bereichern. Der diesmal 
zu befprechende Jahrgang bringt uns fünf Gaben, ſaͤmmt⸗ 
ih von Verfaſſern mit Namen beſten Klangs: von 
Gutzkow, Sternberg, Moſen, Alexis und Schuͤcking. 
Sind auch nicht alle gleich vollendet, ein paar ſogar nicht 
ohne ſehr merkliche Mängel und Auswuͤchſe, fo tragen 
fie doch ſaͤmmtlich beit Gefchlechtszug einer höhern Abs 
flammung und koͤnnen, wenn auch als Kinder des Leicht: 
finne und der Fluͤchtigkeit fich präfenticend, doch den nob⸗ 
len Vater niche verleugnen. 

Die beiweitem vortrefflichfie von allen iſt bie, welche 
auch Außerlich den erſten Platz einnimmt, eine Movelle 
von Karl Gutzkow: „Die Wellenbraut.”” Ich fage 
nicht zu viel, wenn ich fie ein Meiſterwerk nenne; denn 
nur ein Meier kann feines Stoffs fo Herr wer⸗ 
ben und ihn mit folcher Leichtigkeit und Sicherheit ges 
falten. Was den Stoff felbft betrifft, fo iſt er nicht 
gerade neu. Der Dichter behandelt vielmehr ein Thema, 
das ſchon unzählige Mal behandelt iſt, das aber darum 
immer gleich Intereffant bleibt und aus feiner Allgemein- 
heit eine Reihe immer neuer und befonderer Erſcheinun⸗ 
gen entfaltet, wie ja auch bie Erde aus einem und bem: 
feldben Boden die mannichfachften und verfchiedenartigfien 


Kinder zur Welt bringt. Diefes Thema iſt der Conflict 


bes Herzens mit der Welt, der Natur mit der Sitte, 
des nicht zu berechnenden Falle mit der berechneten Regel. 


1222 


Die Welt, die Sitte, bie Megel wollen das Herz mit 
feinen individuellen Wuͤnſchen und Neigungen, die Na: 
tur mit ihren ewig neuen und originellen Xrieben, den 
Fall mit feinen ſtets willkuͤrlich und planlos erfcheinenden 
Gombinationen nicht gelten laffen, und mo und wie auch 
Herz, Natur und Zufſall den Verſuch machen, ſich zu 
emancipiren und fich frei und dem eigenen, innen 
Drange gemäß zu entwideln — jene Mächte, bie ein 
mal die Herrſchaft in Händen Haben, zwingen fie zulegt 
ſtets wieder in die kaum abgeworfene Uniform hinein, oder 
im Nothfall fpinnen fle gegen die aufruͤhriſchen Vaſallen 
eine Centrerevolution an und fprengen bie Pulververſchwoͤ⸗ 
sung mit einer Contremine in bie Luft. Diefes Drama, 
bals als Luſtſpiel, bald als Trauerfpiel endigend, pielt an als 
fen Orten und Enden: in dem Streit der Elemente, in den 
Kämpfen ber Sefchichte, in den Wirren und Zermürf: 
siffen jeder einzelnen Dienfchenbruft — nur daß die Bühne 
wicht Aberalt eine Öffentliche iſt, daß nicht jedes einen 
Dichter und Begiffeur findet, die es mit fünffüßigen 
Jamben, Lampenlicht, Coflumen und Eouliffen decorieen 
und den verhliflenden Vorhang davor hinwegziehen. Mas 
novelliftifche Drama, das uns hier von Karl Gutzkow vorge: 
fuͤhrt wird und das — beiläufig gefagt — weit Höher ſteht ale 
eins feiner wirklichen Dramen, ift in kurzem folgendes: 

Spaline, die Hauptfigur befjelben, befindet ſich auf 
einem Balle, den Graf Eberhard, ihr Oheim, auf feiner 
vor dem Petersthore gelegenen Villa gab. Es heißt 
von ihr: 

ei war bie fhönfte Säle, die nur je für das Bewußt⸗ 
fein: ich fühle, ich empfinde, ich bin Menſch! gebacht werben 
konnte. Ob biefes Bewußtfein in jener Hülle lebte, bezweifeite 
man. Man verglich fie einer Muſchel, deren Perlenfloff ganz 
in bie glänzende Schale übergegangen wäre. Sie war vollen: 
det ſchoͤn. Das Ebenmaß ihrer Bormen überrafchte ſelbſt ben 
Kuͤnſtier. Aber in ihrem ſchwarzen Auge lag eine Strenge, 
bie, ftatt anzuziehen, abftieß, eine ‚Doheit, die verwunbete, ohne 
auch nur die Leffefle Ahnung von Heilkraft zu verrathen. Bon 
ihrem Gemuͤthe wußte man nichts und von ihrem Herzen nur 
fo viel, daß fie Braut war, 

Trotzdem bilder fie überall den Mittelpunkt ber Ge⸗ 
ſellſchaft. 

Die Maͤnner ſuchten ſie nicht, aber konnten ſie auch nicht 
vermeiden. Unwillkuͤrlich mußte ſich die Geſellſchaft um ſie her 
gruppiren. Es waren lebendigere weibliche Geſtalten in der 
Rähe, sehfeligen. Diefe Sprachen, aber Idaline gab ben Auss 
flag. Sie redete wenig. Gin Ealtes Lächeln, ein fpöttifcher 
Zug um ihren Mund, der durch den Spott, feiner weißen Zähne 
wegen, nur noch fehöner wurde, ein ſtummes Nicken ober Ver: 
neigen mit bem lodtenfchweren Baupte, das war all ihre Spradıe. 
Und mit biefer ſtummen Sprache Eonnte fie berebtfam fein. Sie 
ſchuͤrte das Feuer der Unterhaltung und erflidte es, fie ver 
uüpfte und trennte, fie galt fogar für die geiftreichfte in ber 
Geſellſchaft, und fo oft fie fich entfchließen konnte, zu fprechen, 
war fie es auch wirklid. 


So auch auf diefem Balle, der mit einer nächtlichen |: 


Sondelfahrt befchloffen wird. Beim Einſteigen in die 
Fahrzeuge verfpätet fih Sdallne und kommt zufällig mit 
einem jungen, ihr unbelannten Manne allein in einer 
Gondel zu figen. Ale andern Gondeln begrüßen biefelbe 
ale Admirtalſchiff. Sie nimmt dies als eine gewohnte 
Huldigung bin, zieht fih in Ihe Faltes Schweigen zurüd 


"ten Lenker ihres Schiffe. 


SFremden liebt. 
Grafen Waldemar, eines [hönen, in jeder Hinficht be= 





und kuͤmmert fi auch lange Zelt nicht um ben geſchick⸗ 
Diefer aber iſt feinerfeits ebenfo 
fchweigfam und dies lenkt endlih ihre Aufmerkfamkeit 
auf ihn Hit. Sie fühle fi wunderbar von ihm ange: 
gogen. Es regen fih in ihrem Bufen Gefühle, bie fie 
nie gekannt. Endlich briche er doch das Schweigen. 
Will die Dogarefje fih mit dem See vermählen? fragt 
er fie, als fie gerade ihr Auge auf ihren Ringen ru- 
ben läßt. 

Da bob fie das Haupt empor, wie fie fonft gewohnt war. 
Berwunbert blickte fie den Sprecher an, der über ihre Ringe 
zu fpotten ſchien. Ruhig und mit einem unendlich tiefen See⸗ 
lenausdruck erwiderte ex ihren ſtrengen Blid. Und dieſe Ruhe 
entwaffnete, dieſe Tiefe verwirrte ſie. Mechaniſch, ohne Beſin⸗ 
nung, in einem jener ihr eigenthuͤmlichen bizarren Einfälle zog 
fie einen ihrer Ringe vom Finger und warf ihn in das feuchte 
blaue Element. Wie fie das that, das thun Eonnte, was fie 
damit fagen wollte, wußte fie nicht. Es war ife aber fo leicht, 
fo unendlich Leicht, fie athmete fo frei, fo triumphirend auf, daß 
fie mit dem alten Stolz wieder um ſich blicken unb einen Aus 
genblicd glauben konnte, biefem Bremben imponirt zu haben! 
Diefer eitie Gedanke durchriefelte fie gan. Gie war erregt, 
froͤhlich, ja fie hätte Lachen koͤnnen und lachte auch innerlich. 

Der Fremde, Theobald mit Namen, redet fie hierauf 
noch mehrmal an, aber — er erhält keine Antwort. 
Idaline war wieder bie ſchoͤne, reihe, vornehme, ſtolze 
Idaline. Aber fie blieb es. nicht. Der Eindrud iſt ihr 
ins Herz gedrungen, fie kann ihn nicht wieber verwifchen, 
und immer Barer wird ihe zum Bewußtfein, daß fie dem 
Aber fie ift bereits Braut, Braut eines 


deutenden Mannes. Er war der Erſte gewefen, ber ſich 


um ihre Hand bewarb, und fie hatte ihm diefelbe bewil- 


ligt, blos weil fie einfah, es war nichts gegen ihn ein» 
zumenben, weil es ihrem Stolz fchmeichelte, gerade folchen 


Mann zu befommen. Der Bund fchien der pafjendfle 


von der Melt, Jedermann fand, daß es einer fei, wie 
er fein müffe — aber aus Liebe war er nicht geknüpft. 
Nun tritt dee Conflict ein, der Conflict des Der: 
zens mit dee Welt. Er ift in trefflihen, innern und 
Außern, Zügen dargeſtellt. Wir heben hier nur eine Stelle 


‚aus. Idaline bat Theobald zufällig in der Kunſtausſtel⸗ 


ung twiebergefehen, ihe Oheim, ein Gemäldenarr, hat ihn 
zum folgenden Tage um elf Uhr in feine Galerie gela- 
den — benußt fie diefe Selegenheit, wieder mit ihm zu⸗ 
fammenzutreffen? — Man höre: 


Am folgenden Morgen gab fie den Befehl, anzufpannen, 
in aller Frühe, ſchon um Halb elf Uhr. Sie wollte fort. Wo: 
hin? Zum Onkel? Sie wagte nicht, es fich zu geftehen. Sie 
war in voller Toilette. Die Bruſt wollte ihr zerſpringen vor 
frembartigfter Aufregung. Sie elite in den Garten, fie brach 
Blumen, die fie zerknitterte. Sie ſprach mit dem Gärtner, fie 
zeigte Antheil an Dingen, die ihr fonft entfchieben fremb waren. 
Da flug es breiviertel auf elf! Dee Wagen fuhr eben aus 
dem Hofe vor das Portal bes Haufe. Um fein Rollen nicht 
zu hören, trat fie in bie Treibhaͤuſer ein und fuchte Zerfireuung. Da 
waren jene wunderbaren Orchideen, jene fübamerikanifchen Schlinge 
pflanzen, bie ohne Erbe, in der Luft wachfen, ihre Wurzeln hin⸗ 
legen, wo fie einen feften Gegenftanb finden ımb in ihren Ver⸗ 
fhlingungen und Verrenkungen faft ein animaliſches Ecben zu 
verratben ſcheinen. Diefen Orchideen verglich fie ihre Liebe. 
Sie hatte Feine Erbe, auf ber fie einwurzeite, eine Luftpflanze, 


— — — 6 —— — oo 


ängend in phantaſtiſcher Bere, ohre andere Anknuͤpſung als 
I dad Unbeflimmte, Schwebende. Sie brach einige Bluͤten ab 
und erſchrak, braußen ben Jäger zu finden, ber ibr den vor» 
gefahrenen Wagen melbete. Noch fünf Minuten! Sie malte fi 
die Scene jenes fcheinbar zufälligen Begegnens beim Dufel 
and. Du koͤnnteſt mit ihm reden, zum erſten Male bich ihm 
wie ein Wefen von Gefühl, ja nur wie ein Wefen, das mit 
Sprache begabt it, zeigen. Da ſchlug es eif. Sie wintte 
dem Jäger, zu folgen. Sie durchfchritt entfchloffen die Boskette 
und Alleen, hatte fchon die Thür des Sartenfalons in der Hand, 
der in ihre Zimmer und von bort an den Eingang bes Haufes, 
wo ber Wagen harrte, führte — da verließ fie wieder der Muth, 
fie blieb leben, raffte fih zu dem Entſchluſſe zufammen, ben 
Wagen abzufagen, und fanl, als der Jäger ging, auf einen ber 
Divans, die rings an ben Wänden des Gartenfalone flanben, 
mit weinendem Auge nieber. 

Den Tag über blieb Idaline zurückgezogen. Am Abend 
ließ fie fih einen Augenblick feben. Wie abforbirt du bifl, 
fagte die Mutter. Abſorbirt! Idaline trug zwar nicht den Tod 
im Derzen, aber doch war eine erfchütternde Umwaͤlzung in ihr 
vorgegangen. Die Gefellfehaft fand ihre leidende Miene natuͤr⸗ 
lich, denn in einigen Sagen follte die Vermaͤhlung fein. 

Kommt diefe Bermählung wirklich zu Stande? Ja, 
fie kommt! Zwar tft es der Verlobungsring gewelen, den 


Idaline unbewußt und willenlos in den See geworfen;. 


aber Waldemar hat ihr einen neuen machen laffen und 
die Wellenbraut muß einflweilen noch ber Braut Wal: 
demar's den Pla einräumen. Zwar ift fie nahe daran, 
die Bande der Sitte und Etikette energifch zu zerreißen 
und ganz dem Drange des Gefühle zu folgen, 

Geliebten! was ift Liebe? — fchreibt fie, fie, die früher 
fo Stolze, Kalte — Eiche ift Gehorfam, Demuth, Vernichtung. 
Nichts fein in fih, Alles im Andern. Durch ihn leben, durch 
ihn empfinden. Fodere von mir! Berlange! Verlangel Vers 
lange ein Opfer! Nahe mir ald Sieger, ich Fülle meine Ketten! 
Lehre mich beten in deinem Glauben! Verzagen will ich wie 
du, zweifeln wie bu, leben und flerben wie bu! 

Aber indem fie eben diefe ihre Empfindungen und 
Wuͤnſche auf das Papier ausſchuͤttet, raubt fie ſich, wie 
das fo oft gefchieht, die Thatkraft, ihnen gemäß zu hans 
dein. Ste läßt den glüdlihen Moment der Aufregung 
vorübergeben, fie wirft fih erfchöpft auf ihr Lager und 
entfhläft. Am andern Morgen hat fie nur noch die 
Thränen des Schmerzes, der Refignation. 

Sie wollte reden, aber Alles erftarb ihr auf ben Lippen. 
Schon wogtten die lärmenden Vorbereitungen des morgenden 
Tages um fie ber, Gäfte kamen und gingen, Gluͤckwuͤnſche flat: 
terten in hundert Formen an fie heran, fie hatte Feine Zeit 
mehr, einen Maren Willen in ſich auszubilden. Wohl war der 
Brief zufammmengefaltet, aber ein Verſteck bes Schreibtiſches barg 
ihn. Der Zag ber Vermählung war ba. Mechanifch gab fie 
fih den gefchäftigen Händen hin, die fie ausfchmädten. Mitten 
in diefen Surdftungen ſchrie fie einmal plöglich auf, rannte an 
ihren Schreibtifch, wollte Hingeln und Alles unmoͤglich machen, 
was heute mit ihr vorgehen follte — eine Stunde darauf war 
Idaline Gräfin Waldemar. 

Hiermit feheint das Drama gefchloffen; aber nein, e6 
ift nur der erfte Act. Das Herz beginnt den Kampf 
aufs neue, Natur und Zufall kommen ihm zu Huͤlfe — 
ſchon fcheint es die Welt, die Sitte, die Regel uͤberwun⸗ 
den zu haben — da bricht es am Ende dennoch zufam: 
men und jene Mächte feiern einen traurigen Triumph. 
Es würde zu meit führen, auch diefen zweiten und legten 
Act des Dramas in feiner concreten Geſtaltung zu ſtiz⸗ 


ziren. Die Geſchicht⸗ ift uͤberbies zu innerlich, als baf 
fich mit gluͤcklichem Erfolg ein Auszug machen ließe. 
Mir uͤberlaſſen daher die weitere Verfolgung der Novelle 
ganz dem Lefer und verfihern ihm nur, daß die Hand 
bes Dichters von Anfang bis zu Ende nirgend erlahmt 
und daß feine Stelle gefunden werben dürfte, in ber 
nicht das Gemüch ebenfo fehr wie der Geſchmack befrie: 
digt würde. Die Darftellung ift mit Übergehung einiger 
graciöfer Nachlaͤſſigkeiten vgliendet zu nennen. Es ift in 
ihr eine Ruhe, eine Gebrungenheit, eine Claſſicitaͤt, wie 
mon fie heutzutage hoͤchſt felten finder. Die Novelle iſt 
in dieſer Dinfiht, tie auch in Betreff bes Stoffe, am 
treffendflen mit den ‚‚Wahlverwandtfchaften” zu vergleis 
hen. Und bei dieſer Ruhe athmet fie durchweg ebenfo 
viel Wärme ale fie Geiſt ausftreut. Als geiſtreich zeich- 
nen fi namentlih die Briefe Theobald’8 aus, Ste 
find voll von ſehr feinen und pifanten Bemerkungen 
über die heutigen focialen Verhältniffe vom Standpunkte 


‚eines tiefen und reichen, aber zerrifienen und vom Weit⸗ 


fchmerz erfaßten Gemuths aus. Seine Charakterzeich- 
nung fteltt fi der Idaline's würdig an die Seite, und 
nicht minder vortrefflich find die des Grafen Waldemar, 
des Oheims und des Vaters. In der Schilderung des 
Letztern liegt eine bittere Ironie gegen bie Bureaukratie. 
Man höre, wie fich berfelbe iiber Theobald ausfpricht, als 
er vom Oheim, der ihn empfohlen, gefragt wird, wie er 
ihn gefunden habe. 


Unbraudhbar! Was kann bie Verwaltung mit Männern 
beginnen, bie felbft das Ungläd nicht gewigigt bat? Ich nahm 
den Mann, der dem Staat fo viel Arger verunfacht hat, deiner 
Empfehlung wegen wie einen Freund auf. Da ich in der Frühe 
meinen Brunnen trinke, fo nahm ich ihn an der Hand und 
fagte: Herr von Theobald, kommen Sie herunter in den Bars 
ten. Ich freue mid, Sie bei mir zu ſehen. Ich führte ihn 
durch die Zimmer, zeigte ihm einige Gemälbe, unter andern die 
Portraits der Familie. Sr fand fie fehr gelungen, mich foger 
in Wirklichkeit jünger ald im Bilde, was ſich hören laͤßt. Bor 
deinem Bilde, Zdaline, verweilte er mir zu lange. Der Vater 
kam ins Huſten und bie Mutter bat ihn, fi vor Gräten in 
Acht zu nehmen. Idaline war zu Muth, als follte fie entſchwe⸗ 
ben. Er in ihrer Nähe, vor ihrem Bilde! Sie Fam fi wie 
ein Luftweſen vor. 

Die Ercellenz fuhr fort: Von ber offenftehenden Thuͤr des 
Gartenfalons kam ein heftiger Zugwind. Ic mochte mich meis 
nes Rheumatismus wegen nicht aufhalten, ihn über jedes Bild 
zu befragen. Herr von Theobald, begann ich im Garten, es 
wird zu meinen erflen Nerbienften, bie ich mir um den Staat 
erworben habe, gerechnet, daß ich die Gefahr entdeckte, die dem 
alten bewährten Patrimoniatftaate von Ideen drohte, zu welchen 
auh Sie ſich mit einer Reidenfchaft bekannten, die eines Adeli⸗ 
gen doppelt unwuͤrdig war. Jakob, der mit dem Brunnen 
folgte, ſchenkte mir das erfte Glas. Was befam ich zur Ant: 
wort? „Ich bin nicht freifinniger als Kriebrich ber Große, und 
Friedrich war ein König!’ Ich geftehe, Lieder Schwager, daß 
ih einen ſolchen laͤcherlichen Widerfpruch, ſchon fo früh Mor⸗ 
gens, während ich ben Brunnen trinke, nur um beinetwillen ers 
tragen habe. Der junge Mann heftete mit gleichalitiger Kälte 
feinen Blick auf die Fenfter bes Haufes zurüd. Eben wurden’ 
bei dir, Idaline, die Vorhänge aufgezogen. Ich fürdhtete eine 
üble Wirkung meiner Eur und zwang mich zur Ruhe und 
Nachſicht. Während ich Friedrich's Zeit und bie unferige vers 
glich, ſchenkte mir Jakob das zweite Glas ein. Sie wünfden 
angeftellt zu fein, fuhr ich fort; im Poftfach iſt cin huͤbſches 





Amtchen eriebigt. „Ums Himmels willen, fiel ex mir ins Wort, 
fo lange unfere Poflbeamten Uniformen wie Bedienten tragen, 
nimmermehr!“ Ich war außer mir. Die Wirkung meiner Cur 
ſchien fuͤr heute verloren. Ein Gluͤck, daß ich in der Raͤhe des 
Pavillons war und ihm mit ſtummer Handbewegung winken 
tonnte, einzutreten. Jakob wollte mir das britte Glas einſchen⸗ 
Ten, ich mußte es aber noch refuſiren, weil ich erſt einer etwas 
freieen Stimmung bedurfte. Um mic zu zerſtreuen, fagte ich: 
Die Ausſchmuͤckung biefes Eleinen Pavillons ift das Werk meiner 
Tochter. Die Stasmalerei an ben Fenſtern ſchenkte der Sohn 
des Finanzminifters, Graf Waldemar, ihre Werlobter. Es find 
wirklich echte Malereien aus ben fecularifirten Kıöftern, deren 
Ertrag bekanntlich großentheild zu unfern vortreffiichen Chaufſée⸗ 
bauten verwanbt wurde. Kennen Sie Graf Waldemar? Gin 
ſchoͤner Mann, nicht wahr? Ich hielt ihm meine Dofe hin, auf 
deren Deckel mein Schwiegerfohn fo unnachahmlich wahr in Mis 
wiatur gemalt worden if. Ich trank jest das dritte Glas, 
denn es war mir erfreulich, baß er wenigſtens dem Grafen feine 
Verdienſte Lied. Ich ſchlage Sie bem Grafen als Hülfsarbeiter 
in feinem Bureau vor, fagte id. Er fhüttelte den Kopf. Ich 
Laffe Ihnen eine vorläufige Summe anmeifen, bis Sie irgendwo 
eingefchoben werden Eönnen? Gr hörte kaum. Sein Auge ftreifte 
gedankenlos in bem Pavillon umber. teinte jegt nur noch 
drei Bläfer bes Morgens. Die Zeit, bie ich ihm widmen Tonnte, 
war abgelaufen. Ih ftand auf, ex firid wie mechanifd die 
Daare feines Hutes glatt, murmelte etwas von Vergebung, 
Nachſicht mit einem Manne, der in ber Bluͤte feiner Jugend 
die eifige Hand des Schickſals — Ideale — verfehlte Anknuͤpfung 
ans Leben. Er ruͤhrte mich, ich gab ihm mit Wohlwollen die 
Dand und nahm mir vor, nädftens über ihn mit dem Fuͤrſten 
zu fprechen. Da befam ich heute von ihm einen Brief. Um 
die zu zeigen, Schwager, daß ich auf beine Empfehlungen et⸗ 
was gebe, will ich ihn bir vorleſen. Jakob! die Lichter! Lies 
bu ihn, Idaline! 

Nur durch die aus dieſer und ähnlichen Stellen hervor: 
blidende Sefinnung wird man an den alten Gutzkow ers 
innert; übrigens iſt die Novelle in Ton und Haltung 
ganz ebenfo ariftokratifh und vornehm wie bie Sphäre, 
in der fie ſich bewegt. 

(Die Bortfegung folgt. ) 


Geſchichte der Verwaltung auf Steilien. 
Der Berf. der „Geſchichte bed neapolitaniſchen Finanzwe⸗ 
ſens“, Lodovico Btanchint, hat nach einem amtlichen Aufenthalt 
auf Bicitien (1837) nunmehr als Portfegung des genannten 
Werks auch eine aus theils acbrudten Werken theild noch uns 
druckten Documenten und Mittheilungen ber Eingeborenen ges 
öpfte „Storia economico-civile di Sicilia” (2 Bbe., Neas 
pel unb Palermo 1841) erfcheinen laſſen. Obwol dieſes Bud 
an guter Orbnung, Überfigtiichkeit und bewußter Methode, an 
Zweckmaͤßigkeit ber Auswahl und Vollſtaͤndigkeit bes Wiſſens⸗ 
werthen viel zu wünfchen übrig läßt, iſt es boch immer eine 
Fundgrube von intereffanten Notizen. Der erfte Band umfaßt 
die Geſchichte Siciliens vom 12. Jahrhundert bis zum Jahre 
1735, ber zweite Band bie folgende Zeit bis jeht. Jeder Band 
zerfällt in vier Abtheilungen, von denen bie erfte eine überſicht 
der politifchen Greigniffe gibt und ein allgemeines Bild der po: 
litiſchen SInftitutionen und bes Ganges der Verwaltung zu ent⸗ 
werfen verfuchts die zweite behandelt die Gigenthumsverhältniffe 
und darauf bezügliche Rechtspflege, bie britte bie Staatsein⸗ 
Fünfte und Steuern, die vierte das Muͤnzweſen und ben Zuſtand 
dee Induſtrie. Die biftorifchen Überfichten geben ein ſchauer⸗ 
liches Bild von Gewaltthaten, Bebrädung bes Wolle, Ausfaus 
gung bes Landes. Den unden bes Feudalweſens wäre das 
tubium ber ſiciliſchen KVerhältniffe von Ruggero's Tagen an 
biß auf die neuefte Zeit zu empfehlen: wer durch biefe Ge⸗ 
fhichte nicht zur WBefinnung Tommt, an dem ift Dopfen und 





Malz verloren. Ron den 1973 Sommunen Siciliens waren im 
16. Jahrhundert 1904 Lehen und von den 206 Städten im 17. 
Jahrhundert 248. Erſt durch das Decret bes jegigen Königs 
vom 19. Dec. 1838 wurde bie ehensperfaffung, wie befannt, 
aufgehoben; allein baß die gefeslichen Beflimmungen wirklich 
ausgeführt wären, bazu fehlt noch viel. Das Wild, welches ber 
Verf. von bem gegenwärtigen Zuſtande der Infel entwirft, tft, 
ungeachtet feiner Bemuͤhung, Alles, was der regierende König 
angeordnet und für das Land gethan hat, in das günftigfte Kicht 
zu ſtellen, body nichts weniger als erbaulich. Die Schilderung, 
weiche ber Verf. diefer Anzeige in Nr. 52, 89, 115 d. Wı. f. 
1840 aus eigener Anſchauung Lieferte, findet ſich durch Bian⸗ 
chini's Wert in allen Stuͤcken betätigt. „Ausgebehnte Beſit⸗ 
thuͤmer⸗, fagt ber Verf., „liegen in einem ſolchen Zuftande, daß 
man weinen mödhte, wenn man bebentt, daß unter einem fols 
chen Himmel, in einer fo verfchwenderifchen Natur ber Boben 
zur Unfruchtbarkeit verdammt iſt. An Walbungen iſt Mangel, 
die wenigen vorhandenen finb verwilbert, überall fieht man 
baumlofe Gteppen und Pelder von Bergſtroͤmen verwuͤſtet. 
Die ungeheuern Maſſen Landes, welche bradh liegen, geben nicht 
ſowol Zeugniß von einem trägen Volkecharakter ald von ſchlech⸗ 
ten ober ſchlecht ausgeführten Geſetzen. Richt einmal bie herr 
liche Waflerfülle der Inſel ift zum Nugen bes Aderbaus und 
des Kunflfleißes ausgebeutet, Fabriken nun gar find theils ſehr 
felten, theils faft ganz unbekannt.“ SWBefonders in Bezug auf 
öffentiiche Arbeiten und Straßenbau rühmt der Verf. die vaͤter⸗ 
liche Fürforge der Regierung. „Außer der Wieberherftellumg 
und Erhaltung alterthuͤmlicher Denkmäler, außer ber Renovi⸗ 
rung und Grriditung öffentlicher Gebaͤude, außer ben Unterneh⸗ 
mungen zur Bonification vieler Landſtrecken, ift der Bau von 
37 großen Straßen und mehr als 60 Communalwegen anbes 
fohlen und zum Theil in Arbeit genommen.” Non —* in 
Arbeitnehmen fand Ref. 1840 kaum eine Spur und freute ſich 
ſchon berzlih, als er bie angeführte Gtelle las, vermuthend, 
daß feitbem, wie ber Verf. vielleicht Nachricht hätte, etwas 
gefchehen wäre. Zu feiner Betrübniß aber mußte er einige Zei- 
len weiter das Folgende lefen: ‚Ich Tann Über bie neuen Stra⸗ 
en in der That Teinen detaillirten Bericht geben, denn eines: 
theils find fie noch in ben erften Anfängen ber Arbeit, andern⸗ 
theils find die Projecte noch nicht fertig.” Ref. erinnerte ſich 
babei Deffen, was ihm auf dem Wege nach Zaormina ein 
Bauer fagte: „O wir haben wol eine ſchoͤne Straße, aber fie 
fteht noch auf dem Papiere.‘ 78. 





Literarifhe Anzeige. 


Bonftänbig tft erſchienen und durch alle Buchhandlun⸗ 
gen zu erhalten: 


MDenkwürdigkeiten 


Bermifdte. SHriften, 


® 
8. %. Barıhagen von Enfe. 


Zweite Auflage. 
Sechs Bände, 


Gr. 12. Geh. 12 Thlr. 

Die erften drei Wände enthalten „Deukwürbigkeiten 
bes eignen Rebens‘, ber vierte bis fechete Band „Mer 
miſchte Sepriften‘‘ und wich jebe biefer Folgen gefondert 
für 6 Thlr. erlafien. Bon ber erfien Auflage find nod 
einzelne Bände zur Gompletizung vorraͤthig. 


S. A. Brockhaus. 





Berantwortlicher Herausgeber: Heinrid WBrodbaus. — Drud und Berlag von F. X. Brodbaus in geipzig. 











Bl aͤ 


tter 


für 


literarifhe Unterhaltung. 





Donnerötag, 





Taſchenbuͤcherſchau für das Jahr 1844. 
Erfter Artikel. 
(Bortfegung aus Rr, 36.) 
Die zweite Gabe: „Phyſiologie der Geſellſchaft“, von 
A. v. Sternberg, ift feine Novehe, ſondern eine Reihe 
von Briefen eines Vaters an feinen Gohn über den 
Umgang mit Menſchen, ein Seitenftüd zu dem befanns 
ten Werke. Knigge's. Sternberg zeigt ſich in benfelben 
ganz als der feine, mit dem Tone höherer Gefeligkeit 
Ännigft vertraute Mann, als ben wir ihn ſchon aus fel: 
nen Novellen kennen —, nur daß, was bort mehr oder 
weniger zerſtreut oder zwiſchen den Zeilen zu leſen if, 
hier in engerm Gonner und beflimmter ausgefprochen ges 
funden wird. Der Standpunkt, von bem aus bie Le— 
bensregein gegeben werden, ift durchaus ber der Lebens: 
Uugheit, ber ſocialen Politik, des liebenswuͤrdigen Egois⸗ 
mus. Den idealen "Standpunkt verſchmaͤht er. Ex 
teibt: 
ſa Wenn ich mir die Sache leicht machen wollte, koͤnnte ich 
dir gerufen, Ziebe in die Winfamfeit, bebaue beinen Acer, 
teinfe aus der Quelle, nähre dich mit den einfachften Mitteln, 
Ihlafe gut und bu wirft auch fagen tönnen, bu feift in keiner 
Stunde deines Lebens ungiädlic gewefens allein fort bamie! 
Hierin liegt feine Kunft. Reinz du fol unter Wenſchen les 
ben, bu folft trefflichen Bordeaur trinken, du ſollſt Aufterpaftes 
ten effen, auf Polftern ruhen und dennoch ſollſt bu in diefem 
bunten DSurcheinander, wo Tauſende zerbrüdt werben, wo Huns 
berttaufende an einer Degenfpige oder einem buhleriſchen Laͤ⸗ 
deln verbiuten, wo taufendmal Tauſend vor Langeweile ums 
finten, dich kraͤftig oben erhalten, und wem bu inft ben 
Arzt am Krontendette hoͤflich bie Achſein zuden fichft, ſoüſt du 
fagen tönmen: Ich erhebe mich von der Tafel, fie war gut beſett 
und ich Habe Feine ihrer Gchüffeln ungeloftet vorübergehen laflen. 
Aus dieſen allgemeinen Grundfägen heraus ſpricht er 
über eine Weihe von Fragen, bie im gefelligen Umgang 
befonders won Wichtigkeit find: „Über jugendliche Neiguns 
gen”, „Über Greundfchaft”, „Über Geift, Wis, Perfiflage”, 
Über das Urthell der Weit”, „Über Standesvorurtheile”, 
über de grobe und feine Smpertineng”, „Über die Ehe 
und das Wpififpiel”” „Über die gefelligen Kormen”, ‚Aber 
die Verleumdung”, ‚Älber die Meinen Grimaffen, Kokette⸗ 
tim und Capricen ber Gefellfchaft” und „LÜbre die Schmei⸗ 
Gele”. Nicht alle Weiefe, in denen biefe Fragen behans 
delt werden, find gleich werthvoll, einige wenige erheben 
fich kaum über das Niveau des Gewoͤhnlichen oder Oft⸗ 


gehörten; beitoeitem bie melſten jedoch find voll von neuen 
Überrafchenden Bemerkungen, zeugen von einer feinen Be 
obachtungsgabe und einem ſchlauen gefeligen Takt und ers 
gögen nebenbei durch eine pikante, launige Darftellung. 
Es fei mir erlaubt, einige Stellen, wie fie mir gerade ins 
Auge fallen, zur Probe mitzutheilen. Höre man, welche 
weibliche Weſen ex für den feinſten Liebesgenuß — den 
nad) feiner Anſicht immer die zweite Liebe gewährt — 
empfiehlt. 


jtaten inbem ‚fie ber ern; 
Km, die Geraufienöften und —E Geht Teen, 


poetifcer Schluß. Bried 5 
Bon Auen, bie über ben Umgang mit Frauen geſchrieben 
haben, hat Niemand, fo viel ich weiß, eine ſolche Verbindung 
“ nz; ich will andy zugeben, daß bieles Bild auf ben 

d etwas &eltfames, Zurüdfoßendes hat. MBit, ei 

[} pe Geliebten erwählen, das den Tod im Buſen 

= ic ſpreche nicht von dem Beſit, nicht für das 

'ür praktifche kebentzwecke, nicht von der Ehe, ich 

ra der Liebe als Ingredienz unfers feinften Lebensger 
nufles. Warum den Duft einer Hofe verſchmaͤhen, blos weil 
wir wiffen, daß fie über Nacht nicht mehr fein wish? Warum 
deshalb an bie derbe gerudjlofe Kulpe ſich halten wollen, weiß 
fle die kaͤhle Nacht überbauert und ihr feſter Organismus bie 





1226 


orgennebel nice zu ſcheuen hat? Gewöhne did; fräßzeitig, 
Dis zu He Kat ee auf kurze Zeit geliehen ift. 
über die Bereitung einer Dammelkeule ſchreibt er: 
Es kitzelt mid 7 dieſes Be dicht on bas der gieb * 
d egen, ich hoffe, damit ber von mir gehaß⸗ 
der Freundſchaft zu —— 


ten Gentiuyat eich zu fpieem In meinem Ro⸗ 
tizenbuche eig angemerkt, daß man in England, wo man 
Veen Artitei eine befondere Aufmerkfamtelt ſchenkt, die gemds 


fteten Hammel in kurzen Tagereiſen auf einem mit Gtahlfebern 
verfehenen Wagen zur Hauptſtadt ſchafft. Dann bringt man 
die Antömmlinge in anfländigen Localen unter, wo fie fi) von der 
Erhitzung der Reife erholen koͤnnen, unb mo wibrige Ans 
deutung auf ihren naͤchſten Beruf ihre Gemuͤthsruhe erſchuͤttert. 
DiE eiftere Bau des Schickſalg faßt fie volllommen umvorbes 
geitet, und Das ift es gerade, was das Gefeg der Kuͤche wil. 
Man kann einem Hammel, ber uns ein gutes Dines verfchafft, 
nicht genug Aufmerkſamkeit erweilen. 

Intereſſant iſt es, Ihn, einen Ariſtokraten, über bie 
Zulftofsaten phantafiren zu hoͤren: 

Wie man Saprtaufende nach ben Stürmen ber Urwelt, in 
Eisttumpen verfäloffen, ein Mammuth auspadte, fo wirb man 
unter der Krufte der Formation der gefillichaftlichen überreſte 
ein Ding auspacken, das man einen alten Ariftefraten nennt. 
Man wird aus bdiefem feltenen Eremplar die ganze unterges 
gesgene Organiſation ber Urwelt zufammenjegen, und aus ben 
Zähnen bes alten Ariftofraten und ebenfo aus feinen ſtarken 
Hufen wird man,” ohne viel Scharffinn zu verrathen, ſchließen, 
daß es ein Thier war, das viel Schlaͤge austheilte, und dabei 

es fraß. Aber diefe Notizen befriebigen bie Phantafle nur 
halb, das Derz bebarf mehr, bie Sehnſucht verlangt ibeale 
Blibers; da treten die Dichter hinzu und fehaffen neue Yerrliche 
Yalmbäume unb Platanen, Blumenkelche, groß genug, daß eine 
Pariſerin darin ihr Wochenbette halten kann, urweltliche 
get, die lange, bewegliche, farbenblägende Schweiſe ringen, 
wıalle, Berge, ein Himmel, Altes zauberhaft, buntſchimmernd 
und —58 erquichend. In dieſe Welt ſetzen fie den alten 
gluͤcklichen Ariſtokraten und laſſen ihn nach Herzensluſt darin 
umhertraben und junge Palmbaͤume wie Diſtelkoͤpfe umbauen. 
Es tönt um den Alten das ewige Lieb feiner Jugend, bie Un⸗ 
terjochten fingen ihm Preis, bie ganze Welt iſt eine Hymne 
auf feine Stärke und Kraft. Da taumelt ber Alte fiegess 
trunben uab ſchlaͤft im Drangenwälbdgen ein, von einer ur⸗ 
weitlichen Nachtigall eingelullt. Während er ſchlummert, kom⸗ 
men die Fluten. 

Nun ſchildert ex weiter, wie die Stellung dee Geſtirne 
plöglich eine andere wird, wie bie Jahreszeiten gleich vers 
wirrten Kindern durcheinander flammeln, wie alle Raturz 
kraͤfte zevolutionireu, wie die Roſe plöglih vom Zroft 
Kberrummpelt wird, und der Eiszapfen fich gedrungen fühlt, 
eiligſt in Thraͤren wegzuſchwimmen, tie die Waffer auf 
Reifen gehen und fih aus den Mufeen der Refidenzen 
Schäge boten; wie fih aus allem Diefen endlich ein neuer 
Zuſtand entwidelt und eine neue Welt geboren wird, wels 
cher der Fruͤhling ſchon von der Wiege eine goldene Zus 
Zunft vorplaudert und ber die Sonnenftrahlen wie gefchäf: 
tige Engel bie legte Thräne von der Wange kuͤſſen. Uns 
serdeflen fchiäft der alte Ariſtokrat noch immer fort, er hat 
von Allem nichts gemerkt, und „als er endlich ſchlaftrunken 
die Augen öffnet, fieht er, daß er in einer Kryſtallhuͤlſe 
ftedt, umd, durch diefelbe erblickt, erfcheint ihm die Welt ums» 
ber ſehr wunderlich. Ihn friert und er ift verdrießlich!“ 

Die dritte Babe: „Das Heimmeh’, Novelle von 
Sulius Mofen, ſteht an Werch den beiden vorigen 
bedeutend nah und if} hinter den Erwartungen, mit 


denen wir im Andenen an Moſen's fenflige Leiſtun⸗ 
en darangingen , zurüdgeblieben. Die Novelle zerfällt 
hter Anlage und Ausführung nah in zwei Hälften, 
bie mahrfcheinlicherweife zu verfchiebenen Zeiten oder we⸗ 
nigftens unter verſchledenen Umftänden gefchrieben find. 
Die erſte ſcheint mit Luſt, bie zweite mit Unluſt gene 
beitet. Dort wird dee Knoten zwar einfach, aber doch 
Spannung erwedend gefchürzt, hier dagegen auf ziemlich 
langweilige Welfe gelöft. Won Seite 200 an ift die Ge- 
fchichte genau genommen ahne allen Inhalt, wenigftens 
find durchaus Beine anziehenden, unterhaltenden Momente 
darin. Die darin agirenden Perfonen Haben einerſeits un⸗ 
fer Intereffe verfcherzt, andererſeits es noch gar nicht ges 
wonnen, und fo iſt e8 kein Wunder, wenn uns die end» 
liche Löfung, die überbies ein menig verbraucht iſt, durchs 
aus kalt laͤßt. Nicht viel mehr befriedigt die Charakteriftit 
der verfchiedenen Figuren. &ie find urfpränglic gut an: 
gelegt, aber fie bleiben mehr ober weniger unentroidelt, ober 
ihre Entwickelung deutet nicht auf den Keim zurüd. So 
iſt namentlich Notham, ein reicher Dandelöherr aus Ame⸗ 
rika, in der Mitte ein ganz anberer als zu Anfang, und 
gegen das Ende wiederum ein Anderer als in der Mitte. 
GStellten fich diefe verfchiedenen Manifeflationen als vers 
f&iebene Entwidelungsphafen veined und deſſelben Grund: 
charakters dar, fo waͤre nichts dagegen zu fagen; fo aber 
machen fie nur den Eindruck von Inconſequenzen und 
reißen uns die Perfönlichkeit zu einer Figur ohne Halt 
und Mittelpunkt auseinander. Auch Johanna, dem Titel 
nach) die Hauptfigur, trägt einen nur ſchwach vermittelten 
Widerfpruch von Leichtfertigkeit und Sentimentalitaͤt in 
fih, und fo tft der Rittmeiſter der einzige Charakter, der 
fh von Anfang bis zu Ende treu bleibt. Trotz der ers 
wähnten Maͤngel bietet die Novelle manches Schöne dar 
und fie enthält Stellen, welche andeuten, daß der Verf. 
mehr kann als er hier geleifle. So find namentlich bie 
Briefe Johanna's, in denen fie nad und nad ihr Diss 
fallen an Amerika und Ihe Heimweh an den Xag legt, 
zum Theil recht wohl gelungen. So fihreibe fie z. B. 
über bie Menfchen in Neuyork: 

Sie laufen Aue herum wie Roten, die mit ben fünf Liz 


nien nicht zufrieben find und bafür einen Strich durch ben 
Kopf befommen. 

Und über ihren Gemahl Notham: 

Ich bin fein Papagei, ben er mit Zuckerwerk füttert unb 
mit bem er ſich Spaßes halber unterhält, wenn er aus feinem 
Comptoir a nbden bexeinfommt! Er laͤßt fi kraden an 
beißen, ich hlpibe doch immer fein Joli! 

Und ein andermal: | 

Denten Sie nur, Papa, bie Qual! Ic darf gar nichts 
arbeiten als naͤhen, mit ber Raͤhnadel fol ich mi durch bie 
fien kann ich, fo viel ich will, 


ee immer freundlich, wie Hirfemuß mis zerlaflener Butter und 
Dfefferluchen barauf. ur 
.. Eine huͤbſche Stelle iſt and) das Geber des alten Ritt: 
meifters neben der Leiche feiner Frau: 

- Barmbenziger Gott, bier liegt vene hir ein altes yerisbofle 


ner Kriegsknecht und dankt bir für af: @uape, welche bu ie 





188) 


in Standquartier und Campagne gelenkt haſt. Ich hatte 
mit meiner Bravour, bie ich zu verſchiedenen Malen zu beweis 
fen Selegenpeit hatte, nur meine Pflicht gethan, du aber haft 
mir das Alles, ja felbft die Sünde meiner Jugend, aum ındrite 
angerechnet, und mein Lebensgläd mit der feligen Maria The⸗ 
reſia fo recht grundgut an ben Hals geworfen, und ba ich bei⸗ 
nahe an ihr ein Hallunk geworden wäre, mir das Bein weg: 
fhießen faffen und mich armen Srüppel hierher nach Leimnuͤt 
commandirt, um Weib und Kind zu finden und auf meinen 
Lorbern mit gloire und pension auszuruhen. Lieber Gott, mein 
allmäcdhtigee Sommanbeur, warum haft bu mich nur den Meinen 
al8 Quartiermeifter nicht vorangehen laffen? Bedenke ich ba in 
meiner Niebrigkeit, daß bei bir mein Bischen alter Adel und 
mein Offigierpatent dbummes Zeug fein mag, wie denn auch 
dem Hauptmann von Kapernaum nur fein Glaube half, fo 
wirft du es wol auch jegt mit dem Rittmeiſter von Leimnig 
gut gemeint haben; denn ich habe wol nech in meinem alten 
Mantelſack ein Padetchen altır Sünden, die du mit beſtem 
Willen mir nicht ganz vergeben kannſt, es müßte denn gine fo 
gute, reine Seele, wie meine felige Maria Thereſia, mir hinter 
dem göttlichen Kriegsrecht Faiferlichen Parbon auswirken. So 
gebe denn hin, meine Maria Therefia, und bitte nur das Eine, 
daß der alte Rittmeifter von Leimnitz bei bir fein darf; benn 
bu haft doch beine Stätte im Paradies. Kannſt bu für mid 
bei Petrus, ber, am beften weiß, wie es fommt, baß man bas 
rein haut, ein Übriges thun, fo laß mich im Leben nur noch 
einmal unfere Johanna fehen! Und hilft das Alles nicht, fo 
mag mich mein Herrgott lieber ein Bischen in die Höfe Or⸗ 
donnanz reiten laſſen, wenn nur das liebe Kind dabei glüds 


lich wird. 
(Der Beſchluß folgt.) 





Die Entftehungsgefchichte des Jeſuitenordens, nebſt einem 
Schlufworte über die neuen Sefulten. Nach den Quel: 
Ien Dargefteilt von Friedrich Kortum. Manheim, 
Baflermann. 1843. Gr. 8. 20 Por. 

Während in Frankreich Worlefungen von Michelet und 


Auinet gegen die Sefuiten erſcheinen, find wir in Deutfchland | 


nicht unthätig, die Peft des Jahrhunderts, die mit der Bulle 
vom 7. Auguft 1814 wiederum über die Völker der Erbe ges 
tommen ift, aus der Vergangenheit felbft, und für die Gegen» 
wart, als Das, mas fie ift, darzuftellen. Wir haben noch in 
vielen Ländern Quropas Mauthen, Schlagbäume, Contumaz⸗ 
anftalten und bergfeichen wider die Peft, wider accisbare Ge: 
genftände u. f. w., aber bie Jefuiten dürfen frei umhergehen, 
ohne, wie einft die Zuden in Sachſen, einen Leibzoll zu ents 
rihten; benn das Haupt der römifch: Latholifchen Kirche hat 
fie repriftinirt, und man läßt fie frei gewähren, wo nicht, wie 
in ber Verfaſſungsurkunde bes Königreichs Sachfen, beftimmt 
worden ift, daß Jeſuiten im Lande niemals aufgenommen wers 
den dürfen, ober wo man ihnen fonft die Wege gewielen hat, 
wie in Rußland. Es ift daher immer Höchft verdienftiich, in 
fortwährender Anerkennung. Deffen, was am 21. Juli 1773 
Siemens XIV., der damalige infallible Papft in Rom, über 
den Orden der Jeſuiten ausgeſprochen dat, und unter gefchichtlich 
treuer Auseinanderfegung Deffen, was biefer Orden früher ge: 
weſen ift, und was er nad feiner Repriftination fein kann, 
gegen den offenbaren Ruͤckſchritt offen und nachdruͤcklich zu pros 
teftiven, der das Jahr 1814 nach der erften Beſiegung Napos 
leon's, wo man eine auf den Grundlagen „der Gerechtigkeit, 
Eiche und Friedfertigkeit“ beruhende Reorganiſation ber geſtoͤr⸗ 
ten Verhäftniffe der Staaten und Biker zu erwarten berechtigt 
war, als Anfangspunft reactionairer Maßregeln auszeichnete. 
Eine ſolche Proteftation iſt num auch, die vorliegende Schrift, 
ein würbiges Seitenſtuͤck zu der Jordan's, die vor einigen Jah⸗ 
zen erfchien. Mit dieſet Proteftation follte fort und fort die 
Preſſe, follte immer wieher von neuem bie Journaliſtik vor bas 


4 ben fiichen zu koͤnnen. 


Yublicum und vor ale Diejenigen treten, bie Ohren haben zu 
hören; mit ihr follten die würbigen Volkevertreter in ben Kam 
mern dor ben Miniftern der einzelnen Staatöregierungen erſchei⸗ 
nen, und, was nur an ihnen if, und mo fie es nur vermögen, 
die Regierungen aufflären über bie Sefniten, über Das, was 
fie gewefen, was fie fein wollen und was fie find, über Das, 
was fie der Kirche, dem Staate, ben Mölfern unb ber Gegen⸗ 
wart der Welt nicht fein Eönnen, und was fie nur dem geiſt⸗ 
lichen und weltlichen Deöpotismus, was fie der roͤmiſch⸗katho⸗ 
liſchen Kirche fein follen, fein wollen und find. Gine fol 
Proteftation iſt namentlich in der vorliegenden Gchrift 

8. 71 — 94 enthaltene Schlußwort über „die neuen Sefuiten’’, 
eine Proteftation, bie jeder wahrhaftige Chrift, jeder gute 
Staatsbürger unbedenklich zu unterfchreiben fich gedrungen führ 
(en muß. Denn in diefem Schlußworte wirb, nachdem bie Bes 
[hichte des Sefuitenordens im 18. Jahrhunderte, vor und nad 
dem 21. Juli 1773, fowie zu Anfang des 19. bis zum 
7. Auguft 1814 und feitbem in kurzen Umriſſen angegeben 
worden, die Sefuitenfrage, gegenüber dem laufenden Zeitalter, 
ohne Daß und Vorurtheil zu Iöfen verſucht. Der Verf. ſtellt 
ſich dabei theils auf den kirchlich⸗religioſen, theils auf den wife 
fenfchafttich « pädagogifchen, theils auf den flaatsrcchtlichen, theils 
auf den flaatswirthichaftlidden Standpunkt, und aus diefen vier 
verfchtedenen Stanbpunften bemweift er, überzeugend für Ale, 
die Augen haben zu ſehen, und Ohren zu hören, daß bie 
Aufnahme und Pflege des Zefuitenordens in allen Beziehungen 
bem Wefen und Gelfte des Zeitalters entgegen fei. Wende man 
nicht ein, baß ber Jeſuitenorden nur ein revenant, nur ein 
Geſpenſt fei, von bem man nichts zu fürdpten habe, und var 
dem ſich nur Derjenige fürchten könne, ber daran glaube. reis 
lich ift der Iefuitenorden wie ein Gefpenft, das nur bei Rack 
umgeht, und das den Zag in Nacht verwandelt, um im 

Daß verftcht der Orden wohlweislich 
und gar fein; und was babei gewonnen wieb, außer für Ver⸗ 
bummung ber Völker und für die Zwecke der roͤmiſchen Hierarchie, 
liegt am hellen Zage mach allen ben Lehren und Grunbfägen, 
und nach der ganzen Gefchichte des Jeſuitenordens, und es er⸗ 
gibt fih aus dem reiben der neuen Zefuiten und aus ben 
Fruͤchten, die ba geerntet worden find, wo fie gefäet haben,“ 
Die Regierungen find doch fonft gar eiferfüchtig genug auf jeden 
Schein einer fremden Gewalt und Macht in ihrem Bereiche; 
und wie laffen fie ſich durch die Iefuiten um Anfehen, das ih⸗ 
nen, den Regierungen, gebühet, um Bilbung, bie fie, die Res 
gierungen, mühfam unter dem Volle zu verbreiten fireben, um 
Geldſummen, die ihnen und den Staatszwecken entzogen unb 
ihren Feinden, den Zeinden der Regierungen, zugeführt werben, 
offen und insgeheim betrügen! Cine Gontrole der Sefuiten von 
Seite der Regierungen iſt kaum möglid; man barf fie nicht 
dulden, oder man muß, wenn man ffe duldet, fi ihnen auf 
Discretion ergeben, und bies Alles — in majorem dei gloriam} 
Das thut man aber auch und man duldet dies Alles, wie uns 
begreiflich es auch ift, daß dies geduldet wird. Indeß iſt dies 
in der Geſchichte der Jeſuiten in der That nicht das einzige 
Unbegreifliche; ihre Gefchichte wimmelt im Einzelnen, möchte 
man faft fagen, von Unbegreiflichleiten auf Seite der Regierums 
gen, und ſelbſt nichtlathofifcher, ſelbſt proteftantifcher und grier 
chiſcher Regierungen. Friedrich IT. von Zyußen behielt die Je⸗ 
fuiten auch noch nach dem 21. Juli 1773 einige Jahre lang 
bei; desgleichen Katharina II, von Rußland; und ihrem Nach⸗ 
folger, Paut J., gelang es, bei Pius VII. die foͤrmliche Wieder⸗ 
herftellung der Geſellſchaft Jeſu Im zuffifchen Reiche durchzuſetzen. 
Diefem Beifpiele folgte Ferdinand IV. von Neapel: Gicitien, 
indem er, weit „chriſtliche Froͤmmigkeit und Sitte gefährdet und 
verfolgt’’ feien, in der Ruͤckkehr der Jeſuiten nach Neapel u 
Sicitten „das Unterpfand befferer Zeiten’ erblickte, und 5! 
ihnen erwartete, daß fie „ven Schulen und jugendlichen Gemuͤ⸗ 
thern Wottesfurcdht und Wiffenſchaft zurädbringen wuͤrden“. 
Anberwärts wirkten dergleichen Beiſpiele nicht vergebens, bie eB 
danach um fo Leichter erfchien, abne den argen Widerſpruch zu 











1228 


beachten, welchen die päpftliche Unfehlbarkeit ſchon dadurch bes 


— daß ſie die von dem verdammenden Vorgaͤnger einzeln er⸗ 


obenen WBefchwerben und Anklagen gegen ben Orden mit kei⸗ 
nem Worte berührte, ohne an bie gänzlich veränderte Lage der 
Bölfer und Staaten zu denken, obne den Bohn zu erwägen, 
der darin Iag, daß man bie felbftändigen Befchtüffe Portugals 
(179), Frankreichs (1764), Spaniens (1767) und anderer 
—8 Regierungen mit Einem Federſtriche tilgte, die Re⸗ 

nation bes Zefuitenorbens tur die Bulle vom 7. Auguft 
814 vor ben erflaunten Völkern auszuſprechen. Man wollte 
fi der Jeſuiten, wie früher als einer kirchlichen Waffe, ale 
„ruſtiger Ruder im Gchifflein des heiligen Petrus‘, zunächft 
gegen die Reformation, jo nunmehr als williger Werkzeuge zu 

eichung theils hierarchiſcher, theils politifcher Zwecke bedie⸗ 
nen, und mit ihnen Glaubensfreiheit und buͤrgerliche Freiheit zu⸗ 
gleich bekaͤmpfen. Unerwartet war es ba wieder, daß Ruß⸗ 
land im J. 1820 die Jeſuiten, feine anfänglichen Schuͤtzlinge, 
als fie durch Profelgtenmadherei, Ungehorfam und Habfucht bas 
Gaſtrecht verlegten, in kluger und ehrenbafter Entruͤſtung für 
immer aus dem Reiche verftieß und dadurch einen Hauptquell 
laͤhmender Unduldſamkeit und Zwietracht verftopfte. Rußland 
that dies, aber es fand keinen Nachfolger. Waren die Zefuiten 
etwa nur in Rußland Profelptenmacher, nur dort ungehorfam 
und babfüchhtig? Hat nur Rußland es erkannt, daß die Gefell 
ſchaft Zefu mit ben Aufgaben und Bebürfniffen des Zeitalters 
unverträglich fei? nur Rußland es erkannt, baß biefes Inftitut 
entweber hemmend ober geradezu feindfelig bazwifchentritt und 
mit feinem rafchen und doch Ieifen Schritte felbft männliche Ges 
muͤther mit unheimlicher Beforgniß erfüllt? O! mie viel hat 
unfere Zeit noch zu lernen, wenn fie hierin von Rußland nichts 
gelernt hat! Zu diefen und ähnlichen Betrachtungen drängt das 
Schlußwort ber vorliegenden Schrift. Leſe es ein Jeder, ber 
es mit feiner Beit wohl meint! Auch ohne bie vorhergehende 
Betrachtung, die füich mit dem Leben und Wefen Loyola's, mit 


ben erften Generalen der Jeſuiten, mit der Conftitution bes Je⸗ 


fuitenorbens und mit beffen raͤumlicher Ausbreitung im 16. Jahr⸗ 
hundert befchäftigt, Tpricht diefes Schlußwort durch fich ſelbſt 
und für fich fethfl. Man böre nur aufmerffam auf bie Lehren 
der Gefchichte und beachte die WBebürfniffe der Zeit, damit man 
wifle, was zu thun und was nicht zu thun fei! 31. 





Literarifhe Notizen aus Frankreich. 


Periodiſche Schriften in ber Provinz. 

Je feltener irgend eins von ben in ber Provinz erſcheinenden 
periobifchen Blättern nach Deutfchland verfchlagen werben mag, 
deftlo mehr Halten wir e8 für unfere Pflicht, wenn wir ein 
ſolches Zournal finden, das wirkliche Beachtung verbient, zur 
Berbreitung deſſelben fo viel als möglich beizutragen. So wollen 
wir noch einmal auf bie treffiide „Revue du midi” zuruͤck⸗ 
kommen, obgleich wir ihrer fchon früher einmal in db. Bl. ges 
dacht haben. Bon biefer Zeitſchrift, die Achille Zubinal, ber 
verbiente Forſcher franzoͤſiſcher Alterthuͤmer in Montpellier mit 
vieler Umſicht leitet, find uns vor kurzem das vierte und fünfte 
Heft zugelommen. Um einen Begriff von der Manntchfaltigkeit 
diefer „„Bevue’’ zu geben, wollen wir aus dem reichen Inhalte: 
verzeichniffe die Titel einiger der intereffanteften Auffäge aushes 
ben. Wir rechnen dahin eine höchft geiftreiche Notiz über Mad. 
de Sevigne von Armand de Pontmartin aus Avignon. Es war 
nichts Kleines nach Waldenatr, Walfh, Aubigne u. A. über 
dieſes iIntereffante Weib noch etwas Neues zu fagen. Wiſſen⸗ 
ſchaftliche Bedeutung bat eine Skizze ber „Philosophie du droit‘ 
von Maffot, Generaladvocat. Sin Eteiner intereffanter Auffag 
Eher bie Befchichte der Muſik („Etudes historiques de la mu- 
sique’‘) rührt von Laurens, einem ber erften Organiften von 
ganz Frankreich Her. Am meiften angefprocen bat uns bie 
4 Philosophie de Rabelais’, ein hoͤchſt geiftweicher Auffag aus 
der Beber von Renouvier, dem Verf. einiger brauchbaren philos 


an „Lsettres sur la Russie, la 


ſophiſchen Handbücher, die in Frankreich ſehr verbreitet find. 
Mir übergehen einige andere intereffante Nummern, und erwaͤh⸗ 
nen nur, baß biefer Revue, die zwar ein hauptfächlich wiſſen⸗ 
ſchaftliches Interefle hat, aber doch auch einige dichterifche Beis 
träge (unter Anderm von dem Maurergefellen Poncy in Toulon) 
enthätt, ein recht reiches und werthvolles bibliographiiches und 
kritiſches Bulletin beigegeben ift. 


Über die Byrenden. 

Ohne der zahlreichen engliſchen und franzöfifchen Heifer 
banbbücher und Schilderungen aus den Pyrenaͤen zu gebenten, 
ließe ſich eine anſehnliche biftorifche und geographiſch⸗topogra⸗ 
phiſche Literatur über dieſe intereſſante Wölkerfcheide, bie Frank⸗ 
reich von Spanien trennt, anführen. Noch vor kurzem haben 
wir einige brauchbare Werke, die hierher einfchlagen, erhal: 
ten. Zunaͤchſt reinen wir hierzu bie „Histoire des popu- 
lations pyr&endennes du Nebouzan et du pays de Comminges, 
depuis les temps les plus recules” von D. Saftillon, eine fleis 
ßige Arbeit, von ber Eürzlich ber zweite Band die Preſſe verlaffen 
bat. Mehr darauf berechnet, um als Leitfaden zu dienen, in: 
defien auch für den Geographen von Fach nicht ohne Intereffe, 
{ft das ‚„Tableau des Pyrenees” von Arbanere, das foeben in 
ben Buchhandel gelommen tft. Wir wiffen nicht, ob der Verf. 
dieſes Werkchens berfelbe tft, ber eine etwas fchmälftige ‚‚Ana- 
lyse de Y’nistoire romaine” (4 Bde.) hat erſcheinen Laffen, 
Auch der vielbelannte Baron von Taylor, der bei einer Menge 
literarifcher und artiftifcher Unternehmungen bethefligt ift, hat 
vor kurzem eine intereffante Schrift über bie Pyrenaͤen heraus⸗ 
grgesen. Er hat in berfeiben das vorhandene Material recht 
gluͤcklich verarbeitet und überbies einige anziehende Blaͤtter aus 
feinen Reifetagebüchern gegeben. 





Philoſophie ber Hebdrder. 

Couſin fagt in einem ber legten Berichte, die er von den 
neueften Erſcheinungen auf dem Gebiete ber Philoſophie erftat- 
tet, die Zeit feheine dieſer Wiſſenſchaft befonders günftig. In 
ber That find niemals fo viele philofophifche Werke in Frank: 
reich erſchienen als gerade jegt. Und darunter befinden ſich 
mebre, bie ein wiflenfchaftiiches Intereffe in Anfpruch nehmen 
koͤnnen und die von ben Gelehrten des Auslandes nicht unbeach⸗ 
tet gelafien werben bürfen. Wir rechnen dazu vor Allem die 
Schrift eines jungen Philofophen, auf die vom berühmten Ge⸗ 
lehrten, deffen Namen wir angeführt haben, aufmerkfſam gemacht 
if. Ste führt den Titel: „La Cabbale ou la philosophie re- 
ligieuse des Hebreux”, von X. Franck. Der Verf., weldyer, 
irren wie nicht, ber Sorbonne als aggregirter Profeffor beige: 
geben ift, hat ſich ſchon durch frühere Eeiftungen befannt ges 
macht. Wir erwähnen von ihm eine „Esquisse d’une histoire 
de la logique, „präcsdee d’une analyse etendue de l’Organum 
d’Aristote”. Adolf Franck iſt Iöraelit von Geburt und der 
orientalifchen Sprachen maͤchtig, fobaß er bei feiner Arbeit über 
bie religiöfe Philofopbie der Hebraͤer überall den Quellen bat 
nachgehen koͤnnen. Seine Darftelung ift Har, bündig und dem 
Gegenſtande angemeffen. 


Marmier über Rußland.” 

Man bat dem armen Marmier in Deutſchland manchmal 
gar zu arg mitgefpielt. So lange er unfere Literatur Iobte, 
wurde ein Auge zugebrüädt, aber fobald er an eine unferer 
Größen rührte, hob man den Stein gegen ihn auf. Wenn bodh 
manche unferer Überfeger und Kritiker in ihren eigenen Bufen 
griffen! Wir wollen die vielen Überfegungsfünden, die Marmier 
ih hat zu Schulden kommen Yaffen, übrigens gar nicht rechts 
fertigen; fo viel aber fleht feft, daß er eine gefällige, anfprechende 
Darftelungsgabe bat, um bie ihn viele unferer gefeiertfien 
Schriftfteller beneiden Eönnten. Dies „ae fig aud in feinen 

ande et la Pologne” 
Bi).  - 8 


VSerantwortlicher Deraubgeber: Heinrig Brockh ans. — Druck und Berlag von J. A. Brodbaus in Leipzig. 





Blätter 


für 


> 


literariſche Unterhaltung. 





Freitag, 


r. Z07. 





3. November 1843. 





Taſchenbuͤcherſchau fuͤr das Jahr 1844. 
eſter Artikel. 
(Beſchluß aus Nr. ME.) 

„Der Wilddieb“, von W. Alexis, iſt durchaus ko⸗ 
miſchen Charakters und entfaltet im Einzelnen außeror⸗ 
dentlich viel Wis und Laune mit gutmuͤthig⸗ ſarkaſtiſchen 
Anſpielungen auf die ſchwachen und laͤcherlichen Seiten 
unſrer Zeit. Auch iſt der Hauptinhalt der Erzählung: 
daß ſich ein junger Mann, der von Kindesbeinen an ſtets 
ein Wildfang gervefen tft, als Wilddieb engagiren und in 
diefer Qualität wirklich einfangen läßt, echt komiſch und 
bietet viel ergögliche Momente bar. Trotzdem macht das 
Ganze nicht den befriedigenden Eindrud, ben man bier: 
nach erwarten follte, und bleibt hinter ähnlichen Probucten 
des Verf. zurüd. Der Grund davon liegt abermals da⸗ 
ein, daß in der Gefchichte kein evidentes Entfalten aus 
einem Punkt heraus, ein organifches Wachfen und 
Fortbilden iſt, daß an die Dauptideen fo Mancherlei an: 
gefickt und angeklebt iſt, von deſſen Dafein man durch⸗ 
aus keinen Grund einficht. Dies gibe dem Witz nicht 
felten den Charakter des Gemachten, ja Koreicten, und 
das Ganze ſtellt fich demzufolge mehr als ein planlos zu: 
fammengewärfeltee Schwänt als ein mit feinerer Komik 
angelegtes Kunftwerk dar. Möglich iſt, daß wir dem Verf. 
mit dieſem Urtheil Unrecht thun. : Manche der gefchilder: 
ten Perfonen und erzählten Vorfälle beuten offenbar dar⸗ 
auf hin, daß fie der Wirklichkeit entnommen find; andere 
tragen einen mehr allegoriihen Charakter — und fo kann 
es fein, daß ſich das Ganze auf ein dem Ref. unbefann: 
tes Ereigniß bezieht, wodurch Das, was ihm willkuͤrlich 
und planlos zufammengemwürfelt ſchien, Nothiwendigkeit und 
inneren Zufammenhang erhält. Mag fih nun dies vers 
halten wie es will — jebenfalld wird der lachluſtige Lefer, 
der es mit ber Lünfklerifchen Geftaltung und ciaffifchen 
Maͤßigung nicht allzu genau nimmt, bei diefer Erzählung 
feine Rechnung finden. Beſonders gelungen iſt ſogleich 
zu Anfang das Gefpräh über die Erziehung und muth: 
maßliche Carriere bes Wildfangs zwiſchen beffen Kitern 
und feinem Oheim, der eine gluͤckliche Parodie des trotz 
aller Fortſchritte nicht vorwaͤrtskommenden Zeitgeiftes ift. 
Schen in diefem Gefpräh wird ihm das Prognofliton 
geſtellt, daß aus ihm nichts werben könne; fpäterhin wies 
erholt ihm daſſelbe fein Repetent Ulrich, der ihm eröff: 


net, daß er von wegen feiner Romantik und Ironie zu 
nichts weiter tauge al6 zum Ins: Wafler : [peingen oder 
sum Kohlbauen. Die Scene biefer Eröffnung iſt ein 
Kohlader. Sch will mittheilen, wie er felbft den Eins 
druck diefer Erklärung ſchildert: 


Der fuͤrchterliche Redner — ſchreibt er — hatte mir ben 
Rüden gekehrt und ich fand da wieder allein, verlaffen, geaͤch⸗ 
tet, wie ein von ber Peſt Befallener. Ringsumber im Gonnens 
fein lachten viel taufend Koplköpfe hoͤhniſch mich an. „Boll 
ih alle meine Bildung aufgeben”, rief ich, „meine Eoftbaren 
ſchweren Studien wären umfonft, und zu euch follte ich zus 
ruͤck!“ Da raufchte der Abendwind in den breiten Blättern eis 
ner Pflanze, deren Wurzel in Geftalt einer rothen Rübe, licht⸗ 
verlangend, halb aus bem Boben vorgulte. Es war bie freund: 
liche Bermittelung der Runkelruͤbe, die mich wieber mit bem Les 
ben ausföhnte. Die Zeit, meine werthen Zuhörer, verzehrt viele 
Ideen, preoducirt aber ebenfo viele, um was zum Verzehren gu 
haben. Das Troͤſtliche ift bemgemäß, baß der Beift, der bier 
eine zugefchloflene Thuͤr findet, wo anders anklopfen kann. 
Barum verzweifeln, wenn man noch fpeculicen kann? Warum 

emeinen Kuͤchenkohl bauen, wenn man Runkelruͤben cultiviren 
ann? Die Inbuftrie hat den Vorzug vor den Mythen und 
phitofophifchen Syſtemen ber alten wie der neuen Welt, daß fie 
den geringften Aufwand von Geiſt fobert. Es braucht nämlich 
nur ein Leithammel dba zu fein, fo finden bie Schafe den Meg. 
Man kann mit ber Guropamüdigkeit, mit der Ironie, mit bem 
Weltfchmerz, ber Demagogie und dem Pietismus noch fo ſehr 
bebaftet fein, das hindert nicht, daß man aus ber Kartoffel den 
Geift zieht, ben die Zeit braucht. Der meinige ſchwankte, ob 
er der Runkelruͤbe oder ber Locomotive den Vorzug geben follte. 
Ich bekenne, es ruht für mich in ber Runkelruͤbe etwas unges 
mein Erhebendes. Die Koliage ift nicht ſchoͤn, dennoch ſpringt 
und erhebt fie fich wie ber Vorbote, bie Verkuͤnderin von etwas 
Ungewöhnlidem. Und nun mit einem Male fehießt die dicke, 
runzelige, ebenfo unfchön angefärbte übe, d. i. die Wurzel, 
aus ber Erbe, mit dem volleen Theile nach oben, gleihfam um 
auch ihrerfeits bie Weisheit unferer Wäter zu Schanden ge mar 
Ken, bie ba fagten: „Das bilde Ende fommt nad.” ie bes 
wußt ihrer Kraft, ihres Innern Gehalts, entringt fie fi) dem 
fetten Boden, nadt, ohne Vermittelung, ohne Schoͤnheitstinten, 
ohne andere Sehnſucht ats die, fortzuwirken durch Selbſtauf⸗ 
opferung, Hingebung und Berwanblung ihrer Subflanz in ben 
raſtios fortfchreitenden und arbeitenden Weltgeiſt. Wahrhaftig 
die Rünkelrübe ift die wahre Repräfentation des troßigen Selbfts 
bewußtſeins, aus dem unfer ‚Heil entfpringt. Das ariftofratis 
ſchere Zuckerrohr iſt zu fehe vom Duft der tropiſchen Fremde 
und Poeſie ummwoben, die Seufzer ber gebrochenen Negerhergen 
fläftern in feinen Halmen, ein Mangel, der dadurch nicht gang 
ausgeglichen wirb, daß die tobten Regerflimmen uns das Lob⸗ 
lieb ber Danbdelsfreiheit fingen. Auf der andern Seite, verges . 
genwärtigt uns nicht die Runkelruͤbe das Bild der vaterlaͤndi⸗ 





12% 


keit? Hätten wir n um Runkelruͤbenzucker 
a en was —8 EA in feinem neuen @ins 
Heitögefühte dann noch von ber Fremde! Vertruͤge ſich — beis 
Läufig geſagt — nicht die Buderhutform mit dem gotpifchen 
Strebepfeiler? Man follte an ben Zierrathen des Fölner Doms 
Das, was bie Zeit gebieterifch fobert und fie bewegt, nicht ver: 
geffen. Deutſche Eicheln, eine deutfche Runkelruͤbe! 

Ähnliche mit gleich vedfeligem Humor fliefende Stel: 
fen ließen ſich noch manche mittheilen, doch müffen wit 
bier abbrechen, um noch einigen Raum für die legte Spende 
der „Uranla”: „Nur Eeine Liebe”, Novelle von Kevin 
Shüding, übrig zu behalten, welche nächft der von 
Gutzkow die befte des Taſchenbuchs ifl. Die Erzählung 
bat folgenden Verlauf: Sie beginnt mit dem Herzoge von 
Hebendorf: Maſſenbach, dem das Regieren außerordentlich 
ſchwer wird, weil nämlich feine Untesthanen ſo außeror: 
dentlich zahm find, daß eigentlich alles Regieren überflüflig 
iſt. Der Herzog verfällt darüber alles Exuſtes in Melan: 
Holie, und aus Sehnfucht nach einem Ereigniß, das ein: 
mal feine ganze Thatkraft in Anſpruch nehmen möge, 
faßt er den Beſchluß, ein Tyrann zu werden und dadurch 
felbft zu einer Mevolution Veranlaſſung zu geben. Er 
zichtet zu dem Ende auch eine chambre noire ein, worin 
alle Briefe, die auf dem Hetzendorf⸗Maſſenbacher Poſt⸗ 
amte aus⸗ und einlaufen, heimlich erbrochen und gelefen 
werden. Sein Cabinetöfecretair Peter von Alcomtara, Ba: 
von von Hartung, ein junger, befähigter, intereſſanter 
Mann, den nur der Drang der Verhaͤltniſſe in die Hein- 
liche Stellung genoͤthigt hat, waͤſcht zwar hierbei feine 
Hände in Unfchuld, verfchmäht es jedoch nicht, felbft die 
Briefe zu durchblättern und findet endlich einen von Adris 
enne, feiner frühern Geliebten, worin diefelbe ihren jegi- 
gen Geliebten oder vielmehr ſchon Verlobten in Vergleich 
mit Hartung fehr hervorhebt. In diefem Briefe liegt zu: 
gleich ein zweiter von Salentin, Adrienne's Bräutigam, 
fetöft, worin biefer einem Freunde gefteht, daß er feine 
Braut durchaus nicht liebe, und außerdem ein anderes 
junges Mädchen, Annchen, erwähnt, das er in einem ber 
Mefidenz nahe gelegenen Pfarrhaufe unterzubringen gedenkt. 


Hartung, um Salentin zu entlarven und fich zugleich für 


die Zurückſetzung zu rächen, vertaufcht die Adreffen und 
ſpielt auf dieſe Weiſe Satentin’s Brief in Adrienne's 
Hände. Obſchon ſich nun ergibt, daß die ganze Verlo⸗ 
bung zwifchen Adrienne und Salentin eigentlich unter dem 
gegenfeitigen, Geitändniß gefchloffen iſt, daß Keiner von 
Beiden den Andern liebe und zu lieben nöthig babe, fo 
ift doch Adrienne Über biefen Brief empfindlich und es 
erwacht zugleich in ihr eine Eiferfucht auf das im Briefe 
erwähnte Annchen, die fie veranlaßt, fich wieder mit Har⸗ 
tung in Beziehung zu fegen, der ihr verfprechen muß, fie 
mit Annchen bekannt zu machen. Umgekehrt wird nun 
Satentin wieder auf Hartung eiferfüchtig, und aus diefer 
Eiferfucht heraus entwidelt fi endlih in Beiden Die 
wirkliche Liebe und das Bedürfniß, wieder geliebt zu mer: 
den. Hartung hat unterdefien Annchen Eennen gelernt, 
urfprünglich im der Abficht, fie als Zeugniß für Satentin’s 
Treulofigkeit zu benugen, fehr bald jedoch herausgebracht, 
daß fie zu Salentin im allerreinften Verhaͤltniß ſteht, und 


! 


fie fo lieb gewonnen, daß Adrienne gänzlich in den Hin⸗ 
tergrund geflellt wird. Alles Dies kommt in einer glüd- 
lichen Scene an den Tag und fo fehließt das Ganze das 
mit, daß jenes Paar, welches ſich mit dem Grundfage eis 
ned blafirten Herzens „Nur Leine Liebe’ verlobt hatte, 
zärtlichft feine Liebe geſteht und daß fi) Hartung, ber 
auch fon dem Misbehagen und der Lebensmüdigkeit 
verfallen zu fein ſchien, mit Annchen verheitafhet und 
in ihrer Natürlichkeit einen Quell friſchen Lebensgenuffes 
findet. Bei der Hochzeit ſcharen fi die Bürger der 
Refidenz vor dem Schloſſe. Der Herzog ift gluͤcklich und 
auf Alles gefaßt: denn er meint, die Revolution gehe los 
— aber das Volk ift nur erfhienen, um den Neuver⸗ 
mählten und dem Herzoge troß aller tyrannifchen Edicte 
ein Vivat zu bringen, und Seine Durchlaucht muß auf 
die Entfaltung feiner ſchon gefpannten Thatkraft Ber: 
zicht leiſten. 

Schon in dieſer Skizze merkt man einige Mängel 
berauß, 3. DB. daß bie Lomifche Figur des Herzogs, die 
mit der eigentlichen Gefchichte in gar zu lockerm Gonner 
fteht, zu bedeutfam in den Vordergrund geftellt ift und 
daß ber Anfang der Movelle infofern etwas Anderes ers 
warten laßt als der Zortgang bietet. Auch die Entwicke⸗ 
lungsſcene wird man in ihrer dußern Anlage ein wenig 
verbraucht finden. Nichtsdeſtoweniger macht bie Novelle 
einen guten Eindruck, benn ſaͤmmtliche Perfonen treten in 
fihern und cdyarakteriftifchen Umriſſen hervor, ihre Bezie⸗ 
bungen zueinander find wenn nicht durchaus neue, doch 
interefjante und fpannende, der Fortgang der Gefchichte 
bietet einen angenehmen Wechfel der Scenerie, bie einge 
fiochtenen Reflexionen und Geſpraͤche find größtentheils 
treffend und geiftvol und die Darftellung leicht und fe 
bendig. Als Probe fei zum Schluß die Schilderung des 
Grafen Salentin gegeben: 

Graf Satentin Guolfing war ein Mann, wie ihn gewoͤhn⸗ 
lich Thriftftelernde Damen mit Vorliebe zu ben Helden ihrer 
Erzählungen benusen. Die dazu nothwendigen Cigenfchaften 
find vor Allem eine große imponirende Geftatt, bunfie Locken, 
ein Favori, in bem Fein einziges vöthliches Saar fein darf — 
um Alles in ber Welt nit — dieſes eine Haar würfe bie 
ganze Herrlichkeit um, wie ein Sporn des Roland den fchöniten 
und ſchlankſten Ritter — und ein edles griechiſches Profit, fo 
ſchoͤn, wie es nur ein Canova zu bilden verfteht. Ein folcher 
Held zeigt eine ſchwaͤrmeriſche Melancholie in feinen Zügen; er 
bot nie in feinem Leben einen Zluch ausgefloßen, ober feinem 
Sagbhunde einen Fußtritt gegeben — fondern in allen Verhaͤlt⸗ 
Hiffen und auch einem ſchlechtdreſſirten Zagbhunde ober einem 
ftörrifchen, bodenden Gaul gegenüber die innere Seelenhoheit bes 
bauptet. Er hat fi einmal duellirt und trägt bavon eine 
Narbe an der Stirn, bie ihm unvergleichlich ſteht. In Gefelk 
haften ſteht er einfam in einer Fenfterbrüftung, ober an ein 
Kaminfims gelehnt und wird bier immer am Ende einer Der 
batte um feine Meinung gefragt, weldye jedesmal hoͤchſt über: 
rafchend ebenfo viel Geiſt als Gemuͤth verräth. übrigens bält 
ion die holde Schwermuth feiner unergründlih tiefen Seele 
ebenfo wenig, als bie unermeßliche Höhe feines denkenden Geis 
fles, der nie durch ein Examen gefallen ift, ab, in irgend eine 
Dame, bie natuͤrlich aber auch ganz ungewöhnliche, engelhafte, 
himmliſche Künfte Fann — am Ende fo verliebt zu werden wie 
eine Kage, was er ihr durch bie ungeheuer vielfagenden tiefweh⸗ 
müthigen Blicke feines dunkeln Auges, welche beftänbig auf ihr 
zuben, zu verfiehen gibt. Trotdem muß ex eine Belt lang ben 





Graufamen zum Bortheile eben biefer feiner vielfagenden, tiefe 
wehmäthigen Blicke fpielen, die auch exiflicen wollen. Sie zap: 
peit an ber Angel feiner unmenfchlichen Tiebenswürdigkeit wie 
ein gefangener Goldfſiſch — bis cr endlich bie Loͤwenhaut ab» 
wirft und die Dame beruhlgt, wie ber Clown im Mittfommer: 
nachtstraum bie Damen verfichert, dag er wirklich und ganz 
wahrhaftig Fein rechter Löwe fei und daß gar Tein Grund da, 
Angft zu haben! 

As Titelkupfer ift dem Taſchenbuche das Bildnis 
Karl Foͤrſter's beigegeben, das um fo willfommener 
it, als neuerdings Tieck die Aufmerkfamteit auf ihn ge: 
Int hat. Mach ber Verfiherung Derer, die den Dichter 
kennen, fol das Bild fehe aͤhnlich fein. 87. 





Kronika Wiganda z Marburga. Chronicon seu Annales 
Wigandi Marburgensis, equitis et fratris Ordinis 
Teutonic. Primum ediderunt Joannes Voigt et 
Eduardus Comes Raezynski, Poſen, Neue Buch: 
handlung. 4. 1842. 2 Thlr. 


Die hoͤchſt merkwuͤrdige Chronik des Ordensritters ober 
DOrdensprieftere Wigand von Marburg erſcheint hier in der 
Geftalt, in weicher fie uns noch aufbehalten ift, zum erſten Mal 
im Drud und wir glauben gewiß zur Freude aller ernften 
Forſcher im Gebiete der preußifchen, polniſchen und Lithauifchen 
Geſchichte. Range Zeit wurde diefe hoͤchſt wichtige geſchichtliche 
Quelle für verloren erachtet, denn ſeit Kaspar Schuß zu Dan: 
zig fie in der Mitte des 16. Jahrhunderts zur Vervollſtaͤndigung 
feiner Chronik benugte, war fie faft völlig vergeflen; Riemand 
batte fie ſeitdem wiedergefeben. Wer fie kannte, Taffıte fie nur 
aus den dürftigen Auszügen, bie uns Schuͤtz aus ihr geliefert 
bat. Aber felbft diefe regten die Sehnfucht und bas Verlangen 
des Gefchichtöforfchers nach Wiederauffindung des ganzen Werks 
flet8 von neuem an, denn außer ber Wichtigkeit des Inhalts, 
den man in ihre vermuthen durfte, war die Lücke, welche fie 
unter den gefchichtlichen Quellen Preußens und Lithauens auss 
füllen Eonnte, immer nur zu fühlbar. Die fpärtichen Nachrichten, 
weiche über die erfte Hälfte des 14. Jahrhunderts der alte 
DOrbenspriefter Peter von Düsburg lieferte, und bie unvollftäns 
digen und fragmentarifchen Mittheilungen, bie man aus ben 
erften Anfangsjahren ber Jahrbücher Johannes Lindenblatt’s 
(feit 1360) durch dieſen erhielt, ließen unmöglid ein treues 
Bild der Zeit gewinnen, welche mit zu ben intereffanteften und 
wichtigſten Epochen der Orbensherrfchaft gehört. Wie ſchmerz⸗ 
ih man die Dürftigkeit und das Meangelhafte ber Kenntniß 
diefer großartigen Zejt, in der ein Winrich von Kniprode feine 
großen Tage verliebte, zu fühlen ſchien, beweiſt felbft der literas 
riſche Betrug (in Becker's Verſuch einer Geſchichte des Doch: 
meifters Winrich von Kniprode”’), zu dem man feine Zuflucht 
nahm, um ein Bild von dem Eeben diefer Zeit zu gewinnen. 

Kür diefe Zeit tritt nun eben in bie Reihe der gefdichtlichen 
Duellen die Chronik Wigand’s von Marburg ein. Wieder auf: 
gefunden wurde fie von dem koͤnigl. Schulrathe, Profeffor und 
Direetor Dr. Lucas, auf einer ihm hoͤhern Orts aufge: 
tragenen @efchäftsreife im Bernharbinerkiofter zu Thorn, und 
dad Manufeript auf höhere Verordnung dem Geheimen Archiv 
N Königsberg einverleibt. über die Handſchrift ſelbſt gab 

r. Lucas nähern Bericht in der Abhandlung, welche er zuer 
in den „MBeiträgen zur Kunde Preußens’ (Bd.6, &. 465506) 
druden tie. Es kam zunaͤchſt darauf an, mit fehlagenden und 
überzeugenden Gründen zu bemweifen, baß das Wieberaufgefunbene 
feinem fachlichen Inhalte nach wirklich die verlorene Chronik 
Bigand's von Marburg fei, und biefen Beweis hat Dr. Lucas 
aufs buͤndigſte und gruͤndlichſte geliefert. Was aber wieber auf: 
gefimden worden, r nicht die alte Reimchronik Wigand's von 
Marburg ſelbſt, denn dieſe ſcheint entweder für ewig verloren, 


ober" fie ſteckt noch irgendwo verborgen in einer entiegenen Wis 
bliothek, ſondern es iſt ihr weſentliches geſchichtliches Material, 
ihr wichtigſter ſaͤchlicher Inhalt, im Auftrage bes polniſchen 
Geſchichtſchreibers Johannes Diugoß zur Benusung für fein ges 
ſchichtliches Werk von einem feiner Freunde aus ber „Deutfchen 
Reimchronik“ ins Lateinifche uͤberſegt. Wir Lönnen daher nu 
in biefer und vorgeführten Geſtalt vor dieſer Chronik fprechen. 
Die alte Form alfo, und Manches, was fih an biefe Form 
Enüpfte, ift freilich noch für uns verloren. Gaͤbe es noch eine 
Zauberfunft, fo möchten wie fie gern kennen und aus dem 
Dunfel der Jahrhunderte in den Lebenskreis der Beldichtfors 
fhung hervorrufen. Über den Verluſt der Form indeffen müffen 
wir uns tröften, es ift für uns ſchon von größtem Werthe, daß 
ber wefentlichfte Inhalt, ihr wichtiger Sachbeftand, ihr reiches 
gefchichtliches Material erhalten, vom Untergange gerettet worden. 
ift und jegt zu Zage gefördert werden Tann. Der Gefchichte 
Preußens, Polens und Lithauens waͤchſt badurch felbft ein 
außerordentlicher Schatz zu, und es wird durch ihn Licht und 
hell in einer Zeit, die früh von einer ſchmerzlichen Dunkelheit 
bedeckt war. . 
Diefe neue geſchichtliche Quelle tritt num zuerft wieder in 
ber gegenwärtigen Geftalt and Tageslicht, late ini ſch von dem 
berühmten Hiſtoriker Prof. Voigt in Königsberg, polniſch von 
dem nicht minder berühmten, um bie @efchichte Polens hochver⸗ 
bienten Grafen Eduard Raczynski herausgegeben. Schon bie 
Namen ber Deraudgeber bürgen für den Werth bes Werke. 
Sie fagen felbft, daß die Handfchrift, aus welcher fie ben Text 
entnommen, die einzige vorhandene fei, eine Eritifche Wergleichung 
mit andern Handſchriften fomit nicht hat flattfinden koͤnnen. 
Nur an einzelnen Stellen find einige Emendationen eingetreten, 
die ſich als durchaus nothwendig aufdrängten. Keider ift bie 
Handſchrift mit einer Unzahl von Abbreviaturen gefchrieben, welche 
zu enträthfeln nicht wenig Zeit und Muͤhe gekoftet hats dennoch 
ift an einigen wenigen Stellen alle Dechiffrirkunſt gefcheitert. 
Zum Sluͤck hat jedoch ber Sinn und Zufammenhang ber Saͤtze 
barunter wenig oder gar nicht gelitten. Die Handſchrift ift 
überdies mit fihtbarer Gilfertigkeit gemacht, und, wie ber Verf. 
am Schluſſe derfeiben ſelbſt fagt, in 22 Tagen vollendet worden. 
Daß dieſe Eile der möglichen Volllommenheit des Werks Eins 
trag gethan, fühlte der Verf. felbft fo fehr, daß er ſich am Ende 
der Arbeit deshalb zu entfehutdigen für nöthig fand. Er fagt: 
„Anno vero 1464 (Chronica) translata est in latinum rude, 
ut patet legenti, et in 22 diebus completa, primo aspectu 
exemplaris ct imo ne miretur quis minus bene eam esse 
translatam et in latino corruptamı propter cxemplaris imper- 
fectionem et quorundam vocabulorum varietatem, quae merito 
debent translatorem excusare”. Dies ift freilich in Beziehung 
auf Sprache und Schreibart leider nur zu wahr, benn in beiden 
finden fich bei unferm Chroniften eine Menge von Abnormitäten 
aller Art. Bald verwechfelt er das Genus, bald verirrt er fidy 
in einen falfchen Caſus, oder gebraucht ein unrichtiges Tempus, 
bald fteht der Indicativ flatt des Sonjunctiv oder umgekehrt, 
balb fällt er gang aus der Sonftruction. Kurz, bie Schreibart 
ift ſehr nadläffig und regellos. In der Sprache finden fi 
viele latintfirte Germanismen, 3. B. das fo oft wiederkehrende 
Wort Reysa, und andere ähnliche. Die Derausgeber haben aber 
Alles fo gelaffen, wie es die Dandfchrift gab, denn zur Gorrectur 
ber Schreibart de8 Chroniften fanden fie, wie fie ſelbſt fagen, 
fi) nicht berechtigt. Indeſſen fo oft auch das Ohr durch diefe 
Abnormitäten in ber Sprache verlegt wird, fo erfreut und ers 
quickt andererſeits wieder der treuherzige, einfache, oft Herodo⸗ 
tifche Zon der Erzählung. Es iſt ein wahrer Ehroniftenftit, in 
weichem der Spitomator feine Schilberungen bingibt: mitunter 
fhreibt er raſch, friſch und lebendig vor, mitunter wieder ſchleppt 
er ſich langfam und £räge fort, wie nicht felten die erzählte 
Kriegsreife felbft, die, durch Wind und Wetter geftört, nicht nad) 
Wunſch gelingen wollte. Wie er aber auch erzählen mag, 
nirgend finden wir das raft: und ruhelofe Kriegegetümmel ber 
Heidenfahrten ber beutfchen Orbensritter, ben ungeflümen, wilden 


1232 


Kampf um Blauben und GBötterbienft, das wuͤſte Leben auf dem 
Sattel und aus der Fauſt lebendiger und treuer geſchilbert, nir⸗ 
gend wird uns das Bild diefes Ritters und Heidenkampfes, wie 
er in dieſer Zeit zwiſchen den „Herren in Preußen” und dem 
Eräftigen Lithauer⸗ Volke beftand, im folder Friſche und Kraft 
der Karben vor Augen geführt, als wir es bei unferm Chroniften, 
dem Theilnehmer ober wenigftene Augenzeugen bed Kampfes 
ſelbſt, hingeſtellt ſehen. Dieſer Kampf hat aber für ihn fetöft 
eine hohe Bedeutung, in feinem Glauben waltet Bott mit in bies 
Kampfe. Aus GBottes Gnade kommen bie Siege feiner Ritter 
über die Heidenſcharen. Darum ift e8 nur Gottes Werk, wel: 
ches die Hochmeiſter, Gebietiger und Ritterbruͤder zur Begrüns 
dung und Befeſtigung des Chriftentyums im heibnifchen Lande 
vollbringen-. 
Der Text des Ghroniften ift von ben Herausgebern mit 
einzelnen Anmerkungen verfehen worden; namentlich werben bie 
häufigen Hinweifungen auf Voigt's „Geſchichte Preußens‘ allen 
Freunden der Geſchichte doͤchſt willkommen fein, weil fie baraus 
die Wichtigkeit diefer Chronik ale geſchichtliche Quelle für eine 
beftimmte Zeit am beften erfennen werden. Auch zur Bezeich- 
nung bes Hiftorifchen Zufammenhangs und zur Berichtigung ber 
&hronologie find einzelne Noten kinzugefügt. Auch die Ortho⸗ 
graphie hat vielfacher Erlaͤuterungen beburft, namentlich bie 
Hechtfchreibung der Orts⸗ und Perfonennamen. Nichts deſtowe⸗ 
niger enthält das Buch eine fehr dankenswerthe Aufklärung für 
die alte Geographie Lithauens und Samaitens. In jeder Ber 
giehung wird biefe Jahrhunderte (ang vergeffene geichichtliche 
elle allen Freunden ernfter Geſchichtforſchung hoͤchſt willkom⸗ 
men fein, und wir mäffen «8 ben gelehrten Herausgebern Dank 
wiſſen, daß fie berfelben eine ſolche Sorgfalt gewidmet haben. 
Die polnifche Bearbeitung vom Grafen Eduard Raczyuͤski iſt 
ein wahres Meifterftüd, indem er den urfprünglichen nalven 
Chroniftenton treu wiebergegeben bat. 83. 





Notizen. 
Eine gefaͤhrliche Situation. 

Sames D. Korbes erzählt in feinen „Reiſen durch bie 
favoyifchen Alpen” ꝛc., er habe bei Gelegenheit eines Ausflug 
nah dem Mer⸗de⸗glace das wilbe und ganz vereinzelte Bor: 
gebirge Trélaporte beſucht. Sein Führer Auguft, ben er nad) 
Wafler ausgeſchickt, blieb lange aus und kehrte endlich mit zwei 
Jungen Burfchenzuräd, fie alle brei einen völlig exfchöpften Mann 
in ganz zgeriffenen und zerfetzten Kleidern führend. „Dieſer Mann 
war ein amerikaniſcher Reifender, welcher ben vorigen Morgen 
allein ausgegangen und über den Charmoz zu den einfamen 
Abgründen bes Zrklaporte gelangt war, wohin ſich nur felten 
ein Hirt und noch feitener ein Semsjäger verirrt. Nachmittags, 
fo erzähite er felbft, war er von einem Felſen abgeglitten und 
‘binadgeftärzt; ein Gebuͤſch aber Hielt im Fallen feinen Roc feft 
und er gewann Fuß auf einer Eleinen, rings von furdhtbaren 
Abgruͤnden umgebenen Klippe. Auf biefer brachte er bie ganze 
Nacht zu, die zum Gluͤck nicht kalt war, und am Morgen ges 
lang es ihm, durch fein Geſchrei einige junge Knaben von Cha⸗ 
mouni, bie zufällig tief, tief unter ihm über das Eisfeld gingen, 
aufmerffam zu machen. Die zwei Küpnften erfletterten auf 
‘einem gewundenen Wege mit vieler Schwierigkeit die Bergmand 
und erreichten einen Punkt gerade über der Kippe, auf welcher 
fi) der Verungluͤckte befand; allein ihre vereinigten Anftrengun: 
gen würden nicht auögereicht haben, ihn zu reiten, wenn ich 
nicht gerade an bemfelben Worgen mit meinem Fuͤhrer in biefe 
entlegene Gegend gelommen wäre. Bei feinem Guchen nad 
Waſſer entdeckte Auguſt die beiden Knaben, welche fich vergebens 
anftrengten, ben Fremden emporzuziehen. 

tönen, und durch Muth und Leibesftärke gelang es ihm, ben 
erifaner beim Arme hinaufzureißen. Auguft erzählte, daß 
er, während er felbft auf einer fchlüpfrigen Klippe ſchwebend bie 


Auguft gefellte ſich 


ganıe Laft des Mannes zog, feinen Fuß gleiten fühlte und ſich 
elbft einen Augenblick für verloren hielt. Ich gab dem Bei: 
fenden und den Übrigen Wein und Effen, und lobte befonbers 
die Knaben für ihre Menfchlichleit und ihre Kuͤhnheit. Giner 
von ihnen führte den Neifenden, deſſen Nervenfuftem fo ange 
griffen war, daß ich ihn anfangs für geftört hielt, nach Cha⸗ 
mount zueücd. Ich befuchte no) mit Muguft ben Ort bes 
Abenteuers; man fann fi) kein fchrediicheres Gefaͤngniß denken. 
Es war eine mit Gras und Juniperus bewachſene Felsbank, 
ein paar Fuß lang und meiftene einen Fuß breit, weiche fidy 
auf der einen Geite, wo fie am breiteften war, an bie fteile 
Felswand lehnte, ſich aber fogleich von biefer abwendete, fos 
daß zwiſchen dem Ende ber Bank und ber Beltwand ein Ab⸗ 
grund lag. Die überhängende Klippe, von welcher aus der 
Reifenbe gerettet wurde, befand fich gegen 10 Fuß oberhalb ber 
Banf, es hätte fie daher Fein Menſch ohne Hülfe erfteigen koͤn⸗ 
nen. Den Drt feines Falle zeigten die an einigen Juniperus⸗ 
bäfchen hängengebliebenen Besen feiner Bloufe an. Er war 
gerade an derjenigen Stelle gefallen, wo die Bank ſich am wei- 
teften von ber Felswand entfernte, fein Fall muß alfo über 
den Abgrund hinweg durch ein wahres Wunber auf die Bank 
gelenkt worden fein. Der Gipfel des Sranitfelfens, an ben fi 
bie Bank lehnte, erhob fich wol 20 Fuß über ihr, keine Katze 
bätte hinaufklimmen können, und der Abgrund mochte eine 
Ziefe von 200 Fuß haben, fobaß, wenn er hineingeſtuͤrzt wäre, 
die Eaffenden Riffe des Gletſchers ben zerfchmetterten Körper 
aufgenommen hätten und jede Spur von ihm verloren gervefen 
wäre. Man kann ſich feine in jeder Hinficht wunderbarere 
Rettung denken. Wären nicht die Knaben im glüdlichen Au⸗ 
genblid über den &letfcher gegangen, fo würden wir, mein 
Führer und ih, auf unferm Wege, 50 Fuß über ihm, ruhig 
vorübergegangen fein, ohne baß er von uns ober wir von ihm 
irgend etwas gefehen hätten.’ 


Sir 8. Charles Morgan. 


Indem bad „Atkenaeum” Morgan's Tod anzeigt, gibt es 
einige kurze Notizen über fein Leben. Gr war Sir Sohn 
Morgan’s Sohn, wurde in feinem 18. Jahre nach Cambridge 
geſchickt, wo er fi im Griechiſchen befonders bervorthat. Gr 
wurde zum Doctor promopirt und beirathete balb barauf eine 
Miß Hammond, die er in kurzer Zeit durch den Tod verlor, 
nachdem fie ihm eine Tochter geſchenkt. Er begleitete hierauf 
den verftorbenen Marquis von Abercorn nad Irland, heirathete 
daſelbſt Miß Owenfon (bie berühmte Laby Morgan) und ließ 
fih in Dublin nieber. Dit dem ganzen Ernſt feines Charakters 
umfaßte ex bie Sache feines angenommenen Baterlandes, wid: 
mete vereint mit feiner Gattin Zeit und Talent ben Sntereflen 
Irlands und befonders ber katholiſchen Emancipation. Außer 
den Abfchnitten über Wiſſenſchaft, Politit und Statiſtik, weiche 
er zu Lady Morgan’s „Frrance‘ und „Italy“ lieferte, gab er 
heraus: „The philosophy of life‘ und „The philosophy of 
morals”, Werke, welde ihm bittere und heftige Anfechtungen 
zuzogen. Gr ertrug die Wuth feiner Gegner mit heiterer Ges 
laffenheit und fand auch einigen Troſt in dem Beifall, welchen 
feine Arbeiten im Auslande fanden. Dee Graf de Tracy bat 
bie ‚genannten Schriften ins Franzoͤſiſche übertragen. Im 3. 
1337, da Laby Morgan, ben Verluft ihres Gefichts fürdhtend, 
Iondoner Ärzte zu Rathe zu ziehen wünfchte, und außerdem noch 
wegen anderer Verhältniffe, 208 Morgan nach London. (St 
fehrieb dort noch Einiges, 3. ®. „The Mohavwka”, ein fatiri- 
riſches Gedicht, lieferte auch einigen ber angefehenften Zeitfchrifs 
ten einzelne Aufſaͤge. Gr wirb als einer ber Liebenswürdigften 
Menfchen geſchildert, fanft, gefällig, dienftfertig, unfähig, Je⸗ 
manden zu kraͤnken ober gu beleidigen, empfänglich für alles 
Gute, Edle, Große, und wie eine rau theilnehmend und ges 
fuͤhlvoll, freigebig und ſtets bereit, Andern Freude zu machen — 
a scholar and a gentleman in the largest sense of those 
comprehensive words. 48. 


VBerantwortlicher Heraudgeber: Heinrih Broddand. — Druck und Werlag von FJ. U. Brockhaus in Leipzig, 





W Blätter 


| für 


literariſche Unterhaltung. 





Sonnabend, 





Nah J. O. Hallivell’8 „Nursery rhymes‘' 
von A. Hoefer. 


Ein junger engliſcher Gelehrter, ber fi durch ſeinen Anlaß gegeben Hätten. Es kam ihm zunaͤchſt nur auf 


Fleiß und Eifer auf dem Gebiete hiſtoriſcher und anti⸗ 


quariſcher Forſchungen bereits einen Namen erworben, 


J. O. Halliwell, gab im vorigen Jahre unter dem 
Titel „The nursery rhymes of England, collected 


principally from oral tradition“, aß fiebzehnte® Bändchen. 


der Schriften ‚printed for the Perey society‘, eine 
Sammlung von Proben der Ammen = oder Kinder: 


flubenpoefie heraus, die dem gleichartigen Zweige ber‘ 
deutfchen. Volkspoeſie fo innig verwandt find, daß bie: 


Vergleichung nicht ohne Intereſſe fein kann. 


England fiheint an biefem Zweige der Literatur bes. 


ſonders reich zu fein, und einige Proben ſtreifen nahe an 
Romanzen und Balladen, bie in der englifchen Poeſie 
immer ein überwiegendes Dafein gehabt haben. Der 
Herausgeber verfichert, er babe noch eine fo große An: 
zahl überall im Wunde der Leute vorgefunden, daß er 


ohne Mühe, und im ber Eurzen Zeit von drei Jahren. 


beträchtlich mehr als taufend einzelne Stückchen fammeln 
konnte, von denen er etwa 300 ausgewählt und in 
dem genannten Buche”) mitgeteilt hat, 

Den Urfprung foldher Gefänge und Dichteleien ber 
englifchers Kinderwelt, fagt der Herausgeber, können wir 


nicht mehr nachweifen; bie meiften aber leben feit etwa’ 


zwei Jahrhunderten in allen Theilen Englands in den 
Kinderftssben fort, und einige laffen ſich bis in eine fehr 
frühe Periode verfolgen. So 3. B. erinnere fich jedes 
Kind gerwiß der Zeilen von Bryan O'kin: 
Bryan D’Ein, fein Weib und Ihre Mutter 
Die gingen allzufammen über eine Brück; 
Die Brüde war lofe, fo plumpten alle ein; 
Da rief Jung Bryan: Himmel, ein koſtbar Geſchick! 
die aber mit geringen Mobificationen fon um 1560 
gedruckt feien. 
Der Herausgeber hat. fih nicht bie Mühe genom⸗ 
men, über Alter und Urfprung weitere Unterfuchungen 


*) Das Intereffe, welches biefe Sammlung auch in England ges 
fanden, laͤßt fi daraus abnehmen, daß, ehe noch ein Jahr vergans 
gen, bereits bie zweite vermehrte Audgabe bed Wuchs erſchien, 
bie und leider weh nut zu Grfihte gekommen If. 


3) 





4. November 1843. 











anzuftelen; auch in den Noten befchränßt er ſich darauf, 
hier und da eime andere Lesart ober einen Zufatz zu ge 
ben, während die kleinen Reimereien oft zu allerlei Iches 
reichen Bemerkungen für Sprache und Culturgeſchichte 


bie Sammlung ſelbſt an, die feinem Eifer alle Ehre 
macht; die Engländer find in biefer Beziehung wol weit 
beffer daran als wir, bie wie eine ähnliche und in ſol⸗ 
cher Vollſtaͤndigkeit nicht befigen, und daher bei den Aud⸗ 
ändern in den Verdacht kommen, als wären wir arm 
an einem Zweige ber Literatur, der feinem eigenften Cha= 
takter nach body keinem Volke mehr eigenthuͤmlich zu ſein 
ſcheint als eben den Deutfchen, und auch bei den Eng⸗ 
ländern weſentlich dem deutſchen Elemente biefer Ration 
entflammt iſt. Wo fich ber Vergleich bei den folgenden 
Proben aufdrängt, wird er nicht felten zum Vortheile ber 
entfprechenden deutfchen Sachen ausfallen, oder feheint es 
eben nur uns fo, daß fie im Englifchen oft, etwas farb⸗ 
los find, ohne Ziefe des Gemuͤths und, mit Ausnahmen, 
fetöft ohne den kernigen Humor und bie ſprudelnde Laune, 
bie von einem Theile ber englifchen Volkspoeſie fo unzer⸗ 
trennlich ifl. 

Ohne, was freilich auch ſchwer gewefen wäre, eine 
feſte Ordnung ſtreng durchzuführen, theilt der Heraus: 
geber feine Sammlung in 14 Abfchnitte. ‚Er. beginnt 
mit Hiftorifchem. Dann kommen 2) Tales, ober Erzaͤh⸗ 
lungen, Geſchichten, die einen größern Raum einnehmen; 
ngies, d. h. etwa Geklingel, Wortſplelereien u. ſ. m; 
4) Riddles, Räthfel; 5) Spruͤchwoͤrter; 6) Lullabies, d.$. 
Wiegens und Schlummerlleder; 7) Charms, Beſchwoͤrun⸗ 
gen und Zauberformein; 8) wieder in größerer Anzahl 
Games ober Spiele verſchiedener Art; daran fchließe ſich 
9—11) was paradox, literal und sholastick genannt iſt; 
12) Customs; 13) Songs und 14) Fragmentariſches. 

Dance dieſer Claſſen find fehr dürftig ausgeſtattet, 
vieleicht nur, weil bee Herausgeber Ungedrucktes geben 
wollte? So bie erfte Claſſe, Hiftorifches, wo wir nur 
15 Nummern finden, in denen das Hiſtoriſche fich ohne: 
bin oft nur auf einen bedeutenden Namen befchräntt, 
mit bes die Phantafie oder, wie in Nr. I, der Magen - 
ber Leute allerlei Curioſa in Verbindung gebracht hat. 
Die erftm beiden Nummern betreffen König Arthur amd 
Robin: Hood, bie Helden weitwerbreiteter Balladenchllen. 





4234 


Das erſte, boppelt national, welches auch und zumellen 
mündlich vorgekommen iſt, lautet etwa fo: 

As König Arthur dies Land regiert, 

Gin König lange felig, 

Gr Luft eineh Pubding zu baden. verfpärt, 

und ſtahl drei Metzen Mehl fi. 

Einen Pubbing groß er zu baden begann, 

und ftopft’ ihn wohl mit Pflaumen, 
That große Klumpen Fett daran, 
So groß wie meine zwei Daumen. 

und König und Königin aßen mit Macht, 

Und die Erften bes Lands und die Groͤßten, 
und was fie nicht verzehrten mehr diefelbe Nacht, 
That Morgens drauf die Königin fich röften. 

Das auf Robin Hood bezüglihe Ammenlliedchen ift 
etwas einfacher, bildet aber einen Nachtrag zu der kuͤrz⸗ 
lich unter Smith's „Standard library” erfchienenen „Col⸗ 
Iection aller auf den genapnten Helden bezüglichen Ge: 
fänge und Balladen” (224 Spalten, London 1840). 

Daß Liedehen, die wir ganz ähnlich befigen, auf einer 
gemeinfchaftlichen Altern, zumeilen auf bekannter Grund: 
lage beruhen, verfleht fih von ſelbſt; dahin gehört Nr. 3, 
welches an das bekannte „Der Here ber ſchickt den Jochen 
aus, er follt den Haber ſchneiden“, ober role es anderswo lau: 
set: „Den Jäger, er ſollt die Pflaumen ſchuͤtteln“ erinnert. 

Dee Derausgeber gibt bier vier verfchiedene Recenfio: 
nen oder Seftaltungen diefer Beinen Geſchichte, die ur⸗ 
fprünglih aus dem Hebraͤiſchen flammt und dann man- 
nichfach variirt iſt, und hält die folgende für bie getreuefte 
und urfprünglichfte Form: 

Eine Ziege, eine Biege, bie mein Vater kaufte 

Kür zwei Stüde Geldes: 

Eine 3ieg, eine Btege. 

Dann kam bie Kay und aß die Zieg, 

Die mein Bater kaufte 

Kür zwei Stüde Geldes: 

Eine Bieg, eine Ziege. 

Da kam ber Hund und biß die Ka 2. 

Da kam der Stod und fchlug ben Hund ıc. 

Da kam das Feuer und brannte ben Stock ꝛc. 

Da kam das Waffer und Iöfchte bas Feuer ıc. 

Da kam ber Ochs und trank das Waffer ꝛc. 

Da kam der Schlädhter und fchlug den Ochſen ıc. 

Da kam ber Zobesengel und töbtete den Schlaͤchter xc. 
jebesmal mit ben ganzen Wiederholungen in der obigen 
Weiſe, bie das Ganze fo ſchließt: 

Da kam der heil'ge Eine, geſegnet ſei er, 
Und toͤdtete ben Todesengel, 
Der toͤdtete den Schlaͤchter, 
Der ſchlug den Ochſen, 
Der trank das Waſſer, 
Das loͤſchte das Feuer, 
Das brannte den Stock, 
Der ſchlug den Hund, 
Der biß die Katz, 
Die aß die Zieg, 
Die mein Vater kaufte 
Fuͤr zwei Stuͤcke Geides, 
Eine Zieg, eine Ziege. 
Nach der alten hiſtoriſchen Auslegung bezeichnet die 
‚Ziege, als eins der reinen Thiere, Die Hebraͤerz ber Va⸗ 
ter, der ſie kaufte, iſt Jehovah, und die beiden Gelb: 


flüde Moſes und Aaronz bie Katze bie Aſſyrer, ber 


1 Qund die Babylonier, der Stock die Perfer, das Feuer 


die Griechen, das Waſſer die Römer, der Ochſe die Sa⸗ 
razenen, ber Schlächter die Kreuzritter und der Todes⸗ 
engel die Türken. . 
‚In den Moten (S. 161) finden wir dann erſtlich 
eine tünftlichere Form mit mehren Reimen, die fo 
Dies iſt das Haus, das Jakob baute, 
beginnt; und zwei profaifche in größerer Übereinflimmung 
mit dem obigen, von benen wie noch eine mittheilen wollen : 
Eine alte Frau Eehrte ihr Daus und fand einen Heinen 
verborgenen Sixpence. Was, fagte fie, fol ich mit diefem Girs 
pence thun? Ich will zu Markte gehen und ein Eleines Schwein 
taufen. Als fie wieder nach Haufe ging, fam fie an einen Steg 
(stile): aber Schweinen wollte nicht uber ben Steg gehen. 
Sie ging ein wenig weiter unb begegnete einem Hunde. 
So fagte fie zu dem Bunber Hund beiß das Schwein, Schwein: 
den will nicht über ben Steg neben und ih werde nicht vor 
Nacht nad) Haufe fommen. Aber ber Bund wollte nicht u. f. w. 
Die alte Frau ift fomit immer gezwungen, ein wenig 
weiter zu gehen und findet nacheinander den Stod, das 
Teuer, das Wafler, den Ochfen, den Schlächter, die aber 


‚alle „nicht wollen”. 


Sie fand dann einen Strid und fagte: „Strick Strid, 
hänge den Schlächter; Schlächter wollte den Ochfen nicht 
tödten, Ochſe“ u. f. w.; aber ber Strid wollte nicht. 
Hierauf werden dann die Matte, bie den Strick zerna⸗ 
gen, und die Rage, die die Matte tödten fol, eingeführt. 

Aber die Kage ſprach zur Grau: Wenn bu zu jener Kuh 
geben und mir einen Zeller Mitch holen willft, will ich die 
Ratte töbten. So ging bie Alte dann zur Kuh. Aber bie 
Kuh fagte: Wenn bu zu jenem Heuhaufen geben unb mir eine 
Handvoll Deu holen wit, will ich bir bie Mitch geben. So 
ge bie Fe Frau dann zu dem Heuhaufen und. brachte der 

as Heu. 

Sobald die Kuh das Heu gefreffen hatte, gab fie ber alten 
Frau die Milch, und die Alte ging mit berfelben in einem Tel⸗ 
ler zur Kage. Und als die Kate bie Milch aufgeleckt Hatte, 
begann fie die Ratte zu töbten (sic! began to kill); die Ratte 
begann den Gtrid zu jerna en, — und fo nun fort, bis bes 
Schweinchen in Angft über den Steg fpringt und bie alte Frau 
noch die Nacht nach Haufe gelangt. 

Wir fürchten, und indeffen ſchon zu lange bei dem obigen 
alten Stuͤckchen aufgehalten zu Haben und wenden uns zu ei: 


nigen andern, gleichfalls Hiftorifch genannten Neimereien. 


Nr. 7. 

Mieskatz, Mieskatz, wo bift bu gewefen? 
Ich war in London, bie Könfgin zu fehn. . 
Mieskatz, —— was thatft du denn dort? 
Ich fchrechte ein Mäuschen unter dem Stupl. 

Dee Herausgeber meint, das alte Spräcdhwort „A cat 
may look at a king” ſei hier aud auf eine Königin 
angewendet, ober ber Vers beziche fich, wie der folgende, 
auf bie ruhmvolle Queen Bess, den wir mit geringen 


"Änderungen fo wiedergeben: 


Die Ro iſt roth und gem bie Au! 

Schutz Königin Beß, bie edle Kraul 
Kitty der Spinner 
Zum Gffen fest ſich Hin er, 

und füheet ein Froſchbein zu Runde. 
Über den Thurm weit 

_ Sehen die guten Leut, - 
Wie die Kae ſpielt mit dem Hunde. 





1886 


Den Beſchluß macht Re. 15: 
a König von Frankreich ging auf die Hoͤh 

Mit zwanzig taufend Mann, 
Der König von Frankreich kam von ber Hoͤh, 

Stieg niemals wieder hinan. 


(Die Bortfehung folgt.) 





Eines Dichters Bazar von H. C. Anderfen. Aus dem 


Danifhen von W. 2. Ehriftiani. Zwei Bände, 
Leipzig, Kummer. 1842, 8, 2 Xhle.*) 


Beutzutage, wo man eine Reife faft ebenfo leicht und 
raſch madıt als eine Beſchreibung davon durchlieft, geht man 
an bie Werke bee Reifetiteratur immer mit einigem BWiderwil⸗ 
ien. Bieten fie doch in der Regel weiter nichts als ein Wie: 
derfäuen von Genüflen, die wir felbft ſchon genoffen haben, ober 
ein Borkäuen ſolcher, die wir naͤchſtens genießen wollen. Daß 
Eine verbirbt uns die Verdauung, das Andere ben Appetit, zus 
mal wenn unfere Vor⸗ und Racıeffer, wie bie jegigen Zouriften, 
ſelbſt überfatt und appetitios, ſtatt friſchweg zu genießen, maͤ⸗ 
kelnd in den Speiſen herumſtacheln und ihren uͤblen Humor 
daran auslaflen. Anfangs zwar faben wir dem oft bis an 
Tollheit grenzenden Humor mit ziemlichem Behagen zu unb 
hatten unfere Luft daran, wenn bie europamüden Weltgänger und 
jemitaffen Bergnüglinge mit den leckerſten Gourmandifen Bangs 
ball fpielten; nach und nach aber ift uns das Spiel langıveilig 
geworden, der paffive Mitgenuß überhaupt genügt uns nicht 
mehr, und wenn wir ja an Vorkoſtern oder Nachſchmeckern noch 
Gefchmack finden ſollen, verlangen wir vor allen Dingen Zehr⸗ 
träfte, die noch mit gefunden, unverborbenem Magen ans Wert 
geben und ſich mit Begeiſterung und Dingebung in bie aufges 
tiſchten Vorraͤthe bineinarbeiten. 

Ss freut uns, der Leſewelt Herrn Anderſen als einen 
ſolchen empfehlen zu Eönnen. Er legt noch eine Empfaͤng⸗ 
lichkeit, einen Enthuſiasmus, eine Naivetät an ben Zag, 
die heutzutage in der That bewunberungswürdig find. Allee 
zieht ihn an, Alles ergögt ihn, Alles ſcheint ihm bemers 
kenswerth. Es grenzt oft bis ans Ruͤhrende und man muß 
unwillkuͤrlich an Sean Paul's Walt in den „Flegeljahren“ 
denten, der auf feiner erften Meife bie feine Bemerkung 
macht, daß in Franken die Milchtoͤpfchen bie Dülten dem Hen⸗ 
tet gegenüber, in Sachſen dagegen zur rechten Geite haben. So 
geht's au ihm. Es begegnet ihm, bei Lichte befehen, blitz⸗ 
wenig, was nicht jedem Andern auch begegnen koͤnnte, aber er 
ieht e8 mit ganz andern Augen an, und fo befindet er ſich 

berall in eimem gewiſſen romantifchen Dufte und fieht fi von 
intereffanten Zufällen und Perfönlichkeiten umgeben. Wer ach⸗ 
tet auf einer Reife durch halb Europa auf ein zerlumpt beklei⸗ 
deted Weib mit einem fchlafenden Kinde auf dem Schooſe? — 
Er weiß ein hübfches Genrebildchen daraus zu machen: „Wir 
waren in Modena; wie ein feltfamer Zraum, vom Monbe 
beleuchtet, fteht noch dieſer Anblid vor mir. Alte Gebäude 
mit Bogengängen, ein praͤchtiges Schloß mit Vorplatz zeig: 
ten fih, aber Alles mar menfchenleer und flil; nicht von 
einem einzigen Benfter ſchien Lichtglanz zu uns heraus; nicht 
Gin lebendes Weſen bewegte fich in biefer großen Stabi, — es 
war ganz feenhaft. Wir hielten an auf einem kleinen Platz; 
mitten darauf ſtand eine gemauerte Säule, deren oberfter Theil 
eine Art gläferne Laterne bildete, eine Lampe brannte darin; — 
‚die ewige Lampe‘ nennt| man einen Altar. folcher Art, Nacht 
und Tag muß die Lampe unterhalten werden. Die Flamme er⸗ 
ſchien in dem hellen Mondlicht nur wie ein roͤthlicher Punkt, 
eine gemalte Flamme; ein Weib, in einen. zerlumpten Mantel 
gehüllt, ſaß daneben und ſchlief; fie lehnte ihren Kopf an bie 
falte Mauerwand ber Säule; ein fchlafendes Kind lag auf den 


2) Gine andere Überfegung biefer Schrift. ift bei Friedrich Vieweg und 
Sohn in Braunſchweig erſchienen (8 Ihle., 1 Zhlr.) D. Red 


‘ 


Snieen, feinen Kopf auf ihrem Gchoos. Ich flanb Lange und 
betrachtete diefe Sruppe; des Kieinen Hand lag halb epteffnet 
in der Mutter Schoos. Ich legte ganz leiſe einen Schilling 
hinein, das Kind öffnete die Augen, fah mich an und fchloß fle 
fogleig wieder. Was träumte ihm wohl? — Ich wußte, 
wenn es erwachte, hätte der Mondfchein ihm Silber in bie 
Hand gelegt.” Man höre, mit weichem naiven Enthuſias⸗ 
mus er bie Eiſenbahn ſchildert: „Ermuͤdet kam ich in 
Magdeburg an, und eine Stunde fpäter follte ich wieder fort 
mit dem Dampfimagen. Ich will nicht leugnen, daß ich vorher 
eine Smpfindung hatte, die ich Eiſenbahnfieber nennen will, 
und biefes war am ftärkften, als ich in das großartige Gebaͤude 
trat, wovon aus die Wagenreihe fahren ſollte. Bier war ein 
Bebränge von Reifenden, ein Laufen mit Koffern und Racht⸗ 
fäden, ein Saufen und Braufen der Mafchinen, aus weichen 
der Dampf hervordrang. Man weiß zum erſten Mat nicht 
vet, wo man ftehen barf, daß nicht ein Wagen oder Dampf: 
keſſel oder eine Lade mit Reifefachen über uns ſtuͤrze; freitich 
ſteht man auf einem vorfpringenden Altan ficher; die Wagen, 
in welche man foll, liegen in einer Reihe bis dicht hinauf, glei 
den Gondeln bei einem Quai, aber unten im Hofe kreuzt, glet 
3auberfäden, die eine Eifenfcyiene die andere, und dies fin 
auch Zauberfäden, die der menfchliche Scharffinn gezogen. An 
dieſen follten fig unfere magifchen Wagen halten; kämen fie 
aus diefem Zauberbande heraus, ja, dann gelte es Leben und 
Stieder. Ich flarrte auf diefe Wagen, Locomotiven, lofe Kars 
ren, wandelnde Schoriffleine und Gott weiß was Alles! Sie 
liefen durcheinander wie in einer Zauberwelt; Alles fehlen Beine 
zu haben! Und nun diefer Dampf, diefes Saufen, vereint mit 
dem Gedränge, einen Platz zu erhalten, biefer Geſtank von 
Zalg, der taktmäßige Bang der Maſchinen und das Pfeifen 
und Schnauben bes ausgelaffenen Dampfes verftärkten den Eins 
druck. Iſt man nun, wie gefagt, zum erflen Male hier, dann 
glaubt man umzumerfen, Arme und Beine zu brechen, in bie 
Luft gefprengt, oder durch Bufammenftoßen mit einer andern 
Wagenreihe gequetfcht zu werden; aber ich glaube, daß man 
nur beim erſten Date daran denkt.“ 

Dean glaube nicht, als fei diefe lebendige Auffaffung blos durch 
den erſten Eindruck mgtivirt. Wir wiffen durch feinen „Improvifas 
tor, daß er ſchon einmal in Italien war, und doch nimmt er auch hier 
Alles, Bebeutendes und Undedeutendes, mit berfeiben Empfaͤnglich⸗ 
teit, derfelben Brifche und Begeiſterung auf; ja wir glauben, er 
tönnte diefelbe Reife noch zwanzig Mal machen und fein Ens 
thufiasmus würde ſtets der nämfiche bleiben. Nicht alfo ber 
Zauber des erften Ausflugs ift es, der ihn beraufcht hat. Die 
eöfung der heutzutage faft räthfelhaften Erſcheinung liegt fies 
fer: in feinem kindlichen, bichterifhen Gemüthe. Darum hat 
er recht, feine Ausftellung den Bazar eines Dichters zu nen⸗ 
nen. Gr ift ein folcher, wenn nicht von activer, doch von 
paffiver Geniatität. Er befigt die Poeſte der Frauen, ber 
Kinder. Sie iſt vorzugsmeife concipirend, empfangenb, unb 
erft hinterher bildend und geftaltend. Er weiß ſich Alles, was 
fih ihm zufällig darbictet, fo zurecht zu legen und zurecht zu 
ftellen, daß etwas Schönes baraus wirb, wenn es an fly auch 
noch fo alftägtih, noch fo unbedeutend fein follte. Auf bie 
Dauer freilich koͤnnen dergleichen ins Poetifche übertragene Bas 
gatellen nicht vollfommen genügen. Man fehnt fi, wenn man 
Seiten lang dergleichen gelefen, einmal nad etwas wirklich 
Außerorbentlihem, nach einem objectiven Ereigniß, bas bem 
fubjectiven Enthuſiasmus dquivalent iſt. Diefe Sehnfucht wird 
nun leider zu felten befriedigt, und daher rathen wir, bie beis 
den Bändchen nicht etwa uno tenore hintereinander leſen zu 
wollen, fondern fich beliebig einzelne Bruchftüde daraus auszus 
wählen, in welche ber Dichter ſelbſt das Ganze zeriegt hat. 
So wird man ben Deangel an eigenthämlicy hervortretenden 
Erlebniſſen kaum empfinden und fich theils durch bie Wärme 
der Auffaffung, teils durch das Interefie, das die burchreiften 
Localitäten felbft barbieten, flarf genug angezogen fühlen. Im 
letzterer Beziehung gehört die Reife nicht zu den gewöhnlichen. 





bo 


Der Dichter reift als von Kopenhagen, geht über Hamburg, 
Magbeburg, eeipnig, Nuͤrnberg, Münden und Zirol nach Ita; 
lien, berührt dort Berona, Mantua, Mobena, Bologna, Bio: 
renz, Perugia, Spoleto, Zernt, Civita⸗Caſtellana, Rom, Ti⸗ 
voli und Reapel, nimmt im Bluge Sicitien und Dalta mit, 
fegt nach Griechenland hinüber, wo er befonders zu Athen vers 
weilt, gebt von ba über ben Archipelagus nach Kieinafien und 
von ba über den Dellespont und das Marmormerr nad) Kon: 


ſtantinopel; verweilt hierauf einige Zeit in ben Gegenden des 


Schwarzen Meeres und der Donau und kehrt endlich durch Ser: 
bien, Ungarn und Deutfchland zurüd in feine Heimat. Daß 
es bei einer ſolchen Reife nicht an Stoff zu den mannichfaltig⸗ 
ſten und reihften Schilderungen fehlen kann, veriteht ſich von 
felbft, und daß ein Dann wie Anderfen diefen Stoff gehoͤri 
auszubeuten und zu verarbeiten weiß, ebenfalls. So ſtellt fi 

bas Ganze in der That wie ein großartiger, Tonftantinopolitas 
nifcher Bazar dar, deſſen Lebendige Schilderung zum Schluß 
ale Probe mitgetheilt werden möge: 

„Der Fremde muß vor allen Dingen in Konftantinopel bie 
Bazare befuchen, denn das heißt zugleich in die ungeheure Stadt 
eintreten. Man wird durch den Anblid, bie Pracht und das 
Getuͤmmel überwältigt; es ift ein Bienenftod, in ben man tritt, 
aber jede Biene ift ein Perfer, ein Armenier, ein Agypter, ein 
Grieche. Drient und Dccident halten hier großen Markt. Ein 
ſolches Gedraͤnge, eine ſolche Verſchiedenheit der Coſtumes, folche 
Menge von Handelsartikeln bietet keind andere Stadt bar.” 


„Wenn man von Pera in einem Boot über den Golf nach 


Konftantinopel gefebt ift, führt die Straße zu ben Bazaren bes 
fändig aufwärts, eng, krumm und wintelig. Das Erdgeſchoß 
dee Däufer an jeder Seite gleicht ben hölzernen Buben unferer 
Mörkte, man ſieht gerabe in die Werkſtaͤtten der Schuhmacher 
und Schreiner. Man glaubt mitten durch Küchen und Baͤcke⸗ 
reien zu geben, fo kocht, badt, dampft und buftet ed auf dem 

erbe und in den Öfen ber offenen Haͤuſer. Brot und Spei⸗ 
en alles Art find ausgeftellt." 

„Run ftehen wir vor dem großen Bazar, um welchen fi 
fchmale, haibbedeckte Straßen verzweigens eine Abtheilung bier 
bietet Kräuter und Brüchte aller Art dar, ſowol frifche als eins 
gemachte; eine andere Abtheilung hat Schalthiere und Fiſche in 

n verfchiebenften Karben und Formen s von Boutique zu Bou⸗ 
tique find über die Straße große Stüde Segel oder Teppiche 
als ein Dach gezogen. Das "Straßenpflafter iſt ſchlecht und 
mitten in ber Straße fließt die Goſſe.“ 

„Sine lange Dalle, größtentheils aus Bretern unb ganz 
mit Pfeifenföpfen, Pfeifenröhren und Mundftüden aus Bern: 
flein angefüllt, führt in die Bazare, bie mit dicken, feuerfeften 
Mauern aufgeführt find. Es iſt eine ganze Stadt mit einem 
Dache darüber; jebe Nation hat hier ihr Quartier, bie Juden 
ihres, die ÄAgypter ihres u. ſ. w.; jeder Handelszweig feine 
Straße, jedes Gewerbe feine, die Schuhmacher eine, bie Satt⸗ 
Ier eine und fo fort bis ins Unendliche. Jede Straße iſt ein 
Gewölbe mit Blumen und Infäriften aus dem Koran bemalt; 
das Eicht faͤllt von oben herein. Boutique ift an Boutique ges 
klebt und ſcheint eine umgekehrte Lade zu fein, in deren Hinter: 

nd in der bien Dauer eine Öffnung gehauen ift, welche 
ie Waaren aufnimmt, die nicht zur Schau gelegt find.” 

„Das Auartier der Ägypter, Miffestfchars = huffi, fcheint 
eine ganze Apotheke durch procl Straßen ausgedehnt; alle Spe⸗ 
cereien Indiens und Arabiens, heilende Kräuter und koſtbare 

arben en bier einen vermiſchten Duft aus. Gin gelbs 

auner Agppter in langem Talar fleht hinter dem Tiſche, er 
fiept aus, wie man das Bild eines Alchymiſten gibt.‘ 

„Sine andere Woͤlbung bat das Ausfehen, bie Bor: 
balfe der Rüftlammer für die ganze zu fein; bier iſt der 
WBogengang der Sattler: Gättel und Zügel aus Saffian und 
Büffeleber, won den ausgearbeitetiten und Länftlichft genähten 


8 zu den einfachften und faft Blogigen, hängen bier an ben 


Wänden und liegen auf Tiſchen und bem Bußboben ausgebreitet.‘ 
„Sin anderer Bogengang iſt der ber Juweliere, Goldketten 


blinlen, Armbänder funkeln, koſtbare Ange, theure Juwelen 
bienden bas Auge.’ ide a 

„Run gelangt man zwiſchen lauter Parfume, bier buftet 
ed von Roſendl, bier werben Wofchusbentel verkauft, Räuders 
wert und buftende Rattenſchwaͤnze. Dir gehen in bie nächften 
Bogen und fehen lauter Gtiefeln und Schuhe, in allen Farben, 
allen Formen, Pantoffein, die mit Perlen und echten Gtide: 
reien prangen. Gin Bogengang kreuzt bier dicht vorbei, ia 
diefem find lauter Manufacturiwaaren, Mouffeline, Taſchentaͤ⸗ 
der, geftidt mit großen Golbblumen, praͤchtige Stoffe; das 
naͤchſte Gewölbe blinkt von Waffen, Damascenerflingen, Dols 
chen, Mefleen, Gewehren und Piſtolen.“ 

„Es ift hoͤchſt intereffant, bie charakteriſtiſche Weiſe zu bes 
obachten, in der jede Ration fich zeigt. Der Türke fipt ernſt, 
gravitätifch mit der Tangen Pfeife in feinem Munde, ber Zube 
wie der Grieche find gefchäftig, rufen und winken. Inzwiſchen 
bewegt ſich das bunte Menſchengewuͤhl durch diefe einander Treu: 
genben Wölbungen, die Perfer mit rauhen, fpigen Dtüsen, die 

rmenier mit umgekehrten, tegelförmigen, ſchwarzen Huͤten, 
bie Bulgaren in Schafspelzen, bie Juden mit zeriumptem Shawi 
um ben ſchwarzen, hohen Zurban, gepugte Griechen und ver: 
ſchleierte Weiber; bier ift ein Gebränge! Und mitten durch 
dieſes reitet wol fo gravitätifch ein vornehmer Tuͤrke, der we 
ber zur Rechten 4 zur Linken ſieht.“ 

„Auf ein des Abends gegebenes Signal entfernen ſich Ki 
fer und Verkäufer. Cine Art Wächter, ber es übertragen if, 
in ben Bazaren zu wachen, fließt alle Gingänge und öffnet 
fie erft wieder am nächften Morgen zu einer beflimmten Zeit; 
bie Verkäufer finden dann ihre Laͤden ganz fo, als da fle fie 
verließen. Am Tage wirb die einzelne Bude nicht anders ver 
ſchloſſen, als daB der Eigenthuͤmer ein Res vorhaͤngt, oder ein 
paar Binbfaben kreuzweiſe vorzieht; Keiner wagt dort zu fehlen.” 

„Die prächtigen Boutiquen bes Palais zoyal find gegen 
Konftantinopels Bazare nur eine reich gefhmädte Grifette ge 
gen bie Tochter bes Orients in ihren reidgen Stoffen, das Baar 
von Rofendt und Myrrhe duftend.“ DR. 





Literarifhe Notiz. 


Neue Ausgaben ber Memoiren von Comines. 
Son ben anziehenden Memoiren -von Gomines haben wir 
vor kurzem zwei verfhiebene Ausgaben, erhalten. Die von 
Belin bitdet einen Theil der „‚Bibliothdque varise”, bie unter 


und Heft fo ſicher auf bem Gtunde ber Seele eines WRenfchen, 
daß ihm ihre Handlungen eine natürliche, nothwendige und uns 
ee Bolge ihrer Innern imb äußern Sufkänbe gu giein 


Berantwortlicher Geranögeber: Heinrich Brockhaus. — Drud und Berlag von F. U. Broddaus in Leipzig 


Blätter 


J für 


literarifäe Unterhaltung. 





Sonntag, 


5. November 1843. 








Aus der englifchen Ammen- und Kinderflubenpoefie. 
Bon A. Hoefer. 
(Bortfetung aus Mr. ME.) 

Nr. II, Die Tales find ſehr verſchiedenartiger Natur, 
theils ernſt, theils komiſch, einige auch anfcheinend ganz 
unfinnig, obwol ber Unfinn erſt fpäter umb auf dem 
Wege alimäliger Gorruption hineingefommen fein dürfte, 
wenn die Veranlaffung vergefien, und Urfprung und oft 
felbft der Sinn einzelner Ausdrüde nicht mehr verflans 
den werben. Wir laſſen die Anordnung bes Herausges 
ber& bei ber Unswahl unferer ¶toben unberuͤckſichtigt. 


Es war einmal ’ne de ran, hatte drei Söhne, 
Jerry, und James und Sohn : 
Jerry war gehenket, James war ertraͤnket, 
Sohn war verſchwunden ımb nie wieder funden, 
Und das war bas Ende ihrer brei Böpne, 
Serey, und James und Sohn. , 


Nr. 18. 
Aus ich ein Junggeſel war ba lebt ich allein, \ 

und ſtellte Brot und Kaͤſe in das Bret hinein. 

Die Magen und Katzen bugannen ſolch ein Staufen, 

Daß ich ging nach London mie ein Weib zu laufen. 

Die Gaffen waren eng und alfo ſchlecht bie Wege, 

Daß ty mußt mein Weib in einen Schiebkarren legen. 

Der teblarrın brach, mein Weib that einen Ball, 

Der Zeufel hol den Schiebkarren, Weib und all. 

Die Bachelors oder SSunggefellen erhalten denn auch 
In Mr. 41 eine Anweifung, wie fie fi bei ber Wahl eines 
Beides zus benehmen haben, Darin heißt es, man möüfle 
vorfichtig fein, denn die Weiber feien mannichfach wie 
Gilde in der Ger, oder zehnmal mehr veraͤnderlich als 
ein Winter: oder Sommertag, Weiter aber audy: „You 
must not stay to pick them, but take them as 


come,’ Dee Schluß biefes längern Gedichtes iſt fo: 

Ein Schlachtopfer faß in einem Karren 

Sins Zags, gehängt zu werben; 
und Gnade war gewährt ihm, 

—— ie 

, ein ’ ’ 

Lund wette die bein Beben!“ 

⸗ mein Leben verkuͤmmern ?’' 
n 


—*7* e dat MD pfer. 
„Eine — Weile if berfamm met bier, 
Warum ben Spaß verberben rt 
Der Gase iſt ſchlecht, hier wie 
Das Weib iſt das fi he, oh fort" - 


Mehr lieb: and gefangartig find Nr. 25 und Ne. 235 
vergl. mit ©. 1 
Das dien vom kleinen Freier. 
Es war einmal ein Männlein, das warb um ein Bolulche 
und fagt: Keine Magd, wilft du frein, frein, frein? 
Ich hab nichts mehr zu fagen, ale Ja? ober Rein? zu fragen 
Denn wenig gefagt, mag ſchnell gebeffert fein. 
Dann fpradh bie kleine Magd: Ihr Heiner a i 
* —— — ne r wenig fagt, 
m wenig mehr jagen, etwas But auch zutra 
Eher ich für immer Fi Beben mag fein. 9 yuteagen, 
Der Kleine ſprach zur Frauen: Laͤßt du Ye antrauen, 
So Tann die Liebesnoten ich etwas höher ſetze 
id audy nur wenig, bin ich an Eich ein Könier 
Thaͤt ber kleine Liebsgott * Feuer mich doch jeden. 
Das Maͤgdlein ſprach im Eqerun: Den ‚dar iſt gut 


Doch was follen wir thun, davon MM pn; 
Wird deinen Liebesflammen auch Küchenfeu’c entfiammen 
Unb dreht ber Feine —** ben Bratſpieß unterdeſſen? 
Dann warb ber Kleine traurig, ud . ein wenig, 
aub i 
Und all fein Feines Herze warb groß on Sorgen 
„Ich will bein Kleiner Knecht fein, und wire r nicht ges 


Das Wen’ge, was ich habe, Hein FE will ich borgen.“ 


Zwei Voͤglein ſaßen auf einem Stein, 
@, la, la, lol, 

Eins flog hinweg, und eins blieb de, 
8a, la, la, Ia, Ial, be. 

Das andre flog dahinter, und eins blieb da, 
Fa, la, la, la, lal, de. 

und ber arme Stein war nun ganz allein, 
Sa, la, la, la, Tal, de. 


Das Meerfhweindhen. Nr. W. 


’s$ war ein ein kleines Meerſchwein, 
Das war ni roß A Reh wer Heinz 
Auf feinen Hr 


Und af eb, war's aa — nehr. 
unb rann’s von einem ODrte en, 

Da war’s nicht mehr an dieſem Ort 

Und wenn es rann, ba macht's nicht Halt, 

Wie man mir fagt, vor —* noch Alt. 
weil t's 

um at. Fe, —X ’s nicht er Hei 
* belehrt von keiner Kap, 

Ein Mäuschen, wußt es, war por Kap. 








a. 5 


Tages hat's eine Brille gefaßt, 
und Perhene fi koört man, fs ehlakt. 
Und — nad) gar weiſer Leute Lehr — 
Gelebt Hat es feitbem nicht mehr. 
Wir laffen hier eine Reihe kleinerer Reimereien fol: 
en; zu ei 
5 — 3* wie wir ſolche gleichfalls mit Kin⸗ 
zu treiben pflegen, bie gern Geſchichten hören, indem 
auf einen pomphaften Eingang gleich das Ende ober ein 
überrafchender oder trivlaler Ausgang folgt: 
Gagt Aron zu ofen, 
Schneiden wir ab unfre Rafen. 
“ Sagt Mofe zu ron, 
»s ift Mode fie zu tragen. 


Als Beſſy Brooke und Tommy Snooks 
Spazieren gingen am Sonnt 
Er Tommy Snooks zu — — Brooks, 
Morgen, vermuth' id — iſt Montag. ' 


„Es war ein altes Weib das fpann”, — 
&o die Geſchichte begann. 

„Das hatte ein Kath” — 

Hier iſt fie halb. 

„Das nahm fie dann beim Schwanze, 

Und warf ed über bie Wände” — 

Bo ift das Ganze zu Enbe. 


Lucie Laſche verlor ihre Taſche, 
Kitty: Fifcher fand fie. 
Bar nichts drinnen, gar nichts brinnen, 
Nur ein Faͤdchen umband fie. 
Der kleine Conrad Flecke 
Saß in der Ede 


Bet feinem Weihnachtskuchen, felig Im Sinn. 
Dann fleckte er ken Daumen ein, 


Anb ein Pflaume fein, 
ed Was ein Allerweltsjunge ich doch bin! 


Der alte Peter. Schraber 
Geht niemals wie ein Grader, 
Wout Ihr wiffen warum? 

Er folget feiner Nofen, 
Doch die ift verwafen,. 
Das heißt, fie fleht ihm krumm. 

Unter den mancherlei Privatleusen, bie gelegentlich 
vorkommen, wird auch bes Dr. Kauflus erwähnt. Der 
Herausgeber meint, ohne Noth, daß dafür Foſter zu leſen ſei. 

Dr. Fauſtus war ein guter Mann, 
Dee feine Kindes prügelt dann und wann. 
Wenn er fie fchlug, dann ließ er fie tanzen 
Bon ben Schotten hin zu den Franzen, 
Und von den Kranzen zu ben Deutfchen, 
Um fle wieber zuruͤck zu peitfihen. 

Das wir, des Reimes wegen, die Namen zumellen 
verändert häberi, wird ber Entfchuldigung bei einer Art 
von Poefie nicht bebirfen, bei der der Reim ohnehin 
einen fo tyrannifchen Einfluß ausübt, daß ihm zu Liebe 
nicht blos Namen gebildet, fondern, wo es auf: beflimmte 
gegebene Namen zu reinen gift, ſelbſt Wörter und Wort: 
geklingel geſchmiedet werden, denen doc nur ein unge: 
fähe zu errathender Sinn Innewohnt, Beiſpiele dafür 
Legen uͤberalß vor umd ließen fih auch aus der beutfchen 


x 


/ 


* 


eckereien, wie es atich das vorheche⸗ 


Volkspoefie leicht beibringen. Der Reim, tm ber Volke⸗ 
dichtung, ſteht oft no über dem Gedanken, waͤhrend 
ber wahre Dichter ſeiner allzeit Herr wird und ſich ſeiner 
nicht wie eines Leiters, ber Ihm Gedanken zufuͤhrte, ſon⸗ 
bern mie eines Ders bedient, in w dis, 9. h. 
fine Gedanken ſanft und geregelt, Dan ich zuweilen 
mit Heinen Seitenbiegungen, dahin gleffen. " 
Wir müͤſſen namentlich bemerken, daß in dem Texte 
bes legten Stuͤcks für Deutſche, Spanier ficht, fo: 
wie von den erflern nirgend bie Rede iſt; dagegen öfters 
Welſche und Franzoſen erwähnt find. Auf die erftern 
bezieht fich das folgende Stuͤckchen | 
Bon den welfhen Zägern. 
Es waren einft brei weiſche Leut, 
Die gingen, nad) Den poe 
u jagen aus in Heiter 
s Ya Conti Da Tage. 
Sie jaaten beinah zu Tod, 
und an bo 2 t6 finden 
Als gang zuleht ein Gegelboot 
Das floß dahin mit ben Minden. 
Der eine fagt: Ein Schiff i 
Der Mr e fagt: ie ee 
Der dritte fagt: Ein Haus if das, 
Den Schornftein nur vermiß ich. 
Und jagten noch bie ganze Nacht, 
Und konnten body nichts finden 
Als den Mond, ber eben aufgemacht, 


Und glitt dahin mit ben Winben. 


Der eine fagt: Der Mond iſt bas, 


Der zweite fagt: Gewißlich 


! 
Der britte ſagt: Ein Kaͤ bad, 
Die Häufte nur ——e— 


Saft alle von dem Herausgeber mitgetheilten Proben 

: fheinen uns in einer ober ber andern Hinſicht merkwuͤr⸗ 

big; wir wählen zunaͤchſt ein größeres. Gedicht. 

Von der alten Frau bie ſich ſelbſt verliere. 
Es war einmal ’ne alte Frau, fo geht bie Gage, 

Die ging zu Markt, ihre Gier gu verhandeln; 

Die ging zu Markt, vecht an "nem. Markttage, 

Bis unterwegs fie einfchlief, mühe bon dem Mikanbein. 
Da kam bes Wegs ein Scrämer, Staut geheißen, 

Der fpürte Luft, ben Rock ihr gu entreißen, 

Und ſchnitt ihn rund um ab, bie an das Pair. binon, 

Darob bie alte rau zu frieren denn begann. - 
As dann bies Meine Weib fich aus bem Schlaf gerüt 

Da bat fie ſich zuerft geſchaudert und Mer geruttelt, 

Und dann begann fe alſo verwundert aufzuſchdein: 

Barmherz'ger! wer iM dies hier, dies kann ich nicht ſein? 
It es, wie ich hoff' ich bin's, iſt es wirklich ich, 

So hab ich Heim ein Huͤndchen das wich Imınen mid. 

Sein Schwaͤnzchen wird er webeln, iſt es, wirklich ich, 

Doch bellen wird er grimmig, ift es nicht mehr ic. 
Heim ging bie alte Frau nun ganz im Dunkeln; 

Auf fprang ber Hund alsbald und ließ bie en funkeln, 
Und bellte laut fie an: Die Frau begann zu fdhr 
Barmperziger, alfo kann ich's doch nicht fein! 

Als Probe der ernſtetn Gattung, die nicht ganz un: 
vepräfentirt geblieben, boch ſelten iſt, diene das folgende: 
Es war einft eine Dame, ganz Haut und Anochen, 
Wie niemals noch eink:gefehh, 
Die ging zur Kirchen in einer Wochen, 
Zur Kirchen, ſich Pit zu erflehn. 


und eis fe ——— un 


Und als fie ging zu — Hofe — ale, 
Da lauſchte den Glocken fie wirber. 
und als fie nahe ber Kicchenthür Fam, 


Vuͤnſcht ein Bei 
Bis m fie den Breger — —*ð& 


Der ſprach gegen ſuͤndiges F 
Sie blidt’ empor, ſah her und 
Einen toben 


Bedeckt mit Barmern und Fliegen. 


Dann ſie hin 3 dem Prediger ſagt, 

Werd auch ich fo fein, wenn Le tobt? 
D ja, o ja, ber Prebiger fagt, . 

&o wirft auch du ſein, wenn todt. 


Es iſt wunderbar, daß nirgend mehr Anſpielungen 
auf alte heidniſche Vorſtellungen vorkommen. on ber 


Thierwelt iſt, wie ſich erwarten laͤßt und wie wir auch | 


fon oben gefehen haben, ziemlich. oft: die Rebe; mitun⸗ 
ter vielleicht eine Erinnerung am alte Thierfabel, in der bie 
Thiere perfonificiet erfcheinen. 


Robin und Jenny, zwei Vägel. 
Sprach Robin zu Ienny: Wilſſt bu meine fein, 
&o effen wie Kirſchkuchen unb trinken Johann’sbesrwein. 
Jenny war’s zufrichen — beflimmt ward bie Stund, 
Und der Hahn that ben Freunden bie frohe Botſchaft kund. 
Die Kraͤhe und die die kamen bar, 
a eine war ber —5— F Ira ber Wotar, (clerk) 
Goldfin Braut 
Die Reis gehorchen wollt des Mannes Wort. 
Lüfte geficberte Bewohner gaben 
en jeber zu bem Feſte ihre Gaben. 
Die einen brachten Korn, bie andren brachten Fleiſch, 
Die einen ſchoͤnes Raͤucherwerk, die. andren Zudespert, 
Und weil es lieblich Wetter, das Gefleder 
Geht in Gemeinſchaft zum Diner ſich nicher. 
Robin und fein —* bie lebten To 
Im Theſtande lang unb froh, 
Bis eines Tages, ſchrecklich zu beruͤhren, 
Gin Habicht that 6 bie —* ihm entfuͤhren; 
Auf Robin ſelbſt ei ing Bam geflogen 
Und ſchoß ihn maufetodt, mit Pfeil und Bogen. 

Dieſelben Voͤgel, Little Jenny Wren und Mobin 
Red⸗breaſt genannt, betrifft au Nr. 80, ©. 48: Robin 
pflegt der erkrankten Jenny mit Brot und Wen, und 
erwartet dafuͤr ihre Liebe. Aber fie, beſſer geworden, fagt: 
I love thee not a bit, und ber getäufchte Liebhaber ver: 
läßt mit Sport und Fluch die Undankbare. Drigineller 
find, und auch formell bedeutender bie. Geſchichte von 
ders Hunde, der feine Herrin Mis. Hubbard, zur Naͤr⸗ 
rin macht, ©. 60; die Brautfahrt des Krofches, ber um 
die Maus, die Nichte be Ratte, wirbt, S. 70, und bie 
Geſchichte des Fuchſes, S 

Dre Fuchs und fein — bie hatten aroßen Streit, 

Sie aßen niemals Moſtrich in: ihres Lebens Zeitz 


Sie aßen ohne Babel und Meſſer allezett, 
—* tiebten ein Beinchen zu nagen, e⸗oh! 


De Fu uchs ber fprang auf in ˖ einer Mondlichtnacht, 
terne erglaͤnzten in ihrer vollſten Pracht: 
FR fagt ber Buche, eine wundervolle Nacht 

Fuͤr mich durch die Stadt mich zu wagen, e⸗oh! 





De Yudgs_alg ex Tam auf ben Verg fe fiel, 
AT 
Y a eine iu 

Bon bier bis in zu bem Dagen, eo oh. 


Der Buchs als zum dere des Bauern er kam, 

Men anders er wol bo — * Ente vernahm? 

us liebe dich gar fehr, bu iebſte Damm, 

Unb verlange bein — wu nasen, e⸗ahl“ 

Die Ente bie lief ben Heuhaufen rund 

De fagt der Fuchs, du bift ſehr feet. und und! 

Du fſchwierſt mir den Bart und ritttings zur Grund 

Bil ich dich zu ber Stadt dort tragen, es ob! 

Die Frau mm bes Bauern aus dem Bette fprang, 

und te buch das Fenſter den Kopf fo weit und langz ° 

„Oh Dann, all die Enten find tobt, mir iſt ban ng, 

Der Fuchs hat gefaßt fie beim Kragen, e: 08! 

Der Bauer der lud die Piftole mit Blei 

und ſchoß dem alten Schurken das Haupt zur Brei: 

ab, bat fagt ber Bauer, nun denk ich, ifl’ö vorbel 

Und ftörft ung nicht ferner deu Hagen, es oh! 

Zum Beſchluß dieſer Abtbeilung noch eine Probe 
| von den Recerrian, denen auch hier die Schneider aus⸗ 
rue 

—* Ansträhe ſaß auf einer Eiche 

und Pielte dem Schneider allerlei Streiche. 

„Beidt⸗, rief bee Schneider, „die Flinte mir ſchnell! 

Und du da hochoben, dir gerb' ich ſchon das Fell!“ 

Der Schneider zielt' und ſchoß, verfehlt je 3 
Sodaß im Hof —5 — die alte Fl ed a ſein Bike 
7 ‚MBetbt; rief der Schneiber, „einen Löffer mit etwas Rum, 
Denn unfee alte Gau fiel vor Ohnmacht eben um!" 

(Der Beſchiaß folgt.) 





Erinnerungen an G. Ch. Lichtenberg. 


Ghriftoph: Richtenberg fchrieb am 15.. Ort. 1785 
einem Im Erran über feine Studien ic in Göttingen : „Gottingen 
‚ift ein ſehr theures Pflaſter, und. Sie wiſſen, ich 
hatte dom Sanbgrafen *) ag * aͤdtiſches Geld und einen 
und e6 Loftete mich Muͤhe, burchzulommen. Ich be 
‚zahlte freitich alle meine Eollegia, aber meine Mutter gab mie 
auch etwas unterweiten und ich repetirte anfangs und gab end⸗ 
lich feibft mathematiiche Stunde und machte ha auf die . 
resterwahlen, corrigirte für bie Buchdrucke m. ne 
andere, ebenfalls noch ungebrudte Stelle am benfeiben Freund 
vom 5. M 84 lautet: ‚Der Wann, ben Ste mir zu⸗ 
geſchickt haben, Here Cordier, ſcheint ein vortrefflicher Dann 
zu fein. Seine gute Deiene hat mich ſogleich für ihn eingenoms 
men, und einen beaven Mann, der zwiſchen zwei Freunden, die 
einander nicht feben können, aufs und abgeht, fehe ich immer 

einen Spiegel an. Ich glaubte 5 2 ‚game um 8 ſehen, ale 
Per von Ihnen ſprach.“ über die B udiums be& 
Sohnes feines Freundes ſchrieb —E 11. April 1785 
Legserm: „Wenn der ‚junge Menſch Anlage zur Naturkunde 
hat, fo Laffen Sie ihn Medicin fludiren, daran fehlt es net 
in der Welt, umb-man ſieht fehr — Ferner, liebſter 
Freund, gla ube ich Ihnen verſprechen zu können, Ihrem Seren 
Sohne alte Sollegia frei zu verſchaffen. Eben wegen meiner 
mkeit in dieſen Angelegenheiten. Nur ein einziges Dal 
habe ich in meinem Profefforieben einem Menfchen, der es von 
Seiten bes Genies ſowol als bes Beutels werth war, fo durch⸗ 
geholfen, daher greift meine Bitte mehr ein. Ich hingegen 
habe jegt auf meiner Lifte in ber Phyſik, ba fih bereits 82 aufr 
gefeheieben haben, ob ich gleidy erſt in brei Wochen zu leſen 
anfange, fon fieben, bie ich auf Empfehlung frei dunchgeben 


*) Landgraf Eubwig VI. von Deffens Darmfadt. 








laſſe. Laſſen Sie uns alles Dieſes wohl überlegen. Es if jekt 
Zeit das Ich gebe die Parole: Sprachen und Medicin; 
hoͤch z! — Ja, ja feine Theologie! Leidet aber bie 
Anlage wit anders, aläbann in Gottes Ramen aud) Theologie.” 


Der Autor und fein VBerteger. 
6 Lichtenberg hatte feine Wohnung im Haufe 
bes —ãS — Göttingen und lebte in [ehr freund⸗ 


—** Becpäiniffen ai om. beide geht außer Anberm 
Dieterich 


lieferant und Freund D n Chriftien Dieterich, der 
eine unglaubliche und für mid) ſehr hmeihabafte Begienbe bat, 
alle meine Freunde kennen zu lernen, wenn er ihnen auch nur 
auf ein paar Meilen nahe koͤmmt, und er bat mich deswegen 
um einen Brief an Sie gebeten. Da er dieſen alfo ſelbſt Aber: 
beingt, fo wird er nicht ermangeln, felbft zu fagen, was er 
Tonft noch iſt, und beswegen brede ich hier ab, ba ih an Hals⸗ 
und Ohrenmweh laborire.” Dieterich vergalt biefe freundlichen 
Gefinnungen mit einer ebenfo been als ehrerbietigen Liebe. 
Ya einem Hriefe, ber uns von ihm Abrig gebtieben ift, ſchrieb 
er am 9. Juli 1784 an einen gemeinfchafttidhen Welannten: 
„Unfee lieber Profeſſor Lichtenberg befindet fidy jego Gott lob 

recht wohl, und biefer Mann figt jegt oben auf, und hat all» 
bier in feinem Fach den allergrößten Beifall und eine allgemeine 

Liebe. Sr bat mich an Ihnen ein groß Sompliment aufgelras 
gen, in feinem Namen abzulegen. „ ch jest lebt G. Gh. Lich: 
tenberg’s Witwe im Dieterich'ſchen Haufe, das fie Tomi 1 feit 
ungefähr 60 Jahren bewohnt. 





Bibliographie. 


bad, B., Schwarzwälder Ze feeſchichtes. Zwei 

She " anbeim, Baffermann. 8. 328% 
Backhaus, %., Die Sagen ber rose keipzig. Nach 
En Überisferunge mitgetheilt. Leipzig, Hunger. 


h, $, Warum nimmfl du bas Zeugnis Sweden⸗ 
gt nit an? Gine Schrift wider bie neue ſwedenborgſche 

— 2 zur Begründung der Gemuͤther in der ewangelifchen 
Lehre und Kirche. Reutlingen. Gr. 8. 5 

afti, ©., Die en Shiere, ein epifches Gedicht. 
Nebſt einem zufäglichen Ge fange: Über den urlprung bes Wer⸗ 
tes. Aus dem Sralienifhen überfegt von 3. E. X. Stiegler. 
Zwei Bände. Zadıen, * ayer. Gr. 9. 42 Thir. 

Felice de, Zuruf eines Chriſten an die Schriftſtel⸗ 

ler des — Volks. Ein Spiegel auch für bie deutſche 

Schriftſtellerweit. Aus dem Franzoͤſiſchen uberfegt von K. Dies 
lieg und mit einem Vorwort ger nögsgeben von J. E. Hitzig. 
Berlin, Dehmigke. Kl. 8. 

Frangtz, A., Blicke in bie Schattenſeite unſerer Zeit. 
Ein Beitrag zur Wuͤrdigung unſerer Zeit und zur Beurtheilung 
ihrer Erſcheinungen. Brandenburg, Müller. Gr. 8. 10 Nor. 

Bervinus, „Geſchichte ber poetiſchen National⸗ 
Literatur der Deutfdien, Aer Theil: Bon Gottſched's Zeiten 
bis zu Goethe's Jugend. 2te Auflage — A. u. d. T.: Neuere 
Se V ſ. w. ifter Theil. Leipzig, Engelmann. Ger. 8. 


Nor. 

Grünewald, E. F., Der Herzog von Bordeaux. Poſſe 
in zwei Aufzuͤgen. fei nai nu E. M. Dettinges's Erzaͤhlung. 
Darmſtadt, Kern. 

Sabnı Bahn, ba Sn, Sec. Zwei Bände. Ber 
lin, &. Dunde. 8. 4 Thlr 

Hartmann, C, ae rüge der Geologie in allgemein 
fasslichem Vortrage. "Mit, 107 Abbildungen, Leipzig, We- 
ber. Gr. 8. 23 Thlr. 20 Neger. 


Ju sale Begegelun, euftipiel in brei Auf; 


CE Vort ce Drama! Gine Er: 
wiberung an Profeſſor Heiber 
a — 
eine, 2. ider. 2t L te & 
‚ Doffmenn um Gampe. 8, “ —— * se dam 
R G., Rovellen. eeipuig, Hunger. ®r. 12. 


1 
; Julius, Em g., ——— ee Serenpeiltunde, 
au nen n ungen wet lithogras 
phirten Tafeln. Berlin, Enslin. 1844. j 
Kleinpaul, 8, Die | 
Unterricht, ein Wort an Alle, die ben 
tät wuͤnſchen. Nebft einem Anbange, betreffend bie außerhalb 
ber Paͤdagogik liegenben Behlngungen des Semeinfinns und eine 
über die allgemeine Schule hinausgehende. Wr ⸗politiſche 


Volkẽbildung. oh D. Wiganb. . 

Lenau, R., Gedichte. Zwei Baͤnde. Stuttgart, Cotta. 
8 3 hie. aig Rar. 

Mey, K. G., Jugendbilder. Eiſenach, Baͤrecke. Gr. 8. 
Thic. io Nor. 


Ninon de lEnclos, ober das Geheimniß der ewigen Jugend 

des Körpıze —— ee Brie en alten Art % an feine 
usgogeben von asker. Berli 

I Kı. 8, 10 A r “r 


Yyrkers, e. .‚ fammtlihe Werke, Neue, durchaus 
berbeflerte Au —* Zafgenformat. Drei Bände. Gtuttgart, 
Botta. 1 Thlr. 10 Re. 


ra} u, E., beamatiihe Berk erafier Gattung. 
I € Ban, Hamburg, Hoffmann und Gampe. 8. 1 Zpir. 
gr. 
Das taufenbjährige Reich. Webicht at pr uc spuffeise 1843, 
Hamburg, Hoffmann und Campe. 

Rofen und —— 2 ‚ —8 * Fahre 1844, 

Mit fieben Stahiftichen. Leipzig, Beo. Gr. 16. 2 Zhir. 10 Ngr. 
Rüdert, 8., Geſammelte Gedichte. After Theil. Frant⸗ 
furt a. M., „ Gamer Gr. 12. 1 Ihe. 10 Ror. 

Schwart, 3 ©, Wanberblider von den en des 
— bis vun Aheinfalke. Schaffpaufen, Hurter. 8, 1 Zhir. 

Nor. 

Siegm mund, ©, Gegen den Abfolutismus in der Phi⸗ 
loſophie. —— Biterarifches Gomptoir. &. 8, 11Y, * 

Sigriſt, G., Des ſeligen Nikolaus von ber Sie ehr: 
veiche und wundervolle Eebensgefchichte. Luzern. 8. 

Smith, Adam Brown, der Kaufmann. ar dern 
Engliſchen Überfegt 0 von W. X. Lindau. Brei Bände. Leips 
zig, Kollmann Ir. 15 Rar. 

Gteinmenn, * Zum Tode verurtheilt. Vollsdrama 
in brei Acten. Muͤnſter, Erpedition bes Deftofeien. 12.1 Thr. 

Umbreit, 4. E., Ü  Eigenhändigkeit der 
Ne tes Hefichen. Leipzig, R. Weigel, 


Gr.8. 11, N 
Bogel, —* Ein Danbbillet Friebrich's bes Pweiten, ober 
gen. Wien, 


— BWitigungen, oder tt 5 
Eufffplel in drei Aufz — 2 — —* Gogiiden. Be 


ee und Bretbet in 
o t und t, in der tat liſchen, oder in der 
proteſtantiſchen Kirche? Auf br tie bes Reformationss 
eftes in an eg „on einem der Osna⸗ 
bruͤckſchen D ppenrath. 6%, Rer. 
Wauſten et, %. —— daß bie Feuer « Vers 
figerungs » Bant für Deutſ in auf durchaus uns 
g fügen beruht und ihrer Aufloͤſung entgegenfehen 
ann, fofern beren wefenttächfte Berfaflungspuntte nicht abgeäns 
bat —&& ——— u. pr Bu 3 don gelonberma Suter: 
e für Diejenigen, welche eine ald die nittee 
prämie zahlen. Rinteln „Boſendahl. Gr. 8. 7%, u 


ulebauſſer 


VBerantwortlicher Heraukgeber: Heinrich Brokhaus. — Drad und Verlag von F. A. Brockdaus in Leipzig. 








Blatter 


für 


literariſche Unterhaltung. 





Montag, 


6. November 1843. 





(Beſchtuß aus Ar. 309.) 

Ne. IL. Die Städchen der dritten Claſſe, Jingles, 
find einestheils fehr ſchwer voleberzugeben,, anberntheils 
ganz unverſtaͤndlich geworben, gerade fo wie die Meinen 
Reimereien, welche bei uns bie Kinder beim Spielen zum 
Abzählen zu gebrauchen pflegen. Es ift ganz ficher an: 
zunehmen, daß manche eben diefen Zweck hatten. *) Wir 
befchränten uns auf wenige Proben: 

Fiedel di di, Fiedel bi bi 
Der Brümmer freit die Biene; 

Sie gingen zur Kirche, Frau war fie, 
Der Brümmer Dann der Biene. 


Hei diedel diedel, 
Die Kay und die Fiedel. 
Über den Mond fprang die Kuh, 
Der Eleine Hund lacht bazu, 
Die Schüffel lief hinter dem Löffel. 


Such ein Ding, gib ein Ding, 
Des alten Mannes Goldring; 
Liege innen, liege außen 
Wo die Zobten haufen. 

Die vorlegte Zeile des letzten Stuͤcks heißt im Texte 
Lie butt, lie ben, worin wir unfer niederbeurfches buten 
und binnen wiederfinden; ber Ausdrud but an’ ben tft 
ohnedies aus dem Schottifchen befannt, 3. B. bei Robert 
Burns, wo es gemöhnlich durch kitchen and parlour 
erklaͤr wird. Das Wort but iſt natuͤrlich Daſſelbe mit 
dem Abverb but, welches man aber nur nicht durch aber 
überfegen muß, um feine Identitaͤt mit bäten, aufer, zu 
begreifen. 

Mr. IV. Wie ſchließen bier einige Beiſpiele ber vier 
ten Stoffe an, weiche Rächfel enchält, S. 91—97: 

Lange Beine, krumme Schenkel, 
Kieinee Kopf und keine Augen. 


a) B. 8. Nr. 118: 
Intery, Mintery, euteey- eota, 

Appio seed and apple them; 
Wine, brier, limber -lock, 

Five geess in a flock, 

Bit and sing by a opriag, 

0O-U-T, and In ageln. 

Bel. weiter unten dab ledte Stuͤk aus der Glaffe der Games. 


Eliſabeth, Elsbeth, Betſy und Bes, 

Die gingen alleſammt ſuchen ein Reſt. 
Sie fanden ein Neſt, fuͤnf Eier drin, 
Nahmen jeder eins, — ließen vier darin. 


Zweibein ſitzt auf Dreibein, 

In ſeinem Schooſe Einbein. 
Herein kommt Vierbein, 

Und rennt hinweg mit Einbein. 
Auf ſteht Zweibein, 

Nimmt auf Dreibein, 

Wirft ihn hinter Vierbein, 
Der laͤßt zuruͤck Einbein. 


Ich hatt' ein kleines Schloͤßchen, gelegen an dem Strand 
Eine Hälfte Waſſer, bie andre Hälfte Sand. 
Er öffnete die Thür, — und vathe mas ich fand? 
Ich fand ’ne fhöne Dame, 'ne Zaff in ihrer Hand, 
Die Taſſe lautres Boldes gefüllet war mit Wein, — 
Trinke ſchoͤne Lady, du ſollſt die meine fein. 


Gemacht vor langer Zeit, und doch gemacht auch heut nodh, 
Gebraucht wenn alle ſchlafen; 

Gar Wen'ge möchten es an Andere verſchenken, 
Und Keiner moͤcht's doch hüten. 


Humpty Dumpty faß auf der Mauer, 
Humpty Dumpty fiel von der Mauer: 
Drei Stiege Dann und drei Stiege mehr, 
Konnten Dumpty Dumpty nicht fegen: wie vorber. 

Mit dem legten foll denn ein Ei, das entzweifaͤllt, 
gemeint fein. Das Beine Räthfel findet fi im Nieder⸗ 
beutfben, 3. B. in Neuvorpommern, ganz aͤhnlich, we 
es heißt: 

heiß Ente potente sat-up de benk, 

Ente potente f@l von de benk, 
Do k&men de herren von Akel Dörschäkel, 
Wull’n Ente potenten wedder hele mäken, 

So wird es in Pommern gefproden, aber aucd wol 
nicht mehr verftanden. Erſtlich: Po-tente (fo theilt 
man es) iſt fiber Putsente, und foll alfo hier wol 
Entenei anbeuten. Zweitens: Die Herren von Akel fol 
(en doch wol die Hähne fein, die ſich um das zerbrochene 
Ei verfammeln. Drittens, was iftaber Dörschäkel, zu 
Akel geweimt? während mäken: Dörschäken erheifchen - 
würde. ‚Dre-schaken aber wäre vielleicht brei Schock, 
und ich denke das englifhe three score in bem obigen 
dient dieſe Conjectur gu beflätigen. Das Weitere daruͤber 








1942 


[- in dem, Neuen Jahrbuch dee berliner deutſchen Ge⸗ 
jeuſchaft“, Bd. 5, ©. 252 - 254. 
Me. V. Zu den Sprüchwörtern gehören z. B.: 
Siehſt du eine Nadel und nimmfl fie buͤbſch auf, 
o haft ven gangen Tag du Gtuͤck vollaufs 


u du eine Nabel und hebſt fie nicht auf, 
o kommt bie Ungläd leicht zu Kauf. 


Ein Bienenfhwarm im Mai 
sft eine Fuhre Heu werth. 
Ein Bienenihwarm im Sunt 
3% einen Süpertöffel werth. 

in Bienenfhwarm im Juli 
IR nicht eine Fliege werth. 

Nr. VI. Bon bee fechsten Gtaffe, den Lullabies, ei: 
nem ſehr charakteriſtiſchen Worte, das, mit Iullen, im 
den Schlaf Iulfen verwandt, aus lull baby erklärt 
wird (!), gibt der Verf. nur fieben ganz Eleine Reime: 
relen, die fih der Mühe der Überfegung nicht zu verloh: 


nen fcheinen. Wir ſetzen indeſſen eine im Original her: [ 


Bye, o my baby, 
When I was a lady, 
O then my poor baby didn't cry; 
But my baby is weeping, 
For want of good keeping, 
Ob, 1 fear, my poor baby will die. 

Nicht viel beffer ſteht es mit ber fiebenten Claſſe, den 
Charms; die drei erfien Beiſpiele follen gegen bem foge: 
nannten Schludauf gut fein; fie beftchen aus lauter mit 
demſelben Buchſtaben beginnenden Wörtern, die dreimal 
in einens Athem gefprochen werden follen. Das leichtefte 
and kuͤrzeſte ließe fich ungefähr fo wiedergeben: 

Robert Raule rollte eine runde Rolle rund, 

@ine runde Role Robert Raule rollte rund. 
Wohin rollte die runde Role, die Robert Raule vollte rund? 

Üpntiche Wortſpielerelen find uns aud aus dem Nie: 
derdeutfchen bekannt; fo viel ich mic aber erinnere, bes 
dient man fich ihrer außer in ber angegebenen Bedeutung 
auch als Aufgaben, die man raſch und ohne fid zu 
verfprechen, herfagen fol. Intereſſant ift feiner Alliteras 
tion wegen das unter ben Games als Nr. 234 aufs 
geführte Stud, im dem jede Belle gleichfalls aus laus 
- tee mit demfelben Laute beginnenden Wörtern befteht, 
von dem toliften Inhalte, z. B. „Ein alter Oxrford 
Ochſe, der Auftern Öffnet”; oder „Drei große Tiger, 
die Zehnpfennig⸗Thee fhlürfen”; „Eif Elefanten elegant 
equipirt”; und vorher ſchon: „Vier fette Mönche, die 
ohnmächtige Stiegen faͤcheln“, — «6 geht nämlich nad) 
den Zahlen 1— 12, die das erfte Wort bilden und dem 
feftenden Laut der Zeile beſtimmen. 

Eine Zauberformel gegen Fußkrampf iſt fo: 

Matthäus, Markus, Lukas und Johannes, 

Ich fiche, erbarmet euch mein: 

ee Teufel hat geichlagen 
Ohen Race in mein Bein. 
zei Kreuze f machen wir uns zu befrein, 

Zwel für die Räuber und einen für Jeſu mein. 
Wir ehren nun zur achten Claſſe, dem Kames, 
Spielen, von denen ſchon die Hide war, jur, und 
didauern zunächft, daß der Herausgeber, fehe wenige Ans 


deutungen abgerechnet, es an ben nöthigen — 
und Angaben hat fehlen laſſen, ohne bie, bem Auslaͤn⸗ 
der zumal, Vieles unverfländiich bleiben muß. Am deut: 
lichſten und nieblichften zugleich iſt Nr. 225. 

A als Mutter vor den andern SDEEb ihren 

tern. Bin Freier, redet fie an: 9“ * 20. 
B. Tripp Trapp über das Gras! 
Beliebt es, edle Dame, laß 
Bon beinen Töchtern hold und ſchoͤn 
Eine mit mir tanzen gehn. 
Ich will Topf und Pfannen geben, 
Ich will blankes Meſſing geben, 
Sc will geben groß und Kein 
Für ein feines Sunsfräufein. 
A fagt: Nein! 
B (fährt fort) : oo . 
Ich will Gold und Silber geben, 
Derien auch und Edelſtein, 
Ich will geben groß und Plein 
Zar ein feines Iungfräulein. 
A. So nimm dir eine, nimm bir eine, 
Nimm das allerfchönfte Kind. 
B. Das ſchoͤnſte Kind, 
Das ich mir find‘, 
SM Nancy ſchoͤn, 
Rancy wit du mit mir gehn? 
A führt fie fort und fagt weiter: 
Eine Ente fotft bu haben, 
Einen Entrich auch, mein Lieb. 
Und ein junger Dann als Lehrling — 
Wär’ dir auch wohl Lieb? 
Die Kinder fingen barauf: 
Sollt diefer junge Mann einft ſterben 
Und bie junge Frau als Witwe ihn beerben, 
Die Glocken follen Elingen, 
Die Vöglein alle fingen, 
Und wir mit Haͤndeklatſchen wollen luſtig Tpringen. 

Üpnlicher Art und Beftimmung HE offenbar Nr. 183, 
das Lied von den. drei Brädern aus Spanien, in im 
jedoch ſchon einige Confufion herrſcht, die wir nicht zu 
befeltigen vermögen. Kin anderer Gang, zu einem 
Tanze gefungen, erinnert an unfer: 

Bimm, Bamm, Below, 

. De Klocken gän in Strelow etc., 
naͤmlich Reimereien auf 14 Glocken Londons, die unuͤberſeh⸗ 
bar find, weil die erfte Zelle immer auf bie Namen der 
Kirchen reimt; es beginnt: 
Gay go up and down. 

To ring the bells of London tom, 

Bull’s eyes and targets, 

Say the bella of St. - Märg’ret's etc, 

Es kommen dann OGefänge zu den ſiecben Woher 
tagen, zu den fünf Fingern u. f. w., Spielereien, wie 
unfer: „Dies ift der Daumen, der fchuͤttelt die Pflau⸗ 
mau f. w.“ 3. B.: 

1. Diefes kleine Sawein ging zu Markte fein, 

2. Diefes Eleine Schwein blieb zu Haus allein. 
3. Diefes Beine Sqwein aß ein Stuͤckchen Butterdrot. 
4. Dieſes Kleine Schwein Yungerte zu Tob. 
5. Diefes kleine Schwein fagt weh, weh, weh! 
Daß ich meinen Weg nah f nicht fh‘. 


ee U + 








Connobend NRacht mein Weib mir Fach, 

So beatub ich fie am Sonntag. 

Macht' nad) der Kirch ihrer Schweiler den Hof 

Und frtiete fie mir am Montag. 

Dienftag ſtahl ih mir ein Pferd, 

Mitt n warb ich gefangen, 

Donnerflag ftand ich vor Gericht 

Und Freitags war ich gehangen. 

Das folgende Spiel ift ein game of the confessie- 

nel, ein Beichte⸗ oder Küffefpkel, wie es mit Ziguren 
im Schatten am der Wand gezeigt wird. Ähntich bei 


uns, die wir gleiche Verſe, aber auch beim Pfaͤnderſpiel 


gebrauchen: 
Ders Pater, Herr Pater, ich komme zu beichten. 
„Wohl, meine Töchter, das ift loͤblich! 
Seftern that die Kap eine Beſtie ich nennen! 
„Sine Sünde, meine Töchter, die groͤblich!“ 
—— Herr Pater, weiche Buße? 
mic !’ 


Dia, 0 nein u. f. w. ad libitum. 
Ferner Gefänge, zum Abzählen gebraucht, 3. B. beim 
„Bide and Seek-Gpiel, i. e. Verſtecken. 
Hickory (1), Didory (2), Dod (3), 
Die Maus lief auf die Stod (4). 
Die Stod Eins Hang (9), 
Die Maus fort fprang (6), 
a (7), u (8), 8 (9), heißt Aus! 
das Kind, auf welches die legte Zahl fallt, ift „aus! 
Diefelbe Anwendung finden auch wol die Stüde der 
zehnten Clafſe, Literal genannt, z. B. 


l, 2, 3, 4 5 
Ich fing einen Iebenben Dafen. 


Ich lied ihn viede graſen. 

In der Clafſe der ſogenannten Customs finden wir 
leider nur ſieben Stuͤcke und darunter etwa nur zwei, die 
eine Mittheilung verdienten. 
weil wir aͤhnliche Stuͤckchen haben; es lautet: 

Schneck, Schneck, heraus aus deiner Hoͤhl, 
Oder ich ſchtag dich ſchwarz wie Kohl. 

Der Herausgeber meint, es ſei wahrſcheinlich Ge⸗ 
brauch geweſen, unter Wiederholung dieſer Zeilen die 
Schnecke einem Lichte nahe zu bringen, um fie ſo zu 
zwingen, aus dem Haͤuschen zu kriechen. In ber Nor: 
mandie, fügt er hinzu, fei es Sitte gewefen, daß Knaben 
zu Weihnachten um Fruchtbaͤume mit angezundeten Fackeln 


Sinon vous brulerai et ia barbe et les os. 


Das andere lautet etwa fo: 
au Heil dem Mond! AU Heil bir! 
Ich bitt dich, guter Mond, fag mir, 
Wer einft als Gatte heim mich führ. 
In diefer Weife, beißt «6, veden unverheisathete Damen 
im Noebden den Mond an. *) 


Wir befchliefen unfere Anzeige endlich mit einigen Lie 
dem, bie ſich in dem legten Abſchnitte auspeichnen: 


) Des Moiterse bee diefen Gebeauch ſ. in Beaub% ‚, Popular 
astiquitioo”, od. A. BiNe, We. 2, ©. 72a um Ib. 





Das erſte, von bee Schnede, 


Das Lied vom Birpence 
Ich liebe Sirnence, ſchoͤne kleine Supence, 
Ich liebe Sixpence mehr als meinen Leib. 
Ih gab einen Penny aus, ih gab einen andern aus, 
und nahm Vierpence nach Haufe für mein Miris. 
D meine kleinen Vierpence, ſchoͤne kieine Bierpence, 
Ich liebe Vierpence mehr als meinen Leib. 
I gab einen Penny aus, ich gab einen andren aus, 
Und nahm Zweipence nach Haufe für mein Weib. 
O meine einen Zweipence, ſchoͤne Beine Zweipence, 
Ich liebe Zweipence mehr als meinen Leib. 
Ich gab einen Penny aus, ich gab einen andren aus, 
Und nahm Sarnichts nach Haufe fir mein Weib. 
D mein eines Garnichts, ſchoͤnes Kleines Garnichts, 
Was fol für Garnichts ich kaufen meinem Weib? 
Sch habe Garnichts, ich geb’ aus Barnidhta, 
Und tiebe — Garnichts mehr ald mein Weib. 


Bom alten König Koͤhle. 
Der alte König Köhte 
War 'ne luſt'ge Seele, 
und eine alte Iuflige Seele war er. 
Der alte König Koͤhle 
Saß in feiner Höhle 
und rief feine drei Pfeifer daher. 
Der erſte war ein Müller, 
Ein Weber war der zweite 
Der dritte war ein Schneider, 
Sie alle böfe Leute. 
Der erfte ſtahl das Korn, 
Der zweite ſtahl das Garn, 
Der dritte ſtahl das breite Tuch, 
So waren fie alle warm genug. 
Den Müller thaͤt man drauf im Muͤhlenteich erfäufen, 
Der Weber ward am Webſtuhl aufgelnüpft; 
Den Schneider aber thät der Teufel bald ergreifen 
Und war mit ihm und fammt dem breiten Zudy entfchlüpft. 


Auch von dem letzten Gefange gibt es verfchiedene 
Lesarten, bie ber Herausgeber in den Noten aufges 
führt hat. 

Die mitgetheilten Proben werben inzwiſchen hinrei⸗ 
hen, den Reichthum und die Mannichfaltigleit des in 
Rede ſtehenden Zweige der englifhen Volkspoeſie ine 
Licht zu ſtellen, die gewiß auf unfere Theilnahme Ans 
fprüche hat. 





Les colonies frangaises, abolition immediate de Pes- 
clavage, par Victor Schoelcher. Paris 1848. 


Der geiftreiche Berf. diefer Schrift, ber feinen 
an Ort ımd Stelle fiubirt hat, macht kein Hehl daraus, daß 
ee ald Vertheidiger ber Rechte ber Sklaven in die Schranken 
teitt. Ja, wie man ſchon aus dem Titel feines MBuches ficht, 
ift er ein Freund von halben Waßregein, fonbern will Das, 
was er für gut erachtet, mit Energie durchgeſegt wifſſen. Eman⸗ 
eipation bee Gflanen”, fagt er glei am Anfange feiner Gins 
leitung, „iſt unfer erſter Wunſch; Verbeſſerung ber Golonien 
das Zweite, was wir verlangen. Das Eine fobern wir im Mas 
men ber Menſchlichkeit, das Andere im Namen unferer Ratios 
alttät alles Beides im Namen ber Gerechtigkeit.” 


Ginteitung einige Winte in Beyug auf 
die eine orcteherun in ter 


19344 


werben koͤnnte; aber ber Gedanke, welcher alle übrigen in den 


Dintergrund drängt und ben der unermuͤdliche Yublicift zur Aufs 
gabe feines Lebens geſtellt zu haben ſcheint, it die Emancipa⸗ 
tion ber 
An biefer Beziehung fteht ihm namentlich Granier de Gaflagnac 
gegenüber, der ſchon in feiner „Geſchichte der abeligen Claſſen“ 
eine gewiſſe Blutsverfchiebenheit annimmt; neuerdings aber in 
feiner „Voyage aux Antilles” und namentiid) in feinem von ben 
Sotoniften Tubventionirten Journale „Le globe'' bie Rechtloſigkeit 
der Sklaven noch erbitterter verfochten hat. Ganz befonders hat 
ex fich an die Kerfen Schölcher’s geheftet und dies beweift eben, 
baß er in bemfelben einen der unummundenften Streiter für bie 
Sache der Schwarzen fieht. Gr Läßt cd weder an Sophismen 
noch an den gröbften Perſoͤnlichkeiten fehlen, um feinen uner 
ſchrockenen Gegner aus dem Felde zu fchlagen. 

Schoͤlcher beginnt feine neue Schrift damit, daß er die ges 
genwärtige Lage der Neger unterſucht. Gr führt die verſchie⸗ 
denen Phafen ihrer bisherigen Criſtenz an uns vorüber und 
fucht namentlich bie Vorurtheile zu vernichten, welche bie Greos 
len in Bezug auf die Schwarzen hegen. Die Abfchnitte, in be: 
nen ex biefe verſchiedenen Punkte berührt, bilden gewiflermaßen 
den Grund und Boden, auf dem er fein Gebäude ber Sklaven: 
emancipation zu erbauen beabfichtigt.. Das ganze Problem 
ſcheint ihm gelöft, fobalb man ein Mittel gefunden bat, bie 
freie Arbeit zu organifiren, denn, wie Schoͤlcher an verſchiede⸗ 
nen Stellen feines Werks fagt, es ift eine grundfalfche Anficht, 
zu glauben, daß die freie Arbeit, d. h. eine Arbeit, bie nicht 
von Stlavenhänden verrichtet wird, für die tropiſchen Länder 
ein Unbing fei. Den Schlußſtein des ganzen Werks bilbet ein 
„Eassai de lögislation propre & faciliter l’&mancipation en 
masse et spontanee.’ Der Verf. ift weit entfernt, in Dem, 
was er gibt, etwa ein befriebigendeß, volftändiges Geſegbuch 
für die Golonten, in denen mit einem Sclage aus Sklaven 
freie Männer gemacht werben follen, zu ſehen; aber er Tann 
doch nicht verhehlen, daß er „feſtes Bertrauen in bie Mittel und 
Mafregein beat, die er in Worſchlag bringt, um die Colo⸗ 
nien von ben Flecken zu wafchen, bie fie verumreinigen, obne 
aber die Gefenfchaft in Gefahr zu bringen und um ohne Stoͤ⸗ 
zung, ohne, Stockung in den Geſchaͤften oder wenigftens ohne 
Gewaltfamkeiten an bie veräctlide Lage ber Sklaven einen 
glänzenden Zuftand ber Freiheit zu ftellen.” 6. 





Literarifhe Notizen aus England. 


Dr. Thomas Gartwright, Bifhof von Ehefter. 
Die Camden society hat herausgegeben: ‚The diary of 
Dr. Thomas Cartwright, bishop of Chester, commencing 
August 1686 and terminating October 1637. Dr. Gartwright 
war zum Lohn für den Eifer, mit welchem er bie bem Hofe 
wohtgefälligen Doctrinen vom paffiven Gehorſam und Nicht: 
wiberftande ftanbhaft vortvug, von Jakob II. auf die Biſchofsbank 
erhoben worden; ex blieb feinem Herrn auch im Ungluͤck getreu, 
begleitete ihn nach Frankreich in bie Verbannung, nad Irland 
Ins Feld, wo er ftarb und zu Dublin in ber Chriſt⸗Church bes 
graben liegt. Gr war ein guter englifcher Proteflant, denn 
wärend feines Grits hielt er in feiner Wohnung benjenigen 
roteſtanten, bie hören wollten, Vorleſungen über bie engliſche 
Liturgie, und noch auf feinem Zobtenbette in Dublin ſprach er 
feine unuͤberwindliche Abneigung gegen bie roͤmiſche Kirche aus. 
Dennoch ift er wegen feiner Anhaͤnglichkeit an Jakob II. und 
„weit ex mit Katholiken freundlichen Umgang gepflogen, auch 
mit ihnen über veligiöfe und politifche Fragen offen biscuriet”, 
von den Freunden der Revolution und auch nody von ben Gifes 
rern bee fpätesn Zeit hart getabelt werden. Gein 
wit Katholiken nennt fogar ber gegenwärtige „hochehrw ei 
@ecauägeber feines Tagebuchs „unziemlich für einen proteflantis 


Shave. Es ift dies fein oeterum censeo u. f. w. 


ſchen Biſchof““ (unseem!y in a Protestant bishop). Bas Tage⸗ 
buch ſelbſt iſt kaum von irgend einigem ntereffe. Proben 
geiftichen Hochmuths und orthoboren —*z finden ſich ge: 
nug darin. 





Sereneinfperrung. 

Dr. W. C. Taylor las in ber British association für Veförs 
derung der Wiffenfchaft eine Notiz über Behandlung unbemits 
telter Ieren in Irland, deren Material vom Carl von Devon 
geliefert war. Bor 1817 gab es im Lande außer einigen we⸗ 
nigen Zellen in Gefängniffen und Arbeitshäufern keinen Ort, 
wo Wahnfinnige untergebracht werden konnten; nur in gewiſſen 
Segenden, befonders in Kerry, hatte man mit ftillfchiweigender 
Genehmigung der Bauernfchaften abgefonderte Räume, Tolldaͤuſer 
(Madmen’s glens) genannt, eingerichtet. Seit 1817 find Irren⸗ 
anftalten unter obrigkeitlicher Aufficht eingeführt worben; da 
jebo die Anftalten nicht für das Beduͤrfniß zureichten, wurden 
bei einigen ber alten Arbeitshäufer Zellen für Irre beibehalten; 
aͤrztliche Behandlung tft in diefen nicht zu erlangen. Der Verf. 
ſprach ſich ſehr ſcharf gegen die Methode aus, Gemuͤthskranke 
in Arbeitshaͤuſern ober, was noch ſchlimmer iſt, in Gefaͤngniſſen 
einzuſperren. Durch eine Acte, welche in der erſten Seſſion unter 
der gegenwaͤrtigen Regierung durchging, kann die Einſperrung 
eines Menſchen, deſſen Gemuͤthszuſtand bie öffentliche Sicherheit 
bedroht, durch zwei Friedensrichter unter Zuziehung eines Medi⸗ 
cinalbeamten verfuͤgt werden. Dieſe Anordnung ſcheint nun 
eine weitere Ausdehnung erhalten zu haben, als von ben Geſet⸗ 
gebern beabfichtigt fein konnte. Der fechszehnte Bericht der Ge⸗ 
neral s Gefängnißinfpection ergibt, daß 1837 nur 37 Irre in 
irlaͤndiſchen Befängniffen verwahrt wurben; im 3. 1840 dagegen 
war die Zahl derfelben fihon auf 110 gefliegen und gegenwärtig 
bat fie ſogar die Höhe don 240 erreicht. Außerdem befinden ſich 
jegt in 69 Arbeitspäufern ATL Wahnfinnige. 


Montaigne in englifher Überfegung. 

‚ Zuerft 1603 erſchien eine engliſche überſezung des Mon 
taigne; fie war von Florio, der den Prinzen Henry im Italieniſchen 
unterrichtete. Dann folgte 1680 die berühmte Überfegung von 
Charles Sotton. Lord Halifax (der Marquiſe von Halifar war das 
Werk dedicirt) fagte dem Überfeger: „Ich habe wigige Schriften 
bisher für unüderfegliih gehalten und noch jest halte ich von 
biefer Anfiht fo viel feft, daB ich glaube, fie find es für Jeden, 
beffen Seift nicht an den des urſpruͤnglichen Verfaflers reicht. 
Ihre Überfegung gibt die Kraft des Originals fo volllommen 
wieder, daß man verfucht wird, an bie Seelenwanderung zu 
glauben und ficheinzubilden, daB bes Autors Seele, die an Berg: 
hoͤhen gewöhnte, dennoch in das Marſchland berübergelommen fei, 
um uns bafür zu belohnen, daß wie ihr bier in England mehr 
Gerechtigkeit widerfahren Laffen, als ihr das eigene Vaterland ers 
—* wird. Von dieſer allgemein anerkannten überſetzung er⸗ 

ienen neue Ausgaben 1776 und mit Zuziehung ber franzoͤſiſchen 
Ausgabe von Pierre Coſte 1811, worin der Stil vielfältig mo⸗ 
derniſirt und dadurch eines Teils feiner Kraft und Gchönpeit 
beraubt iſt. Um folchen Diängeln abzubelfen, hat Hr. WB. Hazlitt 
eine neue Ausgabe veranflaltet, weiche unter dem Xitel „Ihe 
works of Montaigne‘’ (£ondon 1843) erfhienen it. Montaigne's 
Reifen durch Italien, die Schweiz und Deutſchland find beige: 
fügt, zum erſten Mal Äberfegt von dem Herausgeber, welcher 
auch eine kurze Biographie vorausgeſchickt hat. 


Ranke ins Engliſche überfest. 


n uf überfenu „Ben unb ift eine vollſtaͤndige 
engliſche etzung von W. K. ienen unter dem 
Zitel The Ottoman and Spanish Ai in the 16th 
and 1’Tch cent.“ unb „The history of the Popes in the 
16th and 17th cent.” 4. 


Berantwertiigee Heraudgeber: Heiarich Broddeus. — Drud und Verlag von J. A. Brochaus in Sripgig. 








Stäafter 


Für 


literarifbe Unterhaltung. 





Ein Spaziergang mit Caͤſar's „Commentarien“ in 
ber Taſche. 

Wer bat die Auvergne, jenes an munderbaren Cons 
traften fo reiche und dadurch fo merkwürdige Land durch: 
reift, ohne daß er, nach dem Blide auf die ihre Bewoh⸗ 
nee zum alljährlihen Exile verdbammenden Wüfteneien des 
Gebirges, feine Augen mit Wohlgefallen auf den üppigen 
Fluren der Limagne hätte ruhen Laffen, und wer hat felbfl 
£urze Zeit in jenem durch feine Natur fo anziehenden 
Lande vermeilt, ohne daß fi für ihn an das Wohlge⸗ 
fallen der oberflächlichen Anfchauung Fragen der mannich⸗ 
faltigften Art geknüpft hätten ! 

Die Limagne ift eine in der nördlichen oder hasse 
Auvergne mit einer Breite von 8 und einer Länge 
von 12— 15 Lieues ſich ausbehnende, von den Gebirgen 
des Forez und des Puy=des Düme umgrenzte, mit Schlöf: 
fern, Dörfern und Städten gleihfam befäete, mit Frucht: 
daͤumen, Weinbergen, Kornfeldern bededite Ebene; ſchon 
im 4. Jahrhundert unferer Zeitrechnung fagte Sidonius 
Apollinaris*) von bderfelben, daß fie den Meifenden fein 
Vaterland vergeffen machte, und, nad) Gregoire de Tours 
entriß fie dem König Childebert, als er fie an einem nes 
beligen Tage durchreifte und deshalb nicht gebührend bes 
wundern konnte, Ausdrüde des lebhafteſten VBedauerns. **) 
Diefe herrliche Ebene nun bildet in ihrem mefllichen Theile 
eine in das Gebirge des Puy-de-Doͤme hineintretende 
Bucht, in welder auf einem vollftändig ifolirten Hügel 
ſich amphitheatralifh Clermont, bie alte Dauptfladt der 
Auvergne, exhebt. Nie hat eine finfterere, fchmuzigere, 


winteltgere Stabt im einer lachendern, glänzenbern, reizen⸗ 


dern Umgebung gelegen. An allen Höhen um die Stadt 
feigen Weinberge mit Gartendäufern, Schlöffer mit ſchat⸗ 
tigen Parks, Felder mit wogendem Korn empor, von allen 
Thaltaͤndern fchauen freundtiche Dörfer einladend in das 
Thal herab, das von dem gigantifchen Kegel des Puy⸗de⸗ 
Düme und feiner Kette voneinander abgefonderter Gipfel 
wie von einem mächtigen Hüter und feinen Trabanten 
überragt und gleihfam überwacht wird. 

*) Quod hujns moli est et semel visup advenis, multis 
patriae oblivionem saepe persuadeat. 

*) Dicere enim erat solitus rex, velim ünguam arvernam 
Lemanem, quas tanta jucunditatis gratia refulgere dicitur, 
ecalis cornere. 


Das nördliche Ende des die Stadt Clermont umfafs 
fenden Hufeiſens von Bergen wird durd die Höhen von 
Champ turgues und Les cötes gebilbet, an welchen dee 
befte Wein des Landes unter den Strahlen bee Dorgens 
und Mittagsfonne reift, das fübliche Ende ber Thalbe⸗ 
grenzung um die Stabt lduft in dem eine Stunbe von 
derfelben entfernten Bergrüden und Plateau von Gergos 
via aus; hierhin wandte ich am Tage nach meiner Ans 
kunft in Clermont zunächft meine Schritte. 

Sergovia ift ein Name, in weichem ſelbſt die Trabi⸗ 
tion der Zeit getrogt und dem umliegenden Lande ein ins 
tereffantes hiftorifches Denkmal des Alterthbums erhalten 
bat; denn ber Bauer bdiefee Gegend nennt den Namen 
der Längft von der Erde verfhmundenen Stadt Gergovia 
nicht weniger, als bie „Commentarien“ Caͤſar's ihn ber 
Nachwelt aufbehalten haben; nur fagen uns diefe bis in 
die kleinſten Einzelnheiten und in ber anziehendften Weiſe, 
wie es fam, daß die Strahlen des bis dahin Überall fiegs 
reihen Genies des römifchen Feldherrn bei Gergovia einen 
Augenbli vor dem Kriegsglücde der für ihre Selbſtaͤndig⸗ 
feit ringenden Gallier ſich zu verichleiern fchienen. 

Es mar ein herrlicher Sommermorgen, an welchem 
ich die dunkeln Straßen von Glermont verlich und in bie 
(achenden Umgebungen der Stadt hinaustrat. Mein Weg 
führte mid zunaͤchſt nad dem mit feinen Daͤchern kaum 
über den Stand feiner Rebenhügel hervorſch menden Dorfe 
Beaumont hinauf. Mein Reiſegepaͤck beftand in einem 
Cäfar’s „Commentarien” enthaltenden Duodezbaͤndchen, weis 
ches duch die fleibigen Studien verfchiedener Schüler des 
College royal oder des Petit seminaire feiner ſaͤmmtlichen 
Eden beraubt worden war und welches ich, umter ander 
literariſchen Schäßen, Tags zuvor bei einem Antiquar ers 
flaxden hatte. Es war noch früh und die Sonne hatte 
kaum Belt gehabt, den Thau von den in voller Blüte fies 
henden umd die ganze Gegend mit dem lieblichften Dufte 
esfültenden Weinbergen zu trocknen. Zur Rechten erhobene 
meine Bilde fi) an den fchroffen, mit kurzem Rafen bes 
deckten Flanken des Puy⸗de⸗Dome bis zu den Wolken 
oder fie [chweiften über die ganze Gruppe abenteuerlichſt ges 
flafteter vulkaniſcher Kuppen bin, welche von jenem Haupt⸗ 
berge ber Kette den Namen empfangen haben unb nicht uͤbel 
dee von dem Profeſſor eines Vortrags in der Stercome⸗ 
trig neben dem Katheder aufgefleiten Sammlung von Pys 











1846 ° .or 


ramiden, Kegeln und Kugelabfchnitten gleichen; vor und 
neben mir mwölbten ſich mit Landhäufern und Hütten ges 
ſchmuͤckte Weinberge, links und ruͤckwaͤrts erweiterte ſich 
mit jedem Schritte, den ich aufwärts an einer durch el: 
nen Lavaſtrom gebildeten und durch die Zeit mit Erbe und 
draͤftiger Vegetation bedeckten Erhebung bed Bodens that, 
die Ausfiht auf bie Limagne, auf Glermont mit feiner 
alle Gebäude überragenden folgen Kathedrale und auf die 
in anmuthigen Linien den oͤſtlichen Horizont begrenzende 
blaue Gebirgskette des Forez und auf die näher gelegenen, 
bie Ufer des Allier bezeichnenden Berge; über dies ganze 
Bild aber breitete fich ein Himmel, deffen tiefes Blau an 
Stalien erinnerte. 

Das Buch in meiner Taſche rief mir die Jahre der 
Kindheit zuruͤck, deren Begleiter es geweſen war. Welch 
langer Zeitraum lag zwiſchen ihnen und dem Angenblide 
der Gegenwart! Und doch, wie traten die ernflen, dunkeln 
Räume des Gymnaſiums, die eng zufammengerüdten mit 
ben Erzeugniffen des fhaffenden und vermwüftenden Taſchen⸗ 
mefierd der Schüler, mit Namen und Zerrbildern bedediten 
Tiſche und Bänke der Schuicaffen mir lebhaft wieder vor 
die Seele! Wie oft hatte ich damals, die Wachſamkeit 
des geftvengen Profeſſors täufchend, ber den ad margi- 
nem mit Portraits meinee Schulgenoffen, mit Pferde: 
und Kagenköpfen verzierten Cäfar hinweg febnfüchtig ver: 
ſtohlene Blicke nach dem Fenſter gerichtet, wo, glücklicher 
als ich, die Ranken eines Weinſtocks fidy frei und träge 
in der Sonne fihaukelten, und mit wie andern Empfin: 
dungen war id) jest, nach faſt zwanzig Sahren, zu dem 
damals oft fo herzlich verabfcheuten Buche zurückgekehrt, mit 
weichem Intereſſe verfprady ich mir, den Bericht des td: 
mifchen Helden mit dem Schauplage feiner Thaten zu 
vergleichen und wie beflügelte meine Schritte die Ungebuld 
nach dem Ziele meiner heutigen Wanderung! So wird 
alle Miffenfchaft immer erſt dann recht Lebendig, fo ent 
wickelt fie erft dann ihren ganzen Reiz, ihre ganze Herr: 
ſchaft, wenn fie zu der Welt außerhalb der Studirſtube 
des Gelehrten in Beziehung tritt. 

Ich hatte nach Verlauf einer halben Stunde Beau: 
mont und von da aus in ebenfo kurzer Zeit das in einer 
mit Gebuͤſch, mit Wiefen, Feldern und Weinbergen er: 
fuͤllten Schlucht verborgene Dorf Romagnat erreicht und 
in dem Klange diefes Namens eine erfte Andeutung auf 
ben nahen, durch die roͤmiſchen Waffen claffiich geworde⸗ 
wen Boden gefunden. Hinter Romegnat fand ich am 
Zuße der Höhe, auf welcher die alte galliihe Stadt Ber: 
govia lag, am Fuße eines langen, faft völlig ifolirten 
Bergrücens, welcher in Norden, Oſten und Weiten fleite 
Abfälle und am denfelben einige wenige hier und da her: 
vorbrechende Felſen zeigt, nur im Suͤdweſten durch einen 
weniger fchroffen und weniger hoben Abhang und mittels 
eines ſchmalen Bergruͤckens mit der ſich nach diefer Seite 
hin ausbreitenden Hochebene zufammenhängt und im Suͤ⸗ 
- ben zwar tief, aber weniger jaͤh als auf alien andern 
Seiten nah einem engen Thale abfällt. Die Höhe von 
Gergevia ift trog ihrer bin und wieder bedeutenden Steil⸗ 
heit überall volkommen erſteigbar; ich folgee dem Wege, 





welcher, nachdem man Romagnat paffiet hat, an ber 


Weſtſeite des Berges zu dem darauf befindlichen Plateau 


hinauffuͤhrt. 

Ale Phänomene des Wetters tragen in ber Auvergne 
den Charäkter einer wahrhaft convulſiviſchen SHeftigkeit 
die Stimme des Donners macht dowt die Erde erzittern, der 
Wind wirkt floßweife und mit der Kraft des Orkans und 
der Himmel ſchickt den Regen gewöhnlich in uͤberſchwem⸗ 
menden Strömen auf bie Erde herab; baher find benn 
auch rechts und links von dem Wege, den ich eben be⸗ 
trete, durch den Gervitterregen tiefe Spalten in ben Berg 
gerifien, in welchen bald die horizontalen Schichten des 
duch Anfhwenmung und Niederſchlag entſtandenen Ter⸗ 
rains, bald die den Kern der Höhe von Gergovia, mie 
faft aller Höhen der Auvergne bildenden vulkaniſchen Er: 
jeugniffe zu Tage liegen. Überall fleigen ferner an den 
Abhängen von Gergovia, wie Riſſe oder Adern, lange 
Anhäufungen lofen Gefteins herab, welches ber Fleiß ber 
Bebauer diefes ungerwiffen Bodens auf den moͤglichſt Hei: 
nen Raum zu befchränten geſucht hat; durch die Anle⸗ 
gung von Xerraffen ift jenes erſte Mittel der Urbarma: 


chung vervollftändigt worden und diefe Einrichtungen geben 


dem Berge von Haus aus ein eigenthlumliches Anfehen. 
Anfangs fleigen Weinberge und Obftbäume neben dem 
Manderer nach der Höhe hinauf; bald aber macht dieſe 


Art der Cultur magern Kornfeldern und endlich einer 


dürftigen Rafendede Pag. Auf dem ande des Pix 
teau von Gergovia angelangt, vergißt der Meifende vie: 
leiht im erſten Augenblide den Hauptzweck feines Be 
ſuchs, fo herrlich iſt die Ausficht, Die feiner dort oben 
wartet. Bu feinen Füßen hat er das liebliche Romagnat, 
über das Dorf hinaus die auf einem Eegelförmigen hohen 
Gipfel thronende Ruine von Montrognon, aus allen Faltın 
des vom Puy⸗de-Doͤme nach der Ebene abfallenden Ge 
birgs Fugen maleriſch gelegene und bie dahin verborgen 
gebliebene Dörfer hervor, im Norden tritt Glermont auf 
dem Hintergrunde der Höhen von Champ turgues und 
Les cötes hervor, weiter rechts breitet die Limagne ihren 


Reichthum in unabfehbare Kerne hin, während im Diten 


die Gebirge des Forez, das Flußgebiet des Allier, im Eis 
den ein bunter MWechfel von fonderbar geflalteten vulkani⸗ 
fhen Kuppen, von Ebene und Thal ſich darftellt, und im 
Suͤdweſt die, troß der vorgefchrittenen Jahreszeit, noch 
mit Schneeftreifen durchwebten Gebirgsmaſſen des Mont 
d’or das Panorama fchließen. 

Doc wenden wir nad diefer unwillkuͤrlichen Abſchwei⸗ 
fung unfere Blicke wieder dem Plateau, dem Gegenſtande 
unferer befondern Betrachtung, zu. Daſſelbe dehnt ſich in 
ovaler Form und in einer Länge von mindeftens 2000 
Schritt vom Weften nah Oſten aus und mißt in fein 
Breite oder vom Norden nad Süden ungefähr 900 
Schritt; feine Höhe Über dem umliegenden Xerrain fol 
1050 Fuß betragen. 

Fruͤher war dies Plateau mit fpärlihem Graſe über: 
zogen; feit zwanzig uhren erft ift es dem Anbau eröffnet 
worden; die Befiger diefer Ländereien, die Bauern der ums 
liegenden Ortfchaften, haben natürlich, um den ſchon an ſich 





umbankbırten Boden ber Elke zugaͤnglich gu machen, die 
Waffen von lofem Welten; das bis dahin den ganzen 
Berg bedeckte, zur Geite räumen müfien. So find denn 
über das ganze Plateau von Gergovia bin lange, mauer⸗ 
ähnliche Steinhaufen entſtanden; man iſt verfucht, aus 
der Richtung der legtern, welche fich melft unter rechten 
Winkeln fchneiden, auf die Richtung früherer Straßen zu 
fhließen, denen, ald den natürlichen und bedeutendften Ans 
baufungen der Steine, die ſpaͤtern Befiger des Grund und 
Bodens beim Aufräumen des letztern gefolgt waͤren. Doc) 
widerlegen die Refultate einiger im 3. 1765 angeftellten 
Nachgrabungen die obige Aur auf ben Schein ſich grün- 
dende Annahme; denn Münzen, Fundamente von Gebaͤu⸗ 
den, breite Pflaſterſtrecken, eine Wendeltreppe, die zu eis 
nem Keller binabführte, In diefem Keller ein Brunnen, 
in welchem man noch 12 Fuß tiefes Waſſer fand, Fin: 
geringe mit gefchnittenen Steinen, Hausrath, Waffen von 
Kupfer und von Eifen, alle diefe Gegenflände wurden nur 
am füdöfllihen Ende des Berges aufgefunden und ſtellen 
«8, bei der Armuth der übrigen Theile des Plateau an 
ſolchen Schägen, außer Zweifel, daß die Stadt Gergovia 
nur jenen Theil des Berges einnahm. 

Auf jener Seite der Höhe find überdem bie Steine 
größer und weiſen durch ihre oft regelmäßigen Formen auf 
ihre frühere Verwendung als Baumaterial hin. Einige 
ziemlich breite Wege, welche von Mauern aus lofen Stei: 
nen eingefaßt werden und Über das Plateau in der Rich⸗ 
tung von Norden nah Süden binüberführen, find wol 
auf die fpäteen Generationen vererbte Communicationen 
der. alten Stadt; denn nichts burchfehreitet fo unangefochs 
een die Jahrhunderte, als ein feinem Zwecke entfprechender 
Weg, wenn niche befondere Sründe ihn unterbrüden, oder 
feine Richtung verändern; was für Gründe aber hätten 
jene urſpruͤnglichen Verbindungen über einen unter Truͤm⸗ 
mern begrabenen DBergrüden verändern follen, Verbindun⸗ 
gen, durch welche den Anwohnern auf beiden Seiten des 
Berges eine wuͤnſchenswerthe Erleichterung Ihres Ber 
kehrs erwuchs? 

Aufgefallen iſt es mir, daß man an den zu Tage lie⸗ 
genden Steinen auf dem Borge keine Spuren des Moͤr⸗ 
tels findet. Sollte Gergovia, der Zradition und gefchrie: 
benen Geſchichte zum Trotze, nur ein duch Mauern von 
loſen Steinen befeftigtes Lager gerorfen fein? Oder, follten 
die Wirkungen des Wetters im Laufe von faft zwei Jahr: 
taufenden nicht die Spuren früherer Verwendung zu Bau: 
ten an den Steinen verwifcht haben können? Die Äuße⸗ 
rungen Caͤſar's in feinem Berichte über Gergovia, die Er: 
gebnifie der angeftellten Nachgrabungen und die zahllofen 
Bruchſtuͤcke von Ziegeln und von Hausrath aus gebranntem 
rothen Thon, welche man bei jedem Schritte unter den 
Steinhaufen ‚findet, fprehen für eine dauernde Anfiebelung. 

Mahrfcheintiche Überbleibfel ehemaliger Befeftigung find 
die in faft gerader Linie den ganzen füdlihen und zum 
Theil auch den ſuͤdweſtlichen Rand des Plateau beglei⸗ 
tenden Anhäufungen von Mauerſteinen, ferner ein das 
ſuͤdoͤſtliche Ende des Plateau umgebender fünf bis acht 
Fuß hoher Erdwall, dann eine mit wenigen Unterbrechun⸗ 


‚und öftlihen Seite binlaufende 


nahme erſt einmal auf Menſchen 


gen am Abhange des Berges, iwa 46 — 50 Ka unter 
halb feines obern Randes, auf feiner weſtlichen, fuͤdlichen 
ereaffe, welche, mit eis. 
nee Ringmauer umgeben, ‚eine paflende zweite. Vertheidi⸗ 
gungslinie der Stadt bilden konnte. Sollte dort vlelleicht 
die Mauer geftanden haben, von ber Caͤſar im fiebenten 
Buche und ſechsundvierzigſten Gapitel*) fagt, daß fie etwa. 
auf dee Mitte des Abhangs entlang lief und dem auf 
diefer Seite zwiſchen ihr und der Stade fich ausbreitenden 


‚Lager als Schugmehr biente ? 


Das iſt die heutige Geſtalt des Berges von Gergovla, 
von dem aus wir, mit dem Berichte Cafar’s in der Hand, 
jeder Bewegung des vor der Stadt erfcheinenden. roͤmiſchen 
Heeres folgen können. | 7 

Die Beſchaffenheit des Terrains, d. h. die faſt unzu⸗ 
gaͤngliche Steilheit des Berges auf der Nord:, Oſt⸗- und 
Weſtſeite und die fanftern Abfälle auf feiner Suͤdſeite 
würden allenfalls allein darthun, baf gegen biefe letztere 
der Angriff gerichtet wurde und daß das römifche Heer’ 
in biefer Richtung lagerte; die der Beſchreibung der Be: 
lagerung treu entfprechende Form des Terrain flellt diefe 
Annahme außer Zweifel. 

Segen wir uns denn auf einem der großen Steine 
nieder, welche auf dem füdlichen Rande de6 Berges übers 
einander geworfen liegen und fuchen wir Caͤſar's Schll⸗ 
derung der Creigniffe vor Gergovia dem vor uns ausge⸗ 
bereiteten Schauplage anzupaffen. in doppeltes Intereſſe 
feffett bei dieſer Beihäftigung unfere Aufmerkfamteit, das 
ung mie Wirklichkeit nahe tretende MWiederaufleben jener 
für da8 Leben eines ganzen Volks Hochbedeutenden Bege⸗ 
benheit einestheild, und die Prüfung des großen Heer⸗ 
führer als gewifienbaften Gefchichtfchreibers anderntheils. 

(Dee Beſchluß folgt.) 





Großes und Kleines. 


„Die Stelle, wo ein Liebling der Götter einſt in Begeiſte⸗ 
rung geweilt, iſt uns auf immer heilig, aber welches Schickſal 
vors und nachher .biefelbe Stelle berührte,: ift der Nachwelt 
durchaus gleichgültig.” Diefe Worte, durch welche die Behaup⸗ 
tung gerechtfertigt fein foll, daß wir uns für bie fernen Schich⸗ 
fale der von Goethe begluͤckten und unglädiidy gemachten Fries 


‚berfte Brion nicht intereflices müßten, lefe ich foeben in einer 


ältern Nummer d. Bl. (Ne. 137), welche mir zufällig in bie 
Bände fällt. Ich pflichte dem Deren, weicher bie ‚erwähnten 
Worte geſchrieben hat, darin bei, daß „weder bie Literatur 
noch bie Pfychologie merklich dabei gewinnen, weun wir erfah⸗ 
ren, was aus Prieberife geworden, nachdem Goethe fie verlafe 
fen’, wie ich ihm auch darin beipflichte, daß „bie Bemühungen, 
Spuren Goethes in Irrungen bed Herzens und Jugenderleb⸗ 
niſſen aufzuſuchen, uner quicklich“ feien, obgleich ich dieſen 
Bemähungen beshatb doch nicht ihr. Intereſſe abſprechen mag; 
denn es iſt allerdings ber Mühe werth, den WVerirrungen bes 
Herzens nachzuforfchen, und Niemand gibt uns dazu volllommes 
nere' Gelegenheit ale ber bebeutende Menfch, deſſen Leben, uns 
Alten wichtig, offen bor uns baliegt. If aber umfere Theül⸗ 
worden, von been 
wie allerbings wahridgeiniich nichts wiflen würden, wenn ihnen 
nicht ihre Berührung mit einem bedeutenden Menſchen Bedeu⸗ 


"#) A medio fere colle in longitudinem, ut natura montis 
ferebat, ex grandibus saxis sex pedum murum qui nostro- 
zum impetum tardaret, praoduzmerant Galli. 


tung für uns gaͤbe, ſo iſt es dann unmöglich, daß biefe. Theil⸗ 
nahme da ende, wo bie Berührung Jener mit bem bedeutenden 
Menichen endet. Nicht Leicht wird Jemand „Wahrheit und 
Dichtung‘ leſen, ohne bei ber Geſchichte des Berhältnifies zu 
Zreicherite Goethen zu vergeffen und feine Theilnahme Friede⸗ 
site zuzumwenden. IR ihe aber ft unfere Theilnahme zuger 
menbet, fo wibmen wie ihr biefe nicht mehr um Goethe's wüs 
len, ſondern um ihrer felbft, um ihres Gluͤcks und Unglüds 
widen, um bes menfchlichen Selbſt und menfchlichen Schickſals 
wien, das ſich in ihr uns darſtellt. Es ift uns nicht mehr 
eheiheättig, zu erfahren, was aus ihe geworben, ober — wir 
müßten kein menfchliches Gefühl haben. Es Elingt fehr ſchoͤn, 
ſehr — geiftreich, febr großartig — wie fol ich Tagen? — ſehr 
beroffch, den gewaltigen, großen Menſchen in feinem Gieges: 
wagen ftoly über bie taufenb Kieinen dabinfahren zu Laffen, die 
er fühlios unter. den Rädern feines Wagens zermalmt. Aber 
menſchlich, menſchlich ift es nicht, und in Wahrheit auch nicht 

Denn bie wahre Größe achtet nichts klein. Man barf 
mol anerkennen, daß die Größe Größe bleibt, ungeachtet ber 
Zehler, weiche fie entftellen, wie die Sonne ungeadjtet ihrer 
Flecken Sonne bleibt; aber bie Fehler und Flecken bleiben des 
wegen body au was fie finb, Flecken und Zehler, unb man 
darf fie nidht, wenn man nit umhin kann, fie zu feben, zu 
Schoͤnheiten ftempein wollen. Man darf fig nicht über ben 
Schmerz, den ihr Dafein hervorruft, mit einem Gemeinplag 
binweghelfen, man darf nicht fagen, die Stelle, wo ein Eich: 


ling ber Götter unhellig geweilt, bleibe uns heilig. Wenn bie: 


Siehlinge der Götter fehlen, fo hören fie barum noch nicht auf, 
Das zu fein, was fie finds aber ihre Zehltritte find dach nicht 
das Göttliche an ihnen, nicht Das, worin fie ſich als Lieblinge 
der Bötter zeigen. Nur die wilde Natur hat urfprüglich das 
Recht Kr zerftören und im Zerftören groß zu fein. 
unvernaͤnftige Bits ams ber Wolle herniederfährt, fo trifft er, 
wohin er trifft, und es fällt uns nicht ein, mit ihn harüber 
zu rechten, daß ex flatt etwa eines morfchen, unnügen Baums 
vielleicht einen mit Gefühl und Geiſt begabten Menſchen gefälltz 
wenn ber Sturm das Schiff zertrümmert und taufend lebende, 
denkende Weſen in den Wellen begräbt, fo koͤnnen wir nur uns 
dumpf entfegen und uns beugen vor ber blinden Bewalt. Wenn 
aber der Eroberer, der gewaltige Sieger, das Süd zahllofer 
und Menſ ellfchaften zertxetend, Länder mit Blut 
dungend und die Fruͤchte menichlichen Fleißes und menſchticher 
Kunft mit wilden Feuer verheerend feine Zwecke erreicht, fo 
werben wie, wie ſehr wie feine Größe, bie Übermadht fein 
Geiſtes, die Kraft feines Willens bewundern, uns nicht entha 
ten koͤnnen, ibn zu baflen, und feine Thaten, bie bienbenben 
umb großen, trufliſch ⸗boͤſe Thaten zu nennem. Und doch wirb 
unfer Gefuͤhl auch in dieſem Falle nicht unbedingt berbammen. 
Wir arten nicht auf das Gewimmer der Gterbenden, wir 
fohen wicht ben Sammer der Leidenden an, wir haben nichts 
ver Augen als bie große That und ihre großen Felgen: das 
ungluͤck der Einzelnen wer bie natürliche Bedingung ſolcher 
That. Wenn Krieg und Sieg fein follte, fo mußte Blut flier 
Sen und Werberben wuͤthen; bas Ginzeine verſchwindet in ber 
Groͤße des ganzen Greigniffes. Aber in bem Weſen bes Dichters 
geiſtes liegt dieſes verheerende Element durchaus nicht. Wohnte 
nicht in bem poetifch begabten Menſchen bie tiefere Glut der 
Leihenſchaft, bie heftigere Grreabarkeit, fo kboͤnnte er freilich 
Das nicht fein, was er iſt. Daher find wir geneigter, ihn zu 
entfehuidigen, wenn er in „SIrrungen des $erzens” verfällt, 
aber preifen, mit Liebe und Genuß betrachten, Heilig achten 
tönnen wir, um feiner fonftigen Tugend, feiner Größe willen, 
feine Werirrungen nicht; und nicht einmal überfehen, vor dem 
Auge unfers Geiſteg verſchwinden laſſen können wir bas Weh, 
das er gefliftet, denn es iſt Leine nothwendige Folge feiner 
Groͤße. NRopoteon konnte nicht Rapoleon fein, ohne zu wuͤrgen 


und Maffen Volks zu jeteeten, wie man Gewürm, das nicht 


der Beqchtung werth iſt, unter feinen Fuͤßen zertritt; aber 


‚Mir wuͤhlt 


enn der ‘ 


GSoethe Konnte vollkommen Gagtho fein, alsms Fuickerile von 
Seſenheim um ihren Frieden zu bringen. Ein Menfdenker 
ift nicht eine „Stelle“, die, um heilig zu fein, eines Lieblings 
dee Götter warten müßte, ber, wenn er fie betritt, auch wenn 
ee ſie mit ſchmutigen YAßen beteitt, auch wenn er fie ihrer 
Bierhen beraubt, Be dennoch jenes Vorzugs tbelibaft made: 
ein Wenſchenherz iſt an ſich felöft Heilig. Es iſt dem fühlenden 
Menſchen nicht gleichgültig, was aus einem Menſchenherzen, in 
bas er einmal einen Blick gethan, noch weiter wird. Vielmehr 
it es gleichgültig, wenn eine foldde Blume geknickt if, ob 
Goethe fie geknickt bat, ober ein Geringerer. Das Menſchen⸗ 
berg mit feinen Leiden und Freuden iſt unferer Theilnahme ger 
wiß. Setzet ja nicht die Blumen, die Goethe zerpflüdt hat, 
weil er ein Menfch war und ebenfo fehr ſchwach als ſtark, ſetzet 
biefe nicht als auch geheiligte mit in feinen unverwelklichen 
Kranz. Er ſelbſt würde das nicht bulben, Goethe, ber das 
arme Waldhlümchen „mit allen Wuͤrzlein außgrub und an das 
Gartenhaus verpflanzte”, um es nicht tniden und wellen 
zu machen; Goethe, ber auf bie heroiſche Bemerkung dei 
Mepbiftopheles: „Sie ift die erſte nicht!” feinen Kauft antwors 
ten läßt: „Bund! abfcyeuliches Unthier! ... die erſte nidt!... 
ed Mark und Leben durch, das Glend dieſer einzi⸗ 
gen; du grinſeſt gelaffen über das Schickſal von Tauſenden 
bin! ... Mir ekelt's! — Großer, herrlicher Geiſt, der bu mein 
Herz kennſt und meine Seele, warum an ben Schandgefellen 
—* in, ber fi) am Schaden weidet und am Berderten 
ich legt?’ 

Ich bitte um Verzeihung wegen fo vieler Worte um eine 
Sache, bie fi fo ſehr von ſelbſt verſteht. Aber ich habe, als 
ih die am Cingange angeführten Worte las (die baͤßlichſte 
Entftellung jener Goethe'ſchen, daß die Stätte eingeweiht fei, 
bie ein guter Menſch betrat), der Enträftung, die mich zum 
Reben zwang, nicht widerſtehen koͤnnen, und ich weiß wenig⸗ 
ftens gewiß, daB ich in ber Sache felbft Vielen aus ber Geede 
geſprochen habe. G. Zulius. 





Literarifhe Anzeige 
Schriften von H. Koenig. 


Bon Herrn Friebrich König in Banam habe id mit 
Verlagsrecht übernommen und iſt en Buchhandlungen 
von mir zu beziehen: ' 


William's 
Döchton nad Sradten. 
Ein Roman 
yon 
HH. Rovenig. 

Zwei heile. 

&r. 8. 1839. Geh. 4 Thir. 


Bon $. Boenig exfglenen bereit in meinem Verlage: 
Die Hohe Braut. Gin Roman. Zwei Theite. 8. 183. 
Sch. 4 Thlr. 
Die maidenfer. Ein Roman. Zwei Theile. 8. 18%. 
. r. 
wie ugtebet. Zrauerfpiel in fünf Aufzägen. 8. 1886. 
e “ Te 
Beginn. Gine Herzensgefcichte. Gr. 12. 1843. Geh. 
1 Zr, 6 Nor. 
Eeipzig, im October 1848. 
SB. U. Brockhaus. 


Berantwortligee Yeranögeber: Heintih Brodhaud. — Diud u Merlag von Fi A. Broadband in Leipyie 








Blätter 


fer 


literarifdhe Unterhaltung. 





Mittwoch, 








Ein Spaziergang mit Caͤſar's „Gommentarien” in 
der Taſche. 
(Beſchluß aus Nr. Sl.) 
Waͤhrend Caͤſar in Italien buch die Angelegenheiten 
Roms in Anfpruch genommen worden war, batte ganz 
Gallien ſich auf’ die Stimmen feiner Fuͤrſten erhoben, um 


die römifche Herrſchaft abzuſchuͤtteln; Wereingetorig war 


zum Dberhaupte biefee Schilderhebung ernannt worden. 
Caͤſar hat auf die Kunde von folchen Ereigniſſen fofort 
bie Alpen überfcritten und mehre Städte des im Auf 
ftande begriffenen Landes find, uͤberraſcht durch das uner⸗ 
wartete Erſcheinen bes römifchen Heeres gefallen, no 


ehe bie galifche Armee ihnen hat Hülfe bringen können; ' . 
Vercingetorirx bat ſelbſt Avaricum, das heutige Bourges, a Verfolgung und zu einem Gefechte zu geben. 
eine ber blühmdften, fchönften und volkreichſten Haupt: : 
fläbte des alten Galliens, biefem Schickſale nicht entzie - 


ben Lönnen; er bat ſich mit ſeinem Heere nach Gergovia 


zurüdigezogen und bort verfchanzt. Mit der Belagerung 
diefee Stadt beginnt der entfheibende Kampf, welcher, 
nach der fpätern Einnahme von Aleſia und ber Gefangen: 
nehmung des Bereingetorix, die vollſtaͤndige Unterjochung 
der Salliee nach ſich ziehen fol. Caͤſar war, nach ber 
Einnahme von Avaricum, am Ufer ded Allier hinaufmar⸗ 
fhirend dem gallifchen Desrführer gefolgt; Im der Gegend 
von Gergovia angelangt, findest er ſaͤmmtliche Bruͤcken 
über dem Fluß abgebrochen; ein gefchidtes Mandeuvre, 
durch weiches er die Gallier über die Wahl des Über⸗ 
gangspunktes täufcht, laͤßt ihn dieſes erſte Hinderniß be⸗ 
[sen und wir finden alsbald das roͤmiſche Heer auf 
m linken Ufer bes Alter wieder. 

Wenn wir bier einen Blick auf das ſechsunddreißigſte 
Capitel des fiebenten Buche werfen, leſen wir, daß ber 
roͤmiſche Feldherr vom Aller aus erfi in fünf Lagern oder 
Zagen wech Gergovia gelangte. *) Der Punkt, an mel: 
dem Gäfar über ben Fluß ging, iſt nicht zu ermitteln; 
bob muß man annehmen, daß berfeibe moch fche weit 
unterhalb der heutigen lbergangspunfte ber Umgegend 
von Gergovia lag, wenn nicht anders bie Ruͤckkunft der 
jur Taͤnſchung des Vertingetorix am Fluſſe hinauf ent- 
ſendeten Truppen den roͤmiſchen Feldherrn lange aufhielt; 
denn der Allier iſt in gerader Linie nur zwei Stunden 


*) Caesar ex 00 looo quintis castris Gergeviam pervanit, 





Weges von Gergovla entfernt; das Städtchen Pont⸗bu⸗ 


Chateau ferner, das felt undenklichen Zeiten eine fleinerne 
Brüde befaß, iſt vier und die Beine Stade Maringues, 
ebenfalls «in Hauptuͤbergangspunkt, etwa acht Lieues von 
Bergovia entlegen. 
Ein durch den Gontremarfch der am Aller entfendes 
ten Zruppen berbeigeführter Zeitverluſt ſcheint die natuͤr⸗ 
lichſte Erklärung des durch die Entfernungen fo wenig 
begründeten Verzugs in der Bewegung des roͤmiſchen 
eer6 gegen Gergovia; denn, als Cäfar fpäter von diefer 
tadt aufbrach, flellte er die Bruͤcke Aber ben Aller 
ſchon am britten Tage wieder her, obwol er feinen Marſch 
moͤglichſt langſam ausführte, um bem Feinde Gelegenheit 


kaſſen wir indeſſen diefen ſchwer zu erklaͤrenden Umftand, 
da er den Begenfland unferer befondern Betrachtung nur 
mittelbar berührt, beifeite, und richten wir unfere Blicke auf 
bie enge Thalfchlucht, welche fih zu unfern Süßen, im 
Süden von Gergovia, nach dem Flußgebiete des Aller 
binabwinbet. Hier fällt uns zunaͤchſt ein von Wieſen 
unb Se umgebener Edelhof in die Augen, deſſen 
Name Julia uns, wie ein Erbtheil grauer Vorzeit, eine 
Tradition, bedeutfam anfpricht. 

Doch nehmen wir unfer Buch wieder zur Hand, um 
bier, auf einem mit beftimmten Linien gezeichneten Schau: 
plag, den Kampf zwifchen ben beiden ern aus dem 
Dunkel der Vergangenheit heraufzubefchwören. ' u 

Vercingetorix hatte fein Lager oben auf dem Berge 
von Gergovia aufgefchlagen und an bie Stadt angelehnt, 
auch die mit dieſem Berge in Verbindung flehenden —* 
hen beſetzt, ſodaß ſein Heer in dieſer Stellung einen Ehr⸗ 
furcht gebletenden Anblick dacbot.**) über den Piag, 
welchen das roͤmiſche Lager einnahm, gibt uns Cäfar_ 
feine fo beflimmte Auskunft; wie wiflen nur, daß bie 
Lage des erflern den Galliern zwar geflattete, es einzuſe⸗ 
ben, daß fie aber der Entfernung toegen dennoch nicht 


mit Sicherheit unterfchelden Eonnten, was in demſelben 


*) Buch 7, GSapitel 53. . .”. castra morit. Ne tum gui- 
dem insecutis hostibus, tertio die ad flumen Elaver pontem 
refecit atque exercitum transduxit, 

+) 7, Cap. W. Vercingetorix castris prepe oppi- 
dum ——* sitis atque omnibus ejus jugi —*8* ocen- 
patis qua despici poterat herribilem apeciem praebebat. _ 





1850 


vorging. *) Nichtsdeſtoweniger teilen bie milltairiſche 
Beurtheilung des Terrain und die Vorgänge ber Bela⸗ 
gerung dem roͤmiſchen Lager ziemlich fiher feinen Platz 
an; daffelbe kann nur ſuͤdlich von Gergovia, von woher 
der Angriff gegen die Stadt gerichtet wurde und, nach 
den Srundfägen der Lagerkunſt, nur jenſeit des noch 
heute im Thale hinabfließenden Wache Laufon und zwar 
am Zuße der Gergovia gegenüber befindlichen Höhen des 
Dorfes Creſt und des Pup = bes Monton gelegen haben. 
Münzen, Truͤmmer von Krügen, ſelbſt Reſte von Waf: 
fen, welche. im biefer Richtung nod Immer aufgefunden 
werden, beftätigen diefe Annahme. 

E86 lag im Angeſicht der Stadt und dicht am Fuße 
des Bergs derfelben ein mohlbefefligter und nach allen 
Seiten bin ſcharf abgegrenzter Hügel, berichtet Cäfar. 
Wenn biefen, fährt ex fort, die Unferigen in ihrem Befige 
hatten, fo ſchien es, daß fie dem Feinde einem großen Theil 
feines Waſſer⸗ und Futterbedarfs abfchneiden konnten. “) 

Diefer Högel liegt, durch feine Form noch heute ber 
Beſchreibung Caͤſar's ganz entfprechend, wie ein Bollwerk 
vor den Berg von Gergovia vorgefhoben; auf feinem 
Sipfel fteht ein runder Thurm, den die Bauern nad 
dem Plage auf dem Hügel La tour de la roche blanche 
nennen; doch fol ihm früher auch der Name La tour 
de Julia beigelegt worben fein. 

Gegen den bezeichneten Hügel nun richtete Cäfar in 
ber Stille der Nacht feinen erften Angriff und er hatte 
die gallifche Beſatzung vertrieben, bevor biefelbe noch von 
der Stadt aus hatte unterflügt werden koͤnnen. Zwei 
Regionen ficherten als Beſatzung den von den Römern 
eroberten wichtigen Punkt und ein doppelter Graben von 
13 Fuß Breite, welcher das große und das neue Kleinere 
Lager verband, geftattete felbft einzelnen Soldaten den 
ungefährbeten Verkehr zwifchen beiden. ***) 

Ein Verrath der Äduer ward in der eben unternom: 
menen Belagerung von Gergovla Veranlaffung zu einer 
Epifode, in welcher Caͤſar's Feldherrneigenſchaften größer 
und glänzender als je hervortraten. Bemerken wir in 
Beziehung auf diefen fih von unferer Aufgabe mehr ent: 
fernenden Iwifchenact des vor Gergovia ſich entwidelnden 
Dramas nur, daß Säfar, nachdem er mit dem größten 
Theile der Belagerungstruppen in Eilmaͤrſchen die als 
Feinde anrlidenden Hülfstruppen der Äduer erreicht und 
zum Gehorfam zurüdgeführt hat, eben zur rechten Zelt 
wieder vor Gergovia erfcheint, um feinen durch die Über: 


zahl des Feindes faft erdruͤckten Unterbefehlshaber Fabius 


zu retten. 


*) Buch 7, Gap. 45. Haec procul ex oppido videbantur, 


ut erat a Gergovia despectus in castra; neque tanto spatio 
certi quid esset explorari poterat. 

*#) Erat e regione oppidi collis sub ipsis radicibus montis 
egregie munitaus atque ex omni parte circumcisus. Quem 


si tenerent nostri et aquae magna parte et pabulatione libera 


prohibituri hostes videbantur. 

+) Buch 7, Gap. 36. Fossamgue duplicem duodenum pe- 
dum a majoribus castris ad minora perduxit, ut tuto ab re- 
pentino hostium incursu etiam ingali commeare possent. 


Antereffant iſt es, ein bei Gelegenheit biefes Auf: 
flandes der Äduer von Cäfar ausgefprochenes Urtheil uͤber 
die Gallier auf ben Charakter der heutigen Kranzofen 
vollſtaͤndig annendbar zw finden. 

As die erſte Nachricht vom Wufftande bes Heeret bee 
Übuer im Lande ber Iestera befannt wird — fagt der roͤmiſche 
Feldherr — erwarten fie weiter keine Beftätigung einer fo wid: 
tigen Neuigkeit; theils reißt fie die Begierde ſich zu bereichern, 
theils das Ungeſtuͤm ihres Charakters, theils der Leichtfinn 
fort, welder diefem Volke in fo hohem Grade ei: 
gen iſt, daß es das unverbürgteſteSeruͤcht für eine 
ausgemakhte Wahrheit nimme*) (ut levem auditionem 
habeat pro re comperta). 


Kann man etwas Treffenderes über die jegigen Fran⸗ 
zofen fagen! 

Obgleich die Äduer zum Gehorſam zurückgekehrt wa: 
ten, bielt Caͤſar diefen doch für fo wenig zuverläffig, daf 
er die Belagerung von Gergovia aufzuheben beſchloß. Er 
glaubte aber, zur Erhaltung des guten Geiſtes in feinen 
Truppen und zur Vermeidung aller Misdeutung jenes 
Schritts von Seiten der Gallier der Ausführung eine glän: 
zende Waffenthat vorhergehen laffen zu müffen. 

Weſtlich von der Höhe de la roche blanche, auf dee 
Cäfar, wie oben erwähnt, fein neues Lager eingerichtet 
hatte, befindet fich ein anderer Hügel, welcher bedeutender 
an Umfang und höher als jener iſt; eine ziemlich tiefe 
Schlucht trennt beide und endet oben an bem fchmalm 
Bergrüden, durch welchen Gergovia mit ber Hochebene 
im Welten zuſammenhaͤngt. Caͤſar hatte von feinem 
neuen Lager aus bemerkt, baß jener zweite Vorberg von 
Sergovia, nachdem er während mehrer Tage mit feindli— 
hen Truppen förmlich bedeckt gewefen, plöglich von bie 
fen faſt ganz entbloͤßt war. Durch üÜberlaͤufer und den 
Rapport feinee Patrouillen bört dee roͤmiſche General, 
wie ſehr die Gallier für den Beſitz biefes Punktes fürd 
ten, defien Verluſt fie aller Sreiheit der Bewegung nah 
außen beraubt und durch den Zuſammenhang ber Höhe 
mit dem Plateau von Gergovia Stadt und Lager ſelbſt 
gefährbet haben würde. Solche Gruͤnde hatten Bereinge: 
torix veranlaßt, den betreffenden Punkt moͤglichſt ſchnel 
befeftigen zu laſſen — daher die ſich anfangs darauf 
brängende Menfchenmenge und die fpätere Abnahme ber 
felben nach beendigter Befeftigung (f. Buch 7, Cap. 44 fe.). 
Auf die Kenntniß diefer Umftände baut Caͤſar den Plan 
eines Scheinangeiffs gegen ben von ben Galliern mit ſo 
vieler Beforgniß im Auge behaltenen Huͤgel. Während 
die Gallier nun, in Folge der Bewegung des Feindeé, 
nach dem vermeintlich bedrohten Punkte in Maſſe bir 
firömen und Lager und Stadt von Truppen enibloͤßen, 
brechen die roͤmiſchen Legionen aus dem kleinen Lage 
des Hügels de la roche blanche hervor und flürmen an 
dem Berge von Gergovia gerade zu nad) ber Stadt bin: 
auf. Die Gallier hatten in ber ganzen Länge des Ber 
ges, und zwar auf dee Mitte des Abhanges, aub über: 
einander aufgefchichteten Feloſtuͤcken eine fehe Fuß bed 
Mauer errichtet. (Won derſelben iſt heute keine Sput 
übriggeblieben, wenn nicht anders die den Abhang des 


”) Bud 7, Gap. 43. 


ai 


auf biefee Seite bebdeckenden Truͤmmer bie Reſte 
jener Conſtruction ſind.) 

Im Laufe haben die Roͤmer das oben bezeichnete 
Hinderniß erreicht und überſtiegen; ebenſo ſchnell iſt das 
fi) dahinter ausbreitende Lager genommen und bie Stadt⸗ 
mauer beruͤhrt. Vergebens wird jetzt, da der Zweck des 
Feldherrn erfuͤllt iſt, von dem kleinen Lager aus das 
Zeichen zum Ruͤckzuge gegeben; eine tiefe Schlucht zii: 
ſchen dem Lager und den Stürmenden (offenbar bie, 
weiche wir unter uns zwiſchen dem Dorfe Merdogne und 
dem Hügel de la roche blanche feheh) verhindert bie 
Römer, den Ruf der Tuba zu hören, oder Kampfluſt 
und Trunkenheit des Siegs haben die Disciplin erfchütz 
tert. Miele haben bereits die Stadtmauer erfliegen; aber 
die Gallier find ihres Irrthums gewahr geworben, bie 
Zahl der herbeifenden Vertheidiger waͤchſt mit jedem Aus 
genblide, während bie Römer, ſchon vom Laufe unb 
Kampfe ermattet, ohne Unterflügung bleiben. So wer; 
den denn die in die“ Stabt Eingedrungenen von ber Höhe 
wieder hinabgeftürzt und 700 der Tapferſten büßen ben 
kurzen Triumph mit dem Leben. 

Nachdem Caͤſar noch während dreier Tage den Gal: 
liern Reitertreffen geliefert hatte, brach er fein Lager ab, 
um fich in das Gebiet der Äduer zu begeben, wo feine 
Gegenwart dringend nöthig ward. 

Ich hatte die durch ihre Klarheit und bramatifche Le⸗ 
bendigkeit fo unnachahmliche Schilderung der Ereigniffe vor 
Gergovia, wie diefelbe der römifche Held in feinem Be: 
richte uns vererbt, zu Ende gelefen; ich hatte den Kampf 
der Heere in jede Schlucht, auf jede Höhe des vor mir 
fliegenden Terrain verfolgen innen; ich hatte das Klir⸗ 
ven der Waffen, den Ruf ber Befehlshaber, den Huf⸗ 
flag der Pferde, den Klang ber das Toben der Schlacht 
beherrfchenden Hörner zu hören geglaubt; jetzt ſchloß ich 
mein Buch und der Zauber, der die Gräber zweier Jahr⸗ 
taufende einen Augenblick belebt hatte, wich den Erſchei⸗ 
nungen dee Gegenwart. Da lagen im Sonnenſchein 
blühende, volreiche Dörfer um mid) herum, deren Plab 
damals noch Fein Auge auserfehen hatte; auf den Kup: 
pen, deren dicke Wälder einft die Bewegungen eines Deere 
dem Feinde verbedit hatten, wogten jegt Kornfelder, prang⸗ 
ten Schlöffee und neue Städte, und von allen den Kraͤf⸗ 
ten, Leidenfchaften und Intereſſen, die fich bier einft fo 
mächtig geregt und bekämpft hatten, bleiben als einzige 
Spur nur die ſchwarzen, verworrenenen und formlofen 
Trümmer einer von der Erde verfchwundenen Stadt 
übrig. Und daſſelbe Schiefat, fagte ich mir, wird ſich 
über alle Dem, was ich jest fo räftig und ficher um 
mich entwidelt fehe, erneuern und abermals erneuern. 
D wie klein ift Alles, was uns bier fo groß erfcheint, 
wie wenig einer Thräne oder eines Laͤchelns werth. Ja, 
nirgend fühlt der Menſch fo eindringlich und erfhütternd 
feine Nichtigkeit als unter den Truͤmmern, in welchen 
Welten fih auf Welten häufen, nirgend fühlt er fo 
wie da das Bebürfnig, feinen Blick nad einem Höhern 
zu richten, bad dem Innern heißen Drange nach Fort: 


dauer Erfüllung verfpricht. Und wohl uns, biefer und 


Zeiten bie Welt bededt. 


vergönnte Blick, der unfer ſchoͤnſtes Eigenthum, ber 
ſicherſte Buͤrge unferer ewigen Seele ift, —* kalt 
und ruhig Zeugen der vernichtenden Gewalt des Geſetzes 
der Natur ſein; er macht uns groͤßer und ſtaͤrker um 
die ganze Maſſe der Ruinen, mit denen der Gang der 
W. v. R. 


| 
Literarifhe Notizen aus Frankreich. 


Sapefigues Gharakteriſtit berühmter Diplomaten. 
Eeſer dee „Revue des deux mondes” werden eine Reihe 
eingelner Aufläge aus der fruchtbaren Feder Gapefigue’s bemestt - 
haben, die durch einige Jahrgaͤnge biefer trefflichen Zeitſchritt 
hindurchlaufen. Capefigue gab in denſelben zum Theil recht 
gelungene Portraits und Gharakterifiiten verſchiedener Gtaats« 
männer. Mir erhalten gegenwärtig biefe einzeinen Skizzen in 
einem Werke vereinigt, das den Zitel führt „Les diplomates 
europeens”. Zu den beften Partien rechnen wir Pozzo di Borgo, 
mit bem ber Verf. in häufige Berührung gekommen ift, Riche⸗ 
lieu und Caſtlereagh. Weniger. befriedigt haben uns bie GCha⸗ 
rakteriſtiken Metternich 6 und Hardenberg's, doch mag dies 
Sache eines individuellen Urtheils fein, das wir Niemandem 
aufbringen wollen. Außerdem werben in biefem Werke noch 
Talleyrand, Pasquier, Wellington und Neffelrobe gezeichnet. 
Wir wilfen nicht ‚ weshalb Kapefigue nicht auch Ancillon, dem 
er in einem früheren Jahrgange der „Revue des deux mendes” 
einen recht leſenswerthen Artikel gewidmet hat, hier mit er⸗ 
ihn —— , daß F den Inaen Erzieher des jetzigen 
igs von Preußen mehr als ehrten und Philoſo 
als Diplomaten gelten läßt. ’ Philoſephen denn 


Artiſtinſches. 

Es iſt uns vor kurzem die erſte Lieferung eines großen 
Kunſtwerks zu Geſicht gekommen, auf das wir ung. beeilen 
wollen, aufmerffam zu maden. Wir meinen eine „Galerie 
complete des tableaux des peintres les plus celäbres de 
toutes les epoques’‘. Dieſes großartige Werk fol, wie ber 
Zitel fagt, das Wichtigfte aller Schulen und aller Zeiten ums 
faſſen. Man kann fich einen Begriff von feinem Umfange mas 
Ken, wenn man erfährt, daß allein 1300 Kupfer gegeben werben 
follen, von benen jebes mit erläuternden Notizen und biographi⸗ 
hen Angaben "begleitet fein wird. Für die gute Ausflattung 
bürgt der Name ber Buchhandlung, von der das Unternehmen 
ausgeht. In ber That ſcheint Dibot, nach biefer erften Lieferung 
zu uctheilen, die erften Künftter für bdiefe Arbeit gewonnen zu 
haben. Auch der Zert hat uns, fo viel ſich aus einer flüchtigen 
Durchſicht entnehmen läßt, zweckmaͤßig und genügend geſchie⸗ 
nen. 8. 


Bibliographie. 
Alt, H., Der hriftliche Gultus nach feinen verſchiedenen 
Entmidelungsformen und feinen einzelnen Theilen hiſtoriſch dar⸗ 
eftells. Mit zwei Nachträgen über das chriſtliche Kirchenjahr 
und über den Firchlichen Bauftyl, fowie mit ausführlichen Ins 
baltswerzeichniffen und Regiſtern verfehen. Berlin, G. W. 8. 

Mulkr. Gr. 8. 2 eh 2 Nor. 
uerswalb, X. v., Der Preußifche Huldigungs⸗Landta 

im Jahre 1840. Königsberg, Gebr. Bornträger. — 10 Nor 
Bechflein, L., Shüringen in ber Gegenwart, Gotha, 

Berlags:Somptoir. Gr. 8. Nar. 
Siſchoff⸗Widderſtein, China, ober überſicht der vor⸗ 
zuͤglichſten geographiſchen Punkte und Beſtandtheile des chineſiſchen 
Reichs; nebſt einer kurzen Beſchreibung der Naturerzeugniſſe 
der vorzuͤglichſten Staͤdte und ihrer Merkwuͤrdigkeiten, bed Cha⸗ 
rakters, Gewerbfleißes und Handels, ber Kuͤnſte, Sprache, Wie 
ſenſchaften, Religion und Gebraͤuche des Volks, auch einer kur⸗ 
zen Schilderung der Geſete, der Regierungsverfaſſung und der 


Görifioterpe. 
das Zahr 1844. Herausge 
And. v. U. Knapp. Wit 2 Kupfern 
ter. 81.8. 1 Ihie. 22%, Nor. 
Dombaufleine. Ron einem Bereine deutſcher Dichter 
und Künfller. Als Beitrag zum Ausbau bes Kölner Doms. 
Karlsruhe, Artiftifches Inſtitut. Gr. Ler.d. 4 Thirx. 
Ehret die Frauen. 1844. Mit 12 Stahlſtichen. London, 
Aſher und Comp. Lex.B. 4 Ahlr. 
Grasmus Agricola. Roman in drei Buͤchern. Liegnitz, 
Strempel. 8. 2 Zhlr. 
Erdmann, F. v., Muhammed’s Geburt und Abrahah’s 
. Zer Feier seines 3öjährigen Dienstjubiläums als 
erdentlicher Professor der arabischen und ischen Sprache 
seinen Freunden gewidmet. Berlin, Logier. Gr.8. 10 Ngr. 
-Borfter’s, &., ſaͤmmtliche Schriften. Heransgegeben von 
defien Tochter unb begleitet mit einer. Charakteriſtik Forſter's 
von &. ©. Gervinus. (In 9 Bänden.) Ate Lieferung. (2ter, 
Ster u. ter Band.) Leipzig, Brockhauts. Gr. 8. 3 hir. 
Frauen⸗ Album. Wit Beiträgen von Ph. v. Wet: 
tingh, SH. Livonius, Mary Rubrea, Ida dv. Merkei 
und Janny Tarnow. IfterBanb. Kaffel, Hotop. 8. 1Thir. 


Nor. 

Fäsıll, W., Die wichtigsten Städte am Mittel- und 
Niederrhein im deutschen Gebiet, mit Bezug auf alte und 
neue Werke der Architektur, Sculptur und Malerei charak- 
terisirt. Fortsetzung des Buches: „Zürich und die wich- 
Ugsten Städte am Rhein‘, oder 2ter Band über rheinische 
Kunst, enthaltend Behilderungen von Mainz, Wiesbaden, 
Wrankfert, Coblens, Bonn, Cöin, Aachen und Düsseldorf, 

, Literarisches Comptoir. 8. 2 Thir. 28%, Ner. 

Girardet, Prebigten. Aus deſſen Handfchriftlichem Nachlaſſe 
ansgewählt und mit einer Vorrede biographifchen Inhalts begleitet 
von E. B. Kohlſchuͤtter. Dresden, R. u. W. Kori. Gr. 8. 
1 Str. WO Nor. , 

- Ber, 3. A., Die eiſerne Jungfrau im rothen Spuzme 
e 







Wien, ober das Macheopfer ber geheimen Richter. 
uergefchichte verfloffeneer Jahrhunderte. Mit Stahlſtich. 
Wien, Bauer und Dirnböd. 8. 20 N 


Gruppe, D. F., Garl Friedrich Finkel und der neue 
Derliner Dom. Rebſt Schinkel's Bildniß und einem Grundriß. 
Berlin, E. G. Eüderig. Gr. 8. 1 . 3% . 

Bopp, F., Doctor Fauſt's Hauskaͤppchen, ober: Die 
Herberge im Walde. d e mit Geſang in drei Aufjügen. 
Bien, Wallishauffer. Br. 8. 15 Nor. 

Irving, 8., Biographie ber jungen amertlanifchen Dich⸗ 
Wein Margarethe M. Davidfon. Aus dem Engliſchen. Leipzig, 
VBrockhaus. Gr. 12. 18 Rear. 

Zäger, A., Das Leben des Fuͤrſten von Puͤckler⸗Muskau. 
H dem Mitte des Fuͤrſten. Stuttgart, Metzler. Gr. 3. 

‘ gr. 
rbuch deutſcher MWähnenfpiele. ausgegeben von F. 
* Pr Berlin, Bereins: 


Jenny. en ber Werfeffnin von ‚„Altmenting”. Zweil 
Theile. Leipzig, Brockhaus. Gr. 12. 3 Thlr. 15 Re 

Subilars Album der Univerfität Grlangen. ausge⸗ 
geben von Th. Koch und K. Koͤler. Auch unter dem Titel: 
Mittheilungen aus dem. Stubententeben. Mit 3 Lithographien. 
Erlangen, Bläfing. Wr. 8. 33% A 

Läpplinger, Chriſtiane, Seſchreibungen über bas 
Welen ber Gottheit, der menfhlichen Ratur und der criſtlichen 
Religion. Gewidmet allen chriftlich gefinnten Freunden unferer 
Beit. Zwei Zheile. Heilbronn, Ciaß. 8. 1 Thir. 30 Rear. 
Rohlraufd, 8. , Die deuffche Geſchichte für Schule und 
Haus. Läte verbefferte und ſtark vermehrte Auftage. In brei 
een. Iftes Heft. Leipzig, Friedlein und Hirſch. GEr. 8. 

gr. 


dangenberg E., Das Weſen bes Sages und beſſen 
Theile. Leipzig, O. Wigand. Gr. B. 6 Wer. 

Löffel, H., Wort und Leben. Betrachtungen a bem 
Evangelium St.» Mattpäi. Berlin, Thome, Gr. 12. 1 Thir. MW RRgr. 
‚.. „Maiblumen des jungen inaviens. Aus dem Schwe- 
dischen übersetzt von U. W. Dieterich. Stockholm. Gr. 12, 


gr. 

Norwegiſche Romane und Novellen. Ins Deutfdye über 
tragen von Iulins Babricius. After bie Iter Band ı Pos 
lytarp's ſupplirte Manufcripte oder eine Familiengeſchichte von 
M. 6. Danfen. Drei Theile. Leipzig, Kollmann. Gr. 16. 
3 hir. 20 Nor. 

Sarahaga, ©. v., Vollſtaͤndige Darftellung ber Streits 
ſache zwiſchen Freih. 3. G. v. Ravensburg und Hrn. ME. 
v. Daber, fowie des daraus entſtandenen Duelld bes Erſtern mit 
HOrn. v. Wereflin, wie fie vor Bericht niebergelegt wurbe. Mit 
erläuteenden Documenten. Ate Auflage. Karlsruhe, Madtot. 

r. 8. 7% Ror. 

Das of Limburg, ober bie beiben Befangenen. Luſt⸗ 
fpiel in zwei Aufzügen. Nach dom Franzoͤſiſchen des Hrn. Dar: 
ul er 17h „gearbeitet, 2te Auflage. Wien, Ballishaufler. 

r. 8. gr. 

Schneibawind, 3. 3. A., Der Krieg Öfterreich® ger 

gen Frankreich, beffen Alliirte und ben Rheinbund tm 3. 1809. 


‚ Ober ausführliche Befchichte der Feldzuͤge in Deutſchland, Ita: 


lien, Polen und Holland; der Infurrectionen Tyrois und Bor 

arlbergs; der Aufflände in ber Altmark und in Heſſen und ber 

Züge des Herzogs Wilhelm von Braunſchweig und bes Majors 

B. vg & in 3. 1809. Iter Band. Schaffhaufen, Hurter. 
r. 8. r. 

Schoͤnhuth, O. F. H., Geſchichte Rubolph’s von Habe⸗ 
bunt , Anis. ber Deutichen ‚ —— nad —— — und 
meiſt g eitigen Quellen. Flei⸗ 
ſcher. 1844. Gr. 16. 2 Thlr. 85 

Sähwend, 8, Die Mythologie der aflatifchen Voͤlker, 
ber Ägnpter, Griechen, Römer, Germanenund Slaben. IfterBanb: 
bie anptpologfe per —* fuͤr ae und bie flubirembe 

ugenb. i ographirten Tafeln. ankfurt a. IR 
Sauerländer. Gr. 8. I Sir. 10 Rgr. Geanttur ” 
‚ Softmann, Wilhelmine, Freund und Bruder: ober: 
die Deren von Beauvours. Roman in zwei Bänden. Braun: 
ſchweig, Meyer sen. Gr. 12. 2 Thir. 15 Nor. 

„Suppläments au Peintre- Graveur de 4. Bertsch, re- 
oueillis et publies par R. Weigel. Tome 1. Peintres et 
dessinateurs neerlandais. Leipzig, R. Weigel. Gr. in-12. 
2 Thlr. 20 Neger. 


VielsGaftel, Graf d., Albert von Et. Pouance. Ine 
Deutſche übertragen von Fanny Tarnow. Zwei Zeile. 
kelpug Kollmann. 8. 2 Ahlr. 7% Nor. 

ogt, &., Am Gebirge und auf ben Gletſchern. Solo⸗ 
thurn, Ient und Gaßmann. 8, 1 Zhle. 71, War. 

Wirtd, 5, Der Heliokon und das eftliht ober Das 
mirg: Phänomen von 1849. Wuͤrzburg, Wolgt und Worker. 
@r. 8 12% Nor. 


Berantwortliher Derauögeber: Deinzih Broddaud. — Drud uud Werlag von J. A. Brochaus in Leipzig 


Blätter — 


“für 


literariſche Unterhaltung. 





Donnerstag, 


nn nr aber nn er rung Ga rn en en nn rn a ar m er m 4 m Me RT m no. Ben ann rn 





Über den Urfprung des Theaters in Italien. 

Wenn irgend eine Sefchichte, eine Kunft in Hinſicht 
auf die gänzliche Entfernung derfelben von ihrem ur: 
ſpruͤnglichen Weſen umd ihrer Beſtimmung eine merk; 
würdige genannt werden kann, fo iſt es bie Geſchichte 
der dramatifchen Kunfl. Das Theater hatte feine Wur⸗ 
zel in der Religion, es diente bei den Griechen lange Zeit 
ausfchließlid, der Religion, und war ein weſentlicher Theil 
des Cultus. Dod in dem Maß als fich die dramatifche 
Kunft ausbildete, emtfernte fie fich von ihrer urfpränglii: 
chen Beflimmung, und wenn in der legten und fhönften 
Zeit griechiſcher Culture noch Göttergefchichten auf der 
Bühne dargeftellt wurden, fo geſchah die® nicht fomol 
zum Dienft der Religion, fondern im Gegentheil die Mes 
Ugion diente mit ihrem mannichfaltigen böchft plaſtiſchen 
und dramatifchen. Stoff dem Schaufpiel. Bon den Rd: 
mern, die früher ber dramatiſchen Kunft ganz fremd wa⸗ 
ren, iſt es bekannt, daß fie dieſelbe zuerſt durch den Bots 
tesdienft kennen lernten, indem. fie bei einer Peſt, die 
allen andern weltlichen und geiftlihen Mitteln nicht weis 
chen wollte, zulegt die Hiſtrionen aus Etrurien kommen 
tiefen, um durch ihre Darfielungen den Gottesdienſt zu 
verotelfältigen und dem Zorn der Götter zu befänftigen. 
Auch bei ihnen trat die Bühne nach und nach ganz aus 
ihrer urfpränglichen Bahn heraus, und die Luftfpiele des 
Terenz haben fhon nicht die geringfle Beziehung zum 
Sultus mebe. Die Italiener hatten alfo fhon in ben 
älteften Zeiten Theater gehabt, und waren bierin nebft 
den Griechen Lehrer der Römer geworden. Diefes heid⸗ 
nifche Schaufpiel und Überhaupt der Sinn dafür wurde 
mit der Ausbreitung des Chriſtenthums nad) und nad 
völlig aus der Cultur ausgemerzt, und aus bee Heftigkeit, 
mit welcher die Kirchenväter gegen den Beſuch des Then: 
ters eiferten, läßt fi abnehmen, welchen Einfluß dieſes 
auf die Richtung der Volksbildung gehabt habe. Die 


chriſtliche Cultur mußte alfo von diefer Seite von vorn- 


anfangen, und obgleich fie die vollendeten Muſter ber 
dramatifchen Kunft vor Augen hatte, fo befolgte fie doch, 
eben wegen diefer gänzlichen Lobfagung vom Heidenthüm, 
denfelben langſamen und alfmäligen Gang, den das Theater 
auch bei den Griechen durchgemacht bat. Wie bei diefen 
entwickelte es ſich nad und nach aus den Firchlichen Auf: 
zuͤgen, Proceffionen, man nahm nad) und nach die Mi⸗ 


. weniger Philofophen. 
ren daher nichts Gemachtes, nichts Abfichtliches, zu einem 
Zweck Vorbereitete® oder Verabredetes, fondern der na⸗ 
tuͤrliche und ungezwungene Ausdrud eines allgemeine 
Gefuͤhls, das Alle zugleich erhob und begeifterte, un® 





9. November 1843, 


mik zu Hülfe, und gab lebendige aber ſtumme Gemaͤlb⸗ 


aus ber biblifchen Geſchichte oder aus dem Leben ber 


: Heiligen. So trat diefe Kunſt für eine lange Zeit in 


diefelbe Bahn, und befofgte dieſelbe Beſtimmung wie bei 
den Griechen. Sie gab dem Gottesdienſt eine gewiſſe 
Pracht, befchäftigte die Phantafie, diefem mächtigen Hebel 
des Willens, ungemein durch religiöfe Borftellungen, nährte 
und belebte bie Andacht, und diente als Ausbrud der all⸗ 
gemeinen Sefinnungen bed Dante, der Kreude und Ver⸗ 


eherung gegen einen Heiligen. Es läßt ſich dabei ein ges 
wiſſer Unterfchied zmifchen der alten umb neuen Entwides 
‚lung nicht verfennen. Die Griechen. hatten einen Cul⸗ 
‚tus der Natur, in den jebes Individuum auf gleiche Art 


eingeweiht war. Sinnlichkeit war bie Grundlage und 


das Gefühl der Leiter diefes Cultus; der gelftige Antheik 


blieb ausgefchloffen und wirkte nur in den Geheimnifſen 
Die religioͤſen Darftellungen was 


wie fih aus biefen ſymboliſchen BDarftellungen nad und 


nach das Schaufpiel entwidelte, fo ging auch das ganze 


Volk in feiner Entwidelung mit fort, bie bramatifche 


Kunſt blieb fortwährend allgemeines. Eigenthum, iber . 


Ausbildung war ein Theil der nationalen Ausbilbung, 
und in bdemfelben Zeitpunkt, wo die Tragiker ihre Mei⸗ 
ſterwerke in den Olympiſchen Spielen vorlafen, war auch 
ſelbſt das gemeine Volk an derſelben Stelle feiner hoͤch⸗ 
ſten Cultur angelangt und konnte in dem: poetiſchen 
Wettſtreit zu Gericht ſitzen. Das Chriſtenthum war dage⸗ 
gen ein rein geiſtiger Cultus, der alle Vorſtellung und 
Thaͤtigkeit in das höhere Gebiet der Abfktactionen hinauf⸗ 
309; feine Dogmen, in die nur wenige Gelehrte einges 
weiht waren, entfernten es ganz von dem Volk, deſſen 
finnlichee Natur man doch zuletzt durch eben jene allego⸗ 
sifhe Datſtellungen die Kehrfäge nur fehr unvollſtaͤndig 
beibringen konnte. Diefe finntihen Anfhauungen muß⸗ 
ten bald misverftanden werben, da bee Schlüſſel dazu 
nur einer geringen. Elaſſe gehörte, die noch dazu, durch 
unreine Nebenabfichten verleitet, mit unbebingter Macht 
die Wolfsbifdung nieberbielt. Als daher ber Zeitpunkt 
gelommen war, wo nach dem nathriihen Bang, den bie 





1254 


griechifche Kunſt befolgte, das Schaufpiel ſich durch jene 
Darftelungen entwideln follte, fand es fi, daß bie 
gleichmäßige Höhe nationaler Bildung, jenes weite Geld 
einer allgemeinen Denk: und Gefuͤhlsweiſe, eines gemein⸗ 
ſchaftlichen Sehnens und Strebens, worin allein ein 
Genie aufleimen und fih zum Schaffen zeitgemäßer na: 
tionaler Werke begeiftern und nähren kann, gaͤnzlich fehlte. 
Das Volk ergögte fih an Poffen und an Darflellungen, 
die durch ihre Beilage, duch Pomp und frembartige 
Zwecke ganz ihre urſpruͤngliche religiöfe Natur verloren 
hatten, und bie Gebildeten waren ganz aus ihrer Zeit 
und Sphäre geruͤckt, und Bammerten ſich aͤngſtlich an 
die Alten, oder brachten, wenn fie original waren, ganz 
wunbderliche Werke hervor, woran weder ihre Zeit noch 
ihr Volk zu erkennen war. \ 


Tiraboschi gibt fich eine ganz unnoͤthige Mühe, um, 


genau zu ermitteln, wann das regelmäßige Schaufpiel 
feinen eigentlichen Anfang genommen hat. Es entitand 
eben nach und nad aus den Dialogen ber allegorifchen 
Aufzüge, in fo unmerklichen Abftufungen, und bie reli⸗ 
gioͤſen Darfellungen dauern dabei immer noch fort, daß 
kein eigentlihes Merkmal die Abgrenzung beider genau 
beſtimmt. Der Geſchmack an Aufzlgen war durch den 
pomphaften, Cultus immer wach gehalten; leichter Sinn, 
Meichthum und Lurus hatten bdiefen Geſchmack immer 
mehr befördert, und viele heitere, ſelbſt ausgelaffene reli⸗ 
giöfe Hefte entweder noch von den Römern angenommen 
oder hinzugefügt, wie das Garneval, eine italienifhe Er: 
findung, das Nareenfefl, von bdeffen Feier in Konſtanti⸗ 
nopel die Nachrichten bis ins 10. Jahrhundert hinauf: 
zeichen, das Eſelsfeſt, das Feſt der Unfchuldigen u. ſ. w. 
Als aus dem Chaos ber Völkerwanderung fich eine regel: 
möäßigere Politik gebildet hatte, und eine gewilfe Ruhe 
und Ordnung in das gefellfchaftliche Leben gekommen 
war, erwachte ganz befonder6 dieſer Geſchmack an Aufzuͤ⸗ 
gen, und die Kirche, weiche fi) damals jeder Richtung 
bemächtigte, führte diefelden in den großen Proceffionen 
an den Sefttagen der Heiligen ein. Diefe Aufzüge bei 
den großen Proceffionen waren zuerft blos flumme mimi⸗ 
ſche Darftellungen aus dem Leben der Deiligen, und fie 
haben fich als ſolche lange erhalten, ſelbſt als die Blüte 
des italienifchen Theaters längft vorüber war. So bes 
ſchreibt Riccoboni (‚‚Reflexions sur les differents theätres 
de l’Europe”, S. 73) eine ſolche Procefjion, bie er am 
Frohnleichnamsfeſte in Genua aufführen ſah. An ver 
ſchiedenen Pläpen der Stadt waren in den Straßen, 
duch welche der Bug ging, Theater aufgebaut, in wels 
hen in dem Moment des Vorbeiziehens von Prieftern 
oder Schuͤlern oder andern Perfonen eine Scene aus dem 
Alten oder Neuen Teftament aufgeführt wurde. Auf 
einem von ben Fiſchern errichteten Theater zeigte ſich das 
Meer; Chriftus befahl duch Mimen den Apofteln ihre 
Tepe auszumwerfen, und in dem Augenblid, als das Sa⸗ 
crament vorbeigetragen wucbe, zogen die Apoſtel ihre 
Netze heraus, die mit einer Menge vorher in das Meer 
geioorfener Fiſche angefllit waren. Riccoboni führt noch 
äbnliche mimiſche Darflelungen an. 


Bei diefen Aufzuͤgen konnte der Lebendige Geiſt ber 
Italiener leicht auf den Gedanken kommen, den allegori= 
fen Figuren audy Dialoge zu geben, die ſich zuletzt zu 
einem abgerundeten Ganzen zufammen reihten. Wenn 
man bie Proceffionen, die die Leidensgefchichte Chriſti 
vorftelen, in ihrer langen Folge von Bildern mit einem 
Epos vergleihen könnte, fo lag die Idee ſehr nahe, ih⸗ 
nen in der Form des Drama mehr Anfchaulichleit und 
fomit mehr nachdrüdtichere Wirkung zu geben. So ent: 
fanden, abgeſondert von ben Proceffionen, die dramati⸗ 
fhen Darftellungen verfchledener Gegenflände aus der 
biblifchen Gefhichte und den Legenden, welche man im 
Allgemeinen Myſterien nannte. Dan fcheint die Sache 
anfangs ſehr ernfl genommen und als gutes Mittel ber 
Belehrung für das gemeine Volk betrachtet zu haben, 
dem darin von feinem Chriſtenthum fo viel beigebradyt 
wurde, als ihm zu faſſen erlaubt war. Daher wurben 
fie von den Prieftern, Minden ober Pilgrimen in Kir: 
hen oder auf Kirchhöfen aufgeführt, und zwar in lateis 
nifcher Sprache, die man damals zu allen Werken ges 
brauchte, die ein aufrichtiger Ernft ins Leben gerufen hatte. 
Die Gegenftände der Darftellung waren fehr verfchieben, 
und nad ihnen erhielten auch bie ‚Darftellungen ſelbſt 
verfchiedene Namen. Die Myſterien aus dem Alten 
Teflament hießen Figure, die aus dem Neuen Vangeli, 
bie Slaubensartilel wurden mit dem allgemeinen Namen 
Misteri benannt, einzelne Thaten aus dem Leben der 
Heiligen wurden in Esempü, ihr ganzes Leben aber in 
Istorie oder Commedie spirituali vorgeftellt. Doch kom: 
men alle diefe Benennungen nicht auf den Titeln, fondern 
erft im Lauf des Sthds vor, und vorn ſteht nur der 
allgemeine Name Rappresentazione. 

In der Zeit, da fich die italienifche Sprache geltend 
machte, und folglidh der Nationalcharakter felbfländiger 
bervortrat mit feiner Leichtfertigkeit und Oberflächlichkeit, 
konnte der bloße Ernſt nicht mehr der einzige Volkslehrer 
fein. Das Latein flüchtete fi in die gelehrten Gefell- 
fhaften, und die vulgäre Sprache, bie fih in dem Ideen⸗ 
Preis ber Provencalen gebildet hatte, diente einer niedri⸗ 
gen Sphäre biefer dramatifchen Kunfl. Die Myſterien 
erhielten neben ihrer frühern ernfien Beflimmung nun 
auch den Namen und Charakter von Farcen, worin be: 
fonder6 die Beluſtigung des Volks bezwedit wurde. Zwi⸗ 
fhen den Geſpraͤchen fchaltete man Geſaͤnge ein, und bes 
fonder6 erhielt der Teufel die Rolle des Poffenreißers. 
Diefer Hang zum Poflenhaften trat fpaier immer mehr 
hervor, und machte ſich neben der heiligen Tendenz fo ſehr 
geltend, daß man nicht nur nad) der ernften Darfielung zue 
Abfpannung bes gefleigerten Gefuͤhls eine Poffe zum beften 
gab, fondern auch In den Myfterien felbft das Trivialſte 
mit dem Heiligen ohne Sinn und Geſchmack vermiſchte. 
Einige ſolche burleske Farcen von Pietro Antonio Garacs 
ciolo, welche in Neapel zur Zeit des Könige Ferdinand L 
aufgeführte wurden, bat Napoli Signorelli befchrieben 
(„Vicende della coltura nelle Due Sicilie”, Th. 2, 8.364). 

(Die Bortfetung felgt.) 


1285 


Leben und Sterben. Mittheilungen aus dem Tagebuche 


eines Geiftlichen. Herausgegeben von Ambrofius. 
Erſtes Baͤndchen. 1839. Zweites Bändchen. Heraus: 
gegeben von C. A. Wildenhahn. Leipzig, Gebhurd 
und Reisiand. 1843. 8. 1 Xhle. 7'% Nyr. 


„Rachfolgende Blätter enthalten Erlebniſſe aus dem ſpe⸗ 
ciellern Wirken eines Landgeiſtlichen!“ verfichert der unbefannte 
Herausgeber des erften Baͤndchens in ber kurzen Borrede. Diefe 
Griebniffe find einfach, wie fie im Tagebuche des wadern Pfars 
rers niedergefchrieben worben, mitgetheilt, und werden nicht 
blos jungen Geiſtlichen, fondern auch andern Belehrung und 
Grbauung fuchenden Gemäthern eine fruchtbare Unterhaltung 
gewähren. Bier genügt eine kurze Anbeutung des Inhalts. 

Die 17 Abſchnitte des erften Bändchens find von fehr uns 
gleihem Gehalt. 1) Zreubigkeit im Zode. Gin junges Weib, 
eine gluͤckliche Gattin flirbt mit bewundernswuͤrdiger Freudig⸗ 
keit, an der die Sehnſucht nach ihrem vorangegangenen einzi⸗ 
gen Kinde nicht geringen Antheil hat. 2) Das gebrochene Herz. 
Eine Witwe, von ihrem Verfuͤhrer ſchmerzlich getäufcht, flirbt 
im bitterften Elend, aber Gott eraeben. 3) Was muß ein 
Mutterherz tragen! Gine Mutter verliert in Cinem Jahre ihre 
drei Kinder. Iſt doch nicht das Schwerſte, wad manches 
Mutterherz zu tragen hat! 4) Die zu fpäte Huͤlfe. Parabel 
mit überflüffigee Deutung. 5) Das Geſtaͤndniß. Eine Ster: 
bende kämpft mit Gewiffensangft, flirbt aber, ohne dem Beicht⸗ 
vater das Verbrechen, deſſen fie verbächtig geworben, zu beken⸗ 
nen. 6) Das Geiſterſchiff. Phantafie eines Träumers. 7) Die 
Mahnung zur Ruͤckkehr. Ein Trunkenbold wird durch eine 
Parabel, welche der Geelforger ihm ans Herz legt, zur Sin⸗ 
nesänderung bewogen, flirbt aber, bevor er biefe auf die Dauer 
bewähren Tann. 8) Die 16jährige Mutter. Das arme betros 
gene Mädchen ſtirbt, ohne ihren Berführer zu nennen, weil fie 
feinen Namen zu verfchweigen gelobt hat. 9) Die koͤſtliche Perle. 
Eine ‚Reflerion — unbedeutend. 10) Der Traum. Bon dem 
Zräumer des Geiſterſchiffs, mit Betrachtungen über Träume. 
11) Die Rache. Einer der intereffanteften Abfchnitte. Ein uns 
vorfichtiges Wort eines Pfarrers hat einen boshaften Menſchen 
zu unverföhnticher Rache gereizt; er verführt erft die jüngern, 
dann die Altern Glieder der Gemeinde zur Verachtung des Pfar⸗ 
rers, Vernachlaͤſſigung des Gottesdienites, zu Unglauben und 
Sittenlofigkeit. Der ungluͤckliche Pfarrer muß weichen. Der 
liebreihen Milde und NBeisheit feines Nachfolgers gelingt es 
— auffallend ſchnell — die Berführten auf den rechten Weg 
zurüdzufäbren. 12) Liebe im Tode. Zwei Sreundinnen flerben 
bald nacheinander, als eben zwei junge wadere Männer um 
ihre Liebe ſich bewarben. - 13) Die Werke bes wahren Glau: 
bens. Ein fonft waderer Mann trübt feine glüdtiche Ehe durch 
grundlofe Eiferſucht und verfinkt dann in pietiſtiſche Thorheit, 
in der, wie feine Che, fo fein Lebensgluͤck völlig zerrüttet wird. 
Die beigefügten Bemerkungen ermangeln der nöthigen Klarbeit. 
Der Verf. meint: „Der Pietiemus und noch mehr der Myſti⸗ 
cismus, der ſich eines befondern Vorzugs vor andern Menſchen 
rühmt, zerreißt das Band ber allgemeinen Menfchentiebe, fchließt 
fi) von ihrer Gemeinfchaft aus und nennt fich Lieblinge, Guͤnſt⸗ 
iinge Gottes.” Abgelehen von ber Gonfufion in der Bildung 
dieſes Satzes ſcheint der Begriff des Myſticismus noch confufer 
zu fein. 14) Die Hochzeit bed Armen. Gin armes Weib ehe⸗ 
licht einen drmern, durch bas Herabfallen von einer bebeutenden 
Höhe Tindifch geworbenen Mann, dem fie ihre erfte Liebe treu 
bewabrte. 15) Die Glieder der Ärgerniß. Auslegung ber Worte: 
„So beine Hand oder dein Fuß dich Argert u. f. w.” 16) Die 
Weihe zum Zobe. Gin junger Mann empfängt in unheilbarer 
Krankheit, bei ſcheinbarer Bereitſchaft zum Sterben, das heil. 
Abendmahl und Flammert fi) dann an bie wiedererwachte Liebe 
zum Leben fo krampfhaft an, daß er, jeden Gedanken des Los 
des verbannenk, ben Arzt am Bette feſthaltend, drei Tage feis 
nen Iehten Kampf verlängert. IT) Die Engelwache, Geſpraͤch. 


Das zweite Vaͤndchen, von bem ſchon durch andere Schrif⸗ 
ten vortheilbaft befannten Herrn P. Wildenhahn, iſt eigents 
lich nur in den zwei erflen Abfchnitten eine Kortfegung bes er» 
fien. Dr. W. berichtet in der Vorrede, daß er durch ben Hrn. 
Verleger zu diefer Arbeit veranlagt mworben fei, daß er, was 
man an des Ambrofius Sammlung getabelt, infonberheit bie 
allzu große Kürze der Erzählungen, nach Kräften zu verbeffern 
gefucht, und daß biefe Mittheilungen keineswegs ein Beitrag 
zur Paftoratkiugheit fein follten. „Dazu find die Worfälle feibft 
zu unbedeutend, und das Benehmen des Seelſorgers babei ift 
vielleicht nicht immer das richtige.” Seltene Befcheidenheit 
eines Schriftftelere! Was theilt ee mit aus feinem Vorrath? 
1) Die Angſt ums Brot. Ein armer, aber boch nicht ganz 
dürftiger Dann, ber in feinen Verhaͤltniſſen bei Erdftiger Ge⸗ 
fundheit, unterflügt von einer thätigen und ordentlichen Haus⸗ 
frau, an dem Unentbehrlicäften keinen Mangel litt und zufrieden 
mit feinem Looſe leben Sonnte, gab ſich der aͤngſtlichen Sorge 
um das tägliche Brot fo Eleinmüthig hin, daß er gelähmt unb 
wahnfinnig ward, bis ein früher Tod ihn aus allem Sammer 
eruöfte. 2) Die doppelte Hülfe. Gin talentvoller und gebilde⸗ 
ter junger Mann ließ fich durdy grengenlofen Leichtfinn, ber feine 
Amteentfegung herbeiführte, zu mancherlei Betrügereien verleis 
ten und wird durch die freundliche Aufnahme und Hülfe, die 
er bei einem wuͤrdigen Landpfarrer findet, zu einer gründlichen 
Sinnesänderung bervogen, kurz zuvor, ehe feine Berbrechen ent» 
deckt und mit der wohlverdienten Zuchthausſtrafe vergolten were 
den. Nach feiner Entlaffung fegdrt er dem wohlthaͤtigen Pfar⸗ 
rer mit dem empfangenen kleinen Darlehn die Bekenntniffe ſei⸗ 
ner Verirrungen und feiner Belehrung, und ſchifft fi dann 
nad Amerifa ein, um dort ein neues Reben zu beginnen. Die 
Erzählung ift anziehend, und bie eingewebten Geſpraͤche unb 
Reflerionen find meift treffend. 3) Die Weihe zum Prebiger. 
Iſt laut ber Vorerinnerung (wie das Nachfolgende) eine Zugabe 
von dem Herausgeber biefes Buchs feibft und ruht mit feinem 
gefchichtlichen Grunde auf dem eigenen Beuaniffe bes Mannes 
(naͤmlich des chrmürdigen P. 3. Spener), ſowie auf dem Zeugs 
niffe aller über ihn erfchienenen Schriften. Es fol „durch weis 
tere Ausführung dieſes Zuges aus der Kindheit die ungewoͤhn⸗ 
liche Wirkfamteit des Mannes verftändlicdyer werben”. Und bas 
zu ift allerdings dieſe Mittheilung einigermaßen geeignet, wies 
wol der Herausgeber don dem Eigenen etwas zu viel hinzuges 
than und bie geſchichtliche Thatſache zu romanhaft ausgefponnen 
hat. War Spener au früh reif und zeitig auf das Cine, 
was North ift, gerichtet, fo Tpricht der zwölfjäprige Knabe dech 
faft zu altklug. Die Geftalten, die fi um ihn gruppiren, find 
anziehend und anſchaulich bargeftellt und das Ganze gewährt 
eine recht erbauliche Unterhaltung. 


Diie „Achrentefe aus des Herrn Wort” enthält fieben ſinn⸗ 
reiche, anſprechende Betradytungen über biblifche Worte. Sie 
-entiprechen allerdings dem Titel „Leben und Gterben”, ber 
weitfchidhtig genug ift, um alles Moͤgliche darunter zu fubfus 
miren, aber „Ertebnifle”, wie bie Vorrede verſprach, find fie 
nicht, wenigſtens nur innerliche. Cie füllen jedoch ihren Plag 
würdig aus und verdienen es fehr, mit Aufmerkſamkeit gelefen 
zu werben; fie find lehrreich und erbaulih, zum Theil vecht 
aus der Tiefe hriftiicher Erkenntniß geſchoͤpft. Es ift wol eis 
nige Spreu unter dem guten Weizen zu finden, aber des letz⸗ 
tern ift weit mehr und fo viel, daß jene vielleicht nur von eis 
nem tritifhen Auge, das von Amtswegen danach umfchaut, 
entdeckt wird, ohne die gerechte Anerkennung der löblichen Babe 
zu hindern. Der Verf. ſteht ziemlich, faft auf feftem Grunde, 
und bat aus feinem guten Schatze von Einſicht, Kenntniß bes 
Menſchenherzens und Erfahrung, Altes und Neues mit vers 
fländiger Auswahl, in entfprecdhendem anftändigen Gewande mits 
getbeilt. Und fo dürfen wir beide Bändchen, vornehmlich bas 
zweite, zur Grbauung empfänglicher Semüther aus Überzeugung 
empfeblen. 8l. 





Nordamerikaniſche Miscellen. 


(Kubzöge aus den Öffentlihen Blättern ber Wereinigten Staaten 
‚vom Jahre 1842.) 
Die Deutſchen in Amerika. 

In einem Artikel eines Deusfchen, den bie beutfchen Zei⸗ 
tungen in Philabelphia im Monat Mai mittheilten, waren Er⸗ 
mabnungen an die Bürger beutfcher Abkunft enthalten. „Es ift 
allerdings erfreulich”, wird in demielben bemerft, „daß In neus 
erer Zeit dad Streben, bie Zuflände bes deutſchen Vaterlandes 
in ihrem Fortgange dem hieſigen deutſchen Publicum zeitweiſe 
darzuftellen, von mehren Seiten erfichtlich wird. Die in Phi⸗ 
lodelphia von Deutichen gehaltenen dffentiichen Vorträge bes 
@unden dies. Das Gerdienſt folder Unternehmungen befteht 
nicht allein in ber Befriedigung des Intereſſe, das denn doch 
die meiften Deutichen in Amerita nod an ihrem alten Vaters 
Iande nehmen, fondern fie können auch dazu bienen, Intelligen 
und höhere Bildung zu befördern. Hauptgrundſat muß jedo 
dabei, foll befonder das Legtere dadurch erreicht werben, getreue 
Darftellung ber Ereigniffe ohne Phantaſieſchmuck, und unpars 
teiifche Würdigung, fomit Ausfhluß aller unftätigen Anfichten 
fein. Deutfchtand ſteht in intellectuellee Hinſicht jegt auf einer 
Stufe, deren Bröße nicht würdigen zu koͤnnen nur ber craffeften 
Jgnoranz gelingen Tann. Wer befonders in ber neueften Zeit 
die geiftigen Kortfchritte dort beobachtete und das gemeinfame 
Streben ber Ehelften und Würbigften diefes Landes, die Jahre 
des Friedens durch Gefittung und Bildung h einem emigen 
Dentmate des Gieged ber gefftigen Kraft über die rohe zu 
flempein, kennen zu lernen Gelegenheit hatte, ber wird gern 
zugeben, baß Deutfchtand in biefer Beziehung vielen andern 
Staaten ald Mufter vorleuchten Tann, wenn ed auch noch nicht 
ein Staat iſt. &o geht Deutſchland ruhig unter dem Olzweige 
des Friedens einer neuen Periode mit Sicherheit entgegen, einem 
Ziele, dem wuͤnſchenswertheſten, indem es durch die Bermehrung 
feiner intellectuellen Kräfte ſich vorbereitet, nicht nur, wenn der 
wichtige Zeitpunkt gelommen, ben Namen eines freien Volks zu 
führen, fondern auch geiftig ſtark genug zu fein, ihn glorreich 

ebaupten zu innen! Diefe Anſicht widerſtreitet freilich ber 

dicher, welche fi) bemühen, das jegige Deutichland als ein 
unmündiges Kind barzuftellen, ihm wol gar Krebsſcheeren ans 
hängen und dort ein retrogrades Leben erbliden. Aber nicht 
immer beftebt das Gluͤck der Reformen, huldigen fie aud) den 
beften Principien, in ihrer gewaltfamen Ausführung, und daß, 
wenn audp edle euer einer enthufiaftifchen Jugend für bie 
gute Sache erreicht das Biel oft nicht fo bald wie das bedacht⸗ 
fame und planvolle Handeln des reifern Alters. Jedes augen 
blitihe Unternehmen, Deutſchland zu einer Republik conftituiren 
zu wollen, würde für baffelbe nur das Grab biefer beflen und 
naturgemäßeften Verfaſſung fein. 


in Deutſchland beftrebt fein, erft geiftige Muͤndigkeit in der 
vollen Bedeutung bes Worts für einen neuen Zuſtand der Dinge 
bervorzurufen. Ich kann mich nicht enthalten, diefe Bemer⸗ 
ungen zugleich mit einer Ermahnung an bie jet in Amerika 
anfäffigen Deutſchen zu begleiten, naͤmlich ber, daß fie über bie 
mehr oder minder ihnen doch entfremdeten Zuftände in der alten 
Melt die eigenen In ihrem neuen Vaterlande nicht vergeffen und 
vernadhläffigen mögen! Zu dem Lande, das und geboren, zieht 
und noch die Sympathie, die holbe Erinnerung, die Jedem eigen 
bleibt an den Drt, ber die erſten @inbräde in ihm hervor 
gerufen. Die Zeit, die die trüben Bilder gern aus dem Ge⸗ 
dachtniffe der Menſchen verwifcht, hat in manchen Deutſchen, 
die aid Werfolgte den Boden ber neuen Welt betraten, wol nur 
die Erinnerung an die heitern in ihrem Geburtsiande verlebten 
Stunden noch zurüdgelaffen, und gern vernehmen fie noch Kunde 
von dort, ein natürliches, theiinehmendes Gefühl zu befriedigen. 
Inſofern möchte das Intereffe für ihr deutfches Vaterland bei 
den meiften Deutfchen in den KBereinigten Gtaaten noch rege 
fein, ſeibſt bei denen unter ihnen, weichen auch jenfeit des Dceans 


Geiftige Reife ift die einzige” 
ſichere Grundlage der Freiheit und vor Allem muß man baper |: 





noch eine gewiffe Witterleit gegen ihr voriges Vaterland eigen 
geblieben. Dieſes Intexeffe iſt gleichwol für bie Mehrheit nur 
ein allgemeines; ein viel näher liegendes, ja ein dringenderes 
follte für die Deutfchen in Amerika das ihrer Gtellung im 
neuen Baterlanbe fein. 
£ens, hier wollen ‚wir bie Fruͤchte unfers Thuns ernten und die 
Art und Weife, wie wir Hier wuͤrdig baftehe 
größerm Intereile, follte e6 wenigftens 
die Zuftände eines Landes, bie aus fo weiter Ferne mehr oder 
minder genau und richtig beurtheilen zu koͤnnen oft ſehr ſchwierig 
if. Gin weit verbienflvolleres Unternehmen, ja ein dringend 
zu wuͤnſchendes wäre e&, unter allen Deutfchen in Amerika der 
Sinn für das politifche Leben ihres neuen Vaterlandes zu bes 
leben, fie anzufeuern, die Inſtitutionen diefes Bandes genau 
Eennen zu lernen, damit fiz eine gleich Eräftige Stimme mit 
Yen Gingebosenen in den politiſchen Angelegenheiten erlangen 
und ihr Einfluß fi in allen den Dingen vermehre, bei denen 
es fi um ibe Wohl fo gut handelt wie um bas Andere. 
Warum halten die Deutfchen nicht, wenn es auf politifche Lebens⸗ 
fragen ankommt, überall nad Zeit und Umſtaͤnden Berfomm- 


Bier iſt jeht dee Boden unfers Wir 


| n, iſt von weit 
n, als bie Kritik über 


(ungen, um ſolche Bragen zu beisuchten, dadurch eine allgemeine, 


Jedem in diefem Lande fo nothwendige Verttaͤndlichkeit hervor 


zurufen, und fo das Intereffe am politifchen Leben unter fid zu 
befördern? Der daraus entipringende Nutzen iſt einleuchten 
und die Achtung der Deutſchen bei den Anglos Amerikanern kann 
dadurch nur gefleigert werden. Seien wir auftichtig und ges 
fiehen es nur frei, eß berrfcht unter ben Deutſchen in Amerika 
im Allgemeinen nicht jene rege Theilnahme an bem politifchen 
Leben diefes Landes, welche ihr eigenes Interefle verlangt. Rur 
zu Biele können fi von der Gleichguͤltigkeit dagegen, bie ihnen 
die Werhättniffe der monarchiſchen Staatsorbnungen in ber alten 
Heimat eingeimpft haben, nicht trennen. Diefer Mangel on 
thatträftigem Intereffe muß bei republitanifcgen Bürgern weg: 
fallen. Wer in einer Republik unterläßt, Theil an ben polis 
tifhen Bewegungen in berfelben zu nehmen, wer fidy mit den 
Snftitutionen ihrer Verfaſſung nicht ſoviel es die Verhaͤltniſſe 
und Umſtaͤnde erlauben — denn wir wollen nicht etwa zu po⸗ 
litiſcher Kannegießerei auffodern — belannt zu madyen, um 
fein Urtheil barüber zu bilden zu fuchen, ter erfüllt bie Pflichten 
eines republikaniſchen Bürgers nicht. Pflicht und eigenes Inters 
effe aber erheifchen es von Denen, bie durch höhere Bildung 
und Talente befähigt find, den Minderbegabten auf biefem 
Wiege durch öffentlicge Vorträge entgegenzutommen, und das als 
gemeine SIntereffe der deutſchen Bewohner dieſes Landes wir 
durch öftere Werfammlungen der Art nur gefördert, werden.‘ 


Im Laufe des Monats Mai 1842 find in ben Häfen der 
Vereinigten Staaten 24 Schiffe, 10 Barken, 4 Briggs und 
— ——— 
en. ve brachten 32, S und 
Ka Faͤſſer Walfiſchoͤl mit. Säle Spern 


In Neuyork muß die Liebhaberei an Eich hoͤrnch en groß 
fein. Der „Cleveland Herald‘ meldet, daß neulich Jemand 
die Speculation madıte, 1500 lebendige Gichhörnden auf dem 
Dampfſchiffe General Scott einzufchiffen, um fie auf den Markt 
nach Reuyork zu bringen. 3. 





Literarifhe Anzeige. 


Bon F. U. Brockhaus in Re iſt durch alle 
—* zu ne in pas in dur 


An Bremens gemeinen Mann. 
Bon befien Mitbürger 


Vohaunnes Köfing. 
Gr. 12. Geh. 2a Nor. 


Berantwortiiher Derauögeber: Heiarich Brokhaus. — Drud und Werlag von J. U. Brochaus in Seipziiß 
— —e— — —w es ⸗ 





Blätter 


für 


literarifbhe Unterhaltung. 





(Bortfegung aus Mr. 312.) 

Die älteften Nachrichten von Darftelungen ber My⸗ 
flerien reichen bis in die erfte Hälfte des 13. Jahrhun⸗ 
derts. Nach einigen alten Chroniken wurbe in Pabua 
zu Oſtern 1243 im Prato bella Valle ein ſolches Schau⸗ 
fpiel aufgeführt. Auch In Friaul war an den Pfingft: 
tagen 1298 eine große Vorſtellung der Leiden Chrifti, 
ber Auferflehung, dee Himmelfahrt, der Ausfchättung des 
heiligen Geiſtes und des jüngften Gerichts, die in dem 
erzbifchöflichen Hofe von der Geiftlichkelt aufgeführt wurde 
(‚, Muratori Script. Rerum ital.”, ®b. 24, ©. 1205). 
Noch früͤher, ſchon 1264, wurde fogar in Rom eine 
eigene Bräderfchaft gegründet, die Compagnia del Gon- 
falone, welche die jährlich in ber Charwoche im Golifeo 
aufzuführende Paſſton leitete. Bon Ihrer Amtsthaͤtigkeit 
eriftire noch ein Zeugniß in der großen und feierlichen 
Auffährung bee Paffionsgefchichte am Charfreitag (das 
Jahr iſt ungewiß, fällt aber in bie Mitte des 15. Jahr: 
bundert8): ‚La rappresentazione del Nostro Signor 
Gesu Cristo, la quale si rappresenta nel Colliseo di 
Roma il Venerdi Santo con la SS. Ressurezione isto- 
riata”, am welcher brei Verfaſſer gearbeitet haben, Giu⸗ 
liano Dati von Florenz, Bernardo bi maſtro Antonio 
von Rom und Mariano Particappa. Die Borftellun: 
gen diefer Bruͤderſchaft dauerten in Rom bis gegen bie 
Mitte des 16. Jahrhunderts, an andern Orten aber 
auch länger. Hierher gehört wol auch die von Billani 
berichtete große Vorſtellung ber Hölle auf dem Arno zu 
Florenz im 3. 1304, bei weicher Gelegenheit die Bruͤcke 
ala Caraja mit einer Menge von Zufchauern zufammen: 
brach und In ben Fluten verſank. Aus dem 15. Jahr: 
hundert führt Maffei (‚Verona illustrata”, Th. 2, &. 202) 
eine lateiniſche Tragoͤdie von der Paſſion Chriſti von 
Bernardino Campagna an, und eine andere Iateinifche 
über denfelben Gegenfland von Tommaſo da Prato aus 
Teeviſo wird ebenfalls in dieſes Jahrhundert verfegt. 

Dee größte Pomp und Aufwand wurde aber im 15. 
Jahrhundert in ben italieniſchen Farcen in Florenz ent: 
faltet. Dort hatte der blühende Handel und ber fleigenbe 
Wohlſtand bie Wergnägungsfucht und den Lurus aufs 
hoͤchſte gefleigert, und nicht ſowol ber Inhalt bes Studie 


als vieimehr die größtmögliche Pracht der Aufführung 





10. November 1843. 





wurde nun dem ſchauluſtigen Publikum die Hauptſache. 
Sie wurden theils auf Öffentliche Koſten, theils von Pris 
vatperfonen gegeben, die dabei ihren ganzen Reichthum 
zur Schau trugen und fi vie bie Römer mit ihren 
ludis circensibus damit um bie Bunft bes Volks bewar⸗ 
ben. Jeder ber vier Difkricte der Stadt feierte an vier 
Tagen im Jahr das Heft feines Schushelligen, die ganze 
Stadt gemeinfchaftlih aber das Johannisfeſt zu Ehren 
bes allgemeinen Schutzpatrons. Diefe Vorftellungen wur: 
ben, wie ſchon gefagt, meift in ber Kirche gegeben, und 
babei fand eine Verſchwendung und ein Prachtaufwand 
in den Decorationen, bem ganzen Apparat von Mafchls 
nen, Feuerwerk, ber Anordnung von Taͤnzen, Gefängen 
und ganzen Schlachten flatt, wie fie wol im Verhaͤltniß 
bei keiner Aufführung ber neuen Zeit gefehen wurde. 


Zu ben älteften italienifchen von Ziraboschl angegebenen 


Darftellungen in Florenz gehört dee „Abraham und Iſaak“ 
in Dttava Rima von Feo Balcari, zuerft in ber Kirche 
Santa: Marla Mabdalena im J. 1449 aufgeführt, foroie 
auch die Rapprefentation bes „Barlaam und Joſaphat“ von 
Bernardo Pulci und eine andere von des Letztern Gattin. 

Allein fo wie die übrigen Dichtungsarten, fo verdankte 


auch biefe im 15. Jahrhundert bem großen Lorenz von 


Mebich ihre Regeneration, Veredelung und bie Regel⸗ 
maͤßigkeit, welche denn nad und nah zum eigentlis 
hen Drama führen konnte. Diefem univerfellen Geift 
und feinen Kunſtkenner war es vorbehalten, den oft ges 
ſchmackloſen Vorſtellungen eine befiere Richtung, edlere 
Zenbenz und würbige Form zu geben. Dadurch, daß er 
in feinee Rapprefentation griechiſche und römifche Gott⸗ 
heiten an die Stelle der chriftlichen Heiligen und Märtys 
ver einführte, laͤßt ſich die Abſicht erfennen, bie bramatis 
[he Compofition duch Annäherung an das Antike zu 
verbeffeen; und wenn er allerdings durch biefes Mittel 


auf einen falfhen Weg gerathen ift, ber leider durch feine 


vielen Nachahmer immer fefler getreten wurbe, fo machte 
er doch durch diefe ganz in. feiner Zeit liegende Herauf⸗ 
befhwdrung bes Alterchums auf biefes und feine Muſter 
aufmerkſam, die unter andern Umfländen und bei einem 
freieen Studblum ohne Zweifel das italienifche Theater 
zu weit hoͤhern Reſultaten gebracht hätten als zu Triſſi⸗ 
no's „Sofonisba“ und Rucellai's „Rosmunba”. Lorenz 
von Medici fchrieb eine „„Rappresentazione di S.- Gio- 





1258 


vanni e 8.- Paolo” in Ottova Rima, mit eingelegten Ge: 
fangftheten (herausgegeben mit einer Einleitung vom Cie; 
nacci mit andern Rime facre von Lorenzo, Florenz 1680). 
Gionacei vermuthet wol mit Recht, daß Lorenzo mit dies 
fer Myſterie die Hochzeit feiner Tochter Magdalena mit 
Hranz Eibd, Nepoten des Papftes Innocen; IL, feiern 
: wollte und daß feine eigenen Kinder Rollen darin Über: 
nahmen. Ginguene (in feiner „Hist. litt. d’Italie”, 
Br. 4, Cap. 22) glaubt fogar, daß die Holle des alten 
Konftantin d. Br. von Lorenzo felbft gefpielt worben fei. 
Diefe Vermuthung, welche wenigftens von Niemandem 
widerlegt iſt, gibt dem ganzen Drama ein beſonderes 
Interefſe und den Worten des alten Konſtantin eine 
‚große Bedeutung, die gewiß damals bei ber öffentlichen 
Geier, die zugleich ein Familienfeſt war, ihre Wirkung 
auf die Zuſchauer nicht verfehlte, wenn ber alte Kaifer 
feinen Scepter nieberlegte, und feinen Söhnen nachdrück⸗ 
liche Lehren gab und ihnen bie Orundfäge einzuprägen 
fuchte, denen er und feine Vorfahren ihren Rang und 
ihr Anfehen zu verdanken hatten (f. befonders die Stange 
98 fg. und 133 fg). Der Inhalt des Stüuͤcks iſt das 
Miärtprerthum der beiden heiligen Brüder Giovanni und 
Paolo (nicht der Apoftel), Eunuchen im Dienſt der Toch⸗ 
fer Konflantin’s d. Gr., Konſtanza. Diefe iſt trank am 
Ausſatz, wird aber von der heiligen Agnes durch ein 


Wunder geheilt, was ihre beiden Diener Johann und 


Haut bewegt, zum Chtiſtenthum äberzutreten. Der alte 
Raifer wird unterdeffen des Regierens überbrüßig, und 
übergibt mit Auseinanderlegung feiner Regierungsprinci- 
pien die Bügel der Herrſchaft feinen Söhnen, auf welche 


aber bald, immer in demfelden Stuͤck, Julianus Apoflata 


folgt. Dieſer will die beiden Eunuchen zum Deldenthum 


belehren, laͤßt fie aber, da fie ſtandhaft bleiben, hinrich⸗ 


ten. So wenig bramatifchen Werth, nach unferm Maß: 
ftab, dieſes Stuͤck haben mag, fo merfwärbig iſt es durch 
die verſchwenderiſche Ausflattung, mit ber es gegeben 
wurde. Die Pracht dee Couliffen, die Menge der auf: 


tretenben Perfonen, bie Aufzüge bes kaiſerlichen Hofes 


und zwei große Schlachten entfchäbigten die Menge, bie 
überdies nur fehen wollte, für den Mangel an Handlung 
und intereffanten Situationen. Die heilige Agnes er: 
ſcheint Überdies ber Konſtanza und verrichtet Ihr Wun⸗ 
ber, die Madonna ſelbſt laͤßt fih auf das Grab des Mär: 
tyrers San: Mercurto nieber, und beide fleigen einmal auf 
einer Mafchine in Form einer Wolle vom Himmel herab. 
Am Ende erhebt fih Mercurius aus dem Grab, um in 
dee Schlacht ben Kaiſer Jullanus aufzufuchen und tödtlich 
zu verwunden. Die Geneſung ber Konflanza aber wird 
durch Schmäufe, Tänze und Geſaͤnge gefeiert. 

Ungefähr im diefelbe Zeit fallen drei andere große 
Darftelungen bei Gelegenheit eines Beſuchs, den ber 
Herzog Galeazzo Maria Sforza von Mailand mit feiner 
Gemahlin Bons, Schweſter des Herzogs Amadeus von 
Savoyen, im März 1471 bei Lorenzo de’ Medici abflats 
tete. Die Reife dieſes malländer Fuͤrſten, bie ex mit 
einem reich equipieten Gefolge von 2000 Mann machte, 
unb bie Ihm 200,000 Dukaten gekoſtet haben fol, gibt 





eine Vorſtellung von bem umngeheuern Reichthum der 
italienifhen Großen damaliger Zeit, aber auch von ihrer 
unfinnigen Oftentation und Verſchwendungsſucht. In⸗ 
befien da ee zum heil gefommen war, um bie Säge 
der Slorentiner kennen zu lernen, und ihre prachtvollen 
Sefte einmal mitzugenießen, fo war feine Anweſenheit 
für diefe eine. Veranlaffung zu ähnlicher Verſchwendung. 
Unter andern Luftbarkeiten wurden ihm und feinem Ge: 
folge zu Ehren drei große Myfterien aufgeführt ; das eine 
flellte die Verkuͤndigung der heiligen Jungfrau, das zweite 
die Himmelfahrt Chriſti und das britte die Ausgiefung 
des heiligen Geiſtes über die Apoftel vor. Bei dem letz⸗ 
ten, welches in ber Kirche San: Spirite aufgeführt wurde, 
ereignete fih ein Ungluͤck. Durch das viele Seuer naͤm⸗ 
ih, das dabei gebraucht wurde, gerietb bie Kirche in 
Brand und wurde gänzlich zerſtoͤtr. So warb der Se 
ſchmack an folhen Myſterien babucch immer mehe befe 
flige, daß man fie ſowol für jegt zeitgemäßer einrichtete 
als auch überhaupt ihnen eine Form gab, bie ſich nad 
dem jedesmaligen Zeitgeift und Geſchmack erweitern ober 
verengern ließ, In bie Fußſtapfen Lorenzo’ trat in Flo⸗ 
renz zunaͤchſt Antonio Alamanni mit feiner „Conwersione 
di Santa-Maria Maddalena‘, 

Auch andere Städte blieben nicht in dem Jutereſſe 
an folhen Schaufpielen hinter Florenz zuruͤck, wie bie 
feierliche Vorſtellung von ber Auferfiehung Ghrifli in 
Mailand 1475 beweiſt, die nach einer alten von Tira⸗ 
boscht angeführten Chronik vor mehr als 80,000 Zu 
ſchauern gegeben worden fein fol, fowie in Modena bie 
Aufführung dee Mirakel bes heiligen Geminlano bert 
auf oͤffentlichem Plag gegeben wurde. Ganz befenders 
nahm fich aber der Cardinal Pietro Riario in Roms der 
prachtvollen Ausflattung diefer Myfterien an, unb bie 
Durchreiſe der Prinzeffin Eleonora von Aragonien, welche 
zur Vermählung mit Hercules L von Efle 1473 nad 
Serrara ging, war eine erwänfcdte DVeranlaflung zu fol: 
hen Runflausfichungen. Nach einer Menge anberer Luk: 
barkeiten, fo fagt ein altes Diarium bei Xiraboscht, lieh 


| der Cardinal den ganzen Platz der SS. Apostoli bedecken, 


und ringe umher Logen von gewirkten Tapeten und 
Gaͤnge aufsichten, und über dem Portal der Kirche eben⸗ 
falls eine reich gefchmüdkte Loge, und lief von einer fie 
rentiner Geſellſchaft die Myſterien des heiligen Suſanna 
aufführen. Darauf am Dienſtag, fo fährt die Chronik 
fort, wurde bie Paffionsgefchichte, am Mittwoch die My⸗ 
flerien von Johannes dem Zäufer und von St⸗Jakobus 
gegeben, dann am legten Juni eine große allegoriſche 
Vorſtellung von dem Tribut, ber den Römern, als fie 
noch die Welt beberzfchten, entrichtet wurbe, wobei wsster 
Anderm aud 70 mit verfchiedenen Dingen beladen Maul: 
eſel vorkamen, alle mit tuchenen Decken hedeckt, wacauf 
das Wappen des Cardinals geſtickt war. Und ver dieſer 
Darſtellung war bie große Mpſterie von bee Gebuet Chaſti 
mit den Magiern und von ber Auferſtehung. 

Aus den Myſterien entwickelten fi die Morelitäten, 
die im 15. Jahrhundert im Stollen ſehr Abli wars, 
und dort Fausti genannt wurden Es weree meiſt Alles 


.. 
ı 


genen, in weidhen bie aus den Myſterlen geitonsmenen 


allegoriſchen Perſonen, wie Glaube, Hoffnung, Tod n. ſ. w., 
beſonders aber die mythologiſchen Perſonen agirten. Das 


15. Jahrhundert bewegte ſich allgemein in ſeiner Kunſt 
ins Gebiet der Allegorie. 
umb rämifchen Alurthums übte eine tyrannifhe Herr⸗ 
fchaft ans, und man mußte ich der Mpthologie bei ben 
ebenfo firengen Foderungen des Chriftenthums nicht an⸗ 
ders zu erwehren, als daß man fie zu lebendiger Dar: 
ſtellung chriftlicher Rugenden anwendete. Während aber 
bie nur buchſtaͤbliche Darftellungen aus ber 
bibliſchen Geſchichte und Legende waren, fo brachten die 
mptholosifchen Perfonen fchon eine Art Charakterzeichnung 
und ihre bei den Alten fo mannichfaltig verflochtene Ge: 
ſchichte eine gewiſſe Verwickelung oder Art von Pan in 
die Moralitäten. Nach der allgemeinen Tendenz des Zeit: 
alters und Volks mußten aud Ihre Darſtellungen einen 
burleſken Anftrih haben und bie Lafter erhielten barin 
die Nolte der Luſtigmacher. Eine ſolche Moralität findet 
fih in den Gedichten des Notturno Napolitano, unter 
dem Zitel ‚„„Fausto di virtä”, von einem gewiffen Gio⸗ 
vanni Gerofolimitano von Siena verfaßt, in welchem brei 


Philoſophen zulest von der Tugend, der fie bei allen An⸗ 


fechtungen ber Lafter flandhaft treu geblieben waren, mit 
NRuhm gekrönt wurden. Diefe Art des Drama fcheint 
beſonders hei Dochzelten fehr ‚üblich geweſen zu fein, und 


dahin mag wol das von Quadrio (Th. 5, ©. 62) 


angeführte, von Ferbinando Silva von Cremona verfaßte 


Gedicht in italieniſchen Verfen, „Der getreue Liebhaber”, 
gehören, welches bei ber Hochzeit ber Blanca Maria Bis: 
sonti mit Stanz Sforza aufgeführt wurde. Kiner aͤhnli⸗ 
hen viel prachtoollern, faft monftröfen Darflellung er: 
wähnt Tiraboschi, welche von Bergonzo Botta in Tor⸗ 
tona 1489 bei der Durchreiſe ber Prinzeffin Iſabella von 
Aragonien, Gemahlin bes Herzogs Giangaleazzo Sforza, 
verfaßt wurde. Hier erfchienen auf der Bühne zuerſt 
.Drpeus, Amor und die Grazien, bie eheliche Treue, Mer: 
eur und bie Kama, nad ihnen ziehen herein Semiramis, 
Helena, Medea und Kleopatra, welche versufene Weiber 
won ber ehelichen Treue hart angefahren, im Wettftrelt 
beflegt, zum Schweigen und zur Flucht gebracht werden; 


ach ihnen treten als entgegengefegte Tugenden auf Pe⸗ 


nelope, Lucretia, Tomiris, Judith, Parzla und Sulpitia, 
welche natuͤrlich den hohen Zuſchauerinnen manches Schmei⸗ 
chelhafte ſagen, und den Zug ſchließt Silenus. In die⸗ 
ſer ſowie in den meiſten dramatiſchen Darſtellungen wa⸗ 
ven mach dem Geiſt ber Zeit und zur Erhöhung des feſt⸗ 
Sichen Eindruds mehre Geſangſtuͤcke vertheift (wie uͤberhaupt 
die Rufik einen Haupttheil des katholiſchen Cultus macht), 


daher man fie fälihlih für die erſten Verfuche der Me: | 


Sodranıen ober gar ber Opern gebaften hat. Auch tm 
den fruͤhſten italleniſchen Komödien, bie doch nur gefpro- 
Gen wurden, waren zwiſchen den Acten einige Lieder oder 
» Mobrigale unter der Aufſchrift Coro eingeſchaltet. Den- 
ſelben Irrthum in Hinſicht auf Sannazar's Farce zur 
Feler ber Eroberung von Grauaba, worin mehre Ballete 
vorkommen und einige allegoriſche Perfonen ſich zu Ihrem 


Das Studium des griechiſchen 


Geſang auf Juſtrumeunten Bepfeiten, hat: Navell 


Mguo⸗ 
relli („Vicende della celtura nelle Due Sicilie“, Ip, 3, 
©. 371) bekämpft. Selbſt in ben Alteſten regelmäßigen 
italleniſchen Tragoͤbken kommen Muſikſtuͤche in Gefängen 
vor, daher zum Beiſpiel Poliziano'sOrfed“ für eine 
vollſtaͤnbige Dper gehalten wurde, ſowie des fchen erwaͤhn⸗ 
ten Neapolitaners Rotturno Tragödie „L’error femineo“, 


‚in Ottava und Terza Rima, worin einige Stanzen von 


vier Muſikern gefungen wurden. Im 16. Jahthundert 
war biefe Manier noch gewöhnlicher und wurde ſelbſt 
bei den profaifhen Dramen angewendet. 

Solche Vorfteliungen der Myſterien gingen bem eigents 
lichen Drama voraus, und biefes entiwidelte fi) ganz 
unvermerkt aus ihnen und beftand eine lange Zeit neben 
ihnen. Denn in faſt allen diefen Byflterien und Mora⸗ 
litäten hertſchte zuletzt eine ſolche Vermiſchung bes Pros 
fanen mit dem Heiligen, ein -folcher Üübermuth des Tei⸗ 
vialen und Burlesken, daß es ohne dieſe Beziehung auf 
ben Cultus, der doch bei ben meiſten noch ſichtbar iſt, 
kaum moͤglich wäre, fie von de erſten bramatifken Vers - 
fuchen zu trennen, welche ja ebenfalls entweder zur Feier 
von Thaten ber Könige und Zürften ober zur Werberr: 
lichung eines Siege ber heiligen Sache verfaßt wurden, 
und wobei berfelbe bichterifche Apparat, befonders die alle⸗ 
gorifhe Einmiſchung antiker und moderner Götter und 
Heiligen, zu bemerken iſt. Auch dee dußern Form wach 
nähern fie fich ganz den Myſterien; fie find entweder gar 
nicht in Acte, damals Tempi genannt, oder in ſechs ab⸗ 


‚getheilt, ihre Zwifchenacte find mit Mufitftüden und Ge⸗ 


fängen ausgefüllt, und die Perfonen, welche auftreten, 
find ebenfo gemifchter Art wie bei den Myſterien, Götter 
und gemeine Menfchen, Poſſenreißer und Fuͤrſten. Sie 
wurden gewöhnlich Frottola, Farsa, Tragicommedia ge: 
nannt. Der ältefle merkwuͤrdige der befannten berartigen 
Tragiker, obgleich fie diefen Namen gar nicht verbienen, 
ift der berühmte Hiſtoriker Albertino Muſſato von Pas 
dua, ein Zeitgenoffe Dante's. Er fchrieb zwei Tragoͤdien, 
bie „Achilleis““, wovon Achilles ber Hauptheld ift, und „Ec⸗ 
cerimis”, wozu bie zu feiner Zeit noch ganz neue Geſchichte 
bes Tyrannen Ezzelino von. Padua daB Argument geges 
ben bat. Die griechifchen Tragiker waren damals noch 
ganz unbekannt, und Muſſato nahm fi den Seneca 
zum Muſter, den er in einigen unglüdlichen Stellen «rs 
reichte, in andern aber nur verzerrte. Seine, Eecerimis“, 
bie biee am meiſten intereſſirt, weil fie, obgleich in einem 
fraftlofen und wenig eleganten Stil abgefaßt, bo einen 
nationalen Gegenſtand behandelt und badurch immer einige 
Originalität des Verf. beurkundet, ift in fünf Acte eins 
getheilt, berem jeder mit einem Chor endigt. Im erſten 
Aet erzähle die Mutter ihren beiden Söhnen, Erzelino 
und Alberico, wer ihr Exzenger fel, und biefer, von wel⸗ 
hem ein mattes Bild entworfen wird, if der Daͤmon. 
Der zweite Act dreht fi) um die Erzählung eines Werten 
von dem Ungläd des Baterlande und dem GBiht des 
Tprannen. In dem dritten unterhält fich diefer mit feis 
nem Bruder von den ſchon gluͤcklich volfährten Planen 
und von neuen Unternehmungen. Die Einnahme von 





J 


O 


Dadua wird ihnen gemeibet, und fie gehen mit ihren 
Truppen ab, um biefe Stadt wieder zu gewinnen. So⸗ 
gleich erzaͤhlt der Chor Ezzelino's Zug und Sieg, ſeine 
Rücktehr nach Verona und die ſchreckliche Metzelei ber 
Gefangenen. Nun häufen ſich die Begebenheiten, denn 
im vierten Act erzählt ein Bote den ganzen Krieg des 
Torannen in der Lombardel, die gegen ihn gebllbete Ligue 
and feinen Tod. Den ganzen fünften, Act nimmt bie 
Erzählung von dem Tod feines Bruders Alberico ein 
(Bingumd, VIU, 16). Auch Petrarca verfuchte ſich 
in diefer Gattung und fchrieb die Komoͤbie „Philologia“, 
wie er felbf in einens Brief fagt, zur Belaſtigung feines 
Goͤnners, des Cardinals Johann Golonna. Er fah aber 
ſelbſt ein, baß fie nichts taugte und wollte fie nicht ein 
mal feinen Freunden mittheiten, fodaß eine Copie ber: 
felben mehr übrig if. Auch Giov. Manzini dalla Motta, 
ans der Lunigiana im 14. Jahrhundert geblirtig, ſchreibt 
in einem feiner Briefe von einer Tragödie, die er über 
den Fall des Antonio della Scala in Verona gedichtet 
"babe, und theilt einige Verſe aus derſelben mit, die ſelbſt 
den unermüdlichen Ziraboscht von ber weiten Belannts 
ſchaft abgefchrecdt haben. Auch Pierpaolo Vergerio ſchrieb 


in feiner Zugend eine Komoͤdie, betitelt ‚Paulus Co- 


moedia ad Juvenum mores corrigendos”, 
(Die Fortſetzung folgt.) 





Citate. 


Bei einer Irland betreffenden Debatte im engliſchen Unter⸗ 
.haufe wenbete vor kurzem ein Mitglied auf O’Sonnell die zwei 
Bellen an: 
For he that fights and runs away, 
May live to fight another day. 


Bald nachher wurde im NReftaurationszimmer bie Frage aufge: 
worfen, wer denn eigentiich Verfaſſer diefes wohlbelannten Cou⸗ 
piet fel. Die Meinungen waren getheilt; das führte zu einer 
Wette, und bie Wette wurde durch ein Citat entfchieden. Col: 
let erzählte nämlich in feinem von Allerlei handelnden Buche 
„Ihe relics of literature’, daß baffelde Couplet eines Ta⸗ 
ges in Bootte's Clud Gegenftand einer beträchtlichen Wette ges 
weſen fel. Die meiften Stimmen und barunter fammtliche Ges 
lehrte ‘von Profeſſion erktärten e8 für sine Stelle aus Butler's 
, bras⸗. Das brachte bie Wette auf zwanzig gegen eins. 
Der im &ufe literarifcher Allwiſſenheit ſtehende Verlagsbuch⸗ 
händler und Schriftfteler Dodsley wurbe zum Schiedsrichter 
gewaͤhlt und Dodsley Lachte über den Einfall, ihn deshalb zu 
fragen. „Jeder Rare weiß ja”, antwortete er in ber ihm eiges 
nen berben Manier, „daß das Gouplet von Hudibras iſt.“ 
„Ganz gut’, verfegte George Selwyn (auch ein befannter Rame) 
„wollen Sie alfo wol bie Güte haben, einen alten Narren, ber 
—5 Dero hochweiſer Gelahrtheit ergebenſter Diener iſt, 
kuͤrzlich zu belehren, in welchem Santo das Couplet vorkommt?“ 
Dodsley holte das Buch, blaͤtterte vor» und ruͤckwaͤrts, konnte 
aber die Stelle nicht finden. „Morgen“, fagte er. Allein ba 
mußte der weife Bibliopole gefteben, daß man ben Berfafler 
jenes wohlbetannten Couplet nicht zu wiflen brauche, I 
gerabe ein Narr zu fein. Die Wahrheit ift, jene Zeilen flehen 
in einer Heinen, obfcuren Sammlung gemifchter Gedichte eines 
Sir John Mennes, ber fie unter ber Begierung Karls HI. 
herausgegeben hat. Inzwiſchen findet fich bei Butler allerbings 
„eine ähnliche Gtelle. Sie heißt: 
For those that fly may fighi again, - 
Which he can never do that's slaim, 


Vas Dobsiey und Anbern begegnete, daͤrſte ſich bei mans 
chem beutfchen Philologen wieberhoien, wenn er ſagen follte, 
von wem ber lateinifche, unfer beutfchess Aus bem Regen uns 
ter die Traufe kommen, bedeutende Vers berrühre: „Incidis 
(auch Incidit) in Scyllam, cupiens (auch qui vult) vitare 
Charybdim‘. Dee Gewifienhaftefte 17 vielleicht hoͤchſtene 
zwiſchen Virgil und Dvib ſchwanken. „7 -gil ober Dvid, kein 
Anderer. Und doch ſteht der Vers weher im Virgil noch im 
Ovid, fondern ift das Eigenthum eines lateinifchen Werfifer aus 
dem 16. Jahrhunderte, Ramens Philipp Gualtier, ein Franzoſe. 
Sollte diefer nicht Eigenthuͤmer fein, jo kommt wenigftens ber 
fragliche Vers bei ihm zum erften Dale vor. 

Wie oft iſt dee herrliche Gedanke aus Benjamin Sranktin’s 
Grabfchrift citirt worden, der Sterbende gleiche einem Buche, 
nahe daran, von feinem großen Autor neu aufgelegt zu werben. 
Aber Franklin war nicht der Erſte, ber biefes ſchoͤne Gleichniß 
gebrauchte. Es exiſtiren zwei viel dltere engliſche Gpigramme 
oon ante Verfaflern, bie es folgendermaßen ausdruͤcken. 

as Erſte: 
The world’s a book, writ by th’ eternal art 
Of the great Author; printed in man’s heart; 
’Tis falsely printed, though divinely penn’d, 
And all the errata will appear st the end. 
Das Zweite: u 
The world’s a printing heusse; our werds are thougkta; 
Our desds are characters of several sizes; 
Each soul’s & oompositor, of whose faulte 
The Levites are corresters; and heaven rovises; 
Barth is the common press, from which being drives, 
We're gather’d, shoot by sheot, and bound fer hoarem, 
14, 


Literarifche Notizen aus Frankreich. 


Belletriſtiſches. | 

Wie wenig doch bie meiften Schriftſteller ihren Vor⸗ 
theil verftehen und nicht felten ihren eigenen Gredit zu Grunde 
richten! sDeleciufe hat fih durch feine Darflellungen aus der 
Geſchichte von Florenz („Florence ei ses vicissitudes”, 2 Bde., 
Paris 1837) und feine Arbeiten über Dante nicht unvortheilhaft 
befannt gemadt. In feinen’ Kunftkrititen der „Debats” iaͤßt 
fi weder tiefe Bildung noch ſonderliche Kenntniß, aber doch 
wenigftens guter Wille und Redlichkeit ertennen, ber in ber 
heutigen Preſſe fchon ein feltenes Erbtheil iſt. Diefe neueren 
achtbaren Leiftungen Deldclufe's hatten bereits feine fruͤhern 
poetifchen Probuctionen vergeffen laffen, namentlich hatte man 
ihm bie abgeſchmackten Romane und Novellen vergeben, bie er 
von früherher auf dem Gewiſſen hatte und die er nun, Gott 
weiß warum, mit einem Dale wieber ans Licht zieht. Wie er⸗ 
feinen unter dem Titel „Romans, contes et nonvelles” in 
einer fogenannten Charpentier : Ausgabe. Das, befte Stuͤck bes 
ganzen Bandes ift noch „„Mademoiselle Justine de Liron”, 
eine Novelle, der offenbar eine Geſchichte zu Grunde liegt unb 
die vom aͤſthetiſchen Standpunkte aus betrachtet einen fonders 
lichen Werth hat; ganz platt aber ift feine „Premiere com- 
munion“ (Paris 1836), eine Erzählung, in der kein Fuͤnkchen 





‚poetifcher Srfindung zu entdeden if. 


Über oͤſtreichiſche Zuſtaͤnde. 

Das ausgezeichnete Werk eines ruſſiſchen Staatsmanns 
Tegoborski über das dftreichifche Sinanzwefen („Des finances 
et du credit public en Autriche”, 2 Bde., Paris) ift bereits in 
unfern politifchen Blättern befproden mworben. Wir erwähnen hier 
beffelben nur noch, weil wir aus einigen gelegentlichen Bemerkungen, 
bie darin vorfommen, fowie aus bem ganyen Stil des Werks 
vermuthen zu tönnen glauben, baß es mit einer Reihe leſens⸗ 
werther Auffäge des parifer „‚Moniteur universel’ einen und 
ven [een Verfaſſer hat. Diefelben betrafen das Unterrichteweſen 
in ſtreich und follten aus der Feder eines angefehenen ausidns 
bifhen Diplomaten berrühren. 2. 


Berantwortlicher Orrauögeber: Heinrich Brokhaus. — Drud und Berleg von $. U. Brodpaus in Beipzig- 


a 


Blätter 


für 


literarifche Unterhaltung. 





Sonnabend, — Sr. 315. 








Über den Urſprung bes Theaters in Italien. 
(Bortfegung aus Nr. 216.) 

Sm 15. Jahrhundert erwachte eine große Aufl an der 
bramatifchen Kunft, wozu einestheils die nun mehr aus⸗ 
gebifdete Myſterie führte, befonbers aber das allgemeine 
Studium der altem Dichter beigetragen hat. Tragoͤdien 
und Komödien kommen nun häufiger vor, und felbft 
Akademien befchäftigen ſich mit der Ausfuͤhrung derfelben, 
fie wurden aber deswegen auch bis weit über die Hälfte 
dieſes Jahrhunderts In lateiniſcher Sprache als der einzig 
würdigen dee Gelehrten abgefaßt. Gregorio Eorraro, ein 
venetlaniſcher Patrizier (geſt. 1464), ſchrieb in feinem 
achtzehnten Jahr bie Tragoͤdie, Progne“ in lateiniſchen 
Verſen. Leonbattiſta Alberti ſchrieb in lateiniſcher Proſa 
feine Komoͤdie, Philodoxeos“, welche zehn Jahre lang 
für das Werk: eines alten Schriftſtellers gehalten und als 
folches fehr bewerndert wurde, bi man wußte, daß fie 
von ihm war. Leonardo Bruni von Areszo verfaßte die 
„Polyxena” und Ugolino von Parma bie „Philogenia”. 
Merkwürbiger, weit fie über einen Begenfland aus ber 
nenern Geſchichte verfaßt SE, iſt die Zragödie „De cap- 
tiritate Dueis Jacobi”, von Laudivio von Neapel, Mit: 
glied dee Panormitaniſchen Akademie. Der Held des in 
fınf Acte mit Chösen eingetheilten Stade iſt der be⸗ 
kannte General. Jacopo Piceinnino, welcher von dem 
Kinig Ferdinand dem Katholifchen gefangen und nachher 
auf deffem Befehl ermordet wurde. Der vierte Act gibt 
eine Unterredung Ferdinand's mit dem Scharfrichter über 
die Behandlung des Generals, der fih dem König im 
Bertrauen auf feine Zufage übergeben hatte. Dee Den; 
ker dringt mit feinen Gründen für die Ermordung duch 
und vollzieht diefe in einer andern Scene vor den Augen 
des Publicums. In Bergamo befindet fih in einem 
alten Codex noch eime Iateinifche Komödie, „‚Armiranda”, 
von Giammichele Alberto von Carrara, auf deren Titel 
ganz beſonders angemerkt iſt, daß fie aufgeführt wurde 
Ludis Megulensibus Calixto III. Sacerdote Max, Fride- 
rico 11}. Oaesare, Francisco Foscareno Venet. Dace 
Benedieto Vieturie et Leonardo Contareno Patavii 
Praetoribus: Secco Polentone von Padua (im Ans 
fang des Jahrhunderts) ſchrieb eine lateiniſche Komödie 
in Profa, „Lusms- Ebrierum”’, welche fpäter 1483 im 
Ttient ind Ita e Werſetzt und unter dem Titel 





” Catinia“ als bie erſte gedtuckte ttatienifähe Komäble ber 
trachtet wurde. 
Beſonders aber war in Rom um das Jahr 1480 


‚eine gluͤckliche Periode fir das Theater, und dort wurden 


zuerſt die alten Muſter hervorgeſucht und fo der Ge⸗ 
ſchmack auf einen beffern Weg gebracht. Dort mennt ſich 
ſelbſt Giovanni Suipizio von Veroll, welcher unter In⸗ 


nocenz VIII. Profeſſor der ſchoͤnen Wifſenfſchaften war, 


als den Erſten, welcher nach langem! Zwiſchenraum Rom 
wieder eine lateiniſche Tragoͤdie gezeigt habe; es iſt aber 
von dieſer nicht einmal mehr der Titel uͤbrig. Der eigentliche 
Ernenerer des römifchen Theaters war ber berühmte Pom⸗ 
ponio Leto, der Stifter der Academia Homasa, deren 
Mitglieder er mit gleichem Eifer befeefte und ihre Eins 


übungen und Vorſtellungen leitete. Und zwar iſt er 


(don deswegen ber Regenerator der Bühne, weil er De 


‚alten Mufter, vornehmlich den Plautus und Terentius, 


ben Dichtern wieder vor Augen fleite, obgleich unter ſei⸗ 
ner Leitung auch neuere Producte aufgeführt wurden. 
Als die erfte In der Reihe dieſer Darftellungen wird Plau⸗ 
tu6’ ‚„‚Asinaria’” genannt, wozu die Bähne auf dem Quti⸗ 
rinaliſchen Hügel aufgebaut war. Bald darauf im Car⸗ 
neval 1484 "war die Gefchichte des Kaiſers Konftantin 
in Reime gefegt, und in bem Vorhof des päpftlichen Pas 
laſtes, wo fonft gewoͤhnlich bie nach Hof rritenden Car⸗ 
binäfe von den Pferden fllegen, aufgefihrt, während ber 
Papſt ſelbſt aus einem Fenſter zuſah. Das Stuͤck ſcheint 
einen außerordentlichen Eindruck gemacht zu haben, denn 
Derienige, welchet die Rolle des Konftantin fpielte, behielt 


naher bid an feinen Tod den Namen biefes Kaiſers 


(Muratori „Script, Rer. ital.”, Bo. 23, &.194). Ganz 
befondere verdient um das Wiederaufieben des Theaters 
in Rom machte ſich der Cardinal Rafaello Riario, Bruder 
des ſchon erwähnten Pietro. Aus einem Brief des Sul⸗ 
pisto von Veroli erzibt ſich, daß er fi mit den Akade⸗ 
mikern des Pomponto Leto in Verbindung feßte und ihre 


Darſtellungen auf alle Art und ſelbſt mit großem Aufs 


wand feines Reichthums befärberte, fobaß fie neben den 
glaͤnzenden Darftellungen der Mofterien beſtehen konnten. 
‚Bald ließ er fie vor einer ausgefuchten Geſeliſchaft und 
in Gegenwart des Papftes Innocenz VII. im Gaftel 
&.: Angeto, bald in feinem Palaſt, bald auch oͤffentlich 
vor dem ganzen Bolk auf dem Forum, das er gang meit- 





0 


Thchern gegen bie Sonne fügen ließ, fpielen und forgte 
freigebig für Schmud umd äußere Ausflattung der Bühne. 
Auch für die Aufführung eines großen Schaufpiels von 
Carlo Verardi ließ er in feinem Palaſt eine prachtoolle 
Buͤhne errichten und lub dazu ben Papfi uud das ganıe 
Gollegium der Cardinaͤle ein. Der Begenfland des Schau: 
fpiels war der Sieg bes Könige Ferdinand bes Katholl: 
fchen bei Granada, wodurd die Macht der Mauren in 
Spanien gänzlich gebrochen wurde, eine Begebenbeit, bie 
in ganz Italien einen großen Jubel erregte und befon= 
ders in Rom buch eine Menge Feftlichkelten gefeiert 
wurde. Das Scaufpfel felbft in Lateinifcher Profa bat 
den Titel „Historia Boetica”, und ift auch in ber That 
weiter nichts als bie Erzählung der Belagerung in Ge: 
fpeäche gefegt. Übrigens fo wie diefes zeige auch ein an- 
beres Stuͤck von Verardi, wie weit die dramatiſche Kunſt 
bei den Stalienern in biefer Zeit noch in Ihrer Kindheit 
zuruck und wie wenig fie für den rechten Einfluß ber 
altım Muſter reif war. Diefes andere iſt eine Tragi⸗ 
Lomödie ebenfalls aus dem Leben des Könige Ferdinand 
unb zwar über feine glüdliche Rettung von einem Morb: 
attentat. Der Titel ift „„Ferdinandus servatus”, Verardi 
verfaßte es in Profa und fein Neffe fegte es in lateini⸗ 
ſche Derameter, theilte e8 aber ebenfo wenig wie das vo: 
tige in Acte ab. Der König wird von einem Mörder 
verwundet und buch ein Mirakel bes heiligen Jacobus 
geheilt. Die handelnden Perfonen find Pluto, Alekto, 
Tifiphone, Megdre, Ruffo (dee Mörder), die Königin, 
die Amme, St. : Jakob, der Carbinal Mendoza und der 
Chor. Piuto. gibt in einem Athem fein Urtheil über 
ChHriftus und Mohammed, und fpricht zugleih von Piri⸗ 
tous, Caſtor, Dreftes und Hercules. Auch in Neapel, 
deſſen Hof mit dem fpanifhen verwandt war, erweckte 
die Eroberung von Granada große Feftlichkeiten. Unter 
Anderm verfertigte der berühmte Dichter Sannazaro eine 
Farce, worin zuerſt Mohammed auftritt, über feine Nieber- 
lage Elagt und vor der chrifllihen Armee flieht, darauf 
der Glaube und die Freude in angemeffenem Coſtume 
über die Vertreibung der Heiden triumphiren und eine 
große Maskerade mit Ballet den Schluß macht. Diefes 
Stuͤck, welches vielmehr zu den Allegorien als zu den 
Dramen gehört, und mit vie Gefängen und Taͤnzen 
durchflochten ift, wurde am 4. Maͤrz 1492 in Gegenwart 
des Herzogs Alfons von Calabrien in Neapel aufgeführt. 

Doh war man In Rom ungeachtet des Aufwands 
in den Bühnen noch nicht auf den Gedanken gekommen, 
ein fländiges Schauſpielhaus zu bauen. Dieſer Ruhm 
gebührt dem Derzog von Mantua, fowie auch derjenige, 
daß dort das erſte italienifche Trauerfpiel zus Aufführung 
Sam. Die Sonzaga, und befonders der erſte Herzog 
Friedrich, zeichneten ſich durch fürfiliche Beguͤnſtigung des 
Theaters aus, welches bei jeder Feier eine Hauptrolle 
ſpielte. Und ſo geſchah es, daß bei einem Feſte, das dem 
Cardinal Franz Gonzaga zu Ehren veranſtaltet wurde, 
der gerade anweſende beruͤhmte Gelehrte und Liebling des 
Lorenz von Medici, Angelo Poliziano, auf Bitte bes 
Cardinals In zwei Tagen mitten in dem fefllihen Tu⸗ 


mult fein Xrauerfpiel „Orfeo” ſchrieb, welches in ber 
Geſchichte der italieniſchen Literatut als das erfie Stuͤck 
von eleganter Diction und aud einigermaßen regelmäßis 
ee und intereffanter Handlung Epoche made. Dan 
je diefes Stk, in deſſen Drud: und Herausgabe übri- 
ns der Dichter ſehr ungern willigte, verſchieden beur⸗ 
theilt, weil es, "wie Tirabosſchi nachgewiefen bat, von ums 
wiſſenden Abfchreibern und Serausgebern ſehr verſtuͤm⸗ 
melt worden if. Nah einem in Reagio aufgefundenen 
alten Goder iſt aber bie Tragödie ganz regelmäßig in 
fünf Acte getheile, und fehle dort bie fo bitter. getadelte 
lateinifhe Ode in fapphifchem Versmaß zum Lob des 
Garbinais, weiche Orpheus bei feinem erſten 


auf der Bühne außer allem Zufammenbang fol herges 
fagt haben. Der Inhalt der: Teagoͤdie iſt einfach die 


Geſchichte des Orpheus, wie er in die Unterwelt ſteigt, 
feine Gattin zu befreien, fie aber durch unvorſichtiges Um⸗ 
fhauen verliert, darüber troſtlos allen Freuden ber Liebe 
entfage und zur Strafe für biefen Entſchluß von dazu⸗ 
kommenden Bacchantinnen getöbtet wird. Fuͤr die Schau: 
luſt ift auch durch Decoration geforgt, indem z. B. im 


vierten Act, wo Orpheus unter die Erbe hinabſteigt, das 


Theater getheilt ift, und auf ber einen Seite die Schwelle 
der Unterwelt, wo der Sänger ankommt, auf ber andern 
fie ſelbſt zuerſt in der Kerne zeigt, dann aber die Scene 
ſich öffnet und Orpheus nun mitten unter den Schrei: 
niffen des Zartarus flieht. Es kommen aber auch einige 
meifterhafte lyriſche Geſaͤnge darin vor, wie ber Hirten: 
gefang des Arifläus im erflen Act, dann ber Geſang des 
Orpheus, um bie Götter ber Unterwelt zu bewegen, und 
beſondors die unübertreffliche und wahrhaft claffifche Di: 
thyrambe der Bacchantinnen, welche ben Schluß bes 
Stuͤcks ausmacht. 

Das Belfpiel von Mantua erweckte in vielen Stäk 
ten Nadeiferung. Der Herzog Ludwig Sfor ließ in 
Mailand ebenfalls ein Theater errichten und der Herzog 
von Ferrara reifte oft mit großem Gefolge bin, um bie 
feſtlichen Darflellungen zu ſehen. Im Venedig wurde 
1494 eine italienifhe Komoͤdie von Sacope Nardi, 
„Jamicizia”, aufgeführt, welche Mercure mit einem Pre: 
(og eröffnete. Mirgend aber fand die dramatiſche Muſe 
beffere Aufnahme und eigentlichere Pflege als an dem 
prachtliebenden und reihen Hof in Serra. Der Her: 
530g Hercules I., welcher in Prachtliebe mit den mächtig: 
ſten Königen wetteiferte, ließ in dem Sof feines Palaſtes 
ein Theater errichten, wo eine lange Zeit bie bramatifchen 
Selle flattfanden. Sein Eifer in Beförderung des Thea⸗ 
ters hätte einen beſſern Erfolg verdient, und daß deſſen⸗ 
ungeachtet nur fo wenige Originaldramen ‚an biefem Hof 
and Licht traten, und diefe wenigen kaum bie nachfictigfte 
Kritik befriedigen, während im Epos fo Werzügliches ges 
leiftet wurde, follte uns faft ben Beweis liefern, daß bie 
dramattfche Kunſt nicht zu dem Geiſt der Itallener paßt. 
Der Herzog nahm daher zu den lateiniſchen Kemikern 
feine Zuflucht, und ließ fie eiftig theils von ben am ſei⸗ 
nem Hof lebenden Gelehrten, theils von Fremden Über: 
fegen. Die erſte Aufführung war am-25. Sen. 1486 





die der „Menaͤchwmen“ 626 Mautus am deren Übesfegung 
er felbft geholfen hatte umd beren wirbige Ausſtattung 
er ſich 3000 Dukaten koſten lief. Sie fol aber auch 
die Bewunderung von ganz Stollen erregt haben, und 


von weiter Gerne, von Mantua, Bologna, felbfl von- 


Florenz waren bie Fuͤrſten und Herren mit großem Ge: 
folg gelommen, um Zeugen dieſes Schaufpiels zu fein. 
Die zweite Darſtellung gefhah am 21. San. des folgen: 
den Jahrs, und dazu hatte der Fuͤrſt Niccolo von Cor: 
teggio ein Driginalftüd, eine Art Dirtendrama, „Cefalo“, 
in fünf Acten in Ditava Rima, geliefert, welches er ſelbſt 
aber im Prolog nicht recht zu beftimmen wußte, baber 
er jedem nach feinem Ermeffen überließ, es Komödie oder 
Tragödie zu nennen. Fünf Tage darauf war wieder ein 


großes Zeit in Ferrara und wurde der „Amphitrio“ von |’ 


Plautus gegeben. Die Iateinifchen Komödien fanden fols 
hen Beifall, daß man fie öfters bei Feſten wiederholte, 
4 B. 1491 bei der DVermählung des Alfonfo von Eſte 
mit ber Anna Sforza, 1493 bei dem Beſuch des Lub- 
wig Moro. Den „Amphitrio‘ hatte Pandolfo Collenuccio 
in Terza Rima uͤberſeht, berfelbe fchrieb aber auch eine 
Drlginaftragddie, „Zofeph”, für daffelbe Theater. Noch 
eine Menge anderer Gelehrter waren fortwährend mit 
Überfegen des Plautus und Terenz befchäftigt, wie Gua⸗ 
zint, und alle diefe Stücke gefielen fo gut, daß in einem 
Monat, im Febr. 1499, drei derfelßen ‚‚Trinummus” und 
„‚ Poenulus” von Plautus und „Funuchus“ von Terenz 
zwei⸗ und breimal wiederholt wurben. Unter den Origi⸗ 
nalfchaufpielen bemerken wir nur noch zwei Tragoͤdien 
von Antonio von Piſtoja in Zega Rima und mit 
Sefaͤngen (die eine „Filostrato e Pamfila”, die ans 
dere ‚‚Demetrio”), fund den ‚, Timone’ bes Bajardo 
(Berf. des „Orlando innamorato ”) in fünf Acten 
und Terza Rima, ben diefer auf Verlangen des Herzogs 
von Ferrara gebichtet hatte, und der gewöhnlich für den 
erfien Verſuch im italienifchen Luftfpiel angefehen wird. 
Diefee „Timone“ iſt übrigens nichts Anderes und der 
Berf. gab ihn auch für nichts Anderes als eine verfifi: 
cirte Vberfegung des Geſpraͤchs von Lucian unter dem: 
feiben Namen. Denn ber Titel heißt „Timone, com- 
media tradotta da um dialogo di Luciano, a compia- 
cenza del ill, Sgr. Ercole Estense Duca di Ferrara”. 
Ziraboschi theilt zwel für die Geſchichte des Theaters zu 
Ferrara wichtige Briefe mie. Der eine iſt vom Herzog 
ſelbſt an den Franz Gonzaga von Mantua, worin der 


erſte ſich entfchuldige, dem andern nicht die gewänfchten 


Copien det aufgeführten Plautinifhen und Terenziſchen 
Luſtſpiele ſchicken zu koͤnnen, weil die Schaufpieler, wel⸗ 
che ſie auffuͤhrten, ſich mit ihren einzelnen Rollen nach 
allen Laͤndern hin, beſonders nach Neapel und Frankreich 
zerſtreut haͤtten, woraus alſo erhellt, daß hauptſaͤchlich 
von Ferrara aus ſich die dramatiſche Kunſt nach den ans 
dern Laͤndern hin verbreitete. Der andere Brief iſt von 
dem Prior des Benedictinerkloſters an den Herzog Her⸗ 
cules vom Jahr 1503, und begleitet einen Pack Schau⸗ 
fpiele, die in Florenz gegeben wusden, und bie ber Prior 
ao Ferrara ſchickt, nicht damit ber Herzog von ben 


Steruntimeme bie Schauſpiekeenft lerne, ſenbern bant «er 
ſehe, wie groß der Unterſchled zwiſchen feinen umd den 
florentiniſchen Schaufpielen fei, in welchen letztern bie 
Pollen unter die heiligfien Dinge gemifcht fein. 

(Der Beſchluß folgt.) 





Friedrich Stapß. Erfchoffen zu Schönbrunn bei Win 
auf Napoleon's Befehl im October 1809. ine Bios 
graphie aus den Papieren feines Vaters Fr. Gottl. 
Stapß. Nebſt den Zeugniſſen feiner Zeitgenefien. — 
Kart Johann Friedrich Schulz, Kämmerer zu 
Kyris. Erfchoffen dafelbft am 8. September 1807 auf‘ 
Befehl des franzoͤſiſchen Gouvernements. Berlin, Lefes 
cabinet. 1843. 8. I Thlr. 


„Nur im Vorbeigehen“, ſagt Buͤlau in feiner „Geſchichte 
Deutſchiande von 1806 - 30" (S. 120), „gedenke ich des Atten⸗ 
tats bes Friedrich Stapß, ber Rapoleon zu Schönhrune am 12. Det. 
zu ermorden ſuchte und bald barauf erſchoſſen wurde. Ein fols: 
her Verſuch konnte nur aus aͤußerſter Verblendung und mora⸗ 
liſcher Verirrung hervorgehen und wuͤrde, wenn er gelungen 
wäre, bie Annalen bes deutſchen Volks befleckt haben. Ein: 
Bolt, das feine andern Mittel wäßte, fid von feinen Unter 
brädern unb Feinden zu befreien als den Mord, verbiente nicht 
frei zu fein. In der That würbe das Attentat Deutfchland - 
aller wohlthätigen Ginflüffe, bie der Befreiungskrieg body uns 
leugbar in feinem @Befolge gehabt bat, beraubt haben. Es ent⸗ 
fprang nur aus einer ganz vereinzelten Stimmung.” 

Uber biefe von dem genannten Gefchichtichreiber mur Burp 
erwähnte Angelegenheit gibt bie vorliegende Schrift bie ause: 
führlichften Nachrichten. Mehre Jahre hindurch war die Sache 
fo gut wie unbelannt in Deutfchland geblichen, nur dunkle, 
unbeflimmte Gerüchte waren verbreitet, bis feit bem Anfange 
bes 3.1813 in Kotzebue's „Ruſſiſch⸗deutſchem Volksblatte” (m. f. 
S. 58 fg. ber vorliegenden Schrift) das Attentat auf Napo⸗ 
lton genauer erzählt und dann aud) im „Allgemeinen Anzeiger‘ 
ber Deutfchen” mehre Anfragen und Beantwortungen in dieſer 
Sache gefchapen. Mehre Jahre fpäter erfchienen nach Napo⸗ 
leon's Tode die Memoiren von Gavary, Rapp und Bourrienne, 
vor ihnen warb noch das „Memorial von St.⸗Helena“ bekannt 
gemacht, und man konnte aus biefen Schriften zu ziemlicher 
Gewißheit über die einzelnen Umftände des fchönbrunner Attens 
tats gelangen. Aber noch fehlte es an glaubmürbigen Auffchlüfs 
fen über Stapß felbft und über die Beweggründe feines Unter 
nehmens. Diefem Mangel wird allerdings durch die vortiegendei 
Schrift abgeholfen. Denn ihr Herausgeber bat fi in ben 
Beſitz einer Biographie zu fegen gewußt, weldge ber Bater des 
erfchoffenen Stapß, ber zu Raumburg am 28. December IS4L: 
(nicht vor einigen Jahren, wie wir auf &. 8 ber Worrede le⸗ 
fen) verflorbene Prediger Stapß für feine Familie verfaßt hatte 
und deren Berdffentiihung ihm geftattet worben ift. Mit FRecht 
hat ber Herausgeber dieſelbe ganz in ihrer urſpruͤnglichen Ges 
ftalt erfcheinen lafien. Denn als die Stimme eines jo nahe ber 
theiligten- Mannes unb als ein wngefchminktes Beugniß ber 
Wahrheit bedurfte fie feiner Umarbeitung und keinens Commen⸗ 
tars, um gleichmäßig belehrend und ergreifend zu fein. 

Friedrich Stapß, geboren zu Raumburg am 14. Maͤrz 1702, 
war in ber einfaden Bitte einer proteflantifchen ſaͤchſiſchen 
Prebigerfamitie aufgewachſen. Er wird als ein durchaus guter - 
Cohn geſchildert, fleißig, betriebfam und mit Geſchick file aller» 
band technifche Fertigkeiten. Im Mat 1806 trat ex feine Lehr⸗ 
jahre in der Rothſtein'ſchen Fabrik in Erfurt an und erwarb 
ſich Hier durch Fleiß und Treue bie Liebe feines Principals. Die 
Zuſammenkunft der Kaiſer Napoleon und Alexander in Grfurt, 
dann ber ber idyer bei Afpern machten großen Eins: 
druck auf ihn, er meldete es feinen Ältern, fo oft er cine 


Bi 
Gkrgtuadkidgt versah, und onf wie Sintestiogang. ber Gumpagnte naffauiſcher Nupyen nebſ einem 
an,ofen ni asoßem @ifer. — Zeit, barz vor feinem | nach Kyrit, um bie Schuldigen u verhaften und 


nge aus (Erfurt, ſprach er zum erſten Male gegen’ zwei 

ute Freunde Aber feinen Plan, den Kaifer der Franzoſen 

zu ermorden, flelfte ſich aber, als dieſe ihm alles Ernſtes ab⸗ 
riethen und es dem Bater zu ſchreiben drohten, als fei es nur 
ein vorübergehender, unreifes Gedanke gewefen. Um fo mehr 
waren feine Freunde und das ganze Haus betroffen, ald er am 
ZA. Geptember 1309 piöglih Erfurt verließ und Alle glauben 
mußten, ex habe dies gethan, um Soldat zu werben. Die Als 
teen erfchraten über biefe Nachricht, die Mutter wollte gleich 
nach Erfurt, fand aber ſchon unterwegs bei einem Verwandten 
den Brief ihres Sohnes, der bier ©. 29 fa. abgedruckt ifl. 
Uns Viefem fpricht bie inntgfte kindliche Liebe und tiefer Schmerz, 
den er feinen Atern buch diefen Schritt zufügen würde, aber 
fein Gewiffen riffe ihn mit Nicfengewalt zu feinem Schickſale 
bin, deffen Laufbahn balb vollendet fein mürbe und wo ihn 
dann die ewige Herrlichkeit erwarte, bie ihm Gott verbeißen 
. Denn ber Water habe. ihm ja gelehrt, für das Gluͤck 
mb für das. Leben der Nächten ben Tod nicht zu feheuen. 
Eine beſtimmte Anbetung Deſſen, was ex zu thun entſchloſſen 
fei, enthält. ber Brief nicht. Alle Nachforſchungen ber Altern 
biteben ohne Erfolg, und erſt als Anfragen von Münden und 
Deimar aus nach den Altern eines gewiflen Stapß kamen, als 
ver Bates über feinen Sohn vernommen wurbe, abnete nam, 
daß etwas Außerocbentliches mit bemfelben vorgegangen fein 
möchte. Sin namenlofer Brief aus Hamburg enthielt am Schluß 
die. Worte: ‚Run ift wieber ein Deutfcher weniger, und ein 
anderer theilte unter dem Giegel der tiefften Verſchwiegenheit 
mit, daß ein junger Menſch aus Erfurt in Wien erichoffen ſei, 
man wiffe aber durchaus nichts Raͤheres. Won Dreiben aus 
mard dem Water auf bie Bitte um einen begiaublgten Todten⸗ 
ſchein nur die Antwort: „man fpreche nicht gern von ber Sache, 
es fei —— für alle Theile, fie ruhen zu laſſen“. 


& 
elamat Öffentlich zeigen busften, weit bie In 


gſtuichkeit der Be 
hoͤrden itmen bie Außern Zeichen ber Trauer unterfagt hatte. 


Dagegen foll Napoleon bei feinem Aufenthalte in Münden im | 


J. 1809 die Abficht gehabt haben, dem Water bed Fr. Stapf 
eine Unterftägung zukommen zu laflen, es ift jedoch eine folche 
micht erfolgt. Nur erft während ber Befreiungskriege empfingen 
die Ättern bie fichern Nachrichten und erfahen fpäterhin aus ben 
n Memoiren die Berichte des Napoleonifchen Generale. 

Es fchlieht diefe Biographie mit ber Warnung des Baters 

an alle Idmglinge, daB fie fich durch den Tod feines Sohnes 
möchten bebeuten laffen, fich nicht größere Laſten aufzubuͤrden, 
* FR im Stanbe wären, unb nicht in den Gang 


AIm Anbange hat der Herausgeber eine ſehr Bielen ‚gewiß 
kannte WBegebenheit aus ber Zeit ber Napoleoniſchen Zwing⸗ 
herrſchaft mit allem Rechte der —— entziffen. Die 
Sache war fölgende. Am 30. Maͤrz 1807 erfchienen in ber 
GSetabt Kyritz in der Priegnig ein Commando Schill'ſcher Huſa⸗ 
rm von Kol aus, um fich der noch vorhandenen preußifchen 
Montirungs zu bemaͤchtigen. Die Buͤrger nahmen die 
Huſaren gen in ihre Haͤuſer auf, Alles ging in Ruhe vor ſich, 
nur bemädhtigten fidy die Reiter ber Kaſſe eines durchreiſenden 
Jaden, der bei dem Gaſtwirthe Kerfien wohnte, und ben man 
franzoſtſchen Gommiffae bielt, ober. ber es aud wirds 

üch war, Durch diefen warb ber Generalgouvernsur Glarke in 
Bertin- von bem Vorfalle benadzeichtigt und fenbete: ſofort eine 


‚der Negociatiönen eingedrungen. 





Den Kämmerer - Schul; als Mitglieb ber ſtaͤdtifchen —* 5 


erer 
bewegen laſſen, —e— Kaum dreihundert Schriti 
vom Thore ließ der naſſauer PHauptmann Kergefroid ben Was 


‘gen von der Straße abfahren und eröffnete den beiden ſchuld⸗ 


Iofen Maͤnnern, wie fie fofort follten erfcyoffen werben ımb er 


'ignen nur wenig Seit laſſen koͤnnte, ihre One Gott zu befchs 


len. Nach wenigen Minuten lagen Beide durch bie n 
ihrer deutſchen Bruͤder getroffen todt auf dem Acker. 
ſtarb mit der maͤnnlichſten Faſſung. 

As am 3. Mai 1814 General Starke in Paris dem Kd⸗ 


nige Friedrich Wilhelm III. vorgeftellt wurde, wandte fich dies 
ſer mit harten Worten zu ihm und hielt ihm feine Braufames 
‚beit gegen die Märger von Kyrig vom 


Dem ‚Herausgeber ift biefe Geichichte eines ebein Märtyrers 


durch den noch lebenden Bruder beffelben, Beledrich Schulz, ben - 


von Goethe einft fo ausgezeichneten Kritiker des berliner Thea⸗ 


:ters, ben vieljährigen Freund und Hausgenoffen Stägemann’e, 


zur Belanntmachung. mitgetheilt worden. Alfo gewiß eine volls 


Tommen lautere Quelle. Und doch bat ein aachener Badegaſt 


aus der Gegenb von Kyrit in Nr. 265 der „Aachener eitung” 
Berichtigungen bazu mitgetheilt, bie wir in. unfere obige Er⸗ 
zaͤhtung mit aufgenommen haben, dba man uns überbies vers 


ſichert hat, daß diefe Rachricht gang den Srinnerungen der Bes 


wohner von Kyrig entiprädge. Das Berbienkt bes Derausgebers, 
b6 ben 


"zwei Begebenheiten aus der trübften Zeit 

Jetztlebenden zur feudhtbaren Ermahnung bargeftelt zu haben, 
ir durch eine ſolche Berichtigung ganz und gar nicht ver⸗ 
kuͤmmer 

ebten die AÄAitern in tiefer Bekuͤmmerniß, die fie nicht |. 





Literarifhe Notizen. 
oe hiaiännigen Kriege. 
er‘ eine Überf des „Drei 
jährigen Kriegs” von Schiller und bes —— — —* 


‚von Woltmann, begleitet mit Anmerkungen, herausgegeben: 
„Histoire de la guerre de Trent- Ans, * Schiller, et de 


la paix de Westphalie, par Woltmann’ (ABde.). Ein frame 
zoͤſiſcher Recenſent vergleicht eine ältere framoͤſiſche Arbeit kber 
den Dreißigjährigen Krieg und die Schiller ſche wie folgt: „Der 
Pater Bougeant iſt aͤngſtlich in feiner Diction, behutfam im 
feinen Urtheilen, aber in Dem, was die religiöfen Intereffen 
betrifft, iſt er, obwol Iefuit, ehrtich und fogar tolerant. Gr 
hat _forgfättige Studien gemacht und feine Erzaͤhlung iſt ge⸗ 
meflen, ex gebt weniger darauf aus, die Menſchen zu ſchüdern, 


als ihre Intereflen zw entwideln, woburd fie allerdings auch 


gefchildert find. Niemand iſt beffer als er in die Geheimniſſe 
Schiller dagegen ſcheint nur 
gtänzenbe Portraits, lebendige Tableaux vor Augen gehabt zu 
haben. Er ſchreibt Gefcdyichte, wie man fir das Theater dichte, 
indem ev bie Soenen vorbereitet, anorbnet und die Effecte derech⸗ 


net. Er denkt, er ſchreibt als ein Dichter.” 


Puſeyiſmus in Amerika. 

Eine Abhandlung: „A statement of facts in relation te 
the recent ordination in 8. Stephen’s Church, New York”, 
von Dr. Smith und Dr. Anthon, enthält die Nachricht, dag 
tro& ber Einſprache ber beiben genannten Herausgeber und Mit⸗ 
glieder bes Presbyterencallegimus der Biſchef von Nework, 

. Onberbonf, im GEinverſtandniß mit den übrigen ſecht Preo⸗ 
byteren, einen gewiſſen Wr. Carey zur Drbination gelaſſen 
babe, weldyer nad) ber Meinung der Herren Smith und Anthon 
tomaniftifche und ber Lehre der proteftantifih = episkopalen Kirche 
Dee ſchnurſtrackt zuwiderlaufende GBrunvfäge enfgeßsät 


VBerantwortlicher Derauögeber: Heintih Brodpaud. — Drud und Berlag von F. J. Broddaus in Leipzig 


“= (GEHEN ————— — ⏑ — EEE 


Biefter 


literarifche 


far 


Unterhaltung. 





Sonntag, 





¶(Beſchiuß aus Mr. 315.) 

Zu Row war bie glaͤnzendſte Zeit für das itattenifche 
Theater die Regierung bed Papflis Leo X.; doch fehlten 
beſonders dort alle Elemente für bie tragiſche Kunfl. 
Diefee Mediceer liebte allerdings bie Poeſie, und bie ums 
ermeßlichen Reichthuͤmer, die ihm Dummheit und Aber 
glaube aus allen Ländern Europas fammelten, floſſen 
zum großen Theil an feine Tafel, die täglich von luſtigen 
Reimern und Poffenreißern belagert war, und er nahm 
Ale an, wenn fie ihn nur durch ihre Verſe beluſtigten. 
Diefe Vorliebe fir die komiſche Dichtung unterdruͤckte je: 
des ernfte Genie, was ohnebies in SStallen eine Selten⸗ 
beit war. Um auch bie Komödie in Rom zu heben, ließ 
der Papft die Akademiker von Siena an feinen Hof 
kommen, welche fich die Geſellſchaft der Roben, Congrega 
de’ Rozzi, nannten und fich fchon laͤngſt in Siena durch 
"ihre burlesken Darſtellungen einen Ruf mworben Hatten. 
iefe machten auf einer im Vatican (Rom hatte noch 


Zein beftändige® Theater) errichteten Bühne die römifchen | 


Prälaten und Großen mit ben Luflfpielen des Plautus 
und Terenz und mit ihren Originalpoſſen bekaunt. Un⸗ 
ter den von den Rozzi in Siena aufgeführten Komoͤdien 
iſt nur eine demerkenswerth, und zwar hauptſaͤchlich wegen 
ihres Inhalts, weil benfelben auch Shakſpeare in einer 
Korasdie bearbeitet bat, wie man fogleich aus dem In⸗ 
balt erſehen wire. Dies iſt die „Wirginia”, oder auch 
olme befondern Titel die Komödie des Bernardo Accoltt 
von Arezzo, ber wegen: feiner beliebten Sonette PUnico 
Aretino genannt wurde. Die Fabel biefes Sthds if 
aus ber neunten Movelle ber dritten Giormata beö „De- 
camerone” von Boccaccio genommen. Virginla, die Toch⸗ 
ter eines Arztes und in der Heilkunſt erfahren, verliebt 
fi) in einen Fuͤrſten. Dee König, der auch Lehnsherr 
diefes Sürften if, liegt gefährlich. krank. Virginia unters 
nimmt die Heilung beffelben und verlangt zum Lohn Die 
Hand eines ber Fuͤrſten. Der. König wird geheilt, und 
der Fürft ; der eine gewiffe Eainilla mit ber größten Leis 
denſchaft Lebt, muß wider feinen Willen der Retterin 
feine Hand geben. Er weiß fih ober wicht in fein 
Schickſat zu ergeben und entferne‘ ſich gleich nach ber 
Trauung.  AHe feine Freunde ſuchen umfonft die Sache 
zu Sunften der Virginia zu vermitten. Er roliigt end⸗ 


| aͤchlichem 
voruͤbergehenden, abwechſelnden Eindrüden und 


Inhalt oft uͤberſahen. 








lich, von ben Fuͤrbitten ermuͤdet, ein, die Tochter des 
Arztes als ſeine Gemahlin anzuerkennen, unter der Be⸗ 
dingung, daß fie ihm einen koſtbaren Ring, den er nie 
vom Singer zieht, und zweitens einen Sohn bringe, ben 
er ſelbſt mit ihr erzeugt bat, und feßt darauf feine Be⸗ 


werbungen bei der Camilla eifrig fort. Virginia folgt 
ihm nun verffeidet und weiß die Camilla und deren 
Mutter In ihre ISntereffe zu ziehen. Dort wird nun bie 
Intrigue fo eingeleitet, daß der Fuͤrſt mit feinem Ring 
eine Nacht bei der Camilla erfaufen muß und daun Vir⸗ 
ginia ihrer Freundin Stelle einnimmt. Auf diefe Art 
werden "beide Bedingnifſe erfüllt und Virginia die aner⸗ 
fannte Gemahlin des Fuͤrſten. Die Aufführung diefer 
Komoͤdie zeugt freilich noch von der Kindheit der drama⸗ 
tifchen Kunft, aber auch von dem laͤhmenden Einflich 
ben die Petrarchiſche Sonettenwuth auf bie itattenifcht 
Poefte außgehbt hat, Inden auch dieſes Zufifpiel, wie faſt 
alte übrigen Compoſitionen diefer Art, ſich nicht über die 
Igrifche Sphäre erheben kann. 
Wir find num Über den Urſprung des itafienifchen 
Theaters hinaus an der glänzenden Periode beffelben ans 
gelangt, welche mit Arioſt's „Saffatia”, Bibbiena's „Gas 
landra” und XZeiffino’s „Sophonisba“ anfängt und uns 
alfo zum Schluß mahnt. Die gefchichtlfche Überficht jes 
ner Anfänge führt uns nur noch zu einigen Bemerkun⸗ 
gen. Es ſcheint vorerft im Allgemeinen, daß die Italle⸗ 
ner zur ernflern Tragödie nicht organifirt find und darin 
nie etwas Ausgezeichnete® Leiften werden. Ihre ganze 
Natur, ihe Hang zu oberfl Sinnenreiz, zu * 
enuͤſſen, 
ließ fie mit beſonderer Vorliebe immer mehr das Außere, 
die Form vervollkommnen, moräber fie den tieferliegenden 
Daher warf fi) in den früheften 
Zeiten ihr dramatifches Talent nur auf bie Mimik, worin 
fie Meiſter und Lehrer ber Römer waren; bei dem Wies 


dererwachen ber Kunſt erhielten bald die Opern, Ballete 


und aͤhnliche theatralifche Ergöutichiuiten die Oberhand, 
wobel die dramatiſche Webeutung gaͤnzlich untergeordnet 
war; und felbft bei dem Tragiker Alfieri Liege der tragi⸗ 


'fche Ernſt oft nur in der Form, im ber energiſchen, oft, 
- |; auch gezwungen abgefchnittenen, gepseßten 


die 
ee fidy eigens dazu gebiiber zu haben ſcheint, eineh: 
aber iu dem Sinn und dee Handlung. Wie fehe‘ die’ 





ij77 
Italiener an der Form haͤngen, zeigt ſich In ihrer ähgft- 
ũchen filavifchen Nachahmung ber Formen ber alten Ko: 
mödie und noch in ber flarren Feſthaltung ber lateini⸗ 
ſchen Sprache, bie fie in jenem Jahrhundert für jedes 
Gaſtes 


werk audſchleßlich wählten, das ihrer Meinung 


nach auch im Ginte un der Bibkıtung bey altzn gleich⸗ 
kommen ſollte. Ale Werke jener Zeit aber, die echt na: 
tional in italieniſcher Sprache abgefaßt waren, ſtreiften 
in das Gebiet des Leichtfertigen oder Komiſchen. Diefer 
befondere Hang zum Oberflaͤchlichen, zur Außern Form 
binderte benn auch das tiefe Eindringen in ben Charak⸗ 
ter, und ließ fie deswegen die eigentliche Piaftit, das voll⸗ 
kommene Herausarbeiten eines Charakters vernachläffigen, 
wovon fich auch in ihrer ganzen dramatifchen Literatur 
wenig Spuren finden. Daneben bemerkt man bei ihnen 
Die Usmöglichkeit, fich für isgend ein Werk einen erhabe: 
nen Standpunkt zu einer großartigen, allgemeinen Auf: 
faflung zu gewinnen, wozu freilich aud) ihre völlige Un: 
kenntniß frember Zuftände und Nationalitäten und bie 
dadurch erzeugte Einfeitigkeit gewirkt hat. Diefer Man: 
gel zeigt Gch in ihrem noch immer ſpukenden Localpatrio⸗ 
tiamus, ec zeigt fich auch in ihrer Geſchichtsliteratur, die 
meiſtene eine unüberfehbare Reihe fehr fleißig gearbeiteter 
Municipalgeſchichten gibt. Was dagegen in der drama⸗ 
tifhen Kunft in die niebere Sphäre des blos Foͤrmlichen, 
des fihnellen vorübergehenden Genuſſes gehörte, wurde 
von ihnen mit beſonderer Vorliebe erfaßt und ausgebildet. 
Sowie fie daher früher ihre poffenhaften Atellanen hat- 

, fo bildete ſich in der neuern Zeit vorzugsweiſe Die 

vieler Beziehung gang ähnliche Komödie aus dem 
Stegreif aus, in deren Pofjen eben ber enge Bleinliche 
Municipalgeiſt die Hauptrolle fpielte. Aus jenem ange: 
führten Charakterzug erklärt fi im 15. Jahrhundert die 
merkwuͤrdige ausfchließliche Aufführung der alte Komödie, 
da man doch die griechifchen Tragiker ebenfo gut kannte. 
Es war derfeibe Zug, ber fich auch zu den ungereimten 
Poſſen hinneigte, womit man die heiligften Dinge wür: 


zen zu müffen glaubte. Obgleich daher die Staliener in | 


den bramatifchen Beſtrebungen unter allen neuern Voͤl⸗ 
fern am. thätigften waren, fo waren doch wegen ber an: 
eführten Urfachen die Erfolge dieſer Beſtrebungen bei 
Chnen gm geringften. | €. Ruth. 





Eimmdzwanzig Bogen aus der Schweiz. Herausgegeben 
von®eorg Herwegh. Zürich, Literariſches Comptoir. 
1843, r. 8. 1 The. 15 Mor. 

Wir erflaunen it! mit Recht, wie einft bie Kluge Politik 
der Kirche und ber beſchraͤnkte Fanatismus der Kirchenparteien 
fi das abfolute Recht der Wahrheit vindictren und jeben Kris 
tiker tiefer, priallägirten Wahrheit, jeben anders. Denkenden und 
Slaybensen. mit Feutr, und Exil verfolgen fonnten. 
Die Seiten, jagen wir ſtolz und feöplich, haben fi 
ber Proteflantismus hat die Macht ber Geiſtestyrannei gebros 
hen und es iſt wahr: Niemand wird mehr gefpieft und gebras 
ten, will ex an feinen Gott auf feine Weiſe glauben wil. 
X went aber ee daß —A * 
bentzatrichte a | Der Munich hat tage 
aux einen xetigiöien Glauben, ber frei ſein En, es bat auch — 


objectiven Geiſte einninamt 
anſprucht hat und noch beanſprucht? 


‚jede Philoſophie muß Aber ihre Zeit hin 
futtate d 


geaͤndert; 


sr 


bie Cigenthar OERER feiner Zeit — das Beboͤrfniß beö Denkens 
und Willens, des Denkens und Wiffens über den Staat, bie 
Beſellſchaft, ſelbſt über die Religion und Kirche, kurz über Als 
led, was ben Inhalt bes modernen Lebens ausmacht, und bie 
ahre Geifteöfreipeit Ruß ſich auch über ben Gedatzken, über 
8 ganze G des Menſchen erſrecke * 
Beſitzt unſes Beitölter das Reche dieſtr imerm Fraheit? 
Niemand, ſelbſt In Deutſchland, wagt recht offen das Wegentheit 
zu behaupten; Jeber, wenn er nicht gerade ein Römling, fpricht 
bie Freiheit des Geiftes als ein hohes But aus, felbft die Par: 
tei, die ruͤckwaͤrts marſchirt, zeigt Entrüflung, wenn ihr Feind⸗ 
thaft gegen bie Freiheit bes. Gedankens vorgeworfen wird; und 
dennoch müflen wir an biefer Freiheit, zumal in unferm lieben 
Baterlande, zweifeln. r fi denten, das iſt wahe, kann 
heute noch Jeder, was er nur will: dieſe Freiheit mußte gr 


ui Rizde 4 Diele Vruͤferia ber ı 72 

fen. Allein das Recht, die Übergeugung, bie uns auf bem Her⸗ 
zen brennt, der Welt mitzutheilen, dieſe Freiheit, in der das 
Denten erſt 3wed und Kung hat — bie beflgen wir noch 


nicht. 
Bias wuͤrde aus ber Religien werben, wenn fie bein Ur 
theile Jedes preißgegeben wäre? fragte bie Kirche oft, menu fie 
Bluturtheile oder eine harte, geiftestöbtenhe, bie Vernunft und 
bie Menſchlichteit empörende Maßregel befchönigen wollte. Wie 
kdante, fragt ihre Nachfolgerin, die Staatögetwalt, der Staat, 
die Affentliche ‚ bie Kirche, beflchen, wenn wir den 
Geiſt in Miſſenſchaft und Literatur nicht feſſelten, der über bie 
Gegenwart hinausgreiſen und fie in Miscredit bringen will! 
Ehen diefe Brage, bie fo väterliäy und unſchutdig Klingt, beweiſt 
es, wie wenig bei uns das Recht ber Geiſtesfreiheit und bie 
Macht des Geiſtes begriffen wird, fie beweiſt, daß man 


immer noch nicht uͤberzeugt iſt, wie bie Vermunft kein Privile⸗ 
gium Eingelner, fondern der allgemeine menſchliche Geiſt fei, fie 
eweift, diefe Srage, mit einem Worte, daß unter uns bie Frei⸗ 


heit des Geiſtes nicht exiſtirt. Der Katholicktmus, das Prindp 
der Außerlichen Autorität, fist uns noch immer im Ratten. 
Dem dad unmwahr duͤnkt, der erinnere fi an das Schick⸗ 
fat ber vorliegenden Schrift und an bie Stellung jenes ofer 
phiſches Ciberalidmud, aus dem fie hernorgegongen· Die @ 
zwanzig Bogen wurben in bem einen Staete vesboten, che fie 
gedacht waren, in dem andern confläcirt, als fie ans Licht tra⸗ 
ten, und da bie Sonfiscation nicht gänzlich gefangen, von eis 
nem ober mehren Staaten wiederum verboten. ie wollen 


glauben, baß alle Gaumen bes P nges, bie Beſchruͤnkung 
der Lehrfreiheit, die Manifeſtationen einer officiellen Wiſfſcaſchaft. 
zum Heile des Staate, 





Chellung 5 
mt, als ber Papfl 
ie Staatögewalt hat 
mit ’ biele m ander an Finden m derzeit vn 
regeln wi a es m durchhauen, denn | 
eine 6 diqhtung als ein Unwanı2B, als Lüge und 


fi nicht der Wilfenfchaft | 
endeng. Gin neuer 
Wiſſenſchaft, wenn te nicht tobt fein Toll, Hat eine Zend 


er 
seifen und 
En ln 






lautet 
das Geihgsfgi —* 
| Bi aut deg ATi anne mis — 


—— 





— — — — —— 


| 


—— —XRWMWW 


Republikaner Bluntſchti zur Zuͤtich, der ftomme Protector des 


frommen Rohmer, ein Dann, ber vor einigen Jahren durch 


eine reactionnaire Umwälzung In Züri and Staatsruder Fam, 


hat ums forben ben Schneider Weitting als ben verkörperten ' 


Gommunismus bargeftelt. Es Teuchtet durch jenes Verfahren 
viel zu viel Parteihaß und Rancune gegen ben 
ralismus burg, die Dftentation mit jenem übergefchnappten 
Menfchen bar ii viel zu fehr als der Verfuch einer Verleum⸗ 
dung der freifinnigen Schrei 

als dag wir in biefen Enthällungen etwas Anderes ats die fana⸗ 
tiſche Geſtalt des Herm Bluntſchli erkennen mödhten Man 
kann unb muß, beduͤnkt uns, das Princip bed Sommanismus 


als ein wahres Princip anerkennen, ofne daß man zu ben Aus⸗ 


Schmeifungen und Schwaͤrmereien der fogenannten Communfften 
in Frankreich und ber Schweiz ſchwoͤrt. Das Princip bes Goms 
mmmismus Halten wir für fo att als die moderne Giviltfation 
ſelbſt, es iſt die Bafis der bürgerlichen Geſellſchaft. Gemeinfam- 
Zeit der Mittel, ber Zwecke und ber Refultate, diefer Grundſat 
hat den gefelffihaftlichen Organismus hervorgetrieben, bedingt 
alle focialen Lebensgüter, und unferer Zeit fcheint es namentlich 
gugewiefen, biefen Grunbfag mit Bewußtfein zur freien vollen 
Anwendung zu bringen. Die großen Affociationen für inbuftrielle 
Zwecke bis auf die Rentenanftatten und Grebitvereine herab, zu 
denen das confervative Clement, ber Grundbeſit ſelbſt, zuſam⸗ 
mentritt — Alles huldigt dem fo fehr gefürchteten Princip des 
Gommunismus, nur nicht burchgreifenb, fondern vereinzelt. 
Menn nun aber das Princip in gewilfen Streifen der Ge⸗ 


ſellſchaft eine drohende und ertreme, bie freie Perſoͤnlichkeit an⸗ 


greifende Geftalt annimmt, wo wirb benn das Übel zu fuchen 


fein, im Princip oder in der Geſellſchaft! — Die moderne 


Geſellſchaft, wie fie in Frankreich und England zu Zage tritt, 
trägt, wer Eönnte ſich das verbergen, bie Elemente eines furcht- 
baren Zwieſpalts in ihrem Schoofe. Auf ber einen Seite ſte⸗ 
sen Befigende, auögerüftet mit allen Rechten ber freien Perſoͤn⸗ 
üchkeit, im Genuffe aller ſocialen Lebensguͤter und bevorrechtet, 
ihr gemeinfames Intereffe durch Gorporationen und Affociationen 


und dem Staatsbegriffe entgegen zu finden, D 
artennen ja gang brfonders auch unfere confervatinen Politiker 
durch Wie Liebe zur väterliden Policei an, fol nicht nur eine 
Nechtsanflalt fein, fonbern er ſoll dem ganzen vollen Menſchen 
au feinewe fitttidgen Daſein verhelfen; umb es ift demnach Diels 
mehr eim Benguiß von ber intenfivem Kraft deu germanifdgen 
Race, daß Keiner, nicht der Arme, auf feine menfchliche 
Geſammtoeſtimmung, auf die allgemeinen Güter verzichten wilk, 
und Haß er auf Abhülfe feines bes ent, anfatt fein 
Schickſal in dumpfer Verlan 


——*— Lage, iſt han ein ftftichen Berlangen. 
Die Nidgebefigenden, bie modernen Proletarier, wie man 
fie nennen kann, ahnten längft fen, daß bie Vereinzelung 


der Interefſe beſenders lich ſei und 
a ——— 


* ihrer Gage eins andret, fobbee Mefait. Arben mie, 


es eigentlich das Princip ber 


ganzen Geſellſchaft iſt. 
entſtanden nnten diaſem erxwachenden Bewußtſein in Guglaud unb 
Schutbuͤndniſſe gegen 


Frankreich die ſogenannten Arbeitervereine, 


4; bi Air ad bad Jeder Wiſſtar ber 8 . | 
auf ai {8 fragen. Der. —* eine 558 Do 


olitiſchen ber 


eller Deutſchlands herausgeſtellt, 


Die andere dunkele Seite der Geſellſchaft aber 
Jverdammen das Gtenb und den Wunſch der Grrsttung, fie yeb 


aus 
Ä | ine we⸗ 
ſeutliche Verbeſſerung der oraliſchen unb meterictlen Rage. ber 
Arbeitermaſſen daͤtten hexvorgehen koͤm / wenn die * 
Arbeiter nicht ihrer eigenen Koheit un ——— — 
geblieben wären, wenn die Regierungen den Schut bie Leitung 
wnb die Ausbildung biefer Vereine übmuommen. hätten. Statt 
deſſen festen bie Regierungen wie bie reichen Prinsten- biefen an 
ſich vernünftigen uns billigen Beſtrehungen Verachtung, 
und —— — entgegen, zwangen bie Bexeine in ein 
liches Dunkel zurüdgutreten, behandelten die gedruckten Arh 
wie ihre Feinde und bildeten einen Haß und eine dumpfe Wen 
zweiflung aus, bie allerdings zum Außerfien trieb. Ser Iie 
ichte biefer Bewegungen nerfoigt bat, wirb dies nicht I 
nen. Mit den nefürtigen Gemüthern eigenthuͤmlichen En ’ 
und Schwaͤrmerei wurbe bald ber ganze gefellfchaftliche Zuſtand 
in Zweifel gezogen, bie Perföntichleit bes Beſiges wit feinen 
Gonfequenzen als bee abfolute Feind eines glüdtichen und ven 
nünftigen Geſellſchaftezuſtandes — und das Princip 
des Communismus in ein Ertrem geführt, das bie Perſoniich⸗ 
keit und die fubjective Freiheit anſtatt zu heben und zu Ehren 
su bringen,. vernichtet. Die Ideale und Schwaͤrmereien ber 
Gorialiften, St⸗Simon, Zourier, Owen, vollendeten bie Ben 
wirrung, ben Fanatismus und bie Spaltung. 

Weicher befonnene Mann, ber begeiffen hat, wie ung bie 
Perföntichkeit det Beſitzes mit ber Kreigeit sufanmenbängt un 
dem Rechte bes verwänftigen Menſchen, wird dieſe Gpoentrichtde 
ten anerkennen ober wol gar dafuͤr ben Propagator ſpielen? 
Sewiß Niemand, am wenigften deutſche Pubticiſten und Gelehrte 
Aber ebenſo roh, abgeſchmackt und grauſam iſt es, ſei es num 
aus Beſchraͤnktheit ober Cgoiemas, fen Herz und feinen Ver⸗ 
Wand dem gefellfehafttichen Liber zu veofchließen, ben Yatientum 
om ben Pranger zu flellen, anftatt Pflicht und Gewiſſen 
an feiner Deitung zu arbeiten, ihn ber Sinnlichkeit und 
ſucht gu zeihen, a 


pel geführt wurden, tragen etwas Unmoralifckes an ſich, fie 
en ben ganzen tiefen Parteihaß und bie Zerrättung ber Bes 

Ein dentſcher Schriftfteller, ©. Scein, 
das Verdienſt erworben, wiffenfegafttich 


reich hetausſtellt, gefunden. Die Abhandlung, ber in dieſem 
Bude der Communiemus zur Saft gelegt wird, beſchaͤftigt 
wit der Schrift von Stein; der ungenannte Verfaffer -eliniut 
zwar unter manchetlei Ausfegungen die Richtigbeit des Kudganges 
punttes bei Sein an, tadelt aber denſelden 4, daß er den 
Wideripruch zwiſchen dem Btechte ber d 


Gefangen fet und ben Bernunftfta 
Bürgern zu gleicher Verwirklichun ſtttlichen 
verheife, nicht kenne ober nicht kennen wolle. Dieſe Anſp 
au Wefen Iopten und hödften flaattigen Buftend mieberio 

Abyanklungen.: Mas der 





handelt wird viel bornirter Parteihaß dazu, um darin 
den Syke und ten Meitlings, wie man und glauben 
machen wollte, zu erfennen. | 





Die Abrigen Auffaͤge der Elaundyo: Bogen haben nedh 
viel vorne ——— Tendenz; Keen kritiſch die poli⸗ 
—— an; fe find mit GSeſinnung und Sachkenntniß ge⸗ 

zwar wenig Neues, haben aber den 
fie bei aller Mäßigung die Dinge ohne lm» 





fotgende Oaup 

m Kendt’s bis zur Abfegung Wauer’s’s eine pet inters 

ante und freifiunige Kritik aller preußifden Reg ngsmaß« 
regein dieſer Zeit, beſonders berjenigen, weiche die Politik der 
Vegierungsgewalt in Bezug auf die geiſtige Richtung des 
Gtaats betreffen. Gine andere Abhandiung, nicht minder wichtig 
J die Zeitgeſchichte iſt „Der badiſche Landtag von 1842” übers 

dgrieden. Das Minifterium Blittersdorff und befien politifches 
Softem M mit einer Offenheit, Gruͤndlichkeit und Schaͤrfe bes 
Yeuchtet,, daß fich die dabiſche Regierung, wenn wir nicht irren, 
remaßigt gefunden hat, das Buch dieſer durch bie Zeitungen 
früher nur angedeuteten Charakteriſtik wegen zu verbieten. Bir 
Yoeifein nit, daß der Verfaſſer audy weniger dem badiſchen 

Ike wie dem übrigen Deutſchland die Sache im Zuſammen⸗ 
Yange vorſtellen wollte. über die „Faͤhigkeit dev heutigen Ju⸗ 
den und Chriſten, frei zu werben”, hat Bruno Bauer gefährieben. 
Das Refultat lautet: daß der Chriſt und der Jude mit feinem 
ganzen Seſen brechen muß, daß aber biefer Bruch dem hei: 
fen näher liegt, da er aus ber Entwicklung feines biöherigen 
efens unmittelbar als feine Aufgabe hervorgeht; ber Zube das 
gegen hat nicht nur mit feinem jüdifchen Weſen, fondern auch 
mit ber Entwidelung der Vollendung feiner Religion (dem Chri⸗ 
flenthume) zu bredgen, mit einer Gntwidelung, bie ihm fremd 
geblieben und zu ber ex nichts beigetragen hat, ſowie er au) 
die Vollendung feiner Religion als Jude weber herbeigeführt 
noch anerkannt bat. K. Nauwerck erwirbt ſich das Verdienſt, 
das bekannte Buch des Grafen Gurowski, in welchem derſelbe 
feinen Landeleuten mit goͤttlichen und menſchlichen Gruͤnden raͤth, 
ihre Nationalitat vollenb® aufzugeben und ſich naturgemaͤß und 
mach dem Millen der Vorſehung Rußland in die Arme zu wer⸗ 
fen, in ein beiles Licht zu flellen; bie kleine Kritik iſt ein Mur 
Her von Abfertigung ſolcher dharakterlofen ‚Herren. 
zer Aufſat dedit, indem ex mehre Jeſuitenſchriften, namentlich 
die Predigten derſelben zum Grunde legt, das Treiben der Heis 
Ha Bäter im der ungihditchen Schweiz auf. Es if freilid) 
deichten, dieſe Aufklaͤrungen zu confisciren als fie zu widerlegen. 


„Die deutfche Rechtswiſſenſchaft in ihrem Werhältniffe zu unfe 


xte Zeit” von einem ungenannten, aber ebenfo patriotiſchen als 
untereichteten Wann, ift wol bas Klarfte, mas über diefen Ge: 
genftend für ben Laien je gefchrieben worben if. Bor allen 
aber bat unfer. Intexefje erregt die „Kritik preußiſcher Zuftände”, 
eine Reihe von Auffdgen, die durch ihre ungewohnte Sreimüthige 
Zelt und gängliche Umgebung verletzender Perſoͤnlichkeiten übers 
raſchen. „Die orientalifhe Frage der deutfch s evangelifchen 
Kirche“ Halten wir für das Lebrreichfte dieſer Abhandlungen, 
abſchon bie Kritik des preußiſchen Beamtenſtandes auch nicht 
wenig intereffante und neue Gefichtepunkte baxbietet. Unter 
den Rrititen von Büchern möchten wir „Friedrich Ballet” 
als die erſchoͤpfendſte bezeichnen; fie ift ein ſchoͤnes Chrendenk⸗ 
mal füs den bingefchiedenen Dichter. Die von Herwegh einge: 
ſteeuten Gedichte indeflen dürften weniger anſprechen; ungeach⸗ 
tet der Kraft und Schoͤnheit der Diction leiden fie, wie meiſten⸗ 

16 dis politifchen Bebichte, die ſich nicht an ein befkimnıtes 

reigniß halten, am Raifonnement. 

Die Macht des Geiſtes, wieberheten wir mit bem Werf., 
wirb auch diefen Sturm beftehen und ſiegreich über den Truͤm⸗ 
mern der Gelbftfucht ihr neues Reich aufbauen ! 22. 


oder lehnen fi an rein wiffenfchaftiiche | 


ef. | Krbeit felbft leiden unter ihrem Joche zu fichtbar. 


Sin länges | 





Literarifhe Rotizen aus Frankreich. 


Drganifation der Arbeit. 

Das Befte im ganzen Syſteme Fourier's ift offenbar bie 
Idee, daß die ganze Inbuflrie neu organifict werden muͤſſe. 
Die unbeſchraͤnkte Concurrenz bebroht die Production zu fehr, 
als daß es länger fo dauern koͤnnte. Der Fabrikant und bie 
s Die Drgas 
nifation ber Arbeit (l’organisation du travail) ifl die Aufgabe 
unferer Zeit und bie Lölung biefes wichtigen Problems ift im 
zahliofen Schriften verſucht worden. Wir erhalten gegenwärtig 
—J— Werke, bie beide daſſelbe Thema behandeln. Das erſtere 
ft ein „Plan d'organisation disciplinsire de l’industrie’’ von 
Felix de La Farelle, das andere „Des tendances pacifiques de 
la soci6t6 europsenne et du röle des armees dans l’avenir” 
von Berdinand Durand. Der Verf. der erſten Schrift, Depus 
tirter des Gard, will bei feinen Reformen auf vernünftige Weife 
zu Werke gehen und nicht, wie bie meiften ter modernen So⸗ 
clalzeformatoren, von allem Beftehenden abfehen. Gr fucht 
feinen Plan vorzüglich badurdy ins Leben zu fegen, daß er ci» 
nige von ben Gefegen und Gebräuden, bie früher in Wirkſam⸗ 
keit waren und bie jest ber Vergeſſenheit anbeimgefallen find, 
wieder zur Anwendung bringen will, fo namentlidy bie Regulirung 
des auswärtigen Handels, wo fonfl bie Regierung kräftiger ein- 
ſchritt aldgegenwärtig. Wir glauben, daß manche ber von La Fa⸗ 
relle vorgefchiagenen Maßregeln nicht one Erfolg verfucht werben 
konnte. Durand, der ſelbſt Militair iſt, will bei ber Induſtrie 
eine Art militairifher Organifation einführen. Anzuerfennen 
ift, daß er gerade als Offizier die fegensreichen Folgen bes Zries 
dens anzuerkennen weiß und die Überzeugung ausfpricht, baf 
die Kriege, die fonft ganze Länder verwäfteten, mit zunehmender 
Givitifatton immer mehr von der Erde verſchwinden werben. 
Er ftrebt daher dahin, den Armeen eine andere Beflimmung zu 

eben. Seiner Überzeugung nah würden fie ſich mit großem 

ortheile bei den großen Öffentlichen Bauten und großartigen 
Unternehmungen anwenden laffen, obne daß, wie manche Offis 
ziere wol fonft behaupten, dadurch bee militairiſchen Ehre im 
entfernteften zu nabe getreten wird. Im Gegentheil glaubt 
Durand, daß bie Armeen keinen ſchoͤnern Beruf haben koͤnnen, 
als auf dieſe Weife zur Ausbreitung der Civiliſation beizutragen. 
Diefe Meinung iſt ſchon in einer vor einigen Monaten erſchie⸗ 
nenen Schrift von ©. Yecqueur „Des armées dans leurs rap- 
ports avec l’industrie” ausgeſprochen worben. 


Louife © een —Sæe Gone 
uiſe Collet rzensſfreundin Couſin's, bie on 
Karr mit feinen Wespenftichen fo gepridelt hatte, * * 


die Preſſe verlaſſen bat, it manche anzlehende 
Die Schrift —— bie Ein ; re re 


I rung im &üben Frankreichs in ihr zurädigelaffen bat. 2, 


Werantwortiitger Gerawögeber: Heinzih Brodhaus. — Drud und Verlag von J. U. Brodpaus in Leipzig. 





N 
ia 
“ 


ir bi a «. 


IK u Sn 


Blätter 


für 


literariſche Unterhaltung. 





Montag, 


a nn 1 


Die neuefte Zeit in der —— Kirche des preu⸗ 
ßiſchen Staats. Ein praktiſcher Verſuch von Karl 
Bernhard semig. Braunfchweig, Vieweg. 
1843. &. 8. 10 Ngr. 





Erfter Artikel. 

Es iſt in Deutfchland von jeher fo geweſen, baß die 
religioͤſe Idee und die Kragen, die Anliegenheiten, welche 
aus derfelben ihren Urfprung nehmen und entfernter oder 
näher mit ihre In Verbindung flehen, die Geiſter und Ge 
mäther der Nation febhaft, und von Zeit zu Zelt felbft 
am alleriebhafteften befhäftigten und erregten. In einem 
gewiffen Maße iſt eben jegt ein folgger Moment eingetre: 
ten oder ſcheint doch bevorzuftehen. Eine ungewoͤhnlich 
ſtarke Bewegung auf dem Gebiete des Eirchlich= religiöfen 
Lebens tft nicht zu verkennen. Sie greift hinüber in die 
polttifche, die bereits zugleich eine theofogifche und kirchliche 
geworden ; fie tritt wol felbft vor der politifchen in ben 
Vordergrund, ſcheint in den Mittelpunkt der ganzen Ent: 
widelung ber Gegenwart treten zu wollen. So ift «8 
wenfgftens In Preußen. Denn freilih ann man es von 
andern deutfchen Ländern weniger, von einem oder dem 
andern Lande oder Ländchen vielleihe gar nicht fagen. 
Wie felten und wie ſchwer war es ſtets, daß die ganze 
Nation mit demfelben Gedanken fich befchäftigte oder gar 
gleich ſtark befchäftigte, Fire dieſelbe Richtung, daflelbe Ziel 
fih in Bewegung bringen ließ! Koͤnig's Heine Schrift — 
denn fie enthält nur menige Bogen — ift ein Ausfluß, 
ein ausdrucksvolles Zeichen jenes Zuftandes, jener Erregt: 
heit auf dem kicchlich= religiöfen Gebiete in Preußen. 

Oder vergisichen wir fie einem Schmerzen: und Noth: 
ſchrei, wie foldye vernommen zu werden pflegen, wenn eine 
widrige druͤckende Lage, das Beduͤrfniß der Abhütfe, ber 
Befferung in Kirche oder Staat Iebhaft empfunden wird. 
So verhält es ſich aber mit der evangelifchen Kirche in 
Deutfchland. Weithin iſt feit geraumer Zeit von Geift: 
Küchen und Richtgeifitichen, von Neglerenden und Megier: 
ten, ein Reldenssuftand, manches ſchwere Gebrechen und 
die Nothwendigkeit einer weſentlichen Reform derſelben ge⸗ 
fuͤhlt und erkannt: und dies Gefuͤhl iſt lebendiger gewor⸗ 
den, die Erkenntniß hat zugenommen, die Klage ertoͤnt 
vielfaͤltiger und lauter als je eben jezt. Und welcher Un⸗ 
befangene koͤnnte es leugnen, daß das proteſtantiſche Kir⸗ 
chenthum ſtarke Schatten zeigt, fo heil feine Licht: und 





Slanzfeiten ſtrahlen? Daß es — gerade wie 
das deutfche Reich — bei allee inwohnenden Kraftfülle, 
nach innen und außen nur zu ſchwach und rathlos fidh 
ermeift, während e8 nad) außen und im SInnem vielleicht 
zu Beinen Zeit feiner ganzem Kraft und deren voller Ent⸗ 
widelung, deren freieften Gebrauchs mehr bedurfte als «ben 
jegt, wo eine gefunde, flarke, reirkfame und geachtete Kirche 
auch dem Staatsleben, dem focialen Zuftänden überhaupt, 
fo heilfam und nöthig fein bürfte wie jemals. 

Allein, fo laut und vielfach bie Klage ertönen mag, 
das Gefühl, die Erkenntniß der Kirchennoth iſt doch auch 
noch nicht fo allgemein, fo heil und klar als zu wuͤnſchen, 
und noch größer iſt die Meinungsverfchiedenheit bei der 
Stage, was zu thun? bei den Hülfs: oder Beſſerungs⸗ 
rathſchlaͤgen, Verfuchen — Erperimenten. Denn über bie 
Worte find wir ja Längft hinaus. Man tft wirklich ſeit 
ein paar Jahrzehnden zur That vorgefchritten, oder bat 
doch ſchoͤne Antäufe dazu gemacht und an und mit der 
Kicche erperimentirt, und zwar fo, daß es mehrfach gar 
fein Spiel oder Spaß gewefen, daß es, wo nicht geholfen, 
doch ins innerſte Leben eingefchnitten hut. Indeß ift das 
Gute und Verdienftliche bei biefem Erperimentiren gewe⸗ 
fen, daß feine Unruhe und fein Gerdufch, fein Geſchick 
und befonders fein Ungeſchick, feine wenigen gluͤcklichen 
und feine vielen unglüdtichen Griffe, feine Meinen Erfolge 
und feine Vergeblichkeit im Ganzen und Großen weſent⸗ 
(ich mitgeholfen haben, die Apathie aufzurüttein, das kirch⸗ 
liche Bewußtſein zu erregen, Diele zur Befinnung und 
zum Nachdenken, die Zrägheit, den flillen Unmillen in 
Bewegung und den Nothſtand recht an den Tag zu brin⸗ 
gen. Vergeblich aber mußte das ganze Erperimentiren fen, 
weil weder das zunaͤchſt zu befeitigende Grunduͤbel noch 
da6 Heilmittel deutlich und allgemein genug erfannt war, 
und noch mehr, weil man darauf kam, das Heilmittel, 
wo es fammt dem Grundübel erkannt worden, nicht ans 
wenden zu wollen, und fich daher über das eine und das 
andere täufchte, das eine wie das andere anzurähren 
mied und zu verfteden fuchte. 

Das Grundübel jeder befferungsbebrftigen — pollti⸗ 
fhen oder religioͤſen — Gemeinheit liegt ſtets im Inner⸗ 
lien, dem Gefammtgeifte, nicht im Außerlichen, der Ver⸗ 
faffung. Wol aber kann biefe in jenen Verberbuiß bins 
einbringen, gefunde Kraft und heilſame KRichtung nmieder⸗ 


1370 r 


halten, jede wahre Beſſerung hindern. In biefem Halle 
iſt die Verfaffungsfehlechaftigkeit oder Verderbniß von ben 
Übeln das am Erften zu befämpfende, kann fie ihrerſeits 
das Protonpfeudos genannt werben. Diefer Fall Liegt 
bier aber vor und in Wefem Sinne reden weit, wenn wie 
fagen: Das Grunbübe der deutſchen evangelifchen Kirche 
ift ihre urſpruͤnglich mangelhafte, ſtets proviſoriſch belaſſene 
und obendrein im Laufe der Zeit principwidrig geänderte 
und wefentlich verfchlechterte Einrichtung, was freilich, fo 
ſehr es auf der Hand Liegt, Dieienigen nicht 

wollen, die ein Intereſſe, und wäre es nur eins der Bes 
quemlichkeit, dabei haben, daß Alles bleibt wie «6 if. 
Rein Papſt⸗ oder fonfliges Hertſchthum geftcht fo leicht 
ein Reformbebürfniß, läßt fo leicht eine Reformation an 
Haupt und Gliedern zu. Ohne Trage kommt in ber 
Ktcche zuletzt Alles auf den chriftlichen, vom ber Reinheit, 
Kraft und Innigkeit des Glaubens abhaͤngenden Gemein: 
finn an. Er allein kann Gebrechen und Gefahren gruͤnd⸗ 
fig heilen und ficher abwenden. Ohne ihn ift in der 
Rice Bebeutendes. nie, und kann Bedeuten⸗ 
dos nicht gefchehen. Aus ihm, aus innerm Le: 
ben und Antrieb muß fie erbaut, nicht bloß 
von Selten bed Kirhenregiments geleitet 
werden, wenn fie ein gefundes Erdftiges Leben führen, 
wenn ihe wahrhaft und bauernd geholfen wer: 
den foll. Nur. von ihm, alfo von der Vereini: 
gung gemeinfamer Kräfte, von der Gemeinde 
felbſt kann die gründlide Hülfe und Beffe: 
sung ausgeben, nicht von der anordnenden 
und leitenden Thätigkeit der Kirchenbehoͤr⸗ 
den; ja bie letztere vereitelt jede wahre Hülfe, hindert alle 
achte Beſſerung, macht fich felbft unmwirkfam und vergrös 
fest und vermehrt die Übel, wenn fie jene Viel: und Als 
leinthätigkeit ift, die der Gemeinde nichts Überläßt, den 
Semeinfian, wenn nicht. tödtet, doch feſſelt und laͤhmt. 
Sie ift aber da, und ihr Dafein, der, dies ihr Dafein 
eben bedingende Mangel eines Organs für den Willen, das 
eigene Leben, die Mitthaͤtigkeit der Gemeinde, iſt das große 
Gebrechen der Drganifation oder Unorganilation der lu⸗ 
therifchen Kirche. Sie war und iſt gewiſſermaßen auch 
da in der katholiſchen Kirche; fie iſt gleihfals und aber: 
mals ba, potenziet und befonders mobificht in bee lu⸗ 
theriſchen. Der Unterfchied iſt bios der, daß jene hierar⸗ 
chiſch, diefe von Staatsmegen beherrſcht wird, Herr⸗ 
fen von Häuptern und Behörden und das Beherrſcht⸗ 
werben der Gemeinde ift der gemeinfame Charakter beider 
Kirchenregimente, des priefterliden und politifchen, und je: 
des bat feine eigenthuͤmlichen Nachtheile. 

Die deutfche Reformation wollte die Kirche auf Ihre wahrs 
hafte urſpruͤngliche chriftliche Geflalt aus der biecarchifchen 
Miegeſtalt zurudführen, und da fie hierbei ausging vom 
Gegenfag gegen eingefchlichene Beherrſchung der Gemeinde, 
eine Beherrſchung, welche die Selbſtbeſtimmung des leg: 
tern ausſchloß und die juͤdiſch⸗ heibnifche Miſchung des 
Religioͤſen und Politiſchen *) wieder zuruͤckgefuͤhrt hatte, 
9) Aeſea qualyiel des Teufela“ nannte Rutper belannt⸗ 
— * „Vermingung bes heiden Regiments”. 


ſo beſtand ihre Aufgabe darin, nicht blos bie Lehre in ber 
urfprünglihen Reinheit, fandern auch die urchriſtliche, 


zwar nicht abfolute, doc; infoweit zu bewirkende Trennung 


des religioͤſen vom weltlichen Elemente im Staate wieder 
berzuftellen, als es die freie Bewsgung und Wirkſamkelt 
beider erfodert; der Gemeinde demnach die Selbftbeftims 
mung zurüdzugeben,. fie zu organiſiren zu eigenem Wollen, 
der Kirche eine genügende Mepräfentation zu fchaffen, mit 
andern Worten, Presbpterien und Synoden oder wie man 
bie Ausihüffe und der Gemeinde mit ih: 
ven Geiftlichen fonft nennen will, anzuordnen. Indem 
dies nicht geſchah, blieb fie unvollendet, und fofeen fie eis 
ner neuen Kirchenbeberrfhung Raum gab, gerietb fie in 
einen argen Selbſtwiderſpruch, der um fo greller erſcheint, 
und aus welchem um fb größere Unfuͤglichkeiten und Ver⸗ 
wirrungen hervorgehen mußten, weis fie von ber kauͤhnſten 
Selbftbeflimmung erſt eines, dann vier, d. h. aller ber 
Individuen ausgegangen war, welche von bee doͤmiſchen 
Kirche ſich losfagten und zur preoteflantifchen zuſammen⸗ 
tratenz weil in dieſer die Selbſtbeſtimmung der Individuen 
zum Princip erhoben und das Iegtere auch wol auf die 
Spige getrieben wurde, während die Gemeinde nicht bios 
nicht zur Selbſtbeſtimmung gelangte, ſondern obenein in 
ihr dermaliges Verhaͤltniß der MWillenlofigkeit gerieth. Es 
geſchah dies aber, wie bereits angedeutet ift, dem Sinn 
und Geiſte ber urfpzünglichen Ordnungen zuwider, unb 
zwar indem die Anſchauungen und Grundſaͤtze der Mefors 
matoren über die Stellung und bie Berechtigungen der 
weltlichen Regenten, der Geiſtlichen und der Gemeinde in 
Glaubens⸗, Lehr: und Kirchenfachen mehr und mehr vers 
geſſen, misdeutet, misachtet und die Verfaſſungseinrichtun⸗ 
gen der Reformationsepoche in Folge davon theils aufges 
hoben, theils und noch mehr beim Fortbeftehen der äußern 
Formen fo gänzlid umgewandelt wurden, daß das fürfts 
liche Kicchenregiment und die Gonfiflorien jegt faſt das 
gerade Gegentheil won Dem genannt werden koͤnnen, mas 
fie urſpruͤnglich waren und fein follten (wir werden bar 
auf zurüdtommen); daß Das, was urfpränglih Leitung, 
vermöge Zuſammenwirkens geiftlicher und weltlicher Perſo⸗ 
nen und Behörden im Dienft der Kicche und unter Zus 
ftimmung der Gemeinde war, in Beherrſchung von Sei⸗ 
ten des Staats, ein politifches. Kirchenregiment umfchlug, 
welches bis zu dam Punkte ſich ausbildete, daß die welt⸗ 
liche Macht die ganze der Kirche eignemde, ihe von Chriſto 


I gegebene Kirchengewalt an fih nahm und mehr oder mins 


der nad) eigenem Urtheil ftatt nach dem Urtheile der Kicche 
übt; daß die kirchliche Regierung, flatt unter der Lehre 
und dem. lebendigen Glauben Allee zu fliehen, womit fie 
dem Brundfage nach in fteter Übereinftimmung fich zu 
halten, worin fie ihre Norm zu erkennen bat, nicht felten 
fi) daruͤber erhebt und ſel bſt die Lehre und bie Richtung 
des Glaubens beflimmen will; daß die Kirche Chriſti in 


den meiften beutfch = evangelifchen Rändern, vorzüglich im 


Preußen, als Policeianſtalt des weltlichen Staats erfcheint, 
ja, man Eönnte fagen, ben Proteflanten unter der Hand 
gleichſam unverfehends abhanden gekommen if. Denn 
wenn" man auch, fofern man ein gutes Dialektiker iſt, be⸗ 


old 


mweijen kann, daß im: den deutſchen Sindern proteſtantiſchen 
Bekenntniſſes eine evangeliſche oder proteflantifche Kirche, 
oder wenigſtens proteflantifche ‚ und zwar in den 
nach Territorien getrennten Geſammtheiten der vielen eins 
zelnen edangeliſch Betauften, vorhanden feien, fo laͤßt ſich 
doch auch aus dem Begriffe der Kirche als eines lebendi⸗ 
gen Organismus mit Seibſtbeſtimmung, einer echten Glau⸗ 
ben s und Lebensgemeinſchaft zur Verwirklichung bes Got⸗ 
teteeiche,, das Nichtmehrdaſein einer evangelifchen Kirche 
ober auch evangelifcher Kirchen in Deutfchland darthun, 
ſodaß die. Eriftenz derfelben, nicht eben zum Ruhme ihrer 
Glieder, mindeſtens disputirlich geworden. 

Luther, in feinem. großartigen Aufrufe an die Haͤupter 
und Vertreter ber Nation, die kirchliche Reform zuc Ma: 
tionalfache zu machen („An ben Saifer und chriftlichen Adel 
beutfcher Nation, von des chriſtlichen Standes Befferung”, 
1520), ſtellt die geiflliche Herrſchaft als eine Verfhanzung 
durch Drei Mauern dar, die Säge, daß die geiftliche Ge: 
walt die größere fei, daß nur der Papft die Schrift aus: 
legen und ein Concil berufen und leiten koͤnne. Diefe 
Mauern ‚zu durchbrechen, begründet er die Behauptung 
vom chriftlichen, der Gemeinde zukommenden Recht der 
Selbſtbeſtimmung. Um Berufung auf das Gemeinderecht 
dreht ſich der ganze Angriff, defien Biel Befreiung von 
dem römifchen Joche, in weichem die Kicche, die deutfche 
Kirdye und Nation intbefondere, gefangen lag, und die 
Beſſerung des Kirche war. Zur letztern war nur duch 
Zertruͤmmerung des erflern zu gelangen. Derfelbe Gedanke 
leitete ihn bei der Derausgabe einer andern Schrift aus 
derfelben Zeit, die das Seitenftüd zu der an den Adel 
bifdet und bdiefelbe ergänzt, bie Schrift von der babyloni⸗ 
fyen Gefangenſchaft der Kirche. Er ſtellte darin das 
Papftthum als das Reich Babylon und die Unfreiheic 
und MWillenlofigkeit, In welcher die Kirche durch das römis 
ſche Lehrſoſtem, die Priefterfchaft, das Papſtthum an. der 
Spitze, gehalten wurde, als eine „babylonifche Gefangens 
haft” dar. Wie er in jemer anderm den Plan einer voll: 
ftändigen gründlichen Reformation vorlegte, durch ergreis 
fende Schilderung der geenzenlofen Entartung ihre drin⸗ 
gende Mothwendigkeit ans Licht ſtellte, und zur Ausfuͤh⸗ 


sung derſelben mit flammenden Worten mahnte, zunaͤchſt 


aber auf das Hinderniß hinwies und zur Zertruͤmmerung 
der roͤmiſchen Mauern aufrief: ſo enthuͤllte er in dieſer 
mit nie erhoͤrter Klarheit und Kuͤhnheit den Trug, der in 
dee verübt wurde, brachte den Zwang, welcher ber 
Chriſtenheit angethban wurde, aufs Deutlichfte und Leben: 
digfte zum Bewußtſein, und weckte und ftärkte bis zu 
unwiderfichlicger Entfdsloffenheit in der Nation ben Mil 
In, das Gefängniß zu fprengen. 
(Die Dortſetung folgt.) 





Notizen. 
Seidenmanufactur in. Irland, 
der ſtatiſtiſchen Section der British association for the 
FIR Ri m 2 las Aid 8 Aug.) Dr. W. ©. 


Zaylor eine Abhandlung über bie lriſche Beidenmanufactur, 
wegen. deren die Ciqung ungewoͤhnlich ſtark befudht war. Von 


‚welchem die Tonmuſter beliebig verändert werben E 


heftigen Begenguß, welcher am 28, Aus 


benmanufactur na FIclanb a 3* 
(welde wegen ber Zuruͤcknahme des Ebicte non Nantes iso 
Baterland veriaffen hatten) eingeführt. Der eitpunft der Ein⸗ 
führung iſt Nicht mehr mit volllommener Genauigkeit zu gung 
mittel, e8 wirb gewöhnlich angenommen, baß ein orfabe ber 
gegenwärtig noch erifticenden ‚Kamilie Latouches die Tabinet⸗ 
weberei zuerſt um 1693 in Dublin unternommen habe. Die . 
Coloniſten begingen gleich anfangs den Gehler, daß fie es 

zur Regel machten, keine Irlaͤnder ale Eehrlinge anzunehmen 
um im Alleinbefig ber Handgriffe, Vortheile und Berbefferungen 
zu bleiben, deren Kenmtniß. Be mitgebracht hatten. 
nun in der That mit diefem Induſtriezweige fo langſam dor⸗ 
waͤrts, daß 1733 die irifchen Seidenfabeikanten den zbiſchof 
Boulter angingen, ihnen zur Durchbringung eines Geſetzes zu 
verhelfen, welches das Tragen oſtindiſcher Waaren in Irland 
verbieten ſollte. Erſt 17 ging eine Acte durch, weiche den 
Seidenpandel in die Bewalt der Dublin society lieferte, derge⸗ 
ſtalt, daß diefe ermächtigt war, alle Gefege und Beftimmungen, 
die ihr zur Aufsechthaltung deſſelben nöthig ſcheinen möchten, zw 
erlaflen. Es ift behauptet worden, daß unter dem Ginfluffe 
dieſes Schutzſyſtems die dubliner Geibenfabrifation zu ho 

Blüte gelangt fei. Allein die ſtatiſtiſchen Tabellen Liefern Re⸗ 
futtate, wie folgendes: In den 13 Jahren von 1752—64 betrug 
bie durchfchmitttiche Seideneinfuhr in Zeland 15,760 Pf., an 
Robfeide 48,132 Pf. In den Jahren 1765—77: verarbeitete 
Seide 18,200 Pf. und rohe nur 45,990 Pf., b. h. die Einfuhr 
von auswärts fabricirten Waaren hatte sugenommen, währenb 
ber Verbrauch des rohen Materials und alfo die einheimiſche 
Babrifation abgenommen hatte. Cs Scheint, daß diefe Abnahme 
fpäter noch immer bebeutender wurde, wenigftens ergibt ſich aus 
Parlamentspapieren, daß 1784 nur 800 Geibenwirker in Dublin 
thätig waren und auch nicht einmal alle beflänbig Arbeit hatten 


Es ging 


‚(während IT75 einem Bericht zufolge 3400 Stühle fortwährend 


im Gange waren, was aber wol übertrieben it). Dur bie 


‚ Snfurrection don 1708 wurde ber ganze Handel unterbrochen, 


und man fand 1800 noͤthig, ihm durch einen Schutzzoll von 
10 Procent auf bie Einfuhr fremder und britifcher Seide 
Hülfe zu kommen. Bald barauf wurbe bie Geibenmanufactur in 
Lancafhire und Sheſhire begründet, während bie trifhe durch 
Gombinationen und Handelsvereine harte Stöße erlitt; geſchickte 
Serkleute, weiche bie willkuͤhrlichen Anorduungen diefer Koͤrper⸗ 
ſchaften nicht ertragen mochten, überficbelten ih nach England 
und in biefem Augenblick find mehr Irlaͤnder als Engländer in 
Macclesfield mit der Seldenweberei befchäftigt. Die Schutz zoͤlle 
hoͤrten mit 1826 auf, und da die dubliner Geidenwirker durchaus 
nicht von ihren eigenwilligen Geſehen abſtehen und fi den vers 
änderten Zeitumſtaͤnden —*— wollten, ging der ganze Sud 
zweig für Irland zu Grunde. Die Zabinet« (ober Poglin⸗) 
wirkerei hat indeſſen noch Fortgang und liefert Producte, die 
im Auslande ſehr geſchaͤgt find, da bie franzoͤſiſchen Stoffe 
diefee Art Baummolle flatt der Wolle enthalten. Es find in 
Dublin jegt etwa 240 Stuͤhle in Tätigkeit. Herr Taplor legte. 
auch fhöne Proben von biefer Induftrie vor. 


| Muſikmaſchine. | 
Ein lvoner Journal berichtet, daß ein Getvenfahrikant ge⸗ 
dachter Stadt, ein Herr Mariabeau, ben Verſuch gemacht hat, 


:bie Grundfäge, die bei ber Gonftruction bes Socquaxdfiubls in 
"Anwendung kommen, auf die Gonftruction von’ Spielwerken an⸗ 


zuwenden, und zwar bat er zuerſt ein Accorbion bergufhri, ur 

nnen, w 
die Wickmufter des Webfluhle. Ob wir nicht balb eine Merte 
hoven’ihe Symphonie von einem Jacquard⸗ Orchefler ausgeführt. 
bören werben? 


Froſchregen. 
„W ter - ahire chronidle e t einem 
Dem oroes re ae ale | 








17 


von Bedfchen herniebergelommen. Tauſende follen zwiſchen Abend 
und Morgen aus ber Luft gefallen fein. In Etourbridge und 
der Nachbarſchaft, weit entfernt von jebem Plage, wo fie zur 
Weit gelommen fein könnten, hat man fie in unzählbarer Dienge 
wahrgenommen. Ein Mann ging mit einem Knaben im Sturm 
von Mrettellane nad) Gtourbribge und der tegtere machte ben 
erſtern darauf aufmerffam, daß ihm ein Froſch auf ben Mantel 
gefallen; da fie nun auf das Phänomen Acht hatten, fahen fie 
noch mehre herabfallen. 48. 


Biblisgraphie. 


Eiselein, J., Jacob Grimm's Grammatik der hoch- 
deutschen Sprache unserer Zeit. Für Schulen und Privat- 
unterricht bearbeitet. Belle-Vne bei Constanz, Verlags- 
handlung. Gr. 8. 1 Thlr. 3 Ner. 8 Pf. 

Die Kommuniften in der Schweiz nad ben bei Weit⸗ 
ling vorgefundenen Papieren. Wörtlicher Abdrud bes Kommiſ⸗ 
fionatberichtes an bie 9. Regierung des Standes Züri. (Bon 
Dr. Bluntſchli). Zürich, Drell, Fuͤßli u. Comp. 8. 11 Nar.2 Pf. 

Koͤrroglou's, des Raͤubers und Dichters, Abenteuer 
und Gefänge. Gin perfifher Volksroman. Aus dem tuͤrkiſch⸗ 
perfifchen Original wörtiih in das Engliſche Überfeht von &. 
€ —V Deutſch von O. 8. B. Wolff. Jena, Croͤker. 
Gr. 16. 1 Thir 


Kothe, H., Der Rebelrieſe. Buntes für Freunde der 
Laune. Mit 6 Federzeichnungen von Burch. Gieſewell. 
Hannover, dwing 8. 1 Ihe. 10 Ngr. 

Lasaulx, K. v., Prometheus, die Sage und ihr Sinn. 
Würzburg, Voigt und Mocker. Gr. 4. 10 Ngr. 

Lavater's, 3. K., ausgewählte Schriften. Supplement. 
band: Zweihundert hriftiiche Xieder. Neue durchgeſehene Auds 
gabe. Zürich, Orell, Fuͤßli und Comp. Gr. 16. 20 Nar. 
Lille, @ %., Die Emancipation ber Schule von ber Kirche 
in ihrer en Entwidelung betrachtet. Kiel, Schwers. 

U} . 8 r. 





Gr. 8 

Mefiftofeles. Revue der deutſchen Gegenwart in Skiz⸗ 
zen und Umriſſen. Won Fr. Steinmann. Ater Theil. Muͤn⸗ 
den, Expedition des Meſiſtofeles. Kl. 8. 1Thir. 

Mmickiewicz, A., Vorleſungen über ſlawiſche Literatur 
und Zuftände. Gehalten im College de France in ben Jahren 
von 18401842. Deutfche, mit einer Vorrede des Verfaſſers 
verfebene Ausgabe. After Theil. 2te Abtheilung. Leipzig, 
Brodhaus und Avenarius. Gr. 12. 1! It. 


— —  Derfelbe, ter Theil, 2te Abtheilung. Eben⸗ 


daſelbſt. Sr. 12. 1 The. 5 Nor. 
Muͤgge, Th, Belammelte Novellen. Ater bis Gter 
Shell. Leipzig, Brodhaus. Br. 12. 6 Thir. 

Nagel, 8. G., Briebrih Wilhelm III. der Feſte und 
Milde, König von Preußen. Nach feinem Reben und feinem 
Charakter für das preußifche Volk treu und wahr geſchildert. 
Ifte Lieferung. Grfurt, Müller. 8. 21, Nor. 

Drtlepp, J. K., Für den deutſchen Landmann. Gine Pre: 
digt zur Bedächtnißfeier der taufendjährigen Seibftändigkeit bes 
bentfen Baterlandes. Berlin, Eichier. Er. 8. 2 Rear. 

Peter, C., Beleuchtung bes Ruthardtſchen Vorſchlags und 
Planes einer Außern und innern Verpollftändigung der grammas 
tllalifhen Lehrmethode. Leipzig, ©. H. Rectam. 8. 10 Nor. 

Quix, ©h., Die Kapelle zu Melaten. Das Landhaus 
Sufen. Ausgaben der Stadt bei Anwefenheit von Kaiſerinnen 
und bei der Krönung Wenzeslaus zum römifchen Könige. Aachen, 
Roſchuͤg. Sr. 12. 10 Nor. 

Reden, Frei. F. W. v., Allgemeine vergleichende Ban 
deld⸗ und GBewwerbss Geographie und Statiſtik. Sin Handbuch 
fr Kaufteute, Yabrilanten und Staatemänner; auch Grundlage 
ffentlicher Korträge in gewerblichen Lehranſtalten, ſowie zu 
banbelspotitifcden und vollswirtbfchaftiichen Beſprechungen. Zu⸗ 
nachſt für die Eönigl. Hanbeisstehranftalt zu Berlin. Ifte Abs 


thellung. Berlin, Erötin. Er. 8. 2] | 
0 Ans H- * Preis der volifkänbigen Verks 
Retzsch, M., Gallerie zu Shakspeare’ 
Werken, in Usorissen. Tte Lie :s Di ' 
ber von Windsor. 13 Blätter. Mit Erläutern von 
Prof. H. Ulricl. Deutsch und in englischer Uebersotzung. 
Leipzig, BE. a ı ar qu. 4. 5 Thhr. 
oberi ' und 1815. Hiſtoriſe Homan. 
Diel Tell Kafl 88 8. 4 Xhkr. % Kant 
udolphi, ie freien Schuͤtzen. ei Theile. 
zig, —— und Bernau, *. * 2 Tolr. Er . vi 
irge ., Zwei Gräber. Leipzi . 
a1 au 18 Nor. piig, Srochaut. St. 
mid, U. R., Keime unb Kuospen einer Weltanfchaus 
ung. ers, S- & Becam. 8. ' Fri Y% Nur. 
. B. „Grundſaͤtze der Nationaloök 
Tablrgen Basen —* jr 2 En 10 Rer. non. 
eger, F gemeine tgeſchichte das beutf 
Volt. Ifte gieferung. Leipzig, Mayer und a 8. Erg 
tor, &., Der ger Sängerbund unb fein erftes 
Liederfeſt zu Molsborf den 16. Auguft 1843. Blaͤtter ber Gr⸗ 
innerung. Gotha, Verlags:Comptoir, Gr. 16. 5 Ner. 
Taſchenbuch, Gothaiſches genealogifches, auf das Jahr 1844. 
81. Jahrgang. Gotha, 3. Perthes. Ki. 16, 1Thir. 
p ud * Rei! . Herauegegeben von Bi. E. 
Jahraan 9 igand. 
3. I zhie. O Ran rn keipri/ DIEB ”. 
Tetzner, Preußen. Geſchichte feines Volkes und feiner 


rung. Leipzig, Naumburg. 

Thiele, H., Sechs zehn Predigten, zu Rom gehalten. Mit 
— Liturgie. Zuͤrich, Meyer und Zeller. Gr. 8. 
gr. 

"Ueber den römischen Ursprung der französischen Spra- 
che. Von A. Rein und H. Kopstadt. Crefeld, Funcke, 
4 Tr —ã | 

ater, Unterfudgungen über bie drama Poeſte 
der Griechen. Srftes Heft: Recenſion ber — 
von Welcker, Schoͤll und Bode uͤber die Tragoͤdie der Grie— 
Gen. Berlin, ae. Gr. 8. 10 Rer. 
ogel, Ch. W., Wie lange wirb Deutfhland n 
* Dr Zubm —— t zur Bi des ar 
rigen Zubiläums ber iglei i 
Ich: A eutſchen Gelbflänbigkeit. Schleiz, Wag⸗ 
ulliemin, &., Geſchichte ber Cidgenoffen während 
16. und 17. Jahrpumderte. Aus dem Fade Hal Zwei Fr Aa 
Auch unter dem Zitet: Joh. v. Maͤller's, R. Glutz⸗Blotzheim's: 
a ee a a 
on 2. Bulliemin, Bter Zuͤri i 
und — —* ge © Fi Thlr. 15 . 0. Dich, 
aagen, ©. F., Kunftwerke und Künftter in Deutfchland.. 
Ifter Theil: , Kunftwerte und Künftter im Erzgebirge —8 
Franken. Leipzig, Brockdaus. Wr. 12. 1 che. 15 Nor. 
Was ift es mit den Geifterericheinungen ? 
Gr. 8* Nor. 
eil, &, Mohammed ber Prophet, fein Leben und fei 
Lehre. Aus handfehriftlichen Quellen Aa Ai Koran —2 
Du ragen und einer Stammtafel. Gtuttgart, Megler. Sr. 8. 
r. 


Wenckſtern, O. v., Sie ipzi 
O. Sgzart. 16. 2 Nor. vengepa Polealleter. Ecipsig, 
irth, 3.8. A., Die Geſchichte der Deu . 1 
Ste Sieferung. Emmisgofen,- rl Sahne R, Reste 

eiefrrung Y, Nor. 
islicenus, E. Columbus über bie Entdeckung vom 
Amerika. Cine Schrift für das deutſche Bolt. Mit 1 Karte 
bie beiden Halbkugeln barftellend. Leipzig, DO. Wigand. 1844. 8. 
gr. 


Zürften von der früheften bis auf di eit. 1 2 
RE oe 


Verantwertliger Herauögebers Heinrig Broddaus. — Drud und Verlag von F. U. Brodbaus in Eeipsig. 


ie 
RR ——————————————— ————— nn un... 


Blätter 


für 


tereeite nuterhautat. 





Dien Ras, 


18. November 1848. 





Die neuer Zeit in. der enangelifihen Kirche bes is 
(herr Staats. Ein —* * — 
Bernhard Pirna 


&rfter Ertifen 
(Bortfegung aus Nr. 37.) 

Auch jegk, weinn die evangeliſche Kirche reformiert wer⸗ 
den fo, kommt es vor: allen. Dingen: darauf an, daß bie 
Mauern überwunden werben, binter welchen der Wider⸗ 
wille gegen die Reſorm ſich verfhanzt, und daß in ber 
Lirche das Bewußsfin ihrer Gefangenſchaft allgemein er 


wacht. Das politiige Kirchenregiment iſt feeilicy nicht 
wie das Papſtihum jener Zeit mit dem Reiche Babylon. 


zu vergleichen, ſchon deswegen nicht, weil es diefen Ver⸗ 
gleich zu übel nehmen wuͤrde; wof- aber: fan: man mit 


Beziehung auf die dermalige wieder eingetvetend. Gebun⸗ 


bessheit: der Gemeinde, auf’ ihren dermaligen Zuſtand, nach 
welchem fie kein Organ ihrer Willensaͤußerung und Be⸗ 
thaͤtigung beſitzt und ohne Zuſtimmung von ihrer, ohne 
Verantwortlichkeit von Regierungsſeite, regiert; viel- regiert 
wird, und wmicht ſelten ditect und indirect noch mancherlei 
andern Zwang und Gewalt zu leiden bat, — wol kann 
man in diefen Beziehung. vom ihr fagen, daß: fie ſich aber⸗ 
mais. in einer Gefangenſchaft befinde, wie denn auch in 


Folge ihrer Gebundenheit durch bie: Staatögewalt, eben wie 


eu in der hierasihifchen Vormundſchaft, Verweltlichung 
md Laͤhmniß des Geſammtgeiſtes eingetreten if, fo mans 
cheriei Unterſchiede dabel: übrigens flattfinden mögen. - 
Und diefe neue, diefe politiſch⸗ policeiliche Gefangenſchaft 
der eummgelifchen Kirche iſt inſofern deren Grunduͤbel zu: 
mennen, als ohne ihre Aufhebung keine gruͤndliche und 
daurrnde Reform unternommen, fein Beſſerungéverſuch ges 
lingen oder weſentliche Abhuͤlfe bringen. kann, gerade wie 
im 16. Jahrhundert die Reform nur begonnen werden und 
fiegen konnte nach Zertrummerung der roͤmiſchen Mauern, 
nach Befreiung der Kürche aus ihrer Gefangenſchaft. Noch 
einal: nicht als wenn mit dens Aufhoͤren der Gehunden⸗ 
beit der Gemeinde und der Aufrichtung von aͤußern Ord⸗ 
mungen, wodurch die Selbfibeflimmang der Gemeinde: zu: 
chdigegeben und geregelt wird, die Beſſerung vollemdet wäre 
— fie kann dann vielmehe nur ent beginnen; nicht abe 
ob die Corruptian ober die Laͤhmniß des Geſanmmucqgeiſtes 
bes kirchlichen Bewußtſeins fofort aufhören würde, wenn 


mean .bie Gemeinde organificte, der. Kine Vertretung gäbe 


— aber die guten und heilſamen Koäfte koͤnnen fi dann 
regen in natärlicher Richtung, in ungehemmter Äuserung, 
und. eben hiervon muß man die wahre Mefornsatiom ees 
warten, ober den chriſtlichen Glauben mad mie ihm bie 
Kirche aufgeben. 

Die Entferwung. des Übels, das wic im angegebene: 
Sinne als das Grundübel bezrichnet, ift indeß aus mehr 
fachen Gruͤnden fehr ſchwierig. Es bat einmal bie Kraft 
eines beitehenden, lange hergebrachten, durch — wenn audy 
noch fo rechtsunguͤltiges — Derlommen den: Schuß: eines 
legitimen und durch die Kunſt der Sophiflen ten: Schein- 
eines rechtlichen Zuſtandes. Die: Gewinde iſt ihn ges 
wohnt ımb die —— bat bet ihr das: Gefühl feiner 
Verwerftichteit deu Ühelſtaͤnde, welche erı mit ſich fuͤhrt; abe 
geſtumpft. Zumeiſt im. Folge davor, daß: fie ven’ dei: 
N Beirchtigkeit ausgefchloffen, Dal die Lehe, der Cultub, 
‚überhaupt die Kirche in eine Richtung, eine Geftalt ges 
bracht ift, bie dem lebendigen Bereußtfein fo Bieler ‚oder 
der Meiſten zuwider — im Folge hiervon iſt fie großens 
theils entfremdet, gleichguͤltig geworden; geſchwaͤcht iſt in 
ihr das Intereſſe an der Kirche, von welchem doch die 
lebendigſten Antriebe’ zum reformiſtiſchen Beſtreben aus⸗ 
gehen, in welchem ſie ihre beſte Kraft finden muͤßten. 
Wo aber durch das. ftille Fortwirken des: Geiſtes des klrch⸗ 
lich⸗ religioͤſe Sinn lebendiger in. ihe iſt, oder, etwa durch 
Misgriffe, offenbare Gewaltthätigleiten ber Behörden, durch 
irgend weiche fchroff hervortretende Unzutraͤglichkeiten oder 
Verderbniſſe ſtaͤrker als gewöhnlich erregt wird; wo mit 
Einem Worte der Wunfch: der Beſſerung und ſelbſt der 
Mille entfteht, dazu zu thum: da fehlt es eben an einem 
[Digane, dee Form, dem abgemefjenen Rechtsboden, und 
ſelbſt am Geſchicke des Redens und Thuns. 

Bei den Regierenden und Hertſchenden rohede bie Beſ⸗ 
ſerung ſo viel ſein als Aufgeben eines Theils ihrer Ge⸗ 
walt, Zulaſſung einer Beauffichtigung von Seiten der Ge⸗ 
meinde, die Nothwendigkelt, bei der Firchlichen Gefeggebung 
und Verwaltung die Übereinftimmung mit: dem lebendigen 
Bewußtſein Alter lets: im: Auge zu haben umd vom 
Durchfahren zu lafen, und das wird Vielen ſehr ſchwer; 
fie haben dazu die Fähigkeit, die Bildung, die Selbſibe⸗ 
herefhung und Humanitaͤt nicht. &ie haben off nur ſich 
Ins Auge und fühlen insgeheim ihre Schwaͤche; dadenken 
hidpt, daß da, wo bie Gemteinde vertreten. wied und mit⸗ 





2, 


. N 
redet durch ihre fählgften Glieder, nur Tüchtige ober bie 
Tuͤchtigſten ins Regiment gelangen, oder in bemfelben ſich 
halten innen, und daß da das Meyieren nicht an und 


für fih, fondern nur für die Untüchtigen ſchwerer iſt. 


Sie denken nur daran, daß es für fie ſchwieriger und 
umbegttemer werden, daß fie es mol, gar aufgeben müßten. 
Sie fühlen wol, daß fie entweder Widerſpruch nicht zu 
ertragen oder Einreben nicht zu beantworten wiſſen wuͤr⸗ 
den. Oder fie fühlen ſich ſtaͤtrker, fie glauben leicht, daß 
Alles ins Chaos zurüdfallen würde, wenn fie eben nicht 
mehr Alles regierten, wenn fie die Zügel aus der Hand 
gäben. Naturgemaͤß liegt ihrer ganzen kirchlich⸗bureau⸗ 
keatiſchen, 
der Begriff einer kirchlichen Gemeindeverfaſſung und we⸗ 
nigſtens theilweiſen Selbſtverwaltung fern, oder iſt ihnen 
gar ein Gegenſtand der Furcht oder des Widerwillens. 
Naturgemaͤß ſind ſie, wenn nicht herrſchſuͤchtig, doch 
Freunde eines „aufgeklaͤrten wohlmeinenden Despotismus” 
in der Kirche. Wenn dieſe vertreten waͤre, ſo koͤnnten ſie 
die Glaͤubigen nicht mehr mit ihren undankbaren Bemuͤ⸗ 
hungen plagen, denſelben ihre religioͤſe Richtung, ihre Lieb⸗ 
lingsmeinungen aufzudringen, womit ſie Gott oder der 
Politik einen Dienſt zu thun meinen. Oft haben ſie von 
den Leiden und Beduͤrfniſſen der Kirche in ihrer Stellung 
— ſelbſt Die (im Staatsauftrage mitregierenden) Geiſtli⸗ 
chen — aus ihrer Ferne im hohen Sitz des Regiments oder 
bei ihrer Eigenliebe (kirchliche Gebrechen erſcheinen ja leicht 
als Vorwuͤrfe gegen ihre Verwaltung, als Beweiſe ihrer 
Ungulänglichkelt) nur unvollkommene Vorſtellungen; oft 
genug wohnt ihnen — ben mweltlihen Geſchaͤftomaͤnnern 
— von ber Kirche eigentlichen geiftigen Wefen und Leben 
eine Ahnung oder doch feine deutlihe Kunde bei, woher 
denn bie nicht feltene ungeiſtliche Behandlung geiftlicyer 
Dinge kommt. Staatsmänner oder Derrfcher von abfo- 
Intiftifcher Gefinnung fürchten oder haflen die felbftändige 
Kraft, die mit einer felbftändigen proteftantifhen Kirche im 
Staat lebendig werden wärde, und mögen des Hebels der 
Herrſchaft nicht entratben, den fie wirklich oder vermeint: 
li in dem, nach politifchen Tendenzen ausgenutzten Kies 
chenregiment befign. Daher denn, daß Diejenigen, von 
welchen die Reform eingeleitet werden müßte, deren Zu⸗ 
flimmung niche blos nicht zw entbehren ift, fondern die, 
wie die Dinge liegen, allein die legitim Berufenen find, 
am wenigften geneigt oder auch befähigt zu fein pflegen. 
Nicht geneigt, benn fie haben die Jahre daher den Ruf 
nach Reform überhört, oder gar fehr übel vermerkt; nicht 
befähigt, denn fie haben Reformen eingeleitet und aud) 
wol ducchgeführt, die zum Theil den Zuftand verfchlim: 
meet, überhaupt aber Beine Abhülfe gebracht haben. 
Endlih die Diener des göttlichen‘ Worts, die beim 
Kirchenregiment nicht betheiligten Geiftlihen, follten frei: 
lich das Befferungsbedurfniß am lebendigften fühlen und 
die Reform am eifrigften betreiben; und fo ift es aller 
dinge bei ihrer Vielen. Alein wenn e6 bei ihnen der 
Fall iſt, fo mangelt ihnen in ihrer vereinzelten Stellung 
ebenfo wie den Gemeinden ein Drgan des Handelns. 
Aber Synoden haben andere Zwecke, find dazu nicht da, 


ariftofratifchen oder abfolutifiiihen Anfchauung - 


» t 

nicht geeignet, dürfen nur benutzt werden zu einer hoͤhern 
Orts angerwiefenen, fireng bemeſſenen Thätigkeit. Die Die 
ner des göttlichen Worts gehören gleich den Gliedern ber 
Semeinde zur großen Menge Derer, welche regiert und 
nicht gefragt werden, ‚Pe ſtehen ohne rechten Werlind mis 


‚ber Gemeinde in biefen da, werden auch wol Son -derfeiben 


bei etwanigen Reformbeftrebungen,, bei etwanigem Wider 
flande gegen Gewalt, im Stich gelaffen, während fie als 
Untergebene Denen gegenüber ftehen, an welche fie die Re 
formfoderung richten müffen und bie natuͤrlich Elüger zu 
fein und es nicht dulden zu dürfen vermeinen, daß Im— 
pulfe von Andern als ihnen felbft ausgehen; Denen als 
Untesgebene gegenuͤberſtehen, gegen ige Mibderſtaud 
gerichtet ifl. ie Laͤhmniß, die Erkaltung, weiche im 
ganzen kiechlichen Körper um fih gegriffen, konnte auch 
fie nicht underuͤhrt laſſen. Ihre Stellung macht fle zum 
Theil knechtiſch; aͤußerliche Vortheile, Auszeichnungen, ir⸗ 
diſche Furcht und Hoffnung ſind es nicht ſelten, wodurch 
fie ſich deim Thun oder Nichtthun beſtimmen faflen. Für 
die Gefinnungsiofen find Zeiten der Gewaltuͤbergriffe die 
beften. Sie heucheln jede Richtung, die eben von oben 
begänftigt wird, geben ſich zu Allem ber, ſtehen fich gut 
dabei und kuͤmmern fi nicht um bie nothwendige Folge 
davon, daß die Kirche verachtet und gemieden wird. 
Manche find ſtumm oder veden dienetiſch als Miethlinge 
oder weit Päpfteleigellifte In ihnen verborgen find, weit fie 


zur Thellnahme am Herrſchen zu gelangen deuten. Sie 
praͤpariren füch durch Servilitaͤt auf geiſtlichen Hochmuth 


und Herrſchthum. Keine größere Seligkeit für Manche, 
als Mandarinen zu werben mit dem Knopfe und ber 
Pfauenfeder — federleichte Saͤulen der Kirche, nichts tra⸗ 
gend als ihren Knopf. 

Der Buftand hat manche Ähnlichteit mit dem Zus 
ftande vor der Meformation des 16. Jahrhanderts unb 
bei ihrem Beginne. Won erfter Wichtigkeit ift jege wie 
damals die allgemeine Anertennung des UÜbels, des Mes 
formbedürfniffes ; ift es — noch und noch einmal gefage 
— jest wie zu jener Zelt, dag in den welteſten Kreiſen 
die Sefangenfchaft der Kirche ſammt ihren Folgen em⸗ 
pfunden werde, zu beutlihem Bewußtfein komme. Der 
Scriftfteller, der dahin zu wirken ſich berufen fühlt, muß 
ausgerüftet fein mit genauer Kunde, mit Dffenheit, Ge- 
walt der Rede, Muth und Mannheit. Wer damit aufs 
teitt in der Sache, verdient gehört zu werben, befien Wort 
bat Bedeutung, und wir legen diefe dem oben benannten 
Schriftchen von König vor vielen umfangreichen und weit 
größere Anfprüche erhebenden Drudwerken bei, weil es ber 
zeugt, daß der Verf. von dem Allen ein gues 26 Theil bes 
ſitzt. Es iſt Freilich niche tief, niche kunſtreich. 
lobt noch viel zu viel, er fchneidet Im dus anne des 
Schadens noch lange nicht genug ein; bei feinem hellen 
Blide macht er ſich nicht immer von jener Befangenheit 
los, die an freifinnigen Preußen oft fo wunderlich hervor⸗ 
tritt, feine Sprache iſt nicht immer ganz edel, feine In⸗ 


dividualitaͤt, wie fie fich gibt, flreift bier und da an das 
Barode. Indeß zeichner ee ſich vor Hunderten durch gute 


Beobachtung der Dinge wie fie find, durch naiven Frei⸗ 








wüth, teiuherzige Mohemeinung, kim Ihcheige Doſis ge⸗ 
fanden Menſchenverſtanbes durch gemuͤthliche Wärme und 
ſelbſt durch einen Funken jener Leidenſchaft fuͤr die Sache, 
als deren Fuͤrſprecher ee auftritt — jener Leidenſchaft aus, 
weiche die Kleinmeiſter überall tadeln und ubine welche 
doch die Menge — vom Poͤbel natürlich ganz abgeſehen 
— nie hoͤrt, nie erwacht, ohne welche die Weiſen nie fo 
ug werden etwas zu thun, ohne welche nie eine Mauer 
gebrochen, eina Gefangenſchaft zerſtaͤrt morden iſt noch je: 
mals werden wird. Rue daß die Üderhochverſtaͤndigen und 
die ruhigen Leute’ freilich darin ganz Recht Haben, daß es 
ſeht ſchoͤn, ſehr viel befler wäre, wenn man die Leiden: 
fchaft mit da Ele meflen und zuſchneiden koͤnnte, wie 
der Schneider ein Stud Zeuch. Wan ran zugeben, daß 
dies auch bei unferm Verf. recht gut gewefen wäre. Su: 
deß ift fein Zornfeuer nicht das fchlechtefte Element feiner 
Darſiellung. Was die Hauptſache iſt, er zeichnet das 
£icchliche Übel fcharf, greift es von vislen Seiten täüchtig 
an, fchildert «6 wie man es felten geſchildert findet, und 
zwar indem er die Gabe beflge, verſtaͤndiich und‘ eindring: 
lich in die Gemeinde hinein, gu den Nichtweifen zu reden, 
wo es eben am nöthigfien, mo trotz alles Unbehaͤglich⸗ 
keitögefühle, aller Klagen, aller Erkenntniß im Einzelnen, 
die Einficht in die Tiefe. und den Umfang des Übels noch 
ebenfo feltem iſt mie bei der ganzen großen Maſſe bevor 
Luther ſprach und Sturm läutete und die Leifetreter zur 
Seite ſchob, die den Antichriſt im Dofton angereder, den 
Greuel an beiliger Stätte mit Baumwolle angegriffen und 
die Sache bei den Gelcheten und Haͤuptern gelaffen wiſ⸗ 
fen wollten. Gluͤcklicherweiſe iſt jegt kein Sturmlaͤuten, 
wol aber verftändliche weckende Rede zur Gemeinde noth, 
und König verfieht fih darauf. Genug um eine Ems 


pfehlung ber Lecture feines Schriftchens zu begründen, und 


bei diefem noch ein paar Augenbiide zu verweilen. 

Man wird nicht überfehen dürfen, ber Verf: ift Preuße 
(ein Geiſtlicher in der Provinz Sachſen) und eingefleifch- 
ter preußifcher Patriot. Er weiß es, feine Schrift ift ein 
Wagniß, doch — „im Schweigen iſt Gefahr für die hei: 
ligſten Intereſſen des Waterlande, ohne Kampf kein Sieg, 
es kann im Kirchlichen nicht länger bleiben wie «6 gewe⸗ 
fen, ruckwaͤrts wollen wie nicht, fo habt den Much, euer 
Borwärts auszuſprechen, das Verſteckenſpielen muß ein 
Ende nehmen, die Welt muß jest erfahren, wer ruͤckwaͤrts 
und wer vorwärts wid!” Sehr wahr, fehr lobenswerth. 
Aber trog dieſer Entichiedenheit dem Wollen, dem Grund» 
foge nach, ill feine Rede zwar fcharf, Manche werden nes 
theiten oft zu ſchatf, aber dennoch nicht volllommen offen, 
was er ſelbſt gar nicht zu willen ſcheint: fo fehe iſt das 
Verftedenfpielen, das nur Loben und Bewundern, das 
Verclauſuliren, das Abfüßen jedes leiſen Tadels durch 
Loyalitaͤtsbe zeigungen, die Begleitung jeder Rüge, Wars 
nung, Mahnung mit einer devoten Verbeugung zur Ge: 
wohnheit geworden. Doch muß hier ber Miderfpruch um 
fo gewiffer Eindruck machen, da er von einem Manne er 

hoben wird, auf welchen auch nicht der Schein unpreußi⸗ 
ſcher oder unumterthänticer Geſinnung fallen fan, der 
vielmehr offenbar von Wohlmtinung, Loyalität und Preu⸗ 


ent · n·durchvruugen IR. "Or haben Dicfenigen 
welche bie Sciflige bekommen, die Benugthuung, Daß e 

von Freundes Hand geſchieht, wie .Diaußen aber koͤnnen 
uns um fo ficherer: darauf, varlaſſen, daß. ſie Diefelben. nach 
Verdienſt und Wuͤrdigkeit schalten. .1 


(Die Yorsfegung folgt.) ' 





Held eine alte Here Fa 


Ger iſt wirktich eine alte Hexe. Schon die clafilfchen Dra⸗ 
kel antiter Weisheit hat es dermaßen behert, daß da gar 
nit klug werben Tann, was fie eigentlich vom Gelde halten. 
Im Allgemeinen fcheinen fie fi der Anflcht zuguneigen, sus 
ein moberater Beſth irdifcher Güter volllommen genuͤge. „, 
Ratur gewährt, was die Natur fehlechterdings erfodert”, fagt 
Eeneca. „Der ift nicht arm“, fagt Horaz, „der fo diet hat al 
er braucht.“ „Mit Wenigem leben bie Menſchen am beſten“, 
fagt Claudian. Juvenal hegt nicht den entfernteften Zweifel‘ 
baß „bie Berwaltung eines großen Vermoͤgens eine fehr laͤſtige 
Sache“. But. Run find aber biefeiben Weltwelfen der Mei⸗ 
nung, daß es vielleicht noch beffer, gar nichts zu befigen. „Nackt“, 
fagt Horaz, „gehe ich in das Lager Derer, bie nichts begehren. 


' Wer viel bedarf, wirb immer mehr bedürfen.” Juvenal ver’ 


fihyert ganz glaubhaft: „ber Reifende ohne Boͤrſe lacht dem 
Räuber ind Gefiht”. Und fo anzüglid, daß man vermuthen 
möchte, Iuvenat ſei ſchlecht bei Kafle gewelen, fegt er hinzu: 
„sehr feiten finden ſich unter ben reichften Männern welche mit 
gefundem Menfchenverftande”, woraus er folgert, daß nue 
geldreihe Dummeöpfe im Stande feien, über die abgetragene 
und zerriffene Hofe, über den fettfledigen Roc und bie zeridckers 
ten und gerieten Schuhe des geiftreihen Mannes ſich zu mo⸗ 
quiren. gen den Geiz dußern fi) genannte Herren nicht‘ 
minder fiveng. Der Geizhals gilt ihnen inmitten feiner Schaͤte 
ein armer Wicht, , ein unglädticher Menſch, der, was er hat, 
ebenfo nöthig braucht als was er nicht hat, und deſſen Laſter 
in dem Maße zunimmt, in welchem er es befriedigt. Auch ans’ 
dere Schriftitellee bedauern enorm reiche und ſparſame Menfchen, 
weit fie ihr Leben gar nicht genießen. „In der Jugend fparen 
fie fürs Alter, im Alter für den Tod“, fagt Labruyere. Ad 
Cowley fingt: „Wozu fparft du dein Gelb, das bu verlaffen' 
mußt, oder, was noch ſchlimmer, das dich verlaͤßt?“ Nur 
Horaz ift ehrlich genug, zu vermutben, baß das Sparen dody 
wol dem Sparer Vergnügen gewähre. Er läßt Jemand fagen: 
„Das Bolt ziſcht mich aus, ich aber gebe nad) Hauſe, befehe 
meine Goldftäcde und applaudire mir.” Berner haben die alten, 
Stafftter fi das Wort gegeben, allen Befig für eine hoͤchſt un⸗ 
gewiffe Sache zu erfiären. „Das Gluͤck⸗, fagt Geneca, „bleibt' 
Niemand treu.” „Bortuna”, fagt Horaz, „freut ſich ihres graus 
famen Geſchaͤfts, und wahrhaft erpicht, ihr perfides Spiel zu 
treiben, nimmt fie den Kranz vom Haupte bed Ginen, ibn auf. 


ba Haupt des Andern zu Tegen, und läßt ihre werthoollften, 


Gaben von Hand zu Hand fehlüpfen.” „Fortuna ift fo blind’ 
wie wen fie führt, wechſelt oft die Farbe mehre Male in einer 
Stunde, wendet den Kopf bald hier» bald borthin, lacht jegt 
und wird im nächften Augenblidle grinzen.” So Drayton, ber 
Engländer. Und ein altbeutfcher Mann fagt: „Fortuna iſt eine 
betrüglicde Krämerin; fie handelt mit Zufagen und fätfche die’ 
Waaren. Wer ihr traut, ber baut lofe Brüden, ſieht in den 
Wind, fliegt auf dem Meere und greift nach Schatten. Gie 
deckt Zantalus’ Tafel und fpeift mit Schaugerichten; an das’ 
euer unſerer Wuͤnſche legt fie Holz, das mehr raucht als 
flammt; — fie verſpricht goldene Berge und loͤſt ihr Ver⸗ 
ſprechen gewoͤhnlich mit Bleikugeln.“ Moberne Autoren blafen 
in daſſelbe Horn, und gebören auch ihre Töne nicht in gegen» 
wärtige® Concert, fo gewinnt es body beinahe den Anſchein, als 
wolle bie gefommte Autorenſchaft fih an ber armen Fortuna 
revandhiren wegen — wegen ihres bebauernswerthen Mangels an 


ber Tugend. „Alles Lob des Reichthums unb ker nheit. 
Galluſt, „iſt hohl und vergaͤnglich; bie Tugend allein bat vol⸗ 

Ken Klang und währt ewig.“ Zuruͤck zur Hauptfache, ber Ver⸗ 
Meinerung des Beides, fo xufen cine Menge claſſiſche Stellen: 
das Geld hemmt nicht bie Hand des Todat, verminbert nicht 
einmal den Schmerz; viele Krankheiten Tann es nicht heilen 
und über das Grab hinaus kann Keiner es mitnehmen; es regt 
den Neid auf, verlockt gu und Laſter, iſt Seelen⸗ 
tod und ewiges Verderben „Wohlſtand“, ſagt Horaz, „verbuns 
kelt oft die guten Gigenfchaften, welche Remuth ans Licht 
Bet.’ „Verfluchte Geidgier“, ſchreit Birgit, „wog treibft du 
nicht das Menſchenherzl Und Geneca madjt die auferorbents 
Ti Eluge Bemerkung, daß Gift meift aus Gold getrunken werde. 
Kehren wir nun ben Schub um und — Gelb iſt wirklich 

eine alte Hexe. Derfelbe auguftäifche Sänger, ber fo kuͤhn fein 
wollte, nadt in das Lager Derer zu gehen, bie nichts begehren, 
ibt an eingr andern Stelle ben mohlgemeinten Rath, wo mögs 
2 „ auf ehrliche, jedenfalls in aller Weile Wermögen zu er⸗ 
woerben, erſt fi um Geld, dann fi) um Zugend zu bemühen, 
und das aus bem einleuchtenden Grunde, weil alle göttlichen und 
menfälichen Dinge, Tugend, Rubm und Ehre, unterm gebie⸗ 
tenden Einfluffe des Reichthums fländen. Er fagt: „Geburt 
und gute Aufführung, wenn nidt von Reichthum unterflügt, 
find werthloſes Geftrüpp” — „Mer ſein Geid verlosen hat, 


dee: Neben ber Ce ara Vobes ſaht Ya Sah 
at 


wirb Alles thun, was du verlangfl’’ — „Venus und bie Goͤt⸗ 


tn der Beredtfamkeit ſchmuͤcken den geldbegabten Freier. Er 
wird fogar engliſch, indem er es eine ande nennt, arm zu 


in, und deutet feineswegs verblümt an, daß Armuth ein. Zus |. 


and fei, der Unreblichkeit und Gemeinheit implicire Die Be: 
auptung in Wetreff Deffen, der fein Gelb verloren, tritt dem 
runde. entgegen, aus welchem Suvenal den Reilenden ohne 
Börfe für einen gluͤcklichen Menfchen erfiärt. Aber aud dem 
wuten Juvenal hat dad Geid bie Konfequeng abgebert. Cr 
* es komme nichts darauf an, woher man fein Gelb 
abe,. wenn man ed. nur habe, und fagt in Haven Worten: 
„Sebermaun genießt genau fo viel Gredit und Geltung, als ex 
Geld, im Bentel bat” — „Der Eib eines armen Mannes wirb 
nicht angenommen, weil man vorausſetzt, daß er keinen relis 
dfen Sinn hat und ben Göttern unbekannt iſt“ — „Milt vies 
Muͤhe arbeiten Die ſich empor, deren Tugenden unb Tas 
Lente von Armuth niebesgebalten werben’ — endlich, „Mer foll 
mit ber Tugend befaffen, wenn man ihr ben Lohn nimmt!‘ 
was nichts Anderes heißen kann, als daß einträgliche Amter 
md fette Penfionen. ber Tugend folgen müffen, wenn bie Zus 
jend fi) von der Menge gefolgt fehen will. Das wiberfpricht 
erdings den im engliſchen Driginal herrlichen Zeiten Thom⸗ 
'33. „Der Zugend ebler Stolz mag nicht den Lohn erwäs 
de u. fe w, aber Juvenal fagt ferner: „Der Verluſt bes 
eldes wird mit echten Thraͤnen beweint“ — „Armuth muß 
immer ſchwer zu ertsagen fein, da fie die Menſchen laͤcherlich 
nacht” — „Tapferkeit, Triebe, Zugend, Glaube und Eintracht 
ben ihre Zempel, das Gold hat keinen, und doch if, Bold 
die mächtigfte aller Bottheiten.” Anafreon — unb wer. möchte 
im Punkte ber Liebe Anakreon's Autorität bezweifeln? — nennt 
Gold ven beften Freund der Liebe. „Nicht vermag edle Geburt, 
nicht Würdigkeit und Wig bie Bewerbung bes Freiers zu förs 
dern, Tobald ihm das glänzende Metall fehlt.” Auch Horaz, 
trog feiner Iutention, nadt zu geben, räumt unbebingt ein, 
daß bie Gewalt bes Geldes größer als die des Donners, baf 
ed ich Bahn bricht durch wachende Hüter und feſte Mauern, 
und die, wildeflen Menſchen zähmt. „Wer Gold hat”, ſagt Per 
troniuß Arbiter, „mag fih. getroft enfhifen; das ſchoͤnſte Maͤd⸗ 
chen bekommt er zur Frau; ſeine Verſe gelten fuͤr Wunderwerke; 


(sine oratorifchen Vorträge find unwiderſtehlich; jeder feiner, 


ünfche findet Befriedigung, und kurz und gut, wer Gold hat, 


Bravbais; Auserdem bemerken wir noch 


wir Bellart, ben erbitterten 
der Reſtauration, ber feinen: Gegnern wenigſtens das Geftändniß 
ei. 2. 


; ober „he Keen“, bemae u Anten kie 
—— Ans fern.’ „Das Geld riecht gut, komme eb, wohen 
ed fei”, antwortete Vespaſian feinem Bohn Titus, als biefer 
tn wegen einer gemwiffen WBerbraudysfteucr tadelte. Und ferbf 
jene einfache, giädliche Zeit, von welcher die Dichter traͤumen, 
daß fie «iu auf Erden geßläpt, wis nemuen fie tiefe Zeit? 
— 696 golbane Beitelten. Schlleßlich läßt Gihakipegre uns darqh 
Zimon fagen, baf Golb 

— — — ml make 

Black, white; foul, fair; wrung, right; 

Base, neblu; oki, young; euwardis, valliaty;: 

— — — bien Ihe sooumed, 

Make tha hear leproay adered; place thieves, 

And give them title, knee, and approhation, 

With senstors on the beach. 

So Lange es Menfchen gibt, wird das Gerd eine Der 

bietben. Und das fage ich. 14. 





Literarifhe Notizen aus Frankreich. 
Handbuch der Meteorologte. 
Das trefftiche Handbuch 


Sc bereits 
durch eine Reihe eigener Werke, namentlich durch einige leſens⸗ 
werthe Auffäge befannt gemacht, in benen er bie naturwiffens 
ſchaftlichen Verdienſte Soethe's ausführlich würbigt, Unter ben 
Anm und en, bie ber Aberſetzer feiner Arbeid bei⸗ 
gegeben Hat, bemesten mir ner; e: Mittheilungen ven 


| ügitde einig 
der nach dem Norden geſchickten wiffenfchaftlichen Srpebitien, ſowie 
verſchiedene werthvolle 


Beobachtungen uͤber das Klima und die 
Lufterſcheinungen der Alpenwelt. Wan verdankt dieſelben einem 
rühmlidy bekannten Profeſſor der Aſtronomie zu Eyen, Namens 
einige Zufüge von. La⸗ 
lanne, einem tuͤchtigen Ingenieur, die ins Anhanga mitgetheitt 


ı werben, Die Überſetzung if fo, wie man fie von einem Gelehrten 
[wie Martins, ber feine Kenntniß der beutfchen Literatur bereite 
Hr verſchiedenen Abhanblangen an ben Tag gelegt hat, erwarten 
| ann. ' 





Bur Gefdidte bes franzdfifhen Barreau. 
Dar Abvocatenftand in Ftankreich Hat feit den älteſten Zeiten 


bie ehreuwertheſten Charaktere aufzuwelfen, die nicht felten von 
! wahren Benie gefangen wurben: Die Bef@iägte bes. formgöffichen 


Barreau bat. wahrhaft erbebende Nartien,. bie auch wei im 


Deutſchland befanut zu werben verdienten. Ginen doͤchſt anzie⸗ 
henden Beitrag dazu bilden bit Memoiren vom ättern Bervyer, 


bem Water des großen legftimiftifchen Redners. Indeſſen lag e® 


„in ber Natur dieſes Werks, daB nur einzelne Züge aus biefem 
reichen Gemuͤlde Heuvorgeboben werben konnten. ix: freuen ums 


beshalb, jeht ein anderes Werl antünbigen zu Bönaen, das uns 


| die heruorragenbften Mitglieder des franzöffchen Warreau vor: 
ı führen wird. 
ans“, von M.Pinard, Abvocat am koͤnigl. Gerichtshof zu Paris: 
Aus ⸗der reichen Galerie, die der Verf. hier eroffnet, treten me zu⸗ 


Ca führt den Titel: „Le barreau depuis 50 


naͤchtt ber .„golbraunbige” Ghais-b’SE> Ange, die beiben Dupin, 


' Berayer, Marie u. ſ. w. entgegen. Unter den aͤltern Gerichts« 


ezeichnet “finden, bemerken 


rednern, bie wir in dieſem anerhe 
olger der Preffe während 


bat Zupiter im Beutel.” „Reichthum erlangt Ehre und Freunde”, abzwang, baß er ein außerordentliches Watent f 


ran 
". 


" Bpeontwortlicher Geraufgeber: Heinrih Broddaud, — Drus und Belag von 8. A. Brodhans in Eeipaig 








Bläfter 


für 


literarifhe Unterhaltung. 





Mittwod, 





Erſter Artikel. 
(Yertfogung aud Ar. 228.) 

Der Verf. bringt eine große Menge und Mannichfais 
tigkeit von Gegenliänden zur Sprache, die er nirgend ers 
ſchoͤpft, meift nur ganz kurz berührt, und zwar fe, daß er 
vom einen zum andern ziemlich ſprunghaft übergeht. Wir 
müflen uns um fo mehr darauf beſchraͤnken, eine bloße 
fogar unvollfländige Skizze de6 Inhalts gu geben, nur 
auf das Wefentlichfie deſſelben hinzudenten, das ſtets um 
den leitenden Gedanken ſich dreht, wie gaͤnzlich die evan⸗ 
geliſche Kirche die zu ihrem gedeihlichen Leben notbiwendige 
Selbſtaͤndigkeit an Mächte verloren, die alle und jede ihrer 
Bewegungen regulicen wollen, von den unbedeutendſten 
Angelegenheiten der einzelnen Gemeinden bie zu den wid: 
tigften der Gemeinde im Ganzen und Großen, bis zu den 
teligiöfen Richtungen, zur Theologie, zum SPrincip ber 
rt 


irche. 

Bor 25 Jahren (hiermit wird eingeleitet) wer bie 
evangeliſche Kirche im preußiſchen Staate nahe daran, voͤl⸗ 
tig umgeſtaltet zu werden. Der Entwurf der neuen Pres⸗ 
byterial⸗ und Synedal⸗freien Gemeinde⸗) Verfaſſung 
war ſchon uͤberall verbreitet — die eingeleitete Reform 
wurde als bedenkliche Neuerung ſuspendirt; die Periode 
der polisifchen Reaction trat ein. Thelnahme der Ge: 
meinde an der Kirche verträgt fich nicht mit Untheilnahme 
der Bürger am Staat; foll hier blos regiert und gehoccht 
werben, freie Rede nicht fein, fo kann nicht dort denfelben 
Indwiduen volle Freiheit eingeräumt werden, die kirchll⸗ 
hen Angelegenheiten zu berathen und zu ordnen. 

Wir bemerden dazu, einmal, daß der Verf. von jener 
Zeit vedet, wo der Proteftantismus, das evangelifche Ehri⸗ 
ftens und Kichenthum in den Verdacht gerieth, revolu⸗ 
tionnaire Elemente in fi zu tragen; einen Verdacht, der 
auf der einen Seite aͤngſtliche und beengende Maßregeln, 
auf der andern eine ebenfo aͤngſtliche und engherzige Ver⸗ 
theidigung veranlaßte. 
That nur dee wahre, der — nach Form und Inhalt — 
vernünftige Staat, und ber ein gutes Gewiſſen hat, bie 
deifliche Lehre und Kirche, Chriſtenglauben und Leben 
wülmmm fer walten und wirken Saflın, allen Kirchen: 


Wir bemerken weiter, daß in der 


deu und Zwang aufgeben, volle Kischenfreiheit zulafien 
— auf der andern Seite die Rechte des Staats mit vol⸗ 
lee Kraft und Sicherheit geltend machen — kann, N 
in dem Maße dann es ber unechte, als ex dem wehren 
ſich nähert und naͤhern will. Go mußte der beidnifche 
und juͤdiſche Staat entweder ſich aufs und dem Chriſten⸗ 
thume bingeben oder den Verſuch maden, es gewaltſam 
zu erdruͤcken. So Sonnte der deutſche Staat im Beginn 
der Reformationsepoche die Freiheit der Predigt des Evans 
geliums nicht zulaffen, wenn ex bleiben wollte wie er war 
mit feiner Abhängigkeit vom vömifhen Einfluffe, feinen 
geiftlichen Herrſchaften, feiner Herabwuͤrdigung der unten 
ften Gtoffen. Das feanzöfifhe Regierungs⸗ und Verfaſ⸗ 
fungefoftemm unter Napoleon und den Bourbons wor uns 
haltbar, wenn die Kirche nicht von Staatswegen beherefcht 
werden konnte. In ber Richtung befonders des 18. Jahr⸗ 
hunderts auf Unumfchränttheit der Regierungsgewalt der 
deutſchen Fuͤrſten gingen die Elemente der GSeibfländigkeit 
ber Iutherifchen Kirche unter, wurbe auch die letztere uns 
tes ben ſtaatlichen Abſolutismus gebeugt, in ein Werkzeug 
der Staats: oder Megentenzwedde umgewandelt, und «6 
konnte nicht wohl anders fein. Es wird oft und sft uns 
verftändig vom Chriſtenthume geruͤhmt, daß es fi mit 
jedem Staatethume vertrag. Das iſt wahr, ſofern +6 
bie verichiebenen Staateformen als ſolche unberührt laͤßt 
und unter keinen Umſtaͤnden zu Spieß und Stangen greis 
fen lehrt. Aber mit einem unfreien verdorbenen Staats⸗ 
thume verträgt es fich nur, .fofeen es gefeflelt oder feibf 
verborben iſt; im andern Galle macht es ihm Krieg und 
bereitet ihm den Untergang, und das if eben fein echter 
Werth und Ruhm. Man hört jetzt oft, man darf ſagen 
und e6 wird gern vernommen, die Doffnung ſei auf die 
flet6 vegenericenden Kräfte des chriftlichen und des germas 
niſchen Elements zu fegen. Gewiß diefe Elemente find 
tegenericend, aber nur nicht fo, wie Manche fich einbilden, 
daß fie fügen ober wiederherſtelen, was Manche geſtuͤgt 
oder wiebechergeitellt wiſſen möchten, fondern ats lrmaupe 
der Freiheit, die da das uncheifttiche und unbentfche Herr⸗ 
(hen und Bevormunden in Kirche und Staat zerfegem, 
Doch zuruͤck. | 

Es folgt fodann eine (beilaͤufig ſehr ungenuͤgende) Werts 
gleſchung der der Kirche vor 25 — 27 Jahren zugedachten 


neuen und ber Alten bis dahin gültigen Verfaſſung. Der 


2, 


Verf. beruft fich hierbel auf Schleiermacher's bekannte Au: 
ferungen, daß die Confiftorialverfaffung nur als ein Durch⸗ 
gangspunkt betrachtet werden koͤnne, auf welchem ſich bie 
evangelifche Kirche in den meiften Ländern für ihr wah⸗ 
res Wohl ſchon allzu lange verweilt; daß mit eimer blopen 
Beinigung und Verbefferung derfelben fo gut als nichts 
zu gewinnen fei u. f. fe Die Darftellung nimmt fodann 
folgenden Gang: Man befferte indeß die alte, dem Sturze 
nahe Gonfiftorlalverfaffung nicht aus, fondern vernichtete 
den legten Schein der Selbſtaͤndigkeit der Conſiſtorien; 
der letzte Meft der Kirchengewalt ging auf die Krone über 
— die bisherige Entwidelung ward auf die Spige ge: 
Wacht; das politifche Kirchenregiment vollfländig ausge⸗ 
bildet. Aus beflen Abfichten follte der Kirche darauf durch 
eine Agende geholfen werben. Der Berf. rühmt bier ge: 
wiß mit Recht die perfönlihen Tugenden, dad Wohlmei⸗ 
nen des legtoerftorbenen Königs, hebt jedoch nicht hinlaͤng⸗ 


lich hervor, daß jedes perfönliche Kirchenregiment evanges 


Hicher Regenten bem Principe und des Form des prote⸗ 


ſtantiſchen Kirchenrechts ſchnurſtraks zumider läuft. Auch 


überfieht er in feinem Enthuſiasmus, daß gerade ein pet: 
föntiches ‚Regiment, welchem Verttauen und Kiebe in ho: 
hem Maße entgegentommit, für Kirche und Staat nad 
einer gereiffen Seite hin gerade das unheilvollſte und ge; 
füßelichfte fein ann, wenn es bie Gemeinde, die Bürger 
des Thuns, bes Denkend entwöhnt, die Thatkraft, das 
Urtheil ſchwaͤcht, wenn es einfchläfert, erichlafft, von ber 
Einrede zuruͤckhaͤlt, wo Gewiſſen, Rüdfiht auf Gemein: 
wohl und Ehre gebieten, ben misleiteten und irrenden 
hoͤchſten, ob auch reinften Willen an ben rechten Weg, 


bas Mecht der Unterthanen, den wahren Inhalt der Res 


gentenpflicht zu erinnern. Gerade der Zwang iſt dee ver- 


derblichſte, ber wohlmeinend geübt und aus Ergebenheit 


und in ihr leicht .ertragen wird. Nichts geundverderblicher 
insbefondere für das religiöfe Leben, ale wenn Eingriffe 
in daſſelbe, obwol ats ſelche empfunden und erkannt, aus 
Wert — alfo doch immer aus irdiſchen Rüdfichten — 
erduldet werben. Nichts kann die überzeugungs⸗ und (Be: 
wiſſenstreue mehr ſchwaͤchen, als wenn Überzeugung und 


Gewiſſen „ber Macht der Liebe unterliegen”, ſodaß dieſe 


das Gefühl der Verlegung jener in eine unfittlihe und 
feveligiöfe Refignation auflöfl. Nicht fo fhlimm iſt offen 
Sare Glaubenstyrannei, gewaltfame Verfolgung, bie im 
Stauben und in der Treue eher ſtaͤrkt, edlen Muth, 
männliche nnd religisfe Tugend hervorruft, die moraliſche 
Kraft ſtaͤhlt. Die Bemerkung macht der Verf. indep, 
daß ein Fürft nichts Gefährlicheres für feine Ruhe (mir 
fegen hinzu, und für Religion und Kirche) untermehnen 
ame als den Verſuch, feine eigenen Lieblingsanfichten in 
Sachen ber Religion durchzufuͤhren, welche dann ohne ſei⸗ 
wen Willen zu elenden Parteizwecken misbraucht werben. 
Aus herzlicher Verehrung gegen ihn (den letztverſtorbenen 
Koͤnig) haben Viele bei feinem Leben ein Auge zugedruͤckt“, 
fagt er. Aber was ift der Sinn nad dem vorbergehen: - 
den Gabe? Aus Verehrung gegen ihn haben Vielt bei 
ſeinem Leben wider überzeugung und Gewiſſen gehandelt 
aber gefhwiegen, d. h. der Verehrung, Liebe und Pflicht ; 





die höhere, die fie. ber Kirche fehulbeten, hintangefeßt, und 
das war herzlich ſchlecht. Er fagt weiter, im Kampfe des 
Pflichtgefühls und der Liebe Hätten viele bis dahin Be: 
währte, duch die Iegtere und — duch Verſprechungen, 
Einfhückterungen, Beförderungen, Ehrenzeichen fich bes 
flimmen laſſen: weich dn „rührendes Schaufpiel!” ruft 
er, freilich ironifch, aus; welch eine entfegliche Corruption! 
muß das gefunde fittliche Urtheil lauten. Er fährt fort: 

Und aud nad feinem Tode mögen aus Pierät fie in ben 
Yulten verfchloffen- bleiben die zahllos vorhandenen Beweiſe ba: 
für, daß, um ihres Könige Wunſch und Willen durchzuführen, 
damals gas mande feiner Diener zu ben jaͤmmerlichſten Mit⸗ 
teln ihre Zuflucht nahmen, und daß in jenen Tagen häufig ber 
Schein des Verbituſtes glänzenden Eohm empfing. 


Welch eine verirete, ob wolgeſchulte Pietät! Als ob 
nad einem erzroungenen Schweigen, wie wir es erlebt, 


I nah fo langem Herrfehen der vagen Gerlichte, fo vielem 


und nicht erfolglofem Bemühen, die betreffenden Thatum⸗ 
ftände zu entftellen und das öffentliche Urtheil irre zu lei: 
ten, nicht endlich die Geſchichte ihr Recht foderte und zu 
fodern befugt wäre, als ob Leine Geſchichte fein müßte, 
ats ob eime ohne Wahrheit, ohne offene Enthuͤllung des 
Thatſaͤchlichen fein könnte; als 06 das Schweigen von je 
nen Sachen und nit vielmehr das Reden von ihnen 
nuͤtzlich und nöthig wäre, wo noch ähnliche wenn auch nicht 
gleiche Umftände und Gefahren vorhanden; als 0b es die 
Pietaͤt gegen einen Setäufchten und ſchlecht Bedienten verlegte, 
wern bie Taͤuſcherei, Wohldienerei, Heuchelei und Feigheit 
ans Licht geſtellt wird! Es iſt nicht bios eine Kunft, 
ſondern auch eine Pflicht, Gefchichte zu fihreiben; nicht 
zwar von Jedermann ımd jeder Beit zu üben; aber Rüd- 
ſichtelei darf in keinem Falle bavon zuruͤckhalten. 

Der Berf. kommt dann auf das Inſtitut der Gene 
talfuperintendenten, das er als folches lobt, umd auf das 
ber evangelifchen Biſchoͤfe, die er aus triftigen Gründen 
für uͤberfluͤſſig erflärt. Er beruft fid dabei auf fein 
Recht als evangelifcher Pfarrer, und gibt, ohne es eben 
zu beabfichtigen, durch diefe Berufung ein paar gute 
Pinfelftrihe zum Bilde der Gefangenſchaft der Kirche, ber 
Macht, welche diefe gebunden hält und ber Art, wie die 
fegtere gelbe wird. Er ſpielt darauf an, wie auch ihr 
Name der Kirche regulirt werben follte; er ſcheint, indem 
er freie Mede führt, nicht zu fühlen, welch unfreie Zu⸗ 
fände es vorausfegt, daß ein evangelifcher Pfarrer, wenn 
er erflärt: „Wir brauchen keine Biſchoͤfe“, gegem ülbel⸗ 
— ſich ausdruͤcklich verwahren zu müflen glaubt. 

r fagt: 
Ich bin getauft als ein Intherifches 
ift mir's verboten, ik eutheraur: zu a 
hierin gern. Als Züngling war mein Stolz, ein Proteftant 
zu fein, body wurde diefer Proteflantenname gleihfalls mit In⸗ 
terbiet belegt, und ich gehorchte ungern. Gegenwärtig geflattet 
man mir, bis auf weiteres mich als evangeliſch zu bezeichnen, 


demnach) bin ich, fo lange als Feine Gontreorbre kommt, ein 


Evangeliſcher. Aus meinem Lutherthume aber und aus meinem 
Proteſtantismus klebt mir Das noch an, daß ich uͤber Alles, was 
meinen Glauben und bie Kirche angeht, ohne Ruͤckſicht meine 
Meinmg fage- Hier fiche ich naͤmuch als verbotener lutheri⸗ 
fer und unterfagter proteſtantiſcher, gegenwärtig gnäbigft cams 


eeſſionirter erangeliſcher Geißlicher auf "dem 


und Boden, anf weidem Luther Hand. War er für Wahrheit 
bielt, das hat er vexrfündigt, und was wäre benn aus der Res 
formation geworden, wenn man ihm zu ſchweigen geboten hätte? 
(Oder vielmehr, wenn er fih an das Verbot geehrt hätte.) 
Freilich ſtehen hierbei fi zwei Theile fehroff entgegen. Die Eis 
nen, welche Thon ziemlich unverhohlen die Reformation, wie die 
Schlacht von Navarin, ein heklagenswerthes Ereigniß nennen, 
und die Andern, welche verſichern, es fei bie hoͤchſte Zeit, ſich 
mit Händen und Füßen zu fträuben, um nicht, halb mit Bitten 
und halb mit Smang, unter das römifhe Joch zurüdgeführt 
zu werben. Das aber ift ber aͤrgſte Fluch der franzöftfchen 
Herrſchaft in meinem Vaterlande, daß ein policeiliches Syſtem 
in ihrem Gefolge war, welches die freimütbigen Außerungen 
patriotifcher Männer uͤberwachte und nur die Mittheilung Def 
fen zutieß, was in den feligen Paiferlihen Kram paßte. Die 
Unterdrüdung ber Rede freimüthiger Männer ift bie aͤrgſte 
Schande, weiche eine deutfche Verwaltung treffen kann. 

Eben darum wäre es aber auch fo arg, wenn ein 
evangelifcher Pfarrer nicht fogen dürfte: Wir brauchen 
keine Biſchoͤfe! Doc ift es Immerhin ehrenwerth, wenn 
ein foicher fo fpricht im Gefühl, daß Gefahr dabei fet. 

Es kommt fodann daß „aus den Wolken gefallene 
evangelifhe Bisthum gu Jeruſalem“, das Gerücht zur 
Sprache, daß die englifhe Kichenverfaffung in Preußen 
eingeführt werden folle. Da Hebt denn dem Verf. abers 
mals aus feinem SProteftantismus nod ein gutes Theil 
Unummundenhelt an. Er befchließt feine Einwendungen 
rund und grob, nicht ohne Anklänge Luther'ſcher Sinnes: 
und Redeweiſe: 

Wir deutfche Proteſtanten wollen Feine bifchöfliche Verfaſ⸗ 
fung und brauchen fie nicht, wir finden bie Würde unfers pro: 
teftantifchen Gottesbienftes in feiner @infachheit, wir verlangen 
von unfern Geiftlichen keine Achfelträgeret zwiſchen Kirche und 
Staat, Leine jefuitifche Verſchlagenheit, ſondern fchägen an ih⸗ 
nen ein ſchlichtes, maͤnnliches, freimüthiges Auftreten vor Huͤt⸗ 
ten und vor Fürftenthronen. Gollte jedoch mitten im glaͤnzen⸗ 
den ‚Hofftaate ſich der einfache proteſtantiſche Pfarrer zu ſchlecht 
ausnehmen, fo mögt Ihr Euern Hof⸗ und Dompredigern im⸗ 
merhin noch ein weißes Hemd uͤberziehen und es mit ſeidenen 
und goldenen Troddein verzieren, moͤgt Ihr immerhin zu ihrer 
Seite zwölf wunderſchoͤne Kleine Balletsänger, als Chorknaben vers 
eidet, niederfnicen laffen, mögt Ihr immerhin zum Rauchfaſſe 
und zu den kunſtgeuͤbteſten Sängern Cuere Zuflucht nehmen, — 
uns im Volke verfchont mit folcher Schnörkeleit Dreißig Iapır 
kampften unfere Väter den blutigften Kampf, um nicht zuräd: 
zukehren zum Geremoniendienfle. Wir find ihre Enkel, und bit 
ten, das bei allen Planen zu beachten, bie man binfichtlich der 
Kirche hegen möchte. 

Reiter werden die Tendenzen beleuchtet, ein firenges 
Feſthalten am alten Lirchlichen Lehrbegeiff, Ruͤckkehr zu 
den Glaubensſaͤtzen der fombolifchen Buͤcher zu bewirken, 
wiederum ohne die Gemeinde zu fragen, offenbar genug ge: 
gen den weitaus vorherrſchenden Sinn und Willen ber- 
felden. Diefer Weg führt nah Rom, fagt der Berf. 
„teauernd aber furchtlos als deutfcher Proteftant”, Dann 
"unter Anderm : 

. &o viel iR gang gewiß, daß es wenige Umftänbe gibt, 
weldhe sine Bergleigung unferer Tage mit der Zeit zulaflen, 
wo ein ernfter Kampf losbrach. Luther erkiärte bekanntlich bie 
Plee Schrift zur hoͤchſten Kichterin in Glaubensſachen, und 

te fie hoch Aber Tradition und Kirchenlehre; er verlangte, 

ot zu werden aus bee Schrift oder durch deutliche 


Ge Agenbe und fombo Bücher der heiligen 
an — zu ſtaller, und wüll von Bernunfigrtuhm nichts 


widerle ver⸗ 
nänftige Gründe. In unſern Tagen macht man ben WBexhud, 
Schrift 


ten. Die Reformation erklaͤrte bie Einxichtung des Moktes 


ftes für Menfchenwert, und flelte, bei möglichfter Einfachheit 


wiffen. Ganz wis in jenen Zagen fell der blinde Glaube “ 


des Gulus, die Verkuͤndigung bed göttlihen Worts an 5 
Spite. Wir brennen Lichter am hellen Zage, und gehen offen 
darauf aus, noch mehr Formen einzuführen, bie mit ber Anbe⸗ 
tung im Geiſt und in der Wahrheit nicht viel zu thun haben, 
Eine Verwechſelung ber Kirchlichkeit mit ber Religiofität, ein 
Aufgeben: du mußt in bie Kirche geben, wie dort: du mußt 
Meffe Hören, wird ſchon häufig gefunden. In jenen Zeiten war 
bäufig das. geifkliche Regiment mis dem weltlichen vermiſcht. 
Davor warnten die Neformatoren und fußten auf ben Aus 
fprudh: „Laßt Bott was Gottes und dem Kaifer was bed Kais 
ſers iſt.“ Bei uns findet bie nämlidhe Verwirrung ftatt, nur 
umgekehrt, fobaß das weltliche Regiment vom geiftlichen nicht 
laffen will. Jener Lehren nahm man mit Freuden an, denn man 
erbte Bisthümer, Stifter, Pfränden in Menge. Unſere Mah⸗ 
nung will man nicht gelten laffen, denn wir haben nichts zu 
bieten als das Wort der Wahrheit: daß ein weltlicher Papft 
weit ſchlimmer fei als ein geiſtlicher Papft, und daß bie Relis 
gion mit der Politik nichts zu ſchaffen habe. 


(Der Beſchluß folgt.) 





Archaͤologiſche Mittheilungen aus Griechenland nach Kart 
Otfried Müllers binterlaffenen Papieren herauf: 
gegeben von Adolf Schill. Eeſter Theil, erſtes 
Heft. Athens Antitenfammiung. Franffurt a. M., 
Hermann. 1843. Gr. 4. 2 Thlr. 15 Nor. 


‚Das vorliegende erſte Heft des erſten Theis der Archaͤo⸗ 
logiſchen Mittheitungen aus. Griechenland“ ift bie erſte Frucht 
ber Reife Difried Muͤller's nach Griechenland und nach bem 
Lande, in bem er Iebend ſchon heimiſch gervefen, und in dem 
er feinen frühen Tod gefunden bat. Was durch biefen frühen 
Tod ber Wiſſenſchaft entzogen worden if, mag man mehr 
aynen, als daß man es willen fann; wohl aber wiffen wie, 
daß Das, mas uns noch etwa aus feinen binterlaffenen Pas 
pieren mitgetheilt werden wird, nur etwas Unvolllommenes und. 
faft noch weniger als etwas Oalbes, dem Müller’s lebendiger 
Geiſt fehlt, fein Tann Es iſt nicht au leugnen, daß dies vor 
liegende Heft an ſich einen intereſſanten Gegenſtand behandelt; 
daß es über dieſen Gegenſtand gar vien Licht verbreitet und daß 
daraus fuͤr die Kenntniß der altgriechiſchen Kunſt Manches ge⸗ 
lernt werben kann; wie es denn auch von nicht geringem Inter: 
eſſe ift, von bem engen Standpunkte ber Gegenwart aus über 
ben Auftand und die Menge der einzelnen, in hem heutigen 
Griechenland erhaltenen Alterthuͤmer ſich belehren zu laflen. 
Allein, was von alle Dem, was bier aus D. Muͤiler's him 
terloffenen Papiesen mitgetheüt wird, Müller feibft augehoͤrt, 
und was von dem Herausgeber herruͤhrt, weicher 1840 Müllss’s 
Begleiter auf deffen Reife in @riechentand war, darüber ſchweigt 
ber Herausgeber fetbft, und man Tann es foigtich nicht wiffen.- 

Sieht man deshalb hiervon ganz ab, und halt mar ſich 
nur an Dad, was uns bier geboten wirb, fo wieberkolen mie 
bad oben im Allgemeinen hierüber bereits Bemerkte. In ber 
Sauptfadhe enthält diefes erſte Heft ein Verzeichniß der in Athen bes 
findtidgen Antiken, an Gculpturen u. f. w., nebft Beſchreibun⸗ 
gen des Einzelnen und bin und wieder mit Ercurſen über ein⸗ 
seine ardyäolegifche Kunſtgegenſtaͤnde allgemeiner und kefonkerer 
Tendenz. Diefem Verzeichniſſe fleben zwei einieitende Aohanke 
Iumgen voraus, die nad) S. v von dem «Derausgeber ven, 
und die ſich theils über die Anſchaulichkeit des griechiſchen Alter⸗ 
tbums in dem Lande un» in feinen Überreften, theils über bie 
% ungen und Sammlungen in Griechenland Bis - ins 
3. 3840 verbreiten. Mit dem in letzterer Hinſicht gegebenen 
Uberblicke wollte der Herausgeber bem Leſer einen Begriff ges 
ben, woher die neuen Sammlungen Athens ihre Verraͤthe ers 





1280 _ 


rte der Aufftellung der Sammtungen, hat übrigens das Vor⸗ 
andene und bier Ausgezeichnete nicht nach ben Eocalen der Auf⸗ 
fteilung, ſondern nach einer fachlichen Eintheilung geordnet und 
zugleich Das mit beruͤckſichtigt, was im Privatbeſitze su Athen 
fid) befinder. Won einem befondern Intereſſe tft die erſte Ab⸗ 
andlung fiber bie Zn fchautiggfeit bes griechiſchen Alterthums 
u dem Lande und in feinen überreſten. Was hier ber Heraus⸗ 
eber — übrigens in einer, hin und wieder etwas ungefäfligen 
prachtichen Darftelung — auszuführen ſich bemüht, verdient 
ur Innigern Würdigung ber althellenifchen Kunft, und um 
nne zu werben, welcher Charakter in diefer Beziehung dem 
geiechtfchen Sande ſelbſt, ber dortigen Natur, dem Klima u. f. w. 
gieihfam aufgedruͤckt iſt, wohl beachtet zu werden, kommt übris 
ens in der Bauptfache ungefähr auf t , 
reunde des Alterthums bietet das heutige Griechenland in ges 
wiffem &inne weit weniger dar als Italien (mol au weniger 
als er denkt), in andern viel mehr als Italien (wol auch mehr 
als er zu finden glaubt). Nur der gelehrte Veſucher Griechen⸗ 
Yande, nur Der, ber vorbereitet biefe veröbete, einft fo geifts 
vole Welt betritt, fuͤhlt fich lebhafter und tiefer ine Alters 
thum zurüdverfegt als unter dem reichern Genüffen der italie⸗ 
niſchen Monumente und Sammlungen (bie übrigens, was ber 
fonders die Sculpturen beteifft, mehr ober weniger nur aus 
dem alten Griechenland herrühren); und es ſcheint faft, daß 
fi) ber alte Begenfab von Rom und Griechenland noch in ber 
Radsigattung erhalten habe: dort die imponirende Größe und 
Me, bier das finnvolle und ſchoͤne Maß. Das Land, das In 
alten zu einem Bilderbuche fo vieler Zeiten geworden ift, ges 
währt in Hellas vor Allem ben Eindruck einer großen Bühne 
der Grinnerung nor an bie claffifche Zeit. Was vorzügtich dem 
Sinn einnimmt, bie Betrachtung mit ben erhabenften Zügen 
deſchaͤftigt, Das gerabe ift noch ganz das Alte, bad Ältefte, der 
worbildende Grund, von bem das fittenreiche , bilbfame Leben 
Ser Hellenen umfangen war, biefe Natur, die in ihrer Ber 
wandtfdjaft zum aiten Volkegeiſte die Erinnerung an ihn fo 
mächtig hebt und wieder von ihr belebt wird. Am Bilde ber 


Eur und fi vermehrt Habens er fpricht da zugleich über bit 


Landſchaften mit ihren Weften alter Stadt⸗ und Dafengebiete | 
erkennt man noch den Pian und Vorzug der innen Welt ber 
Sriechen; aus dem Charafter des griechifchen Landes und ber . 


Friechiſchen Natur einerfeitö, und dem davon getragenen Volle: 
gelfte der alten riechen andererſeits, mit ihrer 


erklaͤrt es ſich, daß das alte Griechenvott, wie kein anderes, 
am Volt der Kunft werben mußte und ward. Der tief Lichte 
-Kcher des griechifchen Himmels; diefe Klarheit ber durchſonnten 
Luft, die das Auge bes Griechen fc feinfinnig werden ließ: bazu 
Ye großen Accorbe, die die Natur mit beſchautichen Bergformen 
und Meeresflachen bildet, erſchließen ein unmittelbares Verſtaͤnd⸗ 
naiß der helleniſchen, vor Allem der attiſchen Architettur. Man 
faͤhlt es, wie fle für dieſen Himmel und für dieſe Erbe ge⸗ 
hört, in deren Umfaffung fie aufgewachſen tft, und wie dieſer 
Helle, ſchoͤn umfchriebene Horizont für fie gehört. Die Truͤm⸗ 
ner des alten Gricchenlands find unglaublich vebend auf ihrem 
Boden („auf ihrem Boden!” wen fällt bier nicht Schiller's 


MAebicht: „Die Antiten zu Paris”, ein?), weil man immer. 


umher in der Natur den Voikscharakter und die Geſchichte ans 
gebentet fleht, deren Erzeugniß und Ausprägung fie waren. 
Das Anfehen der griechiſchen Natur iſt plaſtiſcher ale bei uns. 


Ihr iſt ber Gharakter diefer Architektur verwandt. Sie will 
nicht durch das Ungeheure imponiren; fie ſtellt ſeibſt ihren 


Sinn im reinen und vollendeten Korper bar, ſodaß fie einem 
anfchautichen Organismus aͤhnlich und hierin plaſtiſch if. Die 
Schönheit und Bebeutung der plaſtiſchen liberrifte auf griechi⸗ 
Ichem Boben ift fo & ‚daß ſelbſt Ser ganze: reiche Antiken⸗ 
fand des italiſchen Bovens teinen Gray für ‚fie gewaͤhren 


Elomtes fie kommen an Werth für die Geſchichte des Suftems . 


olgenbes hinaus. Dem 


Sinnlichkeit : 
und ihrem Verſtande, ihrer Phantaſie und ihrem Berußtfein, 





der griechifchen Tempelplaſtik dem Edelſten gleich, was bie fir 
teratut der Griechen uns von ihrem Dichten und Denken tr 
halten hat; und ber In Athen vorhandene Worrath von Über: 
reften architektoniſcher Scuipturen aus ber größten Epoche der 
Piaftil_erfegt, was ihnen an Zahl abgeht, durch die Schönheit 
der befier erhaltenen Fragmente, durch den Werth aller für die 
Mieberherftellung ihres Gangen in der Worftelung, und durd 
ihre Wichtigkeit für die Erkenntniß dee Stilunterſchiede, in weis 
hen bie attifche Scutptur ſich bewegt hat. Was in Athen zu⸗ 
ſammengebracht iſt, macht im Ganzen eine betraͤchtliche Samm⸗ 
lung aus; und neben der Akropolis von Athen wird auf der 
ganzen Erde kaum ein zweiter Punkt zu finden fein, auf wei 
chem, wie auf dieſem Burghügel, durch To anfchaulice, ver 
Natur heimgefallene Schriftzüge ber Geſchichte ſich ber Wan 
derer verfegt fieht in einen fo großen Moment der Menfchbeit, 
dee einzig geiftvoll, laͤngſt überwunden und body noch fo wohl 
verſtaͤndlich iſt. Es gibt wol größere Ruinen, aber nicht von 
fo klar gebiegener Schoͤndeit; es gibt reichere Archive, aber 
nicht von fo anſchaulich ſinnigem Bufammenhangs und ed gibt 
nirgenb ein Grab, das in der Bage fo ‚großartig, im Anfehen 
fo heiter wäre, wie dieſer Hügel mit dem bingefireuten ebein 
Schmud eines Volks, das vor Jahrtaufenden gelebt hat. 

So viel Über biefes erfte Heft. Die Leſer erfehen hieraus 
zur Senüge,, was fie im Ailgemeinem barin finden; das Gin 
seine gehört nicht hiertzer. Ein zweites Heft wich ebenfalls 
den Antilenvorrath von Athen umfaflenz dagegen ber zweite 
Theil die architektoniſchen Denkmale von Athen, nebſt ben ihnen 
angehörigen Sculpturen, ein britter die Wanderungen in Morea 
und in Rumelien umfaffen Toll. 31. 





Literarifhe Notiz. 


Huber's „Seſchichte der engliſchen Univerfitäten" 
im Engliſchen. 

Bon Huber's „Geſchichte der engliſchen Univerfitäten” if 
eine abgekuͤrzte englifche Ülberfegung von F. W. Newman ers 
fehtenen (‚The english universities;. from the German of 
V.A. Huber. An abridged translation”). In einer engliſchen 
Anzeige biefer Überfehung heißt es: „Wir Haben uns zu ſchaͤmen, 
day bie erfle zufammenhängenbe Darftellung des Urfprungs und 
Fortſchritts unſerer Hniverfitäten uns durch ben Fleiß eines 
deutichen Gelehrten geboten wird. In der That haben wir 
urſache, dankbar dafür zu fein, daß uns, bie wir noch immer 
nicht Euft bezeigen, unfern teutonifähen Nachbarn in ihrem for 
ſchenden Eifer und in ihrer Geduld nachzuahmen,, wenigftend 
das Gluͤck zu Theil wird, die Fruͤchte ihrer Anftrengung mit 
genteßen, wiewol nicht ohne ein Kächeln über die unermübli 
Beichäftigkeit, der wir faft jedes Werk verdanken, welches bie 
Bibliothek des der claſſiſchen Studien befliſſenen Englaͤndert 
ziert; denn alle Breter deſſelben ſtehen voll von ben Arbeiten 
eines Wunder, eines Klauſen, eines Niebuhr, eines Müller, eines 
Nitter, eined Schlegel. Aber fill mit unfern Sagen, bie, wit 
wir guten Grund zu glauben haben, body nichts Fruchten werden." 
Übrigens gibt der Ref. nur Auezüge aus dem Bude und behält 
ſich vor, fpäter die Anſichten des Verf. und feines Überfegerszu 
beiprechen. Er nennt Huber's Arbeit mit Sorgfalt und Betit 


| (care and ability) gemacht. 





Literarifche Anzeige 
Durch alle Buchhandi i .X. Brockhant 
in Reipgig * — ** ungen iſt von ð ieh 
Der Haudelsverkehr, die Serie des Staatslebens. 


Herausgegeben von Edward Ganswindt. Gr. 13. 
Seh. 12 Nor. 


Berautwortticher Herangeber: OHelarich Broddans. — Druck und Werlag von J. A. WBroäfans In Leipzig. 








. Blätter 


für 


Unterhaltung, 


literarifche 





Die neueſte Zeit in der evangeliſchen Kirche des preußi⸗ 
ſchen Staats. Ein praktiſcher Verſuch von Karl 


Bernhard Koͤnig. 
Erſter 
(Beſchluß aus Nr: 919.) 

Wenn der Verf. tiefer eingedrungen wäre, fo würde 
er haben erklären koͤmen, wie es komme; daf man und 
indbefondere daß die meltliche Macht auch noch in neuern 
Zeiten die Bekenntnißfchriften, obwol fie den lebendigen 
Stauden der jetzt Lebenden nicht mehr vollſtaͤndig aus: 
drüden, zur Norm gemacht miffen und babei mit Schein 
fib auf ihre Pflicht mie auf ihr Recht detufen mochte. 
Ste fol allerdings "die Kirche nicht nad) eigener Anficht, 
fondern nach dem chrifftichen Bewußtſein der Gemeinde 
vegieren. Diefes aber iſt juridiſch oder daß wir fo fügen 
officiell nicht erkennbar, weil bie letztere es bei mangelnder 
Bertretung officiell nicht auszudruͤcken vermag. Ebenſo 
wenig hat fie officiell erklären koͤnnen, daß und wiefern 
fhre chriſtliche Anfchauung nicht mehr mit ber in den Bes 
kenntnißſchriften niedergelegten Übereinftimme. So ſchwankt 
mit dem Anſehen der Tegtern das Kirchenregiment, findet 
den tebendigen Glauben ber Gegenwart und theilt ihn, 
oder das Gegentheil iſt der’ Fall, und es greift dann, 
wen es altglaͤubig, auf die fpmbolifchen Bücher zurüd, 
als wären biefelben maß fie zur Zeit ihrer Entftehung 
waren. Nur Berufung ber Gemeinde Tann aus diefem 
ſchweren und bedenklihen Irrſal herausführen. 

Mehrfach iſt davon bie Mede, wie das weltliche Res 
giment, wenn es in das geifttiche ſich einmifcht, am Ende 
doch jedes Mal Werkzeug einer Partei werde. Eine Hins 
deutung Hierauf kommt var, wo das befürchtete Sonntage; 
ebict beſprochen wird. | - 


Artiker. 


ten, daß man in 
ſchiebt, die Thaͤtigkeit der Partei zu erkennen glaubt, welche uns 


Verdachts, bes Spotts und hin und wieder fogar lebhafter 
achtung iſt. Denn man nennt- fie geradezu bie Zefuiten 
in unſeren ». Ihre Ram liebt man nicht: und ihre 


Es wird der "Wibeigefeilfchaften gedacht, und abermals 
bie Thaͤtigkeſt: janer Partet, das üdedall fich geltend ma: 


— 


| unveränderter Überſetzung zu verbreiten. 


chende hemmende Eingreifen der weltlichen Macht vor Aus 


gen geführt. Daß die Bibelverbreitung allgemeinerer Zus 
ſtimmung ſich nicht erfreue, liege wefentlid an dem Prins 
cipe der WBibelgefellfchaften, nur die ganze Bibel und nad 
Die Bibel eigne 
fih fo namentlih für die Schulen nit, und ein Re 
feript der weltlichen Macht verbiete obenein alle Auszüge 
aus derfelben beim Volksunterrichte. 

Daß aber auf ſolche Weife die erfolgreichfte Thaͤtigkeit pro« 
teftantifcher, für ihe Amt und das allgemeine Wohl begeifterter 
Geifttichen gehemmt werden kann, bleibt höchft beflagenswerth. 
ie Br ne 35 

zu { ahllo N 
auf unfern Schultern, das in mancher Hinſicht unerträglich iſt. 

Für biefe „allerdings: Schwere” Beſchuldigung liefert 
ber Verf. darauf einen Beweis, „ber aud den Blinden 
die Augen Öffnen müffe”, indem er einen flagranten Fall 
aus dem Fuͤrſtenthume Halberſtadt erzählt, wie da vor 
längern Zeiten das Beduͤrfniß einer Geſangbuchreform 
empfunden worden, wie man an Ort und Stelle ſich über 
diefelbe geeinigt, und fett 20 Fahren an ihrer Einfüh- 
tung von oben gehindert fel. | 

Welcher Menfch in der Welt will uns proteftantifche Chris 
ſten im Fuͤrſtenthum Halberſtadt gwingen, geifktiche Sieber 
fingen, die wir nicht mögen? Wer finb die Männer, we 
Schutd tragen an biefer, der überall ausgezeichnet prompten 
preußiſchen Verwaltung völlig fremden, beifpiellofen Verſchlep⸗ 


pung? Wer Übernimmt denn die Verantwortlichleit dafür, daß 


die Bewohner der Stadt ſich feit Jahren in ihrer Erbauung 
ſonntaͤglich geftört finden, und daß bie Lehrer außer Gtanbe 
find, vom Geſangbuche zur Belebung des religidfen Sinnes ih⸗ 
ser Schüler Gebrauch zu machen? Fehlt nicht der Schule eins 
ber vorzüglichften Mittel zur Wedung des religidfen Sinns 
unferer Jugend, wenn fie fein Gefangbuch hat? Iſt es bei ſol⸗ 
chem Zuſtande der Dinge ein Wunder, wenn die Theilnahme an 
ber kirchlichen Gemeinfchaft erkaltet; find wir proteftantifche 
Spriften wirklich fo willentofe Werkzeuge, daß wir zur Bele⸗ 
bung unfers seligiöfen und kirchlichen Ginns gar nichts unter⸗ 
nehmen duͤrfen und immer auf Reſcripte warten muͤſſen? Das 
iſt der Fluch der Gentralifirung, ber Bureaukratie, ber Helms 
lichkeit, dab folche fehreiende Thatſachen unterbrüdt und bemäns 
telt werden. 

Der Geſangbuchzwang, in ber Provinz geübt von der 
Refidenz aus, führt auf die „Freien“ in Berlin, indem 
ndmlich deren Zufammentreten nicht von Hegel, ſondetn 
von Denen verurfacht und verſchuldet fei, die der Kirche 
(don fett längerer Zeit Gewalt anthun, die bie freie For⸗ 

















4 
ſchung hemmen oder unterdruͤcken moͤchten. Den Freien 
wird der Text geleſen, aber bedingterweiſe werden fie in 
Schug genommen. So wird ihnen darin beigeflinmt, 
daß, wie jeder Menſch, das ChriftenthHum von feinen un: 

nd Freunden am meiſten zu Jejden hahe. 
bedan flaht hier das abgedroſchene Ei vom bey wehtlächen 
s und Schirmherrſchaft der Kirche. Wenn Laͤſar Viefer 
ein paar Thaler ſchenkt, wenn er fie beehrt mit einem Teppich, 
oder wol gar ihr einen zaͤrtlichen Brief fchreibt, fo fegen ſich 
taufend Kehlen in Bewegung und fingen den ambrofianifchen 
Lobgefang dem Schutz⸗ und i i Du liche 
Kirche, muß dich Gäfar halten, fo pade lieber morgen ein. 
Doch den Freien kommen die Reſidenz, ihre religiöfe 
und wiſſenſchaftliche Richtung, die Hoftheologen und Hofphi- 


tofophen, ber Ehegeſetzentwurſ, die Judenfrage zur Sprache; 


dann folgt der Schluß, die Beantwortung der Frage:. 
Was wir wollen? Ste wird in kurze Worte gefaßt: 


Mehr Freiheit für Wort und That. Derfelbe 


Drud, der feit Jahren auf der weltlichen Rede gelaftet, - 


defchmere auch bie geiftliche, und habe hier wie bort die 
ſelben Nachtheile gefhaffen: ſtatt aufrichtiger Freunde 
Schmeichler und Lobhudier in Menge; ſtatt innigen Wohl: 
gefalfens an den vaterländifhen Zuftdnden Berftimmung 
und Mistrauen ; ſtatt der Fortſchritte Stillſtand und 
Verwirrung; die Gewohnheit des Verhuͤllens der wahren 
Meinung in zweideutige Worte, das Verſtummen mann: 
Lcger Rede, der Beflern und Bellen, das Emporkommen 
Ger. wmutergeordneten Geiſter und ſchlechten Subjedte in 


der Preſſe. 
A freie Mort Tann neueh Echen in uufern Auſtand 
der Brllarrung bringen. Unſere jegigen kirchlichen Verhaͤltniſſe 
serlangen bie frejeſte Discuſſion, und ſollte fie nicht geſtattet 
werden, ſo wird man alsbald mit Schrecken gewahren, was 
** folgt, wenn „Zuon Dan KA Fr 
an Die nach eigenen en n 
—— buch hren ſucht. 

Anlangend bie Freiheit für die That, fo fei die gegen⸗ 
wärtige Zeit jedoch zur gründlichen Aufrichtung einer Kirs 
chenverfaſſung die denkbar ungünftigfte, weil bie Staats: 
verfaſſung in volles Entwidelung und Gaͤhrung fich bes 
finde. Der Staat mäfle bier den Vorteitt Haben. Erſt 
wenn feine Zuftände geordnet, dürfe die Kirche der Beach: 
fung unterliegen. Das Geiſtliche und Weltliche zu glei: 
cher Zeit oder bunt durcheinander ergreifen, wuͤrde fo viel 
fein, als beide Theile undollendet laſſen. 

aͤtten wir eine durchgaͤngige buͤrgerliche repraͤſentative 
——** ſo wuͤrbe a N a * ale und 
Synodalverfaſſung das Wort reden. Unfere Provingialftände 
aber ſtehen neben ber reinen Monarchie noch auf fo niedriger 
Stufe da, daB fie auf meine Plane für die Kirche feinen Eins 
flug Haben. Darum flimme ich in diefem Augenblicke lediglich 
für eine Ausbeflerung der bisherigen kirchlichen Berfaflung, der 
Eonfiftorialverfaffung nämlich, abftrahtre von allem Idealen und 
beſchraͤnke mich allen darauf, das Mögliche, das Wuͤnſchens⸗ 
werthe, das Rothwenbigfte gu bezeichnen. 

Es folgen ſodann Vorſchlaͤge und ſchließlich nach dem 
Schluſſe ein „Pro aris et focis” überfchriebenes Ca- 
pitel. Der . verwahrt ſich darin gegen den Vorwurf, 
als hätte er den oberften Landesbehörden wehe thun, eine 
Dppafition hervorrufen oder Händel anfangen wollen — 
und man muß gefiehen, daß Verwahrungen gegen Ans 





1283 


(huldigungen biefer Art jedem Abwelchenden, Widerſptuch 
Echebenden in Preußen, wenn auch dort nicht allein, noch 
immer fehr nothwendig erfcheinen können. Sie find aber 
eine fehr leidige Nothwendigkeit. 

Ich vebe, meh ich meinen König und mein Ba 
Alles liebe und tr mir wein Amt ſeilig if. 
fefte , vielgeprüftg bergugung , welchs die achtbarften Männer 
mit mir theilen, daß, ohne die empfindlichften Nachtheile für bie 
Krone, den Staat und die Kirche herbeizuführen, auf dem bit: 
her bei Drganifation unferer kirchlichen Zuftände eingefchlagenen 
Wege nicht fortgefahren werben barf, Die ergiebigſte Quelle 
aller Roth ift hierbei das maßlofe Negieren, Refcribiren und 
Deczetiven ber welttichen Macht in ber qͤriſtlichen Kirche. Wie 
fern das Verfügte aber häufig dem Leben und bem Beduͤrfniſſe 


and über 
babe We 


Bi wiffen Die am beilen, weile als Bi dab Verge⸗ 
ſchrlebene auszuführen haben. Anfangs galten bie Beſtrebungen 


dem aͤußern Gottesdienſte, und es hielt ſhwer genug, fih Se 
horſam zu verfchaffens jest umterkiegt die chrifftiche Lehre ſelbſt 
einem fermidartigen Minfiuffe, weichen abzuwehren und gegen 
welchen offen und nachdruͤcklichſft ampulkmpfen‘ wie Pflicht jedes 
echten Proteflanten ift. 

Meiter erneuert der Verf, feine Einwendungen wide 
feffeinde Lehrbeſtimmungen, Hierarchie, Bilhöfe. Dann 
folgt eine Erörterung über ben Begriff des „chriſtlichen 
Staats”, die mit der Bemerkung eingeleitet wird, [o we 
nig man den Bettler für einen chriſtlichen Bettler erklaͤ 
ven Eönne, ber mit ben Morten: „Chriſti Blut, Gerede 
tigkeit” u. f. fr zur Thuͤr hereindringe, ebenſo wenig werk 
der Staat ein chriflicher genaunt zu werden verdienen, 
welcher feine Geſetzgebung auf gewiſſe Bibelſtellen gründe 
oder von dem Lehrbegriff ber herrſchenden Kirche abhängig 
made. Ein Gegenſtuͤck zu dieſer Begriffsbeſtimmung des 
chriſtlichen Staats iſt eine andere Stelle über die „hiſto⸗ 
rifhe Grundlage”, welche „das Brlüfl fein ſcheint, 
neue Misbräuche auf bem Grunde alzer Misbräude ein⸗ 
zuführen”. Den legten Seiten ſieht naan es vielleicht am 
meiften an, daß das Schriftchen unter dem ſchmetjlichen 
und aͤngſtenden Eindrucke gefchrieben ift, melchen ber An 
fhein unb die Gerüchte ber mancherlei Reactionstendenzu 
und Werfuche hervorbracdhten, die das Publicum vor ein 
paar Monaten fo lebhaft befchäftigten. Da klagt denn 
der Verf. wol: 

Vor 25 Jahren waren wir dem Biele ber Drganifation 
unferer kirchlichen Zuftände näher als jest. Damals fing mas 
unten an, und diesmal ſitt das grüne Holz auch wirklich unten. 
Damals wollte man hoͤren die Stimme bes In feinen Preiby⸗ 
terien vertretenen Volks, damals geftattete man freie Werathung 
nach unten hin und erweckte bie —— daß für Beförberung 
bes Eirchlichen Lebens unten ein freier Spielraum geboten, unb 
Drtsgewohnheit und oͤrtliches Beduͤrfniß beruͤ t würben. 
Damals wollte man hoͤren und genehmigen. Jett will man 
lehren unb anorbnen. 

Nicht die berliner Theologen, ſondern bie beutiden 
Theologen und ba6 beutfche Publikum müßten vernom⸗ 
men werden, fobert er. Micht von ber ferien Berathung 
möge man fürchten, bag Alles guseinander falle. Die 
Freiheit führe zur Einheit, denn wo Freiheit fel, da walte 
der Gelit, der lebendig mache, und dieſes Leben ſei baum 
bie Einheit umd die Hauptfache; wo dagegen Zwang berts 
fche, da regiere die Form und der Buchſtabe, welcher töbte. 

Wir Alle glauben an Gott und am Jeſum, unb erkennen 
fig freudig an, bie beſeligende Kraft hisfed Miaukens, Dar 


in Yinfer allgemeinen Waprheit: finh win einig. - 
fo oder fe 


goängen wii in Worte und Nebenbarten, fo ninunt dee Sim 


die Formel an, der Anbere werwirft fie, unb ber Streit iſt her 
sorgerufen. Darm fagen wir, nur in ber Freiheit if Ein 


heit. Wie felten aber find die Beiſpiele, daß die dem Geife 


der Freiheit huldigenden Geiſtlichen die Lehrfreihtit gemisbraucht 


haͤtten, und wie bald haben fie eingelenkt! ß die Anhänger 
des Buchftaben® aber verfegern und verſſuchen, anftoͤßig werben 
in ihrem biinden Cifer yab- Streit entguͤnden, dafür 
wein beutfches Vaterland, leider die zahireichſten Belege. 

Bu alleriegt beantwortet der Verf. die Frage, warum 
ge nicht geduldig warte, bis bie Dbern die nothwendige 
und begonnene Drganifation durchführten. Sein Vater 
fei 25 Sabre lang darauf: verteöflet worden, ex. ſelbſt habe 
ſchon feit 2% Jahren gewartet, und bie Diuge hätten ſich 
mehr verwirrt als geordnet; auch peinige ihn bee Ge: 
danke, daß bie ganze kirchliche Reform Kber dem erflen 
beften politiſchen Zwiſchenfalle wieder in Stoden getathe, 
was nicht ber Fall fein würde, wenn man es obm 
aufgeben wollte, Alles, auch das Kleinfte, unten Telbft 
m orbnan. 

Mir werden biefer Anzeige und Überficht einige Bemer⸗ 
tungen in einem zweiten Artikel nadyfenden. *) 85. 





Die Mlegorie vom weſtlichen Blümchen in Shakſpeares 
4 geliebtee Freund, Graf Southampton, vermählte, wol gar erft 


„Sommermnachtstraum“. 
Oberon........ Weißt du noch wol, 
te ich einſt ſaß auf einem Vorgebirge 
Und ’ne Sirene, die ein Delphin trug, 
So füge Harmsoiten hauchen hörte, 
MDaßp vie empörte Ger gehorfam warb... 
o,... Bur felben Bett ſah ich 
Eupido zwiſchen Mond und Erbe fliegen 
Sa voller Wehr; er gilt’ auf eine Kolbe 
Bera! im Wellen thronend..... 
Tueia ich ſah das feurige Gefchoß 
Im keuſchen Strahl des feuchten Bonds verloͤſchen, 
Die koͤnigliche Prieſterin ging weiter, 
.... boch ber Pfeil 
Er ſiel gen Weſten aufein zartes Blümchen, 
Sonft milchweiß, purpurn nun durch Amors Wunde, 
Und Maͤbchen nennen's Lieb’ im Mußlggang. 


Warburton und aubere Commentatoren Shakſpeare's haben 
dekanntlich in dieſer Allegorie (denn den allegoriſchen Charakter 
der Stelle erkennen ſie alle an) die Veſtalin auf die Koͤnigin 
Eiſſabeth, die Sirene (the mermaid) auf Maria Stuart ger 
deutet. Lied laͤßt die Eliſabeth gelten, aber im Bezug auf bi 
Maria meint er, „es wäre ungiemiid, bier bei Spiel und Feft 
on das tragiſche Schickſal jener Unglüdtichen zu erinnern”. 
Gewiß! Und außerdem paßt bie in der Allegorie befchriebene 
Handlung gar nicht auf Eliſabeth und Maria, unb das zarte 
weſtliche ih hen geht leer aus. Dies fol Fein allegorifches, 
fondern ein wirkliches Blümchen fein. Tieck meint nun, es fei 
Alles nur eine ganz allgemeine, beziehungslofe Phantafie, in 
welcher nur gelegentlich bie Königin ein Kompliment erhalte. 
Allein wie feltfam wäre es ausgedacht, wenn ed nicht Anfpies 
langen auf beftimmte Perfonen und Ereigniffe enthieltes Gupibo 
weifhen Mond und Erde) Das Geſchoß ini Strahl bed Monde 
erldſchend Und die Sirene auf dem Deiphin! Wozu biefe 
Inter? Nun Hat Herr Boaden duch Walter Scott's 
nKenilwortä " zu einer neuen Deutung veranlaßt gefunden. 


*) Wir tpeilen benfelben im naͤchften Menat mit. D. Red. 


Wie mom aber ' 
uns zwingen will, Abe das Berhaͤltniß bes Waters zum. Sohne 
denten, wie man jemen unfeen einigen. Mauben 


tiefexft du, 


ovber waren dorthin eingeladen. 
"| wied nicht gefehlt haben.” Um nody 


"I wie Appart des dpaux, Arbi 


s” 
Des bewaffnete Gupido iſt feiner Moinang nach dee Gert of Bsicefber, 
bie gange Scene, weldye Oberon ſchildert, bezieht fi) auf eine 
der Pantomimen ober Aufsäge, die auf Schloß SKenikvueth ber 
Königin zum Beſten gegeben wurden. Daß beicheisene ildachen 
ſod Am Robſart fein. Diefe jebdoch ſtarb ſchon funfzehn Daher 
vor ben Heflichdeiten in Kenilworth, alſo wieder eine Unmoͤg⸗ 
lichkeit. Endlich bat jegt eben Br. NR. I Halpin ein Schrift⸗ 
chen herausgegeben: „Oberon’s visiomin. the Midsummernightis- 
dream.’ Er nimmt Boaden's Erklaͤrung an, beutet aber das 
Blümchen flatt auf Amy NRobfart auf die Gemahlin bed Grafen 
von Ser, Lady Lettice; die Erbe auf die Witwe bed Earl of 
Sheffield, Lady Douglas, von ber Eorb Reicefter bereits ein Söhns 
chen hatte, den Weinen Dublen, ohne daß birfen Umflanb weber 
die Gräfin Sffer noch bie Königin erfahren barften; ven Mond 
auf Königin Eliſabeth. „Ohne Zweifel⸗, fagt Halpin, „beglel⸗ 
tefen die vornehmſten Damen bie Königin nach Kenilworth, 
Die Frau eines fo hochgefteklten 
Barons wie Eſſer, die außerdem dem Weftaeber fo theuer war, 
zu zeigen, was bem Weite 
Shakſpeare's biefe Intrigue fo nahe gebracht Haben mochte, er⸗ 
zaͤhlt Halpin, daß Edward Arben von Parkhall in Warwidihire, 
der als dortiger High Sheriff vermuthlich ebenfalls den Feſten 
beitwohnte (nad des alten Dugdate Bericht), ſich weigerte, Th 
der Librée des Lords Leicefter gu erfcheinen, außerdem aber die 


| Inteigue bes dorde mit Laby Effer emtbeite und heim Eorb Habe 


tes barüber fagte, wofür er fpäter (1583) dem Haſſe des Lorbs 


| erlag und auf Anklage von Hochverrath hingerichtet wurde. 


Diefer Arden war ein naher Berwandter’der Mary Shakſpeare, 
beu Mutter bes Dichters. 

Taeck ſegt bekanntlich die Abfaflung bes „Sommernachts 
traums“ in eine fpäte Zeit, nad) 1308, wo fi Ghalipeam’s 


in denſtiben Sabre 100, wo es zuerſt gedruckt erſchlen. Iſt 
num aberrbie Anfpielung auf bie Kenitworty : Hefte wirklich in 
Oberon's Schitderung zu Fuchen, fo muß man wei ben aͤitern 
ne beifimmen und die 3— de 5* in eine 
eit verſehen, wo das Andenken an jene n ul) 
war, ale in das Jahr 1575 ober 1576. ⸗ — 





Literariſche Notizen aus Frankreich. 
Juriſtiſche Encyklopaͤbdie. 

Merlin's großes furiſtifches Repertorium in 17 Baͤnden, 
fo brauchbar es auch zu feiner Zeit war, iſt jetzt ſchon laͤngſft 
veraltet. Ein Theil der Gefetze, die es enthaͤlt, if gan aus 
dem Sebtauche gefommen, während auf ber andern Seite eine 
Maffe von Berorbnungen erfchienen find, die man noch nirgenb 
überfichtlich zufannmengeftellt findet and bie fi Jeder aus 
dem unfbflematifäyen Bulletin des lois herv muß. Das 
große Wert von Merlin ben Beduͤrfniſſen ımferer Zeit anzupaffen 
würde eine ungeheure Arbeit fein, für bie kaum bie Kräfte einch 
Einzetnen dinreichten. Nur zu loben iſt eb deshalb, daß I. Bous⸗ 

net bei feinem Rechtslexikon („Nouveau dictionnaire de droit, 

esum6 gendrai de la kEgislation, de ia doctrine et de la 
jurisprudence‘‘) ſich beſcheidenere Grenzen geftedtt hat, Bel der 
Anlage biefes Werks hat dem Berf. bie Idre Yorgefdrmebt, je 
mögtichft wenigem Raume moͤglichſt viel zu geben. Der 
Band, der ums davon bis jegt zugekommen iſt, zeigt, dab ihm 
dies in einem hohen Grabe gelangen iſt. Wir finden in biefem 
ulphabetifch geordneten Werke Alles vereinigt, was im juriftifchen 
Geſchaͤftsgange vorkommen Tann. In der Definition der Kunfts 
ausdruͤcke ift der Verf. fireng logiſch und klar; befonbers gluͤck 
tidh ift er aber darin, mit wenigen Zügen das Wichtigſte aus 
einem weitſchweifigen Belege hervorzuheben. Auch die hiftoriſchen 
Entwidelungen, die wir einem großen Theile von Artikeln vors 
ausgeſchickt finden, verbiemen Beachtung. Alle Diejenigen, welche 
fich einen Begriff von der Klaren, einfachen und zweckmaͤßi 
Methode des Verf. maden wollen, verweilen: wir auf Xxtit 

itsage, Amusanes maritime, As- 








o 

juranee terrestre, Bail, Chemin vicinal, Code eiril, Cours 
d’eau,Donations et testaments”’ u. f. w., bei.benen ſich überall 
mehr ober minder große Schwierigkeiten darboten. Vortrefftich 
gearbeitet find auch bie auf den religidfen Gultus und bas 
Kanon 
ee —— und einen freien Blick, fobaß man fi) von 
einer „Geſchichte der Geiſtlichkeit“, die er vorbereitet, etwas 
Züchtiges verfprechen Tann. 


Dihter inder Provinz 
Das Loos der Posten in der Provinz ifl, mit wenigen Aus⸗ 
. nahmen, nicht eben heneidenswerth. In Paris werben ihre 
Productionen wie abſichtlich ignorirt; der einzige Sohn, ber ihnen 
gu Theil wird, ift der Beifall irgend einer Eleinen poetiichen 
Alabemie, bie in Frankreich faft in jevem Winkelſtaͤdtchen beſteht 
und bei denen bad Spruͤchwort „Eine Hand wäfcht bie andere‘ 
befonders gilt. Dabei iſt es bewunderungswuͤrdig , mit welcher 


Ausdauer diefe Reimhelden oft endlofe Gedichte namentlich epifchen 


Snhalts fpinnen. Gelten einmal findet ein foldyes Epos auch 


außerhalb der Mauern des Orts, wo ber Dichter wohnt, bie‘ 


Anerkennung, bie ben „Derniers jours de l’empire‘' von 
Maſſas, einem Mitgliede der Alabemie von Lyon, zu Shell ges 
worden iſt. Bon biefem Gedichte, deflen Berfification nicht ohne 
Werth ift, Haben wir vor kurzem eine zweite Ausgabe erhalten. 
Freilich nach einem Zwifchenraume von 15 Jahren! 2. 


Bibliographie. 


Becker, W. A., Handbuch der römischen Alterthümer, 
asth den Quellen bearbeitet. Ister Theil. Mit vergleichen- 





dem Plane der Stadt und 4 andern Tafela, Leipzig, Weid- 


menn. Gr, 8. 3 Thir. 15 Ngr. 
Böttcher, 3. E., Der Seebade⸗Ort Boppot bei Danzig 


in geſchichtlicher, topographiſcher, ſtatiſtiſcher, naturiiffenfchafte | 


Sicher und forialee Hinſicht, fein Sagenkreis und feine Wirk: 
famteit als Ganitätss Anftalt. Mit Karte und eriäuternden 
Zeichnungen. Danzig, Gerhard. 8. 25 Nor. 

Srufenfloipe, 3. M. v., Dee Mohr ober das Baus 
Holftein » Bottorp in Schweden. Ster Band. Aus dem Schwe⸗ 
difchen. Berlin, Morin. 8. 2 Thir. 

Spaniſche Dramen, uͤberſetzt von ©. 4. Dohrn. ter 
Theil. Berlin, Nicolai. Gr. 8. 1 Thir. 20 Rgr. 

Der Bortfchritt und das converfative Princip in Öfterreich. 


In Bezug auf die Schrift: „Oſterreichs Zukunft”. Bon ©, 
eeipaiß, eclam jun. . Gr. 12. 1 Ihlr. 
er ſchoͤnen Geſchlechtes. Taſchenbuch fuͤr das 


| Beeund des 
Jahr 1844. Alfter Sahrgang, Mit 7 Kupfern. Wien, Riedl's 
fel. Wwe. und Sohn. 16. 1 Thlr. 5 Nor. 

Bottfhald, F., Geneatogifches Taſchenbuch für bas 

IE 4, l4ter Jahrgang. Dresden, Gottihald. Gr. 16. 

r. 

Hermance, oder ein Jahr zu ſpaͤt; Schauſpiel in drei 
Aufzuͤgen. Frei nach dem Franzoͤſiſchen ber Madame Ance⸗ 
a t bezz eitet durch L. V. ©. Karlsruhe, Macklot. Er. 8. 

r. 


2 
Hepden, F. v., Das Wort der Frau. Eine Feſtgabe. 
Mit Titelbild. Leipzig, Einhorn. Gr. 16, 1 Thir. ss Nor. 
Iduna. Taſchenbuch für 1844, 24fter Jahrgang. Cbeln 
Ba und Mädchen inmer: Mit 7 Kupfern, Wien, 
iedls ſel. Wwe. und Sohn. 16. 1 Thir. 5 Nor. 

. Jean Charles, Die Marquife von E***, Roman in 
brei Bänden. Berlin, Dunder und Humblot. 8. 3 Thlr. 

Zungfrauen, Die Tyroler efftatifchen, Leitfterne in dem 
dunkeln Gebiete ber Myſtik. Zwei Bände. Regensburg, Manz. 
&r. 8. 3 Thilr. 

Kannegießer, 8. 2, Ifenbart, ber erſte Graf von 
Sobenonen. Drama in fünf Aufzügen. Berlin, Nicolai, 
8 gr. 


Hecht bezuͤglichen Artikel. Dee Verf. zeigt Hier eine 


Klänge aus dem Reden: Men Bpeophiie Grimm 
.e..... % Dresden ] Amolſh. 16. 10 ’ » 

Der Kommunismus in feiner praktiſchen Amvendung auf 
das ſocialt Sehen. Nebft einem Anhang: Die Kommunifien in 
ber Schweiz, din Beitsag zur genauern Kenntuiß der jehigen 
Parteiverhaͤltn im Canton Hurich. Schaffhauſen, roh: 

8, 3%, Nor. 


mann. 
um BEE Sie m Di au m 
nie Lavo ‚ eg und . 
Gr. 8. 2 Zylr. 15 Mar. 9 e 
Laing, S., Reiſen in Sgweden wnb RNorwegen. Rad, 
dem (Englifchen bearbeites mit Bufägen und Anmerkungen von 
WB. &. Lindau. 2ter Theil: Reife in Norwegen. Weit einem 
Anhange: Geſchichte bes norwegiſchen Grundbgefehet. Dresden, 
Arnoid. Gr. 8. 2 Thir. 15 Kor. 
eibuffa. Jahrbuch für 1844. Herausgegeben von P. X. 
Klar. Iter Jahrgang. Mit 1 Stabiftich ımd 1 Lithographir: 
ten Anſicht. Prag, Balve. 8. 8. 2 Sir. 19 ER 
- Die Liebe am Abend. Luflfpiel in drei Nufzügen. Fri 
nady dem Franzoͤſiſchen bearbeitet von 2, V. G. Karlörupe, 


Madlot. Er. 8. 7 Rear. 
Marbach, D., Pabft und König, ober Manfred ber 
sig, Franke 


Hohenſtaufe. Zrauerfpiel in fünf -Acten. 
Æ. 8. ad Seit. Ein S e u 

— — Unfterbiichkeit. Gin Sonettenfranz. Leipzig, Franke 
&r. 16. 3 Nor. y “ 

Otto, E., Reiseerinnerungen an Cuba, Nord- und 
Südamerika, 1838—4l. Mit 2 Yithographirten Tafeln, 
Berlin, Nauck, Gr. 12, 1 Tblr. 10. Ner, 

Ramshorn, E., Geſchichte ber merkwuͤrdigſten beutf 
r em. Uſter Band. Leipzig, Eindorn. Gr... 16, 1 Wir. 

gr. ...8.1i⸗ J 

Rank, J., Bier Bruͤder aus dem Bolke. Gin Roman 
aus Öfterreich® jüngften Tagen. After Theil. Leinpig, Gin 
born. 1844. 8, Wollftändig in zwei Theilen 2 Ihie. 15 Kar. 

Rellſtab, L., Paris im Fruͤhjahr 1843, Briefe, Be 
richte und Schilderungen. Ifter Band. Leipzig, Köhler, 184. 
8. Bollſtaͤndig in zwei Bänden 4 Thlr. ou 

Satori, J., HofsIntrigum. Gin hiſtoriſcher Roman 
aus ber Zeit der Katharina von Medici. Zwei Theile. Dans 
zig, Gerhard. 8. 3 Thlr. 5 Ngr. 

Geidemann, I. 8, Die Leipziger Diaputetion im 
Sahre 1519. Aus bisher unbenusten Quellen hiſtoriſch dar 
fa „und durch Urkunden erläutert, Dresden, Arnold. Gr.b, 

3 HE h 

Gtella ober das Geſpenſt von Oriol. Drama in fünf Auf 
zuͤgen. Nebft einem Borfpiele: bie Katafomben, in einem Aufı 
zuge. rei nah dem Sranzöfifchen bearbeitet von 2. 8. 6. 
Karlsruhe, Macklot. Br. 8. 12% ner. 

Suringar, W. H., Chriftliche Beſuche im Gefaͤngniſſe. 
Vorträge und Anſprachen zum Heile der Gefangenen. Aus dem 
Holländifchen frei überfegt, mit Zufägen vermehrt und einer 
Einleitung herausgegeben von J. NR. Müller Karlsruhe, 
Macklot. Er. 8. 1 Thtr. 3%, Nor. ' 
Geneatogifähes Taſchenbuch der deutſchen gräfjichen Häufer 
auf * Sabt 1844. 17ter Jahrgang. Gotha, Perthes. Kl. 16, 

ir. gr. ’ I 
Das Veilchen. Ein Taſchenbuch „fer Berunde einer ge 
muͤthlichen und erheiternden Lecture. 2Tfter Jahtgang. 184, 
Mit 7 Kupfern. Wien, Riedl's fel. Wwe. und Sohn. 16. 
1 The. 5 Rgr. 

Dirie Benbetta ober bie korſikaniſche Rache. Poffe in einem 
Aufzuge. Rady dem Beanzöftfäien bearbeitet von 8. 8. ©. 
Karisruhe, Macklot. Br. 8. TY, Nor. ' 

Zaharid v. Lingenthal, K. S., Biograppifcher und 
juriftifcher Rachlaß. Herausgegeben von beifen Sohne 8. ©. 
Bagarid v. Lingenthal. ttgart, Cotta. Gr. 8. 1 hr. 

ge · 


-.- Berantwertiicher —— — Heiarich —— Druck und Verlag von F A. Beoddant in — 





Blätter 


7 


eat u 


li terariſche Unterhaftung 








Breitas, 


17. Rovember 1883. 








Gancan eined deutſchen Edelmanns. aweier Theil. 
— Brockhaus. 1843. Ga 12. 1 Thlr. 


Referent findet das Urtheil, welches uͤber den erſten 
Theil dieſes Buchs in d. BL”) ausgeſprochen worden, 
durch den vorliegenden zweiten im Allgemeinen beſtaͤtigt. 
Auch diefer zweite Shell bildet wie der erfte ein humo⸗ 


eiftifches Quodlibet, worin Wis, Spaß und Laune mit. 


den ernfteften Betrachtungen über die ernfteflen Dinge 
abwechfeln und bee Humor, wie Lear's Narr, Häufig nur 


darum fo boshafte Geſichter und poſſirliche Grimaſſen 


fehnefdet, um Andere und ſich ſelbſt über den Schmerz 
zu täufchen, ber feine Grundſtimmung if. Und dod) 
gibt es auch in dem Buche einzelne fo leichtfertige 
vie. zifchende Schlangen auf der Oberfläche des fashione- 
bein Klatſchens hinfchlüpfende raifonnirende Partien, daß 
man wieder meinen möchte, der Verf. babe vor dem 
Ernſte des Lebens gar Beinen Refpect und es ſei ihm 
böchftens um ein bloße Salongeträrfh zu thun. Im 
nädhften Augenblicke aber und fo ſchnell wie man die Hand 
umdreht erfchiießt ſich Fe Pe fo warm, fo rührend, 
fo inntg, erklingen die Sa 
fo ohne allen Miston, daß man an dem Verf., feinem 
Charakter wie feiner Tendenz, ganz irre wird. Ebenſo 
feltfam fich wiberfprechend, oft echt poetifch, reizend und 
ſchoͤn find Darſtellung und Stil, und dann wieder fo 
nachlaͤfſig ungenirt, fo abfichtlich teitfal, fo unſchoͤn. Ein 
ſolches Buch laͤßt ſich — gar nicht kritiſiren, und 
der Verf. feibft würde über eine Recenfion von gewöhn- 
lihem SDanbwerbscharafter Kodttife genug deu Mund ver⸗ 
ziehen; er weiß felbft am beiten, in weichem Sinne und 
zu welchem Zwecke er fein Buch zufammengeftelte, wie 
ein zufällige Bouquet aus Diſteln und Roſen, Neſſeln 
ab VBergißmeinnicht, Stinkblumen und Machteioien, 
Belladonna⸗ und Drangenbiäten; er weiß das fehr gut, 
dem er nennt fein Buch in ber Vorrede ſelbſt ein par 
lambeaux gefchriebened Werk, welches er keineswegs zu 
denjenigen ——— gezählt wiſſen wolle, deren aus⸗ 
geſtreuter Game, wie bie verdortte Zwiebel in der Hand 
einer —* Mumie, erſt nach Jahrhunberten auf 
ſchicßt; er hoffe vielmehr, daß es wie ein Schwefelfaden 


#) Mr. 190 und 181 f. 1849. D. Red. 


iten feines Gemuͤths fo zart,, 


.febne Speiteufel gleich anzönden und nach dem Ausipch- 


ben weiter Beinen kaͤrm im ber Welt machen werde. Der 
Schluß der Worrede gibt einen ungefühern Verſchmack 
von ber oriainellen Art, wie der Verf. ſchreibt, und bie 
wieder mit ſeiner originellen Art zu denken ins eure 
Bufanmmenhange fteht. 
Wenn und — fagt er — nur bie nüchternfte Profa y 
gibt in den obligaten Stopfanftalten und Armenfänberftuben 
bes Lebens; wenn jedes freie, Eräftige Wort in der Eenfur, jes 
bes zarte Gefühl untergeht im Spott; wenn ber Gebanfe einer 
feits zuſammenkriecht im Zwange einer engherzigen Dogmatik, 
anbererfeit verfluͤchtigt im brutalen Paganismus moderner 
Shriftenverfößger ; wenn ſchon das junge Gemüth eine antomatis 
ſche Rechenmafcjine und Alles auf ber Weit Dunft und Dampf 
wird; wenn im Poltern des Raͤderwerks bei all dem Haͤmmern 
und Klopfen das Wort eines eblern Geiſtes und die Klage eines 
ſchoͤnen Herzens ungehoͤrt verhallen, wenn wir bie beſten Rp 
nur für den Beierabend werben unb fin journatiſtiſche Yu 
bäume und Baja ofpäbe: wird da noch Jemand fragen, warum 
in neuefter pet o wenig Driginelles vom Gtapet ber Bidet 
meſſe läuft? ’ 
Die befte Art, über dieſes Buch zu referiren, iſt wol 
bie, Auszuͤge daraus zu geben; auch beſteht das Bub 
eigentlich nur aus Auszuͤgen, wie man fie etwa’ in einen 
Zettellaften wirft, nur daß fie Originalauszuͤge aus der 
Individualität der fchreibenden Derfon eh find, lauter 
Stüde und Brüche und Bruchſtuͤcke, die in ein 
gar nicht zuſammengehen wollen. Diefen Vorzug wenig⸗ 
ſtens hat das Buch, daß man überall fo im Blaͤttern 
einen bübfchen geiftreichen Gedanken findet, und daß man 
es in jedens Augenblick wieder zufchlagen und erſt nad 
längerer Zeit bie. Lecture wieder fortfogen kaun, ohne au 
dem Bufammenhange zu gerathen, ‘aus dam einfachen 
Grunde, weil das Buch gar keinen Bufammenhang hat, 
Hier fiegt das Fragment eine® vollendet fchönen Kopf, 
dort ein Fragment eines plaſtiſch gerundeten Arms oder 
eines ſchwellenden Schenkels aber sinds prachtvoſlan Rumpfs, 
—— —* wird doch nice barandz gas 
interefficen eben nur durch ihre feagmmsstinuiidhe 
Schönheit. 


Es iſt kaum eine ſociale, polltiſche ober eligidſe Fragt, 
bie‘ ber Verf nicht in den I 








Ep ı, 


Berf. eigentlich uͤber die fragliche Frage denk. Wenn 
er den Aberglauben ironiſch feiert, fo iconifirt er auch in - 
demſelben Satze Die, welche das Portifche des Aberglau: 


bens verfennen, ebenſo wie Die, welche am, Altare 
ET ‘die me 





de6 
Ichliche Wimnunßt am —* 
jegt if ex cbenſa zädtlich, wie gleich därauf gratz 
gegen das weibliche Geſchlecht; bald hechelt er Dft: 
ceich, mit dem er ſich vorzugsweiſe befchäftige, witzig duch, 
bald vertheidige er es gegen feine zu einfeitigen Gegner; 
bald ſchwoͤrt er zum Banner des Abfelutismus, bald zur 
Jakobinermuͤtze des Republikanismus, bald zur Tucelore 
des Conſtitutlonalismus; er If eben ein geiſtreicher Hann, 
dem fich überall die Schwächen ebenfo wenig verbergen 
tönnen als die Vorzlige und Tugenden; und während er 
fetbſt die Salonklatſcherei und die BRedifance det Greme 
vekaͤmyft und verfpottet, klatſcht und fpettet er doch in 
derſeiben faſshionabein Manier wohlbehaglih wit. Aber 
die Pfeile, die er gegen bie veredelte Schafwole ber 
hoͤchſi vornehmen Geſellſchaft richtet, find an der Spitze 
häufig arg und biffig vergiftet. Hier eine Probe: 

. Das. Hauptbedingniß, ohne welches man ſich ſelbſt im Arms 
ten abeligen Gafino nicht fehen laffen darf, if, daß man ſich 
von allen Bürgercloffen, wie durch einen Peftcorbon, fireng abs 
fonbert und in Eeinem andern Verkehr mit ihnen fteht, als um 
fi Stiefel zu beftellen ober die Ausarbeitung eines Procefles; 
um Gelb von ihnen außzuleihen, wie Guard II. von feinem 
Barbier, und hoͤchſtens eine ihrer Töchter — figen zu laffen. Die 
zweite nothwendige Eigenſchaft ift ein über allen Schimpf erha: 
denes, durch kein Buͤrgerblut beflecktes Pergament; ferner die 
Sprache, naͤmlich die franzöfifche, denn auf deutſch iſt man ein 
Dummiopf, und kann dielen nicht verſtecken hinter all ben Gas. 
lembourg8 und, einer gewiflen routine d’expression. Wer fid 
baber feines plumpbeutichen Verſtands nicht leicht entiebigen 
Ffonn, der darf ihn nur zum franzoͤſiſchen Wig umgießen, wo 
aller Geift früherer Heroen nach und nach zu Phrafen rectificirt 
wurde und felbft derbfräftige Satire in graziöfen Tournuren 

rät; deshalb iſt auch das Deutfde die einzige todte 
@orade, die man in der Eleganz kennt. Thut man nun noch, 
als verſtuͤnde man Engliſch, und beweift feine Anglomanie, indem 
man fi auf ber chaise longue bei jeder Gelegenheit als ein 
ebratenes sucking-pig anrichtet, inden man die Racht im 

bee erfäuft, mit der Ringelblume beim erften Strahle der 
GSonne ſchlafen geht und nur Shampagnerflafher ben Hals 
bricht, ober ben eigenen bei einem Barriereſprunge, fo nähert 
‚man fi) ſchon der Eleganz, und töchtergefegnete Mamas com: 
manbiren: richt’ euch! Hat man aber ebenfo viele Güter als 
"Ahnen, verleugnet man öffentlich feine ärmern Freunde und tritt 
man alle Unbekannten auf die Zehen, ohne durch ein voreilig 
besausgeftoßenes „pardon” wieder Alles zu verberben, fo figt man 
‚mitten in der cräme, d. b. im Perihellum einer Eonne, von 
welcher bie Strahlen aufwärts nad Hofe und hinunter nad 
allen Arten und Abarten der Societät bringen, bis ſich endlich die 
‘testen bämmernden Streifen in die höhere Buͤrgerclaſſe verlie⸗ 
ren, unb alfo die Bankiers entre chien et loup u. |. w. 
Wie im erſten Theile begegnet man auch in biefem 
yasıtın dem breiligen Reiſetagebuch des Rammerbieners Ra: 
faet Sendetmaier, unter dem Titel „BRemerial eines le: 
berkranken Diplomaten”. Dies Tagebuch iſt jedoch nur 
‚tür männtiche Lofer genießbar; die lichen fentimentaten 
dentſchen Weiber- mit ihren himmelblauen Gudaugen 
end ihren. ſchwaͤrmeriſch geordneten biomben Loͤckchen, die 
dentſchen Bränte, Bräutigamgbebäcftigen, Brautjungfern 
md ſeliden Hauumuͤtterchen haben keine Cuffaͤnglichkeit, 









kein Verſtaͤndaiß für Humor und derben lg 
Meiber find päcfens (dmippifch, aber wide wäh, om 


Quippiſ m 
allerwenigften humoriſtiſch; dagegen bat der Empfindfame 
bei ihnen gewonnenes Spiel, und fo rathen wir ihnen, 
Sendelmaiers Tagebuch zu überidiagen: und folgende 
Stelle und anllegende Partgen zu leſen, die wie zum Be: 
welfe, daß der Verf. des „Cancan“ auch zart fein kann, 
bier mitthellen: 

Wer enträthfelt die fanft wehmuͤthigen Züge einer jungen 
Brau, bie, wie ein Vorhang ihrer Seele, fo viele vermeinte 
Nächte und erflorbene Gefühle und dennoch die heißefte Sehe: 
ſucht verhällen? Gin unnennbarer Reiz fpricht ſich aus in dem 
ſittſamen Ronnenblick und dem weltlichen Lächeln; die einge 
ſperrte forgfam verborgene neue Eiche bückt aus ben Augen wie 
mit Engelskoͤpfen durch Kerkerfenfter. 

Schon in dem Worte Jungfrau kiegt ein unendlich jarter 
Gebanke: bie ins Leben getvetene Reinheit. Gin Wort, ein 
Bid, ein Hauch träbt ihren füßen Stanz, und ihr fröhliches 
Der; weiß es kaum, baß es .mit feiner Liebe Alles verſchen⸗ 
ten kann, was feine Thraͤne, Feine Reue zu erfegen vermag. 
pud 09 bat fie mehr noch zu verlieren, aber vielleicht erft in 

er 


Wenn ihr Welt und Gegenwart in ber Seligkeit des Un 
gehoͤrens verſiaken; wenn fie in Gefühlen - end gebrochen 
am Halſe des Geliebten hängt, und fie Herz und See, 
Breipeit und Gewiſſen gibt, da weicht nur ige ſchoͤnſter Geniut, 
nicht die Tugend; aber wenn j das heilige Kleinod ihrer Ehre 
Eirchenrduberifch entwenden 1Aßt; wenn die Liebe wie ein Sturm 
der B den Grund ihres Innern gerruühlt und die wilde 
Sehnſacht einer Pentheſilea bie Vingläcticge von Arm zu Arm 
wirft; dann exit fliehen alle ihre Engel und weinen um das 
arme Weib, das Alles verloren hat. 

Das Herz De6 Banned delcıt wird, weit er miäk pre, 
an das Herz es gelegt wird, er 
das Verhaͤltniß ber Ehe ebenbärtig zu machen einer jugendlich 
zarten Eiche, weil er nur ber Verfuͤhrer feiner Frau und ik 
erfter Lehrmeifter in ber Schule des Laſters iſt. 

Man kann Feine zu hohe Ibee von der Ehe haben: eine Art 
Eraltation iſt ihr Geiſt, die zärttichfte Eiche ihre Seele, das 
Reich der Sinne aber ihr Körper. Wer ſich nur einer bielr 
eng verſchwiſterten drei. es ‚ müßte ein woabnftaniger Schwar⸗ 
mer, ein thörichter Schwaͤchling ober ein Thier fein, und doch 
machen fie zufammen bie durchgeiſtigte, befeligende, verkörperte 
Liebe aus, wie fie uns Gott geſchenkt hat als Morgen » unb 
abenbficen unferer kurzen Wanderung zwiſchen Himmel und 


Bean banz bie Sraltation in ber Folge ſchwindet, wie bie 
Blüte vom Baume fält, fobald die Frucht treibt; wenn endlich 
die heißen Sinne erflerben mit bem Lältern Blute des Alters; 
daun zerfließt die Liebe im die treuefte Innigkeit, und diefe ge 
leitet das Paar bis an das Ende des Eebens und zieht mit ih 
nen hinüber in jene Welt. 

Es muß ſchoͤn fein, wenn einft nady Jahren — wenn das 
Leben zwar keine Fruͤhlingebluͤten, aber doch noch Herbſtblumen 
bietet — ein liebes Weib an das Gerz feines Mannes finft und 
fagt: du Haft mich ganz gluͤcktich gemacht! 

Ja, die Erbe ift ein Feenort und bas Sehen ein Himmel, 
aber nur in ber Ligbe — und wer eine warme ‚Hand in ſeine 
faffen kann, bis fie erkaltet, der fpiegie beim Gonnenglan 
des Gluͤcks freudig fein Auge in bem geliebten, und ſchlinge ſich 


beim Froſtſchauer der Leiden feft an das treue oft fo ſchwer er⸗ 


rungene 8 bleibe bir bis zum Zobe, was bu Lieb, ge⸗ 

neigter Leſer! Der Menſch ahnet sa nicht — uminbelt von ges 
iebten @timmen — wie balb er fein Deh im bie Einfamteit 

reit, und Kein größeres Elend ber Gegenwart gibt es al6 di 
innerung unwiderruflich entſchwundener Seligkeit. 


Nun ſchnell noch Etwas fır Männer. Der un 








bereit and beme erſten heil durch feine axaentriſche 
Wildheit beſanut wurd ' Imreflant' gewordene Manuel 
eibt:: 

Was tft denh dies folge Leben, dieſe farbig gefchliffene 
Stastugel, die du mit einem Fußſchlag zerträmmerft; dieſe 
weite Sahara voll Luftfpiegelung und Glanzgegaukel; biefe 
Ephemerenwallfahrt, auf der ſelbſt die Luft mit pfeilfpigen 
Blumen nad uns ſchießt? was tft der Tod, der endlich das 
Gas verzehrt, das den Atroftaten hebt; der das Uredlement ums 
fers Seins, das unruhig fladdernde Feuer piöglich ausloͤſcht; der 
ſchon feit der Geburt ber Gaſt unfers Körpers tft und uns ber 
Verweſung in die Arme wirft, weit wie ihn nicht mehr aus⸗ 
hauchen Eönnen? was bebeutet ber ungeflüme Drang, jenes fees 
Ienzwingende Hinftü nach einer geifterhaften Ziefe, in ber 
wir als Nichts verfinten? zifcht doch in unferm innerften We: 
fen die alte Paradieſesſchlange noch, die fich einft ber hoͤchſten 
Kraft ars ebenbürtig entgegenbäumte. 

Schlich nicht etwas durch das Zimmer? 

Ihr abgezehrten beftäubten Sangfchtäfer unter dem Raſen, 

‘es iſt Mitternadht vorüber, werft eure Sargdeckel ab, ſtoßt mit 
den hirnloſen Schaͤdeln die Hügel durch, fehüttelt da8 Gewuͤrme 
aus den Knochenhöhlen und fleigt herauf beim Pfeifen ber 
Windsbraut, wie es Geiftern geziemt! Kann Siner den Schleier 
von dem Ienfeit Lüften, ſchickt ihn zu mir al® Sprecher; mein 
Baar fol fich nicht emporfträuben, der Zob iſt ehrwürdiger als 
das Leben. Nur das Auge öffne er nidt, das ihm vielleicht 
eine liebe Hand gefchloffen! Im ftieren, gläfernen, glanzloſen 
Blicke liegt das Grauen. 

Sag mir, Leichnam, der in zwei Welten ſchaut und tn 
feiner tebt, wohin flieht denn das heiße, lebendige, leuchtende 
Giement, wenn die Kohle verglommen iſt? Heißt athmen — 
träumen ? unb iſt der Tod das Leben, ober iſt der fechzigjährige 
Angſtſchrei des zwiſchen dem Leichenfteine ber Erde und dem 
Markfteine der Ewigkeit gequetfchten Menſchen nur das fchmerz- 
Giche Erwachen aus einem zeittofen unbemußten Schlafe? Wird 
ums das ab zur Wiege für einen andern Stern und muß 
Vie Seele im Kreislauf jagen, bis fie athemlos und lebensfatt 
wieder auf die Erbe wandert, oder ift das Licht für immer er: 
Yofyen, der Geiſt verendet mit dem vertrodneten Gehirn, ein 
Menf nur der Dünger des andern, und Zeit und Raum und 
Bewegung und Gedanke verweht, geſchwunden, verfunfen in ein 
unnennbares, bobentofes, ewiges Nichts? 

kacht Jemand Hinter mir? 

Sprich, Leichnam, wird uns ber Quäler im Innern, bas 
ſtolze tyranniſche Ich denn abfterben, wenn ihm die Haut von 
dee Geele gezogen ift, ober müffen wie auch drüben noch mit 
ihm kämpfen und ihm unterliegen? Wer ift Das, der es fidh fo 
bequem gemacht hat in mir, dem ich einen Altar aufbauen und 
ihm raͤuchern muß umb ber fo hoͤhniſch veraͤchtlich auf mich 
ſchaut? Iſt das Ich denn Bott? Trepanire mit deinen geil: 

Schädel, Leichnam! fpäbe in dem butigen 
o 


den Knochenfin 
tlum; du gibſt nicht Antwort, obmmädhtiges Wurmfutter ! fo 
will ih kaͤmpfen mit ihm — — — 

Mit diefen drei omindfen Gedankenſtrichen bricht 
Manuel's Nachlaßſchrelben ab; was aus ihm geworben 
if, erfahren. wir aus dee folgendau originellen Nachſchrift: 

Erſchreck Sie nicht, liebe Mamſell, aber ber jungs Kerr, 

m ich feit flag ein helles Zimmer mit froßmüthiger 
Ausfiht ſammt Kol vermiethet habe, hat geſtern Abende noch 


mit mir und ber Piyani und bem a De ber ſtatt meinen fells 
gen Dann mit ne Schu 8 hund ki dann 35 
tig und ſchaffig zum Schreiben hingeſegt. Um zehn Uhr, als ihm 
bie Plunni die Stiefeln ausziehen wollte, hat ex ihr den Brief 
übergeben, daß fie ipn follte in ber Frühe, wenn fie zum Bas 
benwirthe nad Schaffhaufen um alten Wein ginge, auf bie 
Pot tragen, er müfle noch ein wenig am Fall berumpantoffeln. 
um halbzwölf Uhr hat er ben Marder wieder berausgeliopft, 
weil er etwas am Briefe dazuſchreiben wolle, und bann hat ber 
Marcher wieder fortgeſchnarcht. In der Fruͤh geht die Plunpt 
binuber wegen bed Briefes, fo liegt er mit fammt bem Sf 
fteif und biaß am Boden, wie ein Zodtebaum. Ich und ber 
Marcher legten ihn mit der Plunni ins Bett, wo ex noch föRt 
trümlig ifl, daß man Fein honettes Wort aus ihm berausbringt. 
Am Simſe neben dem Tiſch ſteht eine faft Isere Klafche und 
Gognac barauf,; wenn das nur nicht Ragengift iſt! Der Mars 
her hats verfucht, bis nichts mehr darin war, unb flucht alle 
Zeichen, daß es der beſte Branntwein fei im ganzen Ganton. 
Ic meine, ob der junge Herr nicht etwa ein Kraufaftelind if, 
da ift ihm heilig bie Rheinalte erfchienen. Weil er aber nun 
doch verbächtig krank ift und wir gedacht haben, daß der Brief 
an feine Liebfte gefchrieben fei, denn wir Alle mögen die Auf⸗ 
Schrift nicht Lefen, obmwol ber Marcher immer fagt, daß er frans 
zöfffch Tann und von ber Schlacht bei Leipzig erzählt, fo haben 
wis ihn wieder zugefiegelt und die Plunni bat ihn ehrlich auf 
bie Poft getragen, ohne hineinzuguden,, damit Sie ſich nidgt 
forgen fol, liebe Mamfell, über feine Krankheit. 
Ihre Dienerin Barbara Wetzin 
ehemalige Echulmeiftere Wittib zu Lauffen. 
(Der Beſcuuſß folgt.) ’ 





Alpenrozen door G. H. van Senden. Zwei helle. 
Amfterdam. 1842 — 43. Gr. 8. 


Biel, ſehr viel iſt über die Schweiz gefchrieben werben. 
Die geoße Zahl von Werken über biefes naturhiſtoriſch und ge 
ſchichtiich fo merkwuͤrbige Band, welche Schweiger felbft zu Verf. 
haben, wird alljährlich durch neue Schriften vermehrt, in denen 
Deutſche, Engländer unb ragefen um bie Wette, nach einer 
beenbigten Schweizerreife, eobachtungen und Bemerkungen 
nieberiegen. Indeſſen möchte, wie viel Wtittelmäßiges und Wors 
zuͤgliches auch über das Land ber Tell in Profa und Werfen 
in bie Wett gefbrbert tft, ſchwerlich ein anderes, auf Belehrung 
und Unterhaltung beredunetes Werk mit dem vorliegenden des 
hollaͤndiſchen Gelehrten, Bittere G. H. van Senden, was Plan 
und Ausführung betrifft, eine Vergleichung aushalten koͤnnen. 

Der Zitel gibt das Wort Alpenrozen ſehr finnig auf einem 
aus Blättern und Blumen des Rhododendron ferrugineum bes 
ſtehenden, ſchoͤn gezeichneten Grunde. Statt der Borrede findet 
man ein liebliches Gedicht, welches bie Alpenroſe befingt, unb 
dann folgt das Werk felbft In 24 Abtheilungen, welche zuſam⸗ 
men ein organiſches Ganzes bitben. Jede Abtheilung trägt eine 
kurze Aufſchrift, allein meift enthaͤlt fie weit mehr, ats die ber 
ſcheidene Angabe erwarten laͤßt. Go findet man 5. B. in der 
fetten: „Der WBierwaibfiätter See”, nicht blos eine Befchesis 
bung biefes Sees, fondern auch ſebr interefiante gefchichttidge 
Mittheilungen , weldye in ber fiebenten Abtheilung: „Unteewal: 
den“, in gleich anziehenber Weife fortgefi 


ufanımen und nimmt man bie zweinndzwanzigſte: „Bern““, wo 
Berf. die Tagſatung verfammelt fah, binzu, fo hat man 
das Intereffantefle aus der Geſchichte der Schweiz, von den dis 
teften bis auf bie gegenwärtigen Zeiten herab, in ziemlich volls 
Ränbiger Darftellung vor fi&. | | 

ie zehnte Abtheilung: „Der Birte auf der Scheibe‘, 
umfaßt das ganze Hirtenteben,, fowie bie funfzehnte: „Der We 





y. ⸗ 
% 


er auf den Alpen“, das ganze Sagerieven der Glweiger in 
—* ——2 Die eifte führt die Aufſchrift: „Die 
Qungfrau”, verbreitet fich aber auch in beinahe erichöpfender 
"Darftelung ‚ mit Berhdfihtigung ber neueften Oypothefen, bes 
ſonders des’ Prof. Agaſſiz, über die Gletſcher und ihre Erſchei⸗ 
mungen.‘ In ber dreigehnten Abtheilung: „Die Zwillingsfsen”, 


“findet man eine lebendige, hoͤchſt anziehende Beſchreibung ber, 


Nationalſpiele der Genner, wozu ber Anblick des Boͤdeleins bem 
Berf. eine ungefuchte Veranlaſſung bot. Die vierzehnte: „Gemmi’, 
gibt intereffante Mittheilungen aus ben Bolksfagen der Schwei⸗ 
zer; die neungehnte: „Der Montblanc und de Gauffure”, eine 
biftortiche üÜberfiht der Reifen nach bem Gipfel des weißen 
Berges und theilt bie Refultate mit, weldye dieſelben für bie 
Wiffenſchaften hatten. Der zwangigfte Abfchnitt: „Der Leman’', 
enthält außer der Schilderung herrlicher Naturfcenen treffenbe 
Parallelen von berübmten Männern und rauen, deren Ramen 
an den Ufern des Gerd gefeiert finds; der dreiundzwanzigſte: 
Der Bodenſee“, ift ein wuͤrdiger Pendant dazu. Unter ber 
Kubrit „Der Jura und Freiburg“, iſt Alles, was die ſchwei⸗ 
zer Induſtrie Ausgezeichnetes hat, mit Genauigkeit dargeſtellt. 
Man glaube nicht, daß dieſe Mittheilungen abgeriſſenes 


ick⸗ und Stickwerk find; im Gegentheil, fie find leicht und 


A an die Gegenftände angefnüpft, weidye ſich dem fcharf 
beobachtenden Berf. darboten, der in faft feinem Wache bes 
menfchtichen Wiffene fremd zu fein ſcheint und die feltene Gabe 
beffgt, die Fülle feiner Kenntniffe ohne Oſtentation und unge⸗ 
fucht jebem Gegenſtande anzupaffen. 

Der reiche Inhalt, welcher Alles umfaßt, was bie Schweiz 
Merkwuͤrdiges bat, ift in eime blühende Sprache gekleidet und 


ſchreitet in anziehender Darftelung fort. Gin vorzüglicher hiſto⸗ 


riſcher Stil, wie man ihn bei feinen Landeleuten nicht leicht 
findet, zeichnet den gefchiähtlichen heil, ein gefälliger Erzaͤh⸗ 
iungston den Gang ber Reife — wo der Verf., was er aber nur 
felten thut, über diefen und über ſich ſelbſt Tpricht — eine kern⸗ 
bafte ‚ bie von einem fleißigen Studium ber Alten 
wugt, bie &h eichnungen aus. Nicht felten iſt ber Stil 


arafterz 
ſch bluͤhend; bie Feder wird zum Yinfel; fie malt Natur⸗ 


Geheimniß der Technik dieſes Werket. Das Ganze wird duch 
‚eine ih geftochene Karte, welche bie Phyſiognomie der 
Schweiz zur Anſicht bringt, geſchloſſen. Bu ihr gehört als Bes 
ſchreibung bie legte Abtheiluna: „Das Berggebäube der Schweiz”. 
Das Xitelblatt des weiten Theils fteilt die relative Höhe ber 
° &pigen der drei Alpenketten und bed Jura in 
einee Zeichnung dar, weiche Driginal zu fein fcheint, „während 
das auf dem Kulm bes Rigi genommene Panorama, weiches ben 
‚Kite des erſten Theils ziert, eine Nachahmung bes befannten 
Haller ſchen Tein duͤrfte. 

Zum Schluſſe glaubt Ref. das Publicum aufmerkſam mas 
chen zu durfen, daß eine deutſche Wearbeitung bereits im Werke 
riſt und baldigſt erſcheinen wird. Ob fie denſeiben Genuß ge⸗ 
währen kann, den Der bat, welcher das Werk in ber Original⸗ 
ſprache Left, muß der Erfolg lehren. 8. Treoff. 





Notiz. 
Obrſaͤle nach afufifhen Brundfägen. 


Go ift bekannt, wie fäywierig es ift, einen Raum, in wel⸗ 
‚gem zw einer großen Werfemmlung gerebet werben ſoll, beige: 


I in beträchtlichen Höhe liegen. 
| betrifft, fo bat man ihn cirkelrund und auch vieleckig anzulegen 


5 8 
Aal! eiageriten, Meß ale Ador: en Bid oBlEmdn m 


wernih 


ber British association für Verbreitung nüglicher Kenntniffe ei 
am 17. Aug. d. I. eine Sigung, ie welcher Or. Scott Rufen 
einen Vortrag ve über bie Anwendung unferer Kenntnif der 
Schallgefege auf bie Sonftruction von Saͤlen, bie zum Hirm 
beftimmt find. In dem erflen Theile biefes Vortrags wurden 
die befannten Geſetze des Schalls auf die Verhaͤltniſſe bes Res: 
nerd zum ‚Hörer und umgelehrt im Allgemeinen angewendet; 
der wichtigere zweite Theil entwickelte gewiſſe neuerlich entbedte 
und nicht allgemein befannte Geſetze und enthi esled Bor: 
fhläge zu deren Anwendung auf praftife Bmedt, Coplih 
in der Einleitung befchrieb der Rebner eine Ginrichtung eins 
Hoͤrſaals, weldye fidh zu bem Zwecke, baf alle Anweſenden ven 
Kedner beutlich und bequem ſehen unb vernehmen können, be 
währt haben foll, indem naͤchſt einigen Verſuchen im Kleinen 
yuleet der edinburger Architekt Hr. Goufins große Saͤle, bie 
500 — 3000 Menfchen fallen, nad Kuſſell's Grundfägen aus 
geführt babe, weile Saͤle allen Anfoberungen entipzeden. 
Dr. Ruſſell fagte, er zweifle nicht, ba man ebenfo gut Räume, 
die 10,000 ‚Hörer faflen können, bequem nach feiner Methode 
einrichten werde. Dieſe beruht darauf, daß er eine Curve cos 
ſtruirt, welche ee die gleihhörige ober iſokuſtiſche Curve nennt, 
und in beren Brennpunkt fich ber Redner befindet. Diele Cume 
kruͤmmt fich im Aufriß des Gebäudes nach oben. Es it ſchwer, 
obne Zeichnung eine Vorſtellung davon zu geben; indeffen denke 
man fich einen verticalen Durdfänitt des Raumes, und tbeile 
deſſen Grundlinie in lauter gleiche Theile nach dem Maße der 
Entfernung, in welcher man Gisbänke häntereinander anzu: 
bringen pflegt. In jedem Theilpunkte erräcdhte man lothredke 
Linien und denke fi nun von dem erhöhten Gtandpunfte des 
Nebners (bem Brennpunkt ber Curve) aus einen Radius nad 
dem Sitzyunkte bes vorberften Hoͤrers gegogen; biefen Radun 
verlängere man bis zu ber nächftfolgenden Iothrechten Linie und 
meffe auf derfelben von bem Durchſchnittepumnkte aus nad oben 
9 Bol, fo erhält man ben Sitzyunkt des Hörer& in zwei 
Einie. Jetzt zieht man nad) biefem neugewonnenen unfte 
wieder einen Radius und verlängert benjekben bis zur britten 
Lothrechten Linie, ſchneidet auf legterer abermals nad) oben 


9 300 ab und man hat ben Sitzpunkt deu Hoͤrers in bitter 


Reihe u. f. f. bis an bie hintere Wand, wo bie Site natuͤrlich 
Was den Grundriß des GSaalts 


verfucht, und bat durch beiderlei Form jeinen Zweck mei 





Literarifche Anzeige. 
in meinem Verlage Sscheint saeben und ist darch alle 


Beohharndlungen zu begiehen : 
Phycologia generalis 


Anatemie, Physiologie und Systemkunde 
der 
Tange. 


Bearbeitet von 
Mir 80: fanbig gräruckten TE 
gezeichnet und gravirt. vom Verfasser. 
Gr. 4. ia Corona. 40: Thir. 
Leipzig, im November 1843, 
| MBE A. Brockkaus. 


Werantwortiiper Derausgede: Deinzih Bro@baus. — Drne und Werlog von B. U. Brodhand in Leipzig. 


— rn 





Blätter 


für 


literarifde Unterhaltung. 





Sonnabend, . 


Cancan eines deutſchen Edelmanns. Zweiter Theil. 
(Beiäiuß aus Nr. 2.) 


Die zarteſte Partie im Buche find gegen den Schluß 
bin Arthur’ „Mitternachtöftunden”, aus denen wir nur 
ein kleines inniges Lied mittheilen: 


Ady! werd’ ich endlich fiegen 
In meinem tiefen Seide?" 
und manchen leifen Kuß 


„&eb wohl, 


" Indeffen ruht allein 

Der Leib im flummen Harren, 

Sie wandert traurig ein, 

Ins Grab fid zu verſcharren. 

„D bis ich einft verſcheide, 

Mögft niemals bu erfahren 

Bon meinem tiefen Leibe.” 

Wie der Verf. im Allgemeinen über den Charakter 

der Zeit denkt, davon folgende Probe: 
J Bie hat fo Vieles geändert, fo ganz anders ger 
Matter a a de Botalihen Augen vor yahıf Jahren I Sen 
Ungewittern lafen! Liberalität war bamals ber Hort der Ginen 
und ber Popanz bee Anbern, Revolutionen um und um, Throne 


erbebten und bie dreifache Krone wadel en 
Haupte. Alles rang bie Hände oder | nd 
Wimmern und Kampfgeſchrei erfüllte G ae 
ein grauenhafter, durch Mark und Bein — 
die Euft, da wich’e Ri! — Mas Eocar 7 
heran, und oben fleht „das Beldäft“, bi. up» =, EN 
der ae Ha in den n RA N 

fo demuthevoll, fo mächtern ſeil olz. 
Ft Fi eat —c voruber und bie gaffende 


Menge jubelt nad} 





Und an einer andern Stelle: 

Bulegt erfceint das filberne Zeitalter, und fo ſprechen bie 
Bücher der Sibylle: Wenn die Erbe mit metallenen Reifen bes 
lagen ift, ſchreitet der Beitgeift ſchwerfaͤllig vorwärts mit 
Geldfaͤcken an den Füßen; die Harpyen der Lafter breiten ges 
waltiger als jemals ihre Fittige über Gidon und Tyrus; der 
.| Hohmuth fährt aus den Pergamenten in bie SRedenbüder und 


die Elle gibt bie drei Nitterfhläge mit ber Devife: reich müde 
tern und feige! — Dann fit der alte Abel mit verhältem 
Haupte auf Earthagifcen Ruinen und-feine Töchter tanzen die 
Sachucha vor den Eorgnetten gieriger Laffen und tragen Blus 
men in bie Paläfte generdfer Warone. 

Ref. hat den Verf. des „Cancan“ mehr als ſich 
ſelbſt fprechen Laffen, indem er der Anficht iR, dab «6 
überhaupt zweckmaͤßiger wäre, wenn man in Mecmfionen 
die Bücher mehr duch Auszüge dem Publicum bekannt 
machte, als ducdy eigenes Urtheilen und Aburtheilen dem 
Urtpeile des Publicums vorgeiffe, wobei bie Sucht, den 
eigenen Beift feuchten zu Laffen, Cinfeitigkeit und Liteas 
tiſche Antipathie fo häufig eine blutige Criminaljuſtij 
üben, wo ein blos fdpled6richterlicher Spruch hinreichen 
würde. Bei einem fragmentarifchen Buche wie gegen ⸗ 
waͤrtiges vollends iſt eine fortlaufende Kritik wenn nicht 
unmöglich doch beſchwerlich und wenig rathſam. Ge 
viel fi an dieſer Schrift auch ausfegen läßt, fo wird 
man doch aus den mitgetheilten Auszügen erkennen, daß 
der Autor, trog mandyer Anfänge au Jean Paul, aus 
fi ſelbſt zu ſchoͤpfen und ſelbſt Altes in neuer Weife zu 
geben weiß. Der Verf. iſt auch productiv, nur im feiner 
Art und im Kleinen, vieleicht productiver als manche 
angefehene Romanfgriftfteler, deren Romane allgemein 
für Productionen gelten, obgleich fie nur Werke hands 
—e Virtuoſitaͤt, aus keinem tiefern Gedauken⸗ 
und Gemuͤtheleben geſchoͤpft und hoͤchſtens gluͤcliche Be⸗ 
nutzungen von Memoiren, Manifeſten, Schlachtberichten 
und geographifden, hiſtorlogtaphiſchen und ethnographis 
fhen Schilderungen find. Dee Verf. hat freilich biäfer 
nut bunte Lappen zum Senfler feines Wuchs Berausflats 
ten laſſen, aber wir glauben, daß er auch Zeuch genug 
dazu befigt, eine zufammenhängende ganze Production zu 
liefern. Eins müffen wir aufs entſchiedenſte an ihm tar 
dein: ben abſcheulichen Gebrauch auslaͤndiſcher Worte uud 
Phraſen, womit er freilich häufig den fashienabeln Bes 
ſeaſchaftston verfpotten will; aber er hat fi in dieſe 
Manie, theils aus Bequemiichteit, theils aus wiffentlis 


1380 


qer Koketterie, theils aus unwiſſentlicher. Gewohnhoit, fo 
bineingelebt, daß ſich dieſer Misbrauch durch das ganze 
Bud) hindurchzieht und dem nicht ſprachgewandten Lefer 
zwingt, ſtets ein Dictionnaire bei der Hand zu haben. 
Gegen diefen Barbariemus kann man jet nicht ernſtlich 
genug eifern. 8. Marggraff. 


[, 7 





Notices et memoires bistoriques par F. A. A. Mignet. 
Zweiter Band. Paris 1843. 


Diefer fpäter ausgegebene zweite Theil des neulich von und 
neigten Werks”) enthält verfdiebene überaus intereffante 
und gehaltreihe Abhandlungen über wichtige Ausſchnitte aus 
der euzopäifigen Cultur⸗ und Staatögefchichte- Das erſte Mes 
moire über „Deutfland im 8. und 9. Jahrhundert, feine 
Belehrung zum Chriſtenthum und feine Ginführung in bas 
opaiſche Staatenfpftem‘’ ift eine trefflihe Arbeit. Mignet 
Sehanbele feinen Gegenſtand mit großer Gachkenntniß; bie Dar: 
flelung ift gebiegen, einfach, gedrängt Mar, und bie hiſtorl⸗ 
jche Betrachtung bie eines Mannes, ber für den bewegenden 
Impuls des abenblänbifi Boͤlkerlebens in den erften Jahres 
hunderten unferer Zeitrechnung ein ſcharfes Auge und- heilen 
Berſtand hat. Gr wirft zundchft einen Blick auf bie erften 
Gulturanfäge Europas, wobei er bie geographifche Configuration 
- als eim bedeutendes Moment anſchlaͤgt. Griecheniand, Italien, 
Spanien, ſelbſt Frankreich, durch Gebirge und Meere beffer 
und ſchaͤrfer unfchrieben als anbere europäifche Ländertheile, 
find für die Aufnahme und Sntwidelung der Gutturverhältnifie 
sünftiger gelegen; darum faſſen hier auch zuerſt Voͤlker feften 
Steh. Grft wo das Boll feſten Stand bat, entfteht der 
Staat; erſt im Staate wirb dee Menſch aus der Bormund: 
daft der Natur entlaffen und wandelt fortan feine eigenen 

. — Mitteleuropa dagegen, nach Oſten offen und beſtaͤndigen 
Eindruͤchen afiatiſcher Horben ausgeſegt, kommt nicht fo fruͤh 
"pe feſter Geſtaltung; das dortige Volkerleben zeigt ſich bis zur 
‚Beh‘ des Voͤlkerwanderung noch nicht gm Staate gegliebert und 
ie Menfchen felbft auf einer tiefen Stufe der Bildung. Dieſe 
Stufe ift das Hirtenleben. Daſeibſt bringt der Menſch bie 
Thierheit, zu ber er auf einer noch tiefern Staffel der Cultur 
im Berhaͤltniß der Feindſchaft Rebe, zur Unterwerfung und bil« 


: Werkzeug feines Willens durch, mit dem er fortan 
Ye Kräfte der Ratur nach Keinen Abficten 


zu beſtimmen vers 
‚mag. Hirten bilden eigentlid noch kein Volk, das ber freien 
Beftimniung feines Führers folgt, wie bie durchgebildeten Glie⸗ 
der der Seele, fondern nur Horden, bie, aͤhnlich ihren Heer⸗ 
"Yen, durch die noch nicht zur Freiheit bes Gingelnen- entfältete 
Subftanz zufammengepalten werben. Das Bleiben und Treiben 
der Hirtenboͤlker iſt im Kleinen und Großen durch bie Raturs 
verhältniffe beſtimmt. So ericheinen audy einige Jahrhunderte 
hindurch in Mitteleuropa und bie weſtliche Abdachung Aſiens 
. hinauf deutfge, ſiawiſche, mengolifche Voͤlker in fländiger Rich: 
-Zung nadg dem Weſten wie magnetiſch fortgegogen und doch 
uubewegt. - Heumend fand in der BVoͤlkerſtroͤmung der flolge 
Eeaat der Roͤmer, der feine Grenzen und die Borpoften ber 
olten Welt bis an den Rhein und bie Donau vorgefchoben, aber 
weiter ‚gegen Norden über Dacten hinaus feine Macht nicht 
auszubehnen wagte. Die Stämme oͤſtlich vom Rhein und nörb: 
U von der Donau bis an die Küäften ber Nord⸗ und Oſtſee 
kleben unberübet von roͤmiſcher Groberung und Bildung. 
Deutſchland war das Schlachtfeld, wo von- zwei entgegengefeg: 
"ten Seiten ber Cuitur und Barbarei aufeinander fließen und 
"am bie Weltherrſchaft rangen. ' 
om müßte in biefem Kampfe unterliegen. Sittliche Saft 
‘as wericher dem eingelatn Menſchen, wie dem ganzen Bolke, 


——— — 
9) Bol, Nr. 26 6. BL D. Ren. 








| , 
DU de ee 
dee Wurm des La 


ſchen Groberer vertraten, und, von heifi Gifer hir ihren 
Glauben getrieben, in fremde Länder auf Geelenunteriodimg 
auszogen. In jener Zeit bed Dranges und ber Dunkelheit, wo 
es auf Erben vielleicht finfterer ift als je, wo ber lehte Funke 
geiftigen Lebens zu erloͤſchen ſcheint, bieten uns bie frommen 
Männer, die voll Demuth bei den Deiden umherwanbeln, um 
Lit anzuzünden, einen‘ wahrhaft erhebenben Anblid dar und 
treten wie freundlich glänzende Geſtirne aus dem bunten Ge 
woͤlk eines ſtuͤrmiſchen Nachthimmels hervor. Gie flehen in ei⸗ 
nem feltfamen Gontrafte mit einem Zeitalter voll Trug und 
Mord, Unzuht und Waffengetds, dieſe ftillen Lehrboten mit ih: 
ver Religion der Liebe, Gittfamteit und Barmherzigkeit. 

Die heidniſchen Barbarenhäuptlinge, für bie höhere Kelb 
gions⸗ und Staatsform gewonnen, wurden die willigften Wert: 
zeuge und mächtigften Hebel ber neuen Eroberer. Der erfe 
Anſtoß ging von Wallien aus; ſchon am Ende des 4. Jahrhuns 
berts hatte ſich Patrick von da nach Irland begeben, weldes, 
feit dem 6. Jahrhundert zur chrifttichen Religion bekehrt, den 
neuen Glauben weiter über einen heil Schottlands, bes öfii 
Ken Galliens und ber deutfchen Schweiz verbreitete. In Eng 
land erwadhte ber Eifer für Heidenbekehrung erſt fpäter, jedoch 
ebenfo mächtig, und mit Unterfkügung ber Frankenkonige ge⸗ 
wannen irländifche und angelfächfifche Miſſionnaire im 7. und 8. 
Jahrhundert der neuen Bildung und Gefittung bie längft ver 
lorene Rheins und Donaugrenze wieber. Dem unermuͤdeten 
Wirken diefer frommen und gugleich todesmuthigen Männer ge: 
lang es, die chriſtliche Religion oder vieimehe die chriftliche 
Kirche in einem beträchtlichen Theile Deutſchlands einzuführen. 
Denn, wenn der Name nicht für die Sache geiten fol, kanı 
man wol keineswegs fagen, daß mit ber chriſtlichen Kirche audı 
die chriſtliche Religion bei ben Deutichen eingeführt ifl; man 
würde in einem großen gefchichtlichen Irrthume befangen fein, 
wenn man in ben getauften Heiden des 7, und 8. Jahrhuns 
derts, die den alten oerglauben vielfältig beibehielten, von ver 
neuen Religion nur das Außere auffaßten und durch das Wun⸗ 
derbare, Geheimnißreiche derfeiben mehr der Phantafie als dem 
Denken nach angeregt wurden, wahre Chriſten finden, wenn 
man überhaupt meinen follte, die Geftalten einer Religion ie 
Sen ſich augenblicklich in die Gemuͤthswelt eines Volks einführen. 
Die erhabene Religion der Ghriften, deren Weſen darin befteht, 
Sott als Geik im der Weltgeſchichte zu offenbaren, fegt, um in 
ihrer lautern Wahrheit aufg zu werden, ben hoͤchſten Grad 
der Gemuͤthsbildung voraus; -felbft unter Chriſten bedarf es 
ganzer Sabre der Bildung, des Beiſpiels und bes Unterricht, 

is der Einzelne fähig wird, ſich auch nur zu einer unvollkom⸗ 
menen Erkenntniß der Wahrheiten diefer Religion zu erheben 
und fein Gemuͤth den mwohlthätigen GEinflüffen derfelben zu Öff: 
nen. Was aber für den Einzelnen Jabre find, das find für 
ein Bolt Menfchenalter. Ganze Befchlechter muͤſſen untergehen, 
ebe das Neue, das von außen kommt, in das Bewußtſein er 
nes Bois aufgenommen wird und Jahrhunderte lang gaͤhrt und 
wirkt der alte Sauerteig in ber Gedankenmaſſe fort. Wie folte 
man Alfo bei einem Wolke, das gar nicht belehrt worben und 
feinen Kriegsanführern auf Sommando, wie in bie Schlacht, fo 
in die Taufe gefolgt war, chriſtliche Religion erwarten? Hl 


1291 


* 

wahr, es hat auch ſelten ſchlechtere Beiden gegeben als biele 
—⏑ 

Sorm, aber ſehr wichtig und bedeutſam als ſolche; denn gleich 
pie wol der in des Lebens heiligem Schooſe ſtumm webende, - 
‚wirkende Geiſt Formen bricht und bildet, jo läßt er fih auch 
duch Formen in feiner Richtung und in feinem Biden beftim: 
men. : In dem des: Bewußtieins wie in dem ber Ratur ' 
gibt es ewige Geſetze, nach denen die Borfehung wirkt und wal« 
ft. In der Geſchichte wie in der Natur geichieht alle Ent: 
widelung von innen heraus, wirb aber in ihrer @eflaltung 
durch Aufßere WBerhättniffe bedingt. Die Knofpe muß fein, da= 
mit die Blüte werde; wann aber bie Bluͤte iſt, fo prote⸗ 
kirt fie gegen das Gen ber Knoſpe, die nun zu einer gewes 
fenen wird. Alſo mußten auch die Formen des mittelalterli- 
den Kirchenthums fein, damit der von ihnen verhülte Geift 
‚des Chriſtenthums fich in ber Reformation als —* entfalte, 
Hiermit find die Borberfäge zu einem geſchichtlich richtigen, 
durch feine Parteitiche getrübten Urtheile über bie Verfaſſung 
der paͤpſtlich⸗ roͤmiſch⸗katholiſchen Kirche und eines ihrer wid: 
tigften Wüdungsinftitute und wunberbarften Groberungsinfiru- 
mente gegeben, — ich meine das fehr verfchiebener Anficht aus⸗ 
gefegte Eoͤnchsthum. Diefe Anftalt wurde aus dem Morgen: 
lande nad) bem Weſten der Erde verpflanzt und gerieth fo in 
ein Kliinn, das fie, als Natur wenig angemeflen, zur Ent: 
artung führen mußte. Der Morgentänder iſt bei feiner durch 
die Noturverhätmiiffe bedingten Erregbarkeit fehr Leicht in eine 
Spannung aller Kräfte und in einen Kauſch ber Seele zu ver» 
fegen , in der die Entfagung auf die gröbern Genuͤſſe bes Lebens 
wenigen Kampf koſtet; bei der farbenreichen Glut feiner Phan- 
tape if ſelbſt ein befchauliches Leben nur ein fletes Grgögen an 
dem MWilderfpiet feiner Serie. Beiſpiele von Menfchen, die aus 
Der Geſellſchaft ſchieden, um Wurzeln und Kräuter zu eflen, bie 
Jahre lang auf einem Bein flanden, kurz, ‚unfinnige Handlun⸗ 
gen, bie von falfhen Anſichten veranlaßt waren, können uns 
Sort weniger durch ihre Erfcheinung befremben. Der Abend» 
Länder aber, aus zäberm Stoffe gebübet, kalt, befonnen, von 
Ser Ratur zum Handeln berufen, langweilt ſich leicht bei den 
Peeuden ber Beſchaulichkeit; er bedarf irbifcher Nahrung. Gebr 
aetirti wurben darum die Kiöfter, ats fie aufhoͤrten, thätig 
ein ſchreitende Inftitute für Ackerbau, Gewerbe, Volksaufklaͤrung 
and allgemein menſchliche Bildung zu fein, zu Anſtalten, von 
Sonen im Allgemeinen weiter nichts gu fagen iſt, als daß da» 
Feibft viel gebetet und wenig gethan, oft gefaftet und baneben 
Zut gegeflen und brav getrunken, und bie gewaltfam unterbrädkte 
Ratur auf Abwege gedrängt wurbe. Aber ans ben Culturver⸗ 
haͤutniſſen des chriſtlichen Alterthums und durch die von ihnen 
ausgegangenen Vortheile und Wohlthaten laſſen fi bie Kıöfter 
ehr wohl vechtfestigen. Sie wurden mit tiefblidtendem Geift 
dem BZufammenhange ber Zeit eingefügt; fie waren bie tüdhtig- 
fen Haltpunkte des eben eingeführten Chriſtenthume und nicht 
Blogs befondere Kirchen⸗, fonderm allgemeine Bitvimgsanftalten, 
denen der Norden von Guropa größtentheils feine Boden⸗ und 
Geiſtescultur verdankt. - Die banlkligen Kiöfter waren zugleich 
Zufluchtsörter, tten, Muſterwirthſchaften, Kunft:, Dorf: 
und Hochſchulen. Richt genug, baß barin viele Unterbrüdte 
‚Zuflucht , viele Pilger Labung , zerriffene Seelen Hellung, ar: 
beitfame Bände Beſchaͤftigung und die legten Reſte der antiken 
Bildung Aufbewahrung fanden, wurden auch noch durch die 
‚Bände der Moͤnche Waldungen gelihtet, Suͤmpfe ausgetrocnet 
und Ländereien für neue Bewohner angerodet. Die Barbarens 
einfätle waren in fländiger Richtung nad) dem Süden gegans 
gen ; die Kiofteranfiedelungen rädten, biefen verheerenden Strom 
‚aurdchbeängenb, immer weiter gegen Norden vor. Um bie Kits 
chen und Kloͤſter bildeten ſich Dörfer und Städte, in benen bie 
Wendtterung mit dem Boden verwuchs; endlich erhoben ſich un: 
bezwingliche Beftungen, kaiſerliche Pfaizen und Burgen, beren 
zahl fremde Beſatungen die Gingeborenen fo firenge im 
Zaume hielten und die_Berbindung berfeiben untereinander fo 


Icharf abfegnitten, daß fie fortan nit mehr an gemeinfchaftlis. 


dien Mäiberftand denken Eonnten und baher unterworfene Chriften 
blieben, und beren Anlegung Karl der ‚ ver ⸗ 
führer der Abſichten und Überlieferungen ſeiner glörreihen 

gän e “ Fa Wärtel und Pi das mühfame Gültut- 
wet a ß in feinen wefentt rgebniſſen noch n 
taufend Jahren für bie Menſchheit beſteht. gebniffen noch e⸗ 

Überhliden wir den Zuſtand Deutſchlande nach ber Befeſti⸗ 
gung des Ghriftentgums unter Karl dem Großen, fo finden wir, 
daß Wieles anders geworben, daß eine gänztiche Umaͤnderun 
in Werben if. Die alte Herrſchaft umd Freihett des Volks 
meift bapin, dem Odin wird an ben Ufern bes Maine und ber 
Donau nieht mehr geopfert; koͤnigliche Beamte ſprechen Recht 
in den Gauen und an vielen Orten ſtehen ſchon bie Kirchen des 
unſichtbaren Allvaters und bes Peitands am Kreuz. Auch Seftnnun 
und Gefittung des Wolks haben fidy geändert und werben f& 
ändern; denn Gefege, fittliche und religidfe Einrichtungen find 
Mitte für die Erziehung ber Völker. Wir ſtehen an ber Schwelle 
einer Zukunft, deren Geflaltung anders fein wird als bie Ber 
gangenbeit, die vor unfern Blicken Liegt. Die einzelnen Er⸗ 
fheinungen, die uns auffloßen werben, koͤnnen wir im voraus 
nicht berechnen ‚denn ber Einzelne iſt zufällig, unſicher, ver⸗ 
gaͤnglich, und feine Handlungen find freis wol aber vermögen 
wir den Gang des Ganzen im Geifte zu entwerfen, da die Ent⸗ 
widelung der Gattung an nothiwenbige Gefege gebunden ift und 
die Dandiungen der freien Geiſter durch einen ewigen Plan ber 
Borfehung geregelt find. Die Idee des Staats, da der Ein⸗ 
seine, gleich dem Sliede des Leibes, zwar ein Gein für fich, 
aber nur in dem Leben des Ganzen haben, da ber Einzelw 
unter das Geſet, als ben ausgelprocenen Allwillen, gebunden 
fein ſoll, if in Deutſchland noch nicht verwirklicht. Roch hat 
ber Freie das Recht der Selbſthuͤlfe; noch vermögen es Ein⸗ 
zelne, den Geſetzen zu trogen und nur für fich zu fein. Alles 
Leben aber, und fo auch das des Staats, bat zum Duell einen 
unerſchoͤpflichen Bildungstrieb, der raſtlos fchaffend und heilend 
wirkt, das Gliederthum zu feiner Voliendung zu entfalten und 
bem Willen, der im Staat das Gefen ift, nelmeibig su bes 
wahren. Demnad) ift es die Aufgabe der folgenden Zeit, in un⸗ 
ermüblichen Reibungen und Krifen bahin zu führen, daß Einer 
Herr fei in ben ranken bes Geſetzes und bie Ginzeinen folg: 
fame Glieder in bem ſchoͤnen Bau bed Ganzen. 

In der That zeigt fih, ſeit Karl's des Großen Zelten, bei 
ben bis dahin getrennten und unftät herumfchweifenben beutfchen 
Stämmen immer mehr das Beſtreben, ſich zu einem Volksgan⸗ 
gen in fefler Gliederung zu verſchmeizen. Krieges und beutge 
luſtig dehnt die chriſtliche Cultur ihre Streifzüge bis über die 
Oder und Weichfel aus. Kaum find die Deutſchen getauft und 
su einem Votke vereinigt, fo bemaͤchtigt ſich eine faft ſchwaͤr⸗ 
merifche Wegeifterung für die Verbreitung des neuen Glaubens 
vieler Köpfe und werben ſogleich Verſuche gemacht, das Chris 
ſtenthum bei ben flandinaviſchen und flawifchen Bölkerfchaften 
einzuführen, bie allmälig vor Millionen deutfcher Anfiedier aus 
ihren Sitzen weichen und einer compacten, bichtgebrängten Bes 
bölferung ben Theit des enropaͤiſchen Feſtlandes raͤumen müffen, 
welcher den Ginfällen am meiften ausgefeht if. Nach der Bin 
digung und Bekehrung ber Dänen und Rorweger im 9. Jahr⸗ 


Polen bi nach Sch 
feine 200 — N —ã—a—ù́ Me Sem an ber Donau. 
„@o wurben”‘, ſchließt Wignet, „bie deutſchen Stämme einer 
—* he ben Worten 3 etc der au, und ihre Laͤn⸗ 
e andererſ Schutzman 
———— 
cta inen nun aller mit dem franzoͤſi 
Geſchichtſchreiber dahin zu ſchueßen, daß die fo viele Jahrhun⸗ 






derte hindurch zwiſchen der Warbarei und Gultur anhängige | dung mit dem Ganzen 
.@treitfrage — fuͤr immer zu Gunſten dieſer et 1 Rundung und Ginbelt, 
‚Guropa und demnady in ber ganzen Melt entſchieden iſt.“ Ins 
deffen dürfte Deutſchlands Rolle in biefer Beziehung, allem Ans 
fcheine nach, nicht ausgeſpielt fein. Die Angelegenbeiten der 
"Wenfchen unterliegen wunderlichen Wechſeln des Schickſals. Uns 
tee den Römern war bie Bildung bis an den Khein und bie 
-Donau, unter Karl dem Großen und feinen Nachfolgern, den 
deutſchen Kaifern, bis Aber die Seichfel gebrungen ; in neueſter 
‚Zeit trugen fie die franzöfffchen Waffen einen Augenblid bis 
nad) Moslau. Seitdem ift es, als ob ſich, alles Umſichgreifens 
‚tiberaler Ideen ungeachtet, das Blatt plöglih auf die Seite der 
Uncuttur gewendet. Immer drohender waͤchſt im Norden ein 
‚gefährliches Reich, das, nach einer feltfamen Beflimmung, bie 
rohen Geluͤſte und Mittel barbarifdher Zeiten zugleich mit den 
feinen Kniffen der raffinirteften Bildung verbindet. Univerfals 
erbe ber Tataren, oberfter Schiedsrichter der Slawen und wahrs 
ſcheinlicher Thronfolger der Osmanen, gebietet dieſes unges 
heure Reich von der Dſtſee bis zum Schwarzen Deere über die 
‚Kräfte und Mittel eines unermeßlihen Theile von Europa und 
Aſien, reicht mit der einen Hand an bie berühmte, ohnmaͤchtige 
chineſiſche Mauer und Iangt mit der andern bis nach Wien und 
"Beriin. eine Verfaſſung und Kirchenform, feine Grundfaͤtze, 
Sinrihtungen und Bitten, Alles ift im Widerſpruch mit der 
europäifchen Civiliſation und befonders gefährlich) für Deutſch⸗ 
"Iand, zumal wenn biefes Länger die große Aufgabe ber Zeit mis⸗ 
"deutete und aus Furcht vor Revolutionen verfäumte, burd Ver⸗ 
"mäplung mit ber Civiliſation bie Revolutionen unmöglich zu mas 
hen. Heutſchland hat Demnach ein großes Iutereffe, gehörig 
zu überlegen, ob es rathfamer if, im Weſten bie von der Givis 
‚Ufation eroberte Bogefengrenze zum Nutzen ber Barbarei ober 
‘im Often die der Gultur verlorenen Eänberftriche zum Schutze 
der Civiliſation wieder zu gewinnen. 


(Der Beſchluß folgt.) 



























Kim mm 
(Ungtüd) über uns, denn ber Odaun⸗Roſch —— 
(viſitiren, Hausfudung Halten) bucch feinen Gaufer“ u. ſ. w. 
Aus Eugene Sue's „Mystöres de Paris’ hätte bee Berf. ler⸗ 
nen können, oͤkonemiſcher mit dem Gaunerwelfdh umzugehen. 
Run noch ein paar Worte über bie Idee, durch foldke 
Schriften „das Bott zu belehren und durch Darftellung von 
an oerhet n das Safe fürchten zu machen⸗ nmittel- 
ar na tungen wird gewöhntidg bie Lebentgeſchichte 
armen Geraͤderten ober — > 





"Die jdifche Saunerbande. Criminalgefchichte aus neuerer 
Zeit. Bon Ladislaus Tarnowski. Leipzig, ki: 
terarifches Muſeum. 1843. 8. 1 Thlr. 


Wer an actenmäßigen Criminalgeſchichten Gefallen findet, 
wird „Die jädifchen Sauner in Deutſchlaud⸗ von X. 8. Thiele 
"gewiß mit Befriedigung gelefen haben. Bei bem Bericht über 
diefes Buch in Nr. 73— 75 d. Bl. baben wir die Anficht aus⸗ 
geſprochen, daß daſſelbe nicht blos für Griminals und Policeis 
beamte von Interefle fein dürftes Hr. Tarnowski, weldger das. 
gegen der Meinung it, Thiele habe eigenttich ein Letzrbuch für 
"Männer von Fach geliefert, bemühte fi, wie er in ber Schluß 
bemerkung fagt: „dieſen Stoff dem großen Publicum zugäng- 
lich zu madyen, indem er bie intereflanteften Ecenen heraus: 


eichen Erwartu i . 
Und Hr. Zarnoweli foüte m —ã —— —— 


Hauptimpuls zu feiner Schrift geweſen fein. W. 








nahm und fie mit Huͤlfe eigener Phantaſie novelliſtiſch, fo weit 
dies bei einem folchen profaifchen Begenftande möglich iſt, bes 
"ganbelte.”” Hr. Tarnowski verfidert, daß bie Idee, bad Votk 
re beiehren und durch Darftellung von Griminalverbredyen bad 
‚Zafter fürdyten zu machen, der Hauptimpuls zur Abfaffung feis 
ne vift gewefen ſei. Wir glauben indeß, ohne ‚Den. Tar⸗ 
"nomwsti’s fonftige Verdienſte ſchmaͤlern zu wollen, daß fein Haupt: 
impuls bei diefem Unternehmen kein anberer geweſen ift, als 
‘mit mögtichft geringer Muͤhe ein Buch zufammen gu fereiben. 
Er Hütte es ſich in der That ‚nicht leichter machen können. Das 
Bud, zerfällt in neun Gapitels im erſten und vierten werben 
uns einige Auftritte aus dem Familienleben einer jübifchen Gau⸗ 
nerfippfchaft vorgeführt — und darauf beichräntt wi bie novel⸗ 
:Aftifche Zuthat; das übrige iſt ein größtentgeils woͤrtlicher Aus⸗ 
zug aus Thiele's Werk. Eine Verſchmelzung ber Actenſprache 
"mit dem Ion der Novelle iſt durchaus nicht gu erkennen und 
"die beiden erwähnten Capitel entbebrm ber organiſchen Verbin⸗ 


Notiz. 
Berluft des Haars durch Angfl. 

In einer Gigung der britifchen Gocietät zur rberu 
ber Wiffenfaften trug D’Eonnor einen Fall vor, ——— 
ein Knabe ſaͤmmtliches Haar in Foige von Angſt und Ent— 
fegen verloren habe. Die Phyſiologen feien ber Meinung, 


ſagte er, daß das Haar in Folge von Kummer, Angft, Schreck 


ergrauen oder auch ausfallen Tönne, indeſſen feien con⸗ 
ſtatirte Beiſpiele uͤberaus ſelten; —28 er he on 
meilen, ben von ihm eriebten Kal ber Societät vorzulegen. Der 
Bau ift diefers Ein gefunder Knabe, 12 Jahr alt, erwachte 


ſchreiend aus einem ſehr Iebhaften Traume, in welchem er er= 


mordet zu werben geglaubt hatte; am nädflen Tage b 
fein Haar auezufallen und in 14 Tagen war fein Kopf Bölig 


kahl; auch hat er in mehren Jahren, die feitde 
find, fein Haar wiebererhalten. been, Die ſeitdem vertfen 


Berantwortticher Hrrandgeber: Heintih Wrodband. — Drud und Verlag von F. U. Brochaus in Eeipzig. 


⸗ 





Blätter 
für 


literariſche Unterhaltung 





Bonntas, 


— Mr. 323, — | 


19 November 1848. 





Gedanken uͤber Recht, Staat und Kirche von P. A 
Dfiger. 8Zwei — se, Hallberger. 
1842. Gre. 8. 4 Thlrx. 1 


Unter den gegenroärtigen —* wo die gedan⸗ 


kenmaͤßige —— und Begruͤndung des Staats, des 


Rechts, der Kirche nicht eben große Aufmumerung er⸗ 
führt, iſt ein Bud, das wie das vorllegende in dieſen 


Dingen die Fahne des Denkens ethebt, ſchon an ſich 


eine erfreuliche Thatſache, denn es gibt wenigſtens Zeug⸗ 


und dem unaus⸗ 


niß von dem undertilgbaren Mut 
eiſtes. 


weichlichen Drange des denkenden 


Auch der Name des Verf. gewaͤhrt hier ein beſonde⸗ 


res Intereſſe. Pfizer iſt ſeit 1880 einer der edelſten 


Vorkaͤmpfer in dee deutſchen Freiheitsſache gewefen; feine 
— Geſinnung, feinm feſten Charakter muſſen ſelbſt 


achten, welche feine polittſchen Anfıhauungen nicht, 
oder doch nicht immer getheilt haben. Als Abgeordneter 
der wohrtembergifchen Kammer bat er niit Aufopferung 
und Ausdauer fieben Sabre hindurch die conflitutionnehen 
und nationalen Intereſſ 
ſolutiſtiſche Polltik vertreten. Er iſt zwar, nachdem er 
an dem Schickſale ſeiner freiſtanigen Motionen erfahren, 
daß der Kampf auf dieſem Felde fhe jetzt vergeblich ſei, 
enttaͤuſcht, faſt entmuthigt ins Privatleben zurüͤckge⸗ 
treten; allein die Haͤnde bat er darum nicht in ben 


Schoos gelegt, ſondern feine Weflrebungen nach beſten 


durch wiſſenſchafeliche Thaͤtigkeit fortgeſetzt. 

Eine Frucht feiner Muſe iſt nun dieſe Arbeit. Pfizer 
bewaͤhrt in berfelben herrlicher als je feine unbeflochene 
Geſinnung für Recht, für innere und aͤußere Freiheit, 
ſowie Muth, Geiſt und Lebenserfahrung in der Kritik 
umferer zeitigen Zuſtaͤnde. Die Vernunft als bie fichere 


Duelle aller Erkenntniß foR im Rechte, im Staate, in- 


allen Kreifen des ethlſchen Dafeins zum Princip erhoben 


werben; gegenuͤber dem pelitiichen Abfolutiemus wird Die. 


Volksefonvderainetaͤt muthig als der Urfprung aller Staat: 
gewalt bezeichnet; dem bdeutfchen WBateriande, feiner Kreis 
heit, feine Geoße IR eine umfaffende Ashandlımg ge⸗ 
widmet, in bee mie Wärme Alles ausgeſprochen wird, 
was anf den Lippen der aufgeklaͤrten Patrioten brennt. 
Indeſſen bildet allerdings die praktiſche Auffaffung 
a die Geſinnung nach dem muthmaßlichen Plane des 


Werko gende wur dit cine Seite deffeiken; eine andere, 


en gegen eine beſchraͤnkte und ab⸗ 


wvickelt. 


die ebenſo mol in Betracht kommt, iſt das philaſophiſche 


Element, aus welchem heraus ſich der Karf. über dam 
—**— verbreitet. Und in dieſer Ruͤckſicht duͤeſte ſich 
ber toiffemfchaftliche Liberalismus der Gegenwart Dutch 
Pfiger nicht ganz befriedigt fühlen. Zeigte ſich naͤmlich 
Pfizer in deme, VBriefwechſel zweier Deutschen” ber ph 
————— Richtung nach nicht ganz emtfchieben, fo enigt 
er bier zwar ſehr beſtimmt, aber eigentlich — fo eruſt — 
ihm immer auch um die Sache ſelbſt zu thun ſein 
mag — alo Meaesisumaire in der Wiſſenſchaft herner, dem 
die ganze lange Arbeit des deutſchen Geiſtes während der 
sten brei Decennien bedeutungelos geworben if. ie 
Sreiheit exiſtirt fe ihn nur ihrer ſubjectiven Geſtalt nach; 
er begreift das Freiheioprincip allein mb ausfchließend im 
Sinne des alten Aufliärungbepodye. So gern er auch ſai⸗ 
nen twiffenfchaftlihen Denken eine originelle und feikfiäs 
dige Wendung geben moͤchte, gelangt er nach diefer Voe⸗ 
ausfepung bach nicht ber den Formaliamus der Kamel: 
hen Philoſophie hinaus: es find und bleiben die Pins 
eipien und Anfchauungen der Kant'ſchen Rechtsphilq⸗ 
fophie, die und bier, aft in ihren Außerfien Cemfequm 
yon und ohne Müdfihe auf die ſpaͤtere Wuſſenſchaft, 
entgegentreten. 

Es iſt wahr, das Werk iſt fo eine charaktervolle ur 
umfaffende Darſtellung der fubjectiven Freiheitsidee, wie 
fie Kaut ins vwwifienfchafttiche Bewußtſein erhoben hat. 
en, um biefes Bewußtſein und dieſes Princip Hier, 
wo er ſich um bie volle Begriffsentwickelung der fietlichen 


Idee handelt, in feiner Ausſchließlichkeit nicht am rechten 
DOrte zu: finden, braucht man weder die Bebentung dor 


—— — in der Geſchichte des Geiſtes noch 

die Wirkfamkeit und die praktiſche Aufgabe zu Verden, 
die der ſubjective Freiheitsgedanke in ber ganzen germa⸗ 
niſchen Welt vollbringt und vollbracht hat. 


Wir 
in dee Wiffenfchaft- wei auf den Schultern Kant'o; 


die Abſtractionen der praktiſchen Vernunft haben ſich * 
Die, welche dem Kortfihritte des Geiſtes ohne Eichen und 

Voruetheil gefolgt find, zur concreten Erfennmiß, bie Flui⸗ 
beit zum nhaltsvollern Begriffe dee Sittlichkeit ſelbſt ents 
Auch in ber gefchichetichen Wirklichkeit it 08 die 
Kraft und die Energie des fubjecttven Freihetesgedaukeet, 
des uns Ye Bahn zum neuen Leben gebrochen, der Mi: 
mer noch bie Maſſen beledt und ben Kampf weit Din 


200. 299 


geſchichtlichen, und den Prätenfionen eines erkünftelten 
Egoismus erfolgreich macht; allein ſchon die Geſchichte 
der franzöfifchen Revolution, im welcher dieſes einſeitige 
Princip zu feinem freieften und fchärfiten Ausdruck ges 
famgte, zeigt auch, daß eine tiefere Geſtalt des Bewußt⸗ 


feine dazu gehört, wenn das Princip aus der Negation | 


und dem Kampfe zur pofitiven und organifchen hat 
übergeben fol. Und mas die Philofophie theoretifh, die 
Geſchichte praktiſch dargethan, beweift auch bie Arbeit 
Pfizer's auf allen Punkten, wo fi) ber ſubjective Frei⸗ 
heitegedanke der objectiven Geſtaltung zuwenden will. 
Die Form der Freiheit kann fi des fubflantiellen In: 
Halte nit nothwendig tigen: Die Freiheit und ihr 
Weſen bleiben dualiſtiſch gefchleden; und felbft auf bie 
Weiſe ber Darfielung muß diefer Umſtand feinen zerſtoͤ⸗ 
senden Einfluß üben. 

Indem wie dem Verf. in der Kürze durch feine phi⸗ 
Tofophifhe Betrachtung Aber Recht, Staat und Kirche 
felgen, wird fich die Eigenthuͤmlichkeit feines Stand: 
punkts und fein wiſſenſchaftliches Bewußtſein genugfam her: 
anstellen. Freilich kann uns dabei leider wenig Raum 
abrigbleiben, auch das Verdienſt der Gefinnung, der prak⸗ 
‚tifchen Auffeffung und der hoben Vaterlandeliebe gehoͤcig 
‚Hervorzuheben, bie ber Verf. allenthaiben, beſenders aber 
in feiner Abhandlung über das Vaterland bekundet, und 
wodurch das Werk für alte Stände und Richtungen bes 
‚beutfchen Volks erſt vecht fruchtbar wird. 

Das Buch hebt mit einer einleitenden Abhandlung 
ou. Die Gefchichte, ſagt Pfizer, weit drei verfchiebene 
Anfihten über das Recht nad: bie willkuͤrrechtliche, 
bie muftifche, die vermunftrechtliche Anſicht — die man 
as Meturalismus, Supransturalitmus und Rationa⸗ 
Hömus begeichnen kann. Diele Glaffification, bie ſich 
ſpaͤter mehrfach wiederholt, fcheint ſowol der Geſchichte 
wie dem Begriffe nach zu unbeſtimmt. Der Naturalis⸗ 
mus, der den frühen und feüheflen Rechts⸗ und Staat 
vechättniffen zu Grunde Liegt, ift keineswegs die Willkür 
mad das Recht des Stärken; wenn auch Naturgewalt, 
ſe ift es doch immer eine höhere als die menſchliche Au⸗ 
orität, die in der alten Welt auf allen ihren vielen 
Durchgangsſtufen als die abfolute, das Leben geflaltende 
. Mache auftritt. Dem Begriff nach fällt ferner die na⸗ 
ueolifiifche Anſchauung in die Kategorie der Vorſtellung: 
der Menſch phantafiet und dichtet, anflatt zu denken; 
‚De. Rechts⸗ und Gtaatsprincipien aber, welche ſich auf 
unmittelbare, dußere Dffenbarungen, überhaupt auf 
Das gehnden, was der Verf. bie myſtiſche Rechtsanficht 
‚nennt, nehmen ihren Ausgangspunkt auch im Reiche der 
Vorſtellungen und müffen demnach von diefer Seite mit 
Mm Naturalismus. zufammenfallen. 

Deſſenungeachtet hat die Einleitung ihren großen Werth. 
Der Verf. weift den unzulänglichen Standpunkt jeder my: 
ſtiſchen Rechtsbegrümdung freimüthig nach, und flelit jene 
(vous nadten Varſtande, nicht von der Geſchichte erfun⸗ 
deuen) Doctrinen: vom echte des Stärken, van der 
Herrſchaft der mumerifhen Mehrheit, vom . Rechte: 
‚Weineipe des Nupens, von jener hiſtoriſchen Schule, 


welche den Rechtsbegriff in empiriſchen Einzelheiten unb 
biftorifchen Kußerlicgkeiten findet, unummunden in bas 
belle Licht. Er vindiciet endlich der denkenden Vernunuft, 
dem Rationalismus allein die Fähigkeit, das Recht m 
begreifen und wahrhaft gu begründen. 

Der erfte Abſchnitt handelt uum vom Rechtsbegriff 
ſelbſt. Der Menſch, beißt es, bedarf zur Erfüllung des 
Sittengeſetzes nicht allein nad innen, fondern audy nad 
außen, des freien von fremder Nöthigung unabhängigen 
Wiens: denn wäre fein Wille niche frei und Anden 
gegenüber nicht gültig, fo hätte er kein Willensgebiet, auf 
dem er feinen fittlidden Zweck verwirklichen Tönnte, und 
ee müßte auf feine praktiſche verzichten. Die 
Freiheit des Menſchen iſt alfo fein abfolutes Recht und 
zugleich ſelbſt ein Theil des Sittengefeget. Um Das zu 
tönnen, mas er foll, muß dee Menſch die Willensfrelheit 
der Außenwelt gegenüber fogar fobern, noͤchigenfalls er: 
zwingen koͤnnen; er ift nur fo rechtsfaͤhig, «in echte: 
fudject, eine Perfon. Diefes Recht aber bes Einzelnen 
auf -erzwingbare Willensfreipeit kann fich nur infoweit 
erficeden, als dies die gleiche Geltung der nothwendigen 
Freiheit ber Mitlebenden nicht veriegt, bean Alle haben 
ein Recht auf gleiche Willensgeltung für ihre ſittlich⸗ 
menſchliche Beſtimmung. Es kann demzufolge nicht das 
ganze Sittengefen, fondern nur ein Theil deſſelben er- 
zwingbar fein, und dieſer erzwingbare Theil if das 
Rechtsgeſetz, oder das Recht im obiertiven Sinne. Das 
Rechtögefen iſt näher zu definisen „als das ergwingbare 
Sefeg dee wechfelfeitigen Geltung Alter, fo weit ſolche 
vereinbar ift mit der vernünftigen Beſtimmung jedes 
Einzelnen‘. 

Aus biefem Rechtsgeſetze, das eine Foderung ber ver: 
nünftigsfittlichen Natur tft, leitet der Verf. (Abfchnitt 11) 
bie angeborenen Menfchensechte (das Recht im fubjecti- 
ven Sinne) dee. Es gibt naͤmlich Rechte, bie fich 
von dem Begriffe des Menfchen nicht trennen laſſen; 
man kann dieſelben unter dem einen Urrechte begreifen: 
das iſt das angeborene und unverdußerlihe Recht, unter 
ben Rechte zu fliehen. Naͤher legt fich diefes Recht in 
das auf Leben, Ehre und Freiheit auseinander. Wenn 
dieſes dreifache Urrecht aber auch angeberen und umver⸗ 
aͤußerlich (das heißt ein abfolutes unbebingtes) ift, fo ift 
e6 doch nicht immer unbeichränkbar, fondern kann in 
Bezug auf die gleiche Geltung Allee beſchraͤnkt werben. 
Das angeborene Recht zerfällt darum in ein beſchtaͤnkba⸗ 
res und ein unbeſchraͤnkbares Gebiet. Die Beſchraͤnkung 
kann theils mit, theils ohne meinen Willen erfolgen. 
Ohne meinen Willen ift das angeborene Recht befchräntt, 
wenn ſich fchon in einem beflimmten Gebiete der Wille 
eines Andern geltend gemacht bat, aus dem ich den Ans 
bern nur mit Verlegung der Willensgleichheit verdrängen 
koͤnnte. Mit meinem Willen wird mein angeborenes 
Recht befchränft, wenn ich auf einem Theil meiner rechts 
mäßigen Sreiheit duch Willenseinigung (Verttag) ver⸗ 
zichte. Die Beſchraͤnkung iſt jedoch nur: zuläffig, wenn 
ber Vertrag eine Eigenſchaft, Kraft, Vermoͤgen betrifft, 
mit deſſen Hingabe zugkih mein vernünftig⸗ ſittliches 


\ 


Wien, mein Selbſtzweck aufgehoben wird. Feener muß 
bie Befcheäntung der Natur der Dinge nad) erzwingbar 
fein. Unbeſchadet der Rechtsgleichheit darf jedoch die 
Sreipeitöbefchränkung innerhalb bes beſchraͤnkbaren Ge: 
biet6 bei dem Einen weiter geben als bei dem Andern. 
Indem nämlich die Mechtsgleichheit nur im ber freien 
Geltung des Menſchenwillens befteht, fo kann fie nur 
formell, nicht aber materiell fein. Die materielle Gleich⸗ 
heit iſt ein zerfiörender Despotismus, der das freie Wal: 
ten der Perfönlichkeit völlig vernichten müßte. Mur die 
formelle (ideeile, dynamiſche) Gleichheit, die für alle Men⸗ 
ſchen nicht nur die gleiche Bedingtheit (als Regel), fon: 
den auch (unter gleichen Ausnahmeverhältniffen) die 
gleiche Unbedingtheit in der Willensgeltung feſtſetzt, die 
zwar Säle kennt, in denen ber Wille des Einzelnen mehr 
gilt als der des Andern, aber nicht Menſchen, deren Wille 
an fi) dor Andern mehr gälte, das iſt die wahre Gleich⸗ 
heit, welche die Freiheit (das Heißt: die formale) zu ihrem 
Inhalte hät. | 

Aus diefer Mechesgleichheit nun laͤßt ſich alles Ambere, 
was man unter dem Namen der erworbenen Rechte zu 
begreifen pflegt, herleiten. Zum angeborenen Rechte ges 
hört nämlih auch das Recht der Zuelgnung und 
Verträge. . Dusch das Zueignungsrecht entſteht das 
Eigentbum, infofeen der Menſch durch Beſitzergretfung 
oder Kormengebung die Dinge außer ihm zum Traͤ⸗ 
ger feines Willens und zum Werkzeuge feiner Zwecke 
macht, ſodaß e6 eine Verletzung der freien Perföntichkeit 
and Aufpebung bee Willensgleichheit fein: würde, wollte 
4 ein Anderer ber ſchon ergriffenen Sache bemaͤchtigen. 
Das Eigenthum iſt alfo fein angeborenes, noch urſpruͤng⸗ 
ih duch Vertrag entitandenes, obwol es durch Vertrag 
von Einem zu dem Andern übergeht. Die Vorſtellung 
von welprünglicher, der ganzen Menfchheit angeborener 
Gemeinihaft der Güter, woraus erft das Sondereigen: 
thum dee Einzelnen duch Theilung und Vertrag ent: 
ftanden fein fol, hat vielmehr ihren Grund in einer 

des Allen angeborenen Mechts der Zueig⸗ 
sung mit dem unmöglicd angeborenen Rechte auf mate: 
zielle Steichheit des Befitzes. Die Bermögensungleichheit, 
welche unfere Geſellſhaft und unfere Staaten fidet, fchreibt 
Dee Verf. vornehmlich dem ausgedehnten Erbrechte und 
den gegenmärtigen Weiſen der Beſtenerung u. Das 
Erbrecht verlangt er fireng auf die Famille eingeſchraͤnkt. 
Der Bertrag aber, die andere Art der Nechtserwerbung, 
iſt die freie Willenseinigung zweier oder mehrer Perfonen 
über eine Leillung ober Unterlaflung, wogu zwar feine 
Berpflichtung vorhanden geweſen, die aber darum bindend 
wird, weil eine einfeitige Aufhebung die Willensgleichheit 
der Gontrahenten verlegen würde. 

Aus diefen Erklärungen gehen: weſentliche Folgerun⸗ 
gen hervor. Zuerſt: wie «6 kein amgeborenes Eigenthum 
gibe, gibt «6 auch keine angeborene Rechts⸗ oder Leiſtungs⸗ 
pfliche, fondern nur angeborene negative Rechtspflichten, 
Dflichten der Unterloffung gegen das angeborene oder er: 
worbene Willensgebiet des Anden; denn das einzige Mit 


201 zur Begtuͤndung poſitiver Leiftungepflichten iſt bie 


. Wilienteinigung im Vertrage, der in letter Entwidelung . 


auf dem Staatsvertrage beruht. Werner erhellt daraus, 
daß es auch Peine erblichen Leiftungspflichten oder erb: 
liche Verträge gibt, indem Vertragspflichten nur für Den 


| vorhanden fein können, der den Vertrag eingegangen. 


Inſoſern ſich endlich das Mechtsgefeg nicht felbft ver⸗ 
wirklicht, kein Willkuͤrgeſetz wie das Sittengeſetz, ſondern 
ein erzwingbares Geſetz iſt, auf deſſen Vollziehung jedes 
rechtsfaͤhige Weſen ein angeborenes und unveraͤußer⸗ 
liches Recht hat, ſo muß auch der Menſch ein Recht auf 
Rechtsverwirklichung durch Zwang haben. Dieſe Partie 
nennt dee Verf. im Gegenſatze zu den angeborenen Men⸗ 
ſchenrechten „ Dülfsrechte”‘. Die Deduction ift (Abſchnitt LIT) 
folgende: der Zwang kann ein Zwang zu Reiftungen (zur 
Erfühung unerfüllt gebliebener Werträge, zur Wiederher⸗ 
flellung eines rechtswidrig geftörten Zuſtands) aber aud) 
ein Zwang zur Unterlaffung von rechtswidrigen KBers 
fegungen fein, und darf ohne Rüdficht auf die Größe des 
zu [hügenden Gutes. fo weit gehen, als es für den Zweck 
ber Rechtöbehauptung oder Erlangung nothwendig iſt: 
Was tft aber zu thun, wenn auf diefem Zwangsgebietr 
bedingte und unbebingte Rechte in Colliſton gerarhen ? 
Würde es fih um die Rechtskraft folher Verträge han: 
dein, durch welche Einer auf unveräußerliche Rechte ver: 
zichtet, fo kann von Erfüllung foldyer bie fittliche Be⸗ 
flimmung des Menfchen aufhebenden Verträge nicht mehr 
die Rede feln, fobald der Verpflichtete diefelden nicht meht 
halten will. Allein die Colliſion iſt da wirklich vorhan⸗ 
den, wenn unveräußerliche Mechte nicht anders als mit 
pofitiver und unmittelbarer Verlegung fremden Rechts bes 
bauptet werden koͤnnen. In diefem Falle tritt das Norh: 
recht ein. Das Nothrecht iſt nicht allein im Kalle der 
Nothwehr, ‚fondern fogar im Falle des Notbflande anzu: 
wenden, und wie gerechtfertigt das Nothrecht bei dem 
Einzeinen iſt, zeigt der Staat (dem nämlich der Einzelne 
nad dem Berf. feine Rechte nur Übertragen hat) täglich 
buch die Todesſtrafe, Krieg, Militaireinrichtungen.. In: 
deſſen darf das Nothrecht nur in Anwendung kommen, 
wo das Recht nicht andere bewahrt werden kann; auch 
kann e6 nur Dem erlaubt fein, der ſelbſt das Rechts⸗ 
gefeg befolgt, nicht aber Dem, welcher für eine Rechts⸗ 
verlegung gefeglichen Zwang erleibet. 

(Die Sortfegung folgt.) 





Notices et memoires historiques par F. A. A. 
Zweiter Band. 

(Beſchluß aus Nr. 222.) | 

zweite Memoire ſucht darzuthun, wie Frankreich, ſeit 


Mignet. 


Das 


der Erhebung ber Gapetinger auf den fraͤnkiſchen Thron, gegen 


Barbarcnkberrumpelung gefichert, aus dem Feudalſyſtem 

lg zu monarchiſcher Staatöform, aus ber Aufiöfung und Vers 
einzelung nad und nach zur Feſtigkeit und Ginpeit gelangte. 
Mignet ſchildert zunaͤchſt jene unfeligen Zeiten bes Kampfes, ber 
Berriffenpeit, -Zweiung und Berwirrung, beren unterſcheidenbes 
Beichen if, daß das ſociale Leben ſich krampfhaft zuſammenzietht 
und alle Geſellſchaftsorgane ſich zerſplittern und nach fragmen⸗ 
tariſchem Fuͤrſichſein ſtreben. Nirgend iſt freundliches —* 
anderwirken und Inehnanbergreifen, uͤberall Starrheit und Ges 


genfag. Der Minch kehrt Hinter ben Bapäfleen des Kſers, 
der Adel in feflen Burgen, der Kaufber und Gewerke in wm 
mauerten Städten. Biederum fcheiden ſich die Mönche nach 
verſchiedenen Regeln, bie Ritter thun fich im Verlauf ber naͤch⸗ 
Ken Zahrhunderte in Orden und Bänden, die Bürger in Zuͤnf⸗ 
ten und Güben, die Kuͤnſtier in Bruͤderſchaften und Genoſſen⸗ 
feften gufanımen. Die Könige kaͤmpfen gegen den Wapfl, ges 
gen die Könige lehnt ſich der Abel auf, gegen ben Abel treten 
die Städte in Gegenfag und Spannung. Wenn nun Gefunds 
heit eines Staats nur da iſt, wo die Kräfte gehörig ineinans 
der wirten und bie Gtrömung bes Lebens ungehemmt durch alle 
Glieder geht, Krankheit aber, wo ein lied, durch ein frembes 
@isment aus der Einigung mit dem Ganzen gebracht, in eige⸗ 
nem Thun für fich zu fein trachtet, fo koͤnnen wie dab Leben 
8 Jeudalzeit durchaus nur als ein tief erkranktes anſehen. 

aber wird es fich in den folgenden Wenfchenaltern entweber 
in Anardhie auftöfen, bie der Lob des Staats tft, oder ed wer: 
ven im Verlauf der Benefung und Heilung die fremben Ele⸗ 
mente ausgefegieben und die wirkenden Kraͤfte in (iinkieng ge 
bracht werden. 

Mignet weift nach, wie biefe Ausicheibung und Bufammens 
flimmung vor fich geht, wie unter den vereinigten Einflaͤſſen 
der vömifchen Kirche und des Dienftmannenmwefen® bie vereinzels 
ten, ben Feudalſtaat bildenden Elemente mit bee Zeit ben ya 
meinfamen Ideen von Recht, Ordnung und Unterorbuung fd) 
fügen und im MH. und 12. Jahrhundert einer mehr zufammens 
hängenden Rang: und Gtanbesorbnung weichen. Diele ſchon 
einigermaßen vernünftig gegliederte, aber immer noch ſehr man: 
gelhafte Staats⸗ und Kriegsverfaflung erzeugte die Befreiung 
der Staͤdte und die Bildung bes Bürgerthums, vermoͤge welcher 
armen Elemente die Centralmacht bie unabhängig gewordenen 

soßen Bafallen wieder unter ihre Botmaͤßigkeit brachte. Ge⸗ 

Geeaebung, Verwaltung, Gefittung waren leider noch nicht reif 
far die Einheit bes Staats. An die Stelle dev großen Lehns 
hater traten Die großen Krongäter, bie fogenannten Apanagen, 
die jedoch inſofern ein weſentlicher Fortſchritt waren, als bie 
varfchiedenen Nebenzweige des Capetingiſchen Regentenſtamms, 
welche die alten Provinzialdynaftien verbrängten, durch Ver⸗ 
wandtfchaft, Sprache, Sitten und Erbfolge mit ber Eentralges 
walt näber vereinigt wurben. Was Philipp Auguſt, kudwig 
Ber Heilige und Philipp der Schöne gegen bie großen Lehnäträ 
ger duckpgefegt, unternahm endlich Ludwig XI, mit Gluͤk ges 
die auffägigen Kronträger, und erit dieſem Könige gelang 

es, aus dem unlängft noch engliſchen, deutſchen und —** 
Frankreich einen compacten, einigen Staat zu bilden, ber alsbalb 
Sin Gewicht im europaͤiſchen Staatenſyſtem merktich fühlen Lie. 

Mignet uehnmiet mit ungemein gelehrter und gebrängier 
Kürze diefen pragmatiſchen Gatwidelungsproreß des frauzöfiichen 
Staate, ber vom Ende des 11. bis zum Schluſſe des 18. Jahr⸗ 
hunderts bauerte. Die verfchledenen Phaſen des Kriegs ber Tür 
niglihen Gewalt gegen bie Peubalariflofratie, ben Papft und 
England, die Gründung der Gommanen, bie Einſetzung ber bes 
ſtaͤndigen Parlamente und übrigen Krongerichtsbarkeiten an bie 
Stelle der beweglichen Parlamente und Beudalgerichtsbarteiten, 
be abminiftrative Auskehnung bes koͤnigl. Kiscus — — Kron⸗ 
domainen, die Einführung der Generalſtaaten und feſtſtehenden 
Steuern, bie Anftellung befoldeter Truppen, bie Bulaflung bes 
Tiersetat zur Verfammlung der Reichsſtaͤnde, bie ſittliche Wir⸗ 
Sung der Stadt Paris, die fteigende Cultur unter der auwach⸗ 
$enden Macht bes zechtiprechenden, gewerb » und heubeltusis 
benhen Buͤrgerſtandes, bie Fortſchritte und endiihe Befeſtigung 
der centeaten Gtaatögewalt — find bie Hauptgegenflände, bie 
Mignet in einem Memoire von nicht gang hundert Seiten abs 
Jandelt. Es if wirklich zum Erſtaunen, was biex fuͤr Verdich⸗ 
tung des hiſtoriſchen Stoffe geieiftet worden und wie es möglich 
wewefen, eine ſoiche Maſſe von Facten und Ibesm mit biefer 
Bunbigkeit, Genauigkeit und Klarheit auf eine fo geringe Be⸗ 
genzahl zufammenzubrängen. 


Verantwortlicher Herausgeder: Heinrich Brokhaus. — 


Der Raum dergonut uns 
bes Galvinismus in Genf’ näher fi beleuchten. Dieſes wein 


den, befonnenen ‚. unbefangenen Seſchichtſchreiber gefan 
ſes Memoire ift um fo angiehender, ba es als ein ) 
aus ber größern Geſchichte ber Reformation und der Ligue zu 


betrachten, woran ber Verf. feit langen Jahren arbeitet. 


Ebenfo wenig können wir uns tei der „Einleitung in bie 
Geſchichte des ſpaniſchen Erbfſolgekrieges⸗ aufhalten, bie bereits 
volle Anerkennung gefunben und am Gchiuffe diefes zweiten Ban⸗ 
bed * Bragment aus at großem Quartbänden über bie 

nterhandlungen wegen der [pani rbfol i 
wieder abgedruckt —** an Sun ar unter eutwis KLY 

Die Ausdehnung und Mannichfattigkeit bet in ben anges 
zeigten zwei den enthaltenen Wotigen und Memoirun fehe 
ten eine feltene, von einer unecmeßlichen Sedture genäbete lites 
rariſche Geiſtesthaͤtigkeit voraus. Rur wen: ganz vorzäglidh 
von der Natur ausgerüfteten Geiftern re 66 gegeben fein, 
die Saft einer fo breiten Beleſenheit und —— ſo lei 
und anmuthig zu tragen, die Schachte der Bergongenteit 6 
wmeabrofen zu vbefahren, fo viele 40. Tage 
zu, förbern und babei fo Auͤhend friſch und geſund gu blai⸗ 
ben, in bie Schattenwelt ber Geſchichte hinabz und, was 
man bort gefhaut, in ber Weife großer Geſchichtſchreiber unb 
mit der Eleganz feiner Weltteute wieder zu erzählen. Mignet 
geigt ein wahres Univerfaigenies bie Mille und Mannidfeltigs 
keit von Kenntniſſen, die Kiacheit und beit ber Dar 
ſtellung, die Gefchmeibigleit und Geſchliffenheit der Werbun 
kann man in biefen fo verfchledenartigen, dabei fo viel umfaflens 
den und ſtreng abgefchloffenen' Abhandlungen nicht genug ruͤhmen. 
Es gewaͤhrt ein eigenes Sntereffe, im dieſen zwei Bänden bem 
Berfafler in feinen ſchnell aufeinander folgenden Verwanbiungen 

3 was er auroͤbet, erhallt, belebt, erwaͤrmt und bes 
fruchtet er. Ein er Proteus nimmt er alle Geftalteri unb 
eignet ſich mit Geſchmack alle Gewandungen an; jede Zeit unb 
jeder Repräfentant dieſer Zeit, der einft auf der wechfeinden 
Seltbuͤhne glänzende Lebensvorflellungen gegeben, meint man, 

‚ig fein Seichwort unb Seheimnuiß ins Die gerammt un» 
gs müfle etenfo gut Aber ein politiſchas und phoſtologiſches Weo- 
blem als über einen Fieberanfall und Gewillenscafus Beides 


geben koͤnnen. 





Literarifhe Notiz. 
Erinnerungen aus bem Kürchtaftaate. 

Wir haben vor kurzem eine treffliche Beſchreibang bes Sam⸗ 
poone von Rom aus der Geber bed gemambten liſten 
KCharles Didier angeführt, die ſich namentlich dur ge⸗ 
lungene Naturſchüderungen auszeichnet. Gegenwärtig efhalten 
wir nun ein anderes Wert über die Umgegend von Rom und 
bie p&pftlihen Staaten im Allgemeinen, in dem wie es mehr 
wis dem Menfhen als seit der Natur zu thun haben. „Mir 
weinen die „Quinze ans d’exil dans dos dtats romeins”, nom 
Srafen de Chatilon. Der Werf., ber in feinen anfpruchslofen 
Memoiren obne bie geringft Spur von ſchriftſtelleriſcher Eis 
telkeit auftritt, hat während feines funfzehnjährigen ntbalt® 
in dem Kirchenſtaute bie ſonderbarſten Abenteuer Eins 
mal wurbe er von der ‚Bande ‚des be Binberhaunb 
manns Desafaris gefangen genommen. Wan hielt ipn für 
grcian Bonaparte, in beflen Umgebung er zu leben aflegte. 

hatilfon fpielte die gefährliche Rolle bes Pridzen, damit bicfer 
Diefe Partie feiner Erin 
and ehne Sutereffe leſen. 2. 
tu@ und Berlag von B. A. Broßtaus fe Bripzig. ' 


Seit gewinnen folle, zu entkommen. 
nerungen wird Miem 









Blätter 


fir 


literarifhe Unterhaltung 





Montag, 





Gedanken über Recht, Staat und Kirche von P. A. 


Pfizer. Zwei Theile. 
(Bortfegung aus Ar. 328.) 
Außer den Faͤllen des Nothrechts hat das Geſetz der 
Mechtögleichheit feine volle Anwendung, und jeder Menſch 
bat bei Rechtöverlegungen Anfpruch auf ein unveraͤußer⸗ 
fies Zwangsrecht. Diefes Zwangsrecht umfaßt 1) das 
Recht auf Schadenerſatz, 2) auf Strafe. Die Übertre⸗ 
tung des Rechts kann nämlich einen doppelten Schaden 
herbeiführen, einen fichtbaren, thatfächlichen, materiellen, 
dann einen Innerlichen, ideellen, indem der Verleger eigen: 
mächtig feinen Willen über den des Verletzten erhebt. 
Bei bürgerlichen Rechtsſtreitigkeiten, die Irrthum oder 


Rechtsunwiſſenheit zum Grunde haben, kann nur von 


äußerlicher Verlegung, und folglih nur von Schadenerfag 
die Mede fein. In jedem andern Falle (nf! Ausnahme 
mancher Injurien) iſt die Wieberherftellung des Rechts 
eine geboppelte, wie es die Verlegung war, denn zum 
Scadenerfag tritt die Strafe hinzu, die den unfichtbaren 
Schaden, ber durch MWillenshberhebung entflanden, aus: 
gleichen muß. Das Strafrecht iſt aber ſonach nur ein 
Mecht des Einzelnen, das derfelbe dem Staate (dev Vers 
tragsgefellſchaft, wie ſich fpäter zeigen wird) übertragen 
dat. Der Staat befigt die Strafbefugniß mithin als 
ein Recht, nicht aber urfprünglich als eine Pflicht und 
Rechtsverbindlichkeit. Aus diefem Verhältniffe wird auch 
gefolgert, daß der Staat über den Willen ſelbſt keine 
Strafbefugniß habe, fondern nur über thatfächliche Rechte: 
verlegungen. Mas der Verf. Hierauf über Tendenzver⸗ 
brechen, über politifhe und religiöfe Inquiſition Tagt, 
darin wird ihm Leder, follte er aud andere Anfichten 
über die Strafbefugniß des Staats haben, Recht geben. 
Übrigens Tann fon der Mine wahrhaft keiner Bes 
ſtrafung unterliegen. 

Die Strafe nun barf aber fo weit gehen als ihr 
Mechtögrund und der dadurch bedingte Zweck der Strafe reicht. 
Rechtgrund, und deshalb rechtsmaͤßiger Zweck der Strafe 
iſt die nad dem Mechtögefege erlaubte Ausgleichung des 
vom Berbrecher verurfaihten unfichtbaren Schadens. Die: 
fee Schade jeboch zerfällt wiederum in einen unmittelba: 
ren und einen mittelbaren, In wirkliche Verlegung und 
in bloße thatſaͤchliche Gefaͤhrdung; demnach nimmt auch 
Die Strafe einen doppelten Charakter an. Die unmittel: 


der Bergeltung”. 


bare Verlegung ber innen Rechtsordnung befteht naͤrilſch 
darin, daß der Verbrecher feinen Willen gewaltfam über 
ben bes Andern ſtellt. Erſt nachdem ber Verbrecher ein 
gleichgroßes Übel, einen gleichen Eingriff in feine Willens⸗ 
fphäre von rechtswegen erlitten (oder indem der Berletzte 
auf Senuthuung verzichtet), wird diefe unmittelbare Vers 
letzung aufgehoben. Alfo — Wiedervergeltung. Indem 
aber die verbrecherifche That zur Hortfehung und Nach⸗ 
ahmung in der Geſellſchaft aufreizt, macht fich der andere 
Strafgrund geltend: die Geſellſchaft muß zu ihrer eigen 
nen Sicherſtellung das Verbrechen durch Strafe unters 
druͤcken, fie muß abfchreden. Die Strafe wird darum 
befinirt als „die Wieberherflellung der durch den tie 
berrechtlichen Willen innerlich geſtoͤrten Rechtsgleichheit 
an deren DBerleger mitteld genugthuender und abſchrecken⸗ 
Zu den Huͤlfsrechten gehört enblich 
auch die Rechtsbeſchraͤnkung ber Unmändigen und Gelſtes⸗ 
kranken. Hierbei wird eine Anwendung auf unmändige 
Völker gemacht, die gefährlih und auch unzuldfiig fein 
dürfte; die Voͤlker haben In der Weltgefchichte einen gang 
andern Standpunkt als das Individuum im Staate. 
Es fei uns erlaubt, zu biefer Ausführung einige Be⸗ 
merfungen zu machen. . Das Rechtsprincip des Verf. iſt 
der Wille, der frei fein muß, weil fonft das Sittengefeg 
nicht verwirklicht werden kann. Das iſt alfo ganz und 
gar das Poftulat der praktifhen Vernunft und das 


Rechtsprincip der Kant'ſchen Philoſophie. Um diefte Ko: 


derung des fubjectiven Geiftes nun einen Inhalt zu ges 
ben, ben fie für ſich keineswegs befigt, ſagt unfer Berf. 
zwar, daß die Willensfreiheit ſelbſt ein Theil des Sitten⸗ 
geſetzes fel; allein ungeachtet dieſer Kuferung hat dee 
Freiheitsbegriff immer noch Peine concretere Faſſung er 
halten, denn die Willensfreiheit bleibt das Inſtrument, 
das Medium, wodurch erſt die allgemeine, objective Sitt⸗ 
lichkeit verwirklicht merben fol. Allerdings würde wenig 
auf dieſen dialektiſchen Sprung ankommen, wenn auf 
dem Kant’fchen Standpunkte das Sittengefes ſelbſt nicht 
eine ebenfo formale Koderung bes praktifchen Geiſtes 
wäre, welche ihren Inhalt außer fih bat. Der Menſch 


ſoll frei fein, weil er ſittlich fein fol; welches aber bie 


objectiven Geſtalten ber Sittlichkeit find, dieſe Haupt⸗ 
ſache bleibe für die ſpeculative Erkenntniß des fubjecttven 
Geiſtes ein Problem. Soll darum, wie in ber votlle⸗ 


genden Arbeit, mit der fittlichen Wirküchkeit Ernſt ge: 
macht werden, fo tritt an bie Stelle der philoſophiſchen 
Dialektik ein ſehr aͤußerliches Verfahren, die Analogie, 
ber fogenannte apagogiſche Beweis, oder das Wort „Es 


gibt”, womit die ſittlichen Geſtalten des wirklichen Lebens 


hereingezogen werden. | 

Um nun aber die fubjective Freiheit für alle einzelne 
Subjecte zu retten, das heiße Ihr eine gewiffe Allgemein: 
beit zu geben, erklaͤrt Kant, daß die Freiheit ihre Schran: 
ken und ihre Bedingung an dem Geſetze ber Coeriitenz 
babe: alle Menſchen, alle Subjecte wollen und müflen 
ibeer Beſtimmung nad) frei fein. Kant ſagt geradezu, 
daß Feder nur fo viel frei fein koͤnne, als fi) mit der 
Freiheit aller Übrigen verträgt. Da diefe Allgemeinheit 
jedoch nicht nothwendig aus dem Princip ſich entwidelt, 
fondern auf rein Außerlihe Weiſe durch das Naturgeſetz 
der Coexiſtenz zu Stande kommt, fo ift die Beſchraͤnkung 
der fubiectiven Freiheit auch kein höheres Moment, fon: 
been ein Aufheben derfelben. Das Abfolute, Unbedingte, 
wird ein Bedingtes und finder feine Grenze an einem 
Rußern. Zudem Kant und feine Nachfolger die Freiheit 
fo zu einer relativen machen und unter Alle gleihmäßig 
vertbeilen, um wenigſtens einen Reſt individueller Frei⸗ 
heit zu retten, fo ift die allgemeine Gleichheit wohl be: 
gründet, aber die abfolute Freiheit zerſtoͤrt. 

Pfizer, der diefen Widerfpruch des Principe ſehr wohl 
gefühlt und auch erkannt bat, daß die Kant'ſche Freiheit 
eigentlich nur die Willkür fei, nimmt eine andere Men: 
dung. Er identificirt mit der Freiheit die fittliche Be⸗ 
Rimmung des Menſchen; allein da er defjenungeachret 
bei Dem fubjectiven Bewußtfein verharrt und Freiheit und 
Sittlichkeit nicht als die allgemeine Subftanz, ſondern 
in ber Geftalt des Einzelweſens begreift, fo kann er in 
Wahrheit über die Kant'ſche Rechtsphiloſophie nicht Hin: 
austreten. Den vollfländigen Beweis dafür hat er gege: 
ben, indem er nur urfprüngliche Unterlaffungspflichten 
im Rechte anerkennt, aber Leine Leiftungspflichten, bie 
eben erſt möglich fein Binnen, wenn fi die formale 
Willensfreiheit felbft zur concreten Sittlichkeit fortbe: 
ſtimmt. Der Standpunkt der fubjectiven Freiheit mit 
ihrer Foderung abſtracter Willensgeltung entbehrt des⸗ 
halb ein fuͤr alle Mal und trotz aller Verſicherung auch 
bei Pfizer des wirklichen, reellen ſittlichen Inhalts. 

Was nun die weitere Ausführung des fubjectiven 
Princips bei Pfizer betrifft, fo umterfcheider fie fih von 
dem firengen Kantlaniemus allerdings dadurch, daß in 
the die Subjectivitde dee Freiheit in ihre Außerfte Spige 
ausläuft und Hiermit vollkommen fich felbft aufhebt. 
Kant vertheilte die Frelheit an alle Subjecte, Alle wur: 
ben gleich frei und umfrei. Pfizer erklaͤrt aber, daß 
das Mechtögefeg nur fo viel Freiheit für Alle fobere, „als 
mit der nothwendigen Freiheit jedes Einzelnen beflchen 
kann“. Zuvoͤrderſt if das Wort „nothwendig“ hier wol 
ungehörig, denn es gibt feine unnothwendige Freiheit: 
das Eönnte nur die Willkuͤr ſein. Dann aber gibt er 
duch diefe Erklärung dem einzelnen Subjecte, dem In⸗ 
dividuum, eine höhere Berechtigung als allen übrigen 


lichen ober ‚, materiell” zu madıen. 


we x. 


Subjecten; er muß bamit jene Allgemeinheit, bie burch 
das Geſetz der Coexiſtenz begruͤndet wurde, aufheben. Denn 
wenn bie fubiective Freiheit und das Tubjective Recht nicht 
unter alle Einzelne gleich vertheilt find, fondern ber Eins 


»zeine mis feinen abfoluten Zwecken vorangefleht wich, fe 


find Goltifionen möglich, die zum Machtheil der Rehhhahl 
der Kbrigen Individuen, entfchieden werden‘ müffen. » 

Conſequenterweiſe enticheidet auch Pfizer fo; er rei 
tet in feiner Darftelung bie fubjective Freiheit bes Ein: 
jeinen auf Koften ber Übrigen. So gründet er das Eis 
genthumsrecht außer dem Vertrage auf Beflgergreifung 
und verwirft das gleiche Anrecht Aller auf Wecheifichtis 
gung bei Austheilung der Lebensguͤter. Wir find davon 
auch volllommen Überzeugt; aber im Principe ber Sub⸗ 
jeetioität Liegt, wenn es fich nicht ſelbſt zerſtoͤren fol, 
eine ganz andere Anficht, die, feitbem das Princip ſich 
im Leben zu verwirklichen fuchte, allenthalben zu Rage 
tritt. Auf dem Standpunkte fubjectioee Freiheit, wo 
auch Pfizer das Geſetz der Coeriftenz zugeben muß, haben 
alle Einzelne einen gleihen Anfprudy auf die äußern Er⸗ 
dengüter, und um biefem Anſpruche zu genügen, Tann 
die Befigergreifung und das Beſitzrecht im Sntereffe At: 
(er nicht mehr von dem zufälligen Vorgreifen Einzelner 
abhängig fein, fondern die Erdengäter müffen gleichmaͤßig 
vertheilt werden, bamit Jeder fein natürliches Anrecht 
auszuüben vermag. Um diefer gefährlichen Gonfequenz 
mit Grund zu entgehen, und dody auch auf der andern 
Selte der Mehrzahl einen Schein fubjectiver Freiheit zu 
retten, wird num freilich ber ſpitzfindige Unterfchied zwi: 
ſchen formelle und materieller Freiheit gemacht: nur bie 
formelle Freiheit und Gleichheit fol die allgemeine fein. 
Wie duch das Begriffsfpiel von „‚befchränkt” und „une 
befchräntt”’ der obige MWiderfpruch nicht gehoben ward, fo 
ift auch bier dur eben dieſes Spiel die Freiheit und 
Gleichheit des allgemeinen Subjects im Gegenfage zum 
Individuum nicht gerettet. „Kormell” und ‚materiell‘ 
find Berftandesbeflimmungen am Begriffe der Freiheit, 
die nicht für ſich gedacht und zuertheilt werden Binnen, 
ohne den Begriff felbft aufzuheben; eine Bellimmung 
enthält auch die andere. Wenn ich darum auf Befigs 
ergreifung und Eigenthum ein formelles Recht haben fol, 
fo iſt diefes Recht ein Wort, eine Chimäre, ift mie zugleich 
nicht die Möglichkeit mitgegeben, diefes Recht zu verwirk: 
Kann aber diefe 
Verwirklichung des materiellen Befigrechts eintreten, wenn 
Einzelne ein abfolute6 Befigzecht durch Vorgreifen erlangen ? 
Noch ſchaͤrfer tritt dieſes Aufheben der Freiheit Aller 
duch Geltendmachung individueller Berechtigung im Ga: 
pitel vom Nothrechte hervor. Pfizer. geftatter nicht allen 
die Nothwehr, fondern er fanctioniet audy den Angriff 
anf die Rechte und die Eriftenz Anderer in der auge: 
behnteften Weife im Nothflande. Ich kann nach biefer 
Anficht jeden Dritten niederftoßen, der fich zufällig mel: 
ner Lebensrettung entgegenſtellt. Die Confequenzen, die 
cafuiftifh aus dieſer Art Nothrecht auf die Kreibeit, das 
Leben, die Ehre, auf alle Rechte und Güter der Übrigen 
abgeleitet werden innen, der Kriegszuſtand, der unter 








ten Inbiwidnen fontmähuend. 


wenn bes Einzelne praͤponderirend jeime fusbiectiuen echte: 


fo geltend machen dürfte — muͤrſten ohne weiteres bie 
gteiche Werechtigung Aller auf unangetaſtete Freiheit, auf 
Leben und Ehre aufheben. 

Nur in einem Falle, wo freilich das Princip ber 
Subiectivität zu ſchreiend wit der fittlichen Wirklichkeit 
ſtreiten wuͤrde, kann man Pfizer eigentlich einer Abwei⸗ 
chung vom Princip, einer Conceſſion an ben objectiven 
Geiſt der Sittlichkeit, zeihen: dieſer Fall iſt ſelne Explica⸗ 
tion uͤber die Strafe des Verbrechens. Abgeſehen von 
dem Schadenerſatz, den ber Verbrecher dem Verletzterr zu 
leiſten, und von der Steafdefugniß, die ber Staat zur 
Abſchreckung von Verbrechen haben foll, hat der Einzelne 
das Recht, die Beſtrafung des Verbrechers auszuüben 
ober vom Staate ausüben zu laflen, weil der Verbrecher 
rechtlos feinen Willen über ben des Verletzten erhoben 
hat; der Wille des Verbrecher muß um fo viel herabge: 
drächt werden, als er feinen Willen gegen das Mecht des 
Andern geltend gemacht. Das Strafrecht iſt alfo nicht 
ein echt, weiches der allgemeine, abfolute Geiſt ber 
Sittlichkeit fodert, fondern ein Privatrecht, das der Ein: 
zeine zur Rettung und Anerkennung feiner Willensfrei⸗ 
Heit geltend macht, oder (in der Begnabigung) auch nicht. 
Da nun aber der Staat im Intereſſe der Geſellſchaft 
das Verbrechen unterbrädt und ben Verbrecher unfchäbs 
lich macht, da der Verbrecher uͤberdies den verurfachten 
Schaden ausgleihen muß, fo duͤnkt uns, die Willens: 
freiheit des Verletzten wäre nicht allein gefichert, fondern 
durch bie materielle Ausgleichung, bie bie ideelle mit in 
ſich ſchließt, vollkommen hergeſtellt. Eine fpecielle Be⸗ 
ſtrafung wegen Willensverletzung haͤtte dann keinen an⸗ 
dern Grund mehr als Privatrache, die Pfizer ſelbſt tief 
verabſcheut. Warum, muß man fragen, geſteht der Verf. 
die Strafe als Wiedervergeltung einer unſichtbaren, ma⸗ 
teriell unausgleichbaren Verlezung zu, warum macht er 
ſie zu etwas Hoͤherm und Allgemeinem, da er nach ſei⸗ 
nem Princip kein allgemeines, objectives Recht aner⸗ 
kennt? Ks iſt eben nur eine Conceſſion, die er aber 
nethwendigerweife alsbald zurüdnimmt, indem er dus 
fert, daß mit ber fortfchreitenden Humanitaͤt und Clvili⸗ 
fation an die Stelle der Wiedervergeltung die fittliche 
Brfierung des Berbrechers treten muß. Die fittliche 
Nothwendigkeit der Strafe iſt hiermit voͤlllg wieber auf: 
gehoben. 

(Die Bortfehung folgt.) 





Die neuern Straf⸗ und Beflerungsfofteme. Erinneruns 
gen aus einer Reiſe durch bemerkenswerthe Gefängniffe 
in Algier, Spanien, Portugat, England, Frankreich 
und Holland. Bon Julius Rudolf von M—. 
Mit vier radirten Zeichnungen. Berlin, Veit und 
Comp. 1843. Gr. 8. 1 XThle. 22° Nor. 

Der Berf., den nad feiner Äußerung „das Antereffe für 

Armenpflege, Gefaͤngnißkunde und Straf» und Befferungsprins 

en Seit neben feinen Berufsarbeiten beidyäftigte, 


ber vorliegenden Schrift die Grfabrufigen mit, bie er 


faͤngnißweſen Brauchbares enthält. 





auf einer von ibm alfa bezeichneten Seife „b | 

Gefängniffe” zu machen Gelegenheit fanh. Forint * 
dabei auf ein ſehr einfaches Referiren, das von Zahlen 
und Gitaten und leider oft von einem tiefern Eingehen in die 






Sache fern hält, dagegen aber auf mandyerlei nicht zur Sache 
ie 


gehörige Schilderungen der gefihenen Völker und Länder ſowie 


ber erlebten Reifefata erftredt, ſodaß fich das Wange recht gut, 


lieft, aber verbältnigmäßig wenig für Griminalpolitit und Ge⸗ 
Wir laffen Alles weg, was’ 
ſich nicht auf das eigentliche Thema bes Wuchs bezieht und her 
ben von dem Refle Folgendes aus: 

&. 1—37 Yandelt über den Zweck der Strafe und bie, 
Mittel jur Erreichung deſſelben: etwas flüchtig und nur für 
Enten geichrieben. Nach der Außerung des Verf.: „Ich will bier 
nicht über bie Theorie des Strafrechts fprechen, fondern von’ 
ber Nothwendigkeit, ben unmittelbaren Zweck der Strafe in der 
Beftrafung des MWerbrechers zu erblicken, in ber Verpflichtung, 
ihn unſchaͤdlich zu machen, ihm für das begangene Unrecht, Pi 
die Verlegung fremder Perfonen oder fremben Eigenthums einen 
ihm unangenehmen Zuſtand ber Entbehrungen ald Wiedervergels 


‘tung zuzufügen, um nicht allein ihn für die Zukunft von Wie⸗ 
derholungen, fondern auch Andere, die noch Fein Werbot übers 


treten haben, von Verbrechen abzuſchrecken“, muß man biefen 
Abfchnitt aber auch als von einem Laien gefchrieben betrachten. 
Der Verf. kommt dann auf das Auburn’fhe Syſtem (nächtliche 
Trennung und ſchweigendes Beifammenfein am Tage) und das 
philadeiphiaſche Syſtem (einfame Beſchaͤftigung) und gibt dem 
legtern ben Vorzug, wobei er indeß fobert, daß bei ben vr 
längere Zeit als ein Jahr Sondemnirten bie einfame Haft na 

Verhaͤltniß der erreichten Beſſerung abgekürzt und ber Straͤf⸗ 
ling nach ausgehaltener Strafzeit nicht in Freiheit gefeht, ſon⸗ 
dern hierzu erft durch Detention in einer Smangsarbeitscolonie 
(wie in Holland in den Zwangs⸗ und Armencolonien unb in 
England im Model prison bei London) vorbereitet werbe. Hieran 
knuͤpfen fi) Vorſchlaͤge zu Anlegung foldger Colonien für Preus 
Ben in ben Daibeftreden der Provinzen Preußen und Pommern. 
Bei alle Diefem läuft die Idee einer Straf: und einer Gorrecs 
tionsanftalt zufammen. In eigentiien Strafanftaiten kann 


man gar nicht annehmen, daß eine moralifche Befferung — uns 


tee welchem Ausdrude man weiter nichts verſteht als bie Ge⸗ 
wöhnung an ein arbeitfames und ordentliches Leben — bei als 
len Gträflingen zu beabfichtigen fei, weil man nur eine einzelne 
That beftraft. Man kann daher nicht auf eine vollgogene Preis 
beitöfteafe, rein um ben Beſſerungszweck zu erreichen, noch eine 
zweite, in der Zwangscolonie zu vollziehende folgen laſſen. Die 
Dauer beider Pönnte ſich nur nad dem Grfolge bei ber Er: 
reihung des Befferungssmedes richten und wäre durch ein richs 
terliche® Urtheil gar ide abzumeflen. Der Verbrecher muß bes 
ſtimmt voraus willen, wann feine Strafe endet, ſonſt enthält 
biefe eine unverhältnißmäßige Grauſamkeit. Man könnte daher 
nur in befondern Faͤllen ben Verbrecher fpäter im Wege ber 
Abminiftration als Gorrigenden in eine VBefferungsanftatt ſchaf⸗ 
fen, und bergleichen Anftalten beftehen bereits mit gutem Er⸗ 
folge an manchen Orten. Daß man Swangscolonien anlege, 
die den Sandbau zum Zwecke haben, ift durchaus nicht räthlich. 
Solche Colonien koͤnnen ſich ohne die enormften Geldzuſchuͤſſe 
von Seiten bes Staats nicht Halten. Guten unb einträglichen 
Ader hat man für fie nicht disponibel, man muß alfo wuͤſte 
Streden nehmen, und hier werben durch ben Ertrag bie Koften 
nicht gebedit. Deshalb find bie belgiſchen Armencolonien eins 
gegangen. 
Was die Notizen des Berf. über einzelne Strafs und Cor⸗ 
rectionsanftaiten betrifft, fo iſt das uͤber den Bagno in Toulon 
Gefagte bereits aus manchen andern Relationen befannt. Nicht 
fo bekannt find die Ginrichtungen der Prison militaire in ben 
Safematten ber Porte de la ravine zu Algier. Daſſelbe ent« 
ifchen 13 — 1500 Gträftinge, deren Beſchaͤftigung 

in öffentlichen Arbeiten an Bauten, Kandien und Bartenanlas 
gen je nach bes Faͤhigkeit der Ginzelnen beftcht. Der Verluft 





1466 


der militairiſchen Ehre iſt mit der Detention in dieſer Anflaft, 
die bie zu ſecht Jahren dauern Tann, nidht verbunden: das Bes 
mertenswerthefte dabei ift aber die firenge Disciplin und banes 
ben wieder die Sorge für allerlei aus andern Gefaͤngniſſen ver: 
bannte Lebensannehmlichkeiten.. Das ‚Gouvernement bezahlt für 
die Arbeiten eines jeden Sträflinge täglih 100 Gentimes, wor 
von ein Drittel für den Unterhalt, ein Drittel für Adminiſtra⸗ 
tionstoften bereihnet, das letzte Drittel aber bei Sträftingen, 
die Verbrechen an fremden Gigenthume begingen, zur Entſchaͤ⸗ 
digung der Damnificaten, umd bei andern für dieſe felbft ber 
flimmt wird, fodaß fie ſich bei „guter Aufführung dafür Eß⸗ 
waaren und Lurußartifel in zwei am Apellplage befindlichen 
Buden Faufen dürfen. Bei der Belöftigung, bei der Adminiſtra⸗ 
tion und der Ginnahmes urd Ausgabeberechnung affiftire eine 
Deputation der Gträflinge, die dieſe unter ſich wählen. Außer: 
dent befindet fi im Befängniffe ein Theater, auf welchem bie 
Sefangenen Sonntags um ein Entree von lo Centimes Bors 
ftellungen geben. Bei des Verf. Anwelenheit warb gerade 
„Das Glas Waffer und „Lucretia Borgia“ einftudirt. Die 
Disciplinarftrafen find dagegen ſehr ſtreng. Man hat drei Abs 
flufungen : zuerft Ginfperrung in dunkle Safematten, dann in 
Heinen Cachots, die fo eng und fo conftruirt find, daß ber 
darin Wefindliche feinen Körper in eine nicht zu verändernde 
fpiratförmige age bringen muß, um fi) überhaupt nur zu plas 
ciren. Der britte Brad beſtedt in zwei⸗ bis dreimonatlichem 
ununterbrochenen Feſtliegen auf einer Pritfche in einem bunteln 
Raume, wobei bie Fuͤße in einen Biod gefpannt find. Die 
Gefangenen find nach dem überſtehen dieſer Strafe längere Zeit 
völlig gelähmt. Die Grauſamkeit diefer Procedur entſchuidigen 
die fen ofen damit, daß doch die Ehre confervirt bleibe, weiche 
durch Schläge verloren gehen würde. 

Bemerfenswerth tft ferner die @inrichtung des großen, 6— 700 
Detinizte faffenden Unterfucdyungsgefängntffes zu Barcelona. Das 
Gebäude war früher ein Kiofter und bildet ein vier Stockwerke hohes 
Auarre. Den Gefangenen wirb nach dem Princip bes fpas 
nifchen Criminalproceſſes, vor ber Berurtheilung Niemanden als 
Verbrecher zu behandeln, alle irgend mögliche Freiheit gelaffen: 
fie behalten Geld und Waffen und dürfen Beſuch a: 
men u. f. w., und eine Abfonderung findet nur in den wid» 
tigften Fällen flatt. Mitten auf der, dem Bauptgebäude gegen: 
überftehenden großen Dauer befindet ſich ein Blashäuschen, 
weiches von allen Zenftern der @efärigniffe gefehen werben kann, 
und zum fonntägtichen Meffelefen dient. Die Zahl ber Bes 
föngenen war 6/8, worunter 22 Frauen: ein Verhaͤltniß ber 
Männer und Weiber (1:30), weiches ſich in allen fpanifchen 
Gefängniffen wiederholt. In Valencia befuchte ber Verf. das 
Zuchthaus, weiches im 3. 1835 in dem fchönften und größten 
Ktoiter ber Stadt, dem ber Auguftiner, eingerichtet wurbe. 
- Das Gebäude zeichnet ſich durch Reinlichkeit und aͤußere Ele⸗ 
ganz aus und enthält 1121 Straͤflinge. Seine innere Disciplin 
it militairiſch. An der Spige ftehen ein Oberſt und ein Major 
mit zwei Adjutanten, ein Kourier, ein Kaplan, ein Arzt und 
ein Chirurg. Je bunbdert Gefangene flehen unter einem Cor⸗ 
poral, dem fünf aus den Gefangenen genommene Unterauffeher 
behälftich find. Die Sträflinge werden mit großer Regelmäßig: 
keit zu allen möglichen Arbeiten angehalten. Der Verf. fand 
Schuhmacher, Schneider, Sattler, Tiſchler, Klempner u. f. w. 
in voller Thaͤtigkeit. Der Erloͤs wird in drei Theile getheilt: 
den einen belommen bie Sträflinge, um fidy dafür Meine Bes 

uemlichkeiten zu verſchaffen, der zweite wird ihnen bis zur 

ntlaffung aufgefpart und ber dritte zu ben Abminiftrationes 
toften genommen, weldye dadurch faft ganz gebect werben. Das 
Verhaͤltniß der Rüdfälligen betrug etwa acht Procent. Eben⸗ 
falls vortrefftiich eingerichtet fand der Berf. bie Gefängniffe ber 
Galeerenfträftinge in Alicante und das Weibergefaͤngniß in Gars 
tagena; das Policeigefaͤngniß in Malaga war dagegen im al: 
Iertraurigften Zuſtande. CEbenſo abſchreckend find bie Schil⸗ 
derungen der Gefaͤngniffe zu Liſſabon. Die Regierung hat die 
ganze Sache in Entrepriſe gegeben und zahlt einer Geſellſchaft 


Berantwortlicher Deraubgeber: Heinrich Broddaus. — Drud und Berlag von 8. U. Brodhaus in Leipzig. 





Anterefient iſt die 
Kuſſel's Angaben angeleg 
follen die Verbrecher gebeflert und nicht geſtraft werben; man 
wählt daher ans ben zur Deportation Verurtheilten Dies 
jenigen, welche Hoffnung zur Beſſerung erweden, aus, und 
fie fi) im Medel prison bewährt 


D 

ap, fenbern nach den fen Goionien in Amelie 
und Auſtralien. Die Beſſerung foll im Model prison durch vdi⸗ 
liges Iſoliren, Arbeit als. Belohnung, Umgang mit Geiſtlichen 
und Mitgliedern von Wefferungsvereinen und Unterricht und Recz 
ture heuveigeführt werben. Das Gebaͤude ift völkig zweckmaͤßig 
eingerichtet und es laͤßt ſich gegen das Ganze nichts weiter eine 
wenden, als was überhaupt gegen ein Syſtem der völligen Ifos 
Iirung einzuwenden ifl. Xortrefflich find die Ginrichtungen bes 
Gefängniffes Roquette zu Paris, welches 545 Sträflinge ent⸗ 
hielt, welde am Zage zufannmen arbeiten und Nachts ifoltrt 
werden. Daß übrigens, nad) ber ng bes Fährers 
bes Verf., jeder Straͤfling, ber einmal in die Roquettr geben 
men, nicht wieder, wenigftens nicht auf Lange Zeit, hinaus 
tomme, und daß das Verhaͤltniß ber Rüdfälligen 7U Procent 
betrug, liegt wohl im gefellfhaftiichen Zuſtaͤnden, gegen welde 
Gefängniffe nichts helfen. Die berühmte Prison des jeunes de- 
tenus in Paris, weiche bee Verf. ferner befcheeibt, biibet ein 
Sechseck, von defien Winteln Geltengebäude auf ein Sentrals- 
haus laufen, und enthält 4— 500 verwahrloſte —A oder 
auf Antrag der Altern eingeſperrte Knaben von IO— i8 Jab⸗ 
ren. Die innere Einrichtung iſt auf voͤllige Abgeſchloſſenheit in 
a berechnet, und bie Detinicten werden burch Arbei⸗ 
ten beſchaͤftigt und von ben GSorridors aus, auf weiche bie mit 
Klappen, verfehenen Thuͤren ber Zellen führen, unterrichtet. 
Daß das Ausjehen fämmtlider Gefangenen bleich und elend if, 
baß ihnen jugendliche Regfamkeit und Brifche fehlt, mag dem 
Jfolirungsfofteme zugufchreiben fein. Am luffe liefert der 
Verf. noch einige Notizen über bie hollaͤndiſchen Armencolonien. 
In diefen, von bem General van den Bold im 3. 1818 enger 
legten Colonien finden fi drei Claſſen von Bewohnern: im 
Ommerſchanz Bettler und Vagabunden, in Veenhuyzen Waifen 
und Zindlinge und in Zreberitsort freie Anſtedler, welche Acker⸗ 
bau treiben und im Winter in Fabriken arbeiten. Die Summe 
ſaͤmmtlicher Gotoniften betxägt 11,480. Die Beidkftigung einer 
fo großen Anzahl von Menſchen, welche ohne diefed der Gefelle 
ſchaft laͤſtig und gefährlich würben, ift für Holland eine große 
Wohithat, leiber geht aber bad ganze, von einer Sompagnie 
unternommene Werk feinem Untergange entgegen, feitvem bie 
Zufchuͤſſe der Regierung und die frehwilligen Beitrd 


NO 
die Fünumttichen —2 
— 


ben und das Deficit an den Einnahmen unb bie bereits über- 
500,000 Guiden betragende Schuldenlaſt in fortwährendem Gteis- 
gen begriffen find. 4, 





Literarifche Anzeige. 


In meinem Verlage erſchien ſoeben und ift in allen Buch⸗ 
banblungen zu erhalten: 


Der dritte September 1843 


Ath en. 


Bon einem Augenzengen beschrieben un» mit der 
betreffenden Actenstücken begleitet. 
Bu 8. Geh 12 Mer. 
Reipgig, im November 1843. 
" F. A. Brockhaus. 








iträge aucblei⸗ 


— —— — ee VE 411 











Blätter. 


ehr 


literariſche Unterhaltung. 





Dienſtag, 





Gedanken uͤber Recht, Staat und Kirche von P. A. 
Pfizer. Zwei Theile. 
(JZJortſeung aus Nr. 32.) 

Die zweite Hauptabtheilung des Werks handelt vom 
Staate. Hier tritt der Standpunkt der Subjectivitaͤt 
mit befonderee Schroffheit hervor, denn der Verf. ift 
überdies ein zu felbfländiger und überzeugungstreuer Cha: 


after, als daß er die Gonfequenzen des Principe nicht . 


geltend machen oder viel Fremdartiges aufnehmen follte: 
er würde der Kreiheit feiner Anficht nach etwas vergeben, 
mollte er dieſelbe nicht in Form des Einzelwillens durch⸗ 
führen. Der Staat ift ihm darum nicht die Wirklich: 
Zeit des allgemeinen, objectiven Geiftes, nicht die Lebens: 
geftalt, der Jeder angehören muß, wenn er zur vollen 
Sreiheit gelangen will, fondern ber Staat iſt ihm bie 
willkuͤrliche, hoͤchſtens nur Außerlich bedingte Willenseint: 
gung der Einzelnen — der Staat ift ein Vertrag. Der 
Selbſtzweck des Staats iſt fo aufgehoben; fein ganzer 
Inhalt fälle in das Einzelmefen zurüd, der zufällig mit 
dem Willen aller übrigen Einzelnen übereinftimmt. 
die Stelle des Staats treten fo In Wahrheit bie perföns 
lichen Zwecke, die buͤrgerliche Geſellſchaft, mit ihren ver: 
ſtaͤndigen Inftitutionen. 


Der erfte Abſchnitt entwickelt den Begriff des Staats. 


Daß der vernunftmäßige Staat auf dem Vertrag beruht, 
foll die Rechtsordnung beweifen, die Gehorſam fodert. 
Da e6 nämlich) feine angeborenen, urfprünglichen Leiſtungs⸗ 
pflichten gibt, weil Feine urſpruͤngliche Willensgleichheit 
unter den Menfchen flattfindet, fo kann bie pofitive Ver: 


bindlichkeit zur Leiflung und zum Gehorfam auch beim. 


Staate vernunftrechtlich nur durch Vertrag gefchehen. Der 


Staatsvertrag ift weiter vernunftrechtlich nur ein Geſellſchafts⸗ 


vertrag, kein Dienſtbarkeitsverhaͤltniß, denn der Staateblirger 
will und erfüllt im Staate feine eigenen Zwede, während ein 


Diener auf das Geheiß und für die Zwecke feines Herrn - 
allein thätig ifl. Der Stautsbürger, als Mitglied einer . 
Gefellſchaft für ſelbſtgewollte Zwecke, kann darum nur der : 


Gefammtheit oder deren Vertreter Gehorſam ſchuldig fein, 


und die Stantsgewalt (das Recht, zur Erreihung bes . 
ſtaatsgeſellſchaftlichen Zwecks das Erfoderlihe ins Werk 


zu richten) iſt, wie jede andere Geſellſchaftsgewalt, für 
den Gewaltträger nichts Eigenes, fondern ein anvertrau: 
16. Demnach gilt das Staatsoberhaupt gleich jedem 


| r. 325. — 


abgewieſen. 


An, 


21. Rovember 1843. 


Y 


Geſellſchaftsvorſtande blos als das Haupt und der Bevoll⸗ 
mächtigte der Geſellſchaft, und der Patrimonialfiaat und 
beffen verfchledene Theorien find damit vernunftrechtlidh 
Pfizer macht Überdies auch einer andern An⸗ 
ficht eine fcheinbare, Conceffion, indem er die Naturnoth⸗ 
wendigkeit des Staats zugefteht und das Clement der 
Mationalität gelten läßt; allein es ergibt fich bald, daß 
er nur die äußere Naturnothwendigkeit, und den Inſtinct, 
den frühern Socialitätstrieb, verftanden wiſſen will. 


Um dem Wefen der Staatsverbindung näher zu kom⸗ 
men, wird nun unterfudt, wie fih die Staatsgefellfchaft 
von allen andern Gefellfhaftsverbindungen unterfcheidet. 
Dee Staat — heißt es — ift die Urgefellfchaft, die Grund⸗ 
lage, aus der alle andern Gefammtleben ihren Urfprurig 
nehmen; er iſt mithin nicht allein ein Rechts⸗ und Kies 
densverein, obgleich diefer Zweck natuͤrlich obenan ſteht, 
ſondern er kann (wenigſtens eventuell) als der Inbegriff 
aller Lebenszwecke auch die Erreichung aller andern Ges 
fammtzwede betreiben. Inſofern aber die ganze Summe 


denkbarer Gefammt = und Sonderzwede nur auf einer 


allgemeinen; und nothwendigen Ordnung und Gliederung | 
des menfhlihen Beiſammenlebens gegründet fein kann, 
fo tft der erfle, zwar nicht ausfchließende, aber Alles bes 
dingende Zweck des Staats — die Rechtsverwicklichung. 
Jede andere Gefellfhaft verwirklicht nothwendig nur ir 
gend ein befonderes Recht ihrer Mitglieder: die Ehe das 
Recht der Gefchlechtsverbindung, bie Kirche das Recht 
der Gottesverehrung; allein nur der Staat verwirks 
licht nothwendig alle Mechte feiner Angehoͤrigen und 
macht dadurd die friedliche Coexiſtenz und den Berfolg 
aller übrigen Geſellſchaftszwecke erft möglich. Aus dieſem 
hoͤchſten und erften Zwecke des Staats als eines Rechte: 
vereins folge nun 1) daß er als unabänderlihes und 
endgültiges (fouveraines) Organ des Geſammtwillens nur 
die Stimmenmehrheit als maßgebend anerkennen muß. 
In der Staatsgefellfhaft nämlich, welche bie Verwirkli⸗ 
hung des Rechtögefepes zum Zwecke hat, muß die Stimme 
des Einen fo viel als die Stimme des Andern, mithin 
die Stimmenmehrheit mehr gelten (melde Solgerung wir 
eben nicht einfehen) als die der Minderheit, fonft wäre 
die Gleichheit verlegt und der Staat kein Rechtsverein. 
Wollte man meinen, daß ſchon bie bloße Unterordnung 
des Einzelnen unter die Mehrheit gegen das Hecht fireite, 


fo wärbe man bie natürliche Gleichheit, die im außerge⸗ 
ſellſchaftlichen Zuſtande beſteht, mit der geſellſchaftlich⸗ 
ſtaatsbuͤrgerlichen verwechſeln, die nur bei Unterwerfung 
unter Stimmenmehrheit beſtehen kann. Wollte ein Staat 
auf die Stimmenmehtheit Heine Ruͤchſicht nehmen aber 
darauf verzichten, fo wiude er feine Rechtsanftelt, feine 
Glieder keine Rechtsfubjecte mehr fein; der Eintritt in 
einen folhen Staat würbe mit dem Preisgeben der Wil: 
Iensgeltung und dem Verluſte aller Menfchenrechte er: 
Lauft werden. Wenn nun aber die vom Rechtsgebote 
ber Gleichheit unzertrennliche Geltung der Mehrheit zum 
Begriffe und Weſen jedes Staats als eines Rechtsver⸗ 
eins gehört, fo ift diefe Gleichhelt ebenfalls auch ein un: 
veräußerliche® Recht des Staats oder der Staatögefammt: 
beit felbft: und darum iſt der Staat 2) die einzige mit 
unveräußerlihen Rechten ausgeftattete Geſellſchaft. Das 
Recht eine Familie zu gründen, das Recht auf die Mit: 
gliedfhaft einer kirchlichen Gemeinſchaft — das Alles 
konn ber Menſch unter Umfländen ohne Selbſtvernich⸗ 
tung aufgeben, aber dad Recht in einer Rechtsgemein⸗ 
fhaft zu fichen, eine Perfon, ein Rechtsfubject zu fein, 
befien kann fi ein Menſch und unter keiner Bedin⸗ 
gung entäußern. Nach diefen feinen hoͤchſten Gigenfchaf: 
ten befigt aber ber Staat das hoͤchſte Recht auf Leben, 
Sreipeit und Ehre wie keine andere Geſammtperſoͤnlich⸗ 
keit, und er kann nur aufhören durch einen rechtsguͤlti⸗ 
gen Entſchluß dee Geſammtheit, vefpective Diehrheit, oder 
in Kolge von Rechtsverletzungen, die feine Aufhebung 
durch andere Staaten aus Nothwehr fodern. 

Ein zweiter Abfchnitt fest die Staatsgewalt näher 
auseinander. Wie jeder Verein, muß auch der Staat 
ein Organ bes Gefammtwillens haben, und dieſes Drgan 
kann, wie ſchon gefagt, im Staate, ber zuerit Rechts: 
verein iſt, nur die jeweilige Mehrheit fein; jedes andere 
Verbältnig iſt gegen die rechtliche Gleichheit. Diefes 
Princip der rechtlichen Gleichheit wirb auch nicht aufge: 
hoben, wenn ſich der Staat zum Wohlfahrtöverein, Cul⸗ 
turverein u. f. w. erweitert, Denn jeder andere Zweck ift 
ja erft auf den Rechtsverein gegruͤndet. Allein auch bie 
Mehrheit kann die Staatsgewalt nicht als ein ſchlechthin 
Eigenes, fondern infofern als Anvertrautes ausüben, als 
fie auch die Minderheit und die Nachkommenſchaft ver: 
tritt. Der durch die Mehrheit ausgefprochene Geſammt⸗ 
wille ift deshalb auch nur formell allmaͤchtig, materiell 
unterliegt er erheblichen Beſchraͤnkungen. Was bie Thaͤ—⸗ 
tigkeit und Wirkſamkeit diefer Staatsgewalt betrifft, fo 
kann ihre wefentlihe Sunction nur die Erlaffung von 
Sefegen (im weiteften und nicht blos technifchen Sinne) 
fein, denn die vollziehende Gewalt iſt die praktifche Seite 
der Geſetzgebung und fällt, obfhon an verfchiedene Sub⸗ 
jecte vertheilt, mit derfelben zufamınen. Die Frage aber 
nach den Rechten und Pflichten der Staatögewalt ift fo: 
mit ganz gleich der Frage, wie die Staatsgefege vernunft- 
rechtlich befchaffen fein muͤſſen. Die Antwort liegt in 
der Vertragsnatur des Staate. Nach berfelben kann 
I) im Staate nichts als Geſetz gültig fein, was als 
Vertrag ſchon ungültig iſt; II) aber kann kein Gefeg zu 


Recht beflchen, welches bem vernünftigen Staatewed 
widerfprihe, wenn bie Sade auch an ſich Begenfland 
eines Vertrags fein koͤnnte. Aus biefen beiden Grund⸗ 
fügen ergeben fich folgende wichtige praktifche Folgerungen: 

1) Da die Verwirtikhung bee. Rechtszeſetzes erfier 
Staatszweck (das heißt des vernünftigen Staats) if, fe 
muß dem Staate und frinem Zwecke jedes Gefeg zuwiderlaus 
fen, welches die Minderheit der Staatsgenofien gegen ihren 
Willen nad) anderm Rechte behandelt als nach dem der Mehr⸗ 
heit ſelbſt. Mur wenn die Minderheit ſelbſt mit dieſer Un: 
gleichheit einverflanden, mithin bie gleiche Willensgeltung 
nicht verlegt ift, find materielle Ungleichheiten dem vernünfti: 
gen Rechtögefege nicht zuwider. Vollſtaͤndige Stimmenein⸗ 
heit iſt hierbei nicht nothwendig, denn auch in der Minderheit 
gilt die Mehrheit. Auch kann die UÜberrinſtimmung durch 
Stillſchweigen ſchon angenommen werden. Ferner kann 
es nicht als Unrecht gelten, wenn einzelne Claſſen der 
Staatsgenoſſen, wie die ganz Armen, Bildungsloſen u. f. w. 
ohne ihre Einſtimmung von der Staatömehrheit in ihrem 
Rechten aus dem Grunde befchränkt werden, weil fie 
keine oder nur geringe Leiftungsfähigkeit befigen. Enb⸗ 
lid) verlegt die Mehrheit die formelle Rechtsgleichheit im 
Staate keineswegs, wenn fie im Staatsintereffe einer 
Minderheit mehr Rechte als den übrigen Glaffen verſtat⸗ 
tet, denn felbfigewollte und ertheilte Bevorzugung ift kein 
Unceht; nur wenn die Mehrheit zum Nachtheile einer 
Minderheit Borrechte in Anſpruch nimmt, findet das pri- 
vilegium odiosum ſtatt. Nach diefen Grundfägen ent: 
feier fi) die Judenfrage, die Ausfchließfung mancher 
Individuen und Claffen von der Gefeggebung von felbfl. 

2) Jeder Staatsbürger hat einen Anſpruch auf Schus 
und Erhaltung feiner nach den beftehenden Gefegen ein» 
mal erworbenen Rechte, fodaß als rechtsverlehzend und 
dem Staatszwede widerfprechend tuͤckwirkende Gefege an⸗ 
gefehen werden müfjen; denn der Vernunftſtaat hat die 
Sewährleiftung der Einzeleehte übernommen, und ſelbſt 
Strafgefege dürfen nicht rüdwirken. 

3) Muß dem Einzelnen das Recht des Austritts 
ober der Auswanderung aus dem Staatsuerbande zu⸗ 
ftehen, weil der Staat als Rechtsverein alle Rechte, 
auch das des Zuruͤcktritts in den Stand natürlicher Frei⸗ 
beit und Gleichheit übernommen bat. Selbft der Wie- 
bereintritt muß freifteben. Freilich darf dabei das Staats: 
gebiet felbft keine Werlegung erleiden, fonft würde bie 
Eriftenz des Staats gefaͤhrdet fein. 

4) Mie jedes Gefeg, fo darf befonders das Verfaf- 
ſungs- odet Örundgefeg, durch welche das Drgan der 
Staatögewalt beftimmt wird, dem vernünftigen Staats- 
zweck nicht widerſprechen. Die Erlaffung ſolcher Geſetze 
kommt vernunftrechtlich nur der wahren fouverainen Macht, 
ber Volksgeſammtheit, vefpective der Mehrheit zu; ver= 
möge der conflituirenden Gewalt entfcheidet biefeibe, ob 
fie die Staatsgewalt durch das Organ der Mehrheit aus- 
üben, oder mit deren Ausuͤbung einen Einzelnen oder 
eine Regierungsbehöcde betrauen will. Wollte die Ge: 
fammtheit diefes ihr hoͤchſtes und weſentliches Recht uns 
widerruflich übertragen, fo müßte die Mehrheit für immer 


aufhören, freies Qugan des Meſammewillens zu fein, bie 
Stoatögefellichaft Wirte ihre Perſoͤnlichkeit verloren um 
wäre vernichtee. Mithin kann die Gewalt, weiche dem 
Einzelnen oder einer Behoͤtde von der Gelammtheit Fibers 
teagen wurde, nur ein widerruflicher Auftrag fein. Ob: 
ſchon nun aber der Geſammtheit das unverdußerliche 
Recht zuſteht, über alle Ungelegenheiten zu entſchei⸗ 
den, fo iſt doch die Widerruflichkeit, die fie aushden 
kann, niche unbeſchraͤnkt und willkuͤrlich, man würde 
ſenſt Unveraͤußerlichkeit mit Unbeſchtaͤnkbatkeit verwech⸗ 
fen. Wie beim Individuum, unbeſchadet der Unver⸗ 
außerlichkeit feiner angeborenen Mechte durch rechtogüͤltig 
eingegangene Verpflichtungen ber verfchiedenften Art, diefe 
Rechte befchränkt werden können, fo kann auch nothwen: 
dig der Staat befchränkende Verpflichtungen ſowol gegen 
Auswaͤrtige als gegen. Stantdgemoffen eingeben, ohne fein 
Mecht zu vergeben. Diefe Verpflichtungen einer Staats⸗ 
gefammtheit innen erftlih in Verträgen mit Einheimi: 
Shen oder Fremden beflehen, die einzelne in der Staate: 
gewalt begriffene Handlungen betreffen; zweitens kaum 
die Werpflichtumg eine zeit: umb theilweife Übertragung 
der Staatsgewait zu flellvertretender Ausuͤbung un ein 
anderes Subject al& die Mehrheit, weiches audy ein frem: 
der Regent oder Staat fein kann, enthalten. Fragt man 
aber nach der Zeitdauer einer foldyen libertragung unbe⸗ 
ſchadet des unveräußerlichen Rechts, fo läßt fidy dies nur 
aus der Analogie des Staats mit einer Einzelperfom be: 
antworten. Die Einzelperfon darf ein ſtrenges Dienft: 
verhaͤltniß nicht auf das ganze Leben ausdehnen, alle 
auch der Staat nicht für die ganze Dauer feiner Eris 
ſtenz. Am nataͤrlichſten iſt daher für das Staatsrecht 
die Beſtimmung, daß nad dem Ableben bes durch die 
Mehrheit gewählten Staatsoberhaupts die Staatsgewalt 
amd das Recht der mweitern Verleihung an die Geſammt⸗ 
heit wieder zuruͤckfaͤlt. Eine ſolche linterwerfung einer 
anfterbiichen Gefammtheit bis auf die Dauer eines Men: 
ſchenlebens, auch wenn die Unterwerfung unauflündbar 
fein ſollte, ift darum wol eine Beſchraͤnkung ber Ge: 
fammtfreipeit, aber. keine Veräußerung derſelben. Wol 
‚aber iſt es eine Veräußerung der Geſammtfreiheit (be: 
ziehungsweiſe der fouverainen und conflitufrenden Gewalt 
der Mehrheit), wenn die Sefammtheit ſich unwiderruflich 
einer wie fie ſelbſt unfterblichen Geſammtheit unterwirft, 
einer Geſammtperſon, Kirche, Gemeinde, einem auswaͤr⸗ 
tigen Staate. Im dieſem Falle gilt die Übertragung am 
natärlichften Bis zum Heranwachſen einer neuen Gene: 
ration, die dann ihre Recht wieber in Anſpruch nimmt; 
oder wenn man ja fein Vertragsrecht verlegen wollte, 
muß die Oberherrſchaft mit dem Tode des letten Mit: 
glieds, das zur Zeit des Vertragsabſchluſſes ſchon am Les 
ben war, erlöfchen. Im Gegentheil wäre das unverdußer: 
liche Recht der Geſammtheit und mithin der Staat ſelbſt 
vernichtet. Wenn aber nicht eimmal eine wirkliche, wahr 
baftige Gefammtperfon ein unmidereufliche® Recht auf 
Ausübung der Staatögewalt vernunftrechtli erlangen 
ann, fo iſt dies noch viel weniger ber Kal bei fogenann- 
ten und nur vermeintlihen Gefammtperfonen, wie die 


\ 


Foaͤrſtenhaͤuber mid Dynefiten find. Eine Doywafie -iE 
feine Sefammtperfön, denn fle hat keine Geſammtzweck 
Mintel u.f.w. Kein Stammveter kann daher bie Ciranebs 
gewwalt im voraus für ale feine Nachlommen erwerben, 
fondeen jede Nachfolger in der Regiernug ſetzt eine neue 
Übertragung der Staatsgewalt und eine befondere Ertvess 
bung burch dem Nachfolger voraus, und zwar durch Ber⸗ 
trag. Moͤglicherweiſe kann allerdings auch der Threufol⸗ 
ger ſchen bei Lebzeiten ſeines Vorgängers ein Necht auf 
die Nachfolge erwerben, wenn ihm vor zingetretener Thron⸗ 
erfedigung die Geſammtheit die Nachfolge’ zuſpricht; auch 
voird- nicht gelengnet, daß die Gtaatsgefelfehnft auf Aus 
besung oder Widersuf des Thronfolgegeſetzes flilifchweigend 
verzichten fann. Allein aus der bei Lebzeiten ded Bons 
gängers nicht erfolgten Zuruͤcknahme des Gefehes kaun 
ein im Augenblide feined Todes ſchon erworbenes Reche 
auf die Nachfolge niemals abgeleitee werden. Gin Recht 
auf die Regierung erhält alſo der jedesmalige Thromfobe 
ger erſt durch einen, mit der fonverainen Geſammtheit 
(ausdruͤcklich, oder vermoͤge canclubenter Handlungen) abs 
gefchleffenen Vertrag, und die Wirkung eines die Ehren» 
folge beftimmenden Gefetes kann nur die fein, daß die 
Geſammtheit {hen ihre Zuſtimmung fr gegebew erklaͤrt, 
wenn fie die Huldigung und die Ihrenbefieigung ohne 
Einfpruch vor fich ‚geben Lift. Die Beis der Thronbes 
fleigung ift daher der Zeitpunkt für den möglichen Wis 
derruf, auf den die Staategelelifchaft ein Recht hat wie auf 
ide Dofen. Go gewiß nun aber ber Unveraͤußerlichkeit 
dee Staatsgewalt wegen Alles, was bie Verfaſſung eines 
Staats betrifft, Sache des Volks oder der Geſammtheit 
iR, fo felten übt doch das Beil in der Wirklichkeit feine 
verfaffungsmäßige (conflituirende) Gewalt unmittelbar. 
Vielmehr wird die conflituirende Gewalt gewähntid, be⸗ 
fondern Behörden, manchmal au, mas weniger get, 
den actmellen Staatsbehoͤrden übertragen, umd dieſe über 
dann die übertragene Vollmacht fir das beftimmte Werk. 
Indeſſen kann jede Verfaffungsänderung niche nur durch 
aus druͤckliche, fondern aud durch ſtillſchweigende Zuftim⸗ 
mung der Geſammtheit angenommen werden. Demmach 
kann ein zwiſchen dem Fuͤrſten und einer von dem Fuͤr⸗ 
ften betiebig zufammengefegten conſtituirenden Verfumm⸗ 
kung abgeſchloſſener VBerfeffungsvertrag das geſammte Volk 
nur infoweit binden, als Grund zu der Annahme vor: 
banden ift, die Verfaſſung babe bie aligensetne Zuſtim⸗ 
mung des Landes und Volks wirklich, erhalten. Endlich 
ift die Eingehung einzelner unmiderruflicher Staatsver⸗ 
pflihtungen, mit denen feine Übertragung oͤffentlicher Ges 
malt verbunden, 3 B. Abſchluß von Handelsverträgen 
u. ſ. w., keine Veräußerung, fondern nur eine Beſchraͤnkung 
der unverdäußerlichen Freiheit. 

5) Schließe fi aber auch an biefe oben aufgeftellten 
Grundfäge die hochwichtige Frage: Hat denn das Volk 
oder die Staatsgefammtheit auf eine ſolche Staatsgewalt 
und auf folche Gefege ein erzmingbared Recht? Es 
if, fage der Verf., eine fehr gewöhnliche Behaup⸗ 
tung, daß das Volk nicht befugt ſei, duch Zwang 
zu feinem Rechte zu gelangen, und daß es durch pofitive 





Wuflefaung gegen die Obrigkeit ein Verbrechen begehe. 
Damit iſt abet and) das Moll der Staatsgewalt gegen: 
ihre für rechtlos erklaͤrt, denn ein Recht, das nicht er: 
zwingbar if, if kein Recht, fondern eine Gnade; die Er⸗ 
Jeingbarkeit iſt das unterfeheldende Merkmal des echte 
im Gegenſatte von bios motaliſchen Anfprüden. Dem 
Volle Rechte zugeflehen, aber bei Verletzung derſelben 
es auf den fogenaunten gefeglichen Widerſtand vermeifen, 
nicht die Nothwehr der Staatsgeſammtheit gegen eine ges 
fegtefe Staatsgewalt gefhatten — heißt den Grundcharak⸗ 
ter des Rechts verkennen und vergeffen, daß zwifchen dem 
Bolke und feinem Staatsoberhaupte ein Vertrag errichtet 
iſt. Wertragsveriegungen, fie mögen auf Nichtwollen ober 
Michtkonnen beruhen, heben in conſtitutionnellen tie ab⸗ 
ſeiuten Staaten den Vertrag zwiſchen Volk und Staats⸗ 
gewalt auf. Was indeffen von der Sefammtheit, teſpec⸗ 
eine Mehrheit glit, darf nicht auf den Einzelnen ange⸗ 
wandte werden, deſſen Widerfland gegen die Staatsgewalt, 
wenn fie im ‚Wolke weder Grund noch Anklang hat, 
ſtrafbare Empörung if. Dagegen ſteht dem Einzelnen 
gegen gefeg: unb ordnungswidriges Verfahren artiver und 
yaffiver Widerfland zu, nicht allein gegen die Staatsge⸗ 
wait, fondern auch gegen bie Mehrheit; denn der Menſch 
dat unveraußerliche Rechte, die er ſich von keiner Macht 
rauben Laffen darf. Beſonders iſt aber Gewalt vernunft: 
zechtlich erlaubt, wenn die Staatsgewalt oder gar bie Mehr⸗ 
Yet gewiffen Clafſen von Staatsblirgern, oder ganzen Pro: 
vinzen und Boͤlkerſchaften eines Reichs geradezu bie unver: 
Außerlicgen Menfcyenrechte abfpricht, oder wenn fremde Ab⸗ 
Bammung, Sitte, Sprache, Religion, die Vereinigung mit 
dem Staate unmoͤglich machen. Hier geht beſonders der Verf. 
auf das Mecht und ben Begriff der Nationalitäten ein 
und begeichwet den Nationalſtaat in felnen Elementen als 
den Normaiſtaat. Wenn übrigens ein Bolk von feinem 
Mechte und feiner Selbſtherrlichkeit nichts wiſſen wil, fo 
bat der Einzelne nicht das Mecht, ſich mit Gewalt dage⸗ 
gen aufzuichnen; er mag dann aus dem Staatsverbande 
treten; jedes Volk aber, das erwacht, hat feine Rechte mit 
Necht zu fobern, denn es war bisher rechtsunkundig. 
. (Die Yortfegung folgt.) 





Die Angriffe der Jeſuiten auf das Unter: 
rihtswefen. I 

Es iſt unbegreiflich, wesbalb die franzoͤſiſche Regierung den 
Anmaßungen der Jeſuiten, die mit unerhoͤrter Frechheit ihr 
Haupt wieder erheben, nicht kraͤftiger gegenuͤbertritt. Als die 
Saint: Simoniften zufammentraten, um an der Verwirklichung 
ihrer feltfamen Reformationstdeen zu arbeiten, wurde gleich da® 
Geſetz, welches jede Aflociation von mehr als 20 Perfonen ver 
bietet, gegen fie in Anwendung gebracht. Jettt aber können ſich 
die Jeſuiten ungeflört zufammenrotten, um mit vereinter Kraft 
das gefammte Unterrichtsmwefen anzugreifen. Vergebens haben 
die Journale darauf bingewiefen, wie diefe Schleicher das Land 
wieder durchziehen; die Regierung drüdt nicht ein Auge, fondern 
beide Augen zu. Der „Constitutionnel” hat die Straße und das 
Haus bezeichnet, wo in Avignon mehr als 150 Iefuiten ihr Wefen 
treiben und wo die Bomben gefchmiedet werden, mit denen man 


bie beſtehenden Inftitetiänen über dm Baufen zu werfen hofft. 
Bis jest find von @eiten ber Regierung‘ mach deine Gcheltte ge 
than, um das ganze Reſt aufzuheben und bem Unweſen ein Ende 
u maden. Dies muntert bie tollgeworbene Geiſtlichkeit nur 
immer mehr auf zu den unverfähämteften Angriffen gegen tins 
zeine Profefforen und gegen bie Univerfität im Allgemeinen. WE 
weit Die Jeſuiten hierin bie jetze ſchen gegangen finy, Weiß nen 


‘aus politiſchen Blaͤttern, die mit Ansnahme des ‚„„Liaivere‘‘ u 


einiger legitimiſtiſchen Journale faſt alle die Plane ber. Berlin 

fterer bekaͤmpfen. Gar poffirlih und dharakteriftifch ift, was 

der „National” von einem jungen Abbe erzählt, der ploͤtzlich in 

eine Borlefung des befannten Barthiiemn St.« Hiloire ber its 

gend einen griechiſchen Glaffifer hineingeſtoͤrmt kommt und "ven 

Profeſſor mit den heftigen‘ Worten wuterbridgt: „Ich proteſtire 

gegen alle Behauptungen, bie Sie aufzufellen wagen.” Das 

ganze Auditorium legt feinen Unwillen und zugleid fein Staus 

nen über diefe gewaltfame Unterbrechung an den Tag. Der 

junge Eiferoe merkte ed enbtich, erfundigte ſich, ob vr denm nicht 

einer Vorleſung bes gottiofen Quinet beiwohne und muß, als 

er fieht, daß er in ein unzechtes Auditorium gerathen ift, mit 

Schimpf und Schande wieder abziehen. Go lange bie Regies 

rung, bie doch eigentlich Hier in ihren wichtigften Intereffen bes 

droht wird, zum Schutz ihrer Diener nichts thut, müffen bie 
Yrofefioren fi ſelbſt "Ihres Leides wehren... Michelet und Qui⸗ 
net, gegen bie man bie Augviffe mit der größten Erbitterung 
gerichtet bat, thun dies in einem gemeinſchaftlich gebes 
nen Werke „Des Jésuites“, von dem unfere politifden Zeitun: 
gen bereits berichtet haben. Diefe Schrift, in der die Stellen 
aus den WBorlefungen diefer beiben Profefforen,, vie ſich auf das 
Weſen und reiben der Schüler Loyeta’s beziehen, zufemmens 
geſtellt und erläutert find, bat vorzüglich im fühlidgen Srant- 
reich, wo ber Jeſuitismus noch mebr ſpukt als in Paris feibfk, 
bad größte Auffehen gemacht. Drei oder vier Auflagen davon 
find binnen wenigen Wochen vergriffen. Mittterwelie bat fi 
denn aber aud) der Erzdiſchof von Paris bewegen laffen, in eis 
ner Act von Pirtenbrief, ten bie Zeitungen mitgetheilt haben, 
wenigſtens einige von ben Anmerkungen eineg Theils der Geiſt⸗ 
lichkeit Öffenttih zu misbilligen. Es ift dies eine Conceſſion, 
weiche die Regierung erſt nach langen Unterhandlungen durchge: 
fegt hat. Indeffen find manche Partien dieſes Sendſchreibens 
fo zweidentig auẽegedruͤckt und es laufen fo unhaltbare Saͤte mit 
yater, daß eine Entgegnung von Geiten ber in ihren Rechten 
bedrohten Profefforen zu erwarten fland. Diesmal tft es Qui⸗ 
net ollein, der in feiner „Reponse a M. V’archeveque de Pa- 
ris” den Handfhuh aufnimmt. Seine Antwort ift ebenfo wär: 
dig als ſchlagend: man fieht es ihr an, daß ihr Verfaſſer aus 
Überzeugung und für das gute Recht kämpft. - Aue biefe Au⸗ 
geiffe gegen den Jeſuitismus ſchaden inbeflen demſelben nicht fa 
ſehr als eine einfache Geſchichte dieſes lichtſcheuen Treibens. 
Wir erhalten ſoeben einen intereſſanten Beitrag dazu, naͤmlich 
einen Abdruck der Conſtitution, die dem ganzen Jeſuitismus zu 
Srunde liegt. Dieſe Broſchure fährt den Titel: „Les comsti- 
tutions des J&suites ayoc les decdarations; texte latin d’apras 
l’edition de Prague; traduciion libre.” Gegen folhe Waffen. 
beifen alle Schliche und Raͤnke nichts. Es iſt ein für allemaf 
aus mit dem Jefultismus und Leute, wie der Kanonikus Des: 
garets (Werf. des „„Monopole universitaire’’ und anderer Schand⸗ 
ſchriften) und ber Abbe Vedrine geben ihm fetbft in ihrer Ver⸗ 
blendung den Todesſtoß. Wenn man ſchon früger dieſem geiſt⸗ 
lichen Orden vorwerfen konnte, daß er wol eine Menge Lifliger 
und verſchlagener Köpfe, aber nicht einen einzigen wahrhaft aus⸗ 
gezeichneten Mann vorgebradht hat, fo kann man doch jegt mit 
mehr Recht als jemals das Wort Pascal's auf ihn wieder ans 
wenden, ber ben Jeſuiten ſchon zurief: „N’entreprenes plus 
de faire les maltres; vous n’avez ni le caractere ni la sufüi- 
sance pour cela.‘ 


Verantwortlicher Herausgeber: Heinrih Brockhaus. — Druck unb Verlag von 8. a Brockhaus m Leipzig. 





Blätter 


für 


literariſche Unterhaltung. 





nt 





Mittwoch, 


— Nr. 326. — 22. November 1843, 





Gedanken uͤber Recht, Staat und Kirche von P. A. 
Pfizer. Zwei Theile. 
(Jdortſequng aus Nr. 386.) 

Wer es mit der politiſchen Freiheit aufrichtig meint, 
wird gewiß alle die Reſultate anerkennen, die der frei⸗ 
muͤthige Verf. durch feine theoretiſchen Beſtrebungen ver: 
folgen will. Es ift die Volksſonverainetaͤt, die bier ale 
die urfprüngliche, wahre und einzige Souverainetät geks 
send gemacht wird; das Einzelintereffe fol ſich dieſer 
allein vernünftigen und rechtmäßigen Macht unterordnen; 
aus ihr fließt die Staatsgewalt, die ihr Recht und ihre 
Kraft verliert, wenn fie ihr Verhaͤltniß zum ſouverainen 
Volke vergißt. Allein was wir vorhin an der Rechtes 
entwickelung ausfegten, muͤſſen wir hier wiederholen: das 
fubjective Princip dient dem Verf. zue Verwirklichung 
feiner Abfichten und feiner Sefinnung nicht volllommen. 
Der Staat, verlangt Pfizer fogar ſelbſt, foll ein Orga⸗ 
nismus, alfo etwas Lebendiges, Subftantielles, mit einem 
gemeinfanten Zwecke und Willen Ausgeſtattetes fein. Diefe 
Koderung fleht im Widerfpruche mit dem Princip ber 
Subjectivität, das rin Aligemeines, keinen Selbſtzweck 
des Staats anerkennt. Der einzelne Menfh tritt in 
die Vertragsgeſellſchaft, um vermöge der Rechtsanſtalt 
feine Sonderfreiheit zu bewahren; Alte flimmen zwar zus 
fällig und willkuͤrlich in diefen Zweck ein, aber ber Zweck 
ſelbſt ift ein leerer, abflracter, weil das Recht ein ab: 
ſtractes iſt: denn ber ganze Inbegriff des erhifchen Les 
bens fällt nad diefem Rechte als eine Privatfache des 
Individuums außerhalb des Rechts und hiermit auch 
außerhalb des Staats. Das iſt eben die Freiheit des 
Individuums. Wenn alſo Pfizer meint, fein Staat ſei 
nicht allein Rechtsſtaat, fo hat er Unrecht. Der einzige 
nothiwendige Zweck der Vertragsgeſellſchaft ift die Garan⸗ 
tie der fubjectiven Freiheit und bes fubjectiven Rechts; 
alle andern Zwede, welche erſt den inhalt und die Fülle 
des fittlichen Daſeins ausmachen, find Privatzwecke, zu 
denen man ſich innerhalb der Rechtegefellfchaft verbinden 
Tann, oder auch nicht. Weiter aber wird in der Der: 
tragsgeſellſchaft, wie im fubiectiven Rechte, gerade bie 
Subjectivität der Freiheit, die beitchen fol, aufgehoben, 
denn die Subjecte müffen im Intereſſe Aller ihre Kreis 
heit beſchraͤnken, welches ein Verluſt der Freiheit ifl. 
Dfizer wird fogar durch dieſen Widerſptuch des Principe 


zu einem neuen Widerfpeuche getrieben, denn er meint, 
e6 gebe auch außer dem Staate eine Freiheit, bie natkes 
liche, und auch ben Genuß diefer natürlichen Frecheit gms 
rantire der Staat dem Einzelnen als ein ˖ Recht, inbem 
er ihm den Austritt zugefleht. Der Staat beſchützt atſe 
feine eigene Auflöfung, um dem Menſchen zu feinem zw 
ſpruͤnglichen Rechte zu verhelfen. Ferner iſt in dieſem 
Geſeliſchaftsſtaate, der nichts ale eine welative Freiheit 
des abfiracten Willens verwirklichen kann, in dee Wirb⸗ 
lichkeit auch kein anderes Unrecht vorhanden als die Wen 
kegung diefer abflracten Willenofreiheit. Wenn bie Mehr⸗ 
heit nichts Dagegen hat, daß Einzelne Vorrechte genießen, 
das heißt, die concrete Freiheit und das fittlihe Darlehen 
dee Andern verlegen, fo ift dies nach bem eigenen (es 
ſtaͤndniß des Verf. kein Unrecht, mithin nichts Unſittlͤches 
Die furchebarfte Tyrannei, die gremzenlofefte Ausbeutung 
eines [wachen und kindlihen Willens, Wette, tft hiermit 
möglich und erlaubt. Endlich muß «6 ale Widerſpruch gelten, 
daß Pfizer feine Wertragsgefelifchaft als die Urgeſellſchaft er⸗ 
Härt; er hat-zwar hiermit dem Staate ein natuͤrliches, uni⸗ 
verfelles, Aber den Willen und den beſtimmten Anfang. eu 
babenes Moment beigelegt, aber gerade dies ſtreitet gegen 
die Natur des Vertrags, dee Willkuͤr und freie Entſchließung 
vorausſetzt. Kant war hierin ſcharffinniger. Das Schlimmſte 
an dieſem Geſellſchaftsſtaate ift aber nun, daß er nie exiflirt 
bat, daß er nie eriflicen wird, daß er ewig «in Sollen, ein 
Ideal der fubjectiven Bernunft bleiben muß. Die Wick 
lichkeit zeigt und Staaten, die ein allgemeines, fubſtan⸗ 
tielle& Daſein haben, denen das Subject als Einzelweſen 
verfällt, Die fich von den vohelten Anfängen organiich glie⸗ 
dern und ausleben, und derem fittliche Größe und Frei⸗ 
heit eben darin beftehr, daß die natürliche Willkuͤr und 
die fubjectiven Zwede des Individuums vor einem allge 
meinen Dafein, einer böhern Freiheit verſchwinden. Dee 
fo lebendige Staat müßte ſich tünftich und mit Bewußt⸗ 
fein auflöfen, er müßte fein Leben aufgeben, um durch 
die Desorganifation die Fiction eines Geſellſchaftsvertrags 
zu verwirklichen. Leugnen wird freilich, ungeachtet biefer 
Einwendungen, Niemand, daß das fubjeetive Bewußtſein 
in der Entwidelung des Rechts wie des Staats feine 
Bedeutung, feine gefcdyichtliche Arbeit und Aufgabe zuges 
theile hat. Als eben das allgemeine Leben der euzopäl: 
ſchen Voͤlker in Staat und Geſellſchaft die Beute eines 


: 6 : 


einzeinen Subjects oder einer Minderheit der Staatsége⸗ 
noffen geworden war, erhob fid in dee Wiffenfchaft wie 
in dem populairen Bewußtfein der fubiective Freiheitsge⸗ 
danke und warf im Intereſſe aller Subjecte die gefchicht: 
lichen Schranken wieder, dis Einzelne zu ihrem Pribat⸗ 
wortheil für immer gezogen hatten. Diefe große univer⸗ 
felle That, in welcher die Völker eine neue Stufe des 
gefchichtlichen Lebens und Fortſchritts erſtiegen, iſt die 
feanzöfifche Revolution; das erwachte Princip der Sub: 
jectivitaͤt hat fie voltbracht und vollbringt die That der 
Befreiung vom gefchichtlihen Egoismus immer noch, wo 
fi derſelbe hartnädig der tebendigen Bewegung ent⸗ 
k- 


Ein dritter Abſchnitt der Abtheilung iſt nun bie 
EStaatatunſt uͤberſchrieben. Pfiger bekennt felbft, daß 
die „Urgeundfäge”, die ex ferben über Recht und Btaat 
entwickelt, nicht fähig find, das Organiſche des ſtaatlichen 
Sehens (das er für feinen Geſellſchaftsſtaat doch chen in 
Anſpruch nahm) aus ſich hervorzutreiben, daß das Geſetz 
ven Volksherrſchaft und der Stimmenmehrheit, „welches 
nur auf matbhematifchen, aͤußerlichen“ Verhaͤltniſſen bes 
suohe,, wei der Anfang bes vernuͤuftigen Staats, aber 
wicht dee Ausbau ſelbſt ſei. Um feflere Formen zu ges 
winnen (mit andern Worten: um zur Wirklichkeit zu 
gelangen) ſell nun für das arithmetiſche Verhaͤltniß das 
qualitative, dynamiſche eintreten, es follen „die organiſchen 
Belege geiftig > ſinnlicher und geifliger Lebensentwidelung 
maßgebend‘ werben. Dieſe Willenichaft, die Das vermag, 
IR die Potitit. Sie has e6 zu thun mit den Maturgefegen 
uud Naturbedingungen bed Staates und Voͤlkerlebens; fie 
iſt im Gegenſatze zum Rechte eine rein „empiriſche“ Wiſſen⸗ 
ſchaft. Diefe Politik ſtellt ein Muſterbild von Staat auf 
und lehet den Weg zur Annäherung ans Ideal. 

- Damit bat unfer Verf. freilich ſelbſt befannt, daß 
fein phlieſophiſcher Standpunkt eine Abſtraction fei, die 
nicht faͤhig, die ſittliche Mothiwendigkeit des lebendigen 
Dnsankämut, wie er am Staate hervortreten fol, zu bes 
greifen mund zu entwideln. Indem es die Speculation 

laͤßt, muß es die Erfahrung, die finulicdye Abſtrac⸗ 


fallen 
sion, ein rein Äußerlihes Moment, zu Hülfe zufen, um | 


An Staatsgebaͤude zu couſteuiren. Welcher Widerſpruch! 
Warum, kann man frngen, bat der Verf. überhaupt erſt 
ꝓhiloſophlet, wenn das Mefultat fo rofllos ift! warum wies 
ex ben Vorwurf eined atomiſtiſchen Staats mit Unmillen zus 
che und vindieirte fi) den wahren organifchen, wenn er das 


Denken feiner Macht entfegen und die Zuflucht zur Äußerlich⸗ 


keit, zum Mechanismus, nehmen muß. Alle Geſtaltung iſt 
mit diefer Wendung ins Zufällige, Vage geftellt; dem will⸗ 
Eixiichfien Ratfonnement wird Thor und Riegel geöffnet. 
Eime ſolche Politik if das Geſtaͤndniß, dag Beine Ver; 
wunft in der gefchichtlichen Weit, keine Idee im Staate 
fei: die Staatsform wird dann bedingt durch eine größere 
oder geringere Gabe von Klugheit. 

Pipe fagt ſeldſt, daß das Feld feiner Erfahrungs: 
wiſſenſchaft, die dem Gedanken aufbelfen fol, unermeßlic 
fel: und er bar Recht. Das erfahrungsmäßige Raifonne: 
went Über die beſte und ſchlechteſte Stantserdunng iſt 





nnerſchoͤpflich; bie Sachen Einnen ſich ſehr vielfältig ver 


' halten, da Einer biefe, ber Andere eine andere Erfahrung 


bat. Er faßt deshalb den Entfchluß, Hier nur von ber 
Drganifation der Gtaatögewalt zu verhandeln; aber auch 
bei diefer freiwtlligen Beſchraͤnkung iſt ex feines Wiſſen⸗ 
ſchaft gemäß. dem Unbeſtimmten, Zielloſen, ſowol nad 
Form wie nach Gehalt, nicht entgangen, weil er an der 
Hand eines Princips nicht mehr geleitet wird. 
Aus der unſpſtematiſchen, ſchwankenden Darfielung 
wie heran. Die Volkomaſſe kann um; 
möglich in allgemeinen Volksverſammlungen ale Verrich⸗ 
tungen der Staatsgewalt unmittelbar beforgen,- fie muß 
fih entfchließen, die Staatögewalt ganz ober theilweile 
duch Bevollmaͤchtigte auszulben, welche als „kuͤnſt⸗ 
liche Organe’ des Geſammtwillens bie Stelle des „nu: 
türlihen Organs‘ dr Mehrheit in der Volksverſamm⸗ 
[ung vertreten. Überträgt Ecaft ihres fouverainen Willens 
bie Mehrheit nun die ganze Staatsgewalt, ohne fich ei: 
nen Theil vorzubehalten, einem Einzigen, fo entſteht bie 
reine Monarchie, Wenigen, fo ift dies die reine Atiſto— 
Erätie. Diele beiden Staatsformen haben den Nachtheil 
an fi, daß mit ihnen die Staatsgewalt leicht als ein 
Eigenthbum und Privatglüd amgefehen wird, wobei ale 
Selbfigeltung der Mehrheit verloven geht; doc iſt Die 
reine Monarchie, oder die Alleinherrſchaft, fowie die Arifto: 
kratie, die erſprießlichſte Staatsform bei Völkern, die auf 
der niedrigften Stufe der Cultur fichen, und bie eine 
ober mehrer tüchtiger Leiter (Schulmeiſter) bedürfen, 
Immer aber werden auch diefe Völker das Recht haben, 
ich diefe Form felbft zu wählen (was freilich fhon einen 
Grad von Weisheit und Reife vorausfegt). Lberträgt 
bagegen das Wolk feinen Statthalteın unb Vertretern 
aus einen fo geringen Theil der Staatsgewalt, oder ift 
deren Gewalt auf fo precaite Bedingungen geftellt, daß 
fie vom Willen ber Volksmehrheit ſtets abhängig bleiben, 
fo entfteht die demoktatiſche Verfaffung. Diefelbe wird 
nicht felten für die vernünftige und natuͤrlichſte, ja fo- 
gar für bie allein rechtmäßige erkannt; allein fie fegt nur 
die mündigfte Vernunft im Volke voraus, das Volk muf 
veif fein, um vernünftig zu denken und zu handeln”; 
we das nicht des Kal iſt, da kann die Volksherrſchaft 
auch eine ſehr unvernuͤnftige fein. Freilich muß uns bei 
dieſer Äußerung die Frage aufftoßen, warum der Verf. 
die Demokratie, die allein die Vernünftigkeit zur Nor: 
ausfegung hat, nicht an der Epige des Vernunftſtaats 
als das Ideal aufgeftellt hat, dem die Menſchheit ent: 
gegenzeifen fol und muß. Auch nimmt es uns Wun: 
ber, wie er im der langen Abhandlung unzählige Male 
Gelegenpeit nehmen kann, bie demokratiſch⸗ Verfaſſung 
als einen wahren Popanz vom politiſcher Geſtaltung zu 
ſchildern, wenn ſie doch nach dieſer Verſicherung eigent⸗ 
lich die hoͤchſte, vernunftmaͤßigſte und darum ſchens⸗ 
wertheſte iſt. Dieſes Schwanken und Widerrufen iſt 
eben der Mangel des Principe und bie. Folge des erfah⸗ 
rungsmäßigen Raiſonnements. Nachdem aber Pfijer bes 
merke, daß bie demokratiſche Verfaſſung nicht die allein 
sechtmäßige fei, weil das Volk zw jeder Zeit das Recht 


beige, ſich balichig dis Uerfaffungkfeum zu wählse: (melde 
Abſtraction ber Sreigeiti), führe er adfe fort: Noch woit 
ensfchiebeter muß widerfprodgen werden, daß ‚reine Gleich⸗ 
berefchaft‘’, oder unmittelbare Selbſtherrſchaft des Volks 
auf dem Fuße volltommener Gleichheit Aller (alfo die 
reinſte Demokratie) die „natürlichſte“ (zwecmaͤßigſte) 
Verfaſſung ſei. Waͤre fie dies, fo muͤßte man fie in bee 
Wirklichkeit viel haͤufiger finden. Dieſelbe bietet — fügt 
er hinzu — das Unnatuͤrliche dar, daß in einem Staate 
die Minderheit der Beſten durch die Mehrheit unterdruͤckt 


wird. (Warum bier Unnatur, wenn ſonſt nach dem Prin⸗ 


eip des Verf. die Mehrheit das abſolute, vernünftige 
Recht hat!) „Natuürlich“, beißt es zuletzt, iſt bie 
reine Volksherrſchaft nur bei Voͤlkern, die entweder die 
hoͤchſte Bildung errungen, oder die zufolge ihrer Einfach⸗ 
heit und Unſchuld einer eigentlichen Regierung gar nicht 
bedürfen. Da nun aber die Culturzuſtaͤnde, welche zwi⸗ 
fen den zwei Endpunkten uranfänglicher Roheit und 


vollendeter Bildung liegen, bie Regel bilden, fo folgert | 
Dfer,- daß „ohne Zweifel” die gemiſchte Staatsform, bei | 


der die Staatögewalt zwiſchen dem Volke und einer arifto: 


kratiſchen oder monardifchen Gegenmacht getheilt iſt, die 


beſte ſei; dieſe gemiſchte iſt die conſtitutionnelle. 
Der Verf. iſt durch dieſen Sprung bei ſeinem Ziele 
angelangt, naͤmlich: bei der conſtitutionnellen Monarchie. 
Er conſtruirt dieſelbe nicht etwa als den Schlußſtein der 
suropäifchen Staatenbildung, ſondern feinem Ausgangs: 
punfte gemäß als die zweckmaͤßigſte Form unter den bes 
wandten Umfländen; obfhon er keine höhere Geſtaltung 
in Ausficht ſtellt und faſt auf allen Seiten ber langen Abs 
Handlung von dem demokratiſchen Princip (das doch eigents 
lich das hoͤchſte fein follte) Schlechte® ausfagt. Und doch 
ſucht er auf der andern Seite dem conftitutionnellen Syſtem 
wiederum eine tiefere, wefentlichere Begründung zu geben, 
indem er die Nochwendigkeit des ariſtokratiſchen Elements, 
allerdings nur duch Analogie, zu beweiſen firebt. Durch 
Die Natur, fagt er, geht das Geſetz des Gegenfages, auf 
dem alles Leben beruht, das Gefeg von body und niedrig, 
reich und arm, groß und klein; zugleich aber auch ber 
Kampf diefer Gegenfäge. Im Menfchenieben iſt es nicht 
andere. 
Gleichheit ringe, firebt diefen Gegenſatz zu vernichten; 
feine Anfttengung (die. doch eigentlich vernünftig, wenn 
auch nicht natürlich wäre) iſt aber vergeblich, denn dieſes 
Gefeg ift unuͤberwindlich: ed gibt eine urſpruͤngliche Ariſto⸗ 
Sratie, Menſchen von höherer Beflimmung — das ift die 
Ariſtokratie des Talents. Um dieſem ariſtokratiſchen Mo: 
mente, das das demokratiſche befchränken, und damit das 
wahre, natürliche Leben ficherfiellen foll, zu feinen Rechte 
und feiner Wirkſamkeit zu verhelfen — dazu iſt der Con⸗ 
flitutionatismus die befte Staatsform. (Indbeſſen könnte 
man immer einwenden: warum nicht auch die reine De: 
mokratie, da fie den Gegenfag nicht uͤberwindet?) Jedoch 
wendet dee Verf. bald ein, daß bdiefe wahre Ariftokratie 
des Talente leide im Staate ein Demagogenthum bes 
gründen könnte; er geflattet darum, ohne weitern Grund, 
auch eine Ariftofentie der Geburt und des Reichthume, 


Das demokratiſche Element, das nach abfoluter | 





welche im conſtitutionnellen Staate bie erſte Rammer 
bilden ſollen. Die Geiſtesariſtokracia wird der Volks⸗ 
fammer zuertheist. In wehdhen nochwendigen und ins 
nern Zufammenhange aber die dritte Potenz, das Königs 
thum, ftebt, ift uns bef der ſchwehenden und ſchwanken⸗ 
ben Darfiellung nicht eben recht klar geworden; es fcheint 
von Pfizer als ein der europaͤiſchen Welt eigenthimliches 
Sdeal, als ein Gebild germanifcher Poefie begriffen zu 
werden. Trotz dieſes ungenügenden Ausgangspunkts, 
dieſes Mangels am Princip, dieſer Widerſpruͤche und 
Unbeſtimmtheiten, die garade hier, wo die Bewegung dee 
Gegenwart fo fehr eingreift, fo uͤbel empfunden werben, 
enthält der Abſchnitt eine Reihe. von Epiſoden, in wei 
hen die tapfere Geſinnung, der fcharfe kritiſche Geiſt 
und das große Darfellungstalent des Verf. glänzend 
hervortreten und das Herz und das Intereſſe des Leſers 
mächtig gewinnen. i 
(Die Fortfegung folgt.) 





Leflingiana von Gottlieb Mohnike. Nach dem Tode 
des Verfaſſers gefammelt und herausgegeben von feine 
Sohne. Leipzig, Cnobloch. 1843. 8. 1 Thir. 

Mit einer Genauigkeit der Detailkritit, wie fie in der er 


| gel nur in philologiſchen Unterfuchungen über griedhifche und roͤ 


mifche Schriftfteller zu Daufe ift, find hier mehre Punkte aub 
beffing's riterariſcher Thaͤtigkeit erdrtert. Wir betrachten z uvoͤr⸗ 
derſt das Einzeine. 1) Leſſing's Beiträge gu den „Ermunt erun⸗ 
gen‘, ‚vergtichen mit dem Abbrude verfeiben bei Lachmann. Groͤß⸗ 
tentheils Barianten zu einzelnen Liedern. 2) Leffing’s Beiträge 


zu der von Chriftlob Mylius herausgegebenen phyſikaliſchen Mor 


chenſchrift „Der Raturforfcher”, auf bie Jahre 1747 und 1748 
(mit Kupfern; Leipzig, Grull, gr. 8.) Zu biefer jest fehr 


| felten geworbenen, auch Lachmann nicht zugänglichen Beitfchrift 


lieferte Leffing namenttich poetiſche Beiträge; Hr. Mohnife gibt 
nike berfelben neu, andere verändert gegen Lachmann. Es find 
meiſt ſcherzhafte Gedichte, ſichtiich Jugendproducte; eine etwas 
längere Ode: „Die lohnende Aſtronomie“, ift ziemlich ascetiſch ge⸗ 
halten; hinfichtlich zweier Briefe aͤußert Dr. Mohnike nur bie 
Bermuthung von Leſſing's Autorſchaft. In dieſer Jeitſchrife 
ſtanden auch bie hier 3) mitgetheilten epigrammatifchen Anmer⸗ 
kungen Leſſing's zu einem Gedichte eines Andern. Leſſing ver 
theidigt in ihnen die Alten gegen einen Laudator temporis novi, 
Der vierte Auffag: „Iſt Eeffing als Epigrammatiker ein Par 
giarius zu nennen?’ tft eine „Rettung” bes Dichters gegen die 
von Haug im „Neuen teutfchen Merkur" 1793 erhobene Anſchui⸗ 
bigung , baß berfelbe „Im Jache des Sinngebidts großentheils 
nur Uberfeger feit. Haug bat dort nachgewiefen, daß vom 
Leſſing's Spigrammen, deren ungefähr 200 find, 54 thells aus 
der „Anthologie‘', theild aus Martial, theils aus neuern Lateini- 
fhen und frangöfifchen Dichtern entiehnt find. Br. Mohntke 
tut nun, namentlich aus brisflichen Äußerungen Lefing’s, dar, 
daß berfelbe diefe Benuhung fremder Gedanken keineswegs ges 
lwugnet babe, und macht auch noch gegen eingeine von Haug 
behauptete Nachbildungen befonbern Ginwend. Ginen Haupe⸗ 
theil des Buchs büden 5) die „Griäuterungen zu einigen @inn« 
gebichten Leſſing's, in denen: theild nach Bang die Originale mit⸗ 
getheilt, theils befondere. Erklaͤrungen in Betreff der durch dieſe 
Spigramme berührten Perfonen und Verhaͤltniſſe gegeben werben. 
Daran ſchließt ſich 6) „Sinngebichte von Lefling, die ſich unter 
feinen Sinngebichten in keiner Ausgabe feiner 
Raben! un an der Kr —* Fünf J ber Lachmann ſchen 
gabe ich i ades, dort beſinduche 
Stammbuchoiait Sefling’s: wi ’ 


. 


’ 34. 

Die Chre dat mie nie aefat, 
Ste haͤtte mich au nie gefunden. 
Wählt man in zugesählten Gtunden 
Ein prägtig Feierkleid zur Blucht? 


Aub Schaͤtze hab' ich nie begehrt. 
Was Hilft ed, fie auf kurzen Wegen 
Juͤr Diebe mehr ald fih zu hegen, 
Bo man das Wenigſte verzehrt? 


Wie Lange waͤhrt's, fo bin ich Hin 
Und meiner Nachwelt untern Füßen, 
Was braut fie, wen fle tritt, zu wiſſen? 
Weiß ich nur, wer ich bin. 


Ge wid hierauf 7) erörtert: „Von wen flammen die (vier) 
@innfchriften auf das fogenannte Heldengedicht Hermann, bie 
Lachmaunn feiner Ausgabe den Leffing’ichen Schriften einver⸗ 
teibt bat?’ Zwei davon werden Käftner vindicirt, von ben 
beiden andern laͤßt es der Verf: unentfchieden, ob fie von Kaͤſtner, 
Mylius oder Leffing felbft herrühren. Es knuͤpft fich hieran eine 
Iterarifche Charakteriftit My’. Endlich find unter der Ru: 
heit 8) Wermifchtes, eine Partie literarpiftorif—er Notizen über 
den eben Genannten und effing gegeben, die zum großen Theil 
nur das Gepraͤge fluͤchtiger, vorläufiger Notate tragen. 

Das Verdienſt diefes Schriftchens ftellt ſich ſonach nur ale 
ein fecunbaires heraus; es wird für den Literarhiſtoriker beach: 
tenswerth bleiben, infofeen er darin Vorarbeiten und theilweiſe 
Ausführungen in Betreff der literariſchen Charakteriſtik Leffing’s 
und einiger feiner Zeitgenoffen findet. Aber an ſich hat es nad) 
Anhalt und au nach Form — die häufig ohne allen Anfprud) 
auf aͤſthetiſche Bedeutung erfheint — ber vielen Wiederholun⸗ 
gen, ferner der häufigen Mikrologien nicht zu gebenten, keinen 

dhern Werth. In weichem Verhaͤltniſſe es zur Lachmann'⸗ 
hen Ausgabe ſtehe, darüber enthält zwar bie Vorrede bed Her» 
ausgeberd die Bemerkung, daß ein Theil der Bufäge und Vers 
befferungen, welche Lachmann dem 13. Bande feiner Ausgabe 
von Eefling’d Schriften angehängt habe, von dem NWerf. biefer 
Schrift herruͤhren, und daß der lettere jenem auf fein Verlan⸗ 
en einen Theil des Manuſcripts (ber vorliegenden Schrift) ger 
—* babe; allein es findet ſich auch durchgehende auf die FR 
mann'ſche Ausgabe hier Bezug genommen und einmal (S. 15%) 
ift fogar eine Anmerkung mit ber Bezeichnung „„‚Mittheilung dom 
Heren Profeffor Dr. Lachmann’ begleitet. Es fcheint hier ſo⸗ 
nad eine Wechfelwirtung anzunehmen zu fein. 56. 





Nordbamerilanifhe Miscellen. 


(Auszüge aus den Öffentlichen Blättern der Wereinigten Staaten 
vom Sabre 18, ) 


Sn Amerika gibt es cbenfo wol militairifhe Schau: 
fpiele wie in Europa, mur daß fie dort von Freimilligen aus den 
Milizen ausgeführt werden: Der „Inquirer“, ein pennfpivanifches 
Biatt, berichtet: „Das libungsiager, weiches im Monat Mai bei 
Neabing gehalten wird, ift eins der glänzendften, das man je 
bier gefehen hat. Die Lage deſſelben auf der Flaͤche von 
Penn's Berge ift ganz zu dem Zwecke geeignet, da nicht nur 
eine hoͤchſt reine Atmofphäre daſelbſt herrſcht, ſondern auch 
Überflug an koͤſtlichem Quellwaſſer vorhanden iſt. Der Zuſam⸗ 
menfluß der Menſchen iſt ſehr groß; aber dad Terrain iſt nicht 
aus.alle aufzunehmen im Stande, fondern bietet auch Raum 

enug dar für bie größten Felbmanoeuvres. Generalmajor John 
bis, ein erfahrener Offizier, wird den Befehl im Lager fühs 
sen. Ieden Tag wirb bie gehörige Beit auf praftifche Waffen: 
Übung ‚verwendet und zwar fowol einzeln in Eompagnien al6 
in Bataillonen unb größern Waffen. Daneben werben taͤglich 


. ben übrigen weftiichen Staaten 200,000 


zwei Workefungen Im Lager aehatten über miitatrifühe en⸗ 
Rinde ats: Befeitigungstunft, Peſchatuste Angeiff und 
theidigung von feflen Plaͤgen, allgemeine Taktik und Bewegunges 
lehre von Heeren, Schladhtorbnung, höhere Taktik und Feld⸗ 
herrnkunſt. Am 21. Mai hielt der Gouverneur von Penus 
fotvanien Hr. Porter als Oberbefehlshaber der Armee diefes 
GStaats eine große Muſterung, und Benerat Scott, Oberbefehls⸗ 
haber ſaͤumtlicher Truppen der Vereinigten Staaten, wird ſp⸗ 
ter in Gemeinihaft mit dem Kriegeſecretair der Bereinigten 
Staaten ebenfalls eine Heerſchau halten. Montage den 23, 
wird nach der Scheibe geſchoſſen und diejenigen ber Compagnien 
von PBreimilligen, weiche fic als bie beften Schuͤten bewähren, 
erdatten ein in Gold gefaßtes MWiniaturgemätde ald Preis. 
Außerdem wird Unterricht im Stehen und Schlagen mit bem 
Schwerte eilt, Abende wird ein glänzendes Feuerwerk abs 
gebrannt. ie Ragerbebärfniffe, wie Stroh und Feuerung, 
werben den Truppen unentgeltlich verabreicht und die Freiwilli— 
gen haben daher nur ihre Reifekoften und bie Gpeifung zu bes 
zahlen. Die Mabigeit koſtet im Lager nur Gentt. Die 
Readinger Eifenbahngefellfchaft verfauft Paflagierbillets an bie 
Milizen von Philadelphia für 1 Doll. 25 Gents unb verlangt 
ebenfo viel für die Ruͤckfracht. Diefe Billets werben während 
der ganzen Zeit des Lagers ausgegeben.” 





Die „Ute und Neue Welt‘, eine deutſche Seitung aus Phi⸗ 
ladelphia, vom 14. Mai bemerkt: „In der voriegten Woche biele 
ten die Temperanzleute zu Reuyork eine große Generalver⸗ 
fammtung, bei welcher 6000 Perfonen zugegen geweſen fein 
follen. Gr. Thomas Marſhall, ein Kentuckyer und befehrter 
Saͤufer, hielt eine begeifterte Rebe und erntete großen Beifall. 
Der Gecretais ber Berfammlung las Hierauf einen Bericht vor, 
worin bie Anzahl aller in ben Vereinigten Staaten umgewans 
beiten ehemaligen Trunkenbolde anzugeben verfucht ward. Dies 
felbe fol fi nad) dieſer Angabe fhon auf eine halbe Million 
belaufen. In Kentudy follen ſich 30,000, in Ohio 60,000, in 
| ‚in Maine 50,000, in 
Bofton allein 30,000, in ber Stadt Neuyork 16,000, in der 
übrigen Theilen des Staates 50,000, in Philabelphia und ber: 
Umgegend 20,000, in Pittsburg und der iimgegend 10,000 bekehrte 
Saͤufer befinden.” Dieſe Zahlenangaben fcheinen indeffen aus 
der Euft gegriffen zu fein. So viel aber ift gewiß, daß die Ge: 
ſeilſchaft nur fehe wenige ober faft gar keine Deutfchen unter 


ihren Mitgliedern zähle. Die Unſitte ſich zu betrinken iſt nidt 


burch Deutſche in dieſem Lande eingeführt worden. : Bornehmii 

find es bie eingervanderten —ãA dieſem Laſter an 
find. Wenn wir fo Manche jegt fih mit der Ablegung bes 
Lafters der Trunkendeit brüften fehen, fo koͤnnen mir uns nicht 
enthalten, biefeiben mit eben den Augen anzufehen wie einen 
Lügner, Verlaͤumder ober Wolläflfing, wenn ein foicher ſich 


rübmen wollte, d 8 TR 
nem Safer tosjumadıen, es fchrifttich verſprochen, ſich von ſei⸗ 


Zwiſchen den Straßeniungen in Bofton undden Studenten 
dee benachbarten Univerfität Gambridge war ein Krieg ausgebro⸗ 
Sen. Den Studenten war e6 eingefallen, bie eumben Düte ale: 

opfbedeckung abzuſchaffen und flatt berfelben vieredige Muͤten 
wie die Studenten zu Orford in England zu tragen. Die liebe 
Gtraßenjugend in Boſton aber fand diefe Tracht fo lächerlich, 
daß fie bie Otudenten verhöhnte, und ba dieſe die Beleibigung 
nicht rubig hinnehmen weiten, fo kam es zu einer Straßen⸗ 
fhlägerei, wobei indeſſen die Stubenten ben Kuͤrzern zogen. 
Eine Anzahl boftoner Straßenbuben zog hinaus nad Cambridge: 
und warf dort einige Fenſter ein, wobei aber mehre verhaftet 
wurben. „In einem freien Rande”, bemerkt eine amerikaniſche 
Zeitung * ee wantaffung, —* man doch billigerweife 

nu n enten, u die t waͤhlen 

die ihm am beſten gefällt.” * Fl 


Verantwortlicher Derausgeber: Helnrich Brokhaus. — Drud und Berlag von F. X. Brodhaus in Leipzig. 











ade" 


literariſche 





— — 


Donnerstag, 








Gedanten- über Net, Staat und Kirche von P. A. 
Dfizer. Zwei Theile, 
(Zortfegung aus Pr. 336.) 

Im vierten Hauptabſchnitte wird „die Kirche” bes 
tradhtet, und zwar zuerſt „Das Kirchenrecht”. Außer ber. 
häuslichen und bürgerlichen Geſellſchaft gibt es noch eine 
dritte in dee menſchlichen Natur begründete: dies iſt die 
Kiche. Das Abhängigkeitsgefühl führt den rohen und 
gebildeten Menfchen auf Gott und Relidion, worin eben‘ 
die Kirche Ihren nothtwendigen Grund bat. Die kirchliche 
Gemeinde ober Geſellſchaft wählt darum mit der bürger- 
lichen zugleih, und Staat und Kirche zeigen entfprechende 
Bildungen und Entwidelungen; wie ber Rechtsbegeiff' 
und der Staat auf dem Naturgefeb, dem Glauben, ber. 


Vernunft beruht, fo gibt es auch eine natürliche, geoffen=! 


barte und vernünftige Rellgion; wie es monacrchiſche, 
ariftofratifche, demofratifhe und gemiſchte Staatsverfaf: 
fungen gibt, fo auh Kirchen. 

Mas aber die Duelle und das Princip des Glaubens 
und der Rellglon bettifft, fo kennt Pfizer eigentlich nur 


zwei Hauptformen religioͤſer Anfhauungen: die natürlide: 


oder finnlihe und die geiflige oder vernünftigsfittliche. 


Nicht die theoretifche, fondern nur bie praktifche Vernunft,’ 
weiche durch das Gewiſſen unmittelbare und erfahrungs⸗ 
maͤßige Gewißheit von dem Daſein eines Unbedingten‘ 


(naͤmlich der ſittlichen Freiheit) gibt, iſt die Quelle des 
vernünftig = ſittlichen Religionsbegriffs. Da fich aber bie 


wenigften Menſchen und Völker über die finnliche und’ 


verfländige Betrachtungsweiſe zu erheben vermögen, umd 
den hoͤchſten Vernunftwahrheiten bie legte Probe, naͤm⸗ 


lih der Augenſchein, fehlt, fo werden einzelne ausgezeich⸗ 


nete Geifter die Stifter von pofitiven Religionen, bie auf 
Mittheilung und Überlieferung beruhen, und an die Stelle 
des reinen Vernunftglaubens tritt: der Dffenbarungs- 
glaube, eine dritte Hauptform. 


Die durchgreifende Analogie zwiſchen Staat und 
Kirche und ihren Verfoffungsorganiemen — bie nur. 
daß in ber. 


in dem einen Kalle nicht flatefinder, 
Kirche die Mehrheit nicht ale nothwendig, hoͤchſtens 
als natdrlih gilt. — gründet fih auf bie gemeinfame 
Wurzel beider, auf bie firslihe Natur des‘ Menfchen 
ſowie auf die Einheit ihres festen Zwecks und End⸗ 
ziets. Auf den Glauben eines heiligen und umverbrüchs 


Blätter 


für 


Unterhaltung 


fi | Duke 7 en Ze ⸗ 
. .a%s 0 ’”o . 
‚P 


2 
ã 


) 


Vernunftglaubene — vorausſetze. Wie nun aber Staat 
und Kirche duch gemeinfamen Urfprung verbunden find 
und zufammengehören, fo haben Glauben und Recht, 
Religion und Politke eben dieſe Verwandtſchaft in Ihres 


legten Iwede, im Endziele. Das Recht wäre für ib 
nar ein Mittel ohne‘ Zweck; es iſt dem Menſchen r 
verllehen zur Errrichung aller menſchheitlichen Zwecke, bie In 
feiner vernuͤuftig⸗ſittlichen Beſtimmung llegen; bie Staate⸗ 
kunſt ſoll nicht blos das (abſtracte) Recht verwirklichen, 
ſondern fie ſoll durch daſſelbe "für die hoͤchſten Menfch⸗ 
heitszwecke thaͤtig ſein. Aber auch Religion und Kir 


haben keinen andern Zweck als die hoͤchſtmoͤgliche Bi 


edlung und Heiligung des Menſchenlebens. Was der 
Staat will — bie Vollendung des menſchlichen Dafelns, 


"die Realiſirung dee hoͤchſtmoͤglichen Gluͤckſeligkeit — das 


will auch die Kirche. Nur unterſcheiden ſie ſich in dieſer 
ihrer Einheit etwa dadurch, daß der Staat mehr das 


aͤußere Wohlergehen bezweckt, die Klrche iſt die Anſtalt 


fuͤr das innete, das Seelenheil. 
. Diefe Einhelt von Urſprung und Biel mache’ min 


"aber begreiflicg, wie ſich Staat ynd Kirche in einem 


ganismus verkörpern können, und wie da, wo fie nide 
zufammenfallen, die Wege beider ‚fo aneinander laufen, 
ba bie Frage nach ber Stellung "ber Kirche zum Staate 
entfteht. Die Geſchichte zeige uns ſchwankende Zuſtaͤnde 
auf, die das Intereſſe beider gefährbeten; : die" Wiſſen⸗ 
ſchaft der neuern Zeit hat das Verhaͤltniß beiber philofes 
phiſch unterſucht (4) und ken Grundfag vom Coorhings 
tion als den allein richtigen und für beide heilſamen aufs 
geſtellt. So, meint auch Pfizer, kann nur Eins aus 
dem Andern Vortheil ziehen; fo ift nur bie Exiſten; beis 
der gefichert, benn Eins befteht und, wirft nur durch und 
für das Andere. Allein die Wirklichkeit entfpricht bee 
vernünftigen Theorie, zumal In ber proteftantifchen Kirche, 


3 
TR: 
ganz und gar nicht. Wenn auch beit pr ſch Traͤge geiſtigen Lebens und der geiffigsfitstichen In⸗ 


Staatshaͤuptern nach dem Begriffe bes Rechtsſtaats das 
ſogenannte Reformationsrecht, die Oberaufſicht mit bem. 
Placet, das des Rechtsſchutzes der Kirche und der Glieder, der 


Antheil an ber Befetzung geiftlichee Ämter zußeht, we 

Keime: offer: elibe Foul, 
® te Unſeftig AAfzubeden, "To muß der Nechte⸗ 
) 


ufland ber Kirche doch fo lange ein precaiter, und ihre 
Stellung zum Staate eine einfeitige bleiben, als feine 
Gegenfeitigkeit ſtattfindet, al8 immer nur der Staat. bie 
Kirche, die Kirche aber nirgend den Staat überwacht. 
Bei Staat iſt gegeuwaͤltig bei jedem-Sechlichen Muſlicte 
artel und Richter zugleich; er übt der Kirche gegenüber 
Mecht der Selbſthinfe im Ausgebehnteften Umfange 
mus, und iſt dadurch in hen Stand geſetzt zu hexrſchen 
iend zu heſchraͤnken. | 
,. „a6 freiwillige Kicchenfpftem, tie es in Nordamerika 
„fastfindee, und nach welchem die Kiche und religioͤſes 
„Leben gang in das Privatleben der Geſellſchaft gewieſen 
‚i Felt eine Loͤſung biefed Widerſpruchs zu fein; allein 
19 — Loͤſung iſt mehr ein his jetzt noch nicht erprobtes 
yr hapen bes, Rantens. Unter biefem Verhaͤltniſſe iſt 
„e Kid ber Sefpliterung ausgefegt, der Staat muß: 
‚auf ‚die Eipwirkung veligiöfer Triebfedern in. feinem Ge: 
„biete verzichten, er kann den Religionsunterricht, der ein 
weſentlſcher Fell der Volksbildung, nice Überwachen, er 
‚muß bie Ehe ihrer veligidfen Weihe entkleiden, er kann 
u ‚dem relgiöfen Fanatismus fein Biel fegen. Der 
e (abſtracte, porhin beduciete) Rechtsſtaat kann dies 
enfalls thun; der Vernunftſtagt, der die Geſammtbe⸗ 
immung dee Menfhen umfaßt, darf Religion und Kir: 
anthum aus dem Bereiche feiner thätigen Fuͤrſorge nicht 
Kusſchließen: er würde dann den edelſten Zweck menſch⸗ 
, fihen Zuſammenlebens, die Pflege. bes religidfen, ſittlichen 
die geiſtigen Lebens, dem Bufalle überfaffen — die 
3 








1 


—— am nicht allein Mittel, ſondern auch weſent⸗ 
?wec. ER oo 
Sie Kann aber die Selbſtaͤndigkeit heider ſo hergeſtellt 
„pushen, daß Keins das Andere hindere, daß beide bie Au⸗ 
onopale haben, und doch auch, ihrer Natur gemäß, ihre 
.gemeinfanmen Zwecke verfolden innen? Bis jest, fagt 

fizer, kennen Wiſfenſchaft ‚und Leben nur einen wirkſa⸗ 
men Schut gegen Misbraͤuch ber oberſten Staatögewalt, 
Bi: e —— an der Staatsgewalt und deren 
KWEkeichilitg. Das, was dem Volke ſein Recht und ſeine 
organifche Thellnahme am Geſammtleben ſichert, muß 
—3 Kirche Schug geben und fie zu einem ſelbſtaͤn⸗ 
digen Gliede des Sthatsorganismus machen. Sie muß 
’eln. Zwelg der Staatsgewalt werden und bie Mitwirkung 
72 —— Geſetzgebung erlangen. Durch dieſe Ver— 
—— et Kirche ins heutige Repraͤſentativſyſtem 
"würde es der Kirche, als einem ſelbſtaͤndigen Factor der 
Beſgmmtſtaatsgewalt, nie an Rechtsſchutz fehlen, denn 
fi wuͤrde bie Gefege ſelbſt machen helfen" und fich auf 
"bit petit: Becantmbctichtei der Voͤllzlehenden ſtuͤtzen 
koͤnnen. Mit biefer Thelinahme an der Staatsgewalt 
"taürbe ‚aber auch bfe Kirche, Gelegenheit Haben, ale die 


‚würde das ethiſche Element, die Seele, das Her 


.ben. Daß Seſe Stellung ber Kirche ch if, 
Geiſtlichkeit Del ſegendreiche —— 
zeigt bie Si te ‚bes Ditttelaite, g 





terefjen die hoͤchſten Fragen bes Staats zu loͤſen: fie 
in den 
Staatskörper bringen und ihm die hoͤchſte Weihe ge 
daß Bi 
fünde, 
irche 
große und gluͤckliche Staatsmaͤnner hervorgegangen find. 
Und nicht dieſe Stellung hat zu jener Zeit den Staat 
bedruͤckt und iſt ihm uͤber den Kopf gewachſen, ſondern 
allein der Papismus, der vom Episkopalſyſtem wohl zu 
unterfcheiden. en ü 
In einem zweiten, „Der Kirchenſtaat“ überfchriebenen 
Abſchnitt gibt ſich nun Pfizer diefer frommen Hhpothefe ferner 
bin. Er ſagt, daß dieſe Wiedergeburt ber, Mucter aller 
geiſtigen Intereſſen, der Kirche, zuvoͤrderſt der Staats⸗ 
kunſt einen neuen Geiſt einhauchen wuͤrde; die Politik 
müßte von der Klugheit dann zur Staatsweisheit Über: 
gehen, ber Rechtsſtaat wäre dann erſt Wernüuftſtaat, 
oder das Mittel zur Erfüllung einer veraimftigzfitstichen 
Beſtimmung. Mit diefer Rädkehr bes 5* u ſeinem 
Ausgangspunkte in der ſittlichen Natur des Menſchen 
wäre der Staat ſomit ferner in ſich ſelbſt vollendet und 
hätte für ‚feinen Beftand bie fiherfle Buͤrgſchaft; denn 
die ſittliche Kraft iſt nämlich die einzige, welche ihrer 
Natur nach ſich felbft beherrſcht und fich Ihre Grenzen 
fest. Die Staatskunſt allerdings bat zwei Wege, ben 
Staat zu conflitufren und zu lenken. Sie kann entwe⸗ 
der die natürlichen Elemente aller Macht im Staate fo 
durcheinander zügeln, daß fie.zu einem vernuͤnftigen Ge: 
brauche der Gewalt gewiſſermaßen gezwungen yrcden, oder 
fie muß, wie dies mit Erfüllung der Hopotheſe geſchehen 
würde, eine wahrhaft fittlihe Macht, eine Adelsherrfchaft 
bes Gelfles, d. h. der hoͤchſten firtfichen, gemüthlicen 
und geiftigen Intereſſen ſchaffen. Die meuzeittihe Poli⸗ 
tie hat bisher nur den erſten Weg eingeſchlagen und ik 
durch dieſes Syſtem des Kampfs und ber ——* faſt 
zur Abnutzung und Überwaͤltigung des confltarionnelen 
Syſtems ˖durch die Volksgewalt gelangt. Aus der Volks⸗ 
macht aber, welche die bämmienden Elemente durchbricht, 
kann nur bie Alleinheriſchaft oder die Adelshiridſchaft 
entſtehen. Die durch die Kirche geſchaffene hoͤtherr oli⸗ 
tik wuͤrde Hingegen als eine geiſtigſittliche Macht einen un: 
begrenzten Fortſchritt ohne Seibfizetſtoͤrung Sewhten. Die 
Wiſſenſchaft, die Kunft, der Unterricht, die‘ mit ber 
Ergründung, der Darftefung und BVeroreitung: des geiſti⸗ 
gen Lebens befaffen, wuͤrden in dieſem heusn Kicchlichen 
Verhältniffe ihren Mittelpunkt voiederum im’ ber Kirche 
finden, vom der fie, wie die Geſchichte' des Wilttelalters 
‚geigt, ausgegangen find und ihre Erziehung erhalten ha⸗ 
en. Doc wird freilich kurz vorher auch zugeſtanden, 
daß ber Staat an der. Wiffenfhaft eine Häfe hätte, 
wenn ſich die num ebenbürtige Kirche ettoa Übergriffe ers 
lauben wollte. ‚Diefe ,, Theokrarie ” "des Gehtes num, 
‚In der Staats- und Kirhenthum zufammienfaften fol: 
fen, well jener entwidelte Zuſammenhang iwiſchen Recht, 
Sittlichkeit und Glauben "be eht, wird, up Der Hand 





el! 


a a ae Dee 


teſtantiemue heraus, der’ dem Rotisnakfänmis huldigt, 
eine nee Aeche bilden, welche im Beanpe iſt, alle Sau⸗ 


benspartilen in eine große Gemeinde zu vereinigen. Auch 
muß bh aus ben ſchroffen Syſtemen der Philoſophie 
ein, Miderſchlag“ ablagern, damit alle die Richtungen 


wegfallen, ‚bie zu fehe von Bott abfähen”. Die Kirche 

- wird damit he Wurzet im Vernunftglauben“ haben. 
Endlich wird durch einen folchen neuen Zuſtand, wa 
Net, Stauden, Willen zufammenfallen, auch die Ent⸗ 
widelung der materiellen und rein irdiſchen Interefien eine 
höhere Richtung schalten. — 

Dieſe gluͤcktiche Zeit iſt nun freilich noch fern, und 
unſerer Gegenwart ſcheint für jegt nur die Aufgabe zuer⸗ 
theilt, die Kirche dem. Staate gegenüber felbfländig zu 
Halten. Allein es fehle, wie Pfizer fagt, nice an 
Vorboten einer: ſolchen neuen Zukunft. Es regt ſich im 
Reiche der irdiſchen und weltlichen Beſtrebungen mancher 
Keim der Art, der nur entwickelt zu werben braucht. 
Etwa die reactionnairen Befltebungen umser dem Schilde 
des chriſtlichen Staats? Auch gibt «6 einzelne Vereine 
und Einzelne, welche die Kraft zum Guten mehr üben 
als das Talent. Etwa bie Pietiftenconventikel, die Froͤmm⸗ 
Leraffociationen? In der Philofophie wird ein Um: 
ſchlag ſchon jeht ſichtbar; es bahnt ſich die Einigung von 
Vernumft und Offenbarung. Etwa in Schelling? 

Wir zeigten oben, wie jener Staat ein inhaltlo⸗ 
fer, wie die Politik, welche dem Staate auf die Beine 
Helfen fol, eine ‚Außerliche, der Innern Nothwendigkeit 
bare Kunſt ſei. Pfiger legt in diefer Betrachtung jest 
ſelbſt das Bekenntnis dieſer Unzulaͤnglichkeit ab; er will 
der Schattengeſtalt Inhalt und Vernunft geben, indem 
er ihr die Kirche aufpfropft. Die Intention werden 
wir gewiß billigen, aber das Mittel, die Meile und das 
ypothetiſche Refultat halten wir keineswegs geeignet. 
Die Wahrheit deö fubiectiven Bewußtſeins iſt die Wales 
heit in bee Geſtalt von Religion, und wenn wir Pfizer 
auch nicht ‚zugeben können, daß in Wahrheit eine Vers 
aunftreligien, ein Vernunftglaube, mit andern Morten 
«An Wihbderſpruch moͤglich fein koͤnnte, fo bat er doch ganz 
Recht, daß er auf feinem Standpunkte uͤberhaupt die He- 
ligion und Ihre Anſtalt, die Kirche, ald ben Träger des 
Abſoluten und Allgemeinen faßt. Indem er aber bie 
Kirche als die Bewahrerin der abſoluten Wahrheit faßt, 
Hat er einen Dualismus geſetzt, dee unuͤberwindlich iſt, 
der nur in der That mit der völligen Megation bes 


" Staats enden kann, wenn man ſich nicht eben mit ber | 


sein Außerlihen Verfühnung begnügen will. Die Kirche 


bat den Inhalt des Welms und ber Wahrheit, bie |. 


dem Staate, dein Producte bes natuͤrlichen Dafeins, ein 
Jenſeitiges iſt; der Staat, das geordnete menfchliche Das 
fein, das Product der Natuͤrlichkeit iſt ohne die Kirche 
nichts, ein Mittel ohne Zweck. Die wahre Confequenz 
dieſer Ant geht aber dahin, daß ſich die Kirche mic 
dem Inhakte des Görtlihen und Wahren an die Stelle 


Nichtigen ſeht / und die au 


des Staats, des Ni 





"mahıt, ober Bloßer Gang zum Üyflificzen 


‚bie wir ung auch Desufen, zeigg. daß, 

— ober die —* " Beh wii, 1b 
folute Inhaberin des objattiven Geiſtes galt, hen Einat 
in We Kirche Aberging uud zum Prieſter⸗ und Kirchen ſtaate 
wurde. Erſt als in Deutſchland und-fir Dittekaltet das 
Volksbewußtſein ein anderes wurde, ein Inferlicheres, dis 
die Wiſſenſchaft und das Licht des Denkens exwgchte 
und man einfah, daß die Kirche nicht das Privilegium 
des  Abfolnten beftge, änderte ſich das Verhaͤltuth der 






Kirche zum Stadte; ‘der Letztere wurde felbfländig, weil 


er nicht mehr geiftesverlaffen, nicht mehr unfittlich waͤr. 
Es war dies keine Verbeflerung eines üblen, verworfen 
Zuſtandes, nicht das Aufheben eines übergriffs; es. war 
ein Fortſchritt der Menfchheit: der Gelft war ein Inner: 
cher geworden. Pfizer kann darum, ungeachtet er Ver 
Kiche Alles zuſpricht, nur ein Außerliches Aufgehen bei⸗ 
der ineinander beanfprwchen: die Kirche fol dem taste 
als eine ebenbuͤrtige Macht beigeordnet fein, bas Alam: 
Ufche, Jenſeltige ſoll das Irdiſche und Bergängiiäye als 
ebenbürtig anerfennen. Das kann die Kicche in Wahr: 
heit nicht; fie mit einem beflimmuen und, wäre er auch 
noch geläutert, pofitiven Glauben van der Aundſchließlich⸗ 
teic ihrer Geltung, kann weder den Staat noch die Miſ⸗ 
ſenſchaft und die Kunſt in ihrem Selbſtzwecke und’ In 
ihrer Selbſtbeſtimmung anerkennen, utid der Kampf müfte- 
in ber Form von Übergriffen bei einer factiſchen Bechei⸗ 
Ugung der Kirche am ‚modernen Staateleben, das ſeine 
Vernunft im fich felbft tragen will, von neuem: begkunen 
und würde bald mit einer witderhoften Ausſcheidung 'Ker 
Kicche, ober mit bem Untergange des vernünftigen Staats, 
mit feinem. Bewußtſein ‚und feinen Werken, mden. - Was 
wir an der ganzen ſchwaͤrmeriſchen Beerachtung Pftzer's 
als das wahrhaft Bedeutungsvolle finden, iſt, daß er den 
Rechtsſtaat aufgibt und den Vernunfiſtaat mit ſeinen 
univerſellen und abſoluten Zwecken fodort. Seine a: 
tention und ſeine Überzeugung faͤllt darum mit der Wiſ⸗ 
ſenſchaft und dem Liberalismus der Gezenwart zufam⸗ 
men; die Hegel'ſche Philoſophie iſt es, bie, alletdings 
nicht vom kirchlichen, ſondern vom ſpeculativen Stand⸗ 
puntte aus, dieſe Foderung zuerſt gethan, und ihre Eo⸗ 
fung begonnen bat, bie Philoſophie, auf bie er. mit 
Spott und Geringſchaͤzung herabzuſehen fi bemliht. 
Möchte fih doc Pfizer mit diefem Gedankenkrelſe wenig⸗ 
ſtens gründlich befannt machen! 
(Dex Beſchluß felgt.). 


Erdichtete und eingebilbete Krankheiten. 

Das ‚„, Athenaeum’ zeigt ein Buch von Dr. H. Gavin an: 
„On feint and factitious diseases sc.” Sowol bie baraps 
mitgetheilten Stellen als bie Überfichten, welche der Ref. * 
ſcheinen uns fo intereffant, daß wir. glauben, 7 ausführliches 
ver Auszug werbe unfern Eefern willlommen ſein. Bon dem 
fauten Schulfnaben an, bis zu dem Weteran, ber nad, Entlaſ⸗ 
fung. ober Penfion ſtrebt, werben unendlich mannidfältig: Spe⸗ 
culationen auf bie Unmiflenheit. oder Beichtgläubigkeit'"bp& ünters 
ſuchenden Arztes gemachtz unb als ob es an diefen ſchlechten 

Bemeggründen 10 nicht ‚genug wäre, treten gar häufig 
ein, in benen eine Art Monomanie ihre Opfer au Betzögen 
ohne fonfligen 


* 
fi 244 


iisie 


alle 

. ein 
: unb bee ERebieinaibeamien, und die Taͤuſchungskuͤnſte find oft 
..39 ſolcher Bolllammanheit gebracht worden, daß og Bohere für 
„sbenfo ſchwierig erklaͤrt, einen verſtellt Kranken gu entlarven 
als einen wirfiih Kranken zu heilen. Den umgelehrten Betrug, 
vaß wirklich vorhandene Übel verheimlicht werben, entweber um 
meine Anftellung za erhalten ober die Gefundheitspotiset zu "bins 
. wrgegen, hat der Verf. weniger beleuchtet. In ben. Fallen, 
ii er befpricht,, find, feinen Gintheilung zufolge, eutweber 
die, Krankpeitäfomptome ganz unb gar erdichtet, ober es if 
wirklich eine Krankheit durch kuͤnſtliche Mittel hervorgebracht ; 
: ober endlich, es wird ein vorhanbenes Übel übertrieben, nämlich 
Antweder birch falfche Angaben größer dargeſteut als es in. ber 
„Kpat in, oder durch Fünfkliche Mittel gefteigert. Außerdem gibt 
es eingebilbete Kranke, weiche damit anfangen, fich Leiden beis 
"‚zumefien, die ihnen blos ihre Phantafle vorfpiegelt, dann aber 
"sur den Einfluß ihres lebhaften Vorſtellungsvermoͤgens eine 
wirklich Branthafte-Dispofition hervorbringen und endticdh wirder 
wenig Sombinetion ober gefliffenttiche Erdichtung Manches, was 


ſchmerzhafte Euren, welche die Krankheit, wenn ſie wirklich vors 
” handen wäre, nöthig machen würde, das Aufgeben der Ber: 
-ftelfung zu ergwingens aber auch dieſes Mittel ift gefährlich, 
‚ denn die Scheu vor der Eur Tann den Kranken bewegen, eine 
“ Gemüthsaffection zuruͤckzudraͤngen, ohne daß er von biefer ges 
heilt iſt. Dergleichen Srwägungen zeigen ſchon hinreichend, wie 


ſo ſtehen ibm alle möglichen Krankheiten allerbings zu 
' allein es 


nor Krehllaute hören; alle Gefangenen waren a 


' ben flehen. Er 
. conduitez ru 8, 


befam. Gin Matroſe an. Bord ber: Fregatte 


' ben, um ben Mitleibigen ober .b 
. weeflens aber bie Faͤlle, daß ihn Werbrecher 





fGmierig es für ben unterfuchenden Arzt if. einen Weg Br 
Leichtfinn ober falſcher Menſchlichteit auf ber -einen 

und einer firafliauen Gier nach Aufbedkung von Meiuug, cu keſte 
was ed wol, und nach bem Ruf eines beſonders ſcharfbliden⸗ 
den unb geſchickten Grperten auf ber andern Geite, zu finden. 
Wenn Jemand einmal Beweggründe hat, ran zu cc, 
bote, 
nden fi} dennoch g Srenzen, welche die gegebe: 
nen Unsflände. vorgeicdgnen, nad: mofern fie feftſtehen, bie Unter: 
el ein engeres Sebiet zuruͤckfahren unb erieidhtern. 
Will ſich der betrügerifche Kranke einer Pflicht ober Strafe ent: 
ziehen, fo wird er eine acute Krankheit vorfhügen muͤſſen; geht 
er auf Dienflentlaffung aus, fo wird ihm eine dhronfiche Kranfı 
beit. den Dienft teilen und bie Cutdeckung des Wetrugs mod) ev 
fhweren. Berner wird eine Kranßpeit gewählt werben, wit 
welchen ber Unternehmer eines foldyen Wetrugs gut bekannt iſt; 
Soldaten machen in biefer Hinſicht ihre Studien gewöhnlich im 
Lazarett. Endlich wird der ſchlaue Betruͤger nd am liebſten 
einer Krankheit bedienen, welche moͤglichſt wenige durch bie 
Sinue wahtnehmbare Symptome hat und ben unterfuchensen 
Arzt nöthigt, ſich auf die Wabrheiteliebe bes ichte gu 
verlafien. Xerftellte Taubſtummheit begegnet daher ben amtlis 
hen Ärzten befonders häufig. Dr. Gavin erwähnt eines Ber 
trügers, ber vier Jahre lang zahlreichen Unterfuchungen, weiche 
Experte in Fraukreich, Deutichland, in der Schweiz, in Spe— 
nien und Italien mit ihm auſtellten, hartnaͤckig trote, bis ihn 
bee Abbé Sicard durch die Beobachtung entlarote, daß er nad 
bem Gehör, nicht nach dem Geſicht ſchrieb. Er hatte fich naͤm⸗ 
Ic thoͤrichterweiſe für einen Schüler des AbbE Sicard ausges 
geben. Den allerflärkfien Proben hatte er bis Bahn twiberftan- 
den; man hatte ihn Ausch ein funges, ſchoͤnes Märlb, das ihm 
feine Hand anbot, wenn es bie Wahrheit geſtehen wolle, in 
Verſuchung geführts man ließ in bem Gefaͤngniß von Rochelle 
einen Gefangenmwärter bei ihm fchlafen und flets um ihn fein; 
man weckte ihn oft plöglicdh aus dem Schlaf, aber er gab feine 
Furcht nur duch Wimmern zu erkennen und ließ im Schlafe 
rt, auf 
ign genay, zu achten und Miemanb Eonnte bie Spur 
entdecken, welche auf Betrug ſchließen iieß. Von feiner Rechte 
ſchreibung, welche ihn endlich verriety, moͤgen bier einige Pro 

rieb: Je jar de vandieux; guhondalt fir 
ogoret u. f. ı., woraus Sicard flo, baf 
er nicht dem Xuge folgte, ſondern ne Gehoͤr ſchrieb, 
3. B. inte er c mit qu vertauſchte. Auch Dr. Chevne erwaͤhni 
eines Soldaten, der fünf Jahre lang ben Taubſtummen mit ber 
größten Selbſtbeherrſchung fpielte, fetbft Erin Wort‘ ausftieß, als 
ihm ein ungefchieter Rekrut ins Ohr ſchoß und erft, nachdem 
er aus dem Seenſt entiaſſen war, Gehoͤr und Sprache wicher: 

sie 0 te 

taubſtumm; ber Arzt, welcher Betrug vermuthete, er * 
umſtaͤndliche Vorbereitungen zu einer Operation an feiner Kehie, 
um ihn dadurch, wie dies oft gelingt, zum Geſtaͤndniß zu brin⸗ 


- gen, und wäßrend bie Aufmerffümfeit bes Menſchen ganz hier 
.auf geliitet war, kreadıte i 


er plößiih ein brennendes Eid an 
befien Fingerſpite; aber auch dieſem Schreck wibesflanp ber Gers 
mann (ber Arzt, wurbe übrigens wegen dieſer Graufamkeit ab⸗ 
fest), und erſt als ee fa, daß bie Lift ihm Keinen Vortheil 
achte, gab er fie auf. Auf verftellten Wahnſinn tft neueriich 

| t diefer 


«die Aufmerkſamkrit vielfaͤltig geleitrt worden; die 
Irt von Taͤuſchung dat viel Furcht erregh daB fie haufig 


beautt 
werden moͤchte, um große Verbrechen gegen die —5* Ge⸗ 
ſellſchaft fraflos zu maden. Dr. Banin malht —— 
Punkt intereſſante Bemerkungen. Verſtellter Wabnſinn if feit 
den aͤlteſten Zeiten von Vettlern als ein Mittel angewendet wor⸗ 
ben Furchtſamen Ämoſen F 


um 
Strafe zu entgehen, ſind immer aͤußerſt ſelten gewefen. 
(Der Beſchluß folgt.) 


Verantwortlicher Heraußgeber: Heinrih Brodhaus. — Drud und Verlag von $. X. Brodbaus in Leipgig. 





Blätter 


. . 
fi * 


für Ä 


literariſche Unterhaltung. 





Freitag, | 





Pfizer. Zwei 
( Beſchtuß aus Mr. MT.) 

Der Verf. ſchlleßt nun fein Werk mit einem Ruͤck⸗ 
blick anf unſer deutſches Vaterland und beffen gegen⸗ 
waͤrtige Geſchichtslage. Ex ſelbſt behauptet, dieſe Schluß⸗ 
betrachtung enthalte die Anwendung ſeiner philoſophiſchen 
Grundſaͤtze und Reſultate; allein wir moͤchten ſagen, daß 
er die Theorie mit ihren Widerfprüchen ziemlich zuruͤckge⸗ 
faffen und nun freier und feiner ganzen geifligen Conſti⸗ 
tution angemeſſener athmet. Der tüdhtige praßtifche, 
durch Wiffenfchaft und Leben gebildete Verſtand, die uns 
beftechliche und warme Geſinnung, der männliche, edle 
Muth, mit dem er fi unſers Vaterlands annimmt, 
überdies der Reiz und die Schönheit der Sprache und 
Darftellung, verleihen der Abhandlung einen hohen Werth 
und dad ernftefte Intereſſe, fodaß wir unfern Leſern we⸗ 
nigſtens den Gedankenzug andenten wollen. Jeden Deut: 
fhen, dem fein Vaterland nicht gleichgültig iſt, ober viel 
mehr gerade — dem es gleichgültig iſt, fodern mir 
auf, dieſes Schlußwort Pfizer’s zu lefen, zu prüfen und 


zu beherzigen. Eine der deutſchen Geſchichte entnommene 


Charakterſchilderung unſers Volks geht der Betrachtung 
voraus: — das eigenthuͤmliche Weſen des Deutſchen, heißt 
es, laͤßt fi) mit einem Worte bezeichnen: Allſeitigkeit — All⸗ 
feitigkett des Geiſtes, der ſich über jedes Gebiet des Wiſſens, 
Erkennens, Schaffens verbreitet — Altfeltigkeit dee Ems 
pfindung,, die jeden dufern wie Innern Eindrud willig 
‚und gleihmäßig aufnimmt — Aüfeitigkeit der Gefinnung, 
die durch immer regen Antheil am Geſchick der ganzen 
Menfchheit den Deutihen zum geborenen Weltbürger 
und das beutfche Volt zum Weltvolk flempelt. Schon 
die deutfche Sprache zeugt dafür. Unmittelbar ans biefer 
Allſeitigkeit entfpringt auch das deutfche Gedankenleben, 
die Univerfalität des Geiſtes, fowie ber Begenfag des 
Untoerfellen, die Richtung und der Sinn des Deutfchen 
für das Einzelne und Einzelnſte, das fi durch feine 
ganze Geſchichte und beſonders im der Ausbildung bes 
Rechts zeigt. Dagegen fehlt aber auch dem Deutfchen ver 
möge diefer die Gegenſaͤte mäßigenden und verfehmelzenben 
Aufeitigkelt das glänzende und ſcharfe Geprüge anderer, 
befonders füdlicyer Nationen; die Deutſchen find, weil 
abgefchtoffener in ihrer Individualität, auch minder leicht 


.. 





Gedanken über Recht, Staat und Kirche von P. A. 
Theile. 


24. Rovember 1848. 





in Maſſe gleichförmig zu bewegen, jeder Dioment eines 
allgemeinen Auffchwungs will in den Gemäthern vorbes 
reitet fein. 

Das Ausland verkennt ums darum umb fpricht un® 
jeden Einheitsſinn, jeden organtfchen Zuſammenhalt ab. 
Der Vorwurf ift in einer Dinfiht ganz falfch, denn wie 
befigen allerdings eine geiftige Einheit wie kein anderes 
Bolt; kein Volk hat Philoſophen, bie im allgemeine 
Bewußtſein der Nation wutzeln, tote wir; auch bie pol 
tifche Geſchichte Deutfchlands zeige vom Bunde der Che⸗ 
rusker bis auf den Zollverein Trieb nah Einhelt unb 
Zuſammenſtehen. Allein wie haben feine politifche Eins 
beit, keinen politiichen Zufammenhang mehr, ber beutiche 
Bund verbindet nur loſe die Dynaſtien, aber nicht bie 
Stämme, und dies ift allerdings der Punkt, um welcher 
fich jede politiſch⸗ nationale Würdigung drehen muß. Was 
ift der Grund diefer befremdenden, beim erſten Anblicke 
unglaubttchen Erſcheinung, bag bei einem Rechtsvolke, 
wie das deutfche, der öffentliche Rechtszuſtand in foldem 
MWiderfpruche mit ben erften Koderungen des Rechts IE? 
Dfizer geht fehe gruͤndlich in dieſes Problem ein. Ce 
findet zuerſt: die große Ehrfurcht der Deutfchen vor dem 
biftorifchen, dem erworbenen, pofitiven Rechte, auch we 
es nur ein verjährtes Unrecht war; dann: die naturwi⸗ 
drige Geſchiedenheit des innern und bes äußern Lebens, die 
fid) bei den Männern der Wiffenfchaft in Ideologie und 
Lebensabgefchloffenheit äußert, bei dem Praktiker in Ges 
niefucht, bei Allen im literarifcher und aͤſthetiſcher Kritik; 
die Deutfchen erwarten von dem Reichthume bes intellec⸗ 
tuellen Lebens das ganze Heil der Zukunft und gefaͤhr⸗ 
den durch die politiſche Lebloſigkeit ſelbſt das Reich des 
Geiſtes. Endlich: die Verfaſſung des Bundes; dieſelbe 
hindert gerade Das, was ſie als Nationalverfaſſung foͤr⸗ 
dern ſollte, fie zerreißt uns nad innen, laͤhmt dur das 
verſchiedene dynaſtiſche Intereſſe die politiſche Fortbildung 
und gibt uns dem Auslande preis. 


en Bundes 
die Zwie⸗ 


Gedanken eines europaͤiſchen Kriegs erbangen, weil bei ber erſten 
unglädtichen Wendung der Dinge eine ganze Saat ber Zwie⸗ 


Ile 


t kommen Wär se * uten —* entfpinnt 
* der Schlauheit 3 n * Wanken 
— —ãð wien 38 Need. für 
€ ra rden, 
FLO ig © rt. einen Derfelt Kranfen zu enklarven 
"8 einen wir anken zu heilen. Den umgekehrten Wetrug, 
“ya wirklich vorhandene Übel verheimlicht werben, entweder um 
1 "eine ee zu erhakten ober bie ‚Befunbgeitäpoher: zu ‚pin: 
hat bes Verf, weniger .b . In den Ballen, 
Ihe er beipricht,, find, feines Gintheilung nufolge, entweber 
F Keantpeitäfgmptome gang und gar erbichtet, ober es iſt 
mike eine Krankheit durch kanſtliche Mittel beroongebtadi 
I oder — es wird ein vorhandenes übe bei überteioben, n ämtich 
Trgsströgber Angaben groͤßer as .ch in. ber 
SXShat if, oder durch kuͤnſtiiche Mittel —** Außerdem gibt 
.. 8 eingebilhete Kranke, welche damit anfangen, ſich Leiden beis 
umeflen, die ihnen blos ihre Phantaſie vorfpiegelt, dann aber 
Fre den Einfluß ihres lebhaften Borftellumgebermbgene eine 
vwirkiich krankhafte Diepoſttion vervordringen und endtich wirder 
ai, —— air * —— Kr —— 
Wahrh vorhanden if, Ing un, um ihren Klage 
mehr Sache zu eben. Suche Bermilchun os Wahren 
und Falſchen entfpringt nicht felten auch aus noch einer andern 
eh ook unferer Natur: wenn kaͤmlich empfindfame Kranke, 
eriſche Irauen und hypochondriſche Maͤnner, welche 
irre un allerlei hoͤchſt außerordentliche wmb, ganz un⸗ 
n-übeln befallen glauben, von ihren ärztlichen Rathge⸗ 
Yan ber Unrichtigkeit ihrer Angaben überführt werben, find fie 
: ck geneigt, bie nicht anerkannten Leiben kuͤnſtlich hervorzurufen, 
iin Bas, was ſie von ſich ausgeſagt —8 wahr zu machen. 
Hieraus erwaͤchſt für -die Autübımg bex Heitkun de, eine eigen⸗ 
thoͤmliche Schwierigleit. Die Sadhe iſt nicht —* abgethan, 
daß der Arzt dem Betruge auf die Spur komme; denn die Mit⸗ 
tel, welche der eingebühete Kranke anwendet, um Recht zu bes 
Yalten, Eönnen ihn wirklich krank machen; ſchon die bloße Nach⸗ 
ahmung —— Acker bann damit uben, daß bie 
de dieſe Art grosuhbe Kronkheit ſich wirklich einſteſlit. Da⸗ 
ber Arzt ai blog das Grbichtete vom Wahren zu 


“ m: Mi: Tauſchungen zu wWe bringt. Die melßen 
He 


a" 


in 56 fe beider Porteien. an hafen Ant 
— Peer gefährlichen Antbeil nimmt. 
ige Kiaenflan auf ber einen Seite erweckt Sigenfinn auf der andern, 


° and es kann dahin Tommen, daß es zulegt nur gilt, 'wer am: 
Aangſten auspälf: Der Arzt moͤchte, indem er betrügtiche Ab⸗ 
‚ihr ——— verſucht fein, darf aber nicht die Aufdeckung 
der Schuld durch Mittel herbeizufuͤhren fuchen, welche, wenn 
“auch gerechte Strafe Aw den Ehuligen, doch gegen den Uns 
fyutdigen bloße Grauſamkeit wären. Er darf um fo miniger 
zum Behufe dee Entdeckung ein Verfahren, weiches einer Strafe 
geichfonmen tönnte, einfdylagen, ats ſelbſt wirklicher Betrug 
nt eine flrafbare ir vorausſetzt. 
Bisiweilen, jagt Dr. Gavin, find, auch Soldaten eingebildete, 
„ nicht verflellte Keane; ‚alle Mititairärzte, welche über biefen Orgen 
: land gefchrieben haben, führen Erfahrungen ſolcher Art an; es 
" tegt ber Berſtellung fogar in manchen Yallm bios eine Art Wuth, 
die Offiziere, Ärzte, Kameraden zu täufchen, zum Grunde, eine 
Berirrung des Verſtandes, eine fire Idee. Am meiften ſcheint 
noch der Arzt in ſolchen Fällen berechtigt, durch läftige oder 
ſchmerzhafte Euren, welche die Krankheit, wenn fie wirftich vor⸗ 
“ Banden wäre, nöthig machen würde, das Aufgeben ber Bers 
‘ ng zu erzwingen; aber auch dieſes Mittel tft gefährtich, 
: denn bie Scheu vor der Sur kann ben Kranken bewegen, eine 
“ Gemüthsaffection zuruͤckzudraͤngen, opne daß er von biefer ges 
heilt iſt. Dergleichen Erwägungen zeigen ſchon hinreichend, wie 


Verantwortlicher Herausgeber: Deinrih Brockhaus. — Drud und Verlag von F. XBrochaus in Leipsis- 


- gen, und "während die Aufmer t des 


ir an 
—* 
mann (ber it wurde ubrigens wegen dief 
| kei nen 
feht), und ect ale e ag, dag. die eift 3 Be 


. dio Aufmerffarnteit Stelfättig getgiter worbens iR 
Art von hing Yat, viel **— de X. 





*8 t 
Bi 43 fie den Iafdr 8 teefächen Kat * Kin Bey wis N Be pi 
und einer firafiinsen Gier neh x uk 
dinger] Bruder Barren runde 


m ale mögli 
—— 


den bg i 

den un . 

Wem —** en hat, * at Ir 
en egehe 





Gebist zuräctäh erleichtern. 

Will 5* * 3. Kranke einer ober Strafe ent: 

— o wird er eine acute Krankheit vorſchuͤtzen muͤſſen; ut 
hroniſche Krantı 


uftentlaffung au, 1 fo wird ihm eine 


in ae — ———— 


chweren. Ferner wird eine — senhhlt werben, 
weicher ber Unternehmer eines feichen Betrugs gut bekannt # 
Soldaten machen in diefer Hinffcht ihre Studien gewöhn 
Lazareth. Endlich witd der lau © Betrüger fl —* le 
einer Krankheit ebienen ‚ welche moͤglichſt —* "durch bie 
Sinne wahrnehmbere Symptome bat und ken unterfuchenten 
rzt noͤthigt, ſich auf die Wahrheittliebe des Berichtenden zu 
Ic Verſtellte Taubſtummheit begegnet daher ben amtib⸗ 
hen Ärzten beſonders häufig. Dr. Gabin erwähnt eines Be 
trügers, der vier Jahre lang en untere Unterfuchungen, welche 
—— —— — —— ——— — — "he 
nien un ufkellten, bis ihn 
bee Abbe Sicark Sk die Beobachtung enflarn te, daß er be 
bem Gehör, nicht nad) dem Geſicht Ichrieb. Er hatte ih ndm: 
lich thoͤrichterweiſe für einen Schüler des AbbE Sicard ausges 
geben. "Den allerflärkften Proben hatte er bie dahin wibderſtan⸗ 
benz man hatte ihn durch ein junges, ſchoͤnes an das Im 
feine Hand anbot, wenn es bie Wahrheit g 
Berſuchung gefuͤhrt; man ließ in dem Sc . von —X 
einen efangenwaͤrter bei ihm ſchlaſen und ſtets um ihn ſein; 
man weckte ihn oft — aus dem Schlaf, aber er gab feine 
Burdt nur dur Wimmern zu erkennen und ließ im Schlafe 
nur Kehllaute Hören; alle Gefangenen waren a au 
ihn genau zu achten und Riemand konnte bie geriagſte Spur 
enkbeden, —* auf Betrug ſchließen ließ, Won feiner Recht: 
fhreibüung, weldhe ihn endlich verzieth, mögen hier eini rt Pre 
ben ſtehen. Er ſchrieb: Je jur de vandienx; qukondait 


"oenduites ru 8..Honoret u. f. w., woraus Eikarh * E 


ee nicht dem Auge folgte, fondern nad feinem Gchoͤr fihcib, 
3. B. indem er c mit qu vertauſchte. Auch Dr, Gheune t 
eines Soldaten, ber fünf Jahre lang den Zaubflummen mit Dr 
‚größten Selbſtbeherrſchung Tpiette, | Bi: kein Wort‘ au 

ihm ein ungeſchickter Rekrut Ins Ohr ſchoß und. exfl, * 
er aus dem Deenſt entlaflen war, Old unb Erache wire: 

befam. Gin Matroſe an Worb ber: Fregatte AHtile ee 
taubflumm; ber Arge, welcher Betrug dermuthete, MG = 
umſtaͤndliche Vorbereitungen zu einer Operation ‚in —* 

um ihn babe, wie dies oft etingt L zum 


auf geleitet brachte er in — 
— grsfpite,; aber auch 4 —2** bar ber | 







achte, gab er fie auf. "Auf verftellten 


—— —— a or ud .. 

8 ma 

Yun t —* — —e—— KR 8— oe 

den älbeften Zeiten von ‚Betttern als ein re ge 

Decken: aber aber bie Bälle bag ihn esse Aa: um de 

Strafe zu entgehen, find immer äußexft. Fe 
(Der Beſchluß folgt.) 








Blätter 


für 


literarifhe Unterhaltuek 





— Ar. 328. — 


Freitag, 


Vedanken über Recht, Staat und Kirche von P. X. | in Maſſe — Bei 
Pfizer. Zwei Theile — — — — — 
(Befhta) and Pr. 0.) 
Dee Verf. fließt nun fein Wert mit einem Räd: 
blik auf unfer deurfces Waterland und beffen gegen: | jedrn Einpeirsfm Tr zummrimr * 
wärtige Geſch ichtslage Cr ſelbſt behauptet, dieſe Schluß: | Der Voumuf E m mr Zumir — — 
betrachtang enthalte die Anwendung feiner philoſophiſchen n 
Srundlge und Refultate; allein wir möchten fagen, daß 
Sr vie Theorie mic Ihren Widerfprüchen ziemlich zurüciger | Versufefeim 
Faſſen und nun freier und feiner ganzen geifligen Conftis | cifdye Gefgite Pumkie ==. 
Custion angemeffener athmet. Der tlchtige praktifde, | ruster bis amt au zum Da. — 
duch Wiffenſchaft und Leben gebildete Verftand, die un: | — Zee zu aM” — 
beſtechliche und warme Gefinnung, der männtidye, edle | heit, — — 
Muth, mit dem er fih unfers Waterlande annimmt, | Vumd —— 
überbies der Reiz und die Schänhelt der Gprade und | time, zu: = ih um = 
Darftellung, verleihen der Abhandlung einen hohen ZBerth | fid jehe ——ii — 
und dad ernſteſte Intereſſe, fodaß wir unfern Lefern mes | ik der Ber = — 
nigften® den Gedanfenzug andeuten wollen. eben Deut: | unglautet* m 
fen, dem fein Vaterland nicht gleichgültig Ift, ober viel: | wie Det m — * 
mehr gerade — dem e6 gleichgültig if, fobern wir | Wien — - 
auf, dieſes Schlußwort Pfijer's zu lefen, zu prüfen und | Bi: = —" — — — 
zu deherjigen. Eine der deutſchen Seſchichte eatnemme⸗ Im: ar 7 — ⸗ ME 
Eharakterfhilderung unſers Volks geht ber Betrachtung | — i —⸗ 
voraus: — das elgenthuͤmliche Weſen des Deutſchen, ki u — — — — 
es, iãet ſich mit einem Worte bezeichnen: Aufeitigkeit — ZB — — — — 
feitigkeit des Geiſtes der ſich über jedes Gebiet des Wiens. Mr "er — — — 
— — — 


Ertkennens, Schaffens verbreitet — Allſeitigkeit der E — 
pfindung, bie jeden aͤußern wie innern Eindruf wäik — — —— 
— 





und gleichmaͤßig aufnimmt — Aufeitigkeit der Gef: * — ⸗ — — 
die duch immer regen Antheil am Geſcue Der um "un — En ⸗ 
Wenſchhei — 
amd das . 
Die deutſch - 
Anfeitigkeii — 
die Untve 

Untverfetin 

für das ( — 
ganze el - 
Keches zeig — 
möge Diefer 7 

- 





‘ 


1814; , 


tracht und des undeils aufzu 
auch dem deutſchen Wolfe die Bahn zus nationaler Größe, Macht 
und Ehre zugeſchloffen. Der deutſche Bund, der an brei Meert 
ndt befigt fein Kriegafchiff, und während andere Rationen ih⸗ 
sem Handel nah und fern neue Straßen Öffnen, ſieht Deutſch⸗ 
Lana bie Münbungen feiner zwei Hauptſtroͤme under fremder 
Bolmsisipkeit, und auf dem Meere, wo ein feine Flotten herrſch⸗ 
ten, wohin ſich alle großen und ſtrebenden Nationen drängen, 
bängt jegt die deutſche Schiffahrt von ber Gnade und Dulbung 
des Auslandes ab. Ja man 
(eben einen Erben, und es wird Rußlands künftige Weltherr⸗ 
ſchaft, zunaͤchſt die Unterjochung ober Vernichtung des germanis 
Shen Weit durch die ſlawiſche, balb wie ein unabwendbarer Schick⸗ 
faldfhtuß mit feufiendee Grgebung, bald aud im Zone bed 
Triumphs verfündigt. Wo deutſche Mächte jept die Friedens⸗ 
der ZFarcht und dem Ge⸗ 


arme hoͤren ‚wie immes de 
fühl der Schwaͤche ein größerer Antheil zugeſchrieben als ber 
Wäbigung und Gerechtigkeit. Auch zeugt es wol von allem 
Anbern eher ald von Achtung bes Auslands gegen die deutichen 
KHegierungen, wenn in Frankreich alle Parteien einig find, einen 
Theil des WBundesgebiets, bewohnt von Boͤlkern diteften und 
zeinften gecsmanifchen Biuts, aid das natürliche Gigenthum Frank⸗ 
reiche zu detrachten, das im naͤchſten Kriege Deutſchland ent⸗ 
ziffen werden müffe; wenn in Frankreich und England der Dan 
delsbund, zu dem deutſche Staaten ſich en. Bi 
n Für 


Eigenmächtigfeit behandeft wurde, bie man ben deutf 
Ben nicht hätte geflatten ſollen; wenn Rußland ben vormatigen 


*57 des Kheinbundes feine Schuttherrſchaft gegen Preue 
fen und 


fireich darbietets wenn bes roͤmiſche Stubl gegen bie 
zäcfichtsoolten beutfchen Regierungen fo gang andere auftritt 
als gegen Rußland, das der kathotifchen Kirche feine Kraͤnkung 
fpart; wenn feibſt ein Staat, wie Holland, durch deutſche Dülfe 
heegeſtelt, den Deutſchen die bebungene freie Schiffahrt auf 
Mn erfien deutſchen Strom unter ben nichtigflen Vorwaͤnden 
zu verkuͤmmern wagt. 

Von Unterwerfung unter eine Staatsgewalt, ſagt 
Pfizer, wird man nicht hören wollen; auch wäre das 
mehr leidende als thätige Freiheit. Allein die Deutichen 
find keins Sklavenſetlen; fie haben fich nicht ſelbſt, fon: 
den die Eiferfucht und das Intereſſe der Fuͤrſten dat fie 
zerriſſen, und darum müſſen fie wenigſtens nad) einer 
delitiſchen Drganifation ſtreben, welche mit bem Zuge 
ud dee Zoderung ber Gegenwart uͤbereinkommt; diefe 
Dpganifation ift die Volksvertretung, fie muß Deutſch⸗ 
land zu erringen ſtreben. Die Schmeichler, die Schwa⸗ 
&en, die Optimiſten und die Faulen führen zwar eine 
Menge Gründe dagegen an, die Pfizer ſehr erfhöpfend 
aufjäblt und mit unmilligem Spott behandelt. Die 
Mächtigen und Cinflufreichen wollen eine folde Vertre⸗ 
tung nicht; die Frage fei ungeitig und müßig; Die deut⸗ 
ſhe Nation fei fir eine politiiche Rolle und Verfaſſung 
sicht empfänglich, ihre Beſtimmung ſcheine bie vorherr⸗ 
ſchend geiftige Richtung; bas Stud der Gegenwart liege 
im langem Frieden und ber Entwidelung der materiellen 
mtereffen; das natuͤrliche Verhaͤltniß der deutfchen Stämme 
weife jede Repräfentativverfafjung zuruͤck; bie Volksver⸗ 
tretung ſei überhaupt etwas Undeutſches, waͤhrend doch 
fruͤher der freie Mann feine Familie, ſpaͤter der Grund: 
here feinen Hinterſaſſen, ber Lehnsherr feine Vaſallen, ber 
Sandeöhere fein Land auf dem Meichbtag, die Stadtobrig⸗ 
Belt die Burger vertrat. Berner weiſt man auf bie 

fschte ber einzeinen Lanbesverfaffungen. Es iſt ein 
angel von politifher Bildung, entgegnet Pfizer, wenn 


geben droht. Dadurch iſt aber” 


fegt Deutſchland ſchon bei Leibes⸗ 


man von Ständen, denen alle conſtitutlounele Waffen 
fehlen, conftitutionnelle Leiflungen erwartet, die angeklagt 
und verleumbdet twerben, denen man revolutionaire Be⸗ 
ftrebungen beilegt, wenn fie nur wagen in Oppefition zu 
treten, die uͤberdies noch den abſeluten Zürßeubgnd über 
und gegen ſich Babes. 

Auf welchem Wege fol nun aber Deutfchland zu 
einer gemeinfamen Repräfentativverfaflung, auf die es 
ein unverbrüchliche® Recht befigt, und die ihm noch thut, 
gelangen! Freilich richtet hier der Verf. feine Augen nad 
Preußen; er ift, wie fchon befannt, ein Verfechter der 
preußifhen Hegemonie. Hätte Deutſchland aber eine ges 
meinfame Werfaflung und ein gemeinſames Qugan, fe 
fehen wir freilich nicht ein, wie dieſe Degemonie aus in⸗ 
nern oder aͤußern Gruͤnden gerechtfertigt ſeis follte, Vor⸗ 
erſt muß jedoch Pfizer ſelbſt geſtehen, daß Preußen mit 
dem Princip des politiſchen Abſolutismus und in feiner 
Abneigung gegen das conſtitutionnelle Deutſchland der 
Einheit und einer neuen Organiſation des Geſammtvater⸗ 
lands ſehr geſchadet und ſich die Abneigung des Verfaſ⸗ 
fungsflanten zugezogen bat. Der Widerwille gegen das 
fi bruſtende Preußenthum, befennt er, iſt größer als 
gegen ſtreich, weil das Erſte den Liberalismus öfter zur 
Schau getragen. Hierzu kommen nocd eine Menge ge 
(äufiger und täglich verbreiteter Behauptungen, z. B. 
daß Landflände, welche mehr als einen guten Rath er 
theiten, der Vergangenheit angehören; daß die Unfreiheit 
überhaupt für höhere Freiheit ausgegeben wird; daß preußi⸗ 
fche Bildung und Intelligenz Über Alles hinaus fei u. ſ. w. 
„Mau denkt ſich Preußen als ein Land, das einer uner: 
meglichen Gaferne gleiche, mit feinem andern Xriebrad 
als mit Suborbination und die Gedanken felbft bem 
Volke wie eine Parole vorgefchrieben.” Diefes Miss 
trauen kann nur fchrwinden, wenn fih Preußen felbft 
sum conftitutionnellen Staat macht, und biefer Fort 
ſchritt müßte dann nothwendig zur Folge haben, daß die 
conflitutionnellen Staaten, Preußen an ber Spike, mit 
gemeinfamen. Intereſſen und gemeinfamer Politik, zu ei 
ner Bereinigung der beutfchen Völkerflämme und zu einer 
allgemeinen Repräfentativverfaffung gedrängt würden. Weil 
aber dieſes vereinte Deutſchland doch einen materiellen 
Schwerpunkt haben müßte, fo will Pfizer Preußen in 
dem neuen Bunde eine fogenannte „Bunbeshauptmannz 
ſchaft“ ertheilt willen, die dann aber wol nicht leicht 
Semand nothwendig finden dürfte, da ein Organismus 
feinen Stugpuntt in fi felbft tragen muß. JIn diefem 
verfaffungsmäßigen Bunde fol aber ſtreich ausgeſchloſ⸗ 
fen fein, denn Oſtreich entbehrt ſchon an ſich ber natio 
nalen Einheit, und muß, um eine kuͤnſtliche Einheit zu 
erhalten, fortwaͤhrend und von jeher Sorge tragen, daß 
die verſchiedenen Voͤlker ſeines Scepters nicht zu politi⸗ 
ſcher Muͤndigkeit gelangen. Blos ein Buͤndniß mit die⸗ 
ſem Deutſchiand fernen ſtreich haͤlt unſer, durch den 
Lauf der Gedanken etwas ins Hypothetiſche fortgeriſſene 
Verf. für nuͤtziich Er zeigt durch dieſes Ausmalen 
einer beſſern Zukunft, daß er ein echter Sohn unſers 
Vaterlandes iſt. 








N 
MR 


* tim wis eine Bemerkung nicht nuter⸗ 
drucken. bekannter! Kritiker ſprach fi nor kurheca 
über eine Beurtheilung des vorliegenden Werts, die dem 
Anfiheine nad) von oben den theorcciſchen Aufichten, wie 
die unfere, awögegangen war, wit Gatrünftung aus, an⸗ 
geblih: weil darin Pfizer das Princip der Unftttlichkeit 
vindiciet worden fei. Gegen eine foldye einfältige Beſchul⸗ 
digung, die nur blinder Parteihaß eingeben kann, wollen 
wir biemmis ansdrüdiih proteſtiren. Die Anficht von 
dee Unzulänglichkeit eines philoſophiſchen Standpunkts ifl 
feine moralifche Beſchuldigung, die auf ben Charakter eis 
nes Schriftſtellers zurädfallen kann. Wenn wir auch 
die theoretifhen Anfchauungen Pfizer's nicht theilen, fo 
achten und verehren wir ihn doch als einen jener an 
GAR und Charakter ausgezeichneten Männer, deren un: 
fee Vaterland nicht zu viel befigen, auf die Deutfchland 
wahrhaft flolz fein kann! 22. 





Erdichtete und eingebildete Krankheiten. 
Beſchiuß aus Nr. 827.) 


Dr. Gavin ift der Anſicht, daß bie Leichtigkeit bes verfteilten 
WBahnfinns keineswegs fo groß fet, um den Srfahrenen einer ans 
haltenden Taͤuſchung auszufegen. Es ift merkwürdig, fagt er, 
daß die Äberaus zahlreichen Schliberungen von Wahnfinnigen in 
Gedichten und Rovellen meiftens fehr auffallende Verſtoͤße gegen 
die Ratur enthalten. Shakſpeare, Goethe und wenige Andere 
machen eine Ausnahme, indem ber von ihnen gezeichnete Wahns 
finn jebe Prüfung aushätt, aber faft alle Übrigen haben fehlge⸗ 
griffen. Auch Dr. Cheyne Hält es für überaus ſchwierig, dem 
Wahnfinnigen fo zu fpielen, 'baß ber mit ben Phänomenen ber 
Gemuͤthekrankheiten Bertraute baburd, bintergangen werben koͤnnte; 
dennoch iR er dee Meinung, daß die Gefahr größer fei, wirktis 
den Wahnſinn für Verftellung zu halten, als verftellten Wahns 
fian für wahr zu nehmen. Wenn Raferei ſchwer nachzuahmen 
ift, fo iſt es Monomanie, nady der Behauptung faft aller 
Schriftftellee Aber dieſe Materie, in noch weit höherm Grabe. 
Derjenige, weldyer Wahnfinn heucheln will, iſt nicht leicht ver 
traut mit den grundlofen Xbneigungen und unerklaͤrlichen Zuneis 
gungen, weiche dem Wahnfinnigen eigen finds er ift nicht leicht 
fähig, die feierliche Wuͤrde nachzuahmen, welche den Tollen cha⸗ 
rakteriſtrt; er kann ſich den eigenthümtichen Blick des Auges 
nicht geben, ber dem erfahrenen Beobachter die Verruͤcktheit ſo⸗ 
gleich verraͤth; fein Gefühl kann nicht fo concentrirt fein, daß 
ed allen Gindrüden, die nicht mit den Begenftänden feiner Ein 
bildu —— unzugaͤnglich bliebe u. ſ. w. Bel 
Gemuͤthskranken liegen die Erſcheinungen ihrer Krankheit nicht 
auf ber Oberflaͤche, vielmehr oft tief verſteckt und treten nur 
hervor, wenn fie durch befonbere Umſtaͤnde geweckt werben: dies 
fer umftand fleht den Zwecken des Betruͤgers entgegen, ba er 
feinen WBahnfinn feiner Umgebung auffallend machen will. Der 
wirklich Wahnſinnige ift unbeforgt um den Zufammenbang feis 
ner eingebildeten Ideen mit den wirklichen, für weiche er ein 
Urtheit dat, während der verftellt Wahnſinnige fich gu bemühen 
pflegt, bie fire Idee mit andern aͤußerlich angeregten in Ber: 
bindung und Zufammenhang zu bringen. Der WBahnfinnige iſt 
für feine fire Ider Leidenfchaftlich eingenommen und wirb beftig, 
wenn man biefer wiberfprichts biefen Umſtand uͤberſieht Derjenige 
leicht, welcher nur weabnfianig ſtellt, beſonders wenn ber 
Witerfpeuch geſchickt angebracht wirb. *) 

*) Dieſer zulett angeführte ſehr zichtige Bug laͤßt fi übrigens 
nicht allein am Wehnfienigen beobachten, fondern bei jedem Mens 
ſchen von Lebhaftens Weiße, der. feine Georienträfte auf irgend einen 
Gegenſtand entweder unwillkuͤrlich oder gefiffentiih firizt, fo im 





Dis moraliſchen Zersüttungen, welche man & 

des Wohnfinns zu fegen pflegt (moral — utenict Wr. 
Gavin eitier befondern Beleuchtung. (Eine Serrüttiing ber mos 
salifchen Fähigkeiten kann, vielen Autoritäten zufolge, da vorhan⸗ 
den fein, wo man den. nollen des Urtheils und 
aller geiſtigen Kräfte findet. Dies iſt der Punkt, der bei Gris 
minalunterfuchungen fo oR zur Giprade kommt. Bekanntlich 
kommen Yälle vor, daß Individuen von einer unwiderſtehlichen 
Wuth zu morden, Feuer anzulegen u. dgi. befallen find. Die. 
englifchen Richter find nicht bereitwillig, das Vorhandenſein von 
moral insanity zuzugeben. Dr. Gavin hält ihnen eine Menge 
von Autoritäten vor, Dtto, Esquirot, Ball, Spurzheim, Brouſ⸗ 
fais, Orfila, Andral, Mare, Beorget, Miu, Guislain, Ray, 
Ruſh, Reil, Plattner, Denke u. f. w.; in England felbft Pris 
hard, Elliotſon, Burrow, Pagan, Gombe u. f. w. Goffbauer, 


Reit und Heinroth tadeit er, daß fie das Geblet der entſchieden 


krankhaften Dispofitionen zu Verbrechen zu eng zögen. Biete 
von den angeführten Autoritäten heben ausbrädlid hervor, daß 
gewiß nicht felten Wahnfinnige auf dem Schaffot geftorben find, 
daß Menſchen Strafe gelitten haben, die nichts ald Mitteid vers. 
dienten. Dr. Gavin unterfcheibet zwei Formen der Mordwuth. 
Die erfte bezeichnet er als eigentlidde Monomanie, partiellen 
Wahnfinn: der Wörber wird von einer ſtarken, aber deliriren⸗ 
den Überzeugung, daß ſeine That unvermeiblich fei, von exhigter 
Sinbildungsfraft, von Wangel an gefundem Urteil, von wahns 
finniger Leidenſchaft angetrieben; fein Beweggrund ſteht ihm 
feſt, iſt aber unvernünftig; er handelt unter dem Ginfluß einer 
beftigen Selbſttaͤuſchung. Die andere Form bezeichnet er als 
conftante fire Idee: ber Mörder überlegt nicht, hat keinen Be 
weggrund, läßt fi) von einem blinden Inftinct leiten, von einer 
Idee, einem undeutiichen Gefuüͤhl; kein Delirium, Feine Aufres 
gung, feine Leibenfchaftiihe Hitze; ein unmwiderftehlicher Trieb 
wirkt; Überlegung, Befinnung, Urtheil find augenblicklich durch 
bie Gewalt des Hanges verdrängt. Um nun den Mordwäthigen 
von dem überlegten Verbrecher zu unterfcheiden, führt Dr. Gas 
vin eine Reihe von Merkmalen an, die jedoch theils einem gu 
unfihern Charakter haben, um hier befondere Erwähnung zu 
berbienen theils ſich aus der Natur der Sache fehr einfach er⸗ 
eben. ' 


„„. Man fieht hieraus fon, daß das Werk ſich nicht auf ers 
bichtete und eingebitdete Krankheiten befchräntt, fondern einen 
großen Theil ber medicina Torensis umfaßt. Diefer hängt mit 
einer der tiefften Schattenfeiten unſers Staatelebens fo eng zu: 
ſammen, daß fich einzelne Eritifche Bemerkungen nicht machen 
laffen ; man müßte die ganze Sphäre angreifen. 3. 3. einen 
armen Kerl, der durchaus nicht Soldat werben oder zur See 
dienen will, weil er für nichts Sinn hat als für die Veſtellung 
feines Aders ober weit ihn dad Heimweh foltert, oder ſelbn 
aus fogenannten ſchlechtern Beweggründen, einen foldyen Jahre 
lang zu quälen, zu torquiren, felbft wenn man ſich dabei aller 
augenfäligen Grauſamkeit enthält, felbft wenn man ihm nicht 
bie Binger verbrennt und ihn nicht mit Operationen ängftigt, 
ift es nicht an fich eine furchtbare Grauſamkeit? Ginen Mens. 
fhen zu tödten, bei bem ber expertefte Experte am Ende doch 
nit weiß, ob Das, was diefen zum Verbrechen getrieben hat, 
ale Wahnſinn zu claffificiren fei oder nicht, ja wo biefe ganze 
Unterfcheidbung auf einem unhaltbaren Princip beruht, ift e# 





lebhaften Streite. Man wird in foldem Sale umglaublich feinfühs 
lend für ben verfiedteflen Widerſpruch, welcher deu Nerv ber eliges 
nen Behauptung berührt. Wer fögar wiffenfchaftlihe Diöputatios 
nen, bie fehr ernſt geführt wurden, im Detail verfolgt bat, 3. B. 
den Gtreit ber Iutherifhen und reformirten Theologen Über bie Zerts 
werte ber Abendbmablbeinfegung, wird dies beflätigen; noch mehr den. 
aufmerkfame Beobachter an fih unb Andern. Überhaupt find allg, 
Erſcheiauagen bei Wohnfinnd ſolche, die ihre Grundtypen fan im 
geſunden Zuſtande finden, und ber Unterſchied befieht nur in bee 
einfeitigen Birirung und Lodseifung einzelner Phänomene aud dem 


: Bufammenhange ber geiſtigen Kräfte, 





1810 
nicht jedenfalls ein homicidium, ein Wenfdienmorb? Pier ger 


värh man aber in bie tiefen ragen über ba8 Veſen unferer 
Griminaljuftig, über Tobesftrafe u. ſ. w- Hiac illae lacrymae! 


— — — — — — — — 


Wiblisgrap hie. 


Art, M., Dee Bertrag von Verdun. ine Rebe zum 
1000jährigen Zueifefte Deutichlands im Saale des Gymnaſtums 
zu Kreuznach gehalten. Kreuznach, Kehr. Br. 8. 3%, Rgr. 

Belant, 9. &. R., Joſephine. Geſchichtlicher Lebens⸗ 
zomn. Drei Theile. Leipzig, Frieſche. 1844. 8. 4 Thlr. 


gr. 

Bellarmins, R., Hauptwerk uͤber den Papft. Über: 
ſetzt von 8. 9. Gumpoſch. Mit bem Bilbniffe des Berfafs 
fers. Augsburg, Rieger. Br. 12. 2 Thir. 

Beniden, 8. W., Wie und warum heißen wie Preus 
Gen? Quedlinburg, Bafle. Gr. 8. 20 Nor. 


der 5ten, bebeutenb vermehrten und mit neuen Anmerkungen 
von Arago, E. de Beaumont, 2. Brongniarb u. 2. 
bereicherten. Ausgabe des franzöfifchen Driginals für das Be 
darfniß deutfcher Leſer frei bearbeitet von P. d- Maack. Mit 
5 GSteindeudtafeln. Kiel, Univerfitäts Buchhandlung. 1844. 
Gr. 8. 1 TIhir. 15 Nor. 

Bibliothek der gesammten deutschen National - Litera- 
tor, von der ältesten bis auf die neuere Zeit. AGter Band: 
Heinrich’s von Meissen des Frauenlobes Leiche, Sprüche, 
Streitgedichte und Lieder. Erläutert und herausgegeben 
ron 1 Eitmäller. Quedlinburg, Basse. Gr. 8. 2 Tbir. 

gr. 

Bötticher, W., Erinnerung an bie 1000jäHrige Feier 
des Vertrages von Verdun, in Beziehung auf bie beutfche Kirche 
unferer Zeit. Berlin, Wohlgemuth. Gr. 8. 3%, Nor. 

Das Buch der Gefchichte unferer Tage. Ifte Lieferung. 
At dem Portrait Abd el Kader. Grfurt, Expedition ber 
Thüringer Chronik. Br. 8. 5 Nor. 

Deutfche Burſchen⸗, Volks» und Kriegdlieber. Auswahl. 
Erlangen, Ente. 5 Nor. 

onversations-Lexicon für bildende Kunst. Illustrirt 
mit über 3000 Holzschnitten. Iste Lieferung. Leipzig, 
Romberg. Lex.-8. 15 Ngr. 

Grebner, K. A., Das neue Teſtament nad) Zweck, Ur: 
fprung, Inhalt für denkende Lefer der Bibel. 3ter heil. 
Biegen , Ferber. Br. 8. 1 Thlr. 0 Nor. 

Engel, Laurence Stark, a family picture. Translated 
by T. Gaspey. Heidelberg, Groos. Gr. 12. 15 Ngr. 

Fries, 3. J., Letzte Worte an bie Stubirenden in Jena. 
ine für den Antritt des Prorectorats entworfene Rebe über 
den freien Geift im deutſchen Univerfitätsieben. Jena, Doch: 
haufen. 12. 3%, Nor. 

Gavarret, J., Allgemeine Grundsätze der medicini- 
schen Statistik oder Entwickelung der für die numerische 
Methode gültigen Regeln. Aus dem Französischen ins 
Deutsche ‚übertragen von S. Landınann. Erlangen, Enke, 
1844. Gr. 8. 1 Thlr. 

Sottlieb, 5 — Taſchenbuch. Iſte Lieferung. 


gr 

Eros, 2. Freih. v., Geologie, Geognofie und Petrefacten: 
Amde. Wit 500 Abbildungen der bie Bebirgsformationen cha: 
ea Detrefacten. Weimar, Boigt. 1844. Gr. B. 

Ir. 

Hirschel, B., Geschichte der Medicin, in den Grund- 
zügen ihrer Entwickelung dargestellt. Dresden, Arnold. 
Gr. 8. 3 Tbir. 

Hoffmann, J. G., Sammlung kleiner Schriften staats- 
wirthscheftlichen Inhalts. _Berlia, Nicolai. Gr. 8. 3 Thir. 

Holtzmann, A., Über den Umlaut. Zwei Abhend- 
ungen. Karlsruhe, Holtzmann. 8. 12', Ngr. 


Te een ee 
Werantwortliher Gerauögeber: Heinrich Brodbaud. — Druck und Verlag von F. U. Broddaus in Esipzig. 












Haͤffell, ©., Weſen und Weruf des evangellſch⸗chriſt⸗ 
lichen Geifltichen. ee ee ei 
Gießen, Geyer. Gr. 8. 3 She. 10 Mer. 


Daeanafen, R., EOcdichte. Beingig, Einhorm. IB, 


Zolowicz, H., Der fegenvolle Beruf israelitiſcher Beif- 
lichen und die Pflichten der Gemeinden gegen fi. Ma = 
en, © ft ai — 
ap ec, of 
1844. 8. 24, See. Erinnis, Einhorn 
Kanal, ©., Zionsharfe. GWeiftliche Lieder und Gonette. 
3te vermehrte Auflage. Berlin, Wohlgemuth. Br. 12. 15 Nor. 
Köhler, B., Patriotiſche Phantaſien zur Joͤrderung der 
Maͤßigkeita⸗RKeform. Dibenburg, Sonnenberg. Gr. 8. 10 Ragr. 
Kolb, G. F., Das Leben. Napoleon's. Unter kritiſcher 
Benugung ber vorzuͤgtichſten frauzoſiſchen, deutſchen md engli- 
fhen Werke über benfelben, in Kürze — voltäthümlich umd 
moͤglichſt wahrheitsgetreu — geſchildert. Mit Napoleon's Wild: 
niß im Stahlſtich. Zte vermehrte Ausgabe. Speyer, Bang. 
@r. N. 10 Rex. 
eöbener Kunftzuftände. No. I. Molerei, mit näherer 
Beruͤckſichtigung ber diesjährigen Kunſtausſtellung. Allen Kuͤrſt⸗ 
En gewidmet von &..* und D..*. Dresden, Arnotb. 12. 
gr. 
Mand, 3. E., Herz und Kopf. Eine bumori Bor 
leſung. Prag, Borroſch und Andre. 16. TUR Pilde 
Mann, K., Was thut unferer Kirche noth? Mit Rück: 
fit auf die Schrift: „Zuſtaͤnde ber evangeliſch⸗ proteftantifchen 
Kirche in Baden, von K. Zittel”, zu beantworten verſucht von x. 
Karlöruhe, Holgmaan. Gr. 8. 11, Rgr. 
Müllers Strübing, 9., Diiver Gromwell. Trauer⸗ 
fpiel in fünf Acten. Berlin, Raud. Gr. 8. 1 Zhlr. 
Niemcewicz, 3. U., Meine Gefangenſchaft zu St. Pe 
tersburg, in den Zapren 1794, 1795 und 1796. Rachgelafjes 
nes Werk, nad bem eigenhänbigen Manufcripte des Berfaflers 
herausgegeben auf Veranlaffung des polnifchen hiftorifchen Ge: 
mc au ri Deutſch von &. Eichler. Leipzig, Thomas. 
. r. 
Notizen für Dirigenten von Leſezirkeln un ibli 
Bautzen. Kl. 8. 3% Kar ſe dvethtibiorheten 


Perſonalſtand ber Friedrichs Alexanders⸗Uni aͤt Erlan⸗ 
gen Kar ihrem erſten Jahrhundert. Griangen, "ae ®r. 8. 


Yudıta ©. R. H., Morgens und Abenbandbacht i 
lichen Yausaltar in Gefängen. Erlangen, —— ie 


r. 

Rama. Ein indiſches Gedicht nach Walmiki. Deutſch von 

a Helt mann. 2t 

man. si a j A beie Auflage. Karlsruhe, Holke 

mitthenner, FJ., Zwölf vom Staate, 
ſyſtematiſche Encyclopaͤdie der ee aldefen * Bart, 
Ifte Lieferung. Gießen, Heyer. Ger. 8. 1 Thlr. 15 Nee. 
a a m 18 je Athen. Bon einen Augen 

zeugen sieben und mit ben betreffende Rüden i 

tet. Leipzig, Brockhaus. Gr. 8. 10 oe. Acten ai 

tors Kurt Free Irre @. 8 Siebelis, Bes 

u iffin, 

Bautzen, Weller. 8. *. Nor. von Timm Fe verfaßt. 
Die ſchoͤnſten und wichtigiten Stellen aus Krauſe's Urbilb 

der Menſchheit. Schaffhauſen, Brodtmann. 8. 24, Rar. 

‚ br ng al sWBrimborium, ober: Dis Tonne 

er € . angegeben . . 

bis Stes Heft. Berlin, Bee 8. . mt If 
BWiſſel, 8. v., Intereffaute Kriege: Erei der 

zeit. Veleuchiet und mit 2 —* —— — 

ga Pia Mit 1 Plane. Hanover, ing. Ge. 8. 


⸗ 











. Blätter 


fr 


literariſche unterh 


altung. 





Sonnabend, 





Die letzten Stunden und der Feb in allen Giaffen 
der Geſellſchaft aus ben Geſichtspunkten ber Hu⸗ 
manitdt, der PMyfiologie und der Religion betrach⸗ 


tet von H. Lauvergne. Brei nach dem Franzoͤ⸗ 
fifchen —* Zwei Baͤnde. Leipzig, E. Flei⸗ 


fiber. 1843. Gr. 12. 3 Thlr. 15 Nor. 

Ein guter Titel iſt wie ein geiftreiches Geſicht, zu 
dem ſich der Beſchauer Thon beim flüchtigen Hinblick mit 
einer gewiſſen Zuverficht bingezogen fühlt, oder wie der 
grünfeldene Vorhang Über einem werthvollen Gemälde, 
den man neugierig weggezogen wünfdt, um frin Auge an 
den darunter verborgenen Herrlichkeiten zu weiden. Wie 
das geiftreihe Geſicht und wie ber feidene Vorhang kann 
zwar aud der Titel trlgen, aber unterfcheiden wir bier 
nıre zwiſchen dem äußern Prunk und dem eigentlichen Ge: 
balt, der uns daraus entgegentritt, fo werben wir in der 
Regel finden, daß Der, welcher mit dem Zitel bie Wahl 
eines geiftreichen Stoffs zu bezeichnen mußte, biefen ge: 
woͤhnlich auch geiftreich zu behandeln verſteht. 

Truͤgen uns unfere phyfiognomifchen Erfahrungen über 
Büchertitel nicht, fo erwartet uns auch hinter dem dee 


vorliegenden Buchs eine neue Bekanntſchaft, die wir will⸗ 


tommen heißen und Ihr gern in freien Stunden ein Plaͤt⸗ 
hen an unferer Seite elürdumen mögen. Ohne daß un: 
fee neuer Bekannter noch den Mund zur Rede geöffnet, 
haben wir ihm fhon Mandyes an den Mienen abgelaufcht. 
Er muß von einem erfahrenen Vater abflammen, benn 
um über die legten Stunden und den Tod berichten zu 
tönnen, muß man viele Menfchen haben fterben fehen; 
diefee Vater gehört wahrſcheinlich dem geifllichen der Arzt: 
fihen Stande an, denn außer Krankenwaͤrtern, die aber 
gewoͤhnlich Leine Blcher fchreiben, hat man nur in diefen 
Ständen Gelegenheit, Sterbende zu beobachten; wir dürs 
fen vielleicht in ihm eine gemüthliche Richtung voraus: 
fegen, wozu uns theild die Wahl des Stoffe, theils bie 
Worte „Humanität” und „Religion’’ berechtigen; er wird 
uns endlich viel von den Iegten Stunden der unglüdlid: 
ften und fictlih verdorbenften unter den Menfchen zu er: 
zählen wiffen, denn, toie wie beim Weiterleſen finden, ift 
er Arzt des Hoſpitals am Bagno zu Zoulon. Etwas 
anftößig erfcheine uns der Bufag „In allen Glaffen der 
Geſellſchaft“, denn bis jegt It uns immer der Tod als 
ein Kouverain vorgefommen, in deffen Reiche alle Rang: 


Sr. 329. — 


25. November 1843. 











ordnung aufhört und wo ber in der urmfeligen Huͤtte wer 
fcheidende Bettler noch Das vor dem Fuͤrſten in der ia 
beſtimmten Gruft voraushat, daß fein Ltd der Alles in 
fich vereinenden Mutter Erde fchnelter wirder zucheigegeben 
wird. Doch fehen wir zu, inwiefern ſich unfere Titelphy⸗ 
fiognomik an dent Buche ſelbſt bewaͤhren wird. 

Das Sterben eines Menſchen iſt ein ſo ergreifender 
Aet, daß ihn wol jeder nicht alles Sefuͤhls Berauble 
treu in ſeinem Gedaͤchtuiß bewahrt, wem er zum erſten 
Mate in feinem Leben Zeuge davon geweſen if, und Der: 
der bat wol Recht, wenn er fagt, daß er ſich wenig von 
einem DMenfchen verfpredye, der bei der eriten Leiche, die er 
gefehen, nichts fühle. Unſere Theilnahme und unfere Ruͤh⸗ 
rung bei diefem Acte wird aber am fo miele gefleigert, je 
näher der Sterbende unſerm Derzen fland und je mehr wir 
ihn im Leben wegen feiner geiftigen und gemäthlichen Ei⸗ 
genfchäften zu adyten und im lieben Urfache hatten. Seibſt 
für den befchäftigten Arzt, der den Tod unter allen Gans 
men und Geftalten zu fehen gerechnet iſt, hat der Anblick 
eines Sterbenden noch etwas Ergröifendes und ſtimmt 
feine Seele zu ernften Betrachtungen. Keinem Andern 
wie ihm fit es aber auch fo nahe gelegt, auf die Ber: 
ſchiedenheiten im den phyfiſchen und pſychiſchen Erſcheinun⸗ 
gen aufmerkſam zu werden, bie das Sterben bei verſchie⸗ 
denen Menſchen in feinem Gefolge hat. Wie dad Rebeh 
jedes Einzelnen fein befonderes Bepräge trägt and neben 
den Sefegen der Entwidelung feiner Gattung noch eigen: 
thuͤmlichen unterftete tft, fo auch der Tod. ne 

Über die Verfchiedenheiten in den phyſiſchen Erſchei⸗ 
nungen liegen bereits mannichfaltige Beobachtungen vor, 
wicht fo aber über die pfochifchen, obwol Beobuchtungen 
daruͤber die hoͤchſten Intereſſen des Menſchen berkähren 
und nicht allein für den Arzt, ſondern für jeden Gebilbe⸗ 
ten von geoßer Wichtigkeit find. Um fd mehr muß man 
fi wundern, daß noch Niemand darauf gekommen Äft, 
diefen Gegenſtand einer genauern Betrachtung zu unters 
werfen; am wentgften aber hätte man ermatten ſollen, daß 
dee Gedanke daran in der Seele eines Franzofen und un⸗ 
ter einem Volke aufleinen würde, bei dem das Leben mit 
allen feinen Genuͤſſen und weltlichen Intereſſen die Erin: 
nerung an den Tod bis an die Äußerfte Grenze verweiſen 
muß. Der Berf. ſteht aber auch zu feinen Landslenten 
in vollkommener Oppofition, ja, feine ganze Schrift fheine 


„nn *. 


aus dem Beſtreben hervorgegangen zu ſein, dem "eiteli 
Treiben feines Volks entgegenzutreten und feiner Genuß: 


ſucht, feinem Jagen nad zeitlichen Guͤtern und Ehre, fels‘ 


nem Leichtfinn und feiner Frivolitaͤt als Revers das Bild 
der letztan Stunden und des Todes vorzuhalten, ein Strer 
den, dem man feine Hochachtung nicht verfagen kann, das 
jedoch, von einem höhern Standpunkte betrachtet, der roif: 
fenfhaftlihen Behandlung des Gegenftandes großen Ein: 
trag gethan hat. 

Betrachten wir den Berf. als Menſch und von feiner 
gemätblichen Seite, fo erſcheint er uns hoͤchſt achtenswerth 
und liebenswürdig; er hat, wie es fcheint, auf fehr ver 
Faledenen Berufswegen und unter verſchiedenen Himmels⸗ 
ſtrichen frin Lieblingsthema ſtets treu vor Augen gehabt 
ww jede Belegenbeit benust, die Summe feiner Erfah: 
ungen darüber zu bersichern. Ohne gerade tiefe pſycholo⸗ 
giſche Blide in die Herzen der Menſchen zu thun, hat er 


doch hauptlächlich ihren Charakter und ihre Neigungen zu ' 


arfotſchen fi angelegen fein laſſen und die Beziehungen, 
welche zwiſchen ihrem Tode und ihrem feühern Leben flatt: 
finden, aufzufinden geſucht. Seine Korfchungen nad die: 
ee Seite hin find nicht ohne Ausbeute geblieben und 
ſein Buch tft fo reih an Charakterzeichnungen , daß es 
Fi ſchon dadurch viele Freunde machen wird, Dabei be: 


gleitet das religioͤſe Element allenthalben ſeine Unterſu⸗ 


«hung; feine feſte überzeugung iſt, daß nur ein frommes 
Leben zu einem feligen Sterben führt und gern möchte er 
ale Menſchen zu jenem patriachalifchen Leben zurüdfüh: 
zen, wo .man im feiten Glauben an Gott und Unfterb: 
lichkeit allen Lodungen der Welt und der Sinnlichkeit 
entſagte umd Im Vertrauen auf ein gutes Gewiſſen ruhig 
and ergeben feiner Leuten Stunde entgegenfab. 


: &o tange bie Voͤlker noch in ber Kindheit find, erhalten . 


fie ihren Glauben von den Gefeggebern und Weilen überliefert 
‚und dieſe erbauen ihn auf die unerſchuͤtterliche Grundlage des 
Daſeins eines hoͤchſten Wefens, wie ſehr auch fonft alles Übrige 


voneinander abweiche und damit bie Verſchiedenheit der Religio⸗ 


nen entſtehe. Arfo .nur in den Perioden, wo die Menſchen ans 
fangen in sine gemeinichaftliche Bereinigung zufammenzutreten, 
‚haben fie wahrhaft einen gemeinfchaftlichen Glauben, fterben fie 
mehr ober weniger veitrauend auf cine und diefelbe Hoffnung 
‘der Fortdauer. An dem Maße aber, wie die Sultur eines Volks 
ftelgt, wie es erwaͤchſt in der Bervolllommnung feiner Bezie⸗ 
bungen zu den Dingen bes Weltalls, aͤndern ſich feine Vorſtei⸗ 
lungen durch die Eindrüde, die ed von den neuen ihm geläufig 
gewordenen Gegenftänden empfängt; es fteilt Betrachtungen bar: 

ber an, und es macht fie zu den Gottheiten, bie es verehrt. 
Dieſe Bet gänzlidger Umgeftattung tft genau biefelbe, welche 


an MPevsorbringung der Künfte, des Luxus fo reich iſt, bie die 


Queilen taufendfader in dem Weltall verborgen liegender Ges 
nüffe eröffnet, und, was Daffelbe ift, die Seele von dem Borne 
der Urwahrhelten ablentt. Wo einmal biefe Abwege eingeſchla⸗ 
gen find, da gibt es feinen Stillſtand mehr, bis bie dußerfte 
Diye aller denkbaren Eivilifation, dad Ghaos der Intelligenz er 
zeicht. if. Jeder nach feinem Vermögen zicht an dem Triumph⸗ 


wagen der neuen Lehren; Diefer beweift der Maſſe, daß die Rüge - 


Wahrheit fei, Jener ringt nach Macht und Anfehen, ein Dritter 
ſucht die Kunft zur Vollkommenheit zu fleigern, und da zuletzt 


Gold es ift, das jeden Genuß gewährt, fo brängen fick Alle, : 


von dem glaͤnzendſten Genie bis zum beichräntteften Kopfe, auf 
den * der ſie zum Beſitz fuͤhren ſoll. In dem durch und 
durch kuͤnſtlichen Daſein, welches das Erzeugniß sine uͤbertrie⸗ 


i 





PR i 
benen ln it, muß der nle 


‚allen Zeiten ber fittliche Werth eines —— en Fo 


benswanbels geruht hat, der an den Xod, nothwendig feinen 
urſpruͤnglichen Sinn einbäßen. Denn Genießen kann nicht bae 
Handeln fein, weldyes zum rechten Sterben vorbereitet; die Ach 
ven aber, welche Lohn uhd Gtzafe in * kuͤnfchgen Leben 
leugnen, find nur bie Zugabe einer Gpoche, wo das" materiche 
Wopibefinden bis auf die dee Menſchheit möglice dußerfie 
Schranke ausgedehnt worben ffl. 

So ift alfo dem Verf. bie Eivilifation, das Ringen 
nach höherer Erkenntniß, die Ausbildung menſchlicher Faͤ⸗ 
higkeiten und Kraͤfte die Wurzel alles Ubels. Sie fuͤhren 
den Menſchen von dem Glauben an Gott und Unflerb: 
lichkeit ab und bringen ihn um die Ruhe feiner legten 
Stunden. Dies ift der rothe Faden, der fich durch das 
ganze Buch zieht und das Leben und das Sterben des 
Einzelnen wird nur gewogen nad) dem größern oder ge 
ringen Antheil, den er an jener allgemeinen geiftigen Aus⸗ 
bildung nimmt. Es wäre ſchlimm, wenn e8 fo in der 
Welt ſtaͤnde, ja, es könnte kaum ſchlimmer ſtehen! Aller⸗ 
dings iſt es nicht zu leugnen, daß mit zunehmender Civi⸗ 
liſation und mit zunehmenden Bedürfniffen auch die Ver: 
fuhungen zur Übertretung göttliher und menſchlicher Ge 
fege wachſen, daß der Menfh im Werfolgen materieller 
Intereſſen nur zu leicht ſich ſelbſt, feine eigentliche Be: 
fimmung und den wahren Zweck feines Dafeins vergißt, 
daß er feldftfüchtig, gleihgüftig gegen feine Nebenmenfchen 
und gegen das Moralgefeg wird und daß die Sucht nad 
Genuß, Größe, Gewinn leicht alle Regungen der De: 
muth und der Liebe in feinem Herzen erſtickt; aber wer 
möchte deshalb die Civiliſation als die Quelle diefer Ent: 
ſittlichung anklagen, allen Fortfchritten in Kunft und Wil: 
fenfhaft, alem Streben nady höherer Erkenntniß den Krieg 
ankündigen? wer möchte mit dem Verf. behaupten, die 
Civilifation zerſtreue und vertilge den Glauben wie ben 
Aberglauben, oder mit J. 3. Rouffeau, mit jedem Sch 
Aberglauben, den man dem Volke nehme, raube man ibm 
einen Theil feines wirklichen Gluͤcks? Die Civitifation 
deshalb verdammen, weil in ihrem Gefolge manche die 
Sittlichkeit bedschende und den Menſchen vom wahren 
Weg zur moralifhen Vervollkommnung ableitende Eins 
flüffe auftreten und ſich die Verfuhungen zum Böfen 
fleigern, heißt cbenfo viel, als die Kunft des Meſſerſchmie⸗ 
dens verdammen, weil dad Meſſer in der Hand des un= 
vorfichtigen Kindes zum verlegenden Werkzeug wird. Niche 
Alle, die ein ſolches Werkzeug gebrauchen, find Kinder und 
auch das Kind wird duch feinen Schinerz den beffern 
Gebrauch lernen. ine Civiliſation, die bloß die geiftige 
Ausbildung der Völker ohne die fittlihe Im Xuge hätte, 
der es blos um Vermehrung und Steigerung materieller 
Kräfte zu thun wäre, würde freilich zur Sörderung ber 
Humanitaͤt wenig beitragen; aber mo thut fie dies? Al— 
lenthalben unter civllifirten Völkern gibt es Kirchen, Schu⸗ 
len, Geſetze und Wächter Über diefelben und felbft die einz 
feitige geiftige Ausbildung ſchließt die fittliche und teligiöfe 
Dervolllommnung nicht aus; denn je mehr der Menſch in 
das Wefen der Dinge eindringt, je mehr ſich der Kreis feiz 
ner Kenntniffe erweitert, defto mehr wendet fi auch feine 














n —X 
——— se: voh ni 
m ni dr ex den Aberglaubep ab 


1 Alles, was die 
Hang uhd lot leicht Thraͤnen in dab KRuge. 


faßt auf dumm Geblete des Glaubens fellen Fuß. Sons 


deitet ſich auch in dem Kräften des Menfchen der über: ' 


treibende Misbtauch mit der Zeit zum guten Gebrauch 
um, verkruͤppelnde Keime am großen Baume der Menſch- 


hit find. Deshalb für diefe nicht verloren und jede gute 


Kraftaußerung des menfchlichen Geiſtes, wenn fie. auch ge: 
ade nicht die moraliſche Vervollkommnung zu befördern 
ſcheint, muß nothmwendig einmal die Humanität befördern, 
jeder der unendlichen Kreife, die die Menfchheit durchlau⸗ 


fen muß, fie eine Stufe höher nach dem Siele geiſtiger 


and ſittlicher Bildung heben. 


Wir können es dem Berf. vergeben, daß er diefe. 


Sache in fo truͤbem Lichte ficht, denn er gehört einem 


Lande an, wo freilic bei einer großen Zahl von Men:. 


fhen das Streben mad) den Bögen diefer Erde, Gold und 
Ehre, und der Hang an finnlichen Senüffen alle edlern 
Megungen der Seele verſchlungen und die Frivolitdt ihren 
Gulminationspuntt erreicht hat, und er mußte vermöge 
feiner Stellung als Arzt des Hoſpitals am Bagno zu 
Toulon freilich Gelegenheit genug haben, d daruͤber Beob⸗ 
achtungen zu ſammeln, wie der Menſch im eiteln Ringen 
‚nad jenen Goͤtzen endlich dem Laſter und einem traurl: 
gen Tode —* Aber Gottlob! gibt eg unter allen Claſ⸗ 
fen der menschlichen Geſellſchaft noch Individuen, welche, 
im unabläffigen Streben nad) wiſſenſchaftlicher Erkenntniß 


und nach Beförderung materieller Intereſſen, ja im Schooſe 
alles irdifchen Güde, dennody ihre Seele jenen Goͤtzen 


nicht verkaufen, ihre Menfeenmwürbde und ihren fittlichen 
Standpunkt nicht verfennen und deshalb auch ihrer To⸗ 


desſtunde fo ruhig entgegen fehen kaͤnnen als Jene, welche. 
im Glauben oder Aberglauben ihrer Väter erzogen daran 


bis ans Ende feftbalten und an den Berfuchungen der 
Welt keinen Theil genommen haben. Sa, der Verf. 
fheint uns in einem großen Irrthum befangen, wenn er 
meint, dee ruhige Tod fel nur der des wahren Ghriften 
und nur von dem Sefthalten an eine pofitive Religion 
abhängig, denn auch der Acheiſt (wiewol wir die Eriftenz 
eines ſolchen im ſtrengen Sinne des Worts nicht zugeben 
mögen, da auch die fchärffte Abſtraction am Ende auf ef: 
nen Punkt führt, der Anfang und Quelle alles Werdens 
ift und das abfolute Sch, von dem der Philofoph feine 
Gonffrusstion beginnt, ein unbekanntes Etwas vorausſetzen 
muß, von dem e6 felbft bedingt iſt), wenn er fonit dem 
in feine Bruft gefhriebenen Sittengefeg gemäß gelebt und 
fih in Harmonie mit einer höheren Weltordnung zu fegen 
gewußt hat, vermag ruhig u ſtetben. Daß dergleichen 
Menſchen, welche früher in Oppofition mit den gewoͤhn⸗ 
lichen religiöfen Anfichten ftanden, fich in fpdtern Jahren 
dem Glauben in die Arme warfen, wovon wir ſelbſt Bei⸗ 
iptefe anzuführen wuͤßten, fteht damit niht in Wider: 
ſeruch, denn es Itegt im Gange des. menſchlichen Leben, 
daß die Verſtandesſeite mehr im jugendlichen, die Gefühle: 
ſeite mehr im Greifenalter die Oberherrſchaft behauptet. 
Ziweifelfuche und Sreigeifterei entfpringen immer einem ju: 


mung Platz, dad derz iſt 





endlichen Gemuͤt 


die Stren 
edankens, die 


abe Me 

Ba * ul) —*7 
—* Sn eh 
aiten bes "Semäthe berührt, finder A 
Leicht fin: 
den daher auch in dieſem Alter die -Vorftellungen von vis 
nee alumfaffenden Liebe, Demuth, Verföhnung, vor es 
nen Miederfehen nach dem Tode u. f. w., wie fie uns 
die chriſtliche Religion fehrt, mehr Eingang als die ohne 






’ 


Schärfe und Conſequenz des Gedankens nicht zu faffen: 


den Lehren der Philoſophie. 

Überhaupt geht die Natur anders zu Werke als um 
fer Verf, wenn er die Verichiedenheiten des Sterben auf 
die verfehiedenen Claſſen der menſchlichen Geſellſchaft und 
auf die verſchiedenen Beſchaͤftigungen, Beſtrebungen und 
Intereſſen zuruͤckfüͤhrt, die fie im Leben verfolgten. Der 
Trunkſuͤchtige, der Wolluͤſtling, der Spieler, der Wucherer, 
der Geizige u. ſ. w. zeigen im Sterben ſelten noch das 
Bild von Dem, mas fie fruͤher waren. Weder die Reue 
über ihr vergangenes Leben noch cin Feſthalten an ihren 
im Leben vorherrfchenden Neigungen find immer die Grund: 
züge ihrer legten Stunden. Wie das Leben im fletm 
Wechſel befteht, und die Wuͤnſche, Befchäftigungen, Ge: 
finnungen der Menfchen mit den Tagen und Stunden 
ſich ändern, fo iſt e8 auch mit den legten Stunden und 
dem Tode. Wie die Vorfehung im Leben die Menſchen 
nicht immer nad Ihren Handlungen richtet, den Lafters 
baften nicht immer duch Unglück und Leiden flraft, und 
den Guten es wohlgehen läßt, fo auch im Tode. Da 
wo wir ein ſchweres, durch die Qualen eines mit Wor⸗ 
wuͤrfen belafteten Gewiffens getruͤbtes Hinſcheiden erwar⸗ 
teten, naht der Tod mit ſanftem Hauche und befreit die 
Seele im Schlafe von den Banden ihres Körpers, waͤh⸗ 
rend eine fanfte, tiefgeprüfte Seele mit Ungeduld und Ber: 
drug uͤber ihr Lange amhaltendes Leiden aus dem Leben 
[cheidet. Richt immer alfo, ja felten find die letzten Stun: 
den der Spiegel des vorangegangenen Lebens. Mannich⸗ 
fache Umftände, Charakter, Zemperament, Erziehung, Be: 
ruf, Alter, Krankheiten, ihre Verſchiedenheit und Daude 
u. fe w. geben dem Sterben eine ganz verfihiedene Faͤr⸗ 
bung und Andern oft feine Erſcheinungen auf eine Meife, 
wie man es zuvor nimmermehr gedacht. Beſonders Has 
ben Krankheiten darauf den bedeutendften Einfluß und es 
ift gar feine ungewöhnliche Erfcheinung, daB dadurch die 
ganze Sinnesart und der Charakter des Menſchen gaͤnz⸗ 
lich umgeſtimmt und in das Gegentheil verkehrt werden. 
Aus dem Muthigen wird ein Ängſtlicher und Zaghafter, 
aus dem Ruhigen und Gottergebenen ein Ungeduldiger 
und Zwelfler, aus den Lebenßfrohen ein Mifanthron, aus 
dem Ängſtlichen, um fein Leben Beforgten ein Gteichgäl- 
tiger u. f. w., und wer dbemnad aus den Reben umd 
Handlungen eines Sterbenden Schlüffe auf fein vorange⸗ 
gangened Leben und feine moralifche Tuͤchtigkeit oder Une 
tüchtigkeit ziehen wollte, würde in den wenigſten Källen 
dad Mechte greifen. Irren wir nicht, fa find dieſe »fychl- 
ſchen Bezlehungen zu ben verfchiedenen fomatifchen Stoͤ⸗ 
nungen, denen der menſchliche Organismus untırliegt, der 


15% 


— von dem alle Unterſuchungen uͤber die letzten 
tunden und den Tod beginnen muſſen. Die letztern 
find es hauptſaͤchlich, von denen bie verſchiedene Seelen⸗ 
und Gemuͤthsſtimmung des Sterbenden abhaͤngt, und Cha⸗ 
rakter, Lebensweiſe, Erziehung, Gewohnheiten u. ſ. w. mas 
chen nur inſoweit ihren Einfluß geltend, als ihnen jene 
noch einiges Feld zu ihrer Wirkſamkeit uͤbtig gelaſſen ha⸗ 
ben. Die groͤßte Seele kann klein werden, wenn die laͤh⸗ 
mende Gewalt det Krankheit ihr materielles Werkzeug in 
Feſſeln geſchlagen hat und ein mittelmaͤßiger Kopf unter 
Fieberdelirien fein Leben aushauchen, deren geiſte und 
phantaſiereicher Gedankenflug die Zuhoͤrer in Erſtaunen 


verleßt. 
(Die Fortſetung folgt.) 


⸗ 


Der Tara⸗Hügel. 


Die Zeitungen haben von der maͤchtigen Repealverſammlung 
berichtet, die unter O' Connell's Vorfig in Irland auf dem Tara⸗ 
—* ſtattgefunden, und wer Moore's Gedichte kennt, erinrert 

ch wol, daß in vergangenen Tagen Tara bie Reſidenz ber iri⸗ 
ſchen Koͤnige geweſen — 
Tho harp ihat once through Tara’s halle 
The soul of music shed, 
New haugs as muto on Tara’s walls 
As if that soul were filed. * 


Doch war das nicht die einzige Erinnerung, die jenem Ber: 
fammiungsplage ein eigenthuͤmliches Intereffe gab. Zara ober 
Teaghmore bedeutet im Iriſchen ein großes Haus und der Hi: 
gel wurde fo genannt, weil bier bis gegen Ende des 6. Jahr⸗ 
hunderts die Generalſtaaten Irlands alle drei Jahre zufammens 
traten, theild um geiftiihe und weltliche Angelegenheiten zu 
ordnen, tbeild um einen Häuptling zum Fuͤrſten über ganz Ir: 
land zu wählen und mit ber hoͤchſten Gewatt zu bekleiden. 
Mährend ber bdiesfallfigen Geremonie ſaß der Yürft auf dem 
Lia Ball, den Schickſalsſteine, von welchem ſchottiſche Beichicht: 
ſchreiber zuerft erzählt haben, daß er zu aͤhnlichem Zwecke (zum 
Behuf der Krönung bes erften Königs aus Dalreabifchen Ges 
ſchlechte, Fergus Mac Ere) nah Schottland und von da durch 
Shuard 1. ats Giegstrophäe nach kondon gebracht und in der 
Wirftiminfterballe nicdergelegt worden ſei, wo ee noch jegt zu 
feben ift, Sonderbar genug haben iriſche Gefchichtichreiber dem 
erſt beigeſtimmt, als die Nachfolge bes Haufes Stuart auf dem 
englifchen Throne die an den Schickſalsſtein gefnüpfte, den Uns 
tergang don Irlands Selbftändigfeit betreffende Prophezeiung 
‚wahre zu machen ſchien. Denn ber Erfte, ber es that, war Kea: 
ting, der babıi zugleich den offenbar zu Legalifirung von Karl's J. 
Thronrecht gebichteten Vers bei Boethius citirt: 

Ni fallat fatam, Scoti quoounque lotatum 
Inveniont lapidem, regnare tenentur ibidem. 


‚Das Irrige der ſchottiſchen, iriſcherſeits angenommenen 
Erzaͤhlung, bat jetzt ein Herr Petre in feinen „„Transactions 
“ of the Royal irish academy ’’ darzulegen geſucht. Außer daß 
er den gedachten Umftand von ber fo fpäten Beiſtimmung irtfcher 
Hiftoriler gebührend geltend macht, heit ev namentlid bas Ab⸗ 
weichende der ſchottiſchen Beſchreibung jenes Eteins von ber iris 
fhen hervor, dadurch mindeftens beweifens, dab bie Schotten 
entweder bie irtfhen Angaben nicht gekannt oder nicht beachtet 
haben. Nachdem er dirfe ausführlich mitgetheilt, fährt er fort: 
„Enblich ift es auch im böchften @rade unwahrſcheinlich, daß 
bie Iren, um ben. Wunſch einer Eolenie zu erfüllen, fich von 
einem Denkmale getrennt haben follten, das fie wegen feines 


Alterthums verehrten und für bie legitime Succeſſion ihrer ei⸗ 


genen Könige unbedingt noth nbig glaubten.’ dem num 
wie ihin wolle, merkwaͤrdig iſt es Äcbenfalts Eine große, 
umgerworfeitt, obelisfäßhrtiche; Meinerne Garie auf gel 
Sara bis in bie Bet 

irifgen Chroniten aus dem I0., 11. und 12, 
ia Wall geftanden hat. Duß biefer aber’ ein ibfel des 
Heidenthums — die Ehroniken nennen ihn ein fleinernes Idol —, 
fheint bie Beſchreibun feiner Geftatt volkommen gu derbürgen. 
Demnädft fehtt es nicht an andern Reminiscenzgen, welche ben 
Hügel Zara den Iren intereffant maden. Bon isn aus foll 
der heilige Patric die Lehren bes Chriſtenthums vechpeitet bes 
ben. Hier erlitten die ‘Dänen 80 eine vollftändige Niederlage. 
Hier verfammelte Roderich, Tester König über Irland, das Heer 
feiner &ttreuen, fie zur Belagerung von Dublin zu führen. 
Hier mufterte D’RIA 1539 feine Scharen, bie das Land ringe 
um mit Feuer und Schwert verwüftet. Bier murbe 1798 ein 
ſtarkes Corps Rebellen von ben eigenen Landeleuten überfallen 
und vernichtet. Bier find die Gräben und Wälle noch fidhtber, 
auf welchen einft tie Vertheidiger eines heiß geliebten Wahns 
geblutet und geftorben. Bier hat nun D’Connefl „die &achien“ 
vor den Richterſtuhl bes Ewigen gefobert und bat heilige Ber: 
fpeechen gegeben, daß, ehe zwölf Mal der Mond fich erneut, 
ein irifches Parlament in Gollege Green verfammielt fein werke. 
Nous verrons, 3. 


— 





Literarifhe Anzeige. 
Neue Romane, 


im Berlage von F. A. Wrodfans in Reip erſchie⸗ 
nen und durch alle Buchhandlungen zu beziehen: vs erſchi 


Ein Schloß am Meer. 


Noman 


von 
Revin GSchäcking. 
Zwei Theile. 

Gr. 12. Seh. 3 Thle. 


Zwei Gräber, 


Georg Schirges: 
Gr. 19. Geh. 1 Thlr. 18 Mor. 


HERRY. 
Bon der Berfaferin von „Clementine“ 
Zwei heile, 
Gr. 13. Geh. 3 Thlr. 15 Near. 
Im Sabre 1838 erfhien ebendaſelbſt: 


lemenfine, 
Gr. 12. Ge. 1 Thlr. 


Viratenleben. 
BSeefſeenen und Sharakterfſtigzzen. 
Zwei Cheile. 

Gr. 12. Beh. 2 Thlr. 








Verantwortliher Herausgeber: Heinrich Brokhaud. — Drud und Berlag von F. U. Brodhaus in Leipzig. 


—W } ER He 


A 


ter = 


s 


literariſche Unterhaltung, 





Sonntag, 





Die letzten Stunden und ber Tod in allen Claſſen 
der Geſellſchaft and den Gefichtöpumkten ber ‚Du: 


—— 15 Ba Fi 
von DH. ZAuverame. ei na 
bearbeitet. Awei Bände, ’ 
(Bortfegung aus Mr. 328.) 
Über die Art und Weiſe, wie die Seele von dem Koͤr⸗ 
per in den verfhhtedenen Krankheitszuſtaͤnden beſtimmt wird, 
wie fie ihr bald bier die Zügel laſſen, während fie ihr 


Dort nur die engflen Grenzen zu ihrer Wirkſamkeit geftat: | 


ten oder the im Fiebertraume zu einer ungewöhnlichen 
Steigerung gewiſſer Vermögen und Kräfte den Impuls ge: 
ben, davon wiſſen wir nur ſehr wenig und es wäre das 
her ſehr wimſchenswerth, wenn gute Beobachter diefem in: 
tereffanten Segenfland ihre Aufmerffamkeit zumenden woll⸗ 
ten. - Unfer Verf. fcheint dazu der Dann nicht zu fein, 
weniaftens If Das, was er und in dem legten Gapitel 
feines Werks über bie leßten Stunden und ben Tod nad) 
der Natur der Krankheiten gibt, gerade die ſchwaͤchſte 
Partie beffelben. 

Abgeſehen von diefen Mängeln hat das Buch aber 
auch) 'feine guten und intereflanten Seiten. Infofern das 
Sterben mit dem vorangegangenen Leben noch in einiger 
Beziehung ſteht und die legten Stunden davon das Ge: 
präge annehmen, liefert e6 und manchen beachtenswerthen 
pſychologiſchen Beitrag, und da der Verf. feine Erfahrun: 
gen meift ſelbſt aus: dem Leben und aus allen Claſſen 
der menſchlichen Geſellſchafk gtnommen hat, ihm aber be: 
fonder8 eine reiche Gelegenheit zu Gebote fland, das Le 
den und bie letzten Stunden der durch eigenes Verſchul⸗ 
den und Demoralifation verfommenen und verunflalteten 
Glieder dieſer Geſellſchaft näher zu beobachten, fo lohnt 
«8 fi wol der Mühe, ihn in der Beſchauung der Mus 
ſterkatte menfchlicher Eharaktere und der daraus entiprins 
genden guten und ſchlimmen Folgen zu begleiten. Frel⸗ 
lich darf man ſich dabei durch einen oft ermübend breiten 
Vortrag, durch Wiederholungen und durch ein zu weit.ge 
triebenes theoretiſches Raiſonnement niche floͤren Laffen.- 

Sogleich fm erſten Capitel, das phrenologiſchen und 
moraliſchen Vorbetrachtungen gewidmet iſt, finden ſich Be: 
hauptungen, deren Beſtaͤtigung durch die Erfahrung man 
Billig ‚bezweifeln muß; fo z. B. ſpricht der Verf. von ei⸗ 
nem · Mogan · des Überfinntichen oder der Offenbarung "und 


von ſeinem Einfluſſe auf die letzten Stunden und das 
Sterben und behauptet, wer dieſes Organ ſehr ausgepraͤgt 
befige, bei dem, ſei feine Bildungsſtufe uͤbrigens welche fie 
wolle, dürfe man immer auf ein erbauliches und frierll⸗ 


ches Ende rechnen. Bedenkt man, wie mannicfaltige 
Umftände auf die Verſchiedenheit des Sterbene influte 
ven, weld eine Menge von Erfahrungen gehört dazu, um 
zu beflimmen, was wahr oder falfh an foldyen phre⸗ 
nologifchen Traͤumereien iſt! Wenn wir Übrigens auch 
ein ſolches am Schädel nachweisbares Organ, fo leugnen 
wir doch Leineswegs einen Sinn für höhere Offenbarung, 
der fich zuweilen bei Sterbenden zu einem wahren Diels 
wationsvermögen fleigert, wofür ſich in der Geſchichte mans 
nichfache und ungleih mehr Belege Auffinden laſſen «ats 
die von dem Verf. angeführten, ohne deshalb allem und 
jedem Aberglauben die Thür zu Öffnen oder mit dem Verf. 
an die Wunder des Fuͤrſten Hohenlohe zu glauben. 

Im zweiten Capitel wird der Einfluß der, Rellgionen“ 
und der „Regierungen” auf die legten Stunden und ben 
Tod, mit befonderer Dinficht auf Islamismus, Proteſtan⸗ 
tismus, Katholicismus, namentlidy in Stalien, auf das 
Sterben ber Päpfte u. f. w. betrachtet. Der Verf., der 
ſich übrigens immer als eifriger Katholik erweiſt, zeige fich 
bier wenigſtens ſehr tolerant. Einen auffallenden Scot⸗ 
cismus beweiſt der Araber noch in den legten Lebensmo⸗ 
menten. Der Berf. fah mehre derſelben Kant auf einem 
elenden Lager fterben, aber ihr Etolz blieb ihriem felbft In 
den Ketten, mit welchen fie die franzöfifche Polltik in den 
Bagnos von Toulon belafte. Als er einem die Seifen 
abzunehmen befahl, fagte er: „Ich danke bir fire deine 
Freundlichkeit, aber ich mag fie nicht: Laß mich, bie Kette 
kann eine Seele, welche Sort zu ſich ruft, nicht gefangen 
zuruckhalten.“ Ein anderer Araber trat zum Sterbenden, 
nahm zum letzten Mate die geheiligten Waſchungen mi? 
tm vor, fagte Ihm einige Worte, worauf er nur durch 
Mienen antwortete, darauf wickelte fi der Kranke im 
fefne Deden und war nur erfl tobt wieder zu ſehen. 
Mohammed, der Araber, der ihm beigeftanden hatte, 
fagte, als er ihn kalt und fleif wieder erblickte: „Er iſt 
es nicht mehr; es iſt nur ſein Kleid; er iſt nun: ſtel 
und im Himmel.” 

Im dritten, der’ „Zeunmffucht“ gersidmeten Gapitel gibt 
uns der Berf. manches Teagifche Weifpiet von Menſchen, 


.; * ‘.. 


b on 
die in Felge dieſes Laſters ihr Erben endigten. Unter 
mehren nuc eine: 

Ein Zagelöhner aus ber Nicbernormanbie kommt eines 
Tages nach Paris und holt fich, wie es nach dem Kunftaus: 
drucke beißt, einen Dieb. Beil er ſich nicht fiher auf den Bei⸗ 
nen fühlt, will er der Schwaͤche beilommen, geht in ee Mukipe, 
feintt noch einmal tüdptig, und geht dann feines Wegs, hoc) 
viel wantender adf den Beinen und. noch viel brebender im 
Kopfe. Sr ſtreckt fih auf ein Stuͤck Raſen vor ber Mauer ber 
Morgue, und das Unglüd will, daß er dort 12—15 Stunden 
in einem Xobtenfchlafe Liegen bleibt. Was ihm während deſſen 
widerfuhr, gibt den Schredien bed Grabes nichts nad. Maden, 
bie, von dem faulenden Fleiſch in ber Worgue &@ näbrten, kro⸗ 
den ihn an, und fraßen ſich in die Daut des chaͤdels, der Aus 
gen, ber Ohren, ber Nafe, des Mundes, kurz des genen Kör: 
pers bes lebendigen Tobten ein und legten ihre Gier in bas 
warme, von Wein dunftende und in jeder Hinſicht ihrer Ver⸗ 
mehrung günftige Fleiſch. Kaum hatte ex ausgeſchlafen, als die 

entiche Brut an das Tageslicht wollte. Myriaden fchmus 
ziger, Keiner, ekelhafter grauer Würmer bohrten fich Langfam 
aus den Augen, den Nofenlödern, ben Ohren, ber Stirn und 
Kopfhaut hervor; mit dem Huſten wurden fie maſſenweiſe aud 
dem Munde ausgeworfen; fo ging es am ganzen Körper; über: 
au Würmer und ein entieglidher Zuftand. Der Mann flarb nad) 
ainiger Zeit, langfam gerfreffen yon ben Maden und Infekten, 
nachdem er Geſicht, Gehör und Geruch eingebüßt hatte. Als 
bie Mitter, welche ſolche Parafiten tödten, ihre Wirkung gethan 
Yatten, biteben in ber Haut lange ſchmale Furchen zurüd, bie 
Ach mit Eiter und Jauche fuͤllten; diefe mußten aufgefchnitten 
nub gereinigt werben, fobaß die Oberfläche bes Körpers wie ein 
gepfluͤgtes Feld ausſah. 


Unter den Folgen, welche gewoͤhnlich dieſes Laſter zu 


begleiten pflegen, vermiſſen wir eine eben nicht ſeltene, 
naͤmlich die verſchiedenen, haͤufig in Bloͤdſinn endigenden 
Serlenſtoͤrungen. | 

Das vierte Capitel handelt von den „Verirrungen des 
Geſchlechtstriebes“. Der Verf. fpriht hier aus einer rei: 
hen Erfahrung und volllommen beiflimmen muß man 
ihm darin, daß hier die Civilifation, die Steigerung menſch⸗ 
licher Bedürfniffe und das Jufammendrängen großer Men: 
fchenmaffen auf einzelnen Punkten der Sucht nad ſinn⸗ 
lichen Genuß die Mege gebahnt und die Gteichgültigkeit 
bee Menſchen gegen das Unmoralijche, was in der Unbe: 
ſchraͤnktheit dieſes Genuffes liegt und gegen feine phyſiſch 
und moraliſch nachtheiligen Solgen auf eine Weife geftel: 
gert bat, die mit der Vorſtellung einer fortfchreitenden 
Bildung zur Humanitaͤt kaum zu vereinigen ifl. Dex 
Verf. entwirft und ein trauriges Bild dieſes bacchantifchen 
Lebenswandeld in großen Städten, befonder6 unter dem 
weiblichen Gefchlechte, wo der Zod folhen Unglüdlichen 
noch eine Wohlthat iſt, und fie, wenn das Theater .und 
bie Liebhaber fie im Stiche laffen, Noth, Runzeln und 
din verwuͤſteter Körper auf das armliche Krankenlager wer: 
fen oder ins Hofpital führen, wo ſich die Geſellſchaft gar 
nicht um ihr 2008 befümmert und fie kaum der Arzt be: 
achtet, „als bie legten verlorenen Segen der großen bunt: 
ſcheckigen Jade, Societät genannt, umd fie wieder an dies 
felbe anflidt, wie die Bravourarien zufammengeflidt wer: 
den”. „Lieber Sort”, fagte eine ſolche Unheilbare, eine 
allgemein gefchägte Schaufpielerin, zu dem Verf., „wenn 
ich ruhig und fatt bin, da würde ich Sie wahrlich dauern. 
Was kann ich denn dafür, wenn ic, fo lange mich mein 


| fie unten die bleiche Dängelamge dea Gemacht nk 


y 


unvertilgbares Fieber brennt, nach meiner China verlange? 
Stauden Sie mir, bie Luft in einer freim Nacht iſt für 
mich unentbehrlich, wenn ich gefund fein und etwas Drs 
dentliches leiſten fol. Wenn mid bie nicht begeiftert, 
müßte ich. vor Hunger ſterben.“ Ku weichen femdeubaren 
Anomalien zumellen dieſe Sucht nad) Änniüherk Genuß 
führt, beweift der Abtiß aus dem Leben einer Gräfin in 
Paris, welche, gut erzogen, aber ohne Altern, im Beſit 
eines Heinen Vermögens und von Niemand abhängig, 
von Bewerbern umlagert, frmmer traurig, aͤngſt⸗ 
lich und verlegen fchien und fich in Gefellfchaften, wo 
Männer waren, nur felten erbliden li. Man zerbrach 
fi den Kopf Uber diefen ſtillen melancholifchen Charakter; 
fanatiſch⸗ religiös war fie nicht, irgend einen Mann zeich⸗ 
nete fir auch nicht aus; zu Leiden fehlen fie volleuds gar 
nicht. Ihr Ruf war bis daher ein Spiegel ohne Hauch 
und Flecken. Aber bei allem Auſchein vun Tugend ließ 
fie der Teufel nicht aus dem Sau. War e8 naͤrnlich 
Nacht geworden, fo Bleibete fie fich aid gemeines Maͤd⸗ 
hen, begab fi in die verrufenften Stadttheile, und Mi⸗ 
nerva wurde zur Bacchantin, die ſich in ben ſchaͤndlichſten 
Haͤuſern preisgab. Nach zwei bis drei Jahren daͤmpfte 
ſich das Feuer etwas, und nur dann und wann machte 
ſie noch einen ſolchen naͤchtlichen Ausflug. Ein Abend, 
ein letzter, ſollte dieſer abſcheulichen Liederlichkeit fuͤr im⸗ 
mer ein Ende machen. Als ſie um Mitternacht, erſchoͤpft 
und geſaͤttigt, nach Hauſe geht, nennt eine ihr wohlbe⸗ 
kannte Stimme fie beim Namen und fügt ein ſchreckli⸗ 
hes Schimpfwort hinzu, Die Stimme gehörte einem 
Verlobten, der fich bi6 dahin für den glüdlichfien Men—⸗ 
{den gehalten, und den fie, befiegt durch feine Liebe und 
duch feine unwiderfichliden Vorzuͤge, ‚begünftige hatte. 
Belhänı und für immer entehrt, verließ fie mit ihrer 
Gefelifhafterin Paris und verbarg fich im einer großen 
Seeftadt des ſuͤdlichen Frankreichs, feste bier, in ein my⸗ 
fifches Dunkel gehülft, ihr ausſchweifendes Leben fort und 
farb endii an den Folgen eines ekelhaften Skorbuts. 
AÄhnliche charakteriſtiſche Züge finden fih auch in dem 
fünften Capitel, die „Spielwuch”, dem echten, der 
„Wucher“, und dem fiebenten, der „Geiz“ überfchrieben, 

Don den in dem achten, dem „Selbſtmord“ gewibs 
meten Capitel mitgetheilten Beiſpielen führen wir nur 
eins am: 

Kermerec, ein Matrofe, in jeder Bezi ein gutmuͤthi⸗ 
ger Menfch, wurde von — en one ee eh, 
blos weil biefer einen Wiberwillen gegen ihn hatte, gemishan: 
beit. Gines Tages iſt er ber Quaͤtereien fatt und fagt bem 
Patron ganz Lalt, er folle ihn nicht ſchlagen. Umſonſt; doech 
diesmal vergilt er die Mishandlung mit: einem Meſſerſtich, den 
er dem Angreifer in den Leib gibt. Kermerec wurde arretixt 
und in das Gefängnig des Maärinehofpitals zu Breſt gebracht. 
est überlegt er, was er gethan hat; er ficht bas Blutgerüft 
aufgtrichtee und. feinen Kopf vom Rumpfe getvennt. ‚Rein‘, 
fagt er, „von Herberſshand will ich nicht flrsben.” Gr ſteht 
von feinem Lager auf und greift unpermerkt in bie Taſche ei: 
nes neben ibm Liegenden, um eın Meſſer zu fuchen, das er bei 
biefem während ber AMbendmahlzeit gefehen hatte. Man eilt 
binza, um ibn an bem Gebrüude zu verhindern; gu fpdt, er 
flicht blind um ſich Her. San .er ſich fret get, Red er 


en — 








Yen wall 


t we: ‚ABln sn 


ww führt fort, ſich auf bie per a 






den Lelb zu ſchen. Endlich, ermübet Son ben Verſuchen, 
ſich auf der € zu töten, padt er die aus dem Leibe her 
vorgetretcen Ehtgervelde, dteht fie wäthend zuſammen, ſchnei⸗ 


det ein Bimdet ad, und ſinkt dewußtlos um. Dieſer entſetzliche 
Menſch lebte noch drei Tage. 

,Micht immer aber find es dunkle Farben, In die der 
Verf. ſeinen Pinſel bei ſeinen Sittengemaͤlden zu tauchen 
pflegt, auch liebliche und mit der Menſchheit verföhnende 
Wider weiß er vorzufähren; fo das des Todes einer guten 
Frau und Mutter im neunten Capitel, mit der Überfchrift 
„Letzte Stunden und Tod beim weiblichen Geſchlecht“. 
Nicht minder intereſſant ſind in dieſem Capitel die Schil⸗ 
derungen der Dame nach der Mode, der Emporgekomme⸗ 
nen, dee in Myſtik Verſunkenen, der Emaneipirten, der 
Dimen. Merkwuͤrdig ift die Beobachtung, daß unter 200 
der Legtern, deren Lebenswandel der Verf. genau verfolgte, 
fih auch nicht eine winzige befand, die, indem man ihr 
ihre Verworfenheit vorhielt und fie auf das künftige Le⸗ 
den hinwies, fich nicht aufrichtig nach den Tagen zurüd: 
geſehnt hätte, wo fie noch unfchuldig und reinen Sinnes 
ihren Herzendfrieden befaß. Nicht eine fpielte die Ungläu: 
bige; jede dachte noch manchmal, daß ihr Gott und die 
Heiligen wol: in der Todesſtunde beiftehen möchten, waͤh⸗ 
rend jene eleganterr Phrynen, bie aus Kofetterie den ab⸗ 
gelchliffenen Materialismus zur Schau tragen, und ſchon 
feit lange vom Liebhaber oder durch ihre Lecture die Vor: 
urtheile, die Furcht vor einem rächenden Gott, vor dem 
andern Reben, vor der Vergeltung abzufchltteln gelernt 
haben, gewiß niemals zur Sittlichkeit zuruͤckkehren und, 
finden fie einen Gatten, immer bleiben, was fie waren. 
Kin ſolches armes Mädchen, wenn es durch eine gluͤckliche 
Ausnahme Gattin und Mutter wird, führt Hundertmal 
gegen eins einen untadelbaften Wandel und erfüllt fireng 
ihre Pflichten gegen Mann und Kinder, und gegen Gott. 
In einem Lande der neuen Welt kam eine Ladung fol 
«her Sreudenmäbchen der zweiten und dritten Claſſe an. 
Die erftern hatten ihre Gewerbe mit den reihen, jungen 
oder alten, bigigen oder abgelebten Männern fortyefekt; 
dieſe, weniger zugefluge in dem Treiben der großen Melt, 
Hatte fich jede nur gu einem Manne gehalten, mit ihm 
mufterhaft wie In der Ehe gelebt, waren al&dann von Die: 
fm Männern geheitathet worden und gelten heute für 
Vortreffliche Weiber. Die Zeit ihrer Unzucht war für fie 
«ine fernliegende, faſt verſchwundene Erinnerung, wie die 
an eine Hungersnoth, wo man, um zu leben und nicht 
zu ſterben, Alles ißt, was man haben kann, ohne zu fra 
gm, was «6 für Nahrung fei. 

Eine diefer Ungluͤcklichen wurde durch Erbſchaft Wefigerin 
eines Guts in der Provence. Cie bezog incognito das anges 
nehme Landhaus und ging nur Sonntage aus, um bie Kirche 
eines benachbarten Dorfes zu befuchen. Dort hörte fie einmal 
in dee Predigt von einer äguptifchen Marie, die nach 17 Zah: 
ten bes unzüchtigften Lebens fich gebeffert hatte und eine Heilige 
von großem Rufe geworden war. Unfere Belehrte hieß eben: 
false Marie, und fie faßte eine fo große Verehrung für jene 
Dellige, die fie irrig, weil biefelbe nur in der griechifchen Kirche 
gefeiert wird, für ifte Schugheilge anfah, daß fie dreimal jebe 


—— — De Nein lit | 
. Bob ſcheei 





bin ln, ag un Made, Über Mey ib. yut: a 

e ⸗ Deaume, echte halbe Stuude Vant⸗ Oiapinfn, bi, 
derte, wo bie heilige Magdalene der Legende nach begraben fein 
fol. Nachdem fie dieſe Monderungen fünf Jahre fortgefent, 
batte fie berausgeredynet, daß fie ihr fräberts Leben, und —* 
jeden einzelnen Fehltritt deſſeiben, durch ihre Faſten, Gebete, Geb⸗ 
ßelungen, Wanderungen abgebuͤßt habe. ann ſtarb fie als 
Märtyrerin ihres Glaubens und three harten Bußäbungen. Das 
War ohne Zweifel religiöfer Yanatismus; aber ihre wirkliche 
Kreömmigtelt bewies fie durch ihr Teſtament, In welchem fie eine 
Stiftung für vier Perfonen ihres früheren Gewerbes machte, die, 
fobatd fie für unheilbar erfiärt würden, in einem bezeichneten 
Sofpitale bis zum Tode untergebradht werden follten. - 


(Die Bortfegung folgt. ) 





De la pnissance americaine, origine, institutions, es- 
prit politique, ressources militaires, agricoles, com- 
merciales et industrielles des Etats- Unis, par Guil- 
laume Tell Poussin. Zwei Bande. Paris 1843. 


Diefes intereflante Wert gibt ung, wenn ed auch in eiäs 
zelnen Punkten noch ber Ergänzung fähig ift, im Ganzen ein 
vollftändige® Bild ber jungen amerikanifhen Staaten. Der 
Berf. hat feine Beobachtungen an Ort und Stelle gemacht und 
theilt eine Menge beiehrender Bemerkungen mit, für bie wir 
ifm Dank wiffen, nur hätte cr feinem Werke einen böhern 
Werth geben koͤnnen, wenn er die Echriften früherer Reifender 
4 3. bie ausgezeichneten „Lettres sur l’Amerique du Nord” 
von Michel Chevalier, Tocqueville's bekannte „Democratie en 
Amerique‘ u. ſ. w., mehr berüdfichtigt hätte. Nur wenige Auss 
länder baben ſich in einer fo günftigen Lage, um Land unb 
Leute Eennen zu lernen, befunden als Pouffin, der an ben 

ben Bauten, welche in den Vereinigten Staaten während bef 
legten 20 Jahre zur Vollendung gelommen find, thätigen Ans 
tbeil genommen bat. Er fland als Major im amerilanifchen 
Genieweſen und war zu gleicher Zeit Adjutant bes trefflichen 
Generals Bernard, der feinen Ramen durch die Anlegung des 
großen Ohiokanals unſterblich gemacht bat. 

Am wenigften befriedigt find wir vom erften Band, wel: 
her faft nichts als eine hiſtoriſche Ginteitung gibt, die weber 
vollfiändig noch befonders überfichtlich if. Der Verf. entwirft 
bier die Geſchichte jeder einzelnen Kolonie, aus benen fpäterhin 
fi) die Union gebildet hat, mit großer Ausführlichkeit, flatt une 
mit dem Geifte der nordamerikaniſchen Snftitutionen, wie bie 
Vorrede erwarten läßt, bekannt zu machen. Dies war unenbs 
lich wichtiger unb fland mit feiner eigentlichen Aufgabe in viel 
engerer Beziehung als die langen hiſtoriſchen Eroͤrterungen, bei 
denen er von ben erften nordiſchen Geefahrern, welche vor Ger 
lombo fon an der Küfte der Neuen Welt angelegt haben fols 
len, und von der noch pröblematifhern Entdeckungsfahrt eines 
gewiffen Madoc, eines Fürften von Wales, anhebt. So werden 
wir, flatt eine vollftändige Darfiellung der politiſchen Einrich⸗ 
tungen und ber ſocialen Verhaͤltniſſe, in benen bie Kraft der 
amerifanifchen Demokratie begründet iſt, zu erhalten, mit einer 
Überfegung der Unabhängigkeitserfiärung und der Confoͤdera⸗ 
tionsacte abgefertigt. Auch in den einzelnen Gapiteln des zwei⸗ 
ten Bandes, ber den militairiſchen, commerciellen und indu⸗ 
ſtriellen Intereſſen gewidmet iſt, ſind wir zum Theil auf man⸗ 
che fuͤhlbare Luͤcken geſtoßen. So uͤbergeht Pouſſin z. B. das 
wichtige amerikaniſche Bankweſen ganz und gar, aus dem allein 
ſich größtentheils die finanziellen Schwankungen, unter denen 
Amerika zu leiden gehabt hat, erklären laffen. Die Eiſenbah 
und Kandle betrachtet er ferner zu ausfchlichlich vom militairi⸗ 
ſchen Standpunkte aus, wie man dies fhon aus dem Umſtande 
fehen kann, daß er fie in der Eintheilung feines Merle der 
Landesvertheidigung unterorbnet; aber ohne z. B. ben Gifens 
bahnen den hohen Werth flreitig zu machen, ben fie im Kriege 
haben mögen, glauben wir doch, daß Jedermann - benfelben 





u ommereicler Pinfiht und als unk Mefbeheres ie 
*** im Allgemeinen «ine viel Bereutung beile⸗ 
a Yus der Fuͤlle von Bemerkungen, die fih uns beim Durch⸗ 
blättern dieſes inhaltsreichen Werks aufbrängen, können wir nur 
einzsine Punkte bervocheben. Recht inte t iſt das Capitel, 
weiches der Verf. dem amerikaniſchen Kanalıvefen widmet, obs 
ſehr zu bedauern if, daß Pouſſin Teine Notiz von ben 
a — Unterfuchungen bes unermüblidden M. Ghevalisr ges 
nommen bat, beffen „Description des voies de communication 
anz Etats- Unis’ ats ein Meiſterwerk betrachtet werden Tann. 
Sn keinem Lande der Welt Haben die Kandie eine ſoiche Bedeu⸗ 
tung erlangt und nirgend hat man ihnen eine ſolche Ausbehnung 
gegeben ald in den WBereinigten Staaten. Die ungeheuern Vor⸗ 
theile, welche dem ameritanifchen Handel daraus entfproflen 
“find, haben die Abrigen Länder auf die Waſſerwege, bie zur 
Beförderung ber Waaren am wichtigften find, wieder aufmerk⸗ 
fen gemacht. So fängt man’ in Frankreich feit einiger Zeit 
on, der Kanallfation, die noch vor wenigen Jahren mit aller 
Schiäfrigkeit und Nachlaͤſſigkeit betrieben wurde, einen neuen 
Aufſchwung zu geben. Es kommt uns jest faft unglaublich vor, 
wenn wir aus einem vor kurzem erfchienenen franzöflfchen 
Werke erfahren, daß bie Steinkohlen, welche FA aus einer 
Entfernung von 86 Lieues bezieht, noch vor Fahren auf 
diefee kurzen Strecke nicht felten ein Jahr unterwegs waren, 
während man in Amerika noch bebeutenbere Diſtanzen mit ges 
wöhnlichen Schiffen in wenigen Zagen durcheilt. Wie ungeheuer 
aber auch in Amerika bie Schnelligkeit des Perfonen : und Waa⸗ 
zentransportes binnen wenigen Jahren zugenommen bat, ba= 
von führt Pouffin einige ſchlagende Beifpiele an. Go er 
zählt er, daß er bei feinen Reifen im 3. 1817 von Neuyork 
nah Wafhington auf einer Entfernung von 100 Lieues noch 
5—6 Tage gebrau t babe, während man jest die ganze 
Streede in 10 — 11 Stunden zurädtest. Es fpringt In 
die Augen, wie ſegensreich biefer Seitgewinn für den Wohls 
fland des ganzer Landes ift, denn in Amerika befonders ſieht 
man bie Wahrheit des befannten britiſchen Spruͤchworts „Time 
is money”. Sogar die Schnelligkeit der Dampfſchiffe hat Teit 
ihrer erften Amwendung bebeutenb zugenommen. Das erfte 
Dampfihiff, weiches 9 in Amerika in Bewegung geſetzt hat 
war auf Anregung eines gewiſfen Robert Zulton im . 1807 
von den beiden englifchen Ingenieur Bulton und Watts er- 
baut. Die Mafchine war nur von einer achtzehnfachen Pferdes 
kraft, und man brachte auf ber Überfahrt don Albany nad) 
Neuyork, die man jest gewöhnlich in 9, zuweilen felbft in 
T Stunden madıt, 18 volle Stunden zu. Iegt find in Ames 
rifa alle Ströme mit Dampffchiffen bededt und wohin fie nur 
fommen, erftehen Städte und biüht der Wohlſtand auf. Im 
J. 1830 gab es, nach Pouffin’s Angabe, 13, Dampffciffe. 
Rad) genauen Unterfuchungen hat fi) ergeben, daß fett ihrer 
erften Einführung, alfo während 30 Jahren, etwa 253 Ungläds: 
fälle mit Dampffchiffen vorgelommen find, die gegen 2000 Den: 
ſchen das eben getoftet haben. Die Zahl der Verletzten beläuft 
3 43. Die meiſten Unfälle kommen auf den großen 
kn vor, deren Bett noch nicht überall von ben ftarfen 
ummurgzeln und ben gewaltigen Böden gehörig gereinigt ift. 
Wir haben deshalb zu unferm Staunen in ben neueflen Zeitungs⸗ 
berichten gefeben, baß ber Kongreß in Bolge der Einfchräntun: 
gen, weldye von ben finanziellen Verlegenheiten nöthig gemacht 
find, bie für den Unterhalt der Waflermege ausgefehte Summe 
um ein Beträchtliches, wenn wir nicht irren um mehr als bie 
Hälfte, herabgeſetzt Hat. 

Aus den Berechnungen, welche Ponffin mitteilt, ergibt fich, 
daß die Gefammtlänge aller Kanaͤle, bie in Amerika vollendet 
find und bereits ber Handelsthaͤtigkeit offen flehen, 1620 Lienes 
a 4000 Metres ausmacht, bie mit einem Koftenaufmande von 
450 Millionen France zu Stande gedracht find. Die Unterhats 
tung der Kandte berechnet er mit 1800 — 3350 Francs das Kir 





cher ſteigt, waͤhrend fie in Uankeeich, 
erſte Anlage mehr ala bad Doppelte fo visi als ia Amerika kofet, 
im Durdafchnitt nur 1500 Srancs auf eine gleiche be 
— Die. —⸗ Ausbdehnung ber Eiſenbahnen betrug im 


J 13 Aomttres ober‘ 2188 Lieuess davon wurden 
5265 Kilometres hereits befabren, 3247 weren ihres Wellen 
dung nahe und 320 exiſtirten zwar erſt im Project, foliten 
aber doch bald zur Ausführung fommen. Wir erfahren ferner, 
daß die Koften der Anlegung von Eifenbahnen in England mehr 
als das Sechsſsfache von Dem betragen, was fie in Amerika ko⸗ 
ten, und dabei werben jühetich neue MWeittel und Wege ger 
funden, weſentliche Erſparniſſe möglich gu machen. Dod wir 
beschen hier ab, um ſchließlich das Werk noch einmal ſowol als 
len Denen, die bei den großen Arbeiten, bei benen Deutſchland 
jegt ben freien Bereinigten Staaten fo wuͤrdig nadhelfert, ale 
auch dem größern Yublicum, das ſich einen MWegriff von ber 
herrlichen Entwickelung dieſer jungen Macht machen will, brine 
gend anguempfehlen. - 





Mibcellen: 

Thomas Ferrarius, weicher 1SIL „Cautelas jaris“ heraus: 
gab, erzählt (cast. 24), gu PYabua fei ein wegen 
des Mordes zum Tode verurtheilter Zube nach langer von ben 
angefebenften Rechtslehrern gepflogener Berathung von ber 
Todesſtrafe zulegt freigefprochen worben, weil er ſich vor er⸗ 
gangenem Urtheilsſpruche hatte taufen lafim. Die, welche bef 
ber Berathung anderer Meinung waren, hätten aber biefem 
Ausipruche den des Dvibius (Fast. 2, 45, 46) enigegengefett: 

Ah nimium faciles, qui tristia orimins caodia 
Fiuminea telll pouse putatis aqua, 


Auch einen Licheöbrief findet mar in ben Pandekten. Der 
römifche Rechtsgelehrte Scaͤvola hat ſolchen, wie ihn eine Sein 
ihrem Lucius Titius ſchickt, in der L. 61. 5. 1. D. de obligat. 
et action. zum Beften gegeben, und zwar ganz in bem erbaͤtm⸗ 
lichen Stile, deſſen ein ungebildetes Maͤdchen, das an ihrer 
Liebhaber fchreibt, ſich zu bedienen pflegt. Mehvres hierüber tanz 
man in Keokhardi hermeneut. jur. ed, Walch. (p. 182) Iefen. 


Des Königs Ludwig XIII. von Frankreich Wruber, Herzog 
von Orleans, war, im Zwielpatte mit dem Könige, 1634 zunr 
Herzöge von Lothariugen geflüchtet, deſſen Schweſter er wiber 
bes Könige Willen geheirathet hatte Der König unb fein 
Minifter Richelien waren darüber ſehr aufgebracht, wollten 
aber, um den Schein der Ungefepmäßigkeit zu vermeiden, Teinen 
Schritt thım, obne vorher ein Gutachten don Rechtögelchrten 
eingeholt zu baten. Diefes fiel nun dahin aus, „baß ob crimen 
raptus Klage geführt werben müffe“. Die Klage wurde auch 
wirklich angebracht vor dem Parlamente in Paris und zwar, 
wie Leyſer (Sp. 593, m. 8) bemerkt, mit Erfoig. 


Weil neh 23 F. 8 et 7 dem Maſallen wegen einer bes 
Lehnherrn zugefügten Injurie (weiche aber nach 3 F. 24, 8. 2 
eine ſchwere fein muß) das Lehn von biefem eingezogen werben. 
Kann, beſchuldigte noch 1719 ein Reichägrafeinen feiner Vaſallen 
der Belonte deswegen, weil: letzterer in einem an ben Grafer 
eriaſſenen Schreiben bie gewöhnlichen Ghrentitel „„Gaäbiger- 
Herr” und „Euer Gnaben” ausgelaffen une ihn nur. „Doch 
geehrteſter Here Graf” benannt, auch zu dieſer Zitulatur fich 
bin und wicber bloßer Abbreviaturen bedient habe. 


kucius Gary, Biscount Falkland, Staatäferretair König 
Karus I. von England, der in der Schlacht bei Newbury (20 Sept. 
1643) blieb und ein gefchägter englifcher Dichter war, befaß 
eine vortreffliche Bibliothek. Diefe vertaufchte fein Sohn, Hein: 


rich, nach des Vaters Tode für — ein Paar de. Hab 
sua fata Hbelli! . fur Paar Pie a 


Berantwortiiher Perauegeber; Deinrig Brodhaus — Drud und Berlag von E. X. Bredbous in Leipsig. 





Bıllter 


für 


fiterarifge Unterhaltung. 





Montag, 





Die Ieaten Stunden und der Tod in allen Claſſen 
der Gefellſchaft aus den Geſichtspunkten der Hu: 
manität, der Phyſiologie und der Religion betrachtet 
von H. Lauvergne. Frei nad) dem Franzoͤſiſchen 
bearbeitet. Zwei Bände. 
(Bortfegung aus Mr. 330.) 
Im zehnten Gapitel: „Letzte Stunden und Tod beim 
männlichen Geflecht”, Legt der Verf. eine Eintheilung 
nah den verfchiedenen Stufen geiftiger WBefäbigung zum 
Grunde, die, wenn man dabei von andern zufälligen, die 
Art des Sterbens beftimmenden Einwirkungen abfieht, al 
Lerdings dabei nicht ohne Bedeutung find. Demzufolge 
zerfallen die Dienfchen in bloße Inſtinct- oder Thier⸗, in 
Verftandes: und geniale Menfchen. Die erftern ſterben 
gewoͤhnlich ohne Zeichen von Empfindung und Theilnahme, 
wie fie gelebt haben. Bei der zweiten Claſſe muß man, 
neben den verfchiedenen Berufsarten unterfcheiden: 1) den 
einfachen Menſchen, der an dem allgemeinen Aufſchwung 
der Civiliſation nicht hell nimmt, in feinem Glauben 
an Gott unerfhätterlich bleibt, und in der ihm gelehrten 
Weligtonsübung lebt und ftirbt; 2) den Geſchaͤftsmann, 
der unaufhoͤtlich den zeitlichen Gütern nachjagt und nie 
mit etwas Anderm beſchaͤftigt iſt als mit den Zahlen fel: 
nes Gewinnes oder Verluftes, dabei aber in feiner Seele 
einen Reſt von Glauben, auch wol von Aberglauben be: 
Hält, den er weder leugnet noch bezweifelt, aber auch ebenſo 
wenig für feinen Tod nugbar macht; 3) den Gelehrten 
und Denker, der durd feine Forfchungen über die ſinn⸗ 
fiche und überfinnliche Welt in religiäfer Beziehung ent: 
weder zum überlegten Atheismus, oder zum Zweifeln über 
einzelne Punkte, ober auch zur innigen Überzengung der 
Mahrheit der geoffenbarten Religion kommt; 4) Denje⸗ 
nigen, der fi) ausdrüdtich der Betrachtung und dem Um: 
gang mit den himmliſchen Dingen und ber Losfagung von 
allen irdifhen gerdidmer hat. Wenn ber Verf. dem Le⸗ 
ben und dem Sterben ber Legtern, namentlich der Anas 
horeten, eine fo hohe Bedeutung beilegt, fo werden ihm 
wol nur Wenige beiflimmen, denn wer follte nicht ein 
thätiges, dem Wohle der Menſchhelt gewibmetes, zugleich 
aber der Stimme des Innern Gewiſſens genugthuendes 
Leben Höher flellen als die Ruhe umd ben beichaulichen 


Muͤßiggang ? 
Mertwärbig find des Verſ. Mittheilungen br das 








In dem Kriege von 1813 erwacht ber M 
an dem Tage feines Todes mit der beflimmten | —A— 
daß es heute fein leſgter ſei. „Mi nimmt heute eine Kan 
nenkugel mit; nüchtern fol fie mich nicht treffen.” Er Lieft bie 
Briefe feiner Frau noch einmal dur und wirft fie dann ins 
euer. Gine Grunde darauf fteigt der Kalfer zu Pferde unb 


Et Meffizes 


folgt ibm. Das biafle und traurige 


Beffieres Ausiehen beB 
Marſchalls fällt Jedem auf. 


Hr. de Baubus, fein Abjutant 
und Bertrauter, fagt zu Denen, die es bemerkt haben: „Bekom⸗ 
men wir heute eine Schladht, fo wird der Marſchall getöbtet.” 
Das Treffen beginnt, und fehr bald reißt eine Kugel den ebeln 
Degen bes Katlerreihs in zwei Städen. Geine Uhr war ſte⸗ 
ben geblichen, ohne daß fie. auch nur berührt worben wäre. 

. Wie Beffitres, fo wußte auch Lannes feinen nahen Tod 
voraus. Als 1800 der Krieg mit Öftreich ausbrach, nahm‘ Lane 
nes von feiner Frau und feinen Kindern Abſchied mit der fehlen 
Überzeugung, daß er fie nicht wieber fehen werde. Am 322. 
Mai fand er auf dem Schlachtfeide von Eßlingen feinen Xob. 

An dem Tage vor der Schlacht bei Marengo fagte Deſaix 

u feinem Adjutanten: „Es ift Lange her, baß ih in Europa 

ine Schlacht mitgemacht habe, die Kugeln kennen mich nicht 

mehr; heute begegnet mir gewiß etwas.” Und am folgenden 
Tag lag Deſaix ale Sieger auf dem Lorberbette. 

Ebenſo warf fich der General Eafalle in einer Nacht, wo 

es nicht ſchlafen Tonnte, mit der Borahnung feines Todes bers 

um. Es war vor der Schlacht bei Wagram. Gr ſchrieb noch 


‘an demfelben Tage an Napoleon, um ihm feine Frau und feine 


Kinder zu empfeblen. Sonſt ein Mann wie von Gifen, Tonnte 
er ſich jest der Heftigften Bewegung nicht erwehren und äußerste 
unaufhoͤrlich gegen feine Fremde: „Morgen bleibe ich.” Und 
das Geſchick der Schlachten hielt Wort. 

Bor der Schlacht bei Bautzen führte Duroc gegen ben Kal⸗ 
fer eine ganz fonderbare Sprache. Napoleon Eonnte ihn nur 
halb berubigens ſelbſt abergläubig wie ein Gosfe, wurde ex nen 
der Gröffmung, bie ihm Duroc machte, betroffen. Während bes 
Gefechts beachte man ihm die Rachricht, daß fein Freund ge 
follen fei; und die Augenzeugen erzählen, daß Napoleon fi 
vor die Stirn geſchlagen und ausgerufen habe: „Deine Ahmun⸗ 
gen trügen niemals!“ 


Auch von Ahnungen, durch die ſich Sterbende festen, 


"mit ihnen in Sympathie flehenden Perfonen mittheilen, 


weiß der Verf. Beiſpiele anzuführen. 
Rapolcon’s Tobesſtunde wußte man gleichzeitig auf dem 
en von ©&t.s Helena und in einem Gaflpofe Badens. Graf 
6 Caſes war auf einer Reiſe in Deutfchland, voll Gram Aber 
feine Trennung von bem Gefangenen und über feine vergeblichen 
Verſuche, die Theilnahme Quropas für ihn gu gewinnen. Am 
hellen Tage Aberfänt ihn ein lethargiſcher fj im Tramıie 


ht er Napeoleon gm 


| fi 
win. —2 es feiner Panik fogleicy an, daß ber Kaifer ges 


Malt, eh’ fr font hal dor j su 
n ihre Gei em voran, 
J ae Bruns wandeit ſchon das Morgen. 

Unter dan ganialen Menſchen unterſcheidet ber Verf, 
Diejenigen, die in verſchiedenen Zweigen der Induſtrie be⸗ 
zus leuten Dingen neue Vegiehungen abzugewinnen 
ud ſie gu Etßndangan zu verwenden willen, dabei aber 
nach Gewinn und nach Beifall und Ehre ringen, von 
Don wirklichen Bentes, die einen Funken des göttlichen 
Keuers vom Himmel empfingen, den Gottbegabten, bie 
durch Ihre Thaten und Werke ihrr Sendung erfüllen und 
als «ine von Sort gewollte durch ein ihm gefälliges Les 
don und durch eins religiöfe Gefianung bewährten. ‚Der 
Enſtuß der Erſtern auf das wahre Gluͤck der menſchlichen 
Gefellſchaft wird von ihm ſehr in Zweifel gezogen. Sie 
vermehren nur maßlos und fuͤr den Genuß viel zu wohl⸗ 
feil die unendlichen Huͤlfs⸗ und Steigerungsmittel des ge: 
ſellſchaftlichen Lebens, und die Schnelligkeit, mit der ein 
Volk feinem Verfalle — nimmt um ſo mehr zu, 
je mannichfaltiger feine Mittel werden das Leben hinzu: 
bringen, je aͤtzender und entnervender fie auf das Mark 
fees Dafeins einwirken. Die Wunder der Induftrie 
bringen es mehr und mehr dahin, feinen phyſiſchen Tod 
durch das Üdermaß jeglicher morafifcher Üüberreizung gu be: 
ſchleunigen. Man möchte fagen, daß eine zu body culti: 
Dinge Nation unter einer Atmofphäre von Sauerftoff ath: 
met, und, wie die brennbaren Körper, die man unter eine 
mit dieſem Gas gefühlte Glocke bringt, ihe Leben verpufft 
und in Funken verfprüht inmitten einer Helligkeit, vor der 
die Augen erblinden. 
verzugsweiſe an fein zum großen heil demoraliſirtes 
Bere richtet, die ſich aber auch jedes andere gelagt fein 
Aaflen ſollte, Hegt eine große nicht zu verfennende Wahrheit. 


Geſtehen wir es nur, der außerordentliche Aufſchwung, den 


Kuͤnſte und Wiffenfchaften in neuern Zeiten genommen, 


die marmichfachen Erfindungen und Erweiterungen der In⸗ 


duſtrie, die die großen Menfchenmaffen nach allen Mich 


fangen ausbeuten, haben fie nicht glüdlicher gemacht. Eine 


Menge Bedürfniffe, Verlodungen zum Genuß und Lafter, 
aller Art haben fih in ihrem Gefolge eingefchlihen und 


In diefen Worten, die der Verf. 





unter feinem Bolke und ein marnender Wäcker und Ber- 
treter des wahren Humanitqaͤt, ulht nerhalisg ! nei au 










unferm Wolle moͤcheen wir un Mar kim! zur 
Im elften Capitel: „Letzte Stunden und in ver 
fhiedenen Gtafien der Gefeufchaft”, erzählt der Verf. eine 
Reihe von Zodesfällen, die aus dem Geſichtspunkte der 
der And der Meligion ihr Merk: 

wuͤrdiges haben. Es ſind nur fernere Belege fuͤr den 
Satz, daß, wie der Menſch lebe, fo fterbe er auch. Ob⸗ 
wol wir nun oben die Allgemeinheit dieſes Satzes beſtrit⸗ 
ten und zu beweiſen geſucht haben, daß auf die Art des 
Sterbens eine Menge anderer Umſtaͤnde Einfluß baten 
und daß deshalb dieſer Satz keine algemeins Suͤltigkelt 
Habe, fo ſiad wir doch weit davon omfernt, ihn gerade⸗ 
hin abzuleugnen. (Er iſt ebanfo wahr, als es die meiften 
Spruͤchwoͤrter ſind, d. h. es liegt ihnen eine gewiſſe Wahr⸗ 
heit zum Grunde, die der Menſch beherzigen ſoll, ohne 
daß fie deshalb auf alle Faͤlle anwendbar find, Am we 
nigften aber find wir gemeint, die Wahrheit umzuftoßen, 
daß ein chriftlichee, gottgefäliges Leben zum ruhigen Ster: 
ben nöthig ſei. Schon Rouffeau fagt: „Die Vordberei⸗ 
tung zum Tode iſt ein gutes Leben, von einer andern 
weiß ich nicht”, und Spinoza's [höne Worte: „An Nichts 
dent der freie Mann (dev das Gute unbedingt will) we: 
niger als am den Tod; feine Weisheit forfcht mehr nad 
Dem, was Leben als was Tod iſt“, ſtehen damit nicht 
im Widerſpruch, denn Forfhungen nad) den hoͤchſten Sins 
tereſſen des Leben, die darunter verflanden werden müffen, 
find ja auch die würdigfte Vorbereitung zum Tode. Sa, 
ed gibt Arten des Todes, wo dem Menfchen ein Ruͤckblick 
auf fein ganzes vergangenes Leben verfiattet ift, und da 
Keiner weiß, in weicher Geflalt und wie fruͤh oder fpät 
ihm der Unerbittlihe nahen wird, fo fuche er fih den 
Weg zum Grabe moͤglichſt fledenrein und den Rüͤckblick 
aufs Leben frei und heiter zu erhalten, damit er ruhig 
feine Augen ſchließen koͤnne. Sind daher auch die von 
dem Verf. beigebrachten Beiſpiele nur zu Gunften jenes 
Satzes ausgewählt und biefer nur bedingt wahr, fo find 
fie doch aller Beherzigung werth, und gern wird man den 
Verf. auf feiner Todtenfhau und an das Sterbebette des 
Geizigen, des Verſchwenders, des Arztes, des Materialis 
fen, des Deiften, des Juriſten, des Pantheiften, des 
Mathematifers und Afteonomen u. ſ. w. begleiten. Das 
legte Wort unfers Goethe, deffen hier gleichfalls gedacht 
wird, hat aber auf feiner Reife nach Frankreich einige Zus 
füge und Verfchönerungen erhalten. Es wird nämlich ers 





Ang⸗buͤrgert und ben Menſchen feiner eigentlichen Beſtim⸗] zaͤhlt, Goethe habe, als er die eifige Hand des Todes ges 
mung als vernuͤnftiges und füttliches Weſen entfremdet. fühle, das Fenſter öffnen laſſen, fi den Sonnenftrahlen 
Ein Vergleih des fchlichten zufriedenen Landmanns und.| .gegenübergefegt und gerufen: „Laßt noch mehr Licht her⸗ 


des ehrenhaften Bürgers der guten alten Zeit mit dem. 
hentigen Induſtriellen Iehet dies auf eine nicht zu beflwis; 
tende Weife. Freilich find es nie Künfte und Wiſſen⸗ 


ein!” Bekanntlich Hat er ſich aber nicht ans offne Fen⸗ 
ſter fegen Laffen und nur gefagt: „Mehr Licht!” wahr: 
fheinli, weil er mit herannahendem Tode noch fo viel 


ſchaften an fich, die ben Mienfchen demoralifteen, aber e6i Bewußtſein hatte, um zu bemerken, daß ſich fein Auge 
Kar die Bebhrfniffe und Begehrungen, welche fie etwecken verdunkflite. W 








x ar 








Dun 
digen Yarban zefchlipner,: daß welt. big, “die Hartze 
umfern deſern nicht mithheiten 5 tonnen. Ya deu 
Schilderugen tft der Verſ. Meiſter. Bei Nonnen "hat 
der Weste. bie VBeobachtung gemacht, daß bie juͤngern Leber 
lesben als Die alten, die, wann fie krank werden, gern 
Ars -oammden, Die. beſten Äuzte deB Oets zu Mathe zie⸗ 


Me EN 


ben, auch wol für ihre Herſtellung eine: Menge abergkaͤu⸗ 


biſcher Mittel verſuchen, da ugſeau ein ex voto, irgend 
einem Heiligen hie neuntägige Andacht verſprechen, mit 
einem Worte, ſich auf jede erdenklihe Weife an das Leben 
anflammern. Bon dim Mdoe de& proteftantifhen Geiſt⸗ 
Sichern emewairft Der Verf., obgleich ſirenxger Katholit, ein fo 
edles Bild, daß fich diefe bei ihm bedanken dürfen. 


(Ber Beſchies folgt.) 





Sraueuromanme. 


1. In der Heimath. Bon der Berfafferin von Schloß Goczyn. 
843. 8. 2 Thlr. 


Breslau, Kern. 1 

Die Verf. bezeichnet das porliegende Wal ale ein 
Stuͤcchen aus bem Dichterleben. „Dichter ”’, ſagt fie, „baben 
wirklich Gedanken. Ich ließ die meinigen immer Jo kommen 
mb geben, wie bie Wellen im Fluſſe, mie fie wollten und wo⸗ 
bin fie wollten, nur wenige nahm i 
eben fchrieb, in Briefe, die ich eben zu fchreiben hatte. Da 
fiet mie einmal ein, «8 fei ſchade, daß ich fo virle vergäße.” 

„I hatte bisher immer nur gebichtet; jegt fiel mir ein, 
ob ich wol noch Wirklicges ſchildern könnte. Mein ſtilles Leben 
daͤmmerte um mich her, mir fielein, ob ed nicht etwas Poefie fei?” 

„Aus diefen Ginfällen wurde Sinnen, aus dem 
Schreiben, und fo wurden biefe Briefe gefchrieben, und es wurbe 
sin Buch aus diefen Briefen. Es enthält die Gedanken der Tage 
und bie Empfindungen der Stunden. Gie find fo verſchieden 
und einander fo fremd wie die Blumen des Frühlings. Jede 
Stunde ift anders als die porangegangene, und der Menſch iſt 
anders in jeder Gtunde.’’ , 

Die Verf. bat in biefem Buche ihre ganze Individua⸗ 
tität, die fie uns in ihren frühern Werfen fon fehr deutlich 
ahnen ließ, eingerapmt. Auf den erfien Seiten verfihert man 
ige mit einge Reve 

machen — und auf ben legten reicht man ihr die Hand zum 
——*8*— und ſpricht ihr aus, daß man ſich freut, die Bekannt⸗ 
ſchaft gemacht zu haben; man iſt mit ihr befreundet und ſtimmt 
ibe bei, wenn fie zu mehren Malen behauptet, „daß fie eine 
Dichterin feit. Das will indeß nody nicht fagen, daß man uns 
bedingt ihre Producte für das Yublicum geeignet hält. Cie hat 
ein poetifcges» Herz, welches alle Eindrüde auf poetiſche Weile 
verdaut And verarbeitets es gebt beftänbig in ibrer Seele eine 
Ast von chemiſchem Proceß mit den dußern Erlebniſſen vor, fie 
werben alle in ihr zu Berfen; Sterne, Bluͤten, Wollen, Baͤume, 
Luft, Glocken, ein abgebrochener Zweig, Regen, Sonnenſchein, 
geoße und Leine Gefühle, Alles wird zus Liedern; huͤbſche, nette, 
innige, jeelenvolfe, allerlichkke Lieder, aber meiff unbedeutend. 
Auch :Die Profa iſt gut, die Briefe gehaltvoll, Tprudelnd vom 
Denken, anmuthig in Scherz und Eruſt; bunt wie Schmetters 
linge und ſchillernd wie Geifenblafen; wohl den Freunden, bie 
folge Briefe erhalten; doch fie find nichts für das große Publi⸗ 
cm, bieles wirb ihnen J— noch Fein Intereffe abgewinnen koͤn⸗ 
nen — fpätes vieleicht, ſpaͤter, wenn bie — ellerin.. bes 
zähmt gemarden ift, was fie nicht für ganz unmöglich zu hal⸗ 
ten er Auch wir halten «8 ni 

znn‘ ſpricht an, umb „Marie hat bei vielen wächen doch 
auch Zuntenz „namit. folge, abeeriſſent Mittbeiiungen, dem Pu⸗ 


ch in das Bud, das ich 


Sinnen’ 


„daß man fi freue, ihre Bekanntſchaft 


für unmoͤglich; „Stoß. 










bättn 
weil 


7 


geachtet 


He 


ur Seite geftellt werden — ja, ich möchte fagen, denen ’y 
rauen; denn in Ieaiger Zeit gibt es unter Hundert gebildete 
wol zehn, welche ſoiche Mrtefe ſchreiden können, und wo 


banfentiefe. Deshalb koͤnnen fie nicht als unbedeutend‘ bezeichndt 
‚werden, wenngleich fie auch feineawegs bebeutend genannt wer⸗ 
den dürfen. Bebeutend erſcheint mir aber der Charakter d 


iſt, ihre Zreude daran hat, wie auch an der Schriftftellerim; 
man begreift, daß es allen Breunden ber Berfafferin ein w 
thes Andenken iſt; und da bedeutende Frauen zahlreiche Freun 
zu haben pflegen, da deren Zahl mit der Zeit immer mehr bers 
anwaͤchſt, wird es auch nicht nur die Erfcheinung eine Ms 
ments fein, fondeen noch Jahre lang von Einzelnen gefudjt and 
oelefen werden, felbft wenn die Autorin nicht berähmt werden 
ſollte. Es ift ein Spiegelbild ihres frommen Lebens, und wer 
fih für fie ſelbſt intereflirt, wird gern bineinfhauen. Dann 
haben fogar Tändeleien, als z. B., baß fie die Boten gehende 
Hanne Hans nennt, fi frlbft einmal als Mäifelägchen bezeich⸗ 
net und andere Kleine Localſcherze ihren Werth. Ir. den PMits 
theilungen über Dresden werben Lied, Tiedge, Karl von Nacht: 
mann, Karl Falkenſtein, Julius Mofen und ‚andere mehr oder 
minder bekannte Namen genannt; die gefchilderten Perſenen, 
Gegenftände und Verhaͤltniſſe werden aber auch nur als fi ‚zur 
Berfaſſerin begiehend ober als Bilder in ihrem Geelenfpisgel 
aufgeführts ihre Schilderung, nicht die Perfonen find bie Sn 
face. Mit ibrer Beſprechung von Büchern, bie fie lisft, 
Ref. meiſt einverfanden. Die Woyelle ,„„Deöwig”’ ift unbebeufeahs 
die Heldin derfeiben, weiche als „friſch wie Quellwaſſer“ Hezei 
net wird, konn der Autorin dieſes Gompliment mnhdachen. 
Da denn die Autorin der Hauptmoment bes Werks if, 
ich zwei Stellen hereusheben, die mir fie beſonders zu charabte⸗ 
eileen Ken ihre Anfichten über Zreipeit und über Kolatte⸗ 
re namlich 

‚Beute ift Pfingften, das Feſt bes Geiſtes, das Feſt ber 

it, denn ber Geiſt t frei.’ 


n . 
„Freiheit — dehnt Ihre Bruſt fi nicht aus, athmen Gie 


‚wicht in einem langen Zuge durſtig Gottes Fuft und fagen: 


Bar 
heit! Ich thue es. Freibeit iſt meine Sehnfadht — wie. is: 
gefeffeltes Volk, fo drüdt mich jede Kette.” u * m 

„Brei fein, das ift Gluͤck; frei fein von fich feider, von dee 
Welt, von der Hoffnung, von ben Menfchen, von Klem, nur 
nicht von Bott und von ber Liebe. Wollen wir e8 nicht wer 
den? Ich denke. Wir werben ja wol bie Kraft haben; un 
die Freiheit ift ein herrlicher Kampf. 

„um Liebe und aus kiebe Alles than und Alle buiden, aber 
aus Knechtſchaft nichts — das ſei unfer Wahlſpruch. Me 
werben vielleicht Manches aufgeben müflen, was bie | 
uns geben koͤnnten — vielleicht manchmai felbſt unfern Biken = 
nämlich ba, wo er gegen einen andern tyranniſchen zu ſchwach 
iſt. Gut, geben wir ihn dann auf, woflen wir pie länger, is 
eine Stunde, was wir nicht können; die Freiheit iſt Jeder ER 
ſagung wer. “ J a 

„Es gibt Keine größere Ernledrigung für "den Minfäch, 
ale Hartherzigkeit anzuflehen. Das Elend des Bittras —— », 





ed Menſchen Recht; aber bitten follte der Menfi enfchen 
zur um Verzgeihung; bie Bitte gehört Gott.” 
„SGo hatte ich eben Gedanken über Kofetterie, dieſes Wort, 
non dem bie Meiften ebenfo wenig wiflen, was es heißt, wie 
von Beſcheidenheit. Um bei biefen beſcheiden zu beißen, muß 
man durchaus nicht ahnen, was. man iſt, und jebem Lob: 

ad, ich bitte recht fehr!‘ antworten. Und kokett fein heißt 
bei ihnen eine Loreley fein, welche die Menſchen erſt durch fü- 
Sen Belang lodt und dann jaͤmmerlich ertrinken laͤßt. Kokett 
ſein iſt allerdings, das eigenſte Weſen zu einer Lockung fuͤr An⸗ 
dere machen; aber es kommt Alles darauf an, wie, wann und 
gegen wen die Frau es thut. Thut ſie es mit Abſichtlichkeit 
‚und mit Ernſt gegen mehre Maͤnner, fo iſt fie unwuͤrdig; thut 
ſie es gegen alle Maͤnner, ſo wird ſie albern; thut ſie es aber 
gegen alle Menſchen, ſo iſt ſie allgemein liebenswuͤrdig, und 
thut fie es gegen den Geliebten ober gegen den Mann, fo thut 
fie nichts ale ihre Pflicht.” 
„Gegen ben Geliebten thut es jebe Frau, die es kann, uns 
bewußt, aus Liebe, wie fie aus Zreube laͤchelt. Die es gar 
nicht kann, Wie kann auch nie lichenswärbdig fein, fondern ges 
hört unter die Zahl der Frauen, aus denen bie gewöhnlichen 
Schriftfiellerinnen ihre Unverftandenen nehmen, ungluͤckliche Ge: 
ſchoͤpfe, die ich immer angähnen muß.” 

„Eine ſolche Frau kann gebeirathet, aber niemals mit et 
was Wahnfinn geliebt werden — ich bedaure fie herzlich. Eine 


Beau, bie nicht geliebt worden tft, die ift ein Diamant, piels. 


leiht von feltenem Werthe, aber nie an das Licht der Sonne 
gelommen, um zu glänzen und zu bienden. Könnte fie liebens⸗ 
würbig fein und fehlt e8 ihr nur an ber Gelegenbeit, fo ift es 
eins der tragiichen Krauenfchicfate.” 


3. Walbemar Klein. Rovelle von Emilie KiygaresGars 
IEn. Aus dem Schwebifchen von G. Eichel. Leipzig, Kolls 
mann. 1843. 8. 1 Xbdir. 15 Rgr. 

Die Verf. des vorlieginden Romans fcheint am Ende 
ihrer Phantaftevorräthe zu fein, fie bringe weber Neues noch 
Driginelles mehr: es find diefeiben leicht ſtizzirten Charaktere, 
He fie uns vorführt, wie tn ihren frühern Büchern; berfelbe 
- Beidstyam an Männern, ſodaß jedes Maͤdchen einen bekommt, 
und auch dieſelbe Moral; denn immer gcht es den guten, fanfı 
ten, geborfamen, innig Lebenden rauen gut und fie werben 
giädtih, während die koketten, kaltbluͤtigen und hartherzigen 
ungluͤtklich werden. O, wäre bus doch fo in der Welt! Bei 
diefer Verfaſſerin ſchließt auch nicht der Roman mit der Heirath 
ver zahlreichen Heiden und Heldinnen, der Borhang fällt nicht, 
wie im Luflfpiel, zu biefem Moment, fondern bie Erzählung 
fpinnt fi fort. Am unglüdtichften ift diefe Autorin in den 
Schilderungen einer vornehmen Wefelligkeit, und die @aftrollen 
in der großen Welt gelingen ihr durchaus nicht. Neulingen im 
Romanleſen kaun man „Waldemar Klein‘ empfehlen; keinem vers 
wöhnten Leſer aber, einem, der nur im geringflen mehr Ans 
fprücye macht als die ganz gewöhnlichen. 


% Das apulifhe Kind. Hiftorifcher Roman von Branzisfa 
von Stengel. Leipgig, Melzer. 1343. 8. 1 Ihr. 15 Nor. 
„Sr aber tiefen Kummer fühlend, blieb dennoch ungebeugt 

im Handeln; unbeziwungen ftand er da, Deutſchlands größter 
Kaifer, der größte von ber ruhmgekroͤnten Zahl der unfterblichen 
Hohenſtaufen.“ Go enbigt bie Erzählung, welche die Jugend 
. und Thronbefteigung Friedrich's IT. vorträge und romantifch dar⸗ 
äuftellen fich bemüht. Gin Stuͤck bearbeiteter Hiftorie ift indeß 
‚noch nicht ein hiſtoriſcher Roman, und das hier vorliegende Wert 
‚zaubert eine Menge Geftalten, welche theils in ber Geſchichte 
genannt, theild von ber Phantafie erfchaffen find, herauf, denen 
Es jedoch allen an Wahrheit und Leben gebridt. Gie find 
Schauſpieler, die eine Epiſode ber Geſchichte vorfpielen muͤſſen, 
das fühlt. der. Leſer und vermag nit fi zu interefliren. 


1328 
Herz muß unter biefes Dal erben! Hüfe Fi Re iR 


Die weiblichen Tharaktere Ä 
Then bare — 





fie kea 

—— dab ale 

dere; keins fpiegeit ſich a 58 
Schilderungen von Gemuͤtheͤbewedungen find — 





wird ein Pater „gall⸗, wuth⸗, ha t und ſchaͤumend dars 
GI dR vistahähe und BIP auf Dicken Brenn ana a 
dem Talent aber läßt fid nicht gebieten. DO 
(Der Aſchiaß feigt.) 
Notiz. 


Prelsaufgaben der franzoͤſiſchen Akademie für 
1844 und 1849. 

Die Alabemie arbeitet gewaltig aus bem Groben. für bie 
Iehte Goncurrenz hatte die politifhe Section nur bie Aufgabe 
geftelt: „Die Theorie und die Principfen des Affecuranz Ber 
trag6 (conträt d’assurance) feftguftellen, bie Seſchichte beffelben 
su entwerfen und aus ber Lehre und ben Thatſachen die weiten 
Entwidelung berzuleiten, welche dem Affeeuranzwefen zu geben 
fein möchte” u. ſ. w., und die Section beklagt ſich, daß keine 
genügenbe Abhandlung eingelaufen ſei; man hat den Preis auf 
das naͤchſte Jahr ausgefegt. Wer wird ſich indeſſen entmuthigen 
laffen? Fur 1844 ift eine sücage von ſpeciell franzoͤſiſchem Ju 
tereſſe geſtellt, aber für 1845 keine geringere ald dieſe: „Die 
Shatfachen feftzuftellen, nach weldyen fidy das Verhaͤltniß zwiſchen 
bem Gewinn und bem Arbeitstohn regutirt (les rapports entre 
les profits et les salaires).” Bei dieſer Gelegenheit if zu m 
mähnen, daß die Akademie audy von den 25 eingegangenen Br 
antwortungen ber um ben Beaujour’fdhen Preis für diefes Jahr 
geftellt gewefenen Frage „Weiche Methode die zweckmaͤßigſte ſei, 
das Princip ber Affociation zur Erleichterung des Elende anzu 
wenden?” eine einzige preiswärbig gefunden dat. Nunmehr 
bat die moralifche Section für 1849 zwei Fragen aufgemorfen. 
1) „In welchem Berbältniß ſteht die Moralitaͤt der aderbauenden 
Bolkeclaſſen zu der Moralität der im Dienſte der Indufrie be 
ſchaͤftigten ?’ 2) „Weichen Einfluß übt das Kortfchreiten des ma: 
teriellen Wohlſtandes und die wachſende Neigung, ihn ſich zu 
verfhaffen, auf bie Moralitaͤt eines Volkes 7% Ginen außeror⸗ 
bentlichen Preis hat endlich die Alabemie auf das Jahr 184 
ausgefegt für bie befte Abhandlung über die deutſche Philo⸗ 
fophie. Es follen bie vornehmſten philoſophiſchen Syſtemt 
geſchlldert werden, welche in Deutſchland feit Kant, ihn einge 
ſchloſſen, bis auf die lehte Zeit aufgetreten find. Kant's Phile: 
ſophie, als bie Grundlage ber übrigen, fol befonders ins Auge 
gefaßt werben. Es foll die allgemeine Bedeutung und Gültig 
keit der beutfchen Philofophie getoürbigt werben. Die Irrtpümer 
und Wahrheiten der verfdhiebenen Soſteme follen aufgebedt und 
es foll als Refultat feftgeftelt werben, was von ber jüngften 
philoſophiſchen — Deutſchland unter einer ober ber 
andern Form in Ichter ftanz als ftandhattend und berechtigt 
gelten müffe (ce qui, en deraiere analyse, peut lögitimement 
subsister, sous une forme ou sous une autre, du mouvemeit 
philosophigue de l’Allemagne moderne). Richt genug! Fir 


d. 3. 1845 harrt der Preis des Gluͤcklichen, welcher das große 


Problem der Gewißheit Läfen wird, weicher unmiberlegiic ent 
fheiden wirb, ob es Gewiſſes geben kann und gibt, ober ob flatt 
des Bewiffen nur das hoͤchſt Wahrſcheinliche uns erreichbar if, od 
die Wahrheit die Gewißheit ſelbſt ift, Indem bie Natur der 
Dinge vom Menſchen erkannt werde, ober ob fie nur ein 
Schein, ein Product unfers Vorſtelungsvermoͤgens ift (une 
apparence, une conception, arbitraire ou möcessaire, de 
notre esprit). 48. 


Werantwortlider Oerandgeder: Heiarich Broddaus. — Vru@ und Berlag von F. &. Brodhans in Seipjig. 








‚Blatter 


literariſche 


fü: 


Unterhaltung. 





Dienflag, 





Die Sirmden ımb ber Tod in allen 


letzten Claſſen 
ber Geſellſchaft aus den Geſichtspunkten der Hu⸗ 
manität, der Phyſiologie und der Religion betrachtet 
von H. Lauvergne. Brei nad) dem Franzoͤſiſchen 
bearbeitet. Zwei Bände. 
(Beſchluß and Nr. 331.) 

Dreizehntes Capitel: „Leute Stunden und Tod des 
Soldaten und des Seemanne.” Hier ift unfer Verf. fo 
recht eigentlich in feinem Elemente, denn er iſt nicht al 
lein Oberarzt ber Marine, fondern bat auch feibft mehre 
Seereiſen mitgemacht. Man fieht, feine Schilderungen des 
Seelebend find aus dem Leben gegriffen und ein Sof. 
Bernet kann nicht fchöner malen als er. Wir können 
e8 uns nicht verfagen, unfern Leſern wenigſtens eins von 
Diefen lebendigen Bildern mitzutheilen. 

Das Seetreffen laͤßt fich mit keinem andern vergleichen; es 
vereinigt Alles in ſich, was der Menſch Schreckliches und Erbar⸗ 
mungstofes hat erfinden können. Keine Schitberung tft im Stande, 
die Hölle zu befchreiben, weiche ein Schiff aus 320 Keuerfchlüns 
den zugleich bonnernd ausfpeit. Kein Pinfel malt die Zerſtoͤrung, 
den Schreiten, das Ylutvergießen und ben unbezwungenen Muth, 
die auf dem Meere, unter dem lautiofen Schweigen bes Men⸗ 
ſchen, unter bem Zoben aller Gtemente ſich entfalten. 

Zwei Klotten mit feindlichen re ſegeln heran, um fidy 
zu befämpfen. Das Gommanbo „Hangematten herunter!” ruft 
die Mannſchaft auf ihre Poſten. Den Ehrenpoften nimmt ber 
Befehlshaber ſelbſt ein: es ift ber, ber ihn feinen Freunden und 
feinen Gegnern am meiften ſichtbar madt. Die Watrofen wer: 
den vertheilt je nach ihrer Brauchbarkeit und ihrem Dienft. 
Diele figen in den Waftlörben, um ‘die Beſchaͤdigungen ber Mar 
effern; jene bleiben auf dem Berdeck und 


tee den Menfchen balten wird. 
Unterdefien kommen bie 
ander Immer uhr 


tten in tiefem Schweigen ein» 
Gerungeheuern,, bie einen 


gleich gen 
ginn 





— Nr. 332. — 


28. November 1843. 









fen, um frei fchlagen zu koͤnnen. Ge iſt der feierliche, ah⸗ 
nungsvolle Augenbli im Leben des Kriegers. mag ſchu⸗ 
dern, was Alles diefe Menfchen in der Tiefe ihrer Seelen bes 
wegt? Wer kann ſich eines eigenthuͤmlichen, von dem ber Natio⸗ 
nalehre ganz verſchiedenen Gefuͤhls erwehren, in dieſer Stunde, 
wo man ſchweigend und geſammelt, unwillkuͤrlich feine Stellung 


‚an einem Mordwerkzeuge uͤberdenkt? Die Gedanken an bie Pas 


milie, an Religion und Tod fteigen wechfelöweife in ber Geste 
bes Kämpfers für die Ehre auf, bis zu dem Augenblide, wo 
feine Einbilbungskraft, aufgeregt durch die erfchätternden Ereig⸗ 
niffe Deffen, was begonnen hat, nur noch auf den Kampf fi 
richtet. Der befonnene Muth des Befehlshabere, ber die Mittel 
angibt, um ben Sieg bavonzutragen, muß ein ganz anderer 
fein als der des Matrofenz; jener ift muthig mit feinem Kopfe, 
biefer mit feinem Herzen. Menfchen, bie auf einem Schlacht⸗ 
felde Kopf und Herz zugleich haben, find außerorbenttich feltens 
Rapoleon, der fi auf feine Leute verftand, nannte fie „von 
unerſchuͤtterlicher Srundfefte”. 

Die Batterien eine® Schiffs, das forben bie Schlacht exs 
Öffnen will, geben einen ganz beſonders erhebenben Aublick 
Wer den Menſchen in Augenblidden beobachtet, wo Ceben unb 
Tod fo nahe aneinander vüden, muß gefteben, daß ber Menſch 
nur dann wirklich ftolg auf ſich if, wenn er im Angeſicht einer 
Entſcheidung, die fein Seiſt herbeiführen oder abwenden fell, ſei⸗ 
nen Körper gänzlich vergißt und ein Ichiglich überfinntiches Les, 
ben lebt. Diefe Aufgabe wird nirgend beſſer geloͤſt als am 
Bord eines Schiffe, wo ber Krieger am allermeiften von Allem 
abgetrennt ift, von Allem, was bie Liebe zum Leben hervorrufen 
könnte. Zwiſchen dem Himmel und dem Ocean gibt es Teine 
Wahl, er muß fliegen oder fterben. 

Stat) — der Capitain burdhfchreitet die Batterien, fein 
Blick iſt befriedigt; bie Kanoniere an ihren Stuͤcken ‚verfichen 
ihre Pflicht. Ja, er iſt zufrieden: „Kinder, ihr habt Kanonen, 
Pulver und Muth. Bielt gut, nehmt euch Zeit; mit braven 
Zungen, wie ihr, bin idy des Siege gewiß!” 

Das Gignal if gegebens eine raube hehle Stimme, big 
von ber Ehrenbank, auf welcher der Commandeur bes 
thront, durch ein langes Sprachrohr ſchallt, ſchreit in die Bat⸗ 
terien hinein: „Feuer!“ Sept iſt es an der Beit, dieſ 
Matrofen zu bewundern und zu bebauerns niemals find fle ges 
ſchaͤftiger, linker, Alles rührt fich unter ihren eifeenen Haͤnden; 
fie bedienen ihre Kanonen mit ber Regelmaͤßigkeit und Schnei⸗ 
ligkeit, als wenn es von einer Dampfmaſchine geſchaͤhe 
euer, Flammen, pfeifenden und einfhlagenden Kugetn und dem 
fürdgterlichfien Sturm ſtehen hier Menſchen, wie man fie nic 
gend weiter fiebt.- Was auch um fie herum vorgeht, fie finb fr 
—— pfinbiih. Die feinblichen dur bie 


‚aus ⸗ 


a a 3 
f5anmaten Obhle d bedrohen fein Leben. Ren ale 
Dem 83.8 et re 8*0 Ri fein Schiff gefeffete 

. folgt er deſſen Evolutionen; er fliegt ober flirbt. Aus bent }- 


Kreife, in welchen ihn bie Ehre gebannt hat, um mit dem Tode 
zu wuͤrfein, kann er nicht heraustreten. 
Zur einem Schiffe find am Tage des Gefechte die Gefüge 
für be MWefehlenden wie für den Gehorchenden ganz gieich; 
man kann fagen, es iſt dort für nichts weiter Platz als für das 
gu, welches verzehrt, und das Meer, weldyes verichlingt. 
n der glühenden Atmofphäre, in dem bieten betäubenden Yuls 
verbampfe fcheint der Seemann eine andere Katur zu werden; 
er erinnert an bie erſten aus bem Chaos hervorgegangenen Be⸗ 
wohner ber Erbe, bie, noch ein einziger Bullen, für keine ans 
bern Wefen einen Aufenthalt bot als für die fabethaften Sa⸗ 
lamander und Drachen. 

Jedoch während das Schiff in Plammen und Hauch einge 
taucht ift, während taufend toͤdtliche Gefchoffe in feinen Einge⸗ 
weiben wüblen, haben wir noch nicht die Opfer biefes Todten⸗ 
tanzes gezaͤhlt. Er dauert erſt eine Stunde, unb wie viele 
Helden fchlafen bereits den ewigen Schlaf! Auf taufenderlei 
Weife führt bier der Tod feine Sichel; kein Theil bes Mens 
ſchenleihes bleibt von ihr unberührt; in ber ſcheußlichſten Ent: 
Bellung und Verftlümmiung liegen bie Leichen in dem Sumpfe 
son Blut, das aus ihnen hervorrinnt, und das ift die Stelle, 
auf weicher die rafenden Löwen fich herumtummeln, um ihr 
Grob einem Beinde flreitig zu maden. Der Tod, der Helfers⸗ 
helfer beiber Parteien fliegt hinüber und herüber, um jebes 
GSchiff, um jede Stelle deſſelben flattert er in allen Geſtalten 
und mit bee Schnelligkeit des Blizes. Beſſer ala ber Matrofe 
verſteht kein Menſch bie Kunft zu tödten; aus dem Maſtkorbe 
oder vom Verdeck trifft er mit feinem Gewehr das feftgefaßte 
Ziels und flieht er ald Artilleriſt in den Batterien, fo hält er, 
der legte don allen feinen Kameraden, auch bei bem Stüde aus 
unb bedient es allein; Zimmermann, Kalfaterer, Segelaufzicher, 
Alles ift er, was von ihm verlangt wird, und dies unter dem uns 
unterbrochenen Jeuer von taufend Kanonen. Haͤtte ex einen Bund 
mit dem Geſchick geichloffen, er könnte nicht furchtiofer und nicht 
erbarmungslofer fein. Eine Nation von lauter Matroſen wäre uns 
beſiegbar. Mit ben Worten Ehre und Vaterland hat vielleicht nie 
ein ‚Befehlshaber das Recht über Leben und Tod feiner linterges 
bewen fo ficher ald Der, der in einer Schlacht foiche Menſchen gut 

führen verfleht. Und wenn nun erft das Schiff in Flammen 

‚ wenn bie Kugeln es durchloͤchert haben, daß es anfängt 
zu finten, nun erſt wich der Matroſe ein Menſch, der größer ift 
as alle Gefahr. Warum? weil er eine Seele bat, die fähig 
it, in einem erhabenen Enthufiasmus aufzulodern, weil er in 
einer Welt von Umgebungen lebt, bie dem gemeinen Sterblichen 
zu betreten verſagt ift, weil ber Unterricht, ben ihm fein Dafein 
giht, fo großartig, fo erhaben, fo fehrediih if. Kampf nnd 
Gefahr find die Quellen feiner Begeifterung. Der Ausgang ber 
GSchlacht liefert vielleicht den Beweis. Sein Schiff ſinkt ihm 
unter den Füßen; aber bat er nicht Pas für fich an Bord des 
feindlichen ? „Vorwärts Kinder, an Worb!” Und jegt, wo er 
bewaffnet bis an bie Zähne ſich gang feiner Friegerifchen Reis 
gung überlafien fann, wo er gan; unabhängig von dem. Chef 
mb von ben Banden der Disciplin ſich nur in feinem natürlis 
chen Muthe zeigt, jetzt ſehe man ihn auf dem feindlichen Ver⸗ 
bed. Die beiden Schiffe liegen Bord an Bord; trotz bes Wal⸗ 
ded von Langen, ben der Feind den Stuͤrmenden entgegenftrect, 
beingen diefe body gewandter als die Löwen durch die feindlichen 
eigen, gewinnen oben, und wuthſchaͤumend, feuerfchnaubend 

innen fie nun ben Kampf, Dann gegen Mann bis aufs 


und obne Grbarmen. Kein Dolchſtoß gebt in biefem |- 


farchterlichen Handgemenge veristen; bie Hand, die drauf zus 
flicht, der Zahn, der beißt, das Piſtol, das eine Kugel entfenbet, 
has Bell, das einen Schlag führt, Alles ſtreckt ein Opfer tobt 


bin ober macht es wehtles. Hier verleugnet ber Menfch feine |' 


Ratur, er vergift, baß er Gottes E its ee bat nur 
Arallen zum Uugsiff und Krallen zur Vertheidigung; ber Ge⸗ 


ie 


y 4 
Kuh) des Minutes loet tritt 
—— De ee Dun 





noch übrigen der Beſiegten verfchonen. 
Über das wenig Befriedigende des vierzehnten und Ip: 
ten Gapitels: „Letzte Stunden und Tod nach der Natur 
Krankheiten‘ 


ber 


", haben. wir oben ſchon unfere Meinung 
gefagt. 


8. Hohnbaum. 





Ersusnromwane. 
(Beſchluß aus Nr. 221.) 
4, Sobrecht Wins. Ein hiſtoriſcher Soman in fee Ab— 
Tnitten von Ida Frick. Zwei Theile. Dresden, Arnoib. 
1843. 8. 2 Thlr. / 


Trot ber beſcheidenen Vorrede ber Autorin, welche vorlie 
gendem Werke nicht die vollen Rechte eines hiſtoriſchen Roman 


zugeſtehen will; muß Ref. ihm die waͤrmſte Anerkennung ange 


deinen laffen. Die hiſtoriſchen Charaktere find treu geſchildert, 


‚die Färbung der Zeit ift a U wiedergegeben, die Geſchichte 


gründlich flubirt. Daß die Entwidelung der Frauendaraktere 
als Hauptfache behandelt wird, ift durchaus nicht flörend, fon 
dern erhöht noch das Interefie des hiſtoreſchen Gemaͤldes. Die 
fhon oft bearbeitete tragiſche Geſchichte der armen Diveks, 
Shriftian’s TIL. Geliebte, bildet ben Hauptinhalt des erſten 
Theils; Duͤvecke's echt weiblicher Charakter ift mit großer Eich 
und Zartpeit geſchildert, und bie biftorifchen Daten find darin 
mit großem Talent abgefpiegelt. üÜberhawmpt fieht man, daß ei 


. ebler Geiſt bie verfchiebenen Frauenchar aktere beleuchtet hat; 


ſelbſt Sybrecht Willms, das teuflifche Weib, das ihre Tochter 
ber MWolluft bes Königs hinopfert, bas zu allen Grauſamkeiten 
bereit ift, wird in ihrer misverſtandenem Zärtlichkeit für die 
Tochter in manchen Momenten nicht fo ganz teufliſch dargeftllt 
als die Geſchichte fie gibt. Auch die MBuhlerin Emmerentis 
Brahe ſteht nicht ganz ſchwarz da, und der edlen Königin fa: 
bella ift in den Stunden des Wehs und des Gluͤckt ber unend⸗ 
liche Zauber einer echten Weiblichkeit beigeegeben, der fie bis zum 
Ende nicht verläßt. Die Verf. bat ſich die Aufgabe geſtell, 
das Herz bes Weibes mit feinen Raͤthſelfrragen und Abirrungen, 
das Eabyrinth der Leidenfchaften und bie auf fo mannichfache 
Weile fi) dußernden Regungen des Gewifſens zur Griceinung 
zu bringen, und fie hat in dem vorliegenden Werke einen Teil 
diefer Aufgabe würdig geloͤſt. Ref. kann mit gutem (Bewiffen 


' diefen Roman ber Lefewelt empfehlen, ba er Gefühl, Leben und 


biftorifches Intereſſe vereint, belehrt und unterhält, und alk 

Anfprüce an einen guten Roman erfüllt. 

9. Der —8 des Fi Ein Roman von mil 
mine Softmann. Braun . ©... Meyer. 1843. 
8. 2 Tolr. 15 Nee. iis, 


wird durch deſſen Verſ⸗ 
—— —— — Krankheit in Die 









ten befundet bat. 


6. Ein Phantafleleben und feine Folgen. 
ria Feodora Kreifrau von Dalberg. Zwei Theile. Frank 


Roman von Ma⸗ 


furt a. M., Sauerländer. 1843. 12. 2 Thlir. 15 Nor. 


Der Fluch bes Genies wird dem Lefer bier auf fehr breite 
Weiſe zwar, doch mit aller Ausfhmüdung wahrſcheinlicher Wahr: 
beiten dargethan. Wer einige Zeit in der Welt gelebt bat, 
wird erkennen, daß die meiften Menſchen an ihren fchönften Ei⸗ 
genſchaften zu Grunde gehen, daß das Übermaß geiftiger und 
törperlicher Gaben meiſt die Sippe bildet, woran man fcheis 
tert; der gewöhnliche Menſch betritt bie betretene Straße und 
gebt fiher, und baß ber ungewöhnliche diefe betretene Straße 
nicht verlaffe, nicht auf Irrwege gerathe, dahin foll diefes Buch 
wirken. Es ſoll lehren, daß das Stud, welches die Frauen in 
Der angeborenen Sphäre am häuslichen Derbe finden und fidg in 
natuͤrlicher Weile felbft bereiten, das einzige wahre ift, ben dus 

ern Glanz überwiege und felbft dem Ruhme vorzuziehen fei. 

ie Denken im Berlauf der Geſchichte find mit vieler 
Kenntniß des Lebens, ber großen und kleinen Welt erfunden und 
sneinanbergereibt, und man fcheidet trauernd von der Heldin 
des Romans, die bad Phantafieleben und beffen Zolgen in uns 
säblige traurige Lagen gebracht bat, die als geſchiedene Gattin, 
als Braut eines Kürften, bem fie entfagt, als tugendhafte Breuns 
din eines Lords, von bem fie verlaffen wird, als Künftierin, 
Buplerin, ein unbefriedigtes Dafein führt und als Boeur grise 
ihre Irrthuͤmer erkennend und reuig ihr Leben beſchließt. 


7. Die Verhrten. Gin Roman für die Gegenwart, von 
Wilhelmine von Sybomw, genannt Iſibore Brönau. 
Iwei Zeile. Sondershaufen, Eupel. 1843. 8. 1Thir. 15 Ngr. 

Da dem Kritiker das Perfönlichwerden in der Kritik uns 
vLerſagt ift, ſollte auch der Autor fo viel ale moͤglich feine Pers 
ſonlichkeit aus dem Spiele Laffen. Die Berf. ergriff, wie 

De Vorrede fagt, Me Feder, um nad Vermoͤgensverluſten ih: 

rem Gatten vie Rahrungsforgen für die Jamilie zu erleichtern 5 

das iſt verdienſtlich und gereicht ihr als Frau zur Ehre; ber 

r des Buchs darf es aber nicht in Erwaͤgung ziehen. 

Die heilung eines Wuchs iſt weine Werftandesfaches das 

gedruckte Wort ift abgelöft von Den, ber es ſchrieb; es ift ein 

Semeingut geworben wie ber Staatömann, deſſen Anfichten 

und Wielen man auch wicht mehr nach der Erziehung, bie er 

in der Kinderflube genoſſen hat, beurtheilen darf. &o können 


wir auch mit aller Hochachtung für die Verfaſſerin den Roman 
nicht loben, nicht, weil eine Frau geſchrieben, nicht, weil 


er ein Mittel zu Gelberwerb ift, fonbern weil er, trotz vieles 
Guten und nen in Worten und Bteflerionen, bie Anſprüche 
au einen -unterhalienden Boman nmicht erfüllt; man fähtt bie 
Abſichtlichkeit in ‚der, fremden Staffage ., fie,zicht den Gang ber 











Sammlungen und Auctionen von Autographen. *) 

Das Wort Autograpbum war im Anfange bei 18. 
Jahrhunderts ſchon in Gebrauch. Jamet fihrieb 1733 in We: 
zug auf ein Bruchflüc eines von dem Regenten Ppilipp veg 
Drieans eigenhändig gefchriebenen Briefes, welches ſich untee 
altem Papier gefunden hatte: „Ich erinnere mich, daß mir 
Lancelot für dieſe Guriofität einen diden Sauche; mit Noten 
von ihm felbft anbot. Lancelot befaß fchon eine Anzapl Briefe 
von berühmten Perfonen, unter anderm ein Liebesbriefchen bog 
Ninon be Lenclos an ben Marquis: de Ia Ghatre und einen 
Brief von Bicent be Paul. Solche Manie hatte Lancelot für 
Autographen.” De Bethune, Lomenie von Brienne, Golbert, 
Louvois, Huet u. X. fammelten dergleichen. Ihre Sammılunte 
gen find größtentheild von ber koͤnigi. Bibliothek in Paris ame 
gefauft worben, und es wurden Nachſuchungen in ben E&taatbe 
archiven angeftellt, um ben Handfchriftenfchog der Bibliothek zu 
vergrößern, bis die Revolution ausbrach. Wie viele Autogra⸗ 
phen wurden nun zerftört. Gin Decret der Rationatverfamme 
lung vom 5. San. 1793 befahl, alle in ben alten chambwew 
de comptes, in ben öffentlichen Depots. und fogar in den Pb 
satbibliotheten vorhandenen Pergamente zu vernichten. Gi 
ungeheure Sammlung von Urkunden ber alten Könige von Kranke 
reih wurde dem Marineminifter zur Verfügung geftellt und 
angewendet, um Stuͤckpatronen daraus zu machen. Die wit 
ber Xusführung bes Decrets beauftragte Sommiffion ſtand uns 
ter ber Leitung des Hiſtorikers Amilhon und entiebigte fick ih⸗ 
res Auftrags mit einem empörenben Bandatiemus. Endlich gs 
hob fi eine hochherzige Stimme, freilich etwas ſpaͤt (denn die 
Geſchichte Hatte bereits unerfepliche Verluſte erlitten); die or 
con bes and Gregoire wurde angenommen und bie Berftörung 

rte auf. 

Einige befcheidene Gelehrte, einige Literaten, bie im Stil⸗ 
len über biefe Verheerungen gefeufjt hatten, machten ſich for 
glei; an das Wert, um die noch vorhandenen hiftorifchen Dir 
sumente, die größtentheild nad dem Gewichte verlauft werben 
waren, ber Vergeſſenheit zu entreißen. An ihrer Spige Bille⸗ 
nave. Diefer Gelehrte erzählt, daß er, ald bie Papiere -des 
Hauſes Bouillon auf Verfügung der Seine⸗Praͤfectir verkauft 
wurben, volle 14 Tage damit zugebracht habe, biefe intereffan⸗ 
ten Archive durchzuſehen und Papierflöße auszuſondern und gps 
——— bie ihm für fo und fo viel ber Centner zuge⸗ 
lagen wurden, ba nur bie Epiciers ihm Handſchriften ven 
dem Marſchall und dem Cardinal von Bouillon, Turenne, Bas 
Inge u. f. w. ſtreitig machten. Zu biefen Beiten wurden foldge 
Sammlungen von ben Meiften noch als unnüge Spielereien ae 
gefehen, es dachte faft Niemand an die Nichtigkeit handſchrift⸗ 
licher Documente für bie Gefchichtsforfchung. 

Im 3. 1801 wurbe ber Verſuch gemadt, eine Same 
lung, welche von bem Marſchall Richelieu herrührte, äffentiich 
zu verlaufen. Es fanden ſich Feine Käufer und doch waren bie 
Papiere nicht ohne Interefie. Es waren Handſchriften von 
Pamphlets, Neuigkeiten, Chanſons u. dgl., welche ſich auf bie 
Beit Eubwig’s XV., alfo won 1723 — TA bezogen. Ginige 
ber Nachrichten waren von des Marſchalls eigener Hand unge 
merkt. Ferner waren unterzeicgnete und nicht unterzeichnete 
Briefe an Herren von Richelieu dabei, gefchrieven von Dans 


9) Bol. einen Aufſat In Nr. 356 d. BL: Autographiſche Samm⸗ 
lungen.” D. Red, 








n vielen Sammlungen, bie ſich ſeitbem ges 
idt und fo bes Werthes beraubt, den fie 


Pandfgeiften von großem geſchichtlichem Intereffe, unter Nr. 
KW des 


Gegenftände der chriftlichen Lehre mit der befcheibenen Summe 
von 3 Br. Die Verkäufe der Sammlungen von Hrn. von 
Shatabre und ber Gräfin von Caſtellane fegten 1833 und 1834 
ale Liebhaber in Bewegung. Die Kataloge waren mit Gorg⸗ 
falt angefertigt, und wenn die‘ Preife manchmal nicht der Wich: 
Agkeit der Briefe entfprachen, fo kam das daher, daß manche 
der angekündigten Stüde, befonders in ber Gaftellane’schen 
Gammlung, entweder apokryph oder nur eigenhänbig unterzeich⸗ 
at waren. Die vornehmften Sammler jener Zeit waren bie 
Deren Aimé Martin, Barritre, Berard, Boutron, de Chaͤteau⸗ 
giron, de Dolomien, Delort, H’Arcoffe, Feuillet, Lalande, Leber, 
Lucas de Montigny, Montmerqué und Billenave. Und da all: 
maͤlig die Preife der Briefe fliegen, fo wurbe eine große Ernte 
da Privatarchiven und bei den Gewürzfrämern gehalten. Im 
3. 1837 machte Serr von Diontmerque feinen Katalog bes 
Tannt, bee einiges Grflaunen erregte, denn außer einem Briefe 
von Taſſo (dee fpäter für unecht erflärt wurde), einem von 

ndion und einem von Safontaine fanden ſich Feine jener bes 
sähmten Namen, weldye jet die Sammlungen zu ſchmuͤcken 
pflegen. Ludwig XIV. und Napoleon, die jegt fein Sammler 
von einiger Bedeutung entbehren möchte, figurirten barin nur 
seit bioßen Umterfchriften. Der Katalog, weldgen 1840 der Bis 
Hophfe Yacob herausgab, ift bad Muſter eines Kataloge die: 
fer Art, rei an intereffanten Unterfuchungen und geiftsollen 
Bemerkungen. Gehe gut verſtand die Sache auch ein ſehr aus: 


EHE 
—* 


J 
T- 
Ri» 


f 
⸗ 


ge von 

merkwuͤrdigen Stuͤcken beſigt er unedirte Manuſcripte 
n von bedeutendem geſchichtlichen SWerthe 

eine Reihe von Briefen Heinrich's IV., eine Seide von 
Lubwig’s AVI. vom Beginn feiner Begierung bis 1791 u. 
Raͤchſt Hrn. Feuillet find bie Herren Lalande und Libri zu nen 
nen, dann die Herren Boutron, Baron von Ghaffiron für das 


\ 


Feet 


nn } 


5 


Haus, Goufin für Philo 
neuve für die Geſchichte Lothringens, Graf von Auffay für vie 


Normandie, Marquis von Ghätsaugiron, von Biancourt, Bere 


zog von FitzeJames, Corby, be Eacarelle, der Deputirte Denis, 
Dberft Naubet, Alter. Martin und endlich Charon, der Autos 
graphenhändler, wie er ſich felbft nennt, der redliche gewiſſen⸗ 
bafte Dann, bei dem bie Liebhaber täglich mit größtem Ruten 
„fammeln” gehen. Unter ben Ramen, welche ſich ernfthaft für 
Autographen intereffiren, ift in erfter Linie zu nennen die Ks 
nigin Victoria, fodann bie Baronin James Rothſchild und Mar 
demoiſelle d’Henin. 

Eine große Anzahl von Liebhabern befigt England. In 
London finden alljährlich viele Verkäufe ſtatt, wobei bie Preife 
ſehr variiren. Auf ber Auction des Herzogs von Budingham 
wurde ein Brief Colombo’s über feine Reiſe nad) ber 
Neuen Welt bis auf 825 Fr. getrieben, ein Brief Luther's auf 
500, ein Brief Mitton’s auf . Briefe Heinrich’s VEIT. tie 
ber Buchhändler Thomas Thorpe Tpäter für 100 — 150 Er. 
das Stuͤck ab, und eine Quittung Michel Angelo’s für 60 $r.; 
einen Plan ber Peterskirche in Rom mit Anmerkungen von 
demfetben Meifter für 310 Ir. Die eigenhändfgen Manuferipte 
Walter Scott's von frinen Romanen wurben 1881 zu nicht fehr 
boden aber fehr ungleidyen Preiſen zugefchlagen : Ivanhoe 300 %r., 
„Braut don Lammermoor‘ 367 Zr. 50 Gent., „Antiquar” plößs 
ih 1050 Fr. und „Rob Roy“ 1250 Er. Man kann nidt 
genug den Verluſt eines autographifchen Albums beklagen, wel⸗ 
des Napoleon feinem Bruder Iofeph anvertraut hatte und weis 
yes alle eigenhänbigen confibentiellen Briefe von ben verſchit⸗ 
been Souserainen Europas an ben Kalfer enthielt. Diele 
koſtbare Depot wurbe bei der Überfahrt über den Kanal verlo 
ren oder geflohlen. und die einzelnen Briefe wurden in London 
den Geſandten ber verfchiedenen Mächte für 700,000 Fr. abge 
laffen. Rah D’Meara zahlte ber ruffifche Gefandte für die 
Handſchriften des Kaifers, feines Herrn, 250,400 Fr. 

In OÖſtreich, befonders in Wien, find veiche Sammlungen, 
unter denen die des Grafen Szernin, bed Hm. Aloiſius Fuchs 
(bei der Kriegslanglei), des Baron von Hardenberg, bes Grafın 
von Dffolinski und des Herrn Franc. Zimoni Erwähnung ver 
dienen. Der Buchhändler Gräffer übernimmt gewoͤhnlich bie 
Aufträge der Autographenfammler. Eine Auction, welche er 

838 veranflaitete, brachte fehr intereffante Sachen, ;. B. ei⸗ 
nen Brief von Luther, einen Brief von Gwgbenberg, mit fer 
nem Blute in feinem Kerler gefchrieben, 

Die itatienifhen Sammtungen find zahlreich und gehe 
lich intereſſant. Eine Überſicht derfelben verfpricht ber Verfaſſer 
sines Artikels im ‚Journal des debats’‘, dem das Obige entnom⸗ 
men ift (H. de F.), in einem größern Warke über Autegraphen⸗ 
fommlungen, welches ex unser. der Faber habe, zu liefern. 78 


Berantwortlicher Deranigeber: Deinzih Brockhaus. — Drud und 'WBerlag von F. A. Drochaus in Beipzig. 





‚Biätter 


fir 


lite r ariſch e un te r ha ltung— 





Mittwoch, 


29. November 1848, 





Died Buch gehört dem Koͤnig. Berlin, Schroeder. 
1843: 8 4 Ihe. 


Man weiß eigentlich nicht officil, welchem König 
dies — nach einer unvollfiändigen Debication betitelte Buch 
gehören fol. Da es aber in Berlin gedruckt ift, und 


Hier. auch die vermuthete Verf., bekannte Frau Bettina, 
lebt, fo wird es wol dem König von Preußen gehören. | 


Doc ift es aucd dem unterzeichneten Koenig zugelommen, 
ber vielleicht eher al& jener weiß, was er mit dem Buche 
machen fol, — er fol es nämlich recenfiren. 

Ich möchte mid kurz faffen und fagen, daß mir fel: 
ten ein geiftreiches Buch nady und nach fo ermüdend und 
widertoärtig geworden iſt wie diefes. Anfangs nur feßte 
mich die frankfurter Staffage und das frankfurter Deutſch 
der Frau Rath Goethe, die das ganze Buch ſpricht, in 
die befte Laune, und id befam Luft, meine Recenfion 


ebenfalls der Frau Rath, und zwar als Befchwerde der 


verfiändigen Alten über die Tollheiten ihres verwoͤhnten 
„Kindes in den Mund zu legen. Allein neben andern 
wichtigen Dingen unterfcheiden wir ordinairen Menfhen 
uns von den genialen auch burin, daß wir uns erſt be- 
finnen, ob wir einen närtifhen Einfall auch ausführen 
wollen oder nicht. Und fo hate ich meinen unterdrückt, 
während Frau Bettina den Titel ihres Buchs ſtehen ge: 
taffen hat. In bdiefem Buche fehlt es nun durdaus 
nicht an tiefen Gedanken und an ſchoͤnen Anfhauungen, 
bie nachgedacht und geprüft zu werden verdienen. Allein 
man verzeibt fo viel Geiſt einee Dame nur, wenn er 
mit Takt und in rechter Form erfcheint. Takt und Form 
ift ja befonders der Krauen Sache. Beides 'vermißt man 
nun ſehr aa den Smprovifationen der Frau Bettina, und 
muß fich dafür an ihre unverwäfllihe Tugend hal: 
tm. Es tit auch Beine Kleinigkeit, noch ale Matrone 
die Purzelbaͤume zu fchlagen, die einſt am „Kind‘ im 
kurzen Roͤckchen fo entzüct haben. Und mas diefen Pur: 
jelbäumen an ihrer frühen Anmuth fehlt, gewinnen fie 
an Seltfamteit, da fie diesmal großentheils in dem ho⸗ 
ben Gebiet der Staatsweisheit gefchlagen werden, wo wir 
nur gewohnt find, ernfihaften Männern in geftidten Krä: 
gen mit großen Actentafhen zu begegnen, Männern, die 
wol ihre Kniee beugen, aber nicht in der Luft balanci⸗ 
ren können. 

Das game Duch If, wie gefagt, der Frau Rath 





Goethe für das Jahr 1807, alfo für das Jahr vor dem 
Tode Diefee 77 Fahre alt gewordenen Mutter des Dich 
ters, in den Mund gelegt. Die tapfere Frau "fängt ohne 
weiteres zu erzählen an, und thut beinahe die zwei Theile 
hindurch den Mund nicht mehr zu, ausgenommen mwähs 
senb, bei einigen Stellen, die zu Befuch gelommenen Pfars 
rer und Bürgermeifter den wildeften Behauptungen ber ehr⸗ 
würdigen Greifin zu widerſprechen wagen. Frau Bettina 
hat aber beiden franffurter Herren Peine langem und tiefeit 
Widerſpruͤche zugetheilt, vermuthlich aus zärtlicher Liebe 
zu ihrer Stau Rath, damit diefe — Zeit zum Sprechen 


und überall Recht behalte, wie es alte Leute gern haben. 


Hätte, wie wir es anfangs erwarteten, Die Verf. ihre 
Frau Rath in der drofiigen, treffenden Welfe, die wir 
aus den Briefen diefer genialen Frau kennen, die Einla⸗ 
dung der Frau Bethmann „ins Kirfchewäldche” und jene 
ber Königin von Preußen nad Darmflade erzählen, und 
an diefe Erlebniffe begügliche Bemerkungen knuͤpfen laffen, 
fo ‘hätte viel Intereffantes dabei herauskommen koͤnnen. 
Kernhafte Gedanken wären wie faftige Früchte an biefen 
Lebensbäumen gewachſen und reif abgefallen. Allen die 
Erzählung, die fo munter anfängt, erftidt ganz unbedeus 
tend in dem Schwall von Ausfprühen, Behauptungen, 
Meinungen und Schmwärmereien, welche bie Frau Rath 
ausfprudelt, und die felten ihrer bekannten Perfönlichkeit 
angemeffen oder den Umftänden angehörig find. Seibſt 
die Königin von Preußen kann nicht zu Wort kommen, 
und findet kaum den Augenblid, um der unruhigen 
Sreifin eine goldene Kette umzuhaͤngen. Diele. ganze 
Erfindung bezieht fi wol auf den goldenen 

den einit Die verfiorbene Königin Luiſe der Mutter Goe⸗ 
the's geſchickt hat, in huldvoller Erinnerung an die feſt⸗ 
lichen Tage der Kaiſerkroͤnung im Juli 1792, da ſie mit 
ihrer Schweſter Friederike, beide noch als mecklenburger 
Prinzeſſinnen, bei der Frau Rath einlegirt geweſen, 
Speckſalat und Eierkuchen mit ihr gegeffen und im Hof 
des Hauſes Waſſer gepumpt hatten. Dieſe goldene Kette, 
mit der die Krau Rath von Darmſtadt zuruͤckkehrt, und 
halb Frankfurt bis auf die Hebamme Ahlever in Alarm 
fegt, it ihr auch fo lieb, daß fie mitten aus ihren hoben 
Gedanken Über Geiftesfreiheit, mitten aus Ihren Biftonen 
über Natur und Menfchheit fi) mit der Fuͤrſtenkette ins 
Bert legt. 





x : © 
Wald wird aber ber Gebankenkreis, In bem ſich bie | Brau katein reden? Jene Derte bedenten meie Ihrem 
im Leben fonft fo praktifhe Frau Rath Hier im Buch | Schnitzer nicht mehr, daß Im Weine Wahrheit liege, fon 
binauffchreindelt, fo erhaben, daß fie bie Antnüpfungen 1 bern, daß die Wahrheit zu viel in den Wein gegudt Habe, 
an das fo tief unter ihr liegende Erlebte ganz aufgibt, | daß fie beraufcht ſei. Doc laſſen wir dieſen Bock, nad 
und fogae ihe liches frankfurter Deutſch nicht mehr gut altteſtamentlichem Opferbrauch, als Suͤndenbos in bie 
geaug findet, fondern fih einen Druckbogen lang um | Wildniß laufen, und fuchen mit unferm Opfermeſſer das 
den andern in fo erhabener Sprache ausdrüdt, daß eö | reine Fett des zu kritiſitenden Buchs! Zu flreng dür- 
ihren großen Sohn, den Wolfgang, wenn er eb in Wei: | fen wir dabei nicht zu Werke gehen; denn — wie man 
mar hätte vernehmen, ober jegt noch leſen können, in bet, Hat der König, dem das Buch gehört, ſolches aus- 
Staunen und — Verlegenheit geſetzt haben würde. nahmsweiſe von der geſetzlichen Beſtimmung einer policel: 
Staun an den Muth eines Weibes, und ihre Heldenkraft lichen Einfihtnahme vor der Berfendung freigegeben. 
PR Fr (e. rw Frl wie A ai en —* ben Er fürchtet das Unheil nicht, das die Mauſerfeder einer 
e er efahr nwegtt 
Ctreiterin; nermeßtihe Stärke geneußt fe von feiner Furcht —— Wert 2* 2 So bürfen wis 
die Seele beftürmt. Wer von den Unfterblidyen erzeugte fie, die rau Bettina hinter dieſem Buche her nennen; deun 
josgeriffen von furchtfamen Banden bes Schweigens das Ge | RE man es ihr recht machen weilte, müßte fehr Vieles 
Häft durchſchreiet mit Gefcgmetter des Zreiheitsrufst Die ſchlaue in Staat und Kirche, was jegt vlelleicht auf ſchwachen 
Beinen ſteht, geradezu auf ben Kopf geflellt werben. 


Suada iſt's, o Phöbus ! 

So ſehr laͤßt Bettina die ehrliche Katharina Elifaberh | Wenn dies Bud nun hauptſaͤchlich für Preußen geſchrie⸗ 
Textor, verheicathete Goethe, — Vater und Dutter | ben iſt, fo mag fid ber König mit bem lieben Gott 
vergeſſen! troͤſten, deſſen ſieben Schöpfungstage auch angefochten 

Diefe Art von Ergießungen, die ſich um feine Ans | werden. S. 60 heißt es naͤmlich: 
knuͤpfungspunkte und um feinen —— Baden mehr ch u — a von ben eben, Sapfungat m; * 
Sefümmmern, werben im zweiten Theil des Buchs — eine i glauben wollt, einen Grund habe naͤmli 
Sokratie genannt. Soll das bedeuten, daß die Frau ae elae 15 Akte Bub nit — Bpeentation leitet 

, . zu treten Anlaß 
Math fi mit dem Pfarrer und Buͤrgermeiſter, die gleich | gap, wenn ich nidt ganz ein Ochs bin. 
anfangs ohne weiteres bei ihr find, in bes Sokrates Weile ©. 70: 
unterhalten will, fo iſt auch diefe berühmte antite Fotm 
dee Gonverfation auf den Kopf geftellt. Sokrates wußte 
befanntlih Das, was er lehren und behaupten wollte, 
aus feinen Gegnern als ihr eigenes Zugeſtaͤndniß heraus 
zufragen. Aber wie ſokratiſirt, wie fragt die Frau Rath? 
Sie fragt nichts, und fragt nach gar nichts, nichts nach 
König noch Staat, ſondern überfpeudelt ihre Gaͤſte und 
Zuhoͤrer mit fo endlofen wilden Behauptungen, daß bie: 
felben am Ende fogar des Kopfihüttelne müde werben. 
Dabei läßt Bettina die gute Frau fo grob gegen Ihren 
Beſuch werden, daß man wol einfieht, bie rau Rath 
Sat näher an Sacfenhaufen als an Athen gewohnt, 
wofür bie beiden Herren ſich auch wieder gegen bie alte 
Dame eine Ironle herausnehmen, die mehr mad) der 
Conſtablerwacht als nad der Akademie buftet. 

Bon biefer Seite haben wir die freundliche, weltftohe 
Mutter Goethe's noch gar nicht gelannt, — Diele ruͤh⸗ 
sige Frau An, wie fie auch am weimarer Hof genannt 
wurde, bie fo gern ausgeſuchte Weine oder gute Trauben 
von Frankfurt beſorgte, Geld für ihren Sohn in Empfang 
nahm, oder Lederbiffen an die Herzogin Amalia ſchickte. 
Da wied «6 ſich denn wol in ber That fo verhalten, wie 
bie Frau Rath ſelbſt zu Bettina fagt (S. 290): 

Was das vor Biätter find! Nun wirft bu mir man: 
gen en da hinein geflickt haben, ber nicht von meinem 


Indem wie daher nicht bie gute Frau Rath, ſondern 
Frau Bettina ſelbſt für den Inhalt ihres formlofen Buchs 
in Anſpruch nehmen, ſtoͤßt uns ©. 238 ein böfes Vor: 
yihen auf. Dort laͤßt Bettina die Frau Kath fagen: 

vinum veritas. Worum muß benn auch bie gute 






















Aber jept wii ich auf bie zweit uns viel einleuchtendere 
uUrſach kommen, bas iſt nämlich, weil ich einen Begrif hab, da 
Gott zwar einen fiebenten Ruhetag hätte haben können, naͤmli 
wenn er phleginatifcher ift geweſen, wie ich, denn ich hab mi 
meiner Lebtag nicht Hineinfinden koͤnnen. 

Und S. 79: 

Da geb ich euch alle miteinander gu bebenten, ob das eime 
Sach ift für einen Gott, baß ber gelten die Arbeitsfchürze 
(denn er bat viel in Thon gearbeitet) an ben Nagel hängt, fi 
die Händ abwäfcht und fein Sonntag hält. 


(Der Beſchluß folgt. 





Notes sur ma captivit€ & Saint-Petersbourg, en 1794, 
1795 et 1796. Ouvrage inddit de Jıudien Ursin 
Niemcewics, publi€ d’apr&s le manuscrit aufographe 
de Yauteur, par Pordre du Comite historique polo- 
nais & Paris. Paris 1843. " 


„C'est une scöne detschee de o6 drame terrible eh 
use nation entidre ve debat sous le poidu de malhcarn 
qui sombient infinis, eü chagus neble «flert surre wm 
ebime, chaque vente roste sans effet, ou une fatelisd 
implacable arrache le glaive des malns du vaiaqueur, 
et des blasphömes de la bouche d'un chr „“ 


Wenn bie Polen je auf dem parlamentarifchen Wiege etwas 
Sutes für ihre Land zu Stande gebradht haben, fo war es bie 
Gonftitution vom 3. Mai 1791. Die Abſchaffung des liberam 
veto und der Gonföberationen, bie Ginführung einer geregelten 
Gerichtsverfaſſung, die Aufhebung ber Gewalt ber Gtaroften 
über die Städte, die Erblichkeit der Koͤnigswuͤrde waren uner⸗ 
meßliche Kortfchritte im polnifhen Staatsleben. „Und dieſe 
Berfaffung hatten ſich die Polen gegeben ohne Raub, Mord, 
Biutvergießen oder Berletung bes Cigenthums. Gie vereinig⸗ 
ten die zartefte Ehrfurcht für ale irgend erhaltbaren periöntis 
den und binglichen Lechts mis der Kutpotiumg aller Geumbübel, 











. 


. et 
ac gewiß eine leidenſchaftliche Parteinahme —A 


4 





„Babrlich”, fagt von Raumer, „die Polen waren 
u als diejenigen Voͤlker, die in offener, einfacher 

zwungen wurden. Man ſuchte ihre Freundſchaft, um 
: zu werleugnen, machte ſich ein Wergnügen baraus, felerlich 
wit ihmen geichloffene Vertraͤge zu brechen, trieb fie zu Schrit⸗ 
ten, weiche man nachmals verbamnıte und legte ihnen Gefins 
nungen bei, die fie nie gehabt hatten. Nur blindes Vorurtheil, 
vorfägtige unwiſſenheit ober boshafte Verleumdung fann bie 
Urheber ber Besfaflung vom 3. Mat 1791 als ſtraͤfliche Revo⸗ 
Intionnaire anklagen.‘ 

Die zweite Epeitung erfolgte und es blieb ein Laͤndchen mit 
3Y, Milionen Einwohnern übrig, welches man bie Republik 
Polen nannte. Indeß erzeugte ber rohe Übermuch der Ruſſen, 
weiche in Warſchau dominirten, eine dumpfe Gaͤhrung, deren 
Ausbrud und naͤchſte Folgen, fo weit Niemcewicz dabei bethei⸗ 
ligt ift, ben Inhalt bes vorliegenden Buchs ausmachen. 

Anfangs begänftigte das Kriegsgluͤck die von Kosciuszko 
angeführten Polen, bis in der entſcheidenden Schlacht bei Ma⸗ 
ciejowice (10. Oct. 1794) das polnifche Heer von dem General 
Ferſen gänzlich geichlagen und Kosciuszko, ſtark verwundet, ge: 
fangen genommen und nach Peteröburg trangportirt wurde. 
@in leidet Schickſal hatte defien Freund, der Dichter und po: 
vieifehe Schriftſteller Riemcewicz. Ginige Jahre nach beider 
Keritaffung fchrieb der Letztere zu Eliſabeth⸗Town in den Ber» 
einigten Staaten die Geſchichte feiner Gefangennahme und feis 
nes Kerkerlebens nieder. Grwägt man bie pfydgifchen und koͤr⸗ 
perlichen_ Leiden, welche während biefer Gefangenſchaft auf Niems 

„ſo erregt 06 Bewunderung, baß das Gift 
grimmiger Erbitterung aus ſeiner Feder geſloſſes iſt. daß er 
vielmebr feine traurigen Schickſale einfach, groͤßtentheils leiden: 
ſchaftsios, oft fogar mit einem Anfluge von Humor befchrieben 
hat. Gelb in den Ausſpruͤchen Aber feine politifchen Feinde 
und Bedruͤcker überfchreitet er nur ſelten die Grenzen der Maͤ⸗ 
$igungs getinde genug drüdt er aus, wenn er bei eclatans 
ten Erfahrungen über bie Unwiſſenheit und Roheit hochgeftellter 
Kuffen nur fagt: „Et voll l’empire oü selon Voltaire les arts 
et les sciences se sont vofagiis! " 

Gine lebendige Schilderung der Schlacht bei Maciejowice 
bitdet das erfle Capitel. In wenigen Stunden war der Bieg 
der Kuſſen vollftändig entfchieben; geilden 4 und 9 Ubr Abende 
brachte man einen halb tobten Mann auf einer Bahre ins 
Hauptquartier: es war Kosciuszko. Das Blut, welches feinen 
Kopf und Körper bedeckte, ſtach graßlich gegen die blaͤuliche 
ae feines Gefichts ab. Gr hatte einen etgieb über ben 
Kopf und einen Lanzenftich in den Hüden befommen. Erſt am 
foigenben Morgen erwachte Kosciuszko wieder zum Bewußtſtin 


% Potkendo Untergang”. 










63.3 7 ke war feiner 


u 

u fehen. Dir oberftd Rationalrath erklärte fich egen ben 
— ber bereit, zum Tauſch für Kosciuszko ſaͤmmtliche ua 
den Polen gefangene ruſſiſche Generale, Offiziere und So 
3000 an ber Zahl, herauszugeben. Das Anerbicten wurde 
bep nicht angenommen und Kosciuszko, Niemcewitz und 
andern Gefangenen nach Rußland weiter transportirt. 


K 


Die Beſchreibung, weiche Riemcewicz von dieſer Reiſe en 


minft, bietet eine bunte GScenerie, in weicher bauptfäciide wm 


Jfiſche Brutatität und Haubfucht gegen bie Banbhewehner ab 


gegen bie Gefangenen hervortritt. Lehtere mußten von dem 
zuffifchen Major Titow, bem bie Göcorte übergeben war, 
Nedereien erbulden; fortwährend fdgimpfte Titow auf die Pos 
ten. Niemcewic, trat ihm anfangs kraͤftig entgegen und marf 
igm feinen Mangel an Gerechtigkeit und Zartgefübl vor; da ee 
aber endlich einfah, daß es nicht lohnte, mit einem Barbaren 
m n, fo fchwieg er, nahm ein Buch vor ımd lief den 
Auften fhimpfen fo viel er wollte Dieſe Gleichgoͤlti > 
feste Titow in den beftigfien Born und um ſich zu , Geh 
er fämmtlide hölzerne Fenſterklappen des Magens ſchießen 
Gluͤcklicherweiſe war in ber Dede ein kleines Lo, durch wei 
des ein Lichtfirahi eindrang und bie Kortfegung ber Lecturt 
möglich machte. „Außer ſich vor Wuth über meine Hartnaͤckig⸗ 
9, erzählt Niemcewicz, „wollte er ſich wenigſtens einmal 
b einen hoͤchſt wigigen und gelehrten Ausfall zädgen, indem 
er fagte: ‚Und wenn Sie noch fo viel fiubisen, fo gelehrt mie 
Pogmalion werden Sie niemals werden‘ — ‚Pygmalien ein 
Gelehrter!‘ rief laut lachend mein Begleiter Fiſcher — ‚Daw 
über wundern Sie ſich?‘ fagte ber Major, ‚da fehen Sie, wie 
unwiſſend Sie bei allen Ihren Büchern ſind; Sie willen alfe 
nichts won unferm griechiſchen Seligiensgenofien Pogmallon, bar 
fo gelehrt war, daß er ein Frauenzimmer von Warmor, bad sE 
bei fi tm Haufe hatte, ſprechen, lefen und ſchreiben Lebete?* 
„Ad, nun erinnere ich mich‘, verfepte Wilken, „ganz recht, es 
war ur sat * —7* — Gefa 
m ec. langten ngenen in Peterhuug 
an; Niemcewicz wurbe nach ber Petro⸗Palowskeſchen Gitabelle 
gebracht, wo er 26 Monate in einem fehr engen Zimmer ein⸗ 
geſperrt blieb. Der Generalprocurator (Miniſter des Innern) 
Samoilow nahm ihn ſelbſt ins Verhoͤr, um Geftändniffe über 
die geheimen Triebfebern des polniſchen Aufſtandes von ihm zu 
erhalten; Niemcewicz antwortete, daß in biefer Revolution nichts 
vorgegangen ſei, was nicht nur das ruſſiſche Gabinet, ſondern 
auch ganz Europa wiffe. Mit diefer Erklärung nicht gufrisben 
ſtieß Samollow die heftigften Drohungen aus, und de auch weis 
tere Verſuche und ſeibſt aroße Verſ, Riemcavicz * 


prechungen 
vermochten, die verlangten Aufſchluͤ geben, 
Generalprocurator die feſte ——“ gegen —XR8 daß er 


nie wieder 


aus dieſer Gefangenſchaft toslommen 


e in ihrer 

Das Gefaͤngniß, in weichen Riem 

von Peter bem Beoßen erbaut worden; ber erſte Gefangene in 
bemfelben war Peter's Sohn, ber ungluͤckliche Alexis; auch Ben; 
por bat bier einige Rage vor feiner Abfuͤhrung nach Sibirlen 


en. 

Kosciuaglo war Anfangs im Haufe bes Feſtungscamman⸗ 
banten untergebracht worden; beib aber hatte man ihm ben 
Palsft Driow zur Wohnung angewieſen; ein Wagen fland gu 
feiner Verfügung und er konnte, fo oft ee wollte, in Begleitung 
eines ruſſiſchen Beamten ausfahrens auf einem Rollſtuhl wurde 
ee im Garten berumgefabsen und man gab ihm fegar einem 
Drechs lermeiſter, um ibn dies Handwerk, zu welchem er große 
Luſt hatte, zu lehren. Was Falkenſtein über — 
ir einem engen und ſeuchten Kerker tft atfo mi 


V 











Geriägtigen. Kosciuszko war unter allen polniſchen Gefangenen 
der **— von der En mar Beguͤnſtigte; gern mochte man in 
ihm eher ein unfehutbiges und paffives Werkzeug fehen, als eis 
nen Baupturheber der Revolution; man beftagte ibn als das 
Opfer gefäprlicher Menſchen, womit Niemcewicz und Andere 
t ware 


n. 
Die in der Feſtung eingefperrten Gefangenen faßen abges 
ſondert jeder für fidy; doch gelang es ihnen, ſich durch verfchies 
Vene Kriegẽliften in Werbindung miteinander zu fehen. Die 
wefenttichfte Erleichterung gewährte ihnen die Bectures es war 
men geftattet, ſich gegenfeitig mit Büchern zu verforgen und 
obgleich der wachthabende Offizier Blatt für Blatt in benfelben 
Surdfuchte, fo fanden fie doch Mitter, bei Selegenheit des Bu⸗ 
cherwechſels Nachrichten miteinander auszutaufchen. As Riem: 
weicz nad} einigen Monaten Zinte und Feder verflatiet wurde, 
Ing er an, feine Zeit mit literarifchen Arbeiten zu verkürzen. 
@r dichtete unter Anderm Etegien auf bie Schlacht bei Macies 
ice, auf Polens Ungluͤck, überfegte die, Indianiſche Hütte” von 
arbin de St.» Pierre, Racine's „Athalie““, Pope’s „Eodens 
samb”, ſchrieb zabtreiche Erzaͤhlungen und Fabeln. Das Erfängniß 
wer Hein, bie Luft in demfelben ſchlecht und niemals bekam 
Siemcewic; Erlaubniß, ins Freie zu gehen, obgleidy feine Ges 
ſundheit fchon fichtbar gelitten hatte. Dagegen war bie “Tafel 
wicht fchtedht und wurde aus derfelben Küche beftritten, aus wels 
cher Koeciuszko gefpeift wurde. Die Kaiferin wollte, daß bie 
Hetoſtigung vorzügiich fein ſollte und in Betracht ber ungeheus 
ven Rechnungen, weldye allmonatlich eingereicht wurden, hätte 
fe fürftiih fein können; das ruffifche Raubſyſtem wußte «8 
aber fo einzurichten, daß von jenen bedeutenden Summen viel 
defeitigt wurbe und nur ein guter bürgerlicher Tiſch uͤbrig blieb. 
„Endlich ſchlug die Wefreiungsftunde für die ungluͤcklichen 
Yolen. Katharina farb am 17. Nov. 1796. Zehn Tage ſpaͤ⸗ 
ter begab ſich Paul I. ſelbſt zu Kosciuszko, um ihm feine Frei⸗ 
faffung unzulündigen. Auch der gefangene Marſchall Potocki 
erhielt einen Beſuch vom Kaiſer, welcher ſich hierbei fehr gnaͤ⸗ 
Dig bewies und über Polens Zerſtuͤckelung folgende denkwuͤrdige 
Worte ſprach: „Ich bin der Theilung Polens immer entgegen 





geneien! es war ein ebenfo ungeredhter als unpolitifcher Act.” 
ini 


ge Tage ſpaͤter wurde auch Niemcewicz aus dem Kerker entlaffen. 
Katharina 11. flarb befanntiih auf einem Orte, ben man 

ker Geſundheit wegen täglich zu beſuchen pflegt. Nachdem fie 
wie gewoͤhnlich die Nacht mit Zubow zugebracht hatte, war fie 
am 16. Rov. beim beften Befinden ‚und wohlgelaunt aufgeftans 
den, hatte zwei Taſſen Kaffee getrunken, mit ihrer Kammer 
frau gefcherzt und ſich dann jum Schreiben niebergefegt, als fie 
pꝓloguch ein dringendes Wedürfniß fühlte und in Ihe Gabinet 
ng. Es war ımgefähe 7 Uhr Morgens. Einen Augenblid 
tee kommen die Minifter mit ihren Portefeuillch zur Arbeit, 
und da fie die Kaiſerin nicht finden, fo warten fie Cine Stunde 
vergeht, fie erfcheint nicht. Ihe Kammerbiener ſucht fie aͤngſt⸗ 
Gh in allen Zimmern und da er fie nirgend findet, Öffnet er 
endlich die Thuͤr ihres geheimen Gemachs. Gr ſtoͤßt einen 
Schrei aus, die Minifter eilen berbei. Weich ein Anblick! 
„L’immortelle Catherine, la maftresse du tiers du globe ha- 
bite, renversee sur sa chaise percte, ses jupons dans le plus 
grund desordre, et presentant aux spectateurs étonués ce 
‘is m’avalent jamaiss vu.” Der Großfürft Paul wurbe 
—*— benachrichtigt und eilte zu feiner Mutter,. die er ſchon 
leblos fand; fle tag unbewegiich da, nur ber Unterleib wurde 
dann und wann noch von krampfhaften Budungen erſchuͤttert. 
Geverin Potocki, welcher an biefem Tage die Wadye im Palaft 
Hatte, erzählte, dab dieſer unvollftändige Tod bie Hoͤflinge in 
De größte Verlegenheit feptes fie befanden fi in Gegenwart 
© Potentaten, ohne zu wiffen, für meiden. fie fich ents 

n follten; die alte, ſchwer erkrankte Kaiferin, bie noch 

vor wenigen Stunden Aber ihre Leben und Bermögen herrſchte, 
tonnte ſich mögticherweife wieder erholen, benn noch war Bewe⸗ 


Kraft und berährte ſchon mit ben Pingerfo Steyr 
Gleich gefährtih war ber Eifer wie die haha für die 
eine oder für ben andern. In biefer peinigenden Ungewißheit 
warb für fie der Untertelb der Kaiferin zum Gompaß ihrer 
Dandlungen und Gefühle: bewegte ex ſich ſtaͤrker, fo eilten fie 
Br Bert und fliehen Liägliches GBefchrei aus; Liefeh tie Er 
hütterungen nad, fo ftüxzten fie noch fchneller Halb freudig 
und ehrfurchtsvoll zum Thronfolger. Diefe Manoeupres ber Furche 
und Schmeichelei dauerten 30 Gtunden, bis bie Bewegungen 
bes uUnterleibs gaͤnzlich aufhörten und bes Tod wirklich einge: 
treten war. 

Der an feinen Wunden nody immer leidende Kosciuszfo 
vermochte Riemcerwicz, ihn nach Amerifa zu begleiten; nachdem 
fie noch einige Wochen in Petersburg verweilt, das Leichenge⸗ 
pränge ber verftorbenen Kaiferin und des ausgegrabench Pe 
tee ILL mit angefeben und der kaiſerlichen Familie vorgeſtellt 
worden waren, reiften fie am 19. Dec. 1796 über Schweden 
und England nach den Vereinigten Staaten ab. Vorher aber 
mußten Kosciuszko, der Marfchall Potocki, Niemcewicz und die 
andern freigelaffenen Polen in die Hände bes Generalprocura: 
tore Samoilow einen feierliden, von einem katholiſchen Prieſter 
dictirten Kid ablegen, daß fie dem Kaifer nicht nur treu und 
gehorfam fein wollten, fondern auch ihre Blut für feinen Ruhm 


v vergießen bereit waͤren; daß fie Alles entdecken würden, was 


e Sefährliches für feine Perfon oder fein Reich zu ihrer Kennt⸗ 
niß käme; endtich mußten fie verfpredyen, daß fie, im weicher 
Gegend der Erde fie fi) auch befinden mödten, auf ein eins 
ges Zert bes Kaiſers Alles verlaſſen und ſich zu ihm verfügen 
würden, 

As im 3. 1830 die Polen fib zum Testen Male ers 
hoben, nahm Niemcewicz lebhaften Antheit an diefer Revolu⸗ 
tion; während er im Auftrage der NRationalregierung nach Eons 
don gegangen war, um dort Hülfe zu ſuchen, erfolgte Wars 
haus Gapitulation. Niemcewicz vermeilte noch einige Zeit im 
England, begab fich dann nach Paris, wo er in ruͤhmlicher 
Thaͤtigkeit als glühender Patriot bis an fein Ende wirkte und, 
84 Jahre alt, am 21. Mai 1841 verfchieb. _ 

Bon feinen nachgelaffenen Werken, unter denen ſich mans 
ches Wichtige befindet, find diefe Intereffanten Memoiren das 
Erfte, beffen Herausgabe das Polnifche hiſteriſche Somit zu Pas 
ris unternommen bat. Die Weröffentlihung des übrigen fleht 
zu erwarten. 28. 


Literarifhe Anzeige. 
Neueſtes und volftändigftes 


Fremdwörterbuch, 


zur Erklaͤrung aller aus fremden Sprachen entlehnten 
Woͤrter und Ausdruͤcke, welche in den Kuͤnſten und Wifs 
fenfhaften, im Handel und Verkehr vorkommen, nebſt 
einem Anhange von Eigennamen, mit Bezeichnung der 
Ausfprache bearbeitet von 
Dr. 3. $. Saltschmidt, 


Gr. 8. 2 Tyler. 12 Nor. 
(Auf in 9 Heften zu 8 Nor. zu beziehen.) 


Leipzig, bei F. A. Brockhaus. 


Diefes Wert zeichnet fi vor allen bisherigen de 
wörterbüdern durch Molftändigfeit, 38 
graphiſche Einrichtung und ungemeine B 














wung in ibes der Großfuüͤrſt dagegen ſtand bier in ber Fuͤlle der | gleich vortheilhaft aus, 
Berantwortlicher Herausgeber: Deinrih Brokhaus. — Drud und Berlog von F. A. Brockhaus in Leipzig. 











81, 17) 


te 


m ‚miPo mb, mern: —RT— 


iu et, — 


literarifche Unterhaltung 


Ietter 


nd sah 
Eu rn 
0 


un De 23,5 Pin vg anne. 4 





Donnerstag, 





Dies Buch gehört dem König. 
(Beſchiuß aus Nr. .) 

Man fieht, daß Frau Betting, wenn „ibs Seelen; 
infinct fie zur Speculation leitet”, ‚doch manchmal über 
einen — „Gaͤnſedreck geführt wird”. Ein Ausdruck, bem 
fe ſelbſt &. 84 im br Später kommt fie 
jedoch wirklich in die diteflen Tieſen der Gpeculatiom. 
Man weiß, was es den diteften Religlonsſtiftern und ben 
neueften Philoſophen gekoſtet hat, den Urfprung des Boͤ⸗ 
fen in ber Welt zu erkläcen. Schon im alten Perfien 
hat man zwei Srunbdprincipim oder Urweſen angenom: 
men, ein gutes umd ein böfes, weil man Sünde und 
Übel mit dem Weſen ber Gottheit nicht vereinigen Eonnte. 
Stau Bettina gebt mit At themzügen Hegel'ſcher Schüler 
leichter an dies Problem. S. 506 

Nun was ift bavon das Geheimniß, ale daß Gott den 
Teufel in fih faßt! Was wär feine Unendlichkeit, wenn er ben 
Anfang des Guten, ben Urbeginn deſſelben, nice in ſich flatuis 
zen woßit! MDo iſt der Anfang des Guten, als wo er negirt 
wird. Drum ift der Zeufel der Anfang aller Dinge, well er 
das negirende Princip if. 

—2*— fie denn Das nicht, daß der er aus bem Zeufel 
hervorgehen muß, wenn bie Gottheitsibee verwirklichen fon! 
Und baß die eben darin befteht, daß der Teufel Bott werben 
muß, und daß dies das Rund der Schöpfung confteuirt u. f. w. 

Ehe Bettina dies Gebiet der Speculation betritt, hat 
fie, wie es eines deutſchen Philoſophen Schuldigkeit iſt, 
den Zoll in eigens geptaͤgter Blechmuͤnze der Sprache 
richtig. bezahlt. S. 368 ſagt fie Hegel⸗VFeuerbachifch: 
„Das Suchen nad) Sottbegreifen tft das Schfelbſterzeu⸗ 
gen des Menſchen.“ 

Natuͤrlich kann man fo hoch nicht hinauf und ſo 
tief hinab, ohne freien Geiſt, und die Verhanblungen 
über und” für Geiſtesfreiheit fünen einen großen Theil 
des Buche. Woher der Geiſt ſtamme, fagt uns Bettina 
ne, fe, | naͤmlich mm der ati, und wohin er 


pe 





‚Aller fan Bewwegung —* dann au 


Rr. 334. — — 


30. November 108. 





4 0da8 Khöne — zu Stande, auf das Bettinb 
135: 


fo viel Werth legt. ©. 
Je näher das Volk feinem Fuͤrſten, je größer iſt beffen 
— er quast wie ein elektriſcher Schiag ur alle Herzen. 


Der wird fein Lebtag nicht gewahr werden, — — 
daß jett dein goldgeſchmuͤckter, mit —2** aus dem Meer 

gefaͤrbter Purpur und nicht bie Perle aus. dem Wagen deß 
Haififches in bes Krone ihm noch Ehrfurcht einprägen kann, 
ſondern nur der Glanz, der von der Geniusſtirne auf das Bolt 
herableuchtet und es mit verklaͤrt. 

Denen aber, die den Menſchengeiſt fo rigenmädtig 
regieren wollen, wird ©. 84 mit er Unſterblichkeit deſſel⸗ 
den gedroht: Das irdiſche Leben wind nur für bie Bi 
ſchale erklärt, aus der fich der Beift herauspicken Teil 
Aber in dieſem Beruf muß man den Geiſt gewähren 
laſſen, und wenn etwa der Staat ein Andividuum aus 
feinee Schale picken will, fo entrüfter fi Bettina hoͤchlich. 
Ste geſtattet naͤmtich die Todesſtrafe nicht, ja fie wiß 
überhaupt Feine Beſtrafung der Verbrecher zulaflen. - 

Iſt das ganze Staatögebäu nicht ein ſchlecht eingerichtetes 
—x — fagt Bettina S. 203 — wo eigennuͤtzige ober chi 

chtige eingebitdete Beriegenbeiten ihre Scheimſtreiche für wahl 
thätige Sejammtwwirkung wollen dem armen Menfigengefeteit 
anfihlagen ? 

S. 456: 

Dimmlifche Weisheit braucht's nicht erft zu entdecken, we 
bie Verbrechen nur krankhafte Crfcheinungen bes Staats find. 
Sine ganz krankhafte Erſcheinung iſt Schon bad Grafen und 
Eohen ehn om bie Befähigung dazu, das heißt ohne bie Weisheit? 


Der * Staat mus und hat nichts anders zu thun, au 

zu retten und ſeine Heilung zu bewirken. Das 

iſt meine neue Moral, und meine neuen Goͤtter werben days 
ihren Segen geben. 

Wer diefe neuen She film, kann ich nie pm 
then, aber ihre Segen möchte wol Tehr noͤchig file, da 
der Staat, nach Bettina's Behauptung (I. 383), ſelbſt 
zu „malade” tft, um: ben Verbrechen zuvor zu kommen, 
und da der Verbrecher nur hingerichtet werbe, weil dis 
AR allein alle Energfe des geſundniachenden Lebenefiagie 

ecke, was der kranke Saat einnial mit. verdngeil 
eönne. Daß hiernach ber Verbrecher darum Verbreche 
TR, weil er allein gefund MM, muß indeß fo ernſttich nicht 
gemeint fin. Denn Wettina bringt doch wieder ‚Mars 
— ie der Staat en Brteeden weten Alam 


tr PP 





1. 





Dieb Gingige wäne ya derſuchen, menu man ihn (beit mas 
dei 8 der ⸗ 
——un bewegen ee großen —— . —* 













fittiiche Auferſtehung 

—* 

kennen, und würden am Ende mit Ruhm bebeckt hervofragen. 
Auf Ehre! ich Habe gamı But 


richtig: abgefiheiehen? 

tina will alfa bie Strafanſtalt in eine Hellanflalt ver: 
wandelt wiffen; fie will (S. 387) 

durch Sicht ben Geiſtesphosphor or diren, fein Duedfilber abſon⸗ 
dern. Das Geiſteslicht als chemiſches Agens wirtend, wodurch 
das Medium, die Wiffenſchafi, nur erleuchtet zu fein braucht, 
um ben leidenfchaftlichen Stoff zu zerfegen in Pottafee, in Kob⸗ 
Yenftofiga® , Kohlenleber, in um Koblenfäuee, eigentlich 
Diomantfäure, wie denn alles Seidenfchaftiide ‚Diemansfioff if 
im Verbrecher. — — Vieles wird als Knallgas fig entwideln — 


Hier habe ich, des Knallgaſes wegen, meine Singer 
von Bettina’ Buch hinmweggethan, und rathe dem keſer, 
dae Ubrige über dieſes Mapisel ſelbſt nachzuſchlagen. Wir 
wel. wur, ehe Frau Bettina vielleicht ſelbſt in eine 
Deanſtait geht, goch hören, was fie vom Kirchlichen 

Sk klagt S. 471: 


unten ifk die Begeifterung für das perſoͤnlich Goͤtt⸗ 

nciht. im Ghriftentbum. — — Die Zempel 

d zerträmmert mit ihren Gödtterbildern, — Zeugniß kirchenvaͤ⸗ 

er Barbaret, ober find mit Gewalt in qriſtuiche Vorſtel⸗ 

en verwandeit worden, — Zeugniß ihrer Gchmupeit. le 

um WBelfpiel die drei Grazien als bie brei Serbinaitugenben, 

u, Sofmumg und Lieb, in ber Sacriſtei der Paulskirche zu 

Em .von den Sarhindien höchtich verehrt werben. Giner Be⸗ 

uns waren verfihiehne Aiterthumsforicer auf der Spur, daß fie 
ie Ci. sLorette als Jungfrau Maria Wunder thue. 

Wie aber, follte der Sohn der übergetretenen Venus nit 

der Gotterknabe Amor fein, der To viel oihmpiſche Wunder vers 


tete an Göttern und an Menfchen, die ex zufammenbrachte, 
at die Menfchennatur durcherungen hat mit Goͤtterkraͤften? 
Er war ber Erſte, der unfer Heil begründete, indem er den 


ia mit der Gottheitshefe in Gaͤhrung bradhte. 
. u A —8 a ſe ruft Kae Ber Pfarrer bed 
ee Abends. — Ja, Krau Rath, Sie gehen aus allen 
en? — fest ber Bürgermeifter hinzri. 

* Und ich frage, was wuͤrde wol Here Clemens ren: 
tano rufen, wenn er da6 Buch der Schweſter noch er: 
lebt Hätte ..er, dam. {9 fun gamarden war, feine ſchuld⸗ 
Schew Dorfims gu vdangmean 

Deu Sm des Verfalls aller Religlofität im Volke 
findet Bertina in ‚den Predigern, denen fie durch die 
Bram Rath ins Angeſicht des in ihrer „Sokratie“ anme: 
Geiſtliam den: Text lieſt, aachdem fie heraus bie 
it:em6 Prebigers mit elgem — Maikäfer vach⸗ 


Dir bahn fo. vie! —* aus dem Buche mitge⸗ 
thutät, weil wir onfangẽ: alaubtan, Viele würden, das Bug 
aubdptcieien, dm dan Aieimnms, ‚sh; sahne dem, Koͤnig. „Allein 
Der König fcheint es weggeſchenkt zu baden, und ſo if 








*1 


tee Erd. a h 
So iſt xde. big güte, eh 







J Wie ein Kobold ſpringt fie dazwiſchen, Hi 








06 in bad Yablicum seen, Jebem affan, ber füdh 
— ergögen wil. Dies Buch bat nmoch eine feommme 
edentung. S. 293 fagt bie Frau Rath: 
Es ift meine Unfterblichleit, daß ich in deinem Seren fort 
Bi wenn I 2 ſchon lang besraben bin unt frantfugs 


Ak desdach hie 
wachlen! 


Am richtigſten foßt man, glaube id, bie Bettina’: 
fhen Probuctionen, wenn. man fie als die Opfer einer 
großen Andacht der Verf. zu fi ſelbſt begreift. Im 


Belefwechlel eines Kindes’ iſt die Fcay * 
| über das Wunberkind Bettina; in dir A Zee 


un 


Sue Beiftäie ‚ umb 
im gegenwärtigen Due get dee Prediger außer ſich 
ede 





über die erſtaunlichen Reden ber Frau ‚das heißt 
alſo, über die Gedanken, die: Bettina der Frau Rath 
lecht, um fih Am Wiberſchein ——— ſpie⸗ 
geln. S. 284 14ßt ſich: Bocina im Rama de Fran 


NRath ſagen: J 
Ba Sie nt eine auſerorbentuche Kram. ie find gewiß bir 
mertmitehige Bau. guſexs Jahrhunderts z3. ia ihahen einen 
männtien ‚Se, ben haben Big, meine Weroyaherung ‚geht ins 
‚ Darum mußte freilich Bettina ſich auch einmal an 
die jebigen Fragen des öffentlichen Lehens und, auf das 
Feld wagen, wo bermal Strauß, Feuerdäch "Bruno 
Bauer u. A. den ſcharfen Pflug der jr ' füßren. 
, 7a 
auf, was ihe gefällt, und wirft es der N ath, Ri 
eine alte Geſchichte von 1807, in die Schärze, fo unge: 
gefähe wie fie ihr damals Obſt brachte. &. 141: 
WMyo komm du per, Maͤdchen, fo erhiett — Ich wer 
Bun bem Bodkeimer Thor und hab Bira geftebfen. in einem 
Geſtohlen? Die ſchmecken am beftm. . 
Am Schluffe des Buchs, dee aber am 


* 


das literariſche Publicum gehört, und. beim 






wenigziten für 
Sippe wie 
ein — Kr —* un⸗ Verf, de für po 

erwunde ans, daß ſie nicht, bigs ſon⸗ 
dern in Druck gegeben A ie figd —— auf 
der Wanderſchaft durch die —** im ſegenann⸗ 
ten Vogtland nor dem Hamburger Thor Berlin. Und 
gewiß bat fie ale diefe in Mach und Kind nefugfsuen 
Menfchen, deren Sammer fie uns — los aus 
ſtatiſtiſchen Abſichten ſo ausgefraqt, ge A 
and. zu ſpenden. m wir ‚rechten 
fi 


Rd | 
Srauenwegen gARig 





Reime und Kloepen einer Weltauſchauumig. ——X —* 
eiprig, „Reclapı nie. POS, 


Ar 






































— Er 


* So ‚gühletet, ee hr het | Ha 83 6 — 
—— en a * Su ne et ——— ee 
nicht Sn von —S— — udn — ae itofoppie nur — oder a gar — am 
Drama ee uns in den ame — m N. ae 





die AufmerMembrk ber Banfı 
=: auf Nik fi einigen Be — 
lato, 


Be Sie, ac acid —— N fü ne =E 


bon —E a auf Auguftus, unb ai 

Hauptete Feten Jain Xnfeben alg =. s * — 

den — Phlophen in Kom, ige Mufeumsppil 

in Aupandria, ja fogar, wenngleich in ring gem Grade, 

vend det. Gere ft bed Gpeiftenth üptigften Erpege 

find nah den vorhandenen CR ten Ti —* un * ig 
Beite 


tbum verfepen; aber der, Verf. auch diefgn Begenftand 
von außen Pal von ingenz feing ya ar, 
man glaubt nicht an Hi Üibergüugl 2er —— intteltte 
’ander, aber man glaubt, on — I, rt fühle man 
aud kein Intereſſe für ſie. Beer fi aus den Cha⸗ 
ralteren abfrapiven follte, Bas ia, det Werf. allemgt vorher 
an, bamft "man e6 body erfahre. Ausgang des Stüds fi “ 
ein blinde Ungefähr und die e phpyſiſche Ken 
gibt aber Yeine poetiſche Werföhnung, unp fie Ma 
Drama im Himmel fließt, MR die poetifch eins 
nicht bergeftellt werben. Bir rathen dem 
eimnat Eiffing’s nRathan’, nicht tefe, fonbern ee, 
Sehen, in welcher Beife ein fo abftracter Stoff bjldti u 
Andfoiduell geftalten” Wk. Bon einer Gharakteriftit [3 ‚Yerfön 
lichteiten iſt in Hrn. mid's u nichts zu — 
kommen nur Gollectiv » Menſchein, ni Gnoiolbuaikäten 
Fr vor. te glfagt,, beffee alß alle Kritif wird den Berf. 
KR —— daß ex mit ſeineng.Akboſia 

Fr oh t hal 

rauf * {on Reden über das Chriftenthum ". 
Das Hft adır del logifc, gefprodjen, denn hiefe Reben per; 

er 


— — wo wir pr ae 
ab Be ungen des Atterthums erw Het malen, 
auch — — gar Manches — — [17 
ee en A fee en Ki 
für das Ait und für feine Fr 
Fr 3 3— br mp! dan ala Kern ehr —ã— Gais; 
enſo geſcha ten Abhandi 
— —— den Gun ve 55 
fe Boltevermehrung im Altertt " gelefen Hat, mı 
ie, A 08 | 
Hreiten ſich nicht das Serikenttum, fondern über einzelne ne 
ehren der chriſtilchen Dogmatik, und find nichts als was 
man fonft fÄlehtweg Predigten nennt, befimmter cloffü eivens 
mößte a fagen Homilien. De nah N, de 
efle 


eee I da der Bf. © —288 R l 3 — —7 * dem 
ve fi ur man en 
vi dee zu —* — Fr inag Perfonen geben, tn Anfehen zu ve r ah daß er u 


Pr ſich burd) betgle A m und. harmoniſch berührt 
fahlen, und denen mag jerf Teine „Reime und Knos- 
en einer — zum Prafent maden; ef. aber 
fire Er bereditigt,, dem Verf. einen boppeiten Rath zu ge 
erſtens 1“ Dre n weit L ei wem 
er ferner folge Predigten ſchreit aicht 
ar loſſen· req * 


bon‘ 
tue, der Glaat und one Ein der dei 
er haben * Untergang ag de din Sr Yo Sign 
Ana a Yarallelen nd ne neuen ER * 
— über verſchiedene Berpältniffe 
wie über die keit in Kom, in See 
erften Briten be de JH riftentpumd, über bie 








Die Dhitsfopkie auf ber Uninerfität Athen 
im Alterthume, 


er Freund ee Bitte und Bildung das 


— a nu dig Dem 
iejer im! 
het be len a u 


STEGE * —5 u 5 
fa. fein, Ammens; us. des Kagben Täunberkorn. 

dee Wefchie dit Solzfegnii Dre daer Khnfiı 
ES te man Best a tr 


zum follte man biele a Graudgar) nick 


in ve ken in Kg 
4 wie 
Bei nun —X usb Knie ven — 








und @%: 
Bandes and Bu abe a Dananır ſche ———— dom n hart 





abt, von den ve 1:42 ‚Amt! Bericht, Aber din 
Daß f fo wi ber age immer sellschaft deutscher Naturforscher und — 2 
fondesn vorzugew⸗iſe grewde in dieler Bepteisber von den Geeiltäßslährern 


Soir . wufieben » leffen, fo aud 3 


——— * 
ar Matze Kupfartgg.. 9. de, I Tier 





den Blättern 





Beilage zu 


WE literariſche Unterhaltung. 


Kr. 2 80. Hovember 1843. | 0 





[4 





Rapoleon und Canopa.. 

Am 12. October 180 wurbe Sanova durch den Marſchall 
Duroc dem Kaiſer vorgeſtellt. Napoleon war im erften euer 
der Anhaͤnglichkeit un Marie Louiſe, bie: er im Aprit geheirathet 
hatte unb bie fich in guter Hoffnung befand. Gr faß mit ber 
Salferin am Fruͤhſtuͤk. Rach ven erſten Befpectöbezeigungen 
dankte Canova den Kaiſer, daß er ihn babe nach Paris kom⸗ 
men laffen, fm mit ihm über dic fchönen Kuͤnſte zu verhandeln. 
Er erklärte ſich bereit, des Kaifers Befehle entgegen zu nebmen, 
damit er dann na Rom zurüd und wieder an feine Arbeiten 
gehen könnte. Napoleon: „Aber Paris ift die Hauptſtadt. 
Sie follten hier bleiben und würden wohl baran thun.“ Gas 
novas „Sire, Gie find Here über mein Leben. Allein wenn 
es dem Kaifer gefällt, daß es feinem Dienft zueigen fei, fo 
müffen Sie mir bie Rüdkehr nach Rom erlauben, wann id) die 
Arbeiten. vollbradyt Haben werde, wegen deren ich gekommen bin, 
Man hat mir 'gefagt, ich foll das Wild ber Kaiſerin machen; 
ich werde fie in der Geflalt ber Goncordia darftellen.“ N. laͤ⸗ 
cheite wohlmollend. Dann fuhr er fort: „Hier in Paris iſt der 
Mittelpunkt. Bier find alle antitın Meiſterwerke. Cs fehlt 
nichts als der Rarnefe'fche Hercules, aber wir werden ihn auch 
haben.“ 6.: „Laſſen Em. Maj. Italien wenigftens etwas. 
Diefe alten Denkmäler bilden eine Sammlung und ein Ganzes 
mit unzähligen andern, bie füch nicht wegfähren kaffen, weder 
von Rom noch Reapel.” R.: „Italien Bann feine Verluſte 
durch Rachſuchungen erfegen. Ich will fagleih in Rom Nach⸗ 
fucyungen vperanflalten. Sagen Sie mir, hat ber Papſt dafür 
viel Geld ausgegeben?" GE.: „Der Papft ift nicht ſehr reich, 
indeß ift es ihm doch bei unenblicher. Liebe für die Künfte und 
durch weile Ginficht gelungen, ein neues Mufeum zu bilden.” 

: „Sagen Sie mir, bat bie Familie Borgheſe große Sume 
men auf Nachſuchungen verwandt?” G.: „Es war nur eine 
mäßige Summe. Der Fuͤrſt unternahm bie Nachfuchungen zur 
Hälfte mit Anbern, benen er bei dere Abrechnung ihren Antheit 
abkaufte.“ Ganova ſuchte nun zu beweilen, daß das römifche 
Bolk auf bie in ben Eingeweiden des rundes und Bodens der 
ewigen Stadt entdeckten Denkmäler ein Recht babe, daß fie ein 
mit bdiefem Beben innigft verbunbener Beſitz feien, den weber 
die vornehmen Wamilien noch der Gouverain felbft veräußern 
tannten, daß das Erbtheil des Siegs ber Altvorbem des koͤnig⸗ 
lichen Bells nimmermehr bemfeiben entfremdet werben bürfte. 
Napoleon fuhr Sarauf fort: „Willen Sie, daß id, 14 Millionen 
für die Statuen Borgheſe besahit habe? Wie viel verwendet 
der Papft für die Künfte? Verwendet er 100,000 roͤmiſche Tha⸗ 
kr3" G.: „Sa viel nicht, bean er iſt zu wenig reich.“ 
N.: „Alſo auch mit Wenig kann man große Refultate erzielen 34 
@.: „Gewiß, Sire!“ Run kam vie Mede auf bie koloſſate 
Statue des Kaiſers. Rapolson bedauerte, daß fie nadt fei. 
C.: „Sire, Sort ſelbſt hätte nichts Schönes ſchaffen können, 
wenn er hätte Kin. Mai. in enger Kteitung und franzöfifchen 
Stiefeln darſtellen wollen. Wir, wie alle fchöne Künfte, haben 
unfere erhabene Sprache. Die Sprache des Bildhauers ift das 
Nackte, zuroeilen mit einer unferer Kunſt eigenthümlicdyen Dras 
perie.“ N: „ warınn machten Sie bie Eoloffale Reiter⸗ 
fkatue niht au nackt?“ E.: „Diefe muß das Deldencoftume 
haben. Sie darf nicht nackt fein, weil fie Em. Maj. zu Pferde 
darſtellt ala Fuͤhrer des ganzen Deere. &o haben es die Alten 
gehalten und die Neuen. Ihre alten Könige von Frankreich, 
Sire, und zu Wim Ihr Joſeph II., Madame, find auch fo zu 
Pferd abgebitbet. Bei bisfer Grmähnung der Könige von Frank⸗ 
reich, als deren Nachfolger ſich Rapoleon in biefem Augenblicke 
fühlte, und Joſeph's II., des Großoheims ber Kaiſerin, lächelte 
Rapoieon wieder. Br fuhr fort: „Sie haben bie Statue des 
Generals Defais in Bronze gefehen. Sie fcheint mir fchlecht 


gemacht mit biefem Tächerlichen Gürtel.’ Canova wollte big 
Gründe des franzoͤſiſchen Künftters erklären, aber Napoleon I 
ion nicht audreden. Er fragte lebhaft: „Werben Sie meing 
Statue in Lebensgröße aichen?" C.: „Sie if. ſchon gegoſſen.“ 
MR. machte ein Zeichen der Zufriedenheit. „Ich werde nach 
Rom reifen.” G.: „Diefes Land verdient von Ew. ‚Maj. ges 
feben zu werden. Ihre Einbildungskraft wird ſich erwärmen 
am Anblide des Capitols, des Korum Trajan's, der Heiligen 
GStraße, der Saͤulen, ber Bogen, ber Waſſerleitungen, der 
NRingmanern, biefer biflorifchen Huͤgel, all biefer roͤmiſchen Herr⸗ 
lichkeiten, der Appiſchen Straße, bie bis nad Brindifi führe 
und ganz befest ift mit Grabmälern, der andern conſulariſchen 
Straßen, Pompeii’s R.: „It das ein Wunder? bie Roͤmer 
waren die Derren der Welt! SG: „Ach! das if nicht allein 
die Wirkung der Macht, das war die Wirkung bes italienifchen 
Geiftes und unferer Liebe für bie großen Dinge. Schauen 
Sie nur, Sire, was die Zlorentiner mit ihrem fo Keinen Staate 
teifteten, obere was bie Benetianer allein in den Lagunen bau⸗ 
ten” u. ſ. w. Canova verabfihirdete ſich Hierauf für einige 
Tage vom Kaiſer. Es konnte ihm nicht entgehen, er hatte 
einen lebhaften Eindruck gemacht auf den Herrfcher Italiens. 
Am 15. October begann Canova die Züge ber Kaiferin zu 
mobdelliren. „Sagen Sie mir”, bob Napoleon an, „wie ift din 
Luft in Rom? War fie auch fchon ſchlecht und ungefund ig 
alten Zeiten?“ &.: „Sie war fo, glaube ich, nach der Ben 
ſchichte. Die Alten trafen Vorfichtsmaßregein hinſichtlich dieſen 
Wälder, welche fie heilig nannten, und dann bedeckte eine un⸗ 
ermeßliche Bevölkerung bie ganze Stadt und ihre Umgebumg. 
Ich erinnere mid, im Tacitus gelefen zu haben, baß bei A 
kunft der Truppen des Vitellius Viele Trank wurden, weil fie 
unter freiem Dimmel auf dem Vatican gefchlafen hatten.’ 
N. Mlingelte. Man mußte den Zacitus bringen. Aber der zu 
flächtige Kaiſer und der mit einer andern Arbeit befchäftigte 
Künftier fuchten diesmal vergebens. Späterhin fand ©. big 
Stelle. N. fuhr fort: „Zruppen, die man fchnell aus einem 
Klima in das andere verfegt, werden im erften Jaore Trank, 
erholen ſich aber im folgenden.” &.: „om bat übrigens an⸗ 
dere Schmerzen. Diefe Hauptftabt iſt feit der Entfernung bes 
Dapftes veroͤdet. Ohne Ihre Macht, Sire, Tann dieſes Land 
nicht deſtehen. Es hat feinen Fuͤrſten verloren, 40 Gardindie, 
die fremben Minifter, mehr als 0 Prälaten, eine Menge 
Selftlihe. Das Gras wählt in den Straßen. Ihr Ruhm ers 
kaubt mir, frei zu Sprechen; ich flehe, helfen Sie in biefem Un⸗ 
giuͤck! Das Gold firömte nad) Roms jest ift es damit vorbei.’ 
N.: „Diefes Gold wollte in bee letzten Zeit nicht viel beißen. 
Pflanzt Baumwolle! Das wird mehr Vortheil bringen.“ 
&.: „Faſt keinen. Ihr Bruder Lucian hat es verfucht: Alles 
fehlt in Rem, wenn Ihr Schutz fehit.” NR. fah.den. Künflter 
freundtih an und ſprach: „Wir werben Rom zur Hauptſtadt 
Italiens machen und Neapel mit verbinden. Was fagen Gie 
dazu? Sind Sie damit zufrieden" G.: „Die Künfte könnten 
den Wohlſtand zurfidführens aber mit Ausnahme der don Em. 
Maj. und der kaiſerlichen Familie angeordneten Arbeiten made 
Niemand Beftellungen. Der religiöfe Geift, der die Künfte ber 
günftige, wird immer ſchwaͤcher. Bei den Agyptern, den Gries 
cqhen und Römern hat die Religion allein die Künfte erhalten. 
Die unermeßlihen Summen, die das Parthenon, die Statuen 
des olympiſchen Jupiter und ber Minerva zu Athen gekoſtet, 
die eigenen Bilder, welche bie Sieger bei den Kampfipieten den 
Böttern weihten, ich nehme nicht einmal die Bilder der Buh⸗ 
ferinnen aus, al Dies vierdankte man der Reigion. Die Rös 
mer baben es nicht anders gehalten. Ihre Werke fragen ben 
Stempel der Religion, der fie ehrwürbiger und berrlider macht. 
Diefer heilſame Ginfluß der Religion hat die Künfte zum Theil 








vor ben Verwuͤſtungen der Barbaren gerettet. Soll id bie 
St.⸗Markuskirche zu Venedig, die Dome zu Piſa und Drvieto, 
den Campo fanto, fo viele mit den koſtbagſtuan Marmorwerken 
gefühlte Wunder nennen? Alle Religionen ind Wohlthaͤterinnen 
der Künfte, aber ihre defondere und N i 
unfere wahre, roͤmiſch⸗katholiſche Kirche. Die Proteſtanten, 
ire, begnügen ſich mit einer einfachen Kapelle und einem 
euz und geben feine @elcgenheit zu Werfertigung 
Runfgegenftände. Die Gebäude, bie fie befigen, find durch bie 
andern errichtet.” N., gegen die Kaiferin gewandt, fiel ihm 
Ins Wort: „Er bat Recht! Die Proteftanten haben nichts 
Schönes." Eanova's Zwe war, die Unterhalfung auf bie 
traurige Rage des Papftes, feines Wohlthaͤters und Freundes, 
tenfen. &o fing er denn ein anderes Mat, während er 
ine ganze Aufmerkfamkeit auf bie Kaiferin und die fanften und 
zarten Linien ihrer Geftait zu richten ſchien, plöglid von bem 
heiligen Vater an. Die erſten Bemerkungen, die ihm entfuhren, 
waren fo ſtark, daß er faft über fich ſelbſt erichrat. Doch des 
Kaifers Brauen batten keinen Sturm verfündigt. Er börte 
achtſam bie Vorwürfe, die, odwol energifch und mit dem Aus 
druck einer beftimmten Abſicht, in einem fo feinen, vefpectvollen 
Son vorgetragen waren, in welchem fo etwas von bem Zauber 
des venetianifchen Mignard lag, in einer Sprache, in ber das 
eigenthämtiche Wort nicht immer das Ziel erreicht, ohne daß 
gleichwol der Bedankte an Kraft, an unwiderſtehlicher Schärfe 
derliert. Die Kaiferin ſah Ganova an mit einem Blick Halb 
der Überrafchung, halb bes verhaltenen Vergnügens. Dadurch 
Mihn gemacht, fuhr er in feinem Erguß fort. Er überredete 
Eh, daß die Seele des Kaiſers nicht tyrannif fein muͤſſe und 
Saß ibm blos Gchmeichler die Wahrheit verbärgen. Wieder 
nad einer diefer Wervegungen des Künftters, der keinen Gedan⸗ 
Bei zu haben ſchien als für das Studium feines Modells, griff 
ee den Naben wieder auf: „Aber warum verföhnt fih nicht Ew. 
Mai. auf irgend eine Art mit dem Papfit! N.: „Beil bie 
Priefter überali befehten wollen und Alleinbers 
sen fein, wie Gregor VI.” G.: „Mid duͤnkt, Sire, 
daß man das jest nicht zu fürchten Hat, ba Cw. Maj. Meiſter 
von gan Italien if." N.: „Die Paͤpſte haben die italieniſche 
Nation immer fehr niebergehalten, ſogar wenn fie wegen ber 
etionen ber Golonna und der Orſini nicht einmal in Rom 
waren. G.: „Gewiß hätten die Päpfte, wenn fie bie 
Küpnheit Ew. Mai. befeffen hätten, ſchoͤne Gelegenheit gehabt, 
ih ganz Italiens zu bemaͤchtigen.“ R.: „Dies braucht man, 
mein Herr!" fagte R., indem er feinen Degen berührte, „bies 
draucht man! — Indeß — Sie haben Recht. Wir haben ger 
feben, bet längerm Leben Alexander's VI. hätte Borgia, Herzog 
von Batentinois, keinen äbeln Anfang gemacht. Auch Julius II. 
and deo X. legten gute Proben ab. Allein in ber Hegel waͤhlte 
man alte Sardindie zu Päpften, und wenn einer diefer Päpfle 
anternehmend war, fo liebte wieder ber andere bie Ruhe. Man 
braucht den Degen." G.: „Nicht den Degen allein, fondern 
auch den Lituus. Mackhiavell felbft in feinen Discorfi wagt es 
nicht, zu entfcheiden, was mehr zur Vergrößerung Rome bei⸗ 
tragen, ber Degen des Romulus oder ber Lituus des Numae. 
o viel iſt wahr, Sire, diefe beiden Mittel muͤſſen vereinigt 
fein. Haben ſich die Päpfte auch nicht duch Waffenthaten here 
dorgethan, was bei ihrem geiftiichen Charakter nicht ‘anders fein 
durfte, fo haben fie uns fo ſchoͤne Dinge geſchaffen, daß fie all, 
gemeine Bewunderung erregen mäffen. Sie haben uns bie 
Breüde von Givita Caſtellana erbaut, bie noch ſchoͤner iſt als 
die Römerbrüde bei Jvrea, Ihrem erften Hauptquartiere vor 
Marengo.” (Gin Kopfaiden des Kaiferd banfte Ganova.) 
.t „Bere Canova, diefe Römer waren ein großes Volk!“ 
&.: „Sie waren groß bis zum zweiten Punifcen Krieg.‘ 
R: „Säfar, Säfar, der war ein großer Mann!" G.: „Ridt 
Caͤſar allein, Sire, fondern noch einige andere, wie Situs, 
Zrojan, Marc Aurel R.: „Rein, mein Herr, die Römer 
waren immer groß bis auf Konftantin. Die Päpfte thaten übel 
daran, daß fie ſtets die Zwietracht in Italien unterpietten und 


immer bie Erllen waren, wäde bie Franzo fen ober bie Deuts 
fen berbeiriefen. Die Päpfke waren nicht im Otaude, feibft 
Paten a m —* —— — m 

ire, naddeni Sie zu diefer Er n s 
um im, fo erlauben Sie TR, 7 N 
mit und werde. Ich fage Ihnen, wenn Sie Rom nicht balten, 
fo wird es, was es war, als bie Wäpfte in Abignon lebten. 


Man mußte den gelben Ziberfdlamm trinken.’ 
ſchien uͤberraſcht von biefer Thatſache. Er fagte mit Nachdruck: 
„Aber men if mir überall im Beg. Mie! ich bin Here vom 
FJrankreich, von ganz Italien und von drei großen heilen 
Deutſchianda, ich bin ber Rachfolger Karl's "des Großen! 
Wenn die heutigen Paͤpſte wären wie bie einſtigen, fo wäre 
Alles im Meinen. Ihr Venetianer, ihr ſelbſt habt euch mit bem 
Päpften uͤberworfen.“ G.: „Richt auf ben Grab wie Ew. 
Da). Sie find fo groß. Sie koͤnnten wei dem Papft ben ans 
gemeilenen Ort zurhdgeben, wo er unabhängig teben und frei 
fein Amt verwalten könnte. M.: „Aber in Statien iſt der 
Papfl ganz Deuticer!" Napoleon ſah hierbei bie Kaiferin an. 
Diefe fiel ein: „Ich kann verſichern, als ich in Deutſchland 
war, fagte man, der Yapft fei ganz Branzofet!! M.: „Er hat 
mweber die Englaͤnder noch bie Schweben aus feinen Staaten 
fortjagen wollen, — deswegen haben wir fein @cepter zerbros 
den.’ ©. drang auf eine Annäherung. Er ſchloß: „Maden 
Bir, daß man Sie lieber anbetet-ald färdtet!” N.: „Wir wols 
3 wiöhte Anderes!" Und Hiermit brach er bie Unterhaltung 
el a 
Bei einem neuen Geſpraͤch nahm Ganova An breift 
über die alte Veranlaſſung von Senedig zu — — 
hörte aufmerkſam zu, beſonders fo oft Canova das Wort Ari 
fofratie aus ſprach. „Rach der Erſcheinung ber Werke Macchia⸗ 
vellis“, ſagte ©., „Hätte ich nicht geglaubt, daß Senedig fallen 
müßte. Dieſer große Staatsmann fagte: „Mir ſcheint, bie Bes 
netianer verftehben ihre Sache. Gie Haben Gt. Marcus mıit 
dem Degen gemalt: Das Bud ift nicht genug.‘ Aber aus 
Zucht, ein Gäfar möchte unter ihnen erfichen, haben biefe 
mistrauifdgen Ariſtokraten feinen großen Nationatfelbheren auf 
dem feften Lande haben wollen. Haͤtten fie einen gehabt, fo 
hätten fie mit mehr Erfolg dem Sriegsfchaupies behauptet.“ 
R.: „Da haben Sie Recht! Die Verlängerung bes Oberbefehls 
iſt aber ſehr gefähriich. Ich fagte den Mitgliebern bes Direc- 
toriums, wenn fie immer Krieg fährten, fo wuͤrde ein General 
Fe ’ ber am End — ige Gebieter würde." 
in a ste R.: „Wo iM Aufieri’s Brab?” 
C.: „In ber heiligen Kreuzkirche, neben ben Denimaͤlern Mi 
Angelo's und Macchiavellis.“ M.: „Wer Hat es bezahle?“ 
&.: „Die ‚Sräfin von Albany.” R.: „Und wer bad Brad 
Machhianelli’6?"" &.: „Eine Gefelfchaft Subſctibenten. R.: „umb 
Galilei's 2 6G.: „Seine ten, wenn ich nicht irre. 
Aber ach! bie bemunberungswürbige Creuzkirche iſt gegenwärtig 
in ſchlechtem Zuftande. Es regnet hinein unb auf allen Geiten 
fobert fie Ausbeſſerung. Es wäre ruhmvoll für Em. Maj., bie 
Ihönen Monumente zu erhalten; und wenn bie Regierung bie 
Einkuͤnfte genommen bat, fo ift es billig, buß fie für die Ges 
bäude forgt. Auch ber fhöne Dem zu Wtoreng iſt im Zerfall, 
Sire, weil kein Gelb zu Unterhaltungsoften angewieſen if. 
Auf Beranlaffung biefer Meiſterwerke beſchwoͤre ich Ew. Mai, 
nit zu geflatten, daß fo viele Kunfigegenftände, die wir bes 
figen, an die Juden verkauft werden. RR. „ie? verkauft? 
Wir laffen Alles Hierher bringen.” ©.: „Ad nein! Laſſen Sie 
fie in Florenz, mo fie an ben Fresken, die man nicht fortfchafs 
fen kann, eine paflende Geſellſchaft haben. Ermächtigen Sie, 
Gire, den Präfidenten ber florentiner Akademie, daß er ſich der 
Fresken und ber Gemälde annimmt.” R.: „Ich will ee gern thun.“ 
&.: „Das wird Ew. Maj. um fo mehr zur Ehre gereühen, als 
man mir verfidhert, Sie feien von einer edeln fiorentinifchen 
Bamilie.” Die Kalferin unterbrah: „Mie? Sie find kein 


— — — 


, 


4 Rt: 8 ” Rod 


Ya, aber son Horentinifckene Urſ 
&.: „Der Präfident der florentinifhen Akademie, Senator Alefs 
fandei, iſt aus einem der vornehmſten Haͤuſer des Landes. 
Eine ber Damen biefer Familie ift mit einem Bonaparte vers 
mählt geweſen. Go find Sie ein Staliener, und wir find 
darauf ol" N.: „Allerdings bin ich Einer!” 
Am 9. Nov. ſollte die Vuͤſte enthält werben. Da fagte 
R.: ,‚Zept no nie. Ich muß früpflüden. Ich bin müde. 
SH babe bie ganze Racht hinducch bis zu diefem Augenblide 
dictirt.” C.: „Wie können Ew. Mai. fo viele mühfame Ges 
fhäfte nur ausholten 2” R.: „Ich, mein Derr, babe 60 Millionen 
‚, 8— 900,008 Gotvaten, 100,008 Pferbe. Die 
Römer ſelbſt hatten nie fo viele Streitkräfte. Ich habe AU Schlach⸗ 
ten getiefert. In ber Schlacht von Wagram Habe ich 100,000 Ka: 
aonenfhäffe dethan, und biefe Dame (indem er ich gegen bie Kai: 
ferin wandte) die damals Erzherzogin von Öftreich war, wollte 
meinen Ted.” „Das iſt ganz wahr‘, erwibderte Marie Louife. 
„Danten wie dem Himmel“, fiel 6. ein, „nie Sachen ſtehen ent 
anders. 





Memorabilien von Karl Immermann. weiter und 
dritter Theil. Hamburg, Hoffmann und Campe. 1843. 
8. 3 The. 10 Nor. *) 


Nicht blos die fpeciellen Werehrer von Immermann's Mufe, 
fondern alle Freunde der deutfchen Eiteratur überhaupt muͤſſen 
ſich dem Derausgeber biefer beiden heile der Immermann’fchen 
„Memorabilien” verpflichtet fühlen, ba fie nicht nur mehre in: 
tereffante poetifche Reliquien des verewigten Immermann und 
werthvolle Beiträge zur Geſchichte bes deutichen Theaters und 
der deutfchen dramatiichen Dichtung veröffentiichen, ſondern noch 
viel mehr jener gefunden, feinen, ebenfo von ber tüchtigften Ge⸗ 
finnung wie von dem reichiten Geiſte zeugenden Reflerionen, 
Schilderungen und Beobachtungen über Leben, Politik, Wiſſen⸗ 
(haft und Kunſt enthalten, die trog ihrer aphoriſtiſchen Form 
und bes lofen Zufammenhangs untereinander in ihrer treffenden 
Schaͤrfe und geftaltenden Anſchaulichkeit gleich Tehr den Denker 
wie ben Kuͤnſtier bewähren. Freilich koͤnnen ſich dieſe beiden 
Theile weder an ſtofflichem noch an geiſtigem Intereſſe mit dem 
erſten Theile meſſen, welcher die Zeit der tiefſten same 
Deutſchlands und feiner Kiebererhebung, von den Zahren 180 
und 1806 bis zu den Kreibeitelriegen zu feinem Gegenftand 
hatte, und befonders bahurch fo anziehend war, baß er Das 
jchüberte, was man in foflematifchen hiſtoriſchen Werken nicht 
findet, ben Einfluß biefer großen 3eitereignifle auf die Jugend, 
und bis große Umgeſtaltung, bie dadurch in bem Leben und 
Treiben bexfelben hervorgebracht ward; der geiftreihen Bezie⸗ 
zu en und Ruganmwenbungen auf bie Gegenwart nicht zu ger 

n, von bes fi Immermann nie und am allerwenigfien 


in feine | Periode trennte, wie fo viele Dichter ber vos 
mantifchen te, bie fibh aus der Wirkiichkeit in eine phans 
taftifche Welt Flüchteten. Es ift daher ganz natärlid, daß die 


Mittpeilungen der beiden vorliegenden Theile, die fich theils auf 
Gegenftände von minderer Bedeutung beziehen, theils aus alltäg 
licheen Verhaͤltniſſen hervorgingen und in einer berupigtern Zeit 
fih bewegten, nicht an welthiftorifchem Intereſſe, Abrundung 
und Energie ber Darftellung fowie an Großartigkeit in Auf: 
faffung der Zeituerhältuiffe und Bedeutſamkeit der Gedanken mit 
dem erſten Theile wetteifern Eönnen; eine Vergleichung, die und 
den Berluſt, ben wir busch Immermann's Dinfcheiden erlitten, 
doppelt empfinden läßt, da wir ohne daſſelbe wol nicht blos ber 
verſprochenen Kortfegung ber im exflen Theile gegebenen Mer 
moiren aus den Freiheits kriegen — beren Grinnerung eine Reife 
zu den belgiſchen Schlachtfeldern in Immermann erſt noch auf 
frifchen follte —, fondern wel auch anderer auf die fpätern gro⸗ 


*) Bol. Mittkeilungen über den erfien Spell in Wr, 11 — 45 
d Du Mil D Res. 


Sam Beltseacenbeiten kehasiken aus dem baue 
ſchen Nationallchen und würben zu Den » Denn 
Das eben if das Zeſſelade an Immermann's ganyer Büd 
und Eatwickelung, der intellectuellen wie ber kuͤnilleriſchen u 
fittligen, daß fie nichts Ifolirtes, Ercluſives iſt, ſondern 
in der ganyen Bildung vnd Entwickrlung feines Wolks 
und mit Diefer in immerwährender Wechſelwirkung fteht, 
indem gr feine innern unb aͤußern Griebuille fchildert, «x 
leid auch einen tiefen Biid in das Sehen und den Gintwides 
gesgang ber Mationen werfen läßt 
Doch vote gefagt, fieht man von dem erften, won Immer⸗ 
mann noch fetbft zum Druck vorbereiteten heile ber „‚Remiowd« 
bilien⸗ ab, fo enthalten biefe beiden noch immer genug bes Aus 
ziebenden. Bor Allem gilt dies von ben „Düffetsorfes Anfängen 
und dem Auffas über Grabbe, bie von Immermann ſelbſt be⸗ 
reits veröffentiicht wurden, jene in ber jipandora‘, diefer in dem 
„Taſchenbuch bramatifcher Originalien”. Da beide ſchon feit läns 
gerer Zeit befannt find und in literarifchen Blaͤttern beſprochen 
wurden, fo können wir bier von ihnen abfehen. Daſſelbe ift der 
al mit der kleinen hier ebenfalls mit abgebrudten Schrift 
mmermann’s: „Das Heft dee Freiwilligen zu Koͤin am Rheine 
am d. Weber. 1838.” Es bleiben uns alfo aus beiben heilen 
aur bie in benfelben mitgetheilten verſchiedenen poetiſchen Reli» 
quien SImmermann’s, fowie die „Fraͤnkiſche Reife im Herbſt 
837” und das „Tagebuch vom September 1836 bis Bebruar 
1837. zur Beſprechung übrig. Der Inhalt des letztern iſt durch⸗ 
aus bramatmgifcher Natur unb muß, bei dem gluͤcklichen Zus 
fammentreffen praktiſcher Buͤhnenkenntniß und dramatiſch⸗ dich⸗ 
teriſcher Thaͤtigkeit in einem kritiſchen Geiſte wie Immermanns, 
für Jeden, der Theil am Theater nimmt, verzůglich aber für 
Die hoͤchſt belehrend fein, die auf die eine ober bie andere 
babei betheiligt find. Man wirb babei auffallend an Das, wa 
man von Goethe's dramaturgiſcher Thätigkeit in Weimar weiß, 
erinnert. Mit berfeiben Liebe zur Sache, mit benfelbeu gerin⸗ 
gen Mitteln — oder vielmehr noch geringern — hat Immer⸗ 
mann in Düffelborf Bedeutendes in bramaturgifcher Hinficht ger 
leiſtet und würde, bei nur einiger Unterflügung, vielleicht von 
dort aus umgeftaltend auf bas ganze deutſche Theaterweſen ein⸗ 
gewirkt haben; wenn bies nicht geſchah und es nur bei einem 
vielverfpscchenben Anfang blieb, fo war dies nidgt die Schub 
Immermann's, fondern Iebiglich die ber Umftände. Dan em 
kennt aus vorliegendem Auffag deutlich, baß nur die Bereini⸗ 
gung von praktiſchem bramaturgifhem Sinn und von eigenem 
bramatifch » poetifchen Geiſt, wie fie ich bei Immermann vor 
fand, auf biefem Feide umgeflaitend und beffernd auftzeten kann. 
und wenn Immermann an ſchaffendem Genius au 
Goethe ſehr nachſtand, fo war er dafür weniger abgelcsloffen, 
war vielfeitiger in feiner veceptiven Thaͤtigkeit, Hand dabei bem 
Yublicum und dem Zeitgeifte näper und befaß eine merkwuͤrdige 
praktiſche Wähigkeit, Perfonen und Sachen zu behandeln und 
wm feinem Zwecke zu benugen. Außer biefem Bilde von Immen⸗ 
mann’s yraktilch= bDramaturgifcher Ahätigleit enthält der in Reby 
ſtehende Auffag auch Beiträge aus dem dramatiſch⸗ poetiſchen 
Felde, naͤmlich zwei Skizzen gu Theaterſtuͤcken, die Immermang 
in Duͤſſeldorf zur Auffuͤgrung brachte. Die erſte betrifft ein 
Selegenheitaſtuͤck „Das Mädchen aus ber Fremde’, das bei der 
Anweſenheit des damaligen Kronpringen, jetigen Königs vom 
reußen, in Duͤſſeldorf zur Ausführung gebracht wurde. So 
ehr man auch das Geſchick und die Sinnigkeit anerkennen muß, 
welche ſich in dem gangen Werkchen ausſprechen, fo ſteht ung 
einestheils doch bie Veranlaſſung zu fern, um das Stuͤck um 
in dem Lichte exfcheinen zw laffen, in weichem es den Theilneh⸗ 
mem an jenem Ereigniß erſchien; anberntheild war dieſes Op 
sigaiß aber zu unbedeutend, am felbft einen bebeutendera Disks 
is: als Immermann zu Größerm zu begeiſtern. Deſto anzie 
benber if aber die andere Skitze, bie zwar nicht ein felbfige 
fchaffenes Wert Immermann’s, fondern mur eine Bearbeitung 
der Calderon'ſchen „„Zodhter bee Luft” gibt, bie aber ein oläm 
genderes Zeugnis von Immermann's tiefer Einfiht in das We⸗ 





ua 


des dramatififen Gedichie Oberhaupt und ded Gatberon’fägen 
Denen fowie von feinem eigenen dramatiſchen Geiſt ablegt 
ots mandhe feiner eigenen Schoͤpfungen. Außerdem bewährt fie 
aufs ſchlagendſte, was wir oben im Allgemeinen von ber Biel⸗ 
feitigfeit der dramaturgifgen Sphäre Immermann's und von 
feinem @ingehen in die Boberungen der Zeit und bes Volks ſag⸗ 
Die ‚, Bränkifche Reiſe“ im Herbſt 1837 beftebt, wie die 
Borrede befagt, aus einer Reihe von Privatbriefen, die während 
‚jener Zeit gefcheieben wurben und bie hier, nur mit Auslaflung 
weniger Stellen, ganz fo erſcheinen, wie fie der Augenblick dic⸗ 
tiete. Wenn man auf dieſe Weiſe fehe häufig eine forgfältigere 
NAedaction von Geiten bed Urhebers ſeibſt vermißt, fo erlegen 
fig dieſen Mangel reichlich, wie ber Herausgeber richtig bes 
merkt, durch die Friſche des Colorits und die Lebendige Schil⸗ 
derung bes unmittelbar Erlebten. W. 





Denkwürdigkeiten aus dem Leben des Freiherrn ©. R. 
von Schäffer, großherzoglich badifchen Senerallieutenants 
und Präfidenten des Kriegsminiſteriums. Oder Bei: 
träge zur politifchen und Kriegsgeſchichte unferer Zeit. 
Von Georg Muhl. Mit dem Bildniß des Gene⸗ 
rals und den Schlachtplaͤnen von Medellin, Almonacid, 
Meha de Ibor, Arenas und vom Gefechte bei Stras⸗ 
burg. Pforzheim, Dennig, Finck und Comp. 1840. 
St. 8. 2 Thlr. 

Eine ſehr werthuolle mititeirifde Monographie ober viel: 
mebr nur das Materiat zu berfelben, da der Verf. die Denke 
würbigfeiten bes Generals Gchäffer, welche biefer felbft zu 
ſchreiben angefangen, aber, von einem töbtlidhen Schlagfluffe 
etroffen, nicht vollendet hatte, mehr aus beffen hinterlaffenen 

apieren zufammengereibt als zu einem Ganzen bearbeitet hat. 

Mur wo biefe Papiere Läden ließen, bat der Verf. von dem 

einigen gegeben. Größtentheils laͤßt er den General ſelbſt re 

den. Schaͤffer's reihe Kriegserfahrung, vielfeitig gebildeter 

Seift, praktiſche Tuͤchtigkeit und heller Blick machen biefe Schrift 

zu einem ſehr ſchaͤtzbaren Beitrage ber neuern Kriegsgefcichte 

und zu einem Dentmale ber Thaten des naffauifchen and badi⸗ 
ſchen Militairs, und feine Theilnahme an ben biptomatifihen Uns 

Verhandlungen des 3 1815 in Paris und an den landftaͤndi⸗ 

ſchen Berhandlungen werden auch den Politiker und Prublieiften 

und überhaupt die nicht militatrifche Lefewelt gewiß nicht ohne 

Intereſſe laſſen. Als Beleg feines hellen Blicks möge die fol: 

gende Stelle aus einem Briefe dienen, den er am 27. Tan 1814 

dem Derzoge don Naffau ſchrieb: „Leider hätte der Frieden 

fefter und bauerhafter gefchloffen werben follen; allein bie Groß: 
muth des Kaifere von Rußland hat den Krangofen Mittel ge: 
laſſen, welche fie ſchon jegt zu ben Eühnften Hoffnungen verlei⸗ 
ten, unb ſchwerlich bleibt Deutichland drei Zahre im Frieden. 

Die Armee, durch eine Reibe fiegreicher Feldzuͤge verwöhnt, 

kann bie Demüthigung nicht verfchmerzen, die fie betroffen hat; 

nah Ruͤckkehr der Kriegsgefangenen iſt eine Armee von 

370,000 Mann vorhanden, wovon der größte Theil dem ent 

thronten Kaifer Rapoleon im Herzen gewogen ift. Werden biefe 

unrudigen Köpfe nicht nochmals befchäftigt, fo figt Lubinig XVIII. 

nicht ſicher auf dem Thron feiner Baͤter.“ Gebr intereffant ift 

bie Erzaͤhlung der im 3. 1815 während des Waffenſtillſtandes 
in dem Corps des Generals Rapp zu Strasburg ausgebrochenen 

Smpdrung. Die Berantaflung dazu war ber den Truppen vor: 

enthaltene ruͤckſtaͤndige Sol. in Gergeant ſtellte fi an die 

ie derfeiben,, verhaftete den General Rapp und fuspendirte 

übrigen Generate und Offiziere. Von einem aus Feldwe⸗ 
bein, Wachtmeiſtern und Gergeanten in ber Eile gebübeten und 
elend beritten gemachten Generalftabe umgeben, handhabte er 

Die oberfte Gewalt mit ebenfo vieler Ktugheit ale Kraft, buls 

dete nicht die mindeften Unordnungen unb erhielt fi in einem 


Anfepen, beffen ein redhtmäßiger Wefehlöhuber ſIeh oft nicht er⸗ 
freut. er von dem General Rapp die Auszahlung des 
Soldes und bie Unterzeichnung einer völligen Amncſtie erwirkt 
hatte, trat er befcheiden wieder in felne untergeordnete Gte: 
tung zurüd.*) Dieſer Zug fpricht für die Anftelligkeit und ven 
praktiſchen Geiſt der Franzoſen. 

Weiteres anzufuͤhren verbieten die Beſchraͤnkcheit des Rau 
mes und der Zweck d. Bi., und Ref. bemerkt nur noch, def 
die Darftellung des Verf. ſebr blühend iſt, aber nicht immer der 
einfachen Würde ber Gefchichte enifpricht. . 6. 





Miscellen. 


Mon findet in früherer Zeit befonders merkwuͤrdige Bei 
fpiele von Adelſtolz. Der Freiherr Georg von Logan, Domperr 
in Breslau (geft- 1593), wollte fein Geſchlecht durdans von 
dem griechiſchen Heros Achilles ableiten. Ambroſius Moibanu, 
Doctor der Theologie und Paftor zu Breslau (geft. 1554) fagte 
daher zu ihm, als derfelbe fich deffen einmal gegen ihn berühmt: 
„Est sane, ut dicis, Logorum familia vetusta, nam et Te- 
rentio Logi noti sant.“ Terenz hat naͤmlich (Pharm., 3, 5, 8) 
das Wort Logi für Poffen oder Maͤrchen gebraucht. — Ein 
bochgeftellter Geiſtlicher in Paris im 17. Jahrhundert war fo 
abelftolz, daß er, im Begriff, eine Lobrede auf ben heiligen Jo⸗ 
hannes zu fchreiben, auf der Stelle fin Vorhaben aufgab, als 
er in der Rebensbefchreibung diefes Heiligen gefunden hatte, daf 
derfelbe ein Bedienter geweſen. — Zur Zeit des Giebenjährigen 
Kriegs berrfchte in Brestau, wie König Friedrich IT. von Preußen 
in einem Briefe an Voltaire erzählt, eine anſteckende Krankheit, 
an welcher täglich fieben bis zwanzig Menſchen flarben. „Gettlob', 
fagte eine Gräfin, „ber hohe Abel bleibt verfchont, Alles was 
flieht, iſt nur Poͤbel“. 


Der auch als Schriftſteller nicht unbekannte Kanonikui 
Karl Bautru in Angers im 17. Jahrhundert war ein Mann 
voll Witz und Laune An einem Fafttage hatte er einmal en 
großes Gaſtmahl veranftaltet. Der Koch, welcher dazu einkaufen 
foute, fam vom Markte mit der Rachricht zuräd, daß keine 
Fiſche mehr zu haben feien, außer ein einziger Salm, welchen 
er aber zu kaufen ſich nicht getraut hätte, weil einer ber künig: 
lichen Käthe ſolchen fchon in Beſchlag genommen habe. Bautrı 
übergab alsbald dem Koch eine volle Börfe mit den Worten: 
„tiens, reiurne ; achete moi le saumon et le conseiller!“ 





Thomas von Mempen, Prior des Auguſtinerkloſters zu 
St.» Agnes (geft. 1474), dem das weit verbeeitete Buch „Deimi- 
tatione Christi’ zugefchrieben wird, pflegte zu fagen: „Requiem 
in omnibus quaesivi, sed non inven!, nisi in angello cum 
libello.” Ein Ausfpruch, der ſich auf die Befolgung bes weile 
Rathes gründet, den Horaz (Epist. I, 18, 08103) wohl⸗ 
meinend gibt und der, wie Alles, was dieſer Dichter in Bezie 
bung auf Lebensweisheit ehrt, die Wahrheit des Urteils be 
währt, das hiervon ein neuerer Gelehrter (D. Oswald) gefült 
bat: „Die Philoſophie des Horaz loͤſt fo wenig ats die neuefle 
Philoſophie das Raͤthſel der Welt auf; fie iM aber vermoͤgend, 
den Menſchen gluͤcktich zu machen." 31. 


*) Ref., welcher Im September 1815 einen het der ſtrasburget 
Garnifon bis Eolmar escortirte, erfuhr bei diefer Gelegenheit man 
ches Nähere über diefe Empdrung. Der Sergeant dieß Dalouft, 
war ans Verfailled gebürtig und Rand Bei den Weltigeurs bed drit⸗ 
ten Bataillon deö fiebenten leichten Infanterie: Regiments. Ad et 
den General Rapp, da biefer noch im Wette lag, verbaftete, rief 
diefer ihm und feinen Begleitern heftig ‚„‚Belgande” entgegen; wis 
ben Gergeanten aber nicht and der Waflung brachte, fonbern ihn 
rubig antworten ef: „Mienn wie brigande find, fo bit bu unit 
Chef.“ Gr gab Hierauf ald Parole, Feldgeſchrei und Eofung: 
‚Rapp, Rapia, Ragine.” 


Verantwortliher Herausgeber: Heinrich Brodbaus. — Drud und Verlag von F. X. Broddaus in Leipzig. 


———— —— ——— — — — — 


Blaͤtter 


für 


literariſche 


Unterhaltung. 





Freitag, — Kr. 335. —— 





Die nachgelaffenen Papiere Guflav’s III. *) 
Erfter Artikel. 

Nachdem die der Univerfitätsbibliothet zu Upfala an: 
vertrauten Papiere des Königs Guftav II, am 29. März 
1842 geöffnet worden, erhielt der Prof. €. G. Geijer, 
als Reichspiftoriograph Schwedens, vom damaligen Rector 
der Univegfität den Auftrag, dem Katalog, welcher bei der 
Snventirgag gemacht wurde und auf Befehl an den Kö: 
nig gefendet werben follte, einen Bericht beizufigen. or: 


liegender erfter Theil enthält nun erftend den verlangten 


Bericht, zweitens hiftorifche Züge aus Guſtav's II. hin: 
terlaffenen Papieren. Das Werkchen iſt zu gleicher Zeit 
Üderfiht, Auszug und Vergleihung. in Über: 
blick des Ganzen Eonnte nicht mitgetheilt werden, ohne dag 
die Redaction zugleich eine Bearbeitung des Inhalts wurde, 
und diefe konnte wiederum nicht fuͤglich ohne Vergleihung 
mit andern Quellen 'gefchehen. Der Herausgeber hat, wie 
er felbft fagt, hier daffelbe Verfahren wie bei feinen frühern 
hiftorifchen Arbeiten beobachtet. Sie gründen fich alle auf 
Ercerpte aus den Quellen, welche um Vieles ftärker find 
als die aus ihnen entflandenen Bücher. Schon eine um: 
ftändliche Vorbereitung geftattet kein voͤllig woͤrtliches Ab⸗ 
ſchreiben, bei welchem nicht nach dem einen oder andern haupt⸗ 
ſaͤchlichen Document gefragt wird. Schon das Excerpt iſt 
eine Bearbeitung, eine Anzeichnung aller am meiſten charak⸗ 
teriſtiſchen Züge. Der gegenwaͤrtige Theil ſchließt mit der 
Revolution von 1772. Die Fortfesung bis zu und mit 
1788 wird noch im Laufe diefed Jahres verfprochen. 
Die Papiere Guftav’s III. beftehen 1) aus einer zahl: 
reihen Maffe Briefe, wovon der Eleinfle Theil vom Ko: 
nig gefchrieben, die meilten an ihn gerichtet find; 2) aus 
eigenen Auffägen deſſelben von hiſtoriſchem, politiſchem 
oder fchöngeiftigem Inhalt, die meiften bloße Entwürfe, 
*) Des Königs Guſtav III. nachgelaffene und funfzig Jahre 
nach feinem Tode gedffnete Papiere. überſicht, Auszug und Vers 
gleihung von E. 8. Geijer. Aus dem Schwediſchen. Erſter 
Theil. Damburg, Perthes. 1843. Gr. 8. 1 hir. 


faft alle in franzöfifcher Sprache; 3) aus Staatsſchriften 


‚oder Acta publica von mehrfacher Art. Dazu gehoͤren 


endlich eine Menge Papiere von gemiſchtem Inhalt, Be⸗ 
fhwerden von Privatperfonen, Proceßverhandlungen u. f. w. 
Der Hauptinhalt der wichtigſten unter biefen Papieren 
wird fchon im Bericht kurz angedeutet. 

Zu den vorzüglichften von des Königs eigenen Auf: 
fägen gehören: „Memoires de G. P, R. de $. (Gustave 
Prince Royal de Suede) écrits par lui m&me, commen- 
ces eu 1765, lorsqu’il &tait Age de 19 ans.“ Daß erfle 
Stuͤck dieſer mehre Male abgebrochenen Arbeit geht bis 
1750 und enthält eine Überficht der nächft vorhergehenden 
Zeiten. Das zweite Stüd geht bis 1760. Der neunzehn⸗ 
jährige Prinz fagt im Anfang diefer Denkwürdigkeiten : 

Man muß für die Nachwelt leben, nicht für die Liebe 
bes Volks, welche vorübergehend tft, fondern für deffen Ach⸗ 
tung, welche oft nicht Daffelbe ift als feine Liebe. Dan muß 
infonderheit für feine eigene Achtung leben. Sie iſt es, 
weiche mich bisher aufrecht erhalten hat und, wie ich hoffe, 
ſtets erhalten wird. 

Guftav II, Sohn des Könige Adolf Friedrich und 
ber Königin Luife Write, Schwefter Friedrich's II. von Preu⸗ 
fen, murde am 24. Jan. 1746 geboren. &eit länger 
als 60 Fahren hatte das Meich keine Geburt eines Kron⸗ 
prinzen erlebt. Die Parteien fogar drängten ſich zu feiner 
Wiege. Goupernante fir die königlichen Kinder wurde bie 
Reichsraͤthin Wrangel, geborene Gräfin Strömfeldt, eine 
vollendete Hofdame. Sobald der Prinz das vierte Jahr 
erreicht hatte, murde er den Srauenzimmern entnommen, 
und der Graf Teſſin wurde fein Hofmeiſter. Diefer war 
zwar ein ſehr unterrichteter und fein gebildeter Dann, 
hatte aber eine grenzenloſe Ehrbegierde und eine raͤnkevolle 
Gemüthsart. Hofmeiſter unter ihm war der junge Graf 
Nils Adam Bielke, der alle guten Eigenfchaften des alten 
Adels und wenige von deſſen Fehlern hatte. Sein Ur: 
theit mar ficher, fein Charakter rechtſchaffen. Er war 
ohne Vorurtheile, flandhaft in MWiderwärtigkeiten, mild 
und menfchlih, wenn feine Feinde in Unglüd geriethen. 


re ZB: 


Im 3. 1751 flarb König Friedrich J. ohne einen legiti⸗ 
men Sohn zu hinterlaſſen, und Guſtav's Water beſtieg 
den Thron, aber der Reichsrath und die Parteien. vegierten. 
Die Macht des Könige war Außerft beſchraͤnkt. Ein wäh: 
rend des Reichstags von 1756 gemadger Verſuch, Die Es 


algiche Gewalt zu ermeiteen, mislang "Die hersfhende 


Partei im Meichsrathe nahm darauf dem jungen Prinzen 
feinen Hofmeifter, Graf Stromberg, und feintn geliebten 
Lehrer, Diof von Dalin. Dies betrübte ihn fo fehr, daß 
er in eine Krankheit verfiel. Auch vergoß er viele Thraͤ⸗ 
nen, als er fi non feinem andern Hofmeifter, dem Gras 
fen Bielke, trennen mußte Man fegte an ihre Stelle 
Derſenan um ige, die zwar wicht ohne Wildung und bis 
nöthigen Kenntniffe waren, aber das Vertrauen ihres Zoͤg⸗ 
lings nicht genoffen. So wie Alles aus Parteigeifl $& 
ſchah, hatte man mit Fleiß Leute gewählt, weiche dem Koͤ⸗ 
nig und ber Königin misfällig waren, und fie gezwungen, 
Diefelben anzunehmen. Die Kolge davon war, daß Die: 
jenigen, welche den Kromprinzen verließen, indem fie ſich 
von der Partei fortgejagt fahen, hun zum 
voraus bie unvortheilhafteſten Begrifſe von den Perſonen 
beibrachten, denen ſeine Leitung anvertraut werden ſollte. 
Solche Eindruͤcke mußten nothwendig die beſte Natur ver⸗ 
derben und die Grundlage zerfiören, "welche von feinen vo: 
tigen Lehrern herrührte. Sie hätten dies einfehen müfjen. 
Aber fie merkten es nicht; fo groß iſt die Macht des 
Parteigeiſtes. Guſtav fagt in feinen Memoiren : 

SH war and) bis zu dem Grabe zum voraus gegen fie 
eingenommen, baß ich mir ein Verbienft daraus machte, das ges 
gabe Gegenteil von Dem, was biefe Herren mir fagten, zu 
thun, und wer der Meinung, baß nichts meine Ergebenheit ges 
gen den König beffer darthun könnte, als ihnen befländig zu 
wo Dazu fam, daß zwei ber bei mir angeftellten 
Perfonen ziemlich lächerlich waren; dieſe vertaufchte man daher 
auch gegen andere, welche bem König weniger unerträglich wa⸗ 
zen. Die Beiden, welche fomit von mir entfernt wurden, was 
ren die Barone Wrangel und Sitfwerhjelm. 

Man fehte an ihre Stelle den Baron Lejonhufwud umb 
den Grafen Bark. Der Erſtere, ein Mann voll Reblichkeit und 
Ehrgefuͤhl, wohlunterricgtet und alles Deffen tunbig, was einem 
Bann von Rang anfteht, war in feiner Art zu reben und zu 
fein ziemlich pretids. Der Graf Vark hatte weber bie Talente 
noch die Kenntniffe Lejonhufwud's; da er aber ſtets am Hofe 
getebt hatte und mir feit meiner früheften Kindheit befannt 
wear, fo genoß er allein ben Vortheil, mein Vertrauen zu ber 
fen, weil er der Einzige war, gegen welchen man mid zum 

oraus nicht hatte einnehmen Zönnen. Ich fage nichts von 
meinem Hofmeifter, dem Reicherathe Karl Friedrich Scheffer. 
Wenn er damals mein Vertrauen nicht befaß, fo habe ich ihn 
dafuͤr in der Folge hinreichend ſchadlos gehalten. 

Ich habe nicht, wie ich geſollt haͤtte, die Talente und 
Kenntniſſe dieſer Perſonen benugt; aber ih muß dem Himmel 
danken, daß mein Herz durch alle die Widerfprüche meiner Er⸗ 
ziehung nicht völlig verdorben worben iſt. Ich brachte meine 
Freien Stunden bei meiner Mutter zu, welche, umgeben von allen 
Denen, die fi) damals ale Hofpartei darftellten, das Geſpraͤch 
blos dadurch unterhielt, daß das Unvortheilhaftefle von Denen 
gevebet wurbe, welchen meine Erziehung anvertraut war. 


Es läßt ſich leicht denken, welchen Eindrud foldye Ge: 
fpräche auf das Gemüth des jungen Prinzen machen muß: 
em. Doch fagt er zum Lobe feiner königlichen Mutter, 
daß fie hinfichtlich feiner nie eine ſchwachherzige Nachgie: 


bigkeit zeigte und allemal feinem Hofmeiſter und ſeinen 
Savalieren, wenn fie fih beklagten, beiſtand. Da ae 
fein Mistrauen gegen diefelben ſtets gewährt wurde, fo 
machten ihre Derweife wenig Eindruck auf ihn und bie 
verdienten Beſtrafungen Diensen mus daya, ihm zw erhittern. 
Doc mußte die Vernunft die nachtheiligen Minkeüde, de 
er empfangen, allmälig ſchwaͤchen. Ex merkte, daß er fih 
in feinee Meinung von Denen, die ihn umgaben, geimt 
hatte, und lernte fie hochachten. Überdies wurde Gufen 
in feiner Kindheit und erſten Jugend durch Leine glängm: 
den und leichtfinnigen Bergnügungen zerſtreut: die Ge: 
fprähe am Hofe drehten ſich meiftens blos um enfe 
Dinge, z. B. um | ber \ Gewalt. 
Nach Karls XII. Tod hatte ſich beſonders der Adel der 
Herrſchaft in Schweden bemaͤchtigt, an .beffen Spige bir 
franzoͤſiſche Partel, unter der Benennung: bie Hüte, und 
bie ruffifchsenglifche unser der Benennung: die Mäken, 


ſich Relite. Rußland fuchte durch Beſtechungen bie Anacchie 


in Schweden zu unterhalten, Frankreich durch Subfidien das 
Land umd beſonders die Gewalt des Königs zu haben, | 
Im Giebenjährigen Krieg mußte Schweden, als Frank⸗ 
reihe Bundesgenoffe, gegen Preußen fein; doch verhielt 
fi) die ſchwediſche Armee darin faſt ganz paffiv. Als 
ih die Stände 1760 verfammelten , mußte die Armee 
faft aller Offiziere, welche durch ihre adelige Geburt u u 
Sig und Stimme im Reichstage berechtigt waren, be 
taubt werden. Der Reichsrath fchickte an die commaz: 
direnden Generale ein Verbot dagegen im Namen vi 
Könige. Darauf erklaͤrten aber alle Dffiziere, daß fie ni 
fen würden und lieber, als fih daran bindern zu loffen, 
Abfchied nehmen wollten. Hierzu gaben bie Mügen die 
erfte Anregung. Guftav fagt: 


Ich ſah fie pelotonweife nach Drottningholm kommen, m 
fie ſich rühmten, die Armee gegen bie Befehle des Reichsrathe 
verlafjen zu haben. Ich war erft 14 Jahre alt. Aber man 
batte mir Grundfäge der Ehre eingeflößt; daß man bie Arme 
in dem Augenbiide verließ, in welchem fie bem Feinde gegen 
über fand, empörte mih. Bon der Zeit an begam id 
Verachtung gegen Leute zu empfinden, welche das Intereſſe und 
die Ehre des Staats ihrem perfönlidhen Haſſe aufopferten. 

Das erfte Gefühl, weiches ich ruͤckſichtlich der beiden Par 
teien hatte kennen lernen, war Freundſchaft für die Muͤtzen und 
Haß gegen bie Hüte geweſen; mein zweites war Verachtung 
gegen die Müsen und Achtung gegen die Hüte. Meine 
Dee nee für bie Mügen wie mein Haß gegen bie Hüte be 
chraͤnkte fih im 3. 1760 auf wenige Perfonen. Die beiden 
Grafen Biete, Graf Düben und Herr von Dalin waren Die 
jenigen von ihrer Partei, welche ich am miften achtete. Ga 
Teſſin, der Reicherath Palmflierna und Herr Pechlin waren bit 
drei Hüte, welche ich, und zwar die beiden Lettern vorzig 
ih, am meiften verabicheute. Die Bösartigkeit des Freiperm 
Palmſtjerna war allzu wohl belannt. Was ben Grafen 
betrifft, fo hatte ich mich immer innerhalb gewifler Grenzen 
gehalten und ibm auch bie Achtung bewahrt, weldye ein Kind 
ftets für feinen feähern Hofmeiſter hegt. Aber die Königin 


| hatte mix eine fchredliche Vorftellung von feinem Charakter bei: 


gebracht und auch gefucht, mir ihren eigenen Haß gegen ibn 
einzuflößen, welden fie doch, wenngleich fie gerechte Urſache 
dazu hatte, nie fo weit hätte treiben tollen. 

Der Graf Teffin hatte ſich naͤmlich in die Königin 
ſterblich verliebt und ſich fogar erfühnt, ihr foͤrmliche Er: 





' \ 


RR 
D 


: Bape venbehlte fie es dem Minig; 


derungen zu machen 
uber da der Graf immer zudringticher wurde, entdeckte Me. 


endlich Ihrem Gemahl das Geheinmif. Eines Tags fand 
ihn der König zu den Füßen feiner Gemahlin. ver: 


dor Teſſin fein Hofmeiſteramt bei dem Kronprinzen und 


wurde vom Safe entfernt. 

Die Memdlren Guftee‘s IT. geben bis gegen ben 
Schluß des Jahrs 1760. Vetſchiedene andere Auffäge, 
Anzeihnungen oder Briefe vollenden jedoch die Überficht, 
weiche er ſelbſt von den Pazteizeiten in Schweden binter- 
fin hat. Sobald dee Friede mit Preußen 1762 ge 
ſchlofſen war, wuͤnſchte der Kronprinz, unter ſeinem Mut: 
terbeuder In der preußiſchen Armee dienen zu dürfen, wel: 
ches ihm jedoch nicht geflatter wurde, Auf den verfuchten 
Vergleich zwiſchen den Parteien beim Reichsſstage 1760 
folgte die Umwaͤlzung deefelben auf dem Meichstage 2765, 
durch welche die Muͤtzen, die frühere Hofpartei, zur Herr⸗ 
ſchaft gelangten, aber von diefem Augenblid an aud eine 
Gehäffigkeie gegen die Koͤnigsgewalt zeigten, welche die 
Berföhwung zreifchen dem Hofe und den Hüten vollenden 
Half. Man befam einen neuen Rath, eine neue Politik, 
welche die Verbindung mit Frankreich abbrach und flat 
defien ſich an England und Rußland ſchloß; man befam 
eine neue Dausheltung, im Ganzen ein neues Syſtem. 
Unter folchen Umfländen trat der Zeitpunkt ein, in wel: 
chem die fhon 1751 befchloffene Verlobung zwiſchen dem 
Prinzen Guftav und der Prinzefiin Sophia Magdalena, 


Tochter des Königs Friedrich V. von Dänemark, vor ſich 


gehen ſollte. Guſtav hatte wenig Neigung zu biefem 
Ehebuͤndniß and die Königin, feine Mutter, bezeigte eine 
entfchiedene Abneigung gegen daſſelbe. Dennoch kam es 
zu Stande: der Graf Teffin hatte des Könige und der 
Königin Einwilligung zu erzwingen gewußt. Man hatte 
früber den Plan zu diefer Vermaͤhlung ale eine Erfin⸗ 
dung ber Huͤte betrachtet, um ihre Partei zu verflärken. 
Als aber die Müuͤtzen Liber die erftern gefiegt hatten, führ: 
ten fie diefelbe Sprache, und ber daͤniſche Miniſter ließ 
Geld bei ihnen fpringer. Der Kronprinz trat am 26, 
Sept. 1766 die Reife an, um in Helfingborg feine Braut 
zu empfangen. In einem Brief an den Grafen 8. Sr. 
Scheffer beſchreibt Guſtav felbft diefen Empfang. on 
feinee Braut fagt er in diefem Brief: 

Sie ſiebt gut aus, ohne ſchoͤn zu. fein, iſt fehr gut ge 
wachſen, ftellt fi mit Würde dar, tft etwas zu artig für ih 
ven ang, aber hoͤchſt ſchuͤchtern, mehr als ſich für ein Frauen⸗ 
yimmer von ihrem Stande ſchickt. Sie iſt die Güte felbft, ſtil 
und wild und, nad ihren Briefen zu ſchließen, nicht ohne Leb⸗ 
daftigkeit, obgleich ihre ungemeine teenheit fie binbert, 
diefelbe bei der Unterhaltung blicken gu laflen. Mit einem 
Werte, ich verfikere Sie, daß ich Im ihr eine Fran befommen 
au haben glaube, welche für mich paßt. Sie befigt Schönheit 
genug, um angenehm zu fein, nicht genug, um mir den Kopf 
zu verdrehen; fie hat dinlaͤnglich Verſtand, um fich nicht dumm 
zu betragen, und Ganftmuth genug, um ſich feine Gewalt über 
A en, eine Sache, in weicher ich unenblich eifers 


Die Kälte der alten Königin gegen die junge Kron⸗ 
prinzeffin machte diefer ihre Stellung am Hofe von An: 
fang an unangenehm; die des Kronpringen ſelbſt in dieſer 





Miskfit zwifchen ſeiner Matter uuh fe emahlin 
war ebenſo dellcat als ſchwierig. Ce ſuchte fig über dieſe 
Unannehmilchkeit hinwegzufetzen; aber der Zwang entfernte 
ihn von Beiden. Cr beklagt ſich über den Widerwillen 
feinee Mutter gegen feine Gemahlin und über alles Ges 
ſchwaͤt, welches durch denfelben zwiſchen dem beiden Hoͤfen 
und unter dem Publicum verurſacht ward. 
Ich made mir nicht fo viel daraus für meine eigene Petr 
fm — ſchreibt ee an ben Grafen Karl Friedrich Scheffer — 
ats für die Pringeffin, welche noch immer bee Augapfel des 
Poblicums iſt u. |. w. 
(Die Vortfegung folgt.) 


Falkenberg. Bon Thereſe. Braunſchweig, Vieweg. 
1843. 8. 1 Zhle. 35 Mor. 


Referent kannte weder „Briefe aus bem Suͤden“, noch „Ein 
ebuch⸗ der Berf., hat aber den vorlisgenden Roman mit 


r 8 an, 
wir bie WBerf. für eine Frau von gewiflen Jahren und aus den 
ariftokzatifchen Kreiſen der Gelellfhaft halten; aber wir ſchlie⸗ 
Ben es auß ihrer ganzen Anſchauunggweiſe, aus der Art, wie 
fie in jene Kreife einführt, darin charakteriſirt und fo mandge 
dort umlaufende frembe Worte braucht. Thereſe bat ſich viel 
im Leben umgefehen: ihre Gedanken haben nidgt blos ein ſchoͤ⸗ 
ned Map, fondern auch eine humane Reifes ein beitexed Auge 
kommt zu einem warmen Herzen. „Falkenberg“ if, befenders 
in erſter Haͤtfte, ein edles Buch zu nennen: es erweitert ben 
Blick und erhöht den Lebensmuth bes keſers, beides in einer ges - 
fünden Atmofphäre. Diefem Gharafter des Buchs angemeflen 
iſt der Stil — natuͤrlich, edel, vornehm⸗lebhaft und ſelbſt 
geiſtreich; es ift eine feltene Krauenfchrift — feft und ungekrigelt. 
Manche Wendung nur ift nicht fpradhrichtig, 3. B. „die Juwe⸗ 
ien zu Gold gemacht, erfuhr Falkenberg“ u. f. w., oder „os 
geſchah Falkenderg, den Wii zu ſenken“. Manche aussänbifche 
Berte find auch aufgenommen, wo fie nicht etwa charalteriſtron 
foden. Zur hoͤhern Schönheit der Darftellung rechnen wir noch, 
daß die Erzaͤhlung ſich auf den einfachften, leichteften Motiven 
fortbewegt, und daß die Nebendinge fo kurz behandelt find, wie 
man es fonft unter einem weiblichen Pinfel felren findet. Dies 
fer verräth fi am eheften noch an den echten Farben ber 
Garberobefkäde. 


Die Sompofition dieſes Romans, ber übrigens auf keiner 
zeuen und großen Grfindung ruht, ift einfach, aber von Be⸗ 
beutung. Die erfte Haͤlfte des Buchs iſt großartig gebacht unb 
gebört bem höhern Roman an; bie zweite fällt aber in die ges 
woͤhnlichere Romanfphäre herab, und hintergeht die Erwartung 
des denkenden Leſers. 

Jalbenberg, ein Bann von glaͤnzenden und einnehmenden 
Gaben, hat den einfachern aber innigern Oskar in deſſen edler 
Neigung zu Hertha uͤberholt, und ehrt diefe Tochter bes Ge⸗ 
heimrathe von Saldern, unter Warnungen, bie ihr der mit 
ihrer Liebe unzufriebene Water zum Perlenfchmud ber verſtorbe⸗ 
nen Mutter mitgibt, in feine reich und geſchmackvoll eingeriche 
tete Wohnung. Wit dem Hochzeitmorgen beginnt ber Roman, 
und fchon am glädsötrunfenen Abende fangen bie raͤthſelhaften 
Grfcheinungen an, bie uns über den Gharalter bes jungen 
Mannes und das Gluͤck der liebenswürbigen Frau beforgt mas 
hen. Er befennt ihr endlich Verlegenheiten durch ulben. 
Wie freut fie fi, daß es nur Schulden find! Sie gebt ſelbſt 
bettelnd zu ihren reichen Verwandten, borgend zum Ichmugigen 
Juden Abraham. Falkenberg bat unbebingtes Vertrauen von 
ihr verlangt, und fie gehorcht, fie dient ihm mit fröhlicher Dins 
gebung, mit Einblicher Unbefangenheit. Nur zu Kancy Wer⸗ 
denfels will fie nicht mit in Sefellichaft geben. Ihr Vater bat 
es ihr verboten. Doch ja, fie will dennoch; da ift der wüs 
thende Gemahl ſchon allein fort. Bei diefem ſpannenden Räth: 
fel bricht die Erzaͤhlung ab und Hoit Falkenberg's Vorgeſchichte 








urosuuer 


* 
— 
& 


Mögen fodern Eann. 


fe 
a 106 fein, und fi 
Tar’s Begleitung im 


Partie des Buche iſt vieleicht die beſte im Soman. 
Arabella erhebt fich bis ans Zragifce. In der Rat, da Bal- 


gend gegen Waltenberg aufs dieſer innere Kampf w 
Unterhaltung mit Zancy findet beim @intritte Detar’s, ihres 
verfgmähten evein MWewerbers, feinen Ausgang in einer Dhn: 
madıt. Ihr Inneres ift zerwühlt von Gchmerzgefüplen, aus 
denen fie ſich endtich zu dem muthigen Gntfdyinß erhebt, Kiars 
PN zu erringen. An biefe Aufgabe will fie al ihre Kräfte 
fegen. 
J Wer erwartet nun nicht, daß der Roman fih aus dieſem 
Herzteim eines fo fräftigen poetiſchen Stammes fortentwidele? 
Statt deffen waͤchſt er aus einem Geltenafte fort, aus der ehr 
geisigen Giferfucht Baltenberg's auf Dstar, der beim alten Her 
30g in @unft fteht und beim Gröpringen den, zum Zeil ſchiech 
ten Abfihten Faikenberg's überall in den Weg tritt. Es ift 
wahr, der Gprgeiz ift die herrſchende Leidenfhaft bes Romans 
beiden Paltenberg, die Liebe nur eine misbrauchte Dienerin ders 
felben. Aber der Roman felbft wurzelt doch im der entweihten 
Liebe, in dem misbraudıten Vertrauen zweier edeln weiblichen 
Herzen, und gerade aus biefer Schuid, aus diefem Zwiefpalt, 
mußte ſich das Schidfal der Helden naturgemäß entiwideln. 
‚Hertha, deren Liebevolles, hingebendes Vertrauen misbraudt 
worden war, hatte Brunb genug gefunden, mietrauiſch zu fein; 
mit dem Borfage, den fie gefaßt hatte, wuͤrde ſie nun felbfts 
fändig gehandelt haben, was man ſchon fehr an ihr vermißt 
hatte. Gtatt deſſen ſinkt fe auf dem Geitenwege, den der Ros 
man einfhlägt, tiefer als ein edles Weib in der Dienfbasteit 
eines unedlen Mannes finten darf. Sie tann fid über die 
Shchlechtigkeit ihres Gatten nicht mehr täufchen, und verfteht 
fid) dazu, Staatsurfunden aus der Bermahrung Dekar’s zu ſteh ⸗ 
ien, auf die @efahe hin, diefen ebein Mann zu Grunde zu 
zihten, zu deffen reinem, Liebevollem Herzen fie fid doch in 
diefen Tagen ihres Ungtüds fo fehr Hingezogen fühlt. Ja, als 
ihr fhurkiiger Dann einen Mord an Oetat verfucht hat, laͤßt 
fie fi von ihm an das Krankenbett deffeiben hegen, um durch 
ihren Ginfluß auf das Herz des Ungtüdlicen den Verbrecher 
der Hand der Gerehtigkeit zu entziehen. Der verbredperifche 
Shrgeiy wirft enblidy Zaltenderg hinaus in die Welt; er wird 
zum Gpieler, zum Sqchurken an rau und Kind, bis ihm 
nicgte mehr übrig bleibt al6 die auf des Rebenhublers Berk 
abgefchoffene Kugel, die ihm ber ſchuidios leidende Oskar nad 
Nigga nadpträgt und auf dem Gpieltifcpe des Gienden einfegr. 
Mit rien ne va plus enbigt Paltenberg. 





j 
& 
! 
— 


B 
Er 
FH 


HOauptirrthum daı 
fi. Die frühere Leichtigkeit Ta han 
dinge bringt nm mandje Unwahefcheintichteiten 
Urfunden tönnen einem fo gewiflenhaften Wanne 
nicht mehre Tage vom Arbeisätifhe entwendet 
daß ex ed nur wahrnehme und dem Dieb auf bie 
Fe a mit dem Herzoge von I 
als ſolche Procefle zu gehen pflegen. Und wie Eonnte 
Geoertung der KaiMfen Toriaäernd ae a 
ng ſau auf J 
rudig ſtehen bleiben, bis bie Kugel in —A— 


dies I ielen eines i 
Veen unge gie m Mannes wie Falkenberg if 


Im gegenfate zu den Frauen, die ſich gern von 
große des weibii 
— le Ber. an erike dne Grau, De I Bermann 


EP H 
Bagger 
ERTaRE 


sE 
[3 
2* 


3753] 


itmatiomen verbankt, wir flde 
foldhemn Berhäutnif vis 


auf der Ein, 


foitenfcoute fepwigt aud nicht immer gleich 
!ommt. V. Koenig 


wenn er ein wenig ins Gebräng 


Literarifhe Anzeige 


Antike Marmorwerke 


ersten Male bekannt gemacht 


von 
EMIL BRAUN. 

Erste und zweite Decade 
Folio. In Carton. 8 Thlr. 


Exsto Dooade. 1. Athene Agoraia. — 2, Ara 
Soteira. — 3, Doppelkopf des Zeus. — 4. Zeus Dodonem. — 
5. Zeus Jugend. — 6. Zeus und — 7. Belene. — 
8. Selene und Endymion. — ®. Hektor's Bestattung. - 
10. Des Piloten Heimkehr. 

Zweite Deoade. 1. Hermes der Rinderdieb, — 3. Di- 
nysos Dendrites. — 3. Demeter Thesmophores. — 4- 
der Proserpina, — 5. Eros und Anteros. — 6. Meloager. — 
7. Herakles der Löwenwärger. — 8. Pyrrhiche, — 9. Re 
serharnisch mit Siegestrophäen. — 10. Kaiserharnisch mit 
Roma, zu deren Füssen Erde und Mesr.- 

Leipzig, im November 1843. 
F 





Brockhaus. 


Drud und Verlog von 8. A. Brodgaus in Eripäie 





Blätter 


fir a u 


literariſche Unterhaltun g— 





Sonnabend, 





Erſter Artikel. 
(Fortſezung aus Nr. 35.) 

Rüdfichtlich der Lage der Dinge im Allgemeinen fins 
den wir in einem angefangenen, aber unterbrochenen Auf: 
Tag folgende Reflerionen des Kronprinzen. 

Der Hof — fagt er — hatte fich allgemeine Achtung durch 
fein Benehmen nad) dem Neichstage 1762 erworben. Er hatte 
ſich blos bamit befchäftigt, die Gemuͤther zu befänftigen, ben 
Parteihaß zu mübdern, aber weder die guten Abfichten des Koͤ⸗ 


nige noch feine Feitigkeit, die Bedingungen wegen des während 


des Reichstags gefchloffenen Vergleiche zwiſchen den Parteien 
‚aufrecht zu erhalten, vermodhten ihn vor den unangenehmften 
Srfahrungen zu fihern. Das dem Reichsrath Kalling gegebene 
und von ihm, trog des auf die ausbrüdliche Erklärung des Or⸗ 
denscapitels gegründeten Verbote des Könige, getragene ruſſi⸗ 
fche blaue Bund war einer ber erften Beweiſe des Übelwollens. 
Die Bermählung des Kronprinzen wurde ein reicher Stoff für 
die Partei, um ihren Haß gegen ben Hof auszudrüden. Die 
erbärmlichfte Knickerei zeigte fih in allen Burüftungen. Saum 
erlaubte man dem Sönig den Gefandten, welcher die Braut abs 
boten, noch die Reichsraͤthin, welche die Prinzefiin empfangen 
-follte, zu ernennen. Während man es bergeftalt an der ſchul⸗ 
"digen Ehrfurcht gegen den König fehlen ließ, griff man zugleich 
Heine Rechte an. Die Ernennung des Raths wurde jegt ben 
&tänben zugetbeilt. Der Reichsrath Düben wurde ohne bes 
Königs Einwilligung ernannt. Wan fdhied das Reich von feis 
nem älteften Bundesgenofien (Frankreich), man entfernte fich 
von dem politifhen Syſtem, welches Schweden feit Guſtav 
Adolf befolgt hatte. - - . . 
Am 18. März; 1767 hatte der damalige Kronprinz 


angefangen, den Verhandlungen im Reichsrathe beizuwoh⸗ 
nen, und hat ein unter feinen Papieren aufbewahrtes 
Tagebuch über die Worträge geführt, welches meiſt aus 
kurzen Anzeichnungen der Rubriten der vorkommenden 
Faͤlle befteht. Bisweilen hat feine Feder während des 
Vortrags mit Zeichnungen, Rollenvertheilungen bei Hof: 
fhaufpielen oder mit Verſen gefpielt, welche tegtern jedoch 
immer Beziehung auf den eben vorgetragenen Gegenftand 
haben, 3. B. am Dienflage, den 22. Dec. 1767 bei ei: 
ner Berathfchlagung Über die hollaͤndiſche Anleihe, bei wel: 
her ein Ratheherr ziemlich compromittict worden zu fein 
ſcheint, fchreibt der Prinz die folgenden Verſe aus „La 
prude” von Voltaire: 
S’il faut opter, si dans ce tourbillon 

N faut choisir d’&tre dupe ou fripon, 

Mon choix est fait, je benis mon partage. 

Ciel, fais mei dupe, mais rends mol juste et sage. 


2. December 1843. 





Die Anzeichnungen des Jahres fchließt er mit dem 
folgenden Citat: 
Le passe m’6&pouvante et le present m’aceable, 
Je lis dans l’avenir: un sort &pouvantabie 
Et les, malheurs partoat semblent suivre mes pas. 
Oedipe de Volteire, Aste IV, Se. I. 

Es war Wahrheit, nicht Dichtung, was diefe Worte 
ausdrüdten. Die allgemeine Lage der Dinge, bie ber 
Prinz fhon genau kannte, wurde immer betcübter. Am 
11, Mär; 1768 fchreibt er: 

Ich Habe vom 18. Januar bis zum 10. März ben Bere 
bandlungen des Raths regelmäßig beigewohnt und bin während 
der ganzen deit nur aus zwei Sitzungen weggeblieben; aber 
haͤusliche und oͤffentliche Staͤnkereien und meine geſtoͤrte Ge⸗ 
ſundheit haben meinem Geiſt nicht Muße genug gelaſſen, um 
mit der alten Genauigkeit mein Journal zu fuͤhren. Ich bin 
ſehr verdrießlich daruͤber, indem gerade dieſe Zeit von wichtigen 
Berathſchlagungen über den zerrütteten Zuſtand ber Finanzen, 
und befonders üder bie Noth in den Bergmwerkögegenden einge- 
nommen gemwefen if. Der König ſchlug ſchon im Februar vor, 
daß binnen drei Monaten die Stände zufammenberufen wuͤrden; 
aber, nachdem der Rath es Länger als eine Woche verſchoben 
hatte, ſich darüber auszulaflen, erklärt er fchließtich, daß der ges 
genwärtige Zuftand ded Reiche Eeinen außerordentlichen Reichs⸗ 
tag erhetiche. 

Am 18. Aprit 1768: | 

Aus Polen fpridht man von einer großen Sonföteration 
in Kaminiec, um alle Beſchluͤſſe des letzten Reichsſstags abzuaͤn⸗ 
bern. Man bat deswegen in Warfchau zwei Gonfeils gehalten, 
deren Refultat geworden ift, daB der König und der Senat der 
Republik den Schug der ruffifhen Kaiferin anfleben foll 
ten, um bie legten Befchlüffe aufrecht zu erhalten. Welche Ins 
famie! Ach, Graf Poniatoweli, wie groß bift du’ mir erſchie⸗ 
nen! Ach, Stanislaus Auguft, wie haft du in meinen Augen 
verloren! Du bift weder König noch Bürgers; flich,. um deines 
Baterlandes Gelbftändigkeit zu erhalten, und unterwirf dich 
nit unwürdbig dem Joche, um einen Schatten von 
Macht zu bebalten, welder vor einem Befehl aus 
Moskau verfhmwinden kann. 

Im September diefes Jahres bereilte der Kronprinz 
die Bergmwerksdiftricte ; während diefer Reife wurden ihm 
eine Unzahl Bittfchriften um Abhülfe der durdy das Wuͤrg⸗ 
fpftem der Düsen berbeigeführten Verlegenheiten und Be⸗ 
drangniffe überreicht, die der König dem. Rath vorlegen 
ließ. Als der Bericht des Bergcollegiums über den Zus 
ftand im Rathe vorgelefen worden war, findet man im 
Tagebuche folgende Bemerkung : 

Man machte eine fehr haͤßliche Miene beim Durchlefen des 
fogenannten Libells des Wergcollegiums gegen den Rath. Der 


180- . - 


Gpectatel begann heute, und wenn das Ende der Komödie eben⸗ 
fo ergögtich wird, fo wird man Urfache haben fi zu freuen. 
Aber die Unklugheit und unbedachte Kühnheit des Raths laͤßt 
mich fürchten, daß bie Gefahr für biefe ‚Herren tragiſch endi⸗ 


gen werbe. 

‚Pierbe folgendes, Cidat aus dem Denkwuͤrdigheiten dee 
Gazdinals de Meg: Ä 

L’illusion en matiere d’etat n’est a son comble, que 
quand ceux qui gouvernent ont perdu la honte; car c'est 
alors que ceux qui obe&issent perdent le respect, et on ne 
sort de cette lJethargie que par des convulsions, 

Am 17. November 1768: 

Dig Neuigksiten aus: Polen immer biefelben. Die Un: 
ordnung und Beftehlichfeit zeigen uns unfer 
Shidfal, wenn nicht bald durch fräftige und ent: 
ſchiedene Maßregeln Hülfe fommt. 

Am 24. November 1768: 

Die Briefe aus Warfchau enthalten blos neue Details von 
den Unglüdsbegebenheiten, weiche das arme Polen niederbrüden. 
Der König von Polen erfährt, daß man nie von feiner Pflicht 
abweidyen darf und daß auch das ſklaviſchſte Bott am Ende das 
Joch abwirft, wem zur Haͤrte der Geſetze fig die Schande 
fremder Gewaltherrſchaft gefellt. Die Krone wankt auf feinem 
Kopfe, feine Unterthanen find aufgereizt, feine Freunde fern. 
Hätte Stanisigus Ayguft fich diefen Sturm durch Feſtigkeit im 
Bertreten der Geſetze feines Landes zugezogen, fo würde ich ibm 
fein Loos beneiden; fein Kal würde ihn mit Ruhm bededen 
und die Paläfte der Bürgerfönige wärden ibm in @uropa eine 
Sreiftätte öffnen. Aber für jegt ift es faft aus mit ihm. Gr 
wird die Verachtung der Ausländer und den Abſcheu feines Va⸗ 
terlande erfahren. 

Wenige Sabre nachher erfolgte die erfte Theilung 
Polens. 

Die völlige Niederlage der Hüte und die Herrſchaft 
der Mögen feit dem Reichstag von 1765 hatten eine 
piögliche Veränderung der Politik herbeigeführt, welche 
Schweden 25 Jahre geleitet hatte, und diefe Veränderung 
ließ fih am unmittelbariten in allen innern Verhaͤltniſſen 
erkennen. Die finanzielle Verwirrung, welche diefe Pes 
riode binterlaffen, war allerdings fehr groß; aber die das 
gegen angewandten Heilmittel hatten offenbar mehr die 
Abſicht zu ſtrafen, als fruͤhere Verſehen gut zu machen. 
Auf das Anleiheſyſtem der Hüte folgte das Wuͤrgſyſtem 
der Muͤtzen. Das ungellüme Beſchraͤnken des vorher uns 
vorfichtig vermehrten Papiergeldes echöhte das Geld auf 
einmal um ein Drittel feines vorigen Werths, während 
Guͤter und Waaren in demfelben Maße fanten. ie 
Berlegenheit wurde fo allgemein, die Noth, befonders in 
den Gebirgediftricten, fo groß, daß der König am 9. Febr. 
1768 das Zufammenberufen der Stände verlangte, wel: 
ches der Rath, in demfelben einen Vorlaͤufer des Falls 
feiner Partei erblidend, verweigerte. Der König äußerte 
in einem fchriftlichen Vorbehalt: 


Daß, wenn die Herren Reicheräthe die Zufammenrufung 


der Reichsſtaͤnde für unnoͤthig hielten, für ihn nichts weiter | 


übrig bliebe, als ihrer Verantwortung alle die Ungelegenheiten 
und unangenehmen Folgen zuzufchieben, welche fidy in der Folge 
ereignen koͤnnten. 

Die Klagen vermehrten ſich und wurden von der herr 
fhenden Partei mit immer größerer Verdrießlichkeit em: 
pfangen. Als der König am 12. December deflelben Jah⸗ 
res das Zufammenrufen der Stände, und zwar fo eilig 


wie möglich, nochmals foderte, gab er zu gleicher Zeit fol⸗ 
gende Erklärung zu Protokoll: - 

Uten wider alles Vermuthen die Herren Keichsraͤ 
daffelbe auch jegt ablehnen, fo bin ich genoͤthigt, hierdurch ni 
erklären, daß ich mid in dem Falle von einer Regierunggbürbe 
Ioslage , 34 mir bei’deg Z 3 un R 
und einer täglig zunehmenden ung ih gang ums 
erträglich wird; —* mir vorbehatte, vwenn —— Yaeine 
treuen Rathgeber, die Staͤnde des Reiche, vor mir werden vers 
fammelt werden, biefen noch ferner alle Gründe darzulegen, 
welche mid) veranlaffen, mi bis dahin mit ber Leitung des 
Reichs nicht abzugeben. Ich verbiete auch hiermit ernftiich, daß 
inzwifchen mein Rame in irgend einem Beſchluſſe der Ratbe- 
kammer gebraucht werde. 


Diefer Schritt war zufolge einer Berathſchlagung mit 
dee Königin, dem Kronprinzen, dem franzöfifchen Gefand« 
ten Graf de Mobdene, und den vornehmften Perfonen der 
Hütepartei gethan worden, welche fid vereinigt hatten, 
um auf dem fimftigen Reichstag zur Wiederherftellung 
der Koͤnigsmacht nad) deren alten Örenzen in den ſchwe— 
difhen Gefegen beizutragen, und das Geheimniß war fo 
wohl bewahrt worden, daß die Erklärung des Königs mie 
der ganzen Stärke der Überrafhung wirkte. Man finder 
in den Anzeichnungen des Kronprinzen die innere Ge: 
ſchichte der Plane, welche zu der Zeit von Denen gehegt 
murden, die eine WBeränderung der damaligen Regierung 
wünfchten. Diefe Plane waren zwiefacher Art. Eine 
Beränderung durd die Stände felbft auf einem Reiche: 
tage zu bewirken zu ſuchen, war Alles, was der alte Def 
und deſſen gegenmärtige Anhänger hatten wagen wollen; 
e6 war auch Das, was auf dem Reichstage von 1769 
vergeblich verfucht ward. Aber den Ausgang hatte der 
Kronprinz vorausgefehen, und drang deswegen fchon jest 
auf sine Revolution. Der franzoͤſiſche Hof war in 
beide Plane eingeweiht worden und hatte zur Ausführung 
bed Plans des Kronpringen mitwirken wollen, wenn Sol: 
ches unter ben damaligen Umſtaͤnden mit irgend einer 
Hoffnung guten Erfolgs hätte verfucht werden koͤnnen; 
bean fchon im I. 1766, nach der Niederlage der franzoͤ⸗ 
ſiſchen Partei und dem Siege der Muͤtzen, hatte der Her⸗ 
zog von Choiſeul erklaͤrt, daß die Befeſtigung der monar⸗ 
chiſchen Gewalt, waͤre es auch durch eine Revolution, das 
Hauptziel der franzoͤſiſchen Politik in Hinſicht auf Schwe— 
den fein müßte. 

Wie nun eine Veränderung der damaligen Staats⸗ 
verfaſſung Schwedens 1769 verſucht wurde, Died wird, 
aus den Papieren des Kronprinzen, Seite 55— 89 von 
Seiler ziemlich vollftändig erzähle. Aus dieſer Erzählung 
wollen wir nur ein paar Stellen heraus heben. Der Prinz 
gibs unter Anderm eine Überficht der ſchwediſchen Werfaf: 
fung zei Guftao I. Waſa, die fo lauter: 

ejer König war in ber That unumfchr i in⸗ 
rich VIII. von England, Die Reictage —— — 
drei Tage. Der König führte das Wort. Die Stände waren 
in ein und demfelben Saale verfammelt. Der Adel kam im 
Ganzen, der Priefterfland durch Deputicte; dazu kamen einige 
Burgermeifter und Bauern. Die Beratpfchlagungen befchränt: 
ten fi faft immer auf Ia und Rein. Nachdem der Thron 
erblich geworben war, änderten aber bie Lehen, welche Guftav I. 
feinen Söhnen ertheilte, das Syſtem unferer Geſetze völlig. 
Schweden lernte alles Ungläd der Feudalherrſchaft Eennen, wels 


ches Frankreich fo lange erfahren hatte. Dies endigte ſich durch 
das Ablchen. des älteflin ntrigga vom Khaigkilien — kun 
die Vertreibung des andern und durch die Mlurpation Kayts IX. 
Erſt unter ibm, und befonders unter feinem Sohne, dem gro⸗ 
gen Suftav Adoif, nahm, kann man fagen, unfere Conſtitution 
eine ehvanige Form an. Aber diefes großen Königs früher 
Tod binderte ihn, die letzte in. an dag Werl zu legen. Die 
Regierungsform von 3634 ift nur eine Vorfchrift, wie die Re: 
gierung während einer Minderjährigfeit zu führen fe. Es fin: 
det fig dort fein Wort von der königlichen Macht: Diefe Ge⸗ 
ſehe währten nur unter Chriſtine und Karl X. Guſtav, eine 
Zeit von 30 Jahren hindurch. Während der Minderjährigkeit 
Kart's Xl. riffen der Rath und der Adet einen fo großen Sins 
flug an fih und wollten das königliche Praͤrogativ in fo enge 
Grenzen einſchließen, daß Karl XI. deshalb beflimmt wurde, 


durch die Revolution des Jahres 1680 die Macht ſeibſt an fich |} 


zu nehmen. 

Da Schweden ſonach niemals eine feftgeftellfe Eonftitution 
gehabt Hat, To iſt auch nichts unbeflimmter als das Verfpres 
den, die alten Geſetze wiederherzuftellen. Drei Gewalten 
baben immer den Staat regiert, der König, der Rath und die 
Stände; aber bei diefen unter ſich hat die Macht oft gewechſelt. 
Ich hatte freilich dafhr, in dieſen drei Benennungen nichts zu 
ändern; aber ich eradhte ed auch als nothwendig für eine wohl: 
geordnete Monarchie, daß ber König Herr ſei, Gnade zu erzeis 
gen und zu befördern, mit fremden Mächten zu unterhandeln, 
die Reichseinkuͤnfte zu vertheilen; daß der Rath blos ein Gons 
feit fei, beftehend aus Männern von Verdienſt, aber immer Uns 
terthanen und das Gnticheidungsreht nur in den unter dem 
König zur Appellation gebrachten Rechtsfaͤllen befigends endlich, 
daß die Stände fi mit nichts Anderm befaſſen ale mit dem 
Beroilligen oder Verweigern der Steuern und dem Unterfuchen 
ihrer Verwendung. | 

Fur Luiſe Ulrike, welche flolz darauf war, ihres Bru⸗ 
ders, des großen Friedrich Überzeugungen zu theilen, war 

die franzoͤſiſche Philofophie, der auch fie huldigte, nicht 
allein ein Mittel zu glänzen, fondern auch zu herrſchen; 
und es iſt nicht unglaublih, daß fie diefelbe von dieſem 
Geſichtspunkte aus ihrem Sohne dargeftellt habe. Neben ihr 
betrachtet man mit einem eigenen Gefühle den Einfluß, wel⸗ 
chen der Philanthrop Karl Friedrich Scheffer und der Dich: 
tee Creutz auf den jungen Prinzen als Dolmetſcher jener 
Phitofophie austhten. Won wohlwollendern, man möchte 
fagen unfchuldsvolleen Seelen konnten die Strahlen ber 
neuen Aufklärung nicht zurückgefpiegelt werden. Irgend 
etwas Arges zu denken war ihnen fremd; Prediger ber 
Borurtheilsfreiheit waren fie — felbit in den Borurthei: 
ien des Guten befangen! Der erfte Brief von Creutz an 
Guftao in diefen Sammlungen iſt in Madrid gefchrieben, 
wohin der Graf 1763 als Envoye extraordinaire geſen⸗ 
det war. Er hatte in Paris mit Hume Bekanntſchaft 
gemacht. 

Ich habe ihm eine lebhafte Begierde eingeflößt, Schweden 
zu beſuchen, fagt der Dichter. Er wuͤnſchte eine Königin zu 
fehen, weiche Philofophin ift, und einen jungen Prinzen, welcher 
in einem Alter von 16 Jahren das Lefen mit Stärke gedachter 
und lichtvoller Werke dem Erzeugniß der Eitelkeit und des 
Leichtſinns vorzieht. Europas Augen find auf Ew. königliche 
Hoheit gerichtet. 

Voltaire beweift, bis zu weichem Grade Sie, mein Prinz, 
die Theilnahme der Literatoren weten. Diefer berühmte Greis 
vergoß Thränen bei der Nachricht, daß ©. 8. H. bie „Hen⸗ 
riade”’ auswendig wüßten. 

Freilich hatte ich fie — fagte Voltaire — in ber 
Abficht niedergefhrieben, daß fie zur Belehrung 


58 io im. Nerden Srudt tragen märkıe, Dh. 
t 





der Könige dienen follte, aber ih hoffte nicht— 
unrecht. Der Norden hat von jeher Heldan une 

en ann eetandi te fi nad den E | 
| i na i 

H. betreffenden Uümfländen. gte ſich nad ben kleinſten E. K. 
ch bin alt und blind — fährt er fort — aber 

wenn Alles, was Gie mir ſagen, wahr ift, fo ſterbe 

‚id mit Bergnügen; denn nad Jahren wird es, 

‚feine Borurtheile mehr in Europa geben. 

In einer Antwort an Greug ſagt Guflav unter 
ters. Beifat ſſmeih | 
ltaire's Beifall ſchmeichelt mir unbefchreibti 
wuͤnſche ipn eines Tags zu verdienen, Far 1 

‚; verfhönernde Schilderung, welche Ihre Freundſchaft von mir 

a anfen, ihn mir mehr als mein eigenes Verdienſt erwor⸗ 

Der Briefwechfel wurde fortgefegt, ald Creutz 1766 
als Einzoye extraordinaire nach Paris verlegt war. Er 
theilt dem Kronprinzen alle Neuigkeiten des Tags, Lieder, 
Romane von Voltaire mit, leitet einen Briefwechfel zwi⸗ 
ſchen ihm und Marmontel ein, ſendet die herauskommen⸗ 
‚den Bände der „Encyklopaͤdie“, und zeichnet für den Prin⸗ 
zen die intereffanteflen Artikel darin aus. Bisweilen 
ſcheint der ſchwediſche Dichter und Staatemann über - die 
immer tühnere Dppofition der franzoͤſiſchen Literatur ge: 
‚gen die Religion beforgt zu werden. 

Wir werden von Werken uͤberſchwemmt, welche die Reli- 
gion angreifen — ſchreibt ee am 8. Nov. 1767 aus Paris an 
Karl Friedrich Scheffer —; feit zwei Jahren ift die Religion 
ein &egenftand fo roher Angriffe geworden, daß man faft fagen 
kann, fie liege in dieſem Lande in ben legten Zügen. Dies güt 
von ber großen Weit wie vom Volke. 

Auch findet ſich Graf Scheffer veranlaßt, dem Prin⸗ 
zen einen Auffag gegen den Atheismus von Voltaire felbft 
zu fenden. Guſtav's Bewunderung für diefen Legtern 
war [0 geoß, daß er ihn auf feiner bevorftehenden auslän- 
diihen Reiſe in Ferney bat befuchen wollen, wäre bie 

Reife nit in Paris durch Konig Adolf Friedrich's Tod 
unterbrochen worden. Er vertheidigte Voltaire offen gegen 
deffen Feinde. Voltaire feierte nachher die Revolution von 
1772 durch ein eigenes Gedicht zur Ehre des Könige, 


Es nahte die Zeit, in welcher Guſtav das Land ber 
fuchen follte, welches ein fo früher Gegenftand feiner Zu: 
neigung und Bewunderung geworden war. Er trat die 
Reife im Herbſte 1770 an. Über den Zweck derfelben 
fchreibt er an 8. Fr. Scheffer:: 

Ich muß Ihnen Alles fagen und in Ihren Bufen mein 
Herz ausfdhütten. Wir gehen nad) Frankreich mit den größten 
Abfichten, eine dauerhafte Verbindung zwiſchen den beiden Rei⸗ 
den, nicht allein auf das wechfelfeitige Intereffe, fondern auf 
eine perföntiche Freundſchaft gegründet, zu fchließen. Wir ges 
ben, um die Befreiuung bed Staats zu begründen, ihn von 
fremdem Einfluß und von der innern Zwietracht, durch welche 
er zerriflen wird, zu erretten. 

Nachdem der Kronprinz die Höfe zu Kopenhagen, Eu⸗ 
tin und Zweibrüden befucht hatte, Iangte er in Paris om 
4. Febr. 1771 an und fand den Herzog von Choiſeul, 
auf deſſen Beiſtand er bei feinen Planen viel gerechnet 
hatte, nicht mehr als Minifter. Er war in Ungnade ges 
füllen und vom Hofe entfernt. - Bei König Adolf Fried: 


' 


1 ee: io» 2 

i .. 1. 5, —— y ,5. 

135 J ⸗ ’ « 
1} . [7 3: 24 


8 Hy: ’ 


rich richtete fi; die Dankbarkeit nicht nad dem Gtuͤcke. |. des preufifcen Monarchen von 38, Juni 1775, ıu Gu⸗ 


Die letzten Worte, welche er an feinen Sohn ſchried (am 
33. Jan. 1771), beauftragen Ihn, dem geftürzten int: 
ftee für die Stuͤtze zu danken, melche feine Politit Schwes 
dem allzeit gewährt habe. Am 12. Februar flach Guſtav's 
Bater in feinem 61. Jahre. Der neue König erhielt am 
1. März die Nachricht davon in Paris. Am 21. März, 
drei Tage vor feiner Adreiſe von Paris, fchreibt Guſtav III., 
vermuthlich an Sinclair: ' 

Alle unfere Angelegenheiten find befinitio regulirt. 
be Vergennes ift zum Ambassadeur extraordinaire ernannt 
worden. Er ift der Mann, welchen wir braudyen. Seine In⸗ 
ftructionen find fo, wie ich fie verlangt babe, und drei Mil: 
tionen find für den Reihstag beffimmt. Niemand hat, 
feit der Kataftrophe des Herzogs von Choifeul, an uns gedacht. 
Erſt der Tod des feligen Könige bat fie aus ihrem Schlafe er: 
wedt. Alles ift feitdem arrangirt worden, und Alles nach Wun⸗ 
ſche. Sie können ſicher fein, daB die ‚Derrengewalt unfer ift, 
und daß wir unfere Macht mit Mäßigung gebrauchen werben. 

Ein anderes Concept enthält Folgendes : 

Run haben wir die große Sache durchgefegt. Unfere Sub⸗ 
fivien werden bezabit und in Übereinflimmung mit der Decla: 
ration vom 3. 1764. Ich habe mit dem König (Kudwig XV.) 
dreiviertel Stunden lang unter vier Augen gefprocdyen, und wir 
baben uns über alle Sachen mit der größten Aufrichtigteit und 
Zärtlichkeit erklärt...» . Die Maitreſſe (Dubarıy) ift für 
uns und des Königs Herz. 

Die Heimreife gefhah über Berlin. Nach der An: 
Bunft in Stodholm verkündete die „Poſtzeitung“ vom 3. 
uni, daß der König beſtimmt am Montag, Dienftag 
und Mittwoch, Nachmittags, von 4 — 5 Uhr allen Unter: 
thanen, böhern und niedern, freien Zutritt geftatte, um 
ihre Geſuche und Angelegenheiten in Unterthaͤnigkeit ſelbſt 
vorzutragen. Diefe Audienzen erweckten den Argmohn der 
Stände. Sie dauerten jedoch nicht lange und wurden 
zulest Bettleraudienzen genannt. Die Etände waren 
zum 13. S$uni 1771 berufen worden, und am 25. deſſel⸗ 
ben Monats eröffnete der König den Reichstag mit einer 
Rede, aus welcher wir nur den Schluß anführen : 

Ich habe mehre Ränder gefehen, ich habe die Denkart, bie 
Negierungsweife, die Sitten und ben größern oder geringern 
Wohlſtand mehrer Völker kennen gelernt. Ich habe gefunden, 
daß weder unbefchräntte Macht, Pracht und Üppigfeit, noch 
allzu ftrenge Sparfamfeit oder Geldfteuern da Gluͤck und Bus 
friedenheit bringen, ‘wo bie Liebe zum Baterlande, wo die Ein: 
tradht fehle. Es kommt deshalb auf euh an, das gluͤcklichſte 
Bolt auf der Erde zu werden. Laft dieſe Reihöverfammlung 


in unfern Gefchichtsbüchern ewig ausgezeichnet bleiben durch | 


Aufopferung alles Haſſes, aller eigenen Rüdfichten, für das all 
gemeine Befte. Sch werbe fo viel, als e8 von meiner Perfön: 
lichkeit abhängt, dazu beitragen, eure getrennten Herzen zu bers 
einigen, um in einer für das Reich gluͤcklichen Stunde diefe 
Reicheverfammlung zu fchließen, zu deren Anfang ich euch den 
Segen bes Hoͤchſten wuͤnſche. 

Die Stände baten, daß die Rede in den Drud gege 
ben und an alle Gemeinden des Reichs vertheilt werden 
möchte. Einigkeit war alfo die Lofung des Tages. Die 
Gemüther zu befänftigen, die Parteien zu verfühnen, war 
auch das Ziel, welchem nachzuftreben Friedrich II. feinem 
Schweſterſohne hauptfüchli gerathen hatte, wenngleich er 
die Schwierigkeit einfab, daſſelbe zu erreihen. Ein Brief 


Mr. 


ftav III. zeige, wie Erſterer daruͤber duchte. 

Gaͤbe es ſchwediſche Männer in Schweden — heißt eb ba: 
rin —, fo wuͤrden fie alle einig bei der Frage uͤber das Wohl 
des Vaterlands fein; aber die fremde Werborbendeit bat den 
Geiſt der Nation allzu ſehr verkehrt. 


(Der Beſchluß folgt. ) 


—A 





JEin Album. Bilder aus unferer Zeit von Sidonie, 


Baroneffe von Seefried. Erſter Theil. 
Zaquet. 1843. 8. 18% Ag. 


Die Verf. fagt, das Album enthalte Bilder aus eigener 
Anfhauung, und Skizzen, übertragen aus fremder Literatur. 
Für dieſes mixtum paßt ber Titel Album; denn ein Buch, wel: 
ches doch immer einen einheitlichen Gedanken durchführen fol, 
ift e8 nicht. Won Durchfuͤhren ift bier ohnehin keine Rede; es 
ift Alles nur fluͤchtig hingeworfen und gibt den Eindruck, dm 


München, 


die Verfafferin im Vorworte andeutet, nämlich den der Anre- 


gung durdy Leben und Gefpräd. Die Faſſung ift recht bübfch, 
der Son anfpredhend. Die erften Nummern haben einen wenig 
bedeutenden Inhalt, 3.8. das Zeft in der Villa negro, der Ein: 
zug in Paris, das Divramaz die Herzogin von Abrantes iſt 
fehr aphoriftif behandelt. Die zweite Hälfte des Albums, wor: 
in über Victor Hugo, Samartine, George Sand, Chateaubriand 
geſprochen wird, ift die inhaltreichere. 29. 





Notizen. 


Abrabam Raimbad. 

Eine Selbftbiograppie des Kupferſtechers Abrabam Raim: 
bach, der fich befonders durch feine Stiche Wilkie'ſcher Werte 
berühmt gemacht hat, geſchrieben auf dringendes Anfuchen feines 
ätteften Sohnes und mit langen und bis zur Überiaft zahlreichen 
Roten auegerüftet, iſt erfchienen; „Memoirs and recollections 
of the late Abraham Raimbach ; including a memoir of Sir 
David Wilkie” (London 1843). %. Raimbach war ben 
16. Febr. 1776 in Kondon geboren und ftarb dafelbft den 17. San. 
1843. Das genannte Werk liefert beiber zablreiche Mrtheite, 
Bemerkungen, Andeutungen über einzelne Gegenftände der Kupfer 
ſtecherkunſt, Werke und Meiſter in derfeiben. Über den Verfal 
ber Linienmanier fagt er: „Eine andere und fehr wichtige Ur- 
ſache des traurigen Schickſals, in welches die gute, alte, legitime 
Kunft des Linienſtichs cerathen iſt, darf nicht unerwähnt bleiben, 
naͤmlich die ungeheuern Summen, weldye in der neueflen Zeit 
von den Malern für bas Recht, ihre Werk zu copiren, in An⸗ 
ſpruch genommen werben. Die Verleger fudhten, indem fie diefe 
Anſpruͤche erfuͤllten, ſich dadurch zu entſchaͤdigen, daß fie eine 
geſchwindere nnd wohlfeilere Art des Stiche (Mezzotinto) zur 
Anwendung brachten, welde, da fie auch auf Stahl ausgeführt 
wird, fie zugleich in den Stand fegt, mehr Abzüge machen zu 
laſſen, als Kupferplatten hergeben würden.” In diefer Beziehung 
ift nun bie Anwendung ber eleftromagnetifchen Methode zur 
Vervielfältigung von Kupferplatten außerordentlich wichtig, und 
Kaimbach ſpricht auch von dieſem Verfahren mit vielem Lobe. 
Die Denkſchrift über Wilkie iſt ſehr dürftig und zum XIheil 
ungenau. 


Sir Charles Belvs Witwe. 


Da wir neulih (Nr. 241) der Mühfeligkeiten gebadhten, 
unter tenen fih Sir Charles Bell durch das Leben kämpfen 
mußte, und der Unmöglicjkeit, bie daraus für ibn entfprang, 
feine Familie in geficherten Umſtaͤnden zurüdzutaffen, wird es 
unfern Eefern angenehm fein, zu erfahren, baß bie Königin 
auf Sir Robert Peel's Antrag ber Lady Bell eine Penfion 
von 100 Pf. St. bewilligt hat. 48. 


Verantwortliher Herausgeber: Helnrich Brodpausd. — Drud und Verlag von F. &. Brodhaus in Leipzig. 


Blätter . 


für 


literarifhe Unterhaltung, 





Sonntag, 


Nr. 337. Im 


3. December 1843. 





Die nachgelaffenen Papiere Guſtav's TIL. 
Erſter Artikel. 
(Beſchluß aus Nr. 286.) 


Die Vermittelung der Parteien war, wenigſtens um 
Zeit zu gewinnen, im Anfang ein faſt nothgedrungener 
Zweck dee Politik Guſtav's DII., um die von ihm beab⸗ 
ſichtigte Revolution vorbereiten zu koͤnnen. Doch gelang 
ihm jene nicht. Nun folgte daher eine Zeit, waͤhrend 
welcher er ſich wenig um die Reichsangelegenheiten zu be⸗ 
kummern ſchien; die weniger Scharfſichtigen erwarteten in 
ihm ſchon einen blos dem Vergnügen ergebenen Schein⸗ 
koͤnig. Er beſchaͤftigte ſich mit theatraliſchen Übungen, mit 
Heinen Hin: und Herreiſen zwiſchen den Luſtſchloͤſſern, er 
zeichnete, brodirte, machte Entwürfe bald zu Theatercoſtu⸗ 
men, bald zu Orden und Orbensdecorationen. Auf dem 
Reichstage nahmen unterdeffen die Unordnung, die Exbit: 
terung und die Zänkereien der Stände immer mehr zu. 
Sehe Monate hindurdy wurde zwiſchen dem Adel und 
den bürgerlichen Ständen über die Ausdrüde in ber koͤ⸗ 
niglihen Zuficherung geftritten. Daß fie den König nur 
an die Negierungsform von 1720 band, ohne die fpäter- 
hin in diefelbe hineingebrachten Veränderungen zu erwaͤh⸗ 
nen, erwedte ohnedied Aufmerkſamkeit. Der Adel wünfcte 
die neue Zuſicherung in völliger Übereinflimmung mit ber 
von König Adolf Friedrich, 1751, gegebenen abgefaft; 
die nicht adeligen Stände drangen dagegen auf Verände- 
rungen und Bufäge. Über den ganzen Dergang auf die 
ſem Reichstage werfen die Papiere des Könige das gehe: 
rige Licht. Beſonders weiht uns Das, was ſich von der 
Gorrefpondenz des franzöfifchen Sefandten, Grafen de Ber: 
gennes, in diefen Sammlungen aufbewahrt findet, in bie 
geheime KReichstagsgefchichte dieſes Zeitraums ein. Diefe 
Briefe find theils an den König, theild an den Grafen 
Axel Ferſen, theild an einen Herrn Beylon gerichtet. Letz⸗ 
terer, Vorleſer an Luiſe Ulrike's Hof, hatte ſich in dem 
Grade das Vertrauen des ganzen koͤniglichen Hauſes er⸗ 
worben, daß man ihn als Mittelsperſon in allen ihren 
wichtigſten Angelegenheiten auftreten ſieht. Bei ihm war 
es, wo der Koͤnig ſeine geheimen Zuſammenkuͤnfte mit 
dem franzoͤſiſchen Miniſter hatte. Aus den Briefen die⸗ 
ſes Legtern erſieht man auch, welche bedeutende Summen 
von Frankreich zu Beftechungen und zur Foͤrderung von 
Guſtav's Revolutionsplan gefpendet wurden. Wer dies 


Alles näher Eennen lernen will, kann in dem hier beſpro⸗ 
henen Buche. feine Wißbegierde befriedigen. 

- Am 29. Mai 1772 wurde Guftav I. endlich ges 
Erönt. Die Krönung hatte fhon im September bes vor: 
bergehenden Jahres fiattfinden follen, wurde aber durch 
den die neue koͤnigliche Zuficherung betreffenden Streit fo 
lange verzögert. Nicht der erſte Gedanke an eine Revo⸗ 
Iution, wol aber der erite Plan zu ihrer Bewerkſtelligung 
unter den damaligen Umftänden fcheint vom Oberſten 
Magnus Sprengtporten, beim Reichötage Chef des, mel: 
ſtens aus jungen Offizieren beftehenden vopaliftifchen 
Clubs, Svenſta Botten, ausgegangen zu fein. Dies 
geht aus feinen eigenen Anzeichnungen, die fi) auf der 


Bibliothek zu Upfala befinden, hervor. Geier bat das 


Weſentliche derfelben bier aufgenommen, worauf wir un 
fere Lefer verweifen. Er geht in fehe intereflante Details 
ein, welche fludirt zu werden verdienen. Ein vollftändiger 
Bericht Über die Revolution vom 19. Auguft finder ſich 
unter Guſtav's II. Papieren nicht. Ein vom König ans 
gefangener eigenhändiger Auffag Über fie ſchließt mit der 
Einleitung, welche ein Gemälde von dem Zuſtande ber 
Parteien enthält. Sprengtporten’d Bericht ermangelt auch 
der Vollfändigkeit. Er gehört auch nicht den Guſtaviani⸗ 
[hen Papieren an. Dagegen findet man unter bdiefen 
eine Abfchrift der Inſtruction Sprengtporten’s für den 
Baron Salza, mit folgender eigenhändiger Bezeichnung 
des Könige: 

Des Oberſten, nachher Generalmajor Freiberen Hugo Her⸗ 
mann v. Salza’s Abfchrift von des Barons Jakob Sprengtpors 
ten Project und Plan zur Revolution, welche jedoch nicht bes 
folgt wurden, indem jene auf eine ſchnelle Weife am 19. Aus 


guſt erfolgte. 


Der Inhalt der neuen Gonftitution, welche Guſtav IH. 
am 21. Auguft 1772 feinen Unterthanen octropicte, iſt 
wefentlich folgender: 1) Die Stände follen verbfeiben wie 
vorher; ohne ihre Einwilligung ſollen keine neuen Geſetze 
gemacht, Feine alten abgefchafft werden. Aber der König 
beftimmt, wie oft und wo der Reichstag gehalten werden 
fol. Kein Reichstag fol Länger als drei Monate dauern. 
Die Stände dürfen Leine andern Protokolle verlangen als 
die, welche Gefchäfte betreffen, welche der König und die 
Stände erwogen haben. 2) Der König wähle ſich felbft 
die Reichsraͤthe, welche nur ihm veranttortfich find. Sie 


% 
[1 


“haben nur zu cathen, aber bem König kommt es zu, zu 


befhließen, ausgenommen im eigentlihen Geſetzfragen. 
3) Der König hat das Recht, Frieden, Waffenftiliftand 
und Bündniffe zu fchließen. Er darf, ohne der Stände 


Eiawiligung Verthaidigungs⸗, aber Seine Angriffälgiege 


ohren. 4) Der König führt deu Befehl Über die ganze 
macht und ernennt alle böhern Beamten. Nach 
diefer Regierungsform hatte der König die ganze aus: 
übende Gewalt, außer der, einen Angriffstrieg anzufangen. 
Die Stände Hatten das Steuerbewilligungsrecht. 
und Stände hatten gemeinfam die gefeßgebende Gewalt 
und der Reichsrath hatte, In hoͤchſter Inſtanz, die richter⸗ 
liche Gewalt, infofeen, daß der König zwei Stimmen 
hatte in allen Rechtsfachen, welche nad, dem fchmedifchen 
Sefes duch ein Endurtheil entfchieden werden Tollten. 


In allen andern Tragen durften die Reichsraͤthe nur ra⸗ 


then, aber nicht befchließen. 

Diefe Eönigliche Revolution vom 19. Auguft, bie in 
wenigen Tagen ohne Blutvergießen vollendet wurde, ver: 
ſchaffte Guſtav TI, auf einmal einen glänzenden Namen 
in ganz Europa. Bei feinen Nachbarn, namentlich bei 
dem ruffifhen Hofe, der bie Anarchie in Schweden wie 
in Polen durch fein Beſtechungsſyſtem fo gern unterhals 
ten hätte, erweckte fie ſtarke Beſorgnifſe. Sie war ein 
Steg der franzoͤſiſchen Poli. Mean wußte nur allzu 
wohl, daß fie ?riegerifcher Ratur geweſen und darauf hin⸗ 
ausgegangen mar, einen bewaffneten Bundesgenoffen, bes 
reit, wann audy immer, fi) dem Intereffe Frankreichs zu 
weihen, im Norden zu befigen. Dies war der Zweck des 
franzoͤſtſchen Subfidienfoftems, welches man fürdhtete, ob: 
‘gleich weder England noch Rußland dazu vermocht mer: 
den fonnten, auf diefem Felde ale Frankreichs Nebenbuh⸗ 
ter aufzutreten. Keins von beiden bot Schweden jemals, 
obgleich fie fonft Leine Koften fcheuten, um auf den 
Keichstagen Ihren Einfluß aufrecht zu erhalten, Subfidien 
an, umd die mar der Hauptgrund, aus welchem bie Par: 
tei, welche der englifch=ruffifchen Partei huldigte, hatte fie 
auch ab und zu das Übergewicht, dies doch nie behalten 
Eonnte. Deswegen waren die Zeiten für das Übergewicht 
der Mügenpartei ſtets nach einem Krieg eingetreten und 
während deffen Folgen am fühlbarften. Die franzöftfche 
Politik Herrfchte buch die Hüte von 1738— 65. Sie 
Hatte Schwedens Krieg gegen Rußland 1741, gegen Preu: 
fen 1757 dictirt. Diefe Politik hatte, ald die Hüte durch 
unglüdliche Kriege endlich ihre Kräfte erihöpft hatten, und 
von den Parteiummälzungen nichts mehr zu ‚hoffen war, 
ber Verſtaͤrkung der Eöniglihen Macht in Schweden 
das einzige noch übrige Mittel ergriffen, um fih in 


Schweden, und Schweden duch Frankreich geltend zu - 


machen. Was man, nad der Revolution von 1772, 
von dem monardjifchen Schweden befürchtete, geht aus ei: 
nem Briefe des Prinzen Heinrich von Preußen vom 10. 
Sept. 1772 an feine Schwefter, die verwitwete Königin 
von Schmeden, deutlich hervor. Er fagt darin: „Mit fei- 
ner gegenwärtigen Regierungsart und einem zehnidhrigen 
Frieden kann Schweden eine überwiegende Macht werden.” 
Kür jegt bedurfte und wuͤnſchte es Ruhe. Meldyes die 


Gefahren waren, bie daſſelbe ‚ und warum man 
in Schweden faft nody mehr Friedrich IL, als Katha⸗ 
eine II., fürchtete, da6 kann man aus einem Briefe 
des Grafen Ulrich Scheffer vom 16. Dct. 1772 an ben 
ſchwediſchen Pheifter in Pass, Grafer Cs, ganz ge 
nau erkennen, Diefer Brief, den Prof. Geijer hier im 
Auszug mitgetheilt hat, enthält auch bedeutende Auffchlüffe 
Über die erfte Theilung Polens. Wie Friedrich der Große 
die Neuigkeit von ber Revolution in Schweden, von mels 
er. Guſtav LI, ibm am 21. Auguft geſchrieben hatte, 
aufnahm, davon zeugt die Antwort des Erſtern vom 6, 
September: er iſt über biefelbe ganz enträflee. Auch mit 
feiner Mutter zerfiel Guftav von diefer Zeit an in immer 
böherm Grade. Die Darlegung des unglädtichen Ver⸗ 
haͤltniſſes zwiſchen ihm und ihr wird in dem bald zu er: 
wartenden zweiten Shell der nachgelaffenen Papiere Guſtav's 
gegeben werden. _ 

Das Wenige, was wir aus ben für die Geſchichte 
Schwedens und ganz Europas fo wichtigen Papierm 
Buftav’s IH, hier haben hervorheben dürfen, mag genuͤ⸗ 
gen, um die Leſer d. Bl. auf den Inhalt berfelben, ſoweit 
ihn der berishmte ſchwediſche Geſchichtſchreiber Geijer bis 
jegt mitgetheilt bat, aufmerkfam zu machen. *) 16. 





Anekdoten aus dem Leben eines reiſenden 
Arztes. 

Ein Werk im drei Bänden: „The life of a travelling physi- 
eian, from his first introduction to practice; including twenty 
years’ wanderings threugh the greater part of Europe”, U in 
London erfchienen, weiches im Ganzen nur geringen Werth bat, 
aber an einzelnen Schilderungen von Localitäten, Charakteren 
und charakteriftifchen Zuͤgen manches Intereffante darbietet. Der 
Berf. — George kefevre geheißen, wie ein englifches Blatt im 
Vertrauen mitthellt — wurde in Edinburg graduirt und nachdem 
er lange eine Anftellung geſucht, 1819 von einem fdottifchen 
Lord, der bruſtkrank ein miles Klima auffucken wollte, mit 
nad Pau genommen, wo her Patient im nächfen Fruͤhjahr 
farb. Ginige Jahre fpäter. wurde ber Verf. Hausarzt bei 
einem Fuͤrſten, der in Paris lebte, und er nach fünf Jahren 


mit biefem nach Polen, von da Aber Odeffa nach Peteröburg, 
wo er 14 Jahre blieb. - Subem er diefe letztere —æã— — 


gibt er eine Schilderung derſelben bei Nacht: „Wer Petersburg 
nicht bei Mondlicht geſehen bat, Dem bleibt noch etwas m 
fehen. Ia, wenn man den Mond Über den Kuppeln und Mi⸗ 
narets ber Stadt herauffteigen fieht, dann führt man ſich mit 
der Berftellung eines verddeten Gtabt aus. Die Gonberun 

Unbelebten von bem Lebendigen gibt 


fchimmernd baliegen, dann bietet die 
Zarenſtadt dem einfamen Beſchauer, bem kein d Gin 
druck bie zauberiſche Wirkung der Formen rt, ein Shen 
fpiel dar, das vielleicht nicht feines Glei bat. Es Liegt 
dann etwas Antikes in ihrer Erſcheinung. Ihre riefenhaften 
Sehäude treten durch bie Lichtwirkung des Mondes ſcharf aus 


) Ein zweiter Artikel folgt fpäter. D. Reb. 











lat hy gt während 
—5 — Ac Rimmt man 
Fin Standpunt u — fo erblickt man bie Stadt, 
die, weit um den Porigont ausgefpgnnt und von maffiven Ge 
bäuden in Elöfterlihex Foxrm begrenzt, wit ihren vergoldeten 
Thoͤrmen und gläugenden Kuppein ſich aus der bene hebt. 
Bei dem ſwaqhen Lichte des Mondes werben wir nice gewahr, 
daß bie Zmifhenxäume zoifhen den gewaltigen Bauwerken 
nicht ausgefüllt find. Die breiten, geraden Straßen verftatten 
dem Auge nicht, den in des dämmernben Berne verſchwindenden 
Gefiptepunkt zu erreichen. Irgend eine Brüde ober fonft ein 
Segenſtand tritt dazwiſchen, bevor bie langen Bahnen in einen 
Punkt zuſammenſchwinden. Die Bovenfilde iſt ein einziger 
flimmernder Teppich. Der Strom flieht nicht fihtlich; man 
hört Feine Stimme eines Sqhiffers, Keinen Ruberfclag. Irgend 
eine einfame Glode ſchlägt die Stunden. Der Mond finkt und 
bier und da hält fih ein Thurm in Schatten. Alles wirkt 
zufammen, um die Bewunderung zu fleigern, ae mide das 
Gemäth in diefer Stunde ohnehin geneigt iſt. Tag bricht 
an und eine Taͤuſchung nad) der andern ſchwindet“ u. f. w. 
Die Schill a von Bitten und bürgerlichen Werbältnifs 
fen nenne a Dem überein, was andere Schriftſtelec, 
3 B. Kohl, in neuerer Zeit berichtet haben; fogar mand) ein⸗ 
winss Greigniß ift hiechee gu vechnen, wie die Beſchreibung 
eines _Brande&, der während des Gammevals flottfand und vielen 
Menfchen das Leben koftetez auch Kohl hat biefen Unglüdsfal 
ausführlich geſchiidert. Won der pünktlicen, ja, im bucfläb 
— Giane bucfäbtichen Wefolgung obrigkeitlicher Befehle 
gibt ber Verf. vericiebene auffalende Beifpiele, bisweilen mit 
tragifchem Aı je, oft aber komiſch. Unter den legtern fols 
gende: „Die ihnten Meinen Läden haben jede ein gemaltes 
Schüd über der Thuͤr, worauf angezeigt it, was man innen 
kann. Darunter des Verfäufers Rasse und unter biefem 
die Rummer. Belogte Nummer fodert Erklaͤrung. Kaifer Paul 
befaß Gchöpfermact. Wenn er ſyrach; das werde! fo ward ed. 
Nun find die erwähnten Laͤden alle privilegirt, und Bequemlich⸗ 
keits und guter Ordnung halber ſprach der Kaifer: ‚Gie follen 
fämmtlich numerirt werden mit Rx. I u. f. w.“ So ſtand 
defoplen: Rr. I u. f. w. Zweifel, Muthmaßung, Deutung, 
Beguguahme auf den Geiſt urfprünglicher Abficht if unerlaubt. 
Der exfte Laden alfo dat Rr.Iu f.w., ber zweite Re. Im f.w., 
Der dritte und fo ein jedes Rr. I. u. f. w. Es wäre, wie ges 
fagt, unerlaubt geweien, v fäliefen, daß jenes ‚u. f. m.‘ die 
folgenden Rummern II, III, IV u. f. f. bebeuten follte, der ⸗ 
gettalt, daß jeder Laden eine andere Rummer erhielt ; denn das 
au fdpließen, war, wie die Phrafe lautet, die der Ruffe beftäns 
dig im Munde führt, ‚nicht befoplen‘”. „Bin engliſcher Kaufs 
mann liebte eine ruſſiſche er Verbindung mit ihr 





als Frewider it fand des Kaufmann es ſchwierig, 
Ziceng zu eshalten. Gr hatte aber einen Freund bei Hofe und 
bat Biden, ge lich beim Kaifer die Sache in Anregung zu 
dringen. Gin gi Augenbiid fand ſich 66 war am Rad 


. ‚Em, Wiek‘, 
Be uahpniekihen in Kr 


Wenw ich helfen kaun, rechnen Cie auf Bedarſ er Unters 
tigung?‘ ‚Rein, Em. Mojeftät‘, verfepte der Andere; ‚aber er 
wünfcht eine Kuffin zu-beisathen, und bie Geiſtlichteit will die 
She wicht einfoguen.‘ ‚Was da? fagte ber Kaifer, ‚er foll ohne 
weiteres verheirathet werben: ich werde unverzüglich Befehl 
giben.“ In fünf Minuten war bie Baifertiche Heiratbaerlaubniß 
ausgefertigt. Alfo um 5 uhr Racmittags iſt die Ordre unter 
wihnet, daß Here A. und Präutein B. ohne weiteres getraut 
werden follen. Um 6 lhe befindet fich bie Order in den ven · 
den der betreffenden Wehöste. Sie gelangt in das erſte Bureau, 
wo fie eingetragen und weiter erpebirt wis. Um 8 übe befin ⸗ 
‚det fie ſich an der naͤchſten Stelle. um 10 Uhr etwa ift fie der 


V exreidn * 
he F ——— * 2 
—2 
—E z @acke als villa —— 
sig & Unvermeidliche An muß fie vers 
Pr Ei Gepolter an feiner Hausthür. (Ehe 


.. m erholt hat, ſteht ein bewaffneter 
Peine Ser wie) 1a Maße Ci ui Tai an 
‚Beine w fer. wi LT m: bi 
Policeibiener halten ihn ſeſt. Cie Haben einen Befehl mil 
ihn, ber ohne weiteres vollzogen werden muß. Mr. 
will fig ankleiden, und während er ben Grazien opfert, fängt 
der Officient an vorzulefen. Man benfe fid einen Wann, ber 
mitten in ber Nacht aus dem Gchlafe aufgeflört if, der über 
und über vor Furcht noch mehr als vor Kälte zittert, der auf 
feinem Bettrande ſigt und langfam einen Strumpf anzieht, ine 
dem er bie Zeit auszubehnen fucht, denn er erwartet nichts Anc 
deres zu hören als bie Welanntmadung feiner Verbannung. 
„Wir von Gottes Gnaben u. f. m.‘ Weich ein Erflaunen, als 
er vernimmt, baß die Sentenz ein Heirathsconfens if. ‚Wie 
denn?“ zuft Here &.; ‚jegt mitten in der Nacht?‘ ‚Ohne weiter 
ges!“ antwortete ber Offlclant; ‚e6 if befoplen!‘ ‚Run wenn 
befobten ift*, fagte Der A., ‚dann weiß ich fon.‘ Er z0g 
in Eile an und folge der Police zur Wohnung feiner Braut. 
Wie nun der zu Muthe war, wie ihr die Sache vorgebracht 
wurde, ob fie ſchlief oder machte, das Alles iſt nicht befannt 
geworden; genug, Herr A. und Bräulein 8. folgten der Policei 
vo die —ã die and Pa ae in der Nacht 
vollzogen. unten hatten ihre Pflicht gethan; %. 
that die feinige, infoweit nämlich als er Ordre FR man 
f&üttelte ſich allerfeits die Hände, ging nach Haufe und legte 
fi wieder fchlafen.” 

18 einen eigenthümliden und ziemlich durchgehenden 
im polnifhen Volkscharakter führt ve — die Funde ass 
dem Tode an, welche nur bei leidenfhaftlicher GErregung in 
8* Beratung amfehägt. ie „eipiee aus feiner Pas 

wund genug. „Biel m", fagt er, „ mie 
gu Nathe, nicht wegen irgend eines beſtimmten Geidene Tondern 
ledigiih um meine Meinung über ihre wahrſcheiniiche Lebens. 
dauer zu vernehmen. An einem ſchoͤnen Abend faß ich auf einer 
Bank auf der Galerie eines Landhauſes, als ein alter Herr von 
60 Jahren mit feiner Pfeife zu mix trat, mic höflich grüßte 
und ſich neben mir nieberließ. Die Gonne ſtand fdyon tief und 
übergoß Alles mit der gelbrötplicen Herbſtfarbe, weiche in dies 
fer Jahreszeit unter nördlichen Vreiten ihrem Lichte eigenthüms 
ich if. Alles war ſtill. Wir waren Beide in Bebanfen ver- 
funten ; teiner von uns ſprach ein Wort: ich glaubte, daß er 
ähnliche Betrachtun⸗ Da 


fidenz des Gras 
fen N., dem in der That beinahe bie ganze Stadt gehörte. Gr 
war Eürztid den Meg alles Fleiſches gegangen und war in ftie 
nem Bett geftorben, das er feit vielen Jahren nicht verlaflen 


XX 


atte. Er bildete ſich naͤmlich ein, daß er länger leben wuͤrde, 
Yen er. ftets im Wette bliebe. Er huͤtete alfo wirklich eine 
Reihe von Jahren hindurch nicht nur fein Zimmer, fondern fein 
Bett, und fein größter Troſt beftand darin, in ben Zeitungen 
Radjrichten zu lefen über Perfonen, die durch Sturz mit dem 
Pferde, ober durch das Umwerfen von RBagen, oder beim Bar 
den, oder in Wolge von Überhigung bei körperlichen RR 
gen u. f. m. umgelommen waren. Er lachte ins Faͤuſtchen, 
wenn er folcye Dinge las, und wuͤnſchte ſich Gluͤck, daß er auf 
folge Art nicht ums Leben kommen fönnte. Gr nahm Beſuche 
an wie in frähern Zeiten feines Lebens, denn feine koͤrperliche 
Befchwerde hat ihm zu dem Entſchluſſe gebracht, im Bette zu 
$leiben. Ex las, fehrieb, fpeifte und kurz lebte in feinem Bett, 
gewiß gemächlicher als Diogenes {n der Tonne Er war kein 
Syniter, kein Sektirer, kein Philoſoph; man nannte ihn nur 
den Grafen, ber immer im Bette liegt. Er war nur eine 
Spielart der Gattung. Es widerfube ihm auch, daß er in 
feinem Bette farb, gerade in dem Augenblid, als er am voll: 
Sommenften von der Nichtigkeit feiner Berfahrungsart über: 
yeugt war.” 

An foldhen individuellen Schilderungen ift das Buch reich. 
Sogleich die Schilderung des Fuͤrſten, welchem der Verf. in 
Paris diente, liefert uns ein Original. Es ſoll hier nur ein 
Zruchſtuͤck als Probe mitgetheilt werben, welches die Lebend- 
ordnung dieſes Heren befchreibt. „Seine Beichäftigungen”‘, muß 
ich fagen, „waren hoͤchſt trivial. Gr pflegte um 5 Uhr aufzu: 
og feine Robe-de-chambre an und fegte fi) an ſei⸗ 
nen Tiſch in feinem Studirzimmer, wo er bis 10 oder 11 Uhr 
faß. Während diefer ganzen Zeit war er damit befhäftigt, Skiz⸗ 

en auf einem Blatt Papier zu zeichnen, die Zipfel feines Tas 
chentuche zu kauen und Schnupftaback zu nehmen. Gr war 
fo vertieft in dieſe WBefchäftigungen, daß er kaum dom Zifche 
auffah, bis er zum Brübftüd gerufen wurbe. Jetzt offenbarten 
fi feine ſchiummernden Faͤhigkeiten, und er pflegte während 
diefee ganzen Mahlzeit mit feinem maitre-d’hötel oder mit dem 
Koch zu converfiren, wenn er Feine andere Geſellſchaft Hatte. 
Indeſſen war er feiten genöthigt, zu ſolchem Mittel gu greifen, 
denn ba fein Zifch des größten Kufs genoß, fo fehlte es ihm 
nicht leicht an Gaͤſten in Geſtalt von Vettern ober Neffen oder 
auch intimen Freunden. Diefes Fruͤhſtuͤck, welches gemeiniglich 
eine Stunde wegnahm, genoß er regelmäßig in ber robe-de- 
chambre; dann zog er fidy wieder in fein Cabinet zurüd und 
verweilte bafelbft, bis es Zeit war, fich für die größern Pflichs 
ten des Tags anzukleiden, Pflichten, wie fie ein Mann mit 
yielem Gelb und ohne Anftelung in der zerftreuungsfüchtigften 
Stadt Europas zu erfüllen hat. Eine Promenade mit ber der 
zogin von X., oder ber Gräfin von Y., vielleicht eine Aufwar⸗ 
tung bei Hofe, ober nod) wahrfcheinticher gar nichts füllte bie 
Zeit bis zur Mittagstafel aus. Wenn nicht die Zeit vor diefer 
wichtigen Epoche feines Zages (denn für ihn la vie c’&tait le 
dtner) völlig barauf gegangen war, ließ er fih rubig wieder 
ausziehen und legte fich ins Bett, wo ex fo feft fchlief wie um 
Mitternacht, bis ihm fein Kammerdiener meldete, daß es Zeit 
zum Ankleiden wäre. Dann erwachte feine Einbildungstraft 
und erging ſich in Wermuthungen über bie Beſchaffenheit der 
Speiſen, die feiner warteten, bis er endlich neben der ſchoͤnen 
Herzogin ſaß und ihr alle erdenklichen Artigkeiten ſagte, oder 
einem roſtuchen Biſſen von einem Lieblingsgerichte ſchmeckte. 
Dies war ſein Element: hier glaͤnzte er als ein Stern erſter 
Groͤße am gaſtronomiſchen Firmament; aber was kann mehr zu 
feinem Lobe in dieſer Hinſicht geſagt werben, als was einmal 
fein eigener Koch über ihn ſagte, der die unterfchieblichen Ber: 
dienfte feines Herrn herauäftrich und damit ſchloß, daß es eine 
Luft wäre ihm zu dienen, denn, fagfe er, Monsieur le Prince 
est essentiellement caisinier.”” Auch diefer Koch und bie ſon⸗ 
flige Dienerfchaft des Haufee wird in ergöglichen Genrebildchen 
vom Verf. noch naͤher geſchildert. Doch werden die ausgehobe⸗ 
nen Stellen als Proben ſchon hinreichend fein. 18. 


| Bemertung. 

Die „Geſchichte der poetiſchen Nationalliteratur ber Deuts 
fhen” von Gervinus ift fo rei) an Inhalt, hervorgegangen aus 
fo umfaffender Beleſenheit und deren fleißiger Zufammenftellung, 
begleitet von fo fcharfeindringendem Urtheil — gefeht auch, man 
wolle dies nicht durchweg zu dem feinigen machen —, daß man 
mit Bedauern geftehen muß, das Wert Iefe fi) dennoch etwas 
mübfam und unerfreufich. Abgefehen von Cinmengung franzöfls 
ſcher Worte, welche unfere meiften Schriftfteller nicht vornehm 
genug abweifen, ſcheint der Hauptfehler in einem unbeadhteten 
ober übelgewählten Zonfall (numerus) ber Rebe zu liegen, ten 
vielleicht nur ein befonders geübtes Ohr allentparben bemerkt 
und vermeidet. Schreibft bu recht Enapp und enge im Worts 
gebrauch und Periodenbau, fo geht gefällige Bindung und Ber 
fchmelzung der Gedanken und Ausbrüde verloren, was 3. B. 
bei Tacitus gerügt werben fann, und was bie befte Wirkung 
bervorbringt, wenn der Gchriftftellee bitter und böfe wird; 
fehreibft du mit weiterer Dehnung und Zülle, fo entfleht leicht 
die gutmüthige Schweifigkeit eines Wieland oder F. Nicolai, 
und der geneigte Leſer wird verdrießlich. Überhaupt weiß ein 
geneigter Leſer felten, wie viel Mühe es macht, ihm zu gefals 
lien und angenehm lesbar gu fein. An Gervinus ift nun weder 
übertriebene Kürze noch Weitfchweifigkeit zu tadeln, allein es 
fehlt meiftens ein gewiffer muſikaliſcher Kortgang ber Sehe, 
welcher bei anerkannten Gtitiften, wie Leſſing, Sturz, Gngel, 
nie vermißt wird, und für die leichte Aneignung beB Gedankens 
fo viel beiträgt. Jeder burchgebilbete Schriftſteller macht ſich 
dafür etwas Eigenes fertig, gleichſam ein profaifdhes Versmaß, 
und Goethe unter Andern hat ein ganz eigenthümtliches, ihm bes 
quemes, oft an Manier ftreifendes; bei Männern wie Gervk 
nus folte man vermutben, fie Hätten gar keins. Auf gut Gluͤck 
hervorgehoben biene folgendes Beifpiel (2. Th., &. 199): 

„Das hiſtoriſche Lied und die Iyrifche Kritik des öffentlichen 
Lebens hatte, wie ich gelegentlich erwähnte, fchon feit ganz 
früher Zeit feinen Beftand in Deutſchland, und hat unter ir 
gend einer Geftalt wol immer eriftirt. Die Volksthuͤmlichkeit in 
beiden war zur Beit ber ariſtokratiſchen Cultur geringer, wo 
fi) da® eine mehr zur umfaflenden Reimchronit, die andere 
in die Sirventes der Minefänger zog. Wenn aud vereinzelte 
Erſcheinung, wie das Lieb von Freiburgs Bunde mit Bern 
(1243), das die Babel auf das Gemeinweſen anwendet, wie 
auch Boner in feinen Nutzanwendungen in anderer Art tet, 
beweifen, daß auch das vollsmäßige poetiſche Lied nicht ganz 
ausging, fo erfcheint es doch in Zeiten der generellen Bildung, 
die ich bezeichnete, offenbar im Bintergrunde, und erfi im 14. 
Jahrhundert tritt es in erhaltenen Documenten wieder hervor.” 

Fremdes in eigenen Zonfall umzuftellen ift immer ein mis: 
liche8 Unternehmen, dennoch würde meinem Gehör Alles beffer 
lauten, wenn es etwa hieße: 

„Diſtoriſches Lied und lyriſche Kritik des oͤffentlichen Lebens 
waren, wie erwaͤhnt, ſchon ſeit fruͤhen Zeiten unter verſchiede⸗ 
ner Geſtaltung in Deutſchland ſtets vorhanden. Waͤhrend der 
ariſtokratiſchen Cultur hatten beide mindere Volksthuͤmlichkeit; 
jenes verlor ſich in die umfaſſendere Reimchronik, dieſe in die 
Sirventes ber Mineſaͤnger. Einzelne Erſcheinungen, wie das 
Lied von Freiburgs Bunde mit Bern (1243) — eine Anwen 
dung der Fabel aufs Gemeinweſen, derjenigen von Boner ähn- 
lich — beweiſen zwar, daß ein volksſmaͤßiges poetiſches Lied 
nicht ganz verſchwand; allein in jenen angedeuteten Zeiten all⸗ 
gemeiner Bildung trat es in den Hintergrund, und erſchien erſt 
im 14. Jahrhundert, laut erhaltener Schriftwerke, in felbflän- 
diger Faſſung.“ 

Vieleicht auch in folcher Art will fi) das Vorgetragene 
nicht ganz fügen, und nädert ſich faſt einer Überfegung, weit 
gerade bei Überfegungen die größte Schwierigkeit darin befteht, den 
Sinn des Gchreibenden aus feiner Sprache in den verfchiebenen 
Tonfall einer andern bineinzuräden, ohne bad Zwang unb 
Härten fich und geben. 


Berantwortiicher Herausgeber: Heinrich Brockkhaus. — Druck und Verlag von F. X. Brockhaus in Leipzig. 











SB 


ter 


für 


„48 


literariſche Unterhaltung. 





Montag, 





Erlebtes aud den Sahren 1813 — 20, von Wilhelm 
Dorow. Zwei Bände. Leipzig, Hinrichs. 1849. 
&r. 8. 2 Ahlr. 15 Nor. 

Man bat es In unfern Tagen wol beffagt, daß Ber: 
öffentlihungen von Denfwürdigkeiten und wichtigen Briefen 
aus dem jegigen Jahrhundert gu lange von ihren Be: 
figern zurkdgebatten worden find und daß diefelben mei: 
fiens erſt erfheinen, wenn ihr Rebensreis erloſchen, ihre 
Zeugen oder forfitgen Betheiligten hingeflorben find und 
ihr Werth alfo nothwendig verringert worden if. Es 
fol dies dann auch ein Grundfehler der Deutſchen fein, 
man nennt ed Schuͤchternheit, Scheu vor dem Öffentlichen 
Leben, Ängſtlichkeit vor Enrhäktung von Geheimniffen und 
wie fonft die Phrafen lauten, die ein jüngeres Geſchlecht 
jegt gar zu gern uͤber aͤltere Leute ausſpricht. Zur Wi⸗ 
derfegung derfelben ſcheint uns jegt nicht der Ort zu fein, 
da wir den Geyenftand auch fonft in d. Bl. behandelt 
und erklärt haben, daß jene edle Zurkdhaltung und 
zarte Scheu Lob verdiene, die Das für morgen oder 
übermorgen auffpart, defien Mittheilung ber gegenwärtige 
Tag nicht geflattet, und dabei höhere Zwecke vor Augen 
hat als blos den Journalismus mit Butter zu verforgen 
oder die Meugierde zu fpeifen. Die Derausgabe der 
Stein’fchen Briefe war ein merkwürdige Beifpiel diefer 
UÜbereilung, durch das das Andenken des Miniſters von 


Stein felbfi nicht gewonnen bat, während drei andere be: 


deutende Zeitgenoffen, Arndt, Varnhagen von Enfe und 
Steffens, richtig ihre Zeit erfahen und den Widerſtreit 
entgegenftehender Maͤchte zu befiegen gewußt haben. Dies 
find Buͤcher großer Lebensauffaſſung und reicher Welt: 
anſchauung, wichtige Beiträge zur Zeitgefchichte, und — 
was ja nicht zu Tiberfehen tft — zuverlaͤſſige Nachrichten, 
ohne Verlegung von Perfonen (mo nur etwa Arndt's 
ungerechter Haß gegen Varnhagen von Enfe eine Aus: 
nahme machen fonnte) und ohne Aufhuͤllung von Heim: 
lichkeiten, an denen bie Katſchfucht und die Kleinmeiſte⸗ 
zei ihre Freude hätten haben koͤnnen. 

Unter den Männern nun, die nach und neben jenen 
Koryphaͤen großen Eifer und entfchiedenen Muth gezeigt 
haben, mit ihren Erinnerungen in das Licht der Offent⸗ 
lichkeit zu treten, muß der Verf. des vorliegenden Buchs 
ganz befonder& genannt werden. Br. Dorow kann auf 
ein bewegte® Beben vol awögebreiteter Weltanſchauungen 


4 December 1843. 


= —— ———l ge _ — 


mn nn 


zurückſehen. Fruͤhe Verbindung mit intereffanten Min: 
nern und Frauen, wie mit Reinhard, Schlabrenderf, der 
Srau von Krüdener, die Theilnahme an bem Feldzuge 
der Fahre 1813 und 1814, die befondere Liebe, mit der 
ihn der Fürſt Hardenberg beehrte, die anfehntiche Weihe 
von Belannıfchaften mit ben erften Feldherren und Staats⸗ 
männern Preußens und einiger andern Staaten — Alles 
dies hat ihn begünftige und er hat fich bei fo glüdlichen 
Verbindungen reiche Tagebächer und Sammlungen von 
Briefen und Handfchtiften anlegen Finnen. Aud biefen 
find num felt einigen Jahren von ihm vier Bände mit 
Facfimiles berühmter Dinner und Frauen, fünf Bände 
Denkfchriften und Briefe, ein Band Reminiscenzen und 
die Biographie des Kriegsminifters von Witzleben beraus- 
gegeben worden, durch welche, namentlich durch die Briefe, 
mancher Strich der Beitgefchichte beleuchtet, manche Luͤcke 
und Rise ausgefüllt iſt. Erhob fi nun gleich bei Ver: 
oͤffentlichung folcher Briefe hier und da Widerfprudy und 
er(hien ein folder Vorgang Manchen nicht nachahmungs⸗ 
werth, fo fanden doch wiederum die Auswahl und die 
Sorgfalt des Herausgebers meiſtens Anerkennung und 
ließen den eigenen Mittheilungen des Hrn. Dorom mit 
einer gewiſſen Spannung entgegenfehen. Solche empfan- 
gen wir nun in dem vorliegenden Buche, das ber Haupt⸗ 
ſache nad und Im erften Bande Auszuͤge aus Hrn. Deo: 
row's Tagebuͤchern in den J. 1813—20 enıhält. Nah 
feiner eigenen Werficherung finden die Lefer hier erſtens 
nur Selbſterlebtes, fogar in Stil und Farbe oft da vor 
Fahren Niedergefchriebene, fte finden zweitens Unparteilich⸗ 
keit und Wahrheit. Hören wir ihn ſelbſt hieruͤber in 
der Dorredo zum erften Bande: 

Nur auf dringendes Anfuchen feiner Freunde konnte er (dev 
Verf. fpricht faft immer von fi in der dritten Perfon) ſich zu 
diefee Berdffenttihung entſchließen: er that es erft jetzt, nad 
dem er mit jeder Art von Dienfieben abgeſchloſſen hat und 
allein nur noch in ftiller Zuruͤckgezogenheit feinem Lebensende 
entgegenfehend, Rebe und Antwort geben kann über manche 
vielleicht dunkel ſcheinende Stellen bes Bude. Es konnte alfo 
weder das Streben nach Amt und Wuͤrden noch auch Haß und 
Abneigmg die Veranlaſſung werben, parteiiſch über Menſchen 


und Verhättniffe gu urtheilen: um fo notbwenbiger ſcheint es, 
diefe Umſtaͤnde weit bemerfii hervorzuheben, als Maͤnner, bie 


der Geſchichte angehören, in den nachfolgenden Blaͤttern ſehr 


ea lienen von der bisherigen Darftellung ihrer Charaktere ers 


einen. 


” 


Verweilen wie gleich bei diefen Worten des Hm. 
Dorow, fo gelten fie wol ganz vorzüglich von den Nach⸗ 
tichten über den Freiherrn von Stein. Daß ber Letztere 


ein Dann des unbiegfamen Willms und des leidenſchaft⸗ 


lien Eifers geweſen ift, werben and, feine wärmften 


Berehrer zugeben; was nun He. Dorom von feiner pers 


ſoͤnlichen Begegnung mit dem Minifter erſt in Könige: 
berg (I, 12), dann in Chaumont (I, 38) und zuletzt in 
Miesbaden (1, 179) erzählt, zeigt allerdings von Rüd: 
fichtötoftgkeit in Worten und Handlungen, wie fie in ges 
wöhntichen Lebensvechäftniffen nicht entfhuldige werden 
fan, aber zum Theil wol in aufgeregten Zeiten und 
bei einem Manne, der ein Held im größten Sinne dee 
Worts war, eine Art Blücher im Civilftande, wie ihn 
Varnhagen von Enfe („Denkwuͤrdigkeiten“, V, 711) pal: 
fend genannt hat. Damit möchten wir felbft die aller: 
dings unfreundliche Begegnung in Chaumont entſchuldi⸗ 
gen, wo doch der Minifter nachher gegen Dorow ſeht zu: 
vortommend fich zeigte. Ebenſo ift gewiß Stein’d Aus: 
bleiben auf dem erften naflauifchen Landtage 1818 und 
fein Benehmen gegen den Herzog von Naffau nicht eben 
das feinfte geweſen, aber trog alles Unmuths, der darüber 
im Rande herrſchte, würden wir doch jegt nach fo langen 
Jahren jenes Geſchichtchen von Stein’s orientalifcher Ab: 
fammung unterdrüdt haben und die Äußerungen des 
Praͤſidenten Ibell über „den kleinen, buckligen Minifter, 
‚dem man es an feinen feurigen Augen und großer Naſe 


‚gleich anfieht, daß er farazenifhen Urſprungs it’ (S. 182). 


Auch daß ihn Hardenberg einen „harten, unhoͤflichen 
Mann” gegen Hrn. Dorow genannt und daß Graf und 


Stäfin von der Golg ihn ale einen „ungenießbaren, hef⸗ 


‚tigen Dann’ mieden und von feinen Schimpfreden über 
den Zürften Hardenberg nichts hören wollten, ift leicht 
glaublih. Aber ganz neu war es und, daß Stein an 
des Tafel Hardenberg's demfelben immer gefhmeichelt und 
ibm den Hof gemacht habe wie einer Geliebten, und ba: 
bei unesfhöpflih reich im Erzählen von. Iufligen und 
fcherzhaften Anekdoten geweſen ſei (S. 39). Die Urtheile 
über die Gentralverwaltung Stein’6 und über die 1814 
herausgegebene Schrift Aber dieſelbe ſtimmen nicht mit 
‚gleichzeitigen Berichten, 3. B. mit dem Varnhagen's von 
Enfe, dee jegt wieder im fünften Bande feiner „ Dent: 
würdigkeiten” gedruckt iſt, überein, und fo müflen wir 
auch die Stelle: „Als der aͤußere Feind vernichtet war, 
dämmerte in Stein die Hoffnung zur alten, guten Zeit 
mit Knechten und Burgen gar fröhlih auf, und daher 
wol die grenzenlofe Abneigung gegen den Zürften von 
Hardenberg, der ben Geift der Zeit ganz anders begriffen 
hatte”, der Beurtheilung der Lefer anheim geben. So 
viel fcheint gewiß, daß Hr. Dorow den Minifter Stein 
foft nur in ſchwachen Stunden gefehen hat, wo dem 
Menſchen Menfchliches begegnet if. 

Weit größer noch als hier tritt die Verſchiedenheit 
der Urtbeile in demjenigen Stellen des Buchs heraus, 
wo Hr. Dorow von dem bairifchen Grafen Reiſach 
ſpricht. Bekanntlich fteht im zweiten Bande von Lang's 
„Memoiren“ eine wahrhaft graufenerregende Sharakteriftit 





bes Grafen Auguf von Reiſach, und man bat dem Ref. 
wieberholt verfichert, daß fie ber Wahrheit ganz gemäß 
ſei. Jetzt tritt nun Hr. Dorow als deſſen 

auf, nennt den Ritter von Lang einen ſchlimmen Ber: 
leumber (Vorrede zu Bd. 2) und ewökirt fih zur Auf: 
hellung feiner Lebensverhaͤltniſſe ganz.befonder& befähigt, 
da er von dem Augenblide der Anlangung des Grafen 
in den preußifchen Staaten nidyt allein den Vortrag über 
deſſen Anftellungsfache bei dem Staatskanzler hatte, fon- 
dern auch im Beſitz aller der Briefe und Berfügungen 
Hardenberg's iſt, welche über Reiſach nur das Vortheil⸗ 
baftefle enthalten. Hiernach leſen wir alfo (ll, 27—56) 
eine Beleuchtung ber Wicekſamkelt des Legtern in Baiern, 
Tirol und Vorarlberg, feiner Verfolgung in Baiern durdy 
das mit Montgelas eingetretene Zerwuͤrfniß, feine An- 
ſtellung als General: Landesrommifiar in den Laufitzen 
1813 und 1814 und feiner Beichäftigung im Archivwe⸗ 
fen, erft in Minden und Muͤnſter, dann in Koblenz, bis 
zum 53.1838, wo er unter Bezeigung volllommener Zu: 
friedenheit in Ruheſtand verfege worden if. In dieſem 
Berichte findet fid) au die Erwähnung des unangeneh⸗ 
men Vorfalls zwiſchen Reiſach und Stein im Haufe bes 
Generals von Borftell zu Koblenz; am 24. Sept. 1829, 
wo Stein mit der größten Heftigkeit erklärte, daß er nicht 
bleiben würde, wenn ſich Reifach nicht entfernte, worauf 
fiy dann endlich Reiſach zurüdjog. Er erhielt zwar 
keine perfönlihe Genugthuung, aber die angefehenfen 
Staatemänner Preußens fprachen fi für ihn aus, na 
mentlich der Oberpräfident von Binde, der Freund des 
Minifters, nannte Stein’s Benehmen in einem Schrei: 
ben vom 13. Dec. 1829 ein „‚empdrendes” und fehte . 
binzu, daß das Benehmen des Grafen Reiſach nur ber 
Vorwurf einer zu großen Mäßigung gegen feinen Geg- 
nes treffen koͤnnte, wobei er der fiebzehnjährigen Dienft- 
führung des Grafen im preußifhen Staate das unde- 
dingteſte Lob ertheilte. 

Wir haben geglaubt, dieſe vielleicht nur unbedeutend 
ſcheinende Angelegenheit nicht übergehen zu duͤrfen, da fie 
die Schwierigkeit, ein feſtes, ſicheres Urtheil über Perſo⸗ 
nen der letztverfloſſenen Zeiten zu gewinnen, in ein ſehr 
helles Licht ſezt. Auf der einen Seite Hardenberg, Vincke, 
Peſtel, Ribbentropp, Hormayr, Dorow, Ingersleben, der 
Erzherzog Johann von O ſtreich — alle für Reiſach, auf 
der andern Seite gegen ihn Montgelas, Stein und Lang. 
Alſo auf beiden Seiten berühmte Namen und rechtliche 
Männer. Wo ift nun die Wahrheit? 

Die hervorfiechendfte Figur in dem ganzen Buche ift 
der Fuͤrſt Hardenberg, der zu Dorow eine faft vaͤterliche 
Sefinnung hegte und in allen flaatemännifchen wie haus: 
lichen Beziehungen feine licbenswärbige, großartig vor: 
nehme und doc fo anziehende Perſoͤnlichkeit bethaͤtigt. 
So fehen wir ihn in Chaumont, voll Freude über bie 
Fortſchritte, welche die Cultur bei den Negern macht, 
und im WWechfelgefpräd mit Humboldt, aber au vol 
Verdruß über die Auſicht eines feiner Raͤthe, der fie 
„ſchwatze Thiere“ nennt und meint, fie wären nur zu 
Sklaven geboren. „So kann nur ein Dummkopf oder 





and 


ein ſchlechter Menſch Ippeden”, waren die Worte des 
fonft fo milden Künfien, nit denen ex. heftig aufſtand 
und bie Tafel verlieh (S. 41). Große Sanftmuth zeigte 
er gegen Goͤrres und das „Pferdegetrappel feiner demagogi⸗ 
ſchen Sreiheitsfpradye”, um einen Ausdruck E. Muͤnch's 
zu gebrauchen („Denkwürdigkeiten“, l, 436), als ihm dieſer 
die berüchtigte koblenzer Adreſſe uͤberreichte und der uralt 
geborene Edelmann dem revokutionnairen Profeſſor erwidern 
mußte: „Ihre Foderungen find nicht zu erfüllen, wie 
koͤnnen bem Abel jest nicht mehr die Rechte einräumen, 
die Sie verlangen, die Zeiten find vorbei.’ Weiter lefen 
wir bier, wie Goͤrres zur Tafel geladen in fchmusigen 
Stiefeln und im Oberrod erfchlen (gerade wie Jahn in 
feiner ganzen Turndeutfchheit auf dem Wiener Songreffe), 
fi gegen Fürft und Zürftin, zwiſchen denen er faß, auf 
die ungefchliffenfte Weile benahm, die Namen der bekann⸗ 
teften Beamten, namentlich Rother, auf die unerlaub; 
tefte Weiſe verunftaltete, mit dem Füͤrſten ſehr leiſe 
ſprach, wohlwiſſend, daß er ſchwerhoͤrig war, zur Fuͤrſtin 
aber wie cin Fuhrknecht ſchrie u. dal. m. (S. 174). 
In einer Anzahl der freundlichſten Privarbriefe an Hrn. 
Dorow ſchtieb der Staatskanzler über fländifhe Verhaͤlt⸗ 
niſſe und gab ſich Muͤhe, die oͤffentliche Meinung und 
die Anſichten uͤber Preußen zu berichtigen; in andern 
ſuchte er berühmte Männer und geſchickte Publiciſten wie 
Weigel aus Wiesbaden, für Bonn zu gewinnen, um 
dort die „Rheiniſchen Blätter ohne Cenſur zu redigiren; 
an Brandis', Seiler's und Schelling's Berufung an die 
genannte Univerfität ward im J. 1818 gedacht. Auch 
von der naͤchſten Umgebung und Familie des Zürften 
wird manches Pilante erzählt, die Fuͤrſtin fehr gelobt, 
Koreff's Einfluß als hoͤchſt verdrießlic dargeftelle*), und 
ſehr beklagt, daß er den Schoͤll'ſchen Intriguen habe wei: 
chen muͤſſen. Bon des Verf. vertrauter Stellung zeugt 
aber ganz befondess das Schreiben vom 6. März 1820, 
in dem der Staatskanzler dringend gebeten wird, auf An: 
Hagen wie die des Kriegsraths Borbſtedt und dergleichen 
Herren keinen Werth zu legen (&. 219). Die offene 
Sprache diefes Briefs ehrt den Schreiber wie den Em: 
pfänger. In jener Zeit unglüdlicher Verdaͤchtigung hatte 
nämlich eine Denuncation gegen Den. Dorow flattge: 
funden, und wie feft Hardenberg auch von deſſen Treue 
und Patriotismus überzeugt war, fo konnte er doc nicht 
umbin, denfelben duch ben Geheimrath Grano ganz im 
Geheimen vernehmen zu laffen. Dies Verhoͤr har der 
Perf. mit vieler Heiterkeit befchrieben, die fid) bei dem 
Lefer noch durch den lächerlihen Ausgang der Unterfus 
hung echöhen wird, Denn ein von Hm. Dorow im 
Nov. 1818 gefchriebener Brief, worin er, um den Kriege: 
rath von J., einen fehr übelberichtigten Mann, mit dem 
er eine Geſchaͤftsreiſe in Polen machte, zu erfchreden, von 
einer heimlichen Feme und einem Tribunal, das im 
Berborgenen über Hohe und Miedere richte, gefchrieben 
hatte, war in andere Hände gerathen und 1820 die Ver: 


2) Die mit Ruhe und Unparteitichkeit verfaßte Schitderung 


bei Steffens („Was ich erlebte”, VIII, 329-3353) gibt freilich 


ein anderes Reſultat. 


anlaffung zu einer Unterfuchung geworben. Wie ſchwer 
e6 dem Staatskanzler fiel, eine ſolche zu verfügen, er aber 
doch nicht im Stande war, andern Einflüff,a zu wider 
ſtehen, zeigt der faſt im Zone der Entſchuldigung am 
Dorow gefchriebene eigenhändige Brief (S. 207). Einen 
weit angenehmern Eindruck macht Die herzliche Erinne⸗ 
rung der Bewohner von Anſpach und Baireuth an bie 
Verwaltung des Fürſten Dardenberg (li, 88 fg.), wg 
Dorom’s Nachrichten durchaus mit denen in den Lang’s 
(hen Memoiren übereinftimmen. 

Bei dem bewegten Leben, welches Hr. Dorow in den 
genannten Jahren geführt bat, mußten ihm eine Menge 
intereffanter Perfonen begegnen, und menn ihre Bilder 
auch nicht mit der Feinheit und Menſchenkenntniß eines 
Varnhagen von Enfe gezeichnet find, fo erfreut man fidy 
body an den bekannten Beflalten und mancher neuen 
Notiz. So kommen Niebuhr, Zuftus Gruner, v. Witz⸗ 
(eben, v. Müffling, Jordan, hell, der Alte von Gauting 
(Baron Hallderg), 5. Schlegel u. X. vor, nebenbei wird 
manche Scherzrede und Kriegsſcene erzählt, wie vom $ür: 
ften Primas und einer fhönen Polin (1, 94) und aus 
dem Kriege 1815 vom General Thielemann und dem 
Major v. Natzmer — ein Beitrag zur Gefchichte buch: 
ſtaͤblicher Auslegungen (S. 150 fg.). 

(Die Jortſetzung folgt.) 


Von G. 
Preis 


Bilder aus Spanien und der Fremdenlegion. 
v. Roſen. I. Kiel, Buͤnſow. 1843. 8. 
für zwei Bände 2 Thlr. 15 Nor. 

Es ift dahin gekommen, daß felbft unermuͤdliche Beobachter 
der politifchen Durchgänge den Zuftand Epantens in feinem ewi⸗ 
gen Bürgerkrieg — der mit dem Dreißigjährigen Kriege unferes 
eignen Vaterlands viel Analogie darbietet — für hoffnungslos 
zu erflären anfangen und ſich gleichgültig von einem Schaufpiel 
abwenden, das die Eigenthuͤmlichkeit hat, in aller feiner Mans 
nichfaltigkeit monoton zu werden. Gin Räthfe, das Niemand 
zu löfen weiß, hat auch für Niemand ein Intereffe; eine Frage, 
die immer wieder aufgeworfen wird, nahdem die Greigniffe fie 
eben erft beantwortet haben, läßt uns am Ende gleihgültig und 
wenn fie auch noch fo wichtig ift, und ein Kampf, bei dem je⸗ 
der Sieg nur Signal und Anfang eines neuen Kampfes ift, er: 
tödtet zuteßt auch die Theilnahme des ZTheilnehmendften. Dies 
ift der Fall mit dem fpanifchen Bürgerkriege, der, fo reich er 
an Wechſeifaͤllen, Ihaten, unerwarteten Umſchwuͤngen und ins 
tereffanten Epifoben auch ift, eben weit kein Ende abzufchen ifl, 
weil Eein Biel fichtbar wird, wohin alle dieſe Umſchwuͤnge ſtre⸗ 
ben, kein Ruhepunkt für bie oscillivende Bewegung, kein Schluß⸗ 
facit, fein leztes Reſultat, auch für den ausdauernden Beobach⸗ 
tee endlich feine Bedeutung einbäßt. Wir fagen, es fei faft 
dahin gekommen, inzwiſchen rechnen wir uns immer noch zu 
Denen, die mit Begierde jedes Mittel ergreifen, um in biefem 
Raͤthſel Boden zu gewinnen, jede Schrift, um darin wo möge 
lich Andeutung, neues Materfal zur Urtheilsziebung, jeden Reiſe⸗ 
bericht in der ‚Hoffnung durchblättern, barin etwas zu entdecken, 
bas uns das merkwürdige Problem beffer zu erfennen, vielleicht 
loͤſen zu können bätfreich fei. 

In diefer ſtets vergeblidhen und ſtets getäufchten Hoffnung: 
öffneten wir auch bie eben angezeigte Schrift; allein unfere Taͤu⸗ 
fhung war biedmal gar eine doppelte. Nicht nur, daß wir 
von dem Gefuchten nichts fanden, fo trafen wir audy nidjt ein: 
mal auf eine intereffante Lecture. Der Verf. hat etwas erlebt, 
das ift Alles; feine Betrachtung ber politifhen Vorgänge, an: 
denen er Antheil nahm, ift die eines Feldwebels, und er erhebt 


Piss 


2“ nicht über die Erlebniſſe feines engen Gefiätötreifes. Was 
Neiy und Sieb ber Fremidentegion vorgeht, erzählt er gut 
und Übel; zu lernen haben wir wenig ober nichts von ihm. 
Grein Buch nimmt eigentlich gar keinen Standpunkt ein; ‚nicht 
einmal den militairiſchen, denn auch auf biefem bleibt ex über 
diemaßen fubordinirt. Was uns allein aus biefer Schrift 
klar wird, ift die entſetzliche Principientofigkeit, der fchauderhafte 
WBanteimutb, die herzzerreißende Tyrannei, Blut» und Gewalt: 
Liebe, mit einem Worte, vie gaͤnzliche Verrenkung und Zerbroͤ⸗ 
ckelung allex ſtaatlichen Macht, die Willkuͤr, die tiefe Desorga: 
nifation und zulegt die Hoffnungsloſigkeit der politiſchen Zuftände 
in Spanien. Dies Bild ift nicht erfreulich. Won allen ben 
&lementen, die einen Staat bilden, zufammenhalten und tragen, 
tft nichts in diefem Sande übrig geblieben als perfönlidde Ta⸗ 
pferkeit und ein gewiſſer Rationatftolz, in ſehr unverflänbiger 
Unmendung. Sin gewiſſes Einheitegefuͤhl nad außen bin iſt 
ſchlechthin das einzige Bindemittel, das letzte Element, an bas 
fi die Doffnung ftaatliher Wiedergeburt Enüpfen kann. Und 
dennoch — an einem Wolfe darf man nicht verzweifeln! Wie 
fland es um Deutſchland im Jahre 18127 Gchien nicht jebe 
Hoffnung ein Unding, jede Erhebung ein Frevel, jeder Gegen: 
druck unmöglich? Zwiſchen dem Deutfchen und bem Spanier 
herrſcht Familienverwandtſchaft; das gothiſche Blut ift auch jens 
feit der Porenden das geſetzgebende; die Verwandtſchaft beider 
Bölker zeigt fih auch in ihrer Zaͤhigkeit nationalen Bewußtſeins, 
in ihrer Langlebigkeit als Volker. Hoffen wir alfo aud für 
Spaxien. Es bedarf dort, dürft ung, weniger eines Cromwell 
oder Napoleon, wie eines Stein, Hardenberg und Münfler; die 
Gemuͤther reifen tro& des entgegenftehenden Scheins der Zeit 
entgegen, wo bie Saat der Vernunft Boden und Wachsthum 
finden wird. Spanien hat, fo glauben wir, Beine September: 
tage, feine Robespierre und Marat nöthig, und wird fie 
und ibre Schaffote entbebren können. 
feine Gonſequenzmacher, die fuͤrchterlichſte Race der Tyrannen, 
bie biutgierigften Söhne jeder ideal:politifchen Ummälzung. Spas 
nien befigt feine Ideologen — das ift unfere Hoffnung für dies 
Land. Es bat Feine Parteien aus fogenannter politiſcher Über: 
zeugung, fendern nur aus Leidenſchaft und SIntereffe; die Lei⸗ 
denfchaftlichen verzehren fich ſchneil, die Intereffen taffen ſich 
beſchwichtigen; es kommt nur darauf an, daß cin Geift fi 
finde, der fie zu verfchmelzen verfteht. Überzeugungen aber, 
Syſtemſucht find unbezwinglich. Gluͤcklicherweiſe befigt Spanien 
keine Sieyes, unter allen die Ichlimmften Feinde des Völferfriedent, 
feine Robespierre, die aus Zugendliebe und um ein in ihrem 
Kopfe ſpukendes Staatsideal zu verwirflichen, die halbe Menſch⸗ 
heit köpfen möchten, feine Srommell, die der Geiſt trieb. 


Doch wir ehren gu unfern „Bilbern aus Spanien’ zuruͤck, 
weiche freilich für eine ſolche Betrachtung ber Dinge wenig Gtoff 
Sarbieten. Der Verf. landet mit ber franzöfifchen Freindenlegion, 
weiche Ludwig Philipp in Algier nicht mehr gebrauden konnte 
und bie er daher großmüthig als Iegion auxiliaire feiner Bun: 
desgenoffin Chriſtine von Spanien abtrat, 0— 71000 M. ſtark, 
in Zarragona. Diele Truppe wird merfwürbdig, je näher man 
fie Eennen lernt. Herzog Bernhard's von Weimar Gorps im 
Dreißigjährigen Kriege mag ein ähnliches Heerweſen bargeftelit 
haben wie fie. Geſindel aller Völker, Polen, Deutfche, Fran⸗ 
zofen, Itatiener, faft jeder mit feinem Paͤckchen Schuld verfehen, 
die Deutichen aber in überwiegendsr Anzahl, bilden dieſe bunte 
und ſchwer zu lenkende Waffe, der ein Gore, Bernelli, als Chef 
vorfteht. Nef. ſah dieſes Corps ſpaͤter größtentheild im jam: 
mervollſten Zuftande nah Frankreich und Deutſchland zuräd: 
kehren und kann beflätigen, daß es eine feltfame Geſellſchaft 
war. Der Verf. ſchildert uns nun auf ſeine Weiſe die lebhafte 
Handelsſtadt Tarragona mit feiner gewerbfleißigen bluͤhenden 
Umgebung, ben reichen Garten Cataloniens, den Haß feiner 
Bewohner gegen bie Zrangofen, den Reiz feiner ſchwarzaͤugigen 


Denn Spanien beſitzt 










» \ An . 

Brauen, bie und Weiſe ei iiiteiielte, bie 
was dergi naßeliigesbe Dinge weile: Uns;- 
ſonderbaren Gbarafteren feine Gommanbeuui 
minder. angiehenden @ecnen des Krisgexiche 
Diefen für die Erkenntniß der politiſchen Zuff 
nicht viel Ausbeute gewonnen werde, baden 
geſchickt; inzwiſchen tefen fi einzeine Gapitel 
Theilnahme und wir koͤnnen mit bem jungen Unde 


roffizier von 
Herzen ſompathiſiren, wenn er uns feine Gefühle beſchteibt, als 
er zum erſten Male zu einer militairifchen GErecution comman- 
dirt in Satfernung von ſechs Schritten fein Gewehr auf ei: 
nen unglüdliden Kameraden anzufdglagen hat. Der Feidzug 


ſelbſt beginnt, Maͤrſche und Gontremärfche, meiſtras forcirt 
unb außerorbentlich erfchöpfend, Biponacs und zur Erquickang 
Quartiere in ausgeleerten Ktöftern, beren Zahl Region iſt, kleine 
Grpebditio:en, die in den pompbaften Bulletins als Dauptfchlad;: 
ten bargeftellt werden, und bei welchen e8 den Verf wenig zu 
kuͤmmern ſcheint, gegen wen er eigentlich kämpft — denn er 
beiehrt uns hieruͤber faft niemale —, Artigleiten und Scheime⸗ 
veien feiner Wirthe; bier und da eins Stadt ober Meturfchilde 


‚rung (Lerida, Balaguer, Barbaftro), Eleine Abenteuer aller Art 


u. dgl. mehr bilden den Inhalt des Bandes, ber, machdem Gurt: 
gue und Los: Eroled aus dem Felde gefchlagen find, mit bem 
triumphirenden Einzug in Vittoria endet. Zu einem fÜberblid 
der Ereignifle fommt es nirgend, wir orientiren uns nicht in 
ihnen, und flatt eines Bildes jenes feltfamen Kriege müffen 
wir uns an keinen Bruchſtuͤcken genügen laffen. Vielleicht, daß 
der nädhftfolgende Band etwas foftematifdher ausfält und meyı 
Befriedigung gewährt. 8. 





Notizen. 


Englifde Sammelwuth. 

Es ift auf dem Eontinent befannt, wie gierig die Englaͤuder 
nad) allen Arten von Raritätenfram, unter Anderm nadı An: 
denken an berühmte Perfonen find. In Bezug auf diefe Eigen: 
heit unterlaffen die engiifhen Journale nicht, bei der Todesan⸗ 
zeige irgend eines namhaften Mannes die Sammilir aufmertfam 
zu madıen, daß ihr Weigen blühe. „Diejenigen, welche ſich für 
die morgenlänbifche Literatur intereffiren‘‘, fagt ba® „Alhenaeum”, 
„werden mit Vergnügen erfahren, daß Dr. Gefenius geftorben 
iſt.“ Nein, ehrlich geftanden, fagt das Journal nidgt woͤrttich 
Dies, aber was es fagt, kommt doch genan auf Daſſelbe hinaus. 
Es ſagt naͤmlich: „Diejenigen, weiche fi für bie orienkaliſche 
Literatur interefficen, werden mit Bergnügen erfahren , das fid 
ihnen eine G.legenheit darbietet, nicht nur ſchaͤßbare Werke über 
biefelbe zn erwerben, fondern zugleich Andenken an einen ber 
Väter orientaliſcher Sprachforſchung, Dr. deſſen Bi: 
btiothef am 16. Ian. umb folgende Tage öffenttih verſteigert 
werden wirb.” 


Samuel Butler’s Denkmal. 

Samuel Butler, der Berf. des „Hudibras”, war ber Sohn 
eines Paͤchters im Kirchipiel Otrenfham in Worceſterſhire, und 
wurde daſelbſt am 13. Yeb. 1612 geboren. Begraben liegt er 
in ber St.⸗Paulskirche (Govent«Garben).- Aber ber Befiger 
von StrenfhamsPark errichtet Ihm jest ein Denkmal in feinem 
Geburtsort. Es iſt faft vollendet und befteht aus einer weißen 
Marmortafel mit folgender Inſchrift: „This tablet was erected 
to the memory of Samuel Butler, to transmit to future 
that near this spot was bern a mind so celebrated. In 
Westminster Abbey, amoag the poeis of England, his fame 
is recorded. Here iu his native village, in vencration of 
his talents and genius, this tribute to hie memory has been 
erected by ‚he posseisor of the place of his birkh — Sohn 
Taylor. 8 am.’ AB. 


Berantwortliher Herausgeber: Heinrih Brokhaus. — Drud und Berlag von B. X. Breodbans in Beipzig. 








Ir pure 


Bırter 


Ba et Be dt. a Ar . . n 427° a. 0. [u sans» 
BE Ta 





literarifthe liuachatri 





D Dienflag, 





Erlebtes aus ben Iahren 33 von Wilhelm 
Dorom. Zwei B nbe. 
(Wetfegung aus Nr. 86, ) 

Menden wir uns zu Hrn. Dorow’s Geihäften und 
perföntichen Beforgungen, fo ehrt es Fhn ganz vorzüglich, 
daß er, durch eine Verwundung in ber Schlacht bei Lichen 
unfähig zum activen Kriegsbienfte, daffır den grauenhaf⸗ 
ten Krieg, der hinter der Armee in fchleichenber Geſtalt 
ausbrach, nicht [heute und in bie Mitte der Vermunbe: 
ten als freundlicher, entfhloffener Helfer getreten iſt. 


Freiwillig bot er ſich der Central: Hofpitalverwaltung in |- 


Frankfurt am Main, der Graf Solms: Laubach und ber 


treffliche Generaldirector von Voß vorftanden, zur Über: 
nahme einer Commiffioen und Inſpection der Lazaretbe 
in Baden, Whrtemberg, Batern und in einem Theile der 


Schweiz an. Im April 1814 trat er In Beglektung 
des Dr. Merrem (jegt Geheimer Medicinalrath in RUN) 
diefe Reife an. 

Was nun aus Acten, Denkfchtiften und aus eigener 
Anſchauung bier mitgerheift wird, hat man moch in kei⸗ 
nen Memoiren gelefen. Und dae eiſte davon iſt umer: 
freulich, es zeigt ein Ubermaß von Roheit, Graufamkelt 
und Egoismus und verdiente vollkommen von Hrn. Derom. 
an das Licht geftellt zu werben als ein Warnungsſpiegel 
für Lünftige Zelten. Denn man kann bie Thatſachen 
nicht ohne Schaudern Iefen, tote zu Neudingen m Baden, 
der Commandant des Lazareths, ein ruffifcher Hauptmann, 
nie in die Ktankenzimmer dam, wie der amgeftellte Regi⸗ 
mentsatzt vom Motgen bis zum Abend betrunken war, 
und wie der Stabsarzt allen Kranken entweder einen 
Baldrfananfguß mit Opfum uber ein Chinabecoet ober 
eine Auflöfung bittere Extracte reichen MB, Arme und, 
Beine aber ntitteld eines Zirkeffiynttts abloͤſte, wobei die 
Knochen meift aus den Wunden hervorragten. In Ks: 
lau in Baden fand die Commiſſton eimen Arzt, dem ven; 
feiner Regierung wegen Unfählgkeit die nebicinifche Praxis 
unterfagt war (S. 58), und als in Willingen in Baben 
das oͤſtreichiſche Lazareth zu Überfliit war, weigerte fich 
bie wuͤrtembergiſche —— beharuikd, bie freiftchendtn 
Locate in dem benachbarten Rottweil einzuräumen. ’ Deu 
öftreichlfche Commandant fchickee enblich ohne weldered Ks 
nen Transport von 300 Mann nach Rome. Bin 
ließ aber bie Ungluͤcklichen nackt and bloß auf ber Seraße 


nur den aͤußerſten M 
auf ſtand der alte Koͤnig van ſeinem Begehren ah, die 


Uegen, der Xransportführer mechte fich mit Gewalt r 
Beſitz einiger Locate fegen. Eeſt nach einigen Tagen 
ward nothduͤrftiges Stroh verabreicht, die Geraͤthe mußten 
aus Villingen herbeigefchafft werben md ben -Gioikdeiten 
Yerbot die wuͤrrtembergiſche Regierung auf das firengfie, 
die Spitäler zu beſuchen, ja felbſt dem Oriksgeiſtlichen 
wurde wnter Bedrohung mie Feſtungsſtrafe im Namen 
des Konigs unterſagt, den Sterbenden den legten 
hen Droſt zu velchen. Aber trotz dlefer Deohun 

ber Furcht vor Anftedung erfchien ber wuͤrdige 2 
der Kirche — warum bat Hr. Dorow feinen Namen 
nicht genannt — doch bei Nacht in der Wohnung des 
menſchlichen Elends (S. 64 fo.). Dieſe Beiſpiele md 
zwar von Badifhen Lazarechen entnommen, aber ber Werf. 
erklaͤrt ausdriiih am mehren Stellen, daß der Geh: 
bergog von Baden und feine Regierung ſtets den ebeiften 
Willen bezeigt, geholfen haben, wo fie nur konnten und 
die Arkeger aller Nationen ohne Unterfchteb wie ihre Un⸗ 
terthanen anzufehen pflegten. Die Hoſpikaͤler in Man⸗ 
heim namentlich waren muſterhaft eingerichtet. 

Dagegen weigerte man ſich in Wuͤrtemberg, two ba> 
mals Friedrich I. mit despotiſcher Gewalt herrſchte, bush: 
aus und beharrlich, die Eommilfion als ſolche anzuerken⸗ 
nen oder Ihe eine Beſichtigung ber Lazazethe zu geſtatken. 
Man muß bei Hm. Dorow felbft die von Ihm auf ſcheift⸗ 
lichem Wege eingefhlagenen Maßregeln nachſehen, feine 
Gorrefpandenz; mit dem  würtembergifihen Kriegsmini⸗ 
fer, die in Anfpruch genommene Verwendung ber frem: 
den Geſandten — Alles blieb vergebens, die Commilfion 
mußte MWürtemberg unverrichteter Sach⸗ verlaſſen, hatte 
aber wenigſtens die —— zu erfahren, daß die 
obern Behoͤrden ben Lazaͤrethen eine größere Sorgfalt 
wendeten und vlele Maͤngel abſtellten. Der Koͤnig * 
war perfoͤnlich gegen Dorow erbittert. Als er ihn daher tm 
ſtuttgarter Theater in der erſten Logenrelhe erblickte, Tieß 
er ihn auffobern fi in ben zweiten Rang zu begeben, 
da er nicht hof» und courfählg fel. Dorow behgrrte 
indeß auf feinen Plage, ließ fich in feiner Eigenſchaft ats 
Sommiffarius einer hohen Behörde und als preußiſcher 
Offizier durch keine Drohung einfchlichteen und erklärte, 
egeln weichen zu mollen. Hier⸗ 


ganze Scene aber (S. 85—87) liefert einen eu Be⸗ 


12117910 


weiß zur Charakteriſtik dieſes Fuͤrſten, der 1809 die th: 
binger Profeſſoren zwang, einen koͤniglichen Verweis fig: 


hend anzuhören und dem Pfarrer Pahl in den derbſten 


Ausdräden feine Unzufriedenheit ‚mit deſſen „MNatlonals, 
At B den” Ind Mit feinen Arten inffache 

Th: , „uierinkein Be ee nichts zu⸗ſuchen Habe”, 
zu“ertennen geben ließ. ”) 

In Baiern hatte die Commiſſion kein beſſeres Schick⸗ 

fo. Wo fie auf ihrer Reife bis München Lazarethe fe: 





ben und beobachten konnte, geſchah dies auf das genaueſte 


und fie mußte die traurige Erfahrung machen, daß die 
bairiſchen Soldaten forgfältig gepflegt, alle übrigen Krie⸗ 


ger der verbündeten Mächte aber unverantwortlich ver. 


nadhläffige wurden. Die Berichte hierüber wurden dem 
Miniſter Montgelas zugeſendet, aber trotz Beobachtung 
aller Formen und. Vorßchtsmaßregeln erhielt die Com: 
miſſion keinen Befcheid, ihre Zulaffung zu den Lazarethen 
hetseffend-, ſondern der bairiſche Civilcommiſſar in Re: 

burg ward angewiefen, der Commiſſion zu erklären, 
daß die bairifche Regierung die „angeblichen“ Commiſſare 
‚der „fogenausten’’ Sentralverwaltung nicht anerkenne. 
In Münden, fuchte hierauf die Sommiffion Genugthuung 


für sine fo widerrechtliche Behandlung, zuerſt vergeblich. 


auf ſchriftichem Wege, dann in einer mündlichen Unter: 
zedung mit dem Mimiſter Montgelas, zu der aber Hr. 
‚Dogs nur ale preußifcher Offizier, nit als Commiſ⸗ 
far der Gentralverwaltung gelangen konnte. Dieſe drei: 
ſtuͤndige Audienz, über die Hr. Dorow auf mehren Sei: 
ten berichtet hat, ift in mehrer Hinſicht intereffant und 
befonder& jegt, wo bie Aufmerkſamkeit durch die Lang’: 
:fehen „Memoiren‘’ wieder auf den Minifter Montgelas 
geleitet iſt. He. Dorom benahm fich bei ben nicht im: 
mer würdigen Ausfällen des Minifters auf Hardenberg, 
Solms⸗-Laubach und mehre preußifhe Beamte mürbig 
‚und feſt, ſodaß er für ſich vollkommene Genugthuung 


und Zuruͤcknahme des obigen, beleidigenden Befehle er⸗ 
hielt. Unwillkuͤrlich wird man ſich bier an die Worte 


des Schiller'ſchen Wallınflein über den Schweden Wran⸗ 
gel erinnern: 
Wohl wählte ſich ber Kanzler ſeinen Mann, 
Er haͤtte keinen zaͤhern ſchicken koͤnnen. 
Aber die Zulaſſung der Commiſſion zur Beſichtigung der 


Lazarethe bewilligte Montgelas nicht und ließ deutlich 


‚merken, daB er andere Zwecke als die genannten von 
Doxow und Merrem befürchte. | 
‚wiffen, meint ber Verf,, und ber Mangel an Treue ge: 
gen bie deutſche Sache, die duch die unbedeutenditen 


„Dinge und durch den entfernten Schein. aufgefchredt, 


“wurden (8. 102). Jedenfalls hatte aber die Commiſſion 
fi) des belohnenden Refultats zu erfreuen, daß Montge⸗ 


las fofort Unterfuhungen anorbnete und daß den Laza-. 


.sethen fortan bie ‚größte Sorgfalt gefchenkt wurde. 
„. In den norbbeutfchen Staaten zeigte fich dee Herzog 


von Braunſchweig ſehr willig feiner Pflicht als deutſcher. 


V VDies bezeugt v. Dreſch in feiner Kortfegung ber Schmidt'⸗ 
chen: / Goſchichte Son Deutihland‘! :{I, 313), und Pahl in ſtinen 
— entwindigteiten (G. HP. W I IE N E 


1 
211 . 
\ 1 


Füͤrſt treu zu fein, das 


-flertum in Hanever aber Curiaiſtit 
es ab, fich ber Centralverwaltung anzuſchließen. Die klaͤg⸗ 


lichſten Fee A 


dern. 


Es war das böfe Ges | 









ten die Hanſeſtaͤdte an und 
mußten 86 


innert weiben, De 1 baethen ee 


falen und am Niederrhein im Ganzen zu loben, nament: 
lich zeichnete fi die Stadt Bremen aus. Hr. Dorem 
bat Überhaupt gern alle Lichtpunfte in dem traurigen Ge: 
maͤlde herausgehoben und Männer, wie Jung in Man: 
beine, Ullmann in Marburg, Rudolph in Frankfurt u. A. 


welche ſich um die Lazarethe große Verdienfte erworben 


haben, namentlich) ausgezeihne. Er felbft machte bie 
Ergebniffe feiner Reifen und Erfahrungen in mehren 


Druckſchriften und im „Rheiniihen Mercur“ bekannt; 


einige dieſer Briefe find im zweiten Bande abgedrudt, 
welche befonders „die Schredien einer ruchlofen, elenden 
und von der Regierung verlaffenen Hoſpitalverwaltung 
in den naffauifhen Hoſpitaͤlern“ im Frühjahr 1814 ſchil⸗ 
Diefe Lazarethe, heißt ed, wären wahre Peſthoͤh⸗ 
len, nirgend wären die Kranken unmenſchlicherweiſe mehr 
verwahrloft, eine blutige Schlacht hätte dem preußifchen 
Heere wenige Menſchen gekoſtet als bie unbrüberlicye, 
an Krankenpflege in den nafjauifhen Landen 
©. 82), 

Nah dem :Ausbruche des Kriegs 1815 widmete ſich 
Hr. Dorow fortwährend dem Militaie: Lazarethwefen und 
blieb bis in ben Auguft bei ber Gentrafverwaltung ber 


‚Hofpitäter, mo bie Geſchaͤfte derfelben aufgelöft wurden. 


Vom Nov. dieſes Jahrs bis in ben Sommer 1817 if 
eine Luͤcke in feiner Lebensgefchichte, die erſt fpdter aus: 
gefüllt werden fol. Er beginnt die Fortfegung von der 
Zeit an, wo ihn feine Krankheit zu den Heilguelien in 
Wiesbaden geführt hatte. Dort leitete ex die im Naffauifchen 
begonnenen Ausgrabungen roͤmiſcher Alterthuͤmer, war 
literariſch befchäftige und wurde wm Staatölanzler Dar: 
denberg zu verfchiebenen Aufträgen gebraucht, deren zum Theil 


ſchon oben gedacht iſt. Vieles wurde begonnen, was aber 
‚nachher unterblieben iſt, es war jene Zeit heimlicher Des 


nundationen ‚und trauriger Verhaftungen. Dr. Deorow 
aber langte im Anfange des J. 1820 in Bonn an, um 
einen neuen, für ihn durch Hardenberg gefchaffenen Wir- 
kungskreis als Director dar Verwaltung für Alterthums⸗ 
tunde . in den rheinifdpweftfälifchen Provinzen anzutreten. 

Unter den Kinzefbeiten dieſes exften Bandes glau⸗ 
ben wie noch auf die Mittheilungen uber das ruffi: 
fhe Generalgouvernement in Sacfen 1813 unb die 


‚Spannung, in welcher baffelbe mit preußifchen Behörden 


lebte, ſowie auf die Urtheile über einzelne in Sachen be- 


‚beutende Dännss, als Gerber, Dppel, Miltig aufmerkfam 
machen zu müffen (©. 30—36),. 


Allerdings tragen dieſe 
Erinnerungen dig Farbe ber Zeit und da jetzt Vieles bef- 


ſex it als. damals, fo hat. auch Hr. Dorow Manches 
‚muterdzücdt. Aber ſchen Das, was bier ficht, verbunden 
mie ben. ruhigen Bemerkungen, die wir forben in Stef: 
fent Buche „Was ih lebte” (VU, 124 fg.) finden, 
daef nicht hei qquur Darftellung. jener Zeit unberückſichtigt 


nme ee — —————— — — — — — — a 





WER: ana Men. 
DIA: au 

dert iſtꝛ Das erteeidige. 2 
Goa! (S. 36) WR man: mar Jarereſfei 
meint in’ diefen, iin Der 1914 geſchriebenen 
ter Anderm, man folle für jeden Preußen, der | 
angefielis wicht, uwei Sachſen in bie Hunter. dax dltern Novin⸗ 
‚gun eintreten" taffen. ‚Daranf if zu erwöterm, daß uam. leicht, 
eine große Anzahl thchtigee Naͤnner aus Dem. i 
Sachſen nennen koͤnnte, die von preußifcher Seite nicht 
blos in allen Faͤchern des Staatsdienites anſtellt, ſondern 
auch bis zu deu böchflen Ämtern befördert worden find. 
Wo nur guter Witte ſich zeigte, iſt die preußifche Regie⸗ 
zung fehe gern entgegenlommen and hat das Talent und 
die Dienfktreue nach Verdienſt geehrt. Aber Viele wollten 
gar nicht in die diteen Provinzen übergehen. 

Bon den Documenten und Actenſtuͤcken bes zweiten 
Bandes find die Über Reiſach und Über die Centralver⸗ 
waltung der Hofpitäler bereitd namhaft gemacht. Außer 
ihnen finden fi noch: 

1) Ein von Hrn. Dorow und Theodor Körner entwor⸗ 
fener ‚‚Beriche Über. dem Überfall des Luͤtzow'ſchen Corps 
bei Kigen am 17. Zuni 1813, der fhon um der Per⸗ 
ſoͤnlichkeit Koͤrner's willen intereffant iſt, noch mehr aber 
weit bei der nur oberflächlichen Behandlung jener Frevel⸗ 
that in Eifelen’s „‚Sefchichte des Freicorps“ die Schilde: 
rung eines Augenzeugen von befonderm Werthe fein muß. 
Daher hat fie auch der Verf. „mit allen ihren Schroff: 
heiten und Haͤrten“ abdruden laffen. 

2) „Polen unter Friedrich U. und Friedrich Wil⸗ 
beim I1.”, von demfelben Kriegsrath von J., mit dem 
Hr. Dorow feine Gefchäftsreife in Polen gemacht hatte. 
Hardenberg urtheilte über diefen Auffag im Nov. 1816: 

Trotz vieler Härten, feindfeliger und unwahrer Angaben 
ift derſelbe doch ein glorreiches Beiſpiel unferer jehigen Herwal⸗ 
tung und ber Srunbfäge, nad) wei bie Regierung jet hans 
deit, und deshalb verbiente er als ein zurechtweiſendes Veiſpiel 
für die ſtets unzufriedenen Schreier über Alles, was bei uns 
gefchieht, nicht verloren zu geben. 

3) „Die beabfichtigte Ermorbung des Könige Friedrich. 
Wilhelm's III. duch den Galatravaritter von Sahla In 
Mien 1814.” Über diefe beabfichtigte Greuelthat waren 
zwar allerlei dunkle Gerüchte verbreitet, aber Hr. Dorow 
ift der Erſte, der dieſelben aus der eigenhändigen Dand: 
fhrift des Grafen von Roß berichtigt und durch mehre 
Briefe Hardenberg's ergänzt bat. Es iſt dies berfelbe 
Baron von Sahla, von dem Bonrrienne („Memoiren“, 
VIIL, 234) Hat druden laflen, er ſei vom Miniſter Stein 
zur Ermordung des Strafen Montgelas aufgefodert wor⸗ 
den,. woruͤber ſich der Exflere in der ,, Allgemeinen Zei: 
tung” (1829, Nr. 341) auf wuͤrdevolle Weiſe ausſprach, 
und der der Kaiſer Napoleon während der Hundert Tage 
mit Knaufilber in bie Luft fprengen weilte, ſich ſelbſt 
aber Babei auf das jaͤmmerlichſte verfiämmelte und im 
Herbfle 1815 in einem parifer Hoſpital geflorben if 
(Dorop, 1, 160). Den König von Preußen wollte er 
ertworkend 2 Worth ein heit feines fächfifchen Vaterlandes an 
—Prenpem abgetreten werben. follte, Graf Roß aber wußte 


— — 0 





— Hann da a —— 
| 


vorntaligen; I _ 


? el J 
ſinen; Miteldeit: zufagien, dahin zu bingen, * 
Guunwort gab, Berm Könige nicht: nach Dani‘ Leben trach⸗ 


„uns. | ten zw’ woten. Hardenderg dewies dem Brafen hieckwr 
Sachen: | die groͤßte Dankbarkeit; ob der Mordanſchlag dem Körtige 


bekannt geworden ift, erwähnt Hr. Dorom, nicht. n 
on , (Da Beisiuf folgt.) W RER 4 





"Einige Oden des Horaz in humoriſtiſchem Gewande; 
grammatiſch, kritiſch, hiſtoriſch und philoſophiſch erlaͤu⸗ 
tet von Carlo des Re. Erſtes Heft. Berlin, 
Springer. 1843. 8, 7% Nor. 1— 


In Berlin gehört es zu den Tagesfragen, bie aufé Tebhafı 
tefte biecutirt werden: „Lateiniſch und Briechifch, oder nur eins 
— oder gar feine.” Die Überzeugung, daß das Studium ber 
Iebenden Sprachen nüglicher fet als das ber tobten greift ber 
beutenb um fi, und bei dem Borherrſchen des Nuͤtzlichkeits⸗ 
princips und des materiellen Intereflen iſt das ganz begreifiidh. 
Indeß, da unfere moderne Bildung in einem organifdden Bus 
fammenhange mit der Claſſicitaͤt des Alterthums ftebt, fo laͤßt 
ſich die angeregte Frage nicht fo leicht erledigen. Wenn. bie 
Gelehrten fich indolent gegen die Frage und ben es 
regten Streit zeigen, fo beweift Das Mangel an Einficht in die 
Berhältniffe und Koderungen der Begenwart. So wenig uns 
Männer, die mit philologiſcher Gelehrſamkeit ſackvoll geftopft 
find, delfen können, fo wenig würben wie wuͤnſchen, baß bie 
Gediegenpeit deutfcher Bildung fich in die Oberflaͤchlichkeit hohl⸗ 
koͤpſiger Mobdernität verlöre; eine Vermittetung muß fidy finden 
laffen. Wir haben bie Überzeugung, daß bas beutfcye Volk auch 
ohne den Zufammenhang mit den Römern, alfo ohne die elaffi= 
ſche Bildung, bie wir von ihnen befommen haben, gluͤcktich fich 
würde entwidelt haben; ja, wir haben es fchon oft ausgeſpro⸗ 
den, es würbe ſich viel freier, viel gefünder, viel fel iger 
entwidelt haben. Jetzt aber, wo die Elemente jener uns ars 
ſpruͤnglich fremden Biidung fo tief in unfer beutfches Leben ein⸗ 
gedrungen find, ift gar nicht abzufehen, ob wir uns derſelben 
noch wieder entäußern koͤnnen. Wenn wir aber in Deutſchland 
weder Griechiſch noch Lateinifch mehr lernen wollen, fo thun 
wir einen Schritt dazu. 

Das vorliegende Bud ift offenbar eine Satire auf die Ins 
terpreten und @tloffatoren ber alten Staffifer, auf die Manu⸗ 
feriptenjäger und Variantenſammler, auf die ganze Legion jener 
verfteiften und vertrockneten Philologen, bie aus ihren Staffitern 
— wer weiß Alleb, was? herausquetſchen. Indeß dieſe Sorte 
von Leuten ſtirbt Thon nad) und nach aus; unfere mebernen 
Phitologen würden von ben alten Stockphilologen, wie man fie 
nennt, vielleicht gar nicht für ebenbärtig anerfannt werben. 
Der Verf. diefes ‚Deftes ſchlaͤgt eigentlich den todten Eſel noch 
einmal tobt. Biel geiftreiher war Friedrich Wagenfeld's Ga: 
tire, der vor einigen Jahren mit feinen eigenen Probuctionen, 

die er für ciaffiiche Werke audgab, die Philologen, Interpreten 

und Hiſtoriker foppte. Der Berf. ded Worliegenden behanbelt 
den Horaz, ald wenn er maccaroniſches Latein geſchrieben hätte, 
und führt einen Schuͤter und einen Hofmeiſter eim, weiche: bie 

' Open erfiären. Das will num Bef. gar nicht gefallen, daß der 
Schuͤler der Dummkopf iſt, dem der Lehrer vorinterpretist ; 
unferm Decennium, wo jeder Gchüter feinen Lehrer tsitifiet, 
-bätten diefe Sombinationen auch dem Schüler In den Mund 
gelegt werden follen. Um einen Begriff von "der Manier des 
Hrn. Verf. zu geben, legen wir dem Leſer bie erſten Worte der 
erfien Ode, im erften Bud, vor: 

Maeoenas, atavis edite regibus! Diefe Worte werben 
verbrebt in Mecoenas, at avis ot ite regi bus, und. ber Hof⸗ 
meifter belehrt feinen Schauͤler ungefähr in folgender. Welle: 


Der Dichter ſchlldert eine Berfammlung, Unjufihene, weiße | 


vetathſchiagen, auf welche Weiſe fle der hoͤchſten Gewal 
entledigen wollen. Mit dem Schluß der Berathung betiant bie 
ft: Die. Mecsenhs ift Rame bes Pokfkenten der Barfemm- 
Ihe , unb heißt auf. Deutſch, fo viel wie Frißmich; nad bem 

te Mecoenas iſt ansögelaffen inquit, alfo Hr. Präftdent 
Frißmich fügt: at avis, daB heißt: aber dee Wogel, naͤmtlch ber 
Juiuk, oder wie wir im Deutſchen fagen: aber yanı Kukuk; 
et ftebt für etiam und erfien Komma, welches 


wehözt yum | 
nun in Deuti& heißt: Hr. Präfldent Frißmich fagt: Aber zum 


Kukuk audi Ite regi fleht für ite ad regem, geht zum Kö- 
nig, nämlich mit euren Klagen und Bittſchriften; bus iſt eine 
contrahirte, dem Sriechiſchen nachgebildete FJorm für boves, 
woraus bods und büs ebenfo gebilbet find, wie dem aus deo- 
zum; alfo bus beißt Dchfen, ihr Ochſen. Demnach: ‚„Mecoc- 
nas at avis et ite regi bus”, heißt: Der Präfivent Frißmich 

t: ber zum Kukuk au; geht zum König mit euren Bitt⸗ 
Schriften, ihr Ochſen. 

In biefer Manier führt der Hr. Verf, feine Arbeit durch; 
wir glauben, daß der Witz geſucht und gezwungen iſt; bazu 
kommt, daß Moͤnche und Scholaſtiker im Mittelalter Sinnrei: 
cheres geliefert haben. 

Das Heften enthält Odarum Iib. I, I, v. 1—6, unb 
verheißt eine Fortfegung; wir hoffen aber, daß diefe Verheißung 
nicht in Erfüllung gebt. 2, 





Literarifhe Notizen aus Frankreich. 


Reue Schriften über Agricultur. 

Michel Chevalier ftellt es in feinen trefflichen Vorleſungen 
über Nationaloͤkonomie als eine anerkannte Thatſache hin, daß 
kreich, was Aderbau betrifft, fi) von den übrigen Staaten 
weit hat überflügein laſſen. Trotz feines fruchtbaren Bodens 
unb troß des vortheithaften Klimas, das ihm zu flatten kommt, 
hat Yiefes Land nämtich noch unermeßtihe Gtreden, die fait 
ganz und gar brach Liegen ober wenigfiens nicht fo benugt 
werben, wie ihre Bebauung am ergiebigften iR. Indeſſen fcheint 
es doch, als wolite ſich jegt bie franzoͤſiſche Agricuttur aus 
ihrer kethargie aufraffen. Man fängt vorläufig wentgften® an, 
Vie Sache tbieoretifch ind Auge zu falten. Es iſt ganz unglaub⸗ 
u, wie viele Schriften in ber legten Zeit über die Agricultur 
in Frankreich erfchienen find. Jedenfalls fann dies als ein Ba: 
zometer betrachtet werden, was darauf deutet, daß ſich das In⸗ 
tereſſe an biefem wichtigen heile der praktiſchen Wiflenfchaften 
in Frankreich bebeutend gefteigert hat. Wenn wir bier einige 
von den Werten, die in dieſes Fach einſchlagen, zufammenfteiten, 
: fo ®önnen wie uns nur auf ſolche befchränten, die auch, für 
das Ausland Bedcutung haben. Zunaͤchſt verdient hier bie 
Kortfegung einer wichtigen periodiſchen Schrift erwähnt zu werden, 
die wenigſtens unfern theoretiſch geblideten Landwirthen mol 
ſchon bekannt fein wird. Wir verfiehen darunter bie „Annales 
de l’sgriouitare frangnise”. Diele reichhaltige Zeitſchrift ift 
jegt bereits beim 46, Zahrgangeangelangt. Außer einer Menge 
der verſchiedenartigſten Auffäge enthält fie namentiidy ein aus⸗ 


fahrtiches Bulletin der Königligen Gefellſchaft für Agricultur in | 


Frankreich, die es ſich zur befondern Aufgabe gemacht hat, auch 
die FJortſchritte ver Wiſſenſchaft im Austanbe und Zwar ganz 
befonwes in Deutſchland zu verfotgen. Bon den Werken Ein: 
zeiner wollen wir vor Allem bie „Meweires. d’agräcultore‘ 
(3 Be.) von A. de Gasparin anführen, ber fi um bie Wer: 
Yeelfang einer vernunftgemäßen Agricultur in Frankreich bie wes 
ſentlichſten Berdienſte ermorben hat. Noch vor kurzem bat dieſer 
Schriftſteller, der zugleich Oeputirter ift und mehre hohe Staats: 
ämter dekleidet — er iſt, wenn wir nicht irren, Praͤfect oder 
es wenigſtens geweſen — in der „Revue des deux mondes“ 
einen liberblict uber den jaͤmmerlichen Stand bes Aderbaus in 
Frankreich gegeben, ber gewiß vorzuͤglich mit dazu beigetragen 







t, bie Xufmerffamlett ber Meg des 
—— gu Linfen. Eee Mech Be 


TE m ea (hei —emwA o r rre 
RN a nn 








erben Merurtbeilen Iotusifen. d zu Beraͤn —— 
neuen Berſuchen verſtehen koͤnnen. angeſchwollen 
iſt die diteratur der Seidencultut. e_erinänen von den 


Werten, bie —— haben, nur zwei Beisfiheiften, 
wet ee * Fr m ehe 
er | bie® i 
societ6 söricola”, Die feit 1837 erfcheinen, und ber „„ 
teur de Findustrie de Ia soie en Fratice“, ats deffi 
teuer Amans» Garrier genannt wird. Wir führen Bief: 
fügen Schriſten Gier nur an, weil Ihr Sahalt wenigſtens 
mit ber eigentlicyen Agriculture in Besbindung ı Die Werte 
deutſcher Gelehrten gelten im Gebiete ber Ackerbaukunde beſon⸗ 
ders für Autoritäten. Die Zahl der Überfegungen deutſcher 
Werke über Agricultur ift fehr gruß. Mir erwähnen davon nar 
eine recht gute Bearbeitung eiter befannten Schrift yon Schwer; 
ung rührt vom Deputisten Schauenburg her. Zu 
den wichtigften Werken indeffen, bie-über bie Agricultur exfchienen 
find, gehört unflreitig das Traité theoretique et pratique de 
l’irrigation” von Nadault be Buffon, von dem kürzlich ber crfte 
Theil die Preffe verlaffen hat. Wir beeiien uns um fo mehr, 
dieſes Wert gur Öffentlichen Kenntniß in b zu bringen, 
da es, wie ber Titel ſchon fagt, eimen Gegenſtand betrifft, der 
gerade jetzt worzüglich in Preußen vielfache Erdrterungen hervor: 
gerufen hat. Auch in Frankreich iſt diefe wichtige Frage neuer: 
dings in Anregung gelommen. So hat unter Anderm v. Ange 
ville in der Deputirtenfammer bad italieniſche Riefelungsfoften 
zur Sprache gebracht. Die Reglerung hat die Wichtigkeit dieſer 
Bewäfjerungsanftaiten eingeieben, und es find deshalb in den 
legten Jahren verſchiedene Agriculturiften nach Ztalien ge: 
ſchickt, um die dortigen Anlagen an Ort und Stelle zu fludiren. 
Die Schrift von Nadault iſt ein Groebniß diefer Linterfu 
dungen, bie don einenr jungen Gelehrten, der ſich vor kurzen 
nach Florenz begeben bat, noch weiter foztgefegt werben fodlen. 
Franzoͤſiſche Überfegung von Sellinis Memoiren, 
Wir haben in d. Bl. einer trefflichen Bearbeitung bes be: 
kannten kunſthiſtoriſchen Werks von Wafari gedacht. Der über: 
feger deſſelben hat fich gegenwärtig am ein anderes italienifches 
Wert gemadit, das außer dem artiſtiſchen Imtereffe auch 
großen flitiſtiſchen Werth Hat, und me es bem Bearbeiter nicht 
genügen burfte,. nur ben etwanigen Sinn wieberzugeben. Mir 
meinen bie inhaltöreichen Denkw keiten von Benvenuto 
Gellini, die in unferer Literatur durch die meifterhafte über: 
tragung Goethe's eingebürgert find. Ldopord Leclanchk bat aud 
Fa „item neuen Werte fein ausgezeichnetes Überfegertaient 
hrt. 2. 


9— 


Ri 








Literarifhe Anzeige 
Bon bem forben in Bonbon nen erfhienenen Werke: 


History of the conquest of Mexico, 
with a preliminary view of ihe ancient mexican civi- 
lization, and the life of the congueror, Hernando Corte». 


By William H, Proscot. 


wird in meinem Berlage eine deutſche überſegung durch be 
Überfeger von des Werfaflers „„Befchichte Ferbinands aan 
bella's‘ erſcheinen. 


Eeipzig, am 21. November 1843. 


Verantwortlicher Herausgeber: Heünrih Brodhaus. — Drud und Verlag von F. 4. Brodyaus in Leipzig. 


—.u—.——unmn — — — —— 


7 DD un mr v 


Blätter 


literarifche 


[dr 


Unterhaltung. 





Mittwoch, 





Dorow. Zwei Baͤnde. 
(Beſchluß aus Nr. 338.) 

4) „Napoleon in Erfurt und in Mainz.’ Diefe 
Sconen aus ber Zeit des Waffenfliliftandes 1813 und 
nach der Schacht bei Leipzig find aus ben Papie⸗ 
em des erfurter Kammerpräfldenten von Retſch ent: 
nommen, der zweimal an ber Spige einer an ben Kai⸗ 
fer abgefendeten erfurter Deputation fland. Es ift in der 
That der Bewunderung werth, wie ſich Napoleon im 
Gedränge der größten Staatsangelegenheiten mit folder 
Genauigkeit um die Noth des erfurter Landes befümmern 
£onnte, und ebenfo lobenswerth, daß er die Erfurter vor 
empoͤrender Mishandlung von Selten feiner Generale und 
Intendanten ſichergeſtelt wiſſen wollte. Freilich hätte 
das Mittel, welches auf des Kaiſers Befehl der mainzer 
Praͤfect Jean Bon St.-André der Deputation an die 
Hand geben mußte, wol ſchwerlich ein deutſcher Beamter 
wagen duͤrfen; es zeigt ader zugleich, wie feſt und ſicher 
ein franzoͤſiſcher Präfect gegen Marſchaͤlle und hohe Offi⸗ 
ziere auftreten durfte und durchaus keine Bevorzugung 
des Militairs in ſolchen Angelegenheiten zu fürchten hatte. 
Das Mittel ſelbſt iſt ziemlich cyniſch: denn der Präfeet 

Dem Marſchall zum Schur und Graus 

Gtredte feinen — zum Bette 'naus. , 
um Gotter’s Worte aus feiner Epiftel an Goethe nad) 
Überfendung des „Goͤtz von Berlichingen’ (Werke, 
XLVI, 68) mit geringer Abänderung zu gebrauchen. 

5) „Eine Anzahl Briefe Joh. Weitzel's an Do: 
cow aus dem J. 1820.” Gie beziehen ſich vorzugsmeife 
auf die vom Fürften Hardenberg gemünfchte Verſetzung 
Weitzel's nach) Bonn, die aber nit zu Stande kam, 
und enthalten daneben manche gute Bemerkungen über 
Derfonen und Verhältniffe der damaligen Zeit. Eine jest 
zuerſt gedrudte Denkſchrift Weitzels (S. 151 fg.) über 
Rheinpreußen im Dec. 1818 tugt mit edler Freimuͤthig⸗ 
keit einzelne Misgriffe, die in der Verwaltung jener Pros 
vinzen während der erften Jahre nad ihrer Beſitznahme 
begangen wurden, und verbreitet fich Über die Mittel, durch 
deren Anwendung die neuen rheiniſchen Provinzen mit 
den altlaͤndi feſt und unauflösbar vereinigt werden 
ynen. Manches feiner Morte dürfte auch noch, jetzt 
mit Nutzen Fhr beide Theile vernemmen werden, nur. 


— Kr. 340. — 


Erlebtes aus den Jahren 1813— 20, von Wilhelm 


.aber auch bios eine dee, die auf die 


6. December 1848. 


ſollten die heutigen Rheinlaͤnder dann auch bie richtige 
Bemerkung ihres Landsmanns auf S. 160 beherzigen, 
bag fie ſelbſt bei folhen Misftimmungen nicht weniger 
verſchuldet haben als Die, denen fie gern ale Schuld 
allein aufbürden. Eine fo foflematifhe Oppoſition wie. 
die des diesjährigen duͤſſeldorfer Landtags wird bie Kluft 
zwiſchen ben alten und neuen Provinzen, die man vor 
sehn Jahren als faſt ganz gefchloffen betrachten konnte, 
nur wieder erweitern und die MWünfche echter Patrjoten 
auf fehr bebauerliche Weiſe hintertreiben. 

6) „Briefe der Gräfin Lichtenau an ben Baron von 
Eben”, über deffen Lebensumftände die Vorrede zum 
zweiten Bande ausführliche Nachricht gibt, und drei 
Briefe Juſtus Gruner's an Varnhagen von Enfe: die 
legtern voll innigee Wehmuth über Arndt's Verhaftung 
und über die unfeligen Unterfuchungen ‚in der alten 
Bonapartifhen Form, wo man in den 3. 1808 — 19: 
zu leben meint”. 

7) „Der Proceß bes Dr. Jahn wider ben Wirklichen 
geheimen Oberregierungsrath von Kampg.” Ein um der 
dabei betheiligten Perfonen willen gewiß für Viele fehe 
anziebender Auffag. Kamptz und Jahn ale, Parteien, 
der bekannte E. T. A. Hoffmann als Decernent im Kam: 
mergerichte, Kicsheifen als Juſtizminiſter — Alles befannte 
Namen. Durch die Cabinetsordre vom 13. März 1820. 
ward die Injurienklage Jahn's als nicht begründet bes 
geichnet und der Proceß niebergefchlagen. 

8) „Über eine Pflanzſchule beutfcher Juͤnglinge in. 
England.” Es iſt dies eine Idee bes Generals v. Gneiſenau, 
Überzeugung einer. 
nothwendigen, recht Innerlihen Verbindung zwiſchen Eng» 
land und Deutſchland begründet iſt, nach welcher ein Auf: 
enthalt in England für deutſche Juͤnglinge an bie Stelle 
einer Reife nach Paris, Lyon ober nach andern auslaͤn⸗ 
diſchen Städten treten follte. Wie gern wir auch aum 
jedes Wort des herrlichen Gneiſenau, deſſen Liebenſswur⸗ 
digkeit und Adel der. Sefinnung aus ben beiden neueſten 
Bänden, von Steffens’ Memoiren wieber in den ſchoͤnſten 
Zügen uns entgegenleuchtet, vernehmen, fo glauben wir doch, 
daß durch diefe vorliegende Miietheilung fein verdienter 
Ruhm keinen großen Zuwachs erhalten wird. Dr. Dos, 
row hätte daher beffer gethan, dieſen Auffag unter ſeinen 
Popiewn ‚surkduubebalten. .. 


166 ° 


Dee Verf. deutet an mehren Stellen feines Buche 
an, daß er demfelben noch mehre Bände folgen zu laffen 
beabfichtigt. Wir zweifeln nicht, daß eine für Belehrung 


und Unterhaltung ergiebige Ausbeute alsdann erfolgen. 


wird und verfehen uns auch zu Den. Dorow's Takte, 
daß er nice blos gefellige Werhältniffe berühren und bie 
Beinen Geheimniſſe des Privatlebens enthüllen wird, da 
bei einer folhen Behandlung auch der reihhaltigfte Stoff 
oft ohne Wirkung bleibt und man ihn ohne den rechten 
Dank für folhe Mittheilung genießt. 9, 





Über 8. Vogels Methode bes geographi— 

fhen Unterrichts. 

1. Schulatias der neuern Erdkunde mit Randzeichnungen. Für 
Gpmnaflen und Buͤrgerſchulen nach ben Foberungen einer wil: 
fenfchafttichen Methode des geogranhiſchen Unterrichts bearbeis 
tet und erläutert von Karl Vogel. Vierte verbeflerte Aufs 
lage. In 15 Biättern. Leipzig, Hinrichs. 1843. Kol. 


1 Ihle. 3 Nor. . 

2. Über die Sec, Ausführung und Benugung des neuen „Echul⸗ 
atlas’’, nebft Eurer Erklärung der dazu gehörigen Randzeich⸗ 

nungen. Gin Huͤlfsbuch für Lehrer und Schüter. Bon Kari 

gel. Bweite, verbeflerte und ſehr vermehrte Auflage. 

Ebendaſelbſt. 1843. 8. 10 Nor. 

3. Naturbilder. Gin Handbuch zur Belebung bes geographifchen 
Unterrichts und für Gebildete überhaupt; zunaͤchſt als Erklaͤ⸗ 
zung zum Schulatlas ber neuern Erdkunde von Karl Bo: 
gel. Ebendaſelbſt. 1842. 8. 1 Thir. 15 Nor. 

Solchen Werken zu begegnen, ift für ben Rec. ein jehr 
erfreutiches Greigniß, weldyes gerade in unfern Tagen um fo 
mehr geichägt und mit Dank anerkannt werden muß, als das 
Gintreffen deſſelben nicht eben fehe oft mehr vorzukommen pflegt. 
Eine literariſche Unterhaltung mit diefen Arbeiten gewährt aber 
ebenfo intereffante Belchrung, als fie innige Vefreundung ers 
zeugt. Auch ift bei näherer Prüfung gar bald bie Überzeugung 
gewonnen, daß biefe Leiftungen gang vortiefflihe Lerns und 
Lehrapparate für einen gründlichen —— Unterricht auf 
Schulen abgeben müflen. Gin fo günftiges Urtheil iſt übrigens 
gar nicht mehr neu; ſchon an andern Orten haben ſich viele bes 
währte Männer von Fach, fowie die den Unterricht und die 
Erziehung uͤberwachenden hoben Behörden mehrer deutfcher Staa: 
ten in gerechter Anerfennung aller guten Gigenfchaften dieſer 
Werke Öffentlich lobend und empfehlend barüber vernehmen laffen. 
Das gluͤckliche Fortkommen biefer anerkannt geſchickten Wande⸗ 
rer in den menſchenfreundlichen Gebieten der Paͤdagogik darf 
alſo nicht mehr in Zweifel gezogen werden. Ref. glaubt nun 
auch, eingeben? ber bereits vorhandenen guten Aufnahme der 
Werke und in völliger Übereinftimmung mit den darüber aus: 
gefprochenen beifälligen Urthellen tüchtiger Sachverſtaͤndigen, fich 
um fo türger faflen zu koͤnnen in der eigenen Beurtheilung ber 
felben , alö die neuern Auflagen ihre uriprüngliche Tendenz faft 
ganz unverändert im Auge behalten haben und bie neu hinzu: 

etommene Schrift dieſelben Grundfäge nur durch ermeiterte 

Kusführung in ein anfprechendes klares Licht zu flellen fehr 

beſtrebt geweſen ift. 

Die Zahl der Schulatlanten iſt in neueſter Zeit ungemein 
raſch zu einer bedeutenden Groͤße emporgeſtiegen. Eine ſolche 
Regſamkeit kann wol gefallen, ſelbſt dann noch, wenn ſie auch 
kein edleres Intereſſe als Ehrgeiz beſeelte; nur darf dann den 
Hang Ablaufenden und Überbietenden eine höhere Begeiſterung 
für das ideale, wiſſenſchaftliche und kuͤnſtleriſche Biel nicht fehlen. 
Daß diefem indeß nicht immer fo geweſen iſt, zeigt bie gewal⸗ 
tige Menge mittelmäßiger, ja ſogar ſchlechter Leiftungen, weldye 
Zeinem andern Impulfe ald ber Gewinnſucht, als dem bloßen 
Aberbieten in des Wohtfeitpeit ihr Dafein zu danken hat. Dies 
fe kleinlichen Mitlaͤufer wollen wir aͤbrigens gang unberkdifidge 


tigt laffen und unfere Blicke nur auf foldde Werke ridgten, in 
deren Raͤhe die Wiffenfchaft ſich heimiſch fühlt, wenn fie and 
nicht immer dad ge werben follte. Da gewahren wi 


denn zunaͤchſt Stieler, der in einer melunbganpigmaligen 


. Berjüngung vielen billigen Anfoderungen ber Zeit zu gemügen 


verſtand. Wird ihm nun au die früher fo x 
gene alleinige Geltung, fein Wonopol, um ein Webeutenbes ge 
fymälert, fo ift —* nicht zu verkennen, daß er ſich maͤchtig 
geruͤhrt hat und daß er unter ſeinen juͤngern Strebgenoſſen im⸗ 
mer noch nicht der legte iſt. Glaſer bat uns in Hinſicht ber 
kunſtgerechten Beihmung recht wohlgefällige, leicht aufzufaffende, 
Mare Abbildungen der Erdoberflaͤche gefchenkt. Sr hat vielfach 
für fich gewonnen, aber doch beftänbig nur ba, wo man es gern 
mochte, daß den Karten ein Reichtyum von Ortöbeflimmungen, 
an biftorifchen und flatiftifchen Notizen und Andentungszeichen 
nicht fehle. Beide gehören mehr oder weniger der neu gehebe⸗ 
nen alten geographiſchen Schule an und möchten wol bie vor 
züglichften Repräfentanten berfelben fein. Platt hat ſich fireng 
von ber neuen Wiffenfchaftlichkeit der Erdkunde allein leiten 
laflen. Er Hat fein Licht bei Ritter und Berghaus angezündet. 
Das ift eine gewaltige Empfehlung und fein Anhang iſt ficher 
nicht unbebeutend ; indeflen tragen feine Arbeiten doch gar 

fehe den Stempel flächtiger Eile, als daB fie gerechte Anfprü 

machen dürften auf dauernden Beifall. Auch find die gebrudten 
Randnoten, ſelbſt abgefehen von einigen Unricktigleiten, nicht 
eben für einen Gewinn bes Unterrichts zu achten, ba fie ben 
Schüler leicht von dem Vortrage des Eehrers abziehen und eine 
getheilte Aufmerkſamkeit bewirken können. Gybow leiſtet in 


yend erruns 


In ber mit wenigen Gtementen hier nur angebeuteten gro⸗ 
fen Reihe treffliher Leiftungen nimmt nun der VWogel'ſche 
Atlas einen hervorragenden Ehrenplah ein. Es find davon 
in verbhäftnißmäßig kurzer Zeit drei bebeutende Auflagen vers 
griffen. Gin fo ſchneller Verbrauch des Werks Iäft bier um 
fo ficgerer auf wirklich vorhandenen hoben Werth zuruͤckſchtießen, 
als bie vielfache Möglichkeit zu einer andern Wahl wol ſchwer⸗ 
(ih in Abrede geftellt werden ann. Die jest vor uns liegende 
vierte Bearbeitung iſt nur um zwei Jahre jünger als ihre 
Vorgängerin, trägt aber dennoch in eben dem Maße merkt 
Spuren ber Berbeflferung in fi, als feit biefer Zeit 
Fortfchritte in der Wiffenfchaft zu erfennen geweſen find. Das 
neben zeigt diefe neue Auflage einen vorurtheilsfreien, wachſa⸗ 
men Blick des Verf. auf die Leiftungen aller feiner Strebgenoſ⸗ 
fen. Man fieht, er hat es nicht verfhmäht, Anderer Berbienfte 
zu würdigen und in fich zu verarbeiten. Indeſſen ift dies Alles 
bo immer nur inſoweit geſchehen, als es ber methodologiſchen 
eigenen Richtung bes Berf. keinen Abbruch thun konnte. Gerade 
das Driginelle und wahrhaft Praktiſche in der Methodik der 
Erdkunde auf Schulen hat Hrn. Vogel einen Namen von gu⸗ 
tem Klange erworben, und er thut ſehr wohl daran, feine ganze 
Kraft auf den weitern Ausbau biefer ihm eigenen v 
weife zu concentriven. Er bat bie Schule für fi, weil er fie 
in feinem Unterrichtögange nicht einen Augenblick aus dem Auge 
und aus dem Herzen verliert. Er hat auch die Anhänger der 
neuen Grofunde für ſich, weil er von Ritter, Berghaus, Rouge⸗ 
mont lernte, in ihrem Geiſte für bie Schule zu wirten, ohne 
von ihrem gewaltigen Ruhme überwältigt u einer blinden Nach⸗ 
abmung verleitet zu werden. Und die An 
fhafttich verbefferten alten Unterrichtsweife find 
abhold, weil er auch ihre guten Geiten ge 
gen derſtand und nicht in ben Hochmuthefchter 





° 


1861 


Schulgeographen verfiel, welche mit den bloßen LRitter'ſchen und 
Berghaus’ichen Benennungen — worunter „vergleichende Erd⸗ 
tunde‘’ das Beliebteſte tft — ſchon ein Großes, ſchon Alles ges 
than zu haben vermeinen. Vogel wei, was der Schute Noch 
thut und weiß ihr wirklich — reel — zu beifen; davon gibt fein 
Attas den Überzeugendften Beweis. Als Ref. diefeh Atlas nicht 
lange nach feinem erften Erſcheinen zu Geſicht befam und die 
Eräftigen, wahren Worte der Einleitung dazu gelefen hatte, fo 
war derfelbe ganz für biefes Wert und bie bamit in Verbin⸗ 
dung fiehende Methode gewonnen. Und biefe Befreundung iſt 
von Fahr zu Jahr inniger geworden, weil das längere Zuſam⸗ 
menfein mit der Schule die Überzeugung immer klarer bervors 
treten ließ, daß bdiefe neue Methode den reichflen Segen über 
die geographifche Bildung der Jugend zu verbreiten im Etanbe 
fei. Wer der Jugend diefe Mar und ſcharf geformten treuen 
Bilder unferer Erde in fo anziehender Weile mit ber wiſſens⸗ 
würbigften Kunde über Menſchen, Thiere und Pflanzen zu bes 
leben verſteht und fo anfchaulid vor Augen ftellen kann, ber 
meint es ebenfo aufridhtig gut mit ihrer Ausbildung, wie er 
fetbft hochbegabt und wahrhaft berufen fein muß zum Wegwei⸗ 
fer für Alle, die an dem erbabmen Werke der Jugendbildung 
zu arbeiten haben. 

Fuͤr Schulen hat diefer Atlas den befondern großen Vorzug 
vor vielen andern, daß er ausichließtich nur in ihrem. Intereffe 
angefertigt worden if. Nur wenige, nur die allerwidtigften 
Städte, Fluͤſſe, Gebirge find mit Namen angegeben, wodurch 
allein zu verhüten iſt, daß der Schüler in den ſehr nachtheilis 
gen Fehler verfalle, bloße Namen zu fuchen, ohne ben darunter 
zu begreifenden Gegenſtand gehörig zu beherzigen. Nur fo wird 
es dem Auge dee Jugend möglich, ein naturgetreues Bild von 
der Zotalfigur ber Erdtheile und Länder, fowie von ber Boden⸗ 
plaftit und der dadurch bebingten Flußgebiete klar in ſich auf⸗ 
zunehmen. Bild und Wort muͤſſen ſich im Unterrichte der Erd⸗ 
kunde gegenfeitig ergänzen, das iſt allerdings ſehr wahr, aber 
ed darf diefer Gay ja nicht zu einfeitig bios auf das Auge des 
Schülers berechnet, fein. Man fieht leicht, daß foldye Karten 
den Beitungelefer wenig befriedigen koͤnnen; das ſchadet aber 
audy nichts; ja es ift fogar ein gar nicht Ki entfchuldigendes 
unrecht von ben Leuten, weldye für die beſcheidenen Verhaͤltniſſe 
der Schule zu arbeiten vorgaben, und den Anfoberungen biefer 
Politiker zugleich mit zu genügen firebten. Kür Neifende, Ges 
werbtreibende und Bureaubeamte, für Statiſtiker, Zeitungsfchreis 
ber und Beitungsiefer, überhaupt für geographiſch durchgebildete 
Erwachſene muß in ganz anderm Maßſtabe geforgt werden ale 
für Schüler. Ref. hält es übrigens auch no für eine wefents 
lich gute Eigenſchaft des „Schulatlas”, wenn darin die allmäligen 
Übergänge vom Leichtern zum Schwerern, vom Einfachen zum 
Zufammengefegten recht ernſtlich berädfichtigt worben find, da⸗ 
mit den Behärfniffen der Stementars, Mittels und Oberclaffen 
auf Schulen einzeln fireng genügt werben könne. Dem vorlies 
genden Vogel'ſchen Atlas geht diefe Eigenſchaft nicht ab, obs 
gleich derſeibe in ber Kleinen Rebenausgabe ohne Namen und 
ohne politifche Grenzen noch eine wichtige Unterftüsung findet. 
Diefe Abftufung ift hr das Gedeihen eines planmäßigen Unter: 
richts von großer Wichtigkeit. Sydow hat Togar die ideale Abs 
fit gehabt, feinen „ Methodiſchen Handatlas” für jede der drei Als 
teröftufen befonders bearbeitet aus drei Atlanten beftehen zu Laffen. 

In Hinſicht der Manier des Gituationszeichnens hält der 
Hr. Verf. nody an bem alten hodhgefchästen Lehmann. Wer 
wollte es in Zweifel ziehen, daß auf diefem Wege von gefchid: 
ten Künftlern Ausgezeichnetes geleiftet worden ift, daß diefer auf 
fireng wiſſenſchaftliche Principien zurüdgefährten berühmten 
Manier aus eben bem Grunde ein bedeutender Vorzug vor allen 
andern gegeben werden muͤſſe, wonach mit dem Grabſtichel durch: 
geführte Kupferwerke beimeitem höher gefchägt werben als 
Werke der Schwarzen Kunft, ber Radir⸗ und Atmanier auf Ku⸗ 
pfer oder Stein. Jener Borzug hört indeſſen auf einer zu fein, 
fobald man die Anfoderungen und Leiſtungsmoͤglichkeiten ber 
Säule nicht unberüdfichtigt laͤßt. Das eigene Handanlegen ber 


Eehrer und Schäͤler an das Zeichnen der geographiſchen Karten 
auf ber Giaffentafel md dem Papiere kann nit —* empfoh⸗ 
len werben; e6 iſt dies ein böchft wirkſames Deittel für fchnelle 
und gründliche Wortfchritte in der neuern Erdkunde auf Schulen. 
Jedoch bat hierbei auch wieder die Erfahrung gelehrt, daß dieſe 
Rachbildungen immer nur elende Stümpereien geblieben find, 
und das aus bem einfadhen Grunde, daß die Manier des ges 
nialen Sachſen, welche ſich fo bewundernewuͤrdig ſchnell einer 
ganz allgemeinen Geltung zu erfreuen gehabt hat, weder fuͤr den 
Lehrer noch für den Schüler der Geographie auf Schuien zur 
Radjahmung tauge, daß fie Schwierigkeiten in ſich trage, weiche 
nur von ber vielgeübten Band eines wirklichen Künftlers ihre 
Überwindung finden fännen. Sydow iſt in biefem Punkte zus 
erft auf Abbülfe bedacht gewefen. Er führt feine Band: und 
Wandkarten in einer fo naturgetreuen, leicht nachahmbaren Zei⸗ 
dyenmweife auß, daß er fich gerade auf Schuien eines großen Ans 
hangs verfichert halten Tann. Die neuern Zortfchritte in der 
Kunft, mit Hülfe ber Steinplatten -olörict zu drucken, hat ber 
Sydow'ſchen Manier erft Halt und Beben gegeben. Die hierzu 
nöthigen technifchen Geſchicklichkeiten find aber noch ſelten; fie 
laſſen ſich auch nicht überall mit gleichem Gluͤck und gleicher 
Sicherheit verwenden. WVogel iſt gewiß der neuen Methode Sy⸗ 
bow’s nicht abgeneigt; er wird dieſelbe wahrſcheinlich ſchon eins 
geführt haben in feinen Schulen, wenn es ihm auch noch nicht 
möglih war, in dieſer neuen Auflage feines Atlas davon (Ges 
brauch zu machen. Dagegen bleibt er aber gang neu und oris 
ginell in feinen Randzeichnungen. Beine Abbildungen der Erd⸗ 
obexfläche werden dadurch mir Abbildungen über das Erdenleben, 
über charakteriftifhe Großthaten ber Menfchen in Bewerben, 
Künften und Wiffenfchaften, im Fricben und im Kriege zu eis 
nem innigen @anzen vereinigt. Gin ſolches Bilb feffelt das 
Auge und fpannt das Obr der Jugend, und ift dabei wohlges 
fällig leitend für den beiebenden Vortrag be Lehrers. Was 
vor etwa hundert Jahren auf ben geographifchen Karten, 3. B. 
im großen, von den Homann'ſchen Erben Nürnberg verans 
laßten Schulatlas, nur beildufiger Schmud des Künfklers war, 
ift hier die Grundlage zu einem foftematifchen Lehrgebaͤude ges 
worden, ein gefundes grundfeftes Gebäude in der anmuthigften 
Borm, ein heiterer Wohnftg zur behaglichen Verarbeitung ern⸗ 
ſter Zwecke. Außere Anfhauung zur Erweckung innerer Bilder 
vom wahren Leben auf Erden iſt Vogel's Lofungswort, ein be⸗ 
Deeitumgevoller er Fi nicht dringend genug allen Lehrern 
et jedem Unterridgtögegenftande zur gewifienhaften Beherzigun 
empfohlen werden ann. zur gewiſſenheſt herzigung 
Die urſpruͤnglich dem eben beſprochenen Atlas ſelbſt vorge⸗ 
druckten Verſtaͤndigungsworte uͤber Plan und Zweck der dazu ge⸗ 
hoͤrenden neuen Methode des geographiſchen Unterrichts auf Schu⸗ 
ten fowie Über die richtige Benugung und Erklärung der Rand⸗ 
zeichnungen find im 3. 1830 zu einem felbftändigen Hülfsbuche 
erweitert und fo für Lehrer und Schüler zum ankörtraude 
bequemer eingerichtet worden, wovon jegt in Nr. 2 eine zweite 
Bearbeitung vor uns liegt. So weit das Bedürfniß ber Schü: 
ler reicht, fehlt es übrigens dem Atlas felbft in der neucften 
Auflage noch nicht an der nötbigen Erklaͤrung und Ausweiſung; 
daher ift auf) in biefem Buͤchelchen vorzugsiweile das Intereſſe 
der Eehrer im Auge behalten. Und in bdiefer Dinficht ift das 
Abfondern um fo mebr zu loben, weil dadurch dem Belannts 
werben der neuen Methode zugleich eine Leicht zugängliche Quelle 
eröffnet wird, weiche in Form eines ausführlichen Profpects ein 
recht vorthelihaftes Licht auf den Atlas zurüdwirft. Dem Um⸗ 
fange nad) haben wir hier ein WBüchelchen vor uns, bem Ins 
halte nad) aber ein Wert von Gewicht. Ref. glaubt baffeibe 
im Allgemeinen hinreichend bezeichnet zu haben, wenn er aus⸗ 
fpricht, daß es eine methobologifche Skizze von ſtark anregenden 
Kerngebanten ſei, welche in feuriger Begeifterung für die Schule 
über das hier Mar und fcharf erkannte Wahre und Nothwendige 
ſich Luft macht, und auf ehrlich deutfche Meile wicher zu ger 
winnen, zu begeiftern fucht für die heißgeliebte, gute Sache. Man 
fühlt bei bem Leſen des Wuchs, daß ber Verf. einen tiefen Schat 


£ MWelefengeit uchen einem großen Teichttzume ſelbſtaͤn⸗ 
—5 — Varen Willens in ſich bewahrt und daß er fi 
mit flarker Gewalt zügeln muß, um in ber Mittheilung bie 
engen Grenzen des Allernoshwendigften nicht zu überfähreiten. 
Doc überall, wo es die aphoriſtiſche Behandlungsweiſe nur eis 
nigermaßen bat zulaffen wollen, bligen Bolblörner feiner Be⸗ 
redtſamkelt hervor, wodurch er feine Lefer recht warm für ſich 
zu intereffiren weiß. 
Das Buch zerfällt in fünf Abſchnitte. Der erſte entbält 
„Ankündigung und Plan’ der dem Atlas zum Grunde liegenben 
neuen Methode ber Erdkunde auf Schulen. Der zweite dient 
„But Berfländigung“ zwiſchen den Grunbfägen bes Verf. und 
denen anderer Männer auf ähnlichen Wegen. Im britten wer⸗ 
den „Winke zur Benupung‘’ des neuen Atlas beigebracht unb 
zwar in der Beantwortung ber beiden Fragen: 1) Wann oder 
mit welchen Schülern fol der Atlas gebraucht werben? 3) Wie 
fol ihn der Lehrer benugen und verarbeiten? Der vierte gehört 
vorzugsmweife ben Schülern, er bient „Zur Erklärung ber Rand⸗ 
—288 des Atlas. Der letzte heißt „Anhang” und macht 
einige von ben Werken nambaft, welche zur Belebung bed Uns 
terrichts in der Erdkunde im Allgemeinen und zur Förderung 
ber Anfchaulichkeit im Sinne des neuen „Gdyulatlad” im Be⸗ 
fondern mit Nusgen zu gebrauchen find. 

In Nr. 3 haben wir ed mit einem Lieblinge bes Publi⸗ 
cums zu tbun. Es ift ein ſchon volllommen bekanntes Bud), 
über deſſen Wortrefflichkeit nur eine Stimme herrfcht. Won als 
len Seiten mit Liebe aufgenommen, überall von ſtimmberechtig⸗ 
ten Männern bewundert und vorurtheilöfrei beurtheilt, möchte 
es ſchoer fallen, jetzt nocdy irgend etwas Neues zu feiner Em⸗ 
pfehlung beitragen zu koͤnnen. Grund genug, das Urtheil bare 
über gan allgemein zu halten und nur auf wenige Worte zu 
befchränfen. 

Zur vergleichenden Erdkunde, foweit biefelbe im Intereſſe 
und im Geifte der Schulen durchzuführen ift, legt die vorliegende 
Schrift einen hoͤchſt wichtigen Grund. Und wenn auch ganz 
und gar nit in Zweifel zu ziehen, daß dies Buch von jedem 
Gebildeten überhaupt mit ebenfo großer Freude als Nutzen ges 
lefen werben kann, fo ift daſſelbe doch hauptſaͤchlich in der Hand 
tüchtiger Lehrer, welche von des großen Ritter Geifte durch⸗ 
derungen und für deffen Erdkunde als wahre Wiſſenſchaft begeis 
flert worden find, erſt fo recht eigentlich an feinem Plage. Den 
wahrhaft für bie Schule berufenen Männern iſt es ein wuͤrdi⸗ 
ges Mittel zur Debung ber Schule. 

Vereinfachung, Bereinigung und gegenfeitige Durchdringung 
aller verwandten Unterrichtösweige der Schulen zu einem inni: 
gen Ganzen ift einer der wirkfamften Hebel in bem Auffchwunge 
der heutigen Pädagogik, und die „Naturbilder“ Vogel's find edle 
Fruͤchte diefes treffiichen Grundfages. 

Es war ein bebeutungsvolles Zeichen bes Vorwärtsfchreiteng, 
als man bie Geographie von ber zufammenhangstofen überfuͤlle 
bunter Zufälligkeiten zu befreien und diefelbe auf den Grund der 
einfachen Natur und firengen Wiffenfhaft zurüdzuführen bes 
gann. Das begeifterte Etreben nach dem vorgeftedten fehönen 
Ziele brachte anfangs nur ben Hochflehenden Naturforſchern von 
Fach und ihrer nächften Umgebung einen reellen Gewinn; bie 
Schule ging noch ziemlich leer aus, weil ihre Geographen zu 
wenig von ber Natur wußten und die Lehrer ber Naturwiſſen⸗ 
fchaften wieder zu wenig Geograpben waren. In neuefter Zeit 
bat man es ſich aber ernftlich angelegen fein Laffen, aud bier 
bis in die unterften Sphären hinab zu helfen und nach Kräften 
zu beffern. Und gerade die vor uns liegenden Naturbilder zwes 
den weſentlich dahin, dem Lehrer der Erdkunde auf Schulen 
das erfoderliche Wiffen in der Natur auf eine ebenfo anzgiehende 
und leichtfaßliche als gründliche Weiſe darzubringen. 

Der Name „Naturbilder“ eignet ſich fo recht paſſend für 
das Werk, ba daſſelbe mit fein gewählten Wortfarben bie Ehas 
ralterzüge der belebten Natur auf den Baupterbtheilen weiter 
auswalt und mehr ins Licht flellf, wie dazu in den befannten 


Randzeichnungen des Berf. fon vos Jahren ein [iszirter Grup 
gelegt worben if. Cs if fo eine Mappe von gemälden, 
wovon jedes Gapitel ein naturgetreues Gharakterbid ber eh 
in fi abgefchloffenen Erbgangen — Europa, Aſien, Afrite, 
Nordamerika, Sudamerita und Dceanien — barftellt. Auf die 
fem Wege leuchten dem Verf. Humboidt, Ritter, Lichtenfels, 
Berghaus, Rougemont und Anbere als Kenner und Zeichner der 
Erde mit dem erhabenften Meiſterglanze voran. Und ei ift ein 
ſehr wohlthuendes Zeichen dev Beſcheidenheit unfers Verf. wenn 
berfelbe in der gerechten Anerfennung ber Groͤße biefer Maͤnner 
an mehren Stellen feines Werks die eigene Durchführung gerake 
zu unterlaffen und bafür bie gelungenen !eiflerpartien ihrer 
Hand unverändert wieder dargebracht hat. Ya, wenn in diefer 
Hinſicht der Berf. felbft vermuthet, daß man feine Raturbiber 
mit einer muftvifchen Arbeit in Vergleich bringen werde, fo gibt 
bas ebenfalls einen Beweis ber anfpruchlofeften Beurtheilung fr 
ner Leiftung und es iſt ihm dafür der Lohn wahrlich nicht aus 
geblieben, da Männer von Bach in feiner vermeinten Mofait 

berall nur echte Edelſteine auf meiſterhaft richtiger Zeichaung 
in fein bercchneter Beleuchtung und Zufammenftellung erblidt 
und bewundert haben. @iner unferer gefelertfier Herden auf 
dem Gefammtgebiete der Naturmwifienfchaften — Xlerander von 
Humboldt — fagt von biefen Raturbildern, daß im ihnen ein 
ſchweres Problem gelöft worben fei, baß fe ein anmutsige 
und bei fo großer Vielſeitigkeit ein überaus correctes Buch bil: 
eten. 

Möchte dee Hr. Verf. doch Neigung haben zur baldigen 
Bortfegung diefer fo anziebend beiehrenden Naturbilder“, und für 
die Ausführung einer ſolchen Arbeit die erfoderliche Muße finden! 

D. 9. Birnbaun. 





Miscellen. 


Vicentius Placcius, Profeflor der Philoſophie und Werekt: 
famfeit auf dem Gymnaſium zu Hamburg (geft 1609), gab 
1708 ein „Theatrum anonymerum et pseudonymorum" her 
aus, welches Wert, ald bloße Compllation, feinem Verf. keinen 
fonderlichen Ruhm brachte, dafür aberbeffen durch Milzbeſchwerden, 
Kolik und Pobagra ohnehin ſehr mitgenominenen phyjfiſchen Kräfte 
auf eine fo nachtheilige Weife in Anfpruch nahm, daß er zuicht 
blos von Mitch zu leben gezwungen war und babei bis zum 
Skelett abmagerte, daher er felbft von fidy und feiner Geftalt 
folgendes traurige, Voltaire gleichende Wild gab: 

Sunt solls obducta tenerrima pellibus ossa, 
Exstautes tall, plantse ealx longfor. Et pes 

Et tergam — serram quod possin dicere. Lumbi 
Elambes; pro veatre locus, neque musculas omhi 
Corpore, vel satarum qui possit pascere miurem. 


Die im gemeinen Leben oft vorkommende Rebensarl 
„Jeder iſt der befte Ausleger feiner Worte” wird gewoͤhnlich 
ſehr misbraudht, am meiften dann, wenn burdy die Auslegung 
irgend ein Vortheil erhaſcht ober ein Nachtheil abgewendet 
werben fol. Hiervon ein paar Beifpiele. Es wurde Jemand 
vor Gericht zu Wittenberg (1744) beſchuldigt, daß er ſich mit 
Unrecht den Dectortitel beilege. Dagegen erklärte berfelbe, &4 
fei zwar richtig, daß er feinem Namen das Wort Doctor. bei 
gefegt babe, aber, was nicht zu überfeben, hierzu ein Punctum 
gemacht habe, zum Beichen, daß er nicht Doctor fei, fondern 
Doctorandus. Dem wäre au fo, indem er demnoͤchſt bit 
Doctorwürbe ſich zu verfchaffen gebenke. — Ein aus Gaalfeld 
in Thüringen gebürtiger Diakonus feste, um im Auslandt ber 
fonders für einen Doctor ber Theologie zu gelten, feinen Im 
Drud herausgegebenen Schriften bie 3*— inter feinem 
Ramen bei 8. Th. D. Desgalb gerichtilch zur Rede geſtell, 
gab er jedoch vor, dieſe Abkürzung fei anders nicht zu leſen 
ala: Saslfeldia, Thuringus, Disconus. Sg, 


WBerantwortliger Herauögebet: Deinrih Broadband. — Deud und Berlag son E. A. Bro dhaus in Seiptit 








Blätter 


für 


literariſche 


Unterhaltung. 





Donnerstag, 


— Nr. 341. 





7. December 1843. 





Dante's Briefe. 

Epistole di Dante Allighieri, edite e inedite, aggiuntavi la 
Dissertazione intorno all’ acqua e alla terra, e le traduzioni 
respettive a riscontro del testo latino, con illustrazioni e 
note di diversi, per cura di Alessandro Torri, Verenese. 
Eiooeno 1842. (Auf dem Umfchieg 1843.) Gr. 8. 

° Die Nummern 149— 151 d. Bl. f. 1838 gaben 
Nachticht von einer: Anzahl neu entdeckter Briefe des 
Dante Allighieri. Ein ruͤhmlichſt bekannter deuticher 
Philolog hatte es bereitwillig übernommen, mir über Die 
Handſchriften der Werke jenes Dichters, weiche fi in 
den roͤmiſchen Bibliotheken finden, Nachricht zu ertheilen, 
unb unter den 23 Blättern mufterhaft genauer Mit: 
tbeilungen, die er fo gefällig war, am 21. Juli 1837 
an mid) abzufenden, fand fi nach einer ausführlichern 
Angabe über den fonfligen Inhalt der Palatiner Dands 
ſchrift, Ne. 1729, wörtlich folgende Notiz: 

Darauf eine Sammlung lateinifcher Briefe des Dante: 

4. Epifteln ad Henricum Caesarem Aug.; dann Oberto et 

Guidoni comitibus de Romena (Ravenna); dann Maroello (fo) 

marchioni malaspine; und Epla Dantis in Florentinos. 

Meine fofort nah Empfang jener Blätter auf ver: 
fhiedenen Wegen dringend ausgefprochenen Bitten um 

Abfchrift der bezeichneten Briefe Eonnten nicht ohne 

Zögerung erfüllt werden. Erfi am 15. an. 1838 ging 

die Arbeit von Rom ab, und im Mai 'erfhien mein 

obenerwähnter Auffag. Anfangs September wurde mir 
indeg auf einer Reife, im Frankenwalde, ein Portefeuille 


entwandt, welches unter Anderm auch jene Abdfchrift ent: 


hielt. Xrog aller von Freunden unterftügten Bemuͤhun⸗ 
gen follten mehr als zwei Jahre verflteichen, ehe ich eine 
zweite, und nicht einmal vollftändige, Eopie erhielt. So 
wurde ich gehindert, den Fund in würdiger Geſtalt ſelbſt 
zu. veröffentlichen. 
Inzwiſchen hatten jene Nummern der „Blätter für 
(fterarifche Unterhaltung” ihren Weg Üiber die Alpen ge 
funden; eine franzöftfche Überfegung des Auffages, deren 
Urheber ich nicht anzugeben weiß, kam in Umlauf und 
mehrfache Nachfragen auf der Vaticana machten die Biblio: 
thefare mit der merkwürdigen Reliquie befannt, die fie 
befaßen. Einer der dort Angeftellten, der Scrittore Maſſi, 


nahm eine Abſchrift und räftere ſich mit ziemlicher Um: 
‚ Röndtichkeit zur Herausgabe. Nicht nur wurde nun Des 


‚nen, bie das Manufeript, zum Theil In meinem Intereſſe, 


benugen wollten, ber Zugang zu demſelben verweigert, ſon⸗ 
dern in Öffentlihen Blättern Beſchwerde geführt über ums 
befugte Veruntreuung nicht gedrudter Schäge ber Biblio⸗ 
thek, deren wir uns ſchuldig gemacht hätten. Als indeß 
der Drud beginnen ſollte, konnte Hr. Maſſi in der geiſt⸗ 
lichen Hauptſtadt des Buelfenthums die Erlaubniß zur 
Herausgabe der Briefe des ghibellinifchen Dichters nicht 
erlangen. So glaubte denn $raticelli, als er 1840 eb 
nen, mit italieniſchen Überfegungen und einigen andern 
Zufägen verfehenen Abdruck meiner im 3. 1827 erfchles 
nenen Ausgabe der ſchon damals bekannten Briefe her⸗ 
ausgab, für die neuentdediten nichts Anderes thun zw 
können, als daß er meinen Auffag aus dem Kranzöfl- 
fhen ins Stalienifche, freilich zum Theil gar fehlerhaft, 
übertrug. Ebenfo iſt er, meines Wiſſens, auch in ber 
zweiten Ausgabe vom J. 1341 verfahren. 

Hr. Maffi hatte ſich inzwiſchen mit dem Dr. Ateffandeo 
Torri in Piſa, der ſchon feit Fahren Dante's kleinere 
Schriften zu ediren verſprochen, uͤber die Abtretung der 
in der Vaticana genommenen Abſchrift geeinigt, und 
Letzterer kuͤndigte um die Mitte des vorigen Jahrs die 
Herausgabe an. Endlich iſt denn vor wenigen Wochen 
dieſe Ausgabe erſchienen, obwol ſchon im Juli eine piſa⸗ 
ner Cotreſpondenznachricht der augsburger, Allgemeinen 
Zeitung” (Ne. 201, S. 1604), die feitdem in eine große 
Baht von Journale übergegangen ift, damals mit Unrecht, 
dad Buch als ein vollendetes bezeichnete. Seltfam iſt es da⸗ 
bei, daß, während jener Correfpondent die Ehre der Ent 
deckung dem oben angedeuteten gefälligen Vermittler vin⸗ 
diciren will, der italienifche Herausgeber in Abrede fteite, 
daß uͤberall von einer Entdedung gefprochen werden koͤnne, 
wo in dem handſchriftlichen Kataloge der Vaticana der 
Inhalt des Manuferipts ſchon feit lange richtig einges 
tragen ſei. " i 

Torri verfpricht auf. dem Titel, Dante's Briefe (und 
demnaͤchſt deſſen übrige kleinere Schriften) con note di 
diversi zu geben. So ift denn die Arbeit nah Art der 
Ausgaben cum notis variorum zugleich übertrieben bieit und 
vielfach dürftig geworben. Kür die fchon früher befanus 
ten Brieſe, deren jeden ich in meiner Ausgabe mit einer 
geſchichtlich Kterarifchen Einleitung verfehen hatte, iſt nit 
nur diefe und. Fraticelli's jedesmaliges Proemio, das im 
Wefentlihen Daffelbe auf Italieniſch zu wie cholen' pflege, 


n “ 7% ’ 


wieder abgebrudt, ſondern auch ein Argomento vor: 
ausgeſchickt, welches oft nicht vermeiden kann, bdiefelben 
Fragen noch einmal zur Sprache zu bringen. Ja felbft 
gu einer vierten Beſprechung bietet die 18 Selten lange 
Prefazione valsunses Gelegenheit. 

Im Ganjen find dar Briefe 14, unser denen einer (am 
Guido von Polenta) wol fiher unecht iff. Won den Übrigen 
waren ſechs (einer aber, von dem erſt jegt das lateiniſche 
Driginal erfheint, nur in einer ſchlechten aͤltern Übers 
fegung) in meiner Ausgabe und fodann von Fraticelli 
bexeits gedruckt. Einen achten hatte ich in meinem. Com⸗ 
hentar zu Dante's „Lyriſchen Gedichten” (HH, 235) mit 

Wahrhaft zum erfien Male gedrudt find bier 
alfo ſechs, von denen zwar nur zwei mit Dante's Mas 
men bezeichnet find; einer aber mit ziemlicher Gewißhelt 
und die drei übrigen mit großer Wahtſcheinlichkeit von 


ihm berühren. 

hr die Ausflattung der ſchon früher bekannt geweſe⸗ 
nen Briefe ift außer dem vollfländigen Wiederabdrud mei: 
wer Anmerkungen wenig mehr gefchehen, als daß dem 
lateiniſchen Xerte num überall eine italienifche Überfegung 
beigegeben iſt. Zu dem Briefe an Heinrich VII, deſſen 
Driginal ich aus einem venetianer Manufcript zuerft her 
ausgegeben hatte, bot bie vaticaner Dandfchrift zahlreiche 
Derichtigungen. Die Mehrzahl berfeiben hat Torri zwar 
mitgetheilt; manche jebocy überfehen, und in eingeinen 
Hätten den richtigen Text faͤlſchlich verändert (5. B. wenn 
er ©. 56, den nach Virgil Aen. IV, 248 eben aus dem 
Wolken [a nubibus] gekommenen Mercur in den Anubis 
verwandelt), Wölig unbegreiflich iſt es dagegen, wie 
Torrt den berühmten, mindeftens ſchon fiebenmal gedrud: 
ten Brief an Cangrande wegen 35, auf 17 Seiten ver: 
eheilter und zum heil ſehr bedenklicher, zum Theil nicht 


nennenswerther Veränderungen, die er einer mebdiceifhen 


Haudſchrift entlehnt, als ungedrudt hat bezeichnen 
Unnen, während in meiner Ausgabe, bei einer mehr als 
Doppelt fo großen Zahl, auch von Torri als treffend an- 
arkannter, Berichtigungen, an eine folche jedenfalls Lächer- 
liche Bezeichnung nicht gedacht iſt. Die Erläuterungen, 
die ich dieſem aͤußerſt ſchwerverſtaͤndlichen Briefe aus 
Ariſtoteles und ben Schriftſtellern des Mittelalters beige: 
geben, find zwar wieder abgebrudt; fo fehr fie aber auch 
einer Vervollſtaͤndigung bedurft hätten, iſt leider für. eine 
ſolche nicht das Kleinſte gefchehen. 

Die Herausgabe ber noch ungebrudten Briefe, zu 
denen auch das Lateinifche Driginat bes Sendfchreibens 
an ven SKalfes und, da Torri meinen vor anderthatb 
Jahren erfchienenen Gommentar über die lyriſchen Ge⸗ 
Dichte noch nicht Bannte, der Brief an Maroello Ma: 
Infpina gezählt werden kann, war in ber That kein ber 
fonberö fchwieriges Unternehmen. Keiner unter biefen 
Briefen kann dee Schwierigkeit bes Verſtaͤndniſſes nach 
mit dem an Cangrande entfernt verglichen werben, und 
wenn bie Handſchrift auch mande Fehler bietet, fo iſt 

tigung 


nicht eben (dwmm. Buben g 
Dem Kaiſer die. alte, Filelfo augeihsichene, Überiegung bie 





befte Huͤlfe, und für die übrigen hatte ich In ben Aus 
zügen, weldye der mehrerwähnte Auflag mittheilte, mande 
Verbeſſerung ſtillſchweigend angedeutet, und zugleich den 
geſchichtllchen Hintergrund in dem wichtigſten Zuͤgen ge 
geben. Um fr mehr wär zu —5 daß Hr. Ton 
dieſen Haupttheil feines Bud befriedigend Meacheiten un 
bemüht fein werde gu zeigen, daß der Zufall, der mich 
an der Herausgabe gehindert, diefen Vorzug würdigen 
Händen übertragen habe. 

daß der Abdrud ein vil: 


Zuvoͤrderſt war nothwendig, 
lig treues Bild des Manuſcripts biete. Wo Verbefle 
rungen noͤthig ſchienen, mußte dev banbfchrifilihe Te, 
wenigfiens in ber Anmerkung, genau mitgetheilt werden, 
um Andere in den Stand zu fegen, bie Richtigkeit ber 
erftern zu prüfen. Leider fehlt es gaͤnzlich an einem ſo 
geriffenhaften Verfahren. Wo der Herausgeber in dm 
Manufceipte Fehler oder Lüden zu fehen glaubte (deren 
er indeß gar manche überfehen bat), da aͤndert er gewoͤhr 
lich ſtillſchweigend mach Gutbuͤnken, und nicht wur guet 
er dabei nicht felten fehl, fondern er ändert auch md, 
wo die Handſchrift vollkommen Hichtiges bot. Yon im 
Briefe an den Kalfer hatte ſich der Graf Torrichi ia 
Foſſombrone eine zweite Abſchrift verſchafft, und nah 
diefer ihn in der dortigen „Antologia” (October 184) 
herausgegeben. &. 151 nnd 15% heile nun Hr. Teni 
die Abweichungen dieſes Abbrucks von dem ſeinigm mi 


und fieht fich dabei ſiebenmal zu dem Geftandniſſe qui 


thigt, daß es in der Handſchrift anders (und faſt bei 
richtiger) ſtehe als Im ſeiner Ausgabe. Das eine Mil 
fagt er: ‚Il codice ha veramente nequam, ne sapri 
come siami avrenute di stampare il sesonde gredı, 
cio® il comparativo.” Leider iſt mur ber geringfte Thel 
der aus der Dandfchrift zu entnehmenden Berichtigung 
in diefee Weife nacygetragen, und für die übrigen Brit 
fehlt «6 am ſolchen Nachtraͤgen gänzlich. Der im Re 
men ber vertriebenen Weißen an den Cardinal von Dfin, 
Nicolao da Prato, vermutblih von Dante, gefchriebr 
Brief bezeichnet fi felbft als herruͤhrend von A. a. 
conscilium et universitas alboraum u. ſ. w. Der Abdıed 
gibt Dagegen ohne weitere Bemerkung Alexander capila- 
zeus, consilium u. f. w. Allerdings halte ich dieſe, mei 
nem Auffage fliufchweigend entiehnte, Aufloͤſung ber Bu; 
flaben A. ca. auch jegt noch | 
iſt fie fo unzweifelhaft, daß fie nicht einmal ber Emil: 
nung bedurft hätte. Ebenſo nennt die Handichrift I 
ber Anrede den Cardinal paͤpſtlichen Sriedensflifter für 
Toscana, Romagna „et mar. t. et partibus circum ad 
jacentibus“, In dem Abdrucke lieſt man ohne alle Be 
merlung: „et Marchise, terris et partibus” u. |. # 
während es. doch minbeftens ebenſo wol heißen koͤnnu 
„et Maritimae et part.” 

Bon dem argen Verſtaͤßen, bie der Seramögeber, ot 
der Copiſt, auf den er fich. verließ, abwol es nach ©. "I! 
rn nad Dom gereiſt un be —ã 7 
8 ‚ | augen, W 8 
gm ein pass Weifpiele anguführen. In dem. Beiteibäbriet 
an bie Grafen Oberto wand Gulde von Remena bil 





füe richtig, keineswegs abe 


—4 


es, ihr. Ohehn Aleſſanhen ſei in. die Heimat, ven 
er dem Geiſte nad) (secundum spiritum) gekommen, ſter⸗ 
bend zurxückgekehrt; beim Abdrud iſt die Abkürzung spm 
misverflanden, und daraus finnloferweifle secundum 
spem gemacht. Gleich darauf beißt es, die Großmuth 
babe den Namen des Verſtorbenen Über die Derdienfte 
anderer italienifcher Helden verherrlicht (prae titulis Itz- 
lorum heroum). In der Dandfchrift fleht allerdings 
ereum, doch lag die Berichtigung nahe genug und war 
in meinem oft erwähnten Auflag angedeutet, aus dem 
auch bei Hrn. Torti S. xıxuı abgedrudt iſt: „‚sopra 
degli altri eroi del Italia.” Dennoch heißt «6 im 
Texte aereum, fobaß alfo die Großmuth dem Alejandro 
fonach den Beinamen des ehernen verfhafft hätte! 
In dem zundchfi folgenden, wie gefagt in den Anmerkun⸗ 
gen zu Dante's Iprifchen Gedichten ſchon gedrudten Briefe 
an Maroello berichtet Dante, feinen auflchauen- 
den Bliden (meis auspiciis) fei ploͤtzlich ein herrliches 
Weib, gleich edel an Sitten und an Geftalt (undique 
meribus et forma ‚confermis) efchirum. Genau ebenfo 
finden ſich diefe Worte im dem SWeiefe, in welchem Boc⸗ 
«actio fich ganze Phraſen des Dante'fchen Briefes an: 
geeignet bat (vergl. meine Einleitung zum „Dekame⸗ 
son”, ©. xıx und xx). Xorel druckt indeß: „meis au- 
spiciis undique moribus et fortunae conformis’ und in 
Der gegenüberfichenden liberfegung heißt es „di costumi 
€ di fortuna a me per ogni perte somigliante‘ (au Sit: 
ten und an Gluͤcksguͤtern mir völlig gleichend); welch 
dächerliches Wort im Munde bes bdürftigen Verbannten! 
Bon dem Briefe en die Florentiner, fihher dem Ju⸗ 
wei der ganzen Sammlung, befindet ſich Die Abfchrift Des 
vaticaner Manuſeripts jegt nicht mehr in meinen Haͤn⸗ 
den; einige Sehlgriffe leuchten indeß, auch ohne daß es 


. der Vergleichung wit einer folchen bebürfte, von felbft 


ein. Im zweiten Paragraph beißt «6, meiner frühen 
Mittyeitung: (, Blaͤtter für literariſche Unterhaltung ”, 
S. 613) zufolge: 

Machen Euch nicht bie Schrecken bes zweiten Tobes (Df: 
fenbarung Johannis, xx, 6 und 14) erbeben, daß Ihr. . . ges 
gen den Ruhm bes roͤmiſchen Fürften.. . .. » auf das Recht 
der Verjährung Euch berufend (jure praescriptionis utentes) 
vorgezogen habt, der ſchuldigen Ergebenheit Pflichten zu vers 
weigern. 

Hier find nun wieber effenbar die beiden Abkürzun⸗ 
gen scde umb pseriptionis misverflanden und es iſt, alles 
vernänftigen Sinmes ermangelnd, gedruckt: „monme terror 
sedem meortis exagitat und jere proscriptionis utentea.” 
Letzt erer Fehlgriff wiedechott ſich ſogar gleich darauf noch 
einmal. Wie wenig uͤberlegt uͤbrigens bei dem Abdrucke 
dleſes Briefs verfahren iſt, ergibt ſich noch aus einer am: 
Sem Stelle: zu den Worten bie Ip im meinem frühern 
Auffage mitgetheilt Hatte: „Die Leiden, weiche, in ber 


Treus verharrend, Sagunt für bie Freiheit zu ewigem 


Ruhme getragen, bie zur Schande in der Untrene für 
Ye Au 


8: „id 


gu erbußden if Euch beſtimmt“, bie freilich: 
Yello genug in® Italleniſche uͤberſetzt find, macht Torri die 
Venerkun & contrario alla storia, e diverso dal 
ꝓerto latino.“ In dieſem lateiniſchen Texte, wie Tor | 


felpft ihm abbruckt, ſteht qber deutlich: „igpominiose vos 
in perfidia yto servitute sußire necesse est”, obtwol HR 
gegenüberftchenbe Überfegung eben die curflogedruckten 
Morte auslaͤßt. Duß unter —* Umſtaͤnden bie eigene 
lich verderbten Stellen großentheils entweber unbemerkt, 
oder doch unberichtigt geblieben find, bedarf kaum einer 
Erwähnung. 

Reichlichere Mittheilungen aͤhnlicher Axt wuͤrden, ob⸗ 
wol es an Stoff dazu nicht ſehlt, dem Zweckt d. BE. 
ſchwerlich entſprechen; zu prüfen iſt aber noch, inwin 
weit Hr. Torri für die Erläuterung des nes Edieten 
Sorge getragen. Weine, ihrem ganzen Inhalte nach bi 
wiedergegebene Ausgabe leftete das Verſtaͤndniß jedes Brise 
fes gefchichiti ein, und bemühte fi im Anmerkungen 
zufammenzuftellen, was immer bazu dienen Ponnte, daß 
Einzelne dem Lefer verftändlicher zu machen. Schon. bie 
Gleichfoͤrmigkeit erfoderte alfo, daß auch die neu aufgefun- 
denen Briefe in ähnlicher Ausſtattung erfhlenen. Auch 
fagt der Herausgeber ©. vmı: 

Nen mi parve di mandar tali opistole, di somma impon- 
tansa per la filologia © per la storia, del tuuo iguude nel 
semplice dettato latino, ma vestite di fedel volgariszamenteo, 
di chiose e d’argomenti, che aggiungesser loro sufficiente 
chiarezza. 


Die Überfegung durchzufefen habe ich mich noch nicht 
entſchließen Finnen; fchon bei fluͤchtigem Hineinblick indeß 
haben ſich gar manche Verſtoͤße ergeben. Ein paar derſelben 
wurden bereits gelegentlich erwaͤhnt. Einige andere zeu⸗ 
gen nicht von der Sachkunde des Überfegers. In dem 
Briefe an die Fürften und Voͤlker Italiens beißt es von 
Heinrich VII.: der friedfertige Titan werde nun wieder 
erfichen, und die Gerechtigkeit wieder grünen, die ohne 
ihre Sonne gleich Pflanzen um die Zeit der Winter: 
fonnenwende (heliotropium) erſtorben geweſen. Vollkom⸗ 
men richtig hatte dies Marfilius Ficinus, oder von wem 
fonft die alte Verfion herruͤhrt, mit „la quale era senze 
luce al termine della retrogradazione impigrita’’ wiebers 
gegeben; der neue Interpret bagegen denkt unbegrelflichet⸗ 
weife an die, zu Dante's Zeiten feäwerlich bekannte, Blume 
Heliotrop, und überfegt: „illanguidita, quasi fior d’elitro- 
pio privo del aole.” In dem Sendſchreiben an bie Flo⸗ 
ventiner wird bie apostolica monarchia gar durch ospitale 
mon. tolebergegeben. 

Die Argomenti find fo gut als inhaltslos und bezfes - 
ben ſich regelmäßig auf die Vorrede und ben Bagguaglio, 
db. 5. die Uberfegung meines Auffagee. An Anwerkun⸗ 
gen fehlt «6 fo gut als gaͤnzlich; die wenigen aber, bie 
gegeben find, verdienen theilß eher den Namen von Er⸗ 
curſen (3. B. wenn zum bdeitten Briefe die ganze Can⸗ 
sone „Amor, dacch& convien” mit Varianten aus einge 
vaticaner Handſchrift abgedrudt wird), als von Erklaͤrun⸗ 
gen, theild enthalten fie trog ihrer Duͤrftigkeit manches 
Unrichtige. Unrichtig iſt es 4 B. meiner Überzeugung 
nah, wenn &. 13 die curia, von ber gefchieden zu feln 
Dante bedauert, flatt auf den Hof des Marcello, auf 
das florentiner Priorat gedeutet, — unrichtig, wenn 
&. 15 unter dieſem Maroello flatt des Sohnes des Man⸗ 
frebi Lancia ber des Alberto nerflanden, — unrichtig fess 


ian 


ner, wenn S. 43 Dante's Kunde des Griechiſchen bes 
hauptet, ober ©. 117, aus Mangel an Bekanntſchaft 
mit den neuern Korfchungen, bie alte Meinung wieder: 
heit verfochten wird, daß unter den Gommentatoren ber 
„Söttlihen Komödie” der fogenannte Ottimo älter fei als 
Jacopo della Lana. 


ie Stillſchweigen übergebe Ich, wie manche Berichs 
tigungen meinen frähern Arbeiten hätten hinzugefügt 
werden koͤnnen, und zwar vorzugsweiſe von einem Her⸗ 
ausgeber, der in der Mitte des gelehrten Italiens woh⸗ 
amd nach den verfchiedenften Seiten in reger literarifcher 
Verbindung ſteht. Nur einen Punkt will ich erwaͤh⸗ 
nen, weil er mir Gelegenheit gibt, der umfaflenden For⸗ 
{ungen eines hoͤchſt untereichteten Amerikaners zu ge: 
denken. S. xxıvı in der Anmerkung wird Hr. Richard 
Henry Wilde erwähnt, der bie flosentinee Archive mit 
umhberteoffenem Fleiße duschforfcht hat. Don diefem er: 
hielt ich ſchon vor ein paar Jahren eine Mittheilung Über 
eine Stelle des befannten Briefs, in dem Dante mit 
edlem Stolze die Anträge eines aͤltern Freundes, durch 


Begenftand if bie uns freilich ſehr feltfan vorkommen 
Stage, ob das Waſſer (Meer) in feiner Rundung (Sphäre) 
irgendwo höher fei als das Land, die Dante naturllch 
verneinend entſcheldet. Die aͤußerſt ſeltene Ausgabe des 
Buͤchleins (Venedig 1508) hatte ich vor einer Reihe von 
Jahren bei dem verflocbenen hochverehrten Mardyk 
Trivulzio durchlefen, und damals, mit Foecolo, ftark m 
ber Echtheit gezweifelt. Allerdings find die referitten X 
gumente der Gegner groͤßtentheils herzlich albern; dad 
baben fich meine Zweifel jegt bei erneutem Studlum ke 
beutend gemindert, und Mandyes, mas Über die Biung 
und Geftalt des Feſtlands gefagt wird, iſt für die Mile 
anſchauung ber Zeit, vermuthlich für die eigene Dante, 
fehr Iehrreih. Der Zert ift bis auf einige naheliegende 





Berichtigungen ziemlich correct. Karl Witte, 
Notiz. 

Beitrag zur Geſchichte der Märtyrer für de 

. BWiſſenſchaft. 


einige Demüthigung die Helmkehr nad Florenz zu er⸗J- gichts iſt erhebender ais wenn man ſieht, wie ein Ein 


kaufen, ablehnt. Dabei heißt e8 in der einzigen uns er: 
baltenen Handſchrift: „Absit a viro Philosophiae do- 
zmestico ... . . ut mere cujusdam cioli et aliorum infa- 
mium quasi vinctus, ipse se patiatur offerri.”’ Ich hatte 
nun geglaubt, cioli in scioli verwandeln zu muͤſſen (fern 
fei es von mir, daß ich nad Art eines Nafeweifen u. ſ. w.), 
und aud in Torri's Ausgabe iſt diefe Veränderung noch 
beibehalten. Inzwiſchen hatte fchon der trefflihe Graf 
Gefare Balbo in feinem „Leben Dante's (1839, II, 352) 
zu dieſer Stelle bemerkt: „Nome probabilmente di qual- 
che famigerato a quel tempo.” Die Mittheilung des 
Hm. Wilde, die vom 7. Nov. deſſelben Jahrs herrührt, 
lautet nun im Wefentlihen folgendermaßen: 

Ich Habe flets dafür gehalten, daß Cioli ein Eigenname 
fei, und eine ermübdende und anftrengende Nachſuchung in den 
Archiven ber Zlorentiner Riformagioni gehalten, um zu ermits 
teln, 06 nicht vielleicht und wann ein folches Individuum unter 
den angedeuteten Bevingungen Verzeihung erhalten habe. End⸗ 
U iſt es mir gelungen zu entbeden, daß am 11. Dec. 1316 
Lippus Lapi Giote nebfl einigen Andern unter der Bedingung 
wieberaufgenommen warb, daß er binter dem Garroccio mit ei: 
ner Schandmuͤtze bekleidet (with the mitre on his head) ein« 
bergebe, und den fonft übtichen Beftimmungen genüge. Gein 
Name findet fi nahe an dem Enbe einer langen Provisione 
in dem Buch Nr. 16, Distinz, II, Class. 2, p. 36 des Archivs 
der Riformagione; das Datum aber fiimmt mit Dem überein, 
was in dem Briefe von Dante's faft funfzehnjäbrigem Erit gefagt 
iſt; denn die Daten der Berbannungsfprüdhe wider ihn find, 

“wie ich ermittelt habe, ber 27. Zan. und der 10. März 1302, 
von Chriſti Geburt angerechnet. 


Noch. ift Schließlich zu erwähnen, daß Hr. Torri ale 
‚eine bankenswerthe Zugabe einen Abdruck des Lateinifchen 
Berichts über eine von Dante am 20. Jan. 1320 (der 
- beigefegte Wochentag zeigt, daß das Jahr von Chriſti 
. Geburt, nice nach Florentiner Gebrauch von Marid 

PVerlündigung, an. gerechnet if) zu Verona gehaltene 
Disputatlon mit. italienifcher Überfegung beigefügt bat. 





entwicelte ex einen Scharffinn und cine 


Verantwortliher Herausgeber: Heinrich Brodbaus. — Drud und 


ner mit Bintanfegung aller perfönlichen Intereffen und Kid 
ſichten, ja mit Gefahr feines Lebens, ſich ganz dem Dienfte der 
Menfchheit widmet. Wer kann ohne bie tieffte &Rührmg an 
bie aufopfernden Bemühungen eines Lad Cafes und ander 
Menfchenfreunde benten? Ganz vor kurzem hat Frankreid, 
bat die Welt zwei Ärzte verloren, bie mit berfelben aushaltn 
ben Begeifterung bis zu ihrem legten Athemzuge das gefährlie 
Studium der beiden Krankheiten verfolgt haben, von denen der 
Menfhheit namentlich im warmen Klima die größte Gefotr 
droht. Die Namen Bulard und Chervin verdienen mit Ehe 
furcht genannt zu werden. Wasder Erſtere für die Viſſenſcheft 
geleiftet, weichen Gefahren er ſich ausgefegt hat, um ber Natur 
ber Peſt auf die Spur zu kommen und um bie Mittel zur de; 
lung fowie bie Präfervatiomaßregeln zu erproben, tft bekannte 
als Das, was Ehervin für bas Studium des Gelben Fiebers ge 
than bat. Bier zeigte es ſich vecht deutlich, wie ein Dann, a 


dem fonft nicht eben der Funke des Genies glüht, wenn ex mit 


unausgefegtem Eifer eine große Sache verfolgt, wie von eine 
großen Idee getragen erſcheinen kann. Won dem Augenblide 
an, wo Chervin zum erften Male über das Weſen der heftigen 


‚Krankheit, die vorzüglich in der heißen Zone Amerikas ihre Opfer 


binrafft, nachgedacht hat, bis zu feinem Zobe hat diefer eine be 
ſchraͤnkte Punkt einer weiten Wiffenfchaft alle feine Gedanken 
in Anfprud genommen. Nachdem er adıt Jahre hindurd ein: 
sig und allein zur Beobachtung des Gelben Fiebers Amerika in 
allen Richtungen burchftreift hatte, Lehrte er in fein Vaterland 
zurüd, um bier das Grgebniß feiner Unterfuchungen zu verif 
fentlihen. Die Übergeugung, bie er in den tropiſchen Enden 
gewonnen Hatte, war die, daß biefe Krankheit nicht anſteckender 
Natur ſei Diefe Anſicht wurde von dem größten Theile der 
ärztlichen Welt und namentlich von einer mebicinifchen Sommif 
fion befämpft, weldye von der Regierung den Auftrag erhaltm 


hatte, das Gelbe Fleber in Barcelona, mo es ausgebrochen wat, 


zu beobachten. Chervia fah ſich dadurch veranlaßt, gleichſal 
nad) Spanien zu geben, um bort feine Unterfudungen fortzu⸗ 
fegen. Diele neuen Stubien beftärkten ihn nur in feinen frübern 
Annahmen. Nah Frankreich zuruͤckgekehrt wurde er Mitglied 
der Akademie, nahm’aber fafi nie am: ben Wergandiungen diefer 
gelehrten Verſammlung hell, außer, wenn bie Rebe auf dad 
Thema kam, dem er fein ganzes Reben gewidmet hatte, dann 

egeiſterung, bie maR 
bei ihm fonft nicht vermuthet hätte... -  . 2. 
erlag von F. U. Brodhaus in Eeipsig 






Blätter 


fü ee 


literariſche Unterhaltung. 





Zreitag, 


—— N. 342. 


8. December 1843. 





Reiſe eines Norddeutſchen durch bie Bochpyrenden in 
den Jahren 1841 und 1842. Won W. v. R. Zwei 
Theile. Leipzig und Paris, Brodhaus und Avena⸗ 
rius. 1843. Sr. 12. 2 Zhle. 20 Ngr. 

Nichts iſt aͤrgerlicher, als wenn wir eine Erfindung 
von uns, einen Gedanken, den wir zuerft gehabt, von 
Anbern ergriffen, gefördert und mit Gluͤck entwickelt fe: 
hen. Ganz ähnlich diefem unbehaglichen Gefühl iſt das, 
ein Land, eine Gegend von Andern gefchildert zu fehen, 
zu dem wir zuerft den Zugang geöffnet, das wir zuerft 
befchrieben haben. Der Ref. iſt mit der vorliegenden 
Keifefchilderung in diefem erceptionelien Fall. Die Pyre⸗ 
nden waren vor {hm unter uns fo gut wie unbelannt; 
kein Deutfcher hatte je eine Schilderung diefes herzlichen 
Gebirge verfucht, da6 Heute zu den gewöhnlichen Reife: 
zielen des reichen Muͤßlggangs gehört; nur Wenige hat: 
ten e6 betreten, al& er im J. 1824 feine Reife durch die 
Hochgebirge der Pyrenaͤen erfcheinen ließ. Es war da⸗ 
mals eine mühevolle, reich belohmende, aber anflrengende 
Ausfluct ; heute Häpft die Jugend an Stellen dahin, die 
er mit Lebensgefahr erklommen, trabt über Pfade hin- 
weg, bie zu feiner Zeit den eifenbefchlagenen Gebirge: 
ftab nöthie machten und dejeunirt an Stellen, wo er 
zur Erquidung kaum ein wenig Biegenmilh und ein 
Stud Serftenbrors fand. Das iſt das Wirken der Beit, 
der Vorzug der jüngern Generation vor der ditern. Aber 
fie follte nicht vergeffen, was von biefen Vorzuͤgen fie 
eben der Altern Generation verdankt. Des Ref. Schil⸗ 
derung der Pprenden gab das Signal zum Beſuch dieſes 
Gebirge, das bis dahin fo unbekannt in Deutfchland mar 
als der Himalaja; feitdem hat zwar nicht die ewige Na⸗ 
tur felbft ſich geändert, aber die Mittel und die Weiſe, 
ſich ihre zu nähern und fie zu genießen, find anders ges 
worden. Der Ref. Eann ſich es fügen, daß es ihm mit 
zu danken ift, wenn der junge Meifende jegt Guiden, 
Gebirgsroſſe, Wirthshäufer, gute Pfade und fihere Stege 
nun da findet, wo er dies Alles entbehren mußte. Der 
Verf. des vorliegenden, lobwürdigen Berichts hat Unrecht, 
mit keiner Sylbe feines Vorgängers als Defjen zu geden⸗ 
ten, ohne den vielleicht auch er aller diefer Behaglichkei⸗ 
ten zu entbehren gehabt hätte 

Doch dies Altes iſt weit entfernt, unfere gute Laune 
zu teüben oder ihm einen unfreundlichen Seitenblick zu⸗ 


zuziehen. Iſt es drgerlich, unfere Erfindung von Andern 
gefördert zu ſehen, fo tft e6 auch wieder eine eigenthuͤm⸗ 
lich wohlthuende Empfindung, den Wachsthum unferer 
eigenen Ideen zu betcachten, und zu fehen, was im Lauf 
der Zeit aus Gedanken wird, die wie felbft zuerſt ange: 
regt haben. Und fo mollen wir denn dem unbelannten 
Verf. dieſer Arbeit fhon um deswillen unfern ‚Dank er: 
ſtatten, weil er nicht ohne Gleichſtimmung wit uns 
fetbft auf unfern eigenen Pfaden mehr wie Andere fort⸗ 
gewandelt ift. | 

Auch bei dem WBerichterflatter iſt bee Beſuch .bes 
herrlichen Pprendengebirge wie bei uns aus einem Ma: 
turbedürfniß hervorgegangen; nicht aus Modefucht, Neu: 
gier und müßigem erlangen, fondern .aus ber Neth: 
wendigkeit, Seele und Geiſt an Naturanfchauungen zu 
ftärfen, an ihrer Größe ſich ſelbſt aufzuerbauen und zu 
erheben. Dies iſt der rechte Quell, der rechte Urfprung, 
der richtige Gedanke bei einer Reiſe wie. die in die Hoch⸗ 
berge der Pyrenaͤen. Luft, Much und Ausdauer, wie fie 
zur Überwindung von Schwierigkeiten nöthig find, un- 
verftimmtes Gemüth, freier, undbefangener Bid, Kraft, 
die vor Erfchöpfung fichert, alle diefe fließen nur ans bie 
fem Quell ab. Zeit und Wetter haben ihre Gunft .bin- 
zugebradht und dem rüfligen Reiſenden bier und da zu 
fehen erlaubt, was uns ſelbſt unerreichbar blieb. So 
tönnen wir ihm die Erflimmung des Vignemale benei⸗ 
den, der zu unferer Zeit noch unerfteigbar war, umb zu 
dem es keinen Führer gab. Doc es ift Zeit, dab mie 
uns der genauern Anficht des Inhalts dieſes dankens⸗ 
wertben Berichts zumenden. 

Der Berf., ein vielfeitig gebildeter, wenn auch nicht 
gerade ein wiſſenſchaftlicher Meifender, naht fich fei= 
nem 3iele, wie wir felbft, über Toulouſe, allein von 
hier voendet er fich weſtwaͤrts, nad Tarbes und Pau, 
wozu wir nicht rathen können. Es iſt jedenfalls mehr 
zu empfehlen, daß der Meifende, bevor er diefe Gebirge: 
melt betritt, ſich eines Überblicks der gefammten Kette von 
der Zerrafje von St.Gaudens her, und näher, von dem 
eöftlichen Obſervatorium des Pic du Midi von Bigoere 
verfichere, und fo vorbereitet in bie Mitte diefer Bergrie⸗ 
fen trete, als daß er von Pau her zuerft mit einer Sei: 
tenanſicht beginne, welche die Gradation der Gebirgsſchoͤn⸗ 
heiten nicht gewährt, die der Eintritt von St.⸗Gaudens 


\ 


/ 


der darbietet. Die erſten Gapitel, Tatbes, Pau gleichen 


Vorbereitungen umd enthalten, außer den merkwärbigen, 


Prophezeiungen des Bauers Bug von Milhas, und eis 
ner Sefchichte der Geburt Heinrich's IV., von dem «6 hieß: 
Milagro, ia vaca hijo un lione (die Kuh hat, o Wun⸗ 
der, einen Löwen geboren) nichts Neues ober Bemerkens⸗ 
werthes. Im vierten Capitel iſt eine geſchichtliche liber: 
ficht diefee Landſchaften, obwol etwas troden, eine dans 
kenswerthe Zugabe, da fie zur Deientirung dient. Don 
Pau ab beginnt die Bebirgsreife mit Eaux bonnes, Eaur 
haudes und dem Thal von Oſſan. Das Beine Thal 
von Arudy iſt das erfle, das von hieraus ben nicht zu 
ſchildernden Reiz der Pprendenthäler vor dem Reiſenden 
entfaltet. Diefer unausfprechliche Reiz ift gerade die erfle 
und charakteriftifche Eigenthuͤmlichkeit dieſes Gebirge, mit 
dem «6 die Alpen und den Apennin weithin befiegt, in 
dem es einzig und unververgleichlich daſteht. Der Wei: 
fende thut wohl, wenn er ſich bemüht, über diefen ganz 
eigenthümlicyen Reiz ine Klare zu kommen, von feinen 
Elementen ſich Rechenſchaft zu geben. Der Verf. aber 
verfäumt die Gelegenheit zu einer folhen Analyſe. Mag 
fein, daß der Charakter von Dürre und Zrodenheit, der 
dem fhdlichen Frankreich beimohnt, uns in höherm Grade 
empfänglich macht für die faftige und volle Schönheit der 
genen Welt In den Porendenthälern — Alles iſt hier: 
mit doch nicht erflärt. Der fanfte Reiz der legtern be: 
ruht, außer der Fuͤlle und Üppigkeit der Vegetation, noch 
auf etwas Anderm, nämlih auf den, wie möchten fagen, 
beruhigten, fertigen und abgefchloffenen Bergformen, welche 
dieſe Thaͤler bilden. Hier ift kein Erdſturz mehr möglich, 
jede Höhe hat ihre richtige Bafis gefunden, Alles erfcheint 
weich, rund, beruhigt, Peiner neuen Umwandlung unter: 
worfen wie in dem jlngern Gebirge der Alpen. Die 
Ordnung iſt hier feit langer Zeit fertig, in den Alpen» 
thälern iſt fie meiſtens noch herzuftellen; bier ift das 
Schoͤpfungswerk vollendet, abgeſchloſſen, nicht mehr zu 
ändern. Daber diefe fanfte, beruhigende Schönheit der 
Berge, welche die Thaͤler bilden; daher der um deſto 
größere und gewaltigere Eindrud der SBergriefen, welche 
dieſe Thäler überragen, uͤberwoͤlben; daher die unbegrenzte 
Kraft der Vegetation und der unvergleichliche Blumen: 
ſchmelz in diefen Thalgruͤnden. 

Wir haben bier mit wenig Pinſelſtrichen die charakte⸗ 
riſtiſche Schönheit oder beffer, den Charakter im der 
Schönheit der Porendenmelt gezeichnet, und folgen dem 
Berf. nun nad) Lourdes und Bagnieres de Bigorre, an 
defien Quellen bekanntlich der im Trojaniſchen Kriege ver: 
wundete Sort Mars ſchon Heilung fuchte, während Des 
nus ihm bei diefer Badecur den bekannten Beſuch abftat- 
tete! Das Thal von Campan ift in der That eines fol: 
chen göttlichen Beſuchs werth. Wer fchildert feinen Reiz 
nad) Sean Paul, defien der Verf. bei dieſem Anlaß frei: 
lich nicht gedenkt: — die junge Welt iſt fo vergeßlicher 
Natur! In Grip angekommen, bofften wir, der Verf. 
werde fich dem nahen Pic du Midi zuwenden, dem fchön: 
ſten Beobachtungspunkt für die gefammte Pprendenwelt; 
umerbärlicherreife aber fleigt er durch die Dourquetta in 


4374 


die Bierthaͤler und zuerſt in das von Aure hinab, um 
uns die tragiſche Geſchichte des legten Armagnıc u m 
zählen. Es laͤßt fi dies nur aus einer gewiſſen, ihn 
noch beherrſchenden Bergſcheu erklären. Das Thal ven 
Argelts findet dann feine verdiente Bewunderung, chef 
wir in feiner Schilderung den BDiligence-Reifenden erlen 
nen, der freilich) dem Fußwanderer nichts Neues berichten 
kann; biernady wenden wir uns dem Kern der Pyrmir 
weit, bem Thale von Luz und Gavarnie zu. Bon bie 
ab wünfchten wir dem Verf. etwas mehr Ernſt und eine 
der Natur, die uns umgibt, entiprechendere Stimmung. 
Leichte Bemerkungen, Wise und Küchenzettel geflattm 
wir leichten und muͤßigen Reiſenden; wer echtes Gefuhl 
für die Natur und ihre Schönheit Hat — und wir rechnen 
den Verf. zu den fo Begabten — , follte in foldyer Um: 
gebung Madame Gazaur und ihre Gaſthofsſcenen wer: 
geffen können! Der Ref. war darin glücklicher; zu feine 
Zeit begegnete man feinen reitenden Engländerinnen hie: 
tee St:Sauveur und Cauterets. Doc, die Zeiten haben 
ſich geändert, der Pic de Bergonz ift jege mit Zragfänf: 
ten bebedit, deren Ref. ſich nicht erinnert, eine einzige in 
den Pprenden gefehen zu haben. Die Civiliſation hat 
auch ihre Schartenfeitel Aber der Verf. verfleht, von 
dem herrlichen Panorama, das der Pic de Bergonz dur: 
bietet, ein fo lebenvolles, farbenreiches und naturgetus 
Bild zu entwerfen, daß wir nicht blos diefer Schatten 
feiten vergefien, fondern, indem wir une mit ihm in di 
Schönheiten diefer Bergwelt vertiefen, ihm zu lebhaften 
Dank für feine warme und geſchickte Schilderung wr: 
pflichtet werden. In der That bat feine Darftellung an 
feiner andern Stelle einen fo wohlthuenden und befriedt: 
genden Eindrud auf uns gemacht als gerade hier, m 
Stil und Ausdrud der Größe und der Schönheit dei 
vor uns entfalteten Naturbildes ganz entſprechen. Es if 
zu ruͤhmen, daß der Verf. auf Schönrebnerei eben nicht viel 
Gewicht zu legen fcheint umd ein Beſtreben danach fd 
nirgend kund gibt. Um fo wirkungsvoller wird eine ne 
türliche Erhebung der Sprache. Daß ihm das Vermo— 
sen des ſchoͤnen Ausdrucks jedoch nicht mangelt, jest 
mehr als eine treffliche Stelle. | 

Wer nie einen Wald gefehen — fagt er z. B. — in web 
chem die Natur, unentweiht von ben eigennügigen Angriffe 
dee Menfchen, Sahrtaufende lang vielleicht ungeftört gewaltt 
hat; wer für jene großartige Vernachlaͤſſigung Sinn und Zug 
bat, welche nur in der Hand der Ratur Eünftierifche Harmonk 
wird, der bringe ein in die Waldungen der Abhänge bes halt 
Lutoue . . . Über Zelfen, über Bitumen und Kräuter hing 
ſtreckt liegen vermodernd die alten Riefen des Waldes, nad dem 
Raturgefeg einer neuen Generation Pla& machend, ihr zur Ruf 
rung dienend, und fo fi in ipr verjüngend. Und welches ke 
ben durch das Chaos dieſer Vegetation hin! Welche Unendiid 
feit der Srfcheinungen in biefem Raume, von der Schlange al 
die mit klugem Auge erft die ihr in dem Beobachter nabende 
Gefahr prüfen zu wollen ſcheint, bevor fie flieht, von dem in 
Farbenftaub gehüllten, regelmäßig gezeichneten Gchmetterling, 
dem Käfer, der Müde aufwärts. Wo ift der Zweifler, der nad 
dem aufmerkfamen Blicke in diefe wunderbar reiche Welt von 
Weſen noch den Zufall Schöpfer fein Laffen möchte und von fer 
ner Betrachtung nicht das Gefühl einer neuen Überzeugung mt 
fih fortträge? 


m. N wien ben 


vu ur 
- Ed 


“ah B — 


48 


Mach dieſer Btilprobe durſen wir amd Das lebend an 
dem Berf. hervorheben, daß er Empfänglichleit genug bes 
ſizt, um das Hi in den Pyrenaͤen in feinem Reiz 


und feinen Schredniffen lebendig aufzufaffen, in man 


nihfahm Bildern vor uns hinzulegen und das in felnen 
Mepräfentanten lebende warme Naturgefühl, ihre dichteri⸗ 
fche Auffaffung der fie umgebenden Scenen und die oft 
merkwürdige Zartheit der Geſinnung und Empfindung 
bei diefen Naturmenfchen nur in einzelnen Zügen, wie 
in der ‚‚Befchichte zweier Brüder“ gefchieht, darzuftellen. 
Durch das Thal von Prayndres, von dem der Verf. 
ſchoͤn ſagt, daß es wie ein Blumenkorb aus ſeiner 
ſtarren Umgebung hervorſchimmerte, dann durch das 
Baſtanthal, wild und rauh, in dem ſo zartfuͤhlende 
Menſchen wohnen wie die Brüder Ramon und Antoine, 
geht der fernere Weg nach Bareges, dem Badeort, der 
im Sommer den wundenktanken Bereranen, im Winter 
den Lawinen, den Bären und Wölfen des Hochgebirge 
angehört. Der Verf. ſchlaͤgt vor, diefen Drt zum De: 
portationsort flr Srankreich, das nach einem ſolchen fucht, 
zu beflimmen! 

Der Weg nach dem Circus von Gavarnie, einem der 
großartigften Werke, welche je aus der Hand ber Natur 
hervorgingen , ift jetzt faft fo bekannt wie die Strafe von 
Paris nad) Verſailles. Der heilige Schauer, welcher dies 
fen Pfad noch vor 20 Fahren bedecte, iſt verſchwunden, 


eine ebene Bergſtraße führe nun zu dieſem Wunder hin. 


Allein ein Wunderwerk if} der Circus noch immer und 
ein ſolches wird er bleiben, fo lange diefe 1400 Zuß bo: 
ben Felſenmauern nicht in ſich zufammenflürzen. Ref. 
bat diefe Scene feinen. Landsleuten vor 20 Jahren zuerſt 
gefehlidert und er kann fi) nicht entfchließen, während 
das Bild lebendig vor ihm fleht, die Schilderung eines 
Andern wiederzugeben, wie warm und lebenvoll diefelbe 
auch fonft fei. Ein Bild, das nad 20 Jahren in ber 
Seele fo treu: und glänzend wieder erwachen kann, muß 
etwas Großes und Ungemeines in ſich fuffen. Alpen 
und Apenninen bieten nichts dem Circus von Gavarnie 
Ahnliches dar, wenigftens was die Größenvechältniffe bes 
trifft. Die Ringgebirge des Monde mögen von derfel: 


- ben $ormbildung fein wie der Circus von Gavarnie 


und gleichen Urfprung mit ihm haben. 

Am zweiten Theile feſſelt zunächft die Wanderung 
durch das Zelfenmeer von Heas, eine verunglüdte oder 
eingeſtuͤrzte Circusbilbung, und wol die wildefte Scenerie 
des ganzen noͤrdlichen Pytenaͤenabhangs. Der Reifende 
gelangt dann endlich zw dem Pic du Midi de Bigorre, 
den er zu unrecht früher umgangen bat. Diefer herr: 
tiche Standpunkt, der uns das Gefammtgebirge allein zu 
vollftändiger Anfhauung bringt, kann nicht genug em: 
pfohlen werden; Ref. befuchte ihn dreimal, mit immer 
wachfender Befriedigung. 
auch nur Maler, er würde dieſen Beſuch weder fo lange 
aufgefchoben noch fo flüchtig behandelt haben, als es ge: 
ſchieht; feine Begegnungen mit fpanifchen Parteigängern, 
Chriſtinos und Karliften, koͤnnen uns für diefe Entbeh⸗ 
zung nicht ſchadloshalten, obwol fie von gutem Blick 


Wäre der Verf. Geolog oder 


und gluͤcklichem Reiſenaturel Zeugniß geben. Cauterets 
und der Lac de Gaubé bilden hiernaͤchſt die anziehendſten 
Gegenftände feines fernern Reiſeberichts, der durch Die 
Srfteigung des Vignemale eine befondere Bedeutung ers 
hält. Der Vignemale, der hoͤchſte Punkt der franzöfls 
[hen Pyrenaͤen — denn Daladetta und Montperdu lies 
gen auf fpanifhem Gebiet und geben kaum einen Über: 
blick der eigentlichen Kette — galt lange Zeit für bie 
Sungfrau der Pyrenaͤen; er blieb dem Ref. unerreichbar, 
weil zu feiner Zeit kein Führer gefunden wurde, der die 
Zugänge des Rieſenbaus erforfcht hätte; feit 12 Zahren 
iſt er erobert und vielfach befucht worden und nach dem 
Berichte des Reiſenden fcheint feine Erfleigung nicht eben 
ſehr fchwierig, da fie mit dem Opfer einer Nachtruhe er: 
langt wurde. Der Vignemale ift bie hoͤchſte Erhebung 
des Urgebirgs in den Pprenden, deſſen hoͤchſte Spigen 
bekanntlich die Anomalie darbieten, faft fämmtlich jünge: 
ver Sormation zu fein und auf dem Urgebirge aufzula⸗ 
gern; im Vignemale tritt der Granitgrat des Gebirge 
Elar hervor, im einer Erhebung von 10,068 Fuß. Der 
Überblick von diefee Warte her wird uns herrlich gefchil: 
dert und muß dies in Wahrheit fein. Die umlagernden 
Schnee: und Eisfelder koͤnnen fo bedeutend nicht fein ale 
fie vom Thale von Esſsplumeau aus erfcheinen. Von bem 
koͤſtlichen See von Gaube erzähle der Verf. die tragifche 
Geſchichte des jungen englifhen Paare, das auf feiner 
Hochzeitsreiſe begriffen, im 3. 1832 hier einen fchönen 
Tod fand. Ein Gedenfflein verewigt das ergreifende Er⸗ 
eignig und nennt den Namen Patiffon. In uͤbermuͤ⸗ 
thiger Laune zieht der junge Gatte feine Neuvermaͤhlte 
in den einzigen zecbrechlichen Kahn des Lac de Gaube — 
fie rudern dahin im Spiel — ſcherzend — der Schiffende 
verliert da6 Übergewiht und gleitet in den eiskalten, 
flilen klaren Gletſcherſee. Er ift ein guter Schwimmer, 
aber die Kälte des feuchten Grabes tödtet ihn. Sie 
ſtarrt über den Bord gebeugt dem Verſchwundenen nah — 
willig, willenlos gleitet ſie ihm nach, ſchwimmt eine Zeit 
lang auf dem alten Elemente und verfchwindet dann 
gleich ihm. Kaum Eräufelt ſich der ſeelenloſe Waſſerſpie⸗ 
gel ein wenig über dem Doppelopfer — fie ruhen bei: 
fammen! Es liegt etwas Dichterifches in diefer einfachen 
Begebenheit; die Tuͤcke der Natur, wenn fie groß oder 
lieblich ift, iſt ein hochpoetiſches Element. 

Der Beſuch von Bagneres de Luchon und die Aus: 
flucht nah dem fpanifchen Thal von Aran, in beffen 
Hauptſtadt, Viella, der Reifende mit dem General van 
Dalen, dem derzeitigen Gewalthaber diefer Lande, zuſam⸗ 
mentrifft und einer Revue beimohnt, gibt dem fernern 
Bericht ein neues Intereſſe. Wir können dem Berf. 
dahin nicht folgen, aber wir dürfen diefen Theil feiner 
Darfiellung als den gelungenften und befriedigendften bes 
zeichnen. Auge und Urtheil des Erzählers find ſtets wach 
und er weiß von dem Gefehenen und Erlebten Dasjenige 
auszumählen, was dem Lefer ein ähnliches Intereſſe wie 
ihm ſelbſt darbietet, und dies In mannichfaltiger und bes 
lebter Darfiellung ihm vorzuführen. Mag des durchaus 
Neuen, das er bringe, auch nur wenig fein, möge ibm 


1376 


und feinem Buche auch ber wiſſenſchaftliche Stempel feh⸗ 


len, und die Befriedigung des gelehrten Leſers nicht uͤberall 


fein Bemühen kroͤnen, fo bleibe feine Arbeit doch ein 
bantenswerther Beitrag zur Kunde des Pprendengebirgs, 
feiner Reize und feiner anziehenden Schauer und er darf 
auf eine höhere Anerkennung rechnen, als fie feinen jüng- 
ften Vorgängern in diefem Verſuch gebührt, deren Schritte 
Frivolitaͤt und müßiger Überdeuß in diefem ſchoͤnen „Stud 
Erde’ geleitet haben. 

Die Beigaben über die Hellquellen der Pprenden und 
die fprachlichen Fragmente find unerheblich, der beigefügte 
Entfernungsweifer aber ift dankenswerth. Wir wollen 
Buch und Verf. daher dem wohlwollenden Lefer beftens 
empfoblen haben, ber in der Anfhauung großer Naturwerke 
feine Befriedigung findet. W. von Lüdemann, 





Bibliographie | 

Arndt, G. M., Maͤrchen und Zugenderinnerungen. ?ter 
Theil. Mit 6 Kupfern. Berlin, Reimer. 8. 1Thir. 2 Rer. | 
Blafius, 3. H., Reife im Quropäifchen Rußland in den 
Jahren 1840 und 1841. In zwei Zheilen. Iſter Tpeit: Reife! 
im Norden. Braunfchmweig, Weftermann. 1844. Gr.8. Preis, 
beider Theile 5 Thlr. 
Boden, %., Vertbeidigung des Hrn. Prof. Dr. Solv. 
Sorban wider das in erfter Inftanz von dem Criminal: Genat 
des Kurfuͤrſtlichen Obergerichts zu Marburg am 14. Juli 1843 
gegen ihn. gefällte Erfenntniß, und Widerlegung ber Gründe, 
biefes Erkenntniffes. Frankfurt a. M., Sauerländer. Er. 8. 


Rgr. 

Bröder, 3.9. C., Der evangelifchs chriſtliche Gemeinde⸗ 
gottesdienft aus der Schrift entwidelt. Hamburg und Gotha, 
5. und &. Perthes. Gr. 8. 15 Nor. 

Bruͤckbraͤu, F. W., Ehriftoph der Kämpfer, Berzog 
von Bayern, ober: Der Loͤwenbund. Hiſtoriſche Erzaͤhlung. 
Mit 1 Stahlſtich. Augsburg, v. Jeniſch und Stage 8. 
36, Nor. 

Beigifche Sompagnie zur Golonifation bes Diftrictd Santo 
Thomas, Staat Guatemala. Dresden 1842. Gr. 8. 10 Ngr. 

Dietfh, R., Das Leben Herzog Albrecht's des Beherz⸗ 
ten. Als Einladungsfchrift zu der 40hjaͤhrigen Feier feiner Ge: 
burt im Schloſſe zu Grimma am 27. Zuli 1843. Grimma, 
Berlagscomptoir. Gr. 8. IV Nor. 

Erath, ©. 3., Der Scuimeifter in der Klemme. Cin 
Schwank in Verſen in einem Acte. Wiefenfteig. 16. 72 Ngr. 

Keine Folge von Briefen zwifhen K. Schil dener und 
T. Schwarz. Berausgegeben von einem beiberfeitigen Freunde. 
Pamburg und Gotha, F. und A. Perthes. Gr. 8. 15 Nor. 

Geſchichte des Feldzugs von 1814 in dem oͤſtlichen und 
noͤrdlichen Frankreich bis zur Ginnahme von Paris, als Bei: 
trag zur neuern Kriegsgeſchichte. Iter Theil. Ifte Abrheilung. 
Mit 3 Plänen. Berlin, Mittler. Gr. 8. 3 Zhlr. 

Goͤrres, G., Marienlieder zur Beier ber Maiandacht ges 
dichtet. Münden, Eentner. Gr. 16. 21% Nor. 

Heller, R., Der Prinz von Dranien. Hiſtoriſcher Ros 

man. Drei Bände. Leipzig, Gebr. Reichenbach. 8. 4 Zhir. 
15 Ror. 
Hinrichs, H F. W., Politiſche Worlefungen. Unfer 
Zeitalter und wie es geworden, nach ſeinen politiſchen, kirch⸗ 
fichen und wiſſenſchaftlichen Zuſtaͤnden, mit beſonderm Bezuge 
auf Deutſchland und namentlich Preußen. In oͤffentlichen Vor⸗ 
traͤgen an der Univerſitaͤt zu Halle. Zwei Baͤnde. Halle, 
Schwetſchke und Sohn. Gr. 8. 3 Thir. 20 Nor. 

Keferstein, ©., Über die Halioren, als eine wahr- 
scheinlich keltische Colonie, den Ursprung des Halle’schen 


Salrwerkes und \dessen technische Sprache. His V, 
Halle, Heynemanı, Gr. 8 W Neger. — 


Kehrein, J., Geſchichte der 


Rgr. 
„„gentner, J. F., Ritter und Bauer. Roman In vie 
nüden. Drei Bände. Magdeburg, Baenſch. Gr. 12. 3 Tu 
gr. \ 

Luben, 9., Hauptmann von Merlach (Beneral van 
Grolman) 1819 Gtudent in Jena. Aus ben ung: * „Rül: 
bliden in mein Eeben‘. Jena, Luden. 12. 7%, Ror. 

Maufhmwig, ©. v., Über Strafgefangene und Straf— 
anflatten im Geifte ber Seit, nebft einem Anhange über Ber: 
mehrung und Berminderung ber Berbrecher. Berun, Diem: 
(tr. 8. 10 Roer. 

Mein letter Wille und Nachlaß. Aus ten Papieren eins 
fdeintobtbegrabenen Rechtsanwaltes. Leipzig, Zaucnig Jun. 
Gr. nn t —F Page ' 

ofen, 3., Gedichte. Ate vermehrte Auflage. Leimi 
Brockhaus. Br. 8. 1 Toir. 18 Nor. Ber TE 

Mofer, 5. ©, Die fünzigjährige Amtsjubelfeier dr 
Geh. Eonfiftorialrathe Dr. Chr. Er. Böhme in Luckau. Erin 
rungsblätter für die Kreunde und Verehrer des Jubilare. I: 
tenburg, Helbig. Gr. 8. 8 Ror. . 

Der neue Pitaval. Bine Sammlung der intereffantcken 
Seiminalgefhichten aller Länder aus aͤlterer und neuerer det. 
Derausgegeben von J. E. Hitig und W. Häring (V. Aluis 
dter Theil. Leipzig, Brockhaus. Br. 12. 2 Thir. 

Platen, ded Grafen v., Gefammelte Werke. In fünf 
Bänden. Ifte Lieferung. Stuttgart, Cotta. Br. 16. 1 2. 

Quendt, 3. ©. v., Vortraͤge über Äſthetik fir bildenk 
Känftter, in der Kiniglihen Akademie für bildende Künfte m 
Dresden gehalten. Leipzig, Hirfchfeld. 1844. Gr. 8. IAkt. 

Raumer, F. v., Geſchichte Europas feit dem Ende de 
15. Jahrbunderts. Tter Band. Leipzig, Brockhaus. Gr. 8. 
2 She. 15 Nor. 

‚ HRobmers, $., Lehre von den politifchen Parteien. Ihn 
Theil: Die vier Parteien. Durch I. Rohmer. Frauenfeh, 
Bepel. „1844. Ler.s8. 1 Thlr. 15 Nor. 

Rüdert, F., Geſammelte Gedichte. Zwei Theile. Frank 
furt a. M., Sauerländer. Gr. 12. 1 Zhır. 10 Nor. 

— — Liebesfruͤhling. Frankfurt a. M., Sauerländen 
1844. GEr. 16. 1 Thlr 10 Nor. 

Scheidler, 8. H., Deutfcher Stubentenfpiegel. Au 
Beitrag zu einer Reform bes deurfchen Studentenlebens in 
Geiſte unferer Zeit und unferes Votksthums ans Licht geftelll.— 
&. u. d. T.: Beiträge zu einer inneren, von ben Gtubirenin 
feibft ausgehenden Reform des deutſchen @tudentenlebens. |. 
Jena, Bran. 1844, 1 Tolr. 

Spaziergänge eines zweiten Wiener Poeten. 2te Auflag. 
Damburg, Hoffmann und Gampe. 8. 1 Thir. 

Taſchenbuch für die vaterlaͤndiſche Gefchichte. Herausgegeber 
von 9. Freih. v. Hormayr. 33ſier Zabrgang. 1844. Bi 
4 Bildniſſen. Berlin, Reimer. Kl. 8. 2 Thir. 15 Rot. 

Ulrich, 3. B., Boterländifche Bluͤthenieſe in Gedicten 
und Erzählungen. Luzern. Kl. 8. 12% Nor. Bu 

Voigt, 3., Handbuch der Geſchichte Preußens bi zu 
Zeit der Reformation. Iter und letter Band. Königsberg 
Gebr. Bornträger. Gr. 8. 2 Ihr. 10 Nr. 

Walther's von der Vogelweide Gedichte. de 
Ausgabe von K. Lachmann. Berlin, Reimer. Gr.8. 1 Thr. 

Wette, W. M. de, Die Liebe als bas Merkmal u) 
wahren Ehriſtenthums. Predigt zur Nachfrier der Verfammlaz 
bes evangelifchen Vereins ber Guſtav⸗Adolph's⸗ Stiftung: Grant 
furt a. M., Schmerber. 8. 3%, Nor. 

Zeune, &. %., Gottlieb Köpler, der Soldat. Zwidht 
8. 4, Nor. 


Berantwortiiher Deraudgeber: Heinrich Brockhaus. — Drud und Berlag von F. A. Brockhaus in Leipzig 


Blätter 


für 


literariſche Unterhaltung. 





Sonnabend, 


— N Nr. 343. ö— — 


9. December 1843. 





I U nn 


Doefie und Profa. 

So heißt man gewöhnlich bie beiden Dauptformen, 
worein die menſchliche Sprache zerfaͤllt. Erſtere zunaͤchſt 
aus Gefühlen emporſteigend, leztere mehr auf Gedanken 
berubend, wandelten fie lange ſchweſterlich Hand in Hand. 
Den gemeinſchaftlichen Stamm verfündigten die Natur: 
laute beider. Aber im Laufe der Zeit flörte der Drang 
nad Selbſtaͤndigkeit und eigenthuͤmlichem Wefen die Ein: 
tracht der Schweftern immer mehr. Die Profa machte 
Anſpruch auf bie ſchoͤne Klarheit des Diamanten, ohne 
barum deſſen anmuthiges Farbenſpiel entbehren zu wol: 
len, und die Poefie, obſchon mit den hoͤchſten Reizen der 
Erde und des Himmels ſich zu ſchmuͤcken trachtend, mochte 
deshalb Ihre Anfprüce auf reine Diamantenklarheit eben: 
falls nicht aufgeben. Immer mehr erhigte ſich der Streit 
zwifchen ihnen, bis fie zulegt eine wahrhaft feindliche 
Stellung gegeneinander annahmen. Da fchlug fich die 
Kritik ins Mittel und ſchloß fie ab voneinander, ſodaß 
fie beide als felbftändig betrachtet wurden. Aber die 
wechfelfeitigen Übergriffe der beiden Schweſtern in die 
Scranten der voneinander gefchiedenen Gebiete dauerten 
fort. Gleichwol werden, obſchon, feltfam genug, das 
Unvcltommene und Widernatuͤrliche einer Scheidung der 
Sprache in diefe zwei Formen zur immer allgemeinern 
Anerkennung gelangte, foldye dennoch in allen die Sprache 
betreffenden Abhandiungen als wirkliche Gegenfäge auf: 
geführt. 

Weit richtiger als durch die Worte Poefie und Profa 
liege ſich der Unterfchied durch die ebenfalls gebräuchlichen 
Ausdrüde: gebundene und ungebundene Rede be: 
geihnen. Denn da6 Gebundene durdy Metrum und Reim 
und Die ganz ungebundene Rebe bilden allerdings eine 
weſen tliche Verſchiedenheit. Doc würde biermit ebenfo 
wenig ein ausfchließendes Terrain für die zwei kriegeri⸗ 
fhen Schweftern gewonnen, da dieſe Gebundenheit nicht 
nur keineswegs mit Dem, was man Poefie nennt, iden⸗ 
tif tft, fondern fogar bei gänzlihem Mangel an letzte⸗ 
ter flattfinden kann, die Profa aber durch die von ihr 
behauptete Freihelt das Recht nicht verwirkte, ebenfalls 
in den Räumen der Poefie nach Lorberfrängen zu ringen. 

Seitdem mit Goethe und der hauptſaͤchlich von den 
Strahlen feines Alles uͤberwiegenden Geiſtes angeregten 
zoma ntifchen Dichterſchule eine neue Ara der Literatur 


begann, dürfte ber Profa biefes Mecht kaum noch zu bes 
freiten fein. Won der Kritik war ihr ſolches bis dahin 
einzig im Dramatifchen und zwar nur flillfchweigend zus 
geftanden worben. Hatte aber Goethe durch das Weſen 
feiner Scaufpiele wie „Goͤtz von Berlihingen‘, „Cla⸗ 
vigo’’ und „Egmont“ dieſes Zugeftändniß feierlich fanctios . 
nist, fo wies auch die feuer- und anmuthreiche Seele 
feiner Lyrik zuerſt auf die Mängel und Schwächen der 
gebundenen Mede in Deutfhland bin. Seit Opig und 
Flemming, bis zu dem durch Prug recht verdienftlich dar⸗ 
geſtellten Goͤttinger Dichterbunde und deſſen einzelnen, 
wahrhaft poetifhen Xheilnehmern , fowie einigen wenigen 
andern, tfolirt dem Fortfchritte zuftrebenden Dichten, was 
ven im Allgemeinen Metrum und Reim zu porfleleeren 
Schalen geworden, daher das laut ausgefprochene Vers 
langen der Romantiker nach poetiſcher Poefie, beffen 
Triumph zum Gluͤck durch Bein Achfelzuden und Naſe⸗ 
rümpfen der im Schlendrian der damaligen Zeit befangenen 
Poeten und Kritiker zu bintertreiben war. Den größten 
Einfluß auf diefen Triumph hatten namentlich die von 
der romantiſchen Schule ausgegangenen lehrreichen Fin⸗ 
gergeige auf die Werke Goethe's und die glanzvollen prak⸗ 
tifhen Beweiſe eines neuen Aufſchwungs duch Tieck's 
romantifche Dichtungen. Wie aber zufolge der immer mehr 
Eingang findenden veränderten Anfihten Mettum und 
Reim, ohne wahrhaft poetifchen Inhalt, allen Werth verloren 
hatten, fo gefchahen nun auch gleiche Angriffe gegen bie 
Profa. Diefe misbrauchte nämlich ihr Recht auf den Zus 
teite in die Räume der Poeſie dadurch, daß fie ſolchen 
mit Hälfe einer Unnatur fich erfchlicd), welche unter dem 
Namen der poetifchen Profa eine ziemliche Zeit beſtand. 
Ohne das Verbienft mancher dergleichen, namentlich der 
finnreih ausgefhmüdten ländlichen Schilderungen des 
Schweizer Salomon Geßner, zu verkennen, erfcheinen 
ihre Geſtalten doch nur wie ſchoͤn geformte und mit als 
tem Weiz der Farbe ausgeftattete — Wachsfiguren, denen 
gerade die unentbehrlichfte Eigenfchaft, das naturgemäß 
fich vegende Fieifh und Blut des Lebens, abgeht. 

Aber wie Goethe's Schaufpiele der Aufnahme drama: 
tifcher Werke ohne Reim und Metrum in die Räume 
der Poefie zw mehrer Belräftigung dienten, fo brachen 
auch feine Romane fi) von felbft Bahn in diefe Räume, 
auf keinem Wege, wie der von Geßner eingefchlagene, 





fondern auf einem, ber bald nachher von allen Sachkun⸗ 
digen nicht nur für vechtmäßig anerkannt wurde, fondern 
auch jedem biefelbe Bahn verfolgenden Romanverfaffer 
offen ſtehen follte. Diefer Weg aber ift bie Dichterifche 
Anlage und Ausführung des Werks. 

e Die nächte Frage wäre num wol bie: Worauf bes 
ruht der Unterfchied der gemeinen von der dichteri⸗ 
ſchen Anlage und Ausführung? Zwifchen den mächtigen 
Namen Kant und Hegel flattert eine ſolche Fülle von 
Deftinctionen des Worte Poefte, daß Feder, der in dem 
Ausſpruche, mit dem Sean Paul feine ‚‚„DBorfchute der 
Aſthetik“ beginnt: „man kann eigentlich nichts real befl: 
airen als eine Definition felbft‘‘, keine 9 fins 
det, darüber in Verzweiflung gerathen möchte, vodre nicht 
Die große Mehrzahl der den Gegenſtand betreffenden Deft: 
aittenen im Wefentlihen über einen Leiften gefchlagen. 
Dhne bie Büte der Auswahl unter ihrer Menge vor dem 
Elgenfinwe der Kritik vertreten zu wollen, möge nur 
die, welche das im %. 1843 erfchienene „, Etymologiſch⸗ 
Beitifche Wörterbuch der dfthetifchen Kunftfprache‘‘ von 
De. Hebenfireit als die allerneuefte bier aufgeführt ſte⸗ 
den. Sie lautet: 

Poeſie ift die Darflellung bes Schönen, durch bie Sprache, 
d. i bie Kunft, das Schöne durch eine in fich gefcdhioffene Reihe 
anſchaulicher Gedanken in der Sprache inbivibuel barzuftellen. 

Vielleicht füge fi übrigens bie Antwort von felbft 
an obige Frage, wenn man bie Poefie für eine Ver: 
klaͤrung der Wirklichkeit annehmen will. Daß fie dies 
(ei, darin ſtimmen foR alle Compendien überein. Deſto 
weniger aber freilich dürfte man fich über die ſpecielle 
Veſchaffenheit einer ſolchen Verklaͤrung vereinigen, weil 
dieſe von der Individualitaͤt und dem Uestheilsvermägen 
jebes Einzelnen abhängt und das wahrhaft Schöne, was 
bean doch den Hauptbeſtandtheil ber Verkidrung ausma⸗ 
den muß, fogar vielen der Verſtaͤndigſten und Fein⸗ 
fühlenpdften ein ewig unbegeeiflihes Myſterium bleiben 
wird. Wenn man deshalb auch davon ganz zu abfira> 
biren bat, einem poetiſchen Meiſterwerke, das vielleicht 
wach dem Urthelle der competenteflen Kritik feines Glei⸗ 
chen nicht findet, denfelben allgemeinen Beifall zugekehrt 
su fehen, der einem mathematiſchen, in gleichem Grabe 
vollommenen Werke von Sachkundigen unmöglich ent: 
gegen werden Eönnte, fo wird man fich in biefem Kalle 
mit dem Ausſpruche bee darüber anerkannt Urtheilfaͤhig⸗ 
en zu begnügen haben. 

Wie fonady bie unter dem Namen ber poetifhen 
Proſa bebannte unnatürliche Aufblähung der ungebunde: 
wen Mede den Einlaß in das Gebiet der Dichtkunſt durch: 
aus nicht erwerben kann, fo kommt legterer jener Rede 
von ſelbſt zu, ſobald ihrem Inhalte bie poetiſche Werkid: 
zung beimohnt, welche, namentlich in dem Roman und 
der Movelle, aus dee Gonception und Geſtaltung des 
Ganzen und Einzelnen bernorieuchten muß. Und zwar 
kann der Gegenfland des Werks ebenfo gut dem Gebiete 
des Verſtands als dem des Gefuͤhls entlehnt, mithin. 
«benfo gut komiſch als tragifch fein, wie Cervantes mit 
feinem ber altes Ähnliche hoch hinanscagenden „Don 


— 


ſchen Zwe 


Qui. 

dings Velzwerkes und ‘dessen technische -Mprache. Hin Versuch. 

fachſten le, Heynemann, Gr. 8. 2» Ner. 
er 2 n bon der aͤlteſten bis zu meneften Zeit. Gin 
19 sus allgemeinen Siterasusrgefchichte. Zwei Wände Re⸗ 

— 9, Manz Gr. 8. 3 Thir. ZU Nor. 

„in derytner, 3. F., Ritter und Bauer. Roman in vier 
erwachfen, laͤß Drei Bände. Magdeburg, Baenſch. Gr. 12. 3 Thu 
feine dee befanhı.. 


größern Fülle von 
gen bereitwilliger entge 


Hauptmann vo Gerlach (General von 
t in Jena. Aus ben un een RU: 





a, Ruben. 12. 1% Nor. 
Pi deutſche. Recht an Wer ——— ung Out 
Mangel eichheit umd einem Anhange 
zum Vorwurfe. Aber, nicht zu gederis@gedher. — 


ben Papieren eines 
8, — jun. 


neuerlich zu mancher Berbeſſerung gelang. 
für aud) eine Energie zu Gebote, mit ber 
mancher andern hochausgebildeten Sp 
außer Stande find. Ebenſo ift es mit de 
[haffen, daß der deutſchen Sprache in vielen 
Beſtimmtheit des Ausdrucks abgehe und daß 
meilen in ein undurchdeingliches Dunkel verlier 
gereicht vielmehr diefer Tadel unferer herrlichen 
su befonderm Lobe. Gerade das Stereotypiſche d 
drucks befonders in der franzoͤſiſchen Spra 
eine Menge Dinge und Fälle, beurkundet eine 
ber gegenüber der Reichthum der unferigen erſt ve 
Licht tritt. Mährend die deutfche für manche Sa 
Erſcheinung unter einer Fuͤlle von Abflufungen, Kap 
und Nuancen die Auswahl hat, tft der Franzoſe m Wie 
tee auf einen einzigen Ausdruck befchränkt, ſodaß 
befanntlih im gewöhnlichen Leben bei recht gangbdi 
Wetter⸗, Geſundheits⸗ umd fonftigen Gonverfationsfra d 
vorausfehen kann, In welche Worte gefaßt feine dara a. 
folgende Bejahung oder Verneinung erfcheinen muß. U 
jenes Dunkel, das undurchdringlich gefcholten wird, iſt i 
der Regel ebenfalls nur das Dunkel einer Haren Ste 
nennacht, welche die Phantafie des Deutihen ihm au 
erhebenden Fingerzelge auf eine Ewigkeit geflaltet, wor- 
an die große Mehrheit der Franzoſen zu glauben‘ ganz 
unfähig geworden. Überhaupt frebt, wie der ganze deuß 
[he Charakter, fo auch die deutſche Sprache mehr 
die Sprachen vieler andern Nationen, deren Beſtr 
gen hauptſaͤchlich nach äußerer Cultur, Abrundung 
Stabilität gerichtet find, nad innen, den tiefften 
men der Gemuͤthewelt, mit ihrer allerdings oft 
verzagenden Hoffnung zu, in ihr moͤchte body viel 
endlich der Schlüffel zu dem großen Gehelmnifie 
Univerfums zu finden fein. Mit dieſem Hauptſtre me 
bürfte aber das Streben nah Stiliftand fi nie Der 
einigen laffen, weit folder nur als eine bie ihr zu wolaz 
ſchende weitere Fortbildung und Vervollkommnung 5 
bernde Verknoͤcherung zu betrachten wäre. Wenn bat 
aber auch jene andern Sprachen und namentlich & 
franzoͤſiſche vermöge ber auf ihr laſtenden Begrer 
und Stabilitaͤt der Diplomatie von vorzuͤglichem Werthe 
fein muͤſſen, fo ſtehen fie doch unſerer an Gleichniffen ' 
und Bildern durch die Fortdauer ihres Perfectibilisse im 









































81’ 
ıf 

ı Gipandge im Gebice ba 
. Unter Auderm iſt es bes 
des mehrfachen uneigent⸗ 
N hnung ber Gegenſtaͤnde, wel: 
N t N t | | ‚uber über die aͤußere Poetik 
| % häufige Ermangelung, nament; 
Hinſicht hoͤherſtehende franzoͤſi⸗ 
de der Dichtkunſt, in offenbaren 
(hriſchen Meifterwerke ſelbſt ber 
akreichs, fo boch fie duch ſorgſame 
Sonnabend, Stätte, wie beſonders auch durch ben 
hantemus de Ganzen beinahe die ge: 
ine Lyrik uͤberragen, muͤſſen doch im Allge⸗ 
at ihrer, wie unter dem Commando des Tanz⸗ 
Y feufjenden Grazie vor den Liedern und Roman: 
So heie rer Goethe und Schiller zuruͤckweichen, deren ma: 
werein die ntlänge, obſchon fie einzig aus ben Tiefen reinſter 
aus Gefohlchennatur frei hervorquellen, aus überirdifhen Räumen 
beruhend, zugeſendet erſcheinen. Ohne Zweifel hat das er: 
e Den gemite, duch ben CEigenſinn ber patiſer Akademie er: 
n ppte beiagene Stillſtehen der franzoͤſiſchen Sprache die meiſte 
 drgg Sould an, jenem Nachtheile der letztern, wenn man fie 
made, ; dieſer vergleicht, und es überſteigt fall allen Glau⸗ 
ae My, daß der ungeheure Irrthum des Stabilitaͤtsbeſchluſ⸗ 
fee fo lange bei Kräften zu bleiben vermochte. Die 
Sa prache, den Körper, der zur Fortpflanzung aller geiſti⸗ 
en, Ham Bewegungen einer Nation nicht ‚zu entrathen ift, 
jofe mleichfam in Spiritus fegen zu wollen, worin doch alles 
ſodaß aben erftiden muß und nur der Tod aufbewahrt wer: 

gangban Bann ! 
tionsfra Mit Eintritt ber Revolution hörte indeſſen bie fran: 
ine daratfche Sprachtyrannei von felbft auf. Eine Maffe, zum 
muß. Unit Auferfi übelgerathener, neuer Wörter nahm fich 
wird, if Freih eit, umter der Herrſchaft ber Freiheit umd Gleich: 
Haren Stet ebemfalis profperiven zu wollen. Männer, deren 


n ihm zunriotismus ſich hauptfächlich auf die Handhabung der 
fatter, wor⸗ Totine gelegt hatte, gaben fih mit der Schöpfung 
zuben ganpr Sprachartikel ab, und wie groß auch ber Abfcheu 
ganze deut franzoͤſiſchen Akademie wor dem Ausdrude „bougre- 
mehr ent patriotique” fein mochte, fo wagte fie doch ſchwer⸗ 
einen Laut dagegen, ba einer, der fpäterhin ber 
illotine mit größerem Rechte verfaltende, ſchmutzige 
reorift, Bürger Debert e6 war, der feinen Briefen des 
Pere Duchene”, einer damaligen Zeitfchrift, dieles Lob 
f dem Titel ertheilee. Im Stillen litt gewiß mandyer 
adensiter an Wörtern, wie das von den parifer Ges 
upilängnißemeorden zu Anfang September6 1702 hergefeitete 
‚ni WBeptembrifiren nicht wenig, wenn er auch viel: 
‚jolwicht aus Beſorgniß, daß an ihm felbſt das Erempel ei: 
mm Fer Geptembrifation flatuirt werden, oder man ihn 

aus dem großen Fenſter fhauen*) Laffen mddhte, 
‚ia Meine Gefühle dabei ganz unterdruͤckte. Kurs, im blutigen 
np @Befolge des Revolution durchbrach eine ſolche Dienge zum 
9 30 Thell ganz rohes, gehaltioſes Geſchmeiß von Worten und 
ich ein I vergeffenee Ausdruck, mit weichem bie 
u —* des one —— — durch. die —& 

jcherzhaft derelchnete. 










Veſt 
md 


eſſten 


he 
imaift 


ſene Kraft zu faffen 





Vedentarten ben dagıgen dangge Bahıe- ſergf ete 
balsenen und bewachten akadeniſchen Damm, daß ua 
ber: feicher gegen jche Neuerung diefer Aut gelmd: gemach⸗ 
ten Pruderie des ſogenaunten feinen in der 
Sprache keine Rede weiter fein und foger der aͤngſte 
Jan Hagel von nenen Woͤrtern und Redeformen ſich 
ohne Widerſpruch in der Hauptſtade der Welt naturaliſi⸗ 
vom konnte. In der Folge wındee freilich eine 

eiptzeten und manche Hefe wieder wegfallen. Es if aben 
doch bei aller Mühe, weiche die frangdfifche Akadewit fich 
von neuem gibt, als abfelute Sprachheerfcherin aufzutre⸗ 
ten, ſolches mehr für eine leere Demonſteation als für 
eine Sache von Gewicht zu achten. Vielleicht Ing: «A 
blos an dem fortdbauernden politifchen Sturme und Um⸗ 
fgwunge, daß die franzöfifhe Pocfie, wenn man ihren 
unfruchtbaren Kampf der Claſſicitaͤt mit einer ſogenean⸗ 
ten Romantik abrechnet, bis jetzt, auch in Folge des 
neuen Sprachzuwachſes und mancher früher ganz verpdat 
geweſenen Bilder und umeigentlichen Ausdrüde, keine we 
fentliche Abänderung erfahren bat. Dream aufer dem ha⸗ 
ben, leidenſchaftlichen Glanze der begeiflerungswollen und 
in jeder Dinficht wichtigen Marfeillerhpymne herrſchte 
in Diefer Poefie noch immer bie ganze regelrechte, eintoͤ⸗ 
nige Nuͤchternheit des Verſtands nme allzu ar, um ber 
Phantaſie nicht allen Schwung zu benehmen, bis Alfons 
de Lamartine zuerſt einen Weg einſchlug, der feinem Na 
men gewiß eine weit feſtere Dauer fichern wird als bie 
Yuldigungen, bie er neuerlich für dem Augenblick wait 
weit größerm Erfolge ber Politik darbrachte. Denn dieſer 
außgezeichnete Dann war es, deflen ebenfo kraftrolle nie 
melodiſche Töne fogar einen großen Theil derjenigen feiner 
Landsleute, die Das, was in Frankreich für claffifch gilt, 


abgoͤttiſch verehrten, mit feinen wohldurchdachten Verſtoͤßen 
gegen. dieſe Claſſicitaͤt amezuföhnen wußte; ee war eb, 


weicher die au friſchen Bildern, Gefühl und Innigkeit 


faſt ganz vermahrlofte Profa des franzoͤſiſchen Verſes 


duch fo manchen kuͤhnen Eingriff in bie Sprache großen⸗ 
theils mit einem poetiſchen Gewande zu beffeiden und 
fie fo aus der frofligen Müchternheit des Verſtands im 


‚die warmen, bluͤhenden Regionen ber Phantafie uͤberzu⸗ 
' führen umd ben vorbeiflatternden irdiſchen Erſcheinungen 
durch Vermählung mit der unvergängligen Semäthswelt 


Dauer und Bildung zu geben verfiand. Möge ſawol 
ee ſelbſt fortfahren, fein gelungenes Werk vorwärts zu 
treiben, als die im Steigen begriffene Zahl feiner Jünger 
ſich immer vermehren. Möchten dieſe nicht irre werben 
durch die Widerſpruͤche mancher ihrer im alten Vorur⸗ 


theile umtergehenden Landéleute, des Meiſters Kuͤhnhait 


und deſſen Beſtrebungen wo möglich noch zu überbieten! 
Hat body eine gleiche Kuͤhnheit unferer beiden Kuuſt⸗ 
beroen, Goethe und Schilier, audy uns Deutſche im Reiche 
der Poeſte erft auf die hohe Stufe gebracht, deren wir 
und num erfreuen. SBefonder& war. es ber Letztere, defſen 
erhabener Genius die ihm beimohnende Fülle guoßer Ge⸗ 
fühle und Gedanken in eine ihm eigenthuͤmlich zugewach⸗ 
wußte, deren Glanz Alles zauberiſch 

an fich zog. Leiche möglich aber, daß er, allzu blendend, 





da der Fotze bie deutfche Poeſte auf denſelden Abweg ges 
ſehet Hätte, Der ihr ſchon im 17. Sahehunderte einmal 
durch Überfpanntheit und Monfrofität, in den Dichters 
werken Lohenſtein's und Hofmannewaldau’s eine eigenthuͤm⸗ 
che, von der Einfachheit der Natur abweichende, Rich 
tung gegeben, wäre Schiller's gewaltfamer Anfpannung, 
welche namentlih die mächtigft hinreißenden (Gedichte 
„Berigeifterel der Leidenſchaft“, „Reſignation“ (beide naͤm⸗ 
lich in ihrer urfprünglichen, keineswegs in der nachheri⸗ 
gen fogenannten verbefferten Geftalt) und auch zum Theil 
fein koͤſtliches, Lied an die Freude” darthun, nicht Die 
Betrachtung in den Weg getreten, baß ſolch eine raſt⸗ 
loſe Anfpannung ein unnatlrlicher Zuſtand fei. Als 
das unfchäsbare Refultat diefer Betrachtung liegen Schils 
Ser’s fpätere, hauptſaͤchlich ſeit dem 3. 1793 entflandene 
Deamatifche und lyriſche Productionen von Sie find 
ein klarer, ruhiger Spiegel, aus dem uns, innig vers 
ſchmolzen, Natur und Kunft und Himmel und Erde, 
mie ihrem unerſchoͤpflichen Geſtaltenreichthume und ber 
frifcheften Farbenpracht wahrhaft besaubernd anfchauen 
und wie mit liebenden Armen felthalten. Und bie eben 
erwähnte Betrachtung, welcher eine fo mächtige Veraͤnde⸗ 
rung entquoll, wen verdanten wir fie, als ber Schickſals⸗ 
gunft, die ihn mit dem größten Dichtergeifte nicht nur 
Deutſchlands, fondern der ganzen gebildeten Welt zufams 
menführte? Nach Allem, was über das Verhaͤltniß zwi⸗ 
fen Goethe und Schiller in Hinſicht auf Leben, Wiſſen 
und Kunft bekannt worden, iſt dieſer denkwuͤrdige genaue 
Bertin überhaupt ale ein wahrhaft großes, europäifches 
Ereigniß zu betradhten. Die gegenfeitigen geiftigen Er: 
giefungen der zwei Dichtergrößen, wie nicht jedes Jahr: 
hundert eine einzige bervorzubeingen vermag, find für bie 
weitere Ausbildung beider von ber erfreulichften Folge ges 
wein. Ruͤhmt doc Goethe felbft die geiſtige Anregung 
durch den hohen Mann, ohne voelche unter Anderm na⸗ 
mentlich feine in den Schiller’(hen ‚„Mufenatmanachen’’ zu: 
erſt erfchienenen lyriſchen und romantifhen Wunderklaͤnge 
Ach nicht zum Dafeln würden emporgefchwungen haben. 
Ebenſo wenig ohne Zweifel der zweite Theil des „Fauſt“, der, 
wenn er auch allerdings in Auffaffung und Ausführung hinter 
dem erften offenbar weit zuruͤckſteht, doch gewiß ein Wert ift, 
defien Höhe, befonders in den mitunter ganz unvergleich⸗ 
fichen einzelnen Partien, fchwerlich ein Dichter ber jetzi⸗ 
gen Periode zu erreichen im Stande wäre. Beide Kunft: 
heroen fchienen berufen, einander wechfelfeitig zu berichti: 
gen und zu ergänzen, um in ihren Werfen dem ganzen 
Europa als Literarifche und poetifhe Meiſter vorzuleuch⸗ 
ten. Nichts bemeift wol auch beffer ihre Anerlannıfein 


son den gebildeten Nationen als die faft überall unters 


nommenen Berfuche der Überfegung ihrer Schöpfungen. 
‚(Die Jortſetzung folgt.) 





Humoriſtiſche Vorträge. Geſammelt von 2. Weyl. Berlin, 
* Berliner Berlagsbuchbandlung. 1843. 8, 15 Mer. 


Aus diefem Buche erfahren wir, nicht theoretiich, fondern 
an Beifpielen, was ber Hr. Herausgeber für humoriſtiſch hält. 


Ge mas feine —— * et Se ie kung bed Wer 
greife bumori n ER 
nicht fo Leicht als das Zufammenlefen und ——* 


ſolcher ſich für geiſtreich ausgebender Artikelchen. Unter benſa 
ben finden wir forcirte Wort⸗ und Bitzſpielereien, z. B., die 
Ziſchreden“ von €. Schneider, „Die Entſtehung des Carnedal⸗ 
von Boͤrnſtein und Ähnliches; ferner eine geburt der 
Saphir'ſchen Aftermufe, betitelt „Die Gifenbahn‘‘. deef. findet 
ben Humor weder in dieſen genannten, noch in Dettingers 
„Saufendgülbenkraut‘‘, noch in Weyl's „Bildergalerie, noch in 
deſſen „Der Zeufel und der Bafhionable”’, noch in Gubig’ „Ric 
besfibel‘‘ und „Ich bitte, noch im Ungluͤck und Pedy" von Rats 
ter; naturwahr iſt Glaßbrenner's „Erdbeben“, aber für kums 
riſtiſch wird dieſe fowie alle andern Nummern ber Brofdrire 
Niemand halten. Man begreift wirklich kaum, wie mande 
berliner Literaten fo wenig Gelbftkritit exerciren, daß fie ſolche 
flache Unbedeutendheiten, die in der That nicht werth find, 
daß fie gebrudt werben, bem Publicum übergeben mögen. Das 
Getvägtichft im ganzen Buche iſt noch: „Bedenken * von 
Muͤhler. , 





Literarifhe Anzeige. 


Der neue Pitaval. 


Eine Sammlung der intereſſanteſten Criminalgeſchich⸗ 
ten aller Laͤnder aus aͤlterer und neuerer Zeit. 
Herausgegeben von 
Dr. J.E. Hitzig und Dr. W. Häring (W. Alexis). 
Erfier bis vierter Theil. 
Sr. 12. Geh. 7 Thle. 24 Mer; 





Inhalt des erfien Theile (Preis 1 Chir. 24 Ygr.): 
Kari Ludwig Sand. — Die Ermordung bes Fualdes. — 
Das Haus der Fra® Web. — Die Ermordung des Pater Tho⸗ 
mas in Damaskus. — James Hind, der ropaliftifche Strafen: 
räuber. — Die Mörder als Reifegefrllfchaft. — Donna Maria 


| Bicenta de Mendieta. — Die Frau des Parlamentsrath Tiquet. — 


Des falfhe Dartin Guerre. — Die vergifteten Mohrruͤben. 
Inhalt bes zweiten Theils (Preis 3 Thur): 
Fonk und Hamader. — ‚Die Warquife von Brinvillier. — 
Die, Seheimräthin Urfinus. — Anna Margaretha Zwanziger. — 
Gefhe Margaretha Gottfried. — Der Wirthfchaftöfchreiber Tar⸗ 
now. — Die Mörderinnen einer Gere. — Die beiden Ruͤrn⸗ 
bergerinnen. — Die Marquiſe de Gange. 
Inhalt des dritten Theils (Preis 2 Chir.): 
Struenfee. — Lefurques. — Der Schwarzmüller. — Der 
Marquis von Anglade. — Jacques Lebrun. — Der Mord ut 
Eord Williom Ruſſell. — Nickel Eift und feine Gefellen — 
Berthelemy Roberts und feine Flibuftier. 
Inhalt des vierten Theile (Preis 2 Chir): 
Sim — Admiral Byng. — Der Pfarrer Riems 
bauer. -- Magifter Zinius — Gugen Aram. — De 
Maͤdchenſchlaͤchter. — Die Kindesmörberin und bie Scarfrids 
terin. — Jean Calas. — Jonathan Bradfort. — Der Ziegel: 
brenner als Mörber. — Der Herr von Pibardiere. — Klara 
Wendel, oder der Schuitheiß Keller’fche Mord in Luzern. 
Eeipzig, im December 1843. 


$.%9. Brockhaus. 


Berantwortliher Deraubgeber: Heinvih Brokhaus. — Drud und Verlag von 8. A. Brodhausb im Leipzig. ' 








Blätter 


für 


literarife Unterhaltung. 





Sonntag, 





Doefie und Profe. 
(Bortfegung aus Wr. 8.) 

Wirklich gab es zu Anfang des legten Deeenniums 
vom 18. Jahrhunderte in Folge der jugendlichen Lyra: 
länge unferd Schiller eine Periode, in welcher der vorer- 
wähnte, durch Eodenftein’s und Hofmannswalbau's poeti: 
ſche Überfpanntheit herbeigeführte Irrthum Miene machte, 
fi) zu wiederholen. Die beiden hier nochmals genann: 
ten Dichter hatten zu ihter Zeit, vermöge einer oft in 
leeren Wortfhall und Unnatur ausarteriden Zufammen: 
drängung der Sprache fo große Senfation gemacht, daB 
man durch fie alle andern deutfchen Poeten, namentlich 
ihre um wenige Jahre aͤltern Beitgenoffen Opig und 
Slemming, weit übertroffen zu feben glaubte, wie unter 
Anderm ein damals in großem Rufe gemwefener Äſthetiker 
Namens Männling in einer feiner mancherlei verfchieden: 
artigen Schriften, deren Titel mic entfallen ift, mit gro: 
Ben Pomp verkündigte. Ihr Ruhm erhielt fih im Ber: 
bältniß zu ihren Übrigens urtleugbaren Verdienſten län: 
ger, als man hätte glauben follen. Noch lange nad ih: 
rem Zode erfhien unter bem Titel: „Die allerneuefte 
Art zur reinen und galanten Poefie zu gelangen” 1707 
eine ÜÄftherit von Menantes, in deren Vorrede fie unge: 
mefjene Lobſpcuͤche erhalten, während jener ander zwei 
och immer mie Recht im bichterifchen Lorber prangenden 
Zeitgenöffen, Martin Opig’ und Paul Klemming's, 
nicht einmal Erwähnung gefchleht. ben wie zur Zeit, 
wo man die laͤngſt völlig vergeſſenen Lohenſtein und 
Hofmannswaldau vergoͤtterte, war auch das Heer ber 
Bemunderer Schiller's immer mehr angewachſen. Ihre 
Majorität fühlte ſich jedoch offenbar nicht fowol durdy die 
wahre Größe feiner Etſcheinung, als durch den auffallen: 
den Abftih, in der Art, wie foldhe von der minder rau: 
ſchenden Poefie der Zelt ſich unterfchied, elektrifirt. Ge: 
rade daB mitunterlaufende Milde, Formloſe und Überla: 
dene, ja wol genau betrachtet, zumeilen der Sinntofigkeit 
Berwandte, gewährte Ihnen den hoͤchſten Reis. Die Nach⸗ 
ahmung war bald bel ber Hand. Das Original fland 
in feinem ganzen, zum Theil völlig ungeregelten, abnor: 
men Wefen, als eine mächtige Kraft da, befjen reichge: 
fhmüdter Harniſch mit der darin waltenden Seele ein 
einziges Leben ausmachte. Wenn aber auch der Nach: 
ahmung in der Regel die Seele ganz abging, fo wußte 


344. ö— 





doch oft der Schmuck eines ſchillernden, leeren Harniſches, 
den ſie als Sprachrohr benutzte, der kurzſichtigen Menge 
ein dieſer wohlgefaͤlliges Leben vorzuluͤgen und fie damit 
nach und nach dergeſtalt zu bethoͤren, daß ihr die lebloſe, 
durch groͤßere Verſchrobenheit und ſonſtige Übertreibung 
zuweilen mehr behagte, als des Urbildes ſich ſpaͤter im⸗ 
mer tiefer in die Schranken des Maßes und des Schoͤ⸗ 
nen zurückziehende Poeſie. Das war denn auch Urſache, 
daß eine große Zahl, ſogar der Gebildeten, Schiller's waͤh⸗ 
rend ſeines Aufenthalts in Jena entſtandene Werke lyri⸗ 
ſchen und dramatiſchen Inhalts, die ſich uͤber die fruͤhern 
Productionen deſſelben großentheils weit erheben, eine Zeit⸗ 
fang für offenbare Mürkfchritte ſeines Geiſtes und den, 
dns Wilde und Mablofe in feinen Erzeugniffen bekaͤm⸗ 
pfenden Einfluß Goethe's auf ihn, deſſen hohen Dichder 
genius für nachtheilig und verderblich zu Achten ſchien. 
Aber die fortdauernde Vervollkommnung Schiller's, cheils 
durch Goethe's Bemlhungen, theils durch das Kernhafte 
des eigenen Innern, verſcheuchte in kurzem doch die bis 
an daB Unglaubliche flreifenden Nebel vom Auge des 
Publicums. Letzteres, welches nicht lange zuvor vielleicht 
lieber gefchen, wenn Schiller die Extravaganzen feiner 
erfien Periode noch Überboten, als feiner Poeſie durch 
Reinigung von benfelben die Krone aufgefegt Hätte, be: 
geiff immer beffer das Bersunderungswerthe der geifligen 
Höhe, welches fih namentlih in dem zuerſt unter dem 
Titel „Das Reich der Ecyatten” in der Zeitfchrift ‚‚Tite 
Horen’’ gegebenen Gedichte auffpricht, das fpäterhin „Das 
Reich der Formen“ geheißen warb und zuletzt die Auf⸗ 
ſchtift „, Ideal und Leben” erhalten bat. \ 

Welch ein herrlicher Sinn geht durch daſſelbe, welch 
eine Fuͤlle erhabener Gedanken ſchmuͤckt das Einzelne aus 
und wie lieblich rundet fih das kryſtallklare Ganze ih 
feiner hochgebildeten Sprache ab! Wie laut fihreit dage⸗ 
gen ihm gegenüber der Gontraft eines unter dem Titel 
„Rouffeau” in der ‚Anthologie auf bas Jahr 1781” 
abgedruchten Gedichte des damals angehenden Dichters 
befonders in folgenden zwei Berfen auf: 

Und wer find fie, die den Wellen richten ? 
Geifterſchlacken, die zur Tiefe fluͤchten, 
Vor dem GSilberblicke des Genies, 
Abgeiplittint von bem Gchöpfungsuwerte, 
... Gegen Riefen Rouffeau kind'ſche Zwerge, 
Denen nie Prometheus’ Feuer blies; 


\ 1B 


VBruͤcken, vom Inftincte zum Gedanken, 
Angeflicket an der Menſchheit Schranken, 
Wo ſchon groͤbre Luͤfte wehn, 
In die Kiuft der Weſen eingekeilet, 
Wo der Affe aus dem Thierreich geilet 
Und die Menſchheit anhebt abzuſtehn. 

Zu noch mehrer Heraushebung des Gegenſatzes zwi⸗ 
ſchen beiden Schiller'ſchen Producten ſei es erlaubt, fol⸗ 
gende zwei Verſe aus dem Gedichte „Ideal und Leben” 
daneben zu flellen: 

Wenn ihr in der Menſchheit traur'ger Bloͤße 
Steht vor des Geſetzes Größe, 
Wenn dem Heiligen die Schuld fi) naht, 
Da erblaffe vor der Wahrbeit Strahle 
Eure Tugend, vor dem Ideale 
Fliehe muthlos die beſchaͤmte hat. 
Kıin Erſchaffner hat dies Biel erflogen, 
Über diefen grauenvollen Schlund 
Traͤgt kein Nachen, Feiner Brüde Bogen, 
Und kein Anter findet rund. 

Aber flüchtet aus der Sinne Schranken 
In die Freiheit der Gedanken: 
Und die Furchterſcheinung iſt entflohn, 
Und der ew'ge Abgrund wird ſich fuͤllen; 
Nehmt die Gottheit auf in euren Willen 
und ſie ſteigt von ihrem Weltenthron. 
Des Geſetzesſtrenge Feſſel bindet 
Nur den Skiavenſinn, der es verſchmaͤht, 
Mit des Menſchen Widerſtand verſchwindet 
Auch des Gottes Majeſtaͤt. 

Sollte Jemand, wuͤßte er es nicht zuvor, wol fuͤr 
moͤglich halten, daß beide Gedichte die Klaͤnge der naͤm⸗ 
lichen Lyra wären? Und doch! Fehlt auch den erſten zwei 
Strophen Alles, was die befondern Vorzüge feines im 
hoͤchſten Reize innerer und äußerer Poefie (dev Handlung 
und des Stils) ftrahlenden fpätern Gedichts ausmacht, fo 
blickt doch aus dem bis zur vollen Lächerlichkeit gehenden 
Bombaſt feines unverkennbar gänzlichen Gontraftes allent: 
Halben ein zu großen Dingen berufener Geiſt hervor. 
Keiner der feelenlofen Harniſche, von denen wie fprachen, 
wuͤrde auch nur ſolcher Klänge fähig geweſen fein, wie 
Schillers „Rouſſeau“ fie darbietet. 

Beitäufig bemerken wir hier, daß vielleicht noch einige 
dieſer ſchillernden Harnifche ihe Dafein bisweilen fund: 
thun, daß fie aber ſchon lange vor dem Hinſcheiden des 
großen Dichters, fogar für ihre früheren Bewunderer, al: 
fen Schein völlig eingebuͤßt hatten. 

Dan darf ficher behaupten, daß gerade Schiller's vor: 
malige, zu gewaltfame Zuſammenraffung gigantifdyer Ge: 
danken und Bilder und die ihm im Dichten zur Ge: 
wohnheit gewordene Scheu vor allen trivialen und durch 
die Alltagsrede Ihm für die Poeſie zu profan erfchienenen 
Ausdruͤcken und Wendungen eine Vollkommenkeit mehr 
verlieben habe, als ſogar Goethe's, auch rüdfichtlich der 
Aufern Vollendung in der Regel unvergleichliche Geiſtes⸗ 
erzeugniffe im Einzelnen bisweilen darthun. Denn «6 
tommen in manchen der außgeichnerften Poefien dieſes 
Meifters Stellen vor, denen Schiller ſchwerlich den Zu: 
triet in die eigenen metrifhen Werke verftartet haben 
würde. Ein Beifpiel, da6 Sonett in dem bei Eröffnung 
des neuen Schaufpielhaufes zu Lauchftäde im J. 1802 


aufgeführten Getsgenheitsfihtte kann ſolches vieleicht c- 


‚Lläutern. 


Adam Meter dat irgendwo in feinen Werken fi 
ber die Vollkommenheit diefes Sonetts ganz enthuſiaſtiſch 


ausgeſprochen umd er war wol der Dann, deſſen Campe 


tenz hierin kein Sachkundiger bezweifeln wird. Das Ge 
dicht lautet: 

Natur und Kunft fie fcheinen ſich zu fliehen 

Und haben ſich, ehe man es dent, gefunden; 
Der Widerwille ift auch mir verfchwunden 
und beide fcheinen gleich mich anzuziehen. 
Es gilt wol nur ein redliches Bemühen ! 
Und wenn wir erft in abgemefl’nen Stunden 
Mit Geift und Fleiß uns an die Kunft gebunden, 
Mag frei Natur im Herzen wieder gluͤhen. 

So iſt's mit aller Bildung auch befchaffen. 
Vergebene werben ungebunbne Geifler 
Rad) der Vollendung reiner Höhe fireben. 

Wer Großes will, muß fich zufammenraffen. 

In der Beſchraͤnkung zeigt fich erſt der Meifter 
Und das Geſetz nur kann uns Freiheit geben. 

Sollte die deurfhe Kritik, wie ſolche häufig geüht 
wird, nie an Manchem darin großen Anfloß nehmen 
und befonder& die zweite Hälfte des erften Quartetts, fo: 
wie die erften Zeilen des erſten und des zweiten Terzetts 
fir durchaus proſaiſch erklaͤtn? Wenn Schiller audy bei 
dergleichen Gelegenheit vermuthlich einer ſolchen Ausdruckt⸗ 
weife fi) enthalten hätte, fo würde das unftreitig nur 
von der ihm zur andern Natur gewordenen Sitte, in fe: 
nen poetifchen Erzeugniffen dem Ausdrude des gemeinen 
Lebens immer einen höhern zu fubflituiren, aber ſchwer⸗ 
lih davon hergeruͤhrt haben, daß ihm die von feinem 
großen Freunde bier der gewöhnlichen Rede entlehnten 
Worte in der Poeſie geradezu als unangemefjen erfchie 
nen wären. Der Mann, deſſen feltener Univerfalitäe ia 
Kunft und Wiffen er felbft feine von ber frühern Ein: 
feitigkeit und Überfpannung zu allgemeinen, hoͤhern An: 
fihten &bergeführte Ausbildung verdantte, hatte, Das wußte 
Schiller, überhaupt zu viel ſichern Takt, um ber Natur 
der Poefie unmürdige Redensarten aufjubürden. Obſchon 
die Poefie allerdings den unelgentlihen Ausdruck in der 
Regel dem gewoͤhnlichen vorzuziehen pflegt, kann dem 
Dichter doch kein Vorwurf über den Gebrauch des leg: 
tern, felbft in der Poeſie, gemacht werden, ſobald nur 
der von Ihm angewendete nicht gegen ihr inneres Weſen 
verftößt, wie nahe auch vielleicht die Möglichkeit der Auf: 
findung eines mit diefem nody mehr barmonirenden Aus: 
drucks gelegen haben koͤnnte. Eine Freiheit diefer Art 
(die ohnehin der Dichter bei größern Werken in gebun- 
dener Mede nicht entbehren ann) ift ihm auch ſchon 
darum im Allgemeinen zu vergönnen, da nicht felten bie 
Vermeidung des gewöhnlichen profaifhen Ausdrudis nur 
duch unnöthigen, noc viel weniger mit ber Poefie ver- 
träglihen Wortüberfluß viel zu theuer zu erfaufen fein 
würde. Nicht die Eritifhe Kunft, fondern nur das 
auf Herkommen, Vorurtheil und Schiendrian beruhende, 
gemeine Recenſirhandwerk, das den Kunſtrichter⸗ 
ſtuhl mitunter ufurpiet, koͤnnte einem ſolchen Kaufe Ge 
nehmigung ertheilen. 


ei” — vB GER — nn: 
Te 


So bat und deun bier unſere dargelegte Überzeugung 
von den Borzügen der deutſchen vor vielen andern Spra⸗ 
en, und dee Höhe, zu weicher die beiden großen Dich: 
ter, Goethe und Schiller, der Poeſie in ihr verholfen, un: 
vermerkt darauf bingeführt, unter welden Umfländen der 
Docfie auch der Gebrauch foldyer Wörter und Wendun: 
gen, welche fait ausfchließend in das Gebiet der Profa 
gehören, nicht verfagt werden darf. 

Mir befigen einen Schrififteller, der häufig vom Un: 
verflande Eanonifirt, von der Kritik noch viel zu wenig 


ins Licht gezogen und gewürdigt wurde, er beißt Sean 


Paul Friedrih Richter. Durch die Innigkeit feiner Theil⸗ 
nahme an dem mitunter in der That nur allzu graufa: 
men weiblihen Schickſale und feine heldenmuͤthige Ver: 
theidigung des Frauencharakters gegen Ungerechtigkeit und 
free Berunglimpfung, mit Recht ein Liebling des zar⸗ 
tern Geſchlechts, verfündeten nicht nur deſſen Stimmbe⸗ 
rechtigte das Lob feines Geiſtes und Herzens, fondern «6 
tief ihn auch die durch ihn ſich geſchmeichelt fühlende 
Hpfterie, feine finnvollen Ausfprüche dem wahren Weſen 
nad) großentheils gar nicht fafjend, zum wirklichen Hei⸗ 
land und Sortmenfhen aus. Ihrer Meinung nad 
konnte neben der genialen, durch eine Überfülle von Witz 
und Komik hinreichend gerechtfertigten Verſchrobenheit des 
Stils, der Stil keines andern deutſchen Schriftſtellers, 
als hoͤchſtens der, vermöge feiner Sentimentalität ihr zu⸗ 
gaͤnglich gemachte unfers Schiller, mit Ehren beftehen. 
Gerade an der krankhaften Zhränenfeite der im Ganzen 
fo ſtarken, gediegenen Natur Jean. Paul’s, eines gehei: 
men Aufammenbanys mit der ihrigen, einer unverkenn⸗ 
baren Spmpathie fich erfreuen zu dürfen wähnend, über: 
täubten defjen hyſteriſche, ihm durchaus nicht ebenbürtige, 
Sönnerinnen das allgemeine Ohr mit der Verkündigung 
feiner unerreichbaren einzigen Größe fo lange und leiden: 
ſchaftlich, daß die anfänglidien Bedenken gegen mandıe 
Irrthuͤmer des großen Mannes kaum nod, laut zu wer: 
den magten und fogar die wichtige Stimme, welche fi) 
gegen das Ende des vorigen Jahrhunderts, zugleid un: 
ter Anerkennung und Tadel, in den berühmten „RXenien“ 
über ihn erhob, wegen Beimiſchung des allerdings mit 
ungerechter Härte ausgefprochenen Tadels, des gewaltigften 
Srevels befhuldigte wurde. Diefe Ungerechtigkeit war un: 
verkennbar die leidige Frucht des Unmillens, daß die Kri⸗ 
tie fogar fi von der unbedingten Lobpreifung unfers 
größten Humoriſten durch die Hpfterie hatte anſtecken 
laffen. Wenn aud Jean Paul’s Romane, fhon wegen 
ihrer fo reichen Ausflattung mit dem lebendigften Humor, 
ſich als einzig in der deutſchen und vielleicht in allen Litera⸗ 
turen bewaͤhren — denn ſogar dem Engländer Sterne bleibt 
fein Geift in mehr als einer Hinſicht Überlegen — , fo läßt 
doch die Individualiſitung der verfchiedenen Charaktere und 
die Geſtaltung des Einzelnen in feinen am meiſten zur 
Sentimemtalität ſich binneigenden Lebensgemälden zu eis 
nem Ganzen noch Manches zu wünfchen uͤbrig. Nur 
diejenigen, in denen das Komifche vorherrfht, wie im 
„Siebentäs”, „Schmelzle”, „Katzenberger“ und andern, 
rigen ihn im diefer Gattung von einem Range, ben wol 


kein anderer deutſcher Schriftſteller ihm Preitig machen 
dürfte. Die Kritik hat auch nicht unterlaffen, das her⸗ 
vorzubeben, und wenn hier behauptet wurde, fie babe ihn 
noch zu wenig in das Licht gezogen und gewürdigt, fo 
bezieht ficdy dies keineswegs auf feine Romane. Die Kl: 
tie ließ fogar feinen nicht in dieſes Fach einſchlagenden 
Schriften, wie der „Levana“ und der „Vorſchule ber 
Aſthetik“, Gerechtigkeit widerfahren. Gteihwol ſcheint 
fie auf das legtgenannte Werk noch immer zu wenig 
bingedeutet zu haben und noch hinzudeuten. Und doch 
iſt daffelbe feit dem Erſcheinen deffen zweiter Auflage vor 
nun [don mehr als dreißig Jahren ungeachtet der Menge 
der binnen dieſes Zeitraums erfchienenen, denfelben Ges 
genftand nach Verfchiedenheit der Syſteme und Parteien 
von allen Seiten beleuchtenden Schriften bis jegt als ein 
wahrhaftes Schagkäftlein für die deutfche Literatur zu bes 
trachten. Jeder, der Unbefangenheit genug befigt, um 
aus der Partei, zu der er ſich befennt, für einen Augens 
blid ganz berauszutreten und Sean Paul's „Vorſchule“ 
von einem allgemeinen Geſichtspunkte ind Auge zu fafs 
fen, wird dies eingeftchen müffen. Es ift ein vollſtaͤn⸗ 
diger Inbegriff der gründlichfien und der Praxis am 
meiften in die Hand arbeitenden Theorien. Eogar dies 
jenigen Anfichten diefes Äſthetikers, mit denen wir uns 
nicht vereinigen Bönnen, zeugen gewöhnlih von feinem 
raſtloſen Nachdenken und Studium, von einem Scharf: 
finne, wie er bei folhem Übermaße des Witzes fonft gar 
nicht vorzufommen pflegt. Kein angehender Stitift follte 
verfäumen, dieſes ducc feine gewoͤhnlich mit den treffend: 
fin Beifpielen erläuterten Regeln verfehene Buch zu Ras 
the zu ziehen. Hierbei fann man faum umhin, der zu 
großen Strenge zu gedenken, welche gegen Schiller im 
dritten Theile vorfommt und befonders bie bis in das 
Minutiöfe flreifenden Ausftellungen an einigen einzelnen 
lyriſchen Pretiofen des Dichters zu misbilligen. Alles Das 
wird jedoch durch die tiefe Ehrfurcht entfchuldigt, welche 
Jean Paul diefem Unfterblihen im Allgemeinen beweift. 
Dem Ausfpruche des Tadels aber, den der Kritiker uͤber 
die, auch von Andern viel angefochtene, harte Stelle in 
Schillers ‚Lied an die Freude”, wo ber Ungluͤckliche, 
der nie ein. theilnehmendes Herz auf Exden finden Eonnte, 
aus dem Bunde der biefes Lied fingenden Sreunde ver: 
wiefen wird, muß man [don darum feine volle Zu: 
flimmung ertheilen, weil der Kritiker durch die Veränderung 
der Spibe aus in die Sylbe in daran eine Berbefferung 
fnüpfte. Sean Paul wünfcht nämlich, daß die beiden Zei: 
len, welche jenes aus mit enthalten, alfo beißen möchten: 
Unb wer’s nie gekonnt, der fehle 
Weinend ſich in unfern Bund. 

Unftreitig verdiente diefe ungemein wichtige Verbeſſe⸗ 
rung von allen Gefangvereinen bei dem Vortrage des 
fo mächtig erhebenden Hymnus adoptirt zu werden. *) 


*) Ein $reund des Verf. gegenwärtigen Auffages aͤußerte, es ließe 
ſich wol audy annehmen, daß Schiller unter dem Armen, ber 
nie eine Seele fein nennen konnte, einen Solchen verflanden, der die 
rechten Wege dazu einzufchlagen verfäunt, ober auf irgend eine 
Art diefes Ungluͤck feibft verſchuldet Hätte. Der Verf. ſtimmt 


u 


Ein einziger Vorwurf iſt viellelcht Jean Paul’ Aſthetlt 
nicht zu erlaſſen, daß er naͤmlich in denſelben Fehler ver⸗ 


faͤlt, den er Im erſten Theile (S. 322) an Kotzebue 


ruͤgt, weil das Unerſchoͤpfliche des Flillhorne ſeines Witzes 
einen nachtheiligen Einfluß auf die Werke dieſes Schrift⸗ 
ſtellers, namentlich auf deſſen Dramen, aͤußere. Bei 
Jean Paul teitt, vorzuͤglich in der „Vorſchule der Äſthe⸗ 
tie’, ganz der nämlihe Fall ein. Auch keinen Augenblick 
ruhen in feinem Vortrage die Ergöglichkelten der Laune 
und des Witzes, durch welche die Aufmerkſamkeit bes Le: 
ſers getheitt und fo ihm das Verſtaͤndniß, worauf es an: 
kommt, fortbauernd erfchwert wird. Sean Paul verfährt 

erade wie ein Seuerwerket, wenn er während der ganzen 

auer feiner Kunfterploflon nebenher noch duch Aus: 


werfen von Leuchtkugeln und Schwärmern den Zufchauer ! 


zu beluſtigen fuchen wollte. Bel alledem findet man Die 
ähnliche Beluſtigung in feinem Bude an ſich zu erfreu: 
lich, als daß der damit DBelanntgewordene fie, num fie 
einmal vorhanden ift, Daraus wegwänfcen möchte. 

Was Über deurfhe gebundene und ungebundene Rebe 


zu fagen war, ift duch den trefflihen Humoriſten in die: | 


fem Werke gefagt worden und des in demfelben vorfom: 


menden Irrthums fo wenig, daß es gegen die aus bem | 


Buche zu ſchoͤpfenden Koftbarkeiten gar nicht in Anſchlag 
gebracht werden kann. Möge biefe Hinweifung auf eine 
fhon vor einer fo langen Reihe von Jahren flattgefun: 
dene literarifche Erfcheinung in jegiger Zeit ihren wohlge⸗ 
meinten Zwed nicht ganz verfehlen ! 

(Die Zortfegung folgt.) 


Notizen. 
Norbpolerpedition der BubfonbaysGompanyp. 

Belanntli wurde Gapitain Bad 1833 von der Britifchen 
veographiſchen Gefellfchaft abgefendet, um den Capitain Roß aufs 
zuſuchen, ber vier Jahre zuvor auf Privatkoften eine Norbpot: 
erpedition unternommen und im Mat 1832 fein Schiff verloren 
hatte. Sir &. Back machte bei diefer Gelegenheit ben Berfuch, 
durch Wagers Inlet oder Repulfebay in das Polarmeer vorzus 
bringen. Dies war bie legte Unternehmung bdiefer Art vor benen 
der Hudſonbay⸗Company. Die von der britifchen Regierung 
mit ungeheuren Koften ausgerüfteten Expeditionen liefen unge⸗ 
achtet des Eifers und Muthes der damit beauftragten Perfonen 
immer ungluͤcklich ab, weil es ben Lettern an Erfahrung in 
der Polarfchiffahrt fehlte. Die Hudſonbay⸗Company befchloß 
deshalb, mit ihren im Betrieb des Pelzbandels geübten und der 
Nordmeere kundigen Seeleuten eine Expedition zur Entdeckung 
eines Theiles jener faft unzugänglichen Küften zu unternehmen. 
Im Juli 1858 erhielten die Herren Deafe und Simpſon von 
der Company Befehl, im folgenden Jahre die Expedition zu bes 
men, ben Madenzie hinunter zu fahren, dann weſtlich nach 
etuen Reef, dem aͤußerſten Punkte, den Sir 3. Franklin 1826 
erreiche hatte, die Küfte von dort bis Point Barrow, meldyes 
Herr Elfon bei Beechey’s Srpebition erreicht hatte, zu erforfchen, 
dann im norböfttichen Winter des Großen Bärenfees zu über: 
sintern, im folgenden Sommer ben Aupferminenfluß hinab zu 
fahren und die öflliche Küfte bis zur Mündung des Großen Fiſch⸗ 
fluffes, den Back 1834 entdeckt hatte, im Verlaufe von zwei 
Sommern zu befahren und aufzunehmen. Diefe Unternehmungen, 


diefee Meinung vollkommen bei. Die fragtiche Stelle möchte 
besbalb dem Sinne bes großen Dichters dadurch virlleicht noch 
näber zu bringen fein, wenn das Wort gekonnt in gewollt 
umgeänbert würde, 








Wie wit ebenfo viel Winfidhe und Stwohl an Ri, um m, 
einen einzigen erpeblichen umfat bucchguhäkrt wincben, hakın ya; 
bie genauese geogtaphiſche Wetanntichaft einer Gtrrde von 14 
Längengraben oder, wenn man ben Windungen der Küften folgt, 
mehr als 2000 englifchen Mellen verſchafft. Gine Befcheeibtn 
der Expedition iſt foeben in Eondon erſchienen umter dem Ze 
„WNarrative of the discoveries on the nerth const 4f Amerke, 
effeoted by the offcers ef the Hudsons Bay O, 
during the years 1836—30.', herausgegeben von Serra Simſen 
Bruder, Thomas Simpfon. Herr Gimpfon ſelbſt iſt naͤmlich, 
als eben bie Hudſonbay⸗Company fein Anerbieten angeriommen 
batte, eine neue edition nach der Fury⸗ und Hekiaftrafe m 
fühen, im Iunt 1340 noch in Amerika unter Umfländen, br 
aicht aufgehellt worben find, eines gewaltfarmen Zodes geforce. 
Gr war zwar dem Range nad) nur der zweite Offizier (dena 
an der Spige fland der alte erfahrene Deafe, der fchon an 
Franklin's Expedition Theil genommen hatte), war aber doch ei⸗ 
gentlich die Seele der Unternebmungen und auch der Einzige, 
welcher den wiſſenſchaftlichen Aufgaben berfeisen gewachſen wer. 
Wie begnügen uns, folgende Schilderung aus obiam 
Werte mitzutheilen: „Die Eskimos, welche die Rorbüßen 
Amerikas bewohnen, haben ſich ohne Zweifel von Groͤnland aus 
verbreitet, weiches ferbft von Nordeuropa aus bevoͤlkert worken. 
Ihre Nachbarn aber, die Loucheur vom Mackenzie, haben ein 
deutliche Tradition, daß ihre Vorfahren über einen Meerrare 
vom Welten hergekommen feien, Die Sprache ber kLouchan ik 
gaͤnzlich verfchieden von der Sprache der übrigen bekannten Stämme, 
welche bie weiten Diftricte bewohnen im Norden einer Eine, 
die man fih von Churchill an der Hubfonday über bie Roch 
Mountains nad Nıucaledonien gezogen denkt. Diefe Littern 
naͤmlich, d.h, die Chippeways, die Kupferindianer, die Biberin 
dianer vom Kriedengfluffe, die Hundsripp⸗ und Hafenindiane 
vom Madenzie und vom Großen Bärenfee, die Thöcanier, Re 
fanier und Dahadinnies von den Rockybergen, nebft den Gar: 
riern von Neucalebonien, ſprechen allefammt Dialekte ver 
naͤmlichen Grundſprache. Naͤchſt Diefen bewohnen die Gr, 
weiche eine gang andere Sprache fprechen, ein großes Stüd dei 
Sontinents, welches von dem Kleinen Sklavenſee durch das Vald⸗ 
revier nördlich vom Saskatſchewan Über den See Winipeg nah 
der Bactorei York und von dort um die Küften der Huber: 
und der Jamesbay ſich zieht. Die Garrier von Reucaledonie 
hatten noch neueriich wie die Inder den Gebrauch, ihre Todten 
zu verbrennen; die Witwen wurden zwar nicht wie bei Senm 
mit verbrannt, hatten aber doch eine nicht angenehme Rolle ki 
der Ceremonie zu Übernehmen, fie mußten mit ihren Händen bit 
Bruft der Leiche fo fange ſchlagen, bis diefe ganz zu Aſche ver 
brannt war, wobei fie fich natuͤrlich oft die Hane röfteten.” 
Die Esfimos, mit benen bie Reilenden zuſammentraſen, betrad« 
tet Herr Simpfon ald den norbamerifanifchen Indianern wit 
userlegen an Berftand, Vorausfiht und Kunftfertigkeiten. Eie 
gehörten nicht zu jener Elein gewachſenen flumpfen Race, at 
die wir bei diefem Boltänamen zu benten pflegen, ſondern warn 
wohlgewachſene, kraͤftige und gewandte Eeute, unter denen einig 
bis ſechs Fuß groß waren. 8, 


Die „Alte und neue Welt”, die in Philadelphia erfcheint, fast: 
„Die in englifger Sprache erfcheinenden nordamerikanifchen Zeitun⸗ 
gen machen zuweilen herrlichen Unfinn, wenn fie ein paar Worte aut 
einer ihnen fremben Sprache citiren. So lad man neulid im 
„Ledger‘: Das zartefte Sompliment, das man in ben deutſchen 
Anftedelungen einem jungen Brauenzimmer am Montag: Morgen 
fagen Fann, ift: ‚Geld der fight fchleiferifch den Morgen!‘ E— 

ve unmoͤglich, dieſe beutfchfeinfollenden Worte zu verſteben, 
wenn nicht die engliſche Überfegung mit den Morten baruntır 
fände: „I guess you’re sleepy this. morning‘. Deutſche Zei⸗ 
tungsſchreiber in Amerika würden fich ſchwerüch erfühnen, einen 
Sag aus einer fremden Sprache in ihren Blättern zu cltiren, 
wenn fie nit von ber Gorrectheit des Eitarb übern 
warten. » 


Verantwortlicher Deraudgeber: Heinrih Brokhaus. — Drud und Verlag von F. X. Broddaus in Reipsie 


. 


En 





- Blätter 


für 


literariſche Unterhaltung. 





Montag, 





Doefie und Profa. 
(Bortfekung aus Wr. 34.) 

Ehen aus den Singange dieſes Aufſatzes ergab fich 
die Untauglichkeit der Worte Poefie und Profa als 
Gegenfäge, da nicht einmal eine firenge Abgrenzung 
zwifchen ihnen zu ermöglichen iſt. Sodann ward ange: 
nommen, daß jede Sprache um fo günftiger für bie 
Poeſie ſich erweife, je reicher Ihe Woͤrterſchatz an bildli⸗ 
chen oder wenigſtens uneigentlihen Ausdrüden fei und 
daß baher die deurfche in dieſer Hinficht einen übermie: 
genden Borzug vor den meiſten andern Sprachen be: 
haupte, die franzöfifche hingegen wegen der feften Bes 
ſtimmtheit in ihren Ausdrüden, wenn fchon In fonftiger 
Hinſicht mande Vorzüge, hingegen der Porfle- vielleicht 
das dürftigfte Material für deren Geftaltungen bdarbiete. 
Mir fahen, daß die Schuld hauptſaͤchlich an dem Rigo⸗ 
rismus der franzoͤſiſchen Sprachgelehrſamkeit gelegen, der: 
ſelbe aber durch die Revolution vom J. 1789 eine totale 
Niederlage erlitten, wie ſeitdem befonders der Dichter Lamar⸗ 
tine dieſes für feine portifchen Schöpfungen benugt und zu⸗ 
vor ganz unerhörte Sprachneuerungen gemagt habe, welche 
ſich eines großen Anklangs fogar In Frankreich erfreuten. 

Unftreitig bat diefer Dichter fomit wefentlidy beigetra- 
gen, feinen Landsleuten Empfänglichkeit für die poetifhen 
Droductionen des Auslandes und unter Anderm für die 
deutfche Lyrik und Romantik beizubringen, auch den Über: 
ſetzungen vorzügli unferer und der diefen dem Geile 
nad) am meiften verwandten englifhen Dichtungen in 
feinem Vaterlande eine gänftige Aufnahme zu verfchaffen. 
Die Frucht diefer Überfegungen, vereint mit den Beſtre⸗ 
bungen Lamartine's und deflen immer zahlreicher werden⸗ 
den Anhangs, kann nur von den mwohlthätigften Folgen 
für den fo lange ſchon zum Sklaven herabzewürdigten 
Genius der franzöfiihen Sprache fein. Ze tiefer die 
Franzoſen auf dieſem Wege in die ihnen aus dem Aus: 
Sande zufließenden poetifchen Genüffe hineingerathen, defto 
mehr werden fie fih auch alimälig von der abfoluten 
Nichtigkeit ihres Stolzes auf manche, vor kurzem noch 
von ihnen für die hoͤchſten Blüten des Menfcengeiftes 
geachteten Werke einheimifcher Poefie Überzeugen, bis fie 
zulegt vieleicht ebenfalls zu der Erfenntniß gelangen, daß 


überhaupt mit unferm Goethe, nad) langer Dämmerung, 


ein neuer Tag fr die poetlſche Literatur von ganz Eu⸗ 





ropa angebrochen ſei. Offenbar ſcheint das in ber Peche 
weit höher als Frankreich ſtehende Großbritannien fchon 
hiervon eine beftimmte Ahnung zu haben und Schiller 
als einen treuen Mitſchoͤpfer des neuen Lichts anzuſehen, 
das ſich hoffentlich Immer weiter über die Welt werbreis 
ten und dem allgemeinen Körper des menfchlichen Bes 
dankens, der Sprache, mag fie franzöfifch oder deutſch, 
englifch oder italienifch heißen, duch immer zunehmenden 
wechfelfeitigen Austaufh ihrer Schäge einen hoͤhern ges 
meinfchaftlihen Charakter ertheilen dürfte. Strebt body 
überhaupt der Menſch in Allem mehr als jemals aus 
jener unfeligenz feindlichen Abgefchloffenheit der verſchiede⸗ 
nen Länder und Volksſtaͤmme heraus einer allen feinen 
geiftigen und phyſiſchen Kräften Beförderung verhelfens 
den bruͤderlichen Semeinfchaft zu. Wer weiß, ob hierdurch 
nit am Ende gar bie jegt noch fo große Verſchiedenhett 
der Sprachlaute ihe Biel in einer einzigen univerfellen 
Sprache finden koͤnnte? Bis dahin — wenn es ndms 
ih in der That die ſpaͤte Nachkommenſchaft je dahin 
bringen follte! — werden die verfchiebenen Idiome Beit 
genug behalten, fi durch gegenfeitige Mittheilung ihrer 
Reichthuͤmer und lobenswerthen Eigenheiten möglihfl zu 
vervolllommnen. Es darf aber diefe Verkommnung kei⸗ 
neswegs nur auf eine der beiden bisher allgemein mit 
dem Namen Poefie und Proſa bezeichneten Haupt⸗ 
formen der Spradye befchränke werden, fie muß vielmehe 
nothmendig die Geſammtheit ihres unter dem Namen .ber 
ſchoͤnen Redekunſt befannten Gebiets umfaflen, ba beide 
teog der feindlichen Stellung gegeneinander ald ganz ums 
jertxennlich zu betrachten find. 

Die Poeſie, hieß es, fei eine Verklärung ber Wirk: 
lichkeit, wenn aber auch bie ihr gegenüberftehende Proſa 
ale Wortgeberin oft einzig die nadte Wirklichkeit res 
präfentirt, fo wird fie doch ebenfo oft durch die the vom 
Dichter eingebauten hohen Gedanken, Befühte 
und Bildungen in den Kreis der Verklärung hinauf: 
gehoben, während die an Metrum oder Reim oder beide 
zugleich gebundene Rede, falls, tote folches häufig vors 
kommt, derfelben jener Verklärungsfhimmer abgeht, nicht 
einmal auf das Leben der Wirktichkeit Anfpruch machen 
ann, fondern gleich der Unnatur der fogenannten poes 
tifhen Profa geradezu dem Tode verfallen iſt. Nicht 
zu gedenken, daß die gute Profa, wie deren 3. B. der 


1376 


und ſeinem Buche auch der wiſſenſchaftliche Stempel feh⸗ 


len, und die Befriedigung des gelehrten Leſers nicht uͤberall 


ſein Bemuͤhen kroͤnen, ſo bleibt ſeine Arbeit doch ein 
dankenswerther Beitrag zur Kunde des Pprendengebirg, 


feiner Reize und feiner anziehenden Schauer und er darf ' 


auf eine höhere Anerkennung rechnen, als fie feinen juͤng⸗ 


ſten Vorgängern in diefem Verſuch gebührt, deren Schritte - 


Frivolitaͤt und muͤßiger Überdruß in diefem ſchoͤnen „Stüd 
Erde’ geleitet haben. 

Die Beigaben über die Hellquellen ber Pprenden und 
die (prachlihen Fragmente find unerheblich, der beigefügte 
Entfernungsmeifee aber ift dankenswerth. Wir wollen 
Buch und Verf. daher dem wohlwollenden Lefer beſtens 
empfohlen haben, der in der Anfhauung großer Naturwerke 
feine Befriedigung findet. W. von Lüdemann, 





Bibliographie 

Arndt, G. M., Maͤrchen und Zugenderinnerungen. 2ter 
Theil. Mit 6 Kupfern. Berlin, Reimer. 8. 1 Spir. WRNgr. 
Biafius, I. H., Reife im Quropäifchen Rußland in den 
Jahren 1840 und 1841. In zwei Zheiten. After Theil: Reife, 
im Norden. Braunfchmweig, Weftermann. 1844. Gr. 8. Preis 
beider Theile 9 Thlr. 
Boden, A., VBertbeidigung bes Hrn. Prof. Dr. Solv. 
Jordan wider das in erfler Inftanz von dem Criminal: Senat ' 
des Kurfuͤrſtlichen Obergerichts gu Marburg am 14. Juli 1843 
gegen ihn. gefällte Erkenntniß, und Widerlegung der Gründe, 
biefes Erkenntniffes. Frankfurt a. M., Sauerländer. Gr. B. 


gr. 

Bröder, 3.9. C., Der evangeliſch⸗chriſtliche Gemeinde: 
gottesbienft aus der Schrift entwidelt. Hamburg und Gotha, ' 
5. und &. Perthes. Gr. 8. 15 Nor. 

Bruͤckbraͤu, F. W., Chriftoph der Kämpfer, Herzog 
von Bayern, oder: Der Löwenbund. Hiſtoriſche Erzaͤhlung. 
3 1 Gtapifiih. Augsburg, v. Jeniſch und Stage 8. 

+ Nor. ' 

Beigifche Sompagnie zur Golonifation bes Diftrict® Santo: 
Thomas, Staat Guatemala. Dresden 1842, Gr.8. 10 Ngr., 

Dietfch, R., Das Leben Herzog Albrecht's des Beherz⸗ 
ten. Als Einladungsfchrift zu der 40Djährigen Feier feiner Ge: 
bert im Schloſſe zu Srimma am 27. Zuli 1843. Grimma, 
Verlanscomptoir. Gr. 8. IV Nor. 

Erath, ©. 3., Der Schulmeifter in der Klemme. Gin 
Schwank in Werfen in einem Acte, Wiefenfteig. 16. 7, Ngr. 

Kleine Folge von Briefen zwifhen K. Schildener und 
J. Schwarz. Herausgegeben von einem beiberfeitigen Freunde. 
Hamburg und Gotha, F. und A. Perthes. Gr. 8. 15 Nor. 

Geſchichte des Feldzugs von 1814 in dem oͤſtlichen und 
nördlichen FZrankreih bis zur Einnahme von Paris, als Bei: 
trag zur neuern Kriegsgeſchichte. Zter Theil. Ifte Abtheilung. 
Mit 3 Plänen. Bertin, Mittler. Gr. 8. Thlr. 
Goͤrres, G., Marienlieder zur Beier ber Maiandacht ges 
dichtet. Moͤnchen, Lentner. Gr. 16. 24%, Nor. 

Heller, R., Der Prinz von Dranien. Hiſtoriſcher Ro⸗ 

man. Drei Bände. Leipzig, Gebr. Reichenbach. 8. 4 Zhir. 
15 Nor. 
Binrichs, 9. F. W., Politifche Borlefungen. Unfer 
Zeitalter und wie ed geworden, nad) feinen politifcyen, kirch⸗ 
lichen und wiflenfchaftlichen Zuftänden, mit befonderm Beruge 
auf Deutfchland und namentlich Preußen. In Öffentlihen Vor⸗ 
tröägen an der Univerfität zu Halle. Zwei Bände. Halle, 
Schwetſchke und Sohn. Gr. 8. 3 Thlr. 20 Nor. 

Keferstein, C., Über die Halioren, als eine wahr- 
scheinlich keltische Colonie, den Ursprung des Halle’achen 


Sälzwerkes und ‘dessen technische ehe. Mia V 
Halle, Heynemanı. Gr. 8. 38 N und. 


Kehrein, I., Geſchichte der bathottſchen Kangeiberbtian: 
feit dee * "von er * * su neueſten Zei. Ya 
Beitrag zur allgemeinen Literaturge te. Zwei Binde K: 
gensburg, Manz. Gr. 8. 3 Zhir. 20 Nor. Rah. ie 

gentner, J. F., Kitter und Bauer. Roman in vie 
Drei Bände. Magdeburg, Baenſch. Gr. 12. II 


Luden, H., Hauptmann von (Gerlach (General zn 
@rolman) 1812 Student in Jena. Aus ben un en „Ruf: 
bliden in mein Leben‘. Jena, Euben. 12, 7%, Rar. 

Maufhwig, ©. v., Über Strafgefangene und Straf— 
anftatten im Geifte ber Seit, nebft einem Anhange über Ber: 
mehrung un Berminderung ber VBerbrecher. Wertin, Diem: 

. 8. r. | | 
Mein letter Wille und Nachlaß. ‚Aus ben Papieren eins 
ſcheintodtbegrabenen Rechtsanwaltes. Leipzig, Tauchnitz Jun. 
sn —F te. " | 

ofen, J., Gedichte. Zte vermesrte Auflage. Rei 
Brockhaus. Gr. 8. 1 Thir. 18 Ror. “ My 

Mofer, 8. S., Die fünzigjäbrige Amtejubelfeier W 
Geh. Konfiftorialrathe Dr. Chr. Kr. Böhme in Luckau. Erin: 
rungsblätter für die Sreunde und Verehrer des Jubilare. X: 
tenburg, Helbig. Er. 8. 8 Nor. . 

Der neue Pitaval. Bine Sammlung der intereflanteken, 
Griminalgeſchichten allee Länder aus Älterer und neuerer Jar. 
Derausgegeben von 3.6. Higig und W. Häring (V. Alit. 
Ater Theil. Leipzig, Brodhaus. Gr. 12. 2 Thir. 

Paten, des Grafen v., Gefammelte Werke. In füsgdı 
Bänden. Ifte Lieferung. Stuttgart, Gotta. Br. 16. 1 Zei 

Quendt, 3. ©. v., Wortraͤge über Äfihetik für bideny 
Kuͤnſtier, in der Koͤniglichen Akademie für bildende Künfk }, 
Dresden gehalten. Leipzig, Dirichfeld. 1844. Gr. 8. 12h. 

Raumer, F. v., Geſchichte Europas feit dem Ende ir 
15. Jahrbunderts. Teer Band. Keipzig, Brockhaus. Gr. M 
2 Zhle. 15 Nor. ten 

Kohmer's, FJ., Lehre von ben politiſchen Parteien N 
Zheil: Die vier Parteien. Duch I. Rohmer. rauen f 
Beyel ‚1844. Ler.;8. 1 Zoe. 15 Nor. | 

Ruͤckert, F., Geſammelte Gedichte. Zwei Theile. Ftanb— 
furt a. M., Sauerlaͤnder. Gr. 12. 1 Thir. 10 Nor. 

— — Liebesfruͤhling. Frankfurt a. M., Gauerlände. 
1844. ®r. 16. 1 Thlr 10 Rer. 

Scheidler, K. H., Deutſcher Studentenſpiegel. I 
Beitrag zu einer Reform des deutſchen Studentenlebens im 
Geifte unferer Zeit und unferes Volksthums ans Licht geftellt.— 
&. u. d. T.: Beiträge zu einer inneren, von ben Gtubirenden 
fetbft ausgehenden Reform des deutſchen Studentenlebens |. 
Jena, Bran. 1844. 8. 1 Thir. ' 

Spaziergänge eines zweiten Wiener Pc-:en. 2te Auflage. , 
Damburg, Hoffmann und Gampe 9. Thir. — 

Taſchenbuch für die vaterlaͤndiſche Geſchichte. Herauẽgegeen 
von J. Freih. v. Hormayr. 33ſter Jahrgang. 1844. Bil 
4 Bilbniffen. Berlin, Reimer. Kl. 8. 2 Thir. 15 Kor. H 

Ulrich, 3. B., Vaterlaͤndiſche Bluͤthenieſe in Gedich 9 
und Erzählungen. Luzern. Kl. 8. 12%, Nor. 3 

Voigt, 3., Handbuch der Geſchichte Preußens bis 1 | 
Zeit der Neformation. Iter und letzter Band. Könige | 
Gebr. Bornträgerr. Gr. 8. 2 Thir. 10 Nor. 2 

Walther's von der Vogelweide Gedichte. 45 
Ausgabe von K. Lachmann. Berlin, Reimer. Gr.8, I Tih. 

Wette, W. M. de, Die Liebe als bad Merkmal bi’ 
wahren Chriſtenthums. Predigt zur Nachfrier der Berfammlung 
bes evangelifchen Vereins der Guftan = Abolph's⸗ Stiftung. Fraub⸗ 
furt a. M., Schmerber. 8 „ Nor. 

Zeune, A. A., Gottlieb Koͤhler, der Soldat. Zwideu } 
8. 4, Nor. 


11 
Verantwortliher Herausgeber: Deinrih Brockhaus. — Drud und Berlag von 3. A. Brockhaus in Leipzig. { 


mer werſchaͤntucher mendeuben. Gipandee: im Bebinte bis 
Diprtunf er re nad. Unter Auberns iſt es 6er 
ſonders gerade der Gebrauch des mehrfachen uneigent: 
lichen Ausdrucks zu Bezeichnung ber Gegenſtaͤnde, wel⸗ 
cher einen vorzuͤglichen Zauber uͤber die aͤußere Poetik 
(den Stil) ausgieht, deſſen häufige Ermangelung, nament⸗ 
lich bie in mancher andern Hinſicht hoͤherſtehende franzoͤſi⸗ 
ſche Sprache, auf dem Felde der Dichtkunſt, in offenbaren 
Nachtheil fest. Die Iprifchen Meifterwerke feibft ber 
größten Geiſter Frankreichs, fo hoch fie durch ſorgſame 
Stiederung und Glaͤtte, wie beſonders auch durch den 
kunſtreichen Mechanismus des Ganzen beinahe die ge: 
fammte deutſche Lyrik uͤberragen, müffen doch im Allge⸗ 
meinen mit ihrer, wie unter dem Commando des Tanz⸗ 
meiſters ſeufzenden Grazie vor den Liedern und Roman⸗ 
zen unſerer Goethe und Schiller zuruͤckweichen, deren ma⸗ 
giſche Klänge, obſchon fie einzig aus den Tiefen reinſter 
Menfchennatur frei hervorquellen, aus überirdifchen Räumen 
uns zugefendet erfcheinen. Ohne Zweifel bat das er: 
wähnte, duch ben Cigenfinn der parifer Akademie er: 
zwungene Stiliftehen der franzöfifhen Sprache die meifte 
Schuld an jenem Nachtheile der legtern, wenn man fie 
mit dieſer vergleicht, und es Kberfleigt faſt allen Glau⸗ 
ben, daß ber ungeheure Irrthum des Stabilitätsbefchlufs 
fe6 fo lange bei Kräften zu bleiben vermodte. Die 
Sprache, den Körper, der zur Zortpflonzung aller geifti- 
.. gen Bewegungen einer Nation nicht ‚zu entrathen If, 
gleihfam in Spiritus fegen zu wollen, worin doch alles 
Leben erfiiden muß und nur ber Zod aufbewahrt wer: 
den kann! 

Mit Eintritt der Revolution hörte Indeffen bie fran: 
zoͤſiſche Spraqchtyrannei von ſelbſt auf. Eine Maſſe, zum 
Theil aͤußerſt uͤbelgerathener, neuer Wörter nahm ſich 
wdie Freiheit, unter der Herrſchaft der Freiheit und Gleich⸗ 
eheit ebenfalls proſperiren zu wollen. Maͤmner, deren 
458*— ſich hauptfaͤchlich auf die Handhabung der 
Guillotine gelegt hatte, gaben ſich mit der Schoͤpfung 
neuer Sprachartikel ab, und wie groß auch ber Abſcheu 
der franzoͤſiſchen Akademie wor dem Ausdrude ‚‚bougre- 
ment patriotique ” fein mochte, fo wagte fie doch ſchwer⸗ 
lich einen Laut dagegen, da einer, der fpäterhin ber 
Guillotine mit groͤßerm Rechte verfallende, ſchmutzige 
Terroriſt, Buͤrger Hebert es war, der ſeinen Briefen des 
„Pere Duchene”, einer damaligen Zeitſchrift, dieſes Lob 
auf dem Titel ertheilte. Im Stilen litt gewiß mancher 
Akademiker an Wörtern, wie das von den parifer Ge: 
fängnifmorden zu Anfang September 1702 hergeleitete 
Septembrifiren nicht wenig, wenn er aud viel: 
leicht aus Beſorgniß, daß an ihm felbft das Exempel el: 
ner Geptembrifation flatuirt werden, oder man ihn 
aus dem großen Fenſter fhauen*) Laffen mächte, 
feine Gefühle dabei ganı unserdrhidte. Kurz, im blutigen 
Befolge der Revolution durchbrach eine ſolche Menge zum 
Theil ganz rohes, gehaftiofes Geſchmeiß von Worten und 


*) Auch ein an vergeffener Ausdruck, mit welchem bie 
Fühttefigleit des die Hinrichtung duch die Guillotine 
, TWerstaft begegnete. 





Vebendarten ben degegen Bauge Jahre: fengfäligfi unten’ 
baktenın und bewatbten alademiieu Damm, daß une 
der feicher gegen jche. Neuerung diefer a gelund 52 
ten Pruderie des ſogenaunten feinen 

Sprache keine Rede weiter ſein und foger ber oda 
Jan Hagel vom neuen Woͤrtern und Redeformen fide 
ohne Widerſpruch in der Hauptſtade der Welt naturelifie 
vom konnte. In der Folge mußte freilich eine Bäbeung 
eintreten und manche Hefe wieder wegfallen. Es iſt aben 
doch bei aller Mühe, welche die frauzoͤſiſche Akadewit fide 
von neuem gibt, als abfelute Spoachherrfcherin aufzutre⸗ 
ten, ſolches mehr für eine Leere Demonſtration als fir 
eine Sache von Gewicht zu achten. Vielleicht lag: «8 
blos an dem fortbauernden politifchen Sturme und Um—⸗ 
ſchwunge, daß die franzöfifche Poefie, wenn man iheen 
unfrudhebaren Kampf der Glafficitdt mit einer fogemamıs 
ten Romantik abrechnet, bis jeht, auch in Folge des 
neuen Sprachzuwachſes und mancher früher ganz verpoͤut 
geweienen Bilder und uneigentlichen Ausdruͤcke, keine we 
ſentliche Abänderung erfahren bat. Dean außer dem bes 
ben, leidenfchaftlichen Glanze der begeiſterungsvollen umb 
in jeder Hinficht wichtigen Marſeillerhpmne herrſchte 
in diefer Poeſie noch immer die ganze regelrechte, einta⸗ 
nige Nuͤchternheit des Verſtands nur allzu Mar, um ber 
Phantafie nicht allen Schwung zu benehmen, bis Alfons 
de Lamartine zuerſt einem Weg einſchlug, der feinem Na 
men gewiß eine weit feflere Dauer fichern wirb als hie 
Yuldigungen, bie er neuerlich für den Augenblich weit 
weit größern Erfolge der Politik darbrachte. Denn bisfer 
ausgezeichnete Mann war es, deffen ebenfo kraftvolle als 
melodifche Töne fogar einen großen Theil derjenigen feine 


Landsleute, die Das, was in Frankreich für claffifch gilt, 


abgöstifch verehrten, mit feinen wohldurchdachten Verſtoͤßen 
gegen biefe Claſſicitaͤt auszuſoͤhnen wußte; er war eb, 


weicher die an friſchen Bildern, Gefühl und SInnigkeit 


faſt ganz verwahrloſte Profa des frauzoͤſiſchen Verſas 


durch fo manchen kuͤhnen Eingriff in bie Sprache großen⸗ 


theils mit einem peetifhen Gewande zu bekleiden und 
fie fo aus der froſtigen Nuͤchternheit des Verſtands im 
die warmen, blühenden Regionen ber Phantafie uͤberzu⸗ 


' führen und ben vorbeiflatteenden irdiſchen Erſcheinungen 
‚buch Vermählung mit der unvergaͤnglichen Gemuͤthswelt 


Dauer und Bildung zu geben verſtand. Möge. fawei: 
ee feibft forefahren, fein gelungenes Werk vorwärts zu 
treiben, als bie im Steigen begeiffene Zahl feiner Juͤnger 


ſich immer vermehren. Möchten dieſe wicht irre werben 


durch die Widerſpruͤche mancher ihrer im altan Vorur⸗ 


theile untergehenden Landsleute, des Meiſters KRühnbaie 


umd befien Beſtrebungen wo möglich noch zu überbieten! 
Hat doch eine gleiche Kuͤhnheit unferer beiden Kanſt⸗ 
heroen, Goethe und Schiüer, auch uns Deutfche im Reihe 
der Poeſie erſt auf die hohe Stufe gebracht, deren wir 
und nun erfreuen. SBefonders mar es ber Letztere, daſſen 
erhabener Genius die ihm beiwohnende Fülle großer Ber. 
fühle und Gedanken in eine ihm eigenthumlich zugewach⸗ 
fene Kraft zu fafien wußte, deren Blanz Alles zauberiſch 
an fich zog. Leiche möglich aber, daß er, allzu bienbend, 


Ki dee Die deutſche Yorke auf denfelden Abweg ge⸗ 
faͤhrt ae ber ihe fon im 17. Sabehunderte einmal 
ver Überfpanntheit und Monftrofität, in den Dichters 
werken Lohenſtein's und Hofmannswaldau's eine eigenthuͤm⸗ 
tiche, von der Einfachheit der Natur abweichende, Rich⸗ 
tung gegeben, wäre Schiller's gewaltſamer Anfpannumg, 
welche namentlih die maͤchtigſt binreißenden Gedichte 
„Berigeifteret der Leidenſchaft“, „Reſignation“ (beide naͤm⸗ 
Kch in ihrer urfprünglichen, keineswegs im der nachheri⸗ 
gen fogenannten verbefferten Geftalt) und auch zum Theil 
fein koͤſtliches Lied an die Freude” darthun, nicht die 
Betrachtung in den Weg getreten, daß foldy eine raſt⸗ 
loſe Anfpannung ein unnatürlicher Zufland fei. Ale 
das unſchaͤtzbare Refultat dieſer Betrachtung legen Schil⸗ 
ler's ſpaͤtere, hauptſaͤchlich ſeit dem J. 1793 entſtandene 
dramatiſche und lyriſche Productionen vor. Sie ſind 
ein klarer, ruhiger Spiegel, aus dem uns, innig ver⸗ 
ſchmolzen, Natur und Kunſt und Himmel und Erde, 
mit ihrem unerſchoͤpflichen Geſtaltenreichthume und der 
friſcheſten Farbenpracht wahrhaft bezaubernd anſchauen 
und wie mit liebenden Armen feſthalten. Und die eben 
erwaͤhnte Betrachtung, welcher eine ſo maͤchtige Veraͤnde⸗ 
rung entquoll, wem verdanken wir ſie, als der Schickſals⸗ 
gunſt, die ihn mit dem groͤßten Dichtergeiſte nicht nur 
Deutſchlands, ſondern der ganzen gebildeten Welt zuſam⸗ 
menfuͤhrte? Nach Allem, was uͤber das Verhaͤltniß zwi⸗ 
ſchen Goethe und Schiller in Hinſicht auf Leben, Wiſſen 
und Kunft befannt worden, iſt diefer denkwuͤrdige genaue 
Vertin überhaupt ale ein wahrhaft großes, europaͤiſches 
Ereigniß zu betrachten. Die gegenfeitigen geiftigen Er: 
gießungen der zwei Dichtergrößen, wie nicht jedes Jahr⸗ 
hundert eine einzige hervorzubringen vermag, find für die 
weitere Ausbildung beider von der erfreulichfien Folge ges 
weien. Ruͤhmt doch Goethe felbft die geiftige Anregung 
durch den hohen Mann, ohne welche untere Anderm na⸗ 
mentlich feine in den Schiller ſchen, Muſenalmanachen“ zu: 
erſt erfchienenen Iprifchen und romantiſchen Wunderklänge 
Ab nicht zum Dafeln würden emporgefhwungen haben. 
Ebenfo wenig ohne Zweifel der zweite Theil des, Fauſt“, der, 
wenn er auch allerdings in Auffaffung und Ausführung hinter 
dem erften offenbar weit zurückiteht, doch gewiß ein Werk ift, 
defien Höhe, befonder6 in den mitunter ganz unvergleich- 
Uchen einzelnen Partien, ſchwerlich ein Dichter der jegi: 
gen Periode zu erreichen im Stande wäre. Belde Kunft- 
heroen fchienen berufen, einander wechfelfeitig zu berichti⸗ 
gen und zu ergänzen, um in ihren Werken dem ganzen 
Europa als literarifche und poetifhe Meiſter vorzuleuch⸗ 
ten. Nichts beweilt wol auch, befier ihr Anerkanntfein 
Son den gebildeten Nationen als die faft überall unter 
nommenen Berfuche der Überfegung ihrer Schöpfungen. 
‚Die Bortfegung folgt.) 





Humoriſtiſche Vorträge. Geſammelt von &. Weyt. Berlin, 
" Berliner Berlogebuchhandlung. 1843. 8. 15 Mer. 


Aus diefem Buche erfahren wir, nicht tbeoretifh, fonbern 
an Beiſpielen, was der Hr. Herausgeber für humoriſtiſch hält. 


— ———— 
8 n ein BR; , | 

nicht fo Leicht als das Zuſammenleſen und Zufammenfteilen 
ſolcher fich für geiſtreich ausgebender Artikelchen. unter denfels 
ben finden wir forcirte Wort» und Wigfpielereien, 5. B. „Die 
Zilchreden‘’ von L. Schneider, „Die Entftchung des Gernevals“ 
von Boͤrnſtein und Ähnliches; ferner eine Schwergeburt der 
Saphir’fchen Aftermufe, betitelt „Die Eifenbahn”. ef. findet 
den Humor weder in biefen genannten, noch in Dettinger’s 
„Saufendgütbentraut”, noch in Weyl's „Bildergalerie, noch in 


deſſen „Der Teufel und der Faſhionable“, noch in Sudig’ „Ries 


beöfibel‘‘ und „Ich bitte, noch im Ungluͤck und Pech” von Las⸗ 
ter; naturwahe iſt Btaßbrenner’s „Erbbeben”, aber für humo⸗ 
riſtiſch wird biefe fowie alle andern Nummern der Brofchüre 
Niemand halten. Man begreift wirklich kaum, wie mandhe 
beriiner Literaten fo wenig Selbſtkritik exerciren, baß fie ſolche 
flache Unbebeutendheiten, die in der That nicht werth find, 
daß fie gedruckt werben, bem Publicum übergeben mögen. Das 
Ertraͤglichſte im ganzen Bude iſt no: „SBebenlen ‘ von 
Müpler. 29, 





titerarifche Anzeige. 


Der tete Pitaval. 


Eine Sammlung der intereffanteften Griminalgefchich- 
ten aller Länder aus Älterer und neuerer Zeit. 
Herausgegeben von 
Dr. 3.€. Hitzig und Dr. W. Häring (MW. Alexis). 
Erfier bis vierter Theil. 
®r. 12, Geh. 7 The. 24 Ngr. 








Inhalt des erften Theils (Preis 1 Epir. 24 Ugr.): 
Karl Ludwig Sand. — Die Ermordung bes Fualdes. — 
Das Haus der Fra® Web. — Die Ermordung bes Pater Tho— 
mas in Damaskus. — James Hind, der royaliſtiſche Straßen 
räuber. — Die Mörder als Reifegefefchaft. — Donna Maria. 


| Bicenta be Mendieta. — Die Frau des Parlamentsrath Tiquet. — 


Des falfche Martin Guerre. — Die vergifteten Mohrruͤben. 
Inhalt des zweiten Tpeils (Preis 2 Thir.): 

Fonk und Hamader. — Die Marquiſe von Berinvillier. — 
Die, Gebeimräthin Urfinus. — Anna Margaretha Swanziger. — 
Gehe Margaretha Gottfried. — Der Wirthfchaftöfchreiber Tar⸗ 
now. — Die Mörberinnen einer Bere. — Die beiden Rürns. 
bergerinnen. — Die Margnife de Gange. 

Inhalt des dritten Theils (Preis 2 Chir.): 

Struenſee. — Leſurques. — Der Schwarzmüller. — Der- 
Marquis von Anglabe. — Jacques Eebrun. — Der Mord des. 
Lord William Ruſſell. — Nickel Lift und feine Geſellen. — 
Berthelemy Roberts unb feine Flibuſtier. 

Inhalt des vierten Theils (Preis 2 Ehlr.); 

Siam — Admiral Byng. — Der Pfarrer Rieme 
bauer. -- Magifter Zinius — Eugen Aram. — Der 
Maͤdchenſchlaͤchter. — Die Kinbesmörberin und bie Scharfrich⸗ 
terin. — Jeon Calas. — Jonathan Bradfort. — Der Ziegele- 
brenner als Moͤrder. — Der Herr von Pivardiere — Klara 
Wendel, oder der Schuitheiß Keller'ſche Mord in Luzern. 

Reipzig, im December 1843, 0 


$. 9. Brockhaus. 


Berantwortlicher Herausgeber: Heiarich Brodhaus. — Drud und Verlag von F. U. Brodhaus in Eeipgig. 
Te 





elne 


Blätter 


für 


literarifhe Unterhaltung. 





Sonntag, 





Doefie und Profa. 
(Bortfegung aus Nr. 3.) 

Wirklich gab es zu Anfang des letzten Decenniums 
vom 18. Jahrhunderte in Folge der jugendlidhen Lyra⸗ 
Eänge unſers Schiller eine Periode, in welcher der vorer: 
wähnte, durch Lohenſtein's und Hofmannswaldau's poeti: 
ſche Überfpanntheit herbeigeführte Irrthum Miene machte, 
fi) zu wiederholen. Die beiden bier nochmals genanii: 
ten Dichtet hatten zu Ihter Zeit, vermöge einer oft in 
leeren Wortf[hal und Unnatur ausartenden Zufammen: 
drängung der Sprache fo große Senfation gemacht, daB 
man duch fie alle andern deutfhen Poeten, namentlich 
ihre um wenige Fahre Altern Beitgenoffen Opig und 


Flemming, weit übertroffen zu fehben glaubte, wie unter 


Anderm ein damals in großem Rufe gewefener Äſthetiker 
Namens Männling in einer feiner mancherlei verfchieden: 
artigen Schriften, deren Titel mic entfallen iſt, mit gro: 
dem Pomp verkündigte. Ihr Ruhm erhielt fih im Ber: 
haͤltniß zu ihren Übrigens unleugbaren Verdienften län: 
ger, als man hätte glauben follen. Noch lange nach ih: 
rem Tode erſchien unter dem Titel: „Die allerneuefte 
Art zur reinen und galanten Poefie zu gelangen” 1707 
fihetit von Menantes, in deren Vorrede fie unge: 
meffene Lobſpruͤche erhalten, während jener andern zwei 
noch immer mic Recht im dichterifchen Lorber prangenden 
Zeitgenoffen, Martin Opig’ und Paul Klemming's, 
nie einmal Erwähnung gefchieht. Eben wie zur Zeit, 
wo han die längft völlig vergeffenen Lohenftein und 
Hofmannswaldau vergötterte, war auch das Heer ber 
Bewunderer Schiller's immer mehr angewachſen. Ihre 
Majoritaͤt fuͤhlte ſich jedoch offenbar nicht ſowol durch die 
wahre Größe feiner Etſcheinung, als durch den auffallen⸗ 
den Abſtich, in der Art, wie ſolche von der minder rau⸗ 
ſchenden Poeſie der Zelt ſich unterſchied, elektriſirt. Ge⸗ 
rade dad mitunterlaufende Wilde, Formloſe nnd Überla⸗ 
bene, ja wol genau betrachtet, zumeilen der Sinntofigkeit 
Derwandte, gewährte ihnen den hoͤchſten Reis. Die Nach⸗ 
ahmung mar bald bei der Hand. Das Original ftand 
in feinem ganzen, zum Theil völlig ungeregelten, abnor: 
men Weſen, als eine mächtige Kraft da, deſſen reichge: 
fhmüdter Harniſch mit der darin mwaltenden Seele ein 
einziges Leben ausmachte. Wenn aber au der Nach: 


ahmung in der Regel die Seele ganz abging, fo tußte | 






10. December i843. 


Sn mn — — — — — — —— — 


doch oft der Schmuck eines ſchillernden, leeren Harniſches, 
den ſie als Sprachrohr benutzte, der kurzſichtigen Menge 
ein dieſer wohlgefaͤlliges Leben vorzuluͤgen und fie damit 
nach und nach dergeſtalt zu bethoͤren, daß ihr die lebloſe, 
durch größere Verſchrobenheit und ſonſtige UÜbertreibung 
zuweilen mehr behagte, als des Urbildes ſich ſpaͤter im⸗ 
mer tiefer in die Schranken des Maßes und des Schoͤ⸗ 
nen zurückziehende Poeſie. Das war denn auch Urſache, 
daß eine große Zahl, ſogar der Gebildeten, Schiller's waͤh⸗ 
rend ſeines Aufenthalts in Jena entſtandene Werke Ipri- 
ſchen und dramatiſchen Inhalts, die ſich uͤber die fruͤhern 
Productionen deſſelben großentheils weit erheben, eine Zeit⸗ 
lang für offenbare Ruͤtkſchritte feines Geiſtes und den, 
das Milde und Maßiloſe in feinen Erzeugniſſen bekaͤm⸗ 
pfenden Einfluß Goethe's auf ihn, deſſen hohen Dichter 
genius fuͤr nachtheilig und verderblich zu achten ſchien. 
Aber die fortdauernde Vervollkommnung Schiller'd, theils 
durch Goethe's Bemühungen, theils durch das Kernhafte 
des eigenen Innern, verfcheuchte in kurzem doch die bis 
an das Unglaubliche flreifenden Mebel vom Auge des 
Publicums. Letzteres, welches nicht lange zuvor vielleicht 
lieber gefehen, wenn Schiller die Extravaganzen feiner 
erften Periode noch Überboten, als feiner Poefle durch 
Reinigung von bdenfelben bie Krone aufgefege hätte, be 
griff immer beffer das Bewunderungswerthe der geiftigen 
Höhe, welches fih namentlih in dem zuerſt unter dem 
Titel „Das Reich der Schatten’ in der Zeitfihrift „‚Dite 
Horen“ gegebenen Gedichte ausfpricht, das fpäterhin „Das 
Reich ber Formen’ ygeheißen ward und zuletzt die Auf⸗ 
fhrift „Ideal und Leben‘ erhalten hat. 

Welch ein herrlicher Sinn geht durch daſſelbe, welch 
eine Fuͤlle erhabener Gedanken ſchmuͤckt das Einzelne aus 
und wie lieblich rundet fih das kryſtallklare Ganze ih 
feiner hochgebildeten Sprache ab! Wie laut fehreit dage⸗ 
gen ihm gegenüber der Gontraft eines unter dem Titel 
„Rouffeau” in der ‚Anthologie auf das Jahr 1781” 
abgedrucdten Gedichts des damals angehenden Dichters 
befonders in folgenden zwei Berfen auf: 

Und mer find fle, die den Weiſen richten ? 
Geiſterſchlocken, die zur Tiefe flüchten, 
Bor dem Silberblicke bes Genies, 
Abgeſplittert von dem Gchöpfungswerfe, 
... Gegen Riefen Rouffeau kind'ſche Zwerge, 
Denen nie Prometheus’ Feuer blies; 





\ usa 
aufgeführten Gelegenheiteſtuͤcke kann ſolches vielleicht er⸗ 


Bruͤcken, vom Inſtincte zum Gedanken, 
Angeflicket an der Menſchheit Schranken, 
Wo ſchon groͤbre Lüfte wehn, 
In die Kiuft der Weſen eingekeilet, 
Wo der Affe aus dem Thierreich geilet 
Und die Menſchheit anhebt abzuſtehn. 

Zu noch mehrer Heraushebung des Gegenſatzes zwi⸗ 
ſchen beiden Schiller'ſchen Producten ſei es erlaubt, fol⸗ 
gende zwei Verſe aus dem Gedichte „Ideal und Leben” 
daneben zu flellen: 

Wenn ihr in der Menfchheit traur'ger Bloͤße 
Steht vor bed Geſetzes Größe, 
Wenn dem Heiligen die Schuld ſich naht, 
Da erblaffe vor der Wahrheit Strahle 
Sure Tugend, vor dem Ideale 
Zliebe muthlos die befchämte That. 
Kıin Erſchaffner Hat dies Ziel erflogen, 
Über diefen grauenvollen Schlund 
Trägt kein Nachen, keiner Brüde Bogen, 
Und kein Anker findet Grund. 

Aber flüchtet aus der Sinne Schranken 
An die Freiheit der Gedanken: 
Und die Yucchterfcheinung ift entflohn, 
Und der ew’ge Abgrund wirb fich füllen; 
Nehmt die Gottheit auf in euren Willen 
Und fie fleigt von ihrem Weltenthron. 
Des Geſetzesſtrenge Feſſel bindet 
Nur ben SHavenfinn, der es verfchmäht, 
Mit des Menſchen Widerſtand verfhwindet 
Aud des Gottes Majeftät. 

Sollte Jemand, wüßte er es nicht zuvor, wol für 
möglich halten, daß beide Gedichte die Klänge der naͤm⸗ 
lichen Lyra wären? Und doch! Fehlt audy den erflen zwei 
Strophen Alles, was die befondern Vorzüge feines im 
hoͤchſten Reize innerer und Außerer Poefie (dev Handlung 
und des Stils) ſtrahlenden fpätern Gedichte ausmacht, fo 
blickt doch aus dem bis zur vollen Lächerlichleit gehenden 
Bombaſt feines unverkennbar gänzlicyen Contraftes allent: 
Halben ein zu großen Dingen berufener Geiſt hervor. 
Keiner der feelenlofen Harniſche, von denen wie [pradyen, 
würde auch nur folder Klänge fähig geweſen fein, wie 
Schiller's „Rouſſeau“ fie darbietet. 

Beiläufig bemerken wir hier, daß vielleicht noch einige 
dieſer ſchillernden Harnifhe ihe Dafein bisweilen kund⸗ 
thun, daß fie aber ſchon lange vor dem Hinſcheiden des 
großen Dichters, fogar für ihre frühern Bewunderer, al 
ien Schein völlig eingebüße hatten. 

Man darf ficher behaupten, daß gerade Schiller's vor: 
malige, zu gewaltfame Zufammenraffung gigantiſcher Ge: 
danken und Bilder und die ihm im Dichten zur Ge: 
wohnheit gewordene Scheu vor allen trivialen und durch 
die Alltagsrede ihm für die Poefie zu profan erfchienenen 
Ausdrüden und Wendungen eine Vollkommenkeit mehr 
verliehen babe, als fogar Goethe's, auch rüdfichtlid der 
Aufern Vollendung in der Regel unvergleichliche Geiftes- 
erzeugniffe im Einzelnen bisweilen darthun. Denn «8 
kommen in manchen ber ausgeichnetſten Poefien dieſes 
Meiſters Stellen vor, denen Schiller ſchwerlich den Zu: 
teitt in die eigenen metrifchen Werke verftartet haben 
würde. Ein Beiſpiel, das Sonett in dem bei Eröffnung 
des neuen Schaufpielhaufes zu Lauchfläde im J. 1802 


$ 


läutern. 

Adam Mütter hat Irgendwo in feinen Werken ſich 
über die Vollkommenheit diefes Sonetts ganz enthufiaſtiſch 
ausgeſprochen umd er war wol der Mann, defien Coympe 
tenz bierin kein Sachkundiger bezweifeln wird. Das Ge 
dicht lautet: 

Natur und Kunft fie fcheinen ſich zu fliehen‘ 

Und haben ſich, ehe man es denkt, gefunden; 
Der Widerwille tft auch mir verſchwunden 
und beide fcheinen gleich mich anzuziehen. 
Es gilt wol nur ein rebliches Bemühen ! 
Und wenn wir erft in abgemeff'nen Stunden 
Mit Geift und Fleiß uns an die Kunft gebunden, 
Mag frei Natur im Herzen wieder glüben. 

So iſt's mit aller Bildung auch beſchaffen. 
Vergebens werden ungebundne Geiſter 
Rach der Vollendung reiner Höhe ſtreben. 

Mer Großes will, muß fi zufammenraffen. 

In der Beſchraͤnkung zeigt fich erft der Meifter 
Und das Geſet nur kann uns Freiheit geben. 

Sollte die deutſche Kritik, wie ſolche häufig gelbe 
wird, nicht an Manchem darin großen Anfloß nehmen 
und befonders bie zweite Hälfte bes erflen Quartetts, fo- 
wie die erften Zeilen des erſten und des zweiten Terzetts 
für durchaus profaifch erklären? Wenn Ediller audy bei 
dergleichen Gelegenheit vermuthlich einer ſolchen Ausdrudke: 
weife ſich enthalten hätte, fo würde das unftreitig nur 
von der ihm zur andern Natur gewordenen Sitte, in fei: 
nen poetifhen Erzeugniffen dem Ausdrude des gemeinen 
Lebens immer einen höhern zu fubflituiren, aber fchwer: 
(ih davon hergerührt haben, daß ihm die von feinem 
großen Freunde bier der gewöhnlichen Rede entlehnten 
Worte in der Poefle geradezu als unangemeſſen erfchie 
nen wären. Der Dann, deffen feltener Univerfalitdt in 
Kunft und Wiffen er felbft feine von der frühern Ein: 
feitigeit und Üiberfpannung zu allgemeinern, hoͤhern An- 
fihten &bergeführte Ausbildung verdantte, hatte, das wußte 
Schiller, überhaupt zu viel ſichern Takt, um der Natur 
der Poefie unmwürdige Redensarten aufzubürden. Obfchon 
die Poefie allerdings den uneigentlihen Ausdrud in der 
Regel dem gewöhnlichen vorzuziehen pflegt, kann dem 
Dichter doch kein Vorwurf über den Gebrauch des letz⸗ 
tern, felbft in der Poefie, gemacht werden, fobald nur 
der von ihm angemwendete nicht gegen ihre inneres Wefen 
verftöße, wie nahe auch vielleicht die Möglichkeit der Auf⸗ 
findung eines mit dieſem nody mehr barmonirenden Aus: 
druds gelegen haben koͤnnte. Kine Freiheit diefer Art 
(die ohnehin der Dichter bei größeren Werten in gebun⸗ 
dener Mede nicht entbehren kann) ift ibm auch fchon 
darum im Allgemeinen zu vergönnen, ba nicht felten die 
Bermeidung des gewöhnlichen profaifhen Ausdruds nur 
duch) unnöthigen, noc viel weniger mit der Poefie ver: 
träglihen Wortüberfluß viel zu theuer zu erfaufen fein 
würde. Nichte die Eritifhe Kunſt, fondern nur das 
auf Herkommen, Vorurtheil und Schiendrian beruhende, 
gemeine Recenfirhbandwert, das den Kunftrichters 
ſtuhl mitunter ufurpire, koͤnnte einem folhen Kaufe Bes 
nehmigung ertheilen. 





18 


So hat uns deun bier mufere dargelegte Überzeugung 
von den Vorzuͤgen der deutſchen vor vielen andern Spra⸗ 
den, und dee Döhe, zu welcher die beiden großen Dich 
ter, Goethe und Schiller, der Poeſie in ihr verholfen, un: 
vermerkt darauf bingeführt, unter welchen Umfländen ber 
Poeſie auch der Gebrauch foldyer Wörter und Wendun: 
gen, welche fait ausfchließend in das Gebiet der Proſa 
gehören, nicht verfagt werden darf. 

Wir befigen einen Schrififteller, der häufig vom Un 
verflande Eanonifirt, von der Kritik noch viel zu wenig 
ins Licht gesogen und gewürdigt wurde, er heißt Sean 
Paul Friedrich Richter. Durch die Innigkeit feiner Theil 
nahme an dem mitunter in der That nur allzu grauſa⸗ 
men weiblihen Schickſale und feine heidenmürhige Ber: 
theidigung des Frauencharakters gegen Ungerechtigkeit und 
free Verunglimpfung, mit Recht ein Liebling des zar⸗ 
tern Geſchlechts, verfündeten nicht nur deſſen Stimmbe: 
rechtigte das Lob feines Geiſtes und Herzens, fondern es 
tief ihn auch die durch ihn ſich gefchmeichelt fühlende 
Hyfterie, feine finnvollen Ausfprühe dem wahren Weſen 
nad) großentheils gar nicht fallend, zum wirklihen Hei⸗ 
land und Bortmenfhen aus. Ihrer Meinung nad 
konnte neben der genialen, durch eine Überfülle von Wi 
und Komik hinreichend gerechtfertigten Verſchrobenheit bes 
Stile, der Stil keines andern deutſchen Schrififtellers, 
als höchitens der, vermöge feiner Sentimentalität ihr zu: 
gaͤnglich gemachte unfers Schiller, mit Ehren befteben. 
Gerade an der Erankhaften Tbränenfelte der im Ganzen 
fo flarten, gediegenen Natur Jean Paul's, eines gehei⸗ 
men Zufammenhanys mit der ihrigen, einer unverfenns 
baren Sympathie ſich erfreuen zu dürfen wähnend, über: 
täubten deſſen hyſteriſche, ihm durchaus nicht ebenbuͤrtige, 
Goͤnnerinnen das allgemeine Ohr mit der Verkuͤndigung 
ſeiner unerreihbaren einzigen Größe fo lange und leiden: 
ſchaftlich, daß die anfänglidhen Bedenken gegen mandıe 
Irrthuͤmer des großen Mannes kaum nod) laut zu wer: 
den wagten und fogar die wichtige Stimme, melde fi) 
gegen das Ende des vorigen Jahrhunderts, zugleich un: 
tee Anerkennung und Tadel, in den berühmten „Xenien“ 
über ihn erhob, wegen Beimiſchung de6 allerdings mit 
ungerechter Härte ausgefprochenen Tadels, des gemaltigften 
Frevels befhuldige wurde. Diefe Ungerechtigkeit war uns 
verkennbar die leidige Frucht des Unmillens, daß die Kri⸗ 
tie ſogar fi von der unbedingten Lobpreifung unfer® 
größten Humoriften duch die Hpfterie hatte anfteden 
laffen. Wenn aud Sean Paul's Romane, [don wegen 
ihrer fo reichen. Ausſtattung mit dem lebendigften Humor, 
fi) als einzig in der deutſchen und vielleicht in allen Litera⸗ 
tuten bewaͤhren — denn ſogar dem Englaͤnder Sterne bleibt 
fein Geiſt in mehr als einer Hinficht Überlegen —, fo läßt 
doch die Individualiſirung der verfchiedenen Charaktere und 
die Seflaltung des Einzelnen in frinen am meiften zur 
Sentimentatität fi binneigenden Lebensgemälden zu eis 
nem Ganzen noh Manches zu mwünfchen übrig. Nur 
diejenigen, in denen das Komiſche vorherrfht, wie im 
„Siebentäs”, „Schmeljle”, „Katzenberger“ und andern, 
zeigen ihn in diefer Gattung von einem Range, den wol 


kein anderer deutſcher Sqchüftſteller ihm fireitig machen 
duͤrfte. Die Kritik hat auch nicht unterlaſſen, das her⸗ 
vorzuheben, und wenn hier behauptet wurde, ſie habe ihn 
noch zu wenig in das Licht gezogen und gewuͤrdigt, fo 
bezieht ſich dies keineswegs auf feine Romane. Die Kri⸗ 
tie ließ fogar feinen nicht in dieſes Fach einfchlagenden 
Schriften, wie ber „„Zevana” und der „Vorſchule der 
Üftperit”, Gerechtigkeit widerfahren. Gleichwol fcheint 
fie auf das legtgenannte Werk noch immer zu wenig 
bingebeutet zu haben und noch hinzudeuten. Und doch 
iſt daffelbe feit dem Erſcheinen deſſen zroeiter Auflage vor 
nun ſchon mehr als dreißig Jahren ungeachtet der Menge 
der binnen dieſes Zeitraums erfchienenen, denfelben Ge: 
genftand nach Berfchiedenheit der Syſteme und Parteien 
von allen Seiten beleuchtenden Schriften bis jest ale ein 
wahrhaftes Schagkäftlein für die deutfche Literatur zu be: 
trachten. Jeder, der Unbefangenheit genug befist, um 
aus der Partei, zu der er fi befennt, für einen Augens 
bli@ ganz herauszutreten und Sean Pauls „Vorſchule“ 
von einem allgemeinen Gefichtspunkte ins Auge zu faf: 
fen, wird Dies eingeftchen müffen. Es ift ein vollſtaͤn⸗ 
diger Inbegriff der gründlichflen und der Praris am 
meiften in die Hand arbeitenden Theorien. Eogar die 
jenigen Anfichten dieſes Äſthetikers, mit denen wir uns 
nicht vereinigen können, zeugen gewoͤhnlich von feinem 
eafllofen Nachdenken und Studium, von einem Scharf: 
finne, wie er bei ſolchem Übermaße des Wiges ſonſt gar 
nicht vorzukommen pflegt. Kein angehender Stitift follte 
verfäumen, diefes durch feine gewöhnlich mit den treffend: 
fien Beifpielen erläuterten Regeln verfehene Buch zu Ras 
the zu ziehen. Dierbei kann man kaum umhin, der zu 
großen Strenge zu gedinken, welche gegen Schiller im 
dritten Theile vorkommt und befonders die bis in das 
Minutiöfe flreifenden Ausftellungen an einigen einzelnen 
lyriſchen Pretiofen des Dichters zu misbilligen. Alles Das 
wird jedoch durch die tiefe Ehrfurcht entfchuldige, welche 
Jean Paul diefem Unfterblihen im Allgemeinen beweifl. 
Dem Ausfpruche des Tadels aber, den der Kritiker über 
die, aud von Andern virl angefochtene, harte Stelle in 
Schiller's „Lied an bie Freude”, wo ber Ungluückliche, 
der nie ein theilnchmendes Herz auf Erden finden konnte, 
aus dem Bunde der biefed Lied fingenden Freunde ver: 
wiefen wird, muß man ſchon darum feine volle Zu: 
flimmung ertheilen, weil der Kritiker durch die Veränderung 
der Sylbe aus in die Sylbe in daran eine Verbeſſerung 
fnüpfte. Sean Paul wünfcht naͤmlich, daß die beiden Zei⸗ 
len, welche jenes aus mit enthalten, alfo beißen möchten: 
Und wer’s nie gekonnt, der ftehle 
Weinend fih in unfern Bund. 

Unftreitig verdiente diefe ungemein wichtige Verbeſſe⸗ 
rung von allen Gefangvereinen bei dem Vortrage des 
fo mächtig erhebenden Hymnus adoptirt zu werden. *) 


*) Ein Freund des Verf. gegenwärtigen Aufſatzes dußerte, es ließe 
fih wol auch annehmen, daß Schiller unter dem Armen, ber 
nie eine Seele fein nennen konnte, einen Soichen verflanden, der die 
rechten Wege dazu einzuſchlagen verfäunt, ober auf irgend eine 
Art diefes Ungluͤck ſeibſt verſchuldet hätte. Der Verf. flimmt 


ian 


ner, wenn ©. 43 Dante's Kunde des Griechiſchen bes 
hauptet, oder ©. 117, aus Mangel an Bekanntſchaft 
mit den neuern Forſchungen, die alte Meinung wieder 
beit verfochten wird, daß unter den Commentatoren ber 
„Böttlihen Komödie‘ der fogenannte Ottimo älter fei als 
Jacopo della Lana. 


Mie Stillſchweigen übergebe Ich, wie manche Berich⸗ 
sigungen meinen frähern Arbeiten hätten hinzugefügt 
werden koͤnnen, und zwar vorzugsweiſe von einem Der 
ausgeber,, der in der Mitte des gelehrten Italiens woh⸗ 
amd nach den verſchiedenſten Selten in reger literarifcher 
Verbindung ſteht. Nur einen Punkt will ich erwaͤh⸗ 
en, weil er mie Gelegenheit gibt, dee umfaſſenden For⸗ 
{dungen eines hoͤchſt untereichteten Amerikaners zu ges 
denken. ©. xxıvı in der Anmerkung wird Hr. Richard 
Henry Wilde erwähnt, der die florentinee Archive mit 
müberteoffenem Fleiße ducchforfcht bat. Won diefem er: 
hielt ich ſchon vor ein paar Jahren eine Mitcheilung über 
eine Stelle des befannten Brief, in dem Dante mit 
edlem Stolze die Anträge eines Altern Freundes, durch 


einige Demüthigung die Helmkehr nad Florenz zu er .|- 


taufen, ablehnt. Dabei heißt es In der einzigen uns er: 
baltenen Handſchrift: „Absit a viro Philosophiae do- 
zmestico . . . . ut more cujusdam cioli et aliorum infa- 
zium quasi vinctus, ipse se patiatur oſſerri.“ Ich hatte 
aun geglaubt, cioli in scioli verwandeln zu müflen (fern 
fei es von mir, daß ich nach Art eines Nafeweifen u. |. w.), 
und auch in Torri's Ausgabe iſt diefe Veränderung noch 
beibehalten. Inzwiſchen hatte fchon der treffliche Graf 
Sefare Balbo in feinem „Leben Dante's (1839, II, 352) 
zu bdiefer Stelle bemerkt: „Nome probabilmente di qual- 
che famigerato a quel tempo.” Die Mittheilung des 
Hm. Wilde, die vom 7. Nov. deſſelben Jahrs herrührt, 
lautet nun im Wefentlichen folgendermaßen: 

Ich babe ſtets dafür gehalten, daß Gioli ein Eigenname 
fei, und eine ermüdende und anftrengende Nachſuchung in ben 
Archiven der Florentiner Riformagioni gehalten, um zu ermits 
tein, ob nicht vielleicht und wann ein folcdyes Individuum unter 
den angedeuteten Bedingungen Verzeihung erhalten habe. End⸗ 
Ub if es mir gelungen zu entdecken, daß am 11. Dec. 1316 
Lippus Lapi Ciole nebft einigen Andern unter ber Bedingung 
wiederaufgenommen warb, baß er hinter bem Garroccio mit eis 
ner Schandmuͤtze befteidet (with tbe mitre on his head) ein: 
bergebe, und den fonft üblichen Beſtimmungen genüge. Gein 
Name findet fi nahe an dem Ende einer langen Provisione 
in dem Buch Nr. 16, Distinz. II, Class. 2, p. 36 des Archivs 

der Riformagione; das Datum aber flimmt mit Dem überein, 
was in dem Briefe von Dante’s faft funfzehnjährigem Erit gefagt 
tft; denn bie Daten ber Verbannungsſpruͤche wider ihn find, 
wie ich ermittelt habe, der 27. Zan. und ber 10. März 1302, 
von Ghriftt Geburt angerechnet. 


Noch iſt fchließlich zu erwähnen, daß Hr. Torri als 
‚eine dankenswerthe Zugabe einen Abdruck des lateinifchen 
Berichts über eine von Dante am 20. Jan. 1320 (der 
beigefegte Wochentag zeigt, daß das Jahr von Chrifti 
. Geburt, nicht nach Florentiner Gebrauch von Marid 
Verkündigung, an gerechnet it) zu Verona gehaltene 
Disputation mit .italienifcher Überfegung beigefügt bat. 





Berantwertliher Derausgeber: Heinrich Brodhaus. — Drad und Verlag von F. 4. Brodhaus in Eeipiig 


Gegenftand iſt bie uns freillch ſehr ſeltſam vorkommende | 


Frage, ob das Waſſer (Meer) in feiner Rundung (Sphin) 
Irgendwo höher fel als das Land, die Dante natkrlid 
verneinend entſcheldet. Die Außerfl felteme Ausgabe des 
Buͤchleins (Venedig 1508) hatte ich vor einer Reihe von 
Jahren bei dem verflorbenen hochverehrten Machefe 
Trivulzio ducchlefen, und damals, mit Koscoto, ftart am 
ber Echtheit gezweifelt. Allerdings find die referitten Ar: 
gumente der Gegner größtentheil® herzlich albern; dech 
baben fich meine Zweifel jegt bei erneutem Studium ke: 
deutend gemindert, und Mandyes, was Über die Bildung 
und Geſtalt des Feſtlands gefagt wird, iſt für die Web 
anfhauung ber Zeit, vermuthlich für die eigene Dante‘, 
fehr Iehrreih. Der Text ift bis auf einige naheliegend⸗ 
Berichtigungen ziemlich correct. Karl Witte, 





Notiz. 


Beitrag zur Geſchichte der. 
. Wiflfenfhaft. 
Nichts if erhebender als wenn man fieht, wie ein Ging: 

nee mit Dintanfegung aller perfönlichen Intereffen und Rüb 
ſichten, ja mit Gefahr feines Lebens, ſich ganz dem Dienfte der 
Menfchheit widmet. Wer kann ohne die tieffte Rührung an 
bie aufopfernden Bemühungen eines Las Cafes und anderet 
Menfchenfreunde denken? Ganz vor kurzem hat Rranfreid, 
bat die Weit zwei Ärzte verloren, die mit berfelben aushalten 
den Begeifterung bis zu ihrem legten Athemzuge das gefährlide 
Studium ber beiden Krankheiten verfolgt haben, von denen der 
namentlid im warmen Klima die größte Gefaht 
roht. 
furcht genannt zu werden. Was der Erſtere für die Wiſſenſchaft 
geleiftet, weichen Gefahren er ſich ausgeſetzt hat, um der Katur 
der Deft auf die Spur zu kommen und um bie Mittel zur Kt 
lung fomwie die Präfervativmaßregein zu erproben, tft befanntır 
als Das, was Chervin für das Studium des Beben Fiebers ge 
than bat. Hier zeigte es fich recht deutlich, wie ein Dann, in 
dem fonft nidyt eben ber Funke des Genies glüht, wenn ex mit 
unausgefegtem Eifer eine große Sache verfolgt, wie von eine 
großen Idee getragen erfcheinen kann. Kon dem Xugenblidt 
an, wo Chervin zum erften Male über das Weſen ber heftigen 





Märtyrer für die | 
t 





Die Ramen Bulard und Ghervin verdienen mit Gr 


‚Krankheit, die vorzüglich in ber heißen Bone Amerikas ipreäOpfe 


binrafft, nachgebacht hat, bis zu feinem Tode hat dieſer eine be 
ſchraͤnkte Punkt einer weiten Wiſſenſchaft alle feine Gedanken 
in Anfprudy genemmen. Nachdem er acht Zahre hindurch ein: 
zig und allein zur Beobachtung des (Gelben Fieber Amerifa in 
allen Richtungen burchftreift hatte, kehrte er in fein Vaterland 
zurüd, um bier das Ergebniß feiner Unterfuchungen zu veröf 
fentlihen. Die Übergeugung, bie er in ben tropifchen Bänden 
gewonnen hatte, war bie, daf biefe Krankheit nicht anftedender 
Natur ſei Diefe Anſicht wurde von dem größten Theile der 
ärztlichen Weit und namentlich von einer mebdicinifchen Gommil: 
fion befämpft, weldye von der Regierung den Auftrag erhaltet 
hatte, das Gelbe Fieber in Barcelona, wo es ausgebrochen war 
zu beobachten. Chervia ſah fich dadurch veranlaßt, gleicial 
nad Spanien. zu geben, um bort feine Unterſuchungen forte 
fegen. Diele neuen Studien beftärkten .ihn nur in feinen frühen 
Annahmen. Nah Frankreich zuruͤckgekehrt wurde er Mitglied 
der Akademie, nahm aber faft nie an: den Verhandlungen dieſer 
gelehrten Verſammlung Thell, außer, wenn bie Krde auf bed 
Thema kam, dem er fein ganzes Reben gewibmet hatte, DAMM 
- entwidelte er einen Scharfſinn und cine Begeiſterung, bie man 
bei ihm fonft nicht vermuthet bätte.,. 2. 





Blätter 


für 


literariſche Unterhaltung 





Freitag, 


8. December 1843. 





Reiſe eines Norbdeutfchen durch die Hochpyrenden in 


den Jahren 1841 und 1842, Von W. v. R. Zwei 
Theile. Leipzig und Paris, Brockhaus und Avena= 
rings. 1843. Gr. 12. 2 Thlr. 20 Ngr. 

Nichts iſt ärgerlicher, al& wenn wir eine Erfindung 
von und, einen Gedanken, den mir zuerft gehabt, von 
Andern ergriffen, gefördert und mit Gluͤck entwickelt fe: 
hen. Ganz ähnlich diefem unbehagfichen Gefühl ift das, 
ein Land, eine Gegend von Andern gefchildert zu fehen, 
zu dem wir zuerfi den Zugang geöffnet, das wir zuerft 
befchrieben haben. Der Ref. tft mit der vorliegenden 
Reiſeſchilderung in diefem erceptionellen Fall. Die Pyre: 
nden waren vor ihm unter uns fo gut wie unbelannt; 
ein Deutfcher hatte je eine Schilderung dieſes herrlichen 
Gebirge verfucht, das Heute zu den gewöhnlichen Reiſe⸗ 
zielen des reichen Müßiggangs gehört; nur Wenige hat: 
ten es betreten, als er im J. 1824 feine Reife durdy die 
Hochgebirge der Pyrenden erfheinen lief. Es war da⸗ 
mals eine mühevolle, reich belohnende, aber anſtrengende 
Ausflucht ; heute Häpft die Jugend an Stellen dahin, die 
er mit Lebensgefahr erklommen, trabt über Pfade bin: 
weg, die zu feiner Zelt den eifenbefchlagenen Gebirge: 
ftab noͤthig machten und dejeunict an Ötellen, wo er 
zur Erquidung kaum ein wenig Biegenmild und ein 
Stud GSerftenbrots fand. Das iſt das Wirken der Zeit, 
der Vorzug der jüngern Generation vor ber Altern. Aber 
fie follte nicht vergeffen, was von dieſen Vorzuͤgen fie 
eben der ältern Generation verdankt. Des Ref. Schiis 
derung der Pprenden gab das Signal zum Beſuch diefes 
Gebirge, das bis dahin fo unbekannt in Deutfchland mar 
als der Himalaja; feitdem hat zwar nit die ewige Na⸗ 
tur felbft ſich geändert, aber die Mittel und die Weife, 
fi) ihr zu nähern und fie zu genießen, find andere ge⸗ 
worden. Der Ref. kann fi es fügen, daß es ihm mit 
zu banken ift, wenn der junge Reiſende jegt Guiden, 
Gebirgsroffe, Wirchöhäufer, gute Pfade und fichere Stege 
nun da findet, wo er Died Alles entbehren mußte- Der 
Verf. des vorliegenden, lobwuͤrdigen Berichts hat Unrecht, 
mit keiner Sylbe feines Vorgängers als Defjen zu geden- 
ten, obne den vielleicht auch er aller diefer Behaglichkei⸗ 
ten zu entbehren gehabt hätte 

Doch dies Alles iſt weit entfernt, unfere gute Laune 
zu trüben oder ihm einen unfteundlichen Seitenblick zus 


zuziehen. Iſt es Argerlih, unfere Erfindung von Andern 
gefördert. zu feben, fo iſt es auch wieder eine eigenthuͤm⸗ 
lich mohlthuende Empfindung, den Wachsthum unferer 
eigenen Ideen zu betrachten, und zu fehen, was im Lauf 


‚der Zeit aus Gedanken wird, die wie felbft zuerſt ange: 


vegt haben. Und fo mollen wir denn dem unbelannten 
Verf. diefer Arbeit ſchon um deswillen unfern Dank er- 
ftatten, weil er nicht ohne Gleichſtimmung mit uns 
felbft auf unfern eigenen Pfaden mehr wie Andere forts 
gewandelt iſt. | 

Auch bei dem WBerichterftatter ift der Beſuch des 
herrlichen Pyrenaͤengebirgs wie bei uns aus einem Na: 
turbedürfniß hervorgegangen; nicht aus Modefucht, Men: 
giee und müßigem Verlangen, fondern aus ber Neth: 
wendigkeit, Seele und Geiſt an Naturanfchauungen zu 
ftärfen, an ihree Größe ſich ſelbſt aufzuerbauen und zu 
erheben. Dies ift der rechte Quell, der rechte Urfprung, 
der richtige Gedanke bei einer Reife wie. die in die Hoch⸗ 
berge der Porenden. Luft, Muth und Ausdauer, wie fie 
zue Überwindung von Schwierigkeiten nöthig find, un: 
verſtimmtes Gemüth, freier, unbefangener Bid, Kraft, 
bie vor Erſchoͤpfung fichert, alle diefe fließen nur ans die: 
fem Quell ab. Zeit und Wetter haben ihre Gunft .bin- 
zugebracht und dem rüftigen Reiſenden bier und da zu 
fehen erlaubt, was uns felbft unerreichbar blieb. So 
tönnen wir ihm die Erflimmung des Vignemale benei: 
den, der zu unferer Zeit noch unerfteigbar war, und zu 
dem es keinen Führer gab. Doc es ift Zeit, daß wir 
uns der genaueren Anficht des Inhalts dieſes dankens⸗ 
werthen Berichts zumenden. 

Der Berf., ein vielfeitig gebildeter, wenn auch nicht 
gerade ein wiſſenſchaftlicher Reiſender, naht Mich. Tei- 
nem 3iele, wie wir felbft, über Toulouſe, 
hier wendet er ſich weſtwaͤrts, nach Tarbe 
wozu wir nicht rathen können. Es ift igbenfall® mehr 
zu empfehlen, daß der Meifende, bevor ey diefe Gebirge: 
welt betritt, ſich eine® überblicks der gefapımten Kette von 
der Terrafje von St.Gaudens her, und näher, von dem 
koͤſtlichen Dbfervatorium” des Pic du Midi von Bigoere 
verfichere, und fo vorbereitet in bie Mitte biefer Bergrie- 
fen trete, als daß er von Pau her zuesft mit einer Sei: 
tenanfiht beginne, welche die Sradation der Gebirgsſchoͤn⸗ 
heiten nicht gewährt, die der Eintritt von St.⸗Gaudens 





x 


! 


der barbietet. Die erfim Gapitel, Tarbes, Pau gleichen 


Vorbereitungen und enthalten, außer den merkwuͤrdigen 


Drophezeiungen des Bauer Bug von Milhas, und eis 
ner Geſchichte der Geburt Heinrich's IV., von dem es hieß: 
Mölagro, la vaca bijö un lione (die Kuh hat, o Wun⸗ 
der, einen Löwen geboren) nichts Neues oder Bemerkens⸗ 
werthes. Im vierten Gapitel iſt eine gefchichtliche Über: 
fit diefee Landfcyaften, obwol etwas troden, eine dans 
kenswerthe Zugabe, da fie zur Drientirung dient. Von 
Dan ab beyinnt die Gebirgsreife mit Eaur bonnes, Eaur 
haudes und dem Thal von Oſſan. Das eine Thal 
von Arudp ift das erſte, das von hieraus den nicht zu 
ſchildernden Reiz der Porendenthäler vor dem Reiſenden 
entfaltet. Diefer unausfprechliche Reiz iſt gerade die erſte 
und charakteriftifche Eigenthuͤmlichkeit dieſes Gebirge, mit 
dem es die Alpen und den Apennin weithin befiegt, in 
dem es einzig und unververgleichlich dafleht. Der Wei: 
fende thut wohl, wenn er fi bemüht, über diefen ganz 
eigenthuͤmlichen Reiz ins Klare zu kommen, von feinen 
Elementen ſich Rechenſchaft zu geben. Der Verf. aber 
verfäumt die Gelegenheit zu einer folhen Analyfe. Mag 
‘fein, daß der Charakter von Duͤrre und Trockenheit, der 
dem füdlichen Frankreich beimohnt, uns in höherm Grabe 
empfaͤnglich macht für die faftige und volle Schönheit ber 
grünen Welt In den Pyrenaͤenthaͤlern — Alles ift hier: 
mit doch nicht erklärt. Der fanfte Reiz der legtern be: 
ruht, außer der Gülle und Üppigkeit der Wegetation, noch 
auf etwas Anderm, naͤmlich auf den, wir möchten fagen, 
beruhigten, fertigen und abgefchlofjenen Bergformen, welche 
dieſe Thaͤler bilden. Hier ift kein Erdſturz mehr möglich, 
jeve Höhe hat ihre richtige Bafis gefunden, Alles erſcheint 
wei, rund, beruhigt, keiner neuen Umwandlung unter: 
worfen wie in dem jlngern Gebirge der Alpen. Die 
Ordnung iſt hier feit langer Zeit fertig, in den Alpen» 
thälern iſt fie meiſtens noch herzuftellen; bier ift das 
Schoͤpfungswerk vollendet, abgelchloffen, nicht mehr zu 
ändern. Daher diefe fanfte, beruhigende Schönheit der 
Berge, welche die Thäler bilden; daher der um befto 
größere und gewaltigere Eindrud der Bergrieſen, welche 
dieſe Thaͤler Üüberragen, uͤberwoͤlben; daher die unbegrenzte 
Kraft der Vegetation und ber unvergleichliche Blumen: 
ſchmelz in dieſen Thalgründen. 

Wir haben bier mit wenig Pinſelſtrichen die charakte: 
riſtiſche Schönheit oder beffer, den Charakter in ber 
Schönheit der Pyrenaͤenwelt gezeichnet, und folgen dem 
Berk. nun nach Lourdes und Bagnieres de Bigorre, an 
defien Quellen bekanntlich der im Zrojanifchen Kriege ver: 
wundete Gott Mars ſchon Heilung ſuchte, während Ve⸗ 
aus ihm bei diefer Badecur den bekannten Beſuch abftat: 
tete! Das Thal von Campan iſt in der That eines fol: 
chen göttlichen Beſuchs werth. Wer fchildert feinen Reiz 
nad) Sean Pau, defien der Verf. bei diefem Anlaß frei: 
Eich nicht gedenkt: — die junge Melt ift fo vergeßlicher 
Natur! In Grip angelommen, hofften wir, der Verf. 
werde fi) dem nahen Pic du Midi zuwenden, dem fchön- 
ften Beobachtungspunkt für die gefammte Pprendenwelt; 
unerBlärlicherweife aber fieist er durch die Dourquetta in 


die Vierthäler und zuerſt in das von Aure hinab, um 
uns die tragiſche Geſchichte des legten Armagnat zu m: 
zählen. Es laͤßt fi) dies nur aus einer gewifien, ihn 
noch beherefchenden Bergſcheu erklären. Das Thal von 
Argelis findet dann feine verdiente Bewunderung, obnel 
wie in feiner Schilderung den Diligence-Reifenden erken⸗ 
nen, der freilich dem Fußwanderer nichts Neues berichten 
kann; biernady wenden wir uns dem Kern der Porenin: 
welt, dem Thale von Luz und Gavarnie zu. Von bier 
ab wünfchten wir dem Verf. etwas mehr Ernft und eine 
der Natur, die uns umgibt, entfprechendere Stimmung. 
Leichte Bemerkungen, Wise und Kuͤchenzettel geftatten 
wir leichten und mäßigen Reifenden ; wer echtes Gefühl 
für die Natur und ihre Schönheit hat — und wir rechnen 
den Verf. zu den fo Begabten — , follte in folder Um: 
gebung Madame Cazaur und ihre Gaſthofsſcenen ver: 
geften können! Der Ref. war darin glücklicher; zu feine 
Zeit begegnete man feinen reitenden Engländerinnen bie: 
tee St.:Sauvene und Cauterets. Doch die Zeiten haben 
ſich geändert, der Pic de Bergonz iſt jege mit Zraglänf: 
ten bedeckt, deren Mef. ſich nicht erinnert, eine einzige in 
den Pyrenaͤen geieben zu baben. Die Givilifation hat 
auch ihre Schattenfeitel Aber der Verf. verfteht, von 
dem herrlichen Panorama, das der Pic de Bergonz bar: 
bietet, ein fo lebenvolles, farbenreiches und naturgetreun 
Bild zu entwerfen, daß wir nicht blos diefer Schatten 
feiten vergeflen, fondern, indem mir uns mit ihm in die 
Schönheiten diefer Bergwelt vertiefen, ihm zu lebhaften 
Dante für feine warme und gefchicdte Schilderung ver: 
pflicytet werden. In der That bat feine Darfiellung an 
feiner andern Stelle einen fo wohlthuenden und befriedi 
genden Eindrud auf uns gemacht als gerade hier, mo 
Stil und Ausdrud der Größe und der Schönheit dei 
vor uns entfalteten Naturbildes ganz entſprechen. Es ii 
zu ruͤhmen, daß der Verf. auf Schönrednerei eben nicht vid 
Gewicht zu legen ſcheint und eim Beſtreben danach fih 
nirgend Fund gibt. Um fo wirkungsvoller wird eine na 
tuͤrliche Erhebung der Sprache. Daß ihm das Bernd 
gen des ſchoͤnen Ausdrucks jedocdy nicht mangelt, peigt 
mehr als eine treffliche Stelle. 

Ber nie einen Wald gefehen — fagt ex z.B. —, in web 
chem die Natur, unentweiht von dem eigennägigen Angriffen 
bee Menfchen, Sahrtaufende lang vielleicht ungeſtoͤrt gewaltet 
hat; wer für jene großartige Vernachlaͤſſigung Sinn und Xug 
bat, welche nur in der Band ber Natur kuͤnfileriſche Harmont 
wird, der bringe ein in die Walbungen der Abhänge des Zyald 
Zutoue . . . Über Felſen, über Bitumen und Kräuter hinge 
firedt liegen vermobernd die alten Riefen des Waldes, nach dem 
Raturgefeg einer neuen Generation Ptag machend, ihr zur Ras 
zung dienend, und fo fi in ihr verjüngend. Und welches tr 
ben durch das Chaos biefer Vegetation hin! Welche unenblich⸗ 





keit der Erſcheinungen in dieſem Raume, von der Schlange a 


die mit klugem Auge erſt die ihr in dem Beobachter nabende 
Gefahr prüfen zu wollen ſcheint, bevor fie flieht, von dem iR 
Barbenftaub gehüllten, regelmäßig gezeichneten Schmetterling. 
dem Käfer, der Muͤcke aufwärts. Wo ift der Zweifler, der nad) 
dem aufmerkfamen Blicke in biefe wunderbar reiche Welt von 
Weſen noch den Zufall Schöpfer fein laſſen möchte und von ſer 
ner Betrachtung nicht das Gefühl einer neuen Überzeugung 
ſich fortträge? 





Mach dieſer Btilprobe dürfen wir auch Das lobend an 
dem Berf. hervorheben, daß er Empfänglichkeit genug be⸗ 
figt, um das Hirtenleben in den Pyrenaͤen in feinem Reiz 
und feinen Schredniffen lebendig aufjufaffen, in mans 
nichfachen Bildern vor uns hinzulegen und das In feinen 
Repräfentanten lebende warme Naturgefühl, ihre dichterls 
ſche Auffafjung der fie umgebenden Scenen und die oft 
merkwürdige Zartheit der Gefinnung und Empfindung 
bei diefen Naturmenfchen nur in einzelnen Zügen, wie 
in der „Geſchichte zweier Bruͤder“ gefchieht, darzuftellen. 
Durch das Thal von Prayntres, von dem der Berf. 
ſchoͤn ſagt, daß es wie ein Blumenkorb aus feiner 
flarren Umgebung hervorfhimmerte, dann duch das 
Baftanthal, wild und raub, in dem fo zartfühlende 
Menfchen wohnen wie die Brüder Ramon und Antoine, 
geht der fernere Weg nach Bareges, dem Badeort, der 
im Sommer den wundenkranken Beteranen, im Winter 
den Lawinen, den Bären und Wölfen des Dochgebirgs 
angehört. Der Verf. fchlägt vor, diefen Drt zum De: 
portationsort für Frankreich, das nach einem ſolchen fucht, 
zu beflimmen! 

Der Weg nach dem Circus von Bavarnie, einem der 
großartigften Werke, welche je aus der Hand der Natur 
hervorgingen iſt jetzt faſt fo befannt wie die Straße von 
Paris nach Verſailles. Der heilige Schauer, welcher die: 
fen Pfad noch vor 20 Fahren bededte, ift verfhwunden, 
eine ebene Bergftraße führt nun zu diefem Wunder hin. 
Allein ein Wunderwerk if} der Circus noch immer und 
ein folche® wird er bleiben, fo lange diefe 1400 Fuß bo: 
ben $elfenmauern nicht in ſich zufammenftürzen. Ref. 
hat diefe Scene feinen. Landsleuten vor 20 Jahren zuerſt 
geſchildert und er kann ſich nicht entfchliegen, während 
das Bild lebendig vor ihm ſteht, die Schilderung eines 
Andern wiederzugeben, wie warm und lebenvoll Diefelbe 
auch fonft ſei. Ein Bild, das nad 20 Fahren in ber 
Seele fo treu: und glänzend wieder erwachen kann, muß 
etwas Großes und Ungemeines in ſich fallen. Alpen 
und Apenninen bieten nichts dem Circus von Gavarnie 
Ähnliches dar, wenigſtens was die Groͤßenverhaͤltniſſe bes 
trifft. Die Ringgebirge des Monde mögen von berfel: 
- den Kormbildung fein wie der Circus von Gavarnie 
und gleichen Urſprung mit ibm haben. 

Im zweiten Theile feſſelt zunaͤchſt die Wanderung 
durch das Felſenmeer von Heas, eine verungluͤckte oder 
eingeftürzte Circusbildung, und wol die wildeſte Scenerie 
des ganzen noͤrdlichen Pyrenaͤenabhangs. Der Reifende 
gelangt dann endlich zu dem Pic du Midi de Bigorre, 
den er zu unrecht früher umgangen bat. Diefer herr: 
liche Standpunkt, der uns das Sefammtgebirge allein zu 
voliftändiger Anfhauung bringt, kann nicht genug em: 
pfohlen werden; Ref. befuchte ihn dreimal, mit immer 
wachfender Befriedigung. 
auch nur Maler, er würde diefen Beſuch weder fo lange 
aufgeſchoben noch fo flüchtig behandelt haben, al6 es ges 
ſchieht; feine Begegnungen mit fpanifhen Parteigängern, 
Chriſtinos und Karliften, können uns für diefe Entbeh⸗ 
zung nicht fehadloshalten, obwol fie von gutem Blid 


Tod fand. 


Wäre der Verf. Geolog oder 


und glüdlichen Reiſenaturel Zeugniß geben. Gantertts 
und der Lac de Gaube bilden hiernaͤchſt die anziehendflen 
Gegenftände feines fernern Reiſeberichts, der durch bie 
Srfteigung des Vignemale eine befondere Bedeutung ers 
hält. Der Vignemale, der hoͤchſte Punkt der franzöfl: 
[hen Pprenaen — denn Maladetta und Montperdu lie: 
gen auf ſpaniſchem Gebiet und geben Baum einen Über: 
blick der eigentlichen Kette — galt lange Zelt für die 
Sungfrau ber Pprendenz er biieb dem Ref. unerreichbar, 
weil zu feiner Zeit Bein Führer gefunden wurde, der Die 
Zugänge des Niefenbaus erforfcht hätte; feit 12 Jahren -» 
ift er erobert und vielfach befiucht worden und nach dem 
Berichte des Neifenden ſcheint feine Erfleigung nicht eben 
ſehr fchmwierig, da fie mit dem Opfer einer Nachtruhe er: 
langt wurde. Der Vignemale ift die hoͤchſte Erhebung 
de6 Urgebirgs in den Pprenden, deflen böchfte Spigen 
befanntlich die Anomalie darbieten, faft fämmtlich jünge: 
ver Sormation zu fein und auf dem Urgebirge aufzulas 
gern; im Vignemale tritt der Granitgrat des Gebirge 
klar hervor, in einer Srhebung von 10,068 Fuß. Der 
Überbli von diefer Warte her wird uns herrlich gefchil: 
dert und muß dies in Wahrheit fein. Die umlagernden 
Schnee: und Eisfelder können fo bedeutend nicht fein als 
fie vom Thale von Esplumeau aus erfheinen. Bon dem 
koͤſtlichn See von Gaubt erzähle der Verf. die tragifche 
Geſchichte des jungen englifhen Paare, das auf feiner 
Hochzeitsreiſe begriffen, im 3. 1832 hier einen ſchoͤnen 
Ein Gedenkſtein vereroigt das ergreifende Er: 
eigniß und nennt den Namen Patifion. In übermü- 
thiger Laune zieht der junge Gatte feine Neuvermähkte 
in den einzigen zecbrechlihen Kahn des Lac de Gaube — 
fie rudern dahin im Spiel — ſcherzend — der Schiffende 
verliert da6 Übergewicht und gleitet in ben eiskalten, 
ſtillen klaren Gletſcherſee. Er iſt ein guter Schwimmer, 
aber die Kaͤlte des feuchten Grabes toͤdtet ihn. Sie 
ſtarrt über den Bord gebeugt dem Verſchwundenen nah — 
willig, willenlos gleitet fie ihm nad, ſchwimmt eine Zeit 
lang auf dem kalten Elemente und verfchwindet daun 
gleich, ihm. Kaum Präufelt fich der feeleniofe Waſſerſpie⸗ 
gel ein wenig über dem Doppelopfer — fie ruhen bei: 
fammen! Es liegt etwa Dichterifches in dieſer einfachen 
Begebenheit; die Züde der Ratur, wenn fie groß oder 
lieblich iſt, iſt ein hochpoetifches Element. 

Der Beſuch von Bagneres de Luchon und die Aus: 
flucht nad dem fpanifhen Thal von Aran, in deſſen 
Hauprftadt, Viella, der Reifende mit dem General van 
Halen, dem derzeitigen Gemwalthaber diefer Lande, zuſam⸗ 
mentrifft und einer Revue beimohnt, gibt dem fernern 
Bericht ein neues Intereſſe. Wir können dem Berf. 
dahin nicht folgen, aber wir dürfen dieſen Theil feiner 
Darftellung als den gelungenften und befriedigendften be= 
zeichnen. Auge und Urtheil des Erzähler find ſtets wach 
und er weiß von dem Gefehenen und Erlebten Dasjenige 
auszuwählen, was dem Lefer ein ähnliches Intereſſe wie 
ihm ſelbſt darbietet, und dies in mannichfaltiger und be 
lebter Darſtellung ihm vorzuführen. Mag des durchaus 
Meum, das er bringt, auch nur wenig fein, möge ihm 


1376 


und feinem Buche auch der wiſſenſchaftliche Stempel feb: 
len, und die Befriedigung bes gelehrten Leſers nicht überall 
fein Bemühen trönen, fo bleibe feine Arbeit doch ein 
bantenswerther Beitrag zuc Kunde des Pprendengebirgs, 


feiner Reize und feiner anziehenden Schauer und er darf 


auf eine höhere Anerkennung rechnen, als fie feinen jüng- 
ſten Vorgängern in biefem Verſuch gebührt, deren Schritte 
Frivolitaͤt und muͤßiger Überdeuß in diefem ſchoͤnen „Stud 
Erde’ geleitet haben. 

Die Beigaben über die Hellquellen der Pprenden und 
die fprachlihen Fragmente find unerheblich, der beigefügte 
Entfernungsmeifer aber ift dankenswerth. Wir wollen 
Buch und Verf. daher dem wohlwollenden Leſer beftens 
empfohlen haben, ber in der Anfhauung großer Naturwerke 
feine Befriedigung findet. W. von Lüdemann. 





— — — — 


Bibliographie. | 

Arndt, G. M., Märdyen und Zugenberinnerungen. 2ter, 
Theil. Mit 6 Kupfern. Berlin, Reimer. 8. 1Thir. 2 Rgr. 
Biafius, 3. H., Reife im Quropäifchen Rußland in ben ' 
Jahren 1840 und 1841. In zwei Theiten. Iſter Theit: Reife! 
im Norden. Braunfchweig, Weftermann. 1844. Gr. 8. Preis, 
beiber Theile 5 Thlr. ' 
Boden, A., Vertbeibigung des Hrn. Prof. Dr. Sylv. 
Jordan wider das in erfter Inftanz von dem Criminal: Senat‘ 
des Kurfuͤrſtlichen Obergerichts zu Marburg am 14. Juli 1843 
gegen ibn. gefällte Erkenntniß, und Widerlegung der Grüne, 
biefee Erkenntniſſes. Frankfurt a. M., Sauerlaͤnder. ®r. B., 


Kor. 

Bröder, 3.9. C., Der evangeliſch⸗chriſtliche Gemeinde⸗ 
gottesdienft aus der Schrift entwidelt. Hamburg und Gotha, 
5. und A. Perthes. Gr. 8. 15 Near. 

Bruͤckbraͤu, F. W., Chriftoph der Kämpfer, Herzog 
von Bayern, oder: Der Loͤwenbund. Hiſtoriſche Erzaͤhlung. 
Mit 1 Stahlſtich. Augsburg, v. Jeniſch und Stage. 8. 
236%, Ner. ' 

Belgifche Sompagnie zur Golonifation bes Diftricts Santo 
Thomas, Staat Guatemala. Dresden 1842. Gr. 8. 10 Ngr. 

Dietſch, R., Das Leben Herzog Albrecht's des Beherz⸗ 
ten. As Eintadungsfchrift zu der 40hjaͤhrigen Feier feiner Se: 
bert im Schloſſe zu Grimma am 27. Zuli 1843. Grimma, 
Verlapscomptoir. Er. 8. IV Nor. 

Erath, ©. 3., Der Schulmeifter in der Klemme. Ein 
Schwank in Berfen in einem Acte. Wiefenfteig. 16. 7%, Nor. 

Kleine Folge von Briefen zwiſchen 8. Schilvener und 
I. Schwarz. Herausgegeben von einem beiberfeitigen Freunde. 
Hamburg und Gotha, F. und A. Perthes. Gr. 8. 15 Nur. 

Gefchichte des Feldzugs von 1814 in dem öfttichen und 
noͤrdlichen Zrankrei bis zur Einnahme von Paris, als Bei: 
trag zur neuern Kriegögefchichte. Iter Theil. Ifte Abrheilung. 
Mit 3 Plänen. Berlin, Mittler. Gr. 8. Thlr. 

Goͤrres, G., Marienlieder zur Feier der Maiandacht ges 
dichtet. Muͤnchen, Lentner. Gr. 16. 214 Near. 

Deller, R., Der Prinz von Dranien. Hiſtoriſcher Ros 

man. Drei Bände. Leipzig, Gebr. Reichenbach. 8. 4 Thlr. 
15 Rar. 
Bintidhs, 9 F. W., Politifche Vorlefungen. Unſer 
Zeitalter und wie ed geworden, nad; feinen politifchen, kirch⸗ 
lichen und wiffenfchaftlichen Zuftänden, mit befonderm Bezuge 
auf Deutfchland und namentlih Preußen. In öffentlihen Vor⸗ 
trägen an der Univerfität zu Halle. Zwei Bände. Halle, 
Sqhwetſchke und Sohn. Gr. 8. 3 Thir. 20 Nor. 

Keferstein, C., Über die Halloren, als eine wahr- 
seheinlich keltische Colonie, den Ursprung des Halle’schen 


Salzwerkes und dessen technische - eh 

Halle, Heynemanı, Gr. 8. 38 N Ma Ve 
Kehrein, J., Geſchichte der bathottſchen Kamgelberehtian: 

keit der Deutichen von der dlteften bis zu aeueſten — 


Beitrag zur allgemeinen Literaturgeſchichte. Zwei Bände u: 


gensburg, Manz. Gr. 8. 3 Thir. 20 Nor. 
„„gentner, I. 8., Ritter und Bauer. Roman in vier 
Rüden. Drei Bände. Magdeburg, Baenſch. &r. 12. 3 Thu 

gr. . 

Luden, H., Hauptmann von GMerlach (General ve 
Geolman) 1813 Gtudent in Jena. Aus ben un * uRül: 
bliden in mein Leben‘. Jena, Euben. 12. 7Y, Kar. 

Maufhmwig, ©. v., Über Strafgefangene und Gtraf: 
anftatten im Geifte ber Seit, nebft einem Anhange über Be: 
mehrung und Serminderung ber Berbrecher. Verun, Diem: 
tr. 8. 10 Rer. 

Mein Iehter Wille und Nachlaß. Aus ten Papieren eis 
fdeintobtbegrabenen Rechtsanwaltes. Leipzig, Tauchnitz jun. 
sn — Beriäte. 3 

ofen, J., Gedichte. e vermehrte Aufiage. Reim 
Brodhaus. Gr. 8. 1 Tolx. 18 Nor. Br TEN 

Mofer, 5. S., Die fünzigjährige Amtejubelfeir ds 
Geh. Sonfiftorialraths Dr. Chr. Er. Böhme in Luckau. Grin: 
rungsblätter für die Sreunde und Verehrer des Jubilars. A: 
tenburg, Belbig. Gr. 8. 8 Ror. . 

Der neue Pitaval. Bine Sammlung ber intereflanteken 
Stiminalgefchidgten aller Länder aus Älterer und neuerer Zei. 
Derausgegeben von 3. E. Hit ig und W. Häring (B.Xci) . 
dter Iheil. Leipzig, Brodhaus. Gr. 12. 23 Thir. 

Platen, des Grafen d., Gefammelte Werke. Im fünf X 
Bänden. Ifte Lieferung. Stuttgart, Gotta. Er. 16. I Zpr. v 

Quandt, 3. &. v., Borträge über Äſthetik für bilden 
Künftter, in der Königlichen Akademie für bildende Künfle m 
Dresden gehalten. Leipzig, Hirſchfeld. 1844. Gr. 8. 1 Xkı. 

Raumer, F. v., Geſchichte Europas feit dem Endes 
15. Jahrbunderts. Tter Band. Leipzig, Brockhaus. Cr. 8. 
2 Thir. 15 Nor. : 

 Robmer's, F., Lehre von den politiſchen Parteien. kit a 
Zpeit: Die vier Parteien. Durch I. Rohmer. rauenfıh, || 
Beyel. „1844. Ler.:8. 1 Thlr. 15 Nor. | 

Ruͤckert, F., Geſammelte Gedichte. Zwei Theile. Frank 
furt a. M., ee inber. ®r. 12. 1 Thir. 10 Nor. aa 

— — Liebesfruͤhling Aran a. M., Gauerlaͤnder 
1844. Sr. 16. 1Thlr 10 — 

Scheidler, K. H., Deutſcher Studentenſpiegel. A 
Beitrag zu einer Reform des deutſchen Gtubenteniebene im 
Geifte unferer Zeit und unferes Volksthums ans kicht geftelt.— 
&. u. d. T.: Beiträge zu einer inneren, von den Studitenden 
ſeibſt ausgehenden Reform des deutſchen @tudenteniebens. | _ 
Jena, Bran. 1844. 8. 1 Thlr. 

Spaziergänge eines zweiten Wiener Poeten. 2te Auflag. 
Damburg, Boffmann und Campe 8. I Thir. ! 

Taſchenbuch für die vatertänbifche Gefchichte. Herausgegehen 
von I. Freih. v. Hormayr. Idfter Zabrgang. 1844. Bi { 
4 Bildnifſen. Berlin, Reimer. Kl. 8. 2 Thir. 19 Rot. 

Ulrich, 3. B., Baterländiiche Bluͤthenieſe in Gedichten 
und Erzählungen. Luzern. Ki. 8. 12%, Nor. 43 

Voigt, 3., Handbuch der Geſchichte Preußens dis ut 
Zelt der Reformation. Iter und legter Band. Koͤnigibetg 
Gebr. Bornträger. Gr. 8. 2 Thir. 10 Nor. * 

Walther’s von der Vogelweide Gedichte. rn 
Ausgabe von K. Lachmann. Berlin, Reimer. Gr.S. I Th ’ 

Wette, W. M. de, Die Liebe ats das Merkmal de 
wahren Chriſtenthums. Predigt zur Nachfrier der Verſammmn 
Pi a reine der Suſtar s Abolph's « Gtifiung- Grant 
urt a. M., erber. 3%, Nor. 

Zeune, &. &., Gottlieb Köhler, der Soldat. Zwicar 
8. Ay, Nor. 


u. 


Verantwortlicher Deraudgeber: Beinrihd Brodbaus. — Drud und Verlag von J. X. Brochaus in Leipaie 


= 


1 


mer wueichänßikher menbeuben. Soeache im Bebiete has 
Disrtunß wmferorbetlich wach, Unter Anderm iſt es bes 
fonder6 gerade der Gebrauch des mehrfachen uneigent⸗ 
lien Ausdrucks zu Bezelchnung der Gegenſtaͤnde, wel⸗ 
cher einen vorzuͤglichen Zauber über die aͤußere Poetik 
(dem Stil) ausgießt, deſſen Häufige Ermangelung, nament⸗ 
lich die in mancher andern Hinſicht hoͤherſtehende franzoͤſi⸗ 
ſche Sprache, auf dem Felde der Dichtkunſt, in offenbaren 
Nachtheil ſetzt. Die lyriſchen Meiſterwerke ſelbſt der 
groͤßten Geiſter Frankreichs, ſo hoch ſie durch ſorgſame 
Gliederung und Glaͤtte, wie beſonders auch durch den 
kunſtreichen Mechanismus des Ganzen beinahe die ge: 
fammte deutſche Lyrik uͤberragen, muͤſſen doch im Allge⸗ 


meinen mit ihrer, wie unter dem Commando des Tanz⸗ 


meiſters ſeufzenden Grazie vor den Liedern und Roman⸗ 
zen unſerer Goethe und Schiller zuruͤckweichen, deren ma⸗ 
giſche Klaͤnge, obſchon ſie einzig aus den Tiefen reinſter 
Menſchennatur frei hervorquellen, aus uͤberirdiſchen Raͤumen 
uns zugeſendet erſcheinen. Ohne Zweifel hat das er⸗ 
waͤhnte, durch den Eigenſinn der pariſer Akademie er⸗ 
zwungene Stillſtehen der franzoͤſiſchen Sprache die meiſte 
Schuld an jenem Nachtheile der leztern, wenn man fie 
mit dieſer vergleicht, und es überfleigt fall allen Glau⸗ 
ben, daß der ungeheure Irrthum des Stabilitätsbefchlufs 
ſes fo lange bei Kräften zu bleiben vermochte. Die 


x Sprache, den Körper, der zur Sortpflanzung aller geifti- 


& 


gen Bewegungen einer Nation nicht ‚zu entrathen ift, 
gleihfam in Spiritus fegen zu wollen, worin doch alles 
Leben erfiiden muß und nur der Tod aufbewahrt wer: 
den kann! 

Mit Eintritt ber Revolution hörte indeſſen bie fran⸗ 


y zöfifhe Sprachtyrannei von felbft auf. Eine Maffe, zum 


\ heil aͤußerſt Übelgerathener, neuer Wörter nahm fich 


\ Die Freiheit, umter der Herrſchaft der Freiheit umd Gleich: 


*. —— u 
— 


g heit ebenfalls proſperiren zu wollen. Anner, deren 
| Datriotiemus fi hauptſaͤchlich auf die Handhabung der 
Guillotine gelegt hatte, gaben fi mit der Schöpfung 
neuer Sprachartikel ab, und wie groß auch der Abfcheu 
der franzöfifhen Akademie wor bem Ausdrude „bougre- 
ment patriotique”’’ fein mochte, fo wagte fie boch ſchwer⸗ 
ih einen Laut dagegen, ba einer, der fpäterhin ber 
Guillotine mit größerem echte verfallende, ſchmutzige 
Terroriſt, Bürger Hebert es war, der feinen Briefen des 
„Pere Duchene”, einer damaligen Beitfchrift, diefes Lob 
auf dem Titel ertheitte. Im Stillen litt gewiß mandyer 
Akademiker an Wörtern, wie das von den parifer Ge: 
fängnifmorden zu Anfang September 1792 hergeleitete 
Septembrifiren nicht wenig, wenn er aud viel: 
deicht aus Beſorgniß, daß an ihm felbft das Erempel ei⸗ 
ner Geptembrifation flatuirt werden, oder man ihn 
aus dem großen Fenſter fhauen*) laſſen möchte, 
feine Gefühle dabei ganz unterbrüdte. Kurs, im biutigen 
Gefolge der Revolution durchbrach eine ſolche Menge zum 
Theil ganz rohes, gehaltloſes Geſchmeiß von Worten und 


*) Auch ein A Bergeflener Ausbend, mit welchem bie 
Fühttefigfeit des Pobels die Hinrichtung ducch die Guillotine 
‚ Ihpergpaft begelägnete. 





Vedendarten ben bagıgen Bugs -Bahıe- fongfäliei mten' 
baktının und bewachten akademiſcher Damm, daß un 
der frliher gegen jehe. Neuenung Diefer Aut gelund Krane 
ten Pruderie des ſogenannten feinen 

Sprache Leine Mede weiter fein und foger ber 3 
Jan Hagel von neuen Woͤrtern und Redeformen ſich 
ohne Widerſpruch in der Hauptſtadt der Welt naturaliſi⸗ 
ren konnte. In der Folge muſcee freilich eine Gaͤheung 
eintreten und manche Hefe wieder wegfallen. Es iſt aben 
doch bei aller Muͤhe, weiche die frauzoͤſiſche Akademit fich 
von neuem gibt, als abfelute Sprachherrſcherin aufjurmes 
ten, ſolches mehr für eine leere Demonſtration als fr 
eine Sache von Gewicht zu achten. Vielleicht lag es 
blos an dem fortdauernden politifchen Sturme und Um⸗ 
ſchwunge, daß die franzöfifche Poeſie, wenn man iheen 
unfrudhtbaren Kampf der Claſſicitaͤt mit einer fogenamm- 
ten Romantik abrechnet, bis jetzt, auch in Folge bes 
neuen Sprachzuwachſes und mancher früher ganz verpoͤut 
gewelenen Bilder und umeigentlichen Ausdruͤcke, keine we 
ſentliche Abänderung erfahren hat. Denn außer dem ha⸗ 
ben, leidenſchaftlichen Glanze der begeifierungswollen umb 
in jebee Hinſicht wichtigen Marſeillerhpmne herrſchte 
in dieſer Parfie noch immer die ganze regelrechte, eintoͤ⸗ 
nige Nüchternbeit des Verflands nur allzu Elar, um ber 


; Phantafie nicht allen Schwung zu benehmen, bis Alfons 


de Lamartine zuerft einen Weg einfchlug, der feinem Na⸗ 
men gewiß eine weit feflere Dauer fichern wird als bie 
Yuldigungen, bie er neuerlich für den Augenblick mit 


| weit geößerm Erfolge der Politik darbrachee. Denn dieſer 


ausgezeichnete Dann war es, defien ebenfo kraftvolle abs 


| melodifche Töne fogar einen großen Theil derjenigen ſeiner 


Landsleute, die Das, was in Frankreich für claffifch gilt, 
abgöstifch verehrten, mit feinen wohldurchdachten Verſloͤßen 
gegen dieſe Claſſicitaͤt audzuſoͤhnen wußte; ec war eb, 
welcher die au frifhen Bildern, Gefühl und Snnigkeit 
foft gang verwahrloſte Proſa des franzoͤſiſchen Verſas 


durch fo manchen kuͤhnen Eingriff in die Sprache großen⸗ 


theils mit einem poetiſchen Gewande zu bekleiden und 


fie fo aus ber froſtigen Nuͤchternheit des Verſtands in 
‚die warmen, blühenden Regionen der Phantafie uͤberzu⸗ 
' führen und den vorbeiflatternden irdiſchen Erſcheinungen 


durch Vermaͤhlung mit der unvergängliden Gemuͤthswelt 
Dauer und Bildung zu geben verſtand. Moͤge ſawol 
ee ſelbſt fortfahren, fein gelungenes Werk verwärte zu 
treiben, als die im Steigen begriffene Zahl feiner Juͤnger 
fi immer vermehren. Möchten bdiefe nicht irre werben 
durch die Widerſpruͤche mancher ihrer im: alten Vorur⸗ 
theile untergehenden Landsleute, des Meiſters Kuͤhnheit 
und deſſen Beſtrebungen wo maͤglich noch zu uͤberbieten! 
Dat doch eine gleiche Kuͤhnheit unſerer beiden Kunſt⸗ 
— Goethe und Schiller, auch uns Deutſche im Beide 
ber Porfte erſt auf die. hohe Stufe gebracht, deren wir 
uns nun erfreuen. Beſonders war es ber kLetztere, daſſen 
erhabener Genius die ihm belwohnende Fuͤlle grober Be 
fühle und Gedanken in eine ihm eigenthuͤmlich zugewach⸗ 
fene Kraft zu faflen wußte, deren Stanz Alles zauberiſch 
on fich zog. Reicht möglich aber, daß er, allzu biendend, 





vo» ; 1890 : J a 


fer, mittelalterficher und moderner Dichtergroͤßen buch 
$.9.Bob, A. W. Schlegel, Tied, Gries, Streckfuß u. A. 
faͤut noch in Goethe's Lebensjahre. 

Er hätte es unfehlbar als einen nicht unbedeutenden 
Benian fir Deutſchland genchtet, daß meuertih and) 
Werke des Auslandes vor minder hohem Maße uns ans 
geheime werden. Könnte er doch unbeftreitbar bei man: 
chem dieſer Werke feine deutfche Bearbeitung vom Bol 
taire ſchen, Mohammed“ und „Tancred“, als die erfte 
Aufmunterung zw bergleihen betrachten. So las man 
vor wenig Wochen die Ankündigung einer foeben erſchie⸗ 
nenen Verdeutſchung der „Henriade“ dieſes franzöfifchen 
Dichters, einer Epopde, in Frankreich zwar noch vor nicht 
langer Zeit durch die Stereotppie zum Range der ewig 
dauernden Werke erhoben, für Deutfchland hingegen 
wegen völliger Verkennung de Werths dieſes Gedichte 
fo gut wie ganz aus der Reihe der Dinge ſchon damals 
verihwunden, als Goethe die auch bei uns zu jener Zeit 
wenigftens noch im Megifter der eriftirenden fortgeführ- 
ten Voltaire'ſchen Trauerſpiele unter feine gewichtvolle 
Bormundfhaft nahm. 

Unftreitig entging es dem Überfeger der „Hentiade“ 
nicht, daß auch diefem Heldengedichte noch manches Gute 
vorzugsweife vor ähnlichen einheimifhen Producten 
eigen fei, das bdiefen künftig zu flatten kommen koͤnne, 
weshalb er fih auch zu dem ſchwierigen Unternehmen 
aufgemuntert fühlen mochte. Wenn, wie wol zu vermu: 
tben, das Werk auf dem Gipfel der heutigen Überfegungs: 
kunſt fi befindet, fo kann ſolches ohne Zweifel um fo 
mehr auf den Beifall aller Leſer von Bildung Rechnung 
machen, da es für die meiften mit dem Meize der Neu: 
beit geſchmuͤckt erfcheinen wird. 

Möchten diefe zunaͤchſt der thunlichſten Beförderung 
des Fortſchritts der deutſchen Profa und Poefie gewibme: 
ten Bemerkungen und Wünfche befonder6 auch barauf 
mit aufmerffam machen, daß unfere für ihre beiden eng: 
verſchwiſterten Hauptformen fo gluͤcklich organifirte Sprache 
durchaus nicht im Stolze auf diefes Gluͤck vornehm auf 
andere minder begünftigte Sprachen herabzufehen habe, 
fondern vielmehr nichts verfäumen dürfe, Die jenen bei: 
wohnenden Vorzüge, role gering ſolche vielleiht mitunter 
auch ausfallen möchten, ebenfalls dankbar zu erkennen 
und ſich anzueignen. ‘ 

Trotz des, wie wir fahen, fo innigen Zufammenhangs 
der beiden Sprachformen, welchen der Auffag feine Über: 
fchrift entlehnte, würden dieſen zwar bie durch uralte 
Derjährung zu ihrem igenthume gewordenen Zitel: 
„Poeſie und Proſa“ ſchwerlich zu entziehen fein. Als 
Gegenfäge aber kann man fie doc faum gelten laſſen, 
ohne eines bie anerfannte beutfche Gruͤndlichkeit ſtark 
compromittirenden unlogifhen Irrthums ſchuldig zu 
werben. 35. 





La Russie en 1839 par le marquis de Custine. Bier 
Bände. Paris 1843. 

Diefes Werk des franzoͤſiſchen Autors if ein europäifches 

geworden, ba Überfegungen beffeiben ſchon in den meiſten eu⸗ 


ropäifden Sprachen erfdhienen find und das allgemeine In⸗ 
tereſſe fig ihm einftimmig zuwendet, und zwar mit edit. Stuf: 
iqnd liegt, trog der Alles beieuchtenden Kerzen des 19. Zabes 
bundertö, noch wie ein große® Geheimniß an unferer Grenze, 
und nur Abnungen, Vermuthungen, dunkle Gerüchte bringen 
zu uns heruͤber, da Auge, Feder und Bunge der Maeiffen Neiſen⸗ 
ben durch taufend Röckſichten gebunden find. Gufline hat fidy 
über diefe Ruͤckſichten himveggefest. Das Genie hat Flügel, unb 
wenn es auch nicht die ganze Wahrheit enthüllen kann, fo gibt 
es doch Wahrheiten. Ob Guftine’s Berichte über Rußland nun 
wirftih ganz wahr find, wagt ef. nicht zu entfcheiden; ihm 
fehlt der Mafitab für ruſſiſche Zuftände, und er fürdhtet, dem 
Autor Unredt zu thun, wenn er behauptet, daß berfeibe oft 
in feinen Schilderungen übertreibt. Dan ift leicht mistrauifdy 
gegen die Urtheile der Franzoſen, und Cuſtine tft ganz Franzoſe. 
Er ift Ariſtokrat und bigoter Katholik, und das religibſe und 
politifche Glaubensbekenntniß, womit er fein Werk eröffnet, läßt 
ahnen, daß er bie ruflifcgen Zuflände nicht ohne Worurtheit bes 
obachtet und beſchrieben hat. Er bebauptet zwar, ein franzöft: 
fher Ariftofrat fei in Rußland ein Nitraliberaler; das mag wol 
fein, doch if jebes beflimmte, ereiufive Glaubensbekenntniß in 
Politik und Religion, gleich einer farbigen Brille, wodurdy man 
fremde Lanbeszuftände nicht in ihrem eigenthuͤmlichen Licht be⸗ 
obachten kann; man muß mit bloßen Augen ſehen, ganz ohne 
mitgebradgte Vorurtheile urtheilen, frei fein im eigentlidyften 
Sinne bes Wortes, um die Dinge ganz zu fehen wie fie find. 
Wo findet man aber ben Sceiftfleller, wo ben Menſchen, ter 
foren Anfprüden gendgt? So müffen wir einftweilen mit dem 
von Guftine uns überlieferten Werk zufrieden fein und c8 unter 
die geiftreihften und hervorragendſten Erfcheinungen unferer Lite: 
ratur rechnen. Der Lefer darf auch nicht vergefien, daß es vom 
Franzoſen und für Franzoſen gefdhrieben ift, bei denen eine ges 
wiſſe Unmwilfenpeit über bie Angelegenbeiten fremder Länder 
berrfcht; es werben manche hiftorifhe Thatſachen der älteften 
und neueften Zeit mit großer Wichtigfeit erzählt, bie jeder nur 
einigermaßen gebildete Deutfche weiß und wiffen muß. Als Be 
weis bavon bieme bie Frage: „Weiß das katholiſche Curopa, daß 
es feine Unitarier mehr in Rußland gibt, weiß es benn übers 
haupt, was Unitarier find?” In Deutſchland weiß man «es. 

Cuſtine fcheint ber franzöfifchen Zuftände, bes liberalen Trei⸗ 
Gens ſehr müde zu fein; die fogenannte Freiheit, die in den 
Straßen ausgerufen wird, ber Naifonirton ber Zournale unb 
alle Auswuͤchſe ber jegigen Zeiten und Verhaͤltniſſe finb ihm zu= 
wider. Gr reift nach Rußtand mit bem Wunfche, Alles, was 
das Gegentheil dieſer Misftände ift, zu bewundern; er hat ben 
beften Willen, Alles groß und herrlich au finden. Auch wird 
ee gut aufgenommen, ſowol in ber Eaiferlichen Bin wie auch 
in andern Kreiſen; was er fehen fol und darf, wird ihm ges 
zeigt. Die Kuffen bemühen fih, ihn zu gewinnen, ihm zu ges 
fallen; nicht verlegte Eitelkeit erzeugt alfo feinen Tadel; man 
fühlt, wie er von Zag zu Tag von ber vorgefaßten Meinung 
zu Gunften Rußlands zurädtommt, und fein Schauber vor bem 
Lande der Willtür und Tyrannei flelgert fi mit jedem Brief 
und begleitet ihn nach ber Heimat. 

Die vier Bände konnten leicht in zwei verfchmolgen werben, 
benn bie Briefe bringen viel Worte und die Grgebniffe, bie Urs 
theile muß man oft aus einem unnöthigen Redeſchwall heraus⸗ 
fuchen. Stine viermonatliche flächtige Reife konnte unmöglich ats 
tein zu den vorliegenden Refultaten verhelfen; Guftine muß wobls 
unterrichtete Belannte gefunden haben, und es fleht zu fürchten, 
daß mancher derfelben durch fein Buch compremittirt iſt 

Bei dem großen Intereffe, dad das vorliegende Werk bars 
bietet, erlauben wir une, durch einige Auszüge den deutfchen Le⸗ 
fer näher damit befannt zu machen. 


Die Religion in Ruflamb. 
Man kann fig kaum einen richtigen Begriff von ber tiefen 
Intoleranz ber Ruflen margens biejenigen, weiche geblibeten Gei⸗ 
fles find und mit dem Decident in gefchäftlicher Berbinbung fies 











ben, ſcher ale ihre Kun daran, ihre- 

verbergen, welche in ihrer Idee mil der ruſſi 
bedeutend if. Man glaubt 5. B., daß bie Berfolgungen in Pos 
len aus einem perfönlichen , be Kaifers hervorgegangen find, — 
fie find das Nefultat einer tiefen und kalten Berechnung. Diefe 
Thaten der Grauſamkeit find in den Augen des Rechtglaͤubigen 
verdienftlich; es ift der Heilige Geiſt, welcher ben Herrſcher ers 
feuchtet und ihn befähigt, feine Seele frei von jeglichem menſch⸗ 
lichen Gefuͤhl zu exheben, und Gott fegnet dad Werkzeug großer 
Abſichten. Von diefem Gefichtspunft aus betrachtet find Rich⸗ 
ter und ‚Denker um fo heiliger, je barbarifcher fie find. Unfere 
legitimiſtiſchen Journale wiflen nicht, was fie wollen, wenn fie 
in den Ruffen unfere Alliirten fuhen. Wir können eine Revo⸗ 
{ution von ganz Europa erleben, ehe ber Kaifer aufrichtig einer 
tatholifchen Partei zu Hülfe eilt; die Proteftanten find wenige 
ftens offene Gegner; audy könnten bie Proteflanten fid) eher der 
Satholifchen Kirche vereinen ald der griechiſchen; Rom und bie 
zdmifche Kirche hat Leinen Ärgern Feind als ben Autofraten von 
Moskau, das fihtbare Oberhaupt der Kirche; demzufolge find bie 
Hoffnungen einer Partei kegitimiften auf Rußland nur Illuſionen. 

Man bat immer fehr wenig in griechiſchen Kirchen gepres 
digt, und in Rußland hat die politifche und religidfe Autorität 
fi mehr als irgendwo der theologifhen Disputation widerfegt. 
Sowie man anfangen wollte, die Streitigkeiten zwiſchen Rom 
und Byzanz audeinanderzufegen, wurde beiden Parteien Stils 
ſchweigen auferlegt. Der Grund des Streits ift fo geringfügig, 
daß man den Streit nur in der Unmiffenheit weiter fortführen 
Zann. In manden Mädchens und Knabeninſtituten wurde auf 
Anftiften der Zefuiten einiger religioſer Unterricht ertpeilt; doch 
ward diefee Gebrauch nur gebulbet und von Zeit zu Zeit einges 
ſtellt. Die Religion wird in Rußland nie Öffentlich gelehrt, 
woraus eine Menge Sekten entfliehen, aus beren Exiſtenz bie 
Regierung ein Geheimniß macht. Cine ſoiche Sekte tolerirt bie 
Polygamie, eine andere die Gemeinſchaft der Frauen und Mäns 
ner. Den Prieftern ift das Schreiben felbft von Chroniken nicht 
erlaubt. Alle Augenblide legt ein Bauer eine Stelle der Bibel, 
die er aus dem Zufammenhang herausreißt, auf feine eigene 
Weiſe aus und gibt fo die Veranlaffung zu einer neuen Ketze 
zei, meift catoiniftifer Art. Wenn der Propft deffen gewuhr 
wird, bat bie Irrlehre fchon einen Theil der Gemeinde ergriffen, 
oft au ſchon die Nachbarſchaft. Macht der Propft Lärm, fo 
werben die Bauern nad Sibirien gefhicdt, was den Derrn zu 
Grunde richtet, welcher, wenn er einigermaßen vorſichtig ifl, 
Dem Propft Schweigen auferlegt, wozu mehr ale ein Mittel 
ihm zu Gebote flebt. Und wenn dann, ungeachtet aller dieſer 
Vorſichtsmaßregeln, bie Ketzerei boch vor den Yugen der oberften 
Autoritäten ausbridht, dann ift die Zahl der Parteigänger fo be: 
deutend , daß man nicht mehr eingreifen kann; Gewaltthaͤtigkeit 
würde das Übel vergrößern, anftatt es zu erflidien. Die Übers 
zeugung würbe die Pforten ber Beſprechung Öffnen, welche das 
Schlimmfte für eine abfolute Regierung if. Es bleibt alfo 
nichts als das Schweigen, welches das Übel verbirgt, ohne es 
zu heiten, und es noch begünftigt. 

Durch religiöfe Streitigkeiten wird Rußland einft fallen; 
das war das Urtheil eines der gefcheiteften und aufrichtigften 
Ruſſen, bem ich je begegnete. Gin Reiſender erzäplte mir, daß 
ein Kaufmann in Peteröburg, der ihn zu Mittag einlud, drei 
legitime Frauen hatte; er gehörte heimlicherweile zu einer neuen 
Kirche; vielleicht wurden die Kinder biefer drei Frauen nicht alle 
als rechtmäßige vom Staat anerkannt, doch fein Gewiſſen als 


'Shrift war rubi 
hritt s· Der Kaiſer. 


Ich komme aus der kaiſerlichen Kapelle, wo ich ber Hoch⸗ 
geitsfeierlichleit der Großfürfin Marie und bes ‘Prinzen von 
Leuchtenberg beigewohnt habe. Der vorberrfchende Ausdrud der 
ſchoͤnen, regelmäßigen Züge des Kaifers ifl eine unzuhige Strunge. 
Berantiwortlichleit ift die Strafe des abfolnten Herrſchers. Dann 
and wann mildert aber ein Bauch ber Ganftmuth ben herriſchen 
Bild, dann tritt bie Schönheit feiner antiken Züge um fo deut⸗ 


n Politi lei 


Ucher derer. Das. 


angenommenen Grnft tes 


ige € “ . — 
te —* —— — 


geöber als andere Maͤnner; bie Gewohnheit, fi in ber Taille 


eitzufchnallen, ſchadet feiner Geſtalt und mache feine Bewegu 
dell, Gang und Gtellungen find impofants er weiß, daß 7 
immer angefehın wird, und vergißt es nie, ja men ſieht ik 
an, daß er gern der Brennpunkt aller Blicke iſt; er if} viel im 
Freien, ſowol bei Revuen als aufReifen. Bei genauer Beobach⸗ 
tung bemerkt man, daß er nit mit Mund und Augen zugleidp 
lächelt; er ft immer der Mann, ber Gehorſam verlangt. as 
fiept, baf er nie vergefien kann, was er it; er ſteht 
gleihfam ald Modell da, deshalb ift er auch nie natürlich, ſelbſt 
wenn er es aufrichtig meint. Sein Geſicht hat drei verichiedene 
Phpfiognomien, feine davon trägt den Stempel ber Gutmuͤthig⸗ 
keit. Der gewöhntichfte Ausdruc iſt Strenge; ein anderer if 
Geierlichfeit, der dritte ift Höflichkeit, und in diefem legten wohnt 
etwas Anmuth und verwiſcht wieder das kalte Staunen, weiches 
die andern beiden hervorgebracht haben. Dann aber ſchadet et⸗ 
was dem moraliſchen Sinfluß des Mannes: keiner diefer nach 
Willkuͤr kommenden und verfchwindenden Ausdruͤcke Yinterläßt 
eine Spur in den Zügen. Es ift eine Art von Decorationse 
wechſei, den Fein Übergang vorbereitet; eine Art von Maske, 
die man ablegt oder vornimmt, wie es beliebt. Die Phyfiogaos 
mie des Kaifers ift nit natürlih, und das Wehe von gang 
Rußland, ber Mangel an Kreibeit nämlich, ift fogar in beme- 
Angefiht des Kaifers zu finden. Wer den Menſchen bei ihm 
ſucht wird immer nur den Kaiſer finden. Dieſe Eigenthuͤmlich⸗ 
keit kann ihm auch zum Lob gereichen; er übt fein Handwerk 
mit Gewiſſenhaftigkeit. Er iſt immer Oberhaupt, Richter, Ge⸗ 
neral, Admiral, Kürft; und weiter nichts? Er wird einft ans 
Ende feines Lebens fehr ermübet fein, aber er wird von Bolt 
und von der Welt hochyeftellt werden, denn die Menge lobt die 
Anftrengungen, die es anflaunt, und ift ſtolz auf die Mühe, bie 
man ſich gibt, um fie zu gewinnen. Der Kaifer Alerander war 
ganz das Gegentheil vom Kaifer Nikolaus; in biefem Lande wirb 
das Andenken bes verflorbenen Kaifers niemals geehrt, jett aber 
liegt es in der Politik, bie vorhergegangene Regierung vergeffen 
zu machen; Peter I. fland Nikolaus näher als Alerander. 

Der jegige Kaiſer vergißt nur feine hoͤchſte Majeftät im 
Scyoofe feiner Familiez; ats Gatte und Vater zeigt: * er er 
ein Herz bat. Seine Gefuͤhlloſigkeit iſt weniger ein angebore⸗ 
ner Fehler als das Mefultar feiner Stellung, bie er nicht ges 
wählt hat und bie ex nicht verlaſſen kann; eine abfolute Macht 
en ae Feigheit. 

er Kaiſer nahm uns mit einer geſuchten und zarten Höfe 
lichkeit, auf; man erfannte gleich, daß er gewohnt war, uf be 
Gigentiebe der Menfchen zu wirken. Jeder fühlte, daß er in 
dem kaiſerlichen Verſtand eine gewiſſe Claſſe einnabm. Um mir 
su zeigen, daß er e& gern fähe, wenn ich fein Reich bereite, 
rieth ex mir, wenigftens Moskau und Riufi zu fehen. „Petere⸗ 
burg iſt ruſſiſch, es iſt aber nicht Rußland”, fegte er hinzu. 
Und dieſe wenigen Worte waren mit einem Zone gefprochen, 
ben ih nie vergeffen werbe, es lag unendlich viel Autorität, 
Ernft und Fefligkeit darin. Dan hatte mie von feinem impos 
fanten Grfcheinen, von feinen edlen Zügen, von feiner hoben 
Geftalt gefprodyen, niemand aber von der Gewalt feiner Stimme; 
fie iſt die eines zum Befehlen Geborenen. 

Er fprady über eine Viertelſtunde mit mir von intereffans 
ten @egenfländen, denn dieſer Fuͤrſt fpricht nicht wie andere 
Fuͤrſten, nur um zu reden. Er ſagte erſt einige Worte über 
die ſchoͤne Einrichtung des Feſtes, ich antwortete, „daß bei ei⸗ 
nem fo thaͤtigen Leben ich bewundere, wie er Zeit für Alles um» 
ſelbſt für das Bergnügen finde.‘ 

„Gluͤcklicherweiſe“, enwiberte er, „ift die Maſchine ber Ads 
miniftration ſehr einfady in meinen Staaten; denn ruͤckſichtlich 
der erſchwerenden Entfernung würbe bei einer complieirten Bes 
eierungsform der Kopf eines Mannes nicht ausreichen. Wenn 
ich Ihnen das fage, fo gefcyieht es, weit ich weiß, daß Sie mich 
verftehen können; wie arbeiten weiter an dem Wert Peter’s I. 





Er it. nicht todt Wer, ſein Gente und fein TEItie herr⸗ 
- Wen uodh immer in Rubland." 

”  Diefen Wille IR fehe ſchwer in Rusführung zu dringen: 
arfigkeit gibt Ihnen ben Glauben an Einförmigkeit 
und, barin irren Sie Mb; in feinem Lande gibt es fo viel 
Verſ⸗ heit der Voiksſtaͤmme, Bitten, Religionen und Cha⸗ 
vattere als in Rußland, die Verſchiedenheit bielbt auf dem 
ande, bie Einfoͤrmigkeit herrſcht nur auf ber Oberfläche, Ste 
füben hier 0 Dffigiere um meine Perſon; unter biefen find mır 
zwel Ruffen, ferner drei Polen, andere find Deutfche, Togar 
Wie tfcherkeffiichen Khans führen mir ihre Söhne zu, um fie 
As Cadetten zu erziehen, bier iſt eine.“ Er zeigte mit dem 
Finger auf einen Meinen chineſiſchen Affen im wundertidyen &o: 

fiume von goldgeflidtem Sammet. „Mit biefem Kinde werd 

0,00 Kinder auf meine Koften erzogen.” j 

„In Außland wird Alles ins Große getrieben‘, fagte ich, 
„Aues ift koloſſal hier." 

„Ba Toloffal für einen Mann‘, erwiderte ber Kaifer. 

An dem Tage von Nikolaus’ Thronbefteigung brach bie Res 
bellion in der Garde aus; bei der erften Nachricht begaben ſich 
Kaiſer und Kaiferin allein in bie Kapelle, Enieten vor dem 
Altar nieder und ſchwuren einander vor Gott, als fouveraine 
Herrſcher zu ſterben, wenn fie nicht über bie Emeute triumphis 
ven koͤnnten. Der Kaifer wußte, daß das lübel ernfler Art fei, 
denn man hatte ihm gefagt, daß der Erzbiſchof ſich ſchon vers 
gebens bemüht habe, die Soldaten zu beruhigen. Nachdem ber 
Kaifer das Zeichen des Kreuzes gemacht hatte, begab er ſich 
vor das Schloß, um durch feine Gegenwart bie Rebellen zu bes 
figen. Er dat mir diefen Auftritt felbft erzäbit, und zwar in 
den befeheidenften Ausdrüden. Ich habe Fine eigenen Worte 
vergeffen, denn idy war zu fehr von der Wirkung des Geſpraͤchs 
überrafcht, ich will es aber wiedergeben, fo viel ich mich davon 
erinnere. 

„Sure Mojeftät hatten Kraft an der wahren Quelle ges 
ſchoͤpft“, fagte ich. 

„Ich wußte in dem Augenblick nicht, was ich fagen und 
was ich thun würde”, verfegte er. 

„Um ſolche Intpiration gu haben, muß man fie verdienen.” 

.Ich babe nichts Außerordentliches gethan“, erwiberte 
der Sailer, „ich fagte zu den Goldaten: 
Reiben zurlc! und in dem Augenbli, als ich das Regiment 


die Revue pafficen ließ, rief ih: Auf die Knie! da gehorchte 


Alles. Was mid fo ſtark gemacht, war, baß einen Augenblick 
vorber ich mich auf ben Tod vorbereitet hatte. Ich bin banks 


bar für den gluͤcklichen Ausgang, nicht ſtolz, denn ich habe kein 


Verdienſt dabei.” 

In diefen edlen Worten erzählte ber Kaiſer bie Tragoͤdie 
feiner Throndeſteigung. Man kann fi) daraus eine Vorſtellung 
machen von den intereflanten Geſpraͤchen, die er mit ben Krems 
ben, denen er feine Huld zulommen läßt, führt 

Augenzeugen verfichern, daß es gefchienen habe, als fei ex 
mit jedem Schritt, den er ben Aufrägrern entgegen gethan, 
größer geworben. Im feiner Jugend war er ſchweigſam, f 
mütbig, Eleintich, als Herrſcher wurde er ein Held; er iſt darin 
das Gegentheij von manchen Fuͤrſten, bie mehr verfprechen ale 
fie halten. Diefer ift fo mit feiner Rolle verwachlen, daß ber 
Thron für ihn Das ift, was bie Bühne für einen. guten Schau⸗ 
fpieter. Seine Haltung vor der rebelliſchen Garde war fo im⸗ 
pofant,, daß einex der Werfchworenen viermal ſich ihm. näherte, 
um ihn zu tödten, während er. bie Truppen bie Revue pafliren 
ließ, und. viermal. nicht den, Muth dazu fand. 

Man bat die Bemerkung gemacht, daS, während ber Kai⸗ 
fee vor den Troppen voruͤberritt, er nicht einmal fein Pferd in 
“ @alopp fehte, fa viel Ruhe hatte er. Gin foiher Mann barf 


nicht nach dem Maßſtab anderer Menſchen gemeffen werben ;: 


feine Stimme iſt ernſt und vol Autorität, fein Bick magne⸗ 
tif; und ruht feſt auf den Dingen, die er feiner Aufmerkſam⸗ 
keit würdig erachtet: er iſt kalt Durch bie Gewohnheit, feine Reis 


Tretet in eure. 


deaſchaften m unterbrikfen,, mehr noch als um dir Gebanken 
zu verbergen, denn von Natur iſt er aufrichtig. Geine Stirn, 
feine Zuͤge, welche an Apollo und an Jupiter erinnern, feine une 
ı bewegtiche, impofante, ernfle Phyſtognomie, fein Geſicht, weidyes 
| mehr edel als einnehmend ift, mebr flatuenartig als menſchüch, 
; übt auf Jeder, der ſich ihm nabt, die Gewalt des Herrſchers 
aus. Sr wird Herr des fremden Willens, weil er feinen eigenen 
beherrſchen kann. 

Ich nannte ihm im weiten Sefprä als ein Hauptmotiv 
I meiner Reife nach Rußland den Wunſch, mid einem Yürften 
zu naben, welcher fo große Macht über dic Menſchen auszuüben 
: vermöge. 

„Die Ruſſen find gut”, erwiderte ex, „doch muß man fi 

erft würdig machen, um ein ſolches Boik zu regieren. 

„Ew. Majeftät hat mehr ats irgend einer feiner Borgän= 
ı ger erratben, was Rußland zufagt.“ 

„Der Despotismus eriftist noch in Rußland, denn er if 

das eigentliche NBefen meiner Regierung, aber er ftimmt mir 
dem Geift der Nation überein. Ich liebe mein and und glaube 
es verftanden zu haben. Ich verfiere Ihnen, daß, wenn ich 
überdrüffig bin bes Elends unferer Zeit, ich dann das übrige 
@uropa zu vergeflen fuche, indem ip mid; in das Innere von 
Rußland zurüdziehe.” 

„Niemand ift mehr von ganzem Herzen Ruffe als ih. IH 
will Ihnen etwas ſagen, was ich keinem Andern ſagen wuͤrde; 
ich fühle, daß Ste mich verſtehen.“ Dabei ſah mich der Kaiſer 
feſt an. „Ich begreife eine Republik, es iſt cine aufrichtige und 
' beftimmte Regierungsform, fie Tann es wenigftens fein; ich bes 

greife die abſolute Monarchie, weil ich das Haupt einer ſoichen 
bin, aber ich begreife nicht die repräfentative Monardie. Diele 
ift die Rıgierung der Lüge, des Betrugs, der Berberbtheit, und 
ns lieber nach China mid; zurüdzicehen, ats biefe anzu= 
nehmen.” 

„Ich babe”, erwiderte ich, ‚immer das repräfentative Sou⸗ 
: vernement als einen unter gewiffen Berbindimgen und zu gewiſ⸗ 
fen Epochen unvermeidlichen Vertrag betrachtet, welcher, wie 
alle Verträge, keine Frage Löft, fondern die Schwierigfeiten 
‘vertagt. Gie iſt ein Waffenftillftand zwiſchen der Demokratie 
‚und der Monarchie, unter den Aufpicien zweier Zyrannen, der 
Furcht und des Intereffes nämtih. Der Stolz der Verftandes, 
welcher fich in der Redekunſt gefällt, und die Volkeeitelkeit, die 
ſich an Worte hält, erbatten dieſe Norm einige Beit aufrecht. 
Sie ift die Ariftolratie des Wortes, welche an die Stelle ber 
Ariftofratie der Geburt tritt, denn dad repräfentative Gouverz 
nement iſt die Herrfchaft der Advocaten.“ 

„Sie ſprechen, mein Herr, ſehr wahr”, fagte der Kaifer, 

mir die Hand drüdend; „id bin repräfentativer Herrſcher ges 
: wefen und die Welt weiß, was es mir gekoftet hat, daß idy 
mich nicht diefer infamen Regierungsform bequemen wollte (es 
find des Kuaifers eigene Worte); Stimmen erfuufen, Gewifſen 
beftechen, Einige verführen, um Andere zu betrügen; ich habe 
alle diefe Mittel verſchmaͤht als ebenfo entwürdigend für bie 
Gehorchenden ats für bie Befehlenden, und ich habe meine Auf: 
ı richtigkeit theuer bezahlt. Aber Gott ſei Dank, ich habe es auf. 
‚immer mit biefer verhaßten politiſchen Maſchine zu Ende ge: 
bracht; ich werde nie wieder ein conftitutionnelfer König fein... 
Ich babe zu fehr das Beduͤrfniß, zu fagen, was ich denke, um 
je durch Sift und Intrigue über ein Boik herrfchen zu mollen.‘* 

Die armen Polen, die wol uns Beiden vorfchmwebten, wur: 

ben indeffen nicht genannt. 





Nach diefem Geſpraͤch erinnerten uns Cuſtine's fernere Be: 
merkungen Über Rußtanb und ben Kaifer. an die Lafontaine'ſche 
Jabel vom Eichhorn und Leoparden; vom ficdern Aft herab, 
vom fernen Frankreich Laffen fich Fühne Wahrheiten fagen, und- 
wetchen Eindruck diefe auf bie nicht an Wahrheit gewohnten 
Ruſſen hervorbringen werden, möge der Leſer des nachſtehenden 
Uberbiids von Euftine’s Retſe ſeidſt beurtheilen 

Die Wontkegum: folgt.) 


Berantwortliber Herausgeber: Heünrich Brockhaus. — Drud und-Verlag von F. A. Brodhaus in Leipzig. 


— —— — ———r ö 





Blälter 


. * 
gr,“ 3: "$ J 
L 


für. | u 


literariſche Unterha tung. 





Mittwod, 





Kinder von Plattöburgh. 
1. Poetical remains of Lueretia Davidsen, oollected and ar- 
ranged by her mother; with a bivgraphy by Miss Sedywick. 
London 1843. 


2. Biographie der jungen amerikaniſchen Dichterin Wargarethe. 


M. Davidfon. Aus dem Gnglifhen es Waflbington 
Sroing. Leipzig, Brodheus. 1843. Gr 12. 18 Ror.*) 


Die Dichter : Rinder — fo nennt ihr Geburtsland, 


Amerika, die zwei fruͤh geftorbenen Schweſtern David: - 
Lucretia, die Ältere, hat in Miß Sedgwick, Mar: 


fon. 
garet, die jüngere, in Waſhington Irving Biographen 
und Serausgeber ihrer Sedichte gefunden. Hinreichende 
Bürofchaft, daß ihr Leben die Beſchreibung, ihre Gedichte 
bie Herausgabe verdienen. Der Vater, Dr. Dliver Da: 
viofon, war Arzt in Plattsbutgh, die Mutter eine Frau 


von. ungewöhnlih weichem und tiefem Gefühl, Beide 


1841 noch am feben. 

Lucretia, 3808 geboren, Eonnte kaum leſen, ats bie Buͤcher 
fie von den Spielen der Kindheit abzogen. Beſtaͤndig faß fie 
über den kleinen Bändchen, die ber Vater ihr ſchenkte. Eines 
Tages wollte die Mutter fehnell einen Brief fchreiben, fand 
aber kein Papier. Gin ganzes Bud, war fpurlos vom Schreib: 
tifche verſchwunden. Die Mutter ſchmaͤlte. Da kam das kleine 
Mädchen und fagte beſtuͤrzt: „Rama, ich hab's verbraucht.‘ 
Das Kind hatte noch nicht ſchreiben geternt; fo wunderte ſich 
die Mutter und fragte, wozu fie es verwendet. 

Dis Geheimniß kam ſchnell heraus. 


andere horizontal, fehräg und verkehrt. 
ttifhe und gerelmte Erklärungen dee umflehenden Bilder. 
Ihr erſtes, einigermaßen regeltechte® Gedicht war bie 
Grabſchrift auf ein geliebtes Rothkehlchen. In ihrem 
zwoͤlften Jahre begleitete ſie den Vater zur Feier von 
Waſhington's Geburtsnacht. 


Am folgenden Morgen traf ihre aͤltere Schweſter fie am ! 
Schrefbtiſche. Sie Hatte eine Urne gezeichnet und zwei Stan⸗ 


gen baruntır geſchrieben. Die Schweſter beredete fio, es ber 
Mutter zu zeigen. Hochroth und zitternd that fie es. Die 
Mutter lag krank zu Bett. Dennoch druͤckte fie ihre Freude 
aus. Da verwandelte der Zweifel auf dem Geſichte des Kindes 
fi in Entzuͤcken; fie nahm das Papier, lief fort und fügte 
unverzüglich die Schlußverſe bei. Als fie damit fertig, küßte 


*) Titel des Driginaid: Life nad peetical remsins ef Margaret 
M. Deridren, by Weskingten Irving. Tonten 1813, 


Auf bie eine 
Seite jedes Blattes hatte Lucretia etwas gezeichnet, auf: 
die andere fateinifche Buchflaben gekrigelt, manche gerade, . 
Das waren me: ' 


bie Mutter fie, meinte vor Freude umb verfpradh ihr jebe möge 
liche Unterftägung. Das Kind brach in Thraͤnen aus. „Und 
wünfcheft bu, daß ich ſchreibe Mama? Und wirb ber Water es 
gut heißen? Und iſt's auch recht, daß ich's thue?“ 

In ihrem dreisehnten Sabre wurde bie Schreibeluft 
unwiderfiehlih. Die Gedanken flogen aufs Papier, und 
Lucretia wuͤnſchte fi oft vier Hände, um fo ſchnell ſchrei⸗ 
ben zu können als fie dichtete. Bis dahin hatte fie eine 
Schule in Plattsburgh beſucht. Wegen ihrer ſchwaͤchli⸗ 
hen Geſundheit wurde fie zu Freunden nach Canada ges 
bracht. Die Neuheit der Scenen flärkte fie und gab 
ihrem Geifte frifche Elaſticitaͤt. Doch nahm dieſe eine 
teligiöfe Michtung. Die Bücher Hiob, Beremias und bie 
Dfalmen wurden ihre Lieblingslecture. Dabei blieb fie 
aber ein unfchuldiges, einfaches, befcheidenes Kind, und 
ihre perfönliche Liebensrwhrbdigkeit gewann ihr allgemeine 
Bewunderung. Nur litt fie an Schüchternheit. Diefe 
zu befeitigen, beeilte die Mutter ihren Kintritt In 
die Welt. So nuhte das midtige Ereigniß, ber 
erſte Ball. Mit mädchenhafter Freude nahm Lucretia 
die Nachricht auf und beſprach ihren Anzug. Als aber 
gegen Abend die Schweſter ihre das Haar flechten wollte, 
fchrieb die junge Dichterin an moralificenden Verfen über 
die fogenannten Freuden diefer Welt. Bald nachher trafen 
zwei Begebenheiten zufammen, die ditfte Schweſter hei⸗ 
rathete, und Margaret wurde geboren. Seht wich Lucre⸗ 
tia’8 Liebe zur Dichtkunſt der Liebe gu ihrer Mutter. Die 
Mutter war lebensgefährlich Frank und Lucretia ihre une: 
müdete Pflegerin. Ecſt als die Gefahr vorüber, las fie 
wieder und ſchrieb und zeichnete. Nach einem in ihrem 


funfzehnten Sommer der verheiratheten Schweſter ges 


machten Beſuche vokendete fie ihr größeres Gedicht 
„Amir:Khan’, und begann ein erzählenbes Gedicht, das 
fie den „Einfiedfer von Saranac” nannte. 

Amis: Kahn” — fagt Mid Sedgwick — ift der Leferweit 
Iängft befannt, bat aber von dem ziemlich allgcmeinen unb Leicht 
erflärlichen Mistrauen gegen frühzeitiges Talent Nachtheil ger 
habt. Der Versbau iſt voll Grazie, die Geſchichte gut ent 
widelt, ber Orientaliomus paffend hurchgefätrt. Das Ganze wärbe 
meines Beduͤnkent keinem unferer beiiebteften Dichter im Zenith 
feined Ruhms Schande gemacht haben; als Product eines fünfs 
sehnjährigen Mädchens Hrenzt es ans Wunderbare. 

Ein vertrauter Hausfreund glaubte in Lucretia's Dich 
tungen ein Talent zu erfennen, das nur der Ausbildung 
bebürfe, um weite Strahlen zu werfen, und erbot ſich 


? 


far ihre fermere Erziehung zu forgen. Die Altern wil: 
lgten «ein und am 24. Mov. 1824 vertaufchte Lucretia 
das vÄterliche Daus gegen ein Penflonat, das im Staate 
Meupork bedeutenden Ruf genießt. Anfangs athme⸗ 
ten ihre Briefe nur Frohſinn und Lufl. Bald ſtellte 
j 2 Heimweh ein und ihre Briefe trugen eine trübe Farbe. 
eunody konnte fle, wenn auch nicht heiter fein, doch 
heiter dichten. In jenem Inſtitute galt es, wie auf den 
meiften deutfchen Schulen, die Feuerprobe öffentlicher Prüfung 
zu beftchen. Jeder gemefene Portenfer, Aftaner und Grim⸗ 
mianer erinnert fich des Kreuzes der dem Examen voranges 
benden Woche, und jeder wird finden, daß, mutatis mu- 
tandis, das nordamerilanifche Mädchen die Leiden und 
Steuden dieſer Kreuzwoche in folgender Weiſe humo— 
riſtiſch richtig geſchildert hat: 
One has a headache, one a cold, 
One has her neck in flannel rolled ; 
Ask tho oomplaint, and you are told, 
„Next weck’s examination.’ 
One frets and scolds, and laughs, and cries, 
Another hopes, despairs, and sighs, 
Ask but tbe cause, and each replier, 
„Next wceek’s examination.’ 


One bans her books, then grasps them tight, 
And studies morning, noon, and night, 
As though she took some strange de.ight 
„im these examinations,’ 


Tbe books are mark’d, defac’d and tbumb’d, 
Tbe brains with midnight tasks beuumb’d, 
Still, all in that account is summed, 

„Next week’s examination.’’ 

Lucretia ging rühmlich durch die Prüfung. Dann 
wurde es nur zu fihtbar, baß fie eine von Denen, Die 
‚im Morgenthau der Jugend” fterdben. Ein kaum Iefer: 
licher Brief veranlaßte die Mutter, Ihe Kind unverzögert 
abzuholen. Älternliebe und die Luft der Heimat ſchienen 
die Krankheit aufzuhalten, aber fhon im Zul. 1825 
zubte die begabte Dichterin „in der Erde trautem Schoofe”. 
Über ihr poetiſches Talent gibt es keine Meinungsverfchie: 
denheit. Southey dußerte im „Quarterly review”; 

Die Gedichte der Eucretia Dapibfon haben fo viel Driginelles, 
zeugen von fo viel Streben, ſich bewußter Energie und zuneh⸗ 
mender Kraft, daß die warmbluͤtigſte Erwartung ihrer Vereh⸗ 
zer, Freunde und Aeltern eine geredhtfertigte ift. 

Außer mehren kurzen Gedichten enthält die rubricirte 
Sammlung den zweiten Theil einer hoͤchſt poetifchen Schitde: 
rung des ameritantfch-indianifchen Kampfes, „Chicomico’, 
Um, wenn aud nur eine Kleine Probe — aus gebotener 
Ruͤckſicht auf Kürze nicht das Beſte — von den gediege: 
nen Leitungen der jungen Dichterfn zu geben und ba: 
dur das Erfcheinen einer Tberfegung von derfeiben ge: 
wandten Feder, welche die Biographie der Schweſter 
geliefert hat, recht wuͤnſchenswerth zu machen, wähle ich 
eine Mouwdfcheinfeene aus ‚Amir s Khan”. 

Brighily o’er spire, and dome, and tower, 
The pale moon shone at midnight hour, 
While all beneath her smile of Might 
Was resting tirere in calm deligbt; - 
Bvening wih robe of stars appears, 

Bright as repentant Peri’s tcars, 


m,» 


% 


Änd o’cr her turban’s fleecy feld 

Night’s crescent streamcd its rays of gold, 

While every crystal cloud of heaven 

Bowed as it passed the queen of even. 

8 Beneath w calm Cashmere’s lovely vale 
reathed perlumes to $he sighing4gale; 

The ameranth and —E 

Convolvulus in: deep repose, 

Bent to each breeze which swept their bed, 

Or scarceiy kiss’d the dew and filed; 

The bulbul *), with his lay of love, 

Sang’ mid the stiliness of the grove; 

The guinare **) blushed a deeper hue, 

And trembling shed a shower of dew, 

Which perfum’d ere it kiss’d ıhe ground, 

Bash zephyr’s pinien hovering round, 

The lofty plane-tree’s haughty brow 

Giitier’d beneach the moon’s pale glow; 

And wide \he plantain’s arms were spread, 

The guardian of its native bed, 


Zur Zeit von Lucretia's Tode war ihre am 26. Min 
1823 geborene Schweſter, Matgaret Miller, kaum zwei 
und ein halbes Jahr und mit dem elften führt Waſhing⸗ 
won Irving fie ein. 

Bei Gelegenheit einer Unterrebung mit ihrer Mutter (1833) 
in Betreff einer neuen Ausgabe von Eueretia’d Schriften, ber 
merkte ich — heißt e8 in den Worten ber Überfesung — ein juns 
ars Mädchen, dem Anfchein nad nicht diter ale elf Jahre, bie 
fih ſtil um fie bewegte, indem fie manchmal ein Kiffen ordnete 
und zugleich ernſthaft unferm Geſpraͤch zuhoͤrte. Cine geiftige 
Schoͤnheit prüdte in dieſem Kinbe ſich aus, die mir auffiel und 
noch mehr, als fie furchtſam erröthete, da Miſtreß Davidſon fie 
mir als ihre Tochter Margaret vorſtellte. Kurz nachher, als 
fie das Zimmer verlaffen, erzählte ihre Mutter, da fie ſah, daß 
fie meine Aufmerkfamteit erregt hatte, wie fie daffelbe frühe 
poetifche Zatent zeige, welches ihre Schweſter ausgezeichnet hatte, 
und zum Beweis zeigte fie mir die Abſchriften einiaer Gedichte, 
bie von foldy einem Kinbe merkwürdig waren, Bei weiterer 
Nachfrage fand ich, daß fie ungefähr diefelbe moraliſche und 
phyſiſche Sonftitution hatte und zu berfeiben fiebrifchen Erregung 
des Gemuͤths und Entzündung der Phantafle geneigt war, welche 
fo mächtig auf ben zarten Körper ihrer Schwefter Aucretia ges 
wirkt hatten. Ich warnte ihre Mutter beöhalb, ihre poetiſchen 
Anlagen zu nähren, und rieth ſolche Studien und Beflrebungen 
an, weide ihre Beuztheilungstsaft flärken, ihre Empfiotungen 
beruhigen und regeln, und jınen gefunden Verſtand erweitern 
ie der allsin bie ſichere Grundlage aller geiftigen Ausbil= 
ung ift. 

Leider vermochte die Mutter nicht, diefen Mugen Rath 
volftändig zu befolgen. Das gerue Weſen de Heinen 
Mädchens widerſtrebte — die Begeifterung ungerechnet, 
mit welcher fie ihrer geftocbenen Schweſter anhing. ‚Die 
Seele verzehrte den Körper”, und fchon fich6 Jahre nach⸗ 
ber „wurde eine Anzahl Manufcripte, Alles, was von 
ihe geblieben war”, mit zahlteihen, von der Mutter bei- 
gegebenen Anmerkungen in W. Irving's Sande gelegt, 
der daraus, oft unter Beibehaltung des Originalma⸗ 
auferipts, die veröffentlichten ‚Einzelheiten enwähle und 
geordnet har”. 

(Der Beſchluß folgt.) 


*) Bulbul, dig Nachtigall. 
*") Gulnare, die Rofe. 


[LU | ——— — — — Sg nen 


La Bassie en 1839 per le marguis: de Cuotine. 
Bier Bände, 
(dortſezuag ab Nr. 6.) 

In Rußland berichte überal und in dien Dingen eine 
furchtbare Regelmäßigfeit, und der diefe Symmetrie beobadhtende 
Heifende fähıt ſich von dem Gedanken beängftigt, daß diefe der 
Natur des Wenfchen fo gänzlich zumwiderfaufende Einfoͤrmigkeit 
nicht ohne Bewaltthätigteit beflehen kann. Die Imagination 
ſehnt ſich vergebens nad Abwechſelung. Bier kann der Menfch 
am erſten Zage feines Lebens willen, was er bis zum lehten 
feben und cerieben wird; diefe Tyrannei nennt man „Riebe zur 
Drdnung”, und biefe bittere Frucht des Despotismus ſcheint 
Manchem nicht zu teuer erkauft. In Frankreich war ich auch 
dirfer Meinung, feit ich aber unter der Difciplin, welche ein 
ganzes Kaiferreich dem militairifchen Reglement unterwirft, ge: 
lebt, flimme ich mehr für eine Kraft vertündende Unordnung, 
als für die volllommene Ordnung, welche das Leben koſtet. 

Zn Rußland beherefht das Goupernement Alles und bes 
lebt Nichte. In diefem ungeheuren Reich ift das Volt ftumm, 
wenn es auch nicht ruhig iſt; ber Tod ſchwebt über allen Haͤup⸗ 
teen; man koͤnnte veranlaßt werden, an ber hödhften Gerechtigkeit 
zu zweifeln; der Menfch hat hier nur zwei Särge, die Wiege 
und das Grab, und die Mütter müßten mehr über die Geburt 
ihrer Kinder ats über deren Tod weinen. Ich glaube nicht, 
daß der Seibſtmord bier allgemein ift, mun leidet zu viel, um 
fih zu töbten. Auch würde man bie Zahl der Gelbftmorde in 
Rußland nie erfahren und wenn fie noch fo groß wäre; denn 
Zahlenermittelung tft einzig und allein ein Privilegium der Pos 
Licei; ich glaube kaum, daß fie dem Kaifer fetbft zu Ohren kom⸗ 
men. Go viel weiß ih, daß fein Ungtüd ohne feine Einmilli: 
gung veröffentiicht werden darf. Der Stolz des Despotismus 
it fo groß, daß er mit der Allmacht Gottes rivalifirt. Damit 
der Kürft mehr als ein Menſch fein könne, wie muB es da mit 
dem Volke fleyen? In einem Sande, wo Goͤtzendienſt der Grund: 
pfeiter der Gonftitution ift, wer kann da die Wahrheit Lieben 
und vertheibigen? Gin Menſch, ber Alles kann, iſt eine gekroͤnte 
edge. Ich Tpreche jet nicht vom Katfer Nikolaus, fondern vom 
Kaifer von Ruftand. Man fpricht viel von ben beftehenden Ge: 
bräuden, welche feine Macht befchränten, ich babe nur deren 
Misbrauch bemerkt, nicht das Heilmittel dagegen. Der wahre 
Staatsmann weiß, daß nicht ſowol die Gefeße, als bie Art und 
Weiſe ihrer Ausübung über das Leben der Voͤtker entſcheidet; 
das Leben ber Ruffen ift aber trauriger ale das irgend eines 
europäifchen Volks, und ich ſpreche hier nicht nur von ben an 
die Schollen gebumdenen Bauern, ſondern vom ganzen Reich. 

Ein Goupernement, welches bei jeber Gelegenheit feine 
Kraft fühlen laͤßt, muß bie Menfchen elend machen; in eincm 
Geſellſchaftskoͤrper kann Alles dem Despotismus dienen, fowol 
dem monarchiſchen als dem demolratifchen. Die Menge Pleintis 
er, uͤberfluͤſſiger Vorfichtsmaßregein erzeugt in Rußland eine 
Bevoͤlkerung von Unterbeamten, deren jeder mit Pebanterie, 
Strenge und Wichtigkeit feine Geſchaͤfte verrichtet, um denfelben 
eine größere Wichtigkeit beizutegen. Er fagt Sein Wort, aber 
man ſieht, ba6 er ſich für ein Btieb in ber großen Staatsma⸗ 
fhine hätt. Diefes Glied handelt nach einem Willen, welcher 
nicht der feinige ift, und hat ebenfo viel Reben als dag Räder: 
wert cinee Uhr. Der Anblick biefer freiwilligen Automaten flößte 
mir Furcht ein. Es liegt etwas lidernatürliches in einem Men: 
fen, der zur Maſchine gemacht wird. Wenn in den Rändern, 
wo der Mechanismus vorherrfcht, Holz und Metall Seele zu 
baben fcheinen, fo ift es unter dem Despotismus, als feien die 
Menfhen von Holz; man fragt fi immer, was fie wol mit 
ihrem überflüffigen Denken anfıngen mögen, unb man fühlt fi 


unheimlich bei dem Gedanken an die Gewalt, die Man anwen⸗ 


den mußte gegen fuͤhlende Menſchen, um fie in bioße Gegen⸗ 
fände umzuwandeln. In BRußland fühle ich Bedauern mit den 
Perfonen, wie in England mit den Mafdyinen. Dort fehlt den 
Menfchenwerken nur die Gabe der Rebe, bier iſt das Wort ben 
Sreaturen des Staats verfagt.: — — — 


Damit bad neue Dinterpalais zu der vom Kaiſer feflger 
fegten Epoche fertig wurde, mußten ungeheure Kräfte angewens 
bet werden. Man fegte waͤhrend der Winterkaͤlte die innern 
Arbeitin ſortz 6000 Arbeiter waren immer bifchäftigt und es 
ftarben deren täglich eine bedeutende Zahl; fie wurde foglich 
wieder erfegt; bei 23—30 Brad Kätte mußten biefe 6000 Märs 
tyrer eines unfreiwilligen blinden Gehorſams in Eälen, welche 
bis zu 30 Grad Die geheizt waren, damit die Mauern ſchnell 
trodineten, arbeiten, und ihre Runge batte beim Gin « und Aus⸗ 
geben SO—60 Brad Warme Unterichied zu beſtehen. Die Ars 
beiten im Ural find auch lebensſchaͤdlich, dort arbeiten aber nur 
Verbrecher, bier waren es keine Verbrecher. Manche mußten 
immer Kappen von Eid aufjegen, um nur in der glühenden 
Dige Meijler ihrer Sinne zu bleiben. 

In diefem von allen andern Laͤndern fo berfchiebenen Sande 
fheint die Natur feisft die Launen der Menſchen zu tbeilen, 
welche die Frriheit getödtet haben, um die Einheit zu vergöttern. 
Auch fie ift überall dieſilbe. Sie hat in jenen Gegenden nichts 
für den Menſchen gethan, und was hat der Menſch für fich?. 
Er führte ein Wunder ber Welt auf, Petersburg nämlich; und 
auch Moskau ift fchön; aber die Provinzen? Em übermuß der 
Einförmigkeit entfieht aus bem Misorauch der Einheit. Ein 
einziger Dann im ganzen Reiche bat dus Recht, einen Willen 
zu haben, daher kommt, daß er allein ein eigenes Leben beſiht. 
Der Mangel an Seele geht aus Allem hervor; bei jedem Schritt 
fuͤhlt man, daß das Volk der Ungbhaͤngigkeit entbehrt. Die 
wenigen Städte an den Landſtraßen find ſich alle gleich. Die 
geraden, breiten Gaffen und niedern Haͤuſer entſprechen nicht 
den Betürfniffen dee kaltın Alina, wo die Menſchen ſich gern 
wie bi uns im Mitteluiter zuſammendraͤngen. Als Peter 1. 
von der Zatarei bis nad Lapo!and ſeine Givilifationgebicte er: 
geben ließ, waren die Schoͤpfungen des Mittelalterd nicht mehr 
an der Mode, und die Ruſſen — felbft diejenigen, denen men 
das Beimort Grup gewährt, konnten 5108 der Mode folgen. 
Diefe Neigung zur Nachahmung ſtimmt nicht mit ihrem Ehr⸗ 
geiz zu dominiren überein; doch Alles ift bei diefem oberflächlie 
hen Volt Widerfprud. Vor Allem zeichnen fie fi duch Mans 
gel an Erfindung aus; um zu erfinden, muß man unabhängig 
fein; überall, fogar in den Paffionen ber Ruffen, flößt man 
auf Nachaͤfferei. Wenn fie eine Rolle auf dem Welttheater bes 
gehren, fo ift es nicht, um ihre Fähigkeiten zu entwideln, fon» 
dern um bie Geſchichte anderer berühinten Geſellſchaftskoͤrper 
auch zu beginnen, Ihr Ehrgeiz iſt nicht eine Macht, fondern 
eine Prätenfionz fie haben keine ſchoͤpferiſche Kraft, ihr Talent 
befteht im Bergleih, ihre Genie im Nichahmen. Die Ruffen 
werben immer in der Geſchichte fein, was in ber Eiteratur ge- 
ſchickte Uderfeger find. Sie habın den Beruf, die europäifche 
Sivilifation für die Aſiaten zu üderfegen. 

Das Nachahmungstalent kann bei Nationen nüglich umd fos 
gar bermunderungswürdig werden, wenn es ſich erſt ſpaͤter ent⸗ 
widelt; wenn es indeflen früher auftaucht als die übrigen Ta⸗ 
iente, muß es diefelben aufheben. Wer nur nachahmen kann, 
verfällt leihr in die Caricatur. 

Seit vielen Schrhunderten ſchwankte Rußland zwiſchen Eu⸗ 
ropa und Aſien und wer noch nicht im Stande, ſich durch feine 
Werke in der Gefchichte des menſchlichen Verftandes zu marki⸗ 


ren, weil der Nationatcharafter unter erborgten Eigenſchaften 


zu runde ging. . 

Vom Dccident duch feine Anhaͤnglichkeit an bie griechiſche 
Kirche getrennt, foberte es von den duch den Katholiciemus 
gebildeten Rationen jene Civiliſation, die cine nur politifche Re⸗ 
ligion ihm geraubt hatte. Dieſe byzantiniſche Religion, weiche 
aus einem Palaft hervorging. um die Ordnung in einem Lager 
aufrecht zu erhalten, entfpricht durchaus nicht dem hoͤchſten Be⸗ 
dürfniß der Seele. Sie Hilft der Policei, die Nation zu der 
trägen. Sie hat fon im voraus biefes Volk des Grades von 
Kultur, wonach es firebte, unmürdig gemacht. Die Unabhäns 
gigfeit bee Kirche iſt der veligiöfen Regung nothwendig, bean 


bie Entwickelung der ebeiften Faͤhigkeit ber Wölfen, bie Faͤhig⸗ 
teit zu glauben, hängt von ber Würde der Kirche ab. Wo die 
Hirten Sklaven find, kann die Heerde nicht frei fein. Gin 
Propft wird der Ration immer mur lehren, vor der Gewalt nie: 

ulnicen. Und follte man ſich noch wundern, wenn die Ruffen 
nichte Neues erfinden und nur nachahmen, ohne zu vervoll⸗ 
tommnen? Ahmt man die Form einer Gefellfchaft nad), chne 
den Geiſt, der fie belebt, zu verftehen, holt man fich die Lehrer: 
der Civiliſation nicht von ben atten Lehren bes Menſchenge⸗ 
ſchlechts, fondern von Fremden, beren Keichthuͤmer man benei⸗ 
bet, ohne ihren Charakter zu ehren, wirb die Nachahmung von 
der Feindſeligkeit geleitet, nimmt man von einem Nachbar, ben 
man zu verachten vorgibt, feine Art fich zu Beiden, zu woh⸗ 
nen, zu fpredhen an, bann tft man ein Echo, ein Abdrud, dann 
eriftirt man nicht mehr durch ſich ſelbſt. 

Die Geſellſchaften des Mittelalters, welche In ihrem cr: 
neuerten Giauben Ichten und in ihren eigenen Beduͤrfniſſen fich 
ftar® fühtten, Bonnten das Altertum ehren, ohne Gefahr zu 
laufen, e8 zu parodiren; benn wo die Schoͤpfungskraft wirklich 
eriftirt, geht fie nicht vrrloren, an welchem Gegenfland ber 
Menfch fie auch verwendet. Die Achtung für edle Vorbitder ift 
der Stempel eines fchöpferifchen Geiſtes; deshalb hat das Stu⸗ 
dium der Claſſiker im Decident zur Zeit der Renaiffance keinen 
Einfluß auf Wiſſenſchaften und Künfte gehabt. Die Entwide: 
Iung ber Induftrie, des Handels, der Raturwiffenfchaft und ber 
technifchen Kuͤnſte find das Werk des mobernen Europa, welches 
in diefen Dingen Alles aus ſich ſelbſt entwidelt hat Trogt fei: 
nee an Aberglauben grenzenden Bewunderung für die heidnifche 
Literature bat es feine eigene Politif, Religion, Philoſophie 
und Negierungsform beibehalten, ſowie auch feine eigene Krieg: 
führung , feine Anfichten von Ehre, feine Sitten, feinen @eilt 
unb feine focislen Gewohnheiten. 

Rußland aber ward durch die Ungebuld feiner Zürften bei 
feiner fpätern Civiliſotion der Gaͤhrung aus eigener Tiefe her: 
aus, der Wohlthat einer langfamen und natürlichen Gultur be; 
raubt. Ihm febite das innere Vorfchreiten, welches große Voͤl⸗ 
er bildet. Es fiel mir oft auf, daß in diefem Rande bie Ge⸗ 
fellfchaft einem großen Zreibhaufe gleicht, mit ſchoͤnen auslaͤn⸗ 
difchen Pflanzen, jede Blume erinnert an ihr Vaterland, aber 
man fragt vergebens: mo ift Leben? wo ift Ratur? wo find 
die inländifchen Pflanzen in dirfer Sammlung, welche eher von 
der mehr odır weniger glüdtihen Auswahl einiger nıugierigen 
Reifenden, als von dem erften Werk einer freien Nation zeugt. 

Rußland wird ewig den Mangel bed eigenen Lebens im 
Augenbtic® feines potitifchen Erwachens fühlen. Es ift um bie 
heranreifende Jugend, um jenes thätige Kebensulter, wo ber 
menſchliche Werftand die ganze Berantmwortlichkeit feiner Unab⸗ 
bängigkeit äbernimmt, gekommen; feine Derrfcher und nament: 
lich Peter der Große haben es von ber Kindhrit ſchnell ins 
Mannesalter gebradt. Es mar kaum dem fremden Joch ent: 

angen, und fo erſchien ihm Alles, mas nicht mongotilche Herr⸗ 
Pat war, ale Freiheit; es hielt in feiner Unerfahrenheit die 
Knechtſchaft für Befreiung, weil legitime Herrfcher fie ihm auf: 
eriegten. Das entwürbigte Volk fuͤhlte ſich gluͤcklich, wenn bie 
Ayrannei nur flatt des tatarifchen Namens einen ruſſiſchen trug. 
_ Die Wirkung biefer Jlluſion ift noch nicht voräber. Die 
Driginalität if geflohen von dem Boden, deſſen Kinder zur 
Gklaverei aufgewachſen, bie jegt nichts ernft genommen haben 
als Furcht und Ehrgeiz. Kür fie ift bie Mode nur einr elegante 
‚Kette, die man Öffentlich trägt. Die ruſſiſche Höflichkeit, fo 
‚aut fie auch gefpieit wird, ift nicht natuͤrlich; denn die wohl⸗ 
wollende Hoͤflichkeit kann nur auf dem höchften Gipfel des fo: 
«iaten Stammes gedeihen; fie wird nicht gepfropft, fondern ift 
ſchon in dem Krim enthalten, welcher die Wurzel. bildet. 

Die wahre Höflichkeit it ein Erbſtuͤck; die erſte Erziehung 
auß fie ſchon entwideln; Sklaverei erzeugt niedrige Geſinnung 
mad bannıt die Höftichkeit. Diefe ift der Ausdruck der hoͤchſten 
und zarteſten Smpfindung. Unb nur wenn die Böfiichkeit ges 
solffirmaßen bie im Umlauf ftebenbe Muͤnze bei einem Volke ges 





worben if, dann warn Yiefes Vor als eiviliſtet bemicguen. 
—E rer Stobelt, „die i 
men n Ratur n von Miege an verwiſcht dur 
die Lehre, die jeder in feiner Familie empfängt. Der Menſqh 
ift nie von Natur mitleidig, und wenn man feine angeborene 
Grauſamkeit nicht abfchleift, wird er nie höflich fein. Die Hoͤf⸗ 
lichkeit ift der auf die täglichen Beziehungen ber Geſellſchaft an: 
gewendite Gober bes Mitleids. Gr lehrt befonders Mitieid mit 
den Eeiden ber Gigenliebe, und iſt audy zugleich das befle Mit: 
tel gegen ben Sgoismus. 

Alle Verfeinezungen, weiche das natürliche SRefultat ber 
Beit find, blieben den jegigen Ruſſen fremd. Sie gleichen ſchlecht 
gemalten Bildern, welche gut überfiruißt find; bemit bie Döf: 
lichleit wahr fei, muß man lange, che man höflich wurde, hu: 
man geweſen fein. . 

Peter der Große bat aus Europa bie gereiften Fruͤchte ber 
Civiliſation gehoit, anftatt den Samen in ben eigenen SBoben 
zu fleden; das Gute, weiches jenes barbarifche Genie geftifter, 
war vorübergehend, das Böfe ift wicht wieder gut zu machen. 

Bas bift Rußland das Bewußtſein, Europa zur Laſt zu 
fein und feine Poutik zu beeinfluffen? Es find nur fdyeinbare 
Intereſſen, eitle Leidenſchaften. Viel wichtiger wäre es, wenn 
es felbft das Princip des Lebens befäße und entwidelte Dean 
eine Nation, welche nichts Eigenthuͤmliches bat als ihren Ge⸗ 
horſam, hat-kein Leben. Man hat fie ans Kenfter geheilt und 
fie fieht zu und hört zu; fie ift nicht thaͤtiger als die Zufchauer 
eines Scaufpield; wann wirb diefes Spiel zu Ende fein? 

Dan müßte einhalten und wieder von vorn anfangen ; wär 
das möglih? Kann man cin foldyes Schäude wieder von Grund 
saus aufbauen ? Die Kiv:lifgtion des ruffifchen Reiche, obgleich 
fie erfi von fo Eurzer Zeit berfiammt, hat body ſchon wirkliche 
Refultate gehabt, die Feine menfchliche Wacht zu nichte madyen 
tann. (Se ſcheint unmöglich, die Zukunft eines Volks zu leiten, 
wenn man feinen gegenwärtigen Zuſtand für nichts rechnet; aus 
einer gewaltfamen Zrennung ber Gegenwart von der Vergan⸗ 
genheit kann nur Unheil entfteben. Und die zur Regierung bie: 
fes Landes Berufenen haben die ſchwierige Aufgade, ihm diefes 
Unheil zu eriparen, inden fie es awingen, die Greignifle, bie 
das Refuitat feines urfprünglichn Charakters finb, anzuerkennen. 

Das fo praftifdye und ganz nationele diente des Kaiſers 
Nikolaus hat diefe Aufgabe begriffen, wird es fie Löfen können? 
Ich glaube es nicht, er vertraut zu viel auf ſich felbft, zu we: 
nig auf andere. Auch reicht in Rußland der abfolutefle Wilke 
nicht zu, um das Gute zu tun. 

Nicht aegen einen Iyrannen, fonbern gegen die Kprannei 
baben die Menfchenfreunde bier zu kämpfen; man wäre unge 
recht, wenn man den Kaiſer des Unglüdd feines Landes ınd 
der Fehler ber Regierung anklagen wollte. Die Kraft cines Men⸗ 
ſchen reicht nicht zu für die Aufgabe eines fouperainen Herrſchere. 
welcher ein inhumanes Volk mit Dumanität regiereu möchte. 

Man muß nad Rußland kommen und in der Raͤhe feben, 
was dort vorgeht, um zu ternen, was ein Menſch, der Alles 
fann, vermag, wenn er daß Gute fliften will. 

Peter 1. und Katharina IL. haben da Weit eine große 
Wahrheit gelehrt, welche Rußland theuer bezahlt hat. Sie da⸗ 
ben gezeigt, baß der Desporismus nie fo furchtbar ift, als wenn 
er Gutes zu thun vorgibt, denn dann kann er feine empoͤrendſten 
Thaten mit guten Abſichten entfchuldigen, und das Boͤſe, dei 
fi als ein Heilwittel aufwirft, bat keine Grenzen. Das ent: 
hüllte Verbrechen triumphirt nur einen Tag, bie falfdgen Xu: 
genden aber derwirren ganze Nationen. Die erklaͤrte Zyrannei 
ift nichts gegen ben unter ber Liebe zue Drbnung verborgenen 
Drud. Die Kraft des Despotismus liegt hauptſaͤchlich in der 
Macke der Despoten. Wenn man den Herrſcher zwingt, nicht 
mehr zu heucheln, dam iſt das Volk frei. Es gibt Kein über 
in ber Welt als bie Lüge, unb wer die offene und anerkannte 
Willkuͤr haft, der gehe nad Rußland, um zu lernen, wie man 
die heuchleriſche Ahrannei fuͤrchtet. 

(Die Lortſetzuns folgt.) 


VDerantwortlicher Heraugeber: Oeinrich Brockhaus. — Druck und Berlag von 8. A. Brodpand ia Leipzig 





— 





.. Blätter - 


‚fir 


literariſche Unterhaltung. 





Donnerstag, 


Dome. -- - vom... - En - on a un — — 





Lucretin und Margaret Davibfon, die Dichter: 
Kinder von Plattsburgh. 
(Behind aus Nr. MT.) 

Mrs. Davidfon verzögerte Margaret's Lefeumterricht. 
Sobald fie aber leſen konnte, gehörte jeder freie Augen» 
blick den Büchern. Am frübeften zeigte füch ihr poetifcher 
GSharakter, und zwar „In den Empfindungen der Sthön- 
beit der Maturfcenerien. Der ‚belle, vonsme Sonnen: 


ſchein“, dee „kuͤhlende Megenfchauer‘, ber „blafle, kalte F 


Mond‘, die Sterne, die ‚wie Engelsaugen leuchteten“ — 
das war ihre Sprechweiſe. Dann erwachte das Gefuͤhl 
für Religion. 


Ginfames Gebet wurbe ihr in frühem Alter zur Gewohn⸗ 


heit; es wurde beinahe ein unwillkuͤrlicher Ausdruck ihrer Ges 
fühle, das Athmen eines zaͤrtlichen, entzudten Herzens. 
ihrem festen Jahre wurbe an ihr eine Reigung, „in Reimen 
zu lispein“, bemerkt. Sie machte häufig Heine Improviſato⸗ 
zien in Heimen, obne baß fie in diefer Gewohnheit etwas Be 
fonderes zu finden dien. 

Demmaͤchſt trat da6 ‚Talent fuͤr ertemporirte® Ge⸗ 
ſchichtenerzaͤhlen“ hervor, und nad einiger Übung Eonnte 
Rs eine Erzählung ganze Stunden lang fortführen, ohne 
Die ihren Perſonen beigelegten Charaktere zu vermifchen 
oder wider bie Wahrſcheinlichkeit zu verſtoßen. 

Diefe Gabe veranlaßte, daß ſie von einigen der Nachbarn 
gefacht wurbe, weiche fie, ihr ſelbſt unbewußt, zur Ausübung ihrer 
Fähigkeiten brachten. Nichts wurde von ihr aus Eiteikeit ober aus 
einer Neigung zu prablen gethau, ſondern ſie wurde d ihre. Auf⸗ 
merffamtiit und durch das Vergnuͤgen, das ihre Srzählungen 
ihnen zu machen fchlenen, angeregt. In folder Erregung 


tonnte fie einen ganzen Abend mit einer ihrer Geſchichten aus⸗ 


füllen, und wena der Diener kam, fie nach Haus zu bringen, 
fo bemerkte fie in ber Redeweife der Journale: „Die Befchichte 
wird das naͤchſte Mat fortgefegt. ” 

Bei alledem wurde fie größer und flärker, und ſah 
fie auch ſchwach und zart aus, war fie doch immer fröh: 
ich und lebendig. Die Einförmigkeit ihres Lebens zu 


unterbrechen, von dem fie zu viel im Krankenzimmer ih⸗ 


ver Mutter zugebracht hatte, und um ihren Geiſt friſch 
und elaſtiſch zu erhalten, wurden für fie kleine Ausflüge 
in bie Umgegend ausgedacht. Die folgenden Zellen, 

weiche bei einer diefer gelegentlichen Trennungen an ihre 
Mutter gerichtet waren, mögen als eine Probe ihrer Com: 
pofitionen im achten 
den Stromes ihrer Befkble dienen: 


—- 2 mo _— — 


Sn Neudvork. Man weilte Komödie ſpielen und Margaret 


Jahre ihres Alters und des liebrel: | 








Leb’ wohl, o Mutter; wenig Tage 
Entflieh' ich deiner fanften Klage. 
ums Lager foll'n die Engel ſchweben 
Und ew'ge Freude dich umgeben. 

Ad denk', o Mutter, immer mein, 
Wie ich mit ew'ger Liebe dein, 

Auch wenn der Tod mit Falter Hand 
Berreißt der ird’fchen Liebe Band. 

O Dutter, koͤnnt' ich mit Bir fliehn 
Und durch den weiten Himmel ziehn 
Und zählen dort in blauer Ferne 
Des Abends taufend golbne Sterne. 

Leb’ wohl, o Mutter; wenig Tage 
Entflieh' ich deiner fanften Klage. 
ums Lager ſoll'n die Engel ſchweben 
Und ew’ge Freude dich umgeben. *) 


Im Mai 1833 beſuchte Margaret Verwandte im 
folte das Stud ſchreiben. Sie ſchrieb in zwei Tagen 
„Alethia, eine Tragödie”. 


Das Drama war zwar nicht ſehr umfangreidh, enthielt 


. aber — fo fagt W. Iroing — genug von erhabenen Charakte⸗ 


ren und außerordentliden biutigen Vorfaͤllen, um ein Drama, 
fünf Mat fo groß, auszuftatten. 

Trotz folder und ähnlicher von verftändigen Verwand⸗ 
ten gebotenen Unterhaltungen fehnte ſich Magaret nach 


ihrer Heimat am» Saranac, und bie folgenden Zeilen, is 


jener Zeit gefchrieben, brüden ihren Gemuͤthszuſtand aus: 
Die Heimat. 

D, laßt bie flolge Stadt mich fliehn, 
Din zu der Heimat Blumen ziehn, 
Zum Fluß, von Bäumen kühl umkraͤnzt, 
In dem’der blaffe Mond erglängt, 
Und vor dem alten Daufe ftehn, 
Das mid, als frohes Kind gefchn. 
Kür einen Zag, dort zugebracht, 
Laff’ ich die Stadt mit aller Pracht. 
Und hab. ich auch liebe Freunde hier, 
Dody ift die Heimat das Liebſte mir. 
Dort Siegt die Schweſter in fliler Ruh’, 
Dort lebte und ſchloß fie bie Augen zu. 
Dort weilt der Water, ben Seinen fern, 
D feine Stimme, die kuͤßt' ich gern, 


*) In ber bier gegebenen Überfehung fehlt zwiſchen ber erſten 
und zweiten Strophe folgende des Originals: 
May ihe Almighty Father apremd 
Hlis. ahaltering wings above thy hand! 
lt is net long that we must part, 
Thea choer thy dewacast, dresping heart. 











j 1398 
“ U, 
’. 
“ 


Drücte das graue Haupt an'mein Herz, i 
Weg alle Thränen und aller Schmerz. 
und wenn id auch hier fo gluͤcklich bin, 
Doch zieht’6 mich zur liebſten Heimat hin. 
Während Margares zu den fhönften Erwartungen 
tigt; Renmtigfe Aller Art zinfanunehe, auch Fran⸗ 
a und etwas Sateln lernte, fing fie an zu kraͤnkeln. 
Dopdelt ſchmetzlich wurde fie da duch die Nachricht vom 
Tode ihrer in Canada verheiratheten Schwefter ergriffen. 
Er erinnerte fie aufs neue an Lucretia's Tod, und in 
diefer Stimmung ſchrieb fie, elf Sabre alt, Kolgendes: 
"üben Eos meiner Schweſter Anna Eliza. 
Als wir an bem Grabe weinten, 
Wo die theure Schweſter ruht, 
Dacht' ich nicht, daß fie auch ſtuͤrbe, 
Die fo jung noch, ſchoͤn und aut. 
Dachten nit am ftillen Hügel, 
Den ber grüne Rafen ſchmuͤckt, 
Daß auch du bald fcheiben follteft, 
Die noch lieblich uns entzädt. 
As fie unferm Blick enteilte, 
Die To zart, fo ſchoͤn und licht, 
Das auch du bald folgen wuͤrdeſt, 
Das, Geliebte, dacht' ich nit! 
und im Schmerz bie Xttern fanden 
Einzig füßen Troſt in dir; 
Gpraden: Sie ift uns geblieben, 
Kinder, warum einen wir? 
O in dir nun all ihr Hoffen 
Und ihr einzig Gluͤck beftand, 
Daß von ihr, der Heil’gen oben, 
Die Erinn’rung faſt verſchwand. 
Biel gu ſchoͤn für biefe Erbe 
Gingſt fo fruͤhe bu von Hier. 
Unfer Schmerz muß ſich ergießen, 
Ewig fließen Thraͤnen bir. 
Dft hab’ ich dir meine Lippen 
Auf die weiße Stirn gebrüdt, 
Und in beine Engeldaugen 
Die fo felig oft geblidt. 
Us in deiner Todesſtunde 
Angft den Körper bir durchbebt, 
War ſchon beine reine Geele 
Auf zu Gottes Thron entſchwebt. 
Unb in leichten, heilen Wollen 
Flog dein Geiſt zur Heimat bin, 
Und was wir in dir verloren, 
Ward dem Himmel ein Gewinn. 
. Die uns noch von bir geblieben, 
Zarte Blüte, gleiche bir, 
Sud’, und ob du fie nicht finbeft, 
Finde doch den Himmel hier. 
Aber Ihm, der alle Freuden, 
Allen Schmerz mit dir getheilt, 
Weichen Troſt Tann ich ihm geben? 
Niemand biefe Wunde heilt. 
Zeit nur kann den Stachel nehmen 
Solchem bangen, tiefen Schmerz, 
Kann bie bittern Thraͤnen flillen, 
Gießen Ruh ins arme Herz. 


Margaret’ Krankheit ſchritt fort. Kein aͤrztlicher 
Math, kein Wichfel der Luft brachte Genefung Im 
Herbſt und Winter 1836 — 37 durfte fie fechs Donate 







keine Feder, ein Buch anruͤhren. Das machte fie ſehr 
traurig. Endlich gewann da6 Verlangen nad ihren früs 
bern Belchäftigungen die Oberhand. Eines Tages, wie 
fie bei der Mutter faß, vief fie: 






„Mama, ih muß fSreiben Ich kann t Auger 
aushalten! Ich will zu meiner Beer, mein Biſtift und 
meinen Whchern zuruͤkkehren und wieder gluͤ m... 


Das Herz der Mutter widerſtand biefen Bitten nicht . . 
Margaret wurbe wieber ihren eigenen Anregungen überlaffen. 
Die Folge blieb nicht aus. Im nädften Winter 1837 — 38 
hatte fie mebre Anfälle von Lungenbintungen, die fie augen- 
fcheinlih Angftigten, obgleich fie nichts fagte und fich bemühte, 
jeden Ausdrud ihrer Gefühle zu unterbröden. Bei rinem plöß- 
den Anfall begab fie fih aufs Sopha und fuchte durch große Ans 
e 0 zu 

ſchloſſen, ihre Lippen zuſammengedruͤckt und ihre duͤnne, biafe 
Hand in der ihrer angflvollen Mutter ruhend, fdhien fie den 
Ausgang abzuwarten. Kein Murren entfloh ihren Lippen, noch 
klagte ſie je über er. Oft ſagte fie als Troͤſtung zu ih⸗ 
rer Mutter: „Mama, ich bin fehr beguͤnſtigt. Ich weiß kaum, 
was Schmerz bedeutet. Gewiß, ich habe, fo weit ich mich er: 
innern ann, nie welchen gefühlt.” Sobald fie, nach einem bie 
fee erfchredienden Anfälle, fähig war aufzufigen, mußte jede 
Spur eines Krankenzimmers entfernt werben. . . . Ihr fchönes 
dunkles Haar mußte über iheer breiten, hohen Stirn gefdgeiteit, 
ihr Anzug mit derfeiben Sorgfalt und Bierlichkeit geordnet fein, 
wie wenn fie volllommen gefund war. . . . Sie hatte in ber 
That einen innigen Wunfch zu leben; unb die Urfacdhe zu biefem 
Sunſche zeigt ihren Gharalter. Bei all ihrer großen Beſcheiben⸗ 
beit hatte fie einen beißen Wunſch nach Ltezarifcher Auszeichnung. 
Das Beifpiel ihrer Schweſter Lucretia fand unaufpörtich vor 
ihr; fle war ihr Leitftern, und ihre ganze Seele ſuchte ihr Auf: 
fireben in ben hoben Regionen der Poeften nachzuahmen. Shre 
Furt nun war, daß fie, ehe ihre Kräfte ſich noch entwidelt 
hätten, flerben muͤſſe. 

Am wahrften beweiſt das ein Gedicht: „An meine 
Schweſter Luceetia”, von welchem W. Irving urtheilt: 
„Wir moͤgen in ihrer kuͤnſtleriſchen Form vollendetere, 
aber nie in ihrer Eingebung wahrhaft froͤmmere Poeſien 
geleſen haben.“ Zur Einſchaltung iſt es zu lang. Wem 
aber das Buch zugaͤnglich, ſehe es dort nach. Bei allem 
Krankſein vollbrachte Magaret in jenem Winter, was 
für Viele die Arbeit von Jahren geweſen fein würde”, 
ohne Haft, ruhig und immer heiter. Am Neujahrsabende, 
Eurz vor Mitternacht, fchrieb fie in Gegenwart ihrer Mut: 
ter: „Beim Scheiden des Jahrs 1837 und dem An: 
fange de Jahre 1838" — ein hertliches Gedicht, von 
welchem bier einige Strophen: 


Hört die Glocken braußen fchlagen, 
Rufen fie mit ernflem Klang “ les 
„Laßt das Jahr zur Ruh uns tragen, 
Singet ihm ben Grabgeſang!“ 

Sehft Hin, wo die Brüber alle 
Ruhn in der Bergangenpeit, 

Bis einft, beim Poſaunenſchalle 
Alles wacht zur Ewigkeit. 

Welche Schönheit, weiche Freuden 
Ruhn an beiner Ealten Brufl. 

Mit die gehen Thraͤnen, Beiden 
Lieb’ und Lächeln, füße uf, 


Wohl, dein Lauf tft nun vollendet, 
Und was immer du gebracht, 
Freud' und Schmerzen find 
Rube nun in fliller Nacht! 











ech! Die Glacke ik yerliungen, . 

Die gin ernſter Maßner war, 

Und das Grablied iſt gefungen. 

Heil, ja Heil dem neuen Jahr! - 
VSoffnung ! Breite beine Schwingen, 

Leuchte dell ber künft'gen Zeit, 

md mit bunten, ſchoͤnen Dingen 

Schmuͤck“ der Zukunft dunkles Kleid. 


Ob fie nimmer wahr auch werben, 
Bleiben Trug und flücht’ger Schaum, 
Doch iſt reinſtes Blüd auf Erden 
Ja der Hoffnung ſuͤßer Traum. 

Laßt ins dunkle Grab denn ſinken 
Alle Thraͤnen, alles Leid, 

In kryſtallner Flut uns trinken. 
Beil dem Jahr, ber neuen Zeit! 

Mit dem Beginn des Frühlings ward Margaret mehr 
und mebr erregt, und im Übermaß gluͤcklicher Gefühle er⸗ 
goß fie ſich wie ein Vogel in melobifhe Töne: 

Ereude klopft in meiner Bruft, 
Kann nicht fagen mein Entzäden, 
San’ und außen fühl’ ich Luft, 

Möchte AM gleich mir begläden u. f. w. 

Aber mit dem Nahen des Winters empfand fie das 
Nahen des Todes, und in ber legten Woche ihres Le⸗ 
bens ſchrieb fie ihre legten Zellen: 

Nicht ewig leben, wo fündig ih bin, 
Berlodung draußen, Verderben drin, 
Die Seele bewegt von Boffnung und Schmerzen, 
Mit Thraͤnen ringend bie Flamme im Herzen. 

Am früben Morgen des 25. Nov. 1838 — heißt es in 
einem tief ergreifenden Briefe ihrer Mutter an Mi Sedgwick — 
fant ihr Haupt an meine Bruft und ihre ausdrucksvollen Aus 
gen waren auf meine gerichtet. Nie werde ich dieſen Blid ver: 
geffen; er ſprach: „Sage, Mutter, iſt das ber Tod?“ Ich bes 
antwortete die Frage, als ob fie geſprochen hätte, legte meine 
Hand auf ihre weiße Stirn, die kalter Schweiß näßte, und 
fagte: „Ja, meine Geliebte, es ift bald vorüber; du wirft bald 
bei Zefus fein.” Sie ſah mich noch einmal an, — zwei ober 
drei kurze Athemzüge und Alles war vorüber — ihr Geiſt war 
bei Gott — fein Kampf, kein Ächzen ging ihrem Scheiben 


voran, 

Die irdiſchen Reſte der jungen Dichterin ruhen auf 
dem Kirchhofe des Dorfes Saragota. 

Mehre hier umerwähnt gebliebene Briefe Margaret's 
an Freundinnen können das Leid um ihren frühen Heim: 
gang nur erhöhen. Die Verdienfte des Überſetzers laſſen 
fi) aus dem Mitgetheilten ertennen. Aber es gebührt ihm 
auch im Allgemeinen das Verdienſt der Treue. 14. 





La Bussie en 1839 par le marquis de Custine. 
Vier Bände, 
(Bortfegung aus Nr. 547.) 

Die Nuffen willen nicht, was Herzlichkeit ift, dieſe haben 
fie nit von den Deutfchen angenommen; man fieht ihrer Hoͤf⸗ 
lichkeit an, daß fie für zuvortommend gelten möchten. Sie fur 
den den Fremden zu unterhalten, zu zerſtreuen, zu abforbiren, 
fie tyrannifiren ihn durch ihre Artigkeiten, fie bemaͤchtigen fich 
feiner Beit, führen ihn von Feſten zu Feſten und verhindern 
ihn das Land zu ſehen. Sie haben ein franzöfifdes Wort zur 
Bezeichnung biefer Taktik gefchaffen : enguirlauder les &trangers. 

Ale ermangelm ber Heiterkeit, boch in Petersburg 


bet man nicht einnal/ die Erlaubaik lanenallen 
Kaifer zu Befallen muß men ni —* ’ dm 


Nas kann ich dafür, daß, ais ich in einem abfetufen Baus 


Man betritt verfchtedene Haͤuſer / 
findet aber immer denfelben Kreis, und in diefem Krelfe vers 
fagt man ſich jebe intereffante Unterhaltung. Die Liebenswür: 
digkeit ber rauen entfchädigt uns aber dafür; fie haben das 
Zalent, errathen zu laffen, was fie nicht Tagen, die rauen 
find überall die weniger unterthänigen Sklaven; ihre Macht 
ruht in ihrer Schwäche, fle haben den Beruf, die indioföneie 
Ereiheit zu retten, wo bie Öffentliche fehlt. - 

TIrotz des geheimen Einfluffes der Frauen ift Rußland noch 
weit von der Freiheit entfernt. Morgen kann man in einer 
Revolte bei Morden und Feuerſchein bis an die Grenze Sibi⸗ 
riens Freiheit rufen, eine verblendete grauſame Bevdikerung 
kann ihren Herrn toͤdten, ſich gegen bie Thrannen empoͤren und 
die Wolga mit Blut faͤrben, und Rußland wird darum doch 
nicht frei fein, denn die Barbarei iſt ein Joch. 

Das befte Mittel, die Menſchen zu emancipfren, ift, bie 
Dienftbarkeit unmöglich zu machen, indem man in den ‚Herzen 
der Nationen das Gefühl der Humanitaͤt entwidelt. Diefes 
fehlt den Ruffen. Es wäre ein Werbrechen, jest ben Kuſſen, 
gleichoiel von welchem Stande, liberale Anfichten mittheilen zu 
wollen, doch allen, ohne Ausnahme, kann man Bumanität pres 
digen, das ift Pflicht. . 

Die ruſſiſche Ration hat noch keine Gerechtigkeit. Bum 
Lobe des Kaiſers Nikolaus erzählte man mir von einem Proceß, 
ben ein geringer Privatmann gegen cinen großen Herrn gewon⸗ 
nen babe. Diefes Lob bes Kaiſers ſchien mir eine Satire auf 
die Geſellſchaft und bewies, daß dieſe Billigkeit nur eine Aus⸗ 
nahme in Rußland ifl. Ich wollte auch Niemandem rathen, 
fi) darauf zu verlaffen. Gin anderes Factum, woraus man 
keine günftige Schlupfolgerung für die ruſſiſche Gerichtspflege 
sieben tann, iſt, daß man in Rußland, wenig Proceffe hat; Je⸗ 
ber weiß, wohin das führt; man wuͤrde vielleicht öfters Gerech⸗ 
tigkeit verlangen, wenn bie Richter billig wären. So zanft 
und prügelt man fi) auch nicht gern auf der Straße; man 
fürchtet Ketten und Kerker, welche meift beiden Parteien zuer⸗ 
fannt werben, Gott weiß auf wie lange. 

Trotz des traurigen Bildes, welches ich von Rußland ent⸗ 
werfe, gibt es doch drei Dinge, welche die Reife dahin werth 
find, nämlich die Newa in Peteröburg während ber Tage ohne 
Nacht, der Kremitin zu Moskau bei SRondenfchein und ber Kai⸗ 
fer von Rußland ; diefe repräfentiren das pittoreske, das hiſtori⸗ 
fe und das potitifche Rußland. 

Der Kalfer Alerander nannte fi einfl wegen feiner phi⸗ 
lanthropiſchen Anfichten „einen glüdtichen Zufall in ber ruffifchen- 
Geſchichte“. Die Ruſſen loben vergebens die Auge Umfächt und 
Mäpigung ihrer am Ruder der Staatsmafchine fiehenden Min 
nee. Die Willkür herrſcht und der Kaifer gibt und läßt Geſetze 
beſtehen, welche dem Kaiſer erlauben, die rechtmaͤßigen Kinder 
eines rechtmaͤßig verheiratheten Mannes vater⸗ und namenlos 
zu erklaͤren und nur mit Chiffern zu bezeichnen. Wie kann ich 
es unterlaſſen, vor das Tribunal Europas einen Fuͤrſten zu fos 
dern, welcher regieren mag, ohne dieſes Geſetz abzuſchaffen! 
Sein Haß iſt unausloͤſchlich, und mit fo heftigem Haffen kann 


man wol ein großer Herrſcher, aber nicht ein graßer Mann fein. 


Der große Mann iſt gätig, der Politiker iſt rachſaͤchtig; man 


reglert darch Nachſucht, man beiedrt bundk Wergebung. Das 
{ft mein letzitet Wort über einen 

urtpeilen wagt, wenn man bad Land Eennt, über welches ex zu 
uegieren verdammt ift. Denn bie Menſchen find dort fo abhaͤu⸗ 
gig von ben Umftänden, daß man nicht weiß, wie body, noch 
wie tief man fich verfirigen muß, um Rechenſchaft über bie 
Thatſachen zu fobern. 

8 gibt eigentlich kein ruſſiſches Wolf; es gibt nur einen 
Kaiſer, welcher Leibeigene bat, und Höflinge, welche auch Leibe 
eigene befigen. Das ift noch kein Volk. Die Mitteicaffe, weiche 
im Bergleich mit ben andern fehr gering iſt, beſteht größten 
theild aus Fremden; einige durch ihren Reichthum freigelaflene 
Bauern und die Heinen Angeftellten beginnen indeflen die Mit⸗ 
teiclaffe zu vergrößern. Rußlands Zukunft hängt von dieſen 
neuen Buͤrgern ab und ihr Urfprung ift fo verſchieden, daß fie 
Saum in ihren Beftrebungen übereinftimmen können. 

Man bemüht ſich jest, eine ruſſiſche Ration zu gründen, 
doch ift die Aufgabe ſchwer für einen Mann. Das Üble ift 
Leicht getan und wird nur fohwer wieder gut gemadt. Die 
Berlegenbeiten der Unterbrüder entſchuidigen indeffen nicht bie 
Unterdrückung, und wenn ber Verbrecher auch Mitleid einflößt, 
— das Böfe ift immer zu beflagen, — fo babe ich doch mehr 
Mitleid mit den Unterbrüdten. 

Im Allgemeinen erſchienen mir die Ruſſen mit vielem Takt 
begabt; fie find klug, aber nicht gefühivoll; Empfindlichkeit mit 
yiel Haͤrte gepaart bildet den Grund ihres Charakters; Gitels 
keit, ſtlapiſche Pfiffigkeit und ſarkaſtiſche Klugheit, das find bie 
Hauptzuͤge ihres Verſtandes. Die Nationen haben immer gute 
Gründe, um zu fein wie fie find, unb der beſte ift, daß fie 
nicht anders fein Eönnen. Diefe Entſchuldigung haben indeffen 
die Ruffen nicht; da fie ein nachahmendes Volk find, hätten fie 
nur bad Gute andern Voͤlkern nachzuahmen gebraudt. Gie 
könnten anders fein und beshalb iſt auch ihr Gouvernement fo 
mistrauiſch und eiferſuͤchtig. Die Ruſſen haben von jeher bie 
Furcht vor dem Tadel gehegt, da bei der dußern Sicherheit fie 
- tm Stillen bes Selbftvertrauens ermangeln; nach außen Selbits 

friebenheit, im Imnern eine aͤngſtliche Demuth. Ihre Eitel: 
eit, weiche nie ſchiaͤft, ift immer im leibenden Zuſtande; auch 
ermangeln bie Ruſſen aller Ginfachheit. Die Raivetät, jenes 
Vergeiten vebnexifcher Borfihtsmaßregein, jene WBilligleit im 
Urtheil, jene unmilllürliche Wahrheit des Ausdrucks, jenes Ge: 

nlaffen feiner ſelbſt zur Ehre der Wahrheit befigen fie nicht. 

in nachahmendes Bolt wird nie naiv fein, die Berechnung 
wird immer die Aufrichtigkeit verbrängen. 

In einem Lande, wo man von ber Wiege auf an Vers 
flellung und an bie Ummege einer orientalifhen Politik gewöhnt 
wird, muß ein natürliches Wefen felten fein; und wenn man 
einem ſolchen begegnet, fühlt man fich doppelt angezogen. Ich 
ſah in Rußland einige, welche fi de Druds, unter bem fie 
ſtehen, fhämen; diefe Männer fühlen ih nur dein Weinde ge: 
genüber frei. Sie führen Krieg im Kaulafus, um ſich auszu⸗ 
ruhen von dem Joche ihrer Heimat. Diefed traurige Leben flems 
peit fie frühzeitig mit einer Schwermuth, weiche einen Contraſt 
mit ihren milltatrifchen Gewohnheiten und der Sorgloſigkeit ih⸗ 
res Alters bübet. Die frühgeitigen Kalten ihrer Stirn yeugen 
von tiefem Kummer und erregen Mitleid. Diefe jungen Leute 
haben dem Orient feinen Ernſt und bee Imagination des Nor: 
bens ihr träumerifches Wefen entliehen. &ie find fehr unglüd- 
lich und fegr Liebenswürbig ; kein Bewohner anderer Länder 
gleicht isnen. , ! 

Da indeß die Ruſſen Anmuth befisen, muͤſſen fie auch eine 
Art von Raturel haben, welches ich bis jept noch nicht aus⸗ 
findig machen konnte. Kein Charakter ift fo ſchwer zu befinis 
sen als der des Ruſſen. 

Ohne Mittelalter, ohne alle Erinnerungen, ohne Katholi⸗ 
cismus, ohne Rütterthbum im Bintergrund, ohne Achtung für 
Das gegebene Wort, geſchmeidig wie Sriechen des Südens, hoͤf⸗ 
lc in ben Formen wie Chineſen, grob ober roh wie Kalmaden, 


ſchmutzig wie Sappländer, ſchoͤn wie Sngel, unwiſſend wie Wilde 


(mit Ausaapme iniger Frauen und einiger MWiyiematen), pfiffig 


Fuͤrſten, ben man nicht zu der | wie Juden, intriguant wie Breigelaffene, fanft und ernit in 


ihrem Meilen wie die Drientaten, granfem In ihren Gefühlen 
wie Barbaren, ſarkaſtiſch und verachtend aus Werzweiflung, 
moquant, zufolge ihres Charakters und im Gefühl ihrer Infe⸗ 
riorität, leichtfertig,, jedoch nur dem äußern Mufcheine nad, 
find die Ruffen fehe zu ernſten Geſchaͤften geeignet; fie haben 


alle den nöthigen Berſtand, um fi; einen gewiſſen Takt anzu⸗ 


eignen, aber keiner ift großartig genug, um fi über bie ges 
wöhnliche Klugbeit zu erheben; fie haben ınie auch einen wah« 
ren Widerwillen eingefiößt gegen biefe im Verkehr mit ihnen 
fo nothwendige Eigenſchaft. Mit ihrer ewigen Gelbfibeobadh- 
tung erfcheinen fie mir als bie beflagungsruäsbigfien Menfchen 
der Erbe. Dex Takt, jene Policei dar ation, iſt eine 
traurige Cigenſchaft, wodurch man immer bie eigene Anſicht ber 
andern opfert; fie if eins negative Cigenſchaft, welche manche 
pofitive ausfchließtz fie if der Broberwerb der Höflinge. Die 
Ruſſen find ganz Takt; ber Takt ift eine maslirte Schmeiche⸗ 
tei, jene hoͤchſte Zugend der &ubalternen, weiche ben Feind, 
d. 9. ben Deren fo lange ehren, als fie ihn nicht nieberwerfen 
und mit Fuͤßen treten bürfen; ber Tat ift immer wit ciniger 
Eift gepaart. Zufolge biefes Pirstentalents find die Ruffen nicht 
zu durchſchauen; es ift wahr, man fieht immer, daß fie etwas 
verbergen, aber man weiß nicht was, und das genügt ihnen. 
Sie würden fehr gefährlich fein, wenn fie babin gelangten, ihre 
Pfiffigkeit zu verbällen. Einige haben es ſchon fo weit gebracht; 
biefe leben in ihrem Sande am hoͤchſten, fowot durch ihren Po: 
ſten als durch bie Art, wie fie ihn beiteiden. Dieſe konnte ich 
nur aus der Srinnerung beurtheilen, ihre Gegenwart begauberte 
ai Wozu aber alle dieſe Umſtaͤnde, wozu dieſe ewige Ber: 
ellung 

Im Herzen bes ruffifchen Wolfe gährt ein Nbermächtiger, 
ungezügelter Ehrgeiz, ein Ehrgeiz, wie er nur in der Seele ber 
Unterbrädten feimen, mie er fi nur vom Unglüd einer gan: 
en Nation nähren kann. Diefe durch Entbehrungen gereizte 

atton büßt im voraus durch bie erniebrigende Unterwürfigkeit 
die Hoffnung, einft bei Andern Tyrannei auszuübens bie Er: 
wartung von Ruhm unb Reichthum tröften fie dr bie Schmady, 
die fie erdulden, und um ſich von ben Opfern feiner öffentlichen 
und perfönlicyen Freiheit rein zu wafchen, träumt der Enicende 
Sklave von der Beherrſchung der Wett. 

Im Kaifer Nikolaus verehrt man nicht den Menfchen, fon 
dern den ehrgeizigen Herrn einer noch ehrgeizigern Nation. Die 
Leidenſchaften der Ruſſen find nach denen ber alten Wölker zu: 
geſchnitten, Alles erinnert bei ihnen an das alte Zeflament, ihre 
Doffnungen und ihre Qualen find fo groß wie ihr Neid. 

(Der Beſchluß folgt.) 





Literarifhe Anzeige 
Preisherabsetzung. 


Gedichte 


Hoffmann von Ballersichen. 


wei Bändchen. 
Ge. 12. 1834. Geh. 3 Thlir. 
Herabgefehter Preis 1 The. 

Die von bem Dichter im Einverſtaͤndniß mit mie veran- 
ftaltete neue Ausgabe feiner Gedichte, weiche im SWerlage ber 
Weidmann’ihen Buchhandlung in Leipzig erfchien, verans 
laßt mich obige Sommiung im Preiſe herabzufegen. 


„ tm December . 
= x, Burdbant. 


Berantwortliher Herausgeber: Heinrich Broddaus. — Druck und Werlag von $. U. Brodhaus in Leipgig- 











Bli 


literarifche 


aͤtt er 


für 


Unterhaltung. 





Breitag, 








Hiftorifches Taſchenbuch. Herausgegeben von Friedrich 
von Raumer. Sol 

Leipzig, Brodhaus. 1844. 8. 2 Zhlr. 15 Nee. . 
Die Überzeugung, daß es neben der Schule und über! 
diefelbe hinaus noch befonderer Mittel zur Erziehung und 
Fortbildung beduͤrfe, iſt bereits fo allgemein und feſtbe⸗ 
gruͤndet, daß man nicht mehr im Unterfuhhung zieht, ob 
fie eine voͤllig richtige fei, fondem nur über jene Mittel 
nachdenkt, durch welche der beabfichtigte Zweck am beiten 
und ficherften erreicht werden koͤnne. Hat ja fogar in der 
jüngften Zeit die kirchlich⸗ theologiſche Welt die Trage wies 
derum in Anregung gebracht, ob es nicht rathſam oder: 
vielmehr nothwendig erfcheine, für eine gewiffe Alterscläffe 
niederer Stände die Schule In der Kirche gewiffermaßen 
noch fortbeftehen zu laffen; die Sache ift allerdings nicht: 
ganz neu, indem die proteflantifche Kirche früher fchon ein 
derartiges Fortbildungselement befaß, aber wegen mangel- 
hafter Einrichtung und Beraltung feine Auflöfung nicht‘ 
aufzuhalten vermochte. Dach dies nur beiläufig. So viel 
ift außer Zweifel: in der Schule wird nicht Alles gelehrt 
und gelernt, was man. braudyt oder gern wiſſen möchte, 
und mit dem Austritte aus derfelben, welchen Namen fie 
auch führen möge, ift beimeltem nod nicht Alles abge: 
macht. In England und Frankreich, wo die Schulen 


theils mangelhaft theils im Verhaͤltniß zur Bevoͤlkerung 


in zu geringer Anzahl vorhanden ſind, wird dieſe Mangel⸗ 
haftigkeit nicht nur durch öffentliche Vorleſungen und Zeit⸗ 
ſchriften ſondern auch durch Volksbuͤcher, die beſonders 


techniſche und politiſche Aufklaͤrung bezwecken, zum Theil. 


wenigſtens aufgehoben; und es haben in dieſer Beziehung 
Englaͤnder und Franzoſen ſich einen Takt im Laufe der 
Zeit angeeignet, der den Deutſchen im Allgemeinen bis 
jetzt abgeht, was gewiß ſeinen weſentlichen Grund darin 
hat, daß die ſchriftſtelleriſche Ubung in dieſem Fache erſt 
von jungem Datum iſt und das Beduͤrfniß in geringerm 
Grade gefuͤhlt wird. 
find unlengbar beſſer geſchult als Englaͤnder und Franzo⸗ 
fen, und ihre Schulliteratut iſt ungleich voluminoͤſer und 
zuedimäßiger als Die der beiden Nationen. 
liche Leben des Deutſchen bewegt ſich eine geraume Zeit 
hindurch um die Schule und Die Theorie hat in der That 
eimen bewunderungewurdigen Gcharffinn und Fleiß ent: 
wickelt, um Materialien und Methoden ausfindig zu ma= 


Dean die Deutfdyen werden und 


Das jugend⸗ 





hen, welche bie ſittliche und intellectuelle Erziehung an 


ein erwuͤnſchtes Ziel zu fuͤhren geeignet zu ſein ſcheinen. 
Allein gerade dieſer Schuleifer, fo ſehr er auch in ber 
neueften Zeit felbft von andern Nationen als mufterhaft 
und nachahmungswerth gepriefen worden iſt, hat dem deut⸗ 
Then Volke den Vorwurf der Pedanterle, der zu großen 
Verehrung eines angefchuften Schematismus und der Un 


behuͤlflichkeit im praktiſchen Leben von denfelben Tobpreis 


fenden Nationen zugezogen. Wir können hier keine Ber: 
antaffung nehmen, zu unterſuchen, wiefern jener Vorwurf 
egründet oder ungegrundet fi. Wir müflen aber die 
Enge für eine offene erklären: welche Mittel und Metho⸗ 
den find. erfoderlidy und zweckdientich, daß neben der. Schule 
und ‚über diefelbe hinaus gewirkt werden koͤnne? d. h. 
welche Wege find einzufchlagen, damit Das, was bie 
Scyule lehrt, vervoliftändigt und Das, was in der Schufe 
angelernt worden ift, nicht nur erhalten, fondern auch vers 
vollfommnet, mithin der erfoderliche Umfang der Bildung 
erreicht werde? Die Mittel find im Allgemeinen leicht zu 


erkennen: fie beftehen aus den verfchtedenen Materien und 


Wiffenfhaften, wodurch überhaupt eine fittlihe und Intels 
lectuelle Erziehung zu gewinnen iſt. Dabei komme «6 
aber darauf an, daß die richtige Methode ausfindig ges 
macht und gewählt werde, wodurch jene Erziehungs: utid 


-Sortbildungsmittel in die Kreife des Volks gebracht wer⸗ 


den, auf melche gewirkt werden fol. Da aber die Die: 
thode die Lebensfrage eines jeden Unterrichts iſt, To liegt 
e8 auf der Hand, daß es 'in der That eine gleichguͤl 

Sache fein koͤnne, welcher Weg zu jenem Bildungsziele 


eingeſchlagen werde. Die bier in Betracht kommende Me: 


thode kann auf dreierlei Weife ihren Zweck zu erreichen ſu⸗ 
chen: durch befondere Werke, durch Zeitfhriften und durch 
öffentliche Vorleſungen. Diefe legtern enthalten aber’ je 
denfalls eine Bildungskraft, die wir gewiß in Deutſchland 
nicht nur zu wenig fchägen, fondern auch zu wenig‘ an⸗ 
wenden. Man folte keine Gelegenheit verabfäumen, diefe 
Kraft zu empfehlen, auf ihre Stärke hinzuweiſen und aus: 
einanderzufegen, was bei zweckmaͤßiger Wahl des Vortrags⸗ 
gegenſtandes, bei gut gewaͤhlter Methode und durch eine 


befaͤhigte Perſoͤnlichkeit für eine Wirkung erzeugt werden 


köͤnne, die Empfaͤnglichkeit des Gemuͤths und des Gtifies 
iſt ungleich größer für das lebendige Wort als für das 
Buch, dem die einfchmeicheinde Stimme und ſelbſt der 


“ 


d * % 


Blick des Auges fehlt. Der Raum erlaubt uns übrigens 
nicht, den Gegenſtand, den wir im Allgemeinen jegt zur 
Sprache gebracht haben, weiter zu verfolgen. 

Zu den Bildungsmaterien aber, die auch über bie 
Schule hinaus in jeden zu weiterer Erziehung . befähigten 
Kreiſe Ihren Segen zu verbreiten im Stande find, gehört 
nunmbeſtreitbar die Gefchichte, und Schriften, die durch ihre 
Zweckmaͤßigkeit einer ſolchen Aufgabe gewachfen find, vers 
dienen alle Anerfennung und moͤglichſte Beförderung. 
Wer über die Vergangenheit in edler und belehrender 
Weiſe aufllärt, erwirbt ſich ein Werdienft um die Gegen: 
wart und verdient ihren Dank. Unter den wiſſenſchaft⸗ 
lichen Methoden, Geſchichtskenntniſſe unter gebildeten Volke: 
"elaffen zu verbreiten, nimmt das „Hiſtoriſche Taſchen⸗ 
buch” fchon feit einer Reihe von Fahren einen fehr ehren: 
wertben Pas ein, ſowol rüdfichtlih der Wahl der bi: 
ſtoriſchen Gegenftände, als ruͤckſichtlich ihrer Auffaffungss 
weife und ſprachlichen Darſtellung. Und fo oft wie fchon 
in dem alle gemwefen find, über feine einzelnen Jahr: 
gänge zu berichten, wir haben uns jedesmal dieſes Auf: 
"tags mit befonderm Vergnügen entledigen können. Sehen 
wir jest, was uns für das Jahr 1844 geboten wird. 
Es ift Folgendes: 

1) Der Freiherr Hand Katzianer im Tuͤrkenkrieg. Bon Jo⸗ 
bannes Boigt 
e 


N Die legten 3 ten des Zohanniterorbens. Bon Alfred 
Reumont. 
3) Goethes Mutter. Bon Kari Georg Jacob. 


4) Leibnig in feinem Werhältnig zur poſitiven Theologie. Atlas 
demiſche Rebe, am Leibnig’fchen Gebächtnißtage ben 6. Juli 
1643 vorgetragen von Auguft Boͤckh. 


-5) Die Gründimg der Univerfität Königsberg und beren Saͤcu⸗ 


Larfeler in ten Jahren 1644 und 1744. Gin Beitrag zur be: 
vorftehenden dritten Gäcularfeier. Bon Eduard Gervais. 
6) Prinz Leopold von Braunfhweig. Bon G. W. Keßler. 
Buvörderft fei nur im Allgemeinen bemerkt, daß Nr. I 
die ausführlichfie unter den gelieferten Arbeiten iſt, und 
daß uns Me. 2, 3 und 5 am meilten angefprochen haben. 
Das Leben des Kriegshelden Kaglaner, den uns Hr. Voigt 
zum Theil nach wenig befannten Schriften und ſelbſt nad) 
Urkunden im koͤnigsberger Archive fchildert, fällt in einen 


Abſchnitt der Geſchichte Ungarns, der ſchweres Verderben 


uͤber dieſes ſchoͤne Land brachte. Der König Ludwig, der 
feste König Ungarns aus dem Haufe der Jagellonen, war 


in der unglüdlichen Schlaht bei Mohacz 1526 gefallen. 
Die Erledigung des Throns vergrößerte die ohnehin ſchon 


eingerifiene Verwirrung und brachte die von außen dro⸗ 
henden Gefahren näher als je. Das benachbarte ‚Reich 
der Türken ftand jest unter dem Sultan. Soliman II 


am Benith feinee Macht; des Sultans Eroberungsluft 
Erbanfprüche und geſchickt ge⸗ 


war auf Ungarn gerichtet. 
leitete Unterhandlungen brachten den Habsburger Ferdi⸗ 
sand L (1526 — 63) auf den Thron der Magyaren, wie 


kurz zuvor auf den der Böhmen. Allein mit Hälfe einer: 


mächtigen Partei hatte der Fuͤrſt von Siebenbürgen Ba: 
zolia gleichfalls die Eönigliche Würde von Ungarn erlangt, 


Und biefer warf ſich dem Sultan in die Arme, um ſich 


gegen Ferdinand behaupten zu Finnen. Innere Verwir⸗ 
aung, Krieg und Verwuͤſtung bes Landes mußten die noth⸗ 


: 1409 Yo: 


wenbigen Folgen davon fein. Die beutfche Unterfiügung 
war bei den damaligen Meichözufländen und ben politi- 
ſchen Berwidelungn Karl's V. nur gering und langfam. 
Da fid) auf diefe Weile Kerdinand größtentheils auf feine 
Öftreichifchen Etblandbe und auf feine Anhaͤnger In Ungam 
befchränft fah, fo mußte er nicht nur eine Reihe von 
Jahren ſchwere Demüthigungen von Soliman ruhig bin: 
nehmen, fondern beinahe ganz feinen Gegnern das Feld 
räumen. Zu den Kriegsmaͤnnern, die mit aufopfernder 
Zreue und mit Muth Ferdinand's Sache führten, gehört 
der Freiherr Hans Katzianer. Über feine Abflammung, feis 
nen Wohnfig und fein erſtes Auftreten theilen wir unfern 
Lefern nach der Erzählung des Verf. Folgendes mit: 

Das Gefchlecht der Kasianer rüdt in feinem Alter, foweit 


es zu erfolgen iſt, bis über bie Mitte des 13. Jahrhunderts 


hinauf. Wo e8 damals feinen Sig gehabt, ift unbekannt. Wir 
nben aber, das es um biefe Zeit in der Umgegenb des Stifts 
Dverberg Thon das Vogtrecht übte. Im. 3. 1254 rſcheint das 
edle Rittergeſchlecht ber Katztianer ſchon hochgeachtet umb weit 
verzweigt. Es war im legten Jahrzehnd bed 15. oder in den 
erften Jahren des 16. Jahrhunderts, ald Hans Kapianer auf 
der Burg Katzenſtein (in Krain) geboren ward. Wie fein Be: 
ter gebeißen, wie lange ex ſich ale Knabe mb Juͤngling in ben 
weiten fchönen Luſtgaͤrten, bie ſeit alter Zeit bie urwäterlide 
Burg umgaben, berumgetummelt und in Luft und Freude mit 
feinem Bruder Franz, der nachmals Bifhof von Laibach wart, 
fi) mit Bogen und Geſchoß geübt, wie er feine erſte Bildung 
gewonnen und bie Luft zum Kriegswerke in ihm erweckt worben 
fein mag, das Alles hat bie Geſchichte, die feine Jugendzeit 
nicht beachtete und feine einftige Bebeutung nicht ahnte, unbe 
merft gelaffen. Aber der Menſch fleht da, wo er geboren wir 
und fein geiftiges Wefen fi) zuerft entwidelt und heranreift, 


I undewußt mit Natur und Schickſal feines Landes in fteter in⸗ 


niger Wahlverwandtſchaft; benn Menſchen erziehen nicht Men⸗ 
fen allein: auch Berg und That, Wald und Flachland, Stroͤ⸗ 
me und Meere, Klima und Natur in ihrem gefammten groß⸗ 
artigen Wechfel, und nicht minder die Zeit im Sturme ober im 
friedlichen Verlaufe ihrer Creigniffe bilden und beſtimmen den 
Menſchen zu Dem, was er wird und was er fein fol nad 
Kraft des Geiſtes, der in ihm lebt. In ſolch buntem Miedhfel 
der Natur und der Schickſale hatte auch Hans Katzianer feine 
Jugendzeit verlebt. Auch bie Greigniffe der Zeit hatten das 
Land und die Burg, in denen Dans Katzianer feine Jugendjahre 
verlebte, mit ihren Stürmen nicht unberührt gelaffen. Gchon 
als Kind und Züngling hatte er viel von den biutigen Raub⸗ 
und Verbesrungslriegen ber Tuͤrken gehört; er hatte feibft fchon 
ben ſchreckhaften Chriſtenfeind in ber Nähe feiner Burg gefehen. 
Wer will es fagen, ob nicht bamals fchon unter den angfivolien 
Stuͤrmen ber Zeit in Hans Kayianer, dem kraft: und mutk- 
vollen Zünglinge, der Gedanke erwachte und der Entſchluß zur 
Reife kam, fein Schwert einft um Schiem ber Kirche und bei 
Glaubens und zum Schute feines Vaterlandes gegen ben Hut: 
gierigen Seind der Chriſtenheit zu wenden? Es war eine ernfe, 
ſchwerbeſorgliche Zeit, in weldher Hana Kagianer feine Jugend⸗ 
jahre auf feiner Burg verlebte. Aber die gefahrvollſten Zage 
fanden bevor, ats er in die etſten Eräftigften Wanne: 
jahre uͤbertrat. 

Und ale das Fahr 1527 große Rüfkungen von Seiten 
Ferdinand's gegen die Tuͤrden machen fab „trat auch der 
Freiherr Johann Katzianer zum erſten Mal auf bie Welt: 
bühne. Er hatte dem Könige Ferdinand das Gtreimelf 
aus Krain zugeführt.” Ob ſich Rapianer ſchon bei an: 


bern Gelegenheiten ald Krieger ausgezeichnet mad nuf weis 


che Weiſe er ſich im Kriegsweſen ausgebildet hatte, Demon 


‚haben wir keine Kunde. Genug wir erſahren, daß er fü 








— — — U 3% 





ad | ‚üefhguge ala cin Achtiger Acegaa i 
Per en ie & gewanu —** Kurs 





am und fen Kriegsruhin verbreitete ſich über Die Gren⸗ 
- zen feines Vaterlandes hinaus. Selbſt auswärtige Fürs 
ſten wurben feine Sreunde, wie aus der Theilnahme und 


der eifrigen Voerwendung deutlich genug heworgeht, Die fie 
ibm ſpaͤter, als ihn ‚die Ungnade Ferdinand'ée verfolgte, 
angedeihen ließen. Denn ein Feldzug gegen bie Türken 
unter dem Feldhauptmann Katzianer unternommen (1537) 


Mef fo unglädtih. ab, Daß die nme faft gänzlich zu‘ 


runde ging. Die Schuid dieſer Kataſtrophe warb | die Gnade feines Königs entriß und ihn auf dis fhläpffige 


den Feldhauptmann geworfen. Berdinand zog ihn yur 


Rechenſchaft; die Vertheidigung ſowol fchrfftlid, al$ münds 
Der erzumte König ließ ihn: 


Lich geführt genügte nicht. 
Deshalb gefangen ſetzen, und nergebend waren die Ders 
wendungen theils von einflußreichen Verwandten theile 


felbſt von auswärtigen Kürften für feine Befreiung Er 


befreite ſich endlich felbft durch Liſt aus feiner Haft, als 
ihn ein Todesurtheil zu bedrohen ſchien. est dachte Ka: 
gianer auf Race an Kerdinand; er verband ſich mit Fer⸗ 
Dinand’s Feinden in Ungarn umd Kroatien. Bon einem 
ſo angefehenen und entfhloffenen Feinde hatte der König 
viel zu fürchten, um fo mehr, da der Bruch zwiſchen 
Beiden unbeilbar geworden war. Der Graf Nikolaus 
Zriny ermordete auf dem Schloffe Kaftbanowig den eben: 
fo gehaßten als gefürchteten Gegner. Daß der König um 
Katzianer's Ermordung gewußt, ja diefelbe wol gar befohs 


Sen babe, dies läßt ſich nicht nur nach fhriftlihen Bes 


weifen behaupten, fondern auch aus dem Benehmen ers 
Lennen, welches Ferdinand gegen den Mörder und befien 
Bruder an den Tag legte. Nur mit Mühe erhielten 
Katzlaner's Kinder und Witwe die bereits eingezogenen 


väterlihen Guͤter in Krain und Kämten zurüd, ein Be - 


weis, wie heftig ber König uͤber feinen ehemaligen Feld: 
hauptmann erzlmt gewefen iſt und welche Schuld er ihm 
beigemefien haben muß. Übrigens trifft Katzianer die Ans 
Mage, die oben erwähnte Niederlage herbeigeführt zu ha⸗ 


ben, nad) mehren Zeugniſſen aus jener Zeit hoͤchſt wahr⸗ 


fcheinlid mit Recht; aber ein Verrath tft bi6 zur Evidenz 
weder erwieſen noch vielleicht auch überhaupt zu erweiſen 


möglih: Mangel an Gubordinatioen, Unvollkommenheit 


der Verpflegungsadminiftration, Unordnung in Ungarns ins 


nern Verhaͤltniſſen, Überlegenheit eines kühnen und fanas 


tifhen Feindes und Imtriguenfpiel find Erfcheinungen, bie 
ſich nicht weglengnen laſſen, fobaß an einen verrätherifchen 
Treubruch gar nicht gedacht zu werden braucht, um das 
gaͤnzliche Mislingen des Feldzugs zu erklären. Allein Das 
mußte ibm boch angerechnet werden, worauf auch feine 
Anklaͤger hauptſaͤchlich fußten, daß er feine Truppen im 
Augmbiide der größten Gefahr, mo feine Gegenwart allein 
vielleicht nach Im Stande geweſen wäre, das Schlimmſte 
abzuwehren, heimlich im Stiche lieh. Vielleicht hat der 
ungariihe Geſchichtſchreiber Iſthuanfi fo Unrecht nicht, 
wenn er ihm bei dieſer Gelegenheit vecordia und amentia 
vorwirft. War nun aber auch Katzianer kein Mann er: 
ſter Größe feiner Zeig Überhaupt, fo nimmt er doch unter 
dee noch Heinen Anzahl ritterlicher Charaktere von altem 


PR 


‚fein Schwert gewibmet, für ihn unter jahrelangen 


"Anbenten, vielfach uni den Verhaͤleniffen desto 


—RX 

Ungarns zu den Türken und zu ftreich verflochten, verdiene 
der Nachwelt aufbewahrt zu werden; er war ein Ma 
ber feit feiner Jugend Ferdinqnd flets in treufter Anbing keit 

iegs 
mit Opfern von Gut und Blut fein Leben aufs Epic gefegt 
und für den Sieg der Rechte feines Königs in Ungarn mit eis 
ner fo flandhaft ausharrenden Kraft und einem fo rittexlichen 
Muthe gekaͤmpft hatte, baf feines Namens überall, wo er auch 
nur genannt werden mochte, mit hoher Achtung und einbelligem 
Ruhme gedacht wurde, bis ber Unftern feines Nisgeſchicks 
Bahn hintrieb, auf der er ſeinen Untergang fand. 

Schließlich bemerken wir nur noch, daß die Darſtel⸗ 
lungsweiſe des Verf. der eben beſprochenen Biographie 
ganz als dieſelbe ſich zeigt, wie ſie der wiſſenſchaftlichen 
Welt ſchon laͤngſt aus verſchiedenen Schriftwerken befannt 
iſt: Einfachheit, Klarheit der Sprache und Gewandtheit 
in der Benutzung von Quellen und Huͤlfsmitteln legen 
fi auch bei dieſer Gelegenheit wieder an den Tag; wenn 
wie bier und da eine etwas größere Gedrängtheit der Er⸗ 
zählung und eine befebtere Ausdrucksweiſe wünfchen moͤch⸗ 
ten, fo wollen wir darin nur eine individuelle Anficht, 
Sein unbedingt maßgebended Urtheil erkennen. 

(Der Beſchluß folgt.) 





La Russie en 1839 par le marquis de Custine. 


Vier Bände, 
(Beſchluß aus Nr. ME.) 


Hier iſt Alles grenzenlos, Schmerzen wie Belohnungen, 
Opfer wie Hoffnungen. In Europa fieht Rußland feine ſichere 
Beute, die Geſchichte Polens Toll wieder von neuem großartig 
beginnen. „@uropa”, Tagen fie, „ſchwaͤcht ſich durch feinen 
Liberalismus, während wir mächtig bleiben, weil wir nicht frei 
find. Bebulben wir uns unter dem Zoch, Andere follen für 
unfere Schmach büßen.” So duimärifcy diefe meine Behaup⸗ 
tung Ellingen mag, fo werben Ale, welche den Gang der 
enropäifchen Angelegenheiten in ben legten zwanzig Jahren beobach⸗ 
tet haben und. einigermaßen in die Geheimniffe der Sabinete eins 
geweiht find, mir beipflichten; dies ift der Schluͤſſet zu ber 
großen Wichtigkeit, weiche ernfte Männer barein ſeten, von Krems 
den nur bon der guten Geite gefehen zu twerben. 

‚Die Entfernung, welche Rußland vom Decibent trennt, hat 
bis jegt ben wahren Stand ber Dinge gut verhällt. Die gries 
chiſche Politik ſcheut die Wahrheit, weil fie fo gut bie ige bes 
nugen Tann. Was mich aber Wunder nimmt, ift, daß fich die⸗ 
ſes Regiment fo lange erhält. Ieht begreife ich die Wichtigkeit 
einer Meinung, eines ſarkaſtiſchen Wortes, eines MWriefes, eines 
Wortes, eines Lächeln, wie viel mehe die eines Wuchs in ben 
Augen ber durch die Leichtgläubigkeit des Volks und durch die Ges 
faͤlligkeit der Fremden begünftigten Regierung; ein wahres Wort in 
Rußland kann ber Funke fein, weicher in ein Pulverfaß Fällt. 

Was verfiglägt den in Rußland herrſchenden Männern bie 
Blaͤſſe und das Biend ber Faiferlichen Solbaten! Diefe lebendi⸗ 
gen Gelpenfler haben bie ſchoͤnſte Uniform von Guropa. Was 
verfchlägt ihnen der grobe Kittel, in welchen fih im Innern 
ihres Cantonnements biefe vergoideten Phantome huͤllen! Wenn 
fe nur arm und ſchmutzig im Geheimen find, und glängen, 
wenn fie fidh zeigen, dann verlangt man nichts und gibt ihnen 
nichts. Gin beapirtes Elend iſt ber Reichthum ber Büufien; 
ihnen gilt ber Schein Alles, und bei ihnen trägt ber 


Shen 
‚mehr als bei Andern. Wer einen Zipfel bes Schleiers hebt, iſt 


auf immer in Petersburg verloren. Das fociale Leben dieſes 


dandes iſt eine ſtete Verſchwoͤrung gegen bie Wahrheit. Mer 








- 





a0 


> wicht tönen nähe, it ais Berrachev; über eine Badcammabe 


Inden, eine Usmvabupeit witziegen, eine. yolttifce Stubummebige 
Zeit entiaxven, iſt ein Attentat gegen bie des Staats 
und des Herrfchers, und zieht das Schickſal eines Revolutionnaire, , 


eines des der Drbnumg, eines Conſpirators, eines Majeſtaͤts⸗ 
ae hers na . über ſolche Em findtichkeit fann man 


fi 
nicht Lachen, ade kleinliche Wachfamkeit eines Gouvernements, 


im Einverflaͤndniß mit der Eitelkeit eines Volks, wird furcht⸗ 


bar, nicht laͤcheriich. Man muß fi) zu allen Arten von Bor⸗ 


de verzeibt, Peine Art von Widerſtand verachtet, und bie‘ 
eine Yflicht Hält. Diefer Dann, ober vietnrehe biefe ' 


Bcake Drich bequemen, unter einem Deren, welcher Feinem 


ache für 
onffleirte Regierung , wird B ung für Apo Mitde 
a toerge en, Sumanirdt eeheee —— Abtung 


egen feine eigene Majeſtaͤt oder vielmehr gegen die eigene Goͤtt⸗ 
Derr genug, um erklären zu duͤr⸗ 


keit erachten: er ift nicht 
fen, daß er nicht mehr angebetet fein wolle. 


Die vuffifce Gioitifation ift no fo neh am ihrer Ent: | feeit 


hung, daß fie der Barbarei giemlich glei; fommt. Rußland 


Be 
ift 
@ebanten, fondern im Krieg, d. h. in Eift und Grauſamkeit. 


mn 0 CEO U — — iu — mn GE GE — 


Kacta find der Rohſtoff jeder Erzählung und Facta were 


den in Petersburg als nichts gerechnet, wo bie Zukunft wie bie 
Vergangenheit und Gegenwart dem ‚Herrn zur Dispofttion ge⸗ 
ftent if. Die Richtung des Verſtandes, die Leitung bes Urs 
theils, die freie Anficht gehört allein dem 
land ift die Gefchicdhte ein Domaingut ber Krone, fie tft ihr 
moralifches Eigenthum, wie Menfchen und Land ihr materielles 
Eigenthum find; man reiht fie mit ben kaiſerlichen Schägen in 
der Schagfammer und zeigt nur, was gefehen werden foll. Die 
Erinnerung der Ereigniſſe des vergangenen Tages iſt kaiferli⸗ 


ches But; er verändert nad Gutduͤnken die Annalen feines Lan⸗ 


des und theitt täglich feinem Wolke biftorifhe Wahrheiten aus, 
welche mit den Fictionen des Augenblids übereinftimmend find. 
So wurden Winine und Pojersti, die feit 200 Jahren vergeffes 
nen Heldin, ausgegraben, als Napoleon in Rußland einmars 
ſchirte. In diefem Augenblidde erlaubte das Gouvernement den 
Enthuſiasmus. 

Diefe außerordentliche Gewalt ſchadet indeß ſich ſelbſt; 
Rußland wird ſie nicht immer ertragen. In der Armee keimt 
ein Geiſt der Empoͤrung. Ich ſage wie der Kaiſer: die Rufſen 
ſiad zu viel gereiſt, die Nation iſt wißbegierig geworden; die 
Douane kann nicht Beſchlag auf Gedanken legen, und Gedanken 
fuͤhren die Veraͤnderung der Welt herbei. 

Aus allem Dieſen gebt hervor, daß bie von Ruſſen ertraͤumte 
große Zukunft nicht von ihnen felbft abhängt. Wenn bie Leis 
denihaften im Occident ſich beruhigen, ‚wenn zwiſchen Unter: 
thanen und Regierung Friede geftiftet wird, dann werben bie 
Doffnungen der Sklaven eine Shimäre. 

Man bat mich in Rußland als Fremden oder vielmehr als 
ſchriftſtellernden Fremden fehe gut aufgenommen; man bat mid) 
mit Hoͤflichkeitsbezeigungen überfchüttet, doch hat man es bei 
Berfprechungen beivenden laflenz Niemand verichaffte mir vie 
Möglichkeit, den Stand der Dinge auf den Grund gu erkennen, 


XX u — — — 


- md es blieben mir eine Menge Geheimniſſe uneriloffen. Gins 


beſonders quält mich, das ift der geringe Einfluß der Religion. 
Trotz ber Unterwürfigleit der griechifchen Kirche könnte fie doch 
einige moralifche Autorität über das Voik ausüben, und fie übt 
keine. Woher ſtammt diefe gänzliche Bedeutungsloſigkeit einer 
Kirche, welche Alles zu begänftigen ſcheint? Iſt es eine Eigen⸗ 
thuͤmlichkeit der griechifchen Religion, fi immer nur mit den 
Außen Beweifen der Achtung zu beanügen? Sollte diefes übers 
all das Refultat fein, wenn bie geifttiche Macht einer abfoluten 
welttichen untergeorbuet iſt? Ich babe in Rußland eine chriſt⸗ 
liche Kirche geichen, die Niemand angreift, die Jedermann ehrt, 
wenigſtens dem aͤußern Scheine nach, und body übt biefe Kirche 
keine Gewalt über die Herzen qus, fie macht nur Heuchler und. 


eine Geſellſchaft Eroberer, feine Kraft Liegt nicht in dem’ 


Herrſcher. In Ruß⸗ 


VMernaudea. a Biken, wo bie: | 
fe andh wit verentweettidhs aber u a a 
den Priefler in Wollgiehung feines MBeris umserftäg, 





die Religionslehre weber durch 


arbeiten, kann man der 


p noch in werden 
——— nicht Talent und Kraft * bat, durch Gedan⸗ 

u fiegen. " 

Das wefttiihe Europa weiß nicht, wie viel rellgidſe Sn 
toleranz in ber zuffiichen Politit enthatten Ik. Dex Guttus ie 
vereinigten Griechen ift aufgehoben worden, 

Bor einigen Jahren ſchrieb ein geiſtreicher Mann, ver 
allgemein in Moskau geachtet, edel von Beburt und von Cha⸗ 
rakter, body ungluͤckt eiſe von der Liebe zur Wahrheit be— 

war, in einem Bache, : gebrudt wurde daß die 
katholiſche Religion der Entwickelung bed Geifteh und ber Rnfe 
günftiger fei als die ruſſiſch⸗ griechiſche Kirche. Gr ſuchte dan 
zuthun, baß fo mandyer Fehler der Nation, und unter andern 
ber leichte Lebenswandel der Frauen, ans Mangel eines wahren 
religidfen Unterrichts entkänden. Dieſes der Cenſur durch Bun: 
der ober Lift entgangene Buch machte in Petersburg und Mit 
kau viel Auffehen, und man erwartete bie ſchreckuchſte GStreſe 
für den unglüdlihen Schriftſteller; man war auf Knute, Gi 
rien, Bergwerke, Beftung, auf alles Mögliche gefaßt; doch der 
Richterfpruch ließ ſich lange erwarten, als der Kaifer endlich 
ertlaͤrte, daß kein Grund zur Strafe vorhanden fei, kein Ber 

ee exiſtire, fondern zur ein Wahnwigiger, welcher da 
zten überliefert werden muͤſſe. 

Diefes Urtheit wurde auch fogleich vollzogen und zwar 
auf eine fo ftrenge Welle, daß der. Arme nahe daran war, dm 
urtheileſpruch des Ghefs der Kirche zu rechtfertigen; jetzt jmer 
felt er ſelbſt an feinem Verſtand und erklaͤrt ſich für wahnwign. 
In Rußland iſt der Zabel des Herrſchers, was im Mittelalis 
die päpftliche Grcommunication war. 

In Rußland ift das Leben ebenfo traurig wie es in Is: 
daluſien ſchoͤn und heiter ifts das ruſſiſche Volk ift todeenfil, 
das fpanifche voller Erben. In Spanien tft der Mangel einer 
politiigen Freiheit durch bie perlönliche Unabhängigkeit aufge 
wogen, während in Rußlanb bie eine fo wenig gelannt wid 
als die andere. Der Spanier lebt von Liebe, der Ruffe vor 
Berechnung; der Spanier erzählt Alles, und wenn er nichts zu 
erzählen weiß, erfindet er. Der Ruſſe verbirgt Alles, und wenn 


“er nichts zu verbergen bat, ſchweigt er aus Berechmung, ans 


Gewohnheit, um bisczet zu feinen. In Spanien gibt es Rn 
ber, body man raubt nur auf der Landſtraße; die Landfrafen 
in Rußland find ficher, aber man wird in den Haͤuſern beflck: 
len; Spanien ift voller @rinnerungen und Ruinen aus vergan⸗ 
genen. Jahrhunderten, Rußland flammt von geſtern; Spann 
ift veih an Bergen, weiche bei jedem Schritie des Reiſenden 


neue kandſchaften bilden, Rußland bat nur eine und diefelk 
Landſchaft von einem Ende sum andern. Die Gonne erlenchttt 


Sevilla und gibt der Halbinfel Erben; ein Nebel verfchleiert die 
umgebung von ‚Petersburg, ſelbſt an den ſchoͤnſten Sommen 
abenden; bie beiden Bänder find die vollkommenſten Gegenfätt; 
ed waltet zwiſchen ihnen ber. Unterſchied wie zwiſchen Tag mb 


‚Naht, Feuer und Eis, Süden und Norden. 


Man muß in biefer zuhelofen Einfamkeit, in diefem Ge 


fängniß ohne Mußeftunden, welches man Rußland nennt, ge | 


iebt haben, um die Freiheit in andern europaͤiſchen Ländern, 


"unter weicher Form fte ſich gibt, ſchazen zu lernen. Wer un 
hufricden in Brankreidh iR” Der brands msi HRMIeL und SR 


nach Rußland. MDiefe Reife wird jedem Jremben näglih fe; 
denn wer biefes Land mit Aufmerkfamleit bereift hat, wird Rd 
an jedem andern Ort wodl befinden. Es ift immer gut gu 
wiffen, daß es eine Geſeliſchaft gibt, wo ein Güd gr gir 


möglid IR. 


Berantwortlicher Herausgeber: Heinrich Brokdaus. — Drud und Berleg von F. U. Brockhaus in Leipzig. 








Blätter 


+3 


für 


literariſche Unterhaltung. 








Hifterifches Jaſchenbuch orezey von Frie drich 
von Raumer. Neue Folge. Fuͤnfter Jahrgang. 
| Beſchluß aub Nr. DW.) 

Cine Monographie über die leuten Zeiten des Johan⸗ 
niterordens iſt ſchon darum geeignet, die Aufmerkfamteit 
der Freunde geſchichtlicher Studien zu erregent, weit Alfred 
Reumont al& Verf. genannt wird: einmal wegen feiner 
amerfannten Befähigung zu dergleichen Arbeiten, dann 
aber auch regen feiner diplomatiſchen Stellung, die ihn 
in manche Berbindung bringt, bie feine Leiſtungen unters 
ftüst, ihm zu manchen wiſſenſchaftlichen Schägen den Zu: 
tritt eröffnet, den ein Anderer vergebens fuchen wuͤrde. 
Auch an der vortiegenden Arbeit bewaͤhrt fi) Beides. 
Zugleich müfjen wir die Wahl des Gegenſtandes ats eine 
recht gluͤckliche bezeichnen, und zwar nicht blos aus dem 
Grunde, weil in der fuͤngſten Bett eine Art Reftauration 
dieſes Ordens flattgefunden hat, fondern meil die deurſche 
Gefchichtsliteratur Uber diefen Punkte an felbfländfgen Ar: 
beiten geradezir arm zu nennen iſt. Dagegen haben Sta: 
liener und Kranzofen nicht nur die aͤlteſte Gefchichte diefe® 
Ordens vielfady bearbeitet, fondern ihn auch in feinem drit⸗ 
ten Stadium*), feit der Befigergreifung von Malta 1530 
bis zu feinem Untergangd, oder, wie der Berf. fih aus 
druͤckt, bis zum Ende feiner chätigen Gefchichte 1799, 
eine rege Aufmerkfamkeit gewidmet. Aber gerade die 
Schriften, die fich auf diefe verhängnißvolle Kataſtrophe 
beziehen, find in Deutfchtand nicht fehr befammt. Dem 
Berf. fanden fie zu Gebote. Bringen wie damit moch 
den gluͤcklichen Umſtand in Berbindung, daß ihm freund: 
lfche Unterſtuͤzung durch handſchriftliche Motizen mancher 
Art von Malta und Gortona fowie im Ordensconvente 
ſekbſt zu Theil geworden tft, fo wird es keiner weitern 
Lobpreffung bedürfen, um ımfere Leſer von dem wiſſen⸗ 
ſchaftlichen Werthe der in Rede flehenden Monographie zu 
überzeugen. Eine Beilage enthält noch die merkwürdige 
Berhandlung, die zwifchen der Deputation des Ordens 
und Napoleon über die Unterwerfung Maitas untere frans 
zoͤſiſche Hertſchaft auf dem Admiralſchiffe Orient gepflo: 
gen murde. Napoleon's Ton und Urtheil uͤber die Jos 


we Rachbem dit Johannſter aber‘ Marianer ſich gletch ben 
gen 
eroßerten fie 1310 Rhodus eSPhouffir), das 

mm Fi. —* ging. et: 1530 heißen fie auch Multeſer 





zfahrern im Orlfente nicht mehr halten konnten, 
: 1922 an Soti⸗ 


16. December 1843, 








baumniter war ziemlich herb, da er lediglich den franzoͤſi⸗ 
ſchen Geſichtopunkt feſthiett. Namentlich Yare ihn WW 
nachgefuchte Einmiſchung und Protection Paul's von Rufe 
land erzuͤrnt. Wenn uͤdrigens der Verf. am Schluſſe die 
Außerung thut, nachdem ex ſehr richtig bemerkt bat, durch 
Die Eroberung Algiers und Zerſtoͤrung der Barbaresken⸗ 
raͤuberei gebe es für den Orden im Mittelmeere kelne Be⸗ 
ſtimmung mehr: 

Dan bat wohl daran gethan, ein Inſtitut, deſſen Name ab⸗ 

lein fo ſchoͤne Erinnerungen erweckt, nicht ganz untergehen zu 
laſſen, ſondern, wenn auch nur durch eine Unterſtuͤtzung, die kei⸗ 
nerlei Misgunſt erregen kann, aus feinem Verfalle empor zu 
heben. Bielleicht kommt die Zeit, wo ber Orden ſich wieder 
j möglich zeigen kann. Durch die Ruͤckkehr aber zu dem urfprängs 
'tihen Gedanken und Zweck der Gtiftung hat bie Regi 

‚ deffelben an den Tag gelegt, daß es Eu darum zu thun tft, ſich 
"von neuem, fo weit äußere Verhaͤltniſſe es zulaflen, einen anges, . 
meffenen Wirfungekreis zu fchaffen — | 
ſo möchte die Dicehrzahl der Urtheftenden eher geneigt feht, 
darin eine ſchonende oder feine diplomatifche Wendung an: 
zuerfennen, als den Gedanken ar eine ariſtokratiſche Ten⸗ 
ven bet der Wiebererweckung des Johanniterorbens auf⸗ 
zugeben. 

Der Auffag Hin. Jacob's Über Goethes Mutter hat 
uns im hohen Grade angeſprochen. Wir dürfen mit gr 
tem Grunde denfelden Eindruck auch bei andern Leſern 
erwarten. Denn wern die merkwuͤrbige Mutter einrs 
merkwuͤrdigen und ſogar großen Sohnes von fo gewandter 
Feder, als die des Verf. ift, gefchifdert wird, fo kam die 
Wirkung auf das Gemuͤth nur eine erfrenfiche fein. Dieſe 
Wirkung wird aber gewiß dadurch noch befonders ver: 
ffärkt, dab die Natur⸗ und Charafteruerwandtfhaft zwi⸗ 
(hen Goethe umd felner Mutter em pfychokogiſches und’ 
paͤdagogiſches Intereſſe dachtetet. Der fharf und geiffreich 
ausgeprägte Charakter der Mutter findet fih im Sohne 
wieder, und der Letztere kann es nie verleugnem, daß die 
fruͤheſte, man möchte fagen, zartefte Erziehung von Jener 
ausgegangen fer, die tiefflen Eindruͤcke in ihm zurädger 
laffen habe. Daher aber auch die beiderfeitige innige 
haͤnglichkeie; daher die Wahrnehmung, daß fie fidy beibers 
fetts ſelbſt als merkwuͤrdig erſcheinen: die Mutter iſt fFotg 
und gluͤcklich zugkeich, einen Sohn geboren zu haben, dem 
ihr Geiſt in maͤnnlicher Stärke inwohnt, in deſſen jugend⸗ 
lichem Gemuͤthe ihr eigenes Denken, Thum und mütter⸗ 

liches Walten fo unansloͤſchlich ſichtbar iſt, und vote fir: 


„ . 16. » 


fi ſelbſt für keine gewöhnliche Natur hält, To iſt ihr 
auch der Sohn keine gewöhnlidye Erſcheinung. Und diefer 
Letztere fühle ſich ebenfo glüdlich, von einer ſolchen Mut: 
ter geboren zu fein, al6 er ihre dankbar iſt für die unver: 
geßlichen und daueraden Anregungen, bie ihre gelftige und 
fistliche Pflege in ſeiner Seele zu erzeugen im Stande ge: 
wefen if. Wir können den Wunſch nicht unterdrüden, 
daß gebildete Frauen, wenn fie Mütter find, die Biogra: 
phie von Goethe's Mutter recht aufmerkfam leſen möchten. 
Übrigens eröffnet Hr. Zacob feinen Auffag mit der ganz 
biecher paflenden Bemerkung, 
daß die größten Männer aller Zeiten einen weſentlichen Theil 
ipree Berühmtheit der Auffit, Obhut und Bildung ihrer 
zu verdanken gehabt haben. So wiffen wir, daß Karl 
Augu von Weimar feine weltgefchichtliche Bedeutung nicht er» 
halten. haben würde, wenn nicht eine Mutter von Amalia’s 
Geift, Liebenswuͤrdigkeit und Heiterkeit feine Erziehung geleitet 
bättes wir lefen es in den unwiderleglichften Zeugniſſen, daß 
Walter Scott feine Sittenreinheit und Anmuth von der ebenfo 
frommen als verftändigen Mutter geerbt hat; ja, man kann es 
nicht leugnen, daß bie erften Keime von Napoleon's hochfahren: 
dem, eifernem Charakter in dem Stolze und in ber Hartnaͤckig⸗ 
keit feiner Mutter Lätitia zu finden waren. 

Daß auch Schiller's Mutter, Elifabetb Dorothea Kob: 
weis, in ihrem Sohne die erften Keime feiner nachherigen 
poetifhen und fittlichen Zrefflichkeit geweckt und gepflegt 
habe, ift von feinem Biographen Guftav Schwab außer 
Zweifel gefegt toorden. 

Auf ein ganz anderes Feld verfegt uns bie vierte Ab⸗ 
handlung unſers Taſchenbuchs. Die Akademie der Wif: 
fenfhaften in Berlin ehrt ihren Stifter, Leibnig, alljähr: 
lich duch eine Gedaͤchtnißrede. Die Werfe dieſes ausge⸗ 
zeichneten Mannes und Unterfuchungen über die Stellung, 
die derſelbe zur Wiffenfchaft und zu den damaligen Zeitver: 
bältniffen einnahm, haben in der jüngften Zeit mehre Ge: 
lehrte befchäftige: die Reiftungen Erdmann’s, Guhrauer's 
und Pertz's find in wiſſenſchaftlichen Kreifen hinlaͤnglich 
befannt. Der Stoff, den das überaus thätige Leben je: 
nes Philoſophen den Gelehrten zur Unterfuchung und Be: 
arbeitung darbietet, iſt aber noch keineswegs erfchöpft. Der 
akademiſche Feſtredner, Boͤckh, wählte fi zu feinem Vor: 
trage die Erörterung ber Frage, in welchem Berhältniffe 
Leibnig zur pofitiven Theologie flehe, wobei natürlich vor⸗ 
zugsweife feine allbefannte „Theodicee“ ins Auge gefaßt 
werden mußte. Leibnig iſt namentlih von zwei Seiten 
angefochten worden. Einige meinten, feine vielfachen Ver⸗ 
bindungen mit den Höfen hätten ihn auch zu einer Art 
Hofphiloſophie verleitet; Andere dagegen, die Theologen 
insbefondere, fanden feine Philofopheme aus dogmatifchen 
Gründen bedenklich. Um nun einem Gonflicte mit den 
kirchlichen Dogmen moͤglichſt auszuweichen, gab der Kanz: 
ler in Tübingen, Pfaff, in einer 1720 herausgegebenen 
Schrift zu verftehen, habe Leibnig in der „Theodicee“ feine 
wahre Meinung gar nicht ausgefprochen, fondern ber 
Welt nur Sand in die Augen geflreut, wie er denn in 
einem Briefe an ihn dies ſelbſt eingeſtehe (1716). Und 
in der That find Manche der Annahme jenes Theologen 
beigetreten, während wiederum Andere behaupten zu muͤſ⸗ 
fen glaubten, Leibnig habe den Kanzler Pfaff durch die 


‚geteoffen”, nur zum Selten gehabt. 
* Biograph, ber gründliche Guhrauer, entfernt von Leibnig 


briefliche Verfiherung „Du haft den Maget auf ben Kopf 
Auch fein neueſter 


allen Verdacht eines Hofphiloſophen und Zurückhaltens 
feiner wahren Meinung; fand. die vorliegende, eftfede fucht 
gleichfalls den Bewels zu führen, Lednitz in der 
„Theodicee“ nicht anders gefchrieben ald er gedacht habe; 
doch firebe er nad einer Vermittelung zwifchen Theologie 
und Philofophie, ohne jedoch beiden Wiſſenſchaften, ins: 
befondere der leuten, etwas vergeben zu wollen. „Denn“, 
fagt er, „die Philofophie mittelmäßig gefoftet, entfernt uns 
von Bott, aber Diejenigen, welche fie ergründen, führt fie 
zu ihm zuruͤk.“ Dos Übergewicht ber Gründe ift offen 
bar auf der Seite Derer, die in der „Theodicee“ Beine 


Ironie, ſondern die indididuelle Überzeugung ihres Urhe⸗ 


bers finden. 

Die fünfte Abhandlung, deren Verf. Eduard Gervais 
ift, bietet einen fehr dankenswerthen und gut gefchriebenen 
Beitrag zur Geſchichte des deutfchen Univerſitaͤtsweſens und 
feines Einfluſſes auf die fittlihe und wiſſenſchaftliche De: 
bung unferes Volks. Wir müflen diefe Monographie in 
ihrem Werthe um fo böher anſchlagen, je mehr wir be: 
denken, daß diefer Zweig der deutſchen Geſchichtsliteratur 
keineswegs noch zur Genuͤge gepflegt iſt; je mehr wir be 
denken, daß ein weſentlicher Theil unfers fittlihen und 
intellectuellen Nationallebens ein Ausfluß unferer Univer: 
fitäten ift. Daß fie dem Proteſtantismus und feiner Ver: 
breitung treffliche- Dienfte geleiftet haben, ift keinem Ge: 
ſchichtskundigen unbekannt. Auch die Eönigsberger Univer- 
fitat fpriht dafür. Das wußten die Gegner der Refors 
mation recht wohl; daher die Schwierigkeiten, die man 
ber Gründung einer neuen Univerfität, die im Dienfte des 
Proteftantismus zu flehen beflimmt war, entgegenftelite; 
und eine Beftätigung derfelben it weder vom Papſte noch 
vom Kaifer erfchienen, trogdem daß man mehrmals und 
ſelbſt unter freundfchaftlicher Vermittelung darum nad 
fuchte. Daß der Stifter der koͤnigsberger Hochſchule, Al: 
breht von Brandenburg, der letzte deutſche Dochmeifter, 
ein ebenfo kluger als wohlgefinnter Fuͤrſt war, zeigt ſich 
auch bei dieſer Gelegenheit, und unfer Verf. hat dies ſehr 
gut hervörzubeben verſtanden. Und wie viel Melanchthon’s 
Anfehen in gelehrten Sadyen bei Volt und Fürften ver 
mochte, dafür gibt Albrecht's Verhaͤltniß zu ihm recht fpre: 
chende Beweife: in gelehrten Dingen unternimmt dieſer 
Fuͤrſt beinahe nichts ohne deſſen mündlichen oder ſchrift⸗ 
lichen Beirath. Übrigens offenbart ſich in der vorliegen- 
den Arbeit eine gewiffe Misftimmung ihres Verf, wovor 
wie fhon Spuren in feinem Werke über Lothar III, vom 
Deutfchland wahrgenommen zu haben glauben. Wir thei= 
len nur eine Stelle hier mit, die offenbar für unfere Vers 
muthung ſpricht, befonders auch deshalb, weil das tout 
comme chez nous gar Mandyem, vielleicht zum Troſte, 
einfallen möchte: 

Wie fehr könnte das Inflitut der Privatdocenten in feinem 
Weſen und in feinem Wirken gefördert werden, wenn ibuen Die 
Berechtigung unb ber Anſpruch auf Vermaͤchtniſſe erſtͤnde ig 
weber der afademifhe Senat unter fi zertheilen noch eine | 
Staatsbehoͤrbe einziehen dürfte Dann biiebe ben Südidgen 








— u ‚is Aeou n! er -wün Ahr . 8 
daß * Deik der 5 die —* eiſchwert 8 die 
Lehrfreiheit erleichtert würde 


Don Beſchluß unter den Abhandlungen des „Hiſtori⸗ 
Then Zafchenbuh” macht Keßler's Verfuch, nachzuweiſen, 
daß Leopold von Braunſchweig, Neffe Friedrich's des Gro: 
fen,. 1785 den Tod in den Kluten bee Oder zu Fran: 
furt nicht gefunden habe bei dem Verſuche, Unglüdliche 
zu retten, fondern um dem Triebe eines uͤberſpannten 
Muthes Genuͤge zu leiſten. So fehr auc der Volks⸗ 
glaube duch Zradition noch für die erftere Annahme iſt, 
fo fehr auch Schriften, Geſaͤnge und andere Denkmäler 
an diefe Annahme erinnern mögen, die Sache bleibt def: 
fenungeachtet hoͤchſt zweifelhaft, wenn man die Rocalität 
und glaubwürdige Augenzeugen befragt. Und wie ber 
Berf. die Sache darftellt, indem er felbft glaubwürdige 
Derfonen als Gewährsmänner nennt, muß man allerdings 
gu der Überzeugung kommen, daß die Volksuͤberlieferung 
und die Schriften, die bisher biefelbe als echte Quelle be: 
trachteten, im Unrechte find. Die Gefchichte wird dadurch 
zwar um eine ſchoͤne Heldenthat demer, behält aber den 
edeln Menfhen zurüd: denn daß dies der Prinz war, 
daruͤber waltet Tein Zweifel 06, wiewol fein Oheim den 
Srund des edelfinnigen Wirkens mehr in Überfpannten 
Ideen als in reiner Derzensgüte und in dem Elaren Be: 
wußtſein fittlicher Verpflihtungen zu fuchen geneigt war. 

Mir fchließen unfere Anzeige mit dem aufrichtigen 
Wunſche, daß auch der neue Jahrgang diefes Taſchenbuchs 
fih als ein Mittel bewähren möge, wodurch neben der 
Schule und über diefelbe hinaus Bildung und Aufklärung 
befördert werden. Karl Zimmer. 





Kinderbewabranflalten in Toscana. 


Enrico Mayer aus Mailand, ber ſich gegenwärtig in Lon⸗ 
don befindet, las in der Societaͤt für Beförderung der Wiſſen⸗ 
ſchaften (Section für Statiſtik) einen Vortrag über die Kinder 
bewahrs und WBefchäftigungsanftatten Toscanas. Die erften 
Kinderafgle (wie fie dort heißen) wurden 1833 gleichzeitig in 
2ivorno und in Pifa eröffnet, bald darauf ein drittes in Florenz, 
worauf die Sache überall Nachahmung fand. Alle diefe Anſtal⸗ 
ten werben dur freimillige Beiträge erhalten. Es gibt ihrer 
jegt in Zoscana 20 mit 2000 Kindern Die jähriiche Ausgabe 
für ein Kinb beträgt durchſchnittlich (Localmietbe, Dienſtlohn, 
2ehrerbefolbung, Suppe, Alles sufammengerechnet) gegen 7 Zhir. 
Die Aufficht beforgen gewöhntich Damen « Gomites, deren Mite 
glieder einander abiöfen. Monatlich finden einmal Beratbungen 
der Somites ftatt, deren Stoff die in das Inſpectionsbuch ein: 
geichriebenen Bemerkungen zu liefern pflegen. Die Afyle find 
zum Beften ber Armen errichtet, und bie Kinder werden unent 
geittiy aufgenommen. Sie zerfallen gemeiniglich in zwei Elaſ⸗ 
fen, deren jede ihren befondern Saal und ihre befonbere Vorſte⸗ 
herin bat. Die erſte Elaſſe enthält Kinder von 18 Monaten 
bis zu 4 ober 9 Jahren; bie zweite Claſſe von dem letztern 
Alter an bie zu 7 oder 8 Jahren. Zu jedem Aſyl gehört ein 
Spielplag, auf welchem bie Kinder zu leichten gummaftifchen 
Übungen angeiviefen werben und nad) freier Wahl fpielen. Es 
iſt auch der Verſuch gemacht worben, Handarbeiten einzuführen. 
In Fiorenz gehören Kaufleute und Handwerker zu dem Gomité, 
weiche dafür forgen, den Kindern Befchäftigungen ihren Kräften 
‚angemeffen zu geben und fpäterhin es über ſich nehmen, ihnen 
ihr Kortlommen im thätigen Leben zu erleichtern. Handzeichnen 
und die Anfangegruͤnde der Geometrie und Mechanif werden in 


| un fe nie Fran als 2 Bierteiftunde fillfigen. 
: gionsunterridt leitet der Pfarrer des Kirchſpiels, in w 

"das Afyı befindet. ——— 
kann man fagen, die moraliſche Geſchichte des Inſtituts enthals 





der skeen Elaſſe Bei ben Auptenkeiten wiciliien 
dahin geſtrebt, bie Kinder einzeln ga beſchaͤſtigen; damit Ipmeiz 
Det, was bie Grgichung in- ber Familie grwaͤhrt, exheiteseihleibe 
und wicht die Werberbuiß, weiche den Fabrikarbeites amyu 

pflegt, unter ihnen einreiße. Weniger Unterricht als Erziehung 
ift das Augenmerk dee Directionens die Aſyle follen befanders 
auf die ſittliche Ausbildung des Bolks binarbeiten mb zwar 
durch die einfachften und mitdeflen Mittel einer mütterlichen: 
Leitung. Im Schulzimmer machen bie Kinder eine Reihe vom 
gen buch, welche barauf berechnet find, ihre geifkigen und. 
leiblichen Fähigkeiten zu. entwideln, ohne fle zu ermüben. am. 
Den Reli⸗ 


Die Vorfteherinnen führen Journale, melde, 


ten und in weichen fich zahlreiche intereffante Thatſachen aufge 
zeichnet finden, welche Zeugniß geben von: dem Arbeiten ber 


geiſtigen und fittliden Kräfte in einem Alter, das von den Paͤ⸗ 


dagogen und Moralphiloſophen noch nicht viel be tet 
Obgleich diefe Anftalten in Zoscana noch fo jung Pr iſt ii 
Einwirkung doch icon in unerwartet hohem Grade füklsar. 
Befonders auffallend ift es, wie fehr fi in den Aſylen der Ge⸗ 
fundheitezuftand der Kinder verbeffert bat. Die Unterfuchungen, 
welche die Mebicinalcommiffionen in diefer Beziehung angeftellt 
haben, ergeben böchft wichtige Refultate, nicht allein in Bezug 
auf die Kinder ſelbſt, fondern fogar in Bezug auf ihre Fami⸗— 
lien, und baber auf bie ganze arme Werdikerung des Städte 
und ber Diftricte, in denen dieſe liegen. In ben Aſylen ſterben 
nicht mehr als zwiſchen 2 und 3 Procent, während die gewöhne 
tie Sterblichkeit der Kinder zwifchen 2 und 6 Jahren in Pos 
renz fich auf 16 Procent belaͤuft. Daſſelbe Refultat ift in der 
Lombardei beobachtet werden, mo bie Afpte zahlreicher find ale. 
in Toscana. Guilten bie übrigen Ergiehungsanftalten des. Landes 
in echt erziehender Wirkfamkeit auf gleiche Höhe mit den Kins 
derafpien gebracht werben, fo müßte eine volftändige und durch⸗ 
gängige Reform des ganzen Erziehungsſyſtems in den Schuler 
jeder Art eintreten. Die moraliſchen Einwirkungen der Afyis 
find ebenfalls nicht auf die Kinder allein befchräntt, fonbeen er: 
fiteden fi auch auf deren Familien. Cine große Angapl der 
Kinder, welche das Aſyl von Florenz aufnimmt, kommt aus 
dem Findelbaufe, naͤmlich unter 600 Kindern 400. Seitdem 
aber das Inſtitut im Wolke befannter geworben ift, bat das 
Ausfegen ber Kinder abgenommen; die diterliche Liebe hat wieber 
die Oberhand gewonnen, und fo viele Hunderte, die ehemals 
der Name eines Findlings brandmarkte, find ihren Familien, 
ihrem Namen und ihrer bürgerlichen Stellung erhaliten. 

Am Schluſſe feines Vortrags ſprach Hr. Mayer. über die 
Vorzüge einer milden, menſchlichen und anleitenden. Zudhtweife 
vor einer harten und fchredenden. - Er bemerkte: „Wer ſieht 
nicht, daß ſchlechte Reitung des öffentlichen Unterrichts und vers 
tehrte Ausübung der Öffentlichen Armenpflege zu einer Vermeh⸗ 
zung ber Gtrafanftalten führen müflen, welche legtern doch 
ſichtlich unzureichend find, um Verbrechen zu verhüten! Und 
wer iſt nicht gezwungen, umgekehrt zu folgern, daß wir ein 
unterrichtsſyſtem haben, welches Feine Tugend lehrt, ein Wohl: 
thaͤtigkeits ſyſtem, welches dem Elend nicht fleuert, und ein Strafe 
foftem, welches den Verbrechen keine Grenzen ſetzt!“ 18. 





Biblingraphie. 


Bach, M., Die Sefuiten und ihre Miſſion Chiguitos in 
Südamerika. Eine hiſtoriſch⸗ etynographifche Schilberung. Her⸗ 
ausgegeben und mit einem Vorworte begleitet von G. &. Kriegf. 
Leipzig, Mittler. 8. 15 Nor. 

Der beutfche Bauer. Ein Volksbuch auf das Jahr 1844. 
Derausgegeben von G. Willkomm. Ifter 3a epeng- Mit 
Thaer's Portrait. Leipzig, Kollmann. Gr. 16. . 

Bentheim⸗Tecklenburg, M. Graf zu, Sandkoͤrnlein 


Nur. 

Beenkardi, R., EOprachterte wow Ooutſchland. Its 
Mestuh. ataschen und eridnienk KR, Bohn«“ Wr. 8, 
Ep. 15 Mor. 

Brenngtas, A., Berlin wie es ifb and — trinkt. Ptes 
De: Wante Ran töno, Ver legte Sonnenbruder, oder: Die 
deu nordbautfiden — Hiſtortiſch⸗ romanttich· 
en vagbok in fünf Aeten. Bus Darſtellung im ab» 
Dpem 
Eine, —4 Gr. 16 


en * eolorirtem Aitecbiid 

Charitas. Erflaabe fir 1844. Gefliftet yunıh E. v. Shen. 
ee Beenan. ar 3 Stahlflichen. Regensburg, 
Beutfihe Die —28 von Klopftock His auf bie neueſte Zeit. 
ine Diuferfammimg bdewifcher 2 zum Gebrauch in den 
mittlern unb obem Gtaffen daͤniſcher Lehranſtalten. Mit einer 


riterarhiſtoriſchen berſicht und erklaͤrenden Anmerkungen heraus⸗ 
gegeben von J. Fürs und G. J. J. Rung. Kopenhagen, 


£ @&. 8. 1 Io. 
Jeohtich, U. E., Der junge Deutſch⸗Michel. 
Zurvich, Meyer und: Seller. 


beſſerte unb vermehrte Auftagr. 
8 20 . 

Grimm, J., Deutsche Mythologie, Ite stark ver- 
mehrte und verbesserte Ausgabe, Iste Abthellung. Göt- 
tingen, Dieterich, Gr. 8. 3 Tur. 

Bass, R., Zur Geſchichte der ZIſchokkeſtiftung für Er⸗ 
wedung und Verbveltung volksveredelnder Schriften uns Bes 
gründen von Volksbibliotheken. 

M., Sauerlaͤnder. Gr. 8, nur. 

Hamann Schriſten. Ster zo. 2te Aotpeitung, Res 

. Me Hamann’s Bitbnif: Berlin, Reimer. 8. 2 Lhir. 


Nor. 

Johnſohn, 8. W., Dftindiens Gegenwart und Zukunft. 
ine poiitiſche, gefenlihe, merkantiliſche, landwirthſchaftliche 
und vollks ſittliche Darſtellung. Aus dem Engliſchen von C. Ri: 
chard. Aachen, Mayer. 1844. Gr. 8. 2 Thir. 

is. Taſchenbuch für das Jahr 1844 Herausgegeben 
vr %. ne Maitäth 5ter Jahrgang. Mit 6. Stahls 
ſtichen. Peſth, Heckenaſt. Gr. 13. 2 Thir. 25 Nor. 

Die — vor Hamburgs erdgefeffener Bern. 
Ben einem fremden Juden. Hamburg, Boͤdecker. Gr. 8. 10 Nur. 

Koldberup:NRofenvinge, 3. & A., Sendſchreiben an 

den Harn F. C. Schloffer, Geheimenrath "und Profeſſor ber 
Geſchichte zu Heidelberg. Kopenhagen, Gyldendal. 8. I Nor. 
one vang et 3 Bi Der Menſch und feine Erziehung. Jena, 

T% } 

Lätkia. Bine Novolle mit einer Parabel ale Rachwort. 
Abonigẽderg, Voigt. & 25 

Loge, R. H., Logik. Betpyig, WwWeibmann. Gr. 8. Ihre. 

Mager, über Velen, Einrichtung und paͤdagogiſche Bes 
dentung des ſchulmaͤßigen Studiums ber neuern Sprachen und 
Eieraturen und die Mittel, ihm aufzuhetfen. Züri, Meyer: 
und 3efker. Gr. 8. 9% Nor. 

Martenfen, D., Die drifttfche Taufe mb die Mt 
Zyagı. ones und Som, J. und X. Yerthes. Ge. 8. 

Mayer, K. A. ß —— dichte. a 33 
Sfbenburs, Sue 8 TUR 

Mignet, F. A., ee Shriften und Abhandlungen. 


Überfeet von 3. eis: Hiſtoriſche Abhand⸗ 
* Leipzig, — Gr. Föhr 22%, Ngr. ” 
Mind, M. G., UnivezfalsSerilon deu Erziehungs⸗ und 


Unterr ichta lere 
zes, Ganitatzhrten, Geiſtliche und Erzieher. Augsburg, Sehloſ⸗ 
ſer . 1 Thyhlr. 15 Ngr. 

Merard. P., Nourean Recueil giadrei de "Eraites, 
Caurentisas: et, autres Transactione unhlea,  sosvauı & 
la conneissance des: relations: &trangäres. des Puinsamoes et 


Verantwortilcher Herausgeber: NRelnrih 








Ne ver⸗ 


| 
i 
ı 


Site Zatredbergt, Srant: ‚Ein 


rodhaus. — Diud und Birlap von E E. Brsddaus in Seiyzig 


Miata Anus Yeiru raperäs üfkteuis. WEG Hi Ges copluz 
authealigees a —— fa Mi. 
Martens.) Tome 1. !’an 1840, avod des mu neu tens 
—— oollantien: Gecttiague Gr. in8. 
PR TUE 3, Gräfin, Some Gedichte. Peſtt. 
eckena 

Paganel, DM. C., Geſchtchte If F., Kaiſers vom 
Deutfihli Yeampöffinden yon Ar Kbpiee. Due 
Bände: i & 2 Ihn 


Beitrag Rirden und Degmengefihläte, Jena — 
&. 8° 1 Sm By Ro * 
ſind Bettes Boll} Eine Land 


erfen, A 
zum —E— ee Deutfchlande den 6. Augufl 


gepalten und (are, bei deutſche Wort herautgegeben. keipzig, Be 


gel. 


s und ttiche zu Weimar gehalten 
Wagner. 8. 
Roſcher, W Ryrrundrif zu Borlefungen über die Staate⸗ 
em a gefehlchttidyer Metbobe. Eeringen, Dieteriäh. 


Shab Schneoldchchen. Zafıkenpu 
! heiterung eben, X. Stunden für das, Jahr er ss * 





gel. 16. T Ei 15 Nor. 
Schartmann, E , Biötifdhe Diftichen. Worte u Rt 
: heit und der Gehebung in alle elın Berpätsuifien des Echens. Berlin, 
| ! Athendum. Gr. 16. 15 


Scheitlin, 9, al geſetzt meinem Zodtermane 

3. Fruͤh, Pfarrer in Herisau. Grundzüge feines Lebens un» 

i : Schidfals, nebft mehrern feiner Predigten. St.Gallen, Scheit⸗ 

mus Fr “ol De ati de eitſch⸗ Tutherfihen 

mib, ogma r van s tut 
Kirche bar ehe 15 unb re en Quellen belegt. ee Hey⸗ 
er r. 

Schuber & Kragen wvei Ei 

ante a ae 3 ade. Berlin, Hey⸗ 


mann. 
— — Gſammelte Novellen. —— Binde. Berlin, Hey 
mann. 1844 1.8. 4 Che 15 Kor. u 

Stimmen aus Dänemark: über bie fchleiwigichen Berkäit- 
niſſe. —— — von Auffügen aus dem daͤniſchen Wochen⸗ 
blatte. Ger en ben von 3. 3. Schouw. Kopenkagen, Gy 

n gr. 

 ofdenbut der nun Se ſchichte. 
G. Bacherer. Seſdich bes: Jahree 160. 004 8 Porz 
Darmfladt, — F * Wir. 230 

über den ber en Studien auf fittlichsuetigiäfe 
Geſinnung, nebft einigen Be über Bereinfachung des 
Symnafletunterrihts. Kaffe, Hotop. Ge. 8. 7% -Wer 

Bathinger, I. &., Der Swedenborgianiemus und feine 
neuefte Erſcheinung, nebfl dem Katechismus deu nenen Rinde, 
beurtpeilt. Taͤbingen, Dfionder. 8. Tiy Nee 


8 208% I. #:, Recke Digtungen. Feab Oecenaſt. 
r. 
Volle⸗Taſchen 1843, — von A. Stef- 


fens. Bertin, ——— * 8. 





Zoltikofer, $., Palınen und Gyperflen, auf die Geibes 
utwadh 


Heimgegangener. ae * A wu Kraueclidern umk- 
—— &.: Scheitlia und Beilileer A. “ 
y 





Blaͤtter 


für 


literariſche Unterhaltung. 





17. December 1843. 





Die neuefte Zeit in der evangefifchen Kirche des preu: 
Bifchen Staats. Ein praktiſcher Verſuch von Karl 
Bernbard König. 

weiter und legter Artilet.*) ' 
Wir haben den Begenftand, welchen die oben benannte 

Feine Schrift beſpricht — das politifche Kirchenregiment 

und feine Wirkungen, die Gebundenheit der evangelifchen 

Kirche, inebefondere im preufifhen Staate — zu eroͤr⸗ 

tern in einem früheren Artikel angefangen, und den In⸗ 

Hate der Schrift uͤberſichtlich dargelegt. Wir laffen jet 

die Bemerkungen folgen, welche wir nachfenden zu tolle 

am Schluffe ankündigten. " 

Darin flimmen wir bem Verf. auf das volltommenfte 
bei, daß es nicht lange mehr in der evangelifchen Kirche 
bleiben kann und darf wie es if. Ihr jegiger Zuſtand 
iſt nicht ohne mancherlei Gefahr, ift wider ihre wefent: 
lichſten Intereſſen, Ehre und Anfehen, unhaltbar. Man 
voird dieſer Meinungsäußerung jest nichts Kirchlich⸗ 

Demagogifhes mehr nachſagen können. Es iſt dahin 

gekommen, wie einft im 15. Jahrhundert, daß das lange 

verleugnete Ubel und Reformbeduͤrfniß wiederhoft felbft 
officiel anerfannt wurde, fehr nachdruͤcklich noch vor ganz 
kurzem von ber erſten evangelifchen deutfchen Regierung 
ſelbſt, der preußifhen. Wir haben hierbei das wichtige 

Höchft bedeutfame Minifterialausfchreiben vom 10. Juli 

dv. J., unterzeichnet vom Cultusminiſter Eichhorn, im 

Sinn, das zuerft durch die „Allgemeine Preußifche Zei: 

tung ’ veröffentlicht wurde, und auffallenderweife von ber 

Tagespreffe wenig beachtet zu fein ſcheint. Es bezieht ſich 

im Eingange darauf, daß der König bereits vor längerer 

Zeit Über den ungünfligen Zufland des kirchlichen Ge: 

meindeweſens ſich geäußert und den Miniſter zur Einrei⸗ 

Hung folder Vorfchläge aufgefobert habe, die geeignet 

fein möchten, den betreffenden Mängeln und Übelftänden 

abzuhelfen. Der Miniſter gefleht zu, was der kirchlichen 

Dppofition felt Jahrzehnden fo oft und hitzig und body 

fahrend abgeſtritten ift, daß bie evangeliſche Kiche — er 

fel je Länger je mehr zu diefer Überzeugung gekommen — 
wenn ihr „mahrhaft und dbauernd’’ geholfen werden folle, 
nit nur „von Selten des Kicchenregiments geleitet“, fons 
dern vornehmlih aus eigenem Innern Leben und Antriebe 


®) Bol. ven erften Art. in Ne. 317-3200.8. D. Red. 


erbaut fein wolle, unb daß mithin „eine gründliche Ab⸗ 
bülfe der ihr beimohnenden Mängel nicht ſowol durch 
die Darreihung von Staatsmitteln und durch eine ans 
orbnende Thaͤtigkeit Seitens der Kirchenbehörden erwartet 
werden koͤnne, als vielmehr von der allgemeinen Aners 
tennung des Übels und von der Vereinigung gemeinfas 
mer Kräfte, befonders aber von den Gemeinden ausgehen 
mäfle”. Der Miniſterialerlaß ordnet fodann Synoden 
ber Geifllihen zu dem Zwede an, daß bie letztern Ans 
träge und Vorfchläge entwerfen und einreichen möchten, 
welche geeignet, namentli die Gemeinden zu gewinnen 
und den chriftlihen Gemeinſinn zu beleben, „dohne weis 
chen nichts Bedeutendes in der Kirche Chriflt je gefchehen 
ft und gefchehen kann”. 

Das fagen und wieberhofen nun auch wir: allgemeine 
Anerkennung des Übels iſt das Erſtnoͤthige, und wenn 
je, fo ift es jest an der Zeit, mit allen Kräften dahin 
zu wirken. 

Sodann gilt e8 der Frage, was beim jetigen Stande 
dee Sache gefchehen fol? Es iſt hundert Mal vorgeloms 
men, daß man oben die von unten ausgehenden Reform⸗ 
wuͤnſche und Anträge vornehm ablehnte, den auf Drgas 
nifation und Mepräfentation der Gemeinde und Kirche 
amtragenden Geiftlichen fagte: thut ihe nur eure Schufs 
digkeit in euerm Kreife, kuͤmmert eudy nicht um bie Lei⸗ 
tung, Stand und Wefen, Befferung oder Michtbeffes 
sung der Kirche, das geht uns allein an. Man bes 
bezeigte damit nur, wie wenig man auf Selten der Re 
gierung und Gonfiflorien das übel kannte oder anzuer⸗ 
tennen geneigt, tvie weit man dort von den Anſchauun⸗ 
gen und Grundfaͤtzen der Reformatoren und ber Refor: 
mationsepoche hinweggefommen war, tie tief man fich 
dort mit Anfichten und Marimen, welche dem Principe 
des peoteftantifchen Kirchenrechts und Weſens geradezu 
widerſtreiten, durchdrungen hatte. Niemals tft damit ets 
was ausgerichtet und jegt auch nichts mehr gefagt. Der 
preußifche Guftusminifter bat ſich gerade an die Geifttfe 
chen gewendet, fie aufgefodert, zuerft jene Dinge zu beras 
then und anzufaffen, in welche ihnen fo oft verboten iſt ſich 
einzumifchen ; ee bat es (in jenem Erlaſſe) laut und uns 
vergeßlih in die Kirche hinelngeredet, es dürfe erwartet 
werden, daß „bie Geiftlichen es felbft am tiefften empfins 
den werden, mie fie unter ben gegenwärtigen Verhaͤltniſe 


> gn 


em auch bei der gewiſſenhafteſten Treue ſich außer Stande 
eg ihr Amt auf eine den Anfoderungen deſſelben 
entſprechende Art zu verwalten”, und „nicht von ber an: 
orbnenden Thaͤtigkeit Seitens der Kirchenbehoͤrden könne 
eins gruͤndliche Abhulfe erwartet werden”. ‚ 
: Bon ber andern Seite aber iſt zu erinnern, daß mit 
muͤtßigen Klagen über die Kirchenbehörden, wie man 
fie fo häufig gerade über diefe hört, und mit faulem Zus 
warten nichts gethan ift. König fagt: 

i a8 von und hören laffen und müffen ges 
hoͤrt te ü nd vie weiſeſte —A nicht im Stande, 
unfere Beburfniffe zu Befriedigen, wenn wir nicht unfere wah⸗ 

Bebürfniffe erfannt und an das Licht gezogen haben. Mit 
Ertafen: fo ſoll's unten fein, ift nichts geholfen; wir bitten 
vielmehr um Genehmigung Deflen, was die Beſten unter uns 
ats das Beſte erkannt, berathen und empfohlen haben. 
Aunlich redet der preußifche Miniſter im angeführten 
Erlaſſe den Geiftlihen zu. Und ähnlich wie in den Zei: 
ien vor ber Reformation fiegt auch jegt die Schuld der 
kirchlichen Gebrechen nicht blos oben, fondern auch unten 
und überall, Überhaupt weniger an einzelnen Perfonen 
als im Gefammtgeift und in den Verhältniffen, die feine 
Reinigung, Belebung und Berhätigung hinderten und 
hindern. Sie liegt jegt noch viel weniger als damals 
an dem etwa mangelnden guten Willen, Geſchick und 
Fleiße der Kirchenhaͤupter, der Mitglieder der Regierun⸗ 
gen und Conſiſtorien, die ſich vielmehr nicht felten für 
Die Kicche auf das gemwiffenhaftelle Tag und Nacht mit: 

en und abs und todtarbeiten, mit einem Eifer, der eines 
beffern Erfolgs freilich blos werth wäre. Selbſt in den 

Beiten ber größten ntartung des Kirchenregiments — 
8 war im J. 1518 — fchrieb Luther (im Urtheile über 
bie Perfon allerdings einigermaßen irrend): 

Wir haben jego einen fehr guten Papſt an Leone dem Zehn: 
ten, an beffen Wohlmeinung und Gelehrfamkeit alle Redlichge⸗ 
fnnte, die bavon hören, eine Freude und Vergnügen haben. 
Xber was kann dieſer fo angenehme und liebreie Mann, ba 
bie Sachen fo fehe verwirret find, allein ausrichten? In keinem 
Theile der Chriſtenheit fpielet man mehr mit den Päpften, als 
in Rom u. f. w. 

So koͤnnen wir noch viel mehr fagen: Wir haben 
jegt ſehr gute Regierungen, Gonfiflorien, Kirchenhaͤupter, 
Guitusminifer u. ſ. w., an deren Wohlmeinung und Ge: 
lehrſamkeit alle Redlichgefinnte, bie davon hören, Freude 
haben. Aber was innen diefe fo angenehmen und lieb: 
zeichen Behörden und Männer allein ausıf ten, da bie 
Sachen fo fehr verwirrt find? wenn auch noch nicht ein; 
mal binzulommt, daß frommthuende Intriganten mit ihnen, 
mit ihnen am meiften, fplelen u.f.w. Der preußifche Cultus⸗ 
minifter bat es zugeſtanden — er fo wenig als andere 
Maͤnner des. Kirchenregiments ſollen angeſchuldigt wer 
den — fie thun, was fie koͤnnen — nur eine Suͤnde 
koͤnnte ihnen nicht verziehen werden, weil «6 die Suͤnde 

idee dem heiligen Geiſt ifl, eine Sünde, deren ſich Papft 

0 ſchuldig machte und nach ihm ned viele Däupter, 
eine Sünde, die Miniſter Eichhorn eben meidet, die Sünde 
ber Nichtanerfennung des Übels, obwol es Bar vor Aus 
gen liegt, der tauben Ohren beim Rufe nad) Reforma⸗ 


3 * 
Mlo 


tion ber Kirche, des Hemmens und Hinderns, wo fie 
wit gutem Grunde begehrt wird. 

Aber noch einmal: was foll num geſchehen? König 
und mit ihm nicht Wenige rathen zu einer , Ausbefle- 
rung der bisherigen’ Pischlichen, der Gonfiftori fung”, 


und biefe Ausbefferung fell dann in einer Ausbihung der 


vorhandenen Kircheneollegien (was noch das Beſte) deſte⸗ 
ben und ſich Übrigens auf einige Anderung in den Ber: 
bältniffen dee Superintendenten, Gonfitorien u. f. w. be ' 
ſchraͤnken. Wir erinnern und, König macht Schleier: 
macher's Anficht zur feinigen; allein nach Schleiermacher's 
Anſicht kann die Confiftorialverfaffung nur als ein Durch⸗ 
gangspunkt betrachtet werben, auf weichem ſich bie evan⸗ 
gelifche Kirche in den meiften Ländern für ihr wahres 
Wohl ſchon zu fange derweilt, und iſt mit einer bloßen 
Reinigung und Verbeſſerung derſelben fo gat als nichts 
zu gewinnen. König geraͤth demnach In einen Widerſpruch 
mie ſich ſelbſt. Überhaupt if er fich nicht Her über den 
Unterfhied im Weſen und Charakter der proteſtantiſchen 
Kichenverfaffung, wie fie urfprünglihd war und wie fie 
iegt iſt, weshalb denn auch feinen Vorſchlaͤgen die 
Klarheit und Sicherheit mangelt. Ihre Ausführung 
würbe jedenfalls nur eine Verbefferung herbeiführen, mit 
welcher fo gut als nichts zu gewinnen, von ber eine 
ruͤndliche Abhuͤlfe beftimmt nicht zu erwarten wäre, weil 
ie die Wurzel des Übels unangerährt laͤßt. 

Man hat eben recht forgfältig zu unterfcheiden. Die 
peoteftantifche Kirchenverfaffung iſt feit ihrer Gründung 
almäfig eine ganz andere geworden, und zwar innerlich 
faft noch mehr als äußerlich, keineswegs blos der Form, ſon⸗ 
dern der eigentlichen Grundlage, dem Princip nach, das 
nut rechtlich noch befteht, an deffen Stelle thatfächlich ein 
weſentlich verfchledenes, ein entgegengeſetztes getreten if. 
Eden datum iſt es aber auch etwas ganz Anderes, wenn 
man von einer Reform ber „bisherigen, der Confiftorial: 
verfaſſung“ — richtiger des landesherrlichen Kirchenregi- 
ments — redet, ob man im Sinne hat: ihrk Zuruͤckfuͤh⸗ 
rung auf ihre uefprimgliche Geſtalt und Weſen und ihre 
Bollendung durch Ausfüllung der Lüden, welche ihr ba: 
maltger Organismus ſchon zeigte, oder ob man ein, wenn 
auch nod fo fleißiges und geſchicktes, Ausbeflern” der 
„bishetigen“, der afaffung meint, wie fie ift. 

Was urfpränglih Leitung der kirchlichen Angelegen⸗ 
beiten im Cinverfländuig mit der Gerneinde bei einer 
großen Lebendigkeit des Bewußtſeins der Eirchlichen Ge 
meinfhaft war, Leitung durch die angefehenften, eines 
tur damals möglichen und wirkllchen Vertrauens in 
Glaubens: und Lehrſachen genießenden, geiftlihen und 
weltlichen Glieder der Kicche und unter Vorausfegung des 
bewußten Gemeinderechts, über die wichtigſten Acte ber 
Ausübung der Kirchengewalt in letzter Inſtanz, genehmi⸗ 
gend ober verwerfend, zu entſcheiden, — was landesherr⸗ 
liche Ausübung der Kirchengewalt durch kirchliche Behoͤr⸗ 
ben in bemeffenen Schranken und umter dem vorwiegen⸗ 
den Einfiuffe je nach dem Mathe der Reformatoren war: 
Das iſt jegt den Wefen und dee That, großentheils ferbft 
auch bes Form nad Beherrſchung der Kirche, fürſtüches 














A) 2 Zu DE SE 2 SE, Ba 


Bu 


Sieuneeginns. hanh. Krugams. dar :€ 

kirchlich war, iſt politifch, was geiſtlich, weitlich geworben. 
Die beruhte urſprienglich auf einem Zufam⸗ 
menwirken von Geiſtlichen und getehrten Laien zum frei⸗ 
Ich landeshertlichen, doch im Sinne det Kirche und kei⸗ 
neswegs mit abſolutiſtiſcher Machtvollkommenheit, fondern 
nur mit beſchraͤnktem Antheile der weltlichen Regenten zu 
führenden Kirchentegkment. Die Staatbbehoͤrden, die Eonfi⸗ 
ſtorien, die Theologen in und außer denſelben, die Fuͤrſten 
und deren Beamten — Alle hatten eine andere Stel⸗ 
lung; als jegt und was noch mehr iſt, die Regenten und 
die von denſelben zum Kirchenregiment verordneten geiſt⸗ 
lichen und weltlichen Perſonen lebten und uͤbernahmen 
und überkamen die Leitung der Kirche in ganz andern 
als den gegenwärtig fie meiſthin beherrſchenden Vorſtel⸗ 
lungen von ihrer Stellung und deren Rechten und Pflich⸗ 
ten, naͤmlich in den Vorſtellungen der Reformatoren, der 
proteſtantiſchen Lehre, die aber ſpaͤterhin theils vergeſſen, 
theils misverſtanden oder misdeutet wurden. 

Die Reformation hatte begonnen mit Berufung auf 
die Gemeinde und deren Recht der Selbſtbeſtimmung in 
den Glaubensſachen, feierlichem Proteſt wider die ſtatt⸗ 
findende Beherrſchung der Kirche Seitens der Hierarchie, 
welche die weltliche Macht heruntergedruͤckt und ſich dienſt⸗ 
bar gemacht hatte. Luther ruͤhmte ſich mit Recht, bie 
(egtere wieder zu Ehren gebracht, von dem hierarchiſchen 
Alp befreit zu haben; war aber meit entfernt, fie zur 
Kirchen: und Glaubensherrin machen zu wollen. Bu der 
Zeit, als bie proteftantifche Kirchenverfaffung begründet 
murde, hatte er fih durch den Bang der Ereigniffe und 
äwingende Verhaͤltniſſe freilich genoͤthigt gefehen, feine ur: 
fprünglichen Ideen theilweis aufzugeben, 3. B. bie Fode⸗ 
rung für jede einzelne Gemeinde, von Rechtswegen felbfl 
ihre Lehrer zu ernennen. Dagegen war er — und wa⸗ 
ren mit ihm die übrigen Meformatoren — feft geblieben 
bei ihren religioͤſen geiftigen und nichts weniger als welt: 
fihen und mechaniſchen Auſchauungen von der Slicche, 
deren Regierung und Verhaͤltniß zum Staat. 

Kein Deinrih VII. fand ſich unter den deutſchen 
proteftantifchen Fitſten der Reformationsepoche, ber die 
Herrſchaft Über dij Kirche ſich angemaßt oder das Refor⸗ 
miren angefangen daͤtte. Sie billigten und förberten mas 
geſchah, und indem fie Mitgrunder der proteftantifchen 
Kirchenverfaſſung wurden, gingen fie volllommen ein in 


jene Anſchauungen der Reformagtoren, welchen zufolge das 


weltliche Regiment ein Werk göttliher Ordnung ift, ges 
fegt nicht bloß zur Erhaltung des dußern Friedens, fon: 
dern zugleich zum Dienſt der Kirche als des Reichs Bor: 
tes, welcher Dienft die Verpflichtung in füch fchließt, die 
Kirche als deren vornehmfle Glieher alfo zu regieren, 
bei Frieden und Freiheit zu ſchützen und zu vertreten, 
daß diefelbe ununterbrochen: ihrem Berufe leben könne, als 
Mittel ber. eriöfenden Thaͤtigkeit Chriſti das göttliche Wort 
zu erhalten und zu verbreiten. So wenig dem Landes: 
beren eine Gewalt über die Kirche, Lehre und Glauben 
zukommt, 5— ri den Geiſtlichen,  beAin- nur rin 
Amt in dee —* gegeben iſt, weiches im Fortpflanzung 


der Bahre und Mertens 
keſneswegs nach ſubſectip den 
‚ febendigen Bewußtſein ia 
Mit diefem — das etwas ganz Anderes iſt als der..todte 






| Dalieln in 
ta, 10% ons ‚aaa, dem 
mmelidger Mitglieden ber; Kirche» 
Buchftabe ſymboliſcher Bücher aus laͤngſt nticwundeges 
Zeit, die fein gerader Gegenfas fein kinnen — mit dem 


lebendigen Bewußtſein fämmeliher Mitgfieder der Kirche 


alfo bat fi das Lehramt wie das Kirchenregiment in 


Ubereinſtimmung zu erhalten, Es ift für jenes wie für 
‚ diefes das Beſtimmende und Legtenticheidenbde. 
wiewol der Lehrſtand, was ihm betrifft, wegen ber bei 


Denn 


ihm vorauszuſetzenden Einſicht weſentlich berufen iſt, bei 
allen Lehr⸗ und von der Lehre abhaͤngigen Entſcheidungen 
mitzuwirken, fo ſtehen dach die letztern fo ſehr bei ber 
Gemeinde, daß dieſer das volle Recht beimohnt, ſogar den 
ganzen Lehrſtand zu verwerfen, fans feine Lehre als Str: 
lehre fich zeigte. Die Form für die Ausübung des Ger 
meinderechte, für die Kundgebung des Urtheils der Kirche, 
iſt die apoftolifche der Spnoden, an welden bie Laien 
Theil nehmen mit dem Lehrſtande. Sind fie nit vors 


: handen, und if die Gemeinde nicht organifiet, fo müffen 


mindeftens bei den Lehrentfcheidungen und davon abhaͤn⸗ 
genden Belhlüffen und Beſtimmungen Laien zugezogen 
werden, fo fommt der Gemeinde mindeſtens ein Wider: 
fpruchsrecht zu. Und bat der Landesherr, was ihn ans 
langt, als oberfles Mitglied der Kirche nad) göttlichen 
Willen den Beruf, das Kirchenregiment zu führen, fo 
kann er doch feinerfeits nicht berechtigt fein, dies allein 
und in beliebiger Form zu thun, fondern er iſt babei an 
die Belenntniffe, den Ausdruck der Glaubens⸗ und Mil: 
lensmeinung der Kirche, gebunden, iſt verpflichtet, Sachs 
tundiger dabei ſich zu bedienen, und zwar nicht etwa 
blos als willenlofer Werkzeuge feiner eigenen Beſtimmun⸗ 
gen. Die von ihm eingefegten Gonfiftorien find nicht 
mechanifche Drgane feines Kirchenregiments , und da dies 
fe8 ein Dienſt ber Kirche iſt, fo dürfen fie fo wenig zum 
Mittel eines Kicchenbeherrfchung misbraucht werden, als 
bazu ſich aufwerfen. Sie find nothwendig felbftändige 
Behörden und mit geiſtlichen und weltlichen Beiſitzern zu 
beftelen, damit durch Jene Buͤrgſchaft gegeben fei, daß 
bie Thaͤtigkeit des Kirchenregiments ſtets im Einklang 
nit dem Bekenntniß erhalten werde, damit biefe beurkun⸗ 
den, daß die Kieche nicht einen herrfchenden Priefterftand 
anerbenne, fondern den gleichen Beruf aller ihrer Glieder 
achte. Ein Mehres ſteht dem Kirchenregimente, Dem 
Lehramte nicht zu, nur in dieſem Sinne iſt jenes wie 
biefed anerkannt, und greift das Eine oder Andere weiter, 
wird dad Eine oder Andere nicht in diefem Sinne geführt, 
fo geſchieht es wider göttlihes und menfchliches echt, 
fo iſt Zyrannei vorhanden, „der Kirche Feindin“, wie 
Melanchthon fagt.*) 

(Die Vortſegung folgt.) 

9 Bol. Richter, „Die Grundlage ber Iutherifchen 
verfaffung ”, in Reyſcher's und —88 — er 
[ches Recht und Rechtswiſſenſchaft“, Bb. 4, wo die Beweisſtel⸗ 
ten aus den Schriften der Reformatoren und ben fombolifchen 
Büchern in fehr guter Benugung zu finden. 





nn —————— — — — — 


ur 


Miecellen aus dem Gebiete der GSeſchichte und Satire. 
Bon Rudolf von Grotereutz. Berlin, Hayn. 
’ 1843, Gr. 13, 1 The. 


Ref. Hat ſchon mehrmals die Behauptung ausgefprochen, 
DaB die Bufammenftellung von Auffägen aus ganz verfchiebenen 
Gebieten, oder fogenannte Miscellen, durchaus nicht fürs ein 
Buch gelten können. Ein Buch muß eine Sinheit des Gedan⸗ 
tens enthalten, muß eine innere Nothwendigkeit haben; Beibes 
febit ſoichen ſogenannten Miscellen; fie find Zeugniffe von uns 
ferer aphoriſtiſchen Bildung. Wehr als zwei Drittel des ganzen 
Buchs werden von hiſtoriſchen Mittheilungen eingenommen s 
Lord Gtive's Leben und Warren Haſtings find, wie Hr. von 
Groscreutz ſchreibt, nach dem Englifchen, alfo wahrfcheintich Übers 
fegungen. Dafür wird fih ‚Hr. von Groscreug natürlich eben 
ein Verdienſt anmaßen wollen ; od die Überfegungen als foldhe 
gut find, kann Ref. nicht beurtheilen, da der Überfeger die Ori⸗ 
ginale nicht nennt; das Deutſche iſt fließend. 

Sm letzten Drittel des Bandes ſtehen ſatiriſche Miscellen 
Der Verf. hat wol einige Anlage zum Humoriſten, aber er 
ſchleppt an der Gelehrſamkeit ſchwer; populair iſt ſein Humor 
nicht, und doch ſcheint er ſich disweilen ins Oberflaͤchliche zu 
verlieren. Der erſte Artikel „Sin Geiſterbeſuch“ ſpinnt ein 
einfaches Thema gar zu weit und zu wenig pikant aus. Wenn 
man fatirifch zu Felde ziehen will gegen immobderne und moderne 
Romanliteratur, jo muß man ganz andere Pointen herausfuchen. 
Daffelbe müffen wir fagen von dem Artikel „Zur Literaturges 
ſchichte des naͤchſtkuͤnftigen Decenniums“; ber Gegenftand hätte 
viel univerfeller und tiefer gefaßt werben müffen, und wenn ſich 

uch darüber fcherzen laͤßt, To durfte doch die furchtbar ernfte 
eite nicht unberüdfichtigt bleiben. Der Auffag „Das Publicum, 

Dere oder Knecht?" fcheint ung in einer zu befchränkten Sphäre 

gehalten zu fein. 29 





giterarifhe Notizen aus Frankreich. 


Neue franzdfifhe Romane. 

Zu Nus und Frommen unferer zahlloſen überſetzer, denen 
ſich Gott fei Dank in der jüngften Zeit nun endlich auch bie 
fEandinavifche Literatur erſchloſſen hat, wollen wir unter den 
kuͤrzlich erſchienenen franzoͤſiſchen Romanen diejenigen hervorheben, 
die wir mit beftem Wiſſen und Gewiſſen unfern immerfertigen 
fberfegungsfabrilen empfehlen Eönnen. Wir rechnen dazu, um 
wit dem belichtefien Autor anzufangen, ,‚‚Sylvandre‘’ von 
%. Dumas. Mehre der literariſchen Blaͤtter Italiens haben 
diefen fruchtbaren Schriftflellee mit einer Wuth und ciner Ers 
bitterung angegriffen, die um fo unerklaͤrlicher iſt, da es ihnen 
doch unmoͤglich unbekannt fein Tann. baß die von ihnen fo viel 
fach angefeinbeten Skizzen aus Italien (z. 8. „Corricolo” etc.) 
nicht von Dumas, fondern von einem jungen Italiener, dem ber 
berühmte franzoͤſiſche Autor nach jegt beliebter Manier nur feis 
nen lodenden Namen geliehen hat, herrühren. Ganz beachtens⸗ 
werth ift auch der Roman „La recherche de l'inconnu” von 
A. Delavergne, ber nur dem Zitel nach an ein bekanntes Wert 
008 Balzac erinnert. U. Delavergne bat fich in feinem hiſto⸗ 
sifchen Roman „La duchesse de Mazarin‘’, ber zuerſt in der 
„Revue de Paris’ erfchien, als tüchtiger Zeichner hervorgethan. 
Mehr um feiner Verf. als um feines wirklichen Gehaltes willen 
erwähnen wir der „Ki&onore“ von der befannten Mad. Eopbie 
Boy. Gleichfalls von einer Frauenhand verfaßt, aber ungleich 
intereffanter iſt das „Chateau de Pinon‘’ von der Eräfln Dafh. 
Die liebenswürbige Dame, die ſich hinter diefem Pſeudonym 
birgt, beißt eigenttiih Gräfin von Ging: Mars und gehört zu 
der bekannten alten Familie dieſes Namens. Diefe geiftretche Schrifts 
fiellerin, bie ein rein artiftifches Leben führt, ſpukt in ber parifer 
Tagesprefſe unter verfchiedenen Masten. Bon ihr rühren unter 
Anderm bie brillanten Kunſtkritiken ber, weldhe das Journal „La 


presse” unter ber Chiffre Daniel Stern bringt, und in denen bei | 


Gelegenheit der vortekten Aunfiiköltekuls unferk wanpaftın 
Landemann MBinterhafter fo arg mitgeipieit wurde. SIye vor 
legter Roman „Les bals masqusa‘ hat allgemeinen Meist ge⸗ 
funden, und ihr neueſtes Werk, das wir oben angeführt haben, 
wirb gewiß nicht minder anfpredien. Gegenwärtig arbeitet fir, 
wie verlaufet, an einer Geſchi bee pariſer Salons, eine 
Aufgabe, die von der Derzogin von Abrantes in ihrem befannten 
Werke auf eine nur wenig befrichigende Weiſe gerät il. Ei⸗ 
nige anonyme Skizzen aus dem heutigen Befeliichaftsieben zu 
Paris, bie vor furzem in einer verbreiteten beutfchen Zeitung 
erſchienen find, follen, wie uns verfichert wird, Proben aus dies 
ſem intereffanten Werke fein. Wir reihen hieran eine gemein 
f&afttiche Arbeit von zwei jungen Dichtern, beren jeber füch bes 
reits einen Ramen gemacht hat und bie auch beibe ſchon gemein- 
fehaftlih aufgetreten find. Wir meinen „Milla et Marie‘ von 
Jules Sandeau und Arfene Houffaye. Bir baben ber interef: 
fanten Skizzen Bouffaye’s, die jegt unter dem Titel „Le 1Bicme 
siöcle“ — 38 — erſcheinen, in d. Bl. bereits gedacht. Ber 
turzem bat die „Revue de Paris” einige neue Sunftauffäge 
aus feiner gewandten Feder gebracht, unter benen wir insbeſon⸗ 
bere eine ganz vortrefflidde Abhandlung über ben berühmten 
Boucher und den Stand der Malerei unter Lubiwig XIV. ber: 
vorbheben. Zum Schluß machen wir noch auf einen neuen Ro 
man vom demolratiich gefinnten Verf. ber „Souvenirs d’ua 
enfand du peuple” aufmerkfam. Derſelbe führt den Zitel 
„L’bonneur du marchand” und ift ganz in bemfelben Geiſte 
gefchrieben wie bie frühern Werke des naͤmlichen Verf. 


Sammlung verfhiedener Schiffsmodelle. 

Bon allgemein ethnographiſchem Intereſſe ift eine Sammlung 
der verichiedenen Schiffsconftructionen aller außereuropäifdgen 
Völker, die vor kurzem von Hrn. Päris unter dem Zite 
„Bssai sur la construction navale des peuples extra - euro- 
pen ou :collection des navires et pirogues oonstreits par 
es habitants de l’Asie, de la Malaisio etc” herausgegeben if. 
Dr. Paͤris ift ein Mann von Fach und befteidet in der franzd- 
ſiſchen Marine einen ehrenvollen Poften. Wir wiffen nidyt, ob 
ee mit bem befannten Archäologen und GSprachforfcher gleichen 
Ramens zu Paris und dem Bruder beffelben, ber in ber Provinz 
lebt und ſich gleichfalls durch gelehrste Werke, 5. B. über die 
alten Zapiflerien, bekannt gemacht bat, verwandt iſt. Geiz 
Werk ift auf Befehl und mit Unterflüsung der Regierung bers 
ausgegeben und bat wirklichen Werth; denn wie eine Geſchichte 
der verſchiedenen Waffenarten wichtige Beiträge zur Bölferkunte 
liefert, fo verbreitet auch eine Darftellung der verfchiebenen 
Schiffe, deren fig bie wilden Voͤlkerſchaften Aliens und me 
rikas bedienen, Über die Kenntniß dieſer Nationen manches Licht. 
In artiflifher Beziehung iſt das vorliegende Werk fehr gut 
eneitet. Es umfaßt 130 trefflich gezeichnete Kupfer: 
afeln. 2. 





Literarifhe Anzeige. 


In meinem Verlage iſt neu erſchienen und durch alle 
Buckhandlungen zu erhalten: 


Waagen (&. $.), Runftiwerfe und Künftler 
in Deutfhland. Erfter Theil. 

Kunfiwerte und Rünftier im Eezge bie 
ur e un unsere erige e 
und in Frauken. Sr. 12. Geh. te 15 —* 

J ah li W fi ’ { t i n 

Runfiwerke und Künftier in Ei Bed 

verbreitet ſich ber Verfaſſer Hier über Kunſtwerke und Kuͤnftier 

in Deutfchland. Die Schrift Bann Kunftfreunden befonbers auch 

als ein nügliches afebanbbud) gapfoblen werben. 


Eeipzig, im December 1 
$. A. Brockhaus. 





Berantwortliher Dreausgebers Heinrich Brokhaus. — Drud und Berlag von F. 4. Brodhaus in eipzig. 


% 


literarifcht Unterdettung 


Bitter 


ger, n....n. 


. "im 
une“ 0: 9 





De 


Zeit i in der evangelifchen Kirche des preußis 
aats. Ein praftifher Verſuch von Karl 
bare König. 
gweiter Ka legter Artikel. 
(Bertfegung aus Ar. BL) 

Nun ift-aber die urfprüngliche proteflantifche Kirchen: 
verfaffung ‚nicht blos fo unvoliendet geblieben, daß es zur 
DOrganifation der Gemeinde, zur Repräfentation der Kirche 
* kam, ja daß nicht einmal das Widerſpruchsrecht 

gewahrt wurde, indem man nie ſeine 

5 und Bedingungen feſtſetzte; ſondern fie iſt offen: 
bar theils der Korm, noch mehr aber dem Weſen nad) 
in eine Gäfareopapie umgefchlagen. Die Confiftorien find 
luaͤngſt nicht mehr, was fie urſpruͤnglich waren, die Kir: 
chengewalt wird großentheild durch die Organe der Staats: 
gewalt und nad) einem, über das zugeflandene weit bin: 
ausgehenden Maß grabt, und wo die urfprüngliche Ber: 
foffung der. Form nach noch beſteht, da-find doch, man 
wird es nicht leugnen wollen, bei ben das Kirchenregi⸗ 
went Ausuͤbenden an die Stelle der, der ganzen Verfaſ⸗ 
fung zur Grundlage dienenden Anſchauungen und Bu: 
ſtaͤude, mindeſtens ſehr oft, ganz andere getreten, wodurch 

‚ watwrgemäß und nothwendig der sung Charakter des 
Airch ammgeändert wird. Es iſt ein charakte⸗ 
aiſtiſches Deichen des gegenwaͤrtigen Zuſtandes daß in 
Freußen die Noth der Kirche, das Beduͤrfniß der Beſſe⸗ 
zung, die Einleitumg zur Reform bedacht, in die Hand 
genommsen :wirb.vom Koͤnige und deſſen “Dinifier, ohne 
daß Der Gonfiſterien auch nur Erwähnung geſchaͤhe; fruͤ⸗ 
derer Vorgaͤnge zu geſchwelgen, wo die tiefgreifendflen 
Maßregeln geradezu aus dem’ königlichen Cabinet emanir⸗ 
cn. Wer kannte es leugnen oder die Daraus hervorge⸗ 
bende Gefahr Überichen, dag Die Kirche, Lehre und Lehr: 
freihe it ſchon dadurqh der weltulchen Wade in die Hände 
geliefert IR, wenn der Landesherr nach perſoͤnlichem Er⸗ 
meffen bie —* ‚ wm Umwiverfitätprofeffer dis zum 
Dorffchulmeiſter, ernennt? Sind dann audy noch die 
Behimmungen üͤber die PYreſſe von ihm abhängig u. ſ. w., 
ſe befigt er weis mehe Gewalt, als Kalfer Sultan nächte 
m” —* glaubte, wen‘ das’ Heidenthum wiederherzuſtellen. 
Dis. isthediihe Anuchenverfaſſung trug von ihtem Ent⸗ 
chen anı win. Krim der Eorruption, des Untergangs In 


4, und ae. Infiuige dadon, jener. Eriakkatung zu einer 


hfareopapie, traten ſchon in ihrer erſten Periode berder. 
Anfhauungen, weiche in begeifterten Momenten entftehätt; 
ſich feftfegen, Halten ſich doch auf Die Länge nie ganz von ſelbſt. 
Edle Grundſaͤte des Rechts oder Regiments, anerkannt, ade 
gefprochen von den Mächtigen, gleichen doch nur dem gus 
ten Borfägen, mit denen „die Hölle gepflaftert It”, wenn 
fie nicht in den Schug pofitiver bindender Ordnungen ges 
flelie werden. Errungene Rechte wurden flets nur kurze 
Zeit behauptet, wenn die Berechtigten nicht auf die Wacht 
geftellt wurden, die Wehr und Waffe in der Hand, 
fie zu fügen. Schon Lurher und Melanchthon Hat 
ten Urfache zu ‘den häufigften bitterften Klagen über bie 
Weiſe, wie die eingeführte Werfoffung gehandhabt wurde, 
die Wendung zu weltlicher Gewalcherrfchaft, weiche fie 
fo batd zu nehmen begann. Nach ihnen aber zn bie 
Beiten des Abfolutismus der Staatsgewalt. Er brach 
die Kraft der bergebrachten bürgerlichen und potitifchen 
Rechte und der Landesvertretungen. Es würde ein Wun⸗ 
der geweſen fein, wenn das Recht der unvertretenen Kirche 
fi) wider Ihn behauptet hätte. 

Gleich bei der erſten Probe, welche die anfaͤngkiche 
Drganifation der Kirche zu beſtehen hatte, beim Aubbruch 
bee verhängnißvollen theologifchen Streitigkeiten in der 
zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts *), bewies fie Fi 
ungenügend und unhaltbar. Man dachte ſchon damals 
und fpäterhin noch mehrmal daran, fie aufzugeben oder 
doch durch Einführung von Synoden zu ergänzeh, zu 
beffern, konnte jedody nicht zum Entfchluffe, zur Einigung 
tommen. Ste wurde bios ‚‚ausgebeffert”, iſt off und 
vieffacy ausgebeflert, nahm mehr und mehr einen andern 
Charakter an, zeigte fi ſtets ungenhgend und wurde im: 
mer unbaltbarer, immer fchlechter, indem fie fih Immer 
weiter von ihrem urfprünglichen Wefen entfernte. Dan 
wurde fich deſſen in verfchiedenen Perioden tebhaft be: 
wußt; fühlte fo ziemlich zu allen Zeiten die Unna⸗ 
tur und Rechteverlegung, die Religions- und Kirchen- 
gefaͤhtde, welche Darin lag. Zeugniß davon find bie 


*). Über dieſe und die fpäteen —ꝛ —— — — 
a de ——* m und Eutwvrigungen, welche 


—e—— an, Kr * 
—— „Siementine” in ‚Sr. 


Eee un e. ihrer 
b 
—S weichen wir une hier in dieſer "Dinficht A 


RMNa Te 


enbiofen, mähfamen, fpläfiadigen und gezwungenen De: 
ductionen und Sictionen, jene kuͤnſtlichen Gewebe fe 
phiftiſcher Syſteme, durch welche das Beſtehende, wie 
man es eben hatte, vernünftig, rechtlich und evangeliſch 





ul. mit dei 


und -Chriftenthums zu umgeben. Das fogenannte pro⸗ 
teftantifche Kirchenrecht war nie im Stande, dawider zu 
(hügen, und wurde theilweife ſeldſt mitſchuldig baran, 
daß mehr und- mehr eine 
ſtatt der geiftlichen eintrat, von welcher man fi) lotge⸗ 

fe, ja daß felbft- die Hieracchifche in andern Formen 
wiederkehrte. Denn wie oft haben geifllihe Mäthe, Pa: 
foren, Univerfitätd: und Hoftheologen u. ſ. w. und theo: 
fogifizende oder weltliche 2wecke hinter rellgioͤſen Zwecken 
und Richtungen verfolgende Laien dermaßen bie Hietar⸗ 
chen in der proteftantifchen Kirche gefpielt, daß «6 ſehr 
zweifelhaft erſcheint, ob nicht eine katholiſche Prieſterſchaft 
den Vorzug verdient hätte. Alle Hierarchie war und blieb 
princips und rechtswidrig, und dennoch hatte man fie 
nicht felten, weit in der Verfaſſung kein Mittel lag, ſich 
ihres zu erwehren — weil die Gemeinde fein Organ des 
Redens und Handelns, die Kirche Feine Vertretung be: 
ſaß. Eben dies ift dee Grund, daß das dermalige Kir: 
chenregiment außer Stande ift, die Kirche zu leiten wie 
es ſolite oder zu beffern, und daß es bei feinee Kicchen: 
leitung und feinen Befferungsverfuchen fih nur endloſe 
Verwickelungen und Verlegenheiten bereitet. Die Richt⸗ 
ſchnur jeder AÄAußerung des Kirchenregiments iſt und ſoll 
das lebendige Bewußtſein ſaͤmmtlicher Mitglieder der Kirche 
fein, und von ihm hat es und kann es keine ausreichende 
Kunde haben. Die Bekenntnißſchriften genügen da theils 
nicht, leiten auch wel irre, indem jenes Bewußtſein in 
ihrem Buchſtaben gefucht wird, jenes Bewußtſein, bas 
nur die organifirte Gemeinde fo zu erkennen zu ge 
ben vermag, daß es zus Richtſchnur dienen kann. Und 
weil jegt das Kirchenregiment nur ein unficheres fubjecti: 
ves Gefuͤhl davon hat, es bald erkennt bald nicht erkennt, 
fo ſchwankt es nothwendig ſteuerlos hin und ber, fo kann 
e6, ob noch fo gelehrt, redlich und liebreich, nichts aus: 
richten. 

Hat fi nun bie hergebrachte Verfaffung in allen 
Geſtalten und Entwidelungen, in welchen wir fie gehabt, 
mit Vorwalten der Seiftlichen oder der Politicl, mit oder 
ohne Biſchoͤfe u. f. w. ungenügend, unhaltbar und ſelbſt 
gefährdend und verlegend für das veligiöfe und kirchliche 
£eben gezeigt, fo muß fie wol, mie fie da war und iſt, 
als hiſtoriſch gerichtet betrachtet werden. 

Ehen deshalb kann aber auch eine bloße „ Ausbefie: 
sung” berfelben zu einer wahren Abhülfe nicht führen. 
Um zu einer gründlichen Beſſerung zu gelangen, bieten 
fih, angeſehen das Weſen und die Bebürfniffe der pro: 
teſtantiſchen Kirche, nur zwei Wege dar. Entweder die 
evangelifchen Lanbeshereen geben bie Kirchengewalt gera⸗ 
dezn an bie Kirche zuriick, die fid ſodann durch eine 
Röfterwählte Behörde, einen aus ihrer Vertretung Her: 


Derswerhm Pilte, umd die dei böcftens Dapin? 
Edeme der Veraunff, ds Matıs: 


weltliche Beherrſchung der Kirche - 


— alſo gaͤnzliche Trenmumg vom Gtaase, bie rein &, 
wobalverfaffung. Dawider fprechen jedoch fowol fark 
Vorurtheile wie Gründe, bie Ausführung wäre fhwier: 
Ir. nur bie Wenigern haben ſich bisher dafuͤr erli 
Man kanp ſagen, dieſer arg (begin 
außer Frage. Der ander d focbeſſehen 
dem landesherrlichen Kirchentegiment der Kirche gegeben 
wird, was ihr von Anfang gemangelt, daß man die ar: 
ſpruͤngliche Verfaſſung feftpäst oder vielmehr herſtelt un 
fie- duch Organiſation und Mepräfentatien der Gemeint: 
und Kirche aus ihrem provfforifhen Zuſtande hinausfüht 
und vollendet. Dafür, wenn man das Geſentliche in 
Auge faßt, hat fi felt einer Reihe von Sahın dir 
überwiegende Mehrheit überhaupt, daflıe haben fih mit 
wenigen Ausnahmen die angejsheuften Klechene und Ar: 
chentechtölchrer ausgeſprochen, Röhr, Ammen, Pahl, Ber: 
ſchneider, Puchta, Eichhorn u. f. w. Es Kama daburh 
doch zum Erſten und Nothwendigſten, dazu, daß die Kirk 
ſelbſt fid) ausfprechen könnte und verkommen würde, |ı 
vieler anderer Gruͤnde nicht zu gedenken, aus melden fih 
annehmen lößt, daß eime gruͤndliche Weilemmg daven zu 
erwasten waͤre. 

So wie wie nun aber den Mugen. einer hießen Au 
befferung der Verfaſſung wie fie iſt verneinen mut, 
ebenfo fielen wir die Stärke der Gruͤnde in Abrede, u 
weichen man genöthigt zu fein meint, bei einer folden 
für jetzt ſtehen zu bleibem. 

Man ſagt: die (preußiſche) Staatsverfafſung ſei in 
voller Entwickelung begriffen, und erſt wenn bie polkk 
ſchen Zuflände geordnet worden, durrfe die Kirche der Be: 
achtung unterliegen. Das Geiſtliche and eitlide ja 
gleicher Zeit ergreifen hirße beibe heile unvellendet laſſen 

Aber, ihe feid fo ungeduldig, ihr wollt keinen Ar 
genblick verloren wiffen für die Reform Der Kirche, ve 
doch wollt ihr, daß, bevor «6 dazu kommt, bie Stat 
verfaflung geordnet fein, d. h. daß eine ganz umberechen 
bare Zeit vergehen foll, in weicher für bie Kirche nik 
gefchieht; denn eine Ausheſſerang bes vnrhandenm Sir 
henverfaffung iſt zugefländtich eben auch nichts ech 
gut als nichts, und es iſt handgreifliche Thorheit, cu 
Reform beginnen, von weicher man weil, daß fie met 
genügen wird, etwas fihlerhe machen, das man befier j8 
machen wüßte, da- die. Dinge doch noch immer unvollken 
men genug bleiben, wenn wan fie auch fo gut mel 
als man nur Immer weiß und kann. 

Weiter ſcheint die Eutwickelung der praußiſchen Statt 
verfaffung auc von Zeit zu Zeit, daß, wir ſo fagen, ca 
Schritt zu thun und Dann wieder Mitt zu fichen, ſodej 
dazwiſchen zecht wohl an die Kirche. gedacht werben mafj 
ia fie ſcheint eben jegt auf. eimems Lingen Stillſtans⸗ 
punkte angelangt zu fein und ‚die kirchliche Bewegung 
die Frage der Kirchenreform,, gewiſſermaßen in den Der 
dergrund zu treten. Warum ſellte Die ingtere nm idl 
vor Die Hand genommen: werden koͤmmen? Mir meinc 
es waͤre gerade matlclich und gmeilnifie, Citaet un) 
Kirche zu gleicher Zeit gu aedıenz da die Diebaumgen bb 


vorgehenden ſtaͤndigen Ausſchuß, zu regieren haben würde | der ineinander greifen, ſich aufeinander. hezichen. Dei 











222 much, kelounıe neck Glan: uch Mapcheit 


32 13 21. 
vipeäfentatfie Dertaſſung To gern 1 
byneri eflung bas Wert 
55 inde aber erden neben ber reknen 
Monarhit oh nich. auf fo niedriger Sr ba, daß fie auf meine 
Pan für.die Kirche keihen Elinfluß % 

Soll das heißen, es iſt —* jr in einetu abſon⸗ 
ten — einem. Staate, das Mitreden 
und Handeln ber Bürger ausfchließt oder nur in fehr 
deſchranktenn Maße zuikßt, der Kirche eine Verfaſſung zu 
Theil werde, durch weiche Ge zur Sckbſtbeſtimmung ge: 
langt, und es iſt dies viel deichter in einem Repraͤſenta⸗ 
doſtaate — darn Fesilich erklaͤren wir uns vollklommen 
einverſtanden. Wir haben deshalb auch von jeher die 
conftitäfionnelte Entwickelung, oder uͤberhaupt den politi⸗ 
ſchen Fortſchritt, als hoͤchſt wichtig fuͤr den kirchlichen 
und dieſen von jenem großentheils abhängig gehalten. 
Was liegt näher, als daß die im Weltlichen mitredenden 
DStaacsbkierger auch im’ Geiſtlichen mitreden wollen, mit: 
zureden lernen; als daß die conſtitutionnellen Regenten 
und deren Miniſter und Behoͤrden, die im Weltlichen 
mit Volksvertretern verkehren und Einreden derſelben ge 
wehnt find, fich leichter darein finden, ihrem kirchlichen 
Megtiment gegenüber mit Vertretern der Kirche zu verkeh⸗ 
ten, leichter eine folche Vertretung zulaſſen? 

Es iſt leidig genug, daß die Wichtigkeit der Ausbil: 
hung ber ſtaatlichen Ordnung aus bem geheimen Policei: 
um Beamten: zum Öffenttichen Rechtsſtaat auch für bie 
Kirche noch immer gar zu fehr überfehen wird, und zwar 
ſeldſt von den Beifklichen, .die die Organiſation der Kirche 
ale hoͤchſt mangelhaft erkennen, und eine Beflerung der: 
fetben dringend‘ wimfchen. ‚Gonderdar genug, möchte man 
fügen. Proteſtanctkſche, Freiffunige Geiſtliche wiſſen es doch 
fo wohl, daß die religioͤſe Freiheit auch zur bürgerlichen, 
die Unfreibeit im Staat zum Gtaubens: und Geiſtes⸗ 
druck führe: - Ste: ruͤhhmen es dem Proteftantismus nach, 
daß er ein Priucip, eine Stuͤtze der politiſchen wie der 
Meligienofceſheit ſeil. Ste wiſſen und muͤſſen es doch 
ans der Gefchichte der Reformation, der Kirche uͤberhaupt 
und ihrer Kirche insbefondere wiffen, wie fehr bie Schick⸗ 
fale der Kirche und zwar nathrlidhers und nochwendiger: 
weiſe ſtets abhaͤngig von ber ſtaattichen Ordnung waren, 
amd. wie verderblich Corruption der letztern auf das ſitt⸗ 
tiche und relfglöfe Leben zu allen Beiten zuchdwickte und 
nothwendig zurkdwirken muß. Liegt es doch ar vor 
Augen, daß die deutiche Reformation nicht durchhrang, 
mawollendet blieb, weil die gleichzeitig verfuchte polltifche Des 
foem mi@yiädkte, weit die Ratten fich zu einfeitig im die 
religioͤſe Bewegung bineinwarf, und Insbefondere, daß «6 
bem Siegslaufe ber reinern religiöfen Idee unendlich ger 
Shader, daß ‚Luther. und ibechaupt die fächfifchen Refoss 
matoren, welche vortoaltend In der fehtern lebten, ſo we⸗ 
wig gute Potitkker waren; bag Luther, um ihm vorzuge: 
weiſe zu nennen, troß vieler hellerer Augenblide, keines⸗ 
wegs immer erkannte, daß bat Chriſtenthum eine bappeite 
SAte hat; daß er wenigſtens in vielen wichtigen Mo⸗ 
menten nur. die eine Im Auge. hatte, nach welcher 06, 


bie dermalige Deyapifatian und Stellung ber 


“eG 





des Welt fühese;, bei er —**8* in —*— 
sa Die audate Saite Dat Chrifenthume, nach walden es 
als Mottesreich Inu: freilich. wicht biesamchi (ch) bie MRstt 
geſtalten will; Abesfah; ‚micht immer daran dachte, be 
mar her Shift als ſolcher in ſeligem Gottesfrieden uͤber 

ber Welt und ihren Haͤndeln und Verhaͤltniſſen ſtehen 
mag, fich aber als Menſch und Bürger der Welt nicht 
entziehen, nicht Mind; fein, nicht aufhoͤren ſoll, thaͤtiges 
Mitglied des Geſellſchaft zu fein, fondern viefmehe af 
ſolches, als chriſtlicher Staatsbuͤrger helfen, das in ihm 
lebendige chriſtliche Leben, die gerechte Sefinaung, dem 
Geift der Freiheit und. der Liebe auch im den Stant bins 
überzuführen. Nie hat er die bürgerliche Freiheit ale ein 
nothwendiges und eins der nothwendigſten fittliehen Ders 
hältniffe, und das wiederum bie ganze Entreidelung zur 
Sittlichkeit, zur wahren Menſchlichkeit, bedingt, deutlich 
begriffen. Mehrfach zeigte er eine Gleichgüͤltigkeit gegen 
bie Staatsformen und Gefege und bie auf ihnen ruhen⸗ 
den Inflitute und eine Unkunde brrfelben, die ihn bie 
zur dußerften Härte und Unklugheit führte, wie im Bauern: 
Eriege, in feinen Äußerungen über die Leibeigenfchaft. In 
dem fruͤhern und wichtigſten Zeitraume feiner Wirkſam⸗ 
keit ſtellte er eine, aus den bibliſchen Begriffen vom Ge⸗ 
horſame gegen die Obrigkeit. gebildete abſtracte Theorie 
auf, bei welcher er freilich an. fürfiliche Machtvollkommen⸗ 
heit im neuen Sinn weder dachte noch denken Eonnte, 
eine Theorie, die zwar in feiner Auffaffung der bürger- 
lichen Freiheit an ſich nicht unbedingt gefährlich, in der⸗ 
ſelben jedoch viel zu ſchwer zu fallen, überhaupt zu kuͤnſt⸗ 
dh, einen zu hohen Schwung vorausfegend, und dem 
Misverſtaͤndniß und Misbrauch viel zu ſeht ausgefegt 
war, ale daß fie nicht hätte misverflanden und miss 
braucht werden follen, die Rechtsverhaͤltniſſe der deutfchen 
Obrigkeiten und Unterthanen zu misdeuten, zu verbums 
kein und zum Nachtheil des letztern umzumodeln. Sie 
behercſchte die ganze proteftantifche Partei; die Fürften 
lleßen duch fie ſich abhalten, im rechten Augenblicke und 
in der einzigen, Erfolg verheißenden Weiſe gegen bie ka⸗ 
choliſche Reaction aufzutreten, ließen ſpaͤterhin darch fie 
a beſtimmen, ihre Gewalt wider alles concrete Recht 
auszudehnen. Jene futherifchen Begriffe wurden verhäng: 
nißvoll für die Meformation, die Volksfreiheit. Als biele 
Solge hervorzutseten begann, wo er denn über die neue, 
von der alten beutichen Freiheit gamg abgehende Regi⸗ 
mentsart die heftigſte Klage erhob, als er ſich deutlicher 
erklaͤrre, die deutfchen polttifhen und bürgerlichen Ber: 
haͤltniſſe und Mechte einigermaßen kennen gelcınt hatte 
und feine Thesorie mis ihnen in Einklang zu ſetzen ſuchte, 
war 00. {em zu ſpaͤt. Wem wäre es entgangen, daß 
evangelis 





m ren gr erheben 


im Uupeung Teftahafıe Wrkapiug Vrefiiben 
Ymmalbiung zu cine Gifaweepupke Lauäate 16 ww Im 
eines Muangeihafern: yeoilifljen Drbnung ad vor mad pe 
lafonmätion elsigetzetenen yamıın ſtaaccichen · Encwicke 
zuiin Abſolutis u⸗ — ii? Sind doch 
in unfern Zelten die Eitchlichen Meormplaue wieder por 
gegechen, wurde ddp and iin ber Siehe das . 
Sprucfäpinnb ueft rect möyeblfost und Varchgufkter, IE Die 
DHerlode der poikifden Neactien eintrat. Dog 6 M 
at flem dee Ball, daß man gute "Renriewifle define, 
ven wichtigen Wahrheiten durchdrungen ift, und fie ua) 
gewiſſen Seiten bin wicht anmendet oder anzuwenden 
wagt. Auch von Luther's Schwaͤchen hat die Geimich⸗ 
Seit des luthetiſchen Kische fi vielfach befiimmen laflem. 
In von Ländern, wo flatt des faͤchſiſchen das zwingliſche 
und caluinifche Bekenntniß obſtegte, wurde die Reforma⸗ 
tion deu buͤrgerlichen Freiheit welt foͤrderlicher, kam +6 zu 
einer ſolchen Schwaͤche und Aufloͤſung der Kirche nicht, 
zeigte die Geiſtlichkeit fo viel Setvilitaͤt gegen die welt: 
sche Bewalt nicht. Das reformirte Bekenntniß hatte 
Presbyterien und Synoden im Gefolge. 
(Die Fortſetung folgt. ) 



























An Bremens gemeinen Mann, von deffen Mitbuͤrger, 
Johannes Roͤſing. Leipzig, Brockhaus. 1843, 
Gr. 12. 24 Ngr. 


Ein wohlgemeintes Schriftchen eines patriotiſchen Mannes, 
das wol auch anderwaͤrts Nachahmung verdiente, jedenfalls aber 
auch außerhalb Bremen der Beachtung werth iſt. Der Verf. 
bezweckt darin, die aͤrmere, arbeitende Claſſe in Bremen uͤber 
bremiſche Zuſtaͤnde aufzuktaͤrrn, indem er derſelben die Haupt⸗ 

benheiten der an Erfoguungen fo reichen intereffanten bremi⸗ 
Then Geſchichte von der. Zeit Karl's des Großen an bis auf den 
heutigen Tag vorführt, namentlich Dasjenige, was in der Zeit 
Teit 1815 für die Seftattung und Verbeſſerung der öffentlichen 
Vethaͤltxiſſe des Kleinen. Freiſtaats gefchehen ift, zuſammenſtellt, 
auch kin und wieber auf Das, was in biefer Beyiehung zus 
u thun übrig if, aufmerkſam macht. Es fann aus-biefer Der: 
Keitung nad) verfchiedenen Seiten bin Vieles gelernt werden, 
theils infofren fie Das zu thun und ind Werl zu fegen verans 
laßt, was Roth thut, theils infofern fie in dem „gemeinen 
anne” weges Setvſtgefaͤhl und das rechte Selbſtbewußtſein her⸗ 
vorsuft, ohne ihn jedoch über bie ihm m gapgenen Grenzen bins 
auszuführen. Denn wäre Letzteres, ſo waͤre damit ber Mugen 
bes Chriftchens in der einen Hinſicht zugleich wieder vernichtet; 


aber fo etwas tiegt durchaus nicht in der Abficht des mohlges . 


finnten Verf., wie fehr es auch unfere Zeit liebt und wie ehr 
Felbft veuftändige Maͤnner Fi dazu bingeben, bie arbeitenden 
Gtoffen zu politifgen Zwocken zu benugen und. yı misbrauden. 
Hier ift nichts von dergleichen communiftifch s focialiftifchen Wen: 
bungen: guehannes Roͤſing, der mit den bremiſchen Truppen den 
Krieg 1 15 ygen Napoleon mitfämpfte und namentlid in der 
atetloo mitforht, wo er mit dabei war,'uld Re 
polen’s Wagen erbeutet wurbe und bort daraus den zweiten 
Theil des italienifchen „Orlando furieso/’ heite ( S. 6%), iſt ein 
aufeichtiger Freund feines Waterlandes und hat, nit nad) Art 
mancher jugendlicher Brauſekdpfe und ebenfo herz⸗ als kopfloſer 
—— bie die’ mr Ihren Wortheit kennen, nur orte ’Siteitelt 
febguen ‚- fondern mit Überkegmg nur am 
Uertandes geſrieben (vergl. S. m. — * — 





burg dieſe 
ben sr 


hre, 33 Ruben 
Ahexiafien. wollen? 


8 





Lkiterariſche Notizen aus Acan læaia 
SGeſchich te Dur varifer Porferi. 


pariſer Polieri viniges 
groͤßern Publicum flets das — 
Memoiren eines 


Intereſſe wenig ‚Scenes , 
uns einen Blick in das gewaltige Policei: und guifiweien 
der Weltftade thun Iaffen. Das —— an dieſer ge⸗ 
* Speiſe Geſchmack 5* einem neuen Werke 


eder eines 
einen an⸗ 


VEigentlich 
Htiger SEHR 


—2*— Horace Raiſſon, der, irren wir "nicht, reis 
then Yoften im parifse a uefen ‚beit 
hiſtoriſches Intereffe Hat dieſes Merk, 

in daſſelbe uns gezeigt bat, aicht. 
allen verſchiedenen Verwaltungszweigen ber ſiſchen Min 
fterien und fomft auch des gefommten Policchvefens gibt uns 
ein kuͤrzlich erfihienenes Handbuch, welches bei Titel führt: 
„De l’organisation des adnıinistrations eeuitiralen dies ae 
ministenes et des devoirs des u ayan AMen Denen, bie 


ſich einen Begriff machen wollen 
den verſchiedenen franzoͤſiſchen —ã iſt Nm *237 zu 


empfehlen. 





—— Frankreiche währen ber Kreuzz ee 
Ecidyeinwmigen in. der eftähihte, 

Jutereſſe hen in Auſpruch nehmen, — u sie 
zeitige Worgänge Bi ganz fpurlos voruͤ 

während der franzd chen Revolution die Ge ei 
Europa ganz and gar in den Bintergrund wird von der 
großen ® — N gut · wie gar nicht beruͤckſtehtigt. 
Im BRitteieiter fin ee Geſchichte der ge ein 
ganz ähnliches —— PA Die. meiften 

weiche diefen Zeitraum behandeln, mwibmen den igen forts 
en Zee * ganzes ana ww. werfen auf ben Zu⸗ 
an andes nur einige ige — Daher komm 
es auch, va. für d e Remtniß der damaligen’ B * 
Buftdnde m m if. = mäflen bie 


‚Ramım 
* An Wet 


der ——** sulausmenfafien, * 
wird es dem. jungen Hiſtoruer Ba 






bezuͤglicher Papiere, die allei d eo 

Yarıs aufsepeihet find mt Feen n. * wi 
vier Wände. umfaffen, von.beieh us ats 
ne d ougttuͤndigt iin 








Blätter 


für 


literariſche Unterhaltung. 





Dienſtag 





Die neuefte Zeit in der evangelifchen Kirche des preußis 


fhen Staats. Ein praftifher Berfuh von Karl 
Bernhard König, 
Zweiter und legter Artikel. 
(Bortfegung ud Nı. 332.) 
Bon ber andern Gelte wird aber auch die Wichtig: 
Leit der Entwidelung der kirchlichen Drganifation zu ei: 
nem freien, den Gemeinſinn auch in dieſem Kreiſe und 
fo überhaupt fläckenden, die Vereinzelung der Individuen 
mindernden Gemeinderwefen ſelbſt von den Gonftitutions 
nellen, den Freunden des politiſchen Fortſchritts, nicht 
felten überfehen, bald weil fie von Begriffen von der Al: 
gewalt des Staats bis zu der Verblendung erfüllt find, 
daß fie nicht bemerken, wie. fehr fie der Regierungsmacht, 
‘weiche fie doch befchraͤnken wollen, dadurch Vorſchub lei: 
flen, daß fie die Kirche in der Gewalt bderfelben Laffen 
‘oder gar fie niederhalten beifen; bald indem fie als Er: 
gebniß der Kiechenfelbftändigkeit nur das Geſpenſt der 
Hierarchie, ats ob dieſe nothwendig mit jener zuruͤckkeh⸗ 
ren müßte, vor Augen haben und nicht erkennen, daß «6 
ein Drittes gibt, die kirchliche GSemeindeverfaffung, wie 
die Reformatoren fie dachten, wie fie in der reformirten 
(zwingliſchen, calviniſchen) Kirche eingeführt wurde und 
beſteht; daß eben durch fie allen bierardifchen Gelüſten 
und Tendenzen am ficherften begegnet werden kann, daß 
einige Hierarchie, fo weit fie überhaupt noch moͤglich in 
proteſtantiſchen Ländern, eben bei den Verhaͤltniſſen der 
(utberifchen Kirche am erften möglich und der Gefchichte 
und Erfahrung zufolge bis auf noch gar nicht fernliegende 
Zeiten wirklich geübt if. Denn wenn evangelifhe Re: 
genten oder Behörden aus religioͤſer Befangenheit oder 
aus Politik die Theologie, die vollsmäßige Lehre, den 
Cultus, die. Geiſter zu beherrſchen, einzuengen, in gewiſſe 
Richtungen hineinzubringen fireben, fo flehen Ihnen eben 
beim jegigen Zuſtande die reichſten Mittel und der be 
drängten Seite nur [ehr unvolllonsmene Widerflandsmit: 
tel zu Gebot. Wenn nun König meint, «6 ſei jetzt noch 
ganz ungünftige Zeit füc den Verſuch, Presbpterien und 
Synoden (gegenüber den Gonfiflorien, dem landesherrlichen 
Kirchenregiment) für die Kirche zu erlangen, der Staat 
fei noch viel zu weit zuruͤck in der politiichen Entwicke⸗ 
tung, fo mag ihm der Gedanke vorgeſchwebt haben, einer: 
feits, daß bie Staatsmaͤnner, die, dem Fortſchritt im Staate 


zur Mitthätigkeie des Volks abhold, fehr wohl wiſſen oder 
fühlen dürften, wie fehe die Organifation und Repraͤſen⸗ 
tation dee Gemeinde und Kirche jenen Kortfchritt förbewe 
Eönnte und müßte, daß eine felbftändige Kirche ein ben 
Abfolutismus der Staatsgewalt weſentlich befchräntendes 
Element fei, und andererfeits, daß die Freiſinnigen großen: 
theils zu befangen wären, um hier entgegenzulomment, 
das Streben der kirchlichen Kortfchrittöfreunde zu unter⸗ 
ſtuͤhen und die Gefangenfchaft der Kirche brechen zu 
helfen. 

Allein diefe Befangenheit wird ſich doch überreinden 
laſſen. Die fortfchrittfeindtichen Staatsmänner find doch 
in Preußen nicht allmaͤchtig. Die Periode der politiſchen 
Reaction ift vorüber. Der König hat fi fir den Fort: 
ſchritt im Staatsleben laut und Öffentlih erklaͤrt. Er 
will ihn nur nicht revolutionnair, flürmifch und in dem 
Sinne, wie er von Vielen verflanden wird. Go wäre 
es doch keineswegs ausgemacht, daß die muthmaßlichen 
Einwirkungen des kirchlichen Fortſchritts auf dem politis 
[hen misbeliebig, ein Gegenftand der Beforgniß fein und 
gar zu großen Miderftand finden rolirden. In jedem 
Falle würden fie nur Indirecte und am wenigſten ſtuͤrmi⸗ 
fhe fein. Die Geſchichte, der thatfächliche Zuſtand bes 
weift, daß Presbpterien und Synoden kein revolutionnafs 
res Element in fid) tragen. Sie beftehen und haben fett 
300 Jahren, wie überall in der reformirten Kirche, fo 
auch felbft im der Iutherifchen in mehren preußifchen 
Provinzen (Rheinland: Weftfaten) beftanden, und wohl zu 
merden zum kirchlichen Gedeihen. Eben darin liegt ber 
erfahrungemäßige Beweis des Werths der Presbyterial⸗ 
und Spnodalverfaffung, während die Firchliche Organiſa⸗ 
tion in den Provinzen, welche berfelben entbehren, zu 
leicht befunden worden. Warum alfo follte fie nidyt bins 
übergeführt werden koͤnnen von Juͤlich, Kleve, Berg in 
die übrigen Provinzen oder aus ber reformirten Kirche, 
mit welcher man ſich fonft geeinigt, in bie unirte, bie 
Iutherifche, zum Gedeihen berfelben und ohne Staatsge⸗ 
fahr? Mas aber noch mehr iſt, es bleibt einmal offen; 
bar gar nichts Anderes übrig, wenn man an eine gründs 


liche Reform denkt, wie es in Preußen der Fall it, wo 


die Nothwendigkeit einer ſolchen jezt fo lebhaft empfuns 
ben wird, wo die Regierung fich unverkennbar etwas Durch⸗ 
greifendes zu thun genoͤthigt fühlt, wenn Auch freilich 





3418 vn 


keineswegs durch äußere Gewalt, fonbern durch die Troſt⸗ 


loſigkeit des kirchlichen Zuſtands, durch bie mehr und I.zu erweiſen. 


keit erhlelte ein freies Felb eatwidin, 
Es wäre nen End Baus a 


mehr bervostretende Wahrheit, daß eine evangelifche Kirche] lche Begeiſterung, fi) zu entzuͤnden, zu bethaͤtigen; und 


ohne Organiſation und Vertretung der Gemeinde und 
KiEche geradezm ein Unbing venanut werden muß, durch 
Die erkannte Erfolgoſigkeit der andan Weik — wie 
reinen dahin felbft eine Ausbeflerung der dermaligen Ver: 
faffung —, Abhülfe zu fchaffen und duch ihe Pflicht: 
gefühl zu helfen. 

Fragt man nun aber, was zunaͤchſt zu hun fel, fo 
erwidern wir: das Natuͤrlichſte, das Gerechte, Billige, 
Bernünftige, Evangelifche: daß die Gemeinde verfammelt 
und vernommen werde. Die in ihren geifllichen und 
weltlichen Mitgliedern vertretene Kirche muß am beften 
iſſen, was ihr fehlt und wie zu helfen fei, über jeden 
Bellerungeplan wuͤrde fie zuiegt doch, annehmend oder 
ablehnend, zu enticheiden haben. Da ift König auf dem 
rochten Wege, wo ex bavon fpricht, daß nicht fowol bie 
wderliner Theologen, fonbern bie deutfchen ſammt dem deut: 
Then Publicum vernommen werden müflen; nur baß der 
Gedanke bei ihm nicht zur Klarheit gelangt. 

‚ Denn «8 fragt fih nun weiter, wie das geſchehen 
fol, «6 erhebt ſich dieſelbe Schwierigkeit, die man aud) 
und namentlih im 15. Jahrhundert in der Kirche, ale 
biefeibe zur Vornahme der allgemein begehrten Reform 


verfammelt werden folite, fo fjhwer empfand. Wo und 
wie find und waren bort bie zur Dertretung Geeigneten : 
Berauszufinden? Die Kirhenverfammlungen find und was: 


sen fo lange ſchon in Abgang gelommen. Wer fol, wer 
follte dazu berufen werden ? 
Wenn indeß nur der Wille nicht mangelt, fo ift bie 


Aufgabe am Ende leichter zu loͤſen als man mol meint. 


Zunaͤchſt würden in den einzelnen Bemeinden durch freie: 


Wahl Kicchencollegien, Presbpterien oder wie man bie 


Zocalvertretung ſonſt nennen wollte zu bilden fein; aus 


ihnen ginge fodann die bie ganze Gemeinde tepräfenti: 
sende Spnode hervor. Zum Anhalt bietet ſich etwas 
ganz Praktifches, die rheinlaͤndiſch⸗ weſtfaͤliſche Kirchenord⸗ 
aung mit ihren betceffenden Beflimmungen dar. Der 
norgeblichen und ohne Grund geflischteten Schwierigkeiten 
bürften body die melften fein. Viele Gemeinden möchten 
allerdings in Verlegenheit gerathen, wie fie wählen fol: 
ten, ober verkehrt wählen. Es ift kaum möglich, eine 
andere Wahlordnung jegt ſchon zu Stande zu bringen 
als eine ungenuͤgende. Am Ende aber möchte im San- 
befjer gewählt werben als Mancher glaubt, der dem 
nichts zutraut. Geſetzt, der erſte Verfuch liefe un: 


glüdlih ab, fo würde doch keineswegs die Gefahr eintre⸗ 
ten, daß die Gemeinde duch bie erſte Verſammlung 


tyranniſirt würde, Die Beſchluͤſſe der legtern wären je 
ner vorzulegen, bie dieſelben verwerfen und eine beffere 
Vertretung wählen koͤnnte. Doch laͤßt fih gewiß auch 
darauf rechnen, daß In ber Verſammlung eine binläng- 
‚liche Anzahl von Solchen erfcheinen würde, deren Geift und 
Befinnung die echten und rechten und flat. genug wären, 
Die Übrigen zu gewinnen. Die ganze Maffe der in ber 
Kirche vorhandenen chriſtlichen Intelligen, und Froͤmmig⸗ 





‚wollte man ihr umd ihrer Macht nicht vertrauen, fo 
‚möchte man Aueh Nichhe um 


Gehe Apr Lieber 
ſogleich und Janz aufgeben. - 
(Der Beſchluß folgt.) 





Worte der Erinnerung, nad) ‚der Beſtattung Sr. Excel⸗ 
lenz de6 Wirklihen Geheimeraths und Oberappellations- 
gerihhtspräfloenten Freiherrn von Ziegeſar, am Morgen 

- des 9. November 1843 in der Kirche gu Drakendorf 
gefprochen von Joh. CH. F. Schwarz Jena, From: 


mann. 


Ss eignet füh nicht für die Beſtimmung biefer Biätter, 
Gelegenheitsreden zu befprecyen, zumal foldge, die nicht für das 
große Publicum, fondern nur für den engen Kreis der näthften 
Betheiligten gebrisckt wurden; aber es eignet fick wohl, auch bier 
eines Mannes zu gedenken, der ſchon durch feine amtliche Stel 
lung, als vieljähriger Regierungsbevollmächtigter und Gerator 
einer berühmten Univerfität, und ebenfo fehr durch feine auöges 
zeichnete Perföntichkeit auf wiſſenſchaftliches und titerariſches %s 
ben einen bedeutenden Einfluß gewann. 
‚ „Dazu tonmt, daß bie vortisgenbe Rebe in ihrer Art ein 
in jeder Hinſicht gelungenes Meiſterwerk iſt, bei muſterhafter 
Einfachheit voll Wuͤrde und Schoͤnheit, tief und kraͤftig. Cs 
iſt die Beredtſamkeit des warmen, fuͤr feinen Gegenſtand begei⸗ 
ſterten Herzens, aber unbefangen, ohne Übertreibung, "buche 
mahr, voll Geiſt umb Leben. flimmen ber Gefeiczte 
ber Feiernde im fchönften ECinklang gufammen. 

Der edie Entichlafene hatte in feinen letzten Leidendtagen 
ausdrüdiid verordnet, baß an feinem Grabe keine Rebe gehals 
ten, fondern allein der Segen von. dem farrer gefproden 


werde. Bei dem redlichſten Streben und eitflußeeichften Wirken 


in aufrichtiger Demuth feiner Maͤngel ſich bewußt, wollte er 
nicht, dab er da gelobt werde, wo, was icdiſch an ibm wer, 
ber Erbe übergeben ward. Man ehrte biefen feinen legten Bits 
len; aber von der einfachen Feier an feinem Grabe eilte die 
zahlreiche Schar der, Leibtragenden und SBegteiter in bie nahe 
‚Kirche des vätezliden Ritterguts -Dralendorf. Es wer ein all 
gemtin empfundenes Beduͤrfnis, an heiliger Gtätte aus ſprechen 
zu hoͤren, was Aller Herzen bewegte, und der mit vielen Golle 
gen, Freunden und Berehrern des Vollendeten aus Xena in 
den Brühe des Herbftmorgens herbeigefommene Kirchenrath, Su— 
Feiebipemfe —— ni (gfreundet, entfprady aufs bes 
frie e dire en tungen unb nfchen 
der Verſammelten. ® * 

Es war ein ungemein gluͤcklicher, treffender Gedanke, bie 
fen „Worten der Erinnerung“ einen bibliſchen Text su Grunde 
zu legen, welcher in volltommenfter Wahrheit auf ben treubes 
währten, alverehrten Ziegefar angewendet werben durfte. Es 
fand gewiß in den Herzen aller Dörer Anklaug, als ber treff⸗ 
liche Redner nach den wenigen aber ergreifend einieitenden Wor⸗ 
ten ſprach : „@®ewiß nicht allzu Viele, auch unter Denen, wei⸗ 
hen das Licht des Evangeliums aufgegangen ift, folgen feinem 
Gottes) Rufe, nachdem fie fo, wie er, bie Sauptfumme fei⸗ 
ner Gebote erfüllten, die da iſt Liebe von reinem D, von 
gutem Gewiſſen und von ungefärbtem Glauben.” Die 
Rebe beſteht in ber ebenfo ſinnreich wie beredt bu 
Anwendung diefes apoftoliichen Ausſpruchs auf den vieibeklagten 
Tedten, in deſſen harmoniſchem Leben ſolche Birbe ben tiefen, 
nie —— —— bildete. 

—X ſo ocdntten und abgeruabeten Gan 
kaun mar nicht Ginzeines hetausheben, ohne den garten en 
Lang aller Theile aufzuläfen. Mir müßten bie ganze Niede ab- 








& 
MORD 


Suaeiben, feliten wir bes :tamse- Milh bes whrwärbigen Vollende⸗ 
ten wisbergeben, ‘wie Pr. Dir. Echwmarz es und vor Augen ges 
flelt at. Diejenigen, weidge ihn fanaten unb- n, wer⸗ 
den nicht Sinen Zug in biefem Bilde finden, des nicht sief aus 
dem Leben geſchoͤpft, volllommen wahr, vielfach bewährt, unbes 
zweifelt waͤre; bie ihn nicht kannten, begreifen wenigflend, welch 
ein buxdhläutertes, gebisgenes, mufterhaftes Erben dasjenige var, 
von dem vor einer en Berfammiung von Hohen umd 
Niedern, vor fo Vielen, denen eine vieljährige Beobachtung der 
ſtets fich offen hingebenden Perfönlichleit vergonnt war, obne 
Furcht vor einem auch nur leiſen Weiderfpruch gerähmt werden: 
durfte, daB „Liebe von zeingm Herzen, von gutem Gewiſſen 
und von ungefärbtem Glauben“ daſſelbe in feltener Kraft ex 
füllt habe. Das iſt die Liebe, bie in einem tiefen und Klaren 
Giauben wurzelt, als feine Wiäte und Frucht ihn bewaͤhrt, 


Eins mit jener: felenvollen Froͤmmigkeit, bie ben edein Ziegelar |. gei 


auszeichnete, und nicht bios in feiner eifrigen Theilnahme am 
öffentlichen Bottesbienft und in feinen gemeinfamen Hausandach⸗ 
ten bervortrat, fondern auch eine höhere Weine über fein gans 
ges Leben und Wirken verbreitete. Wenn er einmüthig ber hu: 
manſte und menfchenfreunblichfte Mann genannt warb, fo er: 
kannten Diejenigen, weldye ihm näher fanden, jene rein ausge⸗ 
bildete, das ganze Leben burdpbringende Bumanität, die im vor: 
zuͤglichen Sinne eine chriftiiche zu heißen verdient. Ihm war 
recht eigentlich nichts Menſchliches fremd, fofern es Theilnahme, 
Bohlwollen, Anerkennung, gerechte Würdigung in Anfpruch 
nimmt; es war ibm Herzensbeduͤrfniß, wohlzuthun unb zu ers 
freuen. „Die Witwen und Waifen in ihrer Truͤbſal beſuchen 
unb ſich von der Welt unbefledt erhalten‘, das war fein reiner 
und beitändiger Gottesdienft. Go ift er auch „im Krieben mit 
der Welt und mit fi felbft, weil tm Frieden mit Bott‘, von 
Sinnen gefchieben. 

Er flarb nicht jung, aber doch fruͤh; eben hatte er erſt 
das fechözigfte Lebensjahr vollendet. Mas er in 36 Jahren, 
feit er tn ben Gtastsdienft eintrat, in mannichfacdhen Ber: 
haͤltniſſen gewirkt hat, das if, wie allgemein, nicht erſt 
nach feinem Tode, auch da er noch lebte, feine unermuͤdliche 
Berufstreue, feine einflußreiche Tuͤchtigkeit, feine hohen Ber: 
Dienfte anerkannt wurden, doch nicht vollitändig darzuſtellen, 
weil gar Vieles, was er geleiflet, Busch Wort und That, durch 
Rath und Huͤlfe, durch freundliche Vermittlung und Ausglei⸗ 
«ung vor ber Belt verborgen geblieben iſt, wie er benn oft 
am tbätigften war, wo er nichts zu thun, ganz paffiv fich zu 
erhalten fdyien und am wenigfien Worte machte. 

Weldge bewundernswuͤrdige Thaͤtigkeit er bis gu ben letzten 
Zagen, ba er, mit ſchon erfchöpfter Lebenskraft, ſich noch ben 
Geſchaͤften widmete, ununterbrodden entwidelte, das bezeugt, 
aber auch nur zum Shell, ſchon der Umfang ſowie bie Gigen- 
themlichkeit feines Berufskreiſes, und die Fruchtbarkit, mit der 
er barin allen gerechten Anſpruͤchen genügte. As Chef des ge: 
weinfchaftlichen —— uad herzogi. ſaͤchſ. und fuͤrſti. reu⸗ 

Ober⸗ Appellationſgerichts, deſſen weitem Geſchaͤfts⸗ 
bereich) er NMJahre lang mit anerfanntem Erfolge vorſtand, 
unb als Gurator ber Univerfität, der er mit einer nie 
alternden Liebe zugethan war, deren Angelegenheiten ihm wie 
Die feines Hauſes und feiner Yamitie am Derzen lagen, gewann 
sr in ver That nur karge Muße für bie Gtudich, zu welchen 
fein eigenes Bebürfniß ber Fortbildung und feine amtliche Stel 
lung ihn beflimmte, zur Schotung im Familienleben und in ber 
@efelligkeit, der er fi nicht entgieen konnte noch wollte, und 
für Beſorgung feiner häuslichen gelegenheiten. Und auch 
diefe Muße ward ihm oft und viel beſchraͤnkt durch außerorbent- 
liche Arbeiten und Gelchäfte, die man ihm übertrug, oder denen 
er aus menſchenfreundlicher Theilnahme unb entgegentommenbem 
Wohlwollen freiwillig ſich unterzog, durch eine weithin reichende 
Gorrefpondeng, durch bie Menge Derer, welche von nah und 
fern an ihn wendeten, Rath, Troſt, Huͤlfe von ihm zu em: 





MT gen unb_ geldhäftege 
ZucR Tanne untegeuinti genen, wie Einer fo Bet va 


An, 8 l ſe b 4 ale 
lee ie —8 en Bei be 
driſchen ‚Anfecgiungen, die fonft den Muth und die Epatfraft 

and empfindlich nbfpanatın aber fein 


Anftvengung, His zur aͤußerſten Erſchoͤpfung, felnes Berufs war: 
tete und jeine Beftimmung genz zu erfüllen firebte. Auf eine 
fo gewiſſenhafte, raſtloſe, aufopferade, dem Wirken für . Andere 
üb völlig bingebende und babei durchaus unrigemnägige, von 
aller Selbſtſucht entlieidete Thaͤtigkeit mag billig als auf has 
nadgahmungswerthefte Muſter hingewieſen werben. 

Der reine Abel feiner Geele {pr fhon beim « 
Anblid, und je näher man ihm trat, —— em een 
ner dußern Erſcheinung aus, in dem männtichsfejönen,, ebels 
ernſten, wilden und feeunblichen Xntlig, in ber hoben, Er&ftig 
gehaltenen, echt ritterlichen Geſtait, die Achtung gebot und Mer 
trauen einflößte. Gerade, offen, wahr, nicht nur ohne Balfdh, 
auch ohne irgend einen Kitkhait, kam er Jedem entgegen; et 
erfaubte ſich nicht nur nie ein Wert, bas feine Meinung und 
Überzeugung verleugnet ober auch nur zweifelhaft gelaſſen, vor⸗ 
fichtig verhält Hätte, er haßte auch die Unentfchiebenheit der 
Rede, bie mehr zuruͤckhaͤlt als ausfpridgt und mandyerlei Deus 
tung zuläßt. Die diplomatifche Feinheit, die mit ſchoͤnen Res 
bensarten, mit unſichern Andeutungen, mit halber Wahrheit 
ſich abfindet und ber unmmmwunbenen Erklaͤrung aus dem Wege 
geht, war ibm völlig fremd; Mancher bat vielleicht über feine 
allzu firenge Wahrhaftigkeit geklagt, obwol biefe, auch wo fie 
berb auftrat, nie ben Anftand verlegte, noch Jemand ohne Roth 
wehe thun wollte. Es warb ihm ſchwer, irgend wen zu betr: 
benz ed war ihm herzlich Leid, wo er @inen gekraͤnkt zu haben 
meinte; aber es fehlte ihm nie an Entſchiofſſenheit, an Muth 
und Energie, wo es galt, für Wahrheit und echt zu fireiten, 
der Lüge und dem Unrecht Eräftig entgegenzutveten. Niemand 
hat je ihn irgend einer Art von Falſchheit zu zeihen vermedt. 
Erwaͤgt man dazu, wie mit ber Entſchirdenheit der reinſten 
und reblichfien Gefinnung das aufridhtigfte Wohlwollen, vie 
wärmfte Theilnahme an fremben Leiden unb Freuden, bie herz⸗ 
lichſte, nie ermuͤdende Geneigtheit zu rathen, zu helfen, zu ber» 
mitteln, zu tröften, ſich verband, fo ergibt ſich Leicht, wie tief 
begründet das allgemeine Vertrauen war, mit bem man feinen 
Zugenden und Verdienſten hulbigte, die Achtung und Berehrung, 
bie man nicht blos in feinen naͤchſten Wirkungskreifen ihm zollte, 
endlich die fo unzweibeutig fich aͤußernde tiefe Trauer bei der 
Kunde von feinem Tode. 

Alle reife feiner amtlichen Thaͤtigkeit werben fein einfichtes 
volles und wohlwollendes Wirken, das durch fein mohlbegrändes 
tes und vielgeltendes Anſehen Eräftig unterfiügt warb, ſchmerz⸗ 
lid) vermilfen, am meiften die Untverfität Jena, bie, nach h 
vielen empfindlicden Verluſten, weiche fie in dieſem er⸗ 
litten, auch noch ben Tod ihres allverehrten und aligeliskten 
Curators beklagt. Für dieſe Stelle war er in jeder Begichung 
ganz vorzüglich geeignet und er bat in berfeiben, kraͤftig unters 
fügt von den höchften Behörden, welche biefer wiffenfchafttichen 
Laudesanftalt treue Gorgfalt und jede moͤgliche Unterfkügung 
widmen, einen Einfluß gewonnen, weicher weit über die Grens 
gen feiner Lebensdauer hinausreicht. Gr durfte bes unbefcheänfs 
ten, vielbewährten Vertrauens ber fuͤrſtlichen Grbalter ber 
Univerfität und der Etaatsminifterien ebenfo ſehr, wie ber Aka⸗ 
demiker ſich getröflen. Die Profefloren ehrien ihn als ihren 
anfpruchsiofen Goͤnner und redlichen Freund, bie Studirenden 
als ihren väterlichen Berather, Bürfprecher und Beſchuͤger. Gin 
Wort von ihm, eine Warnung, Ermahnung, Zurechtwei 
war in manchen ſchwierigen und bedenklichen Fällen —— 
von durchareifender Wirkung. So fland er auch in verwickel⸗ 
tem, gefabrdrobendem Berbältnis mit fiherm Takt und Lräftis 
ger ‚haltung am Öteuerruber der blühenden . Anfiait, deren ai⸗ 
ten Ruhm und gelegnete Wirkſamkeit zu bewahren und zu fürs 





(1088 


\ Er btieb aber auch mit ber aufrichtigſten Liche 
dem Lande, dem er feit feinem Gintritt ins dffenttiche und amt: 
liche Leben angehörte und dem erlauchten nbhaufe ergeben, 
unter beffen Schirm er fi) wohtgeborgen fühlte. Die vertraus 
ensvolle Huld, die ihn oft erfreute, vergalt er mit der reinften 
Pietaͤt und Dingebung. Die alte deutiche Treue war audy in 
biefee Hinſicht fein inc Gigenthum. und diefe Treue befeelte 
ihn in allen oͤffentli wie befondern Werhältniffen; fie gab 
feinee Bateriandötiebe eine Tiefe und Energie, die im Eifer für 
Die Staatewohlfahrt ihn nie erkalten noch ermüben ließ. Cs 
war ihm ein heiliger Ernft mit feinem Wahlſpruch: „Bunt op- 
timae curae de salute patrise.” Darin wie in fo vieler ans 
dern Hinſicht, bewährte er fich recht als ber würbige Sohn eis 
nes edein Waters, des herzogl. gothaiſchen Minifters ©. 8. X. 
von Biegefar *), deſſen Andenken hier um fo tieber erneut wich, 
je erfreutichen es ift, echt adelige Geſinnung, bochherzigen Gifer 
und aufopfernde Thaͤtigkeit für das gemeine Befte in einer aus⸗ 
gezeichneten Jamilie fortieben zu fehen. 
Wir können diefe Andeutungen aus dem Leben eines edlen 
Mannes nicht beſſer fehließen als mit bem Zeugniß des treff⸗ 
iichen Redners, befien „ Worte der Grinnerung” dieſe Mittheis 
lung veranlaßten: „Wir haben ihn gekannt. Uns Allen bat 
er wohlgewollt; es ift wol Steiner unter uns, dem er's nicht 
durch die That bewielen; für Manchen bat er in hoher Gelbft: 
verleugnung ſich aufgeopfert. So laßt uns denn mit doppelter 
Zreue und Dankbarkeit fein Bild bewahren und fefthalten in 
Der Tiefe des Herzens. Was wir an ihm verloren, wiflen wir. 
MWie er in den Kreifen, wo nad) dem Lauf der menfchlichen 
. Dinge auf Erfag gebacht werben muß, erfegt werden fol — 
wir wiſſen es nicht. Das aber fteht feſt: muß der Erſatz, bie 
Sache nur aͤußerlich angefehen, ſchon ſchwer erſcheinen, fo wird 
er's zwiefach in Beziehung auf Das, was er war, als Menſch, 
als Shrift. Und welches Zeugniß ehrt mehr, welches wiegt ſchwe⸗ 
rer in Augenblichen wie diefe, wo Alles, was fonft bie Erbe 
bat und rühmt, an dem Hügel des GBrabes wie ein fluͤchtiger 
. Schatten zerrinnt. Es gilt auch drüben vor Gottes Thron. 
Das legte Zeichen fürftlicher Huld und Anerkennung für lange 
und treue Dienfle fam bier für den Berewigten zu ſpaͤt. Schon 
an ber Schwelle bes Todes Eonnte er feiner fich nicht mehr 
freuen. Ienes Zeugniß ftebt bei feinem Namen auch im Buche 
des eigen Lebende. Es leuchtet im Ganze bes Pimmeisı“ 





Nordamerifanifhe Miscellen. 


CAubzüge aus den Öffentlichen Blättern der Wereinigten Staaten 
vom Sabre 1842.) 
Gute Erziehbungsinftitute fürdas weibliche Gefchlecht wer: 
den auch in Amerika immer mehr und mehr Bebürfnig. ine deuts 
ſche Zeitung von Philadelphia rühmt ein folches, das zu Litiz In der 
County Lancafter im Staate Pennfylvanien unter der Leitung 
ges Hrn. E. X. Frueauff und deffen Gattin beftebt. Der Bes 
: zichterflatter, der ſelbſt ein alter Erzieher ift, fagt darüber: 
AKer Gelegenheit gehabt hat, diefe Maͤdchenſchule in Augenfchein 
. zu nehmen, wer die Zöglinge diefer Anftalt ſowol in ihren Schuls 
ats in ihren Freiflunden gefehen hat, wer die fröhlichen Geſich⸗ 
ter, die von Gefundheit blühenden Wangen berfeiben bemerkt 
hat, der muß gefleben, das ift ein Ort, wo Geiſt und Leib 
gieich gut verforgt find, wo durch forgfältigen Unterricht Herz 
und Geiſt gebildet und dabei den Schülerinnen feine von ben 
Grholungen und Freuden verfagt wird, welche das Eigenthum 
And die Krone der Fruͤhlingszeit des Lebens find. Einen großen 


3 Bol. deſſen Biographie in ben „Beitgenoffen”, Neue Reihe, 





f Berantwertliger Drranbgeber: Deinzi Broadband. — Drud und Berleg von F. A. Breodhaud in Beipzig. 


: ande. 





und Mitwirkung feiner Frau, welche in jedem berfetben, 
fo in —* Be ee Pt — — 
Spra gelaͤufig ſpricht. Die in dem Inſtitute angefteliten 


| 


dyer und beuticher Spradye ab. Und wie 
Mufit und gefelfchaftiicye Spiele den Zöglingen biefes Inſtitut⸗ 
in den Langen Winterabenden ihre Srholungszeit angenehm 
ausfüllen, fo thun dies nicht minder in den fehönen Fruͤhlinge 
und Sommermonaten bie Spaziergänge, weldye fie in die nahe 
bei Litiz gelegenen fchattigen Wälder und einen von gervaltigen 
Zrauerweiden befchatteten Brasplage mit einem Springärunnen, 
dem fogenannten Spring, machen, um ſich mit fröhlichen Spielen 
zu beluftigen. Gewiß wird manche giüdfiche amerikanifche Haut 
mutter einft noch in fpäten Zahren mit freudigem Bergen 
Eönnen: Der rund zu meinem Gluͤck warb in ber 
Boarding School gelegt.’ 


Die 3. ©. Weſſelhoͤft'ſche Buchhandlung in Philadelphia 
macht auf bie Erſcheinung des beutfchen Rationalwerks aufmert: 
fam, das vom Dr. Firmenich in Berlin unter dem Zitei „Se: 
maniens Bölkerftimmen, Sammlung aller deutſchen Mundartin“ | 
Daordehn werden wird, und ladet die Herausgeber deutfcher 

eitungen in Pennſylvanien ein, ihr Beiträge in pennſylvaniſch⸗ 
deutfcher Mundart zur Weiterbeförderung zuzufenden. In dieſer 
Auffoderung beißt es: „A116 deutſche Gebiete, Landſchaften. 
Städte und Orte haben bereits Beiträge in ihren Mundarten ein 
gefandt, und unfere deutfchen Bruͤder jenfeit des Seltmeere find | 
begterig zu wiſſen, wie ſich die Eräftige deutfche Sprache bier in 
Lande gebildet bat. Die amerikaniſch⸗deutſchen Mundartes 
fehten bis jegt noch dem Herausgeber bes Werks. Es eriſtire 
mehre launige Erzaͤhlungen in pennſylvaniſcher Mundart, die 
ſich zerſtreut in deutichr amerifanifchen Blättern Fapen und de 
ven Mittheilung ſehr erwünfdt kommen wuͤrde.“ ' 


Am 14. Mär; Abends hielt Dr. 3. 3. ©. Sullivan 
in der Julianſtraßenkirche zu Philadetphia eine Worlefung iz 
englifger Sprache über bas Leben und den Gparafter Take» 
Der Gintriftepreis war 12% Gents fhr die Perſea 
und ber Ertrag dieſes Vortrags, nad) einer Öffentlichen An: 
tündigung in den Zeitungen, zur (Errichtung einer Gdar 
beftimmt,, frei von Sektengeiſt, und worin grändlicher Unter 
richt in engliſcher und beutfcher Sprache ertheitt werden foä. 
* —— dieſes Schulverrins iſt ein Deutſcher, He. Heiz 
rich Vollmer. 


Das in Philadelphia errichtete deutſche Theater bat guten 
Bortgang, obgleich die Mittel deſſelben noch fdnoach find und 
große Städe nicht aufgeführt werben können, weil fie bie Kräfte 
der Schauſpielergeſellſchaft überfteigen. Mit Beifall wurden ins 
deſſen ſchon gegeben: „Rari XII. auf Rügen”, „Bumpaci Bagı: 
bundus’', „Die Beichte”, „Preciofa”, „Der Plagregen als Ehe: 
procurator", „Die fieben Mäbchen in Imiform”. Das Baus wx 
foft immer gut befekt. 2, 


fagra 
Lätits 








Blätter 


für 


littrariſche Unterhaltung. 


Mittwoch, 





Die neueſte Zeit in der evangeliſchen Kirche des preußi⸗ 
ſchen Staats. Ein praktiſcher Verſuch von Karl 
Bernhard Koͤnig. 

Zweiter und letzter Artikel. 
(Beſchluß aus Nr. 353.) 

Mir kommen noch einmal darauf zurüd, daß man 
damit beginnen follte, die Gemeinde zu organifiren. Nach 
der guten alten proteftantifchen Weile und Ordnung fol: 
lien die Laien bei den wichtigen Pirchlichen Angelegenheis 
ten ſchon zur Berathung zugezogen werden. Gefchieht 
es bei dem Reformwerke, fo wird das Ergebniß der Ar: 
beit um fo allgemeinere® größeres Vertrauen finden; ja 
fhon.von dee Mitarbeit ſelbſt find die heilfamfien An: 
regungen und Eindrüde zu erwarten. Weshalb follte die 
Gemeinde davon ausgefchloffen werden? Was gefchieht, 
wenn es wahrhaft fürdern, helfen, Beifall finden foll, 
muß hervorgehen aus bem lebendigen Bewußtſein der 
ganzen Kirche, das vollkommen klar und hell ſich doch 
nur in einer Verſammlung derfelben berausfiellen kann. 
Eben darum iſt es mwenigftens niche ausgemacht, vielleicht 
nicht einmal wahrfcheinlih, daß ein, etwa vom bermali: 
gen SKirchenregiment oder auch ber verfammelten Geift: 
lichleit ausgehender MReformationsentwurf der beite fein 
würbe. Geſetzt aber er wäre es, fo wuͤrde doc) die Kirche 
ihn annehmen, fo würde er fiher den Vorſchlag ihrer 
Drganifation und Vertretung enthalten müffen, und man 
wäre demnach doch wieder auch im beften Falle auf diefe 
zuruͤckgewieſen. 

Die preußiſche Regierung hat einen andern Weg für 
den beffern gehalten und eingefchlagen. Sie hat fih an 
die Geiftlichen allein gewendet, von ihnen allein Rebe 
und Antwort über ben tbatfächlichen Zufland, das Be: 
durfniß, die Mittel und Wege der Abhülfe gefobert. 
Mag es darum fein, wenn das Alles nur Worberathung 
und Vorbereitung fein fo, und wenn die Geiftlichen 
das Bertrauen rechtfertigen, das in fie gefegt wird. 
Sollten aber nicht mancherlei einfeitige Erklärungen und 
Vorſchlaͤge von ihnen zu erwarten, follte nicht zu befors 
gen fein, daß ihre Berathungen und Meinungsdußerun: 
gen großentheils den Stempel der Unfreibeit tragen ter: 
den? Dffendar traten Manche von ihnen nach einer 
bieracchifhen Gewalt, nad Begründung eines dogmatis 
(hen und kirchlichen Rigoriemus, wogegen die: Kicche 








Proteft einlegen muͤßte und würbe, nach einer Verfaſſung, 
Die mit oder ohne Biſchoͤfe den Geiſtlichen das volle Übergewicht 
und nebenher eine Zuthat von Titeln, Würden u. dgl. gibt, ſei 
e6, daß die hierauf hinauswollenden eine angefehene und wird: 
fame Kirche ohne dußerliche Geberden ſich nicht denken können, 
oder daß fie ehr= oder herrſchſuͤchtig find, oder bie allerkings 
nicht geringe Schwierigkeit der Steliung ber Geiſtlichkeit bei 
einer demokratiſchen Organifation fürchten. Andere duͤrf⸗ 
ten aus Interefie, Gewohnheit, Traͤgheit, Dieneret ode 
Befangenheit für eine Pfeudoreform oder für Erhaltung 
des Beſtehenden mit allen feinen Mängeln fein. In ber 
geifterprhifenden Agendenzeit haben fich Viele nur zu ſchwach 
bewiefen. Es mag fid) mit der großen Mehrzahl anders vers 
halten. Aus der Mitte der Geiftlichkeit ift der Ruf nad 
Reform zuerft vernommen. Bon Geiten des Lehramt 
tft die Sache anhaltend, mit Eifer, Muth und Aufopfe 
zung betrieben. Die angefehenften Theologen, bie meiſten 
geiftlichen Schriftfteller haben ſich entfchieden für Gemein⸗ 
bevertretung erklärt, die Anfprüche der Laien gerade am 
kraͤftigſten geltend gemacht: die einfchlägige Literatur bes 
weit es. Die geiftlichen Verſammlungen, bie auf Ben 
anlaffung des angezogenen Refcripts des preußifchen Mi⸗ 
nifter6 verfammelt gemefen find, haben ſich — fo meit 
unfere Kunde in dieſem Augenblide (im Anfange des 
Septembers) reiht — ohne Ausnahme für Presbyterien 
und Synoden ausgefprochen, eben wie die berliner Sy⸗ 
node, bie zuvor ſchon ein Jahr lang Berathung gepflos 
gen. Sie hat, wie man vernimmt, mit Energie ihre 
Erklärung abgegeben, mit 59 Stimmen gegen die eine des 
Hofpredigers Strauß, umd bat diefelbe zu abermaliger 
Berathung aufgefobert, wiederholt. In biefem Gtane 
haben die Synoden gemeint den Erwartungen bes Mb 
niſters entfpredhen zu müflen, daß fie das Ihre thun 
würden, bie Semeinden für den heiligen Zweck zu gewinnen. 

Doch wie dem fei, noch ift das Endergebniß diefer 
blos geiftlihen Verſammlungen unbetannt, und wie es 
au ausfallen möge — man wird zuletzt doch die Ge: 
meinde befragen müffen, ob ‘die Geiftlihen recht gerathen. 
Es iſt Höchft erfreulich, daß die preußifche Regierung nach 
fo vielen Maßregeln von oben, ber Kirche zu helfen, nach⸗ 
dem das weltliche Vielregieren in der legtern auf die Spige 
getrieben worden, endlich erkannt bat, daß bem Lehramt 


‚eine Stimme allerdings. gebikher, daß eine geimbliche Abs 


bütfe nicht ſowol durch Darseihung von Staatewiitteln 
und anordnende Thaͤtigkeit der Behörden erwartet werden 
ann, ſondern von der allgemeinen Anerkennung be& Übeld, 
von der Vereinigung gemeinfamer Kräfte, befonder6 aber 
von den Gemeinden ausgehen muͤſſe. Auch Das emwedk 
dhon die beſten Hoffnungen, daß fie wenigftens bie in 
ihren Spnoden verfammelten Geiſtlichen befragt und auf: 
fodert, ein Mares Bild von dem Zuſtande der Gemeinde, 
verhältniffe zu entwerfen, die Gebrechen beffelben zu er: 
wägen und Befjerungsvorfchläge und Anträge zu ſteilen; 
was dann abermals barauf binzudeuten fcheint, baß «6 
der Abſicht nicht gar zu fern liege, die Gemeinde felbft 
n. 


gu vemehmen, fie zu 

Alein es entftichen doch dabei auch noch große Be: 
denen, weiche die Hoffnungeluſtigkeit zu mäßigen fehr 
‚geeignet find. Der Erlaß vom 10. Juli fcheint durch 


ganz fpreielle Berhättniffe, Verlegenheiten, Ruͤckſichten ver 


Anlaft, dee Blick der Regierung faft nur, ober doch ver- 
‚waltend auf eine einzige beflimmte Seite, das feelforger: 
Ude Amt und was damit in naͤchſter Beziehung ſteht, 
‚gerichtet zu fein, und es iſt ſehr die Frage, wenn bie 
Geiſtlichen in überwiegender Mehrheit den ganzen Zu: 
ſtand der Kirche ſcharf ind Auge faffen und offen und 
nacbrädtich für eine freie Semeindeverfaflung fid aus: 
ſprechen, ob darin nicht «ine Taͤuſchung der Erwartun- 
gen Liegt, die man minifteriellerfeitd gehegt haben mag, 
amd ob die Anträge und Vorfchläge der Synoden fo will: 
Conımen fein, fo viel Genelgtheit darauf einzugehen fin 
Sen werben als Viele meinen. Sedenfalls iſt von ihnen 
bie zu Ihrer Ausführung noch ein unendlidy großer Schritt, 
amd der Anfang der legtern wuͤrde eben doch nichts An- 
deres fein Finnen als Das, wozu man ſich bie jetzt noch) 
wicht bat entfchließen mögen — bie Berufung der Ge⸗ 
weinde. Nichts kann natürlicher, vernünftiger, dem Rechte, 
dem peoteflantifchen Princip, dem Evangelium angemeffe: 
ar fein. Nur ift es, wo die Sachen „fo fehr verwir⸗ 
ver” find, ebenfo fchwer als preiswuͤrdig, zum Natüclis 
“en zurückzukehren, nur ift es ebenfo fchwer als edel und 
groß, eine Macht, welche man einmal befigt, ſelbſt zu be⸗ 
ſchraͤnken oder aufjugeben, auch in dem Kalle, wenn ihr 
Befitz der unrechtmäßigfte und unzuträglichfie wäre. Möge 
vor Allem das nirgend und nie wieder vergefien werden: 
daß eine gründliche Befferung der Kirche nicht 
von Staatsmitteln und VBehördenregiment 
erwartet werden kann, fondern vor allen 
Dingen von den Gemeinden felbft ausgeben 
muß. 8. Jürgens. 





Zur claffiihen Walpurgisnache im zmeiten ‘heile bes 
Goethe ſchen Fauſt“. Won Salomo Cramer. Zu: 
eich, Literarifches Comptois. 1843. Gr. 8. 15 Ner. 

„Was ift die Idee eines Waldes? — Die Bäume.” Dies 
ſes ſchoͤne Wort fest Hr. Cramer ald Motto über ben legten 

Abfchnitt des vor uns liegenden Werkchens, welches ein Rach⸗ 

wort über die Idee des „Kauft“ enthält. Gr mochte es viel 

in unmuth thun ber Solche, die fi über ein Werk der 


tung nicht cher zufrieden geben, bis fie eine fogenannte 


4483. 


- Idee? Die De dei Kaffe iſt der Zaflo, and Min Mar auser 


wählte Menſchen neben ihm.“ Sehr paflend bringe hie De. 
Sramer am Gade jenes Grcurfes das Wort des Dichters an: 
So fogt mir nur, was fäut euch ein, den alten Zauſtus zu 
t 


Der Jeufelſkerl muß eine Welt fein, am fo viel Wiberwaͤrtiges 
ju vereinen. 
Indeß muß doch in jedem Gedichte ſich ein Raben finden, ber 
durch das Ganze läuft, der freitich ſehr loſe, fehr verftedt fein 


4 Tann, ben aufzufinden ‚ber Dichter jedoch bier und ba Gelegen- 


beit bietet. 

Wir haben es in ber vorliegenden Heinen Gchrift allein 
mit ber claffifhen Walpurgtsnacht zu thun, bie der Berf. in 
ihr commentirt. Sewiß bedarf fie vorzugswelfe eines Tommen⸗ 
tars; benn vielleicht bietet Fein Dichtwert fo geofe, fo. gebäufte 
Schwierigkeiten und Räthfel als dieſes Stuͤck des überhaupt fo 
räthfelvollen „Kauft“; und was fo mandje Commentatoren Über 
daſſelbe vorgebracht, will noch keineswegs befriedigen. Auch wir 


wiederholen das Wort, bad wir vor einer Reife von Jahren 


vorn in ein Sremplar bes „Kauft“ fchrieben: 
Es glaube Keiner, daß mit allem Sinnen 
Er je das ganze Lied entzäthfeln werde. 


Hr. Cramer will auch buschaus nicht an biefem einen Acte bes 
„Fauſt“ den Zufammenhang beffelben mit ben Ganzen nadyweifen ; 
er will nur zeigen, daß auch dieſes Stück für fidh einen innern Zu- 
fammenbang babe, daB es nicht, wie Einige gewähnt und ta 
beind ausgefprochen Haben, etwas Zufammengewärfeltes, ein ber 
jedesmaligen Laune des Dichters entfprungenes Quodlibet fei. 
Durch die ganze Schrift hindurch fpärt er dem fich durchziehen⸗ 
den Faden nad, und oft, wie ed uns fheint, mit Süd. Was 
er in der Ginteitung über feinen Zwed, fein Verfahren fagt, 
ift vortreffiih, durchaus paflenb, wie jeber Wershrer bes Dich 
ters eingefehen und empfunden haben muß; wir muͤſſen ihm beis 
flimmen, wenn ee fpricht: „Die Stellung des Interpretm if 
feine andere als bie des Sachwalters, deſſen Rede nicht auf bie 
Willigkeit der feindlichen Partei, fondern auf daB geredjte Ge⸗ 
bör des unpartelifchen Richters berechnet iſt.“ 

‚ An einer feindlichen Partei fehlt es aflerbinge nicht; auch 
wir haben gehört, wie man Die ſchalt, bie ſich um das Wer 
ftändniß des zweiten Theils des „‚Zauft” bemükten, wm des 
Verſtaͤndniß eines Werks, das ja befauntermaßen ein Beweis 
fei, wie der einft große Dichter heruntergelommen. Man kann 
fih faum eine ärgere — wie wollen nicht fagen Ympietät, eine 
Thorheit denken ats bie Annahme, daß ein fo großer Menſch 
wie Goethe ein Werk, das er fein ganzes beſonnenes Leben kin 
durdy*) mit Fteiß und Eiche gepflegt, wit einer Thorheit folle 
befchloffen haben. 

‚Wie viel Anſprechendet, tiefer Cingehendes wir auch in ber 
vorliegenden Schrift gefunden haben, fo hätten wir doch bie 
Form derſelben, die hier fo eng mit dem Inhalt verknoͤpft iſt 
anders gewänfdt. Es ift ein jogenannter Commentaries per- 
petuus, ein fortlaufender Gommentar, von dem ber Philolog 
Wolf zu fagen pflegte, er heiße deshalb fo, weil er einem unter 
ben Haͤnden fortlaufe, wenn man feiner am meiften bebärfe. 

*) 886 fei Bier bemerkt, daß Dr. Gramer in feiner „Ehromelogie 
bed Bau“ den Anfang deſſelben im bie Jahre 172 — 74 fegt. Nah 
einigen Worten in Briefen an Belter (vom 1. Suni 1891, und am 
W. v. Humboldt (vom 17. Maͤrz 1888) muß man bie erfie Concep⸗ 
tion des Gedichts als früher annehmen. Jener Wrief fagt aus⸗ 
dracktich, der Jauſt fei im zwanzigſten Sabre coneipfet worden. Gir 
ne ee (vom 1. März 1788) beutet für Die erſte Abfefung 
an . 






zei. har Aaben, va D Wenns 

* ihn * feſthieiten; das Bedeutende wird You ven weniger 
Berruiemden währt gehlriy. Manchmal euinnere Gin: 
gelheiten ſogar an Den Loͤut Ichen onsarerisan, an dem man zei⸗ 
gen tönnte, wit ein Commentar wicht befchaffen fen fol. So 


Arimaspen nımmehr 
gen mit einer einzigen Benfteröffnung hatte; ober: MPlaſtron 
— Pflaſter. Hei “ (was übrigens unrichtig: VDiaſtron ift 
das Sruſtſtuͤck am Harniſch; Hier ſcheint es eine ausgeſtopfte 
Figur zu bezeichnen, gegen bie man zur Übung rapirt); oder 
wenn zu ben Worten des Sedichts: „Vergebens quälen fie den 
Stein“, an ben beruͤhmten Torſo bed Hercules erinnert und ge: 
fagt wird: ‚„„Diefer ‚Gtein® Hatte als Ktopfbiock einem Schuſter 
‚gedient. (Bexgl. Goethe's „Italieniſche Reiſe“, die hier zu ei⸗ 
nem feltfamen Micverſtaͤndniſſe Anlaß gegeben hat.) 

Doch abgefehen von ſolchen Miegriffen, ſolchem Ungehoͤri⸗ 


gen — geiſtreich und grünbtich hat Hr. Gramer dargethan, daß 


in der cioffifchen WBalpurgisnacdht das Neptuniſtiſche Syſtem, 


wie Goethe ſich daffeıbe geftaltet, dargeſtellt fei. Die vielen Gins | 


iten, die in derfeiben vorfommen, find, wenn auch, wie 
ſcheint, nicht alle, auf dieſen Punkt gluͤcklich zuruͤckgefuͤhrt. 
Richt alle, ſagten wir mit Bedacht. So heißt es ©. 57 
von den, „Pfellen und Barfen”: „Wellos — undeutlich, dun⸗ 
kei bei Älhplus. Nicht davon gu reden, daß Peilds wol all 
und jebes lindeutliche und Geheimnißvolle bedeutet, tft zu fagen, 
daß, wo die Marfen hinlommen, andy. die Pfellen Play haben 
dürfen. Die Marſen aber kommen Hierher als Enter der Kirke, 
der Meerinfelgdttin und Zauberin. Dies ‚Scheint uns ſehr ges 
zwungen, und unflar Das, was weiterhin über die Borm Pud- 
A0g gefagt wird. Die neueſte Ausgabe von Goethe's ‚Werten 
bat wirklich Pſyllen und Marfen, vieleicht durch Weber's Com⸗ 
menter (S. 200 fg.) veraniaßt. Jedoch führen wir dies Alles 
aus einem andern Grunde an. Die 8* dem ſo bedeutenden 
Meeres feſte Verſammelten ſchtießen den Act mit dem Chor: 
Sodogeferert ſeid all dier 
Element' ihr alle vier. 


Wenn wir nun den Homnmnculns als einen Feuerdaͤmon betrach⸗ 


n, der fi dem Waſſer vermähtt, wo follen wir dann bie beis 
den —— ſuchen? Nicht wohl in ben Pſyllen und 
Marſen? Die „in Cyperns Fra vom Meergott nicht bers 

ütteten, vom Geitmos ui 
I die rubig bleiben, „wie es oben wohnt und thront, fi 
wechfeind wägt und regt, ſich vertreibt und todtſchlaͤgt, Saaten 
und Städte niebesfchlägt”, die ſich weber um die Oerrſchaft 
„des Adlers, noch des geflügelten Ebwen, noch bes Kreuzes, nod) 
des Mondes kümmern. Und wenn wir in ihnen bas Clement 
der Erbe finden, weifen nicht auf das ber Euft die Tauben hin? 
Diefe Vögel der Semiramis, ber Tochter ‚der Luft, die einen 
King um den Mond bilden, „ben ber naͤcht'ge Wanderer Mond: 
hof, Lufterſcheinung nennt“ 

ragt man nım, was bie vier Elemente, auf die ber Dich 
ter offenbar fo großes Gewicht legt, hier follen, fo antworten 


wir, freilich mit Bedenken und Schuͤchternheit, Folgendes: Fauſt, 


in mittelalterlidgee Truͤbe zu Jahren gelommen, foll zu einer 
reinen Anfiht der Dinge, zu einer reinern Thaͤtigkeit gelangen, 
und er ſelbſt fühlt dieſes Beduͤrfniß, die Sehnſucht es zu be: 
friedigen, die freilich, indem er Helena verlangt, mit Sinnlich⸗ 
deit vermifcht ifl. Um aber ein neues Seben beginnen zu koͤn⸗ 
nen, muß alles Alte abgeftreift, er muß am von neuem 
geboren werden. Dies ſcheint dadurch angebeutet, daß er, durch 
die Erſcheinung der Helena paralyſirt, im fein altes Studir⸗ 
gimmer zurüd verfeht wirb, von wo ats der neue Lebenslauf 
deginnen fol. Damit er Selena gewinne, das wahre Schöne, 
Naturgemäße, war bie Aufgabe, aus unferer yerriffenen, nicht 
folgerecht gebitbeten Welt derauszugehen und eine Schoͤpfung 
‚von vorn herein anzufangen”. So nur konnte eine griechiſche 


tete, alien, wo | 


gerrütteten Höbleugräften wohs 





ER regen.  DR6 Met dazu M Gomunctkub, die Sehn⸗ 
Er Are bie zur Wirktiäleit zu werben trachtet. Der 
Dilpter ſcheint fegar zu wollm, damit man bie griechffche 
‚Schöngeit gewinne, nmäffe einem eine ganz neue Melt erzeugt 
werden. Darum fehnt ſich Homunculus immerfort zu entftehenz 
er made in der „Welpurgisnacht“ eine Reife durch allerlei 
halbmenſchliche Naturen, bis er Gataten erreicht. Zugleich has 
ben fi bie Elemente verfammelt; aus ihnen fall von neuem 
eine Weit entfichen; wie denn in ihnen, fowie in dem Chaos 
ber bichtenden Ppikofe anch Sred waite. Homunculus 
hat in Galatea die merfhliche Bildung erreicht; ex, zugleich 
ein „ loͤſt fi zu den üben berfeiben im Meere 
auf, und eine neue Welt iſt entflanden, die den britten Act, 
ben wir uns mit dem zweiten eng verbunden denken muͤſſen, 


madıt. 

Mit Redit legt Hr. Cramer Gewicht auf bie Scene, bie 

der Dichter ſchuldig gebtieben ift, in der Fauſt ſich Helena von 

Perfephoneien erbittet. Beine Bitte ift erhörtz Mephiſtopheles 

als Phorkyade treibt fie ihm in die Arme; das Übrige, was 

—* war, damit die alte Welt entſtehe, bat Homunculus 
getban. 

Noch manches Andere ift der Dichter ſchuldig gebtieben. 

Bol wird Jeder, der ſich um den „Fauſt“ Mühe gab, eingeftes 

ben, baß „es noͤthig war”, Mephiftopheles den Epilog zum 


“ dritten Act halten zu laffens der Übergang zu diefem vom zweis 


ten wird immer ein mächtiger Sprung bieibens; unb felbft ber 
erfte Theil der Tragoͤdie hat noch Vieles von feiner fragmen⸗ 
tarifchen Art behalten. 

Über bie Gpiegelungen, ober Seflere, wie fie Dr. Gramer 
nennt, die zwilchen Galaten und Helena, wie zwiſchen dem 
Knabenlenker und Euphorion, Hattfinden, hätten wir gern mehr 
vernommen. Er durfte auch an Aphrodite erinnern, wie es 
ber Dichter ſeibſt gethanz nur daß die Göttin freilich nicht in 
dieſe Zaubernacht gehörte. *) 

Was übrigens den Bauptswed ber Walpurgisnacht für 
die ganze Tragödie hat, fo gibt uns Mephiftopheles Auffchluß 
‚ wenn er (im Anfang bes vierten Actes) fagt: 

Man merkt's, du kommſt von Deroinen. 

Wie nun bie Walpurgisnacht des erſten Theils dem 
Dichter Gelegenheit bot, manches Verkehrte unferer Bett fatis 
riſch zu ſcheiten, fo audy die des zweiten. Und bier dreht ſich 
das Meifte um Neptunismus und Bullaniemus, die Goethe 
während feines Lebens fo ernftlich befchäftigtens dazu war ihm 
jener fo bedeutend für das Entſtehen des Omunculus; und fo 
{ft das Meerfeft ein wichtiges Moment. Weit aber das Ganze 
doch eine Walpurgisnadht iſt, fo hätte Hrn. Cramer die bus 
moriſtiſch⸗ ſatiriſche Behandlung der Kabiren nicht fo bedenklich 
fein folen, ‚daß er fie abweift und ernſtlich genommen wiſſen 
will. Wir koͤnnen nun und nimmer einen Exrnft barin finden. 
Iſt doch auch der für das Entftehen des Homunculus fo nothe 
wendige Proteus, iſt body auch Thales humoriſtiſch behandelt. 

Wir gaben hier nur Andeutungen, und, es ſei wiederholt, 
mit Bedenklichkeit. Moͤchte Dr. Cramer fie prüfen, und dadurch 
zu Bortfegung feines ernften, geiftreichen Beſtrebens veranlaßt 
werden! Manche Luͤcken find ohnehin in feinem Commentar 
auszufüllen. So ift vom Proteus (die Rieſenſchildkroͤte mußte 
ihm doch willtommen fein) kaum, von den Zauben gar nicht 
bie Rede, von manchem Anbern auch nur fehr obenbin. Won 
ben Zeldyinen hätte fi wol ein Bezug auf die Kunft, die ne 
ben den Gtementen bier doch auch nöthig war, nachweiſen lafs 
fen; auch werben fie gewiß nicht ohne Bedeutung „Geweihte 
des Heliog” genannt. 

Sollen wir unfer Urtheit über bie angezeigte Schrift kurz 
zufammenfaffen, fo fagen wir, daß fie viel Dankenswerthes ents 


*) Eucan, deffen „Erichtho⸗Goethe ohne Zweifel bei der feinigen 
im Sinne hatte, fagt (Phers., 6, 430): 
Supernis 
Detestanda deis saororun arcana magorum. 









daß fie einen ber Faͤden, bie bundh dad —— 
en leiten möffen, barbietet, daß fie von Nachdenken 
und liebevoller Beichäftigung mit dem Dichter zeugt; daß fe 
aber doch nur einige Elemente bietet, aus denen bie aroße Dich⸗ 
tung entftanden ift, daß hier und da ber Dichter abisrte, eben 
weil er nur einen Raben verfolgte, daß bie Form ber Schrift 
nicht gluͤcklich gewählt worden. 92, 





Bibliographie. 


Adler, 8. ©, Grinnerungen aus dem Zagebudie eines 
Geiftlichen, vormaligen Pfarrers bei der evangelifchen Gemeinde 
in Livorno. Gchleiz 1842. Gr. 8. 1 hie. MO Nir. 

Album der Haupt: und NRefidenzftädte Europas, herauss 
gegeben von L. Bechſte in und V. Kleinknecht. Uſte Sec⸗ 
tion. Iſte eieferung: Berlin. Schweinfurt, Kleinknecht und 
Schäfer. Gr. 8. 71% Nor. 

Abum der Tiedge: Stiftung. Gaben deutſcher Schrift 
Belkr, gefammelt und herausgegeben von dem Gomite der Tiedge⸗ 

tiftung zu Dresden. Ifter Band. Dresden, Verlag der Tiedge⸗ 
Stiftung. Eer.:8. 2 Thlr. 
1 tom Saroline, Gedichte. Berlin, Enslin. Gr. 12. 

lr. N) 

Bergius, C. 3., Preußen in flaatörechtlicker Beziehung. 
2te vermehrte und verbefferte Auflage. Meünfter, Deiters. Gr. 8. 
1 Thlr. 25 Ner. 

Befte, W., Die Gefchichte Catharina's von Bora. Rad 
den Quellen bearbeitet. Halle, Muͤhlmann. 8. 15 Nor. 

"  Beurmann, ©., Über Afghaniſtan. Darmfladt, Leske. 
1844 Gr. 8. 1 Zhlr. 20 Nor. - 

Böhmens Zukunft und Öfterreichs Politit vom Stanbpuntte 
der Wergangenheit und Gegenwart. Zwei Bände. Leipzig, 
Reclam jun. 1844. 81.8. 3 [7 
1 g ue Croquis aus Ungarn. Iſter Band. Leipzig. Ki. 8. 

bir. 


D ef fner, &., Ernſte Worte über das Zufammenwirfen 


der Kabrifanten Deutfchlande, gefprochen in der Plenarverſamm⸗ 
lung des MWürttembergifchen Kabrikanten s Vereine. Stuttgart, 
Metzler. 8. 3%, Near. 

Dillinger, 3. 3. 3., Lehrbuch der Kirchengefchichte. 
Ifter Band und 2ten Bandes Ifte Abtpeilung. te verbefferte 
Auflage. Regensburg, Many. Gr. 8. 3 Thlr. 

Dorst, L., Württembergisches Wappenbuch, 
oder die Wappen des immatriculirten Adels im Königreich 
7 ürkkenberg. In Buntdruck. Istes Heft. Halle, Gräger. 
4. Thlr. 

Drarler: Manfred, Das Blumen:Album. Der Pflans 
zen Symbolik und Sprache in Abendland und Morgenland. 
Siegen, Friedrich. Gr. 16. 2 Thir. 

Drechsler, A, Kircheniehre und SKeserglaube. 
Umfhau über Religion und Chriftentbum, Gerechtigkeit und 
Sanate, Diesfeits und Jenſeits. Leipzig, Theile. 1844. 8. 

Nor. 

Dropf en, 3. G., Rede zur 1000jährigen Gedaͤchtniß⸗ 
feier des Vertrages zu Verbun, auf der Chriſtian⸗Albrechts⸗ 
Untverfität zu Kiel am 10. Auguft 1843. Kiel, Univerfitätss 
Buchhandlung. Br. 8. 7, Nor. 

Etlendorf, 3., Pr. Binterim vapulans, ober Reviſion 
der Brage: ift Petrus in Rom und Bifchof ber römifchen Kirche 
gewefen? Darmftadt, Leske. 12% Nor. 

Zwei Entwürfe zu einer neuen Stadtverfaſſung für Osna⸗ 
brüd, Nebft der nähern Begründung bed von Seiten bes 
Magiftrats und der Vertreter der Buͤrgerſchaft vorgelegten Ent: 
wurfs. Jena, $rommann. 1844, Gr. 8. 1 Thlir. 

Erinnerung an das 7MOjährige Zubelfeft des feligen Berts 
Hold, erften Abtes zu Sarften, im Sabre 1842. In einem 


Eine | 





beffetbe BR: Ling, Gusiinger. 


deifitidger Lieder. Ae Auf⸗ 
K.8. M Nor. 
Al Ein Beitsag zer 
Kenntaiss der Hochgebirge. Mit-ä geognostischen Karte und 
18 Gebirgsproßlen in 18 Tafeln. Selothurr, Jent und 
Gassmann. 1844, Kl. Fol. 10 Thir. 15 Near. 
Gottwald, E., Erzaͤhlungen. Dresden, Arnoib. 8. 
roß⸗Trockan, X. b. v., Lieber eines Gefangenen. 
Bamberg, Dreich. TA Ror. * 

. Hansen, P. A., Ermittelung der absolaten Störes- 
gen in Ellipsen von beliebiger Excentricität und Neigung. 
Ister Theil, welcher als Beispiel die Berechnung der sbse- 
luten, vom Saturn erzeugten Störungen des e’'schen 
Kometen enthält. Gotha, Gläser. Gr. 4. 3 Thir. 10 Ner. 

Dausrath, A., Rede bei ber Beerdigung des Freiß 
Zulius Göler v. Ravensburg den 6. September 1843 zu Karle | 
ruhe gehalten. Karläruge, Holgmann. 8, 2% Nor. | 
‚„ Peine, Uber die große, bedeutungsvolle und volfstbäm: 
liche Verſammlung deutfcher Lands und Forſtwirthe zu Alten 
burg. Im Geptember 1843. Mit mehren Bufäten Gerausgegebra 
von M. Beyer. Leipzig, Voigt unb Fernau. 8.8. 15 
VBotho, 9. G., Geſchichte der deutfchen und nieberlänbi- 
ſchen Malerei. Gine öffenttiche Bortefung an ber Konig Friebeik- 
Wiikelms - Univerfität zu Berlin gehalten. Ater Band. — X. u. 
d. T.: Öffentliche Vorleſungen über Gegenflände der Eiterarr 
und Kunft. 2ter Theil. Berlin, Simion. 8. 1 Thir. 10 Rır. 

Alte und neue Jägerlieber. Mit Bildern und Gingweifen. 
Herausgegeben von 5. Pocci und F. v. Kobell. Lanbsket, 
v. wege Br. 8. 5 Nor. | 

ind, Roswitha, Gedichte. Leipzig, Lehmann. Gr. 8 
1 Zhte. 15 Ngr. ‚was us 

Kirchner, C., Die Landesschule Pforta in ibrer ge- 
schichtlichen Entwickelung seit dem Anfange des XIX. Jahr- 
hunderts bis auf die Gegenwart. Kinladungsschrift zur 
dten Säcularfeier ihrer Stiftung den 21. Mai 1843. Mit 
1 Grundriss von Pforta. Naumburg. 4. 1 Thlr. 

‚ Klopfteifd, ©, Bee am Grabe des Sem. Dr. 3. 2. 
Fries am 12. Auguft 1843. Iena, Srommann. Gr. 8, 3%, Nor. 

tod, 8. ®&., Lehte Greigniffe bes Weldzuges im Chine, 
mit, Batijtifchen ———— Beobachtungen. Rachtrag 
u dem „Krieg in China” vom Richard. 

sa Gr. 8. 1 Ehe — u Faden, Wiege 

‚gutteroth, H., Geſchichte der Infel Tahiti und 
Beſitnahme durch die Franzofen. Frei aus bem —— 
mit Anmerkungen und Zuſaͤßen von T. Bruns. Mit einr 
Karte der Geſellſchaftsinſeln. Berlin, Schuitze. Gr. 8. 1 Thu 

Rodnagel, A., Witter Robenftein, bee wilde Sägen. 
Poltemarchen in fünf Acten. Darmſtadt, Beste. Gr. n. 

gr. -. 

Posselt, M. C., Peter der Grosse und ibnitz. 
Monkanı Severin. Gr. 8. I Thir. 15 Ngr. Keibait, 

uler, 8. J., Gedichte. 2te 
Danke, Calker. —* Fri u Ir. vermehrte Auflage 
ulelta, F., Erzaͤhlungen und sin gemifchter Anhang. | 
Zwei — Beim, rar 1844. 8.7 Euer | 
eidbel, H., Moſaik. Stuttgart Tger. | 
Kl. 8 26 17 , gart, Oallberger. 1844 
ophokles' Antigone. Deutſch von W. R. Grie =. 
fer En —— —————— 1844. 8. 15 ie 
a tafgefegbudy für das Königreich N 2. über 
fegt von F. Thaulow. Chriſtiania, Dapı. Sr 8: 22, Nor 

„Wachsmuth „W., Geſchichte Frankreiche im Revolutione 
heitalter. ter Theil. Hamburg, A Pertbe. Gr.8. 3 Thir. 

gu... 


Be, 8. 18, 


Verantwortlicher Derauögeber: Heinrih Brodbaus. — Drud und Verlag voa 8 4. Brodhaus in Leipzig. 














Bldtter 


titerarifche 


fir. 


Unterhaltung. 





Donnerstag, 





= — 2.2... - - m — ——— 20., — — — 


Tafchenbücherfchau für das Jahr 1944. 
3weiter Artikel. 
2. Penelope. 


21. December 1843, 








Erfie iſt praktiſch genug, um die Brauchbarfeit des Zwei⸗ 


ten einzuſehen. Er will ihn daher für immer ar ſich 


| feffeln und zum Manne feiner Pflegetochter machen, wäh: 


„Penelope“ begrüßt und dieſes Jahr mis einem fehr 


freundlichen, Auge, Gemüth und Geift gleich anfprechenden 
Geficht, das dem fein und ſauber in Stahlſtich ausgeführ: 
ven Bildnis der koͤniglich fachfiichen Hofſchauſpielerin Da: 
tie Baper angehört. Es ift mol Jedem Lieb, unter den 
‚vielen idealiſch fein follenden, charakterlofen Taſchenbuch⸗ 
phufiognomien auch einmal ein lebenskraͤftiges, naturmüch: 
füges Sefiht, das den Stempel ber Wahrbeit trägt und 
an Schönheit doch nicht hinter jenen zurüchleibt, zu fin: 
den; für Mef. aber ift es doppelt angenehm, infofern es 
ibm eine ſchoͤne Stunde ind Gedaͤchtniß zurüdtuft, in der 
er vor mehren Sahren das Glüd hatte, mit des Beſiztze⸗ 
ein deſſelben bei Tieck zuſammenzutreffen. Die junge 
“Künftterin war damals in ihrer erjten Jugendbluͤte und 
machte auf Alfe, die fie ſahen, nicht nur durch ihre 
äußere Erſcheinung, fondern vorzugsweife durch ihr weis 
ches, klangvolles Drgan, durch die Beſcheidenheit und An: 
Tpruchstofigkeit, die im ihrem ganzen Auftreten fag, und 
durch die Keichtigkeit und Anſchmiegſamkeit, mit der fie in 
Tieck's Ideen einging, einen durchaus mwohlthuenden Ein: 
druck. Sie hatte damals unter Anderm die Julie in 
„Romeo und Julie” gefpielt und Zie konnte nad ihrer 
Entfernung nicht genug ruͤhmen, wie Treffliches fie, von 
der Natur beguͤnſtigt, im diefer Mole ſchon jegt gefeiftet 
und mie viel man fih, wenn fie ihre Studien mit gleis 
chem Eifer fortfege, von ihre auch für andere Rollen ver: 
fprechen bürfe. An dem naͤmlichen Abend hatte Ref. aud) 
die Freude, bei Ziel Julius Mofen Eennen zu lernen, 
und merfwürdigermeife findet fidy auch deffen Bildniß in 
diefem Taſchenbuche, wie jenes trefflih ausgeführt und das 
Charakteriſtiſche des originellen, in Schnitt und Goforit 
etwas mautitanifchen Gefichts mit ziemlicher Treue wie: 
dergebend. Julius Mofen hat die „„Penelope” auch 
"mit einer Erzaͤhlung „Lebende Bilder” betitelr, erfreut. 
Die beiden Hauptfiguren derfelben beftehen in bem Buch: 
händler Alfgeler, einem praktifhen, und beffen Zeitungs: 
redacteur Dingler, einem ſchriftſtelleriſchen Genie. Der 


* Bot. den erften Artikel in Nr. 305 — 307 b. Bl. 
D. Re. 





L 


rend feine leibliche Tochter einen reihen Compagnon hei⸗ 
rathen ſoll. Aber mitten in dieſer praßtifchen Genialität 
überrumpelt ihn merkmürbigerweife der Geift der Roman⸗ 
tie, die ihm fo manchmal für feine profaifchen Iwede bat 
dienen mäffen. Die Verlobung foll in uͤberraſchender 
Weiſe bei einer Darftellung von lebenden Bildern vor eis 
ner eigens dazu eingeladenen Befellfchaft vollzogen werden, 
und die beiden Paare follen dabei als Romeo und Julie“ 
figuriren. Amor aber bat die Karen anders gemifiht, 
und in Folge deflen gruppisen fidy die lebenden Bilder 
wider Erwarten gegen bie praßtifche Anordnung. Dee noch 
immer vom Kobold der Romantik vefeffene Vater merkt 
das Qui pro quo nicht fogleih, die feierliche Vorſtellung 
md Begluͤckwuͤnſchung der Paare geht vor fih, und fo 
gefchteht e6, daß der alte Praktiker den zum Pflegeſchwie⸗ 
gerfohn defignirten Literaten als wirklichen Schwiegerſohn 
in feine Arme fliegen muß. Man fieht aus biefer 
Skizze, daß die Erzählung eigentlih auf einen Scherz 
hinausläuft, umd etwas Anderes will fie auch in der That 
nicht fein. Ohne tiefe und neue dern anzuregen, weiß 
fie doeh von Anfang bid zu Ende den Leſer anzuziegen, 
indem fie ihn mit verflohlenen ironiſchen Seitenbliden 
zwiſchen Perfönlichkeiten und Eituationen bindurdpführt, 
die im gluͤcktichen Conturen dem Leben nachgezeichnet find. 
Wenn Dingter, um fih gegen den Vorwurf, daß er «6 
mit der ſchlechten Preffe halte, zu vircheidigen, unter Ans 
derm fagt: 

Mit biutendem Herzen muß ich mid bier verlaunt fehen, 
wo ih doch über mein Gewiſſen hinaus die fogenannte aute 
Preffe zu vertreten gefucht habe. Während ich den guten Geiſt 
der Zeitung immer fireng im Auge behalten habe, entfaltete der 
verwegenfte Liberalismus in den Zeitungen, welche aller Orts 
auftauchten, feine Fahnen, und unfere Abonnenten defertirten zu 
Hunderten. Mit ihrer Genehmigung fuchten wir baber bie 
Punkte heraus, welche eine liberale Befprehung zulichen, ale: 
den Zollverein, bie Unbeftändigfeit des franzoͤſiſchen National⸗ 
charakters und den Panflamismus. Ebenſo waren wir in den 
Stand der Nothwehr gegen bie jungen Zeitungen verfegts wir 
mußten alle Mittel gebraudyen, ibre Zendenz unter dem Namen 
bes fogenannten befonnenen Kortfchritte als verwerflid zu be⸗ 
zeichnen. Zugleich galt es, unfern alten, claffifchen Verlag ges 
gen die moderne poctifcye Literatur in Schuß zu nehmen und 
zwei Ziegen mit Einer Klappe zu ſchlagen. o babe ich in 


‚8 X A 


. # J 
dem verzvichenen Dalbjahre die Ausartungen ber Literatur, bes 
fonbers den politifchen Roman nach Kräften von einem veruns 
lüdten Dramaturgen und misrathenen Chapon aus der Gentz'⸗ 
hen Schute feciven laſſen. Ja, leider muß ich geflehen, daß 
mir felbft dabei zuweilen mein Metier perfid, faſt ehrlos vor⸗ 
tom. Es ift ein berbes Schickſal, ein Redacteur bei biefen 
Zeitlaͤufen zu fein! 
und Allgeier darauf amtwortet: 
Lieber Freund, Sie laffen ſich noch zu leicht aufregen; jes 
des Geſchaͤft hat feine eigene Morat, bei weicher bie einzelne 
Derföntichkeit nicht in Brage kommen darf. Sie bemerken ganz 
rihtig, daß wir im Stande der Nothwehr waren; eigentlich 
fommt eine Rebaction aus ihm nicht heraus. Zeitungsſchreiber 
find feine Gefchichtöfchreiber. Wir müflen und immer zwiſchen 
der Partei der Bewegung und der Reaction mitten innenhalten. 
Weihe gerade die berrfchende tft, macht ihren Einfluß auf uns 
geltend. Sache der Klugheit iſt es, ſelbſt da noch einen Weg 
zum Ruͤckzug frei zu echalten, um nicht befeitigt zu fein, wird 
eine andere dee zur herrſchenden Mode. Wir müffen jegt mit 
Guizot das Zumartefpftem aboptiren. Geben Sie ftatt aller lei⸗ 


tenden Artikel wieder einmal Berichte über Kurdiflan oder Hin⸗ 


doftan, über die Marquefasinfeln und Zabiti, über ben Nugen 
der Phflotogie auf gelehrten Schulen, kurz Alles, nur keine 
wirkliche Politik; denn früher oder fpäter will man doch wieder 
etwas von ficy felbft hören, fei ed im Guten ober im Böfen. 
fo liegt wol Keinem die Meinung fern, daß Ähnliche Ge: 
fpräche in jegigen Zeitläufen in manchem dem Juſtemilieu 
huldigenden Zeitungsbureau flattgefunden haben mögen, 
Unter den übrigen Gaben verdienen vor allen bie 
„Blätter aus meinen Erinnerungen” von W. Aleris her: 
vorgehoben zu werden. Die Leſer der „Penelope“ werden 
fi erinnern, daß W. Aleris unter demfelben Zitel fchon 
im Jahrgang 1842 Mittheilungen aus feinem Leben ges 
macht bat, die damals ſowol ihres ftofflichen Intereſſes 
swegen wie um ihrer geiftvollen, pifanten Darſtellung wil⸗ 
len den allgemeiniten Anklang fanden. Auch die diesjäh: 
rigen werden fich viele Sreunde erwerben, wenn auch un: 
tee einem ganz andern Publicum. Bettafen jene feine 
Beziehungen zum Theater, fo behandeln diefe feinen Marſch 
nach Frankreich im Fahre 1813, den er ald Juͤngling von 
16 Jahren im Corps der Freiwilligen mitgemacht bat. 
Ref. aefteht, daß ihn die Erzählungen, Declamationen, 
Lieder aus jener Zeit immer ziemlid) Ealt gelaffen haben. 
Wenn wir im Herdft bei einer magern Ernte hungern 
müflen, gerührt es eine geringe Satiöfuction, an den 
biütenreihen Fruͤhling erinnert zu werden, zumal wenn 
wir feine Farbenpracht nicht ſelbſt gefehen, feinen berau: 
fhenden Duft nicht felbft eingeachmet haben. Jene Zeit 
des vaterländifhen Enthuſiasmus wird in der Geſchichte 
ftets einen merkwürdigen und fhönen Moment bilden; 
wir aber ftchen im Verhaͤltniß zu ihr noch nicht auf dem 
zuhigen hiſtoriſchen Standpunkte, wir beurtheilen fie nicht 
an fi, fondern nach ihren Erfolgen, und weil diefe ung, 
die wir zehntaufendmal mehr erwartet haben, fo lächerlich 
ein vorkommen, fühlen wir uns fietd in einer eigen: 
thuͤmlich peinlihen und gequälten Lage, wenn uns die 
Zeit ſelbſt, die Mutter diefer Kleinen Ergebniffe, ald etwas 
wer weiß wie Großes und überaus Derrliches angepriefen 
wird, und mie müflen unmwilllüriih an den großen Berg 
denken, der die kleine Maus zur Melt brachte. Je un: 
behagliher aber folche Lobpreifende Darftellungen jener 


ß 
u‘ 


Jahre — und faſt alle, die mir vom Augenzeugen zu es 
iht gefommen, trugen diefen enkomiaſtiſchen Charakter — 
ets auf mich gewirkt haben, um fo angenehmer war es 
mir, in den bier mitgetheilten Blättern einmal eine Schil⸗ 
derung zu finden, bie neben ben Lichtſeiten auch Die 
Schattenfeiten aufdeckt und In die Nadhallg de iugend⸗ 
lichen Begeiſterung auch die männliche Stimme der tuhl⸗ 
gen Erwägung und die wenn auch fonft nur im Zeichen 
rebende Sprache der Ironie mit einmifcht. Es ift interefjant 
zu hören, wie er über jenen Aufsuf und Aufſtand von 
1815 urtbeilt, wie er nachweilt, daß fchon damals fo viel 
Spielerei, fo viel egoiftifhe Berechnung, To viel Seibſtbe⸗ 
trug mit im Spiel war, daß fihen Damals. das Feuer eis 
nee reinen Begeiſterung zu verlöfchen begann, daß ſchon 
damals die Überzeugung fich ausbreitete, «6 fei die Hoff: 
nung auf Freiheit und nationale Sinheit nur ein Traum 
geweſen. Die Tugend zwar fei noch voll und beraufdt 
geweſen von Arndt und Zahn, Koͤrner und Schenken: 
dorf, aber dennoch fei auch in fie bereits ein Misklang 
gedrungen. 

Gang — fehreibt er — mar es und nicht entgangen, daß 
bie Diplomatie ber Rationalbegeifterung ein Schuippchen ge 
Schlagen hatte, und daß Andere Das ernten wollten, was bat 
Bolt duch Opfer und Zapferkeit errungen hatte. Aber wir 
bervegten und noch in einem engen Formeikreiſe. Die gefpenftie 
fhen Wörter: Ariſtokratie, Bureaufratie und Hierarchie, die 
und feitdem erfchredten, lagen damals außerhalb deffelben; war 
das Wort Zyrannei, bas geündlich gehaßtefle, kannten wir 
zwar, aber wir waren viel zu loyal, um es auf Andere an 
wenden als auf den Franzoſenkaiſer Napoleon. Unfere natuͤr⸗ 
liche Freiheitsliebe war mit dem Franzoſenhaß indentificirt. Ja 
den Intriguen, die auf dem Wiener Congreſſe ſpielten, ſahen 
wir nichts als eine Ruͤcktehr zu der alten franzöfifchen Diplo 
matie, ber wir nicht fowol ihre Tendenzen als ihre uanoläg- 
thuͤmlichen Formen vorwarfen. Mit hoͤchſter Entruͤſtung be⸗ 
trachteten wir Deutſche es namentlich, daß fo viel deutſches 
Blut auf deutſcher Erde gefloſſen war, und doch wurde der 
Friede in franzoͤſiſcher Sprache geſchloſſen. So viel der wun: 
derbarſten Begriffe von Voiksthum hatten wir uns eingepfropft 
— zu denen aber Fürften, Könige und wo möglich audy ein 
Kaifer gehörten — unb body verhanbelte unb handelte man, 
nicht aus einem Volksrath heraus, oder offen koͤniglich für das 
Volk, ‚fonbern aus den Gabineten zu ben Gabineten, heimlich, 
ſchriftlich und in franzoͤſiſcher Sorache! Wie paßte das zu ben 
herrlichen, koͤrnigen Aufrufen an das Boll, zu den Prociama⸗ 
tionen, bie immer an Karl und Wittelind gemahnt hatten! 

n. Trotz diefer aufleimenden Bedenklichkeiten ftrömen bie 
Juͤnglinge aufs neue zu den Fahnen, Viele, wie der 
Verf. weiter erzaͤhlt, freilich auch deshalb, weil fie in Na: 


poleon's Ruͤckkehr von Elba, in der Zirfprengung bes 


Wiener Gongreffes einen Singerzeig füahen, daß Gott mit 
diefem Stieden in franzoͤſiſcher Sprache nicht zufrieden war, 
und weil fie überzeugt waren, es muͤſſe noch ein zweiter 
Friede in anderer Sprache, in anderm Geifte und mit 
andern Bedingungen geſchloſſen werden. Aber die grofe 
Mehrzahl wurde bereitd von niedrigen Motiven geleitet. 
W. Aleris hatte, als er antrat, gemeint, es müßten Ale 
[o empfinden und denken wie cr. Aber wie ſchwanden 
feine Illuſionen! 

Weshalb — ſchreibt er — ging Diefer mit, warum war 
Jener nicht zuruͤckgeblieben? Der afpiriete auf eine Schreiber 
ftelle in einem Bureau, aber er mußte vorher gedient Haben. 











Ieyex ga o ji Keen Haufe nit aufhalten; cder er 
battle aupt kein Daus und keinen Winkel, wo er hätte 
bleiben Eönnen. Gin Anderer hoffte auf eine reiche Braut, 
wenn er als Sieger heimkehrte. Alle waren voll Franzoſenhaß, 
wie ich; aber ich leugne nicht, daß die Hoffnung Auf gute 
Quartiere in Frankreich dei diefem Haſſe mitfpielte. Sle wolls 
ten dort, wie die Brangofen in ihrem Haufe, wirthſchaften. 

Rach feichen und aͤhnlichen Betrachtungen, die uns 
ein ſehr treues und lebendiges Bild jener Zeit geben, geht 
ee zur Schilderung des Marfches ſelbſt über. Auch diefer 
tft für Den, dee es heraus zu leſen verfteht, von derfelben 
ironifchen Betrachtungsweiſe durchdrungen. Die erzählten 
Exeigniffe find an fich dürftig, fie beilehen in den gewoͤhn⸗ 
Uchen Beenden and Leiden, die mit dem Soldatenleben 
nothwendig verbunden find. Mur der Umjtand, daB diefe 
ſechszehnjaͤhrige Juͤnglinge zu ertragen haben, bie ſich, von 
der Romantik verführt, vons Kriegsleben ein ganz anders 
Bild entworfen baden, und auch deshalb meder zu der 
Profa der Eriebniffe noch zu der Roheit der Kameraden 
in das rechte Verhältniß kommen fönnen, ſtellt das Ganze 

‚in ein eigenthümliches tragifomifhes Licht und gewährt 
auch Dem eine erfreuliche Unterhaltung, der ſonſt an ders 
artigen Schilderungen weniger Geſchmack findet. 

Die übrigen Gaben der „Penelope“ find ſaͤmmtlich 
ohne Bedeutung W. Seyffarth liefert eine hiſtoriſche 
Erzählung „Das getheilte Brot, zur Zeit Heinrich's IV. 
fpielend, die hinter Dem, was wir früher von dieſem 
Schriftſteller laſen, weit zuruͤckbleibt. Verſchlingung der 
Begebenheiten, Schilderung der Situationen und Charak⸗ 
tere, Handhabung des Dialogs und des Stils uͤberhaupt 
iſt von der gewoͤhnlichſten Art und traͤgt das Gepraͤge ei⸗ 
ner ſehr flachen Auffaſſung und fluͤchtigen Behandlung. 
Dies zeigt ſich am auffallendſten daran, daß er ſolche 
Scenen, die wirklich der Zeichnung einen guͤnſtigen Stoff 
dargeboten bitten, wahrſcheinlich um der groͤßern Schwie⸗ 
tigfeiten willen, mit ein paar Worten abfertigt, während 
er andere, die kaum zur Suche gehören und an ſich durch⸗ 
aus leer und bedeutungslos ericheinen, lang und breit aus: 
ſpinnt. Voͤllig ohne Anziehungskraft iſt „Fuͤrſtengunſt“, 
eine dramatiſche Novelle von Tr. Paolo, und die dar⸗ 
auf folgende Novelle „Scenen aus Nord und Süd”, von 
Alex. Wachenhuſen, ift einem unverbildeten Befhmad 
gänzlich ungenießbar — fo bis zum Gallimathias aufge: 
puftet und mit ſchoͤnen Phrafen und Tiraden aufgefchnörs 
Belt ift die ganze Darſtellung. Höre man unter Anderm 
den folgenden Paſſus: 

Schaͤkernd verband Eeontine mit biefen Worten dem jungen 
Mann die Augen mit der zarten Hand und bemühte fih, ihn 
in den Salon zuruͤckzuziehen, den cr gemieden; mo Frohſinn 
und Harmloſigkeit ſich freundlich die Hände reichten über und 
neben der Opferſchale fremden Familiengluͤcks, verfannten in 
Krmfünderkteider geſteckten Charakters, ja felbft des wichtigen 
Staatswohls. 

Und an einer andern Stelle: 

Mädchen find Blumen, fie kennen beide ihren Tod und 
wiffen ihn nicht zu meiden. Das Weib ift das Geſühl der 
Gottheit, der Mann das Gepräge berfeiben; und das fanfte 
Gefuͤhl einer waltenden. Gottheit in ber Bruft des Menſchen ift 
eine Blume. 

In gleicher Weife geht es feitenlang fort, ja fait 


AR 


jedes Punctum erfcheint mis ähnlichem Schwulſt aufge 
polftert, ſodaß darunter der Gliederbau der Gefchichte fer 
wie unter dem aufwattirten Wulſt eines Maskencoſtume 
faft gänzlich) verfchwinder. Der Verf. ift gewiß nicht ohne 
alles Zalent, aber wahrſcheinlich noch fehr jung und nord) 
in ber Gaͤhrungsperiode begriffen. Gelingt es ihm ſich 
abzultären, fo kann immer noch etwas aus ihm werben, 
denn gar häufig bewährt fih das Goethe'ſche Wort: 
„Wenn ſich der Moft auch ganz abfurd geberbet, es gibt 
zulegt doch noch n’ Wein.’ 

Angenehm fticht gegen diefen Bombaſt die einfache, 
natürliche. Schreibweife ab, in der eine Meihenfolge von 
Briefen Fernow's abgefaßt iſt. In fofflicher Beziehung 
bingegen bieten fie wenig Erhebliches dar und ihre Mit: 
theilung iſt nur infofern dankenswerth, als fie einmal wies 
der an Fernow, der fich durch feine „Römifchen Studien” 
um Aſthetik und Kunftberrahtung manches Verdienfl er: 
worben hat, zuruͤckerinnern und uns namentlich Aber den 
erfien Eindrud, den Stalien auf ihn gemacht, unterrichten. 
Auch mandye Notizen über damalige Zuſtaͤnde und Be⸗ 
merkungen über damalige Anfichten find nicht unintereffant 
und deuten Manches an, was er in fpätern Schriften 
weiter erörtert hat. 

Die „Barmherzige Schweſter“, Ballade von Auffens 
berg, trägt in Form und Inhalt einen maurifch:fpani: 
fhen Charakter und ift mit Gewandtheit nnd Beherefchung 
der metrifhen Formen gefcehrieben. Das Ganze durchweht 
ein portifher Hauch, einzelne Stellen zeichnen ſich durch 
Lebendigkeit der Darftelung und glüdliche Bilder aus — 
aber dennoch ift die Wirkung Beine bedeutende, weil die 
zum Grunde liegende Erzählung zu gewoͤhnlich umd bie 
Ausführung für den Stoff zu breit if. Ein ganz ver- 
unglüdtes poetifches Product ift „Der Rangſtreit“, eine 
Phantafie von Wotoch v. R.. Es wird darin nichts 
Anderes behandelt als der Wettſtreit der politifchen Poe⸗ 
fie mit der erotifchen. Jene wird anfangs durch eimen 
Gactus, diefe durch eine Roſe repräfentirt; nachdem fie fich 
aber eine Zeit lang herum debattirt haben, wird der Kampf 
durch einen Band politifcher Gedichte und der Naturge⸗ 
fhichte von Cuvier fortgefegt. Warum gerade Cuvier zum 
Kämpfer für die erotifche Poeſie auserfehen tft, leuchtet 
nicht recht ein, wie denn Überhaupt die allegorifche Ein- 
Eleidung fo troutronartig fi) Darftellt, daß fie überall die 
nackte Profa hindurchſcheinen läßt und ganz den Eindrud 
eines poetifchen Bettlermantels macht. Oder paffen Stels 
len wie die folgende in eine poetifd angelegte, allegoris 
ihe Phantaſie? 

Du bedienft dich der poetifhen Schönheit als eines Mit: 
tels, und fchaffft fie nicht um ihrer eigenen Schönheit willen, 
was body der Stempel ift, wodurch eine wahre poetifche Schoͤ⸗ 
pfung fich unterfcheibet. Du empfindeft, daB bie poetifche Korm, 
auch zum bloßen Mittel erniedrigt, noch genug des allmächtigen 
Reizes befist, um mit ihr Gegenftänbe des bloßen Verſtandes 
zu verzieren und Vielen ſehr reizend zu machen. Verzeihe mir 
ed alfo, wenn ich es nicht nur für einen Fehlgriff, fonbern for 
gar für einen [peculativen Misbrauch der Poefie erklaͤre, daß 
man Schöpfungen, wie die deinen, flatt in ſchlichter ungebuns 
bener Rebe, in tönenden Reimen binftellt. 

Klingt das nicht ganz wie ein Bruchſtuͤck aus einem 


Ai 


kritiſchen Journal? Und ſteht Ihm das allegoriſche Ge: 
wand nicht mindeſtens ebenfo ſchlecht wie die Elingenden 
Reime den Zeitungsartiteln! Der Dichter ft alfo bier 


ganz in bdenfelben Fehler gefallen, den er an der politifchen. 


Dichtung befämpft und die Schärfe der Waffen richtet 
ſich gegen ihn felbft. Dies ift um fo mehr zu beflagen, 
ald er in der Sache größtentheils Recht bat; dieſes Recht 
war aber vor dem Gerichtshof der Kritik, nicht in den 


romantifhen Schranken eines Turniers auszufechten. 
(Die Bortfegung folgt.) 





Recept zu einem Erfinderleben. 


Daß „Athenaeum“ enthielt unlängft einen Artikel über ben 
gewoͤhnlichen Lebenslauf ber Erfinder, dem wir Bolgendes entneh: 
men: „Die Lebensläufe der Erfinder find alle über einen Kamm 
gefchoren. An merkwürdigen Umftänben und Abenteueen fehlt 
es in felbigen Zeinetwegs; im Gegentheil, ergreifende Scenen 
jagen einander vom Aufgange bes Vorhangs bis zu feinem 
Niederfall. Aber es ift ftets diefelbe Kolge der Scenen, ſtets 
diefeibe Anlage bes Plans, ſodaß der wohlerfahrene Zuſchauer 
die Entwidelung mit Sicherheit vorherfagen kann, wie aud) 
inmer die mitbandelnden Perfonen , der Dialog und die Deco, 
zetionen gewechſelt fein mögen. In ber erften Scene finden wir 
ein vielverfprechendes Kind, das etwa mit dem Dedel des Thee⸗ 
keſſels Spielt, kindiſche Verſuche mit mehr als Eindifcher Berech⸗ 
nung anftellt, und feiner licben Mutter den Erfinder der Dampf: 
maſchine vorauszeigt. Der Knabe macht erflaunliche Fortſchritte. 
Zum Unglüd ift er für ein Gewerbe beftimmt, das feinen Faͤhig⸗ 
keiten und Neigungen ſchnurſtracks zumiberläuft, denn er wird 
zu einem Schneider in bie Lehre gethan, ober bei cinem Sach⸗ 
walter angebracht, oder, wenn fein Vater ein Präfentationsrecht 
Hat, der Kirche zugeführt, lauter Dinge, für bie cr am allerwe⸗ 
nigften gemacht if. In ber naͤchſten Scene beginnt bie Ratur 
ihre Herrſchaft zu üben, und ein unwiderſtehlicher Trieb treibt 
unſern Helden in diejenige Lage, in welcher zuerft feine ſchium⸗ 
mernden Kräfte erwedt werden. Gin Apfel fällt zur Erbe, 
eine Pumpe will nicht geben, ein altes Weib zieht muͤhſam 
feinen flaͤchſernen Faden: ein Newton, ein Galilei, ein Watt, 
ein Arkwright, cin Cartwright ift fertig — große Wirkungen 
aus kleinen Urfaden. Vom Augenblid an treten und Gcenen 
tiefer Einſamkeit und tiefen Sinnens vor die Augen, ſchlafloſe 
Nächte und mühevolle Tage, Berechnungen, Verſuche, Anftalten. 
Das Automat fteht endlich da, ber Zeitpunkt ift gefommen, da 
es fi) bervähren fol. Jetzt muß es zu arbeiten beginnen. Doff: 
nung, gefpannte Erwartung, Zittern vor Begierde, Sorge und 
Ang! Es iſt der Augenbiid, weldyer über die Zukunft unfere 
Helben und der Menfchheit entfcheidet, welcher Kolgen haben 
Tann, die endlos find. Zuerſt aber muß der Anfang fein. Wie 
gefagt, der Augenbiid ift da, das Zeichen iſt negeben, das Sie: 
get ift geloſt, die Maſchine ift in Freiheit gefegt, fie kann, fie 

ſoll ihre Bewegungen beginnen — fie verfagt, fie gebt nicht, 
ſteht flodftil. Gelingen ift eine ſchoͤne Sache, Mislingen eine 
lehrreiche. Unfer Erfinder forfcht, unterſucht, denkt nad, er: 
kennt feine Irrthuͤmer, verbeffert feinen Plan, er bat Vortheil 
von der Zäufchung feiner erften Hoffnungen, er ift ein reiferer 
Mann geworden und ein befferer Maſchinenbauer. eine erfte 
Mafchine war eilfertig gemacht und ſchlecht zufammengefcät; 
ec fucht einen gefchiettern Handwerker, um ihm bei der Arbeit 
behänftich zu ſein; fie machen fich ans Werk, tief unten im 
Keller, bei Naht wird gefchaffen, das Kunftflüd muß geheim 
gehalten werben. Unter ihren Händen waͤchſt das Ungethäm, 
es kommt zu Kräften, ift vollendet, regt ſich wirklich, arbeiter, 
erfüllt feinen Zweck. Wie es hier im ftillen Keller wirkt, wird 
es wirken, ebenfo ober in verbeflerten Weifen, Jahre, Zahrhun: 
berte lang, bis an das Enbe der Zeiten. Welitgeſchicke liegen hier 
in ven Bänden biefer zwei ſchmutzigen Arbeiter. Iſt nun bie 


feine Mitmenſchen gedacht, geaxbeitet, gefi 


Berichte aus? D nein! Es if! nur erft der Anfang des Aut: 
gangse. Den Sieg über das todte Material hat unfer Geld das 
bongetragen, jest hat er das ſchwere Geſchaͤſt vor ſich, den Bicg 
über bie Geifter der Menſchen zu erfämpfen. Reue Arbeit, neue 
Mühen, neue Sorgen; Kummer und en Er bat für 
fl; ee will ihr 
Stud, ihr Beſtes, ihren Vortheil — fle erfennen ihn und feine 
Beſtrebungen nicht an. Sie wollen nicht von ihm, durch feine 
Zalente gefoͤrdert, begluͤkt und beſchenft fein, ihm zu EQuhien unb 
Ehre. Die —— womöglich unterbrüden, fie ihm woridg⸗ 
lich ſtehlen, ihn womöglich kaufen und verfaufen, ja das Alles 
ift ihnen recht; aber ein großes Gut annehmen und dankbar da⸗ 
fuͤr zu ſein, ſich vor dem uͤberlegenen Geiſte buͤcken, waͤhrend 
deſſen Inhaber noch am Leben, arm, jung, unberähmt if, nein, 
Das wollen fie nicht, and unter biefun Reik uf unfer Heib 
feine Laufbahn beginnen, eifrig, begeiftert, glühend, arglos, ver: 
trauenspoll, unkundig der argen, raͤnkevollen, tuͤckiſchen Weit. 
Nun alfo der Reihe nad Ausfichten, Erwartungen, Bemühun: 
gen, Taͤufchungen, Verdrießlichkeiten, Patente, Yatentverlenun- 
gen, Proceſſe, Koſten, Gompagaonſchaſt, Siferſuchten, Streitig⸗ 
keiten, Schulden, Bankrott. Das war und iſt die Laufbacn 
von neunundneunzig Erſindern der ſchaͤtzbarſten materiellen Hülfs: 
mittel unſers civiliſirten Lebens, und nur der Hundertſte iſt ein 
Arkwright mit ſeinen ſieben Millionen oder ein Watt mit ſeinem 
Boulton.“ 78. 





Literarifhe Notiz. 

Balzacs neuefter dramatiſcher Berfug. 

Balzac ift einer der unermühlichften Ringer, die man fid 
benfen kann. Cr dat eine Ausdauer, die an das Heroifche 
ſtreift. Dreißig bis vierzig Bände von ihm, die er in der feiten 
Überzeugung geſchrieben hatte, er bereichere die undankbare Welt 
mit Meifterwerten, ‚fieten ben unterfien Streifen der Beſerwelt 
anpeim — „is avaient öt6 tuds sous lui“, fagt einer feiner 
Biographen ſehr huͤbſch —, ohne daß das gebildete Yublicam 
nur einigermaßen von ihm Notiz nahm: aber er ſchrieb und 
ſchrieb immer zu, bis er endlich, Dank feiner Ausdauer und 
Beharrlichkeit! auch wirklich durchdrang. est findet jeberfeiner 
Romane einen unermeßlichen Leferfreis und macht in gan; Eu⸗ 
ropa bie Runde. So feheint Balzac aud auf dem dramatiſches 
Gebiete den Beifall kraft feiner Hartnaͤckigkeit förmlich erzwingen 
zu wollen, und wer weiß, ob ihm dies — fo jämmmerlich freir 
lich fein erftes Auftreten auf dieſem Felde ausgefallen it — 
nit am Ende in der That noch gelingen wird. &e ſchmahlich 
feine beiten erfien Niederlagen auc waren („Vautrin“, 
„Les ressources de Quinola‘), fo hat der unermäbliche Schrift: 
ſteller ſich dadurch doch nicht abhalten laſſen, ben Tempel des 
dramatiſchen Ruhms zum dritten Male zu erſtuͤrmen. Leider 
iſt ſeine, Paméia Geraud”, das vor einigen Wochen auf tem 
Theätre de la gatté zur Aufführung zekommen iſt, wieber 
burchgefallen und Balzac muß fich nad einem neuen Stoff zu 
einem vierten dramatiſchen Verſuche umthun, denn allem An: 
fhein nach wird er es bei diefem dreimaligen Sturme nicht ber 
wenden laffen. Balzac hat fi diesmal nicht perſoͤnlich von 
dem ſchlechten Erfolge feines Stuͤcks uͤberzeugen Tonnen. Be: 
kanntlich iſt er gerade gegenwaͤrtig auf einer Reiſe nach dem 
Norden begriffen, auf der er gewiß Stoff für feine raftlofe Fer 
ber fammeln wird. Watrſcheinlich hatte er die erſte Aufführung 
feiner „Pamela Geraud” abſichtiich in diefe Zeit verlegt, weil 
er fi) gedacht haben mag, man mwürbe während feiner Xbrwefen: 
beit glimpfliger mit feinem vielverfprechenden Geiſtesproducte 
umfpringen. Aber weder das Publicum noch die Preffe hat 
fih dadurch abhalten 1affen, über. dieſes Stuͤck, beffen Erfolg 
Balzac wahrſcheinlich ſchon nach Bantnoten berechnet harte, 
den Stab zu brechen. Dafür wird der ergücnte Autor wieder 
wie bei „„Vautrin‘ und den „Besseurces de Quinola” in einer 
geharnifchten Vorrede an den f&händlichen „gens des lettres‘’ 
Rache nehmen. 2. 


Berantwortlicher Deraudgeber: Heintich Broddaus. — Drud und Terlag von 8. &. Brodhaus in Leipzig. 





B l arte r 


fuͤr 


literariſche Unterhaltung 











Taſchenbuͤcherſchau für das Jahr 1844. 
weiter Artikel. 
(Bortfegung aus Mu 386.) 

3 Immergruün. 

Das alte, vom Bolkswitz, auf bie dichtgeſchlofſene 
Phalany der Ariſtokratie abgefchoffene Spruͤchwort don der 
Koähe, die der andern die Augen nicht aushadt, hat ſich 
nun auch aberflumpft. Mag immerhin bie „Adelszeitung” 
noch eine große Schar der Getreuen unter ihrer Ägide 
fammeln und «ein hiſtoriſcher Thron fie als Bollwerk auf 
feine Stufen berufen, mögen biefe immerhin Alle für Einen 
und Einer für Ale fliehen und ihre Blige nur gegen die un: 
ebenbüctige, hekatoncheitenartig gegen fie anflürmende Maffe 
fehleudern — Einzelne find doch unter ihnen, bie ſich mit 
der ganzen Stattlichkeit ihres tiefwurzelnden und hochauf⸗ 
firebenden Stammbaum und der ganzen Fülle ihres aus 
ätteften Quellen ſprudelnden Volksbluts von dem gegens 
feitigen Schutz⸗ und Trutbuͤndniß losfagen und fein Ar» 
gemiß darin finden, gegen einen alten Stammverwandten 
die Lanze einzulegen und ihn vor den Augen und zur Bes 
Iuffigung des plebejiſchen Publicums auf den Sand zu 
werfen. Wer es nicht glauben will, lefe das „Immergruͤm“. 
Hier wird man einen Ritter finden. aus einem alten freie 
herrlichen Gefchlechte, der ſchon feit Jahren Über die Par: 
quees der ariſtokratiſchen Literatur mit cavaliermäßigfter Ge: 
wandtheit dabingefhritten if, und wird ihn fich gegemüber: 
fetten fehen einer Dame, die gleichfalls einem alten, felbft 
geäflihen Stammbaume entfproffen iſt, und gleichfalls 
auf den Etageren der ariſtokratiſchen Literntur als eine 
dee ftofzeften Blumen prangt, und wird hören, wie er mit 
aller Seelenruhe und der ganzen Liehenswärbigkeit und 
Grazie feines Weſens dem gefammten Publicum, an das 
die Karl Haas'ſche Buchhandlung m Wien ihr „Immer: 
grün” abfeht, Dinge ins Geſicht fagt, die fich fonft hoͤch⸗ 
ſtens ehrliche Buͤrgersleute von Schrot und Korn unter 
vier Augen miteheiten, die aber ein Edelmann einer edeln 
Dome ſchwerlich jemals anderd als durch die Blume zu 
verſtehen gegeben hat. Der Edelmann, der diefed gewagt 
har, iſt kein anderer als der Freiherr A. v. Sternberg 
umd die Dame, der diefes Malheur pafſirt tft, Peine ans 
ven als Gräfe Ida — — bed Sternberg ift und 
bleidt ein Cavalier, und obſchon Ref. darauf keinen An: 
ſyeuch macht, will er doch am Zartgefuͤhl nicht hinter Ihm 


Freitag, A Kr. 356. AT 


22. December 1848, 





zurücbleiben und niche mehr verratben, als eu ſelbſt füs 
gut befunden. Höre mon, wie der Dichter ſelbſt feine 
Dan vorftellt ; 

Einige Jahre waren vergangen, als in ber Literarifchen 
Welt eine neuauftretende Schriftftellerin Aufſehen machte. Die 
Romane, bie fir herausgab, waren eigentlich nur unorbenttiche 
und übereitte Skizzen; aber fie enthieiten die tveffliche ilde 
rung eines Irau, die bie Genäffe ber Melt mit Leidenſchaftlich 
keit koſtet, und fie dann mit Verachtung ſortſchleudert. De 
feine Kenner und raftlofe Beobachter ** vor einer Feder, 
bie fo haarfcharf den Nero zu berühren wußte; allein ben Lite 
raten verdroß die falope Form, der Mangel an kuͤnſtleriſchem 
Bildungsſinn. Es waren diefe Romane eigentlich Selbſtbekennt⸗ 
niſſe, eine Art Tagebuch, eine Selbſtſchau unter fingirtem Na⸗ 
men; aber ed war nicht die redliche Selbſtſchan, bie, Aber» 
drüffig, überall geſchminkte Kügen zu finden, bamit anfängt, die 
ſtrengſte Wahrheit‘ gegen ſich feibft zu üben, fondern es war bfe 
Selbſtſchau, die fi im Pug der Sünde gefällt, bie es lachend 
ausfpricht, daß fie fich und bie Wett aufgibt. Fuͤr den milen, 
einfachen, an feiner Beſſerung arbeitenden Menſchen Bonmte ci 
nicht leicht ein wiberlicheres Buch geben als einen Roman bie 
fer eleganten Dame. Dennoch bewundert man fie; denn mas 
bat man nicht einmal in der Welt beivundert ! 

Der Lefer wird fchon errathen haben, wer biefe net: auf⸗ 
tauchende Mobebame in ver Eitssatux war. Ida hatte Bis Pa⸗ 
lette mit dem Schreibepult vertaufht. Cie fhidte Paulinen 
den erſten ihrer Romane, und die Witwe legte dad Buch mit 
Widerwillen bei Seite. „Sie iſt jegt ganz unausftehlich”, fagte, 
fie. „Nun fängt fie an, dem Publicum ihr eigenes thoͤrichtes 

ben zu erzählen. D, wie das indiscret iſt! Jedermann 
Recht zu geben, mit Fingern auf fie zu geigen! Wir verbaft. 
ift mir dergleichen, und wie unglüdtich bin ich, daß gesabe- mie 
eine ſolche Schweſter zufallen mußte, die unheilbar in ihren 
Thorheiten ift.” 

Hat Ref. noch etwas Hinzuzufügen? Der Lefer mich 
ſchon errathen haben — meint ja der Dichter felbft und 
ih glaube in der That, er wird es. Und wovon ich glefchs‘ 
falls feſt überzeugt bin, ift: der Leſer wird, nachdem er 
diefe Stelle gelefen, nichts Eiligeres zu thun haben, als 
die Movelle felbſt — die beiläufig gefagt „Ida und Pau⸗ 
line” betitelt iſt — von Anfang bis zu Ende durchzuleſen 


“und vollends der Verwunderung nicht müde werden, wenn 


er dabei die Überzeugung gewinnt, daß die ganze Gefchichte 
eigen® darum erfunden und gefchrieben Hi, um das Le⸗ 
ben jener Gräfin — wahrſcheinlich zwar nicht in feinem 
tenfen, aber doch Idealen Verlauf — durch alle Stadims 
md Stufenjahre des Lebens hindurch zu verfolgen und’ 
fie zu ſchildern, wie fie als dreifähriges Kind fhon auf. 
einer Kindermasterade ihren Triumph feiert, Ereifcht, einge‘ 


“> fr 

€ + 
berum ihre Zähne zeigt, ungenict bie beiten Biſſen von 
den Tellern der Knaben holt und endlich die Finger in 
eine rothe Sauce taucht und damit über die Pausbaden 
eines Beinen Flachskopfs fährt; wie fie als dreigehnjähriges 
Mädchen haͤßlich und ungefchicht If, wie fie nichts lemnt 
und nichts treibt als dumme Streiche, bie ihr ſchlecht fie: 
ben, wie fie fih von der Gouvernante allabendlidy ins 
Bett tragen läßt und fie daflır zum Beſten hat u. ſ. w.; 
wie fie dagegen nady abermals zehn Jahren, von einem 
Kreife von Herren umlagert, in der ausgelafienften Stel: 
lung auf der Dttomane liegt, kleine Augen macht, biin: 
zeit, Blicke zuwirft, lacht, fpottet, die Bufennadel an dem 
Halstuche eines Herrn betrachtet, auf die muthwilligſte 
Meife von der Welt die Kokette fpielt; wie fie zwei ihr 
verfobte Brüder nacheinander verabfchiedet und den britten 
Selrathet, nur um ſich nach Purzer Zeit wieder von ihm 
fheiden zu laſſen; wie fie im bdreiunddreißigften Jahre 
fih in Rom befindet und die Kuͤnſtlerin fpielt, fich im 
Atelier bewundern läßt, ihr Kind im Klofter erziehen läßt 
und feit einiger Zeit viel über Religion nachdenkt; und 
vote fie endlich nach abermaligem Zwiſchenraum bie oben: 
befchriebene Schriftftelferin wird, und als foldhe das Un: 
gluͤck hat mit einem Fremden einen Roman anzuknuͤpfen, 
der ſich, nachdem fie ihm ziemlich deutlich eine Liebeder: 
klaͤrung gemacht, als einen ihrer erbittertfien Recenjenten 
zu erkennen gibt, ber fie in feinem Journal mit allen 
Waffen eines ſtolzen überlegenen Maͤnnergeiſtes todtge⸗ 
[lagen bat. Die Geſchichte fpielt noch ein wenig weiter 
— erzählt fogar, wie die Dame zwilhen Trieſt und Nea: 
pel über Bord ind Meer geftürze ift — die arme Ida ! 
Hoffentlich wird der Freiherr von Sternberg nichts von 
einem Propheten in fi haben. 

Mef. üderläßt das Urtheil über diefe Verfahrungsmeife 
ganz dem Publicum. Nur ruͤckſichtlich des aͤſthetiſchen 
Waerths der Novelle muß er noch hinzufuͤgen, daß fie 
ganz mit der Lebendigkeit und Gewandtheit gefchrieben ift, 
die allen Producten Sternberg's eigen iſt, daß fie neben 
der Perſoͤnlichkeit Ida's noch manche ebenfo originell er: 
fundene als trefflich ſtizzirte Figuren darbietet, mehre ganz 
neue effectvolle Scenen zeichnet und trog mancher Ertra: 
vaganzen den Eindrucd einer geiftvollen und von fittlicher 
Indignation eingegebenen Dichtung macht. 

Die zweite Gabe: „Die Königswitwe”, Novelle von 
Bernd v. Gufed, behandelt einen hiltorifhen Stoff 
und zwar die Kämpfe, welche nad) dem Ausfterben des 
echten burgundifhen Stammes zwifhen Portugal und Ga: 
flitien flattfanden. Den Mittelpunkt diefer Erzählung bil: 
bet Leonor, die Witwe des legten echten Königs Serdinand, 
welche in allen ihren Handlungen von der unbegrenzten 
Rachſucht geleitet wird, fi dadurch immer tiefer und tie: 
fee ind Ungluͤck flürge und endlich den Ungeflüm ihrer 
Leidenſchaft in der Zelle eines Klofters begraben muß. 
Ihr Charakter ift, wenn auch nicht in überrafchenden und 
genialen, doch lebendigen und wahren Zügen geſchildert, 
es fehlt ihm aber das Eine, was zu tragifchen Charakteren 
unumgänglich nothwendig ift: die Theilnahme erweckende 
Groͤße. Daher kommt es, daß ſich unfer höheres Sn: 


mi | 


a7 
U... 
tereffe niche ide, bie doch bie Hauptperſen fein fol, fon 
dern den andern Figuren zumendet, z. B. der Donna 
Manoela, dem jugendlichen Helden Nuno Pateira und 
dem Defenfor von Portugat, Don Soad, der die Unab: 
hängigkeit feines Vaterlandes geym Iyen Mon -Baflilien 
behauptet und durch den von Parelra erfochtenn Sieg 
bei Albujarotta mit höchfter Uneigennügigkeit den unechten 
Sprösling des buryundifhen Stammes, Johann L, auf 
den Thron bringt. Auch unter den MNebenperfonen find 
manche theils von bifterifchem, theils aͤſthetiſchem Inter⸗ 
eſſe, wie denn überhaupt die Erzaͤhlung, namentlich was 
den gehaltenen Stil und die Behandlung bes hiſtoriſchen 
Stoffs berzifft, zu den beflern der Almanachsliteratur gehdert. 
Weit niedriger fleht die dritte Novelle: „Der Schein 
trüst. Potpoueri aus dem Reiſejournal eines Unbedeu⸗ 
tenden. Bon Iſidor (v. M.). Die Erfindung ift ges 
wöhnlih, die Anordnung bat dem Fehler der Einfchachtes 
lung, und die Darftellung leidet an jener leeren Über: 
(dwänglidkeit und faden Wis: und Sentimentshaſcherei, 
welche mittelmäßigen, nur mit der Routine eines Biel: 
ſchreibers bingefchriebenen Producten eigen zu fein pflegt. 
Am gelungsnften ift nody die Erzählung, die Ernſt in den 
Papieren findet, und in dieſer namentlih das Geſpraͤch 
zwiſchen Ignaz und dem Minifter. Doc, fleht es für 
die Entwidelung völlig unnüg da. 

“Außer diefen drei Novellen bietet das „Immecgruͤn“ 
noch „Lyriſche Blätter” mit Gedichten von Seidl, Le: 
vitfhnigg, Langer, Ziginger u, A., die größten 
theils hoͤchſt mittelmäßig find; wenigſtens hat Ref. keins 
darunter entdecken Eönnen, das einer nähern Beſprechung 
würdig wäre. Die Kupferfliche hingegen, nach Originalen 
von Rafael, van der Lumen, van Dyck, Aertiens, Schal⸗ 
Een, van Berghem ausgeführt, find ſaͤmmtlich intereffant 
und dankenswerth, befonders anziehend find: La Forma- 
rına, Rafael's Geliebte, hollaͤndiſche Rauchſtube und der 
Hühnerkrämer. 


4. Sedente mein. 


Es ift immer ein misliches Ding, eine Novelle mit 
einer Meflerion zu beginnen. Iſt fie ſchlecht oder mittel: 
mäßig, fo verdirbt fie dem Lefer wie eine Rumford'ſche 
Suppe von vorn herein den Appetit; iſt fie gut, fo reizt 
fie den Gaumen zu Anfprücen, die nur in fehr feltenen 
Fällen befriedigt werden können, da es befanntlich viel 
leichter üft, eine gute Reflerion ald eine nur leidlide Mo⸗ 
velle zu liefern. Je fchwieriger es alfo iſt, nach einer re: 
flectirenden Einleitung den Leſer zufriedenzuftellen, um fo 
höher iſt es jedenfalls anzufhlagen, wenn ed dem Verf. 
dennoch gelingt und noch dazu in fo hohem Grade, wie 
es in der erflen Novelle des „Gedenke mein” dem bis jegt 
mir noch völlig unbekannt gebliebenen Autor derſelben 
Adalbert Stifter, gelungen ifl. Dieſe Novelle ver» 
dient vor vielen andern der Aufmerkſamkeit des ſchon höhere 
Anſpruͤche mahenden Leſers empfohlen zu werden, und 
wir halten dies um fo mehr für unfere Pflicht, als einer: 
ſeits die Geſellſchaft, in der fie fich befindet, leicht von 
ihr zuruͤckſchrecken koͤnnte, andererfeits aber fie ſelbſt ſich 








gerabe uufı den: erſten Mielkes: nut ·ciaer gewäffen Meike ter 
Reflnionen, Erklaͤrungen und Sipflbeeungen ergeht, die 
zwar audy ‘ihre Schönheiten haben umd fogar in gewiſſem 
Einne als nothwendig und zweckmaͤßig erfcheinen, aber 
doh am Werth hinter der eigentlichen Erzählung zuruͤck⸗ 
bleiben. Die Grundzüge derfelben jind etwa folgende: 
Der Berf., oder wenigſtens der Dann, dem die Erzaͤh⸗ 
lung felbjt in den Mund gelegt wird, erhält eine Einla: 
dung zu einem alten Major, der auf feinen Gütern in 
Ungarn lebt. Er hat denfelben auf einer Reife in Sta: 
lien tennen gelernt als einen ſchon funfzigjährigen Mann, 
aber von außerordentlicher männlidyeer Schönheit und Ans 
ziehungskraft für das maͤnnliche und weiblihe Geſchlecht, 
dabei aber in dem Mufe ftehend, daß noch nie eine Frau 
ihn dauernd zu feffeln vermocht habe. Der Erzähler lei: 
ftet der Einladung Folge und macht fih zu Fuß auf den 
Weg, um Ungarn fo recht in feiner Eigenchümlichkeit 
Sennen zu lernen. Welchen; Eindrud das Land auf ihn 
gemacht, erfahren wir am beften aus feiner Schilderung, 
die es wohl werth iſt, wenigftens zum Theil hier mitge: 
theilt zu werden. 

Wenn Jemand glauben follte, ich fei darum in ganz geras 
der Linie auf bie Beſigung bes Majors zugegangen, fo irrt er 

r febr; fo wie mir fein Bild früher immer mit Italien zu 
ammengefloffen war, fo webte ſich jegt nad) und nad) das Ant: 
Lg diefes neuen Landes darunter, und es war, als fei dies noch 
feltfamer nad romantifcher; ich war über hundert Baͤche und 
Fluͤſſe gegangen, ich fchiief bei Birten und ihren großen zottigen 
Dunden, ich hatte aus jenen einfamen ‚Daibebrunnen getrunfen, 
die mit dem furdtbar hohen Gtangenwintel zum Himmel fe 
Yen; id) aß unter dem tiefherabgehenden Rohrdache — dort 
lehnte der Sackpfeifer, bort flog der ſchnelle Fuhrmann über 
Die Haide, dort giänzte ber weige Mantel der Koßbhirten — — 
oft dachte ich mir, wie benn mein Freund in diefem Lande aus⸗ 
fehen werde; denn ich hatte ihn nur in ber Gefelfchaft geſehen, 
und im Getriebe, wo ſich alle Menichen wie die Bachkieſel gleis 
den; dort war er ber glattefle, elegantefte Mann, bier war 
Alles anders, und oft, wenn ich ganze Tage nichts fah als 
das ferne violette Dämmern der Steppe und die taufend kleinen 
weißen Punkte drinnen, die Rinder des Landes, zu meinen Kür 
Gen bie tiefſchwarze Erde: fo viel Wildheit, fo viel üppigkeit, 
To viel Anfang und Jungfraͤulichkeit, diefe Boiden, biefe Heer⸗ 
den, ein Boll, in einer uralten Verfaffung ftedend, aber To 
Friſch laͤchelnd wie ein Kind im Rode feines Vaters; dieſes 
Individuelle, dieſes Romadenhafte — ed war mir, als fei id 
auf einmat in ein friſches Beginnen verfegt, als begoͤnne ich 
ſelbſt, als börte ich den Hammer ſchallen, womit bie Zukunft 
dieſes Volks gefchmiebet wird — alles Vergehende ift müde, 
alles Werbende feurig — darum ging ich gern kreuz und quer 
im Lande herum, fah feine Dienfchen, erfuhr viele hundert Züge 
von Meivetät und Kraft, fab feine endloſen Dörfer, ſah feine 
Weinhügel auffizeben, feine Suͤmpfe und Roͤhrichte, und weit 
draußen frine fanftblauen Berge ziehen — — und fo nad) mos 
natlangem Herummandern geſchah es endlich eines Tages, daß 
ich au meinte, nunmehr ganz nahe an dem Hauſe meines 
Zünftigen Saftfreundes zu fein. 

Er ſieht nämlich in einiger Kerne ein weißes Gebäude, 
das er für Umar, das Schloß feine® Freundes hält. Von 
«inee mannaͤhnlichen Frau aber, die er auf dem Felde rei: 
tend und den Arbeitern Befehle austheilend finder, erfährt 
er, daß es nicht Uwar ift, doch erbietet fie Fi, ihm einem 
Wegweiſer dahin mitzugeben und führt ihn ſelbſt eine 
Steele lang durch ein Gebiet, das in dem üppigfien, 


pphenoſten ufkurbe fich wefälder m‘ Sad Min Ye Gene 
Namen Marosheht bezeichnet reftd. So“ langt er enbzich 
in Uwar an, wo er Alles eigenihuͤmlich, national einge-⸗ 
richtet finder, Haus, Hof, Dienerfchaft und den Befiger 
ſelbſt. Dielen bat fich gang der Wiethichaft gewidmet 
und waltet in Derielben ats Geift der Ordnung und Gul« 
tur mit patriarchaliſcher Einfachheit. Seine Perſoͤnlichkeit 
exfcheint hier nnd) bedeutender als in den forialen Ber: 
haͤltniſſen. Er iſt geliebt, angebetet und ruͤhmt ſeibſt, daß 
er gerade hier das Gtuͤck gefunden, hier; von we er vor 
30 Fahren ausgezogen, es zu ſuchen. Dennoch ift uͤber 
fein Wefen eine unverkenndare Melancholie "ausgebreitet 
und da6 Gerücht fagt, «6 fei, weil er früher über bie 
grauen eine große Macht ausgeübt habe, num aber felbft 
von einem alten haͤßlichen Weibe bezaubert ſei. Es 
fcheint in der That fo, denn ex erklärt feine Machbarin 


Brigitta Marosheli, daſſelbe Weib, das der Ergähler zei: 
tend gefunden, für das bertlichfte Weib auf diefer Erde, 


er verfpricht dem Saft, ihn mit ihre bekannt zu machen. 
Ehe der Erzähler weiter berichtet, theilt er die Geſchichte 
Brigitta’s ſelbſt mit. Wir Eönnen uns nicht enthalten 
Manches davon wörtlich mitzutheilen. 


‚„ Es ift wundernolles Ding um Das, was wir Schönheit 
beißen, wir Alle find gezogen von der Güßigkeit diefer Erſchei⸗ 
nung, und wir Ale können nicht fagen, wo fie Liegt: jetzt tritt 
fie uns aus dem Weltall entgegen, jest flammt fie aus einem 
Auge, und jegt liegt fie wieder nicht in Zügen, die alle nach 
der reinften Form geprägt find —, oft wird fie von feinem 
Auge gefehen, bis das rechte kommt, oft wird fie vergöttert 
und angebetet, und ift nicht da: aber fehlen darf fie nirgend, 
wo zwei Seelen glühen, oder wo ein Herz in Inbrunſt und 
Entzüden ſchlaͤgt, fonft find die Seelen tobt, und das Herz 
ſteht flille. Aus welchem Boden aber diefe Blume bricht, ift in 
taufend Fällen taufendmal anders — und wenn fie da tft, 
nimm ihr alle Stellen des Keimens, und fie bricht an andern 
vor, wo bu e8 gar nicht ahneſt. Wir Alle Enieen vor ihr, und 
das Ginzige, weshalb ſich das Leben lohnt, gießt fie allein in 
das zitternde, befeligte Herz Traurig für Den, der fie nicht 
bat, ober nicht kennt, ober an dem fie kein fremdes Auge fins 
den kann — felbft das Herz ber Mutter wendet ſich von dem 
Kinde ab, wenn fie nicht mehr ob auch nur einen einzigen 
Strahl dieſes Schimmers an ihm zu entdedien vermag. 

So war es dem Kinde Brigitta Warosheli gefchehen. Im 
goldenen Prunkbettchen, in ſchneeweißen Linnen lag es mit dem 
verbüfterten widrigen Geſichtchen, als hätte es ein Dämon ans 
gehaucht; die Mutter wandte das umflorte Auge ab, und hefs 
tete e8 auf zwet Meine fehöne Engel, die auf bem reichen Tep⸗ 
pi fpielten. Wenn fremde Leute Tamen, tadelten fie das 
Kind nicht, und lobten es nicht, und fragten nad) ben Schwe⸗ 
ſtern. Der Bater war trübe, die Mutter berzte in verzweife 
lungsvoller Brünftigkeit die andern Kinder, und fah nit das 
flarre, ſchwarze Auge Brigitta's, das ſich binheftete, al& vers 
fände e8 die Kraͤnkung. Wenn fie weinte, half man ihrem 
Bedürfniffe ab, weinte fie nicht, fo ließ man fie ruhig liegen, 
und dann richtete fie die großen Augen auf die Vergoldung bes 
Bettchens ober auf die Schnörfel der Wandtapeten. Später 
fpielte fie in einem Winkel mit Steinchen, fagte Laute, bie fie 
von Niemandem gehört, oder verbrehte bie großen wilden Augen 
wie ein Knabe, der innerlihe, dunkle Thaten fpielt. Auf die 
Schweſtern ſchlug fie, wenn fie ſich ihrem Spiele einmifchen 
wollten, und wenn die Mutter in einem Anfalle von Liebe und 
Barmherzigkeit das arme Heine Wefen in die Arme ſchloß und 


‚mit ihren Thraͤnen benegte, fo zeigte baffelbe keineswegs Freude, 


fordern weinte und wand fi aus den Bänden ber Mutter. \ 














cher 8 na werke —2* Abena und: Ms 
, nie w ® ‚als 
at a utterliche — 
in den Felſen des eigenen Herzens ſchlagen mußten, 
Dieeſen Keimen gemuͤß entwickett ſich Brigitta weiter, 
in ſch eine Fuͤlle won verborgenen Schaͤten tragend, aber 
von Keinem verſtanden, von Keinem begriffen, auch ale 
Jungftan nicht, bis ploͤglich ein junger, ſchoͤner, bedeuten⸗ 
ver Daun, Stephan Mural, in den geſellſchaftlichen Kreis 
ſen erſcheint und trog der vielen bienbenden Schoͤnhriten, 
die fie unigeben, ihr feine Huldigung beingt. Zwar ſucht 
ie dieſelbe abzulehnen, aber den tiefen Eindruck, den er 
auf fie gemacht, kann fie nicht vermeiden, fie kommen fich 
naher une näher und endlich im einem Momente, wo das 
Herz uͤberwallte, ſchlingt fie den Arm um ihn und em: 
pfaͤngt von ihm den Kuß der Liebe, 
Der Borhang zwiſchen den Beiden war nun zerriffen und 
das Schickſal fhürmte fort: in wenig Zagen war MBeigitta bie 





erklärte Braut des gefeierten Mannes; fein Inſtinct, der ihm || 


an dies Weſen geriffen, hatte ihn nicht betrogen, denn erſt 
langſam, dann in reihen Strömen floß ein Paradies aus 
ihrer Seele in die feine, ein Paradies, das fie ſelbſt nicht 
gekannt, das fo lange verhält und zurädgehalten war — 
ee ſchwamm in Geligkeit; fie war ſtark und keuſch wie kein 
anderes Weib, weit fie ihre Herz nicht durch Liebesgedanken 
unb Liebeshlider vor der Zeit entträftet hatte, daher wehte 
der Odem eines ungefchwächten Eebens in fein Herz —, und 
weil fig, flers allein, auch allein ihre Welt gebaut hatte, 
warb er in ein originelles, phantaflifch s naives Reid geführt — 
und wie ihre einfame Phantafie nach und nach vor ihm zu 
fpielen begann, fo erkannte er auch ihr tiefes und ihr heißes 
Lieben, das wie ein goldener Strom in vollen Ufern quoll, in 
vollen, aber auch in einfamen; denn wie das Herz der andern 
Menfchen getheilt iſt zwifchen eine halbe Welt, fo war das ihre 
beifammen geblieben, und da e8 nur ein Einziger erfannt, war es 
auch nun Eigenthum bdiefes Einzigen. Und wie in ungemeſſe⸗ 
nem Stolze führte er feine Braut herum, vor aller Augen, daß 
man ſich verdugt fühlte, und daß felbft Brigitta's Vater vor 
ihr Achtung und Ehrfurcht gewann. 

Die Zeit flog mit rofenfarbenen Slügeln, und das Schick⸗ 
fat mit finftern Schwingen daneben. Der Vermählungstag war 
vorüber, und noch an demfelben Abende, da er fie entzüdt in 
die Arme ſchloß, hatte er bie merkwürdigen Worte gefagt, es 
fei gar herriih, daß es fo gelommen; das habe er gleich bei 
ihrem erften Anbli gefühlt, daß er dieſes Weib unendlich werde 
Heben oder haffen müffen — wie herrlich fei e8 nun geworben, 
daß es die Kiebe fi — — ihr Bethörten, wißt ihr denn auch 
. ganz gewiß, was es ſei? in heimlich Verhängniß hat fie ge: 
führt, ihn der Natur bes Menſchenherzens, fie dem dunkeln 
Geiſt in ihr entgegen, ber fie warnte. _ 

Das Schickſal ſtuͤrmte fort. 

In gleicher Schnelligkeit flogen Tage, Wochen, Monde, das 
erz lag noch heiß am Herzen — Brigitta brachte ihm einen 
Sohn, und dies neue Wunder führte die unberwußten Gluͤcklichen 

wieder eine Strede weiter auf dem Ocean: aber allgemady 
ſtellte fi das Reich der Gewohnheit ein und das Recht bes 
Tages — die Minuten wandelten nun gemeffener und langfas 
mer — damals fing er an, fie gern in Geſellſchaft und öffent: 
liche Orte zu führen, und mit noch größerer Liebe und mit noch 
zarterer Verehrung behandelte er fie vor Menſchen, als ſelbſt 
zu Haufe — Brigitta aber, wenn er ſich wegwenhete, beftete 
das düftere Auge auf ihn: „Jetzt weiß er, badhte fie, was mir 
mangelt.’ Noch hielt fie das erſtickende Herz — aber die Roth⸗ 
wendigkeit ſchritt langſam näher und näher. 

“Das Herz des Menſchen wird don taufenb Gewalten ges 





gen, Ale lien fi geyrin untı iihipfk fein, GIS vas shte 
Sn len Kt on IR San Lam Iediepkase — 
A oe ” Shänpeit barunter nicht bie legte der zauberi⸗ 

Mm erkennt aus dieſen Worten, wit fih die Se 
fhfchte weiter wenden muß. Murai lernt im Walde Sa: 
briele, ein wunderſchoͤnes Mädchen kennen. Die Schön: 
beit macht ihre Macht geltend, Brigitta merke es, und 
nach unfagliher Qual ernannt fie fi) und ſtark wie fie 
war, nahm fie das aufgequoliene ſchreiende Herz gleichfam 
in Ihre Hand und zerdrückte es. 

Kalt, wie Eis, trat fie eines Tages in fein immer unb 
trug ihm mit fanften Worten die Scheidung an. Da er heftig 
erfärat, da er fie bat und beichwor, da ex alle Brände biefer 
Erde erſchoͤpft hatte, fie aber mit berfriben Eiſeskaͤlte ſtehen 
biieb, und nur bie Worte wieberholte: Ich habe geſagt, daß es 
dich reuen würbe — ich habe es geſagt — fprang er auf, 
bligte fie mit durchbohrenden Blicken an, nahm fie bei der Hand, 
und fagte mit gepreßter inniger Stimme: Weib, ich haſſe dich, 
ih bafle dich! 

Wenige Tage nach disfem Varfall, ohne auch Gabries 
len wiedergeſehen zu baben, reiſt er ab md Behrt micht 
wieder. Er fendet den Scheidebrief, uͤberlaͤßt VBrigitta 
auch den Bohn und man Hört nichts weiter wen ibm, 


Auch fie bleibt nicht in der Hauptſtadt, wo fid) dies Alles 


zugetragen, fondern zieht in ihr Haidehaus Marosheli und 


“wendet bier Ihre ganze Aufmerkſamkeit auf die Erziehung 


des Sohnes und die Gultivirung der oͤden Gegend. 
Sie nahm Männerkieider, flieg wieder, wie einft in ihrer 


Jugend, zu Yferde, und erſchien unter ihrem Geſtude. Wie ber 


Knabe nur auf einem Pferde halten konnte, war er überall 
mit, unb bie heifcyenbe, ſchaffende, thätige Seele feiner Mutter 
floß in ihn — und immer weiter griff diefe Seele um fi, der 
Himmel bes Grfchaffens ſenkte ſich in fie, grüne Hügel ſchwell⸗ 
ten fih, Quellen rannen, Beben fiäfterten, und em kraftvoll 
mweiterfchroitend Epos war ins öde Steinfeld bingedichtet. Und 
immer vworiter, über die Grenzen, über alle Nachbarn fehritt die 
Dicgtung weg, man ahmte nad, man fliftete den Verein, An⸗ 
bere wurben begeiftert, und bier und ba auf der oͤden biinben 
Palbe Kom fi) ein menſchlich⸗freies Walten, wie ein ſchoͤnes 
uge auf. 

So hatte fie 15 Fahre gewaltet, als der Major nad 
zwanzigjaͤhriger Abwefenheit auf feine Güter zurückkehrte, 
von ihre Thaͤtigkeit und Wirken lernte und zu ihe mod 
im fpäterg Alter eine tiefe, immige Neigung faßte. Auch 
fie hänge mit warmes Hingebang an ihm, aber dennoch 
ſtehen fie fi mit einer gewiffen Zuruͤckhaltung gegenüber, 


als ſchaͤmten fie fi, bei ihren Alter der Liebe noh Raum 


——. 


- 


zu geben. Mur gegen den Sohn drüdte der Major auf 
das unverhohlenfte feine Zärtlichkeit ans, und das Schick⸗ 
fat geſtaltete es fo, daß er fogar deffen Lebensretter wird. 
Hierdurch wird zugleich bie Kataftrophe herbeigeführt. Im 


' Drang der Gefühle verſchwindet die legte Zuruͤckhaltung, 
Brigitta und der Major finten fih in die Arme, und 


nun esft ergibt fih Für den Erzähler und Lefer, dag der 
Major Sein anderer als Murai ift, der jetzt erſt, da bie 
ſinnliche Schönheit keinen Anſpruch van ihn bat, 
auf dem Punkte ficht, an ihrer Seite dag volllommene 
auf Anfhauung geiftiger Schönheit gegründete Lebensgluͤck 


zu genießen. 


(Die Wortfegung folgt.) 


Verantwortlicher Hrrauögeber: Heinrid Brokhaus. — BDrud und Verlag von F. U. Brodbaus in Leipzig. 





Bitter, 


för 


literariſche Unterhaltung. 


a a 812 


— 
ẽ 


\ 





Sonnabend, Kr, 
















Taſchenbuͤcherſchau für das Jahr 1844. 
weiter Artitet. 
(Bortfegung aus Str. 366.) 
Indem wir uns erlaubt haben, den Autor mehr ale 
gewoͤhnlich felbft reden zw laffen, glauben wir einer weis 
teen Beſprechung überhoben zu fein. 
aus den Bruchſtuͤcken auf den Geiſt ded Ganzen fchließen 
können und namentlich die Innigkelt und Wärme heraus: 
fühlen, von weldyer die Darftelung durchdrungen ift. 
Auch die Idee, die fi von Anfang bis zu Ende ald be: 
lebender Odem himdurchzieht, daß neben der Innern Schin: 
heit auch die aͤußere ihre Mechte habe und nicht unge: 
ftraft verfeugnet werden dürfe, daß endlich aber doch der 
Geiſt der Sieger bleibe, fobald er nur feine eigene Schoͤn⸗ 
beit und Buarmonte aus fidy heraus entfaltet und nun 
fi zur finnlihen Anſchauung gebracht habe — diefe Idee 
liegt fo offen und in ihrer Wahrheit fo überzeugend vor 
Augm, daß fie Feiner nähern Befprechung bedarf. In⸗ 
dem wir daher nur noch einmal recht dringend anf die 
Lecture diefee Novelle aufmerkſam machen, brechen wir ab 
und geben zu den andermeitigen Gaben des Taſchenbuchs 
- über. Leider find diefe faft fammtlich To ſchlecht und un: 
bedeutend, daß fie nicht werth find, neben der erften Ro⸗ 
velle einen Play einzunehmen. Namentlich gile dies von 
der zweiten Novelle „Dee Schauerman”, von 3. P. Ly⸗ 
fer, ein Machwerk der ordinairſten Sorte, defſen fich der 
Berf. der „Kunſtnovellen“ fchamen follte. Weniger ge: 
mein, aber voͤllig plan= und charakterlos tft „Der Spion”, 
von A. v. Schaden, und michts weiter daran zu loben, 
als daß fie wenfgftens in ihrer Leere mit rapider Schnel: 
ligkeit. foetfchreitet. Die vierte Erzählung endlich „Schach 
der Piebe””, von Walter Taſche, hat nur einen originel: 
len Titel, der Stoff ſeibſt dagegen ift ein ſehr verbrauch: 
tee und erimert an dfe Mythe von der Atalante, mur 
daß das Wettrennen im bderfelben bier in ein Wettſchach⸗ 
fpiel umgewandelt if. ine tiefere Idee oder Neuheit 


der Geſtaltung haben wir niche daran entdecken können. 


Die lyriſchen Beiträge find faͤmmtlich unbedeutend, auch 
die beiden Kieinigkeiten von Ruͤckert nicht ausgenommen. 


Am intereffanteften ift noch „Bigenheit” von J. G. Seidl, 


worin er fich gegen den Vorwurf vertheidigt, daß er ſich 
nicht zu einer größern Dichtung concentrire, fondern feine 
Kraft in 'einer Waffe von Beinen Gedichten zerfplittern 


357, 


— u — —— — —— — nn m — nn rn — — — —— — nn nn mm 









Man wird ſchon 






23. December 1843, 


——— —— 


laſſe. Unter den. Bildern find manche zute, namentlich 
das Dilbniß von Seit und einige anſprechende Maͤdchen⸗ 
ı gefithter, ‘winter denen: befonders das von Maria herwvorge⸗ 
‚hoben zu werden verdient. 


5. Lilien. 
| 


Der Herausgeber und Verfuſſer diefed Taſchenbuchs, E. v. 

Wachs mann, ſcheint der Anſicht zu fein, daß es fich auch auf 
geiſtigem Terrain bequemer bergab als bergaufgeht, wenigſtens 
‚hat er die vier Erzählungen, mit denen er in dieſem Jahr⸗ 
gange feine Leſer erfreut, fo angeordnet, daß die erfle der» 
ſelben den hoͤchſten, und jede folgende einen beträdhttiih‘ 
tiefen Plas einnimmt. Wir halten diefe Maßregel für 
nicht politiſch: denn den festen Geſchmack behält man inv 
Munde; und um mwenigfens gu verhäten, daß die Lefer 
d. Bi. mit ımgünfligem Urtheil von den „lien Abs 
ſchied nehmen, wollen wir. bei umferer Befprechung ders‘ 
ſelden den urigekehrten Weg einfchlagen und, wie em 
Jude, der die fchlechteften Waaren zuerſt vorlegt, vom 
hinten anfangen. 

Die legte der Novellen iſt „Ahnungen“ betitelt und‘ 
rechtfertigt diefen Titel nur durch den Umftand, daß ein 
‚polnifher Offizier auf Veranlaffung eines Traums, den: 
er ſchon früher zroeimal gehabt und in Folge deffen jedes: 
mal einer feiner Brüder gefallen ift, bei ſeinem von Guer⸗ 
eillasangriffen bedrohten Ausmarſch aus Spanien einem 
deutſchen Kameraden mit Gewißheit feinen nahen Tod 
vorausfagt und auch wirklich noch am naͤmlichen Tage 
faͤlt, im gleichen Momente aber einem deutſchen Edelz 
‚manne, der ihn einft an die Kofatten Hat verrarhen wol: 
In und fi nad) feiner Flucht des von ihm vergeabenen‘ 
Schatzes bemaͤchtigt hat, als Geiſt erſcheint und ihm von’ 
dieſer Zeit an in feiner Nacht Ruhe laͤßt, bis jener deut⸗ 
ſche Kamerad, dem der polniſche Offizier den vergrabenen 
Schatz vermacht hat, bei ihm anlangt, ihn zum Geſtaͤnd⸗ 
niß ſeiner Schuld veranlaßt, den Schatz von Ihm ausge⸗ 
liefert ethaͤt, und der Beſtimmung des Erblaſſers gemäß 
ſich mit der Nichte des Edelmanns, die dem Polen einſt 
zu der dereits erwaͤhnten Flucht geholfen, verheirathet. 
Das iſt die ganze Geſchichte, in dee Ausführung fo lang⸗ 
athmig und ſchwer verdaulich wie bee Gas, im den wir" 
fie eben zuſammengedraͤngt haben. Wenn der Verf. meint, 
durch folche Erzählungen Intereſſe ober gar Gtauben für’ 


nr] 


übernatlirliche Erfcheinungen ermeden zu koͤnnen, fo iſt er 
fehe im Irrthum. Wenn dieſe Wirkung erfolgen fol, 
müffen fie einerfeits weit pilanter fein, andererſeits den 
Stempel einer kaum zu bezmweifelnden Beglaubigung an 
fi tragen. Als Woße Erfindung erweden fie durchaus 
Beine Spannung; es müßte denn hoͤchſtens bei ſolchen Le⸗ 
fern. fein, die jede Erzählung, die fie gebrudt vor ſich fes 
ben, für eine wahre Gefchichte halten. Ein ſolches Publi⸗ 
.cum aber hat der Verf. wol ſchwerlich im Sinne gehabt. - 

Die vorlegte Erzählung: „Dee Fremde“, ſteht wenige 
ftens infofern höher, als fie ſich an einen beflimmter aus⸗ 
geprägten, mit eigenthuͤmlichen Nebenvorftellurtgen ” ver: 
&uüpften Volksglauben anſchließt, nämlich an die Vam⸗ 


prrfage. Dadurch erhält fie etwas Charakteriſtiſches und, 


inföfeen der Stoff noch nice gar zu oft ausgebeutet iſt, 


Driginslieres, Wirkſameres, Feffelnderes, als d’e eben de⸗ 
fpsochene Erzählung. Im Übrigen hat fie ebenfalls kei⸗ 
nen befondern Werth, namentlich verdient e6 Tadel, das 
die Scenerie gac zu fehr an die Romane der gewoͤhnlich⸗ 
fin Sorte erinnert. An Byron's „Vampyt“ darf man 
natuͤrlich gar nicht denken, wenn man es noch irgendwie 
lesbae finden fol. 

Einen bedeutend höhern Rang nimmt die zweite Ers 
sählung ein: „Haß und Liebe, die als eine wahre Be: 
gebenheit bezeichnet wird. Sie fpielt in Nordamerika und 
behandelt eine Griminalgefhichte. Ein junger Mann, 
Charles Beauchamp, der fih auf dem Gute feiner Tante 
ig Kentucky aufhält, lernt eine junge Dame — Anna — 
von außerordentliche Schönheit, Bildung und Liebenswür: 
digkeit kennen, bie fi, ohne daß man von ihren Verhält: 
niffen etwas Näheres weiß, als daß fie eine treffliche Jaͤ⸗ 
gerin iſt und ſich namentlic, viel mit Piſtolenſchießen bes 
f@äftigt, in der Nachbarſchaft angefauft hat. Er gewinnt 
fie lieb, und da auch feine Zante die Wahl beguͤnſtigt 
und er wiedergeliebt zu fein glaube, fucht er um ihre 
Hand nad. Sie aber verweigert biefelbe-mit der Erklaͤ⸗ 
ung, daß fie feiner nicht würdig, daß fie eine Verworfene, 
mit Schande Beladene ſei. Als er weiter in ſie dringt, er⸗ 
zähle fie, daß Oberſt Sharp, derſelbe Dann, den Beau: 
champ als feinen Gönner verehrt hat, der allgemein ge: 
achtet und ber allein im Stande geroefen iſt, durch 
feine geiftigen und dem Schein nad) au moraliſchen 
Vorzüge Anna's hohe Anfoderungen zu befriedigen, fie 
verführt und darauf verlaffen und dem Schimpf und ber 
Schande preisgegeben habe, und daß "fie nicht eher Ruhe 
finden koͤnne, als bis fie fi an ihm durch feinen Tod 
gerächt habe. Darum habe fie fih im Piſtolenſchießen 
geübt und ihm bereit einen Zweikampf angetragen, er 
aber habe dieſes Duell als eine für einen Mann unmwürs 
dige und für eine Frau lächerlihe Sache aus Feighelt zu⸗ 
ehcgewiefen. Hierauf bietet fih Beauchamp ſelbſt als ih: 
een Raͤcher an, und gegen dies Verfprechen gibt fie ihm 
die Hand. Beauchamp reift nun wirklich zu Sharp und 
bietet ihm an gelegenem Drte einen Zweikampf an, Die 
fer aber zeigt ſich zerknirſcht, will nicht kämpfen, und 
Beauchamp, ber die Reue für wahr Hält, vermag «6 
nicht, ihn, der fich zu Seiner Gegenwehr verfichen will, 


niederzuftoßen. Bald darauf aber entbloͤdet Ah Sharp 
nicht, Anna öffentlich zu befchimpfen. Dies beweift, daß 
ee nur aus Feigheit Reue geheuchelt, und fo wird ihm 
aufs neue der Tod angedroht. Wirklich wird er unter 
Umftänden, die ben Moͤtder „zweifsihafe laſſen, hald dar: 
auf ermordet; der Verdacht Mut jedoh auf Beauchamp, 
diefee wird eingezogen; und nun beginnt bie Unterfuhung, 
die endlid mit einer Verurtheilung Beauchamp's endigt. 
Diefer bat die That bisher ſtets geleugnet und erklaͤrt 
noch je&t die Ausfagen der Zeugen, auf welche bie Ur- 
theil gegründet iſt, für falfch; dennoch gefteht er die That 
freiwillig ein und erleidet demzufolge Die Todesſtrafe. In 
derſelben Stunde flirbt au Anna. Diefe Geſchichte, be: 
fonder& die erfte Hälfte derfelben, iſt fo erzähle, daß man 
an den beiden: Dattptperfonen lebhaften Autheil nimmt. 
Der Stil iſt edel, Die Befchreibung der Scenerie leben⸗ 
dig, die Zeichnung ber Perfönlichleiten treffend, die Schil⸗ 
derung ber Geelenzuftände warm und an manden &tel: 
len wirklich ergreifend. Gegen das Ende erlahmt die Kraft 
des Verf. Das poetifche Element geht faft gänzlich im 
juriſtiſchen und criminaliftifhen unter, und vom juriſti⸗ 
[gen Standpunkte betrachtet erſchelnt doch die Darftellung 
wieder zu ungenau und oberflählih. Dennoch macht auch 


der Schluß keinen übeln Eindrud, weil fi darin ein ge: 


rechter und natürlicher Verlauf zu erkennen gibt. Dem 
Berf. als moraliſchem Richter ift jedoch der Vorwurf zu 
machen, daß er das ſittliche Unrecht, das in Beau: 
champ's Handlung liegt, faft zu menig als foldyes hervor: 
hebt und namentlich ihn von aller innern Unrube und 
Gewiſſensangſt freifpricht. 

Die vollendetite der bier gebotenen Novellen ift, wie 
fhon gefagt, die erſte, „Die Mebenbublerinnen‘ betitelt. 
Sie hat ebenfalls eine hiſtoriſche Baſis unter fi, und 
fo bewährt fi, wos [chon fruher ein Berichterſtatter über 
Wachsmann ausfprah, daB feine Productionen um fo 
zweideutiger im Werthe würden, je mehr fie fih vom pos 
fitiven Grund und Boden der Geſchichte in die Sphäre 
der Phantafie verfligen, Der Stoff der „Nebenbublerin: 
nen” ift dee Gefchichte Rafael's entlehnt, und zeichnet fi 
für eine Novelle biefes Umfangs und Charakters durch 
Reichhaltigkeit und Mannicfaltigkeit aus. Die meiften 
Perfonen, die darin verwebt find, tragen einen geſchichtlich 
berühmten Namen: außer Rafael und feinen Schülers 
unter Andern Michel Angelo, Sehaſtiano dei Piombo, 
Agoſtino Chigl, Leo X., Pietro Aretino, Francesco Neri 
und vor Allen La Fornarina, Rafael's Geliebte, deren 
Bild noch jetzt in der Galerie zu Florenz prangt, die ihm 
aber auch als Vorbild zu vielen andern Gemälden, na: 
mentlich! zur Madonna della Sedia, geſeſſen hat. Aulle 
dieſe Perſonen treten ben Überlieferungen ober dem Cha⸗ 
rakter ihrer Producte gemäß mehr oder minder lebendig 
vor die Augen bes Leſers und unterhalten ihn durch ins 
tereſſante, ſtellenweiſe ſelbſt geiftreiche Geſpraͤche über kuͤnſt⸗ 
letiſche und ſociale Intereſſen der damaligen Zeit, beſon⸗ 
ders uͤber berühmte Gemälde Rafael's und anderer Mei: 
fter. Unter Allen ſtrahlt natürlidy Rafael am glängendfien 
hervor, jedoch nur als Künftler; als Menf iſt er keines: 








wegs zum Iheel erhoben, mie 06.10 Hinfig mis Bemanı |: donch -ihız 'erik ußab eine Mörafkheumg 
zwiſchen Kunſt und Giielichkeit herbeigeführt. " Diefe Abs 


beiten gefihieht , auch erſcheint er buschans nicht ale ber 
fentimentale, transparenete Schwarmer, zu dem ihn andere 
Dichtungen geftempelt haben. Vielmehr iſt er ale ein hoͤchſt 
finnlicher, genußfüchtiger, den Freuden und Wolluͤſten des 
Lebens bingegebener Juͤngling gezeichnet, der ſchwach ge: 
nug ift, fi duch eine zwiefache Neigung fortseiken zu 
lafjen. Die eine derſelben iſt feiner alten Jugendgeſpielin 
geroidmet, der Kornarina, einer finnlichen, feurigen Natur, 
die aber einer Verheirathung mit ihm entfagt bat, weil 
fie feinem Leichtfina erkannt hat und zur Überzeugung ges 
langt if, daß der kuͤnſtleriſche Genius frei und ungebuns 
ven fein müfle und in den Feſſeln der Ehe und Häus: 
lichkeit nur untergehen könne. ‚Seine zweite Geliebte if 
Marin, die Nichte eines Cardinals, bie ihn duch enthus 
fiaftifche Bewunderung und kluge Beurtheitung feiner 
Werke und durch ihre mehr Atherifchen ats ſinnlichen Reize 
angezogen hat. Mit ihe hat er fih, mehr durch die du: 
Sern Umflände als duch Innern Drang dazu getrieben, 
förmlich verlobt — doch fo, daß nad einem Jahre Feder 
von Beiden da6 Band wieder loͤſen kann. In der That 
fühle er ſehr bald die Feſſeln, die ihm dur eine Verlo⸗ 
dung angelegt find, und noch mehr wird ihm dies Ber: 
haͤltniß laͤſtig, als ploͤtzlich die alte Geliebte wieder erfcheint 
und Altes, ja ſelbſt ihren Ruf und ihre Tugend daran 
ſetzt, um ihn von der Verbindung mit Maria abzuhalten. 
Maria erhält indeß eine Ahnung von dieſer feiner Liebe 
und die Eiferſucht nimmt Ihe Der; gefangen. Unglüd: 
Licherweife vereinigen fidy mehre Umſtaͤnde, diefe Eiferfucht 
immer böher und höher zu fteigern, bis fie endlich durch 
«ine Reihe gutgezeichnerer peinlicher Situationen hindurch 
zur Fornarina ſelbſt gelangt, fi) von der edeln Natur 
Derfelben amd der Wahrheit ihrer Anfiche über die Noth: 
wendigkeit eines ungebundenen Künftterlebens überzeugt 
und gleichfalls auf eine eheliche Verbindung mit Rafael 
Verzicht leiftet. Doch hat fie nicht bdiefelbe Kraft es zu 
ertragen, und ſchon nach wenig Wochen wird fie die Beute 
einer verjehzenden Krankheit. 

Fragt man nach der dem Ganzen zum Grunde lie: 
genden dee, fo tft es offenbar der Srundfag ber Forna⸗ 
zina, daß der Künfkier nur im Zuflande einer völligen 
Freiheit und Ungebundenheit das hoͤchſte Ziel, das ihm 
vorgefiedt ift, erreichen könne und daß ſelbſt Tugend, Liebe 
und Sitte fi) ihm zum Opfer bringen müffen. Es liegt 
gewiß viel Wahres in diefem Gedanken. Unfere fublunas 
riſche Welt iſt einmal von der Art, daß, wo eine Boll 
2ommenbeit in.volifter Pracht ſich entfalten foll, eine ans 
dere ihe Pag machen muß. Dennoch koͤnnen wie mit 
der Art und Weife, wie ber Verf. diefen Gedanken hin: 
geftellt hat, une nicht befriedigt fühlen. Es liege nam: 
lich nach unferer Anfiht etwas tief Tragiſches in ihm. 
Der Kuͤnſtler, indem er ein Derz zerbricht, wird nothwen⸗ 
dig dadurch ſelbſt zur teagifchen Perfon, und muß an eben 
der Volllommenheit und Goͤttlichkeit, die er durch jene 
Ruͤckſichtsloſigkeit und Ungebundenheit errungen bat, zu 
Orunde gehen. Diefer Untergang bat nichts Beleidigen⸗ 
des, fondern er wirkt erſchuͤtternd und echebend zugleich; 


B 


fchließung feiner Idee hat der Verf. verfäumt und iſt mit: 
bin auf halbem Wege fichen geblieben. Das iſt es, was 
feine Novelle um den Namen einer wirklichen Dichtung 
bringt, auf den fie fonfl, namentlich wenn audy dee Stif 
überall den Stempel der Fabritarbeit abgelegt hätte, im 
vieten Beztehungen Anſpruch machen koͤnnte. Ein paar 


Bruchſtuͤcke aus Micyel Angelo's Reden mögen zeigen, mie 


fih zwiſchen intereffante und treffende Mittheilungen fo 
manche leere und wohlfeile Phrafen eingefchliiden haben. 

Stolz muß der Künflter fein, rief Michel Angelo. Ich 
denke, ich habe durch zu große Hoͤflichkeit unſerm Stande nichts 
vergeben. Mit Papft Julius hatte ich oft harte Tänze. &o 
fam er einft eines Morgens in die Sixtiniſche Kapelle. Gr 
war gewaltig übel gelaunt, tadelte batd Died und Das, und 
endlich auch, daß ich in den Gemälden bes Alten Teſtaments 
an der Dede kein Gold gebrauchte, wie doch die alten Maler 
bisher gethan. Nun warb ed mir zu arg. Heiliger Water, 
ſchrie ih vom Gerüft berunter, ich male lauter geiftiiche Maͤn⸗ 
ner, und für dieſe ſchickt ſich Bein Kleiderprunk. Der gute Herr 
war fo böfe, daß er u. f. w. 

Bald darauf fährt er fort: 

Da iſt Seine jegt regierende Heiligkeit ein ganz anderer 
Her — ein wenig freigebiger koͤnnte er fein, ohne daß es ibm 
etwas ſchaden wuͤrde — aber fanft ift er, und einen guten 
Spaß nimmt er auch nicht übel. Da hab ich, wie ihr wißt, 
in dem Gemälde über dem Attar, in dem legten Bericht, bie 
fieben Zodfünden und eine ganze Legion Teufel angebracht. 
Kommt da der Geremonienmeifter und tadelt, daß bie Figuren 
für ein Kirchengemälde zu entbiößt und in unanftändigen Gtels 
lungen gemalt wären. Was thue ih? Der Abbate hat eine 
Pyfiognomie, die fo huͤbſch zu den fieben Zodfünden paßt, ich 
male ihn alfo, und zwar in ber anftändigften Stellung, mitten 
hinein. Der Menſch folte es mir Dank wiflen, er kommt fo 
auf gute Manier, auf die Nachwelt. Statt deffen Läuft ex zu 
Seiner Heiligkeit, erhebt ein fo gewaltige Gefchrei, daß der 
gute Herr mir geftern zumutbete, ich folle den Geremonienmeis 
ſter aus der Hölle heraustaffen. Ich aber fagte refpectvoll: Eure 
Heiligkeit, das kann nicht fein, denn aus ber Hölle iſt Eeine Er 
fung! —T ber —— Menſch ſoll mir darin bleiben, 

ange die Farbe haͤlt, und das, denke ich, wird no 
hundert Jaͤhrchen der Fall ſein. uw 9 ein paar 

Die dem Taſchenbuche beigegebenen Stahlſtiche enthale 
ten Bildnijje weiblicher Figuren, die in den Erzählungen 
vortommen. Sie find techniſch gut ausgeführt und bis 
auf Mathilde leidlich huͤbſch; es fehlt ihnen aber alles 
Charakteriftifhe, und fo wäre es befjer gemefen, fie zu den 
Erzählungen in gar feine Beziehung zu fegen. Am aufs 
fallendften if dies mit dem Bildniß der Fornarina. Der 
Kuͤnſtler hätte jedenfalls beifer gethan, ftatt feiner Erfin- 
dung eine Nachbildung des Rafael'ſchen Portraits zu liefern, 
wie es zufälligerweife im „Immergruͤn“ gefchehen iſt. 

(Der Beſchluß folgt.) 





Histoire des comtes de Flandre jusqu’a l’av@nement de 
la maison de Bourgogne par Edward le Glay. Er⸗ 
ſter Band. Paris 1843, 

Als die roͤmiſchen Legionen, Caͤſar an ber Spitze, in ben 
nördlichen Theil von Gallien kamen, fanden fie ein and, wo⸗ 
bin Tein Strahl ber damaligen Bildung gebrungen war. Die 
Römer behaupteten diefe Länder vier Jahrhunderte binburch 





«aut — wenn men vom wstelngeiten Tberseften Aſtehl — wiirde) 
Ude Gpuren ihrer Herrſchaft @ ve af 
dem Ghriftentyume vorbehalten, die Bewohner dieſer Gegenden 
u civiliſiren. Ungluͤcklicherweiſe wurden die WBeftrebungen ber 
—28 , bie unter diefen ungebitdeten Bbikern den chrifttichen 
uuben prebigten, gehemmt durch den Einſall ber Franken, 
foraf der danderſtrich zwiſchen dem Nhein und der Nordſee erſt 
dem Chriſtenthume gewonnen wurde, als Clovis ſich taufen Lich. 
Erſt von jettt an fingen die Keime der Gtoilifation an ſich zu 
entfalten. Sie verbreitete fih immer mehr, je mehr bas Chris 
ftenthum am Ausdehnung gewann. Schon tm 7. Jahrhundert 
werden überall Kitchen und Kiöftee gegründet, und nidjt lange 
bilden fig uͤberall, wo ſich ein chriſtiicher Tempel befinbet, Gitäbte. 
Machdem bie kleinen Könige (reguli), die bis dahin unabhängig 
geherrſcht hatten, von Clovis unterworfen waren, verſchmolzen 
auch die eingeborenen Belgier allmälig mit den Franken zu eis 
nem Volle. Die zahlreichen Einfälle der Normänner machten 
eine vollftänbige politiſche Organifation nöthig und nlaßten, 
wie man wol annehmen kann, bie Einſetzung der flandriſchen 
Grafen, deren Geſchichte ſich bis zu den Merovingern hinauf⸗ 
verfleigt und bie fi in der ungeheuren Monarchie Karl's V. 
fieben Jahrhunderte ſpaͤter auflöfen. - 
Dies find mit ein paar Strichen die einleltenden Betrach⸗ 
tungen, welche diefem neuen Werke von Le Glay vworausgeſchickt 
find. Die eigentliche Geſchichte fängt bei ihm mit bem Jahre 
an, wo Balbuin der Eifenarm, Sohn Ingelcan’s, von 
Karl dem Kahlen, mit deffen Tochter er ſich heimlich vermaͤhlt 
hatte, zum Grafen erhoben und mit dem Ränderftriche zwiſchen 
der Schelde und dem Dcean belebnt wurde. Balduin nahm feine 
Reſidenz in Brügge, ber Hauptflabt dieſes Gebiets, das ſchon 
feit dem 6. Sahrhundert den Ramen Flandern geführt hatte. 
Der erfte Band dieſes trefflichen Werks geht bis auf 
die Schacht von Bouvines (1314) und umfaßt alfo bie 
Regierungen folgender Srafen und Sräfinnen von Flandern: 
Balduin Gifenarm und Balduin der Kable (862 — 919), 
Arno von Wien und Balduin IN. (919 — 964), Arnold 
der Junge und Balduin Schönbart (6 — 1036), Balbuin 
von Eile und Balduin von Bergen (1036 — 70), Arnold IL. 
und Robert der Zriefe (1070 — 93), Robert von Zerufalem 
und Balduin mit der Art (1003 — 1119), Karl’ der Gute (1119 
— NM, Withelm (1127 — 28), Thierry vom Eiſaß (1128 — 
68), Philipp vom Elſaß (1108 — 91), Margaretha vom Els 
faß und Balduin der Muthige (1191 — 85), Balduin von Kons 
ftantinoper (1195 —1204), Johanna von Konftantinopel und ers 
dinand von Portugal (1204 — 14). 
Der Verf., belannt durch mehre fehr gehaltreiche Arbeiten, 
vom benen ein Theil in den werthvollen „Archives littdraires du 
Nord’ niedergelegt if, fiäste ſich bei Termem neueften Werfe auf 
ſehr. umfaſſende und fehr gründliche Studien. eine Stellung 
ale Sonfervator am Archiv zu Rille erlaubte ihm. überall aus 
den Quellen zu ſchoͤpfen. Geine Schrift ift ein fchönes Seitens 
ſtuͤck zu Barante's trefflicher Geſchichte der Herzoge von Burs 
gund. Dffenbar bat ihm dies beruͤhmte Werk bei feiner Arbeit 
auch vor. Augen geſchwebt, nur hat er die allzu große Breite, in 
die Barante zuweilen fällt, möglichft zu vermeiden geſucht. 6. 





Notizen. 


Chriftliger Zeufelsglaube 

Sn unfern Tagen, ba man fo erftauntich viel von Chriflens 
thum und Chrifttichem, chriſtlich Germaniſchem oder germanifch 
Thriſtuchem, hiftoritch Ehriſtiichem, echt Gäriftiichen, uxelt 
Chriſtlichem, ewig Chriſtlichem u. dgl. mehr vernimmt; da men 
jeden Augenblick belehrt wird, der Weift des Chriſtenthums wirke 
found fo, das Chriſtenthum fodere Das und Das, ber chriſtliche 
Staat habe die ober die Aufgabe — muß immer wieber und wieber 
erinnert werden, baß es gar Fein fpechiich CEheifttiches gibt, 
fondern daß in jeder Zeit was mean chriſtlich nannte nur der 


. feinen Arm und’ verbrannte Deren. 


"und ſchrieb ein Jaſten bis zum Abend ms. 


Auen des Beltgeifles wut- Im 06. Jahthumert war ker 


‚ Gaubs an ben Munfel und.am Keufeläwerke, am MBeiefienkeit 
und Hexerei ein nothwendiger unb 





unabtsennbenge Veßandt heil 

bes Chriſtenthums. Der qhriſtliche Staat lich dieſem Glauben 
Wie undefangen und zu: 
verfichttich der Teufelsglaube gehegt wurde, wird man unter Ans 
derm aus ſolgender Stelle ſehen, bie ich ben vor kurzem erfihienenen 
„Zurich leattara“ eutnchme. Diſchof Parkhuck naͤmtich ſichreibt 
(man bedenke, nach bereits geßalteter Glauheneverbeſſerung): 
„Eine junge Niederlaͤnderin von 17 ober 18 Jahren, bie bei 
einem Prediger in Norwich diente, wurbe während eine® ganzen 
Jahrs jaͤmmerlich vom Satan geplagt. Jeboch unter allen 
Berfudgungen und Bwadungen hielt fie ſtaudhaft im Blanben 
aus und wiberftand dem Miderſacher zeit mebe ats männlicher 
Kraft. Da endlich burch Gottes pälke ber Feufel uͤberwunden 
war und fie verließ, fiel ee faft in dem naͤmlichen Augenblick 
einen Senatorsfohn an, den er ebenfalls mehre Wochen lang 
unglaublich plagte. Ich Heß im den Kirchen oͤffenttich beten 
Der Herr erbarmte 

fi) auch des Knaben und uͤbenwand den Feind. Der Kuabe 
war 13 ober hoͤchſtens 14 Jahre alt und fir fein Alter wohl 
bewandert in der Schrift, die er, flandhaft im Glauben, gegen 


‘den Beind kuͤhnlich handhabte. Der Herr lebt, durch den biefer 


Knabe und jenes Maͤdchen, beide übrigens von einer ſchwachen 
Sonftitution, in ben Stand gefegt wurden, einen fo großen und 
furchtbaren Gegner zu befiegen.” 





Gin Brief von Grabbe an. Dr. Gartwrigbe. 


Suni I843, 

Jetzt, mein lieber Herr, fange ich zu glauben an, baf id, 
auf gut Gluͤck, ein großer Wann bin; ein Mann, von dem ge: 
fprodyen wird, nicht ganz fo viel als von Richoifon, der feinm 
Heren todtſchuug oder von Peg:Wichelfon, bes Ge. Majeſtaͤt gen 
todtgeſchtagen hätte, aber doch gelpaochen, gany anftänbig nab 
gerade genug, daß mon es Ruf nennen kann, denn, fehen Gie, 
ich erhalte Briefe, abreffirt an mich als Schriftfteller von Frem⸗ 
den und frembdartigen Bewunderern, unb iſt das nicht Ruf? 
Nicht weniger als vier Briefe von Herren und Damen liegen 
in dieſem Augenblicke vor mir, und ich praßle Damit Der Ihnen, 
wie ich auch ver Sir Wolter Scott zu thun gebenke, degen 
Brief vom 18. ich noch zu beantworten habe, und wahrhaftig, 
er fol wiffen, was für ein Mann id bin. Gin Herr aus der 
Stadt verlangt, ich fol mid; malen und in Kupfer geſtochen 
vor meine Bücher flellen laffen. Berner, eine Dame (fie weiß 
mein Alter nicht, noch ich das ihrjge) ladet mich zu einer Partie 
ind Gebirge ein, damit ich bie bene Natur fehe und fie ber 
fhreibe in meiner ſchoͤnen u. f.w. Gut. Drittens, eine andere 
Dame offerirt mir einen Stoff für ein neues Werk, welches, 
wenn ich ed ausarbeitete, in meiner pathetifchen u. f. w. Und 
endlich ein junger Post bittet midy um mein Urtheil über feine 
Berfe, indem er, wis Sie benten koͤnngen, allerlei dortrefftich 
Sachen über die meinigen beimengt. 48. 





Literarifhe Anzeige. 


Im Verlage von F. 9. Arockhaus in Leipztiai 
new erfchienen und .burdh alle — gu erhalten: iß 


Gedichte 
von 
Anlins Moſen. 
weite vermehrte Auflage, 
Sr. 8: Geh, Thir 18 Ngr. 


Verantwortlicher Deraudgeber: Deinrih Brodhaud. — Drud und Verlag von 8. X. Brodhaus in Leipzig. 
a e e e 





— — 0 u — 


81 


k 


T t er 


" für 1 , ct 


literarifhe Unterhaltung. 





Sonntag, 








Safchenbücherfchau für dad Jahr 1844. 
Zweiter Artikel. 
(Behind aus Nu. BE.) 

6. Bertlers Babe. 

Der vorliegende Jahrgang des Taſchenbuchs dringt vier 
Erzaͤhlungen: „Die Blutrache, Epifode aus dem Tſcher⸗ 
keſſenkriege“, „Iramenmwerth”, „Der Besboßnoi“ und „Er 
und feine Söhne”, ſaͤmmtlich von Wilhelm Müller, 
dem Begründer und Herausgeber Diefes Almanachs, Da 
fie wiederum ganz das naͤmliche düftere Colorit tragen, 
das man an Ben Producten dieſes Schriftſtellers gewohnt 
ist, fi abermals um Blutrache, Blutſchuld und ähnliche 
Stoffe drehen, die er von jeher zum Gegenflande der Ver 
handlung gemacht hat, überhaupt ganz Ddiefelben Vorzüge 
und Fehler enthalten, die ſchon fo oft in feinen Erzaͤhlun⸗ 
gen antrlannt und gerügt find — fo hält es Ref. für 
ubrflüffie, fich auf eine nähere Erörterung berfelben eins 
zulafien, und begnügt fi damit, nur feine Verwunderung 
darüber auszubrüden, wie fi) ein unverkennbar tuͤchtiges 
Zalent fo ganz in die Anſchauung der Nachtſeiten und 
Schreckenobilder des Lebens verfenten kann, welche, wenn 
fie altein und ohne Abmechfelung unfere Blicke feſſeln, fe 
wenig geeignet find, die Wirkung auf uns zu maden, 
welche die Poeſie machen fol. Schwerlich kann es ſich 
dabei innerlich wohl fühlen, ober es ift nur jenes Wohl: 
gefühl, das auch ‚die tiefite Schwermuth, ja felbft die Vers 
zweiflung durchdringt. Kinder er darin Beftiedigung, fo 
follte ex wenigflens den Leſern der Taſchenbuͤcher nicht eine 
gleiche Nase zutrauen, und ben duͤſtern Effert feiner Er: 
zeugniſſe durch Aufnahme heiterer Erzählungen von andern 
Verfaſſern zu mildern fuchen. Es fehlen aber diefes Jahr 
auch die Iprifchen Beiträge von Cornelius u. A, die wenig: 
ftens etwas Licht auf die finſtern Gemälde füllen ließen. 
Müffen wir diefee Anordnung unfern Beifall verfagen, fo 
Sönnen wir uns dagegen mit der Entfernung .der artiflis 
ſchen Baben aus einem Taſchenbuche, das ats die Gabe 
eines Bettlers bezeichnet wird, nur einverflanden erklären. 
Nur ein Titellupfer, den Autor felbft darftellend, begleitet 
dafjelbe, und wird gewiß Allen, die ſich für ihn intereffis 
sen, willkommen fen. on 

7. Sonnenblumen, 

Der Vaerf. diefes ſchmuckloſen, rein novelififchen Ta⸗ 

ſchentachs iſt .brfanmelih Fraͤe dr ich Adami, sin routi⸗ 






aufzuſtacheln. 


nirter Erzähler, der feine Stoffe theils ans geſchichtlichen, 
theit8 aus gerichtlichen Quellen zu fehöpfen pflegt und mit 
Hinzufügung von etwas mehr oder weniger 84 und Ge⸗ 
wuͤrz daraus in der Regel ein, wenn quch nicht ſehr fets 
ned, doc fürs Haus genießbares Getränk zu brauen vers 
fleht. Unter den diesmaligen Gaben ift 9 erſte die be⸗ 
deutendſte. Sie behandelt die Hinrichtung Egmont's durch 
Alba, und die Copflicte, in welche dieſer mit ſeinem Ge⸗ 
heimſchreiber Don Juan, dem Grafen von Vargas, und 
feinem Sohn Don Luis varwickelt wird. Als die Haupt⸗ 
figue und der intereſſanteſte Charakter der Geſchichte er: 
feheint Ber Braf von Vargas. Kußerlih naͤmlich ſtellt ou 
fi, als den eifrigften Anhänger: Alba's und den erprobsrflew 
Feind der Niederländer dar, der fchon oft Alba zu bw 
fhreiendften Midgriffen und bärteften Mafregeln verleitet 
hat; innerlich aber iſt er der tzeuefte Niederländer, der 
verkappte Artevelde und Water ded Don Luis und nimmt 
nen Stanbpunft los ein, einerfeite, um non demſelben 


am ſicherſten für das wahre Wohl des Vaterlandes mir 


ton zu koͤngen, andererfeits wm die Miedesländer immer 
heftiger gegen Alba und die fpanifche Herrſchaft überbaupt 
| Dieſer Weg iſt freilich ein falſcher und 
führt ihn dem Untergang gmtgegen; abar eben dadurch ges 
winnt er ein paetiſches, namentlich tragiſches 3 
deſſen Tiefe der Autor nur leider nicht gu erſchaͤpfen tes 
Banden hat. Überhaupt iſt er glüdlicher in der En wer⸗ 
fung der Charaktere und Situationen als in der Aus⸗ 
faheung, ‚bie fir) Leiche mit einer oberflächlichen und dem 
—— nicht techt ind Auge faſſenden Darſtellung 
gt. 

Die zweite Novelle nach Ducange führt den Titel: 
„Die Sungfräuliche”, und ift eine ganz gemähnlihe Mair 
teeffengefchichte aus der Zeit Ludwigs XV. ‚Ein junges 
Edelmann erhält vom König eine Dffizieftelle und zu: 
gleih eine reichautgeſtattete, fehöne junge Frau, Er muß 
aber unmittelhar nach der Trauung abreilen und ein 
Jahr lang auf alle Weites Verzicht leiften unter bem 
Varwand, daß fie noch zu zart, zu jungfsäulic fe. Er 
füge ſich. Ploͤtlich hört er, daß fie Iebensgefährlich krank 
fi — er eilt beſtuͤrzt zu ihr und findet fie im — 
Wochanbette. 

Die dritte Norelle: „Ein Tochterherz“, behendelt 
wicht ohne Gefchick wieder einem eraſtern Stoff: die and: 


nu 


Rs Du Ds Br ® 


bauernde Liebe einer Tochter zu ihrem ungluͤcklichen Va⸗ 
ter; die vierte dagegen: „Auch eine Heirath aus der Kaiz 
ſerzeit“, iſt komiſchen Charakters und dreht fih um einen 
jungen Maler, der gewaltſamerweiſe mit einem in ein 
Mägigen ⸗verkladeten Mann verhetraͤthet wie. Von den 





weile das Taſchenbuch befchließen, iſt die zweite „Die 
beiden Henker“ betitelt, die pilantere. 


8 Blumenalbum. 
Wer mag heutzutage, wo Alles nad Preßfreiheit 


fchreit und feel von ber Leber fprechen will, noch durch 


die Blume reden? Ah e6 mag es Keiner, aber Jeder 
muß es, wenn er nicht ganz ſchweigen will. Daher 


bleibt es immer noch dankenswerth, wenn uns Herr 


Drärler: Manfred in dieſem Album mit einer Blu: 
menfprache befchenkt, deren fih volle Herzen, wenn ber 
Mund nicht übergehen darf, bedienen mögen. Wie be: 
quem wird es 3. B. dadurch einem Plebejer gemacht, ei: 
nem flolzen Ariſtokraten in aller Höflichkeit feine Meinung 
fagen. Er braucht ihm nur eine Gamellie zum Prä: 
ent zu machen und deutet ihm dadurd an: . 
Dein Prunken trifft der Tadel, 
Dein vornehmes Begehr; 
Im Geifte ſteckt der Adel, 
Und nicht im Stammbaum mebr. 
Umgekehrt brauche der Ariſtokrat dem Piebejer nur ein 
wenig Kümmel zu reihen, und er gibt ihm damit zu 


verftchen : 
Gar herbe kungt ber Kümmel: 

Ver vor der Roheit Schimmel 

Nicht garten Sinn bewahrt, 

Bleibt lebelang ein Lümmel. 
He können fi Beide ihre Herzensmeinung nicht offener 
ausdruͤcken umd dennoch werden ſich Beide noch beieln- 
ander bedanken muͤſſen. Schade, daß der Verf. an eine 
Anordnung der Blumenſprache zu derartigem Zwecke, na: 
mentlich zu einem Gebrauch auf dem Gebiete der Politik 
gar nicht gedacht, fondern fie blos für erotiiche Tendenzen 
eingerichtet hat. Kennt Hr. Drärlee: Manfred nicht das 
Herwegh'ſche „Wir haben fang genug geliebt, und wol: 
{m endlich haſſen“? Und was fol die erotifche Poefie 
mit der Blumenſprache, fie, der noch kein Genfor das 
Maut verboten bat? Eine politifhe, eine publiciſtiſche 
Blumenfprache thäte noth, ber Liberalismus iſt es, der 
der verblümten Redensarten bedarf und wenn Hr. Draͤr⸗ 
fer: Manfred das rechte Beduͤrfniß der Zeit begriffen hätte, 
tohrbe er hier fein Rhodus erkannt, bier gezeigt haben, 
daß er zw tanzen verfleht. Unter Dem, was er wirklich 
gefeiftet hat, ift manches Zarte, manches Treffende, mans 
Ges Pikante, — aber auch viel Seichtes, viel Mittels 
mäßiges,, viel Mislungenes. Hohen äfthetifhen Werth 
hat das Buͤchelchen nicht, aber für das praktiſche Beduͤrf⸗ 
niß der Liebenden bietet es reichlichen Stoff dar — für 
jede Blume zwei Stnnfprühe, zwei in abendlaͤndiſchem, 
zroei in morgentändifhem Gefhmad. Außerdem bringt 
es eine Blumenfpmbolit der Zranzofen, einen Blumen: 
Balender nebft Btumenuhr, eine Farbenſombolik umd eine 
UÜberſicht der Empfindungen und Gedanken, bie durch 


minalgefchkäten -au@ der berliner Vorpeit“ endlich, 


Blumen bezelchnet werben koͤnnen. Auch colorirte, Win: 
men darſtellende Bilder find beigefuͤgt, zum größten Theil 
nicht übel ausgeführt, aber doch wenig Intereſſe gewaͤhrend, 
weil zu befannte Blumen ‚gewählt find. ‚87. 

t a 2 4. - 





Fortſchritt der Nation. 


Unter diefem bis zur Unverftänblichleit Eurzen und, wenn 
erklaͤrt, infofern etwas folgen Titel, als zwiſchen „der und 
„Nation“ die Beifügung des Worts „engliſchen“ für unnöthig 
erachtet worben ift, erfhien 1836 in London ber erfie Thell ei⸗ 
nes Werts: ‚Progress of the Nation‘, von &. R. Porter, 
das den Zweck haben follte, die Hortfchritte der englifhen Ro⸗ 
tion in fociater und oͤkonomiſcher Hinſicht vom Anfange des 19. 
Jahrhunderts bis auf die gegenwärtige Zeit durch eine Reihe 
ftatiftifcher Angaben darzulegen. Die zwei Xbfchnitte bes erfien 
Theils hanbeiten ihrer Überf&rift gemäß von Population und 
Production. 1833 erfchien ver zweite Theil und bebanbelte 
WaarensAustoufch, Einkünfte und Ausgaben. Sept, 1843, hat 
der dritte und legte Theil die Preffe verlaffen und befpricht Con⸗ 
fumtion, Accumulation, fittliche® Fortfchreiten und auswärtige 
Verbindungen. Alle drei Theile zeugen für den Maren Biick 
und die Unermäblicyleit des Verf., dem alterbings feine Auftel- 
lung beim Sandelscollegtum das Erlangen ber nöthigen Daten 
erieichterte, der aber auch keineswegs mit Zufammentragung fla: 
tiftifcher Notizen ſich begnügt, fondern auf den Grund officieller 
Zabellen die Urfachen zu erforfchen gefucht hat, weichen „Eng⸗ 
land fein dermaliges außerordentliches Übergewicht über alle ci⸗ 
vitifirten Rationen“ beizumefien habe. Sowol bie Möglichkeit, 
baß der erfle unb zweite heil bereits in d. Bi. Erwähnung 
gefunden, als das Unthunlicdhe einer ins Detail gehenden An: 
zeige empfehlen das Ausheben einiger Notizen des dritten Theils 
als Mittel, deutſche Aufmerkſamkeit auf das ganze Werk zu lenken. 

Die feit Iahren aus England verbreitete Klage, daß eine 
zue Bendtterung außer Verhaͤltniß ſtehende Menſchenmenge 
fortwährend ohne Beſchaͤftigung fei, wird einigermaßen durch 
die Bemerkung widerlegt: „Zur Zeit des S.nfus von 1831 was 
ren don 9,812,276 Männern, bie 20 Jahre alt und darüber, 
5,466,188 in irgend einem Berufe ober Handwerke thaͤtig, for 
daß die Zahl ber unbefchäftigten ſich auf 346,088 ober auf wer 
niger al6 ſechs Procent herausſtellt.“ Ginen Beweis für das 
Wachsthum bed allgemeinen Woblftandes vermuthet ber Verf. 
in dem gefliegenen Verbrauche der Badfteine, bekanntlich em 
Hauptbaumaterial in England. „1802 betief fich die Befammt: 

bt der in England und Schottland gemachten Backſteine auf 
13,888,743. Diefe Zahl flieg bis 1841 auf 1,462,257,575, 
und feit 1821 ift das Gteigen am bemerkbarften.” Fuͤr fer: 
nern Beweis erachtet er, daß, während die Zahl der gehaltenen 


männlichen Dienftboten 1812 in 86,093, fie 1841 in 109,814 


beftand, mas allein in diefem Beige der Haushaitung für let⸗ 
teres Jahr einen Aufwand von 6,588,840 Pf. St. berechnen 
loffe. „Bringt man hierzu im Jahre 1831 (dem einzigen, wie 
ber Berf. fagt, wo bie amtlidhen Berichte ein ficheres Anhalten 
gewähren) bie vermuthliche Ausgabe für 670,491 weiblidye Dienſt⸗ 
boten — als wie viet bamals in Großbritannien in Kohn ma: 
ven — und verechnet für jede an Lohn und Koſt jährlich 35 
Pf. St. —, fo ergibt fih in diefem Jahre für haͤusliche Bedie⸗ 
nung ein Aufwand von 29,575,665 Pf. &t., und Irland eingefchlof: 
fen muß die Summe gegen 40 Millionen betragen.” (Gin 
noch fidhereres Merkmal des vermehrten Woblftandes dürfte bie 
bedeutende Zunahme eigner Equipagen fein. 1812 gab es 16,596 
vierrädrige und 27, weirddrige Wagen; 1 von jenen 
27,194, von biefen 42,132. Die Zunahme von 1831 — 40 
beläuft fi) auf 40 Procent, und wenn fie in ben legten Jahren 
minder groß war als in den vorhergehenden, fo findet der Berf. 
ben Grund bavon nicht in minder progreffivem Wobtftanbe, fons 
dern in der ungemeinen Verbeſſerung bew--Mffentäichen Wagen 














Den @ Alßouk — 2** beiüchnet ee für 
1840 auf 10,447,80U Pf. &t. Die Geſammtzal der. Pferde her 


ſich 1840 auf 57,345, wonon 154,288 Keit⸗ und Zugpfrrde, 
Dig dee Steuer unterwerfen; 163,005 Blinn-, Diiethbs und Bes 

de, fowie Ponles, für werche keine Steuer begabit wich, 
und ‚304 ebenfalls fenerfreie, hauptſaͤchtich zum Aderbau 
vawendete Pferhe. 

Bei dem vielfach documentirten Wachtthume der Wohlha⸗ 
benheit und bed Luxus wird es auffallen, wie der Verf. ſagt, 
„daß waͤhrend der acht unmittelbaren Jahre vor dem Frieden 
mehr Gold⸗ und Silbergeſchirr dem Gewichte nach im vereinig⸗ 
ten Koͤnigreiche fabricirt worden iſt als waͤhrend derſelben Reihe 
von Jahren 1830 bis mit 1337. Während ber erſtgenannten 
Periode, naͤmlich 1807 His mit 1814, wurden 50, Unzen 
Gold und 8,280,157 Unzen Silber, in den acht Jahren von 
1830 bis mit 1837 nur 48,433 ungen Gold und 7,378,651 
Ungen Silber zum Gebrauch verarbeitet. Diefe Abnahme muß 
um fo mehe uͤberraſchen, da In ben Jahren ber erfigenannten 
Periode das ungemünzte Gold und Silber einen unerhört hoben 

hatte, das ben Unterſchtedb im Geldbetrage beimeitem 
gebßer macht als nach dem Gewichte.” Den Grund biefer feit- 
famen Griceinung findet der Verf. theild in der Eugen Bor: 
fit, das Papiergeld für den Kal eines Rationalbankrotts in 
Dinge von reellem Gelbwertb umzufegen, theild in dem ver⸗ 
mehrten Gebrauche plattirter Sachen. Indeſſen ſcheint bie Bers 
arbeitung ber edlen Metalle jetzt wieder fleigen zu wollen. 184 
find dazu 6985 Ungen Gold und 1,029,363 Unzen Silber ent- 
nommen worden. 

In Betreff der vom Parlamente biscutirten Zuderfrage 
bringt ber Verf. ſtatiſtiſche Nachweiſe, die bei einer kuͤnftigen 
Debatte über denfeiben Gegenftand leicht ein anderes Reſultat 
veranlaffen dürften. Es handelt fich nämlich, wie befannt, um 
den Unterfchieb des Preiles, für welchen ber Englaͤnder brafili: 
fhen Zucker haben koͤnnte, das Pfund für 2%, Pence, und 
den er für den weſtindiſchen Zuder bezahlen muß, das Pfund 7 
Dence. „Die 1840 für inländifchen Gebrauch behaltenen 3,764,710 
Geniner Eofteten uns bucchfchnittiidy nad) den in ber ‚Gazette‘ 
verdfientlichten Preifen und mit Einſchluß des Zolls 9,156,872 
Pf. St. Diefelbe Quantität und Qualität aus Brafilien ober 
der Savana hätte und 4,141,181 Pf. Et. geloflet, woraus folgt, 
daß die Übrigen Bewehner von Gurepa für biefelbe Quantität 
und Qualität Zuder 5,015,691 Pf. St. weniger bezahlt haben wuͤr⸗ 
den als wir.“ Spaͤter im Capitel von den Colonien kommt 
der Verf. hierauf zuruͤck, und nachdem er den jaͤhrlichen Verluſt 
von 5,060,000 Pf. St. zu Gunſten der Zuckercolonien nochmals her⸗ 
vorgehoben, fährt er fort: „Der Totalbetrag unferer 1840 nach 
den Zuckercoionien ausgefuͤhrten Fabrikate war unter 4,000,000 
Pf. St. Hätte man alfo den richtigen Grundſatz befolgt, auf dem 
wohlfeilſten Markte zu Eaufen, fo hätte die Nation ben Zucker⸗ 
bauen alle ihr abgenommenen Fabrikate ſchenken Tönnen und 
würde immer noch eine Mikion Pf. &t. rein profitiert haben.” 
Das erinnert allerdings an jenen verrüdten Krämer, der Jeder⸗ 
mann einen Thaler unter der Bedingung ſchenkte, daß er ihm 
für 20 Srofchen Waare ablaufte. 

3weil dem Buder verwandte Gegenflände find Kaffee und 
Thee, und in beiden hat die Vermehrung bes Gonfumo mit der 
Berminderung bed Zollfapes Gchritt gehalten. 1801, wo ber 
Loffesgoil 18 Dence für das Pfund betrug, war bie Sonfumtion 
750,861 Pfunde ober ungefähr eine Unze auf jedem um Lande 
Wohnenden und fleuerte daher Jeder gu bem Zolle jährlich im 
Durchſchnitte 1%, Penny. 1811 ber Zoll 7 Pence, die 
Conſumtion 6,390,122 Pfund ober acht Unzen auf jedes Indie 
eisaum und die Bollbeiftenerung jedes Bingelnen 4 Pence. Nadı- 
her wurbe ber Boll auf 12 Pence erhöht und bie Gonfumtion 
nahm im Verhaͤltniß zur Bevölkerung kaum merklich zu. End⸗ 
lich wurde der Zoll auf 6 Pence ermäßigt und 1841 war bie 
Sonfumtion 27,298,322 Pfund oder 1 Pf. 7 Ungen auf bie 
Perfon mit einem jährlichen Zollbeitrage von IUY, Pence. Glei⸗ 
es iſt mit dem Thee ber Ball geweien, wo bie Berminderung 


der Bolt: deu Ahpktilgen inpi pueiien 


weil eine Widerlegung der Vielen, weiche in der Tri 


verſchluckte eine Bevoͤlkerung don kaum 6 





Mita; Sun Yan 

im Jahre 1801 auf’35 Peute im Yahre BEL ertzht ga. .- 
Höchft intereffant und erfreulich, erfreulich u To mehr, 
at des 
englifchen Volks einen freſſenden Rrrbsfchaden —— die 
Rachweiſe des Verf. daß die Sonfumtion fpiritudfer Getraͤuke 
nicht blos im Berhaͤltniß zur Bevoͤlkerung vor hundert Jahren 
betraͤchtlich größer geweſen iſt als jest, fondern auch in entges 
gengefegtem Verhaͤltniſſe fich vermindert. 1736 hatte bie Trun⸗ 
Apnbeit fo überhand genommen, daß die Geſetgebung, um das 
bei zu dämmen, bie Branntweinftener anf 20 Schillinge für 
bie Gallone — 4 Quart — erhöhte. Das Tchabete mehr als 
e6 half. Zaufende von Winkelkneipen etablirten fich und bimen 
wenigen Bonaten waren in Eonbon allein 12,000 Menfchen der 
Hinterziehung des neuen Geſetzes ſchuldig befunden worden. Als 
aber 1743 die Sache im Parlamente zur Erörterung kam, ſtellte 
fi) heraus, daß die Gonfumtion von 10,500,000 Gallonen 1733- 
im 3. 1742 auf 19,000,000 geftiegen war. „Dieſe Quantität 
Millionen, mithin 
die Perfon 3%, Gallone. Hundert Jahre fpäter ift die Bedoͤl⸗ 
Eerung zu 16 Millionen angewachſen und trinkt 8,166,985 Gats 
Ionen ober & Perfon eine halbe.” Und da dies weder eine Folge 
gefunfenen Wohlftandes noch eine Folge erhöhter Beſteuerung 


"it, fo muß es wol Folge zugenommener Intelligenz fein. Da: 


von dürfte auch zum Theil der größere Papierverbrauch herräße 
ven. Es erhellt aus den Tabellen, baß 1803, wo das Pfund- 
Papier 3 Pence Steuer bezahlte, 31,600,537 Pfund vers 
fleuert wurden, dazu jedes Individuum im Durdyfchnitt 5%, 
Pence beitrug und der Schatz 394 8234 Pf. St. bezog. Nach⸗ 
dem bie Steuer um bie Hälfte ermäßigt worden war, belief fich 
1841 die Papierconfumtion auf 97,103,548 Pfund, der Bei 
trag des Gingelnen auf 5%, Pence und die Einnahme des Scha⸗ 
ges auf 637,255 Pf. &t. 1803 betrug die Quantität des far 
bricirten Papiers 2°/,, 1839 faft 31, Pfund auf die Verfon, 
und während anberwärte über die Bertheuerung des Papiers 
geklagt wird, if e8 in England feit 40 Jahren immer wohlfele 
ler geworben, Eoftet jegt 15 Schillinge, was 1801 nahe an 36 
gefoftet hat. Der Papierverbraud erinnert unwillkuͤrlich an bie 
Sonfumtion von DI und Lichtern, und da iſt e8 gewiß befrem⸗ 
dend, daß ungeachtet der Einführung des Gaslichtes ‚die Ges 
fammtconfumtton von Walfiſchoͤl beträchtlich und ber Berbraudh von 
eichtern, namentlidy von Wachelichtern, fehr über das Verhaͤltniß 
zur Bevölkerung zugenommen”. 

Der Erörterung in Betreff des geftiegenen Wohlſtandes laͤßt 
ber Berf. bie Brage folgen, welche Wirkung das auf den fittlie 
hen Zuftand der Nation gehabt, und fagt: „Nach Ausweis uns 
ferer Sriminaltabellen ift in England und Wales bie Zahl ber. 
zur unterſuchung gebrachten Perſonen gegenwärtig fuͤnfmal fo 
groß wie beim Anfange bes Jahrhunderte. In Irland ift bie 
Vermehrung nech ſchmerzlicher. Dort überfleigt die Zahl aus 
dem Jahre 1839 die von 1805 — frühere Nachrichten find nicht 
zuderläffig — um das Siebenfache. Wegen Mangels an fo weit 
zuruͤckreichenden Unterlagen läßt fidy für Schottiand Fein aͤhnli⸗ 
her Vergleich ziehen. Aber in den 24 Sahren von 1815 — 
39 haben die Unterfucdjungen fi) dort faft um das Sechsfache 
vermehrt und fo erfcheint es prima facie als erwiefen, daß, wie 
ſehr auch umfere Bevölkerung und unfer Wohlftand zugenommen, 
ſolches body mit dem Verbrechen in weit böherm Grade ber Fall 
iſt.“ Diefe prima facies truͤgt jeboch infofern, aus bie üder⸗ 
wachung ber Berbreihen gegenwärtig bebeutend firenger, ehemalt 
Manches vom Bolfe abgıthan wurde, was jett vor den Stiche 
ter fommt — wie man 3. B. ehemals ben ertappten Taſchen⸗ 
dieb zur nädften Pumpe fchleppte, ihn halb erfäufte und dam 
laufen tieß — und bie Verbrechen, wenn auch mehr, gewiß nicht 

efährlicher geworben find. Letzteres beftätigt der Verf. indem er 
Past: „Wir brauhen nur aus frühern Jahren bie Berichte der 
vom Parlament niedergelegten Comiteés und andere  biervon 
bandelnde Schriften einzufehen, um uns zu on, daß man 
damals ebenfo viel Urſache hatte, über bie Zunahme der Berbre⸗ 


Bidgen wnb qu ſceien wie inpt, und Kinkien tınd dabei 
u daß rotz ber jagt verhe Birgehungen 
um wir doch vor perfönlicdker Gewaltthaͤtig⸗ 
weitem filyerer find als unſere Worältern.” Die biexs 
f 3 babenten Tabellen weilen nad) daß in England 1905 

30,380 Berurtbeilten 





eruztpeitungen ſi nur 
1841 bei Berurtheitungen blos 5 wegen 
Schottland bietet zu folcher Bergleichung 
Regiſter dort ext feit 183 
gehalten werben. Nicht minber erfreulich ift die ftarte Abnahme 
an 


gebrachten 4805 
2 760 “ 


18, in erſterm 29 Procent. Daſſelbe gilt von Irland, aber un: 
gikelicherweife nicht von Schottland. Die find zwar im Ver⸗ 
hältniß zur Bevoͤlkerung Englands der Geiminalverurtheilungen 
weniger, yageoen mehr Verbrecherinnen. In England und Wa⸗ 
168 fam 1841 auf 1565, in Schottland auf 1343 Frauenzims 
mer eine Verbrecherin. Auch if Das betrübt, Daß im ganzen 
vereinigten Königreicge und beſonders in Schottland feit 1 
die Zabt der jugendlichen Verbrecher fortwährend fleigt. 1835 
bis 1841 wurde in Gngland von 5564, in Schottland von 4405 
und in Seland von 6244 unter 16 Jahre alten Perfonen eine 
verurtheiit. 

Schließlich verdient das ſich faſt gleich bleibende Verhaͤltniß be⸗ 
merkt zu werden, in welchem laut der officiellen Tabellen Ver⸗ 
brechen und Unwiſſenheit zurinander ſtehen Die Jahre 1836 
und 1841 mögen Beiſpiele liefern. 1836 waren unter den Ver⸗ 
urtbeilten 5508 Männer und 1435 Frauen, die weder Icfen noch 
fqhreiben konnten; 8968 Männer und 2015 rauen, die blos 
iaſen oder ſchlecht laſen oder ſchlecht ſchrieben; 176 Männer und 
15 Treuen, die eine quite Erziehung erhalten. 1841 waren uns 
ter den Verurthrilten 3123 Männer und 1903 Frauen, bie mes 
der ieſen noch ſchreiben Fonnten; 12,742 Männer und 

uen, die blos Lafen oder ſchlecht lafen ober ſchlecht ſchrieben; 

309 Männer und 214 Frauen, die gut lafen und gut ſchrie⸗ 
ben; 126 Männer und von den Frauen nicht eine, bie «ine gute 
Erziehung erhalten. „In 20 Graffhaften von England und 
Wales mit einer Bevoͤlkerung von 8,724,338 Menſchen wurden 
55 wohl unterrichtete Perfonen oder eine auf je 147,870 Eins 
wohner verurtheilt, während in den übrigen 32 Grafſchaften 
bei einer Benölterung von 7,182,491 Menſchen unter den Ber: 
urtheilten fich nicht Ciner befand, deflen Schulunterricht über bie 
erſten Anfangegrunde hinausging-” 14. 





Bibliographie. 


Adres:buch deutscher Bibliotheken. Von Dr. J. Petz- 
Aoldt. Dresden, Walther. 1844. 12. 10 Ner. 
Die Atte von Livadoſtro. Roman aus heitentfüpen Memois 
zen bes fahrenden Muſikanten. Zwei Bändchen. Frankfurt a. M., 
Sauerländer. 1844. 81.8, 3 Thlr. . 

Arvifenet, M., Bergißmeinnicht für chriſtliche Aitern. 
Rah dem Franzoͤſiſchen bearbeitet von 2. Jung. Wainz, 
Kirchheim, Schott und Thielmann. 12. 7Y, Nor. 

Berliog, Dr, Muſikaliſche Reife in Deutfchland., In 
Briefen an Eine Freunde in Paris. Aus dem Franzöftfchen. 
Leipzig, Wrieblein und Hirſch. Gr. 12. 221% Nor. 

Bettina und ihr Koͤnigsbuch. Bon A. St. 
Verlags: Gomptoiz. 1844. Gr. 8. 15 Near. 

Sarus, C. G., Ginige Worte über das Verhältniß der 
Kunſt krank ge fein zur Kunſt gefund zu fein. Leipzig, Wei: 
chardt. Gr. D 10 Near. . 

Gervin » Wiersbigfn, D. vo, Sporting » Almanad) 
1844. iſter Jahrgang. Mit 3 Stahlſtichen und TU Holz 
ſchaitten. Leipzig, Teubner. Gr. 8. 3 Thlr. 


Hamburg, 


IB44. Ge. 8, 25 We. 
Bournerie, ©. de la, Das chriftliche Rom, ober hifte⸗ 
Gemätbe Brinnerungen und Bentwmäler Roms. 


riſches 
Deutſch von P. Mäiser. Mer Band, Die Abcheitung. 
furt 0. R., Aubteä Wu... 1 . ”„ Brauls 


Hulbigung den Prauen. Taf abuc für das Jahr 1808 
Perausgegehen von —— Aſter Jahrgang. Mit 
nen. Wien, Tender und Cichdier, es Zhte- 

| üther, S, Das heilige dend. Ein Hanke 


Jung, X, Nortefungen über ſociales Beben 
Geselligkeit. Danzig, Sata. Gr. 8. 1 Zyie. 10 Nee. 
Katenber für alle Stände. 1844. eratagegeben Dom 
G. 2. v. Eittzow. Wien, Gerolb. 8. T2Y, Roer. 
Kirche und Schule, —— und Miſſenſchaft auf 
n 


beutfch snatienatem Stanbpunlt. ©. © Gdoffbaufen, 
VDrodtmann. 8. I r. 
Klemm, G., Ailgemeine Gulturgefchichte der Menſchteit. 


Nach den Heften Quellen bearbeitet und mit xy hiſchen bs 
bitvungen ber verfchiedenen —— — Gevaͤthe, 
Waffen Trachten, Kunftprobucte u. ſ. w. verfehen. 3ter Band: 
Die Jager und Fiſchervdiber der paſſiven Menfchheit. Mit 
31 Alan —— ne &. 8. 3 Thir. 

enau, R., Reuere ichte. Augabe. Statt 
gart, Hallber ger. 16. 1 Zhlr. io 

Mönnih, W. B., Das _ Turnen und der Kriegäbienfl. 
Stuttgart, Lieſching. Gr. & 74 Ner- 

Montanus, A., Ginige Anregungen zur Kritik ber hen⸗ 
tigen Raturwiſſenſchaft mit befonderer Ruͤckſicht auf ihr Ber: 
haͤltniß zur Philoſophie. Leipzig, DO. Wigand. Br. 8. 8 Near. 

Raumaunn, W., Paulus, bie erfien Giege bes Gheiftee: 
thbums in Biſdern aus ber Apofkelgefchichte. Wit vieten rules 
en Abbübungen. Leipzig, Teubner. 1844. 2 Aber 


Olshausen, J., Die Pehlewt-Legenden auf den Mün- 
zen der letzten Säsäniden, auf den ältesten Mänsen arsbi- 
scher Chalifen, auf dem Mänzen der Ispehbed’s won Tabe- 
ristän und anf imdo - persisshen Münzen des östlichen Iran, 
2m en Maie geiosen und erklärt Kopenhagen. Gr. & 
271% Ner. 

Dtto, E., Alexei Petrowitſch, Ein Zrauerfpiet i 
Aufzägen. Leipnig, Teubner. 8. 29%, Nor. eripiet in fünf 

Peterfen, B., Die evangeliſche Kirche in three Gate 
Lang 3 ben. —— — mit beſonderer Beruͤckſichtigag 
ihrer Be nifſe in ußen betrachtet. Glogau, Piemmi 
GB. Th Bar ei man, Biemmin 

Pichler, Saroline mrntliche Werke. 52ſter Band. 
ud 8: Berfireute Biatter aus meinem Schreibtifche 
Pur Beim. Wien, Bar. 8. 1 Spie. 15 Bor. 

ert, F. meite Gedichte. Iter Theil. 
furt a. M, Gauertänder. Gr. 12. 1 Str. W Km. Bat 

Schafarik's, 9. J., Slawiſche Alterthaͤmer. Deutſch 
von M. v. Lehreufeld, herausgegeben von K. Wottke. 
Zter Band. Leipzig, Engelmann. 1844. Gr. 8. IXQpir. 25 Wer. 

Schraase, C., Geschichte der bildenden Kümste bei 
den Alten. Ret Band: Griechen und Römer, Düsseldorf, 
Buddeua. Gr. 8. 3 Thlr, 

Deutiches Staattarchiv. Ster Wand. Herausgegeben 
— Jena, Frommann. 1844. Br. 8. A Khitr. 

Ngr. 

Taſchen⸗Kalender auf das Jahr 1844, mit Gebichten unb 


8 dazu gehörigen Kupfern. Herausgegeben von ber Königlich 


Preußiihen Kalender» Depwation. Berlin. 16. 10 gr. 
MWigieben, D. v., Über Ye Bauptguelen des Pauperis- 


mus und über bie Gauptmittel zu feiner Ableitung. Leipzig, 


D. Wigand. 1844. Gr. 8. Nor. 


Berantwortlider Herausgeber: Heinrich Brodhaus. — Drud und Werlag von 8. &. Broddaus in Eeipzig, 
——— — —— — — — EEE 








literarifhe 


Biktter 


für 


Unterhaltung. 





Montag, 


Sr. 8. 2 Zhle. 5 Rear. 

Durch diefe Sortfegung iſt gewiß ebenfo der Wunſch 
vieler Lefer der erflen Sammlung, wie die bei Anzeige 
derſelben amdgeiprschene Doffuung des Berichterflattere, von 
dem geiftvollen „Werftorbenen” in die neuen Kriege eins 
geführt zu werben, auf gleich dankenswerthe Meife erfüllt 


worden. Mit Liebe und Freude. ſetzt Mef, feinen Bericht 
fort, wenn auch diefe Empfindungen nicht ganz frei von 
dem Anfluge der Eitelkeit, nicht umbefkochen, nicht unbe: 
fangen find. Denn der Herausgeber erklaͤrt die Beurthei⸗ 
lung, welche die erfte Sammlung in d. Bl.“) gefunden 
bat, für ebenfo gründlich als geiftreih. Go etwas 
kann Einen ſchon ſchwach und das neue Lob als einen 
Ergwi Urerariſcher Gevatterſchaft verdächtig machen. Die 
Schwaͤche will der Berichterftatter gern zugeben und fo 
den geneigten und ungeneigten Leſer felbfi auf den Stands 


punkt fielen, von dem aus er den folgenden Bericht zu 


betrachten bat, ihm die Buͤrſte in die Hand geben, mit 
weicher er denfelben von allem Barbenftaube reinigen kann. 
Aber gegen die literariſche Gevatterfchaft muß er ſich und 
den Deransgeber durch die anfrichtige Verficherung beider: 
ſeitiger gänzlicher Unbekanntſchaft glei von vorn herein 
zu verwahren fichen. 

Nach der Verfiherung bes Herausgebers weicht dieſe 
zweite Sammlung von der erften darin ab, daß der hiſto⸗ 
riſche Inhalt vorberrfchend oder, nach leidigem militairi⸗ 
ſchen Undeutſch, prädominirend und der Humor weniger 
leichtfeetig und viel ernfler gehalten iſt. Diefes möge ins 
deß die ſchoͤngeiſtige Schmetterlingenatur vieler Lefer von 
dem Buche nicht verfcheuchen! Im Segentheil Binnen fie 
dem Ref. aufs Wort glauben, daß auch dem ſchnellſten 
Fluge ſich Blüten die Menge darbieten, Blumen, mit bes 
nen fi ſchon ein ganzer Kranz geiftreicher Abendunter⸗ 
haltung mwinden laͤßt. Denn der lange Friebe droht das 
rohe Kriegshandwerk immer mehr zu Geiſt zu werflächtigen 
und wie zu Anfang ber militairiſchen Laufbahn des Mef. 


*) Berg Av: 35238 f. 164, D Bet. 





25. December 1843, 


der Dienft die Lofung und das Stich⸗ und Schlagwort 
der meiften Offiziere war, fo iſt es jegt der Geiſt. Das 
ift natürlich In einer Zeit, im der geiftig gebildete Kam⸗ 
merzofen in Intelligenzblättern ihre Dienfte anbieten. 
Jene Blumen haben aber au Dornen, Dormen, 

weiche durch bie bie alten Stulphandſchuhe erfegenden daͤ⸗ 
mifchen Handſchuhe die zarte Haut unferer vergeifligten 
Offiziere vermwunden,. Wie Heinrich von Bülow über den 
damaligen Dienſt, fo ſchwingt unfer Werftorbener über 
den Geift die Geißel der Satire, nur mit dem Unter⸗ 
ſchiede, daß jener damit auch auf Formen losſchlug, bie 
an und für fid, keineswegs zu verachten waren, ſondern 
nur geiftlofe Überſchaͤtzung laͤcherlich und ſchaͤdlich gemacht 
hatte, Diefer aber gegen umnatürliche und daher wol gleich 
unverfländige Vergeiſtigung des Kriegsweſens fich erhebt. 
Jener hatte — um bie Parallele in einen der wichtigften 
Punkte auslaufen zu laſſen — die öffentliche Meinung, 
dad fogenannte gebildete Publicum und mit ihm die Las 
her für fi, diefer muß fi), wenn ibm auch Eräftige 
Arme vorgearbeitet haben, uͤber mächtige Verbündete feis 
ner Gegner ben ſchwierigen, aber defto ruͤhmlichern Sieg 
zu erringen ſuchen. Dazu genügt nicht die Kraft allein, 
fondern es bedarf auch des guten Schwertes, welches ſich 
unfer Verſtorbener vermöge feiner reichen Geſchichtskennt⸗ 
niß zu fchmieden verfianden bat. ı 

Aber — hier muß Ref. die ſchwache Seite aller 


Kriegsſchriftſteller (hdonungslos berühren —, wie Heinrich 


von Bülow mit all feinem Wige gewiß nicht vermocht 
hätte, da6 Gefpenft des Dienftes aus den Heeren zu ver 
bannen, wenn ihm nicht der gewaltige Krieg zu Huͤlfe ges 
tommen wäre: fo und noch weniger wird unfer Verſtor⸗ 
bener vermögen, bei einem langen Srieden den Spuk des 
Geiſtes aus den Köpfen und der Einbildungstraft unferee 
Militairs zu vertreiben. 

‚Sehen wir nun zu den Bude» ſelbſt über. Die 
Form deſſelben iſt befanntlid Die dialogiſche und obemfe 
gluͤckuch für den Zweck des Verſtorbenen gewaͤhlt als fie 
den Bericht feibft erſchwert. Denn dur die Geſpraͤche 
beruͤhmter Kriegsmaͤnner, durch ihre oft ſchatfen Gegen: 
ſaͤtze verſteht der Verſtorbene aus hiſtoriſchen und milltai⸗ 
riſchen Details gleichſam elektriſche Funken hervorzulocken, 
jene an und fuͤr ſich oft dürren Einzelheiten zu beleben 
umb nicht ſelten recht aumuthig zu ſchatticen. Dieſe Eums 


. . T r 
'. F 
— 


ken und Schattirungen wiederzugeben erfobert aber eine 
geſchicktere Hand als die des Betichterſtatters. 

Der achtzehnte Brief enthält eine Art witziger und hu: 
moriftifchee Einleitung, oder, wie der in biefer Hinficht 
unbekehrte Berftorbene fagt, Introduction“, auf wel: 
de fieben Briefe (10 — 24) Aber Kart XII. folgen. ‚Die: 
fer Held und wahre Kriegsfürft, an dem mancher Zögling 
einer Mititairfchule mit feinen Heften über Strategie 
zum Ritter gerworden zu fein meint, wird in diefen Brie⸗ 
fen, nach bes Mef. Anfiht, in fein rechtes Licht geftellt. 
Karl wird von Kriegstheoretikern gewoͤhnlich als toller 
Wagehals und eigenſinniger Eiſenkopf geſchildert; aber 
wol kaum bat ein Kriegsfurſt vor dem gewattigen Napo⸗ 
leon den Krieg ſo ſehr in ſeinem innerſten Weſen erfaßt 
als er. Davon zeugt die Antwort, welche er dem zu Unter⸗ 
handlungen mit Auguſt von Polen und Sachſen geneig⸗ 
ten ſchwediſchen Senate gab: „Ich habe beſchloſſen, nie 
einen ungerechten Krieg zu führen, aber auch einen ge: 
rechten Krieg nur durch den Untergang meiner 
Keinde zu enden.” Buchſtaͤblich und oberflächlich ge: 
nommen koͤnnte dieſe Antwort wol jenes Urtheil beftäti- 
gen, wie denn auch der nordiſche Held gar nicht davon 
freigefprochen werden fol, ein an und für fich richtiges 
Princip, anftatt e8 nach außer ihm liegenden Umſtaͤnden 
zu modfficiren, eigenfinnig feft gehalten, ja in feiner An: 
wendung fogar auf die Spige getrieben zu haben. Allein 
die Auffaſſung dieſes Princips verdient um fo mehr An: 
ertennung, als er dabei feiner Zeit bedeutend vorausgeeilt 
zu fein fcheint. Denn der Krieg hatte damals noch einen 
ſchwankenden, mittelalterlihen Charakter, über welchen ihn 
fpäter Friedrich der Große, wie durch einen höhern Im⸗ 
puls dazu getrieben — dem Anſcheine nach — nur pe: 
riodifch zu erheben mußte, um ihn dann wieder in das 
Spitem, nach welchem es auf den oft zweideutigen Ruhm 
des Tedeums und auf die Einnahme einer Feſtung an: 
zufommen ſchien, zuruͤckſinken zu laſſen; wobei freilich 
auch ſeine durch blutige Siege und Niederlagen faſt gleich 
erſchuͤtterten und geſchwaͤchten Streitkräfte und die große 
Überlegenheit feiner Gegner billig in Anfchlag gebracht 
erden muͤſſen. 

Unfer Verſtorbener verſteht den nordiſchen Helden bef: 
ſer, was er ſchon dadurch beweiſt, daß er ihn ſpaͤter mit 
Napoleon ins Geſpraͤch bringt, und ſagt dei Gelegenheit 
jenes Entſchluſſes: 

Daß dieſe Verheißung nicht vollſtaͤndig in Erfuͤllung ge⸗ 


gangen iſt, hat weniger an Karl's Verfahren ats in Umſtaͤnden 


und. pofitifgen Verhaͤltniſſen gelegen, denen er natuͤrlich nicht 
gebieten Konnte; er felbft behielt biefes Ziel ſtets vor Augen, 
und firebte mit Aufbietung aller ihm zu Gebote flehenden Kräfte 
danach, es auch zu erreichen. Schon dies allein gibt ihm Ans 
fprhdye auf unfere Bewunderung. (©. 19.) 

ESpaͤter gibt er uns, den alten Feidmarſchall Renſchild 
im Olymp redend einführend, nachftehende Charakteriflil: 

Korı XII. ift. vielleicht einer der merkwuͤrdigſten Fuͤrſten, 
hie jemals auf der Erde wanbelten, und das unerreichbare Mus 
flex eines volllommenen Kriegers. Das heiße Waſablut feines 
Vaters Hatte er frühzeitig beberrfchen gelernt, und er war Herr 
über Reidenfchäften, denen auch der Stärffte oft unterliegt. Bon 
dem Augenblicke an, wo eu, ein achtzehnjaͤhriger, feuriger und 


\. 


Iebenöiufiiger Jaͤngling, mit ber Far ran 
zur Wertheidigung feiner Länder das Schwert 
tbigt ward, ging in feinem ganzen Wefen bie großartigfie Ben 
änderung vor. Geibfbegerrfänng war bie erſte Aufgabe für 
fi ſelbſt, und große Herrſchaft über Andere die fdmelle Folge 
davon. Krer Zerſtreuung fern bleibend, nur ni mit bem 
wichtigſten Angelegenheiten feines Rede usb felites bes 
ſchaͤftigt, erlangte er bald einen überblick ber verwideltften Ber 
bältniffe, der es ihm möglich machte, alle feine Handlungen 
fireng zu regeln. Sein Starrfinn war kein Gharakterfehler, fons 
bern die Frucht einer Überzeugung, die, wenn auch mitunter ir 
rig, dennoch Gntfcyutbigung verdient. Der König glaubte noͤm⸗ 
lich, daß, weil Niemand in feiner Umgebung den öffentlichen 
Angelegenheiten ein größeres Intereffe abgewinnen koͤnne als 
er, der ihnen fein ganzes Denken widmete, au Niemand ridy- 
tigere Anſichten davon haben könne, und verfgmähte baber je 
ben guten Rath. Nur Graf Piper und ich hatten einigen Eins 
flug auf feine Sntfchließungen, fpäter: audy Graf Goͤrtz, bed 
erft in den Tagen bed Ungluͤcks. Widerſpruch konnte ibn fehr 
erbittern; wurbe er aber zum Zorne gereist, fo gewahrte man 
doch nur eine höhere Roͤthe im Gefiht und ein leifes Zuden 
mit den Rippen, unb er mußte fehr erzürnt fein, wenn biefes 
Zuden dreimal hintereinander bemerkbar wurbe. Gleichwol 
entſchluͤpfte dem Könige in folchen Momenten fein haͤrtes Wort, 
und er pflegte es ftark zu rügen, wenn in Abweſenheit Derer, 
die ihn erzuͤrnt haften, ungünftig über fle gefprodyen wurde 
Ein Löwe im Kampfe, war er zu jeber- andern Zeit die Sanft⸗ 
muth felbft, in Gegenwart von Damen fogar figädgtern. Gr 
machte bie firengften Boberungen an fich und feine Umgebungen, 
wenn es galt bem Feinde Abbruch zu thun, fchlief auf nackter 
Erde, den Kopf auf das Knie eines feiner Offiziere geftügt, be 
gnügte ſich mit ber magerften Koft, bedeckte aber gleichzeitig 
mit der liebenden Sorgfalt einer zaͤrtlichen Mutter einen jun 
gen von ben Anftrengungen bes Tages erfhöpften Pagen mit 
feinem Mantel, um ihn gegen bie naͤchtliche Kälte zu ſchuͤten, 
und reichte ihm zur Staͤrkung bie beſſern, nur für den König 
herbeigeſchafften Nahrungsmittel. Diefe unendliche Derzensgüte, 
mit ber größten Seelenſtaͤrke gepaart, welche fig in den tühn- 
ſten Thaten offenbarte, bie je ein Menſch vollführte, erwarben 
dem Könige bie Zuneigung feiner Soldaten und des ganyen 
Volks in einem Grabe, daß feine Widerwärtigkeit, Eein noch fo 
großes Unglüd befien Treue wankend maden konnte. Diefe 


‚ Gefühle und ihre Dauer find die unverdaͤchtigſten Beugen von 


Karl's Liebenswärbigkeit, zumal wenn man erwägt, was er 
von feinem KBolfe und von feinen Golbaten eine fange Reihe 
von Jahren zu fobern gewohnt war. (S. 34 fg.). 

Der Bergleih Karl's XI. mit Napoleon ift zwar 
ſchon oft gemadyt worden, man hat aber dabei mehr ihre 
äußern Thaten und Endfhidfale, und dieſe meift ober 
flählih ins Auge gefaßt, als daß man auf ihren Geiſt 
einzugehen fi die Mühe gegeben hätte, Hier (Brief 25) 
findet man aber eine Parallele beider Feldherren und Kriege: 
fürften, die gewiß eine der anziehendſten Partien diefes 
geiftvollen Buchs iſt. Der VBerichterfintter kann es fid 
und dem Lefer nicht verfagen, denfelben den Anfung die: 
fe8 Briefs mitzutheilen, welcher den Beſuch Napoleon's 
bei dem Koͤnige von Schweden erzaͤhlt. 

Olymp, ben 3, Dec. 183. 

Männer von fo geringer Dftentarion wie König Karl 
machen wenig Umflände und halten fich immer nur an das We: 
fen der Sache. Ich habe bir deshalb Leine Enpfangsfeierlich⸗ 
keiten ober Ahnliches über. die angekündigte -Aufammentunft 
mitzutpeiten. Der Kaifer kam in Begleitung feines Aboptiv- 
fohns, des Wicelönigs von Italien, und brachte außerdem nur 
Berthier und Gaulaincourt mit. Alle Anwefenbe erhielten Gr: 
laubniß zu bleiben, und bildeten um bie Monarchen einen gro⸗ 
fen. Halbkreis. Rad) einigen kurzen Gmpfangewerten, die Ro: 











— — nn no. 


‚vermögen wir jet der Melt noch zu nägen. 


468 


poleen ebenfo durz, ba Si: tiaufichte. Miſ erwiderte, begann 
Der Herr vom Hauſe die Debatte mit folgender Anrebe am ſei⸗ 
nen boben Gaſt: 

Mein Baifertiger MWeuber- hat fidh verketzt geglaubt, daß 
einige Geſchichtſchreiber Feldzug in Rußland dem mei 
nigen verglichen, und fein :Werfabren ebenfo ſehr getabelt 
babens er bat dabei Antaß genommen, felbft eine Art Ber 
gleich anzuftellen, der mir nicht ſonderlich zur Ghre gereicht, 
und obfeyon ich nicht leugnen mag, daß mich mancher gerechte 
Borwurf trifft, kann ich doch ebenfo wenig zugeben, ohne Plan 
und Zweck in Rußland eingebrungen zu fein, ober weniger Aus: 
ſicht auf Erfolg gehabt zu haben. Mich duͤnkt vielmehr, daß 
unfere befiderfeitigen Abfichten, Borausfegungen und Schickſale 
in der Hauptſache biefeiden, und daß nur die materiellen Kräfte 
und Verhältniffe verſchieden gewefen find. Deshalb bin ich bes 
gierig gu vernehmen, wie mein kaiſerlicher Bruber jegt über 
die Sache denkt, und lade ibn hierdurch ein, ſich darüber aus⸗ 
aufpredien , zu Nug und Frommen ber Herren, bie ums bier 
umgeben. 

Rapoieon. Mein koͤniglicher Bruder wolle nicht glau= 
Gen, daß Alles, was ich in meinem Exil auf ©t.s Helena ges 
fagt, und meine Schiefatsgenofien in das Publicum gebracht 
haben, von großer Wichtigkeit für bie Geſchichte unferer Kriege 
fei._ Die Gemuͤthoſtimmung, in ber ich mi nur zu oft be 
fand, erlaubte mir nicht; alle Lagen und Verhältniffe mit Unbe⸗ 
fangenheit zu betrachten, es lag mir viel daran, meine Unter: 


nehmungen in den Augen ber Welt gu rechtfertigen, und in 


dieſem Befireben erfchien mir Wieled anders als ich es nachher 
gefunden. Überdies fühlte ich das Beduͤrfniß geiftiger Unter 
haltung, ba jebes Feld ber Thaͤtigkeit mir verfchloffen blieb. 
ze lege ſelbſt wenig Gewicht auf ben hiſtoriſchen Werth jener 
Berungen und Mittheilungen, infofern fie ſich auf Eriegerifche 
Thatſachen beziehen, nehme veshalb auch mit Wergnügen bie 
Auffoderung an, meine Anſichten über unfere beiden Einfälle in 
HRußlond auszufprechen, und hoffe mit neinem Eöniglichen Bru⸗ 
der mich leicht zu verftändigen. j 
Karl. Es freut mich fehr, ſolche Äußerungen zu hören, 
und ich bin aufs hödfte gefpannt, was mein Bruder darüber 
fagen wird, da fein politifcher und militairifcher Scharfblick den 
meinigen body überragt, und wir Weide jest nicht mehr in ber 
age uns befinden, anders ſprechen zu muͤffen als wir benfen 
und fühlen. Das Duch der Geſchichte Liegt offen vor Jeber: 
mann, ber darin leſen will. Streichen wir felbft bie Jrrthuͤ⸗ 
mer darin aus, welche eigene Verblendung, Liebebienerei, Par⸗ 
teiſucht und andere kleinliche Motive hineingetragen haben, unb 
fegen wir dafuͤr Wahrheiten hinein; Pr 


Dre König bemerkt dem Kaifer, daß er, anftatt fich 
an dem unterjocdten Preußen und an Oſtreich, mit ih: 
rem vielen Zuͤndſtoffe, zweideutige Verbündete zu erhalten, 
die oft gefährlicher wären als offentundige Gegner, Polen 
Hätte wiederherſtellen follen, um jenen beiden Mächten, 
wenn fie Luſt bezeigt, von ihm abzufallen, eine gefähr: 


Lchere Nachbarſchaft zu geben und dieſes Heldenvolk feſter 


an fi) zu’ ketten. Napoleon anfmwortet: 
t in biefen Verhaͤltniſſen nicht ganz 


verliehen, die euch allein befähigte, mit fo eier ri Huͤlfemitteln 
ie 


berwindung des 


nem sruhme erfuͤllt; man dielt mich aͤberal fir imwider⸗ 
ftehlich. Auf Berbuͤndeten durfte ich mit vieler Sicher⸗ 
beit zählen. Die kleinern Fuͤrſten hatte ich in mein Jatereſſe 


verflochten, hre Gontingente dienten mie gleichſam alb —* 


Meraiche Reife: wur Ieiein Schuleherbiler · geworbeu dirb: Eunnte- 
Dawithigung zur * 


durch Außlanbe⸗ ng awinmn. ‚Des Abuig 
Preußen hätte zwar gern ben Spieß umgekehrt, aber gr beſaß 
—— nergie, um einen ſolchen Schritt zu thun, fo 


Macht genug hatte, ihn dafür zu zuͤchtigen. Als‘ 
lerdings gab es unter feinen Miniftern und Generalen Gintge, 
die zu einer ſolchen Schilderhebung riethen; -aber die Zahl Des 
ver, welche für ein engeres Anfchließen. an Frankreich ftimmten, 
war ungleich größer. Gin Eindify gewordener Felbmarfchail, 
ein altes Weib von zweibeutigem Rufe, ein durch feine Stupie 
dität fih bemerkbar machender General, ein Hofpfaffe und Ans 
bere fchilderten dem Könige die Groͤße der Gefahren, welchen 
fein Volk durch einen Abfall von mir ausgefegt fein würbe, mit, 
den däfterften -Barben. Diefe Borftellungen wirkten, und meine 
immer brohende Nähe that bas Übrige. War body Friedrich 
Wilhelm, felbft nach meinen Unfällen in Rußland und nady 
VYork's eigenmächtigem üÜbertritte zu ben Feinden, immer nody 
ſchwer zu einem entfcheidenden Entſchluſſe zu bringen. Ohne 
bie geheime Quadrupelallianz zwiſchen dem Miniſter Stein, 
ben Generalen Scharnhorſt, Gneiſenau und Bluͤcher, die einane 
der faſt unbewußt auf merkwuͤrdige Weiſe in die Haͤnde arbei⸗ 
teten, wuͤrde auch im J. 1813 der Abfall Preußens keine em 
heblichen Folgen gehabt haben. Von dieſer Seite hatte ich alſo, 
bei Ausbruch des Kriegs mit Rußland, nichts zu befürchten. 
und die Mitfährung eines preußiſchen Gontingents von 20, 

Mann erhöhte meine Sicherheit. Wit den eichern fand es 
minder gut; denn mein Schwiegervater hatte zu wenig Ginftuß 
auf die Politik feines Staats, die immer einen Anftrid von 
Keindfeligkeit gegen Frankreich behielt, und fi hinſichtlich der 
erzwungenen Theilnahme an biefem Kriege F eine Lauheit 
manifeſtirte, welche mir in vieler Beziehung ſchadete. Aber 
entſchieden feindliche Schritte waren auch von dort nicht zu be⸗ 
fuͤrchten, denn es fehlte den Leuten an Energie. (S. 155 -157.) 

Hierauf zeigt der Kaiſer ebenſo den Nutzen als die 
Schwierigkeiten der Wiederherſtellung Polens. 

Über die Umgebungen des Königs von Preußen, wel⸗ 
che bier in mehr als dunkelm Lichte uns vorgeflhet wer⸗ 
den, laflen uns der Verftorbene und der Derausgeber in 
gleicher Ungeroißheit, und dieſer erläct in einer Anmerkung, 
daß es ihm nicht möglich geweſen fei, fie namhaft zu mas 
hen. Diefe Ermittelung muß daher dem Scharfſinne dee 
Leſers Überlaffen bfeiben, und Ref. erlaubt fih nur Die 
Bemerkung, daß es ihm ſchmerzlich wäre, wenn der Ver- 
ftorbene unter dem Eindifc gewordenen Feldmarfchall ben. 
Grafen Kalckreuth verfianden hätte. Hatte diefer auch ein 
gewiſſes faible für die Franzoſen und, als ein ergrauter 
Veteran aus der Schule des großen Königs, von der in 
Preußen fhlummernden Volkskraft weder Ahnung noch 


ſelbſt Sinn für diefelbe: fo gehört er doc unbedingt zu 


den worthies, de damaligen preußifchen Heeres und iſt 
mit der Verteidigung von Dangig, die ihm bie ſoldati⸗ 
ſche Achtung des alten Lefeore erwarb, in einer ſchmach⸗ 
vollen Zeile, nicht ohne Ruhm abgetreten. Daß er Bin: 
diſch geworden fei, ift dem Ref. nicht bekannt, wenn ber 
Vertheidiger von Danzig auch kein Held in feinem Haufe: 
geweſen fein foll. 

Rapoleon wird gewoͤhnlich getadelt, den Krieg gegen 
Rußland nicht in zwei Feldzuͤge getheilt zu haben und, 
anftatt in Witebsk zu überwintern und fein mehr durch 
Märihe und Mangel ats durch Gefechte geſchwaͤchtes und 
etwas oder gewordenes Speer zu flärken und wieder zu 
ordnen, mit weit zuruͤck gelehnten Stügeln auf einer. 
Strafe nach Moslan vorgebrumgen zu fein. Dieſer Tas 





feon’d in Feine — man geflatte den Ausdrud! — ge: 


bei 
waltigen Ganzheit, die ihm nicht erlaubte, auf halbıem | 


Wege ſtehen zu bleiben und, wenn fie ihn auch zu Feh⸗ 


lern bimeiß, von denen bie ſpaͤtere Kritik ihr mattes Les 


. friſtet, auch wieder Erfolge hervorbrachte, welche fie im 
Otaunen verfegt. Schon Clauſewitz wehrte diefen Nadel 
ob und unfer —5— rbener laͤßt —— Tagen: en ober 
tte d vorzud Isihen o 
Met Sehlers mine Mr ef Be 
Innntniß meiner e Cdmäde oder UÜbereilung geweſen fein. Ste⸗ 
ben zu bleiben und die Ankunft ber aus dem üben und Rorden 
—— ruſſiſchen Armeen abzuwarten, wuͤrde an Dummheit 
7* baben, auch ſchuͤtten mich im Winter weder Fluͤſſe 
nhoch Moraͤſte gegen Flontenangriffe. Ich mußte alfo die Ofs 
fenfive foztfegen unb noch vor Ablauf des Jahres eine große 
Fotſcheidung zu bewirken fuchen, was mich tiefes nad Rußland 
führte ats mie lich war. (S. 108.) 
(Der Beſchluß folgt.) " 





Die Heinen Leiden des menſchlichen Lebens. Won Bits 
nins dem Süngften. Suuftrirt von 3. 3. Grand⸗ 
ville. Leipzig, Weber. 1842. Ler.:8. 3 Thir. 20 Nor. 

Papier, Drud und Alles, was aͤußere Ausflattung heißt, 
laͤßt nichts zu wuͤnſchen übrig. Die Suuftrationen, 200 an ber 

Baht, find alle ober doch die allermeiften besjenigen Effects 
gewiß, den eine gute Garicaturzeihnung hernorbringt. Go 

yo. esblidt Ref, das Buch aufs Gerathewohl hin aufſchlagend, 

288 und 289 Angler, die, wie Kigaro mit Kopf und Ver⸗ 

— raſirt, den Fiſchen mit ſcientiſcher Gruͤndlichkeit nachſtellen, 

dabei aber von einer Menge verſchiedener unangenehmer Zufaͤllig⸗ 

keiten empfindlich genug betroffen werden. Ridge ohne Rächeln, 
ja Lachen hat er dieſe —** und Geberdungen anſehen koͤn⸗ 
nen und zweifelsohne wird Jeder, auch der ernſthafteſt Geſtimmte, 


bei dem naͤmlichen Anblicke das naͤmliche Vergnuͤgen empfinden. 


Daß Ref. auf ein ſolches Bergnügen zu wenig Werth legt, um 

es weites als etwa im „Sharivari” aufzuſuchen, wenn ex diefen 
an einem Öffentlichen Orte ausliegen fiebt, daß das weitperbrei« 
tete Wohigefallen an ſolchen humoriſtiſchen Zerrbildnereien und 
die Maffe, in ber fie producirt werben, eben nicht allererfreus 
tichfte Zeichen für den Eünftterifhen Standpunkt unferer Tage 


, Beſdes if kein Grund, abzuieugnen und nicht vielmebe hier⸗ 


mit dfentlich auszuſprechen, daß, wenn nun einmal foldyer Art 
Probuctionen gelucht find, die in der angezeigten Schrift ents 
baltenen in die Zahl der allgefuchteften aufgenommen zu werben 
verdienen. Der Text ift blos um der Illuſtrationen willen nie 
—— * worden; ſchon dadurch hat er Anſpruch darauf, 
des Bereichs ber Kritik geſtelt zu bleiben. Zum 
— vr Derjenige, welcher die Worte zu bem MBuche ger 
die Kritit auch noch durch den Schluß feiner am Ende 
des Werks befinbtichen Anrede an die Stecenfenten entwaffnet, 
Er er — Es galt zu den gegebenen Zeichnungen des fran⸗ 
Känflert einen lesbaren und, wills Bott! a nang: 

zu liefeen; es galt eine franzoͤſiſche Idee 
ar Ein bei Wortes zu verbeutfchen. Wo alle das 
nur auf —** Berpättniffe ich bes 
— —* —X da habe ich es ganz weggelaſſen und 
eues bafdr gegebens wo es aber allgemeine Verhaͤltniſſe bes 
yanbelte, da babe ich «8 als Baſie berbehalten, Ba . mehr 


nden a 
‚ fo wisd es mic ſehr 


55 — au das einzige Verdienſt, auf —* wege bei bies 


' ben und zu freien.” Dies 





fihtsvol] 5*8 ditſeiben fo biel wie ich zu ver⸗ 
ſchonen mit ben großen und ai ber u 
ern bleibe es dem unbefannsen 





Literarifie Notiz aus England. 
Das Neuefte von ber —— —* Bieifington 
if die e— Novelle „Meredich’’ ie erſcheiat in 
einer Auteb Bere 


Sharmant 
Bu „ne Wunde und *7* 
daran bier Pant wo er endlich ſtirb „oda Untexlaß 


ge o88 und ver — un) ba has bie 
ändert, heirathet ex fie, ſehr richtig bemertend: „Kun 
—* nicht laͤnger Suͤnde, nice länger ein Verbrechen, zu 
der Schiuß und Obiges der —* 
das Ganze eine — Novelle, und die Hauptperſonen vom 
boden Fluge. Gräfin Bleſſington keunt den hoben Bing wab 
einige Charaktere find frappant gegeichnet. Go 
if Lord Lymington das vollenbete Bin eines ſelbſtſuͤchtigen 
Wollüftlinge, Aud) Lady Selina Mellingeourt if gut. Min⸗ 
ber „he en ie —— — Held, hat, wie 
em Autobiogr ziemt, ter groͤßtentheils 
für ſich behalten, ibm nicht hera ſſen, unb summea 
summarum ift die Rovelle, wenn auch uidht Die befke, Ded> 
ebenſo wenig bie fchiechtefte des Laufenden —5 3 





Literarifche Anzeige. 


a zu ne eeſchler und iR durch alle Budpant- 





feit dem Ende bes 15. Jahrhunderts 
don 


Frievrich von Baumer. 
Siebenter Baub. 
Gr. 8. Druckpap. 2 hir. 15 Nge., Velinpap. 5 Thlr. 
Der erſte 
28 Sige., auf Belhpapler 38 Säle 3 Kar Ib ken Ile 
erfcheinenden achten Bande wird das Werk geſchloſſen fein. 
Beipsig, im December 1843, 


F. U. Brockhaus. 





eysutumtiiten Amanissben: Oeiasin Brodbauh. — Dept uns Bmlıg von U. A. Brodtand in Seippig: 





BIil@tter 


| für 


1 


littrariſche Unterhaltung. 





Dienſtag, 






(Beſchluß aus Nr. 369.) 


Über die. Schlacht bei Borodino, oder Moſaisk, ober 
an der Moskwa, kann kaum Beifivolleres und Grunde 
licheres gelefen werden als wie in dem ſechſsundzwanzig⸗ 
ten Briefe finden, und Ref. muß bier befonders die Be: 
ſchraͤnktheit des ihm zugemeſſenen Raumes bedauern. 
Segur bat von dieſer Schlacht eine hoͤchſt anzichende, 
aber mehr auf Lünflterifhe Wirkung als auf Wahrheit 
berechnete Schilderung gegeben und von der Abnahme 
Napoleon's geifliger Kräfte geredet, die durch beffen aus 
Berordentlihe Thaͤtigkeit und die feltene Vorſicht feiner 
Anordnungen, nah den Ausfagen des Fuͤrſten Ponias 
towsky, genugfam widerlegt wird. Gleiche Widerlegung 
findet der näher liegende Vorwurf des Nichtgebrauchs ber 
Garden. Napoleon hatte die Rufen und ihre unglaubs 
liche Zaͤhigkeit ſchon genug kennen geleent, um nicht ſei⸗ 
nen Berfuh, fie duch einen Schlag zu zer: 
ſchmettern, in den zu verwandeln, fie nach und nach zu 
zermalmen, oder vielmehr aufzureiben. Dazu bedurfte er 
einer unverſehrt oder intact gebliebenen Meferve , deren 
Kraft Kutufow gewiß zu feinem größten Nachtheile em⸗ 
pfunden haben würde, wenn er eine zweite Schlacht ge: 
wagt hätte. Anflatt Eeinlichen Tadels verdient Napoleon 
daher das Lob, gleichſam aus ſich feibft und feiner fieg- 
gewohnten Krlegsmanier herausgetreten zu ſein, diefe den 
Umfländen angepaßt und eine Ökonomie der Kräfte bes 
obachtet zu haben, wie fie gerade ihm, nach fo außer: 
ordentlichen Erfolgen und mit fo ungeheuern Mitteln, bes 
fenders ſchwer werden mußte. So fehen wir den großen 
Feldherrn bei Borodino, flatt unter, über fih und 
flacher Leiftenkritit den Mund ftopfen ! 


Im fiebenundzwanzigften Briefe wird des Brandes von 
Mookau erwähnt und derfelbe dem Grafen Roflopfchin als 
kein zugeſchrieben. 

Er hat feine Sache fo fein gemacht, daß es ibm Leicht 
wurde, dieſe Ahat, zu welcher Alexander niemals feine Einwil⸗ 
gung gegeben haben wuͤrde, von fi) abzumälgen. Roſtop 
Ken Dann von der ungeheuerflen Gnergie. Ihm lag Alles 
daran, den Haß der Ruſſen gegen bie Franzoſen aufs höchfte 
zu fleigern, wozu es gang ungewöhnlicher Mittel bedurfte. Zu 
dieſem Zwecke mußte bie Sin der: Branbfliftung durchaus 
auf die Brangeien. gewälgh werben, und: wenn ce auf ruſſijcher 





26. December 1843. 





Hände bedurfte, um bie Stadt auf eine Weile in Brand u 
fteden, baß ihre Rettung unmoͤglich wurde, fo war er bod) 
Menſchenkenner genug, um nicht mit Sicherheit darauf rechnen 
zu koͤnnen, daß die von ihm inftruicten Worbbrenner, meift este 
laffene Sträftinge, dabei ſelbſt auf dieſt ober jene Weiſe m 
Grunde gehen wuͤrden. Man hat unrecht voxauszufegen, daß 
der Brand von Moskau den Kaifer Napoleon um alle Früchte 
ded Siege gebracht habe, denn die Franzoſen fanden immer 
noch reiche Borrätpe darin, ind find um 10,000 Mann, bie 
fi inzwiſchen aus den Hoſpitaͤlern u. f. w. wieber einfanben, 
ftärker abmarſchirt. Aber die moralifchen W biefes 
Brandes waren dennoch fehr groß, und mwurben durch Roſtop⸗ 
ſchin's Bemühungen, diefe That von ſich ab und auf bie Fran: 
zofen zu wälzen, außerordentlich vergrößert. Der Rationalpaß 
erhob erſt nach biefer Kataftrophe fein rieflges Haupt, und ber 
maͤchtigte ſich auch der vornehmſten Wolksclaffen, von denen bes 
kanntlich Die wefentlichften Mittel zur Bortiegung bed Kriege 
ausgehen müflen. Raͤchſtdem vermwilberten die in Moskau ge⸗ 
bliebenen Truppen auf ſichtbare Weiſe; die ohnehin ſchon ſehr 
loder gewordene Disciplin erſchilaffte immer mehr. Nur ber 
Sinn für Tapferkeit und Eriegerifche Ehre war ben Franzoſen 
geblieben; das bewieſen fie in den blutigen KRuͤckzugẽ 
bei Malo⸗Jaroslawecz, bei Wjazma, bei Krasnoi und an ber | 
Berezina. Aber diefe Gefechte zertrümmerten auch bie Über 
refte der weiland großen Armee, deren friegerifhe Ordnung 
glei nad dem Abmarſche von Moskau verloren ging und 
F —B bee feindlichen Kugeln etwas beraerfbarer wer. 
"In densfelben Briefe finden wir den Ruͤckzug ber 
Franzoſen und deren Verfolgung duch Kutufow. . Die 
anfcheinend große Mastheit diefer Derfolgung wird durch 
die wenig befannte Schwäche der Ruffen erklärt. Denn 
der euffifche Feldherr marſchirte mit 110,000 Dann von 
Zarıtino ab und kam mit nur 40,000 Mann bei Wilne 
an, und die außerordentliche Tapferkeit, welche die binnen, 
noch kampffaͤhigen, feindlihen Scharen auf dieſem Rüds 
zuge bei fo mancher Gelegenheit zeigten, mochte in dem 
greifen Feldherrn wol den Entſchluß gereift Haben, feinens 
Gegner goldene Brüden zu bauen, anflatt ihn zur Vers 
zweiflung zu teigen und den mus feifchen Lorber fo auf 
ein gewagtes Spiel zu ſetzen. 

Im Gberrafchenden: Wechſel führt uns der Verſtorbens 
ir dem naͤchſtfolgenden achtundzwanzigſten Briefe im des 
alten Ziethen erſte Dienſt⸗ und Leidensgeſchichte, von dee 
ee und manche wenig befannte Einzelheiten gibt und auf 
die ſehr wichtige Frage Über die Grenzen der Dieufiges 
walt des Höhern Über den Untergeorbneten und über Dies 
ciplin und Suberdinatien alerhaupt übergeht. Mies Mis 


« dv 


Utair von Fach findet Hier hoͤchſt anziehende Bemerkungen 
und Parallelen des Sonft und Jegt, und auch der Richt: 
militair wird diefem Gegenftande, den ber unmittelbare 


Übergang von dem ruffifhen Kriege mit feinen ungeheuern. 


Erfibeinumgen nur noch trockener machen koͤnnte, bei deſſen 
ler Behandlung Intereſſe abzugewinnen vermögen. 
Vieles gleich Geiftvolles und Anziehendes uͤbergehend 
und darüber auf da6 Buch felbft verweifend, flieht Ref. 
feinen Bericht bei dem einundbreißigften Briefe, welcher von 
Landesbefeftigungen im Allgemeinen und der Befefligung 
von Paris. ins beſondere Jandeic Wenn der Berichterftat: 
tee biee mit befonderer Vorliebe weilt, fo möge ihn der 

‚def in diefem bie Ans 
ſichten des Verſtorbenen mit der feinigen auf eine ihm 
hochſt erfreuliche Welfe ſich begegnen. Gegen den Vor: 
wurf des Autoritätsglaubens verweiſt der Berichterftatter 
auf feine unten angezeigte, ſchon im Jahre 1841 erfchies 
nene Meine Schrift. *) 

Zu allen Zeiten haben ſich In Wiffenfhaft, Kunfl und 
Leben Vorurtheile geltend gemacht, welche, nach ber 
Wichtigkeit ihres Gegenftandes, nad) dem Maße ihrer Vers 
beettung umd nach dem Grade, in dem fie in dieſes Le⸗ 
den eindrangen, mehr oder minder ſchaͤdlich wurden. Keine 
Zeit iſt wol von ſolchen Vorurtheilen frelzufprechen und 
e6 mag nur wenigen ihrer Kinder gegeben worden fein, 
fie als ſolche zu erkennen. Gewöhnlich iſt dieſe Erkennt⸗ 
niß dem folgenden Geſchlechte vorbehalten, welches aber 
fehr irren würde, wenn es, aus klarer Erkenntniß in ein 
voraͤtterliches Vorurtheil und aus der Befreiung von 
demfelben, auf Freiheit von eigenen Vorurtheilen ſchloͤſſe. 
Wenn ein Geſchlecht immer auf den Schultern des vor⸗ 
hergehenden ſich erhoͤbe und erhielte, wie nahe ſtaͤnden wir 
bern Himmel? Aber es iſt dafür geſorgt, daß die Bäume 
nicht in den Himmel wachſen und „die Thorhelten der 
Väter find für die Kinder verloren. Jedes Geſchlecht be: 
gehe feine eigenen”, fagt ſchon der alte Frit 

Zu ſolchen ſchaͤdlichen Vorurtheilen — denn es mag 
wol auch nüsliche geben, von denen bier jedoch nicht bie 
Rede fen kann —, gehört die nad) dem Slebenjaͤhrigen 
Kriege ſich verbteitende Anſicht, daß Haupt⸗, Refidenz: und 
Aberhaupt große Städte ſich nicht zu Feſtungen eignen. 
Diefe Anfiht drang aus den Köpfen bioßer Kriegebaus 
kanſtler Im die der Kriegefkrften und Staatsminlſter und 
wurde bald eine des Volks. Go wurden, als habe man 
St⸗Pierre's und Rouffeau’s eigen Frieden ſchon erlangt, 
de halb verfallenen Waͤlle großer Städte völlig geebnet, 
thre Gräben verfchättet umd die fo gewonnenen Esplana⸗ 
den in praͤchtige Werftädte und Gaͤrten verwandelt. Die 
franzoͤſiſchen Kriege ließen zwar an einem ewigen Frieden 
verzweifeln und, als der gewaltige Bonaparte, nach glücck⸗ 
ds ſtrategiſcher Berechnung, mit unerhoͤrter Schnelligkeit 
ir die fremden Hauptſtaͤdte einzog, in ihnen die Herzadern 
dee Gegner duschichnitt, die feindlichen Voͤlker mit feinem 
Güde und Kriegerahme wie bezauberte und ſo die Frie⸗ 


"= denbedingungen vorſchrieb — da hätte wol der Glaube 





0) Beck Mosate in Pas ( Deteden idatj. 


an jene neue Lehre wankend gemacht werben koͤnnen. Das 
geſchah aber nicht und felbft Napoleon mochte hier von 
dem Einfluffe der Zeit fig nie ganz frei gehalten und 
dem fintenden Boden entzogen haben: indem er wol Plaͤtze 
einer duch Flußgebiete dezetchneten Operatkensbaſis (vie 
4 B. Deesden), nicht aber ſolche Städte befeſtigen Lich, 
welche, flatt Flußuͤbergaͤnge und Gebirgspaͤſſe zu ſchuͤtzen, 
das politiſche und moraliſche Herzblut des Landes ein⸗ 
ſchließen. Da ließ er denn erſt an den Bollwerken von 
Paris arbeiten, als die Verbündeten durch Vauban's drei: 
fachen Feſtungsguͤrtel ungehindert in Frankreich eingedrun⸗ 
gen waren und durch ihren Kanonendonner faſt ſchon ſeine 
Schangzgraͤber . Nur Carnot gebührt der Ruhm, 
mehre Jahre vor dem erſten Falle von Paris und Napo⸗ 
leon's erſter Abdankung die Wichtigkeit befeſtigter Haupt⸗ 
ſtaͤdte mit fiegreichen Gruͤnden gezeigt und ſeine geſchicht⸗ 
vergeſſene Zeit auf Karthago und Wien, beſonders aber 
auf Konſtantinopel verwieſen zu haben, welches Jathhrhun⸗ 
derte hindurch das byzantiniſche Kaiferreic, in feinen Mauern 
einſchloß und vor den Barbaren erhielt. 

Es ift ſchwer einzufehen, mas einer fo einfeitigen Thes— 
tie eimfeitiger Kriegsbautinfiiee (Männer, nad Bülom, 
mehr vom al6 von Genie) durch die gefunde Vernunft 
und die Erfahrung von Yahstanfenden den Weg zu Kriegs⸗ 
fürfien, Diplomaten und dem Wolke felbit gebabnt und 
fie zur herrſchenden dee erheben babe. Man dürfe, biek 
es, die Meichthinmer einer Hauptſtadt nicht der Belage⸗ 
rung, Einaͤſcherung und Pluͤnderung ausfegen und berief 
ſich dabei auf das Bombardement von Dresden im Gies 
benjährigen Kriege. Da überließ man die Hauptſtadt Lie: 
ber unverwahrt dem Feinde und mit ihr die Faden der 
Verwaltung und Megierung. Und wenn man aud vor: 
ſichtig genug geweſen war — was jedoch ſelten geſchah — 
dieſe Faͤden durch Entfernung ber Staats⸗ und Verwal⸗ 
tungsarchive und der Beamten zu ſichern, fo waren fie 
doch auf biefe Weife einestheils verwirrt, were nicht zer: 
eiffen und anderntheils Bennte das Dlut des Staatskoͤr⸗ 
pers, ſelt Jahrhunderten In dem Kopf vereinigt, nicht 
wie Regifteaturen und Beamte bei anwäbernder Gefahr 
an einen ſichern Dre geleitet werden. Es befand fid in 
dee Hauptſtadt und gab dem Feinde, nähft fo manchen 
Mitteln einer prowiferifcen Verwaltung und Begierumg, 
eine gemaltige moraliſche Überlegenheit. Man Batte neh 
biefer Theorie, um die Mauern wmd Thuͤrme des Dale 
füed vor der Beſchaͤdigung eindrechender Diebe zu ficken, 
den gewaltianen Einbruch' duch Dffeniaffen der Thͤre 
yerhindert ! 

Hat auch die Brit Aber diefe Thoorie gerichtet, fo iſt 
doch ein einmal bart angefeflenes Vorurtheil nicht fo leicht 
auszurotten. Es fpuft immer noch in ben Kipfen Wie 
ler, die entweder im ihrer Nafeweisheit Die frangoͤſiſche 
Regierung wegen ber Befefligung von Paris gevabezm ta: 
bein ober fuperfing, als bieten fie im Gabinete Kudwig 
Philipp's gefefien, ihr aflein den politiſchen Beweggrund, 
die unzuhlgen Pariſer zu zaͤhmen, unterlegen, Da wen 
den fie die Schwierigkeit des Wertheibigung dee großen 
Stadt und die bay eceſedectiche angcherute Maſſe perſön⸗ 


1401 


ticher und materieller Gtreinmittet ein. Als 06 jene 
Schwierigkeit nicht durch die de6 Angriffs wenigſtens aus: 
geglihen und jene Maſſe durch deu DBebarf der Streit 
mittel des Angreifenden wicht hoch uͤberwogen werde, amd 
ats ob endlich eime große Stade nicht Zaufende von Men⸗ 
ſchen einfchließe, welche, bei annähernder Gefahr, die ge: 
regelten perfönlihen Streitmittel auf unglaubliche Weiſe 
verftärken ! 

Bag endlih au in der Befeſtigung von Paris je: 
ner pelitifche Beweggrund Antheil Haben, fo ift fie doch 
auch in rein militairiſcher Hinficht völlig gerechtfertigt, aus 
Leben und Erfahrung gefloffen, und wird, duch die Ges 
fchichte von Jahrtauſenden unterflüge, in jedem Kalle jene 
unreife Kritik überleben. Ja, es läßt ſich faſt mit Ge 
wißheit vorausfeben, daß bei einiger Ausfiche kuͤnftiger 
Kriege, in vielleicht einem halben Jahrhunderte, alle übri: 
gen Hauptſtaͤdte gleiches Schickſal haben werden. 


Unfer Verſtorbener laͤßt ſchon Vanban fuͤr die Befeſti⸗ 


sung von Paris, Billard aber gegen dieſelbe reden und 
nach und nad Marlborough, Boufflers, Eugen, Batentini 
und endlih auch Scharnborft an dem fo Intereffanten als 
zeitgemäßen Sefpräche Theil nehmen. Die meiften diefer 
Helden und Kriegsmaͤnner erklaͤren fi für die Befeſti⸗ 
gung und der Artillerift Scharnhorſt fagt mit der Kreihelt 
vom Zunfts und Kaftengeifte, welche den geiftvollen Dann 
bezeichnet, unter Anderm : 

Was mid bei der ganzen Angelegenheit am meiſten be 
truͤbt, iſt die Anſicht fo vieler deutſcher Militaire, daß bie 
Befeſtigung von Paris eine fehr geringe Bedeutung für bie 
Vertheidigung Srankreicye habe. Bon einfeitigen artilleriſtiſchen 
oder technifchen Geſichtspunkten ausgehend fie zu bewei⸗ 
fen, daß jede Feſtung fallen mäffe, wenn fie nicht auf 
Jatldigen Entfas redgnen dürfe, und weit entfernt fich ein Weis 
ſpiel an Saragoſſa zu nehmen, leiten fie gerade aus dieſem 
Beifpiele die Folgerung ab, daß dem geregelten Angriffe, deſſen 
almäliges Borfchreiten fi faft von Tag u Tag berechnen 
taffe, am Ende nichts zu widenflehen vermoͤchte. Es iſt eine 
fehr üble Gewohnheit der Ingenieure und Artilleriſten, ihren 
Blick felten über das Operationsfeld ihrer eigenen Thaͤtigkeit 
Hinausftreifen zu laffen. Stolz auf die erworbene Geſchicklich⸗ 
Zeit, jede Art von Widerftand methodifch zu überwinden, erfens 
nen fie nicht leicht etwas Höheres, weshalb die Sombinationen 
des Kriens, als Ganzes betrachtet, ihnen zum großen heile 
fremb bieiben. Sie erbliden daher in dem Widerflande einer 
BeRun nur eine ifolirte That, und vergeffen darüber, daß bie 

elagerung derfelben nur ein Ring in der großen Kette kriege⸗ 
rifcher Unternehmungen ifl, der dald mehr baid weniger Bedeu: 
tung hat. (S. 341.) 

Catinat's Meinung fließt ben Streit, aber Napoleon 

entfcheidet ihn in einer folgenden Unterredung völlig zu 


der Natur und Erfahrung. 
—— Better eu babe * der Verſtorbene ihn 


führung, weil es ndt ten gab. Auch befürdhtete ich, 
di igung ris eilen, mir 
un möge en fen * ne —8 Sremden 


⸗ 


eine Feſtung erſten Ranges gemein. Maps 
Seat fenem ma 6ias yert Dlige in eswanterang: vie Schlau⸗ 


der Zage den Sharalter ber Idealitaͤt verliert. 


womit der König feinen kleblingewunſch zu erfüllen vers 
be, und die Kurzfichtigfelt der vielen sol -disant „Eugen“ 
Leute, weldye nicht begreifen, daß eine große und volfreiche 
Stadt nothwendig auch mehr Vertheidigungsträfte in ſich ent 
baut, folglich ſchwerer zw erobern ift als eine Kleine. Es gibt 
Generale, weiche den Betagerungskrieg recht gut zu leiten wife 
fen und jede Feſtung bezwingen wärben, wenn man ihnen hier 
vB die nöthige Zeit Heße. Aber dieſe Maͤnner, bie biß auf ven 
ag berausrechnen, warn fie die Brefche geöffnet haben werben, 
find obne Klarheit der Ideen, fobatb es barauf ankommt zu er⸗ 
mitteln: ob und wie eine Hauptſtadt an befeftigen fei. 
fpecielles Talent macht ihre ganze Weisheit aus, und bie Krieges 
kunſt im böhern Sinne ift für fie ein Problem, das fie vers 
gebens durch einige Kormeln zu loͤſen ſuchen. Da fie nun nicht 
gern geftehen —8 daß die Beantwortung ſolcher Fragen über 
ihr Begriffen gen hinausgeht, fo entwerfen fie abenteuerliche 
Operationspläne jur mittelbaven Deckung ber Hauptftabt, wo⸗ 
e 1, 65 gewoͤhnlich in ihren eigenen Schlingen fangen. 
v 8. 


Die folgenden ſieben Briefe muͤſſen des Raumes we⸗ 
gen uͤbergangen werden, obgleich ſie des Ganzen nicht 
unwuͤrdig ſind. 76. 





Helene. Ein Fehdebrief an die Geſellſchaft. Aus den Pa⸗ 
pieren einer Dame. Herausgegeben von Eduard Ma⸗ 
ria Detinge ro Leipzig, Philipp Reclam, 1843. 
12. 1 Thlr. 15 Nor. 

Die Gedanken, weiche biefer Novelle zum Grunde liegen, 
find durch das Eeben der Gegenwart hervorgerufen; es erſchei⸗ 
nen in der Novelle Menſchen von heute, Borurtheile von heute, 
Zendenzen von heute, Greuel von heute — und darin liegt der 
Sharalter der Modernität des Buche. Daſſelbe foll ein Fehde⸗ 
brief an die Geſellſchaft ſein. Unſer fociates Leben fobert aller 
dings dergleichen heraus. Die krampfhaften Aufmallungen bee 
Zugend, die fi für Krafterplofionen ausgeben, die übermacht 
des Reichtyums über Talent, Zugend und alles Große, die uns 
enbliche Langweile, das Raffinement im Genuß, das Vorherr⸗ 
fhen der wiateriellen Intereſſen — das Alles find Momente, bie 
darauf binwirken, daß Das entſtehe, was diefe Rovelle ald Grunde 
übel andeuten zu wollen ſcheint, nämlich daß die Ehe im Lauf 
Die Erzaͤhlung 
{ft der Gefuͤhlsſchwaͤrmerei der Deutfchen angepaßt: wir Deut: 
fhen verſtehen die Größe, die im Gntfagen liegt; mir haben 
Sympathien für die Thraͤne der Einſamen und für die Fieber⸗ 
giut des Entfernten. Ein Kunſtwerk im eigentlichen Sinne bes 
Worts tft die Erzählung nicht; der Gedanke, welcher dem Ganz 
ken zum Grunde tiegt, tft keine poetifche Idee, bat Feine höhere 

abrheit, fondern iſt eine ausgellägelte Sonderbarkeit. Delene 
naͤmlich meint, der Geliebte des Weibes dürfe nicht auch ihr 

Dann werden, weil bie Ehe die Liebe enthellige. Ein W 

mit diefer Anſicht muß jebe Ehe verwerſen; bie Ehe ift ihr ja 

der Urfprung des größten Ungluͤcks. Allein ‚Betene verſchmaͤht 
die Hand des Mannes, der fie liebt und vermaͤhlt ſich mit ei⸗ 
nem ditern Berrn, ihre Lebensaufgabe darin fuchend, deffen 

Zage zu erheitern. Und dieſe felbfigemähtte Aufgabe erfüllt fie 

treu. Das iſt aber offenbar eine Gaprice und ihre ganze An 

ficht erſcheint als barock; denn der Verf. gibt fih nicht einmal 

Mühe, einen Fall auszufinnen, wodurch Öetenen Bermähtun 

ale unabmweisbar notbwenbig erſcheint; es geht aus Helen 

Sriebniffen nidyt mit Beſtimmtheit hervor, daß fie gerade zu 

— Refultate und nicht zu einem betiebigen andern gefom: 


men ift. 
Wenn man man von biefer fehr ſchwachen Seite ber Et⸗ 
zäblung abfieht — und das kaͤßt ſich don dem gewoͤhnlichen Erfer 
erwarten —, To lieſt fi das Bad recht angenehm; es kommt 
darin vor eine Schiderung bed Getrenutfeind ber Licbenden, ein 














Mr: ‚ eine Üebensrettung u. ſ. f. ei das auch gas 
— Motive find, fo bat fie doch der Verf. recht hubſ 
und natürlich zuflammengewebt. Die Nebenperfonen treten, nas 
mentti zu Anfang des Stüds, gar zu ſehr als Gtatiften auf. 
Die franzöflfche Gräfin mit ihrer Blut für ben ‚Helden bex Er⸗ 
zähtung Lord Lesly, und deſſen Geliebte Helene hätte noch ſorg⸗ 
ger behandelt werben müflen, das heißt, aus ben mitge: 
beilten Schickſalen der Dame entwidelt ſich ihre Handlungs⸗ 
und Denkweiſe nicht mit Ratbwenbigkeit Wir fagen, fobald wir 
erfahren, was fie that, nicht mit Überzeugung: „Ja, fo mußte 
es fommen, das Weib Eonnte nicht anders’ — fondern es ſcheint 
uns in ber Zeichnung dieſes Charalkters bie Willtür des Verf. 
und ber Wunſch etwas Pilantes zu geben, vorzuwalten; ein 
Weib von folhem Feuer, von folder Thaikraft, von foldem 
Bewußtſein ber Überlegenheit müßte auf ganz andern Wegen 
ihrem Biele zuftreben ale durch Gchredifcenen und Wer⸗ 


ng. 

Wenn nun allem Dbigen zufolge die Novelle bedeutende 
Mängel hat, fo muͤſſen wir doch bemerken, daB ber Verf. an 
mehren Stellen kuͤnſtleriſchen Takt verräth; als Beiſpiel dazu 
erwähnen wir, daß neben ber idealen Liebe Helenens und bes 
Lord Lesly die ganz proſaiſche des Hauptmanns Heltjoͤr und 
Eugeniens hinlaͤuft. Ferner iſt es von wohlthuender Wirkung, 
daß, nachdem Helene und Lesly fo viel gelitten haben, im Leſer 
die Doffnung aufpämmert, fie werden einander noch befigen. 
Bon echt pfuchologifcher Wahrheit iſt es ferner, daß Lorb Kesiy, 
nachdem er ‚Helene verloren hat, nicht in Sammer und Schwäche 
untergeht; er wird ein berühmter engliſcher Staatsmann. Pin 
- amd wieder find freie pſychologiſche Bemerkungen ausgefireut, 
3. B. Seite 194, wo es kurz erörtert wird, daß nur dann Zwei 
miteinander leben Tönnen, wenn Giner bes Anbern Fehler be: 
gerife So fpredden wir zum Schluß ben Wunfch aus, daß ber 

erfaffer oder die Verfaſſerin in ihrem nächften Werke ruͤckſicht⸗ 
tich des Grundgedankens weniger erperimentiren, fondern ihrem 
Takte für das menfchlih Wahre folgen möges wenn dann zus 

eig an das Einzelne mehr Feile gelegt wird, fo bürfte volle 

nerkennung ihr Lohn werben. W. 





Literariſche Notizen aus Frankreich. 


Depping's neueſte Arbeiten. 


. Der wuͤrdigſte Vertreter der deutſchen Gelehrſamkeit in 
Paris, Depping, hat ſoeben eine neue ganz umgearbeitete Aus⸗ 

be feiner trefflichen „Hietoire des expéditions maritimes des 

ormands et leur &tablissement en France au IOième siecle”’ 
ans Licht treten laffen. Diele fleißige Arbeit bildet bekanntlich 
gewilfermaßen eine Einleitung zur vielgelefenen „Histoire de la 
conqu£te de l’Angleterre par les Normands’’ von Thierry. Wenn 
die Schrift Depping's dieſem berühmten Werke, von dem wol 
ſchon acht Auflagen vergriffen find, an ftitiftifchem Ganze nach⸗ 
ſteht, fo Tann es fich mit demfelben, was folide Gelehrſamkeit 
und kritiſchen Scharfblick anlangt, ficherlich meſſen. Wenn 
unfer Landmann auch immer noch nicht, trotz wieberholter Vers 
ſuche, von der Academie des sciences politiques et morales 
zum Mitgliede aufgenommen ift, fo genießt er doch Längft ſchon 
auch in Frankreich bei allen Leuten von Fach einen wohlver⸗ 
dienten Ruf. So ift ibm erſt vor kurzem wieber von Beiten 
der franzöfifchen Regierung ein Auftrag geworden, beffen er ſich 
ſicher mit gewiffenhafter Treue entledigen wird. Es handelt fich 
naͤmlich um bie Herausgabe einer umfaffenden Sammlung ver: 
Thiedenartiger Documente, bie fi) auf bie Gewerke, Gtänbe 
und Gorporationen ber Stadt Paris beziehen und bie in die 
großartige Sammlung hiſtoriſcher Documente aufgenommen 
werden follen, von ber mit Unterflügung und auf Geheiß 
der Regierung bereits eine beträchtliche Anzahl von Bänden er 


> 


ſchlenen it. Berner hat Depping für bie nämtidie Akgumiung 
die Herausgabe wichtiger Papiere begonnen, welche auf eini 
wenig belannte Punkte der Verwaltungsgeſchichte Fraukrei 
unter Eubwig XIV. in neues ei garten. Dad Depping 
twot biefer umfaſſenden. Aiheiten, hell. feiner 
Beit in Anſpruch nehmen muͤſſen, ſich dennech auch bes beutichen 
Leferwelt nicht entfrembet, davon zeugt außer feiner intereſſan⸗ 
ten fortlaufenden Gorrefponbenz für dad ‚„‚Morgenblatt”, bas 
er nun ſchon feit dreißig Jahren mit feinen Beiträgen ziert, 
auch eine kleine hiſtoriſche Arbeit, die er vor kurzem ia feiner 
Mutterſprache herausgegeben bet. Es iſt dies ein Lefenswertber 
Beitrag zur Geſchichte von Münfter, ber Vaterſtadt Depping’s, 
für den er auf dem Kriegsminifterium zu Paris mehre wichtige 
und biöher unbenugt gebliebene Materialien vorfand. Moͤge der 
wackere Depping nochlange das fegensreiche Bermittieramt zwiſchen 
deutſcher und franzoͤſiſcher Gelehrſamkeit verwatten ! 


Solontfationspiäne. 


Die Coloniſten geben jegt feibft zu, daß, wenn bie Zucker⸗ 
production nur noch die Hälfte von dem ehemaligen Bewinne 
abwerfen foll, dieſelbe auf einem gang neuen Fuße organifirt 
werben muß. Die allmälige Abſchaffung ber Stievesei zwingt 
fie, auf neue Mittel zu finnen, um biefen Babrilationsgweig un: 
geftört betreiben zu können. Überdies bat die Induftrie, Die feir 
einem Jahrzehnd mit Rieſenſchritten fortgeeitt ift, ſich neue 
Bahnen eröffnet, auf denen fich bie Beſiger der Golomien vers 
ſuchen muͤſſen, wenn fie nicht ia ihrem Schlendrian zu Grunde 

eben wollen. Daher fehen wir täglich in Fugſchriften und 
ournalen Projecte, dem ſiechenden Probuctionszweige in den 
Golonien neues Leben einzuflößen, auftauchen. Den größten 
praktiſchen Werth dürften die Vorſchlaͤge haben, bie ber befannte 
General Louis Bernard, der fi in Nordamerika durch Hörde: 
rung ber wichtigen Kanalbauten große Berbienfle erworben hat, 
in einer befonbern Kleinen Schrift thut. Diefelbe führt den 
Titel: „Projet d’un etablissement d’une sucrerie ceatrale 
sur la riviere de Cayenne & la Guiane frangaise”, und zeigt 
von ebenfo großer Umſicht als Sachkenntuiß. Irren wir 
nicht, fo iſt der General bucch feine Befigungen in den frane 
zoͤſiſchen Golonien in diefer wichtigen Angelegenheit ſeibſt lebe 
baft intereffirt. 





Die flawifhen Boͤlkerſchaften ver Zürkfei. 

£efer der „Revuedes deux - mondes” werben ſich erinnern, 
felt etwa anderthalb Iahren in dieſer reichen Zeitfchrift eine 
Reihe treffliher Auffäge über bie verfchiebenen Nationalitäten, 
die, wie Lamartine in einer Rede über bie orientalifche Frage 
fagte, aus dem Schutte der Zürkei aufwuchern, gefunden zu 
haben. Sie rührten aus der Feder eines jungen Franzoſen ber, 
welcher den Orient. aus langjähriger eigener Anfchauung zu 
kennen fcheint. Beſonders anziehend und bei ben neueften Be 
megungen von befonderm Intereffe waren die Partien, in denen 
ber Verf. die verwickelten Verhaͤltniſſe der Moldau und Wala⸗ 
hei ausfuͤhrlich und mit ebenſo viel Gelehrſamkeit als Klarheit 
ſchildert. Wir erhalten gegenwärtig umter dem Titel „Les 
Siaves de la Turquie’ eine Sammlung biefer Aufſaͤte, in der 
einzeine Punkte * weiter ausgeführt find. Wir beeisen uns, 
auf dieſes trefftiche Merk, das von ungleich) höherer Bebeutung 
ift als die beſprochene Reife Blanquũs nach der eurapäifchen 
Zürkei, aufmerkfam zu machen. Auszüge daraus gibt unter 
Anderm bereits bas ‚Ausland‘, deffen wohlgeleitete Rebaction 
keins der beſſern franzöfifchen Werke, welche auf Länder: und 
Völkerkunde Bezug haben, unberädfichtigt laͤßt. Wahrſcheinlich 
aben wie binnen kurzem ein gleichfaUs interefiantes Keifewert 
ber jene Gegenden von E. Thouvenel, bem Verf. einer Reife 
nad) Ungarn und Mitarbeiter an ber „Revue de Paris”, zu 

erwarten. 2. 


. Berantwortiicher Keranägeber : Heinrih Brodhaus — Drud und Verlag von 5. A. Broddaus in Leipzig. 














Blätter 


für 


literariſche Unterhaltung. 





Mittwoch, 


Buͤlow⸗Cummerow uͤber Preußens landſchaftliche 


Creditvereine. *) 

Bon Allem, was Hr. v. Buͤlow⸗Cummerow bisher 
aus feiner Feder unter die Preffe hat wandern laſſen, ift 
die vorliegende Schrift ohne alle Widerrede das Vorzuͤg⸗ 
lichte. Hier ift der Verf. ganz auf feinem Boden, ganz 
zu Haufe, bat fcharf und aufmerffam beobachtet und 
fharf und eindringlich ertwogen, fodaß er den Sachen 
tief auf den Grund gegangen und zu deutlichem Wer 
fländniffe darüber gekommen if. Für den Sachkundigen 
ift es ein wahrhaftes Vergnügen, feinen Wahrnehmungen 
zu folgen und mit ihm daraus folgerechte Negeln zu 
entnehmen. 

Mit Recht führt er an, „daß während ber Aderbau 
in der Cultur unendlich vorgefchritten ift, die Agrargefeps 
gebursg die wefentlichiten Veränderungen erfahren hat, Dans 
dei und Gewerbe eine neue Geſtalt erhalten haben, nur 
die Inſtitutionen, deren Aufgabe es iſt, den Werth der 
Srundftüde anzugeben, für den Credit ihrer Beſitzer zu 
forgen und die Fonds zu neuen Culturen zu gewähren, 
an alten verjäheten Grundfägen feſthalten und zu glauben 
feinen, daß, weit fie in früherer Zeit ſich nütlich bewie⸗ 
fen, fie fi in der gegenwärtigen der Kryſtalliſation übers 
laſſen können”. 

Der Verf. beginnt nun feine Prüfung bes Beſtehen⸗ 
den, melde er zunaͤchſt an den Einrichtungen der pom⸗ 
merfchen Landfchaft anflellt, die er am genaueften Eennt, 
und bei der großen Ähnlichkeit derfelben Einrichtung in 
den andern Provinzen die Anwendung auf fich diefen ſelbſt 
überläßt, mit einer allgemeinen Erwägung der Kolgen der 
Verfhuldung der Immobilien und deren Einfluffes auf 
die allgemeine Wohlfahrt. Die Betrachtungen, welche der 
Derf. in diefem Abſchnitte vornimmt, find wahr und prak⸗ 
tiſch; aber fie find noch nicht erfchöpfemd und beimeltem 
nicht geordnet und ausgebehnt genug. Sie find aus der 
Erfahrung entnommen, aber nicht auf Grundfäge und all: 
gemeine Regeln zurücgeführt. Es kam bier darauf an, 
feftzuftellen, ob und umter weichen Maßgaben duch Real 
verfhuldung ber Grund umd Boden dergeſtalt mobiliſirt 

*) Über Preußens landſchaftliche Grebitvereine, die Reformen, 
deren fie bebürfen, und über ein ridhtiges Syſtem bes Bodens 
nutung und Schaͤgung. Bon v. Blow: Gummerom. 
Beriin, .Beit und Gomp. 1843. Ge. 8. 36%, Par. 








27. December 1843. 








werden kann, daß bie wefentlichen Unterfchiede und Wir⸗ 
ungen des Immobiliar⸗ und Mobiliarvermoͤgens ganz 
oder doch zu einem großen Theile ausgetilgt werden und 


das erftere in Pleinen Theilen zu einer marktgängigen 


Waare gemacht wird; ferner die natuͤrlichen Verſchieden⸗ 
beiten des Reals und Perſonalcredits zu beleuchten und 
zu ermitteln, inwieweit eine Verbindung, Vertauſchung 
und Bemächtigung beider flatthaft fei und. mit welchem 
Erfolge; nicht minder die unmittelbaren und bie mittels 
baren Wirkungen der Verſchuldung und des Credits für 
ruhige und für widerwaͤrtige Zeiten zu unterfcheiden und 
deren Erfolg auf die Wagfchale zu legen; endlich ganz bes 
fonder6 die Folgen auf die politifche und bürgerliche Gtels 
ung der Srundbefiger zu erwägen, je nachdem biefelben 
als felbftändige Bodeneigenthuͤmer oder nur als Verwalter 
des ihnen anvertrauten Eigenthums ihrer Gläubiger anges 
fehen werben muͤſſen. Da würden fid) noch manche wich⸗ 
tige Ans, Auss und Rädfichten ergeben haben. Denn 
nicht immer, fogar felten, ſtimmen die Erfolge in bios 
finanziellen oder auch ſtaatswirthſchaftlichem Betrachte mit 
benen in moralifcher oder politifher Erwägung überein; 
und da die Staatswirthſchaft feibft nur eine Behälfin 
und Dienerin der Politik iſt ımd fein foll, duͤrfen ihre 
Belobungen nicht höher geehrt werden als bie ihrer Bes 
bieterin. Wie oft wird diefe Grundregel aller Staatskunſt 
unbeachtet gelaffen, wie oft mit Füßen getreten; wie viel 
feichte Beurtheiler wähnen, die Sache fei damit entfchies 
den, wenn irgend ein Vortheil oder Nachtheil bes Gelb: 
beutel8 herausgeftellt worden ift, da doch dies in Betracht 
zu ziehen oft gar nicht der Mühe verlohnt! Was der 
Verf. (S. 16) über den Charakter des Grundbeſitzthums 
beigebracht hat, iſt zwar ſchon von Belang, aber weder 
ausreichend noch weiter verfolgt und angewendet. 

Ganz richtig faßt der Verf. den Geſichtspunkt (S. 13), 
daß das Ereditnehmen durch die nügliche Anlegung und 
Dermehrung Deffen, worauf die Anleihen verwendet wur⸗ 
den, neue Capitalien erfchaffe, folglich das Vermögen ber 
Einzelnen und des Staats nicht vermindere, fondern vers 
mebhre, weil von vernünftigen Leuten nicht blos rechtlich 
vorausgefegt werben muß, fondern es auch die Erfahrung 
in der Wirklichkeit beftätigt, daß. melftencheil® zu dem an⸗ 
gegebenen Zwecke geborgt wird. Das Gegenteil iſt in⸗ 
beffen freilich nicht ausgefchloffen,, rechtfertigt aber fo 


MR 


wenig irgend eine Bevormunbungsmaßtegel felbflänbiger 
©taatsbhrger, als der Misbrauc irgend einer Sache den 
Gebrauch aufbebt. Nur fo weit es möglih if, jenem 
vorzubeugen, ohne bdiefen zu beſchraͤnken, darf die politifche 
ehung Seatpen zu ſolchen Zmecke anochnen. 
EEbenſo wahr if, daß bie Einführung von Credſtan⸗ 
ſtalten oder wichtige Veraͤnderungen mit denſelben nur in 
Zeiten der Ruhe vorzunehmen ſind, wo der Credit ange⸗ 
boten wird, folgleich Leicht zu haben iſt, nicht in untuhi⸗ 
gen und bedenklichen Zeiten, wo er gefucht wird und fich 
um ſchweren Preis ſuchen läßt (S. 14). Die bloße Mög: 
lichkeit des Misbrauchs derſelben zu leichtern Verſchuldun⸗ 
gun darf danan nicht abſchrecken. Da indeſſen eine maͤ⸗ 
dige und hohe Verſchuldung des Grundeigenthums durch 
den Einfluß des Realeredits auf den Gredit uͤberhaupt und 
auf die Stellung der Grundbeſitzer im Staate von ſo ſehr 
unterſchiedener. Wirkung iſt, fo folgt daraus von ſelbſt, 
daß die Beguͤnſtigung durch Greditanflalten nur bis an 
die Grenze des mäßigen Verſchuldens gehen umd auf bie 
hermäßige Verſchuldung mit ausgedehnt werden darf 
(&. 15). Diefer Regel durchaus beipflichtend hätten wir 
mur gewünscht, daß die Erkennungsmittel zur Auffindung 
und Beſtimmung jener Scheidungsgrenze ins Licht geftellt 
worden toren, Denn es fruchtet nichts, den Blinden zu 
warnen, daß ee fig nicht floße, ſondern man muß ihm 
fagen, von weicher Seite ihm Gefahr droht. 

Die Zuverläffigkeit, Enedie zu bekommen, wenn er ge: 
bracht wid, und zur Zeit der Noth keiner Kündigung 
ausgeſetzt zu fein (S. 19), find allerdings zwei weſentliche 
Bedingungen eines ihrer Aufgabe entſprechenden Creditan⸗ 
ſtalt, aber noch nicht Die allein erheblichen. Die Alles in 
ſich ſchließende Auffafiung derfeiben ift die, daß fie nicht 
bios den allgemsinfien und belebteſten Markt für ben Real⸗ 
credit, für den Austaufch des Creditnehmens und Credit⸗ 
gebens, fondern zugleich auch den ale Marktbeſucher gleich 
Dienffertig und unparteitfch bedienenden allgemeinen Maͤk⸗ 
lee ausmacht, indem fie Die Geldhabenden wie die Gelb: 
bedarfenden durch die Gerechtigkeit, Zuverfichtlichkeit und 
Geeichmaͤßigkeit ihrer Behandlung ven beiden Seiten ber 
anf dieſen Marke zieht und eben wegen dar Größe deſſel⸗ 
ben leicht im Stamde ift, ihre Machfrage zu befriedigen. 
Ehen deswegen muß aber auch bie ganze Einzichtung von 
dee Art fein, daß mit gleicher Sorgfalt alle Jutereſſen 
beider Paeteien wahrgenommen und beforgt werden, Indem 
jede Weghnfligung der einen ober der andern deu gleich 
maͤßigen Bu > uud Abfluß des Geldes behindert, folglich 
den Marktverkehr ſchwaͤcht und mit der Zeit fir Die 
Fmerefien der Seldbefiger find prompte Zinfen, Sicherheit 
des Capitals, freie Verfügung Über die daſſelbe reptaͤſen⸗ 
tirende Schuldyerſchreibung, größte Bequemlichkeit und 
Moplfeitheit Hei der Erhehung der erftern, der Belegung 
des andern und dem Umſatze bes dritten. 
dee Grundbeſitzer Laufen. darauf hinaus, daß der wahre 
Werth ihrer Befigungen als der Grundlage ihres Gres 
dits ermittelt und folcher durch nichts geſchmaͤlert werke ; 
daß fie zu der Zeit, wo fie e6 brauchen, darauf prampt 
Geld und fo viel bekommen können als ihr Realcredit 


Die Intereſſen 


trägt; daß fie dabei in ber Bewirthſchaftung ihrer Gt | 
unbehindert bleiben, fo lange fie ihre Obllegenheiten er: 
füllen, welche in der richtigen Einlieferung ihrer Zinſen 
und in der Vermeidung jeder Vermin bes Werths 
Ihres Befitzt beßehen; wwdlig daß, & fie vor 
Kündigung ficher find, fe doch noch ihrer Wequumlichkeit 
allezeit durch Rüdzahlungen ihren Vermoͤgenszuſtand zu 
verbeffern unbehindert find. Alles Dies läßt fi zu Stande 
bringen, ohne daß auf einer von beiden Seiten eine Be 
günftigung flattfinden darf. Zwei andere Umftände hin: 
gegen,. wobei eine größere Gollifion der Jutereſſen ebzu: 
walten fcheint, find bier abfichtlih übergangen worden, 
die Kuͤndbarkeit ber muh bie 


ie 

des Zinsfußes. Allerdings würde es für die Gläubiger 
noethrithaft fein, nach Belieben aufkuͤndegen za Sinnen; 
allein dies widerfpridyt dem ganyen Endzwede der Anflalt, 
indem dadurd dem Vortheile der Gläubiger das Beſtehen 
der Schuldner gerade dann geopfert werden wärbe, ſobald 
das Geld im Verkehrswerthe fleigt. Die Unausführbar: 
keit diefer Anfoderung hat füh dadurch fon in der Ex 
fahrung gezeigt, daß in den Zeiten ber Noth allenaal Su: 
dulte bewilligt, alfo ein außerordentlicher Rechtszuſtand hat 
eingeführt werden müffen. Es liegt baber im Weſen der 
Pfandhriefe, daß fie nicht Schufdverfchreibungen, ſondern 
abtretbare oder verdußerliche Rentenkaͤufe find, und daß 
diefe ihre Eigenfchaft von vornherein aufgefaßt und durch⸗ 
geführt werde. Daraus folgt ganz von ſelbſt, daß die 
Mente ſich immer gleich bleiben und ein für allemal ge: 
fegtich feftgeftelle fein müfle, weil eben fie den Gegenſtand 
ausmacht, welcher gekauft und verkauft wid, was zugleich 
die wohlthätige Kolge hat, das allem Gewerbe fo nach⸗ 
theilige Schwanken des Zinsfußes wenigſtens in dem gro: 
fen Bereiche des geſammten Realcredits zu verhindern und 
dadurch mittelbarerweife auch für die übrige Mafle des 
Credits zu ſchwaͤchen. Natuͤrlich kann dadurch die Wir⸗ 
kung des Geldzufluſſes und = Abfluffes nicht aufgehoben 
werden, welche, da fie den Zinsfuß fell finder, den Preis 
des zu kaufenden Gegenfiande® erniedrigen ober erhöhen, 
alfo den Gurs, die Geltung auf dem Geldmarkte, beftim: 
men muß, wodurch ſich mittelbarerweile von felbft der 
Zinsfuß auch verändert, aber auf eine beimeitem unbe 
merkbarere Art eben durch feime Übertragung auf dem Ga: 
pitalſtock. 

Es folgt hieraus nicht, daß der einmal eingeführte 
Zinsfuß in alle Ewigkeit fortbeflchen muͤſſe. Dean de 
nach der Erfahrung der Weltpreis des Geides ſich verän: 
dert und deſſen Verminderung in großen Perioden ſich 
allgemein bemerkbar macht, muͤſſen auch bie Grebitinfticute 
diefer Einwirdung unterliegen und unter dem Schuge des 
Geſetzes von einem allgemeinen Sinken bes Zinsfußes 
durch Sonverfion der Pfandbriefe Gebrauch machen koͤnnen. 
Nur darf die Gefeggebung ſolches nicht anders zulaſſen, 
ald wenn biefe Bedingung unfeugbar eingetzeten iſt, fo wie 
e6 die Gerechtigkeit erfodert, alsdann die Nüdschlung dert 
jenigen Pfandbriefe, deren Beſcher ſich die bfegung 
nicht gefallen laſſen wollen, nach dem Duchf 
der legten zahn Jahre ehem darum zu leiſten, weil bene 








nit suldfüg war. Domams. erhellt sugleidh, 
daß bie. ung der Höe ſich nach br aligemeineh 
Binsfuße zur Beit der Ginfüheung oder Musfchreibunng der 
Pfandbriefe richten muß; daß Diefe alſo pur Zeit der Ruhe 
und des Gelbüberfiuffes vorzunchmen, und daß in Be⸗ 
tracht dee großen Sicherheit und Vequewlichkeit, weiche fie 
aͤhren, noch eine Derabfesung des ſonſt gewöhntichen 
Binsfußes- unbedenklich daran zu knichfen if. Daß die 
Dfandbriefe, außer den Kriegsiahren, noch immer fo Hoc) 
im Gurfe geflanden haben, zeigt hinlaͤnglich, daß ihr Zins: 
fuß noch immer zu hoch war. Verf. fchlägt die 
Differenz der Pfandbriefözinfen gegen den Zinsfuß von 
Privathypotheken (©. 21) auf /. Procmt an, wat 
mit der Erfahrung übereingulommen ſcheint, aber nicht 
den Schuldnen ganz zugute kommen kann, meil davon 
die nothwendigen Koften der Auſtalt zu beftreiten find, ſo⸗ 
wie der Aufwand für die Unterhaltung und alimälige et: 
gene Anſammlung eines Reſervefonds zur Erfüllung bes 
Zwecks der Anflalt in unvorhergefehenen Zelten des Geld: 
mangeld dadurch gededit werden muß. 

Im zweiten Abſchnitte beleuchtet der Verf. nun die 
dermalige Befchaffenheit der landſchaftlichen Greditinflitute 
und ihre bisherige Wirkſamkeit mie dem Auge eines Kens 
nerd. Wenn derfilbe bagegen eifert (S. 29), daß Diele 
Inſtitute bisher ausfchlieglih für die Rittergutsbefiger bes 
ftanden haben, kann ihm nur beigepflichtet werden, Da, 
wenn deren Nugbarkeit anerkannt tft, eine Gerechtigkeit 
der Ausfchließung aller dazu ihrer Beſchaffenheit nach ger 
«igneten Grundbefigungen nicht abzufehen iſt. Allein bar: 
aus folgt noch nicht, dag der Abſicht des Verf. entſpro⸗ 
chen werde, alles und jedes Grundbefisthum, namentlich 
auch allgemein das bäuesliche, zuzuziehen, weil mit vollem 
Mechte Dasjenige ausgeſchloſſen wird, deſſen verfchiedene 
Natur. eine gleichförmige Behandlung nicht zuläßt. Hier⸗ 
nach müflen fofort alle die Meinen Beſtzungen außer dem 
Verbande bleiben, deren Vortheil bei der Belegung mit 
Pfandbriefen mit den Unkoſten ebenderſelben umd der Be⸗ 
auffichtigung außer allem Verhaͤltniſſe ſteht. Güter unter 
6000 Thaler an Werth möchten ſchon deshalb ſich fchmer» 
lich dazu eignen. Das Verhaͤltniß zwilden den Wohn⸗ 
gebäuden und der perfönlichen Arbeitsleiſtung einerfeitd und 
dem Ertrage der Bodenbewirthſchaftung bleibt fich ferner 
bei Berfchiedenheit des Umfangs der legten micht gleich, 
laͤßt ſich deshalb nicht nach einen beflimmten Maßſtabe 
angeben, fondern «6 wird das erflere Immer gemichtiger, 
je einer die Stellen werben, und macht fie eben dadurch 
immer unfähiger zum fellen Realeredit. Eben dies gilt 
von allen Fabrikations⸗ und Gewerbeanlagen, wo dee Erz 
trag theild durch das umlaufende Capital, theit6 durch bie 
Induſtrie und Ordnung des Inhabers heils abhaͤn⸗ 
gig if. Der Verf. ſelbſt gibt zu, daß ſtaͤdtiſche Gebaͤude 
andere Verhaͤltniſſe darbieten als „ fie mithin 
nicht auf gleichem Fuße behandelt werden koͤnnen. Es 
darf dieſe Bemerkung nur verallgemeinert werden, um die 
Regel aufzuſinden, daß nur ſolches Grundbeſitzthum zur 
Bepfandbriefung geeignet iſt, deſſen Ererag aus dem Boden 
der Gegenſtand der ——2 tft, ſodaß Gebäude: und 


fonfligen Zabentackan 005 mertußlide m da 
Bewianung deſſelben ſogar im — Wok 
ben miqſſen, imeleweit je mangein, TERM der nicht deu 
Wetth des Pfandftucke erhöhen. 
Daß die bisher defolgten Taraulensreglements ober Kaps 
tienspvindipien, wie fie heißen, ganz principientes, ohne Fun⸗ 
dament und durchans umtidhtig find, wie der Werf. (S. 20) 
fagt, amd daß Hiecin nicht allein eine große Ungerechtigkeit 
und Härte liegt, fonden am das Gemrimnwohl dadırkd) 
mehrfach angegriffen wird, mag Niemand ihr beflveiten, 
ber fie kennt. In einigen Provingen, Preußen, Poſen, 
Mark Brawbenburg, iſt auf deren DVerbefferimg fihon We: 
dacht genommen worden, abee noch lange nicht in zufries 
benftellender Art. In Weſtpreußen, Pommern und Sehle⸗ 
ſien hat man nicht einmal gewagt, an das alte baufällige 
Serüfte Hand anzulegen, aus Furcht, daß, wenn irgend 
Etwas geruͤhrt werde, das Ganze sufammenfalle, Inden 
man aus Erfahrung weiß, daß jebt bie große Menge der 
Unriptigkeiten häufig gegenfeitige Ausgtelhungen für das 
Endergebniß Herbeiführt. Daß indeſſen hierbei weder Ge⸗ 
wißheit noch auch nur eine. annähernde Schägung des 
Unterfchledes zwifchen dem wahren Werthe und dem Aus⸗ 
falle der Zaren ftatthaben kann, und daß ebenfo fehr die 
Inſtitute ſelbſt als die faͤmmtlichen einzelnen Geundbeſitzer 
dabei gar ſehr betheiligt find und mit vollem Rechte dar⸗ 
auf Anſpruch haden, daß der wahre Werth mit Zuver⸗ 
laͤſſigkeit ermittelt werde, bedarf erſt keines Bewelfes, ſon⸗ 
dern macht ſich von ſelbſt klar. Weil uͤberdies außer den 
landſchaftlichen Taxprincipien und denen zur Veranſthla⸗ 
gung der Domainenpachte es keine andern gibt, auf wel⸗ 
de im Verkehre und zumal bei gerichtlichen Verhandtun⸗ 
gen, wie bei Cautionsbeſtellungen, Berlegungsermitteluns 
gen, Abldfungen und Abfchreibungen, Erbtheilungen mb 
Auselnanderfegungen, Subhaflationen u. f. w. zuruͤckgegan⸗ 
gen werden Bönnte, fo ruft der Verf. mit allem Grunde 
dazu auf, und Legt es befonders dem neugeſtifteten Lan⸗ 
desoͤkonomiecollegium ans Herz, ohne weitern Verzug Dieb 
Werk zur Hand zu nehmen und durch Ausarbeitung ge⸗ 
diegener Xargrundfäge dieſem dringenden Beduͤrfniffe ab⸗ 
zubelfen. Daß die wiſſenſchaftliche Ausbildung der Lande 
wirthſchaft fo weit gedichen tft, um ans ihr die dazu wir: 
entbebrlichen Materialien zu ſchoͤpfen, ift, wenn man hier⸗ 
bei nur da, wo die Erfahrungsfäge noch nicht wiſſen⸗ 
ſchaftlich begruͤndet werden konnten, ebenfo wie in der 
Arzneiwiſſenſchaft, zuveeläffigen Erfahrungen nachgeht, voll⸗ 
kommen ausgemacht, und ebenfo gewiß, daß in praktiſchen 
Dingen man ſich nirgend abhalten laſſen barf, das Beſ⸗ 
ſere einzufuͤhren und einſtweilen zu lgen, weil es noch 
nicht das Allerbeſte iſt, was bei weiterer Verfolgung ber 
Aufgabe demnaͤchſt erkundet werden mag. Etwas zu hei⸗ 
fdyen, was über den Stand des mienichlichen Wiſſens Yin 
ausgeht, iſt ebenſo widerfinnig, ats fi mit Dem zufekeden 
zu geben, was duch daſſelbe ald falle und verkehrt dar⸗ 
getban I (&. 82). 

Der Verf. hebt als Geuudfehler ber jetzigen Vorſchrif⸗ 
ten heraus, daß, anflam den bleidenden, durch ben Boden 
ſelbſt geſicherten Werth deffelben zu enmeittein, gegenwärtig 








Der Ertrag nach dem Beſunde zur Beit ber Taxatien ge⸗ 
fhägt wird; daß dies Letztere fogar mach ſehr beliebigen, 
gehaltiofen und zum Theil in Widerfpruch flchenden An: 
fügen gefchiebt, nicht im Ginklange mit der Wirklichkeit 
und Wahrheit; daß feichergeflait der Auefall der Taxen 
meiſtentheils geradezu im umgekehrten Berhältniffe mit ber 
Guͤte des eingeführten Wirthſchaftsſyſtems ſteht; und daß 
das Ergebniß faſt überall zu fünf Procent capitalifirt 
wird, da doch nur vier Procent Zinfen entrichtet werben. 
Am meiften fpringt es bei den Korften in die Augen 
(8. 33), wie zwedwidrig biefe Wefundstagen des eben 
vorhandenen haubaren Holzes find, da doch nur bie Pro: 
ductionskraft ded Bodens und die Ergiebigkeit des Nach⸗ 
muclet die Sactoren einer wahren Werthetare abgeben 
können, 

Nah biefen Erwägungen geht denn ber Verf. im 
dritten Abfchnitte zu den Meformen über, beren die lands 
ſchaftlichen Grebitinftitute bedürfen, um ihre Beflimmung 
wahrhaft zu erfüllen. Diefelben gehen (S. 44 und 151) 
2) den Umfang biefer Anftalten und deren Erfiredung 
auf allen Grund und Boden an, ‚worüber wir uns [on 
erftärt haben; ferner die innere Verwaltung und bie polis 
tifche Stellung derfelden zu den Staatsbehoͤrden; b) bie 
Aufftellung gediegener Abſchaͤtzungsvorſchriften, und c) die 
Verwendung ber ihnen eigenthumlich zugehörigen Sonde. 

Alles, was ber Verf. zur Verbefferung der Verfaſſung 
der Greditanftalten, zur Vereinfachung des Gefchäfsyanges, 
zur Verminderung der Koftfpieligkeit, und zur Beſchraͤn⸗ 
tung ber Willkuür, fo fie nach ihren Privilegien gegen 
ihre Schuldner und gegen deren übrige Hypothekenglaͤu⸗ 
biger auszuüben die Macht erhalten haben, in Vorſchlag 
bringt, muß für überaus angemeſſen erachtet werden. 
Dennoch vermiffen wir auch bier noch die letzte Begruͤn⸗ 
dung. Es kommt darauf an, inwieweit diefe Anflalten 
als bloße Privataffocistionen oder als Körperfchaftn ans 
zufehen find, welde um ihres Einflufies auf das öffent: 
liche Wohl willen Begünftigungen verdienen und bebürfen, 
wie weit folglidy ihrer Autonomie Raum zu geben, oder 
ine Gefchäftskreis unter die Oberauffiht, Controle und 
Einwirkung der Staatsbehörden zu ftellen iſt. Bei der 
erſten Einrichtung berfelben hielt man das ganze Unter: 
nehmen für viel ſchwieriger als es gewefen iſt, und 
glaubte fie um deswillen mit großen Begüunfligungen aus⸗ 
tüften und ihnen die ausgebehntefte Selbftändigkeit gewaͤh⸗ 
en zu müffen. Aber jene find eine Ungerechtigkeit gegen 
die übrigen Einwohner, die darunter leiden und der legs 
teen ſchutzlos preisgegeben find, wie folches ein Hemmniß 
des Kortfchreitene dieſer Anflalten zu größerer Vervoll⸗ 
fommnung geworben if. Denn ba fie fi in ihrer Ge⸗ 
ſammtheit wohl befanden, wurde nicht daran gedacht, daß 
biefe Wohlbefinden noch immer mit mandyen Verneinun: 
gen eines Befierbefindens und mit vielen Befchwerden ein: 
zelner Verbündeten oder Anderer verknüpft iſt, mit denen 
Geſchaͤftsverbindungen flattfinden. Das Dauptübel if, 
baß die Behörden der Anftalt den Schulbnern, beten an: 
dern Hypothekenglaͤubigern und ben Sequeſtern gegenüber 


vermöge der ihnen zugefiandenen Gntfcheibungsbefuguif 
Partei und Elichter zugleich find, daß gegen ihre Anord- 
nungen fo wenig abheifender Schutz zu finden iſt, daß im 
Gallen, wo bie. Staatsbehoͤrden ſelbſt anerkennen mußten, 
es gefchehe Unrecht, es doch wegen Mangels verfaffungss 
mäßiger Einwirkungs uſtaͤndigkeit dabei fein Verbleiben 
behalten mußte, umd daß folchergeflatt Willkuͤr, Unverftand, 
Vorurtheile, Gewoͤhnung und Traͤgheit ein offenes Feld 
haben, ein Wort mitzureden. Selbſt das Verhättniß bes 
Einzelnen zur Geſammtheit iſt nicht Mar genug aufgefaft 
worden. Denn, obſchon es einem Bedenken unterliegt, 
daß in allen Gefelfchaftsangelegenheiten die Stimme jedes 
Einzelnen dem Gemeinwillen und deffen Organen unter: 
worfen fein muß, fo erfobert dies doch felbft eine ſolche 
Drganifation, welche die Gewähr gibt, daß der Gemein⸗ 
wille ſicher das Gemeinbeſte zu erkennen umd zu foͤrdern 
nicht blos den Beruf, ſondern auch das Vermoͤgen habe 
und daß ſelbſt um des vermeinten Vortheils des Ganzen 
willen die Gerechtſame der Einzelnen nicht gekraͤnkt, ſon⸗ 
dern beobachtet werden. Es darf in keiner Weife von 
dem bloßen Butbefinden der Behörden abhängen, ob fie 
ihm und auf wie hoch Credit bewilligen und ob fie ihr 
in feiner MWirthichaftsführung ungehudelt laſſen wollen, 
fondern ihrem desfallſigen Ermeſſen müfjen gemefjene Re 
geln unterliegen, und der Einzelne, der ſich durch deren 
Verletzung für beeinträchtigt hält, muß desfalis unparteii: 
ſches Gehör finden innen. Er hat ein vollkommenes 
Recht darauf, daß feinem Grundbefigthume der reglements⸗ 
mäßige Werth beigelegt und ber danach zu bemeffende 
Credit gegeben werde, und bei einem -hierüber entflehenden 
Streite darf Der, dem bie Ausführung des Reglements 
obliegt, nicht ſelbſt daruͤber die Entſcheidung haben, ob er 
demfelben gebührend nachgekommen ſei. Diefe Betrachtung, 
wird tiefer und weiter greifen als ber Verf. gethan bat. 

‚ Ganz reht urtheilt aber derfelbe (&. 42), daß, wenn 
die Regierung eine Anſtalt durch Privilegien begünftigt, 
ja ſelbſt mit Fonds ausftattet, fie auch wiederum wohlbe 
fugt ſei, von ihr zu verlangen, daß dieſe Vorzüge nicht 
zu Privatvortheilen verwendet, ſondern zur Foͤrderung des 
Wohles der Anftalt felbft oder des Gemeinwohles gebraudt 
werden, Beides im möglichflen Einklange. Die Fonde 
der gefammten Creditanflalten betragen bereits Miiltionen 
und häufen fi) immer mehr ohne andern Nutzen, ale 
daß davon Prachtgebäude aufgeführt find, in denen einige 
Beamte der Anflaiten fuͤrſtlich wohnen, und ba für bie 
Beamten leichter Bewilligungen durchzubringen find. Eben: 
fo wenig entſpricht die Verwendung zur Amortifation ber 
Schuld der Einzelnen der obigen Beſtimmung, was ber 
Verf. ſehr richtig tadelt und dagegen in Vorſchlag bringt, 
Datjenige, was Über den Reſervefonds für eintretende Noth⸗ 
zuſtaͤnde, der nicht angegriffen werden darf, zuſammen⸗ 
tonımt, zur Inſtandſetzung vorgelommener Deteriorationen 
und auf neue Culturanlagen anzulegen und dazu zum Bor: 
theile des Ganzen in der Art zu benugen, daß dabei bie- 
zweckmaͤßige Verwendung ſelbſt controlirt wird (S. 149). 

(Der Beſchluß folgt.) 


Bevxrantwortucher Oerausgeber: Deinzid Brodband. — Drud und Berlag vn F. A. Brodhaus in Eeipsig 








Blidtter 


für 


literarifde Unterhaltung. 





Donnerdtag, 


m — — —— — — —— — — — — — — — — — — — mn ⸗— — 


Bülow: Cummerow über Preußens Iandfchaftliche 
ECreditvereine. 
(Lelhlup aus Nr. 361.) 

Der groͤßere und beimeitens der wichtigere und gründe 
lichſte Theil diefes Buche, doſſen Werth eben deshalb hoch 
zu veranfchlagen iſt, beſchaͤftigt fich endlich mit der Ver: 
fahrungsart, um beflere Wertbsanfchläge und gediegenere 
Borfchriften und Anleitungen dazu zu bakemmen. Es ifi 
eine wahre Freude, abzunehmen, wie ber Verf., um feine 
Aufgabe zu loͤſen, dieſelde immer weiter in ihre einzelnen 
Beftandtheite zerlegt, für jeden derfelben mit klarem Be: 
wußtſein darauf hinweiſt, worauf es dabei anlommt, und 
daraus wieder zur Zufammenftelung altes Deſſen zuchds 
kehrt, was bei. der Abſchaͤtzung berücfichtigt werden muß. 

Vollkommen uͤberzeugend tft es, daß wicht eine Ab: 
ſchaͤtzung mie bie andere vorgenommen werden fann, 
menn fie Das in Zahlen angeben fol, was den Gegenſtand 
der Wuͤrderung ausmacht (S. 54). Der Zweck der Ab⸗ 
ſchaͤtzung und der Inbegriff Defien, was dadurch als den 
Werth des Ganzen beftimmend in Rechnung gezogen wer: 
den foll, muß allemal die Art des Verfahrens und der 
MWürderung ſelbſt bedingen. Es kommen ganz andere 
Dinge in Botracht, ob es fi ums die Ermittetung des 
gegenwärtigen Marktpreiſes einer Sache nach ihrer derma⸗ 
ligen Befchaffenheit und Verhaͤltniſſen, ober des fortdauern⸗ 
den Ertrags derfelben in Verbindung Deflen, was ihr 
einverleibt worden ift, oder um das Verhaͤltniß des nas 
thrlichen Bodenwerthes mit Weglaffung alles. Deffen, was 
darin Einfltich verändert worden iſt oder werden kann, 
handelt. Kauf, Pachtungs⸗ und Gredittaren und Steuer 
catafter erfodern daher eine verfchiedene Behandlung und 
verfehledene Mafgaben. Fuͤr bie. Eredittaren dürfen mur 
folge aͤußere Werhaͤttniſſe, deren Veränderung aus feiner 
vorhandenen Urſache abzufehen iſt, mit veranfchlagt werden, 
wogegen vorübergehende oder von Perfönlichkeiten abhaͤn⸗ 
gige Beichaffenheiten dabei gar nicht in Vetracht zu zies 
hen find. (&. 56). Der Form nad find Grundtapen ums 
freitig die angemeſſenſten, das heißt folche Taxtabellen, 
aus denen ber Bodenwerth in Folge der Angabe der Claſſe, 
zu meicher er. feiner Guͤte und denjenigen befondeen Eigen⸗ 
ſchaften nach, die den Ertrag verändern, gehört, zu entneh⸗ 
mem iſt, indem darin für alle Slaſſen mie allen dieſen 
Medifteationen Die Tarftze angegeben find, und es des⸗ 


28. December 1843. 


um nn nn un — nn mr — 


halb nicht in jebem einzelnen Schaͤtzungsfalle einer Wie⸗ 
derholung aller der Rechenerempel bebazf, durch welche bie 
vorgefchriebenen Taxfäge herausgebracht worden find (& 79), 
Aber. diefe Berechnung aller jener: einzelnen Saͤtze muß 
des Anfestigung. folcher Tabellen allemal vorangehen, weis. 
he das Ergebniß derfelben und nur dann richtig wwb- 
brauchbar "find, wenn alle diefe Exempel nad richtigen 
Anfägen au t und richtig ausgerechnet wurden, wobei 
nichts Einfluß Habendes unberhdfichtigt bleiben darf. IM 
dies aber geichehen, fo dienen fie dann den Taxatoren im 
derſelben Axt zu einem Rechenknechte, wie die Logarithe 
mentaofeln den Arithmetikern. 

Ein ganz befonderes Verdienſt hat fich der Berf. das 
durch erworben, daß er die einzelnen MWerhättniffe, welche 
ins Auge zu faſſen find, theils ſeibſt aufgeführt, theilb 
wenigfiend darauf hingersiefen bat, was deshalb zu bes 
denken if. Natürlich kann das Einzefne Hier nice an⸗ 
gegeben werben; es finden ſich darımter aber viel Tcharfs 
finnige und erhebliche Bemerkungen. 

Ganz vorzügtic indeſſen verdient es angeführt zu 
werden, daß ber Berf., an Thaer's Autoritäe ſich nice 
bindend, den Dünger fowol als Beduͤrfniß denn ale Er⸗ 
zeugniß In Ausgabe und Einnahme befonder8 anſetzt und 
zu deſſen Werthsbeſtimmung nach feiner eigenen und des 
Gebrauchs Verſchiedenheit ſinnreiche Anleitung gibt, wobei 
er die allgemeine Bemerkung nicht zuruͤckhaͤlt, daß, wenn 
der Dünger richtig abgefchägt wird, man erſt zu der Übers 
zeugung gelangt, tie ihm gewoͤhnlich ein zu hoher Preis 
beigemeſſen wird, und wie dennoch auf der andern Seite 
die Ausgabe daflır ein fehr Vedeutendes von Dem weg: 
nimmt, was bisher als Meinertrag des Aderlandes veran⸗ 
ſchlagt worden iſt. Von jeher haben wir die Überzeugung 
gehabt, daß eine Compenfation des Strohs und Miftes 
ein ſehr oberflaͤchliches und willkuͤrliches Verfahren fei, 
und daß eine genaue Bodenveranſchlagung ohne genaue 
Werthébeſtimmung aller feiner Erzeugniſſe und aller auf 
Ihn zu vermendenden Mittel und Koften, alfo and ohne 
fpechetle Dimgerberechnung, gar nicht ausflhrbar fi. Uns 


gefähr arbitriet der Verf. den Werth eines Centners Duͤn⸗ 


ger in dem Feuchtigkeitszuſtande, wie er. ans den Seaͤllen 
verladen wire, auf 2 Gilbers oder Mugroſchen im 
Durdfipnitte, alfo eine Ladung von 15 Centnern zut 
ı Thaler (S. 94). 


3 R 


Mirgend ſtellt es fi, wie gefagt, fichtbarer heraus, 
welch ein gewaltiger Unterfchied zwifchen einer Befunde: 
und einer Grundtaxe obwaltet und zu welchen Verkehrt⸗ 
beiten jene behufs der Greditgebung führt, als bei den 
Sorften (S. 35 und 1206). Der Nachwuchs und der Holz⸗ 
preis der Abfaggegend auf ber einen Seite, und auf der 
andern die Beauffichtigungss, Cultur⸗ und Transportko⸗ 
ften liefern zwar die Grundzahlen für die Werthsberech⸗ 
nung, aber diefe wird noch dadurch modificket, welche Si: 
herheit gegen Holzverwuͤſtung vorhanden, und ob der 
Holzboden nicht noch zu einer einträglihern Benutzung 
geeigenſchaftet iſt. Jenes bewegt den Verf. zu dem von 
ber Vorſicht gebilligten Vorſchlage, bei der Abſchaͤtzung und 
Bepfandbriefung der Forſten einen weſentlichen Unterfchied 
zwifhen großen und in regelmäßigen Umtrieb gefegten, 
oder kleinern unregelmäßig bewirtbichufteten Waldungen 
zu machen. Doc, ift e8 darum nicht nöthig, zu den er⸗ 
flern nur Wälder von nice unter 6000 Morgen zu rech⸗ 
nen. Auch geringere Flächen laſſen fich in regelmäßigen 
Umtrieb und unter zureichende Beaufſichtigung fegen. 
Hierauf nur kann es ankommen. 

Schließlich fuͤhren wir noch an, daß auch der Verf. 
ſich durchaus gegen die geſetzliche Beſtimmung ausſpricht, 
nach welcher die zu Eigenthum ihrer Beſitzer gewordenen. 
Bauerguͤter nicht über ein Viertel ihres Werthes mit 
Hypotheken befchwert werden bürfen, was er für einen 
ebenfo ungerechtfertigten Eingriff ins Eigenthumsrecht ale 
füc eine verkehrte Politik anjieht, die ihren Zwed ganz 
verfehlt, indem fie ed unvermeiblicy macht, daß die Bauer: 
güter aus Mangel an Realcredit bei Erbtheilungen und 
überall, wo jener helfen koͤnnte, entweder ganz zu Markte 
gebracht werden müfjen und ihre Beſitzer fleißig wechleln, 
oder aber zerfchlagen und geſchwaͤcht werden. Gerade dies 
Lestere iſt aber die Abficht jener Gefegbeftimmung gewelen, 
deren DVerfaffer (der felige Scharnweber) noch den Roh⸗ 
ertrag ber Grundftüde für die Quelle des Nationalreich⸗ 
thums anſah und deshalb im $. 1 des Edicts vom 14. 
Sept.. 1811 zur Beförderung der Landescultur nicht ge: 
nug rühmen kann, wie die neue Gefeggebung auf die Ber: 
ſchlagung ber Güter und Bereinzelung des Grundbefig: 
thums hinarbeite. Wie aber hiermit die Erhaltung der 
Bauergüter im erblihen Famillenbefige und, was damit 
genau zufammenhängt, die Erhaltung eines begüterten, 
Eräftigen, nationalen und mit dem Lande verwachſenen 
Bauernflandes zu vereinigen fei, wie es mit der Vater⸗ 
landsliebe und der Müftigkeit diefes Kerns des Volks als: 
- bald fichen werde, Das ift eine andere Frage. 59. 





Histoire litteraire du Maine par Barthelemy Haurean. 
Dier Bände. Paris 1843. 


Wollte heutige Tags Iemand eine Geſchichte der franzöfi- 
fen Departementalskiteratur ſchreiben, fo würde er glei von 
vorn herein aus Mangel an Stoff fein Vorhaben aufgeben müfs 
fen. Bergebens flieht man ſich in den Departements nach eis 
uam Werbe von hoher WBebeutung,, nacy einem Autornamen von 
ſtarkem Klang ums faft überall ift das wiſſenſchaftliche und li 
terariſche Leben wie erftorben. Selbſt die Journaliſtik, deren | 


. MU. ; 


I u 
Handhabung doch gerabe kein ausgebreitetes Mälfen unb kein 
ausnehmendes Talent erfobert, hebt nicht einmal ihre Refruten 
ie den Provinzialſtaͤdten aus, benen fie das tägliche Zeitungs: 
brot einfäuert. Die flreitende Tagepolitik muß ſich i 
Leute aus Paris verſchreiben, und wenn gegenwaͤrtig die Ge⸗ 







lehrten eigen Maine sinen Bef inden, fo 
verdanken fie es dem zufälligen Umſtande, der einen parifer Eis 


'"teraten nach ihrer Provinz verſchlagen hat. 


Unftreitig eine traurige Thatſache, um fo trauriger, ba fte 
mit Dem, was fonft war, in auffallendem Gontraft fleht- Der 
Verf. dieſer Literaturgefchichte des Maine Liagt faft über den 
Umfang feines Segenftandes und iſt einigermaßen verlegen, alle 
literariſchen Kotabititäten einer einzigen Provinz in vier 
Dctapbänden unterzubringen. Weshalb die jegige Dürre nad 
foiher Bruchtbarkeit, der entfegtiche Mangel nad) ſolchem Übers 
finß? Gewoͤynlich ſchiebt man die Schuld auf bie Eentratifation, 
weiche bie Departements zu Leib- und Geifteigenen von Paris 
gemacht. Die Provinzen von Frankreich find aber nicht erft 
feit der Revolution in Geiſteigenſchaft gefallen, fondern waren 
fhon lange vorher nicht mehr freie Herren in geiſtigen Angele⸗ 
genheiten. Schon im 16. Jahrhundert hatte Paris die Bor: 
mundichaft über ganz Frankreich in Sachen der Belletriſtik; 
fgon unter Franz I. hieit ſich diefe ſtoige Stadt für die bobe 
Schule der Bildung, wenn fie auch erft unter Ludwig XIV. 
allgemein und unbeftritten dafür anerkannt wurde. Won diefer 
Zeit an lebten alle bedeutenden franzöfifchen Schriftſteller in Pa- 
rit und fchrieben von da aus ber Provinz Geſetze und Regeln 
des guten Sefhmads dor. Ein ſchoͤner Gifer für alle neuem 
Srfcyeinungen und Bereicherungen im Gebiete der Künfte und 
Wiffenfhaften und eine gewiffe Strenge und Reinheit tes Ge 
ſchmacks bei einer gefälligen Gefchmeidigkeit und Eleganz der 
Formen machten damals bie franzöfifchen Autoren zu fo anges 
fehenen Mitgiiebern der beften und größten parifer Befellfchaft. 
Diefe aus dem Hofe, dem gebülbeten Adel und den bebeutenbften 
Schriftftelleen und Künfttern beftehenbe Gefellichaft hatte gar 
kein hoͤheres Intereffe für ihre ganze Grifteng, als das Leben 
durch ben Genuß und die Ausbildung der ſchoͤnen und angeneks 
men Künfte möglichft zu verfchönern und zu bereichern. Aut: 
gezeichnete, große Tatente galten ihnen für eine wohlthätige 
Gottheit, und fie behandelten fie alfo. Wie den Göttern immer 
geopfert wird, damit fle nur gnädig drein fehen, ohne auch wies 
der eine reelle Gabe von ihnen auf der Stelle zu erwarten, fo 
opferte Alles jenen Erbengöttern, bie das Lehen verfüßten und 
erheiterten.. Gin foldher Kuͤnſtler ober Literator hatte weiter 
feine äußere Sorge als bie für fein einfaches anfländiges Seid, 
dad der zwang⸗ und prunktofen Geſellſchaft der Farm nach an» 
gemeflen war. Alles Übrige war die Sorge Derer, bie feiner 
erfreulichen Kunft und Rebe zu ihrem hoͤchſten Wohlfein nicht 
entbebren konnten. Daher tonnte ein folcher Gelehrter und 
‚Künftter mit allem Anftande täglich in ben größten und feinften 
Geſellſchaften leben, ohne daß er nöthig hatte, an einen eigenen 
anfehnlichen Hausſtand zu denken. Daraus erklärt es ſich auch, 
wie d'Alembert einen Ruf der ruſſiſchen Kaiſerin Katharina mit 
20,000 Rubeln Gehalt — die damals an 100,000 Franck be: 
trugen — ablehnen und zu gleidher Zeit in Paris fi um eine 
Elsine alabemifche Penfion von 2—30UV Livres bewerben konnte. 
Sobald er fig in Paris durch feine leichten und anfländigen 
akademiſchen Beichäftigungen fo viel verficherte, daß er fein ein: 
fames Zimmer, feinen einfachen Ftausrod und treuen Hausdie⸗ 
ner bezabten konnte, fo war er der reichſte und unabhängiafle 
Menſch in der Welt. Alles, was das feine und reiche &chen 
Angenehmes , Grfrenliches und Wollüftiges hat, bereiteten Ans 
dere für ihn, die alle ihre Güter und Schäge aur alddann gan; 
genofien, wenn fie den angebeteten Wufen: und Minervenſohn 
mitten unter ſich hatten. | 

Jene ſchoͤne Zeit iſt für franzoͤſiſche Literatoren unb Känft: 
lee nun voruͤber und kommt ihnen ſchwerlich je 
es blühen Menſchengeſchlechter nicht periodiſch wie die wobitha⸗ 
tigen Fruchtbäume und Biumenſtauden; Haben fig einmat die 





bag ae Blün errciht und es teifft fie ein piögliher 
und oldeubruch, fo tft die herrliche bem gleichzeitigen 
Gefdgteczte Yimweagefpätt auf immer. Haben auch Literatur und 
Kuntt in mweter Zeit an ſoeialer Wichtigkeit verloren, jo find 
biefeiben doch noch immer ein ſehr bebeutendes Moment im pas 
riſer Leben, und Schriftſteller und Kunſtlet haben fogar an mar 
terieller Unabhängigkeit gewonnen. Wer in Parts mit Talent 
Gefchteklichkeit. vereinigt, für-den ann das literariſche und ars 
tiftifcge Gewerb eine Duelle der Wohlhabenheit, ja feibft des 

hams werden. Gorneille und Pouſſin waren arme Zeus 
fel, Seribe und Dubufle find reiche Nabobs; ſonſt gingen die 
gesfen Zragsdiendichter und Hiſtorienmaler beſcheiden ohne Livree⸗ 
begleitung-aus, jest fahren die unbebeutendften Baubeilliften und 
PYortraitiften in Gabrioteten mit einem room hinter fi. Selbſt 
Theaterkritiker, Überfeger, Federviehmaler und Garicaturzeich- 
ner. verdienen ſich einen Praͤlatengehalt und machen reiche Par⸗ 
tien. Mit Ehrenbezeigungen ift man aud nicht fparfam gegen 
Die Repräfentanten der Kunft und Wiſſenſchaft; jedes nur einis 
germaßen ſich hervorthuende Talent wird gleich bis an den Him⸗ 
mel erheben und als ein glänzendes, fleabiendes Geſtirn gepries 
fen, wenn es auch nur ein trügerifches Meteor fein follte. In: 
telectuelle Vorzuͤge erkennen die jegigen Parifer immer noch 

und willig an und huldigen den Inhabern berfelben ohne 
felbſtiſche Nebenabfichten, wenn fie auch fonft im Durchſchnitt 
heutzutage nicht leicht etwas thun, wobei fie feinen Rugen ba- 
ben oder hoffen; umd es hat für den Künftter wie für den Ge⸗ 
lehrten in Paris etwas ungemein Wohlthuendes und Erheben⸗ 
des, Wiſſenſchaften und Kuͤnſte von allen Claſſen der gebildetern 
Gefellſchaft in ihrer hohen Bedeutung anerkannt und bie Re⸗ 
präfentanten berfeiben als die Körberer und Träger ber wichtige 
fen Gulturintereffen gewürdigt und auögezeichnet zu ſehen. Ja 
man findet in Paris Männer und Prauen aus den böchfien 
Ständen , wie die Fuͤrſtinnen Craon und Belgiofo, die Graͤfin⸗ 
nen Merlin, Agout, Dafh, die Herzöge von Euynes und Ta⸗ 
zentino, bie Grafen Pourtales, Espagnac, BVielcaftel, Baftard, 
welche ſich auf eine ernfthafte Weife mit Kunft und Literatur 
ꝓrattiſch und theoretifch befchäftigen. Das lebendige Intereſſe, 
mit welchem die hoͤhern und hoͤchſten Claſſen ber Geſellſchaft 
Alles, was die Kuͤnſte und Wiſſenſchaften neu belebt und berei⸗ 
„hert, beachten und als das Wichtigfte deö menſchlichen Treibens 
Beherzigen, beftimmt auc die Form und bie Art der parifer 
Seſeliigkeit. Die faft unbegrenzte Miſchung der Stände gibt 
dem geiftigen Verkehr in Paris eine feltene Regfamkeit, Bedeut⸗ 
famteit und Mannicfaltigkeit und bewirkt, daß eine Mafle von 
.Kenntniffen aller Art duch alle Giaffen verbreitet ift und ſich 
feibſt beim mechaniſchen Geſchaͤftsmann häufig findet. Und wenn 
«6 oft auch nur oberflädliche Notizen, nur eine Folge der Be: 
tanntfchaft mit der in Paris mehr als irgendwo rüftigen Jour⸗ 
natiftit iſt, fo wiſſen doch die meiflen Mitglieder einer guten 
Sefelfchaft, vielleicht alle, genug von ber willenfchaftlichen, 
äftpetifchen oder politifhen Materie, die eben vorkommt, um 
mit Antheit in bie Sache einzugehen. Hieraus entfleht ber 
große Bortheit, daß jeder Neubinzulommende, der über eine 
Mifſenſchaft oder Weltangelegenheit neue Erfahrungen und Ideen, 
eigene Anſichten vorzutragen hat, mit Jntereſſe angehoͤrt und 
dieſes nicht nach dem Rang oder Reichthum, ſondern ri nad 
der Intelligenz und Sapacität des Sprechenden abgemeflen wird. 

Ganz anders ifk dies Alles in ber Provinz. Dort fehlen 
dem Künftter und GSchriftfteller ale Mittel und Möglichkeiten 
zur Befriedigung geifiger Anſpruͤche und zur Sicherſtellung feis 
ner materiellen Exiſtenz. Der Verf. bes vorliegenden Werks 
bezeichnet diefen Mangel ald eine von ben Haupturſachen des 
Literarifchen und intellectuellen Verfalls, zu welchem bie franz 
fifchen Provinzen in neuefter Zeit herabgeſunken. „Die vielen 
Ktofterfeguien in ganz Frankreich“, beißt es in der Vorrede, 
„gewährten ehebem dem angehenden Schriftſteller nicht blos bes 
‚queme Zuflucht gegen die Stürme der Welt, fondern auch fichern 
Schut gegen die Schläge der Roth. Als Kioſterſchaͤler trug er 
‚ein Kleid, vor welchem ſich die Laien achtungsvoll verbeugten; 








batte er auch kein väterliches Wermögen, fo war er boch alle 
NRahrungsforgen überhoben; wohin ihn aud fein Fe Mile 
trieb ober der Befehl feiner Obern verfegte, überall war er ges 
wiß, ein ehrenvolles Afyı zu finden; und keinen häuslichen Ver⸗ 
legenheiten ausgefegt konnte er bis zur legten Stunde un 
geiftigen Arbeiten obllegen.“ Rach biefer gerechten Herdorhe⸗ 
bung ber in literarifher und wiflenfhaftlicher Beziehung mit 
den alten Kıofterfchuten verbundenen Vorzuͤge zieht der Verf. 
daraus cinen Schuß, der im Munde eines franzöfifchen Demos 
traten von feltener Allgemeinheit bes biftorifchen Standpunkts 
und von großer Unbefangenheit des kritiſchen Urtheils zeugt. 
„Die Kıöfter”, fagt er, „haben eigentlich das plebejifche Genie 
emancipirt. So dankbar wir aud das Befreiungswerk der Als 
les antaftenden Philofoppie anerkennen, fo können wir ihr doch nur 
einen billigen Antheil an der modernen Gultur zugefleben und 
wagen zu behaupten, daß bie geiftlihen Drden zu dem großen 
Umſchwung der Ideen, Sitten und Einrichtungen viel mehr bei⸗ 
getragen haben ats alle philofophifhen Schulen.” Die Mönche: 
orden leifteten in der That dem Volke einen wichtigen Dienſt, 
indem fie einen großen Theil ihrer Mitglieder aus allen Claſſen 
der Gefellfhaft nahmen, allen ftrebenden Geiftern eine Bahn 
anmwiefen, allen unbemittelten Schülern von Intelligenz huͤlfreich 
entgegenfamen und fo die kehren der gleichen Berechtigung Aller 
praktiſch ins eben führten, zu einer Zeit, wo fonft überall nur 
Kaftengeift und Standesvorurtheite herrſchten. Bon biefem Ge⸗ 
fihtspuntte aus Laffen ſich die Moͤnchsorden vertheibigen, welche 
in dem Ölauben, für fi) zu handeln, doch nur im Auftrage der 
allgemeinen Bildung mirften. So viel iſt ausgemacht, baß die 
chemals fo zahlreichen gelehrten Bruͤderſchaften in Frank⸗ 
reich dadurch, daß ſie von allen Seiten und aus allen Staͤnden 
gutwillige Leute an ſich zogen und ſie in jeder Art durch den 
mannichfaltigſten Köder zu ernſten und literariſchen Studien an⸗ 
ſpornten, auf die geiſtige Richtung der Provinz einen uͤberaus 
heilſamen Einfluß aͤußerten. Auch herrſchte —* an vielen 
Punkten von Frankreich ein recht fröhliches Griſtesleben. Heut⸗ 
zutage iſt überall Todtenſtille im Bereich der Kuͤnſte und Wiſ⸗ 
ſenſchaften außerhalb Paris; die Provinz zaͤhlt auf dieſem Felde 
nicht mehr mit, da fie es nicht mehr anbaut und keine Geiſtes⸗ 
probucte mehr zu Markte bringt, ſondern ben geringen Bedarf 
an geiffiger Nahrung aus den Buchfabrifen von Parts bezicht. 
Eine andere weſentliche Urſache des literariſchen Verfalls 
in der Provinz iſt, nach dem Verf., das geringe Anſehen, 
welches die Repräfentanten der Kunft und Wiſſenſchaft dort ger 
nießen. Wo Gitelkeit, Gigenliebe, Ehrgeiz und Gianzſucht feine 
Nahrung finden, geben Künftter und Literaten nicht gern bin. 
In den franzöfifhen Provinzen trifft der Kuͤnſtler oder Getehrte 
weder Gönner noch Verehrer. Man huldigt und ſchmeichelt blos 
dem Gelbe als der einzigen reellen Macht, vor ber Geburts⸗ 
und Geiftesadel fi in den Staub beugen müflen. Das beſte⸗ 
bende feanzöfifche Wahıfpften, weiches die politiſche Befähigung 
aus ſchließlich im @eibe ſucht, hat nicht wenig dazu beigetragen, 
den Finanzen diefes bominirende Übergewicht zu geben, indem 
ed eine ſchmaͤhliche Herabſetzung jedes andern Verdienſtes, eine 
abergläubifche Verehrung des Reichthums in fi fchließt. Das 
Stimmredt ift ein Vorrecht; die Stimmgeber bilden eine regies 
rende Kafte, und da 6106 Elingende Münze zu diefem Vorrecht 
und zum Eintritt in die herrſchende, tonangebende Glaffe vers . 
bilft, fo wird die volle Geldkaze auch im Verhaͤltniß zu ben 
daran huftenden Genuͤſſen und Bevorrechtungen geichägt. Dee 
ehemalige Geburtsadel hat einem Geldadel Platz gemacht, der 
discontirt und in Umlauf gefegt wird; ein Patentichein von fo - 
und fo viel hundert Francs ift ein Adelsbrief. eine Steuerquit⸗ 
tung über eine gewifle Maſſe directer Steuern macht ducfaͤhig. 
In den Augen von Leuten, bie ſich mit foldyen roh materiellen 
Vorzügen brüften, ift natuͤrlich geiftiger Befls ſchlecht anges 
fgrieben. Wer viel weiß, eignet fi) weder zum Deputicten 
noch zum Gommittenten; wer viel hat, paßt zu beiden, und 
bie dickkoͤpfigen Wöotier, denen die abflracten Rechte und Ans 
ſpruͤche der Intelligenz nicht recht eingehen wollen, bewundern 







} 
} 


b 
Fümls dee materistlen Intereffen aicht ſowol in Paris at& in 
den Departements feinen Sit bat. u 
drädt alle eblern Hegungen, erftiät jedes uneigennügige Gefühl 
und dußert feinen verberbtidhen Einfluß auf Inftitutionen und 
Jabividuen. Dos ift leider nur zu wahr. Kein Wunder alfo, 
wenn bie Repräfentanten ber Intellectualmwelt aus einem Lande 
fliehen, wo ber eingebürgerte mercantitifhe Geift die Fruͤchte 
vom Baum der Wiſſenſchaft wie bittere Mandeln nady Pfunden 
a rzeugniffe der Literatur gleich Kattunftüden nad) 
der mißt, ihren Werth wie Zuder und Kaffeebopnen nach 
dem Preiscourant der Waarenboͤrſe ſchaͤtt und Gelehrte und 
Kanſtier mit Dügen: und Strumpffabrilantın in eine Wage 
f&ate wirft. Wird nun irgendwo in den Provinzen von Grant: 
seid ein Dichter, ein Künftter, ein philoſophiſcher Kopf oder 
fonft ein entfciebener Feind des materialiſtiſchen Utilitarismus 
geboren, fo haben biefe nichts Eiligeres zu tun als nad Par 
zi8 zu ziehen. In unfern Tagen find fo Imbert Gallois, Elifa 
Mercoeur, Hegeſippe Moreau, Ponfard dahin ausgewandert. 
Der $rifeur Jasmin und der Backermeiſter Reboul würden ge: 
wiß aud nice in Agen und Nismes bleiben, wenn fie nit 
neben ihrem poetiſchen @ewerbe noch ein bürgerliched Handwerk 
teieben, das fie mit rau und Kindern reblid ernährt. Begeg⸗ 
net e& den auögeflogenen Gingvögeln, melde bie Kiſchale des 
ProvinzialsPpiliftertfums entzwei gepickt und fi kühn in ben 
vollen Euftfirom ber parifer Eebensatmofphäre geworfen haben, 
daß fie ſich die Piügel brechen und jämmerlich in einem Dach⸗ 
taflg enden, fo erregt das nur Achfelzuden;z die reichen Krämer 
und Schneider des Orts werfen fich in die Bruft und fagen, fie 
hätten es immer prophezeiht. @lüct es aber den Flüchtlingen, 
mit ihrer Weber beinahe fo viel zu verdienen als ein großer 
Ausfdmittwaarenhändler, fo findet das Anerfennungs bie Ma- 
tanore der Stadtduͤrgerſchaft empfinden alsdann fogar einen ges 
wiſſen Refpect vor dem ausgewanberten Stadtkinde und reden 
von ihm mit berfelben Suffilance, wie von einem Kleinkraͤmers⸗ 
fohn, der arın feinen Geburtsort verlaffen und fi in Paris 
an bie Gpige eines reihen Bandiungebaufes emporgearbeitet. 
Sehrt ber berühmt gewordene Autor aus ber Hauptſtadt zum. 
Befuch in fein Kraͤhwinkel zuräd, fo wird er von den Ortsbe⸗ 
böcden feftlich empfangen und bewirthet, mit Trinkſpruͤchen ge: 
feiert und der „Stolz ber Stadt‘ genannt. Die Leute find 
flolz darauf, daß ein milderes Klima ein Talent gereift, wels 
qhes in ber diden Stickluft ihrer Umgebungen unfehlbar nicht 
zur MBlüte gediehen wäre. Im 17. Sahrhundert fehrich Racine 
als ganz junger Wenfdy von Uges: „Ich bin Hier in ein Land 
verbannt, welches ungefelliger ald ber Pontus (Surinus, und 
we gefunber Menfchenverftand gar wenig und Treue gar nicht 
zu Hauſe if. Gine Wiertelftunde Unterhaltung reiht hin, um 
einen Menfcen zu verabfcheuen, fo hartherzig und eigennügig 
find Hier zu Lande die Bewohner; e& find Lauter Landoögte.” 
Deute fängt des Pontus Gurinus vor den Thoren von Paris 
bi 


an und 
Wir haben und abfichtti 


Da herrſcht er und unter: |: 


% oben au wichtigen Yaupts und Gtaatsactienen. Epell 
unb gufbie allgemsine 


je flarrköpfiger Keger, anbererfeits gegen bie fres 
iger Gbeileue auszufediten hatte, 
ie damaligen Wilddfe führten eim fehe 


rem Sprengel, waren fie in biefer boppelten Gigenfcaft auch 
beftändig doppelter Befabz ausgeſetzt. Hildebert's Leben Lin 
einen ſchlagenden Beleg, weich ſchweren Misgefchiten und 
ben Prüfungen das Biſcholsamt feins. Verweler unterwarf. Bon 
dem König von England gefangen genommen, findet Siibebert 
bei der Rügkehr aus der Grfangenfhaft feime. Kirdie nieberges 
brannt und außgeplündert; kaum wieder eingefegt, wirb er heim- 
tuͤctiſcherweiſe auf Befehl des Grafen von Martagne feſtgenom⸗ 
men und vier Jahre lang von feiner Stelle und feinen 
Eindern entfernt gehalten; und glei wie ex den erzbifchöflichen 
Stuhl von Tours befkeigt, muß ex die Rechte bee Kirche gegem 
eudwig den Dicken verwahren, Wei allen diefen äußern Sorgen 
und Plackereien veröffentlicht er nabenhez Lheniogifdge Sereit ⸗ 
ſchriften, in denen wichtige philoſophiſche Probleme abgehandelt 
werben. Pr. Hauriau zergliedert äußert fharffinnig die Schrif 
ten Hilbebert'd, an denen er eine ausge te logiſche Shacſe 
und dialektiſche Präcifion rühmt; er will Descortes ſche Gddffe 
Malebranche ſche Anſichten, Kaut'ſche Säge und Hegel’fde. Ars 
gumente darin gefunden haben; allein .fo fergfam und finnzeich 
auch die beweifenden Parallelſtellen zu dieſem Behuf angezogen 
und beigebracht find, möchten wir doc) vermuthen, daß der ir 
terarhiſtoriker des 10. Jahrhunderts dem Theologen und Merals 
phiofoppen des IL. Wieled dom feiner eigmen Gelchrfamkeit und 
Belefenpeit abgegeben hat. 
(Des Beſchlus folgt.) 


! 


ss 


f 





giterarifhe Anzeige. 


Most (Dr. G. F.), 


Encyklopädie der gesammten Volks- 
medicin, oder Lexikon der verzüglich- 
sten und wirksamsten Haus- und 
Volksarzneimittel aller . Länder. Nach 
den besten Quellen und nach dreissigjährigen, im In- 
und Auslande selbst gemachten zahlreichen Beobachtun- 
gen und Erfahrungen aus dem Volksleben gesammelt, 
Erstes bis drittes Heft: Aalsuppe —laft. 
Gr. 8. Jedes Heft 15 Ngr. 

Der Name des Herausgebers, der dem Pablicam durch 
seine übrigen Schriften hinlänglich bekannt_ist, bürgt für 
den Werth dieses populairen und gemeinnützigen Werke 
Es wird aus fünf Heften bestehen und die übrigen Hefte 
werden in kurzen Zwischenräumen folgen. 

Leipzig, im Devember 184% 


F. A, Brockhaus, 








Berontwortliger Geranbgebers Heinzig Broddaus. — Drud und Berlag von F. X. Broddans in Leipzig 





Bläfter 


für 


literariſche Unterhaltung. 





Freitag, 





Die dramatiſche Literatur der Deutſchen im 
Jahr 1842. 
Zweiter und letzter Artilel.”) 

Leffing ſagt irgendwo: „Wer Über gewiſſe Dinge den 
Verſtand nicht verliert, der hat keinen zu verlieren.“ Er 
wuͤrde dies Wort wiederholen, wenn er jetzt wiederkaͤme 
und das Bischen Literaturmacherei und Dramengeſchreib⸗ 
ſel ſaͤhe; er wuͤrde es wiederholen und — vermuthlich 
den Verſtand verlieren! Gott Lob, daß der einzige große 
Kritiker, den Deutſchland hervorgebracht hat, bei geſun⸗ 
dem Verſtande geſtorben iſt, die gegenwaͤrtige Menſchheit, 
mag ſie nun kritiſiren, produciten oder blos raiſonniren, 
iſt ſo indifferent geworden in Sachen der Kunſt und 
Poeſie, daß ſie auch uͤber die abſcheulichſten Misgebutten 
hoͤchſtens ein klein wenig laͤchelt. Und doch iſt es, um 
den Verſtand zu verlieren! Es dauert mich unſer Volk, 
wenn ich den Wuſt uͤberblicke, der da vor mir liegt und 
fih deamatifhe Literatur nennt. Ich möchte verzweifeln, 
wenn ich bedenke, daß diefe Kindereien und Sinnloſigkeiten 
die Fruͤchte der Beſtrebungen find, für welche Schiller 
und Goethe farben. Ic möchte grob werden und, 
koͤnnte ich's, die ganze Gefelfhaft zum Tempel der Lite: 
eatur binausjagen, denn fie gehört wahrlid nicht im diefe 
geweihten Räume! Nur Eins tröftee mich einigermaßen, 
dag nämlich gerade die beffern dramatifchen Producte nicht 
fo leicht im Drud erfcheinen. Vielleicht ift auch bie 
heiße Luft des Sommers 4842 ben dramatifchen 


Dichtern befonders ungünflig gerwefen und bat dieſe tos 


tale Misernte herbeigeführt. Sie iſt einmal da und 
muß, übel genug, ausgedrofchen werden. Als ein gewif: 
ſenhafter Wirth will ih das Meine thun und bie weni: 
gen Körner, die ſich unter diefem zermürbelten Stroh 
verloren haben, herausſuchen. Ein ſolches Watzenkorn 
ohne brandigen Geruch ift: 


12. Düvede. Dramatiſches Gedicht in fünf Aufzügen von 
Briebrid von Riedhoff. Berlin, Gittenfeld. 1842. 
Gr 


Dies Drama iſt aufgeführt worden, irre ich nicht, in Riga, 
und hat allgemein gefallen, weshalb ſich der Verf. bewogen fand, 
es dem Drude zu übergeben. Die Geſchichte Duͤvecke's iſt dras 
matifh wie wenige, und daher auch ſchon oft behandelt wor: 


*, Den erfien Artikel theitten wir in Re. 192-— 185 d. Bi. mit 
D. Neb. 


29. December 1843. 





den. 


Die Palme aber bat zur Zeit noch Fein Bearbeiter bes 
ſchoͤnen Stoffs errungen. Am berufenften dazu wäre wol Marge 
araff, wenn er ſich entfchließen koͤnnte, fein „Taͤubchen von Am⸗ 
flerdam‘’, das fo viel Treffiiches enthält, nochmals ganz umzus 
arbeiten und es buͤhnengerecht zu machen, ohne ihm den poetis 


fhen Duft abzuftreifen. Ein tüchtiger Wille, eine recht fefte Aus⸗ 
bauer würben dieſe Arbeit gewiß gelingen laffen, und baß fie 
ihm Fruͤchte brachte, das möchte ich ihm verfpredden. Here 
Friedrich von Rieckhoff iſt ein Eluger Mann, der da meint, 
was dem Ginen gutthut, kann dem Andern nichts ſchaden. 
Diefer praktifhen Hegel huldigend bat er es nicht ver⸗ 
ſchmaͤht, dem Marggraff'ſchen Stuͤcke bie beften Gedanken 
zu entlehnen und bei ſeiner Bearbeitung des naͤmlichen 
Stoffe zu benugen. Solche Benutzung kann man nicht 
ſchlechthin verdammen, noch weniger fie literariſche Saunerek 
nennen, das woͤrtliche Abſchreiben ganzer Stellen aber iſt als 
offenbares Plagiat zu bezeichnen, und da Herr Rieckhoff ſich 
auch damit befaßt, wo es ihm dienlich ſcheint, ſo glaube ich 
ihm nicht Unrecht zu thun, wenn ich meine, ſeine Gewiſſenhaf⸗ 
tigkeit ſei nicht recht flichhaltig. Ich koͤnnte eine Menge ſolcher 
Stellen anführen, bie oft mwörtlidy, zuweilen mit unbebeutender 
Wortumftellung genau fo in Marggraff’s „Taͤubchen von Am⸗ 
fterdam’’ zu lefen find, ich will aber die Lefer d Bi. nicht das 
mit langweilen, da ohnebin fdyon ein anderes Blatt, „Der Kos 
met’‘, dieſe Manier, Andere zu pländern, ſcharf gerügt und 
mehre der betreffenden Stellen ausgezogen bat. Dies beifeite 
gefegt hat Rieckhoff's Drama mandyen Vorzug vor dem Dar 
graff'ſchen. Der Stoff ift befler zufammengefaßt, bie Verſchwoͤ⸗ 
rung der Edelleute, welche die Handlung fehr auseinanderzieht, 
gang wrogelaffen, audy die nachmalige Gemahlin Chriſtiern's 
nit mit in das Drama verwebt. Auf diefe Weile kommt 
mebr Einheit in bie Handlung, die Charaktere können fidy beffee 
entwideln und dem Dichter ift Spielraum gegeben zu geſchickter 
Motivirung der Kataftrophe. Das Zufammentreffen Epriftiern's 
mit Düpvede, die aus ihm raſch emporlobernde Liebe, feine Eis 
ferfucht gegen Zorben u. f. w. ift mit ziemlichem Feſthalten an 
das hiſtoriſch Beglaubigte geſchildert und recht wirtfam bramas 
tifirt. Nur den Schluß hat Rieckhoff umgeftaltet, und zwar 
meine® Grachtens mit gutem Grunde. Das Austunftsmittel, 
weiches er ergreift, ſcheint mir volllommen tragifh. Gr läßt 
Düvede durch vergiftete Beeren fterben, wie die Geſchichte es 
berichtet. Diefe Beeren kommen aber nicht wirklich von Tor⸗ 
ben, fondern Sigbrit, welche glaubt, ein anderes Mädchen feſſele 
Ehriſtiern und entfrembde diefen ihrer Tochter, fenbet fie durch 
ihre Zofe unter Zorben’s Namen an Anna, Duͤvecke's ſcheinbare 
Nebenbuhlerin. Durch Zufall kommt die Zofe mit den Beeren 
zu Duͤvecke, als eben Ehriftiern bei ihr iſt und fich mit ihr vers 
fländigt bat über Torben's Neigung. Gr bebätt die Beeren da, 
gibt fie Düvede und es erfolgt, was wir wiſſen. Xorben eve 
fticht ſich an Duͤvecke's Leiche und Gbriftiern wird der furcht⸗ 
bare Wuͤthrich, wie ibn die Geſchichte kennt. Die Charaktere 
zeichnung der vorzägtichften Perſonen ift Rieckhoff recht gut ges 


x 


tungen, vor Allen Ghriſtiern, deſſen Leibenfchafttiche Liche ges 
poart mit feinem Hange zur Grauſamkeit er gluͤcklich erfaßt 
und wiedergegeben bat. Das Gleiche gilt von Sigbrit und Duͤ⸗ 


vecke. Eigenthuͤmlich, obwol nicht neu, iſt Niels gehalten. Aus 


ihm dat Kieckhoff einen Narren gemacht nad) Shakſpeare'ſchem 
Zuſchnitt des Lear ſchen. Er folgt Chriſtiern wie fein Schatten 
und Bringt mit feinen gut gedachten Spruͤchen dem Leſer immer 
die Moral Hei. Im Munde eines tuͤchtigen Schaufpielers md: 
en diefe meift recht gelungenen Sentenzen von vieler Wirkung 
ein. Was nun endlidy die Sprache anlangt, fo ift fie großen 
theild Eräftia, ſchwunghaft, ohne Pomp und unnüge Phrafen. 
Die Verſe find dramatifh, d. h. fie wollen gefprochen, nicht 
bergeleiert fein, was freilich unferm gefhmadtofen Publicum 
ebenfo wenig behagt als es hen Schaufpielern bequem if. 
Nur zumeilen, wo der Dichter ben Reim anmenbet, fällt er 
Mm Sch» und Todfeinde aller dramatifchen Poeſie, der Ly⸗ 
sit, in die Hände. So 5. B., wenn Düvede nach dem Bors 
ganıe Maria Stuart’s jauchzt: 
Seid mir gegräßt, ihr wilden Taruögänge, 
Da Hille Laube, ſchattenreich verzweigt! 
Dort bei den Menſchen wird das Der, mir enge, 
Mur bier, da athm' ich wieder frei und leicht. 
Dier, unterm Fluͤſterlaube grüner Bäume 
&is’ finnend, Blumen werfend, ih am Badı 
Und rufe Aill der Jugend goldne Traͤume, 
Dee erſten Siebe Gluͤck mir wieder mad! . 
O Maienzelt berzinniger Gefühle! 
Warum fo fhön und doch fo fluͤchtig nur? 
AH! Jetzt im Pruak und Glanz, im Weltgemwähle 
Such' ich vergebens beine Wonneſpur! 
Dia und wieder wird er gar trivial. So, wenn Ghriftiern bei 
Divee'd Tode in hoͤchſter Grtafe ausruft: 
Adgät’ger Gott, du kaunſt, du darfſt nit ſterben! 
Bei meiner Seligkeit, du darf nit, nein! 
Au wicht die Engel follen um dich werben, 
Gott felb nicht, nein, mein bleibſt du, ewig mein! 


13. Dramatifche Werke von Siegfried Schmid. Zweiter 
Ey} Leipzig, J. Fleiſcher. 188. Gr. 12. 1 Thyix. 
r 


in möflen wir ſchon verfchiebene Staffeln herunterſteigen, 

um uns einigermaßen zu orientiren. Giegfried Schmid gehört 
zu denjenigen Menſchen, beren Zahl in Deutfchland ungemein 
gzroß if, welche dafürhalten, die deutfche Literatur könne durch: 
aus nicht fortbeftehen, wenn fie nicht ihre eigenen Producte dem 
Borbandenen noch beifügen. Gchmid mag fehr viel geichrieben 
haben, was ich aus der Kirma „Dramatifche Werke’ fchließe, 
wenn er aber auch noch hundert Jahre forsichriebe, er würde 
dech auf dem singeichlagenen Wege nie den Ramen eines Dich 
tera ſich erringen! Das iſt fehr traurig, gelaat muß es aber 
werden, wenn endlich einmal das nutzloſe Büchermachen ein 
Ende nehmen fol. Ich möchte wetten, daß Schmid’ Werte 
außer feinen Freunden, wenn er deren hat, Niemand Fauft. 
Bom Lefen kann ebenfo wenig die Rebe fein. Man lief von 
Dramen nur bie bereits mit Gtüd aufgeführten oder folche, bie 
einen ſehr befannten Autornamen an ber Stirn tragen. Beides 
ift hier nicht der Fall. Dazu kommt noch, daß Schmid uners 
quictliche Stoffe wählt. In diefem Bande wird z. B. wieder einmal 
eine Hermanneſchlacht geſchlagen. Das Zrauerfpiel heißt zwar 
der Abwechſelung wegen „Varus“, die Suche ift aber doch ims 
mer diefelbe. Auffuͤhrbar ift dies entfeglih lange Stud gar 
nicht, ſchon der Scenerie wegen. Es feblte nur noch, daB ganze 
Legionen gegeneinander flritten und ſich auf ber Bühne ganz 
uud gar aufrieben. Den eigentlichen Kern bes Gtüds bilbet 
4 Berrath, an den Varus trot aller „Beiden nicht 

glaubt. In der Anorbaung mancher Scenen Tann man Spus 
ren sinigen Talents entdecken, wäre nur nicht Alles fo ſchwer⸗ 
fa, 8 ganp unpraktiſch! Wunderlich bandhabt unfer Autor 
dig Sprache: Miss erlaubt er ſich die ſeltſamſten und zweckloſe⸗ 


flen Gagverrentungen,, ja ex ſcheint fie für befonbers angemehm 
zu halten. Hier einige Proben: 
— SGewiß nid. 
Du fragteſt m’ vorhin; und ihn erkenat' iS 
An Wert, Geſtalt und Kıieibung alſobald. 
—' Bart no 
Erblichteſt du ihn (hf. Gr ging inB Zeh. 
Ich wit ihm welben — 
Hermann. 
Nicht. Hier ihn erwart IM, 
Varus. 
Wie, Hermann, ſind bie Katten, die Gberuöter, 
Die Brufterer von deinen Kriegern Yreunbe, 
Sind Feinde fie? Du felbft, bift du noch Btomss, 
Noch Freund von Barus bift bu? 


An deiner Seite muß fie'd Varus fagen, 
Was du, was er, ihr glauben folt, 


Berus. 
— Dort wäre Vala? Schrecklich! Idm 
Ich Hält’ es ſelbſt Hefobien! 


Berkünd' und ideen Aufenthalt, fo bir 
Befehlꝰ ic. 

Gine berartige Rebeweife iſt wenigftens nit Deutfch, und 
wenn fie fo wie bei dem Verf. zur Manier geworben iſt, wird 
fie geradezu unerträgiih. Das zweite Stüc dieſes Bandes if 
ein Luſtſpiel in vier Aufstigen: „Das entbedte Gomplot.* 
Wenn ich dieſen Luftipielverfuch verungtädt nenne, bin ich ned 
überbiemoßen nachſichtig. Es fehlt Wis, Ge, Humor, 
fpannende Handlung, feine Intrigue, kurz Allee, was ein Luſt⸗ 
fpiel zu Dem macht, was es fein fol. Das Complot beftett 
darin, daß ein junges Mädchen ald Spion verkleidet ihrem Ge 
lebten fotgt, der ein verftoßener Sohn bes Miniſters if. Dies 
und was damit noch zufammenbängt, geſchiebt, um Bater unb 
Sohn gu verföhnen und eine Heirath Gerbeizuführen. Da es 
ein Luſtſpiel vorſtellt, verſteht es ſich von felbft, daß mit erlang⸗ 
ter Sopulation der Vorhang fällt. 


Ya. Sänieriehen. gie — — mit Serien. In 
nf Aufzügen. Bon Friedr yncker. ipzi 
1843. Gr. 16. 1 Thlr. 10 Nor. ven Go 
Ein Drama mit Genien! Was fol man fi dabei denken! 
Schauſpiele mit Choͤren waren ehedem beliebt, weit fie an bie 
antike Tragoͤdie erinnerten; mit Genien aber hat biäher no 
Niemand ein Drama gefchrieben. Diele neue Erfindung gebört 
Hrn, Eynder ganz allein, und wenn er irgend Urſache hat, ſich 
etwas auf feine Productionen einzubilben, fo dürften es dieſe 
„Genien“ fein. ragt man nun: was find benn @enten? fo 
lautet die Antwort darauf: Genien find Chöre oder dhorartige 
Phrafen, welche von herabſchwebenden Benien zu befferm Ber⸗ 
ſtaͤndniß eines an fich unverſtaͤndlichen Stuͤcks abgefngen wer: 
den. Ich werde fogleich Gelegenheit nehmen, die Poeſie diefer 
genialen Geniengefänge etwas genauer zu beleuchten. Zuvor 
will ich ein paar Worte Über das Drama frtvft fagen. Ber 
Verf. nennt es„Kuͤnſtlerleben“. Daß Künftier in der Regel 
nit wie „Sevatter Schneider und Handſchuhmacher““ leben, iſt 
moͤnniglich befannt, daß fie aber geradezu Narren fein müͤſſen, 
tann ich nicht einfehen. Eduard, ein Componiſt, ber in uns 
ferm Drama das Künftiergenus vertritt, ift aber ein fo gründe 
cher Rare mit feiner ganz baltlofen Phantafterei, daß er uns 
nirgend rührt, wol aber immer zum Lachen reist. Gr ik an 
eine erzprofaifche Frau verbeirathet, der des Geldes Siiberfiang 
natürlich tieber ift als der der Saiten. Sie veradhtet alfo ih⸗ 
zen fchwärmerifhen Dann, der feinerfeit® wieder eine andere 
poetiſch geftimmte Frau liebt. Trotz mancherlei Intriguen , bie 
angezettelt werden, um bie Verbeiratheten auseinanderzureißen, 
bleibt doch Alles ganz ehrbar und loͤſt fich endlich mit Hülfe der 
Genien in Wohlgefallen auf. Des lebhaftern Colorits wegen 


{ 
! 


tommt noch wiederholt: ker ee | daraus 
—— ve er und & Ofimerb vor. was 


Alles die mitdthätigen Genien durch ſchoͤne Geſaͤnge wierer ins 
Gieiche bringen, Man fiebt, wir haben da ein ganz mobderu«s 
Mufterbrama vor uns, das naͤchſtens der nationalen Bühne auf 
die Beine helfen wird. 

Soll ich .nun von ber Poeſie ſprechen, die in biefem 
Stuͤcke enthalten ift, fo kann ich das nicht beffer als durch 
einige Auszüge bewirken. Überhaupt fcheinen mir Auszüge 
bei Dramen bie allerbefte und unträglichfte Kritik zu fein. 
Ich hatte mich größtentheild an die „Genien“, weil in 
ihnen der Berf. außerordentlich verſchwenderiſch mit feinen poes 
tifhen Gaben umgegangen tft. Zuvoͤrderſt bei ihrem erften Er⸗ 
feinen fpredgen die Senien von fich felbft und ihrem Wollen. 
Da heißt es denn: 

&o find wir nun alle vereint, 
Wo Sonnenlicht herniederſcheint. 
Bir richten nicht den Weg nach oben, 
Auch find wir nit herabgeſchwoben E), 
Die Erde nur iſt unſer Thor, 
Aus ihr geht unſer Weg hervor; 
Es iſt im Mittelpunkt, 
Wo reined Licht und prunkt. 


In einer fpätern Scene, ber’einige graufige Kuftritte vor⸗ 

angehen, fingen bie Genien : 
She Brüder, 

Gin Leben 
SR wieder 
Gegeben 
Zu richten. 
So laßt und 
Nach Pflichten 
Die Reinheit 
Doc Fichten ! 
D laßt und 
Nach Sichten (?) 
Den Meineid 
Bernichten! 

” Dreieinheit 
Allein 
Befrelet 
Bum Gein, 
Dem wir 
Geweihet; 
In ihr 
30 Licht nur, 
Sie bier 
IR Riätihaur 
Bum Spruch 
Erloͤfung! 
Zum Dluch 
Verweſung! 

Zuweilen werben bie Genien neben reizender Unverſtaͤndlich⸗ 
feit auch noch aͤußerſt tieffinnig. So ſagt 3. B. eine Genie: 

Der Menſch ſoll fich das Außere innern; 
Dech ſich zu aͤußern if die Art des Innern. 

Wo die Geiſter in Toͤnen und Worten ſprechen, die wir 
ordinairen Sterblichen nicht ganz faſſen und begreifen koͤnnen, 
da iſt es gerade kein Wunder, daß ein an ſich uͤberſpannter Com⸗ 
poniſt, der von den Genien gleichſam beſeſſen wird, die ge⸗ 
woͤhnliche Art ſich auszudruͤcken nach und nach ſo ziemlich ver⸗ 
liert. Eduard, unfer Repraͤſentant des Kuͤnſtlerlebens, bet dies 
fatale Ungluͤck. Er ruft einmal aus: 

D töne Klaggeſang 
Mit dumpfen Klang 
An Desdur's Grabesſchrecken! 
Dein Graufen hohl und bang 
Sol aus ber Tobtengruft fi reden 
Und allen Pomp des Schauberd weden! — 


‚auf einen andern Gegner einhaut. 


Da — daß mat. in m 
Das dab’ Kb fen geisiumt — 
sh da mın’d bob mmfiums 
Bon Kranzen voller Zier — 
Ib kann's ſchon faffen: 


Und baid darauf, nachdem er ſich aucgetobt Hat in mark 
durchſchuͤtternden Phrafen, und er den Frieden in ſich wirdes 
cinkehren fühlt, druͤkt er dieſe Umwanbtung feines Weſens in 
folgender eigenthuͤmlicher Weiſe aus : 

Nun fort mit Mir, du dumpfes Detdur 
3 höre ferner nur des Sieges Dedur! 
Die Dämpfer von ven Violinen! 
Ste follten nur dem Trauerchore dienen, 
Triumph! Triumph! Teiumphgeſang! 
IH ſere dich in dieſes Endes Rang! (7) 
Ihr Liebesfloten ſchweigt mit eurem Sehnen, 
Trompeten ſollen jest und Pauken tönen! 
Ihe hellen Pieifen ſchwingt die Melodie, 
Daß fie in ſchnellern Kreiſen durch die Laͤfte Mich’! 
Und daß ihr Geigen nicht verſchnauft, 
Das ihr die Bleiben ſchnell durchlauft! 
So recht? Jetzt aber ſchneller fort ! 
Preſto IR jest das Loſungowort! 
da — Geſchloſſen nun im langen Halt — 
D Allgemwatt ! 
Dos Ende iſt zum Anfang durchgedrungen, 
Das war bie Harmonie, die mir zuerit erfiungen ! 


Mit Vergnügen wende id) mich ab von biefem hyperpoeti⸗ 
fen Unfinn, um mo möglid noch tollerm ein paar Minuten 
meine Aufmerkfamteit zu ſchenken. 


{Die Bortfegung folgt.) 





Histoire litteraire du Maine par Barthelemy Haurdau, 


Vier Bände. 
(Beſchluß aus Nr. 382.) 


Ein in der Eiteraturs und Gulturgefchichte ıninder bekann⸗ 
tee, aber zu feiner Zeit in Frankreich fehr berühmter Dann, 
Nicolas Corffeteau, nimmt in ber Literargefchichte des Maine 
cine wichtige Stelle ein. Gr Ichte zu Anfang bes IT. Jahr⸗ 
bunberte, wo die kuͤhnen Predigten der Schüler Calvin's die 
Autorität der roͤmiſchen Kirche angriffen und die tiefe Geiſteser⸗ 
fhütterung im franzöfiihen Voiksleben vorbereiteten, die ame 
Ende des 18. Jahrhunderts als politifche und fcciale Revolution 
hervortreten follte. Sotffeteau, Hofprediger Heinrich's IV. und 
Prior des Jakobinerkloſters zu Paris, war aus Überzeugung 
Katholik und als folher in dem großen Kampfe zwifchen der 
alten Kirche und dem Proteflantiömus in Frankreich natürlich 
auf Seiten der Papftfreunde. Er gerieth namentlih mit dem 
berühmten franzoͤſiſch⸗ proteftantifchen Doctor Pierre Dumoulin 
in eine hitzige Fehde, bie, nach der Verſicherung der Katholiken, 
zu feinem Ruhme, nad) der Behauptung ber Proteftanten aber 
zu feiner Beſchaͤmung ausfiel. Nachdem Goiffeteau ſich mit eis 
nem fo flarten Gegner gemeflen, durfte er e& wol wagen, ge⸗ 
gen bie beteroboren Glaubenemeinungen eines gefrönten Theolo⸗ 
gen in die Schranken zu treten. Jakob T. aon England hatte 
fosben feinen Aufruf an alle Fürften ter Chriſtenheit erlaffen, 
wor n bie geiſtliche Oberhoheit des Papftes geradezu angetaftet 
war. Der Salobinerprior griff zur Feder und vertheibigte bie 
Eirchliche Autorität in einem Send» und Antwortsfchreiben an. 
den König von England, ber nicht für gut befand, barauf zu 
erwibern; aber fein Freund und Vertrauter, Pierre Dumoulin, 
ließ diefe Gelegenheit nicht vorbei, ohne mit Gotffetenu wiedes 
anzubinden, ber ſich auch ſogleich in Parade legt und dabei noch 
Dan erklärt Sich nicht wol 
die erfiauntiche Fruchtbarkeit der Gontroversfchriftfteller des 27. 


1408 


Jahrhunderts und begrefft nicht recht, wie fie fo viel unb fo 
vieleriei Haben ſchreiben koͤnnen. Der Berf. muthmaßt, baß 
jene dickleibigen Duartanten umd Folianten, wofür fich bie frei 
tenden Religionsparteien bamals fo lebhaft intereffirten, größten» 
theils nicht von einem ‚einzigen Autor berräbhren, fondern daß 
bie Sauptwortfährer beider Sonfeflionen minder bekannte Mit« 
arbeiter hatten, bie das rohe Material berbeifafften und ben 
Meiftern das zeitraubende Nachſchlagen erfparten. Wie es ſich 
nun auch mit diefer Hypotheſe verhalten mag, fo viel flebt feft, 
daß Sorffeteau eine bewunderungswärbige Literarifche Thaͤtigkeit 
entwidelt. Jedes Jahr erfhhienen von ibm eine oder Tan 
Gtreitfähriften, die immer wieder neue Gontroverfen veranlaffen 
und Gegenfchriften auf Gegenfchriften erzeugen. Man muß in 
der Literaturgefchichte des Maine das refpectable Verzeichniß der 
Werke Gotffiteau’s tefen, um ſich von feiner ausgebreiteten liter 
rariſchen Gefchäftigkeit einen Begriff zu machen. 

um bie Zeit, wo Gotffeteau anfing, als Parteifchriftfteller 
berühmt zu werden, im 3. 1604, traten in das eben erſt er: 
richtete Gymnaſium von Lafleche zwei neue Schüler ein, Namens 
Marie Merfenne und René Descartes. Lesterer ift in der 
Zouraine geboren und gehört daher nicht indie Literaturgefchichte 
des Maine; aber die gemeinfamen Studien beider Zöglinge, ihre 
Schulkameradſchaft, die fi ſpaͤterhin zum innigen Freundſchafts⸗ 
buͤndniß wiſſenſchaftlich firebender Männer geftatten follte, bes 
wirken fo zu fagen einen Paralleligmus, den der Eiterargefchicht: 
fchreiber des Maine fih natürlid zu Nuge gemacht hat. In 
der That verdanken wir virllciht dem P. Werfenne die eigens 
thümtiche Beiftesrichtung jenes feltenen Mannes, welcher, durch 
ihn angeregt, fih zum Stubium der Philofophie wandte und 
durch Aufftellung eines neuen Syſtems länger als ein Jahrhun⸗ 
dert den größten Einfluß auf die allgemeine Intelligenz geäußert 
bat. Die beiden Schuͤler von Lafleche hatten ſich nad Been⸗ 
digung ihres Gymnaſialcurſus getrennt und aus dem Gefichte 
verloren. Marie Merfenne war Francikcaner geworden und 
fegte im Stillen feine erſten Stubien fort; Descartes, zum Sol⸗ 
datenftande beftimmt, hatte ſich in alle möglichen Zerfireuungen 
geftürzt und einem üppigen Leben ergeben. Zrog dieſer gerade: 
zu auseinanderlaufenden Lebenswege trafen fie body wieder in 
Paris zufammen. Merfenne trug fein befcheibenes Ordenskleid; 
Detcartes verrieth in feinem dußern Auftreten den vornehmen 
Sunter. Ihre Lebensweife contraftirte noch mehr als ihre Tracht. 
Die Zeit, die Merfenne der Andacht widmete, brachte Descar: 
te8 am Spieltifh zus er fpielte leidenſchaftlich und gluͤcklich. 
Merſenne nahm fi vor, biefe lodern Sitten feines Jugend: 
freundes zu beffern; feine Vorftellungen fanden Gehoͤr und Ge: 
borfam. Descartes ließ vom Spiel ab und Iegte ſich zum Seit: 
vertreib auf die Wiffenfchaft; Merſenne's Freundſchaft, fein an: 
genehmer und Lehrreicher Umgang entfchäbigten den Neubekehr⸗ 
ten reichlich für die frivolen Gefellfchaften und geiftlofen Unter: 
baltungen geräufchvoller Zirkel. Die weifen Lehren des P. Mer⸗ 
ſenne enthüllten fomit Descartes feinen eigentlichen Beruf. „Es 
tft freitich anzunehmen”, fagt der Verf., „daß biefer ihn nicht 
verfannt und früher ober fpäter auch ohne Huͤlfe eines Dolmets 
ſchers die innere Stimme feines Genius verftanden haben würde. 
Aber fo völlige Gewißheit hat diefe Annahme nit. Groß ift 
die Zahl gluͤcktich begabter Menſchen, die ſich über bie natürli« 
Ken Anlagen ihres Geiftes täufchen und außerhalb der Bahn, 
die fie einichlagen follten, vergebene fi abmühen und rathlos 
zu Grunde gehen.” Ohne Übertreibung ſetzt der Verf. ben Ans 
theit auseinander, ber dem P. MWerfenne an ber Begründung 
der Gartefianifchen Schule gebührt. Ohne in den Fehler ber 
Eebensbefchreiber zu fallen, die Alles auf ihren Koryphaͤen ber 
ziehen und um bdenfelben rund laufen laflen, weiß er in einer 
gluͤcklichen Dartegung alle Berbienfte bes befcheidenen Kloftergeift- 
tihen hervorzuheben, der in ununterbrodyenem woiffenfchafttichen 
Berkehr mit Descartes flanb und diefem feine Forſchungen, Bes 


obachtungen, Anftchten und Entbedungen unverhohlen mittheilte- 
Pr Goufin bat in feiner neuen Gefammtausgabe der Descartes’s 
hen Schriften ben umfangreichen und anziehenden Briefwechſei 
ber beiden Philofophen befannt gemacht. Es gewährt einen ei⸗ 
genen Reiz, in foldden vertrauten Wittheilungen das innerſte 
Drängen unb Zreiben fo auserkorener, vom hödhften Wiſſens⸗ 
und @rfenntnißdurft geplagter @eifter, das fie ſelbſt bei ihren 
Lebzeiten forgfam und fchambaft zu verhüllen pflegen, nach ib- 
rem Zode aufgebedt zu ſehen. Man durchlebt mit ihnen bie 
Angft und Zweifel, die Jeden befallen, ber an bie ſchwierigen 
Probi.me des menſchlichen Bewußtſeins herantritt und in feine 
Zugleich fehreddenden und erfreuenden Ziefen hinabſteigt; man 
jubelt und frohlockt mit ihnen, wenn eine unverhoffte Loͤſung 
fi darbietet oder ein dunkel geglaubtes Geheimniß ſich plöglich 
erhellt. Der WBerf. laͤßt uns mit lebhaften Intereffe die ver: 
ſchiedenen Phafen biefes vertrauten geiftigen Umgangs zwei fo 
nahe verwandter und doch fo verfchledenartiger Männer verfol: 
gen, bie im Verborgenen den Triumph ber Garteflanifchen Re: 
volution auf dem Gebiete bed Denkens vorbereiten. Descartes 
bat den Eohn feiner mühevollen Beftrebungen geerntet; feinem 
Ruhme hat nichts gemangelts ber 9. Merfenne, nicht fo vom 
Stud begünfligt, if nur von wenigen Gelehrten gefonnt. Der 
Verf. der Eitsraturgefchichte des Maine ftiftet daher ein gutes 
Werk, indem er Merfenne den Antheil zuftelle, der ihm an 
bem Ruhme feines Mitſchuͤlers von Rechtswegen zuſteht. Ge 
ift immer ſchon etwas, Descartes’ Freund geweſen zu fein, doch 
mehr noch will es heißen, ihm in vielen Källen als Rathgeber 
und in manchen als Wegweiſer gedient zu haben. 

Hätte Hr. Haurdau nur Schriftſteller von ſolcher Beben: 
tung wie der 9. Merfenne abzuhandeln, fo wäre feine Aufs 
gabe nicht fo [wer und die Mühe des Nachgrabens über bie 
Ergiebigkeit des Bundes leicht vergeffen. Allein der Verf., der 
ed befonders darauf anzulegen fcheint, daß man feiner Arbeit 
ebenfo große Vollſtaͤndigkeit als Gewiſſenhaftigkeit nachruͤhmen 
ſoll, laͤßt keinen Namen weg, der nur mit einigem Fug und 
Recht in feine Sammlurg hineingehoͤrt. Das Verdienfilichfte 
an dieſer echten Todtengraͤberarbeit tft, daß die obſcurſten Ras 
men mit der größten Mühe und Sorgfalt ausgegraben worden, 
was gerade die meiſte Arbeit erfoderte; denn für berühmte Na: 
men fehlt es nicht an Nachrichten und Documenten; aber wie 
manche vergeffene Geltbrität muß aus dem Staube der Manu⸗ 
feripte hervorgewühlt und vom Schutt ber Vergeſſenheit gerei- 
nigt werben! Bei ben Elcinen, kurzen biographiſchen Notizen, 
die oft nur in wenigen Zeilen bie geringen Anfprücde eines obs 
feuren Autors auf Erwähnung anführen, ahnt der Lefer ſchwer⸗ 
lich, welche Mühe und Zeit es Eoftet, um biefe undankbaren 
Bruchſtuͤcke aus den Quellen zufammenzutragen. In unferm 
Beitalter, das zum leichtfertigen Buͤchermachen und zum bafli- 
gen Erſtuͤrmen einer vermeinten ſchriftſtelleriſchen Gelebrität fo 
vielfache Veranlaſſung gibt, ift ein Buch wie das vorliegende 
in Brankreid eine feltene Erſcheinung. Ein frivoler Geift bat 
fi der Autoren und des Publicums bemädtigt, und die guten 
Lehren und Überlieferungen geben unter in. einer Menge über: 
eiiter Probucte, die in moralifder Beziehung unverfchämt und 
in Lterarifcher unbebeutend find. Xür bie leicht probucirenden 
Köpfe, die Feine andere Eiteratur anerkennen als die Feuille 
tonss und Romanliteratur und gar feine Ahnung davon haben, 
weiche Worbereitungen, Erfahrungen und Kraftanftrengungen 
erfobert werden, um ein über das montentane Tagsinterefle bin 
ausdauernde Werk aufzuftellen, — für ſolche Köpfe ift diefe 
Eiteraturgefchichte des Maine zu fubflantiel und pebantifdh; für 
ernfte Eefer und Forſcher iſt fie jedenfalls ein ſchaͤgenswerther 
Beitrag zur bibliographiſchen Literatur, und für die Provinz 
endlich, deren literarhiſtoriſche Geinnerungen darin niedergelegt 
find, ein dauerndes Andenken, das volle Anerkennung verdient. 


Verantwortiiher Heraußgeber: Heinrich Brodhaud. — Drud und Berlag von F. 4. Brockhaus in Leipzig. 











8 BIarE er 


ar 


für 








Sonnabend, 





Die Drama Literatur Der Deutſchen im 


Nahe 1882. 
Zweiter und legter Artikel. 
(Bortfegung aus Nr. 863.) 

15. Die Schiacht bei Eſſegg. Hiſtoriſches Schauſpiel in vier 
Aufzgen Kari Stegmayer. Wien, Stoͤckholzer von 
Hirkhfeid. 1843. Gr. 12, 18%, Nor. 

u des GStuͤcks iſt: Der Feldherr Ferdinand's, 
„Johann Kagianer verliert burch Feigheit die 

vi & egg, "wird deshalb vor ein Kriegögericht geflellt und ver⸗ 

urtheilt. Sein eigener Sohn Michael rettet ihn aus dem Ker⸗ 

Ber, obwol es ber Water nicht um ihn verdient hat. Katzkaner 

ſucht fi hierauf zu rächen, confpitirt und unterhandelt mit 

den Tinten, bemüht fi ben Wan don Beiny, mit 

7 —** wu —* um ben Konig in een Dinterhaft zu 

Idden mıd unmubringen oder gefangen zu mehmm, Zriny er 

ſcheinbar darauf ein, ermorbet aber nebſt feinen Getreuen ben 

ale er auf fein Schoß Szigeth kommt: Einiges 

Geſchick Hätte diefem nid undankbaren Stoffe etwas Abgewier⸗ 

men und ihn weriaflens brauchbar Tür bie Buͤhne machen kön⸗ 

men. Br. Otegmayer ift aber koin wunberthätigee Magus; feine 

Funk greift die Stoffe fo unſanft an, wie es fich seit Tine © cos 

den, bomb Eprache verträgt. Das Hafdyen na 

ungewoͤhmichen, das mih ſame Heraufpumpen unerhärter he 
de vermitthlch nen und ſhoͤn F ſollen, verdirbt ihm auch Die 
alevreinſachſten und ſten Gebanken nd macht aus dem 
be ar Gelimathias, der Tamm: zu verliehen und nur 

be gu Infen M. Green wie folsende bilden in engfler 


Eiue birgt dad Krekobli, 

Die :Beit, im MBäßenbopen dieſer Gebe, 

Die, wenn fie nit des Menſchen Fuß yartudst, 
Der Fakanft Glut zu Ungethümen veift. 


Bei Dem, was ih ewib num zu fügen habe, 
Go’ ich des Selmes "Bitter ſchlleßen, daß 
Dre Vater meiner Braut nie ſich eadfinne, 
Mbie feined Eidams Auttig ausgeſehen 
Ya Wuderſchen ſchmachvoller Lade, bis 
Sein Vater angefhärt, darauf als Denker. 
Den Lignen Wappenſchild zu Staub zu brennen. 


Und glei darauf: 
Doc darf ich alcht ded Helmes Gitter fükießen, 


Dep pe bed Taitligeb BriAadet erfapent, 
Mo ie num Zugentträume Aegen, 
BIS ja Unkeuntiiileit ontelite Beldıen, 
Eikhtegen: tt, zecruchett vom GBefhiedr. 
lies wo us yelpt eb: 
ern ware Ghlige euren Worten gleithen, 
Die fa dem Zremmelfilie Weuten ſchlagein, 


Se soeben auf her Wabeſtaſt, wa ihr ſtanbet, 
Die Geier Dante woh mid lectres a al 
Mahr Shrkesbrti als Taͤrkenbaoches finden, 


er bes ck eines M ** 
von- or ie ne — Er Sirorle die . 


Wehen der Erde mitgetheilt wird. 


— — Sürwahr, a6 vie Erde mehr? 
Ein Saufe aus zufammgeballter Lache (?) 
Sebilbet von ber Elemente vier. 

Aus Seufjern, Thränen, Blut, Berweſungéſtaud; 
Ein Baufe, der ſtracks auseinanderfiele 

Würd’ Gold und Eiſen nicht's Berippe bilben, 
Daß Gold den Saͤckel füllend des Betrugb. 

Das Gifen, womit wilde Kraft ſich waffnek, 
Wobdurch die Weiden Herrſcher Find der Menſchheit. 
Altein fie fafein viel vom BZauder Geiſt — 

Und laͤuulen mehr noch von der Bee Semärty!? 
Im! Menfdengeit n’ unfihtbare Fiber 

Die bon ded Mannes Jauſtſchlag ſchwer getroffen, 
Bon einer Weiberthtaͤne allzu fehr 

Erweicht, den Menſchen macht zum Warren, 

Der laͤcherlich, wenn er nicht raſſt in Ketten. 
Do dad Gemüth! — Da! Eine Thraͤnendruſe, 
Die fie ergießt, wenn Eitelkeit fie kitzelt 

und bie meift fehlt, wo jene Biber I! — — 


re. — deutſcher Buͤhnenſpiele. Herausgegeben von 9. IM: 
Subd ig. Srehund warrglefter eh fir 1848. en; 
Bereits MBuchhaibtung. @. . WB NIr 
Unter den dramatifihen Amanachen, brren Zahl von Sde 
zu Sabe immer mehr zufammenfchmilzt, hat fi) das von nun 
bie herausgegebene Jahrbuch ſtets vortheithaft. N — 
Es fcheint aber wirktih, als fei die bramatifihe völlig 
banfrott oder doch dem Bankrott nahe, denn heuer Ye bies 
ſes Jabrbuch bürftiger denn je ausgeſtattet. Es entholt zwar 
ſecht verſchiedene en don Deinrih —— Kaupach, 
W. Alexis, von —* ed und &. S raber, allein 
auch nicht eine ae" ift mebr als —ã u nennen, 
„Zuan Maiquez” von Smidt, in ſpaniſche Kerſe gekleidet, 
behanbelt die Eiebe eines Schauſpielers zu einer juhgen Oerzo⸗ 
gin, deren Mutter zu flotz fl, um ihr Kind einem Gaukler 
freiwillig verheirathen zu wollen. ac ma nipertet Eimfllichen 
Machinationen tritt Maiquez zuletzt ſelb jur, &, da ex erkennt, 
daß auf dem Boden eines herzoglichen Pataftes ein Künftter nicht 
Gedeihen und dauerndes Sluͤck fiiden koͤnne. Raupach 
ein —3— ohne Titel“, das mit jener Routine gearbeitet I iſt, 
roducten Haupah's das Xnfehen poetiſcher 
bilde Frei Ä genaueser 3 —— —F man u a 
Alles nur keihte BWaare und Stanz unecht * Fir⸗ 
nis iſt. Es meer sähe F ae an. En höheres ale 
WB. rerts gefteckt in dem ehaus breit a 
„Der —— De Es AR laut des rc 





1.2 


— — die he abte * 8 6 ie er 
‚ gen von Dem, wa ⸗ 
mals Gtrebenden aus dem ter wolten. Es war 
eben die überromantifche Periode, bie in Duft und Kiang allein 
dae rein Poetifche erblickte, die Allegoxis, die Made höher ach⸗ 
tete «als Wahrheit und Perſonlichtit, unb daher nicht Gha- 
y , Pndern Tbealftifche Geſtalten ohne echtes Fleiſch und 
u ſchuf. Diefen 
„Prinz von Piſa“. Der Eindruck, welchen das Gtüd auf ben 
Leſer macht, ift kein angenehmer. Daß Zerfahrene, Unklare, 
dos Pin» und Wiederfchwantende in ber Dichtung, das aus dem 
ſteten Wandel und Wechſel der Perfonen, aus dem Vertauſchen 
derfelben entfteht, quält den Lefer und wirst Alles dermaßen 
durtheinander, daß man Mühe bat, ſich in biefer kunſtuch 
und abfichtiich hervorgebrachten Verwirrung zurecht zu finden. 
Aus demfelben Grunde möchte eine Inhaltsangabe nicht raͤthlich, 
ja kaum thunlich fein, weshalb diefe wenigen Worte genuͤgen ee 
„Frage und Antwort" von A. 9. iſt als dramatifcher Scherz 
t artig. Munter, launig, ſchalkhaft, eine gewöhnliche Hei⸗ 
rathsgeſchichte in luſtiger Ginkteidung. Den bedeutendſten poe⸗ 
tiſchen Werth unter allen in dieſer Sammlung enthaltenen 
Dramen bat unftreitig „Heinrich IV. und feine Söhne‘ von 
Fr. Paolo. Das Leben des vierten Heinrich, des deutſchen 
Kaifers, ift ein fo tief tragiſches, daß auch ſchwache Kräfte von 
der Großartigfeit des Stoff3 bingeriffen nicht ganz Verwerfli⸗ 
es zu Zage fördern. Tuͤchtige Talente haben fi an diefem 
Fieſenſtoffe verfucht, ohne ihn bewältigen zu können, und eben 
das Niefige daran iſt die Klippe, an ber Jeder ſcheitern muß. 
In Heinrich's IV. Leben kommt mehr zufammen, als fih in 
die engen Grenzen eines Drama faflen läßt. Gin einzelnes 
Moment, eine Scene aus feiner Geſchichte reicht nicht hin, ein 
volles Bild von ihm zu entwerfen. Daher werden alle bramas 
tifchen Werfuche, die diefe Hiftorifche Größe ſich zum Helden er 
wählen, entweder zu wenig oder zu viel geben. In beiden Als 
len ift ein gutes und wirffames Drama nicht denkbar. Paolo 
weiß ſich noch ziemlich zu befchränten. Dennoch erdrädt ihn 
der Stoff. Er ringt Eräftig mit ihm und gibt Dankenswerthes; 
nur ein gerundetes, fertige Drama ift fein Product nit. Die 
Geſchichte ift fo bekannt, daß wir fie umgehen fönnen. Den Mittels 
puntt bildet der Berrath feines Sohnes, den Schluß bes Kalfers Tod. 
Biele Sharaktere, wie Kaifer Heinrich, feine Söhne Heinrid und 
Konrad, Biſchof Otbert, Adelheid u. A. find recht gut geſchüdert, 
die Sprache ift wohllautend, voll Schwung und Kraft und Yeugt 
von einem Talente, das der Aufmunterung werth if. Unter 
don wenigen Dramen, die ein lobenbes Wort verdienen, ift dies 
eins der beften. Vorzuͤglich gelungen ift ber Schluß des vier: 
ten Acts, wo ber meineidige König Heinrich von feinem greifen 
Baker die Reichskleinodien fodert und Heinrich's Ritter fie dem 
Kaifer mit Gewalt entreißen wollen. Dem verrätheriihen Sohne 
zuft der gekraͤnkte Kaifer zu: 
Derab vom Throne! 

Du machſt zu einer Kanzel Ihn, auf der 

Dein Aberwig die Meffe Hält! Willſt bu 

Mir predigen und bift der Predigt ſelbſt 

Nur zu bedärftig? Sin armfel'ger König, 

Der um ein Kleinod betteln muß! Denn wenn 

Du deine Worte au mit Stolz und Hochmuth 

Geſchmuͤckt, 's war doch nur Wettelei! Und ſtehſt 

Du au dort unterm Baldachin und Id 

Hier vor den Stufen, bin ich doch der Kalfer, 

Und bu bif mein Vafall! Denn mir gebührt 

Der Thron! — du gleißnerifer Knabe, glaub bu, 

Die Tugend lieg’ im eitlen Klang bed Worts? 

So wenig ald im Dom bie Heiligkeit, 

Traͤgt fie der Sinn des Menſchen nit hinein! 

Die eigene Seftanung ſchafft das Gluͤck, 

Und bein Gewiſſen iR mein beſter Raͤcher! 


Acs kurz darauf derſelbe verraͤtheriſche Heinrich dem 
ſeiae Wasırh Moeif wit ber Reſchtacht droht, richtet —X 


arakter trägt denn auch burdigängig ber | 


Wertneibigert Spirit du mit meinen Gütern 3 
Du weißt wit, web vie Acht bedeutet, Knabe, 
un fp fie and? — D Stande Aber vi! 
Im {bw Nite Wafltchten eo 
Ein edles Wild; doch es uber bie * 

Die du im Hochmuth ungeſchickt gezogen! 

De bit viel ſchlechter als bein Bruter! — Gef! 
‚Du bi für meinen Fluch zu ſchlocht! BWeratung 

Kur laſſ ih dir zurüd, und in dem Buſen 

Die freffenden Skorpione des Verbrechens, 

Die die am innern Frieden gierig nagen. 

Du wirſt verzweifelt einſt zum Grab des Baters, 

Das vu ihm grubſt, die matten Schritte lenken 

Und dich im Jammer winden dort! — Noch aber, 

Noch leb' ich, und des Kaiſers Untergang 

Gel bis zu feinem legten Augenblie 

Den ibm fo fhndd’ geuaubten Thron erfchätterz, 
Und wird mein Tod dir freie Herrſchaft geben, 
Soll doch im Innerflen dein Derz erbeben ! 


Zum Schuß bringt das Jahrbuch ein Luſtſpiel in einem 
Act von SI. Schrader „Der Hohlweg“. Die Pointe beffel 
ben liegt darin, daß ein Hohlweg, in welchem ber Reifewagen 
einer fchönen und berühmten Schaufpfelerin Schaden erteibet, 
Urfache wird, daß der grämliche, abelöflolze Water eines jungen 
Grafen, den die Schaufpielerin liebt, der Künftierin feibft feine 
Dand anbietet. 


17. Theater von Franz &. Werner. Fünf Bändchen. Leip⸗ 
zig, Kummer. 1842. 16. 7, ar vie 
Der Dichtername Frauz Werner's it mir bisher noch unbe⸗ 
kannt geblieben. Der Rame feibft aber, der mich an Zacharias Wien 
ner erinnerte, imponirte mir body fo fehr, daß ich Die Lecture bes 
neuen Theaters begann. Ich fage begann, denn über den Anfang, 
d. h. über das erfte Bändchen hinaus bin ich nicht gekommen. 
Es ſchien mir, als fei der Geſchmack Franz X. Werner’s ein 
totat anderer als der meinige, und da man fich befannttidg fei- 
nen eigenen Geſchmack als eine Mitgift der Natur micht gern 
verberben läßt, auch nach altem Spruͤchwort über den Geſchmack 
ſchlecht fixeiten iſt, fe halte ich es für bas Beſte, wenn ich beſag⸗ 
ten Branz A. Werner nebft feinen vefpectiven fünf Baͤndchen 
nicht weiter incommobire. Wir profiticen dabei gegenfeitig, ich 
Zeit und der Verf. des Theaters eiwanigen Ärger, ber allır 
Wahrfcheintichkeit nach nicht ausbleiben würde, da es mıiz nal 
Lecture bes erſten Baͤndchens accurat zu Muthe it, als follte 
ich dieſe dramatifchen Probucte unter aller Kritik ſchlecht nennen, 
Das thut man begreiflidherweile nicht gern und derum will ich 
ſchweigen. Die vorliegenden fünf Baͤndchen enthalten: „Wünf 
Brautwerber um cine Braut’, Luftipiels „Das Bröuner Rad“, 
Voltsmaͤrchen in drei Acten, nebft einem SBorfpiele unter bem 
Zitel: „Die Unterfchrift”, Drama in einem Act; „Die Bogel⸗ 
ſcheuche“, Luflfptel in einem Act; unb „Liebe und Treue“, 
Drama in einem Act; „Die Seeräuberbraut”, bramatiflges Ger 
dicht in zwei Acten, und endlich „Der raum“, Scherzſpiel tn 
zwei Acten. Die beiden legten Bändchen tragen überbfes noqh 
die Bemerkung an der Stim, daß fie Eigenthum bed Berf. find. 


18. Iphigenia in Delphi, in drei Acten, mit einem Borfpiele: 
Iphigenia's Heimfahrt, und einem Radıfpiele: Iphigenia’s 
Tod. Won Kart Enbwig Kannegieher. keipzig, Weods 

gr. 


haus. 1843. Gr. 12. 1 
Bei diefem Drama f warn wieber Atem. Es if 
vol 


: un Deuts 





| itet | bes | enia. am | - 
e8 vun Yiee to mie dere Ehmeher Bike yufam | 


Schweſter Elektra zufams 


men, ohne daß Beide einander erkennen. Elektra hat das Weit |. 
Krytenmeſtra ben Gatten ermordet, bass |. 


in der Dand, womit 
foäter Oreſt gegen die Mutter ſchwang. te will es im Tem⸗ 
pel zu Deiphl n ‚ 
mehr flifte, denn es ift, fagt Elektra zum Prieſter Medon, der 
die Jungfrau nach ihrem Namen fragt und nach dem Geräth, 
das fie führt: 
Ein wanderſames Wertzeng, ſchau' es an, 

Nicht blos durch feinen Stoff und Außre Form, 

Bon den CEyklopen ſetber ſcheiat's gemacht, — 

Mehr durch den Geiſt no, der im Stahle wohnt. 

Denn, wer eb lang’ anfdaut, der TÜhit ein rauen, 

Betybrung faßt und wilde Bier ihn an, 

Unb wie von felber beut ed fi zur Unthat. 


Elektra will ben von Zauris ruͤckkehrenden Bruber in Deipht 
erwarten, erhält aber von Medon bie irrige Nachricht, daß fos 
wol ee wie fein Freund Pylades von der Priefterin Diana's 
getödtet worben feien. Entſetzt ruft fie aus: 
" — da, mid faſſet Wahnfinn, 

Wohin fol ich mich bergen? Wie mich ſchuͤtzen7 

Da iſt bad Beil! Gib mir bie Waffe her! 

Mein Beil, mein Beil! Mit ihm will ih mich ſchuͤtzen. 


Vom innern Schmerz uͤberwaͤltigt ſinkt fie zu Boden, während 
Prieſterinnen herbeikommen und fi} ihrer annehmen. Als Elek⸗ 
tra wieber zu ſich kommt, tritt Iphigenia im Prieftergewande 
ein. Gie flieht Iphigenia an, fie zu tödten, was biefe vermeis 
gert. Doc nimmt fie das Beil in Empfang. Im britten Act 
erblidt Elektra Iphigenia ſchlummernd, das Beil in der Band. 
Sie beſchließt fie zu tödten, da fich die Überzeugung in ihr feſt⸗ 
fegt, daß fie die Mörberin ihres Bruders ſei. Sie vaubt ber 
Schlafenden das Beil, indem fie ausruft: 
Und nun ſchwebt über ihr der graufe Morb. 

Sie ruht fo ſuͤß! Sie Hat ein holdes Antlie. 

Sie ſprach fo fanft! Die Stimm’ erquidte mid. 

Wohl mir, daß fie die Augen jett geſchloſſen! 

Sie ſchlaͤft. Sol ih im Schlafe fie ermorden? 

Das that ſelbſt Klytemneſtra nit und nicht _ 

Aegiſth, als fie dın Water überfielen. 


Sie erwedt bie Schlummernde und aus bem längern nun fols 
genten Dialoge erfahren Beide, baf fie Schweftern find. Elek⸗ 
tra gibt das Weil an Medon und zuft: 
Nun it wir wohl erſt! — Gelb gegräßt, Drefied 

Und Pplabes? D Iybigenia! 
i Gin füßer Sriede kommt auf mich Herab, 

Wie ich ihn nimmer, akumer noch geſchmeckt. 
Am Nachfpiele wird die Trage verhandelt, ob Ipbigenia heiras 
then foll ober nicht. Pylades liebt fie, fie geſteht ihm ihre Ach⸗ 
tung und Zuneigung, weigert ſich aber entfcdhieden, ihm bie Hand 
zum ehelichen Bunde zu reichen. 

Ich tenne nicht die Liebe bed Geflecht. 

Mir folfher Doffaung würben wir uns täufchen, 

Und mein Befig dich, traun, nit giädli wachen. 
—— dennt Arkas und melbet Theas' Tod. Das ven 

fie Veit begehrt aus Griechentand einen Keaig und bat 

fein Augenmerk auf Dreſt und Pylabdes gerichtet. Iphigenia 
die —— ———— —— 
nehmen ſell. Syhigenia = 
ver Goͤttin aber. wil fie fih 1 


Arkas als König. Bon 
Nath ertolen. —X 
zum Abſchied gruͤßend ruft ſie: b 


—Xä “os de u... “ na“ 


damit es ferner$in keinen Schaden Diana mit ibren Ry mph en erſcheint, beſtaͤtigt Iphigenias Uns 





Vollrabe iſt ee aber doch iumer 
—— — —2— — 


arerge ie ORT dars Neia; nr 
* ip von der Belt auf ee. . .: 

-aruen eu ein Lebewohl, 

uten alle, Bruden Schweſter, Yerunbe, 

6: und Gprodgeneffen, du mein Laub, 

meiner Wäter, Baume, Euft uud bene, 

bu and, Arkas, Taurier und. Kayıid! 

öl war ib nie, Briäut find meine Waͤnſche. 

a einz'ger aur iſt uͤbrig und ig frag’ ihn F 

Gbttin vor im Tempel meiner Göttin. .. 

bt wohl! Lebt wohl! Uad ſei gegräßt, Diana! 

Rach kurzer Paufe Öffnen ſich die Thuͤren des Tempelg, 


3323 
THE 
8 


3595 


2 


ſpruch, der Arkas zum Könige von Taurien ernennt, und wer» 
bindet Elektra mit Pylabes. Iphigenia erblickt man tobt im. 
Tempel. Die Göttin hat den Wunſch ber Priefterin erhoͤrt. 
Rach Art antik gehaltener Dramen iſt nach unfern jesigen Me: 
griffen wenig Handlung in dieſem Schauſpiel, was die Moder⸗ 
nen ſehr tadelnswerth finden werben. Vom Gtandpunfte bes 
Autors angefeben, möchte bei dem gewählten Stoffe gerade Vies 
fer Mangel an geräufchs und effectvoller Handlung ein Vorzug 
fein. Die Sprache iſt burchgängig edel gewählt und wohllaus 
tend. Nur ein einziges ebenfo unpaffendes als zu niodernes 
Bild iſt mir flörend gewefen. Elektra fagt nämlich einmal: 

‘ Beub' Donner ſchweigt, doch nicht bie wilde Glut, 

Die in des Buſens Feuereſſen kocht, 

Um in ber Worte Lava auszuſtroͤmen, 

Wenn fie mich nicht in Afıhe wandeln fol. 


Dergleichen Geſchmackloſigkeiten follte ein fo claffifch gebildeter 


Mann wie ber Verf. diefed Dramas doch zu vermeiden fuchen. 
19. Dramatifche Gonturen von Auguft Schillin 
Mebau. 1842. 8. 20 Nor. ö ’ Per 
Bünf Eleine Stuͤcklein, von benen einige in Wien aufges 
führt worden. find. Gin paar find in Alerandrinern, eins in 
Samben, eins im Muͤllner'ſchen Schuld: Zone und eins in Profa 
geſchrieben. Recht huͤbſch iſt „Die Gifenbapn‘. Cine gute 
Soubrette mag mit Sluͤck darin auftreten koͤnnen. Aud „Der 
Dann allein’’ lieſt ſich ganz behaglich. „Eöbeneg”, „Die RKacht 
im Börftechaufe” und „Sean Jaques Rouffeau’s lehte Augen 
blicke wollten uns weniger gefallen. 


Es Liegen mir noch vier Driginalluftfpiele von deutſchen 
Verfaſſern vor. Seit langer Zeit habe ich aufs Luftfpiel meine 
Hoffnung gefegt für Wiederbelebung des deutfchen Theaters. 
Nachdem ich aber diefe Normalſtuͤcke gelefen, iſt mir banger 
geworden denn je. Flüchtet fi ins Drama der Bombaſt 
und die bausbadige Phrafe oder die hypergenialſte Sentimen⸗ 
talitaͤt, fo geht in diefen Luflfpielen die Bornirtheit und 
Geſchmacloſigkeit betteln. So hart dies Elingen mag, fo 
wahr iſt es, wenn man Machwerke fieht wie j 
30. Der ſchwarzt Kater, ober: 3wei Schneiber auf Reifen 

Pofle in einen Act von Ludwig Wollrabe. Beipgig, 
an Bra * DO Deiginartuftfpiet in vier Autza⸗ 

. ⸗ o ven. ie er 

om von Demfeiben. Ebendaſelbſt. 1842. 8. 20 Wer. 

Hr. Wollrabe hat als Mitglied des Leipziger Theaters, was 
er zur Zeit nicht mehr ift, wenig gelernt, wenn er ſolche Stuͤcks 
fhreiden und glauben kann, daß fie fi das Publlcum anſchen 
wird. Unfer Publicum ift herzlich ſchlecht, was den Geſchmach 
anlangt, aber fo ganz jaͤmmerlich i doch nid) 
mit fo faber Koſt abfpeifen. ließe. Ich weiß nit, was 
ya verwundern if, bie Keckheit bed Autecd, bie es wagt, 
werke biefer Art der ffentlichkeit zu übergeben, ober feine. 
orfältigleit, die bie. eigene Armſeligkeit nicht ahnt. 
vabe ik ats Schauſpieler kein großer Wann, gegen 




















3 
I 
{ 
| 
{ 
Be 
f 


M 
H 
! 
Hi 
Hi 
f 


6 X2 “* t | fengeit, die Eitelkeit, Die Bender Jos 
enden, reonbe #6 —A —— —— 

Allet n in dicfen Marken und Eumpen | fdimpfte uf — wah Bas — 

hat ſich aber ein Biron von Maadhtäfiden vergifft, ein Kruuts | ten weilte; aber Beute, bie Amerike Tuupen, bebeuptene 

junter ohne Bildung, dam Mtnen uhle ein Affe KURS mochmacht: || die relepe habe bie web — Rück un= 

und ihn al® uuehbrvttefihhen Werkitd betealet. wma Dit Dupl: || glauttich- „„Mnaufheitfam fderitet Die Maahupaih” Wirides 

Wis vice Weis ib He indiige Enkedkeun, depn da, win Fiencfen oem ber Sünolope? ve wänlihen : 

vorge fi Bus tue, dem es euſt um allen n The bye in Amerign’ (3 Be, Smıben Bier 

Iuteigen mängeit. | # Phliigune br Kernen, aim mal tip, anles: Maier. 

: Euitıpla- Beet nach Goerpers | In Ihrem frpern Werte befcheäntte ih die Berf. fo zimmäidh 

ht Ole Yeberjeidintingen. Sep | Suf das Anfztiehten. Je mem neue 

ö Ror. I ften fäpneiden Die Hedeln tiefer, Bringen ins innesfte Gentfcy ftte 

at ifk dieſer deamattfürte Gchey iicher erbniß. in Dem fühlidhen, Mkiauen Staaten. 


| 
| 


iramatifche Hufe Yeevorgebraiht |; 
—— u | 
3 „Bauft’ iſt a Ing! fai 
fi ft Sr, Ändep if eh | —— 

a en ns und Sopf von Eoaden nach Ameite auf ben 


1a iangwent ein fochig, da bie |; 


FE; 
85 
si 
7 
h 
£F 
f 


5 
\ 
i 
4 
f 
f 
2 
f 
43 





h Bai incommodirt zu werden. Die Gel landet in Ras 
— — 
ir aufkomint. Sqhuldenmachen, die Mani bäns h or ben Zůgel einge: 
gi man, ofen Pump anteen, Tahnlaitd) Tann | ToStene Befiähte M unbarutem. 14, 
dell an det Kor berumführen und ben größten Lumpen Pr 
Wald auß_beffen ‚Händen befreien, Daß ift der Lurhpige In: Miscellen 
fee Rärtenspoffe. Die Zehbenz ber edrin Lumpia iſt Gonderbarer Eebeusiau 
am concinneflen in dem Eieblein auegedruͤckt: „„Kadphr von Gtieler, geboren 1832 fubixte mb 
Umb fo Iumpet fort der Eumbs trieb anfangd die Arzneikunft, zulegt zu , von we er ih 
aber wegen einer Sdldgerei had) Königsberg begab. Bier war 


Lebt uirb undt uud Mrbt Auf Pump! 
Drum frei er wegen Mangels an Unterhalt gendthigt, bei einem pAniſchea 
Dberjägermeifter eine Stelle anzunehmen, mit der die Dbliegene 
heit verbunden war, alle Sonntage zu prebigen. Deshaib 
*8 [2 ‚ur Abe ie u ward Prediger, bald nadper 
at oldat, nachbem ex die eines Kriegeſecretatius und 
Aubitors bei dem Dberften don Er 


Lwwverri 
Gets geitiefen feu 
Dre tgebenen vier Federzeichnungen find etwas ıhläras” 
VOR, pälkti Aber gerade deetwegen vedt get zu winer fo vor⸗ 

trefflich eingerichteten —e 
(Dir Beſchluß folgt.) 
j Miftre$ Trollope. 

- Vlfizch Trollope/ deren auch d. Bl. ſchon einige Mate Ex 
gethan toorden, {ft jedenfalls eine literariſche Merk 
;, Denn uren ıdil, ein chriftftehtrines Pacadoren. 
Um Anmut keſer verfichern neunuad neuczis Der Trou⸗ 


rer 
et ii +, und vor dert Me 
ge: Ei he Fe won, Kolmen, —e 
in 





aber verließ er den Doldatenſtand umd ging auf die 

Holland umd Frankrelch onen er acht a auf Dr “in . 
fangenfdaft gericth. Nady erlangter Zeeideit Ban er nad 
Deutſchland zurkt und wurde Höfmeifter bei’ dem Grafen von 


| 


ef, woraaf Br gräfiich Wwarroeth » hohen, 

merftcreteie and hernach hegegiik fähfiäer Kaitnker «Beten 
und Verichteſeeretair in Eifmatjitodtd.: Didfe Secue tete er fees 
willig nieder and ward Gepeiftleitet, die ig ber Decay von ol⸗ 
ſtein zu feinem Hofrath ernannte, IteBeit feines debras brachte 
er in Erfurt zu, wo er dem -Behefache fich wihniete und 6i8 zu feis 
nem 1707 erfolgten ode College über ber —eithäen WEIL Las. 


Eine tbeotogifhe Dieputation. 


das Neuefte don der Trolope’ nicht geiefen zu haben. 

es nidt 608 in England, fo A es auch in Beutfchland, 
wertigfkerie in bibenfen namhaften Gtähten. Woher biefer Lad 
de ſaruch? uczweg daher; daß die Teollope mehr die Torue 
ihrer Darftellungen als die Vorurtheite hrer Left berieffichtigt. 
Rp Ohs Heiße? Niemand with ihr eine ungeroöhnlich Schnelle 
Auffa ffüng bes Lädjertichen —2 ein ungewohniich fhecfes Auge 


Bei einer zu %ı des vorii f 
Fir die und Edwachpeiten des Gingelnen wie einer gans | gehattenen en een an “ Boten 
un Mintie abfpordhen.  Mäte legt fie das mun zu Tage? In | Kämpfer feinen Begner beftändig durch Betufüttg Au] AAne Menge 
ae aa ee Be a ne von m u er Di, tie dr aber abe em Zus 
n durqh fe Berfoi; 8 darch fammenhange, J Rück 
GR Watzhaft granbiefe Vera: onveitiottellen, auf ihr Zufamthehpaffen anführte. - Da an ei “ 


umgeachtst bierton- nid abi fo . : 
eher 


Auf bie 6 wie DUB 3 füheter ber Mubine bie 
mut, ©, sr nReins ‚ging‘ hin und. A”; ba 
Wild Yen Die. Cinde au:206. 10; FT 4, Borgehe wien him 











Bıarter 


für 


fiterarifde Unterhaltung. 





Sonntag, 





Die dramalifche Literatur der Deutichen im 
Jahr 1842. 


Zweiter und legter Artikel. 
(Beſchiu aus Nr. 34.) 

Gering iſt in dieſem Jahr bie Zahl Äberfegter Dra⸗ 
men im Vergleich mit fruͤhern, obwol die Überſetzungs⸗ 
luſt dee Deutſchen ſogar bis nad) Schweden gewandert 
iſt. Und was faſt ein Troſt für uns fein kaun, ber 
Werth auch bes beffern Productionen übertrifft die deut⸗ 
ſchen Driginaldramen diesmal nicht. Hoͤchſtens muß den 
Franzoſen größeres Buͤhnengeſchick und mehr Virtuofität 
der Gonverfation zugeflanden werden. Was Gedanken, 
mas poetifhe Anfchauung, was Charaktergsichnung an⸗ 


langt, find fie uns Deurfchen um kein Haar breit wor 
Dies gilt wenigſtens von den Leiſtungen, die vors |' 


aus. 
liegen. Ein Drama mit vielverfprechendem Xitel, ber 


mich amzog, greife ich zuerſt heraus. Es heißt: 


24. Rita, ober bie geheimnißvolle Maske. Drama in vier Ab: 
theilungen. nad dem Franzoͤſiſchen des Desnoyer, 
Boult und EhHabot von Bouin von Adolf Steppes. 
Darmftadt, Pabſt. 1842. Gr. 12. 13%, Rar. 

Der fleißige Bearbeiter, Hr. Steppes, ift nicht verantwort⸗ 
lich zu machen für den Stoff eines Gtüds, wol aber für die 
Auswahl, die ex trifft, und wenn ich gendthigt bin, dieſe zu 
tadein, fo bedaure ich dies um fo mehr, als eine frühere Gabe 
deffeiben überfeger® Dank verdiente. Ich habe die „Beheimniß- 
volle Maske” gelefen und auch barftellen, fogar gut darftellen 


fehen. Beim ®efen mußte ich laut auflachen, bei der Auffühs 


zung wurde das Gtäd ausgepfiffen, und zwar mit vollem Recht. 
Ein Autor darf nicht mit dem Publicum fpielen, es nicht täus 
ſchen wollen blos in ber Abficht, es zu fefleln und zu fpannen. 
Nur der erfte Act fpannt, die übrigen find langweilig und laͤ⸗ 
derlih. Das ganze Stüd aber ift dazu ba, daß mit ſcheinba⸗ 
rer Handlung eigentlich gar nichts geſchieht, mit einem Worte, 
daß Alles, was vorgeht, nur darum vorgeht, um am Schluß 
es als nicht gefdyehen zu betrachten. Rita iſt eine reiche junge 
ſpaniſche Witwe, die in Frankreich Lebt und von der eleganten 
verdorbenen Dännerwelt mit Liebesanträgen umflattert wird. Sie 
lehnt alle ab, auch die ernflliche Bewerbung Julius’ von Vaudray 
eines jungen Mannes, ber ſich deshalb fo grämt, daß er 

vor dem Palaft Rita's erſchießt in dem Augenblide, wo Rita 
auf Bitten ber zu * —— fie von ber eh 
däfterung ihres Gohnes enntniß fegt, eben im ri 

ibm au Toißfahren. Bon diefem GEreigniß tief erfchättert zieht 
ge A auf eins Ihrer abgelegenen Schid uruͤck. Bald aber 
geigen ihr auch bieder die franzöfifchen Inge, water denen 
fd als der ſte und Frivoiſte der Marquis von Sannois 


Graf von Vaudray iR, fondern ein 





31. December 1848, 





agbehr 
man ihn in Rita's Schloß. Er if ohnmaͤchtig, Mitg erblickt 
ein Medaillon auf feiner Bruft, in dem fie ihr Portrait erkennt. 
Sie n es, kommt Robert zu füh, er ihr fos 
gleich feine hoͤchſt abenteuerliche Befchichte, wo von einer wun⸗ 
berlichen Liebe bie Rebe if. Das Bild ber Gelichten trägt er 
auf der Bruſt. Er faßt danach, findet es nicht, ift gang, troſ⸗ 
(08 und will fogleich fort. Rita gibt es ihm zurüd, de ſieht 
er fie er an, ertennt fie und Beide fallen einander um den 
Hals. Im dritten Act ſict Robert in feinem Thurmzimmer. 
Kite teitt braͤutlich gefchmädt einz fie will ihn zum Altar fuͤh⸗ 
ven. Da ändert Mobert auf einmal fein Wefen, wirft die Ere⸗ 


— 3. Rita zu i 
ittet nochmals um ebung. Die ogin eröffnet ihm, 
baß fie ihn nur —X mit Ehren a —E laſſen, 
um ihn ganz zu vernichten. Gin Brief feiner Mutter nebft 
Papieren, die in ihren Händen find, beweifen, baß er nicht ber 
ndiing. Dies Geheimniß 
will fie dem verfammelten Abel mittheilen und ben Betrogenen 
damit befhimpfen. Robert gefteht ihr jett feine Liebe, Rita 
gibt nach und verbrennt bie Papiere. Da wird Richelien ge 
meldet. Bevor dies vorgeht hat Eita eine Maske an 

bie ihr Haushofmeifter Perez bereitet hat und welche die 

ſchaft t, das menſchliche Anttitz furchtbar zu entſtellen. Sie 
bat dies gethan, um ben Herzog von ſich zu ſcheuchen. RE 








35. Oskar oder der treulofe Watte. Luſtſpiel in drei Acten 
nah Scribe und Duveyrier überfegt von Kari Bacar. 
Berlin, Kiemann. 1842. 8. 5 Nur. 

 „Delar” iſt eine ber ſchwaͤchſten Arbeiten von Scribe, kaum 

tt feinen letzten bedeutenditen Euflfpielen „Sin Glas WBafler 

und „Zeflein” zu vergleichen. Moderne parifer Sittenlofigkeit 

{ft netürlich wieder der Hebel. Oskar ift fi eines Fehltritts 

bewußt, die Frau ahnt etwas davon und weiß das böfe Gewiſ⸗ 

fen ihres Mannes zu Erfüllung aller ihrer Wuͤnſche zu benutzen. 

Erſt, nachdem ihre dies vollfommen gelungen ift, erfährt ber 

Mann, baß er felbft der Betrogene und feiner Frau gar nicht 

ungetreu gerwerben ift. 

W. Dramatifches Vergißmeinnicht auf das Jahr 1843 aus ben 
Gärten bes Auslanbes nach Deutfchland verpflanzt von Theo⸗ 
5 or u 1. Zwanzigſtes Bändchen. Dresden, Arnold. 1843. 

. Ir. 

Bon dem anhaltenden Fleiße und rafliofen Mühen eines 
Mannes wie Theodor Hell wird zulett alle Kritik entwaffnet. 
Unfer Gärtner bat während feiner literarifchen Laufbahn viele 
Gträußhen und Befen gebunden von ben Blumen und Ru⸗ 
then bes Auslandes, deshalb kann ich feine literariſche Wirk: 
ſamkeit nicht hoch anfchlagen. Gr ift aber dabei befcheiben und 
nebenbei fo eifern beharrlich, daß man ihm body nicht gram fein 
tann. Laflen wir ihn alfo gärtnern und verfegen, und machen 
es immerdar, wie ich es mit diefem neugebunbenen Bergißmeinnichts 
firäußchen machen werde. Ich babe es nicht vergeffen, mithin 
dem Derausgeber feinen Willen gethan, ich fage aber auch weis 
ter nichts, al& daß es enthält: 1) „Bob oder bie Pulververſchwoͤ⸗ 
rung’, Euftfpfel in zwei Aufzügen, nad Duportundde Forget; 
N „Der Schutmeifter”, Pofle in einem Act, nad Cocroy und 
Anicets und 3) „Zeffeln‘‘, Euftfptel in fünf Acten, nah Scribe. 
Diefes ift bekannt und berühmt, auch ward es früher in d. Bi. 
fon ausführlich befprochen, jene aber find nicht berähmt und 
faum befannt, und ich finde, daß fie genau biefes Schickſal ver- 
dient haben. 

37. Dramatifche Bibliothek des Auslandes. In gewählten Über: 
fegungen. Zünftes und fiebentes Bändchen. Wien, Tauer 
und Sohn. 1843. 16 Ner. 

Das fünfte Bändchen enthält das S cribe’fche Euftfpiel „Os 
Zar’, über deſſen Inhalt bereits gefprochen worben ift. Im 
fiebenten wird uns ein fpanifches Drama „Die neue Komddie ” 
von Moratin, einem neuern Dichter, vorgeführt. Aus ben 
Meifterwerken ber alten Spanier find wir gewohnt, in allen 
fpanifhen Buͤhnenſtuͤcken die feinfte Gragie mit bem edein Stolz 
jener Nation innigft verfchmoizen zu feben. Bon alle Dem ift 
in diefer „Neuen Komödie’ nichts zu finden. Roheit ber Ans 
lage, plumpe Ausführung, eine Gonverfation voller Fadheit — 
Das find bie Gigenfbaften, durch welche fich diefes Luftfpiel aus: 
zeichnet. Ob ber Überfeger, A. Schumacher, einen heil der 
Schuld davon trägt, laͤßt fich nicht enticheiden. überfluͤſſig 
bieibt die UÜberſezung fo ausgemachter Mittelmäßigkeiten auf 
alle Fälle. 

3. Schauſpiele von König Guſtav III. von Schweben. 

Aus dem Schwediſchen überfegt von Karı Eichel. Leipzig, 
. Brodhaus. 1843. Gr. 12. 1 Thir. 6 Nor. 

Der liberfeger behauptet in ber Vorrede, König Guſtav III. 

fei der eigentliche Begründer ber ſchwediſchen Literatur, eine Be: 


Jetzt 
verflucht fie den Geber der Maske und dieſe ſelbſt nat gewiß, daß König Guſtav III. bei allem Geiſt, der 


doch ein hoͤchſt mittelmäßiger Dichter geblieben 


29. Spanifche Dramen Überfest von C. A. Dohrn. Zweiter 
Theil. Berlin, Nicolai. 1842. Gr. 8. 1 —8 8 Nor. 
Schon der erſte Theil dieſer Sammlung brachte aus der 

Zeit, wo die ſpaniſche Literatur in ſchoͤnſter Bluͤte ſtand, ſo 

Ausgezeichnetes und wahrhaft Intereſſantes, daß wir die Fort: 

fegung als etwas hoͤchſt Wuͤnſchenwerthes betrachten mußten. 

Der gewandte und fenntnißreiche Überfeger gibt biefe in dem 

vorliegenden Theile und es ſteht zu hoffen, daß nady der Theil 

nahme, bie man biefem bantenswerthen Unternehmen ſchenkt, 
noch mehre Thelle in Zukunft folgen werben. Überfegungen fo 
geiſtvoller, grazidfer Buͤhnenſtuͤcke, in denen alle Eigenthuͤmuch⸗ 
keiten einer hochgebildeten Nation ſich abfpiegein, begrüßen wir 
mit Freuden; nur das Mittelmäßige und die Fabrifation ver: 
dammen wir unbarmberzig. Diesmal gibt Dohrn zwei altfpa- 
niſche Euftfpiele, die beide denfelben Stoff, aber von zwei ver: 
ſchiedenen Meiftern bearbeitet, behandeln, von dem fruchtbarften 
wol aller Dramendidter Zope de Vega, und von Moreto. 

Jener nennt fein Stüd „Los milagros «el desprecio ” (bie 

Mirakel der Verachtung), biefer „El desdeu con el deaden” 

Tred wider Trotz). Den Eefern d. Bi. ift das von Weſt für 

die deutſche Bühne bearbeitete fpanifche Stüd „Donna Diana” 

bekannt, das dem Bauptgebanken nach bei zwar vielfachen Xn: 
berungen eine freie Überfehung des Moreto’fchen Stüds if. 

Eope de Vega iſt ber eigentliche Schoͤpfer dieſes koͤſtüchen, fei⸗ 

nen kuſtſpiels, nur iſt ſeine Arbeit groͤber und ſtreift in ihrer 

Natürlichkeit an eine Derbheit, die nach unferm Geſchmack mit 

der Roheit zulammenfällt. Moreto, der fpäter Iebte, Bat Lo⸗ 

pe Idee feiner ausgebildet, die Intrigue vereinfacht und fie 
doch fpannenber gemacht, und feine Sprache entwidelt unbebinat 
weit mehr Gratie ald die Lope's, weiche ſich mehr durch Kraft 
auszeichnet. Ich für meinen Theil ziehe vie Arbeit Moreto'e 
unbedingt dos, ja ich halte fie für das .geiftig bewegteſte, in feis 











ww ou ww. — — -u 





nen Jormen voienbeifte Euibin, das es Mrhaupt Afbt. - Mei 
Woreto Heißt DE Wlige Perfon md Don Garios’ Getegenheite: 
macher Yolllla, Wet bet daraus einen Perin und Hausmeiſter 
Donna Diana’s gemacht, wenn ich nicht irre. Dieſer Polilla, 
Den Carte” Diner, führt ſich als Arzt bei ˖ Donna Diatrd ein, 
Se ihn feines muntern Humors wegen bald lirb gewinnt. Bon 
Amor fagt e: 
Amor iR ein bittrer Schaden, 
YA Verrath und Ayrannei; 
Dur) die Zeit kommt man ihm bel, 
Dur Gebet unb Limonaden, 
Amor füurrt ben Werfkand, 
Er verfäuert Schlaf und Reize, 
Manchem Schopf dat Amor’s Belize 
Alen Lockenſchmuck entwandt ; 
Seiner Yriefterianen Chor 
"Endet meiſtens mit dem fauren, 
Ya Sauren und Rofauren 
Schmeckt der pure Eſſig vor. . 

An dem Wettkampf, den Don Carlos und Diana, fich ger 
genfeitig verflellend, nunmehr beginnen, wird bei Moreto Wi, 
Geift und Humor in Fülle verfchwenbet, Zope de Vega zieht 
das Derbe vor und fucht mehr durch komiſche Situationen zu 
wirken als durch feine Verflechtung ber Fäden. Er geht fogar 
fo meit, daß er bie verliebte Juana in das abſcheulichſte Regen 
wetter hinausjagt, um ſich von der Untreue Deſſen, den fie liebt, 
während fie vorgibt, ihn zu verachten, mit eigenen Augen zu 
überzeugen, was benn ihre endliche Beflegung herbeiführt. Her: 
nando, wie bei Eope bie luſtige Perfon heißt, antwortet ihr, 
als fie ihn fragt: 

Sagteſt du denn nit zu mir, 
Dein Herr wäre offenbar 
Einer andern Frau gewogen? 
DYernanmdo. 
Darin hab’ ich dreift gelogen, 
Weil's zu feinem Wellen war. 
Denn ich ſah ibn albern ſchmachten 
Usb vor Leidenſchaft ganz blind, 
Darum ſagt' ich's, und dad find 
Die Mirakel vom Verachten. 
amd gibt damit dem Stüd feinen Namen. 

Ein fogenanntes , Eatremes” ober ,Ziwifchenfpiel”’ von 
GServantes, „Die wachſame Schildwache“ („La guarda 
<uidadosa”), beſchließt diefen zweiten Theil. Als eine leicht bins 
geworfene, kecke Arbeit des berühmten Verf. des „Don Quixote⸗ 
wird fie allen Verehrern dieſes Meifterwerts einiges Interefle 
abgewinnen. Wir können auch diesmal nur mit dem Wunſche 
fließen, daß der fleißiger Überfeger fein Unternehmen ruͤſtig 
fortfegen möges für die Zukunft des deutfchen Dramas aber 
reichten wie gern eine Petition bei allen neun Muſen ein, um 
Bertilgung der viclen ſchlechten Dichter und um forgfame Pflege 
der weniger beſſern, die etwa unbekannt auf beutfcher Gebe um: 


herwandeln. 





Antrag auf ein Geſetz zur Sicherung bed literariſchen 
Eigenthums in Nordamerika. 

ind die amerikaniſchen Verleger ploͤtlich tugendhaft ge 
worden? Hat ein neuer Prediger in ber Wuͤſte ihnen das fie: 
bente Gebot zu Gemuͤthe geführt und fie find in fidh gegangen 
und thun Buße in Sad und Aſche? Ach nein! Aber feit bie 
Zeitungsfchreiber das Kunftftäd erfunden haben, bie Diebe zu 
beſtehlen, die Räuber zu berauben, die Plünberer auszupläns 
vern, ſeit Tagesblätter gedruckt werben, die jeden Tag in ihren 
‚Spalten einen breibändigen Roman den Abonnenten für ein 
Spottgeld liefern, ſeitdem, wie es Tcheint, hat ber merbumesi: 
xLaniſche Buchhandel endlich auf praltifchem Vege den Spruch 


Barper eint fich ‘allein ausge [| 
. zu haben) ein Bittfhreiben an ben Gongerß eri * 
cebenſo wichtig als erſtaunlich iſt und —* wie — ” 


gelltent: „TED vu Si bauß dein he, 
— Semi 8, den acuen a a 
Gebrider * Comp. —* ⸗ ur 






„Die Unterzeichneten, Verleger und Buchhaͤndler in den 
Vereinigten Staaten, machen Ihrer ehrenwerthen Koͤrperſchaft 
die ehrfurchtsnolle Borftellung, daß fie bei dem ausnehmenden 
Intereffe, welches fie nicht allein im Beſondern als Buchhaͤnd⸗ 
ler, fondern auch im Allgemeinen als amerikanifche Bürger am 
der möglichft weiten Berbreitung von Kenntniffen und gebieges 
ner Literatur haben, zu der vollen Überzeugung in ihrem Bes 
triebe ald Buchhändler gelangt find, daß das beſtehende Beleg 
in Betreff des literariſchen Eigenthums ernſte Nachtheile erzeugt, 
ebenfowol für bie Kortfchritte ber amerikaniſchen Eiteratur, als 
auch für denjenigen fehr ausgebreiteten Zweig der amerilanifchen 
Induftrie, welcher den ganzen mechanifchen Theil ber Buͤcher⸗ 
verfertigung umfaßt. Diele Nachtheile treffen auf gleiche Weiſe 
bas Berlagsgefchäft und die beften und wahrſten Jutereſſen bes. 
Volks in Maſſe“. 

„Ihre Bittſteller halten ſich nach ſorgfaͤltiger und reiflicher 
Überlegung bes wichtigen Gegenſtandes für vollkommen überzeugt, 
baß die großen Intereffen der Wiſſenſchaft und der Induftrie, 
Derer, welche bas Publicum mit Stoff zum Eefen verforgen und 
bed großen Iefenden Yublicums fetbft weſentlich gefördert werben‘ 
würden, wenn ein Gefeg burchginge, welches den Verfaffern jes 
ber Nation das ausſchließliche Recht fiherte, üser die Ver⸗ 
öffentlichung ihrer Grzeugniffe in den Bereinigfen Staaten zu. 
verfügen, mögen biefe Erzeugniffe bereits im Auslande veröffente 
lit fein oder nicht; indem ſowol der Fall vorgefehen wird, da 
bad Buch innerhalb einer gewiffen (durch bas Gefeg zu beſtim⸗ 
menden) Zeit nach feiner Veroͤffentlichung in einem fremden Lande 
gebrudt werde, als au ber Fall, daß das Verlagsrecht für 
Amerika auf in Amerika anfäffige Buchhaͤndler allein uͤbertrag⸗ 
bar fein ſoll.“ . 

, Ihre Bittfteler find der Überzeugung, daß biefer billige 
Schutz die Werleger in Stand fegen würde, ihre Mitbürger fos 
wol mit auswärtiger als amerifanifcher Literatur in fol 
Form und zu ſolchen Preifen zu verforgen, als wahrhaft den 
Bebürfniffen ſowol als den Mitteln des Volks entſprechend fein 
würde, während den Schriftftellern die gerechte Vergütung für 
ihre Arbeit und Fähigkeit gefichert wäre, wo auch immer ihre 
Bücher gelefen werben. Ihre Wittfteller find der Meinung, daß, 
bie Intereffen der Echriftfteller, der Verleger und der Käufer 
in Wechfelbeziehung zueinander fichen, wie bie ber Erzeuger 
und ber Verbraucher in allen Faͤllen.“ 

„Ihre Bittfteller würden auch Bezug nehmen auf den Um⸗ 
ftand, daß Feine andere Maßregel als eine folche, wie fie dies 
felbe fo chrfurchtsvoll als dringend wuͤnſchen, erfoderlich if, um' 
gleichzeitig den amerikaniſchen Verfaſſern das Verlagsrecht für 
ihre Werke in Großbritannien zu ſichern.“ | 

„Ihre Bittſteller erfuchen daher Ihre chrenwerthe Körper: 
ſchaft ehrfurchtsvoll, das beftehende Geſet über das Verlagsrecht 
in Amerika in Erwaͤgung zu nehmen und ein ſolches Geſetz zu 
erlaſſen, welches den Verfaſſern auswaͤrtiger Nationen das — 
ſichert, uͤber ihre in Amerika durch amerikaniſche Buchbaͤndler 
bekannt zu machenden Werke zu verfuͤgen, indem vorgeſehen 
wird, daß ſolches Recht ſich nur auf die Schriftſteller ſolcher 
Bänder erſtrecke, deren Regierungen gegenſeitig das gleiche Vor⸗ 
recht unſern Schriftftellern bewilligt baben oder bewilligen wer⸗ 
ben, und indem weiter vorgefehen wird, was Ihrer Weisheit 
recht und erfprießlich Icheint. 

„Und fomit ıc. 20.” 18. 


Siblisgrephbie. | 
Aschbach, J., Geschichte der Grafen von Wertheim 
von den ältesten Zeiten bis zu ihrem Erlöschen im Manns-. 





4 


! . Lörteikein, K. Brdk 
! grbud. IE je || östlichen pre en rn 8. 


am Geibftübk 
logie des ib jod. € Beichardt. Möller, W., Groß: Reimgoro! 
& re * Aare und Sefod. Eelpa, Reihe gſchen Glamen. Gehattenbilber der MWergangenheit, 
Dahimann, 8. &., Seſchichte von Dänemark. Iter | Deutfche Berlagsbuchandtun, 
Ban. Hamburg, 8. Pertbes. Gr. 8. 2 Thir 5 Rgr. Riebuhr, ©. ©, 


Eihhorn, 8. 8, Deuiſche Staates und Rechtsgefhicte. |; Schriften. 2te Sammlung. Bonn, Weber. 8, 135 


Se verbefferte Ausgabe. 2ter Theil. Göttingen, Wandenpoed |  Peterfen, E., Erinnerung an 9. 
und Ruprecht. &r 8. 3 Qple. 10 Net. | Einfluß auf Siteratur, Biffenfia| 


ledri E.,Der Gandidat. Erzaͤhdlung aus bem | gehalten an deſſen Geburtäta, 
Belasihr . eye. ana —— 
Sieh, S. Graf d., Anſichten über Staats⸗ und Öffente | Gebäude und Plaͤge in den Staͤdten 


Yes — Me vermehrte Auflage. Nürnberg, F. Campe. | burg 1842, 8. 3%, Kor. 
9 


* 
* 
5 
* 


tagsverhandlungen über das Ehefcheidungsgefeg, bie Patrimonials | leitung. 


und Öffenttiäjkeit des geiarigen Berfahrent, Seipilg, 
gärtner. 1844, Gr. 8, 26%), Nor. R 


burg. Altenburg, Helbig. Gr. 8. 5 Nor. &. 8. 17% Nor. 
Hoffmann von Ballersleben, Allemanniſche Lieber. |: Schulz, I. 9, Die Beſtimmu 
Rebſt Worterfiärung und einer allemannifhen Grammatik. 5te, | weibliden Geſchiechts. Gtuttgart, Gal 
im WWisfentpale_verbefferte und vermehrte Ausgabe. Manheim, | KIY, Kan. 
Bafermann. Kı. 8. 18%, Rot. | &outit, 8, Die Gsbeimniffe der Provinz, (Huit 


Konftitutionele Jahrbücher. Herausgegeben von K. Weil. | au chätean.) Deutich von Louis Fert. Drei Wände. 
1843. Iter Band. Gtuttgart, Krabbe, Gr. 8. 1 Thir. 25 Ngr. | sig, Literariſches Mufeum. 1844. K. 8. 1 hir. 15 

Zuntmann, ®., Gebichte. 2te ſehr vermehrte Yufs |: Streifsreien des Kaiſers Aſching Zip. Cin di 
lage · Möünfter, Deiters, 1844. Gr. 16. 1 hir. Roman, Rad der englifdgen Überfe 

Keiber, I. ©., Der Apoftel Paulus an die Bekehrten | Schen verbeutfeht von IB. x Sinvau. wei Bände Leip 


—8 1 Thir. Rer.. 


Franz Sternbatd’s 
Berii⸗ * 


und Unbelehrten. Gin Glaubenswort zur Glaubenseinigung und | zig, Kolmann, 8. 2 





Staubensftärtung an feine Glaubensbrüder gerichtet. Nürnberg, Taſchenbuch beusicher 
8. Sampe. 81.8. 15 Rar. 5 von ®. Benedir. Wefel, Kiönne. 
Keller, A., Romvart. Beiträge sur Kunde mittel- Tied's, &, Gceiften. I6ter Band: 
alterlicher Dichtung aus italienischen Bibliotheken. Man- | Wanderungen. (ine alttewtfde Gefdhichte. 
heim, Bassermann. Gr. 8. 4 Tblr. 8 1 Zhrr. 
Johann Keppler, kaiserlicher Mathematiker. Denkschrift Bafari, @., deben ber ausgezeichnetffen Maler, Bi 


des historischen Vereins der Oberpfalz und von Regensburg | und Baumeifter, von Gimabwe bid 
auf die Feier seines zehnjährigen Bestandes. Mit Keppler’s | Statienifcen. Mit einer Bearbeitung fümmtlier Anmerkungen 
und dem Facsimile seiner Handschrift. | der früheren ‚Herausgeber ſowie mit eigenen Berii 

Imp .d 1 Thlr, Rachweiſungen begleitet von &. Schorn und nad) deſſen Tode 
jeiträge zur geologischen Kennt- | von E. Förfier. Iter Band, enthaltend ber Drigi 





jensbi 
Klipstein, A. v., 
miss. der östlichen Alpen. Mit geognostischen und petre- | 3ten Theil, Ifte Abtpeil 


factologischen Tafeln. Giessen, Heyer. Gr. Imp.-4. 4 Thlr, | fen. Gtuttgart, Gotta. Gr. 8. 2 Thir. 
Das Regifter zum Tahrgang 1848 ift unter der Preſſe und wird im Laufe des Monats Januar 





nachgeliefert werden. 
BWerantwertliger Herausgebers Heinrie Brodhans. — Drad und Berlaı 





Rinia H Ik, Dee. 
ER ETF 


fee Ban. | dem Ohentiihen vr 6. Aiaen 
. ur 8. 1xpte. 1 NRge. | mann. 8. 2 Up 





gen über bie öf fichen 
Alterthi Ham: 
n befferen Würdigung bes Wefens 
Gutachten der. Provinzfal « Landtage über den Entwurf des |. und der Bedeutung des Pufeyismus, durch Übertragung einiger 
Otrafgeſetbuche für bie preußifhen Staaten. Rebſt den ande | der mißigften betreffenden engliſchen Echriften nebt 
les Heft: Ginleitung und Brief Pufev’s an ben Eri⸗ 
gerichtsbarfeit, den erimicten Gerictöftand, die Mandiichteit bifhof von Ganterbury. Göttingen, Bandenhor und Ruprecht. 
ar. 


Petri, M., Beiträge zur 


PR ommet, run bir on ter 

5 Teil: nd. — A. ud. T.: ichte von . 4ten Theilet ate 

— JW a keiprig, Engeimann. Gr. 8. 2 Thir. | Abtheitung ober Ster Band. Kaffel. &r.8. 3 Thir. 15 Kar. 
Salomon, ®., Bruno Bauer und feine 


3 jehaltlofe Kris 
ki Frerte, G., Aus dem Leben des Schloſſets zu Alten» |; tie über die Judenfrage. Hamburg, Yerttes.Zeffe und Maufe. 


us Grzi bes 
8. ae rg 


um Sabr 1867. Aus dem 


. U. Brodpans in Leipjig 
⁊ 





Literarifher Anzeiger. 





1843. Nr. XV. u 


Diefer Literarifche Anzeiger wirb ben bei %. A. Brodhaus in Leipzig erfcheinenden Beitfchriften „Blaͤtter für titerarifche 
Unterhaltung” und „„Ifi6” beigelegt ober beigeheftet, und betragen bie Infertionsgebühren für bie Zeile ober beren Raum 2% Rgr. 
ee, 


Auf das am 1. Juli 1843 beginnende neue vierteljährliche Abonnement ber 


Deutſchen Allgemeinen Zeitung 





werden bei allen Poftämtern und Zeitungserpeditionen bes In: und Auslandes Beftelungen angenommen. Dee 
Preis beträgt in Sach fen vierteljährlih 2 Thlr., in ben übrigen Staaten aber wird berfelbe nad Maßgabe der 


Entfernung von Leipzig erhöht. 
Hutünbigungen 


Keipzig, im Juni 1843, 


Bei Friedrich Fleiſcher in Leipzig ift erfchienen: 
Publ Ovidii Nasonis 
Mietameorphoseon, Libri XV. 
Ad fid. vet, lib. recens. et emend. varlas script. cod. adhuc 
. eollatorum, itemque ed. Saec. XV.apposuit, oomment, instruzit, 


praefatus est et indioem addidit 
Dr. Vitus Loers. 


8, mei. 1843. Preis: 3'% Thlr. 





Bei C. Derold & Sohn, Buchhändler in Wien, ift 
erfchienen : . 
ahbrbuder 


8 
Der LBiteratur. 


Hundertunderſter Band. 
1848. , 
Januar. Februar. März. 


Inbelt bes hundertunderſten Baudes. 
et. I. überſicht von neunzig Werken orlentaliſcher Litera⸗ 
tur. (Fortſegung.) — II. Der deutſche Zollverein in feiner 
Fortbildung, von Guſtav Höfen. Stuttgart und Tuͤbin⸗ 
gen 1843. — 111. Naturſchiiderungen, Gittenzüge und wiflens 
Ihaftlide Bemerkungen aus ben höchften Sqhweizeralpen in 
Süd: Wallis und Sraubändten, von Ehrifiian Moritz En⸗ 
gelhardt. Baſel 1840. — IV. Geſchichte der goldenen Horde 
in Kiptfchat, das ifl: der Mongolen in Rußland, von Hams 
mersPurgflall. Mit neun Beilagen und einer Stamm⸗ 
tafet, nebfk Verzeichniß von vierhundert Quellen. Peſth 1840, 
— V. J. E. Schlager: Wiener Skizzen aus dem Mittels 
aiter. Wien 1835—42. BVier Bände. — VI. Iſchl und feine 
Heitanftalten. Gin Handbuch für Ärzte und Laien, von Franz 
be Paula Wirer. Wien 1842. — VII. Erinnerungen an 
Johann Gonradb Mauren. Bilder aus dem Leben eis 
nes Prebdigers, 1771 — 1841, Schaffhauſen 1843. — VII. 
Danneders Werbe. In einer Auswahl Mit einem Le⸗ 
bensabriffe des Meiſters. Berausgegeben von Karl Gruͤn⸗ 
eifen und Theodor Wagner. Hamburg. — IX. Gedichte 
von Ludwig Lied. Meue Ausgabe. Berlin 1841. 


Anhalt des Auzeige⸗Blattes Re, CI. 
Unterfuchungen über das dltefte Muͤnzrecht zu Liebing (im 


3. 975) und Briefad (1015), wie auch ber falzburgifchen Suf⸗ 


aller Art, welche durch dies Blatt die allgemeinſte Verbreitung finden, werden 
bee Raum einer dreifpaltigen Zeile mit 2 Ngr. berechnet. 


F. A. Brockhaus. 


fraganbifchöfe; über die Müngftätten zu Gt. Veit, Wöllers 
markt, Laibach und Landestroſt; zu Villach und Griffen x. in 
Inneroͤſtreich; endlich zu Neunkirchen am Steinfelde (vor 1136), 
Enns, Linz und Freiſtadt in Öſtreich. Bom E. k. Guflos 
Bergmann. — Anzeige bes architeftonifchen Werkes: Enev⸗ 
klopaͤdie ber neueften Architeltur, von Rafael von Rigel. 


Die Wiederkehr 
Eine Novelle. 
Derausgegeben 


von 
» em Einfiedler bei Bt.- Johannes. 


Drei Zeile, 
Gr. 12. Seh. 6 The. 15 Nor. 


Leipzig, bei F. U. Brockhaus. 


Die innere und Äußere Befchichte eines reichbegabten Juͤng⸗ 
lings, ber in religiöfen und politifhen Wahn befangen' ausgeht 
aus dem Baterhaufe, die wahre Kirche und den freien Staat 
zu fucdhen, und heimkehrend, wenn nicht was er gefucht, doch 
die koͤſtlichſte Perle gefunden bat, bietet eine Galerie von 
landſchaftlichen und hiſtoriſchen Gemaͤtden und Portraits dar, 
weiche das haͤustiche, kirchtiche und bürgerliche Leben in mannich⸗ 
fachen Geftalten abfpiegeln. Es find Biber aus dem Leben, 
vol hiſtoriſcher und poetifcher Wahrheit, und bie wichtigſten 
Gtreitfragen, Sontroverfen und Differengen unferer Zeit treten 
in anmuthigem Wechſel ber Erzählung unb bes Dialogs anſchau⸗ 
lid) hervor. Altes und Neues wird hier geboten, aus bem Schatze 
eines erfahrungsvollen Lebens, das den Kampf der Parteien unb 
Spfteme mitgetämpft und für ſich durdhgelämpft, im Kampfe 
aber gelernt hat, gerecht fein gegen Meinungen, wo bie Gefins 
nung lauter und wahr, das Gtreben redlich ſich erweift. Rentiche 
Zweifler werden bier über manche angefochtene Glaubensartikel 
befriedigende Auffchlüffe, und was bie flreitenden Kirchen ents 
zweit ins Licht geftellt finden, nicht aus bem Standpunkte einer 
Partei ober Sekte, fondern aus den unserfäfchten Zeugniffen des 
bibliſchen Chriſtenthums und dem gelduterten Bekenntniß ber 
evangelifchen Kirche. Zur heitern Unterhaltung geſellt ſich man⸗ 
nichfache Belehrung und fo fleht zu hoffen, baß bie verfchiedens 
artigften Lefer ſich befriedigt fühlen werben. 





Heuo forst- und landwirthschaftliche Schriftgp 
aus dem Verlage von 
F. "A. Brockhaus ix Leipzig. 


Forſtſtatiſtik 
der den 18 che n Sundessianien. 
| von ICH (Eder Banı . 
Bel Thelle. Gr. 8. 3 Thlr. 


Landwirthschaftliche Worheitung. 
Herausgegeben unter Mitwirfung einer Gefellfchaft 
raktiſcher Land⸗, Hauss und Korfiwirthe von ©. 9, 
ffenurath und RE, Böbe, Mit einem Bei⸗ 
blatt: Semeinnätgiges Anterhaltungsblatt für 
| Stadt und Land. 
4. Der Jahrgang 20 Ngr. 
Hiervon erſcheint woͤchentlich Bogen. Ankuͤndigun⸗ 
en darin werden mit 2 Ngr. für den Raum einer aefpal, 


nn Belle berechnet, beſondere Anzeigen ze. gegen 
Bergütung von 7, Ihle. für das Zaufend beigelegt. 


Rakturgeſchichte 
für Candwirthe, Gärtner und Technicker. 
Herausgegeben von William Löbe. 
Mit 20 tithographirten und illuminirten Tafeln. 
Gr. 8. 3 Tble 


8, bir. 
(DE and in 5 Heften à 12 Stege. gu Beziehen.) 
Schmal3 (Friedrich), 
rfahrungen in dediete Der EZaudwirth⸗ 
haft geſammelt. Shebenter Theil. 
1 Thlr. 21 Nor, 
ee 1. vis 6. Zell der „Erfahrungen“ (1814 — 24) 
Bolten im Herabgefegten Preiſe auftatt 6 Abir. 18 Mer. 
uns 3 Tylr., dab ganze Mork haker 4 Zpir. 21 Ser. 
Als ein befonderer Abdruck aus dem 7. Theile ift erfchienen : 
Snleitung zur ut und Auwendung 
eines nehen Ackerbanfyſtenns. Auf Theorie 
und Erfahrung begründet. Gr. 8 Geh. 15 Nor. 
Außerdem erfchien noch bei mir von bem Verfaſſer: 


VDerſuch einer Auleitung zum WBonitiren 
Sub Gieffifieiers Des —2 8. 1824, 
gr. 


In meinem Verlage erſchien ſoeben und iſt durch alle 
VBuchbandlungen zu beziehen: 
Perlen. 
Eine Sammlung geiſtreicher Gedanken 
aus den claſſiſchen Schriften 












der 
Englaͤnder, Brangolen, Spanier, Italiener und | 
u utfchen. 


Gr. 8. 


Allen ver Wa unb , 
mit dieſer ma —— weollen, kaͤm Ar 
mit Recht anpfohlen werden: 


Prießnitzz und Bräfenberg. 
Aus meinem Tagebuche zur Unterhaltung und Beleh⸗ 
rung aller Derer, welche auf bem Graͤfenberg getvefen 
find, ober Solcher, bie ſich einer Waflercur hort ober 

anderswo unterwerfen wollen. 
Neb einem Anhanae, ber bie Behandlung einiger Srank 
heiten und mehrer ber Ka dhPrgekommenen Krankheite⸗ 


Bon 
von Robbe, | 
8. Belinpapier. Geh. 1 Thlr. 724 Ngr. (1 The 6 gr) 
Das Buch iſt durch ale Buchhandlungen zu beziehen. 
Dibenburg, im Juni 184 


Schulze'fche Buchhandlung. 


Durch alle Buchhandlungen iſt von uns zu beziehen: 
Exrbmann Eranz Rr Volftändige überſicht ber Altefien 


türkifchen, tatarifchen Boͤlkerſtaͤmme. Reh 
a :Nd»Din’s Borgange beacpriet 8. Kafen IBil. 
2 Te. 


— , Slide Beuttheilung ber von Sm. 
Quatremdre herausgegebenen: Histwire des meugols de la 
Perse. 8. Kafan 1841. . Ihlr. 

—— , Herobot entnahm feine Erzählungen 
ber alten perfifchen Geſchichte aus perſiſchen Geſchichtsſchrei⸗ 
at In ruſſiſchet Sprade. 8. Kaſan 1840, 

r. 


— — —, über einige Maänzen Tamertant 
8. Kaſan 1837. % Ihe. 
„Beipgig, im Iuni 1843. 
 Beodhaus & æcvenariuo. 
Buchhandiung für deutſche und autlaͤndiſche Eiteratım. 





Das Buch von unserm Könige 


ober 
Leben, Reifen, Reden, Trinkſprüche, Charakter 
züge, Anekdoten und Pepe er. vv 


Sriedrich Wilhelm 


erfcheint jest in neuer Muflage in drei Lieferungen, jete 
5 Nar. (4 4Gr.) Zu erhalten in allen Buchhandlungen. Ber 
lag von C. hm in Leipzig. | 
So beliebt überal bie Anekboten vom alten WPrig find: 
nicht minder gern Tief man bie von feinem Rachfolger. 


Bei BU. Brockhaus in Eeipzig ik erſchienen und 
durch alle Buchhandlungen zu erhalten: 


Gedichte 


vom 
Fürſten su Eynar. 
Gr. 8. Geh. 1 The. 18 Rgr. 


Früher erſchienen von dem Verfaſſer ebenbafelbk : 
Der Bitter von Khodus, Trauerſpiel in vier 
Acten. Ge 8. Geh. 20 Ror. 
ig Mebiceer, Drama in fınf Acten. Gr. 8. 
Geh. 24 Niere. 











| PROBSPECTVES 
>... Mined nenen, der Jugend gewidmeten Unternehmens, 
unter dem Xitel: 


Der neue Kinderfreund, 


Mit 10 Zeichnungen von Th. Hoſemannm und vielen Vignetten. 
Sn 10 Lieferungen. Gr. 8. Belinpapier. Im verziertem Umfchlage. 
Gubferiptionsprris a Bief. Y, Upir. 
Die unterzeichnete Buchhandlung bat ſich mit dem als Iugenbichriftfteller befannten Deren Dr: 9. Kletke zur Herausgabe 


eines neuen Kinberfrumbes vereinigt, ber ebenfowel in der Bor 
en unferer Zeit entfpr 
von allen fräbern dadurch, daß er nicht wie jene für den Zweck 


gefchmadvoller Ausftattung ben 


Der neue Kinderfreund urterſch weſentlich 


gZligeeit und Neuheit des Inhalts wie in eleganter und 
en foll. 


den Säule beſtimmt it, fondern außerhaulb berfelben In dem Kreiſe der Familie als ein echter Kinderfreund unterhalten 


und belehren, das Gemuͤth erwecken 


‚ ben Verſtayd üben, Kenntniſſe foͤrdern, chrifttiche Seſinnungen vorbereiten, fomtt in nach⸗ 


haltigſter Weiſe den Unterricht der Schule unterflügen und für ihn das jugendliche Gefühls s und Grfenntnißvermögen nach allen 


Seiten bin anregen und beleben foll. 


Der umfaffende Plan biefes Kinderfreundes macht ihn für bas ganze Alter von 7-14 Jahren, ebenfo für Mädchen wie für 


Knaben, geeignet; doch 


wird ihm bie Trefflichkeit feines Inhalts, für welchen eine Menge ber ausgezeichnetften Dichter und Pro» 


bi benugt worden find, auch über jenes Alter hinaus feinen eigenthümlichen Werth bewahren. 
— Dekan gefchieht in 10 Lieferungen, von beuen jebe (3 Bogen Zert mit eingebruckten Golsfchnitten und einer Zei 


nung von Th. Bofemann) in eleganten Umſchlage nus Y, Thlr. koſten wird. 


Abnehmer im Beſitz des Ganzen fein. 


zugleich die Wte berechnet. 
das complete Werl, ber 


is gegen Ende bes Jahres follen di 


Die beiden erſten Lieferungen werben in allen guten Buchhandlungen zue Probe aus⸗ 
liegen und am beften geeignet fin, 1 über das Werk bie gemünfchte Kenntniß zu verſchaffen. 
* 


Mit der Iten Lieferung wird 


ſcheinen ber IOten Lieferung tritt anſtatt des Subſcriptionspreiſes von 2% Thir. für 
Labenperis mit 3%, Thir. ein. Cartonnirte Sremplare werben um ein Geringes hoͤher berechnet. 


In allen Buchhandlungen werben Beſtellungen baxauf angenommen. Gubfcribentenfammier erhalten auf 12 compiet befiellte 


@rempiare 1- Yrei 


Mit dem Bemußtfein, nichts verabfäumt zu haben, in biefem Buche ber heranwachſenden beutfchen Jugend einen 


Schatz zu übertiefern, wirb es mich 
freund allen Altern, allen Leitern bee. J 


! ugend. 
Berlin, ben 15. Juni 1843. 


freuen, wenn es für fie bie fe 


gensreichite Jrucht trägt. Und fomit empfehle ich den en 


Alexander Duucker, kinigt. Hofouchpändter. _ 





Wohftänbig ift jeht bei mir erſchienen und durch alle 
uchhandlungen zu erhalten: 


Dns Shierreidhd 


geordnet nad feiner Drganifation. 


As Grundlage dee Naturgefchichte der Thiere und 
Einleitung in die vergleichende Anatomie. 


Bom , 
Baron von Eupvier. 





Mach ber zweiten, vermehrten Ausgabe überfegt und 
durch Zuſaͤtze exweitert von .. 


3 G. Boigt, 


Geheimer Hofraih und Profeſſor. 
Sechs Bände Gr. 8. 1831 — 43. 18 Thir. 


Der erſte Band dieſes ausgezeichneten Werkes ent 
Saͤugethiere und Bogel (1831, 4 Thin n ber zweite —** 
und Fiſche (1832, 2 Thle. 10 Ngr.); der dritte Mollusken 
(1834, 2 Ahle. 30 Mar.)5 der vierte Anneliben, Gruflaceen, 
Arachniden und ungeflägelte Infekten (1836, 2 Thlr. 10 Rar.); 
der fünfte die eigentli Inſekten (1839, 3 Thlr. 10 Nor.) 
und der fechste Band bie Zoophuten nebft einem vollftändigen 
Regifter ber citirten Schriftſteller (1843, 3 Thlr. 10 Rgr.). 

Reipzig, im Juni 1843. 


3%. Brodhens. 





Be TH. Ehr. Fe. Enslin in Berlin ift Torben er⸗ 
ſchienen und durch alle Buchhandlungen zu beziehen: 

Dainos, oder litthauische Volkslieder; 
gefammelt, überfegt und mit gegenüberflehendem Urtert 
herausgegeben von E. J. Rhefa; nebft einer Ab⸗ 
handlung über die litthauiſchen Volksgedichte und muſi⸗ 
kaliſchen Beilagen. Neue Auflage, durchgeſehen, be⸗ 


richtige und verbeflet von Fe, Nur ſchaft. Sauber 


broſchirt 1 Thlr. 15 Ser. 





Im Berlage von F. WM. Brockhaus in Reipzig i 
erfchienen und durch ne zu erhalten ip⸗ g iſt 


Das 
preus;ſce Familieurecht 


em Allgemeinen Landrechte 
mit 
Rückoicht auf das gemeine und deutoche 


dogmatiſch⸗ erieiich dargeftellt. 
on 
E. E. W. Schmidt, 


Juſtiz⸗ Sommiflarius und Notarius. 
Gr. 8. 3 Thlr. 
Fruͤher exſchien bei mir: 
bitte (MA.), Das preußiſche Inteſtat⸗Erbrecht, aus 
dem gemeinen beutfchen Rechte entwidel. Gr. 8. 
1838. 1 Thlr. 15 Nor. 


⁊ 





Verlags- und CGommissionsartik 


von ' 


Brockhaus& Avenarius, 


Buchhandlung für deutsche und ausländische Literatur 
in Leipzig. 


1843. M. I. Januar bis März. 


Echo de la litt£rature francaise. Troisiöme annde 1843. 
52 Nra. Gr. 8, Leipzig, 5% Thlr. 
Erscheint jeden Freitag in Nummern von 1—?2 Bogen und bietet 


eine Auswahl des Besten und Interessantesten aus der gesammtien 
franıösischen Journalistik, j 


L’Angleterre, l’Irlande et l’Ecosse, Souvenirs d’un voya- 
geur soliteire, ou Meditations sur le caractere national 
des Anglais, leurs moeurs, leurs institutions, leurs 6ta- 
blissements publics, lassocistion britannique, ainsi que 
d’autres soci6t6s savantes et les inventions nouvelles en 
fait de sciences et d'arta. 2 vols. In-8. Paris et Leip- 
zig. 5% Thlr. 


Annuaire de la pairie et de la noblesse de France et des 
maisons souveraines de l’Europe, publis sous la direction 
de M. Borel @’Mauterive. Annde 1843. In-12, 
Parie. 2 Thir. ' 

Busset (F.-O.), De l’enseignement de mathsmatiques 
dans les coll&ges, considere sous le double point de vue des 
preseriptions röglementaires de l’universite, et des principes 
ondamentaux de la science. In-8. Paris. 2%, Thir. 











Discours prononces dans les chambres l&gislatives par M. 
le baron P uler, chancelier de Fraace, I184— 
36. 4 vols.. In-8. Paris 11 Thlr. 


Wäcdlestand du Meril, Poösies populsires latinos an- 
t#rieures au douzieme sidcle. In-8. Paris, 2%, Thlr. 
Woelix, Trait6 du droit, international prive, ou du Con- 

Hit des lois de differentes nations en matiere de droit 
prive. In-8. Paris. 3 Thlr. 
Les francais peints par eux-me&mes. T. V, I1—16, VI, 
1-4. Gr. in-8. Leipzig. Jede Lieferung schwarz 
1% Thir., oelorirt %, Thlr. 
. @xanäville (3. 3.), Un autre monde. Transforms- 
tions, visions, incarnations, ascentions, eXcursions, etc. 
Livr. 1. ‘Gr. in-4. Paris. Y, Thir. 
(Gulllaume Teil), De la Poissance ameri- 
eaine, Origine, institutions, esprit, politique, ressources 


militaires, agricoles, commerciales et industrielles des 


Ktats-Unis. 2 vol. In-8, Paris. 5 Thir. 

Prevost (3. J.), L’Irlande au Jdix-neuvieme siecle, 
illustr6e par 120 gravures sur acier. Livr. 1. In-4. 
Paris. 7%, Thir. 


BMoccacele (Giovanni), I decameron. Lez.-8, Vol. I. 
A 3 col. Firenze. 34, Thlr. 

Beorghi (Gi pe), Salle storie italiane.dall’ anno 
rimo delil’era christiana al 1840. Vol. I. Gr. in-8, 

irenze, . 2’, Tulr. 

Relasioni degli ambasciatori veneti al senato. Raccolte, 
annotate ed edite da Rugenio Albert. ie J, 
vol.2. Serie II, vol.2. 2 vol. In-8. Firenze. & 21, Thlr. 

Tesoro della prosa italiana dai primi tempi della lingua 
fino ai di nostri, novamente ordinato da Kugenio Al- 





»eri. Edizione seconda. Lex.-8. A 2 col. Firenze. 
8% Thlr. 
Stawienin. Poszyt trzeci 1842. In-16. Paryi. % Thir. 


@erecki (Antoni), Ktosek polski. Czyli nowy tomik 
zyi, z dodatkiem uwag przez tego2 nad doktryng dzis. 
apieza wzgledem Polski. Ia-12.. Pary2. 2 Thlr. 


Drud 


! 


er * k emägrants ra rok 1843. In-16, Brüxelle, 

12 . 

Obras Polaköw, i Polski w XVIH wieku, czyli zbier pa- 
mietniköw, dyaryussdw, 3. t. d., wydany z rg“ ism6w 
rzez Edwarda Baczynskiego. T. 16, n- 12 

ozna&. %, Thlr. , 

Nakwaska (Harolina), Dwör wieiski. Dzielo 
po4wiecone gospodyniom pelskim, przydatne i osobom w 
miescie mieszkajacym, przerobione 2 francuzkiego Pani 
Aglaö Adanson. Z wielu dodatkami i zupeimed 


zastosowaniem do naszych obyczaj6w i potrzeb. 3 tomy. 
In-8. Poznas. 4 Thir. 
Oredownik naukowy., Pismo czasowe. Rok A. 1843. 


2 No, In-4. Pränumerationspreis jährlich 3 Thlr. 


BIBLIOTHRQUR CHARPENTIER. 
In-12. Jeder Band 1, Thir. 


Neu erschien hiervon: 

Miss Burney, Evelina. 1 vol. — Burns, Potsies com- 
pletes, 1vol. — Euler, Lettres a une princesse d’Alie- 
magne sur divers sujets de Kaysique et de philosophie. 1 vol. 
— Fenelen, Ocuvres p tosophiquen, 1 vol. — Hel- 
mann, Contes fantastiques. vol, — de Sevignd, 
Lettres, 2 vol. — de Bta#l, Considsrations sur les prin- 
cipaux 6v6nements de la revolution francaise. 1 vol. 








Bei Wleganber Duucker, koͤnigl. (er i 
Berlin, erfährt foeben: „ Eönigl. Oofbuchhaͤndler in 


Emanuel Seibel 
Gedichte. 


weite vermehrte uflage, 
8 8. Sc, 1" * e 


Volkslieder und Romanzen 
der Spanier. 


Im Versmaße be Figlnals verdeutſcht 
ur | 
Smannel Geibel. 
8 Geh. 1% Thlir. 








Durch alle Buchhanblungen ift von F. R. BSrockhaus 
in Leipzig zu beziehen: 


Franz Paſſow's 


Vermiſchte Schriften. 


Herausgegeben 
von 


Ww. A. Passom. 


Mit zwei lithographirten Tafeln. 
Gr. 8. Geh. 2 Thlr. 


Dieſe Sammlung der kleinen deutſchen Schriften eines der 


ausgezeichnetſten deutſchen Philologen wird nicht nur den per⸗ 


ſoͤnlichen Freunden Paſſow's, ſondern auch allen Denen, welche 
aus Beruf oder Neigung der Geſtaltung der Alterthumswifſen⸗ 
ſchaft in dieſem Jahrhundert mit Aufmerkſamkeit gefolgt find, 
eine willkommene Gabe ſein. 


und Verlag von F. A. Brockhaus in Leipzig. 











Literarifher Anzeiger. 





1843. Nr. XVI. 





Diefer Steracifihe & wird den bel Wrodjaus in Eeipgi „Apiätter fr Hterarifche 
Unterhaltung" und „ ——e— oder — un — die See Ihren für Fee ode’ Dem Rem 2, Nor. 
42. Dante Klighpieri, 
Ueuigkeiten und Fortsetumgen, "u sn Susann Ike mn KR Keneealee 
—— —— u ar 
F. A. Brockhaus in Leipzig Begfzumt und eb Paradiefes un cine: Karte zpn Dies 
im Jahre 1843. ie Ruyerehagn * FR 15 Ro. 
. . . er erflen m 
A IE. Spril, Mai und Juni. a en toi jr * en Mn 58* Pelziten Bee 
(Mr. 1 Viefed Meriäts, Wie Werfendungen vom Januar, Ber rs Aare 


bruar und März enthaltend, befindet fi in Wr. KUEI und ZIV 
des Biterarifien Anzeiger.) 


3. Monaibi, Wir Gryähtung. Ans dem des 
amszilanifcen Malers Miashiungtsn zu on uͤber ⸗ 
satte von Kapiderf. Gr. 12. Geh. 1 The. 

Analekten für Frau: „ oder 


—— der vorzöglichsten Abhandlungen, Monographien, 
Preisschriften, Dissertstionen und Notizen des und 
Auslandes über die Kraukheiten des Weibes und über die 
Zustände der Schwangerschaft und des Wochenbettes, 
Herausgegeben von einem Vereine praktischer Ärzte, 
Vierten Bandes zweites Heft. Gr.8. Fa jedes Heft 20 N; 2 

a schher erne biB dritte Sand, heben in 4 ‚Heften (188742), 

37.Die Saͤhrchen ſammlung bes Somadeva Bhatta 
aus KRafgmir. Aus dem Sanskrit ins Deutce „dbrefeot 
von Hm. Bro dpans. Zwei Zelle. — a 
Gamniun; 


—— 
—— 





R ——— 
ut: und qweites Spell. Gr. 12. Geh. hy Eh. 
38. Onsgewäßlte Riblistger ber Einfpter des 
—— Mit biographiſch· literariſchen ne 
puret c bis achtundzwamigſter Band. Gr. 1‘ 
Die bib jet eföleaenen Bände biefee Sammlung enthalten: 
1.1. gi Die ben. Dultte 2u 2*5 UL 00 
ER he I na 
ine. . 










vi 





u 


— 
SE" 


= 
33* 





). Das Belamssen, 
t von 2 mitte ameltt 
Apr ſerte — Drei Ge. 2 Thlr. 


“ Eastern, * Gr. 12. un 2 Ror. 
"ud dt —— vo un een or &, 12. a 





* 2 E25 WARE —S Berge 


4. ir e t 10) ie des 
we ——e— 8332 J gie sd Ltr. 

⸗ 6 (@. us“ 
ET un Bali — * 
teeiftit von are #48. In neun 
Er Se eieferung: &. 12. Geh. 

in he nen Kinn, Nee erßen —e— —X 
Bi er uf —X dem en ep Ba heit 
Su Handbuch der Hiinderkrankheitem. Nach 


Mittheilungen bewährter Ärste herausgegeben von Dr. 
4. Behmitser wid Dr. B. Wolff. 


ger fe et IR, ale ac 
a7. —— * a? Mexne 
voRftändigfies —— — ** 


ge von Gigennamen, _ 
en Dre BER 
a foction.) &r.8. 
Ss Heft 8 Bar. 


4. Kannegi (KR) ji in Delphi. 
jaufptel (7 — a —— — 
—— und einem Rachſpiele: ori «a. Gr. 


Nar. 
a0 Wen (William), Die alteubur; e Bank 
Pe — in ihrem gegenwärtigen ra bei 
Nchtigung ihrer Brebengmeige po der A eg * 
Geſetzgebung bargeftellt. Gr. 8. Gh. 
Yrüber erfülen von Sen Berta 


in mir 
a a igihe, z ——— 
50. renbetsfepus (Mofes) gi 
Rad den Originaldruden — Handfechrii herauds 
"an von 8 B. Menbeisfahn. jeden Bäns 
Erſte Ei ober bis [2 


Mendelöfehn’s an. %. Fi Bed. 3 Str. 
— — 





— 

5 andere 
—— —8 
tem 

lichsten und 


Nach den besten Quellen und nach dreissigjährigen, im in- 
und Auslande selbst gemachten zahlreichen Beobachtun- 
- gen und Ershrungen ans dem Yolkaleben gesammelt. In 
Heften. Erstes Heft. (Aaleuppe — Breunnestel.) 
Gr. 8. Jedes Heft 15 Ner. 
‚Bon dem Berfafier erſchlenen unter Anderm bereits In meinem Werlage: 
I 1 


! ’ 
! 


52. Ott (Ar), Befdite Ber legten Kämpfe 
esn's. evolution und Reftauration. Zwei Theile. 
mi —— ind Gparakterfti; Zwei 
feenen us rakterſtizzen. Zwi 
Gr. 12. Geb. 2 Thir. 

54. Ber nene Pitaval. Cine Sammlung der intereffans 
uam en ‚dichten aller Länder aus älterer und none 

Berausgeg jegeben von I. @. IH und W. 

Er (8. Aleris). Dritter Spell Geh. 2 
Datz: Giruenfe, = Srfurgusl, — Der 64 —— 
Sn —— — Mertkelemg Raberib und feine 


ale Wale ——ã 
gemeine ehigtfammii aus ben Werfen 
5* — min 
au⸗ lichen u von 
243* auer. Zweiter Ban. _ — d. & 


* me ae 
56. Puchelt (F. A. Bj.), Das Ven a 
inseinenkr. ——— 


us: ‚uugearbeiie A In drei Theilen. Erster 


£ Ban Ehe —ãa.i Bist 
‚e gi ie für 
5 en re (Sonverfe 
NReunte, verbeflete und —* Bene rgo Driginal« 
Bonftändig in 15 Wänden oder 120 Heften. Reuntes 
Tehtueonens Be, #5 goelter and. (Balde—Buchhandel,) 
E eg In 15 ae se ın ee IHR 
— —28 
——— 

— das Werk zu 6 Iren 
a a BEER 


* 
IBB N 
EHEN Au) Narerinigeen Ya: 


dl Bene EIER 
8. Bellfiab IR.), Befammelte Schriften. Cu 


is yoilfter Band. In bier irferungen, "Amelte Bitfe 
— ailer bie {eier Bank, 8 1. A a0. 


æi 
Ks nen), Ph ur! ER BE — 
— : ae — 


—38 AT 

ri en 

Ba SE un 
60. ee Vote et Novi Testamenti versionis go- 


thicae fragmenta guae supersunt, ad fidem codd. a 
gata, latinitate donata, adnotatione eritica instructa m 


glossario et !granmatica ia Iingune gothion 'thicae con; 
— =. 0. de ie IE Locbe. 
Zweiten Bandes erste Abtheilung,, u — des Tex- 


tes und das Glossar enthaltend. Gr. 4. Geh. Drack- 
papler 4 Tate. 161 Neon Hay 5 Thlr. 8 Ner. 


Dir auß der — 
—— — in mein 
Ben — 5 —— — ei irn 
Pier Traditiones, corbelenses. Herausgegeben von 
P.Wigand. Gr.8. Geh. 24 Ngr. “e 


Ha: Sal vn vn Beau va me, — gegen 


———S— release. Gr. 6. ıaL 


“ 2) 22 Senn gehen 
ne ausfädrlihe Ankündigung IR in allen Buds 
Das Werhätsnt 
if 





Untı 
gan * In —E m iR focben erſchienen und an alle Bud 


Der Flurzwang 
in seinen Folgen und Wirkungen 


die Mittel zu defen Befeitigung 


Prof. an der Dr. Bart Ehristien Anaus, Ps 
Mit fieben Karten. 
8. Velinpapier. Broſch. Preis 20 Ngr. (16. gGr.), oder 15 


für ale 
iden, in idteiter Brundbi idet, von 
der Bien —eA — ee dr Bram 
bebingungen eine zeitgemäßen Kortfe bes Landwirthicheftes 
betriebes iſt. Der Vortrag ift fieben ‚Karten verfinnticht, 
| Iren nie Se Werpee vr dam Berfafee giant fee 
af 
ienen Verfahrens zur Befeitigung des läftigen Frargmange eo 


—— wird daher Niemand, bi bie Berbeffe 
beider au —2— — — — 


N in’ Sunt 1843. 
8 . Eofta’iher Verlag. 
Ion FR AR in eipris iſt erſchienen und in als 
Pie. fhönsten Ze wengeſchichten des 
Mittelalters. 
Ih ren Sängern nacherzaͤhlt 


Feerd. Kasten, 
1. Die Eeithiofs» Sage. 74 Ngr. 








3 unterzeichnetem iſt ſoeben und (a alle Belgien zu beziehen: 





Sefhichte d d 


auf vie 


ang Menzel's 





er Deutſchen 


neuesten Tage. 


Bierte ‚ umgearbeitete und vermehrte Huflage an Einem Bande 
Mit des Verfaſſers Bildnig in Stahl und einem NRegifter. 
Preis 5 Thlr., oder 8 FL. 45 Kr. 


Wir glauben, zur Empfehlung dieſes der beutfchen Leſewelt bereits durch mehre Auflagen belannten Werks nur an 


been 


zu bürfen, daß die neue Auflage ale fruͤhern an Reichhaltigkeit des Inhaltes und Vollſtaͤndigkeit übertrifft (fie enthält 
gen mehr), indem ber De Bertaffer unablaͤſſig bemäst war, bie Grgebniffe aller ber zahlreichen einzelnen Forſchungen und De 


theilungen, durch welche er Beit, nament 
net worben find, bie —XRXX 

nen bat, in feine zuſammenhaͤngende Darſtellung einzutragen. 
bis auf die neueften Tage fortgeführt und erft mit dem 


lich feitbem viele bisher verfchloffene Staatsardhive den Gei@ihtsfreunden geöffe 
che Geſchichte zumal die neuere vom Beformationspeitalter an, ungemein an Aufflärung 
ig ea aus bat berfeibe d 

a 


ewon⸗ 
€ Entwickelungsgeſchichte des deutſchen —** 


2 abgeſchloſſen. Die rein patriotiſche Tendenz bes Werks, di 


unbeftochene Strenge bes urtheits und die Wärme ber Sprache find fich gleich geblichen. 


Stuttgart und Tübingen, im Juni 1843. 


Bei 6 s 
[dienen un uk alle 8 


Beilige 
Geſchichten und Sagen, 
Didhtungen 


von 
Deier Viſchbach, 
mit mehren bildliden Darftellungen 
von Math.. Fischbach, geb. Severin; 
nebft andern Gedichten religiöfen und ethifchen Inhalts von 
\ Demfelben. 


8 Bogen in 8. Velinpapier. Gebunden. Preis 35 Nor. 


handlungen gu beziehen : 





Bei Marl Gerold & Sohn in Wien 
ist soeben erschienen und daselbst, sowie in allen Buch- 
handlungen Deutschlands zu haben: 


Grundzüge 
der 


BOTANIRK. 


Entworf en 
Steph. Endlicher und Franz Unger. 


m 1843, 
Gr. 8 In Umschlag "brosch. Preis 4 Thlr. 


Diese Grundzüge, in denen die Verfasser die Wis- 
zenschaft, von der Pflanze in ihrer 
einer den Umfang eines mässigen i 
enden Form abzuhandeln sich die Aufgabe geseizt haben, 
sollen nicht nur als eine Darstellung des 
standes der Botanik dienen, sondern sind auch so einge- 
richtet, um als bequemer Leitfaden beim Unterrichte und 


_ 


I. ©. Verlag. 





reg Fr | 
4 ndige 
FETT DOTORTADE | gun —— 


Der —— a 
nad ben ——— unb deßen 
“Te. Sch. 2 34 Mor. 


Ceipzig, bei $. 3. Brockhaus. 


Dieles Sortteeg —— ſich vor allen andern Taſchen⸗ 
Voͤrterbuͤchern durch Wortreichthum, Töne Mus 
tung und einen verhaͤltnißmaͤßig bifigen reis aus. 

bie zwedimäßigfte und zaumerfparendfte enpogeaphifihe eig 
tung wurbe es moͤglich, faft die boppelte Zahl ber 

ähnlichen Werken enthaltenen Wörter au unehmen, aß Bub 
hmibt 5.8. im Buchſtaben A über A000 verzeichnet, während 
die bis Mi belannten Fe Wörterbücher been au 2000 
le, en. Da es über an 70,000 Wörter 
Atbum fetoft Thibaut —— und 


frangais - allemand et allemand- 
composd d’aprbs 3. smellleurs 
ouvrages 


— 











In untergeichnetem find forben erſchienen und burch alle Muchhanblungen ya beyichen: 


Gedichte 





von 


Sndwig 





Uhland. 


9 Auflage 


in engliſchen Einband mit goldenem Schnitt und einem Stahlſtich. 





Preis 3 Thlr. 22" Nar. (2 Thir. 15 gGr.), oder 4 ZI. 30 Kr. 
D tet huͤbſche Ausgabe reiht bie 1 at unb in Ausftatt 
@oiclonen von Ghethet, nn en oenas, Become Gehidlen Xr © eier Yosfattung dereite erſchinenen 


Gtuttgart uns Tübingen, im Juli 1843. 


I. &. Eotta’fcher Verlag. 





Durch alle Buchhandlungen iſt zu erhalten: 


Adam Miekiewiez, 


Dorlesungen über slawische Aiteratur 
und Zustände, | 


Gehalten im 
_ Collöge de Frauce in ben Jahren 1840— 42. 
Deutfche, mit einer Boreede Beil Verfaſſers verfehene 


* 12. Geh. 
Iſten Theils Iſte und 2ten Theils Ifte Atheflung, 
Preis jeder Abtheilung 1 Thlr. 5 Nr. 
Das ganze Werk wird in vier Abtheilungen erfcheinen unb 
naen kurzer Zeit im Druck beenbigt fein. Wir glauben uns 
aller Empfehlun —— bei deſſelben enthalten zu koͤnnen, ba ber Name 
bes — erfaſſers fuͤr den een Inhalt buͤrgt und 
in fi —8 Grade —— a ns algemeine In 
0 
Reipsig 185, 


‚im Zuli 
S Ho 





haus enarin®, 
Buchhandlung für beutfche und ausländifche Literatur. 





Bei G. D. Mähbeker in Eſſen iſt foeben erſchienen 
und in allen Buchhandlungen zu haben: 


Die allgemeinen Intereſſen 
des 


framösischen. Protestantismus | 


Graf —2 — son Gas pariu, 
Nequetenmeiſter und Mitglieb ber Deputirtenkammer. 
Aus dem Franzoͤſiſchen 
Br. Martin Runkel. 
Erſte —— — 
Auf feinem Maſchinenpapier. Er. 8. Geh. 20 Sgr. 


Die ernſten und barum erfolgreichen Bemüpungen bes Brar 
Saspar in für bie evangeli % Kirche er jebem evange⸗ 
bekannt. Gaine ber 


n Gpei 
tenta viel d ten 


Bei Alexander 
in Berlin, erschien soeben: 


Klammengefaßt. Es find die ber evangelifgen Kirche im 

gemeinen, und fo wenig biefe ſelbſt auf ein Land ober Voll 
befyränft fein Tann, fo weni e6 ihre Intereflen. Die 
Interelfen bes feansöfifäen Proteflantismus-find 
bie des deutſchen, find die aller Proteſtanten! — 
Alle werben in diefer Schrift mit großer Sachkenntniß und tie 
for Cinſicht, mit chriſtlicher Eiche gegen Anbersdenkenbe, und 
ernfter Ermahnung bargelegt und vertreten. 

"Die zweite Haͤlfte wird In einigen Wochen ausgegeben. 

ee ee ER 


Bei Braumülee & n geidcı in Wien iſt erfchienen: 


Orstreichischen militainchen Beitschrift 1843. 
Inhalt dieſes Heftes: 

I. über Vaffenuͤbungen and MWanoeupre in Friebenszeiten 
— II. Der Feldzu ID am Oberrhein. ( Schluß bes erfim 
Abfchnittes.) — Das Gefecht Hei Naumburg und Röffen 
in Sachſen am 10. Dctober 1813. — IV, Biographie bed Gra⸗ 
fen Joh. Nep. von Brofit  Sopienrt, = k. Feldmarſchall⸗Lieute⸗ 
nante. (Schluß.) — I. Neueſte Militair⸗ 
veraͤnderungen. — VII. rise und b Notizen ; Ar. 277—31, 


Preis des Jahrgangs 1843 in 12 Heften 8 Thit. 





SATBERIUNE NARZEZ 


EXERCICES DE MEMOIRE. 


Preuure 
mie⸗ à, la porter des enfante, 
8. Brosch. ’% Thlr, 


Feine Ausgabe elegant broschirt % Thlr. 

Die billigere A ist zur Einfühsmung in franzö- 
sische Üsterrichtsanstn n, Mädchenschulen, Peuziomate etc, 
bestimmt. Die feinere eignet sich durch ihre elegante Aus- 
staktung vorashmlich zu Geschenken. 


TR 
Bochen erscheint bei F. A. Biroekhaus in Leipzig: 


Treniakanburg (4 Adf, * ‚Die logische 
Hegel’s System. Zwei 
Stretschrifien, Gr. & Geh. 10 Nar. 


Drud und Berlag von F. U Bro@ydans in Leipzig. 
i —— ⏑ 











Literariſcher Anzeiger. 





1843. Nr. XVIL 


Diefer Literarifche Anzeiger wird ben bei F. A 


Durch alle Buchhandlungen ift zu begiehen: 


Veteris et Novi Testamenti versionis gothicae 

fragmenta quae supersunt, ad fidem codd. ca- 

stigata, latinitate donata, adnotatione critica in- 

structa cum glossario et grammatica linguae 
gothieae conjunctis- curis ediderunt 

H. ©. de Gabelentz et Dr. J. Loebe. 


: Vol IL Pars 7 
- (Den Schluß bes Zertes und das Gloſſar enthaltend.) 
Gr. 4. Seh. Drudp. 4 Thle. 15 Ngr.; Velinp. 5 Thlr. 8 Nor. 
Dee erſte Band ift ans dem Verlage ber Gchnuſphaſeꝰ⸗ 
ſchen Buchhandiung in Altenburg in den meinigen uͤber⸗ 
gegangen. und ot auf Druckpapier 5 Thlr. 15 Ngr., auf 
elinpapier. 6 Thir. 22 Nor. Die zweite Abtheilung des zwei⸗ 
ten Banbes (ie Srammarıt der gothifchen Sprache nthattent) 
wird im Laufe des Fünftigen Jahres erfcheinen. 
Eeipzig, im Zuti 1843. nn 
F. A. Brockhaus. 





In Untergelänetem (8 iſt ſoeben arſchienen und in allen Buch» 
handlungen verfand 


Die Si: Banmzucht 


oder Anzucht, Cultur und Benutzung der in= und 
auslaͤndiſchen Holzpflanzen des freien Landes 
von 


a. F. keny, 
Eurtärft. Heil. Hofgästner und Mitglied mehrer gelehrten Geſellſchaften. 


8. Velinpapler. Preis! —8 * Ngr. (1 Thlr. 20gGr.), 
ob y 


. 1 Bie ange 4 —* enpbyfioie Hör 
FR Rd A ——— 
anzen, Ture —— — uud sie 
e — )) Das Keimen der Eamen. — 3) Das Ernaͤhren 
flanzen. — 3. Die von Ber Natur zur Hervor⸗ 
ung, Auobii wu. tung u". 
vorhanhenen Mittel und ihre SCnwenbung. — 
8 Klima. — Der Boden. — 4. Über Unterfudung ber 
Heer unb Bartenerben. — 1. Das fpecifiiche Gericht. 
— 2. Das Anfühlen, die Farbe mid der Geruch einer e. — 
3. Die waflerfaffende und waſſerhaltende Kraft ber Erde. — Rea⸗ 
n. — E. Die Baum Im Em, _ „eilbbaum; 


| und Schatten lieben. — 17. 


Brodhaus in Leipzig erfcheinenden Zeitfchriften „Biätter für Titerarifche 
Unterhaltung‘ und „Iſis“ beigelegt ober beigebeftet, und betragen bie Infertionsgebühren für die Zeile ober beren Raum 21, Rgr. 
ü —— — —— —— —— —— —— 


durch Anhänger. — D. Die Vermehrung auf na 
türlihe Weife — E. Die Bermehrung aus Steck⸗ 
lingen. — bb. Cultur junger Pflänglinge. — Die Berebelung. 
— A. Das Ablartiven oder Abfäugeln. — B. Das 
Söopuliren. — C. Das Pfropfen. — D. Das Deus 
liven. — Allgemeine Bemerkungen über bie Vers 
ebelungsarten. — Die Bearbeitung bed Bodens. — 
H. Allgemeine Regeln bei —* des Bodens. — De 


Sgpie oder das Auspugen an ben Pflanzen. — IV. . Das Vers 


— IE. Berzeichniß alter in: und ausiänd> 
fen Heupfanen bes freien Randes, — NRadıtrag. 
ee Fort: Nuphölger. — 3. Bor —— — 3, 


äußere Eimatifche Einfluͤſſe. — 6. Die Höhe ber Gehoͤlze. — 
T. Die Art des Wachsthums der Seoätze — 8. Pflanzen, die 
auf teodenem Sande wachen. — 9. Auf trodenem, friſchem 
oder auch feuchtem Torf wachſend. — 10. Pflanzen, bie au 
n. fortlommen. — 11. Pflanzen, bie as trodenem aber 
nabrhaftem, frudtbarem Boden gedeihen. — 12. Pflanzen, bie 
einen mäßig feuchten oder immer frifchen Beben lieben. — 13. 
Pflanzen bie feuchten aber nicht ganz fl 
ben. — 14, Wirkliche Sumpfgehoͤlze. — 15. Gehölze für Rache 
pflanzungen. — 16. Pflanzen, bie als Unterhofz d nen Tonnen 
Ranker und Kiettere unter ben 
Gehoͤlzen. — 18. Immergrüne Gehölze. 
Stuttgart und Tübingen, im Juni 1843. 


3 G. Cottaꝰſcher Verlag. 


Bei G. Reimer in Berlin iſt eben erſchienen und in 
allen Buchhandlungen vorräthig: 


Shakspeare’'s 


dram atiſche Werke 


berſett 


R. W. v. Sätegel und %, Viel. 
Neue Ausgabe in zwölf Bänden. 
Grfter Band, 

Subferiptionspreis für jeden Band 10 Sgr. — y, Zhu 
Auf feinem Velinpapier 15 Sgr. = Thlr. 








Durch alle Buchhandlungen iſt von mir zu bezilhen: 


Vhiloſophie des Staats 


Allgemeine Zocialtheorie, 
Dr. Buge Eifenhart. 
Gr. 8. Geh. 1. Thir. 6 Nor. 


Reipzig, im Zuli 1843, 
Ä F. A. Brockhaus, 
1 





—A Boden lie⸗ 


NEUHÄUSER 


STEINKOHLEN-VEREIN. Ä 


VEREINS - 


NS-CAPITAL: 


220,000 Thaler Preuss. Court., oder 420,000 Gulden n Whein. 


In 1200 Actien zu 200 Thaler 


ss. Court., oder 350 


ABWURF: 
Fünf Procent feste Verzinsung und eine u sechs Procent veranschlagte Jahresdividende. 


Abbauselt: Hundertundsechsuig Jahre. 
Der Weuhäuser Steinkohblen- Verein (gegründet nach der statuferischen Bekanntmachung vom 15. Juni) 


hat den gemeinschaftlichen Abbau des grossen und reichen Ste 
zoglich Sachsen - Meiningenschen Bergreviere Neuhaus, mit einem geschätzten Kohlenvorrath von 


men Centnern, zum Zweck. 


oder 


Die Astien lauten auf den Inhaber (au porteur). Bie sind über den Beirag von 208 Tiuanlerm Preuss. 
Osuramt, Gulden im 34 Guldenfms ı 6 und mit Coupons für Zins und Dividende auf 
wiernig Jahre verchen. Die Ceupons werden, sur Bequemlichkeit auswärtiger Actionnairg, ia Augsburg, Frank- 





Suet und Merlin bei den nachgenannten Firmen 


A. im ber- 


achtuig Miklie- 








Der noch dispenible Theil der Actien ist bei den Wechseikäusern 


B. Metzler sel. Sohn & Co. in Frankfurt a. IL, 
Joh. Lorenz Schäzler in Augsburg nd 


Anhalt & Wagener in Berli 


* Baersendung 


Veponirt, von denen sie, ohne weitere Unkosten, 


des Betrags von 200 Thalerı Preuss. 


:Oparant, oder 350 Gulden im 24 Guldenfuss für jede Actie, oder gegen Remessen in Staatspapieren, weiche dem Ea- 


wender zum Tagesoours berechnet werden, vor dem 1. September d. J. zu 


erhalten sind. 


Wach dem 1. September hört die Abgabe dor Actien al pari auf. 


Mildkurghausen, am 15. Juli 1843. 


Ber Henhünser Gteishehlen-Berein: 


I. Meyer, 
Director und Mielgentküner der Verdiaswerke. 


Durch alle Buchhandlungen iſt von mir zu begiehen : 


Die ® Asverus (Got.), ai 
fehlaptlicper BEN Y Hemmenben — — wit Dem erffen 
1 Pa 15 Nor. 









Sr. 8, 
Worniger (A. esse), 





VYeovoestiono. 
Bussi Beiträge zur Kunde 
bes roͤmiſchen Staats : unb Rechtslebens. 


Gr. 8. 1 The, 24 Por. 
eissia, iu Zu lac. Y U. Brockhaus. 
Im Berlage des Untergeichneten erſchien fochen : 
Giecevbrecht. 
Wendifche Geſchichten 


aus den Jahren 780 — 1182. 
Deitter Band. 2 Thlr. 10 Mer. (3 Thle. 8 g@r.) 
Die „beiden erften Bände ber Wendiſchen Geſchichten fanden 


nach rem a einen edrende Anerfennung (Preuß. 
ei tung, Bo ; Siter. Zeitung, 1842, hin , und 
) bie ———* des ganzen Werts ia Kt ſich erſt 





—2* m uud das 





—** a ee t, —— * Es iſt „gie 












bedentenden Periode des n ine und 
Abſtoßens deutſcher und ſlamiſcher Nationa und * 
waͤhrt zugleich vieifach neue —*2 über weſentliche Yun 
ber allgemeinen Gefchiäjte des ‚, zu beiben —2 
Ditſee. und Freunde heimtſcher berg ia 
—X — ——— 
duͤrfen daher auf das Bud ebenfo — aufmerkſam ges 
macht werben als die M vollſtaͤndige Werk 


N Bände, ar. 8.) ift für 6 —— a durch alle Buchhanblungen 
— 1883, 





Amelan a Sortiments. Buhpaniätung. 


Freunde der fiteratur 

werden auf den Verlags - Katalog von F. &, Brock- 
haus in Leipzig aufmerksam gemacht, der soeben im 
einem neuen, bis sum Jahre I 1883 fig Dortgeläbrten, mit einer 
wissenschaftlichen Übersicht und renregister ver- 
sehenen Abdruck erscheint. Durch inte Bar Buchhandiung sind 

Exemplare gratis zu erhalten, sowie much ein Verzeich- 
niss schönwissenschaftlicher, historischer ote. und 
anderer werthvoller Schriften aus demselben Verlage, 





welche zu bedeutend ermässigien (nur soch kurse 
Kett geltenden) | Preison erlassen werden. 





In miexam iſt ſacben exfhlenen und durch alle Mouse su beziehen: 


„„feamzößte und Deutfee Ar 
ducchgefehen und nem Auszuge herausgegeben von 


. 








ayer, 


Lebrer in Strasburg. 
8. Velinpapier. Preis 74 nat (6 gGr.), ober 24 Rr. 


Die in ür hie Elementarſchulen beider 
Giefem Gauptiädhtih f fu 


Länder ten A d zi 
ſtaͤnde, A auf sem ne nt q un 


enthaltenen. mannichfaltigften emei 
denſelben eine Sammlung ber für die erften Anfänger —— — Wörter vorangefchickt, umb de tin oͤnnen dazu dienen, mit dem 
Geiſte und ben befondern Wendungen beider Sprachen in einer Redegattung befannt zu machen, bi ihre e dee —— — 


er Die veranftalteten fieben Auflagen des groͤßern 
Ginttgert und Zühingen, im Juni 1843, 


Werks, und ber Beifall, welchen daflelbe bei fo man 
verbürgen feinen Mugen und laffen uns hoffen, daß auch gegenwärtiger Auszug feine Brauchbarkeit bewaͤhren wird 


Exheren gefanden 


3 G. Estta’ fcher Verlag. 





Durqh alle Buchhandlungen iſt vom mir zu beziehen: 


Gedidäte 


Carlopage. 
Gr. 12. Gh WM Ner. 


. ‚tm Su TR 5%. Beockhans. 
Wissensohaftliche Graniosoopie, 


Erschienen ist, und durch alle Buchhandlungen zu 


Atlas 


Cranloscopie 
(Bchädellchre) 


Abhildungen der Schädel - end Astiteformen berähm- 
tar oder sanıt merkmärdiger Fersonen. 


Dr. Mari Gästav Carus, 
Hof- und Med.-Bath, Leibarst 3. M. des Könige von Bachsen, Ritter. 
ä Abbildungen ü * Kostiermn id kai —— 
e der rmen Sc ers, Talley- 
rands, eines Grönländers, eines Oretin’s, —* 
oleon’s, eines alten Skandinaviers, eines Kaf- 
pre alaas Bali, sowie zwei 
dieser Köpfe. 





Mit Eu deutschem und fzanzösischem Text. Folio. Laden- 
Preis 6 Tälr, 10 Ngr. (6 Th. 8 g6r) 

. Nachdem es durch die neuen Fortschritte im Gebiete 
der Physiologie miglich geworden ist; über die psychische 
llbungen ya geben. als ca — von 

weis . es die ngaben von 

Sa ureheim, m, —æeS— vermochten. musste 


ürfniss nach durchau 


auch s genauen und allen An- 


foderungen rechenden Abbildungen menschlicher "Kopf- 
Sörmen immer fühlbarer werden. — Die hier gebotenen 
es H | 


Tafeln sind aus der 22 bekannten Anstalt 
Franz ' ea und unter Leitung des 


Herrn einnig riehtigen | Mutbode in 


natürlicher Grösse ‚ sodass sie jeden Kenner aus 
vollkommenste befriedigen inüssen. 

Die zweite Lieferung dieses Atlas, dem wol keinsg 
der seitherigen Werke ähnlicher Art an die Seite zu stellen 
sein dürfte, wird unter Anderm die Kopfbildung von Kant, 
den Schädel einer merkwärdigen Königsmumie aus den 
Gräbern von Memphis, den Schädel eines alten Germanen 
und den eines wei lichen Cretin’s in den genausten Ab- 


liefern. 
„ im Juli 1843. 
Weichardt. 


Durch alle Buchhanbtungen ift von uns zu beziehen: 








monachi et presbytert 
edita et inedita, 


4lberts  Dresset, 


Smj, P t Li ı Thl 

Reipsig, in Re pie “ 
Brockhaus S ven — 
— für deutſche und auslänbifihe Eltern 





I, Verlage von Sb. uhr. Barth in Leipzig 
Dornan, J., Bergmann unb MSiTbpich, 6. 
eh. 1 Thlr. TYı Nor. (1 Ehe. 6 gGr.) 
Porioegen 18 we  Pilterift "roman Ge 
mälde von E. K. Geh. 1 Thir. 337% Nor. 
Siambhe, er 18 PN 


—— * B Pokejewnicke, 


Durch alle Buchhandlungen ift von 8. ac. Beockhaus 
in Leipzig zu beziehen: 


Kannegiesser (. X.), Iphigenia in Delphi. 
Schauſpiel in drei Acten, mit einem Vorſpiele: Ipbi- 
gries Heimfahrt, und einem Rasfpiee: Ipgigenia's 














Gr. 8. Sch. 12 Ngr 


. 


Shen iſt erſchienen: 
Berrmanm, Dr. Gen, 


Beiträge 
Geſchichte des euffifchen NReiches. 


1) Über die Verbindung Nowgorods mit Wisby und ber 
Deutfchen mit den Ruffen. 2) Des Freiherrn Schoulz 
von Afcheraden Geſchichte der Reduction in Livland. 

3) Tagebuch des General: :Selbmarfhallß von Muͤnnich. 


it Beilagen und Einleitung. Gr. 8 67 Bogen.) 
Sein Velindruckpapier. 1843. Geh. 1’ Thir. 
Deridan, BB, 
Sinland 


. und die 

Bin iIdände 1 
Aus bem MRuffifchen. 8. (VI und 132 &.) Beh. AXhle. 

Warmer Sinn, richtige Zuffaffung, Beide und Lebendig⸗ 
keit des Ausdrucks charakterificen den Verf. dieſer Intereffanten 
ungen jenes noch fehr unbelannten Landes und feiner 
uft& 
Biurichsſche Buchhandlung. 





Bei F. A. Drockhaus in Eeipzig iſt neu erſchlenen 
und durch alle Buchhandlungen zu beziehen: 


| Traditiones corbeiesnes. 





Derauegegeben 
Dr. Paul "Wigand. 
Gr. 8. Geh. 24 Nor. 
rüber erfäjlen v don dem ——— ebendaſelbſt: 
Die Corveyſchen Geſchichto quelleu. Ein 
Nachtrag zur kritiſchen Prüfung des N Chronkon cor- 
beiense. 1841. Gr. 8. Geh. 1 Thlr. 





Eine für Juristen und jeden gebildeten Geschichts- 
freünd gleich interessante, zeitgemässe Schrift ‚ist soeben 
bei A. Wienbrack in Leipzig erschienen und in allen 
Buchhandlangen zu bekommen: 


Beiträge zur Völkerrechts- 


Geschichte und Wissenschaft von 

Dr. K. Th. Pütier. Gr. 8. Geh. 1% Thlr, 

Inhalt: Über Begriff und Wesen des prakt/schen eu- 
ropäischen. Völkerrechts. — Grundzüge des alterthümlichen 
Völkerrechts. — Geschichte des mittelalterlichen Völkerrechts. 
— Das Durchsuchungsrecht in Beekriegen. 





"Be Oreli, Wüssil und Comp. in Zürich Ist er- 
schienen und durch alle Buchhandlungen zu beziehen: 


Satire di Ludovico Ariosto. 


Edizione critica riveduta 


da 
’ Go. Gospoxe Oral. 
Gr. 4. Preis 20 Ngr. (16 gGr.), oder 1 Fi. Rhein, 


Überfegungs: Pnzeige. 

In unferm Verlage erſcheint binnen kurzem eine beutfde 
Überfegung ven 
Thefrenchrevolution,ahistory. 

y Thomas Carlyle. In three vo- 

lumes. 7 
weiches wir zur Vermeidung von Gollifionsfällen hiermit anzeigen. 
Eeipzig, am 17. Zuti 1843, 
Brockhaus & Avenartus, 
Buchhandlung für beutfche und auslaͤndiſche Literatur 





Bei 


Bliegander Dunder, 
Bönigl. Dofbuchhändler in Berlin, 
erfcheint ſoeben: 


Karl von Holtei 


Die beſchuhle Katz. 


Ein Märden in 8 Meten mit Zwiſchenſpielen. 
8. Velinpapier. Eleg. geh. Thir. 





Allgemeined 


Lehrbuch der. Geographie 


für Militairfchulen und Gymnaſien, wie zum Gelb: 
ſtudium. rat einem Anhange, enthaltend die hiſto⸗ 
riſch merkwürdigen Örter Europas, 
Bearbeitet von 


W. Meiuede, 
tönigl. preuß. Hauptmann in der britten Artillerie Brigade und 
Director ber Brigadeſchule. 
Be 


Dritte Auflage, nad den neueſten Veränderungen, 
fimmungen und Entbedungen umgearbeitet und —8 
1836. XVI und 4002 Seiten. Gr. 8. 

Preis 23%, Thir. (Auf 6, Gxemplare 1 Freiexemplar) 

Ferdinaud Binbady in: Berlin. 


«Ws 
allen Pr Bene Deurfchiimie A u 
kudwig (Sr.), eubahten über daſs Bebet 

Des Seren, F 125 Ngr., ober 44 Kr. 
— —, Bar —— Diqhtungen. 
* oder 1 FL. 1 Ar. .. 





8. Geh. 





Bi J. X. Brockhaus in kei 
unb in Er eher zu erhalten, ziis hy nen erfäjlenen 


Pie altenburgifhe Ferdwicthfäen 
in ihrem —— Zuſtand 
Mit a an, ihrer —* und 
er agratiſchen Geſetzgebung, dargeflellt von 
Winiam Zöße, . 
Gr. 8. Geh. 1 Thlx. 15 Nor. 
:  BDiefe auf viele officielle Mittheilungen Sofirte Schrift bärfee 
gang befonberes Intereſſe für Dielenigen haben, wel 
Berfammilung ber deutſchen Lands und Borkwlethe 
die dies Jahr in Altenburg flattfindet, zu beſuchen gebenten. 


Drud und Berlag von J. U. Brodpaus in Leipzig 





Literartfder Anzetget. 





14843, Nr. XVIIE 


Diefer Eiterarifche Anzeiger ar ben bei 
Unterhaltung” und „Ifis⸗ beigeltgt aber be 


Verlags- und Comisissionsartikel 


von 


Brockhaus& Avenarius, 


Buchhandlung für deutsche und ausländische „Literatur 
in Leipzig. 


1843. MIT. April bis Imi. 


(Bir. -i dieses die V vom Januar bis März 
enthaltend, befindet sich in Nr. XV des Literarischen „Auseigers.) 


Echo de la täresure frangaise. Treisiöme anınde 1843, 
Nos. 13 — 24. Gr. 8. Leipzig. 5%, Thlr. 

„Erscheint jeden —— — In Nummers von 1-2 Bogen und bietet 

—— den d Integessantosten sus der gesammion 


Michtewice (Adam), Vorlesungen über slawische Li- 
teratur und Zustände, Gehalten College de Frunce 
in den Jahren 1840—42. Deutsche mit eiser Vorsede 
des Verfassers versehene Ausgabe. Ersten Theils erste Ab- 
theilung und zweiten Theils erste Abtheilung. 12. Leip- 


zi Baris. Jede Abtheil LV. Thi 
Word Io 3 Binden oder A — en. 





de Beaument-Vassy 
depuis ie oongres de’ Vienne, Belgique - 
Paris. 23%, Tür. 
Biklietheqgue du medeein-pratieien, eu BRisums gendrel de 
tous les ouvrages de clinique mödicale et okisurgicale, 
de toufes lea man etc,.ete, Par une societs 


Hellande. i-8: 


de medecins sous la direction du Docteur Fahre. T.L | 


Maladies des femmes. Ice vr. IB, Paris. 44, Thir. 
*X N: en on Balgazio pendant ’annde 1841. In-12, 






Bami de „ds seograpbie medicale, ou 





egraphique des ——e et ae leurs rapports topo- 
graphiques ‚entre ellee. Leis o et d’anta- 
gonisme. In-8. Paris. j7 Th. 

Brensen (J.), Des fonds publick —* ot dtrangers et 
des © dus de.la’ bemme de:Peris. "Biss #dii, In-12, 
Paris. 1%, Thir. 

)» Chont- del’eyil. 4-12. Paris, 1’, Thir. 

Le Droit canon et son application a l’öglise 'protestafite. 
Manuel traduit de allemand, ar ) Jouffrey. 


valk hir, 

Übersicht der älte- 
chen 'Völker- 
stämme. ach, 


heet. B. Koman, 1 14,7 
— Müsıen Taperlan's. 


— —— —— 
8 Kassa 189. % 

— — — Kritische Benrtheilung is ‚VOR 
Heyra ttomere ebenen Histoire.des Mon- 
gols — 8. Karan. 3841. Thlr. 

Ip Amar, Hpo.20T% 3aÄHETBOBA.AL CBOE IOBSCTBOBAHIEe 


o AperHeü nepenaexoũ HCTopiü H3b HEPCHACKHII 


BCTOTHÜKORE. (Erdmann, Hoerodot entnahm seine | - 


- 


4. Brodpaus in Leipzig erfcheinenden 
beftet, und betragen bie-Bnfertionsgebühzen. für, & 


„ Histoire des Stars europdens 





eitfehriften „Blaͤtter für litera 
Zeile ober dere ann 2, 4 


Erzählung alten telnchen „Gesehishte, aus * 
sehen Geschichschreb en) Kasan. 1888, 

Les Francais ts par nen T. VI, livr. hr 
Gr. n-8. zig: Jede Lieferung schwarz M Thir, 
colorirt . 


Gabet er Traite el&mentaire de la science de ’homme 
Upngidehe sous tät les rapports; enrichi de figures, 3 vels. 
Io-8. Paris. '6%, Thlr. 

emte %. dei, Bien vi souvenirs de . 

es de Vienne. Tableaux des salons, scänes anec- 

—8 ues et portraits. 2 vols. In-12. Paris. 1%, Thlr. 
„ir FF.) Cour d’ esiliätique , irgeit Ch. 

2me ine partie . 30-8. Paris. 2%, T . 

Humboldt (A. de), L’Asio centrale. Recherahes sük 
les chafnes des montagries et la climatologie compävde, 
3 vols. In-8, Paris. Thlr. 

Heck (Paul de), Vamourenz transi. 4 vos. ui 
Paris. 10 Thir. 

Laboulaye (E.), Recherchen sur la condition eivile 
et politique des femmes de nis les Ramains jusqu’a nos 
jours. In-8, Paris. 3), 

Meneval, Napoleon et Marie-Louise. Soevenim IR 
storiquts. 3 vols. Ia⸗. Bari „BY, Thie. 

Pheniz- Fuglen, et Angelsachsisk Krad. förstegang udgived 
med Indledning, Fordansknin og Efterklang af N. T. 
5. Gründtvig. Imp.-8. , Kiöbenhava. % TRIF. 


| sera Ramayana, ‚em indiano di Yalmici, ' Festo 


sanscrito secondo i codiei manoscritti della scuola Gi“ 
dana, per Gaspeire dosmepie, Vol. I. Gr. 8, 


—XRX XEXX 2 
ou du — Zi ses rapports avec Ia Dberts, 

Vries (A\ de), Erlsiräuements sur Phistahi de Min- 

vention de l’imprimerie, contenant, ete. Traduit du hol- 

— J. V. F. Koonäuick. In8, ‚De Bali 

dia usytku mia od 1 

fi Seltena uloäon 18. a TR Ta 

Listy \erfeyjekie, czyli "Korbiör krytyezny any —2 — 

——** vichoci⸗ ‚Gelenk Buakowy 

nstysut 2 — In-33, Sapresl. 1 





Magnumewski (Be >), Nie —** w 
p ge ne — 1 „eh. . 
olska chrystusowg, mo paswiecone ob SPOLOcHEyUn, 
wydaware staraniene 5 Br Zessyt 


. waklego. 
3%, "Thlk. ie 


ehe in Seipaig iſt men erſchienen 


| "Piratenlcben, | 
Seeſcenen und Speräkterfkingen, 


‚un. on 1 We: 


U. In-8. ‚ Paryi. 





Bei J.. & 
und durch alle 











Wiertdtjahes- art: 1833. TE 


Su untergeiäpstem iſt ſoeben erſchienen und an -alle — arrnkt worbden: 


Das Zte Heft der deutschen 


Bierteljahrs-Schrift 


für 1843. 


uli— September. 
Preis des Jahrgangs von 4 Heften 7 pie. 10 Nor. (7 Thlt. 8 gGr.), ober 12 BI. 


Inhalt: 

Aus em Briefwechfe eines nachgeborenen Prinzen. — Die verſchiedenen Methoden der geographiſchen Orts⸗ 
beſtimmung. — Die claſſiſche Philologle in ihrer Stellung zur Gegenwart. — Zur Geſchichte ber Communalver⸗ 
foffungsfrage in der preußiſchen Rheinprovinz. — Über die zwedmäfige Einrichtung tontinenartiger Rentenanſtalten, 
mit Ruͤckſicht auf die In Deutſchland beſtehenden Auſtalten dieſer Art, namentlich die oͤſtreichiſche allgemeine Ver⸗ 
forgangsanftalt, die ſtuttgarter allgemeine Rentenanſtalt, bie badiſche allgemeine Verſorgungsanſtalt und bie preufi⸗ 
ſche — cherungsanſtalt. — Die neuere philoſophiſche und politiſche Poeſie der Deutſchen. — Die Erſteigung 
ber Alpenhoͤrner. — Betrachtungen über den Frieden von Ranking. — Uber Drganifation und Wirkſamkeit fand: 








—— — Vereine. 
Kurze Nothzen. 
Stuttgart mb Aubingen, im Jull 1843, 


Be W. A. Brockhaus in Leipsig ist erschie- 
au pad durch alle Buchhandlungen zu beziehen : 


Handbuch 
der Kinderkrankheiten. 


- Nach Miikellengen b bewährter Ärzte 
erausgegeben von 
Dr. A. Schnitser ud Dr. B. Wolß. 


Zwei Bände. 
Gr. 8s 6 Tble. 








Im Verlsge von MI, K. Brönnerr in. Fraskfurte.M. } 


- ist erschlönen und in ellen ehandiungen au habon: 


ENTSTEHUNG. "DER QUELLEN | 


UND DIE BILDUNG DER 


MINERALQUELLEN 
J. BOBÖNER, 


Dr. ed. u. chir. u. Director des Geogr. Vereine in Krankfart a. M. 
6. Geb, 15.Ngr. (12 8Gr.), oder 48 Kr. 


Für Jeden, der sich über die Natur und ihre Brschei- 
nungen gern eine richtige Vorstellung erwirbt, ist der Ge- 


genstand dieser Schrift ‘sieon an sich von hohem Interesse; | 


er wird es aber noch mehr durch .den, wissenschaftlichen 
Geist und die anziehendea Weise, womit der Verfasser seine 


Mit befonderer Beziehung auf das 





füömeftic Deutipland. — Die Kometen. — 


3 &. Cotta’scher Verlag. 


Aufgabe durchführt. Nicht blos für Gelchrte ist das Bäch- 
lein bestimmt, sondern es kann mit Ü Jeden 
empfohlen worden, der sich über das Wesen der Quellea 





darq ale Buchtonblungen iſt zu erhatten: 
Georg Forster's 


(a umttiche S * itten. 


Herausgegeben von deſſen Tochter 
unb begleitet 
wit einer Charakteristik Forsters 
don 


®. G. Gervrinus. 


Qu neun Wänden. 


Erste Lieferung: Band l, 6, 7. 
U Gr. 12. Geh. 3 Thir. 
Die übrigen Bände biefer * von 
Der Verke eines 


21 





digen YEus- 
en % 








' In Verlage des Unierneichneien erschlint seoben: 


R. Ve WEDELL, 


IISTORISCH-GEDGRAPDINCHER TAND-ATLAS 





6 Karten. 
Mit einem Vorwort 


Da. F. 4. PISCHON. . 
Zum Gebrauch für höhere Bärgerschulen, &iymnasien- und Militair-Biläungsanstalten, 


als Supplement zu den Geschichtewerken von Becker, Pischen, Rotteck etc. 
iste Lieferung. Querfolio. In Umschlag geh. 1% Thlr. 


’ Zur Beurtleilung dieses Atlas sei os erlaubt, aus der Vorredg des Herrn Prof. Dr. Pischon Einiges anzuführen : 


„Der vorliegende Atlas ist mit grossem Fleiss und der gewissenhaftesten Benutzung des Raumes gearbeitet, 
und verfolgt den auch früher von mir als wünschenswerth angegebenen Plan, so viel wie möglich alle Verände- 
rungen einzelner Reiche, wenn auch nur auf kleinern Karten, welche doch immer in viel grösserm Masstabe er- 
scheinen als ein einzelnes Land auf grössern generellen Karten, darzustellen. Demnach hat der Herr Verfasser ein 
Werk geliefert, welches sowol für Schulen, namentlich auch für militeirische, als für das Selbstudium der Ge- 
schichte ein höchst erfreuliches Hülfsmittel darbietet. Die Reinheit und Zartheit des Stichs entspricht guss dem 
Fieisse, welchen der Verfasser auf die Zeichnung gewendet hat, und gewährt auch da, wo die Karte beim ersten 
Anblick vol! erscheint, dennoch eine klare Übersicht derselben.“ 

„So empfehle ich deun mit voller Überzeugung dieses Werk für die angegebenen Zwecke als höchst brauchbar 
und wünsche dem Herrn Verfasser, dass er sowol seine wühsamen Studien als den grossen Fleiss, weicher auf die 
Ausarbeitung dex Karten gewendet ist, durch lebendige Theilnahme an seiner Arbeit anerkannt schen, vor Allem 
aber sich belohnt fühlen möge durch die Hülfe und Erleichterung, welche durch dieses umfassende Werk der - 
Jugend zu ihren historisch-geographischen Studien dargereicht wird.‘ 

Das Ganze wird in 6 Lieferungen, die in rascher Folge erscheinen werden, vollendet sein, 
Bei Einführung in Lehranstalten sollen den unbemitteltern Schülern Erleichterungen in Bezug auf die Anschaffüng 
ährt werden. | j 

u Ia allen guten Buch- und Landkarten - Handlungen liegen Exemplare zur Ansicht bereit. 


Alexander Duncker, 
königl, Hofbuchhändler, 





« tenbrack in Reipzig i b i 
und Di lie Buchhandlungen zu sehlehen: R foeben erſchenen 5 chriften von B. Koenig. 





—— penzbr⸗ ———8 Neu erſchien dei mir und iſt in allen Buchhandlungen zu erhalten: | 
Een, Defonbers bes Mitteleiters, Mi Negina. 
Erlaͤuterungen, audfuͤhr abellen, rechnun⸗ 
gen und — E— Hinweiſungen, zur Pruͤfung, Eine Herz enögefhigte 
Beſtimmung und Mebuetion ber Daten hiſtoriſcher 5. Rom 
Ereignifie, Urkunden, Diplome, Chroniken, Schrift &. i⸗ & 18 fe Par 
ſteller ıc., von den fehheflen Beiten ber beglaubig- . 12. Geb. pie. 6 Ngr. 
ten Gefchichte an. Bearbeitet von Dr. Ed. Brink Diefe Erzählung bildet das ss Bändchen einer Samm⸗ 


meter. Auch unter dem Xitel: Hiſtoriſch⸗ diplos —— bem Zitel: „Dentſches Beben in beutfgen 
matifch = chronofogifche Anmeilung, nach welcher ſich —. 
alle und jede Data und Epochen ber verfchiebenen Brüper erfchlenen von 9. Koenig in meinem Berlage: 
Schriftſteller und Urkunden aller Beiten und Länder | Die hohe Braut. Ein Roman. Zwei Theile. 
leicht und ficher beflimmen und nad jeder Aere und 6 1833. Geh. 4 The. 
j Kaleabertunn aebrdden laſſen ıc. Leritonformat. | Die Raaldenfer. Ein Roman. Zwei Theile. 1836, 

eh. 2% Thlr. | 8. Geh. A Thix. 
dem uUrtheile fachverflänbiger Männer ift bies Bud 

gang tefenders jebem Geichrten und Gefdhichtäfreunde um betr Die B „Breget. ae fpiet in fünf. Aufzügen. 

— —— — und. —* — ee Sie Fein Beipsig, im Auguſt 1843. 

—ã derartiges Wert beſiten. | | F. 3. Brockhaus. 






— 





— 


Bildung ber Dfigiere. — IN. Melrgiog des k. k. Generals 


tur. — VI. NReuefte Srflitatınerdnbenungen. — VI. Des Prins 


Neu erſcheint bei mir und If durch alle Buchhandlungen Hierabgeretzte "Preise, 


zu erhalten: 


Dis göntlide Domshie | Handbuch der C ber Geſchichte 


des 
Dante Alighieri. abendlaudifchen Riteratuen 
Aus dem Stalienifhen überfegt er und Spraden " ſ. w, 
von tert b 
KR. S. Kannegießer. Aüdr. . Im —ES wit (iterarifhen —2 —* | 


und herausgegeben 


Dr. £.W. Senthe. 


Dei ei Theis. 
ante’s Pinmiß,.gemnetrifthen Planen ver Höhe, den Sege- | IRee Sb. Ife Kryeil, tal. prof. Eit. 2898. 2240. 
*7 und des —** um ie dr Korte * — 158 Bd. 2 Abtheil. Ital. port. Lit. 1834. 23, Thir. 


Wierte, ſehr veranderte Wuftage. · 


ſte Abteil. Jrano prof Ei) 1883. * KEN, 
®r. 12. Geh. 2 Zhlr. 15 Mor. — 32 Ladenpreis 6 is 6 Abux. 25 25 Nor. auf 2" Thle. 


EI Die au diefem Werte gehörigen Aupferbeilagen |o 
hen urbripengen von Beteene mie Dam wur | art Geidel,. Eherinomes, 
046% 8 ß 
zen befonders für 16 Nor. eriafſen. “ Beiträge zur gemeinen ae und Geſchichte der 
_— nen Kün 
Fruͤber erſchien bereits in meinem Verlage: Zwei Bände, Gr. 8. 18235 und 188. 
Ladenpreis 5° Thlr. auf 2 Thu. 


Dante Alighieri, Das une Leben. Aus dem 
— über und on. von 4%. Sörster. Berbinont Rubad in Berlin, 
t. Geh. 
— —, — Gedichte. Überfege under 
Etärt von 6. C Aannegiesser und A. Witte. Zweite, 
vermehrte und verbefierte Auflage. Zwei Schelle. 1843, 
Gr. 13. Geh. 2 Thir. 123 Nor. 
Reipsig, im Auguft 1843. 
R. &, Berayanb. 


Bei Beaumäer * ri Ar Rie⸗ iſt erſchienen: 
Orstreichischen mnilitafrfschen Beitscheist 1843, 


Inhalt biefes Heftes: 
I. Der Iag- der Alllirten ver Ehampagne im Januar 
„I814. Zweiter Abſchnitt. — II. Ideen über bie Auswahl und 





artung in Leipzig 1 r 
—X zu ale: in Beipzig iſt erſchienen und In ol 


Cartesii et Spinozae 
praccipua opera ‚philosephica, 
recognovit, nutitkas histortco-phälosophicas adycı 
" Dr. Carolus Biedei. 
2 Vol. 1 Thir. 15 Ngr. 
Vol. I: Cartesii Meditationes ; Spinozae disserts. 
22'/; Ngr 
Vol. 1I: Spinozac Ethica, 32% Nor. 


Denkwirdigheiten 
Barm —DX Sherifien. 
8%. Wacnbagen von Gnfe. 


Susite A , 
an Tepe: Baͤnden. 


Erker bi dritter Band. 
Gr. 12, Seh. 6 Thix. 
achten drei Bänke, ber zweiten Tuflage biefes intereſſa⸗⸗ 


Werbe enthalten „ mürbigteisen | 
—* der vierte ß fechäte Band werben — 
Schriften! enthalten und ebenfalls in kurzer Zeit erſcheinen 
Bon der erſten Folge ber erſten Auflage (in vier Wänden) find 
noch einzelne Bände zur ompletivung, owie der fünfte ab 
fechöte Band in einigen Exemplaren ig. | 


Reinzig, im Auguſt 1843, 


B. A. Brockhaus. 








gran von Barting. — IV. Krie sasfeenen. 1) Eroberung bes 
Dorfes Rume, am 30. April 1793. 2) Meco tognotcizung ber 
Gegend von Gopelle, am 30. uni 1793. 3) Vorpoſtengefecht 
bei Zempleuve am 26: Auguft 1789. 4) Angeifl auf bie Vers 
anpungen bei Gafttgnard, am 24: Deoember 1813. 5) Wer: 
Deibigung ben roch Hmie von Loupit bis in, am 27. 

Yugu Angti anzofen auf bie Öftreichifchen Vor⸗ 
poften bei Templenve , Hair September 1793. — V. Litera⸗ 





zen Eugen von Savoyen Wirken in den Jahren 1720 — 36. 
— Beilagen. — VI. Miscellen und Rotizenz Nr, 32—36. 


Preis des: Jahegaugs 1843 in: 12 Heften 8 Thle. 





Eben if verſendet: 

Erlebtes aus den Jahren 1813 — 1820, vum 
Dr. Wilh. Dorow, E.pr. Hofrath ıc. 2 Theile. 
Bainpapier. broſch. Leipzig, 1883, 

2% Fr 
WMer jene Zeit, wer die Bebensblider aus dem Befreiun 

kriege, die Lang'ſchen Memoiren zc. Eennt, wird bief Hu 

ai one, das größte Intereſſe Iefen. Das Ramenregifter —— 
fet über 330 Herſonen nach, deren in dem Cewaͤh⸗ 
nung —* 











Druck und Berlag von J. X. Brodheans in Leipzig 








Literariſcher Anzeiger. 





1843. Nr. XIX. 


Diefer Literarifche Anzeiger wird den bei %. A. Brodhaus in Leipzig erfcheinenden Zeitfchriften „Blaͤtter für titerarifche 
Unterhaltung” und „„Ifie’ beigelegt ober beigeheftet, und betragen die Infertionsgebühren für die Zeile ober deren Raum 2'/, Nor. 





Mit dem eben verfandten 16. Hefte ift der zweite 


Band dır 
neunten 
sehr verbesserten. und vermehrten Original-Auflage 
bes 


Sonverfations:Zeriton 


vollendet worden. Diefe Auflage erfcheint in 15 Bänden 
oder 120 Heften zu dem Preife von 


5 Mor. für das Heft; 
fie ann aber auch banbweife bezogen werden, und 
es Poftet dann der Baud 
1 Thlr. 10 Nor. auf Maſchinenpapier, 
2 Thlr. auf Schreibpapier, 
3 Thlr. auf Velinpapier. 

Die Theilnahme des Publicums war noch bei feiner 
Auflage fo groß wie bei der neunten, diefelbe zeichnet 
fi) aber auch vor allen frühern Auflagen und allen 
ähnlihen Werken durch Inhalt und aͤußere Ausftattung 
in gleicher: Weiſe vortheilhaft aus. Da in der Regel, 
inſoweit «8 die ſtarke Auflage geflatter, monatlich drei 
Hefte erfheinen, fo vercheifen fi Die Auslagen für bie 
Anfhaffung des Werks auf drei Jahre. 

Alle Buchhandlungen kiefern das Conversa- 
tions- Lexikon zu obigen Preisen, sowol in 
Lieferungen als in Bänden. Sub- 
scribentensammler erhalten auf 12 Exem- 

lare ein Freiexemplar, auf einzelne Exemplare 
ann aber kein Rabatt in Anspruch genommen 
iverden. 

Eeipzig, im Auguft 1843. 

S. a. Brockhaus. 


Neue Bücher, 


weiche im Berlage von Duucker und Humblot in 

Berlin erfhienen und dur alle Buchhandlungen zu 

beziehen find: 

Beauvais (KL. A.), Etudes historiques. Tome seconde, 
Histoire du moyen Age, extraite des ouvrages de Guizot, 
de Lacepede, de Robertson, de Michaud, de Daru, de 
Capefigue, de Marmier, de Michelet, de Schoell, de La- 
creielle, de Barante, d’Auguste Thierry, de Dufey, de 
Du szoir, de Fauche, de ‚Friess. 12, 1%, Thlr,, cart. 

/ r. 

Daub’s pbilofophifche und theologifche Vorleſungen, heraus: 
gegeben von Ph. Marheigete un Th. W. Dittenber: 
am Yüpfter Baub, zweite Abtheilung: Syſtem der theologi⸗ 
den Moral, Zweiter Theil, zweite Abtheilung. Rebft einem 








j , 
zwiefachen Anhange ber Lehren von ber Sünde und von ber Ras 
tur bes Bien. Gr. 8. Gubferiptionspreis für Abnehmer des 
Ganzen 1, Thlr., für Abnehmer einzelner Borlefungen 2 Thlr. 

Sagemeifter (3. v.), Des Rohrzuckers Erzeugung, Ver⸗ 
braudy und Verbältnig zum Hübenzuder. Sin ftaatäwirth: 
ſchaftlicher Verſuch. Gr. 8. Geh. °, Thlr. 

Seinfins (Dr. 35.), Teut, ober theoretifchspraftifches Lehr⸗ 
buch der gefammten deutfchen Sprachwiſſenſchaft. Vierter Theil. 
Auch unter dem befondern Titel: Gefchichte der deutfchen Eis 
teratur oder der Sprach⸗, Dicht: und Redekunſt ber Deut: 
ſchen, bis auf unfere Zeit. Gechste, durchweg verbeflerte und 
mit vielen Zufägen vermehrte Ausgabe. 8. 1%, Thlr. 

Heuffi (Dr. J.), Die Experimentalphyſik, methodiſch dar⸗ 
geſtellt. Erſter Curſus: Kenntniß der Phaͤnomene. Mit 
108 in den Text eingedruckten Holzſchnitten. Dritte, ver⸗ 
mehrte und verbeſſerte Auflage. Gr. 8. 1, Thlr. 

Piſchon (F. 3.) , Leitfaden zur Geſchichte der deutſchen 
Riteratur. &iebente, vermehrte Auflage. Br. 8. Thlr. 

— —, Dentmäler der beutfchen Sprode von ben früheften - 
Beiten bis jest. Cine vollftändige Beifpielfammiung zu feis 
nem Leitfaden der Gefchichte der deutfchen Literatur. Dritter 
Theil, welcher die Zeit vom Jahre 1620 — 17720 umfaßt. 
Gr. 8. 2%, Thlr.. 

Kante (Reop.), Deutfche Sefchichte im Zeitalter der Res 
formation. Dritter Band. Zweite Auflage. Gr. 8. 3 Thlr. 

— —, Daſſelbe. Vierter und fünfter Band. Gr. 8. 5%, Thlr. 

Moon (3. v.), Grundzuͤge der Erd⸗, Voͤlker⸗ und Staaten⸗ 
kunde. Ein Leitfaden fuͤr hoͤhere Schulen und den Selbſt⸗ 
unterricht. Dritte Abtheilung. II. Politiſche Geographie. Erſte 
Lieferung. Mit 11 Tabellen. Gr. 8. Geh. 1%, Ihlr. 

Schweidler (Maria), Die Bernfteindere. Der intereffan- 
tefte aller bisher befannten Hexenproceſſe; nad einer befecten 
Handſchrift ihres Vaters, des Pfarrers Abraham Schmeibler 
in Goferom auf Ufedom, herausgegeben von W. Meitt«- 
Hold, 8. Seh. 1 Thlir. 





Durch alle Buchhandlungen des In: und Auslandes ift von 
FJ. A. Brockhaus in Reipzig zu beziehen: 


Sefammelte Schriften 
| zudwig ReUſab. 
In Zwölf Banden. 


Zweite Rieferung, oder vierter bis ſechſter Band. 
. Gr. 12. Geh. 3 Thlr. 


Die erſte Liefetung (Band 1—3) diefer Ausgabe enthält 
die erſten brei Theile des in britter Auflage erfcheinenden his 
ſtoriſchen Romans „I1812; die zweite Lieferung den Schluß 
von „ASL®", „Sagen und romantiſche Ersäblungen’ . 
und . Kunfinsveflen’s; bie dritte und vierte Lieferung wer- 
ven Novelen, bramatifche Werke, Bedidhte, Skiz⸗ 
sen, kritiſche Arbeiten und vermiſchte Schriften 
enthalten und in kurzen Zwiſchenraͤumen erfcheinen. 

@inzelne Eie ungen Diefer Ausgabe Finnen 
nicht getrennt werben. 





otben exſchi 
In Unterzeichnetem Bf n .esfhienen und buch alle 


Buchhandlungen‘ zu 
Boehmer, Joh. Friedär. 


| (erster Bibliothekar der froien Stadt-Prankfust, , 

. Fontes rerum Germanicaram. 

Geschichtsquellen Deutschlands. 
Erster Band. 

Johannes Vieteriensis und andere Geschichtsquellen 

Deutschlands im 14. Jahrhundert. 

Sr. 8. Brofh. xı und 488 ©. Auf fatinirtem Schreibp. 


Preis 3 Thir. 5 Ngr. (3 Thlr. 4 gGEr.), oder 5 Fl. 24 Kr. 


Dieſe Sammlung bat ben Zweck, Claſſiker aus den Ges 
ſchichts ſchreibern des: deutfchen Mittelaiters, weldye bisher in 
mangelhaften, unbequemen und obendrein feltenen Abbrüden 
nur ſchwer zugänglidy und wenig befannt waren, den gebildeten 
den und urkundlichen Zorfchern ber Vaterlandsgeſchichte in 

ſolcher Weife vorzulegen, wie fie für ben Privatbeflg und den 
HOandgebrauch fi eignen. Man war daher bemüht, moͤglichſt 
richtige Texte zwedigemäß bearbeitet, in großem unb body com⸗ 
pactem Drud, überhaupt in fchöner Form und doch zu billigem 
Dreife vorzulegen. Jeder Band biefer Sammlung fol nur 
Schriftſteller einer beflimmten Periode umfaflen und dadurch 
für ſich ein ſeibſtaͤndiges Ganzes bilden, weldyes, mit einem 
von dem Hauptſchriftſteller bergenommenen befondern Titel 
verſehen, auch einzeln £äuftich fein wird. Der vorliegende Band 
beſchaͤftigt ſich mit ber erflen Hälfte des 14. Jahrhunderts, und 
befonders mit den Zeiten Kaifer Ludwig's bes Baiern. Es ift 
gegluͤckt mit Hülfe bisher noch nicht benugter Handſchriften der 
Bibliotheken zu Münden, Wien und Würzburg, mehre Geſchichts⸗ 
fchreiber. jener Zeit hier zum erſten Dat vollftändig und in wer 
fenttich berichtigter Lesart mittheilen zu können. Die Vorrede 
gibt Hierüber genaue Nachweifungen und befpricht zugleich die 
Perfäntichkeit und die Glaubwürdigkeit der verfchiedenen Verfafs 
fer. Im GSingelnen find bier enthalten: 1) Monachi Fürsten- 
feldensis (rules Volemari) Chronica de gestis principum vom 
Jahr 1273—1326. Diefe wichtigfte Quelle für Kaifen Lud⸗ 
wig's Geſchichte von bem bairifchen Standpunkt ift hier zum 
erſten Mat vollfkändig aus der Urſchrift des Verfaſſers abgebrudt. 
2) Nicolai episcopi Botrontinensis Relatio de Heinrici sep- 
timi imperatoris itinere italico 1310 — 13. Der Verfaſſer 
war Mitglied bed geheimen Rathes des Kaiſers, und konnte 


daher über deſſen Romfahrt die genaueften Auffchlüffe geben. 


3) Chronica de ducibus Bavariae 1311— 72. 4) Vita .Lu- 
dovict quarti ratoris 1312— 47. 5) Der Gteeit bei 


Muͤhldorf 1322. Gleichzeitige beutfche Nachricht, hier buchſtaͤb⸗ 


. lich nach der beften, durch Carajan erft kürzlich aufgefundenen 
Handſchrift. Notae historicae Veronenses 1325— 27, in 
Deutſchland noch nicht benugtz fle ſchildern den Gintritt Lud⸗ 
wig’s in Italien. Albertini Mussati Ludovicus Bavarus 
1337 — W. Die Romfahrt Ludwig's in ihren Wirkungen auf 
Ktalien don einem vielerfahrenen italienifdhen Staatsmanne, bier 
zum erflen Mal in berichtigtem Text. 8) Der große Hoftag zu 
Kobteny 1338, nad) der franzoͤſiſchen Chronik Flanderns und dem 
englifchen Befchichtsfchreiber Henricus Anyghton. 9) Reununds 
swangig politiſche Briefe von Ludwig dem Baiern und an ihn 1315 
MM. Hierbei zum erften Mat die Reichsbeſchluͤſſe von 1338 
und mehre hoͤchſt wichtige Briefe aus ben Ardiven Mantuas 
und der rheinifdgen Staͤdte. 10) Vita Caroli quarti impera- 
toris ab ipse Carolo conscripta 1316 — 46. Diefe merkwuͤr⸗ 
digen Seibſtbekenntniſſe eines unferee alten Kaiſer über fein 
bewegtes Sugenbleben, weiche bisher nur ſehr wenig. befannt 
waren, find hier aus einer Handſchrift berichtigt mitgetheilt. 
1) Johannas Victorlensis 1 
ches die Geſchichte Deutſchtands und befonbers der oͤſtreichiſchen 
Lande umfaßt, erſcheint Hier zum erſten Mal unter dem Namen 
Berfaffers nach deſſen Urſchrift vollſtaͤndig und ohne ent⸗ 

- ftellende Zuſaͤge. Johann, Abt von Bictring bei Klagenfurt, er⸗ 
zählt darin, was er von mithandelnden Beitgenoffen erfahren 


4211-1343. Dieſes edle Werk, wel⸗ 


un ſeut erlebt Yat, in ohlgenchastem Bantsog, wärhig bef 
Jarſten, dem er «5 mit ſchrift gewibmet- Albrecht« 
bes Weifen, percae vor Ufteeidh. — — du Leone 
canonici Herbipolensis Annotata historica 1332 — 53, befons 
ders zur Befchichte des Bisthums Würzburg. 13) Lapokdi de 
Bebenburg Dictamen de modernis cursibus imperü - 
rum. Die in poetifcher Form populair gehaltene Klage bes be: 
—— — arechtlichen Schriftſtellers uͤber den Verfall 
es Reiche. 
Stuttgart und Tübingen , im Auguft 1843. 
& ©. Eotta’fär: Verlag. 





7 Bei E. Vernbad jun. in Berlin ift ſoeben erſchle⸗ 
nen und in allen guten Handlungen zu haben: 


Ehirurgifche Dtagnofir. 


Dr. M. 8. Kissing, 
prakt. Arzt zu Betlin, Mitglieb ber Eaif. Leop. Karol. Alabemiz ber 
Raturforfcher zc., Ehrenbürger von 


Gr. 8. 45 Bogen, Ladenpreis 2° Thlr. 


Gegemmwärtiges Werl bes Hesen Vexfaffers, ber dem medi⸗ 
ciniſchen Publicum durch feine frübern Leiſtungen hinreichend 
empfohlen iſt, duͤrfte ſowol Ärzten als Wunbarzien, namentlich 
auch den ſich zum Eramen vorbereitenden Gtubieenben, eine hoͤchſi 
willkommene Erſcheinung fein, da etwas Ähnliches in biefem 
Gebiete noch nicht vorhanden if. Drud und Ausflattung Laffen 
nichts zu wuͤnſchen übrig, ebenfo ift der Babenpreis möglich 
billig geftellt. 








Dirch alle Buchhanbtungen iſt zu erbaften: 


Der neue Pitaval. 


Eine Sammlung der intereffanteften Criminalge- 
ſchichten aller Länder auß älterer und neuerer Zeit. 
Herausgegeben von 
Dr. 3. €. HZitzig und Dr. W. Gäring (W. Alexis). 
Erſter Bis dritter Theil. 

Gr. 12. Geh., 5 Thlr. 24 Nor. 


Inhalt bes erſten Theilts (Preis 1 Chir.-M Ngr.): 
Kart Ludwig Band. — Die Grmerbung des Basibet. — 
Das Haus der Frau Web. — Die Ermordung. des Peter Tho⸗ 
mas in Damaskus. — James Hind, ber royaliſtiſche Straßen: 
räuber. — Die Mörder ald Reiſegeſellſchaft. — Donna Maria 
Vicenta de Menbieta. — Die Frau bes Parlamentöraths Ziquet. 
— Der falle Martin Guerre⸗ — Die vergifteten Mobrrüben. 
Inhalt des zweiten Thetts (res 2 Eye): 
Fonk und Hamacher. — Die Marquiſe von Brinvillier. — 
Die Seheimräthin Urfinus. — Anna" Maͤrgaretha Zwanziger. 
— 6 Margaretha Gottfeieb. — Dre Wirthichafwöfchreiber 
Tarnow. — Die Mörberinnen einer Hexe. — Die beiben Rürne 
bergerinnen. — Die Marquife be Gange. 
Inhalt bes dritten Theils (Preis 2 Chlr.): 
Streuenfee. — Lefurques. — Der Shyivarzmülr. — Der 
Marquis von Anglabe. — Jacques Eebrun. — Der Mord des 
Lord Willlam Auffel — Rider Eift und feine Geſellen — Ber: 
thelemy Roberts und feine Flibuftier. 


Der vierte Theil diefer intereffanten Sammlung wird 
noch im Laufe diefes Jahres erfcheinen. j 
Reipgig, im Auguft 1843. 


B. A. Grockhaus. 





& 








gerdiuaud Mabadh 
md zu haben’ in allen rin allen Buchhandlungen. zu 


in Berlin 





G. Milne-Edwwards 





Handbud) der Boologie . 


‘oder 


Naturgeihichte der There 


Nach der zweiten franzoͤſiſchen Ausgabe bearbeitet und mit Anmerkungen unb+Bufägen herausgegeben von 
Dr. M. 9 Brüger. 


Zroei Bände: 60: Bogen Medianformat. 


der Preffe.) Preis 4 Thlr 


Auch unter 


bem Titel: 


Sehges’s Yandbah der Watasgefiäts. 


Diefes Handbuch, von einem ber vorzüglichften Beologen verfaßt, und Zoologen verfaßt, und nicht nur in Frankreich mit dem größten WBeifalle uf 


genommen, fonbern auch bereits in viele ausländifche 


Sprachen übertragen, darf in feiner deutfchen Bearbeitung um fo mehr ber 


Aufmerffamteit des beutichen Publicums fich empfehlen, als daffelbe feiner ganzen Anlage nad) zwiſchen alle compenbidfer Kürze 
und zu großer Weitläufigkeit die rechte Mitte hält und in ber Behandlung des Stoffes eine allgemeinsfaßliche und ausſprechende 


Darflellungsmweife mit echt wiffenfchaftlicher Gruͤndlichkeit verbindet. 


Verf, Mitgtieb ber Akademie der Wiſſenſchaften zu Paris, auch ſelbſt das Lehramt in dem Coll&ge de Henry IV. und in ber 


Eeole centrale des Arts et Man 
lift befannt, bat b 
erhöhen gsfucht. 


ufaotures baferhft 


verwaltet. Der beutfche Bearbeiter, durch feine Literarifchen Leiſtungen ruͤhm⸗ 
urch reichhaltige Zufäge und Anmerkungen das Wert vervoliftändigt nnd feine Brauchbarkeit zu 
Ss eignet fih daher daffelbe nicht nur zum Gebraud) beim naturgefchichtlichen Unterricht auf hoͤhern Lehrans 


bebeutend 


- falten, ſondern auch gend beſonder 3 Selbſtudium, Tone auch zu einer ebenfo angenehmen als lehrreichen Keckure für jeden 
se 


Referer uud 


Freund 


Der Naturgeſchichte. 





Durch vlle Buchhandlungen und Postämter ist zu beziehen : 
Neue Jenaisehe 


Allgemeine Literatur - Zeitung. 


Im Auftrage der Universität zu Jena redigirt von 

Geh. Hofrath Prof. Dr. F. Hand, als Geschäfts- 

führer, Geh. Kiechenrath Prof. Dr. L. V. O.Baum- 

garten Orustus „ ©Ober-Appellationsrath Prof. 

Dr. W. Francke, Geh. Hofrath Prof. Dr. D. &. 

Mdleser, Geh. Hofrath Prof. Dr. «I. M Fries, 
als Specialredactoren. 


Jahrgang 1843. Jul: 


Inhalt: 

Oatsıberg: Grammatik der Isteinischen Sprache. Von 

6. T. A. Kröger. (Sr. 156 u. 197 in) — Wilhelm Ernst 
Weher: | Briefe aus Paris. Von A. Gutzkew. (Nr. 157, 158 
E. Schmid: Annalen der Physik und Chemie. 

, zu Berlin von J. —— Posgendort, Erster Artikel. 
(Mr. 18) — EL v. Gohren A. Chomel’s Vorlesun- 
gen über Preumeuie — —ã— und herausg. von F. Se- 
stier. 3) Vorlesungen über die Krankheiten der Brust von 
Ch. J. B. Williams. 3) Die gesammten Herzkrankheiten, 
ihre Erkennung und Behandlung. Von Kallenbach. Zweiter 
Artikel, (Nr. 182 u. 168) — : Umfassende Zei- 
chentehre des Harnes im gesunden, besonders aber im kran- 
ken Zustande, nebst einer ausführlichen Abhandlung über 
die Bright’sche Krankheit in den verschiedenen Lebensaltern 
von A, Beeguerel. (Nr. 173.) — Stein: Die Bündlosigkeit Jesu. 
Eine apotogetische von C. Ullmann. (Nr. 108 






u. 166.) — Lomler: 1) Evangelische Homiletik von CR. 
Palmer. 2) Ideen zu einer technischen Caltur des Kanzel- 
vortrages. Von F.: J. Früh. (Sr. 19 u. 10) — W. A. 
Lafßsurio: Zur Kritik der Bcohellia Offenbarungr- 
Pehosophie. Von Ph. Marheincke. (Nrimm.n. 166.) — Ernst 
Geschichte der christlich hilosophie von B. 
Bitter. (Ne. 188, 169 u. 176.) — V. A, Hiuber: Contes 
pulaires des anciens Bretons ‚ pr6o6des d’un essal aur- 
rigion des 6popses chevaleresques de la table ronde. Par 
TA. de la Villemargue. (Nr. 170, 171, I0 u. 173) — Lübke: 
Vollständiges Real - Lexikon der medicinisch- pharmaceuti- 


schen Naturgeschichte und Rohwaarenkunde. Von E. Winkler. 
(Nr. 13.) — G. E. Heimbach: Codex "Thoodosianss. Ad 








sis, (Nr. 15, 18 u. 17.) — J. A 


Eutwickelang der Stenerverfassung in Schlesien unter Thei- 


nahme der allgemeinen Landtagsversammlungen. Ein Bei- 


ehte der sohlesisohen Stände von K. GO. Kriles. 


(Ne 18 a, 19.) — 


Aud dürfte es nicht unwichtig fein zu vernehmen, baß ber. ' 


(Nebfi einem Zoologifchen Handatlas, noch unter 
h a 


+ 


ohaftlan; Begiräerungen 
ng ——— 
FR br . . 





Von dieser. Zeitschrift erscheinen wöchentlich sechs 
Nummern und sie. wird wöochsstlich und monatlich ausge- 
geben. Der Jahrgang kostet 12 Tbir. Ankln 
werden mit 114 Ngr. für den Raum einer gespaltenen 
berechnst, besondere Anzeigen etc. gegen eine 
Vergütung von. 1 Thir. 15 Ngr. beigelegt. 

L August 18 1 


" FA. Brockbaus. 





⸗ 


Socben ist in der Joh. Christ. Heismanm’schen Bachhandlung (E. E. Suchsland) in Frank- 


(Ottfried Müllers letzte Heise.) 


fert a, M. erschienen: 





ARCHROLO 


GISCHE MITTHEILUNGEN 


aus Griechenland. 


Nach 

Mari Otlfried Müllers 

-hinterlässenen Papieren herausgegeben | 
vom 


Professor Dr. Adolf Schöll , 


grossherzogl. sächsischem Hofrathe. . 


v. Athens 


Erstes Heft, . 
Antiken-Sammilung,. 


Mod 6 Doopfe - und 4 Seindsachtofel 


4. Geb. Preis 2 Thlr. 15 Ngr. (2 Thlr. 12 gGr.) 


Der erste Theil erscheint in 2 Heften, von welchen das erste mit den dazu gehörigen Kupfertafeln und 
einer Lithographie bereits versandf isty;:Die 2 Hefte des ersten Theils werden den Antikenvorrath Athens 


umfassen; der zweite Theil widmet sich den archlite 


ktonischen Denkmalen von Athen nebst. den ihnen 


angehörigen Sculpturen, der dritte Theil aber den beiden Wanderungen in Morea und Humellon. 





Neu erfchien bei mir und ift durch alle Buchhandlungen zu 


erhalten: 
Eine Erzählung. 
Aus dem Englifchen bes ameritanifchen Malers Washington 
“ Allst berfegt von Mahlvorf. 


&r. 12. Geh. 


1 Thlr. 
Reipzig, im Auguſt 1843. 
Ä S. A. Brockhaus. 





Bei Kari Groos in Heidelberg ift erfchienen und 
in allen Buchhandiungen zu haben: 


Zeitſchrift Für Phrenologie 


unter Mitwirkung vieler Gelehrten herausgegeben 
von 
G. von Struve und Dr. E. Hirschleld. 


Ersten Bandes erstes und zweltes Heft. 
Mit drei Steindrüden. Gr. 8. Geh. 
Preis für vier unzertrennliche Hefte 2 Thle., oder 
u 3 51. 36 Kr. 

QAubalt bes erfien Geftes: - 
I) Die Grundlehren der Phrenologie. Won &. von Struve. 
2) Über bie phrenologifhe Entwidelung ber Gottfried. Won E. 
Hirſchfeld. 3) Über bie Eintheilung der Geiflesvermögen. 
Bon ©. von Struve A) Die Vorlefungen von Deren ©. 
Gombe aus Edinburg über, unb von Herrn Geheimerath 
Ziedemann und Herrn Profeffor von Reihlin-Meldegg 
gegen die Phrenotogie. Bon G. von Struve. 5) Bücher 


—8 Bon Dr. G. Scheve. 6) Miscellen. Ben E. Hirſch⸗ 
eld. 


. Fnhalt bes gweiten Heftes: 

I) Über den Verfall der Geiſteskunde, die Entdeckung ber 
Phrenologie und deren praftifhe Bedeutſamkeit Bon Sir 
Beorg Madencie. 2) Über bie Grundvermögen ber Serle. 
Bon F. I. Ball. 3) Beſchreibung einzelner phrenologifcer 
Organe. Bon G. von Struve. Mit fieben Abbilbungen- 
4) Die Phrenologie in ihrem Verhaͤltniß zum Wahnfinn. Won 
G. von Struve. 9) Bemerkungen über die Srrigkeit ber von 
Profeffor Tiedemann angeftellten Vergleichung des Behirns 
und der Intelligeny ber Neger und ber Guropäsr. Bon An: 
dreas Combe, M. D. Mit zwei Abbildungen. 6) Abwei⸗ 
fung ber von Flourens auf bie Phrenologie gerichteten Ans 
griff. Bon G. von Gtrupe. Mittheilungen über bie 
Phrenologie in ihrer Verbindung mit bem thierifchen Magnetis⸗ 
mus. Bon ©. von Struve. Buͤcherſchau. Miscellen. 





Vellständig ist jetzt in meinem Verlage erschienen 
und durch alle Buchhandlungen zu bezibn: -— 

3. F. Herbarta 
kleinere philosophische Schriften und Abhandlun- 
gen, nebst dessen wissenschaftlichem Nachlasse. 


Herausgegeben von Gustav Hartenstein. 
Drei Bände. 
Gr. 8. 10 Thlr. 


Der .erste Band entbält zugleich eine ausführliche Ein- 
leitung des Herausgebers über Herbart’s Leben und Schrif- 
ten. Derselbe kostet 3 Thir., der zweite und dritte Band 
jeder 3 Thlr. 15 Ngr. 

Leipzig, im August 1843. 


F. A. Brockhaus. 


Druck und Berlag von 8. X. Brodhaus in Leipzig. 
HERE EEG 








v 


Literariſcher Anzeiger. 





1843. Nr. XX. 


Diefer Literarifche Anzeiger wird den bei %. A. Brodhaus in Leipzig ef 


enden Seitfchriften „Blaͤtter für literarifche 


Unterhaltung” und „Ifi6” beigelegt ober beigeheftet, und betragen bie Infertionsgebühren für bie Zeile ober deren Raum‘ 2'/, Nor. 





Most Dr.G&.F), _ 


Encyklopädie der gesammiten Volks- 
medicin, oder Lexikon der vorzüglich- 


sten und wirksamsten Haus- und, 


Volksarzneimittel aller Länder. Nach 
den besten Quellen und nach dreissigjährigen, im In- 
und Auslande selbst gemachten zahlreichen Beobachtun- 
gen und Erfahrungen aus dem Volksleben gesammelt. 
Erstes und zweites Hoft: Aalsuppe—- Gewürze. 
Gr. 8. Jedes Heft 15 Ngr. 


Der Name des Herausgebers, der dem Publicum durch | 


seine übrigen Schriften hinlänglich bekannt ist, bürgt für 
den Werth dieses populairen und gemeinnützigen Werks, 
Es wird aus fünf Heften bestehen und die übrigen Hefte 
- werden in kurzen Zwischenräumen folgen. 
Leipzig, im August 1843. W 

F. A. Brockhaus. 





Soeben ist erschienen : 


Pathologiae 


sermonis graecci 
prolegomena 


scripsit 
Cie. N. " Luobech, 
Gr. 8. 3 Thlr. 


Leipzig, im Juli 1843. & 
IWeidmann’sche Buchhandlung. 


Eateiniſche Bibel, 


‚oder: 


Erfte Übungen in der lateinifchen Sprache 
nach firenger Stufenfolge 
von Sr. Kucas. 


Preis 10 Ser. 

Herr Lucas fchrieb im Jahre 1824 ein deutſches erftes 
Lefebuch in firenger Gtufenfolge, welches gegenwärtig einer 
elften Auflage entgegenfiebt. Als bem Herrn Verfaſſer der 
Beruf wurde, bie Elemente ber Lateinifhen Sprache zu lehren, 
drang fich ihm die Erkenntniß auf, daß diefe Stoffe einer ganz 
vorzatichen methodifch tunftgemäßen Anordnung fähig, und 
da fähig, als Lehrſtoffe auch bedürftig fein, gang mit derſelben 
Gonfequenz, wie der deutfche erfte Lefeunterricht, für 
deſſen richtige Auffaſſung und zweckmaͤßige Ausuͤbung zu wir⸗ 

ken und zu ſchreiben, die vornehmſten Paͤdagogen Deutfchlande 
nicht unter ihrer Wuͤrde gefunden haben. Indeß fand der Ber⸗ 
faſſer auf dem Felde der deutſchen Literatur nirgend diejenige 
Methodik, die er für den lateiniſchen Elementarunterricht ſuchte, 
und. dies beſtimmte ihn feine lateiniſche Fibel abzufaſſen. Sie 
ſoll dem Abcſchuͤler roͤmiſcher Lectionen Das fein, was dem Schuͤ⸗ 





ler der deutſchen Leſekunſt fein erſtes eeſtbuch if, elemene 
tariſch in ihrem ganzen Weſen und dennoch Leſebuch, da⸗ 
el. 


ber Fibel | 
Zerdinand Aubad in Berlin. 





Bei G. E. Fritzſche in Leipzig ift erfchienen und 
durch alle Buchhandiungen zu haben : 
Teitschrift für die geammte Istherische Thoc- 
und Rirohe. Herausgegeben von Dr. A. 
&. Hudelbach wid Dr. M.E. F. Gue= 
rike. Vierter Jahrgang. Zweites Quartalheft. 
Gr. 8. Brosch. Preis 25 Ngr. 


Inhalt: 

I. Abhandlungen und verwandte Mittheilungen. — Jesa- 
Studien von Dr. C. P. Caspari. I. Jeremia 
ein Zeuge für die Echtheit von Jes. c. 34 und mithin auch 
. für die Echtheit von Jes. c. 35, c. 40-66, c. 13—14, 
23 und c. 21, 1—10. Nebst zwei Excursen: I. Beweis 
der Echtheit von Jer. 30, 10, 11 und 46, 237, 38. 

II. Beweis, dass Zephanja Jes. 4066, 13—14, 23 
gelesen hat. — Über einige, die Einleitung in 
die Pastoralbriefe betreffende Punkte, von H. Böttger. 


III. Artikel. 

IL Kritiken. I) Christliche Ethik von Dr. G. C. A. 
Harless. Rec. von L. Wolf. 2) Nenutestamentliches 
Handwörterbuch zur Darstellung der christlichen Glau- 
bens- und Sittenlehre für Prediger der evangelischen - 
kirche von Dr. A. L. 6. Mrehl, rec. von A. G. Ru- 
delbach. 

SEE. Allgemeine Bibliographie der neuesten deutschen theo- 
logischen Literatur. Bearbeitet von Rudelbach, @uerike, 
Delitzsch, Caspari, redigirt von dem Erstern. 

EV, Bibliographie der frauzösischen theologischen Literatur 
von Dr. A. G. Rudelbach. . 

V. Offene Erklärung einiger frühern Mitglieder der nord- 
deutschen Missionsgesellschaft im Herzogtkhum Bremen 
ũber ihren Austritt aus derselben. 





Durch alle Buchhandiungen und-Poftämter ift zu beziehen: 
Leipziger Reperterium für deutsche und aus- 

ländische Literatur. Unter Mitwirkung der Uni- 

versität Leipzig herausgegeben ‚von 0. hf. 


Gersdorf. Erster Jahrgang. Siebenund- 
zwanzigstes bis dreissigstes Heft. Gr. 8. Preis 
des Jahrgangs von 52 Heften 12 Thlr. . 
Dem Leipziger Hepertorium ift ein 
Bibliographischer Anzeiger, 
für titerarifche Anzeigen aller Art beftimmt, beigegeben. An⸗ 
— in demſelben werben für bie Zelle ober deren 
Kaum mit 2 Nor. berechnet, und Beſondere Auzeigen 10. 
gegen Vergütung von I Thir 15 Nor. beigelegt. j 
Eeipzig, im Auguft 1843. 
3. U. BVrockhaus. 





S 


In Unterzeiänetem iſt forben erſchienen und an alle Budy 


handlungen verfandt worden: 
Geschichte der Hexenprocesse. 


Aus den Quellen bargeftellt 
" v 


on \ 
Dr W. 6 Golden, 
Spymnaftalledrer zu Gießen. 


Gr.8. Belinpapier. Preis 2 Thle TANgr. (2 Thlr. 6 gGr.), 
oder 3 Fl. 45 Kr. 


Eine Geſchichte ber Hexenproceſſe gebört unter bie längft 
ausgefprocdgenen Bedürfniffe. Ihre Rothwendigkeit ift nicht nur 
in verfchiedenen Zeiten anerfannnt worden, fondern es bat auch 
nicht an vielfachen Beftrebungen zur Herftellung derſelben ges 
fehlt. In allen bisherigen Sammelwerken ift indeffen dem Be⸗ 
dürfniffe noch nicht abgeholfen. Die Gegenwart will das Ganze 
im 3ufammenbange begreifen; man bat ihr jeboch felbft bie 
aͤußere Erfcheinung meift nur fragmentarifch vorgeführt und 
laͤßt den Schluͤſſel zum Verftändniffe vergeblich fuhen. Mo 
auf den Herenproceß bie Rebe kommt, burdfreugen fi die wis 
derſprechendſten, oft ſehr wunderliche Anfichten, ja ſelbſt Hin» 
fichtti der einfachen Thatſachen werden noch ‚täglich die irrig⸗ 
fen Boransfegungen lauf. 

Bei dem gegenwärtigen Kampfe bes Alten und des Neuen 
in der Theologie, wie in ber Strafgeſetzgebung, bürfte baber 
eine Schrift, welche bie traurigen Ertreme, zu welchen theolo: 
giſche und richterliche Befangenheit im Bereine mit bem Ins 
quifitionsproceffe in ihrer Gonfequenz binzuleiten vermag , hiſto⸗ 
riſch vorführt, das Intereffe des Theologen und Juriften, wie 
bes Zeſchichta freunde überhaupt, anzufpredhen wohl berech⸗ 

gt fein. 28 

Stuttgart und Zübingen, im Juli 1843. 

&. Eotta’fher Verlag. 


. + 





Durch alle Buchhandlungen und Postämter ist zu beziehen . 
Neue Jenaische 


Allgemeine Literatur - Zeitung. 


Im Auftrage der Universität zu Jena redigirt von 
Geh. Hofrath Prof. Dr. E. Hand, als Seschäfts- 


führer, Geh. Kirchenrath Prof. Dr. I. A. Mase, 


Ober-Appellationsrath Prof. Dr, BY. Francke, 
Geh. Hofrath Prof. Dr. D.&. Hieser, Geh. Hof- 
rath Prof. Dr. «I. Fi Fries, als Specialredactoren. 


Jahrgang 1843. August. 
Ä Inhalt: 

Pranz Vorländer: F. Schleiermacher’s Werke. Von 
L. Jonas. (Nr. 182 =. 188.) — K. G. Firnhaber: Kuripi- 
dis Medes. Recognovit et in usum scholarum edidit A, 
Witzschel. (Nr. 188, 184 u. 18) — BHiefiter: 1) Des Con- 
rad Grünenberg, Ritter und Burger zu Costanz Wappen- 
buch. 2) Alterthümer und Kunstdenkmale des erlauchten 
Hauses Hohenzollern. Herausg. von A. Freih. v. Stillfrted. 
3) Modumenta Zollerana. Quellessammlung zur Geschichte 
des erlauchten Hauses der Grafen von Zollern und Burg- 

fen zu Nürnberg. Herausg. von R. Freih. v. Stillfried. 
9 Stammbuch der löblichen Rittergesellschaft Unserer Lie- 
ben Frauen auf dem Berg bei Alt-Brandenburg, oder Denk- 
male des Schwanenordens, Herausg. von R. M. B. Freih. 
© Stalfı ried-Rattonites. (Nr. 185 u. 186.) — Kooh: Voyage 
autour du Caucase, chez les Tscherkosses et les Abkhases, 
en Colchide, en Georgie, en Armönie et en Ceimöde, Par 
F. D. de Montpereuzs. (Mr. 188, 189, 19 u. 191) — Kari 
Strookfuss: Charakterzüge und historische Fragmente aus 
dem Leben des; Königs von Preussen, Friedrich Wilhelm II. 
Von B, F. Bylert. (Nr. 191, 192 u. 198.) — Troxier: Laft- 


— 


elektricität, Erdmagnetismns und Krankheitsconstitutien. Von 
L. Busorini. (Me. 8) — : U Der Brief Jakobi, 
untersucht und erklärt ven F, H. Kern. 2) tatio thes- 
logica inauguralis, de rTois adeAygoig et ale adelyeic roü 
zuglov, quam...examini submittit A. H. Biom. Com- 
mentar über die katholischen Briefe mit genauer Berück- 
sichtigung der neuesten Auslegungen. Von K. R. Jackmann, 
4) Jacobi et Judae epistolas catholicas commentariis ille- 
stravit C. Aemil. Scharling. (Nr. 135, 196, 197, 22 u. 23) — 
Die Epochen der Verfassungsgeschichte 
der römischen Republik. Von C. Peter. (Nr. 197, 18 a 
19) — A. L. J. wı : Runenliteratur. (Nr. 190 a. 
200.) — EB. Klotz: Gedichte von H,v. MäAler. (Nr. 200.) — 
v. Duhn: 1) Die Lehre von den Landständen nach gemei- 
nem deutschen Staatsrechte, Kin publicistischer Versuch 
von F. A. 2) Commentatio de veterum in Germania previn- 
dalium ordinum erigine atque natura. Dissertatio inaugu- 
ralis, quam gcripsit F. Krüger. (Nr. 203, 201 u. 25) — Bd 

: Die geburtshülflichen Operationen. Von E Ross- 
kirt. (Nr. 285, 206 u. 207.) — W. : 1) Bibliotheca 
medico-historica sive catalogus librorum historicorum de re 
medica et scientia naturali systematicus, Collegit ac digessit 
L. Choulant. 2) Additsmenta ad L. Choulanui bibliothecam 
medico-historicam edidit J. Rosendaum. (Nr. 1.) — Ge- 


. Bröcker: 


ichrte Gesellschaften, Schriften gelehrter Gesellschaften: 
Beförderungen und Ehrenbeze gen; Chronik der Eym- 
nasien; Literarische Nachrichten ; Iiscellen; Preisauf- 


gaben; Nekrolog. 


Von dieser Zeitschrift erscheinen wöchentlich sechs 
Nummern und sie wird wöchentlich und monatlich ausge- 
geben. Der Jahrgang kostet 12 Thir. Ankün 
werden mit 11, Ngr. für den Raum einer gespaltenen Zeile 
berechnet, besondere ete. gegen eine 
Vergütung von 1 Thir. 15 Ngr. beigelegt. 

Leipzig, im August 1843, 
F. A. Brockhaus. 





Im Verlage ber Kunft» und Buchhandlung vo 
Mudbens in Düffelborf ehem ung von Qulius 


Lieder und Bilder L Band, 


Auch unter dem Titel: 


Rieder eines Malers (R. Reinick) 
mit Handzeihnungen feiner Freunde, 


31 Platten mit eingebrudtem Text. Gr. 4. Eieg. geb. 
6% Thir. 


Lieder und Bilder H.Banp, 
un unter dem arilei: - 
Seutſche Dichtungen 

mit Randzeichnungen dzutſcher Künftler, 
. Band. 

30 Platten mit dngorntum Zn Gr. 4. Eleg. geb. 
8 c. 

bereits Im Druar, un) beficht Dafür Dis Eube Bunabet 


D. J. ein Pränumerationspreis von 5 Thir. 





Bei I. Gi i 

allen ie a ande IR erſchenen und im 

Schlint, Eommentar zur Eivil-Procef-Drb- 
nung. 2ter Band. Subferiptionspreis 1 Thlt. 22%, Mor. 
Ladenpreis 3 Thlr. 10 Nor. 








Landwirthschaftliche Doreitung. 


' Herausgegeben von 
C. v. Pfaffenrath und Willian Zöbe, 
Vierter Jahrgang. 4. 20 Rgr. 


_ Leipzig, bei F. A. Brockhaus. 


Diervon erfcheint wöchentlich 1 Bogen. Aukuũn digun⸗ 
gen darin werben mit 2 Ngr. für ben Raum einer gefpaltenen 
Seile berechnet, befonbere Anuzeigen 2c. gegen eine Ver⸗ 
gütung von °/, Thir. für das Tauſend beigelegt. _ 


Inhalt des Monats Juli. 

Derfzeitung: Futter: Erhigung mit kaltem Wafler. — 
Das Bikes ſche Geheimmittel. — Entgegnung auf den Aufſat 
in Nr. 1.und 2 der Landwirthſchaftlichen Dorfzeitung: „über 
die Gruͤnfuͤtterung des Klees⸗““. — Über den ſchaͤdlichen Kartof⸗ 
felbau. — Warnungen gegen großſprecheriſche Anpreiſungen. — 
Können ſich feucht eingebrachtes Heu, Stroh, Streu ꝛc. von ſelbſt 
entzuͤnden? — Anleitung zur Anpflanzung des weißen Maul: 
beerbaums und Aufmunterung zum Betriebe des Seidenbaus. — 
Mittheitungen des Landwirthſchaftlichen Vereins zu Poͤlbitz. — 
Vorſchlaͤge zu Bereitung eines gefunden Futters für das Rind: 
vieh. — Etwas über Kartoffelbau. — Düngerfurrogate. — 
Gerbermifl. — Der in der Landwirtbfchaftiichen Dorfzeitung 
empfohlene Dfen bes Landrath von Korf Hat fi bewährt. — 
Gin erprobtes Mittel gegen ben verberblihen Stalldunſt. — 
" Bertitgung des Hederichs. — Eandwirthzſchaftliche Neuig⸗ 
Zeiten, Wiscellen u. ſ. w. — Mnterhaltungsblatt: 
Das Jenſeit. — Aus bem Naſſauiſchen. — Geſeilſchaftlich 
Lebende Thiere — geſellſchaftlich Lebende Pflanzen. — Das Giub- 
geſpenſt. — Gruppen englifchen Federviehs. Mit einer Abs 
bildung. — Vermiſchte Mittheilungen von Louis Filß. — 
Der Beifuß, ein bewährtes Mittel gegen die Epilepſie. — 
Schreiben eines Bauers und Naturdichters an bie Redaction: 
Die junge Saat. — WWollmärkte in Rußland. — Alte Res 
gein. — Wie ſieht's aus? — Geſchichte der Gulturgewädhfe 
Deutſchlands. 





Soeben erſchien in meinem Vertage und iſt in allen Buch⸗ 
handlungen zu haben: 

Danzel, W., Über Goethes Spinozismus. 
Ein Beitrag zur tiefern Würdigung des Dichters und 
Forſchers. Gr. 8. Geh. 25 Nor. (20 gGr.) 

Samburg, im 


Zuli 1843, 
Vohaun Auguſt Meißner. 
En vente chez Brockhaus & Avenarlus à Leipzig: 


ao 
de Is litterature francaise. 
Troisieme annde, 1843. 





D parait chaque semalne un numsro de 1— 2 feuillos. — 

par an 5‘, Thir. On s’abonne chez tous les H- 

ot & tous les bureaux de .— nonveaux 

abonnes ponr Tanntée 1843 povent se procurer les deux 

pr res annedes de TEche au prix d’une 
seule. 


Sommaire. des Nos. 27— 30. 
Une ascension au Sugar-Loaf. Par Philibert Aude- 
| — Le monsieur au petit contenu. Par Gration. 
— La semaine dramatique. Par Jules Jamin. — L’homme 
incombustible, Par D. V. — Le locataire de jour et le 
locataire de nuit. — Lintermediaire. — Rapport du ma- 
r&chal Soult au roi sur l’avenir du tambour francais. Par 


Jean-de-Dieu Soul 
 bunaux. — Le 37 nivöse ou la fete 
Barridre,. 


t. — Un bain &conemigue. — Tri- 
des Rois. Par A. 
— La rue Notre-Dame-de-Lorette. Par Alb6eie 


: Second. — La dernidre soreiere. — Voyages d’un poulet. 
Maoogn 


Par L. V. — Un prince zmsse et son chef de | 
cuisine. — Rossiniana. — Les aventures d’un farceur. Par 
J.-L. — La lutte. Par Paul Fowal — Les grenouilles 
de Grandvilie. J 





Im Verlage von Graß, Barth & Eomp. in Bres⸗ 
lau und Oppeln iſt foeben erfchienen und in allen Buchhand⸗ 
lungen zu haben: 


Vergleichende Zoologie 


Dr. 3. €. £. Gravenhorst, 

Profeſſor ber Naturgeſchichte an der Univerfität Breslau. 

Br. 8. Preis 3 Thlr. 

Biedbermann’s Monatsichrift (1843, TIT) berichtet dar⸗ 
über Folgendes: „So reiches Material übrigens ber Verf. bier 
verarbeitet hat und von fo vieler. Gelehrſamkeit das Werk zeugt, 
fo ift der Text doch fo logifch geordnet, fo Leicht verftändiidg 
abgefaßt, daß biefe Zoologie auch vom größeren Publicum mit 
Nusen gebraucht werben kann. Eehrern in Säulen Ei 
nen wie aber Fein befleres Handbuch zu ihrem 
eigenen Bebrauche empfehlen.‘ 





Soeben tft bei ben Uinterzeichrieten erfchienen und in allen 
Buchhandlungen zu haben: 


Der u 
junge Deutsch - Alichel 
von 
€. Frohlich. 
12. 7 Bogen [hen broſch. 20 Ngr. (16 gGr.), oder 
1 $L 12 Kr. 

Wir bitten, bies neue poetiſche Probuct des berühmten 
Schweizerdichters, welches aus Spigrammen ober Xenien 
beftept, nicht mit gewiſſen andern, von ganz entgegengefegten 
Grundfägen ausgehenden Schriften aͤhnlichen Titeis zu ver⸗ 

n. ° 


wechſel 
Meyer & Yeller 
in Zürich. 





Neueſtes und vollſtaͤndigſtes 


Fremdwörterbuch, 


zur Erklärung aller aus fremben Sprachen entlehnten 
Wörter und Ausdrüde, welche in den Künften und Wiſ—⸗ 
fenfhaften, im Handel und Verkehr vorkommen, nebft 
einem Anhange von Eigennamen, mit Bejeihnung der 
Ausfprache bearbeitet von 
Dr. 3. 6. Kaltschmidt. 


In 9 Heften zu 8 Ngr. 
Leipzig, bei F. A. Brockhaus. 


Diefes Wert 48* ſich vor allen bisherigen Frembwbr⸗ 
terbüchern duch Sou ſtůnbigkeit, zwedmäßige typogrn> 
phiſche Siurichtung und ungemeine MSitiigPeit glei 
vortheilbaft aus, Des erite bis fiebente ‚Heft (A-—Btogastika) 
find erſchienen und die Legten Defte werden binnen kurzem im 
Drud vollendet fein; 











[2 


Ustrialow Geschichte von Russland nunmehr vollständig, 
An Untergeichnetem ift foeben erfehienen und durch alle Buchhandlungen zu beziehen: “ 


Die. Gedichte Rußlands 


von ' 


R. Nltrialomw 
Aus dem Ruſſiſchen uͤberſetzt 





Zweiter Band, dritte und letzte Abtheilung. 
Gr. 8. Preis 15 Ngr. (12 gGr.), oder 48 Kr. 


Inhalt: Alexander I. 1) Der Krieg des Jahres 1812. — 2) Befreiung Deutſchlande von Napoleon' Ferrſchaſt 1813. — 
* Sturz Rapoleon 1814. — 4) Befeſtigung des allgemeinen Friebens und ber Ruhe in Europa 1815 — B. — Innere Ein 

ichtungen — 2. - 

Die Sefchichte des oͤſtlichen Europas, namentlich der verwidelten Berhältniffe zwiſchen Rußland und Polen, find uns dem We 
fen nach bis jegt hauptſaͤchlich durch polnifche Schriftſteller bekannt, was auf bie Beurtheilung beffelben nothiwendig einen einfeiti- - 
gen Einfiuß haben mußte. Länger ald man gewöhnlich glaubte, bauerte ber Antagonismus zwiſchen Polen und Rußland, und 
vor WO Zahren war Polen nabe baran, in Rußland bielelbe Rolle zu fpielen, wie jest Rußland in Polen. Zur unparteitfchen 
Würdigung der Befchichte ift darum die Kenntniß ruffiicher Werke unerlaßtich, und zur richtigen Beurtheilung ſelbſt der neneften 
Gefchichte durchaus unentbehrlich. Karamfin’s glänzendes, aber vielfach der Kritik ermangelndes Werk wirkte hierzu vergleichungs⸗ 
weiſe wenig, und nach ihm ift Manches für Kenntniß der ruſſiſchen Geſchichte gefcheben, was gar nicht, ober nur fehr fragmen: 
tarifch zur Kenntniß der deutſchen Lefewelt kam. Uftrialow hat das unbeftrittene Verdienſt, die mannichfachen Borarbeiten feiner 
Landsleute fleißig benugt zu haben, und fein Werk if darum das Refultat der neuen Geſchichtsforſchung Ruflande. Schon in 
diefem Sinne ift es hoͤchſt lehrreich, und Fein gleichgüttiger Umſtand 'ift ed, daß ber ruſſiſche Miniſter des öffentlichen Unterrichts 
baflelbe zum Handbuch ben hoͤhern Unterrichtsanftaiten beſtimmte. So wird es durch ben Einfluß des Geiſtes in dem es gefchries 
ben ift, felbft wieder zu einem nicht unbebeutenden hiſtoriſchen Moment , und verbient nicht gewöhnliche Aufmerffamteit. 

Mit oben angekünbigter Abtheilung ift diefes intereffante Wert nunmehr vollftändig erſchienen und können compiete Gremplare 
um den Preis von 4 Thir. 15 Ngr. (4 Thlr. 12 gGr.), ober 6 Fl. 54 Kr., durch alle Buchhandlungen bezogen werben. 

Stuttgart und Tübingen, im Juli 1843, 


368. Cotta ſcher Verlag. 





i F. x. 8 in Zeipsig i r 
und —ã a en. s iſt neu erſchienen | Uberfegungsangeige. 


Zur Bermeibung von Collifionen zeigen wir hiermit an, baf 
t: 


48 ekameron binnen wenigen Tagen bei uns erſchein 
. » Ä Die Jesuiten, 


von 
Giovanni Boecesceio. Borlefungen der Profeſſoren Michelet 
Aus dem Stalienifhen überfegt und Quinet, 
von uͤberſegt von 
Aarl Witte. Professor August Stöber. 
> Circa 18 8 in 8. 
weite ze ir. Suflage. Baſel, den Iften Kuguft 1843. in 


Schweigbanfer’rhe Buchhandlung. 






Gr. 12. Geh. 2 Thir. 15 Mer. 





Bei J. U. Brockhaus in Leipzig erfcheint forben: 


Bei Weit & © + in Berlin i b i * * 
und * alle Buchhandlungen yu besichen a ſoeben erſchienen Vortrag zur Gedächtuißfeier Rouig 
e ’8 LEE. ⸗ gehalten 


Des Sophocles Antigone, Friedrich Sithelm 


am 3. Auguſt 1843 in der Univerſitaͤt zu Berlin von 





ne de see von Feier Gr. 12. Geh. 8 Nor. 
Nebſt zwei Abhandlungen über diefe Xragdbie im | Fr en ige aut Beier Der tanfenbjähri- 
i en an er enpeine Stellen derfelben, m gen — 25— Deutſchlauds, 


ve ‚1 %6le 9 ar. (1 Zhlr. 16a@k. am 6. Auguft 1843 in der Dreifaltigkeitskirche zu 
a nein Wi En EEE) | Werlin vorgetragen von Dr. Dhilipp Marheineke. 
Der griechifche Tert allein Ahlr. Gr. 12. Sch. 8 Nor. 
Drud und Verlag von 9. X. Brochaus tn Leipzig. 





Siterariſcher Anzeigen. 





1843. Nr. XXL 


Diefer Literarifche Anzeiger wird ben bei F. 


Unterhaltung” und „Iſis beigelegt ober — und betragen bie Jaſertionsgeb 


Heute wurbe ausgegeben: 


Comversations-Lerikon. 


Reunte Auflage. Reunzehutes Heft. 


Diefe neunte —— erſcheint in 15 Bänden ober 120 Hef⸗ 
ten zu dem reife von . für das Heft in der Ausgabe 
auf Mafhinenpap.; in Der Xusgabe auf Shreibyap. 
Zoftet der Band 2 Ipie., auf Belinpap. 3 X 

Ale Buchhandlungen liefern 4 Bert zu 
dieſen reiſen und bewilligen auf 19 Ex. 1 * 


e 
er a aeBigungen auf en umfi en ber einzelnen ‚Hefte 


des GSonverfationg : Leriton (Auflage 2 En Eremplare) werben 
der Raum einer Zeile mit 6 Nor. berechnet. 


Eeipzig, 31. Auguft 1843. 
| F. A. Brockhaus. 





Sur Goethe-Fiteratur. 
Soeben erſchien und iſt durch alle Buchhandlufigen zu beziehen: 


Goethe. 
Zu deſſen naͤherm Verſtaͤndniß 
von 


C. G. Carus. 
Beigegeben | iſt eine Reihe bisher ungedruckter Briefe 
Goethe's an den Herausgeber. 
Sr. 8. Preis 1 Thlr. 20 Ngr. (1 hie. 16 gGr.) 

Der Gerz Verfaſſer, durch feine langjährigen freundſchaft⸗ 
lichen Beziehungen hierzu vorzugsweife berufen, liefert in biefen 
Blättern eine treffende und geiftreihe Charakteriſtik der Indivi⸗ 
dualität Goethe's, feines Gerhäitnifee zur Außenwelt und gu 
den eigenen Werfen. Unter ber großen Anzahl von Schriften 
für und gegen Goetbe bictet vieleicht Beine eine, richtigere Wuͤr⸗ 
digung des großen Meifters und beffere Beiträge zum nähern 
—— a 1843. 

8, im Augu 
Auguft Weichardt. 


Bei E. A. Brockhaus in Lei 
und durch alle Buchhandlungen zu beziehen 


Handbuch 
der Kinderkrankheiten. 


Nach Mitthellungen bewährter Ärzte 


herausgegeben von 


Dr. A. Schnitzer ud Dr. B. Wolf. 


Zwei Bände. 
Gr. 8 6 Thlr, 








* ist erschienen 





Brodhaus in Leipzig erfigeinenben Zeitfchriften „Blaͤtter für literarifdge 


hren für die Zeile oder deren Raum 3%, Nor. 


Bei Ign. Jackewitz in Leipzig ist soeben neu 
erschienen: “ 


Prosect. Dr. A. C. Book’s 
&erichtliche ®Sectionen 


menschlichen Körpers. 


Zweite bedeutend vermehrte und verbesserte, 


zam Gebrauch für Ärzte, Wundärzto und Juristen 
bearbeitete Auflage 


von 
Prof. Dr. ©. * Bock 
zu Leip 
Mit 4. colsrirten Kup ertafeln. 
Gr. 8, Elegant geh. in 
Preis 1 Thir. 10 Ngr.== 32 Fl. "4. Kr. Rhein. N OFLCM. 


Med. pract. C.D. Leiohsenring, 
| Physikalische 
Exploration der Brusthöhle 


sichern Erkenntniss des gesunden sowol, als des 


krankhaften Zustandes der 
Athmungs- und Circulationsergane. 
Bevorwortet von 
Dr. Friedrich Julius Siebenhaar, 
Stadibesicksarste und ansübendem Arste in Dresden, des Mesirks- 
und gerlchtsärstlichen Vereins für die Staatsarzueikunde im König- 
reiche Sachsen, des Vereins grossherzeg). bad. Medicinalbeamien für 
Beförderung der Staatsarzueikunde, der Hufoland’sohen Gesellschaft 
su Berlin, der Geselischaft für Natur- und Heilkunde zu Dresden, 
und der Naturforsehenden Gesellschaft zu Leipzig ordeatlichem und 
oorrespondirendem Mitgliede. 


Mit 1 Lafel Abbildungen. 
Gr. 8. Elegant geh. in Umschlag. 
Preis 15 Ngr. — 54 Kr. Rhein. = 45 Kr. C.-M. 
Gewiss ist diese Schrift den ausübenden Ärzten als ein 





trefflicher Führer und Leiter, der ihnen das mühsame, Zeit 


raubende und oft schwer zum Ziele führende Studium der 
schon so umfangreichen Literatur der Pereussion umd 
Auscultation nicht nur sehr erleichtern, sondern zu 
ihren Zwecken wol gänzlich ersparen dürfte, angelegent- 
lichst zu empfehlen. 





SC. Srockhaus in Leipzig if neu erſchienen 


Bi ®- 
und durch alle Buchhandlungen zu erhalten: 


Piratenleben. 
Seefcenen und Charakterſtizzen. 
Zwei Theile. 


Gr. 132. Geh. 2 Thlir. 


⸗ 


In Unterzeichuntenn if ſoͤeben erſchtenen und durch alle Duchhandluagen zu beriehen: 


Reisen und Täanderbeschreib utgen, 


26ſte Lieferung. 


Auch unter dem beſondern Titel: 


Reiſe Pur Rußland 
nach deni kaukasischen JIsthmuts 


in den Jahren 1836, 1837 und 1838, 


Zweiter 


Sr. 8. Broſch. Preis 2 Thlr. 25 Nor. (2 Thir. 20 8Ge.), ober 4 Fl. 48 Kr. | 
Inhalt: Reife über den Kaulafus. — Hefe durch Karthli und Offen. — Oſſien unb feine Bewohner. — Die 


ihre Gebräuche. — 


ri und Ausfluͤge na 


Reife durch Radiga und Imerien nach Kutais. — Beſchre wan⸗ Imeriens und ſeiner Haup 
den naͤchſten Umgebungen. — Reife nach Mingrelien und Letſchkum. — Weile lan 

nach Kutais. — Ruͤckreiſe nach ziftie. — Belgreibung von Gruſien. — Bel seibung bes 
wichtigften Umgebungen. — Ausflüge in bie Umgebungen von Tiflis. — Reife 


Dffen uns 
Kutaid mit 
ſiſchen Boll. — Tiflis unb feine 
ch⸗Armenien nad Ant. — Beſchrei⸗ 


98 ber Meeresküfle und bu 
durch Gru 


Ani und Abog. — Neife dur Kuſſiſch⸗ Armenien nah Kulp. — Meine Krankheit und 


bung von 
Rüdreife Ring Daratiäitfiing nad Tiflis. — Aufenthalt in Tiflis. — Reife durch Kachien und Befchreibung Dageſtans. — 
Rüdreife bis Stauropol, — KHeife längs der Norbküfte des Aſowſchen und Schwarzen Meeres. — Odeſſa; Ruͤckreiſe 


Stuttgart und Fübingen, Zuli 1843. 


Verlage ber Kunft: und Buchpanblung von Zulius 
Buhbeus in Düffeldorf erfchien ſoeben: 


Geschichte der bildenden Künste 
Kart Shuaste. 
Au unter dem * 


Geſchichte der bildenden Künfte 


bei den Alten. 


.L Ban. 
Die Möller bes PDrients. 
30 Bogen. Gr. 8, Beh. 3 Thlr. 


Der gweite Band, die Griechen und Römer enthal« 
tend, erſ eint zur Micparlismeffe 





Durch alle Buchhandlungen und Poftämter tft zu beziehen: 


Das Pfennig⸗Magazin 
für Belehrung und Unterhaltung. 
Neue Folge. Erster Jahrgang. 


1848. Naguſt. Nr. 31— 34: 


Snhalt: 
* Schottland. — Maͤßigkeitsvereine. — Eiſenbahnen. — 
Die St Zerdinandekapele in Paris. — Kinderraub. — Mais⸗ 
ucker. — *Die Armenier. — Demoiſelle Lenormand. — Die 
Vlucht. — * Samuel Hahnemann. — Folgen des letten Erd⸗ 





®. G. Cottatie Verlag. 


bebens in Weſtindien. — Die Kunſt zu fliegen. — Kattun⸗ 
druckerei. — * Vorderindien. — —8 — Eine —— 
zung Moskaus. — Holzbrot. — Ciarichtung der ruſſiſ 
—J— Kirchen. — — in Braſilien. — —— ben 
des Gewehr. — * Bewohner der Milgerris in Sorimbktier. 
Die Anwendung ber Dampfkraft in Branfreih. — Das Ägups 
tifhe Labyrinth. — Tollwuth bee Hunde. — * Der de 
Brunnen zu a — — Balken — *38 und 
fein Voik. — En Taucher. — Behand der Tobten — 
* Diebitiy Sabalk — — Die yeue lan Shpauftralien, — 
Die Ciſenbahnen Amerikas. — Das britifhe Kriegedampffchiff 
Penelope. — *Gorfica. — Ein Rieden vom Rübezahl. — 
ie Schminke. — Kopienreihtium um Saar. — Die traurige 
Vergnägungspartie. — WMiseeien. 


Die mit * bezeichneten Auffäge enthalten eine ober mehre Abbildungen 


reis des Jahrgangs von 52 Nummern 2 Thlr. In: 
Fünbigungen werden mit 5 Nor. für den Raum einer 
gefpaltenen Zeile berechnet, beſondere Anzeigen ze, gegen 
Vergütung von Y, Iplr. für das Kaufend beigelegt. 





Der Preis ber erfien fünf Jahrgänge hei Ueunig: 


Magazins, Rr. 1248 enthaltend, | 15 

au z Ir. erm 30 nn to —23 biefer 

Je 1 Thlr. 10 Nor; bie Jahrgänge —42 jeber 
Ebenfalls i eife ermäßigt Schrifte 

mit vielen —* fe vom Sis Rab folgende n 

Sonntags: Drei Baͤnde. 2 Thlr. 

ie ** - Ein Band. Nor. 


R iss für Kind . Zün 
—— ns er. Sf 


Reipgig, im Auguft 1843, 
BE. x, Brockhaus. 








NEUHÄUSER 


STEINKOBLEN-VEREIN. 


VEREINS - NS- CAPITAL: 


240,000 Thaler Preuss. Court., oder 430,000 Gulden heim, 
In 1%6 Avtien zu 206 Thaler Preuss. Court., oder 350 Gulden R hein. 


ABWURE: 
Fünf Procent feste Versissung und eine zu sechs Procent veranschlagte Jahresdividende, 


Abbauseit: Hundertundsechszig Jahre. 


Der Neuhäuser Steinkohlen- Verein (gegründet nach der statutarischen Bekanntmachung 15. ji) 
hafıli reichen 8 


hat den gemeinse 


chen Abbau des grossen and 


teinkohlen »- Districts 
zoglich Sachsen - Meiningenschen Bergreviere Neuhaus, mit einem geschätzten Kohlenvorrath von sehtzig re 


men Centnern, zum Zweck. 


Die Actien lauten auf den Inhaber Con pe porteur). Bie sind über den Betrag von 800 


Courant, oder 350 Gulden im 


uldenfuss ausgestellt und mit Oen 


Thalern Prouss. 
poms für Zins und Dividende auf 
Augsburg, Frank» 


vieraig Jahre versehen. Die Coupons werden, sur Bequemlichkeit auswärtiger Astionnairs, in 


furt und Berlim bei den nachgenaonten Firmen zahlbar gemacht. 


Der noch dispenible Theil der Actien ist bei den Wechselhäusern 
B. Metzler sel. Sohn & Co. in Frankfurt a. IL, ° 
Joh. Lorenz Schäzler in Augsburg und 
Anhalt & Wagener in Berlin ” 


deponirt, von denen sie, ohne weitere Unkosten, 


frankirte Baarsendung des Betrags von 300 Thalern Preuss. 


segen 
Couraut, oder 350 Gulden im 24 Guldenfuss für" jede Actie, oder gegen Remessen in Staatspapieren, welche dem Ein- 


sender zum Tegesco« 


rs berechnet werden, ver dem I. September d. J. zu erhalten sind. 


Mach dem 1. September hört die Abgabe der Actien al pari auf. 


‚ Mläburghäusen, am 35. Juli 1843. 


Ber Henhä ünser Steinkohlen-Derein: 


I. Meyer 
Director und Mitelgenthümer der Vereinsweorke. 





Durch alle Bachhandiungen und pofämte if zu beziehen Tür Leſecirkel und Leihbibliotheken. 


HSIS. Encyklopaͤdiſche Zeitfehrift vorzäglich für 
Raturgeſchichte, Anatomie umd Phnfiologie. 
Bor Olten. 1848. Achtes Heft. 
&r. 4. Preis des Jahrgangs von 12 Heften 
mit Kuyfen 8 Sohle. 

—ES— cc ee, fie 

ee A er, 
unb wirb darin der Raum einer gefpaltenen ie mit 2' 2 Nor. 
berechnet. ondere Senzeigen ıc. werben ber Z is für 


ef 
1 Ihe. IR Moe bei 
Bin, im u 1843, 


uiterariſche un⸗ 


F. A. Brockhaus. 
Bei mir iſt erſchienen: 


‚Denkmäler bildender Kunst in Lübeck, 
gezeichnet und herausgegeben von ©, «7. Mitlde, 
Maler, und begleitet mit erläuterndem historischen 
Text von Dr. Deecke. Erstes Heft, 
enthaltend in Bronze gravirte Grabplatten. Grossfolio. 
In Umschlag. S Dtionspreis 2 Thlr. 

unb wurbe unterm heutigen age an alle Beſteller verſandt. 
Bamburs, 7. Xuguft 1 

"Sobenn baun Wuguft Meißner, 


Bei &. R. in Leipzi 
durch alle ra * —*8 vaio iR erſchienen und 


Edelmann und Zude. 


Roman 


von 


Julian Chownit;. 
Zwei Bände. 8. Broſch. Preis 1’ Thlr. 

Der von faft allen beutichen Journalen im Felde der No⸗ 
velliftit mit großem Beifall begrüßte Verfaſſer liefert hier ein 
neues fociates Gemälde, in feiner befannten leichten und Lebens 
digen Manter , bie ihm ven Ramen eines beutſchen Paul de 
Kod verſchafft bat. 


Durch ale Buchhandlungen iſt von mir zu beziehen: 


Pbitofopbie Des Staats 





Allgemeine Zorialtheorie. 
Dr. Bugo Eifenhert. 
8. Och. 1 Thle. 6 Nygr. 


—*8 im Auguſt 1843. 
F. A. Brockhaus. 


Aenigkeiten des Yahres 1843 
aud dem Berlage | 


von 


Alesander Dunden, 


königl. Hofbuchhändler in Berlin. 


Bauder, 


tern Umſchlag. 
— —— , Daffelbe. 


In verziertem Umſchlag. Geb 
Anhang und Zufäge zu Berne Vethode der Reitkunſt nach neuen Grundfägen. Zunaͤchſt für die Beſiher der Item Auf 


Gr. 8. Belinpapier 





Dasselbe. 
"Ri endet, 


" edel, MR. VoR, Historisch - 
6 Lieferungen. Quer-Imperialfolio, 


8. , Methode der Heitkunft nach neuen Srunvfägen. 2 Franzoͤſtſchen durch 
Kieutenant von Bidiien, Commandeur bes 7. Küraffier- Regiments.) Mit 12 Abbildungen. ®r. 8, 


ein Übergeugten. ( 
Belinpapier. ET —* 
3 


Aus dem 


Geh. bir. 
Dte WTuflage nad) der vierten des franzöfifchen Originals. Mit 12 Abbildungen. Gr. 8. re 


Zhlr. 


hie. Beiträge zu ihrer richtigern Beurtheilung und Würdigung. Istes Heft: 
—W aller Philosophie bei Hegel im Uaterschiede von der Fassung anderer 


1, Tale. 
1’, Zblr. 
14 Thu. 


8. Belinpapier. Elegant geb. 

8. —— —* geh. mit Bolbfchnitt. 
. nt geb. hir. 
eteait de Gräfin * GHapn:Bapn , —— von Fraͤulein von Meyern⸗Hohenberg, in Kupfer geſtochen von — 


Y% Ah. 
1, hir 


5%, Tal. 


eographischer Handatlas in 36 Karten, mit einem Vorwort von F. A. Pischon. In 
liste und *2te Lieferung. In Umschlag. Geh. 


a 1% Thir. 


NB. Die mit einem * bezeichneten Artikel befinden fih unter der Preffe und werben im Herbſte audgrgeben. 


Jede Buchhandlung ift im Stande die hier angezeigten Werke zur Anficht vorzulegen. 





In meinem Verlage find erfchienen:' 
Die ie Fläflinge cine Novelle von Georg kau. 
e 
Bebensinircen in atiſtokratiſchen Kreiſen. Drei Er⸗ 
zaͤhlungen: Das Duell, Der junge Graf, Die Pſeu⸗ 
donymen. 8. Geh. Thic. 15 Ngr. (1 Thlr. 12 gGr.) 
Eliſabeth Stuart, Gemahlin Friedrich's V. von 
e len vor Dr. Söltl. 2 Theile. Gr. 12. Geh. 
Der Diamant. Ein Spiel der Phantafie, von €. 
Serpen. Gr. 12. Geh. 1 Thlr 15 Mor. (1 Thir. 
13 
Hamburg, 1843. 
Johann August Meissner. 


Bei J. Hölfger in Koblenz ift erfchienen und in 
allen guten Buchhandlungen zu haben: 


Sloris, Eruft, Sagen und Lieder vom Rhein 
und Fe der Mofel, Er. 12. Sn Umſchlas geh. 


Daffeide mit 10 Stahlſtichen. Cart. 1 Thie 10 Ngr. 





eu erſcheint und iſt durch alle Buchhandiungen zu erhalten: 
Allgemeine Predigtsammlung 
aus ben Werken ber borzüglichften Kanzelrebner; zum 
Vorleſen in Landkirchen wie auch zus hi äusfichen 
| auung. 
‚Derauegegeben von - 
Dr. Ednin Bauer. 
weiter Band. 
And unter dem Titel: 
Epiftelpredigten auf ale Soun: und 
tage des Rahres aus den Werken ber vorzüglich 
fen Kanzelredner; zum Borlefen in Landkirchen wie auch 
zur häuslichen Erbauung. Gr. 8. 23 Thlr. 

Der erſte Band diefer Sammlung (1841), welchem von 
Geiten der Kritik daB Präbicat eines Muſterbaches wen 
Pe beigelegt warb, enthält Svangelien⸗ 
— —— le do ec aka 
er 
wird dieſes Werk geichloflen werben. s . 

Reipsig, im Faguf 1843. 


5 A. Brockhaus. 





Drud und Verlag von F. X. — in Leipzig. 








— 


Lit er 


Dieſer Biterarifche Anzeiger wird ben bei 
Unterhaltung” und „Iſte veigelegt oder be 


Durch alle Buchhandlungen ik zu erhalten: 
Georg Forsters 
Fammttiche Schritten. 
Herautgegeb en von deſſen Tochter 
wit einer Charakteristik Serster's 
m} Sersinus, 

Sn neun Bänden, 


Erste Lieferung: Band 1, 6, 7. 
St. 12, Geh. 3 Zhlr. 
Aus⸗ 


Die Übrigen Wände dieſer erſten von aͤnud 
gabe der —** eines unferer beſten 25 
werden in kurzen Zwiſchenraͤumen folgen. Auf die dem ſie⸗ 
benten Bande beigebrudte Charakteriſtik Yorfters von Ser⸗ 


Sinus erlaube ich mir ganz beſonders aufmerkfam zu machen. 
Beipgig, im Scpiember 1843. 
S. 9. Grorkhens. 


Handbuch für Auswanderer nach Amerika. 


In Unterzeichnetem ift fosken erfchienen und an alle Budhs 
bandlungen verfanbt worden : 


BSaudbuch und Weg weifer 
Auswanderer 


nach den Vereinigten Staaten von Nordamerika, 
enthaltend 
bie für ſie wiſſenswertheſten Gefete, Sitten und Ge⸗ 
braͤuche. Mathichläge —* ungen gegen übervor⸗ 


1. Befchreibung Landſtriche. 
Rathſchlaͤge in Bezug auf Geſundheit, Klima und Boden. 
Reiferouten. Entfernungen der vorzägiihfien Plaͤte von 
ben Hauptfkäbten der Staaten "und sen Wafhington. 
Straßen, Kandle und Eiſenbahnen. Bevoͤlkerungen, Pro: 
ducte, Klima und Boden einzelner Staaten; nebft einer 
umſtaͤndlichen Beſchreibung aller in den Staaten Ohio, 
Michigan, Indiana, Illinols und Miſſouri und in den 
Territorien Wisconſin und Jowa gelegenen Grafſchaften, 
einem ſtatiſtiſchen Anhang und einer illuminirten Karte. 

0 


Bon 
Fraucis J. Brund. 
8. Velinpapier. Broſch. Preis 1 Ehe. 7 Mar. 
(1 Thlr. 6 gGr.), ober 2 Ju 
Dad Bedorfniß eines Buches, welches den Auswanderern 
ausführliche Belehrung über -jene Dinge und Verhältniffe von 











arifher Anze 
1843. Nr. XXH. 


igepeftet, und betragen bie Infertionsgebühren für die Beile ober deren Raum 2), Rgr. 








iger. 








Amerika gibt, welche fie vor Allem zu wifim nöthig Sm, 
und die fie zugleich gegen ortheilung,  Behigriffe im ns 
kauf von Ländereien und Berlufte aus Unfenntniß der 
Bitten und Gebräuche ficher ſtellen, iſt ſchon lange in Deutſch⸗ 
land gefühlt worden. Obige Schrift toll -diefem angel abhei⸗ 

u. Ber Berfaffer Hat währtnd eines fichengehnkihrigen 
Aufenthalts in ben Wereinigten Staaten und in hen beuichieben- 
fien Stelungen, die ihn ‚mit allen Glaffen ver Geſellſchaft in 
bie intimſte Berührung brachten, vielleidet mehr wie jeber anbere 
Ginbeimrifche ober Fremde Gelegenheit gehabt, bie amerilanifigen 
Buftände und bie Stellung ber eingewanderten Deutichen 
en Miditungen Hin fennen zu iermen, und balt «6 habe kAr 
feine Yriicht, das Ergebniß -feiner Mrfefrungen feinen gs 
bern im beutfihen Baterlande witzutheilen. 

Stuttgart und Zuͤbiugen, im Auguft 1043. 

| V. ©. Cotta'ſcher Verlag. 


Tr.) 


Bei Braumülier & Beibel in Bien ift erſchienen: 
"ltucna 00 Ober Beftdr © 
©estreichischen militairischen Zeitschrift 1843. 


. Inhalt diefes Heftes: j 
I. Etwas über Mititeirafademien im Allgemeinen. — 
II. Gine Skizze aus dem Feldzuge des Jahres 1798. — 
HH. Be 1200 am " 


. . Abquitt. — 
IV. Die Kämpfe der oͤſtreichiſchen Armee gegen Frankreich 1792 
—1815. — V. Der Zug ber Aliteten nach der Shampagne im 
Sanuer 1814. yageitter Abſchnitt. — VI. —— — 
derungen. — ' es Prinzen ugen ven Sabogen Wirken 
den Jahren 1721—36. ——————— Nr. 45—58. 


Preis des Jahrgangs 1843 in 12 Heften 8 Thle. 





En vente chez Brockhaus & Avenarlusä Leipzig: 


Zum® 
de Is Hltterature francaiee. 


Troisieme annde. 1848. 


” semaine — do. 1 — 
x Bar 88 FR — | ‘ J 
—** ot à us les bureaux de . == Los nouvoaux 


abonnes pour Tannde 1843 pouvent se procurer les deux 
premi, ann“es de Iniche am prix diune 
seule. 


Sommaire des Nos. 31-- 84. 

. Tourterelle. Par Paul FevalL — Comment lameur 
fuit en camsant. Par Marie .de Viipinay. — Bras- 
de-Cuir ot le Houlan. Par Pam Foval. — Le eomdac- 
teur de diligence. — Napoleon et Viotti Par I. Möhnl. 
— Hosmd-ie-Pauvre. Par Lbom Genlan. — Sapplioe 
d’une jeune Sciouse. — Les cinq pieces de win. — La fdte 
die la Madone deli’ Arco. Par Paul de Minsset. — ‚Un 
ealevement. Par G.B. — Un mamelek. Par X, — 
Origine des moustaches, — Combat de Jaostia .Bieurier..et 
de Mahuot Coequel, Par H. ©. — Trisunser. " 


ı 


Sandwirtkecheftliche Dortzeituns 


Herausgegeben von 


©, v. Pfaffenrath und Willtann Möbe, 
Vierter Jahrgang. 4. 20 Ngr. 


Leipzig, bei F. A. Brockhaus. 


erſcheint woͤchentiich 1 Bogen. Mubünhigun- 

gm vn perden mit 2 Kor. ben Raum einer gefpaltenen 

eite berechnet, Befonbere Anzeigen re. gegen eine Ber: 
gätung von %/, hir. für das Tauſend beigelegt. 


Inhalt bes Monats Auguft. 


Dorfzeitu Ihr Regierungen, gebt Gulturgefege! — 
Bon den NRadıth ber Dreifelderwirthſchaft. — Das Cins 
Hängen von Fenſter⸗ und Thuͤrfluͤgeln leicht zu bewerfftelligen. 

— Über das Röften des Hafers. — Über das befte und nutz⸗ 
zeichfte Verfahren bei ber Schweinezucht. — Gute *eg und 
Geradelegung derſelben. — Sollte ſich Herr Amtsrath Gump⸗ 
recht nicht irren? — Gchreiben bes — Generallieutenant 
v. Roͤder an bie KRebaction. — Nutzen, welchen bie 
uuns und Berbeſſerung der Beet ber Landwirtbichaft ge⸗ 

währt. — Noch einige Worte darüber J wie vortheilhaft es ſei, 





die Domainen in Erbpacht zu — Nehmt Euch in Acht! 
— Entgegnung auf ben uffat Oi Srfabrungen über 
Yon Anbau bez aber in We «23 db. 3. — Etwas über 


den — der — in Kurheſſen. — Von der 
untern Rhön. — Die Errichtung von Serreibemagasiaen für 
Zeiten ber Noth und des Wan — Refetrüdte, Mis⸗ 
eenen u. ſ. w..— Unter altungsblatt: Die Wachtel. 
— Beſchreibung bes waringe Landes. — Die Cactusarten und 
der VBunderbaum. — Die Zage der Woche. — WBenusung von 
Stoffen geringen Wertpes. - — Der jegige Tanz. 





In Unterzeichnetem ift foeben erfchienen und durch alle 
Buchhandlungen zu beziehen: 
Carl Sigismund Kunth 


Enumeratio Plantarum 
omnium hucusque cognitarum, secundum familias 
naturales disposita, adjectis characteribus, differen- 
tiis et synonymis. 
Tomus IV etiam s. titulo: 

Enumeratio Xyridearum, Mayacearum, ' Com- 
melynearum, Pontederiacearum, Melanthacearum, 
Uvalariearum, Liliacearım et Asphodelearum 
omniam hucusgne cognitarum, adjectis, charac- 
teribus, differentiis et synonymis. | 

8.maj. 3 Thi. 22") Ngr. (3 Thir, 18 gGr.), oder 

6 FL. 24 Kr. 
Das Beitgemäße, M Nothwendige eines folchen Unterneh: 
mens iſt laͤngſt und vielfeitig gefehit. Die Botanik bat in 
newerer Zeit Wereicherungen erhalten, wie kaum irgend ein 
. Zweig bes menſchlichen Biffens; täglich ſich haͤufende Entbedduns 
gen in allen Welttheilen haben bie Reihen ber bekannten Bege⸗ 
tabilien ins Unabfehbare vermehrt unb verwirrt, bie vorbans 
benen foftematifchen Werke durchaus luͤckenhaft unb ungenägend 
gemacht und eine neue Aufzählung und Ordnung der gefammels 
ten Bchaͤte, einen Ver er berblick über das ganze eich, 
ellt 

Dt tat er diefe muͤhevolle Arbeit übernahm 
und ebenfo umfaflend als gediegen ausführte, erwirbt er ſich 


% 


‚gelegenbeiten Portugals. 






—— 






un Kur 3 an 
Theil wire 


Jeder een belonbern 
Zitel auch ein en Ai 


ubingen, im ma 1843, 
Catte ſcher Verlag. 









In meinem Berlage ift foeben erfchlenen und in allen Bud 
bandlungen zu haben: 

Mühle, HMeinr. Graf von der, Bei- 
träge zur Ornithologie Griechen- 
® Gr. 8. Brosch, I Thlr. 

Ze weniger bisher über das Leben der Voͤgel in Gäbruropa 
— außer durch Savi's Ornithologia toscana und einzelne zer⸗ 
ſtreute Notizen — befannt war, um fo willlommener wirb bie 
vorftebende Pleine Schrift eines eifrigen, mit tuͤchtiger Beobach⸗ 
tungegabe ausgerübeten und durchaus praftifchen Verfaffers fein. 

eide beichräntt ſich darauf, nur Dasienige, was er auf 
feinen zahlreichen Jagdexcurſionen während eines fänfjährigen 
Aufenthalts in Griechenland fetbft beobachtet hat über Borko 
men, Lebensweife und Eigenthuͤmlichkeit ber bortigen — 
kurz und bündig, aber nicht ohne den Reiz einer lebendigen, 
aus eigener Anfı (hauung beroorgehenden Darftelung zu fchilbern, 
und deferiptiver nur bei neuen ober verfannten Arten zu ver 
weiten‘, fobaß der Mann vom Fach ebenfo wie ber Dilettant 
aus dieſen Beiträgen Gewinn und Geruß ziehen wird. 

Zügen wir noch bei, daß das BBerteen in der Weife abs 
efaßt iſt, wie , aber 6 Prodromus ber isländifchen Demicholoaie, 
o wird für ben Kunbigen ber Standpunkt deffelben in der Lite 

ratur hinreichend angebeutet fein. 
Eeiptzig, im September 1843. 


Erf Aleifiser. 


Im Berlage ber Meß’ihen Buchhandlung in Berlin if 
foeben erfchienen und in allen Buchhandlungen zu haben: 


Bibliothek poutiſcher Reden 


‚dem 18. und 19. Jahrhundert. 
Erfter Band. Zweite Lieferung. Broſch. Preis 5 Sgr. 


Inder „Belt: Vi. Pitt's Rebe über bie Angelegenheiten ber 
amerifanifchen Solonien. VII. Sanning’s Mebe über bie An 
VII. Mirabeau’s Rebe über den 
Ramen und bie Bedeutung ber erfien franzöfifchen —— — 
Berſammlung. IX. Robespierre's Rede über das Decret, 
wodurch die Ausuͤbung bürgerlicher —*— von einem beſtinnaten 
Steuerquantum abhängig gemacht wurde. Mit biogre: 
phifhen Notizen diefer Redner. 





Neu erschien soeben bei mir und ist durch alle Buch- 
handlungen zu erhalten: 


Das Venensystem 
in seinen krankhaften Verhältnissen. 


SF. A. Pr Pucheit, 


Zweite Auflage. 


In drei Teilen. 
Erster Theil 
"Leipaig, in Sepemb —* 
‚im ember 
F. A. Brockhaus. 











| 


In Unterseichnesem jet soeben exschienen und in alle Buchhandlungen versandt worden: 


Lehrbuc ier N 
— nach einem durchaus neuen auf 
das Positive aller Disciplinen 


anwendbaren Systeme. 


Von 
Marl Otto RBeventlow, 


Eandidsten der Philologie. 
8. Velinpapier. Brosch. Preis 1 Thir. 7'% Ngr. (1 Thir. 6 gGr.), oder 2 Fi. 


Während fast alle bisjetzt bekannten mtemonischen Systeme, auf einer räumlichen Anschauung und sinnlichen Sym- 
bolik beruhend, nichts als ostensible Kunststücke erzielten, hat der in den weitesten Kreisen rübmlich bekannte Herr 
Verfasser dieses Werkes durch seine vielfach abgelegten öffentlichen Proben bewiesen, dass sein Verfahren nicht allein 
eine allgemeine praktische Anwendung auf das Positive aller Discipliaen zulasse, sondern auch, dass die R®Sultate des- 
selben Alles, was bisjetzt durch mnemonische Methoden geleistet wurde, beiweiten übertreffen. 

Das Werk zerfällt in zwei Abtheilungen. Erste Abtheilung: Geschichte, Literatur und Kritik aller bekannten 
mnemotechnischen Systeme. Zweite Abtheilung: Die Methode des Verfassers, Geschichte, Theorie, Anwendung 
auf die Chronologie, Statistik, Physik, Chemie, Mathematik. Astronomie, Theologie, Jurisprudenz , Philologie, Medicin, 





Botanik, Kameralwissenscheft u. 5. w.; auf Sprachen, Handelswissenschaften u. s. w., auf das Einprägen von Phyasio- 


gnomien, auf das Schachspiel u. 5. w. | 
Bei der Abfassung dieses Lehrbuchs hat der Verfasser nirgend eine Regel aufgestellt, deren Richtigkeit er selbst 
nicht praktisch zu beweisen im Stande wäre. — — 


Stuttgart und Tübingen, im August 1843. 
“ J. &. Cottaseher Verlag. 





Durch alle Buchhandtungen und Poſtaͤmter ift zu beziehen: mäßten dur ce ice a ole mechen, worin. 
0. ⸗ entweder gleichfa orleſungen abge t ſind, od l 
Leipziger Repertorium für deutsche und aus- | zurd isre Auefährlichkeit als Pand« ober Befehdcher — 
ländische Literatur. Unter Mitwirkung der Uni- ebnnen, —e Be fer Mt aber, bie in neueen 

20 XX eiten erſchienen ſin erſcheiden vo '8 ⸗ 
versität Leipzig herausgegeben von W. nf. gen gerade dadurch, daß durch fie gewiß "noch man un 
Gersdorf. Erster Jahrgang. Einund- | Earen oh —* re oder _ gebe Ay „onfeiben 

0. ii, eo gewonnen bat. rz, ich Tenne überhaupt Fein ‚dos ale 
dreissigstes bis vierunddreissigstes Heft. Gr. 8. Eefebuch fo wie dieſes jebem Studirenden empfohlen Werden 
Preis des Jahrgangs von 52 Heften 12 Thlr. Ebnnte A fett af ein sank — —— hat es aber 

. - n ber Ausführung dieſes feines Plans die Eigenfchaft bewährt, 

" Bibliographischer Anzei ger, | welcher Bi unten allen Sn größten Werth einräumen md te. 
für literarifche Anzeigen aller Art beftimmt, beigegeben. An⸗ a en ——— a BA —** os 
nbigungen in demfelben werben für die Zeile ober deren | geſchleppt wisd, um weichen feibfl beffere Schriftſteller oft. uns 
Raum mit 2 Nor. berechnet, und Beſondere SCnzeigen re. kefümmert bleiben. Goöfchen verbient vor vielen Anbern bas 


gegen Vergütung von I Thir. 15 Nor. beigelegt. Lob, daß er diefen nicht bei ſich geduldet, fondern i si 
Eeipzig, im September 1843, wirkliche Gedanken zu vermanbeln vedlich und Zi dem 


3. A. Brodhans. | Heiten Erfolge geftredt hat.“ 








Durch alle Buchhandlungen ift jest wieder von ſtaͤndig Durch alle Buchhandlungen iſt von mir zu beziehen: 
zu beziehen: | G ur 
Goſchen, J. F. R., Vorlefungen über das ge: eſchichte 
meine Givilsecht. Aus den hinterlaſſenen Papieren ber 


—5 — Dr. , Drei Bände. s 
Berantgrgcen von Dr 2, Gorleben. Dei Bin. (Letzten Kämpfe Hapoleon’s. 


Über den Werth des 8 t de Abfag d 
FRR. « Im en 43 iche ve h age rn far * erhen Revointion und Reftanration, 





8. inter Pr eins ei: undet ge einem Son 

Schreiben an errn Derau alten lche 

wir folgende @tete entnehmen hl ‘ * — 328— * -Rourad Ott. 
e andern e zu feben, bie, i t . . 

ihres Werthes, fonbern nur in ihrer Beftimmung und mög: Zwei Cheile. 


lichen Baenugumgbart Rn dem vorliegenden Bierte auf gine Gr. 8. Geh. 3 Thlr. 36 Nor. 

geſtellt werden nten. on den gangbaren Lehrbüchern Reipgig 

kann dabei gar Feine Rede fein, neben Seen ſoll ja erft der ‚ Im Geptember 1849, 

Vortrag deb Berfaffers Das keiften, wozu dieſes Werk unmittels ®- A, Bestand. 
bar dient: Wollte man das Gleichartige zuſammenſtellen, fo — . 


\ 


h der Mnemetechnik,. 


Durch alle Bag m su beziehen: 


Veteris et Novi Testamenti vexrsionis gothicae 


fragmente uae supersunt, ad fidenm oodd. ca- 
stigata, itate donata, Alkmomlione critien 
instructa am glossario et grammatioa linguae 


gothicae conjunctis curis ediderunt 
'H. ©. de Gabeleniz et Dr. 3. Loebe. 
Vol. I. Pars prior. 
(Den Schluß bes Textes und das Gloſſar enthaltend.) 

VGr.«a. Seh. Druckp. « Thir. 18 Ngr. ; Velinp. 5 Thir. 8 Rgr. 

Der erſte Band tft aus dem Verlage ber Schuupha ſeꝰ⸗ 

chen Budpanblung in Altenburg in den meinigen Abers 

a tz Moihetung bed wei 

14 

ten Bandes (eine Grammatik ber gothiſchen Cosa enthalten) 

wird im vaufe bes künftigen Sabre erfcheinen 


Meipgig, im Geptember 1843 
$. A. Brockhaus. 


In Unter — iſt ſoeben erſchienen und an alle Buch⸗ 
hanbiungen selfankt werben: 






B 
zu Dr. Dinglers 


polgtechnischen „geurnal, 


Bon Band I Me 
Dr. Michael Stecher, 


9, k. Untverfitätt - he und —— ber Landwirthſchafts⸗ 
ft 
Sr. 8. Broſch. De 2 5 Mar (2 Thlr. 4 gGr.), 
ober 3 30 


Etuttgart und 23 im — erlag. 








Im Verlage ber Unterzeichneter * soeben erſchienen: 


Die be zweite Lieferung des zweiten Bandes 


(Ber dritte Yand ist bereits ausgegeben) 


Griechiſchen Sprache 


Dr. w "Day, 


Profeſſor am Berliniſchen Bomnaſium zum grauen Kloſter. 


Lexikon⸗Octav. 
einem dritten Bande von 27 Bogen, bie Griehifhen Eigen: 
namen enthaltend. _ 


Supferiptinwspreife. u 
gr das ganze Merk von brei Bänden . . = - - . 7% Thlr. 
Für das ðriechiſch⸗Oeutſche Woͤrterbuch von zwei Bänden Bl. 
‚Für das Woͤrterbuch ber Griechtſchen Eigennamen ... . 1’ Ahr. 


Bon diefem Vorterouge⸗ 
wir Naͤheres aus dem dur 


des 3 
ve weiten mine ji 
bar nad rt NS "=. ., und wird damit das ganze 
Wert vollſtandig erfhienen fein. 
Bu w nds 


— * di L dentli 4 ‚Bet S 
:benterten, ie außerordentli 
ionspeik, noch noch bis ! 1844 beſte Si ae ie 





Zwei Bände , ,jeder von 80 —- 90 Bogen; nebſt 


uͤber deſſen Plan "und Tendenz 
alle Buchhandlungen gratis zu 


— tee "bilten, re 6 bie pe Liefes 
e &illesung 
* ce 


Philologen und Imänner 


Chu 
der aus n Arbeiten aufmerklam unb 


Eremplate 1 Sreieremplar —Se 
Wraunfsweig, im Auguſt 1843. 
Feriedrich Miieweg H Sohn, 





Soeb in ber Kaͤmme Sortiments ‚Bud 
lung in Ba Ki erfchienen : Pier imen * 


Br. Wendt 
Morgenklänge aus Gottes Wert. 
. Em Erbauungsbuch 


auf alle Tage im Zahre. 
Elegant geheftet. 35 Rar. 


Ausgewählte Bibliothek 


der 

Clafſiker des Auslandes. 

Mit biographiſch teratiſchen Einleitungen. 
Flervon sine en ‚erschhenen Der zur gwängbglte bis acht⸗ 
unbswanzigfie MBanb, welche mies: 

XX—XXU Wprcaccin, Das Dekameron. Au 
dem Statienifchen übsrfest von K. Witte. Zweite verbei 
ferte Auflage. Drei Theile. 2 Ahlr. 15 Nee 

XXII-—-XXV. DB ante Miighirri, Die 8ö 

Komsdie. Aus dem Stalieniichen überfegt und erklärt von 

K. 8. Kannegießer. Bierte, fehr veränderte Auflage 


Di Theile. Mit Dantes Bildniß, den Piimen ber Höfe, 
egeſeners und Paravieieh, uud eine Karte von Ober 








* ⸗Italien. a 15 *r. 
von Gutendere für 16 Rgr. erla am eragen wer: 
XXVI. Geleflina. Cine dramatifche Novelle. us bem 


Spanifchen überfeht von Ed. v. Bülow. 1 Ahlr. 6 Rar. 
XXKVI. XAXVIN. Die Märkienfammiung be Bemabene« 

Bhacta aus Kaſchmir. Aus bem Sanskrit ins Deutsche über 

fest von Hm. Brodhaus Zwei Theile. 1 Thur. 18 Ror. 


Die friyer erschienenen Bünve diecer Sammlung sind eben- 


- falls en Bet einzein zu nm: 


ud Btierte 2 Mer — I. — IH. 
Fe * von tt 8 — 

ig neue EIER * —536 D Rar. —— — Dir 
er des Präfidenten. wei Auflage 10 'Er — YL vil. SSremer, 
Zweite Aufl »s VIrE. ı%. Bremer, Des Hani. 
Detite Auflage. Kr 6 iöte . 3. 10 Rer. 
’ Mano t, gb t ven 

geilen %o ant * 
ärt von —— oteher un umb Witte. * — Überfept rn 
1 al © — ——* A De x oerenbte Sims ats: von Kulh 
pre. Stxelt' und Ku gie — —5 — = 5*— Ba 


—8— * —45 — FAR Ei — —— ‚Ss Er. 
Reipgig, im September 1843. 


S. A. Brockhaus. 


Drud und Verlag von F. A. Brochaus in Leipzig. 
iD 











— 


\ 


Eiter arifher Anzeiger. 





13843. Nr. XXIII. 


Dieſer Litarariſche wird. ben dei F. 


% Brodhans in Leipzig 


en Seitfcheiften , ‚Blätter für —— 


erf 
Untsrhaltung‘' und —— beigelegt ober beigepeitet, und betragen bie a he für die Zelle be besen Raum Vs Nor. 






Cafgenbuh auf das. Jahr 1844; 
Hene Folge. Bester Vahrgaug. 
Mit vem Bilsnisse Marl Hester's. 

8. Auf feinem Velinpapier. Eieg. cart. 1 Thlr. 20 Ngr. 


Aubait:. I. Die Wellenbraut. Bon A. Gutzkow. — 
Myſiologie ber —— Bon A, p. Btermberg. — 
Selmmeb. . Dee 


I. Das: Novelle von Jul. Messen. — 
Diubrieb. Bon W. Aleris. — V. Nur keine Liebe. ——— 
von Sein Aqudiuns. 





Vom Jahrgaͤngen der pare nur noch ei 
Byron vn BL —— 
e a a en w on 
— Pe e taften bi bie Sobaginge re und 1840 jeber 
1 Zhte. 15 Nor, 1841 — 43 ee 1 Thlr. 20 Rer. 


Keiysig, im September 184 
.n “ EN Brockhaus. 





Im Verlage von G. wir Müller in Berlin P 
foeben erſchienen und in allen Buchhandlungen gu haben: 


At, Dr. Sieinrich, Deu chriftliche Cultus 
nach feinen verfchiedenen Entwidelungsformen und ſei⸗ 
nen einzelnen Theilen biftorifch dargeſtelt. Mit zwei 
— e das chriſtliche Kirchenjahr und über 

den kirchlichen Bauſtyl, forte mit ausführlichen In⸗ 
baltöverzeichniffen und Regiftern verſehen. 1842, Gr. 8. 
Brofh. (40 Bogen.) 23-Thle. 10 Nor. 

Indalt: I. Der Urfpenug der Sonntagsfetier. II. Der 
Gouutag, ein Bupetag. ITI. Ber Gonutag. ein Tag der 
Beiliguug, nud feine gottesdieuftliden Stunden. IV. Wie 
Rirengioden. V. Der Airchendeſuch. Vi. Ber Ginteitt 
ig das Gotteshans. 1) Dad Reigen bed Hauptes beim Gebet. 
3) Das Falten der Hänbe. 3) Dad Beten mit vorgebaltenem Hute. 
4) Das Beten des Waterunfer. 5) Das Weihwaſſer. 6) Das Zei⸗ 
den des Kreuzes. VII. Das: Gottsshans uud frine inmero 
@insitung. 7) Die Kirchenſtüͤhle. 3) Die Kanyel. 3) Das 
Kanzelpult. 4) Die Sanduhr. 5) Der Altar. © Die Nebenaltäre. 
D Die Reliqulen. © Die Wilder in den Kirchen. 9) Die Weih⸗ 
gefchente in der Kirche, 10) Die Amtstracht des Geiſtlichen. 11) Die 
Orgel. VIII. Der Gottespieuf uud feine liturgiſche Mn 
srbnung. A. Der altägrifllihe Sonntagsgottesdienſt. B. Der 
Gottesdienſt· der. morgenlãndiſch⸗ griechiſchen Kirche. CO. Die Tathes 
liſche Meſſe. D. Der lutheriſche Getfeöbienk. BE. Der WBonntagd: 
gotteöbienk der NReformizten. F. Dee Gotteäbienfi ber engtiſch⸗ 
biſchoͤftichen Kirche. G. Der proteftantifhe Gottesdienſt feit dem 
Zeitalter der Reformation. IX. Bas Mtorgentieh. 
Gäündentedenutnit. AT. Bas Ayeie. XI. Bas WEorie, 


XIII. we aus HIV. Bes Herr fei mit End. 
XV. Die Colleete. XVI. Das mem. XVII. Bas Gebe 
au Sen. XVII Die Spiel uud das Ebaugelinum. 


Nx Das Sallelujah. XX. Bas Slaubens dekenntuiß. 


—— a ——— —— — — — 





xxi. Die KRircheumuſtk. XXII. Das 353— XXII. Ser 

XXIV. Die Vrediſst. XXV. Das Aigemeins 
æirqᷣugedet. XXVI. Fe — XXVIL Des 
Baterunfer, der Friedenswanſch, Die CTolleete und der Ge 
ou. — Erſter Nachtrag: J. Die Wochentage in kirch⸗ 
licher Beziedung. II. Das Airchenfahr mit feinen Beten. 
a. Die Welle des Herrn. DB. Die Marienfeſte. O. Apoſtel⸗ unb 
Maͤrtyrerſeſte. D. Andere Fee. — Bweiter Nahtrag: Grand 
riß einer alten chriftlichen Kirdde.uchE ErPlärung. 





Im Verlage ber uUnterzeichneten ift foeben erſchienen: 
Hellmuth’s 


Glementar⸗Raturlehre. 


Zehnte Auflage. 
Kür Lehrer an Seminarien und gehobenen Volks⸗ 
ſchulen, fowie m Schul: und Se terricht, zum 
dritten Dale bearbeitet 


J. &. Bier. 
Gr. 8. 30 Bogen. Velinpapier. Dit 243 in ben Tert ein: 
gedruckten vortrefflichen Holzſtichen. Geh. Preis 1 Thlr. 

Diefe zehnte Auflage eines weit verbreiteten Schulbuchs Hat 
ſich abermals ber bedeutendften Verbeſſerung und Erweiterung 
von Seiten bes Deren Verfaffers zu erfreuen gehabt. Audges 
ftattet mit 243 vortrefftich ausgeführten Holzſtichen, iſt der 
Preis dennoch, bei ſchoͤnem Drud und Papier, ein fepr bil⸗ 
liger — au A jede Buchhandlung in den Stand gefet, 
auf 12 Cremplare ein Freiexemplar zu bewilligen. 

Gin Drofpechus, mit Bezugnahme auf das Urtheil von 
Behörden und bes Herrn Seminarbirector Diefterweg, tft in 
allen Buchhandlungen gratis zu haben. 


Braunfdweig, September 1843, 
Griebeich Wietweg und Sohn. 








Am Berlage von BP. A. Brockhaus in Reipsig er: 
fchien ſoeben in Mn — Kuflage: 


Die Rachbarn. 


"Seederike Sremer. 
Mit einer Borrede der Bertafferin. 
Zwei Tbelle. 
Gr. 12. Mb. 20 Nor. 


Die übrigen Schriften von Frederike Bremer: Die Tödtee 
vo Präffdenten. Dritte Auflage. — Nina. Bweite Auflage. AChle. 
— Dad Hand. Dritte Auflage. 2 She. — Die Familie H. — 
Kleinere Erzaͤhlungen. — Streit und Friede. Bmweite Auflage, 
find fortwährend zu dem Preife von 10 Nor. für ben Theil zu er» 
halten; die —* Ausgabe in 10 Theilen koſtet 3Cple. 10Rgr. 











— — 





| Schulbücher | 


aus bem Verlage 


von _ 
Alexauder Dunder, 
hönigl. Soſbichhãudler zu Berlin. 


Nachverzeichnete Werte find bereits in vielen Unterrichts: 
md Witbungsanftatten, namentlich in preußifchken Gymnaſien, 
Militair⸗, Reals und Toͤchterſchulen eingeführt: . 
Dielig, Ah. (Oberlehrer a. d. koͤnigl. Fealſchule in 
Berlin), Geographiſch⸗ ſynchroniſtiſche Überficht der 

Weltgeſchichte. Quer 4. Geb. % Thle. 
Dinarchi orationes tres. 

tionem criticam et commentarios adjecit Kduardus 
Mastsner. 8. maj. 'Y2 Thlr. 
‘ Historiae romanae brevis epitome inferioribus Gymna- 
siorum classibus destinata. 8. 's Thlr. 
Kaliſch, E. RB. (Prof. a. d. koͤnigl. Realſchule in 

Berlin), Deutſche Gedichte für Schulen. 3 Abthei⸗ 


lungen. &xæ ' The. 
NWarbel, Cath., Exercices de Memoire. Premiere 
partie mise à la portee des enfants. 12. Geh. 


s Ihlr,. - 
Wedell, BR. v., Historisch - geographischer Hand- 
atlas in 36 Karten, nebst erläuterndem Text. Mit 
einem Vorwort von F. A. Pischon. In 6 Lieferungen. 
Quer-Imperialfolio. 1ste u. 2te Lieferung. & 1”% Tblr. 
Zimmermann, Prof. Dr. SE., Geſchichte des bran- 
denburgifch : preußifchen Staates. Ein Buch für Jeder⸗ 
‘mann. Lerilonoctav. Geh. 37%, Thir. 

Direckoren, Lehrer und alle Sntereffenten, benen biefe 
Bücher noch nicht befannt find und bie ſolche einer nähern 
Pruͤfung zu unterwerfen wünfchen, werben folche durch jede 
ſolide Buchhandlung mitgetheilt erhalten. 

NB. Be Einführung in Schulen wird durch 
Kreieremplare ben aͤrmern Schuͤlern Erleichterung 
gewaͤhrt. 





Durch alle Buchhandlungen und Postämter ist zu beziehen : 
Neue Jenaische 


‚Allgemeine Literatur - Zeitung. 


Im Auftrage der Universität zu Jena redigirt von 
Geh. Hofrath Prof. Dr. M. Hand, als Btschäfts- 
führer, Geh. Kirchenrath Prof. Dr. I. A. Mase, 
.Ober-Appellationsrath Prof. Dr, IV. Francke, 
Geh. Hofrath Prof. Dr. D.&. Kieser, als Special: 
ctdactoren. 


Jahrgang 1843. September. 
Inhalt: 


K. G. Jaoob: Denkwürdigkeiten und Vermischte 
Schriften von X. A. Varnhagenv. Ense. (Nr. 308 u. 310.) — 
K. v. Decker: Geschichte des Feldzages von 1814 in 
dem östlichen und nördlichen Frankreich bis zur Einnahme 
von Paris, als Beitrag zur neuern Kriegsgeschichte. (Nr. 229 
=.211.) — HL Ritter: Etudes sur la philosophie dans la 
moyen-äge. Par M. X. Rousselot. (Nr. 2312 u. 213) — 

: 1) Das gottesdienstliche Leben des Christen. 


"MN. L. de Wette. 2) Üb 


Recoguovit annota- ' 


Nachrichten; Miscellen; Nokrolog. 





N — 


— 


Betrachtungen christlicher Andacht von Ab. Merkeincke. 
2) Das Zeugniss der Sesle. Z Pred in der Ge- 
1 meine zu Lodwigslust. Item von Th. Kllefagk. (Nr. 218.) — 


Weisse: 1) Lehrbuch der historisch - kritischen Einleitung 
in die kanonischen Bücher des Neuen Testaments. Von W. 
er Johannes Marcus und seine 
Schriften, oder: weicher Johannes hat die Offenbarung ver- 
fasst? Eine ‚Abhandlung in Arei Büchern von F. Hitzig. 
(Ne. 228, 291, 285 u. 28.) — W 2 1) 
E. Curtii, deportabus Athenarum commentatio. 2) 6. Finlay’s 
histerisch - topographische Abhandlungen über Attica. Her- 
ausg. von S. F. W. Hoffmann. (Mr. 215, 2316 u. 217.) — G. A. 
Stenzel: Beiträge zur Bereicherung und Erläuterung der 
Lebensbeschreöbungen Friedrich Wilhelm’sI. und Friedrich’s 
des Grossen, Könige von Preussen u. s. w. Herausg, von 
K. H. S. Rödenbeck. (Br. Bl u. 28) — d. H. Käippel: 
}) Vaterländisches Archiv des historischen Vereins für Nie- 
dersachsen. Herausg. von A, Brönnenderg, W. Havemann 
und A. Schaumann. 7) Die goslarischen Ber des 
14. Jahrhunderts. Aus einem Codex des goslarischen Archivs 
neu herausg. von A. F. @. Schaumann. 3) Diepholzer 
Urkundenbuch. Herausg. von W. v. Hodenkerg: 4) J. H. 
Pratje’s vermischte Bammlungen, Herausg. unter Leitung 
des vaterländischen Vereins zu Stade. (Nr. 238 u. 28.) — 
: Observationes criticae in Aristotelis 
libros metaphysicos. Scripsit H. Bonits. (Nr. 218 u. 24.) — 
Rosenthal: Beitrag zar Darstellung eines reinen einfachen 
Basstils, von E. Kopp. (Nr. 211, u 22) — U. Sohmid: 
Beweisfährung, dass die Lehre der neuern Physiker vom 
Drucke der Luft und des Wassers falsch ist, nebst einem 
Versuche, die Erscheinungen an flüssigen ohne 
atmosphärischen Luftdruck zu erklären, von F. Freih. v. 
Drieberg. (Nr. 6.) — J. W. Planck : Das deutsche 
Notariat nach den Bestimmungen des gemeinen Rechts und 
mit besonderer Berücksichtigung der in den deutschen 
Bundesstaaten geltenden cularrechtlichen Verschriften, 
geschichtlich und dogmatisch dargestellt von F. Österley. 
(Nr. 28 u. 38.) — D. G. Kieser: Verhandlungen der 
Kaiserlichen Leopoldinisch - Carolinischen Akademie der 
Naturforscher. Gesammelt und herausg. von F. v. Wendt 
und C. G. Nees v. Esenbeck. Erster: Artikel. (Nr. 228, 20 
u. 231) — Ernst BSusomihl: Die Arthur-Sage und die 
Märchen des rothen Buchs von Hergest. Herausg. von 
San-Marte (A. Schulz). (Nr. 221 u. 238.) — Gele 


Beförderungen und Ehrenbezeigungen ; Chronik 
Chronik ; Literarische 


Von dieser Zeitschrift erscheineg wöchentlich sechs 
Nummern und sie wird wöchentlich und monatlich ausge- 
geben. Der Jahrgang kostet 12 Thir. Amkün 
werden wit 1% Ngr. für den Raum einer gespaltenen 
berechnet, besondere ete. 
Vergütung von 1 Thir. 15 Ngr. elegt. 


Leipsig, im September 1843, Ä 
' M A. Brockhaus. 


eile 
gegen eine 





Allen Leihbibliotheken können wir als fehr intereffante 

Lecture ganz vorzüglich empfehlen: _ 

us dem Reben. Novellen und Erzählungen 
von ©. vom Ber. Inhalt: Der Handfhuhmadger. 
Der Tobtenfinger. 8. 1% The 

Schloß Rilienhof, oder die nordifgen Flücht⸗ 
linge, von St Uelly. Zwei Theile. 8. 2; Thir. 


Beides erfchten foeben bei BE, Wiendrack in Leipzig 
und tft in jeber Buchhandlung gu finden. 








— 


— — — — — — — 


* 








Das. Heldenbuch von Dr. Karl Gimrock. 

In unterzeichnetem ſind ſoeben erſchienen und an alle Buchhandlungen verſandt worden: | 

Gudrun. 
| überfegt von 
Dr. Karl Simrock. 
(Des Seldenbudes erfter Zpeil.) 
&r. 8. Velinpapier. Broſchirt. Preis 1 Thlr. 15 Ngr. (1 Thir. 12 gGr.), oder 2 Fl. 30 Kr. 
| Nibel lied. 
Ä as Wibelungenlied. 
ab Überfegt von “ 
\ Dr. Karl Simrock. 
Dritte Auflage. 
(Des Seldenbuches zweiter Theil.) 
| &r. 8. Velinpapier. Broſchirt. Preis I Thlr., oder 1 Fl. 45 Kr. 

Das Heldenbuch ſoll die geſammte deutſche Heldenpoefie, wie fie ſich vom 6. bis zum 15. Jahrhundert bei une. 
ausgebildet und wu einem großen bewunberungsmwürdigen Ganzen geftaltet bat, umfaffen, theits in Überfegungen des beften zu 
diefem Kreiſe gehörigen alten Gedichts, theils in eigenen Dichtungen des Herausgebers, ber ſich ganz in unfere nationate Helben⸗ 
fage eingelebt, und fie im „Wielanb ber Schmied” und deſſen Kortfegungen, welche mit biefem bag Amelungenlied bils 
den, im alten Geifte fortgeführt hat. 

Die zwei erflen jegt vorliegenden Bände enthalten bie beiden Gebichte, von welchen Gervinus fagt, daß fie für die Nation 

in ewiger Ruhm heißen dürften: das Nibelungenlied und die Gudrun. Das erftere hat fich, feit feiner Wiedererwedung, 
welche mit der Wiedererweckung unferer Nationalität zufammenfällt, immer mehr als unfer Nationalepos, der größte Dort uns 
ſers Volks geltend gemacht, und ben frühen, gleichſam prophetiſchen Ausſpruch Johannes von Muͤller's, daß es bie deutſche Ilias 
fet, bewaͤhrt. Won der Gudrun, welche von der Hagen die wunderbare Nebenfonne der Nibelungen nannte, wäh« 
rend fie Andere, in Bezug auf jenen Ausſpruch I. v. Müller’s, der Odyſſee verglichen, urtheilt Grimm, dies Gedicht ſtehe den 
Nibelungen an inner Gehalt nahe, ja, was Anlage des Ganzen und regelmäßige, fortichreitende Entwidelung der Fabel betreffe, 
über ihnen. „Es überrafcht durch Neuheit bes Inhalts, wie ber Charaktere, und zu bewundern ift ber eigenthümliche Ausdruck, 
den jede der auftretenden Perfonen geigt und durch das ganze Gedicht behält.” Noch günftiger urtheilt Gervinus, daß bie Gudrun 
eine viel kunſtmaͤßigere Feile erhalten habe als bie Nibelungen, daß poetifcher Ausbrud, fprachtiche Bewandtheit, Reichthum der 
Gebanten, der Wendungen ber Reime, kurz Alles, was formel ein Gedicht auszeichnen Tann, weit vorzüglider fei als in ben Ni⸗ 
—* daß alle Situationen lebendiger, die Charaktere theilweiſe noch feſter gezeichnet, wenn auch nicht ſo großartig entworfen 
en u. ſ. w. 

Die Überfegung folgt dem Originale Zelle für Zelle und gibt es in einer Sprache wieder, bie volllommen neuhochbeutfch, doch 
allen mobernen Anklang vermeidet, wodurch bie Taͤuſchung entfteht, als Läfen wir, ber ſprachlichen ‚Hinderniffe, die uns dies bis⸗ 
ber verwehrten, überhoben, das Driginal ſelbſt; diefe Eigenthuͤmlichkeit aller Überfegungen K. Simrock's aus bem Mittelhoch⸗ 
beutfchen hat Goethe treffend bezeichnet. Er fagt (Nachgelaffene Werke, V, &. 209), indem er beffen Überfegung der Ribelungen 
in ber erfien Ausgabe als eine hoͤchſt willtommene begrüßt: „Es find die alten Bilder, aber nur erhellt. Ehen ale wenn man 
einen verbunfeinden Firniß von einem Gemälde weggenommen hätte und bie Karben in ihrer Friſche und wieder anfpräden.” Gin 
großer Vorzug ber Simrock'ſchen Ribelungen u. f. w. ift auch die genaue Nachbildung des Versmaßes, eine Aufgabe, welche vor 
dem Erſcheinen beffelben noch ungelöft war. - | 


Stuttgart und Tübingen, im September 1843. 


I. ©. Cotta'ſcher Verlag. 





x 


Bei E. Aummer in Leipzig ift foeben erfchienen und Durch alle Buchhandlungen ift von F. A. Brockhaus 
in allen Buchhandlungen zu haben: in Eeipzig zu beziehen: 
D’Eonnell über Irland und die Irländer, | Der Haudelsverkehr, bie Seele des Staatslebens. 
Aus dem Englifhen von Ad. Wättger. Crfter | Herausgegeben von Edward Ganswindt. Gr. 12. 
Band. Brofh. 1 Thlr. Seh. 123 Nor. | 





Im nateire chuntern HE fonlen erfäjlemen sub an alle: Bikhjeiungi verkaunt wubenr 


ar 


von den Zeiten römiſcher Herrſchaft, 
nah feinen Dentmalen 
Dr. Wiltelm Aveten 
Seeretair de Archaͤclogiſchen Satituts iu rom x. 
Mit 11 Taleln. 
Gr. 8. BVelinpapier/ Preis 3 Thir. TIA-Ngn (3 Thir. 6 gGr.), oder 5 Fi. 24 Kr. 


Inhaut: Einleitung. Das aͤlteſte mittlere Italien chorxographiſch und hiſtoriſch. 


1) Etrusker und Unbrer. 2) 8 


tiner. 3) Die Sabiner und die Sabelliſchen Stämme. Die Denkmale bes aͤlteſten Italien. — Die älteſten Staͤdtebaner 


unb .bie 
Befeftigungen alter 


— Die Gräber. — Plaſtik und Malerei. Erurien unb 


ihrer Technik und ihren @eiftungen. 1) Thonarbeit. 2) Meta 
Die⸗Arbeit in Holz, Gifenbein, Bernftein. — Die Malerei. 
Stuttgart und Subingen, im September 1843. 


n Burgen: — Anlage und Bildung ber Städte. — Mauerbau. — Die Bogens und Gewolbconſtructi 

taͤdte. — Hydrauliſche Anfagn., — GStääßben 

richte und bes Verkehrs. Nachtraͤgliches Aber Brunnenhäufee“ und Gifternen. — Anlagen ber Boläsiuftb . 
Umbgfen. — Latiuge und die Sobina. — en, mit Anſchluß 

von Samnium und dem nördlichen Eucanien; die Bänder bes abriatifchen Meeres. — ülberſicht der in geuͤbten Känfte in 
Uavhsit, — Die Glas⸗ und Schmelzarbeit. — Die Gteinarbeit 


or. — Die 
ten und öffentiiche Bauten bes Ge 
arkit. — Die 


uns Bruͤcken. — 


J. &. Eotta’fcher Verlag. 





Durch alle Buchhandlungen und Poſtaͤmter iſt zu beziehen: 

HBUS. Encyklopaͤdiſche Zeitſchrift vorzüglich für 
Naturgeſchichte, Anatomie und Phnfiologie. 
Von Okten. Zahrgang 1843. Neuntes Heft. 
Gr. 4. Preis des Jahrgangs von 12. Heften 
mit Kupfern 8 Thlr. 

Der und den Mlätt hr literariſche Un⸗ 

—— — — ————— ſo⸗ 

Eiterarifcher Auzeiger, 

— HH EN: 
nn ana mann a 
Eeinzig, im September 1843, 

' \ F. %. Brockhaus. 





Im Verlage von  G. SG. Æeuckart in Bresiau 
ift foeben erfchlenen und durch alle Buchhandlungen bed In⸗ 
und Auslandes- zu beziehen: 

Orammatifch geordnete Stofffammlung 


zu lateiniſchen Memerirubungen 
von Dr. 3. Spiller, 
Eehrer am Gymmafium zu Gleiwig. 
Dreis 7’ Sgr. netto, 

Auf Anorbnung eines hohen Unterrichtäminifteriums werben 
bie von Heren Dr. Ruthardt in Vorſchlag Meir⸗s⸗ 
rirũbungen auf allen preußiſchen Gymnaſien eingefuͤhrt. 

Dieſem Zwecke wird keine Schrift beſſer entſprechen, als 
die obige, welche wegen der ſorgfaͤltigen Wahl und methodiſchen 
un bes Lernfloffes allen ähnlichen Arbeiten vorgus 
ziehen ift. 

Bon demſelben Berfaffer tft umlängft erfchtenen: 
Quaestionum de Xenophontis his- 

toria graeca specimen. 10 Sgr. netto. 


Bei &. G. Rectam sen. in Leipzig ift erfchienen: 
Stichert, J. D., Wegweifer in das Gebiet der 
lateiniſchen Sprache, Grammatik und Üsungsbuch ver- 
einigend, und gegen 2500 gleich von deu erfien Sprach⸗ 
elementen beginnende. Aufgaben“ zum üÜüberſchen ins 
Deutſche und ins Lateinifche enthaftend; für höhere 
Dürgerfchulen, Ptoghmnaſien, untere Symnafialclaffen, 
Seminarien und Privatunterricht. 15 Bogen im gr. 8. 


1839. Preis Thir. 
Eine Beurtheilung dieſes ſehr ichen Buches ſ. in 
tes Heft, S. 529 u. fe. 


Gersdorf's Repertorium, 23fter Bb, 

Antike Marmorwerke 
ersten Male bekannt gemacht 
Erste und zweite Decade,. 
Folio, Ia Carte, 8 Thlr, 








Birste Dooade. 1. Athene Agorais. — 2, Artemis 
Soteira. — 3. Doppelkop! des Zeus. — 4, Zeus Dodonaeos. 
— 5. Zeus Jugend. — 6. Zeus und Aegina. — 7. Selene. 
— 8. Selene und Endymion. — 9. Hoktor’s Bestattung. — 
10. Des Piloten Heimkehr. 

z Decade. 1. Hermes der Rinderdisb, — 2, 
Dionysos Dendrites., — 3. Demeter Thesmophoros. — 4. Raub 
der Proserpina, — 5. Eros und Anteros. — 6. er. — 
1. Herakles der Löweawürger. — 8, Pyrrhiche. — 9. Kai- 
serharnisch mit Siegestrophäen. — 10, Kaiserharnisch mit 
Roma, zu deren Füssen Krde und Meer. 

Leipzig, im September 1823, 


FE. A. Brockhaus. 


Drud und Werlag von F. U. Brockhaus in Leipzig. 


Sn 





iterarifger Anzeiger. 


1843. Nr. XXIV. 


re — — —— —— — — — — — — 
ODieſer Literariſche Anzeiger wird den bei F. A. Brockhaus in Leipzig erſcheinenden Zeitſchriften „Blaͤtter fuͤr literariſche 
Unterhaltung‘ und Iſta⸗ beigelegt ober beigeheftet, und betragen bie Inſertionsgebuͤhren für die Zeile oder deren Raum 2, Rgr. 
ee 





Taſchenbuch auf das Jahr 1844. 


Dee Folge. Sechdter Sahrgang. 


ie den MWitsniffe Bart 


Elegant cartomnirt. 1 The. 20 Ngr. 
Bon A. Outskew. — II, Phyflologie der Geſellſchaft. Won A. v. Stem- 


8. Auf feinem Belinpapier. 
halt: I. Die Wellmbraut. 





berg. a 1. Das Heimweh. Fern von Inl. Moſen. — IV. Der Wilddieb. Von W. 


Leine Liebe. Novelle von Sein 8 


orſter s. 


Aleri⸗e. — V. Nur 


Von fruͤhern Fr ber Urania find nur noch einzelne Exremplare von 1831 — 38 vorraͤthig, die im 
fe zu 15 Ngr. der Jahrgang abgelaffen werden. Von ber Neuen Folge koſten bie Jahr⸗ 


een And en jeber 1 Xhfe. 15 Ngr., 
Eeipzig, im Dectober 1843. 


1841 — 43 jeder 1 Thlr. 20 Ngr. 


F. A. Brockhaus. 





Im Bet de & chen Buchhandlung in DI: 
m age — handlung 


benburg tft ſoeben 
"Vonfländige 
Phraſetologie 


franzöfifhen Converſation, 
ſowol 


für Anfänger als für Solche, welche ſchon Fortſchritte 
im Sprechen diefee Sprache gemacht, und ſich darin vers 
volllommnen wollen ; nebft einem Anhange von Einladungss, 
Entſchuldigungs⸗ und Dankfagungsbilfätten ꝛc. Muftern 

von Wechſelbriefen, PBerfpredungen, Quittungen ıc.  ı 


3: eg te®, | 
SDrofeffor an einem franzöflichen 545 und am polymatiſchen In⸗ 
ſtitute gu Paris, Verfaſſer mehrer Schulbuͤcher. 
Werte, vurchaus umgearbeitete, ſehr vermehrte Auflage. 
Gebunden. Preis 26’ Nor. (21 gGr.) 
Seren Fries' Methode bes Unterrichts Iebender Sprachen, 
welcher in mehren beutfchen geachteten Blaͤttern, wie in ber: 


Bäbagsallihen Beitfchrift yon Weimar, Münchener Te 


eitung u. f. w., l’Helvdtie, Echo du Nord, Journal 
debats, le Grand -Livre, la Revue Britannigne etc, aufs 
vortheithaftefte vecenfirt und in allen Schulen, mo ee nur. 
Befannt geworben, eingeführt wurde, kann allen Schulvorſtehern, 

7 uab franzöftfchen Umgangsfprache aufs 
befte und ——— es werben. 


Bei Wraumülier & Geidel in Wien ift erfchienen: 
Dos Ete Heft ber 
©estreichischen militairischen Zeitschrift 1843. 
Inhalt diefes Heftes: 


Etwas Aber den Vortrag ber Lehre vom Zerrain unb 
Sr g. Mit vier Planen auf einer Surſertate _ 
aug 1702 — — (Schluß. I — ne. Ir, 

ufen am 1 A 


ten X 
ehe br am ge 1809. '3) Die € 
Wocon am 11, Juli 18. 4). Der Überfall Lu ae 


. Der Zug der Alliirten 
pagne im Sanuar 1814. Vierter Abfehnitt. Das —8 bei 


Bar⸗ ſur⸗Aube am 24. Januar. — V. Btwas Aber Golbatens 
ausbildung. — VL Reueſte Miutairveraͤnderungen. — VII. Die 
W6 der oſtreichiſchen Atmee gegen Frankreich 


I7T02 - 1813. 
Preis des Jahrgangs 1843 in 12 Heften 8 Thlr. 





Durch alle Badigandlungen if von F. R. Bredtens 
in Eeißnzig zu besiegen: 

Bericht vom Jahre 4843 an bie Mitglieder der Deut: 
[hen Gefeufhaft zu Erforſchung vaterlaͤndiſcher Sprache 
und Alterthuͤmer in Leipzig. ——— — von dem 


ı | Sefchäftsführer dee Geſeüſchaft DDr. A. X. 
Ge. 5. Geb. 12 er. 


Die Berichte vom Sabre 1835—42 haben denſelben Preis. 


% 


+; 


In unterzeldinetem Verlage erſcheinen re & 


Auguſt & 








traf von. Platen’s, ' 


‚gefemmelte Werke. 


— — in fünf Bänden. 








weiter Band. 
nB, 





Die Abaffiden. 
featre als e 


loſe Brunnen, 


Gefäicte bs Königreiche —8* 


Parabaſe. Der grunk 


" Rofenfehn. 
Nationalinftitut. Über verſchiebene Begenflände ber Dichtlunft und Sprache. 


8 ift babei unfere —2 Daten 8 Werke auch bei den Minderbegüterten eingubärgern, weshalb wir diefe Ausgabe im Wege 


ber su eription herausgeben wollen, unb zwar zu einem Preife von 15 Nor. (12 9&r.), oder 48 Kr., für den Band. 

ganze Werk koſtet mithin im Gubferiptionspreife 2 Thlr. 13 Rgr. 

legten Sieferung eintretende Ladenpreis erhöht ſich auf 3 Thlr. 10 —X 
ir machen durchaus keinen Anſpruch auf Vorausbezahlung, ſondern nur die 

cheinen noch nach Vollendung des 


bingung. Aus dieſem Grunde koͤnnen wir weder beim Erſ 


Das 
08) oder A EL De Berfenvung der 
Thlr. 8 38), ober 5 Fi. 24 A 


nahme der —8* Ausgabe zur Be 
einzelne Bände ablaffen. 


(2 Ey 


Platen's gefammelte Werke in Taſchenformat werben noch vor Schuß bes Jahres in den Händen ber Subſcribenten fein. 


Jede B 
Stuttgart und Bübingen, im September 1843. 


handlung iſt don uns in den Stand geſetzt, dieſe Taſchenausgabe gu ben obigen Bedingungen zu liefern. 


J. &. Cotta'ſche Buchhandlung. 





2 Durch alle —— und Poſtaͤmter iſt zu beziehen: 


Blaätter 
tür 


fiterarifche Unterhaltung 


Jahrgang 1848, September. 


Inhalt: 
Mer, BA. Leſſingieana. Won G. E. Guhrauer. 
Nr. — — Fetes et souvenirs da congres de Vienne; 
tableaux des salons, scenes anecdotiques et ortraite 1814—15, 
par le oomte A. de la Pre u MR . Unterhaltungss 
literatur. — Mr. BAT. Theodor Hoc. — Me. 
Bolksporfie. — Mr. 849, Urtheil eines Briten über beutfche 
Malerei. u Mr, 850, & 
H. Laube. — Neue —— * 
* —— be der Habe 
Mr. 25. L’Eur 


endant relution frangaise, B. H. R. Capefigue 

ie und PA; Band. — ME. bus. 
nad en von 2. v. 

Sort. 3* 253, 254) um Mir, 254. Neue Din Mr. a4, 

25.) mm Mr. BES. Nodiom et m6moires historiques par 


F. A. A. Mignet, Grfter Band. == Mr. 356, 

4 dns a ar. 257, Forſchung und *8* 
Ken 3. Seel. Überfegt dur Hierunde. == Mr, 

=. — Me. 359, GChriftoffel von Seimmels: 


Meyern. 
"haufen, ber Berfafler des ‚‚Abenteuertichen Simpticiffimus". Gin 
zur © eſchichte Deutſchlands im 17. Jahrhundert 

"von WB. X. Paffow. Re. 0-3.) Mr. BGB, Fidibus 
eder von I. Basler. — ME. DEE. Studi critic 
ommaseo, — Mr. BGB. Kabul. Gchüberungen 


‚Monatöpeften ausgegeben. Ber Jahrgang koſtet 


eine Reife biefer Stadt und bes Aufenthalts bafelbft im 
ben Jahren 1836-38. Bon X. Burnes. Aus dem Engliſchen 
von Th. Delkers. (Nr. 285, 266.) — Recherches sur la 78* 
tion civile et politique des femmes, depuis les Romains j 
nos jours, Ed. Laboulaye. (Rr. 265, 208.) — Br. 
Überfid- ber neueften poetifchen Literatur. Dritter unb letter 
L. (Mr. 27-20.) en + BB$. Entwurf finer Univerſal⸗ 
—5 für gebitbete Lefer. "Bon ®. Zacharias Neffel. Erſte 
Torgeilung. (Nr. 28, 20.) — Mr. 270, La France sta- 
tininne d’apres 8 documents oficiels les | pkıs r&oents par 
oyt. — Mr. DIL. Die neueften Bewegungen auf bem 
Gebiete ber —— loſophie der Geſchichte. Krauſe's Geiſt der Geſchichte 
ber Menſchheit. Bon H. A. Oppermanu. (Rx. Mi, 2) — 
Rubini in —2 — — Mr. 378, Aus dem Bihmenwalbe, 
von 3. Ranl. Bon 3. 9. Jordan. — Mr. 373, 
Delameron bes Giovanni Boccaccio. Aus dem Ztalienifdjen —* 
von Karl a Zweite berbefferte Ua Kt Cariyle über 
bie Gegenwart Englands vom anbpun re 
beit — Schriftſtellerleben. — Motigen, X 
liographie, Eiterariſche Auzeigen re. 


Von dieſer Zitſhrin erſcheint taͤglich außer ben Beilagen 
eine Rummer, und fie wird in Bodenlieierungen, ober auch in 


2 Thle. Gin 





Eiterariſcher Auzeiger 
wird mit den Blättern für literariſche Unterha 
und ber SHE von Den ausgegeben und für ben Raum einer ges 
fpaltenen In 21, Roger. berechnet. Befonbere —— 28. 
ergätung von 3 Thlen. den Blärtern für 
32340 Unterhaltung beigelegt. 


Eeiptig, im October 1843. 
de $. PR recahan⸗. 











Im Verlage ber unterzeichneten iſt ſoeben erſchienen: 


Rateinifehe Syrachlehre 
uͤr Schulen 
von „ N. Madvig. 
Sr. 8. Belinpapier. Geh. Preis 1% Thlr. 


Bemertfungen 
über verfchiebene Punkte des Syſtems ber Iateinifchen 
Sprachlehre und einige Einzelheiten derfelben. 
Als Beilage 
zu feiner Tateinifchen Spragtehu für Schulen. 


IN. Radvig g. 
Gr. 8. Velinpapier. Geh. Preis Y Thir. 


Beibe Werke duͤrften das lebhafteſte Intereſſe der Philos 
und Schulmaͤnner in Anſpruch nehmen. — Um bie 


—XR ber Grammatik thunlichſt zu erleichtern, iſt jebe |- 


Buchhandlung in den &tand gefegt, auf 12 Gremplare ein 
——— pi Sewitligen. 
—— AR l. — 1843. 
Vieweg und Sohn. 





Allgemeines 
Biücher-FZexikon «. 
Bon 





Wilhelm Heiufius. 

Neunter Band, welcher die von 1835 bis Enbe 
1841 erfhienenen Bücher und bie Berichtigung früherer 
Erſcheinungen enthält. Herausgegeben von 
Otto August Schuls. 


® bis dritte Bogen 1— 30. 
„Pr —— 


Sr. 4. Geh. Jede Lieferung auf Druckpap. 25 Ngr., 
at Schreibpap. 1 Thlr. 6 Ne. 
ben Bände des ‚Allgemeinen Büdhersterilon‘ 
von Pr 812 — 29) un, jegt sufammengenommen 
im beradgefegten e für 20 pie. zu erhalten; 
auch werben einzelne B ade zu verhaͤltnißmaͤßig erniebrigten 
Preiſen etlaſſen. Der achte Band, weldyer die von 1828 bis 
Gnade 1834 erfchienenen Bücher enthält, koſtet auf aprudpap. 
10 Adtir. 15 Nge., auf Schreibpap. 12 Thlr. 20 Nor. 
Reipgig, im Dctober 1843. 
S. A. Brockhaus. 


Im Verlage von ®. W. 8. Müller in Berlin ift 
foeben erſchienen und in allen Buchhandlungen zn haben: . 
Kisco, Fr. G. (Dr. theol. und Prediger an der St.⸗ 
Sertraubliche), Erbauet Euch auf Euern 
allerbeiligften Glauben! Ein Andachtsbuch. 
Mit einem Kupfer (Chriftustopf). Gr. 8. (43 Bos 
gen.) 1843. 27% Thlr. (Beine Ausgabe 3 Thlr.) 
Die wichtigſten Punkte der cheiftlichen Glaubens» unb Sit⸗ 
tenlehre bilden ben Inhalt ber Betrachtungen biefe® Buchs; ges 
orbnet find fie nach ber Breipenfelnr dee Sonn: und „Befttage 
bus ——— Kirchenjahrs, mit Beruͤckſichtigun 
des Thriſten wichtiger "Zoe. Zweck —2 —E 





dei. 10. Die 


fi 1 den F in die Grtenntaif ber chriſtlichen —— und 


11. Die ſeligm 
fein Leiden. 13. Seh leidet aus Tr "14. Sefus das Lamm 
Gottes. 15. Chriſtus für uns dahin gegeben. 16. Es tft voll 
bracht. 17. Zefu Ruhe im Grabe. 18. Chriftus tft wahrhaft 
tig auferflanden. 19. Wir werden auferfiehen. 20. Gelig 
Freude des Wieberfehens. 





In Unterzeichnetem ist neu erschienen und durch alle 
Buchhandlungen des In- und Auslandes zu ‚beziehen: 


Otto, Dr. E'rid. &., Commentarii 


critici in codices bibliothecae academicae . 
Gissensis graecos et latinos philologicos et 
medii aevi historicos ac geographicoe. Cum 
appendice critica variarum lectionum et quo- 
rundam carıninum latinorum medii aevi nunc 
primum e codicibas editorum. Kleinfolio. 


Broschirt. 7 Thlr., oder: 12 Fl. 
Von grossem Interesse, für Bibliotheken, Philologen 
und Geschichtsforscher. 
Giessen, im September 1843. 
. F. Heyer’s Verlag. 


Durch alle Buchhandlungen Deutfchlands iſt zu haben: 


Banbdtles Schulatlas über alle Theile 
ber Erbe. te Wuflage, 25 Blätter in 
et Geheftet. Preis 15 Sgr., einzelne Karten 
zu 1 N 

Der befte Beweis für die Brauchbarkeit biefes unerbört 
billigen Atlas ift, außer m vielen —— Beurthei⸗ 
lungen, ein Abſatz von uͤber Exemplaren feit den vier 

Jahren ſeines Erſcheinens. Die Herren Lehrer, welche den⸗ 

ſelben noch nicht beachteten, erſuchen wir, ihm einige Aufmerk⸗ 

ſamkeit zu ſchenken. 





In meinem Verlage erscheint soeben und ist durch alle 
Buchhandlungen zu beziehen: 


Phycologia generalis 
Anatomie, Physiologie und Systemkunde 


Ta n ge. 
Bearbeitet von 
Friedrich Traugott Kützing. 


Mit 80 farbig gedruckten Tafeln, 
gezeichnet und gravirt vom Verfasser. 


Gr. 4 In Carton. 40 Thk. 
Leipaig, im October 1843, 
Fi A. Brockkaus. 








Beschreibung der Stadt Rom nunmehr vollständig. 


In unterzeichnetem tft ſoeben erfchienen und durch alle Buchhandlungen zu beziehen: 








BESEHREIBUHE 
DER STADT ROM 





B.PLATNER, C.BUNSEN, E GEBHARD, W.RESTELL uno L. URLICHS 


Mit Beiträgen von 
B. G. Niebuhr und einer geognostischen Abhandlung von F. Hofmann. Erläutert durch 
Pläne, Aufrisse und Ansichten von den Architekten Knapp und Stier, und begleitet von 
einem besondern Urkunden- und Inschriftenbuch von Eduard Gerhard und Emiltano Bar. 


Dritter Band. Dritte und letzte Abtheilung. 
Das Marsfeld, die Tiberinsel, 'Trastevere und der Janiculus, oder der Beschreibung sehntes und eilftes Buch, 
Mit einem Plane des alten Marsfeldos. 
Gr. 8. Preis 4 Thlr. 22'% Ngr. (4 Thir. 18 gGr.), oder 8 FL 
Mit di Abtheilung ist das umfassende Werk geschl und könn di esselben 
Buchhandlungen für folgenden. Preis bezogen werden: en vollständige Exonplare d Gurch ale 
Text in drei Bänden 24 Thir. 15 Ngr. (24 Thlr. 12 g6r.), oder 39 Fl. 45 Kr. 
Zwei Bilderhefte dazu 12 Tblr. 20 Ngr. (12 Thir. 16 gGr.), oder 21 Fl. 36 "Kr. 
—— geben wir noch die vorläufige Nachricht, dass, um allen Anfpderungen wu zn eeeigin, augen ein vell- 
aus obigem Werke durch die Herren Velfasser selbst vorbereitet und gleichfalls in ner € Verlage ; in 


—— jem Format erscheinen wird, 
Stuttgart und Tübingen, im September 1843, 


I. 61. Cotütischer Verlag. 


BF ber Gerald’ichen Buchhandlung in Hamburg fi 


Bosenb Kaufnänni *28 
Go = wid 





Bei IB, ner in Berlin if foeben erſchenen 
md in allen Buchhandlungen zu haben: 
Sämmtliche Tengöbien des Gophokles. 


meter Aberfent ee di 


mut en Gehalt und Genie, dab ae 
Franz Seite Rechnungs: und Wechſelgeld, bie Werhfel: und Stauts 
I Elektru. papfercourfe und die höhere Zinsrechnung, nebft Auf: 
Gr. 8. Broſch. Abir. gaben uͤber alle dieſe Theile. 7 Bogen mis Faciten. 
Gr. Majekät dem Könige von Preußen zugeeignet und von Gr. 8. Seh. % The. 
B. Viel bevorwertet. Die ausfahrlichen Auftöfungen werben ſpaͤter erſcheinen. 


Die vorliegende Bearbeitung der Tragdbien des Sophokles 
—* net ſich von den bisher erſchienenen * —A biefet 
8 befonders bab aus, baß ber 

des Trimeters in den Reben ber nen bie de 
Jamben wählte, für ben Chor aber die alten Sylbenmaße beis 
behielt. Diefe Abweichung von der bisher üblichen Form ges 
währte ein wahrhaft erfreuliches Refultat und Herr Geh. Rath 
2. Ziel ſpricht fih darüber ganz unummunden in dem Vor⸗ 
worte dahdin aus, daß, obſchon anfänglich gegen eine ſolche 
Neuerung eingenommen, er fich bei dem Vortrage biefee Bears 
beitung doch bald überzeugt habe, wie es bem erfäffer 
durchaus gelungen fei, die volle edle Sprache, den tiefen Ge⸗ 
danken, das Feidenfchaftliche der Rede in ben rn Berien 
wieberzugeben, und daß bei einem Verſuche, bie ifterwerte 
bee Alten. wörttih und genau, ohne willkuͤrliche Veraͤnderung 
ebeatzalich barufkelen, es als ein Gewinn zu fei, 
fe in einem Verſe vortragen zu hören, der bei uns feit lange 
eingebürgert tft und an ben unfer Ohr ſich gewöhnt bat. 


Bur Ansbilduns jedes Kaufmanns zu emcu 





Soeben tft in meinem VBertage erfihtenen -ub  in- 
—— erhalten: vn a 


‚Die fe, 
Dem Publius Oridiis Mafe 


nachgedichtet 
en ia 6 
g. N. Bretbens. 





Druck und Berlag von 8. A. Broddeus in Beipzig. 





— — — — 


Literarifher Anzeiger. 





1843. Nr, XXV. 


Diefer eiterariſche 
Unterhaltung‘ und ” 


Neuigkeiten und Fortsetzungen, 


verfendet von 


FJ. A. Brockhaus in Beipzig 
im Jahre 1843. 


8 TEL. Juli, August und September. 
(Nr. U biefed Serichts. wie Weriendungen vom Januar, Ber 
bruar und März enthaltend, befindet fih ia iR. XI und XIV 
98 Eiterarifchen Angeigerd; Nr. IL, bie Berfendungen vom April, 

Mei und Juni, in Pr. XVI deffelden.) 


ib den bei B. %. 


©. 8. Geh. I ZH. 34 Rgr. 
63. Werit vom 1843 an bie Mitglieder 
Der Beutfgen *8 u 


mer im 
is; ‚Herausgegeben von K. U. Efpe. Ge. 5. Geh. 
* 


Die Berichte von iss — 42 haben denſelben Preid. 
64. Antike Marmeorwerke. Zun —— be- 


mu 5. Zous Jugend. — 

Beiene und — 
5 Heimkehr 

Days 

teros. — 6. Melcager. — — der 

rhiehe. — 9. Kalssrharnisch mit Biegesiro- 

7 Katserhernisch mit Roma, sa deran Passen E 


beutien Chelmanns. Bmeiter 
1 Zölr. 4 R, 





eines 
Gr. 12. Geb. 


€: 
a 
Der erſte Theil erſchien 1841 zu demfelben Be 
66. Banswindt (Edward) 
verkehr, die Geele Des Etnadsie 


Der ndels⸗ 
Bene. 
Geh. 12 Rar. 


61. iu s gengemeines Bäder Rezi 
— aa — Fi ſchniß aller von 1700 bie Au 


1841 erfhienenen Bäder, weiche in Deutfätand ua, 
den durch Sorache und Literatur bamit verwanbten Ländern 
gebrudt worden find. Rebſt Angabe der Drucorte, ber Vers 
leger, des Grfheinungsjahrs, des Zormats, ber Bonemaht, 


der Preife ıc. Reunter Band, weicher bie von 18: 
Ende 1841 erſchienenen Bäder und bie Berichtigung früherer 
—A— emepäte. ‚Beraten jegeben von SE san. 
Dritte Biel (cl 55* 'rdmaon.) Seh. 
Brudpapier, 3 al — ——— Val 6 * Rue, 

u —* Et Erg 


era Er ai 
— we — — En 
die von em u 
En uf rat 1sWegr.. auf @hnainap- —— 

— (Bat. 9Reu⸗eſt⸗⸗ und 
„ Mur Grftärung 
aller aus — Spradyen entiehnten Wörter und Ausbrüde, 
welde in ben Künften und Miffenflaften, im Yagdel und 
Berge 'onmmen, nebft einem Anhange von Cigennamen, 
jeseignung der Ausfprache beaxbeitet. In neun Beften. 


Brodpaus in size erfe 
2 Beigeegt ‚ober beigeheftet, und betragen bie Infertiondgel 





ben Zeitfe ‚Biätter für litevarit 
TH 


Giceans Bett, (Pekfotur—Btogmaike) Dr. 8. Io 


or Nar. 
—8 5* Trg., IPhyeols gen 
Anatomie, Physio unde 
der Tange. ale 80 farbig gedruckten Tataln - 
net und gravirt vom Verfasser. Gr.4. In Cartan. Til, 


———— Ge Ben 


u e * an 
1 Mast A 2. 16 Ay Neuvelles 
“ —— en Le), ıyeiles 

mes. Den Gr. 9 8, Brach. Sr. vn 





&. Enoyklopädie der gosamm- 
— —— vorzüglichsten 


ten V: 

und wirksamsten Haus - und Volksasznsimittel aller Länder. 
Nash den besten Quellen und nach dreissigjährigen, im In- 
und Auslande selbst gemachten zahlreich®n Beodachtun- 


gen und Erfahrangen aus dem Volksleben gesammelt. In 
f Heften. Zweites Heft. (Brennkrast — Gewürse.) 
Gr. 8. Jedes Heft 15 Ngr. 


— ** Ba — Bert zur Bebädt: 


ilpelm’s HEN., gehais 


7* “ k£ mal in ber Ken zu Berlin. 12. 

m Meine Deutfge Seal⸗ Enchklspädie für 

* 5 ibeten @tände, (Bonserfations:Begiton.) 
eun! 8 


perbefferte und fehr jgmehute Driginals Auflage. 
15 Bänden ober 196 Ciehzeimtes bis 
es 2 ‚Beft. (Buchholz — Christophori,) @r.8. 


Seas 
e A Bänden ober 1! 
J ——— 


——— — 
Bub ungen erg daß Wert qu, en 
s 9 n — — 1 $reis 


plar. 
IERHTSEHRN ANC ———— 
— 


uf den Umfchlä: Hefte werden Kutüns 





IERTR  R HER 3 ES 


76. En —— gemeinen SR, ns Mann, Bon deſſen Mit 
Röfing. Br. 12. Geh. 23%, Nor. 
„es #ing A e om 
78. Be Zafapenbuc —— — von 
Rau mer. Reue Folge. Fünfter Jahrgang. Er. M 
Car 2 She. 15 for. Taſchenbuchs bekeht aus zchn brgäns 
_ gen pe —— arte oe F a ?3 erlaffe 
aber Iemol den irten 3 fünften (180 — 34 * den Ei: bi int 


zergang 835 Is. L 
ie gende, Solse sehn ame koſtet jeher diefer sehn ahr⸗ 

10 Rer., der Ehe "deitte und vierte te Je va ng ber en 
Bei on a0. 12, 125) 2 Xhle,, der zweite (1861) 2 Zhle. 15 Nar. 


Srania. Taſchenbuch auf das Jahr 1844. Neue Folge 
ri San Mit dem Bildniffe Karl Foͤrſter's. 8. 
Era. ae % 2 ai u —*— find nur noch einzelne nr 

n feübern gänge 
San — ———— ag Fr der —— vn De —8— 
9 und 1840 jeder 1 Ahlr. 15 Nar., 1040 —43 1 Ahlr. 


50. MWarnbagen von Bnfe (8. x), Dentwär- 





eiten unb ‚sermifgte Gchriften. Vierter bis 
tee Band. — A. u. d. T: Berwiſchte Schriften. 
Ka Schelle. Gr. 1a 6 h. 6 Tolr. 


Der erſte dis dritte Band enthalten „De ‚nPwäzbigteiten bes 
d often eben 6 Ahle. Mon der Auflage find n 
eh ft heine —5 ne flage fi ine 
en Wangen ), er bie Stelung, welche 
— — a Bildhauerei uub Malerei 
— Den itteln men chlicher BiTtung zu⸗ 
kommt. Vortrag, gehalten am 18. März 1843 im Wifs 
PA En eine je Berlin. Gr. 1 Geh. 6 Near. 
ed), Micherlänbifge Gagen. 
nt ur ai Anmerkungen begleitet herausgegeben. 
Mit einem Kupfer. Gr. 8. Geh. 3 Thir. 


Preisormässigung des Pfennig- Magazins. 

um bie Anfchaffung biefes Werts nad Möglichkeit zu ers 
leichteren, babe ich mich entfchloffen, bie erſte aus 10 Bänden 
beftehende Folge im Preife herabzufegen : 
L—X. Band (1833-42) zufammengenommen 10 Thlr. 
L—V. Baud (1833-57) zufammengenommen 5 Xhlr. 
VL.—L Band (1838-42) zufammengenommen 5 Thlr. 

" Einzelne Jahrgänge 1 hir. 10 Nor. 

Zerner find zu Herapgefegten BWrelfen zu beziehen: 
Pſennig ·Magaʒin für ——— Jahrg. (1834—38.) 


Sonnta ag6 -Klagasin. 3 Bände. 2 Thlr. 
National- Klagazin. 1 Band. 20 Nor. 
Diefe 4 Wände zufammengenommen nur 3 Thir, 


Aus dem Berlage des Herrn F. König in Hanau 
babe ih mit Verlagsrecht kaͤuft A —* und iſt 
„ven jegt ab aa von En iu Degie begieben 
Royen m’s Trachten. 
ein sis ie Theile. Gr. gr 1 + 4 Ihle. 


ee —————— ——— 


Saintes, A. 
Bisteire du ratiomalisme en Allemagne. 
2de edition revue et beaucoup augmentee, Gr. in-8, 
Broch. 2’ Tulr. 

Cette dition, que l’auteur a beaucoup revue et cor- 
rigee, est specialement augmentee d’un chapitre sur létat 
actoel de la theologie catholique en Allemagne. 

Hambourg, la librairie de Herold. 





In unserm Verlage erscheint und ist durti alle Bach- 
hasdlungen zu beziehen: 


Naturgetreue Abbildungen 


der vorzüglichsten 


‚essbaren, giftigen und verdächtigen 


Pilze 


von 


Karl Friedr. Aug, Harzer. 


Bevorwortet 


von 
Dr. Ludw. Beichenbach, 
königl. sächse, Holrathe, Prof. der Naturgeschichte ete. ete. 
L bis EX, Heft. 

Dieses Werk wird aus 12 — 16 Heften bestehen. Jedes 
Heft enthält 5 colorirte Tafela und I Bogen Text in 
Folio, Preis 1 Thir. 15 Ngr. (1', Thir.) 

Da der Herr Verfasser das Talent des Beobachtens, 
Zeichnens, Malens und Lithographirens in einer Person 
vereinigt, so. sind diese Abbildungen mit einer seltenen 
Treue, sowol in’ Zeichnung als Colorit, aufgefasst, und 
dürften in dieser Hinsicht selbst von den kostspieligsten 
Werken dieser Art nicht übertroffen werden. 

ı Der in der Literatur der Naturwissenschaften allgemein 
rühmlichst bekannte Hofraih Dr. Reichenbach stellt sie den 
weltberähmten entomolischen Abbildungen eines Rösel von 
Rosenhof zur Seite, 

BDresden, im September 1843. 


Eduard. Pietsch & Comp. 


Beste Himmelskarten 


unter dem Titel: 


Mappa Coelestis 


sive Tabulae quingue 


Inerrantiun septimum ordinem non excedentiem et 
usque ad Gradum decl. austr. —— 


quas 
pro medio seculo XIX stereographice construzit 
 &. Schwinck, 


, k. preuss. Capitain der Artillerie. 
Imperialfolio. 6%, Thlr., oder 10 Fl. Conv.-Münze. 


find im größten Format fünf Karten erfchtenen, welche den in 
unfern Gegenden ber Erde fihtbaren Theil bes Himmels auf 
eine Art darſtellen, bie Alles vereinigt, um biefelben forwol ben 
Aftronomen als jebem Gebildeten unb Freunbe der Aftronomie 
werthvoll zu machen. 

Bier dieſer Karten flellen den Gürtel der Dimmelöfugel 
dar, ber fi von 30 Grab ſuͤdlich vom Aquator bis 50 Grob 
nördlich erſtreckt, bie fünfte enthält bie Gegenb bes Norbpols 
bis zu 46 Grab Sntfernung von ihm. Diefe Karten enthalten 
wicht nur alle mit bioßen Augen ſichtbaren Sterne, fonbern auch 

die exft durch das Fernrohr fichtbar werbenben — ber Tten 
& fe. Die Entwerfungsart ber Schwinck'ſchen Karten if die 
fiereographifche,, das Kartennes iſt mit bewunderungswinbiger 
Regelmäßigleit und Gchönteit gezeichnet. 

Diefes ſchoͤn autgeflattete er ik durch alle Buchhand⸗ 
lungen zu haben. 

Eeiptig, im October 1843. 





K. J. Köhler. 








aud 





I. ©. von Herders 
gewählte Werke, 


Audgabe in Einem Bande, 


mit dem Bildniss des Verfassers in Stahl gestochen und einem Facsimile seiner Handschrift. 


Das Bedürfni einer Ausgabe von Herber in Ginem Bande, mit welcher wir bie Reihe unferer compacten Ausgaben von 
Goethe, Schiller, Platen, Leſſing, Ktopflod u. ſ. w. ergänzen, tft ſchon längere Zeit fühlbar geweien, um fo angenehmer ift es 
uns jest, das baldige Erfcheinen biefer Ausgabe hierdurch ankündigen zu können. 

Diefelben Grunbfäge, welche uns vor einigen Jahren bei ber Derausgabe von Goethe's Werken in zwei Bänden leiteten: in 
eine compacte Ausgabe nicht ſaͤmmtliche Werke, fondern nur die Werte von allgemeinerm Intereffe aufzunehmen, haben wie 


aud bei der Redaction von Herder's Werken feftgehalten. 


Folgendes wird den Inhalt bilden: Herder's Leben. — Gedichte. — Der Cid. — Legenden, bramatifche Stüde 
und Didtungen. — ——— — Geift der hebraͤiſchen Poeſie. — Älteſte Urkunde des Menfchengefchlechts. Ideen 
a 


zur Philoſophie ber Geſchichte. — Adra 
Dcmitien. 


. — Briefe zur Beförderung der Humanität. — Sophron, gefammelte Schulreden. — 


Wir veröffentiichen dieſe Ausgabe in vier Lieferungen, von benen bie erfle im October biefes Jahres bie Preffe verlaffen 
wird. Der Preis jeder Lieferung ift 2 Thlr., ober 3 Fl. 30 Kr.; der Preis des Ganzen 8 Thlr., oder 14 &. - 
nm DOftern naͤchſten Jahres werden wir das Ganze beendigen. j " 
Iede Buchhandlung ift von uns in ben Stand geſetzt, biefe Ausgabe zu ben angegebenen Bedingungen zu liefern. 


Stuttgart, den 1. September 1843. 


3. ©. Cotta ſche Buchhandlung. 





Bei ID. Foͤr ſtuer 
und in allen Buchbandiungen zu haben: 


- Bor und binter den Conliſſen. 


Almanadı 
erprobter Bühnenfpiele, humoriſtiſcher Polterabend: Masken, 
Theater: Myſterien, Schaufpieler: Novellen und Anekdoten. 
Für 1844. 
Berausgegeben von 


Mit einem Coftümbilde. In farbigen Umfchlag cartonnirt. 
1°, Thle. 


Inhalt: Eord und Räuber. Tragikomiſches De: 
lodrama von Ir. Adami. — Ber Onkel als Moben. 
Pofſe in einem Act, frei nach dem Franzoͤſiſchen von J. Dos 
rich. — Mathilde. Modernes 
Acten, von Ir. Adami. — „Onumoriſtiſche Polterabend-Masten”, 
von 3. Laster. — „Kotzebue“, von W. Müller. — „über 
Scaufpielervereine”, von &. Schneider. — „Bruchſtuͤcke 
aus der Biographie des penfionirten Schauſpielers 8. Schnei⸗ 
der.” — ‚„Künftler : Silhouetten”, von 3. Easter. — „Gine 
Beneſizheirath.“ — „Fluͤchtige Skizzen der Mitglieder des 
tönigl. Theaters in Berlin”, von Feodor Wehl. — „Anek⸗ 
doten: ABE ıc. ꝛe. 





Bei Feiedrich Waffermann in Manpeim iſt er 
ſchienen und burch alle Buchhandlungen zu beziehen: 


Schwarzwälder Porfgefcichten 
Berthold Aucerbac. 
Zwei Cheile in Einem Bande. 
In Umfchlag broſchirt. Preis 2 The, oder 3 Fl. 30 Kr. 


in Berlin ift foeben erſchienen 


amiliengemätde in fünf 


Bei K. F. Köhler in Leipzig erſchien foeben und ift 
durch alle Buchhandlungen zu haben: 


Viographiſche Bilder 


Sieyes, Böderer, Fivingſton, CTalleyrand, Brouf- 
ſais, Merlin, Tracy, Paunon. 
Nebſt mehrern Vorträgen der Akademie 
von 


4. A. Mignet, 





Durch alle Buchhandlungen und Poſtaͤmter iſt zu beziehen: 
ISIS. Encyklopaͤdiſche Zeitfchrift vorzüglich für 
Naturgefhichte, Anatomie und Phyfiologie. 
Von Oken. Sahrgang 1843. Zehntes Heft. 
Gr. 4 Preis des Jahrgangs von 12 Heften 
mit Kupfen 8 Thlr. _ 
ee 
arte * edle mit DR 
und wir n der Raum enen 
berechnet. Beſondere —— werden * Ss * 
1 Thir. 15 Nor. beigelegt. 
Eeiptig, im October. 1843, 


F. %. Brockhaus. 









In Unterzeichnetem ift ſoeben erfigienen und durch alle Buchhandlungen zu begtehen: 





a 


uf. 


Eine Tragödie 
Ä | Gorthe. 


Beide Theile in Einem Bande. 
Nene wohlfeile Ausgabe in Kleinoctav. 


Velinpapier. Broſchirt. 


Preis 1 Thir., ober 1 Fl. 45 Kt. 


Bei diefer Gelegenheit machen wir auch auf bie von Prof. Morig Reef gezeichneten und geftochenen Umriſſe zu Boethe's 
gaut wiederholt aufmerkſam; dieſe Umriffe find allbefannt und unterlaffen wir daher alle Anehhmung. Der Preis für beide Theile — 


Blatt in Querfolio cartonniet — tft 
Stuttgart und Tübingen, im September 1843. 


Thir. 15 Nor. (3 Thlr. 12 g@r.), oder 5 Fl. 


3%. Eotta’foe. Verlag. 





Soeben iſt nun m vonfäntig erfchienen und in allen Buch⸗ 
bandiungen zu haben 
Deutſches 


Riehenticherund 


die Lehre vom Kirchengesang. 


Praktiſche Abtheilung. 
Ein Beitrag 


zur dirderung der witlenfcjaftfichen und kirchlichen Pflege 
des Kirchenliedes, ſowie ber haͤuslichen Erbauung, 


von uge⸗ 
Dr. und orbentlichem Bro effor der Theologie an ber Univerfität 
zu Sürt 


8. Brofipiet 3 Thir. 28%, gr. (3 Thir. 21 6Gr.) 

Diefes Wert, welches nicht nur Freunden und Stubirenden 
ber Hymmologie, fonbern beſonders auch allen Erbauung 
@u als ein aufs forgfältigfie ausgewählter und georbneter 
Seit Rieberfaß zu empfehlen ift, zeichnet fich vor 
enden Sammlungen aͤhnlicher Art noch vorzüglich durch geift: 
aeiche, jedem Abfchnitte beigefügte Einleitungen und beur 
theitende Anmerlungen aus. 

Der Herausgeber obigen Liederbucht wird von 
zwei fih ganz entgegengefegten Seiten um biefes 
Werkes willen heftig angegriffen, dürfte aber 
gerade deswegen bei Denen, welde in degmati— 
fher und Hymnologifher Beziehung einer freien 


.  Tirgtihen Richtung huldigen, befto eher Anerten: 


nung finden. 


Ebenfalls ift nun bie Ehenretif he Abtheilung dieſes 
Werks erſchienen, unter bem Di 


kirch liche Komnologie 


die Lehre vom Kirchengesang. 


Einleitung in das deutſche Kirhenlicherbug, 
Broſch. 15 Nor. (12 9 
- Meyer und Zeller in Zürich. 


Bi @. Enten in Hatte tft ſoeben erſchienen und in 


allen Buchhandlungen zu haben: 


Karte von Paläaſtina, nach Robinſon, Ey 
m. Achunart baacheitet 










Smith und 8. und. in Stein 98 
ftocyen von C. elmutb, ne nebft mehreren Gartons, 
bie deu nörbiien Theil des Blbanen, Die na 


Here Umgebung Derufaleus, ben Wan von 
‚ Die @inei- me und die Gr 
gend von Rapira und Suez in vergrößerten Maß— 
flabe darſtellen. Groͤßtes Landblartenformat. 
Cartonnirt. Preis 1 The. 
Der Plan von Nernfalem, befonbers abgedruckt, 
wird cartonnirt zu dem Preife von 774 Bar. aut: 
gegeben. - 








En vente chez Brockhaus & Avenarlusi Leipeig: 


KUN®O 


de la Htterature francalse. 


Ersisieme ande. 1843 
a ee 2 fedllies. — 


Il parait € 

Y, Thir. === On s’abonne chez tous 1 
—— — les bureaux de . == Les —— 
abonnes pour l’anneo 1643 —2 ae len deui 
premier 


res anndes de FHche au prix d’une 





Sommaire des Nos, 35—39. . 

La redoute. —.Le faussaire, — Une reprise de Thetis 

et Pole, Par Paul Smith. — Un debut. Par Ach.. 
— Voleur, mais amoureux. — Un coquin d’öncle. Par 
— Paris au commenoemest du I Time 
siecle, — Theätres de Constantinople, Par ..— 
Kara -Oglou. — Les moustaches & la chinoise. Par le vi- 
comte — Du nallwer d’Qtwe prince. — 
M. de Bakzac en voyage. — La veuve —— Par Al 
phonse Cerfberr de Nidelseim. — * — de 
Scarron. Par Bıgöue Eutlia dt Dez flre qui seat 
la fumee. Par Pierre Durand, — A bätons rom pus. — 
Louis XIV a Rontainebleau. — Un prösent: Imperial. Par 

J. Ku — Anecdotes. 


Drud und Verlag von F. A. Brodhaud in Leipzig. 
| EEE 














Literarifher Anzeiger. 





1843. Nr. XXVI. 


Diefer Literarifche Anzeiger wird ben bei 8. A. Brockhaus in Leipzig erfcheinenden Zeitfchriften „Blaͤtter für Literarifche 
Unterhaltung” und ‚„‚Ifis” beigelegt ober beigeheftet, und betragen die Infertionsgebühren für die Zeile ober deren Raum 2Y, Nor. 





Verlags- und Commissionsartikel 


von - 


Brockhaus& Avenarius, 


‚Buchhandlung für deutsche und ausländische Literatur 
in Leipzig. 


1843. M IH. Juli bis September. 


(Nr. I dieses Berichts, die Versendungen vom Januar bis Märs 
enthaltend, befindet sich in Nr. XV dos Literarischen Anzeigers; 
Nr, II, die Versendungen vom April bis Juni, ia Nr. XVIII.) 


Echo de la literature francaise. Troisieme annde 1843. 
Nos. 25 —36, Gr. 8. Preis des ganzen Jahrgangs 
Thir. ‘ 
rscheint jeden Freitag io Nummern von 1—2 Begen und bietet 
eine Auswahl des Besten und Interessantesten aus der gesammten 
französ Joarnalitsik. 


Epiphanii monachi et preabyter! edita et inedita. Cura 
Alberti Dressel. 3. Parisiis et Lipsiae. 1 Thir. 


Jouffroy (Henri), Constitution de l’Angleterre. In-8. 
Leipzig et Paris. 2 Thlr. 

Reise eines Norddeutschen durch die Hochpyrenäen in den 
Jahren 1841 und 1842. Von W. vw. EB. 2 Bände. 
Gr. 12. 2%, Thir. _ 

Schweigl (Joseph), So wird man gesund, oder ge- 
naue Auskunft über das Naturheilsystem des Franz 
Thiel. 8. Leipzig und Paris. Y, Thir. 


Delius (Eduard), Statistical Almanack for the year 
1844. i6mo. Bremen. 1, Thir. 

Dupuy (D.), Kssai sur les mollusques terrestres et 
Suviatiles et leur coquilles vivantes et fossiles du depar- 
tement du Gers. In-8. 1%, Thir. 

Burand-Brager (Henri), Sainte-Helöne, Trans- 
-lation du cercueil de I'tmpereur Napoleon à bord de la 
fregatte la Belle-Poule; se rattachant au Memorial de 
Sainte-Helene et à l'expédition da prince de Joinville. 

“Live. 1. Gr. in-fol. Paris. 8 Thlr, VI. ber. 1316 

Les Frangais peints eux-mömes. T. VI, livr. . 
T. VI, iv 1 Gr. in-8. Leipzig. Jede Liefe- 
rung schwarz Y, Thlr., colorirt 7/,, Thir. 

Fries (Elias), Novitiae florae Buecicae, 
sistens mantissam I, I], IIL, uno volumen comprehensas. 
Accedunt de stirpibus in Norvegia recentius detectis prae- 

. notipnes e maxime parte communicatae a Mi. N. Biytt. 
8. Lundae et —— 2 Thir. 

Geetke (I. ® ven), Faust; a tragedy in two 
rts. The second part, translated into english verse, 
ydonathan Birch, embellished with 11 engravings 

on steel, by J. Brain after M. Retzsch, Roy.-8. London. 
Bound. 8 Thlr. 

d’Hauterive (Borel), Precis historique sur la mai- 
son royale de Saxe et sur ses branches ducales de Wei- 
mar, Meiningen, Altenbourg et Saxe-Cobourg- Gotha, 
dequis l’origine des comtes de Wettin jusqu’a nos jours. 
In-4. Paris. 2 Thir, 

Niemcewiez (Julien Ursin), Notes sur ma cap- 


Continuatio, 


' 


tivit6 & Saint-Pötersbourg, en 1864, 1795 et 1796 
In-8. Paris. I, Thir. 

Sainte-Allais, Tableau genealogique et historique de 
la maison royale de Prusse. In-plano. Paris. 1%, Thir. 

Sue (Hugene), Les mystöres de Paris. ition U- 
lustree. Live. 1— 10. Gr, in-8. Paris. 1%, Thir. 

Sur quelques points de zoologie mystique dans les anciens 
vitraux peints. - Fragment extrait d’une monographie de 
la cathedrale de Bourges par A. Martin et Ch. 
Cahler, pretres. In-4. Paris, 2 Thlr. 

Taylor (Baron), Les Pyrenees. In-8. Paris. 3 Thir. 

Tegner (Esalas), Frithiofs saga, a legend of the 
north. Translated from the swedish by &. 9. Revised 

“ and illustrated. In-8. Stockholm. 54, Thir. 


Leleweli (Joachim), Polska odradzajaca sie, czyli 
Dieje polski potocznie opowiedzisne. W6ydanie Arugie, 
pomnozone. In-12. Bruxella. 1 Thlr. ’ 

Siarczysnski (X. Franciszek), Obraz wieku pa- 
nowania Zygmunta III. Kröla polskiego i szwedzkiego, 
Fe ‚Obraz stanu, narodu i kraju. T. 1 In-8. Poznas. 





Bei Rudolph Weigel in Leipzig ift erfchienen und 
buch alle Buch⸗ und Kunfthandblungen zu bezichen: 
Supplements au Peintre-Graveur de Adam Bartsch 

.recueille&s et publies par R. Weigel. Tome L 8. 
2° Thlr. 
Rudolph Weigel’6 Kunftlagerfatalog. 14te Abtheilung, 
u Megifter über die Ste bis 14te Abtheilung. 8. 
lr 


A. €. Umbreit, Über die Eigenhaͤndigkeit der Malerform⸗ 
ſchnitte. Ates Heft. 8. Thlr. 

Rafael's Bilder in der Farneſina zu Rom. Gezeichnet 
und geäst von F. Schubert, Maler. Ates Heft. 
Fol. 2 Thlr. 


Kataloge der leipziger Kunſtauctionen, deren bekanntlich 
jaͤhrlich mehre hier abgehalten werden, ſind ſtets von Oben⸗ 
genanntem zu beziehen. 





Neu erſchien ſoeben bei F. SE. Brockhaus in Eeipzi 
und iſt il ale na zu he nis 


Niederländiſche Sagen. 


-Sefammelt und mit Anmerkungen begleitet 
herausgegeben 


bon 
Johann Wilhelm Wolt. 
Mi einen Kupfer. 
&. 8 Geh. 3 Thlr. 





Durch alle Buchhandlungen unb Poflämter iſt zu beziehen: 


Das Pfennig⸗ M 
fuͤr Belehrung und Unterhaltung. 
Neue Folge. Erster Jahrgang. 


1843, September, Nr 35 — 39, 
> Inhalt: 

Oberinnthal und Obervintſchgaau. — Pariſer Gerichtäfcene. 
— Dos Schlangenthal im Kaufafus. — Über einige dem Land⸗ 
wirthe nügliche Thiere. — * Der Brand bes Föniglichen Opern⸗ 
hauſes ia Berlin. — Aus der Chronik bes —— Juli. — 
Die Maͤrker ober Brandenburger. — Der ei Behler. — 
Aderban in Rußland. — * John Adams. — — — 
Die Pullafiſcher in Scind. — * Gtiesgefeht zu Malaga. — 
Hvdrauliſcher Mörtel. — Ort und Zeit bed Vertrags von 
Verdun. — Der elektromagnetiſche Aearap auf der Rhei⸗ 
niſchen Eiſenbahn. — Der Schmuggler. — Tugendpreiſt. — 
Virkung ber k. — Filtrirung des Wa ing⸗ 
** — Luftdruckmaſchine in Schifffahrt. — Das fühle 
ſche Luſtlager bei Zeithayn vom JO. Mai bis 20. Juni 1730. — 
Sklaverei bei ben Ameifen. — *Maispflanzen. — Die Fang⸗ 
gruben. — Stiftung Illnau be in Baben. — Der Cars 
nevel u Buenos Ayres. — * * oph Friedri don Kmmon. 
Inſel Honglong. — Der blinde Mufi * Rürn: 
berg. — Das Arbeiten dee Kinder unb jungen Eente ia den eng⸗ 
lifhen Bergwerten. — * Johann Sebaftian Bach's Denkmal u 
Leipzig. — Der Lühne Parteigänger. — Die Korallenfiſcherei 
in Dalmatien. — Die militekeifige Kriedensfeier in Wien zur 
Zeit des Congreſſes — * Island. — Wlütenneltar. — Die 
atmofphärifihe. Gifenbapn in Irland. — Ein Soncert im Serail. 
— Fuͤztuchfabrikation. — Der Feuerfeſte. — Die Beſteigung 

des Montblanc. — WMisceien. 
Die mit * bezeichneten Auffäge enthalten eine oder mehre Abbildungen. 


bes Jahrgangs von 52 Rımmern 2 Ahle. In: 

Pündigungen werden mit 5 Nor. für den Raum einer 

gefpaltenen Zeile berechnet, Defonkere Anzeigen re. gegen 
ergütung von %/, Thlr, für das Tauſend beigelegt. 


20 B 
* Blume ogazins Se eoie im Merile e 
L-X Baud baum) azufammengenommen 10 Thir. 








L—V. 8263 zuſammengenommen 5 Thir. 
VL-X, Baub (1837-42) zufammengenommen 5 The. 
Sinzelne Jahrgänge 1 Thir. 10 Nor. 








3u 75 ſind fortwaͤhrend zu beziehen 
Dfennig - Alogesm für Kinder. anf Bände. 
3 Thir. 


National - Magasin. Ein Band. 20 Nat. 


Sommiags- Ma azin. Drei Bände 2 Zotr. 
Die legtern beiden Werke zufammengenommen nur 9 Ahlre. 
Reipgig, im Dictober 1843, 
8. ec. Srockhauo. 


Das neuefte Werk ber 


Bann Hahn⸗ Oahn, 


ge8l, 


Zwei Bände. 8. Elegant geheftet. 4 Thlr. 
iſt nunmehr erfchienen und durch alle Buchhandlungen zu bes 
zieben. Es nimmt dies Buch, voll tiefer pfodpologifcher Wahr: 
beit, voll treffendfter Varalterzeichaung, in ſchoͤner Sprache 


agazin 


a 


vorführend, 

ber Literatur ein, als jebe 

et — vorgeworfen, hier ver⸗ 

mieden iſt, und der wohithuende Eindruck en ſaon empfun⸗ 
denen Dichterwerks durch nichts geſchmaͤlert wird 


Gleichzeitig wird ausgegeben: 
Emma non Niendorf, 


Aus Der Gegeuwart. 


8. Elegant geheftet. 1 Thle. 
Dies geiſtreich geichriebene Buch wird das Intereſſe ber 
gebildeten Weit in hohem Grade auf ſich ziehen. Es enthaͤlt: 
mertage mit: Glemens Brentano. — Gin wter Pil⸗ 
gu. — der —— — Das Kloftse dee barmher⸗ 
Kg Ode in Münden. — Dectoe Strauß in Sont⸗ 
— RE Atelier. — er. — Dagneta’s Seelenmärchen. 


Thekla von Gr von Gumpert, 
Der Fleine Bater und das Enkelkind. 
Eine Erzählung für Kinder, 
Mit Abbildungen. 8. Glegant gebunden 1 Ehlr. 


Die verftorbene Dichterin, Agnes Franz, äußerte fi 
über biefe anziehende EShrift, ‚ bie ihr im Manuferipte vor: 


seig! wurde; 
Stoff iſt angiehend Page muß big, heiinahme ber 
Heinen Lefer bis ans Ende wach erhalten. ern und Lehrer 
werben es gern in der Kinder Händen fehen, weil ein Kurhaus 
guter unb frommer Geiſt buch daſſelbe meht, und ohne Abſicht 
zu verrathen, mand gute Lehre daxin niedergelegt iſt.“ 
Merlin, ben 2. October 1843. 
HWlegander Dunder, 
koͤñigl. Hofbuchhoͤndler. 





Bei Metzler in Stuttgart erſchienen ſoeben: 


Mohammed Der Proſphet. 

Sein Jeben und seine Jehre. 

Aus hanbfchriftlihen Quellen und dem Koran geſchoͤp 

und bargeftellt von Dr. Gufſt. Weil, —X 

an der Univerſitaͤt zu Heidelberg und Mitglied der aſia⸗ 

tifchen Seenfänefe zu Paris. Mit Bellagen und Stanıms 
tafel. Gr. 8. Seh. 3-Thle., oder 5 SL 12 Kr. 


DaB Leben 


bes 
Fürſten von Pückler⸗Muskau. 
Von Dr. ÆAuguſt Jager. Mit dem Bilde des Fürften. 
Gr. 8, Geh, 2 Thlr. 10 Nor. xͤba. 8 gGr.), 
oder 3 SL 54 K 


Borcäthig in allen Buchhandlungen Doutfäkonht, Öftreicht 
und bes Auslands. 











Bon us in Beipgig if d alle 
— ungen zu rien in derqh 
agen (Gſt.), Üüber die Stekung, welche ber 
ukunſt, der Bildhauerei und Malerel unter ben 
—* menſchlicher Bildung zukommt. Wortrag, 
gehalten am 18. Maͤrz 1843 im —— — 
Vereine zu Berlin. Gr. 12. Geh. 6 Nier. 








Dritte Auflage von Schwerz Herban, 


In Untergeichnetem if erfcjienen und durch alle Buchhanblungen zu beziehen: 





Anleitung 


praktifden Ackerbau 


von 


Sob. Rep. von Schwerz. 
Drei Bände. 
Alit 15 lithographirten Sateln. 
Dritte, mit dem Bildniffe des Berfaflers geſchmückte Auflage. 
Preis 6 Thle., oder 10 81. 


Der dritte Band fuͤhrt den befondern Titel: 





nterridt 


Anfänger in der Eandwirthſchaft 


Natur, Wahl und Werth aller bekannten Feldfufteme oder Fruchtfolgen. 


Es iſt gewiße überfläffig, bei der dritten Auflage biefer Schrift ſich über ihren Inhalt und ihren Werth zu verbreiten, da 
diefe jedem gebildeten Landwirthe Deutfchlands bereit bekannt find. Auch außerhalb ber Grenzen unfers Vaterlandes finder fie 
immer mehr Anerfennung. Befonders hat ber dritte Band, welcher die Feldſyſteme ober Fruchtfolgen umfaßt, bie wicht! A Ro 
terie auf eine bis jegt unäbertroffene Welfe erfchöpft und ſich daher des allgemeinften Beifalls zu erfreuen; im Jahr 1831 ers 


ſchien zu Met eine von E. und 


J. Billeroy unternommene Überfegung beffelben ins Kranzdfifche und im Jahr 1 


anftaltete die petersburger Landwirthfhaftsgefelfäaft eine Übertragung in die ruffifche Spra 


Obgleich diefe dritte Muflage d 


an topographifcher Ausftattung Übertrifft, fo haben wir doch, um bie Anſchaffung 


9 
diefes vortrefflidden Werkes mehr and mehr zu —ã eine abermalige Preisermaͤßigung eintreten laſſen. 


Stuttgart und Tübingen, im September 1843. 


3 ©. Cotta 'ſcher Verlag. 





Soeben iſt bei den Unterzeichneten erſchienen und in allen 
Buchhandlungen zu haben: 


Metpobifger Feitfaden 
unterricht in der Raturgeſchichte 
höhere Sehranfalten 


€ 75 elber 
3 8 *3. der ae 8 





Erster Theil. 
Thiertunde. 
Zweite, umgearbeitete, fehr vermehrte und doch 
wohlfeilere Ausgabe. 
8 Broſch. 10 Nor. (8 gr), ober 40 Kr. 
Die vielen vortheilhaften Beurtheilungen, die dieſem Leit⸗ 


faben bis jest zu Theil wurden, entheben uns ber Nothwendig⸗ 
keit einen neuen Empfehlung, und wir erlauben uns einzig 





noch ausdruͤcklich darauf aufmerkfam su machen, daß dieſe ſchnel 
erfolgte zweite Auflage, obgleich um vier volle Bogen vermehrt, 
dennoch einen niedrigern Preis erhalten hat. 


Meyer * Zeller in Zuͤrjch. 
Intereffaute Neuigkeit! 


In meinem Verlage ift neu erfchlenen und in allen Bud 
banblungen zu erhalten s 


Cancan _ 
eines Deutichen Edelmanns, 


Zweiter Cheil. 
Gr. 12, Geh. 1 Thir. 24 Nr. 
Der erſte Theil erfchien 1841 zu bemfelben Preiſe. 
Reipgig, im October 1843. 
F. A. Brockhaus. 











Sandwirthschaftliche Worfeitung. 
- Herausgegeben von 
©. v. Pfaffenrath und William Möbe, 
Vierter Jahrgang. 4. 20 Ngr. 


Leipzig, bei F. A. Brockhaus. 


Hiervon erſcheint wöchentlich 1 Bogen. Ankündigun⸗ 
en barin werben mit 2 Rgr. für den Raum einer gelpaltenen 
eile berechnet, befonbere Auzeigen zc. gegen eine Ber 

gütung von Thir. für dad Tauſend beigelegt. 


Anhalt des Monats September. 


Worfzeitung: Die Aufftellung des Getreides in Puppen. 
— Die zwecmäßigfte Dunggrube. — Empfohlene neue Saͤme⸗ 
reien. — Der Wachholderbeerſtrauch. — Über das Aufeggen 
der Saaten im Fruͤhjahre. — Erbſenbau. — Aus Draniens 
burg. — Auffoderung zur Anlegung bäuerlicher Gemeinde : Ver; 
fuchegärten. — ine verbefferte WBorrichtung zum Begießen 
des Düngerhaufens mit Miftjauche. — Über Höhenabnahme der 
Floͤtzgebirge Samburgs und beren verwitterte Erden als Däns 
gungsmaterial. — Gicheres Mittel wider den Durchlauf der 
Kälber. — Die landwirthſchaftliche Lehranftait in Regenwalbe. 
— Hinweifung auf einige beachtungswerthe Flachs tiefernde 
Gewaͤchſe, für denkende Landwirthe. — Eine Beobachtung über 
die Schorfkrankheit der Kartoffeln. — Hornſpaͤne als vorzuͤg⸗ 
liches Duͤngungsmittel. — Über das Austheilen ber Gemeinde⸗ 
grundfiüce. — über die kuͤnſtlichen Dungmittel. — Bermehrung 
der Koͤrnerfruͤchte — Benutzung der Haͤute von zahmen Schwei⸗ 
nen. — Glas, z. B. Lampencylinder, zu trennen, zu durchſchnei⸗ 
den. — Mefefrüchte, Miscellen u. ſ. w. — Unterhal⸗ 
tungsblatt: Außergewoͤhnliche Arten, ſich bei kalten Tagen 
u erwärmen. — Friedmann's letzte Sage und bie Folgen 
Feiner Bemühungen um Ausbreitung der Obftbaumzudt. — 
Der Pilatusberg im Ganton Eugern in ber Schweiz. — Zei⸗ 
tungswefen. — Aus dem Naffauifchen. — Das Erntefeſt, ger 
dichtet von Zacharias Kreffe, Bauer im Altenburgifhen. — 
Der nationale Hochzeitsaufzug der altenburger Bauern bei 
Gelegenheit ber fiebenten Verſammlung der deutfchen Sands und 
Forſtwirthe In Altenburg. 


Kür Schulanftalten und Rehrer der 
englifchen Sprache. 
Sm Berlage der Unterzeichneten find foeben erſchienen: 


Wa ner, Dr. R. F. Chr., 
Geb. Hofrath und Profeffor in Warburg, 


Theoretiſch⸗praktiſche Schulgram- 
matit der englifchen Sprade für 
| jüngere Tufauger. 
Sr. 8. Stark Velinpapier. Geh. 25 Nor. (20 gGr.) 
MDesselben a 
nene englifche Spradlehre für Die 
Deutſchen. 











Erſter ober theoretiſcher Theil. Yünfte Auflage. 


Gr: 8. 1Thlr. 
Zweiter oder angewandter Theil, welcher Übungen über 
die einzelnen Regeln enthält. Yünfte Stuflage. 

&r.8. 20 Ngr. (16 gGr.) 

Diefe Für die erften Anfänger wie für reifere Schüler bes 
flimmten Sprachlehren dürfen wie angelegentlidhft denjenigen 
Lehranftalten und Lehrern empfehlen, welche einen rationellen 
Weg des Unterrichts verfolgen wollen. 








Der Ruf und bie weite. 


x 


Verbreitung ber groͤbern Srammatik wirb auch bie ber kuͤrzern 
für jüngere Anfänger ſichern. 
Um die Einführung in Eehranftalten zu erleichtern, ieh auf 
13 Exemplare ein Kreieremplar gegeben. 7 
Braunfchweig, im September 1843.- . 


Hrietrih Wieweg und Gehe. 


- Bei Gebr. Belchenbach in Leipzig Suschier 






POETAE LYRICI GR 
Edidit 


Theodorus Bergk, 

| Prof. Marburg. Zn 

1843. 8, maj. 56 Bogen. 4. 2 

Diese erste vol I) 

der griechischen Lyriker enthält ausser den | 

Gedichten die Überreste von mehr als siebes Dich- 

tern, die zum Theil zum ersten Male hier gesammelt: 

sind, in vielfach verbesserter Gestalt, nebst einem fortlau- 
fenden kritischen Commentar. 


M. T. CICERONIS DE OFFIGIIS LIBRI DIL 


Recensuit 


Rud. Stuerenburg, 

Phil, Dr. Gyma. Hildburgh. Dir. . 
Accedit Commentarius. 
1843. 8. maj, 1 Thlr. 

Nach vollständig neuer kritischer Bearbeitung des Ter- 
tes und mit kritischem Commentar begleitet, über- 


gibt hiermit der Herausgeber dem philologischen Publicum 
zum zweiten Male die Bücher DE OFFICIIBS. 









Soeben if bei uns erfchienen: 


Theodor Beza 

na 

bandfhriftlihen Quellen dargeftellt 
Johauu Wae Daum, 


Drofeflor in Strasburg. 


Erster Theil. 


mit Berges Bilduiß. 
Gr. 8. Broſchirt. Preis 24 The. 


Eeipzig, im October 1843: 
Weidmaum ſche Buchhandlung. 








Vollständig ist jetzt in meinem Verlage erschienen 
und durch alie Buchhandlungen zu beziehen: 


3. F. Herbart's 
kleinere philosophische Schriften und Abhandlun- 
gen, nebst dessen wissenschaftlichem Nachlasse. 
Herausgegeben von &ustav Hartenstein. 
Drei Bände. 
Gr. 8. 10 Thlr. 

Der erste Band enthält zugleich eine ausführliche Ein- 
leitung des Herausgebersüber Herbart's Leben und Schriften. 
Derselbe kostet 3 Thir., der zweite und dritte Band jeder 
3 Thir. 15 Ngr. U 

Leipzig, im Oetober 1843. 


F. A. Brockhans. 


PER 
Druck und Verlag von $. U. Brochaus in Leipzig. 
Te aaa nnd 











un i ter 


ariſcher Anze 





i u " . 
ger. 
. “ }) 


. 


it 4 ird den bei B. U. Brockhaus in Leipzig erfcheinenden Beitfchriften „Wiätter für lterarifi 
ak ——— oder —*— und beruhen bie —S fuͤr die — deren Raum 2%, ag 


Verzeichniss ner Vorlesnngen, 
R =. weilde 

an der Töniglich bairifhen Friedridh-Aleran- 
der&-Univerfität zu Erlangen 

im Winter⸗Semeſter 1843 —44 gehalten werben ſollen. 


Der gefeglidie Mufang derfelben if am 19. Betoder. 


Theologifche Facnität. 

Dr. Kaifer: Übungen des eregetifchen Seminariums der 
alts und neuteflament! ( 
Bud Hiob. — Dr. Engelhardt: Übungen bes kirchenhiſto⸗ 
rifchen Seminars, Kirchengeſchichte — Dr, Häftling: Übun: 
gen tes homiletiſchen Batechetifchen Geminariums, Homiletik — 
Dr. Harles: Shriftlihe Ethik, Brief Pauli an bie Römer. — 
Dr, Zhomafius: Dogmatik, Entwickelungsgeſchichte des kirch 


lichen Lehrbegrifft und ‚feiner wiſſenſchaftlichen Darftellung. — 


Dr. Krafft: Paftoraltheologie. — Dr. von Ammon: Üblns 


gen im Pafloralfeminar, Symbolik und Polemit. — Dr. Wie 
ner: bibliſcher Lehrinhalt und neuteflamehtliche Exegeſe. — 
Dr. &brard: den Prophet Jeſaias, theologische Encyklopaͤdie. 
Unter ber Aufſicht und Leitung des Töniglichen Epborus 
werben bie angeftelten vier Repetenten wifenfgaftig Repeti⸗ 
torien und Go rien in latetnifcher Sprache für bie Theo⸗ 
logie Studirenden in vier Iahrescurfen halten. . 
Dr. Bucher: Inftitutt ne Bmifchen Rechts, Auf 
Dr. Bucher: Inftitutionen bes zömifchen ere 
und innere Geſchichte des roͤmiſchen Rechts, zömifcges 
—. Dr. Schmidtlein: Encyklopaͤdie und Methobologie der 
Rechtöwiffenfchaft, gemeimes und batrifches Criminalrecht, Difs 
ferenzen bes gemeinen und bairifcyen Eriminalproceffee. — Dr. 
Schelling: Theorie bes gemeinen beut ordentlichen Civii⸗ 
procefies, verbunden mit Ausarbeitungen, Sefcdhidhte und Quellen 
bes bairiſchen Tivilproceſſes, fowie die Abweichungen deſſelben 


vom gemeinen. — Dr. Briegteb: Encyklopaͤbie und Metho⸗ 
bologie der Rechtswiſſenſchaft, Eivil« Praktikum, ichte der 
deutſchen Eivilproceßgebung. Dr. von Bcheurl: Dandeiten, 


—3 des roͤmiſchen Rechts, das vierte Buch der Juſtitutio⸗ 
des Gajus. . 


In Mediciuifche Farnltät, u 

‚ Dr. Zleiſchmann: menſchliche pathologifche Anatomie, 
menſchliche fpectelle Anatomie, mebiciniſch⸗forenſiſches Praktikum, 
Secirübungen. — Dr. Koch: Anleitung zum Studium der krypto⸗ 
gamiſchen Gewaͤchſe Deutſchlande fpeciclle Pathologie und The⸗ 
rapie ber chroniſchen Kraukheiten. — Dr. Leupoldt: über eins 
zelne Gegenſtaͤnde der Anthropolegie, Pſochiatrie, Geſchichte ber 
Medicin in Verbindung mit der f̃ te der Geſundheit und 
ber Krankheiten. — Br. Roßhirt: geburtshuifliche Kiinik, 
Krankheiten des weiblichen Gefchlechts, Krankheiten neugeborener 
Kinder, — Dr. yon Sieboid: Atflerarmeitunbe, mit befonbes 
rer Beruͤckſichtigung ber Shierfeuchen und ‚dee von ‚den Hausthie⸗ 
zen auf ben. Menfcher: Überttägbaren Krankheiten, Yhnflologie 
ber Metven und Sinneswerkzeuge — Dr. Heyfelder: Cht 
rurgie, Alklsgie, chirmgifce Kuͤnik, Anleitungen zu dyirurgifchen 
Berbänden. — Dr. Sanflatt: mediciniſche Kunik und Poli⸗ 
klinik, ſpecielle Pathologie und Therapie der innern Krankheiten. 


ichen Abtheilung, Einleitung in das A. T. 


rbrecht. 





— Dr. Trott: Semiotik, Torikologie, materia. medien. — 


Dr. Fleiſchmann: Dfteologie und Syndesmologie, pathologis 


fhe Anatomie des Auges, Repetitorien über Anatomie und Phys 


fiologie. — Dr. Ried: Krankheiten ber Haut, ſyphilitiſche Kranks 
beiten, Graminatorium über. die pathologiſche Angtomie odct 
eingelüe Theile der chirurgiſchen Pathologie. — Dr. ®itl: En⸗ 
cpllopädie und Methodologie ber Medicin, Naturgeſchichte des 


Menſchen. 
Philoſophiſche Facnltät. 


Br. Köppen: Graminatorium, — und Metaphyſik, 


Dr. Kaſtner: Encyklopaͤdiſche überficht der ges 
ſammten Naturwiſſenſchaft, Geſchichte der Phyſik und Chemie, 
allgemeine Experimentalchemie, phyſiologiſche Ehemie, durch Vers 
ſuche veranſchaulicht. — Dr. Böttiger: ‚Gtatjftil, allgemeine 
Seſchichte, Länders und Völkertundee — Dr. Döberlein: 
Übungen des E. ‚philologifchen Seminars, miles glorioms bee 
Plautus, Encyklopaͤdie der Philologie. — Dr. von Raumert 
allgemeine Raturgefchichte, Kroftalllunde. — Dr. von Staubts 
analgtifhe Geometrie, Differenzials und Integralrechnung. — 
Dr. Fiſcher: Logik und’ Metaphyſik, das Degel’fche Gyſtem, 
Peincipien der philoſophiſchen Gthil. — Dr. Drechsler: Ges 
neſis, hebräifche Sprache, Sanskrit. — Dr. nägelabag: 
Übungen bes philologiſchen Seminars, Platon’s Republik lib. VI 
und VIE, Theorie bes lateinifchen Stils. — Dr. Fabri: Ras 
tionalöfonomie, EntyElopädie der Kameralwiffenfchaften, Techno⸗ 
logie. — Dr. BWinterling: beutfche Literatur, Spalfpeare’s 
Merchant öf Venice, englifhe und franzöfifhe Sprache — 
Dr. Martius: über neue Beilmittel aus dem Pflanzenreich, 
Anweifung bie 
Güte, zu prüfen. — 
fie, Aſthetit, Geſchichte der neuern Philoſophie von Sartefins 
bis zur Gegenwart, über afabemifches Leben und Studium. — 
Dr. Hevder: Logik und Metaphyſtt, Geſchichte ber neuern Phi⸗ 
loſophie von Garteflus bis Hegel, Entwickelung der Platonifchen 
Philofophie und ihres Verhaͤltniſſes zur chrifklichen. — Dr. von 
Raumer: gefdichtlihe Grammatik der deutfchen Sprache, Er⸗ 
klaͤrung gothiſcher und althochdeutſcher Sprachproben. 

Die Tanzkunſt lehrt Hübſch, die Fechtlunft Quehl, die 
Reitkunſt Flinzner. 

Die Univerfitätsbtbliothek iſt jeden Tag (mit Ausnahme des 
‚Sonnabends) vor L-— 2, bas mer in benfelben Stunden 


yo — 


und Montags und Mittwochs von I—3, das Raturaliens und . 


Kunſtcabinet Mittwochs und Sonnabends von 1—2 upr ‚geöffnet. 


In meinem Verlage erſchien foeben und ift in allen Budks 
handlungen zu erhalten: 


Der dritte September 1843 
" n 


Von einem Angenzeugen beschrieben und mit den 
betreffenden Actenstücken begleitet. 
ZZ &. 8. Geh. 12 War. 
‚Keipzig‘, 28. October 1843, N 
N " a 5 A. Brockhaus. 


= 


chemiſchen Arzneimittel auf ihre Reinheit und - 
Dr. von Schaden: Logik und Wetaphy⸗ 


— 





N F . ‚ v 


In der —— — Beragtsucfanbtang ia Siegen und Mickkaben find trſaicren und in eisen foliben Bud 
handlungen vowwäthig zu- finden 


Sämmtliche Werke: von Zoſ⸗ eph Freiherr von Auffenberg. 


Erſte vollſtaͤndige, von ber” Hand des Verfaſſers forgfältig revidirte rechtmaͤßige 
Geſammt· Ausgabe in zwanzig Banden, 
auf Velin⸗Maſchinen⸗Druckpapier, im Formate von Zalrs Werken. 
Bubferiptionspreis (mit Verbind et auf alle zwanzig Wände) Be Banb A 12Y, Ggr. — AS Ar. Afsin. 


ver Band umfaßt Murhihuittlig 
i. Band, enthaltend: Auarıe, Krauerfpiel in | fünf Aufzügen, mit einem Vorſpiele. Die Spa Trauer⸗ 
ſpiel fünf Aufzuͤgen, mit einem Vorſpiele. Der schwarze Fritz, romantiſches a in fünf 


Dirfer Band tft Ende Juli on alle foliben Buchhandlungen verfandt worben. 
2, Wand, mihaltend: Wie Bartholomäusnacht, Trauerſpiel in fünf Aufzuͤgen. Die Nlibastier, romantiſches 
Trauerſpiel in vier Aufzuͤgen. 
Die Expebition dieſes Bandes in ben Geſammtbuchhandel bat Ende Auguft ſtattgefunden. 
S. Band, enthaltmd: Ludwig der_ Elfte in Peronne, Schaufpiel in fünf Aufzuͤgen. Was böse Kaus, 
Shaufpkel in fünf Aufjügen. Mer Ha a Kurdistan, romantiſches Schauſpiel in fünf oe 
Dieſer Band fol Mitte September verfanbt werben. 
Die, Vertagshanbtung hat im —— des literariſchen Publicums die Einrichtung getroffen ‚ bie bie Tuffender: nber gTüen 
Werke in, brei, nicht getrennt werbenben Gectionen erfcheinen zu Laffen. Die I. Gection wirb ben 
IL Section ven 8.—15. Band, bie HIT, Gection den 16.— 30. Band enthalten. Aus jeder Section werben in dieſem —e— — 
2 — 3 Bände gedruckt. Rach dem B. Bande ſoll ber 
©, Mand, oder Kipamben erfter Theil, enthaltend: Boabdil in Kordova, Vorſpiel in einem Aufzuge. Aben- 
hamet und Alfeima, Trauerfpiet in vier Aufzͤgen — 
erfheinen, der noch im September vollendet wird. Aus ber ne Section find bereits im Drud ber 
28, und 27, Band, enthaltend: Wie Raketen des Teufels, 22 in drei Aufzuͤgen. Die Here von 
Dultama, lyriſches Drama in vier Aufzuͤgen, nebſt novelliftifchen Beigaben. 
Durch biefe Drudeinrichtung ſegen wie bad große Publicum in ben Stand, um fo raſcher bie große Rannichfaltigkeit 
* Pr bes reichbegabten Dichters kennen zu lernen. 
alten foliden Buchhandlungen Deutſchlands und ber benachbarten Länber werben auf bie 
"hen Werke in der Schiller Sinsgabe fortwährend Subfcriptionen angenommen, und 
h% reſp. — werben gerne an ſolche Iniereſſenten, welchen bie Werke des Dichters noch un⸗ 
bekannt find, den 1 und 8. Band zur Einficht Kiefern. 





Bei Karl Groos in Betbeiseng hy ſoeben erſchienen Buͤcherſchau, von Dr. G. Scheve. 
und an alle Buchhandlungen verſandt worde 10) Miscellen. Mit einer Abbildung. 


eitſchrift Für zenolo ie Das vierte Heft befindet ſich unter ber Dreffe unb wich im 
3 ierheift * oe hebt December ausgegeben. 








Beben san Birane, 5 Neueſtes —— 
"Dr. med. Giefäfeld. Fremdwörterbuch, 
en Koran Aubitdangen. zur Erklärung aller aus fremden Sprachen entlehnten 


Wörter und Ausdräde, welche in den Künften und Wiſ⸗ 


Erſter Band (1.— * —30). —** ‚ ober FF 36 Kr. ſenſchaften, im Handel und Verkehr vorfonmen, uebfk 


Aufsuf zur Bildung einer de Seſell einem Anhange von Eigennamen, mit Bezeichnung ber. 
2 —— Beweife ber — en Beten —R Ausfprache bearbeitet von 


J) Das Denfvermbgen, bearbeitet von @. von Struve. Mit Dr. 2. $. Kaltschmidt. 


Abbild 
4) Dir Zulins Exhönderg, ein junges muſikaliſches @enie. Gr. 8. 2:EHtr. 12 Nor. 
9 Bin tuts RD Roc, du — Fobilbung. (Auch in 9 Heften zu 8 Nor. gu.begichen.) 
ankhafter || er ante, von Dr. . | , 
Nr) Tee san | - Aeipsig, bei F. A. Brockhaus. 
ı 6) ee a De vbhrenologie, von &.v0n Struve. Diefes Wert pidnet 5 Ten bicheihen Kennt 
einee ver. Et 
Über Urchriftentbum, teflantismns mb Katholiciemus, drterbuchern buch Mokkänbigleit, zwrtmä 
» don Grdeitnitun, Yes vier Abbildu zo srapbifde Glare un — — — und ungemeine ee —— 





ngen, 
Weitere M über tiemuß, nach eng⸗ 
3 Auuklee Meitpeiungen Aber ürrnomagmsiemmud, may enge | dieih vorpeigug ang. 











Ju unerpähenten ab fen ehenen sah Sul) ale Bufenktungen ya Satan: 








Seite 


Micolans 





Senan. 





Zwei Theile. 
8. Velinpapier. Mit dem in Stahl geflochenen es Deroffet. Preis 3 Thle. 11 Ngr. (3 Thle. 9 gr, r 
" 43 
enthätt fämmttiche Gedichte, weiche in unſerm erlag bereits fünf —— erlebten, der zweite Theil 


Der erſte 
bildet die vierte vermehrte 


i u” 
dichte —— 
Gtusigert nd Bünugen, im September 1843, 


Reclam sen. in Leipzig if erſchienen: 
chmid, %. RB, Kindheit und Natur. Ge: 
ſchichten, bitdfiche Erzählungen, Maͤrchen, Geſpraͤche, 
Gefuͤhle, Betrachtungen und Raͤthſel für Kindheit, 
Jugend und Alter. 6 Bogen in 16. Geh. Preis 


Yı The. 
— —, Keime und Ruofpen einer Belt 
auſchauung. 8 Bogen in 8. Geh. Preis / Thir. 
Im vorigen Jahre erſchien: 
«er Hecam, GO Yabeln zur Belchrun 
Unterhaltung für Die Qugend. 1842. 
5 8 in 8. Sauber gebunden. Fe 24 Thlr. 
de 8 franzoſtſche kritiſche Blätter haben dieſe Fa⸗ 
beln als ganz vorzuͤglich empfohlen; ſie ſind auch ſchon ins 
Tranzoͤſiſche aberſett worden. 


Bei C. G. 





Bi €. Belt & Beben, Buhpäntier in Wien, iſt 
erſchienen: 
Jahrbücher. 


der Biteratur, 


Hundertundzweiter Band, 
1843. 


April Mai . Mai. Iuni. 


Suhalt des Ipunbertunbgweiten Bandes, 
Art. I Eder, Ye tuis Lats, Seauengen und eihe. Gin Bet 
n ngweifen 
Fa il und ber lee Gegen. ud Sue jeder 
im Mittelalter, von Ga — Bolf. 






Auflage ber im SBerlage ber Hallberger’fchen Bucht n DER 
Der Beifal, ben biefe Gedichte voll eöhter € Romantik, Inoigksit, en u anbtung erſchienenen 
Erwartung, daß gegenwärtige Gefammt-Au sgabe berfelben ſehr willlommen fein wird. 


"leide * ——— 
Tr. 








euern Bes 
iefe, Blut und Slanz ber Phantafte ſiets 


J. &. Cotta’fcher Verlag. 


und erklaͤrt von Kari Lubwig Kannegießer und Kart 
Witte Zwei Bändchen. Leipzig 1842. — V. Juvavia. 


Eine archaͤologiſch⸗hiſtoriſche Darflellung ber Merfwürbigkeiten 


ber an dem Plage bes jehigen Salzburg einft beftanbenen Gelten-, 
Römers und römifchen Colonialftabt. Won Dr. Ignaz Schu⸗ 
mann von Mannfegg. Salzburg 1842. — VI. Archiv für 
Gichte, herausgegeben auf ee der 
. Srfter Band. Zuͤ⸗ 
angrenzenden An 


ar Dritten Banbes zweite Abtheilung. Halle 1843. — 

Mayr Das ehaufpietoefen. — auf bem —— ie 

heim ebenen Wien 1843. gerthuwe. i⸗ 
Juhalt des Senzeige-Miattes Mr. CIL 
Epigraphiſche EQxcurſe. Vom Guftos 3. G. Seidl. 





R t in meinem Bert d iſt duch all ⸗ 
an m ren en un u te a 


Enfifpiele ve. Srifiophanes, 
Überfegt und erläutert 
Hieronymus Müller. 
| In drei Bänden. 
Geher Ban. " 


Geh. 1 Ihre. 24 un. 
Dieſer erſte Bons einer neuen überſetzun 


Gr. 


IL Üüberſicht von — ** —* bie Bei cn 5 ne —— 
—— — 30 J € dat. Ede Bam. * außer —— —— ter — —8 
Kaiſer ch's IV. vor vor feiner wahl. Zwei⸗ * ——— ’ 
tee Band: Rai —— als RB s s und —E 
Surg —** vn 1 ven ACH ——* * —* Im October 1843. 
sare Balbo. Tom. J II. Terine 1838, 3) Histoire G F. A. Geschoss, 





Dante rar M. le Cherslier Artaud de Montor, 
5) Dante Aiighiers Wyeifäie Gedichte. Überfegs 


En vente ches F. A. Brockhaus à Leipuig: 


Nouvelles causes cAlehres 


du droit des gens. 
Redigedes 


le ‘Baron Charles de Martens. 
Deux tomes. 


Gr. in-8, Broch. 5 Thlr. 10 Ngr. . - 


Ouvrages du möme nuteur publi6s par in meme 
übrairie : 
Causos otlöhres du droit des gens. Deux .vo- 
lumes. Gr. in-8. 1827. Broch, 4 Thir. 15 Ngr. 
diplomatique. Contenant: 1° Considerations 
sur Petude de la diplomatie. 2" Precis des droits 
et des fonctions des agents diplomatiques. 3° Traite 
sur le style des compositions en matière politique. 
4° Bibliothöque diplomutique choisie, suivie d’un ca- 
talogue de cartes de geographie moderne. 5° Re- 
cueil d’actes et d’offices à Pappui du trait€ sur le 
style des compositions en matiere politigue. Deux 
yolumes. Gr. in-8. 1832. Broch. A Thir. 15 Ngr. 





Sn unterzeichneten Berlage ift foeben erfchienen und durch 
alle Buchhandlungen zu beziehen: 
Dr. Friedrich Schwitthenner, 
Zwölf Bücher vom Gtaate, ober ſyſtematiſche 


Encyktopaͤbie der Staatswiſſenſchaften. UVter 
Band (Ttes Buch). 


Auch unter dem Titel: 
Gruudlinuien des alUgemeinen ober idealen 
Stantorechts. Iiſte Abtheilung. Gr. 8. Preis 
1 Thir., oder 2 Fl. 42 Kr. 


Die zweite Hälfte dieſes Bandes wird in zwei Monaten | 


fpäteftens ausgegeben. 

Der im Sabre 1839 erfählenene Ifte Band umfaßt das Ifte 
bis Ste Buch und enthält außer ber Einleitung, Geſchichte 
der Staatswiffenfhaft, Ethnologie, Naturrecht 
und NRationaldtonomie Gr. 8. Preis 37, Thlr., ober 
6 Fu 36 Kr. Rhein. 

Der Ile Band, womit das ganze Werk geſchloſſen iſt, 
kommt alsbald nach Beendigung bed Staatsrechts unter bie 
Preſſe, ſodaß das verehrliche Publicum binnen Jahresfrift im 
Beſit deffeiben fein wird. 

Wir halten. es für überflüffig, uns über ben Werth ber 
vorliegenden „Encyklopaͤdie“ hier lobend auszuſprechen, nachdem 
die hohe Bedeutung des Werks in ber Literatur durch alle kri⸗ 
tifche Journale auf das rähmlichfte anerkannt if. 

Bießen, im September 1843. 


G. 3 Hener’s Verlag. 


Bi Br. Bam. Gerhard in Danzig it erſchienen 
und in allen Buchhandlungen zu haben: _ 


Schelliug. Borlefungn von Marl Koſen- 
kranz, gehalten im’ Sommer 1842 an ber 
Univerfität zu Königsberg. Gr. 8. Broſch. 
Preis 2 Zhle. 





— 


nfammengenommen f r 
Ja 
9 





Drud und Serlag von BE. &. Brodhauns in Leipzig. 


 ‚Shakspere’s Plays. 

K Zedes Städ if einzeln zu haben. 

Soeben wurbe verfendet: ” 
Shakspere dramatic Works, Part 239 — 37. 
Leipzic, Brothers Schumann. 16, Dreis 

jebes Baͤndchens 3 Ngr., oder 10'% Kr. 

wodurch num in biefer neuen Schum an n'ſchen Ta 
die fämmtlichen 37 Shakſyere ſchen une ee 
geliefert find. Jedes Bändchen enthält ein Schaufpiel und wird 
auch befenbers abgegeben zu IRgr., oder 10, Kr., ſodaß man 
aud) jedes einzelne Gtück zu ſehr billigen Preife befons 


ders kaufen kann. — Borrätbig in allen Buchhanblunges 
Deutſchlands, Öſtreiche und bes Auslands. 








Bei G. Wethge in Berlin iſt erfchienen: 

Köstlin, K. R, Der Eehrbegriff des Gyangeliums 
unb ber Briefe Yopannis und bie verwandten 
Nenisfenmenttipen Eehrbegriffe. Preis 1 Thir. 

gr. 


Die Schrift gibt zuerft eine Darftellung des Lehrbegriffs, 
ber Briefe und bes Evangeliums Johannis und fügt zu dieſen 
bie verwandten neuteflamentlichen Eehrbegriffe, ben bes Paulus 
(diefen nach den verfchiedenen Entwidelungsfiufen und Briefen 
nebft einer genauern Bearbeitung des Hebraͤerbrieſs) und ber 
——— ec Johannes ante elle und bebanbelt 

up jebem Lebrbegriffe den pra n Theil mit glei 
der Ausführtichkeit wie den theoretifhen. Der Zweck are 


Schrift ˖ ift, eine durchaus objective Darflellung ihres 


Gegenftandes zu geben, und dadurch zu einer wiffenfchaftlichen 
Geftattung der neuteftamentlichen Iheotogie —— 





In allen Buchhandlungen iſt zu erhalten: 


iſtoriſches Taſchenbuch. 


Herausgegeben 


von 
Friedrich von KHaumer. 
Reue Folge. Füufter Jahrgang. 
Gr. 12. Cartonnirt. 2 Thlr. 15. Nor. 


nhalt: I. Der Freiherr Hans Katzianer im Tuͤrkenkrieg 
Von- J. Meist. — Il. Die Ixgten Zeiten bes Sohanniter 
orvent. Bon BEifeed Reument. — III. Goethes Mutter. 
Bon K. &, Jacob. —. IV. ! ionig in feinem Verhaͤitniß 
zur pofitiven Theologie. Akadenüſche Rebe, am Seibnisifchen 
Gedaͤchtnißtage den 6. Juli 1843 voygetragen von SF. Bid. — 
V. Die Gründung der Untverfität Königeberg unb deren Saͤ⸗ 
cularfeier in den Jahren 1644 umd 1744. - Gin Beitrag zur 
bevorftehenden dritten Säcutarfeier. Bon Ed. Berpais. — 
VL Prinz Seopoib von Brauuſchweig. Bon &, 5, Keller. 


Die erſte Folge des Hiſtoriſchen Taſchenbuchs befteht aus 
kenn Yahrgängen 330-0). bie im —* iv Ihlr. 
0 Nor. Eoflen. Ich erlaffe aber ſowol den erſten bis fünften 
(1830-34) als ben ſecheten bis zehnten Jahrgang (183539) 

“ f , fobaß die ganze 
ge gehn Thaler koſtet. Einzeln koſtet jeder dieſer zeha 
a — 
an uen Folge , 4 
hiosite (1841) 2 Qpir. 15 Kor I been 2 pte., der 

Reipgig , ini Dctöbes 1843. 


SR. Brockhaus. 












Literarifier Anzeiger. 





1843. Nr. XXVIII. 


Diefer Uterarifche Anzeiger wird den bei $. 
Unterhaltung’‘ und „3 


BSohnftändig iſt erſchienen Und durch alle Buchhandlun⸗ 
gen zu erhalten: 


Denkwürdigkeiten 
Werusſote Shriften. 
R. U. Barnbagen von Enfe. 
Zweite Auflage. 

Ge Bände, 

&:. 12, Geh. 13 The. 


Die erften drei Bände enthalten , ‚DentwürbigPeiten 
bes eigen Rebens", ber vierte Bis ſechtte Ban „SBer- 


wird jebe biefer Folgen gefonbert 


für 6 Thlr. erlaffen. Bon ber erften Auflage find nod 
einzelne Bände zur Completirung vorräthig. 


Eeipzig, im Rovember 1843, 
EF. 9. Brocuhaus. 


An «ie ſollden andlu lands und ber be⸗ 
nadjartyn Eänber in hen Derfanbe erden, den: * 


Über bad fogmannte germanifche und das 
fogenannte hriftlihe 


Staatsprincip. 
ERIK beionderer Beziehung auf 


Maureubrecher, Stahl und Matthai. 
EM. Rarove, 


Dr. der Philoſophie und Ekentiat, der Rechte. 


Biegen u. Wiesbaden, Friedrich'ſche Verlagebuchhandlung. 
£ 1843.- XXXU und 432 ©. 
27% Thlr., oder 4 Fl. 12 Kr. Rhein. 
Dem auch in Deutfihland erwachten Streben nad) vers 
nunfts und fahgemäßer Kortentwidelung bed Staates und 
Rationallebens bat ſich in den legten drei Decennien eine Partei 





entgegengeftellt, weiche 18 ihren Widerftand zu rechtfertigen verfucht 1- 


hiſt oriſche e Princip, weis 

jedoch nur darin Ic daß willkuͤrlich abſtrahirte frühere 
fumgen des germanifchen Rechtelebens und Auffaffungen 

des Chriſtenthums auch jest und für bie Folgezeit noch normar 
tives Anfehen behaupten follen. In der vorliegenden Schrift 
find die hauptſaͤchlichſten Praͤtenſtonen biefer Partei ſowol vom 
hiſtoriſchen ats vom vernm ichen Standpunkte aus auf 
gemeinverfländliche Weiſe beleuchtet, und wer nur irgendwie 
Antheil nimmt an ber Grörterung und Loͤlung der eigentlichen 
Lebensfrage der Gegenwart, wird bie hohe Bedeutung bieler 
egeift nicht verlennen. Geinen Beruf zur Abfaffung derfelben 
der Hr. Berfaſſer bereits hintängtic durch feine frühern 

—E Arbeiten bewährt, unter denen wir nur zu ers 


Brodhaus in Leipzig erſcheinenden Zeitfchriften „Blaͤtter für literariſche 
fis‘' beigelegt ober beiechefiet, und betragen die Inferfionsgebühren für bie Zeile oder deren Raum 2%, Nor. 


innern brauchen an beffen Säriften „Über alleinfeligs 
machende Kirde" und „Über kirchliches Chris 
ftenthum u. f. w.“, fowie an ben „Ruͤckblick auf bie 
Urfahen ber frangdftifhen Revolution” unb bie vor 
zwei Jahren erfchienene „Benefis ber Julirevotution“. 





Sn untergeiönetem Verlage erfcheint und iſt in allen Burke 
bandiungen zu haben: 


Seitgemäße Auswahl 
Surdeeie gwinsıvs 


ns 
Al - PREIS und aan ins Schrift- 
deutsche übersetzt und mit den nothwennigsten geschicht- 
lichen Erklärungen versehei.. 
Bis jege find erfchienen: 
Iftes Bändchen: Bon der —R unb RAD bes 


gdttlihen Wortes. 7% N —5 re NKr 
— —B 


3100 Bändchen: Der Hirt. 11% New. (9 g&e.), ober 36 Sr. 
dies pam: Das Prebigtamt. 


—X x Binden Die Heilige Taufe. 15 Rgr. (12 g®8.), 


Pier Bändchen: Das heilige Abendmahl. 11%, Rar. 
(8 g@r.), oder 36 Kr 

7Ttes Bändchen: Eine Are Unterweifung,, 
in guten Sitten und chriſtlicher Zu t erziehen und 
folle. 3%, Rgr. (3 g@e.), ober 12 Kr. 

77 Damit biefe hier zum erfien Male in allge: 
mein verſtaͤndlicher Sprache erſcheinenden —— en 
Schriften des großen Reformators und Morfämpfers des 

zotekantismne ber Schweiz auf Doppelte Weiſe 3 
erbreitung der chrifttihen Wahrheit beitragen, wirb ein de 
bentenber Zpeil —— haıtene Unternehmens 


ercin oder ber 
Be Sheifs 


lesen 





* Verfuͤgung geſtellt werben. 
Meyer & Zeller in Zuͤrich. 





Im Verlage von F. M. Brockhaus in Leipzig iſt 
neu erfchienen und durch alle Buchhandlungen zu erhalten: 


Ein Schloss am Meer. 


Roman 


Levin Schücking. 
Zwei Theile. 


Gr. 13, Sch. 3 The. \ 





Ty Nor. (6 gBe),. _ 


wie man bie Jugend - 


| Bei mir iſt erſchienen und in allen Buchhandlungen zu erhalten: 


Das Aurchen 
geſtiefelten Kater, 


in den Bearbeitungen von 


Bitraparola, Basile, Perrault and Ludwig Tieck. 


Mit zwölf Radirungen 
vn Dtto Spedter. 


Kl. 8. Cartonnirt. 3 Thlr. 

Durch die geiſtreichen Radirungen Speckter's erhält dieſe 
Schrift außer ihrem literarhiſtoriſchen und poetiſchen zugleich 
ein artiſtiſches Intereſſe. Auf eine ſchoͤne typographiſche Aus⸗ 
ſtattung iſt große Sorgfalt verwendet worden und es duͤrfte 
dieſelbe hiernach —— zu Geſchenken ſich eignen. 

Reipgig, im November 1843, 
{ J. EU. Brodbens. 


Ein Buch in drei Sprachen. 
In allen Buchhandlungen ift zu haben: 

Le mie Prigioni — Mes prisons — 
Meine Gefängniflte. Bon Silvio Pellico. 
Schöne correcte —** in 4., dreiſpaltig; italieniſch⸗ 
franzöfifch = deutfch nebeneinander gebrudt. Herabge⸗ 
fegter Preis nur 20 Ngr. (16 gGr.), oder 1 FL. Rhein. 

Daſſelbe Werk italienisch = franzäfiih in 8 Broſch. 
175 Nor. (14 gGr.), ober 54 Kr. 

Daſſelbe Werk italienifch > deutſch Broſch. TA Near. 

14 gGr.), oder 54 8 

Daſſelbe italleniſch mit emerkungen und Wörterbuch 
un 8 5. Poſſart. 25 Ngr. (20 gGr.), oder I FL 

Die beutfehe Überfegung allein. Broſch. 19% Mar. 
(10 gGr.), oder 36 Kr. 


Verlag von F. H. Köhler in Stuttgart. 











Soeben find bei Megler in Stuttgart erſchienen: 


Shaffpere’8 Schaufpiele. 
Treu überfegt und mit Einleitungen und Erläuterungen 
von A. Keller und M. Rapp. Otes — I ates Bändchen. 
Schillerformat. Geh. Preis des Baͤndchens 6. Ngr. 

(5 gGr.), ober 21 Kr. 

Den Werth biefer tängft vorbereiteten, neuen übertra⸗ 
gung von Männern, die das genaue Berſtaͤndniß des Dichters 
und das Studium feiner Sprache zu einer Hauptaufgabe ihres 
Lebens gemacht, iſt von ben geachtetften Zeitfchriften bereits 
einftimmig anerfannt. Jedes Bändchen gibt ein Schaufpiel und 


Werte das 101 110t 21 7Y, Rax. 
Beten 6 gr. —* 7* — in dr ler 4 


m entfalten | it ft mmit Ak 1 —— 2 Ronne und 
ovellen vo ndig und To lr Ahle. 
4 gGr.), oder 20 Fl. 6 Kr. a 


Galerie su Bulwer’s Romanen 
Ste (Ichte) Lieferung. 20 eh. 5 Ngr. (4 gGr.), 


8 Kr. 

‚nie Die jenes vollendete Galerie —* 14 vorzuͤglichen Stahtſtichen 
je ne aus ben 14 groͤßern Bulwer'ſchen Romanen, 
bie iu "Ziteibilbern beftimmt find, und tft complet nur 
1 Ihlr. 3 Nor. (I Ahlr. A gGr.), oder 2 Fl. 6 Kr. 


Same’ Momane, 
in beutfchen Übertragungen herausgegeben von F. Notter 
und &. Pfizer. 5aſtes — 69fe6 Bänden. 16. Geh. 


Preis bes Bändegene 32 ‚Nr. (3 Or), oder 12 Rt. 
| 6 Bänbehen. 


Inhalt der 69: "Bänbeyen : Dee Zigeuner 


be 1.—5. Bock. 
weitere Menbehen ausgegeben. 

Borräthig in allen Buchhandiungen D eutfchland®, 

unb des Auslandes. 





Bei E. Bersib & Sohn, Buchhändler in Wien, 
ift foeben erſchienen und daſelbſt fowie in allen Buchhandtungen 
Deutſchlands zu haben: 


Neu erfundenes 


Eiſenbahnſyftem, 


nebst der Beseitigung aller bisher gefühlten 
Mängel und Hindernisse 


das mpflifche Raͤthſel der Bergfabrten mit gewoͤhnlichen 
Eocomotiven in beliebigen Steigerungen bis zur mathe 
matifch möglichen Grenze von 1:4, ſammt größerer Laſt 





als bis jegt an ber Ebene möglich geweſen, vollſtaͤndig, 


einfach und natürlich loͤſet. 
Dar 8 e t ellt 


Johaunm Seala, 
Dr. der Theologie und Cooperator. 
Erſtes Heft. 
Gr. 8. Wim 1843. In Umcchlag broſchirt. 
Preis 15 Ngr. (12 gGr.) 





Im Verlage von J. Sf. Brockhaus in Leipzig if 


iſt auch einzeln zu er gie. Etwa alle zwei Monate folgen-| neu erfchienen und durch ale Buchhandlungen zu erhalten: 


zwei bis brei weitere St 


Der Beste der. Baron⸗ 


von E. 8.8 
Diefer neuefte Roman, ber auch —*2 letzter Ro⸗ 
man ſein wird, iſt nun in unſern beiden Taſchenausgaben Com⸗ 
plet ausgegeben. Von ver Sammlung der Romane in Schiller⸗ 
at bildet derſelbe den G6Often — 6 Iſten Theil (Preis ah. 
— 1Thle. 8 gGr., oder 2 Il. 24 Kr.), von der der 


Bwi Gräber, 


Georg "Sejirges. 
Gr. 12. Geh. 1 The. 18 Nor. 








Riertchjahrs - Schrift 1843. Ates Heft. 


In Unterzeichnetem ift foeben erfägienen und an alle Buchhandlungen verfandt werben: 


Das Ate 





Heft der deutschen 


Bierteljahrs- Schri 





für 1843. 


Detober — December. 
Preis des Jahrgangs von 4 Heften 7 Thlr. 10 Ngr. (7 Thlr. 8 gGr.), oder 12 Fl. 
Inhalt: 

Die Koͤrperuͤbung aus dem Geſichtspunkte der Nationalökonomie. — Der Unterricht in dee Mutterſprache, eine 
Stage der Zeit. — Das philofophifche Princip in der Geſchichtsſchreibung. — Die Sefängnißreformen in Deutfch- 
land. — Das deutſche weltliche Volkslied. — Eine kurze Betrachtung über die Befefligung von Paris, — Theues 
zung der Lebensmittel in Folge von Miswachs, mit befonderer Beziehung auf das füdwefllihe Deutfchland. — Als 
terthumsvereine. — Die VBerbältmiffe von Deutfchland zu Frankreich. — Amtliche Vielfchreiberei. — Ein Wort über 
deutſche Belletriſtik. — Die Bedeutung bes Vertrags von Verdun. — Kurze Notizen. 


Stuttgart und Bübingen, im October 1843, 


J. G. Cotta’scher Verlag. 





Bolt. Kalender von Gubitz. 


Soeben ift an bie Buchhandlungen verfandt und überall 
(Preis 12%, —* oder 10 gGr., ober 45 Kr. Rhein.) zu haben: 


Gubitz „Volks⸗Kalender für 1344* 


(mit 133 vorglglihen gehfänitten, zum Theil in 
Barden -Bpppelbreud). 

Schon ift es *8 anerkannt, daB biefer zehnte Jahr⸗ 
gang von Gubig „Volks-Kalender“ fi) noch vor allen fruͤ⸗ 
bern Jahrgaͤngen auszeichnet, wie denn bee Derausgeber immer 
Neues zu bringen weiß, was Andere dann erſt nachzuahmen 
verfuchen. Übrigens bedarf es Keiner weitern Anzeige als: er 
iſt dat — denn wie bisher wirb bie Einwirkung biefes „Volks⸗ 
Kalenders” eine gefegnete und erfreuliche fein! 

Berlin, im October 1843. 


Wereins-Wuchhandlung. 





Bei. 8. Saaud in Duͤſſeldorf ift ſoeben erſchienen: 


Wladimir's Söhne. 


Ein Traueripiel in fünf Aeten. 


on 
Karl Weichselbaumer. 
142 Seiten in 8. Auf feinem Velinpapier. In far: 
bigens Umfchlag geheftet. Preis 230 Sr. 
Diefes Hiftorifche Trauerſpiel bekundet den 


„Die Eongobarden”, ein wahres Kunſtwerk ift, das ſich durch 


friebigende ee befannte Kataftrophe 


ichte Ruplands „zu deſſen Alleinperricher 


ſich im Anfange des 11. Jahrhunderts, nach dem Tode des 

Großf Wladimir, Swaͤtopolk, fein ditefter Sohn, durch 
Brubermorb machen will, aber als gerechtes Opfer der Nemeſis 
faͤllt und in dem tapfern und tugendhaften Jaroslaw feinen 
Nachfolger findet, iſt der Gegenſtand diefer Tragoͤbie. Jeder 
Sharakter ift meiflerhaft gezeichnet und Gedanken und Ausdruck 
wahrhaft poetiſch. 





Shen iſt verfendet von Ginrichs in Leipzig: 
Preusker, Ritter Karl, Slicke in Die na: 
terländifce wargeit; Sitten, Sa 
gen, Bauwerke, Trachten, Geräthe, aus 
dem beidnifchen Alterthume und chriſtlichen Mittels 
alter u. f. w. IIlter Band: Meifnifche und benach⸗ 
barte Gegenden. Iftes Heft mit 133 Abbildungen. 
Gr. 8. 1843, ) Thle. (Drei Bände complet 3 Thir.) 


Das Schlußheft diefes mit dem ehrenbften Beifall aufs 
genommenen Werkes wirb bald möglich folgen. 





Im Berlage von F. MC. Srockhaus in Leipzig ik 
neu erſchienen und durch alle Buchhandlungen zu erhalten: 


| enny. 
Don der Verfasserin von „Clementine“. 


Zwei Theile, 
Gr. 12. Geh. 3 Thlr. 15 Mor. 
Im Jahre 1842 erfchien ebendaſelbſt: 


Elementine. 
&. 12. Geh. 1 Thlr. 


U 


Bon dem binmen kurzem ericheinenden Werte: _ 


HISTORYOFTHR GONOUEST OFMEXICO: 


‚ LIFE OF THE CONQUEBOR, ‚HEBNANDO COBTES; 


WILLIAM HE. PRESOOTT, 
wird uf —— — Verfaſſers durch den Überfeger 
beffen „EB te Werbinands und Stabelia’s” eine 
beutfche ne vorbereitet, was zur Vermeidung von Col⸗ 
Kifionen bierburch angezeigt wird 


von 





Soeben erfchien bei K. F. Köhler in Leipzig und if 
in allen Buchhandlungen zu haben: 


Paris 
im Srühjahr 1843. 
Briefe, Berichte und Schilderungen 
von 
%. Aellited. 
Zwei Thelle. 8. 4 Thlir. 
Die gewandte und intereffante Darftellungsweife des Ver⸗ 
faſſers iſt anerfannt genug, als daß der Verleger nöthig 


hätte, dieſes neueſte Werk deffelben noch beſonders der Bunft 
bed leſenden Publitums zu empfehlen. 





Bei G. Sethhge in Berlin if erſchienen: 

Mitſcherlich, Cehrbuch der Arzneimittellehre. 

Iſter Band in drei Aötheilungen 3 y 4* Ser. 
Uter Band, Ifte Abtheilung, 2 Thit. 5 





Soeben ft nım voſtaͤndig arſchienen und in allen 
Buchhandlungen zu haben: 


Deutiched 
Kirch en iederbuch 


die Lehre vom Rirchengesang. 


Praktiſche Abtheilung. 
Ein Beitrag 
zur —A— der — und —I Pflege 
Kirhenlicbes, fowie der häuslichen Erbauung, 


‘ ange, 
Be. uw ordentlichen gprofeffor ber Kheoiogte an dpr Univerfitaͤt 


su Zuͤrich. 

8. Broſchitt. 3 Thir. 261 Nor. (3 Thlr. 21 gGr.) 
Diefes Werk, welches nicht nur Freunden und Stubirenden 
Enden da cn ſondern befonbers auch allen Erbanung 
enden als ein fe ausgewählter und georbneter 
geihlie er E ee. zu empfehlen ift, zeichnet ſich vor 
andern et ähnlicher Art noch vorzüglich durch geift: 
reiche, jebem Abfchnitte beigefägte Sinteitungen und beur- 

" theilende Anmerkungen aus. 
Der Herausgeber obigen Lieberbude wird don 
gwei fih ganz entgegengefegten Seiten umbiefes 
Werles willen heftig angegriffen, dürfte aber 


Drud und Verlag von F. 4. Broddaus in Leipzig. 


“ 


era de Deswegen bei Denen, welhe Im bogmati« 
der und hymnologiſcher Beziehung ziner Feeten 
Eestinen Richtung huldigen, befto eher Anerken⸗ 
nung ME finden. 
Ebenfalls ift nun bie zeheoretife Abtheilung biefes 
Bere einen unter dem 


kirch liche Fomnologie 


die Schre vom "Rirchengesang. 
Einleityng in das deutſche Kirchenlieberbud. 
8. Broſch. 15 Nor. (123 gr.) 
Meyer und Zeller in Züri. 





Bei Weichrich Fleiſcher in Leipgig erſchlen ſoeben: 
Geſchichte Rudolf von Habsburg; 
König der Deutfchen. 

Nach urkundlichen mei gleichzeitigen Quellen 


Pe teilt Hank uth 
. F. 8. Sc 
2 Bände. 12. Velinp. 2 The. 
1842 erſchien in demſelben Verlage: 
Geſchichte des Hauſes 
Bobenzollern 


Dr. G. Sailing. 
Str. 8. Veh. 3 Khlr. 





Bei Karl Gross in Qeibeiberg if loeben erſchienen 
und in allen Buchhandlungen zu haben 


Laurence Stark. 
4 family picture 


y 
Engel. 
Translated 
by Thomas Gaspey.. 
8. In Umschlag geheftet. Preis 15 Ngr. (3 gEr.), 
oder 48 Kr. 


Eine wohlgeiungene ü Afers cl beu 
Werkes: Engel, ee emſchen beutftgen 





In meinem Berlage ift neu erſchienen und durch alle 
aan (8. y ar 
aagen ( ), Kunftwerte a KRünftler 
ie Deutichland. Gefer Epell. 
Audy unter dem Titel: 
Runftwerke und Künftler im Erzgebirge 
und in Frauken. Sr. 12. Geh. 2 Thir. 15 * 
In aͤhnlicher Weiſe, wie in feinen „ Beieten üb 
werde und er in England d Paris“, 
verbreitet fi deu Berfafler * über Kunſtwerke Re und 
in Deutſchland. Die Schrift kann Kunftfreunden befonders au 
als ein mügliches Reifehandbuch empfohlen werben. 


Reipgig, im November 1843. 
F. A. Brockhaus. 
















eiterarifger. Anzeiger. 





1843. Nr. XXX. 





kiterariſche X teb ven Bei: A. Broc s in Lelpzi be tfi „Bi ei 
— * Ha RR, and betragen bie — ren für * deren 55 
5) lius in Stockzolm. Geh 
Most s (Dr. &. F.), ee —— 
Volke- ten, von Prof. BertHoTd. in Göttingen. Entwidelungss 


Eneykio eramınten 
—— oder, oder Lesikon der vorzüglich 
sten und wirksamsten Haus«' und 
Volksarzneimittel aller Länder. Nach 
den besten Quellen und mach dreltsigjährigert, im In- 
und Auslande selbat gemachten zahlreichen Benhachtun- 
gen und Erfabrungen zus dem Nelksleben gonmusk, 
Erstes bis drittes Heft: Aalsuppo— Left. . 
Gr. ‚Jedes. Heft 13 Ngr. — — 
dem daseh. 
eine Arm — — für 
den Werth dieses „Popalairen und gemeinnützigen Werks, 
Es wird aus fünf Heften bestehen und die übrigen Hefte 
werden in kurzen Zwischenräumen folge. 


age ber Intergeidineten H foeden erſchienen und in 
allen en su haben: 


Fandworterbuch der Yhyſiologie 
mit Ruückſicht auf phuſiologiſche Pathologie, 


in Benmens mit mehren Gelehrten — von 


Profeſſor der Phyfiologie an der Uniserfität Söttingen. ' 


Mit Kupfem und im den est gedruckten Holzſtichen. 
Drei Bände von 50— 60 Bogen, größtes Ocrav, in 
Lieferungen von 8— 12 Bogen. Preis der Lieferung 
mit Hol chnitten und fertafeln seh: 1: Thlt. 
chienen sind Kieferung 1-— 

Diefes Handwoͤrterbuch bringt die phufiologifchen Lehren und 
viete für Se eigene Re Pattotogie unb POL She wich⸗ 
tige Abſchnitte um ge ebrängter Monographien, nach alpha⸗ 
betiſcher —2 —* aͤnnern bearbeitet, welche dieſelben 

um —— ſpecteller Forſchungen gemacht haben. 
So trägt das Woͤrterbuch mehr den Charakter eines Hanbbuchs, 
das Eh eines Berfaſſers deren mehre hat. Die Koryphaͤen 
dieſes Zweiges deutſcher Wiffenfchaft haben für die Beurbeitung 
der Artikel ihre Ritwirkung er —— und em Theil ſchon er⸗ 
faͤllt. Band I, Lieſerung b II, h 
enthalten: Leben, —— von def Eope in 
20. Abfonberung, Gleltricität der Thiere, €: 
brung, Blimmerbewegung, Balvanismus (in 
feinee Ginwirkung auf den thierifchen Körper), Gewebe bes 
menfdlihen-und-thierifgen Körpers, von Prof. Bas 
Lentin, ne 8 Atrophie, von Dr. Canſtatt in Ans 
ern ung. bie. wel A —X er 
tee unverlettem Thorax, von ef re. 
ne in Eng SaO Biht, Chylus, von Def, en, in 
3 a anne ee om, 35 
von e en 
Sieber, von a in öko. Galle, von 





gef HALT on befonberer Berädfichtigung der Misbildungen, 


. w. Biſchoff in. Beibelberg.: Dazu, von 

Prof. ee acan in Seipzig. Haut, von Medicinalrath Perf. 

Kraufe —— 
chweig, im October 1 

Friedrich Yineg & Sohn. 








In der Balls’schen Buchhandlung zu Stuttgart sind 
soeben: erschienen uml "können darch alle Buchhandlungen 


. hezagen werden: 


Die Gelenke und Bänder 


menschlichen Körpers. 
Friedr. "Arnold, 


Professor der Austomie su Freiburg. 
Mit 14 Tafeln Abbildungen und 7 Bogen Text, Grossfolio- 
- Preis 4 Thhr., oder 7 Fl. 
Dasselbe Werk mit —— Text unter dem Titel: 
Icones articulerum et ligamentorum corporis humani. 
Septem tabulae elaboratae et tofidem adumbratae, 
( Tabulae anatomicae. Fase. IV. Pars II.) Fol. ma). 
Preis 4 Thir., oder 7 FL 





Bei uns if ſoeben Be und in —* Budheuunan 
su haben: 


französische Conin tion 
? nebft Ha Eon; 8 a 


Bildungsgeſetze der feanzöffäen Sprade, 
. Geineich Kurs. 
8 Veoſch. 20 Nor. (16 gGr.), ober 1 Fl. 13 Mr. 
Meyer & Zeller in Zuͤrich. 


a iogranbie 


jungen amerikaniphen ih 
Margarethe IR, Devidfon. 
Aus dem Engliſchen 


Washiugton Srsing. 
Gr. 12. Geh. 18 Nee. 
Leipzig, ei 3. %, ABM, Brräyen. 














Rene Berlags. be pi 





ul ã 
Mittlere edihah 


—* 
Manen. Bivel Theile. 
Weit, Sandbuch der W erheilhunde. Refultate pwoͤlf 
jähriger in Graͤfenberg und Freiwaldan gemachten Er: 
fahrungen. 174 2 


— Ir. Wanderin Wenderbuh IL 1 Bi 


—— — — Briefe aus Paris. — Tage⸗ 


baunfen 
















Gedich 
ER, Hasifge —— — Y% Zhle. 






Eine Sef- 
A Kple. 


—* ⸗ er ⸗ —8 —— Fir mai au 








das weibliche — ee Auflage * 
3 Stahlſtichen. Drei Thetle 2. Then 

— — Des dentſchen Meeſte fu dire 
feflichen Umrifen für Die reifere 
ven Bwei Theile. 3 Thir. 

Ahh., Seſemmelte Schriften, Morllen un 

Vich A Bier Baub. 3°, Thir. 

Rent, I, Vier rider aus Dem Wolke. Zwei Theile 





A Bilde ass dem Pihmerweide. 1 The. 





Per, 
Schriften von H. Koenig. 
* —— — —R je Samen en 
von mir zu beziehen: 
William's 
DHL Und Trodten 
Ein Roman 
9. Roenig. 


Bwei Theile. 
&:.8. 1839. Geh. 4 Thk. 


Bon B. Koenig erſchienen bereitö in meinem Verlage: 
Bie Doßs Braut. Gin Roman. Zwei Theile. 8. 1833. 


Beh. 4 Ahle. 
Die eidenfer. Ein Roman. Zwei Theile. 8. 18386. 
Gh 4 Ahle. 
VBie Bu et. Trauerſpiel in fünf Mufzügen, 8. 1636 
“. Sin Derzensgefhihte. Gr. 12. 1843. Geh. 
Reipzig, im Rovember 1843. 
J. A. Brockhaus. 


— tr ea Arte 
nen un ern aue uchhan ungen zu be en Ein 
—28 * —— 











r die Krätze 
und —*— nach der onglischen!Hothode 


Dr. 2m. "Yısin. 


"kön. han. Hofmedicus. 
2te Auflage. Gr, 8. Osnabrück 1843. Geh. 
Preis 18°, "Ngr. (13 gGr.) 
Diefe neue —— liefert —** wichtigen —* 


wie die erſtere 


in den en Ir 42, Se Kane, de ee in * 


bis vier grande und ohne Nachtheil geheilt wurhen, 
wie dies fr der Ball war, deshalb es wol 0 inet weiters 
Empfehlung biefer cift bedarf. 
"A önneokaschunzen: poychelogisch-gerichifiche He 
uB 010 
dein und Syphilis, " Aus dem Fisnss 





mit 
Anmerkungen von Dr. A. Droste. Wohlfeile "Aus- 


gabe. Gr. 8. 7 Ngr. (18 g6r.) 

Me ‚ Das bᷣritte der Ein 
fü ing der Reformation in die Stadt Dine- 
Beil, Br. 8. Geh. 15 Ngr. (12 gr.) 

slüller, 5 2* Der alten Brafen von 


Gr. 8. Geb. I Thu. 
5 Ngr. (1 —* 8 gGr.) 








Bei Benumälee & Geidel in Wien If erſchlenen: 
Das Ste Geft der 
ÖOestreichischen militairischen Beitschrift 1843. 
anbalt biefes a peften: 
L Die Schlacht bei Brienne 1. unb 3. $ebruar 1814. 
mit bem — ehige Car eher . Einige 2 Worte über bie 
allgemeine wedhfe a ns u ntenverficherungs: 
Ankalt in Wien, vom —E des Militairs. — III. Der 


idzug 1710 in Spanien und Portugal. — IV. Das Treffen 
DE fat am 96. Suni Fi enge 


derungen. — VI. Kartenankuͤndigung. — VI. Des Pri 
Eugen von Savoyen Wirken h ben Jahren I 
Beilagen (Bortfetung) Nr. 59 — 70. — VIH. Miscellen unb 
Rotizen Rr. 3 


Preis des Jahrgangs 1843 in 12 Heften 8 pr. 


Ton J. x. 
en Be —* aus in Eeiptis ik durch alle 


An Aremens gemeinen Mann. 
on befien Mitbärges 
Begeune 








Im Wuterpemeiem finb fochen eefäimen unb burd ale Bedanktungen zu Segichen: oo W8 











Tohaun Eadie lav Yyrker’s 
ſämmtlich 


Reue durchaus verbefferte Ausgabe. 


e Werke. 





Drei Bünde im bekannten Taschenformat unserer sämmtlichen Classiker. “ 
Preis 1 Thir. 10 Ngr. (1 The. 8 gSr.), oder 2 FL 15 Me. 
um ben Anlauf für Lehranftalten gu erie erleichtern, find wir bereit, bei 25 und mehr Gremplaren den Preis auf 1 Thlr. 


5 Ron. (1 Spie. 4 9@r.), oder 2 Bi, zu 


ermäßigen, wenn biefe Zahl auf einmal genommen wirb. 


ßen Theu mehält: Qunisias. ter Theil: Rudolf von Habsburg. Iter Theil: Perlen ber heiligen Vorzeit: 
Der ehrwürbige Sänger, ber in bem erſten biefer Heldengebichte die Groberung von Tunis durch Karl V. unb im zwei 
ten bie Thaten Rudolf's von Habsburg in harmoniſcher Weife und Versart ungen bat, gehört zu ben ſeltenſten Dichtern 


Deutſchlands wir koͤnnen ihn zu ruͤhmen nichts Neues hier ſagen, denn er iſt all 


anerkannt und geprieſen. 


Seine Form tft die claffiihe des Homer, bie er auf das gluͤcklichſte handh at, und weiche ſich für 
unb epifche Landſchaftgemaͤlde als bie mufterhaftefte barbistet. Mit vollem Recht wird er daher ber erſte jept lebende epiſche 


genannt. 
In ben Perlen bes heiligen Vorzeit, bem allbelannt vortrefflichſten Werke biefer Gattung, deſſen Gtafficität in allen 


Landen beutfcher Zunge, und, fo weit un cite Fe und Frömmigkeit wohnt, Iängft anerkannt iſt, befingt der Berfa 
—— Auſerſtehung), Samuel (Gericht), Heine (Glaube, Eiche, Hoffnung)⸗ 
aftabder ( Troſt, Hingebung, Gieg 


Abraham (Berbeifung), ofer (Got 
erigg (Ab, unſterblichkeit) 


ſſer? 


erken muͤſſen wir noch , dieſe Werke faſt in alte europäifden Sprachen überfeat wurben. 


Benttgert und Züßingen, im September 1843. 


I. ©. Cotiaſſcher Verlag. 





Reue ——— Werke. 


5. Freih. v. Gross, Gerlogie esguofte nnb 
Detrefactentunde, Mit An rkilvungen der 
bie ——a —— — charakteriſirenden Petsefacten. 
9 Xhlr., oder 3 ZI. 36 Ar. 











Srieint foeben und zeichnet fi durch feine außerorbent« | 


lich ſchoͤnen —— aus, —— en diefe Vinſenſchaſten 
—— — Gonbbu dee Mi: 
Dr. €. 5. %. Hartmann’s 
neralogte. Mit viren in den Tert eingebrudten 
Sohfenieen und 30 lithographirten Foliotafeln. Zwei 
Bände. 7% Thir., oder 13 Fl. 57 Kr. 


Diefes auf dem Standpunkte neuefter Seit ſtehende Wert 
“ fett einer Reihe von Safeen m wieder ba ee er ent, volls 
nobucı Dee bei guoßen 


Mitteln , Apparaten und Gabineten aus — ——— — er⸗ 
erfrent es ſich bereits ber raͤhm — 
—— —— —— — 30; Pr — * 
Wiener Bufauts, 1843, Nr. 97. 
£yell, Beunbfähe der Geologie, oder die 
neuen Veränderungen ber Erbe und ihrer Bewohner 
In Bestehungen zu geologiſchen Erläuterungen. Iſter 
Band: Geſchichte und Zertfibeitte der Geologie und 
Einleitung in die Wiſſenſchaft. 2 Thlr., oder 3 SL 
36 Kr. — 2er Band: Veränderungen der unorganifchen 
Weit, ober "die Einwirkungen des Waſſers auf bie 
Geſtaltung der Erde. 2% Thle., oder 5 Fl. 6 Ar. — 
3ter Band: Veraͤnderungen der organifchen Welt. 
2%, Ihle., oder 4 Fl. 48 Kr. Preis aller Bände mit 
— Saft 1% Thle,, 37 1 3 * 30. 
auſerordentii plaus, womit dieſes en 
Deiginal in England’ In Aurger Aeit eben Auflagen. eriehte 


€. Cyell, Glemente der — Aus dem 
Englifhen von C. Hartmann. Nebſt Atlas von 
36 Tafeln. Eleg. cartonn. mit Goldſchnitt. 2°. Thlr., 
ober 4 Fl. 57 Kt. 


Gartmann’s Taſchenbuch für zeifende Mi: 
seralogen, Seologen, Berg: und Hhttenleute durch 
die Hauptgebirge Deusfhlande und der Schweiz. Nebſt 
Atlas von 14 lithograpdirten Tafeln mit illuminirten 
Sebirgebuckhfchnitten und Karten. Eleg. in Wachs⸗ 
taffet gebunden in Soldſchnier und Futteral. 3% Thir. 
ee Lobe beehrt in G Repert 

it roͤßten ee ersborf's 

1838, Kr. 21; geiftn De * — ae 

Diem Sf, 1839, Heft 9; leſiſche Provinzialblätter, 1840, 
c. 4% 


(In allen Buchbandlungen zu haben.) 


So wird man gefund, 2 
ober genaue Auskunft uͤber das Naturhelifoften des Ye Beanz 
Thiel und fein Berfahren jede chroniſche Krankheit ber Wiens 
fen, infofeen fie nice ſchon durch Desorganifation 
geworben iſt, ehne Mebieamente, one au klare Schwi 
ohne den Gebrauch ber Sturz⸗ Voll⸗ 
und Wellenbaͤder, blos durch eine mn de, Ba, Kann in 
swedmäßiger Being mit biätetifchen Ge auf eine 
leichta Welle und nn von Grund ans heilen 

—* 3. Geh. 15 Mar. 


Feipzig, bei Brochhaus & Zenarin⸗ 





Cotton IR unlgegeben wochen 


Das Koben Som... 


Eine pragmatifche xſchichtsdarſtelleg 








Werner Sahne end 
Sr. 8. ° Elegant geheſtet. 15 Be. ’ 

Die des Verkes unter A krit I den in {um in —— 

— a een und ihre S—— stein — 5 han ben, Gi = 
neue wiſſen Peinsipien 

Das aut i i le, in de ſchaftliche ruͤ du Unt enthau 
md in den —— der die Durdfägrung veheiken liefert. &o ie ba de wiffäofüüße Begrlube f nie: a ernehment 

In der Abſicht des Berfafſſers iſt es nur der erſte Theil einer fenden —— b for; "ganzen Dion chen Seblets 
der Beiklichen ee ah gewit ber erſte Schritt zus einer neuen Begründung und winern Gehaifung ber. wankend ge 


Eintertone esiguet in b 
1 f ui ge te er ganzen ri 


merkſam zu — 
Berlin, den 22. Detober 1843. 





ichen Melt, ſowie Bei den gebildeten Wekrnnern al- 
wöhnlies Mu eben au erregen — erlaube ich mir hierdurch noch befonders auf: 


Alexander Buucker. 





. Bei C. Gerelä & Sehm, Buchhändler in Wien, 
ist soeben erschienen und daselbst sowie in allen Buchhand- 
lungen Deutschlands zu haben: 


....®9am m lung 
Formeln, Aufgaben 


Beispielen 


Cenlemeirle ebenen und sphärisehen 
| Trigenometrie, Ä 


ksseniungen anf die "Starcometito. und Pal 
| ner Snrgegenen 


Joseph Sa Iomon, 
Sffenti, ordent). Professor der Elementar- und höhern Maihemaiik 
äm k. k. polytechnischen Institute, Generalsooretair der allgeihci- 
nes wechselseitigen Capitslien- und Renten- Versicherangsanstalt 
in Wien, ü. 2. w. 
Gr. 8: Wien 1843. Preis 2 Thlr. 


” 





Aus dem ber Greutg'ſchen Buchhandlung in 
Wagbeturg BR. | ale Buchhandlungen zu beziehen; 
Bus für die Jugend und ihre Freunde von 

. Heinemann, fauber cartonnirt, Thir. 

Ten Inhalt auch einzeln gar den Titeln: Das 

Eichhoͤrnchen — Die Säule ber Leiden — 
Der Dflegefohn, & Ye Thlr., zu haben iſt. 


Wei G. Bethae in Berlin iſt erfchienen: 

aphaen⸗ Schule non At on 
Ein an im —A Verein zu 
Bon A. Trendelenburg. Mit den Nmriſſen nah 
Giorgio ee 10 Gar. 











leifeger in Eeipyig ik zu haben: 


Bei Friedrich 
Aphorismen über die bildenden Pünfte 
durch Beifpiele erläutert 


— ©. Bubsianb,.. 
Maler, 


nn .. Prüs sehifiet wu 
Da eibe mit e ben in 
Eye: ir r m „Kine all: Semi er * —* 
von Jeruſalem. 





Bei GBerhardb in Danzig tft foeben erſchlenen un in 


allen Buchhandlungen zu haben 
23* ke 


Dr. %. Ju a Zinigtheng 
über 


Gr. 8. — 1 10 
ke 8 gr) Thu. 10 Ser. 
Einer von. Jung's Suhörern nennt biefe Vorleſ wein 
, in 
——ã— S das faule delſch der Zeit 


Preoisherabsetzung. 
Ged A] te 


—R von #Ballersichen. 
Bändchen. | 
&. 12. are Geh. 3 The 
nn erübgefekter nreiR 1, ht. 
haltet neue " Yusgabe (einer Cor erid a Dee in —— 
——— Buchandlum I bei 9 te ig Eef@ien, veranı 


laßt mich obige er er 
u sr. Werden, 











Eeiprig, im Ro 





Druck und Verlag von F. X. —XE in Seipzig. 





Eiterariſcher Anzeigen, 


1848, Nr. XXX 


in Leipzig erſcheinenden EHE —— für ijterariſche 





—AI 
Unterhaltung” und ; BER“ vignt or ober Öeigeheftet, unb betvag 





die Infertionsgebi 






nn ee en m 


Worifelle Ausgabe von Frederike Bremer’s nenom Roman. 


Binnen AM Tagen erfcheint in meinem Veriage und wird in allen Buchhandlungen zu haben fein: 


Ein Tagebuch. 





Breberiee Bremer 


Aus dem Schwediſchen. 





Zwei heile. 
Ge. 12. Geh. 20 Mgr. 
Die übrigen Theille dieſer billigen Ausgabe der Schriften von Frederike Bremer: 


it einer Vorrede ber Verfu 
tzäblungen. — 


Kleinere 


Die Nachbem, Serfafferin. Vierte Kuflage. 
— Ni ite A wei T — Dat ä. Oritte A Zwei T 
Auflage. na. 3weite wage. Hr heile. a aus. r Auftane. Aufan. heile. 


ei — Die Töchter des Yräffdenten. Dritte 
Ziel Theile. e er de I Die Beni d 


find fortwaͤhrend zu besh Preiſe vorn 10 Ngr. fhr ben Theil zu erhalten; die vollfländige Ausgabe in 12 Theilen koſtet 4 Thlr. 


Eeipzig, am 15. November 1843, 





Mei Vetedrjch Slezſcher in Leipzig iſt ericlenen: 
Ges ch ichte 
Öftensehgifhen. Kaiſerchums. 

u) Jentel, 


Doctor der RMechte und —* —— — Nathe bei dem 
maͤhriſch⸗ ſchleſiſchen Appellationsgerichte. 
eheftet 1 Thlr. 20 Mor. 
Das oͤſterreichiſche Kaiſerthum als einer ber Bauptftaaten 
von Europa muß ein Begenftand der Aufmerkſamkeit für jeden 
gebilbeten Mann fein, welcher fich mit dem Stubium ber Poli: 





ttE oder ber 1a chte bef ftigt und zwar beſonders in dem 
jegigen — ‚in werden einerfeits die Verhandlungen des 
ungariſchen es und das Hervortreten ſiab bens 
gen in Metern kerreichifchen, Provinzen nette und wichtige, 

ei allem Dem aber ene heinungen find, ande⸗ 


rerſeits aber jcoße ee Sntwidelung und bie Hoffe 
nungen des —— — — Zollvereins wieber viele Öfterrekbff 


—*58 beruͤhren. a Geſchichte der dfterreichifchen Mon 


—E behandelt, —— — Tuffſchluffe, beſon⸗ 
— do Manne bargeftellt wird 
19212 gehe 8 san lan mar enge ic 
Gefegfammiun n bikannt iſt und Ag in feinem im Jahre 1840 
zu Leipzig chienenen Werke uͤber Geſeggebung und Staats⸗ 


8 


aͤrtigen Werke fireng wiffen: | 


F. A. Brockhaus. 
t Bewei {n 6 ten Barftellm 
inte os eben Hat. f Die er —&& en, —*—* 
norbdeu 


n —— feinen Werken zu Theil wur⸗ 
den, buͤrgen dafuͤr, daß in dem gegenwaͤrtigen Werke nur 
Butes geleiftet wurde 





Bei Jules Renonuarb & Eomp. in Paris erfchien 
und his dar alle Buchhandiungen des In⸗ und Auslandes zu 
zieben : 


ANNALES DE L’FMPRIMERIE DES ESTIENNE 


0U HISTOIRE DE LA FANILLE DES BSTIENNE ET DE BES BOIFIORR, 
paX A.-A. BENOUARD. 
Deuzieme edition, corrigee et considerablement augmentde, 
dedice à S. M. le Roi des Frangais. 


1 beau vol. & 2 colonmes sur papier velm coll, avec 
portraits, fac-simile et grand tableau gendalogique. - 
Prix: In-4. 11 Thir. 20 Ngr. — — In-8. 4 Thlr. 20 Ner. 


ANNALES DE L’IMPRINERIE DES ALDE | 

OU HISTOIRE DES FROIS MANUCE Ef DE LEURS KDIEIONR. - 
PAR A-A, RENOUARD. 

Troisieme edition, beaucoup augmentlde, imprimde en 1 sen ' 

volume in-®. à deur colonnes. 


Prix: 5 Thlr. 77% Ngr. 


Ra nde, Im Verlage von F. WE. Brockhaus in 
RAN 


Buchhandlungen gu 
Gedichte 


Bnitus Mosın. 
Zweite vermehrte Kufiage, 
&. 8. Geh. 1 Thir. 18 Mer. 


Bde 


bon 

Kari TSyorkter. 
Herausgegeben von Eubwig Lied. 
Zwei Theile. 


Mit dem Sildniſſe des Pi 
Gr. 12. Geh. 3 Thlr, 


Gedichte 


yurften 3 Eynar. 
Gr. 8. Geh. 1 Thir. 18 Nor. 








Leben und Dichten Wolfram's von Eſchen⸗ 


bach, herausgegeben von San-Marte. Ifter Bd.: 
Parclval, ins Hochdeutſche Übertragen; ter WBb.: Lie: 
der, Wilhelm von Drange und Titurel von W. v. €. 
und der jüngere Titurel von Albrecht in Überfegung 
mb im Auszuge, nebſt Abhandlungen über das Leben 
und Wirken W. v. E. und die Sage vom heiligen 


Gral. Magdeburg in ber Creutz'ſchen Buchhand: 


lung erfchlenen. Preis jeden Bandes 2'/ XThlr. 





In Unterzeichnetem ift foeben erſchienen und an alle Buch: 


handlungen verfanbt worden: 
Biographifcher und juriftifcher 
Rachlaß 


von 
Dr. Karl Salomo Zachariä von Lingenthal, 
Derausgegeben 
von deffen Sohne 
Dr. 6. €. Zachariä von Lingenthal. 
Gr. 8. Brofh. Preis 1 Thlr. 5 Nor. (1 The. 4 gGr.), 


oder 2 51. 
Inhalt: Erſte wbeheitung. Biogeap Bildes. 
823. — von dem 


I. Autobiographie vom Jahre 1 

eber. 1) Ein Verzeichniß der Sariten bes Berflorbenen. 
3) Sin von Demfelben verfaßter Dialog Über die Phrenologie. — 
Zweite Abtheilung. Yuriflildes. 1. 
Fe echt der Staaten bes rheiniichen Bundes. II. Über den 

fire Hi entlichen Rechts und den bes Privatrechts. III. Won 

ee tungögrunbe ber Rechtögewohnheiten. IV. Das 
— Reät, eine Quelle des gemeinen Eatholifchen Kirchen: 
rechts. V. Das Recht der Satholifchen Kirche iſt auch in dem 
Binne cin beutfches ct, daß es auf ben fittlichen Zuſtand 





I Zu Sehne. X. Über bie Frage: Kann ber 





Über das Staates 


ER: 





* Pekomaiifis —— IX. e —* —* in * 
Berleger 
eine Zufliumung bes Ber: 
faffers erben? XL. Über von Met yes Blunks, Sant: 
Inngen, bie bios unflttlich find, gu befteafen. 

-Gteuttgurt un * im Deteber 1868. 


I. 6. Cotwiäer Werlas- 












römischen Alterthümer 


 . nach den Quellen bearbeitet 
von 
Wilhelm Adolph Becker, 


Professor an der Universität Leipeig. 
Erster Theil, 


Mit vergleichendem Plane der e der Stadt und vier andern Tafeln 
Gr, 8. Broschirt. ‚Preis 3% Thlr. 
Leipzig, im October 1843. 
eidmann’ sche Buchhandlung. 





Im Beriage Frieder. ierweg & Sohn 
Brounfhweie PN focben erſchienen: 
Entwicklungsgeſchichte des Kaninchen⸗Eies. 

Gekroͤnte Preisſchrift, 
ausgeſetzt von der phyſikaliſch - mathematiſchen Claſſe Der Ara 

preufifgen Akademie der Wiffenfhaften im Jahre 1 

Bom Prof. Dr. Ch. E. W. Biſcho ff in — 
Mit 16 Sreintafeln Gr. 4. —— Velinpap. Geh. 


Syftem der eci⸗ Eſteriden. 

Don Dr. Joh. Müller und Dr. Fr. Herm. Troschel. 

Mit 12 Kupfertafeln. Gr. 4. Feines Velinpap. Geh, 
Preis 9 The. 





Wonftändig it jest im Verlage von Brockhau⸗ 3 %ve: 
*3 in sig erſchienen und durch alle Buchhandlungen 
zu beziehen: 


Mickiewicz (Adam), 


Vorleſungen über flawifde Fiteratur 
und Buftände. 


Behalten im College de | France in den Jahren von 
840 — 42, 
Deutfe mit einer MWorrede bes ers ver 
’ fehene Ausgabe. werten 


In zwei heilen oder vier Abtheilungen. 
Gr. 12. Geh. 5 Kehle. ' 


_ 











Bei Bunden & GumBist in Buztin:tä;imige erilimen-unb wech, alle Wudkbendiuugen gu: beziehen: . 





Kegels9 hi asophie 


„1 I rare Ausgũugen. 


Zür Gebildete aus deſſen Berken aufantmnengefeit und mit einer Sinleitung beraudgegeben 


. di —8 und er. 
W 0.8, Preis 3 Ih. 


stbildung zum Theile zu Refultaten gelangt, denen gegenüber fein Ber 
die ufan ee das Yon ben Männern der 
ie nicht. zur Sache des Stubiums machen 
‚deu gegenwärtige Auszug aus Na Werten l 

ben demnach ſolche Abſchnitte heraus ns denen ſich biefe am. tiefen ausſpricht 
* N 4 a eine abgerundete, und für: 


Die von ‚Hegel begrünbete Pñlolophle iſt bei ihrer 
biſdeter mehr muͤßiger Zuſcheuer "bleiben kana. Ga iſt alfeo 
Denen, welche bie Philo 
Einen Beitrag hierzu 
irgendwie zu erſetzen, ſondern bie ‚Herausgeber uchen 


ſammenhang du blicken laſſen, anbeeee 
aͤnde enthalten, die einer allgemein 


—* nahıng angehören. 
veitung ber Hegelfchen Anfang ( in i 


villert. 


in ein oͤglichſt klar *84 Auge aa 
n em mögli en vor u legen. 
—ã— Er —*88 keinen Anſpruch, die ——— 
Hegelſche BBeltanfean vor Augen zu Bi bringen, und hes 

‚ und weldge einerfeits einen allgemeinen Zus 
ſelbſt verftändtiche Betrachtung über Gegen⸗ 


Wenn fomit die Hauptabficht dieſer Schrift auf eine größere Bers 
ven Grundzůgen gebt, fo ift fie auch geeignet zum tiefen Studium ber Werke bes Meis 


ters felbft einzuladen und bie Zänger ber — in dieſe auf eine leichte und bequeme Art einzuführen. 
Diefe Werte ſelbſt beſtehen aus folgenden. einzelnen Abtheilungen : 


Philoſophiſche Abhandlungen. 3 Thir. 

Phaͤnomenologie bed Geiſtes (2te Auflage), 3%, Thir. 

Biſſenſchaft der Logik, drei Baͤnde (IAte Aulage). Thir. 

Encyklopaͤdie ber päflofophifhen Bifenfäaften.. Ifter Band: 
Die Logik (2te Auflage). 1%, Thi 

Daſſelbe. Iter Band: Ratrrphilsfoppir. 3%, Thlr. 

Phitofopbie des Rechtes ( 2te Auflage). 1%, Thir. 


Die completen Werke (627 1/, Bogen) Eoften zum Subfcriptionspreis 39%, hir. 


iloſophie ber ih (2te Auflage): Ei, Zhlr. 

ee, dret B Auflage). r. 
Reli n&philofe * Bände — Auflage 4%, Abir. 
Grfe chte ber Hhitofophie, Ifter und 2er Fr (2te Auflage). 


/ hl 
ie te Auflage bes Iten Bandes beflgdet füh unter ber Preffe.) 
Vermiſchte Schriften, zwei Bände. 6% The. 


Philoſophiſche Propaͤdeutik. 1%, Thir. 





Die Zeitſchrift: 


Die Sreuzboten. 


Eine Ventfhe Revue 
vebiget von - 
V. Aurauba. 
beainnt ihren dritten Jahrgang. Mir laben das verebrliche 
ZYublicum zum neuen Abönnement ein. on gröfern Auffägen 
brachte ber Jahrgang 1843 unter Anderm folgende: 

Beitungen unb d Aeitfehriften, 
ſchen Preffe und ihre Aufgabe. — Münchens Kunft und Künfts 
ler, geſchildert in zwölf Briefen. — Beſchauliche Briefe aus 
Sſtreich. — Deutſche Belletriſtik im Jahre 1842 — Hiftorifche 

aus Belgien. — Dramaturgiſche Streifzäge von einem 
eunseutihen. — Die Sranzofen und ihre Berühmtheiten: Gui⸗ 
ot, Sand, Lamennais, VB. Hugo, Lamartine, Geribe 
amt treffiiden Portraits). — Neue Bauftbichtungen. — 


Die belgiſchen Städte und ihre Kunſtwerke. — Der Abel in 


Öftreih. — ungariſche Zuſtaͤnde. — Preußifche Bors und — 
ſchritte. — Irland und O'Connell. — Die * ber augs⸗ 
burger Allgemeinen Zeitung. — Schelling und Goethe. — Das 


Haus Rothſchild und bie Süden in Deutfchland. — Aufzeichnuns 
gen eines deutfchen Fluͤchtiings. — Der —æ— die 
Polen. — Marie Louiſe, ein Sharakterbild. — Franzoſiſches 

Theaterleben. — Deutſche Einheit. — Reiſeblaͤtter aus Hol: 
land. — Der Rheiniſche Landtag und die Freiheit der Preffe. 

aus der polnifchen Emigration. — Socalbilder aus Wien. — 

2 lammänber und ihre Sprachlämpfe. — Sir Robert Peel. — 
Dftende und feine Badegaͤfte. — Gommuniftifche Helden und 
Helbinnen. — Die Deutſchen in Belgien. — Franzoͤſiſche Jour⸗ 
naliſtik im Sabre 1843. — Die Freimaurer in Belgien. — 
Briefe von ber Eiber. — Literatur Über und aus Öftreih. — 
Der König von Schweden, eine biographifche Skizze. — Frans 


Zum Berftändniffe der deut⸗ 


zöfifches Deutſchthum. — Eine wunde Stelle unferer Literatur. — 
eutfche Kriege im Frieden. — Thiers (fammt deſſen Pors 
teait). — Die beiden Fürften Lichnowsky. 

Das Tagebuch (Feuilleton) bringt Notizen und Kritiken 
über die neueften Erſcheinungen in Politik, Literatur und Kunft, 
Sorrefpondenzen aus Paris, Wien, Berlin, Leipzig, Frank⸗ 
furt a. M., Stuttgart, Köin, Weimar, Brüffel, Prag u. ſ. w. 

Als Ertrabellage ericheint (außer den wöchentlichen 
Heften der Revue) aller 14 Tage ein Heft Novellen, welche dann 
am Ende eines jeben Jahres vier ſtarke Bände in gr. 8. bilden. 

Die bisher erfchienenen Novellenhefte brachten febeiten von 


H. Koenig, Laube, Woldemar GSeyffarth, Bert: 
hold Auerbach, Baron v. Bülow, X. Weill, Guſtav 
Kühne, 8. Diefenbad, H. Schiff u.X%. Borbereitet find 
Novellen von Sternberg, Willkomm u. f. w 
Der Xoonnementöpreiß I * 6 gone Jahr if 10 Ihle. 
Daun abonnirt bei allen 
ämtern. 


In b 
Fefzutrat u ere Bee Vie — a 


Reipsig, ** Rovember 1843, 





F. X. Herbig. 


Im Berlage von F. A. Brockhaus in Leipzig iſt 
neu erſchienen und durch alle Buchhandlungen zu erhalten: 


Ein Schloss am Meer. 


Roman 


Levin Schücking. 
Dei &heile 











5 tn re MT2L 207 


RN 


LI77 — —R 


.d 


; ,: F 





Schany Gottfrieh $ von Berder. 


Yllustrirt durch 70 


HoIxschnitite, 


nach Zeichnungen von Eugen Heureuther 


geſchnitten von don beſten engiifhen Hoizſchneidern: 
Kyomyion, Drrein Wiwieund, Gray, Bright, —X vx. 
Zweite, m nenn} Holsfänittin gezierte Anflüge. 
| eine auf wei Ehe Der Preis 
———— a a a 


Gtuttgart und wäpingeh, im Detober 1843. 


In unferm Verlage ft ſoeben erſchienen und durch alle 
Buchhandlungen zu bezteden: 


Sodphyrenden 
Gehorn 1841 und 1042. 


w. Vu. 
Zwei Theile. Gr. 13. Geh. 2 Thir. 30 Rar. 
Beine und Paris, im November 1843. 


Brockhaus d Avenarius, 
Buhhandtung für deutiche und auslaͤndiſche Literatur. 





Soeben ist bei Meyer 
schienen und in allen Buchbandlangen zu haben: 


MONOGRAPHIEN 
der Säugethiere. 
Herausgegeben von 
“ Dr. MH. RR. Schin®, 
Prof. der Naturgeschichte und Mitglied vieler gelehrten Gesellschaften. 
Mit Abbildungen much der Natur und den vorsäglichsten 


3 ezeichnet von 
„ Lithograph. 


Fe Lieferung. 


Gr. 4. 1 Thlr. 7% Der. A Tal. 6 gGr.), odek 
| Fr 


auf Schönheit als auf Wohlfeilheit kein anderes ähnliches 
Unternehmen coneurrirt, werden jährlich circa 6 Lieferungen, 
jede mit 6 illuminirten Kupfertafeln und Text, erscheinen. 
die Lieferung za I Thlr. 7%, Ner. (1 Thir, 6 gGr.), oder 
93 Fl. 12 Kr. Subscriptionspreis. 


& Zeller in Zürich er- | 












— Bet, — ‚Bien, in 
Ta zu Haben: 
Grundriß 


Kutfaslehre 


theoretifg: praktifhes 


öffentliden und gim Privatauterrichte. 
| Joh. Sach h. Hurtet, 


Profefſor am ©. k. polytechniſchen Jaſtktute. 
Dritte verbeſſerte Auflage. 
Gr. 8. Wien 1843. Preis 1 Thir. 20 Fer 
(1 Xhle. 16 gGr.) 





Im Berlage von “. Brockßaus in Eeipzi 
new erſchlenen und — A zu beziehen: si 


Geſammelte Novellen 


von 
Theodor Mügge. 
Bierter Bis ſech ter Theit, 
Gr. 12. Geh. 5 — 


Anhalt: Eiche in alter Zeitz 


_ Der geaͤhr liche 
| Stoinemünde und KRügen; Jakobine; Herz und Melt; ‚88 
Von diesem Werke, u — sowol in Hinsicht . &in 


Medaillon; Der zum WMäd; 
Das Gold der Pin 06; Bimon. 
Die erfien brei Theile der gefammelten Res 
vellen des beliebten Werfaffers (1842, 4 Zpir. 
T5 Rar.) enthalten: Angelicas ie Emigranten ; Rofalie; 
Zwei Bräutes Lebensmagie; Paul Jones; Neffe und Nichte. 


Abenteuer in Holland; 


Drud und VBerlag von F. U. Brodheus in Eeipzig. 
en RU [‚‚ÜÜ used 











Siterarifger An jeiger. 





1843. Nr. XXXI. 


Diefer-Literasifie Anzeiger wird den bei 8. 


In allen Buchhandlungen iſt zu erhaltn: 


Hiſtoriſches 


A. Brochaus in Leipzig erſe 
Unterhaltung” und „fie beigelegt ober beigeheftet, und betragen bie Infertionsg 


ienden Zeitſchriften „Slaͤtter für titerarifce 
ihren für die Zeile oder deren Raum 2%, Rer.. 


Taſchenbuch. 


Herausgegeben von 


Friedrich von Raumer. 


Rene Folge. 


Bünfter Jahrgang. 


Gr. 12. Gartomnirt. 2 Thlr. 15 Ngr. \ 
Anpait: I. Der Frelherr Hans Katzianer im Tuͤrkenktieg. Won J. Soigt. — II. Die legten Zeiten des 


Sohanniterordend. Bon Wifeed Beumont. — 
feinem Verhaͤltniß zur pofitiven Theologie. 
vorgetragen von IC. Roi 
ten 1644 und 1744. 


Zeopold von Braunfgweig. Bon G. W. Keßler. 


III. Goethe's Mutter. Bon K. @. Yacsb. — IV. Leibnig in 
Atademiſche Rede, am Leibnigifhen Gedächtnißtage den 6. Juli 1843 
ee — V. Die Gründung der Univerfität Königsberg und deren Säcularfeler in den Jah⸗ 
Ein Beltrag zur bevorftehenden dritten Saͤcularfeier. 


Von Ed. Gervais. — VI. Prinz . 





Die erſte Folge des Hiſtoriſchen Taſchenbuchs beſteht aus zehn Jahrgaͤngen (1830 — 39), die im Eodenpreife 
19 Thir. 20 Nor. koſten. Ich erlaffe aber ſowol den erſten bis fünften ( 1830— 34) als den ſechsten Eine 


ten Jahrgang (1835—39) aufemmeng: 


Reipgig, im November 1843. 


Soeben ift im Verlage von F· 6. Köhler in Stutt ⸗ 
gart erfhienen und durch alle BWuchhandiungen zu erhalten: 


Allgemeine 


Geſchichte des großen Bauernhrieges.- 


Nach handſchriftlichen und gedrudten Duden 
don 


Dr. W. Zimmermane, 
Durei Bände. Größtes ‚Detauformar.: 80 Bogen flat. 
Preis 4 Thir., oder 7 SI. 

Mit, dem dritten Bahbe-iH:nun ein Merk beendigt, weis 
os: in der Weite deutſcher jösbächer einen - dauernden 
Shrenplag einnehmen wird, Gin Recenfent dußert ch barüber 
nie folgt: „6 zeichnit ſich dies Geik zunächft durch viele 
widtige völlig neue Ergebniffe über den Bauerntrirg 

"aus, ald Refuttat — urchforſchung Fränifigee, ſchwadi⸗ 
ſcher rheiniſcher/ ſawelnriſcher und aiſaſſi her Archive , deren 
unmittelbare Benutuͤng dem SBerfaffer geftattet war. Man 
un despalb mit dollem Redgte fagen, baß,bucch die Erſchei⸗ 

"biefed Auellererkes über eine dey mestmüchigfen Spoden, 

“ ie eutfchen Geſchichte ein ganz neues“ Alm verbzeitet" toied. — 
Dbwol aus Lrfunden hervorgegangen, iſt der Stil nichts wer 
niger ats troden, wie ‚denn des Werfoffers lebhafte und glän: 
gende Darftelkungegabe ſich bierin wine ig. Die 
niffe des Krieges werben nad} voraegegangener Ginuitang) 
Pa und in ne ee — | 

6 hervortreter pi finy wi em Gffect: 
behandelt, daß fie hiſtoriſchen Gemälden zu vergleichen find,! 


nommen für fünf Thaler, ſodäß bie ganze Folge gehn Thater 
Einzeln Eoftet jeder diefer zehn Jahrgänge 1 Thlr. 10 Kar. ‚ ber erfte, dritte und vierte Jahrgang der Neue 
(1840, 1842, 1843) jeder 2 Thle., der zweite (1841) 2 Thlr. 15 Mor. 





Ei a ——— 





de 
w 
8 
de 
bi 


° Gonstitntion-de-Fngleterre.- 


'Meari Söuffrey!! 
. In-8. Beoch, 2 Th.) ° 


— N 
Ourrages de M. Jowffroy, gublide per ia inöme Uhrsikle: 





"Science des finances, exposde theoriquement et. 1 et pratiquement, 


et expliqude par’ des exemples tirds de l'histoire financiere 
woderne des &tats de l’Europe. Ouvrage traduit .de 
allemand de M. da Jaood. 2 vol. In-8. 184. 5 Täir. 

Catöchinme de droit naturel, à Yusage des diudianfs en 
droit, In-8. 1841. 4 Thir. 


“| Manuel db litzerature aucienne, ou court apergu des anteurs 


Snssigues de Farchöologio, de 





aytbölogio et des = 








des Grecs et Rom: Ouvrage tradalt‘ 
„Elend Ran 1842. 3 Thir. 
ilosophie critique de Kant, exposte en vin, Er een. 
Onvrage — de Vatlemand. Fine 8, 1842, In 'hlr, 


Beamte. 


Le droit: canpn ‚et sen application H P N 
% Thir. 


Mantel tradult do laltemand. In- 


 Sandwirthschaftliche Dorkeitung 


‚Herausgegeben von 
©, u, Pfaffenrath un Willianu Röbe. 
Vierter Jahrgang. 4. 20 Ngr. 
Leipzig, bei F. A. Brockhaus. 
- die wöcentiich 1 1 Boge Hutünbigun 
—— a at 2 Rer. ws für den Kaum einer geipaltenen 
57 beſondere Senzeigen 26. gegen eine Vers 
gütung von %, Thir. für das Zaufend beigelegt. 


Inhalt bes Monats Detober. 


orfzeitung: Das Diehierben der Schafe. — Über 
die Biden! —— aftlicher Ortsvereine. — Benygung ber 
Schweineborſten. — Abloͤſung bes Raeee der Fallmeiſter 


von Seiten der Communen. — Flurzwang. — Sibiriſches 
Heilkraut (Heracleum sibiricum). — Verſchiedenartige Ver⸗ 
wendung ber Kartoffeln. — Erbffnung bes Untetrichts im 
ganbwirthfehaftlichen Inftitut zu Wiesbaden. — liber die Nach 
theile ber Ackerraine und über ben Nuten bes Bufammentegens 
der Gruudſtuͤckke. — Bu welcher Zeit fol bie Herbſtſaat beitellt 
werben? — Über das Trocknen des Kleeheus. — Pflanzt 
Baͤume ap! — Dofbkaftdaree. — Weintrefteen verbrennen? — 
Miscellen u. ſ. wm. — Mnterhaltungeblait: Blorida 
in Nordamerika. — Gruppen engliſcher Hunde. Mit einer 


a u: ah rthſchaftli Bert In acfgpöningen. — 
Leichenſchrift fuͤr einen —** old. — Die Bauern vor ber 

fiebenten Berfammlın beutfäher Land» und Forſtwirthe in 

Altenburg. — — Gin furdtbares Ungluͤck. 





In Sommilften bei Jriedrich Fleiſcher in Leipzig 
erſchien ganz nsu: 

Oertel B. Dictionnaire Francais- 
Busse redige d’apres les autorites les plus mo- 
dernes. 2 Vol. complet, avec un Supplement, cont. 
an. dictionnaire complet de zoologie et de botanique 
en langues Te et latme. Gr. 8, St.- 
Petersburg. 6 Thir 

Didelop A. v. Grammatikaliſch⸗ Unterhaltungen 
in der Ruffifchen Sprache. . Gr. 8. Ebendaſ. 1 The. 

WDidekop TC. v. Geographie des Ruſſiſchen Reiches 





nd ben neueften Quellen bearbeitet. 8. Ebendaſ. 
1 Thlr. 
Erſchienen iſt: 
Wedell, R. von, Historisch -goographischer 


Hand-Ätlas in 36 Karten nebst eriäüterndem 
— Mit einem Vorwort von F. A. Pisch 
In 6 Lieferungen, Quer-Imp. Pol. 2teLief. 1% Thir. 
Bedarf dies ausgezeichnete und überaus praktiſche Werk, 
über das mir von allen Seiten bie anezfennendflen Urtheile zu 
gehen, erneuter Smpfehlung, fo mag bie 
Annahme der Wedication von Sr. Maj. dem 
Konige von Irrussen 
fowie d 


Gyr Seh Suttubminifetum der —E gt 


gewiß ins Gewicht fallend fein. 
Berlin, am 1. Rovember 1843, 


Alerander PYuncker. 


Keil S Bereit & Cohn, Bu in Wien, it 
forsen erfienen “anb er —* —— 
Deutſchlands gu babens 


Metropol ltankirche 
St.- Stephan in Wien. 


Befchrieben 


a 7 iſchk 
ME fhifte. 


Bweite, salurkunden umgearbeitete Ausgabe, 
mit einer Diane vier Aupfertafeln md einem Grundrisse. 


Wien 1843, 
8. In Umfchlag broſchirt. Preis 1 Thlr. 

Vorliegendes Wert, bas hier in allen heilen nach ben 
betväbrtefien Quellen und Dxiginalurfunden von dem Berfaſſer 
forgfättigft umgearbeitet und mit den neueflen Greigniffen bes 
Domes und feines weltberühmten Thurmes ausgeſtattet erfcyeint, 
hat den Zweck, dem Beſchauer beffelben als zuverlaͤſſiger, beich 
render Wegiveifer zu bienen. Es erfheint demnach bie Bau: 
und Ki ſchichte fireng abgefondert von der Befchreibung, 
in weicher legtern Alles mitgetbeiit wurde, was nur immer an 
alten unb neuen tmälern der Kunft und fonfligen Merkwuͤr⸗ 
digkeiten noch vorhanden iſt. 











Soeben iſt bei uns erſchienen: 
Vorleſungen 
Wesen und Geschichte 


Beformation. 


Dr. SW. Husensam, 
in Baſel. 


Genster ÜIegter) Zpelı. 
Auch unter dem cia 


Kirhengefhiäte 
18, um 19,  Iatyhemderte 


aus dem Standpunkte ns evangelifchen Proteſtantiemu⸗ 
etrachtet. 


Zweiter Theil. 
Gr. 8. (xzıv und 480 Seiten.) Preis 2% Thlr. 
Eeripzig, den MW, Dctober 1 


manche Buchhandlung. 
Diograpbit 


ver jungen amerikauifcden 
margaretde ER Davidfen, 
m Englifchen 
——— Bring. 
Gr. 12. Geh. 18 Nor. 
Leipzig, bei 2.2.0 R. Brochaus. 





In unfergelliten Anh foeben erſchienen und an alle Muchhanpiungen verfanbt worden: 


‘ 


m 2 


- 


\ - 


Gefammelte Werte 


des Grafen 


Senguft von Binten, 





| Tafchenansgabe in fünf Bänden. 
Gehe Lieferung vder erſter und britter and. 


Mit des Usrfessee Bildniss in Stahlstich. 


% 


nyaLlt: 
Eeſter Wand. Platen's Biographie. Lieder und Romanzen, Balladen. Vermiſchte und Gele zenheitsgebichte. 


Dritter Band, 
Rhampfinit. Der Thurm mit fieben Pforten. 
. Bm. Platens 
Geraus, und zwar zu einem Preis von 
Subferiptionspreife 3 Thir. 15 Nor. (2 Thlr. 1 


Die neuen Proffgeten 


is erhöht 3 Thlr. 10 Nor. 3 Che. 8 ger), ber 
prei * — keinen ud auf Wornusberahlung , fondern für den Gubfcribenten nur die Abnahme ber 


marhen durchaus 


gangen Ausgabe gur Bebingung. Aus diefem Grunde können wir weber beim Erſcheinen 


einzelne Bände ablaflen. 


arte auch bei bass Minderbeguͤterten ein; 
15 Rot. (12 g&r.), 
Gr.), oder 4 Fl. 


MWathitde von Valoise. Mer glaͤſerne Pantoffel. Berengar. Der Schatz bes. 

Irene um Treue. | 

ubärgeen, geben wie biefe Ausgabe imı Wege bee Gubfeription 
ober 4 


Kr., für den Band. Das ganze Werk koſtet mithin im 
* Berſendung ber letzten Eieferung eintretende Eaben 


noch nach Vollendung des Werkes 


Die zweite Lieferung, den zweiten, vierten und fünften Band enthaltend, wird in wenigen Mochen gleichfalls bie Preſſe 


verlaflen. 


Jede Buchhandlung ift von uns in ben Stand geſetzt, die Taſchenausgabe zu ben obigen Bebingungen gu liefern. 


Stuttgast und Tübingen, im Dxctober 1883. . 


I. ©. Eotta’fcher Verlag. 





Im Verlage von F. Brockhaus in Leipzig ift 
neu erſchienen und durch alle banbtungen gu erhalten: 


Gedichte 


von 
' SIvr Uns Mofen. 
Zweite vermehrte Auflage. 
Gr. 8. Geh. 1 Thir 18 Ngr. 





Bei Bundder 8 Humdist in Berti | 
fchienen und durch alle Buchhandlungen zu — ſoeden en 


Danb’s 
philoſophiſche und theologifche Worlefungen, 
herausgegeben von 
Dh. Marheineke und Ch. W. Wittenberger. 
5ter Band, Rte Abtheilung: 
Oyftem ber theslogiſchen Moral. 
2ter Theil, 2te Abtheilung. 
Slebst einem gwiefachen Anhange der Kehren von der 
Bünde und von der Natur des Bösen. 


Br. 8. Gubferiptionspreis für Abnehmer des Ganzen 
1’ Thle., für Abnehmer einzelner Vorleſungen 2 Thlr. 
(Die Moral ze. in 8 Bänden 7 Tplr.) 
Dieſer Band ber Daub'ſchen Vorleſungen enthält ben 
Schluß der theologifchen Moral, empfiehlt fich aber durch bie 
GSegenftänbe, welche in bemfelben behandelt werben, einem all» 
Beineinen Sntereffe noch in einem höhern Grabe, als die beiben 

bern Bände des Syftems der Moral. Die Sittlichkeit, wie 
fie fih in der Familie, in ben verfchlebenen Staatsformen und 
in der Kirche darſtellt, iſt es, was bier allfeitig exdrtert wird 
und, wiewol Theil eines größeren wiſſenſchaftlichen Zuſammen⸗ 


hanges, fi body zu einem in fich gefchloffenen —— abrundet, 

wie denn Daub mehrmals über dieſen Theil ber Moral beſon⸗ 

bere Vorlefungen hielt. Auch die Behanblungsweife ift geeignet, 
biefem Bande Theilnahme in weitern Kreiſen zuzuwenden, ine - 
dem die erwähnten praktiſchen Gegenſtaͤnde der Sittenlehre nicht 
ſowol in firengen Sprache des Syſtems, als vielmehr mit 
berfelben echten Popularität behandelt find, weiche der Anthros 
pologie bes Verfaſſers fo zahlreiche Freunde erworben hat. 





In. unterzeichnetem Verlage tft ſoeben erfchien 
allen en zu baden, r " en und in 


Weſen, Einrichtung und padagogiſche Bedeutung 
des ſchulmäßigen Studiums 


der neuern 
Sprachen und Eiteraturen 
die Mittel ihm aufzuhelfen. 


Dr. Mager, 
faͤrſiſich ſchwarzburg⸗ ſondershauſenſchem Cducationsrathe, Prof. ber 
franz. Sprache und Literatur an ber Gantonsſchule in Aarau und 

Mitalied vieler gelehrten Befehl 
8. Broſch. 


ſchaften. 
In einer Zeit, wo mit Beziehung auf den Jug 








18% Ngr. (15 gGr.), oder 1Fl. 9 Kr. 


der Werth der alten claſſiſchen Sprachen mit demjenigen * 


neuern Sprachen und Literaturen fo ernſtlich verglichen mich 
dürfte obige intereffante Schrift des als Gen ode 
mann allgemein geachteten Verfaſſers ganz beſonderes Intereſſe 
erregen, weswegen wir uns erlauben, biefelbe nicht nur allen 
Pädagogen, fonbern auch allen Erziehungé raͤthen und 
Staatsmännern Überhaupt angelegentlich zu empfehlen. 


Meyer & Zeller in Zuͤrich. 


N 





\ 


Freunden ber Seblrge umd b Weftigern ber —8 infonderd uud. als raſſendes Seſtae ſo⸗enr fuͤr wander⸗ 
Iuflige Junglinge, empfiehlt ſich das ſoeben erſchlenene Buch: 


Zopograpbifche 


Mittheilungen aus vom Alpengebirge 


G. Studer. 
Eingefügrt von Profeflor Bernhard Studer Mit einem Atlas. Auch unter dem Titel: 


Die Eiswüften 


und felten betretenen Hochalpen und Bergfpitzen des Cantons Bern und angrenzender Gegenden. 


Nit Vignetten, nſtgt und einem Atlas von 8 großen Blättern, gemalter and ſchwarzer gehiegbansfichten und Profil. 
8. Geb. in Etui. Preis 2 Thlr. 7% Ngr. (2 The, 6 gGr.), oder 3 Fl. 36 K 








nBalt: Beſuch der Bebirge von Dberhasle. (1. Zriftgieticher. 8. Der Bang auf bie Gtrabied) @in Streif: 
zug ae den If Vorl @letfäer nah Gaſtern. Eine Wanderung nad ben Gebirgen von Grindelwalb 
und Dasle. (1. Grindelmalder Eismeer und Schwarzhorn. 2. Erſteigung des Suſtenhorns. 3. Die Steintimmi, bas Stein: 
haushorn und bie Grimſel.) Befleigung einiger Bebirgehdhen und @letfer in den Hodhalpen von Bern 
und Wallis. (1. Ausflug nach dem Aletſch⸗Eiſsmeer und Erſtei lgung der Jungfrau. 2. Das Äggiſchhorn am —* 3. Der 
Bieſcher⸗Gletſcher und das Oberaarjoch) Beſteigung des Mahrenhornse, Engſtlenſatteli und des Titiis. — Die 
mit größter Treue aufgenommenen und beigefügten Bergprofile und Gipfelausfichten find von weſentlichem Werthe für den Gebirge⸗ 


forſcher ſowoi als für den Raturfreund. 
BSuber & Comp. in Bern. 





"En vente chez Brockhaus & Avenarlusi Leipzig: | Für Sefecichel um Seil und Seihbiblistheken. 


Bei S. E. Feigfge in Seipiig iſt erfchienen und 
de 1a litterature francalse. in allen Buchfandlungen zu haben: 





Troisieme arinde. 1843. | Joſep hine. 
h main ero A feuilles. — 
Fre a nd Til. == On * ci ta “ Geſchichtlich er ‚„kebensroman 
raires 6 poste, oaux 
A. zw Yaande te 1843 peuvent se procurer len deux 9. E. X Belani. 
premieres anndes de E Eche au prix d’une Drei Bände. Brofch. Preis 4 Thir. 15 Mor. 
sense, . . 
Sommaire des Nos. 20 — 43. Heute wurbe ausgegeben: 
Une noce dens un sidge. Par J. L. — Les enfants de ⸗ ⸗ 
la . Par Sir Paul Robert. — Sabine de Vill u 
u Par Locise Coll. — Les aiglen — Par Arthur Eonversationg Lexikon. 
Tribunauz. — In vie jons- marine, — Le een mar Par op Neunte Auflage. 
— ts Adöie Hommalr 
de Heil. — Impressions Ge lecture et souvenirs —— wBierundzwanzigtes Veft. 


d’un inconnu, — Casanova de Beingalt. Par Old-Nick. — er Mi dieſem Bette iſt ber eirie Band 
Petites plaies sociales. — Les fllusions. Par Z.... — | (Buchholz - Ossugrad) geſchloff 
„Lermite de Bath. — Chevalier de la Jarretiere. — Anecdote. ı. VDieſe: neunte Auflage erfcheiht im: —* vber 120 Hef⸗ 
ten zu dem Preiſe von, 5 Ygr. für bad Beft in der Ausgabe 
auf f Mafhinenpap; ß der Ausgabe au un reibrap. 
&n der Gebauer'ſchen Buchhandlung aus Harıe if koͤſtet der Banb 2 Thir. auf Velinpap. 





erſchlenen: 


L F. Kacmtz, Lehrbach der Meteorologie. ie aruhen Veniligen tif 2 “ Ban 


“ Ister Band. Istes Heft. Preis 25 Ngr. ( 20 .gGr.) eremplar.. 
Diefes als das ausführlichite und anerkannt gebiegenfte |' ntündiguagen auf ben umfelägen der tingefnen Hefte 


Werk der Meteorotogie erfcheint in monatlichen Lieferungen à ‚bes, Gonverfationd: Leriton (Kuftage 25,000 , Speniptane) werden 
DB Nor. Si % ©r.), deren jeder 1 Yithograpfirte Tafel beis | Her Raum einer Zeile mit AO Nor, bepedgnet. = 


gegeben und in 9 Eirferungen volftändig fein wird. Nicht allein Reipsig, 3. KRovember 1843. 
dem Raturforfcher, fondern jedem Gebälbeten dürfte dieſes Wert '8, | 
von hoͤchſtem Intereffe fein. S. A. Brockhaus. 


Drud und Verlag von F. A. Brodhaus in Leipzig. 





Siterarifcher Anzeiger. 





' 1845. Nr. XXXII. 


Diefer Literariſche Anzeiger wird den bei PA. Brodhaus in Lei 
Unterhaltung” unb „Iſta beigelegt ober beigeheftet, und betragen bie In 


Bon dem in Paris erfchienenen Werke: 
Manuel d’anatomie generale appliquee à la 
physiologie et la pathologie p. L. Mandl. 


ird inem Verlage due | eine beut 
Bearbeitung vrfigeinene —— ieſſer ae deutſche 


Dr. L. Mandl’s 
Handbuch der allgemeinen Anatomie, 


angewendet auf die Physi und Pathologie. Nebst 
“einer Einleitung über den Gebrauch des Mikroskops, 
Deutsehe nach dem französischen Original vom Verfas- 
ser besorgte, mit vielen Zusätzen: versehene Ausgabe. 

In zwei: Bänden. Mit zehn Kupfertafeln. 
was id zur Vermeidung von Gollifionen hiermit anzeige. 

Reipsig, am 1. November 1843. 
F U. Brockhaus. 








Bei under & „gumbist in Berlin hi foeben € ers 
ſchienen und durch alle Buchhandlungen zu beziehen 


Pie Marguife von £* vr 


Roman 


Sean Sharles. 
Drei Bände, 8. Geh. 3 The. 

In biefem Werke, das den BVerfaſſer in jener ihm von 
mehren kritiſchen Organen angewiefenen, bebeutfamen Gtellung 
zur neueften Literatur noch mehr befeftigen dürfte, iſt es wieder 
vorzugsreife das Leben ber großen Welt von feiner Schatten⸗ 
feite, deſſen naturwahre Darftellung er ſich zur Aufgabe feiner 
poetiſchen Wirkfamkeit gemacht bat. ine intereffante Hand⸗ 
Iung voll mertwärbiger Charaktere und feltfamer Gonflicte, ger 
halten durch dichteriſche vein flitifiete Sprache, erhebt biefen 
Roman zu einer jebem Gebildeten empfehlenswerthe Eecture. 





des Biterar n Eomptsirs üs 
rich * W —A iſt — et na 


Der Bakobiner in Wien. 


Oftreihif Memsiren 

aus dem letzten en des 18, Jahrhunderts. 
Zweite vermehrte uflage. 

21 Bogen in Tafchenformat und engliſchem Band, . 1843. 
1 Thlr. a, Nor. (1 Wir. 18-9@r.), oder 3 Fl. Rhein. 
In großastigen Veltdrama ber legten funzig Jahre hat 
Oſtrei id eine der dedeutendſten Mellm gefpielt. Wir 
befigen jedoch von biefer Seite her noch wenig ausführlidye Dars 
ſtellungen berfelben aus ambern. ats effielellen Quellen, unb die 
innen. Zuftände der Monarchie während dieſer Periode find faft 
ny unbeleuchtet geblieben. Die Memoiren, welche bier bem 
Habt ubticum gebeten Gerden und ben Zeitraum vom Zobe Kailer 








einende „Blaͤtt literari 
Piiontgehlieen für bie Bee ober deren Bam 34 Re 


Sofeph’s II. bis zum zweiten Kriege gegen Frankreich (1790) 
umfaffen, füllen einen Theil diefer Eüde aus. Wie der Boppels 
titel ondeutet, fuchen fie die Mannichfaltigkeit des gefchichtiihen 
Stoffes, ber Ginheit eines poetifchen Intereſſes unterzuordnen, 
indem in ihnen die Poefie als Traͤger ber Kr bient. 
Was die Vermehrungen und bie Verbeſſerungen weiche 
biefe zweite Auflage erfahren bat, jo find — Bath Beige 
einer nochmaligen Fanftterifähen Umarbeitung bes Ganzen 

einer weitern Ausführung einzelner früher —— — 
abgebrochenen Partien, wodurch tie Schrift unſtreitig an kuͤnſt⸗ 
leriſcher Einheit gewonnen bat. 





Soeben iſt bei den unterzeichneten erſchienen und in allen 
Buchhandlungen zu haben: 


Rethodiſcher Zeitfaden 
Unterricht in Der "Ratnegefhiähte 


bdihere Schranfalten 
S 3 A. Eisclhers 


Drofeffor der Naturgeſchichte. 





Erster Theil. 
Zhiertunude. 


Zweite, umgearbeitete, fehr vermehrte und doch wohl: 
feilere Ausgabe. 8. Broſch. 10 Ngr. (8 gr.) 

Die vielen vortheilhaften Beurtheilungen, die biefem Leit 
faben bis jegt zu Theil wurden, entheben uns ber Nothwendig⸗ 
teit winer neuen Gmpfehlung, und wir erlauben uns einzig 
noch ausdruͤcklich darauf aufmerkſam zu machen, daß dieſe ſchneli 
erfolgte zweite Auflage, obgleich um vier volle Bogen vermehrt, 
dennoch einen niedrigern Preis erhalten hat. 


Meyer 9 Zeller in Zürich. 








In meinem Berlage erfchien und ift durch alle Buchhand⸗ 


lungen zu beziehen: 
Geſchichte Europas . 


feit Dem Ende des 15. Jahrhunderts 


Gr. 8. Druckpap. 2 Thir. 15 Ngr., Velinpap. 5 Thlr. 
Der erſte bis ſechete Band fallen o auf f Deudpapiex 17 Xhle. 
28 Rgr., auf Belinpapier 35 Ihle. 25 Nor. Mit vom fpäter 
erfheinenden achten Bande wird das Merk gefchloffen 
Bripsig, im Rovember Mn 


SF. A. I. Brachdens, 





Sandwisthechafliche Morfeitung. |. 

e von 

®, v. Pfaffenrath und Kilftem Röbe, 
Vierter Jahrgang. 4. 20 Ngr. 


. Leipzig, bei P. A. Brockhaus. 
Veele weker mie ken — 





berechnet, DBefonbere Anzeigen 2c. gegen eine Ber: 
gftung von y, Thlr. für das te beigelegt. 


Anhalt des Monats November. 
u orfgeitung: = Gutachten über bie Gem: und Dürsfät 
ees. — Das Yuppen bes Getreides. — Anfragen 

an re Löbtiche Hublkımn der Bandiwirthfchaftlichen D 
— Mittel gegen das Aufbiähen bes Rindviehs. — Die 
wirthſchaft der Öftlichen Schweiz. — Die häufigen Klagen über 
* unregelmaͤßiges und oft zu ſpaͤtes Erſcheinen ber —— 

zur Arbeit. — Verpflanzen ber Kartoffeln. — Die 

aid obere). — Die Benuspung bes Kartoffelfraute u 
een 3 tefendünger. — Was von ber in dem „Sewerbeblatt 
tie Sachſen“ em nen milchfauern ſuͤßen Maiſche ats Fut⸗ 
—2 zu halten ſei. — Das Hoͤlbling'ſche Aderbaufoftem. — 
Die Braunkohle und ber Torf ale * Dungmittel. — 
gischen n. f. w. — Mnterhaltungsblatt: Der 
Bernftein. — Boikeſagen aus dem Grindelmalbe im Ganton 
Bern. — An den Mind. — Die kolumbaczer Müden im Banat. 


—————— DD EEE EEE 
Naturwissenschaftlicher Verlag 
von 
Em Meter in Leipzig, 

. ehpemar, Die Revotutionen bed Meeres. Aus 
dem Franzoͤſiſchen nit ziel Tafeln Abbildungen. Geh. 

15 Nor 


gr. 
intereffanteften Erſcheiaungen im Gebiete der neuern 
vuer pri —* een Raturfeeunde vielfachen 
off zum Nachdenken geben wich. 
, DB. E., Kurzer Abriß ber Entomologie, mit 
Befonderee Kuͤckſicht auf Deutſchlands Käfer, nach dem 
neuen Benennungen georbiiet. 22; Near. 

Müller, Z- XNR., Verſuch eines huͤttenmaͤnniſchen 87 
richtes uͤber einen ſehr vortheilbringenden Proceß, Sil⸗ 
ber und Blei aus ihren Lagern trocken zu ſcheiden. 
Ss. 8. 2te L Xhle. 10 Nor. 

über, F. A., Über Ernährung ber Pflanzen und 
Statik des Landbaues in Bezug auf die gekroͤnte Preis: 
fchrift des Dr. Hlubeck. 10 Mor. 


Bei B. Sönig in Bonn if ſoeben eufchienens 
OSaffen, Prof. Dr. Cho., Indiſche uenoumet nd· 
Erſten Baubes erſte Hilfe. Br, 8. Geh. Preis i6 

2 The. 15 Nor. (2 Thlr. 12 8* 
ch, Dr. L., Antiquitates Virgilienae ad vi- 
tam popali Romani descriptae. Gr. 8. Geh, Preis 

ı Thir. 20 Ngr. (I Thir. 16 gGr.) 
Mengt’, Kuten Hafael, faͤmmtliche hinterlaffene 
Schriften. Gefammelt und nad den Üriginaltepten 
eben von Pr. *. Schilling. Zwei Baͤnde. 

Sr. 8. Geh. Preis 3 The. 





ferang, 
tung. | 
jelen« 


Wegikrelle ‚Weihnachtsgeschenke. 

Wei dem Uutekzeilfniten-findıriffienek: -. 
Denkmäler der Baukunst aller Zei- 

ten und Länder. Von Jules Gailkabaud. 
Nach Zeichnungen der an Künstler ge- 
stochen vondæmaitre, ⸗ ie und Andern, 
Boll Fi Ga Test von de —— Kugler 
-Figeae, > d, , 

bois, A. Lenoir, G. de Pr ‚ Raouli- 
Rochette, L. Vaudoyer etc. — Für eutschland 
berausgegeben unter der Leitung vonDr. Franz 
Mugler, Piof. in Berlin Iste bis 36ste Lie- 
Gr.4. Jede Lieferang 15 Neger. (12 ed) 

er ganze Wert wirb Ai 0 Di Pal — 7 F 
mona we erfcheinen. co 0% er 
ften eieferungen ſind in alten ——— einzuſehen. 
Merculaaum und Pompejl. Vollstäu- 

dige Sammlung der daselbst entdeckten Malereien, 
Mosaiken und Bronzen. Gestochen von H. Rouæ ame. 
Mit erklärendem Text nacı L. Barde, von Dr. 
A. Kaiser und BU. ER". Sechs Bände mit 
1740 Kupfen. I Cart. 42 Thke. 

Bon diefem Werke A auch Grempiare in 186 Lieferun- 
gen, zu 6%, Ngr. (5 gr.) jede, zu haben, und fleht es Pi 
—— feei, dieſelben auf einmal, oder nach und nach ſich 
anzuſchaffen. 


Wei A. Jörſtner in Berli ſoeben ienen unb 
in allen Buchhandlungen zu —* ai erfiiienen m 


Die Tragödien des Sophokles. 


Metriſch ertrasen 


m. Zum; Fre —— 
Gr. 8. Broſch. 7 Thir. 





Saqherauetion. Im März 1844 wird durch den Um 
terzeichneten bie vom verſtorbenen Herrn —— Pro 
feſſor Dr. Gelenin! binterlaffene Bibliothek, fh im 
Drientaliſchen uns Altteſtamentlichen auszeichnet, "pet der⸗ 
ſteigert. —2 find duch alle Buchhandiungen und Anti 
—7x geſchaͤfte r beziehen. 
HBalle, am November TB. . 
3. 8. Pepe. 

Reu erſchien Tocben bei I. W. Mroc9yaus N Beipzgig 

und ift burd alle Buchhandlungen zu erhalten: 
Wied erlaudiſche Sagen. 


Geſammelt ur Baar it Anmerkungen Begleitet 
außgegeben 


Johaun "miete weik. 
Ru einem incn Kupfer. .. 
6x. 8. Geh. 








Un 2 me. 











20 
auf San. Miheiage von 


Alexander Duncher, 


Föntgf. boſouchdaadler in Bertin. 


+ 





Seäfin Ude Hahn: Hahn 


neneſtfes und mit allgemeissflens Beifall aufgenommenes Werk: 
Seel, 


' Zwei Bände. Eleg. geh. 4 le. 
—— — — — 
alion. Thir. — nnerungen an Frau wei Bände. it. — 
ee g —* — Die Rinder auf dem moenhberg. = 5b 'h; Sie — Der De 
ei) - Reifebeich. ( Spanien.) Zwei Bände. 44 Thlr. — Ein Neiſevserſuch Oi Kar en. 
1% Ehe. — Sigigmund Förſter. 1’ Thlr. — ut id ne Bände. 3% Thir. 
Das wohlgetroffene Dorfenit ber Graͤfin. 7 Thle. Auf chinefifhem Papler 1 Thlr. 
 @manuel Geibel, 
Gedichte. Spanische 
Ste vermehrte Auflage. VBolkslieder und 
| Eleg. geh. 1% Kür. Eteg. geh. 1% Thir. 
Auguſt Kopiſch, Emma von Niendorf, Kerl un HAoltei, 
a | Aus der Gegenwart. Die beſchuhte Katze. 
Güg. sch. 1’ Ahle Eleg. geh. 1 Thlr. | Eieg. geh. 7% Zple. 
or. Zimmermann, 
Geschichte des brandenburgisch-prei -preussischen Staates. 


ker. 8. Geh. 3% The. Schr dieg. — 4 Thir. 
Dies intereſſante Volks gibt in anſchaulicher Darftellung die ganze Entwickelung bes Baterfanbes, und verwellt mit 
ebührenden Ausführlichkeit, Bei ben weithiftorifchen Momenten und den Großthaten in der preußifchen Geſchichte. Es Eann —* 
Sn an er Gewiſſen empfoͤhlen werben und wirb ber heranwachſenden Jugend namentlich ein fehr willlommenes und 
el 


Für Jeden, ber Geſchichte neſt, namentlich auch für Schüler hoͤherer Claſſen, iſt ein gediegenes und fürs ganze Leben brands 
bares Geſchenk: 


WEDEZLL, B. von, Historisch-geographischer Hand- Atlas 


in 36 Karten nebet erlänternden Text. Mit einem Vorwort von F. A. Pischon. In 6 Lieferungen. 
Quer - Imp. Fol. 1ste und 2te Lieferang. & 1°, Thk. 




















An trefffichen Yugendfchriften empfehle ich: 


@itner,. a Die Abenteuer In ber Weihbnachtskrippe. Mit Titellupfer. Eleg. geb. im Futteral. 


—— Thekla Yon, Der Heine Vater und * Enkelkind. Mit Abbildungen. (leg. geb. 1 Thle. 
Kaliſch, W., Deutſche Gedichte für die Jugend. 4 Thlr. Feine Ausgabe mit Kupfern. 1%, Thir. 
Der nene 35 —— von A. Mit 10 Zeichnungen von Th. Hofemann und 
vielen Diane ge 9 Biefermigen. Gr. 5. Velinpap. In verzlertem Umſchlag. & ‘a Me, 
en e compfet cartonnitt. 2% The. 
art D elbe mit illumtnirten Kupfern, fehr eleg. geb. 3% Thlr. 
Narbel, Catherike‘, Üxercices de M&moire. Prem. Part., mise ä la portée des enfants. 13. Geh, M Thlr. 
Dasselbe, 7 Aveabe. Elegant tartonnirt. Tulr. 





- 


4 


Eoerben haben wi an bie verchritchen Gertimentöpanblungen verfandt hie eehe site ber Vegöten Eiiferung von 


Mozin’s 
vortpändigem Wärterbuch 
der dentfchen und franöfifsen Seraqhe, J 


nach den neueſten und beſten W 
über Sprache, Künſte und Pitenföaften; ; 
enthaltend die Erklärung aller Wörter, die Ausſprache des ſchwierigern, eine Auswahl erläuternder Beifpiele zur 
Verſtaͤndlichkeit ihrer verfchiedenen Bedeutungen, bie. hauptfächlichften finnverwandten Wörter, Spruͤchwoͤrter und 
fprüchwörtlichen Redensarten beider Sprachen, die Ausdride des franzoͤſiſchen Geſetzbuchs, die Münzen, Gewichte 





und Mafe der verfchledenen Staaten, ein De ber gebräudlichflen Eigennamen von Perfonen, Ländern, Sitäf: 


fen ıc. 


Mit Beiträgen von Guizot, Biber, Hoͤlder, Courtin und mehren andern Mitarbeitern. 


Aufs neue ducchgefehen und vermehrt von Dr. A. Peſchier, Profeffor an der Univerfität Tübingen. Bier Bände. 


In acht Lieferungen von ungefähr 30 Bogen. 


Subferiptionspreis 8 Thlr. 10 Ngr. (8 En „were oder 14 Fl. 


Jede Lieferung 1 Thlr. 174, Nor. (I Thlr. 1 gGr.), ober 1 Fl. 458 


— Beobachter. 


Die zweite Hälfte des fecheten Lieferung wirb noch vor Schluß des laufenden Jahres erföheinen, 


Sintigart unb Tübingen im Detober 1843, 


J. G. Cotta’fcher Verlag. 





In unserm Verlage ist soeben erschienen: 


Vollständiger Hand- Atlas 
der menschlichen Anatomie. 


SI N. " ass e: 
Deutsch bearbeitet 


Ä von 
Dr. Friedrich Wilhelm Assmann. 
Eirste und zweite Lieferung: 
Tre, Einleitung und Taf I—X, ueber Texr S.1— 32, 
8. In Umschlag eingelegt. 
Das ganze Werk wird aus 20 Lieferungen bestehen, 
“ deren jede fünf Kupfer der pariser Originalausgabe, nebst 
einem sehr sorgfältig bearbeiteten Text enthält. Der Preis 
einer Lieferung mit schwarzen Kupfern ist 11Y, Ngr., 
mit illuminirten Kupfern 17%, Ngr. Das Ganze wird 
bis Ostern 1844 vollständig erschienen sein. 
Leipzig, im November 1843. 
Brockhaus & Avenarius. 





Bei J. ©. aub in Düffeldorf ift foeben erſchie⸗ 
nen und in allen Buchhandlungen zu haben: 


Die Bongobasden. 
Ein Trauerfpiel in fünf Actem. 


Bon Karl NBeichfe mer. 
156 Seiten in 8. Auf feinem Belinpapier. In farbigem 
Umfchlag geheftet. Preis 22% Sgr. 


Wladimir's Söhne. 
Ein Teanestpiel in fünf Weten, 
Weichselbaumer. In far 


| 143 Geiten in 8. Auf feinem Velinpapier. 
bigem Umſchlag geheftet. Preis 20 Gar. 
Der Verfaſſer, durch feine früheren dramatifchen Arbeiten 


dem gebildet blicum vortheilhaft befannt, übergibt hiermit 
ee Beide ee Geüdhe ind mit aleidh | 


Awei neue Fruͤchte feiner Muſe 


poetiſchem Talente als —— Treue gearbeitet, ſowie durch 
meifterhafte Zeichnung des Gharaftere und ſchoͤne Einzelheiten 
geſchmuͤckt; fie werben gewiß jebem Freunde ber bramatifchen 

kiteratur eine willftommene Erſcheinung fein und bie allgemeine 
Aufmerkſamkeit auf fich sehen. 





Neue Romane, 
im Verlage von F. . Mesdifaus in Keipsig erſchie⸗ 


nen und durch alle Buchhandlungen zu beziehen: 


Ein Schloß am Meer. 


Roman 
Revin € —* Ading. 
Gr. 12. * Thle. 


Zwei Gräber. 


’ Georg Schirges. 
Sr. 12. rn 1 The. 18 Ngr. 


| GERRY. 
Yon der Berfafferin von ꝓCuementinen. 


3w 
&..12, Geh. 3: Fhle. 15 Rar.- : 
Im Jahre 1842 erſchien ebendaſelbſt: 





ü D 





&. 1%. Geh. 1 ae 


Piratenleben. 


Seeſeenen und ‚Eheroktesfkigien. 
Zwei Theile. 





» 


Ge. 12. :: Sch. Ar 


Drud um erlag von J. X. Brodtend in Seipzig. 











Eiterariſcher Anzeiger. 
E 1843. Nr. XXXOL 


Dieſer Literariſche Anzeiger wirb ben bei J. A. Brockhaus in Leipzig erſcheinenden Zeitfchriften „Biätter- für literariſche 
Unterhaltung” und „„Ifle” beigelegt ober beigeheftet, und betragen bie Infertionsgebühren für die Belle ober deren Raum 2%, Rgr. 
N —— — — — — — — — — — — — — — —— — — — ——— —— — 


Eiterariſche Nachricht. 


Der In Leipzig beſtehende Schillerverein dat in feiner Generalverſammlung am 9. December 1843 die 
Errichtung einer. 


Schillerbibliothek 


deſchloſſen, die vorerft in Leipzig, und, wenn dereinft thunlich, in dem Schillerhauſe su Gohlis aufgeſtellt werben 
- und RAes enthalten fol, was jemals in Beitfcheiften und Büchern von dem Dichter felbft und Über ihn und 
(eine Werke gefchrieben worden iſt. 

In Bolge der Im März db. J. ergangenen Auffoderung haben Buchhandlungen und Private bereit6 die nach⸗ 
folgende reihe Sammlung eingefmdet und damit die begruͤndete Ausficht eröffnet, daß es gelingen werde, biefe 
wirklich nationale Bibliothek zu begründen. Indem wie nun das nachflehende „Vischervergeichniß” veröffent- 

Sichen, bitten wir die Redactionen anderer Blaͤtter gefällig davon Notiz nehmen zu wollen und auf biefe Weile das 
Ihrige zur Vervollſtaͤndigung ber Bibliothek beizutragen. . M 


Ä Bücher-Berzeihni 
der Schiller-Bibliothek zu Leipzig. 
Angelegt im Sommer 1849. 


A. Ausgaben Schiller'scher Werke. Die von Orleans. Gine romantifdje Zragöbie 


von Gier. «Kalender auf Jahr 1802.) Berlin, Unger. 
Ber Kenusmagen. Gedicht von Epilier. Düne Beriags: 1802. (Mit handſchriftlichen Anmerkungen von Kr. Fa v.) 


ort und Jahr. 
ſolel in fünf | Verfuch_über den Iufammenhang ber afur 
Don Karlos, Infant 3 Spanien. Ein Trauerſpiet in fünf ai Inter en Ren j Kine Abpandlung, 















Acten von Ye. von Geiler. die Bühne t er geiffigen. 

bearbeitet kn Verf. Grraubgegehen von Dr. Beipreit. weiche in hoͤchſter Gegenwart &r. berzogl. Durchlaucht 
_ Sambarg und Altona, Bollmer. PH — — Asbemiiten a cn 
Dun € ach beffen urfprängtichem Entrourf gufammen: in der herzogl. Militatcafademie. Reue unveränberte Aufs 


fie 
° : 4 14 . l Wie ] W Ik DO 181 1. 8, 
eif@-Hifweifhetetifigen Ginkitung. Ganove, Hetwing. 1840.12. | gr Beropte auf DaB Sape 1TBR. Gehrudt in der Bude 


Dee * 4 druckerei zu Tobolsko abr 
ee Bu 8. te Auſlage. 1842 We ZBerte von unb über Gier des 3. ©. Cotta ſchen 


Don Carlos, Infant von panien, Bon Sr. Schiger. Berlags in allen Ausgaben und Auflagen. 


B. Sammelwerke. 
em, ———— — Ser Auflage. Zwei Bände. Zeitſchriften, Taſchenbücher u. f. w. 
Gedichte von Gr. von Schitzer. Zwei Bände. Mit zwei | Thalia „Heratiägegeben von Geiler. Iftes bis 12te6 Heft. 
E ulbigung” ber Shnfe. Gin ipeifäer Epie Mene Ehahln, Geraubenien or Geiler, Bier Binde 
D ⸗ in i iel d Le) . a 
ou ee. Zübingen, Cotta. 805. Fi no 8. Leipzig, Söfchen. 791 —9. 
Schiterꝰs Meuterlich f mit ber weniger befannten vorlesten | Die Horen. Eine Monatsfchrift, herausgegeben von Schitler. 
—— —E eulasfeier ge Schlacht bei Nürnberg Zwoͤlf Hefte in ſechs Bänden. Tübingen, Gotta. 179597. 8. 
Kleinere yrofaifge Ghriften von die. von Sainer. zus diſteeiſher ner fir Damen für bad Abe 1IE: 
- Da —— ee jeiof Arfammeit unk Sa Derfelbe Kalender für 1792. 
. Wchifeile abe, After Thei ig, . am 
8. — ter, 3ter und dter Theil. —5 — —— — 8. manch für das Jahr 1800. Herausgegeben von 
eſchichte des Wfalls ber vereinten e von Schiuer. Mit Kupfern. Täubingen, Cotta. 8. 
ber Paniſchen Iicng Von E47 Ghißer. Ifier | Schilter’s (und Soetheſs) Gentenzen und Tentenzibfe 
und 2tex Shell. Leipzig, Cruſius. 1—18. 8. — Iter te. Als Aufgaben für Stitäbungen u. f. w. Mit einer 
und dter —— — — 1800 unb 1610. (Bei ——— Pa Di Lange. Bertin, Schulze. 1842. 8. 
dieſer Ausge en des Iſter Theil und des Giteee e, Meflerionen und I Ergüffe. 
Aten Bandes Ifter heit.) arau unb —* a. 1831. Ki. grritse re 





“ 












— en leide zus er 
enze n Ausſpruche ꝛc. 
Ci Ko von Dr: FEN Ad —— Duebtinbung 


* Der — —— 228 


a von 1 werfen "Berfafeen, ek geſammelt und * 
von Ye, Sites. Iiſter Band. Leipzig, Cruſius. 


enge 
— Supplemente und —— 








Gef: 8 gan 
ber 63 zu art Sin, 
fortgel wi von er kant Zw Bände. ee Bor 
gel. 1823. 12. (Der arihe und 4te Band fehlt.) 
Sefäiäte des Des n Krieges von Br. von SH: 


ler, fortgefegt beeipiglährigen Rube an Briten. 
Bier Bände. Ebendaſelbſt. 1823. 
Bee borftepenbe Werte in Einem’ ande, Ebenbaſelbſt. 1831. 


esilers ſaͤmmtliche Werke volftändig in allen Beziehungen 
erflärt von Dr. Schlegel. Mit Buͤfie und Facſimile. Ate 

. Leipzig, Polet. 

Schiller's Werken. 


. ._ Binder. —S Retter. 
Nächleſe zu Pr. von Schiller's Tümintlt en Werken. 
Beforgt —F Dr. Heinrich VBöoring. Bei, Webel. 
U} rx. 3— 


D. Uebersetzungen. 


Schilleri Lyrica omnia. Latinis modis abtare tentavit 
Gustav Feuerl&in. Stuttgardiae, Metzleri., 1831. 8. 
(Mit dem deutfchen Text re due Seite.) 

Wallensteini Oastra. no Be @. Grisinger. To- 
bingae a ©. hard Ossiander. 1830. 8. (Mit deutfchem Texte.) 

Campana. Latine reddita, metro archetypi ad- 
jecti a Dan. P. Heine. Hameliae typis C. W. Haben vi 
dose, rg interpretis. 1820. 

Te. Tragedia di F. Schiller. Traduzione del 
Cav. A. eat. glano pergli editeri degli aanali uni- 


versali. 1835. 
a Btuarda. Tragedia di F. Schiller. Traduzione del 
A. Maffet. Beconda edizione riveduta dal Traduttore. 
Milo. 1838. 8. 
Semele e La sposa di Messina. Tra gedia di F Schil- 
ter. Traduzione del Eav. A. Maffei. Milseo. 1837 
soelto tradotto di Schiller. III. Don Carlo, In- 
fante di Dpegnn . Poema drammatico di F. Schiller. "Tra- 
duzione dei Pompeo Ferrario. Milano, Pirotta. 1819. 
Mary Stuart. A trogedy from the german of. Schiller. 
With other versiens of some of his best poems. By Wir 
liam Peter, Esq. London, Ridgway, Piccadilly. Heidel- 
berg, Winter, 1841, 
Bbenda- 


Wiülam Tell With notes and illustrations, 
. selbst. 1839. 

Digte af Friedrich von Schiller. Oversatte af Ochlenschlä- 
' ger. Ingemann, Holst o. A., samlede af Frederik Schal 


demose. Kjobenhavn, Salumon’s Forlag. 


E. Bricte. 

Geitei von & ifler's auserlefeue Briefe in deu 
T81— R, —— De 6° s 
“8. r vermehrte Ausgabe i e nden 
Mebei. Siess. —* (Iſte Kutgabe f. "uam 


er : Gllier'8, enthatten in ber Biograppe des Dr. 
We B. don joven. Ruͤrnberg, Schrag. 1840. Br. 6, 


F. Biographie, herein etc. 

En Leben. on Buep Sawab. 
—6 —— * Söilers. Aus dem € 

— von ie eine imo ae. 


Skizze einer Biographie und ein Wort 
über —A und feiner Säriften Charakter. Leipzig, K. Tauch⸗ 


Schilleriana i. Leben, Charakterzuͤge, Begebenheiten und 
Serie ven 58 — 
Urkunden über Ei und fü Mit einem 


Anhange und fünf neuen Briefen, worunter ein ungebrucdtee 
Autographon. Zum Beſten bes Marbacher Denkmals geſam⸗ 
melt und herausgegeben von Guftav Schwab. Gtutt- 
gart, Lieſching. 8. 
G. Hesthetische und Kritische Schriften über 
Schiller’s Werke. 


in t auf griechiſ 
— oͤble. — en Em. et ee 


PL — nigl. ——— — in 
5 8 
—2* „Yen ‘©. Köcher. 5 


Die Pia —E wie Soethe und Schiller daß 
chickſal behandelt. En 3* nes Melt, An ber 
Urania für‘ 1813, Amferbam Don Be —5 und 
—— » Somptoir 12 


Seite in In Fi —8 —— — 
einem Regifter * aha em Brodhaus. 1837 * 
.Allustrationen. 
Maſftrationen ae ——— Werten. 1 

Defte. — 8 Xhlographi ches * 1838, * 
Or I. Moubletten. 

enalmana 1800 

zu 5 für 


fa Dr. Nibrecht. 
Die Goren. ee nen Ites Heft. u 


Antike Marmorwerke 
ersten Male bekannt gemacht 
Erste und zweite Decade, 

Folio, In Carton. 8 Thir. 
















„ Nnover , Pet 1 














Erste Deoado. 1. Athene Agoraia. — 2. Artemis 
Seteira. — 3, Doppelkopf des Zeus. — 4. Zeus Dodonasos. — 
5. Zeus Jugend. 5 6. Zeus und A Ana. — T. den. — 
8. Selene und Endymion. — ’s Bestattung. — 
10, Des Piloten Heim Unkehr. 

Zweite Dooade. 1. Hermes der Rindardjeb. — 2, Dio- 
nysos Deudrites, — 3. Demeter "Thesmophoros. — 4. 
der Proserpins, — 5, Bros und, Anteres, — 6. ereleager. — — 
1. der —— Wü 9. Esrrhiche 
serharnisch mit — en. — Kalserbargigch mit 
Roma, zu deren Füssen erde und Me. 

Leipaig, i im December 188. 


1 ernekheun. 


ru Sn Sue 





| Preisherabsetzung des Pf ennig-Magazins. 





T.-V. Vand (1833 — -37) zufammengenommen 5 Thlr. 


VI.X. Baud (1838--42) zuſammengenommen 5 Thlr. 





I.X- Band (1833 42) zuſammengenommen 10 Thlr. 


@ingelne Jahrgänge 1 Thlr. 10 Ngr. 
Der Jahrgang 1843, oder ber Reue Folge eriter Band, 2 Thlr. 


Einer befondern Empfehlung des Pfennig: Magayins n wich es bei ber allgemeinen Verbreitung deſſelben nicht be⸗ 
duürfen. Die erſchienenen zehn Baͤnde enthalten einen großen Schatz von Belehrung und Unterhaltung über die ver⸗ 
ſchiedenſten Zweige des menſchlichen Wiſſens, und die vielen im Terte eingebruckten Holzfehmitte dienen ebenſo ſehr 


zum Schmude wie zur Erläuterung des Inhalte. 





Durd die vorfichende Preifermäßigung iſt den zahlreichen Be⸗ 
figern ber fchon früher im Preiſe herabgefegten erften fünf 


Bände Gelegenheit gegeben worden, auf billige Weiſe bie 


Fortſetzung zu erwerben und zugleich die Anfchaffung des ganzen werthvollen Haus: und Familienbuchs nah Moͤg⸗ 


lichkeit erleichtert. 





Als ein hochſt paſſendes Weihnachtsgeſcheuf fuͤr die Jugend empfehle ich: 


Pfennig - Magazin für Kinder. 


5 Sahrg. 1834 — 38, 


Herabgeſetßgter Preis 2 Ihe. 15 Nor. 





und bemerke zugleich, baf von bem ebenfalls im Preiſe ermäßigten 


Sonntags- Magazin. 


Aational - Magazin. 


3 Bände, 2 Thlr. 
1 Band, . 20 Ngr. 


Alle 4 Bände zuſammengenommen nur 2 Thle, 


fortwährend Eremplare zu haben find. 
Eeipßpzig, im December 1843, 


3. A. Brockhaus. 








Bei Meyer & 
im allen Buchhandlungen zu haben: 


Rrechiv für Schweizeriſche Geſchichte. Her- 
ausgegeben auf Veranſtaltung der allgemeinen genise 


forſchenden chaft der 

8. Broſch. 2 Thlr., oder Fi * Kr. 
Sottiuger, Dr. 3 D. (m der Geſchichte an 
De —* im Züri), 

Bensbratie 








——— sub 
in der alten Zeit, tee und 
Gtaat In der neuen. Zwei akademiſche. Borlefungen. 
1’, Nat. (9 gGr.), oder 48 Mr. 








Sei Georg Franz in Münden iſt erſchienen: 
Samregifter zu Rus Feriherru non Hormapıs 
SGhronik von Gohenfhwangen 
weichen & den  äufern dieſes Werks gratis nadıgetiefert wurbe 
noch niet empfangen haben fellte, betiabe «8 nur 
bei 58 Buchhandlung zu reclamiren, von welcher das 


De en Be RR Über weine bie shnftigften urthelle vov⸗ 





Zener in Z uͤ rich find erſchienen und | 7 empfiehlt hierbei ber Verleger jebem Geſchichtofreund 


Der Preis iſt 4 — 15 Nor. (« Thlr. 12 gGr.), 
oder 7 Fl. 38 K 





Durch alle Guchhandlungen und Poſtaͤmter iſt zu beziehen: 
ISIS. Encyklopaͤdiſche Zeitſchrift vorzüglich für 
Naturgeſchichte, Anatomie und NYhyſiologie. 
Bon Oken. Jahrgang 1848. Elſtes Heft. 
Gr: 4. Preis des Jahrgangs von 12 Heften 
mit Kupfern 8 un 
x fie Blättern füs literariſche Un⸗ 
ieaßnitung — iſt ein 
Riterarifcher Un Sngeigen 
und wird darin der Haum eines gefpaltenen Seile mit 2°4 Nor. 
beuechuet,. Beſondere B 2. werben ber ap 
1 Ki 15 Nge. beigelegt. 
eipzig, im December 1843, \ 
S. %. Brockhaus. 


- 


Im Verlage. von . WE. Brockßaus in Melpeis 
ift neu erſchienen und durch alle Buchhandlungen zu erhalten: 


Bwei Oriber 


Bon , 
Georg Schirges. 
Gr. 19. Geh. 1 Xhle. 18 Ngr. 





Sn der ZHäger’ichen Buch, Papiers und Eandlartenhand« | 


Iung in Frankfurt a. M. ift erſchienen und in allen Buch⸗ 
handlungen zu haben: 
EICH 


Die Mond 
egenwast 


@ine Nomsdie der 
von 


Heinrich Hoffmann. 
Pteis 22 Nor. (18 gGr.) 

Der Streit der GcheRing’icen und Hegel'ſchen Par 
teien, der Begenfag bes materiellen Schwindeis gegen den intel: 
Lectuellen in Deutfchland, iſt es vornehmlich, welchen ber Wer: 
faffer Hier in einer modern Ariftophanifchen Komödie zu behan⸗ 
dein verfucht. bat. | 





Bei Bricht. Bolckmar in Leipzig ift erfigienen und in 
allen Buchhandlungen zu finden: 


Geſchichte der Kreuzzüge 
JO. SPORSCHIR. 


Erscheint in 10 Lieferungen. Jede Lieferung ist mit einem 

. geschmückt, weicher die wichtigsten Momente 

bildlich darstellt. Preis einer jeden Lieferung 7, Ngr. == 
7 Kr. Rhein. — | 23 Kr. C.-M. 

Erschionen sind die 1.-— 8. Lieferung. Bis Heujahr ist das 

Werk vollendet. 


eine von fo überwältigendem JIntereſſe wie die jener 
kriegeriſchen religidfen Voͤllerwanderungen nad) bem Driente bar, 
weiche in der -Gefchichte unter dem Ramen ber Kreuzzuge 
fortieben. Das Land und bie Stadt, wo ber Erloͤſer gelebt 
und gelitten hat, ben Händen ber Unglaͤubigen zu entreißen, 
nur von diefer Idee war einige Jahrhunderte hindurch bas 
chriſtliche Abendland befeelt und ergriffen. Groß und wunders 
bar war dieſe Begeifterung in ihrem Gntflehen, und wunderbar 


Das garıe Jahrtauſend des Mittelalters bietet doch nur | 
09% 


blieb fie auch in ben Xhaten, bie fie veranlaßte, In ben Wer 
ken, die fie vollbrachte, in den neuen en, bie fie ſtif⸗ 
tete. Herr Gporſchil, deſſen hiſtorifche Arbeiten ſchon in 
einem fo großem Kreiſe gekannt find, hat auch hier bewieſen, 
daß er ber ſchweren Loͤſung jener Aufgabe gewachſen iſt. 


CHRISTIAN KRUSE'S 
ATLAS um TABELLEN 
Wubefiht er — — 

aller 
enzopdifden Ränder und Staaten. 


. I. vermehrte und verbesserte Auflage. 
40 Tabellen in Folie. Miı IS iluminirten Karten. Preis 10 Chir. 


Gef di chte 
es 
Entfiehens, des Wachsthums und del Große 
J der 
oͤſtreichiſchen Monardie. 


SPORSCHIL. 
Erscheint in 18 — 14 Lieferungen, jede 8 Bogen stark. 
Preis eher jeden Lieferung 10 Ngr. == 36 Kr. Rhein. == 


30 Kr. C.-M. 
Rrschienen sind die L.—5. Lieferung. Binnen Jahresfrist 
. ist das Werk vollendet. 
Aus dem Titel des Werkes, beffen 1. — 5. Pieferung 
bereits dem Publicum vorliegen, ergibt ſich auf den erften Bid 
bie hohe Aufgabe, welche ber Here Verfaſſer fich geſtellt hat, 


gleichwie man aus dem Inhalte der erfchienenen Hefte erkennen 
wird, daß feine Kräfte ihter Loͤſung gewachfen find. 


Ein Bud) für alle Srcunds Der conftitutieuneien Werfafung 

NRotteck Staatsreht ber eonftitutiounel: 
len Mouardie. Ein Handbuch für Geſchaͤfts⸗ 
männer, fiudirende Juͤnglinge und gebildete Bürger. 
2te Auflage vermehrt und verbeſſert von Kari ©. 
Motte. Drei Bände. Gr. 8. Broſch. Preis 3 Thir. 
18°%, M gr. . . 

Die neue Auflage dieſes beweift und t feine 
Brauchbarkeit. Dbiger Zitel Per den —* Veen er 
lich aus, und es wäre überfiäffig von @eiten bes Veriegers 
auch nur ein anpreifendes Wort da zu ſagen, wo Rotted'e 
gefelerter Name an ber Spige fteht, und fomit lautes Zeugniß 
gibt, was alle Freunde der conflitutionmellen Werfoffung hier 
zu erwarten bevedytigt find. 














Deutiche Allgemeine Zeitung, 


Auf diefe in meinem Verlag unter der Rebaction des Profeffors F. Bülan erfcheinende Zeitung neh: 
men alle Poſtaͤmter und Zeitungserpeditionen des In: und Auslandes Beſtellungen für das Jahr 1844 an; 
diefelbe Eoftet in Sachſen vierteljährlih 2 Thlr., in Preußen 2 Thlr. 26'/ Sgr., in den uͤbrigen Staaten 
aber wird ber Preis nach Maßgabe ber Entfernung von Leipzig erhöht. 

Die Deutfche Allgemeine Seltung erfcheint täglich Abends in einem ganzen en in Hoch⸗4. Sie 


ger aus den meiften in» und außereuropdifchen Staaten, jeboch mit befonberer Rü 


Mit auf Deutſchland, 


und 


riginal= Gorrefpondenzen und ergänzt biefe aus ben beften und en Organen des In⸗ und Aus- 


landed. Auch verfolgt fie neben ber Politik ebenfo die Be 
Handels und der Induſtrie. 


ber Literatur und Wiffenfchaft, forwie in dem des 


Anungen im Gebiete der Kunft, 


Juſerate aller Art finden. in der Deutfchen' Allgemeinen Zeitung bie weitelle Verbreitung, und wirb 


der Raum einer Zeile mit 2 Ngr. berechnet. 
Eeipzig, im December 1843. 


3. A. Brodbaus. 


Druck und Berlag. von FJ. X. Brocdaus in, Leipzig. 








@iterarifger Anzeiger. 


1843. Nr. XXXIV. 


Diefer eiterarifihe Anzeiger wird ben bei 9. A 
Unterhaltung” u 


Brodhaus in Leipzig ef 


enden Zeitſchriften „Blätter für — 


nd „Iſta⸗⸗ beigelegt ober beigebeftet, und betragen bie Infertionsgebühren für die Zeile ober deren Raum 2Y/, 


Bei mir ift erfhienen und in allen Buchhandlungen zu 
ten: . 


Das Klärchen 
geftiefelten Kater, 


in den Bearbeitungen von 


Straparola, Basile, Perrauli ı Perrault und Ladwig Tieck. 


Mit zwölf Kadir Radirungen 
von Dftto o &pedter. 


Kl. 8. Gartonnirt. 3 Thlr. 

Durch bie geiſtrei Radi Speckter's erhaͤlt dieſe 
ehrt De —e—n — —— zugleich 
ches Intereſſe. Auf eine ſchoͤne typographiſche Aus⸗ 
— iſt große Sorgfalt verwendet worden und es duͤrfte 

dieſelbe hiernach vorzugsweiſe zu Geſchenken ſich eignen. 

Reipsig, Im December 1843. 
3. U. Brockhaus. 





meinem Verlage find foerben erfchienen und in allen 
Buchhandlungen zu haben: 


deutſche Neötfüreibung. 


dan dbud 
Cehrer und zum Zelbetgebrauche 
8.8. Yang 


Oberlehrer am — zu Dietefeib, 
®r 8. Gh. 1 The. 10 Sor (1 Thlr. 8 gGr.) 


Die Regeln 
der 


Deutschen uni 


Ein Leitfaden, 
für Schüler beſtimmt, 


x» Fünget, 


Dberlchrer am Gymnafltum gu Wielefelb. 


-8 In ſteifem Umſchlag geheftet. 5 Sgr. (4 gr.) 
Beide Buͤcher zuſammen gewähren nicht nur für den unter⸗ 
ech eine, — Aushülfe, ſondern das größere wird auch 
leute Ieber Art — befonbers durch fein ausführ: 
fer von 4—5000 Wörtern — ein erwünfchter Bes 
m Te * eine oft get geräbtte Luͤcke ausfüllen. Man 
Ile ſich übrigens bei dem erke nicht etwa eine Ans 
Teltung zur eechtſchreibung En ee bhntiden Sinne bens 


tens vielmehr wirb man, bei näherer Anſicht, das günflige Ur⸗ 

heil Sachverſtaͤndiger, "dem zufolge „feit langer Zeit 
ein fo gutes und gebdiegenes Bert über deutſche 
Sprache erfhienen”, beftätigt finde 


Münfter, im November 1843, ' 
Friedr. Regensberg. 


Physikalische Geographie und Geologie. 


Im Berlage ber Buchhandlung vi von J. Balp in Bern 
ift erfchienen und durch alle Buchhandlungen der Schweiz und 
lands zu beziehen: 


Leh bug 
physikalischen Geographie und Geologie 
- B. Studer, - " 


Dr. und Srofeffor in "Sem. 
Erſter Theil , enthaltend: Die Die ‚Eve im Berhältnig zur 


chwe 
Mit Abritdrngen und Lihsgaphirten Cafeln. 
Preis 5 FI. 12 Kr. 

Dem 1837 x ienenen Lehrbuch der mathematifchen Geo» 
graphie fol f I ad ber phyfitalifchen nad ähnlichem Plane. 
Beide f er Phyſik an, die 
einen —* feſthalten, der ſich zwiſchen (der Kenntniß) 
der hoͤhern Mathematik und dem einer populairen Behandlung 
bewegt. Die Vorrede zum Werke ſelbſt wird die Freunde 





ließen fich num denjenigen 


| einer felbftändigen organ neuen Geftaltung des Stoffes auf 


den Ri ig richtigen St 


ndpunft der Beurtheilung in Form 
und Inhalt hinleiten. 





En vente chez Brockhaus & Avenarlusä Leipzig: 





de la litterature francalse. . 
Troisieme annıde. 1843. 

sh an Y ge Er er tous les m 

l’anneo 1843 parat se —— les deux 

—— er ea — ‘er 1 Echo au prix d’une 


Sommaire des Nos. 24—47. _- 

Nany Schinkel. Par André Deirieu. — Franciscus 
Columna. Par Ch. Modier. — Les gastronomes sous 
le Consulat et l’Empire. Par Le seorötalre on 

preuve des calmans, Par Le Guevel 

Lacombe, - — Magiciens — te. —— 
— Biographie des I rose vDn. — Le cars 
Chambard, Par Alexandre —— — Un auteur dra- 
matique. — Un diner à Saint-Domingue. Par 
EM. — Petites pialcs nociales. — Tribunaus. - 


7 


Das 


Durch alle Buchhandlungen und Poſtaͤmter iſt gu beziehen 
nig Magazin 
für Belehrung und Unterhaltung. 





0 Mus Solge. Erster Jchegeng. 


1848. MNopember, 
Inhalt: 
*Der Heilige Michael. — Die Vendetta. — Aus Lapp⸗ 
tand. — Schreckensnacht. — * Rettungsmittel von Schiffs 
brädigen. — Zur Geſchichte der Blasmalerei. — Die große 
Waflerleitung nach Neuyork. — Gin Uunglüd zur Ger. — Die 
Gröffnung der Rheinifch» Belgifhen Gifenbapn. — * Die 
chiſche Rice. — Das Lynchgeſez. — Die Verſuchung des 
— * Schloß enſtein. — Der Kleiderluxus. — Die 
Blut aus dem Gefaͤngniſſe. — 
und ber 


Mr 4 — AN. 








Die Zigeuner. — Rapolson 
Savoyarde. — Die Bultansgräber in Konftantinepel. — 


‚ * Die Vereinigten Staaten von Norbamerila. — Cine Liebe iſt 


der andern werth. — Die Zagb auf bie Kaimans. — * Birafs 
fen und XAntilopen mit ihren nubifchen Waͤchtern. — Was ein 
Menſch ertragen Tann. — Die parifer koͤſchmannſchaft. — Der 
Zempel zu Ramiferam. — Beleuchtung der Schiffe auf bem 
Meere. — Jobſt Sackmann und der falfche König. — * Paske⸗ 


witſch. — Das Bottesurtheil. — Die Gewinnung bes Acajou: 


‘ 


LT. Band (1833-3 
YL-Z,Banb (1837 


ahagoniholzes in . — Die ſchuͤgenden Talismane Kon 
fkantinopels. — Gin greilee Moͤrder. — *Der Stubent unb 
der Büchertröbler. — * Der Delphin. — Aus dem Leben Zub: 
wig Philipp’s, Königs der Franzofen. I. — Die. Seemanns⸗ 
probe. — Aus der Chronik des Monats October. — Mouffi- 
rende Mainweine·— en. 
Die mit * begeiäneten Aufſaͤtze enthalten 


eis des Jahrgangs von 52 Nummern 2 Thlr. An⸗ 
Fin gungen werden mit 5 Nor. für den Raum .einer 
defpaltenen Zelle berechnet, Befondere Auzeigen ze. gegen 
Vergütung von ?/, Thlr. für das Tauſend beigelegt. 


Die aus 10 ĩ end I 
un Be Een eg 


L--X.2Saud (1833-42) zufammengenommen 10 hir. 
zufammengenommen 5 Thic. 
Imuſammengenommen 6 Thlr. 
eine Jahrgänge 1 Thir. 10 Ngr. 
Zu ermäßigten Preiſen find fortwährend zu beziehen 
Pimmig - Fila azin für Kinder. Fuͤnf Bände, 
j . r 


National - Magazin. Ein Band. 20 Nor. 
Sonntags Flagazin. Drei Bände. 2 Thlr. 
Die legtern beiden Werke sufammengenommen nur 8 Able. 
Meiysis, im December 188. 
$: RL, Brockhaus. 


’ 


t voAffaudi 
iſt bei oe IR rd art erſchienen $ in Drud u. Papier 
vorzüglih ausgeflattete Broßoctavaugsgabe von: 


eine ober mebre Abbilbungen. 








er. 
15 Bande. Er. 8. Geh. Subferiptionspreis 18 Thlr., 
ober 38 Fl. 15 &. 
Wie Torben verfandten Bände 14 und 25 geben Bulwer's 
neueften Roman, den „Legten ber Barone”, und es enthält 


- vo en find, 
De nahe d 


LS 


ehr dieſe a et ſchoͤne e ſammtliche 14 

dire Romane ER —* Bender, de om Bafioer 

vol % und liegt ſetzt wellendet vor. 

hn es ganzen Werks bleibt ber Subſcriptionspreis 

noch einige Zeit offen, einzelne Romane aber werden nur zu " 
19, Thlr., oder 2 FL. 20 Kr. per Band abgegeben. 


zur Aluſtration dieſer Ausgabe im 


1-geigen — dem Kitel: 


Balerie zu Wulwer’s Romanen 
funfzehn vorzügliche Stahlſtiche, welche je eine Scene 
aus jebem der 14.9 omäane n "dern Mühe ulm 
darftellen, und. nur 1% Ihlr., oder 3 Bi. Bu Aitei. 


ef 
6 R 8 — 2 ⸗ . 
allen Buchhandlungen Deut lands, — —— 





In der T. Tonutweinſchen and kalien⸗ 

Haren * @uttentsg) —* if —— — 

en: 

Moriarty, E. RN., Leben und Wirken O'Connell's, 
mif deſſen Denkſchrift an die Königin von England. 
Mit einem Portrait. Gr. 8. Geh. 1 Thkr. 

Frauke, J. F. (Dr. Hauthal), Chriftophorus. 
Mit einer ODriginallithographie vom Prof. Begas. 
4. Cart. 1 Thlr. 15 Nor. (1 Tu. 12 gGr.) 

Fruͤher erſchien dafelbft in Gommiffion: 

wei Briefe eines Pietiſten an einen Rationgliften, 
nebft Eritifchen Anmerkungen, herausgegeben von einem 
modernen Philofophen. Gr. 8. Geh. 7, Nagr. (6 gr.) 





Soeben ift nun von ſftändig erfchienen: 
KMirchhofer, Joh., Quellensammlung zur Ge- 
schichte des neutestamentlichen Kanons bis auf 
Hieronymus, herausgegeben und mit Anmerkungen 
vorsüglich für 4 Tale, 29% N Th * 33 Be- 
gen. Brosch. . , Ner. (2 .18 gGr. 
oder 4 Fl. 48 Kr. ( g6r.), 
Diefes Werk tft bereits von mehren theologiſchen Beitfchrif: 
ten beider GSonfeffionen als für Katholiten wie Proteflar: 
ten intereffant und nuͤtzlich ſehr empfohlen worben. 


Meyer & Zeller in Zürich. 





Preisherabsetzung. 


Gedichte 





von 
Hoffmann von Fallersdeben. 
Zwei Bändchen 


Sr. 19. 1834. Geh. 3 Thir. 
Herabgelehter Mreis 1 Thlr. 


Die von dem Dichter im Einverſtaͤndniß mit mie veran- 
flaitete neue Ausgabe "feiner Gedichte, welche im Berlage ber 
Weidmann’fhen MWuchhanblung in Leipzig exfihien, veran- 
laßt mich obige — a fe hexabzufegen. 
Eeinzig, im December 
I. Srockhaus. 








—X 


Ba dveageſcheut⸗un. 





In Unterzeichnetem ‚ind fpeben erfchienen und durch alle Buchhandlungen zu beziehen: 





Ein Traue 





nont. 
ſpiel in fuͤnf Aufzuͤgen 
Goethe. 


Elegante Ausgabe in engliſchem Einhanbe mit Goldſcnitt und einem Gtapifkic. 


Preis 26% Nor. (21 gGr.), oder L RL. 24 Kr. 





Seite 


Augu von Platen. a 


Elegante Ausgabe in | 
eganie Ausgabe englifcem 


nbande mit Goldſchnitt und einem Stahlſtich. 
2 Thlr., oder 3 Fl. 30 Kr. 
Diefe huͤbſchen Ausgaben reiben ſich an bie in gleichem Format und gleicher -Ausftattung bereits 


chienenen Editionen 


von Goethes Fauſt, Hermann und Dorothea, Schiller's Tel, Wallenftein und den. Gedichten von Goethe, Schiller, Lenau, 


Uhland, Freiligrath, Hölderlin. 
Srtretgart und Tübingen, im November 1843. 


J. ©. Cotta’fcher Berlag. 





Neu erfheint in meinem Verlage und iſt durch alle Buchs 
hanblungen zu erhalten: u 


Die 
Butifpiele des Ariftophanes. 


Überfegt und erläutert 
.wT 
Hieronymus Miller. 
In drei Banden. 


| Geder Band. 
Gr. 8. Geh. 1 Zhle. 24 Mer. 

Diefer erſte Band einer neuen Üüberfegung des Ariſtophanes⸗ 
bie ih Geltung neben Voß und Oroyſen zu ſichern wiffen 
FE Ne 
Dramas, lntse“‘, „Hösoien‘ und „Neöfcher. 

Reipgig, im December 1843. 
F. A. Brockhaus. 


Bei Beprg Franz in München ift erfchieneh und 
durch alle —— — beziehen: 





Maltig, Freiherr —— Bon, Drama⸗ 
tiſche Einfaäͤlle. ter Band. Enthaltend: 1) Der 
Nachlaß. — 2) Friederike und Gretchen. — 3) Sprung 
und Ruf. — 4) Zaube, Rabe und Geift. 8. Broſch. 
1 Shlr. 10. Ngr. (1 Thlr. 8.9@r.), oder 2 Fl. 

Der früher erfchiegene und wit vielem Beifall aufgenom: 
mene Ifte Band enthielt: 1) Der Korb und bie Portraits. — 

2) Der Diäter und das Maͤdchen. — 3) Die beiden Phi: 

Ioktete ober Die beiben Wifitenfarten. — 4) Des häuslichen 

Swiftes Jahrestag. — 5) Silentium. — 6) Mignon. — 


7) Der Boiſchafter und der Courrier. — 8) Dampfmafchine 


und Ehrenwort. 





In unserm Verlage erschien soeben und ist in allen 
Buchhandlungen zu erhalten: . 


Die 
Einführung der Reformation 
im Hiochstifte Merseburg, 


össtentheils 
nach handschriflichen Quellen dargestellt 


Als. Fraustadt. 
Gr. 8. Geheftet. 1% Thlr. 


Diese Schrift ist keigeswegs von blos localem Interesse, 
da die genauere Darstellung der einschlagenden Verhältnisse 
als ein wichtiger Beitrag zu der Geschichte der sächsischen 


Reformation und des deutschen Reiches in jener Zeit an- 


gesehen werden darf. 


Leipzig, im November 1843. | 
Friedlein & Hirſch. 





In unſerm Verlage iſt ſoeben erſchienen und durch alle 
Buchhandlungen zu beziehen: 


Beife eines Norddentſchen 
durch die 


Boch pyrenaäen 


VJahren ‚1 ud 1812, 
on 


Mn R. . 
Bwei Theile: Gr. 12. Geh. 2 The. 20 Rgr. 
Eelprig und Paris, im December 1843, 


Brockhaus. A 


Buchhandlung für dentſche und ausiänbifcke Gitsratur. 


x 











Der nenne Pitaval. 
Cine Sammlung der intereffanteften Criminalgeſchich⸗ 
ten aller Länder aus älterer und neuerer Zeit. 
Herausgegeben von 
Dr. 3. €. Hitzig und Dr. W. Häring (W. Alexis). 
Erſter Bis vierter Theil. | 
Gr. 13. Seh. 7 Thlir. 24 Nor. 


Inhalt bes erften Theile (Preis 1 Chir. 34 Wgr.): 
Karl Ludwig Sand. — Die Ermordung bes Fualbes. — 
Das Haus der Frau Web. — Die Srmorbung bes Pater Tho⸗ 
mas in Damastus. — James Bind, ber royaliſtiſche Straßen⸗ 
zäuber. — Die Mörder als Reiſegeſellſchaft. — Donna Maria 
Bicenta de Mendieta. — Die Frau bes Parlamentsrath Tiquet. — 
Der falfche Martin Guerre. — Die vergifteten Mohrrüben. 
Anhalt des zweiten Theils (Preis 2 The): 
ont und Hamacher. — Die Darquife von Brinvillier. — 
Die Geheimräthin Urfinus. — Anna Margaretha Zwanziger. — 
Gele Margaretha Gottfried. — Der Wirthſchaftsſchreiber Tar⸗ 
now. — Die Mörbderinnen einer e. — Die beiben Nuͤrn⸗ 
bergerinnen. — Die Marquiſe de Gange. 
Anhalt des britten Theile (Preis 2 Chlr.): 
Struenfee. — Leſurques. — Der Schwarzmäller. — Der 
Marquis von Anglade. — Jacques Lebrun. — Der Mord des 
Lord William Ruſſell. — Nidel Liſt und feine Gefellen. — 
Berthelemy Roberts unb feine Flibuſtier. 
Inhalt des vierten Theils (Preis 2 Ehir.): 
Singmars. — Abmiral Byng. — Der Pfarrer Riem: 
bauer. — Der Wagifter Zinius. — Eugen Aram. — Der 
Maͤdchenſchlaͤchter. — Die Sindesmörberin und die Scharfrich⸗ 
terin. — Sean Calas. — Jonathan Brabfort. — Der Biegel: 
brenner als Mörder. — Der Herr von Pivardiere. — Klara 
Wendel, oder der Schuitheiß Keller'ſche Mord in Luzern. 
Eeipzig, im December 1843. 


$. @. Brockhaus. 


Im Verlage des Unterzeichneten ift erſchienen und“ durch 
alle Buchhandlungen zu beziehen: 


| Haundbunch 
claffifhden Mythologie 


nach genetifchen Grundfägen | 
für höhere Lehranflalten und zum Selbſtſtudium entworfen 


von 
Dr. Gufi. Emil Surkhardt, 


Rector in Lügen. | 
Erſte Abtheilung: „Sriehifhe Mythologie.” 
Erfter Band. 





Auch unter dem Zitel: 


Die Mythologie des Homer und Heſiod 


für mittlere Symnafialclaffen 


Zzugleich als 
Somerifhe @inleitung. 
Gr. 3. Preis 1 Thlr. 22 ANgr. (1 Thlr. 18 gGr.) 
. Mater ben mannichfacden Hülfsmitteln, welche ber ſtudi⸗ 
xenden Sugend bei der Lecture ber alten Clafſiker geboten wer: 
den, fehlte es bis jegt noch an einem Handbuche, welches bas 
wirre Gebiet der griechifchen und roͤmiſchen Mythologie, deren 
Studium auf Gelehrtenfchulen meift dem Privatfleiß überlaffen 


7 


“ 


bleibt, in feiner allmäligen Entwidelung Mar vor 
Augen führte. Mit ben erften Quellen (Homer und Hefiod) 
beginnend, wird ber Herr. er im zweiten Bande 
bie weitere Ausbildung der griechiſchen Mythologie unter ſteter 
Hinweifung auf bie Schriftſteller jeder Periode entwideln,: und 
endlich in einem dritten und legten Bande die altita 
liſche fowie die fpätere roͤmiſche Dichter --und Staatsmythologie 
umfafien. — Wir machen Gchulvorfteber und jeden Freund 
bes fen Alterthums auf den erichienenen erften Band 
aufmerkfam, deſſen Brauchbarkeit überdies noch durch umfaf- 
fende alphabetifhe Regifter vermehrt ift. . 


Einige Worte 
über das Verhaltniß 


Kunſt krank zu fein jur Kunſt geſund 
30 fein, 


Bon 
Karl Sultan Carus, 
Hof⸗ und Mebicinalrath, —— S. M. des Könige von Sachſen, 
tter ac. 
Gr. 8. Preis 11. Nor. (9 gGr.) 
Eeipzig, im December 1843. 


Anguſt Weichardt. 


Mignet! 


alle Buchhandlungen zu beziehen: zis erſch ſ buch 


Miguet, * A., Hiſtoriſche Schriften 
und Abhandlungen. Aus dem Franzoͤſiſchen 
überfegt von 3. I. Stols. | 
Zwei Theile. Gr. 8. Broſch. 3% Thlr. 

‚Dies Berk des berühmten Hiftorifers zerfällt in zwei 
heile, wovon der erfte acht Biographien ausgezeichneter Män- 
ner enthält, die fih in der neuern Gefchichte ald Staatsmaͤn⸗ 
ner oder Gelehrte berühmt und verdient machten. Der zweite 
Band enthält drei hoͤ FR wichtige eben fo geiſtvoll aufgefaßte 
als Plar dargeftelte Abſchnitte aus der europaͤiſchen Eultur 
und Staatsgeſchichte. Germanien im 8. und 9. Jahrhumdert, 
feine Belehrung zum Chriſtenthum u. [ w. Serritorial= und 
politifhe Bildung Frankreichs vom Tl. bis 15. Jahrhundert. 
Einleitung in die Gefchichte der fpanifchen Erbfolge. > 

Die geachtetften ausländifchen und deutſchen Blätter haben 
— ziert Figeete als a eos arbeit anerfannt. Die 

arftelung ift-gediegen, einfach, gedraͤn ar, die hiftori 
ibm de eines Mannes von — * Berftande un Mönchen 
uge. 











Im Berlage von F. X. Brockhaus in Beipzig 
iſt neu erſchienen und durch alle Buchhandlungen zu erhalten: 


Jenny. 
Don der Verfasserin von „Clementine“. 
Zwei Theue. 
Sr. 12. Geh. 3 Thlr. 15 Mor. 
Im Jahre 1842 erſchien ebendaſelbſt: 


Clementine. 
Gr. 12. Geh. 1 Thlir. 


Su 


Driud und WBerlag von J. U. Broddaus in Leipzig. 



































424 
* 4 Dr m ' 


us - XXXXXXXXCEEE —— .. . n . " ._ “ \ } . j 
. on .— 


Fi ng ul ng U — ⸗ 





EL 3 


7 





. 


remtanpaiee 





TFT IE 


* un